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JAHRESBERICHT

über

die rortschritte der classischen

Altertüumswissenscliaft

herausgegeben

Conrad Bursian,

ord. öffentl. Prof. der ciaffifchen Philologie an der Universität München

Neunter Band.

Fünfter Jahrgang. 18 77.

Erste Abtheilung:

GRIECHISCHE KLASSIKER.

BERLIN 1879, VERLAG VON S. CALVARY & CO.

W. Unter den Linden 17.

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Inhalts - Verzeichniss

des neunten Bandes.

Seite

Bericht über die Homer betreffenden Schriften, die in den Jahren 1876 und 1877 erschienen sind von Prof. Ed. Kam- mer in Königsberg 81 166

I. Ausgaben 81. Ilias 81. Odyssee 89. Einzelne Stellen 9''.

II. Zur Textkritik gehörige Schriften 101. Allgeraeines 101. Schollen 119. Handschrift 121. III. Grammatisches 121. Hiatus 121. Syntax 122. Formen 124. IV. Lexika- lisches 125. Allgemeines 125. Spezielles 128. V. Höhere Kritik 131. Die Homerische Frage 131 Echtheit und Un- echtheit: Ilias 134 und Odyssee 143. VI. Realien 152. Lokal- Forschung 152. Mythologisches 157. Vermischtes 159. VII.

ie homerischen Hymnen 161. Allgemeines 161. Hymnus auf Apollo 162; Pan 162; Demeter 163; Hermes 165.

J;.hresbericht über die im Jahre 1877 veröffenthchten , auf die nachhomerischen griechischen Epiker bezüg- lichen Arbeiten von Prof. Dr. Hans Flach in Tübingen. 1—13

Hesiod. 1. Fragmente 7- Theognis 8. Maximus und Am- mou 10. Nonnus 11. Musaeus 12.

Bericht über die Griechischen Lyriker von Prof. Y. Blass in Kiel. (Folgt im nächsten Jahrgange).

Bericht über die Griechischen Bukoliker von Oberlehrer Dr. Th. Fritz sehe in Güstrow. (Folgt im nächsten Jahrgange).

Bericht über die die griechischen Tragiker betreffende Literatur des Jahres 1877 von Prof. Nicolaus Weck lein in Bamberg 201—248

I. Griechische Tragiker im Allgemeinen 201. Frag- mente 2U8. II. Aeschylus 208 Allgemeines 208. Prome- theus 211. Septem 211. Persae 213. Agamemnon 215. Choephorae 217. Fragmeute 220. III. Sophocles 221. All- gemeines 221. Ajax 227. Electra 227. Oedipus Tyrannus 229. Antigene 230. Oedipus Coloneus 232. Philoctetes 233.

Fragmente 233. IV. Euripides 233. Allgemeines 233. Bacchae 242. Hecuba 242 Helena 243. Heraclidae. 243.

Hercules 243. Supplices 244. Hippolytus 244. - Iphigenia in Aulide 245. Ion 246. Cyclops 246. Medea 246. Ore- stes 246. Rhesus 246. Troades 248 Phoenissae 248. Fragmeute 248.

Bericht über die Griechische Komödie von Director Dr. A. von Bamberg in Eberswalde. (Folgt im nächsten Jahrgänge^.

Jahresbericht über Herodot für 1876 und 1877 von Director Dr. H. Stein in Oldenburg 325—335

Entstehungsgeschichte 325. Literarhistorisches 331. Gram- matisches 333. Lesarten 334. Realien 334.

IV ^ - Inhalts- Verzeichnis?.

f Seite

Bericht über Thucydides von Prof. Dr. A. Schöne in

Paris. (Folgt im nächsten Jahrgange). Bericht über die 1874—1877 veröffentlichten auf Xenophon bezüglichen Arbeiten von Oberlehrer Dr. W. Nitsche in

Berlin 14-80h

I. Die kleinen Schriften 14. Convivium 14. Oeconomicus 16. Reitkunst; Hipparchicus'; Cynegeticus 22. Staat der Lace- dilmonier 23. - Hieron 25. Von den Einkünften 28. Agesilaus 30. Schrift vom Staate der Athener 34. II Die grösseren Schrif- ten 42 Memorabilia 42 -- Apologia Socratis 55. Cyropaedia 55. Anabasis 03. - Hellenica 7G Varia 80e. Nachtrag 80f.

Beiicht über Griechische Historiker ausser Herodot, rhucydides und Xenophon von Prof. Dr. C. Schenkl in Wien. (Folgt im nächsten Jahrgange) üericht über die auf die attischen Redner und die griechischen Rhetoren bezüglichen, von der Mitte des Jahres 187.5 bis zum Herbst 1877 erschienenen Schriften

von Prof. Dr. F. Blas s in Kiel 249-297

I. Attische Redner 249. Allgemeines 249 Antiphon 258. Andocides 259. Lysias 259. Isocrates 267. Isaeus 268. Demos thenes 270. (Allgemeines 270; Demegorien 273; Gerichts- reden 278 ; Briefe 288.) Aeschines 289. Lycurgus 291. Hyperides 293. Dinarebus 295. II Griechische Rhe- toren. Longinus 295. Apsines 296. Demetrius 297.

Bericht über die im Jahre 1876 über Plato erschienenen Arbeiten von Prof. Dr. Martin Schanz in VVürzburg 167- 200 I. Allgemeines 167. Literatur -Uebersicht 167. Biographisches 167. Schriften. Echtheit und Reihenfolge derselben 168 Pla- tonische Philosophie 171. Handschriftliches und Texteskritik 178. IL Die einzelnen Dialoge 188. Apologia 188. Phaodo 188. Cratylus 189. Theaetet 190. Philebus 190. Sympo- sion 190. - Phaedrus 193. Protagoras 194. Gorgias 196 Meno 197. Republik 197 Timaeus 198. -- Leges 200. III. Platonische Scholien 200.

Bericht über Aristoteles für das Jahr 1877 von Prof. Dr. Franz Susemihl in Greifswald 336 364

Allgemeines 336. Organen 341. - Metaphysik 344. Physik 347. Psychologie 347. Parva Naturalia 348. Ethik. 353. Politik 354. Rhetorik 357. Poetik 358.

Bericht über die späteren Griechischen Philosophen von Prof. M. Heinze in Leipzig. (Folgt im nächsten Jahrgange.

Jahresbericht über Plutarch's Moralia für 1876 und 1877

von Dr. H. Heinze in Marienburg in West-Pr. . . 298—324

Erscheinungen des Jahres 1876 298. Erscheinungen des Jahres 1877 307.

Bericht über die Griechischen Grammatiker von Prof.

Dr. P. Egenolff in Mannheim. (Folgt im nächsten Jahrgange). Bericht über die späteren griechischen Prosaiker von Director

Dr. A. Eberha rd in Elberfeld. (Folgt im nächsten Jahrgange).

Jahresbericht über die im Jahre 1877 ver- öffentlichten, auf die nachhomerischen griechi- schen Epiker bezüglichen Arbeiten.

Von

Prof. Dr. Hans Flacli

in Tübingen.

Die beiden ältesten Handschriften des Hesiod und ihre Bedeutung für die Textkritik. Dazu ein Facsimile des cod. Med. XXXI, 39 Oper, et D. V. 142—161. Von H. Flach. Leipzig. Teubner 1877. 32 S.

Diese Arbeit wurde in der seit längerer Zeit zum ersten Mal wieder in Tübingen mit Glück zusammengetretenen und hoffentlich durch pädagogische Concurrenz nie wieder dem Untergang verfallenden kritisch- exegetischen Section vom Referenten vorgetragen. Die Abhandlung hat einen doppelten Zweck, erstens die Basis nachzuweisen, welche uns für die Textkritik der hesiodischen Gedichte gegeben ist, und welche dem Refe- renten bei seiner Kritik massgebend gewesen ist, zweitens die Fehler auf- zudecken, welche die neuesten Herausgeber begangen haben. Was den ersteren Punkt anlangt, so haben wir für die Oper, et D. eine verhält- nissmässig gute Ueberlieferung, da die älteste Handschrift Med. XXXI, 39 saec. XI, die zwar von einem Ignoranten geschrieben und von Feh- lern angefüllt ist, aber von einem guten Exemplar in Uncialschrift her- rührt, den Text an fast allen Stellen zu bessern im Stande ist, selbst in mehr Fällen, als es bereits nach der vortrefflichen Collation von Kinkel in der Ausgabe von Koechly-Kinkel geschehen ist. Besonders bekommt der hesiodische Dialekt durch Einführung dieser Lesarten eine noch mehr vom homerisch -ionischen abweichende Färbung, da die Aeolismen durch Einführung vieler Psilosen, durch das Fehlen von Flickpartikeln vor digammirten Wörtern, und durch sonstige Eigenthümlichkeiteu er- heblich vermehrt werden. Referent sucht hierbei zu beweisen, dass ein Theil der gewöhnlichen Lesarten auf Rechnung der alexandrinischen Grammatiker zu schreiben sei. Diesem Mediceus am nächsten steht der cod. Messanius saec. XII, aus dem Parisinus 2773 saec. XIV geflossen ist, und der Zweitälteste Parisinus 2771 saec. XI (wie Referent allerdings beim Vortrag noch nicht gewusst hat), welche zur besten Handschriften- Jahresbericht für Alterthums-Wissenschaft 1877. I. 1

2 Naclihomerische griccBische Epiker.

faniilie geliörcn. Schlechter steht die Kritik bei Theogonie und Scu- tum, deren älteste Handsciirift Med. XXXII, 16 saec. XII oder XIII zwar Yortrctt'liche Lesarten uns ganz allein oder zuerst erhalten hat (z. B. Theog. 333 06pxü, 567 ddxsv 8s k, 798 xaxhv de k, Scut. 445 idouaa ima u. a.), aber leider von einem Schreiber geschrieben ist, der an zahlreichen Stellen willkürliche Aenderungen vorgenommen hat, so dass die Handschrift in der Kritik nicht die Bedeutung haben kann, wie der \ Med. XXXI, 39 für Oper, et D. Es ist aber die einzige, die von einem guten Exemplar herzurühren scheint, während beispielsweise der cod. Triclinianus und der Par. 2708 diesen Vorzug nicht mehr besitzen. In Betrefi" der Fehler der neueren Herausgeber fällt ein Theil der Schuld auf Leunep, der eine Collation zu Oper, et D. des Paris. 2771 saec. XI (bei dem der Pariser Häuptkatalog irrthümlicher Weise als Inhalt Hesiodi cum Theogonia scholiis angiebt) constant als Paris. 2773 (Q) saec. XIV aufgeführt hat, worin ihm Koechly-Kinkel auffallender Weise nachgefolgt sind, so dass erst Keferent eine wirkliche Collation des Paris. 2773 zuerst vorgenommen und den Werth dieser Handschrift dadurch festgestellt hat. Den zweiten Fehler haben Koechly-Kinkel allein begangen, indem sie den sogenannten codex Schellersheraianus saec. XIV (der im Anfang die- ses Jahrhunderts nebst einer Herodothandschrift von Florenz nach Deutsch- land gewandert, im Besitz des Baron von Schell ersheim war, und von ihm an Creuzer, Thiersch, Werfer, Birnbaum u. a. geliehen wurde, dann auf bisher unerklärte Art nach Florenz zurückgekehrt ist) nicht conse- quent als den heutigen Laurentianus Bad. 2823 secondo bezeichnet haben, nachdem diese Thatsache durch die Herausgeber des Theokrit bereits festgestellt worden war.

. Receusion von Clemm in Zarucke's Centralblatt 1877 No. 38 S. 1287.

Recensiou von H. Flach, Dialektisches Digamma von C. Capelle im Philol. Anzeiger VIII S. 69—72.

Recension von H. Flach, 1) System der hesiodischen Kosmogonie, 2) Hesiodische Gedichte, 3) Dialektisches Digamma des Hesiodos von R. Volkmaun in Jenaer Lit.-Zeit. 1877 No. 9 S. 142—144.

Recension von H. Flach, Glossen und Schollen zur hesiodischen Theogonie von d in Zarncke's Centralblatt 1877 No. 49 Sp. 1628 bis 1630, von H. Weil in Revue critique 1877 No. 6 S. 95 97.

De fontibus grammaticis scholiorum ad Hesiodi Opera et Dies. Von H. Flach in Jahrb. f. Phil. 1877 S. 433-440.

Referent, der in seiner Gesammtausgabe der Schollen und Allego- rieen zur hesiodischen Theogonie (Leipzig 1876) die Fragmente des Ari- stonikos und Didymos S. 96-120 sorgfältig zusammenzustellen sich be- niülit iiatte, giebt hier die alexandrinischen Fragmente (ohne Didymos)

Hesiod. 3

in den Schollen des zweiten Gedichts, die einer neuen kritischen Aus- gabe noch bedürftiger sind, als die Schollen zur Theogonie es waren, da durch Vollbehr die Kritik kaum um einen Schritt weitergekommen ist. Vorausgeschickt sind die kritischen Erörterungen über den Zustand unseres Proklos, den Ranke absolut verkannt hatte, während Vollbehr gegen Gaisford zuerst nachgewiesen, dass unser Commentar aus zwei Elementen besteht, dem eigentlichen Proklos und den meistens gramma- tischen Bemerkungen eines Anonymus (deren hohen Werth Vollbehr nicht erkannt hatte), während Usener aus dem Münchener codex 91 den siche- ren Schluss gezogen hatte, dass unser verkürzter und im 6. oder 7. Jh. in den heutigen Zustand gebrachter Commentar durch Heranziehung und sorgfältigere Ausnutzung neuer Handschriften vervollständigt werden könne. In diesem Commentar des Proklos nun, besonders aber in den Bemer- kungen des bei Vollbehr mit kleinen Lettern gedruckten (bei Gaisford irrthümlich mit äXXojg angeknüijften) Anonymus sind vier Fragmente aus Aristarch's bnojivrjjm-a Ilacudou enthalten, deren zwei schon Lehrs, Waeschke, Hoerschelmann beleuchtet haben, und 40 Fragmente aus Ari- stonikos mpl arjixzcojv 'Hatö8oo^ wie solche mit grosser Evidenz nach Ver- gleichung der Homerscholien sich ergeben. Schwieriger wird die Unter- suchung über Didymos ausfallen, von dem Schmidt Did. S. 300 nur ein Fragment gebracht hat, da seine Bemerkungen nur in jüngerer Gestalt, verdorben, missverstanden und zerstückelt vorliegen. Dass aber sein Commentar von Plutarch, beziehungsweise Proklos, in erheblichem Grade benutzt, und auch von dem Anonymus excerpirt worden ist, unterliegt keinem Zweifel.

Hesiod's Werke des Landbaues. Von Prof. Dr. A. Thaer in Giessen. Fühling's landwirthschaftliche Zeitung XXVI, 11 S. 1 10.-

Gewiss ist es erfreulich, wenn das älteste Denkmal landwirthschaft- licher Literatur, die Verse Hesiod's Op. et D. 383-617, auch von tech- nischer Seite eine Beleuchtung und Erklärung erfährt, zumal die Philo- logen in dieser ganzen Partie vielen Dingen gegenüber einen schweren Stand haben. Nun besitzen wir zwar auch über diese Verse den sehr ausführlichen Commentar von A. Steitz, von dem nicht sichtbar ist, ob Verfasser ihn gekannt hat, denuocli möchten wir die Hesiodkenner auch auf diesen kleinen Aufsatz aufmerksam machen, da manches darin von den gewöhnlichen Vorstellungen abweicht. Z. B. ist bemerkenswerth, dass Verfasser bei der Schilderung des Wagens v. 424-426 an einen kleinen Ackerwagen denkt, dessen Achse siebenfüssig {en-amorjQ) , die Felge {di/jig) des Rades (nach Hesych. xuxXog zpo^wv = Scheibe der Räder), das in primitiver Art keine Speichen besitzt, dreispännig {Tpcami'Mfj.og) ist, d. h. wo der Durchmesser der Radscheibe, oder die Höhe der Räder eine so grosse (etwa 2 Fuss) ist, während der Wagen selbst zehnhand- breit i^ozxdocofjog) ist, d. h. die Breite des Wageugestelles etwa 3V2 Fuss.

4 Nachhomerische griechische Epiker.

beträgt. Sehr einleuchtend ist ferner, dass Verfasser im Gegensatz zu den gewöhnlichen Deutungen v. 432 434 nicht von zweierlei Arten des Pfluges versteht, einem, an welchem Krümel {yör^o), Haupt {eloiia) und Ptlugbaum {'.aroßosug) aus einem Stück sind {auroyuov), was technisch ganz unmöglich ist, und einem andern, an welchem diese Stücke einzeln zusammengefügt werden {nrjxvov), sondern von zwei Pflügen gleicher Art, von denen aus haushälterischen Gründen der eine in der Schirrkammer verwahrt wird, der andere zur Arbeit benutzt wird. Eine gesunde Kri- tik zeigt Verfasser in der Beurtheilung der unechten Partien, besonders der sinnlosen und unverständlichen Unterbrechung in der Schilderung des Winters v. 519 535, und der bei Hesiod eine Frühlings- und Herbst- aussaat voraussetzenden Verse 462—464. Ein besonderes Interesse er- hält die Darstellung durch die passenden, meist aus August Mommsen's »Griechischen Jahreszeiten« geschöpften neugriechischen Sprüchwörter.

^Eo)<r<pupog bei Homer und Hesiod. Von Alois Rzach in Zeitschr. f. oestr. Gymn. 1877 No. 2 S. 102—103.

Da das Wort in der älteren Poesie nur zweimal vorkommt ^''226 und Theog. 381, die Form eujg aber dem altionischen Dialekt fremd ist, bei den späteren Epikern nur noch einmal Quint. Smyrn. H, 184, so ver- muthet Verfasser, dass an jenen beiden Stellen nach Ai'istoph. Ran. 342 <pwa<fupog dazTjp zu schreiben sei (poiaqcpöpoq. In der homerischen Stelle wäre dann 5' zu streichen und Synizese anzunehmen, in der hesiodischen V parag. zu streichen. Aristarch habe geschwiegen, weil er Homer für einen Athener gehalten. Die Form kmoq bei Apollon. Rhod. II 686. 700, sei durch Vermittlung des Herodor aus dem Attischen gekommen.

Recension von Alois Rzach, Dialekt des Hesiodos von ng in Zarncke's Centralbl. 1877 No. 29 Sp. 957 f.

Quaestionum Hesiodearum particula prima. Scripsit Vilhelmus Clemm. Gissae 1877. 21 S.

Mit Recht bemerkt Verfasser, dass die Hiatusfrage im Hesiod schwerer zu behandeln sei, als im Homer, weil hier kaum hundert Verse hinter einander gelesen werden können, ohne dass kritische Bedenken von den verschiedenen Herausgebern geltend gemacht worden sind, was die Erledigung der Frage um so mehr erschwert, als diese Bedenken fast niemals an denselben Stellen geäussert werden, sondern oft gerade an der einen Stelle, die von anderen für ganz heil gehalten worden ist. Um nun diesen verschiedenen Standpunkten gegenüber gerecht zu wer- den, die mit Schoemann beginnen und mit dem Referenten schliessen, giebt Verfasser zunächst eine Zusammenstellung aller Hiaten (d. h. nach der Definition von Hoffmann) in den drei Gedichten nach den Rubriken: A. longa vocalis non corripitur in arsi, B. longa vocalis servatur in thesi, C. longa vocalis in thesi corripitur a) in plurisyllabis vocabulis, b) in monosyllabis, D. vocalis brevis ante vocalera in thesi, eine Zusammen-

Hesiod. 5

Stellung, die dem Referenten jetzt nach der Arbeit von Rzach überflüssig scheint, da sie nur den Vorzug einer grösseren Vollständigkeit hat. Dann nimmt Verfasser zmicächst die Theogonie zum Gegenstand seiner speciel- len Untersuchung, und stellt hier die von Goettling, Welcker, Schoe- mann, Petersen, Bergk, Paley und dem Referenten als unecht bezeich- neten Verse zusammen, um dann schliesslich in der Fortsetzung seiner Arbeit die nach Abzug der von allen Kritikern gemeinsam für unecht gehaltenen Verse oder Partien entstandene Recensiou des Textes für die Entwicklung der Hiatusgesetze zu Grunde zu legen. So bringt dieser erste Theil kaum etwas neues, Referent hofft es vom zweiten, kann aber seine Ansicht nicht unterdrücken, dass das Verfahren des Verfassers nur vor den Untersuchungen Hartel's , Rzach's und des Referenten Resultate liefern konnte, heute von dem unbefangenen Kritiker kaum anders als verfehlt beurtheilt werden wird. Entweder man nimmt die Gedichte, wie sie überliefert sind, d. h. man hat keine philologische Ueberzeugung, wie es bei Rzach und Kausch der Fall ist, oder man hat eine philologische Ueberzeugung von der Echtheit oder Unechtheit gewisser Verse, wie sie Referent besitzt und vielfach motivirt hat, und behandelt sie demgemäss; das W^irthschaften mit einem Extract, wie ihn Verfasser sich zusammen- gebraut hat ohne philologische Ueberzeugung, wird an den bislierigen Resultaten nicht das geringste ändern können, zumal, wie schon jetzt vorausgesehen werden kann, eine eigentliche Textkritik schwerlich aus- geübt werden wird. Ausserdem aber geben wir dem Verfasser den Rath, nicht ohne weiteres Behauptungen aufzustellen, die nicht erwiesen sind. Bei dem Satz S. 5 Not. 5: qui Hesiodi carmina restituto digammi ini- tiali edit, si nihil aliud at hoc cousequitur, ut Graeci poetae verba typis mandet, qualia nunquam lecta esse certo scimus erlauben wir uns den Verfasser zu bitten, dass er uns die Quelle seiner Offenbarung nicht vor- enthalten möchte (vgl. des Referenten Kosmogonie S. 132).

Das nachhesiodische Digamma. Von H. Flach in Bezzenberger's Beiträge z. Kunde d. indogerm. Sprachen II S. 1—71.

Die vorliegende Arbeit behandelt im ersten Capitel S. 1 -43 Hiatus und Digamma in den homerischen Hymnen, im zweiten S. 44—71 dasselbe in den nachhesiodischen Epikern bis Antimachus und in den Elegikern, während Referent sich die aeolischen Dichter und Pindar für eine be- sondere Abhandlung vorbehalten hat. Die Fragen waren bereits erör- tert von E. Windisch, zum Theil von Eberhard, Koehn, Clemm und Ren- ner, ohne dass Referent von der Richtigkeit des Verfahrens und der Re- sultate der gerade aus der Schule von Curtius stammenden Arbeiten überzeugt worden wäre. Im Gegentheil, die Dissertation von Windisch, welche die homerischen Hymnen zum Gegenstand hat, war nicht nur schablonenhaft gemacht (welche Schablone Referent die Descendenztheo- rie nennt), sondern Windisch hat sich, um ja ein lebendiges Digamma

6 Nachhomerische griechische Epiker.

zu vermeiden, zu den unverzeihlichsten Irrthüniern in seiner Kritik hin- reissen lassen. Das Verfahren des Referenten ist nun das, dass er zu- nächst in jedem Gedicht das Verhältniss aller Digammastellen zu der Zahl der Verse, zweitens, das Verhältniss der reinen Wirkungen (d. h. ohne Anfang des Verses, v parag. und nach einer langen Silbe) zu den Vernachlässigungen prüft, erst hinsichtlich des Hiatus, dann nach der Position (zuerst ohne Correctur des Textes, dann mit Correctur einzelner Stellen durch die bewährtesten Kritiker oder nach Analogie), drittens diese Verhältnisszahlen aller Gedichte einer Gattung mit einander ver- gleicht, viertens die Resultate dieser Vergleichung zieht, wie sie Hartel für die homerischen, Rzach für die hesiodischen Gedichte gezogen hat. Diese Zahlen sind für sämmtliche Hymnen zusammengestellt S. 40—41. Das Resultat ist beispielsweise, in dem ältesten Hymnus an Aphrodite: 293 Verse, 78 Digammastellen = 3^778:1; 51 reine Wirkungen : 8 Ver- nachlässigungen (ohne Correctur) = ßV«:!; für die Position 51 Wir- kungen : 5 Positionen = lOVs : 1 ; 5 Positionen : 2 Vernachlässigungen (ohne Correctur) = 2V2 : 1. Für einen der jüngsten Hymnen, den drit- ten an Hermes : 580 Verse, 80 Digammastellen = 7V94 : 1 ; 29 reine Wir- kungen : 32 Vernachlässigungen = 1 : iVs, oder (mit Correctur) : 26 Ver- nachlässigungen = iVs:!; für die Position 52 Wirkungen : 5 Positionen = 1075 : 1; 5 Positionen : 11 Vernachlässigungen = 1 : 2V5- Schon diese Zahlen zeigen eine bedeutende Differenz, die noch grösser wird, wenn wir im vierten Hymnus die bereits vorhandenen oder nach Analogie sich ergebenden Correcturen anwenden. Das Gesammtresultat für die Hym- nen ist, dass Digarama im vierten und zweiten apollinischen Hymnus zweifellos als lebendiger und kräftiger Consonant angenommen werden muss, vielleicht auch im ersten apollinischen Hymnus, in den anderen Hymnen, besonders im fünften, dritten, neunzehnten nicht. Von den kyklischeu Epen ist allein bei den Kypria ein lebendiger Laut voraus- zusetzen (S. 44—48). Von den anderen Epikern hat keiner mehr le- bendiges Digamma, nicht einmal die ältesten Eumelos von Korinth (in Ol. 6), Asios von Samos (Ol. 10) und der Verfasser der Naupaktia, eine auffallende Thatsache, die Referent zu erklären sucht aus der Entwick- limg der gelehrten, nicht zum öffentlichen Vortrag bestimmten Poesie im Gegensatz zu den lebendig fortlebenden und in alter, überkommener Form verfassten Gedichten der ionischen Schule, zu welcher die ältesten Hymnen zu zählen sind (S. 48 54). Auch bei den Elegikern ist keine Spur von Digamma, nicht einmal bei Theognis, wobei sich Referent gegen die Ansichten von Ahrens, Bergk und Hartel erklärt, indem er an den bekannten Stelleu, wo man aus dem cod. Mutinensis (A) ursprüngliches Digamma eruirt hat (413, 440, 548, 574), nur Flickpartikel erkennt, die durch Thorheit der Abschreiber hineingekommen oder als Reste ganz ab- weichender ursprünglicher Lesarten übrig geblieben sind (S. 54-69). Schliesslich wendet sich Referent zu den gleichzeitigen und etwas späteren

Fragmente. 7

Inschriften, welche Digamma zeigen, nnd gegen die Behandlung, welche dieselben von Cleram in Curtius Studien IX. S. 409 ff. erfahren haben, indem er erstens zu zeigen sucht, dass sie die Theorie vom lebendigen Digamma in jenen Epen aufs nachdrücklichste unterstützen, zweitens dass Cleram bei seiner Annahme eines Curialstyls die Unfcähigkeit der Steinmetzen gar nicht in Betracht gezogen hat. Cauer's Delectus (Leipzig 1877) konnte Referent leider erst im letzten Augenblick noch benutzen, welches Buch bereits das neue inschriftliche Material von den Ausgrabungen in Olympia verwerthet hat.

Epicorum Graecorum fragmenta. CoUegit, disposuit, commentarium criticum adjecit. Godofredus Kinkel. Vol. I. Lipsiae in aedibus Teubneri 1877. 322 S.

Kinkel hat die sehr dankenswerthe Aufgabe übernommen, die bisher in verschiedenen, mehr oder minder kritisch genauen und voll- ständigen Sammlungen zerstreuten epischen Fragmente zu sammeln, zu ordnen und mit ki-itischem Apparat herauszugeben. Von dieser allen willkommnen Sammlung ist der erste Band erschienen, der die Frag- mente des epischen Cyklus, S. 1 59, die pseudo-homerischen S. 59 bis 78, hesiodischen und pseudo-hesiodischen S. 78 185, die genealogi- schen S. 185—218, die theologischen (ohne die Orphiker) S. 218 247, und die Fragmente der Kunstepiker bis Antimachus und Choerilus S. 247 bis 311 enthält. Diese im wesentlichen chronologische Disposition jedoch, welche die Uebersicht wesentlich erleichtert, hat der Herausgeber selbst nicht gegeben, sondern man muss sie sich suchen, wobei Referent doch für besser gehalten hätte, wenn die theologische Poesie, die ja dem Cha- rakter nach mit der Natur des Epos nur in sehr lockerem Zusammen- hang steht, ganz gesondert und wo möglich am Schluss behandelt wäre, wie es 0. Müller Lit.-G. P S. 383 397 mit Recht gethan hat. Bei der Numerirung der Fragmente selbst hat Referent mit Bedauern bemerkt, dass von der bisher gebräuchlichen Sitte, die Zahlen einer der vorhan- denen, bekannteren Sammlungen entweder zu Grunde zu legen, oder wenn dies aus kritischen Bedenken nicht möglich, sie parenthetisch beizufügen, abgewichen, und der vergleichende Leser auf den Anhang S. 316 322 angewiesen ist, der die Uebersicht der Numerirung in den bekanntesten Sammlungen enthält. Was nun die kritische Thätigkeit des Herausgebers anbetrifft, von welcher der Titel des Buches nichts erwähnt, so ist zuerst neu hinzugekommen eine genaue CoUation, beziehungsweise, wie es scheint, Abschrift des cod. Marc. 476 saec. XI, welcher die alten Schollen zum Lykophron und zum Arat enthält, und auf welchen den Herausgeber C. Dilthey aufmerksam gemacht hat (S. 29 not. 2 und S. 87 not. 1); derselbe ist besonders für die Hesiodfragmente fruchtbar gewesen, wenn ihm auch bisweilen blindlings vertraut ist, z. B. Hesiod fr. 12 18' Eudwprj, was zweifellos falsch ist (s. Westphal Metr. II ^ S. 97). In zweiter Linie

8 Nachhoüierische griechische Epiker.

kommen die nach den letzten Sammlungen (Welcker, Düntzer, Mark- scheffel, Dübner, Goettling) erschienenen kritischen Ausgaben, namentlich der Strabo und Athenaeus von A. Meineke, der Pausanias von Schubart, die Homerscholien von Dindorf, der Herodian von Lentz, die Rerum na- turalium scriptores von 0. Keller, das Certamen Homeri et Hesiodi von Nietzsche, die homerischen Hymnen von Baumeister, wenn auch hier nicht mit gleichmässiger Vollständigkeit, wie Hes. fr. 40 nicht citirt ist Herodian I S. 82 H S. 37, fr. 131 Herod. H S. 468, fr. 139 Herod. H S. 649, fr. 142 Herod. I S. 199, fr. 147 Herod. I S. 300. In dritter Linie kommt zum ersten Mal eine sorgfältige und sehr anerkennens- werthe Collation der Fragmente mit dem Text der Eudocia, wobei ge- mäss der bekanntlich ohne Index erschienenen Textausgabe von Villoison entschuldbar ist, wenn Kleinigkeiten übersehen worden sind. Referent, der selbst die Eudocia auf jene Fragmente hin durchgesehen, hat bei der ersten Durchsicht folgendes bemerkt: Phoronis S. 211, fr. 2 bei Eudocia S. 103 und Epimenides S. 233, fr. 2 bei Eudocia S. 79. Hes. fr. 100 fehlt Eudoc. S. 394, über den Dichter Abaris S. 242 fehlt Eudoc S. 20, über Aristeas S. 244 Eudoc. S. 68, über Peisander S. 248 Eudoc. S. 357, über Panyasis S. 253 Eud. S. 357. Viertens sind für den Text der Fragmente ganz besonders die Conjecturen von Koechly und Mei- neke verwerthet worden, die wohl am meisten Anspruch darauf machen konnten. 'Die Vollständigkeit der Fragmente ist eine grössere, als in allen bisherigen Sammlungen, wenn sich auch der Herausgeber auf das allersicherste , z. B. bei Hesiod auf Goettling's beide Spicilegien (1854 und 1856 in Opusc. ac. S. 192—197) beschränkt und gelegentliche Be- merkungen in den Zeitschriften (von Hecker, Rose, Ludwich) nicht be- rücksichtigt zu haben scheint. Besonders aufmerksam zu machen ist auf den Anhang, wo Ritschl's Etymol. Angel, und der überans werth volle Philodemus mpl euaeßstag (Gomperz) noch verwerthet worden sind. Referent kann es ferner nur billigen, dass jeder Sammlung die betreffen- den biographischen Notizen und die wissenschaftlichen, im ganzen voll- ständigen Arbeiten vorausgeschickt sind. Wenn schliesslich hier und da in dem Texte, der zweifellos der beste der vorhandenen ist, das Rich- tige nicht getroffen zu sein scheint (s. Hes. fr. 38, 125, 143, 201, Gra- mer Anecd. Paris. I, 6 bei Kinkel S. 239), so wird dies dem Werth der Sammlung kaum einen Eintrag thun können.

De scriptis Theognidis. Scr. Carolus Müller. Coronae Germa- norum 1877. 58 S.

Zunächst sucht Verfasser aus den Dichtungen des Theognis den Satz Welcker's zu widerlegen, dass ihn allein Unwille und Zorn zur Dichtkunst getrieben haben, indem er die Ueberzeugung von seiner dich- terischen Begabung und seinem Beruf als leitendes Motiv anerkennt (V. 369 f. 769 f. 789 f.), der ihn auch bewog nicht allein für Kyrnos und

Theognis. 9

Polypaides zu dichten, sondern auch für andere, welche seine Verse zu lesen pflegten (v. 681 f.); darauf geht Verfasser zur Ueberlieferung des Gedichtes über, zeigt aus den bekannten Stellen im Suidas und Plato Men. S. 95 E, dass im Alterthum die Gedichte in anderer Gestalt vor- gelegen haben, und wendet sich zu den Theorien von Welcker und be- sonders Nietzsche (Rh. Mus. XXII S. 161—200), indem er in umfang- reicher tabellarischer Uebersicht S. 14-29 alle in den Versen 1 1220 sich wiederholenden "Wörter (wobei Nietzsche's Stichwörter gesperrt ge- druckt sind) zusammenstellt, im ganzen mit Zugrundelegung der Einthei- lung Bergks. Dadurch ergeben sich 345 Gedichte, von denen 186 mit den vorhergehenden durch gleiche oder ähnliche Wörter verknüpft sind, 48 mit den vorhergehenden gar keine Verbindung haben, wovon aber nur 19 überhaupt keine haben, 29 auf das folgende sich beziehen. Von den übrigen 111 Gedichten sind die meisten, nur getrennt durch ein dazwischen liegendes Gedicht, mit den vorhergehenden verbunden, einige, getrennt durch zwei, wenige durch noch mehr Gedichte, wobei nur sel- ten die blossen Namen Kyrnos und Polypaides als Bindeglieder betrach- tet werden müssen. Bei einigen Gedichten kommt ausserdem hinzu Gleichheit oder Aehnlichkeit der Sentenzen. Dass dennoch diese Binde- mittel der Stichwörter heute nicht überall sichtbar sind, daran sind meh- rere Veranlassungen Schuld. Zunächst, wie Nietzsche schon behauptet hat, manche durch Nachlässigkeit der Schreiber ausgelassene Verse. Dann aber auch Unterbrechung der Reihenfolge (z. B. 535 594, 635 bis 692), die nicht bloss nach Stichwörtern, Anfangswörtern und An- fangsbuchstaben, sondern auch durch die Gleichheit des Inhaltes erfolgte, wodurch es geschehen ist, dass durch Fehler des Gedächtnisses fremde Sentenzen eingefügt, eigene durch fremde Zuthaten verändert, als ver- schiedene angesehen und au verschiedene Plätze gesetzt wurden (S. 30 bis 32). Es folgt die Altersbestimmung, wobei Verfasser zunächst mit Nietzsche darin übereinstimmt, dass Stobaeus unsere Sammlung benutzt hat. Mit vollem Recht aber wendet er sich gegen die Schlüsse, die Nietzsche aus den bekannten Stellen des lulian und Cyrill gezogen hat, um zu zeigen, dass ihnen die heutige Sammlung nicht bekannt gewesen ist (allerdings ist es S. 34 oben der Fehler des Verfassers, dass er Nietzsche's Deduction nicht versteht, mid ein genaueres Lesen hätte dies wohl verhindert), und gegen Welcker-Nietzsche's Ansicht, dass Athe- näus unsere Sammlung noch nicht gekannt habe (S. 34-38), worin Ver- fasser mit Bergk übereinstimmt. Auch hier hat Nietzsche offenbar falsch geschlossen, wie er auch in seiner Ansicht von dem parodirenden Zweck der ganzen Sammlung viel zu weit gegangen ist. Also ist unsere Samm- lung in der Zeit zwischen Plato und Athenaeus entstanden. Zur Klar- legung des ursprünglichen, in den Handschriften so schwankenden, Namens der Gedichte von Theognis folgt Verfasser Leutsch im Philol. XXIX. S. 522 und XXX S. 220 in der Beurtheilung der genannten platonischen

10 Nachhomerische griechische Epiker.

Stelle (S. 40— 42); nur die Trennung von iXsys?a und umj^xac wird ver- worfen. Denn die Stelle im Suidas zeigt deutlich, dass der Lexikograph ausser der nicht erhaltenen Elegie auf die geretteten Syrakusaner nur ein Gedicht kennt yviö/xac 8c' ihyecag, dessen Theile sind: a) npog Kup- vov yvcoixokoyta; b) kripat br.oBrjxat r.apruvzTixai. Zuletzt wird mit Recht gegen Nietzsche bemerkt, dass von einer Theognis feindlichen oder gar parodistischen Absicht bei der Sammlung nicht die Rede sein könne. Die ruhig, klar und sorgsam verfasste Abhandlung schliesst ein Excurs über Theognis' Stellung im Staat (S. 49 58).

Recension von Fei. Ramorino Teognide di Megara (Torino 1875) von C. Bursian in Jenaer Lit.-Zeit. 1877 No. 7 S. 111 112.

Maximi et Ammonis carminum de actionum auspiciis reliquiae. Ac- cedunt anecdota astrologica. Recensuit Arthurius Ludwich. Lip- siae in aed. Teubneri 1877. 126 S.

Des Maximus didaktisches Gedicht -Ktpl xazap-/^u)v, das uns bereits aus der Notiz des Suidas bekannt war, hatte zuerst (1717) aus der ein- zigen Handschrift, in welcher das Gedicht erhalten ist, cod. Laur. XXVIII, 27 saec. XI, Fabricius edirt (Harles. IX S. 324—356), mit einer latei- nischen Uebersetzung von Rentdorf. Dann folgten Eduard Gerhard und Koechly, von denen namentlich der letztere nicht wenige Stellen durch Conjecturen zu heilen suchte. Die Florentiner Handschrift, sowie eine Paraphrase des Gedichts im cod. Laur. XXVIII, 34 wurde von neuem erst von Friedrich Dübner verglichen, der seine Resultate in einer epi- stula critica an Koechly (in der Didot'schen Ausgabe der Bukoliker, Paris 1862) mittheilte. Ludwich hat die Handschrift zum dritten Mal colla- tionirt und besonders darin die auf Conjectur beruhenden Correcturen der jüngeren Hand, welche Dübner zu wenig beachtet hatte, streng von der ältesten Ueberlieferung zu scheiden gesucht. Hierdurch, sowie durch gewissenhafte Benutzung der Paraphase, sowie der Conjecturen von d'Or- ville, Jacobs, Koechly ist die Ausgabe die kritisch sicherste geworden, welche wir haben, und die einzige, welche einen vollständigen Apparat enthält. In der Bestimmung des Zeitalters, in welchem der Dichter Ma- ximus gelebt hat, ist Ludwich nicht Suidas und G. Hermann gefolgt, welche in dem Dichter den Philosophen sehen, den Lehrer des Kaisers lulian, sondern Koechly praef. in Max. p. LXII, der das Gedicht zu den jüngeren alexandrinischen Machwerken zählt. Es folgen 19 Verse aus einem offenbar weit jüngeren Gedicht eines unbekannten Dichters Ammon, der von Tzetzes als Mathematiker eingeführt wird, dessen Haupttheil von Gramer (cod. Parisinus 2644. und Bodleianus) und Matranga (cod. Vati- canus 904) publicirt war, der kleinere von Hermann in Tzetzes' Exegesis Iliadis (codex Lipsiensis). Hier hätte nach des Referenten Ansicht v. 8 mit Nauck Aaßtüv n geschrieben, und v. 18 das unmögliche maog nicht aufgenommen werden sollen (offenbar muss ein Adverbium stehen, xaxwg'i).

Maximus. Nonnus. Musäus. H

Beiden Gedichten ist ein sorgfältiger Index hinzugefügt. Die Anccdota astrologica enthalten 1) Ma$i/xou mpl xarapiojv jis-acppaad^kv rreC^iy Xs^si EX TU)V ^pojcxwv fiirpcuv S. 79 96; 2) uTzoMaetg rcuv Mavi^hovog 'Anors- Xsaiiarcxwv S. 96 104; 3) mp] ivspyecag zu» iß' Zü)8lujv S. 105 110; 4) 7:sp\ dTToreXsajidrojv ruiv iß' C<poi'ojv S. 110 112; 5) ai ^wpai aovoi- xeioöiievai zoiig iß' ^wdi'oig S. 112—119; 6) zi arj/iai'vsi ixacrznv za>v ^w- dmv xai zwv daziptov xai zivcuv 8ecm6^ouaiv S. 119-122; 7) Tispi zwv iv Ta?g ixXei(peai arjjjLSirjjv S. 122 126.

Ueber die handschriftliche Ueberlieferung der Dionysiaka des Non- nos. Von A. Ludwich. Hermes XII S, 273-299.

Die älteste Handschrift dieses nonnischen Gedichts ist dieselbe, welche oben als älteste für Hesiod's Theogonie und Scutum genannt worden ist, der Laur. XXXII, 16 (L), der, obwohl vermuthlich Quelle aller noch vorhandenen Handschriften, noch von keinem Herausgeber benutzt worden ist. Ueberhaupt sind für das ganze Gedicht nur bekannt und von Koechly aufgeführt die Lesarten des Monacensis (M) und des cod. Falkenburgii (F), aus welchem 1569 die editio princeps besorgt worden ist. Zunächst wird diese Abhängigkeit an wenigen treffenden Beispielen erwiesen für den Palatinus saec. XVI (Koechly p. XIV), für den Reginensis (Koechly p. XV), dann für Neapolitanus und Ottobonianus , die um wenigstens zwei Jahrhunderte jünger, als der Laurentianus, für die Kritik des Ge- dichts völlig werthlos sind. Mit Sicherheit wird (S. 286) gezeigt, dass M und F nicht identisch sein können, dass auch nicht beide Schreiber un- abhängig von einander aus L direct abschrieben, sondern dass beide ein und dieselbe schlechte Copie aus L benutzt haben. Aus der genauen Collation des L, der nach des Verfassers Ansicht jeder zukünftigen Ausgabe der Dionysiaka zu Grunde gelegt werden muss, wird nun S. 287—299 eine Auswahl der interessantesten Lesarten zu allen 48 Büchern mitge- theilt, welche allerdings den Wunsch rege macheu, dass Verfasser, der sich so bereitwillig erklärt hat zur Herausgabe von Rigler's lexicon Non- nianum, um dessentwillen hauptsächlich jene genaue Collation der Dio- nysiaka veranstaltet worden ist, nicht zögern möchte, uns auch mit einer kritischen Ausgabe dieses Gedichts zu erfreuen. In derselben Hand- schrift steht endlich auch Tryphiodor's äXwaig Ik'ou, deren lohnende Collation vom Verfasser in den Wiss. Monatsblättern 1876 S. 78 ff. mitge- theilt worden ist.

Metrische und sprachliche Untersuchungen zu Musaios de Hero et Leandro. Von August Scheindler. Zeitschr. f. oestr. Gymn. 1877 No. 3 S. 161—177.

Verfasser sucht die von G. Hermann, Lehrs, namentlich aber A. Ludwich erwiesene Abhängigkeit des Musaios von Nonnos von Pano- polis auf metrischem und sprachlichem Gebiete ausführlicher zu begrün-

12 Nachhomerische griechische Epiker.

den und die betreffenden Fälle mit Zugrundelegung der Ausgabe von Dilthey genau aufzuzählen. Zunächst behandelt er das Verhältniss der Daktylen zu den Spondeen, nachdem schon Lehrs Philol. Jahrb. 1860 S. 215 den Hexameter des Nonnos »einen in steten Daktylen fortgeris- senen Vers« genannt hatte, und rechnet auf 1452 Daktylen nur 263 Spon- deen, in den ersten 100 Versen auf 440 Daktylen 70 Spondeen, während beispielsweise in den gleichen Versen der Ilias auf 357 Daktylen 133 Spondeen kommen. Am häufigsten steht Spondeus im ersten und zwei- ten Fuss, am seltensten im dritten. Dies hat seinen Grund in der stren- gen Vermeidung der Cäsur Penthemimeres , die nach Hartel bei Homer mindestens gleichberechtigt mit der Cäsur xarä rphov rpo-^aTov ist. Bei Musaios gilt als weitaus überwiegende Cäsur die xara zptrov zpoxalov^ da in 100 Versen 82 derartige Cäsuren sind, die anderen sich verthei- len. Quantitätsschwankungen finden sich bei Musaios nur zwei, bei uowp (204, 247, 269, 314, 327) und iepu\* (44), ein Beispiel der Längung eines kurzen Vocals im. prjypxvi. (311) ist, wie das ganze Hemistichium, aus Homer entlehnt. Aehnliche Beispiele hat Nonnos. Vollständige Ueber- einstimmung zwischen Musaios und Nonnos herrscht in der Behandlung des Hiatus. Von eigentlichem Hiatus (nach des Referenten Auffassung) findet sich der lange Vocal in der Arsis nur in zwei homerischen Bei- spielen (188, 219; ebenso Nonnos), der kurze Vocal in der Tliesis vor anlautendem Vocal nur in drei homerischen Beispielen, 272 zdde slmv, 323 dUd oc, 325 dd ol (wie Verfasser hätte hinzufügen können, vor di- gammirt gewesenen Wörtern); nach des Referenten Ansicht ist jedoch 272 Tttü^' wie rdoe schwerlich richtig und wohl nach dem Vorschlag von Schwabe ojg rj pkv Ttpoaismev zu schreiben, wonach diese Hiatusfälle auf ol beschränkt wären. In der Behandlung der correptio Attica folgt Mu- saios genau den Gesetzen des Nonnos, die von A. Ludwich auf das schärfste festgestellt worden sind. Die Verkürzung vor muta c. liquida wird im ganzen streng vermieden; Ausnahme hiervon bildet im Inlaut das einzige Wort \i(ppodi-rj (6, 143, 155, 182, 320, 38? stets im Vers- schluss), im Auslaut fünf Fälle, in denen die liquida p ist: earl ßpo-coT- acv (200), ^dpei xpuTirs (194), dTiaazpdmooaa Ttpoaionoo (56), Tzdvza rcpody- ysXa (164), dnoardZouaa TrpoawTrou (173). Das nounische, von Ludwich erwiesene Gesetz ferner , dass Proparoxytona nicht Versausgänge bilden dürfen, ist auch von Musaios aufs strengste beobachtet. Von 343 Ver- sen schliessen 300 mit Spondeen, 43 mit Trochäen; unter den letzteren ist ein Beispiel KvBipeiav (146) nicht nonnisch, wo Ludwich \i(ppodcTrjV conjicirt und Schwabe mit Recht diese Conjectur in den Text aufgenom- men hat. Ebenso streng sind trochäisch auslautende Proparoxytona im vierten Fuss vermieden worden. Was die Elision anbetrifft, so finden sich bei Musaios im ganzen 112 Beispiele, darunter 72 mit 8\ während, wie bei Nonnos, bei Substantiven, Adjectiven, Pronominen und Verben dieselbe nicht zugelassen ist. Schliesslich werden noch einige grammati-

Musäus. 13

sehe Erscheinungen aufgeführt, z. B. Flexionsforraen, Apokope, Anastro- phe, der Gebrauch von scs und ts, in denen Musaios aufs strengste die nonnischen Regehi beobachtet hat, wodurch allerdings als Resultat sich ergiebt, dass bei dem Dichter ein vollständiger Mangel an Originalität vorauszusetzen ist, indem er nicht nur jeden Vers vollständig oder halb gleich oder ähnlich bei Nonnos vorgefunden, sondern auch schablonen- haft vielen Wörtern, die er bei Nonnos oder anderen Dichtern gefunden, nur dieselbe Versstelle eingeräumt hat, in welcher er sie angetroffen hat. Recensionen von Ludwig Schwabe's de Musaei Nonni imitatore

liber (Tubingae 1876) von E. Rhode in Jenaer Lit.-Zeit. 1877 No. 13

S. 206—207 und August Scheindler Zeitschr. f. oestr. Gymn. 1877

No. 8—9 S. 630-634.

Recension von Musaeus ed. Dilthey (1874) von Giseke im Philol.

Anzeiger VIII S. 72 f.

Bericht über die 1874 1877 veröffentlichten auf Xenophon bezügUchen Arbeiten.

Von

Oberlehrer Dr, W. Nitsclie

iu Berlin.

Indem ich im Folgenden die auf Xenophon bezüglichen litterari- schen Erscheinungen mehrerer Jahre zusammenfasse, muss ich mich für einige nicht erwähnte Sachen begnügen einerseits auf die beigegebene Bibliotheca philologica classica, andererseits auf meine Jahresberichte in der Zeitschrift für das Gymnasialwesen zu verweisen; in letzteren wird man auch für mehrere hier kürzer abgehandelte Punkte nähere Begrün- dung finden. Einige im Jahre 1877 veröffentlichte Arbeiten waren mir noch nicht zugänglich und sind dem nächsten Jahresberichte vorbehalten worden.

I. Die kleineren Schriften Xenophons.

^ufiTToacov. Ocxovo/Jicxog.

Johannes Herchner, De Symposio quod fertur Xenophontis. Halis Saxonum, formis Ploetzianis 1875 (Diss.), 41 S. 8.

Piatons Symposion, erklärt von G. F. Rettig, 1876, S. 43 54.

Piatons Symposion, erklärt von A. Hug, 1876, S. XVII— XXVII.

K. Schenkl, Xenophontische Studien, II. Heft: Beiträge zur Kri- tik der Apomnemoneumata. Wien 1875 , in Commission bei K. Ge- rold's Sohn, 98 S. 8. (Aus dem Aprilhefte des Jahrgangs 1875 der Sitzungsberichte der philol. -bist. Classe der kaiserl. Akad. der Wiss. [80. Bd., S. 87 = S. 3] besonders abgedruckt.) Xenophontis opera edidit C Schenkl, vol. II: Libri Socratici (De Socrate commentarii, Oeconomicus, Convivium; anonymi Socratis apologia ad iudices). Be- rolini apud Weidmannes 1876. XII, 254 S. 8. Derselbe, Xenoph. Studien, III. Heft: Beiträge zur Kritik des Oikonomikos, des Sympo- sion und der Apologie. Wien 1876, in Comm. bei K. Gerold's Sohn, 78 S. 8. (Aus dem Maihefte des Jahrg. 1876 der Sitz.-Ber. der phil.- hist. Gl. der kaiserl. Akad. d. Wiss. [83. Bd., S. 103 = S. 3] bes. ab-

Symposion. 15

gedruckt.) Rec: Zariicl 3's Lit. Centralbl. 1877 Sp. 1103f.; Brei- tenbach in Fleckeisen's Jahrb. 115, 1877, S. 455—484, letztere bes. auf die Apomn. eingehend.

R. Hirzel, Hermes 1875 S. 63.

Enrico Levi, L'Fconomico di Senofonte e le aspirazioni della raoderna economia, Riviaia Europea 3, S. 64 76.

C h. G r a u X , Revue critique d'histoire et de litterature 1877, No. 28. S. 7 f.

Herchner streicht, wie sein Lehrer und Meister Krohn (Sokrates und Xenophon, S. VIII und 98), das Symposion aus der Reihe der ech- ten Xenophontischen Schriften. Seine Gründe sind völlig unzureichend. Einmal versteht er keinen Scherz; sodann urtheilt er, ohne sich aus- reichend in den Stoff zu versenken, nach Krohu'scher Schablone. Hatte man früher sich begnügt, in der KjTupaideia Sokratisches zu entdecken, so ist man jetzt weiter: jener Roman, der sich um persische Verhältnisse dreht, giebt uns in jeder Beziehung den Massstab für das wahre Sokra- tische, auch hier im Symposion bei einer Darstellung griechischer Ver- hältnisse, die für nicht der Wirklichkeit gemäss gezeichnet zu halten keine Berechtigung ist. Platon's Symposion dagegen wii'd nirgends als Parallele herangezogen, vermuthlich, weil es von Krohn als unplatonisch in den Bann gethan ist. Der im Xenophontischen Symposion herrschende Scherz scheint Herchner zu unedel; vereor, ne tibi Aristophaneum illud quod Cobetus succurrere sibi profitetur in Philippi iocis frigidis et insulsis: 3rav n rouziuv zwv oo^cajidTiov locu TiXsTv ^ \cau~a} ripeaßuzepog dnep" ^ofiac cadere videatur in ceterorum serraones. Was die Lobrede des Sokrates auf Kallias anbetrifft, so vermag sich Herchner nicht mit Co- bet's Auffassung zu beruhigen, der da meinte: Socrates libidinosum ho- minem non laudabat magis quam qualem esse oporteret admonebat. Ganz entgegengesetzt der im Eingange angekündigten Absicht, Soki'ates zu verherrlichen, würde dessen Person ins Gemeine gezogen. Die Til- gung von pz^uztv 2, 26 helfe wenig; man bedenke doch nur den Vergleich des Sokrates mit einem iiaazponog. Dass Sokrates ihn selbst macht, dass andererseits Antistheues es ist, der Garstiges redet oder auch nicht völlig Sokratisches, macht nichts aus: dem Xenophon kann dergleichen nicht in die Feder gekommen sein; sie würde sich gesträubt haben von dem Rechte des Schriftstellers Gebrauch zu machen, auch Pei'sonen darzustellen, mit denen dieser nicht liarmonirt. Die körper- liche Hässlichkeit des Sokrates selbst, nicht bloss die scherzhaft über- treibende Darstellung, die Sokrates selbst bei Xenophon von ihr giebt, scheint Herchner nicht übel Lust zu haben zu eliminiren; dass wir zu- verlässige Büsten des Sokrates haben (s. P. Schuster, Ueber die er- haltenen Portraits der griechischen Philosophen, Leipzig, Breitkopf und Härtel, 1876), kommt nicht zur Erwähnung. Wie der Satz, dass das

1 6 Xenophon.

Schöne und Nützliche identisch sei, von dem (nach Krohn'scher Auffas- sung) nur auf das Praktische gerichteten Sokrates verstanden worden sein müsse, erfahren wir S. 29: et ceteram cognitionem et scientiam {le^pt uxpsXifioo . . auve(Txümc (M. IV, 7, 8) et artifices non tarn splen- dorem et magnificentiam quam honestatem spectare iussisse existimandus est. Aus 4, 29-33 liest Herchner S. 37 heraus, dass Charmides sage orbem terrarum sibi esse patriam. Von der Conjectur Madvigs für dvu>- Y^shardrcov 6, 7 weiss Herchner S. 12. 33 f. nichts. Von gleicher Be- schaffenheit, wie die sachlichen, sind die sprachlichen Gründe. Z. B. S. 22: ab his {FopyLsta prjiiaza 2, 26) non differt ne ceteris quidera locis omnis orationis habitus. S. 23: non solet Xenophon coniungere hoSum/xa; die meisten angeführten Beispiele können um so weniger befremden, als sie einer epideiktischen Eede angehören. Nachlässigkeiten : S. 9 sind die Citate Cyr. II, 2, 1. V, 2 18 ungenügend wiedergegeben, S. 16 ist zu ergänzen <'Mem.)> III, 9, 1, S. 41 wird zu ävacmdaag das Praesens dvaandZetv gebil- det. These I : »c. 1, 1 non epya cum Cobeto« (und mit Aristeides) »sed 7:paTT6p.sva expungendum est«, (lieber die Echtheit des Symposion siehe auch Schenkl, Studien III S. 143.)

Ueber das Verhältniss des Oikonomikos und des Symposion zu den Apomnemoneumata hat Schenkl, Studien II S. 144 152, III S. 105. 141—143. 147 eine neue Hypothese aufgestellt. »Allem Anscheine nach standen die beiden grösseren Dialoge am Ende der Denkwürdigkeiten, in der Weise, dass das Symposion den Schluss bildete. Dieses fügt sich ganz passend an den Oikonomikos an, während zwischen IV, 7 und dem Oikonomikos einiges ausgefallen sein dürfte. Dieses Ganze, was Xeno- phon Apomnemoneumata nannte, ist jedenfalls um dieselbe Zeit geschrie- ben« (s. unten über die Apomnemoneumata). »Von jenem Ganzen nun wurde zuerst das Symposion losgerissen, um es (mit der unechten Apo- logie) dem gleichnamigen Dialoge Piatons gegenüberzustellen: dann wurde der Oikonomikos abgelöst. Es geschah dies wohl zu jener Zeit, wo man die verschiedenen Ocxovo/xcxoc in einem Corpus vereinigte. Viel- leicht haben wir einen Rest dieser Sammlung unter den Schriften des Aristoteles erhalten. Diese Sammlung wurde jedenfalls erst eine ge- raume Zeit nach Theophrastos angelegt. Dem Cicero haben der Oiko- nomikos und das Symposion als besondere Schriften vorgelegen«. Diese Hypothese hat bei keinem der beiden Eecensenten Zustimmung gefunden. Breiteubach bemerkt S. 475 Anm. und S. 484 mit Recht: »Wegen der Innern Verschiedenheit lassen sich die drei Schriften nur als besondere und selbstständige ansehen« und »Die Anfänge der zwei kleineren be- sagen nicht mehr und nicht weniger, als das Xenophon auch in ihnen eine Darstellung bieten will, in welcher Sokrates eine Rolle spielt«.

Wie Hug und Rettig ist Schenkl. Studien III S. 143—146 der Ansicht, dass das Xenophontische Symposion vor dem Platonischen ge- schrieben ist; er setzt daher die Abfassung desselben um 385 v. Chr.,

Symposion. Oikonomikos. 17

hält aber 8, 32 36 für einen erst nach der Veröffentlichung des Pla- tonischen und zwar aus ungenauer Erinnerung an S. 178 E und 182 A geschriebenen Zusatz Xenophons.

Der zweite Band von Schenkl's Xenophonausgabe hat gleiche An- lage wie der erste. Den dazu gehörigen Studienheften sind wieder zu bequemerer Orientirung Verzeichnisse der behandelten Stellen hinten bei- gegeben. Studien III, S. 147—152 werden die Citate der Alten aus dem Symposion behandelt; S. 152 159 werden die von Schenld benutzten Handschriften besprochen. Von den drei Pariser Handschriften 1643 (A), 1645 (B), 2955 (C), hat Schenkl A und C. nach G. Saupe nochmals collationirt. Eine geringe Differenz findet dabei in den Angaben der beiden Gelehrten statt: 4, 3 haben nach Schenkl sämmtliche Handschrif- ten //£v npog^ nach Sauppes Appendicula haben A. B. rifjog /xh). Die Laurentiani 85, 9 (D) und 80, 13 (E) hat H. Vitelli verglichen. In der Ausgabe S. VIII ist E = dem »kaum der Erwähnung werthen« [Studien S. 52 f.] Leidensis gesetzt). Den Vindobonensis 109 (F) hat Schenkl nach Schubart revidirt; die Vindobonenses 115 (G) und 37 H^ und H^ hat Schenkl selbst verglichen. Die bessere Handschriftenklasse ist CDFH2 (darunter die beste Handschrift F), die schlechtere AB GEHi ; mit einer allein kommt man nicht aus. S. 153 ff. ist eine Auswahl der Varianten gegeben worden, und zwar sind die Seiten- (und Zeilen-)Zahlen der Dindorf'schen Textausgabe (Leipzig 1873), bedauerlicher Weise nicht der eigenen zu Grunde gelegt. Die Angabe der Varianten in Schenkl's Ausgabe reicht nicht völlig aus, um sich ein selbstständiges Urtheil zu bilden; im Texte selbst hätte z. B. die Lesart von F: 2, 3 dofirj Aufnahme finden müssen, in der Adnotatio critica 2, 13 imosc^rxvza F. Auf S. 59 ff. werden die Interpolationen, die Lücken und die son- stigen Verderbnisse in den Handschriften besprochen. Die Arbeiten der Früheren sind verwerthet worden, bisweilen wohl zu sehr. Ich führe die wichtigsten Vermuthungen von Schenkl an und füge einige Bemerkungen hinzu: 1, 9 (S. 148 f.) ouoslg '^dg} oux. Weshalb ist 1, 11 nicht Sc' o-c gedruckt'^ Ob darauf ^a/> (f. ok des Athenaeus), und § 12, nach der Zulassung des Philippos durch das Wort zlghw, hinter zo (TXüJfiiia elvat die Annahme einer Lücke, nebst ihrer Begründung S. 161, Beifall finden wird, scheint zweifelhaft. - 2, 4 (S. 162) wird vorgeschlagen "0 yt (f. u-hv) dioyvtg^ s<prj^ { or^iiacvst Ai)'ur/y. 2, 7 i.<pe. azrjy.uTav ^avcu)-, vgl. § 8 dveucoou. 2, 9 iv TioXküTg /ikv xal äXXoLg drjXov xal ZV olg 6rj (f. de) rj rMlg nocsl orc ist verfehlt. (Darf man ver- gleichen Hieron 6, 14 äjia jxhv . . xal . . (5s?) ec zwischen ^ und rjotov suspectum. 2, 20 wie Baumstark, unter Weglassung von äpBpa aus dessen Vorschlage. (Vgl. zu d^i^fxcog auch Ernst Siegfried, De multa quae emßoXrj dicitur. Berlin, Mayer und Müller 1876 [Diss.], S. 11). (3, 13 war uzt vor im aus den besseren Handschriften auf- zunehmen. - Durfte Xenophon 3, 14 ■npogißXz'^av au zw zugetraut wer-

Jahresbericht für Alterthums-Wissenschaft 1877. I. 2

18 Xenophon.

den?) 4, 8 z. Ende werden Schneiders und Wyttenbaclis Vorschläge verbunden. (Einige Zeilen vorher kann schwerlich (h hinter ixrjSsva ver- theidigt werden; es ist wohl zu ändern jjLrj8£}j.cav). 4, 23 toutoj^I^c}. § 24, nacli Annahme der Conjecturen Mehlers, Bremis und Ernestis, schreibt Scheukl ouoaft^ (f. ouoap.oü ; ora. F.) (4, 30 ist wohl xal [yäp] d^ xac zu schreiben; der Satz enthält eine Steigerung, keine Begründung des Vorhergehenden. 4, 37 ist wohl zu ändern el' tcq TioXXä ly^ot [f. i'/_uj\>\ xal TzokXä ia^cujv /irjosnozz simiiLTcXaivo ^ so dass darauf der Gegensatz genau entspricht iyoj 8s ou-w fikv noXXä e^cu . ., opaug 8e izspUart jioi xal sad-iovTc . . 4, 38 ipyov fisy' eari [i. nireazi] Gustav Jacob, freundschaftliche Mittheihing). 4, 57 {aoix(pBpov)zu (f. ix zod), vgl. § 59. (Sollte nicht das blosse zo genügen, und zugleich mit der Verderbniss in zou [vgl. z. B. Hieron 9, 10 das für zo überlieferte zoo vor axonelv^ sich ex aus dem Ende von dpiaxsiv entwickelt haben? Schenkl sagt freilich S. 67: Man begreift nicht die Construction •rj'(so!) eaztv elg zb . ., für welche Niemand bisher eine Belegstelle beigebracht hat. Eine Analogie möchte doch bieten Demosth. unkp Oopp.. § 54 ^you/xat Tidvzcov ixdXiaz^ dg zb npäy/xa slvac zoüzojv fidpzupag napaa^iad^at und § 55 vo/xi^M . . xal zaüz" dg zu Tzpäyii dvac npög upäg slnsTv). 4, 60 (S. 162—164) ol 8e {oaztg kvL Frage)-; Hdw /xh ouv. '0 8' inst (f. emoiv Zzt) xal zoüzo (JüjxoXoy^zo , Et 8s zig, scprj, xal . . 6, 1 'AkXä 8oxst zi aot\ sipri (Heindorf und schon die Handschrift F: dXX , o Soxsc, zoüz\ sipiq.) 6, 7 wird Madvig's Verbesserung, ohne das r', aufgenommen (nicht ohne emen Accentfehler). 7, 3 Tcspi8ivo6jxsvov (f. -ivoo).

Was den Oikonomikos betrifft, so geht Schenk! in seinen Studien zuerst die Citate der Alten aus ihm durch; dem Texte des Stobaios ist er nicht geneigt auch da, wo seine Lesarten sich sonst ganz gut halten lassen, den Vorzug vor den Xenophon-Handschriften zu geben. Bisher kannte man die Lesarten folgender Xenophon-Handschriften: Pariss. 1643 (A, von Michael Apostolios geschrieben), 2955 (B), 1646 (C), 1647 (D), 425 (E), Lips. (M), Guelferb. 71, 19 (N). Die Pariss. .Ai) und B hat Schenkl selbst neu verglichen; »über die Lesarten von N und M sind wir trotz der Collatiouen von Kerst und Sauppe nicht vollkommen im Klaren«: Studien HI S. 21 Anm. Schenkl standen ausserdem die CoUa- tioneu von folgenden bisher unbenutzten Codices zu Gebote: Laurentt. 80, 13 (E), 85, 9 (F), 55, 21 (G); 4 Vaticc, nämlich Reginensis »96« [Stud. S. 12j oder »95« [Ausg. S. VH] (H), Urbinas 93 (J), Palat. 184 (K), Vatic. 128 (L); Vindobb. 115 (0) und 37 (P). Letztere beiden hat Schenkl selbst, die übrigen haben Andere für ihn verglichen. E bedeu- tet in der Ausgabe den Paris. 425, in den Studien den Laurent. 80, 13 (s. darüber Stud. S. 10 Anm., S. 11 Anm.). Alle Handschriften gehen

1) Zu c. 9, 19 ßäov bemerkt Schenkl: om. Y (= alle Handschriften), dagegen Sauppe Append. : habet solus A.

Oikonomikos. 1 9

auf einen ziemlich verderbten Archetyi^us zurück; sie zerfallen in zwei Klassen,: A C D E (= Laur.) FMP undBGHKLN; JO dürften der ersten angehören; die zweite Klasse ist die bessere; verhältuissmässig am besten in ihr H; berücksichtigt werden muss auch die erste Classe, in der sich die bessernde Hand eines Grammatikers bemerkbar macht. Die neu herangezogenen Handschriften haben für die Verbesserung des Textes nur wenig Nutzen gebracht; man hat dagegen einen klaren Blick in die Ueberlieferuug bekommen. Stud. S. 12 20 giebt Schenkl, indem er wieder dabei die Dindorfsche Textausgabe zu Grunde legt, eine grössere Auswahl der wichtigsten Varianten, »da in seiner Ausgabe ihrer Natur nach nur wenige Lesarten mitgetheilt werden konnten«. Für genaue Kenntniss der Lesarten sind Studien und Ausgabe Schenkl's und dazu Diudorf's Textausgabe nothwendig; das Unangenehme ist dabei der Durchgang durch die fremde Ausgabe ; denn die beiden Werke Schenkls sind unentbehrlich. In der Ausgabe fehlt z. B. (um die nur für die Kenntniss der Handschriftenklasseu wichtigen Lesarten nicht zu nennen) c. 16, 13 = Dindorf S. 55 Zeile 13 die von Schenkl verworfene Lesart aller Handschriften nphg rhv rjXiov^ zu der Sauppe in seiner Appendicula sagt: Hertleinius . . Coniect. 2, 34 exemplis multis hoc unice verum esse demonstravit. In den Studien fehlt zu c. 5, 12 &eog o5<Ta = Dindorf S. 18, 30 &eXouaa die La. Mouaa ACDGJMNi, OP, zu c. 20, 29 = Dindorf S. 69, 4 \yoiuZstv] die La. voiii^ziv 0 (supra versum); von den mit Rücksicht auf den Dindorf'schen Text in den Studien übergangenen Lesarten führe ich an: c. 3, 5 = Dindorf S. 10, 14 die von Sauppe und Breitenbach wohl mit Recht vertheidigte La. aller Handschriften ahrih {= »dem Herrn«, iiidit au roTg) xac tu> ol'xoj. Einige Dindorfsche Zeilenzahlen wird der Leser sich selbst leicht in den Studien ergänzen. Von Druckfehlern im Schenkl'schen Texte sind am störendsten: 16, 12 oÜtco (f. outtuj), 20, 14 napij^oucra (f. Txdayooaa) \ in der adnotatio critica musste es heissen zu c. 2, 4 iiot zrjv olxcav. /loc Cobet, [Xüo Mehler ; zu c. 9, 5 ßaXavwzfj Dindorf, ßa?MV(OTa> G. Hermann ; ferner steht z. B. falsch zu S. 202, 28 (.statt 27) unoc Dindorf, wie die Vergleichung von Sauppe's Appendicula lehrt. lieber die grösseren In- terpolationen, die der Oikonomikos erlitten hat, handelt Schenkl Stud. S. 24—28. C. 4, 20 Uyezat. Aoaä.vofxi) 25, von welchem Abschnitte auch ich im Programm des Sophiengymnasiums zu Berlin 1871 S. 22 f. gesagt hatte, dass er der Sprache und Darstellung nach sehr wohl von Xenophon so erzählt sein könne, will Schenkl dem Xenophon erhalten, indem er einen starken Anachronismus in der Sceuerie annimmt (was ihm um so leichter wird, da er die historische Treue Xenophons in der Wiedergabe selbst Sokratischer Gespräche geringer anschlägt), und in- dem er glaubt, dass Xenophon selbst statt der von § 17 an überlieferten Worte etwa geschrieben habe: xa\ jirjv xa\ Konng 6 Japefnu, og ys sc ineßtw äfjiavog äv ooxec äpywv ysvsai^ac, liyfz(u Äu(Tdv8[ju) u. s. w. Von

2*

20 Xenophon.

der historischen Treue Xenophons auch in Behandlung der Scenerie habe ich eine abweichende Vorstellung; der Anachronismus in Platous Sym- posion von der Auflösung des Staates Mantineia in Komeu lässt sich nicht ohne "Weiteres, wie Schenkl gethan, herbeiziehen, da Platou, wie Schenkl selbst an einem anderen Orte anerkennt, wahrscheinlich damit (im Scherz) auf ein Ereigniss der jüngsten Vergangenheit anspielt. Aber abgesehen hiervon ist es unwahrscheinlich, dass aus den von Schenkl an- gegebenen (oder irgend welchen anderen) echten Uebergangsworten ein Fälscher das Ueberlieferte gemacht haben sollte. Etwas günstiger würde sich die Sache für die Rettung des Abschnittes § 20—25 gestalten, wenn man annehmen dürfte, dass der Fälscher nach § 16 eine Lücke vorfand und sie wohl oder übel zu füllen versuchte. In c 6, 7 rsxfii^pcov . . xtvduvsuovzas hatte schon Breiteubach eine Interpolation erkannt; eine weitere erkennt Schenkl in § 10 au/xnapo^uvsiv . . ipya^oixsvocg (aber damit ist wohl die Sache noch nicht erschöpft; denn auch § 9 aurrj yap Tj ipyaata ixa&ecv re paavrj iSuxec zhru . . (Tuvemp.e}.ela&ai scheint Xeno- phon nicht anzugehören, da von der Leichtigkeit des Erlernens erst 15, 4 die Rede ist); die bezeichneten Worte in § 6 f. 10 will Schenkl vor 5, 13 setzen, in dieser Form: (yojmapo^üvec 8i zi xa\ slg zu dXxtpoug ehai rj ysujpyca i^w zwv epujidzujv . . zoTg epyaZop.ivoig. zexfirjpcov 8k Ga(piaza- zov yivoczo äv zoözou , sc 7:olep.{u)v . . dia^xj^azzacv. ouzeu yäp äv zobg p.kv dp-fi yrjv i^ovzag supoc (Jjrj^c^o/xivoug dpijyztv . . xivSuvzöovzag. Wenn darauf Schenkl 15 , 4 nach zrjv ftkav&pwntav zaurrjg z^g zd^vr^g . . den Satz ysvvaca 8k . . npaea . . dv9pu>7ioug für Interpolation erklärt, so spricht dagegen 19, 17: dkk' iydi xal ndlat aoi eXeyov ozc tj yswpyca ouzoj <ptXdv- &pojn6g eazt xal izpasTa riy^vrj . . nocsTv. Ausserdem klammert Schenkl als unecht ein: 15, 5 § einag . . xai 8txatov, und nach Schneiders Vor- gange 18, 10 ^'Ay£ 8rj . . ipauzöv emazdiievog. Im Folgenden gebe ich das wichtigste Neue aus Schenkl, nebst wenigen eigenen Bemerkungen. C. 1, 1 7] ^aXxzüztxTj FL. 1, 4 fipoi zdv Sch. 1, 11 oyv, wie Brei- tenbach, schon 0. (1, 17 /i£v xai nok^ejicxäg vertheidigt z. B. Sauppe Append.) 2, 8 opuog cug napd FG. (3, 2 uzmv dv, wie König, A; wohl richtig. 3, 7 iyu) aoc (Tuvoc8a . . dvcazd/ievov . . ßaoi^ovza . . dva- ■nei^ovza T. Schon Hertlein hat auf Isokr. 15, 120 auvcaaac . . ahzip . . xa^cazdixevov . . ouvdjxevov aufmerksam gemacht. Ist zu ändern, so vorn in az; s. Sauppe Append.) 4, 3 al ßavaoacxai xaloup-tvai suspec- tum: Sch., vgl. § 2. (Ist 4, 18 bnözz in uzz zu ändern, oder etwa nachher pa^oOjxevog - napä p.ev -(yäp} Kupou zu schreiben"?) 4, 21 {xa\ zauza ^aufid^cuv] Sch. (Der Nachsatz beginnt vielmehr erst mit dxoO- aavza oh und jene Worte sind zu belassen.) 4, 24 Qaop.dZ,ZLg zoüzo, \s(fr]] Sch. (Gleich darauf scheint mir das Ursprüngliche ^ zwv noXe- fxixujv [zi] r^ zujv yeojpyixwv epycuv [p.eXsza)V rj] dsl iv yi zi ftXoztjxoüjxe- vog, und ixzXszujv anfangs Randerklärung zu (pdoziixoöjxevog gewesen zu sein. Kyros kannte nur zwei seiner würdige Beschäftigungen: kriegerische

Oikonomikos. 21

Uebungen oder Landbau. Die Athetese ist um so nothweiidiger, wenn § 20-25 echt ist; vgl. § 4. 16.) 4, 25 doxsTg, {e(prj\ FKL. 5, 1 e^rj 0 IJüJxpaTTjg suspectura. 5, 8 ßaXsh T, ßädr^v Hertlein, ßdSrjv Idvac Seh.; 11, 18 fikv ßddrjv, 8e dnoopa/iojv oYxaSe {i^&chv) Seh. 5, 13 dnoazeprjadvzLov (f. dTioxcoXuovTiov) , 5, 18 npovor^aat^ -I-oÜtoo Bao- Hd^aj oe diivrjpovzjffat)', 6, 13 (dyaßoug} dvSpiavzonoioög, 6, 15 z. Ende zu dyadog, 8, 10 iv ^dptzi Sioouaa (f. dcoovac) Seh. (Ist 8, 11 unter Verschmelzung der Conjecturen von Sturz und Jacobs und eines Bestand- thciles der Schenkischen zu lesen: e!g oh [xdya nkoTuv zc 0oivtxtx6v'i Vgl. unmittelbar darauf iv afxcxpozdztp dyyeto} und § 17 el ol pkv sv zoTg nXoLotg xac pcxpoTg oum . .) 8, 19 zpaTii^ag, [^xaXhv 8s\ . . xo/x(p6g, [ozi] Seh.

9, 2 Tc 8e, sc pjrj . . ztjv duvaptv {y' mit Gobet)» bSo^b Seh. im Texte, ohne irgend einen Vermerk in der Adn. er. oder in den Studien (vgl. Sauppe Append., Dindorf S.34, 20); dagegen 10, 9 Seh. nur in der Adn. er. y>Xomoö{ye)'>(i. (10, 10 et xazä ^wpav ziti ^v [ADEFLMOP, S. die Studien] 8s7 ixaaza vertheidigen Breitenbach und Sauppe. 11, 4 möchte ich vermuthen Ntxtov zou ^ankouzou [f. sn^qXözou oder imX.]; vgl. vor- her § 3 zo Tidvzujv 8rj dvorjzözazov 8oxouv ecvac eyxXr]pa, rdvrjg xaloop-at^ § 4 d noXXd £.trj ^prjpaza zw otttcü, § 5 Tiivrjzi tnnoj, Athen. VI S. 272 E 6 ZMV EXXrjvüJV ZdTiXo'jzog y^txtag. Nach Verdunklung des selteneren und bei Xenophon sonst nicht vorkommenden Wortes half man durch mög- lichst buchstabenähnliche Conjectur. Zu dem transitiven Gebrauch von imajöEiv 11, 14 vgl. Apomn. II, 4, 6 aüvemaybei und Kyrup. II, 2, 26 aovia-/üaei\) in D [um das hier aus AG von den Herausgebern auf- genommene Activ <Tovta)ropi£7v zu rechtfertigen, reicht das passivisch gebrauchte h^upt^ofiiva). Kyrup. VI, 4, 18 nicht aus]; vgl. ferner die Lexica wegen des transitiven Gebrauchs von ivca^Oiu und xazio^ucu.)

11, 18 dnb ZOO '/wpou KL. 11, 22 \ob 8oxaJ aoi ixelezdv^ Sch.

12, 14 Traf^ixoJv [im/xe-^c/ac] Sch. Darauf: Temptabam d(ptrjp.i . . {waze) firjS' im^scpzTv. 14, 5 {xat} ^v zcg al& notcbv, [xar] Sch. 15, 1 rj8rjzai H, wie schon G. Hermann. 15, 3 {xa\\ noXXd novoovzag Sch.; Breitenbach : xal desiderabat iam Reisigius. 15, 10 XeXr^&svac . . ae aaozov Sch. (Zum asyndetischen KcvSuvsoa: 16, 12 vgl. 18, 3 und die schon von den Früheren citirten Stellen Apomn. IV, 2, 34. Hier. 1, 26).

19, 8 incßaXujv, § 9 emßXrjzia und imßeßXrjpivjj Sch. (Sind 19, 14 z. Ende die Lesarten beider Handschriftklassen zu verbinden: dnep 8rj <Ty?) 20, 3 zig (f. 6 anopeug) Sch. Darauf ist zu schreiben zr^v yrjv <(r^v' (fipooaav diiniXoog. F wollte durch Umstellung: ztjv <pep. d/xn. y^v helfen). 20, 8 (polaxdg {^'') änavzBg Studien S. 134. 20, 14 wcmep ■{zolg) zag dXXag zijyag <firj emzrjSeuouac, ouzoj} zoTg prj ipya^o- jiivotg Sch., s. Stud. S. 135. 21, 7 awjxa {zü)v (Tzpazccuziuv], 21, 12 äp^öcv <[zouzo fikv yäp bno zcuv &£(~)vy aa<pü}g 8i8ozac Sch.

Hirzel setzt aus einander, dass bei den Titeln Olxovoptxog^ Irmap^cxog, Kuvr^yszcxog zu ergänzen sei dvr^p, nicht Xoyog. Levi

22 Xenophon.

bespricht Xeiiophons Ansichten über die Sklaverei, rühmt die Darstel- lung des guten Hausvaters und der guten Hausfrau im Oikonomikos und

empfiehlt schliesslich die Schrift zur Leetüre in den Gymnasien. Graux

sagt S. 8 über die Massbestimmung 8, 13 iv 8exaxkc'vuj areyrj (vgl. Symp.

2, 18 olxog snzdxXivog) : La xXivrj etait une unite de surface egale ä

10 coudees carrees.

Tlepl cTTTTcx^g. 'Innap^cxög. Kuvrjysrtxog.

Gurt Wachsmuth, Die Stadt Athen im Alterthum, L 1874, S. 299. 304 f. handelt von den Oertlichkeiten im Hipparch. 3, 2.

Georg Graf Lehndorf, Hippodromos. Einiges über Pferde und Kennen im griechischen Alterthum. Berlin; Wiegandt, Hempel und Pa- rey 1876, bemerkt S. 77: »Lesen wir Xenophons Buch über die Reit- kunst aufmerksam durch, so kommen wir sehr bald zu der Erkenntniss, dass wir heute, nach 2240 Jahren, eigentlich um nichts klüger in diesem Fach geworden sind als die Leute, oder doch wenigstens solche Leute wie Xenophon, schon damals waren. Sein Buch ist eigentlich keine Reit- instruction für Manegereiterei im heutigen Sinne, sondern eine praktische Anleitung zur Campagne-, Jagd- und Renn-Reiterei , und es ist erstau- nenswerth, wie wohl durchdacht das Ganze ist«. Ins Einzelne einzu- gehen, hat der Zweck des Buches dem Verfasser kaum Veranlassung ge- geben. Jeder Philologe wird aber in den Wunsch des Referenten F. M,, Philol. Anz. VHI, S. 359, einstimmen, »dass der Verfasser, der wie We- nige dazu befähigt wäre, sich der Arbeit unterziehen möchte, uns eine fortlaufende Erklärung der in dies Gebiet einschlagenden Schriften Xe- nophons zu geben.

Reinhold Michaelis, De lulii Pollucis studiis Xenophonteis. Halis Saxonum, typis Karrasianis 1877 (Dissert.), 35 S. 8, stellt in einem Anhange die von Pollux benutzten Xenophontischen Stel- len zusammen. Von Tzepc mmx^g und dem xwrjysrcxog nimmt er (nach- dem schon Ernst Althaus, Quaestionum de lulii Pollucis fontibus specimen, Berliner Dissert. 1874, S. 23 28, über die Sache gesprochen hatte) eine direkte Benutzung des Pollux im 1. und 5. Buche an; be- sonders schliesst er dies S. 30 aus einem gemeinsamen Irrthum in tt. mn. 8, 9 und Poll. I, 206. Michaelis untersucht Pollux Art der Benutzung; daraus ergiebt sich ein geringes Maass der Hilfe, die dieser Schriftstel- ler für die Constituirung des Xenophontischen Textes gewähren kann, und die er im Ganzen auch schon gewährt hat. In These I empfiehlt Michaelis n. Inn. 10, 7 aus Poll. I, 208 xa-zaxripouvTa (für xaTaTSci/ovra), woran auch schon Schneider gedacht hatte. S. 21. 31 schlägt er unter Vergleich von Poll. V, 69 im Kyneg. 5, 80 vor: [ctsvyjv ex rou i/xnpo- a&ev], Tpd^rjXov [hnTÖv, mpc^eprj], oo. S. 27 f. handelt er über die Gang- arten des Pferdes n. Inn. 7, 12.

Staat der Lakedaimonier. 23

Johannes Draheim, Schedae Rutüianae, Berlin. Dissert. 1874; Sent. controv. 11: Kyneg. 2, 3 4"^x^'^ ^' '^^^P^v (f. Ixavov).

Aaxedaiixoviojv TzoXmca.

Georg Erler, Quaestiones de Xenophonteo libro de republica Lacedaemoniorum , Lipsiae, typis Fr. Andraei, 1874 (Leipz. Diss.) II, 41 S. 8.

Ernst Naumann, De Xenophontis libro qui Aaxs8ac/j.o>tu}v no- kreta inscribitur. Berlin, W. Weber 1876 (Berlin. Diss.); 62 S. 8. (Her tl ein, Jenaer Lit.-Zeit. 1876, S. 527.)

E. Naumann, Egyetemes philologiai Közlöny, 11, 1877, S. 273 f.

Erler kommt in wenig übersichtlicher Darstellung und meist ohne genügende Begründung zu folgenden Aufstellungen: Die Schrift sei Xeno- phon zu belassen; aber sie bestehe aus zwei ganz verschiedenen, von einander unabhängigen Abschnitten: c. 1 10 nebst 14, und 11—13. 15. Wie zeitgenössische Philosophen der nach dem peloponnesischen Kriege eingerissenen Verderbniss durch ihre Gebilde von Idealstaaten entgegen zu arbeiten suchten, so stelle Xenophon c. 1 10 Sparta als den in der Wirklichkeit vorhandenen Idealstaat zur Nachahmung für die übrigen hellenischen Staaten hin und lobe diejenigen Einrichtungen Lykurg's, welche Sparta zu seiner Macht gebracht hätten, indem er nicht sowohl die gleichzeitigen Zustände Sparta's, sondern die den Absichten Lykurg's entsprechenden im Praesens schildere. Daher sei auf diesen Theil kein grosser Verlass. Dagegen in c. 11 13. 15 würden nur einzelne Ein- richtungen, das Kriegswesen und die Verfassung, besprochen, und hier würden thatsächlich vorhandene Zustände ohne Nebenabsicht berichtet, allerdings, wie der Inhalt lehre, auf Grund älterer fremder Quellen, ehe Xenophon Sparta selbst gesehen hatte, wahrscheinlich also vor 401. Diese Schlussfolgerung lässt Erler dann ohne Weiteres auch für den anderen Abschnitt c. 1 10 gelten. C. 14 aber sei von Xenophon, nachdem er persönlich die Verhältnisse in Sparta kennen gelernt hatte, bald nach der Schlacht bei Kuidos, sicher vor der bei Leuktra, und zwar nur mit Bezug auf c. 1 10, hinter c. 10 hinzugesetzt worden. Ein fremder Her- ausgeber aber habe darauf beide nicht zu einander gehörenden Abschnitte verbunden, indem er c. 14 hinter 15 setzte, und »inepte« 11, 1 xal zauza jxkv 8rj . . xa). rouvcov dxousiv als Uebergangsstück zwischen beide Abschnitte einschob. Schliesslich habe ein Abschreiber c. 14 an seine jetzige Stelle gesetzt, Im Gegensatze zu der eben besprochenen Ar- beit zeichnet sich die Naumann's durch Fleiss, Urtheil und Folgerich- tigkeit aus ; ihre Resultate sind eben so gesichert, wie erschöpfend. Der erste Theil handelt von dem Zwecke (— S. 12), dem Organismus (— S. 19) und dem Urheber (— S. 21) der Schrift; der zweite von ihrer Abfas- sungszeit (— S. 30); der dritte von ihrem Sprachschatze (— S. 52), der

24 Xenophon.

letzte von ihrem Gedankengehalte. Zweck sei, durch das Lob der Ly- kurgischen Gesetze zu ihrer Nachahmung aufzufordern; in bewusster "Weise würden, obwohl im Praesens, damals nicht thatsächlich vorhandene Zustände geschildert. (Es konnte angemerkt werden, dass daran haupt- sächlich das Lügengewebe schuld war, mit dem sich die spartanische Restauration nach 387 umgab.) Dabei könne es, heisst es weiter, kei- nem Zweifel unterliegen, dass der Verfasser aus Autopsie schrieb. lieber den vorliegenden Zweck hinaus ergehe er sich in militärischen Einzel- heiten und in Angaben über Opferdienst. In die Absichten der Lykur- gischen Gesetzgebung sei er nicht tief eingedrungen, sondern lege ihr eigene Gedanken unter. Daraus ergäben sich bestimmte Eigenthümlich- keiten seiner Persönlichkeit; und es wird nunmehr auf Grund derselben und unter richtiger Erklärung der von der gegnerischen Seite vorge- brachten Stellen aus dieser Schrift und dem Panathenaikos des Isokra- tes die Hypothese Lehmann's zurückgewiesen, dass der Verfasser ein Sophist, und zwar ein Schüler des Isokrates gewesen sei. Dabei fällt der Ausspruch: Omnino ad scripta Xenophontea dijudicanda quidquam ha- bere Isocratem auctoritatis negamus atque pernegamus. Des Kypria- nos Auszugstheorie wird besonders durch Nachweis der völlig ungestör- ten Disposition widerlegt; darauf wird auch der Ungrund von Haase's Umstellungen dargethan. C. 14 freilich gehöre nicht zur ursprünglichen Masse, sondern sei erst nachträglich als Palinodie des nicht mehr ^pa- aeiog die Lal<edaimonier lobenden Verfassers, dem sie jetzt ouze zip &£& nsc&o/jLsvoi ou~£ zoTg Aoxoupyoo vofjLotg erscheinen, hinter dem (mit einem Hexameter abgeschlossenen) c. 15 angefügt worden. Zu der Ueberliefe- rung, dass Xenophon der Urheber sei, stimme das gefundene Ergebniss ; dazu passten aber auch seine Lebensverhältnisse und die Abfassungs- zeiten. Xenophon hatte Gelegenheit, nach der Schlacht bei Koroneia in des Agesilaos Umgebung Sparta, wo auch seine Kinder erzogen wurden, aus eigener Anschauung kennen zu lernen, ehe er sich in Skillus nieder- liess. C. 14 sei (darin schliesst sich Naimiann mir an) 378 geschrieben worden, imraittelbar nach dem frevelhaften und unsinnigen Angriffe des Sphodrias auf den Peiraieus und nach den Bündnissen der Athener mit Theben, Chios, Mitylene, Byzanz. Die Hauptmasse aber c. 1—13. 15 sei, wie die Anspielung in 8, 2 auf des Agesilaos Verhalten den Epho- ren gegenüber beweise, sicher nach dessen Rückkehr aus Asien und wahrscheinlich innerhalb der Jahre 387—385 in der Müsse zu Skillus vor der Vergewaltigung Mantineias verfasst. (Dieser Zeitansatz kann immerhin noch etwas tiefer gerückt werden; die Darstellung in den Hel- lenika macht nicht den Eindruck, als ob Xenophon das Unrecht gegen Mantineia als solches empfand; er blieb möglichst lange ein Verehrer des äusseren Erfolges und war zu sehr eingenommen für Sparta.) In reicher Sammlung hat Naumann die mannigfaltigsten sprachlichen Erscheinungen in der Schrift mit gleichen oder doch verwandten in den übrigen echten

Hieron. 25

Werken Xenophon's zusammengestellt, als da sind der Eintheilung und Disposition dienende und sonstige bestimmt ausgeprägte Redewendungen, Verbindungen von Synonymen, gehäufte Comparative und Superlative, Xenophon unter den attischen Prosaikern eigenthümliche Worte und Wortsippen, wie aüaxrivoq'^) u. s. w., Tiinaiiat, oder doch ihm beliebte Ausdrücke, wie ß?A^^ auroa/sScaari^g, ferner dichterische und dialektische, darunter {idaaojv. Darauf wendet er sich gegen die von Dindorf für eine spätere Abfassungszeit angeführten sprachlichen Gründe. Dabei bessert er (S. 45 f.) 5, 8 . . exdarojv (cj. Hermann) emiieXeTaBai^ ojg juj- noTS {novoog) aurolg (f. auzo)) eXarToog . . (wo der nothwendige Ge- danke auch von Madvig gefunden war und auch Hug schon an Tiövoog gedacht hatte) und erklärt richtig 11, 7 jj-erä roü naparu^ovrog /id^sai^ar. (für den Gedanken konnte Sympos. 8, 35 verglichen werden). Sodann giebt er Zusammenstellungen über den Gebrauch der Partikeln (am reich- sten von iirjv) und der figurae dicendi, mit der Bemerkung: sententiarum figurae cum Xenophonti non usitatae tum a libelli argumento alienae sunt. Schliesslich bringt er, besonders aus der Kyrupaideia, Parallelen zu den in der AaxsSatjxovtwv Ttohrzia vorkommenden Gedanken, wodurch man nebenbei eine scharfe Charakteristik Xenophon's erhält. Zu guter Letzt macht er noch darauf aufmerksam, dass Xenophon, nachdem er sich in seinem Ideale Sparta getäuscht hatte, neue idealisirte Bilder des besten Staates im Hieron und darauf in der Kyrupaideia hinstellte. In der dritten seiner Sententiae controversae behauptet Naumann, und in der oben angegebenen ungarischen Zeitschrift erweist er, dass 10, 4 iStq. vor imfjLsXeTa&ac einzusetzen ist.

^lip CO V. J. Sitzler, De Xenophonteo qui fertur Hierone. Libellus Pro- gymnasii, quod est Episcopii [Bischofsheim] a. T. Episcopii ex officina Lang 1874. 31 S. 8.

Der Zweck des Programmes ist zu erweisen, dass der Hieron nicht von Xenophon geschrieben sein könne. Alle vorgebrachten sachlichen und sprachlichen Gründe aber reichen hierzu nicht aus. Wenn Sitzler sagt, per totam Xenophontis vitam nullam indagari posse occasionem, qua eum putemus ad tyraunum de tyrannide librum dedisse, so hat es doch wohl eine Gelegenheit gegeben, die ihn zur Abfassung veranlassen konnte, die Thronbesteigung des jüngeren Dionysios. Zu der damaligen Lage passt die Disposition und der Zweck im Hieron. Im ersten Theile

2) Auch Oncken, Staatslehre des Aristoteles II, S. 328 (1875) versteht jetzt auax-qvia nur von der Speisegenossenschaft (vgl. 5, 7). Derselbe wagt S. 179 die Vermuthung: ^Sollte Xenophon seinen Staat der Lakedaemouier unter dem angenommenen Namen Thibron (vgl. Arist. Pol. p. 1333 b. c. 10 mai. = 120, 24 min.) herausgegeben haben?«

26 Xenophon.

(— c. 7) wird die Unglückseligkeit einer vom Inhaber selbst begründe- ten Tyrannis dargestellt. Die Schilderung passt unverkennbar auf Dio- uysios I (s. auch Oncken, Die Staatslehre des Aristoteles II, 298. 303. 306). Im zweiten Theile des Hieron wird vom Rathgeber die Möglich- keit nachgewiesen, wie der Tyrann, der doch die Liebe der Bürger er- sehne, aus jenen unseligen Zuständen herauskommen könne: durch Ver- wendung der Macht zum Besten der Bürger und Verwandlung der Ty- rannis in ein Königthum. In Wirklichkeit schwindet diese Möglichkeit dem Begründer einer Tyrannis, sobald sich zwischen Herrscher und Be- herrschten Misstrauen eingestellt hat; sie kann sich aber seinem Erben wieder zeigen. So bei Dionysios IL Er hat wirklich nach seinem Re- gierungsantritte in etwas Popularität erstrebt und erreicht, und er hat auch auf Dions Rath und unter Platon's Beistand wenigstens einen An- fang mit dem Versuche gemacht, seine Tyrannis in ein Königthum um- zugestalten (Plut. Dion. 5 g. Ende. 7—9. Plat. Gesetze S. 709 f. Holm, Geschichte Siciliens im Alterthume II S. 158 f.). Passt in solcher Weise die Darstellung auf die Zeitverhältnisse Xenophon's selbst, so darf an der Forderung, die Sitzler aufstellt, etwas nachgelassen werden: die Charak- tere der Unterredner, des Hieron und des Simonides, brauchen nicht völ- lig historisch richtig dargestellt zu sein ; ja, der gezeichnete Hieron durfte dem historischen Hieron nicht einmal völlig genähert werden, wenn die Möglichkeit einer Verwandlung der Tyrannis in die Monarchie offen blei- ben sollte; als Typen aber sind beide Unterredner den gemeinten Zeit- verhältuissen entsprechend gewählt und gezeichnet. (Man vergleiche übri- gens die ebenso wenig individuell historischen und ebenso freundlich ge- haltenen Personen in der Kyrupaideia). Die Vorschläge c. 8 11 gehen (anders sogar als in den Ilopot) wenig auf die realen Verhältnisse ein; die Nachricht von einem Aufenthalte Xenophon's bei einem der Dionyse Athen. X, S. 427 F, steht völlig vereinzelt; die Schrift scheint also nur eine Studie zu sein. Zu einer solchen konnte aber den Xenophon der Wechsel der Herrscher im mächtigsten griechischen Staate wohl veran- lassen, zumal Koriuth, sein Aufenthaltsort, damals in enger Verbindung mit Syrakus stand. Sitzlei^'s Sammlung sprachlicher Eigenthümlich- keiten und Schwierigkeiten im Hieron (S. 11—23) liefert einen Beitrag für das Verständniss und die Kritik dieser Schrift, nöthigt aber ebenso wenig, wie die sachlichen Gründe, dieselbe Xenophon abzusprechen. Nicht weniges Angeführte ist für die Entscheidung ohne Gewicht; eini- ges spricht geradezu für Xenophon's Urheberschaft; manche Bedenken lassen sich ohne Weiteres beseitigen; ein Theil der Schwierigkeiten ist der schlechten Ueberlieferung, nicht dem Verfasser Schuld zu geben; was schliesslich auf diesen zurückgeht, damit lassen sich füglich schwierige Stellen auch in unbestritten Xenophontischen Schriften vergleichen. Ich gebe für meine Behauptungen Belege, indem ich dem Gange der Ab- handlung folge. Zuerst werden Wörter zusammengestellt, die nur hier

Hieron. 27

bei X. gelesen werden. Von denen, deren Begrifife bei X. auch nur hier vorkommen, giebt der Verf. ihre Bedeutungslosigkeit für die Untersuchung zu; hinzukommt, dass mehrere Wörter durchaus der guten attischen Prosa angehören, wie iimopia, xadapsucu, andere bei Xenophon ihre Pa- rallelen haben, wie dvsm^dövcug in dem sich mehz'mals findenden im- f&ovmg. 'Ena<pp68iTog steht auch Symp. 8, 15 ; daselbst auch dvsnaippooi- TOTspa. 0d6r,oXiQ ist auch Ages. 7, 1. Das Act. dvrmapiy^zcv wenig- stens kommt auch schon Thukydides VI, 21, 1; Demosth. 21, 123 vor. Es folgen »ea vocabula, quae etsi semel bisve apud Xenophontem ex- stant, tamen usitata sunt«; aufgezählt werden 8s(t/jlsuuj, ixTcvziv, im8:Su- vac = augeri, locujzeca, Ioccutsüco, welche sämmtlich z. B. von Piaton ge- braucht werden. Darauf werden Wörter aufgezählt, statt deren in den übrigen Werken Xenophon's andere angewendet werden; zuerst eine ganze Reihe solcher, welche Xenophon's Zeitgenossen geläufig, also ohne rechte beweisende Kraft sind. Zu dosX<pog = similis 1, 22 war dasselbe Wort Apomn. 2, 3, 19 = geminus zu vergleichen. Statt dTiex-ovriXÖrag 3, 8 war einfach aus Stobaeus dem sonstigen Xenophontischen Sprach- gebrauche gemäss dritxzovozag aufzunehmen; statt sbzovcog 9, 6 aus A ivzoviog; statt Tpoze&ztjihwv 9, 11 war mit Cobet das an sich nothwen- dige TipozcBzjxivcov einzusetzen. Neben ßsßpcoxujg waren aus derselben Wortfamilie die von Xenophon gebrauchten Wörter ßpwjxa, ßpwmg, ßpuj- Tov zu erwähnen; andererseits neben iSeiTp.a, adcoorj-. iowScfiog, iorj8ox6- zsg. Die in attischer Prosa seltenen Wörter auf ~ vj^a (S. 14. 16): 8a)- prjfjLa, kmi^üiirjjia, ur.oüpyrjjxa , wfpilr^iia (auch Ages. 7, 2), für die Xeno- phon hier eine Vorliebe zeigt, hätten zusammengenommen, und dazu das für Xenophontischen Ursprung mitzeugende <p6prjjxa 8, 10. Kyrup. II, 3, 14. III, 1, 25. Apomn. III, 10, 13 gefügt sein sollen; zu i^äyszac 9, 11 war nicht zu vergessen Kyrup. II, 2, 15 icaydyoczo (D iiaydyoc), zu auvavayxd^tiv 3, 9 nicht d'^ajxd^ztv Kyrup. VII, 5, 60; dpyolzo 9, 9 und dpyetzat Kyrup. II, 3, 3 waren beachtenswerth. Ozcopta l, 12 ist nicht einfach »spectaculum« ; a'jpßuXaia nicht ohne Weiteres = -iprumziaig^ im Uebrigen aber als technischer Ausdruck nicht auffällig. y>Tciiäv 8, 3 significat ad coenam vocare«; vielmehr ist wohl das Ursprüngliche ge- wesen Buaag o' saztaadruj exdzspog (vgl. Kyrup. VIII, 3, 33 zoTg vt- xuxjt . . i8c8ou ßoüg, umog ?h Buaavzzg eazcihvzo und VIII, 5, 21) und nach dessen Verdunkelung daraus durch falsche Conjectur entstanden . . ob zi- p.r]<Tdzcu . . wegen des folgenden rr/ijyv, unter Einwirkung der umgeben- den gleichen Wörter k7taivz.advz(uv: irMivov, Bzpamuodzcoaav. ^spam7ac. Zu den äria^ elpT^jiiva gehört nicht dyXz.oxig (1, 21); Suidas: dyltuxig .. Ezvofpüjv ec'prjxev iv zwOlxowjxcxu) (8, 4. 3?), 8oxsc 8k ^zvtxov zu uvo/ia .., xal dyXeoxiazspov . . Esvotpwv'Iepcoi^c: mit dieser Stelle fast allein schon ist die Echtheit des Hieron entschieden; denn Ailios Dionysios, j der Gewährsmann des Suidas, bezeugt sie, und schon an sich die Nach- ' rieht, dass jenes Wort ausser im Hieron unter den attischen Schriften

28 Xenophon.

mir noch im unzweifelhaft Xenophontischen Oikonomikos vorgekommen ist. Zu äpjmTOTpoft'a 11, 5 war heranzuziehen äpjxaTOTpo<pe7v Ages. 9, 6 und ausserdem die kaum in attischer Prosa sonst vorkommenden äpjxd- -eiog, apjxarri'kaaia ^ apiiazrjldTTjg , ap/xarrjXazeTv in der Kyrup. und im Symp., und hiermit waren wieder XerjXaaca 1, 36 und hrjXarzTv zu ver- gleichen. Zum Simplex ncfin^aaBac 1, 25 ist vergessen Kyneg. 5, 7 (Anab. I, 5, 10). Was die »structurae« anbetrifft, so ist wohl 2, 15 (nicht: 16) einfach zu schreiben So^av KapLizpäv [dva]Xap.ßdvouacv, vgl. Kyrup. I, 6, 22 do^av Xapßdvetv, Hell. VI, 4, 37 yo^acxa [dva\XaßeTv, »Nullo loco me dvä azup-a i^etv legere memini« ; Pape citirt: »Ilias 2, 250. Eur. El. 80.» Aar' 6<pBaXpoog xaTrjyopeTv gehört ebenso, wie das (unter den »mira« S. 19 erwähnte) eingeschobene opag der volksthüm- lichen Umgangssprache an, wie Beispiele aus Aristophanes beweisen. •»AiaipzTv c. xard 9, 5; Xen. aut accus, aut £;'?«; Hell. HI, 2, 10 xa-ä pipri dcskuv . . zu ^ojpcov. Aus B war 9, 8 zu nehmen [auv] . . aupnap- opapzoT. (Nicht erwähnt ist 7, 2, woselbst wohl oTiujg . . bnavtazMvzac 8h {dnb zu)v] Mxiuv zu schreiben ist, vgl. § 9. 7. Symp. 4, 31 u. a.) Wie Herchner über die Beschaffenheit der Anakoluthien im Symposion, so klagt Sitzler über deren Zahl im Hieron. »Exspectabas 5, 3 ^pu/psvoc (f. xp<^vzai)v.\ vielmehr ist wohl (unter Beachtung von 6, 4 f. 8, 10) wei- ter vorn zu ändern iyxaXeTa&ai (f. kyxaXeh) {ozi} ouze [ydp]. Dazu vergleiche Sitzler's Bemerkung S. 20 »per totum libellum sine ulla fere exceptione cum passivo dativum couiungi cf. 1, 13. 8, 10. 9, 7. 9. 11, 1«. (1, 28 1. 8ooXwv.) Druckfehler: S 15 -Dnpoxa^tazdvzia (6, 9 —dpsvoc).

Uopoc.

Hermann Zurborg, De Xenophontis libello qui IIöpoc inscribitur. Berolini apud W. Weberum, 1874. 46 S. 8. Berliner Dissertation. (Zarncke's Lit. Centralbl. 1875, Sp. 940).

Xenophontis de reditibus libellus, recensuit Arminius Zurborg. Berolini apud Weidmannos, 1876. X, 41 S. 8. (F. C Hertlein, Jenaer Lit.-Zeit. 1876. S. 584. F. R. in Zarncke's Lit. Centralbl. 1877, Sp. 537. - F. Rühl, Fleckeisen's Jahrb. 115, 1877. S. 729-737).

E. Curtius, Griechische Geschichte HI 3 1874. S. 806. A. 134. C. Badham, Mnemos. 2, 1874. S. 299 f.

M. Haupt, Hermes 8, 1874. S. 252.

F. C. Hertlein, Hermes 9, 1875. S. 360.

Wenngleich Rehdantz auch jetzt noch in der vierten Ausgabe der Anabasis bei seiner in der dritten ausgesprochenen Ansicht bleibt und, Hagen und Beckhaus folgend, Xenophon's Tod in's Jahr 359 (jetzt: »vielleicht« 359) setzt und ihm die Schrift Uopoc abspricht: so darf es doch nach Zurborg's und nach Gleiniger*s schon im Jahrgang I besproche-

Von den Einkünften. 29

ner Dissertation als gesichertes Ergebniss der Forschung angesehen wer- den, dass diese Schrift wirklich von Xenophon Ol. 106, 1 = 1. Hälfte 355, nach dem Frieden Atheu's mit den Bundesgenossen, verfasst ist. Ueber die Zeitbestimmung, wenn auch nicht über die Urheberschaft spre- chen sichKanitz, in seiner gleichzeitig mit Gleiniger besprochenen Dis- sertation, und Curtius übereinstimmend aus. Letzterer hat zuerst das richtige Verständniss der viel erörterten Stelle 5, 9 gezeigt: »Der Ver- fasser hält für möglich, dass es den Athenern durch diplomatische Ver- handlungen gelingen werde, ohne Theilnahme an dem bereits ausgespro- chenen heiligen Kriege die Phoker zum Abzüge aus Delphi zu bewegen und unter Mitwirkung der übrigen Amphiktyonen die Autonomie des Heiligthums zu wahren, wenn Jemand, etwa die Thebaner, den Ver- such machen sollte, dasselbe sich anzueignen. . . Den gesperrt ge- druckten Worten entsprechend ist in Xenophon's Texte iistpuif^To für inecpuJvTo einzusetzen, eine Vermuthung, die vor mir schon Madvig Adv. crit. I S. 364 veröffentlicht hat. Dies zu erwähnen fühle ich mich um so mehr gedrungen, als Zurborg bei seiner Ausgabe die Vorschläge je- nes Gelehrten, wie es scheint, übersehen hat. Da manchem Leser die Mittheilung auch der übrigen angenehm sein möchte, so seien sie hier angeführt: 2, 1 ydvoczo, au-r, ^' d.v (f. yivoixo' aürrj yäp), 3, 6 npooanavrj- aat, 3, 8 ouBh /is&e^oomv ujv äv i ^ svsyxojacv , 4, 40 wie schon Bergk, Tci: iXk/xivca, 5, 1 euxroripav (f. noxvozipav). Uebergangen hat Zurborg ferner die Conjecturen Badham's, von denen noch am ehesten erwähnens- werth sein möchte: 4, 38 stj iUemov (f. imrrjoacov); sowie die Hertlein's: 3, 2 onoc (f. onou) . . 7iujXwaiv\ aufgenommen ist Haui3t's Verbesserung 5, 2 [d»? kp-fj ^ö^iy] napd y^ epoc {Tzapa^axonoüfftv (f. TiapayyiXXoj axonoüacv), Zurborg's Ausgabe muss jeder weiteren Forschung zu Grunde gelegt werden. Daher beschränke ich mich über sie auf wenige Bemerkungen. Dem Herausgeber hat U. von Wilamowitz-Moellendorff seine Collationen der Handschriften Vaticanus 1950 und 1335, Mutinensis 145 und Mar- eianus 511 zur Verfügung gestellt; über deren Werth und gegenseitiges Verhältniss handelt die Praefatio. Gegen die Art ihrer Benutzung ist kaum etwas Erhebliches einzuwenden. An einigen wenigen Stellen hätte die handschriftliche Ueberlieferung belassen sein sollen, wie 4, 5 enl nXecov, 4, 6 dfiepevot^ 4, 40, xazaaxeudZeaBs, 5, 7 enirpzipav 'A&rjvatoig (vgl. vorher tjpwv, nachher ßot'jXoivTo). Freilich, wie viel die Conjectural- kritik noch für die Constituirung des Textes hat thun müssen, und wie manches ihr noch zu thun bleibt, das hat die Untersuchung der Hand- schriften ergeben und zeigt auf den ersten Blick der dem Texte unter- gesetzte Apparatus criticus, und das lehren auch die auf S. 20 39 hin- zugefügten Commentarii, welche theils die zahlreichen und meist glück- lichen Textvorschläge des Herausgebers und seiner Freunde rechtferti- gen sollen, theils sachliche und sprachliche Schwierigkeiten behandeln. Unter die älteren Conjekturen (Zurborg's Angaben über die Urheber

30 Xenophon.

derselben hat Hertlein in seiner Recension vervollständigt und berichtigt) hätten noch zwei von Deventer Aufnahme verdient: 3, 3 TiportBetTj (für TzporcMrj Ttg) und 4, 44 (unter Besserung der Wortstellung) zY rt acaM- voiro {riq) TioXsfxcxöv. An die neuen Vorschläge Hertleins: 4, 28 [/jtsv] vuu und 3, 12 nepl (f. im) Ttpogrjxovrag ruTToug , erlaube ich mir die fol- genden anzuschliessen: 3, 5 xal ifjLnoXajTo (f. kxniimoiTo) xai tkuIoIto (vgl. Zurborg's Bemerkung in seineu Commentarii), 4, 2 Ttöaou (f. Ttoiou) Xpovoij^ 4, 19 Tzapä \yo~j] lotcöroo (Deventer: nrwd zou ed.), 4, 36 äf^pua oder di^poüjg (f. dBpooi), 4, 44 i^'^pd od. ipüjiara (f. ipya)., 4, 42 elpzv (f. dev) [dfjixoaia], wie darauf Wilamowitz ttcCoJ [orjjxoma\\ die erste Person Plu- ralis gebraucht, sich in den attischen Staat einfassend, der wieder unter die attischen Bürger aufgenommene Xenophon, ungeachtet er damals aller Wahrscheinlichkeit nach in Korinth lebte, 2, 5. 7. 4, 11. 13. 25. 36. 89. 5, 6. 7. 13. 6, 1. 3; die zweite Pluralis gebraucht er 4, 1. 32. 40. 5, 9 f. 6, 2, die dritte in Verbindung mit 'A^valot 2, 4. 5, 7, mit ol TtoKtzat 2, 3. 5, 12. Druckfehler: 4, 30 lies xotvioadp-svai. Ist ab- sichtlich 1, 3. 4, 50 evdaora und 4, 7 jirj irt gesetzt? In den Commen- tarii bedürfen einige Kleinigkeiten der Berichtigung, z. B. in der Note zu 2, 1 TipogsegsuTTopsuscv und eyxrrjac, zu 4, 12 iure severior, zu 3, 7 £Tu Auaiarpd-oo Ol. 103, 3 ; quo tempore cum Xenophon Scillunte videa- tur vitam degisse

Nach Abschluss dieser Bemerkungen erhielt ich Rühl's Artikel: Zu Xenophon's Flöpot. Er will 3, 7 10 hinter 4, 40 und 4, 49 52 vor 4^ 41 stellen, die überlieferte Stellung aber durch Blätterversetzung erklären. 4, 44 will er ipya als Befestigungswerke fassen; Beispiele für diesen Gebrauch des Wortes führt er nicht an. 4, 45 streicht er TiXeloug (oder auch noMpcoc?) und 4, 48 will er rchcoug nokiji'.oi hinter sMocsv einsetzen. 2, 1 nimmt er an, dass der Satz sc 8s nphg . . jivoizo lücken- haft sei und ursprünglich etwa besagen wollte: »wenn zu den von der natur dargebotenen gütern noch andere einnahmequellen hinzutreten sol- len, so ist zunächst den metöken fürsorge zuzuwenden« ; selbstverständ- lich wäre der Ausfall eines zu yivot-o gehörigen av anzunehmen; im fol- genden Satze, vor und hinter welchem stark zu interpungiren sei, streicht er zu Anfang tj npogoBog und denkt zu auzrj : rj -wv p.szo(xajv imindXsca., und zum Schluss belässt er r.pogipipooaiv: »nicht das will Xenophon sa- gen, dasz die metöken schutzgeld beisteuern, sondern dasz sie etwas einbringen, nemlich das schutzgeld, vgl. 4, 15«. Auch an anderen Stel- len vertheidigt er die Ueb erlief erung, z. B. 4, 6 xai dpyupiov tiXsTov yiy- VYjTo.c.^ 5, 9 xai aoixp.dy^oug.

^A y rj a { 1 a o g.

Adolf Gruno, De Agesilai qui fertur Xenophontei elocutione at- que dictione, Programm der höheren Bürgerschule zu Neustadt-Ebers- walde, 1873, 12 S. 4.

Agesilaos. 31

Adolf Sachse, lieber Xeoophou's Agesilaus. Göttingen 1875, Druck der Dieterich'schen Universit.-Buchdruckerei. W. Fr. Kaestner. (Jeu. Diss.) 38 S. 8.

Gruno sieht von allen historischen Untersuchungen ab und will nur zeigen, dass die sprachliche Darstellung im Agesilaos keine Veranlas- sung gebe, Xenophon die Schrift abzusprechen. Ungenügend ist sein Versuch, die Uebereinstimmungen in c 1. 2 mit den Helleuika zu er- klären. — Sachse macht sich besonders eine Erörterung der einander entgegenstehenden Ansichten von Hagen und Beckhaus zur Aufgabe. Beckhaus giebt er die Existenz eines gleichnamigen Enkels des Xeno- phon zu; er verneint aber, dass man aus den erhaltenen Nachrichten über ihn auf eine litterarische Thätigkeit desselben und auf seine Schüler- schaft bei Isokrates schliessen dürfe. Irgend einem jugendlichen Schüler des Isokrates will allerdings auch er die Abfassung zuschreiben ; dem Xenophon dagegen glaubt er sie absprechen zu müssen wegen histori- scher Versehen und Widersprüche mit den Helienika. Auf die Frage der Zulässigkeit , einer Ausscheidung einzelner Theile ist er nicht einge- gangen; bemerkenswerth ist es indess, dass er die von Hagen gegen c. 2 vorgebrachten Bedenken fast sämmtlich anerkennt, die übrigen meist mit Beckhaus zurückweist. Hiermit vergleiche man, dass Terwelp die ersten beiden Capitel dem Xenophon entschieden abspricht, während er zugiebt, dass sich über die übrigen weniger sicher urtheilen lasse; er macht auch auf das Missverhältniss des Umfanges des erzählenden Theiles zu der folgenden Charakterschilderung aufmerksam. Ich habe schon frü- her gelegentlich meine Ansicht ausgesprochen, dass c. 11 und ausserdem 1, 6 vüv 3, 1 zocaüza Xenophon nicht angehören, das Uebrige aber echt ist. Im echten Theile haben wir ein künstlerisch bis iu's Einzelnste hinein berechnetes epideiktisches Ganze, eine Perle dieser Gattung aus bester Zeit: ein i^xw/icov, das zum Zwecke hat, den Agesilaos, als den zeMojg dya&oQ dv^p, jiaxaptZecrßac und als 7iaftdoscyfj.a dvopayadcag hin- zustellen; Ungünstiges wird höchstens leise berührt, z.B. 6, 2 &ufia) fid- ^ea&ac (vgl. Hell. IV, 3, 19, und dagegen etwa V, 3, 7). Um r^g 'Ap]- addotj dpsTYjQ rs xal dö^r^g ertaivov ypd^ac, wird nach dem Schema die- ser Redegattung zuerst die suydveca besprochen, darauf ein zexiujptov TY^g Tiph äp^at aurbv dpez^g gegeben. "Oaa ys jxtjv sv zjj ßaadzca 8is- Ttpd^azo , II ou zsxpr^piüjv Ttpogoehac: es wird als allen bekannt vorausge- setzt; war doch der Gefeierte gewesen sdxksrjg pÄXtaza zujv xaB-' eauzöv und TioXoepaazözazog xal r.oXoenaLvezujzazog und ndvzcov dv&pJjTzaiv. Da- gegen wird als eigentlicher Gegenstand genannt: zrjv h z^ ^p^yjj aozoo dpsz^v ofjXoöv, 8t' rjv zdtjza enpazze: sie wird in sachgemässer und einem Sokratiker angemessener Reihenfolge ihrer verschiedenen Seiten mit Bei- spielen belegt, die entweder Xenophon aus persönlicher Bekanntschaft verbürgen konnte, oder die allgemein coustatirt waren (vgl. 6, 2 upm-

32 Xenophon.

Tag i^v auToü -nyv (pu^rjv 8oxtjxdZecA Nichts ist aus historischer For- schung hinzugethan; 8, 7 'Apca-oorj/iog ö 'HpaxXioog ist vor Ephoros ge- schrieben). In sorgfältig erwogener Darstellung, aus voller Bekanntschaft mit dem Helden heraus, werden nach einander in's Licht gestellt seine zoasßata^ seine eyxpdzeia 1) ^prjiirhwv ^ 2) yjooucov, seine dvdpsta, seine (To^ca sowohl im Vaterlande als den Feinden gegenüber, seine Eigen- schaft als (ptkÖTtühg in jeder seiner Handlungen sich äussernd, im Heil- spenden, im Gesetzesgehorsam, auch im Verhältniss zur Gegenpartei. Nach des Agesilaos' Erwägung war Spartas Glückseligkeit gesichert, wenn im Innern dessen Gesetze Geltung behielten; seine Macht, o~av ol '^EUrjvsg atotppovwacv . Dieser Gedanke bildet den Uebergang zu des Age- silaos' hellenischer Gesinnung und seinem Perserhass: Die von Persien dem gesammten Hellas drohenden Gefahren 3) sieht jedermann: Agesilaos allein hat thätig eingegriffen (vgl. Isokrates an Archidamos § 11 und überhaupt diesen ganzen Brief) ; selbst in den Kriegen seiner Vaterstadt mit Hellenen hat er diese Gesinnung hervorgekehrt und hat er sogar (den Ariobarzanes) gegen den Perserköuig unterstützt. Nach diesem Höhenpunkte der Darstellung wird doch nicht mit Stillschweigen über- gangen rb eu^apc in des Agesilaos' persönlichem Umgange. jMsydkau^og war er niemals; wohl aber hat er soxacpwg seine natürliche jxzyaXoyvto- lioaüvrj geoffenbart, z. B. da er die persönliche Gastfreundschaft mit dem Perserkönige im Gesammtinteresse von Hellas zurückwies. Letztes und Glanzstück des Byxwjuov ^ Steigerung des Lobes durch die höchstmög- liche Parallele: Mit dem Perserkönig hält Agesilaos jeden Vergleich aus. (Hierin befindlich 8, 7, worüber schon um 200 v. Chr. Polemon mp). rou Tzapa Ee\>o(puiv-i xavm&poo.) Schlussstück, zurückgreifend auf die Eiu- theilung am Anfang: Er war (pil6Ttp.og ix natdög und als ßaadeüg^ und dvaixdpzi^Tog im Tode. In dem oben bezeichneten echten Bestände

3) Aus 7, 7 ergiebt sich (während auf 2, 29 kein Gewicht zu legen ist; die Abfassungszeit (vgl. auch Beckhaus, Progr. v. Rogaseu 1872 S. 8ff): Ochos unterstützte durch Maussollos die Bundesgenossen gegen Athen; mit Geld, er der reichste Herrscher, unzweifelhaft schon damals die Thebaner gegen die aus den delphischeu Schätzen schöpfenden Phokier; er betheiligte sich bei Friedensverhandlungen, die möglichst unhaltbare Zustände für Hellas herbei- führen sollten. Die Schrift ist also während der Verhandlungen, welche zur Beendigung des Bundesgenossenkrieges führten, abgefasst. Wegen der Stim- mung vergleiche des Isokrates bald nach dem Frieden geschriebenen Brief an Archidamos (und mit dessen § 16. 14 die dem Friedensbedürfuisse Athen's an- gepassten Xenophoutischen Uöpoi 5, 8-10. 13). "Wie Isokrates an Archidamos § 1 sagt, hatten sich schon »viele daran gemacht, den Archidamos, seinen Vater und ihr Geschlecht zu preisen«; wenn die eine der beiden möglichen Auslegungen von Xenoph. Ages. § 1 richtig ist, war Agesilaos kurz vorher oödk ßscövwv inaivüjv theilhaftig geworden. Einige Zeit nach dem Tode des Agesilaos war schon vergangen: 10, 3.

Agesilaos. 33

haben wir wohl auch ein Dokument für die politische Stimmung Xeuo- phons während der Abfassungszeit, jedenfalls aber ein charakterisches Denkmal hellenischer Gesinnungsweise, im besonderen der Xenophons. Und mit Rücksicht darauf bitte ich meine Auslassung hier zu entschul- digen. Alle Einwände gegen die Echtheit sind widerleglich ; die uxzu) z. B. 7, 5 (= Hell. IV, 3, 1) beruhen ohne Zweifel (nur) auf officieller spartanischer Zählung (s. Breitenbach zur Stelle der Hell.). Eine spä- teres rhetorisches Exercitium ist das Einschiebsel 1, 6 vyv 3, 1 Totauza, hervorgegangen aus nicht geringem sachlichem und sprachlichem Studium dieser Schrift Xenophons und der Hellenika. Anlass bot die (in der Zeit bald nach Agesilaos' Tode völlig motivirt gewesene) Ueber- gehung eines epideiktischen Capitels : der npd^scg. Der Urheber war sich dessen, was er that, und seines Verhältnisses zum Xenophontischen Werke wohl bewusst; indem er möglichst genauen Anschluss zu gewinnen sucht, gebraucht er zugleich folgende Motivirung für sein Einschiebsel: (1, 6) "Oaa yz fj.r]v iv zjj ßaatXeta dcenpd^aro || vüv rjdrj'^) 3ci^y:^(T0fiac- dno yap tüjv ipyojv xai roug Tpönoug ahzoo xdXhaza vo/xc^uj xaraorßoug eaea&at . . (1, 9) nwg dv reg aa<piarzpov imdei^siev cug iarpazi^yTjasv ^ el aura 8trj- yrjcraiTO d enpa^sv; . . (3, 1) xac zauza pkv 8rj eiprjrai oaa rajv ixecvou epyajv psrd nXscazojv papzupojv STipd^^rj. Xenophon setzt umgekehrt eine, wenn auch nur allgemeine, Keuntniss der Thaten des Agesilaos voraus, will aber aus seiner persönlichen Kenntniss heraus, durch Dar- stellung der nur der nächsten und stetigen Umgebung des Agesilaos völ- lig erkennbaren Individualität desselben und durch richtige Einordnung der allgemein bekannten Thatsachen in seine Darstellung, auf diese That- sachen die rechte Beleuchtung fallen lassen. Im Sachlichen hat der Rhetor möglichst sorgfältig Xenophons Hellenika und eine andere gute historische Quelle, vielleicht Theopomp, benutzt, aber doch dabei Dinge begangen, die Xenophon selbst nicht beigemessen werden können; beson- ders findet dies im zweiten Capitel statt, wo er bei der sich unglück- licher gestaltenden Lage Spartas den Stoff freier epideiktisch zuzustutzen und auszuheben gezwungen wurde.

Breitenbach zu Hell. IV, 3, 15 und S. 203: Ages. 2, 11 8k [oltrot . . auffzpazBucrapdvuJi'] xal oc KupsToc (für xat zutv Kupecwv zcvkg) xai ^lioveg oh. Hieran erlaube ich mir einige wenige eigene Vorschläge anzuschliessen, von denen der eine oder andere mir vielleicht schon vor- weggenommen ist: Ages. 1, 5 zdds \zd\ (rr^psTa (vgl. 4, 3. An. I, 9, 29), 1, 21 Txapd ipnopocg (?), 1, 25 [zwv] dvopdjv, 1, 27 onoza (f. onou) dnu, 6, 6 Tiepucüv (f. napnöv).

4) Vgl. das (vielleicht von diesem Fälscher erst aus einem iytb geän- derte) vöv 3, 1.

Jahresbericht für Alterthums-Wisseiischaft 1877. I. 3

34 Xenophon.

[Ssvo^üJVTog] 'Ai^r^vacojv noXmia.

Xenophontis qui fertur libellus de republica Atheniensium, in usum scholarum academicarum edidit A. Kirchhoff. Berlin, W. Hertz (Besser) 1874; XII, 23 S. 8. (Hertleiu, Jenaer Lit.-Zeit. 1874. S. 313f. Zarncke's Lit. Centralbl. 1875. Sp. 115).

A. Kirchhoff, lieber die Schrift vom Staate der Athener, Abb. d. Berl. Ak. d. W. 1874. S. 1-51. Besonderer Abdruck, in Comm. bei Dümmler. (i^. in Zarncke's Lit. Centralbl. 1875. Sp. 808. Hert- lein, Jenaer Lit.-Zeit. 1876, S. 463).

Curtii Wachsmuth commentatio de Xenophontis qui fertur libello 'A&rjvauov -nohrtta^ Gottingae 1874. 36 S. 4. Typis expressit officina academica Dieterichiana (Guil. Fr. Kaestner). Gelegenheitsschrift beim Rectoratswechsel der Universität.

Memoire eines Oligarchen in Athen über die Staatsmaximen des Demos, besprochen von Moriz Schmidt. Jena, H. Dufft 1876. XII,

43 S. 8.

F. G. Rettig, Ueber die Schrift vom Staate der Athener. Zeit- schrift f. d. österr. Gymn. 28, 1877. S. 241 -261. 401-417. 561 588. Auch im Separatabdruck unter dem Titel: Die Planmässigkeit der 'AHr^vaccüv noXt-zca erwiesen von Dr. G. F. Rettig. o. ö. Professor der classischen Philologie an der Universität in Bern, Wien, C. Ge- rold's Sohn 1877. 64 S. gr. 8.

Cobet, Mnemos. 1873. S. 234.

Zurborg, De Xenophontis libello qui Ilüfjot inscribitur, 1874. Sen- tentiae controversae : 2.

Karl Lehmann, Quaestiones Homericae, Berlin. Dissert. 1875. Sententiae controversae: II.

A. V. Gutschraid, 'Zu Pseudo- Xenophon de republica Athenien- sium, Rhein. Mus. 31, 1876. S. 632—635.

Das problematische Wesen der Schrift hat man auf verschiedene Weise zu erklären versucht. Wachsmuth hält, abweichend von den übri- gen neueren Gelehrten, an der Vermuthung Cobet's fest, dass die Schrift ursprünglich ein Dialog gewesen sei, und hat es unternommen, diese Vermuthung weiter auszuführen und zu begründen. S. 12 fasst er das Resultat dahin zusammen: Als man in der Zeit der Alexandriner auch die Schriften Xenophons sammelte, stiess man auf die verstümmelten, auf alle Weise verdorbenen und durch einander gewirrten Reste eines Dialoges über den Staat der Athener, des Werkes eines alten, noch ungewandten attischen Schriftstellers, in welchem die Unterredner ein der Volksherrschaft zugethaner Athener und ein einem anderen Staate,

Staat der Athener. 35

aber nicht Sparta angehöriger Aristokrat gewesen waren. Irgend ein Grammatiker schrieb aus dem Funde ab, was er lesen konnte; den Dia- log versuchte er nicht wieder herzustellen, sondern er verband die Theile durch eingesetzte Worte (S. 33) ohne genügende Einsicht nach Möglich- keit zu einem zusammenhangenden Ganzen. Einige Reste, welche er nicht unterzubringen vermochte, fügte er hinten an: 3, 1-13, und ver- band vorn durch ok das Büchlein mit Xenophons Schrift über den Staat der Lakedaimonier; so lag das Werk schon dem Demetrius Magnes vor. S. 11: inter omnes post diligentem Faltinii et luculentam Kirchhoffii dissertationem constabit, farragiuem pessirae congestam potius quam per- fectum librum esse hanc scriptionem. Wie wenig Gewissheit seine An- sicht vom Ursprünge der Schrift habe, räumt Wachsmuth S. 12 selbst ein: admodum sum contentus, si concedetur libellum sie fere ut adum- bravi oriri potuisse. Darauf hat er S. 13 if., als kürzeste Probe für ihre Wahrscheinlichkeit, den Versuch gemacht, durch Anwendung verschie- denen Druckes den Text der Schrift in seiner überlieferten Form unter jene Unterredner des ursprünglichen Dialogs und den späteren Dia- skeuasten zu vertheilen; dadurch hofft er auch das Verständniss mancher Stellen gefördert und viele Conjekturen als unnütz erwiesen zu haben. Dass ihm auch hierbei nicht überall mehr eine sichere Entscheidung möglich scheint, darf man wohl aus zwei der zum Schluss über einige Einzelheiten angefügten Bemerkungen entnehmen: S. 33 Dubitari tarnen potest, num initio (I, 1) eidem (dem Diaskeuasten) rectius verba so '^EUrjac adscribenda sint, und S. 36 Quod si cui violentius videtur con- iectum, potest totam paragraphum adversario tribuere ita ut hie a ratione fere constauti auctor decesserit. Wachsmuth's Ausführungen sind von Rettig S. 37-49 widerlegt worden. Dieser hebt hervor, dass Wachs- muth erst Schwierigkeiten geschaffen hat, die in Wahrheit in der Schrift nicht vorhanden sind, und die andererseits Wachsmuth nicht einmal durch seine Hypothese zu heben völlig im Stande ist. Nicht zwei ünterredner seien zu unterscheiden, sondern zwei Standpunkte eines und desselben Ver- fassers ; der Einwurf, den sich Wachsmuth S. 7 mache, enthalte das Rich- tige: Dixerit quidem aliquis, id ipsum fuisse scriptoris consilium ut ea quae a Graecis Atheniensibus crimini dari solita sunt refelleret; eum euim quam quam ex Atheniensibus optimatibus fuerit ideoque democratianr minirae probaverit, t amen demonstrare voluisse, Athenienses cum omnia admodum prudenter ita administrare ut rei publicae ratio a maioribus constituta conservetur tum reliqua quae minus recte tractare Graecis videantur optime perpetrare. Die wiederholte Anwendung der ersten und der zweiten Person sei nur eine Form der Darstellung, auch 1, 11, wo der Abwechselung halber statt des erwarteten iäv 8k ozBijj b ifibg 8ou- Xog ai ohne Unterschied in der Sache gesagt werde lav oh ozdi'rj b aug boüXog i/ie\ 3, 10 sei, nach der Correctur in B (Vatic. 1335) von zwei- ter Hand, fiot zu beseitigen. Wachsmuth setze auf Rechnung des Dia-

3'

36 Xenophion.

skeuasten Wendungen, welche als beabsichtigte Uebergangsformeu der ursprüuglicheu, planvollen Disposition einer Abhandlung angehören, einer Disposition, die noch jetzt erkennbar und zum grössteu Theil ungestört vorhanden sei.

Mit der in den letzten Worten enthaltenen Ansicht steht allerdings Rettig auch in Widerspruch mit Kirchhoff und Schmidt. Diese Gelehr- ten und vor ihnen F alt in (Quaestiones de libello 'A&rjvacwv -Koh-zia-^ Bresl. Diss. 1872) sind der Meinimg, dass die ursprüngliche Anordnung bedeutend gestört sei, und haben, auf verschiedene Weise, versucht, sie wieder herzustellen; ausserdem haben sie, mehr oder weniger ausführ- lich, über Zweck und Zeit der Abfassung sich geäussert. Faltin hält die Schrift, unter Aenderung der Pronomina in 1, 11, für den von Athen aus an einen Lakedaimonier gerichteten Brief eines attischen Optimaten (S. 2 —4. 13). Geschrieben sei er Ende 430 oder Anfang 429. Denn die Worte 2, 18 xioixojozTv . . zöv S^fiov oox iuxrcv führten auf die Zeit vor der Aufführung der Babylonier (426), und die darauf folgenden oödk rod nXrj&oug o xiojiwdoujxavog aig im -noXlt , äXX' iy nXoöaiog rj ysvvacog ^ duvdjih>og mit Wahrscheinlichkeit auf die Zeit vor dem Tode des Peri- kles, vor der Prostasie von Männern aus dem Demos; andererseits leite 2, 16 T^v 8h 'AzTiXTjv Y^v mptopöjm rsjivofxsvrjv auf die Zeit nach dem ersten Einfall der Feinde 431, und die Worte 2, 14 vöv 8k . . . ol ysojp- yoüvTsg xai ol nXoüaioi Ai^rj^atcuv unip'^ovzac zoug noXsiitoog [xäXXov, b 8k 8^liog, az£ stj £c8(vg ozc ou8kv zwv acpwv i p.Tiprjaouaiv ou8k zsfioOacv, d8£u>g Zfj xai 00^ ump^öiiavog ahzoug wiesen noch specieller auf die Stimmung in Athen, welche 430 nach dem zweiten Einfall und nach dem Ausbruche der Pest zur Gesandtschaft an die Lakedaimonier (Thuk. II, 59) führte; ein Seeangriff' auf Attica aber, wie der des Knemos und Brasidas 429 gegen den Peiraieus gerichtete, welcher grosse Bestürzung hervorrief (Thuk. II, 93 f.), scheine noch nicht geschehen zu sein (S. 55 62). Auf Grund zahlreicher Lücken, welche Faltin S. 5 36 bei seiner Unter- suchung des vorhandenen Zustandes der Schrift in regelmässigen Ab- ständen in derselben findet, und gestützt auf Fälle gestörter Disposition, von denen er die ihm sichersten S. 37 zusammenstellt, vermuthet er dass das Ganze, wie wir es haben, in alter Zeit von einem sorgfältigen iibrarius aus 21 meist oben und unten beschädigten Blättern, welche die ursprüngliche Schrift vollständig oder fast vollständig enthalten hätten, unter Beibehaltung der zufällig entstandenen Unordnung und unter Be- wahrung aller nur lesbaren Worte, abgeschrieben und so auf uns ge- kommen sei (S. 38 --41. 43 f). Ueber die ursprüngliche Disposition äussert sich Faltin nicht mit ausreichender Klarheit. Seine Darstellung S. 41—43 erregt den Schein, dass er auf 1, 1 zunächst 1, 19 2, 5. 13-16. 11 f. 6 8 als Beweis ujg eu . . xai zäXka Scar.pdzzovzac (die Athener, 1, 1), ä Soxouacv äiiapzdvzcv zo7g äXXotg "EXhrjatv , und darauf nach diesem Ab- schnitte a) 1, 2—9. 2, 18-20. 1, 10—13. 2, 9-10. 1, 13 (iv 8k zoTg

Staat der Athener. 37

Stxaar-fjpcotg xzX.). 3, 12 ~ 13; b) 1, 14—18. 3, lof. 2, 17 als Beweis u)g EU Scaffw^owac ze ttjv nohreiav setzen will; denn es folgt der zwei- deutige Ausdruck: Ad haec accedit tertium caput (der höheren oder der unteren Eintheilung?) 3, 1 9 (gemeint ist: von 3, 1 irt 8s xal an), und dieses caput soll am Ende stehen, worauf den letzten Beschluss noch die erste Hälfte von 3, 1 bilden soll (S. 35. 41. 40). Ueber dies letzte Stück sagt Faltin S. 29 f. : graviter monendum est, ne haue quidem clau- sulam esse salvam, quum . . posterior eins pars casu quodam intercepta esse videatur. Nam duas res demonstrare sibi proposuit auctor 1, 1 de- mocratiam, ut erant constitutae res, optime conservari et reliquas res, quas male gerere caeteris Graecis viderentur, bene confici. Alterum tan- tum in clausula memorari mirum est. Quodsi quis dicat, fuisse hanc quidem clausulam, sed non totius libelli, potius partis illius democratiae naturam moresque describentis , mihi quidem probetur; darauf fährt er leider fort: tamen quum res magnopere sit incerta, in medio eam relin- quo. Faltin hat jedenfalls das Verdienst, zuerst den Zustand der Schrift eingehend untersucht und eine sehr beachtenswerthe Datirung derselben gegeben zu haben. Allgemeiner hat erst Kirchhoff, dem zur Zeit seiner Arbeiten Faltin's Dissertation unbekannt war, durch seine vorzüg. liehe Ausgabe und seine das Verständniss der Schrift ungemein fördernde Abhandlung die Studien auf jenes werthvolle älteste Denkmal der atti- schen Prosalitteratur gelenkt. Kirchhoff glaubt (S. 1), dass es sich sehr wahrscheinlich machen lässt, dass die Schrift in der letzten Zeit des ar- chidamischeu Krieges nach der definitiven Besetzung von Pylos durch die Athener und vor den Erfolgen des Brasidas, also im Laufe des Jah- res 424 geschrieben wurde. Er hält es für unbestreitbar, dass der Ver- fasser ein athenischer Bürger von streng oligarchischer Gesinnung und gereifter Lebenserfahrung war, aber für völlig unerweislich, dass er seine Schrift an einem anderen Orte als Athen, im Auslande, etwa gar als Emigrant oder Verbannter, verfasste oder an die Adresse einer bestimm- ten einzelneu Person richtete, und für gewiss nur, dass seine Auseinan- dersetzungen nicht auf ein athenisches Publikum ausschliesslich und noch viel weniger auf die Belehrung derjenigen berechnet sind, mit welchen Athen damals im Kriege lag. Um den Zustand der Zerrüttung, in wel- chem die Schrift sich befinde, darzulegen und seine Beschaffenheit zu charakterisiren, giebt er S. 2 27 eine eingehende Analyse des Textes. Er erkennt S. 3 au, dass in 1, 1 nicht nur die Absicht, in der die ganze Erörterung angestellt werde, erklärt, sondern auch die Disposition an- gedeutet werde, nach welcher der Gegenstand behandelt werden solle ; . . es lasse sich nicht behaupten, dass die angedeutete Disposition mit be- wusster Consequenz durchgeführt sei; im Einzelnen seien alle Elemente gegeben, welche zur Durchführung der wenigstens zu Anfang beabsich- tigten Disposition von Nöthen gewesen wären. Die Möglichkeit wird S. 50 ausgesprochen, dass das Ueberlieferte nur zu einem Stücke eines

38 Xenophon.

grösseren Ganzen gehört haben könne. Von der Voraussetzung aber aus, dass die Schrift ein Ganzes bildete, wird S. 29 ff. als die vielleicht wahr- scheinlichste Restitution (denn wegen der vorkommenden Lücken könne keine sichere gegeben werden) folgende vorgeschlagen: I (1, 1 3). II (3, 12 13). III (1, 4-5 dv&pMr:wv . . . Lücke). IV (2, 9 10). V (1, 13 - aup.(p6pof> . . . Lücke). VI (1, 6-9). VII (2, 17-19 ofsripü) xaxw). VIII (1, 10-12. Lücke). IX (2, 6-8). X (2, 11-12). XI (1, 19 —2, 5). XII (2, 13—16). XIII (3, 10-11). XIV (1, 14-18). XV (3, 1 in 8s xal zdSs 2 sxdtxdZooai . . . Lücke). XVI (3, 4 8 dyouarj TTohc). XVII (3, 2 TTjV ok ßooXrjV 3). XVIII (3, 8 rouziov zotvov 9 d<psX6vra . , . Lücke). XIX (2, 19 xa: rouvav-cov 3, 1 i.ni8si^a). S. 18 und 21 fliessen, worauf Rettig S. 25 f. 29 f. aufmerksam macht, die Gedanken unter, dass jemand in der Disposition des ersten Para- graphen eine Gliederung der Darstellung in zwei Theile angedeutet fin- den und demgemäss annehmen könnte, dass das zuletzt gestellte Stück 2, 19 xac robvavTtov 3, 1 sTTedst^a nicht den Schluss des Ganzen, sondern nur des ersten Theiles zu bilden bestimmt sei; und dass das zu vorletzt gestellte Stück 3, 8 toutcuv tolvuv 9 dipzXovra ganz den Eindruck mache, als bezwecke es das Ergebniss der gesammten 1, 1 eingeleiteten Erörterungen zusammenzufassen. Schmidt hat die Untersuchung dadurch gefördert, dass er die Zweitheilung der Disposi- tion betont, das Ende des ersten Theiles in 3, la erkannt und festge- halten, und dass er den Versuch gemacht hat, nach jener Zweitheilung den gesammten Stoff zu disponiren (S. 1. 12. Rettig S. 49. 60. 64). Im Uebrigen enthält seine Schrift viel Gewagtes und auch Verfehltes. Er irrt mehrfach in der Unterbringung des Stoffes unter die beiden Theile und in der Anordnung, vor allem in der Verkennung des Schlusses der ganzen Schrift, den wir, wie Rettig S. 30. 62 darthut, in 3, 8b— 9 ha- ben. Schmidt disponirt nämlich (S. 19. 15 Anm.) folgendermassen: Der erste Haupttheil bestand aus 1, If. 4f. 11 f. 10. 6—9. 3. 13 ... | 2, 9 f. 17-3, la; der zweite aus 3, Ib— 2 ixScxd^ooa:. 4-7. 2 r^v 8k ßou^v 3. 12f. 8—11 i 1, 14—18. 2, 1. 1, 19f. 2, 2f. 13. 4—6. llf. 7f. 14 —16. Die überlieferte Anordnung sei durch Blattversetzung, Ausfall etwa eines Blattes, absichtliche Umstellung entstanden; ausserdem sei die Schrift von ihrem Verfasser nicht einmal zum Abschlüsse gebracht und von einem Freunde desselben ohne irgend welche Aenderung her- ausgegeben (S. 5 f. 10 f. 14. 19 ff. 23 f.). Geschrieben aber sei sie als umjpvvjpa, als ein Manuscript für auswärtige Freunde in Lakedämon von Thukydides, des Melesias Sohn, oder doch wenigstens von einem Manne seiner Partei, vielleicht von einem Namensvetter des Historikers Xeno- phon (S. VII. Xff.), und zwar 430/29. Schmidt kommt also auf densel- ben Zeitansatz, wie Faltin; was er bei Gelegenheit dieser Zeitbestimmung sagt, lässt sich hören: dass 2, 13 nicht nöthige, die Abfassung erst nach der Besitznahme von Pylos 425 anzusetzen; die engste Zeiteingreuzung

Staat der Athener. 39

aber erreicht er auf bedenklichem Wege: den Satz 2, 19 xal muvavrcov ys toOtou ivcoc ovrsg cog dXrj&ojg rou orjiioo ttjv (puatv ob oi^ixorcxoc elai setzt er (S. 41 unten) 2, 18 ein vor die letzten Worte waTe uu8e roug rotoOroog ä^^üVTat xojjKüdnöixivoog, zu ivioi versteht er tu)v xuj/xwdouiie- vcDv, den Satz bezieht er besonders auf Perikles (S. IX), ruug TocoÜToug bezieht er auf beide Kategorien, die sich überhebenden Demoteu und die mit dem Volke liebäugelnden Optimaten. (Bei dieser Gelegenheit be- merke ich gleich, dass auch unter den übrigen Gelehrten, welche den Satz an seiner Stelle belassen, verschiedene Auffassung besteht. Wachs- muth und Gutschmid verstehen ihn auch besonders von Perikles; jener sagt S. 36 : Quid sit a>v rou drjixoo verbis quae pauUo post sequuntur de- monstratur oartg /itj wv toü d^/xou: significatur ibi nimirum optimatium partibus addictus; dieser erneuert S. 633 seine Vermuthung svcot {iyyuot = Freunde, Gönner )>. Rettig versteht S. 24, wie Cobet, die Stelle: »und im Gegensatze zu dieser Denkweise giebt es einige, welche, wiewohl sie aus dem Demos stammen, doch ihrer Naturanlage nach nicht jene demo- kratischen Gesinnungen theilen. Ein solcher Mann war Sokrates«. Was soll aber dieser Gedanke hier, und wie dient er dem Zweck der Schrift?) Rettig's Werk ist für jeden, der sich über die vorliegende Frage Orientiren will, unentbehrlich. Von einem Eingehen auf das Einzelne kann hier um so mehr abgesehen werden, da die Darstellung sich durch Methode und Klarheit auszeichnet imd überall die Zusammenhänge in der Disposition der Schrift Mrjvauov noXi-eia durch gesperrten Druck hervorgehoben sind. Die eigenen Ansichten werden bei Besprechung der Kirchhoff'schen Arbeit (S. 1-37) entwickelt. Nach eindringender, umsichtiger Untersuchung fasst der Verfasser das Ergebniss S. 64 da- hin zusammen, dass die Schrift mit Ausnahme zweier Abschnitte in der ursprünglichen Anordnung erhalten sei, imd dass sie aus zwei Theilen bestehe, einem wichtigeren und umfangreicheren, welcher sich mit dem athenischen Staatsorganismus selbst und seinen Einrichtungon befasse und in 1, 1 9. 3, 12 f. 1, 10 3, la enthalten sei und einem minder wichtigen kleineren 3, 10 f. lb-9, »welcher Athens Verhalten nach aussen betrifft«. Dieses Ergebniss würde sich durch seine Einfachheit und Uebersichtlichkeit empfehlen, wären nur durch die vorangegangene Untersuchung alle Bedenken beseitigt. Aber die Charakterisirung des zweiten Theiles als »Athens Verhalten nach aussen betreffend« geht nicht mit Nothwendigkeit aus dem einzigen wirklich gegebenen Anhalte : der Disposition in \, l wg eu . . räUa xzh und den Worten in 3, Ib —9, hervor, sondern sie ist von Rettig selbst entnommen aus der ge- meinsamen Beschaffenheit der zugewiesenen Bestandtheile 3, 10 f. Ib— 9, unter der Voraussetzung, dass sie, und nur sie den zweiten Theil ge- bildet haben. Aber diese Voraussetzung ist keine sichere. Denn abge- sehen von dem entstehenden mangelhaften Uebergange von 3, la zu 3, 10, bleibt trotz allem, was S. 35. 52. 53f. 61. 62 gesagt ist, der Zwei-

40 Xenophon.

fei, ob nicht vielmehr 3, 10 f. zum ersten Theile luq eu Staoip^nvrat xr}.. (1, 1) zu ziehen sei; vgl. die ähnlichen Gedaukenreihen in 3, 10 f. und 1, 14. Ferner ist zwar 3, 12 f. S. 36 f. mit Recht in den ersten Theil gesetzt, aber ihre Unterbringung hinter 1, 9 ist doch wahrlich nur ein Nothbehelf, bedingt wieder durch die stille Voraussetzung, dass uns die Schrift vollständig überliefert sei. Sodann, was das Wichtigste ist, sind gegen die Angriffe von Faltin, Kirchhoff, Schmidt, die Partien 2, 8— 11 ff, 2, 16 -19 ff. durch die S. 16f. und S. 18 ff. vorgebrachten Gründe doch nicht als zusammenhängende erwiesen worden. Zweifel bleibt auch nach dem S. lOft'. Gesagten wegen des Fortgangs von 1, 16 ff. zu § 19. Sucht man nun aber für die betreffenden Partien eine anderweitige Un- terkunft, so erscheinen alle gemachten Vorschläge nicht überzeugend, und man wird keine befriedigenden oder doch keine nothwendigen Stellen für sie finden. Das ist ein Zeichen, dass jedenfalls Verluste geschehen sind. Was die Vertheidigung des Uebrigen (1, 1 15. 19-2, 8. 11 16 . . . 18—3, la . . . Ib— 9) anbetrifft: so ist die Beweisführung für die Zusammengehörigkeit theils überzeugend, theils kann sie als ausreichend angesehen werden in Anbetracht der bis zur Entstehungszeit des Denk- mals erst gewonnenen schriftstellerischen Gewandtheit und mit Berück- sichtigung des zu überwältigenden schwer disponirbaren Stoffes.

Ausgaben. Conjecturen. Ueber die neuerdings verglichenen Handschriften siehe Kirchhoff in der praefatio seiner Ausgabe, seine Ab- handlung S. 30 Anm., und Wachsmuth S. 13—15. Von ihnen sind drei von Bedeutung: Vaticanus 1950 (A bei Gail, Kirchhoff, Wachsmuth), Marcianus 511 (erst jetzt verglichen, 1166? geschrieben, Ä bei Kirchhoff, M bei Wachsmuth), Laurentianus pl. 55, 21 (L bei Dindorf und Wachs- muth, D bei Kirchhoff). Die von verschiedenen Gelehrten für Kirchhoff und Wachsmuth genommenen Abschriften weichen nicht wesentlich von einander ab; Schmidt wiederholt einfach S. 37—39 diesen handschrift- lichen Apparat; während aber bei jenen beiden die Lesarten unter dem Texte gegeben sind, folgen sie hier hinter demselben, und zwar, wie die- ser, nach der Anordnung der Schrift, die Schmidt für die ursprünglit hält. Der Vaticanus repräsentirt eine bessere Handschriftenfarailie, die beiden anderen Handschriften eine schlechtere, und zwar der Lauren- tianus eine unvollständige Untergattung. Hertlein: »Das Ergebniss die- ser Handschriftenvergleichung ist freilich nur geringfügig und mehr ne- gativer als positiver Art, insofern sich nämlich daraus ergiebt, dass aus den Handschriften schwerlich mehr etwas von Belang für weitere Ver- besserung des Textes zu erwarten ist. Ein um so grösserer Spielraum bleibt bei dem äusserst verwahrlosten Zustande, in welchem uns diese interessante Schrift überliefert ist, der Conjecturalkritik, und diese hat Kirchhoff wie noch keiner vor ihm angewandt«. Einige Nachträge Kirch- hoffs siehe in seiner Abhandlung S. 31 ff.; sie sind in Wachsmuth's Appa- rat aufgenommen bis auf die folgenden: 2, 5 dnoßr^vai, {uu o' äv rjzrcuv

Staat der Athener. 41

^, fiT) dnoß^vac) zaörjj (schon Früliere ähnlich), 2, 17 auyxet'iisva. {o&ev TtoXXdxig Ttva iazc ffuyxscfieva)- Ttuv^ävovzac, 3, 11 ou aovrjveyxsv ahzotg^ ^rouro jikv yäp^ ozs . . ., o'j ffuvrjvsyxsv ahzötg) äXX ivvog (ein wenig abweichend von Madvig). Wachsmuth hat überhaupt fast alle ihm be- kannt gewordenen Vorschläge der früheren Gelehrten unter dem Texte angegeben, und wenn auch unnütze Conjecturen darunter sind, so ist doch diese Sammlung zur Uebung der Kritik z. B. in philologischen Se- minarieu recht brauchbar; Kirchhoff dagegen beschi'änkt sich in der Aus- wahl auf das Nothwendigste; um so übersichtlicher ist seine Ausgabe. Von einer Aufzählung seiner Vorschläge darf wohl abgesehen werden; aus denen der übrigen Gelehrten nach ihm erwähne ich folgende: 1, 2 [xac b xr^v 8(jvajit.v mpcu&slg xfi tiÖXel] Gutschmid a-parrjyiuyv xkrjpw Wachsmuth S. 34 1, 3 elalv dp^al ■(^d^coar.oüdaazoc)' fiicr^o^opäg evsxa Schmidt S. 41. Müsste dann nicht doxoöacv statt slaiv stehen? 1, 5 evt TToUoTg (f. svcocg) Hertlein 1, 6 fügt Hertlein p.6voc vor oder nach oc -^pr^azol hinzu. Darauf e^syov xal eßoüXeöov, ^eXeyov av xac ißoüXzuov, S) zdtg Sfiococg afiaiv ahzolg Ijv dyadd Wachsmuth 1, 10 [xal zujv /iszocxwv] . . kXz'j&epoo zOnzea&ai, TzoXXdxtg du olrj^elg ehac dooXov zuv 'A^TjvaTov ^ zbv fxdzotxov ^ zöv dmXzüd^spuv i7idza$sv äv . . [iy oc oouXoc] Schmidt 1, 13 Süvazac (f. ouvazä) . . [iffzo] Gutschmid. Ueber die Schlussworte des Paragraphen ycyvcuvzac, iv zs xzÄ. siehe Rettig S. 7 f.

1, 14 aup-fid^cov -idrjXov} ozc ixnXsovzeg auxocpavzoüacv [w? doxouac^ Rettig S. 10 A. 4. Dagegen Zurborg: xai diujxoom (für ujg ooxo'jac) 1, 20 bXxdda- oi o' ivzöijßav im zptrjpzac xaziazr^aav, oc [ok] tzoXaoI Gutschmid. Ueber 2, 1 uuzo) xaBiazrjxe siehe Rettig S. 12 A. 2. Ist darauf viel- leicht zu lesen: [xal Löwenklau] zmv fxh tcoXsucvjv rjzzoug zz oipäg ahxobg riyomzat tcvat xac -/^zcpoug (f. jiscCoug: quantitativ und qualitativ schwächer)* zaJv Sk au/i/id^ojv, o" {(fipouat zbv <p6pov xac\ xazä yr^v xpdzcazoc elac, [xal] vo/xc^ouoc zb brJczcxbv dpxsTv (Courier und Dobree für dp^/^ecv), sc zouzajv (f. zwv auix/id^iov) xpeczzoveg zlac^ 2, 4 yr^g kvcozs, zs/ivecv »was der Schwächere zu Laude bisweilen kann, kann der Seebeherrscher ii^mvjr: das Land des Stärkeren verheeren« Gutschmid. Aber dieser Auetor würde dal eingesetzt haben, und zoTg z^g yrjg sc. dp^ouat ist doch nicht »der Schwächere zu Lande«. Darauf: TtpognXetv (f. TMpanXelv) Wachsmuth. 2, 9 xal ^ 8sr^ suiu^sTa&ac . . xal noXcv ocxsTv xaXrjv xal jxeydXrjV Gutschmid. 2, 11 [tzXouze? nuXcg . . ßaXdzzr^g] Gutschmid; unter Annahme dieser Vermuthung, Schmidt davor: no? o' (f. -/ 5').

2, 12: Den ersten Satz npbg . . ßaXdzzjj versetzt Schmidt ans Ende hinter zb ok zfj. Dazwischen : TtoXcg ' ob8k ) oüo Lehmann. 2, 16 ohaiav ■(Iv) rar? Wachsmuth. 2, 17 ij.zcvo.c (f. zhac) za.oza Wachsmuth. 2, 18: Zu xaXeuoutTcv siehe Wachsmuth; zu dyßovzac mit Acc. Cobet. 3, 2 xdv zoTg (TU}ip.aycxo7g (f. xal z. a'j/xpdyocg) Gutschmid. 3, 4 xazocxooo- jizc zig (f. zc) zb ofjiioacov Gutschmid. 3, 5 oteaBac {xp^) XP^i'^'^'- Wachs- muth, vgl. § 8 3, 6 dnavzwTj (f. emdziu) Gutschmid. - 3, 7 IxxXijzoog

42 Xenophon.

»Ausschüsse« (f- iMzToug) Gutschraid; bald darauf ebeu derselbe: sml (f. xat) dcatrxsudaaaHac . . auvoaxäaac, noXb. 3, 9 Coarz jiivzot undp- ^ecv [//£v] orjjioxpariav elvac, dpxouvzojg [8k] touto ^ t' s i^eopelv^ omog TS (f. ^£) Schmidt 3, 12 ^r^p-i ort rivig ecmv (f. rcvag oder -cvkg stvat) . . dXcyoc pivroc t^ve? Wachsmuth. Darauf Schmidt : rw enSr^aopivu) (f. ribv kniBrjOopivojv).

Die 'AnoXoyca wird zusammen mit dem Schluss der Apomnemo- neumata besprochen werden.

Die Xenophon untergeschobenen Briefe sind, kritisch bearbeitet, herausgegeben worden von Rudolf Hercher in den Epistolographi Graeci, Paris 1873, Didot.

II, Die grösseren Schriften Xenophons.

'A7:opv7]pov£up.aTa. In Betreff der Apomuemoneumata hat dieser Jahresbericht diejeni- gen litterarischen Erscheinungen zu besprechen, welche sich mit der Er- klärung und der Kritik der genannten Xenophoutischeu Schrift beschäf- tigen; Untersuchungen über das Leben und die Philosophie des Sokra- tes sind insoweit zu berücksichtigen, als in ihnen Xenophons Darstellung tangirt wird. Für mehrere Arbeiten dieser Art dürfte eine Verweisung auf frühere Besprechungen in diesen Jahresberichten genügen. So hat M. Heinze, Jahrgang I, S. 207 f., eine auch für Sokrates und Xenophon in Betracht kommende Schrift receusirt:

Leopoldi Schmidtii, Commentatio de sl'pujvos notione apud Aristonem et Theophrastum. Marburger Lectionsverzeichniss vom Sommer 1873.

0. Ribbeck, lieber den Begriff des sYpiuv. Rhein. Mus. 31, 1876. S. 381-400 hat darauf consequenter den historischen Gang der Untersuchung inue gehalten und das Material möglichst zu erschöpfen gesucht. Aus seiner auch für die Apomuemoneumata mannigfach interessanten Arbeit hebe ich folgende Stelle (S. 382) aus: »Es war . . gewiss kein Compliment, wenn dem Sokrates von seinen Zeitgenossen und Gegnern atpcoveca und scpiuveüsadai zugeschrieben wurde, sondern ein Ausdruck des Unwillens und der Erbitterung über seine Art, die Leute gesprächsweise zu foppen. Nirgends, weder bei Xenophon noch bei Piaton bezeichnet er selbst seine Art oder seine Methode . . damit: ersterer braucht jene Worte überhaupt nicht.« Einen anderen für die Methode des Sokrates wichtigen Begriff und Namen behandelt:

G. Teichmüller, Ueber den Ursprung des Terminus inaywyri. Philol. 34. S. 386 f.

Aus Apomn. IV, 6, 13 ir.l ttjv ünut^sacv iiiavrjyev' äv ndvra zbv X6-

Apomnemoneumata. 43

yov folgert ei*: »Es ist darum natürlich, dass auch die der Induction charakteristische Zurückführuug der Rede auf den Ausgangspunkt dem Sokrates zum Bewusstsein gekommen und von ihm durch den bei Xeno- phon und Piaton gebrauchten Ausdruck inavdyscv bezeichnet sein wird.« Susemihl, Jahresb. IL IIP S. 271, bezweifelt die Richtigkeit dieser Fol- gerung. Ich möchte mir erlauben, als auf einen Beitrag für die Ge- schichte des Terminus aufmerksam zu machen auf Symp. 8, 34 xal (Pausanias) ixapzüpta 8s STTTjySTo ujg ToLza iyvcDxÖTsg elev xal OrjßaTot xal ^HXetoi und Oikon. 17, 15 . . ev&Ujiouiiat olov iarc ro so rag elxövag ind- yscr&ac.

lieber die umfassenden Darstellungen von Zell er (Die Philosophie der Griechen 11, 1^ 1875) und Fouillee (La philosophie de Socrate 1874) s. Susemihl, Jahresb. IL IIP S. 292ff. und I, S. 541ff.

A. Krohn, Sokrates und Xenophon. Halle, Mühlraann 1875. X, 179 S. 8.

Unter Verweisung auf Susemihl, Jahresb. IL IIP S. 281 ff., be- schränke ich mich auf folgende Notizen. Krohu hält es »nicht nur für ein Recht, sondern auch für eine Verpflichtung der Wissenschaft, die Sokratik auf rein xenophontischer Grundlage zu entwickeln«. Er stellt als den für Sokrates allein erforschlichen Gegenstand hin: »den Men- schen in der Gegenwart mit seinen Eigenschaften und Aufgaben.« Diese Ansicht wird ihm zu einem Kriterium für Ausscheidungen in den Apom- nemoneumata. Das zweite Kriterium der Unechtheit zahlreicher Gesprä- che ergiebt sich ihm aus dem Zwecke der Schrift: Die Memorabilien waren ui'sprünglich eine Schutzschrift; »Xenophon mochte schon früher die Skizze entworfen haben ; allem Anschein nach hat aber erst der rhe- torische Angriff des Polykrates die Herausgabe veranlasst« ; alles muss ausgeschieden werden »was den Anklägern das Wort redet oder was das Andenken des Meisters besudelt«. Daher ist der »verschwindende Bruch- theil des ächten Bestandes : I, 1; 2 (excl. §29—48^); 3 (excl. §8 15). III, 9. IV, 1; 6 (excl. § 1 12); 7; der Schluss von ifiol }j.sv dij TomÜTog CUV von § 11 ab (?)«. Einzelne der ausgeschiedenen Abschnitte werden besonders besprochen: I, 2, 29—48 S. 91—96; I, 3, 8 (?)— 15 S. 96— 98; I, 4 S. 1—21; I, 5 S. 98—102; II, 1 S. 115 125; III, 1 S. 140 145; III, 11 S. 123; IV, 3 S. 46 60. 111; IV, 4 S. 125 140; IV, 5 S. 102—111. Anziehend sind die Parallelen, die zu I, 4 aus Cicero d. nat. d. imd Aristoteles d. part. an. gegeben werden; aber diese und die anderen angeführten Gründe rechtfertigen die Hypothese nicht, dass das Capitel erst von einem Stoiker eingeschoben sei (s. A. Kolbe, Paedag. Arch. V. Langbein-Krumme 19, 1877, S. 73—80); eine Aeusserung über npoTpsnscv hat Krohn S. 179 selbst zurückgenommen (vgl. auch Hir-

5) S. 90 ist noch § 11, S. 84 bis zu einem gewissen Grade § 62 64 verdächtigt.

44 Xenophon.

zel im Hermes X, 1875, 75). In dem zweiten Theile »Sokratik und Platonisraus« seines späteren Werkes »Der Platonische Staat« S. 329 —385 will Krolin Beziehungen Piatons auf die »Schutzschrift« Xeno- phons nachweisen. H. Siebeck sagt zum Schluss seiner Recension über diese Schrift, Jen. Lit.-Zeit. 1875, S. 829: »Am meisten dürfte sich der letzte Theil, die Vergleichung zwischem dem Inhalte der Memorabilien und der Politik empfehlen, in der wir zwar einen überzeugenden Beweis ihrer These nicht zu finden vermögen, die aber jedenfalls werthvolle Einsichten darüber gewährt, in wieweit die Verfasser jener Schriften auf dem gemeinsamen Boden der Sokratik standen«.

II concetto etico di Socrate. Per Alessandro Paoli. Firenze 1875. Tipografia della gazetta d'Italia. 132 S. 8.

Ich erlaube mir, auf die der Zeitschrift für das Gymnasialweseu beigegebenen Jahresberichte des Philol. Vereins, 1877 S. 288, zu ver- weisen.

Sokrates. En tidsbild tecknad af C. J. Dahlbäck. Stockholm, Seligman 1875. II, 65 S. 8.

Das schön ausgestattete Büchlein, dessen Inhalt aus zwei Vorträ- gen erwachsen ist, ist zu einer Weihnachtslectüre für die Jugend be- stimmt, die ihr, indem Sokrates und sein Wirken nach den wichtigsten Beziehungen hin geschildert wird, etwas mehr bieten soll, als es die ge- wöhnlich zugänglichen Bücher thun.

Josef Ogörek, De Socrate marito patreque familias. Progr. d, Kaiserl. Königl. Real- und Ober-Gymnasiums in Rudolfswert 1877. Verlag der Lehranstalt. 30 S. 8.

Wegen der Lückenhaftigkeit des älteren Quellenmaterials zieht er die Nachrichten der Späteren stärker in die Untersuchung hinein. Diese Art der Quellenbenutzung hat dazu beigetragen, dass er zwar im Gan- zen dem Urtheile Zellers über das Familienleben des Sokrates beitritt, welches jener in seinem Aufsatze »Zur Ehrenrettung der Xanthippe« in dem ersten Bande seiner Vorträge und Abhandlungen geschichtlichen In- halts ausspricht, dass er aber noch günstiger über Xanthippe und un- günstiger über Socrates als Zeller urtheilt. Die Nachrichten der Alten über die Söhne des Socrates vereinigt er S. 24 ff. so, dass er vier an- nimmt; Lamprokles, der älteste Sohn (Apomn. II, 2, 1), sei vor dem Va- ter gestorben und zur Zeit der von Xenophon uns überlieferten Unter- redung, wie § 4 beweise, schon erwachsen gewesen; von den andern drei sei der älteste beim Tode des Vaters ein iizipdxiov gewesen. Sokrates habe sich also nicht in zu hohem Alter erst verheirathet, und jene Unter- redung dürfe nicht zu spät der Zeit nach angesetzt werden.

Apomnemoneumata. 45

De la mort de Socrate par la eigne, ou recherches botaniques, philologiques, bistoriques, physiologiques et therapeutiques sur cette plante, par le Dr. Irabert- Gourbeyre, Professeur ä l'ecole mede- cine de Clermont-Ferrand. Paris, librairie Bailiiere et fils 1876. VIII. 160 S. gr. 8.

Der Verfasser weist nach, dass der Schierlingstrank der Alten {xiuvstov Hell. II, 3, 56) aus dem gewöhnlichen Schierling (Conium ma- culatum L.) und nur aus ihm bereitet wurde.

Bei der Schwierigkeit, aus Xenophon und Piaton ein übereinstim- mendes und richtiges Urtheil über die Philosophie des Sokrates zu ge- winnen, sind die Angaben des Aristoteles über ihn von grosser Wichtig- keit. Darum möge hingewiesen sein auf die Zusammenstellung derselben in dem Aufsatze von

Fr. Steffens, Welcher Gewinn für die Kenntniss der Geschichte der griechischen Philosophie von Thaies bis Piaton lässt sich aus den Schriften des Aristoteles schöpfen? Letzter Artikel. Zeitschrift für Philos. und philos. Kritik, herausgegeben von Fichte, Ulrici und Wirth. Neue Folge, 69. Bd. 1876. 18 S.

Adolf Müller, Quaestiones Socraticae. Progr. der Realschule und der landwirthsch. Abth. zu Döbeln 1877. 36 S. 4.

Die früheren Platonischen Gespräche, im Besonderen der Prota- goras, werden mit den Gesprächen in den Apomnemoneumata verglichen. Auch in jenen sei Plato noch nicht über die Tugendlehre des Sokra- tes, wie sie bei Xenophon erscheine, hinausgegangen. Es seien fünf Cardinaltugenden zu unterscheiden, als fünfte die Frömmigkeit. Sie bil- deten dadurch eine Tugend, dass sie alle ihrem Wesen nach Erkenut- niss seien. Welche Folgerungen sich daraus für das Verhältniss der Tugend zur Lust und für die Aneignung der Tugend ergeben, wird untersucht.

G. M. Bertini, Sul 8acfj.6vcov di Socrate. Rivista di filol. e d'istr. cl. 5. S. 473—482.

Der aus dem Nachlasse des verstorbenen Verfassers veröffentlichte Aufsatz, welcher sich durch Umsicht und Klarheit auszeichnet, stimmt in seinen Ergebnissen im Ganzen mit den Ansichten Zellers überein, die diesei', in umgearbeiteter Darstellung, mit geringer Aenderung S. 81, den abweichenden Ansichten Volquardsen's, Alberti's und Breitenbach's gegenüber, in der dritten Auflage seines Werkes S. 73 83 aufrecht hält.

Carlo Passaglia, Della dialettica Socratica quäle riluce negli esempi. Rivista di filol. e d'istr. cl. 5. S. 1 61.

An den Gesprächen des Sokrates mit Glaukon, Euthydemos, Char- mides, Parrhasios und Aristodemos (Apomn. III, 6. IV, 6. III, 7. 10. I, 4)

46 Xenophon.

zeigt der Verfasser S. 13. 22. 25. 34. 44 ff. vermittelst einer eingehenden Zergliederung als an lebendigen, anschaulichen Beispielen, zum Theil unter Vergleichung Platonischer Stellen, wie Sokrates die Dialektik als Mittel des Philosophen im Streben nach der aoipta (S. 3—13) handhabte.

Epigrafi ed opuscoli Ellenici inediti illustrati da Niccolö Ca- mard a. Palermo, Bened. Lima, 1873. (S. ßu. in Zarncke's Lit. Cen- tralblatt 1874 No. 1). Darin S. 187—212: Sui quattro libri dei Me- morabili di Senofonte (schon früher veröffentlicht in der Rivista filo- logico-letteraria , publicata da Corrazini, Gemma, Zindouella, 2, 1872. S. 141 ff.).

Der Aufsatz bespricht 19 Stellen der Apomnemoneumata. Er wen- det sich besonders gegen die alte lateinische Ausgabe von Kühner. Aber was gesagt wird, ist entweder nicht neu oder nicht richtig.

H. Mülle r-Strübing, Aristophanes und die historische Kritik. Leipzig, Teubner 1873. S. 329 Anm.

Wie schon Grote, hält er die beiden Archedemos Apomn, II, 9, 4 und Hell. I, 7, 2 als verschiedene Personen aus einander,

C. Lincke, De Xenophontis Cyropaediae interpolationibus. 1874. Zweite These; .^pomn. I, 2, 49 necpüjv (f. miBwv).

C. Pöhlig in Fleckeiseus Jahrb. f. cl. Phil. 109, 1874. S. 381: Apomn. II, 6, 33 <pdr]aov~og ou (f. (ptXrjaovzoi; /xou).

Cobet, Mneraos. 3, 1875. S. 383: Apomn. III, 3, 3 [ro] ipyov; ebendaselbst S. 386: III, 14, 3 su^cuvTac {8c86vat}.

Ch- Graux, Revue de Philologie, de Litterature et d'Histoire ancieunes 1877. S. 207.

Er fordert zu neuer Vergleichung der Handschrift No. 1302 der Bibliotheque nationale (= A bei L. Dindorf) auf. Apomn. I, 3, 7 fand er in derselben die richtige Lesart rucourocg noUoug (nicht noUocg) dsazvc^oucrav.

Schenkl's Ausgabe und Studien; Breitenbach's Recension. Die Titel sind schon S. 14 f. gegeben.

Schenkl, Studien II S. 87—97, tritt im Gegensatz zu Breitenbach (Fleckeisen's Jahrb. f. cl. Phil. 1869. S. 801 815), der Ansicht bei, dass Xenophon in seineu Apomnemoneumata Bezug nehme auf die xarr^yopca des Polykrates^). Im Besonderen führt er den Gedanken Cobets wei-

6) Cobet, Mnemos. 3, 1875, S. 141 ff. macht auf einige Stellen aus des Libanios ä-KoXoyia roü Ewxpdrouq aufmerksam, in denen noch etwas vom Wort- laute der xaTYjyopia IwxpdTöuq des Polykrates erhalten sei; hingewiesen hier- auf hatte im Allgemeinen schon L. Dindorf.

Apomnemoneumata. 47

ter aus, dass Xenophon mit dem näheren Detail des Processes des So- krates und dem Inlialte der Klagerede des Meletos vom Jahre 399 nicht bekannt war; die Stelleu IV, 4, 4 und IV, 8 (und damit zugleich die Erwähnung des Namens Meletos) erklärt er dabei nach Vorgang Ande- rer für unecht. »Xenophon mochte annehmen, dass der Sophist in sei- ner xarrjopca die Gründe der wahren Ankläger im Wesentlichen genau wiedergegeben habe . . Darum trägt Xenophon auch kein Bedenken, seine Gründe ebenso anzuführen, als ob sie Meletos vorgetragen hätte. Dabei deutet Xenophon durch die Wahl der Ausdrücke 6 xarrjyopog und o ypa(f>diJL£vog {oc yp.) für den Leser hinreichend an, wer der wahre hi- storische Ankläger sei.« Gegen die Angriffe Schenkis vertheidigt Brei- tenbach in der Recension S. 455 461 seine Ansicht mit gewichtigen Gründen. Vor allem entzieht er dem Gegner ein Fundament seiner Be- hauptungen: dass nämlich dem Xenophon das nähere Detail des Pro- cesses unbekannt gewesen sei. Zu dieser Annahme nöthige eine rich- tige Auslegung der Eingangsworte der Apomnemoneumata nicht. Auch an sich sei jene Annahme unwahrscheinlich ; wenn die Schrift des Poly- krates in Xenophons Hände gelangen konnte, so konnten auch andere Schriften über den denkwürdigen Process und auch specielle Nachrich- ten von Xenophons athenischen Freunden den Weg zu ihm finden. (Die Aeusserung Schenkl's, dass die Rede des Meletos längst vergessen war, lässt Breiteubach unerwähnt, konnte es auch wohl). Auch die Unwahr- scheinlichkeit jenes Quiproquo wird nachgewiesen: »Es steht fest, dass Polykrates Schrift in Gedanken und Form ein Produkt der Sophistik war, dem das Gepräge der Entstellung und starker Uebertreibung deutlich aufgeprägt war. Dies konnte Xenophon sicher nicht verborgen bleiben . . Darum konnte es ihm auch nicht einfallen, des Polykrates Gründe ebenso anzuführen, als ob sie Meletos vorgetragen hätte, und in diesem Sinne sechsmal 6 xarr^yopoq i^-^ (nicht (f^at) zu schreiben (ebenso urtheilt Blass, att. Bereds. II S. 340)«. Wegen der schon von Dindorf beton- ten Präsentia akcärac und doxsT (I, 2, 26) und der Optative i/oc und £mxip.u)To 28 u. 29) genügt es auf Breitenbachs Ausgabe, Anmerkung zu I, 2, 26, zu verweisen. Meletos, ist das Ergebniss, sei sowohl o xav/j- yopog als b ypttipa/xsuog. Seinen Namen IV, 8, 4 anzufechten, sei kein Grund. Daraus, dass Xenophon nicht die Uebertreibungen und Entstel- lungen widerlege, folge, dass Xenophons Vertheidigung des Sokrates nicht gegen Polykrates gerichtet sei. Aus der Anknüpfung an That- sächliches erkläre sich, so weit sie stattfinde, die Uebereinstimmung zwi- schen beiden. Was demnach die Abfassungszeit der Apomnemoneu- mata anbetrifft, so rauss aus Schenkis Calcül (Studien II, S. 152. III, S. 144) die Bezugnahme auf die nach 393 abgefasste Kategoria des Polykrates schwinden, wie auch die Annahme einer gleichzeitigen Abfassung der Apomnemoneumata und des Symposion sich als unbegründet erwiesen hat. Es bleibt als Terminus post quem nur der Tod des Sokrates und

48 Xenophon.

als Terminus ante quem etwa das Jahr 385; denn der Eingang des um letztere Zeit geschriebenen Symposion deutet ohne Zweifel wohl auf die Apomnemoneumata hin. Ueber die historische Gewähr der Apomne- moneuraata spricht sich Schenkl S. 148 etwa so aus: »Man kann diese Schrift ganz bezeichnend Dichtung und Wahrheit nennen. Allerdings hatte Xenophon für alles, was er mittheilte, Anhaltspunkte. Sein Ge- dächtniss war stark. Die Ausführung aber gehört in den meisten Dia- logen Xenophon selbst an, und er hat sich auch gar nicht gescheut, seine eigenen Anschauungen dem Sokrates in den Mund zu legen«. Dabei verdient denn aber doch betont zu werden (was Breitenbach gelegent- lich ausspricht), dass man herausfühle, der Verfasser wolle von dem Thun und Reden des Sokrates ein möglichst treues Bild geben''). Dindorfs Untersuchungen über Interpolationen in den Apomnemoneumata hat Schenkl S. 115 ff. neu aufgenommen und weiter geführt; nach seiner Mei- nung hat besonders das vierte Buch stark gelitten; die betreffenden Ab- schnitte ersieht man leicht aus dem S. 182 von Schenkl gegebenen Ver- zeichuiss der behandelten Stellen. Seine Ergebnisse fasst Schenkl S. 144 etwa dahin zusammen: es liege die Vermuthung nahe, dass diese Inter- polationen (auch einige kleinere: S. 157) von demselben Fälscher her- rührten; über das attische Recht habe er verkehrte Anschauungen (IV,

4, 4. II, 1, 4); er kenne bereits die Lehren der Stoiker (IV, 3, 13); sein Stil habe die Färbung der xotvrj\ von ihm rühre, wie die Prooemien und die Epiloge zeigten, die Eintheilung in vier Bücher her. Es mag gentigen, hiergegen auf Breitenbach S. 470 ff. zu verweisen, und im Be- sonderen wegen des vermeintlichen stoischen Einflusses auf S. 472.

5. 97 102 behandelt Schenkl die Citate anderer Schriftsteller aus den Apomnemoneumata; vor Stobaios könne man sich von dem Zustande des Textes kein ausreichendes Bild entwerfen, dieser aber habe einen Codex vor sich gehabt, der im grossen Ganzen von unseren Handschriften nicht verschieden war. Breitenbach S. 461 ff. macht Schenkl den Vorwurf, dass er jenen Citaten, im Besonderen denen des Stobaios, häufig zu grossen Einfluss auf die Textgestaltung eingeräumt habe. S. 102—115 be- spricht Schenkl die Beschaffenheit und Verwandtschaft unserer Hand- schriften. Die in allen befindlichen drei grösseren, aus Stobaios er- gänzten Lücken II, 3, 19; III, 9, 12; IV, 4, 13 bewiesen den gemein- schaftlichen Ursprung aus einem Archetypus. Die Handschriften zer- fielen in zwei Familien. Die erstere sei durch den nur die ersten zwei Bücher enthaltenden Paris. ] 302 (A) vertreten, welcher Handschrift Schenkl

7) Hier sei Zeller S. 87, 2 erwähnt: »Mem. I, 4, 1 bezieht sich nicht auf Schriften sokratischer Schüler, sondern auf Urtheile von Gegnern, und Mem. IV, 3, 2 scheint nicht auf schriftliche, sondern auf mündliche Mittheilun- gen zu gehen.« 1, 4, 1 wollen Fouillee II S. 79 ff., Krohn, Sokrates und Xe- nophon, S. 2 auf den pseudoplatonischeu Kleitophon beziehen.

Apomnemoneumata. 49

nicht das höchste Ansehen beimisst; zur Controlle von Dindorfs Anga- ben über A hat er die Abschrift von A, den Vindob. XI, jetzt CII (V^) verglichen. An der Spitze der anderen Familie stehe der Paris. 1740 (B), welchem Schenkl vor A den Vorzug giebt; S. 104 ff. theilt er die Nach- lese von Lesarten mit, welche sich bei sorgfältiger Vergleichung für die von Dindorf benützte Collation Dübner's ergeben hat; darin sind aller- dings nur wenige wichtige Varianten (S. 110); Schenkl unterscheidet vier Hände von Correctoren, von welchen nur die erste dem Alter nach nicht weit von der Schrift des Textes abstehe, die zweite schon die Lesarten der Aldina eingetragen habe. Die in mehr Exemplaren vertretene, bald mit A, bald mit B übereinstimmende Mischclasse, die aber, wie durch- gehende Abweichungen von beiden zeigten, selbst wieder auf einen be- sonderen jüngeren Archetypus zurückginge, komme eigentlich nur für die beiden letzten Bücher in Betracht. Von dem relativ besten Codex dieser Classe, dem Paris. 1642 (Cj, giebt Schenkl S. 175 ff. eine sorgfältige Ver- gleichung. Ausserdem hat Schenkl selbst den von Michael Apostolios geschriebenen Parisiensis 1643 (D) und die Vindobonenses XXXVII [früher LXX (V3)] und XCV [früher XXXVIII (V3)] vollständig ver- glichen, ausserdem Collationen gehabt: des dritten Buches von den Vati- cani 1950 (J) und Urbinas 93 (R), des ersten Buches vom Florentinus pl. 55, 21 (L)*) Während der Recensent in Zarncke's Centralblatt Schenkl's LTrtheil über A gerechtfertigt findet, vertheidigt Breitenbach S. 464—469 ebenso eifrig diese Handschrift: »Schenkl verkennt, dass A wie die älteste, so auch unter allen die wir haben bei weitem die beste Handschrift ist«. Das richtige Verfahren scheint mir L. Din- dorf im Allgemeinen iune gehalten zu haben, indem er sich in den ersten beiden Büchern nach Massgabe des inneren Werthes der Lesarten bald A, bald B, selten anderen Handschriften anschloss. Ent- scheidend für die Richtigkeit dieses Verfahrens ist der Umstand, dass auch in A willkürliche Aenderungen sind, und zwar in einem Grade, dass man sich in zweifelhaften Fällen wohl bedenken wird, bloss auf die A u c- torität von A hin unter den Lesarten die Auswahl zu treffen; vielmehr, wo die Entsch eidung aus Innern Gründen aufhört, bleibt man in Zweifeln stecken. Nun betont Breitenbach freilich, dass A keine ihm eigenthüm- lichen Interpolationen habe, sondern nur »ältere, d. h. solche, die ebenso wie eine Anzahl Lücken, aus einem Archetypus herstammend, in alle Handschriften, oder wenigstens, wenn in A, auch in B übergegangen sind« (ZGW. 1877, Jb. d. philol. Vereins S. 408). Sehen wir ab von zwei, mit der ersten Alternative (dem »Uebergange in alle Handschriften«)

4) Die angeblichen Florentiner Codices A B C D E in der Ausgabe von Edwards sind , wie Schenkl nachweist , keine anderen als die mit denselbeu Zahlen bezeichneten Pariser C D E F B.

Jaliresbaiicht iür Aiteithuiiiswis.-,e;ischaft 1877 1. 4

50 Xenoplion.

wenigstens nicht barmonirenden Bemerkungen, die sich auch in Breiten- bach's neuester Ausgabe der Memorabilien vom Jahre 1878 finden, über »manche evidente und noch mehr der Correctur wenigstens dringend ver- dächtige Varianten« in A (S. 244) und im krit. Anh. unter I, 2, 12 »Frei- lich hat A allein sehr oft rs vor xal, wo es eingeschoben scheint«^); jedenfalls wird Breitenbach's Ansicht, dass A frei von ihm eigenthüm- lichen Interpolationen sei, widerlegt, wenn man auch nur die Stellen prüft, in denen eine willkürliche Aenderung eine zweite herbeigeführt hat; da sind unverkennbar Conjecturen vorhanden, freilich schlechte. II, 6, 34 hat A allein rs ^'x^'^ ^^^ e^scg wegen äya.a^(u xai (nur C weicht von den übrigen Handschriften darin ab und nähert sich dadurch A, dass es £^£iv [ff s. V.] hat). Nach den Ausgaben zu urtheilen giebt A allein I, 2, 43 xpaz^ xac für xpazuiv (dessen Richtigkeit auch das folgende äp^cov beweist), desgleichen II, 1, 8 npoecTTävac xal für TrposazuJra, II, 6, 28 (fdelv xai für (ptXöJv ^ I, 4, 6 xai dvanerdvvucrda: - cruy- xhcsaHac für « dvamrdvvuTac aoyxXeizzai^ I, 2, 23 wegen des in § 22 vorangegangenen noXXol den Plural aa}<ppovrjaavrag dovrjBivTag statt des Singular, I, 4, 18 wegen des vorangegangenen ^apc^jfisvog den Dativ To7g dvTc^apcZup.ivoeg statt des Accusativ, II, 1, 20 ndvc dyaS^oi für ndvra rdydB' ol vor d^eot, II, 1, 28 Scddaxouacv dvBpuj-noog für 8tS6a- Civ dv^piüTTocg, II, 2, 1 r/ npog auroug für robg ri nocoüvrag vor roüvo/ia TouT dnoxahümv. II, 1, 24 bietet A allein de^^arj supsTv für 8ie(Tr^ eupotg; nur J hat, nach Schenkl, noch Stijarj. lieber alle diese Dinge würde man in Breitenbach's krit. Anh. vergebens Auskunft suchen. Seiner- seits hat er Recht, wenn er über die mangelhafte Auswahl der Varianten unter Schenkl's Texte klagt. Es wäre endlich au der Zeit, dass eine kritische Ausgabe der Memorabilien erschiene, die eine neue Vergleichung von A und das sonstige Material in ausreichender Vollständigkeit über- sichtlich enthielte. - Zum Schlüsse seien einige Einzelheiten angereiht.

I, 1, 18 klammert Schenkl svvia arpaTrjyoug ein. I, 2, 12, vermuthet der Recensent im Centralblatt , möchte Kritias n),£ovzxTcazar6g re xal ßiato- razog [xal (povtxwzazog^^ Alkibiades dxpazdazazug zs xac ußpiazozazog [xa\ ßiacüzazog] genannt sein. I, 3, 14 scheint mit § 15 gleiche Ver- dächtigung zu verdienen; das kurze xa: dfpodiatd^scv weist bis auf § 6 zurück und steht mit dem folgenden xal difpodiaiiuv in Beziehung; dazu kommt der hier unpassende Gedanke. I, 4, 8 vermuthet Schenkl {ev) aauziü. Ist II, 6, 5 zu lesen p-kv -idv) fj (mit B) . . zoy^dvjj (vergl. § 6—10 ug dvY'i Ueber al 8cä zou mujiazog ^^omj' Breitenbach S. 466 f.

II, 7, 10 möchte in A der Plural yumc^iv durch das folgende imazavzac veranlasst und yumcxt, die La. der übrigen Handschriften, das ursprüngliche

5) Die dritte derartige Stelle im krit. Anh. unter I, 6, 11 ist jetzt mit Recht gefallen. (Freilich wird immer noch in der Anm. zu IV, 3, 13 verwiesen auf die auch gefallene Anm. zu I, 6, 11.)

Äpomnemoneumata. 5 1

sein. II, 7, 11 oudkv äv Xaßwv (A) vertheidigt Gail Tome VII: iie pouvant rien retirer de mes terres ni de mes maisons. - II, 9, 5 ist vielleicht zu schreiben kv\ ebplaxsi (vgl. B); darauf § 6 wohl änrjlXdrvs-o zu ändern in äTUjXkxTzev »liess los«, welches genau entspricht dem vorhergehenden d.nallayyj\)ai »loskommen«. III, 5, 17 ist die La. von ß und Vat. 1 dTTjpca »Verblendung« nicht anzufechten, wenn es auch nur noch von Suidas aus Platon's Phaon angeführt wird; das Adj. drrjpug ist nicht eben selten. Die Zeitverhältuisse des Dialogs, die von niemand bisher unter- sucht sind, passen; er hat während der beginnenden Verschwörung der Vierhundert, kurz vor ihrem ofi'enen Ausbruch stattgefunden. Die spä teste bestimmt datirbare Begebenheit, die erwähnt wird, ist § 4 die Niederlage der Athener bei Delion. Es kann aber keinem Zweifel unter- liegen, dass die Scene in die Zeit der tiefen, durch eigenen Leichtsinn 13f. 4-8) verschuldeten Erniedrigung Athens zwischen der sicilischen Niederlage und den neuen Siegen des Alkibiades fällt; eine andere passende ist nicht zu finden. Auffälligerweise werden in erster Linie die Boioter gefürchtet 2. 4); sie drohen allein für sich in Attika einzu- fallen. Während über die Disciplin der Matrosen nicht zu klagen ist, sind die aristokratischen Elemente der Bürgerschaft, die Hopliten und die Ritter, unbotmässig gegen ihre Vorgesetzten 18 f.). Den Boiotern gegenüber können die Athener sich als einheitlicher Staat fühlen 2); aber den Vergleich mit Sparta halten sie in ihrer Zuchtlosigkeit und Zerfahrenheit nicht aus ; es droht vielmehr ein Classenkampf auszubrechen 15 17), dessen Vorspiel viele Processe sind; nur der Areopag hält sich intact 20). So schildert der eine Unterredner, der jüngere Pe- rikles, voll tiefer Sorge 17) die Zustände, und Sokrates vervollständigt das Bild, indem er eine Hauptschuld den unfähigen Heerführern der Zeit beimisst 21); indess er verliert auch hier nicht seinen Optimismus und sucht Perikles aufzurichten, das Beste von ihm erwartend 1. 18. 22); Perikles ist nämlich zum Feldherrn erwählt 1), hat aber sein Amt noch nicht angetreten 24); und zwar hat er selbst noch keine eigne prak- tische Erfahrung 22 24), wird also wohl zum ersten Male zum Stra- tegen gewählt sein. Sokrates räth, die Bürger auf mythische und ge- schichtliche, den gegenwärtigen Verhältnissen angepasste Musterbeispiele der Vorfahren hinzuweisen 8—12) oder zum "Wetteifer mit den Spar- tanern anzuspornen 14 f.), sie so zur früheren Tüchtigkeit zurückzu- führen (§ 14) und die äusseren Feinde von den Gebirgen aus zurückzu- weisen (§ 25 ff.). Wie es kommt, dass in dieser Schilderung der Zustände Xenophon nicht der drohenden Stellung des Agis in Dekeleia, des Bünd- nisses der Lakedaimonier mit dem Perserkönige, des Abfalls der Chier, der beginnenden Absperrung des Hellesponts, der Erschöpfung der Staats- kasse Erwähnung gethan hat: dies lässt sich nicht ausmachen (vielleicht schweigt er, um in Athen möglichst wenig anzustossen ; wären die Athener nicht durch andere Feinde schon beschäftigt gewesen, so würde sie der

4*

52 Xenophon.

drohende Angriff der Boioter schwerlich so erschreckt haben) ; das übrige, der Angriff der Boioter^) während der oligarchischen Wirren in Athen, führt mit Nothwendigkeit auf die angegebene Zeitbestimmung, wie die Vergleichung mit Thukydides lehrt. Die d-rjpia war hauptsächlich von Alkibiades veranlasst worden, der in Athen ein oligarchisches Regiment herbeiführen wollte, um gegen dasselbe zurückgerufen zu werden (Thuk. 8, 48, 4 ix zoü Tiapövzog xooftou rr^v nuhv iiSTaazijaag). Peisaudros reor- ganisirte die ^uvcufxoacac, die schon früher in Athen inl dcxacg xat äp'/^alg bestanden hatten, damit sie zusammen handelnd die demokratische Ver- fassung beseitigten (54, 4). Ende Winter 412/411 nehmen die Boioter Oropos durch Verrath der athenischen Besatzung (60, 1), damit zuerst wieder nach langer Zeit selbständig auftretend. Die oligarchischen Schreck- nisse beginnen (63, 3; 65, 2; 66, 1 ff.). Mit 66, 2, dass keine Unter- suchung der Meuchelmorde mehr geschah, werden wir schon über die Zeit der Unterredung zwischen Sokrates und Perikles hinausgeführt, wo noch die gerichtliche, wie die sonstige Thätigkeit des Areopag gerühmt wird. Im Hochsommer 411 wurde die Herrschaft der Vierhundert be- seitigt; dabei ging die Grenzfestung Oinoe wirklich an die Boioter ver- loren, welche gemeinsam mit den Korinthern bald nach dem Beginn der oligarchischen Herrschaft in Athen es zu belagern angefangen hatten (98, 2. 4; 71, 1. 3), wogegen zur Zeit des in Rede stehenden Gespräches erst ihr Einfall erwartet wurde. Danach möchte die Wahlzeit der Feld- herrn zu Athen in den Frühling zu setzen sein; und Perikles ist gewählt worden für Ol. 92, 2 = 411/410. Ob er es unter den Vierhundert, ob unter der nachfolgenden Demokratie (vgl. Thuk. 76, 2; 82, 1) wirklich gewesen ist, ob sein Name noch in dem Reste Ikpi . . steckt C. I. A. I, 184 f. A 21 (vgl. auch den Nachtrag in Band IV dazu und R. Scholl, De extraordinariis quibusdam magistratibus Atheniensium, in den Comm. philol. in hon. Th. Mommseui, S. 454f.): das lasse ich dahingestellt; im nächsten Jahre war Perikles Hellenotamias (C. I. A. I, 188 f.). Die schwer- müt;hige Ahnung (Memor. III, 5, 17 f.) erfüllte sich an ihm und an Athen. III, 6, 4 xüoE (für TOTE) Gxonwv »nur das«: Gustav Jacob. - Es kann auffallen, dass die beiden letzten Capitel des dritten Buches bisher in Betreff ihrer Echtheit unangefochten geblieben sind; jedenfalls zeigt sich in ihnen fast durchweg etwas gröberer Witz. IV, 4, 2 ev -^ ixxXrjaio. oder [iv zalg ixxh^aca:g] Breitenbach S. 472. Schüchtern sei die Frage aufgeworfen, ob III, 8 und 9 ursprünglich an jene Stelle gehörten und nicht vielmehr engere Beziehung zu IV, 6 hatten. IV, 8, 1 zu dvSpuj- osarara vgl. ein gleich altes Beispiel desselben Wortes, überliefert durch Satyros bei Athen. XII S. 534 C: 'Avzca&ivrjg u Sajxpazixog, ojg äv aurög

^1 Nicht zugänglich war mir: Gerrit Jan ter Braake, Die Thoilnahme der Boeoter an dem peloponnesischen Kriege, nach deo Quellen dargestellt. Rostock, 1874. Dissert.

Apomnemoneumata. 53

abzoTtzrjg yeyovwg zou A^xißiddou, auröv dvSpojSr^ . . ysviaBat (pr^aiv. Druckfehler u. dgl. : I, 2, 39 lies <ryvovr£?, II, 6, 11 Taüzr^v mit Kühner's und Breiteubach's Vertheilung der Reden, III, 3, 14 zoüro dtv^zyxeTv,

III, 12, 6 ?^-f/^rj <?£, IV, 1, 1 in der Var. lect. {ala&o}xivcü } (pavspuv Stob. A nach Dindorf. S. XII Add. [[xr^ra äp^eaBai] iirjze . . Madv.

A. Gasda, Z.G.W. 1878 S. 776f.: 11, 1, 14 dvaipec (fnv ddcxeT).

Hubert Schwartz, Ad Atheniensiura rem militarem studia Thu- cydidea, S. 6 ff. (^Kieler Dissert. 1877) ist zu vergleichen zu Apomn. III, 4, 1 ix xazaXöyou aTpa-euojizvog.

Xenophon's Memorabilien, erklärt von L. Breitenbach. 5. Aufl. Berlin, Weidmann'sche Buchhandlung 1878. 8.

Die 5. Auflage enthält 258 Seiten gegen 247 der vierten. Sie ist hervorgegangen aus einer sehr sorgfältigen Revision. Der Text ist an nicht wenigen Stellen geändert; an folgenden ist zugleich die Vertheidi- gung der früheren Textesworte in den Anmerkungen nunmehr gefallen: I, 2, 53 auyysvojv [ts], I, 4, 18 Ende [auzoug], I, 6, 7 p.shT/^moac, II,

I, 1 [npog iruHvpiav], TL, 1, 26 [oTioxüptZöpevoi], II, 3, 19 [xal] ooxodvzsg,

II, 4, 1 xpdztazov [äv], II, 6, 3 p7j ßouXezac, IV, 1, 2 [äv] jjABocev , IV, 6, 1 [xal] zov zpuTTov, IV, 6, 5 dX/.r^Xoig yprioBac^ IV, 7, 9 Ende [kauzou]. Eine oder die andere Conjectur hätte wohl noch Aufnahme verdient; so jedenfalls Hirschig's doxzl III, 12, 6. IV, 7, 2 schlägt Breitenbach selbst vor xat (f. rj) ipyov dnodec^aa^ac. Graux's Notiz über die Lesart noUoug, welche die Handschrift A I, 3, 7 bietet, ist nicht berücksichtigt. Als benutzt werden S. 5 angegeben die bezüglichen Schriften von Pohle, Schenkl, Krohn. Zu bedauern bleibt, dass Breitenbach die Werke von Fouillee und Wildauer, wie es scheint, noch nicht zugänglich waren ; sie würden ihn z. B. an der für die sokratische Philosophie wich- tigen Stelle IV, 5, 12 wohl zur Aenderung des Ausdrucks »das Gute nach seinen einzelnen Th eilen sichtet« vermocht haben. Auch andere An- merkungen sind anfechtbar, z. B. I, 1, 16 der Unterschied von dvopet'a und dvBpia, II, 1, 1 dno zwv azoty^eiiov ab elementis literarum (Finckh: »wie von den Grundbedingungen«); zu II, 1, 23 noirjadjitvog ist wohl r^v bohv wegzulassen; II, 2, 1 wird die erst in der neuen Auflage aufge- tauchte zweite Frau Myrto mit ihren zwei Kindern wieder verschwinden müssen; desgleichen II, 7, 2 die Benennung »die 10 Tyrannen«; II, 8, 6 das Futurum ocw^ovzac beweist noch nicht die Existenz des Mediums in der Prosa; weshalb HI, 5, 27 r.apkoAot Grenzreiter? wie kann III, 12, 1 »dafür habe ich andere, höhere Bestrebungen« aus dem Texte herausgedeutet werden? IV, 4, 2 xEtaerat =^ zeBetatzac ist jetzt geändert in Tiphg zjj dtxaioaüvr^ xeiözzai = r^phg r^v 8. ze&ztjxivov eozac (vgl. zu

IV, 4, 21). IV, 3, 4 daaipzazipa »bei ungestirntem als bei gestirntem Himmel«; vielmehr wohl »als der sonnenhelle Tag^. IV, 3, 14 heisst

54 XenophoD.

die relative Verknüpfung « ^prj »Asyndeton«. IV, 6, 6 ist die gegebene Darstellung der Gedankenfolge zu beanstanden. IV, 7, 4 rsx/xi^pcoig ist zum mindesten die Fassung der Anmerkung ungeschickt; § 5 ist xai vor Tous nXdvYjzag kaum »explicativ: nämlich« zu erklären möglich, sondern wohl zu tilgen. Die zo^urac zu III, 6, 1 bedurften der Erklärung und die irmoTo^oTac III, 3, 1. Störende Druckfehler: I, 2, 43 lies Kac, I, 6, 6 TzopeOead-ac, I, 7, 1 'Eruaxe(}^u>jj.zBa, I, 7, 5 dXa^ovBusa&ac , IV, 1, 5 /x^oev i7ti(TTd/j.£vog. Zu I, 2, 3 ixsTvov lies i^rj (statt Ipr]), I, 2, 40 lies pijxouvzai (wenn nicht mit Fischer pcpoüpevoc), I, 6, 6 xaTs^uys, II, 3, 14 bpii-^aeie, II, 3, 17 fdovixrjoetv'i (wenigstens steht II, 6, 5. III, 3, 3 9>tXuvcxog), IV, 3, 9 »^Oik.> III, 3«, IV, 6, 13 g. Ende zr^vds {ttjv} twv. Zu II, 1, 17 wird IV, 6, 9 anders citirt, als die Stelle jetzt lautet. In der Inhalts- angabe von rV, 8 lies »vermissen« (s. § 11), und S. 257 verbessere statt des zweiten »S. 18« : S. 62.

Tob. Wildauer, Die Psychologie des Willens bei Sokrates, Pia- ton und Aristoteles. I. Theil: Sokrates' Lehre vom Willen. Innsbruck, Wagnei-'sche Universitäts-Buchhandlung. 1877. VII, 102 S. 8. (Rec : Centralbl. 1878, Sp. 1530.)

Diese gründliche, lichtvolle, neue Resultate bringende Schrift ist für das Verständniss der Apomn. im Ganzen und im Einzelnen von der höchsten Wichtigkeit. Wiederholt kommt der Verfasser auf IV, 5 zurück, betont, dass das Capitel durchaus sokratischen Inhalt habe, zeigt, worin Fouillee ihm vorangegangen, dass Glückseligkeit und Tugend abhangen von dem richtigen, unerschütterlichen, das Begehren leitenden Wissen vom wahren Werthe der Güter in ihrer Unterordnung unter einander 12 BtälBjetv xa-za yivfj ra Tzpäyiiaza)^ während die unsicheren, nicht durch sichere Erkeuutniss gestützten Vorstellungen der Lust Widerstand zu leisten nicht vermögen (S. 52f. 74. 87 f). S. 61 ff. hat er zuerst den Unterschied der mit den Worten exujv und äxwv von Sokrates und von Aristoteles verbundenen Begriffe gezeigt. Er zuerst hat das Verhältniss der ao<pca zur awfpoa'jvrj und wieder dieser und der iyxpdreca aufgezeigt, damit Krohn widerlegend und Licht auf III, 9 werfend (S. 57 f. 70. 89. 94). Er hat Aufklärung darüber geschafft, wie darin kein Wider- spruch in den Ansichten des Sokrates zu finden ist, dass das Wissen des Begehrenswerthen, wenn es im Theoretischen bleiben könnte, wie jedes andere Wissen, die Möglichkeit der Entscheidung für das Gegentheil (hier das Schlechte) trotz besserer Erkenntniss zuliesse, dass es aber, sich im Praktischen bethätigend, sofort durch das Gute deterrainirt wird. Sokrates hat, das ist in dem Büchlein dargethan, wirklich schon ein ethi- sches System gehabt, hat die Grundlagen der Ethik gelegt und auch nicht die Frage über die Entstehung der Tugend, die Heranbildung eines sittlichen Charakters, auf Grund der Naturanlage durch Wechselwirkung von Erkenntniss und Gewöhnung übersehen (S. 91 ff.). Ein Anstreifen an

Apomnemoeumata. 55

die metaphysische Seite ist wohl absichtlich im Gegensatz zu Fouillee, aber auch wohl etwas zu sehr vom Verfasser fern gehalten.

Anonymi "A-noloy ia l'ajxpdzouQ.

Em. Pohle, Die angeblich Xenophontische Apologie in ihrem Ver- hältniss zum letzten Capitel der Memorabilien, Progr. des Gymn. zu Altenburg 1874. 66 S. 8. (Rec. von A. Hug in der Jen. Lit.-Zeit. 1874. S. 580 f.)

In dieser vorzüglichen Schrift wird in feiner Analyse nachgewiesen, dass das letzte Capitel der Apomn. nach Inhalt und Form durchaus echt ist; austössig sei nur der Sorites § 3 xai nwg äv . . öhoatjxoveaTdzou ; und § 9 möchten die Worte ddcxcuQ u-coüv tiocsTv Echtes, etwa ddiy.u)g xaza- yiyvwaxetv verdrängt haben. Von S. 25 an wird der Beweis für folgende fünf Sätze angetreten: 1. Der Gesprächstext der Apologie zeigt solche Mängel, dass der Verfasser der Apologie, falls er das Gespräch einem xeno- phontischen Texte entnahm, diesen bedeutend verunstaltet haben muss. 2. Der Text in den Memorabilien ist von solchen Mängeln vollständig frei und verhält sich zum Texte der Apologie, wie das Original zur misshm- genen Copie. 3. Die Abhängigkeit der Apologie von Mem. IV, 8 zeigt sich auch ausserhalb der Gesprächstexte. 4. Die Bedenken, die man gegen Mem. IV, 8 geltend gemacht hat, sind nicht schwer genug, die Unechtheit des betreffenden Capitels zu erweisen. 5. Die Existenz der Apologie neben Mem. IV, 8 erklärt sich aus der Absicht des Verfassers der Apo- logie, an die Stelle des für ungenügend erachteten Schlusscapitels einen neuen Schluss (die Apologie) zu setzen. Der Beweis für den letzten Satz ist von dem Verfasser nicht erbracht; vielmehr ist Jie Apologie, wie Schenkl, Studien II S. 146 f., erweist, ein selbständiges rhetorisches Exercitium, wahrscheinlich aus dem zweiten Jahrhundert vor Christus.

Schenkl, Xenophontis opera II, S. 243 ff., und Studien III S. 169 ff. (Die genaueren Titel s. S. 14 f.)

Schenkl hat die Apologie sorgfältig herausgegeben und Geschichte und Constituirung des Textes eingehend besprochen. Bedient hat er sich der von A. Mau gemachten Collationen der Vaticani 1335 (B) und 1950 (A), auf welchen allein die handschriftliche Ueberlieferung der Apologie beruht. Die erste Hand in B gehört dem 12. Jahrhundert an; eine zweite hat im 14. Jahrhundert Verbesserungen eingetragen; A ist noch später erst aus B abgeschrieben.

Köpou n aide ca.

A. Krohn, Sokrates und Xenophon (s. S. 43)

giebt in einem besonderen Capitel S. 61—83 Beachtenswerthes über das Verhältniss der i»Sokratik und Cyropädie«. Seine Auffassung lassen die

56 Xenophon.

Worte S. 69 f. erkeuDen: »Xenophon wollte zur Anschauung bringen, wie man nach sokratischer Lehre herrschen müsse. Aber den ganzen Umfang des Regentenberufes unifasste er nicht. Ohne hervorragendes Talent für Politik und Verwaltung, von der er richtige Gedanken, aber nicht syste- matische Einsicht bekundet, versetzt er seinen Musterfürsten an die Spitze eines Heeres. Hier war er heimisch, in grossen Ansichten und fachmän- nischen Specialitäten gleichmässig Meister«.

»Die Idee der Menschheit im hellenischen Alterthum« , aus dem Nachlass von Ed. Müller herausgegeben, Jahrb. f. cl. Philol. Suppl. IX.

Hier wird S. 136-142 die Bedeutung der Kyrup. Xenophon's ver- dientermassen gewürdigt.

Heinrich Kämmel, »Xenophon«, in Schmid's Encycl. des ge- sammten Erziehungs- und Unterrichtswesens X, 1875, S. 580—586.

S. 584 586 werden zum Fundament für die beabsichtigte päda- gogische Betrachtung Xenophon's Ansichten von der Aufgabe des Staates genommen; die Darstellung folgt Henkel's Studien zur Geschichte der griechischen Lehre vom Staat.

Löhle, Der Charakter des Cyrus, nach Xenophon's Cyropädie. LTheil, 1875, 28 S. 8.; IL Theil, 1876, 16 S. 4. (Programme des Progymn. in Tauberbischofsheira.)

Im ersten Theile wird durch eine Vergleichung zahlreicher Stellen der Apomn. und des Oikon. mit denen der Kyrup. gezeigt, dass vornehm- lich des Sükrates Wesen in der xenophontischen Auffassung die Dar- stellung von des Kyros Charakter durchdringe; die Arbeit ist fleissig und reichhaltig, gelangt aber kaum über eine schematisirende Disposition hinaus. Der zweite Theil vergleicht in derselben Weise Kyros den Ael- teren mit Kyros dem Jüngeren, mit Klearchos, mit Agesilaos und handelt dann noch vom Einfluss der lakedaimonischen Verfassung auf die Kyrup., von Xenophon's eigenen Erfahrungen und ihrer Verwerthung in dieser Schrift, endlich von ihrem Verhältnisse zur Geschichte.

Job. Heinz, Verhältniss des Kyros zur modischen Königsfamilie; sein Abfall von Medien. Progr. des Gymn. Hedingen bei Sigmaringen, 1876, 29 S. 4.

Der Verfasser sucht über die genannten zwei Punkte gewisseres, als bisher gelungen sei, zu ermitteln. Da in Xenophon's Kyrup. die Ge- schichte im Dienste der Didaktik steht, so bestimmt er ihre Benutzbar- keit als Geschichtsquelle dahin, dass selbst an sich Wahrscheinliches in ihr nur dann als wahr angenommen werden dürfe, wenn es durch andere Quellen bezeugt werde. Wie er sich im Einzelnen zu ihren Angaben stellt, ist bequem aus der Zusammenfassung der Ergebnisse S. 28 zu er-

Kyru Paideia. 57

sehen. Man vergleiche Max Duncker, Geschichte des Alterthuras, IV* (1877) S. 271 f. 296 f. 308 ff. 353 f. 387 f.

Karl Lincke, De Xenophontis Cyropaediae interpolationihns. Jena, Frommann 1874, 35 S. 8. (Berliner Dissert.).

Der Verfasser scheidet eine grosse Anzahl Stellen aus der Kynip. als Interpolationen aus, die fast sämmtlich das gemeinsam haben, dass in ihnen (Jie Formel xac wv o' in (S. 16) oder eine ähnlicbe, mit dem Präsens verbunden, Zustände des Perserreiches zu Xenophou's, oder, wie Lincke meint, zu des Interpolators Zeit, in die Erzählung von Kyros ein- führt. Xenophon vi'ürde, heisst es S. 10. 14, den Faden seiner Erzählung so nicht unterbrochen haben; er würde III, 2, 24 nicht gesagt haben xal vüv ezi 8ca/j.svooai, sondern xai -uö Xomoü {8k) dcdfxsnav (S. 15). Lincke geht so weit, dass er selbst diejenigen Stellen, welche sonst nichts Be- denkliches haben würden, um jener Formel und der durchgehenden Ana- logie willen ausscheidet. (S. 17 und 30 hat er die Umgrenzung der Athe- tesen in VII, 1, 33; VI, 2, 8; III, 3, 26—27 [und 28 ujg elpr^rac'?] nicht genügend scharf angegeben.) Nur I, 2, 1 und VIII, 5, 28 bleiben ver- schont; diese möchten, meint Lincke, die Anregung zur Fälschung gege- ben haben. Der Fälscher aber müsse (S. 31 ff.) nach Xenophon geschrieben haben, und zwar vor dem Verfasser des Epilogos, der auf die Einschiebsel, bei seiner entgegengesetzten Tendenz, eine Verschiedenheit in den gleich- zeitigen Zuständen und der Darstellung der Kyrup. nachzuweisen, Rück- sicht nehme; der Verfasser des Epilogos aber habe nach Xenophou's Tode und vor dem Jahre 330 geschrieben. Allerdings ist unter den angefochtenen Stellen VII, 3, 16 schon von Dindorf an allgemein ver- dammt, und Dindorf hatte gleichfalls VIII, 1, 23 verdächtigt. Aber auf der anderen Seite erregt gegen Lincke's zahlreiche Athetcsen die Er- wägung Bedenken, dass es doch Xenophon nahe lag, um die Nothwendig- keit und Trefflichkeit von Kyros Einrichtungen zu bekräftigen, darauf hinzuweisen, dass sie noch zu seiner Zeit als bewährt fortdauerten. Eine objective Entscheidung über die betreffenden Stellen ist meist unmöglich. Lincke hätte, wenn er consequent sein wollte, noch manche Stelle mehr ausscheiden müssen, z. B. VII, 4, 2; vgl. VIII, 4, 3 xa> rjv rJIovzq molv und die Erklärer dort. Zustimmung hat er von Hertlein VII, 1, 45; VIII, 6, 14 und von ihm und Breitenbach in VI, 2, 11 \IupiaQ\ gefunden. Ausserdem mag noch erwähnt werden, dass Cobet, Mnemos. 3, 1875, S. 406 f. Anstoss an einigen Worten VIII, 1, 7 und VIII, 3, 34 nahm; aus S. 72 ebendort aber entnimmt Lincke (Xenophou's Dialog nepi nlxo- vup.iag 1879 S. VI), dass Cobet seiner Ansicht nicht zustimmt. Aus anderen Gründen noch hat Lincke S. 1 10 seiner Dissertation I, 1, 4 [xai zäXXa 3k , . ^skua&rxc an'' dXXrjXojv] . . [napaXaßojv atgwjTojg . . auzovofia ovza] . . [■^p$e dk Baxrpcüjv . . Alyonziojv] und VIII, 6, 20 f. [jiezä ok zaöza 3y ecg Alyonzov . . Ai&tuma] verdächtigt. Aus seinen Thesen sei hervor-

58 Xenophon.

gehoben, dass er II, 1, 30 cxav7]v wäre und III, 2, 23 iSoaav xal i^aßov umstellt, dass er II, 3, 4 zwischen inoiT^ae touq nicht interpungirt und VII, 5, 32 [xal su^pacvofiewi] tilgt.

E. Wörner, Fleckeis. Jahrb. 111, 18 V5, S. 447: III, 3, 69 [xal net&taf^ai]. Madvig Adv. Grit. I, 354 statt dessen wohl richtig: xai ZnXa &ea&ac,

Arn. Schaefer, Rhein. Mus. 33, 1878, S. 433: Belege zu dem Ausdrucke iv ra) rsrayixiva) ehac (VI, 2, 37).

Cobet, Ad Xenophontis Cyropaediam, Mnemos. n. s. 3, 1875, S. 378—409.

Beachtung verdient, dass er an mehreren Stellen die Erlanger Handschrift (D) zur Geltung bringt. Mit Unrecht aber erklärt er sie für die beste. Sie ist zu stark interpolirt, als dass sie durchgehend zur Grundlage der Textesconstitution genommen werden könnte; sie bietet aber, wie man seit Cobet's Anregung wieder zuzugeben beginnt, an mehr Stellen (aber immer nur an einzelnen Stellen) das Ursprüngliche, als von manchen zugestanden wurde. (II, 3, 18 tritt Cobet zu eifrig für D gegen die La. von A G o/jLoca ysvocvro ein; vgl. I, 2, 10). Von den neuen Vorschlägen dort erscheinen folgende richtig oder doch wenigstens be- merkenswerth: I, 2, 6 ort (für ol rä) ypdixßara, 3, 18 zweimal [rd] ts- rayiiiva^ 4, 4 \7:pone-eQ\ ^ 4, 8 [xal elByov], 4, 26 [rrjv Mtjdtxrjv^ . . [Stj- Xwv . . rjffTTaCsTo] , 6, 10 Tcwg (für noü), II, 1, 23 (pavotro (für (patvotTo), 2, 15 \jiXiüza\ 4, 17 3v Yoig (wie schon Schneider), xa\ aozog 8' äv (mit D), III, 1, 1 [i^oyJerro], 1, 4 (zum Theil mit D) ocra ou\> auroTg dyüjxzvoi ETU^ov, 1, 38 ScaaxrjVüuvzwv Se. [/xerä delnvov] , IV, 1, 7 mit D iX&wv . . dnrjXaosv, 1, 11 d^oüvrac (für viovrac), 1, 20 mit D [o«?£], 1, 21 mit D zouTcüvc, 2, 7 zum Theil mit D &eu)V re maTo. [nocrjaov], 2, 46 [ec] ifino- owv . . [oux &v . . notsTv], 5, 14 scgi^prjxav (für ecga^^xav, vergl. Cobet's VL2 S. 575 ff.), 5, 17 ayroc (für auzä), 5, 22 {(T).mcaopsvoi>g, 5, 46 6* BTc (für Sk) npogdyovzac, 5, 47 [olgzicrcv . . auzoüg] [itif u)V dv [xa;], 5, 49 dn (für £7:') aozwv auvayuJvtZöp-svot, 5, 51 dv olsa&e (für - jjö-öe) . . ^a- piZ^c^i^at, 6, 8 ziptöpr^acv (für -ijoatv). Von den Conjecturen Cobet's zu V— VIII erwähne ich hier nur noch V, 1, 11 oodeig dv [yöp-og], 2, 17 bixhv {xal drjpccuSeg], 4, 5 [uxmsp slxog] iSccuxov . . [xal zizpwaxsi]^ VII, 1 , 42 sItev [Ec] . . [(Tw&-ecrjZ£] . . [mit D : fjfiTv] , 4, 3 [ofxoaai Behcv] . . [slg zd rzc;(r^], 5, 20 mit D + A [prjSkv . . eYauj]; wegen der übrigen beachtungswerthen Vermuthungen verweise ich auf den kritischen Anhang der dritten Auflage Hertlein's; nicht wenige von ihnen hat Hertlein in den Text aufgenommen.

Cobet, Mnem. 3, 1875, S. 66 ff., erklärt sich für die Echtheit des Epilogos der Kyrup. , bpvückpichtigt dabei aber nur die Aeusserungen Dindorf's. Nebenbei theilt er S. 67 mit, dass auf der Leydener Biblio-

Kyru Paideia. 59

thek unter den Papieren Valckenaer's, der zuerst den Epiloges ver- dächtigt hat, sich überhaupt nichts auf die Kyrup, Bezügliches finde; zu den Hell., zur Anab. und zum Ages. enthielten sie zahlreiche, aber nicht eben bedeutende Bemerkungen.

Joseph Gipser, lieber die Echtheit des Epilogs der Cyropädie (0 autentycznosci epilogu Cyropedyi). Progr. des Przemysler Ober- gymn. 1877. 52 S. 8. (Rec von M. Iskrzycki, Zeitschr. f. d. österr. Gymn. 29, 1878, S. 779f.)

Der Recension entnehme ich folgende Sätze: Den Epilog der Cy- ropädie hält Herr Gipser für authentisch. In der Gyropädie beabsichtige nämlich Xenophon an der möglichst schlechten, von ihm keineswegs an- empfohlenen Regierungsform, der Autokratie, den Beweis zu liefern für den Satz: onvcot -cvsg . . no^iU yiyvüvxcxt (Cyrop. VHI, 8, 5): das Perser- reich, das zur Zeit Xenophon's unter schlechten Vorstehern in Verfall gerathen (vgl. den Epilog), sei einst gross und blühend gewesen, als Männer von Gyrus' Art an seiner Spitze standen; ebenso könne auch jedes andere Volk glücklich werden, falls es den Weg der Tugend wandle und tüchtige Vorsteher habe. Neben diesem Hauptzweck habe Xenophon noch indirect die Griechen zur Reform ihres Staatswesens mahnen, an- derseits dieselben vom Wahne der Perserfurcht befreien, dagegen aber auf die vom Norden her drohende Gefahr aufmerksam machen wollen. Die Art der Behandlung muss als gänzlich misslungen und unstatthaft bezeichnet werden. Die auf das Thema bezügliche Literatur, Schulz und Bornemann ausgenommen, existirt für den Verfasser gar nicht.

H. van Her werden, Observationes . . in Xenophontem, in Tour- nier's Revue de philologie 2, 1878, 198-203.

Neu und beachtenswerth scheinen folgende Vermuthungen: Kyrup. I, 4, 15 [ay-ov i; a^av? ro] , H, 3, 9 naietv . . [o xtxov aTuiiazt], 4, 5 eßuu- ^ofiTjV ae wQ Xaiinp6-a-ov (paw^vai^ xal yap sixoc äv xoa/xog ^v roüvo, iiJ.rjg av-a d8£X(pr^g uluv [o-t ji£ya)^OTip£.7iia-aTov (patvea&at], HI, 1, 19 ou-u>s (für ouxuj aa) . . Xa&ov-a, 3, 35 daxoüvrag (für dxouovzag vgl. § 50), IV, 2, 31 'Aaaupicjv [xai 'Apaßccjv], 2, 40 npogrjxsv (für -r^xec), 3, 15 äv (für äv&pwr.og) nrrjvog yevia^ac, 5, 52 u rt äv äXko (für o zt äXXo äv) 8ox^, Vn, 5, 47 6 noXunovujTazog (für b (piXon.) nohpog, VHI 1, 19 ■napsTvac . . [tou napecvac], 2, 21 oute ea^iooac nhiu) ^ düvavzai ](copaTv (für fipeiv) . . (pipeiv.

Xenophon's Gyropädie, Erklärt von F. K. Hertlein. 2. Bändchen, 3. Auflage. Berlin, Weidmann'sche Buchhandlung 1876. 234 S. 8.

Der umfangreiche kritische Anhang S. 229 ff. zeigt, wie sorgfältig der Text revidirt ist. Von den neuen Conjecturen des Herausgebers

60 Xenophon.

sind wenige von vorn herein zurückzuweisen, z. B. die im kritischen Anhang zu VI, 1, 40 ausgcsi5rochene »Vielleicht xcvSovzuaavzd n Tra^scv« für das überlieferte iieXXrjao.vzd zt noßeTv; man vergleiche nur das von Krüger in seiner Griech. Sprachl. § 53, 8, 4 angeführte Beispiel Mevec iy.aazov zoö^" "me/) jxiXXei Tiaßelv und Sauppe, Lexil. Xen. S. 82 unter jj.eU£iv, wo zum Schlüsse auch die Stelle der Kyrup. als Beispiel für den Infin. Aor. bei diesem Verbura noch einmal hätte angeführt sein müssen. Von den übrigen Conjecturen Hertlein's seien hervorgehoben V, 1, 1 hißövzaq 8ca(puXdzz£iv, 4, 29 rjmcrzst^ 37 iy^iov auv «rayro», 46 ep- poj[xeviazepot , VI, 1, 11 dvar^vsaazzai für ävar.aüaszat ^ VII, 5, 4 npoq zoug TToXepioog, 12 nohopxeTv oder Tiohopxr^aovzt^ VIII, 2, 23 (vamp iXeys xai npdzzojv, 3, 17 im 8k zobzotq -{jxupiot) äXXoi. oder älXut ^ zoaourot} (undenkbar wäre auch nicht o? Xomol für äXXoc), 3, 39 inXouzrjaag, 45 (Na})> jiä de". VII, 5, 56 ist jetzt geändert in: wv 3' kr^si ouy_ ouzcu povov, dXXä xac dXXojg dvaxzäaBai duvaaai oug . . , unter Anlehnung an die Erlanger Handschrift. Aus dieser Handschrift hätten noch mehr Lesarten, als geschehen ist, Aufnahme verdient. Von den in den Jahres- berichten des philologischen Vereins, im dritten Jahrgang, S. 285 f. ange- führten Stellen ziehe ich VIII, 4, 17 zurück und stelle mit V, 5, 7 xa\ Tiapaxad^iZopevog etnev in Parallele Oikon. 7, 1 xrx} 7rapaxa&c^6/xevog einov. Au diesem Orte möge eine Auswahl von Lesarten der Erlanger Hand- schrift aus dem fünften Buche (von V, 2, 27 s-naBov an, wo sie wieder beginnt) folgen, die bei Dindorf, Saujjpe, Hertleiu, Breitenbach keine Aufnahme gefunden haben: V, 2, 36 vüv rj nplv f/z-rj^r^vac . . vDv [^ rrplv] ETTEt (dieses würde das einzige Beispiel eines adverbialen nph in atti- scher Prosa sein, abgesehen von der Verbindung zo nptv und solchen wie £v zocg nph Xüyocg). V, 2, 37 [phovztg] (an Bleiben denkt überhaupt Kyros nicht, wie die Worte in § 31 beweisen, auf die hier zurückgewiesen wird: . . zag Ttopsiag . . OLtok pcav nopsiav . . zou npog rxözrjv BaßoXujva tivat) , V, 3, 12 z. E. ßuoAupzvng [ray-«], 3, 21 Stazcßsc wjzu . . züj-l^zey upezspat (p6X(o . . xac zoTg äXXoig cfuptid^ocg . . [auzb] Xaßojv, 3, 24 oc KaSouaint xac {ol^ Zdxat zoTg "Aoaupcocg'^) , 3, 26 Tzapaaxeud^otzo für aoGx. , 3, 36 da(paXiozaz uv nopsoolpsd^a, 3, 43 ev zfj vuxzl . . Bv['jj\ vuxzl . . i\^[z^] rjpspa, 3, 49 f. npogzdzzscv . . npogzdzzouacv . . (npog)-- zazzopivcov . . (ppogza^^kv . . npogzdzzoc, 3, 54 ^Srj . . [^Stj] d^dzzov^), 4, 2 (Tovinoczo für auveir.ezo (die Botschaft irrt in diesem Punkte), 4, 11 0 zt [wv] i/xou osüptvng . . ujg vüv, 4, 40 ojg alsl [dvel D, etrj die übri- gen Handschriften Dindorf s) . . ffzpazomdausa&ac, 5, 24 et re xaxov oot

^) Vgl. VI, 3, 8 -[roug^- ijyejioi'ag . . zoug äpy^ovzag und 4, 6 riyv l^^v 7.a\ -^T^vS aT]v <pdiav (VII, 5, 52 zr^g iß^g xac r^g cf^g auvouaiag in allen Handschriften).

8) Vgl. VIT, 1, 5 und 39 [tjÖtj] . . rjdrj.

Kyru Paideia. 61

^ al' t: fit] dya&ov [aoc]^), 5, 27 ouTtug . . [oTjzco] Xrxjxßw^scv wg , 5, 29 [rj <Tuo'\ . . [auz(p], 5, 41 ira^pjievoi rApsLüiv. In Bezug auf die An- merkungen Hertlein's, die geringere Veränderung erfahren haben, als der Text, möchte ich nur folgendes wenige hinzusetzen: Die Bemerkung zu VIII, 1, 30 steht, was den Verfasser von VIII, 8 anbetrifft, in Wider- spruch mit Einleitung § 11. Zu VI, 3, 15: »Welt« bedeutete ursprüng- lich ol ävßpconoc. Zu V, 5, 16: ix zrjgos zr^g ^PX^i^ '^^^ wohl = »von folgendem Anfang der Beweisführung«, die dann regelrecht weiter schreitet (vgl. § 13 üTiuBemv, § 21 Todv-a~jßsv). Zu VIII, 4, 27 £cg Tptaxoaruv izog. 'iig ävaiJLZvoövzog u. s. w. : Die Pointe scheint verfehlt; es redet auch hier der alte Verehrer des Kyros Ai'tabazos, dessen Liebe auch in dreissig Jahren noch nicht gerostet sein wird. Störendere Druckfehler: VI, 2, 21 lies Z'. ipyov, 2, 29 /,o;y, 2, 41 au/j-ßdUsza^ 3, 1 auueaxsudCovzo, VII, 5, 43 ■npoaiovzcov , VIII, 1. 21 imdscxvjscv. Die zu VI, 2, 26 angedeutete Be- merkung scheint im kritischen Anhange zu fehlen. - An diesem Orte lege ich folgende Verbesserungsvorschläge vor, die mir mein Freund Gustav Jacob zur Veröffentlichung anvertraut hat: 1,6, 12 würde der zweite Satz, in dem Frage an Frage geknüpft ist, geschickter werden durch den Eingang Eu (für ou) jap. IV, 5, 54 ini z^v yr^v (für zrjg yrjg) xazam'nzovzsg (prs. !). VI, 1, 35 Tiapaxazai^rjxrjV ; re mit D) övo/id^ujv z^v yuvalxa, daißscdv ze auzoü Xiyujv [ddtxcav zs xa\] •(r^v)> dxpdzstav. VII, 2, 13 op-iog (für bp-oiiug). VII, 5, 80 Yjj (£r^ D, dnc'ui A. G.). VIII, 3, 33 zhv ßuZv . . zuv (für zo) vtxrjzrjptov. Hieran reihe ich noch einige eigene Vermuthungen: V, 3, 43 dux . . zwv iozwu ii> zfj vuxzl . . päUov t) otd zu)V 6<p^alpMV . . {xfii mit D] aiaBdvSfj&uc \za- xai zsx paipaaBat (für Tipdoka^at D^*^); vgl. IV, 3, 21 zizzapat pkv d(pBaXpoTg zsxpapuuiiac, zizzapac ok ujctIv ataHvjaopat. und Anab. IV, 2, 4 8i' uXr^g zr^g voxzög . . zsxiJ.acpe(T&a.t o' vjv zu> <l>ö<pw). V, 5, 4 \av) aivupevoug . . [äv] iSöxsc

V, 5, 19 vcxr^g yavopsvrjg auv zuTg &eoTg [yjpszspag]. V, 5, 25 zoiahza . . uca . . ßap'jvzi[ v ), V, 5, 32 etza ouzwg (für eiz' aozug oder al der Hand- schriften; vgl. Rehdantz zu Anab. VII, 1, 4) zudzo dxoüaag . . auzog. Ist

VI, 1, 53 der Satz zucouzoc 8e noh/xiwv zd^sc erst an den Schluss des Paragraphen hinter scxoacv zu stellen? Ferner VI, 3, 21 der Satz opou da pazaZauyvüvac schon hinter d^paTov yiyvazai'i Drittens der Nebensatz VIII, 8, 20 al oam azpazaüaabat , welcher in A fehlt, schon hinter ol 87] xal iazpazaüovzu'^i VIII, 1, 20 wazu [dtj^^rxaf^ac]. Was soll der Satz VIII, 1, 31 ocfjpac da zd av zw dcpavät im Zusammen- hange? ist er ein anderswoher entlehntes Einschiebsel? VIII, 3, 5 aova- ßouXaöazo . . Tiiäg . . auvotg -{ujg mit D) xdlhaza loalv . . oua/xdvaacv {ojg}

9) Vgl. VI, 2, 19 dTzi^yysAXi rtg u;itv . . äTtayysXXoßivwi^ [^/J-i^^] und 4, 13 ol ?9£oj [^/itii'l (paivoöCLv (ohne Dativ auch die übrigen derartigen Stellen bei Sturz unter ^aiveiv S. 419).

10) Hieraus möchte npoiazaa^ai, die Lesart von A. G., erst weitere Con- jectur sein.

Q2 Xenophon.

(poßepujzaza (vgl. Anab. IV, 8, 9). VIII, 5, 13 ol 8' unrjpsrat, utanep xai ev zaTg nöXzacv oc aiüfpovcazal (für auxppovzq) Xcsaat x. r. k. VIII, 6, 11 ia-wv 8s Tiap' bfilv xai i8pac (A.D. G.), uxrnsp ttap i/xo}, [oc äpcaroc] npoTcprjpsvoig (D), xa: rpdne^a . . . (vgl. Hier. 8, 5 roTg nporc- prjpevoiQ. In dem von Liucke und Hertlein vielleicht mit Recht einge- klammerten Paragraphen Kyrup. VIII, 6, 14 steht freilich näac 8k ol äptaroi TciJv napuvTwv sSpacg TipOTETiiirjVvai). VIII, 7, 3 86üvai . . 8£8a>- xazs . . reXeuT^v [Souvac]. VIII, 8, 23 s^ouac pkv yippa xai xomSag xai aaydpscg Ihansp , ol ) ini Kupuu tyjv pd^rjv notr^ad/isvo: (D) (es schwebte vor IV, 2, 22 . . p.r]8e yvujvac nd/xnav ou äv&pujno: iapsv, dUä ydppa xai xomdag xai aaydpecg änavTa xai nXrjydg rjxscv vopc^ovrwv). Ferner aus den ersten Büchern: I, 4, 7 al 5' eXaipoi xai {aty oopxdSeg xai ol äyptoc oleg xai ol ovoc ol äypioi. 1, 4, 15 ist wohl zu interpungiren xai Xocnbv, ourwg r^at^r^ r^ tots ^^p(f ojcrn dsc. I, 6, 17 nXscazd re yäp rot ia&covza iv azpaztS xai, an iXa^tazcuv opp.ujp.Bva, [xal\ olg äv Xdßjj 8a^'cXia-aza ^piüpsva (selbst geringe Ansprüche der einzelnen be- wirken doch bei der grossen Gesammtzahl einen ungeheuren Aufwand). II, 2, 14 0 (für 8cb), e^r^, xai. IV, 3, 5 noooug oder nutg (für nocoog) Inniag (Anab. II, 4, 6 ziva, III, 1, 2 oo8' Slv sva). IV, 3, 13 ImiixTj yäp (für 8k).

Xenophon's Kyropädie. Für den Schulgebrauch erklärt von L. Br e i- tenbach. Dritte Auflage. Leipzig, B. G. Teubner. 1. Heft, 1875 (XXIV, 168 S.); 2. Heft, 1878 (196 S.) 8. (Rec. des ersten Heftes : Zeitschr. f. d. österr. Gymu. 28, 1877, S. 231 f.).

Im ersten Hefte »ist der Text diesmal wenig geändert«. Madvig's in der Zwischenzeit erschienene Conjecturen werden nicht erwähnt, wie- wohl folgende (Adv. crit. I S. 351—355) irgend welche Berücksichtigung verdient hätten: I, 6, 5 dtpoXaxzouvzag , zoOziov {nspc} napi^o'^zag [ouv zoioi'jzoug Nitsche mit D. Stob.] kauzobg oloog 8s7, I, 6, 8 dp^apivoog (für -og), 6, 11 e'^ovza Suvaptv . . i^ß^pobg [e^ovza], II, 1, 9 £: i^ocpc ujg zd^caza oTiXa [inoioüprjv'\., III, 1, 24 [dBüpujg vaoayrjaioai] ., 3, 62 wonzp Tzapsyyori., 3, 69 s. S. 58, IV, 3, 14 (poßrjd^strj prj [, zl\ Serjase . ., xdmiza . . ojpsv, desgleichen I, 6, 1 obSiv äv kbaavza, eine schon von Klotz vorweggenommene Conjectur (man vgl. etwa Vergil. Aen. II, 691 ff. und dazu Servius; im Xenophon ist wohl vorher dkXo mit D zu tilgen). Im zweiten Hefte hat Breitenbach zu Hertlein und der von diesem an- geführton Litteratur Stellung genommen. Der Recensent in der Zeit- schrift für die österreichischen Gymnasien erwartet erst von der Ver- gleichung weiterer Handschriften eine sichere Grundlage für die Text- kritik und erklärt sich nicht damit einverstanden, dass der Herausgeber dem Cod. Guelf. (G) ein so hohes Gewicht beilegt. Wie eingenommen Breitenbach für die eine Handschriftenklasse ist, zeigt unter anderem die Bemerkung im kritischen Anhang zu VIII, 3, 49 »G. A om. xai ^utv- zag« (vor xai zsXsuzrjoavzag) , »empfiehlt sich«; andere werden anders

Kyru Paidoia. 63

urtheileu. II, 1, 3 schreibt er, gestützt auf A. G., äv mit Indic. fut. EoippavEi statt der anderen Lesart av . . £b<ppdvsi£v. HI, 3, 50 setzt er nicht mit D ouS' dxovzcaTag (eben so wenig die anderen neueren Her- ausgeber), sondern dreimal dicht hinter einander ohSh iiijv. II, 3, 10 wählt er gar, weil G. s. v r. diese Form hat, r/Suvdfirjv statt i8-. Con- sequent ist er aber doch nicht völlig: weshalb wurde, was A. G. bieten, /i^[7ra>]7roT£ III, 1, 37 verschmäht, aus welchem Grunde III, 3, 44 unkp yuvatxMv, wo nur D nepl hat? Eine Anmerkung zu Vif, 2, 22 insi ey- vu)v i/iauzuv jxtj Ixavuv über die Negation und zu VIII, 3, 44 Ya^c roü- rov . . dvcäaSac über die Construction mit dem Infinitiv wäre erwünscht gewesen. Besser weggefallen wäre die Andeutung zu HI, 1, 41 dvs- Ttauov-o (Tuv dXXijXocg , zu V, 2, 12 besser vermieden die Form dstSscv. Zu IV, 2, 10 ist zu tilgen zbzuyrj xal. Der Ausdruck für ^oXarreLV IV, 2, 40 »warm halten« dürfte zu weit gehen, vgl. IV, 4, 7 (an letzterer Stelle ist wohl aczonocscv in aTrov Tiopt^etv zu ändern, wenn es auch an ersterer heisst ol notijaovzzg . . iTtizrjozia). Der zu IV, 6, 10 aus IV, 6, 1 gezogene Schluss, dass die Leute des Gobryas ihre Waffen ab- gegeben hätten, ist unsicher und unwahrscheinlich. V, 1, 8 auBig xal ndXtv ist: ein zweites und drittes Mal. V, 3, 14 handelt es sich darum, dass Kyros dem Gadatas zuverlässig erscheint. Die Anm. zu VlI, 1, 36 dfopöjvzag nimmt sich in ihrer Kürze seltsam aus, da Madvig gerade darum eme Aenderung für uothwendig hält, weil er an der Bedeutung »aversos« zweifelt; sollte übrigens d<fop(jJvzag nicht zu belassen und mit Schenkl zu erklären sein »indem sie den Blick abgewandt hatten«? Da Babylon ein Viereck bildete, so waren seine Mauern keine »Halbkreise« (IV, 5, 10), und Kyros hatte nicht nöthig, eine »Kreislinie« zu formireu (IV, 5, 2). Ist nicht im Texte VIII, 2, 14 zu interpuugiren s/cfv, itdvziuv (vgl. § 13)? Störendere Druckfehler: Lies I, 6, 11 To J' i'/^ovza, n, 1, 29 7Tpä~ac, 2, 15 z. E. ixzpc(pzczv, III, 1, 23 napaiiui^oujxivotg, IV, 5, 32 d(patpc.7a^ai S 5i/, 34 aup.(pipst^ 49 z. E. kv p-daa), VI, 1, 12 ycyvotz'. Im kritischen Anhange unter VI, 1, 28 ist Schneider's Name zum Vorher- gehenden zu ziehen.

'A V d ß a a c Q.

Zur Anabasis sind drei Schulwörterbücher neu oder in neuer Auf- lage erschienen:

Vollständiges Wörterbuch zu Xenophon's Anabasis, begründet von Fr. K. Theiss, neu bearbeitet von Hermann L. Strack. 8. Auflage. Leipzig, Hahn 1874. IV, 120 S. gr. 8.

»Die achte Auflage ist ein sorgfältig revidirter, in nicht wenigen Einzelheiten berichtigter Abdruck der siebeuten. Principielle Aende- rujigen dagegen waren nicht nöthig, da das Wörterbuch erst vor drei Jahren von Grund aus neu bearbeitet ward«.

64 Xenophon.

Wörterbuch zu Xenophon's Anabasis, für <Jen Schulgebrauch bear- beitet von Ferdinand Voll brecht; dritte Aullage, mit 75 in den Text eingedruckten Holzschnitten, drei lithographirten Tafeln und mit einer Uebersichtskarte. Leipzig, B. G. Teubner 1876. VII, 240 S. gr. 8. »Diese Auflage hat mehrere Zusätze und Verbesserungen erhalten, bei denen die freundlichen Bemerkungen in der Recensiou des Professors Dr. Hartmaun sorgfältig benutzt sind. Andere Beiträge lieferte mein Sohn« (Wilhelm Vollbrecht}. Die Correctheit des Druckes lässt zu wün- schen übrig.

Vollständiges Schulwörterbuch zu Xenophon's Anabasis von Ber- thold Suhle, Verfasser des übersichtlichen Handwörterbuches für die ganze griechische Literatur. Mit einer Karte zur Orientirung. Breslau, J. U. Kern (Max Müller) 1876. VII, 148 S. 8. (Anzeige von I'. C. Hertlein, Jeu. Lit.-Zeit. 1876, S. 510; von T. in C., Krumme's pädag. Archiv 1877 S. 46— 54; von J. Egger, Zeitschr. f. d. österr. Gymn. 29, 1878, S. 211-213, von F. Vollbrecht, Jahrb. f. class. Phil. 117, 1878, S. 831f.).

Dieses neue und auch die vorher genannten älteren Wörterbücher sind, von Einzelheiten abgesehen, brauchbar, falls überhaupt Special- wörterbücher beliebt werden. Sie haben besondere Eigenthümlichkeiten und Vorzüge im Vergleich zu einander. Während Vollbrecht den ersten Versuch gemacht hat, dem Schüler in einem Specialwörterbuche zugleich ein illustrirtes Reallexicon zu seinem Schriftsteller zu geben, befolgt Suhle dieselben Grundsätze, welche er in der Einleitung zu seinem über- sichtlichen Handwörterbuche für die ganze griechische Literatur und in den Vorbemerkungen zu seinem Homerlexicon ausgesprochen hat, und verwendet allen Raum und Fleiss auf das dem Schüler Wesentliche, auf die Vermehrung der Sprachkenntniss, auf genaues Verstäudniss und gute Uebersetzung. Und diese Absicht ist ihm recht wohl gelungen; nur er- schwert eine übergrosse Zahl von Abkürzungen die Leetüre. Unpäda- gogisch ist eine Häufung von deutschen Synonymen (man vergleiche etwa die Artikel axsn-o/ia:, npoBiJ/ua und npoiionog, acofpoviu) bis aihifpujv^ ußpiZoj bis ußf)C(TT7jg, yaltmiivu) und ialz-üq^ j^api^opat) und Verweisun- gen solcher Art wie ä s. oq\ ävißrjv Aor. zu ä'mßaivuj auf S. 11, wo in derselben Spalte noch sechzehn derartige Verweisungen vorkommen, darunter: dvs^ujpoov s. dva^copsuj]

Von Ausgaben der Anabasis mit erklärenden Anmerkungen sind zu erwähnen:

Xenophon's Anabasis. Für den Schulgebrauch erklärt von Fer- dinand Vollbrecht. Leipzig, B. G. Teubner. 1. Bändchen: Buch I bis III, mit einem durch Holzschnitte und drei Figurentafeln erläuter- ten Excurse über das Heerwesen der Söldner und mit einer Uebersichts- karte, 5. Auflage 1873, VIII, 188 S. 8. (6. Auflage 1877, XH, 211 S.);

Aeabasis. 65

2. Bändchen: Buch IV— VII, 5. Auflage 1875, 198 S. (Reo. der vierten Auflage ^idp. P. Weissenfeis, Z. f. G.-W. 28, 1874, S. 818—831, der fünften Auflage von G. Hartmann, in Masius' neuen Jahrbüchern für Pädagogik 114, 1876, S. 390—392).

Die Besprechung von Weissenfeis ist ungünstig, die von Hart- mann wohlwollend. Die Ausgabe befriedigt in der Concurrenz mit an- deren offenbar vorhandene Bedürfnisse der Schükr; das beweist ihr Ab- satz. Die sechste Auflage hat zahlreiche, kleine Verbesserungen in den Anmerkungen erhalten; im Texte sind »etwa drei Aenderungen der Les- art« vorgenommen; das Aeussere des Buches ist wohlthuend. Was ist II, 1, 21 gemeint mit: drMyYEXiü, Conj. der zweifelnden Frage?

Xenophon's Anabasis. Erklärt von C. Rehdantz. Berlin, Weid- mann'sche Buchhandlung. 2. Band: Buch IV— VII, 3. Auflage 1874, 261 S. 8.; 1. Band: Buch I— III, mit einer Karte von H. Kiepert und zwei Tafeln Abbildungen. 4. Auflage 1877, LX, 178 S. (Rec. der vierten Auflage von H. Zur borg, Jen. Lit.-Zeit. 1878, S. 605 f.).

Der vor kurzem verstorbene hochverdiente Herausgeber hat die Genugthuung gehabt, die Vorzüge seiner Ausgabe allgemein anerkannt zu sehen. Sie ist unter allen erklärenden die reichhaltigste, lässt kaum irgendwo in Stich, wenn man Auskunft sucht, ist höchst zuverlässig auch in selbständiger Textkritik. Der Herausgeber hat selbst gefühlt, dass allmählich dem Schüler die Uebersicht über das Gebotene immer schwie- riger geworden ist, und hat in der neuesten Auflage dadurch abzuhelfen gesucht, dass er gar manches (ob genug in Bezug auf Schüler?) aus den Anmerkungen ausgesondert und für einen Index aufgespart hat. Dennoch übersteigt der Umfang des Bandes um einige Seiten die frühere Auflage von 1873. Ausser anderen Zusätzen sind jetzt vielfach den Schriftstellercitaten die ausgeschriebenen Worte hinzugesetzt, oder es ist, noch häufiger, umgekehrt verfahren. Indess weicht doch die vierte von der dritten Auflage nicht so sehr ab, wie diese von der zweiten. Die Publicationen der Zwischenzeit sind in Erwägung gezogen, und, so weit es geboten schien, berücksichtigt; mit wenigen Ausnahmen. So ist es auffällig, dass Zurborg's und Gleiniger's Untersuchungen über Xenophon's Schrift von den Einkünften nicht einmal genannt sind. Einige weitere fremde und eigene Conjecturen hat Rehdantz nunmehr in den Text aufge- nommen; aus dem von ihm neuerdings Coujicirten möge hervorgehoben sein : die einzige Vermuthung im ersten Bande II, 4, 5 \ßb&uq\ und aus dem zweiten Bande FV, 6, 15 nap' (für jxkv yap oder yap oder dpa) ufiTv, IV, 8, 27 eSeov xa^ ok xal ndXrj xal noy/irj xal mxyxpdrtov b^ia iyivezo^ VI, 1, 20 ■»jj.£cZ(ov CA; etwa p-etZu) «v? « VI, 6, 28 zotoÖTog »etwa auvatztoga ? VII, 1, 28 [toü dvu)] BaacXiiug, VII, 7, 55 »äv ocxrjaojv . . ^r^fpo/jLavog die erste Classe; oixijacjv . . dnoXT^ipo/isvog die zweite Classe der Handschriften, ich ver- muthe dnotxrjaojv . . ^rj(p6}j.zvog<i. Den schlechteren Handschriften folgt

Jahresbericht tür AlterthumswisBenschaft 1877. I. Q

66 Xenophon.

Rehdantz jetzt I, 8, 17. IV, 8, 21. V, 7, 7. 32. VI, 1, 30. 4, 6. 12. 5, 1. 6, 4. VII, 1, 6. 3, 35. 5, 8. 7, 1, und wiederum deu besseFÖii II, 4, 17, V, 6, 37. VI, 2, 16. 6, 4. VII, 2, 25ii). 3, 31; allerdings vielleicht je einmal in den zwei Reihen mit Unrecht: VII, 1, 6 möchte äa^akeg nicht unpassend gesagt sein im Hinblick auf die mächtigen und nahen Lake- daimonier (vgl. VII, 2, 37. 7, 10); und nur VI, 2, 16 in den besseren und II, 6, 30 in schle(||iteren Handschriften ist bei Xenophon zwischen djjL^} und einer Zahlangabe der- Artikel nicht gesetzt. Hier sei angemerkt, dass die Note zu I, 7, 2 in ihrer Allgemeinheit nicht richtig sein würde : »mpl hat in attischer Prosa . . d/j.^} verdrängt, welches allein Xenophon gebraucht«, und dass ungeachtet der zu VI, 4, 23 angeführten Beispiele noch immer zu I, 2, 12 gesagt wird: y>7:spl: um, mit dem Accusativ . . nie bei Zahlbegriffen«. Gegen die Textconstitution und die Anmerkun- gen liessen sich an mehreren Stellen Einwendungen erheben; z. B. III, 1, 21 wird sich unoipta und die Erklärung »ängstliche Rücksicht« schwer- lich aufrecht erhalten lassen. Einige Druckfehler: III, l, 25 fehlt ipu- xscv; aus der vorigen Auflage sind in die neue übergegangen IV, 6, 20 (das zweite) jup^vag, V, 6, 9 n^iov iyv 8(v8axa, S. XII A. 20 ** bnoarpa- rrjyoc, zu V, 4, 31 »zu 4. 3. (statt 4. 3. 19); zu I, 3, 21 heisst es jetzt y>7jpiuXiov einen halbmal so grossen«.

Xenophon's Anabasis of Cyrus Books I. II By R. W. Taylor, Assistant -Master at Rugby School. Rivingtons, I^ondon, Oxford and Cambridge 1877. XXVII, 62, 16, 59 S. 8. Dasselbe, Books III. IV. 1877. XXVII, 58, 16, 59 S.

Eine Schulausgabe. In beiden Bänden findet sich übereinstimmend : General Introduction, Rules of Greek Syntax (auch besonders gedruckt unter dein Titel: A short Greek Syntax, extracted from Xenophon's Ana- basis 16 S.) und eine Karte; jedem Bande eigenthümlich sind: Historial Sketch, Itinerary, Text, Notes, Indices. In der dem ersten Bande vor- ausgeschickten Vorrede wird gesagt, dass mit ein oder zwei geringen Ausnahmen der Kühuer'sche Text abgedruckt sei, und dass für die Er- läuterung grundsätzlich keine englischen Ausgaben, sondern die deutschen von Kühner, Krüger, Vollbrecht und Rehdantz (besonders dessen Ein- leitung), ausserdem die Reisewerke von Ainsworth, Koch, Chesuey, Layard, Hamilton und Grote's Geschichte benutzt seien.

Selections from Xenophon and Herodotus. With Notes and Refe- rences to Goodwin's Grammar and copperplate Maps. Edited by W. W. Goodwin and J. W. Withe. Boston, Ginn and Heath. 1877. 8.

Zur Einführung in die Leetüre griechischer Schriftsteller werden

11) Weshalb also VI, 2, 2 ^im'iv.

Anabasis. 67

aus Xeuopliou die ersten vier Bücher der Anabasis und Hellenika IJ, 2—4 und dazu in einem Anhange S. 1—128 kurze Einleitungen und No- ten geboten, unter Benutzung der besten Hilfsmittel.

Senofonte. La spedizione di Giro, commentata per uso dei licei e per lo studio privato da xldolfo Bersi, professore nel R. Liceo Arnaldo in Brescia. Firenze, successori Le Monnier. 1877. Libri I IV. VII, 375 S. 8.

In der an Domenico Comparetti gerichteten, im Juni 1875 geschrie- benen Vorrede sagt der Herausgeber, dass er die besten Ausgaben, be- sonders deutsche, benutzt habe. Aus Kühner habe er den Abschnitt Vita ed opere di Senofonte und die Tavola itinerai'ia entnommen, aus Voll- brecht die Notizie sull' esercito mercenario di Giro so gut wie übersetzt. Der Text sei, wenige Abweichungen abgerechnet, der der vierten (Ste- reotyp-) Ausgabe Dindorf's.

Textausgaben der Anabasis:

Etvo(pu)vzoq Köfjoo 'Avdßaatg. Xenophontis expeditio Cyri curante F. X. Schettini. Ed. Stereotyp. Neapoli 1875, A. Morani. 8.

Nur ein fehlerhafter Abdruck der vierten Auflage der Dindorf'schen, bei Teubner 1873 erschienenen Stereotyp -Ausgabe, wie Ludwig Jeep nachweist in der Rivista di filol. e d'istr. cl. 4, S. 92—95 (1875). (Nicht anders scheint es zu stehen mit: Eevofwv-og Küpoo nacoeca. Xenophontis institutio Gyri curante F. X. Schettini. Ed. Stereot. Neapoli, A. Mo- rani. 1876. VHI, 248 S. 8. Wenigstens sind die »Summaria« gleich, und hier, wie in der Dindorf'schen Stereotyp-Ausgabe der Kyrup., fehlt I, 6, 11 yrjv hinter ztjv und VII, 1, 21 ^ vor ivoov.)

Sevofwvzog Kopou ^Avdßaa>g. Xenophontis expeditio Cyri, ed. II. C. G. Cobet. Lugd. B., Brill 1873, ist recensirt von Thurot, Rev. crit. 1875 N. 27, und von Schenk], Zeitschr. f. d. österr. Gymn. 26, 1875, S. 830-834.

Schenkl erneuert unter andern seinen Vorschlag V, 4, 27: [nazpioug] ritpoaivwv . . rov 8s >iov aT~ov ixe sv z^ xaXdpjj.

Bibliotheca scriptorum Graecorum et Romanorum Teubneriana. Xenophontis expeditio Cyri, recensuit Arnoldus Hug. Lipsiae, in aedibus B. G. Teubueri. 1878. 8. Editio maior LVIII, 260 S. Editio minor X, 260 S.

Schon vorher erschien: Rector universitatis litterarum Turicensis commilitonibus certamiua eruditiouis propositis praemiis in annos 1878/79 indicit. Praemissa est Amol di Hug commentatio de Xenophontis Anab. codice C. i. e. Parisino 1640 cui additae sunt duae tabulae lithographae. Turici, typis Zürcheri et Furreri 1878. 24, 1 S. 4. Verlag von B. G. Teubner in Leipzig. (Selbstanzeige Hug's in dfti Mittheiluugen der

68 Xenophon.

Verlagsbuchhandlung B. G. Teubner in Leipzig, 1878, N. 4, S. 63. Re- censionen von L. Breitenbach, Neue Jahrb. f. Philol. u. Pädag. 117, 1878, S. 597 600; von H. Zurborg, Jen. Lit.-Z. 1878, S. 537; von Ch. Graux, Rev. crit. 1878, n. 51, S. 389—392.)

Statt einer Recognition der vierten Dindorf sehen Stereotyp -Aus- gabe ist dem Herausgeber unter sorgfältiger Prüfung des bisher in den Ausgaben und in sonstigen Schriften veröffentlichten mannigfaltigen Ma- terials, unter mikroskopischer Prüfung der besten Handschrift C und unter erfolgreicher Bethätigung eigenen divinatorischen Scharfsinnes eine vollständig neue Recension der Anabasis erwachsen, ohne Zweifel die beste vorhandene Textausgabe derselben, wenngleich in gar manchen Einzelheiten bei der schlechten Ueberlieferung dieser Schrift Ueberein- stimmung aller Ansichten nie eintreten wird. Der Text weicht an unge- fähr 500 Stellen vom Dindorf 'sehen ab, worüber die der Editio maior beigegebene Praefatio critica von S. VH an Auskunft giebt. Nicht er- wähnt sind dort folgende Aenderungen: I, 3, 7 KUap-^ov (statt des früheren KXzdpj^w)^ 8, 13 iieaov tu>v (statt rb) iautoü, 8, 16 [KXdapxog] ^^) und {to om.) auv£^rj[xa, 9, 19 oaa insTiaTÖ reg (statt S indnaro au -ig), n, 4, 14 Interpunction dsvdpwv, ol . . Tcyprjra- oy, HI, 2, 12 izt {xai ora.) vuv, 4, 24 {yj add.) xotpcri, 5, 11 tou (statt zh) /iiy, 5, 15 (om. xai eapi- ^ecv), IV", 1, 10 xardßaatg (om. dg rag xwjxag), 1, 14 (jcü add.) cfcsvd}, 1, 26 evxaüBa (5' add.), 2, 21 [Apxäg], 3, 20 dvißaivz (statt svsß.), 3, 30 im/ieXöpsvoc (statt incfieXLrja.) , 4, 11 dnoxp6(pac (statt dndxpufps), 4, 12 {oc om.) äUoc, V, 2, 26 {rb add.) aröfia, 3, 3 (tuv (statt iv) rocg onXoig, VI, 3, 3 aoveßdXXovTO (statt -dXovzo), 3, 12 ^rojvy TToh/iiiov, 5, 8 [o /xdv- Tig zwv 'EXXtj'^iujv] (nunmehr konnte mit den besseren Handschriften vor- her 6 vor 'Apfj^tojv, der § 2 genannt war, belassen werden), VII, 8, 8 {nap' om.) 'EUd8:. Ausserdem ist zu bemerken, dass VI, 3, 24 [ine KdX- nrjg\ schon von Rehdantz, IV, 5, 16 {roug} und VII, 1, 2 [xai. riBeaBat zd oTiXa] schon von Krüger conjicirt war. Die Editio minor hat statt der Praefatio critica eine Nota editoris und das frühere Summarium ex- peditiouis Cyri; darauf folgt in beiden Ausgaben derselbe Text und S. 246 ff. der Index nominum. Einige Corrigenda des Textes sind in der Ed. maior S. LVIII angezeigt ; da die Hug'sche Ausgabe in Zukunft wohl am meisten in den Schulen gebraucht werden wird, so erlaube ich mir, ausserdem bemerkte Versehen (das Verzeichniss wird ziemlich vollständig sein) hier anzugeben: I, 10, 19 lies dtijpnaaav, III, 2, 17 ''Apialoo, 4, 7 ixoTov, 5, 5 rihri rjiiETipav, IV, 3, 8 sßooXezo, 3, 20 dnoxXsiascv, 4, 11 dTioxp{j(pat, 4, 22 xaraXsXeipjidvoüg, 5, 33 roTg 8s nacah, 6, 10 umpßdXXstv,

7, 4 Eevo^ujvzog, V, 3, 13 XQPOS, 6, 20 Eupuixaxov rs, 7, 4 iroc/Jiajg,

8, 3 da^paivscr&a:, VI, 1, 2 /itjts ddtxsTa&ac, 3, 5 d/xa, 3, 17 aojTr^pcag,

12) üobm- Weglassung oder Einklammeruug der Interpolationen s. Hug Praef. cnt. S VI.

Anabasis. 69

4, 9 sBaipav, 5, 11 inea&ac, VII, 1, 8 vuv -tvsg, 2, Id'ABr^i^atog am), 6, 44 auToj. Ist absichtlich VI, 3, 25 f. wfMsda beibehalten und VI, 2, 15 ^iuov ohne Jota geschrieben? desgleichen acu^oj stets ohne Jota? VII, 1, 11 verdiente die Schreibung in K: npbg dvsmscv den Vorzug. Besonderen Werth hat Hug's Ausgabe dadurch, dass sie auf einer mit grösster Akri- bie gemachten Collation des Paris. C beruht, welche, entsprechend der Bedeutung dieser Handschrift für die Textkritik der Anabasis, an Ge- nauigkeit weit über die frühere Dübner's hinausgeht. Dieser Gelehrte hat, wie verdienstlich auch seine Leistung seiner Zeit gewesen ist, doch wiederholt ungenaue Angaben gemacht, er hat einiges übersehen, bis- weilen sich geradezu getäuscht, wie das Hug an etwa 50 Stellen in der Commentatio und in der Praefatio critica nachweist. Erst Hug giebt über die Frage nach dem Ursprünge und den verschiedenen Correctoren der Handschrift und über das Verhältniss von C zu B (Paris. 1641) und A (Vatic. 987) klare Auskunft; er spricht sich darüber im ersten Theile seiner Commentatio dahin aus: Par. C, 1320 geschrieben, enthält vorn die Kyrup., von der eine genügende Vergleichung noch nicht veröffent- licht ist, dahinter die Anabasis ; für letztere diente, wie Hug mit grosser Wahrscheinlichkeit nachweist, als Vorlage eine unter Kaiser Leo VI. (870-911) geschriebene Handschrift. Der erste Quaternio der Anabasis, wie der erste der Kyrup., ist von derselben Hand geschrieben, alles übrige von Anab. I, 4, 11 an von einer zweiten Hand (beide zusammen = C pr.). Die Correctureu der ersten vier Bücher, die Hug unter der Bezeichnung Ci zusammenfasst (mit dem 4. Buche hören diese Correcturen auf), sind systematisch nach einheitlichem Plane gemacht, d. h. mit der Tendenz, diesen Codex der andern Familie der sogenannten deteriores conform zu machen.' Dies wird vermuthlich bald nach 1320 geschehen sein; wenigstens Michael Apostolios, als er B aus C, bald nach 1462, abschrieb, fand die Aenderungen schon vor. In Buch V— VII kommen nur sporadische Correcturen vor; und zwar finden sich in VII einige Ergänzungen (Ca), die sich nicht in B finden, wohl aber in den auch aus C abgeschriebenen Codex A übergegangen sind; C2 also und darauf A, dem 15. Jahrhundert angehörig, stammen aus der Zeit nach 1462. Noch später, weil weder in B noch in A übergegangen, fand eine Ueber- arbeitung unlesbar gewordener Stellen in Buch V (C3) nach einer dem Eto- nensis (E) ähnlichen Handschrift statt. In der Praefatio critica werden die nach Ci gemachten Correcturen, die sich besonders in V— VII finden, unter der Bezeichnung C corr. zusammengefasst. Demnach werden die Eigenthümlichkeiten der besseren Familie im Grunde nur durch C pr. rein dargestellt, und es war wichtig zu sehen, ob trotz der Rasuren und der übergeschriebenen Schriftzüge noch Ursprüngliches, sei es vollständig, sei es so weit, dass es zu combinirender Vermuthung festen Anhalt bot, noch zu erkennen war. Ein Glück, dass Dübner in Buch I IV seine Chemikalien nicht gebraucht hat, durch die er in den letzten drei Büchern

70 Xenophon.

manches mit ewiger Nacht bedeckt hat, in einer Weise, dass auch nicht einmal mehr der Umfang der Rasuren erkennbar ist. In Buch I IV war Hug noch ein Untersuchungsfeld offen ; er hat die Handschrift in Zürich länger als zwei Monate benutzen können ; in aller Müsse, zwar ohne An- wendung chemischer Mittel, aber mit der Loupe bewaffnet, hat er die betreffenden Stellen von allen Seiten bei bester Beleuchtung wiederholt betrachtet, und bei Constatirung des Thatbestandes hat er sich der Unter- stützung sachverständiger Freunde, unter ihnen des scharfsichtigen Pro- fessor Thomann, zu erfreuen gehabt. Es ergab sich zum kleineren Theile Bestätigung neuerer Conjecturen von Dindorf, Madvig, Rehdantz; zum grösseren Theile waren ganz neue Lesarten das Resultat. Von dem Ge- fundenen und Gedeuteten hat Hug in dem zweiten Theile seiner Commen- tatio an 22 ausgewählten Beispielen unter Hinzufügung lithographirter Facsimiles eingehenden und anschaulichen Bericht erstattet. Und man darf annehmen, dass schwerlich mehr etwas von Belang aus der Hand- schrift noch wird ermittelt werden. Andrerseits ^^a) erhebt Graux, der die Handschrift in Paris, die Commentatio in der Hand (aber doch nur in kürzerer Zeit, in der Bibliothek, allein), nachgeprüft hat, Zweifel, ob nicht Hug an einigen Stellen mehr gesehen habe, als wirklich sichtbar sei ; imd zweitens spricht er gegen die Facsimiles den Vorwurf aus, dass in ihnen der Gegensatz zwischen der ursprünglichen und der Hand des Correctors etwas übertrieben dargestellt sei. Bei diesem Gegensatze unter so bedeutenden Gelehrten mag, wenn überhaupt ein Unbetheiligter das Wort ergreifen darf, darauf hingewiesen werden, dass Hug selbst auf S. 11 seiner Commentatio der Annahme vorgebeugt hatte, als könne er in dem lithographirten Facsimile dem Leser eine Copie oder einen Ersatz der Handschrift geben; sodann ist die Frage, ob ein anderes Mittel der Vervielfältigung, auch auf photographischem Wege, der Ab- sicht Hug's, dem Leser möglichsten Antheil an dem Gange seiner Untersuchung zu gewähren, besser gedient hätte, da er nun einmal das Original selbst ihm nicht in die Hand geben konnte; und endlich ist es wohl möglich, was Graux selbst nicht verhehlt, dass ein Scharfsichtiger aus der Handschrift mehr noch erkennen kann, als ein mit weniger guten Augen Begabter. Jedenfalls scheint Hug, was irgend möglich war, ge- leistet zu haben, und die Untersuchung scheint an der Grenze mensch- licher Erkenntniss überhaupt angelangt zu sein. Von den 22 Stellen, deren Nummer in der Commentatio und auf den Facsimiles man in der Praefatio critica angegeben findet, herrscht an folgenden völlige Ueber- einstimmung zwischen Hug und Graux : I, 3, 1 äpgacvzo, 7, 4 zdJv i/jLuJv, 9, 17 (= n. 21) Xo^ayol, dt . . inXeoaav , iyvcoüav . . xrxXwg bnap- ^ecv ^ , II, 2, 1 (= n. 3) auptov npoj, III, 2, 34 (Lv izpogooxsc [xoc, 2, 35

12a) Das Folgende war in die Druckerei gegeben vor dem Erscheinen von HugVj Entgegnung in den Jahrb. t. cl. Phil. 119, 1879, S. 97-104 und mag nun bleiben.

Anabasis. 71

dmxovTsg xac SdxvouaiV, IV, 3, 1 dvdmzuaav, 3, 21 d-oAr^^ffc''r^(Tav, 4, 17 (TrpaToniooo . III, 1, 27 schliesst Graux nach dem von ihm unter jxiya (fpovTjaag Gefundenen auf rep'.cppovrjaag (Hug xaza(pp.)\ IV, 7, 12 hatte zwar C pr. dvzrjio'MZovro, Graux giebt aber dem übergeschriebenen 8irj. den Vorzug. An den übrigen Stellen ergeben sich Hug folgende Les- arten: I, 9, 16 nXouatujzipojg C^v notelv^ II, 3, 10 oug süpiaxov exTier^zu)- xorag, 5, 13 vüv ol8a Tsßo/xcuiJLdvoug, 5, 28 xac Mßpa arjyysysvrjijisvov, III, 1, 21 daä<ptia (unter unoipca)'^^), 2, 11 'onoffTTjvac auzol Wrjvoloc, 2, 13 [ivrjUsTov (unter fiapzupcov) ^ 2, 17 orc oi'ApMiou, 4, 12 Sk ßpovxf^ xazi- z^Tjie, IV, 5, 4 dvsTvac (unter ^rj^ac) , 6, 19 e&eXovzeg dya&ol ^acvoj^^zac, 7, 20 ivsxs\> (T'jvi?So!. In der Ausgabe ist Hug möglichst C prior und den meliores gefolgt, nicht selten indessen, selbstverständlicher Weise, den deteriores. Nach den von C prior erhaltenen Spuren vermuthet er noch: I, 2, 5 iTizä s^Buyiiivr^ TzXocoig , I, 9, 7 iirjSajjLuJg ipsuSsa&ac , II, 1,6 epr^liot ooaar nlg, II, 6, 2 dvamcaag, III, 1, 25 zdzzsz' avrov p.a, VII, 3, 7 7:pocuvzujv ok xal . . dyyBXoi (= Comment. S. 10; die übrigen Handschriften Nia}v de xac . . ä^oc. Nitsche: ■npotövzwv 8' r^xov . . dl'^.)^ in der Praef. crit. II, 2, 21 fj-nep vjX&ov h zf/ iidj^jj (müsste mau nicht erwarten sg zrjv pd^Tjv'i)^ vgl. ihn ausserdem zu II, 6, .9. (Auf die Lesart I, 9, 29 in den Excerpten des Kaisers Konstantinos Porphyrogenetos rt/n dpzzrjg xa> xaxlag: oc [xdhaza kaozoog dydpevot [vgl. C pr.] ist Hug nicht ein- gegangen). Comment. S. 4 f. bringt er die Lesart der meliores VI, 1,32 äp-^ztv ouvedtXr^aat zur Geltung; ebenso versucht er es VI, 6, 25 mit ßia Tidaytiv^ und conjicirt unter Anlehnung an diese Handschriftenklasse

II, 3, 3 Ixzog zu)v unXojv de und V, 6, 31 ehrMpiag (für auizr^p'.ag der deteriores), wogegen sich Breiteubach S. 599 f. erklärt. Aus den meliores hätte wohl noch Aufnahme verdient: IV, 7, 9 do<paXu}g (hinter dacpaVeg müsste man erwarten zw tv\ ^m^oj), V, 5, 1 oozoc dllyoi ovzeg rjcrav otuj- xooi, VII, 7, 43 (om. i/xwv) epycuv (dem epycov steht nachher Auywv gegen- über, dazu gehört erst die Unterabtheilung zatv e/xäjv, zwv aTpazuurwv). Mit den deteriores dagegen behält Hug z. B. VII, 2, 34 ojanep xümv bei, (die Erklärer der Stelle hätten auf die entsprechende Sitte am Hofe des Partherkönigs hinweisen können, wie sie Poseidonios bei Athen. IV, 152 F [F H G. ni, S. 254, 8] erzählt: d de xaXoiJiievog cplXog zpaneZrjg jikv ou xotvojvel. yafiac d' 'jrMxa^rjjievog e(p u(prjX^g xliwfi xazrxxtip.ivu) zS) ßa- adeT, zb 7iapaß?.rjBkv bn abz-iTj xoviarl cnzeTzat , und IV, 153 A [F H G.

III, 258, 19] ); mit Unrecht scheint die Lesart der deteriores verschmäht zu sein: VH, 3, 13 ra» {zoüzo om.) ßo'jhj/idvoj, 3, 22 {xac om.) dve?.6/xevog, 3, 31 (<T£ om.) de-fjaei. Wohl mit Unrecht ist von der Ueberlieferung ab-, gegangen: IV, 7, 27 z^g voxzhg = noch in derselben Nacht, 8, 11 inl

13) M. Miller, Blätter f. d. bayer. Gymnasialwesen 1874, S. 78, ver- muthete, wie vor ihm schon Hertlein, änopia. In der von Hug, Comm. S. 19, augeführten Stelle [Plat.] Ep. VII, 343 C ist die Verbindug dnopiag zb xal äaa^eiai kfiTtinkijat.

72 Xenoption

T.oUoug rezayfxivoi (vgl. Rehdantz* S. XX, Anm. 36 Schluss), V, 6, 21 Tipoorazeucrat ^ VI, 4, 7 rb T:6Xia}ia av yevöfievov (was schon an sich ist: ein Raum, der eine Stadt werden könnte), 5, 16 TrpoßaXXoixevoug und liszaßaXlop.ivoög , 6, 24 xa\ jirj . . dnodpdvzojv, VII, 1, 41 dvaXaßajv . , xal . . dneimuv, 2, 25 as (ptlio [lot ^pijaea^at (= behandeln als; der Begriff von /p^<T&at ist ja ein anderer als der von zuy^dvscv), 3, 36 abv zdcq &eo7g (einer Andeutung der Pferde bei dem stets von Reitern umgebenen Seuthes bedurfte es hier noch nicht; vgl. ausser § 37 idv ze imtcxov noch § 43 ^v ^sug &iXj] und darauf das einfache ijyi^aoiiai zocg "mioig, nicht etwa vDv (hpa 7jyö7a&at zocg mnotg)^ 4, 7 EsvoipiLvza. Andererseits durfte viel- leicht fremder Conjectur der Eingang verstattet werden: I, 8, 22 xpf)' ^otsv, ^iv^ ijpJaet äv xpovat Bisschop, III, 4, 41 nopeuoo i^ah^ Bisschop, V, 7, 31 noirjarjzrxi xac [ipuiivä] Matthiae und Krüger, VII, 6, 18 dfivüiu . . &eobg ndvzag (f. d-n.) xai ndaag Bisschop, 6, 80 aofinaps/ojv . . zijv da<pdXzLav jirj . . fitaBbv npogsziXsi zjj dacpaXsia Madvig, 7, 7, kXov- zcov Krüger (für k^övziov oder kxövzcov). II, 5, 25 war die Interpunction zu wählen: iXUsTv, iv zw iinpavec Xe$u). Eigene Conjecturen Hugs (ausser den angeführten), zum Theil ausführlicher begründet, sind: I, 2, 23 [zou KcXtxujv ßaadecog]^^), 3, 8 [fiszansfimadac . . k'^rj Mvat], 7, 1 [zöv Oez- zaXbv]^ 7, 18 npoBuo/ievog, 9, 7 [eY z(p an£iaaizo\ 11, 3, 19 Y^vd-a ßacrtXsug . . iScoj^e . . mazuzazoc], 4, 8 Vpovzag * * zr^v, V, 1, 12 vaüa&Xov, 2, 13 Ttpozszayiiivoi (für napaz.), 4, 27 Tiepumvoug, VI, 2, 10 ectj dp^scv 'A&r]- vaTov UeXoTTowirjaicov xat Aaxe8ai[x6vtov (mit Madvig) . . nape^ofievoug, darauf § 13 pszd zijijv {jxetvdvziov'^ (für /isr' auziLv)'^^), 3, 22 {xal zaüza aTiajyiXXouai . . xal zb azpdzsu/ia] ^ 5, 19 8rj öcaßazbv , VII, 6, 29 [xoj- Xoovzeg firjSa/xfj . . ijp-äg nopc^ecr&ac], 8, 11 xal {äXXoug oder azpaztojzag^ niazobg (ob {zobg äv8pag oder azpaztujzag zobgy?); andere Vorschläge s. Praef. crit. I, 6, 5. 7, 4. 16. II, 5, 27. IV, 5, 8. 7, 8. VI, 6, 28. VII, 1, 17 (und hiergegen Rehdantz, Kritischer Anhang zu Xen. Anab. S. 10 f.). - V, 2, 4 schreibt Hug [nXeioug ^] eig ^tXtoug dvBpiunoug. Der Ursprung des in A C E V üeberlieferten nXsioug ^ Sca^cXcoog dvßpwnoijg erklärt sich aber wohl mit Sicherheit aus Ursprünglichem nX^&og scg ^cXcoug dv&pwnoug (scg wurde entstellt in ^ /3'), vgl. IV, 2, 2 nXrj&og wg Sca^cXcoc. Hier möge auch folgenden Vermuthungen ein Platz gegönnt sein: I, 2, 27 (u. Hell. V, 3, 10) azpazetav'i 3, 16 Sjanep ndXcv -{dv^ zbv azoXov . . nocoupivoo gerade als ob er den Zug rückwärts machen würde, wenn wir ihn bitten,

14) Auch vorgeschlagen von M e h I e r , Mnem.6, 1878, S.396. Dessen übrige .Vermuthungen dort (S. 394—397) sind: I, 2, 12 yoüv (f. d' ouv) azparia, 3, 6

[neh^eai'^ai o'jJs] iTread'nc, 3, 12 [^/'^/»og], 5, 8 [Ttepl zotg zpa^rjXotg] . . [rrepi zatg ^epffiv], II, 6, 27 änwXEffsv [adzöv], III, 1, 34 Xe^ov . . xat vüv (f. aü), IV, 1, 24 [nap' di'dpl] ixdedoßivTj, VI, 5, 4, xazeXmdpouv (f. dniXinov) abroüg (vgl Lucian. Catapl, 14 und 4. Dial. D. 25, 2).

15) Vgl. über Anab. VI, 2, 13 f. W. Vollbrecht, Philol. 36, S. 352-355.

Anabasis. 73

3, 18 Ttpägcg . . ^sk}- o7av7iep (für oiamp) . . BiptiTo rolq ^evoig (zwar Plat. Leg. IX, 868 B ^pajfisvoug ^pscav ^v av eMkiuai^ aber [Xen.] Kyrup. VIIl, 8, 9 önwg ohj r^ ^l'-^P']'- //OÖ'i'To elg rag npd^eig), 8, 22 fiecrov e^ovrsg T<5v (für tö) auTÜJv (vgl. § 13 fieaov tmv [AB CE; cet. to] sauroü e^iov, § 23 p-derov i^ojv r^g auroü (rrparcäg, Kyrup. VII, 5, 3 aräg xara jiiaov T^g kaozoö (Tzpaziäg) , II, 1, 6 ix xu)v hizoQjyiuiv xoTTTovzeg [roijg] ßobg xat ovoog (doch wohl nicht alle; denn sie ziehen nachher mit dem Ge- päck weiter: 2, 4 dvaTcS-sad-' inl ra bno^üyca x. z. I., § 8; Pferde hatten sie nur wenige, und auf das Masc. 1, 6 wird man kein Gewicht legen wollen), 3, 15 dneztßeaav. * * xal rjv [xat. om. Ath. XIV, 651 B] rcapä Tiözov , 4, 6 TüiV 8k nokeficiov Imtelg elaiv [oi] TzXeTazoi , III , 1 , 40 njcr&d- vsa^B ojg . . ■^XBov (unter den Beispielen, die für dxouw u. s. w. mit Per- fectbedeutung angeführt werden, finde ich kein diesem entsprechendes), V, 6, 25 UMTZS zw ßooXojxivoj ^stvac} ivocxscv, zw 3k ßooXojihw druivat olxaSs, 7, 16 onocroug enecasv (für btibSbv)^ ^T^'^t *^t 20 ot [zwv' EXX-^vwv]^ vexpot (schon erwähnt § 16. 18, darauf 30 ohne solchen Zusatz, und Xe- nophon spricht in directer Rede) , VI, 3, 2 onoo (für bnuia) ok , 6, 20 Ttpbg ai . . ixsKzuai [crs], zYzs . . ak auzöv^ 3, 47 Td8e Stj . . d [au] eleyov (für iXeysg, denn mit den folgenden Worten ziovzai ol dv&pwm): weist Seuthes zurück auf seine eigene Aeusserung § 43 zoug yäp dv&pwnoug ^aofjLSv inimaövzeg). Von Gustav Jacob freundlich mitgetheilte Vor- schläge: IV, 5, 30 naploc {elg^ xwjxrjv, 8, 11 uttö dllpuujv [xat] ßeXwv xat dvBpwnwv eiineaövzwM , V, 1,7 dXX^ ipot (für dUd poi) SoxsT, 2, 26 xai iSrjXoo (mel. xat 8rjXot) ,3,5 üpo^ivou [og auv KXedp^ü) dnidavsv] auch die darauf folgenden Worte $ivog yap rjv ahzw gehören noch zur Interpolation; denn Xenophon hat ohne Zweifel deshalb den Namen des Proxenos mit auf das Weihgeschenk gesetzt, weil er sein Vor- gänger im Strategenamte 4] gewesen war. Zu § 6 liätten die Er- klärer auf Plaut. Bacch. 307 und Hermann, gottesd. Alterth. d. Gr. 9, 13 verweisen können), 4, 26 xa\ ivzsü&sv, {xat} Dutiov änavzsg zo ^wpt'ov,

4, 34 av -iaXXot} dvi^pwTxoc, 6, 20 ixh$d/i£vot u zc av (für bnoc dv oder 3nTj dv. Cobets Conjectur lässt sich nicht mit onücrrjv zrjg ^"^pag ver- theidigen. Nitsche : vorher zrjg xüxXw iwpag [-nep} zov Ilovzov otxoupevrjg]), VII, 3, 45 oux i/ioü fidvou 8eT (für odet) ich bin nicht allein nöthig. n, 1, 13 Xeyetg oux d^dptaza möchte Jacob aufrecht halten, indem er meint, dass Odyss. 8, 235 oux d/dptaza /xs^' rjfitv zdur' dyopeostg vor- schwebte.

Einzelne Beiträge:

J. Rieckher, in der Festschrift der Gymn. u. evang.-theol. Semin. Württemb. zur vierten Säcularfeier der Univ. Tübingen 1877 S. 19: I, 2, 21 nepmXeovza (für -souaag).

A. Coen, Rivista di Filol. 1, S. 205 210.

Er setzt I, 5, 2 hinter zd 8k xpea oder hinter zwv aXtaxopsvaiv eine Lücke au.

74 Xenophon.

K. F. Hertlein, N. Jahrb. f. Phil. u. Päd. 107, 1873, S. 110: I, 5, 11 rcüv TZ Mivcovog tou arpartwTwv xai riüv K}^sdp^o'j.

Deuerling, Bl. f. d. bayer. G.- u. R.-Sch.-W. 14, 1878, S. 258: I, 10, 12 fJtrj ycyi>u)Cfxscv xai/zot)- zb.

Sörgel, Bl. f. d. bayer. G.- u. R.-Sch.-W. 12, 1876, S. 306—309, bespricht II, 1, 9. 3, 13.

E. Rosenberg, Philol. 36, S. 232: V, 3, 9 [ttoA?-«; xal oc].

K. Rosenberg, Neue Jahrb. f. Phil, und Päd. 117, 1878, S. 751f.:

V, 5, 12 av doxjj (für avo-yx-rj) . . 8u\>acy.E^a. (für ouvcu/xef^a, vergl. § 22, ferner 11 und 20).

E. Kurtz, Bl. f. d. bayer. G.- u. R.-Sch.-W. 13, 1877, S. 108—110. Er erklärt VI, 3, 16 sc GsaioaTat »wenn er nicht etwa unterwegs der Krankheit erlegen ist«.

F. G. Unger, Pffilol. 37, S. 534 giebt zur Construction vöjit^e anoxTsivojv VI, 6, 24 Belege.

S. A. Naber, Mnem. N. S. 1, 1873, S. 329 f.: VII, 2, 2 olonsvog ■IjDUTujg^ av oc'xaos.

K. Lincke, De XenophontisCyropaediaeinterpolatt. 1874, 3. These: Anab. I, 2, 8 [ivzaüi^a Hyszai . . äxponokv], 2, 13 [i<p' fj . . xepdaag ayr;yv], III, 4, 8 [zaürrjv . . o'jziog kd^uj], 4, 11 f. [ivzaü&a . . oüzcug idXaj],

VI, 4, 2 [xac oüg . . "EUrjvag].

K. Zacher, De nominibus Graecis in atog, ata^ aiov (Dissertationes philol. Hai. ni) 1877, bespricht S. 53f. Anab. III, 4, 7 xspa^iiaig urfd S. 119 -121 die Formen dvwyatov, di'dxacov, dvayxalov (Anab. V, 4, 29. Hell. V, 4, 8. 14).

Henrychowski, Z. f. G.-W. 28, 1874, S. 813— 817.

Er erörtert zu I, 7, 12 dpy^ovzsg Yxal azpazrjoi xal 7jysix6\>eg\ nicht ohne Verseheu, den Gebrauch dieser Wörter in der Anab., handelt über

IV, 7, 3 ahv zolg onKrd^o^üXaqc xa\ mlzaazaig xai OTtXc'zacg, vermuthet

V, 1, 1 zr]v MXazzav zrjv iv zw [Eb^ecvw] Ilovzip = das an der Provinz Pontos ist, 4, 3 zolg (für ol) ix zoo insxecva, zuletzt spricht er über V, 4, 10 20: gegen den letzten Theil seiner Erörterungen wendet sich

W. Gebhardi, Z. f. G.-W. 29, 1875, S. 212-214.

Weissenfeis, Z. f. G.-W. 27, 1873, S. 272— 277, und Henry- chowski, ebendort S. 824-829 handeln über IV, 2 und VI, 6, 3. Nach ihnen hat

F. Vollbrecht, Jahrb. f. cl. Phil. 109, 1874, S. 619—627, und in der 5. Auflage seiner Ausgabe, 2. Bändchen, S. 196 198 unter Beifügung einer Skizze die örtlichen Verhältnisse in IV, 2 be- sprochen, und Rehdantz ist in den Anmerkungen zu dem Capitel fast zu gleichem Ergebniss gekommen.

Anabasis. 75

Ueber V, 2, den Zug gegeu die Drilen, über den vielleicht erst einmal eine örtliche Untersuchung völlige Aufklärung bringen wird, han- deln eingehend

H. Heller, Z. f. G.-W. 28, 1874, S. 331ff., E. A. Richter, Fleckeisen's Jahrb., 6. Suppl.-Bd., S. 590 fi., W. Vollbrecht, Philol. 35, S. 445-476, E. A. Richter, Rhein. Mus. 33, 1878, S. 601 -621. R. Hansen, De gentibus in Ponto orientali inde a Thermodonte fluvio ad Phasim usque habitantibus, Kiliae, (Dissert.), 1876. 4. bespricht S. 15 19 die von Xenophon überlieferten Nachrichten und schliesst sich im Ganzen den Ansichten Kiepert's an.

G. Hirschfeld, lieber Kelainai-Apameia-Kibotos, besonderer Ab- druck aus d. Abb. d. kgl. Akad. d. W. zu Berlin, 1875. (Anzeige von Bursian, Lit. Centralbl. 1876, Sp. 1213f.).

In der Abhandlung S. 10 ff. sind zum ersten Male die Stadt und die benachbarten Höhen und Gewässer, auch unter chartographischen Bei- gaben, sicher dargestellt. Bursian hält nicht, wie Hirschfeld, den heu- tigen Ilidja, sondern den nördlicheren der beiden jetzt Hudaverdy ge- nannten Flussarme für den Marsyas. (Vgl. nunmehr auch Milet et le Golfe Latmique: Tralles, Magnesie du Meandre etc., par 0. Ray et et A. Thomas, Paris 1877, Tome I, S. 1 32). Zu erwähnen ist noch Hirschfeld's Bestimmung der Parasange bei Xenophon zu ungefähr Vs geogr. M. (S. 8 A. 1) und seine Ansicht über die Lage von KafHXjiaJv dyopd (S. 9 A. 1).

Ueber die Kanäle zwischen Euphrat und Tigres und die medische Mauer s. M. Duncker, Gesch. d. Alterthums, IP (1878) S. 529. 535.

0. Kämmel, Die Berichte über die Schlacht bei Kunaxa und den Fall des Kyros. Philol. 34, S. 516-538. 665-696.

S. darüber Volquardseu in diesen Jahresberichten für 1876, HI, S. 398 f.; er verhält sich ziemlich ablehnend, während Rehdantz^ S. XXXHI Kämmel's Darstellung im Ganzen acceptirt.

Wie die Münzen lehren, ist Kilikien nach des jüngeren Kyros Tode nicht mehr durch besondere Satrapen verwaltet worden: Jahresbericht f. 1876, m, S. 463.

M^Toxog (Anab. VH, 2, 32 ff., Hell. IV, 8, 26) nannte sich dieser Odrysenkönig selbst auf seinen Münzen: A. v. Sallet in seiner Zeit- schrift f. Numism., V, 8. 95 f.

K.W.Krüger, Kritische Analekten, 3. Heft, Berlin 1874. Darin S. 115 165: »De authentia et integritate Anabaseos Xenophonteae 1824. Altera editio passim emendata 1873«.

Vermehrt durch unbedeutende Zusätze; incorrect gedruckt.

76 Xenophon.

Charles D. Morris, Oii the age of Xenophon at the time of the Anabasis, in den Transactions of the American Philological Association, 1874, London, Trübner, 116, 42. S. 8. war mir nicht zugänglich.

Ueber den Urheber, die Abfassungszeit und die ursprüngliche Ge- stalt dieser Schrift handeln folgende Arbeiten:

W. Nitsche, Ueber die Abfassung von Xenophon's Hellenika. Progr. des Sophien-Gymn. zu Berlin, 1871.— Rec. v. E. Jungmann, Philol. Anz. 5, 1873, S. 139-144.

Ernst von Leutsch,Kratippos und Xenophon, Philol. 33, S. 97. 127.

Es wird die Hypothese aufgestellt, Xenophon habe die ersten vier Bücher seiner Hellenika unter dem Namen Kratippos herausgegeben. Sie hat nur Jungmann's Zustimmung (a. a. 0.) gefunden. S. über Kra- tippos auch R. Scholl, Hermes 13, 1878, 446.

Wilhelm Vollbrecht, De Xenophontis Hellenicis in epitomen non coactis. Progr. des städtischen Lyceums H. zu Hannover. Leipzig, Teubner 1874. Rec. v. A. Hug, Jen. L.-Z. 1, 1874, S. 645-647. R. Grosser, Die Hellenikafrage und ihre Polemik, Z. f. G.-W. 30, 1876, S. 257—281.

Hug hätte das Skizzenhafte im Anfange der Hellenika von Voll- brecht mehr anerkannt gewünscht; im Allgemeinen stimmt er ihm durch- aus bei in der Verwerfung der Auszugshypothese. Grosser bringt in sei- ner Entgegnung wenig zur Sache gehöriges; in den letzten Jahren hat sich niemand mehr, wenigstens öffentlich nicht, für seine Theorie erklärt. In der zweiten Hälfte seiner Recension entscheidet sich Hug gegen Vollbrecht für die Ansicht von Büchsenschütz, dass Plutarch seine Be- richte aus Xenophon selbst entnahm, ihn aber mit anderen Quellen, be- sonders auch der nämlichen, welche Diodor benutzte, contaminirte. Da- für, dass Ephoros den Xenophon als Quelle benutzt habe, halte ich den Beweis durch Breitenbach in seiner Ausgabe (H. Band, S. LXXV) nicht erbracht; dagegen ist von Porphyrios (bei Euseb. praep. ev. X, 9 p. 465b) bezeugt, dass Theopompos in seinen Hellenika vieles aus Xenophon ent- lehnt hatte.

Xenophon's Hellenika. Erklärt von Ludwig Breitenbach. Ber- lin, Weidmann'sche Buchhandlung. 8. 2. Bd., 1874, Buch HI und IV = XCII, 204 S.; 3. Bd., 1876, die Bücher V— VH = XXVI, 268 S. (Rec. in Zarncke's Lit. Centralbl. 1873, Sp. 1522, und 1876, Sp. 1239f. ; von F. C. Hertlein, Jen. Lit.-Zeit. 1876, S. 527f.).

Xenophon's Griechische Geschichte zum Schulgebrauche mit er- klärenden Anmerkungen versehen von Emil Kurz. Heft II, Buch IV —VII. München 1874, J. Liudauer (Schöpping), XVIII, 288 S. gr. 8.

Hellenika. 77

(Rec. in Zarncke's Lit. Centralbl. 1873, Sp. 596 f.; von F. K. Hertlein, Jeu. Lit.-Zeit. 1876, S. 464. Besprechung der beiden eben genannten Ausgaben von Höger, Bl. f. d. bayer. G.-Sch.-W. 10, 1874, S. 52ff.; 11, 1875, 230 ff.; 18, 1877, S. 43 f.). E. Kurz, Zu Xenophon's griechischer Geschichte, Kritisches und Exegetisches, IL Theil, Progr. des Ludw. Gymn. zu München 1875, 30 S. 4.

Xenophon's Griechische Geschichte. Für den Schulgebrauch er- klärt von B. Büchseuschütz. Leipzig, B.G.Teubner, 2. Heft, 1873:, Buch V- Vri, 3. Aufl., 186 S.; 1. Heft, 1876:, Buch I-IV, 4. Aufl., 204 S. gr. 8. (E. Kurz, Zur Erklärung von Xenophon's Hellenica, mit Rücksicht auf die Ausgabe von Dr. Büchsenschütz, Bl. f. d. bayer. G.-Sch.-W. 10, 1874, S. 327—333; und: Zur grammatischen Erklärung von Xenophon's Helle- nica mit Rücksicht u. s. w., ebendort 11, 1875, S. 31—40).

0. Riemann, Collation de deux manuscrits des Helleniques et specimen d'edition critique, im Bulletin de correspondance Hellenique 2, 1878,8.133-161. Dazu: Addenda et Corrigenda S. 317-319. Letztere waren mir eben so wenig zugänglich, wie desselben Verfassers Schrift: Qua rei criticae tractandae ratione Hellenicon Xenophontis textus consti- tuendus sit; Paris, Thorin 1878; YH, 104 S.

Sehr dankenswerth ist es, dass Kurz auf die Beziehung hingewie- sen hat, welche zwischen Hell. V, 1, 36 und Isoer. Paneg. § 139 be- steht; durch sie wird (anders, als Kurz meint) lediglich meine Ansicht bestätigt, dass Xenophon's Hell. I— V, l als besondere Schrift im Jahre 384/3 abgefasst sind; Isokrates hat in seinem (trotz Engel) 380 abgefassten Panegyrikos den leicht sich dem Gedächtniss einprägenden Schluss- und Hauptgedanken jener kurz zuvor erschienenen broschürenartigen Schrift Xenophon's aufgenommen, ihm aber für seinen Zweck eine etwas an- dere "Wendung gegeben; und zwar hat er dabei den im Attischen un- gewöhnlichen Ausdruck imxuorjg mit hinübergenommen, der nach Aus- weis der Lexica in der attischen Literatur, ausser an diesen beiden Stellen, nicht vorkommt, der also bei Isokrates sehr auffällig ist, während er es bei Xenophon nicht ist. Breitenbach hat, um die von ihm ein- mal acceptirte Zweitheilung in Buch I— II und III— VII aufrecht zu hal- ten, jetzt stillschweigend seinen bisherigen Widerspruch gegen Büchsen- schütz aufgegeben und lässt nicht mehr Xenophon Buch I II aus den 394 ihm auf der Rückkehr von Asien von der Familie des Thukydides mitgetheilten bno/ivrj/xara desselben arbeiten. Um aber über den Zu- sammenhang, der zwischen dem Schluss des zweiten und dem Anfange des dritten Buches besteht, wohl oder übel hinwegzukommen, und um die ersten beiden Bücher von den folgenden abzutrennen, lässt Breiten- bach jetzt in ziemlich willkührlicher Weise Thukydides 402 sterben und Xenophon die beiden ersten Bücher der Hellenika vor 401 und darauf nach 394 wiederholt vornehmen und sie doch schliesslich natürlicherweise »unfertig« lassen. In Bezug auf Thukydides vergleiche man dagegen

78 Xenophon.

P. Lesko, Progr. der Ritterakad. zu Liegnitz 1875, S. 28f.; L Cwi- klinski, Hermes 12, 1877, S. 23- 87; Fr. Zimmermann, Quaestiones de tempore, quo histoiiarum libri a Thucydide scripti quoque editi sint, Hai. Diss. 1875, S. 45 ff. Dass die ersten beiden Bücher der Hellenika auch in ihrer ersten Anlage nicht in Attika noch entstanden sein kön- nen, beweist, von allem anderen abgesehen, schon genügend das zahl- reiche Vorkommen der Präposition abv\ Tycho Mommsen im Progr. des Stadt. Gymn. zu Frankfurt a. M. 1874 hat auf die auffällige Erschei- nung aufmerksam gemacht, dass in Xenophon's Schriften 556 aüv und 275 jxerd sich finden, während bei Thukydides, der ihm unter allen Attikern in dieser Beziehung noch am nächsten steht, nur 37 (töv auf 400 iierd kommen; in Xenophon's Hellenika zählte ich I—U, 3, 10: 15 aöv und 22 (oder 23: Madvig Ädv. Cr. I, 336 zu I, 2, 5) //,£-«; H, 3, 11 -H Schluss: 18 auv und 8 ,a£-a; EI— V, 1: 57 aüv und 35 ,(icra; V, 2 VH: 39 Guv und 66 [lerd. Obwohl ich demnach der Meinung bin, dass auch Hell. I -H, 3, 10 nicht in Attika entstanden ist, so stehe ich doch nicht an, auf die eigeuthümliche Thatsache hinzuweisen, dass dieser Abschnitt, was das Zahlenverhältniss der beiden Präpositionen anbetrifft, dem letzten V, 2— VII näher steht, als dem mittleren, II, 3, 11 V, 1; zugleich halte ich es für angezeigt, hier die Beobachtung von A. Pro cksch, Philol. 38, S. 185 f., hervorzuheben, dass (nach den von ihm angeführten Stellen zu urtheilen) in I II, 3, 10 nur die attische Verbindung rpoTvucoy lardvat und zwar fünfmal vorkommt, V, 2 VII sowohl diese viermalig) wie die unattische im Medium -pdnatov "axaai^ai. elfmaP'^), II, 3, 11— V, 1 aber fünfmal (und sonst bei Xenophon) nur diese letztere. (Zur Vervollstän- digung jedoch ist aus Dindorf die varia lectio hinzuzusetzen: II, 4, 7 (TT/jadjisvoc] arrjaavTsg D; VII, 5, 13 tazaro] Tarr^acv V; VI, 2, 24 ist die varia lectio: caraaav BDV, die übrigen iazrjaav). ~ Breitenbach hat sich in Xenophon so eingelebt, dass er in ihm ein Muster gerechter, zu- verlässiger Geschichtsschreibung sieht. Diese Auffassung hindert jedoch nicht, dass Einleitung und Anmerkungen besonders in historischer Beziehung vieles werthvolle enthalten. Auf die grammatische Erklärung hat Kurz grösseres Gewicht gelegt. Beide Angaben ergänzen und rectificiren einander nicht selten gegenseitig. Büchsenschütz hat seine Ausgabe in Anmer- kungen und Einleitung etwas verbessert und vermehrt; auf die Ausstel- lungen von Kurz hat er kaum Rücksicht genommen.

Was den Text der Hellenika anbetrifft, so giebt Riemann eine Collation der Pariser Handschrift der Bibliotheque Nationale n. 317, die er L, und. einer Mailänder der Ambrosiana A. 4. P. Inf., die er a nennt; von der ersten von I -V, 1, 17, von der zweiten von I VI, 3 und von VII. Zu III, 3, 1; V, 1, 1 17 hat er auch noch andere Handschriften,

16) VI, 4, 14 steht lardvai, nicht kaxdvai.

17) Darunter IV, 3, 21, nicht IV, 4, 21.

Hellenika. 79

die ich gleich unten nennen werde, verglichen; zu II, 1, 10 bis zum Schluss des Capitels hat er B, den besten Codex der Hellenika, den man kennt, nachverglichen. Von S. 150 au giebt er den Text von I, 1 con- stituirt, indem er bis § 18 noch Collationen mittheilt von den Par. 1738 (B), 1642 (D), 1793 (A), 2080 (C), 1739 (E), von den Flor. plut. 69, 12 und 15 (M. N), von den Yen. 365 und 364 (v und v^), vom Perus. E, 65 (P), vom Ravenn. plut. 131, 2 (R). Rieraann legt zwar B den grössten Werth bei, meint aber, dass seine Geltung durch L und a beschränkt würden ; dagegen misst er D und V (Yen. 368) wenig Bedeutung bei und verspricht hierüber an einem andern Orte ausführlicher zu handeln; nach VII, 1, 38, da B hier und L schon VII, 1, 21 aufhörten, sei a der Haupt- codex. Nach dem, was er mittheilt, kann ich nicht einmal linden, dass a irgend an B heranreicht; auch ob a nach VII, 1, 38 D aus dem Felde schlägt, möchte die Frage sein. So viel ich sehe, ergiebt sich aus seinen Vergleichungen gar nichts völlig neues und richtiges. I, 6, 35 hat a 8k To?g, wie Schneider vermuthete, II, 2, 36 hat L napavsvojxtxivat, wie Cobet schon» emendirte, I, 7, 23 haben beide dtrjprjiiivrjg, wie Lövvenclau schon vorschlug (a, A, B führen das t adscriptum). III, 4, 4 haben a und L yz- paazuv, II, 4, 7 (nebenbei bemerkt) ozrjadixevot. IV, 8, 21 und VI, 1, 3 ist in a diaawi^eiv, dtiawtZsv erhalten. Ist VII, 1, 43 imi^ovzo äpa von Xenophon geschrieben gewesen, wo für dpa D V a jäp^ E ph, die übri- gen phv yap haben? Breitenbach und Kurz haben nach den Materia- lien, die sie vorfanden, den Text selbständig constituirt; sie sowohl, wie Büchsenschütz haben sich die Conjecturen Madvig's in seinen Adver- saria critica entgehen lassen, von denen folgende hier Erwähnung finden mögen: I, 2, 1 nevzaxtQx^XlotQ (für -oog) rwv muriov nsXrag (für mX- raazäg. Nitsche: TzeX-aazixä orJa"^ Vgl. Kyrup. I, 2, 4 auv zoTg yoiivrjTc- xolg onXoig, II, 1, 18 sv zocg uTtrjpszcxoTg onXotg) r^oirjadpsvog ojg äpa xal TzsXzaazalg eaupivoig, I, 2, 10 olxzlv dzzXzc (für dzilztav) idoaav zu ßou- XopivüJ^ I, 6, 33 (pi^yrj . . TiXscazr] , zrjcov (für . ., TiXecaziuv) , I, 7, 26 ^ (sc. osocuzeg), prj . . xpcvrjTs; dXk' uux (at non licebit), av . ., p:a ipWO). Darauf § 27 MszapsXrjOBc 8k üazspov ^ u ]■ d'mpvr^a^rjze . . rjpapzrjxuzag (vgl. auch Kurz Progr. 1875, S. 4 f.), II, 2, 8 iv zw (für zfj) 'Axaorjpitj. [zip] xaXoupzvü) jupvaatüj, II, 4, 34 w? äXXoc OTiXTzat . . Tipu za>v 'AXutv (für äUujv. Kurz S. 33 vorher: ol pkv [^mojJ), III, 3, 7 {abzog i<prj zoüzo ipea&at,} zöv 8' sItisTv ozc, darauf in der folgenden Zeile i^' oaov de' (für zipaadv yz)^ IV, 3, 3 8id^ag (für 8ialXd^a.g) Maxzoovcav, IV, 8, 5 mit der besten Ueberlieferung AcyatzTg xal dlla yz {'':)^^ujpco. 8mavzat . . bnrjxoot. uuzzg, V, 1, 19 npoxopc^öpevog (für npogx.), VI, 4, 24 i^cdaaa&ac (für indaHa&at) . . zu . . rMog (vgl. Plat. Leg. IX, 879 A zrjv ßMßrjV £$cda8aj), VI, 4, 27 ob . . ^oßoupzvog^ prj . . nopeuocvzo (für Tiopzuaoivzo)^ dXXä . . iv&upobpzvog prj . . zYpyoczv , VI, 5, 3 pcav ndXiv (für TtoXtv) z^v Mavzivziav notziv xal zzc^c^zcv zijv Tzohv, VII, 1, 28 \tzvai^ nur in V vor- handen] zig BzzzaXiav dnavzäv (für zdvavzca) 9rjßacütg , VII, 2, 8 züjv 8'

80 Xenophon.

iv8oi^£v Ol fikv im rou xziiooQ (mit Löwenclau), ol Sk xcu iacDBsv ext dvaßaivovrsg touq im rdtg xXijxa^iv ovrag inacov, VII, 2, 17 nopi^ovreg . . xofjLc^ovrag (für nopc^ovrag), VII, 4, 11 roug . . (puyddag fiivecv iv ro) Tp:- xapdvw, uig iv Tjj iauväm noXsi ocxouvrag (für e^ovrag. Kurz: [l/ovrac]), VII, 4, 20 dnoxaiisTv (für dnoßdUstv oder dTioßahTv) roug 'Apxddag. IV, 3, 23 imnrov [oc 8k] xal hat nach Madvig auch Breitenbach vermuthet; aus des letzteren Aenderungeu und Vorschlägen seien ausserdem her- vorgehoben; III, 4, 23 u^rjysic&ac, Tiap^yyeiXe, 5, 5 dvrdi^if'sujc zrjg [roü 'AnoUcuvog] dexdn^g rrjg ix -{Trjgy hiag xal tou, IV, 3, 17 [xac TidvTsg . . kyivovzo xal] (vgl. Höger S. 230 f.), 4, 1 dno&vrjaxovzdg {-cvag) , 5, 13 \yu)v Kopcv&ccDv], 5, 14 [roug npoetprj/jLSvuug] , 6, 7 ol 8k [arpazimzai], V,

I, 5 iv ZU) zsiy^iajiazt -^t-üJ)- zwv 'A&yjvacojv, 3, 27 [8cä zu iirj8kv . . mo(po- /?av]i8), VII, 4, 27 \zuiv AaxsSacfiovcujv]. - Von den beachtenswerthen Vorschlägen, die Kurz zu verdanken sind, begnüge ich mich zu erwähnen : IV, 2, 6 oazcg (für ozc) . . Sitoxpivsl (für 8sl euxpiveTv. Höger S. 232: 0, zc . . 8zT suxpcveTv), V, 1, 5 [vaüap/ov], VII, 3, 7 uiieTg (für fikv) ov- zag, 4, 37 {xal ol) xazd. Zu IV, 1, 18 empfiehlt er, I, 2, 9 (vgl» auch

II, 4, 25) u)g scg (für wg sl) zu schreiben. Im üebrigen verweise ich auf sein Register der Abweichungen seiner Ausgabe von der Sauppe's S. 286 f. und auf seine beiden Programme, in denen er zahlreiche Stellen eingehend bespricht, deren Verzeichniss am Schlüsse des zweiten, zu- sammen mit einigen Berichtigungen der Ausgabe, gegeben wird. Neu ist im zweiten Programm S. 7 die Vermuthung, dass II, l, 7 15 ur- sprünglich gelautet habe: 7) . . napsSoaav AuadvSpw [izu)v . . 10) 'Ah^cou, AüaavSpog] <(^dg} d^txö/xsvog £ig''E<pe<Tov . . 14) nazipa. 15) \T<x) 8' im.ovzi szzi^ Auaav8pog [8'] iml xzk. S. 15 18 ebendort giebt Kurz zu der schwierigen Stelle IV, 4, 9-12 einen sorgfältigen Commen- tar; sodann lässt er S. 18 21 eine genauere Begründung der Ansicht Grote's folgen, dass die Einnahme Lechaion's nicht schon in IV, 4, 12 (Jahr 392)13), sondern in § 19 (Jahr 391) zu finden sei; diese Ansicht bekämpfen, indem sie Andokides und Diodoros mit Xenophon in Einklang zu bringen versuchen,

Karl Fuhr, Animadversiones in oratores Atticos, Bonner Dissert. 1877, S. 9-15, und

Josef Rohrmoser, Ueber die Kämpfe um Lechäon während des korinthischen Krieges, Zeitschr. f. d. österr. Gymn. 28, 1877, S. 736—743. Hier sei gleich eine andere Erörterung Rohrmoser's augereiht, in der- selben Zeitschr. 29,. 1878, S. 9 13: Unter Vergleichung von VI, 3, 1 fasst er VI, 3, 18 so, dass er bei ztg an die Thebaner, bei zov ßooXojievov an

18) Dieselbe Conjectur hat A.»Schäfer, Jahrb. f. Philol. 113, 1876, S. 366 gemacht.

19) Breitenbach huldigt noch der alten iaischen Chronologie des korin- thischen Land-Krieges.

Hellenika. 80 a

die Spartaner, bei tw fjiij ßouXo/ievüj an die Athener denkt; »das Recht der freien Entschliessung gilt nur für die beiden Hegemonen, nicht aber für die ihnen verbündeten Gemeinden; diese sind und bleiben an die Beschlüsse der Bundesversammlungen gebunden«. Seine Auffassung dar- auf von VI, 5, 1 ff. kann ich mir nicht aneignen. - K Fuhr, Rhein. Mus. 33, 1873, S. 337 Anm. bessert, dem constanten Sprachgebrauche ge- mäss, 11, 2, 10 xard <(r£^ yrjV xal xaza Bälaxrav oder ^m!)- >:azä y. x. x. H.

Kurz, Bl. f. d. bayer. G.-Sch.-W. 10, 1874, S. 160 vertheidigt seine Conjectur I, 2, 8 'E^smoig (für acpiatv) gegen die Höger's in dessen Re- cension S. 55 'E<piaMt. Auch H. Sauppe, Lectionsverz. d. Gott. Univ. 1873/74, S. 11 hatte vermuthet ol od <^t )- ix . . 'Efpiaiot.

Kurz und Geist, Bl. f. d. bayer. G.-Sch.-W. 10, 1874, S. 148 - 152, 160—162, 265-274 debattiren über das Verständniss von I, 1, 27 f.; 6, 14 d\'opa7iooia^]^at. Geist, in derselben Zeitschr. 11, 1875, S. 406— 410, rechtfertigt II, 3, 48 auv roTg ouvafxsvocg . . äcoi roarcov. Ebendort 13, 1877, S. 112 f. vertheidigt er II, 3, 34 ixscvtj als Nebenform von ixsT durch Belege, handelt über II, 1, 28 au/xTiapfjz: und III, 2, 18 "A jiivrot. und bezieht III, 3, 5 a>c rsrrapdxov-a nicht bloss auf äXXoug^ sondern zugleich auch auf alle vorhergenannten auf der djopd anwesenden o/xucoc.

Weitere einzelne Beiträge:

K. J. Liebhold, Jahrb. f. Philol. 115, 1877, S. 158—160, 375 378, 725-728; ll7, 1878, S. 593—597.

An der eben erwähnten Stelle II, 3, 34 vermuthet er ei Sk sxscvrjv (für ixeivTj) im'/^£cprjas.ci zcg ra>v lipöpujv . . (pdystv [zs vrjw dpy^rjv]. Von seinen übrigen Conjecturen führe ich an: I, 6, 5 ai/r' emzrjdzcojv (mit Jacobs) yevojiivujv xal apiaxa (für äp-zt) quvcdvrajv rd vauztxd xai dvBpuj- ■notg tog ipTjazdov \oh mit Schneider] ytyviuaxdvTwv dnsipoug . . ixsc ■s^xal} xcvouveüovzag (für xtvdovBÜutdv) zc . ., ix zouzou 8rj (für i. z. ok), § 10 ig auptov (für in' auzov) dei. I, G, 37 . . Xiov. tjv de zu nvsüpa oupcov xal zag zpt-qpeig zrjv za^iazrjv ^^^-ev^, auzog 8k. III, 1, S orj (für 8h) Ziaoipog. IV, 4, 3 oh-/_ onoTizzoop.d\tuiv (für oh zonzüpdvu)^). V, 2, 34 züzs. fikv del npogsc-^eze zov vouv \jJ.rj^ Ttoze (für nuze) dxoüaecräs (dies letzte Wort war so zu belassen!). II, 3, 34 aber ist zu lesen . . ^upndiinovzog auzoTg, oug ißoukovzo ouve?Mp.ßauov, ouxdzc . . -^^dv Schäfer^ dud^eoßai . ., in, 1, 18 entweder d{^up.ozdpoug (Cobet für -zdpav) oder d&up.ozdpav <^z^v azpaztäv)- slg (für xal) zrjv npogßoXrjV iasa{^ac. V, 4, 1 ist nur Trpwzov entweder mit Wolf in npuzepov oder mit Gustav Jacob in npozoi) zu än- dern. — Hier mögen noch wenige Vorschläge von mir folgen: I, 4, 7 iv UXou^otg (für ivcauzol zpaTg) rjaav (die Worte an sich, abgesehen vom Sachlichen, würden unanstössig sein, s. Anab. VII, 6, 1 a^eSbv ^St] 8uo lifjvwv ovzwv). l, 6, 11 dvzl züjv au/xßaUopdv(uv (für aupßdvzojv) ijpcv {dyaBüJV om. DJ (s. § 7 ivsxa dpyoptou., 9 '/prjp.aza, 12 ~6pov yprjpAzujv). II, 1, 31 . . xazaxprjp.viaacav[- WikoxXrjg . . oid(pHaipev\ . . . xazsxprjiJ.vcae.

JahiH.-.bei icht für Altertliums-WisseUfcliaft 1877 I ,-, a

80 b Xenophon.

in, 2, 1 [unö äepxuXida]. HI, 5, 24 d^&ö/xsvo: (für äfffievoc) . . dmfjsaav ix zYjg BoKuriag, [roüriuv de Ttpa/d^ivrwv ol fikv Aaxzdaijxovtot dd^ujxwg drcrjecav] ol de Boiwrtoc. VI, 2, 10 xal xarä yrj\> (für das unverständliche xai zäyriv der besten Handschrift ß. Vgl. nachher ao\>diaßt.ßäao.t . . vux-ög Scaxo/xca&evzag nou rr^g ^wpag und darauf xal . . vaug. Grote X, 195, 2 = 1X2 364). IV, 8, 35 ist -Dyv ävcu zu erklären durch b86v^ vgl. Polyb. 4, 44, 3. 6-10.

L. Schwabe, Jahrb. f. Philol. 107, 1873, S. 381—386.

III, 1, 13 ]jj Utaidag]. III, 2, 28 nsptexXfjai^rj (für neptenkrja^rj) [ly olxta]. Die Ueberlieferung wird vertheidigt EI, 3, 3 x^keöaac, III, 4, 20 xal ä)Jov, III, 2, 11 die Athetese [rj dne^et . . r^fieputv 686v].

August Laves, Philol. 32, S. 361 363, 57lf.

Conjecturen zu III, 2, 14. 4, 23. 5, 2. IV, 1, 25.

G. F. Unger, Philol. 33, S. 688 ff.

II, 3, 5 dnu (für ukö) Jcowaou elg KardvrjV dnearrjcrav (für dneard- Xrjaav) ins Gebiet von Ka-dvr], die zu diesem gehörige Feste Acrvrj besetzend. VI, 1, 4 'AXxirag ö ev rrj 'Hnecpw enap^og (für unap^og) = der Grossfürst in Epeiros, weil Herrscher über Molosser und Thesproten. (Droysen, Hellenismus^ I, S. 96 Anm. behält unap^og: »früher war Epeiros in Dependenz von Thessalien gewesen«.). Ueber Hell. II, 3, 9 6 e^dprjvog xal invd (vulg. dxrdi) xal ecxoaiv irrj s. G. F. Unger, Sitzungs- bericht d. philos.- philol. und histor. Classe d. Akad. d. Wissenschaften zu München 1875, Bd. I, S. 45, und Philol. 37, S. 5; an letzterer Stelle spricht er auch über den Zeiturafang des &spog bei Xenophon (d\amit widerlegen sich die in sich selbst widerspruchsvollen Aufstellungen Breiten- bach's hierüber in seiner Ausgabe). Wegen der Hyakinthieu und Isth- mien kommt Unger Philol. 37, S. 16 auf Hell. IV, 4, 19. 5, 3 zu reden.

Hermann Blass, Das Verb um dvocyoj bei Xenophon, Jahrb. f. cl. Philol. 117, 1878, S. 465—470.

Es wird vorgeschlagen. Hell. I, 1, 2. 5, 13. 6, 21 dvoiyuj zu ver- stehen von dem »sich klar machen, klar werden« , wonach der Seemann mit einem »klar zum Gefecht, zur Abfahrt« u. s. w. das Fertigsein mit allen Vorrüstungen dazu bezeichnet.

Ueber die Theilnahme der Sikelioten an den letzten Unternehmun- gen im peloponnesischen Kriege enthält einiges: Julius Riedel, De Hermocratis Syracusani vita ac moribus, Progr. d. Gymn. zu Cassel 1878, S. 22. 26-32.

Ueber die Zollstätte bei Chrysopolis, die Getreidezufuhren aus dem Pontos und deren Zeiten (Hell. I, 1, 22. 35) vgl. Adelbert Hoeck, De rebus ab Atheniensibus in Thracia et in Ponto ab anno a. Chr. 378 usque ad aunum 338 gestis, Kiel. Dissert. 1876, S. 10—12, 14, 42 f.

Hellenika. 80 c

G. Gebhardt, Bl. f. d. bayer. Gymn.- und R.-Sch.-W. 11, 1875, S. 389—399.

In seine Untersuchung über die weitere Bedeutung des Wortes Hellespont zieht er mehrere Stellen der Anabasis und der Hellenika hin- ein; imter anderen macht er S. 391 darauf aufmerksam, dass z. B. Xeno- phon und Deraosthenes zwar das "Wort Hellespont in seiner weiteren Be- deutung ziemlich oft haben, gar nicht aber den Namen Propontis. Vgl. auch Fr. Wieseleri Spicilegium ex locis scriptorum veterum ad Bosporum Thracium spectantibus, Gottingae 1875, S. 35, und C. M. im Philol. Anz. 8, 1877, S. 133.

Ernst Siegfried, De multa quae kmßolri dicitur, Berl. Dissert. 1876.

These I: Hell. I, 7, 2 'Ap^idrjfxog [6] xou drjixoo zozs nposan^xdis. S. 7 f. , 24 f. wird nachgewiesen , dass Archedemos damals Hellenotamias gewesen sei, unter Zustimmung von R. Scholl, Jen. Lit.-Z. 1878, S. 41, aber unter Widerspruch von

Gustav Gilbert, Beiträge zur Innern Geschichte Athens im Zeitalter des peloponnesischen Krieges, Leipzig, Teubner 1877, S. 372 A. 5*.

Dieser giebt seinerseits S. 368 382 fast einen Commentar zu Hell. I, 7; S. 379 A. stimmt er dem Resultate bei, zu welchem kommt

GeorgLoeschke, Ueber den Abstimmuugsmodus im F e 1 d h e r r u- process nach der Schlacht bei den Arginusen, Jahrb. f. cl. Phil. 113, 1876, S. 757 f.

Danach ist die geheime Abstimmung immer vermittelst zweier Urnen in der Zeit vor Eukleides geübt worden, und es erledigt sich die entgegenstehende verbreitete Ansicht, als ob vermittelst der zwei Urnen in ungewöhnlicher Weise oifen abgestimmt sei.

Sakkelion, Bulletin de Corresp. Hell. I, 1877, S. 10.

In einer von ihm auf der Insel Patmos gefundenen Handschrift der Ae$eiQ /i£Ö' taropioJv ix röjv JrjfjLoa&evoug lujiuv ist in einem Citate von Hell. I, 7, 19 die La. dXla \xav^ fxtav rjp.epav Sovreg abrolg.

Ueber das Rechtsverfahren im Arginusenprocess handelt (ausser Carl Pöhlig, Der Athener Theramenes, Jahrb. f. cl. Phil, Suppl-Bd. 9, 1877, S. 271 ff., und Hermann Böhm, De tlgayyekta'.g ad comitia Atheniensium delatis, Hai. Dissert. 1874, S. 12. 16. 18. 21. 26) Max Fränkel, Die attischen Geschwornengerichte, Berlin 1877, S. 75. 79—85, und über den Inhalt des Psephisma des Kannonos im besondern spricht eingehend und umsichtig Albert von Bamberg, Hermes 13, 1878, S. 509—514; letzterer vermuthet, dass § 20 Ssosjievov Glossem sein möge eines ursprünglichen, dem Psephisma entnommenen oiaXskrjixjxevov, dessen

ßa*

80 d Xenophon.

Bedeutung erörtert wird und von dem möglicherweise 8iia ixaarov § 34 eine callida interpretatio sei. Indess, ich fürchte, die Untersuchung über die Bedeutung von oca^s^/iixevog muss noch einmal aufgenommen werden, weil eine Stelle dabei übersehen ist: Xen. Oikon. 11, 25 Scsdrjfi/ievwg (-o^-?) TioV.dy.cg expcßrjv o rc ^ftrj TiaBeTv rj (biorlaat . . imo rrji; yuvatxog. Ob sie S. A. Naber, Mnem. 1, 1852, S. 21 Y 256 berücksichtigt hat, kann ich im Augenblicke nicht sagen.

J. H. Lipsius in diesen Jahresberichten für 1873, S. 1399 iden- tificirt das wSsTov Hell. II, 4, 24 wegen i $exaߣu8ov mit dem Odeion an der Enneakrunos (s. C. Wachsmuth, Die Stadt Athen im Alterthum I, S. 275 ff.). Bu(rsian) in Zarncke's Lit. Centr.-Bl. 1876, Sp. 541 iden- tificirt das kpov zr^g 'Earc'ag in Olympia Hell. VII, 4, 31 mit dem npura- veTov Pausan. V, 15, 9. U. Köhler, Die griechische Politik Dionysius des Aelteren, Mitth. d. deutschen arch. Inst, in Athen. 1, 1876, S. 16 f. zeigt, dass Hell. VI, 4. 2 unter dem vabg zoö 'AnoUojvog das delphische Heiligthum zu verstehen sei. Albert Lebegue, De oppidis et portibus Megaridis ac Boeotiae in Corinthiaci sinus littore sitis, Paris 1875, S. 77 f. handelt auf Grund eigener örtlicher Untersuchung über den Weg von Kreusis nach Aegosthenae, Hell. V, 4, 17 f.

K. F. H er t lein, Hermes 12, 1877, S. 184: Hell. IV, 8, 35 rbv (für xal) 'Ava^ißiov ot^vpzvov . . . xai etra dvsXBujv (für xac knavekd^cov).

H. Zurborg, De Xenophontis libello qui Tlöpot inscribitur, 1874. These 3: Hell. VI, 5, 16 ol 'Apyscoc <^oaov)>. ou TiavSrjpLSt rjXoXoöBovv aöroTg.

Cobet, Variae Lectiones^ S. 577: Hell. VI, 5, 43 knecgfpiaf^ac (für eTtzigfipEffBat). Unmittelber dahinter [t^ '^^^-^a^;] : K. Ditfurt (Pri- vatmittheilung); »es müsste heissen elg -nyv 'EUdSan.

Arnold Hug, Aeneas von Stymphalos (Gratulationsschrift der Universität Zürich an die Universität Tübingen). Zürich 1877.

Der Verfasser macht es höchst wahrscheinlich, dass der Schrift- steller und der Feldherr Aeneas von Stymphalos Hell. VII, 3, 1 dieselbe Person ist ; von dieser Hypothese aus beleuchtet er von mehreren Seiten her S. 6 A 3, S. 29-41 die damaligen Verhältnisse Arkadiens, Sikyon's und des Tyrannen Euphron. Recension von K. F. Her tl ein, Jen. Lit.- Zeit. 1877, S. 706 f.: »Es verdiente der mehrmalige Gebrauch von Sca- Sexzrjp, übereinstimmend mit Xenophon, der häufig Personennamen auf T^p anwendet, erwähnt zu werden«.

Wegen Hermann Luckenbach, De ordine rerum a pugna apud Aegospotamos commissa usque ad triginta viros institutos gestarum, Strassb. Diss. 1878, rauss ich auf den folgenden Jahresbericht verweisen; wegen anderer umfassender Arbeiten, wie die von Busolt, auf den Bericht über griechische Geschichte; über die in Betracht kommenden Inschriften findet der Leser eine vollständige, bequeme Zusammenstellung in Band XV, S. 20-27. 50. 57.

Varia. 80 e

Auf mehrere Schriften Xenophon's Bezügliches.

Chrestomathie aus Xenophon, aus der Kyrupädie, der Anabasis, den Erinnerungen an Sokrates zusammengestellt und mit erklärenden Anmerkungen und einem Wörterbuche versehen von Carl Schenk 1. Sechste verbesserte Auflage. Wien, Carl Gerold's Sohn 1877. XIX, 304 S. gr. 8. (Italienisch ist davon erschienen eine Nuova edizione riveduta sulla quarta originale da Giuseppe Müller. Torino, Loescher 1876. XXIII, •317 S. 8.)

Aus flüchtiger Durchsicht merke ich an Kyrup. VII. 1 . 1 i/xmeTv xdfx^ayslv, Anab. IV, 5, 28 rjv dyriJ^nv zt zo azpdzsvjia pi^j] (mit Madvig, für TTcCij der meliores) rjyrjad/isvog [(^acvrjzai]. In der Anm. zu IV, 2, 28 ivafy.olu}vzzq (= Schenkl An. VI, 53) wären zu berücksichtigen gewesen die von F. Vollbrecht in der Einleitung seiner Ausgabe § 8 und die von Albert Müller, Philo!. 33, S. 677 angeführten Aufsätze.

Luigi Ravani, La Politica di Senofonte: studio critico, Roma 1876, tip. del Senate, 52 S. 8. war mir nicht zugänglich.

Friedrich Blass, Die attische Beredsamkeit. Zweite Abtheilung. Leipzig, B. G. Teubner 1874.

Hinter Isokrates wird anhangsweise S 441 452 auch Xenophon besprochen, eingehender aber nur dessen Agesilaos, den Blass in allen Theilen für echt hält.

H. Böttcher, De ellipseos apud Xenophontem usu. Regimonti 1875 (Jen. Disserl.), 36 S. 8.

Für die Untersuchung ist allein Xenophon herangezogen; aber es sind geflissentlich alle unter Xenophon's Namen gehenden Schriften be- rücksichtigt; S. 36: die Zusammenstellungen erweisen nichts für oder wider die Unechtheit der verdächtigten.

C. G Cobet, Fhoaarjixaztxfj. in Xenophontis Cyropaedia, Mnem. 3, 1875, S. 214-221.

»Xenophon in nonnullis Id^ojv xal dojptZoiv videtur verba poe- tica usurpare et jAwaGrjjxaztxa ^eyeo» (vgl. ihn S. 389). Zum Be- weise geht Cobet classenweise die in der Kyrup. vorkommenden bezüg- lichen Wörter durch und erklärt dabei auch d/i^c für ionisch, pro qno Attici semper nspc dicebant.

E. G. Wi lisch. Das indirecte Reflexivpronomen in Xenophon's Anabasis und Hellenica. (Zur Senator Justi'schen Gestiftsfeier.) Zittau 1875, 10 S. gr. 8.

Material für eine umfassendere Untersuchung.

Anton Funck, Das Verbaladjectiv auf riog-, Rhein. Mus. 33, 1878, S. 615-620.

80 f Xenophon.

Um den Beweis zu führen, dass das Participium necesitatis erst allmählicli in die griechische Litteratur eingedrungen sei, wird auch Xe nophon in ausgiebiger Weise herangezogen.

Eduard Escher, Der Accusativ bei Sophocles unter Zuziehung desjenigen bei Homer, Aeschylus, Euripides, Aristophanes, Thucydides und Xenophon (Züricher Dissert.), Leipzig, S. Hirzel 1876. IV, 180 S. gr. 8.

Der Verfasser handelt besonders vom sogenannten innern Objecte.

Om wg äv med eft erfolgende Participium, Bemaerkninger til Xen. Anab. V, 7, 22. Af forh. kollaborator C. P. Christensen Schmidt i Kobenhavü. Nordisk Tidskrift for Filologi og Paedagogik, 1875, S. 113 —145.

Die Fälle, in welchen man äv mit dem Participium oder einem blossen Prädicate durch Ellipse eines nach Massgabe des Hauptsatzes gedachten Verbum finitum gewöhnlich erklärt, will der Verfasser unter Vergleichung zahlreicher Beispiele auch aus anderen Schriftstellern ohne solche auffassen, z. B. Anab. V, 7, 22 «>? av xat icupaxu-zg, Aporan. H, 6, 38 a>g äv arpazrjytxcp^ Kyrup. V, 4, 29 (hg äv ef ol'xoi} iieydXou.

M. Dinse, Beiträge zur Kritik der Trostschrift Plutarch's au Apollonios, Berlin 1874. 20 S. 8. (Separatabdruck aus der Festschrift zur dritten Säcularfeier des berlinischen Gymn. zum grauen Kloster.)

In Cap. I sind Beispiele der Verbindung xai-8h aus Xenophon ge- sammelt.

Nachtrag zu den kleineren Schriften Xenophon's.

V. Pamer, Zur Frage über das gegenseitige Verhältniss der Sym- posien des Xenophon und Piaton. Abhandlung des n.-ö. Landes- Realgymn. in Baden. Wien 1878, 34 S. 8. Selbstverlag des Real- gymnasiums.

G. F. Rettig, Xenophon's Symposion, ein Kunstwerk griechischen Geistes. Philol. 38, S. 269—321.

Pamer wollte nur zu den verschiedenen Anschauungen über die- sen Gegenstand Stellung nehmen, ohne den Anspruch zu erheben, die beregten Fragen bedeutend zu fördern. Im Gegensatze zu Rettig, dessen letzte Arbeit ihm noch nicht vorlag, hat er die Ansicht, dass dem Xeno- phontischen Symposion ein wirklich gehaltenes Gastmahl zu Grunde liege, wovon der Einfluss so weit reiche, dass, wiewohl Xenophon sich der aus- schmückenden Phantasie überliess, doch ein einheitliches, organisch ge- gliedertes Kunstwerk in der Schrift nicht zu erkennen sei. Die zweite Hälfte der Abhandlung beschäftigt sich mit dem Nachweise, dass das Xenophontische Symposion (auch 8, 32 36) vor dem Platonischen ge- schrieben sei; hier findet also Uebereinstimmung mit Rettig statt.

Kleinere Schriften. 80 g

Konrad Zacher, De nominibus Graecis in aiog, aia^ aiov. 1877. S. 31 f. und S. 30 wird gesi^rochen über Ky nag. 2, 6 azpoipiwv uwA S, 1 ßöpecov.

H. Müller-Strübing, Zu Xenophon's Staat der Lakedaimo- nier [5, 4], Jahrb. f. cl. Phil. 117, 1878, 471 f.: zag [oux] dvajxaiag ■nöoeig.

E. Naumann, De Xenophontis libro qui JaxeSat/iovccuv r.o?.c-sta inscribitur, 1876. ~ Rec. von L. Cwiklinski, Zeitschr. f. d. österr. Gymn. 29, 1878, S. 494 498.

Dem Recensent scheint der Zusammenhang der Xenophontischen Schrift mehrfach gestört. In der Abfassungszeit von c. 14 stimmt er Naumann zu.

H. Stein, Bemerkungen zu Xenophon's Schrift vom Staate der Lacedaemonier. Beilage z. Progr. des Gymn. zu Glatz 1878. 29 S. 8.

Die ganze Schrift (die Stein mit c. 15. 8. 14 abschliesst, unter Athetese von 8, 1 [re xal zoTg vofxocg]) ist nach ihm (S. 12) zu einer Zeit 394 von Xeuophon geschrieben; dessen Hauptzweck sei gewesen Lob der Lycurgischen Verfassung im Sinne des Agesilaus und (c. 14) Abwehr der Richtung des eben gestorbenen Lysauder, sein Nebenzweck (S. 5. 11) »seinen Mitbürgern« (den Athenern) gegenüber sich wegen seines Laco- nismus zu rechtfertigen und eine Erklärung dafür zu geben , warum er seine Kinder (400/399 hatte er noch keine!) in Sparta erziehen liess. 8, 2 zpe^ovreg dkXä jxrj ßadc^ovreg bezieht er auf die (einen Monat dauernde) Rückkehr des Agesilaos in Eilmärschen aus Asien. (Naumann verwerthet diese geschickter S. 28). Wenn Stein auch die »geistreiche« Vermuthung Oncken's nicht billigt, Xenophon habe sein Buch unter dem Namen des ihm »befreundeten« Thimbron herausgegeben und dieses sei von Arist. Pol. VII, 13 p. 246 ed. Tauchn. . . Bcjißpujv . . gemeint : so glaubt er es doch als ausgemacht betrachten zu dürfen, dass Aristoteles Xeno- phon's Werk benutzt habe. S. 23 ff. folgt der werthvollere Theil, eine Anzahl Vorschläge zur Emendation des so verdorbenen Textes. Die ein- zige Umstellung, welche Stein ausser der von c. 8 und 14 vornimmt, ist die von 13, 8 e^eari 8k rw vew [xal] xsxpcfxevw . . ebdoxijiov hinter 13, 6.

Georg Dum, Entstehung und Entwicklung des spartanischen Epho- rats. Innsbruck, Wagner'sche Universitäts-Buchh. 1878. 188 S. 8.

Nicht wenige Stellen vom Staate der Lakedaimonier und von den Hellenika werden hier mit anderen Nachrichten in Beziehung gesetzt.

H. Zurborg, Zu Xenophon's Schrift von den Einkünften, Her- mes 13, 1878, 482-488.

Anknüpfend an die Recensionen seiner Ausgabe und besonders an den Aufsatz von Fr. Rühl in den Jahrb. f. cl. Phil. 115, S. 729 ff. bringt Zurborg noch mehrere neue Vorschläge zur Textgestaltung, wie 5, 7 ßouXocfxs&a (für ßoükoiv-o), 2, 1 npog-i^Tii^fipouatv.

gOh Xenophon.

A. Kirch hoff, Ueber die Abfassungszeit der Schrift vom Staate der Athener. Aus den Abh. der kgl. Akad. d. W. zu Berlin 1878. 25 S. 4.

Gegen M Schmidt und v. Gutschmid tritt Kirchhoff für die Roscher'- sche Ansicht, sie von einem Fehler befreiend, ein und setzt die Abfas- sung der Schrift in die letzten Monate von 425 oder lieber in die erste grössere Hälfte von 424, indem er, um nur dies hervorzuheben, 1, 14 f. auf das Verfahren der Athener gegen die Einwohner von Mytilene und 2, 13 auf die Besetzung von Pylos bezieht, 2, 5 aber als nothwendig vor dem Zuge des Brasidas niedergeschrieben bezeichnet; aus 2, 18 lasse sich keine feste Zeitbestimmung entnehmen, sobald man den Wor- ten xal y.axujg Xiyetv ihr Recht gebe.

U. Köhler, Mitth. des deutschen arch. Inst, in Athen, 3, 1878, S. 175 erläutert 1, 11 rag dno<fopdg.

K. Fuhr, Rhein. Mus. 33, 1878, S. 578:

»Die Redner (auch . . der Verfasser des Büchleins vom Staat der Athener) vermeiden ebenso wie die officielle Sprache, die auf den In- schriften erscheint, fast ganz die Verbindung -rs xaU.

i

Bericht über die Homer betreffenden Schriften, die in den Jahren 1876 u. 1877 erschienen sind.

Von

Prof. Ed. Kammer

in Königsberg.

I. Ausgaben.

1) Homeri Ilias cum potiore lectionis varietate edidit Aug. Nauck. Pars prior. Berol. ap. Weidmannos 1877. 8. XXV. S. 308.

A 2 liest mau daselbst: 'A^acocd für AyaioTg der lieben Uniformität wegen. Ueber die ihm für Homer allein richtig erscheinenden Dativ-Endun- gen spricht sich der Herausgeber XIV f. aus. So ist auch A' 174 geändert worden 'Ayacola'' tje ßiwvac^ und dereinst werden wir W 792 lesen kptSrj- aaa^ac 'Aya.tula\ st jitj 'AydXzT. Ist es aber nur Zufall, dass die Tradition 'AyaioTg hat, obgleich in diesen Fällen vor folgendem Vocal die Aende- rung doch so leicht von Statten ging? Was geschieht aber, wo es mit dem blossen Apostroph allein nicht abgethan ist? also z. B. am Schluss des Verses, wo die Ueberlieferung gleichfalls 'AyatoTg hat? z. B. E 86 rjh fisrä Tpcuscrmv ojxdioi ^ ;x£r' 'AyacoTg. Nauck vermuthet hier ursprüng- liches ^ Javaocacv. Wer wird ihm das glauben? Oder E 465: ig tc iu xrstvtai^at iaasrz Xahv \4yacoTg ; (scheltende Anrede an die Troer) Nauck verbessert sinnwidrig: hxuv 'Ayatihv. Oder 6'487f: Tpoxrlv jxiv p dixou- aav eSu ^dog, auzap ^Ayaung \\ dartaalrj zpiXharog inrjXuB^z vh^ kpEßevvij. Nauck bemerkt dazu: »487 et 488 spurii?«; die Gründe für die Unächt- heit werden ihm selbst wohl unerfindlich sein. Oder V 42G: dpuvujv Xoi- yuv Ayacocg. Hier wird wohl Nauck zu 'Ayacwv wieder greifen. Oder P 396, X 117, ^'' 649. Wenn au diesen Stellen nicht die Annahme der Unächtheit Nauck retten wird, so weiss ich nicht, wozu er sonst seine Zuflucht nehmen könnte. So sieht aber die Kritik aus, die von Petersburg aus der so lange vernachlässigten Gedichte Homers rettend sich annehmen will! ,utrum ocg an otac an oco:v scribaraus nostri est arbitrii', lesen wir in der Vorrede; Veränderungen aber wie die hier mit- getheilten vorzunehmen, ist das auch noch ,nostri arbitrii'? A 238 heisst es vom a/.r^r-püv, dass es die Sühne der Achäer tragen kv izaMprjg <fo-

Jahresbericht für Alteifhums-Wissenschaft 1877. I. 6

82 Homer.

piooai\ Nauck vermuthet: »au naXdixjjl a Achüleus gelobt A 89 dem Kal- chas : so lange ich lebe, ou ng . . ao\ xoihjg r.apa vT^oat ßapstag -^zipag enotazi. Das xoßjjg ist Nauck natürlich höchst fatal : was thut er, um es zu beseitigen? er vermuthet: »xuüjj napä vvjh ! der Siugularis ist wieder völlig sinnlos »an xoüjjo' im vrjuah ; diese Wendung allerdings ohne Apostroph und xoc'^rjg überliefert - ist entlehnt aus E 791 oder M 90 oder A' 107 oder 0 473; man vergleiche aber diese Stellen und wird, wer das noch nicht vorher gewusst hat,^nden, dass xoc}^r]g inl vr^oal etwas anders bedeutet als xotXjjg napä vqoai. Nach all diesem wird es klar sein, dass Nauck hier »einer Marotte zu Lieb'« seine Aenderungen getroffen hat. ~ Az yxpuy^äg: yp. xsifaXag schol.« Zunächst ist es unver- antwortlich, dass Nauck überall »schol.« schreibt, wo wir doch in der glücklichen Lage sind zu wissen, wem diese oder jene Note angehört; »ejusdem Veneti codicis scholia volumus intellegi ubicunque simpliciter scholia commemorantur« p. VI: diese Art zu citiren heisst nichts ande- res als einen Standpunkt einnehmen, wie er vor 50 Jahren statthaft war. Warum wird ferner nicht bemerkt, dass c^&:p.oug xs^aMg Aristarch las (cfr. auch Ariston. zu // 330 und J 55) und auf seine Kritik hingewiesen, wonach xs^a}Ag (das nach B L ApoUonius Rhodius las) hier nicht passend war. A 4: »5e kXojpta: o' iXXiüpca al«, eine sehr wichtige Note! ^5: y>8dcTa Zenod. teste Athen. I p. 12 f. (cfr. Aeschyl. Suppl. 800): TzäcTc libri«. Und Aristarch's Name findet sich hier wieder nicht?! die Sache, um die es sich hier handelt, ist bekannt. Zenodot nahm an der Ueber- tragung von dafg von einem Mahl für Thiere keinen Anstoss, Nauck thut es auch nicht: »qualem translatiouem aliis poetis frequentiorem esse aliis propemodum inauditam vix est quod commemorenius. Homero autem praefracte abrogare facilliraam istam translationem perversum ar- bitror« ; er hält Zenodot's Lesart ociuvocm zs odcza für »traditam scriptu- ram«, die Aristarch »suo arbitrio mutavit«; zur Gewissheit wird ihm diese Ansicht durch Aeschyl. Suppl. 800 f. xufflv 8' ir.zS' iXiopa xanr/^cüpiotg \ ('pviat 8z?7:vov oux dvaivoixai rdlztv Hier fühlt Nauck nicht, dass anders ist die epische Sprache eines Homer iu seiner Einfachheit und Keusch- heit des Ausdruckes (cfr. Lehrs, Arist^ p. 161), anders das hohe Pathos der Tragödie, die Metaphern mit Vorliebe aufsucht, welche für jene un- möglich sind: hier hat ein »homo in Ptolemaeorum aula vitam degens« fein und schön empfunden, was der Petersburger Gelehrte, der mit sol- cher Ostentation der erleuchteten Kritik des 19. Jahrhunderts sich stets berühmt, nicht hat nachempfinden können. Wohl möglich, dass obige und ähnliche Stellen aus Tragikern rückwirkenden Einfluss auf Homer ausgeübt haben und dass spätere Epiker, wie z. B. Oppian, so pathetischen Ausdrücken die Aufnahme nicht versagten. Nauck hat aber auch ferner nicht bedacht, dass ^a?ra in Verbindung mit kXwpta auch darum nicht passen würde, weil sXcop bei Homer gar nicht »Speise«, wie es die Glossographen verstanden, bedeutet, sondern »Raub, Fang« und darum

Ausgaben. 83

mit xöpjia sich verbindet, die beide in eigentlicher Bedeutung ge- braucht sind. V. 5 und 6 ist nicht angegeben, dass ilihg 8' irehczro ßo'jXrj, iq oh . . . diese luteriiunction von Aristarch herrührt (cfr. auch Lehrs Arist.^ ji. 191). - V. 8: y>a<p(i)s : a<pu)i Zenod. aliique gramm.« Warum sind die alii nicht genannt, da wir sie namentlich kennen? Ferner war zu schreiben statt acpwc. enklitisch afcot, was schon Lehrs in seiner Ke- cension von Spitzner's Ilias (Zimmerraaun's Zeitschr. für Alterthumswiss. 1834 S. 139) berichtigt.

A 9: ■»Ar^Touq xai ätug: ylr^Toüg äyXaoq gramm. Rom. in Lex. Vind. append. p. 273, 15. an ArjToog dy^.ahg'?« Schlimm ist es, eine so empfoh- lene Variante - übrigens liest man dort dy^aov mhv überhaupt auf- zunehmen, noch schlimmer sie zu einer solchen Conjectur zu vervverthen! Nauck empfindet wieder nicht, dass äyXaog für diese Situation gar nicht passt, oder ist es ihm darum nur zu thun, dass er sein Arjroog einbrin- gen kann?

All ouvexa zuv Xpüar/V »zhv.zoül an ^^?« Also, weil der Arti- kel sich Nauck nicht erschlossen hat, darum sofort zur Conjectur ge- griffen! und so wird A 33 für o' o ydpojv vermuthet Se yspcuv, A 35 7jf)äTo yspaiog für rjfjäh^ b ysciatug^ ^462 aj^lZjiai yipiov für ay^t^j^g b yi- pujv, u. s. w. - Zu demselben Verse: y>rjTiixa<Tzv -. rj7''iiaa , r^T'.iir^a^ yjtc- ij.rj<Tsv pauci«. Was soll das Wort pauci? nicht Zählen ist die Aufgabe der Kritik, sondern Wägen! vgl. übrigens Lehrs a. a. 0. S. 139. - A 14 (TTspiiaz' sycui/ : ))(yzin/j.az\- ard/x/xa r'?« eine überflüssige Conjectur, da alles in Ordnung ist, wenn man die Participien richtig verbindet; übri- gens schlug 30 schon Naber vor: Quaest, Hom. p. 110. A 15 ;^^y<T£w dva ay.ijTtrpw : »ävä: dv'^a cfr. Lehrs a. a. 0. S. 139. Daselbst: »i?Jcr- atzo : Xiaa—o A (ut Ar.?).« Das Fragezeichen ist überflüssig mit Rück- sicht auf A 374, wo die Bemerkung »oüzcug 'laxwg Ataatzon von Didymus ist; cfr. Lehrs a. a. 0. 139. Aus welchen Gründen ist diese gute Les- art nicht aufgenommen? - V. 18: y>dtu\ oolzv : ooldv tmz' die Conjectur ist unglaublich leichtfertig. - A 29-31 »dt^azoüvzac schol« wieder ohne jede nähere Angabe. /] 42 -iaziav Javaul : y-taztav : ziav.zv (an ztaaiz)/1) Zenod.« Wie konnte nur Nauck noch schreiben an ztaatv/i das Ver- derbniss war ja zu offenbar und von Friedlaender bereits ohne weiteres berichtigt. A 45: y>d.p.(f>.pz(pia pauci libri«! A 47: y>sotx(ög: ihaSsi'g Zenod. teste schol. M 4ii3« so citirt Nauck, wo bestimmt der Name zu sagen war. 51 y>i^cscg : d<f:sc'g pauci«! 57: ^yopr^yophg pauci«! 60 eY xsv Sdvaz6]> ys ^öyoipsv : y>s7 xev: o7 xsv Zenod.« ohne zuzufügen, dass Aristarch et' xsv las und mit Recht 61 xsv als schlecht ablehnte. »^u- yoijizv : (püyiop.zv'^.ik so könnte auch ein eben erst in die Studien Einge- tretener conjiciren! von einem Manne wie Nauck erwartet man tieferes Erfassen der Sprache. Ebenso finden wir 1 141 zl oe xzv 'Apyog cxoc'pziT bei Nauck die Note y>cxoip.z&' : cxwpzB' während z. B. B 123, 597, // 387 der Optat. unbeanstandet, E 373 dagegen yz füi' xz (ebenso 0 196)

6'

84 Homer.

conjicirt ist, und 1 445 r.sp für xsv vermuthet wird. Aehnlich ist A 64 für oQ x' Binot iu den Text gegen alle ratio aufgenommen 8? sOTjy mit der liocliwichtigen Note: mq x' bItzol (pauci £lnrj) libri«. V. 65 ist nicht bemerkt, dass et zap Herodian's Lesart war; es wäre hinzuweisen ge- wesen auf Lehrs Quaest. ep. S. 132 und zu vergl. Ziramermann's Zeitschrift a. a. 0. S. 140; zu Y. 93 hätte nicht fehlen dürfen Gram. Anecd. I, 415. A 77 : y>p.riv : /lev libri«. A 78 rj yäp otnjiai : »^ yäp : xai ydp^ia völlig unver- ständlich! — 85 d^apcjrjüag ijÄXa senk d-zor.puniov ü zc olaBa, Nauck conji- cirt falsch und ganz ohne Noth thorzponscuv mit der einfachen Note: »d-so- ■nponiwv: {^sonpomov libri«. 95 y>d&eTzcTac (ab Ar.) schol.« Das betreffende Schol. des Aristonicus, das schon Villoison und Becker fälschlich auf V. 94 bezogen, gehört zu V. 96, wie das schon bei Friedlaender zu lesen ist. - B 16: ß^ 8' äp ovetpog »5' äp' : 8' Vind.« B 18: ßrj 8^ äp in \4Tpsc8r^v 'Aya/xsixvova ytArpztdjj ^Ayap.ip.vovt'^'i B 25 o) Xaoc r imzeTpä- (paTar. »r om. Vind.«! /? 26: wv 8' sp.iB-sv ^ttveg aJxa: y>thxa : ui8e'i«. ß 29 : '!iavau8trj: Tracrcry^/^y pauci«. 31 »i7r£yva/>i^'c(v): STri^a^c D Vind.« Diese Varianten und Conjecturen sprechen ohne Erläuterung gegen sich selbst. Der Herausgeber verspricht uns die vorzüglichsten Varian- ten zu geben, und bringt das Werthloseste. J 2 : Ttözvia "Ilßr^ vexzap iwvo- ^usr. y>'IIßrj: "Hprj Apoll. Soph. S. 111, 30« "Ilprj kann doch nur aus Ver- sehen entstanden sein. J 4 y>8st8i^az :' 8st8cj^ar' Vind., 8£c8ixaz' Vrat.« d Q y>x£pzofuoc(Ti imcrac: xspzo/xcocg knieaat libri. napaß^SrjV : TiapaxXrjofjV Lips.« Zl 12: oiojxevov Bavisa&a -aolcujxevov Ven«! J 16: opcTOfisv (Conj.), ujpaopev Vind.« J 24: "IIp]^ 8' ohx e^aSsv (Tzr^i^og ^oXov: -o'Hprj Veneti duo« J 27: y>i8p6a: I8pu) libri. "nnov : mnuj pauci ut schol V Q 765«. J 29 ä-äp ou zoc ndvzeg inacvio/iev &zoc äXXoi: •»ou zoi: ou zc Veneti duo«. J 48: ßa)p.bg iSsuezo 8a:zog iccrrjg: »ßcu- pug: Buftog Eust. p. 443. iccrrjg : icacrrjg pauci. J 54: zdcuv ou zoc iyco Tzpoerd" lazapac: »ou zoc.ouzc pauci, an ou rsy?« J 55: »scuj : iöcu'^a Auch diese Varianten und Noten leisten an völliger Werthlosigkeit alles Mögliche. Und unerquicklich ist überall der Eindruck, den man bekommt, man mag das Buch aufschlagen, wo man will: überall weitgehende Leicht- fertigkeit im Heranziehen entweder noch nicht gehörig durchforschter oder entlegener und werthloser byzantinischer Quellen und unverständ- liches Verachten der besten Zeugnisse des Alterthums : während von Ze- nodot Alles mit Vorliebe hervorgezogen wird, werden Aristarch's Ver- dienste geflissentlich verschwiegen. Aber, wird Nauck entgegnen, »Ari- starchus fuit homo plurimis et gravissimis erroribus obnoxius linguaeque Graecae minus gnarus« (p. IX). Gewiss ist es, dass Aristarch Manches nicht gewusst hat, was Nauck zu wissen sich rühmt; aber ihn leitete das sichere Gefühl für seine Muttersprache, das mehr werth ist als all die Regeln, die wir Moderne unter allerlei Vorurtheilen uns abstrahiren: es klingt docli in der That lächerlich, wenn ein Gelehrter des 19. Jahr- hunderts und sei er auch Herr Nauck aus Petersburg behauptet, »dass

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die Alexandrinischen Grammatiker wenig Griechisch verstanden« (Melang. Grec.-Rom. 1876 S. 121); es ist lächerlich, wenn Nauck, dem Brugman's windige Untersuchungen und seine Anklage gegen Aristarch, dass er »der eigentliche Textverderber« sei, gar sehr erwünscht kommen, er be- merkt sogar S. IX unten: velut A 393 verissime legit Zenodotus rtacdbg eo7o, ubi nunc scribitur id quod ii3se perperam propagavi Tratoug ir^oga: ich sage, es ist mehr als lächerlich, wenn Nauck nur in dem Einen mit Brugman nicht übereinstimmt, dass dieser »praefracte negat iguarum Graecae linguae fuisse Aristarchum« (p. IX). Und was seine errores an- betrifft, ja welcher grosse Mann ist davon frei geblieben? Aber man lege doch seine errores auf die eine Wagschale, auf die andere seine Ver- dienste um die homerischen Gedichte, jene wird in die Lüfte empor- schnellen, dass sie nur noch für die von Neid und üebelwollen gefärbten Gläser plurimos et gravissimos errores enthalten kann, während die andere voll und schwer den Augen sich darbietet. Glaubt denn Nauck, dass bei einem ähnlichen Versuche, den man mit ihm anstellt, auch nur ein annäherndes Verhältniss eintreten könnte? Wozu also das ungeber- dige Pochen gegen die veneratores Aristarchi, bei dem man doch die Ab- sicht merkt, ohne sich dadurch im Geringsten verstimmen zu lassen? Wozu das wundersame Verlangen an Lehrs, er hätte sollen »saltem cum priore libri editione, quae a. 1833 prodiit, existimationi Aristarchi satis esset consultum, in altera operis editione (a. 1865) aequius et rectius de Aristarcho proponi iudicium, quo iuniores philologi et ii qui duce egerent admonerentur ne immunem erroris fuisse Aristarchum absurde opinarentur« (p. VIII f.). Was hatte Lehrs in der Zeit von 1833 1865 erfahren, das ihn in seinem Urtheile über Aristarch hätte wankend machen können? Er hatte höchstens die niederschlagende Beobachtung gemacht, dass man über Aristarch urtheilte, ohne sein Buch gründlich studirt zu haben und so glaubte er sicherlich, als er zum zweiten Male sein grundlegendes Buch erscheinen liess, den »junioribus philologis« da- mit den besten Führer auf den Weg mitzugeben. Oder glaubt etwa Nauck, dass die iuniores philologi an seinen Werken den Führer finden könnten, der ihnen noth thut? Man streiche Aristarch und seine Schule aus der Geschichte der Wissenschaft: es lässt sich gar nicht denken, welch barbarisches Aussehen die Homerischen Gedichte heute uns zeigen würden: denn an Zenodot's willkürliche Kritik anknüpfend würde man in immer gröberen Angriffen schliesslich den Homer aus dem Homer ver- vertrieben haben. Fast möchte man glauben, dass die heute zur Mode gewordene Herabsetzung des Aristarch nur darum um sich greift, damit nach Wegräuraung des ehernen Kritikers, der überall seine strengen Ge- setze entgegenhält, die eigene Willkür und Selbstherrlichkeit wacker schalten und walten könnte. »Plurimum Homericorura carminum emen- dationi oftecit nimia Aristarchi veneratio« sagt p. VIII H. Nauck. Die Philologie stellt sich ein Armuthszeugniss aus, meint Herr Nauck, dass

86 Homer.

sie Homer gegenüber so lange mit »Emendationen« zurückgehalten habe ! Dem muss ein Ende gemacht werden! Auf in die freiere Bahn! Und da tummelt sich denn der »Emendationen« Unzahl, von denen hier noch einige stehen sollen! /' 392 xdUet zs (rzikßmv xal s7fj.a(Tiv. y>e7fj.a(Tcv: rUsc^arc'^« r 4:53 ob fiev yäp <piX6zYjZi y^ ixsO&auov, sYrcg t'8ovro: »ixeuBavov : ixüv- &avov? sc reg l'doczo : sY ye YSovzoa , J 125 vsof)7] 8s jisy^ Ya^sv: y>fisy' Ya/sv:sia^sv7«; ä 154 -j^stpog s^^ojv Msvslanv: »s/cuv : sXwv'^a A 156 rtpu ^A^auuv Tpcudi pd^saBac: nnpo : npug?« ; d 170 noz/iov dvanXrjcrrjg ßciüzoco: »an poTpav dvanXrjcnjg ^avdzoco'^idi ; 286 acpuji psv, oo yäp socx' dzpwspsv^ o(j zt xsXeOcü (Anrede des Agamem. an die beiden Aias): »oy yäp socx': ou zt soix"^ o'j zi xsXsüoj ; ouok xs^eüw?«!; J 362 zaüza 8' oniab-sv dpsaaofisd^' (sagt Agam. zu Odysseus): »dpsaaöpsd-' : «xcö-ö-o/as^*'?« J 479 snXsd-' un^ 'AYavzog psyaS^üpou Soupc 8a[xsvzc: )->inksß' utz : STt^szo?« u. s. \v. und in Unzahl die aus leidiger Eleganz entsprungenen Conjecturen! Man fahre nur so fort! die Früchte werden nicht ausbleiben! aber erschreck- liche! - Es ist wahrlich zu bedauern, dass Nauck, dessen grosse Talente ihn in die Reihe der Ersten in unserer an schaffenden Philologen immer ärmer Averdenden Zeit hätten stellen können, von unseliger Ate verblen- det, so ganz die Irrwege zu betreten beginnt.

2) Oprjpuo 'IXidg^ sxooHsccra bno Vsujpylou Mtazptujzou^ xaHrjyriZoo zujv 'EkXrjVcxojv ypajxjxdzujv sv zuj 'Eb^vixw UavsTiiazrjjxiw. To/JLog npojzog. 'Ev 'ABrjvaig 1875. 398 S.

Der erste Band bringt den Text und Commentar der Bücher A Z. Aus den eingehenden Anmerkungen ersieht man eine fleissige, aber oft unkritische Benutzung des vorhandenen Materials; Neues hat Referent, "soweit er den Commentar verglichen, nicht gefunden. Voran geht ein Vorwort (15 S.) über die alexandrinischen Grammatiker von unbedeuten- dem Werthe und eine Einführung in die homerische Poesie (49 S.), die deutsche Leser auch ungelesen lassen können. Das Buch ist von Druck- fehlern nicht frei ; ausser den nachträglich berichtigten hat Referent noch sehr viele andere bemerkt.

3) Homer's llias. Für den Schulgebrauch erklärt von J. La Roche. Theil L Gesang I IV. Zweite vielfach vermehrte und verbesserte AuHage. Leipzig. B. G. Teubner 1877. 8. XXXXII, 188 S. (gegen XXXII, 158 S. der ersten AuH.).

Soweit Referent verglichen, ist der Commentar im Grossen und Ganzen intact geblieben; er hat nur geringe Veränderungen oder Zusätze er- fahren. Letztere bestehen aus einer reichlicheren Aufzählung von Stel- len, die zum Vergleich aus Homer herangezogen werden oder aus an- deren Schriftstellern, Griechen wie Römern; besonders werden Nach- ahmungen Vergil's {A 4 ist data zu lesen für date; allzu sorgfältig re- gistrirt: in diesen vermehrten Stellenverzeichnissen ist oft des Guten zu

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viel gethaii, ohne dass die Erklärung selbst dadurch weiter gefördert wird. Oder es erscheinen auch Verzeichnisse anderer Art jetzt vervoll- ständigt. So hatte die 1. Auflage A 302 zu T.tipr^aai noch 3 Iinp. Aor. Med. zum Vergleich, die 2. bringt deren 11; A 327 liest man eine Reihe von Stellen für die augmentlosen und augmentirten Dualformen; A 87 findet man einige Substantiva mehr, die im Sing, und Plur. ver- schiedenes Geschlecht haben; A 347 mehrere »Folgeinfinitive«; B 6 epexe- getische Infinitive; A 335 zu -nkrjÜTtot. schuld daran«; wird jetzt erläu- ternd zugefügt »zu ergänzen ist kari wie H 2Sl, A^622, ;t 463, o 534»; Zl 247 zu ixivecv mit folgendem Acc. c. Inf. auf Herodot, Xenophon, Thuk., Plato verwiesen; J 35 zu tw/xov ßaßpw{^ocg aufstellen bei Xenophon ver- wiesen (für Hell. III, 6, 6 copLoug iaHietv 1. Hell. III, 3, 6 ojiiojv iaHcscv) ; J 1 ^yopocovzo waren versammelt jetzt mit dem Zusätze »die Fonn steht auch bei Herodot VI, 11«; J 259 in die Note über yspoOaco'^ olvov ist eingefügt »den Fürstenwein«, B 426 in das Verzeichniss der für ihr Element gebrauchten Götter »Volcanus Vergil Aen. VII, 77«; B 498 wird über die Form ßzarual und QiaTizia noch besonders gesprochen, obgleich das zu B 504 Gesagte ausreicht. A 52 ist neu über die Be- deutung von ßdlltiv\ B 16 »/MJ^og Auftrag«; B 25 y>T6aaa so wichtiges« ; J 276 i> tfr/oiiEMov ziehen«, J 337 ny.oüprj wie unser Fräulein, nur von Jungfrauen aus edelera Geschlecht gebraucht, ebenso xdöpog von Jüng- lingen«, J 26 y>lMlztg bist gesonnen« u. s. w. Die Aenderungen be- treffen Berichtigungen von falschen Citaten, Druckfehlern oder mau liest J 26 statt ■>•> d-iXzfrrov ohne Resultat« jetzt »ohne Erfolg«; hin und wie- der wird eine frühere Ansicht aufgegeben, z. B. B 10 »pdXa zum Impe- rativischen dyopsötivv. jetzt yipdXa zu rrocvra gehörig wie etc.« Ueber den Commentar selbst Hesse sich Manches sagen, doch steht das dem Referenten hier nicht zu, der nur über die 2. Auflage berichten will.

4) Homer's Ilias. Für den Schulgebrauch erklärt von K. Fi*. Am eis. 1. Bd. 1 Heft. Ges. 1 111. Dritte berichtigte Auflage besorgt von C. Hentze. Leipzig. B. G. Teubner 1877. 8. 134 S. (137).

Noch weiter von der Ameis'schen Bearbeitung entfernt sich die 3. Auflage, als es schon in der von Hentze besorgten zweiten geschehen war: viele Erklärungen sind umgestaltet, andere ganz entfernt oder neue eingetreten, überall zum Vortheil des Buches. Auf dem Wege des Aen- derns oder Fortlassens könnte sogar noch weiter vorgegangen werden, da noch so manches Ueberflüssige oder Falsche sich findet. Z. B. muss zu A 524 von »gemäss etc.« ab wegbleiben, weil das Compos. xa~avaö- Gojxai nicht mit Rücksicht auf die die Füsse des Zeus umschlungen hal- tende Thetis gesagt ist. A 528 ist es nicht richtig, dass »Zeus überall mit starken buschigen Augenbrauen dargestellt wird«, da diese vom Bild- hauer auf dem stark gegen die Fläche des Gesichtes vorstehenden Stirn- knochen bei dem idealen Typus gar nicht angedeutet wurden, ünge-

88 Homer.

hörig ersclieiüt zu A 530 der neu hinzugekommene Zusatz: »in auffallen- dem Contrast etc.«; überflüssig ist: von der Note zu B 305 der Schluss, die Note zu 307, zu 308 das über die Baumschlange Gesagte, die neu eingetretene Bemerkung zu 309 u. s. w. Zu /' 156 hätte auf die be- treffende Stelle in Lessing's Laocoon verwiesen werden können. Für nicht richtig halte ich die neue Bemerkung zu A 44. Der Ausdruck »individualisirt« scheint mir zu A 45 nicht treffend gewählt zu sein. Gesucht ist das zu /] 78 über den Rhythmus bemerkte. Zu A 39 : H/xcv- &!6g soll Kosename und aus ajuv&o<füpog verkürzt sein"? zu A 50 : Hunde sollen zum Train des Heeres gehört haben? Die Erklärung von yäp B 284 ist nicht richtig; ich verweise auf Friedlaender, Ariston. etc. zu diesem Verse und Lehrs, Arist.^ S. 7 f.

5) Homeri Ilias ad Hdem librorum optimorum ed. J. La Roche pars posterior. Lips. 395 p.

Ueber diesen Band soll berichtet werden im Zusammenhange mit den in Aussicht gestellten Prolegomena.

6) Homer's Iliade. Erklärt von J. U. Faesi. HI. Bd. Gesang XHI bis XVni. 5. Auflage besorgt von F. R. Franke. Berlin. Weidmann 1877. 8. 260 S.

Referenten liegt nicht die 4. Auflage vor, so dass er nicht auf die Abweichungen von derselben hier eingehen kann. Einige Bemerkungen mögen hier folgen, zu denen ihm das Durchblättern des 17. Gesanges Veranlassung gab. P 4 xtvop^ möchte ich nicht »mit Beziehung auf das vorangehende ■npio-oroxog wimmernd in Folge davon, dass sie so eben zum ersten Male geboren« verstehen, sondern allein als Ausdruck der freudigen Fürsorge, mit der sie das Junge umgeht. P 283 würde ich lieber mit Faesi ocä ßrjaaag mit ek^dpsvog verbinden, gegen Döderlein's Erklärung, die dem Eber doch eine gar zu starke Macht beilegt. P 327 Tcwg äv—slpüaaaca&e verstehe ich auch wie Faesi; das xaibnkp rov &e6v weist auf die vorausgehenden Verse hin, in denen offenbar in dem glück- lichen Vordringen der Achäer göttlicher Einfluss sich bemerkbar macht; nur bei dieser Auflassung geben die folgenden Worte wg orj etc. einen Sinn. 353 ziehe ich Tipofpcov lieber zu l'&ixrsv. 376 dass in Folge der Dunkelheit die Geschosse der Achäer nicht treffen, wird 633 doch nicht gesagt; nur da Aias wegen des Nebels nicht sehen kann, wer zu Achilleus zu schicken wäre, bittet er Zeus um Beseitigung desselben. 377 ich finde keinen Grund zu der daselbst vorgeschlagenen Athetese. 382 waipiv Bjxapvdad^rjV verstehe ich nur »sie kämpften fern davon« von der Stelle des Schlachtfeldes, wo ihnen Nestor befohlen hatte; ich sehe nicht darin einen Befehl »den in ängstlicher Besorgniss um das Leben seiner Söhne Nestor ihnen gegeben«. 411 ich finde keinen Widerspruch mit 2" 9 f., da ich die dort von Faesi gegebene Erklärung durchaus für rich- tig halte. 422 ich sehe in xcvrjGag 8k xdprj gar keine »drohende Ge-

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berde« , sondern nur den Ausdruck des innigsten Mitgefühls über die Verflechtung des Göttlichen in menschliches Schicksal. Ich würde auch zu 426 nicht zur Erläuterung des Vorganges die Stelle aus Plinius bei- bringen; die tief innerliche Partie von den trauernden Pferden muss in ihrer ganzen geheimnissvollen Weise erfasst werden, sie bedarf auch keiner Vermuthuug, wie und wo und von wem die Pferde den Tod des Patroklos erfahren haben: an dieser Partie erkennt man die geniale Schöpferkraft des Dichters, der die Schranken der Natur weiter setzt.

610 Düntzer's Conjectur loofisv^og für das überlieferte Mrjpcovao, die aufgenommen ist, halte ich nicht für richtig; alles ist in bester Ord- nung und bedarf keiner Aenderung. 664 durch nichts begründet ist die dort ausgesprochene Vermuthung, dass »die ursprüngliche Dichtung sich den Nebel über das ganze griechische Heer ausgebreitet gedacht habe.«

- Schliesslich bin ich nicht der Ansicht, dass die Patrokleia »als ein für sich bestehendes Ganze angelegt war«.

Die knappe Art des Commeutars, der nicht Alles erklären, son- dern nur das Wichtigste berühren will, scheint Referenten für Schulaus- gaben besonders geeignet zu sein.

7) Homer's Odyssey edited with euglish uotes, appendiccs by W. Walter Merry and the late James ßiddell. Vol. I. Books I-XII; VIII, 564 S. Oxford Clarendon Press MDCCCLXXVI.

Mit der Herausgabe der ersten 12 Bücher der Odyssee beschäftigt, wurde J. Riddell im schönsten Mannesalter durch den Tod dahin gerafft, nachdem er den Coramentar von den ersten drei Büchern, ferner vom sie- benten und achten abgeschlossen hatte. Die hinterlassene Erbschaft zu übernehmen und das begonnene Werk fortzuführen wurde W. Merry beauf- tragt, der mit grosser Pietät für den Verstorbenen und - für die Dich- tung an die Arbeit ging. In der bescheidenen Vorrede theilt er die von ihm benutzten litterarischen Quellen mit: Referent hätte gewünscht, so manchen hier genannten Schriftsteller weniger zu Rathe gezogen zu sehen, wenngleich freilich der Verfasser mit grosser Umsicht und selbst- ständigem Urtheil das Material verwerthet. Sehr eingehend wird die Etymologie herangezogen, und leider ist hier auch noch oft Döderlein citirt. Der Text nähert sich fast ganz dem von La Roche in seiner Aus- gabe gegebenen. Im Einzelnen vermisst man manchen Namen und Hin- weis, z. B. bei ß 134, wo Sac/xor^ und ßadg unterschieden werden, die Kenntniss von Lehrs' populären Aufsätzen oder r^ 103 ff. bei der Schil- derung des Gartens des Alkinoos Friedlaender's über diese Partie ab- schliessenden Aufsatz; auch sonst fehlt manches aus der neuesten Litte- ratur. Im Ganzen ist aber die Ausgabe eine höchst anerkennenswerthe Leistung, die sorgfältige Studien, Geschmack, verständnissvolles Urtheil und praktischen Sinn bei der Auswahl des Wichtigen beweist. Gegen die moderne höhere Kritik, besonders gegen die Liedertheorie, verhalten

90 Homer.

sich die Verfasser ablehnend, und hier trifft man auf ein in die gross- artige Composition der Dichtung tief eindringendes Verständniss. Wie schön ist z. B., was am Anfang von z gegen die Vorschläge der Lieder- theorie gesagt wird: it does so at the expense of the plot. It is the artistic construction of the plot in the Odyssey that has led Aristotle to characterise the poem as Tierileyiiivri xai ^&cxrj. Nothing can be more effective than the break at the end of the fourth book, where the perils of Telemachus, waylaid by the suitors, prodüce not only a keen interest but a painful suspenso. This is the moment chosen for a change. We might say, in modern language that it is the ead of one volume of the novel, which closes with an exciting Situation. The next volume to continue the illustration opens with an entirely uew scene. The length at with the poet has narrated the circumstances connected with Tele- machus' departure froni Ithaca will be found sufficient justification for the inusual iteration of lines frora earlier parts of the poem. Each re- petition is a sort of reminisceuce to bring the mind back to the story of the principal hero«. Dem Buche folgen di'ei Appendices: 1) über das horaer. Schiff mit schönen Abbildungen; 2) über die verschiedeneu For- men, in denen die Legende von der Blendung des Kyklopen auftritt; 3) über Ithaka mit einer Karte der Insel, endlich ein Index. Ganz vor- trefflich ist die Ausstattung und der Druck des Werkes.

8) Homer's Odyssee. Für den Schulgebrauch erklärt von Dr. C. Fr. Ameis. 1. Bd. 2. Heft. Ges. VII XIL Sechste berichtigte und vermehrte Auflage, besorgt von C. Hentze. Leipzig. B. G. Teubner.

1876. 8. 179 S. (175). II. Bd. 1. Heft. Ges. XIII-XVIIL Leipzig

1877. 8. 185 8.

Im Wesentlichen stimmt die sechste Auflage mit der fünften überein, wenn auch Manches jetzt weggelassen oder anders gefasst ist oder neue Zusätze zugekommen sind. Sehr zweckmässig ist es, dass Hentze so manche von Ameis besonders geliebte, im übermässigen Gebrauch aber komisch wirkende Ausdrücke immer mehr noch zu tilgen bemüht ist: mit diesen Worten ganz aufzuräumen bleibt kommenden Auflagen vor- behalten (z. B. »mit sinnlicher Belebung« ist ganz überflüssig o 473 cfr. a 272, i^ 499«. Dahin gehört auch das zum Ueberdruss von Ameis gebrauchte Wort »episch < cfr. o 417 oder »Märchenwelt« cfr. o 403, wo die ganze Note über JJupc'rj überflüssig erscheint). Was soll die Note c 62: »dieser formelhafte Vers war dem Ohre der Zuhörer ein wohlge- fälliger Uebergang etc«. So könnten auch noch immer mehr die ästhe- tischen Raisonuements von Ameis unterdrückt werden (z. B. über das Verhältniss des Helios zu seinen Rindern /x 130). Wie gesagt, auf die- sem Gebiet ist von Hentze schon sehr viel geschehen. Ebenso ist es nur zu billigen, dass Hentze die Uebersetzungeu einfacher Wörter, die Ameis in Menge für den Schüler zur grossen Bequemlichkeit in seinen

Ausgaben. 91

Noten bot, gestrichen hat. Die Zusätze erscheinen manchmal überflüssig, manchmal zu gesucht. Wozu wird ücpoaXiujv yz (; 525) noch übersetzt? die Note in der 5. Auflage genügte. Werden wir wirklich t 507 ^ }idXa 8rj »ja wahrhaftig offenbar« übersetzen und jy 36 cog sc (jirapov ■^k vorj/ia) »wie - ich setze den Fall:«? Ueberflüssig erscheinen Kefereuten Noten wie c 495 über xac vuv oder o 420 über nXuvoOffrj, o 551 über das sy/^og und 552, wo dies wohl gelegen haben mag, ^ 459 über opuxTa u. s. w. Ich glaube nicht, dass Alkinoos ^ 548 bei p.rjdk cu xsüi9e an rj 238 ge- dacht hat, verstehe auch tj 238 nicht so, als wäre es der Arete wirklich dort zu thun gewesen, den Namen des Odysseus zu erfahren. Es wäre nicht gut, wenn der Herausgeber anfinge, den Weg von Anieis zu be- treten in dem Zuviel der Erklärung und Zerlegung der einzelnen Stim- mungen der handelnden Personen (z. B. »9 467 Schluss); der zu reiche Commentar, den Ameis durch grossen Fleiss beigebracht, bedarf zunächst der Sichtung und Reinigung im Grossen und im Kleinen, o 474 ist nicht ganz = r7 842; o 475 ist die Angabe nicht genau, dass E 219 vcü Sub- ject ist; es ist Subjectsaccusativ. o 440 wäre die Gelegenheit nicht zu versäumen acyfj wv zu unterscheiden von o 463 xazivtuaz anonfj^ wobei ich verweisen möchte auf die feinsinnige Unterscheidung dieser Worte bei H. Schmidt, Synonym, der griechischen Sprache S. 215 ff. Danach würde auch die Fassung der Note zu o 440 wohl anders lauten. Dazu gehört:

9) K. F. Ameis, Anhang zu Horaer's Odyssee. Schulausgabe. II. Heft. Erläuterungen zu Gesang YII— XII. Zweite berichtigte Auf- lage, besorgt von Dr. C. Hentze. Leipzig. Teubner 1876. 8. 128 S. (84 S. 1. Aufl.). - III. Heft. Erläuterungen zu Gesang XIII-XVIII.

1877. 147 S. (99 S. 1. Aufl.)

In fleissigere und pietätsvollere Hände hätten Ameis' Homers-Stu- dien nicht gelegt werden können: man wird kaum etwas vermissen, was seit Ameis' Tode auf diesem Gebiet veröffentlicht worden, und so wird der Herausgeber des Dankes aller derer sicher sein können, die nicht selbst in der Lage sind, das reiche literarische Material sich stets ge- genwärtig zu halten. Vielleicht könnte aber statt des Strebens nach Vollständigkeit mehr die Auswahl des Guten und Besseren in knapper Form zum Princip erhoben werden: was hilft es, auf dieses und jenes aufmerksam gemacht zu werden, wenn man doch nur geringen Gewinn aus der Nachlese empfängt? So hätte Referent also an den Herausgeber die Bitte, die Geister zu erkennen und sich nicht durch auch noch so siegesgewiss ausgesprochene Ansichten in seinem Urtheile beirren zu lassen. Wie konnte nur Hentze Brugman's Behauptungen nachschreiben, dass Aristarch den freien Gebrauch des Pron. reflex. og verkannt und »fast vollständig (zu 320 »systematisch«) ausgemerzt habe« (zu v 61), oder glauben, dass »die Bedenken wegen der Beziehung des Refl. fjaiv

92 Homer.

auf die erste Person jetzt gründlich widerlegt sind«; was ist in Brugman's Arbeit überhaupt gründlich V wie konnte Hentze Brugman's frischweg ge- machte Etymologie ktüg = Herr einmal an sich und mit Rücksicht auf die betreifenden Stellen anders erwähnen, als mit völligster Verwerfung! Ausser den sehr reichen Zusätzen hat die erste Auflage auch man- che Aenderungen erfahren: der Herausgeber wird hoffentlich bei einer nächsten Auflage mit etwas mehr einschneidender Hand zu Werke gehen. Noten im Character von a 254: »Im Munde der Penelope ist es eine naive Allgemeinheit, aber für den Hörer zugleich eine praktisch berech- nete Absichtlichkeit« u. s. w. oder wie zu t 447 oder 474 oder überhaupt wo Schlüsse aus dem märchenhaften Character des liomer. Epos gemacht werden, können ganz fallen. Ferner vertragen die Anmerkungen von Ameis sehr gut Kürzungen, so wohl wo er selbst redet, als auch wo er Gedrucktes oder Briefliches citirt, und wenn Hentze von Ameis gegebene Erklärungen als unmöglich zurück weist, warum sie noch drucken lassen? So über das ihm Ueberkommene zu verfügen muss jedem Herausgeber freistehen. Interpolationen hat Hentze mehr angenommen als Ameis; hierin und in der Auffassung mancher Perioden und der dadurch für nöthig erachteten Aenderung der Interpunction hat Referent nicht immer übereinstimmen können.

10) VouacEia. Homer's Odyssee. Erklärende Schulausgabe von Heinrich Düntzer. III. Heft. I.Lieferung. BuchXVII-XX. Zweite, neu bearbeitete Auflage. Paderborn 1876. 8. 126 S. III. Heft. 2. Lieferung. Buch XXI- XXIV. Paderborn 1876. S. 127 - 235.

Die Ausgabe ist in der That eine neu bearbeitete, da man kaum eine Seite finden wird, wo nicht kleinere oder grössere Aenderungen eingetreten sind und so weit Referent verglichen, stets zum Vortheil des Buches. Dasselbe zeigt überall ausgebreitete und selbstständige Studien. Sehr gewonnen hat es auch durch den Wegfall einer stattlichen Reihe von Athetesen, besonders der Haken-Parenthesen mit den verwunderlichen Fragen: sind diese Verse entbehrlich oder sind diese Verse durchaus entbehrlich oder sie scheinen eingeschoben etc. Dass der Herausgeber überall da, wo er jetzt das Gegentheil behauptet von dem in der ersten Auflage Ausgesprochenen, einfach die Aenderung trifft, ohne auf seine Behauptung in der 1. Auflage zurückzukommen, daran kann man nicht Anstoss nehmen; dass aber der Verfasser in der 1. Auflage z. B. x 364 liest: Howg o dnedove ßoecr^v und in der zweiten ßoog 8' dTieduva ßoeirjv und dazu anmerkt: »Andere lesen statt /Joo? das hier schwache i^oiög«, das finden wir doch gar nicht in der Ordnung.

11) Homer's Odyssee. Erklärt von V. H. Koch. IV. Heft (v—t:) S. 154. Hannover 1872 (?); 8. V.Heft (,o--y) S. 130. Hannover 1877.

Vergl. Jahresbericht 1874—75, 1, S. 32 ff., wo die ersten drei Hefte

Ausgaben. 93

besprochen sind. Referent hält Koch's Odyssee-Ausgabe für eine brauch- bare Schulausgabe. Folgende Bemerkungen möchte er der Erwägung des Verfassers anheimgeben. 1. Referent hält es für eine Schulausgabe nicht für angemessen, mehrere Erklärungen zu geben; man wähle die- jenige aus, die als die richtigste erscheint. Was nützt es dem Schüler, auch noch zu erfahren: »Andere erklären so« oder »Andere erklären auch so?« soll er annehmen, dass man so auch so erklären könue? Für den Lehrer, der nicht nach einer Ausgabe bloss sich vorbereitet, sind solche Zusätze auch überflüssig. 2. Mit dem Heranziehen von Varianten sei man sparsam, jedenfalls erwähne man nicht unbedeutende. Der Schüler hat in der Regel keinen Gewinn von derartigen Mittheilungen: an geeignetem Orte mag einmal das lebendige Wort des Lehrers ein- treten. 3. Des Referenten Ansicht ist, man sei im etymologischen Theile ausserordentlich knapp und gebe den Schülern nur wirklich Feststehen- des. Was soll es ihnen nützen, wenn sie im Commentar lesen: das Wort wird so abgeleitet. Andere leiten es so ab. Andere so. Wieder Andere anders. In diesem Falle empfiehlt es sich den Schülern garnichts mit- zutheilen. 4. der Verfasser geht vielfach auf Darlegung des Auifallen- den und Unebenen in der Entwicklung der Handlung ein. Was nutzt das aber dem Schüler, wenn er nur das Anstössige im Gedicht vernimmt, ohne dass er zugleich erfährt, wie das Hereinkommen solcher Stellen zu erklären ist? Für die Schule ist die höhere Kritik nur sehr sparsam zu handhaben und sie bedarf in erster Reihe nicht nur einen unterrichte- ten, sondern einen sehr geschickten Lehrer. 5. Man biete dem Schüler seine Anmerkungen in gewählter Sprache. Hierin könnte der Ver- fasser bei der nächsten Auflage etwas strenger sein. Wir lesen a 37 ojjyv Tsp7T(o?^7jv {^zug Tjaysv als Note: »von der Art ist der Jux«! Mit diesen Ausdrücken steigen wir zum Schüler herab, den wir zu uns emporheben sollen. Dahin gehört die Wendung »lümmelhafter Bettler« ip 221), die dem Schüler Lachen entlocken wird, worauf wir Lehrer aber doch nicht speculiren wollen. Ich müsste dazu auch rechnen »des An- tinoos pöbelhaftes Wesen«. Sein Vergehen gegen den fremden Bett- ler fällt in eine andere Sphäre. Auch die Neigung des Verfassers, Ho- merisches den Schülern durch Verweis auf Modernes zu erläutern, möchte ich beanstanden, in der Weise wenigstens, wie er es thut. Z. B. f) 448 fii] TnxpTjv AlyuTiTov xai Kür.puv 1x^11 »ähnlich sagen wir: irgendwo sein Waterloo, sein Sedan finden«, was gar nicht einmal dem Sinne der Stelle gemäss ist; oder/> 102: Xiiojiru zig euwjv »eine blosse Drohung (an Stelle der modernen ,Nerven' oder ,Migräne')« was, von dem Platten der Auf- fassung abgesehen, zudem noch falsch ist. Zu o 99 spricht der Ver- fasser »von dem überhaupt in fürstlichen Gemächern herrschenden Par- füm«. — Ein paar Bemerkungen für den Verfasser noch im Einzelnen: o 45 Xä^ Tiuol xcvYjaug soll A' 158 vom Nestor gebraucht gut sein, weil »er als Greis das Bücken scheut«? wo zeigt sich so Nestor? 133 was

94 Homer.

soll die Note »erst bei Theokritos ^av86Bpc$(i''i ~ 170 bnoxpivatzo ist hier wohl nicht »auslegen«, da das zunächst nicht von Menelaos gefor- dert wird. 191 der Vers ist »ganz an seiner Stelle« trotz »der ge- drängten Darstellung«. 211 Was hat der Vers zu thun rnit »der feier- lichen Versicherung, dass Troja untergehen werde«? soll er wirklich nur passend sein in dieser Verbindung? 222 über hüatv gebe man genau was bei Lehrs Arist. S. 82 zu lesen. 246 ganz überflüssig, da nicht im homerischen Sinn, ist die Mittheilung der antiken Erklärung. 264 weder wird mit diesem Verse sonst Gastfreundschaft angeboten, noch hier nur erbeten. 272 Den Fahrwind kann jede Gottheit senden. - 316 woher weiss man, dass »Aufwärtern lediglich dadurch gelohnt wurde, dass man sie beköstigte«? jedenfalls überflüssig an der Stelle. 381 Odysseus fällt gar nicht aus seiner Rolle! - 403 Eoptrj von susurrus? Vfnuyirj von den Wachteltönen, mit denen die Sonne nach uraltem indo- germanischen Glauben auf- und untergehe? das soll zu glauben sein? 411 Dass Apollo und Artemis zusammen ihre Pfeile senden, ist gar kein »märchenhafter Zug in dieser Schilderung«, da Männer sowohl wie Frauen sterben. p 148-149 »warum wird des Pisistratos im ganzen Bericht nicht mit einer Silbe gedacht?« Wie möchte die Autwort des Verfassers darauf ausfallen ? 195 Also wirklich ist ^oVz-^w ein »Knüt- tel« für das mühsame Hinabsteigen, das axrjnrpov zum Hinaufsteigen geeignet? 230 Fort mit Eustathios! 327 Fort mit Gladstones Be- merkung über das Verscheiden des Argos! 332 Homer giebt gern Erläuterungen auf etymologischem Wege? - 383 »der Sänger soll ein entbehrlicher Künstler« sein? darüber belehrt uns besser der Gesang S-. Er gehört zu den drjiuospYOL, der »Beisatz y.ak beweist dagegen gar nichts. 541 warum soll es »auffallend« sein, dass Penelope ihren Sohn am Niesen erkennt? - a 259 <jj y^vai, ou yhp otio . . . yyyäp soll das Feierliche seiner Einleitung erklären« ? es ist das oft so gebrauchte ydp, das den Grund angiebt, der in homerischer Sprache voraus gegeben wird. 279 nicht allein »aus dieser Stelle« erfahren wir, dass die edva »den Angehörigen der Braut zu Gute kommt«, auch aus B 318; / 146; A' 366; A 244; auch in o 18 ist das enthalten. - u 19 was über -izXaBc Brj, xpaotrj gesagt wird, ist überflüssig.

12) L'Odyssee. Traduction nouvelle par Leconte de Lisle. Deuxieme edition. Paris 1877. 8. S. 476.

Eine sehr gute, den Sinn getreu wiedergebende Uebersetzung nicht nur der Odyssee, sondern auch der homerischen Hymnen, Epigramme und der Batrachomyomachie : was man etwa auszusetzen hätte, trifft nicht den Uebersetzer, sondern die französische Sprache selbst. Die Uebersetzung ist in Prosa.

Einzelne Stellen. 95

Einzelne Stellen werden behandelt:

13) W. Scliwartz, Zur homerischen Hermeneutik. Fleckeisen's N. Jahrb. Bd. 113. 1876. S. 839—50.

Die Ansicht des Verfassers, dass »Homer nur der geistige Ver- mittler der im Volke lebenden Bilder und Ideen ist«, dass man für das Verständniss des Dichters »stets auf jenen volksthümlichen Hintergrund zurückzugreifen« habe, wird an vier Stellen durch Interpretation derselben beleuchtet.

1. 11 786 fl"., wo von dem Tode des Patroklos die Rede ist, soll der Ausdruck tzXyi^ev ok /isrd^fjsvov Eoijtt -' luiuo x. r. X. auf einen »Schlag- Huss« gehen, den Apollo sendet. »Sein Charakter als Todesgott geht ursprünglich auf die im Blitze Erschlagenen, die von seinem Geschoss getroffen zu sein schienen. Daran reiht sich naturgemäss Schlagfluss, überhaupt jede Art von Schwindel« u. s. w. Wie das naturgemäss sein soll, kann Referent nicht einleuchten.

2. In X 81 ff., welche von der Laistrygonenstadt, dem eintreiben- den und austreibenden Hirten, von den nahen Pfaden der Nacht und des Tages handeln, »ist Alles darauf berechnet, den Eindruck des Ko- lossalen hervorzurufen« , »ein Paar sich anrufender und in der Ai-beit ablösender Riesen finden wir auch in der laistrygonischen Riesenstadt, und nur das Moment des sich Ablösens wird noch in besonderer Weise durch die Ausdehnung der fern thorigen Stadt motivirt«. Nämlich wie »in dem bekannten Bilde von dem Reiche Karl's V., dass es so gross sei, dass darin die Sonne nicht unterginge, so wird in der Laistrygonen- sage, um die kolossale Ausdehnung von Ost nach West von rjujg npog Züfov der Stadt beizulegen, jener Wechsel von Tag und Nacht sich in ihr räumlich so vollziehend gedacht, dass, während es im Westen dunkelt, der Tag schon wieder im Osten aufgeht« u. s. w.

3. X 183 ff. hatte den Erklärern grosse Schwierigkeit bereitet, da Odysseus 190 sagt: uo ydp t' lojxzv onrj ^oipug oud' ÖTtjj rjcug u. s. w. obwohl 185 von dem Untergange der Sonne die Rede war. Schwartz will die Schwierigkeit beseitigen durch die Annahme, dass wir in den Worten ou ydp r' lopsv x. r. X. nur eine typische Form haben für das, was wir bezeichnen würden mit den Worten »wir wissen nicht, in wel- cher Himmelsgegend wir sind«, womit doch nichts erklärt wird.

4. X 82 ff". Nestor fragt den Nachts bei ihm eintretenden Agamem- non 7]i Tcv' ouprjüjv dc^rjpsvog rj Ttv k-atpujv. Schwartz hält hier doch noch fest, »dass Nestor den nahenden Unbekannten fragt, wer er sei und was er in der Nacht im Lager suche, etwa ein Thier, das sich los- gerissen oder einen Gefährten : denn dies waren die natürlichsten Veran- lassungen dazu, wie sie es in einem ähnlichen Falle noch heutzutage in einem Feldlager sind« und bezieht sich auf Xen. anab. II, 2, 20, eine Stelle, »die ausdrücklich darauf hinweist, wie es in einem griechischen

96 Homer.

Lager etwas ganz Gewölinliches war, dass ein Maulesel und deren gab es bekanntlich auch genug im Lager vor Troja sich losriss und nicht bloss seinem Herrn gorge machte, sondern ein ganzes Lager in Verwirrung setzen konnte«. In merkwürdigster Weise hat Schwartz diese Stelle aus der Anabasis missverstanden, da dort in Wirklichkeit von einem Esel, der sich losgerissen, nicht die Rede ist, sondern die Geschichte vom Esel zur Beruhigung der Soldaten von Klearchos erdichtet wird ; aber abgesehen davon, ist es wirklich natürlich, dass in der Schlafenszeit der König hört, wie ein Thier sich losreisst und fortläuft, und er nun aus- zieht, um das Thier einzufangen und dass er gerade in Nestor's Zelt tritt, um dort sich nach dem Esel zu erkundigen? In der hier angeprie- senen »Hermeneutik«, die sich bemüht, »stets auf einen volksthümlichen Hintergrund zurückzugreifen« und so »sich die breiteste Basis in dieser Hinsicht zu schaffen«, finde ich nichts Natürliches, aber viel Fades.

14) B 825 (Allgemeine Philologische Zeitschrift, redig. von Emil ThewreAvk von Ponor u. Gust. Heinrich. 1. Jahrg. 1877. 1. Hft. Budapest 1877). S. 75.

Ohne Bedeutung; es handelt sich wahrscheinlich -- da Referent nicht magyarisch versteht um eine magyarische Parallelstelle zu der Wendung mvovreg uSujp (xekav Alarjnoto.

15) J 341 ff.

Bei seiner Rundschau macht Agamemnon dem Menestheus und Odysseus herbe Vorwürfe, dass sie sich zaghaft und nicht kampfesbereit zeigten :

a(pu}iv iJ.iv z' STreotxe /isrä rtpiozocatv iövzag 341

£(Tzdjj.sv rj8s f-d^y]? xaucrzecprjg dvzißoXrjaac. Tipujzuj ydp xal Saczug dxoudCeoHov ipsTo, oTircuzz 8acza yipouatv icpunX'Xwpzv ^Ayacoi.

A. Nauck glaubt, dass der Zusammenhang für den Vers 343 den Sinn verlangt: »ihr seid die ersten, welche auf meine Einladung zu einem Mahle sich einfinden«, dass ferner dxoudCsaHai nicht gleich- bedeutend ist mit dxduziu zimüq, sondern so viel ist als utmxoüscv zivL Daher schlägt er vor, um die Schwierigkeit der beiden Genitive 8atz6g und e/t£7o zu heben und um die Wiederholung von oatzüg und oatra woran gar nicht Anstoss zu nehmen ist zu beseitigen, den Vers 343 also zu lesen:

npcozoj ydp xaXiovzog dxoud!^soHov ipsco

und hofft, dass »diese Aenderung sich durch sich selbst empfiehlt, ohne weiterer Begründung zu bedürfen.« Ich kann diese Conjectur nicht für glücklich halten. Eiinnal halte ich nicht für richtig, dass der Simi von Vers 343 der von Nauck bezeichnete ist; denn nicht darauf kommt es au, dass sie sich als die ersten beim Mahle einfinden das könnte

Einzelne Stellen. 97

auch ein Zeichen von Unbescheidenheit sein sondern darauf, dass sie als die ersten geladen werden : darin liegt eine ihnen zu Theil werdende Auszeichnung, und das meint sicherlich Agamemnon in dem Zusammen- hange: »Euch kommt es zu, die ersten in der Schlacht zu sein, da ihr auch zum Mahle zuerst geladen werdet.« 8oda:nn kann axood^eaHac rcvog nicht mit unaxoüscv tcvc gleichbedeutend sein; die beiden Stellen bei Homer: äxuudZwvrat doidnü (r 7) und dxo'jd^saße 3' doedoU (v 9) hätten Nauck sagen können, dass von einem Folgeieisten bei dxoud^ead^ac keine Rede sein könne. Also kann der von Nauck conjicirte Vers nur über- setzt werden: »denn ihr zuerst höret, wie ich einlade«, was an dieser Stelle keinen Sinn giebt, da die beiden ja auch hören können, wie Aga- memnon Andere zum Mahle auffordert, und selbst wenn man sich zu xrüdovrng das Objekt bjmg zudenken wollte, so wäre das doch gewiss ein verkehrter Ausdruck: »ihr hört zuerst, dass ich Euch einlade« für die einfache Wendung: »ich lade Euch zuerst ein«. Auch werden wir das xat vor öaizug nicht aufgeben, das die Gegenüberstellung im Ge- danken erfordert: »für Euch geziemt es, unter den Ersten zu kämpfen, wie Ihr zuerst zum Mahle geladen werdet«.

Ich würde diese Conjectur Nauck's nur einfach erwähnt haben mit dem Zusätze »nicht annehmbar«, da sie zu jenen gehört, wie sie zu Hunderten gemacht werden können, wenn man eben mit dem Texte nach Belieben schalten will: aber Nauck benutzt die Gelegenheit, in den hoch- trabendsten Ausdrücken aufzufordern, nun endlich das so lange vernach- lässigte Gebiet der Conjecturalkritik auch für die homerischen Gedichte anzubauen: »gerade für Homer ist in dieser Hinsicht bisher unendlich wenig geschehen«. Möchte der homerische Text doch behütet bleiben vor einer Zeit, in der man dieser Aufforderung Folge leistet und ihn mit Conjecturen beschenkt nach Nauck'scher Methode. Dass auch bei dieser Gelegenheit wieder an dem »grossen Kritiker« herumgezerrt wird und von jenem »Infallibilitätsglauben mit seinen lähmenden und be- thörenden Wirkungen« gesprochen wird, das kann Keinem auffallend sein, der Nauck's Bemühungen kennt, den »grossen Kritiker« in den Schatten zu stellen. (Hermes, XII. 1877. S. 393 95.)

IG) A' 679—700.

Eine schon vielfach behandelte und auch athetirte Stelle. Benicken geht davon aus, das iV694 697 = 6*333—36 sind; er hält die Verse in iV für unächt, weil die beiden hier behandelten Persönlichkeiten »Medon und Podarkes vor den Uebrigen nichts voraus haben, dass sie hier be- sonderer Auszeichnung durch Schilderung ihrer Personen gewürdigt wer- den«. Ich halte die Schilderung hier gerade für sehr passend, da wir so erst erfahren, wie Medon, der Bastard des Oileus {B 727 f), aus Lokris nach Phylake kam und so nach dem Tode des Protesilaos mit Podarkes die Führung seiner Leute erhielt (cfr. B 703 ff.; nach B 727

Jahresbericht für Alterthums-Wisaenschaft 1877. I. 7

98 Homer.

ordnete Medon auch die Mannen des Philokteies). Indem nun Benicken 694—97 als unächt aus A' aushebt, so müssen auch 698 -700, in das- selbe Schicksal dadurch verwickelt, fallen: Referent kann nicht beistim- men, dass »durch Beseitigung von iV 694— 700 der Erzählung aufgeholfen wird«. Dann wird rückwärts die Athetese noch weiter ausgedehnt von 693 681, mit Gründen, die den Referenten nicht überzeugen konnten. Zuletzt spricht Benicken sich gegen die Unächtheit von 679 f aus, die Koch annahm. (Neue Jahrb. f. Phil. 115 Bd. S. 111—116, 1877.)

17) r47ff.

Nach einigen Bemerkungen über homerische Periodenbildung ver- wirft V. Leutsch &s(uv v. 53, das gegen den Parallelismus der Glieder sei, da in den vorausgehenden Versen 49 f. von einer Bewegung, wie sie in Bswv enthalten, keine Spur sei, imd hält Aristarch's Lesart {^eäjv fest: »Ares steht demnach auf dem am Simoeis gelegenen Götterschönhügel, ohne Zweifel die beste Stelle für sein Thun; auch erhöht der Name an und für sich das Interesse des Hörers.« (Philol. Bd. 36, 1. Hft. S. 72, 82, 110.)

0 228—233.

Mit dieser Stelle hat sich die Kritik schon früher beschäftigt. Benicken schlägt jetzt vor, 0 228—232 als unächt zu beseitigen und die Verbindung also herzustellen:

227 233 üjg dnujv 'A^deug oooptxXurog zvBops jisaacp

234 xprjfivod dnatgag x. t. X.

Wir werden uns jedoch nicht diese Verse nehmen lassen; dadurch würde ein die Entwickelung steigernder Zug verwischt werden. Achilleus hatte eben dem Flussgott erklärt, er werde von der Vernichtung der Troer nicht eher ablassen, als bis er sie in die Stadt gedrängt, und sofort stürzt er sich, einem Dämon gleichend, in die Schaaren der Troer. Voll Mitgefühl mit ihnen wendet sich der Flussgott an ihren Schutzgott, wie er so gar nicht sich der Troer annehme : das sind Worte, wie sie sich seiner theilnehmen- den Brust entringen, gar nicht auf eine Erwiderung berechnet, so dass auch Apollon selbst nicht als anwesend anzunehmen ist. Währenddess sprang aber schon Achilleus, von dem Eifer der Verfolgung hingerissen, in den Fluss selbst und begab sich so auf das Gebiet seines erzürnten Gegners, worauf nun die gewaltige Scene sich entwickelt. Ich fasse dem- nach den Vers 233 nicht »als seinem Gedanken nach mit 227 identisch«, sondern sehe in ihm lebendigsten Fortgang zu einem neuen Stadium. (N. Jahrb. f. Phil. 115, S. 109 f. 1877.)

19) ¥ 226.

Alois Rzach nimmt an "Eu)g<p6pog Anstoss, »da iiog dem alt- ionischen Dialekt des Epos durchaus fremd ist« und schlägt vor, für

Einzelne Stellen. 99

~II[iog 8' 'pAoa^upog x. r. X. zu schreiben: 'Hjios focogfopog etat <p6u)g epewv im ydcav {ocu mit Synizese zu sprechen). Die Conjectur ist nicht wahrscheinlich, schon um der Wiederholung wegen (powg<pupog (pocog in einem Verse, die wir dem Dichter nicht zumuthen werden. Der Fall ist lehrreich, insofern man sieht, wie wenig angebracht es ist, der so sehr bildungsfähigen Sprache, dem so sehr beweglichen Verse Homer's Uniform aufzuzwängen. Uebrigens werden wir uns auch das 8' am Anfang nicht nehmen lassen können. (Zeitschr. f. d. Oesterr. Gymn. XXVII. 1877. S. 102 f.).

20) W 462—64.

E. Kurtz scheidet ^ 462 64 als unächt aus, »sie widersprechen 465 f. und auch sich selbst«, ad I. »Da Idomeneus eben gesagt, er habe die Pferde des Eumelus als die ersten um sein Ziel biegen sehen, kann er nicht wenige Verse weiter die Möglichkeit aussprechen, jener habe vielleicht nicht richtig um's Ziel lenken können (465 f.)«. Warum nicht? Die beiden Handlungen lassen sich doch sehr gut vereinigen, dass ein Wagen um das Ziel biegt, das Umbiegen selbst aber unglücklich aus- fällt. Die Verse 465 f. sagen nicht, dass er nicht um's Ziel gebogen sei, sondern dass er nicht gut um's Ziel gefahren sei. Diese Erklärung bietet auch das Schol, B. zu 462: xainzrouaag fth yap wjräg slSe, fjLezä 8k TU xdn^'rxc ouxizc. ad IL »Wenn Idomeneus die Rosse um's Ziel am Ende der Bahn hat biegen sehen, so muss er eben die ganze Bahn überschauen und muss auch der weitere Lauf der Rosse, welche, auf dem Rückwege begriffen, ihm mit jedem Schritte näher kom- men, und das hinter dem glücklich umlenkten Ziel« (— der Ausdruck ist falsch ) »dem Eumelos zugestossene Unglück (373) genau haben verfolgen können. Wie konnte er behaupten, jetzt könne er nicht mehr sie sehen, so weit auch seine Augen durch die Ebene schweiften?«. Die einfache Antwort ist, dass eine unter den dahinjagendeu Rossen sich er- hebende Staubwolke den hinteren Theil der Rennbahn verhüllte, was aus dem Verse 449 sich von selbst versteht: zol 8k rd-ov~o xovLovzeg ne- oioto. Als nun aus der Staubwolke die Gespanne heraustraten, erkannte Idomeneus von seinem günstigem Standpunkte aus zuerst den in erster Reihe daherjagenden Wagen. Die Athetese ist also abzulehnen. Kurtz folgert weiter, dass man das Ziel, um welches gewendet wurde, vom Aus- gange nicht sehen konnte, dass die Pferde eine Zeit lang dem Gesichts- kreise der Zuschauer entrückt gewesen waren. Das ist auch nicht anzu- nehmen. Einmal wäre diese Einrichtung doch gar zu unpraktisch, da die Zuschauer »eine Zeit lang« ohne jedes Interesse und ohne jede Spannung hätten dasitzen müssen, sodann verweise ich auf Vers 358 f.: öTy/ijji/e ok zipiiaz' 'A^cUsug \ zrjlo^ev iv Xem ns8cü}. Ueber die Renn- bahn, mit der sich Kurtz beschäftigt, ist alles Nöthige bereits im Schol. B. zu 353 gesagt.

100 Homer.

21) ß 258 ol fikv ap icrxidvavro npog 8u)}iad^ ixrxarog.

Nauck hatte, um das Digamma herzustellen, vermuthet ibv npbg 8u>fia Bxaarog. Dagegen macht Nauck Wecklein aufmerksam, dass »der coustante Gebrauch bei Homer fordert, dass es nach der Aufforderung äXX äye Xaol fisv axidvaa^^ im epya exaarog heisse: o? fisv ap' iaxi8- vavTo npog ipya %xa.<jxüg<i.. Referent, der durchaus nicht für Nauck's Conjectur eintritt, kann ebenfalls keine Nöthigung erkennen, fortan mit Wecklein zu schreiben ka nphg ipya IxaaTog; jeder der beiden Aus- drücke ist gerade schön und bezeichnend und »der constante Gebrauch bei Homer« ist mehr modernes Vorurtheil als auf Wahrheit und Natür- lichkeit beruhend. (Fleckeisen's N. Jahrb. Bd. 113. 1876. S. 838.)

22) jy 283: ix 8' inecrov &up.rjyspda)v, im 8' a.p.j3po(r:rj w^

J. Krauss schlägt vor zu lesen: ix 8k ntaujv Bu/irjyepeov was nicht Conjectur ist, sondern ursprüngliche Lesart: EKAEUEIONGTME- FEPEON; durch Missverständniss ist erst bei Umsetzung der alten Schrift in das neue Alphabet das entstanden, was wir in unseren Texten lesen . . Der nothwendige Sinn wird durch diesen evidenten Voi'schlag hergestellt. (Rhein. Mus. f. Phil. N. F. 32, 1877. S. 323-25.)

23) X 530 f 6 Si fxe p.dXa n6XX cxi-eusv

mno&sv i^cfisvac.

F. Nieländer tritt gegen das handschriftlich überlieferte i^ijxevat für die Variante i$snavac ein mit dem Hinweise, dass dies der hier geschil- derten Situation und der Sinnesart des tollkühnen jugendlichen Neopto- lemos entsprechender sei als das auch sprachlich nicht zu haltende i$e/i£- vac. Wesentlich Neues wird hier auch in der Begründung nicht geboten, i^ip-zvai ist schon von Herausgebern vorgezogen. (Fleckeisen's N. Jahrb. Bd. 113. 1876. S. 836 f.)

24) ^ 7 xat i&ptyxcü<T£v d^ip8aj (von der au^ des

Eumaios).

F. Nieländer sucht wieder zu befürworten, dass iBpiyxioasv ä^ipSip von einem Kranze von Dornen zu verstehen sei, der den Abschluss der aufeinander gethürmten und ineinander gefügten Steine der Mauer ge- bildet habe, woran gewiss nicht zu denken ist. (Fleckeisen's N. Jahrb. Bd. 113. 1876. S. 137.)

25) p 302. . . . xai oüara xdfißaXev dji<püj (vom Argos).

R. Hercher erklärt den Ausdruck ouaza xdpßahv äjxcpiü als Kenn- zeichen für den schmeichelnden Hund, »da Hunde mit beweglichen Ohren, z. B. Saufänger nicht bloss mit dem Schwänze, sondern auch mit den Ohren zu schmeicheln pflegen und zwar eben dudurch, dass sie sie hängen lassen. Zuerst pflegen sie, wenn sie auf ihren Herrn in weiter Entfer-

Textkritik. lOl

nung aufmerksam gemacht werden, ihre Ohren zu heben und erst dann, wenn sie ihn erkannt, lassen sie sie plötzlich fallen«. Der Ausdruck za wza xaTaßdXhiv wird auch sonst noch als in dieser Bedeutung vor- kommend nachgewiesen. Diese Belehrung ist mit Dank anzunehmen. (Hermes, Zeitschrift f. klass. Phil. 12. 1877. S. 391 f.)

26) a 287. dibpa . . . diqaaif ' ou yäp xaXbv avijvaaBat 86(jiv sariv

N. Wecklein bemerkt : »man erwartet oh yäp xaXhv avr]vo.aBai dooiv eaHrjvn. Mir erscheint der Zusatz ia^X^v gerade für das, was Antinoos ausdrücken will, störend zu kommen. (Fleckeisen's N. Jahrb. Bd. 113. 1876. S. 838.)

27) ^ 421 ff.

A. Göbel, Das Axtschiessen in der Odyssee, (Fleckeisen's N. Jahrb. Bd. 113. 1876. S. 169-73).

Im Gegensatz zu der Ansicht derer, die den Odysseus durch die Oehre der in den Boden gesteckten Axtschneiden seinen Pfeil schiessen lassen, macht Göbel anschaulich, dass Doppeläxte mit ihren Stielen senk- recht in die Erde hintereinander gepflanzt gewesen seien; der Schütze musste nun mitten durch die oberen Bogenrundungen sämmtlicher zwölf Aexte der Art durchschiessen, dass er weder am oberen offenen Ende hinausflog, noch auch an die ehernen Seitenwände rechts oder links an- schlug, und der Pfeil also dicht über das in die Rundung noch mit einem kurzen Stücke hineinragende obere Ende des Stieles einer jeden Axt hinstreifen. Göbel erklärt demnach auch a-zdecrj = aztilztöv (s 236) = Stiel, Stock, -npüizti aztdtiri das äusserste Stielende (wie avzoy uTTo npwzr^)^) und übersetzt TieXixsojv 5' obx yj/xßpozs Jidvzcov Ttpcuzr^g crzsc- Xztrjg »nicht verfehlte Odysseus das Stielende sämmtlicher Aexte«, wo mir allerdings der Ausdruck »er verfehlte nicht das Stielende« sehr auf- fallend gesagt zu sein scheint für »er streifte oben über den Stielrand weg«, und dann müsste auch der Pluralis von azedtiri erwartet werden.

II. Zur Textkritik gehörige Schriften.

28) A. Nauck, Kritische Bemerkungen: Melanges Greco-Romains tires du Bulletin de l'Acaderaie imperiale des sciences de St. Peters- bourg. Tom. IV. livr. 1 et 2. 1876. S. 90—151.

In seiner 1874 bei Weidmann erschienenen Odyssee-Ausgabe hatte Nauck in kühnster Weise mit der Tradition gebrochen, indem er auf die vermeintlich alterthümlichen und alterthümlichsten Formen zurück- ging und sie als echt und ursprünglich homerisch Homer wiederzugeben bemüht war. Nur das Eine übersaher hierbei, ob die von ihm gefundenen Gebilde überhaupt und besonders, ob sie noch allein zur Zeit, da die

102 Homer.

homerischen Gedichte entstanden, gebraucht wurden, wofür er überall den Beweis schuldig geblieben ist, da er ihn überhaupt nicht liefern kann. Es liegt auf der Hand, dass ein solches Unternehmen beim ersten Wurfe trotz des besten Willens nicht endgültig abgeschlossen sein kann, dass bei der hier inaugurirten Methode freiester Spielraum bleibt zu be- liebig fortzusetzenden Nachbesserungen, und so bietet uns in obigem Aufsatze der Verfasser, der »gegenüber der höchst unzuverlässigen Ueber- lieferung unserer homerischen Gedichte nicht blindlings auf jedes eigene Urtheil verzichtet«, eine erste Nachlese oder er vertheidigt und begrün- det schon Veröffentlichtes. Bei seinem Vertilgungskampfe gegen contra- hirte Formen hatte Nauck o 88 ßoüXonac T^8rj vsla&ai im Text noch belassen, wenngleich er in der Note vorschlug: anoviza^ai, dem er vor- sichtigerweise ein Fragezeichen zusetzte. Jetzt ist vsTaüa: »unstatthaft«, ßoöXoiiat aTioviea^fxt ursprünglich vom Dichter gesungen; dass t^^tj ohne Weiteres ausgeworfen wird, kümmert ihn nicht, da seine Methode ihm natürlich höher steht als B,ücksicht auf den Sinn, der auf das Anerbieten des Menelaos, er wolle Telemachos auf der Reise begleiten, in der ab- lehnenden Antwort des Gastes das y^Brj nothwendig macht. Oder erscheint Nauck wirklich dieses Wort nur als Füll stück eines »thörichten Gram- matikers«? Dieses o 88 eingeschmuggelte dnovizaBat soll noch an fünf anderen Stellen J 19, ; 530, o 66, {p211, ;)f 35 verdrängt worden sein durch ol'xaS' cxda&ac das ein »Corrector« dafür einsetzte, »welcher die Verlängerung der ersten Silbe in dno beanstandete« ! Ein merkwürdiger Corrector, der in seinem kritischen Gewissen in fünf Stellen an dnovseaßac anstiess und es auswarf, an dreizehn Stellen dagegen es ruhig im Texte stehen Hess! Und womit kann Nauck sein dnovsetrf^at hier empfehlen? mit nichts Anderem als »an diesen fünf Stellen würde der Versschluss dnoves(T&ac dem Sinne wie dem Metrum genügen«. Mit diesem Grund- satze würde man den Homer aus Homer vertreiben, wenn man statt der Tradition Worte einsetzen wollte, die »dem Sinne wie dem Metrum ge- nügen«. Aber auch dies ist nicht einmal der Fall, dass änoviea^^ai dem »Sinne genügt«. Dieses ist in seiner Bedeutung nicht mit oTxa^' IxiaBat identisch, es heisst vielmehr nur »weggehen, zurückkehren« und hat in den meisten Fällen natürlich zur näheren Bestimmung den Ort, wohin man zurückkehren will oder den Ort, von wo man weggeht, bei sich, z. B. M^S: oi)d' ayysXov dnovisa&at | aipoppov Ttpoz] äazo; £46: nap' V7]u)V Tiporl ''IXtov dnovieaBai ; 0 295: ttotj vrjag dv(v$op.ev dnovieaHac^ P 415 yvrjag int ylacpupäg); ß 195 (e? nazpög); t 451: Tipojrog 8k (TTa^IxovSs hXaizat anovisad^ai j icmspcog; o 308 {npozl äazu); n 467 (Seup' dnovdsa&a:). Und ebenso steht das Zielobject bei den Formen rinov£0[p.7]v , dnoveovzo, dnovinvzai als nothwendig dabei. Nur in dem Verse "Ihuv ixTrepaavz' edzsi^sov dnovisa^ai ß 113 = 288 = £^716 = / 20 fehlt es, ist aber von den Griechen in Verbindung mit "Ihov ixnip- (Tavza, das gewissermassen eine nähere Bestimmung vertritt, leicht ver-

Textkritik. 1 03

ständlich, und dasselbe ist auch der Fall a 260, wo der zum trojanischen Kriege aufbrechende Odysseus zur Penelope spricht: o?j yap ouo iüxvrj- /ii8ag 'A^acobg \ ix Tpoc'tjg eu rtdvrag äm^ftovag anovieaBai. In allen diesen Beispielen ist das sich Wenden zur Eückkehr, das Zurückkehren allein als der wesentliche Begriff betont, davon verschieden und von weiterer Bedeutung ist das Erreichen des Zielpunktes, was das oYxad'' Ixia&ac (Aor.) ausdrückt, aus dem überdies noch ein Ton inniger Herz- lichkeit klingt. Wir sahen die feste Form in dem Verse "ncov Exnip- ö-avr' tuTStyeov anovieaf^at, in dem der Nachdruck auf das Zurückkehren gelegt ist. Es wirkt überraschend, wenn der Dichter den Priester Chyses zu den Göttern flehen lässt, sie möchten bewirken, dass die Griechen kxTiipaat npi.äp.010 mjkiv, su 8^ ocxaS' IxiaBat'. das ist schöner und weit- greiTender als das matte, von Nauck vorgeschlagene q-novizat^at und hieran erkennt man eben den Dichter, dass er nicht in den typischen, gleichen Formen und Wendungen sich bewegt, sondern für die geänderte Situation den richtigen Ausdruck sich bildet. Und ebenso unbestimmt und nichtssagend wäre das aTiovhaBat in dem Gebet des Polyplem t 530 : 8bg firj VSuaaija TzzoXmupf^iov oYxaS' Ixia^ai wie in den übrigen Stellen 0 66, f 211, X 35. Nauck geht noch weiter und verbannt jetzt auch veupiat in 2*136: ijojBev yäp vsüfiac . . ., »wir werden zu lesen haben rjoöBsv viojiac ydpfc ! Ausser dem fraglichen Gebilde ijoo^ev, das wir bereits an den betreffenden Stellen zur Odyssee in den Noten vorgesetzt bekommen haben, wird uns hier, um das viojiat zu ermöglichen, ydp in der dritten Stelle zugemuthet, dessen Vorkommen in dritter Stelle auf ganz be- stimmte Fälle beschränkt ist.

Die Beobachtung, dass gewisse Diphthonge oder lange Vokale ein- zelner Worte immer oder doch sehr häufig in der Senkung stehen, hatte Nauck zu einer Fülle von Conjecturen für seine Odyssee-Ausgabe ver- werthet. So z. B. hatte Nauck durchweg ndcg geschrieben, nur mit Aus- nahme der Stellen, die mxtg nothwendig erfordern, wo mxlg also in der Hebung steht oder in der Senkung vor einem Consonanten: dass der Diphthong in der Senkung nothwendig ist, hätte zur Vorsicht mahnen und zurückschrecken sollen von der willkürlichen Durchführung starrer, äusserlicher Regeln, die z. B. auf den Rhythmus des Verses gar nicht Rücksicht nehmen, für den der antike Dichter jedenfalls empfänglicher gewesen als die Ohren moderner Kritiker. Nauck begnügt sich aber jetzt nicht mehr mit der Einführung der Form Tidig^ er hält es jetzt für wahrscheinlich, dass 3/309; 387; oj 289 ursprünglich ttccjv gestanden, wo die Tradition naioa bietet, er will sogar iidiv vorziehen, wo wir jetzt ulov lesen £612; /'sgo; Zl327; 499; /651; A 197 »und '/''391 könnte ^ 8k psr 'ASjirjToo ucuv aus ^ 8k /ist 'A8fxrjToco ndiv gemacht sein.« Ja noch weiter. Ob wohl für oluv »sich mehr als 160 Belege anführen lassen«, wird, weil »die Casus obliqui überwiegend nach der dritten Declination flectirt werden«, »die Richtigkeit der jetzigen Schreibung«

1()4 Homer.

angezweifelt, »sofern am Schluss des Verses und in der Hauptcäsur ula, an anderen Stellen ocia dafür eintreten kann.« Was soll man von einer solchen Kritik halten, die so willkürlich mit der Tradition nach ausge- klügeltem Schematismus umspringen will? Es ist geradezu komisch sich vorzustellen, ein antiker »Corrector« oder »Grammatiker« habe für »ur- sprüngliches ula oder ofea« überall, wo es geschehen konnte, ucov ein- gesetzt. Und warum? das könnte doch nur ein kindliches Vergnügen gewesen sein, für das eben keine Motivirung uöthig gewesen. Auf sol- che "Weise aber an Homer herum zu experimentiren und ihn nach Laune umzuschreiben, das konnte den Alten nicht in den Sinn kommen und war nur Modernen vorbehalten, die sich einer sublimem Gelehrsamkeit berühmen. Dahin gehört nun auch, dass fortan »Homer zukommt cts^tjt:- TÖoioq wie man höre ! wie alyioyoq^ jatijO'/^og^ Ar/ny^oQ^ rjVLoyogn ! Dahin, dass wir, obwohl die Tradition 4 mal dyyo&t, 27 mal dyxoo bietet, »bei Homer durchgängig die dreisilbige Form dyyöHc herzustellen haben«, da dies »die ältere und ausschliesslich poetische Form ist.« Wir er- fahren ferner, dass »neben amüg und aluEivög die Nebenformen afn^etg und alnog nur bei gelehrten Dichtern der späteren Zeit berech- tigt zu sein scheinen«. Wenn Nauck für ahr^scg aus späterer Zeit vier Beispiele anführt, während Homer nur einmal diese Form hat, das be- weist doch nicht, dass sie ein gelehrtes Gepräge hat, höchstens, dass die einzeln stehende Form den Nachahmern ganz besonders für ihre Zwecke geeignet schien. Nauck weiss für das 0 87 vorkommende Ilr]- Saaöv ahrjsaaav sogleich Rath: »der Dichter dürfte wohl eher ein gleichbedeutendes llrjoaaov rjvsp-üsaaav gebraucht haben« ! Wobei nur wieder überraschend ist die kecke Behauptmig, dass aiTzrjsaaa und r^vsp-ö- eaaa »gleichbedeutend« sind; das kann nur einer sagen, der um den Sinn der' Worte sich gar nicht kümmert. Und warum sollen die Formen «iW.und ahriv »gelehrte« sein, die in unserem Text doch so häufig uns begegnen? Nauck findet die Form ^alnog'- »höchst auffallend«; wo hat Homer almg gebraucht? das sollte doch Nauck wissen, wie so gar oft in den casibus obliquis der Uebergang in eine andere Declination er- folgt, ohne dass es dem Dichter eingefallen wäre, zu dieser durch me- trische Bedürfnisse aus einer so beweglichen, geschmeidigen Sprache heraus entstandene Form einen Nominativ zu bilden. »Die alnä pit^pa 369. 0 9) lauteten vielleicht ursprünglich alvä ph&pa,«. Ob alnä und acvä pde&pa auch gleichbedeutend sind, wird uns hier verschwiegen. Für TToXtv aiTirjv {0 71) hält Nauck es »nicht für allzu verwegen« n6}.cv alnov zu vermuthen nach Analogie von rj8og duzprj^ ß^Xog idparj, nou^bv l(p' bypT^v. Er glaubt, dass man »mit hoher Wahrscheinlichkeit«, auch ö 71 für "Ikov alm zu lesen habe "IXcov alnuv ; "IXiov amO werde noch keines- wegs durch die angenommene Unechtheit der Stelle entschuldigt, »da To ''ücov erst aus der Tragödie nachweisbar ist«. Als wenn das ein stichhaltiger Grund wäre, wenn bei der fast fehlenden Ueberlieferung

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der vorangegangenen reichen Litteratur zufällig rb "Ucov »erst aus der Tragödie nachweisbar ist«. Aber viel wichtiger, weil an diesem einzel- neu Falle besonders deutlich Nauck's Methode zu characterisiren ist, Avird die Mittheiluug, dass »Aristarchos "ücov ixnspawacv geschrieben haben soll« , und dass dies von Nauck benutzt wird zu einem unwürdi- gen Ausfall gegen »die blinden Verehrer des grossen Kritikers, die nicht ermangeln werden zu behaupten, dass er diese Lesart aus bessern Hand- schriften entnommen habe u. s. w.« Einmal kennt doch Nauck gar we- nig den »grossen Kritiker«, wenn er ihm eine Ansicht beilegt, die er selbst in hohem Masse besitzt, willkürliches Conjiciren: sodann ist die ganze Tirade gegen »die blinden Verehrer« völlig gegenstandslos, sie ist nicht nur Phrase in des Wortes tiefster Bedeutung, sie zeigt hier Unkenntuiss des Petersburger Gelehrten. Denn, dass die Führer der »blinden Verehrer« das nicht denken, was ihnen angedichtet wird, hätte Nauck ein Blick in das ihm bekannte Buch Friedlaender's Aristonici mpc (rf]}X£iü)v "IXcdooQ gelehrt. Hier wird als Inhalt von Aristarch's Be- merkung das Schol D citirt und zugefügt: »verba Aristonici paullulum mutata. L.« Und mit Recht. Denn wenn Aristarch zu diesem Verse die Bemerkung machte, dass hier '7>^.'ov p.övojg ouSzTspojg gebraucht sei, so anerkannte er doch eben für diesen Vers die Form zu "Ihov und konnte wohl den Vers für unächt erklären, nicht aber das Anstössige durch Con- jectur beseitigen. 1)

Wie Nauck neben amug die nach der zweiten Declination flectirten Formen ahrjv und al-d beseitigt, so hält er auch die neben jj-ring nach der ersten Declination gebildeten Casus für unberechtigt, die alexan- drinische Gelehrte hineincorrigirt haben sollen, »die mit einer höchst unzulänglichen Kenntniss der elementaren Grammatik ausgerüstet sich für befugt hielten, die homerischen Gedichte zu emendiren« : damit Nauck diese Regel stimme, haben wir z. B. für Kpovoo ndcg dyxu^o/xrjzsuj fortan in Kauf zu nehmen das »ursprüngliche Kpovou ndcg dyxuXo/irjTig und sicherlich konnte dyxuXojxyjTcg auch Zeus genannt werden« gewiss nicht von einem Griechen homerischer Zeit, dem sein Zeus gegenwärtig war als TiavTjp dvSpwv zs &eu>v zs.

Es möge noch eine Reihe von Conjecturen folgen, von denen man- che sich nicht nur auf die rein formale Seite des Textes beziehen, son- dern auch eine Aenderung des Sinnes erstreben: von allen kann man sagen, sie sind überflüssig oder falsch oder beides zugleich.

Statt jxrjoea in der Bedeutung »männliche Schaam« ist ixeZsa zu schreiben: »dass alexandrinische und byzantinische Dichter die männ- liche Schaam iirjdea genannt haben, kann durchaus kein Befremden er-

1) cfr. Cobet Miscell. crit. 1876 p. 433, der vorschlägt zu lesen: 'Api- aro<pdvrjq "Ihov ixnipawaiv, da er es gleichfalls für unmöglich hält, dass dies eine Lesart des Aristarch sein könne.

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regen«. Warum diese Form für diese Dichter natürlicher sein soll, ver- stehe ich nicht und gleichfalls nicht, wie sie gerade darauf kommen soll- ten, so dies Ding zu benennen, wenn [xi^ea der geläufige Ausdruck war; es würde vielmehr umgekehrt befremdend sein, wenn Dichter einer re- flectirteren Zeit zu einer Form greifen, die noch eine ganz andere Be- deutung hat. Aber »ich kann es nicht für glaublich halten, dass die männliche Schaam, die in den^'Epya xal rj/xeprx: des Hesiod /xiC^« genannt wird, in Hesiod's Theogonie [xr^Sea geheissen habe«. Dies Argument ist ganz unbegreiflich, da Hes. Op. 512 fii^ea von den Thieren gebraucht ist, so dass sich also /xr^osa und iie^sa unterscheiden, wie »die Schaam« und »die Geschlechtstheile«.

Für UV d(p&aXiioö dXäojaev {a 69) wird vorgeschlagen d(pdaX[xoü dTzdjxepaev und verwiesen auf 6 64: d<pd^aXixu)v /ih ä/xspas durchaus mit Verkennung des vorliegenden Sinnes. Denn wie dort gerade das Blen- den als gewaltsamer Act a 69 bezeichnet wird, wozu noch der Gen. d(pi)aXixwv nach Analogie der Verba des Beraubens hinzutritt, so ist für ^ 64 dp.dpSecv das Richtige, wo die Muse den Dichter, dem sie die Gabe des Gesanges verliehen, doch gewiss nicht blendete. Man sieht auch hier, auf welche Abwege die Methode der Gleichmacherei führt. Od. 0 479 ist überliefert: äv-Xu) o' ivdotmrjcrs nsaoüa' ujg Ehali-q xrj^\ darum aber, weil »die uns bekannten Dichter nur die zweisilbige Form xrjü^ oder xaürj^ gebrauchen« , ist man noch nicht berechtigt, xrjo^ oder xtjtj^ zu conjiciren und ganz besonders nicht, wie Nauck es thut, wg dv dXi xrji)^- {x-^rj^), weil öhaXtrj x^? und sh äXi xr^o^ nicht dasselbe bedeuten; elv all giebt an dieser Stelle gar keinen Sinn cfr. // 413 ff. Das als Epitheton bei vslxog, TcöXejxog, yrjpag^ Mvarog auftretende bp.ouov soll »nichts anderes als ein thörichter Schreibfehler statt des allein (!) mög- licher op.ouov<s. sein, für das sich Nauck seine Belege aus Gregorius von Nazianz holt. Wer mag nur, wenn hloUog ursprünglich war, darauf ge- kommen sein, für das seiner Bedeutung nach so unverfängliche, wenn auch nichts sagende Wort ein so bezeichnendes aber doch der gewöhn- lichen Anschauung fern abliegendes Ei)ithetou einzusetzen'^ eopujeig hält Nauck für »eine falsche Nebenform« von ijzpoetg. Nun liest man aber Hes. Theog. 729 bnb Z6<p(ü ^eposvzt und 731 x^PV ^^ tbpajevrt. Nauck findet »selbst die Aenderung x^PV ^^ rjzpoevrt nach dem vorauf- gehenden bm) Cü<f(i) rjBpuEVTc nicht wahrscheinlich;« für »nicht wahrschein- lich« hätte Nauck wohl sagen müssen »unmöglich«. Doch er weiss sich aus der Verlegenheit zu retten durch den Hinweis auf die Unechtheit des Verses. Aber nicht das Wort eupioecg hat die Athetese Kritikern nothwendig erscheinen lassen, sondern dass iv x^^PV '^'^^ iaxfxza nicht nebeneinander stehen können, und so hat man nach dieser Seite hin zu conjiciren gesucht. . Von Einem muss aber dieser Vers doch herrühren, unmöglich aber konnte der betreffende Dichter nach otio ^uipw rjsposvTt wieder schreiben X'^PV ^^ rjepozvn, also war eupujsio im Gebrauch und

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bedeutete etwas anderes als rjspoecg. - A 529 wird für ipiSa Tipnßa- XovTsg als »nothwendig« ipcSa npocpipovreg vermuthet, da ^spiv Jipo- ßdUecv räthselhaft« Nauck erscheint, während npo^ipscv auch sonst bei Homer vorkommt. Man sieht auch hier wieder kleinmeisterliche Gleich- macherei, die Nuancen des Ausdruckes schonungslos wegwischt. Wenn man epc8a ■npofipovzeq sagte, warum soll der kühnere, aber für die tobende Männerschlacht bezeichnendere Ausdruck npoßaXovueg Anstoss erregen? was braucht es da noch giner Parallelstelle'? Mit ähnlicher Kühnheit heisst es von Aev"Eptg J 444: rj a<pcv xat tote vsTxog bpounv spßaKz jisacrcp. - 0 532 ff. ist die einzig uns überlieferte Stelle, in der Aristarch eine doppelte Recension annahm, und entweder 535-537 oder 538, 539, 541 beibehalten wissen wollte: eig jap zrjv aurrjv yeYpa/i/xivoc slai dcdwcavd.. Ganz unbegreiflich findet Nauck »die von Aristarch ge- rügte Tautologie« offenbar nur in der Verbindung von auptov tjv äpeTTjv SiaetaETai und rjEXc'ou dvcovrog ig aupcovn also in der Wiederholung des auptov: das soll rj aurrj oidvoca sein! Sogleich ist Nauck bereit, mit einer Conjectur »die unerträgliche Verbindung« zu beseitigen und schreibt für ig aopcov ig oupavbv. Damit ist aber das Bedenken Aristarch's gar nicht gehoben, es bleibt in den beiden Versgruppen noch immer ^ abr^ Scdvoca, dass nämlich der nächste Tag für die Griechen verderb- lich sein wird. Wie viel eindringender und liebevoller hat Aristarch diese Stelle behandelt, der mit richtigem Sinne und Geschmack für die Verse 535—537 sich entschied, als der schnell urtheilende Nauck. In- dem er das zweite aijpcov in das »ursprüngliche ig oupavova umschrieb, erklärte er die Ausscheidung der Verse 535 537 für »einfach unmög- lich«, weil in ihnen die »unentbehrliche Zeitbestimmung auptova enthal- ten sei. Das ist ganz obenhin gedacht, da es sich nicht um dieses aupcov handelt; die erforderliche Zeitbestimmung steht fünf Verse vor- her TTpwc ö' uTtr^oToc. Das Aendern und Berichtigen ist einmal Nauck zur zweiten Natur geworden. Das Scholion, das diese Verse behandelt, be- ginnt oTc Tj rouroog 8sT zoug zpsTg (rzc'yo'jg pivetv . . . r} zoug s^rjg TpsTg . . . Nauck tadelt den Ausdruck psvscv, er verlangt aßsTsTv. »wenn drei Verse denselben Gedanken enthalten wie drei unmittelbar vorauf- gehende oder nachfolgende, so ist dies ein Grund nicht zum Beibe- h^alteu, sondern zum Tilgen von drei Versen.« Und man sollte nicht sagen können: entweder müssen die drei Verse bleiben oder diese?

Gewiss besitzt Nauck eine grosse Belesenheit und bietet eine Fülle von Material; auch steht ihm ein anerkennenswerthes Talent zum Con- jiciren zu Gebot. Zu diesen Gaben fehlt aber das Beste: weise Be- schränkung und sorgfältige Erwägung der jedesmal vorliegenden Stelle. Seine Kritik ist eine kleinmeisterliche und pedantische ; ich kann sie nicht besser characterisiren, als wenn ich die schönen Worte Bekker's, die er ge- gen Cobet gebraucht, hier hersetze: »die Seele seiner Kritik ist nun einmal Purismus, straffzügeliger scheuklapseliger Purismus; und der mag für

108 Homer.

den herangewachsenen und scheinbar eine Weile stillstehenden attischen Dialect taugen als Grenzhüter und Keuschheitswächter, geht aber irre und stolpert von Anstoss zu Anstoss, sobald er die homerische Sprache berührt, diese Frühlingsblüthe des griechischen Geistes, die frisch und gesclimeidig wie Epheu einrankt in die freie Beweglichkeit des Hexame- ters, und durch immer neue Wendungen, Windungen, Wandlungen hin- durch einen Reichthum an Formen entfaltet, der nahezu die Möglichkeit erschöpft«. (Hom. BLätter II, 54).

29) C. G. Cobet. Miscellanea critica. Lugduni-Batavorum. E. S. Brill 1876. S. 224-437.

Der aus 86 Abschnitten bestehende Aufsatz beginnt mit einer ein- gehenden Darlegung, wie die alexandrinischen Gelehrten unter dem Ein- fluss der ägyptischen Hofatmosphäre, in der sie lebten, nicht im Stande waren, sich in den einfachen und hohen Character der homerischen Poesie zu versetzen und Vieles als unpassend bezeichneten, was den An- schauungen jener Zeit selbst, für die die Gedichte entstanden, nicht so erschienen: so verkehrte Ansichten werden besonders von Aristophanes, Zenodot, aber auch von Aristarch aufgezählt. Das war uns allerdings nicht unbekannt, dass wir ihren ästhetischen Urtheilen, besonders auch was das Naive in der Poesie anbetrifft, nicht immer beipflichten können Aber wird nicht in dieser Beziehung innerhalb und ausserhalb Troja's viel gesündigt? gilt nicht das, was Cobet von den Alexandrinern sagt, ex suae aetatis modulo antiquos heroes metiebantur, oder vielmehr »nach der eigenen Natur beurtheilt man die alten Helden«, gilt das nicht auch von den heutigen Kritikern? Cobet verlangt: necesse est in antiquarum litterarum interpretatione ut tibi animus antiquus fiat et ita sentias ut Uli veteres sentiebant: aber wie Wenigen zu jeder Zeit ist das gegeben, wie Wenige sind congenial genug, ihre Anschauungen denen eines poeti- schen Genies ebenbürtig zu stimmen? lässt sich nicht heute in dieser Hinsicht ein ähnliches, wenn man will, Sündenregister entwerfen, in dem Namen von Gelehrten sich befinden, die den allerbesten Klang haben, ohne dass sie in ihrem ästhetischen Denken von einem üppigen und weich- lichen Hofleben afficirt wurden? Wenn Cobet von den homerischen Men- schen sagt: ut cogitabant, ita aperte loquebantur, et quo natura duce- bat nitro sequebantur oder illi veteres si quid deliquissent nitro candide fatebantur, so ist das doch nicht so ganz allgemein zu fassen: kennt doch schon Achilleus Menschen og^^ irepov fikv xeu&jj svl (pptah äXXo 8s smrf. also gab es auch Menschen, die mit dem, was sie dachten oder thaten, aus gewissen Gründen zurückhielten. Was Cobet als das änXo'i- x6v rühmt, das gilt doch nur von den grossen Naturen, die auch, wo sie fehlen und irren, gross denken und über conventioneile Schranken hinaus, die nur für die kleinen Geister aufgerichtet sind, dass sie nicht aneinander stossen, oder auf Abwege gerathen, rückhaltlos sich äussern in Zorn

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und Freude, im Hassen und Lieben. "Wer ist immer frei genug, der Enge seiner Sphäre zu entsagen, um so incoramensurable Naturen wür- dig zu beurtheilenV Und dass Aristarch trotz alledem und alledem in der Auffassxmg des Heroischen sich mit den Kritikern aller Zeiten mes- sen kann, wer wollte das bestreiten? In Vielem, was Cobet Aristarch als Schuld beimisst, kann ich ihm nicht beistimmen. Die in der Gestalt einer alten Dienerin erscheinende Aphrodite trägt der Helena einen Sessel nach. Zenodot hatte diese Thätigkeit für eine Aphrodite d-zpenig gefunden. Mir will es nun ganz richtig erscheinen, wenn Aristarch nach Aristonikos dagegen einwandte: imXih^axat 8k ozc ypdi sixacrrai xai raözjj zfj ii.op(pr^ za r,poarjxuv-a npdaaei. Cobet dagegen meint: reperit colorem aliquera ut antiquos versus servare ac retinere posset, non ipsam causam ro tuiv Tiakacäjv mpl Totaöza änXocxov perspexit. Er verweist auf - 34, wo Athene mit der Lampe dem Odysseus und Telemachos zu ihren Vorbereitungen für den Freiermord leuchten: den Grundsatz aber, den er dabei ausspricht: deos iuter homines versari et omnibus modis quos caros habebant iuvare, nihilque adeo quod humanum esset a diis allen um putabant, halte ich nicht für richtig: Athene tritt nicht darum ein, weil das Leuchten eine menschliche Thätigkeit ist, die also auch eine Göttin übernehmen kann, sondern weil sie die Situation durch ihre Gegenwart ernster und feierlicher macht, indem sie zu einer Handlung ihre Hilfe leiht, durch die begangene Frevelthaten gebüsst werden sollen. Was wird nun aber Cobet sagen, dass nicht bloss die molles et delicatuli aulici Ptolemaeorum daran Anstoss nehmen, dass Minervam servili ministerio fungi, sondern ein berühmter Gelehrter un- serer Zeit die von Vielen gebilligte Rüge aussprach, dass der Dichter die Göttin herabgewürdigt habe, das zu thun, was auch eine Magd hätte leisten können ! Also hat der Hinweis auf den verderblichen Einfluss des alexandrinischen Hoflebens nicht viel auf sich. Wie fein und schön ist A 260 Aristarch's Conjectur ripicv für ujxcv. Cobet sieht in dem rjpiv nur blanditias, quas crescente humanitate inter homines elegantiores dpiaxeta quaedam peperit! So änXol'xov, wie Cobet das Wesen der Heroen auffasst, war es doch nicht; auch in ihnen klangen bereits die feinsten, tiefsten und zartesten Regungen des Gemüthes, die Cobet vielfach zu entgehen scheinen. Auch er urtheilt von einseitigem Staudpunkt heraus und denkt nicht immer, wie jene Alten dachten. Wena er den Vorwurf des Hcxponpznsg und ramcvdv in jener Frage der Arete nach der Kleidung des Odysseus dadurch zurückweist, dass matronarum ingenio nihil con- venientius esse, so ist damit noch nicht Alles gesagt. Nicht darum, weil die Kleider zu dem Gebiet der Frauen gehören, ist jene Frage gerecht- fertigt, sondern noch mehr, weil Odysseus Kleider trägt, die ihrem Hause angehören, darum das lebhafte Interesse. Aristarch hatte vollen Grund und wir können die Feinheit seiner Beobachtung nachempfinden, wenn er 5 317 die Aufzählung der Liebschaften, die Zeus gehabt, für äxacpog

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hielt: Cobet verdreht das TtoXuXoyzTv jener Stelle, um einen hässlichen Augriif auf Aristophanes zu machen: nunquam in tali re longo sermoue usurus fuisse videtur.

Der zweite Aufsatz handelt von dem Unterschiede der Wörter r>i8va, fießca, düjpan und hier macht Cobet richtig aufmerksam, dass nach den vorliegenden Stellen die Definition der Alexandriner: idva kdidoaav ol vujKftüc zaig nap&evoig keine richtige sei, sie raüsste lauten: idva i8c- 8oaav OL vufi^iuc zuTg zwv iivrja-soop.iv(DV napMvuJv Tiazpdac. Gegen diese Bemerkung ist allerdings nichts einzuwenden; wenn er aber be- hauptet, dass sich die Kritiker über die Bedeutung des Wortes idva getäuscht hätten, dass sie geglaubt, die idva der Freier hätten die jun- gen Frauen mit in ihren neuen Hausstand genommen, so lässt sich' das kaum glauben. Einmal wäre in diesem Falle die Darbriuguug der e8va seitens der Freier eine irrelevante, da ihre Geschenke ihnen somit wie- der zu Gute kameu, sodann sprechen dagegen so viele Stellen in den beiden Gedichten, dass ein Missverstehen undenkbar ist, dass also auch sicherlich Aristarch dies gemerkt und sich auch augemerkt haben muss. Der error kann also nur im Ausdruck liegen, der wie er uns überliefert, oberflächlich für unkp zaJv Suyazspiov ist oder der Dativ ist allein auf des Aristonikos Rechnung zu setzen: in der Sache hat sicherlich Ari- starch das Richtige gesehen ; wie hätte er sonst dvdeovov erklären sollen ? was wir zu N 366 von ihm lesen: ^ 8ct[/9j ozc i8va i8:8o(Tav ol pvrjazzoup.svoc. mag wohl ohne den Zusatz des Dativs seine Ansicht wiedergeben. Wie konnte er A' 382 isSviozac verstehen , wenn wir abermals lesen : jy 8tn^^ uze iSva iScooaav ol (ivrj<Tzrjp£g7 Cobet freilich beruft sich auf das Schol. zu ß 53 als von Aristarch herrührend, worin i8va xazay^p-q- aztxwg .als die Aussteuer aufgefasst wird, die der Tochter vom Vater mitgegeben wird; es liegt aber gar kein Grund vor, dieses Schol. Aristarch zuzuschreiben. Bemerkt muss noch werden, dass i£8voua&ai von Cobet verstanden wird: für iSva fortgeben, dass isovaizac die sind, die über e8va mit dem Bräutigam verhandeln, dass ol (a 277 und ß 196) die Freier nicht die Eltern sind: das wird man alles zuzugeben haben. Wenn Cobet endlich /lecka als technischen Aus- druck für die Mitgift betrachtet, die die Tochter vom Vater erhält, und 8u)pa nur Geschenke bezeichnen sollen, die die Braut vom Freier erhält, so scheint das doch nicht zutreffend zu sein. Denn noköocopog äXo^og lässt sich doch wohl besser verstehen von einer Frau, die dem Manne noXXä 8wpa mitbringt (vgl. ^Y50f.) und ixeiXia (oder nach Aristarch im/iacXia) scheint mir nur für jene Stelle bezeichnend erfunden, und nicht der überhaupt gangbare Ausdruck zu sein. Uebrigens der Ar- tikel z8va wird in den Lexicis eine gründliche Umarbeitung zu erfahren haben. Ein anderer Abschnitt behandelt ydp und zdp. Hier muss ich Cobet auf eine offenbare Flüchtigkeit aufmerksam machen. Bekannt ist, dass Aristarch bereits über das ydp npozaxzixuv seine Bemerkung ge-

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macht hat: rj StnXrj u~c dnh rou yäp äp^srat tu alziaxuv Ttpord^ag, Nun verweist Cobet auf ?f'*620ff., wo Achill dem Nestor au-wg das äeB- Xov zuweist, da er ja wegen seines Alters nicht mehr sich in einen Kampf einlassen werde. Nestor erwidert: va\ orj zaüzd ys ndura, rsxog, xaxd poTpav ismeg- | od yäp er' sfimda yuTa, (ptlog, nodsg oöd' in y^elpeg xzX. Zu diesem Verse önden wir bei Aristouikos die eben mitgetheilte Beob- achtung Aristarch's. Daraus schliesst Cobet: Sed Nestor, ut tu vides, oux dnh yäp rip^a-o ^ sed a verbis: va\ dvj rau-d ye xrX. Quid autem potest esse in tali re evidentius quam Nestorem exorsum esse his ver- bis ob yäp sr' eimeSa xrX. et praecedentem versiculum vai orj \ iscmg spurium esse«. Ganz unbegreifliches Missverstehen des Wortes äp^za&acl meint denn wirklich Cobet, dass äp^szai dnb roü yäp bedeuten soll, der Vers mit ydp müsse auch immer der erste der Rede überhaupt sein? weiss er nicht, dass dies nporaxuxov auch mitten in der Rede gebraucht wird? und übersah er es, dass der Ausdruck dp^srac dno zoU ydp nur bedeutet: der den Grund anführende Gedanke steht mit ydp voran als der wichtigere, die Veranlassung zu einem Vorschlage bietende, anstatt dass er folgen sollte? Uebrigens hätte Cobet bei näherem Zusehen ge- funden, dass es jedenfalls fraglich ist, ob man an dieser Stelle das yäp npozaxzcxov wirklich anzunehmen hat. Rasch ist aber Cobet entschlos- sen ¥ 626 für unächt zu erklären und findet eben darin noch einen an- deren Grund für die Unächtheit: durch Wegfall von 626 verlieren wir auch die doppelte Anrede zixog und <ptXog^ denn sie ist : praeter Home- ricam consuetudinem ac praeter rei naturam, qua quem semel salutare satis est et consuetum. Welche Engherzigkeit in der Auffassung und welch pedantischer Schematismus nach willkürlichen Principien zurecht gemacht! das ist aber für Cobet bezeichnend. Theoklymenos, der seine unfreiwillige Entfernung bevorstehend sieht, kommt also ihr zuvor: . . . zlac fioc difBaXjxoc zz xal ouaza xac Ttodzg äfi^iu || xal voog iv azrjBzcat zzzoypiMog^ obdkv dstxijg- zoTg i^stjit Uupa^s: pedantisch hält Cobet xal voog xzL für unächt, da zocg sich auf noSsg äpfiu beziehe! man könnte ebenso sagen, dann sei auch dfd^aXjxoc und ouaza unächt, da man mit diesen doch nicht gehen könnte! Man sieht aber, wie nothwen- dig der Vers ist, da der Seher sich gerade den voog ~ezoyp.£vog zuschreibt, während er die Freier für verblendet hält.

Zahllos sind Cobet's Textesänderungen, die mit seiner Einführung des Digamma zusammenhängen oder ihm aus metrischen Gründen noth- wendig erscheinen. Da wird für xs'cvov drj xdlXiazov Xoov mit Berufung auf xapziazYjV Btj z^v yz p-dy^r^v vorgeschlagen xdkXtazov orj züv ys ftoov, ohne Rücksicht darauf, dass der Sinn in beiden Versen eine andere Wortstellung erheischt ; oder es wird für oüzco ydp -koü p rJA-nzz' ivl (ppzal vrjmov zhai conjicirt: ouzuj ydp zc p ifzXnzz' ivl ippzai, wo das ab- schwächende zt gar nicht an seiner Stelle und das so bezeichnende nob ganz unterschlagen ist; oder wir bekommen für xöhxivz 8z Buphv ävax-

112 Homer.

zog durch Umstellung und Conjectur: &uixuv 8' Yacve fdvaxrog, ohne dass beachtet wird, ob nicht gerade das xoSacvs an der Stelle viel bezeich- nender ist; oder es wird uns für e; fiev xbv voarrjarj äva$ geboten sc fikv voarrjaecs /ava^ obgleich darauf folgt et 8s xs jirj sXd^-^atv äva^ und der Optat. nicht an seiner Stelle ist; oder um einen Hiatus zu vermeiden, sollen wir für el [ikv 8rj '08u(TSüg ys ifiög TzaTg iv9a8' ixdvstg lesen: el [ikv 8rj "OSvasög ao y' i/xug Tzalg svBd8' Ixdvscg , wo uns das aufdring- liche (TU zugemuthet und ys von seiner Stelle weggerückt ist. Dem glänzenden, stets bereiten, unermüdlichen Conjecturaltalent Cobet's ge- genüber ist es nicht zu verwundern, wenn die Fülle des Gebotenen be- rückend wirkt: Referent muss gestehen, dass in den allermeisten Fällen die Tradition ihm viel schöner, einfacher und griechisch vorgekommen ist. Textänderungen werden auch beliebt, weil die Präposition ausge- lassen oder vertauscht ist, immer nach dem Gesetz der Analogie, die für Cobet heilige Göttin ist. Weil es heisst: Zeug im ytyvojidvocatv cec xaxurrjra ßapsTav , darum sollen wir auch lesen: rjiiap km Zeug tjxs Kpoviujv für &rjxs, obwohl die beiden Wendmigen gar nichts mit einan- der gemein haben. Oder weil von den im hölzernen Pferde befindlichen Helden gesagt ist Sdxpud t' ujiiopyvov-o , darum soll es auch von dem gleichfalls eingeschlossenen Neoptolemos richtig sein Sdxpu' ofxop^dfxsvov für 8dxpo , zumal auch der Plur. napstwv dabei steht, w'obei nur über- sehen wird, dass Neoptolemos gerade im Gegensatz zu den anderen Hel- den aufgefasst wird ; und darum sollen wir auch statt Sdxpu dvanprjaag vom Telemachos lesen 8dxpu' dvanpy^crag, ohne dass Cobet beachtet, dass den Augen eines y^woiisvog nicht Thränen, sondern höchstens eine Thräne des Unmuthes oder Grimmes sich entstiehlt. Ueberall ist äusserliches Verfahren und hofmeisterliches Besserwissen, von dem aus diese oder jene Form oder Wendung als ungriechisch verworfen werden : dieser Me- thode Cobet's kann ich nur den Satz Bekker's wieder entgegenhalten: »von diesem Tausch müsste aber die Bedingungen und die Grenzen er- mittelt haben, wer ohne Vorwitz an einschlägigen Formen meistern wollte.« Nicht zu billigen ist auch das vornehme Uebersehen deutscher Arbeiten. Conjecturen werden hier vorgeschlagen, die schon lange gemacht sind, Stellen besprochen, über die- schon alles Nöthige gesagt ist, und die schon vor Cobet ins Reine gebracht sind, während er dies nicht zu kennen scheint und falsche Erklärungen obendrein vorbringt. Referent könnte eine ganze Reihe von Beispielen aus den Schollen anführen. Schliesslich muss auch bemerkt werden, dass in den Citaten eine Menge von Druckfehlern sich findet, die den Lesenden oft stören.

30) Karl Brugman, Ein Problem der homerischen Textkritik und der vergleichenden Sprachwissenschaft. Leipzig 1876, X und 147 S. gr. 8.

Das erste Anlesen dieses Buches hat Referenten einige recht hei-

Textkritisches. 113

tere Stunden gebracht; es schien ihm nämlich über allen Zweifel erhaben zu sein, dass er in dem Verfasser es mit einem höchst witzigen Schalk zu thun und in seinem Buche eine derb und keck durchgeführte Persi- flage auf gewisse utopische Untersuchungen der philologischen Wissen- schaft zu begrüssen habe, deren Zweck es sei, an einem Beispiele zu zeigen, wie viel man mit der nöthigen Sicherheit, den erforderlichen Ma- nipulationen und was für Viele der wahre Zauber ist einer über- reichen Sammlung von Citaten aus Himmel, Erde und Hölle auf diesem Gebiet erreichen könnte. Manchmal jedoch musste Referent über die ganz malitiöse Art der Satire bedenklich seinen Kopf schütteln, z. B. als er S. 67 las: »Schol. H zu 8 191: zb s^rjg, Ndarojp ^da^' b yipiov olaiv sv\ fiaydpocaiv, ^ or' imixvi^<rop.at crsTo olacv ivc fisydpocacv' ^youv iv To7g auTou olxoig. Die mittlere von diesen drei Auslegungen ist dunkel, die erste ergiebt ein Hyperbaton, die letzte nimmt ein og rein anaphorisch (eins in domo). Die erste und die letzte finden wir auch bei ApoUonius Dysc. Tiapl au\>r. p. 154, 2.« In dies Scholion »drei Auslegungen« hinein- zuinterpretiren, die »dritte« mit iliyoov beginnen zu lassen, schien mir doch die Grenzen des Erlaubten zu überschreiten und die Ironie zu sehr an den Tag zu legen. Leider musste ich aus den inzwischen dieses Buch harmlos wie jedes andere besprechenden, ihm sogar »sorgfältige Benutzung des textkritischen Materials und gleiche Besonnenheit« nach- rühmenden, es als »einen Fortschritt auf dem Gebiet der homerischen Textkritik« begrüssendeu Recensionen die niederschlagende Entdeckung machen, dass ich einer fürchterlichen Täuschung als Opfer anheimgefal- len war, und dass das in diesem Buche Gebotene wirklicher Ernst sein soll. Ohne mich auf die doch alles übersteigende Behandlung des eben er- wähnten Scholions zu beziehen, glaube ich auch so mich rechtfertigen zu können, wenn ich die Methode des Verfassers, die mir nur mit mei- ner ersten Annahme ganz verständlich zu sein schien, hier näher cha- racterisire.

Auf die »sicher erwiesene Thatsache, dass die Stämme sva und sava überall von Anfang an allgemeine Reflexive waren, die einen Bezug auf alle Personen ermöglichten, und in der substantivischen Gel- tung die Bedeutung selbst, in der adjecti vischen die Bedeutung ,eigen' hatten«, sich berufend eine Theorie, die Referent für ein Vorurtheil hält versucht der Verfasser hauptsächlich den weiteren Gebrauch des Possessivpronomens og-, ^, ov sowohl mit Bezug anf Pluralia, als auch auf erste und zweite Personen für Homer zu beweisen und durch zahl- lose Aenderungen den Homer in's »Urgriechische« umzuschreiben. Das geschieht zuerst in einer Gruppe von Versen, die xou -na-pog, -ob natSog bieten; hier soll das ursprüngliche ou von Aristarch in roD gefälscht sein, der von einem freieren Gebrauch dieses Pronomens nichts hätte wissen wollen. Die Beobachtung, die für den Verfasser ein »durchschla- gender Grund« ist, dass obige Wendungen sich nur mit Bezug auf die

Jahresbericht für Alteithums-Wissenschaft 1877. 1. 8

114 Homer.

erste oder zweite Person finden, nie, wo der Ausdruck auf die dritte Person geht, wo allemal ou nazfiog u. s. w. steht, ist zunächst eine fal- sche, da auch mit Bezug auf dritte Personen der Artikel angewandt ist. Trotz der Menge von Stellen ist es dem Verfasser gar nicht in den Sinn gekommen, darüber nachzudenken, ob jene Wendungen zoo nazpog, zoo nacSog nicht den tiefer liegenden Unterschied des hinweisenden, verinner- lichenden Artikels vom einfachen besitzanzeigenden Pronomen darthun; über das supr^xa seines nicht einmal neuen Gedankens schritt er sofort zu den einschneidendsten Aenderungen. Wie er hiermit schon allein dargethan, dass er das Wesen des Artikels nicht begriffen, so ist seine sich daran anschliessende und mit dem Tone der Unfehlbarkeit geführte Un- tersuchung voll der gröbsten Flüchtigkeiten und Irrthümer. Eine zweite Gruppe, auf die sich des Verfassers Aenderungen beziehen, bieten die Stelleu, in denen wir nach dem Vorgange Aristarch's ir^og in Verbindung mit Tiaidog, dv8p6g, (pujzog, olog lesen. Nach Brugman soll er^og nur an zwei Stellen echte Lesart sein ^505 und o 450, hier aber eine Bedeu- tung haben, die durch das ganze Alterthum und die folgenden Jahrhunderte bis auf Brugman unverstanden geblieben sei, nämlich = ,eri' von ia-eü-g ,Herr'; Aristarch hätte das Wort auch nicht gekannt, sich aber nicht enthalten können, es an fünf Iliasstellen in anderer Bedeutung eiuzu- schwärzen für die echte Lesart koTo, das mit Bezug auf erste oder zweite Personen gebraucht Aristarch nicht hätte dulden können. Die Bedeutung krjog = Herr ist jedoch in den beiden Odysseestelleu ganz unstatthaft, wie sie überhaupt aus einer ganz ungezügelten Phantasie entsprungen ist. Auch hier hat sich der Verfasser nicht einmal bemüht, über den Unterschied von nacSog irjog und natSbg koTo eingehendere Betrachtun- gen anzustellen. Diese beiden Punkte denke ich ausführlicher anders wo zu behandeln. 2) Hier sollen einzelne Stellen folgen, die Brugman's Me- thode beleuchten mögen.

1. Hekabe bittet ihren zur Fahrt in's Griechenlager entschlosse- nen Gemahl die Ausführung seines Planes von einem Zeichen des Kroniden abhängig zu machen: aYzet 8' olojvuv, za^uv äyyskov xzL ß292; sende Zeus dies nicht {sc 8s zoc ou ocuasc suv äyysXov 296), so könnte auch sie nicht zu dieser Fahrt rathen. Das thut Priamos, er wendet sich an Zeus im Gebet: nsinpov 5' omvbv, za'/hv äyysXov, 310. Man erkennt hier, wie sowohl V. 292 als auch 310 za^üg passendes Beiwort ist, da es hier gerade auf schnelle Entscheidung durch das erbetene Zeichen ankommt, und wie 296 das einfache Possessivpro- nomen für den Sinn ausreicht. Apollonius nsp\ dvzwv. p. 60. B las freilich V. 292 kuv dyysXov, »das er = auzoii äyysXov interpretirte, sicherlich las er aber 310 'a^öv, nicht £ov, da er diesen freieren Gebrauch des kov mit Bezug auf eine zweite Person nicht statuirt

2) Ist inzwischen geschehen in Fleckeisen's N. Jahrb. 1877, S. 649 72.

Textkritisches. 115

und wo er scheinbar vorkommt, ihn fein zu erklären weiss. Obwohl nun Apollonius allein den V. 292 meinte das ist ganz offenbar, da er diesen Vers ausschrieb so behauptet Brugman doch: »Es kann wohl kein Zweifel obwalten, dass Apollonius oder schon seine Quelle irrthümlich auf 292 bezogen was eigentlich auf 310 ging« (S. 63). So verfährt Brugman! wo es ihm in seine Regeln nicht hin- einpassen will, scheut er sich nicht, so gewichtigen Zeugen des Alter- thums geradezu ihre Mittheilungen zu bestreiten-, ihnen den jedesmal nothweudigen Irrthum zuzuschieben und sie in Widerspruch mit sich selbst zu bringen! Er erklärt nun sowohl für 292 wie 310 s6v als echte Lesart und legt dem eov äyye'kov die Bedeutung »Lieblingsbote« unter, »eine Erklärung, die auch auf 296 ausgedehnt werden müsste.« Diese Nothwendigkeit hat Brugman wohl empfunden; ob diese Uebersetzung aber für 296 passt, das übergeht er mit Stillschweigen. Brugman hat sich aber nicht einmal die Mühe genommen die Verse 292 und 310 bis zu Ende zu lesen, dort folgt auf ko\) äyyB'kov: og zi ol ab-S) fcXzarog ocuj- vujv, hier og rs ao\ auvw (piXxaxog uccuvivv. Vor der Abgeschmacktheit, Homer sagen zu lassen: »den Lieblings boten, der dir der liebste ist«, schreckt Brugman nicht zurück.

2. Brugman hält J 414 für die ursprügliche Lesart: ec Si xsv ol'xao' 7xu)/iac ivjv ig narpcda yalav. Bezeichnend sind die hieran sich knüpfenden Folgerungen: yikr^v ig rMrpioa yacav begegnet bei Homer noch viermal, 7jv ig Tl. y. fünfmal, nirgends erscheint ip-^v ig n. y., dagegen neunmal (TTjv ig n. y. Beachtenswerth ist nun, dass an allen diesen neun Stellen grammatisch auch ein r^v (!) möglich war. Liegt da nicht die Ver- muthung nahe, dass überhaupt nur die drei Ausdruckswei- sen iriv , rjv, ^cXrjv ig n. y. echt Homerisch sind und arjv erst später eingedrungen ist?« (S. 71). So etwas soll man noch Kritik nennen? Und für Brugman »eröffnet sich noch eine weitere Perspective«, er glaubt, dass unter den Stellen, wo wir jetzt ^c^r^v ig t:. y. lesen, ur- sprünglich noch mehrere ein auf die erste Person bezogenes Ijyv hatten, dass <pc7rjv später als Ersatz »gäng und gebe wurde für ,ein auf die erste Person gehendes ejyv'« ! dass i/irj^ ig n. y. wir nicht lesen, ist gar nicht »eigensinniger Weise« (Bekker) geschehen, dass die homerischen Men- schen dafür <pihjv ig n. y. sprachen, ist als innigerer und schönerer Aus- druck für sie gerade bezeichnend.

3. Here will den Schlafgott veranlassen, Zeus zu berücken, doch dieser, der peinlichen Situation wohl eingedenk, in die ihn die Ausfüh- rung eines ähnlichen Auftrages schon gebracht, möchte ablehnen. Un- sere Ausgaben bieten hier Aristarch's Lesart: ^ov] yd/) /xs xac äXXo rsrj iniwaazv ifzzjxrj E 249. Das dem Sinne nach in diesem Verse enthal- tene »in einem anderen Falle, ein andermal« äXXorz verlangt Brugman als die ursprüngliche Lesart und beruft sich dabei auf A 590 : T^dr^ ydp jjLS xal äkkoT^ dXs^ipevai ps/iautza \ pTi^'s und i' 90: dXX' rjoi^ pe xal

8*

116 Homer.

äXXozs dooin (pößrjaev \ i^'^lSrjg, er vergisst aber ganz, dass der Begriff des Klugmachens, Warneus {mvuaaeev) in S 249 den Accusativ äUo zu sich nehmen kann, nimmer aber die Begriffe f)7(p£ und (pößrjoz, die nur das Adverbium äkko-e gestatten, dass diese beiden Verba mit jenem also gar nicht in Vergleich zu bringen sind : es bezeichnet das aber das Me- chanische seines Verfahrens, darum für eine dritte Stelle äUors zu ver- langen, weil es an zwei andern, ganz verschiedenen steht. Wenn er darauf verweist, dass schon im Alterthum 3 249 äUors gelesen worden, so sollte er wissen, dass diese Lesart der Alten schon von Aristarch als unmöglich abgefertigt worden ist. Alles Mass übersteigt aber die Leicht- fertigkeit, mit der Brugman mit den Schollen wieder umspringt. Wir erfahren von Herodian, dass Alexion Aristarch's Lesart vorgezogen, die er dann selbst noch erläutert und so abschliesst: rocouzov yäp Xiyec, rjdrj yap [xs xa\ äXXora ij arj kaujfpovtasv svcoXij. Wenn er nun weiter fort- fährt: 6 8k imd-drrjg ntoXejxatog xol ZrjVöBorog <tuv toj i ypdipooaiv, olov rfj afj kvroXfj iawfpövtai ps, so kann doch das nur heissen, wenn er eben im Anschluss an Aristarch's Lesart rzi] emwaaev iferpij bemerkt, Zenodot hätte hier mit dem r gelesen, Zenodot's Lesart sei gewesen rejj imvoaaev i^erp^, in der Aristarch mit seiner eindringenden Schärfe den Dativ in den Nominativ umschrieb und so uns den echten Sinn er- schloss; unmöglich kann man annehmen, Zenodot hätte äXXors jj emvoa- asv i<p£rpj} gelesen, da sich dies von des Parmeniscus Lesart äusserlich gar nicht unterschieden hätte, der f) mit Bezug auf die dritte Person auffasste. Nicht genug, dass Brugman dies Scholion ganz falsch verstan- den hat, dass er Zenodot das Pronomen poss. mit Bezug auf die zweite Person lesen lässt, weil es ihm erwünscht ist, für seinen freieren Ge- brauch, des Possessivpronomens in seinem Zenodot einen Gewährsmann zu haben, missachtet er auch weiter die Ueberlieferung, nach der offen- bar Zenodot imvoans geschrieben, was deutlich aus -^ af] IvroXfj iauxppu- viaeps hervorgeht, und behauptet, man hätte Zenodot »eine sinnlose Schreib- weise aufgebürdet«: »es liegt am Tage, dass der Scholiast über die Lesart des Zenodot und Ptolemaeos nur ungenau unterrichtet war« (S. 64)! nach Brugman »schrieb Zenodot, wenn nicht Alles täuscht, xal äXXod-" k^ enivoaasg i^erp^, und dies ist die echte Les- art«! Ein derartiges Umspringen mit den Schollen, das mit einer so göttlichen, naiven Zuversichtlichkeit auftritt, lässt sich doch ästhetisch nur gemessen, wenn man derartige Untersuchungen für tollen Humor hält! Uebrigens ist Zenodot's von den Schollen uns überlieferte Lesart im Vergleich zu Brugman's Schreibweise noch die sinngemässere, obgleich er sie für sinnlos hält. Denn Zenodot konnte nun und nimmermehr darauf verfallen, den Schlafgott zu Here sagen zu lassen: »Du hast mich gewitzigt«, was ja einzig und allein Zeus gethan; er dachte sich also: »Zeus hat mich gewitzigt, und daran ist dein Auftrag Schuld«, was er durch den Dativus instr. glaubte ausdrücken zu können, aller-

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dings nicht sehr natürlich gesprochen, aber doch noch immer verständi- ger gedacht, als Brugman Zenodot denken lassen will. Wie fein hat hier mit leisester Aenderung Aristarch geschrieben: »Dein Auftrag hat mich klug gemacht.« Gar komisch ist es auch, wie Brugman Aristarch aus der vermeintlichen Zenodot'schen Lesart: »x«; cMo&' kfj imvuaasg i^sTfifj« zu der seinigen kommen lässt: »Aristarch musste sie seiner Theorie zu Lieb ändern: da wegen der Cäsur ein äUo-s a^ nicht anging, so verfiel er auf sein äXXo tetj emvoaczv i^sr/xrjal (S. 64). Also um des cr^ willen verfiel er auf etwas, was ihm sonst gleichgültig war! Ja wenn so mechanisch und schablonenhaft und unlogisch Ari- starch gedacht hätte, wie Brugman es thut, dann wäre das möglich. Wenn das Alles aber so richtig war, wie Brugman es glaubt, warum schrieb Aristarch dann nicht, was doch sich so gar einfach ihm bot: aUo Ts^ imvuffaeg ifernfj'^ Dann wäre ja Alles in Ordnung gewesen? Das hat Brugman ganz übersehen. Wenn auf die Beschwörungen hin, mit denen Brugman an Aristarch herumzerrt, dieser ihm wirklich ein- mal von Angesicht zu Angesicht erscheinen könnte, er würde zu ihm sa- gen: »Du gleichst dem Geist, den du begreifst, nicht mir!«

4. Um die Helden zu ermuthigen, vor dem Zweikampfe mit Hektor nicht zurückzubeben, erzählt der gern auf ein vergangenes, an Aben- teuern reiches Leben zurückblickende Nestor von dem verwegenen Ereu- thalion, dessen Herausforderung die anderen Helden anzunehmen sich gescheut hätten:

ol 8k p.aX irpoiMEov xal idecdcaav ou8d reg erXrj II 151 d^A' ejus &uiiög dv^xs ■noXozXrjixujv tzo^s/xc^scv ^apaei oj- ysvsfj ok vswzaTog iaxov ajtävTuJV.

»Die Andern bebten gar sehr und waren in Furcht und Keiner nahm es auf sich; doch mich trieb mein vielwagender Muth (cfi'. ou8i Tcg zzXi]) an, den Kampf aufzunehmen mit dessen verwegener Tapfer- keit, obgleich ich an Geburt der Jüngste war unter Allen.« Ich fasse ü) = eins anaphorisch, da ich das, was Brugman S. 97 ff. über den für seine Zwecke allein zurechtgemachten Gebrauch des pron. ug sagt, für ganz verfehlt halte. Das Wort &dpaog ist der ganzen Stelle nach für Ereu- thalion's Verhalten besonders characteristisch ; bezogen auf f^oiiog »mein Muth in seiner Verwegenheit«, wie die neueren Herausgeber die Stelle in- terpretireu, halte ich für unrichtig, da dies schon noXo-Xrjjxcov bezeichnet; auch scheint mir das allein Richtige zu sein yzvzi 8h xzX. concessivisch zu fassen. Meine Auffassung ist aber nicht neu, schon im Alterthum ist die Stelle so verstanden worden: cfr. Apollonius r.sp} dvzajv. p. 60, C : iarac o 9rjp.og dvrjxi /ic zw ixacvoo ddpffsc tioXejxs.Tv und Schol. B L zu 153: zivkg 8k dvzc zoT» zip dr.Xijazoi H'jjxüj ojjzo'j, zoö 'Epsrji^aXuovog, p.d- yeadac. Brugman übersetzt so: »mich dagegen trieb der vielaushaltende

1 1 8 Homer.

Muth dazu an, mit meiner Kühnheit den Kampf (gegen den Ereuthaliou) aufzunehmen.« Dass ßdfjcsc cJ nicht zu [h/j.og gehöre, sondern zu tto/Is- fiiCsiv, dafür beruft er sich darauf, »dass Bdpast (5 hinter dem Infi- nitiv steht.« Aus der Stellung diese Beziehung zu folgern verräth eine ebenso kindliche Auffassung, wie wenn Brugmann S. 51 behauptet, r^s euvrjg emßijixevai (huius lectum conscendere) könne darum nicht mit ztvexa rriQ dpezrjg (ob hujus virtutem) verglichen werden, weil hier der Genitiv z^g nicht zwischen eine Präposition und das Substantiv einge- schoben erscheint«! Mpas: w ist darum an den Schluss (also hinter TiohixiZ^tv) gestellt, weil darauf der Nachdruck liegt (signific. Stelle), während i/x£ als das pathetische Wort an der Spitze steht. floh/icCsiv &äpazt w zu verstehen = mit meiner Kühnheit zu kämpfen, ist aber eine sehr verunglückte Auffassung; womit führt man denn sonst den Kampf aus? Das hört sich so an, wie wenn Nestor von den verschiedenen Kampfesmethoden, über die er verfügt, sich eine herauswählt, mit der er es einmal versuchen wollte! Brugman fasst Sapasi als »modalen Aus- druck auf, der die Art des Vorgehens zum Kampf characterisire.« Was soll aber w dabei? ich verstehe wohl fortiter pugnare oder magna cum fortitudine pugnare, aber auch mea fortitudine pugnare? kämpft man bisweilen auch mit eines Andern Tapferkeit? Brugman beruft sich wie- der zum Vergleich auf eine Parallelstelle, die mit der unsrigen aber nichts gemein hat, als das Wort Bapasr. drap phv vuv ye tzoXo Ttpoßi- ßr^xaq aTidvTojv aw ßdpaec. Hier ist ja ddpasc nicht als »modaler Aus- druck«, sondern instrumental zu fassen, wie »praestare alicui aliqua re.« Am bezeichnendsten ist wieder Brugman's souveräne Stellung zu den Schollen. »Diese Auffassung unserer Stelle hat aber höchst wahrschein- lich auch einen alexandrinischen Grammatiker zum Vertreter und zwar wiederum denjenigen, welcher deshalb, weil er dem weiteren Ge- brauch unserer Pronomine unbefangen gegenüberstand, von den Aristarcheern so reichlichen Tadel erfuhr« ! (S. 110). Wir lesen bei Aristonikus zu //153: »^ omXrj^ ort Zr^voSoTog Bdpasc ipw- ddiavurj-cov oh Yivzrai, rj <poyrj jxe d\>eneca£ zw Mpasc zw ifxwa. Brugman behauptet nun, dass Zenodot falsch verstanden sei, »da Zenodot solch hellen Un- verstand nicht beging«, und behauptet, dass Zenodot gleichfalls wie er selbst Mpaec ipw zu nohptZsiv construirt habe. Die Krone von Allem ist aber folgender Satz : »Wenn aber nun klar ist, dass hier wie- der ein Missversändniss vonseiten der Aristarcheer waltet, so darf auch vermuthet werden, dass &. ifiw gar nicht Zenodot's Schreibweise gewesen ist, sondern nur seine Auffassung des B. w, so dass Zenodot «9, w auf ipLs bezog. Alles was von den alten Grammatikern über unsere Stelle erhalten ist, scheint Aus- flugs zu sein von Aristarch's Polemik etc.« Mit derartigem ist im Ernst doch nicht weiter zu rechten! Wir erfahren durch Aristonikus, dass J 104, wo von den beiden Troern Isos und Antiphos die Rede ist,

Textkritisches. 119

für u) r.or' 'Ay^dlsbg ... Txoijiaivnvr in' oäom Xaßtov Zenodot ov ttot' xzX. gelesen habe; daher bemerkt Aristonikus ausdrücklich zum Lemma nocjiacvovT' : rj omXTJ orc rb n^rjpeg r.oi}iatvovrs und mit Rücksicht auf die Lesart Zenodot's ov fügt er hinzu: ZrjvoSorog ok socxs Si^eaSai noc/iac- jxovca- xac jap ov ttots ypdfet: der Ausdruck iotxe Si^ea^ai ist natür- lich und treffend, da ja noiixmvovz" nur aus dem vorangehenden ov zu erklären war. Demgemäss musste Zenodot auch das V. 111 folgende afi singularisch fassen, was wieder Aristonikus uns zu V. 111 mittheilt: rj ScTT^T], ort (T(pi dvrc tou auvobg' xat oux earc mp: ivbg 6 Xoyog. rj de dva^opä Tipbg ZrjvodoTov (104). Man sollte glauben, dass diese Angaben an Genauigkeit nichts zu wünschen übrig lassen. Was thut Brugman? Er streitet alles über Zenodot von Aristonikus Berichtete ab : »wir haben um so mehr Grund der Angabe über die zenodotische Constituirung der ganzen Stelle keinen Glauben beizumessen, da es bei Aristonikus zu 106 heisst: Zrjvooorog Sk eotxe ds^saßac noiixacvovTa«: (S. 21)! Brugman hört hier nur eotxe heraus, dessen Sinn er aber nicht verstan- den! — Sehr naiv scheint auch seine Auffassung der späteren Epiker zu sein, wenn er ihre Eigeuthümlichkeiten im Gebrauche der Pronomina benutzt, um daraus Rückschlüsse für Homer und darüber hinaus zu machen; er scheint wirklich nicht zu wissen, wie diese gerade in gewis- sen Einzelheiten ihre aparten Wege gingen. Auch gegen den alten Schlendrian, in dem heute noch hier und da Schollen citirt werden, schien das Citat zu J 142 gerichtet zu sein. Was z. B. aus Aristonikus' nepl (TTjpeicov 'Ihddog zu den Schollen uns erhalten ist, haben wir ja von Fried- laender zusammengestellt erhalten. Für Viele existirt das aber immer noch nicht, obschon es bereits im Jahre 1853 erschienen ist. Im Sinne Sol- cher lässt unser Verfasser den Aristonikus zu A 142 auch sagen: r>T:vdg fievToc (prjoh 'Apia-zap-^og atpoo Ttazpbg, abzog Se zoü nazpog? Also wie gesagt, ist der Verfasser ein Schalk, der uns nur auf die Probe stel- len will, wie weit wir zu berücken sind, so ist sein Buch, wenn auch für den Zweck etwas lang, aber doch von erheiternder Natur; soll es aber wirklich Ernst sein, ja dann .

31) A. L'udwich, Die Schollen zur Ilias in Wilhelm Dindorf's Bearbeitung. Rhein. Mus. f. Philol. N. F. 32 Bd. S. 1 27 und 160—210.

Der rühmlichst bekannte Verfasser zeigt auf's Neue seine bewährte Meisterschaft auf diesem Gebiet. Seine nie ermüdende, auch das Kleinste mit gleicher Liebe erfassende Sorgfalt ist in den Dienst einer festen und besonnenen Methode gestellt: aus solcher Vereinigung entspringen wahr- haft unantastbare Resultate. Der erste Artikel beschäftigt sich mit einer Prüfung des handschriftlichen Materials, das die Dindorfsche Ausgabe bietet. Ausser einer Reihe von Schollen, die hier nachgetragen werden, werden begründete Ausstellungen an dem Texte gemacht, indem entweder

120 Homer.

in die neue Ausgabe Scholien fälschlich hineingerathen oder fremdartige Zusätze aus anderen Handschriften aufgenommen sind, oder das hand- schriftliche Material ist nicht genau und vollständig und ohne Irrthümer mitgetheilt worden. Der zweite Artikel charakterisirt dann näher die eigentliche Thätigkeit des Herausgebers der Scholien. Er rügt, dass nicht consequent die Unterscheidung der vier verschiedenen Scholien- Arten durchgeführt worden, beleuchtet die willkürliche Behandlung der Lemmata, der kritischen Zeichen, die unkritische Ergänzung der im Yen. A. vorhandenen Lücken aus einer sehr untergeordneten Compilation aus einem cod. Athous und zeigt an einer Fülle von Beispielen, wie ver- derblich für den Herausgeber der Einfluss Cobet's gewesen, dem jener sich widerstandslos hingegeben. Aufs Dringendste sind die beiden Auf- sätze einem jeden Homeriker zum Studium zu empfehlen.

32) L. Friedlaender, De Dindorfii praefatione ad Scholia Veneta et de fragmento Pseudaristoniceo. Regimonti 1876. 4. 4 p.

Welch ein Licht wirft der eine Umstand auf den jüngsten Heraus- geber der Scholien, wenn dieser in der Vorrede Lehrs' grundlegendes Meisterwerk und die homerische Textkritik von J. La Roche als so ziem- lich von gleicher Wichtigkeit betrachtet! Sehr gut macht Friedländer auf dieses Bekenntuiss aufmerksam; ausserdem weist er aus äusseren wie inneren Gründen nach, dass das auf dem 8. Blatt des Cod. Ven. A. erhaltene Fragment nicht, wie Dindorf nach dem Vorgange Cobet's an- nahm, ein Stück aus der Einleitung von Aristonikus' Werk mp] (tt^/jleciuv sei, sondern für das Zeitalter des Tzetzes und des Eustathius schlecht genug sei.

33) Hingewiesen sei ferner auf die eingehende, aus der kundigen Feder A. Römer's stammende und belehrende Recension von W. Din- dorf's Ausgabe der Scholien zur Ilias. (Fleckeisen's N. Jahrb. Bd. 113. 1876. S. 433-452.)

34) Max Iskrzycki, Zu den Scholien der Odyssee. Zeitschr. f. d. österr. Gymn. XXVHL 1877. S. 83—100.

Ein sehr dankenswerther Aufsatz, dessen Verfasser uns Mittheilung macht über eine von ihm verglichene Odyssee -Handschrift, die sich in der Krakauer Universitätsbibliothek befindet. Sie ist 1469 zu Rom ge- schrieben von einem spartanischen Emigranten, Namens Demetrius Tri- boles; später gelangte sie in den Besitz eines Krakauer Professors, der sie der Universität vermachte. Die Handschrift enthält den Text der Odyssee, der in den Büchern a x am meisten mit cod. Vind. No. 50 (A. bei J. La Roche) stimmt, in der zweiten Hälfte dagegen mit cod. Ven. bibl. Marc. N. 457(1), und Scholien und Glossen, die am zahlreichsten zu den Büchern a—y fliessen; mit o 9 hören die Bemerkungen fast ganz auf; in t kommen dieselben wieder zum Vorschein und reichen von da

Grammatisches. 121

allerdings spärlich, meist in Form von Glossen, bis an den Schluss der Odyssee. Neue Schollen bietet die Krakauer Handschrift nur in geringer Zahl. Nach dem Verfasser hat Demetrius Triboles entweder mehrere Exemplare benutzt oder aus einem Exemplar geschöpft, dessen Schollen reichhaltiger waren als die bereits verglichenen Handschriften, und die Proben, die der Verfasser aus den Scholien mittheilt, lassen uns in der Handschrift einen werthvollen Beitrag für die Odyssee-Scholien erhoffen. Der Verfasser verheisst uns in einer besonderen Abhandlung die voll- ständige Collation dieser Handschrift; möchte er sein Versprechen bald lösen. Schliesslich sei noch der Emendation Erwähnung gethan: ISüug für rjddiog zu /5 195 (Dind. S. 99, 25) und zu 5 365 , das Angelo Mai bereits zu c 220 (Buttm. S. 318) vorgeschlagen hat. Der Fehler wurde durch den Itacismus hervorgerufen.

35) E. Gotschlich, Ueber die älteste Odyssee -Handschrift der Laurentianischen Bibliothek. (Fleckeisen's N. Jahrb. Bd. 113. S. 21--27).

Von dieser dem 10. Jahrhundert angehörenden Handschrift (plut. XXXn, No. 24), die von Gotschlich kurz beschrieben wird, wird die voll- ständige Collation der Gesänge a ß y C mitgetheilt. Gotschlich hat leider nicht die ganze Handschrift an Ort und Stelle vergleichen können, und sich darauf beschränken müssen, solche Stellen aus den Gesängen d e rj—n auszuwählen, »an denen Kayser auf Grund besserer handschriftlicher Ueberlieferung oder im Anschluss an Aristarch von der Vulgata abge- wichen ist« ; diese Stellen werden mitgetheilt. Gotschlich zählt die Hand- schrift »den besten« zu, einmal mit Rücksicht auf das Alter derselben, sodann weil sie eine Reihe aristarchischer Lesarten bietet, »von denen eine (o 128 xsTaHac) von ihr allein überliefert ist, und weil sie an zahl- reichen Stellen mit den besten Handschriften, mit der des Eustathius und dem Harleianus, übereinstimmt«.

III. Grammatisches.

36) Dr. Ose. Grulich, Quaestiones de quodam Hiatus genere in Homeri carminibus. Halis Sax. 1876. 86 S. Append. 37 S.

Im Anschluss an Hartel's homerische Studien H, HI untersucht der Verfasser das Vorkommen der langen Vokale oder Diphthonge ac, Ol, ä, ec, ao, oo, so, co, a, w, r], 37, jyu vor Vokalen und belegt mit über- sichtlichen Tabellen, ob jene ihre Länge bewahren oder verkürzen. Solche Untersuchungen sind nicht mit rohem Durchzählen allein zu füh- ren; wenn sie von Werth sein sollen, muss zum Fleiss ein fein die Er- scheinungen erwägendes, gebildetes Urtheil hinzutreten, wie es hier bei dem Verfasser zusammentrifft. So berücksichtigt er bei dieser Frage Caesur, Arsis, Thesis, Interpunction, Wichtigkeit der Diphthonge, Hiatus

122 Homer.

und bringt für die einzelnen Fälle dadurch modificirte Tabellen. Dass hier aucli manches Subjective übrig bleibt, was nicht Jeden überzeugen wird, z. B. was der Verfasser über die Aufhebung des Hiatus sagt, ist natürlich; solche Arbeiten liefern aber dankenswerthe Beiträge zur Er- kenutniss des homerischen Verses und der Sprache und sind unendlich wichtiger als die so überhand nehmenden Programme zur höheren Kri- tik. Die 37 Seiten zählende appendix bringt überpeinliche, mit dem mühsamsten Fleisse angefertigte Tabellen.

37) Franz Härder, De Alpha vocali apud Homerum producta. Dissert. inaugur. Halis Saxonum. 1876. p. 106.

Eine fleissige und gründliche sprachwissenschaftliche Doctordisser- tation, in welcher der Verfasser sorgfältige Benutzung der Literatur verbunden mit selbstständigem, massvollem Urtheile aufweist. In ge- nauen Zusammenstellungen werden die Erscheinungsformen von « er- örtert (Contraction , Ausfall von v, vr (r), der Spiranten / und y) bis Seite 68, dann folgen Untersuchungen über einzelne Wörter, bei denen die Gesetze für die Verlängerung nicht sicher sich nachweisen lassen, z. B. ä/iacü, St. Wz äp {dpä<Ti9ai), "Apr^g, äSr^v, äcu, adrjxoTsg, idio, ia u. s. W., dann 7:o?.u7Tdp.(uv, dp.ög, (päpog ^ 'Am^Xojv, avT^p^ über den Dativ S. von (TS?iag, oenag, yrjpag, xipag; über vr^ug; über äXro; äcraov, fxäcraov, Häaaov^ IxäXXov; ^afxä^s. Der Versuch S. 19 ff. dyxdg als dat. plur. aufzufassen und djxda' zu schreiben, ist misslungen. Uebrigens hat der Verfasser nicht erwähnt, dass dyxdai bereits von Oppian Hai. H, 315 gebildet ist. Ein das Nachschlagen erleichternder Index wäre höchst wünschens- werth gewesen.

38) C. Capelle, Beiträge zur homerischen Syntax 1. 5, or', or;, öze. Philol. XXXVI. 1877. S. 193-209.

o, o-', oTc, von Hause aus Accusative des Relativpronomens, werden in ihrer weiteren Entwickelung bis zu der Bedeutung »dass« verfolgt. Die ursprüngliche Bedeutung »in welcher Beziehung«, die in »weshalb« übergeht, wird für ö an drei Stellen ^206, <t [332] 392 angenommen. Daran werden angeschlossen Beispiele, wo 0, or', on in Reden mo- tivirend steht, ursprünglich in dem Sinne »in Beziehung darauf, dass«, »was ich deshalb sage, weil« z. B. 0 150, J 32, ^ 90, (p 254, 77 35, 0 411, 488, ?r484, ß240, £ 340, l^ 54 u. s. w.; ferner die Fälle, wo o, öt\ ozc, nach Ausdrücken der Gemüthsstimmung oder der Aeusserung derselben causal steht = in der Beziehung, dass z. B. / 534, A 244, A 56, & 238, ^103 u. s. v/. ; sodann der explicative Gebrauch gleichfalls von der Bedeutung »in der Beziehung dass« ausgehend, z. B. 77 120, ß 45, A 412, P 642 u. s. w. Schliesslich gehen die Worte in die abstracteste und all- gemeinste Bedeutung »dass« über und büssen das »in der Beziehung« ganz ein, z. B. E 433, 331, A 537, Z 230 u. s. w. Ferner wird nachzu-

Grammatisches. 123

weisen gesucht, dass auch für ore im Homer es Beispiele giebt, in denen dieses Wort in einer noch nicht temporalen, sondern seinem ursprüng- lichen Sinne näher kommenden Bedeutung gebraucht wird. Das ist der Fall 1) in scg ozs xsv 99, r 144, o) 134), 2) in Ttpcv j ors, das unter dem Vorbilde von sig ors sich entwickelt haben soll, 3) für einfaches oTS = in der Beziehung, dass e 358, A 518, P 627, /7 433, 8 263. War der o7c-Satz ursprünglich postpositiv und schloss er sich oft an eine im Hauptsatz gegebene Zeitbestimmung an, so gewöhnte mau sich allmälig 07S auch da zu gehrauchen, wo der Hauptsatz eine solche Zeitbestimmung nicht enthielt, und in der Conjunction selbst eine temporale Bedeutung zu empfinden. Indem so der Verfasser die Worte o, ot', otc und ors unter einem einheitlichen Gesichtspunkt zusammengefasst hat, lässt er die Bekker'sche Schreibweise o t' o tb zur Unterscheidung von dem temporalen ors zwar als orthographische Erleichterung des Verständnisses gelten, theilt ihr aber insofern einen zweifelhaften Werth zu, als durch dieselbe in eine zusammenhängende Entwickelung ein Riss gemacht wird.

39) C. Meier heim. De infinitivo Homerico. Specimen alterum. Progr. des Gymn. Georgian. zu Lingen. Ost. 1876. 4. 13 S.

Die Schrift ist eine Fortsetzung der Göttingen 1875 erschienenen Abhandlung de infinitivo Homerico capita HI. Sie sucht in dem ersten Abschnitt »de infinitivo substantivo« (p. 1 11) an Beisisielen nachzuweisen, dass in dem Infinitiv bei Homer die verbale Natur vorwiege, dass an keiner Stelle der Infinitiv substantivisch zu fassen sei. Im zweiten Ab- schnitt »de accusativo cum infinitivo« (p. 11-13) wird der Accusativ in der Construction des acc. c. inf. proleptisch zum Verbum fiuitum gezogen, aber nicht als wirkliches Object, auch nicht als Accusativus relationis, sondern als in der Mitte stehend aufgefasst. Die Abhandlung bietet nichts Neues, auch bleibt die Untersuchung an der Oberfläche.

40) Frid. Rob Richter, Quaestiones Homericae. Progr. des Gymnas. zu Chemnitz 1876. I. de particula npiv. 28 S.

S. 1 und 2 über Quantität (hier hätte genau bestimmt werden sollen, auf welche Fälle die Verlängerung von r.ptv beschränkt ist und wie sich dazu das adverbiale und die Conjunction nfuv verhalten) und Etymologie {npoiov comparat. nach Hoffmann und Curtius), S. 3-10 über den ad- verbialen Gebrauch von npcv {to npcv, to npcv ye, ixpiv r.oze zweimal (f 4 und o 225 in Verbindung mit vakiv dX),a m)kh Tiph I 250, A 236, iV 161, y5l67); dass 7^306 und ß 800 Tipiv mit »zu früh« zu übersetzen sein soll, ist unrichtig, wie überhauiJt hier zu viele Bedeutungen auf- gestellt werden. S. 16 28 über npiv als Conjunction und zwar S. 11 bis 20 npiv mit dem Infin. 80 mal, 1) mit Correlation (stets inf. aor., nur A 97, T 479 inf. praes.): mit vorangehendem nptv (16 mal, davon 13 mal Ol) (jirj) TtpLv - npcv) dreimal tt^/v Tiptv i?348, 6^452, t585; einmal

1 24 Homer.

izptv npiv y' ^ E 287, einmal oo -npiv dXK' o-noz' äv Srj 11 61), Ttpiv (dreimal /403 = A'lSö, 0 72), oo ndpoQ ys. npiv ye (dreimal E 218, ß 127 fast = a 288 im Hauptsatze fut.), ob npüaßsv rrptv {p 7, <p 138), TTporepog [X 88), (pMvio c. partic. (7/322), -6(ppa {0 100); 2) ohne Correlation nach einem affirmat. Hauptsatze (25 mal 8 mal in Ilias, 17 mal in der Odyssee, überall mit infiu. aor), nach negativ. (25 mal 14 II., 11 Od., stets inf. aor.). Das Subject ist bei Tipcv c. inf. zweimal ausge- lassen trotz Subjectswechsels: .4 97, 0 55Q, was aus dem Gedanken er- klärt wird. np/v am Anfang des Verses durch ys hervorgehoben 20 mal, durch mp einmal 585). S. 21 23 über 7:piv c. conj. aor. ohne äv, ohne x£v stets nach negativem Hauptsatz, dessen Eintreten an das des Nebensatzes gebunden ist, der aber als bestimmt nothwendig eintretend gedacht wird (6 mal stets mit Correlation im Hauptsatze, 2 mal ou {jirj) Tipcv npcv 2 189 f., 781, 3 mal ou (jxrj) mu npcv I 134 f., x 174 f., v335f., einmal ob npoa^ev Tcpcv p 7 f.) S. 24 aber nptv c. opt. aor. (einmal 0 579) Modus der indirecten Kede. S. 25—28 über nptv y' ö-s, damit verbindet sich Srj (ausgenommen v 320 und in der Formel npiv y' ot' äv c. conj. aor. 2 mal /5 374, 5 477) stets am Anfange des Verses, nach negativem und positivem Hauptsatze mit indic. aor. jW437, ^42, /588, mit opt. aor. (von der Wiederholung /485). Der Verfasser ver- spricht in seinem Titel weitere Fortsetzungen.

41) J. H. Skerlo, Oberlehrer am Gymn. zu Graudenz, Homerische Verba. 1. Heft. 1. öUopi. 2. oTrdZoj. 3. rMpetv. S. 38. Graudenz, in Commission bei Jul. Saebel. 1876.

In diesem Schriftchen führt der Verfasser aus, dass er »durch immer tieferes Eindringen das einfache, die gesammte homerische Sprache be- herrschende Grundgesetz gefunden« habe. Referent möchte hier nur Fol- gendes verrathen: »Das Kind schlägt, der Mann schlägt, die Männer schlagen: immer ist es dasselbe Verbum, aber der Schlag selbst und seine Wirkung auf das Object muss eine sehr verschiedene werden, je nachdem ein Kind, ein Mann oder gar Männer schlagen. Wenn es bei Homer iV363 von Idomeneus heisst 7:i<pvB yäp VHpoov^a, so könnte es nach homerischem Sprachgebrauch nicht auch heissen 'AnoUcov niipvev 'O^puovrja. Denn wenn Idomeneus dadurch, dass er die Handlung des Ttiipvzv vollzieht, schon einen Krieger erlegt, so würde, wenn ein Gott dieselbe Handlung vollzieht, die Wirkung eine zu grosse werden. Wohl aber kann der Dichter diese Verbalform auch von einem Gette ge- brauchen, wenn er die Kraft derselben durch Hinzufügen des Augments abschwächt. So lesen wir <p 36 mnv yäp Jthg mag imipvtv ^'l(pixov. Hier findet eigentlich noch eine zweite Abschwächung des zu starken Subjects statt. Diese liegt in dem Worte oloq das Kind des Zeus. Es ist ein wesentlicher Unterschied auch für den Sinn, ob der Dichter sagt 'A^acoc oder uhs 'A;(ac<Juv(i. S. 2.

Lexikalisches. 125

42) Derselbe Verfasser behandelt Philologus, Bd. 35, Jahrg. 1876, S. 559 ff. in demselben Sinne die Formel o 8' imcza /xsr Xyyta ßdtve Moco, die viermal /5 406, ^30, s 193, jj 38 von Sterblichen vorkommt, die Göttinnen nachschreiten; es wird uns eröffnet, dass die versteckte Form des Praeteritums ßaTvz darum gebraucht sei, »weil die Sterblichen nur mit Anstrengung aller Kräfte gleichen Schritt zu halten d. i. in die Fusstapfen derselben zu treten vermögen«.

43) C. Heraeus, Homerisches Elementarbuch. Zur Einführung in die Homerlectüre zusammengestellt. Berlin, 1876. 8. 80 S.

Das Buch verdankt seine Entstehung der sehr wohlgemeinten Ab- sicht, den Obertertianer auf leichtere Weise in die Homerlectüre so ein- zuführen, dass er hinterher allein im Stande sei, sich in der Odyssee selbstständig vorzubereiten, ohne zu unerlaubten Hilfsmitteln seine Zu- flucht zu nehmen. Es enthält einen Abriss der epischen Formenlehre und giebt vom 1. und 13. Buch der Odyssee die als unbekannt voraus- zusetzenden Vokabeln der ersten 50 resp. 100 Verse und die gramma- tische Präparation. Manches möchte man wohl in den Ausdrücken und der Fassung anders wünschen; z.B. «44: ylaux^mq »mit leuchtenden« oder »mit funkelnden Augen« oder »lichtäugig, helläugig«; nach Andern: »eulenäugig«; soll etwa der Obertertianer seine Wahl hieraus treffen? und so überall, wo die Ansichten neben einander aufgeführt werden. Manches aus der Lehre der Modi dürfte auch für den Standpunkt, für den das Buch berechnet ist, zu früh kommen. Jedoch welcher Lehrer, dem die interessante Aufgabe zufällt, den Schüler in den Homer einzu- führen, wird durch Zugrundelegung einer fremden Vorlage seine eigene Thätigkeit fesseln wollen? Angenommen, es würde durch Einführung dieses Büchelchens Zeit gespart werden: jedenfalls verlieren aber die Schüler damit auch die lebendige und unmittelbare Anregung durch den Lehrer, und wer bürgt dafür, dass man nicht durch solche Grundlage dem Schematismus und der Langeweile Thür und Thor geöffnet hat?

Was der Verfasser voraus bemerkt über die Handhabung der Prä- paration für den Standpunkt der Obertertia, damit stimmt Referent durch- aus überein.

IV. Lexikalisches.

43) Lexicon Homericum composuerunt C. Capelle, A. Eberhard, E. Eberhard, B. Giseke, V. H. Koch, Fr. Schnorr de Carolsfeld. edidit H. Ebeling. Lipsiae. 8. Fasciculi XI et XH. 1876. p. 577—688. Voluminis n. Fasciculi I et H. 1876. p. 1-112. Fasciculi HI et IV. 1877. p. 113—224.

Das für alle homerische Studien unentbehrliche Lexicon hat seinen rüstigen Fortgang genommen. Fase. XI et XII gehen von Doiio^pböpoq

126 Homer.

bis xa-uniaBe, fasc. I et II von 6 ij x6 bis oy^^y, fasc. III et IV von ohpiayog bis Tipiv. Nichts nützen würde es, bei einem solchen Werke hier auf Einzelheiten einzugehen : über alles Lob erhaben ist der Fleiss, der bei der Zusammenstellung der meisten Artikel thätig gewesen ist; man hat freilich häufig zu wünschen mehr kritische Sichtung als Fülle des Materials.

44) Dr. Georg Autenrieth, Wörterbuch zu den Homerischen Gedichten. Für den Schulgebrauch bearbeitet. Mit vielen Holzschnitten und zwei Karten. Zweite verbesserte Auflage. Leipzig. B. G. Teub- ner 1877. 8. XIV. 315 S.

Der ersten Auflage von 1873 (vgl. Jahresbericht 1873, S. 939 f.) ist die zweite verbesserte und vermehrte Auflage nach vier Jahren ge- folgt, indem für sie das inzwischen erschienene Material allzu gewissen- haft und nicht immer mit kritischem Sinne verwerthet ist. Für ein Schulbuch ist strenge Auswahl des thatsächlich Feststehenden oder allge- mein Gültigen, völliger Ausschluss alles Hypothetischen erstes Gesetz. So hätte der Verfasser Brugman's tiefeingreifendeu Vermuthungen gegen- über auf seiner Hut sein und z. B. beim Artikel nicht von »Aristarch's Textänderung aus Verkennung der allgemeinen Verwendung des pron. poss. Ob"« sprechen oder krjog nicht von ksOg = katüg lat. eri ableiten sollen; denn letzteres ist nicht bloss Hypothese, sondern ergiebt sich für. den Prüfenden als einfach falsch. Ebenso ist in den Etymologien für die Schule viel zu viel gethan. Statt der Berücksichtigung all der vereinzelten Bemerkungen würde eine auf Grund der vorkommenden Stelle vorzunehmende Durcharbeitung einzelner Artikel mehr am Platze gewesen, sein: dann hätte das Buch statt au Fülle und Breite an Tiefe gewonnen. So erweist sich z. B. der Artikel £8va als völlig ungenau und unzureichend: sollte der Verfasser zu No. 1 »Geschenke des Freiers an die Braut« die Stellen anführen, er würde gewiss in Verlegenheit gerathen. Die Begriffe vifieacg dc'xr], oßptg^ jxoTpa, (pöatg, wpa^ M/ieg, daipojv bedurften einer tieferen Durcharbeitung. Auch die Abbildungen haben eine erheblichere Vermehrung erfahren, besonders durch Aufnahme der von Schliemann in Hissarlik gefundenen Geräthschaften. Gehören aber die zum Theil unförmlichen und primitiven Schalen, Krüge, Töpfe, Schnallen in ein HomerlexiconV wird das Verständniss des Schülers durch die unter »rdkav-ov Gewicht, Pfund« beigegebenen sechs schwarzen Kleckse irgendwie gefördert? Wie das Illustrationswesen in unserer Zeit überhaupt Ueberhand nimmt und nicht zum Frommen des Lesers, dessen Phantasie auch gar kein Spielraum mehr gegeben wird, so auch hier. Ist es nöthig, einem Schüler vorzumalen, wie ein Deckel, oder der Ueber- zug eines Köchers, wie ein Stab, wie ein Drellbohrer, eine Fackel, eine Streitaxt, drei Perlen, eine Stickerei, eine fünfzinkige Gabel, um die Fleisch gesteckt ist, ein Kopf band, eine phrygische Mütze, wie ein knie-

Lexikalisches. 127

fällig Bittender, ein Betender aussieht, wie man einem Thier das Mes- ser in die Brust stösst, wie man eine Opferschale unterhält, um Blut aufzufangen, wie man eine Schleuder hält, wie man einen Bogen anlegt u. s. w. u. s. w.? Und das Alles wird meistens durch ganze Bilder ver- deutlicht, an denen die betreffende Einzelheit einen verschwindenden Theil ausmacht. Solche Illustrationen hält Referent für überflüssig und nicht viel mehr als Spielerei. Aber besonders kann er nicht beistimmen, wenn sie aus dem ägyptischen oder assyrischen Alterthum geholt wer- den: diese müssen den Augen des Schülers, der sich mit Homer be- schäftigt, fern gehalten werden, mag die Frage über den Zusammenhang des Griechenvolkes mit Aegypten auch noch so sehr die Gelehrten be- schäftigen. Ferner scheinen dem Referenten Bilder im archaischen und archaistischen Stil für die Schule ganz unzweckmässig zu sein: Bilder wie Agamemnon und Talthybios müssen dem Schüler, der kein Interesse haben kann für die historische Entwickeluug der Kunst, geradezu lächer- lich vorkommen: man zeige ihm den hohen Stil der vollendeten Kunst, der mit der die ganze Schönheit des künstlerisch gerichteten Griechen und seinen Sinn bereits enthüllenden Dichtung Horaer's auf gleicher Höhe steht. Endlich hüte man sich vor componirten, von moderner Re- flexion geborenen Bildern : Zeichnungen, wie die unter yovrj (S. 73) oder auch vom Saale des Odysseus, machen auf den Referenten einen durch- aus unwahren Eindruck.

45) Homeric Dictionary. For use in schools and Colleges from the German of Dr. Georg Autenrieth translated, with additions and corrections by Robert P. Keep. New-York 1877.

Ein vortrefflich ausgestattetes Buch. Der Uebersetzer von der ersten Auflage von Autenrieth's Homerlexicon war früher Gesandter der vereinigten Staaten in Athen und bekleidet jetzt eine Professur am Wil- liston-Seminary in Easthampton in Nordamerika: die Arbeit erhebt sich weit über die gewöhnliche üebersetzungsliteratur und zeigt überall sorg- fältige Studien. Die reichen Berichtigungen Keep's sind der zweiten Auflage Autenrieth's zu Gute gekommen. Sehr zweckmässig hat Keep jede Illustration nur einmal und verweist einfach an anderer Stelle auf dieselbe, während Autenrieth dieselben vielfach bei verschiedenen Ge- legenheiten verwerthet. Auch fehlen, was gleichfalls nicht zum Nachtheil gereicht, die beiden Tafeln: Schiffslager der Griechen und Aufstellung der Troer, die Autenrieth von Nikolaides entnahm. Dafür hat Keep ein Stück aus dem Phidias'schen Parthenonfries und eine Abbildung vom homerischen Schiff (aus Merry's Odyssee): derartige Darstellungen wie diese letztere empfehlen sich allerdings ausserordentlich. Endlich bringt er noch eine Karte von der Ebene Troja's aus Kiepert's Atlas von Hel- las, Berlin 1872, während die zweite Auflage von Autenrieth die heutige Ebene von Troja nach Spratt von Christ neu enthält.

128 Homer.

46) A. Goebel, Homerische Etymologien, Zeitschr. f. d. Gymnasial- wesen. 30. Jahrgang 1876. S. 237— 257.

TjXißa-zog von Wz dX- und ßdrog Dorngestrüpp = irrende Dor- nen, irrendes Gestrüpp habend, irrdornig, dornenumrankt, mit Gestrüpp bewachsen.

äujpoi (/i89 von den Füssen der Skylla), von Wz o^, /o/j, alts. wär-on, nhd. ge-wahren = nicht gewahrbar, unsichtbar (= dem späteren d-up-a-Tog).

nav-awpiog {an. Xey. Q 540: eva Tialda zixev Tiavawptov) hängt mit dcopog zusammen: Achill ist für Peleus ein naTg navafwpcog , ein Sohn, dessen er gar nicht inne, gar nicht gewahr wird, gar nicht ge- wahrbar. (!)

ii'aog von Wz fcS, vldere, wie u(pcog von an mittelst Sufif. (Tcog so aus i-fcd-criog., i-f/acog bezw. i-fcajog, i-fc(Tog = spectabilis, conspicuus, also damg ndvzoa itcnj = nach allen Seiten hin sichtbar, blinkend, fpivag ivdov Haag =■■ den drinnen sichtlichen, den drinnen hervorleuchtenden Geist ; in v^eg icaai, dacrsg icaac ist icaac = prächtig, stattlich.

47) A. Göbel, Philol. Bd. 36, 1. Heft. S. 32-63.

ddu) von dfdü) {dfdC(o) Wind machen, hauchen, athmen, dunsten, umdunsten, benebeln, bethören.

''Att^ {dfdrrj) Benebelung, Umduustung, Verblendung, Geistesver- wirrung. — dz- EU) verblendet, bethört sein {d-iovra ist w zu messen

mit Synizese von so). ddazog (w _ ^ ^) dfarog {a int. d-dfä-zog ganz bethört, verrückt, d. äs^Xog (^91, x ^) der verrückte Kampf; bei

d. Izuyog uSiup E 2ll ist ddazog (w w) dfä-zog neben dfä-zog für

dfaazog von dfa^co und daran mit a cop. und Längung des Stammlauts d-d-äzog = umdunstet, umnebelt, dumpfig, dämmerig mit rjspöscg {df-r^p, df) von i Urwurzel. äzog (mit mXi/ioto Beiwort des Ares) W df, fa, /a-ros" mit verstärktem Präfix d =ä-fä-zog, ä-a-zog (www) aushauchen, schnauben, nach etwas schnauben, trachten lat. av-ere = anhelare aspi- rare; dazog noXiiioco = avidus belli, zusammengezogen zu äzog. ärjzog {0 395 &dp(jog) W d/, äf-rj-zog {df-fj-pt, df-rj-zr^g wehen, stür- men) rasend. aY-r]-zog zu ä-rj-zog feurig (da Feuer und Flamme sichtbarer Hauch) aY. niXcjp feuriges, glühendes Ungethüm. ah 6g Wa/. df-tvog, alvog wüthig, stürmisch (saevus graus, heftig). alv-ap- i-zrjg (i731) der Grausstifter, Unheilstifter. ahog W df aushauchen, rufen al-vog: dtco = xXiog : xXüu). inaivog von in-auo = alvog; inacvog von inaciu auf etwas hören = incxXuzog {in-ac-vog: inaYuj = xXu-zog: xXöü)) inclitus.

48) A. Göbel, Ueber den homerischen IJoaecddojv yatrpxog ivvo- myacog. Zeitschr. f. d. östr. Gymnasien. 27. Jahrgang 1876. S. 241 52.

yatr'iOiog von Wz fz^ i"^^ f"X^S Wagen, fo^sco fahren) uud

Lexikalisches. 129

yairj mit Locativ-Bedeutung = der auf der Erde dahinfahrende ; da- nach soll sich für yairjoy^og xoavoyaizrjg »eine überraschend grossartige Vorstellung aufthun:« das stahlfarbige Gewölk ist es, was die gewaltige Wassergottheit als mit stahlfarbeuen Locken ausgestattet erscheinen lässt, und so ausgestattet fährt er über die Erde dahin, ist er yaty^oyog xoa- voiakiqq. ivvoatyatoq mA ivoac^B^cuv von Wz sna (vdcu im (Tvdfcu fliessen, voTc'rj Nässe) = erdenetzend, Erdebewässerer »diese Nebenein- anderstellung rio(Tsc8d(ov yacT^foyog ivvoaiyaiog , der über die Erde da- hinfahrende, die Erde netzende Poseidon bietet in ihren paar Worten eine Naturschilderung, die an Gross artigkeit und erschöpfender Vollstän- digkeit vergebens ihres Gleichen sucht«. elvoalipolloq von dersel- ben Wz. bedeutet »feuchtlaubig« und da der Begriff »neu und frisch« aus dem Begriff »nass« hervorgehen kann, so ist auch ivvsa auf diese Wz. zurückzuführen; denn »neun, ivvsa, novem ... ist soviel als neue Zahl.«

49) A. Göbel, yivzo, Fleckeisen's Neue Jahrbücher, Bd. 113. 1876. S. 173 f.

ydvTo (das in Verbindungen von Ifidad^Xrjv^ ooüps, pacaz^pa, nopd- ypr^v vorkommt), von Wz. yzv erzeugen, schaffen (sich verschaffen), der wie rsx, zux, ro/ erzeugen, treffen, zielen, bereiten, erlangen, die- selbe Begriffsmodification zuertheilt wird: »es kommt auf eins hinaus, ob wir setzen: ydvro = er zielte, langte nach der Peitsche u. s. w., oder = er schaffte sich (verschaffte sich), nahm, fasste die Peitsche u. s. w.«

50) F. Schmalfeld, Beiträge zur homerischen Worterklärung. Philol. XXXIV, 1876. S. 577-598.

1. ddcvog (dorjv) = in genügender Masse, Menge, Stärke, Heftig- keit, also geht der Begriff' der extensiven Masse da, wo dScvog auf Stim- men und Töne übertragen wird, in den intensiven Begriff der Stärke und Heftigkeit über; so werden die ddivai Zzcprjvsg als »in Herz und Seele dringende» Sängeriimen aufgefasst, während dStvuv xr^p »das ewig bewegte, immer auf- und abwogende, ruhelose Herz« ist (!)

2. dphiiLov (/XU«;, xazapLu) die Äugen schliessen , als Act des Schreckens, der Furcht, der Schaam) unerschrocken, muthig, entschlossen, energisch; als Beiwort des Asklepios = vorzüglich tüchtig; von der Mut- ter des Satnios, einer Nymphe (5 444) geschickt (im Weben) ; Aegisthos ist dpLixiuv als Tidvza zoXfjLoJv frevelmüthig, frech; dpüpcuv von Völkern, insofern, als sie die Augen vor andern Völkern nicht niederschlügen (!), daher glücklich, glänzend, oder unerschrocken; endlich bei un- persönlichen Gegenständen je nach Bedürfniss: unerschrocken, ge- rade und offen, frisch und fröhlich, sicher {ttoptt^), geschickt, in die Augen fallend {zupßog) , herrlich, reich und glänzend kurz um Ausdrücke ist der Verfasser nicht verlegen!

Jahresbericht für Alterthums-Wissenschaft 1877. I. 9

130 Homer.

3. xXozoTXEÖeiv (von einem ausser Gebrauch gekommenen KjIOQ xXwl^w und -onzüeiv Weiterbildung von 'Etioj) Gesponnenes sagen ( !) = lang und breit ausgesponnene Reden halten, end- und zwecklos schwatzen,

51) Fr. Schmalfeld, Zehn homerische Wörter nach Abstammung und Bedeutung erklärt. Fleckeisen's Jahrb. f. class. Philol. VIII Suppl. 2. Heft. Leipzig 1876. S. 293—307.

vT^yd-Bog von Wz. snih, part. snigdha = glänzend, mit Oel ge- salbt (nitens), strahlend, blitzend. Ebenso wird vix-ap auf diese Wurzel zurückgeführt und bedeutet ein Getränk, das durch Farbenglanz, Feinheit des Stoffes, Geschmack und Geruch vor dem groben Weine der Sterb- lichen sich ebenso auszeichnete, wie das feinste duftigste Salböl vor dem von den Menschen genossenen Fett der Thiere (!); vexTaptog Tzin^oQ das duftige Gewand.

^X*^' '%" Berg in Euböa und "Oaaa Berg in Thessalien sind we- sentlich gleichbedeutend = hervorragende Spitze . und weil u^n sich zu d^ög verhält, wie or/^a zu oiqog etc., wäre somit u^»- = spitz d. h. in scharf hervorragender Weise.

ri&acßaxraetv (v 106 n&atßuxTaotxTc iLihaaat) von Wz ^a = setzen = ponere sedem im Sinne von »bauen«, zusammenhängend mit favus Zelle, Bau {&aß6g, das aber nicht vorkommt).

d^rjX^^ von Wz d^ (dCoj) und ^/sco zunächst = heiser tönend (schreiend), Attribut eines Schreiens, bei welchem die Stimme »trocken«, also »heiser« wird, das ein »ununterbrochen anhaltendes, beharrliches« ist; vom Iros (t 3) d^r^^kg (payiiiev xal mi/isv, weil er »unter unablässi- gem Schreien, nämlich nach mehr, ass und trank«.

vTjSuixog von Wz du (vexare, dolore afficere, contristare vgl. ddüvrj) Surj also »ein nicht von Sorgen oder Bekümmernissen beunruhigter Schlaf.«

xprjyoov von Stamm xpa- oder xprj- (wozu auch xptiaacov gehört) gut; also y>xpa-y-üg gut, heilbringend, neben welchem sich dann xprj- yuog bildete.«

atScog von dC-w (hören, zu hören glauben, begreifen) mit euphon. 8 = Gefühl, Verständniss, aber vorzugsweise in Beziehung auf das Schickliche. Mit Düntzer leitet Schmalfeld auch a7[ia>v von di'aiv ab {aTiiiov &rjprjg E 49 gleichbedeutend mit dw^jicov B-^prjg).

dcpaopug von Wz (pap- = &£p- oder {^ap-, fer- in ferveo, fervor {(fdp'jpng) also d<faup6g durch Metathesis aus dcpafpog entstanden = im Gefühl der Schwäche ohne Muth zum Handeln, ohne Thatkraft, matt.

Die unter den letzten Nummern mitgetheilten Etymologien enthal- ten fast durchweg wenig Ueberzeugendes; die Ableitungen und Bedeu- tungen werden mehr nach modernen Vorurtheilen ausgeklügelt als aus richtigem Sprachgefühl erschlossen.

Lexikalisches. 131

52) Leo Meyer, lieber die griechischen, insbesondere die home- rischen Nomina auf eu. Beiträge zur Kunde der indogermanischen Sprachen. Herausgegeben von Dr. A. Bezzeuberger, 1 Band 1877. Göttingen.

Aus Verbindungen wie Tpans^^fsg xwec, ^aXxrjfsg ävopsg etc. wird geschlossen, dass »die später ganz ausgeprägt substantivisch gebrauch- ten griechischen Nominalbildungen auf su in alter Zeit der adjecti vischen Beweglichkeit noch nicht ganz entkleidet sind.« Vor / steht bei Homer in der Regel rj, so dass man eigentlich von Grundformen auf rjf statt auf sf sprechen sollte. Sie tragen das »Gepräge der Abgeleitetheit« z. B. X'^^^^jf weist auf /dXxo zurück »der mit dem Erz zu thun hat«, ä^trjf auf a^co Dder mit dem Seewesen zu thun hat«, Tox^f auf TÖxo mit »Nachkommenschaft versehen.« Sämmtliche homeri- schen Bildungen auf ^f werden aufgezählt, dann folgen die Verba auf eucu, »die unmittelbar von den Nominalformen auf so ausgingen«, zunächst die, denen noch bei Homer solche Nomina auf zu zur Seite gehen, so- dann die, bei denen die Bildungen auf su bereits verschwunden sind. Den Schluss bildet ein Verzeichniss der Eigennamen auf su (;y/).

53) M. Kleemann, Vocabula Homerica in Graecorum dialectis et in cotidiano sermone servata collegit. Progr. d. kaiserl. Lyceums in Colmar 1876. 4. 36 S.

Die sehr fleissige Arbeit bringt ein alphabetisch geordnetes Ver- zeichniss von Wörtern, die nachweislich in den Dialecten gefunden wer- den (3 29), darauf zur bequemeren Uebersicht noch einmal die Wörter nach den Dialecten (aeol., dor., don.) in alphabetischer Folge (29 35). Danach finden sich 209 homerische Wörter nur bei den Äeolern, 27 nur bei den Dorern, 13 nur bei den loniern, 22 bei Aeolern und Dorern, 3 bei Aeolern und loniern, 3 bei loniern und Dorern. Der Verfasser kommt zu dem Resultat: autiquissimam carminum Homericorum formam Aeolicae dialecti prae se tulisse speciem, sed postea quasi in lonicam linguam versam et vocabulis plurimisque antiquis formis, plerumque etiam consonis servatis lonum vocales superfusas esse, er berührt sich also in diesem Ergebniss mit Hiurichs: De Homericae elociitionis vesti- giis aeolicis, einer Arbeit, die der Vei'fasser nicht gekannt zu haben scheint, die ihm aber bei seiner Untersuchung von wesentlichem Nutzen hätte sein können.

V. Höhere Kritik.

54) Fr. A. Wolf, Prolegomena ad Homerura, edit. sec. cui acceduut partis secundae Prolegomenorum quae supersunt ex Wolfii manuscri- ptis eruta. Calvary's philol. und archäol. Bibliothek. 1. Band 1876. H, 179 S.

Vergl. meine Anzeige dieses Buches Lit. Centralbl. 1876, No. 37, S. 1237 f.

132 Homer.

55) S. A. Naber, Quaestiones Homericae. Edidit Academia Re- gia disciplinarum Nederlandica. Arastelodami 1877. 8. 218 S.

Die sehr eingehenden und fleissigen, wesentlicli die Iliade behan- delnden Untersuchungen beziehen sich im ersten Theile auf das Gebiet der Realien (Schiifslager, Troja und die trojanische Ebene, Kriegs- und Privatalterthüraer , Hausthiere, Haushaltung, Gewächse S. 74), sind im zweiten Theile metrischer (Hiatus, Digamma) und sprachlicher Natur (participiale Construction, Modi, Tempora) imd bringen eine grosse Menge von Emendationen (— S. 140), der dritte Theil (S. 141 218) behandelt die Entstehung und den Zusammenhang der einzelnen Ge- sänge der Ilias: überall findet man den Verfasser mit der betreffenden Literatur durchaus vertraut und was freudig überrascht, voll warmer Anerkennung und sorgfältiger Benutzung dessen, was die deutsche Phi- lologie auf diesem Gebiet geleistet hat: man möchte hier dem Ver- fasser, der bescheiden über seine Leistungen, wohlwollend und, wo er anderer Ansicht ist, ohne jede Gereiztheit urtheilt, ein strengeres Un- terscheiden der Geister wünschen. So anregend auch die über so viele Punkte sich ausdehnenden Untersuchungen dem Referenten waren, so muss er doch gestehen, dass er vielfach nicht hat beistimmen können; bei seiner zu Conjecturen stets angeregten Phantasie hat der Verfasser, nicht immer von richtigen Urtheilen über die Freiheit und bewegliche Le- bendigkeit des homer. Verses geleitet, gar zu oft den modernen Vorurthei- len über Eleganz im Bau und Fluss der Verse und den in Fessel schla- genden Gesetzen der Analogie ganz überflüssigen Tribut dargebracht. Z. B. an die Beobachtung anknüpfend, dass Homer liebe aus der in- direkten Rede in die direkte überzugehen, schliesst er, dass a 189 f. Aaiprr^v rjpcua, rov ohxirc (paat nöXtvoe ip^j^sad^^ , dXX^ aTidvsu&sv in^ d.ypoo TcrjjiaTa rAay^siv es richtiger lauten müsse nda^s: und bemerkt sogleich darauf zu c 96 f.: dXX^ au-ou ßouXovro /xsr' dvdpdm A(i)-o(pdyoiai || Xiorov Bpenzüjxsvoc p£vdp.£v vocttou laMaBat »nemo quidquam sponte oblivisci potest; itaque requiro Xd&ovTon (S. 92), gewiss ganz unrichtig. Auch findet man die Schollen hin und wieder nicht richtig verstanden. Die Beobachtung Aristarcli's lautete nicht, »cadere omnes aTiu -yjq nXrjyrjg- hinc puguantes perpetuo cadunt supini, fugientes proni« (S. 48). Das Rich- tige steht bei Friedlaender , Aristonici reliquiae emendatiores ad £ 68 ; ebenso hat derselbe schon die nöthige Aufklärung über rrjQ unac&pou (TTparcäg a. a. 0. zu 7*45 gegeben. Auch bezieht sich die Bemerkung des Aristonikus zu J 491, die der Verfasser zu den von Lehrs über die Aufstellung der Schiffe zusammengetragenen Schollen glaubt zufügen zu können, gar nicht auf diesen Punkt. Was die Entstehung der Iliade betrifl't, so glaubt der Verfasser, dass die Iliade aus einem kleineren Kern allmälig durch Zusätze und Erweiterungen die Gestalt bekommen habe, in der sie uns vorliegt. Er unterscheidet vier Perioden, in denen

Höhere Kritik. 133

das Gedicht seine Ausbildung empfangen habe: I. zur antiquissima pars gehört A, A 596, (V 306 66, 674 bis Schluss, Fl (mit Ausnahme von 56—63, 367-71, 777 82, 800-804, 846—850); P (exe. 184—219, 233 bis 262, 319-83, 423—542, 605—25), I (exe. 34-70, 108—113, 130 bis 33, 138—147, 181—201, 333 42, 356—368, 444-456), T (exe. 12 bis 34, 38f., 42-53, 78—82, 91—136, 140 f., 175—78, 187 189, 192 bis 195, 198—241, 247f., 282-356, 384—86, 388-91, 398-fin), 0 526 bis Jr393 (exe. A" 46-53, 111 130, 167—87, 261 69, 281-88, 323, 328 f., 335 66); II. zur antiqua pars, quae iam mature cum Uiade coa- luit 5—483, /'l 14, J von 422-544, £, Z, 5 1 309 (interpolirt : B 53-86, E 352-431, 508-511, 628-98, 711—92, 868 bis Schluss, Z 119—236). Bald nachdem diese beiden Theile zusammengefügt, traten /" 15 zl 421 hinzu. III. die paulo minus antiqua pars umfasst H von 310, 9, A von 597 ab (exe. 665-762), i/, ISI, S, 0 1—305, 367—673; endlich IV. die recentior pars: /, A', T~ 0 525, ß; denique librum vicesimum tertium (interpolirt sind: / 135 56, 277 98, 388—416, 524 bis 99, poetae Ultimi libri dedimus A 394- 404 et i2 22— fin., brevi post accessere versus A405— fin., ¥, ß 1— 21). Selbst das vierte Stück octa- vum fere ante Christum saeculum attiugit. Auch in diesen tief einschnei- denden Untersuchungen ist der Referent nicht in der Lage dem Verfasser beizustimmen, der vielfach nicht von poetischem Standpunkt aus sein kritisches Messer führt und oft die schönsten Partien für interpolirt hält, so z. B. im Kleinen: der Verfasser verwirft /^ 423 542 (die Partie von den um Patroklos trauernden Pferden), die Referent nie ohne die grösste Rührung und ohne tiefstes Ergriffensein zu lesen vermag, ebenso den Schluss T, »nam uarratio de immortalibus equis humana voce praeditis est prisco vate plane indigna. Saepius iam videmus apud lones aetatem paulo recentiorem quanto opere miraculis et portentis delectata fuerit, equidem in re aperta verbum non amplius addam« (S. 200). Hier liegt eine tiefe Tragik, »die mit dem Gefallen an portentis« nichts zu thun hat. Trotzdem hält Referent, wenn er auch wie im Ganzen so auch häufig im Einzelnen anderer Ansicht ist, die Untersuchungen des Ver- fassers für interessant , und gedenkt auf alle diese Fragen bald ausführ- licher eingehen zu können.

56) Alexander Richey, The Homeric question and the Teuto- nic epics. Hermathena 1876. 59 S.

Ohne Werth für die homerische Frage, die nach des Verfassers Meinung überhaupt nicht zu einer Lösung geführt werden kann; haupt- sächlich eine Untersuchung des Nibelungenliedes und eine Vergleichung der älteren Sagen, auf Grund deren das Gedicht entstanden.

1 34 Homer.

57) Benick en, Contribiitions a l'histoire des poesies homeriques.

1. (suite). Revue de rinstruction publique en Belgique. Tome XX,

2. livrais. 1877. S. 103—110.

Mittheiluug über Entstehung und Fortpflanzung der homerischen Gedichte nach Wolfs Prolegomena. Nichts Neues.

58) Kuhlbars, Cur liber Iliadis decimus e contextu carminis Ho- merici emovendus sit. Oster-Programm der Realschule zu Ludwigs- lust 1875.

Die Unächtheit des zehnten Gesanges der llias wird aus ästheti- schen (S. 3—15) und sprachlichen (S. 16—21) Gründen zu erweisen ge- sucht, was jedoch dem Verfasser nicht gelungen ist. Der Verfasser fin- det es auffallend, dass die Helden in ihrer Nachtruhe gestört werden, da am andern Tage eine grosse Schlacht stattfinden soll; seiner Mei- nung nach wäre es besser gewesen, wenn Odysseus und Diomedes den Beutezug allein geplant hätten, wenn nicht vorher noch die Berathung der Helden geschildert wäre; ihm dauert die Nacht zu lange, und jede andere Nacht würde mehr seinen Beifall gehabt haben. Der Dichter des zehnten Gesanges soll sich in der Characteristik des Agamemnon ver- griffen haben, wobei wir vom Verfasser erfahren, dass nach Homer die- ser König neque animi mollitia neque fortitudine sich ausgezeichnet habe, so dass demnach auch 'Ayaiieixvovog apiarda uuächt sei: in der Characteristik des Nestor, weil dieser bei Homer numquam principera inter omues locum einnimmt, während er in K eine so hervorragende Rolle spiele: in der Characteristik des Diomedes, weil dieser bei Homer non adeo caret animo generöse neque ea est ignavia, ut armis exutum Dolonem occidisse putaudus sit. Die plastische Schil- derung des Waff'euschmuckes und Anzuges der Helden soll gegen die Weise der alten Lieder verstossend sein, in denen derartige Dar- stellungen nur vorkommen occasione eximia oblata; dass drei Männer sich in Felle hüllen (Kuhlbars macht daraus fere omnes viri), findet Kuhl- bars unerklärlich, dass die Griechen nicht nach Troja gezogen vestimen- tis instructi nocturuis, quae ad manum haberent, si forte noctu proelium committerent; dass die beiden Helden nach vollbrachtem Abenteuer ein Bad nehmen, erregt bei Kuhlbars Anstoss, da es ihm kaum glaublich erscheint, dass die Griechen omnia instrumenta balnearia ut labra, Troiam secum portasse u. s. w. u. s. w. Natürlich ist der Dichter des zehnten Gesanges posterior quidem rhapsodus rhetoricus, der das Meiste inepte et iucomposite gedichtet! Möchte nie die Zeit kommen, da man unsere Goethe und Schiller nach solcher Methode, die man Kritik nennt, schul- mässig zu behandeln unternimmt! Die antike Literatur muss sich dies leider schon seit langer Zeit geduldig gefallen lassen und dies von Män- nern, die das Studium derselben, das ohne Begeisterung und ehrfurchtsvolle

Höhero. Kritik. 135

Hingabe nicht denkbar ist, zu ihrem Lebeusberuf gemacht haben, und dies in Schriften , die uns erschliessen , wie man unsere Jugend für die grosse Hinterlassenschaft der Griechen zu erwärmen weiss!

Ganz ohne Werth sind auch die sprachlichen Gründe, aus denen der spätere Ursprung des Gesanges gefolgert wird. xzfoJrjv enaetpag soll überflüssig sein, da dasselbe schon in dp&ujd^slg st: dyxib'^og (v. 80) gesagt ist ; xwii^ soll einzig und allein bei Homer nur die Kopfbedeckung aus Hundsfell bedeuten, und das soll der Dichter dieses Gesanges nicht gewusst haben, der von einer xuvirj raupelr] v. 258 siDricht, wobei wir belehrt werden, dass die xovirj mnoxa/iog eine Kappe aus Hundsfell be- deute, die mit einem Rossschweife versehen ist, und dass die xovdr] ^pu- adfj der Athene (E 744, so ist statt 274 zu lesen) gar nicht von Gold oder mit Gold geschmückt gewesen, sondern nur golden genannt werde, weil sie einer Göttin angehörte. Der Gebrauch von h mit TÖvoiat, ^ov^mv, (iat-r^at; p.ezd c. acc. = nach, hinter (vom Folgen), abv ao}, 8ca S^eä = te adiuvante« soll die spätere Entstehung des Gesanges erweisen u. s. w. u. s. w.

59) A, Nitsche, Untersuchungen über die Echtheit der Doloneia. Programm d. kaiserl. königl. Staats- Gymnasiums in Marburg 1877. 8. 32 S.

Referent stimmt dem Verfasser bei in der Ansicht, dass die Do- lonia nicht als selbstständiges Gedicht zu denken, sondern nur im Zu- sammenhange der Ilias und zwar gerade an der Stelle, wo wir sie lesen, verständlich sei ; hiermit beschäftigt sich der erste Theil der Schrift, die gegen Düntzer's Urtheile über diesen Gesang gerichtet ist. Wenn aber der Verfasser den Doloneiadichter einen »sehr ungeschickten Nachahmer« nennt (S. 23), in dem Liede »grellen Nachahmerstyl und Unreife der Poesie« findet, wenn er behauptet, dass der Dichter »vier Schlafsceuen . . ., zwei Angstscenen, eine Zusammenberufung der Geronten« aus der Ilias vor- her sich »geradezu durchgelesen« hat, um seine Scenen daraus »zusam- menzusetzen«, so ist Referent ganz an lerer Ansicht, da ihm vielmehr der Dichter in der ganz originalen Situation, die er geschaffen, ganz original auch in seiner Dichtung ist. Was der Verfasser als Beweise für die Entlehnung aus echten Gesängen der Ilias beibringt, ist für den Referenten ganz und gar nicht überzeugend gewesen. Er nennt z. B. den Vorwurf des Nestor Ä'lio, dass Menelaos den Agamemnon allein sich bemühen lasse, einen »lächerlichen« und sieht darin Benutzung von B 408 aoTojiazog de ol rj)^9-£ ßorjv dya&bg Msvi?Mog. Wie ist hier von einer Entlehnung überhaupt nur möglich zu sprechen? Und ganz psy- chologisch war es, wenn Nestor, der Menelaos nicht in der Umgebung des Königs sah, harte Worte für ihn hat. Ferner soll Tpcöeg [ihv xXajyfj t' svotzj] r' Y<mv^ apvcBsg ujg (/'2) für A'l3: aö^öJv aopiyycov r' iwmrjv ^iiadov z' dvdpwnujv das Vorbild gewesen sein, die Worte dBiafaxov

136 Homer.

(ffißpov aus /' 4 für das Glcichiüss in K 6 entlehnt sein etc. ! Der Ver- fasser glaubt, dass der zehnte Gesang gedichtet worden sei, um die zwi- schen Schluss von / und Anfang von A vorhandene Lücke, die durch Ausfall eines echten Stückes entstanden, auszufüllen; denn auf ev&a de xotjxrjaavro xal umou oujpov eXovro / 713 könne nicht folgen A 1: ^IIujq 5' ex Xeiecüv nap äjauoo TcßcovoTo was ich nicht zugebe und der Kampfesmuth des Agamemnon sei nach / nicht motivirt. Dem Referen- ten würde jedoch auch nach /, ja trotz des Misslingens der an Achill geschickten Gesandtschaft erst recht das Verhalten des Agamemnon in Anfang A verständlich sein. Denn es muss ihm jetzt ganz besonders darum zu thun sein, den fehlenden Helden zu ersetzen und dessen Ent- behrlichkeit darzuthun. Also an sich wäre nach des Referenten An- sicht kein Hinderniss, wollte man A auf / folgen lassen; das schliesst aber nicht aus, dass ein erfindungsreicher Dichter nach / eine treffliche Gelegenheit sah, mit seinem Gesänge einzusetzen, der also mehr im An- schluss an / gedichtet ist, als dass er den Uebergang zu A vermittelt.

60) Hentze, Einleitung zum elften Gesänge der Ilias. Progr. d. Gymn. zu Göttingen 1877. 4. 24 S.

Vorangeschickt ist eine Uebersicht über die für den elften Gesang benutzte sehr reichhaltige Litteratur. Dann werden in eingehender Weise die gegen grössere oder kleinere Partien (oder einzelne Verse) dieses Gesanges erhobenen Bedenken und Ausstellungen geprüft und vielfach mit Geschick zurückgewiesen: den oft verwunderlichen Forderungen und ästhetischen Urtheilen der Forscher gegenüber hat Referent die besonnene, in den Dichter liebevoll eindringende Kritik des Ver- fassers anzuerkennen. Derselbe hält im Grossen und Ganzen den Gesang als ursprünglich fest und im Plane des Gedichtes für noth- wendig unter der Annahme der Ursprünglichkeit des neunten Ge- sanges. Doch bleiben ihm viele Fragen im Einzelnen, auf die er die Antwort nicht zu geben vermag. Zunächst verwirft er 163 f., woran auch schon Andere Anstoss genommen würde nicht auch noch 165 zu athe- tiren sein? und in der Botschaft der Iris 193 f.; damit glaubt er den grössten Theil der Schwierigkeiten beseitigt zu sehen, welche die Hal- tung des Zeus in der Leitung der Schlacht bereitet. Ferner findet er auch nach Annahme, dass 540 543 eine Interpolation sei, »in dem Ein- greifen des Zeus 544 ff. einen bedeutenden Anstoss im Zusammenhange mit der vorhergehenden Erzählung, welche die Erwartung durchaus auf eine That Hektor's Aiax gegenüber gespannt hat«. Die Bedenken häu- fen sich beim Verfasser im zweiten Theile des Gesanges, besonders mit dem Eintreten des Patroklos. Mit Andern hält er es nicht für »psy- chologisch«, dass Patroklos, der in Nestor's Zelt so eilig war, den ver- wundeten Eurypylos auf seine Bitte in dessen Zelt führt und so lange sich dort aufhält, den ihm von Achilleus gewordenen Auftrag so gänzlich

Höhere Kritik. 137

vergessend; er findet, dass der Anfang des iü. Gesanges, wo Patroklos mit seinem Bericht vor Achilleus tritt, im Widerspruche stehe mit der Sendung des Patroklos; ihm erregt es mehrfache Bedenken, dass Patro- klos bei seiner Schilderung der Noth der Achäer lediglich die bereits im 11. Gesänge erfolgte Verwundung erwähnt und alles, was inzwischen geschehen ist, völlig ignorirt, dass er Machaon unter den Verwundeten ganz übergeht. Der Verfasser berichtet schliesslich die verschiedenen Versuche, auf Grund der aufgefundenen Bedenlven, die ursprüngliche Ge- staltung der Erzählung zu erschliessen ; er selbst unternimmt nicht, durch eine eigene Erklärung über die Schwierigkeiten hinweg zu kommen, die ihm eben als nicht zu beseitigende erscheinen. Referent kann hier nur andeuten, dass für ihn die bezeichneten Schwierigkeiten nicht vorhanden sind. Es ist nicht richtig, dass Patroklos noch bei Eurypylos in trau- lichem Gespräch bleibt, nachdem er für die Wunde alles Nöthige ge- than hat; wir lesen noch 0 393 f.: im 5' iXxzi Xoypib (pdpjxax^ äxiaptar' enaaffe, wobei er als trefflicher Arzt seinen Kranken k'zspTis Xoyoiq^ und sogleich darauf, da die Noth der Achäer grösser geworden, ruft er aus : EupÜTioX ohxizt TOL düvanai^ ^arsovzi mp efinrjg, iv&dos 7:apfxsvz[j.sv ; es ist nicht richtig, wenn wir aus der Länge der Bücher, aus der Fülle der hier mitgetheilten Thatsachen auf die Länge der Zeit schliessen, die Patroklos bei Eurypylos zugebracht; was auf dem Schlachtfelde auf ent- legenen Punkten, aber zu gleicher Zeit geschieht, muss der Dichter nach einander berichten, und so haben wir ihm gegenüber hier es mit einer poetisch zu fassenden Zeit zu thun: aus dem Verhalten selbst des Pa- troklos zu Eurypylos spricht Alles für ein energisches Fortdrängen der Handlung. Es ist ferner meisterhaft, wie der Dichter das Interesse des Achilleus für die Angelegenheiten der Achäer hervortreten mid ihn ein- greifen lässt in die Handlung mit der Erkundigung nach einem nicht ein- mal zu den ersten Helden gehörenden Krieger, nach Machaon: einmal wieder seine Betheiligung an der Sache der Seinigen zeigend, wird er rasch in das volle Weh hineingezogen und blitzschnell zieht sich über seinem Haupte zusammen die Wolke des Unglückes.. Der Verfasser fühlt wohl, wie unter den schnell veränderten Umständen für die Be- richterstattung über den eigentlichen Auftrag, den Patroklos von Achill empfangen, kein Raum mehr vorhanden sei. Das ist nicht etwa der Si- tuation erst untergelegt, Patroklos sagt es selbst zu Eurypylos: auräp eywys (msüaoixac ecg 'A^c},rja, 7v' ozpuvoj 7ioXep.c^£iv (0 4:02). Der Ver- fasser sieht aber »einen nicht zu beseitigenden Anstoss« in der Ueber- gehung des Machaon unter den Verwundeten und in der Schilderung der Noth der Achäer, wie sie die Ereignisse des 11. Gesanges gezeichnet haben. Dem kann ich nicht beistimmen. Wenn Patroklos mit der Ab- sicht bei Achill eintritt, 7v' orpOvirj rMXejXiZetv., so war die Situation über den eigentlichen Auftrag hinausgewachsen; was that da noch die Er- wähnung von Machaon's Verwundung, die Achill ja zudem in der That

138 Homer.

bereits wusste (J 611 ff.)? Patroklos beginnt mit der Schilderung der verzweifelten Lage der Achäer sofort seinen Bericht : /irj^vs/xiaa- toIov yäp äy^og ßsßtrjxzv lij^atoüg und dieses äyog erläutert er durch den Hinweis, wie keiner hier retten könnte, da alle, oaoc Ttdpog rjaav äpccrroc, xsarac ßeß^/xivo: ourdiJ.zvoi ze: das genügt vollständig, die Situation zu kennzeichnen. Es ist aber auch nicht richtig, dass Patroklos alles, was nach dem 11. Gesang geschehen ist, ignorirt; er schliesst seinen Bericht: paTa 8s x' äxfir^rsg xsxprjörag ävdpag durfj \\ axrac/jiev npo-c äaru vsütv drtu xal xXiatdujv. Worauf weisen die letzten Worte anders hin als auf die Situation, deren Gefährlichkeit den Patroklos in des Eurypylos Zelt nicht hatte bleiben lassen? man vergleiche doch 0 384ff. : Patroklos war solange um, Eurypylos thätig, e7ujg ph 'Ayam re Tpwsg II re/^'s«? dp<pepdyovro Bodcov ixzo&t V7]üjv, als aber der Kampf um die Schiffe selbst entbrannte (384 ff.), da eilte er fort zu dem, der in der Noth allein helfen konnte, und den Eindruck, den er zuletzt noch vom Kampfe empfangen, schildern die oben erwähnten Worte.

61) In der Besprechung, die diese Schrift im Philol. Anzeiger VIIL Bd. 6. Heft. S. 275- 280 erfahren hat, schlägt der dortige Refe- rent (L. G.) zur Hebung der Schwierigkeiten vor, dass Machaon aus diesem Gesänge auszuscheiden sei; ferner sollen von der Rede des Achil- leus nur die 3 Verse 608 610 stehen bleiben, »also eine blosse Bemer- kung über die Noth der Achäer, kein Auftrag an Patroklos. Für die- sen, der längst schon zu helfen gewillt ist, ist solche Bemerkung aus- reichend: ujg (pdxü^ T(p o' a.pa i^opw ivc azTjBeffacv opcvE (v 804)«. L. G. verspricht sich davon »nicht unbedeutende Vortheile« , z. B. fällt nach ihm der Anstoss weg, »dass Patroklos zu lange bei Eurypylos verweilt, denn jetzt hat er ja keine Botschaft mehr auszurichten, und schliesslich ist die Frage Achill's zu Anfang des 16. Buches und ebenso die Aut- wort des Patroklos jetzt vollkommen verständlich.« Referent kann nicht glauben, dass dieser Vorschlag bei irgend Einem Beifall finden wird.

62) R. Peppmüller, Commentar des 24. Buches der llias mit Ein- leitung. Als Beitrag zur homerischen Frage bearbeitet. LXXXH. S. 384. 8. Berlin, Weidmanu'sche Buchhandlung.

63) A. Roemer, Ein Dichter und ein Kritiker vor dem Richter- stuhle des Herrn R. Peppmüller. Peppmüller's Commentar zum XXIV Buch der llias ki'itisch beleuchtet. Programm des königl. Lud- wigs-Gymnasiums vom Schuljahre 1876/77. 54 S. München 1877.

64) Anton. Tomaszewski, De Iliadis libro vicesimo quarto. Pars prior. XVIII. Dissertio inaug. phil. Thorunii MDCCCLXXVI.

Dass der 24. Gesang der llias unmittelbar vor dem Beginn der Olym- piadenrechnung entstanden, als die llias im Wesentlichen abgeschlossen, die Odyssee wenigstens in ihren besten Theilen vollendet war, und neben

Höhere Kritik. 139

Homer Hesiod sich schon einen chicii\ulleü Pla,lz erworben hatte, wird in dem erstgenannten Buche zu erweisen gesucht, und zwar werden die Hauptgründe für die so späte Entstehung dieser Rhapsodie und ihi-e völlige Sonderstellung in den unzähligen Worten und Wendungen gefun- den, die »unser Dichter« aus den übrigen Gesängen der beiden Epen zur Zusammenstellung seiner Dichtung entlehnt haben soll. Dieses wird vom Verfasser in der aller verkehrtesten und abgeschmacktesten Weise zur Durchführung gebracht. Man sollte doch glauben, dass, wenn z. B. Hekabe vor der Leiche ihres geliebtesten Sohnes die Klage beginnt y>"ExTop, iixäi Bofiu. ndwojv noXu (pilza-t naiSiüva (i2 748), diese Worte höchst einfach und höchst natürlich jeder Mutter, die sich in ähnlicher Situation befindet, aus der Seele dringen müssen: der Verfasser belehrt uns jedoch (S. 357), dass sich dieser Vers zunächst an E 243 = K 434, TudecSrj Aiojxrßeg^ ifxu) xs^apcaiisve du/xw anlehne, dass die dem Zusam- menhange angemessene Aenderung dieser Anrede nach Stellen erfolgte, wie ;r445f. : röJ fioc TrjMjia^og tämtüjv noku (pikraTog iauv ^Avopwv und andere! Von der Iris heisst es: i) 8e ixohjßdaivjj IxsXtj ig ßvaahv opou- (T£v 1 ^ TS xaz' dypaüXoto ßoog xipag ipßsßama, sp^szac . . . sups r5' ivl anrfi ylafopS} Si-cv (0 80 ff.): wir erfahren jetzt, dass »die ganze Struc- tur unserer Stelle man J 86 ff. wieder trifft: "^H 8' dvdpl IxeXrj Tpatojv xazsducrzf^' ofidov Eups Auxdovog uiövv. und dass »unser Dichter« na- mentlich an die zu seiner Zeit jedenfalls sehr bekannte Stelle •/ 402 f. gedacht hat, wo Telemachos den Odysseus nach der Ermordung der Freier findet wazz Xiovzrx^ "Og pd zs ßsßpujxajg ßoog ipyEzat dypmAoLoa (S. 55). Wenn Thetis dann auf die Aufforderung der Iris, sie solle zu Zeus kommen, erwidert: zlnzt p-z xsTvog rhcoys piyag dsog (ß90), so le- sen wir bei unserm Verfasser: »Wie Thetis Iris, so fi'agt Hephästos Thetis selbst in ähnlicher Weise 2" 424 f.: Tmzz, 0ez'. zavünenXz^ Ixd- vsig Tjpizepov öw;« (S. 60). Was in aller Welt kann hier weiter »ähnlich« sein, als das beiden Stellen gemeinsame Wort ztnzsl Und wenn dann Thetis fortfährt: elpt pkv, ou8' äXiov snng eaaezai, ozzt xev eIttt^ (V. 92), so zweifelt der Verfasser nicht, dass unser Dichter an die Erklärung dachte, die Telemachos von der Ueberzeugung durchdrungen, seine Reise werde von Erfolg gekrönt sein, /5 318 den Freiern giebt: Elpt ph odS' dXcrj 68bg icaszat, rjv ayopsöcu. An Stelle der letzten Worte ist ein be- kannter formelhafter Versschluss getreten (es folgt eine Reihe von Stel- len) (S. 61)! Helena in ihrer Klage um Hektor braucht die Worte tjot] ydp vüv pot z68' kzixoazbv izog iazc'v (-0 765); unser Verfasser bemerkt: »übrigens hat der Dichter diese Stelle der Odyssee entlehnt . . . t 221 ff. beginnt Odysseus: 'i2 yuvac, a.pyaliov zoaaov ypovov d.p.(p\g eüvza Elnipsv: rjSrj ydp ol ieixoazöv izog i.<jziv ...« (S. 346)! »Unser« Dichter soll pr^xizt wv m' epi^cZe, yipov 560) aus A 32 (pij p ipz^tCs) (S. XXIII) entlehnt haben, »sein äv8p' bpooj 355) entnahm unser Dichter der fünften Rhapsodie 244. äv8p'' bpoioa (nebenbei bemerkt ist hier äv8p' =

140 Homer.

ävdpe) (S. XXV), das Hemistichium oiuog vüxzag rs xat rjjxao {Q 73 holte er sich aus der Odyssee: bei derartigem Verfahren bleibt nur das eine unerklärlich, wie man einen Menschen, der in solcher Weise seine Verse zusammenleimt, noch einen Dichter und einen relativ guten Dich- ter benennen kann! Unser Verfasser hat Worte der höchsten Anerken- nung für den Dichter von Andromache's Klage. S. 349 aber lesen wir: »die Erzählung ist ganz aus homerischen Wendungen zusammengesetzt«: das begreife, wer kann! Mit solchen Grundanschauungen, aus denen obige Sätze geflossen sind, ist man wahrlich nicht im Stande, uns in die Werk- stätte eines Dichters zu führen, da man das Wesen eines Dichters zu fassen damit ganz unvermögend ist. Es ist aber auch kein Wimder, wenn derartige immer massiger werdende litterarische Erscheinungen, die immer mehr die zunehmende Verknöcherung und Entseelung auf gewissen wissenschaftlichen Gebieten in traurigster Weise darlegen, einer sehr erbitterten Kritik begegnen und den Verfassern selbst die per- sönlichsten Angriffe zuziehen, obgleich diese oft nicht in erster Reihe die Schuld trifft, da die Gründe hier tiefer liegen. Eine vollständig ver- nichtende Beurtheilung hat auch der Verfasser durch A. Roemer's ge- diegene Schrift erfahren, die oben in zweiter Stelle erwähnt ist: Roemer spricht hier die Sprache des Ingrimms, die ihre Entschuldigung findet gegenüber der Misshandlung, die ein grosser Dichter und ein grosser Kritiker vom Verfasser erfahren hat. Behandelt der erste Theil dieser Schrift mit den ergötzlichsten Beispielen die Seite, die Referent so eben zu beleuchten gesucht hat, so nimmt der zweite Theil Aristarch gegen den Verfasser in Schutz: jede Zeile zeigt hier den Kenner, der eben darum von Verehrung für die Personen und Sachen erfüllt ist; was Roe- mer hier über die »breitspurige Ignoranz« sagt, die in naivem Gehaben sich herausnimmt, über Aristarch abzuurtheilen , ohne von den Schollen etwas zu verstehen, das ist zur rechten Zeit gesprochen und gegen Viele gesagt!

Wo man nur den weitschweifigen Commentar, an dem ein frucht- loser Fleiss gearbeitet hat, aufschlagen mag, überall fühlt man sich durch die geistlose Art der Behandlung zurückgeschreckt; man sieht gar zu oft, wie der Verfasser unter dem Banne der Parallelstellen zum wahren Sinne nicht hat vordringen können. Wenn Thetis vor Zeus zu erschei- nen aufgefordert, dieses ablehnt mit dem Hinweise auf das Weh, das ihr das Geschick ihres geliebten Kindes gebracht, indem sie nicht in den fröhlichen Kreis der Unsterblichen treten möchte {acddo/xac 8s \ ixtayea^^ a{^avdzoc(Tcv, e^w 8' ä^e' äxpira ^oixG) i2 90f.), so fällt unserm Verfasser sofort <T 184 ein: oYrj ö' oox E^gsc/xc /xer' dvdprxg- ac8£o/xac ydp. Das beiden Stellen gemeinsame aco£op.ac war schon hinreichend, beide Situa- tionen zusammenzuwerfen und den Verfasser schreiben zu lassen: »The- tis scheut sich unter die Götter zu treten, wie Penelope sich weigert allein in die Gesellschaft der Freier zu gehen« (S. 60). Kritik, ohne die

Höhere Kritik. 141

man bei einem derartigen Unternehmen, an das der Verfasser gegangen, nicht einen Schritt vorwärts thun kann, ging ihm nicht helfend zur Seite. Hermes fragt den sich zu Achilleus begebenden Priamus: xazahmezs "IXiov IpTjv SscdcoTSg' zoTog yap dvrjp iopia-zoq oXojXsv | abg nacg- oh fxkv jap Ti pdxrjg i.TisoeÜEz'' 'AxaiwMn 383 ff.)- Erstaunt, auf seinem Wege einem solchen Urtheile über seinen Sohn zu begegnen, spricht er seine Verwunderung aus: zcg Sk ab kam (pipiazs, ziwv 8' sq kaai roxjywv; u)Q p-ot xaXd zöv olzov drMzpoo naidbc iviamg (387 f.), womit gar nicht nach dem Namen gefragt wird. Das versteht auch Hermes, der erwidert: Tietpa ipsco, yapack, xal zipzat "Exzopa ßcov d. h. du stellst mich auf die Probe, Greis, indem du fragst nach dem göttlichen Hektor; nämlich wie ich den kenne, und nun sagt Hermes im Folgenden, wo und wie er den tapfern Streiter gesehen. Bei unserm Verfasser, der den Vers aög naTg xzX. für interpolirt hält, lesen wir aber also: »Du willst mich auf die Probe stellen, Alter, ob ich Bescheid weiss: das soll dir nicht gelingen. Ist jener treffliche Held dein Sohn, so ist Hektor sein Name« (S. 184 f.). Kann mau eine solche Interpolation für möglich halten? Da- für, dass Hermes seinen Namen nicht nennt, findet der Verfasser sogleich eine Entschuldigung: »Der Dichter hielt es offenbar für unpassend dem Gott einen fingirten Namen beizulegen«; aber für unpassend hielt es der Dichter ja nicht, dem Gott einen Vater, Namens Polyktor, beizulegen? dass der Grund ein ganz anderer ist, davon hat der Verfasser nichts bemerkt. Ermüdend wirkt auch die ganz wahllose Benutzung der Litteratur.

Was wir S. 334 ff. über die Composition der Klagelieder lesen, war schon besonders vom Verfasser veröffentlicht worden. Referent be- merkt, dass, wie er die Durchführung der Strophentheorie für diese Par- tie für unrichtig hält, er auch nicht eine symmetrische Composition dieser Klagelieder, eine Dreitheilung in dp^^, opfalog und a(ppTj{g, wahr- nehmen kann: was der Verfasser über die Anordnung und Behandlung des Themas der einzelnen Lieder sagt, ist nicht getragen von der Ein- fachheit, Natürlichkeit und Schönheit, mit der jene vom Dichter empfun- den sind, sondern verbaut nach des Referenten Ansicht das Verständniss ganz und gar. Auch im Einzelnen ist hier allerlei unrichtig verstanden. Der Verfasser lässt z. B. Hekabe den Göttern also danken: »während Achilleus so viele meiner andern Söhne lebendig gefangen nahm, um sie .... zu verkaufen, hat er dich erst durch den Tod in seine Gewalt bekommen.« Dieser Gedanke gehört nicht dem Dichter an, er wäre ein den Sinn entstellender. Der Verfasser spricht so oft von dem »lyrischen Charakter dieser Klagelieder« ; meint er damit die Wärme des Gemüths, die tiefe Empfindung, die aus den Liedern spricht, ja wo ist eine Stelle im Homer, die dieser Innerlichkeit entbehrt: in allem Uebrigen sind die »Klagelieder« so episch, wie nur irgend eine Rede der Odyssee oder Ilias.

142 Homer.

Auf demselben Standpunkte stehend, sich im Einzelnen vielfach mit Peppmüller berührend, untersucht der Verfasser der dritten Schrift die ersten 132 Verse des 24. Gesanges auf die Verschiedenheiten und Abweichungen desselben von den übrigen Gesängen. Die angeblichen Dichter einzelner Gesänge haben doch eine gar schlimme Stellung bei unsern Kritikern: bewegen sich jene in den bekannteren Bahnen des epischen Sprachschatzes, so werden sie als elende Nachahmer an den Pranger gestellt; gehen sie ihre eigenen Wege, so werden sie nach dem allerpedantischsten Thema wieder dafür aufs Aergste getadelt, dass sie sich diese oder jene Abweichungen vom Herkömmlichen gestattet haben. Was ist denn das Herkömmliche? lässt sich das heute in so engherzige Regeln durch einseitige Beobachtungen fassen? selbst in den Liedern, die man als die »älteren« zu bezeichnen pflegt, wie viel Abweichendes und Eigenthümliches giebt es hier im Einzelnen und im Grossen? Soll- ten nicht die epischen Dichter, die mit lebendiger Kraft in jener Zeit standen und für dieselbe schufen, besser wissen, was sie sich in Wen- dungen oder Constructionen erlauben konnten, ohne der Sprache Gewalt anzuthun, als wir, denen die durch Jahrtausende von uns getrennte Zeit doch nur wie von wenig durchdringbarem Nebel umflossen erscheint? Ge- wiss! Der 24. Gesang hat seine Eigenthümlichkeiten, was folgt aber daraus? doch höchstens nur das, was wir schon lange wissen, dass an den beiden Epen nicht blos ein oder zwei Dichter gearbeitet haben, sicherlich nicht, dass diese herrliche Dichtung von einem Nachahmer herrührt, der sich nicht einmal darauf verstanden hat, seine Verse aus gestohlenen zusammenzuflicken, so dass uns heute seine Schliche deut- lich vorliegen. Der 24. Gesang ist eine Perle unter den homerischen Liedern,, in der schöpferischen Zeit des epischen Gesanges entstanden, der ebenso wie die anderen von Interpolationen späterer Zeit durchzogen ist. Aber gerade diese müssen den modernen Kritikern das uöthige Material hergeben zur Beurtheilung des Dichters und so kommt es, dass man sich nicht scheut, dem Dichter, dem das Herrlichste im Gesänge gelungen ist, das Allerschlimmste nachzusagen. Mag man auch das Recht haben, jeuer Zeit eine gewisse Uniformität als Signatur zuzuschreiben, man wird diese doch nimmer bis zur Tilgung der Individualität ausdehnen können. Und nun kommt noch das Besondere des Themas hinzu, das wir kennen es ja auch aus den »älteren Liedern« Besonderheiten nach sich zieht. Wie sehr unser Dichter gehofmeistert wird, dafür ein Beispiel, dessen Geist aber die ganze Schritt charakterisirt : »adde quod u 93 0ircs appellatur ,8ca d^zdujv'- id quod praeter S 184 in antiquiori- bus rhapsodiis non deprehendes. Nam quin illud ^dla ^ediov'- in lunonem et Minervam et Gratiam ad quas in Iliade referri solet, optime quadret vel propter regiam majestatem vel propter eximiam ipsarum venustatem et pulchritudinem quis dubitet«. Und auf die Thetis nicht? Was offen- bart nicht hiermit alles der Verfasser? Derselbe bleibt überall an der

Höhere Kritik. 143

alleräusserlichsten Oberfläche; in Betreff der Benutzung der Alexandriner z. B. bei den Versen 21 f. und 24 ff. sei er auf Roemei-'s vortreffliche Schrift verwiesen. Der Verfassar äussert sich über die Alexandriner also: »ar- tem criticara veterura graramaticoruin temporibus uondum ad eam qua hodie gaudemus perfectionem adductam fuisse« p. 8 und nennt sie p. 9 »artis criticae rüdes«: kann man derartige unreife Urtheile anders lesen als unter Lächeln?

65) "Wilhelm Böhme, Die Odyssee, das Werk eines böotischen Dichters. Eine philologische These, vorzugsweise auf Grund der geo- graphischen und historisch-mythologischen Angaben des Epos. Gym- nasial-Programm. Stolp. Theil I, 29 S. 1875; Theil II, 24 S. 1876.

Der Verfasser, der die homerischen Epen mit sehr geringen Aus- nahmen für einheitliche Dichtungen hält, sie aber verschiedenen Ver- fassern zuweist, geht von der wunderlichen Ansicht aus, dass der Dich- ter der Odyssee, »der das Heimweh so rülu'end zu schildern weiss, seines eigenen Vaterlandes irgendwo gedenken (II, 23), dass er von irgend einem Orte seines Vaterlandes eine ausführlichere Mittheilung machen muss, an der man sein Interesse für den Ort wahrnehmen könnte« (I, 10): danach ist er zu dem überraschend genauen Ergebniss gekommen, dass »der Dichter der Odyssee seine Heimat im südlichen Böotien, in der Nachbarschaft von Eteonos, Thespiae oder Tanagra gehabt hat« (II, 23). Der Beweis ist ein negativer und ein positiver. Vorweg eingenommen von seiner Hypothese, mustert er die einzelnen Länder und Inseln, von denen das Gedicht etwas erzählt, wobei er überall zu dem Resultat kommt, dass hier der Dichter nicht geboren sein könne: Asien und die Inseln I, 1 10, Peloponnes 11 21, die an der Westküste liegenden Inseln 21 29; der zweite Theil, der vielfach berichtigend auf den ersten Rücksicht nimmt, dehnt die Untersuchung auf Phokis, Aetolien, Epiros, Thrakien, Pieria, Thessalien, das Volk der Phäaken, das in Verbindung mit Thessalien behandelt und für historisch gehalten wird, der Kyklopeu, Gigan- ten, deren Wohnsitze der Verfasser im nordwestlichen Griechenland annimmt, die v'^aog Abk'r^, Attika, Euboea, Kreta aus. Alle Schilderungen, alle Er- eignisse, von denen das Gedicht uns berichtet, bringt der Verfasser in persönlich nahe Beziehung zu dem Dichter selbst: dass dieser den Odys- seus zuerst zu den Kikoneu nach Thrakien kommen lässt, kann nach dem Verfasser als ein wichtiges Moment für die Ansicht über des Dich- ters Vaterland erscheinen; wenn dieser des Philoktetes Geschicklichkeit in der Führung des Bogens gedenkt, so ist seine persönliche Theil- nahme für denselben nicht zu verkennen; wenn er den Wein der Kiko- nen preist, so hat er ihn gewiss auf einer Reise in diese Gegenden oder in seiner Heimat gekostet; wenn er die Gestalt der Nausikaa mit der Palme auf Delos vergleicht, so kennt er sicherlich diese Palme aus eige- ner Anschauung; wer hat bis dahin in der Erwähnung des nfjd/xvscog

144 Homer.

olvog, in den Namen der Kinder des Menelaos oder den der Dienerinnen der Helena etc. einen wichtigen Anhalt zur Bestimmung von des Dich- ters Heimath gesehen? dass aber von solcher Grundanschauung aus die merkwürdigsten Schlüsse gezogen werden ist begreiflich: dass des Dich- ters Umgebung von nichthellenisirten Elementen frei war, dafür ist ein deutliches Zeugniss, dass ihm »kein Nomen propr. phrygischen, lykischen, karischen Gepräges untergelaufen ist« ; weil Chios in der Ilias nicht er- wähnt wird, so hat man daraus zu entnehmen, »dass es damals noch wenig besucht und berühmt war« und weil die Odyssee es damals nur als TzamalözaGa genannt, so ist es darum bedenklich, diese Insel »für den Wohnsitz der Verfasser dieser Dichtungen zu halten; weil wir nichts von Perseus »dem Sieger über die Medusa, dem Befreier der Andro- meda« hören, so ist das Beweis, »dass der Dichter nicht Argos oder dem Peloponnes überhaupt angehört hat« u. s. w. Hätte aber der Verfasser seinen subjectiven Standpunkt verlassen und sich ruhig die Frage vor- halten wollen, ob es denn auf des Dichters Wege lag, dieses oder jenes zu erwähnen, so hätte er gewiss nicht vermisst, dass die Odyssee »nichts Genaueres über Land und Leute von Troja« mittheilt, »dass sie weder von Hektor noch Paris eine leise Andeutung giebt« u. s. w. Der Ver- fasser ist aber durchaus voreingenommen für seinen böotischen Dichter; trotzdem er nach seiner Betrachtungsweise der Gedichte nicht umhin kann, vielfach eine genauere Kenutuiss »von Land und Leuten« dem Dichter zuzugestehen, zieht er nirgends den erwarteten Schluss, sondern er weiss sich durch die immer wiederkehrenden Ausflüchte zu decken: »entweder ist der Dichter hier einem alten Liede, also fester, bekannter Tradition gefolgt, oder er hat sich an die Ilias angelehnt, oder die schein- bare Genauigkeit des Erzählers löst sich in freie, sachgemässe Erdich- tung auf«. Die Erwähnung des Erymanthos und Taygetos in dem be- kannten Gleichnisse Cl02ff. macht es dem Verfasser gewiss, dass der Dichter nicht »am Tmolos, Sipylos, Ide oder andern asiatischen Ber- gen« gewohnt hat; wäre er aber consequent, so müsste er aus dieser Stelle in dem Dichter einen Spartaner oder Arkader sehen, diese Ansicht jedoch lehnt er kurzweg ab, da er »sich versagen muss, auf dieselbe einzugehen«. Die Gründe, die ihn nun fest an Böotien, als Heimat seines Dichters glauben lassen, sind ausser den schon bekannten (Tei- resias, luo Leukothea) besonders folgende: 1. j 452 heisst EupoStxr] r.piaßa Khfxdvoto ^uyarpcöv; nun erfahren wir aus Pindar von einem Kö- nige des böotischen Orchomeuos, Namens Klymenos; da 7' 452 Khiiivoio jeder näheren Bestimmung entbehrt, so kann das nur erklärlich sein aus der böotischen Herkunft des Dichters, dessen Zuhörern der böotische König bekannt war! 2. Der Name des Bepdmov MzveXdoo 'Ezsujvzug ist dem Verfasser nur verständlich, wenn er von der böotischen Stadt 'Ezsoj- v6g hergeleitet wird; »wie konnte aber der Dichter bei der Wahl eines Namens für den ^spärtojv des Menelaos auf die böotische Stadt verfallen,

Höhere Kritik. 145

wenn ihm nicht diese Stadt psychologisch und geographisch nahe lag« (I, 58). 3. Der Name des Iros 'ApvaTog »ist von ''Apvy], einer Stadt in Böotien, abzuleiten« (I, 29). Nun giebt es eine Stadt "Apv:^ auch in Thessalien und anderwärts, der Verfasser weiss aber, dass hier nur vom böotischen die Rede sein kann. Von allem Uebrigen abgesehen, wie unsagbar geschmacklos, einfältig und jeglicher Erfindung bar erwiese sich der Dichter, wenn das wirklich so wäre, wie der Verfasser es will! geradeso als wollte ein Dichter Ostpreussens in einer Novelle , die am bayrischen Hofe spielt, einen Kammerherrn Domnauer nennen! und mit diesen Namen, die er in eine ganz unpassende Situation hineinbringt, sollte Homer seiner Liebe für sein Vaterland genügt haben? und wie stimmt das mit des Verfassers Ueberzeugung, dass der Dichter »über die in man- nigfacher Hinsicht interessanten Verhältnisse seiner Heimat und ihrer Umgebung nicht ein hartnäckiges Schweigen beobachten dürfte« (H, 25), wenn er doch nur auf diese kindliche Weise mit seinem Vaterlande Ver- steckens spielt? Die Arbeit ist, so ernsthaft sie geraeint ist, nichts weiter als eine wissenschaftliche Spielerei! Auffallend ist es im Einzelnen, dass der Verfasser den Dichter der Odyssee »oft genug des gewaltigen "üiovn gedenken lässt; eine kühne Hypothese unter andern, dass »die Phaiaken« genannt sind »von der bräunlichen, wettergestählten Farbe des Antlitzes«, dass y>'AXexTpuä)v der Ilias dem vorurtheilslosen Forscher auf das Evidenteste beweist, dass der homerischen Zeit, obwohl nie er- wähnt, der Hahn (ob als Haushahn?) nicht unbekannt war« (I, 10).

66) Ph. Wegen er, Das fünfte Buch der Odyssee und das Prooemium des ersten Buches. Philol. Bd. 35. Jahrgang 1876. S. 410 -429.

Ueber diese Partien ist bereits genug geschrieben worden, der Verfasser glaubt zwar »eine Anzahl neuer Punkte in die Beweisführung gezogen zu haben, die geeignet sind, dem Ganzen ein neues Licht zu geben« (S. 422), Referent hat jedoch dies nicht finden können, im Ge- gentheil erschien ihm Alles nur noch viel breiter getreten und des Ver- fassers poetisches Verständniss noch schlimmer zu sein, als man das bei Untersuchungen Anderer schon gefunden hat. Bis zum Ueberdruss be- kommen wir immer wieder zu hören, woran der Verfasser Austoss ge- nommen. Er verweist als unecht aus dem Prooemium V. 3 9 (»auch die Angabe ug p-äXa nukka TiMy^^rj wird fallen müssen; ein Odysseus ohne Irrfahrten ist mythisch vollkommen in Ordnung«), die wie 18-26 einem späteren Ueberarbeiter angehören , während das Uebrigbleibende von 1 31 einem Rhapsoden angehört; der Verfasser hält »für Pflicht des Dichters, die Heimkehr des Odysseus unmittelbar nach der Göt- terversammlung folgen zu lassen; that er dies nicht, so spielte er absichtlich in der Weise eines Ariost mit den Gefühlen der Hörer«, hält den Anfang des fünften Buches für einen elenden Flicken« u. s. w.

Neu ist allerdings der Gedanke, dass au der Stelle, wo wir heute

Jahresbericht für Alterthums-Wissenschaft 1877. I. 10

146 Homer.

uns der Ankunft des Hermes bei der Kalypso erfreuen, ursprünglich die Ankunft des Odysseus besungen worden ist. Warum? 1. ix navzou ßdg e 56 kann nur auf den schiffbrüchigen Odysseus passen. 2. Nach den Versen:

ev&a x' enstra xal ä&dvarug nep er^sX^cüv ^rjrjaatro t8d>v xal Trxp^f^ecrj (ppzaiv Jjcsi-v

kann es nicht ein Gott sein, der die Umgegend bewundert, nur ein Mensch, z. B. Odysseus. Es konnte nicht fortgefahren werden

evö« GTaq d^r^Ecro Scdxropog 'ApysKpuvrrjg sondern z. B. ivd^a a-äg d-i^ztzo nolöxlag oTog Vooaas'jg

3. das Beiwort ipuUpog in V. 93 xspacras 8k vexrap ipod-puv passt nur zum Weine . . Also wieder ist von der Bewirthung eines Menschen die Rede« (S. 425). In diesen -Argumentationen haben wir in nuce den Ver- fasser und werden wohl danach von ihm Abschied nehmen können. Es liegt aber auf der Hand, dass, wenn derartige Forscher Nachahmer fin- den, die homerischen Gedichte einer reichen Fortentwickelung entgegen- sehen können.

67) Engelbert Rehbronn, De interpolationibus quae feruntur in Odysseae libro undecimo. Dissert. inaug. Rostochii 1875.

Die einzelnen Scenen dieses Gesanges werden der Reihe nach be- sprochen, die bekannten Schwierigkeiten, die sie enthalten, werden wie- derum mit den allerbekanntesten Gründen behandelt; neues Material vor- zubringen wird mit ängstlicher Scheu gemieden; wo solches versucht wird, geschieht es nicht mit Glück, wenn es z. B. vom Frauenkatalog heisst: virum dedecebat cum uxoribus loqui, quibus quominus iter acce- leraret prohibitus est oder wenn der Eindruck von Achill's Rede ein derartiger sein soll, ut mulierem, non virum loquentem audire videamus. Das Resultat der Arbeit ist, si non totum librum, tamen plurimos locos interpolatos esse; wie aber der Gesang trotzdem hat entstehen können, dariiber wird uns jede Meinung vorenthalten. Die Untersuchung ist ohne wissenschaftlichen Werth. Der Verfasser verheisst uns für die nächste Zeit dieselbe Arbeit noch einmal gravioribus argumentis: wir wollen es ihm wünschen!

68) J. Jäkel, Das Teiresiasorakel. Progr. d. Gymu. in Freistadt in 0. Oesterr. Linz 1876. 48 S. 8.

Der Verfasser sucht im Gegensatz zu des Referenten Untersuchun- gen, die er in seinem Buche »die Einheit der Odyssee« über den elften Gesang der Odyssee veröffentlicht hat, auszuführen, dass die Teiresias- partie zum alten Odysseusmythus gehöre, dass Odysseus nicht von der Kirke aus, sondern von der Kalypso zur Fahrt nach dem Hades sich angeschickt habe. Von des Verfassers Voraussetzungen oder seinen ästhe- tischen Urtheilen, womit er seine Ansicht zu begründen versucht, z. B.

Höhere Kritik. 147

dass »Odysseus älter ist als Menelaos, ja vielleicht als alle trojanischen Krieger, dass Odysseus nicht einmal specifisches Eigenthum der Griechen, sondern Gemeingut der meisten indogermanischen Stämme ist«, dass »die Kyklopie ohne Teiresias nicht bestehen kann, da der wilde Fluch einer priesterlichen Lossprechung bedarf«, dass »Kirke und Kalypso so viel Iden- tisches in ihrem Charakter und Wesen haben, dass sie in eine Person zu- sammenfallen und zwischen ihnen zu wählen uns eigentlich nur übrig bleibt«, dass Odysseus auch während seines Aufenthaltes bei der Kalypso noch ein Schiff und Gefährten besitzt, nur werden sie ihm von den in der Nähe wohnenden Kyklopen nicht herausgegeben, dass »Helios in der neuen Odyssee dasselbe sei, was Polyphem in der alten«, dass xbxXcoip das »Rundauge« von der allsehenden Sonne, dem Weltauge, entnommen ist, und darum Helios und der Kyklop dieselbe Person, nur unter ver- schiedenen Namen auftretend, seien« ; von diesem und allem Andern hat sich Referent nichts aneignen können.

69) Adam, Das doppelte Motiv im Freiermord oder der ursprüng- liche Schluss der Odyssee. Progr. Wiesbaden 1876. 27 S. 4.

Der Verfasser glaubt, dass der zweite Theil der uns überlieferten Odyssee aus einer Verschmelzung zweier Gedichte entstanden sei, die nach verschiedenen Motiven die Geschicke des Odysseus in seiner Hei- mat behandelten. Das eine, das ältere und zugleich einfachere, habe als Freier der Penelope nur 20 Jünglinge, sämmtlich aus Ithaka, ge- kannt, die ohne Ersatz die Güter des Odysseus verzehrten, das andere, jüngere Gedicht erzähle von viel mehr Freiern auch aus den umliegen- den Inseln, lasse sie Geschenke darbringen, ungebührlichen Unfug mit den Mägden treiben und an den Fremden muthwillige Streiche ausüben; in jenem sei weniger Vieh geschlachtet worden, in diesem mehr; dieses hätte von ungetreuen Dienern und Dienerinnen viel erzählt, von denen Odysseus misshandelt worden, während davon im älteren Gedicht nichts gestanden hätte; in diesem hätte man in Ithaka allgemein die Ansicht gehabt, Odysseus sei gestorben, in dem Jüngern wäre der Tod des Hel- den zweifelhalt gewesen; in jenem hätte sich Odysseus nach der Ver- wandlung durch Athene direct in den Palast begeben, in diesem zunächst nach der Hütte des Eumaios; hier sei Eumaios ein Diener des Palastes gewesen, dort ein Bewohner des Landes; dort wären die 20 Freier von Odysseus allein getödtet worden, hier von ihm im Verein mit seinen Ge- treuen u. s. w. Mit diesen beiden Gedichten sei noch ein drittes, die Telemachie, zu einem Ganzen verflochten; dieses schildere Telemachos als erwachsen und selbstständig handelnd, lasse zuletzt ihn mit seinem Vater den Freiern den Untergang bereiten und kenne eine Reihe von Motiven, die das zweite jüngere Gedicht eingeführt. Dies sind die Grundsätze, von denen aus der Verfasser die Untersuchung des zweiten Theiles der Odyssee unternimmt. Trifft er auf eine Stelle, die

10*

148 Homer.

von ungetreuen Dienern handelt, so verweist er diese als unächt aus dem älteren Gedicht; hält Penelope ihren Gemahl für todt, so ist damit die Gewissheit gewonnen, dass diese Partie dem ersten Gedicht zugehört. Wird irgendwo auf die Schwäche und Jugend des Telemachos hingewie- sen, so gilt dies dem Verfasser als »eine etwas fremdartige Erscheinung«, die im Widerspruche mit dem Motive der Telemachie stehe; droht Odys- seus Eurykleia mit den ungetreuen Mägden zu todten, so gehört dieses Stück dem zweiten jüngeren Gedichte an u. s. w. Methode hat der Verfasser und peinlich ist er ausserordentlich! Wenn irgendwo die Freier ocQ^ ßouv, atyag und aidXnog opfern und ein andermal ßoög, 'hg und movtg aljEg genannt werden, so weicht diese Stelle völlig von jener ab, da »statt der Kuh Rinder genannt und Schweine gar nicht erwähnt werden« ; wenn Telemachos von Pylos heimkehrend aus seinem Schiffe eine Lanze nimmt, so kann diese Stelle nicht zur Telemachie gehören, da Telemachos bei seiner Abfahrt gar keine Lanze mitgenommen, und greift er am folgen- den Morgen wieder zur Lanze, so hängt auch diese Partie mit der Te- lemachie nicht zusammen; der Verfasser merkt sogar an, dass Telemachos TT 160 Athene nicht erkennt im Gegensatze zur Telemachie; wenn »Pene- lope betont, dass sie die Arbeiten ihrer Dienerinnen und zwar aller über- wache«, so haben wir es mit einer echten Stelle zu thun, weil sie im V/iderspruch mit der Erzählung von deren Untreue stehe! Das und nichts anderes hat der Verfasser übrigens aus folgenden Versen herausgelesen:

rj/iara /xkv yäp zipnoix doopoptivr^ yooaiaa,

ig r' £//a ipy' opöuxra xal dfj.<pcn6^u}v ivl oTxüjI

Eine Widerlegung dieser Grundsätze hält Referent für überflüssig ; nach so nüchternem Recept könnte mit leichter Mühe dargethan werden, dass auch die einheitlichen Schöpfungen unserer grossen Dichter aus meh- reren Gedichten zusammengeschweisst seien. Referent glaubt überhaupt, dass durch derartige Untersuchungen die Frage nach der Entstehung der homerischen Gedichte gar nicht gefördert wird; was der Verfasser freilich nicht glauben wird, dem »eins sicher ist: auf natürlicherem und konservativerem Wege die Widersprüche in der Odyssee zu erklären, als wir gethan, ist bis jetzt Niemandem gelungen« (S. 27)!

70) Adam, Die älteste Odyssee in ihrem Verhältnisse zur Redac- tion des Onomakritus und der Odyssee-Ausgabe Zenodot's. Wiesbaden 1877. 8. 90 S.

Der Verfasser ist in seiner Ansicht bestärkt worden durch »die zahlreichen Nachrichten über literarische Fälschungen und Plagiate bei den Alten überhaupt, sowie über die Entstehung der homerischen Ge- dichte insbesondere. Beide Gedichte sind demnach erst im Laufe der Zeit entstanden resp. von Vielen gefälscht und erweitert wor- den«. Das »demnach« ist sehr gut und recht viel versprechend. Der

Höhere Kritik. 149

nächste Satz belehrt uns, dass »Aristarch die von der Pisistrateischen Kommission besorgte Ausgabe der Epen kritisch sichtete und so war schon zu Cicero's Zeiten die aristarchische Recension die allein mass- gebende«; dabei lesen wir in der Note die bekannte Stelle »Cic. de orat. ni, 34« , die nicht ein Wort davon erzählt. Im nächsten Satze heisst es: »ja in sehr alten Ausgaben der Ilias fanden sich nach & 131 noch die Worte:

TpöjBQ un 'Apyscwv, iXmov 8i xsv "^'Exropa 8Tov y^aXxu) drjCüojvza, ddfiaaas /icv Jiofn^Srjg,

welche mit sonstigen Nachrichten der Alten verglichen, auf eine ganz andere Gestaltung des Gedichtes schliessen lassen. Denn wie aus dem Zusammenhange erhellt, könnte danach Hektor durch die Hand des Dio- medes, nicht die des Achilles gefallen sein«. Ich nehme an, dass der Verfasser im zweiten Verse zu dd/iaaas hinzunimmt xsv : glaubt er wirk- lich, dass überall, wo wir heute in den beiden Gedichten lesen: »das und das wäre geschehen, wenn nicht Zeus etc.«, wir Spuren einer an- ders gestalteten Sage anzuerkennen haben? Wer annehmen kann, dass in einer Sage Hektor auch von Diomed gefallen, der wird allerdings der rechte Mann sein, uns die älteste Odyssee zu eruiren! Was denkt sich aber der Verfasser in diesem Satze bei der Wendung »mit sonstigen Nachrichten der Alten verglichen«? und was bei »in sehr alten Aus- gaben der Ilias«? er kennt doch die Bedeutung von naXacäJv, was also der Satz, auf den er sich bezieht, bedeutet: iv ziat rwv TzaXaiwv (pipovzat 8ÜO arc/oc^ Wenn Theognis sagt: »ich habe erlitten, was Odysseus, der aus dem Hades kam und die Freier tödtete«, so verwerthet der Ver- fasser das für seine Zwecke: er sieht hierin eine Inhaltsangabe, die Theognis von der Odyssee geben wollte, und glaubt, dass in der von Theognis benutzten Odyssee »der Held nach Hause zurückkehrt und die Freier ermordet, unmittelbar nachdem er im Hades gewesen«. Wenn Aristoteles sagt: aurog (OSuaaeüg) ok d^cxvsTzac ^se/iaaf^slg xal dvayviupcaag zcväg aozo7g eruS-iiizvog abzog fikv ifrut&n^, zohg o' k'/d^poog Sce^f^stpsv so schliesst Adam so: »er weiss also nichts von der Beihülfe des Telemach und dem Massenkampfe, der uns in unserer jetzigen Odyssee geschildert wird« ! Glaubt der Verfasser im Ernst, dass diese Partie erst nach Aristoteles gedichtet sei, oder dass sie Aristoteles unbekannt ge- blieben? hat er gar nicht gelesen, dass Aristoteles unmittelbar vorher noch zum Ueberfluss sagt zöv ulov iTrtßouXsuea^atl Lohnt es den Spuren eines solchen Kritikers noch nachzugehen, der auf derselben Seite kühnlich behauptet, dass man unter otopf^iuaeig »zu verstehen habe Ausgaben von verschiedenem Inhalt und Umfang, die nicht bloss bezüg- lich einzelner Verse oder Lesearten von einander abwichen«! Und dieser Kritiker verheisst uns die älteste Odyssee zu »eruiren« auf Grund des »philosophischen und künstlerisch-ästhetischen Gesetzes der Einheit, dem-

150 Homer.

gemäss wir vor allem in einem Dichterwerke die einheitliche Durchfüh- rung des Grundmotives verlangen müssen«! Wenn uns schon von vorn- herein diese Phrase sehr bedenklich gegen das ganze Unternehmen zu machen geeignet ist, so erfahren wir sogleich, was bei ihm das heisst »ein- heitliche Durchführung des Grundmotivs«. Er findet z. B. die Anwesen- heit der Freier »ganz verschieden motivirt«. Nach a 259 ff. »hat Odysseus sein Weib aufgefordert, wieder zu heirathen, wenn Telemach erwachsen, und er selbst noch nicht zurückgekehrt sei«. Nun ist Telemach im Ge- dicht mündig, Penelope hätte also auch der Aufforderung des Odysseus nachkommen sollen; da sie ungehorsam ist, »konnten die Freier sich nach diesem Motive (!) auf des Odysseus eigene Worte berufen, um ihre An- wesenheit zu entschuldigen«! Mit diesem widerstreitet aufs Schärfste ein anderes Motiv, »nach dem 20 ithakesische Jünglinge um die Hand Pene- lope's werben, weil sie damit die Königskrone zu erringen gedenken. Grund ihrer Anwesenheit ist die von Nauplius verbreitete Nachricht vom Tode des Odysseus ... in diesem Gedicht war Telemach wegen seiner Jugend noch gar nicht beachtet . . . Odysseus war vollständig berechtigt, bei seiner Heimkehr die Freier zu bestrafen«. Die Penelope des ersten Motivs soll »kokett« gewesen sein, »von zweifelhaftem Charakter«, ihr »auch einzelne Freier gefallen« haben! Die Stellen, mit denen das der Verfasser belegt, hat er gar nicht verstanden. Für ihn ist »nicht unwichtig die Lesart zu / 38, wonach Odysseus den Freiern sagt: auTou 8k ^wovtoq bneuvdCea&s yuvoTxa, denn sie stimmt vortrefflich zu jener Charakte- ristik der Penelope. Es liegt darin der Hinweis auf jene Sage, nach welcher Penelope mit allen Freiern Umgang pflog, dessen Frucht »Pan« ista. Dazu lesen wir in der Note: »Lykophron-Tzetzes, Serv. zu Verg. Aen. u. s. w.« Wer so wenig wie der Verfasser die Geister zu unter- scheiden weiss, wie können dessen ästhetische Raisonnements Anspruch auf Beachtung erheben? S. 10 lesen wir den Satz: »war die Weissagung dem Polyphem geworden, musste er nicht sofort wissen, dass nicht Ourtg, sondern Odysseus ihn geblendet habe?« S. 13: »Aber warum muss denn der arme unschuldige Odysseus sieben Jahre bei Kalypso zubringen, er der vor Sehnsucht nach der Heimat fast vergeht? Das ist entschieden ungereimt«. S. 80 f.: »die Einführung des Peisistratos ist wahrscheinlich späteren Ursprungs . . da Peisistratos eine sehr untergeordnete Rolle spielt, indem er am zweiten Tage gar nicht erwähnt wird und auch spä- ter keine Geschenke erhält«. Hier sei kurz noch gesagt, dass der Ver- fasser als ursprüngliche Bestandtheile des Nostos des Odysseus »eruirt« hat die Abenteuer bei den Kikonen, Lotophageu, Skylla und Charybdis, Aeolus, Phäaken; »die vier ersteren stehen durch ihre Kürze zu allen übri- gen im vollsten Gegensatz«. Also scheint das Einheitsgesetz auch mit Metermass und Scheere gehandhabt zu sein! Ausser diesem kürzern Nostos gab es noch einen längern: »Kikonen, Lotophagen, Kyklopie, Aeolus in seiner jetzigen Gestalt, Lästrygonen, Kirke und ihre Weis-

Höhere Kritik. 151

sagungen, sowie die denselben entsprechenden Abenteuer bei den Sirenen, Skylla undCharybdis, auf Thrinakiaund den Aufenthalt bei Kalypso«; diesen Nostos man staune ob der Entdeckung! hat Hermes der Kalypso in dritter Person mitgetheilt! Die vom Verfasser S. 28 74 »eruirte« ursprüng- liche Odyssee ästhetisch zu betrachten, scheint dem Referenten nicht zu lohnen. Zur Befriedigung der Neugier, wie sich dieser Kritiker die äl- teste Odyssee denkt, verrathe ich Folgendes : Telemachos existirt im Ge- dicht gar nicht. Nach dem Anruf an die Muse kommt Odysseus sogleich in Sicht der phäakischen Küste und dann ins Phäakenland. Natürlich antwortet er auf die Frage, woher er seine Kleider genommen, mit der Erzählung des »ursprünglichen Nostos«- Am folgenden Tage Abends wird er schlafend nach Ithaka gebracht, scheint aber sofort nach der Ankunft zu erwachen, erkennt sein Land und begiebt sich direkt, so wie er sich befindet, in seinen Palast; ob er bemerkt wird, erfahren wir nicht, jedenfalls hat er schon in der Nacht das Gespräch mit Pene- lope. Bogenschiessen. Odysseus giebt sich Philoitios und Eumaios zu erkennen und fordert sie zur Theilnahme an dem bevorstehenden Kampfe auf, die sie nachher jedoch nicht leisten, da er das alles allein besorgt. Ermordung der Freier, nur Phemios entkommt (was sehr gut ausgedrückt wird durch das imperf. dhjffxrxvs]). Penelope erscheint und sofort hört sie, dass sie einen atorjpsog {^rj/xog hätte. Dann verständigen sie sich. Warum hat nicht der Verfasser die »älteste Odyssee« auch noch durch Ausmerzung des Eumaios und Philoitios purificirt? Noch ein paar Be- merkungen anderer Art. S. 48 überrascht uns der Verfasser mit einem Verse eigener Dichtung:

r)drj/jL68oxov Xiyüipiuvov iövra f^sTov doiSov« (sie!)

S. 87 belehrt uns der Verfasser, dass »der Dichter für das Herabsinken der Sonne aus dem Zenith idöaaTo gebrauchte, für das völlige Verschwin- den der Sonne iduv. und beruft sich dafür auf 37 289 und C 321 ; dieses verwerthet er dann für seinen Gebrauch und seine Anordnung und be- merkt hinterher: »merkwürdigerweise tritt diese Bedeutung von Söaero zum dritten Male zu Tage« nämlich in seiner Zurichtung des Gedichts. Zwischen dem -»oüasro«. bis zum »low« geht bei Adam nun noch Fol- gendes vor sich: das Bringen der Geschenke durch die Herolde, Auf- forderung des Alkinoos an Arete zur Herrichtung eines Bades , Ausfüh- rung desselben, Besorgung der Lade und Einpacken der Geschenke, das Schlingen des Knotens, das Baden des Odysseus, sein Gespräch mit Nau- sikaa. Schlachten eines Opferstieres, Bereitung des Mahles, Gesang des Demodokos und doch ist die Sonne noch immer nicht völlig unter- gegangen: Odysseus wendet vielfach sein Haupt nach der Sonne hin? öüvat inscyo/ievog. Solches in seiner »Odyssee« hinzunehmen muthet uns der Verfasser zu! Nun die Odyssee ist geduldig und muss derartige Angriffe sich gefallen lassen. Wer aber über Personen urtheilt, muss

152 Homer.

sie auch kennen und verstehen: nach dem, was der Verfasser S. 83-90 über Aristarch sagt, geht zur Evidenz hervor, dass dessen kritische Thä- tigkeit ihm noch nicht einmal in den äussersten Umrissen aufgegangen ist und doch nimmt er es sich heraus, über ihn also abzuschliessen : »Es bleibt der höheren Kritik (!) nichts übrig, als jenen, wie man glaubt, tüchtigsten Kritiker des Alterthums, Aristarch, zu verlassen« (S. 20).

»Ich brachte reines Feuer vom Altar;

Was ich entzündet ist nicht reine Flamme«. So könnte solchen Produkten gegenüber, wie das des Verfassers ist, auch Wolf sagen!

71) J. Czernecki, De Mentore in Odyssea. Progr. d. Gymn. zu Tarnapol. 1876. 8. 11 S.

Bei der Bedeutung, die Mentor in Ithaka und speciell für das Haus des Odysseus besitzt, durfte derselbe auch im letzten Theile des Gedich- tes nicht fehlen. Dies wird als Moment benutzt, um die Ursprünglich- keit der einzelnen Lieder zu erweisen, aus denen die Gedichte hervor- gegangen. / 205—40 werden als späterer Einschub betrachtet, um die »Telemachie« mit der »Mnesterophonie« zu verbinden. Ohne Werth für die Wissenschaft.

VI. Realien.

72) Right Hon. W. E. Gladstone, M. P., Homeric Synchronism: an enquiry into the time and place of Homer. 284 S. London, Mac- millan and Co. 1876.

Der berühmte Verfasser legt aus seinen so ausgebreiteten Studien allen denen, die sich für Homer und seine Poesie interessiren, ein neues Werk vor, dessen Kern er bereits in zwei Aufsätzen veröffentlicht hatte (Contemporary RevieWj July, August 1874). Angeregt durch die jüng- sten Forschungen über die Lage Troja's (besonders von Eckenbrecher's) und die Ausgrabungen auf trojanischem Boden durch Dr. Schliemann, dessen Resultate er aufnimmt und zu weitereren Schlüssen verwerthet, ver- bindet er die auf diesem Wege über das Geschichtliche Troja's ermittel- ten Ergebnisse mit den Belehrungen, die die ägyptischen, schriftlichen oder monumentalen Denkmäler spenden: dadurch findet der Verfasser den Schlüssel, um ein tieferes Verständniss der homerischen Gedichte sich zu erschliessen (S. 210) und mit dieser Hülfe Schätze zu heben, die unter der Oberfläche der Gedichte liegen ( . . . with the aid we obtain from without, to inquire what further treasures may lie hid under the surface of the Poems S. 213). Von des Verfassers Ansichten über Homer und seinen aus der Tiefe ans Licht gezogenen Schätzen will Referent zum Frommen der Leser einige mittheilen. Troja's Zerstörung wird als wahrscheinlich zwischen 1286 und 1226 vor Christo fallend angenommen (S. 128). Homer hat seine Gesänge während der Periode der Thebani- schen Dynastien, der kriegerischen achtzehnten verfasst (S. 155), da er The-

Realien. 153

ben als eine ausserordentlich reiche und mächtige (100 thorig) Stadt kennt, da er die in dieser Stadt vorhandenen 20,000 Pferde (cfr. / 384) nicht als Lastthiere, auch nicht zum Reiten gebrauchte, sondern als in Kriegs- wagen getriebene Thiere kennt, wie sie besonders von den Königen der thebanischen Dynastie verwerthet wurden : that is to say, as to the mode of using the animal, he represents a stage of development in Egypt cor- responding with what we know prevailed in the Greece of his day, where the main and characteristic purpose for which horses were used was the traction of the chariot of war, or of princely travel (cfr. S. 152ff. )• Der Besuch des Menelaos bei Polybos in Theben (Od. 8 125 ff.) kann nicht später verlegt werden als in das Ende der zwanzigsten Dynastie (S. 157). Homer war ein Zeitgenosse der Grösse Theben's (156), die Kriegsthaten des Raraeses II (Sesostris) befruchteten des Dichters Phantasie zu der Conception des Achilleus (S. 199), die Stelle z. B. II. Jr215ff., wo sein blosses Erscheinen schon vernichtend wirkt, ist notably in correspondence with the poetical account of Rameses, who is represented as surrounded when alone by 2500 chariots of the enemy . . and as cutting his way through the hostile army. Aber Rameses' 166 Kinder (darunter 59 Söhne) sind auch Zeugen seiner ungewöhnlichen Sinnlichkeit: diese Seite spie- gelt sich in Priamus ab : beides , der Charakter des Achilleus , in its colossal dimensions both of sentiment and action, wie die Hofhaltung des Priamus in its Asiatic raultiformity sind dem Griechischen Wesen fremd (strangely contrasted with the modesty of early Greek life S. 201). Der von Odysseus dem Eumaios 1^278 ff. erzählte Einfall in Egypten ist nicht willkürliche Erdichtung, sondern der Feldzug gegen Menepthek, der von einer Coalition von Völkern unternommen wurde (S. 187). Besonders findet der Verfasser in dem 11. Gesänge der Odyssee eine reich fliessende Quelle zur Befestigung seiner Anschauungen. Minos, der Richter im Ha- des, ist von Phönikischer Herkunft: his kingship here at once raises the presumption that those under him may be of foreign extraction (S. 213). Mehrere dort vorkommende Persönlichkeiten werden als Aeoliden er- wähnt, das ist sofort ein Zeichen fremder Abkunft (cfr. S. 215): Thus it appears, as the result of his minute review of the personages of the Underworld, that in alraost every case we are able to detach them en- tirely from the Hellenic Stocks by Homeric or traditional evidence, and that in no instance, not even that of Leda, have they any actual Hellenic stamp (S. 219). Das Hinabsteigen des vierten Egyptenkönigs nach Sesostris, Rhampsinitus, in die Region der Todten hat wahrscheinlich den Dichter zu dem Besuche des Odysseus in der Unterwelt angeregt (S. 232 f.). Das Gorgonenhaupt mit den Schlangen ist ein Symbol des Isiskultus (S. 234). Die Homerischen Götter sind eigentlich herübergeholte Egyptier, was allerdings uns auch schon von an- dern Seiten entdeckt worden ist. Aidoneus und Persephone sind vielleicht eine Copie der Isis und Osiris des egyptischen Systems (S. 236). Zu

154 Homer.

allen homerischen Anzeichen von "Verbindung zwischen Afrika und Po- seidon gehört als hervorragendstes, dass er allein unter den Göttern dunkles Haar hat (S. 243). Der Horos des egyptischen Göttersystems, mit dem die Griechen ihren Apollo identificiren , wurde mit dem Kopfe eines Habichts dargestellt; Homer konnte Apollo nicht so herabwürdigen, gab ihm aber den xipxvg als ihm zugehörenden Vogel (247). Athene ist die Darstellung der egyptischen Neith; dieser Name bedeutet: »ich kam von mir selbst« ; man erkennt sofort die hervorstechende Aehnlich- keit mit jener Stelle, da Zeus erklärt {E 880), er sei ihr einziger Erzeu- ger! Leider hat der Verfasser nicht erfahren können, ob irgend eine Beziehung zwischen der egyptischen Neith und der Eule vorhanden ist, worauf bei der Athene das Wort yXaöxüjrug hinweist (248 f.). Here ist ursprünglich mit einem Ochsenkopfe dargestellt gewesen, worauf noch die homerische Modification ßoujrug hinweist; dies stammt auch von Egyp- ten her, da die Isis mit dem Kopfe einer Kuh erscheint; zwar wird eigentlich Isis mit Demeter identificirt, doch ist Here und Demeter nahe verwandt (248 f.)- Die Sonnenkühe, die die Gefährten des Odysseus ver- zehren, weisen auf egyptischen Ursprung hin. Die furchtbare Strafe dafür, dass sie diese Kühe lieber aufgegessen, als dass sie verhungerten, findet in den egyptischen Gebräuchen ihre vollständige Erklärung, da wir hören, dass gewöhnlich nur Ochsen verzehrt wurden (252). Homer, der nicht ein asiatischer Grieche gewesen als negativer Beweis dient dazu der Apollo-Hymnus, der S. 87 118 dem Verfasser der Epen abgesprochen wird hat dieses Wissen über egyptische Verhältnisse nicht durch Reisen in jenes Land sich erworben, sondern durch seinen Aufenthalt an den Höfen der Fürsten in Griechenland, die von fremder Abkunft meistens waren, wozu sie schon der Titel äva^ dvopwv ausweist; wahr- scheinlich waren sie Nachkommen jener Männer, die von der thebani- schen Dynastie als Vasallen über die griechischen Staaten eingesetzt waren.,

Auf die hier mitgetheilten Anschauungen des Verfassers näher ein- zugehen oder sie kritisch zu beleuchten, scheint mir unthunlich zu sein ; ich bemerke nur noch, dass der Verfasser in der Einleitung sich also äussert: But against besetting sius and dangers I have endeavoured to take- security, by trying to distinguish carefully between certainty and probability, between knowledge and conjecture; and especially, by founding all inquiries and conclusions upon close and painstaking examiuation of the Homeric text, and by con- ducting them according to the established laws of evidence as opposed to the lawlessness of ipse dixi and of arbitrary assertion.

Realien. 155

73) Das Werk ist deutschen Lesern zugänglich gemacht in einer Uebersetzung von Dr. phil. D. Bendan, früher Professor an der Uni- versität der Stadt New-York: Homer und sein Zeitalter. Eine Unter- suchung über die Zeit und das Vaterland Homei*'s von W. E. Glad- stone. Jena 1877. 8. 318 S. Vorangeschickt ist vom Uebersetzer ein »Lebensabriss des Verfassers« XXV S.

Die Uebersetzung lässt sehr viel zu wünschen übrig.

74) 0. Frick, Zur troischen Frage. Fleckeisen's Neue Jahrbücher Bd. 113. 1876. S. 289—319.

Anknüpfend an die diese Frage behandelnden Werke und Schrif- ten von Hasper, Büchner, v. Eckeubrecher, Geizer, Stark, Christ, L. v. Sybel, Keller, Steitz geht der Verfasser, der im Jahre 1856 die troische Ebene selbst besucht hat, auf das die Gegenwart so lebhaft be- schäftigende Thema ausführlich ein, stellt Fragen auf, von deren gründ- licher Beantwortung ein endgültiges Resultat über diesen Gegenstand ge- wonnen werden könnte, betont im Anschluss an v. Sybel's Vortrag »über Schliemann's Troja« die Nothwendigkeit, bei Feststellung der topographi- schen Wirklichkeit und Rückschliessung davon auf die Lage des ursprüng- lichen Troja nicht zu vergessen, dass in dem homerischen Gedicht Wahr- heit und Dichtung zusammenfliesst, und tritt für Bunarbaschi-Troja ein.

75) P. W. Forchhammer. Der Skamaudros. Fleckeisen's Neue Jahrbücher. Bd. 113. 1876. S. 320-23.

Aus homerischen Stellen wird gefolgert, dass das hier über den Skamandros Gesagte allein auf den Fluss von Bunarbaschi, nicht auf den Mendere passe und dass davon also die Bestimmung der Lage Tro- ja's abhänge.

76) Anton Krichenbauer, Die Irrfahrt des Odysseus als eine Umschiffung Afrika's erklärt. Berlin. S. Calvary & Co. 1877. 8. 136 S.

Tt TtpwTuv zoi sTiecTa, XL 8' üardrcov xazrxXiquj ; Also es ist nun her- ausgebracht Folgendes: Die Lotophagen wohnten in Arabien, ihr Lotos ist deutlich Haschisch, Betel, Opium oder so etwas; die Kyklopen waren an der Küste des Somalilandes sesshaft, die vor dem Hafen liegende Insel ist Abd el Kury ; die Aiolische Insel eine der Seychellen ; die Lästry- gonen wohnten südöstlich davon an der Panzerbank oder Nazarethbank. Die »erste Aiaie« ist Rodriguez, die »zweite Aiaie» Ascensiou; die Si- renen, »die wirklichen leibhaftigen Frauen des Guanchenvolkes«, wohn- ten auf den Canaren; die Plankten = Pic von Tenerifa, »wo sich noch heute die Tauben vor ihrem Abzüge versammeln« ; die Skylla hauste in der Michaelsgrotte am Felsen von Gibraltar, die Charybdis an dem von Genta; Kalypso wohnte auf einer der Fortunaten, etwa Gomera, und ist »das wahre Vorbild der Frauensitte auf Gomera, wo der Gast von seinem Wirth aufgefordert wurde, das Bett des eigenen Weibes mit ihm zu thei-

156 Homer.

len oder die Jiigendblüthe seiner Töchter zu pflücken, wie die Odyssee in den Worten Xdatojiivrj noaiv eivat ähnlich sich ausdrückt« ; das »wahre« Aiaie ist eine andere Insel der Fortunaten, Palma; Scherie = Tenerifa, die Stadt der Phaieken ist Garachico; Trinakie ist auch = Tenerifa, da es mit Scherie identisch ist; Zakünthos ist die »berühmte grosshündige« Insel Gran-Canaria {Z»-xuvBog)\ Ithaka ist gar nicht Ithaka, das Vater- land des Odysseus, sondern da wohnt Kalypso; denn es heisst t 21: vaie- zd(u 8' 'l&dx7jv und f, 29: ^ /xev jj.' auröd^' epuxs KaXoipco, d. h. doch deutlich auzo^t = iv UMxjj und Ithaka ist demnach San Sebastian auf Gomera. Die Kimmerier wohnten am südlichen Pol, der damals die Tempe- ratur des nördlichen Schwedens gehabt haben muss, so dass also die süd- liche Aequatorialströraung mächtiger war als heute. Die älteste Odyssee behandelte eine Südpolexpedition, die um 1450 v. Chr. ausgeführt wurde; Penelope und was damit zusammenhängt, ist spätere Zudichtung.

Referent gesteht leider, dass dies alles über seinen Horizont geht.

77) Anton Erichen bau er. Die Irrfahrt des Menelaos, nebst einem Anhange zur Aufklärung über die »Rosenfinger und den Safran- mantel der Sonne«. Progr. des kaiserl. königl. Gymnasiums zu Znaira. 1877. 8. S. 32.

Referent sieht sich wieder in der für ihn beschämenden Lage, bei Besprechung dieser Schrift das Geständniss zu wiederholen, mit dem er die vorige geschlossen: er ist ausser Stande, der kühnen Phantasie zu folgen. Also: Pharos ist Socotora am Ausgange des Golfes von Aden; Proteus ist eine Personificirung des' Nil oder Egypten's: wie er alle mög- lichen Gestalten annimmt, Hitze, Wasser, Baum und Thier wird, so »bringt der Nil Wasserfälle, macht das Land grünen, schafft Vögel und Amphi- bien in Unzahl«; demnach ist Eidothea die Tochter des Proteus so ge- dacht, wie wenn man spricht von den Töchterstädten eines Landes, d. h. Eidothea ist identisch mit der Bewohnerschaft Socotora's, das in diesem Ver- hältniss zu Egypten gestanden haben muss. Der um 1450 v. Chr. unter- nommenen Südpolexpedition desOdysseus sind andereVersuche nachgefolgt, so von Aias, von Agamemnon, so auch von Menelaos, der wie Odysseus nach dem Wunderlande Aia fahren wollte d. h. nach den Fortunaten. Von Unteregypten ist er zu Fuss auf dem Landwege über den Isthmus nach der Küste des rothen Meeres gegangen; daran reiht sich seine Reise durch's rothe Meer nach Arabien und Libyen, seine Fahrt durch den Golf von Aden nach Socotora; dort bleibt er sechs Monate, weil sich die N. O.-Moussous nicht einstellen; er erfährt durch den »alten Seemann« Schreckensnachrichten über die Fahrten des Aias, Agamemnon und Odys- seus, giebt seinen Plan auf und fährt zurück durch das rothe Meer. Die kleine Schrift bringt die überraschendsten Etymologien: ä<pap von a priv. und Wz fap Zd. bar = bohren, schneiden, und da der »Bohrer«

Realien. 157

eine »gewundene Schneide« repräsentirt, ist ä(pap = »ohne Windung«; demnach heisst ä^ap xepaol zsXi&ooat »ungewunden gehörnt gedeihen sie«. ^Aloaüdvrj von y>äl6-gi<. und su, goth. sunu = Sohn, su-nj-a Fräu- lein = Meerfräulein, »so passt es auch, dass die Robben das Geschlecht des schönen Wasserweibchens sind«. podoodx-oXog von p68ov die Rose und ddx-uXog = zeigend und zeugend« also = »rosenerzeugend«. Kpo- xomrdog von xpoxog Safran, ttstt = kochen und Suif. Xog = »Safran reif machend«. UiiiXog Mantel von Wz ttctt, kochen = warmmachend, der Wärmer. Höchst interessant ist auch die Deutung von oopnov. Es ist = Herbstmahl, Herbstopfer, »das Menelaos in der Fremde nach helle- nischer Sitte feierte, wie der Deutsche sich überall gegen Schluss des Jahres den Christbaum anzündet«.

78) Dr. Ludw. v. Sybel, Die Mythologie der Ilias. Marburg 1877. 8. VI. S. 317.

Vergl. meine Anzeige dieses Buches im Lit. Centralbl. 1877. N 49. S. 1634 ff.

79) Kroch er, Der homerische Dämon. Progr. d. städt. Real- Lehranstalt zu Stettin. Stettin 1876. 16 S.

Die Abhandlung über den Dämon ist ohne Dämon geschrieben. Nach einer Untersuchung über Etymologie und Bedeutung des Wortes, die sich jedoch bald als nutzlos erweist, da »wir nur sehen, was wir nicht wissen«, werden die Stellen der Ilias und Odyssee gesondert be- trachtet, in denen das Wort dacfiojv vorkommt, um zu entscheiden, »ob mit dai'pwv ein persönliches Einzelwesen oder das göttliche Wirken über- haupt, eine dunkele, höhere Macht bezeichnet werde«. Durch so un- klare Fragestellung, die die eigentliche Sache gar nicht trifft, ist von vornherein die völlige Resultatlosigkeit der ganzen Arbeit bedingt, und so sehen wir den Verfasser sich bald der einen bald der andern Ansicht hinneigen. In der Ilias findet er Stellen, wo oacpwv »in mehr monothei- stischer Weise das göttliche Walten bezeichnet, als dessen Träger der einzelne &£6g erscheint«, dagegen eine »sehr beträchtliche Reihe anderer, an denen die Persönlichkeit des daqxojv über jeden Zweifel erhaben ist, da es auf das allerbestimmteste für &aug eintritt« und »so müssen sich jene Stellen einer so erdrückenden Majorität gegenüber bescheiden und können das um so eher ohne Gewissensbisse, als ja auch ^eög in der Ilias wie in der Odyssee sich verschiedentlich in gleicher Weise verall- gemeinert findet, indem es nicht irgend einen beliebigen Gott bedeutet, sondern das göttliche Wirken in mehr monotheistischer Weise zusammen- fassend, die Gottheit«. In der Odyssee soll es ungefähr ebenso stehen, nur an zwei Stellen im Munde des Elpenor und des Eumaios soll Satpwv nicht »gleich reg &s6g, reg ßeojva sein, sondern »die Göttergesammtheit« bedeuten, doch fällt dies weniger auf, da »diese zwei Männer mit den

158 Homer.

Verhältnissen und Ordnungen des Olymp offenbar nicht vertraut sind«. Wenn nun die Griechen selbst eine gewisse Unkenntniss im Gebrauche dieses Wortes verrietheu, was Wunder also, dass der Verfasser in be- ständiger Unklarheit befaugen ist und bei der Prüfung der einzelnen Stellen lediglich die Frage erörtert, ob unter oac'ixujv man sich ein per- sönliches oder ein unpersönliches Wesen zu denken habe, die eigentliche Machtsphäre aber, in der der Sat/xojv sich offenbart, gar nicht berührt. So wundert er sich, dass Aphrodite immer ein oac'fiwv genannt sei! und so ist auch natürlich, dass er die wahre Bedeutung sämmtlicher Steilen, die dacfjLcuv und ßsog oder beide neben einander bieten, gar nicht ver- stehen kann, wenn schliesslich sein ürtheil dahin geht, »dass dacficuv bei Homer ganz wie Beug zunächst ausschliesslich einen einzelnen persön- lichen Gott bedeute und nur zuweilen gleich jenem auch in den allge- meineren Begriff der Gottheit übergehe« (S. 12). Die Frage, ob Sac/iojv eine den Menschen feindliche Gottheit bezeichne, scheint der Verfasser für die Ilias zu verneinen, »eher könnte man dagegen geneigt sein, dem dai'fiwv der Odyssee ein Stück Teufelsnatur zuzusprechen; doch geht das Böse, das hier der daipLcov vollführt, nirgends über das Mass dessen hin- aus, was auch den Göttern beigelegt wird« (S. 13 f.). Womit also wieder gar nichts gesagt ist.

Schliesslich (S. 15) kommt der Verfasser dazu, einige Unterschiede zwischen diesen beiden Worten aufzustellen, die aber von seinem Stand- punkte aus nicht anders als ganz äusserlich sein können! Und nun was der Verfasser ergründen möchte, ist alles schon in der vollendetsten Weise gesagt worden! Hätte der Verfasser den Aufsatz von Lehrs ge- kannt »Gott, Götter und Dämon« (in seinen populären Aufsätzen) so würden ihm alle Stellen, die ihm soviel Skrupel machen, die er doch nicht löst, -vor seinen Augen erhellt gewesen sein und er hätte seinen Aufsatz - nicht geschrieben.

80) Augustiu Christ, Schicksal und Gottheit bei Homer. Eine homerische Studie. Innsbruck, Wagner'sche Uuiversitätsbuchhandlung 18V7. 8. 60 S.

Der Verfasser weiss weder mit den Göttern etwas anzufangen, wenn er von ihnen sagt: »sie haben nur ein über das menschliche Mass hin- ausgehendes Wissen und Sehvermögen und der Mensch, im Gefühle der Unzulänglichkeit seines eigenen, bezeichnet es dann übertreibend als Allwissenheit« (S. 24) oder »die Wendung l^eol 8s re ndv-a ouvavza: ist dem Dichter eine Hyperbel; er sieht das Uebermenschliche für das der Gottheit Eigenthümliche an, aber dennoch behält er aus gewichtigen Gründen sich stets die Möglichkeit offen, es auf menschliches Mass her- abzudrücken. In menschlicher Gestalt lieben es die Götter zu täuschen und zu lügen und unsagbares Unheil zu stiften unter den Sterblichen« (S. 25), noch ist ihm auch der Begriff" der /loT/ja aufgegangen, wenn er

ßealien. 159

z. B. xaxa [lolpav hmeg auffasst: »du hast der Stellung gemäss, welche dir unter uns zukommt, gesprochen«, wenn er zu der Ansicht kommt, »dass wir ihre Anlage durchaus nicht mit einem über ihnen waltenden Schicksale vereinigen können« (S. 39) und um einem »unendlichen Wider- spruch« zu entgehen, »das Schicksal des Homer als eine Schickung der Götter«, »Zeus Wille als die jioTfjrui auffasst. Das Merkwürdigste an der Schrift ist, dass der Verfasser von Lehrs' populären Aufsätzen keine Kenntniss zu haben scheint.

81) W. Jordan, Epische Briefe. Frankfurt a. M. 1876. 8. 270 S.

Ein geistreicher, sprachgewaltiger Mann und zugleich von der Ueberzeugung durchdrungen, Homeride in unserer Zeit zu sein, redet zu seinen ehemaligen Zuhörern und Zuhörerinnen in Form von Briefen über »die bildende Kunst und die Poesie«, »die Vorbedingungen des Epos«, »Ursprung des Epos«, »Stoff des Epos«, »das indische Epos«, »Iran und Firdusi«, »die Kunstgeheimnisse Homer's«, »Epochen des germanischen Epos. Island und die Edda«, »Rettung der Edda. Ihre Schöpfungssage«, »der betrogene Baumeister. Der Hammer des Donnergottes«, »die Ent- führung Idunas. Freyr und Gerda«, »Balder und Nanna.« Was hier von den Völkern durch die Jahrhunderte hindurch erzählt wird, wird gewiss sein Publikum finden, um so mehr da der Verfasser Alles mit dem vollen Brustton der Ueberzeugung vorträgt, den ihm das Gefühl ein- giebt, aus eigener Werkstätte zu melden. Uns interessirt hier besonders der siebente Brief über »die Kunstgeheimnisse Homer's«, von denen uns aufgezählt werden »zunächst das Geheimniss der Anschaulichkeit«, das »Homer bei seinen Vorträgen entdeckt hat«; sodann wird eingehend vom »Vergleich« gehandelt »einem Hülfsarbeiter für die Anschaulichkeit«. Ein zweites Geheimniss ist »das Gesetz der Spannung, der dramatischen Wirkung, das Homer fand«, ein drittes »das Gesetz der von Homer er- fundenen Episode«. Diese »Geheimnisse« kannten wir jedoch schon sehr lange, wenn auch in anderer, weniger gesuchter Ausbreitung und hier und da auch etwas richtiger angeschaut: wir brauchten wirklich dazu nicht eines Mannes, aus dem die epische Muse kündet. Der Verfasser scheint aber anderer Meinung; er schliesst diesen Brief also: »Noch zu einem Dutzend solcher Briefe allein über Homer hätte ich unterhalten- den und theilweise völlig neuen Stoff". Denn gar Vieles und Wichti- ges von seiner Dichtung hat vor mir Niemand gewusst noch wis- sen können, weil auch ich es gelernt habe in derselben Schule, in der seine Kunst sich ausgebildet.« Befremdend ist es aus dem Munde eines Mannes, der »diese Fragen aus der Wissenschaft der Poesie öffent- lich behandeln« will, folgenden Satz zu vernehmen: »das Wesen des Dra- mas ist die Erfindung Homer's; denn Ilias und Odyssee haben jede zum Kern ein Drama, das mit geringer Mühe unter Beibehaltung des dialo- gischen Textes, aus der Form der Erzählung in die eines darstellbaren

160 Homer.

Bühnenstückes verwandelt werden könnte, die Eias eine Tragödie, die Odyssee ein Schauspiel« ! S. 146 ist unten in der Anmerkung für »Hec- tor« Menelaos zu lesen. In dem Gleichniss f 570 ff. ist laxavda 8ax£siv nicht richtig übersetzt »dennoch behaiTt, bis sie stach«, es heisst: »sie verlangt zu stechen« , da hier der Dichter nur das immer wieder auf's Neue unternommene Versuchen der Fliege zu stechen schildern will. Auch das Gleichniss J 130 ff. hält Referent für falsch verstanden und nicht richtig übersetzt.

82) Joannes Protodikos (Parius), De aedibus Horaericis. dissert, inaugur. Lips. 1877. 8. 73 S.

Der Reihe nach werden die Theile des Hauses, wie sie dem in dasselbe Eintretenden auf einander folgen, besprochen. Ueber die Haupt- theile hat bereits Voss das Nöthige und Abschliessende gesagt, über mehrere bedenkenerregende Ausdrücke haben auch die späteren Unter- suchungen nicht sichere oder auch nur annehmbare Resultate erzielt. Auch diese jüngste Untersuchung räumt die vorhandenen Bedenken nicht fort und wir werden uns hier wohl in unserer Unkenntniss für immer bescheiden müssen, um so mehr, als mehrere dieser fraglichen Ausdrücke gerade in meiner Ansicht nach interpolirten Partien sich finden, deren Urheber selbst kein richtiges Verständniss mehr für die betreffende Oert- lichkeit besassen. Der Schrift sind beigegeben ein Grundriss vom Hause des Odysseus und Zeichnungen, die das Verschliessen erläutern. Die Abhandlung ist in griechischer Sprache geschrieben.

83) W. Jordan, Novellen zu Homeros. Die Farben bei Homeros. Fleckeisen's Jahrbücher 113, Jahrg. 1876. S. 161-168. (Fortsetzung von Jahrgang 1875. S. 513-517.)

Anknüpfend an Lazarus Geiger's Behauptung, dass die ältesten Sprachdenkmale nur für dunkel und hell, schwarz und weiss Ausdrücke hätten, dass dann am frühesten für roth, später für dessen Nuancen bis zum gelb die Bezeichnungen auftraten, Worte aber für grün und nament- lich blau am spätesten erscheinen, sucht der Verfasser an den Worten loeidrjg , xüavog^ xuavonpwpog xuavor.fjwpziog^ xoavo^aczrjg^ coSve^rjg, Tiop- (pbptog (das eigentlich nur gefärbt heissen soll, also ähnöpipupog »gefärbt wie das Meer«) zu erweisen, dass »die Organisation zum Blausehen man dem Auge des Poeten und seiner Zeitgenossen nicht absprechen dürfe«. Den Schluss bildet eine Zusammenstellung aller homerischen Farbenaus- drücke. Wie immer bei Jordan ist auch dieser Aufsatz reich an Hypo- thesen, auf die man nicht bereit ist einzugehen; wenn z. B. der Vater des »Weinmischers« Leiodes (p 144 Oivüi\> heisst, so soll das nicht »eben- sowohl als ,wie Wein aussehend', sondern auch bedeuten können ,nach Wein aussehend' d. h. allzu reichlichen Genuss von Wein durch die Er- scheinung verrathend und zwar ganz besonders durch unsicher wanken-

r

Hymnen. 161

den Schritt, also taumelnd«; danach wäre olvom von den Pflugstieren N 703 »taumelig schreitend« und vom sturmbewegtem Meer »im Wellen- aufruhr regellos schwankend« u. s. w.

84) F. St ölte, Der Nibelunge not verglichen mit der Ilias, 2. Theil. Progr. Rietberg. 1877. 4. 27 S.

Ohne wissenschaftlichen Werth.

85) B. Lohmaun, De Achillis, Herculis, Aeneae clipeis ab Ho- mero, Hesiodo, Vergilio descriptis. Progr. d. Gymn, Dionysianum zu Rheine. Münster 1877. 4. 18 S.

Desgleichen.

VII. Die homerischen Hymnen.

86) A. Nauck, Kritische Bemerkungen, Melanges Greco- Romains. Tom. IV. Petersb. 1876. S. 151 154.

Hymn. I, 28 wird für Xiyunvoioig dvifxotaiv, da hyönvoioq sonst nir- gends nachweisbar zu sein scheint, vermuthet hyu rivdoud dvifiocacv cfr. Od. o 567. Hym. 2, 72 (112); 241; 252; 254 statt IleXor.dvvr^aov dürfte au allen diesen Stellen die Trennung y>ni?M-og v^aov nothwendig sein, die in der älteren Poesie vorherrschend ist.« Hym. 4, 155 ff. ipm {lera- azpz<pBtiaa iq M/og eoazfxuzov: »vermuthlich schrieb der Dichter Xixzpov eüarpioTov«. Hymn. 5, 285 xäS o' äp^ d.n su<T~p(i)Tajv Xs^datv Hupüv: »die gangbare Lesart entschieden unrichtig; schon die Verbin- dung von xa-d und drco erscheint hier als höchst befremdlich (! ). So- mit vermuthe ich xäS d' äp ioazpwzwv Xsyiojv ßöpova. Hymn. 33, 16 für nuvou aipLOiv^ wofür Baumeister ttoi/ow xptacv conjicirt hat, vorgeschla- gen 7CUVO0 lüatv.

87) Joh. Witrzens, Bemerkungen zur Prosodie der homerischen Hymnen. Progr. d. N. österr. Realgymn. zu Waidhofen a. Thaia. Wien 1876. 19 S.

Eine sehr sorgfältige Untersuchung, die die Bestimmung hat, »die von Hartel an der Ilias und Odyssee über Hiatus, Digamma und Quan- tität der Silben aufgestellten Theorien auch in den homerischen Hymnen zu erweisen«. Was den Hiatus anbetrifft, so herrscht im Bezug auf die langen Vokale und Diphthonge dasselbe Gesetz in den homerischen Hym- nen, wie in den epischen Gedichten: der lange Vokal kann wegen der viel grösseren Festigkeit und Betonungsfähigkeit nicht so leicht zu einer Kürze werden, während die Diphthonge viel beweglicher (cfr. Hartel, Hom. St. III, S. 42) sind und sehr leicht zu einer Kürze zusammen- schrumpfen; z. B. wird ai vor vokalem Anlaut in den Hymnen 373 mal (795 in den beiden Epen), oc 100 mal (361) verkürzt, während oj nur 33mal (65 in den Epen), w 6 mal (30) verkürzt vorkommt. Das Ver- Jahresbericht für Älterthums-Wissenschaft 1877. I. j]^

162 Homer.

hältniss zwischen Wirkung und Nichtwirkung der digammirten Wörter in den Hymnen ist fast 2 : 1, während für Homer dasselbe sich herausstellt wie 6:1: man sieht, wie sehr die Wirksamkeit des Digamma bereits ab- geschwächt ist.

88) H. Chris tensen, De Hymno in ApoUinem Homerico. Kiliae 1876. 4. 48 S.

S. 1 18 enthalten eine Kritik des Hymnus in Bezug auf den In- nern Zusammenhang; S. 18—38 bringen metrische Untersuchungen (de spondeorum usu, de vocibus encliticis, de caesuris, de numeris, de posi- tione, de hiatu, de digammate); S. 38 43 wird erörtert des Hymnus Abhängigkeit von den homerischen Gedichten hinsichtlich des Wortschatzes, der Verse und Verstheile, schliesslich folgt S. 43 45 Einiges de verbo- rum structura usu forma. Mit Benutzung der einschlägigen Literatur ergeben sich dem Verfasser folgende acht Stücke, mit denen der Hymnus auf Apollo besteht. I. 1 13 Apollo's Erscheinen unter die Götter, n. 30-95. 97—135. 139 Apollo's Geburt, HI. 140—172. 177. 178 Apol- lo's Verehrung, HI. wird von II auch darum getrennt, weil es mehr Spon- deen hat und weniger Homer nachahmt als II.

IV. 182 206 Apollo's Citherspiel im Olymp. V. 19. 25 29. 208 bis 238. 243. 278—304. 356—374 Apollo gründet sich sein Orakel. IV ist eine grössere Nachahmung Homer's.

VI. 244 277. 375—387 (Apollo und Telphusa) werden einem Inter- polator zugewiesen. Digamma vernachlässigt, nur beim pron. der 3. pers. erhalten.

VII. 305 355 Typhaon's Geburt. Ueber das Digamma gilt das zu VI Gesagte. Sehr grosse Nachahmung Homer's.

VIII. 388 546 Apollo gewinnt sich die Priester für sein Hei- ligthum. Digamma vernachlässigt. Grössere Zahl Spondiaci als bei Homer.

89) Alb. Koehn, Observationes de Homerico in Pana hymno. Progr. d. Gymn. zu Guben, 1876. 4. 18 S.

Cap. I (S. 3 f.) behandelt die Worte und Wendungen, die Homer und der Dichter des Hymnus an derselben Versstelle haben; Cap. II (S. 5 f.) zählt die nur diesem Hymnus eigenthümlichen Worte auf, Cap. III (S. 6 8) diejenigen, die bei Homer nicht vorkommen, aber bei anderen Schriftstellern sich finden; Cap. IV (S. 8 11) die in anderer Bedeutung als bei Homer gebrauchten Wörter; Cap. V (S. 11 13) Adjectiva, die der Dichter des Hymnus abweichend von Homer mit anderen Substantiven verbindet; Cap. VI (S. 13 14) anders als bei Homer konstruirte Verba; Cap. VII (S. 14—16) handelt von Deklinations- und verbalen Formen; Cap. VIII (S. 16—18) bringt einige metrische Beobachtungen.

Hymnen. 163

90) R. Weg euer, Die homerischen Hymnen auf Apollo, Philo- logus Bd. 35. 1876. S. 217 226.

Wenn der Hymnus im Eingange den Eindruck schildert von Apol- lon's Eintreten unter die Götter, so meint unser Verfasser, dass dies »eine Erzählung sei, die später fällt als die Geburt und diese nothwendig vor- aussetzt, sonst ist V. 11 13 unverständlich«; denn wenn es hier heisst: X^-'-ptt . . . Atjtoj, oijvexa To^ofopo)^ .... stcxtsv, »so kann die Geburt nur kurze Zeit früher stattgefunden haben« d. h. »dem zweiten Verse muss vorausgegangen sein die Andeutung, dass Apoll geboren ist, dass er den Bogen erfindet und mit dieser Erfindung zum Olymp geht« »sich hier in seiner bewaffneten Erscheinung furchtbar zeigt und die Mutter dem Sohne das gefährliche Spielzeug abnimmt«. Wenn wir V. 11 f. lesen datiioveg äXXot ev&a xaBt^ooaiv, so weiss der Verfasser, dass hierauf »ein Gespräch folgen musste, in dem die Herrlichkeit des Gottes gerühmt wurde«, »in diesem angedeuteten Gespräch war die natürliche Stelle für jene Belehnung des Gottes mit der Weissagung«. Wenn Apollo bald nach seiner Geburt V. 131 f. ausruft: sYr^ jxoi xi^apiq ~e <pchrj xzX., so sagt unser Verfasser »korrekt und logisch richtig«: »V. 131 f. ist sinnlos; wie kann Apollo es hier als seinen Beruf bezeichnen, den Menschen den un- trüglichen Rath des Zeus zu verkünden, ehe Zeus ihm diese Gabe ver- liehen hat? Wie kann ihm Bogen und Kitharis lieb sein, ehe er sie er- funden hat?« Unser Verfasser ist überzeugt »methodische Kritik« geübt zu haben: Referent hat hierin nicht Kritik, nicht Methode gesehen, er fügt aber zum Nutzen aller derer, die wissen wollen, was durch solche »methodische Kritik« erzielt werden kann. Folgendes zu: Verfasser hat auf diese Weise drei Hymnen herausgebracht: Hymnus A umfasst die Verse 14-18, 2 13, 182 206, 214-230, 239—243, 277 304, 356 bis 378; Hymnus B die Verse: 47 80, 83—119, 135—136, 137—139, 141-143, 30-44, 144—178; Hymnus C 207—213, 388—546. Dem Ver- fasser »scheinen die Grundzüge der ursprünglichen Bestandtheile sicher zu sein« !

91) Ph. Wegener, Der homerische Hymnus auf Demeter. Pbilol. Bd. 35. 1876. S. 227-254.

Man sollte doch gar nicht glauben, was nicht alles die Kritik aus- zuklügeln im Stande ist. Der Verfasser hat die ganz merkwürdige Ent- deckung gemacht, dass, wenn Persephone die Narcisse brechen will und sich nun die Erde aufthut, »Pluto nicht mit Ross und Wagen aufsteigen wird, um seine Beute nach einem anderen Zugange in die Unterwelt zu führen; er wird hervorspringen und die Jungfrau mit sich in die Tiefe reissen«. Damit hat Verfasser zwei verschiedene, im Hymnus mit ein- ander von einem Ueberarbeiter zusammengearbeitete Motive gewonnen, »Motiv kennt die Narcissusblume und das Herunterreissen, »Motiv kennt Pluto auf einem Wagen davon fahrend, »Motiv weiss demnach

11*

1 64 Homer.

von einer Mitschuld des Zeus, »Motiv hat solche nicht gehabt. Mit Hilfe dieser überraschenden Entdeckung wird es dem Verfasser »leicht, die Zugehörigkeit zu den beiden Erzählungen A und B zu bestimmen«, z.B.: »Bei dem plötzlichen Herabreissen war nur ein Aufschreien mög- lich, während sie anhaltend geschrieen haben wird, wenn sie auf dem Wagen fortgeführt wurde. Hekate, die in der Höhle sitzt, ist ein Motiv von A, Helios, der gesehen haben wird, wie Pluto die Jungfrau auf dem Wagen fortführt, ist ein Motiv von u. s. w. Mit demselben Scharf- sinn hat der Verfasser auch in der Partie von Demeter's Aufenthalt bei Keleos zwei sich widersprechende Motive entdeckt: nach dem einen ist der Demeter Auftreten majestätisch, nach dem andern ist ihr Aussehen entstellt; »die Erzählung mit dem Motiv der Entstellung des Aussehens« nennt Verfasser I, die andere H. Hiernach wird nun wieder das Be- treffende in die beiden Kästen eingeschachtelt! Z. B. wenn Demeter er- zählt, sie sei von Räubern aus Kreta entführt, so erscheint unserm Ver- fasser es »im höchsten Grade unwahrscheinlich, dass die Räuber eine alte, kraftlose Frau für den Sklavenmarkt fortgeschleppt haben, wahr- scheinlich ist eine solche That nur an einem jugendlichen Weibe ge- schehen. Die Erzählung passt also nur zur Situation von H«. »Demeter als Amme war eine alte Frau« gehört also zu I, »als Arzt dagegen kann sie sehr wohl in ihrer göttlichen Gestalt zum Keleos kommen, die Hei- lung muss also zu H gehören«.

.Sehr merkwürdig bleibt es, dass dem Verfasser, der doch sonst das Gräschen wachsen hört, »der Grund unerfindlich ist, der die Göttin bewegt, den Demophon unsterblich zu machen«; wenn »die liebewahn- sinnige Kalypso« das dem Odysseus zugedacht hat oder Thetis ihrem Kinde, so ist ihm das verständlich; »dagegen schwebt das Unternehmen der Demeter nach Veranlassung und Erfolg vollständig in der Luft«. Ist hier unser Verfasser mit Blindheit geschlagen, so zeigt er sich wie- der sogleich hellseherisch in seiner Conjectur, dass »der Hymnus noch deutliche Spuren bewahrt hat, die es unzweifelhaft machen, dass die Verse desselben umgesetzt sind aus einer Achillesdichtung; es ist dem Ueberarbeiter nicht gelungen, die Spuren, welche auf den ursprünglichen Zweck der Verse führen, ganz zu tilgen«. »V. 236 von der Thetis gesagt ist ohne Anstoss, von der Demeter sinnlos«; »Demeter würde nach V. 237 bis 247 als entstellte Frau sehr unpassend rj8u xaranvecouoa genannt, sehr passend Thetis«. »Die Verse 248 249 sind für Metaneira geradezu komisch. Warum sucht sie, die Herrin, das Kind nicht zu retten und der Dienerin zu entreissen? Dagegen wenn Peleus die göttliche Gemahlin belauscht und sieht, wie sie den Achilleus verbrennt, so muss er sich dem höheren Willen der Götter mit Resignation fügen und eine solche Resignation enthalten unsere Verse«. Gott sei Dank, dass der Ueber- arbeiter dumm genug war, um nach Jahrtausenden unserm Verfasser Gelegenheit zu geben, an ihm seinen Scharfsinn zu versuchen! Der Ver-

Hymnen. 1 65

fasser gesteht, dass er sich nach den gegebenen Andeutungen, »ein sol- ches mehr oder weniger geistreiches Spiel nämlich jeden einzelnen Vers nach seiner Zugehörigkeit zu prüfen versagen darf«: ist unser Verfasser wirklich naiv genug, dies Spielen mit »geistreich« zu benennen?

92) Moritz Guist, Einige Bemerkungen zu dem homerischen Hymnus auf Hermes. Progr. d. Gymn. zu Hermannstadt 1876. S. 1—28.

In die Reihe derjenigen Mythologen, die »in Athene die reine Bläue des Aethers«, »in Apollo das überallhin ausgegossene, reine, alles Uebel vertilgende Himmelslicht«, »in Hephästos die belebende Wärme« u, s. w. persouificirt finden, tritt der Verfasser mit obiger Abhandlung ein, die uns wieder einmal den Hermes als »den trüben Regenhimmel« darstellt; doch muss derselbe, damit er nicht als gar zu entarteter Bru- der dem erhabenen Hiramelslicht Apollo Schande bereite, ein »Licht- gott« werden, wenn auch nur »der matte Tagesschein«, »der matte Schein der winterlichen Wolkendecke«, und so stehen sich die beiden Brüder gegenüber »wie der matte Schimmer dem strahlenden Glanz, das ein- tönige Grau der Wolken der farbensatten Bläue des Himmels« (S. 11 vergl. oben, wonach die Athene ursprünglich etwas ähnliches bedeutet haben soll) und so unterscheiden sie sich auch in ihrer geistigen Atmo- sphäre : »denn die feinsinnige griechische Phantasie fand in dem reinen Licht des wolkenlosen Himmels das Symbol der idealen Begeisterung, aber für den matten Schein der winterlichen Wolkendecke als Analogon In der geistigen Welt die nüchterne Klugheit und den erfinderischen Scharf- sinn« (S. 12). Diese seine Anschauung über das Grundwesen des Her- mes glaubt der Verfasser in allegorischem Gewände im homerischen Hymnus auf Hermes entwickelt zu finden, der »kaum etwas anderes dar- stellen kann, als den Mythus von der Entstehung des Wechsels zwischen Sommer und Winter in Hellas« (S. 25 f.); »die mythologisch gewandte Darstellung dieses Naturvorganges« unternimmt der Verfasser zu ent- räthseln. Wenn z. B. Hermes die Heerde des Apollo stiehlt, so werde damit sinnbildlich nur bezeichnet, dass »der trübe Regenhimmel die hei- teren sonnigen Tage des Jahres entführt« (S. 19), wenn er zwei Kühe schlachtet und ihre Häute auf dem Felsen ausspannt, so ist das »ein schönes Bild der schimmernden Schneedecke, welche sich im Winter zu- weilen — aber selten weshalb auch nur die Häute von zwei Kühen erwähnt werden auf kurze Zeit auch über die griechische Ebene aus- breitet« (S. 20); wenn Hermes aus der Schale der Schildkröte sich die Lyra verfertigt, so liegt dieser Fabel »eine phantasiereiche Natur- anschauung zu Grunde. Denn die rundlich geballte Wolke, welche für den weit entfernten Beobachter träge an dem Abhang des Gebirges zu ruhen scheint, lässt sich passend mit der flachgewölbten Gestalt der Schildkröte vergleichen« (S. 17). Hermes erfindet sich die Hirtenflöte, »da ihr einfacher Ton mehr zum Rauschen des Regens und zum dumpfen

166 Homer. Hymnen.

Murmeln der Quelle stimmt« (S. 24); seine »Zaubergerte« ist der »Ne- belstreif wie er sich über feuchten Grund lagert, oder vom Winde laut- los hin- und hergetrieben wird. Der Biegsamkeit der elastischen Gerte entspricht die Beweglichkeit des Dunstes etc.« (S. 24) u. s. w. Der Verfasser erfreut sich des Glaubens, dass seine Deutungen »ungezwun- gen« seien. Des Verfassers Stellung zur griechischen Religion und seine Methode werden durch diese Proben hinlänglich deutlich ; wer nach ihnen noch Lust verspürt, die Deutungen einer derartigen Phantasie auf sich wirken zu lassen, dem sei diese Arbeit empfohlen, in der auch sehr viel von Sonnenschein, Regen, Nebel und Dunst die Rede ist.

Bericht über die im Jahre 1876 über Plato erschienenen Arbeiten.

Von

Prof. Dr. Martin Schanz

in Würzburg.

Wir bemerken, dass auch die uns zugänglichen Arbeiten des Jahres 1875, welche in dem vorigen Jahresbericht keine Besprechung fanden, Aufnahme in unsern Bericht gefunden haben. Hie und da berühren wir auch Erscheinungen des Jahres 1877. Manche Arbeiten des Jahres 1876, welche wir bei Abfassung des vorliegenden Berichtes nicht in Händen hatten, z. B. einige Abhandlungen des Journal of Philology, werden wir iuk nächsten Bericht nachtragen. Recensionen habe ich nur mit Aus- wahl beigezogen.

I. AUgemeines.

a. Literatur-Uebersicht. Plato. Von Herm. Heller. Jahresbericht des philologischen Ver- eins zu Berlin. Zeitschr. f. d. Gymnasialwesen. XXX. S. 119—184. Dieser Jahresbericht, der in zwei Abtheilungen zerfällt: I. Allge- meines, H. Die einzelnen Dialoge, ist in Bezug auf Genauigkeit und Sorgfalt eine wahre Musterarbeit, die ihrem Verfasser alle Ehre macht. Wir haben in Bezug auf Anordnung des Stoffes diese Arbeit theilweise zur Richtschnur genommen.

b. Biographisches. Chronologische Untersuchungen über Apollodor's Chronika. Von H. Diels. Rhein. Mus. 31 (1876) S. 1—54.

In dieser vortrefflichen Abhandlung, in der sich über die Methode der chronologischen Forschung ausserordentlich gute Winke finden, ver- sucht der Verfasser für die Chronologie der griechischen Philosophen die Restitution der Ansätze Apollodor's (S. 3); denn »es wird für uns gerathener sein im Allgemeinen der bewährten Führung Apollo- dor's zu folgen, als mit unserm lückenhaften Material neue Hypothesen versuchen zu wollen« (S. 15). Ueber Plato handelt der Verfasser S. 41

1 68 Piaton.

in folgender Weise : «Sicher ist das Todesjahr, das Apollodor auf Ol. 108, 1 (348/7) angiebt. Sein Alter wird meist auf 81 Jahre angegeben und zwar lassen einige ihn dieselben vollenden, andere nicht. Zu den letzteren ge- hört Apollodor cf. Diog. III, 2. Veranlassung dafür gab die Bestimmung des Hermodoros, der Diog. III, 6 II, 106 berichtete, dass Piaton 28 Jahre alt nach dem Tod des Sokrates sich nach Megara begeben habe. Dies führt auf den Ansatz Apollodor's Ol. 88, 1 (399 + 28 = 427). Offen- bar bevorzugte dieser die Aussage des persönlichen Schülers von Piaton vor den späteren Angaben und auch wir müssen uns nach dem Vorgange Zeller's anschliessen«.

c. Schriften Echtheit und Reihenfolge derselben.

1) Ueber den Zusammenhang der Platonischen und Aristotelischen Schriften mit der persönlichen Lehrthätigkeit ihrer Verfasser. Von E. Zeller in Hermes XI (1876). S. 84-96.

Folgende Worte Zeller's dürften das Ziel des Aufsatzes in Bezug aufPlato klar legen: »Für Sokrates war die lebendige Wechselrede die natürliche Form der Mittheilung gewesen, weil er andere nicht von sich aus belehren, sondern ihre eigene Geistesthätigkeit anregen, ihren Willen und ihr Denken erziehen, im Verkehr mit ihnen lernen wollte. Plato stellte seine Philosophie in Schriften dar, welche zwar sein freiesJKunst- werk sind, welche aber doch die Form des Gesprächs haben, weil auch er die Aufgabe der Philosophie nicht blos im wissenschaftlichen Erken- nen, sondern zugleich im Sinne seines Lehrers darin sieht, dass der ganze Mensch zu einem höheren Geistesleben erzogen werde« (S. 92). Was alsdann über Aristoteles gesagt wird (es ist dies das Wichtigste in dem interessanten Aufsatze), müssen wir dem Berichterstatter über Aristoteles überlassen.

2) Die Reihenfolge ^er platonischen Dialoge Phädros, Phädon, Staat, Timäos. Von Dr. Franz Schedle. Zum Programme des kaiserl. königl. Staatsgymnasiums in Bozen 1876. Innsbruck, Wagner'- sche Universitätsbuchhandlung 1876. 8. 36 S.

Wir werden unten S. 175 u. f. sehen, dass Fritz Schultess aus der Entwickelungsgeschichte der platonischen Seelenlehre auch die Reihenfolge der Dialoge, in denen dieselbe behandelt wird, entnimmt, nämlich Phädo, Phädrus, Staat, Timäus. Schedle untersucht ebenfalls die Reihenfolge der genannten Dialoge und erhält die im Titel angedeutete Reihenfolge : Phädrus, Phädo, Staat, Timäus. Wie man sieht, unterscheiden sich Schultess und Schedle durch die verschiedene Stellung, die dem Phädo eingeräumt wird. Zwar sind beide darin einig, dass sie der Beweis- führung Uberweg's entgegentreten, welcher den Phädo nach dem Timäus ansetzt (die Entgegnung Schcdle's ist ausführlicher, auch pole- misirt Schedle gegen Munk, der den Phädon als das letzte Werk des

Echtheit und Reihenfolge der Schriften. 169

ganzen Cyclus von Dialogen ansieht), beide erkennen auch die Bedeu- tung der Lehre von den Seelentheilen für die Reihenfolge der genannten Dialoge an, allein sie ziehen nicht die nämlichen Schlüsse. Hören wir, was Schedle in dieser Beziehung sagt: »Müsste der Phädon als nach dem Timäos verfasst angesehen werden, so wäre nicht recht zu begreifen, wes- halb Piaton, nachdem er im Timäos bereits ausdrücklich die Vergäng- liclikeit der niederen Seelentheile behauptet und eingehend begründet hatte, nun im Phädon gar nicht darauf Rücksicht genommen und immer nur von der Seele schlechthin gesprochen hätte. Platon's Weise ist es sonst nicht, Resultate seiner Forschung, welche so tiefgehende Bedeutung haben, wie jene Unterscheidung der drei Seelentheile, in späteren Schrif- ten gar nicht zu verwerthen. Wie sollte er es aber gerade im Phädon gethan haben, wo sich doch so manche Ergebnisse früherer Gespräche wie in einem Brennpunkte gesammelt finden, Ergebnisse, die doch au Werth für die Uusterblichkeitstheorie hinter jenen des Timäos weit zu- rückbleiben? Dagegen könnte der Einwand nichts vermögen, dass im Phädon ja auch die im Phädros vorkommende Dreitheilung nicht berührt sei, obwohl letzterer Dialog doch gewiss jenem vorausgehe. Im Phädros erscheinen eben, wie wir früher gesehen haben, die drei Seelentheile in einem ganz anderen Lichte als im Timäos, insbesondere war dort nichts gesagt, dass nur das XoycaTixov unsterblich sei« (S. 35). Der Verfasser fühlt die Schwierigkeit, dasselbe Argument soll in dem einen Fall gültig sein, in dem anderen nicht. Es wird daher interessant sein zu lesen, was der Verfasser zur Beseitigung der Schwierigkeit vorbringt. Wir geben auszugsweise folgende Sätze: »Der Unsterblichkeitsbeweis im Phä- dros bewegt sich in den Formen der Dialektik, die Zergliederung der Seele bedient sich aber der bildlichen Darstellung. Daraus geht unver- kennbar hervor, dass Piaton den Leser auch gar nicht zu der Meinung verleiten wollte, er erkenne die Unsterblichkeit allen drei Seelentheilen zu« (S. 33). Der Verfasser findet es nun nicht mehr auffallend, dass im Phädon jener Dreitheilung keine Erwähnung geschieht. »Der Gang der Untersuchimg ist in diesem Gespräche ein so durchaus dialektischer, dass die Einschaltung naturphilosophischer Excurse, welche doch nur in mythi- scher Form möglich gewesen wären, geradezu störend gewirkt hätte. Piaton konnte sich dieselben aber um so mehr ersparen, als er seine Gliederung der Seele als aus dem Phädros bekauut voraussetzen musste, und die Art der Beweisführung im Phädon klar genug erkennen lässt, dass nur dem obersten Seelentheile, dem loyiazr/.ö'^^ die Unsterblichkeit als Wesenseigenschaft zugeschrieben werden könne«. »Piaton hätte vielleicht nur in dem Fall die Dreitheilung nicht unberührt lassen dür- fen, wenn er sie als im Widerspruch stehend mit den Auseinandersetzun- gen des Phädon erkannt, oder anderweitig ihre Unzulässigkeit eingesehen hätte« (S. 34). Man vergleiche nun, was Schultess S. 56-57 mit Be- ziehung darauf sagt. Nach meiner Ansicht kann es nicht im mindesten

170 Piaton.

zweifelhaft sein, dass die bisher zu Tage getreteneu Versuche, die Schwie- rigkeiten zu beseitigen, welche sich durch die Betrachtung der Lehre von den Seelentheilen der herkömmlichen Einordnung des Phädo und Phädrus entgegenstellen, nicht genügend sind. Dass Schedle die Arbeit von Schultess nicht benutzt hat, ist sehr zu bedauern und gereicht seiner Abhandlung zum grössten Nachtheil.

Ich erwähne noch die Abhandlung:

Quaeritur quid ex vaticinio de Isocrate in extrema parte Phaedri Platonici facto, si cum ambagibus quibusdam Euthydemi item Platonici contendatur, elici possit ad definiendura tempus quo dialogus, quem priore loco diximus, exaratus esse existimandus sit. Scr. Fr. Rausch. Budweis 1875. 4. 20 S.

Ich konnte derselben nicht habhaft werden trotz angestellter Ver- suche, ich muss mich daher mit der Anführung derselben begnügen.

3) Einiges zur Aechtheit platonischer Dialoge. Von Professor E. Sojek. Zum Jahresbericht des kaiserl. königl. Staatsgymnasiums zu Linz für das Schuljahr 1876.

Nach einigen allgemeinen Bemerkungen über die Frage, ob wir den ganzen Nachlass Platon's besitzen (die Frage wird verneint S. 4) und ob alle Dialoge, die wir unter Platon's Namen haben, cächt sind (der Ver- fasser wendet sich besonders gegen Schaarschmidt) , hebt Sojek hervor, dass ein Mittel zur Beurtheilung der Aechtheit sei, »wenn ein oder der andere Dialog als acht konstatirt sich mit andern Dialogen, die zwar als platonisch nicht ganz gesichert sind, aber mit ihm Gemeinsames in Ethik, Methode, Tendenz haben, sich zu einer Gruppe vereinigen lässt« (S. 13) und sucht alsdann diesen Satz an den Dialogen Gorgias, Protagoras, Euthydemus, Meno praktisch durchzuführen, d. h. die Aechtheit des Pro- tagoras und Euthydem zu prüfen. Er kommt zu dem Resultate, »dass nicht nur das Verhältuiss zwischen den genannten Dialogen ein mannig- faches ist, sondern dass sie einander nothwendig ergänzen und dass da- durch auch die durch Aristoteles minder beglaubigten ihre volle Bestä- tigung erhalten« (S. 16). Zum Schluss wird noch die Aechtheit der Apo- logie, die der Verfasser also charakterisirt : »Wir haben es in der Apo- logie mit einem persönlich historischen Bilde des Sokrates zu thun, und zwar wird seine Handlungsweise vor Gericht dargestellt, demnach keine wissenschaftliche Arbeit« (S. 18), vertheidigt; hierbei werden besonders Ausstellungen des Programms von Baumann »Versuch einer Kritik über Platon's Apologie nach dem jetzigen Stand der Wissenschaft Znaim 1868« zu beseitigen versucht. Dies der Inhalt der Schrift. Sie giebt manche richtige Bemerkung, aber keine einschneidenden Resultate. Das Eingehen auf so viele wichtige Fragen Hess nichts Rechtes zu Stande kommen.

Die Platonische Philosophie. 171

4) Der erste Alkibiades. Von F. Hubad. Zum Jahresbericht des Steiermärkisch- Landschaftlichen Realgymnasiums zu Pettau. 1876. 8- 36 S.

Seinen Stoff behandelt der Verfasser in folgenden Capiteln : 1. Die Principien der Kritik platonischer Schriften (es werden die verschiedenen Versuche kurz besprochen, ich vermisse Richard Schöne. Ueber Platon's Protagoras. Ein Beitrag zur Lösung der platonischen Frage, Leipzig 1862). 2. Die alten Gewährsmänner für die Echtheit des ersten Alki- biades (über Jamblichus scheint sich der Verfasser nicht gehörig instruirt zu haben). 3. Die neueren Erklärer Platon's über den ersten Alkibiades (hier geht es etwas bunt durcheinander, das Urtheil des in seiner Be- wunderung der Alten etwas überschwänglichen Johannes von Müller hätte wegbleiben können). 4. Betrachtung des Gesprächs selbst. Nach einer Inhaltsübersicht stellt der Verfasser die verschiedeneu bald sprachlichen bald sachlichen Ausstellungen dem Dialoge folgend zusammen. Das Schlussresultat ist: »Der Stoff ist wohl platonisch; die Tendenz, den Jüng- ling zur Erkenntniss seiner Unwissenheit zu bringen, ist deutlich aus- gesprochen, die dialektische Methode stimmt aber mit der der echten Werke nicht überein; es kommen Sätze vor, die mit den echten plato- nischen nicht harmoniren; die verschiedenen Mängel, die wir angeführt haben, zeigen, dass dieses Gespräch nicht platonisch sein kann«.

Im Anschluss hieran sei ein Programm erwähnt, das Wrobel in der Zeitschrift für österreichische Gymnasien 27 (1876) S. 993 (es wird hier auch über das Programm von Hubad, ferner über die Arbeiten von Steinwender, Mayr, Sojek referirt) bespricht SuU' autenticita dell' Alci- biade primo. Zum Programm des Gymnasiums von Rovereto 1876. Von Professor Beniamino Andreatta. Wrobel sagt von demselben, dass es kaum geeignet sein möchte, Zweifler zu dem Glauben an die Echtheit des behandelten Dialoges zu bekehren.

d. Platonische Philosophie.

1) Die Platonische Frage. Eine Streitschrift gegen Zeller. Von G. Teichmüller. Gotha 1876. 8. S. 127.

Teichmüller hat in seinem Buch »Geschichte der Begriffe 1874« höchst eigenthümliche Ansichten über Plato entwickelt. Dieselben fan- den Widerspruch von Seite Zeller's an mehreren Stellen seiner Geschichte. Gegen diese Einwendungen richtet sich die erwähnte neue Schrift Teich- müller's. Da »die Geschichte der Begriffe« in dem vorigen Jahresbericht von Susemihl besprochen ist, auch die obige Schrift noch im Nachtrag S. 400 beurtheilt, d. i. verurtheilt wird, so wird es nicht nöthig sein, ausführlicher auf diese Vertheidigung der in der ersten Schrift vorge- brachten Ansichten einzugehen. Einen Anhänger hat Teichmüller in Dr. Alois Spielmaun gefunden, dessen Schrift »Platon's Pantheismus«

172 Piaton.

Brixen 1877 ausdrücklich zur Empfehlung der Teichmüller'schen Ansicht geschrieben ist. Er rühmt vier Vorzüge au derselben: 1. Plato ist mit sich dadurch einstimmig; 2. es sind Mythen vom philosophischen Lehr- gehalte streng geschieden; 3. sie ist die tiefste von allen; 4. sie ist un- abhängig von der Entscheidung über die E-chtheit der zweifelhaft plato- nischen Schriften. Gewiss wird sich Jeder, der glaubt, dass es sich bei der Forschung lediglich um Wahrheit handelt, mag sie auch Unbequem- lichkeiten und Schwierigkeiten im Gefolge haben, über diese Empfehlun- gen etwas wundern. Ich kann nur der These beipflichten, die Ivo Bruns in seiner Schrift De legum Platonicarum compositione quaestiones selectae Bonn 1877 ausgesprochen: Studia quae versantur in historia philosophiae graecae quam acerrime defendenda a ratiouibus quas Teichmüller nuper proposuit in libi'o »die platonische Frage«-

2) Untersuchungen zur Platonischen Ideenlehre. Von Dr. Dieck. Zum Programm der königl. Landesschule in Pforta 1876. 4. 48 S.

Zweck dieser von ernstem Streben zeugenden Programm-Abhandlung ist, den Nachweis zu liefern, dass die platonischen Ideen Gedanken und zwar Gedanken des göttlichen voug sind. In der Ausführung dieses Satzes erörtert der Verfasser zuerst die Lotze'sche Ansicht über die platonische Ideenlehre, welche die platonische Lehre von einem gro- ben Missverständniss befreien soll. Als solches betrachtet Lotze (Logik I S. 501) den Satz, »Plato habe den Ideen, zu deren Bewusstsein er sich erhoben, ein Dasein abgesondert von den Dingen und doch nach der Meinung derer, die ihn so verstanden, ähnlich dem Sein der Dinge zu- geschrieben«. Nach Lotze (S. 504) behauptet Plato nur die ewige Gül- tigkeit der Ideen, niemals aber ihr Sein, wir müssen (S. 507) die den Ideen (und Gesetzen) zukommende Wirklichkeit als Geltung von der Wirklichkeit der Dinge als dem Sein unterscheiden; da der Begriff des Geltens, der kein Sein einschliesst, der griechischen Sprache fehle, sei Plato gezwungen gewesen, zu Ausdrücken zu greifen, welche die Wirk- lichkeit des Seins ausdrücken, daher jenes Missverständniss (S. 505). Der Verfasser schliesst sich dieser Auffassung Lotze's an. »Wenn wir von der Auffassung der Ideen als beseelter Wesen absehen, so bleibt allerdings wohl keine andere Möglichkeit, als das Sein der Ideen, will man es sich überhaupt seinem Fassungsvermögen nahe bringen, in der Lotze'schen Weise auffassen« (S. 13). Hierbei unterlässt der Verfasser nicht, die Anschauungen Lotze's genauer zu bestimmen und zu vertiefen.

Alsdann wird in der x\bhandlung die metaphysische Bedeutung der Ideen nach der bekannten Stelle des Phädo und nach dem Philebus untersucht und bestritten, dass die Ideen bei Plato auch als wirkende LTr- sachen aufzufassen seien. Sie sind nach des Verfassers Meinung bloss begriffliche, resp. Zweckursachen. Die eigentliche wirkende Ursache sei allein der voog (S. 36). Dieser vorig aber, die höchste Ursache, ist, wie

Die Platonische Philosophie. 173

der Verfasser c. VI ausführt, die vernünftige Gottesseele, der vernünftige Gottesgeist (S. 37) und rauss persönlich gefasst werden, lieber das Ver- hältniss der Ideen und speciell der Idee des Guten zum voug setzt der Verfasser fest : »Die Ideen sind die Gedanken des göttlichen vo'lg (S. 40) ; in der Idee des Guten darf man nur den Gedanken erkennen, in dem sich der gute Gott selber denkt. Die Idee des Guten ist eben einfach die gedankliche Selbstobjectivirung Gottes im göttlichen Geiste, und die Fülle der von der Idee des Guten beherrschten und umfassten anderen Ideen ist die gedankliche Objectivirung der eigenen göttlichen Lebens- fülle« (S. 41). Seine Auffassung vertheidigt der Verfasser gegen Zeller, der S. 577 ff. eine Reihe von Gründen gegen die Auffassung ^ der Ideen als die Gedanken der Gottheit vorbringt, und gegen Stumpfs Versuch, »die seelenartige Existenz der Ideen als vereinbar mit der nach Plato uothvvendigen Eigenschaft der Unveränderlichkeit darzustellen« (S. 39). Am Schluss der Widerlegung wird mit Rücksicht auf die bekannte Stelle im Sophista (248 E), welche den Ideen Vernunft und Leben und Seele zu- schreibt. Folgendes bemerkt (S. 40): »So bleibt uns denn nichts anderes übrig, als in den Ausführungen des Sophisten den Versuch Jemandes zu erkennen, der, vielleicht ohne die rechte Einsicht in die platonischen Ge- danken, sie in seiner Weise sich umdeutete , damit aber einen starken Schritt rückwärts that«. Ob diese Bemerkung richtig ist, kann hier nicht untersucht werden; soviel scheint aber mir unzweifelhaft, dass der Dialog eine andere Phase der Ideenlehre enthält. Dies legt uns einen Gedanken nahe, den wir hier uns auszusprechen gestatten, nämlich, dass es an der Zeit ist, die systematische Behandlungsweise der Ideenlehre aufzugeben und dieselbe für jeden Dialog isolirt zu betrachten. Es wird dann nicht mehr nöthig sein, durch allerlei Mittel widerstrebende Be- stimmungen mit einander zu verschmelzen.

3) Nuova interpretazione delle idee platoniche proposta da G. M. Bertini. Torino 88 S.

Mir nicht zugänglich geworden, obwohl ich mich darum bemühte.

4) De deo Piatonis. Scr. B. Pansch. Göttinger Inauguraldisser- tation. 1876. 8. 67 S.

Der Verfasser erörtert zuerst die verschiedenen Ansichten der frü- heren Philosophen über Gott. Alsdann wird dargelegt: 1. quid sit apud Platonem deus quidque agat; 2. quem locum in philosophiae systemate deus obtineat. Nach der ersten Hinsicht zeigt der Verfasser, wie Plato den ethi- schen Gottesbegriff des Sokrates erweitert zum ethisch-kosmischen (Cratyl. Theaet. Phaedo), zum kosmischen (Soph. Politic), und wendet sich dann zur Republik und zum Timaeus, wo sich die ausgebildetste Auseinander- setzung über Gott vorfinde. Nach der zweiten behandelt der Verfasser die oft aufgeworfene Frage, quae cum ideis ratio deo sit. Seine Ansicht dürfte in folgenden Sätzen klar ausgesprochen sein: Intra mythici ser-

174 Piaton.

monis tines in Timaeo interdum deus loco idearum est, aliis locis quasi semimythicis iuxta ideas ponitur, extra mytlmm nulluni locum obtiuet (S. 46). Non dicemus, Platonem, Deum et ideam boni idem esse, docere, sed unam rerum causam efficientera modo Deum, modo ideam boni dicere. lamque u scxwg Xöyoq nos adiuvat, ita ut dicendum sit, ubi imagines adhibeantur, Deum, ubi dialectice agatur, ideam boni cau- sam efficientem apparere. Quibus autem locis Plato simul et de deo et de ideis agit, semimythico quodam modo dicendi utitur, ita quidem, ut magis ideas dialecticos fines, (juam Deum mythicos excedere existiman- dum sit, nam saepius ideas intra mythum reperias, Deum in dialecticis nunquam (S. 58). Necesse videtur, ni fallimur, duas quasi regiones in Piatonis philosophia ponere, alteram credendi, alteram sciendi sive reli- gionis et philosophiae (S. 58). Wenn man mit diesen Sätzen Zeller II S. 600 vergleicht: »Für die wissenschaftliche Untersuchung über die höchsten Gründe beschränkte er sich auf die Ideen und wenn er neben ihnen noch der Gottheit bedurfte, wie im Timäus, führte er diese ohne Beweis und nähere Bestimmung als Glaubensvoraussetzung ein«, so sieht man, dass der Verfasser keinen wesentlichen Fortschritt Zeller gegenüber erzielt hat. Es kommt hinzu, dass der Verfasser nur eine mangelhafte Kenntniss und Benutzung der Literatur zeigt, (z. B. librum Schusteri »Heraklit von Ephesus« non ad manum habeo, Erdmanni »Piatonis doctrina de rationibus, quae inter Deum et ideas intercedunt« non in manibus erat) und eine eingehende Behandlung der einzelnen Stellen, sowie Schärfe in der Beweisführung öfters vermissen lässt. Sonderbar ist, was der Verfasser über die bekannte Sophistastelle 249 S. 44 sagt.

5) Die Materie nach dem Platonischen Timaeus. Von Dr. Biehl aus Innsbruck. In Verhandlungen der 31. Versammlung deutscher Phi- lologen und Schulmänner in Tübingen. S. 82 86.

In diesem klaren Vortrag sucht der Verfasser den Nachweis zu liefern, »dass Piaton unter seinem Substrate der Sinnenwelt nur einen körperlichen Stoff verstanden haben kann« (S. 86) ; denn »Piaton theilt seinem ursprünglichen Substrate alles bestimmten Stoffes an mehreren Stellen vor der Weltbildung eine ungeordnete Bewegung zu« (S. 85). Die Darstellung ist zwar mythisch, allein aus ihr geht doch soviel her- vor, dass »nach der Ansicht des Piaton es wenigstens in der Natur dieses Substrats gelegen haben muss, bewegt zu werden«. Die Möglichkeit be- wegt zu werden ist nach Piaton wie Aristoteles das wesentliche Merkmal der materiellen im Unterschiede von den mathematischen Körpern. Der zweite Beweis ist folgender : Nur die Ideen haben wahrhaftes Sein. Das Sein der sinnlichen Welt ist nur möglich durch die Theilnahme an dem wahren Sein. Diese Theilnahme der sinnlichen Dinge an den Ideen kann in nichts Anderem bestehen, als dass sie Abbilder der Ideen sind. Ein Bild als solches aber bedarf, wie dieses Plato ausdrücklich bemerkt, eines Substra-

Die Platonische Philosophie. 175

tes, woran es seinen Halt hat. Diesen Halt kann aber nicht der leere Raum gewähren. Weiterhin bemerkt Biehl: Der Weltbildner, mit dessen An- nahme es Piaton vollkommen Ernst ist, hatte keinen anderen Grund zur Weltbildung als seine ihm inwohuende Güte. Vermöge derselben musste er überall das Gute wollen. Es musste also irgendwie noch etwas sein, was als solches des Guten noch nicht theilhaftig war, d. h. es musste noch ungeordnetes, unbestimmtes Sein geben, welches die Güte des Welt- bildners bewegen musste, dasselbe zu ordnen und zu bestimmen. Und ein solches ungeordnetes, unbestimmtes Sein konnte Piaton nicht als blossen leeren Raum betrachten. Dies die Beweisführung Biehl's, die ich fast durchweg mit seinen eigenen Worten gegeben habe. Auch die Schwierigkeiten, die sich seiner Auffassung entgegenstellen, verschweigt Biehl nicht, so wird z. B. das widerstreitende Zeugniss des Aristoteles berührt und auf Missverständniss zurückgeführt. Zum Schluss wird das Substrat der Sinnenwelt näher dahin bestimmt, dass »die verschiedenen bestimmten stofflichen Formen nur Erscheinungsformen, modi, der ewig sich gleich bleibende Substanz des Substrats sind« (S. 86). Die Dinge werden nicht aus ihm, sondern in ihm, es nimmt alle bestimmte sinn- liche Dinge in sich auf, das Alles in sich Aufnehmende konnte bildlich als X"^P^ ^ö° Piaton bezeichnet werden.

6) Zur Würdigung der Lehre von den Seelentheilen in der plato- nischen Psychologie. Von Dr. Victor Perathoner. Programm des Innsbrucker Gymnasiums vom Jahre 1875. 8. 24 S. (vgl. die Recen- sion von R. Zimmermann Zeitschrift für österr. Gymn. 27 (1876) p. 221).

Die Leetüre dieser Schrift ist deswegen interessant, weil sie Anlass giebt, sich über die Methode, die man bei solchen Untersuchungen ein- halten muss, klar zu werden. Die Abhandlung ist in demselben Jahre wie die geistreiche Schrift »Platonische Forschungen von Dr. Fritz Schultess Bonn 1875 -; erschienen und behandelt ganz denselben Gegen- stand. Eine Vergleichung der beiden Aufsätze fällt durchweg zu Un- gunsten des Perathoner'schen aus. Beide behandeln die Lehre Plato's von der Seele. Schultess findet in dieser Lehre zwei Phasen: in der einen stellt Plato die Seele als ein einheitliches, untheilbares Wesen, in der andern als ein dreigetheiltes dar (S. 54). Wir haben sonach zwei grund- verschiedene Anschauungen über denselben Gegenstand, dieselben können nicht als nebeneinanderbestehende, sondern nur als aufeinander- folgende Phasen gedacht werden. Die erste ist im Phaedo vertreten, die andere im Phaedrus, Republik, Timaeus. Es fragt sich also, welche die frühere ist. Da die Dreitheilung der Seele in einigen Dialogen er- scheint, deren Abfassung unbestritten in das höhere Lebensalter Platon's fällt, in der Republik und im Timaeus Andeutungen finden sich ferner auch in den Leges, anerkannt dem spätesten Werk Platon's, so ge-

176 Piaton.

hört die Dreitheiluug in die spätere Epoche und es liegen in derselben Phaedrus, Republik, Timaeus und die Gesetze und zwar in der angege- benen Reihenfolge (S. 57). Der Phädo ist also früher als der Phaedrus.« So Fritz Schultess. Man mag einen Standpunkt einnehmen, welchen man will, man wird nicht läugnen können, dass hier vortreffliche Methode vorhanden ist. Gehen wir nun zur Leetüre der Perathoner'schen Arbeit über, so finden wir gegenüber der Klarheit und Festigkeit von Fritz Schultess ein mühsames Ringen und Hin- und Herschwanken, das zu keinem abschliessenden Resultat führt. Nachdem Perathoner den ethi- schen Charakter der platonischen Dreitheilung zu erweisen versucht (»durch die Seelentheile wird das Begehren in verschiedene Stufen mit Rücksicht auf den ethischen Werth geschieden« S. 10), geht er zur Frage über, ob Plato bei seiner Theilung der Seele drei Seelenwesen oder unter den Theilen nur verschiedene Wirkungsformen der einen Seele annimmt. Wie schon die Ausdrucksweise andeutet, zeigt sich der Verfasser hier etwas schwankend. Wir heben einige Sätze heraus: »Soviel scheint sicher, dass die Seelentheile nicht so unbestritten drei Seelenwesen sind, wie es vielfach behauptet worden« (S. 17 und 18). »Alle diese Schwie- rigkeiten fliessen daraus, dass die Lehre von den Seelentheilen ursprüng- lich darauf angelegt erscheint, die ethischen Werthunterschiede des menschlichen Handelns auf drei Dispositionen zu gewissen Strebungen zurückzuführen« (S. 18). Auch von diesem Gesichtspunkte aus empfiehlt es sich, die yivrj, l'-^pfj-, ^^% der Seele nicht als drei Seelen oder eigent- liche Seelentheile, sondern als drei Wirkungsformen anzusehen, welche in drei Wirkungsvermögen ihren Grund haben«. Wir wollen nun auch sehen, wie der Verfasser von diesem Standpunkt aus »die, wie man glau- ben möchte, tief greifenden AbAveichungen, die uns in den Schriften Pla- to's in Bezug auf die Lehre von den Seelentheilen begegnen, leichter und wohl auch richtiger beurtheilen zu können« glaubt. Im Timäos ist nur das Xoyearcxbv der Seele unsterblich, das ßu/xoecdkg und imduixrjZixov geht mit dem Tode unter. Der Verfasser sagt nun : »Das Entstehen und Vergehen des {^uixoeidei; und imi^/irjTtxuv bezeichnet nur den geringeren Werth dieser beiden, der einen Seele inhärirenden Kräfte, welche ohne Körper wegen des Mangels der Objecte in der jenseitigen Welt Somixecg ohne Energie sind, im Gegensatze zum Xoyiffuxov, das auch im Präexi- stenzzustande der Seele thätige, in Wirksamkeit begriffene Kraft ist« (S. 21). Nachdem der Verfasser doch wieder im Laufe der Betrachtung stutzig geworden, (erkennt mau diese Bedeutung der mythischen Dar- stellung des Timaeus nicht au, so liegt allerdings die Annahme sehr nahe, dass die Seelentheile in Timaeus als drei gesonderte Seelen zu betrachten seien, deren jede ein eigenes Bewusstsein habe S. 22), kommt er schliesslich wieder auf die Annahme der einen, untheilbaren Seele zurück und zieht endlich auch noch den Phädo für die vorliegende Frage bei. Man begreift leichter, heisst es S. 22, unter der Voraussetzung,

Die Platonische Philosophie. 177

dass die Seelentheile nicht gesonderte Substanzen sind, warum in diesem Dialoge, der doch spcäter als der Phädrus verfasst wurde, die Dreithei- lung der Seele kaum berührt erscheint. »Es kann nicht befremden, wenn nach dem Grundsatze, wo ein entgegengesetztes Ziehen stattfindet, müssen in dem Menschen nothwendig betreffs des Nämlichen irgend zwei sein, das- jenige, was zur Befriedigung der sinnlichen Begierden zieht, im Phädon der Körper ist, in der Republik ein Seelentheil; der Causalnexus zwischen der Wirksamkeit desSeelentheils und dem Körper gestatten diese Vertauschung« (S. 23). Auf diese Weise kommt endlich der Verfasser zu dem Satz, das er als Resultat seiner Abhandlung hinstellen möchte, »dass die Dialoge Plato's, wenigstens die unbestritten ächten, keine wesentlichen Abweichungen in Bezug auf die Lehre von den Seelentheilen erkennen lassen.« Wie man sieht, tritt der Verfasser in den stärksten Gegensatz zu Schultess. Es kann aber nicht dem geringsten Zweifel unterliegen, dass Perathoner mit falscher Methode arbeitet. Das Streben, die von ihm untersuchte plato- nische Lehre als eine einheitliche darzustellen, liess ihn zu keinem halt- baren Resultate kommen. Man sieht es der Arbeit förmlich an, dass sie Feuer und Wasser mit einander verbinden will. Die Arbeit von Schultess tritt durch dieses Gegenstück in das hellste Licht, sie zeigt in wahrhaft mustergiltiger Weise, wie solche Specialuntersuchungen über einzelne platonische Lehren zu führen sind. Es wäre zu wünschen, dass diese Methode, die auch in dem schönen Aufsatze von Hirzel über den Unter- schied der dty.aLoauvrj und der aojfpoaövrj in der platonischen Republik Hermes VIII (1872) S. 379 411 zu Tage tritt, von Allen eingehalten würde, die solche Untersuchungen anzustellen wünschen.

7) 0 Ö/'J/Ö2'apud Aristotelem Platonemque. Comraeutatio aucto- ritate amplissimi philosophorum Bonnensium ordinis suscepta ab eodem- que praemio publice ornata. Scr. Petrus Meyer. Bonn 1876. 8. 65 S.

Der Verfasser weist nach, dass sowohl Aristoteles als Plato keine von dem gewöhnlichen Sprachgebrauch abweichende Bedeutung des i9u//o? festgesetzt haben, dass sonach auch beide 9on6g in derselben Bedeutung gebraucht haben (S. 59, 62). Indem der Verfasser gegen Brentano be- tont, dass im9o/j.ca und &u{i6g von einander verschieden* sind und S. 9 diesen Unterschied für Aristoteles näher erläutert und ausdrücklich alles unter den Begriff enSojxca Fallende von der Begriffsbestimmung des &o}iuq abgezogen wissen will, fasst er am Schluss seiner Abhandlung seine Unter- suchungen über den ^y/iof dahin zusammen, dass er denselben bestimmt als naturalem vim, qua ductus suam quisque propriam naturam explere studeat, quaque incitatus, quaecunque hanc naturam ipsi propriam tollere vel laedere conentur, fugiat, quae contra perfectiorem reddere possint, adpetat. Weder die deutsche noch die lateinische noch die französische Sprache hat einen diesen Begriff völlig erschöpfenden Ausdruck. Im Deutschen genügt weder »Muth, Zorn, Eifer«, noch »Selbstgefühl, Individua-

Jahresbericht für AUerthums- Wissenschaft 1877. I. 12

178 Plato.

litätsi)rincip«. Non possumus siugularem ullara vocem proponere, sed ubique seciuidura ea, quae praecedunt vel secuntur, 6 &oiibg erit verten- dus vel verbo uno vel toto enuntiato, sagt der Verfasser S. 63. Da die Schrift von Aristoteles ausgeht (denn non tantopere ad singula desceudit Plato quam Aristoteles S. 45), so muss dem Jahresbericht über Aristo- teles das genauere Eingehen in den Inhalt der Schrift überlassen bleiben. ^)

8) Platon's Cardinaltugenden vor und nach Abfassung des Euthy- phron. Jenaer Inauguraldissertation von Gustav Auerraann aus Merseburg. Jena 1876. 8. 29 S.

Wer die Worte Schleiermacher's (Einleitung zum Euthyphro S. 54) kennt, die dieser für die Aechtheit des Euthyphro in die Wagschale wirft : »Ferner verschwindet in den übrigen platonischen Werken der Begriff der Frömmigkeit aus der Reihe der vier Haupttugenden, denen er im Pro- tagoras noch beigesellt ist, auf eine solche Art, dass ein eigener Wink darüber ganz nothwendig ist, und wenn er sich nicht fände als verloren gegangen müsste vorausgesetzt werden«, braucht diese Dissertation, als deren Resultat (S. 29) der Verfasser hinstellt, »dass, während Piaton vor Abfassung des Euthyphrou fünf Cardinaltugenden aufgestellt hatte, er nach Abfassung derselben deren nur noch vier annahm«, nicht zu lesen. Sie ist eine überaus dürftige, jeder Gelehrsamkeit entbehrende Schüler- arbeit ohne allen wissenschaftlichen Werth.

e. Handschriftliches und Texteskritik.

Das dies diem docet habe ich bei meinen Studien über die platoni- schen Handschriften in vollem Masse erfahren. Eine Entdeckung führte zu einer anderen, bis endlich in meiner jüngsten Schrift ein, wie ich glaube, vollkommen abschliessendes Resultat gewonnen wurde. Es wird interessant sein, an den einzelnen Abhandlungen dieses Fortschreiten zu einer immer deutlicher werdenden Einsicht in die Verwandtschaftsverhält- nisse der Handschriften klarzulegen.

1) Bemerkungen zum kritischen Apparat Platon's. Von M. Schanz. Philolog. 35 (1876) 368 369.

Ich habe zuerst gesehen, dass die Handschrift J^ in den meisten Dialogen aus dem Clarkianus stammt. In dem kleinen Aufsatz wird erst- lich die von einem leider jetzt verstorbenen sehr genauen Kenner grie- chischer Handschriften vorgenommene Altersbestimmung der Handschrift, die ich immer bezweifelt habe, zurückgenommen, und dieselbe nach einer

1) Noch ist darauf aufmerksam zu machen, dass Meyer den Cobet'schen Canon »^«/io'w^zog verum est et <pi.XoMuia et (piXoviAs,Xv<i S. 56 Anm. 3 ausführlich begründet.

Handschriftrn. 179

seltenen Schrift dem XV. Jahrhundert zugetheilt. Weiter wird gezeigt, dass aus dieser Handschrift durch mindestens ein Zwischenglied im Sym- posion w geflossen ist.

2) Mittheilungen über platonische Handschriften. Von M. Schanz. Hermes XI S. 104 117.

Dieser Aufsatz, der eine Fortsetzung von den Herrn. X S. 171—177 stehenden Mittheilungen über platonische Handschriften bildet, wurde im vorigen Jahresbericht noch nachträglich besprochen, ich kann mich da- her kurz fassen. Derselbe behandelt zwei Sippen, die Sippe B und die Sippe IL Beide sind die Quellen von einer nicht kleinen Zahl von Handschriften geworden. Für die Erkeuntniss der Sippe B war sehr wichtig der Nachweis, dass C aus B stammt, denn dadurch konnten auch die Handschriften eliminirt werden, welche aus C stammen, so y, ferner r im Protag. Menex. Charm. (im letzten Dialog nur theilweise, vgl. Phi- lol. 35 S. 657), endlich g. Bezüglich der Sippe 11 habe ich nachgewiesen, dass aus D einerseits stammt cod. p, der wieder Quelle von K und durch diese Handschrift weiterhin von q geworden ist , anderseits cod. S, aus dem wieder W stammt, ferner habe ich dargelegt, dass aus D im Phae- drus NOP, im Parmenides R stammt. Ich glaube somit sagen zu dürfen, dass mit den beiden Abhandlungen im Hermes der Weg zur Sichtung der platonischen Handschriften in den sechs ersten Tetralogien angebahnt wurde. Einen weiteren Schritt that ich in der Abhandlung:

3) Untersuchungen über die platonischen Handschriften. Von M. Schanz. Philolog. 35 (1876) S. 643 670.

Diese Untersuchungen beschränkten sich zunächst auf die Bekker' sehen Handschriften, weil von ihnen genauere und vollständigere Colla- tionen vorlagen als von den Stallbaum'schen. Durch diese Beschränkung war es öfters nicht möglich, genauer und richtiger über die Stellung mancher Handschriften zu urtheilen. Dieser Mangel wird dann durch meine jüngste Schrift beseitigt. Wenn ich die Hauptresultate der vor- liegenden Abhandlung darlegen darf, so sind es etwa folgende: 1. Die pla- tonischen Handschriften der sechs ersten Tetralogien (von diesen ist in der Abhandlung nur die Rede) zerfallen in zwei Familien, es werden die Bekker'schen Handschriften in diese zwei Familien geschieden; von einer dritten Familie, wie sie Jordan annimmt, kann keine Rede sein.

2. lieber diese fälschlich angenommene dritte Familie werden genauere Untersuchungen angestellt, es wird gezeigt, dass sie im Cratylus und im Symposion zur ersten Familie gehört, ferner wird dargelegt, dass 2" und der Marcianus 590 aus 2^ stammen (über die Abstammung des Vene- tus 186 und S aus 2" hat bereits Morelli gehandelt), weiter wird für eine Reihe von Dialogen bereits die Abstammung von T aus C und damit aus B bewiesen, endlich die Werthlosigkeit der ganzen Sippe dargelegt.

3. Es werden nun die übrigen Handschriften der zweiten Familie unter-

12'

180 PJato-

sucht und die eximirte Stellung und Unbrauchbarkeit von T erkannt, von den übrigen in Betracht kommenden Handschriften BuEFAl Laur. 85, 6 wird nachgewiesen, dass uEFAI Laur. 85, 6 viel verdorbener sind als B und gänzlich unberücksichtigt bleiben müssen. Im Einzelnen wird noch nachgewiesen, dass F nicht aus E stammt, ferner das u aus B abge- schrieben ist. Von den übrigen Handschriften wagte ich damals, als ich die Abhandlung schrieb, noch nicht die Abstammung aus B zu behaupten, obwohl ich moralisch überzeugt war, weil mir die Beweise nicht aus- reichend erschienen, und ich vermeiden wollte, vage Behauptungen auf- zustellen. Nachdem noch die nur bei einzelneu Dialogen vorkommenden Handschriften als unbrauchbar gekennzeichnet waren, ergab sich also vorläufig B als die reinste Quelle der zweiten Familie. 4. Es wird nun B mit t, auf dessen öftere TJebereinstimmung mit dem Clarkianus ich zuerst die Gelehrten in meinen »Studien S. 84« aufmerksam machte, ein- gehend verglichen. Diese von mir zuerst vorgenommene Vergleichung der beiden Handschriften musste auch dem blödesten Auge darlegen, dass 5, wie ich mich ausdrückte, t gegenüber eine Verderbniss des Textes in der zweiten Potenz darstellt und durch t verdrängt werden muss. Das

einzige Beispiel Theaet. 251, 5 [isUov jiäXXov t, fisUov [xäUov B würde hinreichen. Denn schon dieses Beispiel gestattet uns nicht mehr zu sagen , dass t nach anderen Handschriften corrigirt ward, sondern zwingt uns zu der Annahme, dass B verdorbener ist als t und von demselben abhängig ist. Auch bei B wollte ieh, obwohl ich die moralische Ueber- zeugung hatte, noch nicht die Abstammung aus t behaupten, da ich be- strebt war, nur solche Sätze aufzustellen, die mit unumstösslichen Be- weisen erhärtet werden konnten. Das wie ich glaube richtige Ergebniss der Untersuchung war sonach, dass die zweite Familie in ihrer reinsten Gestalt durch den Venetus 1 erkannt werde, und dass demnach auch nur durch diese Handschrift die zweite Familie zur Darstellung kommen müsse. Mit Benutzung früher gemachter Beobachtungen wurde weiterhin ausgesprochen, dass für die erste Familie neben dem Clarkianus der Tubin- gensis und der Venetus H erst in zweiter Linie in Betracht komme. So- weit meine Untersuchung. Praktisch habe ich die hier entwickelten Grundsätze in meinem Cratylus durchgeführt. Geraume Zeit, nachdem mein Aufsatz, der überdies noch sehr lange bei der Redaction lag, pu- blicirt war, erschien gegen Ende des Jahres 1876 die Recension des ersten Bandes meiner Platoausgabe von A. Jordan in Fleckeisen's Jahr- büchern S. 769 ff. Ich bin überzeugt, dass Jordan selbst zugeben wird, dass seine ganze Polemik durch meinen Aufsatz gegenstandslos wurde. Ich behaupte sogar, dass seine Recension einen Standpunkt einnimmt, der durch meine Arbeit als unhaltbar sich herausstellt. So spricht Jordan hier noch von seiner dritten Familie |; es wird ferner noch nicht als sicheres Ergebniss der Satz hingestellt, das T die Quelle der übrigen

Handschriften. 181

Glieder der sogenannten Familie $ ist, es wird weiterhin von S, einem Gliede der Familie $ gesagt (S. 773), dass »dasselbe in der ersten Te- tralogie keineswegs direct zur Familie ß gehört; man begreift daher nicht, warum ^ in dem Musterbeispiel nicht neben ß verwerthet wird über alle diese Punkte giebt mein Aufsatz hinreichenden, auf genauem Studium der betreffenden Handschriften basirenden Aufschluss. In seiner Recension hat auch Jordan die hohe Bedeutung des Venetus t für die Platoki'itik hervorgehoben, allein den wahren Werth dieser Handschrift zu erkennen war ihm versagt. Ich habe nicht bloss behauptet, sondern durch Vergleichung einer Reihe von Handschriften erweisen, dass der Vene- tus t der alleinige Repräsentant der zweiten Familie sei, weil man nur aus ihm ein reines Bild dieser Familie gewinnen könne, Jordan dagegen führt ein Familienzeichen ein, erkennt sonach nicht den Venetus t als die einzige reine Quelle der zweiten Familie an, sondern will noch andere Handschriften verglichen wissen. Der grosse Unterschied beider An- schauungen liegt klar vor. Wer consequent die Anschauung Jordan's ver- folgen will, müsste alle Handschriften der zweiten Familie vergleichen, die sich nicht als Copieu von noch vorhandenen darstellen. Doch darüber hat sich Jordan nicht näher ausgesprochen. Der Grund, dass Jordan keine volle Erkenntniss des Werthes des Venetus t erhielt, liegt darin, dass er von dem Parisinus B eine ganz unrichtige Vorstellung hat; er nennt ihn »eine für die Kritik keineswegs unwichtige Handschrift«, ferner »einen nächst dem Venetus t als besten anzusehenden codex« (S. 772). Dagegen wurde für mich B Anlass, den Venetus t in seinem ganzen Ge- wicht zu erkennen ; denn ich sah in meinem Aufsatz, dass eine Reihe von Handschriften viel verdorbener ist als .ß, ferner dass B wiederum viel verdorbener ist als t und dass, wie jene Handschriften durch B überflüssig werden, so B durch t verdrängt werden muss. Hätte Jordan, ehe er seine Recension schrieb, den B und die anderen wichtigen Handschriften der zweiten Familie verglichen wie ich, so würde er bei seinem Scharf- sinn sicherlich zu einem anderen Resultat gekommen sein; wir sehen dies ja z. B. deutlich an der Aenderung seines Urtheils über den Flor, i, nachdem er ihn gesehen. Da nunmehr die in meinem Aufsatz entwickelte Ansicht durch meine Schrift eine vollgiltige Bestätigung erfahren, wird der Streit über diese Sache wohl für immer ruhen. Dass Jordan mit nicht gewöhnlicher Schärfe des Urtheils unhaltbare Sätze in meinen Ar- beiten bekämpft, finde ich begreiflich und billige ich es als im Interesse der Wissenschaft liegend. Es ist ja selten, wie Jordan wohl an sich selbst erfahren hat, dass eine Wahrheit sofort rein und ohne trübe Be- standtheile an das helle Sonnenlicht tritt. Dagegen kann ich es als keine Förderung der Wissenschaft betrachten, wenn Sätze, die man selbst aufgegeben hat, neuerdings bekämpft werden. Es wird mir z. B. vor- geworfen, dass ich eine Anzahl schlechter Handschriften zur zweiten Familie rechne, die doch zur ersten gehörten; es werden sogar mehrere genannt, darunter z. B. die Handschrift p. Ich habe aber in der 1875

182 Plato.

im Hermes erschienenen Abhandlung deutlich mehrere dieser Handschriften in Abhängigkeit von Fl gebracht, was p anlangt, so ist ja in der von Jordan selbst im Nachtrag erwähnten Abhandlung von mir gezeigt worden, dass diese Handschrift aus 11 stammt. Der mir gemachte Vorwurf trifft daher nicht mehr zu. Auch bezüglich der Vertretung der zweiten Familie durch E (£■) dürfte der ausgesprochene Tadel nicht in vollem Masse zutreffen, dabei meiner früheren Ansicht, dass mit Ausnahme der Lücken lediglich die erste Familie d. h. der Clarkiauus für die Texteskritik massgebend sei, es gleichgiltig war, welches Glied der zweiten Familie genommen wurde. Ich habe an keiner Stelle von E eine grosse Vorstellung erweckt, ich habe nichts gesagt, woraus man schliessen könnte, dass ich diese Handschrift für die beste der zweiten Familie halte, ich bezeichnete sie bloss mit den Worten: »über haud ita multis vitiis corruptus«. y>E reprä- sentirt eben am besten die alte Vulgata, er konnte am besten zeigen, welche Fortschritte die Platokritik durch den Clarkianus gemacht hat.

Uebrigens war es gar nicht meine Absicht, E für alle Dialoge als Vertreter der zweiten Familie aufzustellen. Im Cratylus z. B., wo E zur ersten Familie gehört, war dies nicht möglich. Ich reiste daher Ostern 1875 nach Venedig, um den Veuetus t und andere Handschriften zu vergleichen.

4) Ueber den Platocodex der Markusbibliothek in Venedig append. class. 4 Nr. 1 den Archetypus der zweiten Handschriftenfamilie. Mit einer vollständigen Collation seiner Scholien. Von Martin Schanz. Leipzig 1877. 8. 108 S.

Da diese Schrift mit meinem Aufsatz im Philologus im engsten Zusammenhang steht, da eine Reihe von blossen Vermuthungen meines Aufsatzes durch die Schrift zu Gewissheiten wird, da ferner auch mehrere irrige Anschauungen meines Aufsatzes durch meine Schrift berichtigt werden, so wird es wohl gestattet sein, schon jetzt auf den Inhalt der Schrift aufmerksam zu machen. Um ein unanfechtbares Resultat zu er- langen, durfte die Untersuchung nicht auf die Bekker'schen Handschriften beschränkt, sondern musste auf alle bis jetzt bekannten und zugänglichen Handschriften ausgedehnt werden. Dadurch gestaltet sich die Schrift fast zu einer platonischen Handschriftenkunde. Vielleicht interessirt es die Leser, wenn ich den Gang der Beweisführung hier kurz andeute. Zuerst wird der Ursprung von F aus t nachgewiesen, die Handschrift stammt (durch ein Mittelglied) in ihrem ganzen Umfang aus t, »ausgenommen einige Blätter im Phaedo cf. p. 67«. Leider sind die letzten Worte, welche eine An- merkung zu S. 40 bilden sollten, beim Druck übersehen worden. Mit F stammt auch f aus t; es werden alsdann die Beziehungen des Laur. 85, 12 und des Darmstadinus zu F in gewissen Dialogen dargethan, ferner die Abstammung des Flor, d aus F in Alcib. I. II Lys. Amat. Menex. Die Untersuchung schreitet dann zum Nachweis, dass Im den Cratylus aus t haben. Am wichtigsten aber wurde für die Erkenntniss der Ver-

Handschriften. 183

wandtschaft der platonischen Handschriften der Beweis, dass auch B aus t geflossen ist. Denn dadurch konnte von einer grossen Zahl von Hand- schriften gezeigt werden, dass sie aus B stammen. Es werden zuerst die Dialoge Apol. Crito Cratyl. Theaet. Soph. Politic. Parm. Phileb. Phaedr, Alcib. I et H Hipparch. Amator. Theag. Charm. Lach. Lys. Euthy- dem. Protag. vorgenommen. Es ergab sich, dass alle Bekker'schen Handschriften der zweiten Familie mit Ausnahme von Flml aus B stam- men, (z. B. CEFHvi AE TS u. a.) dass sonach alle von Bekker zu den genannten Dialogen verglichenen Handschriften der zweiten Familie als sämmtlich aus t stammend werthlos sind. Ganz in derselben Weise wird der Stallbaum'sche Apparat behandelt; auch hier stellt sich die Abstammung einer Reihe von Handschriften (z. B. ahcoi u. a.) durch B aus t in den genannten Dialogen heraus. Es folgen Einzelbemerkungen betreffend die Abstammung des Zittav. und Vind. 5 aus }", des Flor, o aus a, des r (durch den Lobcoviciensis vgl. S. 100) aus Vind. No. 54, mehrerer Handschriften (z. B. g u. 0) aus r-, des d in Apol. Crito Phaedo Cratyl. aus /l, des h aus D, des Vind. 7 aus p, des Flor, i im Charm. aus Yind. 54. Es kommen dann zur Besprechung Euthyphro, Phaedo, Symp., Gorgias, Meno, d. h. die noch übrigen Dialoge der sechs ersten Tetralogien. Auch hier wird der Ursprung einzelner Handschriften genauer festgestellt, z. B. des August, aus t im Phädo, der Handschrift fs aus E im Gorg. u. s. w.

Das Schlussresultat ist, dass in den sechs ersten Tetralogien uns keine andere Quelle der zweiten Familie fliesst als t. Diese Behauptung wird alsdann auf die 7. Tetralogie ausgedehnt. Auch hier lernen wir die Ab- stammung mehrerer Handschriften genauer kennen. Da der Venetus t von der ersten Hand auch einige Bücher der Republik enthält, ergeht sich die Schrift auch in der Betrachtung der Handschriften der Republik. Der von mir im Hermes XH S. 173 aufgestellte Satz, dass die Kritik der platonischen Handschriften von zwei Handschriften abhängt, von dem Parisinus A und dem Venetus 77, findet auch durch die Ausdehnung der Untersuchung auf eine grössere Anzahl von Handschriften ihre Bestäti- gung. Im Einzelnen erfahren die Leser Genaueres über die Handschriften ö<Z>r, ferner über die Abstammung des Cod. v aus x, das Cod. t aus a, des Cod. xa aus a u. s. w.

Aus der Besprechung des zweiten Theiles der Handschrift, in dem eine jüngere Hand die übrigen Bücher der Republik hinzufügt, will ich wenigstens einen Punkt hervorheben, nämlich den Nachweis der Abstam- mung von q aus ß.

Der drittte Theil der Handschrift enthält den Timaeus. Hier wird gezeigt, dass iaco Corrou. aus }' stammen, ferner, dass a^eg durch o aus T geflossen sind. Ausführlicher wird der Ursprung der beiden zu- sammengehörenden Handschriften ef aus o erhärtet. Kurz ist die Er- örterung über den vierten Theil der Handschrift, welcher den Timaeus

184 t*!»*»-

Locrus enthält. Wir kommen endlich zum Anhang meiner Schrift. In demselben wird die Verwandtschaft der eine Sippe bildenden Handschriften Ti:3 Yen. 186 Ven. 590 Zittav. Monac. 408 bis ins Einzelne hinein verfolgt; es würde die Grenze des Berichtes überschreiten, wollte ich alle einzelnen Entdeckungen und Beobachtungen vorführen, da die Un- tersuchung nicht blos die genannten Handschriften, sondern auch andere behandelt, z. B. l) der (in den Leges) aus 8 stammt, v, der hier aus a geflossen u. s. f.; nur den einzigen Satz will ich herausheben »dass unsere einzige Quelle für die Briefe der Paris. Ä ist«. Das über die Quellen von T, über die Gi'uppe Vind. 1 r Lobe, über die Cod. w und Ges., über den Zusammenhang von E und u im Euthyd., über die inter- essante Cratylosstelle 68, 20 Gesagte soll hier übergangen werden. Aus der nun folgenden Erörterung will ich wenigstens eine gefundene Wahr- heit herausheben, dass die Quelle von x der Vind. 55 ist. Auch für die Erkenntniss des Ärchetypos der platonischen Handschriften wird t verwerthet und der Satz aufgestellt, dass der Ärchetypos unserer Plato- handschriften aus zwei Bänden bestand, die in zwei Columnen geschrie- ben waren.

5) In Minoem dialogum. Scr. M. Schanz. Fleckeis. Jahrb. 113 (1876) S. 505 506,

Da alle Bekker'schen Handschriften zu diesem Dialog auch in meiner Schrift über den Venetus t besprochen worden, brauche ich nicht näher auf diese kleine Abhandlung einzugehen; nur das Eine sei bemerkt, dass hier zum ersten Male die Reihe s-c-.s-i erkannt ist.

Dies meine Untersuchungen über die Platohandschriften ; ich glaube, dass damit eine feste Grundlage für die Platokritik gewonnen ist. Alle Sachkenner werden, da die Handschrift t fast noch gar nicht benutzt ist, die dringende Nothwendigkeit einer neuen Piatonausgabe zugeben, Lehrs natürlich ausgenommen, der auch hier seine eigenen Wege geht. Es ist nur gut, dass nicht alle Leute denken wie er und dass andere hervor- ragende Gelehrte ihre »Theilnahme an meinen Studien« in etwas anderer Weise au den Tag legen als ihm beliebte.

6) Ueber die neueste Behandlung des Piatontextes. Von Martin Wohlrab. Fleckeisen's Jahrb. 113 (1876). S. 117 130.

Ich könnte diese Abhandlung übergehen, da durch meine inzwischen erschienenen Abhandlungen, von denen zwei in demselben Jahre wie die Wohlrab'sche erschienen, und meine inzwischen herausgekommene Craty- lusausgabe alle wahren Ausstellungen, die Wohlrab übrigens nicht selbst- ständig, sondern mit A. Jordan macht, beseitigt sind. Allein da Wohl- rab einen überaus heftigen Ton, ohne dass er auch nur im Geringsten von mir dazu provocirt wurde, anzuschlagen beliebt hat und gegen Cobet und mich sehr zuversichtlich auftritt, so wird er es selbst für gerechtfer-

Textkritisches. 185

tigt erachten, wenn man seine Abhandlung etwas näher prüft. Hat er doch immer noch den Vorsprung vor mir voraus, dass sein in einer weit verbreiteten Zeitschrift publicirter Angriff einen grösseren Leserkreis gefunden hat, als diese meine Entgegnung finden wird. Wohlrab schreibt S. 119: »Seine (d. h. Schanz) Auseinandersetzungen machen den Eindruck, als wolle er sich entschuldigen, dass er so wenig Handschriften der zweiten Classe selbst coUatior.irt habest. Man traut kaum seinen Augen, wenn man eine solche Anschuldigung liest. Hat denn Wohlrab keine Notiz von meiner im Septemberheft 18V5 im Hermes erschienenen Abhandlung genommen, in der selbstverständlich auf Grund sorgfältiger Collationen Mittheilungeu über eine Reihe von Handschriften der zweiten Classe ge- macht werden? Diese Abhandlung war doch sicher vor der seinigen er- schienen. Wohlrab könnte vielleicht entgegnen, er habe diese Abhand- lung übersehen. Wir werden ihn daher auf eine andere Weise überführen, die keine Ausrede gestattet. Wohlrab citirt mehrfach meine »Studien«. Hier werden zum Euthyphro Collationen von 12 Handschriften mitgetheilt^ neun von diesen gehören zur zweiten Familie. Wohlrab erwähnt das von mir dort gegebene Stemma dieser Handschriften, es ist daher unbegreiflich, wie Wohlrab die obige Anschuldigung erheben kann. Ich glaube, eher zu viel Handschriften der zweiten Familie verglichen zu haben, denn mit Ausnahme einer einzigen sind sie alle werthlos. Wir lesen ferner bei Wohlrab S. 120: »es ergab sich mir, dass für diesen Dialog (den Phädon) AT {11) in erster Linie zu berücksichtigen seien, dass aber zl<P(?<^5 den- selben sehr nahe ständen und, wo man den erstgenannten nicht folgen kann, oft genug das Richtige böten. Diesen zwei unter sich sehr ver- wandten Gruppen gegenüber stand die grosse Mehrzahl der schlechten Hand- schriften, die für die Textgestaltung recht wenig und fast nur Unwesentliches lieferten. Diese Ansicht freute ich mich durch die sehr sorfältige und umsichtige Abhandlung Jordans »de codicum Piatonic, auctoritate« bestätigt zu finden«. Wiederum traut man kaum seinen Augen, wenn man dieses liest. Wie! Das sollte Jordan gelehrt haben? Jordan will ja nachweisen (und hat auch nachgewiesen), dass mit der ersten Familie nicht auszukommen sei, und dass man daher auch noch die zweite (und dritte, was freilich falsch) benutzen müsse, dass die zweite (und dritte) Familie ebenso unentbehrlich sei als die erste. Jordan zeigt ferner, dass A0Gds (/7) als interpolirte Handschriften der ersten Familie völlig werthlos seien, denn »has codicum J 0 cett. lectiones a Bodieiano, (I m.) a Tubingensi non confirmatas Schanz, qui ne miam quidem earum neque sententiarura nexu neque Piatonis dicendi consuetudine postulari eximia diligentia exposuit, in Platouis verbis refingendis non curandas esse rectissirae docuit« p. 631. Während Jordan mit ungemein grosser evipytta in seiner Schrift auch im Phädo den Satz verficht, dass die zweite Familie adfamiliae a vitia sananda non minus quam in ceteris dialogis adhiberi oportet, schreibt Wohlrab, dass die schlechten Hand-

1S6 Plato.

Schriften (so nennt er die Handscliriften der zweiten (und dritten) Fa- milie), »für die Textesgestaltnng recht wenig und fast nur Unwesentliches lieferten«. Wie man sieht, stehen sich beide Auffassungen schnurstracks gegenüber, zwischen beiden giebt es keine Versöhnung. Und trotzdem wagt Wohlrab, freudig erregt, von einem übereinstimmenden Resultat zweier unter sich ganz unabhängiger Arbeiten zu sprechen und, damit ihm der Ruhm der Priorität nicht verloren gehe, noch ausdrücklich zu bemerken, dass der betreffende Theil seiner Vorrede zum Phädo bereits gedruckt war, als Jordan's Schrift erschien. Schon Susemihl hat dieses Verfahren Wohlrab's ein unbegreifliches genannt. Und das ist es auch in der That; denn unbegreiflich ist es, wie ein Mann es fertig brin- gen kann, den mit der grössten Klarheit und mit steter Wiederholung ausgesprochenen einen Gedanken, den eine Schrift in seinem Specialfach zur Geltung bringen will, nicht zu verstehen. Doch wir sind noch nicht fertig mit den Unbegreiflichkeiten, welche die Abhandlung Wohlrab's darbietet. Wohlrab urtheilt sehr vornehm über meine Ausgabe des Euthyphr. Apol. Grit. Phaedo. Man sollte nach dem zuversichtlichen Ton, den er anschlägt, vermuthen, dass er Leistungen aufzuweisen hat, die ihn berechtigen, auf seine Mitarbeiter herabzusehen. Greifen wir daher zu dem Dialog, in dem Wohlrab seinen angeblichen Fund über das Verhältniss der Handschriften veröffentlicht hat, zum Phaedo. Nehmen wir die Vorrede zur Hand, so lesen wir: differt autem mea Phaedonis editio non solum a Stallbaumiana , sed etiam a ceteris omnibus oratione Piatonis, quam exhibet. Wohlrab versetzt mit diesen Worten allerdings den Leser in Spannung und erregt den Glauben einer nicht ganz gewöhn- lichen Leistung. Lesen wir aber weiter: In ea ut non pauca mutarem, maxime me permoverunt, quae Martinus Schanzius professor Wircebur- gensis cum de aliorum codicum tum de Tubiugensis fide et auctoritate disseruit, so kann man sich eines Gefühls des Staunens nicht erwehren. Wohlrab will nach seinem Aufsatz im Phädo eine Entdeckung gemacht haben, die nach ihm auch Jordan gemacht hat, und die dadurch besonders gesichert erscheint. Hier aber erkennt er als seinen Führer M. Schanz an, über den er in seinem Aufsatz nur Tadel vorzubringen weiss. Wie reimt sich denn das zusammen? Das, was er als einen Vorzug seiner Ausgabe vor allen anderen rühmt, verdankt er nach seinem eigenen Ge- ständniss mir. Seine Dankbarkeit hat Wohlrab auf eine eigentümliche Weise bethätigt. Es kommt aber noch ärger. In seiner Phädoausgabe schreibt Wohlrab S. 39: li loci, quibus äOGds discrepant ^ AT (/7), non sunt pauci, sed pauci sane ii, quibus quinque illi libri me- liorapraebent. Es wird noch hinzugefügt bezüglich J: recte Schan- zius docuit eins auctoritatem non eandem esse in omnibus dialogis, mi- norem certe in Phaedone. Was lesen wir aber in der Abhandlung (S. 120): dass AOGds den guten Handschriften AT {11) sehr nahe stünden und wo man den erstgenannten nicht folgen kann, oft genug das Richtige

Textkritisches. 187

böten. Und obwohl der Widerspruch handgreiflich vorliegt, stellt doch Wohlrab den Satz seiner Abhandlung als ein Ergebniss seiner Unter- suchung im Phädo dar. Wohlrab führt gern das Wort Consequenz im Munde. Der Fall zeigt uns, dass Wohlrab gut thäte, zuerst seine eigenen Inconsequenzen zu beseitigen, bevor er zum Tadel fremder schreitet. Würde man es nicht schwarz auf weiss lesen, so würde man es nicht glauben, dass ein Platoherausgeber eine solche Unklarheit und Unsicher- heit in einer so wichtigen und doch zugleich so einfachen Sache an den Tag legen könne. Noch müssen wir auf die neueste Auslassung des Herrn Wohlrab eingehen, die in den Mittheilungen von Teubner Nr. 4 1877 S. 65 erschienen ist (seine Ausgabe der Apologie und des Crito habe ich noch nicht zu Gesicht bekommen), also zu einer Zeit, in der mein Aufsatz im Philologus und mein Cratylus längst erschienen waren. Wohlrab schreibt: Die neuerdings in Aufnahme gekommene Methode, aus dem gesammten handschriftlichen Apparat nur einige Handschriften als Repräsentanten aller übrigen auszuwählen, konnte nicht gebilligt wer- den. Denn da in keiner Weise erwiesen ist oder sich überhaupt wird erweisen lassen, mit welchem Rechte die wenigen Auserwählten alle an- deren sollen vertreten können das wäre doch nur möglich, wenn die Abhängigkeit aller übrigen von denselben constatirt wäre so ist dieses Verfahren von dem Vorwurf der Willkürlichkeit nicht frei zu sprechen«. Gewiss ist dies auch recht zuversichtlich gesprochen von einem Manne, der allem Anschein nach noch keine platonische Handschrift gesehen hat. Doch auch hier muss er für seine Zuversichtlichkeit büssen, denn die von ihm vermisste Constatirung der Abhängigkeit aller übrigen Handschriften der zweiten Familie von dem Veuetus app. class. 4 Nr. 1 ist jetzt durch meine Schrift erfolgt. Ich zweifle daher nicht, »dass er die Opposition gegen den Repräsentanten der zweiten Familie t einstellen« (ich bemerke, dass ich diesen Satz in der Vorrede meiner Schrift für ihn als Antwort auf seinen Angriff erlassen habe) und den Vorwurf der Willkürlichkeit zu- rückziehen wird.

Nicht ohne Wiederstreben und erst nach langem Schwanken (vgl. die Vorrede meiner Schrift S. IV) habe ich mich zu dieser Entgegnung entschlossen. Da Wohlrab auch eine Platoausgabe angekündigt, so könnte man mir entgegenhalten: »man merkt die Absicht und wird verstimmt«. Allein da dieser Gedanke Wohlrab, obwohl ich noch niemals eine Zeile gegen ihn geschrieben, nicht abhielt, mit völliger Ausserach tlassung des mir früher gespendeten Lobes plötzlich in derselben Sache Tadel gegen mich zu schleudern, so wird man es entschuldigen, wenn ich Einiges da- gegen erwidert und gezeigt habe, wie wenig ein Mann, der sich solche Blossen giebt, zu einer Kritik geeigenschaftet ist. Ich wünsche, dass ich mit Wohlrab nicht mehr in dieser Weise zusammentreffe, sondern dass ich Leistungen von ihm zu besprechen und zu rühmen habe, welche die platonische Kritik wesentlich weiter gebracht haben. Würden die wahr-

188 Plato.

haft goldenen Worte Usener's (Rhein. Mus. 26. Bd. (1871) S. 159) von allen Forschern beherzigt, so würden solche unliebsamen Erörterungen eine Seltenheit sein.

IL Die einzelnen Dialoge.

Indem wir nun zu der Literatur übergehen, welche sich auf die einzelnen Dialoge bezieht, bemerken wir, dass wir in der Aufzählung derselben der Anordnung des Thrasyllus folgen. Bei der Aufzählung der Conjecturen besonders der holländischen Schule, haben wir auch diejenigen mit aufgenommen, welche bereits gemacht sind, da öfters die Begrün- dungen verschieden sind.

a. Apologie.

1) Zu Platon's Apologie. VonR. Bobrik. Fleckeisen's Jahrb. 1876. S. 326.

20 C werden die Worte el [lij tc eTzparzeg dUolov ^ ol noXXol durch einen Hinweis auf die verschiedene Bedeutung von izepiTcuv und dXXoTov^ von denen das erstere einen quantitativen, das andere einen qualita- tiven Begriff enthalte, vertheidigt, ohne zu überzeugen.

2) Zu Platon's Apologie. Von A. v. Bamberg. Fleckeis. Jahrb. 1876. S. 666.

Der Verfasser nimmt Anstoss an der Verbindung fisTewpa ^pov- Tiö-ny?; »es ist bisher noch keine Belegstelle beigebracht worden, durch welche die Verbindung von [leriwpa mit fpovziaTTjg entschuldigt würde« ; er streicht daher ^povTiar^s, das seine Entstehung einer Reminiscenz an Xenoph. symp. 6, 6 verdanke. Das Glossem war aber schon vor Li- banius in den Text gedrungen.

3) 35 D 'noUou Se7] noUou di<a Cobet Mnemos. 4 (1876) p. 443.

b. Phaedo.

1) üeber die Bedeutung des Dialog's Phädon für die platonische Erkenntnisstheorie und Ethik; CoroUarium emendationum Platonicarum. Vom Oberlehrer Liebhold. Programmabhandlung. Rudolstadt 1876. 4. 25 S.

In der ersten Abhandlung behandelt der Verfasser zu vielerlei Dinge, im Fluge berührt er fast alle platonischen Philosopheme, packt aber keine Schwierigkeit ernstlich an; es ist ihm daher auch nicht gelungen, einen irgend erheblichen Beitrag zur platonischen Philosophie zu liefern. Die zweite Abhandlung beschäftigt sich mit Emendation einer Reihe von Stellen aus Phädo, einer Stelle des Symp. und mehreren Stellen aus der Republik. Die zu Phädon vorgeschlagenen Aenderungen sind folgende: 66 B wird die Schleiermacher'sche Umstellung der Worte iistä zoo Xoyou

, Die einzelnen Dialoge. 189

iv Tfj axiipBt hinter e^tw/isv gebilligt, aber statt /xsra roo löyoo geschrie- ben /x£Ta ToD dXoyou. 69 A dUay:^] dycup]. 70 D d^^o rc ^] äXXod^t 74 D ^ Bvdei TL sxecvotg tou firj tocoütov ehai otuv ro l'aov ^ ou8dv. 82 B sc fi^ tpdoaoipriaavTt d^cxvecaßac äX^qj mit Tilgung der Worte ^ ^do- jxaße?. 82 D aw/ia ^epaneOüvreg. 83 B oaov äu reg ocrj&scr] rca^eiv ^. Von diesen Vorschlägen ist kein einziger stichhaltig. Liebhold arbeitet mit einer beispiellosen Oberflächlichkeit und Flüchtigkeit. Ich könnte ihm einen Fall nachweisen, wo er eine Conjectur von mir in so ungeheuer- licher Weise behandelt, dass man sieht, er hat sich nicht einmal die Mühe genommen, das, was ich vorgeschlagen, genau zu lesen.

2) Zu Platon's Phädon. Von C. Schirlitz. Fleckeis. Jahrb. 1876. S. 193—204.

In dieser Abhandlung werden zwei Stellen besprochen, einmal die bekannte 62 A, über die in den letzten Jahren eine ziemliche Literatur angewachsen ist. Der Verfasser findet das {^aufxaaruv in der Stelle lacog eöepydTT^v mit Heindorf in der Zusammenstellung der beiden Sätze vom Sterbenwollen der Philosophen und vom Verbote des Selbstmordes (S. 202) und bestimmt demnach touto, das den Schlüssel zur Erklärung der gan- zen Stelle enthält, mit ßiXTtov ehat zs&vdvat tj ^v. Den Vorschlag, dUä nach zdUa einzuschieben, scheint der Verfasser nicht zu kennen. Die zweite Stelle ist 77 E. Hier wird die Wyttenbach'sche Interpretation der Worte evc reg xal iv rjiiTv nalg »ad interiorem cuiusque animura eiusque partem puerilem et irrationalem haec refruntur« (nicht puer est inter nos) gerechtfertigt.

3) Zu Platon's Phädon. Von H. Keck. Fleckeisen's Jahrb. 1876. S. 389 390.

Der Verfasser billigt die von Bonitz 72 D vorgenommene Aus- scheidung der Worte xal zaTg fidv ye xdxtov und erklärt als Anlass der Interpolation, wie ich dies bereits in den »Studien« S. 41 ge- than, die Stelle 63 C, wo vom Verfasser die Worte roTg dya^oTg rj roTg xaxolg gestrichen werden und als Gegensatz von roTg zzrsXeoTTjxoac. be- trachtet wird Tj Toig ivMde.

4) Platon's Beweise für die Unsterblichkeit der Seele im Phaidon. Von E. Seifert. Budweis 1875. 15 S.

ist mir nicht zu Gesicht gekommen.

c. Cratylus.

Zu Platon's Cratylus. Von M. Schanz. Philologus 35 (1876) S. 369-370.

Ich behandele in dieser kleinen Abhandlung zwei Stellen 390 E und 423 A. Da die Vorschläge zu beiden Stellen in meiner Ausgabe des Cra- tylus »Piatonis opera quae feruntur omnia. Ad Codices denuo collatos

190 Plato.

edidit Martiuus Schanz vol. II fasc. prior Lipsiae 1877« berücksichtigt sind, wird es nicht uöthig sein, sie hier ausführlicher zu besprechen. Auch die dem Jahresbericht des Gymnasiums zuWongrowitz beigegebene Abhand- lung »Observationes criticae in Piatonis Cratylum. Vom Oberlehrer Dr. Adam. 4. 14 S, 1875«, welche im vorigen Jahresbericht keine Besprechung gefunden (vgl. S. 332), darf deswegen hier übergangen werden, weil alles, was nur irgendwie erwähnenswerth ist, in meiner Ausgabe aufgeführt worden ist.

d. Theaetet.

1) Zu Platon's Thccätetos. Von H. Schmidt. Fleckeis. Jahrb. 1876. S. 667 670.

Dass die Theaetet 161 C 168E vorkommenden Einwendungen gegen den Satz des Protagoras mit Unrecht von Bonitz und mir als nicht stichhaltige im Sinne Platon's bezeichnet worden sind, versucht der kleine Aufsatz darzuthun. Schmidt will dieselben »als nicht entscheidende, oder als vorläufige und noch nicht genügende, oder als verbreitende« charakte- risirt wissen. Es ist dies kaum mehr als ein Wortstreit.

2) Durdik P. Wie urtheilt Piaton über das Wissen? (Vortrag im philolog. Vereine am 13. Jan. 1874.) Prag 1875. 11 S.

ist mir nicht zugcäuglich gewesen.

3) 194 E b TidvTa (jo^ög] u Trdvao^og Naber Mnemos. 4 (1876) S. 842.

e. Philebus.

1) 21 B £t ^ ^aipscg ^ firj ^acpscg.]

Das erste ^ streicht Dieck Untersuchungen S. 28 Anm.

2) »Apud Platonem in Philebo p. 27 E quaeritur de voluptate an Tiavdyaßov sit et de dolore au sit Ttdyxaxov. Ibi quidem facile intellectu est nou quaeri sitne forte voluptas tmvo djab^bv et dolor mvu xaxovd.. Naber Mnemos. 4 (1876) p. 342.

f. Symposion.

1) Kritische Studien und Rechtfertigungen zu Platon's Symposion von G. F. Rettig. Besonderer Abdruck der der Ankündigung der Universitäts -Vorlesungen beigegebeuen Abhandlung. Bern 1876. 4. 23 S.

Die Schrift ist gegen eine Recension des Professors Teuffei gerichtet, die derselbe über die neue Bearbeitung des Jahn'schen Symposion und den ersten Band der Rettig'schen Ausgabe des Symposion erscheinen liess (in Fleckeis. Jahrb. 1876 S. 381 - 389 und S. 783). Es kann hier nicht unsere Absicht sein, die gegen Teuffei gerichtete Entgegnung in ihren einzelnen Punkten zu wiederholen, hier haben wir es nur mit den

Die einzelnen Dialoge. 191

kritischen Grundsätzen zu thun, welche Rettig in der Ausgabe befolgt und in diesem Programm näher begründet hat, zumal dieselben den meinigen auf's stärkste widersprechen. In seiner Ausgabe sagte Rettig ; in locis coutroversis omnium de quibus constaret codicum testimonia afferenda esse duximus, in locis uon coutroversis satis habuimus codicum optimorum auctoritates proponere. Aehnlich in der obigen Schrift S. 4. Wer entscheidet aber, ob eine Stelle controvers ist oder nicht? Darüber wird von verschiedenen Personen und zu verschiedenen Zeiten verschieden geurtheilt. lieber die Durchfährung seines Princips lesen wir S. 4 Fol- gendes: »In den angefochtenen Stellen musste das gesammte kritische Material herangezogen werden, in möglichst übersichtlicher und abge- kürzter Weise. Bei den Handschriften ist dies dadurch erreicht worden, dass ich sie nach Classeu und Familien ordnete und dafür Gruppenzeichen einführte«. Es wird nicht uninteressant sein, zu sehen, wie Rettig diese Anordnung vornimmt. In der ersten Familie bildet er folgende Gruppen : 1) 2lJ/7=2li; 2) 21J/7+ Z>i:p = 2l2; 3) 21J/7 + DA'p +ro = 2l3; 4) %jn-i-DKp + ro + Sri = 2t4; 5) DKp = Di; 6) DK^ + m = D2', 7) 51" 2" = Si. Es werden also sieben Gruppenzeichen ange- nommen. Da nun auch jede der 10 Handschriften einzeln erscheinen kann, so haben wir es in der ersten Familie mit 17 Zeichen zu thun. Die klare Uebersicht des kritischen Apparates wird dadurch sehr er- schwert. Es kommt hinzu, dass man nicht einsieht, warum die Gruppen so gebildet wurden. Wenigstens sind die verwandtschaftlichen Verhält- nisse der Handschriften hierbei nicht genug berücksichtigt. Rettig hat es hier an eingehenden Studien fehlen lassen. Ich will nur Einiges her- vorheben: Ich habe nachgewiesen, dass J aus 51 stammt, ferner das n) aus J geflossen ist, endlich dass zwischen flDKp folgendes Verhältniss besteht: ü-D-yi-K (dass DpÄ aus /7 stammen, vermuthet auch Rettig), zwischen ETI folgendes: T-Z-E. Wenn man das weiss, so kann man nur an die Aufstellung folgender Gruppen denken: l) SlJm; 2) //DpÄ'; 3) TZE. Alle anderen Zusammenstellungen sind rein ausser lieh und daher ohne Werth. Was soll mau sich z. B. bei der Gruppe i)Ä'p + nj denken? Was soll.es heissen, wenn ro auch in einer Gruppe der zweiten Familie erscheint? Noch schlimmer gestaltet sich die Sache in der zweiten Familie, in der 19 Handschriften von Rettig beigezogen sind. Auch hier ist die Zusammenstellung der Handschriften ohne jede Rücksichtnahme auf Verwandtschaft erfolgt, n z. B. gehört mit xr zu einer Sippe vgl. meine Schrift »Platocodex« S. 68, u gehört mit bi zusammen vgl. 1. c. S. 68. Originale und ihre Copien werden zusammengeführt, z. B. der Lobcoviciensis, der, wie ich gezeigt habe, nur eiue Abschrift aus dem Vindobonensis ist, ferner v, der aus dem Lobcov. geflossen ist und so weiter. Nur eine Handschrift ist in einem kleinen Theile zu Anfang angeführt, näm- lich der Veuetus t und dieser Codex ist, was Rettig allerdings nicht wissen konnte, die Quelle sämmtlicher Handschriften der zweiten Familie. Was

192 Plato.

ich in einer kleinen Abhandlung im Rhein. Mus. 1877 gesagt habe, wieder- hole ich auch hier: Die Kritik des Symposion hängt von zwei Handschriften ab, von dem Clarkianus und dem Veuetus t, alle übrigen sind unnütz. Freilich darf nicht verschwiegen werden, dass Rettig angehenden Philo- logen durch seine Methode Gelegenheit geben will »das Spiel der Hand- schriften in Entstehung, Fortpflanzung, immer weiter gehender Ver- breitung von Fehlern kennen zu lernen, um mittelst dieser Kenntniss die dagegen anwendbaren und brauchbaren Mittel zu gewinnen, die kritische Kunst mit Sicherheit und Erfolg zu üben«. Es fragt sich aber doch sehr, ob hierfür die Ausgaben der geeignete Platz sind, auch hätte Rettig durch ein Apographum seinen Zweck viel besser erreicht, wenn dessen Lesarten und die des Originals genau nebeneinander angegeben worden wären. Ich bin überzeugt, dass Rettig, mit dem ich ja längere Zeit in freundschaftlichen Beziehungen stehe, in diesen Bemerkungen nicht einen Versuch erblicken wird, seinen Verdiensten um Plato einen Eintrag zu thun.

2) Platon's Symposion erklärt von Georg Ferd. Rettig. Halle 1876. 8. 368 S. (Der zweite Band zu Platon's Symposion mit kritischem und erklärendem Kommentar von Georg Ferd. Rettig.)

Da sich der Herausgeber viele Jahre mit der Kritik und Erklärung des platonischen Symposion abgegeben, (vgl. den im Eingang mitgetheilten Brief des verstorbenen Bernhardy an den Herausgeber und die von Rettig verfassteu Programme De oratione Aristophanis in Symposio 1860 De conviviorum Xenophontis et Piatonis ratione mutua 1864 De Heracliti rou axoTBivotj dicto aliquo 1865 Ueber das Sprichwort wg äpa xac dya&wv x.t.L in Plat. Symp. 174B Ueber die ?.uy$ des Aristophanes in Symp. 185 0 Bern 1869 Viudiciae Platonicae Bern 1872), so ist klar, dass uns ein fleissiges und gelehrtes Werk geboten wird, aus dem jedermann vielfache Anregung empfangen wird, auch wenn er mit manchen Anschauungen des Herausgebers nicht übereinstimmen kann.

3) Platon's ausgewählte Schriften. Für den Schulgebrauch erklärt von Chr. Cron und Jul. Deuschle. V. Theil. Platon's Symposion erklärt von Arnold Hug. Leipzig 1876. 8. 223 S. Vgl. die belehrende Re- cension von J. Vahlen Jen. Literaturzeitung, Jahrg. 1877, Artik. 568.

Wir haben hier keine Schulausgabe im eigentlichen Sinne des Wortes vor uns, sondern eine Ausgabe, aus der auch der Gelehrte eine reiche Belehrung schöpfen kann; denn sie enthält ausserordentlich schöne und scharfsinnige Beobachtungen. Für die Einführung in das Studium der platonischen Schriften wird sich diese Ausgabe vorzugsweise eignen. Da ich noch immer hoffe, die Ausgabe bei irgend einer Veranlassung ausführlicher besprechen zu können, will ich es hier bei diesem Lob be- wenden lassen.

Einzelne Dialoge. 193

4) Zu Platon's Symposion. Von Leopold Schmidt. Rhein. Mus. 31 (1876) S. 471 473.

In dieser kleinen Abhandlung vertheidigt Schmidt die von ihm früher vorgebrachte Conjectur inzi tiq uficv oh firj i^san^xrj Man vgl. nun auch Arnold Hug zur Stelle, dann krit. Anhang S. 206 und Berichtigungen.

5) 218 B nuXag ndw ixsyd^ag] »ad asinos dictum videtur: aptum est TiuXag Ttafi/isyd^ag« Naber Mnemos. 4 (1876) p. 343.

6) 220D rj?.cu)] 'lücw (wie Lehrs) R. Förster Fleckeis. Jahrb 1876 S. 823, 33.

181 B behandelt unglücklich Liebhold in der citirten Abhand- lung S. 21.

g. Phaedrus.

1) Ueber den Grundgedanken des Platonischen Phaidros. Von Dr. Otto Steinwender. Programm zum XIL Jahresbericht des Maria- hilfer Communal - Real - und Ober - Gymnasiums. Wien 1876. 8. S. I-XX.

Der Verfasser untersucht zunächst nach einer Uebersicht über den Gedankengang des Dialogs das Ziel der beiden Theile, in welche zweifels- ohne der Phaedrus zerfällt: »Das negative Ergebniss des ersten Thei- les, welcher die Liebesredeu enthält, ist die Verwerfung des Eros in seiner gemeinen Auffassung, wie sie der Liebesrede des Rhetors zu Grunde liegt. Das negative Ergebniss des zweiten Theiles, eines Gesprächs über Rhe- torik, ist die Vernichtung der Rhetorik. Das positive Ergebniss des ersten Theiles ist der Nachweis des Segens, den der Eros bringt, das positive Ergebniss des zweiten Theiles ist die philosophische Begrün- dung der wahren Normen der Gedaukenmittheilung«. (S. VII.) Nach dieser Darlegung geht der Verfasser daran den Zusammenhang beider Theile und den Grundgedanken aufzuzeigen. Den Zusammenhang findet er auf folgende Weise: »Zwischen der Gedaukenmittheilung und dem Eros besteht ein unmittelbarer Zusammenhang. Der Eros ist der Grund der vollkommensten und allein segensreichen Gedankenmittheilung, welche in der mündlichen an die einzelne geeignete Person gerichteten Rede besteht. (S. VIII und IX.) Das einigende Band muss also zwischen dem positiven Ergebniss des ersten und zweiten Theiles gesucht werden«. Ueber den Grundgedanken spricht sich schliesslich der Verfasser also aus: »Die Methode, im Dialog mit dem dui-ch den Eros Verbundenen die Gedanken zu erzeugen und mitzutheilen, ist das positive Ergebniss, der Nachweis, dass die Rhetorik unfähig ist die Kunst der Gedauken- mittheilung zu üben und zu lehren, das negative Ergebniss. Der Grund- gedanke des Phaedrus ist demnach: Der Sieg der Sokratischen Methode, das ist der Methode, imDialog mit dem durch den Eros Verbundenen die Gedanken zu erzeugen und raitzuthei-

Jahresbericht für Alterthums-Wissenachaft 1877. I. 13

194 Platoü.

len, über die Rhetorik«. In einem Anhang werden die Ansichten von Ast, Deuschle, Bonitz, Schleierniacher, Zeller, Rüge, Brandis, Rib- bing, Stallbauni, Steinhart, SusernihI, H. v. Stein, Hermann geprüft und zum Schluss gut die Richtungen, welche den verschiedenen Deutungsver- suchen zu Grunde liegen, gezeichnet.

Obwohl ich gern das Streben des Verfassers anerkenne, so muss ich doch ausdrücklich bemerken, dass ich seine Anscliauung nicht theilen kann. In Bezug auf die Auffassung des Dialogs pflichte ich durchaus H. Bonitz bei, weil ich in seiner Analyse alle Bedingungen erfüllt sehe, die man an eine solche zu stellen hat. Bonitz, überall von den Worten des Schriftstellers ausgehend, ist durchweg bestrebt, die gefundene Glie- derung des Dialogs als eine von Plato selbst gewollte nachzuweisen. Nur auf diesem Wege gekngt man zu einer ungekünstelten, natürlichen Auffassung des Grundgedankens. Es wäre sehr zu wünschen gewesen, dass der Verfasser Bonitz, der stets die Stellen sprechen lässt (z. B. S. 262 CD, wo die Liebesreden des ersten Theiles von Plato selbst als glücklich sich darbietende Beispiele bezeichnet werden) eingehend zu widerlegen versucht hätte. Er würde höchst wahrscheinlich dann gefunden haben, dass die Bonitz'sche Analyse allen Anforderungen entspricht. Mit der Literatur scheint der Verfasser nicht vollkommen vertraut zu sein; so z. B. fehlt die Jenaer Dissertation von Hinz Ueber Plan und Gedan- kengang in Plato's Phädrus 1874.

Wie hängen die Unterredungen des zweiten Theiles des Platoni- schen Dialogs »Phaidros« mit jenen des ersten Theiles zusammen? Von A. Hosek. Grudim 1875. BS.

Diese Abhandlung ist nach einer Mittheilung des Gymnasialdirectors von Grudim in böhmischer Sprache abgefasst, welche Referent nicht versteht.

2) p. 245 E ^y/^ff ouaiav] (pu^r^g tpöotv Naber Mnemos. 4 (1876) p, 333. 274 D roTOw] v6y.oo Naber 1. c p. 347.

h. Protagoras.

1) Charakterbilder aus Protagoras von Prof. Ambros Mayr. Pro- gramm der vereinigten Communal- Mittelschulen zu Komotau. 1876. 8. S. 3 27.

Von den in dem Dialog Protagoras auftretenden Personen wird nach den von Plato gegebenen Andeutungen ein Bild von Sokrates (S. 2—12), Protagoras (12-17), Hippias (17 19), Prodikos (19-22), Hippokrates 22 25), endlich von dem Hetairos (25 27) entworfen. Die verwertheten Stellen des Dialogs sind am untern Rand mit Zahlen angegeben. In der lebhaften Schilderung, die der Verfasser entwirft, wirkt öfters sehr störend eine unpassende, forcirte Ausdrucksweise z. B. »Der Universaltrichter Hippias« S. 15 u. s. w. Ein sonderbarer Irrthum findet sich auf S. 18.

Einzelne Dialoge. 195

Da in der Schrift nicht näher untersucht wird, in wie weit das von Plato entworfene Bild der drei Sophisten mit der Wirklichkeit übereinstimmt, so ist der Arbeit nur ein geringer wissenschaftlicher Werth beizumessen.

2) Zur Erklärung von Plato's Protagoras. Von Carl Schirlitz. Zeitschrift für das Gymnasialwesen XXX (1867) p. 401 446.

Der Verfasser behandelt 1) Stellen, in denen die handschriftliche Lesart ohne Grund angefochten ist. 329 A gegen die von C. F. Hermann vorgenommene Einschiebuug der Negation ou-/^ vor ojamp. 331 B gegen die von Kroschel versuchte Verdächtigung der Worte xai iidhaza ndv-ojv Tj 8cy.aioaOv7^ otov bacoTr^g xai ij baiuzrfi o7ov dtxatoQuvrj. 338 A y//?v vertheidigt. 341 E gegen Kroschel's Conjectur, der saiEp für siTa schreibt, und dessen Interpunction der Stelle. 358 B Die handschriftliche Lesart 8bvarai ist als unhaltbar zu bezeichnen, dagegen zu der von Heiudorf vorgeschlagenen, seitens der Erklärer gebilligten Aenderung rrojs? statt ETioki liegt kein Grund vor. 2) Stellen, die um ihrer Erklärung willen eine Besprechung verdienen, ohne dass die handschriftliche Lesart eine Aenderung erfahren hat. Es sind folgende: 310 D werden die Worte yiyvujaxujv auroi) zrjv ävSpsiav xai itjv Ttzoir^atv erklärt; »die beiden Ausdrücke sind auf das bestimmte Auftreten des Hippokrates im vorlie- genden Falle, nicht auf seine allgemeine Gemüthsbeschaffenheit zu be- ziehen«. 320B »Die gesammte Bildung des Protagoras betrachtet Sokrates als Product zweier Factoren, von denen der eine, die kntarrjiirj, sich wie- derum aus zwei Stücken, dem ixaßsTv und iqeupsTv zusammensetzt« (S. 421). 332 A y>-6oe allo bezieht sich nicht auf die Behauptung des Protagoras über das Verhalten der Tugenden zu einander als diametraler Gegen- sätze, sondern auf den früheren Satz desselben, dass aocpla und auxppoabvrj qualitativ verschieden seien« (S. 424). 346 D wird ndvTa toi xaM p-ip-ixTut ausführlich besprochen, ebenso 351 A-B. Im Auschluss daran wird auf die Amphibolie folgender Stellen hingewiesen: 317 E 318 A {roy^dvei iv im&u/xca tov), 318A B {ßeXztüJV av yivoio)^ Zl^J) {xaXuJg eputr^g mxä anderes). 3) Stellen, an denen Textesänderungen vorgenommen werden : 312 D noiag ipyaaiaq smcsTd-rjQ wird nach ao<pu)v sau umgestellt und das ohne zureichende handschriftliche Autorität (da sowohl der Clark, als der Venetus T dieses ^ nicht haben, ist es offenbar eine Conjectur) in den Text vor imard-n^v eingeschobene ^ beibehalten. Ich glaube auch jetzt noch, dass mein Vorschlag, sc vor einoi}iev einzuschieben (Nov. com. p. 56), am besten die Stelle heilt. 315 D—E rouz' ivdov ^v rb jieipdxiov oder ToSz rjv rb fietpdxcov ivSov. 341 C wird hinter epL/ievac das Fragezeichen gesetzt. 344 A ^acvezac zs npbg Xöyov. 362 olnep] onep.

3) Protag. 309 A zou ^npüjzov* uTtrjvrjzou Cobet Mnemos. 4 (1876) p. 268.

13*

196 Piaton.

i. Gorgias.

1) Ueber den Begriff der Strafe in Platon's Gorgias. Von Lud- wig Paul. Zeitschrift für das Gymnasialwesen XXX (1876) p. 593—603.

Plato unterscheidet nach der Ausführung des Verfassers eine ob- jective und eine subjective Seite der Strafe. Nach ihrer objectiven Seite ist sie eine Herstellung der Gerechtigkeit und damit eine Behauptung des Guten in der menschlichen Gemeinschaft, die dadurch bewirkt wird, dass dem verletzten Gesetz Genugthuung gegeben und so das Recht er- halten wird in seinem Bestände. Nach der subjectiven Seite ist die Strafe Zucht, xuXamg^ d. h. Befreiung des Subjects von der Schlechtigkeit, und damit eine Behauptung des Guten in der Seele des Büssenden (S. 599). Weiter wird auseinandergesetzt, dass die objective Seite der Strafe sich zuerst im Bewusstsein des Menschen heraushob. Auch die Phrase dcxrjv Scoovat bedeute ursprünglich nur die objective Seite der Strafe. Diese Auffassung der Strafe von Seite Platon's ist eine erschöpfende und auch in die moderne Philosophie übergegangen: wie Plato, so unterscheidet auch Hegel die zwei Seiten der Strafe.

2) De Calliclis oratione quae est in Gorgia Platonico sex locis commentatio. Scr. Joseph Golling. Zum Programm des Gymnasiums zu Wr. Neustadt 1875. 8. 19 S.

Wenn dieser sehr lebendig geschriebene Aufsatz auch keinen wesent- lichen Fortschritt in der Kritik des Gorgias begründet, so ist doch der Fleiss des Verfassers und sein Streben, die gesammte Literatur beizu- ziehen, was man so selten in Programmabhandluugeu findet, recht lobens- werth. Die sechs besprochenen Stellen sind: 483 A wird gegen Aende- rungsversuche vertheidigt. 483 C D wird or^XoT = drjXd iarcv interpretirt und mit Ast, Stallbaum Taura als Nominativ gefasst. 484 A wird mit Böckh xaTa (pbaiv nach (p-riaiv eingeschaltet, aber diese Worte dem Plato gegeben. 485 B werden die Worte w ixt npoarjxzt dcaXiyza&ac outuj vertheidigt. 485 DE schwankt der Verfasser zwischen der üeberlieferung xal Ixavov und seiner (unhaltbaren) Conjectur xav cxavuv. 486 E wird, um die Schwierigkeiten, die otanpiTtztg bietet, wegzuräumen, der Ausfall eines Wortes mit Ruhnken u. a. statuirt und <p(jaag vor <p(jmv eingesetzt, was unmöglich.

3) Vier Stellen in Plato's Gorgias. Von G. Wendt. Zeitschrift für das Gymnasialwesen XXX (1876) S. 603 607.

447 C wird als Lokalität des Gesprächs das Haus des Kallikles angenommen. In seiner Erörterung bringt der Verfasser Manches vor, dem ich nicht beipflichten kann. Zu bedauern ist, dass G. Wendt, wie es scheint, die über diese Frage angewachsene Literatur nicht vollstän- dig kennt, z. B. nicht die Ausführung Cobet's Mnemos. U (1874) S. 114. 461 B Tj ^oux* ul'ei und nach <5i^a|'£iv Fragezeichen. 502 B [ijp' o) iamou-

Einzelne Dialoge. 197

8ax£], so aber bereits Cobet Mnemos. XI (1862) p. 415 II (1874 p. 141 [ojg aol 8oxe7\. 504 E aXarrov] Wendt schreibt, bis man etwas Besseres findet, ßXoKpe:. Unwahrscheinlich.

k. Meno.

Platonica von C. G. Cobet in Mnem. 4 (1876) p. 442 449.

Ausser einigen Bemerkungen über Anytos (in iis qnae de Anyto scribit Menou. p. 90 B ubique sunt aculei in hominem, quem Plato pessime oderat, nam nuUa esse potest controversia, quin haec post Socratis mortem scripta fuerint p. 445) und den ebenfalls im Dialog vorkommenden Poly- krates (pauci, credo, Stallbaumio credent, Polycratem esse veterem Sa- miorum tyrannum. Polycrates Thebanus nescio quis Ismeniam heredem scripserat) giebt Cobet hier Conjecturen zu dem Dialog Meno (und einige eingestreute zu anderen Dialogen). Wir führen die zu Meno hier auf: 7oA iv&dds OS {tu npäy/xa scg) rouvavzwv ibid. [rj ao<p{a\ 71 A rotrourou Sduj 71 D fJLsv rocvuv (so Venetus T", fiev zoi vdv Clark. B) 71 D sme. 72 A xec/JLSVov ibid. sl ok [ßoohc] 8o6hu 76 A npayfiara Trapd^scg für npäyiiara npoazdzzeig 76D ^yve? ozuv Xiycu cod. BT: oziv Xiyuj (Do- rium est zcv pro aoc, ut ijxtv pro ep-ot) 77 D emd^opoüatv [o? djvooüvzsg auzd] 7 8D npoazt&ecg 80 A mnoii^xevat [vapxdv], {so schon Dohree und Naber) 89F, pezaooTpev dv auzug BT: pszaooTpsv ^'Awzog 91 B post zaüzrjv ouv zr^v dpszYjv manifesto aliquid excidit unde accusativus zauzrjv zTjv dpszrjv pendebat; es wird vorgeschlagen paärjaopsvov oder ßouXopevoc auzbv ao<puv ysvecr&ac 91 B oug für o7oug ibid. zoaaözri für zoiaüzrj 91 E [ipyaCupevoc] ibid. [zd Ipdzcd za xai bTioo7jpaza\ ibid. dXXd [^slzoiaoza TMiötev] zaxo ibid. tiXsTv ^ zezzdpaxovz' ezrj 92 C 7:spc bzououv Tipdypazog 99 D ex zoü &eüjv ibid. wird die Conjectur des Casaubonus aecog dvijp für &£iog dvijp gebilligt 100 A zo\ oe oxtal dhaoymv.

1. Republik.

1) VIII 558A auzou »an Ort und Stelle« für auzajv W. Teuffei Fleckeis. Jahrb. 1876 S. 113.

2) Zu Platon's Politeia. Von Liebhold. Philolog. 35 (1876) S. 370 373.

Es ist zu bemerken, dass manche der behandelten Stellen auch in der oben erwähnten Programm -Abhandlung lateinisch bearbeitet sind, ausserdem sind in der Abhandlung auch neue Stellen behandelt. Wir stellen alle Aenderungsversuche hier nach der Reihenfolge im Dialog zusammen: 476 A (Programm S. 21) xal dX^^ojv] xal dXXcov tioXXmv 496 C aut ysudpsvoc ut marginale removendum aut meliorum librorum lectionem ysvöpsvot quippe superfluam ex kXöpsvoi exortam suspicari licet, ferner im zjj zaJv dixamv ßor^d^eia cnouddZot dv 501 B xai Ttpog zh exelvo aazö iv zo7g dv&pcunocg 511 A dnb zujv xazcu 511 E £^' o7g] i<p offov

198 Piaton.

534 A xal ozc] xa) erc in der Abhandlung S. 372, xal rooro später im Pro- gramm S. 22 ibid. ttjv o' e^p' otq zaoz av 8ti'/rj w^aAoycav ibid. ouacav] voTjacv 5iOE ixniix(}fouacv rpi^'ovrat 541 A ^v sMyofjisv] Xsyo/xzv. Ich habe diese Conjecturen ohne Bemerkungen, ohne Widerlegungen gegeben. Liebhüld ist hier ebenso unglücklich und leichtsinnig wie mit seinen Con- jecturen zum Phädo.

3) 432 A et 8e [ß6u?^£c] Cobet Mnemos. 4 (1876) S. 444.

m. Timaeus.

1) Zu Plato's Timaeus S. 24 E. Von Joh. Wrobel. Zeitschr. für österr. Gymn. 27 (1867) S. 617.

Wrobel nimmt Anstoss an der Tautologie der Worte o xa^srre, wg (faxe unsTg, "HpaxXiooQ a-ijXag und da in den meisten Handschriften xa- Xetzat steht, (freilich im Parisinus A erst von zweiter Hand, ich bemerke jedoch, dass diese Verwechslung in den Handschriften sehr häufig ist), so liest er o xaXsTrac a-rjXat. Diese Conjectur werde bestätigt durch die lateinische Uebersetzung des Chalcidius.

2) Tim. S. 74 B iaead^ai xTrjiiara\ emenda auctore Valckenario etr^jy- Hara Cobet Mnem. 4 (1876) S. 323.

81 D Steazdiievoi]. In Parisino scriba quum errore Scearafxdvot de- disset, recte correxit dua-diievoi Cobet 1. c. S. 377.

3) Piatonis Timaeus interprete Chalcidio cum eiusdem commeutario. Ed. Dr. Joh. Wrobel. Lipsiae in aedibus B. G. Teubueri 1876. 8. 398 S. Mit einigen Tafeln und einem Facsimile eines codex Craco- viensis.

In der Vorrede bespricht der Verfasser die früheren Ausgaben und tadelt mit Recht die Nachlässigkeit und Unbrauchbarkeit der von Mullach besorgten. Alsdann spricht sich der Verfasser über die Zeit, in der Chal- cidius lebte, und die Religion desselben aus. Interessant ist die Ausführung nach Haureau Histoire de la philosophie scolastique Paris 1872 über das Ansehen, das Chalcidius im Mittelalter gehabt. Certissimum est, heisst es p. XII, scriptorum Platonicorum unum Timaeum in Latinum conversum, archetypum autem Graecum nullum fuisse ideoque ad extremum usque saeculum XII ex Timaeo a Chalcidio translato, si omittas fragmenta quae in patrum qui dicuntur operibus reperiuntur, haustam esse philosophiae notitiam. Zum Schluss zählt der Verfasser die Hilfsmittel auf, die er für seine Ausgabe benutzt hat: es sind zwei Krakauer und vier Wiener Hand- schriften. Wrobel hat ein Anrecht auf Dank, dass er es unternommen hat, eine wirkliche Lücke in der philologischen Literatur auszufüllen, auch ist der Fleiss, den Wrobel seiner Aufgabe zugewendet hat, recht rühmenswerth. Aber auch die Mängel, an denen die Arbeit leidet, müssen hier hervorgehoben werden. Ich glaube nämlich, dass die Methode, die

Einzelne Dialoge. 199

in der Ausgabe zu Tage tritt, eine verfehlte ist. Seit Lachmann ist es Pflicht des Herausgebers, sich vor allen Dingen eine Kenntniss des ge- sammten kritischen Materials zu verschaffen, alsdann aber auf Grund- lage einer Untersuchung über die Verwandtschaftsverhältnisse der Hand- schriften die älteste und treueste Textesquelle aufzuschliessen. Beide Forderungen sind von Wrobel leider nicht erfüllt worden. Er hat es erstlich unterlassen, Nachforschungen nach den vorhandenen Chalcidius- Handscbrifteu anzustellen, ferner nicht einmal eine methodische Unter- suchung über die wenigen von ihm verglichenen Handschriften gegeben, denn die subjectiven Schätzungen in der praefatio können nicht als eine solche gelten ; einmal regt der Verfasser zwar eine hierher gehörige Frage an (praef. p. XIX), führt sie aber nicht zu einer sicheren Entscheidung, Auch vermisst man eine methodische Vergleichung der Ueberlieferung des Chalcidius mit der des platonischen Timaeus. In der Gestaltung seines kritischen Aj^parates hat Wrobel ein sonderbares Verfahren ein- geschlagen. Er copirt nämlich seine Handschriften mit allen ihren Schrei- bungen und Abkürzungen. Auf diese Weise erhält der Apparat fast lauter ellenlange Sätze, welche eine klare Uebersicht des kritischen Ap- parates absolut unmöglich machen. Je mehr ich mich mit kritischen Arbeiten beschäftige, desto mehr hat sich bei mir die Ueberzeugung be- festigt (man wird diesen Fortschritt auch in meinen Arbeiten bemerken), dass der kritische Apparat so einfach als möglich zu gestalten sei. Be- sonders muss ich mich gegen eine Copirung der Handschriften in allen ihren Einzelheiten durch die Schrift aussprechen. Eine solche Abconter- feiung ist immer unvollkommen und hat fast gar keinen Werth. Man kann sogar in der Regel mit Worten den Thatbestand der Handschriften noch deutlicher feststellen. Mögen diese Bemerkungen Herrn Professor Wrobel veranlassen, alle Handschriften zu prüfen, die richtigen zu ver- gleichen und noch eine Handausgabe mit einem kleinen kritischen Ap- parat zu veranstalten.

4) Iwani Mülleri quaestionum criticarum de Chalcidii in Timaeum Piatonis commentario specimen alterum. Erlangae 1876. Programm- Abhandlung! 4. 13 S. Specimen tertium Erlangae 1877. Programm- Abhandlung. 4. 17 S.

Durch diese dankenswerthen Programme wird unsere Kenntniss des kritischen Materials über Wrobel hinaus erweitert. In dem Programm von 1876 (wie in dem von 1875) werden Lesarten aus einem codex Bam- bergeusis zur Ausgabe von Mullach mitgetheilt und dadurch der Text an einer Reihe von Stellen verbessert, in der 1877 erschienenen Abhand- lung wird uns Kenntniss von einem Colonieusis, einem Riccardianus, Mo- nacensis, Marcianus gegeben und daraus Lesarten an der Hand der Wrobel'schen Ausgabe mitgetheilt. Auch hier finden wir kritische An- merkungen in reicher Zahl.

200 Piaton.

n. Leges.

I. 626 D »Cobetus in Variis Lectiouibus p. 527 iam ostendit Scavo- e?a&at et ScaxeTaBac coufimdi in Piaton. Kep. I 343 B. Sed itidem corrige Legg. I 626 D auro) 8k Tiphg auruv norspov ajg TioXejito) npog TioXijXidv SiavoTjTsov« Naber Mnemos. 4 (1876) S. 348. VI 752E Dittogra- phia est apud Platonem Legg. VI 752 E Teva nöpov xal Xoyov dvsupcc- xo/xsv; Naber 1. c. VII 793 D robg vojioijg] zoug Xuyoog Naber 1. c. IL 663 C inaivoig xac Xoyoig] STiaevocg xat (poyotg Naber 1. c. p. 347.

III. Platonische Scholien.

ad Protag. 309 A xal zu Tipiörov oTrrjvrjTrjg für xal rh npwTog umj- vijzrjg Cobet Mnem. IV (1876) p. 268.

ad Criti. 112A /Zvyf zonog ^Ad^rjvrjaiv iv 5) exxhjGtat iycyvovzo ndXai pkv ndaai^ uazepov 8e äna^ ozav zov azpazrjyov ^stpozovöjatv. Als Quelle dieses Scholion erkennt Cobet Mnemos. IV (1876) S. 284 Hesychius, wo es heisst IlvO^' zonog 'A&rjVTjatv, iv w o.l exxhjaiat T^yovzo rtäXat fikv näaat, vovc de ana^ ozav (zbv) azpazrjyhv ^scpozovuxTcv, Das Letztere rühre ^on Didymus oder einem anderen älteren Gelehrten her und sei geschrie- ben, »quo tempore erat aliqua Atheniensium respublica et unus quotannis azpazrjog creabatur qui rem frumentariam curaret. Descripta sunt multis annis post quum haec quoque olim sublata essent«.

Im Anschluss hieran noch einige Nachträge und Berichtigungen zu meiner Schrift »Platocodex«. Menex. 384, 7 hat B zw yevvoj/xeva} durch- strichen, aber in einer Weise, dass man zweifelt, ob der Strich gelten soll oder nicht. Daher haben einige der aus ß stammenden Handschriften die Worte, andere z.B. -wazl nicht. Phaedo 103, 8 48, 19 Symp. 420, 19 Crito 153, 13 Hipparch. 243, 22 Politic. 346, 18 344, 16 erklärt sich die Lesart gewisser aus B stammenden Handschriften durch Compendien in B. S. 50 ist das Beispiel Protag. 163, 8 zu streichen. Interessant ist der Sachverhalt Apol. 91, 13 Phileb. 239, 15 in B. - Das Symp. des Riccard. nr. 92 stammt aus "5, denn 370, 12 ovzojv ^ixäiv Clark. Venet.: ^fiwv OVZOJV Rice, mit B. In F ist das erste Blatt (Anhang des Euthy- phro) von einer andern Hand geschrieben, L gehört hier zur ersten Fa- milie. — Zu S. 81 meiner Schrift ist zu bemerken, dass 90, 11 eazt in A ist und 74, 14 ehat in A fehlt. Dass aym (und jedenfalls auch Rice, nr. 66) in der Rep. aus ^, einem früheren Mediceus stammen, ist un- zweifelhaft, nur ein Beispiel: 484, 5 nlrjyevzog A: nXijzzovzog aym mit corr. A. Wie in anderen Dialogen, so stammt auch in den spurii 0 aus B. Allem Anschein nach ist hier A unsere einzige Textesquelle. Li der Apol. ist die Bekker'sche Handschrift g Paris. 3012 (o).

Bericht über die die griechischen Tragiker be- treffende Literatur des Jahres 1877.

Von

Prof. Nicolaus Wecklein

in Bamberg.

Griechische Tragiker

C. G. Cobet, De nonnullis fragmentis tragicorum. Euripides. Tragici minores. Mnemosyne nov. ser. V. p. 325 248, 249 273, 273—276.

Th. Gomperz, Die Bruchstücke der griechischen Tragiker und Cobet's neueste ki-itische Manier, Ein Mahnwort. Wien 1878. 44 S. 8.

N. Wecklein, Curae criticae (Gratulationsschrift zu L. Spengers öOjährigem Doctorjubiläum). 22 S. 8. (Jahrb. f. class. Philol. Suppl. IX. S. 159—179).

Fr. Scholl, Ueber Jon von Chius. N. Rhein. Mus. 32. S. 145 bis 159.

J. Rappold, Die Gleichnisse bei Aischylos, Sophokles und Euri- pides. II. Theil. Gymn.-Progr. von Klagenfurt 1877. 36 S. 8.

CG. Hense, Beseelende Personification in griechischen Dichtungen mit Berücksichtigung lateinischer Dichter und Shakespeare's. Zweite Abtheilung. Gymn.-Progr. von Schwerin 1877. 30 S. 4.

M. Patin, fitudes sur les tragiques Grecs. Eschyle. Sophocle. Cinquieme edition. Paris 1877. VII und 387, 391 S. 8.

Inhoudsopgave der nog bestaande Treurspelen van Aeschylus, So- phocles en Euripides. Tiel 1877. VIII und 103 S. 8.

NiccoloFranzutti, Della tragedia classica e della tragedia mo- derna. Sassari 1877. 23 S. 8.

P. Manns, Die tragische Katharsis. Gymn.-Progr. von Emmerich 1877. 21 S. 4.

202 Griechische Tragiker.

Die Abhandlungeu von Cobet und Gomi)erz können wir hier am besten in der Weise verbinden, dass wir diejenigen Conjekturen Cobet's, welche Gomperz als unbrauchbar oder längst gemacht und bekannt nach- weist, einfach übergehen, im Uebrigen zu den Conjekturen Cobet's die betreifende Bemerkung von Gomperz hinzufügen. Die dreifache Rüge, welche Gomperz gegen Cobet ausspricht, beispielloses Sich-selbst-abschrei- beu, den Superlativ der längst sprichwörtlich gewordenen Cobet'schen Nichtachtung der Vorgänger und Mitforscher, unerhörten Mangel an Sorg- falt und Gründlichkeit, ist durchaus begründet und die entschiedene Zu- rechtweisung kann nur als gerechtfertigt erscheinen, wie auch W. Hartel bei der Besprechung der Schrift von Gomperz in der Zeitschrift für öster- reichische Gymnasien 1878 S. 14—19 anerkennt. Immerhin aber ist mancher schätzenswerthe Fund zu verzeichnen und einige treffliche Emen- dationen wirken ganz versöhnend. Cobet vermuthet also Aeschyl. fr. 5 Tt drj r.or altroTg ovojia ^rjoovzat ßpotot\ (Gomperz vertheidigt das Ueber- lieferte mit Hom. b 552 und der Redensart ovoiia imzc&ea&at bei Plato und Aristoteles), 20''Apyoug cepuv au8äsv ^bXov (schon Bergk audrjev), 374 Bvayojvis { Tiaiy Matag xa\ Jcog (Gomperz theilt das Ueberlieferte an- ders ab: ivaywvcs Malag \ xat dibg 'Epjiä). SophocI. Ant. 1055 vb 8i ye xupavvov (die ältere Aenderung to de ye rupdvvwv ist nicht von Bisschop, sondern von Cobet. Gomperz vertheidigt das Ueberlieferte mit der Erklärung »und Fürsteublut liebt schimpflichen Gewinn« und der Be- merkung »von einem -updvvojv yivog kann nicht die Rede sein«), Phil. 1369 ia y.axu)g zouao' i^aTioXXuaBat xaxot/g, wobei die Vorliebe des So- phokles für die Composita mit ix betont wird, fr. 14 rc drjd^' 6 0o7j3og eXaxev\ 83 rj (zobg {^sobg aißyovza zojv TiiXag xXöetv (die Ueberlieferung rechtfertigt Hartel durch den Hinweis auf xai {doaaeßoitvza) , auf den Gegensatz zwischen abzbv und zöjv TiiXag, auf die Verstärkung des Be- griffs der Abhängigkeit durch 8oühv ovza xluzcv. Auch würde der Dich- ter eher geschrieben haben ^ rtüv ■nil.ag xXüovza zobg &sobg aißstv)\ 86, 3 wird die Lesart dy^tozi^v mit Eur. fr. 633 erklärt; 103 rj fiey äv &SCYJ . . Tj züJv jirjdajxou ztixujixsvcüv^ 105 £a9' £lai8otp.i mug (ppevwv Inrjßolov I xa^öiv ae (Gomperz rügt das unrythmische des Verses), l22 v6- fiog ydp iazt zoTac ßapßdpocg Kpovip | Bor^oXscv ßpozecov dp^rjBsv yivog (Gomperz schreibt die Stelle des Hesychius, aus der das Bruchstück stammt, in folgender Weise: »^5' aiaiov xoupsTov jjpd&y] noXec«' voftog ydp kazi zoTg ßapßdpocg y)&ur]noh7v ßpozecov dp^r^^ev d-ipoga. zS) Kpovo)), 364 ob8inoz^ iipc^ec za>v äxpwv (nicht neu), 372 r]8b xdv ßpo.-/bv ^p6- vov (unnöthig), 427 ^ psv ajg ? ^daaova \7j 8^ ujg 1 zdzoxs nac8a, 515 xeTzac zsd^vsujg zbv dnavza ^povov, 527 ^sTpov Tipoadnzsc . . ^dppaxov, lazpbg . . obx emazrjpujv ziy^vrjg (die Richtigkeit von jxzlZov erweisend ver- muthet Gomperz obx imazrjpujv dxajv), 521 vüv o' ob Scecpc ^topcg, dXXä TioXXdxcg ip.sp.(pdp.y]v oi] zrjv yuvacxecav fbacv (Gomperz erklärt die Ueber- lieferung: Prokne beklagt ihr vernichtetes Dasein und sagt, was sie jetzt

Griechische Tragiker. 203

ihr eigenes Schicksal lehre, die Nichtigkeit alles Frauenglücks, das habe sie längst schon auf dem Wege der denkenden Beobachtung erkannt; ^wpcQ weise auf den Gegensatz des individuellen Schicksals der Sprechen- den und des allgemeinen Fraueuloses hin), 528 d-vr^robg uvrag (weil ^ug immer so viel als ysvo/xsvog bedeute), 592 aurrj 8s /xd^c/xös kanv wg xexXrjixivT^ aa<p(hg 2c§7]pu} xal (ppovouaa roüvo/ia, 614 to yäp ywat^lv ala^pov TYjV yuvaTxa 8zT azeysiv, 616 dcsuru^oUvra ttccv . . iva, 660 xal prj zt TiXeiüog . . doa(prjpiag, 726 bjuj 8' ipuj ae 8eivov ooSiv ^ 733 {'« )• aep.vä , 739 in* Oivdcog yuag, 752 ^povsc, 7QZ n^rjprjg {dsc^, 795 {zrjv} 'AXcpzat'ßoiav^ 818 dXcyocatv TnTiocg . . rjocov äv ^wpoTpev, 845 xäv xaXov ipopji a-upa, 846 rj oeivov rjv ap" rjvcx^ äv reg iaBXug iou auzoj aovei8^ ■(jirjzpog rj Tiazphg xaxa) nach Eur. Hipp. 424, 682 axuuaiv slxuzeg (wie überall bei Thukydides, Plato, Xenophon, den Tragikern und Komikern eixd^, elxivat beziehungsweise npoaeixivat herzustellen sei für eocxiug^ soi- xivac), 862 xsu Mai^at ■npimi, 866 sx(poyotg , 912 rj dnondzrjpa ist eine lächerliche Dittographie. Euripid. fr. 26 ijvtx' slacv (quando veniet) eufievoOg cl. fr. 889, 29 acyäv (ppovouvza xpelaaov tj elg au&aScav masTv zotouzü) 8' dv8pi xzk., 62 jitaa) aocpbv ?Myo:acv, elg 8' ovrjacv ou, 68 dBXov xsc/xdvrjV, 88 ]J.rj8^ dd^u/ic'a o^/^i&jj zcg up.äg, 136 d/i^l 8atza xal zpdm^av rjXtoo nach Herod. III 30, 139 xdv zu xaxtazoj zu>v ^pevcov vaUtv (pdec^ 167 zd TioXX'' {opoca p-rjzpl). ytyvazat zexva, 196 £uzoj(scv . . duazu^ecv . . zuSac/MovsTv , 198 nsTidaszac (für nstpdazzai) ^ 200 siBcafiivog dxoXaazov TjBog yaazpög est is qui se solet multo et delicato cibo ingur- gitare, 230 zid-ptmi iXuivzog^ 234 ocsXaptpe, 240 oijx iazcv oazcg -^rjou- 10V ^T^Xujv ßcov ) eo8o^tav exTrjaar\ dXXd xre., 255 ^epei, 284, 23 niXag. \ dv8pag jihv ouv ;^p^v zoug aoipoög zs xdyaBohg (püXXotg azi(psaBat^ 328 üboev £p.(fa[voüa' izt ist die richtige Lesart, s. v. a. ou8ap.ou (pacvovzat, 362, 24 e^ouatq. 8k p.rjnoz' hzp'jiptov (lieber eyj(_Xc8cüv oder ey/^Xtuiv)^ zdxvov, . . 8:ojxdd-r)g, 377 dpBcijg p.zzprjcravz\ 407 zc noza xazocxe2, 440 ZTjv Xcav sunpa^cav^ 549 nifoxe zdv8p6g, 552 vodv ^pyj d^eäa&ac, tioc' zi^ 554 zipnooaa päXXov, 596 auzo(poä, 640 pdzrjV dv oYxcov owv zd8' ix- ßairj ziXog (= Sandvrjpa), 643 ouzdpa napd xpazr^pa, 644 rj ßapu <pdprijx' oYrjmg nach Aesch. fr. 383, 645 voaeTv zt^rjOt zag dpeivovwv <ppivag na- pd8zcyji i^övzujv zijv xaxuiv i$oua:av, 691 {zu ßXip./xa)' aou xazrjyopzt acywvzog ojg elrjg '{zcg)> ou^ uTirjxoog, 775, 3 xdv pkv zuy^dvrjg, ad(p' c(T&' ozc &SOÜ Ttiifoxag, ebendaselbst 69 dcy iazuj Xewg, 781, 39 o) 8£aTioz\ eazpsip' ix, 787 dxvöijv, 813 »soloecum est et zcv' slaßocpt iXocoopouv« (Cobet scheint nicht bemerkt zu haben, dass von einer Wiederholung in der Vergangenheit die Rede ist), 816, 7 d^' ou 8rj KcXtxta xcxXrjaxszac, 868 8pdp.7jpa, 882 epyoo scribeudum esse claniat sententia et compositio verborum (??), 889 nXsTazov psze^sc, 895 sYrjv ixzpicpwv (zur Beseiti- gung der »dem Gehirn der Grammatiker entstammenden« Form zpifoiv), 903 ßdaopac ö' elg ald^ep^ dr,ei.pov dep&ecg, 905 zcg zd8e leuaaojv . . ps- zecupoXöywv &' exäg xzs., 926 npaypdzojv ala^pwv epäv, 958 pezpcog, zu

204 Griechische Tragiker.

993 iyth fLüVog ydp si/n twv ifiwv ifiög, 1002 toüto ok ß^STtsi, lOH/xeTov ist richtig = ^soü ^(upig ooBeIq oure eö-o-/el ou-s ouaTu^eT, zu 1027 inacpsTa: yäp fxsc^ov 7va /lal^ov niorj (so könne der Vers Euripideisch sein und daraus scheine der Ausspruch des Claudian zu stammen toUuntur in altum Ut lapsu graviore ruant), 1104 in syrseen opersu hat Badham ^'^x^jv unkp Gou (Or. 668) entdeckt: Lutatius scripserat »ut Euripides: '(dxouacv rdds ooxe: TTozcujxdvrjv} ^w/^v i^Tikp croUa, 1109 ipp' c&c. Neo- phron fr. 1 rj^eXov loacv fiaßsTv, Jon fr. 2 log zcofj xaxd (ut sua mala sentiat), Jophon fr. 1 noXXäJv aoftazwv oy^Xov i^rjpzrj/xivog, Adespota 11 aujzrjpeg sad^Xoi, 83 aopcppoopoüa dd (s. v. a. aoprMpaixhouaa)^ 363 deüp" iXd-' ig oug aoi räXXa ßoöXopat (ppdaru nach' dem bei Nauck ci- tirten Verse Eur. Jon 1521. Cobet vermuthet, dass damit der Schol. zu Arist. Vö. 1647 die richtige Lesart des in unseren Handschriften cor- rupten Verses von Eur. Jon erhalten habe. Cobet hat die Stelle nicht aufgeschlagen ; sonst hätte er höchstens vermuthen können, dass die bei- den Verse 1520, 1521 ursprünglich nur ein Vers gewesen seien. Es stammt aber augenscheinlich das Fragment aus jenen zwei Versen in Folge eines lapsus memoriae. 337 betrachtet Cobet als Fragment eines Epikers p.rpioTi reg ^ßporw)- ävopa Travokßeov al/orjazcz, [Ipiv ■(xavy l'djj TCüjg xetvog iy^ot tiots tm-jxov drrfjiiujv. In den bei Orelli Opusc. Graec. Senteut. Tom. II p. 216 angeführten Versen xa\ yäp zhv dUov wSs &vrj- ToTatv vojxov \ o(pzi diaBpiJJv 6 v (für dv) rrdurrj xaXbv | oud' alaypov , dXXä zauT (für rowr') inocyjasv Xaßujv j 6 xatphg alay_pa xai diaXXd^ag xaxd erkennt er ein Bruchstück des Euripides.

Wecklein: Aeschylea: Pers. 218 zd o' szap' ixzeXrj ys^daßac, 292 zu fjLrjzs ^ojvs'cv, zu 859 : durch die richtige Auffassung dieser Stelle (die übrigens, wie ich nach der Hand bemerkt habe, schon bei Hermann zu finden ist) widerlegt sich die Ansicht von Köchly über den lückenhaften Schluss der Perser (s. Jahresbericht 1874/75 Abth. I S. 416): Aeschylus nolens panuosum hominem in scenam inducere opinioni Graecorum de Xerxe reduce gratificatus Atossara Xerxi obviam misit, ut eis qui specta- rent cogitare liceret, Xerxem priusquam ad regiam accederet vestem mutavisse. Zu Ag. 489 500 wird aus 598 f. nachgewiesen, dass Klytä- mnestra vorher bei dem Auftreten des Herolds nicht anwesend ist, dass also 489—500 einem Choreuten, 501—502 einem anderen Choreuten ge- geben werden müssen. Diese zwei Kommata ergeben zwar mit den vier Theilen der vorhergehenden Epodos sechs Kommata; doch sind nicht sechs Mitglieder eines Halbchors, sondern nur die Führer der Halbchöre, der Koryphaios und 7:apa<Tzdz7]g, dafür anzusetzen (a 475 478, /5 479— 482, a 483— 484, /5 485— 488, «489—500, yS 501 -502).— Sophoclea: Electra: in der Hypothesis sind die Worte Tiatdayojyog b unoxecfisvog auszuscheiden als Nebenbemerkung desjenigen, der gegen die Bezeich- nung zpo<pebg von dem den Prolog sprechenden Alten remonstrirte. So sehen wir deutlich, wie die Personenliste und die Personenbezeichnungen

Griechische Tragiker. 205

von den Alexandrinischen Grammatikern herrühren. In das Personenver- zeichniss von Eur. Jon war nach 1320 ebenso Tipofrj-ig zu setzen, wie in das der Eumeniden und an den Anfang dieses Stückes. Die Hauptde- koration der Elektra hat im Vordergrund die Burg von Mykenä, im Hin- tergrund d. i. in der Höhe rechts die äyopä Aoxziog mit dem Tempel des Apollo von Argos, links etwas weniger hoch das Heräon; die Deko- ration der rechten Periakte stellt die Umgebung von Mykenä, die der linken das Thal des Inachos (Argolis) dar. 215 if o't'ujv rmupcjv olxsiag, 354 Tou y^pioQ ztvujv, 460 iXBeiv zdo' aur^ . . ovscpaza, 77 ö oarcg rrjaos VYjSöog ysyüjg (auch Blaydes r^? ejir^g jaazpug ytyujg oder wfiöog ysycbg ilirjg), 1039 bedeutet: profecto indignum est verbis utentem speciosis perverse loqui, 1142 Hes. xuzog- (r(ü/j.a, uyxug, y^wpr^iia^ ßä^og ist aus zwei Schollen zu diesem Vers abzuleiten: xuzog- /(öpr^/xa uyxog' ßa- pog^ (TU)fj.a (vgl. Suidas oyxog- zu ßdpog), Oed. T. 1031 zc 8' äXyog Ya'/ovz' iv oiovzi lapßdvsig; 1089 oux iazc zäv rjpt rMvaiXrjVov, 1220 MXijxujv ex (Tzoiidzwv. Zu dieser Stelle wird das Verbum cd^iu besprochen: die Attischen Dichter gebrauchten lä^^co wie cä^^; nur einmal Eur. El. 706 erscheint die epische Messung Id^zc; diese haben sie beibehalten im Impf., wo die erste Silbe verlängert ist 'iaiuv; dagegen lautet das fut. läyTiau) und der aor. w.'/Tjaa, wo die erste Silbe kurz bleibt. Aus der häufigen Verwechslung von d'/^iu) und d^Tj mit la^io) und la-/yj ist die Vorstellung von dem Vorkommen der Form la-j^etv bei den Tragikern entstanden. Eur. Or. 965 ist gleichfalls d-^zczaj ok yd KuxXajm'a = loj TMvodxpuz' uoüpiiaza zu schreiben; Hei. 1147 scheint xat a sl^' la^d xa^' EUavcav äocxog das richtige zn sein. Trach. 904 Tipocnczvoua" für 7tpoarunzoua\ Schon Elmsley hat bemerkt, dass die Abschreiber gern m'zvscv mit der gewöhnlichen Form rJr-scv vertauschten. Die Form rar- vEcv wird entweder dem Versmass zu Liebe gebraucht oder wenn ein langsames, graziöses, gemessenes Sinken bezeichnet werden soll. Diese specielle Bedeutung erweist sich besonders daran, dass im Sinne von umarmen und auf die Kniee sinkea immer (auch wenn das Versmass lan- ges : fordert) r.poaT.izvtiv gesagt wird. Den zahlreichen Stellen stehen nur wenige Ausnahmen gegenüber Hec. 393, 787, Ale. 947, Trach. 904, an denen also die Form nizvcn hergestellt werden muss. Euripidea: Audrom. 126 Xoytaac r' änopov xaxov^ Bacch. 793 i^ aoi r.dkv dnoazpzipiu X^pag, 827—843 sind in folgender Weise zu ordnen: 827. 830 833. 836. 829, 834. 835. 842. 837-840. 841. 843 (828. 829 sind mit Kollmann getilgt). In 837 wird atp.a deüaatg vermuthet. Hec. 901 nXoöv upwvzag zuazaXrj, 1043 scheint interpolirt, El. 99 ZzoyBslaav ocxsTv ' ivMo^ dazscog kxdg)^ 318 atp-a o' oo nazphg xazd aziyag aiar^nsv ug o' xzL (d. i. noch ist das Blutmal frisch und schon wagt es Aegisthos u. s. w.), 624 bpu) ydp zuTzop' i^ dfir^ydvcuv vgl. auch fr. 101, 1132 nacdög rjjxap ujg zzlta(pu- pov^ 1344 Seivhv ydp Y-'j^vog ßaivooa im aoc\ zu Hipp. 79 ergiebt der an seiner Stelle unbrauchbare Vers Bacch. 316 die Erklärung des Ueber-

206 Griechische Tragiker.

lieferten in der Dittographie uaotg . . -b (TLOippnvsTv svsazcv etg Tidvz'' dsi und o<TTcg . . zu au)(ppovc.7v £ihj-^zv scg r:dv8^' oftwg, 363 Tiplv aäv S^XeTv xazdhacv (ppsvwv. 737 zag 'ABpir^väg aljxag, Jon 226 el [ikv edeu- aaze niXavov Tzpö do/icuv , 523 zd/id o' supcaxiuv dyuj, 1280 oiav IW^e^' ao' ßiojibv xz£. , Cycl. 70 jxsXttcü zäv 'A<ppo8czav, 535 jisB^üa>p.s.v ' ijxmig ouzig, 562 zu X£T?,ug at pTvig zi {Xüo, Or. 404 ixzog, fuXdaaojv, 929 fd^s- pobaiv , 1086 f. prj adpxa poo . . prj XapTipug alBrjp 7ivaup\ iyut rcpodoug TTor' £?, 1457 dp(p\ r.apoipicov TtinÄcov^ Tro. 509 dipag xazaqav&scaa, 1188 dypoTTVcac (fpouod poc, 1204 nohjzponoi yäp at zöy^at, fi'gm. 79 xai ova- acv dvBpl (p£p£i.v p£yt.azu)V.

Der Aufsatz von Scholl über Jon von Chius stellt die Ergebnisse der bisherigen Forschungen mit sorgfältiger Prüfung zusammen, ohne neues zu bieten.

Seiner interessanten Abhandlung über die äussere Form der Gleich- nisse bei den Tragikern (vgl. Jahresbericht 1876 Abth.I S.43f.) hat Rappold eine Zusammenstellung der bildlichen Ausdrücke nach den verschiedenen Stoffgebieten (Eigennamen, Natur, Tag, Nacht, Licht, Finsterniss, Himmel, Gestirne, Nautische Ausdrücke, Wasser, Gott, Mensch u. s. w.) hinzuge- fügt. Wir heben daraus einige beachtenswerthe Bemerkungen hervor: Oed. T. 987 heisst: »Der Tod des Vaters ist ein Lichtstrahl in dem von dir befürchteten Unglück« (vgl. die Begründung in meiner Ausgabe z.d.St.). üupdvcog bedeutet oft »sehr gross«, nicht aber »gottverhängt«.— Der Vergleich des menschlichen Lebens mit dem Schiffe wird meistens auf Unglück und Gefahren angewendet, selten auf Glück. Weitaus die meisten der dahin gehörigen Bilder hat Euripides; nach ihm kommt Aeschylus. Eum. 251 bedeutet ouokv bazipa v£wg »immer knapp hinter seinem (des Orestes) Schiffe her«. 6£hg bezeichnet das höchste und vollkommenste wie &£og wg bei Homer. Die Südländer pflegen die Lasten auf dem Kopf zu tragen: dies hat zu manchen bildlichen Ausdrücken Anlass gegeben, besonders wenn von widrigem Geschick die Rede ist.

C. Hense unterscheidet drei Arten der poetischen Personifikation, die plastische, beseelende, plastisch -beseelende. Die plastische Personi- fikation, immer geschäftig Gestalten zu bilden oder die Erinnerung an die Gestalt zu erwecken, kann das Aeussere derselben kaum zeichnen, ohne Züge des Seelenlebens zu vergegenwärtigen. Vgl. die Zeichnung der reumüthigen Bitten {Jczac) bei Homer II. 9, 502 f. Wie sehr die plastische Personifikation, an der Vertiefung der Zeiten betheiligt, der beseelenden zustrebt, zeigt die Entwicklung der Gestalten der Erinyen und der Lyssa bei Aeschylus, Euripides und den späteren. Die besee- lende Personifikation tritt selbständig hervor, wenn ein Denken, Empfin- den und verwandte Geistesverhältnisse dem unbelebten Gegenstande oder abstracten Begriff zugeschrieben werden. Hierzu hat der Verfasser Bei- spiele gegeben in dem Programme von Parchim 1874. Plastisch besee- lend ist die Personifikation, wenn die Anschauung der Gestalt zugleich

Griechische Tragiker. 207

die Vorstellung eines Seelenverhältnisses hervorruft. Zu dieser Art der Persouification wird eine reiche Fülle von Beispielen aus den im Titel namhaft gemachten Dichtern geboten. Der Anfang wird gemacht mit dem Begriff des Sprechens, Redens und verwandter Ausdrücke, der »nicht gedacht werden kann, ohne die Erinnerung an die Seele und Persönlich- keit des Menschen hervorzurufen«. Weiter wird der Fall behandelt, wo Naturgegenstände, die Zeit, abstrakte Begriffe, Gegenstände mechanischer Art als Boten, das Schweigen, der Gedanke, der Hymnus, die Züge des Griffels als xrjpoxeg bezeichnet werden; dann wo Naturgegenständen, der Zeit, Abstrakten (z. B. iArudeg) Lüge und Täuschung, wo dem Weber- schiffchen Gesang, wo Gegenständen und abstrakten Begriffen Genossen- schaft, Gesellschaft, Nachbarschaft, Begleitung, Mitarbeiten (Arbeiten), Bundesgenossenschaft, wo Naturerscheinungen Verschwörung zugeschrieben wird, wo solche Erscheinungen als Helfer und Retter, als Arzt betrachtet, wo Abstracta und sachliche Gegenstände durch die Vorstellung des Hei- lens personificirt werden. Das gleiche gilt von den Begriffen des Spieles und Tanzes, des Kämpfens, Singens, Dienens, Herrschens. Es ist leicht verzeihlich, wenn bei der Menge der aufgezählten Beispiele manche Miss- verständnisse mitunterlaufen, wie wenn Cho. 651 alowg yap iv liay^aiaiv oux k-napyiiioog Xoyoog Tt&rjacv der Scham Rede beigelegt sein soll.

Das treffliche Werk von Patin ist bekannt. Es enthält feine und geistreiche Bemerkungen über die einzelnen Stücke und verfolgt beson- ders deren Einfluss auf das spätere und neuere Drama. Vgl. Jahresbe- richt 1873 S. 117.

Die holländische Abhandlung » Inhoudsopgave u. s. w.« und die italienische von Franzutti haben für uns hier keinen Werth.

Manns hat in den Jahrb. für Phil, und Päd. Bd. 116 eine neue Erklärung der bekannten Stelle der Poetik entwickelt, indem er mit Weil ■zwv zotoözojv naBr^/iaTojv als gen. subiect zu ttjv xdBapacv nimmt (»die Tragödie bewirkt durch Mitleid und Furcht die solchen Mitteln eigen- thümliche Reinigung«), dagegen abweichend von Weil die Katharsis nicht medicinisch, sondern ethisch auffasst und als dasjenige, wovon Mitleid und Furcht reinigen sollen, etwas diesen entgegengesetztes, feindliches betrachtet, nämlich Selbstsucht und Uebermuth. Er sucht nun zu zeigen, wie Aristoteles dazu kommen konnte, aus den griechischen Stücken eine solche Bestimmung zu schöpfen. »Selbstsucht und Uebermuth sind die Tid&Tj, an welchen mehr oder weniger alle Menschen kranken, auch der Niedrigste in seinem Kreise, und wenn wir nun finden, dass die grie- chische Tragödie viel mehr als die moderne grade diese als bewirkende Ursachen des tragischen Schicksals in ihren Plan aufzunehmen pflegt, so liegt der Gedanke nahe, dass Aristoteles aus dieser Erscheinung ge- schlossen habe, die durch das tragische Schicksal erregten Affekte Mit- leid und Furcht sollten eben die bewirkenden Ursachen derselben, Selbst- sucht und Uebermuth, verabscheuen lehren und die Seele davon reinigen,

208 Griechische Tragiker.

die Wirkung des Kunstwerks sei auch zugleich sein Zweck, das Theater sei eine Schule der Humanität«.

Fragmente.

Theodor Birt animadversiones ad Ovidi heroidum epistolas. N. Rhein. Mus. 32 S. 386 432 erörtert unter anderem den Ursprung derjenigen Heroiden, welche tra- gische Stoffe behandeln, und indem er das nahe Verhältniss von ep. XII (Medea) zu der Medea des Euripides hervorhebt, ferner der Vermuthung von Wilam'owitz Anal. Eur. S. 154 gegenüber, dass Ovid in ep. IV (Phae- dra) den 'InrMXu^og xahnroixsvog benutzt habe, wahrscheinlich zu machen sucht, dass diese Heroide aus dem 'h?:. xaKon-öjisvog imd azsfavr^fopog zugleich stamme, endlich den Zusammenhang der ep. IX (Deianira) mit den Trachinierinnen des Sophokles ausführt, bestärkt er die Ansicht, dass man die Heroiden Hypsipyle, Canace, Laodamia auf die Stücke des Euri- pides Hypsipyle , Aeolus, Protesilaos, die Heroide Hermione auf die Her- mione des Sophokles zurückzuführen habe und sucht weiter nachzuweisen, dass der Stoff der ep. XIV (Hypermestra) aus der Trilogie des Aeschy- lus , deren Anfangsstück die ' Ixizcoeg gewesen , entnommen sei. Durch eine ansprechende Combination macht er es wahrscheinlich, dass in der Jugendzeit des Ovid jene Trilogie von einem Freunde des Propertius lateinisch bearbeitet worden sei; dann verfolgt er die Spuren, welche in jener Heroide auf Aeschylus hinweisen. Dabei verbreitet er sich über die Trilogie des Aeschylus und vermuthet, dass nach Strabo V S. 221 iv ^Ixirtacv tj Aavalcnv die vier Tietel Javatdag, 'IxdTc8eg, 9aXa/ionotoc, AcyuTtzeoi so zu denken seien: Aavatdsg rj 'JxsrcSeg, JavatSsg ^ BaXajio- Tioiol, Aaväcdsg ^ AlyünTcüc, dass man also 'Ixsnosg, OaXaiiortoco:, AcyunTcoi als Titel der drei Stücke, davatosg als Bezeichnung der ganzen Trilogie betrachten müsse. Vor den Beginn des zweiten Stückes falle die Schlacht der Pelasger und der Söhne des Aegyptos; die Bereiter des MXafiog erzählten dies und besängen die Hochzeit; auf diese beziehe sich fr. 42, worin Birt xdml rod' elcrt . . ^dog, icug iyaipou , TtpsupavsTg . . xopacg schreiben will in dem Sinne: et quoniam lumen hoc solis abit, propitios faciaut sponsos canticis cum pueris puellisque. Im dritten Stück lässt dann Birt die Aegyptier d. i. die Begleiter der Aegyptiaden den Tod ihrer Herrn beklagen.

Aeschylus.

Heinrich Beck, quaestiones Aeschyleae. Gymn. Progr. von Co- burg 1877. 14 S. 4.

W. Koehler, de dorismi cum metris apud Aeschylum et Sopho- clem necessitudine. Gymn. Progr. von Posen 1877. 15 S. 4.

Heinrich Rüter, de metonymia abstractae notionis pro concreta apud Aeschylum. Diss. von Halle 1877. 30 S. 8.

Aeschylus. 209

Fr. Naumann, de wg particulae apud Aeschylum vi et nsu. Diss. von Leipzig 1877. 35 S. 8.

Esaias Laiin, de praepositionum usu apud Aeschylum L Diss. von Stockholm 1877. 18 S. 8.

Sven Dahlgren, de imaginibus Aeschyli. L Diss. von Stockholm 1877. 105 S. 8.

Eine Notiz zu Aeschylus' Leben theilt Th. Goraper z im N. Rhein. Mus. 32 S- 477 aus dem zwölften Bruchstück von Arjfirjzpiou r^epl izoirj- liärufv Herc. Voll. C. A. V 7 = Oxon. I 109 mit, wo nach einigem Un- verständlichen folgt : o y{ä)p Svj Kpdrrjg x«t« {t)uv a{o-uv) xp^vov ysiyo- vaj{g Ala)')[()Xu) zo(){to)o 8:ä t{(o)v 'Nd{oj)väJv {zö)oox{i)prj{öavTog).

Ueber die Abhandlung von Beck siehe unter Agamemnon S. 217.

Koehler macht für die Ansicht, dass der Gebrauch dorischer Formen in Zusammenhang mit dem Versmass stehe, den Umstand geltend, dass bei Aeschylus mit dem Wechsel des Metrums häufig ein Wechsel des Dialekts verbunden sei und dass überhaupt in den Chorgesängen des Aeschylus, die bei grösserem Umfang mehr Wechsel des Versmasses ha- ben, der Dorismus weniger gleichmässig und constant sei als in den kür- zeren Chören des Sophokles. Auch habe Aeschylus in Anapästen die dorische Form nur bei Eigennamen und Patronymika, bei Aus- und An- rufungen zugelassen, während Sophokles in sehie ausgedehnte Anwendung dorischer Formen auch die mit melischen Partien vereinigten Anapäste inbegriffen habe. Der Verfasser geht aus von Pers. 65 139, wo die io- nischen Strophen (65 113) den gewöhnlichen, die trochäischen (114—139) den dorischen Dialekt haben sollen, und von Eum. 381 396, welcher Syzygie abweichend von den vorhergehenden Strophen der gewöhnliche Dialekt viudi eiert wird. Hierbei hat der Verfasser den bei den Tragikern beschränkten Gebrauch des Dorismus und besonders die Unsicherheit der Ueberlieferung nicht genügend in Rechnung gebracht, wenn er sich auch nicht scheut zu Gunsten seiner eigenen Ansicht von der handschriftlichen Autorität abzuweichen.

Bei Rüter ist der metonymische und bildliche Gebrauch nicht genau geschieden. Ferner macht es einen Unterschied, wenn Tiavoopftq. rivc für rMvoöpyotg rim steht und wenn es heisst iyeivazo ph popov abzib nazpox'ovov OcocnöSav. Auch sind manche Stellen missverstanden, wie wenn Cho. 1054, lu60 nrjpdzajv als Metonymie für Erinyen betrachtet wird. Was er aber erweisen will, dass bei Aeschylus der Gebrauch des abstracten Begriffs für den concreten häufiger sei als bei Sophokles und Euripides, das kann als erwiesen gelten.

Naumann giebt eine sorgfältige Classifikation der Beispiele von wg: er unterscheidet wg exclamativum , wg pro ozi^ wg restringens {ojg ipol ooxsc), üjg causale, wg comparativura (1, Comparatio quae imagine

Jahresbericht für Alterthums-Wisseuschaft 1877. I. 14

210 Griechische Tragiker.

vacat, 2. Similitudiiies), cug temporale, ujg consecutivum, wq finale. Ag. 38 wird wg richtiger als in dem Lexicon Aesch. von Dindorf causal gefasst.

Laiin 's Abhandlung bespricht die Präposition ev. Die Beispiele sind mit genauer Unterscheidung der Bedeutung geordnet, einiges rich- tiger als in dem lexicon Aeschyleum. Unrichtig scheint die Annahme der Bedeutung coram für Cho. 773 und Eum. 469 ; ganz unrichtig ist es, wenn ev o/i/j.a<Tcv ßMßag e^cu Ag. 889 zu den Fällen gerechnet wird, wo iv statt des gewöhnlichen dat. instrum. steht.

Nach einer längeren Einleitung über Gleichniss und Metapher stellt Dahlgren die bildlichen Ausdrücke bei Aeschylus nach den Gebieten, denen sie entlehnt sind (1. leblose Gegenstände, 2. Pflanzen, Bäume, Erzeugnisse des Bodens, 3. Thiere), zusammen. Die Abhandlung ist noch nicht abgeschlossen und, die Hauptsache, worüber wir bei einer Be- sprechung der äschyleischen Gleichnisse und Metaphern aufgeklärt zu sein wünschen, steht jedenfalls noch aus. Einzelnes aber, was gelegen- heitlich vorgebracht wird, lässt uns zweifeln, ob der Verfasser für diese schwierige Frage das nöthige Verständniss habe. So heisst es über Eum. 405: o^og spectat ad nubes, per quas Minerva incedit quibusque ex parte tecta supra scenam conspicitur, ut tamquam in ciu-ru stare vi- deatur ; ad hunc currum mu).oc dx/ialoc iuncti sunt , quia motum aegide vibranda incitat. Der Verfasser verweist auf meine Studien zu Aesch. S. 9, dort ist aber eine andere, wie ich denke, die richtige Erklärung gegeben. Stauneu müssen wir gar, wenn wir für Sept. 584 die Lesart firjTfjög TS TtTiyijV angenommen finden mit der Bemerkung mater liberorum quasi fons est. Wegen dieser Ausstellungen heben wir ausdrücklich hervor, dass wir eine fleissige und sorgfältige Arbeit vor uns haben und dass die Einleitung manche richtige Sätze aufstellt. So wird mit Recht das Urtheil Bernhardy's zurückgewiesen, dass Aeschylus im Gebrauch von Bildern an orientalischen Luxus erinnere. Weiter wird gegen Schneidewin bemerkt, dass zwischen der Bilderwelt des Aeschylus und Sophokles kein wesentlicher Unterschied bestehe. Von den Bemerkungen zu einzelnen Stellen erwähne ich folgendes: für Sept. 489 wird die Erklärung a.Xu)g- 7j rot) rjXcou rtspifipzia zu Geltung gebracht. Das Verbum inavl^cXecv wird gedeutet: facere ut abundet aliquid, abunde aliquid aliqua re tegere (?), xazrjpxuxJjg Eum. 473: Orestes omuibus piaculis rite perpetratis itaque omni sceleris macula eiuta supplex quasi maturus est, sicut animalia tum dem um matura fiunt, cum omnes dentes pullinos eiecerunt. Von Cho. 61 bis 65 wird folgende Erklärung gegeben: discrimen iustitiae divinae ce- leriter in eos ingruit, qui in luce vivunt i. e. qui potentes et in repu- blica praestantes sunt; serius dolores eos manent, qui in crepusculo versantur i. e. qui quamquam non principes sunt, tameu dignitate et opulentia vulgo antecedunt; alii (seil, vulgus) profunda nocte tenentur (und was geschieht mit ihnen?).

Aeschylus. 211

Prometheus.

Alceste Lenzi, il raito del Prometeo di Eschilo. Programm des Liceo Pontauo von Spoleto 1877. 40 S. 8.

Lenzi giebt eine philosophische Besprechung des ganzen Prome- theusmythus, aus der wir für unsere Zwecke wenig entnehmen können. Er findet zwischen den Gedanken, welche Aeschylus in seinem Prometheus niedergelegt hat, und dem philosophischen System des Pythagoras offen- bare Gleichförmigkeit und reiht die philosophische Idee des Prometheus den Bestrebungen einiger edler Geister ein, welche den von den Orphi- kern verfolgten Plan, in der griechischen Eeligion unter einer mehr syste- matischen und höheren Form den alten Naturalismus wieder herzustellen, und die Mythen zu jenem allegorischen Symbolismus zurückzuführen, der durch die Erfindungen der Dichter zerstört worden, in ihrer Weise glück- lich durchführten. Soviel zur Charakteristik der Abhandlung.

Bei der Besprechung von Karl Frey Aeschylus -Studien in der Zeitschrift für die österreichischen Gymnasien 28 S. 496—507 will Kvi- cala in dem Schol. zu Prom. 94 oedrjaea^at für dsSiaSat lesen. Besser noch hat L. Schiller vermuthet, dass das Citat einer Stelle entnommen sei, die etwa ak Ssodaßat ^p^ gelautet habe. Aber die Schlussfolgerung ist, wenn man es beim rechten Lichte betrachtet, folgende: Von dem Upoiirjd^sbg nupfupog wissen wir nichts; das einzige was wir wissen ist in diesem Scholion enthalten; weil dieses nicht übereinstimmt mit der An- sicht, die wir uns auf's Gerathewohl von dem llpoiirj&eug Tzop<p. gebildet haben, muss das Scholion geändert werden.

Lewis Campbell, the Intention of Aeschylus in the Prometheus- Trilogy, Academy 1877 nr. 271, new series p. 43 glaubt eine neue Theorie aufzustellen mit der Hypothese, dass Zeus die göttliche Kraft, Prometheus die göttliche Weisheit vorstelle, dass die Kraft mit der Weisheit über Kronos und die Titanen gesiegt habe, nach- her aber der Weisheit entrathen zu können meine und deshalb der Ge- fahr des Untergangs ausgesetzt sei, durch die Vereinigung mit der Weis- heit aber unüberwindlich und ewig werde. Diese Theorie ist nicht neu; noch weniger ist sie richtig. Uebrigens wagt Campbell selbst nicht zu bestimmen, wie weit sich der Dichter dieser Idee bewusst war.

246 verlangt Mistchenko Revue de philol. nouv. ser. 1877 p. 268 xai jiTj (pcKüig »meme pour des gens qui ne seraient pas mes amis«.

Enrä stzI 0r]ßag.

Fr. Bücheier, de Septem Aeschylea. N. Rhein. Mus. 32 S. 312 318.

Frid. Heimsoeth, de parodi in Aeschyli fabula Thebana confor- matione. Ind. schol. hib. Bonn. 1877. 16 S. 4.

14*

212 GriecMsche Tragiker.

A. Lowiiiski, de emendando prirao episodio quod est in Aesch. Sept. adv. Theb. Gymn. Progr. von Deutsch-Krone 1877. 24 S. 4.

Johannes Ob er dick, de exitu fabulae Aeschyleae quae Septem adversus Thebas inscribitur commentatio. Gymn. Progr. von Arnsberg 1877. 16 S. 4.

Zu den zahbeichen Behandlungen der Parodos (vgl. Philol. 34 S. 306 ff.) kommen hier zwei neue: Büc heier schliesst sich der Ansicht an, nach welcher die antistrophische Gliederung mit Vers 108 beginnt, nnd vertheilt das vorhergehende (wie schon M. Schmidt) unter 15 Cho- reuteu und zwar unter 3X5 (78—85, 86—99, 100—107); Heimsoeth findet keinen Grund, warum erst bei 108 die Responsion anfangen soll, und fordert antistrophische Gliederung für das ganze Chorikon. Zur Herstellung von 108 126 = 127 150 schreibt Bücheier 108 Beol tzo- Xio^oi ^Q^ovog }W a^pöot mit Westphal , 116 <i^^' 5} Zeü Tiärzp rnlv-ojv TiavraXig ^= <tu t^ "Apr^g ixoXiv Kdd/ioo eTKvw/iov (oder <tl> t' '^Aprjg <pzxt Ka8ixziav nöXtv)^ 122 Siä 8i roi yswv ^ä^arov)- mmäv , 125 dopuaaotg adyatg riöXacg kßoojxatg ■(sxaa-og Xu^ov dvdponXrjHrjy Ttpoataravzat = 149 ab T (h Aazayivzca xoüpa, ^nphg k^d-pohg^ r6$ov suzuxdCoo, 183 c^&ußoXoj lidxq. IJoascdav {8awvy^ 146 ahiog für düzäg. Ausserdem verbessert er 161 nac diug u&sv (für xat dcöBev), 164:'Vyxa, axpov noXewg, 299 no- XTzai, 763 azdvec oder vielmehr azztvtt, 768 zd 8' oXoä nsvo/isvoug (eine coniectura palraaris!) Trapsp^szac cl. Plaut. Trinum. 828. Wäh- rend Bücheier die Responsion durch Annahme von Lücken zu gewinnen sucht, leitet Heimsoeth die Störung der Responsion vorzugsweise von Interpolationen her. So schreibt er, indem er überall auch genaue Ent- sprechung der einzelnen Formen der Dochmien fordert und Hiatus und syllaba anceps innerhalb der Dochmien (ausgenommen Interjectionen und Ausrufungen) zu entfernen sucht, 83 85 7Ti8ou 8k ydg ifiäg otiXoxzötiou (pucpog I TMzr/^plpnzazat, ßpiptsc 8' d^ezäv | opozünujv (s. V. a. ^SifLdppwv) 8cxav, 86 90 &sol d-sat zs xaxuv dXsuaaz' opp.Bvov. i ßod npöoBe zec^scuv 6 Xeoxaantg bppa Xzujg euzpsma&zcg inl r-öh'v 8ca)xcov = 104—107 xzu- TTov 8£8opxa- ndzayog ou^ svug 8op6g. \ zc pi^seg; 7Tpo8(u<TSig , naXac^&wv "Aprjg, zdv zsdv ^puaoTtYjXrj^ ttoXcv tioz^ zlxpiXrjzav, 110 Bsoi noXioy^oi^ T8tzt Tiapdivojv, 124 f. enzd o' dydvopsg iii8ovzsg azpazoü 8opü(Ta6ig adyatg npinovzog mXacg npoacazavza:, 130 f. Tzovzo/ieScuv äva$, l^&ußuXoj xevzpoj IloaecSdv ^ößvjv iruXuaiV 8coou, 149 f. azpazS) 8diip azovajv t' (uzig ou xoupa zu^ov euzoxd^ou, 154: '^Apzs/xi <piXa e i = 161 xal Jcoüsv ^exyovov). In 158 verlangt er in' aX^sojv d. i. Xi&äg dxpoßoXwv (s. v. a. dxovzcazuiv) ep)(szac £711 zu)v dX$ea)v (Hes. aX^siov zec^dcov), in lQ'i''Oyxa im nzoXscug (oder imnzoXtg).

Von den Conjekturen Lowiiiski 's erwähnen wir folgende: 195 zocaüzd zoe . . e^tu , 205 eXcxözpo^oc cTmcxwv r' euzuxwv 7trj8aXcujv ^oyä ozopcdsg Trupißpspizac ^aXivcöv, 210 tcovziü) npoaxXöapazi, 229 o8u7 (schon

Aeschylus. 213

Oberdick), 243 xojxuzoTotv dvrtd^szs, 270 ddpaog fikotg dc8odaa, Ttolejxioig (poßov^ 273 dipxT^g rs TTr^yalg, otj&ar' lajirjvou hiyiü.

Zu 429 vermuthet derselbe Gelehrte Jahrbücher für Philologie 115 S. 694 ßiTtrjV ndSoi axrjtpaaav cl. Prom. 1093, was ganz gut wäre, wenn nicht bei (T^eBelv dv fehlte. Doch vergleiche ixoXsTv Prom. 667.

277 ff. will Sigmund Teuffei Jahrbücher für Philologie 115 S. 105 f. &(jaü} rpomua, dauov d' ia&rjßaza ari^cu Xdipopa ooopt?aj(p&^ dyvolg böp-oig. ah 8' aüt' knzü^ou xrk. lesen.

Ob er dick schreibt 863 008'' für owx, 934 dcpiXatq (weil der Med. oh (piXacg hat worin kein genügender Grund liegt, die nicht von dem Versmass geforderte ungewöhnliche Form zu setzen. Für die Erklärung der Corruptel beachte man die Lesart des Med. Prom. 185), 972 f. a^za T(vv8s zdS' iyyußsv, T[eXrj.g \'8' dSiXf d8eX<pzu)v^ 1003 lu> tmu -zip-nu-za-ov pÄpog; Vers 999 macht derselbe aus 'EreöxXttg dp^rjyira und nrjfjidzajv, welches im vorhergehenden Verse in einigen Handschriften für xaxwv steht oder zu xaxüJv beigeschrieben ist also aus augenscheinlichen Glossemen, wie sie in jener Partie wiederholt vorkommen den neuen Vers reo CO} TTr^fidzutv dp^ayiza. Der Schol., der zu Soaoatjxcuv bemerkt: oTi dv STSxev ävdpa io^sv, was eben der Dichter in 930 nachbringt, soll 8uadvojp für 8u<j8aijiujv gelesen haben! Die Nothwendigkeit der Emen- dation SiaXXax-zr^pL o' ouv 908 hat Oberdick nicht einsehen können ! Noch theilt derselbe mit, dass auch Westphal und zwar schon im Jahre 1858 die Ansicht aufgestellt, der Hprjvog habe ursprünglich den Schluss der Tragödie gebildet und die jetzige Schlusssceue sei erst der Autigone des Sophokles zu Liebe angefügt worden.

üspaai.

Joseph Wiel, De Aeschyli Persarum exitu commentatio critica. Gymn.-Progr. von Köln 1877.

Phil. Keiper, Die Perser des Aeschylos als Quelle für altpersi- sche Alterthumskunde betrachtet, nebst Erklärung der darin vorkom- menden altpersischen Eigennamen. Acta semin. philologici Erlangen- sis ed. Iw. Müller et Ed. Woelfflin. Vol. I (Erl. 1878). S. 175-288.

Die Abhandlung von Wiel ist vorzugsweise gerichtet gegen die Hypothese von Köchly über den Schluss der Perser (vgl. oben S. 204). Zur Widerlegung derselben sucht er einen gewissen Parallelismus zwi- schen der Anfangs- und Schlusssceue (1—153, 908 ff.) im Ausdruck und in der Gedaukenfolge nachzuweisen. Was die V. 849 f. anbelange, wo in Rücksicht auf 837f. eine Lücke von einem Verse zwischen bnav- rtdZetv nacSl imd i/zai Tzepdaojxat anzunehmen sei (»obviam ire, benevole consolari meoque consilio iuvare conabor filium«, so auch 832 bis 839 = 845 851), so müsse man annehmen, dass nnch 529—531 Xerxes der Atossa zuvorkomme. Der Ansicht, dass Atossa ihre Absicht

214 Griechische Tragiker.

ausgefülirt habe und Xerxes nicht in zerrissenem Kleide aufgetreten sei, setzt er die Bemerkung entgegen, die Zuschauer hätten erwarten müssen den König so auftreten zu sehen, wie er voraus wiederholt beschrieben worden. Allerdings ! Aber eben darum lässt der Dichter, der Aristoph. Frö. 1063 dem Euripides vorwirft: npwTov ^h roug ßaadeüovTag f)dxt^ djxmaxuiv, Tv' iXecvoc roTg dvd^pwnotg faivoivz' elvai xtI., Atossa jene Ab- sicht aussprechen. Vers 145 will der Verfasser auch Aapeioysvrjg til- gen, 269 TioXüdova für rot noXXä schreiben, 552 Eep^rjg dnavr' iniom SufffLopojg, 954 ocococ ßoa, rtou näv aot nXrj&og; 1016 erklärt er: vides ar- maturae meae reliquias ex hello quod suscepi servatas, 1025 dpcoyaiv im Sinne von onXiuv dpojyüJv {dprjyovrujv).

Die gediegene Abhandlung von Keiper wird gewiss vielen Philo- logen für die Erklärung der Perser willkommen sein, da der Verfasser mit grüudli^cher Kenntniss des Eranischen und sorgfältiger Kritik die Ergebnisse der eranischen Sprach- und Alterthumsforschung für die Fest- stellung und das Verständniss der persischen Namen verwerthet. Die Abhandlung schliesst sich an die Schrift von Hannak »Das Historische in den Persern des Aeschylus« (Wien 1865) an, bezeichnet aber im Ver- gleich zu ihr einen erheblichen Fortschritt und berichtigt manche Auf- stellungen von Hannak. Der erste Theil, welcher (wie bei Hannak) Bei- träge zur Religions- und Culturgeschichte und zur politischen Geschichte Persiens bringt, interessirt uns hier weniger. Eigentlich ist es auch ein verkehrter Standpunkt, die Dichtung des Aeschylus als Quelle für per- sische Alterthumskunde zu betrachten. Es können nur die spärlichen Notizen des Dichters an einem anderswoher genommeneu viel reicheren Material geprüft werden; dieses Material dient also zur Beleuchtung der Angaben des Dichters, nicht aber dienen diese zu einer nennenswerthen Bereicherung jenes. In 499 hzalat yacav oopavöv re Tipoaxuviov wollte Hannak eine Spur von dem Dualismus der eranischen Religion finden; Keiper weist dies mit Recht ab und führt den Gedanken auf griechische Vorstellung zurück. 239 roqoolxbg ar/p-rj wird angezweifelt, weil ah/pr) nur Lanzenspitze bedeute; aber zur näheren Bestimmung dient eben To^oüÄxög. Was die Aenderung 859 Ttokapara mpycva bezwecke, ist nicht recht ersichtlich. Ilepaovopou 918 wird auf die bevorzugte Stel- lung der Uepaat im engeren Sinn bezogen. Es folgt dann eine aus- führliche Erörterung der göttlichen Verehrung der Perserkönige und der 7ipoax()vria!.g ^ bei welcher auch auf Ag. 919 pri^h ßapßdpoo (pwvug dcxr^v ^cxpacnsTsg ßoapa 7:po(jxd\/rjg ipoc hätte hingewiesen werden können. Es wird ausgeführt, dass die Form der npoaxüvrjacg nach Herod. I 134 nicht ausschliesslich den Königen, sondern allgemein den Höherstehenden zu- kam und dass für eine göttliche Verehrung des Königs kein Anhaltspunkt vorliegt. Weiter wird über die persische Polizei, dann über die von Aeschylus aufgezählten Könige gehandelt. Der Artaphrenes 776 wird als identisch mit Intaphernes (Vindafranä) , einem der Verschworenen,

Aeschylus. 215

betrachtet. Aus auv SoXoj 775 wird geschlossen, dass die Ermordimg des Gaumäta wahrscheinlich das Werk eines geschickten Ueberfalls war. Mehr interessirt uns der zweite Theil, in welchem der Verfasser einmal die authentischen Formen der Namen festzustellen strebt, dann die Re- construction der altijersischcn Form versucht. Es wird bemerkt, dass Aeschylus seine Namen vom Hörensagen während und nach dem Feld- zuge habe und dass an Vollständigkeit und Genauigkeit nicht zu denken sei. Von den 56 Namen werden 15 als nicht eranisch ausgeschieden und zwar drei als weder eranisch noch griechisch : Md/x^cg, loivveatg^ ¥dp./ug (vielleicht auch ßdpoßig), sechs als offenbar griechich: AcXatog, Jod-c'/ivag, MdzaUog, JJeMyojv , Tu^/xog, Sdv&cg , sechs als vermuthlich griechisch: ^'AXmarog, 'AjKpcarpzög, 'AfJXTSug, Odfioßcg, SeodXxrjg, Tsvdycov, so dass 41 als echt eranische Namen übrig bleiben. Von diesen 41 kommt etwa die Hälfte auch bei anderen Schriftstellern vor, die andere Hälfte kennen wir nur aus Aeschylus. Für die Textkritik der Namen sind folgende Beobachtungen von Werth: 'Ayßdram, 'Ajxiarprjg (21), 'A/ita-pig (320), ApY^carpeug, Apza^pevrjg, 'Aazdanr^g (21), Mdpdtg, Maata-rjg (30), Maaiozpag (697), MsyaßdTfjg, Seiadpr^g (322), loaMvrjg, 0ep£aaeürjg sind den anderen Formen dieser Namen, die entweder in Handschriften überliefert oder nach Conjectur angenommen werden, vorzuziehen. y> KrjyoaBdzag (991) ist zwar haltbar, aber Kr^SaSdzag (»von Gott geschaffen«) vorzuziehen. Oder es ist xäySaddzav d. i. xa\ AySaddzav zu schreiben. MdzaUog 314 ist sehr wohl haltbar, vielleicht aber MizaUog als griechisches Wortspiel vorzuziehen. Ebenso richtig als das 995 von Hermann eingeführte Sdv- &cg erscheint Edv&^g. 983 ist Iztadixrjg ebenso gut als Srjadiirjg , auch Itadprjg nicht unrichtig. looaiaxdvr^g 34, 960 ist zwar zur Noth zu ver- theidigen; weit besser scheint ^ufjatxdvrjg. In 982 Bazavütyou mu^'' "Al- Tztazov wird "Almazov als Produkt einer Textkorruptel erklärt und nach diesem Vers mit anderen eine Lücke angenommen. Dieser Ansicht ist Referent auch längst gewesen und hat sich die Aenderung Bazaviuxoo Ttald' aXnvtazov an den Rand notiert mit der Annahme, dass der Name von dem allerliebsten Sohne des Batanochos in der Lücke ausgefallen sei.

13 nach viov 8' äi^8pa ßaüZet nimmt £d. Tournier Revue de philol. n. ser. 1877. p. 272 eine Lücke {SOap-opog euvrj) an.

186 vermuthet H. Weil ebendaselbst S. 267 yivoog zfxuzou ndzpag r'* ivate 8' rj phv xzk. nach II. 13, 354.

189 verbessert £d. Tournier ebendaselbst S. 204 jxa^ihv in poluiv.

Agamemnon.

J. K. Fleischmann »Das Charakterbild der Klytämnestra bei Aeschylus und Sophokles« Jahrbücher für Philologie 115 S. 513 - 541

sucht nachzuweisen, dass der Charakter der Klytämnestra bei Aesdiylus und Sophokles in seinen Grundeigenschaften nicht verschieden sei und

216 Griechische Tragiker.

auch von der homerischen Autiassung nicht wesentlich abweiche. Das Ilachemotiv, welches Klytämnestra bei Aeschylus in ihrer Vertheidigiing geltend macht, betrachtet er nur als heuchlerischen Vorwand. »Mag das Opfer der Tochter auch ihr Herz von dem Gatten abgewandt haben, von diesem Schmerz und Hass ist doch noch ein weiter Schritt zu dem Ent- schluss zum Morde; der Schmerz um die Tochter mochte sie der Ver- führung zugänglicher machen; aber nur weil sie der frevelhaften Liebes- leidenschaft erlag, wurde sie von dem bösen Gewissen zu dem grauen- vollen Entschlüsse gedrängt«. Wir halten diese Ansicht nicht für richtig. Klytämnestra bezeichnet Ag. 1374 den Agamemnon als ihren Feind und die frivole Freude, mit der sie dem hingestreckten Agamemnon noch den dritten Schlag versetzt, und die Wonne, mit welcher die an sie spritzen- den Blutstropfen sie erfüllen, kann psychologisch nicht der Ehebrecherin, sondern nur der von Rachewuth getriebenen Mörderin zukommen. Der Umstand, dass Aeschylus abweichend von Homer Klytämnestra allein ohne Aegisthos den Mord vollbringen lässt, ist bezeichnend für die abweichende Auffassung des Tragikers, und wenn nach der Meinung Fleischmann's Klytämnestra darin ausnehmende Aehnlichkeit mit Eichard UI. haben soll, dass beider innerstes Wesen von Anfang der Handlung an nichts als Bosheit und Frevelsiun offenbare und dass beiden vollendete Heuchelei zu entschiedenen Erfolgen verhelfe, so stimmt das auch psychologisch nicht zu dem harmlosen Charakter der homerischen Klytämnestra, die erst den verlockenden Worten des Verführers erliegt. Man kann nur sagen, dass Aeschylus das homerische Motiv des Ehebruchs nicht dem Rachemotiv in der Weise untergeordnet hat, dass der Ehebruch deutlich nur als Mittel zum Zweck erscheint. Er hat dies gethau in Rücksicht auf das zweite Stück der Trilogie, in welchem natürlicher Weise nach dem längeren Zusammenleben der Klytämnestra und des Aegisthos imd den Zwecken des Stückes entsprechend wie bei Sophokles der Ehebruch mehr hervortreten musste. Dagegen spricht der Dichter im ersten Stück mit {ivd/iojv iir^vig zexvonoivoQ (155) und auch mit den Worten der Kly- tämnestra Trjads os^cäg x^pog ocxacag rdxzovog wie überhaupt in der ganzen Scene nach dem Morde, wo Klytämnestra nach ausdrücklicher Erklärung 1372 f. die Maske der Heuchelei fallen lässt, deutlich genug seine Auffassung aus. Wenn der Dichter, was niemand bestreiten wii'd, den Tod des Agamemnon als Strafe für die Opferung des Iphigenie betrachtet, so musste er auch die Mörderin als Rächerin der Opferung hinstellen. Wir können hiemach auch nicht zugeben, dass Sophokles das Bild des furchtbaren, dämonischen Wesens der Aeschyl ei sehen Trilogie nur abgeblasst habe. Bei Sophokles ist in der That das Rachemotiv nur ein Vorwand zur Beschönigung des Ehebruchs und die Sophokleische Klytämnestra erscheint uns darum viel gemeiner und weniger interessant als die Aeschyleische. Noch weniger können wir es billigen, wenn Fleischmann Ag. 886 und 1567—1576 (wo Klytämnestra einen schwäch-

Aeschylus. 217

liehen Zug an den Tag lege, welcher der grossartigcu Zeichnung nicht angemessen sei) als titerpolation beseitigen will. Die Verse 1567 1576 sind ebensowenig unecht als Ant. 889 f.

Robert Browning, the Agamemnon of Aeschylus. Transcribed. London 1877. XI und 148 S. 8.

Diese Uebersetzung ist ein eigenthümliches Gemisch von Poesie und Unverständlichkeit, welche in der ausgesprochenen Absicht einer wört- lichen Wiedergabe und in der Dimkelheit des Originals, von welcher der Verfasser in der Vorrede spricht, keine genügende Entschuldigung findet. Man vergleiche z. B. die Uebersetzung von 1119 1124: What this Erinus which i' the house thou callest To raise her cry? Not rae thy Word enlightens! To my heart has run A drop of the crocus-dye: which makes for those On earth by the spear that lie, A common close Which life's descending sun. Swift is the curse begun!

Die kritischen Versuche von H. Beck (siehe oben S. 208), welche Stellen des Agamemnon behandeln, haben keinen bedeutenden Werth. Emendationen lassen sich nicht dekretiren. Oder glaubt der Verfasser im Ernst daran, dass ocsnipojv [xsriuvreg in Si' ipiv acfiazosaaav (Ag. 698), ouziva (piyev Ttpoanacotg in ooziva (pijwv s[maioig (185) habe übergehen können? Die Erklärung, dass 733 aiiayov aXyog Apposition zum ganzen Satz sei, ist wohl richtig; aber wer wird es trotz Nägelsbach und Keck nicht so erklären? Ausserdem erwähnen wir folgende Conjekturen: 11 edv ze (für £oz' Rv de wo bleibt die Verbindung?), 15 idv r' (für ozav 5'), 250 zo [liXlov 8h nplv yzveaBac xÄuscv Ttpo^acpszco , 547 in^v Tiof^oj azpazoü. Interessant war uns die Mittheilung aus einem Collegieuhefte, dass G. Hermann in seinen Vorlesungen Ag. 216 inc^u/izTv als Glossem zu opyäv angenommen und Ilavayatoug an Stelle von iruBitjisTv vermuthet habe (vgl. unsere Studien zu Aeschylus S. IX).

B. H. Kennedy Journal of Philology VII (1876) nr. 13 p. 14—18 behandelt die schwierige Stelle 931 943 und giebt von 931 ff. folgende Erklärung: Klyt. Wohl nun, beantworte diese Frage mir zu Gefallen ohne gegen deine Memuug zu sprechen. Agam. Was meine Meinung betrifft, so versichere ich dir, dass ich sie nicht falsch angeben werde. Klyt. Würdest du in einer Zeit der Angst den Göttern gelobt haben zu thun was jetzt vorgeschlagen ist? Agam. Ja ich kannte so gut wie jedermann die passende Gelegenheit so eine Verrichtung anzukündigen (Kennedy ist geneigt entweder e^zmeTv oder äv für zo zu schreiben).

Xoi^<p6poi.

G. F. Schömann, zu Aeschylus Choephoren. N. Jahrb. für Phi- lol. und Pädag. Bd. 115 S. 1 24, 81 105, 361 375, 545 558, 721 724.

Schoemann giebt eine Reihe kritischer und exegetischer Beraer-*

218 Griechische Tragiker.

kungen zu den Choephoreii , von denen wir keine als besonders beach- tenswerth hervorzuheben im Stande sind, dagegen manche als unmetho- disch und unnütz betrachten müssen. Die Willkür geht soweit, dass z.B. die Antistrophe 827-830 ganz nach Belieben hergestellt und dann die mangelnde Uebereinstimmung mit der Strophe als unnöthig befunden wird (S. 96). Wenn wir hier mehr anführen, als vielleicht angeführt zu werden verdient, so möge man das der Achtung des namhaften Gelehrten zu Gut halten. Unter voix<ptxa kowXta 71 versteht Schümann die Sitze der Nymphen d. h. die Quellen der Gewcässer; er erwähnt dabei mehrere Erklärungen die er als lächerlich verwirft, nicht aber die richtige Er- klärung von Merkel, In 61 schreibt er po-nrj 8' imcxonou Acxag za^^sTa To7g fih SV (fdei . . fiivz: xpovc^ovr a^rj (und 52 ovo^og xaluinzt duiioug) und giebt von 61-65 folgende Erklärung: »Der Chor mahnt au den Umschwung, den die waltende Dike den Dingen giebt, der aber von den Menschen nicht auf gleiche Weise, sondern nur von einigen recht- zeitig und in klarer Erkenntniss wahrgenommen, von anderen nur dunkel und spät geahnt wird, während manche in völliger Blindheit dahingehen, ihren Geist die dichteste Nacht umfängt«. Angenommen, dieser Gedanke sei an und für sich sinnreich und könne in den Worten des Aeschylus gefunden werden, so ist absolut kein logischer Zusammenhang mit dem Vorausgehenden und Folgenden ersichtlich. 68 soll 8ta(pipti heissen »pei- nigt«. Die Aenderung in 75 ipol 8' dmyxav ys oajiaamToXiv kennzeichnet sich durch die Aushülfspartikel yi. In 78 f. schreibt Schömann 8ixaca xal [xi], npirMvra 8' äp^fiTai tzoo ßta (fpi.V(l)V abtaat ruxpuv aröyog xpa- zoüayj {ßtq. (fpevwv und mxpuv azuyog nach H. L. Ahrens und Franz), 154 i'pupa xsovov xaxujv (»so nennt die Sprecherin das Grab des Königs, weil sie es als ein Heiligthum ehrt, welches die Bösen abwehrt«), 155 ayog oiTTSu^szov ist von dTtözporMv »vei'abscheuend« abhängig. 279 slnsv d<7&evü)v voaoug, 285 TrpoajdoXäg . . zeXouixivag upwvzt. Die ganze Rede des Orestes 269 305 wird einem versificierenden Schauspieler zuge- wiesen, der das Vers 1032 von Orestes als unmöglich (?) abgelehnte doch auf seine Weise zu leisten gedachte. In 320 f. wird ydptzog . . xex- X^z' äv geschrieben und der Zusammenhang in folgender Weise bestimmt: »was kann ich sagen, was thun, dass mir's gelinge aus der Ferne her (d. h. von Phokis her, obwohl Orestes schon am Grabe steht!) zu deinem Grabe einen Lichtstrahl zu bringen gegen das Düster? Auch abgesehen von der Erfüllung dieses Wunsches darf gleichwohl doch die Klage der Kinder als Beweis ihrer Liebe gerühmt werden« [damit geht, abgesehen von allem anderen, der Zusammenhang mit dem Folgenden verloren]; 328 verlangt Schömann dvacpatvezai 8k ßMnzujv, 330 ponäv dp.^da^^, weil dieses Epitheton nur zu por^dv passe, nicht zu yoog^ 344 vsoxpdg (pihüv (oder (ftXtojg) ae. xopc^ot [wie ganz anders lautet das von dem Dichter wirklich geschriebene ^cdXr^v veoxpäza xopt^oi, womit Hom. II. 6, 528 xpTjz^pa az^aaa&ai iXeu&epov iv fiayopocacv zu vergleichen), 361

Aeschyliis. 219

dcavrXiov für mjji7:MvT(ov , 367 TtdpoQ 5' o7 a^ dvsTXov (oder n sBsivdv), ViV . . 8a/JL^vac -^xat räv oder rtuv )• d^avaTri<p6pn\> acaav, 375 »der Schall der zwiefachen Geissei heisst offenbar soviel als die Stimme zwiefacher Sorge: denn die Bedeutung von p-apayv-fj als bildlichem Ausdruck für Besorgniss, Angst ist nicht zu bezweifeln« [?!], 378 uaiar (rroyspov zoO- Twv Tiäat. TL päXXov jEyivT^Tru'^ (»was ist in höherem Grade hassenswe-rth als sie«?): »Die Aenderung von 8h in ri ist ganz unanstössig« (?!), 382—384 ävEl^^Tv (für dpirijXTKuV) . . zsXEta&at, 388 hrh^ für ifinag, 390 npatpa xapSfag bedeutet die Vorderseite der xap8ca, der Brusthöhle, in der sich die xapSc'a befindet und die desshalb auch selbst diesen Namen tragen konnte [dabei wird arjzac unbeanstandet gelassen. Diese Erklä- rung wird für »verständige Leser« gegeben; Geschmack kommt also nur imverständigen zu], 397 mazä ^ivoczo x^^P'o- (»möge uns Erfreuliches gewiss sein«), 399 /if^ov/cyv t' ivr^/xo;, 420 »was können wir sagen? Etwa dass die Wehethaten, die man von den Eltern erleidet, sich milder auf- nehmen lassen? Dies hier (d. h. die hier waltende Stimmung und Ge- sinnung) lässt sich nicht besänftigen«, 441 vöaov für ixöpov, 446 iJ-ox(ti, 452 (ppevwv ßdßet , 482 zo^sTv yd/xajv npoal^scaav mit Schütz [passt dazu zocdvds?], 573 »} xat jj.oXüjv iva\iza jiot xaxoazofia kpzl . . xa.\ xdx' d<p&aX- /xoTg ßaXec, 589 ßpozoTac nMßoua: xat xzi. {ßXaazdöat mit Franz ge- strichen), 600 dnipujTMg bedeutet »rücksichtslos«, rjj.pavtxq. »male vincit«, »die in den Weibern herrschende rücksichtslose Begierde trägt schlimmen Sieg davon über die verwandtschaftliche Eintracht d. h. sie setzt sich darüber hinweg« [und was wird aus dem folgenden xvcußdXujv'?], 604 Sdav für öaecg, 613 o/l-^av Ssc ziv eoXoyujg azuyzlv, 625 dixsdtxwv ^uvujv, dyeipoj zu doa<piXkg (mit Schütz ; es soll bedeuten »hinzugesellen«), 628 kmixoziog (wie bei Paley) aißa, 629 dBsp/xavzog kazta ist ein frevelloses, zu Fre- velthaten nicht gereiztes Haus, 631 xaxujv ya Trpaaßz'jszat . . Elxdazi 8i zcg z68' ahdv (mit Bothe), 635 &so(7zuyrjZov 8' dec [die Nothwendigkeit dieser Verbesserung ist S. 22 dem Verfasser so einleuchtend, dass er kein Wort weiter darüber verlieren will, S. 724 aber nimmt er sie still- schweigend zurück und giebt die Erklärung: »Die Menschen, die durch gottverhasste Versündigung (dysc) sich um Achtung und Ansehen gebracht haben, gehen unter; denn Niemand achtet, was den Göttern verhasst ist«], 641 zu fXTj Hp-tg deutet hier nicht das Unrecht, sondern das Recht an: Aeschylus hat sich jenes Ausdrucks als eines formelhaften bedient, im Sinne einer warnenden Mahnung, die vom bösen Thun durch die Erin- nerung, dass es pyj Mptg sei, abschrecken soll [eine Interpretation, die + 1 = 1 zu erweisen versteht!], 645 Tiapixßa zcg oöx dpca&mg, 646 (pdayav" opyr^g [!]■ zixvojv 8' i-netafipet 8upoig . . zcvscv püaog (»Die Erinys legt es den Häusern der Nachkonunen auf, die Sünde älterer d. h. von den Eltern oder Voreltern verübter Blutthaten zu büssen«). »Während des Stasimons 585—652 verwandelt sich die Scene. Vorher ist das Grab- mal des Agamemnon dargestellt; Elektra tritt mit dem Chor in der Or-

220 Griechische Tragiker.

chcstra auf, geht dann auf die Bühne, dann wieder zum Chor zurück; Orestes tritt zu ihr in die Orchestra hinab; die Verse 212 305 werden in der Orchestra gesprochen, dann treten die Geschwister zum Grab auf die Bühne; während des genannten Stasiraons ist die Bühne durch ein TcapansTaa/xa den Blicken der Zuschauer entzogen; das Grab wird besei- tigt. Es giebt zwar immer noch einige Gelehrte, die von Anwendung des Vorhangs in dem altathenischen Theater nichts wissen wollen und den Athenern die Dummheit zutrauen, sich eines so nothwendigen Hülfs- mittels für den Scenenwechsel nicht bedient zu haben; doch sind deren jetzt wohl nur noch wenige und im Allgemeinen hat die Wahrheit [sie!] schon die gebührende Anerkennung gefunden«. [Wer staunt nicht V!] Weitere Vermuthungen sind 671 ocxaciov dp/idTOJV {dpjia »Nahrung, Speise«, was soll dann o;xa£ü>v?),. 698 ßax^ztag dXy]g, 738 Mro axu&pajTTcov eldog dfifLOLTOJV, yeXüJV xsü&ouaa, 786 auuppov bo iiatop-ivotg cSsTv, 795 äp/ia- atv^ 7t7j/xd-(ov (5' iv dpö/xü) und mit H. L. Ahrens xTcaov für reg äv, dann ToÜT IdsTv Sog itiSov dvo/ievov ßy^/xd-wv opay/ia (»verleih, dass dieses Land [nsdovl] das zum Ziel gelangende Streben seiner Schritte schauen möge«), 806 Tt> 8k xdroj xXüjievov (»die Anrufung ist auf den Gott der Unterwelt zu beziehen«), 807 dvip-ev dop-ou (aus dem Hades emporsteigen) avdpa, dann mit anderen xai vcv iXsu&epcag lo.p7ipüv cSeTv ywg <pi}.(otg oppaaiv ix dvoyspäg xaXvTtrpag [(pwg iXeuBspiag wird auf die Befreiung von der verhassten Gewalt der Klytämnestra und des Aegisthos bezogen, unter der das Land und die Kinder des Agamemnon bisher gestanden haben; man sollte also, da IdtTv <pwg iXsu&spcag nur von dem gesagt werden kann, der befreit wird, xai vcv . . c8siv von Orestes verstehen ; dann aber liegt ein Widerspruch mit der vorhergehenden Conjektur und Erklärung vor, nach der Agamemnon Subjekt zu cos7v ist], 814 oupiaai für oopiav^ 817 vuxTa npöaiP oppdrojv xai ßa&uv axozov (pipujv. Wir erlahmen hier die weiteren wo möglich noch werthloseren Coujekturen auszuschreiben und erwähnen nur noch folgendes: 842 ^rjpcoaTuysc ^6vu), 846 ^vijaxov- rog, 847 ^rjXuxrac aa<p(hg^ 1012 ^oyipovog ^opßdXXsrat.

Vers 214 verlangt £d. Tournier Revue de philol. n. ser. 1877 S. 272 xöpzT für xopöj.

Vers 244 vermuthet G. Siegfried Philol. Anz. VIII S. 107 ipo\ aißag yepajv povog' Kpdxog xzi.

Vers 797 will E. Heydenreich N. Rhein. Mus. 32 S. 134 8bg ol (inr Ttg äv) (joj^opevov puBpuv Toüz' c8sTv ydmdov lesen (ähnlich Rüter in der oben S. 209 besprochenen Abhandlung 8bg ä\> awCopevov . . ydnsSov), womit die Stelle keineswegs geheilt ist.

Fragmente.

Ein neues Bruchstück siehe unter Eur. Rhesus. 346 Herwer- den Mnemosyne N. S. V p. 32 uypoßaTzrov. 395 Loeschke Philol. Anz. VII S. 323 AtdvTog aaxo rtpög votou xscrac nvodg.

Sophokles. 221

Sophokles.

Fr. Bücheier, Sophoclis Tiatäv slg 'AaxXr^mov. N. Rhein. Museum XXXII. S. 318.

Rudolf Schneider, Der Stammbaum der Sophokleischen Hand- schriften. Jahrb. für Philol. CXV S. 441—449.

fid. Tournier, Les tragedies de Sophocle. Texte grec public d'apres les travaux les plus recents de la philologie avec un commen- taire critique et explicatif, uue introductiou et une notice. Paris 1877. XXXTI und 801 S. 8.

Gerh. Heinr. Müller, Novae emendationes Sophocleae. Gymn.- Progr. von Wongrowitz 1877. 16 S. 4.

Maximilianus Lechner, De rhetoricae usu Sophocleo. Commen- tatio in anualibus gymnasii Curiensis aliquando incohata, ad finem nunc perducta. Berlin 1877. 35 S. 4.

W. Pecz, Systematische Darstellung der Proportionstropen bei Sophokles. Zeitschrift für die österr. Gymnasien. 28. S. 721—736.

0. Hense, Der Chor des Sophokles. Berlin 1877. 32 S. 8.

0. Hense, Ueber die Vortragsweise Sophokleischer Stasima. N. Rhein. Mus. XXXII. S. 489-515.

Jos. Feldkircher, Sophoclis de philosophiae morumque prae- ceptis. Gymn.-Progr. von Oberhollabrunn 1877. 20 S. 8.

Schwarz, Proben einer Uebersetzung Sophokleischer Tragödien in modernen Versmassen. Programm der hölieren Bürgerschule von Gumbinnen 1877. 16 S. 4.

Leconte de Lisle, Sophocle. Traduction nouvelle. Paris 1877. 503 S. 8.

Von einer zu Athen bei dem Asklepieion gefundenen Inschrift hat Steph. Kumanudis folgendes Fragment des Sophokles entziffert und im 'A^mcov vol. V S. 240 veröffentlicht:

2Jo<foxMoug .... xoupa nepauvufte [iärep d^s^m6[vou . . . . . ? äx£ipsx6iia[g . . . vapc&fic .... . . . e . . . eusn

Bücheier hat darin den nacäv eis 'AaxhfiLov erkannt und bemerkt dazu: invocatur Coronis, 5) OXeyoa xoüpa^ mater Aesculapii, OdlßoQ dxetpe- xüp.aq S.V evapt^[itoM immortalibus reddidit suo amore. Kumanudis hofft noch mehr entziffern zu können.

R. Schneider stützt seine Untersuchungen über den Stammbaum

222 Griechische Tragiker.

der Sophokleischen Ilaudschrifteu vorzugsweise auf die für die zweite Auflage vou Soph. Electra ed. Jahn gerade zu dem Zweck einer zuver- lässigeren Entscheidung der Haudschrifteufrage gemachten Collationeu und kommt zu folgendem Ergebniss: »Die Sophokleischen Handschriften theilen sich in zwei Familien, deren eine vou La, die andere von A (Par. 2712) vertreten wird; auf diese beiden Handschriften hat sich die Textesrecension zu stützen; doch ist La an Glaubwürdigkeit A über- legen; neben La und A kommen nur noch einige wenige Angaben von dem sogenannten ocop&iuzrig in Betracht, die bei weitem grössere Anzahl aber der Zusätze des diop&wrrjg ist zu verwerfen. Ohne allen Nutzen sind die Lesarten der weiteren Correktoren von La imd die Abweichun- gen aller übrigen Handschriften; nur Lb hat noch einen sekundären Werth als ein Zeuge der ursprünglichen Lesart von La, wenn dieselbe in La selbst nicht mehr erkennbar ist«. Dieses Resultat wird im Gan- zen richtig sein, wenn auch die Beweisführung im Einzelneu mit Beru- fung auf die Thätigkeit byzantinischer Grammatiker und Correktoren wird angefochten werden können. Aehnlich ist die Classification, welche Michaelis in der Vorrede zu der genannten Ausgabe von Jahn gemacht hat, der auf die eine Seite La und Lb, auf die andere AE und die Ver- besserungen des dcopt^iuTT^g stellt. Es ergiebt sich natürlich für Sopho- kles die gleiche Ueb erlief er ung wie für Aeschylus (vgl. unsere A. Soph. em. S. 2 sq. und Studien zu Aesch. S. 60).

Das stattliche Werk von Tour nie r hat seine Bedeutung weniger in der selbständigen Leistung, als darin, dass es die Leistungen der deut- schen und einiger englischen Gelehrten vorzugsweise nach den Ausgaben von Dindorf, Wunder und Schneidewin-Nauck in geschmackvoller Aus- wahl und mit gutem Verständniss französischen Lesern zugänglich macht. Nicht immer zwar haben wir den richtigen kritischen Takt gefunden wie z. B. Ai. 668 684 vou Interpolation herrühren sollen oder 0. Tyr. 525 Tou Tipog 5' beibehalten und nur die unnütze Conjektur von Kvigala iipog Töd 8' erwähnt, die einzig richtige Lesart rounog §' aber nicht angeführt wird. Auch ist die Kenntuiss der Literatur nur eine beschränkte. Allein wir haben hier doch eiue weit glänzendere Leistung als in anderen fran- zösischen und auch in englischen Ausgaben des Sophokles; wir haben hier wenigstens eine Arbeit von einem wirklichen Kenner des Sophokles. Da der Commentar am wenigsten selbständig ist und kaum einen er- heblichen Fortschritt für die Wissenschaft bedeutet, so heben wir nur aus den textkritischen Noten die irgendwie bemerkenswerthen Conjektu- ren des Verfassers heraus, ohne Rücksicht auf erste oder zweite Auflage : Ai. 320 £$^i>-(sc TidXscv, 651 ßatp^ig aßrßog ujg^ 969 tc drj-ca tocoüS' syys- X<böv &v xdra cl. 0. C. 1339 (Meineke eV eyYsXuiav), El. 20 s$o8ov nspäv GTeyrjg, 84 raoTa yap (pipetv vixriv ri (pr^U-c^ 316 rd aoi <pcXov i. e. a laropsiv aoi <pt'küv iazi'v, 437 Icrr' «v 8-dv]^, 534 roü ^dpcv narrjp e^o- aev au-ojv , 0. Tyr. 422 utov xa^dp^r^g zuv ujisvacov uv döjxujv ig opjiov

Sophokles. 223

slffinhoaag, 579 ixecvj} r^g ray^g Yaov vs/xiuv ; 640 Soug 8oo?v xpTvm xa- xoTv, 768 8i' o vcv, 852 oo fii^ rM-\ ojva$, <t6v y' 6 Aatoo <püvog \ ^avfj 8ixat<og ipyov, 1310 -na fioc | (p^oyyd; drxT/iov , "v s^rjXXoo. 0. Col. 12 sl'xanev (= iocxaiisv), 62 f. ou Xuyocg \ iyvajfffiiv', dUä r^ ndXat ^uvoum'a, 421 rrjv ns^aafiivrjv, 590 dW au &shvrig y- ouSk xzi., 1003 Hcuneücrac ^cXov, 1135 1137 ouS' oLtv edcraj- /atps xat zd Xomd jiou , 1142 1149 werden in folgender Weise umgestellt: 1142. 1148. 1149. 1143—1147, 1425 S a^wv, Ant. (15 Chatelain (ppouBog rjiitv\ 728 iirjdiv y o [irj dixaiov, 982 äv&rj<j\ 990 ^ 'x TiporjyrjToo niXst, Trach. 463 kxTaxBtrj, 704 x^jBsv- Tog eig yrjv scts ßax/e/oo ydvoog {yXaoxrjg önujpag von der Olive), 929 e$u}p}xu>}XB&a, 935 dxouard, 941 xXacujv 8\ 1113 ro'ü8i a\ sc oipalrjatTai^ 1129 Uyujv für ytywg, Phil. 626 oa oW iyo), raör' seil. eauv.

Von den neuen Emendationen Gerh. Heinr. Müll er 's gilt das Gleiche wie von den früheren (vergl. unseren vorigen Jahresb. S. 52). Die gelungenste scheint 0. C. 800 Suctto/isTv (für 8uaToxetv) zu sein. Zu Ai. 61 sucht er die Conjectur von Hermann 'Eptvuwv iurpuvov elg ipxTj xaxd zur Geltung zu bringen. Ebendaselbst 190 vermuthet er rj rag dacurou Icau(pc8og yeveäg , 0. C. 702 zdv ou ug al^rjug oure yrjpa ay]fxacviov, 1021 rag naTSag aurbg y^ye/iojv 8£t$rjg ip-oi^ Ant. 1225 86arrjVov Xdj(og, Phil. 291 eüuojxrjV dXyscvuv e^ikxojv 7:68a, 691 npug oupov (nach Hes. otjpog- ßaathug, <f6Xa^^ auivr^p). Das andere ist entweder ganz unbrauchbar oder schon von anderen vorgenommen (z. B. viv 0. C. 1192 von Wunder und Heimsöth, oiio ^eTzat Phil. 190 von Schwenck).

Lechner erörtert den Einfiuss der Rhetorik auf die Sprache und die Reden in Stücken des Sophokles. Er bespricht zunächst und am meisten die inventio und macht unter anderem in den Streitreden der Elektra und Klytämnestra auf das dvriyxXrjfxa (relatio criminis) 527, die dv^ono- <popd 534, die iierdaraacg (remotio criminis) 563, das xptvojxevov (iudi- catio) 577 aufmerksam. Die Rede des Kreon Ant. 639 680 skizzirt er in folgender Weise: I. Tu ue indigneris Antigonam mitti ad mortem, prohibeat te A. pietas, B. prudentia. II. Ego supplicio illam afficiam, quoniam oportet me A. meum tueri imperium, B. saluti prospicere civium, die Rede des Menelaos Ai. 1052 1090 in folgender: Sepeliri illum veto, quia I. Graecis insidias paravit, IL Atridarum imperium recusavit, die Rede des Teukros 1266 -1315 in folgender: Exordium: oblivione obscu- ratae mortui laudes. I. Aiax optime de Graecis meruit, quoniam A. na- ves ex incendii periculo servavit, B. cum Hectore ultro depugnavit. n. Contumelia mihi temere imposita, quoniam A. barbaro genere et ipse eoque scelerato natus est Agamemno, B. regia stirpe parentes mei gene- rali. Peroratio: armis tuebor mortui dignitatem. Ausser dem zweiten Theile des Aias bemerkt Lechner den Einfluss der Rhetorik noch beson- ders im Philoktet (z. B, in den Reden 1004 ff. und 1314 ff.) und im Oed. Col. (in den Reden des Oedipus, Theseus, Kreon, Polyneikes, die zum Theil ganz Euripideische Anlage zeigen) und schliesst desshalb, dass

224 Griochische Tragiker.

Sophokles mit zunehmendem Alter sich mehr der Weise des Euripides genähert habe. Er will darum auch die Abfassung des zweiten Theils des Aias mit L. Benloew de Soph. dict. propr. Paris 184:1 S. 69 in die spätere Lebenszeit des Dichters setzen. Den Unterschied von Euri- pides findet er einmal darin, dass auf der Bühne keine förmlichen Pro- cessverhandlungen angestellt werden, dann darin, dass die Rhetorik mass- und taktvoll angewendet sei, endlich auch darin, dass die Reden nicht vom Thema der Handlung abschweifen, wie z. B. bei Euripides Suppl. 411 455, wo die Vortheile und Nachtheile der republikanischen Ver- fassung abgehandelt werden. Im zweiten Theile, der von der elocutio handelt, werden die Spuren Gorgianischer Beredsamkeit in den dvrcf^era, ?(t6x(o?m, T-Mpo/ioca (z. B. El. 1036, Phil. 1009, 1049, Ai. 1085), die Spu- ren der Lehren des Prodikus in der genauen Unterscheidung synonymer Wörter Trach. 550, Ai. 1134f. gefunden und rhetorische Figuren {Bcpo)- veca, bnepßoXrj^ 7iu<T/xa, snavop&ojacg, sTiwdXrjipcg, dvrc&eacg) besonders im Aias, Philoct. und Oed. Col. nachgewiesen. Vergl. unsere Besprechung in der Jenaer Literaturzeitung 1878. Art. 38.

Pecz bezeichnet, weil Gerbert in seinem Buche »die Sprache als Kunst« nachgewiesen, dass die Metapher, die Allegorie und das Gleich- niss auf einer Proportion beruhen, diese Tropen als Proportionstropen, stellt die bildlichen Ausdrücke und Gleichnisse des Sophokles nach den Gebieten, denen sie entlehnt sind, zusammen, wobei manches Unrichtige mit unterläuft, und fügt die Bemerkung hinzu, man sehe den Tropen des . Sophokles an, dass er zur Zeit des Perikles gelebt, wo die Beschäf- tigungen des Friedens, die Jagd, die Pferdezucht und das Pferderennen, die Viehzucht, die Gärtnerei, der Ackerbau, der Handel und die Schiff- fahrt mächtig aufblühten und dass diese Beschäftigungen des Friedens den Geist des Sophokles besonders angesprochen haben, dessen Phan- tasie daraus glänzende Bilder geschaffen, dass Sophokles auch ein reges Gefühl für die Natur besessen, dagegen für das politische und kriege- rische Treiben seiner Zeit weniger Sympathie gehabt habe.

Die beiden Abhandlungen von 0. Hense und die darin vorgetra- genen Beobachtungen über die Chortechnik des Sophokles beruhen im Ganzen auf dem Buche von Muff, welches wir im vorigen Jahresbericht S. 54 besprochen haben. In der ersten Abhandlung über den Chor des Sophokles (vgl. die Besprechung von Muff im Philol. Anz. VIH S. 286 bis 290 und von dem Referenten ebendaselbst S. 290 292) wird zu- nächst der Satz aufgestellt, dass die Erhöhung der Choreutenzahl auf 15 mit der Vermehrung der Schauspieler in engstem Zusammenhang stehe und dass die Neubildung des tragischen Chors durch Sophokles darauf hinausgehe, den drei Spielern der Bühne auf der Orchestra die näm- liche Anzahl chorischer Repräsentanten in dem Koryphaios und den bei- den Halbchorführern gegenüber zu stellen. Dem Protagonisten soll der Koryphaios, dem Deuteragonisten der eine, dem Tritagonisten der

Sophokles. 225

andere Halbchorführer entsprechen. Der Koryphaios werde, so heisst es weiter, den beiden Halbchorführeru gegenüber auf eigene Fusse ge- stellt, da er nicht mehr in der chorischen Masse verschwinde, und in seiner vollen Würde herausgehoben. In dem Verhcältniss von 2:1 er- halte der Koryphaios ein doppelt so grosses chorisches Megethos als die beiden Halbchorführer. Diese Trias, seine eigenste Schöpfung, bringe der Dichter nicht nur in den Einzugsliedern, sondern auch inner- halb der Epeisodien, sowohl in den kommatischeu als in den eigent- lichen Dialogpartien nicht selten zur Anwendung. Daran knüpft die zweite Abhandlung über die Vortragsweise Sophokleischer Stasima an, um nachzuweisen, dass diese von Halbchören vorgetragen worden seien. Weil nämlich bei den Chorreden von Dialogpartien, wo Muff ausser dem Koryphaios auch die beiden Halbchorführer sprechen lässt, nicht bloss das Verhältniss von 2:1, sondern auch das Verhältniss von 1 : 1 zu Tage tritt, so wird angenommen, dass in dem zweiten Fall die hervorragende Stellung des Koryphaios schon für das Auge sichtbar ge- wesen d. h- der Chor in Halbchorstellung gestanden sei, während der erste Fall auf die Tetragonalstellung hinweise, wo die Würde des Kory- phaios, durch die Stellung nicht kenntlich, durch den Umfang seiner Rede habe hervorgehoben werden müssen. In diesem Falle stehe nun immer zwischen der betreffenden Partie und dem nächsten vorhergehen- den Stasimon eine Partie, in welcher die Stellung des Chors sich habe ändern können, in dem ersten Falle nicht. So soll sich aus dem glei- chen Verhältniss an sich, aus dem ungleichen Verhältniss vermittelst der Annahme, dass die Stellung, welche in die Tetragonalstellung geändert worden, eben nur die Halbchorstellung gewesen sein könne, für die Stasima immer die Halbchorstellung ergeben, was dann weiter schliessen lässt, dass die Stasima von Halbchören vorgetragen worden seien. Um ein Beispiel anzuführen, 0. Tyr. 1232 f., 1236, 12»() weist das Verhält- niss 2:1:1 auf die Tetragonalstellung hin, diese ist erst bei den Wor- ten des Boten 1223-1226 gebildet worden. Trach. 665, 668, 671 er- gibt das Verhältniss 1:1:1 die Halbchorstellung und schliesst sich un- mittelbar an das Stasimon an. Uns scheint sowohl die Grundlage der Hypothese wie auch die Methode der Schlussfolgerung bedenklicher Na- tur zu sein. Das gleiche gilt auch von der zweiten Hypothese, die noch in der ersten Abhandlung vorgetragen wird. Der Philoktet, heisst es, weise nur Einen vollständigen Chorgesang auf, das von Halbchören vorgetragene erste Stasimon; sonst würden immer nur der Koryphaios und die beiden Halbchorführer beschäftigt. Das könne nur in den choregischen Verhält- nissen von Ol. 92, 3 seineu Grund haben. Die kargen Zeiten hätten dem Dichter nur drei geschulte und erprobte Sänger zur Verfügung gestellt. Nun erscheine auf einmal im Oed. Col. nicht weniger als 5 mal ein Vor- trag sämmtlicher 15 Choreuten. Es sehe das wie eine Reaktion aus gegen die eingedrungene Dürftigkeit. Daraus erkläre sich die Anklage

Jahresbericht für AUerthums-Wissenschaft 1877. I. 15

226 Griechische Tragikfr.

des lophon. »Sei es, dass der Dichter bereits mit seinem Choregen in Unterhandlung getreten war, oder weil er mit Sicherheit voraussah, dass sich für Ausgaben von diesem Umfang kein Choreg bereit finden würde: der von Haus aus begüterte Mann fing bereits an für die Realisirung seines Wunsches aus eigenen Mitteln zu steuern und somit das Erbtheil seiner Söhne in Mitleidenschaft zu ziehen. Unmuthig trat lophon da- zwischen und verklagte den Vater vor den Phratoren wegen Unfähigkeit, sein Vermögen zu verwalten. In diesem Falle konnte den Angeklagten nur sein Drama selbst und die Diathesis rechtfertigen«. Speciosius quam verius !

Feldkircher begeht den Fehler, den sich die Verfasser ähnlicher Abhandlungen gewöhnlich zu Schulden kommen lassen, dass sie die den Personen des Stücks in den Mund gelegten Aussprüche ohne weiteres als Lebensregelu des Dichters ansehen, zum Theil in recht auffallender Weise. Wenn z. B. Ant 1165 der Bote sagt, einen Menschen, dem die Freude des Lebens fehle, halte er für einen lebendigen Leichnam, so kann man noch nicht daraus machen: Sophocles vitam gaudio ac laetitia deficientibus tamquam mortem esse contendit- Nach El. 1485 wird dem Dichter die Ansicht beigelegt: etiam in mora nihil inest emolumenti ho- mini morituro. Aeschylus sagt Ag. 1300 das Gegentheil: glauben wir desshalb, dass beide Dichter hierüber eine verschiedene Anschauung ge- habt haben? Der Verfasser sucht nach einander die Ansichten des Sopho- kles über die Gottheit, über den Menschen, über die Familie und den Staat darzulegen (darnach ist der Titel der Schrift zu verstehen); wir führen daraus nur folgende Bemerkungen an: Die Götter sind nach So- phokles bei weitem vorzüglicher als die Menschen, unsterblich, selig, die höchsten Urheber und Lenker aller menschlichen Dinge, allwissend, strenge aber gerechte Richter, welche die Guten belohnen, die Bösen bestrafen, doch so, dass sie dem Erbarmen zugänglich denen verzeihen, welche sich zu bessern bestreben, die Bösen, welche in ihrem Uebermuth verharren, mit Unwillen und Missgunst verfolgen, bis diese blind selber in das offenbare Verderben rennen. Das Schicksal ist bei Sophokles nichts anderes als das Wesen der Götter selbst; wenn diese sich ihm unter- werfen, vertreten sie nur ihr eigenes Wesen und ihre eigene Natur. Die starre Nothwendigkeit des Fatums hat so wenig Geltung bei Sophokles, dass die Macht des Zeus überall als die höchste hervortritt und die Menschen selbst ihren freien Willen haben. Ueber Gebrechlichkeit, Elend und Eitelkeit des menschlichen Lebens klagt der Dichter öfters in ergreifender Weise, die an Melancholie grenzt. Nichtsdestoweniger feiert er auch wieder die Freuden des Lebens. In den Worten zo <ppo- \)th ^-q^y d(TsnTeTv firj üßpc^ecv (Ant. 1347) ist die ganze Moral- philosophie des Sophokles enthalten. Sophokles scheint zuerst (?) die freiwillige Schuld von der unfreiwilligen unterschieden zu haben (0. C. 241, 267, 287, 521, 548).

Sophokles. 227

Ueber die Uebersetzungsproben von Schwarz siehe unter An- tigene.

Leconte de Lisle giebt eine üebersetzung in Prosa. Man kann von derselben nur soviel sagen, dass die meisten Stellen richtig verstan- den und ziemlich sinngetreu übersetzt sind. Genauigkeit besonders in Wiedergabe des poetischen Ausdrucks, namentlich bei Chorgesängen, wird öfter vermisst; auch begegnet man manchen Missverständnissen. Vergl. z. B. Ant. 39 f. 0 malheureuse! si la chose est teile, ä quoi me resoudre?, 45 Certes, j'ensevelirai mon frere qui est le tien, si tu ne le veux pas, 111 leve contre notre terre pour la cause douteuse de Polyneikes.

A i a s.

A. Nauck, Sophokles. Erklärt von Schneidewin. 1. Bändchen: Allgemeine Einleitung, Aias. Siebeute Auflage besorgt von A. Nauck. Berlin 1877. XII, 201 S. 8.

Eyth, üebersetzung des Sophokleischen Ajax. Progr. d. Seminars in Blaubeuern. 1877. 19 S. 4.

Von den neuen Vermuthungen Nauck's heben wir die zu V. 804 hervor: xahcv für jioXeTv. Eine Aenderung wie ähfLaxrjM xkönv 790 (für Tjv rilyrja' lyw) entspricht allerdings der Ansicht, welche Nauck in der Vorrede über den Zustand des Sophokleischen Textes darlegt; ob sie auch einer wissenschaftlichen Methode entspricht, ist eine andere Frage. Doch wollen wir nur der extremen Richtung Nauck's entgegentreten, nicht etwa für den Standpunkt des dort bekämpften Gegners Partei er- greifen.

Die üebersetzung des Aias von Eyth schliesst sich der im Jahres- bericht 1874/75 S. 426 besprochenen Uebei'setzung der »drei schönsten Tragödien« des Sophokles an. Es gilt von ihr das Gleiche. Ausdrücke wie »halt deinen Mund« dürften minder geeignet sein für den Ton der antiken Tragödie.

V. 601ff. will Autenrieth (Jahrb. f. Philol. 115 S. 273f.) lesen: ^IBaia Tefivwv Xscfiwvca Tzocfivca {irjXiuv a.vrj\'u-uv aikv euviu/j.ac tiö&üj rpu-

V. 1281 verrauthet Fr. Pflügl (Jahrb. f. Philol. 115 S. 408) ov ouSafMod ^ijg ou8k aoo ßr^vat 8i^a [Was soll ouoi'i Verständlich ist nur ov ouSa/MotJ ifTjQ aoo oiy^ eiißrjvat nodi, wie ich Ars Soph. em. p. 29 vor- geschlagen habe].

Elektra.

N. Wecklein, Ausgewählte Tragödien des Sophokles zum Schul- gebrauche mit erklärenden Anmerkungen versehen. Drittes Händchen : Elektra. München 1877. 91 S. 8.

15*

228 Griechische Tragiker.

A Nauck, Sophokles. Erklärt von Schneidewin. Fünftes Bänd- chen: Elektra. Siebente Auflage, besorgt von A. N. Berlin 1877. 186 S. 8.

Naumann, Die Cäsuren im Trimeter der sophokleischen Elektra. Gymn.-Progr. von Beigard 1877. 16 S. 4.

Aus meiner Ausgabe führe ich hier nur folgende (neue) Conjektu- ren an: 159 enthält eine Reminiscenz an Homer II. 11, 142, wonach wahrscheinlich auch für das nach ya Muxrjvaiwv unnütze zdv8s yäv 163 zrjXÜYETov geschrieben werden muss. 169 ist idärjv für i.8drj zu lesen (»was er mir durch Boten kund gethan«), weil in der folgenden Begrün- dung nur von Botschaften gesprochen wird, die von Orestes an Elektra kamen, gerade wie 1154f. -298 riaooa er' für rcaouffd y\ 1070 uvoazd für voaz'i. 1097 äpiaxuv alvov Sc' eöaißeiav für äpiara toi Scog euasßeia, 1240 räv ddjXTjT dei für zäv ackv dojxrjrav, 1281 a> (piX\ dvcx' exXoov für w ^ßac, exXoov, 1297 TiapeXMvrocv für emXhovrotv, 1878 'niavrjv für 7:poü(TTrjv, 1394 veaxov^ /id/atpav izipoiv i^^cüv. Vergl. die Besprechung von Metzger in den Blättern für das bayer. Gymn.- und Real -Schul- wesen XIII S. 450 - 452, welcher 93 oYxtodv für ol'xwv und 1240 dXV oux ^Apzep.tv (die Position fällt weg!) ddpijzav dd vermuthet.

Naumann sucht an den Cäsuren der Elektra die Cäsuren des Trimeters überhaupt festzustellen. Er leitet die Zerlegung eines länge- ren Verses in Abschnitte mit Christ von dem Bedürfniss des Athemholens ab, und gestattet die Befriedigung dieses Bedürfnisses nur da, wo Satz- bau, Interpunktion und Sinn es zulassen und unser rhythmisches Gefühl nicht beleidigt wird. Darnach findet er in der Elektra die Cäsur nach der ersten Thesis 4 mal, nach der ersten Arsis 62 mal, nach der zweiten Thesis 86 mal, nach der zweiten Arsis 24 mal, nach der dritten Thesis (Penthemimeris) 602 mal, nach der dritten Arsis 30 mal, nach der vierten Thesis (Hephthemimeris) 401 mal, nach der vierten Arsis 47 mal, nach der fünften Thesis 18mal, nach der fünften Arsis 33 mal. Ein jeder Tri- meter hat nach Naumann's Ansicht eine Cäsur mit Ausnahme des ersten, weil durch Annahme der Hephthemimeris die Worte 'Ayapipvovog naT von w ZOO azpazriyijaavzoQ gewaltsam getrennt würden. Wir glauben, dass bei dieser Theorie bloss dem Sinne, nicht dem Rhythmus Rechnung ge- tragen wird, dass aber der griechische Vers als ein künstlerisches Ge- bilde zunächst von der zweiten Seite betrachtet werden muss.

F. V. Fritzsche, Lectionum Sophoclearum P. II vor dem Ind. lect. hib. Rostock 1876. 8 S. 4.

macht zur Epodos der Elektra unter anderem folgende Bemerkungen: zu 1416 giebt er dieselbe Erklärung, wie ich sie in meiner Ausgabe ge- geben habe: »utinam (porro diceres:) Aegisthoque simul« ; 1422 f. schreibt er: foivia ok ^sc'p azdCsr dor^Xäg S' "Aptng oux zyiu ?Jy3c)> (»victimas

Sophokles. 229

vero MarHs non habeo dicere« i. e. »nescio quem res eventum habuerit«), 1434 Td3' uji; re^sTv (was grammatisch unbrauchbar ist), 1485 f. ßpovsuov <Tuv . . ipipzi; diese beiden Verse werden als eine ursprünglich in einem Scholion beigeschriebene Parallelstelle aus Sophokles oder Euripides be- trachtet. Die Aenderung von Musgrave zu 686 zdcpiatt wird erklärt und belegt mit Luciau Tim. c 20 apa yuüv ir.tazv rj uanhj^ xdyw ^Srj dvaxrjpuTTo/iae vsvcxr/xwg, uTtSfjTujSrjaag arddcov ou8k cduvrwv iviors tu)V Bsaribv, Anthol. Pal. XI 86.

1007 f. will Pflügl Jahrbücher für Philologie 115 S. 240 nach 1170 umstellen.

1251 vermuthet Ben. Niese Hermes XII S. 398 dXX uzav nap- pr^ata r^poorj, tot' ipyojv xrk.

OldiTzoug Tüpavvog.

Martin Stier, lieber den /König Oedipus« des Sophokles. Ein Vortrag. Pädagog. Archiv 1877. S. 321-341.

G. Greiff, Se le tre tragedie di Sofocle Edipo Re, Edipo a Co- lono 6 l'Antigone formino una trilogia, Gymn.-Progr. von Triest 1877. 34 S. 8.

Der populäre Vortrag von Stier legt zuerst die Sage, dann die Handlung des Stückes dar, giebt darauf eine Charakteristik des Oedipus und sucht endlich die Idee des Stückes zu bestimmen, womit er ganz in das Gebiet christlicher Ideen und zu einem salbungsvollen Schluss ge- langt. Wenn man die Charakteristik des Oedipus liest, möchte mau sagen, Oedipus büsst für die Sünden des Sophokles. »Oedipus vergisst sich zu reinigen von dem Morde, vergisst nach seiner Thronbesteigung die Rache seines Amtsvorgängers«. Was also die Oekonomie des Stückes mit sich bringt, wird auf Oedipus gewälzt. Ueber die Idee des Stückes erhalten wir folgende Belehrung: »Oedipus kann für die Sünden seiner Eltern büssen , weil ihm die Unbesonnenheit beider, der Leichtsinn sei- ner Mutter und der Stolz und die Leidenschaftlichkeit seines Vaters eigen ist«. »Indem Oedipus, der göttlichen Warnung ungeachtet, zu einer Zeit, wo er über seine Eltern ungewiss in jedem Greise seinen Vater, in jeder Matrone seine Mutter vor sich zu haben besorgen musste, so leichtfertig war, einen unbekannten Greis, der den Jahren nach sein Vater sein konnte, zu erschlagen und mit einer unbekannten Matrone, welche den Jahren nach seine Mutter sein konnte, eine Ehe einzugehen, hat er sich der Schuld seiner Eltern theilhaftig gemacht, und was er gethan, ist die Folge nicht nur von fremder, sondern auch von seiner eigenen Sünde«. »Weil seine Schuld darin ihren Grund hatte, dass er nur was vor Augen ist sehend zur Einkehr in sich selbst keine Zeit fand, darum muss er sein Augenlicht verlieren, damit er nun der gan- zen ihn umgebenden Sinnenwelt abgestorben nur in sein eigenes Inneres

230 Griechische Tragiker.

schauend endlich zur Selbstprüfung geführt werde, damit er durch die göttliche Gerechtigkeit gezüchtigt, gedemüthigt, geläutert, gerettet werde durch die göttliche Guade«. So erfahren wir manches, woran Sophokles nicht gedacht hat; das, woran Sophokles gedacht hat, liegt dem Ver- fasser fern. Vergleiche unseren vorigen Jahresbericht S. 60 ff. und die Einleitung zu meiner Ausgabe.'

Die Abhandlung von Greiff beweist neuerdings eine schon oft bewiesene Sache, die eigentlich keines Beweises bedarf, dass nämlich die drei Thebanischen Tragödien des Sophokles keine Trilogie gebildet haben. Wesentlich Neues haben wir nicht darin gefunden.

Bei der Besprechung von »Sophokles König Oedipus erklärt von G. Wolff, zweite Auflage, bearbeitet von L. Bellermann« in der Zeitschrift für die österr. Gymn. 28 S. 337—362 versucht M. Gitlbauer eine Analyse der lyrischen Metra, erklärt napüvxa 971 »die gegenwärtig in Rede stehenden Weissagungen«, vertheidigt die handschriftliche Les- art Tizxpainq b raopog 478 (mit Recht, nur kann die Erklärung, der Ar- tikel gebe dem Bilde eine bestimmte Färbung, nicht genügen, vergleiche unsere Ausgabe), vermuthet 17 sf? 8h . . ßapOg, 464 ds^^lg sc8s nizpa u. a.

416 vermuthet Hipp. Dulac Revue de Philol. n. s. 1877 p. 268 xdm yr^g äfMa.

Anti g 0 n e.

Theodor Hertel, Leidet die Sophokleische Antigone schuldig oder unschuldig? Nebst kritischen und exegetischen Bemerkungen. Gymn.-Progr. von Torgau 1876. 21 S. 4.

Theodor Kayser, Sophokles Antigone deutsch. Tübingen 1878. 82 S. 8.

Hertel will nachweisen, dass Antigone unschuldig leide; nach seiner Meinung kennzeichnet V. 523 outoc auvi^^ecv, dUä ffufx^chcv i(pov aufs Kürzeste die Handlung bis zum Auftreten des Sehers: Kampf der Liebe Antigone's mit dem Hasse Kreon's. Der Chor tadelt Antigone we- gen Unbesonnenheit und Leidenschaftlichkeit, er tadelt nicht die That der Bestattung. Er betrachtet die Handlung derselben als unklug und bewundernswerth zugleich, als bewundernswerth, weil er fühlt, dass sie edel ist, als unklug, weil er sieht, dass sie in Gefahren und Leiden stürzt. Der Verfasser wendet sich dabei besonders gegen die Ansicht von Berch (»über den Chor in der Antigone«), dass der Chor die Auf- fassung des Dichters wiedergebe und dass dem Tadel des Chors gegen- über der Beifall des Volkes (693 ff.) von zweifelhaftem und geringem Werthe sei. Wir vermissen das richtige Verständniss des Stückes und der Intention des Dichters, wie auch die Behandlung einzelner Stellen mehrfache Missverständnisse zu Tage treten lässt. So weist Hertel 834 838 einfach dem Kreon zu, 895 verwirft er, mit nphg toös ifiaut^g

Sophokles, 231

einen neuen Satz beginnend; ebenso 941 (mit Dindorf): »ich denke, be- merkt er charakteristisch dazu, die Streichung der beiden üblen Verse kommt nicht blos der Antigone, sondern auch dem Dichter zu Gute«. Von anderen kritischen Versuchen wollen wir zur Ehre des Verfassers schweigen. Der zweite Theil enthält exegetische und kritische Bemer- kungen zum Oed. Tyr. und Oed. Col. (und zu Horaz). Man kann höch- stens folgendes der Erwähnung werth erachten: 0. T. 572 ^uvrjXd' ig raur\ ifidg, 1030 (tojttjp ye rw tot iv novo), 1034 dcaTopoug tzoSwv dx- fidg »verwundende Fesselschneiden«, 0. C. 266 insl to. f epya ps m- tcov&ot' Ya&i jxäKXov ^ SsopaxoTa.

Die allerliebst ausgestattete Uebersetzung von Kays er sucht das antike Stück weiteren Kreisen zu erschliessen durch eine gefällige und leicht verständliche Ausdrucksweise und durch modernisirte Form des Versmasses, indem an die Stelle des Trimeters der fünffüssige lambus gesetzt und die Chorgesänge in geläufigen, einfacheren Rhythmen unter Anwendung des Reims mit Beibehaltung der antistrophischen Responsion gegeben sind. Diesen Zweck angenommen, verdient die mit poetischem Sinn und Talent gefertigte Uebersetzung volles Lob und darf sie unter den vorhandenen als die geeignetste für ein grösseres Publikum betrach- tet werden. Ganz gefällig lesen sich die Chorgesänge, z. B. das erste Strophenpaar des I. Stasimon: »Ob die Welt an Wundern reich. Keines ist dem Menschen gleich! Von des Südes Wuth umstürmt Kommt er durch die See gezogen. Durch die dunkle, von der Wogen Wildem Schwalle hoch umthürmt. Selbst der Allgebärerin, Erde der ewigen, matt sich nie fühlenden Trotzt er; am Pfluge dem alles zerwühlenden Treibt er die stampfenden Rosse dahin. Harmlos froher Vögel Schaar, Was der Tiefe Schooss gebar. Was sich regt in Berg und Land, Alles lockt er listger Weise In des Garns gewundne Kreise, Reich an Einsicht und Verstand. Ob sie noch so trotzig, doch Greift er die Thiere, die bergedurchstreifenden. Zwingt er das mähnige Ross und den schweifen- den Stier in das nackenumschliessende Joch«. Wenn bei solcher Gestalt der Chorgesänge der Verfasser auch von dem Originaltexte ziemlich weit abgehen muss, so ist doch sonst möglichste Treue des Sinnes gewahrt und findet man nicht die mannigfachen Missverständnisse wie in anderen Uebersetzungen. An einzelnen Stellen allerdings, glauben wir, ist der ursprüngliche Sinn nicht wiedergegeben, z. B. im »ersten Akt« V. 19 »rief ich dich hinaus« (nach einer unrichtigen, allerdings auch von an- deren Interpreten gegebenen Erklärung), 88 »Du zeigst wo Kälte noth ein heisses Herz«, 91 »nun, wenn ich es nicht kann, so lass ich es« (es fehlt die Pointe die in mnaüaoiiai liegt; die zehn einsilbigen Wörter sind auch nicht musterhaft), 229 Bleibe! ifievs7g au; drückt das Gegen- theil aus), 323 »schlimm wenn man wähnt und gar noch falsches wähnt« {vifiTin nicht nur kein Witz, sondern auch kein rechter Sinn liegt) u. a.

Nach ähnlichen Grundsätzen hat Schwarz (siehe oben S. 221)

232 Griechische Tragiker.

einzelne Scenen aus der Antigene und dem Oedipus auf Kol. übersetzt, aber nicht mit dem gleichen Erfolg. Man halte nur die Uebersetzung derselben Stelle mit der obigen zusammen: »Vieles Seltsame wohl lebet. Doch Seltsameres athmet nicht, Als der Mensch im Sonnenlicht. Ob sich Wogenschwall erhebet, Setzet er in Sturmeswuth Durch des Meeres graue Fluth. Auch die Erde selbst die grosse Göttin, die nicht Mattigkeit Fühlt noch altert in der Zeit, Müht er durchs Geschlecht der Rosse Kreisend drauf von Jahr zu Jahr Wühlend mit des Pfluges Seh aar« u. s. w, 124 f. verlangt E. A. J. Ähren s Philol. 36 S. 444 dvrcm^w Suff- ^eipwfxa Spdxovzog: »es soll angedeutet werden, dass der von Ares be- geisterte Angriff der Thebaner von allen Seiten (a/z^J vibza beim Adler s. v. a. dix(p\ ffwfjLo) erfolgte und darum ein Unglückskampf für ihre Gegner wurdea.

R. Rauchenstein zu Sophokles Antigone. Jahrb. f. Philol. 115 S. 452-454

macht unter anderem folgende Verbesserungsvorschläge: 241 su fpoiiitd^si (wie auch ich A. Soph. em. S. 85 annahm), 326 zädrjAa xiporj (ebenso ebendaselbst S. 45), 376 wg dacpovcov ripag äpiptvoto rode' ncug . . «vr^- Xoyrjau); (»wie eine Wundererscheinung betrachte ich dies mit zweifelndem Sinne«), 1098 tmI Msvocxdcug, wv, 1102 xal doxsT napztxaS^elv^ 1110 sig in6<f'!ov ttsoov, 1250 yvwprj yap oux aTiecpog, 1301 ^5' d$08-rjXTog (fot- via ßvjpuv Tiipt Xüet. zdXaiva ßXifapa.

578 schreibt R. Engelmann Berliner Zeitschrift für das Gym- nasialwesen 1877 S. 465 469 ixBeräg (vielmehr ixodvag) 8k XP^^ ausserdem 23 f. Xiyouat^ wv dixrj y^prjdBat otxaiwv, 351 mnov äys.i xs. xac dp<p\ Xucpov ^uyuT.

1035 vermuthet L. Schmidt Philol. XXXVII S. 343 ä&paxrog.

OldiTcoog £7:\ KoXujvS}.

L. Campbell, The topography of the Oedipus Coloneus. Jour- nal of Philology VII (1876) No. 13 S. 116 -123.

Campbell erkennt in der Kapelle, welche die Inschrift trägt EIKOI ATIA EAAIOriA ASHNA + HAN ATI A MISOXOPI- TIZA KAPI1A9Ü, die er deutet: olxog ayiag eXeouarjg, ig rag 'A&^- vag, Tiavayiag peao^wptzcaarjg ig Kdpnaf^ov, den Mittelpunkt des Eume« nidenkultus am Kolonos. Auf seine übrigen Hypothesen brauchen wir um so weniger einzugehen; als er zu denselben die Annahme braucht, beim Eintreten des Chors habe eine Scenenveränderung stattgefunden.

Zu V. 350 f. schlägt Metzger Blätter für das bayerische Gym- nasial- und Real-Schulwesen XIII S. 169 vor zu lesen: wg au&cg dp-(^g npöo&s xoipavog ysyuig Tiprjv xa[^i$ujv Tipog Ka8peuuv nsSov. Er macht auch den Versuch zu erklären, wie die überlieferte Lesart daraus entstanden sei.

Euripides. 233

V. 988 schreibt K. Walter Jahrb. f. Philol. 115 S. 737 alwao- liai^ 1074 epBooa , ou fxiUouacv.

Ueber Jos. Noväk, 0 nekterych doranelych naräzkäch politickych V Sofokleove »Oedipu Kolonsk6m«. Gymn.-Progr. von Jindnchove Hradec (Neuhaus in Böhmen) 1875 37 S. 8. und

J. Czubek, Edyp w Kolonie. Tarnow 1876. 69 S. 8. (eine Ueber- setzung in's Polnische) kann ich kein Urtheil abgeben.

92 will Carl Schirlitz Jahrb. f. Philol. 115 S. 106-108 rocouade (»uns die wir so tüchtige Männer sind«) schreiben.

Den Prolog nimmt derselbe Philol. XXXVII S. 43-57 gegen die Athetesen Richter's (vgl. im vorigen Jahresbericht S. 66 f.) in Schutz.

Fragmente.

Zu fr. 821 bemerkt Ty. Mommsen Parerga Pindarica. Gymn.- Progr. von Frankfurt a. M 1877 S. 25, dass die Emendation von Heira- söth idpa . . iv iox^rj] handschriftlich bestätigt werde durch den Zu- satz in Med. B dvTi zoi> iv r^ r.püjTjj.

Euripides. R. Roeding, Fabulas Euripideas quae insunt in codice Parisiuo

o

2712 iterum contulit. Upsala Universitets Arsskrift 1876. 11 S. 8.

H. van Herwerden, Ad Euripidem. Mnemosyne N. Ser. vol. V p. 21 46.

Fridericus Roemheld, De epithetorum compositorum apud Euripidem usu et formatione. Gissae 1877. 212 S- 8.

C. Rieck, De adiectivorura compositorum usu Euripideo. Gymn.- Progr. von Neu-Strelitz 1877. 20 S. 4.

Guilelmus Wilke, De ellipsi copulae verbi £?vai in fabulis Euri- pideis. Diss. von Breslau 1877. 27 S. 8.

Cl. Aug. Funke, Legem stichomythiae quibus rationibus observa- verit Euripides. Diss. von Rostock. 1875. 53 S. 8.

Joannis Aspriotis, Tispl raiv EupcmSsiiov npo^oywv. Diss. von Göttingen. 1876. 32 S. 8.

Richard Arnoldt, Die chorische Technik des Euripides. Halle 1878. XI und 363 S. 8.

Richard Haupt, Die äussere Politik des Euripides. Gymn.- Progr. von Plön 1877. 34 S. 4.

J. J. C. Donner, Euripides. Deutsch in den Versmassen der Urschrift. Dritte Auflage. 3 Bände. 1876. 436, 378, 396 S. 8.

234 Griechische Tragiker.

Anton Widemann, Das Euripideische Drama und dessen Einfiuss auf die dramatische Literatur der späteren Zeit. II. und III. Gymn.- Progr. von Regensburg 1875. 24 S. 4, von Straubing 1877. 31 S. 8.

Roeding giebt von dem cod. Par. 2712 (E bei Kirchhoff), welcher sechs Stücke (Hec. Or. Phoen. Androm. Med. Hipp.) enthält, eine neue Collation; nur die Androm. glaubte er nach Lenting's sorgfältiger Colla- tion nicht neu vergleichen zu müssen. Wir würden für diese Arbeit dankbar sein, wenn nicht Prinz in der Jen. Lit.-Zeit. 1877 Art. 594 dieselbe nach einer eigenen Collation als ungenau und unzuverlässig bezeichnete.

Die neuen Conjekturen von Herwerden sind grösstentheils lusus ingenii, oft ansprechend, aber keineswegs überzeugend; manchmal auch leichtfertig. So wird zu Iph. T. 1390 bemerkt: substantivum arevayiiug aeque male coit cum adiectivi ^düg atque verbi ixßpu^äaUac notione. Reddiderim Euripidi: ol Sk xsxpayfibv rj8uv ixßpu^cuiisvoc. Der Schluss von Hik. 100 nrjripeg zixvojv wird in {pLrjvepsg ndpa oder) /xr^Tspsg Späv verwandelt. Der scharfsinnige Kritiker übersieht, dass er die Position beseitigt hat! Anderes ist längst von anderen vorgebracht. Wir erwähnen folgendes: Ale. 7l7 arjiieca rrjQ otjq y\ B^coh. ZS dvop6<poug rj)tTat nizpag^ 257 (Txomcv TirepcuTa, 824 xac reg st Xiav aocpög, Hec. 143 ist Interpola- tion, 227 yiyviuax dvdj'xr^v, 332 ns^uxe yäp To^fiäv S xri., 820 823 stammen aus einem anderen Stück, 836 xojXoiai oder x\>rjiiai(Tt für xöfiatat, 1217 otg ^aveT^ El. 236 daBzMTjg Se zoc (pzöyujv dvrjp, 484 {ahv} in foviov^ 910 ^puXwv Off' ecmcv, 1206 f. iujv TzinXiuv ißaXhv s^u> fiaffrov, \2\h ribtcaa ^slpag, Heracl. 169 inst, tu Xwffzov, iXm'S' zupijaetg fiovov, 502 napiffTüff^ai ff^ayet, 537. 538 sind interpolirt, 593 ot xaxoö/xevot ßpo- TÖiv, 1024 TU yäp dpwff' oux dntarrjffu), Herc. 530 daxpi/ovre, 576 ist in- terpolirt, 667 tffov dv iv nsMysaaiv äarptuv vaöratg dpt&fiög fteXet, 672 soll au^ei bedeuten rtfia : deficiente certo praestantiae humanae indicio horaines non meritis sed divitiis iudicari atque honorari solent, 729 Xe- X^ffSTat, 746 ^Xma' ifiTtareTv yäv dva^ (fehlerhaft!), 770 rjX&ev ^fitv, 884 xareßaXsv datfiojv , 961 f. die Worte xaXXtvtxog . . oTtstnojv scheinen un- echt, Hiket. 537 MnTStv StSoOg, 578 iv xövst ßdXj), 639 p-axpoü ' noXüaui, 677 iffXTjffav ig iidXrjv 8op6g, 686 ist Interpolation, 1049 rtg dpa -rtg ffToXog, Hipp. 407 ^p^sv, 1070 atar | {^mpely npug rjnap, 1117 Steuzu- Xotrjv, 1296 zaxTÖv ßtorou fiepog iffrt'v, Iph. A. 507 ixeriBi^xag, 951 ou8' EffT äxpav x^tp' offTcg ifißaXtt ninXotg, 1332 dvSpdatv epnst, 1480 dp.^} vaov ist ein byzantinisches Glossem, Iph. T. 452 xdv yäp dveipotfft ffuvsirjv, 571 ivt de Xunstffßat povov, 586 ^ovia vofitZojv /stpa, ruv vuixov 8s nou mit Tilgung des folgenden Verses, 593 ffudr^r ixstoe, 699 ovopd TS 8tayevotT' av, 756 xup.dTa)V xdTa, 799 ;jf£^ac, 833 ojg 8' auTiog ipov, 935 wffB' atp.aTr]puv da^pd y^ ipßaXstv, Cycl. 166 nsTpag xdTa, 389 iy^ias, Med. 133 f. die Worte dXXä, yspaiä, Xs$ov und tu yüvat sind zu tilgen, 641 asßouaa ^un^povojv^ 805 rsxvwffsi zdxu' , 853

Euripides. 235

Tzdvrjj ndvTcog, 862 a^rjasiQ nori, nujg 8umas:, 933 tcDv 8k vov ixvrjad^rjao- jiai, 1260 ecsT ocxiuv (TrahTaav (poviav 'Epcwv, Or, 46 näjkog ujg bno ^uyoü cl. Athen. 108 B, 93 oa da^olöq ye, 4:13 Setvä 8etv' elpyaa}xevoog^ 530 Iv yoüv, 1168 izrjüpsq xa^wg, 1220 ist interpolirt, 1361 pkv yäp ol8a mivo aa<puig . to. 3' ou (Ta<pwg, 1464 npo8oi)a evapycjg, Rhes. 428 d$evou 8' d^cxo/xrjv növ-ou npög dxrdg, Tro. 155 reg Xöyog t^xei; 177 töcö-^' 'ATpsc8äv inaxoiXTopsva, 781 ^P^/^ ^^^ XPVi 1053 f. earac 8' o ßoöXer xai yap 00 xaxwg Äsysig, Phoen. 1215 oux äv iniXi^aip.^ in'' dyaBoTai aot {aot schon Heimsoeth) xaxd, 1435 napaoTaroua opoü, fr. 307 cSpupdrcuv für kSpaapdzcuv, 440 ttjv napaoT (repentinam) ebnpa^iav, 775, 27 ep^ov- rac, 908, 5 xoux earcv opog xeipevog ouSelg stg ovrcva )rprj xiXaai (für reXiaai) &\>rjToög (dann müsste es wohl vorher auch xobx scfB' op/iog heissen).

Roemheld giebt eine sorgfältige Classifikation der zusammenge- setzten Adjektiva des Euripides. Er theilt dieselben in drei Klassen: epitheta necessaria, descriptiva, ornantia, unterscheidet in jeder Klasse drei Arten der Zusammensetzung: determinativa, dependentiae composita, attributiva, davon wieder verschiedene Unterarten nach der sprachlichen Bildung, bei den dependentiae composita auch nach der Bedeutung, in- dem A. nominalia, B. verbalia unterschieden und die verbalia in zwei Arten getheilt werden, je nachdem der erste Theil des zusammengesetz- ten Wortes mit einem Accusativ {dvBpu)noxr6vog) oder mit einem Dativ (Lokativ, Instrumentalis, ^Kpox-övog) übersetzt werden muss. Mit ge- nauer Scheidung werden die Beispiele den betreffenden Arten zugetheilt; nur hie und da bietet sich Anlass zu einer Erklärung oder besonderen Erörterung. Wir heben daraus folgende Bemerkungen hervor: (peü8opxog Med. 1392 wird erklärt »den Eid lügend«, xalammpog tolerans pericula (von der Wurzel nep wird r.wpov = periculum wie fwp von der Wurzel fep^ 8w{ia von 8£fi abgeleitet), vauXö^og navibus quasi lectum praebens (direkt von der Wurzel -^s/, nicht von Xo/og), d\^apcuxrjg venti celeritate utens (von -^xrj, dx-fj.^ wie noSwxrjg pedum celeritatem habens, dpfrjxrjg utrimque aciem habens), auM8rjg semet ipsum delectandi obiectum habens (von ^8og), röv iptloxiaao(p6po'> Bpojxcov Cycl. 620 hederigeros amantem (andere (pdoüvza tu xtaaofopeiv). Die epitheta descriptiva werden Göttern beigelegt {ßrjpoxzüvog "ApT£p.tg\ Heroen {rpixopuBog Aldg), Völkern, Gegenden, Ländern {<piXm7ioi Tpcüeg\ Waffen {ndyy^aXxog al^p^), auch anderen Gegenständen, wie der Cither, Lyra, dem Schiffe, endlich Thieren (mnwv ra^(jr68cov). Von den epitheta ornantia sind zwei Klassen zu unterscheiden : solche, welche sich auf die Schönheit, die Pracht, den Glanz, die Trefflichkeit von Personen oder Gegenständen beziehen, sol- che, welche Geräthe aller Art als golden, silbern, purpurn bezeichnen (nach Düntzer hom. Abhandl. S. 509). Von den drei Klassen sind ausgeschieden und für sich behandelt die Epitheta, welchen eine Perso- nifikation zu Grunde liegt, die von dem körperlichen oder geistigen Wesen

236 Griechische Tragiker.

des Menschen entnommen sein kann. Der zweite Theil der Schrift

handelt über den künstlichen Gebrauch der zusammengesetzten Epitheta. An erster Stelle wird über die Epitheta gesprochen, die mit Epitheta zu übersetzen sind, und zwar zunächst über die enallage epithetorum. Für diese werden drei Gründe gefunden: die Umschreibung eines Be- griffes wie ^Xcou xuxXog für rjhog^ die Zusammenfassung des Substantivs und des Genetivs zu Einem Begriff wie zuaslg dvi/xcov moai (lieblich wehender Windshauch), die rhetorische Hebung eines Begriffs. Daneben mag auch die Absicht, die Häufung von Genetiven zu vermeiden, ein Anlass gewesen sein. Hiernach behandelt der Verfasser diejenigen Com- posita, in welchen ein Theil dem Substantiv synonym {8s$cäg zuojXbvüu) oder ganz gleich ist {nüSa ahv ru^Xünouv), und leitet diese Abundanz des Ausdrucks aus dem Streben nach Veranschaulichung und nach ge- wählter Ausdrucksweise ab. Entsprechend sind die appositiva wie Maauj ndpeSpog vexpw. Hierher gehören auch die epitheta, deren zweiter Theil {ecSijg oder wSr^g, uj(})^ '^P'TiQ-, nuXog) zwar nicht dem Substantiv synonym, aber überflüssig ist. An zweiter Stelle werden die Epitheta besprochen, welche nicht mit Epitheta übersetzt werden können, sondern entweder für Genetive von Substantiven gesetzt sind oder einen Relativsatz, einen Präpositionalausdruck vertreten. Von der ersten Art lassen sich vier Fälle unterscheiden: 1. rpfndpBsvov ^süyog, rpayoxrövov cup-a (i. e. xra- BdvTog Tpayou aJpa), ehdXiov nüp (i. e. xaXov rJjp ijXiOu), 2. dvdyxrjv aiTO- 7T0CUV (des Brodbackens), 3. Srjprjyupoug rtpdg (eines Volksredners), 4. iv ^omcg ^rjpoxTÖi'oeg (der eine Theil des Epithetons ist überflüssig). Bei- spiele der zweiten Art sind eurdxvoug ^pr^apoüg oracula de pulchris liberis edita, dvö^zcpog xdXsuBog, iyysvrj xrjoecav (Verschwägeruug mit Verwandten) u. a. Am Schluss wird noch eine Tabelle gegeben, welche den Umfang des Gebrauchs der verschiedenen Arten der Epitheta in den einzelnen Stücken übersichtlich darstellt. So ist dieses wichtige Capitel der tragischen Ausdrucksweise in ausführlicher und gründlicher Weise be- handelt. Ueber einzelne Mängel und Lücken vergleiche unsere Be- sprechung in der Jen. Lit.-Zeit. 1878 Art. 59.

Weniger eingehend und gründlich und mehr äusserlich die Sache betrachtend, unterscheidet die Abhandlung von Rieck vier Arten der zusammengesetzten Adjektiva: 1. solche, wo ein Theil des zusammenge- setzten Wortes unnütz ist {xaxo-o^stg norpot, suoppo: Xtpiveg^ SoptBrjpa- rog Xöy/^g o-ly^p^^ Srnru^ot zupavvcdeg), womit Euripides die mangelnde Höhe des Tons durch leeren Schall von Worten habe ersetzen wollen; 2. solche, wo das Adjektiv einen Genetiv ersetzt {vatxpQopog azoh^, dvdyxrj aironotog, welches erklärt wird dvdyxrj zou aizonoteh). Darnach wird Iph. T. 411 (fdonXouzov dpdXav gedeutet aptXXav zoü (piXoizXoozzTv^ was un- richtig ist. Als weitere Art werden hierher gerechnet, aber mit yevöpevog ZU) und dem Infinitiv erläutert, Ausdrücke wie t^Sovt) ßou&uzog = ^8ov^ yevo- pdvrj zw ßouUuzecv. 3. Fälle der Hypallage, wobei ausgeführt wird, dass

Euripides. 237

die Bestimmung von Matthiä (zu Phoen. 30) zu eng sei, der die Hypal- lage auf die Fälle beschränkt, wo das Substantiv mit dem Genetiv einen einzigen Begriff umschreibt oder der Genetiv fehlen kann. 4 Solche Ad- jektive, die durch Auflösung der einzelnen Theile erklärt werden können, xaXh-^öpüug doißdg = xaXrxg -^opujv äot8dg, xakXmatg (Tviipavog = xaXwv Tiatdüjv azifavog ^ ßopa dvHpwnoxrovcp = ßopa dvd^pwmuv (povEutUvrojv. Die Dissertation von Wilke über die Ellipse des Verbums shat, welche zahlreiche Missverständnisse aufweist, hat wenig Werth. Ich hebe nur einige Bemerkungen heraus. Nur an drei Stellen ist ia-c bei Adj. verb. in reog gesetzt; slxug hat nur an drei Stellen die Copula bei sich, und zwar an zwei das Impf, ^v, das nicht leicht fehlen kann, Or. 539, fr. 818, an einer Stelle Med. 345 eartv. Diese Bemerkung ist mir desshalb von Interesse, weil sie mir die Vermuthung, dass der unnütze V. Med. 345 von Interpolation herrühre, bestärkt. Bei Euripides sollen sehr häufig, abweichend von der Prosa, Participia ohne Copula statt des verb. fin. stehen. Wir sind darüber erstaunt, bis wir Beispiele lesen wie Hec. 118f., Heracl. 40, Iph. T. 820 (horrende Missverständnisse!). Der Conj. fi soll fehlen Iph. T. 67, wo vielmehr iazc zu ergänzen, und Hipp. 659, wo sicher eine Corruptel vorliegt (Herwerden exorjn^). Für die Ellipse von Eivai hat der Verfasser nur Ein Beispiel gefunden Ale. 692, welches anders aufzufassen ist.

Die Abhandlung von Funke über die Stellen des Euripides, an welchen die Stichomythie unterbrochen erscheint, bedeutet nicht viel. Ich erwähne daraus nur die Ansicht, dass zwischen Ale. 817 und 821 eine Lücke durch Interpolation ausgefüllt, nach Bacch. 842 ein Vers ausgefallen sei.

Aspriotis erörtert die verschiedenen Ansichten über die Prologe des Euripides und sucht dann die Bedeutung und Entwicklung derselben zu bestimmen. Gegen die Meinung von Hermann, dass der Gebrauch des erzählenden Prologs in den Neuerungen seinen Grund habe, welche Euripides an den schon von Aeschylus und Sophokles behandelten Mythen habe vornehmen müssen, wendet derselbe ein, dass nicht blos diejenigen Stücke Prologe haben, deren Stoff schon von Aeschylus und Sophokles benutzt worden sei; dann dass Stücke, die einen umgeänderten Stoff haben, wie die Helena und Elektra, auch ohne Prolog verständlich sein würden; drittens, dass auch die früheren Tragiker die Mythen geändert und in eigener W^eise dargestellt hätten. Ein bemerkenswerthes Urtheil haben wir in der im übrigen fleissigen und mit Verständniss abgefassten Abhandlung nicht gefunden.

Arnold t giebt zunächst eine Uebersicht über die Gliederung der Euripideischen Stücke. Er gesteht dabei nur der Parodos und den Sta- sima gliedernde Bedeutung zu, nicht den Kommoi und den »Wechselge- sängeu des Chors«. Er betrachtet nämlich als Stasima die Gesänge des Gesammtchors, welche bei Ruhepunkten der Handlung, häufig bei leerer

238 Griechische Tragiker.

Bühne, eintreten, während er die Gesänge, welche bei aufregenden Situa- tionen der Handlung von einzelnen Mitgliedern des Chors vorgetragen werden oder vorgetragen werden sollen, den Kommoi an die Seite stellt, die schon nach der Angabe des Aristoteles <Poet. c. 12) keinen Einfluss auf die Gliederung des Dramas haben. Darauf folgt eine Charakteri- stik des Chors in den Tragödien des Euripides in Bezug auf den An- theil, welchen der Chor in den einzelnen Stücken an der Handlung nimmt; es wird ausgeführt, wie Euripides es liebt, den Chor in seinen äusseren Verhältnissen derjenigen Person des Stückes, welcher er sich als Ver- trauter anschliesst, nachzubilden; ferner wie der Chor mit der Zeit sich bei Euripides mehr und mehr von der Handlung zurückzieht. Von den besonderen Beobachtungen dieses Abschnittes erwähnen wir den schönen Nachweis, dass der Chor der Schutzflehenden aus fünf Müttern (erster Stoichos) und 5X2 Dienerinnen (zweiter und dritter Stoichos) zusam- mengesetzt ist. Darnach wendet sich die Schrift zu den einzelnen Arten des Chorgesanges, um die Vortragsweise derselben zu bestimmen, und zwar zunächst zur Parodos. VoUstimmigen oder mehrstimmigen Chor- gesang enthält die Parodos des Hipp. (Gesammtchor, Halbchöre, Chor- führer), der Andrem. (Halbchöre), des Hercul. (Halbchöre und Chor- führer), der Phoen. (Gesammtchor und Halbchöre), der Iph. A. (Gesammt- chor), der Bacch. (Chorführer und Gesammtchor, Halbchöre und Ge- sammtchor), des Cycl. (Halbchöre und Gesammtchor). Der Chorführer allein erscheint in der Parodos der Hecuba. Kommatische Einzugslieder weist die Medea auf (Kommos des Chorführers und der Halbchorführer mit der Amme und Medea; zum Schluss leere Bühne und Gesammtchor), die Heracl. (Kommos des Chorführers mit lolaos und Kopreus), die Elektra (Kommos des Chorführers mit Elektra), die Tro. (Kommos der Halbchorführer mit Hekabe, darauf der Gesammtchor), die Iph. Taur. (Kommos des Gesammtchors mit Iphigeneia, vorher Chorführer und Ge- sammtchor), die Helena (Kommos des Gesammtchors mit Helene), der Orestes (Kommos des Chorführers und der Halbchorführer mit Elektra). Wechselgesänge des Chors nimmt der Verfasser an für die Alcestis (Wechselgesang der Halbchöre und deren Führer im Verein mit dem Koryphäos), die Suppl. (Wechselgesang der drei aruT^oi), den Ion (Wech- selgesang der Halbchorführer und Kommos des Chorführers mit Ion), den Rhesus (Wechselgespräch der Halbchorführer und des Chorführers sowie Kommos derselben mit Hektor). Nach der Parodos werden die Stasima behandelt, für welche mit wenigen Ausnahmen Gesang des gan- zen Chors angenommen wird, weil »Strophe und Gegenstrophe keinen Parallelismus ähnlicher, sondern strengen Fortschritt derselben Gedanken zeigen, Sinn und Periode von einem Glied zum anderen übergehen, die Gedaukenreihe sich von Anfang bis zum Schluss in berechneter aufstei- gender Linie entwickelt«. Eine Ausnahme bildet das zweite Stasimon der Suppl. 598 633 und des Ion 676 724, das dritte und vierte des

Euripides. 239

Rhesus. Das zweite Stasimon der Suppl. wird an die drei Stoichoi, das des Ion an die fünf einzelnen Mitglieder des ersten Stoichos vertheilt. Eine Zusammenstellung der metrischen und strophischen Formen der Stasima lässt die grosse Gleichförmigkeit der Stasima und die regel- mässige Wiederholung der gleichen strophischen Composition in einem und demselben Stück erkennen. Ferner wird beobachtet, dass Euripides den Hauptgedanken des Stasimons, der die Beziehung auf die augen- blickliche Situation im Drama enthält, fast durchgängig in den zweiten Theil oder überhaupt in den Schluss des ganzen Chorliedes verlegt; dass Strophe und Antistrophe in viel näherer Gedankenverbindung zu einander stehen als die einzelnen Strophenpaare unter sich, welche An- lage eine Vertheilung von Strophe und Antistrophe an Halbchöre unstatt- haft erscheinen lasse. Die Wechselgesänge des Chors und die Kom- moi werden theils an die fünf Protostaten, die fünf Mitglieder des er- sten Stoichos, theils an drei Mitglieder des Chors, nämlich den Chor- führer und seine beiden Parastaten (Halbchorführer) vertheilt, theils an die sämmtlichen fünfzehn Choreuten ; an die fünf Protostaten werden ge- geben die Wechselgesänge Ale. 213-237, Hipp. 362-372, Hec. 1024 bis 1043, Suppl. 271-285, Ion 1229—1249, Bacch. 1153-1163 mit dem Kommos 1168-1201, Cycl. 656-662, die Kommoi Hipp. 565 600, Suppl. 798 -837, Suppl. 1114—1164, Tro. 1287—1332, Iph. T. 643-656, Ion 752—762, Ion 763 807, (das Gespräch 1250 -1260), Hei. 330-385 (an die vier Protostaten ausser dem Chorführer; dieser spricht vorher), Bacch. 576-603, Bacch. 1024 1042, das Gespräch Cycl. 624—653. Dem Chorführer und den zwei Halbchorführern fallen zu die Wechsel- gespräche Med. 1251—1292, Hipp. 776-789, Hipp. 811- 901, Herc. 735 bis 761, Herc. 815-821, El. 585-595, Tro. 1251 1259, Phoen. 291 bis 300, Phoen. 1284-1307, Or. 1353-1548, die Kommoi Hipp. 811, Androm. 1173 ff., Tro. 1216-1239, Or. 1246 1300. Die Vertheilung an 15 Choreuten wird nur Herc. 875 -921, Herc. 1016-1087, in dem Ge- spräch Cycl. 663 - 688, in der Epiparodos Rhes. 674—691 vorgenommen. Endlich erhält der Chorführer allein Ale. 872-934, Iph. A. 1475 1504. Schliesslich werden noch die »Interloquien des Chors und die Exo- dika« besprochen, welche durchweg dem Chorführer zugewiesen werden. Nebenbei wird die ansprechende Vermuthung geäussert, dass El. 1298 bis 1302 vor 1295 umzustellen seien.

Wenn man diese Zahlen vergleicht mit den Zahlen, welche wir im vorigen Jahresbericht S. 55 f. aus dem Buch von Muff die chorische Technik des Sophokles angeführt haben, so giebt sich eine grosse Ver- einfachung zu erkennen und damit fällt alle erkünstelte und erzwungene Vertheilung weg. Die 15 Choreuten erscheinen fast gar nicht mehr. Ausser den von uns dort geforderten drei (Chorführer und Halbchor- führer) treten nur noch die fünf Protostaten auf und wer weiss, ob nicht an die Stelle dieser fünf einfach jene drei zu treten haben, abgesehen

240 Griechische Tragiker.

von den Suppl., in welchen die fünf Mütter, da sie an der Handlung be- theiligt sind, eine wohl begründete Ausnahme machen. Die Vertheilung an einzelne Chorpersonen aber erscheint uns in den meisten der ange- führten Partien erwiesen und damit ein erheblicher Gewinn für das Ver- ständniss der Euripideischen Chorika erzielt. Einzelnes wie die Defini- tion der Wechselgesänge in Gegensatz zu den Stasiraa halten wir für zweifelhaft.

R. Haupt sucht vorzugsweise von Euripides Voreingenommenheit und Feindseligkeit gegen die neben Athen stehenden Staaten (Theben, Arges, Sparta) abzuweisen und ihn gegen den Vorwurf zu vertheidigen, als habe er den Athenern zu Gefallen die Heroen der Gegner (Menelaos, Helena) geschmäht. Der Standpunkt politischer Verbissenheit komme dem Diener der Kunst und dem Lehrer seines Volkes nicht zu. Die Charaktere habe er nur der Fabel gemäss gestaltet und entwickelt. Die Helena und den Menelaos habe er ihren Thaten entsprechend dargestellt, nicht mehr und nicht weniger als es Sophokles im Ajas mit Menelaos gethan habe. Die Androraache stehe wie in vieler Hinsicht sonst, so insbesondere betreffs des Spartanerhasses vereinzelt da. Das Stück sei um dieselbe Zeit wie die Herakliden im Anfang des Krieges (c. 430) gedichtet. Beide Stücke seien Sparta feindlich. Euripides habe näm- lich bis zum peloponnesichen Kriege Sparta mit Achtung behandelt; dann im Anfang des Krieges mit wahrer Begeisterung den Krieg als einen Kampf der vö/zü; xoivol 'EkXddug gegen die Barbaren aufgefasst und sein möglichstes zur Aufregung der Leidenschaften gethan; nachher aber sie beschwichtigt sehen wollen, als sie über das beabsichtigte Ziel weit hin- ausgingen. Der Bekämpfung der Partei zugewandt, welche den Krieg verewigt wissen wollte, habe er ihr nicht die Waffen liefern dürfen durch Steigerung der Kriegslust. Gerade gegen jene Leute sei er z. B. im Orestes aufgetreten, je eifriger er friedliche Zustände zurückgesehnt habe. Diesen Ansichten des Verfassers gegenüber wollen wir nur Eines hervorheben. In den im Jahre 415 v. Chr. aufgeführten Tro. 210 wünscht der Chor der Troerinnen am liebsten nach Athen, nur nicht an das Ge- stade des Eurotas zu kommen zu dem ganz verhassten Aufenthalt der Helena. Der Verfasser meint, dieser Wunsch sei ganz in der Sache und Handlung begründet, weil es thatsächlich weniger unangenehm sei in Athen Sklave zu sein als in Sparta, andererseits der vollständig begrün- dete Hass gegen das Ehepaar Menelaos- Helena den troischen Gefange- nen den Wunsch sehr nahe lege. Das mag alles sein; immerhin ent- spricht der Wunsch der athenischen Antipathie gegen Sparta und der Dichter hat damit dieser Antipathie Rechnung getragen.

Die Vorzüge der Donner'schen Uebersetzungen der griechischen Tragiker sind allgemein bekannt. Es ist nur zu bedauern, dass die neuen Auflagen sich um die Fortschritte der Wissenschaft wenig zu kümmern scheinen, dass sich überhaupt noch so viele Missverständnisse

Euripides. 241

des Originaltextes finden. Ich will zum Beweise nur die Fehler aus einer kleinen Scene der Medea anführen: 414 »nicht mehr besteht un- ter den Göttern die Treue« {dsöijv manq heisst die bei den Göttern be- schworene Treue) ; 465 »Du Memme, denn mit diesem Namen kann ich nur hinfort dich nennen, mit der Feigheit schwerstem Schimpf« (der Dichter sagt etwas ganz anderes, vergl. meine Note); 506 »meines Hauses Freunde sind mir gram und andere, welchen ich verpflichtet war. verrieth ich Dir zu Liebe«; 568 »Du sagtest das nicht, grolltest du nicht meiner Braut« {sYasurj xvc^o: U^og heisst »wenn Dich nicht der Verlust des Ehebettes quälte«); 624 »Geh hin! Die Sehnsucht nach der jungen Braut zerreisst dein Herz (acpeT tioUw heisst »Du wirst von Sehnsucht erfasst«), verziehst du lange vor dem Hause noch« {/povc^wv d(ofxdTüj\' i^iumog heisst »wenn du lange nicht nach Hause kommst« ; Jason ist fern von dem Hause, in dem er mit Glauke wohnt); 639 »möge . . doch niemals mein Gemüth die mächtige Kypris entflammen anderer Frauen wegen« (sagt der Fraueuchor, welcher sich doch nicht in Frauen verlie- ben kann, wovon &u/ibv exnXij^aa kzipocg inl Xix-potg nur gesagt sein kann). Ausserdem sind in dieser Scene 492, 498, 500 f., 524 u. a. un- genau und zum Theil von dem Sinne des Originaltextes erheblich abwei- chend übersetzt.

Widemann verfolgt im zweiten Theile seiner Abhandlung über Euripides (über den ersten Theil siehe den Jahresbericht von 1874/75 S. 445 f.) den Einfluss des Eurfpideischen Dramas auf das gleichzeitige und nachfolgende griechische Drama und ausführlicher den Einfluss auf die Tragödie der Römer. Er geht aus von der Polemik des Aristopha- nes und findet die Tendenz der Frösche in der Absicht, die Bürger von der guten Meinung bezüglich des Euripides abzubringen und sie für Aeschylus zu begeistern. Wir halten diese Ansicht für unrichtig. Im Uebrigen ist die Darlegung eine lichtvolle und wohl geordnete, ohne ge- rade Neues zu bieten oder erschöpfend zu sein. Vor allem hätte auch die mittlere und neue Komödie berücksichtigt Averden müssen. Das Gleiche gilt von dem dritten Theile, der mit dem Äpcarug nda^ojv des Gregor von Nazianz beginnt und mit der Sofonisba des Trissino schliesst und eine weitere Fortsetzung erhalten soll. Es wird vieles herein'gezo- gen, was mit dem Thema kaum in entfernter Beziehung steht; die lei- tenden Gedanken, welche das Thema selbst betreffen, sind etwa folgende: »Trotz des hohen Ansehens, in welchem der XptGzhg ndaycov stand, trotz der Versuche eines ApoUinaris, die Dramen der heidnischen Dichter durch biblische Schauspiele zu verdrängen, waren doch die alten Dramen, mehr aber noch Mimen und Pantomimen, und zwar selbst dann noch, als das Christenthum bereits anerkannte Staatsreligion geworden war, fortwährend im Schwange. Dabei wurden in der Regel nur Stücke des Euripides in das Repertoire aufgenommen, bis die Vorliebe- für den Pantomimus und das immer mehr überhand nehmende Interesse für Wagenrenneu

Jahresbericht für Alterthums-Wissenschaft 1877. I. 16

242 Griechische Tragiker.

die alte klassische Tragödie vollständig verdrängte und das Eifern christ- licher Prediger und Kirclienvorstände gegen die Theatromania, die Vor- liebe für die Dramen heidnischer Dichter, unnötliig machte«. »Wie schon die Römer, nachdem sie einmal mit der griechischen Tragödie bekannt geworden waren, in ihren Uebersetzungen und Nachahmungen überwie- gend die Dramen des Euripides bevorzugten, und dieser Richtung auch fortwährend treu blieben und zwar nicht bloss desshalb, weil seine Stücke auch die damalige griechische Bühne fast ausschliesslich beherrschten, sondern weil dieselben auch der augenscheinlichen Vorliebe der Römer für das Pathetische, zumal aber für das Rührende und Grauenvolle am meisten entsprachen: ebenso fühlten auch die italienischen Tragiker sich vorzugsweise zur Bearbeitung Euripideischer Stoffe angeregt. Ja so gross war die Bewunderung für diesen Dichter und so sehr entsprachen seine Stücke dem Geschmacke jener Schriftsteller und somit wahrscheinlich auch ihres Publikums, dass sie sich nicht begnügten, bloss die Stoffe der noch vorhandenen Tragödien des Euripides wiederholt zu bearbeiten, sondern dass sie sich sogar veranlasst fühlten, auch die Fabeln der ver- loren gegangenen Stücke desselben wieder vorzusuchen und auf's Neue dramatisch zu behandeln (Canace des Speron Speroni nach den Herolden des Ovid, Merope nach Hygin)«.

Bdx^ac.

Hans von Wolzogen, Die Bakchantinnen. Verdeutscht. Leip- zig 1877. 67 S. 8.

Der Verfasser giebt nach einer Einleitung über die Bedeutung des Stücks und den mythologischen Stoff eine freie Uebertragung für »ein grösseres heutiges Lesepublikuni« in der Weise, welche wir oben bei der Kayser'schen Uebersetzung der Antigene kennen gelernt haben. Wir erkennen auch dieser Uebersetzung ihren besonderen Reiz zu. Die erste Strophe des Chors 64 - 67 lautet z. B. »Von des Tmolos' Höhn, Vom fernen Strand, Von den heil'gen Höhn, Von Asia's Land Folgen wir jubelnd der süssesten Noth: Bromios' holdestem Göttergebot Im wild aufjauchzendem Reigen«. Dagegen wird Treue der Uebersetzung, nicht bloss was das Wort, sondern auch was den Sinn betrifft, sehr vermisst. So ist gleich im Anfang der Ausdruck »umlodert von blitzgezeugter Flamme« nicht im Entferntesten eine Wiedergabe von ^o^su^sTa' da-pa- rvfjipopo) nopL

Nach 442 nimmt C. Schliack Philol. 36 S. 347f. eine Lücke an. 564 vermuthet Ern. Sommerbrodt Philol. Anz. VHI S. 52 ^wayev dsvdps' äpoücra, ^övayev &rjpas dypujxag.

Exdßyj. Euripidis tragoediae. Recensuit et commentariis instruxit Aug. Jul. Edm. Pflugk. Vol. L Sect. IL continens Hecubam. Editio tertia, quam curavit N. Weckleiu. Lips. 1877. VI, 84 S. 8.

I

Euripides. 243

Die neue Auflage der Ausgabe von Pflugk glaubte ich in der Weise bearbeiten zu müssen, dass ich das viele Tretfliche in der Arbeit des verdienstvollen Herausgebers gewissenhaft erhielt, anderes berichtigte und ergänzte, den Text besserte und so einerseits dem Buche den Charakter einer Schulausgabe wahrte, andererseits dessen wissenschaftlichen Werth erhöhte. Unbeschadet des letzteren glaubte ich die Trennung von kri- tischen Noten und Commentar beseitigen und das Bemerkenswerthe mit dem Commentar verbinden, andere Angaben in einen kurzen Anhang ver- weisen zu können, einmal um Raum zu sparen, dann aber besonders, weil ich jene Trennung als eine unnatürliche betrachten muss. Von den neuen Emendationen erwähne ich folgende: 164 azei/^m ; tioTS^t op/xdaw; reg &£a>v rj oacjitov inapcuyug; 170 Tioug verdoppelt, 247 f. sind als der Interpolation verdächtig bezeichnet; ebenso 412 {ujg uuttot au&cg seil. Tcapeiäv npoaßaXu) naprl^§i äXXa vüv TTavuaraTov), 419 und 420. 460 ^üov für ^c2a, 528 ndy^pucrnv äpdrjV i/se nacg, 580—582 rocdd' d/x^l (T^g xXöiüv Tiatdog {^avoüarig efjTzxvojTdrrjv ^syio naaujv yuvacxojv , ouazü- ^ea-d-Yjv oe ai, 706 f. jieXMvuTiTepov \ aoü, zixvuv^ ouxst' uvrog Jcog iv (fdet^ 759 ist wahrscheinlich interpolirt ; ebenso 810; 831 dai für ßporoTg. 1033 d^avdatpov nphg äzav (für ^oav)^ 1113 napscxsv für napicr^ev (so dass äv fehlen kann).

0. Ribbeck, Zu Euripides' Helena, N- Rhein. Mus. 32 S. 325 bis 327 stellt 574-580 in folgender Weise um: 574. 579. 576. 577 (to 8k aafig /a' dnoarsye^ i. e. arcet). 578 {axdil'ac rig oüv o^r' eazt aou öo(p(jj"pog\). 575. 580 (j] rd y' oppaza;). In 1225 vermuthet er cpckog ydp iazf zig noz' iazh h&do' ujv; »ja er ist mein Freund. Und wer ist es sonst hier im Leben« (und auf der Bühne)? [vielmehr »und hier in Aegypten«].

Nach 403 nimmt eine Lücke an C. Schliack Philol. 37 S. 171.

^HpaxXEloai.

Die im vorigen Jahresbericht S. 78 voreilig gegebene Zustimmung zu der Ansicht von Wilamowitz über die Herakliden-Trilogie sei hiermit zurückgenommen.

199 schreibt £d. Touruier Revue de philol. nouv. ser. 1877 S. 273 dX^C ocoa ydp zo c (für dXX' olo' eyu> zu).

Herakles. Euripidis tragoediae. Recensuit et commentariis instruxit Aug. Jul. Edm. Pflugk. Vol. IL Sect. HL continens Herculem. Editio altera, quam curavit N. Wecklein. Lipsiae 1877. 123 S. 8.

Diese neue Auflage des Herkules habe ich in derselben Weise bearbeitet wie die neue Auflage der Hekuba. Die erste Auflage hatte Pflugk noch vor seinem Tode vollendet und Reinhold Klotz, der Nach-

16»

244 Griechische Tragiker.

folger von Pflugk, nur eine 23 Seiten starke kritische praefatio dazu ge- schrieben, worin er besonders die Annahmen von Pflugk von seinem be- schränkten conservativen Standpunkt aus bekämpfte. Diese praefatio habe ich weggelassen und nur zwei Bemerkungen daraus im Commentar verwerthet. Der Text hat eine weit andere Gestalt erhalten, als wenn Klotz die neue Auflage besorgt hätte; welche Gestalt der ursprünglichen näher stehe, überlasse ich competenten Beurtheilern. Hier erwähne ich nur folgende neuen Vermuthungen : 136 oXiaaaa ist zu tilgen, 257 rwv izujv STiY^kug üjv (inquilinus civibus dominatur) , 272 y^Xtttg für ^acpztg^ 499 roTa8' BTiaxpsXs.'iv, 599 napeMwv, 668 vaöxaiai pot^jxug, 697 bnspßa- ^cüv, 804 eoöXm 8" £<pdvd-rj^ 811 iaopcüvrt fruvzi (»quae quem eventum habuerit huius certaminis si quis respicit ei cognoscere licet, num etiam- nunc dis honesta et iusta placeant«) = Inapzwv Tva yivog k<pävbri 794, 887 ist umgestellt, nach 889 und 896 sind die Worte ipoyji . . i^opp.äze dem Amphitryo gegeben, dem bereits Wilamowitz 900 die Worte alaT xaxCüv u. 0. Hense 887 gegeben (so ist Klarheit in diese Partie gebracht und auch die strophische Gliederung und die Vertheilung an 'Hp.r/^6pta beleuchtet), 889 ixzevoüatv für exm-daauaiv , 898 -cixvwv für re Tixv(ov, 978 ist als Dittographie von 991 anzusehen, welchen Vers Herwerden nach 978 umgestellt hat, und o (5' i^zliaauiv ximog xüxXw noSa, cog ivrog eazrj zatg hypoü zo^söparog, ßdXXei npog rjnap als ursprünglicher Text zu be- trachten, 1024 auyxarsipydcruj poc pmä, 1049 uttvoj i^' euoovt iyscpr^z euväg, 1079 {ipohg) ixiipdqag wie schon Härtung, 1218 a/jpacvscg (poydv, 1351 syxapztprjaü) ßiozov. Der Schluss scheint von 1404 an nicht von Euripides herzurühren.

' I X iz t 8 s g. 249 auzbg ab Tiiaaziv zrjv z6-(rjv , rjpäg 8' iäv L. Schmidt Philol. 37 S. 344.

Hippolytus. Ed. Kurtz, Blätter f. d. bayer. Gymn.-und Real-Schulw. XHI. S. 110-112 vermuthet 262 yr]pc für ^acrt, 803 ?^07ir^ na/vodzac prj dm> aop<popäg zcvog (W. Bauer hält die Aenderung für unnöthig und erklärt: »aus Gram oder in Folge welches [sonstigen] Umstandest« Vielmehr steht dm aup- tpopag zcvog euphemistisch für »in Folge von Irrsinn«), 1312 will er den zu dW opojg erforderlichen concessiven Gegensatz in dem stark beton- ten 8cloiat (s. V. a. xamep 8üXoig ^pajtxevrj) finden. Richtig bemerkt W. Bauer dazu, dass das Hauptgewicht in (psu8scg ypa<pag iypa(pz liege, welches durch 8tü)Xea£ ahv iiaT8a nun näher erklärt werde.

Theod. Barthold (Philol. 36 S. 346f., 414, 565-567,713-716) bezeichnet den von Nauck athetierten V. 810 mit 825 ixXu£&' dppoog^ wg t'Siu Tiixpäv Biav yovatxhg . . dTiiüXsffsv als eine Beischrift aus dem Inn. xaXuTzzopsvog, ebenso 791, 866 870 (von welchen dort 866 bis

Euripides. 245

868 wie im zweiten Hippol. 821 dem Theseus, 869 f. dem Chor gehört haben sollen; 866 868 seien mit einer Lücke zwischen xpavBhv und siTj to^bIv beigeschrieben worden), 879 880. In 829 vermuthet er TTOTTjix^ für T:rjorjix\ 837 uerocxsTv Uavcbv 6 zM/iajv eycö , 840 napä Ttvog ■noBzv {xköuj mit Elmsley und Härtung entfernend), 875 mit Reiske otex- töv für rhjTÖv, 903 i^' w xaraarivstg^ 932 f. und 934 f. will er umstellen (934. 5. 2. 3), 953 oatoi; xaTir^Xtu\ 959 8iXT(ü 8' aXiaxzi^ nXtlaiov 10 xdxcare aü.

'Ifcyiveca rj iv AoXidi.

Girolamo Vitelli, Intorno ad alcuni luoghi della Ifigenia in Aulide di Euripide osservazioni. Con una nuova collazione del cod. Laur. 32, 2 e VII tavole fotolitograficbe. Firenze (Pubblicazioni del R. istituto di studi superiori pratici e di perfezionamento). 1877. VII, 72 S. 8.

Girolamo Vitelli, L' Ifigenia in Aulide di E. Recensione ad uso delle scuole con brevi note critiche. Firenze 1878. 88 S. 8. Aus den beiden beachtenswerthen Schriften Vitelli 's, welche für die Textkritik der Aul. Iph. von Bedeutung sind, heben wir folgende Conjecturen hervor: 123 oataoixsv auv^g u/xsvacoug, 149 xXrjS-pcvv 8' e^uf>nü)v (oder i^wncog) ^v vüv no/xnaTg dvTrjojjg , 324 ra'vra (für 7r«<Ti), 351 01)8' ivs7<T&' (für ou8kv ^(tO-'), 530 <p£i8oij.a[ (für (psüSo/xat), 667 7v' SU p-v-fjast, 865 f. elg peX^vz ävtiac . . Se^iäg a" ixarc, 961 dXX' ußptv Tjpäg ußpia , 1168 y' inog (für yzvog), 1179 ro(dv8z p' Ya^' ouu {lad-' ouv C. Giorni) xaraXmujv npog <t' ev 86pocg, 1185 ^creig au r.ai8a Trjv8s\ rcvag, 1195 azpaTrjXazelv a s8si, 1339 rov ye z^g ßsäg d^iaaai {&daaai schon Goram), zdxvov, u> 8s(jp' ^hßeg, 1344 ipyov iv 8scvocg pdvec, 1380 bis 1382 Z(hv peUouauJv yuvaixiov ^v ipaicrc, ßapßdpoug . . dpnd^etv idastv dXßcag . . ^v dvrjpnaaev lldpcg, 1565 ff. KdX^ag 8' ö pdvzig xpäz^ dveaz£<l>£v xopr^g, k'h^e 8'' lo not xze. (1568f. hat schon Vitz getilgt), 1612 ^avoücrav 7j8e ^loaav aI8e nal8a cnjv, nebenbei Iph. T. 718 ßXinovß' upotwg xat Bav6v&' iqiu (pikov. In [einer ausführlichen Besprechung der Exodos entwickelt Vitelli die Ansicht, dass die Anlage der Exodos dem Plane des Dichters entspreche und dass ein Theil (1532—1539) von ihm selbst, das übrige wahrscheinlich von dem jüngeren Euripides herstamme; das bei Aelian erhaltene Bruchstück £Xa<fov 8' 'A^atojv lep- ah iv^auj filaig xze. habe in dem jetzt heillos entstellten letzten Theile der Exodos seine Stelle gehabt und zwar in einer Erzählung des Aga- memnon, der den Bericht des Boten bestätigt und seinerseits hinzugefügt habe, wie in dem Augenblicke, wo er sich der Opferung habe wider- setzen wollen, ihm Artemis, den andern unsichtbar, erschienen sei und ihn wegen des Schicksals seiner Tochter getröstet habe. Diese Ansicht scheint in keiner Weise annehmbar.

V. 4 f. will C. Seh Hack Philol. 36 S. 348 f. nach 11 setzen mit Annahme einer Lücke : »ich kann den Stern nicht erkennen ; taugen doch

246 Griechische Tragiker.

meine matten Augen nicht mehr zu scharfem Selien«. Das ist nicht der Sinn der Worte. Die V. 382., 383 will derselbe in einen einzigen ver- wandeln in folgender Weise: r/? ddixel <ts; roö xi^prjaai; tu>v yäp ixr^aco^ xaxwg I rjp^eg.

Jon.

2f. vermuthet R. Schilleto Journal of Philology vol. VII n. 13 (1876) p. 152-156 t^soü \ kliaq für ^ecDv \ua.q.

692 Toxuiv b Tiatq. 860 ttw? 5' ob axoriag, 1563- 1565 nach 1568 C. Schliack Piniol. 37 S. 64 und l7l.

1426 verlangt £d. Tournier Revue de philol. nouv. ser. 1877 p. 273 rj 'v }i6v(p (oder ^ }i6vw 'v) t&S' suru^eTg.

X X (1) (p. 326 SU areyu} zs . . TtenXw , xopfLoj diug . . xzunwv R. Schenk Philol. 37 S. 172 f.

M e d e a. Das Veihältuiss der Medea des Seneca zur Medea des Euripides erörtert Wilhelm Braun im N. Rhein Mus. XXXII. S. 68—85.

Orestes. 595 xpc'vere für xtscvsts £d. Tournier a. 0.

Rhesus. Udalrici de Wilamowitz- Moellendorff de Rhesi scholiis disputatiuncula. Ind. schol. hib. Greifswald 1877. 14 S. 4.

Wilhelm Nöldeke, De Rhesi fabulae aetate et forma. Progr. der Realschule zu Schwerin 1877. 17 S. 4.

Die interessante Abhandlung von Wilamowitz bietet vor allem werthvolle Mittheilungen aus Handschriften. Das Werthvollste ist ein Fragment der HpaxXdoai des Aeschylus, erhalten iu der Fortsetzung des Schol. zu Aristid. S. 547, 15 Dind., welche der Verfasser im cod. Mar- cianus 423 gefunden hat ; es lautet nach der Herstellung des Verfassers :

sxeTd-sv opfievog dp&6x£piug ßoug yjXaa dn' ea^drujv yaiag wxeavbv nepdaag iv dinac ^pucrrjMzw ßozTjpdg t' ddixoug ixzecvs dsanozr^v ze zpiZßya zhv zpia döprj TtdXkovza x^poc^ zpia 8' JATHU adxYj TcpozBivutv zpscg t' incoerzcujv Xoipoog eazEi^^ taog "Apst ßtav, Die bedeutendsten Aenderungen sind r^Xaa'' für rjXaa-zv, birju für bmlri^ ixzecvs für xzeTvac,' dsanozT^v für SeaTioriuv, zpc'Coya zuv für zptözazo'^ (von A. Kiessling), x^P*^'^ für x^poi^-, "^p^^Q "' emaaztiov Xöcpoug für zpEcg 8e zig en:lo<puog, "Apsi für "Aprj. Für lazeiy^ Joog ist wohl sazsix^v l'aog zu schrei- ben und das noch unaufgeklärte zp(a 8cä z^g vielleicht zpca 8e XataTg (seil.

Euripides. 247

ytpai). Aus derselben Handsclirift wird eine Ergänzung des wich- tigen Schol. zu Aristid. S. 485 Dind., welches die Namen der 10 Feld- herren im Feldzug gegen Saraos, der Collegen des Perikles und Sopho- kles, enthält (vgl. Soph. El. ed. O.Jahn S. 72) gegeben: (9) rXauyd-rjQ 'AZrj- vceug, (10) KXecTofü))/ 9opate6g. Aus dem cod. Marcianus des Euri- pides erfahren wir, dass Hec 620 die Lesart xsurexvMTare aus xzorex- vcozaza corrigirt ist und dass in der Handschrift die Spuren der rich- tigen Schreibart rc&ecg nicht ganz verschwunden sind^), ferner dass die Dindorfschen Schollen daraus vervollständigt werden können, was an drei Schollen zur Androm. gezeigt wird (darunter zu V. 32 0doxX^q 8k 6 rpayojdonotog xal . . . 7:po£x8o&rjvac (priaiv unb TuvSdpsw tyjv ^Epptovrjv zw 'Opiazrj^ ^etza 8'} üarspov uno MevsMoo 8o{^rjva: NsonroMpüj). Darauf folgen Verbesserungen zu Schollen der Androm. und Alkestis (z. B. zu Andr. 351 noUacg r.aXlax'.ai für noXKaig nokkäxcg^ zu Ale. 311 nap- pr^aiav yäp äyei napä ruv nazipa für itphg tov rMxipa und so auch Thuc. II 45 Tiapä TU dv-cnaXov für Tipbg zu dvzmakov). Endlich erörtert der Verfasser den Ursprung der Schollen des Rhesus und unterscheidet die Arbeit eines Paraphrasten und einen älteren Commentar. In dem Schol. zu 41 rb ^ ort auv&izuig dvayvwazeov xac ort oux eaziv Euptm8ou b azi- log sei der byzantinische Zusatz zu tilgen; das ursprüngliche ort oux iffztv Eupimoou seil. 'Prjaog weise hin auf eine mit kritischen Zeichen {y) versehene Ausgabe des Rhesus und einen Commentar, der die Zeichen erklärt und die Unechtheit des Stückes nachgewiesen habe. Der Ver- fasser desselben könne immerhin vor Christi Geburt gelebt haben. Auf diesen Commentar habe ein späterer Grammatiker einen neuen gebaut, um die erhobenen Bedenken zu widerlegen und die Autorschaft des Euri- pides zu vertheidigen. Dieser habe die Ansichten der Alexandriner nur aus jenem Commentar entnommen, gegen den er polemisirt; ausserdem aus einem mythologischen Handbuch geschöpft, das nach Apion (Schol. zu 28) und vor den Theokritscholien (V. 36 mit Dindorf's Note) abge- fasst worden sei. Diesen Commentar habe der Paraphrast zur Grund- lage gehabt. Worauf die entschiedene Behauptung, es stehe fest, dass der Rhesus in der Zeit des Demosthenes zu Athen mit Nachahmung des Sophokles und Euripides gedichtet worden sei, beruhe, wissen wir nicht. Ansprechend ist die Vermuthung, dass besonders die üoc/xiveg des So- phokles zum Vorbild gedient haben vgl. fr. 459 mit 266 ff. V. 594 wird mit der Aenderung mc&acg dem Diomedes gegeben.

Noeldeke tritt den Gründen bei, welche Hermann u. a. für die Unechtheit des Rhesus vorgebracht haben. Aus dem oftmaligen Vor- kommen des Wortes ndXzrj (305, 371, 410, 487) und besonders aus der Erwähnung von Peltasten (311) will er schliessen, dass die Abfassung

1) Die irrige Meinung, dass es Impf, sei, hat diese Form auch Med. 457 erhalten. Es muss dort ä-^tstg, nicht ävteig geschrieben werden.

248 Griechische Tragiker.

nach der Zeit, wo Iphikrates die Pelte einführte , also nicht vor Ol. 95 (400 V. Chr.) falle.

T p w d 8 s g.

H. Weil Revue de Philologie. Nouv. serie 1877. S. 193-195 vermuthet 477 ou rocdd' ood-^ "^EXXrjvlg ouzs (Tournier will lieber xou Tocd8^)^ 592 -exwv (fwg noz d/jLuv TtpEaßoyzvig , Hpcaps, 535 av (pron. poss.) ilapdavidag ärav Bea oujcrujv {dapSavcdag soll Apposition zu yevva 0puywv sein), 1188 aüTtvoc xoTrac. Ausserdem will Weil 384. 385 nach 364 umstellen.

237 will Th. Mistchenko ebendaselbst S. 268 otj für ok schreiben.

1320 schlcägt E. Heydenreich N. Rhein. Mus. 32 S. 135 vor: xovtg 8' Yaa xaTtvu) neroüa' scg zbv aep'- ai'arov xzL

0 0 L V i a a a i.

185 jxtjaXavopcav unepdvopa vertheidigt Ty. Mommsen a. 0. S. 46 besonders mit dem Hinweis auf Eustath. II. S. 462, 4.

E. Heydenreich N.Rhein. Mus. 32 S. 135-140 will 187 lesen: og 8opi Brjßaiag Muxijvaiaiv acg \ ylepvac'a re 8ujaziv rptaiva \ Iloazi8ü}\iioig kTiayyillE-at \ u8aai . . y^poazoßüaxpuit u) diog "Apzept xzk., 301 303 0oiviaaav ßodv \ xXüooa u> vsdvcSsg yrjprxtoTg \ 7:u8ecrc zpoptspäv eXxu) ßd- (Tiv, tilgt in 308 yaizag und schreibt nach Geel 306 309 Tipoaejoov diKplßfillz paazuv wKsvatai jiazipog 7iaprjc8a)V t' apsy/ia ßoazpü^ojv zs xuavöypujzc nloxdpip axca^ouv 8epav /pcp-nz' ipdv = 312-317 zt fw^ zi (pu) at\ Tiihg dnavza yspcl xai xopatg Xöyocg zt noXuiXcxzov ä8ovdv Ssupu r' ixeT ^opsüüU(Ta nipt naXatdv Idßuj y^app.ovdv.

Zu 1043 ff. bemerkt Hermann Geist Jahrb. f. Philol. 115 S. 313f., die Stelle enthalte keinen Widerspruch mit 31ff. ; bei Uo^iaig dnoazo- Img denke der Dichter nicht an ein bestimmtes Orakel, sondern wolle nur sagen, dass Oedipus alles was er that gethan habe durch Entsen- dung des Pythischen Gottes d. h. auf Antrieb und durch die Führung Apollo's, vgl. 871, 1612-1614.

Fragmente.

Zu fr. 541 theilt Ty. Mommsen a. 0. S. 21 sq. mit, dass die Conjektur von Salmasius nopaalg durch Handschriften beglaubigt wird. Da Med. B ikt^ezai für dipc^tzai bietet, so will Mommsen s.lg dv8poßpw- zoug ijSovdg kM^tzai lesen.

Bericht über die auf die attischen Redner und die griechischen Rhetoren bezüglichen, von der Mitte des Jahres 1875 bis zum Herbst 1877 er- schienenen Schriften.

Von

Prof. Dr. F. ß 1 a S S in Kiel.

I. Attische Redner.

Wir beginnen wieder mit den allgemein auf die attischen Redner oder doch auf mehrere zugleich bezüglichen Schriften:

1) R. C. Jebb, The Attic Orators from Antiphon to Isaeos. In zwei Bänden. London (Macmillan & Co.) 1876. CXXXVIL 316; XV, 481 S.

Dem Titel nach deckt sich das vorliegende Werk mit den zwei ersten Bänden des Referenten, und auch die Vertheilung des Stoffes auf die zwei Bände ist die gleiche, indem der zweite auch bei Jebb mit Iso- krates beginnt; doch ist in diesem Bande die Geschichte der Beredsam- keit, wenngleich in verhältnissmässig sehr kurzem Abriss, über Isaios hinaus fortgeführt, so dass das Werk noch den Atticismus des Dionysios und Caecilius mit umfasst. Da das Buch des Referenten früher erschie- nen, so war der Verfasser auf die Benutzung desselben angewiesen; je- doch kam ihm mein zweiter Theil nicht eher zu Händen, als bis die Kapitel über Isokrates bereits fast vollständig gedruckt waren. Ueber den Grad der Abhängigkeit vom Referenten ist in England zwischen dem Verfasser und seinem Recensenten J. P. Mahaffy eine lebhafte und lang- fortgesetzte Polemik gewesen. Jebb nennt bei Urtheilen, Beispielen u. s. w. nicht immer die Quelle, sondern nur bei streitigen Annahmen und Conjekturen, während er statt jener Verweisungen von vornherein in der Vorrede eine umfassende Anerkennung der Entlehnung giebt. Dass ich nicht geneigt bin, mir eine stillschweigende Ausbeutung dessen, was ich geschrieben, ruhig gefallen zu lassen, habe ich leider auch in diesem Jahresberichte Anlass zu zeigen; aber bezüglich des Herrn Jebb würde ich es für ein schweres Unrecht halten, an dergleichen Absichten

250 Attische Redner.

bei ihm auch nur zu denken. Ich gehe also auf das beiden Werken Gemeinsame nicht weiter ein, als dass ich mit Befriedigung constatire, dass der Verfasser in der Grundanschauung nirgends von mir abweicht, und wende mich zur Darlegung der zumeist in der Behandlung liegen- den Verschiedenheiten.

Indem der Verfasser sein eigentliches Thema so begränzte, dass es mit Antiphon beginnt und mit Isaios endet, war für ihn Dionysios' Eintheilung der attischen Redner in ebpsrat und Tehtiozai massgebend; die letzteren sind Deraosthenes, Hypereides, Aischines, die ersteren Ly- sias, Isokrates, Isaios. Der Verfasser wollte die Entwickelung der griechischen Beredsamkeit schildern, von dem Punkte an, wo sie zuerst als Kunst auftrat, bis zu dem letzten eupsrrjg, dem Isaios, nach welchem nichts neues mehr erfunden, sondern nur die vorhandenen Typen ver- feinert und vervollkommnet wurden; was vor jenem Punkte liegt, behan- delt er in der Introduction , was hinter Isaios, in den Schlusskapiteln des zweiten Bandes (vergl. I, LXVIIff.). Enger als der Referent fasst er das Thema auch insofern, als er bloss den in die Dekas aufgenom- menen Rednern eine ausführliche Bfehandlung zu Theil werden lässt: darum beginnt er nicht mit Gorgias, dem er in der Einleitung wenige Seiten widmet, sondern mit Antiphon, und behandelt zwischen diesem und Isaios nur Audokides, Lysias und Isokrates. Für diese letztere Beschränkung weiss Referent allerdings keine genügenden Gründe zu finden, und es ist für die somit gelassenen Lücken kein rechter Ersatz, wenn nahe dem Schlüsse des Werkes in einem »retrospect« (II, 419 bis 432) auch über Thukydides, Kritias, Thrasymachos einiges wenige nach- träglich gesagt wird. Ein literaturgeschichtliches Werk, welches eine ganze Periode umfasst, darf sich nicht auf die Schriftsteller beschränken, von denen vollständige Werke erhalten sind. Zur Illustration der Einzelbehandlung des Verfassers wähle ich den Isokrates Die Einthei- lung des gesammten Stoffes ist diese: (Ch. XII) Isokrates, Life; (Ch. XIII) Isokrates, bis theory of culture; (Ch. XIV) Isokrates, bis style; (Ch. XV bis XVlIIj Isokrates, Works, gruppirt wie folgt: 1. Scholastic wri- tings, nämlich a) Hortatory letters or essays (I— III), b) Displays (XI. X. IX. XII), c) Essays on education (XIII. XV); 2. Political writiugs, a) on the relations of Greece with Persia (IV. V), b) on the internal affairs of Greece (XIV. VIII. VI. VII); 3. Forensic speeches, nach Klassen, die durch den Rechtsfall bestimmt sind (XX. XIX. XXI. XVIL XVI. XVIII); 4. Letters. Fragments. Der Abschnitt über Isokrates' Leben (S. 1 35) enthält namentlich eine sehr lesenswerthe Beleuchtung seiner politischen Ansichten und Bestrebungen; der zweite, über seine Theorie der Bildung, zeigt noch mehr die eigentliche Stärke des Ver- fassers, die in allgemeinerer Auffassung und in geschmackvoller, inter- i essanter Darstellung liegt. Bei der Erörterung über den Stil ist das 'Allgemeine wieder meist zutreffend (für die Behauptung S. 74, dass Iso-

Allgemeines. 251

krates durch kühnen Gebrauch synonymer Ausdrücke, deren er zu sei- nen Antithesen bedurfte, die proprietas des attischen Ausdruckes ge- schädigt habe, vermisse ich durchaus die Beweise); aber hier wäre ein genaueres Eingehen in die Einzeluheiten zu wünschen gewesen. Die unter des Redners Namen überlieferten Schriften hält Jebb sämmtlich für echt, was in einem Punkte, beim Demonikos, eine Differenz mit den Urtheilen des Referenten ergiebt. Er liefert von jeder Rede eine Analyse, ausserdem jedesmal Vorbemerkungen über Zeit, Veranlassung u. s. w., und nach der Analyse Bemerkungen über Echtheit (wenn nöthig), Werth und Bedeutung des Werkes. Dass er die Helena um 370 an- setzt, kann ich unmöglich gutheissen, wie ja überhaupt sich hier noth- wendig manche Punkte finden müssen, wo ich anderer Ansicht bin.

Ich füge noch einiges über die Einleitung und die Zuthaten hinzu. In ersterer sind interessant und geistreich die allgemeinen Betrachtungen über die griechische Beredsamkeit (S. LXIX— CVIII), wiewohl ich nicht überall ganz einverstanden sein kann. Zwischen Vorrede und Einleitung steht ein Verzeichniss der benutzten Editions and authorities, dann ein durch Genauigkeit vortreffliches Inhaltsverzeichniss für den ersten Band (der zweite hat natürlich ein entsprechendes), drittens eine synchroni- stische Tabelle, mit parallelen Angaben aus der allgemeinen Geschichte und der der Beredsamkeit. Ein Register der Reden und Briefe und ein reichhaltiger Index bilden den Schluss des zweiten Bandes. Endlich ist nicht unerwähnt zu lassen die von Jebb auf die attische Beredsam- keit gedichtete hübsche griechische Ode, die vor der preface ihren Platz gefunden, im Metrum von Pindar's 10. (11.) olympischem Gesänge. In Deutschland möchte es wenige Philologen geben, die zu solch einer Lei- stung im Stande wären. Uebrigens ist nach Ausweis des Metrums der Text in Zeile 3 korrupt; es muss heissen dyyeXXojiivoog statt i^ayysUo- /idvoug, oder . . fiop^aTg ^ßc/xsvwv vuov i^. statt [iop<paIcn v. <fd-.

Von demselben Verfasser ist in einer Encyklopädie ein mir vor- liegender Artikel über Demosthenes erschienen, S. 67 74; um densel- ben anzeigen zu können, mangelt mir der Nachweis über den Titel des ganzen Werkes.

2) Friedrich Blass, Die attische Beredsamkeit. Dritte Abthei- lung, erster Abschnitt: Demosthenes. Leipzig 1877. VIII, 564 S.

3) Ferdinande Gnesotto, L'eloquenza in Atene ed in Roma al tempo delle libere istituzioni. Verona und Padova 1877. XXIII, 518 S.

Das weitgesteckte Thema dieser Schrift und ihr im Vergleich da- mit beschränkter Umfang zeigen alsbald, dass mehr ein Abriss und eine Zusammenstellung der Resultate, als eine eingehende Untersuchung vor- liegt. Man muss ihr in ihrem Vaterlande möglichste Verbreitung wün- schen, indem dort, wie in der Vorrede gezeigt wird, das Studium der

252 Attische Redner.

alten Beredsamkeit noch sehr darniederliegt; gerade im Interesse der Italia liberia ed unita wünscht der Verfasser dasselbe zu beleben und seine Landsleute auf die Redner aus den Zeiten der Freiheit hinzuwei- sen, während man ehedem in Italien den Panegyricus des Plinius nach- zuahmen vorzog. lieber die attische Beredsamkeit handelt der Ver- fasser bis S. 365, von da ab über die römische. Für die Anfänge bis auf Lysias einschliesslich hält er sich an den 1. Theil der attischen Be- redsamkeit des Referenten; für Isokrates an Rauchenstein's Einleitung, für Isaios an Perrot; für Lykurg, Hypereides, Aischines und Demosthe- nes an A. Schäfer; von dem Werke des Referenten hat er ausserdem noch den Band über Demosthenes benutzen können, während der 2. Theil ihm wohl nicht vorlag. Die Benutzung ist grossentheils eine wört- liche, übrigens nicht ohne Nennung. Als selbständig hebe ich hervor S. 223—227 die Widerlegung von Cesarotti's Vertheidigung des Aischi- nes (Opere dell' Ab. Melchior Ces. Padovano Vol. XXI S. 133 sq. Fi- renze 1806) und S. 353 ff. die Erwiderung gegen Weidner's neuesten An- griff auf Demosthenes (unten No. 58). Der 2. Theil des Buches, über die römische Beredsamkeit, ist hier nicht zu besprechen; ich bemerke jedoch, dass der Verfasser für Cicero den grössten Nutzen aus den Wer- ken Lord Brougham's hätte ziehen können, die er zwar öfter citirt, aber nur insoweit Referent ihm darin vorangegangen war. Brougham's Ur- theil hält die rechte Mitte zwischen dem ehemaligen Cicerokultus und der Mommsen'schen Verwerfung dieses Redners, welcher letzteren sich Referent heute nicht mehr so unbedingt anschliesst wie vor 14 Jahren.

4) Rudolph Ball heimer. De Photi vitis decem oratorum. In- auguraldissertation. Bonn 1877. 37 S.

Die Untersuchung betrifft zunächst das zwischen Plutarch's Lebens- beschreibungen der 10 Redner und den entsprechenden Abschnitten des Photius anzunehmende Verhältniss; der Verfasser ist der Ansicht, dass Photius eine etwas ältere Form jener Biographien benutzt habe, und so- mit unserm Pseudoplutarch doch gewissermassen als Quelle nebengeord- net sei. So scharfsinnig und sorgsam die Untersuchung geführt ist, so kann Referent die Beweise doch nicht ausreichend finden. Dass dem Pho- tius die Biographien ohne Namen eines Verfassers vorgelegen, kann daraus, dass er sie einfach als lazopta citirt, nicht gefolgert werden; auch Dionysios im ersten Brief an Ammaeus schöpft für das Leben des Demosthenes und Aristoteles ex röiv xo^vchv laropiibv, äg xariXmov rjiilv ol Toug ßcoug rwv dvöpujv rrovra^dfLSVoc (c. 3), ex zöjv caropoofievcuv (c. 4). Indem nun der Verfasser die einzelnen Biographien durchgeht, bestreitet er die Ansicht Seeliger's (de Dionysio Hai. Plutarchi qui v. f. in vitis X or. auctore, Dissertat. Leipzig 1874, vgl. den Refer. Jen. Lit.- Zeit. 1874 S. 730), dass für Plutarch und also auch für Photius theil- weise Dionysios Quelle sei; er will bloss einzelne Zusätze aus Dionysios

Allgemeines. 253

ableiten. Die rhetorischen Stücke bei Photius, die bei Plutarch fehlen, möchte er grossentheils auf eine einzige Quelle zurückführen, aus wel- cher dieselben in Photius' Exemplar der Lebensbeschreibungen über- tragen waren.

Ich stelle sodann hierher, weil nicht bloss für Demosthenes und Aischines, sondern auch für andere Redner wichtig

5) J. Sakkelion {laxxöltojv), Scholies de Demosthene et d'Eschine, d'apres un manuscrit inedit de Patraos (Ex zwv dvsxooTojv zr^g üar- /jLcaxr^g ßißhoHrjXYjg, kiesig asiV caropcwv ix zuJv drjjioaBivoug ^.öywv X. fisd-' lax. ix zwv Accr^cvou löyiov). Bulletin de correspoudance helle- nique (Je^r/öv klhivixr^g alhj'koypaipiag) I (1877), 1 S. 1 16; Fort- setzung und Schluss Heft 3 S. 137 155.

Dazu:

6) C. Condos {KujvazavzTvog 2. Kovzog), Corrections aux scholies de Demosthene et d'Eschine du manuscrit de P. (dcopl^üjzcxä slg zag ki$ecg ixsi^ laz. ix zcuu J. xal ix zaiv A. kayiuv)^ daselbst Heft 4 5 S. 177—181.

7) 0. Riemann, Remarques sur les scholies de Demosthene et d'Eschine du manuscrit de P., ebendas. S. 182 194.

Herr J. Sakkelion, dessen schon im Jahresbericht über die Lyriker 1876 S. 107 ehrenvolle Erwähnung geschah, fährt mit seinen verdienst- lichen Veröffentlichungen von Inedita aus der Klosterbibliothek auf Pat- mos fort, und was er diesmal bringt, enthält bei geringem Umfang doch Neues von nicht unerheblichem Werth. Die benutzte Handschrift (No. 263) ist eine Miscellanhandschrift des X. Jahrhunderts, deren Inhalt S. 2-6 genau angegeben wird; die Xi^eig zu Demosthenes stehen fast am Schlüsse; zwischen diesen und denen zu Aischines finden sich fol. 263 268 solche zu Thukydides, welche von L. Duchesne in der Revue de philologie I, 182 188 herausgegeben worden sind. Zu Demosthenes und Aischines ist der Bestand folgender: einige wenige Schollen zu den philippischen Reden S. 10—12; Androtion 12-14; Meidias 14—16; Aristokrates 137 bis 140; Kranzrede 140—146; Gesandtschaft 146 -147; Timokrates 147; Leptines 147—148; Aristogeiton I 148; zu einzelnen Privatreden 148 bis 149 und vorher S. 11. Zu den drei Reden des Aischines im Ganzen acht Schollen S. 154— 155. An die Demosthenesscholien sind angehäugt eine Anzahl vermischter Uqetg zu den Rednern und anderen Pro- saikern, ausgezogen aus einem alphabetischen Lexikon ; die meisten ge- hören zu dem Buchstaben E (S. 149 - 154). Von den unter No. 6 u. 7 aufgeführten Abhandlungen beschäftigt sich die von Condos mit der Emen- dation der Schollen, soweit dieselbe nicht schon von Sakkelion selbst geschehen; die von Riemann liefert zunächst eine sehr eingehende Ver- gleichung des neuen Fundes mit den schon früher vorhandenen Scholien- sammluugen und sonstigen Quellen, wobei sicli manche Emendation er-

254 Attische Redner.

giebt; alsdann (von S. 192 ab) orthographische Besserungen; schliesslich (S. 194) ein Verzeichuiss der Stellen, wo für den Text der beiden Red- ner Lesarten hervortreten, die bei Baiter Sauppe nicht verzeichnet sind. Am geringsten ist, wie auch Riemann hervorhebt, der Ertrag für den Text des Demosthenes und Aischines. Die Handschrift des ersteren, aus der die Lemmata entlehnt sind, gehörte wohl im ganzen zur Familie des Augustan. I; neue Lesarten von Belang finden sich nicht. Mehr würde sich für Aischines ergeben, wenn der Schollen mehr wären; jetzt ist folgendes als neu zu verzeichnen: 1, 53 xat robg ähxrpuüvag zivkg atj/jLßdUoum {jivig fehlt sonst, es bringt keinen Gewinn); 1, 163 dXXä xat noXXrjV ußptv richtig für aXXrjV ußpcv; 1, 191 royr' slg rov Itmx- rpoxikrj-a ipßißdCet (für zaüra^ nicht schlechter). Der Inhalt der Scho- llen selbst ist antiquarischer und sonst erklärender Art; rhetorische Schollen sind nicht darunter. Sie zeigen, wie Riemann aufweist, wenig Uebereinstimmung mit den bisher vorhandenen Schollen, desto mehr mit Lexikographen; doch bieten sie auch gegenüber diesen manches sachlich Neue und Beachtenswerthe. So S. 138 zu Aristokr. 71: obx i^rjv pdvro: ou8k To) oixatujg d.veX6vz[ '/Wi^vr^aiv oIxeTv. roTg yoüv MoppivrjV r^v JIskjc- arpdrou i%ya-£pa (Schwiegertochter nach Thuk. VI, 55, wie Sakkelion anmerkt) dvjjpyjxoat xa\ dXXoug rtväg a(l>r^(ptaav-o noXi-stav xai 8cupedv (etwa dvripTjxoaiv etpr^ipca. tzoX. xai dllag rivdg dcupsdg zu schreiben?), ixeXsuaß^rjaav de op.a>g kv Zalaplvi olxzTv , ocä zo prj eqdvai t^c ^Azrixrjg imßaiveiv zov ohog (povEÖan-vTa. Citate mangeln indess fast ganz, ausser in den angehängten vermischten M%ttg. Hier steht zunächst, un- ter elpzatwvrj, ein noch nicht erkanntes Citat aus einem Redner: ToZro 8k XotjioTj yvjopivoi) xai /^oj^^iai'TrtS' ~ou t^soü £7fucoüv. 'Ev toj Jjy- Xtaxü)' »xai B^aXXuM {isyav xoapijaavTzg (lies -zag) ändvzojv^ wv xaz^ ixetvoog zoug xaipohg al ojpat (fipouacv^ dvazcHdva: ijxnpoat^sv ziöv Bupwv^ £ipeGcü)\>rj\> dvoixd.advzag , drMp^äg nocrjaaixivoug zujv ycvopsvwv tmvzujv ix z^g yr^g, ozc zrjv d^opc'av rj/xibv zrjg ^üipag lxszrjp:a rj napä zw 'ArtöXXiuvi re&sTaa inauasv. Dass hier nicht Hypereides" Deliakos, sondern Lykurg's Rede xazä Msveaat'yjioo zu verstehen, welche sich auf das delische Opfer bezog (Sauppe 0. A. II, 270) und darum füglich J)y>^raxoi- heissen konnte, lehrt die Vergleichung von E. M. o. dpzatJjvrj (Lyk. frg. 88 S.): Aox. oi <prj(Tcv^ dipoplag y£vojj.ivrjg'A^rjVaiotg zouzo irnztleat^r^vat xazd ypr^apuv, ohv IxEZTjptag. Weiter unter exazopm8ov (S. 149 f.) Citat aus Ly- kurgos iv zw xazä Krjftaoouzou unkp (lies Ttep}) zwv Jr^iidSoo zipu)V. Also die Reden xazä Kr^<pc<roo6zou und die missbräuchlich xazä JrjpdSoo genannte sind identisch; Kephisodotos hatte die Ehren für Demades beantragt. In dieselbe Rede gehört, wie Sauppe richtig vermuthet, frg. ine. 91. Unter xai (S. 150) Anfangsworte der Rede des Lysias nphg Eu&ü8rj[xov UTTsp (lies nepi) zoo rMiohg zoö 8'.a(phap£vzng zov ucpi^alp-öv (bisher unbekannt). Unter expapzupca (S. 151) Citat aus Isaios npbg^ 'Enixpdzr^v (unbekannt). Unter 'Ejj.raoox/Jo'jg i^&pa (S. 153) Lys.

l

Allgemeines. 255

Epistol. ine. frg. 261 mit Bericlitigung des Textes angeführt aus dem 'EpojTcxög E. Unter ipps Citat aus Lysias ev tS) npög 'AXxcßcdorjv ucrTspü); gebort zusammen mit frg. 8 bei Athenaeus. -- Unter Bota Citat aus (Lysias) xarä AuatBioo Tpaüparog ex np ovo tag. - Dies die Citate aus verlorenen Reden; dazu kommen nocb einige aas sonstigen Schrift- stellern, worunter eins (unter jzwrjzai) aus Aristoteles kv tjj 'ABrjvafcuv nohzela, in sechs Zeilen, vgl. frg. 347 bei Rose, wofür hier der Wort- laut geliefert wird. Für so wenige Seiten ist dies in der That Ertrag genug; mögen Herrn Sakkelion's Bemühungen fernerhin von Erfolg ge- krönt werden.

8) Gustav Gebauer, De hypotacticis et paratacticis argumenti ex contrario formis quae reperiuntur apud oratores Atticos. Accedunt adnotationes locupletissimae ad varios rhetoricae grammaticaeque locos pertinentes. Zwickau 1877. Thost. XXXII, 399 S.

Von demselben Verfasser erschien schon 1874 die Schrift: De prae- teritionis formis apud oratores Atticos (Jahresbericht über 1874 No. 75 S. 496 f.). Der gegenwärtig von ihm behandelte Gegenstand is.t ein un- gleich umfassenderer, aber doch liegt nur erst ein Theil des Beabsich- tigten damit vor, und der Verfasser gedenkt in späterer Zeit auch über die subjectio, die occupatio und das Dilemma Arbeiten folgen zu lassen. Von dem, was er hier bringt, ist vieles für die Rhetorik werthvoll; an- deres ist direkt ein Beitrag zur Grammatik, und fasst man dieses Wort in weiterem Sinne, als die Lehre von den gesammten in der Sprache üblichen Formen des Ausdrucks, so ist überhaupt das Meiste in dem Buche von dieser Art. Die Ordnung und Classifizirung ist bis in's Klein- ste hinein eine sehr sorgiältige. Zu dem grossen Umfange des Buches hat ganz besonders die beträchtliche Anzahl der kritisch besprochenen Stellen mitgewirkt; es ist dabei für die Kritik der attischen Redner, sowie hie und da anderer Schriftsteller, der Ertrag sehr erheblich. (Ausführlicher Liter. Centralbl. 1877 No. 51 S. 1686; Jen. Lit.-Zeit. 1874 S. 540).

9) Emil Rosenberg, Die Partikel roiwv in der attischen Dekas. In den N. Jahrb. f. class. Philol. CIX (1874) S. 109-121. (Im vori- gen Jahresbericht übergangen).

Ausgehend von einer Stelle der Leokratea 32), wo ein überlie- fertes TO'.wv Schwierigkeiten macht, bringt der Verfasser zuerst alle die Stellen der attischen Redner zusammen, wo diese Partikel vorkommt; es ergeben sich daraus manche Resultate, z. B., dass Demosthenes sie in den ScxavtxoL sehr viel häufiger anwendet als in den (juiißooXEOTixot. Weiterhin (S. 117 ff.) weist der Verfasser mit Recht die Annahme einer adversativen Bedeutung der Partikel zurück; doch scheint er eine andere sehr hervortretende, wonach sie den Untersatz eines Epicheirems

256 Attische Redner.

einleitet (Isokr. 16, 30; Dein. 9, 15 n. s. w.) nicht richtig erkannt zu haben. Zum Schluss eine Conjectur zu Lys. XXX, 23, tocvuv für rbv voüv, unmöglich richtig, da rotvuv eben vorhergeht.

10) Adolph Hoffmeister, Ueber Gebrauch und Bedeutung des Iota demonstrativum bei den attischen Rednern. Inauguraldissertation von Rostock 1877. 46 S.

Der erste Theil, über das c Secxrcxov im Griechischen überhaupt, ist nicht gerade sehr gründlich; von da ab indess, wo der attische Dia- lekt speciell in's Auge gefasst wird (S. 12), ist der Werth der Üeissigen Arbeit nicht gering anzuschlagen. Der Verfasser giebt eine genaue Statistik, wie oft die Formen mit / bei den einzelnen Rednern und in den einzelnen Redegattungen vorkommen. Die Formen auf cv{ob-o- ab) verwirft er als unklässisch (S. 14 ff.); über ooxoq und ooToac mit und ohne Artikel bei Eigennamen hält er im ganzen die Cobet'sche Regel fest (S. 26 ff.). Falsch ist die Conjectur npdt yz Maxo-orä-io b. [Dem.] 43, 26 statt To) 8i ya M. rwdt (S. 29).

11) Carl Fuhr, Animadversiones in oratores Atticos. Inaugural- dissertation von Bonn 1877. 61 S.

Das erste Capitel dieser sehr tüchtigen Dissertation (bis S. 21) betriift die Zeitbestimmung von Andokides' Friedensrede, das zweite enthält Couiectauea zu Antiphon, Andokides, Lysias, Isokrates, Isaios. Jene Rede setzt der Verfasser in den Winter 392/91, gegen die Annahme des Referenten, der sie in das Jahr 390 verlegt hat. Ich gestehe, dass mir diese Zeitbestimmung immer ein Gegenstand ge- heimen Zweifels gewesen ist. Im zweiten Capitel giebt Fuhr zu- nächst eine grosse Anzahl von Berichtigungen für die adnot. crit. in den Ausgaben des Referenten ^ eine sehr dankenswerthe Arbeit, wie- wohl ich nicht versprechen kann, dass ich bei gegebener Gelegenheit alles so umändern werde; z. B. Andoc. 1, 57 war es nicht nöthig, nach R6iske, dem Urheber der Conjectur ysvoiiavu, noch Bergk und Emperius zu nennen, die sie wiederholt, und daselbst § 122 hat Reiske allerdings oi)8' ouTojg conjicirt (t. VIII, 460), während sein oy^ outujs unter dem Texte wohl nur ein Versehen ist. Die im einzelnen erörterten Stellen der angeführten Redner sind sehr zahlreich. Neue Vorschläge: Antiph. Tetr. B y 10. 0 7. or. V, 3. 38. 82. 89- VI, 17. - And. I, 116 (beiläufig Lys. 17, 9). 2, 10. 1, 148. 2, 1. 3, 5. 30 (mit ausführlicher Stelleiisamm- lung für 6 OTj/iog d 'A^r^'^acuiv , nicht u 8. rtov \'ii^., und Verwandtes). Bei Lysias (S. 36—46) werden zunächst die neuen CoUatiouen des Pal.a- tiuus von Lampros und Scholl zu mancher Berichtigung verwerthet; son- stige Conjecturen macht der Verfasser zu 1, 32 (beiläufig Antiph. 5, 96. Din. 2, 17). 7, 31 (vortrefflich wv für wg). 12, 80. 13, 82 (auixTid/xmc]^ für /izrä rCuv r.oi'.rwv zi/xzar^, recht gut). 13, 96. 25, 14 (beiläufig Isokr.

Allgemeines. 257

19, 45). 28, 3. 12. 31, 26 (richtig vaog für vaov). Schliesslich der Nach- weis eines bei Sauppe fehlenden lysiau. Fragments, Lex. Vindob. 98, 14, sowie eines hyperidischen Pollux VII, 18. Ueber Isokrates S. 46—54; Conjecturen zu 19, 11. 10, 61. 1, 40 (beiläufig Demades § 6). 12, 50. 14, 63. 16, 19. 17, 54 {Ttenpayfiivwv für ysysvTjixsvuJv nach FE richtig). 19, 36 (Coujectur Buecheler's). 20, 7; 4, 179. 7, 43 (8, 23 Interpre- tation). 10, 5 (verkehrte Streichung der Worte xal rdlg /xrjdkv w^e- Xouacv). 15, 271 (beiläufig Dem. 2, 10). 19, 44 {ec^ev, schon von Sauppe vermuthet; beiläufig Isaios 11, 27). epist. 4, 12. Isaios 1, 1 {^{jicv für ^oc mit Hiatus, der in dieser Rede gemieden wird). 10, 2. 7, 1 (bei- läufig Isokr. 19, 43). 2, 16 (beiläufig Dem. 57, 24). 29. 3, 25. 7, 15. 3, 45. 4, 18. 25. 26. 8, 14. 5, 7. 32. 36. 6, 14. 7, 29. 8, 6. 8, 14 (rich- tig Tcvag (5' eldsvat). 4, 4. 9, 4. Argum. ad or. 10 v. 20. Ueberall zeigt sich Gründlichkeit und ausgebreitete Kenntniss. Thesen: über die von Roseuberg aus der Hamburger Aldiua veröffentlichten Lesarten (vgl. unten No. 24), die nach Fuhr aus der Leydener Aldina herüber- gesehrieben sind; zu Hyp. Epit. 4, 8; Anaxim. 10, 5 Spengel.

12) H. van Herwerden, Meletemata critica ad oratores Atticos. In der Mnemosyne N. S. III (1875), S. 120-141; 255—262; 349—358.

Dem Referenten nicht zugegangen,

13) F. K. Hertlein, Zu griechischen Prosaikern. Im Hermes Bd. XIL S. 182-188.

Die Conjecturen zu den Rednern (Antiphon, Andokides, Isokrates, Isaios, Deinarchos) stehen zu Anfang dieser Adversarien, S. 182—184. Ant. 1, 4 dXXoae für älXod^t, 21 dw^XsuJg für dxXswg^ beides wohl richtig; 5, 85 -nphg ifioü statt rtspl ijiotj (??) und vielleicht ot /xh £](&caToc /lor, 6, 26 ourot für auroc. Andok. 1, 21 auTug t£; 44 iv To7g auzoTg (so Referent in seiner Ausgabe) oder nachher otanep ohne iv; 139 un dvBpiurMV statt bn dXXmv (vortrefflich!); 3, 34 npdzzrj statt npdzToi\ 4, 12 Tüö napovrog pövov ^povoo (so Referent in seiner Aus- gabe); 15 im-u^üvrag statt hru^övrag. Isokr. 12, 179 und 14, 48 rot xa&' rjixepav\ 12, 255 ndvrwv zäjv aoGTparzoaapevüJV (Vulg. vorBk.); 15, 83 padccug äv ocrvcg oöv; 90 aig dv8parMdiGzrjv\ 16, 14 ^zuyovreg (evident); 21, 6 akecctBac für akidaBat (verkehrt). Isaios 1, 38 ^;y- (fH^eaBz und 40 dvayxdZzzz statt (Ir^^c^oca^s und dvayxdazza (ebenso Isokr. 15, 165 ei^ov oder zyooat statt e-/^otzv und Dem. 21, 57 kazt. statt effzai); 2, 2 ixsivw statt ixstvoo (wohl richtig). ~ Dein. 2, 22 äXXwv [dv&pumcDv]; 3, 9 ypuacov statt ypuacoo.

14) Th. Gompertz, Beiträge zur Kritik und Erklärung griechi- scher Schriftsteller. IV. In den Berichten der Wiener Akademie. Bd. LXXXIH (1876) S. 563-597.

Darin S. 574 über das Apophthegma des Demades Nr. 4 Diels

Jahresbericht für Alterthums-Wissenschaft 1877. I. 17

258 Attische Reduer.

(s. den vorigen Jaln-esbericht S. 493); Gompertz schlägt vor (statt ypri- yops.lv düvavrat) iyprjjopivac seil, ewatv, mit dem Sinne: »können nicht wecken«. Referent glaubt, dass Gompertz den Sinn richtig errathen hat; dieser verlaugt aber kydptLv 8l)vav-ac. S. 593 f. über Likymnios bei Dionys. Demosth. c. 26: es wird conjicirt: "Tßpcv xal Kunpcv diatondov ^ lio^Boj itazpihwv (sc. iazov),

Antiphon.

15) Philipp Both, De Antiphontis et Thucydidis genere dicendi. Inauguraldissertation von Marburg 1875. 66 S.

Diese Arbeit, stilistische Erörterungen über Thukydides und Anti- phon enthaltend, gründet sich durchaus auf die einschlägigen Capitel im Buche des Referenten. Doch hat es der Verfasser nicht für nöthig ge- halten, dasjenige, was er übernimmt, von dem, was er hinzugefügt, ge- hörig zu unterscheiden.

16) Philipp Both, De Antii)hontis Rhamnusii tetralogiis. Gym- nasial-Programm, Oldenburg 1876. 17 S.

Erweis der Echtheit der Tetralogien sowohl aus äusseren Gründen als aus solchen des Stils. Eigentlich neues ist wenig in der Abhand- lung. Das Buch des Referenten ist auch hier öfter benutzt als genannt.

17) A. Wagener, fitude sur l'authenticite du discours d'Anti- phon Titpl rou x^'p^'J'^^^- Extrait de la Revue de l'Instruction Publique, tome XIII, No. 2 (1870). Gand, Eng. Vanderhaegen. 28 S.

lu dieser sehr gründlichen Abhandlung wird der Versuch gemacht, die sechste Rede als eine des Antiphon, des Verfassers der fünften, völlig unwürdige Fälschung darzuthun. Referent muss dem entgegenhalten, dass, wenn auch noch so grosse Schwierigkeiten mit der Annahme der Urheber- schaft des Antiphon verbunden wären, doch durch die Annahme der Fäl- schung eine noch viel grössere Schwierigkeit geschaffen wird. Ausserdem aber erscheint der Abstand der fünften und sechsten Rede dem Verfasser nur deshalb so gross, weil er diese allzu streng, jene allzu günstig beurtheilt. So ist es irrig, dass die in beiden Reden sich wiederholenden Gemein- plätze, welche in der sechsten vielfach unpassend sind, in der fünften vollkommen passend wären: wenn der Mytilenäer §87 sagt: avdyy.Tj ydp, käv ufisTg jiüu xazaipi^^iörjaBz, xal pyj ovra fovia y^prjaBo,i t^ Scxrj xa: T(p vopw XTS., so hat dies aut die vorliegende dnaywy^ gar keine An- wendung. Man muss aber überhaupt, nach der Meinung des Referenten, an diese Erzeugnisse der beginnenden Prozess -Beredsamkeit mit mög- lichst geringen Erwartungen herantreten; Rom ist nicht an einem Tage gebaut worden.

18) Emil Rosenberg, Zu Antiphon. In den N. Jahrb. f. class. Philologie Bd. CXI (1875), S. 604.

Antiphon. AndoMdes. Lysias. 259

Conjekturen zu Antiph. I, 7. 9. VI, 25; über die zweite vgl, die Dissertation von FuJbr (oben No. 11) p. 26.

19) U. V. Wilamowitz-Möllendorf, Memoriae oblitteratae. Im Hermes Band XI (1876), S. 291—304.

Darin Nr. III, S. 295—298 über Antiphon's iioXtzixög, welche Rede der Verfasser mit den ^ocdopcac xar 'AXx:jStd8ou identificirt, so dass nun- mehr die Fragmente des Politikos dem Redner Antiphon, nicht dem Sophisten zufallen. Referent sieht keinen Anlass, seine entgegengesetzte Meinung zu ändern, denn mochte auch das xaTapiazäv ovza^ was in dem Fragment bei Ath. X, 423 A vorkommt, immerhin von Alkibiades aufgebracht sein, so ist doch dieser Satz: uzt drj npdyfiaza kauzou ^ zuiv (piXujv xazTjptazTjxev allem Anschein nach ebenso allgemein, wie es die Sitte seit Alkibiades wurde. In Nr. n (S. 294 f.) wird der Aus- spruch in Thukydides' Epitaphios über die Frauen auf eine Nachahmung (Ueberbietung) des Gorgias zurückgeführt (Frag. iuc. 11 S.).

Andokides.

20) Walther Francke, De Andocidis oratione quae est de pace. Inauguraldissertation von Halle 1876. 35 S.

Der Verfasser sucht die Echtheit der dritten Rede des Andokides durch genaue und gründliche Vergleichung ihres Sprachgebrauchs und Stiles mit dem der übrigen Reden vollends zu erhärten. Zur Behandlung kommen Periodenbau, Wortstellung, Ungleichheiten der Construction, Figurengebrauch und anderes mehr. Es leuchtet ein, wie nützlich für die Würdigung des Andokides diese Zusammenstellungen und Beobach- tungen sind, und wie viel auch die Textkritik, auf die der Verfasser öfter eingeht, dabei gewinnen muss.

Lydias.

21) Select orations of Lysias, with introductions and explanatory notes, by William A. Stephens, A. M., professor of Greek in Deni- son University, Granville, Ohio. Chicago, 1876. XXVIII, 192 S.

Es ist dies das erste jenseits des Oceans erschienene Buch, welches Referent in diesen Jahresberichten zu besprechen hat; zwar will auch dies nicht mehr als ein Schulbuch sein, ist jedoch in seinen Grenzen eine recht anerkenneswerthe Leistung. Die Einrichtung ist die, dass nach der introductory sketch of Lysias and bis wri tings zunächst der Text der ausgewählten Reden (XI. XII. VII. XXII. II.) mit einer kurzen introduction vor einer jeden, aber ohne weitere Beigabe folgt, alsdann (S. 115 190) der erklärende Coramentar in möglichst kurz gefassten Noten. Unter den benutzten Hülfsmitteln nennt der Verfasser die Ausgaben von Rauchen- stein und besonders Frohberger. Durchaus selbständig und recht an-

17*

2,60 Attische Redner.

: regend zu lesen ist in der Einleitung p. XIX— XXI die Ausführung über

j die Grundprincipien von Lysias' Beredsamkeit, deren der Verfasser vier

*■ entwickelt: 1. Wahrhaftigkeit, 2. das Zurücktreten des Schmucks vor

dem Gedanken, 3. das Streben, den Willen in erster Linie durch den

Verstand zu beeinflussen, 4. weise Haushaltung mit der Aufmerksamkeit

des Hörers.

22) Ausgewählte Reden des Lysias, erklärt von R. Rauchenstein. Siebente Auflage. Berlin, Weidmann'sche Buchhandlung 1876. XI, [I], 278 S.

Wie sich schon aus den Seitenzahlen ergibt, hat die vorliegende siebente Auflage gegenüber der sechsten keine umfangreichen Er- weiterungen erfahren, nnd der Verfasser macht auch in der Vorrede nur wenige neue Schriften oder Zusendungen namhaft, deren er sich bei dieser Auflage bedient. Darunter ist neben der Abhandlung von Heldmann (unten Nr. 36) auch die »kleinere Ausgabe« von Frohberger, die auf 411 Seiten 14 Reden giebt, während Rauchenstein 12 aufgenom- . men. Die Behandlung des ersteren ist somit auch jetzt die ungleich ; ausführlichere, womit indess nicht gesagt ist, dass nicht auch Rauchen- j stein's verhältnissmässige Kürze ihren eigenthümlichen Vorzug hat (Jen. I L.-Z. 1876, Nr. 47)^

23) Friedrich Adolf Müller, Observationes de elocutione Lysiae. Part. I: de anacoluthis. Inauguraldissertation von Halle 1877. 33 S.

In dieser recht fleissigen und sorgfältigen Arbeit wird ein Anfang zur Untersuchung der syntaktischen Eigenthümlichkeiten des Lysias ge- macht, und zwar werden nicht bloss die Anakoluthien im engsten Sinne, sondern überhaupt die grammatischen Anomalien behandelt. § 1 betrifft ixh dk, §3—4 die constructio xar« auvsocv, § 7 die Anomalien im Ge- brauche von auTog und ohzog, und erst § 12 die eigentlichen Anakolutha. Ueberall werden die einschlägigen Beispiele sorgfältig zusammengestellt (§7 S. 19 die Beispiele XIV, 29 - durch Druckfehler steht 20 da und XVni, 7 zu streichen). Den Schluss macht ein Excurs zu XXX, 7, Zusammenstellung der Beispiele für h&i>fj.e7a^ac behufs der Widerlegung einer Sauppe'schen Conjectur.

24) E. Rosenberg, Handschriftliches zu Lysias. Im Philolog. Bd. XXXV (1876) S. 263—278.

Indem der Verfasser hier die Marginallesarten der Hamburger Al- dina zu Lysias mittheilt, sucht er gleichzeitig denselben nicht nur hand- schriftliche Grundlage, sondern auch einen gewissen Werth für die Her- stellung des Textes zu vindiciren, letzteres mit minderem Glück, da Sauppe's Ergebnisse hinsichtlich des gegenseitigen Verhältnisses der ly- sianischen Handschriften unerschütterlich sind. Die eingehender behan- delten und nach des Vei'fassers Meinung grösstentheils verbesserten Stel-

Lysias. 2Ü1

len zählt er am Schlüsse auf: I, 27. 40. 46. III, 31. IV, 9. VII, 6. 22. 25. 28. 35. XII, 29. XVI, 13. XVII, 4. XIX, 23. XXXI, 3. 13. 19. 20. 32. II, 13. 18. 23. 41. 73. 74.

25) Dr. S. P. Lampros, Mittheilungen über den Codex Palati- nus X, 88. Im Hermes Band X (1876) S. 257 280.

26) R. Scholl, Zum Codex Palatinus des Lysias. Im Hermes ßd. XI (1876) S. 202—218.

Die Ueberlieferung des Lysias und anderer kleinerer Redner im Codex Palatinus, die betreffs des Lysias auch durch Kayser's für Scheibe gemachte CoIIation nicht erschöpfend ermittelt worden war, liegt vermöge der beiden vorstehenden Abhandlungen, von denen die zweite die erste ergänzen will, nun wohl durchaus vollständig und genau uns vor. Lam- pros zeigt zunächst, dass der Codex von einer Hand geschrieben; als- dann giebt er in vollständigem Abdruck das vorausgeschickte Inhalts- verzeichniss (zuerst veröffentlicht von Wilcken 1817); weiter eine lange Reihe von Lesarten, welche nachzutragen oder richtiger anzugeben waren. Allerdings ist längst nicht alles für die Kritik von Wichtigkeit, vielmehr das Meiste rein orthographisch {d^Jjv, oudkfica, löyooq rs), und Scholl hat recht gethan, bei seiner CoIIation dergleichen zu ignoriren Dafür bringt letzterer, worauf Lampros nicht geachtet, genaue Angaben über die Lesarten von erster Hand, sei es nun, dass dieselben von dem jün- geren Corrector, oder vom Schreiber selbst geändert sind; nach diesen beiden Verzeichnissen folgt ein solches der Dittographien (wo der Schrei- ber bereits in seinem Original andere Lesarten daneben notirt fand); den Schluss dieses Abschnittes machen die Randnoten und Schollen (S. 211). Nun die sonstigen Berichtigungen zu den Angaben bei Scheibe und Lampros (S. 212 -217), unter Hervorhebung dessen, was in den Text aufzunehmen ist oder schon darin steht; was Scholl auf der verwischten Seite des Epitaphios an Lesarten neu entziffert, war schon vorher S. 205 mitgetheilt. Am Ende der trefflichen Abhandlung wird über drei Stellen, wo die handschriftliche Lesart unmittelbar oder mit leichter Aenderung zur Berichtigung des bisherigen Textes dient, ausführlicher gesprochen (14, 29 ysysvTjfjLSvujv statt r.ETxpayjxiviov; 14, 2 ndXat roüzov Ttovrjpov^ die Handschrift nozepov; 30, 6 bnkp ändv-ojv yoöv).

Zur Kritik und Erklärung:

27) H. Röhl, Jahresbericht zu Lysias. In den Jahresberichten des philologischen Vereins zu Berlin über das Jahr 1874 (Zeitschrift für das Gymnasialwesen XXIX, 1875) S. 1—5.

Es wird berichtet über folgende Abhandlungen: Th. Gleiniger, die achte Rede des Lysias (Hermes 1874 S. 150ff.). E. v. Leutsch, zu Lys. or. VIII (Piniol. XXXIH S. 702). E. Rosenberg, über das attische Militärstrafgesetz (Philol. XXXIV S. 65 ff.). Röhl erklärt sich

262 Attische Redner.

mit Rosenberg's Meinung über das Gesetz und mit seiner Herstellung einschlägiger Lysiasstellen nicht einverstanden, und giebt über den Wort- laut des Gesetzes eine eigene Vermuthung. F. K. Hertlein, zu Lysias (N. Jahrb. 1874 S. 175 f.). R. Rauchenstein, zu Lysias' zehnter Rede (das. S. 289 f.). Ausführlich wird von Röhl über § 9 und § 30 gehan- delt; er weist mit Recht Rosenberg's Conjektur Ipptcpurt zu § 9 zurück; seine scharfsinnige Erldärung von 30 erscheint dem Referenten zu ge- künstelt.

28) reatpyioe KiovaravrivtdrjQ , Tlspt t^? yvr^aior^Tog roo ipoj- rtxou roo Auatoo. Im 'A^vacov rop,. 4 (1876) S. 33—55.

Diese in München geschriebene Abhandlung entwickelt in klarer und überzeugender Weise, dass der im Phaidros enthaltene lysianische Erotikos in der That ein Werk des Lysias und nicht des Piaton ist. Bemerkenswerth ist S. 44 f. der Nachweis, dass im Gebrauche von Par- tikeln und sonstigen allgemeinen Ausdrücken die fragliche Rede ebenso sehr mit den übrigen lysianischen zusammenstimmt, wie sie sich darin von der Weise des Piaton entfernt.

29) H. Bu ermann, Des Pseudo -Lysias xarrjyopia npbg Tob? ao- vouacaaräg yaxoXopaJv. Im Hermes Bd. X, 3. S. 347—374.

Die Abhandlung richtet sich gegen die von Gleiniger (Herm. IX, 150—181, s. den vorigen Jahresbericht 1874- 1875 Abth. I, S. 479 f.), deren Hauptaufstellungen treffend widerlegt werden. Besonders gründlich führt Buermann den Nachweis, dass hier nicht ein schlechter Auszug, wie Glei- niger wollte, sondern die lediglich durch gewöhnliche Corruptelen ent- stellte ursprüngliche Rede vorliege. Er bemüht sich diese Corruptelen zu beseitigen, dies freilich nicht überall mit Erfolg; denn auch der viel- fach massgebende Grundsatz Buermann's, die Rede sei als Erzeugniss eines späten Rhetors durchaus nicht in klassischem Griechisch geschrie- ben, ist ein sehr anfechtbarer. Ich meinerseits glaube mich über die gänzliche Werthlosigkeit dieser Rede am Schlüsse des ersten Theils mei- ner attischen Beredsamkeit hinreichend stark ausgesprochen zu haben, und an ihrer Unechtheit hege ich nicht den geringsten Zweifel; aber Buermann schiesst über das Ziel hinaus, indem er sie in »ganz junge« Zeit zu rücken sucht, und seine im Schlusstheile (von S. 369 ab) dafür gelieferte Beweisführmig ist nicht solide. Als unklassische Wörter zählt er auf: aovoomaazrjg und xaxoXoyta in der Ueberschrift, die überhaupt nicht mitzählt; dazu steht xaxoXoyca z. B. Plat. Rep. III, 401 A. Ferner xaxoXoyeTv § 5; s. Hyperid. frg. 247 bei Pollux II, 119. »Auch dviapog und axacog 5) sind nur bei Späteren und Dichtern im Gebrauch; die zehnte Rede, in der sich diese Wörter ebenfalls finden, rührt ebenso- wenig wie die achte von Lysias her«. Beide stehen auch Demosth. Cor. 291. 245; wenn also Buermann sie zu benutzen gedenkt, um auch der

Lysias. 263

zehnten Rede (gegen Theomnestos) demnächst als einer Fälschung den Prozess zu machen, so sehe er sich nun nach anderen stichhaltigeren Ar- gumenten um. »Von noXüfdog § 7 gilt dasselbe; auch nXouTouvzag § 7 für TtXouaioug ist nicht prosaisch.« 11 Xooacoog 'könnte im Gegentheil gar nicht stehen, da mvoiievov der Gegensatz. ■»Euv&ewpsh 5) kommt einmal bei Aristophanes vor.« Das genügt vollauf. ■»TnepEuSoxcixetv § 7 ist überhaupt sonst nicht sicher belegt.« Aber andere ähnliche Cqm- posita, wie oTitpavaiayyvzog [Dem.] 43, 65, ebenfalls ein ana^ Xeyufisvov, ferner bnspeuSatjxovzh Arist. Rhet. II, 8 , von dem das Gleiche gilt, u. a. m. Alsdann bringt Buermann als weitere Belege seine Conjektu- ren roioÜTujg und Ttolor.eipujv, welche doch, namentlich die letztere, mehr als zweifelhaft sind. Nicht besser ist was folgt: er rügt als unklassisch u. a. iqsMy^etv i^r/roav, vergl. Cr^rslg dvanecf^sr^ Aristoph. Plut. 573; Tiapaivotrs TTuvd-avöixsvoc = nov&dvütaBz, mit der Anmerkung, dass Lysias XIX, 8 ou8h yap äv nspacvocpic nicht zu vergleichen sei; ich sehe nicht den geringsten Unterschied zwischen beiden Stellen, und es ist falsch, dass in ouSkv äv nepaivone mivd-. (so heisst es or. VIII, und so war zu citiren) das Hauptverbum umschreibend wäre wie Tuy/dvscv. Ich habe nicht den Raum alles aufzuzählen; Buermann geht sogar so weit (S. 371) das Imperfektum inoceTre § 5 zu rügen, und zu behaupten, dass § 13 hXecrodtxou 8zrj&£:g imXzyacv oux izu^ov das Verbum zuy^dvscv mit dem Infinitiv koustruirt sei, während doch offenbar kTrtXiyzcv von SerjBelg ab- hängt. Unbekannt ist ihm, dass 8turt = utc nicht nur bei Späteren, son- dern auch bei Isokrates vorkommt (Benseier Isokrates S. V, 4), vergl. S. 371 über § 17. Und so weiter. Befremdend ist mir, dass Buer- mann seiner Neigung, dem Sprecher einer Rede in der Sache Unrecht zu geben, auch bei diesem Werke nachgeht und den »wirklichen That- bestand« als einen ganz andern »eruirt« (S. 368 f.), während hinterdrein (S. 373) der Satz kommt: >ider Fall ist klärlich fingirt.«

30) Ernestus Fritzsche, De Pseudolysiae oratioue octava. In- auguraldissertation von Jena. Rostock 1877. 40 S.

Die auch hier behandelte achte Rede hat, wie es scheint, wenig- stens den unleugbaren Werth, dass sie den Philologen zur Uebung ihres Scharfsinnes dient, und es ist dafür gesorgt, dass sie diesen Werth noch lange behält. Die Fritzsche'sche Arbeit befasst sich im ersten Theile mit dem Nachweis der Unechtheit (bis S. 17), ohne sonderlich Schätz- bares beizubringen: dass -aüza in der Rede 17 mal vorkommt, xa: 36 mal, ydp 24 mal (S. 13), möchte doch wenig beweisen. Der zweite Theil be- trifft die Herstellung des Textes, doch wird auch hier der besagte eigen- thümliche Werth der Rede kaum geschmälert.

31) Emil Rosenberg, Ueber das attische Militärstrafgesetz. Im Philologus. Bd. XXXIV (1876) S. 65—73.

264 Attische Redner.

32) Th. Thalheim, Das attische Militärstrafgesetz und Lysias 14, 7. In den N. Jahrb. für classische Philologie. CXV (1877) S. 269 bis 272.

Vergl. auch H. Röhl (oben Nr. 27). Es handelt sich um die Re- construktion des attischen Militärstrafgesetzes und zugleich um die Emen- dation einer Hauptstelle dafür, Lys. 14, 7, die in X augenscheinlich ver- dorben ist; daher ist es begreiflich, wenn die Ansichten recht ausein- andergehen.

33) Moritz Schmidt, Miscellanea philologica. Universitätspro- gramm von Jena 1876. 4. 17 S. Darin S. 10 13 über Lysias' Rede XX für Polystratos.

Textesabdruck der grösseren Hälfte der Rede (bis § 23) nach des Verfassers Umstellungen, nach denen die Folge diese ist: § 1—2. 11—12. 3—6. (bis xacrijjv iiTJ). 8 9. 7''. 10. 13—15 dSixecv. 18. Vl^ (von ol xaTTjyopot an). 15 nwg äv 16. 20^ (von ouoh jap). 20*. 16. 17*. 19. 21 ff., abgesehen von kleineren Umstellungen, wie innerhalb des § 2. Dem Referenten erscheint eine solche Textesbehandlung, die noch viel gewaltsamer ist als die von Kirchner (s. den Jahresbericht über 1873 S. 273 ff.), die Grenzen des Erlaubten weitaus zu überschreiten. Man lasse doch jedem Schriftsteller seine Eigenthümlichkeit, also auch dem confusen Redenschreiber seine Confusion; denn wesshalb es nicht auch solche gegeben haben soll, ist schlechterdings nicht einzusehen.

34) Th. Thalheim, Des Lysias Rede für Polystratos. Programm des Breslauer Gymnasiums zu St. Elisabeth 1876. 40 S.

Diese fleissige und höchst gründliche Abhandlung hat es wohl ver- dient, dass ihr von A. Hug in der Jen. Lit.-Zeit. 1876 S. 635 f. eine aus- führliche Besprechung zu Theil geworden ist. Von ihreii vier Abschnit- ten behandelt der erste (bis S. 13) die historischeu Angaben der Rede, mit dem Ergebniss, dass nirgends ein Widerspruch mit der sonstigen Ueberlieferung vorliege; also sei hier kein Grund, mit Hoffraeister (Pro- gramm Stargard i. Pr. 1872) die Rede als spätere Fälschung zu ver- werfen. A. Hug findet indess nicht alle Zweifel gelöst. Im zweiten Abschnitt (S. 13—20) wird der vorliegende Rechtsfall untersucht: nach dem Verfasser ist es eine dnoypaf^ wegen Nichtbezahlung der Geld- busse, zu der Polystratos in dem frühereu Prozesse verurtheilt worden war. Beiläufig bespricht er auch die Rechtsfälle der XVH. und XXL Rede (S. 18 f.); auch bei letzterer nimmt er gegen die Ansicht des Re- ferenten mit Scholl anoypatprj an. Der dritte Theil (S. 21-37) ent- hält eine genaue Erörterung der formellen Härten und Dunkelheiten der Rede, mit gelegentlicher Emendation; der letzte begründet die Schluss- folgerung, dass sie von Lysias nicht verfasst sein könne. Interessant ist die S. 40 vorgetragene Combination Kirchhoff's, dass der Sprecher

Lysias. 265

jener Aüxeog IIoXuaTpdTou *A^vatog sein möge, der in Xenophon's Ana- basis vorkommt, und dass wegen der Namensähnlichkeit die Rede dem Lysias zugewiesen sei.

35) H. Höhl, Zu Lysias XX, 19, Andokides II, 23, Lysias XIII, 72, Corpus Inscr. Atticarum 59. Im Hermes Bd. XI (1876) S. 378—381.

Durch Aufhellung des Herganges bezüglich der Belohnung der Mörder des Phrynichos sucht der Verfasser die Zeit der XX. lysiauischen Rede, die er vor Ablauf der neunten Prytanie Ol. 92, 2 gehalten sein lässt, noch sicherer festzustellen. Dabei kommen ausser der Inschrift C. L A. 59 auch die in der Ueberschrift angeführten Stellen der Red- ner zur Erörterung; Lys. 13, 72 will der Verfasser zweimal die Worte xaX 'AnoXKüdcupov streichen.

36) Carl Heldmann, Emendationes Lysiacae. Gymnasialprogr. Cassel 1875. 4. 34 S. Zugleich als Inauguraldissertation Marburg 1875.

Das kritische Princip, welches der Verfasser in dem grössten Theile seiner Abhandlung an einer Anzahl Stellen des Lysias zur Gellung zu bringen sucht, ist die Heilung einer Corruptel durch Umstellung. Zu- erst jedoch erörtert er einige Stellen, wo die von anderen vorgeschla- gene Umstellung ihm nicht anwendbar scheint: VII, 26 (gegen Rauchen- stein's Umstellung des wg) und XVI, 3 (gegen denselben, der ir.sorj/iouv in § 4 nach xa^af/9oy/z£vo>»v unterbringt ; Heldmann schlägt oz i'mSijjwuv vor, nicht übel, doch ziehe ich das andere vor). Seine eigenen Umstel- lungen sind (s. S. 7 25): I, 15 bjxotujg vor iiioi^rvjsv (?); I 20 wg kxetvjj j^joovcu Ttpoa&Sifj zag elaoSoog xal ciig rpoTiotg r^poaioi (unmög- lich richtig); IV, 2 Umstellung mit doppelter Aenderung, allzu gewalt- sam; IV, 17 xai oh Xr^aet oudsv zaijTrjg ßaaavtadziarjg. iyuj 8' oux l'aov slxov, dX)' dmxcvouvsuov -oüzo (anders der Referent Rhein. Mus. XXI, 278). Hierbei macht Heldmann (S. 10 f.) einen Exkurs, um zu zeigen, dass diese Rede nicht am Anfang verstümmelt, sondern ein Seözspog 16- yog sei, indess gelingt ihm dies wenig, da die Stellen § 10. 14. 15. 17 sich auf die Voruntersuchung beziehen, und der Epilog § 20 nicht mehr als der Schluss der dritten Rede gegen Simon für einen ozbz. löyog passt. Weiter VII, 2 Umstellung von dniozcqav (aus dnodeiqai) nach ar^xov dfaviZ^iv (??); VII, 23 zaüzrj zrjV ^r^pcav und weiterhin dXXä fxap- zöpujv mit Tilgung des dX}M {dpa) nach aoxo(pa\>zwv\ VIH, 4 eine neue Conjektur zu den heillos verderbten Worten xakot oozwg xzk.\ X 1 zov ipauzoü wird mit Aenderung in zoü ip.. nach nazpog § 3 gestellt. S. 19 ff. sucht er XIII, 65 66, welche Paragraphen man für interpolirt hält, durch Umstellung hinter § 69 zu retten. Die übrigen Stellen sind: XVIII, 7. XXVII, 3. 4 (wobei der Verfasser die Ansicht P. R. Müller's widerlegt, dass sich die Rede nicht gegen Epikrates und seine Mitschul-

266 Attische Redner.

digen richte, sondern bloss gegen die letzteren). XXXI, 20. Im Gan- zen ermangeln die Umstellungen des Verfassers der Wahrscheinlichkeit. Im letzten Abschnitt (S. 25—34) bringt er noch einige sonstige Emen- dationen zu folgenden Stellen: IV, 13. VII (34.) 38. VIII, 1 (XIII 29 f. nur Interpretation, auch XIV, 27 keine Conjektur). XIX, 18. XXIII, 8ff. XXIV, 9 (14 Vertheidigung des Ueberlieferten).

37) R. Rauchen st ein, Anzeige der vorstehenden Schrift. Neue Jahrb. f. Philol. Bd. CXI (1875) S. 517-521.

Die Arbeit wird von Rauchenstein recht günstig beurtheilt; er pflichtet oft den Vorschlägen des Verfassers bei. Eigene neue Conjek- turen werden nicht viel gegeben (zu 1, 20. 18, 7. 27, 3).

38) Karl Brugmann, Zu Lysias. N. Jahrb. f. Philol. CXI (1875) S. 521-522. 39) Th. Thalheim, Desgl., das. S. 522—523.

Brugmann bringt zu X, 12 die Vermuthung, dass das dort über- lieferte 0iujvc zwar nicht in AoacHo) zu ändern, jedoch in diesem Sinne zu verstehen sei; denn 6iu)v sei Koseform für Juacl^sog wie ZsU$cg für Zeu^cnnog. Referent könnte eher beistimmen, wenn er irgend eine Noth- wendigkeit sähe, den Theon der Stelle nicht für eine beliebige ander- weitige Persönlichkeit zu halten. Thalheim giebt eine recht gute Erklärung zu XIX, 34 41; er bezieht Ixebou § 34 auf Kouon, und fasst § 38 vov zocvov in streng zeitlichem Sinne; so gewinnt er zwei hypothetisch angenommene Confiscationen, eine in der Vergangenheit bei Koüon's Lebzeiten, und eine in der Gegenwart nach dessen Tode.

40) R. Rauchen st ein, Zu Lysias. N. Jahrb. f. Philol. CXIII (1876) S. 329—333.

Conjekturen zu folgenden Stellen: IX, 2 {äyvocav statt eüvoiav). 11 (uTioa'j^uvzag statt b-iaxo)'). 16. 17. 20; X, 26. 29; XVIII, 5. 6. 7. 16. 18; XX, 1. 6. 8. 9. 12. 13. 16. 19. 23. 24. 31; XXI, 18. XXVI, 5. 6. 13; XXIX, 5.

41) H. Röhl, Zu Lysias. In den N. Jahrb. f. class. Philologie Bd. CXV (1877) S. 155-158.

Der Verfasser sucht im Anschluss an Cobet und Halberstma den Text des Lysias von Interpolationen zu reinigen. Er steicht I, 8 ■zt)v vor elg ztjV dyopäv , 16 slg äyopav ßa^i^ooaav x(u\ 44 ivio'. yäp . . sm- ßouhuouac, VII, 22 ivvea vor äp^ovTag (wodurch dies "Wort ganz zwei- deutig wird), 32 dUä prj npoBupcog, XII, 99 dUä noUcuv, XIII, 2 /z)j- vyr^? . . yzvups'^og, XXII, 2 B^avdzip Z^jjxiujaat und dxpho'jg vor dnoXo}- Xevac, XXIII, ^ og . . osaTioTTjg sXvat. Referent muss sich zu den mei- sten dieser Vermuthungen ablehnend verhalten. Der Verfasser fügt noch zwei sonstige Conjekturen hinzu: XIV, 36 Lücke hinter xaz^Ms (bei- fallswerth), und XIX, 11 8iä andvcv für xal andviv.

Lysias. Isokrates. 267

Nicht vorgelegen hat mir

42) E. Kurz, Zu Lysias (VII, 22) und Demosthenes. In den Blättern f. d. bayer. Gymn.- und Real-Schulwesen, Bd. XI, 10 S. 435 bis 440.

Isokrates.

43) G. Jacob, Jahresbericht über Isokrates. In den Jahresbe- richten des philologischen Vereins zu Berlin über das Jahr 1874 (Zeit- schrift f. d. Gyranasialwesen XXIX, 1875). S. 6-20.

Eingehende Besprechung folgender Schriften und Abhandlungen: Isokr. Panegyr. und Areopag. von R. Rauchenstein. Isokrates' aus- gewählte Reden von 0. Schneidt3r, 1. Bändchen. H. Sauppe, Recen- sion von C. Reinhardt's Dissertation de Isoer. aemulis (Gott. gel. Anz. 1873 S. 1735—1740). Haupt, de Isoer. epistulis. Blass, die attische Beredsamkeit II. Abtheilung. Gebiert, de elocutione Isocratea.

0. Kohl, de Isocrat. suasoriarum dispositione. Seeliger, de Dionysio Halicarnass. Plutarchi in vitis X orat. auctore. E. Rosenberg, die Partikel toc'vuv in der attischen Dekas (N. Jahrb. f. Philol. 1874 S. 109). Von letzteren beiden Abhandlungen wird nur was den Isokrates betrifft erörtert. F. K. Hertlein und G. Jacob, zu Isokrates (N. Jahrb. f. Phil.

1. c. S. 18 und S. 157). Namentlich für die Textkritik sind auch in diesem Jahresbericht, wiewohl derselbe wesentlich referirend ist, manche kleine Beiträge geliefert.

44) dsoSwpou 'AyxuXiwvog (Th. Henkel) röJv mpl laoxpaT-^ ^^^' aeojv ßcßXiov npwrov. Gymnasialprogramm Rudolstadt 1877. 4. 34 S.

Diese in recht gutem und namentlich vollkommen verständlichem Griechisch geschriebene Abhandlung will den Nachweis führen, dass die gegen die Echtheit der Rede I npog Arjjxüvixov vorgebrachten Gründe nichtig seien. Dem griechisch Schreibenden verzeiht Referent gern einen gewissen Ueberfluss der Darstellung; in einer deutschen Abhandlung hätte z. B. die Frage nach den Hiaten . der Rede nicht so umständlich erörtert werden dürfen, nachdem schon Referent, auf den sich der Ver« fasser bezieht, dies Argument Benseler's in gleicher Weise zurückgewie- sen hatte. Die von Benseier aus Einzelnheiten des Ausdrucks hergelei- teten Argumente werden sorgfältig geprüft und grossentheils widerlegt; so dankenswerth indess die vom Verfasser hier gegebenen Nachweise über isokratischen Sprachgebrauch sind, so wird doch das Ziel der Abhand- lung damit nicht erreicht, weil der Verfasser nicht alles erledigen kann. Ebenso wenn er am Schluss behufs eines positiven Beweises der Echt- heit Parallelen des Ausdrucks mit anderen Reden bringt, so ist dies alles darum nicht beweiskräftig, weil der Ursprung der Rede aus der isokra- tischen Schule, den die Gegner annehmen, ebenfalls diese Aehnlichkeiten

268 Attische ßedner.

zu erklären geeignet ist. Conjekturen werden auf S. 13 ff. einige vor- gebracht, sämmtlich zum Zweck der Beseitigung von Hiaten.

45) Job. Wrobel, Ein neues Zeugniss für die Echtheit der Iso- kratischen Rede an Demonikus. In der Zeitschrift für österreichische Gymnasien, Jahrgang XXVI (1875) S. 743 f.

Der Verfasser weist bei Chalkidius, zu Anfang der Vorrede dessel- ben an Osius, ein Citat aus § 7 der fraglichen Rede nach. Inwiefern aber Chalkidius die Echtheit einer isokratischen Rede bezeugen kann, ist mir in der That unverständlich.

46) J. Winter, Isocrat. orat. ad Demonicum § 52. In den Sym- bolae philologicae, Festschrift der Mitglieder des Münchener Seminars zum Jubiläum L. Speugel's (München 1877). S. 12 -13.

Recht gute Conjektur zu der angeführten Stelle, jidhaza statt /lo^cg.

Is aio s.

47) LeonMoy, fitude sur les plaidoyers d'Isee. These presentee ä la faculte des lettres ä Paris. Paris (E. Thorin) 1876. IX. 272 S.

Der Haupttheil des Buches, welcher eine ausgeführte Schilderung von Isaios' rednerischem Charakter giebt, reicht bis S. 135; es folgt als Appendice eine analyse des plaidoyers (I— XI, mit Ausschluss des Bruch- stücks für Euphiletos), so dass die Anlage des Ganzen mit der vom Re- ferenten bei Isaios und den anderen Rednern angewandten wesentlich übereinstimmt. Im Haupttheile ist die Folge der Abschnitte diese: I. l'invention, II. les lieux communs, III. la disposition, IV. l'exorde, V. la narration et l'argumentation, VI. les temoignages, les lois, VII. la peroraison, VIII. les moeurs et le pathetique, IX. le style, dann die con- clusion. lieber Isaios' Persönlichkeit ist das Nöthige in der Vorrede enthalten. Aus dieser Uebersicht geht schon hervor, dass das Thema durchaus nicht in gleicher Weise wie seitens des Referenten gefasst ist. lieber den Stil wird auf zehn Seiten gehandelt; das Sachliche fesselt den Verfasser besonders , und es ist ihm um die Würdigung des Isaios als eines Redners, nicht so sehr um die stilistischen Verdienste des- selben zu thun. Ueberall zeigt er eine beneidenswerthe Feinheit der Auffassung, er trifft glücklich Sache und Ausdruck dafür, und man kann aus seinem Buche ausserordentlich viel lernen. Es mangelt nicht jene Gründlichkeit, welche sich in den Gegenstand vertieft und ihn erschöpft ; die Literatur darüber berücksichtigt er soweit er sie gebraucht, was al- lerdings nicht eben viel der Fall ist. Das Buch des Referenten citirt er nie, und scheint es auch nicht zu kennen. Wenn nun wir Deutschen auch bei dieser Gelegenheit wieder die Mitarbeit unserer westlichen Nachbarn aufrichtig willkommen zu heissen und hoch zu schätzen haben, so vermissen wir doch auch andererseits Eigenschaften, auf die wir sel-

Isaios. 269

ber uns etwas zu Gute zu tliun pflegen, vor allem die strenge Kritik. Nicht als ob deren Mangel in diesem Falle den Werth der Leistung erheblich schmälerte: es giebt ja bei Isaios keine zweifelhaften Reden, und nur gelegentlich, wo der Verfasser auf Demosthenes kommt, erstau- nen wir, dass er Reden wie die gegen Makartatos und gegen Neaira als echt behandelt und zu bewundern weiss. Ist das ästhetische Urtheil wirklich so sehr von äusseren Umständen abhängig, wie hier dem Um- stände, dass ein schlechtes Machwerk den Namen des Demosthenes trägt? Indess die Behutsamkeit, welche nichts Ueberliefertes zu verwerfen wagt und an allem noch etwas Gutes zu finden sich bemüht, ist schliesslich kein schlimmerer, jedenfalls ein liebenswürdigerer Fehler als das ent- gegengesetzte Extrem des rücksichtslosen Verwerfens und Absprechens. Für die gelehrte Eiuzelforschung über Zeitumstände der Reden, Rechtsbestimmungen und dergleichen ist Herrn Moy's Buch nicht ange- legt; wenn er einmal auf derartiges kommt, so genügt ihm die Autorität von Schömann, Boeckh u. a.

48) Konrad Seeliger, Zur Charakteristik des Isaios. In den N. Jahrb. f. Philol. Bd. CXIII (1876) S. 673—679.

Der Verfasser stellt hier den Isaios dar als einen Advokaten, der häufig die Billigkeit gegenüber dem formellen Rechte zur Geltung zu bringen suche. Dies sei nicht nur bei der ersten Rede der Fall, sondern auch bei der achten; denn hinterlassene Tochtersöhne seien nach atti- schem Recht nicht Erben gewesen, sondern statt ihrer die Seitenver- wandten. Das heisst, es gab kein Gesetz über die Erbfolge der Tochter- söhne, so wenig wie über die der sonstigen Enkel; dass aber das Gegen- theil im Gesetze bestimmt gewesen, vermag Seeliger nicht entfernt zu beweisen. Er bespricht sodann die elfte und schliesslich die sechste Rede, bei welcher er ebenfalls dem Sprecher das formelle Recht zu be- streiten sucht; ich glaube auch hier nicht, dass irgend welche gesetz- liche Bestimmung vorlag, meine aber, dass der Wille des Gesetzgebers unbedingt auf Seiten des Sprechers war. Die Bezeichnung eines Ra- bulisten für Isaios lehnt Seeliger selbst ausdrücklich ab, ist aber doch manchmal etwas streng gegen den Redner, wie wenn er es ihm als eine Art Täuschungsversuch auslegt, dass er in der siebenten und wie- derum in der neunten Rede statt do£?^^bg (ddsX^rj) oiMofxi^rpcog gewöhn- lich kurz dds?.^6g bez. d8zX(prj sagt. Fast scheint es, dass nach Seeliger's Meinung die Gewissenhaftigkeit auch bei ddeX^idodg den Zusatz b[io}i7j- rpcog verlangt hätte.

49) E. Caillemer, Le plaidoyer d'Isee sur la succession d'Asty- phile traduit et annote. In dem Annuaire de Fassociation pour Ten- couragement des etudes grecques en France. IX. annee 1876. S. 164 bis 186.

270 Attische Redner.

lu der vorausgeschickten Untersuchung über die Zeit der Rede EX kommt der Verfasser zu dem gleichen Ergebniss wie Referent, dessen Meinung er anführt, aber in unrichtiger Weise: »frühestens einige Zeit nach 371« bedeutet nicht: peu de temps apres 371. Die Uebersetzung ist frei, doch im Ganzen richtig (falsch übersetzt § 26 aig dk ouds xrk.) ; die beigefügten Anmerkungen zeugen von guter Kenntniss des attischen Rechts.

50) J. Vahlen, Varia. Im Hermes. Bd. X (1876) S. 458—460.

Nr. VI S. 460 Conjektur zu Isaios 9, 25: aurcüv rou uficv o7g npo- arjXBz. Referent kann nicht beistimmen: der Singular ij [lapTopia § 26 beweist durchaus nicht, dassnur ein Zeuge dies ausgesagt hat.

Demosthenes. Ich stelle voran einige allgemeiner auf Demosthenes und seine Werke bezüglichen Schriften:

51) Rev. W. J. Brodribb, Demosthenes. In: Ancient classics for English readers, edited by the Rev. W. Lucas Collins (Supple- mentary Series). Edinburgh and London 1877. 174 S.

Der Zweck des Unternehmens, zu dem das vorliegende Werk ge- hört, ist die Einführung in die alten Classiker hauptsächlich für solche, die der Originalsprachen nicht mächtig sind; es werden dazu Lebensab- risse und Uebersetzungen von ausgewählten Stücken der Werke gegeben. Wissenschaftliche Ansprüche werden demnach nicht gemacht; übrigens ist die vorliegende Arbeit mit Verständniss und in angenehmer Form geschrieben.

52) Reden des Demosthenes, übersetzt von Carl Beck (In der Jugendbibliothek des griechischen und deutschen Alterthums). Erstes Bändchen: Demosthenes. Zwölf Staatsreden. Zweites Bändchen: De- mosthenes. Drei Gerichtsreden. Halle (Buchhandlung des Waisenhauses) 1876. VII, 240; 222 S.

Nicht nur eine gute Uebersetzung des Demosthenes ist ein schwie- riges Ding, sondern auch schon ein richtiges Verständniss, zumal für den, der nicht Philologe ist, gleichwie der Verfasser es nicht ist. Also : kyui fikv oux i'^w ncug knatviato, ijjeyeiv 8^ oh ßoltloiiai.

53) C. G. Cobet, Miscellanea critica, quibus continentur observa- tiones criticae in scriptores Graecos, praesertim Homerum et Demo- sthenem. Leyden (E. J. Brill) 1876. XVI, 616 S.

Wegen des Titels und weil in der That nur wenige Conjekturen zu den anderen Rednern in dem Werke vorkommen, habe ich es hierher gestellt. Die Adversaria critica ad Demosthenem stehen zu Anfang und Schluss des Bandes, S. 1-86 und S. 449 582; die erstere Abtheilung

Demosthenes. 271

betrifft, nach einem einleitenden Capitel über den Cod. S (S. 1 11), die Reden I IX (S. 11 40), dann nach einander in grösseren Ab- schnitten X XVII, während in dem nachher folgenden Theile zuerst (S. 449—471) Nachträge zu dem Früheren gegeben, alsdann die dcxav. Sr^jxuoiot (XVIII— XXVI) ebenso in einzelnen Abschnitten behandelt wer- (jen. Von Cod. S giebt Cobet ein genaues Inhaltsverzeichniss mit den Titeln und Unterschriften der einzelnen Reden. Die ausserordentliche Zahl von Conjekturen eingehender zu besprechen mangelt hier der Raum; Referent will daher einige allgemeine Gesichtspunkte aufweisen. Es ist leider Cobet's Art, die Individualität der einzelnen Schriftsteller wenig zu berücksichtigen; zwischen Prosa und Poesie macht er einen Unter- schied, und lässt sich den Zwang gefallen, den beim Dichter das Vers- mass und die Compositionsgesetze dem ingeuium des Kritikers auferle- gen ; dass es aber auch für gewisse Prosaiker Compositionsgesetze giebt, das ignorirt er. Und doch sind jene einschränkenden Gesetze für den Kritiker auch insofern werthvoU, als sich durch das verletzte Versmass oder durch einen fehlerhaften Hiatus oftmals eine Stelle auf den ersten Blick als verdorben ausweist, und so hat Cobet in den Homerica einen Abschnitt y>^/a(r/xcooca: intolerabiles« überschrieben (S. 370), in welchem er, von fehlerhaften Hiaten ausgehend, einige homerische Verse emendirt. Aber bei Demosthenes ist er von einem entsprechenden Verfahren so- weit entfernt, dass er die Zahl der ^aaiicuotai intolerabiles mit seinen Conjekturen eher noch vermehrt. So begegnet ihm, was einem solchen Kritiker nie begegnen sollte, dass man öfters eine Conjektur von ihm beim ersten Hinsehen als unbedingt falsch erkennt. Beispiele: or. V, 19 exaffTog dpY:^6jj.£vog] exaazoe dpji^üixzvoi Cobet. VI, 18 &zpa7iei>Ei rt- vdg\ Hspa7:eüsc det rcvag Cobet. XXIII, 78 ^ovoj ^(jyrjv bnixec] (pövcp br.ixet Cobet. Schliesslich ist es doch für einen Mann wie Cobet, der sich auch mit Dichtern soviel beschäftigt hat und der ferner so aufmerk- sam liest, nichts sonderlich schweres, sowohl auf die Hiaten als auch auf die für Demosthenes nicht minder fehlerhaften Häufungen kurzer Silben Acht zu geben; er würde alsdann manche falsche Conjektur nicht machen, dagegen manche verborgene Corruptel aufspüren und entfernen. So streicht er Aristokr. 97 wohl mit Recht das angehängte o vopog, merkt aber nicht, dass auch Timokr. 91 {Tipdyiiad-' b vöpog) dasselbe An- hängsel wegen des Rhythmus und daselbst 93 8rjnou iv tü) voiuo aozoo die letzten vier Worte (mit Benseier) wegen der Hiaten zu tilgen sind. Das Bestreben Cobet's, den Text des Redners von der Menge ein- gedrungener Glosseme zu befreien, sei es mit oder ohne Handschriften, verdient an sich allen Beifall; indess nimmt er dabei lange nicht genug Rücksicht auf die besondern Eigenthümlichkeiten des rednerischen Stiles überhaupt und des demosthenischen insbesondere. Verbindungen von Synonyma, so häufig zumal bei Isokrates und Demosthenes, werden zwar nicht immer, was fast unmöglich scheint, aber doch in zahlreichen Fällen

272 Attische Redner.

von dieser Kritili beseitigt. Aristokr. 5 rjao)f{av äyztv {dyaysTv A F u. a. Handschriften) xac aKorffjaat. Cobet behauptet, dass ayeiv nöthig sei; da sich anunäv nicht leicht herstellen lässt, so streicht er xai anomfjaai. Warum dann nicht auch in dem folgenden Gegensatze eItieIv xai xarri- yopfjaai. das slnetv xai'} Daselbst § 63 bßptZojat xai dca^&ecpojat] Co- bet findet das dca^Bztpecv nach. bßpcCsiv matt und beseitigt es; es ist aber nothwendig, da nicht ußpc^scv, sondern 8ia<pBstp£iv das eigentliche Wort für Verführung ist, bßptZscv aber nur in Folge des vom Redner hier an- gestellten Vergleiches steht. Auch das rt ipoüpsv ^ ri (prjaojiev Chers. 37 giebt Cobet solchen Anstoss, dass er rj r/ (pijaopev tilgt (S. 465); des- gleichen entfernt er Cor. 13 xai 8ce^i^sc {i-payojSsc xai 8is^f]st)\ denn: tam acre verbum rpayojdeTv non fert iners et languidum diz^dvat sibi superimpositum (S. 476). Eben weil es ein acre verbum, ein harter Aus- druck, deswegen der mildernde Zusatz. Diese Kritik ist lange nicht be- hutsam und umsichtig genug, und möchte leicht mehr verwüsten als hei- len. Schon die ältesten Kritiker, vor Dionysios von Halikarnass, nahmen an den scheinbar müssigen Häufungen des Redners Anstoss (Dion. Dem. c. 58); hatten wirklich schon damals geschäftige Commentatoren ein dun- kles TipaTTscv mit ttocsTv glossirt?

Doch führe ich in dieser Weise fort, so könnte es scheinen als verkennte ich das viele Gute, was uns doch in diesem Buche ge- boten wird. Ich führe an: Chers. 75 wg olöv r apiara, statt orjv re zh •apiara\ 37 die Streichung von sldxare xai {xai fehlt in S); Halonn. 17 ToÜToig S' ima-suzv (Aug. 2) für dtsTicazzusv; Aristokr. 157 ä(pia^ai für dcpzTaBat, 186 xav cpökaxag; 218 avaipouv für ävaipu)V\ Tim. 48 xctd' oüzwg nach S für xac zu&' ouzojg; das. 85 änrj?,\a$£za: für anaXM^szac; 93 Rechtfertigung der vulg. elg ixaazog gegen die Lesart in S und an- deren Handschriften ixaazog\ 97 Rechtfertigung der Lesart npoeunoptT- aBai gegen das gewöhnliche TipoasunopsTcr&ac , u. a. m.; denn eine voll- ständige Aufzählung der gelungenen Besserungen möchte sehr viel Raum erfordern.

Manchmal lässt sich Cobet auch auf Fragen der höheren Kritik ein, jedoch meistens weder sehr eingehend, noch mit besonderem Glück. Sein Absprechen über den Brief Philipp's (S. 52 f.) hat wenig auf sich, da es nur mit subjectiven Gründen, als sei dies oder jenes im Munde Philipp's unpassend, gestützt wird; auch behauptet niemand, dass Phi- lipp der Concipient dieses Aktenstückes gewesen sei. Das Auifälligste aber ist, dass er die erste Rede gegen Aristogeiton dem Hypereides mit solcher Bestimmtheit zuweist, dass er den betreffenden Abschnitt (S. 559 ff.) überschreibt: '^Tnapzcdr^g xaz' 'Apcazoysczovog. Die Gründe dafür sind nicht sehr stark; dass der Eingang mit dem von Hypereides' Rede für Euxenippos Aehnlichkeit hat (vgl. auch § 2 xzxpiaBat zoozo npäyiia rÄlat mit Hyp. c. Dem. XXVHI, 8 ff. ouzüjg xai zouzl zb Ttpäy/xa xexpczac), werden andere eher auf Nachahmung zurückführen. Bei

d

Demosthenes. 273

der ausfübiiichen Widerlegung der Meinung, dass die Eede das Werk eines Sophisten, wird doch nur Dobree und dessen kurze Argumentation berücksichtigt. Da aber das Werk demosthenische Composition hat, so ist nur eins von zwei Dingen möglich : es ist von Demosthenes oder von einem Nachahmer desselben (ich mag nicht von Fälschung reden, da nichts auf eine betrügerische Absicht weist), also keinesfalls von Hypereides.

54) R. Hercher, Zu griechischen Prosaikern. Im Hermes Bd. XI

(1876) S. 223ff.

Darin S. 225 f. Conjekturen zu Dem. XIX, 112 (Streichung von ouo'' eifBiyqar ivavrcov o'jokv) und II, (Streichung von -zwv aurwv npdqsujv). Referent kann nicht beistimmen; an letzterer Stelle wäre höchstens r.pd-eujv zu tilgen.

55) H. Bosse, De asyndeto Demosthenico. Leipzig 1875. Dem Referenten nicht zugänglich gewesen.

Demegorien.

56) Demosthenes neun philippische Reden, für den Schulgebrauch erklärt von C. Rehdantz. Erstes Heft: I III: Olynthische Reden. IV: Erste Rede gegen Philippos. Fünfte verbesserte Auflage. Leipzig (Teubner) 1877. VI, 173 S.

Die vierte Auflage erschien 1873 (s. den Jahresbericht für 1873 S. 283 f.). Auch diesmal ist der Umfang wieder gewachsen, von 158 auf 173 S., in Folge der unablässigen Durcharbeitung des neu erscheinenden Materials seitens des Verfassers. Ganz neu hinzugekommen ist hier ein Anhang (S. 171—173), in welchem sich Rehdantz mit der modernen Kritik von Dobree und Cobet in launiger Weise auseinandersetzt und sodann ein kurzes Verzeichniss der Conjekturen der Genannten zu die- sen Reden liefert.

57) Ausgewählte Reden des Demosthenes, erklärt von Anton Westermann. Erstes Bändchen: IV. Erste Rede gegen Philippos. I.— IIL Olynthische Reden. V. Rede vom Frieden. VL Zweite Rede gegen Philippos. VIII. Rede über den Chersonnes. IX. Dritte Rede gegen Philippos. Siebente Auflage von Emil Müller. Berlin (Weid- mann) 1875. IV, 438 S.

Die Westermann'sche Ausgabe erscheint hier in einer wesentlich umgearbeiteten und erweiterten Gestalt. Schon die geschichtliche Ein- leitung, S. 1—124, ist vom Herausgeber grösstentheils neu geschrieben worden; er bezeichnet sie selbst (S. III) bezüglich mancher Theile als einen Auszug aus Schäfer, was eine solche Arbeit auch unter den Hän- den des Referenten jedenfalls geworden wäre. Westermann's Special- einleitungen zu den einzelnen Reden sind in die allgemeine Einleitung

Jahresbericht für Alterthums-Wisseuschaft 1877. J, 2g

274 Attische Redner.

grösstcutheils mit aufgenommen; diese ersparte indess dem Verfasser niclit die Ausarbeitung neuer Vorbemerkungen, die in. den meisten Fäl- len ziemlich umfangreich sind. Sehr reichhaltig und vielfach neu ist auch der Commentar, und endlich sind am Schlüsse des Ganzen vier Anhänge hinzugekommen: I. die Theorikenfrage und der euböische Feldzug, S. 390 bis 404; II. über das Lemma 'ArMxpcGcg in der zweiten Philipp. § 28 und die Verlesung von Aktenstücken in der athenischen Volksversamm- lung, S. 405 411 ; III. die Achtserklärung gegen Arthmios von Zeleia, S. 412 424; IV. die Ueberlieferung der Reden des Demosthenes, S. 425 bis 431. Endlich folgt noch eine mit geringen Abweichungen nach A. Schäfer gearbeitete Zeittafel. Im ersten Anhange bekämpft der Verfasser die Weil'sche Datirung des euböischen Feldzuges (348) und die Meinung desselben Gelehrten, dass Eubulos' Gesetz, welches den Versuch die Theorika zu beseitigen mit Todesstrafe belegte, eine Er- dichtung Späterer sei. Müllei-'s Darlegung hat viel Beifall gefunden und sogar "Weil selbst wankend gemacht; Referent indessen glaubt, wie er dies in seinem Buche ausgesprochen, an den Weil'schen Datirun- gen entschieden festhalten zu müssen. Der zweite Anhang erweist, dass Phil. II, 28 die Verlesung eines Antrages durch den Redner selbst anzunehmen ist, indem die Verlesung von Aktenstücken in der Volksver- sammlung keineswegs, gleichwie vor Gericht, durch den Schreiber ge- schab. Gleich Iretfiich und beifallswerth ist die dritte, gegen Spengel gerichtete Abhandlung, mit dem Nachweise, dass das azip.üg im Dekrete gegen Arthmios vom Redner vollkommen richtig erklärt wird. Aus den Einleitungen hebe ich hervor: S. 165 tf. über die Zeitfolge der olyn- thischen Reden, deren gewöhnliche Ordnung der Verfasser gelten lässt, doch so, dass alle in das Jahr 349 fallen; S. 259 ff. über die bei der zweiten Philippika anwesende Gesandtschaft; S. 336 ff. über die doppelte Recensiön der dritten Philippika; Müller will überall, auch § 6f. und 46, die Zuthaten der Vulgata als spätere Interpolation ausscheiden. Die vermeintlichen Interpolationen bilden überhaupt einen Punkt, wo Referent mit der sonst so trefi'lichen Ausgabe nicht ganz einverstanden sein kann : auch Phil. III, 15 ecprjvr^v fxkv yup ujjiuJixüxzt , und tt. zlf). 21 vuvt yäp . . idöxsc aivuc werden als iuterpolirt in Klammern gesetzt. Wenn an er- sterer Stelle der krasse Verstoss gegen die allbekannte Wirklichkeit der Thatsaclien zur Anwendung eines kritischen Mittels zwingt, dann ist, scheint mir, u>p.uXuyrjXzt für w/xuj/xöxec zu schreiben, gemäss der häufigen Verwechselung dieser beiden Verba. Im Ganzen ist die Behandlung des Textes eine sehr besonnene gewesen; eigene Coujekturen hat der Verfasser ausser den beiden angeführten nur 3, 30 {otc tots jikv r.pdrrujv xal arpa- T£Üs.adat xrk.) und 8, 7l {r.acazat^s) aufgenommen. Der Commentar ist sehr reichhaltig und gründlich, und als Ganzes verdient die Ausgabe auch neben der Rehdantz'schen , welche mehr auf das Rhetorische ein- geht, die wärmste Empfehlung.

Demostheneä. 275

58) A. Weidner, Deraosthenes' Staatsreden. Im Philologus XXXVII (1877) S. 246—268.

Von Weidner's Untersuchungen über die demosthenischen Staatsreden liegt hier ein erstes Stück vor, die erste Philippika und die olynthischen Re- den betreffend. Der Zweck des Verfassers ist, die Berechtigung von Derao- sthenes' Politik zu untersuchen, durch genaue Analyse nicht nur der Reden, sondern fast aller einzelnen Gedanken undUrtheile des Redners, sowie durch die nach Conjectur erfolgende Reconstruction der Gedanken der Gegenpar- tei und der Pläne des Philipp. Letzteren denkt sich Weidner als einen Herr- scher, der für sein Vaterland natürlichere Grenzen und Lebensbedingun- gen zu gewinnen trachtete, und dem ein weiteres Uebergreifen über die Machtsphäre Makedoniens hinaus, d. h. Eroberungssucht, ganz fern lag. Mit dieser Voraussetzung ist freilich Deraosthenes' Politik gerichtet ; in- dessen steht zu fürchten, dass der Verfasser auch nicht Einen findet, der ihm das glaubt. Merkwürdig sind auch Weidner's historische Parallelen : die makedonische Armee vergleicht er mit der preussischen, Deraosthenes rait Gambetta! Dass gegen den Redner Worte wie »muth willige Ueber- hebung, Gewissenlosigkeit, demokratische Raserei« u. dergl. nicht gespart werden, kann hiernach Reicht weiter wundern. Und auf welchem Wege kommt Weidner zu dieser Auffassung? Indem er, wie W. Hartel sagt (De- raosthenische Studien S. 50), in der ersten Philippika kaum einen Ge- danken des Redners unentstellt und uuverdreht lässt. War nun etwa der thatsächliche Nachweis nöthig, dass man durch Verkehrung des Ein- zelnen auch die Gesammtauffassung verkehren könne? Ich denke, der Verfasser hätte sein Talent und seinen Scharfsinn erspriesslicher verwen- den können, und ein bischen Achtung vor grossen Männern steht auch dem wissenschaftlichen Forscher wohl an.

Nicht zugekommen sind mir:

59) C. Badham, Deraostheuis locus raale intellectus et depravatus. Mnemosyne, N. S. lil, S. 210-211.

E. Kurz, Zu Lysias und Deraosthenes (3. Ol. § 7. 10. 12), in den Blättern f. d. bayer. Gymn., siehe oben No. 42.

60) Ernst Albert Richter, Beiträge zur Kritik und Erklärung des Deraosthenes. Gyranasialprograram Altenburg 1877. 4. 31 S.

Diese von einer Stelle der ersten Olynthischen Rede 5) aus- gehende und auch weiterhin grossentheils diese Rede betreffende Abhand- lung unterliegt in der Hinsicht einem principiellen Bedenken, dass der Verfasser die von ihm aufgewiesenen Schwierigkeiten der Erklärung durch Streichung ganzer Sätze zu beseitigen für erlaubt hält. Rand- bemerkungen irgend welches Lesers sollen in den Text gerathen sein, und dabei, wie der Verfasser wird annehmen müssen, den umgebenden

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demosthenischen Sätzen sich völlig assirailirt haben, falls sie nicht schon aus der Feder des Glossirenden in demosthenischer Form hervorgingen. So Ol. I, 5 der Satz 5-^/lov 7'a,o iarc uTrods^aiisvoog, Cor. 48 rc 8' 'ApccTTpaTog drtsppcfxfxivoc , Chers. 40 TipooByjaio änoXojXaatv ; ver- dächtig ist dem Verfasser in der zunächst behandelten Rede noch weit mehr. Es wäre keine so erheblich grössere Unwahrscheiulichkeit, wenn jemand behauptete, dass Randbemerkungen zu Sophokles oder Euripides in der Form von Trimetern und in poetischem Ausdruck in den Text gekommen wären. Oder meint man, dass zwischen demosthe- nischer Prosa und gewöhnlicher Prosa kein wesentlicher Unterschied wäre? Der Anstoss, den der Verfasser an jenen drei Stellen nimmt, beruht in den daselbst angezogenen Thatsachen: er hält es für unwahr- scheinlich, dass Philipp seine Parteigänger, sobald sie für ihn unnütz geworden, habe verkommen lassen. Nachdem er die widerstrebenden Stellen beseitigt, führt er weiter von S. 18 ab noch aus, dass die erste olynthische Rede kein Hülfsgesuch der Olynthier zur Veranlassung gehabt habe; in ißorjBrjaajiev au-oc § 9 und rwv 7:payp.d~ajv ujicv ixecvcuv auzo?g dv-drjr.ziov iazt § 2 bedeute ahrot und auzoTg »von selbst« , »aus eige- ner Initiative«. Referent ist nicht überzeugt; wäre so die Situation und die Meinung des Redners, so müsste das ganz anders und unzweideutig hervortreten.

61) H. Weil, Notes sur divers auteurs. In der Revue de Phi- lologie, de litterature et d'histoire anciennes N. S. I (1877) S. 267 bis 268. Darin S. 267 f.: Demosthene, I. Philippique, chap. 36 37 p. 50.

Recht gute Coujectur, dass an der angeführten Stelle die Worte eh' dvzajißcßd^scv zwischen i/j.ßatvstv und zoug jj.szn:xüüg nmzustellen seien.

62) A. Eberhard, Zu Demosthenes. Im Hermes, Bd. XU S. 519 bis 520.

In der Rede vom Frieden § 8 [oux^ inocy^aazo; § 16 ouSkv dv {äxr') Tjjxäg TMbelv rjyouiiat. Jene Einschiebung hebt nicht die Schwie- rigkeit; diese verdirbt einen richtigen Sinn; Eberhard hätte die Stelle von § 14 syd) jap an citiren müssen.

63) Hieronymus Vitelli, In Hegesippi oratione de Halonneso codicum Florentinorura lectionis discrepantiam descripsit. In den Pubbli- cazioni del R. Istituto di studi superiori, Sezione di filosofia e filologia, Volume II, Dispensa 2^ Florenz 1876. 8. 12 S.

Die hier ausgezogenen Handschriften sind: L, für andere Reden schon bekannt und geschätzt, L^ (Vocmel Cont. p. 248), aus dem der Verfasser S. 3 f. Lesarten zu Olynth. II mittheilt; L*^ (für die Rede VII aus dem XV. Jahrhundert); ferner L'"' L'' h'^ h^ Lp L *", sämmtlich

Demosthenes. ' 277

entweder von Voemel oHer von Schulz aufgeführt, Wcähreud L^ von ihnen nicht erwähnt wird. Die CoIIation für Rede VII wird nach Rehdantz' dritter Auflage gegeben. L stimmt wie sonst mit S zusa mmen ; von den anderen Handschriften hat L^ manchmal die Lesart von SL, gleichwie dies auch in der zweiten Olynthischen Rede der Fall ist.

64) Demosthenes' Werke. Griechisch und deutsch mit kritischen und erklärenden Anmerkungen. Dritter Theil. Die dritte Philippische Rede und Rede über die Cherronesische Frage. Zweite verbesserte Auflage. Leipzig. 136 S.

Dem Referenten nicht zugegangen.

65) Eraanuel Hoffmann, Zu Demosthenes' dritter Philippica. In den N. Jahrb. f. Philol. CXIH (1876) S. 475-476.

Es wird vorgeschlagen, Phil. III, 5 xal napaSo^ov ysviaßac ßeX- Tto) als unberechtigtes Einschiebsel aus Phil. I, 2 zu streichen. Indess würde nach Fortfall dieses Stückes zwischen dem Vorhergehenden und Nachfolgenden ein recht schlechter Anschluss sein (denn wv 8k müsste sich nun auf eäv u/xzTg diovza rMczTv ßouXrjöBz beziehen) und zweitens sieht man nicht, wesshalb der Interpolator, statt einfach abzuschreiben, so viel an der Stelle herumgefeilt haben sollte.

66) Wilh. Nitsche, König Philipp's Brief an die Athener, und Hieronymos von Kardia. Programm des Sophiengymnasiums in Berlin 1876. 33 S.

Diese Schrift, an deren Schlüsse auf eine spätere Fortsetzung ver- wiesen wird, ist ihrem grössten Theile nach eine historische Quellenunter- suchung, und daher auch schon von C. Volquardsen in diesen Jahres- berichten 1876, Abth. III S. 404f. besprochen. Ausgangspunkt ist der unter Demosthenes' Werken erhaltene Brief Philipp's, dessen auch vom Refe- renten angenommene Echtheit der Verfasser durch die Bezugnahme darauf bei Diodor XVIII, 10, 1 zu erweisen sucht. Denn Diodor schreibt auch hier eine Quelle aus, und diese ist nach Nitsche's ausführlicher Unter- suchung nicht etwa Duris von Saraos, sondern Hieronymos von Kardia, also jemand, der ganz genau wissen konnte, was Philipp geschrieben.

67) P. Kaplanides, Ilspi zTjq yv^aiozrjrog zrjg intaroXrjg ^tlimiou xai ZOO Tcphg auzrjv löyou zoo /li^noaBsvoug. Im "Ofir]pog IV, 1 S. 209 ff.

Dem Referenten nicht zugekommen.

Ich erwähne endlich:

68) K. May hoff, sehr günstiges Referat über das Weil'sche Buch: äT^jioaBho'jQ al oriiirjopcac (s. den Jahresbericht über 1873 S. 281), in den N. Jahrb. f. class. Philol. Bd. CXIH (1876) S. 477-490.

278 Attische Redner.

Gerichts reden.

69) Ar]/xo<Tf^svouQ tu>v dtxavtxihv Xuyojv ol drjiioacot. Les plaidoyers politiques de Demosthene, texte grec publie d'apres les travaiix les plus receuts de la philologie, avec un commentaire critic et explicatif, une preface et des notices sur chaque discours, par Henri Weil. Premiere serie: Leptine-Midias-Ambassade-Couroime. Paris, Hachette et Cie- 1877. XI, 571 S.

Es erscheint hiermit eine Fortsetzung des im Jahresberichte von 1873 S. 281 ff. besprochenen Werkes; die Einrichtung ist hier bei den Gerichtsreden dieselbe wie dort bei den "Volksreden. Die durchgängige Vortrefflichkeit und eminente Brauchbarkeit der Ausgabe braucht nach der Anerkennung, die der frühere Band überall gefunden, nicht weiter hervorgehoben zu werden. Der Verfasser hat für die von Voemel nicht besonders herausgegebene Midiana eine neue Collation von S ver- anstalten lassen, durch Ch. Graux und L. Duchesne, welche jeder für sich lasen und dann mit einander verglichen, so dass hier wohl der äusserste Grad von Zuverlässigkeit einer Collation erreicht ist. Weil theilt nicht alles mit, aber doch, wie er selbst sagt, nicht nur genug, sondern noch etwas darüber. Somit ist der kritische Apparat zu dieser Rede wesentlich bereichert, namentlich auch, indem die verschiedenen Hände von Correktoren gehörig geschieden sind. Interessant ist die bei Midias § 67 gemachte Beobachtung, dass von den beiden ältesten Dior- thoten, von denen der eine nur hier und da, der andere mehr durch- gängig corrigirt hat, jener der Zeit nach vorangeht: er hat nämlich dort ^wfjcg tuv in ^oprjybg u>v corrigirt, wofür der andere Correktor das rich- tige x^ufj}g wv am Rande wieder herstellte. Weil's eigenes kritisches Verfahren ist bekanntlich weder übermässig conservativ noch übermässig kühn, und ferner gegenüber der Autorität der besten Handschrift weder gänzlich gebunden noch allzu frei; Referent kann im Princip nur seine völlige Beistimmung aussprechen. Mit Cobet's neuestem Werke setzt sich Weil in der Preface S. IV- XI auseinander, theils zustimmend, theils ablehnend. Als Probe der Textesbehandlung gebe ich einiges aus der Leptinea. § 1 8cxacov [ikv ohohv ipsT r.epl auzou] so auch Weil, während nach Hermogenes S. 341 Sp. das rrspl aurod getilgt werden muss. § 7 xa-ap.sp^6pev6v rcvag im zoXg hrji.pynöaaig Swpzcug Weil mit der Vulgata , X. zoug Itu. zaig xzk. Voemel mit S pr. L pr. und anderen Handschriften. Weil vermuthet aber, dass vor den folgenden Worten rohg ypr^atpoog (ivzag tujv ztptov änoazzpslv ein xat zu Xoitmv einzuschie- ben sei. Ich meine, dass zohg im zeug h. 8. einen guten Sinn giebt: die Bürger, wie sie jetzt bei den bestehenden Ehrengaben sind; L. bessert sie nicht durch seine Massregel, sondern macht sie noch schlech- ter. Tcvag im kann wegen der Häufung von Kürzen nicht richtig sein: ein Princip, welches Weil als richtig anerkannt hat (Rev. crit. 1876

Demosthenes. 279

S. 144), aber ohne davon für die Kritik recht Gebranch zn machen. Sogar in seinen Conjecturen achtet er nicht immer darauf 59 möchte er für }{(xl zyjv Aaxs()a'jxovcu}v setzen zijv ze Aaxeoatjiovüuv), und ebenso- wenig wo zwischen verschiedenen Lesarten die Wahl ist: § 80 ist kn-o.- xaßexa /lev nuXstc aus diesem Grunde nöthig, übrigens aber auch sonst schon besser als das von SL gebotene, von Voemel und Weil aufgenom- mene inraxacdsxo. r^oXstg. (Zu § 7 erwähnt Weil in der preface S. IV beifäl- lig Cobet's Conjectur xa-ajj.. oXtyoug rtväg, bei welcher sogar ein zwiefacher rhythmischer Anstoss besteht). § 21 setzt er nach eigener Conjectur rJiZioog rj r.svT^ iy s^ für ttevt'' ^ i$. § 47 ojg dva^ccuv] ujg ävd^t' uvr ver- muthet Weil. Dieser Accusativ fügt sich aber nicht in die Construktion. 53 ßta zujv r.oXXMv] »peut-etre ßia ruJv TroXtruiv«. Nicht übel. § 57 roy-o o' ou ^ivs: xa> Bo^jj Y8ot ng aV, dX^ £py(p] so auch Weil, unter Anführung der Lesart von L und den alten Ausgaben : Sü$rj xptvo- fisvov (Druckfehler bei Weil xpcvö/xevot) YSoc. Die Vulgata enthält einen unerträglichen Hiat, die Lesart von L einen rhythmischen Fehler; ich denke aber, es steckt in letzterer die richtige Lesart xpcvoi/xev äv. § 91 xatvoug 8' oux izcBzaav {six^) nach eigener Conjectur, ebenso 96 {xa}) oc'xacov. Ich kann letzterer Einschiebung weniger zustimmen als der ersteren, obwohl mir auch diese problematisch ist. Jcxacov betrachte ich als Apposition, xal aacfkg als zu xaXuv gehörig. § 116 /^uy 'oöxsi für fx^ BoxsT, wohl richtig. 126 oixacov u/iäg d(pzXia^ai\ Weil möchte uiiäg entfernen, was aber des Rhythmus wegen nicht angeht. 161 scheint mir die überlieferte Lesart: wc?' kvbg jpamxaziojg, ug bnrjpizi^g rjv^ u)g (paai, zupavvrjazaHat, durch Weil's Conjectur afiaiv für log (p. nicht wesentlich gebessert; man wird mit Reiske og bzrjpizrjg tjv streichen müssen. Endlich 166 a>g oux eazi dcxata mit Einschiebung der Ne- gation, recht gut.

Was die Einleitungen (Notice) vor den einzelnen Reden betrifft, so ist es mir sehr angenehm, die vielfältige Uebercinstimmung mit mei- nen etwa gleichzeitig veröffentlichten Untersuchungen constatiren zu können. Zwar bei der Leptinea wiederholt Weil, wenn auch mit einiger Reserve, die gewöhnliche Meinung, dass das Gesetz des Leptines ver- worfen worden sei. Ich stelle bei dieser Gelegenheit, zur Erhärtung des Gegentheils, die Inschriften zusammen, nach welchen im Laufe des vierten Jahrhunderts Atelie ertheilt worden ist: C. I. A. II, 42 (vor 376). 54 (363/2). 90 (um 356/5). 128. 144 (nach Köhler wahrscheinlich zwischen Ol. 106 und 111, 356 und 336). Also kein Beispiel später als das Jahr dieses Prozesses, 106, 2, 355/4. Bezüglich der Midiana folgt Weil in der Einleitung S. 93 der Annahme, dass eine Ypa<prj üßpecug vorliege; indess zu §§ 25. 28 entwickelt er die gleiche Ansicht wie Referent. Trefflich ist seine Analyse dieser Rede, sowie seine Erörterung über die Echtheit der darin enthaltenen Aktenstücke. Die Rede von der Gesandtschaft hält auch Weil, gleichwie der Referent, für genügend ausge-

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arbeitet imd in der vom Redner ihr gegebenen Gestalt überliefert; er widersetzt sieb allen den vielfachen Versuchen, durch Umstellungen oder Ausscheidungen eine angeblich bessere Ordnung herbeizuführen. In der Einleitung zur Kranzrede ist höchst vortrefflich die Ausführung, wess- ' ,halb Demosthenes seine Vertheidigung so eingerichtet hat und wesshalb er das Eine erörtert, das Andere übergeht (S. 392-400); gegen die Kirchhoff'sche Hypothese hat er sich anderswo ausführlicher ausgesprochen (unten No. 73).

Vo) H. van Herwerden, Ad Demosthenem. Im Hermes, Bd. XII S. 478-485.

Der kleine Aufsatz knüpft sich an die Weirsche, vom Verfasser ausserordentlich gelobte Ausgabe, und giebt eine Nachlese zu den in der- selben enthaltenen Reden. Voran eine Conjectur zum zweiten Argument der Leptinea; dann weniges zu dieser Rede selbst; etwas mehr zur Midiana (vgl. No. 47 des Jahresberichtes 1874—75, Abth. I, S. 488); am reichlich- sten sind die Reden XIX und XVIII bedacht. Recht gut ist XIX, 93 roug Gnttaojxivovg [rTjv ecprjvrjv] und gleich darauf nochmals roug aTzstaojxivoug für 7:ot7](TOfisvoug ; ebenso Cor. 178 die Streichung von rMpatvw, wodurch ein rhythmischer Fehler beseitigt wird; hierauf führt auch die verschiedene Stellung des Wortes in den Handschriften. Ferner ist sehr beachtens- werth Cor. 227 ävravaifJsBwJiv für xa^apal cbacv oder xadaipujaiv. Cor. 182 emendirt Herwerden arglos Worte des gefälschten Psephisma als demo- sthenisch.

71) Demosthenis de Corona oratio. In usum scholarum edidit lustus Hermannus Lipsius. Leipzig (Teubner) 1876. 121 S.

Die Ausgabe soll für Vorlesungen dienen und ist für diesen Zweck ausserordentlich praktisch eingerichtet. Zunächst unter dem Text steht eine möglichst knapp gefasste adnotatio critica, die folgendes enthält: die Lesarten von S (nach Voemel), von L (nach Rehdantz), dann die der drei Münchener Handschriften A^ A^ B, von denen die beiden letzten von Lipsius selbst neu verglichen sind, ausserdem die Vulgata und wenn etwas sonst aus einer Handschrift erwähn enswerth oder mehreren Hand- schriften gemeinsam ist, jedoch dies letztere ohne nähere Bezeichnung; hierzu kommen die Lesarten in den Citaten der Alten, die Schreibungen in den kritisch wichtigeren neueren Ausgaben und die Conjecturen. Ab- solute Vollständigkeit, namentlich betreffs der Lesarten auch der ange- führten Handschriften, war weder beabsichtigt, noch ist sie bei einer sol- chen Ausgabe zu fordern; eine Anzahl Nachträge und Berichtigungen werden im Epilogus S. 119 ff. geliefert. Unter der adnotatio critica stehen die einschlägigen Stellen der Rede des Aischines. Als Ein- leitung ist dem Ganzen die Ciceronische (aus de optimo genere oratorum) voraufgeschickt. - Das kritische Verfahren des Herausgebers wird von

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Demosthenes. 281

ähnlichen Grundsätzen, wie sie anch Weil hat, geleitet; Referent stimmt im Allgemeinen zu, nur dass auch Lipsius auf die Compositionsgesetze des Demosthenes keine genügende Rücksicht nimmt. So darf man § 51 (pilov zwischen 'A^e$dv8pou und ehzotiit nicht entfernen, weil dadurch ein fehlerhafter Hiatus entsteht; leider hat es Weil nicht anders gemacht. Eigene Vermuthungen des Herausgebers finde ich wenige; dass er ro ruv ^thrniov iäv ao^dveadai § 161 in Klammern setzt, kann ich nicht billigen.

72) A. Kirchhoff, lieber die Redaction der demosthenischen Kranzrede. In den Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften zu Berlin 1875. S. 59—99.

73) Henri Weil, De la redaction et de l'unite du discours de la Couronne. Memoire lu ä l'Academie des inscriptions et belies lettres, 1876, erschienen im Annuaire de Tassociation pour l'encouragement des etudes grecques en France, X^ annee 1876. S. 170 -184.

Referent hat über Kirchhoff's kühne Hypothese, dass die Kranz- rede ihre Einheit erst einem späteren Redaktor verdanke, der zwei von \ Demosthenes hinterlassene , einander gegenüber selbstständige Entwürfe unberufener Weise zusammengefügt, seine Ansicht schon Att. Ber. HI, 1 i S. 375 f. auseinandergesetzt, und freut sich, wesentlich dasselbe nun auch bei Weil zu lesen. A. Hug in seiner Recension der Kirchhoff'sclien Ab- handlung (Jen. Lit.-Zeit. 1876 S. 619 ff.) hat nach der Ueberzeugung des Referenten dem Verfasser viel zu viel zugegeben; denn Kirchhoff's Inter- pretation von § 110, auf der sein ganzes Gebäude ruht, empfiehlt sich nicht etwa als einfacher gegenüber der gewöhnlichen Auslegung, sondern sie ist geradezu unrichtig. Das Werth volle an Kirchhott's Arbeit, wie ; auch Weil anerkennt, sind die Untersuchungen über die nachträglichen i Erweiterungen, welche Demosthenes' Entwurf späterhin, nach gehörter | Anklagerede des A., erfahren; gleichwohl zeigt Weil, dass solche Erwei- terungen sich nicht bloss in dem Theile der Rede finden, den Kirchhoff als den ursprünglichen Entwurf ansieht, sondern auch nachher, wie § 150. Es ist sehr zu bedauern, dass Kirchhoff selbst, von seiner Hypothese ge- fesselt, dies nicht weiter verfolgt hat; es hätten sich dann wahrscheinlich noch mehr Ergebnisse gefunden.

74) H. Weil, L'fipitaphe des Atheniens morts ä Cheronee (Me- moire lu ä l'Academie des Inscriptions et helles lettres 1876). In der Revue de philologie I (1877) S. 25—34.

75) Girolamo Vitelli, Miscellanea. (Estratto delle publicazioni del R. Istituto di studi superiori in Firenze, Sezione de Filosofia e Filologia. Vol. IL Firenze 1877). Darin S. 12 -16 Epigr. ap. Demosth. de Cor. § 289.

282 Attische Redner.

Vergl. die Abhandlung von L. Spengel über dasselbe Epigramm, Jahresbericht 1874/75, Abth. I, No. 39 S. 486 f. Weil ist mit Spengel darin einig, dass nicht das in der A. P. YII, 245 erhaltene Epigramm das von Demosthenes verlesene sein könne; was aber das vorliegende betrifft, so sucht Spengel die Schwierigkeiten desselben durch Erklärung, Weil durch Emendation zu beseitigen, und diese Emeudationen werden von Vitelli kritisirt. Wohl zweifellos richtig (wie auch Vitelli urtheilt) ist die Her- stellung des ersten Verses: o?os Trarpag fxkv kxäg acpszifjag statt iv£xa G<ptT.\ etwas minder sicher die des dritten: jxapvdixzvot 8' äpsojg xal decfiarog obx iodaxrav (l'oydg {= ix zoü rMXiiiou), die Vitelli ebenfalls billigt. V. 5 öjyib abyiwx oovzeg Weil, Vitelli vertheidigt Z'jyov ah^ivt Mvxtg = ivTcf^iv-ag ahy^iva Q)yCp (Eur. Hec. 376), was freilich doch ver- schieden. Am zweifelhaftesten ist was Weil im letzten Distichon ver- sucht: jxr^okv apaprsTv iarc thwv xal Tidvza xazop&oüv alypi^TTjv pdtpav ^ ouTc ^oyujv irMpev (d. h. indem er nicht floh, hat er, der Krieger, seinen Theil beigetragen); dagegen erhebt Vitelli gegründete Bedenken, und sucht vielmehr in dem iv ßtoxfj Bouozfj-. Bouozfj yfj xrjp' ouzi ^oyeTv BTiopov (sc. ol Beo!, B. yiiüY iv yfj). So geht es freilich auch noch nicht; mau wird weiter suchen müssen.

76) Johannes Jac. Wortmann, De decretis in Demosthenis Aeschinea exstantibus Atticis libelloque Aeschinis. Inauguraldisserta- tion von Marburg 1877. 65 S.

Das Verdienst dieser ausserordentlich fleissigen Dissertation be- steht nicht sowohl in dem Nachweise der Unechtheit der fraglichen Aktenstücke denn die stand auch vorher schon fest als darin, dass gezeigt wird wie ihre Ausdrucksweise da, wo sie von dem attischen Stile des vierten Jahrhunderts abweicht, insgemein mit dem Stile der asianischen Inschriften der folgenden Jahrhunderte aufs Auffälligste zu- sammentriff't. Die Dekrete der Byzantier und Chersonesiten, deren Echt- heit Weil für möglich hält, kommen gemäss der Fassung des Themas nicht zur Behandlung, ebenso eine Anzahl anderer, übrigens zweifellos unechter Aktenstücke. Wortmanu schreibt die Abfassung der gefälschten Dekrete einem asianischen Rhetor um 100 v. Chr. zu. Thesen: I Dem. Cor. 290 dxoüecg AtaycWj ujg zu pr^oev xzk. Das. 307 Asyeiv inl zoOzüjv zu streichen.

Ich erwähne kurz:

77) Demosthenes' Rede für die Krone, übersetzt von Friedrich Jacobs, mit Einleitung, berichtigter Uebertragung und Erläuterung. Neu herausgegeben von Dr. Max Oberbreyer. Leipzig b. Reclam (Universal-Bibliothek 914). 138 S.

Nicht zugekommen ist mir:

78) Demosthenes Oration on the Crown. Translated by Sir Ro- bert Collier. London 1875.

Demosthenes. 283

79) Paul Foucart, Sur rauthenticite de la loi d'fivegoros citee daus la Midienne. In der Revue de philologie, de litterature et d'hi- stoire anciennes, N. S. I (1877) S. 168 181.

Das Gesetz des Euegoros über die Sicherheit jegliches Eigenthums während der Festzeiten, eingelegt bei Dem. Mid. 10, ist von Wester- mann früher geprüft und als Fiilschung verworfen worden; Foucart unter- nimmt in gegenwärtiger musterhafter Abhandlung, der Referent weder im Grossen noch im Kleinen je zu widersprechen weiss, eine Revision dieses Urtheils, die zu dem entgegengesetzten Resultate führt. Die Be- weismittel werden grösstentheils von den Inschriften geliefert. Zu emen- diren hat der Verfasser nichts als Atowaio (tä) ev Ihcpacs? und nach- her xal 6 xöjjxog {xa\ o dyaiv) xai ol xujixwool xzk.\ von besonderem Interesse ist die Erklärung, welche von dem Ausdrucke xal ol nat- osg xal u xw/xog mit Hülfe namentlich einer Stelle des Alkiphron ge- geben wird.

80) Ch. Giraud, Le droit grec et les plaidoyers civils de De- mosthene. In der Revue de legislation ancienne et moderne. Paris nov.-dec. 1875.

Dem Referenten leider nicht zugegangen; ebensowenig:

81) F. A. Paley and J, E. Sandys, Select. private orations of Demosthenes, with introductions and English notes, Part. II.

82) H. Bu ermann, Demosthenes' Vormundschaftsrechnung. In den N. Jahrb. f. class. Philol. CXI (1875) S. 801-834.

Im ersten Theile dieses Aufsatzes wird die mehrfach versuchte Re- construktion der demostheuischen Vormundschaftsrechunng (zuletzt R. För- ster in derselben Zeitschrift 1874 S. 345, s. den Jahresbericht 1874—75, Abth. I, No. 49 S. 489) von neuem in Angriff genommen. Sprachlich unmög- lich ist Buermann's Vermuthung, dass das Satzglied § 9 zoug ö' o')x ikir-o- vog t) zptwv [xvüiv d$coug, hinter x'kivor.oiobg 8' sl'xoirc zov dptßpjjv umzu- stellen sei; es ist doch augenfällig, dass zobg ok dann fallen müsste, und eine Bezeichnung für unser »je« einzuschieben wäre. Er ereifert sich weiterhin (S. 806 f.) ganz unuöthig über die in ttUov ^ zpnrXdata § 59 liegende starke Uebertreibung, worin er »Ungeheuerlichkeit, Rabulistik« u. s. w. erblickt (vgl. übrigens unten No. 84); um sodann in dem Satze § 60 ähnliche Täuschungsversuche nachzuweisen, giebt er den Sinn der Worte: rjyv 5' äXhiv ohaiav ivzpyhv Tiotrjao.atv , ouaav zo.(}Z7jg ^mXaauvj , . . zov olxov ix zcov TToocröScdv jielZoj TMtr^aru^ so wieder (S. 807): »den Ertrag der beiden andern Drittel aber {ouaav zabz^g BmXaatav)^ d. h. also 100 Minen hätten sie erübrigen imd zum Capital schlagen können«. Falsch ist die Erklärung von § 34 zd t' dvrjXco- fiiva yu)plg zoüzwv rJ.acuj zt&Z!g »indem ich darüber hinaus {zouzojv nXetui) was ein jeder der Vormünder besonders {Xojplg) aufgewandt hat in Rech-

284 Attische Redner,

uiuig bringe«, und die zu diesem Zwecke gemachte Aenderung in 36 rauTa nXzuo eljti zsßscxcug statt toutujv; toö-wv tzL heisst doch klärlich »mehr als sie, die Vormünder«, und an ersterer Stelle ist /^coplg n&aig »besonders rechnend« zu verbinden (so G. H, Schäfer). Auch darin kann ich dem Verfasser nicht beistimmen, dass er die drei Vormünder das Vermögen nicht gemeinsam, sondern in Ablösung nach einander verwal- ten lässt; die Beweise dafür reichen nicht entfernt zu, und die Streichung der Worte xal oüo zdXavTa ru) /lrj/jLO(pa)VTc § 43 ist entschieden abzu- weisen. Es kommen § 41. 42 nicht Zeugnisse von Vormündern zur Ver- lesung, wie Buermann meint, sondern Zeugnisse von Ohrenzeugen der Aussagen des Therippides und Aphobos; mit Recht hat Förster a. a. 0. § 41 die Aufnahme von wv ivavrcov dTiexpcvavro (statt 6jq an.) aus den Handschriften A r gefordert. Nicht glücklicher ist die Conjectur zu § 35, dg x^ijplg für ^(up\g wv. Es folgt von S. 281 ab der Beweis für das napdoozov, dass Demosthenes mit seiner Forderung keineswegs im besten Rechte gewesen, sondern im Gegentheil von Rechtswegen so gut wie nichts zu fordern gehabt habe. Zunächst habe Demosthenes mehr zurück empfangen, als er angebe; Aphobos habe sich nach § 50 vor dem Schiedsrichter zu dem Nachweise erboten {r.pouxakzcTo) ., dass das überlieferte Vermögen 10 Talente betrage, und Demosthenes, indem er diese Forderung abgelehnt, habe damit die Richtigkeit der gegneri- schen Behauptung anerkannt. Demosthenes lehnte aber den Nachweis nicht ab: § 51 xsXsüovzog o' i.jxou nphg ~w ocaczrjzrjV incoscxwvac raura. Ferner: »Aphobos brachte seinerseits einen Zeugen für seine Behauptung bei 51); Demosthenes belangte ihn nicht ipsuoojxafjzup'Mv; das beweist dasselbe wie die Ablehnung der r.pöxhiaign. Sollte Demosthenes diese Klage etwa vor dem Prozess erheben? oder nach gewonnenem Prozess? woher 'weiss Buermann schliesslich, dass Demosthenes letzteres nicht ge- than? wiewohl ja im Allgemeinen nicht die Sieger sich in solchen Kla- gen ergingen, sondern die Verlierenden. Bei der weiteren Einzelprü- fung von Demosthenes' Aufrechnungen und Forderungen werden die vor- hin angeführten Conjecturen und Vermuthuugen verwerthet ; insbesondere die Vermuthung, dass die Vormünder nach einander verwaltet, bildet eine wesentliche Grundlage. Neue Missverständnisse kommen hinzu: § 49 wird (S. 828) so aufgefasst, als ob XP^^*- nicht dastände, und ebend. : out' au TÖv dpcBpuv zaiv jjfjOjy/xarcwv scg zohg auvsTTtzpönoug inavd^spsv oaov auzog (patvzzai Xaßw'> wird (S. 829) übersetzt: Aphobos habe nicht soviel als ausgegeben verrechnet (statt »den Mitvormündern zur Last ge- legt«), wie er selbst empfangen habe. Insgesammt aber lässt sich dies Herrn Buermann entgegenstellen: hätte die Sache so gelegen wie er an- nimmt und vermuthet, so würde weder der Diätet noch das Gericht den Aphobos verurtheilt, am wenigsten ihn zu dieser hohen Summe verurtheilt haben. Letztere Thatsache weiss allerdings der Verfasser in einer spä- teren Abhandlung mit überraschender Kühnheit zu elimiuiren, s. No. 84.

Demosthenes. 285

Die andere Unwahrscheinlichkeit , dass Demostlienes, dessen Charakter wir doch kenneu, seinen Eintritt in's öii'entliche Leben mit einer solchen infamen Schurkerei bezeichnet hcätte, berühre ich nicht einmal. Von der Unbilligkeit aber, die sich durchweg in Geist und Ton der hier gegebe- nen Darlegung ausspricht, kann sich Herr Buermann so am besten über- zeugen, wenn er sich fragt was er wohl sagen würde, wenn man die ihm selber nachgewiesenen handgreiflichen Unrichtigkeiten iu seinem eigenen Stile bezeichnen wollte. Seitens des Referenten ist er freilich davor sicher. Vielmehr erkenne ich an, dass zur Aufhellung des Vormund- schaftshandels einige schätzbare Beiträge geliefert sind, deren einen ich auch schon in meiner Attischen Beredsamkeit III, 1 S. 200, 6 verwer- thet habe.

83) Siegfried Schaffner, De tertia adversus Aphobum oratione vulgo Demosthenis uomini addicta. Inauguraldissertation. Leipzig 1876. 45 S.

84) H. Buermann, Die Unechtheit der dritten, angeblich demosthe- nischen Rede wider Aphobos. In den N. Jahrb. für class. Philologie CXV (1877) S. 585 -612.

Beide Abhandlungen kommen zu dem gleichen Ziele, wenn auch auf etwas verschiedenen Wegen; denn Buermann, der die Schaffner'sche Dissertation mit vor Augen hat, kritisirt ihre Argumente und die der Früheren sehr eingehend, und scheidet eine grosse Anzahl als verkehrt oder doch nicht hinreichend beweiskräftig aus. Mit Recht. Denn wie- wohl der Dissertation das Lob des Fleisses und der Sorgfalt nicht vor- enthalten werden kann, so enthält sie doch keine vorurtheilsfreie Unter- suchung, sondern es gilt, für ein längst gefälltes Urtheil die Beweise zu mehren und zu stärken; davon ist die uothwendige Folge, dass der Ver- fasser Schwierigkeiten findet wo keine sind, und nicht versteht, weil er von vornherein nicht glaubt durch weiteres Nachdenlfen und Suchen ver- stehen zu können. Aber überhaupt scheint mir diese ganze Methode, die Schwierigkeiten, von denen einige unleugbar vorliegen, nicht zu lösen, sondern durch Beseitigung des gesammten leidenden Objektes loszuwerden, eine bedenkliche Aehnlichkeit mit der ärztlichen Methode des Dr. Eisen- bart zu haben. Wenigstens für rationell und wissenschaftlich kann ich das von Westermann eingeleitete und wie sich zeigt immer noch befolgte Verfahren nicht halten: man sieht nicht, dass man statt der Schwierig- keit eine Unmöglichkeit sich schafft; denn es ist nicht möglich, dass ein späterer Rhetor die Fähigkeit und die Lust gehabt hätte, einen so ver- zwickten Rechtsfall aus freier Phantasie zu schaffen, oder gar, was Buer- mann meint (S. 599 f.), die Vormundschaftsrechnung der ersten Reden nachzuprüfen und Conjekturen über latente Posten zu machen. Wenn man bei Untersuchungen der Art es für erlaubt hält, den Rhetoren un- begräuzte Fähigkeiten, Gründlichkeit, Furcht vor späterer Entdeckung

286 Attische Redner.

ihres Truges und dergleichen beizulegen, so ist das keine Wissenschaft, sondern das Gegentheil, nämlich Aberglaube. Referent hat seine Ansicht über die fragliche Rede, deren Echtheit ihm nach wie vor eine jedem Zweifel entrückte Thatsache ist, schon in seiner Att. Beredsamkeit III, 1 S. 205 211 entwickelt, und hat nur noch einige Worte gegen Buermann zu sagen. Dieser nämlich, da er seiner These selber so viele Stützen nimmt, bemüht sich natürlich neue zu schaffen, und darunter ist ein Be- weis, der zugleich seinem früheren Angriff auf Demosthenes (oben nr. 82) die Krone aufsetzt. Er behauptet nämlich, Aphobos sei gar nicht zu 10 Tal. Busse verurtheilt, wie in der Rede für Phanos steht, sondern schon nach Onet. II, 7 höchstens zu dreien, nehme man aber hinzu, dass die Richter nur zwischen zcp-r^fia und dwcrc/ii^iia die Wahl hatten, so ergebe sich ein Talent als Busse, was auch aus Onet. I, 32 und II, 11 hervorgehe. Es geht aber das Gegentheil daraus hervor: I 32 iycyvsT iyyu7]Trjg, d. h. er wollte Bürge werden, nicht »er wurde Bürge« für das Tc/xrjixa von einem Talent; dass jenes der Sinn, beweist der Zusammenhang so klar wie möglich. An der erstangeführten Stelle aber (II, 7: r/ iya> 8oxa> ßkdnxecv roüzov, oux dnocrzspsTa&at) geht toütov nicht auf Aphobos, der weit entfernt zu Anfang des Paragraphen genannt ist, sondern auf Onetor : »damit es aussehe als wolle ich ihn mit meiner Forderung der Abtretung schädigen (während er mir doch soviel zugesteht), nicht aber er mir das Meine vorenthalten« (wie dTioa-epEtv § 6 Anfang von Onetor gebraucht ist). Immer geht in dieser Rede outuq auf Onetor, von Apho- bos wird auTÜg oder exzlvog gebraucht. Die Härte aber, die in dem Her- ausfallen aus der Apostroi)he liegt (zoüzov statt as) ist in diesen Reden nicht so anstössig; ähnlich haben § 13 A F r und y p ^ zoüzou für aoü. Was die andern neuen Argumente gegen die Rede für Phanos betrifft, so ist das aus § 27 gezogene vollständig nichtig (was zwingt den Ver- fasser, das ou]() r.postdozEQ auf die Zeit bis zur gegenwärtigen Verhand- lung zu beziehen?), und um ein weiteres aus § 60 zu gewinnen, wird Aph. I, 58 auf einmal ganz anders als in der früheren Abhandlung inter- pretirt, so dass der dort von Demosthenes gemachte Schluss, früher als »Ungeheuerlichkeit« bezeichnet, jetzt »formell correkt« genannt wird. HzpenzT] OS ylüjaa iozl ßpozwv, nuMeg 5' evc püß^oc.

85) Gotthold Krüger, De oratione exceptoria quam ferunt con- tra Pantaenetum scripsisse Demosthenem. Inauguraldissertation von Halle 1876. 28 S.

Die Dissertation ist nicht bedeutend; für die behauptete Unechtheit der Rede werden nur äusserst wenige und schwache Argumente beige- bracht. Gänzlich haltlos ist die beiläufig versuchte Zeitbestimmung für die Rede rcpog Naucrcp.a^ov.

Demosthenes, 287

86) W. Rohrmann, Oratio quae est contra Macartatum num De- mostheuis esse iudicanda sit. Inauguraldissertation von Göttingen 1875. 59 S.

Der hier für die Unechtheit der fraglichen Rede gelieferte Beweis zerfällt in zwei Theile: zunächst wird nämlich das Werk mit Rücksicht auf den Inhalt Stück für Stück durchgenommen, alsdann (von S. 35 ab) wiederum Paragraph für Paragraph mit Rücksicht auf die Form.. Die Behandlung des Verfassers ist allzu breit; er würde Werthvolleres ge- geben haben, wenn er einen Theil des Raumes den sich bietenden schwie- rigeren Fragen, wie den nach dem gesetzlichen Erbrecht des Eubulides III und des Theopompos, oder der Zeitbestimmung der Rede und dergleichen zugewandt hätte. Oder, wenn dies nicht in sein Thema fiel, so war doch die von Schäfer mit Erfolg begonnene Untersuchung, ob noch andere pseudodemosthenische Reden den gleichen Verfasser wie diese haben, .sowohl naheliegend als vielversprechend. Statt dessen wird . sogar die Rede gegen Olympiodoros, auf welche Schäfer zunächst hingewiesen, in dieser Abhandlung niemals auch nur erwähnt.

87) Konrad Seeliger, Das Erbschaftsgesetz in Demosthenes' Ma- kartatea §. 51. Im Rhein. Mus. f. Phil. XXXI. (1876) S. 176 182.

88) H. Bu ermann, Das attische Intestaterbfolgegesetz. Daselbst XXXII. (1877) S. 354-385.

In dem hier geführten Streite um die Echtheit des in die Makar- tatea eingelegten Erbschaftsgesetzes muss sich Referent entschieden auf die Seite Buermanu's stellen, der mit grosser Sorgfalt und Gründlichkeit darlegt, wie sich das Gesetz als durchaus authentisch erweist. Die An- nahme Seeliger's, es habe jemand sich die Mühe genommen, zur Aus- stattung einer obscuren Privatrede sich aus Isaios Gesetzesbruchstücke zusammenzulesen und daraus ein Erbschaftsgesetz zusammenzustöppeln, bringt eine unendlich grössere Unwahrscheinlichkeit als alle die sind, welche er mit dieser Annahme beseitigen will. Ob es freilich Buerraann gelungen ist, alle die jetzt vorhandenen Anstösse zu beseitigen, ist eine andere Frage ; denn da anerkanntermassen der Text des Gesetzes corrupt und lückenhaft ist, so möchte manches auf andere Weise eine bessere Er- ledigung finden. Leider hat Buermann seinen Zweck nur auf Kosten des Isaios erreichen zu können geglaubt, dem er »bewusste Unwahrheit«, »Rabulisterei« und dergleichen schuldzugeben nicht müde wird. Der Hauptpunkt dabei ist, dass er die Abweichung, die bezüglich eines Para- graphen zwischen Isaios' Citat und der Fassung der Urkunde besteht, auf böswillige Entstellung seitens des ersteren zurückführt. Is. 7, 20: xpaxth Sk Toug dpptvai xal zoug ix tüjv dppivwv , o1 av ex zaiv aurojv ü>ac, xav yivEt dnujTipu) zuy/dvcoaiv clvrag. Dagegen in der Urkunde: iäv ex Twv auTwv ojtn^ xav yivzi dTicuripu), was der Verfasser übersetzt;

288 Attische Redner.

»sowohl wenn sie (die Nachkommen) von diesen (den Männern) selbst unmittelbar stammen, als auch wenn sie ihnen entfernter verwandt (d. h. nur ihre mittelbaren Descendenten) sind.« Also ex -röiv aozwv nach Buermann »von diesen selbst«, nach Isaios »von denselben«. Dieser Unterschied in der Erklärung der Stelle geht nach des Referenten Mei- nung nicht auf Rabulisterei seitens des Isaios, sondern einfach darauf zurück, dass jener ein Grieche war, Buermann nicht. Ferner ist mir unbegreiflich, wie Buermann solche gründlich confuse Advokaten wie die Verfasser der Reden gegen Leochares und Makai'tatos gegen den vor- trefflichen Juristen Isaios als Autoritäten benatzen kann. Mir ist eine Rechtsauffassung jener beiden ohne die geringste Beweiskraft. Es ist zu bedauern, dass seine vielfach treffliche und beifallswerthe Untersuchung durch die unglückselige Sucht, den attischen Rednern etwas anzuhängen, in ihrem Werthe erheblich geschmälert worden ist.

89) C. Schwarze, De Demosthenis orationibus suppositiciis cora- mentatio, pars prior. Gymnasialprogramm Stade 1876. 15 S.

Dieser erste Theil betrifft die nach des Verfassers Meinung von Rhe- toren gefälschten Privatreden, gegen Aphobos III und gegen Dionysodo- ros (LVI). Zunächst werden in beiden Reden Abweichungen des Aus- drucks vom demosthenischen nachgewiesen, wie LVI, 23 nda^ztv von einem Schiffe, während dieses Wort bei Demosthenes sonst nie von leb- losen Dingen stehe; der Verfasser zählt die sämratlichen einschlägigen Stellen auf, übersieht aber, dass wenigstens an einer davon, gegen Kalli- Mes 24, TiaBalv von einem xspd/xcov gebraucht ist. Bei der vielgehetzten Rede XXIX hat er sich vor Allem das nicht klar gemacht, dass eine volle Uebereinstiramung mit den späteren Reden des entwickelten Stiles gar nicht verlangt werden kann. Unter den weiterhin folgenden Ar- gumenten aus den Sachen ist nichts wesentlich Neues; denn über die Rede LVI hat der Verfasser schon in seiner Dissertation de oratione xarä J. (Göttingen 1870) seine Ansicht dargelegt.

Briefe.

90) F. Blas s, Ueber die Echtheit der Demosthenes' Namen tragen- den Briefe. Progr. des Wilhelms -Gymnasiums zu Königsberg i. Pr. 1875. 11 S.

91) A.Schäfer, Sind die demosthenischen Briefe echt oder nicht ? In den Neuen 'Jahrb. für class. Philol. Bd. CXV (1877) S. 161—166.

92) F. Blass, Die demosthenischen Briefe. Ebendas. S. 541 544.

Referent hat sein Programm dem wesentlichen Inhalte nach in sein später erschienenes Buch über Demosthenes aufgenommen. Die Polemik Schäfer's, den zweiten und dritten Brief betreffend, richtet sich gegen

Aischines. 289

das Programm; in dem letztangeführten kleinen Aufsatze sucht Referent die Argumente Schäfer's zu widerlegen.

Ich schliesse hier an:

93) Jos. Rohrmoser, lieber den Gang des harpalischen Pro- cesses und das Verhalten des Demosthenes zu demselben. In der Zeit- schrift f. d. Österreich. Gymnasien XXVII. Jahrg. (1876) S. 481— 496.

Die gründlich geführte Untersuchung kommt zu dem Ergebnisse, dass dem Demosthenes zwar durchaus keine Bestechlichkeit, dagegen einige starke Fehler sowie eigenmächtige Verwendung harpalischer Gel- der zu Staatszwecken schuldgegeben wird; damit erscheint die Anzeige des Areopags und so ziemlich auch das Urtheil der Geschworenen als gerechtfertigt. Jene Fehler sind indessen bei einem Staatsmanne wie Demosthenes nicht eben wahrscheinlich, und was den zweiten Vorwurf betrifft, so hat der Verfasser gar nicht versucht, die Sache aufzuklären, sondern bleibt einfach bei dem, was Hypereides col. 4 f. darüber sagt. Die Exegese im einzelnen ist nicht überall zu billigen, und nicht gerecht- fertigt ist es, dass die einschlägigen demosthenischen Briefe gar nicht zur Verwendung kommen, die doch unter allen Umständen beachtens- werthe Quellen sind.

Aischines.

94) Andreas Weidner, De Aeschinis emendatione ad Cobetum epistula. Gymnasialprogramm Giessen 1874. 26 S.

(Im vorigen Jahresbericht noch nicht besprochen).

Der Verfasser führt in der Einleitung bittere Klage, dass seine Arbeiten über Aischines in Deutschland so wenig Anerkennung gefunden, und sucht die Schuld davon bei der deutschen Philologie. Referent glaubt indess, dass in der That nicht mehr Anerkennung verlangt wer- den kann, als sie Weidner seitens Rosenberg's (No. 95) zu Theil gewor- den, und dass das von Weiduer als lächerlich bezeichnete Urtheil eines Recensenten, die ungeheure Textverderbniss sei von ihm klar constatirt, andererseits habe er viel zu viel Coujekturen in den Text aufgenommen, ein wohlbegründetes ist. Man möge den Handschriften misstrauen, miss- traue aber seinen eigenen Conjekturen noch weit mehr; durch den Mangel dieses Misstrauens und durch die einseitige Betonung gewisser Principien ist Weidner's Verdienst um Aeschines geringer geworden, als es hätte sein können.

Es" werden nun in dieser Abhandlung eine grosse Menge neuer Con- jekturen zu Aischines vorgetragen, in der Ordnung, wie sie die Folge im Text an die Hand gab. Grossentheils bestehen sie in der Ausschei- dung interpolirter Worte; die im Anhang zu or. II S. 13 ff. mitgetheilten Conjekturen zu Demosthenes or. XIX sind sogar alle bis auf eine von

Jahresbericht für Alterthums-Wissenschaft 1877. I. 19

290 Attische Redner.

dieser Art. Referent ist wie Weidner der Ansicht, dass bei Demosthenes und vollends bei Aischines eine Unzahl solcher Eindringlinge im Texte stehen, getraut es sich indessen nicht, sie aufzuspüren, weil dazu eine ganz ausserordentliche Vertrautheit und enge Berührung mit dem Geiste des Redners gehört. Diese Vertrautheit ist bei Aischines noch viel schwerer zu erlangen, als bei Demosthenes, weil die Ueberlieferung eine so viel schlechtere, und die Hinterlassenschaft eine so viel geringere ist; dazu tritt als grösstes Hemmniss der Umstand, dass Aischines in weit geringerem Grade Kunstredner ist. Zum Schluss bespricht Weidner einige Conjekturen Cobet's, und handelt ausführlich über kßooXofxrjv {äv) und über vaL Gelegentlich werden auch zu Deinarch und anderen Schriftstellern Conjekturen beigebracht.

95) Emil Rosenberg, Jahresbericht zu Aeschines. Erster Theil. Im Philol. Bd. XXXV (1876) S. 181-198.

Es handelt sich in diesem ersten Theile um die handschriftliche Kritik der ersten Rede, und zwar besonders um die Weidner'sche Aus- gabe. Rosenberg erkennt das grosse Verdienst Weidner's um eine me- thodische Verwerthung der Handschriften vollkommen an, ist indess mit seiner Classifikation der Handschriften von or. I nicht ganz einverstanden, und stellt daher, nach sorgfältiger Untersuchung, ein neues modificirtes Stemma auf (S. 188). Wenn sodann Weiduer seinen Text besonders nach Recension A herstellt, mit Zurücksetzung der Handschriften B, so möchte Rosenberg weder diesem Verfahren unbedingt beipflichten, noch das um- gekehrte empfehlen. Mit Recht bekämpft er Weidner's Grundsatz, aus verschiedener Stellung eines Wortes in den Handschriften consequent auf stattgehabte Interpolation zu schliessen, sowie auch jenen anderen, zu tilgen, sowie beide Handschriftenklassen in den Ausdrücken auseinander- gehen {ipovoq xacpog, ipyov TTpäyfia); jede Tilgung, sagt er S. 193, müsse einen Grund in sich selbst haben. Die Untersuchung der Citate aus der Rede bei späteren Schriftstellern (S. 194 f.) ergiebt das Resul- tat, dass die meisten davon eine dritte Recension voraussetzen. Zum Schluss erörtert Rosenberg noch einzelne Stellen der Rede nach Weidner's Ausgabe, und bringt auch einzelne eigene Conjekturen vor.

96) Georg Marchand, Charakteristik des Redners Aeschines. Inauguraldissertation der Universität Jena. Cassel 1876. 106 S.

Die Würdigung, welche in dieser Schrift dem Aischines zu Theil wird, bezieht sich fast durchweg auf sein Leben und seine politische Thätigkeit; was im letzten Abschnitt (S. 98—105) über seine Beredsam- keit beigebracht wird, ist dürftig und stimmt grossentheils mit dem ent- sprechenden Abschnitt bei A. Schäfer überein. Die Darstellung von Aischines' Leben und Wirksamkeit ist breit angelegt, doch entbehrt sie tiefeingehender Untersuchungen über einzelne Punkte ; die Auffassung ist

Lykurgos. 291

in den meisten Stücken die von A. Schäfer, jedoch etwas strenger gegen den Redner, dem bewusster und absichtlicher Verrath schuldgegeben wird. Referent kann diese Beurtheilung nicht zu hart finden, und muss überhaupt die mit Sorgfalt ausgeführte Charakterisirung des Aischines und die Darstellung seines inneren Entwickelungsganges als wohlgelun- gen anerkennen.

97) Bruno Caemmerer, De duplici recensione orationis Aeschi- neae contra Ctesiphontem habitae. Inauguraldissertation von Jena. Arnstadt 1876. 33 S.

Die mehrfach erörterte Frage, in wieweit Aischines seine Rede gegen Ktesiphon nach der Gerichtsverhandlung zur Herausgabe umge- arbeitet habe, wird hier von neuem untersucht, und zwar ist der Ver- fasser geneigt, ziemlich viel auf diese Umarbeitung zurückzuführen, ins- besondere alle diejenigen Anklagen, auf die sich bei Demosthenes keine Antwort findet. Dahin gehört insbesondere, was Aischines über Demo- sthenes' politische Thätigkeit in den Zeiten Alexanders vorbringt; Caem- merer weist dies mit Westermann und Rauchenstein, gegen die vom Re- ferenten getheilte Ansicht A. Schaf er's, der zweiten Recension zu. Wenn er sich dabei auf Cor. 56 stützt, wo Demosthenes verspricht, nichts zu übergehen, so übersieht er, dass dort nur von den in der ypo-fi] enthal- tenen Anklagepunkten die Rede ist.

98) Andr. Weidner, Zu Aeschines. Im Philologus Bd. XXXV (1876) S. 561. Conjektur zu 2, 50: d.lX e^Bze statt andrere, welches Wort dem Referenten völlig untadelig scheint {dne^ecv = dnedrjfivai).

99) H. van Her werden, Varia (ad Aeschylum et Aeschinem). In der Mnemosyne Bd. V Theil H S. 188-198.

Dem Referenten nicht zugegangen.

Lykurgos.

100) F. Blass, Der Codex Oxoniensis des Lykurgos. In den N. Jahrb. f. class. Philologie CXI (1875) S. 597—604.

Referent theilt hier eine von ihm gemachte Collation des Cod. Oxo- niensis N (0) für die Leokratea mit. Dass dieser Codex ausser Anti- phon und Deinarchos auch diese Rede, wenigstens zum grösseren Theile, enthalte, war vorher sonderbarer Weise gar nicht bemerkt worden. Die Stellung der Handschrift zum Crippsianus A ist ähnlich wie bei jenen beiden Rednern: die meisten und schwersten Fehler, zumal in den ein- gelegten poetischen Stellen, sind gemeinsam, doch mangelt es nicht an Berichtigungen aus N, die zum Theil mit Conjekturen der Neueren zu- sammentreffen.

19*

292 Attische Redner.

101) Lykurgos' Rede gegen Leokrates. Für den Schulgebrauch erklärt von C. Rehdantz. Leipzig, B. Gr. Teubner 187.6. III, 189 S.

Neben die Nicolai'sche Schulausgabe der Leokratea (s. den Jahres- bericht 1874 -75, Abth. I, S. 493 No. 63) tritt hiermit eine ungleich um- fangreichere und höchst werthvolle. Voraus geht eine Einleitung über Ly- kurg's Leben und rednerischen Charakter, sowie über die Leokratea ins- besondere (S. 1 15). Die Rede selber ist mit einem sehr ausführlichen er- klärenden Commentar versehen (S. 16 101). Hieran schliesst sich erstens ein kritischer Anhang (S. 102 124), in welchem ohne beabsichtigte Voll- ständigkeit die in der Lesart schwierigen oder gegen die Handschriften geänderten Stellen theils kurz aufgeführt, theils besprochen werden. Der zweite Anhang (S. 125 164) enthält »grammatische und lexikalische Er- läuterungen« deren Zahl so gross, dass sich dies als ein neuer Commen- tar zu der Rede bezeichnen Hesse. Schliesslich kommen im dritten An- hange (S. 165 186) eine Reihe von »erklärenden Zusätzen geschicht- lichen Inhalts«, zum Theil, wie der über den sogenannten kimonischen Frieden, von recht ansehnlicher Länge. Ein »Wort und Sachregister zu den Anhängen 1 steht auf S. 187 189. Eine durchgehende Differenz zwischen dem Verfasser und dem Referenten besteht in der Handschriftenfrage, indem Rehdantz dem Cod. Oxon. keinerlei Autorität für die Feststellung des Textes zugestehen will. Unverständlich ist mir, dass er § 96 die Emendation Piuzger's eyxaTahnuvzag änavrag für an. eyx. nicht einmal erwähnt und statt dessen eine recht geschraubte Erklärung des Ueberlieferten giebt; falsch ist die Erklärung von -nyv olxouixivfjv § 123 als »die Welt«, während es lediglich Gegensatz ist zu dem vorangehenden ävdararov t;^v tioXiv ouaav.

(Vergl. die Recension des Referenten in der Jen. Lit.-Zeit. 1876 S. 575f.).

102) Emil Rosenberg, Zur äusseren und inneren Kritik der Leocratea. Gymnasialprogramm Ratibor 1876. 26 S.

Der erste Theil enthält Untersuchungen über das für Lykurg auf- zustellende Handschriftenstemma, deren Abschluss indess der Verfasser für eine spätere Abhandlung verschiebt (s. N. Jahrb. f. class. Philol. 1877 S. 683 ff.). Es folgt eine kritische Erörterung zahlreicher, von den Neueren angefochtener Stellen der Rede, mit Rücksicht auf Frohberger's Jahresbericht (No. 103). Der Verfasser ist, wie es dem Referenten scheint, in der Kritik des Lykurgos in Folge einer allzu ungünstigen Meinung von dessen Fähigkeiten jetzt conservativer als er sein sollte; so will er § 8 die Worte waze firjzs . . äfxapTrj/idtüJV unverkürzt belas- sen. Zu loben ist, dass er den Hiat beachtet, der auch für Lykurgos nicht ganz gleichgültig ist ; sollte nicht dies Kriterium für die von Rosen- berg angestrebte Abschätzung der Handschriften mit zu verwerthen sein? In einem »Annex« (S. 22 26) wird in Sachen der Hamburger Aldina,

Hypereides. 293

über deren Kaudglosseu Rosenberg mehrfach berichtet hat, reiches Ma- terial zur Beurtheilung des Werthes dieser Glossen beigebracht.

Schliesslich ist, als im vorigen Jahresbericht übergangen, nach- zutragen :

103) H. Frohberger, Der Redner Lykurgos (Jahresbericht). Im Philologus Bd. XXXIII (1874) S. 344-367 und 476—560.

Ausführliches und gründliches Referat, zunächst über die Lykurg's Leben betreffenden Arbeiten, sodann über Ausgaben und textkritische Abhandlungen ; umfasst wird der Zeitraum von 1854 ab. Eigene Beiträge zu liefern war nicht des Verfassers Absicht; doch ist seine besonnene Beurtheilung namentlich der sämmtlichen Fragen der Textkritik, die bis dahin angeregt waren, von nicht zu unterschätzendem Werthe.

Hypereides.

104) Hyperidis orationes duae, o ImTacpioq loyoQ et h-nkp Eu^eviTmou. Recensuit C. G. Cobet. Editio altera auctior et emendatior. Lug- duni-Batavorum 1877. 127 S.

Vorliegende Ausgabe enthält zunächst einen unveränderten Abdruck der beiden zuerst einzeln erschienenen Arbeiten Cobet's, der Ausgabe des Epitaphios (1858), S. 1 72, und der Recension der Euxenippea (1852), S. 73 92; alsdann folgen die neuen Addenda, die zum Epitaphios S. 93 105, die zur Euxenippea 106 119; der Rest sind Indices. In den Addenda wird die inzwischen erschienene Ausgabe des Referenten zu Grunde gelegt; leider ist des Referenten späterer Aufsatz: Zu Hype- reides (N. Jahrb. CI 1870 S. 741 ff.) mit der darin veröffentlichten neuen Collation der Papyrus dem Verfasser unbekannt geblieben. Er würde daraus u. a. ersehen haben, dass seine Ergänzung Epit. I, 9 fidlprupsg, die er jetzt zurücknimmt, dennoch richtig sein wird {MAP 2' . . der Papyrus). Dagegen nicht richtig ist Tihjatdaac, welches er jetzt (S. 103) in Col. XIV, 28 für ■nlriatäattav vermuthet, so wenig wie sein früheres Tthiaiäaai äv, denn im vorhergehenden bietet der Papyrus nicht ou8' ixsc- votg oder obd^ kzipocg, sondern ouo' iaviv o7g, wozu der Optativ äv . . nXr^atdaeiav gehört (so schon Shilleto Journ. of class. and sacred philol. IV, 318). Als sonstige neue Conjekturen zu dieser Rede führe ich auf: III, 29 dce^zX&ETv statt inzk&sTv (S. 94), allzu kühn; IV, 7 ff. imfx[s?^6ps- vog xa]} ■/■[lyvopevog X^PV7^^ ^"' ~po(pT]\g xac tojv äkXoiv dridvrnjv (S. 95), wobei auf den Raum nicht die genügende Rücksicht genommen ist (s. auch N. Jahrb. I. c. S. 743); V, 38 [sr^] xarznzrjy^uTav, während Sandys 8isi xa-c. ergänzt (S. 97 f.); VUI, 14 Biavevsixrijxivoug (S. 99); X, 29 TU Twv TioXXwv doipalig (S. 100); XI, 25 f. wv 8' äno rabrt^g uTidp- X^i su&ug . . ysyovsvac (S. lOOf.); XI, 41 dUä zfj toutcüv ohne iv (101); dann S. 101 f. Ergänzung zu XII, 2—6; S. 103 Tsrux^xaacv für nenoirj-

294 Attische Kedner.

xaatv im Fragmente des Epilogs. In den Noten zur Euxenippea wiederholt Cobet zuerst (S. 106) seine frühere, von mir bestrittene Be- hauptung, dass col. XIX, 14 dioysvetdrjs für Acoyvcdr]^ zu schreiben sei. Er bemerkt mit Recht, dass aus den Handschriften nicht entschieden werden dürfe, ob -ßrjg oder -etdr]?; die Autorität der Inschriften aber wird er nicht zurückweisen können. Nun findet sich erstlich der Name Jcoyvcg, den er nicht anerkennen will, C. I. Att. I, 119. 120. 164; so- dann gehen auf den Inschriften die Patronymika von Namen auf -rjg, oog regelmässig auf -ßrjg aus: 'Avrc^aw'orjg 318, Jto^apcSrjg 461, ^Emra^cdrjg 446, 'Enix<^pt87jg 434, EuzsXßrjg 448 u. s. w. XXV, 9 verlangt er napaxe- Xsuec statt -j], als das einzig attische (S. 108). Indessen ob rj oder sc zu schreiben, war den Attikern in jener Zeit in dem Masse unklar, dass wir auf den Inschriften des 4. Jahrhunderts rst ßooXeT und tzoXjj neben- einander finden; die Aussprache war wohl bei beiden Schreibungen die- selbje. XXV, 12f. vermuthet Cobet jetzt mit völliger Evidenz: xl Tou{rou) zwv iv tjj tzuXzl xtI, (S. 108). XXXIV, 1 zieht er seine frühere Conjektur ouTot für ahrot zurück (S. 113); ich nehme sie auf unter gleichzeitiger Umstellung des dXXd: oh fiovuv ourot xac ol äXXot 'A&. caaatv dXXä xal rjuhia. Recht gut ist XXXV, 21 das Ein- schieben von xat dniSsi^a nach e^rjXey^a (S. 114). Nach XXXVII, 10 ergänzt Cobet Lykophr. XXXV zu Anfang oh yhp drjnou (S. 115). XXXVII, 19 üjg i/jLoc doxsc Sno&sv (115 f.). XXXVIII, 26 tadelt er, dass ich 'A^rjViea nicht in 'AZrjviä corrigirt, indem er wiederholt erklärt, veteres Atticos his formis nisi contractis usos non fuisse. Attische De- krete aus Hypereides' Zeit: C. I. A. 167, 2. 7 IJscpacswg, 168 Kcudcuv und Kncecojv (gleichwie ocvpeid, scdv, dsuuvzai geschrieben wird), 184 MaXiiüjv. XLII, 25 yao re] xrü ol (117), vgl. N. Jahrb. 1. c. S. 742; XLIV, 17 Bxzhg zu)v fMezpwv gewaltsam für ivzbg, hier und Dem. Pant. S. 977, 5 (118); XLV, 24 öaa/ioXoyrjaavzsg zoug ix[86vzag], seil. dohXoug als Objekt des letzteren Verbums, wohl kaum richtig (S. 118 f.). Bei- läufig wird auf S. 97 Lyk. Leokr. 40 die Tilgung von mpt<p6ßoug und el ^wac gefordert, letzteres nicht ohne Wahrscheinlichkeit.

105) F. Bücheier, Coniectanea. In den N. Jahrb. f. Philol. CXI (1875) S. 305 340; darin zu Hyper. S. 307 309 (310), No. XXII (XXIII).

Zunächst eine Conjektur zu Plutarch's Vita des Hypereides, § 17 S. XXVIII meiner Ausgabe: u)p.cXr]xwg 8e xac Qpüvj) für ujg elxog de xal dixjj 0puv7j ; alsdann Bemerkungen und Ergänzungen zum Epitaphios (col. IV Anfang col. I). In der Anfangscolumne scheint er einiges rich- tig gesehen zu haben; das Ganze auch nur dem Sinne nach herzustellen halte ich für unmöglich. S. 310 wird beiläufig zu Epit. IV, 24 con- jicirt napaXetnuj (für das korrupte . . ataXtfuj).

Deinarclios. Griechische Rhetoren. 295

106) Woldemar Tröbst, Zu Hypereides' Rede gegen Demosthe- nes. In den N. Jahrb. f. class. Philol. CXKI (1876) S. 205-208.

Der Verfasser will die npoxXrjastg an den Areopag, die Hypereides col. 7 meiner Ausgabe dem Demosthenes in den Mund legt, nach Vorgang von Egger in anderer Weise deuten als gemeiniglich geschieht, nämlich dahin, dass Demosthenes einem angeseheneu Areopagiten Bestocheuheit schuldgebe. Referent kann dieser Auffassung auch jetzt nicht zustim- men: sie beseitigt kleine Schwierigkeiten, indem sie grosse einführt.

107) E(douard T(ournier), Fragment d'Hyperide. In: Revue de Philologie N. S. I (1877) S. 208.

Nachweis eines bisher übersehenen Bruchstückes des Redners, bei Dionys. Antioch. Ep. 79 (Hercher Epistologr. S. 273): b rXaoxcmtoo 8s TtdvTiuv dnacdeuTorarov e^rj vb XotdopeTv.

108) A. N. Schwarz, Rede des Hyperides für Euxenippos. Mos- kau 1875. 8. 170 S.

Referent bedauert sehr, diese russisch geschriebene Abhandlung nicht recensiren zu können.

Deinarchos.

109) Woldemar Tröbst, [Dinarchus] I, 82 sq. In den Miscel- lanea philologa (Festschrift zur Feier des 10jährigen Stiftungsfestes des philologischen Vereins zu Göttingen. Göttingen 1876) S. 5 8.

Die Darlegung des Verfassers läuft darauf hinaus, dass an der betreffenden Stelle die Worte nepl Zrjzrjasüjg im ^prjp.a.T(jjv als Interpo- lation getilgt werden, mit Beibehaltung der Conjektur des Referenten (die er A. Schäfer beilegt) rot (pr^ftapaza für zb ^<rj(piapa. Mir scheint das Gestrichene nothwendig, um den Gegensatz zu dem vorher (78 ff.) be- sprochenen Psephisma des Deinarchos hervorzuheben. Nach meiner Les- art muss man allerdings annehmen, dass schon vorher Verurtheilungen und Hinrichtungen wegen der harpalischen Sache stattgefunden; doch ist eben dies die Ansicht Schäfer's (III S. 294). Zu vergleichen war auch die Stelle Dein. 1, 4, mit ähnlicher, doch noch schlimmerer Corruptel.

II. Griechische Rhetoren.

Die Folge ist die der Spengel'schen Rhetores Graeci.

110) U. von Wilamowitz-Möllendorf, In libellum nepl üipoug coniectanea. Im Hermes Band X (1876) S. 334—346.

Die Abhandlung bringt zahlreiche Conjekturen und darunter man- che treffliche. Allzu geneigt ist der Verfasser zur Annahme von Glossemen;

296 Griechische Rhetoren.

zum Beispiel S. 23, 6 Jahn ist zwar der Anstoss begründet, den er an ^ 'OSOaaeia nimmt; doch statt diese Worte zu streichen möchte ich lie- ber etwa iv r^ 'Oduaoeta schreiben, und unmittelbar vorher ist das r^va jedenfalls beizubehalten, wenn man auch rou Tpuj'ixoT) noUixou mit Wila- mowitz entfernt. Seine Art erinnert vielfach stark an die moderne hol- ländische Kritik. Unbegreiflich ist mir der beiläufige Widerspruch gegen von Rohden's Nachweis, dass der Hiatus in dieser Schrift auf bestimmte Fälle beschränkt ist. Wäre eine Widerlegung dieser Thatsache möglich, so wäre es ein grosses Verdienst gewesen sie zu geben, da das Hiatus- princip die Textkritik ganz ausserordentlich beeinflussen und binden muss.

111) Ludwig Martens, De libello nepl uipoug. Inauguraldisser- tation von Bonn 1811. 39 S.

Im ersten Abschnitte dieser fleissigen Dissertation (S. 5—22) wird der Versuch gemacht, des Caecilius Schrift Tiepl ü(})oos aus den Andeu- tungen des sogenannten Longin nach Grundzügen und Tendenz zu recon- struiren. Nach der Meinung des Verfassers wollte Caecilius nicht sowohl zur Erhabenheit anleiten, als von dem Streben darnach zurückhalten; somit würde die uns erhaltene Schrift eine entschiedene Gegenschrift sein. Dass sie indess dies nicht sein will, geht aus C. 1 deutlich genug hervor; sie muss vielmehr, wie Referent auch früher ausgesprochen, mit ihrer Vorlage, die sie zu überbieten und zu verbessern sucht, im Grunde gleichartig gewesen sein. Die Beziehung des rcvdg C. 2 Anfang auf Caec. scheint mir nicht einmal zulässig zu sein; die dort Bekämpften sind keine Rhetoren gewesen. Werthvoll ist der Nachweis,- dass in dem Abschnitt über die Figuren (c. 16 29) sehr vieles auf Caec. zurück- geht, es fragt sich freilich, ob auf dessen Schrift Tispl ö(poog. Vgl. Wila- mowitz S. 338. Von S. 22 33 wird die Entstehungszeit unserer Schrift gründlich untersucht; der Verfasser setzt dieselbe in die Zeit des Tiberius, nicht unwahrscheinlich, wiewohl seine weitere Vermuthung, dass Caecilius den Verfasser zuerst angegriffen haben möge und dieser hier darauf antworte, mir wenig einleuchtet. Der Schlussabschnitt liefert Nachträge zu Jahn's kritischem Apparat, theils nach den für Jahn ge- machten CoUationen, theils nach neuen, die durch M. Bonnet, Ch. Graux und H. von Rohden für den Verfasser besorgt worden sind.

112) Casparus Hammer, De Apsine rhetore. Programm von Günzburg 1876 (München, Gotteswinter und Moessl). 8. 36 S.

Dies Programm behandelt im ersten Capitel Leben und Werke des Apsines, im zweiten die Handschriften der erhaltenen Techne, im dritten den allgemeinen Zustand dieser Schrift; im vierten werden eine grosse Anzahl Conjekturen zu derselben gegeben, die freilich nicht immer glücklich sind. Dass in dem Werke viele Lücken oder nur auszugs- weise vorhandene Theile sind (Cap. 3), hat der Verfasser gut dargelegt;

Griechische Rhetoren. 297

doch kann Referent der S. 22 f. vorgeschlagenen gewaltsamen Umstellung einiger Sätze nicht beipflichten. Die Existenz einer Schrift von Apsines TT. spiirjveiag oder tt. (ppdazujg hat der Verfasser nicht bewiesen (Cap. I S. 12ff.); die ix<ppaatq^ von der bei Doxop. W. II, 513 die Rede ist? gehört ja zu den Progymnasmen (s. Theon S. 118 Sp.V Endlich fällt bei der Erörterung der Lebensnachrichten auf, dass nach Hammer (S. 7) der 'Afpivr^g 'Aßr^vaTog, der Vater des unter Konstantin lebenden Ona- simos, mit dem Gadareer Apsines identisch sein soll, der doch nach der vorhergehenden Untersuchung zwischen 193 und 249 lebte. Im Uebrigen ist die fleissige Erforschung eines noch fast ganz unbearbeiteten Gebie- tes dankbar anzuerkennen.

113) R. Volkmann, Zu Apsines. In den N. Jahrb. f. Philol. CXI (1875) S. 593-596.

Die Miscelle betrifft die in die Hypothesis zu Isokrates' Friedens- rede eingefügte Stelle Apsines S. 344 Sp., die der Verfasser schon in seiner Rhetorik S. 105 Anm. aus jener Hypothesis emendirt hat. Er vertheidigt mit Glück seine dortigen Aufstellungen gegen den Wider- spruch Hammer's (Philol. XXXIV, 278 f.).

114) C.Hammer, Kritische Beiträge zu Demetrius tts/)? kpprjvecag. Im Philologus Bd. XXXV (1876), S. 711-713. XXXVI (1877), S. 355-358.

Conjekturen zu einer grossen Anzahl von Stellen; Referent kann nur selten beistimmen. In dem Fragmente des Antiphon bei Demosthe- nes S. 274, 25 Sp. ist die Corruptel im Wesentlichen laugst gehoben, und insbesondere für die Vulgata rjv kiopivrj hat auch Speugel das rich- tige ^v ij^opev im Text; der Verfasser aber ignorirt die Emendation und macht den ganz verkehrten Vorschlag: rj yap v^aog yjv pev e^opevrj drjXfj pev xai nöppojd^ev icrrcv u(pr]?iYj xal vpa^eTa.

115) C. G. Cobet, Ad Demetrium 23. 128. 261. 269). In der Mnemosyne N. S. Bd. V, S. 276.

Lag dem Referenten nicht vor.

k

.Jahresbericht über Plutarch's Moralia für 1876 und 1877.

Von

Dr. H. fl e i n z e

in Marienburg in West-Preussen.

Miscellanea philologica. Festschrift zur Feier des 10 jährigen Stif- tungsfestes des philo!. Vereins zu Göttingen. 1876. 80 S. 8.

In diesem Festprogramm hat Alhert Barth S. 75 ff. »Kritische Beiträge« veröffentlicht, von denen hier nur Nr. I besprochen werden soll. Plut. Quaest. Koman. XXXI erörtert die Frage, warum bei den römischen Hochzeiten Talasius gerufen wurde. Nachdem Barth gezeigt, dass die von Plutarch dafür gegebenen beiden Erklärungen sich auch ganz in der- selben Reihenfolge bei dem Excerptor des Verrius Flaccus, bei S. Pora- pejus Festus S. 351 (Müller) finden, schliesst er, da bei letzterem für die erstere Varro als Autor genannt ist, dass Plutarch, wie Festus, resp. Verrius Flaccus beide Nachrichten in ihren Quellen bereits zusammengestellt fanden und dass Plutarch in dieser quaestio ganz auf Varro zurückgeht. In Plutarch's Text ist nun das Wort TaXavzov^ welches ein zum Gebrauch der Wollspinner verfertigtes Körbchen bedeuten soll, corrupt ; dafür bietet Paulus in dem aus Festus gemachten Auszug S. 350 das Kichtige, näm- lich calathus, in Folge dessen eraendirt Barth mit Recht: xcä yäp zbv zdXapov xdXa&ov dvo[xdZooac.

Von demselben Verfasser ist veröffentlicht:

De lubae OMOIOTHSIN a Plutarcho expressis in Quaestionibus Romanis et in Romulo Numaque. Dissert. inaug. Göttingen 1876. 54 S. 8.

Barth's wohlgelungene Arbeit über luba's II. verlorene Schrift biioiüTTjTEQ ist eine Quellenforschung, welche man vom philologischen Ge- sichtspunkte aus als Muster für derartige Untersuchungen aufstellen kann, denn mit gewissenhaftem Fleisse hat der Verfasser die dahinge- hörige Literatur benutzt und noch einmal von Anfang an die Frage über die von Plutarch in den quaest. Rom. und in den Vitae des Romulus und

Plutarch's Moralia. 299

Numa benutzten Quellschriftsteller untersucht; dabei sind die von Barth gewonnenen Resultate nicht nur für Plutarch von Bedeutung, sondern kommen ebenso sehr der Literaturgeschichte wie der Alterthumswissen- schaft im Allgemeinen zu gute. Ausgehend von der Frage, was für ein Bild man sich von den biiotozrjzsg des gelehrten Königs überhaupt zu machen habe, zeigt der Verfasser S. 1—19, dass luba, der lange Zeit in Rom grammatische und antiquarische Studien getrieben hatte, von der damals ziemlich allgemein verbreiteten Ansicht, dass die lateinische Sprache aus der griechischen hervorgegangen, beeinflusst, ein Buch geschrieben habe, welches lateinische Vokabeln und Worterklärungen neben den da- hingehörigen griechischen enthielt. In diesem umfangreichen Werke (Hesych. citirt Buch XV) leitete er nicht nur aus eigener Kenntniss la- teinische Worte von griechischen ab oder stellte griechische und röurische Sitten, Einrichtungen und Kulthandlungen vergleichend nebeneinander, sondern benutzte auch des Dionys von Halikarnass Archäologie und des M. Terentius Varro Schriften in der Weise, dass er theils längere Par- tien aus jedem der beiden Autoren in seine Schrift hinübernahm, theils die von beiden geäusserten Ansichten verband und die Erklärungen des Einen durch die des Anderen verbesserte und vervollständigte. Im fol- genden liefert dann Barth den Beweis einmal, dass Plutarch bei der Abfassung der Vitae des Romulus und Numa nicht auf das in seinen ahiai Besprochene Rücksicht genommen, andererseits auch nicht mehrere Ge- währsmänner, sondern nur den einen, den luba, benutzt habe. Und wenn nun in dem Berichte des Plutarch sich Namen wie Livius oder Castor oder Varro oder sonst wie finden, so stammen diese alle aus luba, denn Varro hat Plutarch selbst nicht in der Hand gehabt, ebensowenig, den Verrius Flaccus des Plutarch Quellen mussten griechisch geschrie- ben sein und das hat luba nachweislich gethan. So sind denn Ansichten, wie sie Thilo in seiner Dissertation über Varro als Quellschriftsteller des Plutarch in den quaest. Rom. und Hermann Peter über diese plut. Schrift geäussert haben, als nicht zutreffend zurückzuweisen und selbst des so sorgfältigen Mommsen Urtheil: »die Schrift von den römischen Fragen giebt uns erwiesener Massen die varronische Doctrin, überarbeitet durch die Gelehrten der augusteischen Zeit, wie Verrius Flaccus und luba« ist etwas zu modificiren. Das Gesammtresultat der Untersuchungen über die Quelle der jedesmaligen quaest. Romana gipfelt endlich darin, dass 30 Fragen als aus des luba oiiocözrjTeg hervorgegangen mit Sicherheit nachgewiesen sind.

Hieran schliessen wir eine andere Dissertation:

Quaestiones Plutarcheae, diss. inaug. quam defend. Hermannus Patzig. Berolini. 66 S. 8.

Patzig's Dissertation giebt eine ganze Sammlung einzelner sehr verschiedenartiger Plutarchfragen, von denen namentlich die ersten recht

300 Plutarch's Moralia.

interressant sind. Im Beginn der Arbeit zeigt er sich mehrmals als ein Gegner Volkmanu's, indem er dessen Urtheil hinsichtlich der Echtheit oder Unechtheit einzelner unter Plutarch's Namen gehender Schriften entgegentritt. So gehört auch er zu der jetzt immer grösser werdenden Anzahl derer, welche die consolatio ad ApoUonium für echt plutarcheisch, wenn auch für eine Jugendschrift halten (s. Jahresb. 1874/75, Abth.I, S. 577). In Betreff der Schrift de fato, welche Zeller noch als echte Quelle plu- tarcheischer Philosophie benutzte und die Volkmann als unplutarcheisch hinstellte, tritt auch Patzig für die Unechtheit ein, während er wiederum anderer Ansicht ist, als Volkmann (I S. 105) in Bezug auf zwei Frag- mente, welche Tyrwhitt aus einem Cod. Harleianus zuerst unter Plutarch's Namen veröffentlicht hat. Wenn bei der Besprechung dieser beiden Fragmente Patzig das Urtheil Volkmann's, als ein »temere« gefälltes bezeichnet, so will uns dies wenig gefallen, zumal er einen Beweis für seine abweichende Ansicht weder beibringt noch ihn zu liefern für nöthig hält, so lange nicht sicherere Argumente für die Unechtheit aufgestellt sind! Ueber de amore prolis hatte der bekannte Plutarchforscher Döhner (quaest. Plut. III. Meissen 1862 S. 26 ff.) die Ansicht ausgesprochen, dass Plutarch nicht der Verfasser derselben sei; es sei die ganze Schrift vielmehr eine Compilation aus anderen Schriften dieses Autors und ein Excerpt aus einem anderen Buche über dasselbe Thema; Volkmann (I S. 187) schliesst sich diesem Urtheil mit einer Modificirung an: ihm ist die Schrift ein Fragment und augenscheinlich das Fragment eines Auszuges; Patzig dagegen hält sie für ein echtes Werk des Plutarch. Zum Beweise dieser Behauptung geht er die Gründe durch, welche Döhner als Argumente gegen die Echtheit vorgebracht hatte; in den von Döhner beigebrachten findet Patzig keine Gegenbeweise gegen seine Ansicht: das Thema ist ein Plutarch nicht fremder Gegenstand, die Beweisführung ist richtig; die vielen Döhner anstössigen Wörter schrumpfen auf 15 zu- sammen und selbst hier finden sich für sieben derselben noch Milderungs- gründe. Wenn nun auch zugegeben werden muss, dass ohne äna^ dprjixiva keine plutarcheische Schrift existirt, so sind diese zum Theil sehr seltsamen Wörter für die fünf Capitel der kleinen Schrift doch immer- hin noch Verdacht erregend. Die von Döhner urgirten Widerholungen nicht nur derselben Wörter, sondern auch ganzer Wortverbindungen über- geht Patzig als zu unbedeutend; dagegen giebt er für die Benutzung syno- nymer Begriffe einige Beispiele aus echten plutarcheischen Schriften. Gut gelungen ist die Zurückweisung der Döhner'schen Ansicht, dass der Autor der Schrift de amore prolis entweder dieselbe Quelle gehabt hat, wie Plutarch oder, was Döhner für wahrscheinlicher hielt, aus Plutarch selbst einen Auszug machte; hieran schliesst sich eine Zusammenstellung der einzelnen Gedanken, wie sie sich hier finden, mit solchen, die in echt plutarcheischen Schriften vorkommen. Trotz dieser von tüchtiger Belesen-

Plutarch's Moralia. 301

heit im Plutarch zeugenden Beweisführung, können wir die Frage ob echt oder unecht doch noch nicht als abgeschlossen betrachten.

An diese Untersuchung schliessen sich Bemerkungen zu den Frag- menten aus dem Commentar zu Hesiod's opera et dies und dem soge- nannten Lampriaskatalog. Treu hatte in seiner Monographie über dieses Thema, welche die Frage erschöpfend und allseitig abschliessend behan- delt hatte, wenig Werth darauf gelegt, dass sich bei Job. Stobaeus ver- schiedene Titel plutarcheischer Schriften finden, welche durch den soge- nannten Lampriaskatalog nicht belegt werden können; Patzig nimmt die Frage noch einmal auf, stellt die bei Stobaeus erhaltenen 17 Titel zu- sammen und versucht in einer zum Theil etwas geschraubten Beweisfüh- rung (so soll z. B. IV Tiepi (ptUaq aus mpl Eh^üy.iaq entstanden sein) Sto- baeus und Lampriaskatalog unter einen Hut zu bringen. Es folgt eine Besprechung einzelner Fragmente Plutarch's, an welche sich eine in jeder Beziehung anzuerkennende und in ihrem Resultate wohl zu beherzigende Untersuchung über den Namen Quintus anschliesst, welchem die Schrift de fraterno amore dedicirt ist. Der klare und umsichtig geführte Beweis ergiebt, dass dieser Name verderbt und L. Quietus zu schreiben ist. Den Schluss dieser umfassenden Dissertation bildet eine Sammlung kritisch unsicherer Stellen, welche Patzig zu heilen versucht. Der Mangel an Raum gestattet nicht, näher auf dieselben einzugehen, weshalb wir nur die Re- sultate angeben wollen.

consol. ad Apoll. 9 statt äyujyjj oLpojyfj.

sept. sap. conviv 7: Ih yäp, i^r] 6 Alaojnog, oimuj yiypacpaq oTc Sjxocov olxizag jxrj fießuecv, wg eypa^pag 'Ad^ijvrjaiv ocxizag p.rj ipäv p.7j8s $r]pakoi^£cv. yeXdaavTog ouv zoü 2!6^ojvog, KXeodiopog 6 larpog' äXX op-ocov, ifYj, TU) ^T^pakot^BiV TU XaXelv iv olvo) ßps^up.svBV rjdcoTov ydp iffTc. Kai 6 Xckojv bnoXaßwv eyrj 8cä toütö toc }iäKXov d^exziov auToü. ndkv 5' 6 AicrcDTTog Aal /jLTjV, i^rj, 6 0aXrjg e8o$£v amsTv otc Td^iaza yrjpdv nocsT (seil.: T^ XaXscv iv oivüi ßps^ofxevov).

ibid. 8 in. statt otc ars.

ibid. 13 stellt er den Senar in den Worten des Chersias her: ots TxpoOncvov dXXijXocacv £aTciup.£voc nap^ auTü).

De mul. virt. 3 (302, 17) das Komma vor totb zu tilgen und mit 8ovap.ivoüs zu verbinden.

ibid. 15 (312,38) TtposX&scv zu schreiben, gleich darauf ist das Fragezeichen nach dya&oc, der Punkt nach evaywvcaaaBac zu setzen.

ibid. 25 (324, 2) vor auvcaTa/xivoog der Artikel Toug zu setzen.

Quaest. Rom. 17 statt rj 8e nepl Tobg iauT'^g nacSag-auTTj nepl Tous zu schreiben.

ibid. 75 statt dSek^cxöu d8£X<p6v.

Quaest. Graecae 9 statt zb ydp ivvottv xal ndTptov eazl ydp ivvoelv xaTa zb ndzpiov.

302 Plutarch's Moralia.

ibid. 11 das Interpunctionszeichen hinter r^g /«^/O«?, welches von eepyov abhängt, zu tilgen.

ibid. 30 statt i/i7taptr]p.t zu schreiben ifxnayivTog, gleich darauf fierä ßo^g.

ibid. 34 TouTü) vodv xazä tO^tjv npoaia^z.

ibid. 36 statt rb xepaacpopov, xspag afoSpov xat imßXaßig.

de fort. Rom. 9 (321 f.) Tieptead^mcre Aor. für's Imperfectum.

ibid. 11 (398, 29) dvSpwv, drjrzrjrcov xai dßd^cov drdu)V.

ibid. 12 (399. 2) statt ^afißdvscv Xay^^dvecv, dann mit Wyttenb. ra rou OTpazod und iv oTiXoig.

ibid. 13 (400, 39) Interpunction nach dv&piunoug zu tilgen.

de Alex. fort, aut virt. I 5 (403, 30) für ziltaiv xrj8s.aot.

ibid. 8 init. statt ex zoö flspacxoü xal MaxeSovixou r^g üspffix^g xac T^g MaxedovcxTjg.

ibid. 9 (406, 29) nach tScocg ist ausgefallen olea&s.

i b i d. II 9 oux äv etTisg.

ibid. 13 (421, 18) ods ehro'/rjg ßaadeug (seil, ^v) und statt tu fiiya TOM o p.iytazov.

de glor. Ath. 6 statt xai tou-wv xatroi Tobziov und dXX' dnb Tiocrjfidzcuv aoyxs^ojxivoi ßiot xai zouzüjv exXeXoinözojv xzvozd<piov oixog.

ibid. 8 extr. mit Wyttenb. dUd orj alxiag, dann der Name Are- thusios statt Amathusios.

de Iside et Osir. 1 in. eu/wps&a.

ibid. 29 (413, 21) statt aldoog ucov aldiacpiov.

de Ei delphico 20 dvixXsmzog und El, ^ xai vrj ä(a . . . . E! ev.

de Pyth. orac. 2 niptpat verderbt aus TtBfptxevai oder Tzefpt^ai.

ibid. 15 T£^ä)v auz6&t dojpedv.

ibid. 17 die Lücke: 8k (seil, oraculum) zivv &£:ajv ivdscag ys- vopivfjg dnoßaXzTv zo aspvov.

de de f. orac. 37 aus Plato statt diaypdfujv herzustellen Bia^w- ypa<pu)v.

ibid. 44 wansp ivzau&d, ^aat, nap' r^ptv rjV zh mpl zov piyav asiapov.

ibid. 49 kzipoü zivog zb arjjiätov rj zoo ^epeazeuecv zbv &£bv Xap.- ßdvovzag;

de virt. mor. 3 zb pkv dal awpazcxbv im&up^zcxbv xixXrjzai.

ibid. 5 (539, 8) ao^ca xai fpovrjatg zu tilgen dann mit verän- derter Ordnung zu schreiben xai dnaBrj auvcazapivrj voov.

de cohib. ira6 mpiazoptoig zb Xiav z6ö nveopazog paySaiov iy- xa&£cp$£.

ibid. 9 (555, 4) oüg <paai y^oXriv oux e^ecv wg voüv i/ovzag. Die hieran geknüpfte Bemerkung, dass die apophthegmata regum et iraper. sich aus dieser Stelle als echt plutarcheisch erwiesen, ist eine alte, schon wiederholt zurückgewiesene (Volkmann I, S. 212).

Plutarch's Moralia. 303

ibid. 15 (pößoo 8k xal ^ecpcov icrrcv.

de tranqu. anim 7 (568, 1) xal utcmsp xOvag clv bXaxTwai^ rh npoarjxov ahzolg exetvoug olofxzvog mpacvetv, ou^c ^V^-

de frat. am. 13 npd^zai fdepyog.

de inv. et odio 6 nach npoacuncuv hinzuzufügen xsxrrjfiivcüv.

de ser. num. vind. 5 (666, 17) fisTpond&scav.

de fato 11 extr. den Anfang mit Wyttenbach Tpczov 8k ol npog rourocg dann jiavztxrj p.kv npwTov Tiäatv dvi^pcÜTzoig endlich 8euripa.

de gen. Socrat. 15 (7ö6, 34) bei /zera iyxpaxziag /xera mit Wyt- teub. zu tilgen dann l'ijcjy, Sscxvuai^s darauf yujj.va<Td}ievoc herzustellen und das Interpunctionszeichen zu beseitigen nach npoafipy^a&e.

amator. 7 (936, 26) es ist keine Lücke vor /io'voi/, sondern iiovov drjTTTjTov ist mit dem vorhergehenden zu verbinden.

ibid. 18 (932, 23) statt emev 6 d. ehk uj Aa^vacs.

ibid. 21 (937, 21) ri xcolüzt so zu ändern: xaXoixrag ^fxag int.... TTTepouzac, rc 8rj xojXusc.

cum princ. phil. 1. in. xoipavov dann ri[xav xat in tijxiov = xotpavov eyxoXmaaa&at xal (piUav ztjiLov [iszcivat xal 7:po(T8sj(eaßac xal yewpyecv.

ibid. 2 init. äv einzuschieben vor ivo^Xi^aecev.

ibid. 4 extr. statt 8pop.atoug 'Axzpatoog nach consol. ad uxor. 8.

ad princ. in er. 3 statt 8tdvoiav vielleicht St" euvocav.

an seni ger. s. r. 8 xal zb /irj yacvoixevov äXXoze fikv iafaXjiivwg ozs 8k unb 86^rjg xevrjg npocminzzcv.

ibid. 24 ev dyopa xünzovzag.

praec. reip. ger. 26 wa-nep aiSrjpov xal fieazbv lob, vöcr/j/xa zt (pu- y^g, dnoSuadiievog.

de unius in rep. dorn. 3 zauzag 8k zd TzXeTazov xal pdyiazov kv ■fjyepoviacg 8ovrjd-evza zwv i&vuJv dnsxhjpwaazo zag TioXtzztag, Ilipaag pkv . . . darauf: ozav ßaadia jikv üßpcv ivzexrj dvuneü&uvov , dhyap^ca 8k unep- ippoawr^M xal zb aij&aSsg.

de primo fr ig. 14 ou^ unb zdb dipog, ug zap-iscov wg, darauf: sc ydp 00^ 7j alzca zdb fjLSzaßdUetv, dXX' elg o p-ezaßdXXet zb ^ßecpöfievov ivavzcov (iazc) zi . . .

ibid. 17 nach npwzwg ausgefallen elvai xal (pu^pbv npwzcug.

ibid. 20 npoffyecoug xazafvydg.

aqua an igni 6 xal nup pkv (po^pöv.

ibid. 8 7j npbg zobvavzcov äv zcg ivzsü&sv svzu^üjv Myoc der Schluss o(70v äv ixs.zaXdßjj npözepov nvsup.a p.kv xal nup, nocouvzu)v zouzcuv xal 8rj}xioupyouvzü)V.

ibid. 10 extr. Xoocrop.ivoig ^ ßa<pojiivoig.

non posse suav. 4 i<pi^ Oiwv oder dnsv b ßiwv.

utrum anim. an corp. fragm. I \. (Duebn. S. 419) zsivet statt r&ivszat.

804 Plutarch's Moralia.

ibid. 2 (1. 28) xaxodacfiovcav.

ibid. II 6 (7. 20) sl /xkv yäp ra» /i^ ivepyecv (seil, ycyverac rb ■nday^Biv) ouMv iarc. Endlich möchten wir erwähnen, dass unter den Thesen No. IV: »dass Polykrates, welchem Plutarch die Lebensbeschrei- bung des Arat widmete, derselbe sei, welcher de Pyth. orac. 20 genannt wird« sehr viel Wahrscheinlichkeit für sich hat.

Melanges Greco-Romains tires du bulletin de l'Academie Imperiale de Sciences de St. Petersbourg. Tome IV. A. Nauck, kritische Be- merkungen S. 90—236.

Auf S. 180 u. 181 finden wir zwei Bemerkungen zu Plutarch und zwar zu consol. ad Apollon. p. 118 F. (Cap. XXXIII), wo in den Worten des Protagoras statt nivUsa ipijajjxivujg (pipovra zu lesen ist sua^r^fiovwg, eine Wortzusammenstellung, wie sie bei mehreren Autoren, z. B. Menan- der, Aristoteles, lulianos etc. gebräuchlich ist.

ibid. p. 113 F. (Cap. XXIV) die Worte yap ovrag sind als Plu- tarch gehörend auszuscheiden, wodurch der Pentameter des Callimachus wieder hergestellt wird:

fieTov iSdxpuaev TpcoiXog ^ Upiaiiog.

In der Prograromabhandlung von L. Weniger über das Colle- gium der Thyiaden von Delphi. Eisenach (Karl-Friedrichs-Gymnasium). 21 S. 4.

finden sich zwei beachtenswerthe Verbesserungsvorschläge: der erstere bezieht sich auf Quaest. gr. IX p. 292 E, wo das handschriftliche ro yap ivvoecv xa\ narptov als corrupt feststeht; Weniger (S. 2) vermuthet touzo yäp evvop.ov xal Tiarptov. ,Auf S. 16 u. 17 behandelt Weniger das inter- essante XV. Capitel in de def. oracul. p. 418 A; die Worte p-rj alöXa 8h geben keinen Sinn, ebenso wenig genügt einer der zahlreichen Heilungs- versuche, daher conjicirt Weniger dem Sinne, wie den Buchstaben nach mit Glück: fj al &uid3sg töv dpcpt^aXrj xupov rjppivacg oaacv äyouacv. Durch diese Aenderung ergiebt sich für das Collegium der Thyiaden eine neue Function, die mit der übrigen Thätigkeit derselben wohl vereinbar ist, nämlich die, dass sie mit brennenden Fackeln dem Knaben, der die Rolle des Apollo spielt, das Geleit geben, zusammen unternehmen sie den Angriff (bei der Nachahmung des Drachenkampfes Apollons), werfen Feuer in das Drachenzelt, stossen den Tisch um und fliehen, ohne sich umzuschauen, aus dem Thore des Heiligthums.

Aug. Wagener, Les opinions politiques de Plutarque comparees avec Celles de Tacite. Bulletin de TAcademie royale des lettres de Belgique No. 5. 24 S.

Wagener' s akademische Vorlesung dürfen wir nicht als eine streng wissenschaftliche Untersuchung betrachten, sondern, übereinstimmend mit

Plutarch's Moralia. 30'5

des Verfassers eigener Erklärung, für eine populär gehaltene Gesaranit- übersicht über die politischen Ansichten zweier auf geistigem Gebiete her- vorragenden Männer aus der Zeit der beiden ersten Jahrhunderte des rö- mischen Kaiserthums. Und dieser populärwissenschaftlichen Färbung der ganzen Monographie entspricht es, dass die Einleitung weiter zurückgeht und ausführlicher sich verbreitet über die ganze Zeit des Ueberganges aus der Republik zum Kaiserreiche, und dass an diese Thatsachen ver- schiedene philosophische Betrachtungen sich anschliessen. - Was dann die politischen Ansichten des Tacitus und Plutarch betrifft, so sieht der erstere, als römischer Bürger und Senator, den Eintritt des Kaiserthums, der absoluten Monarchie, als uothwendige Regierungsform an, welcher man sich unterwerfen muss; als Fatalist weiss er, dass eine Aendex'ung nicht in der Hand eines Menschen liegt, dass eine Umkehr zum alten Zustand republikanischer Freiheit ganz unmöglich ist, und dass die ein- zige Hoffnung in diesem Absolutismus auf der Regentschaft eines guten und wohlwollenden Kaisers beruht. Zu dieser Anschauungsweise des rö- mischen Historikers steht der griechische Moralphilosoph im grellen Gegensatze: auch ihm, dem frommen, den Glauben an die Gottheit und die Vorsehung überall hervorhebenden Plutarch erscheint die Monarchie in der damaligen Zeit als uothwendige Regierungsform, aber nur eine solche, welche von den Grundsätzen der Vernunft geleitet und von Philo- sophen, die um des Fürsten Thron sich schaaren sollten, berathen wird. So sehen wir beide Männer, so grundverschieden in ihren Charakteren, und von entgegengesetzten Ansichten ausgehend, doch zu demselben Re- sultate gelangen. Nach Plutarch haben es die Römer wohl verdient, dass ihnen als Lohn für ihre Tugenden die Regierung des Erdkreises zu Theil ward, und er preist die Menschen seines Zeitalters glücklich, dass die Römer über sie herrschen, welche der damaligen Welt den Frieden ge- bracht haben und deren Regenten der ganzen Welt den laugersehnten Frieden brachten (l'empire c'est la paix! ). Allein trotz dieser Anerkennung, welche Plutarch dem Römerthume zollt, trotz seines p]inverständnisses mit ihrer Regierungsform bleibt er doch durch und durch Grieche, der von edlem Patriotismus erfüllt die Pulse seines Herzens lauter schlagen fühlt, wenn ihm einer der gefeierten Heldennamen aus Griechenlands ruhmreicher Vergangenheit aufstösst.

Und nicht minder interessant, wie die ganze, im glanzvollsten Stil geschriebene Monographie Wagener's ist das Schlussurtheil, in wel- chem er seine eigene Ansicht über das römische Kaiserthum ausspricht: die monarchische Regierungsform, für die damalige Welt eine Nothwen- digkeit, zeigte sich als ein Glück für die Römer im Allgemeinen und namentlich für die Provinzen; aber weil die einzelnen Glieder des gros- sen Staatskörpers unter sich und mit dem Mittelpunkt desselben in zu losem Zusammenhange standen, weil ihnen ein einheitliches Band fehlte, ging das römische Kaiserreich zu Grunde; es hatte keine Repräsentativ-

Jahresbericht für Alterthums-Wisseuschaft 1877. I- '20

306 Plutarch's Moralia.

Verfassung, wie sie in unseren Tagen ebenso wohl vereinbar ist mit der Monarchie, wie mit der Republik.

Aus dem Hermes Band XI gehört hierher R. Hercher's Auf- satz »Zu griechischen Prosaikern« S. 223—234.

Plut.-Moral. p. 8 B (de lib. educand. X). Hercher entscheidet sich jetzt, nachdem er die von anderen gemachten Verbesserungsvorschläge, ebenso wie die Wyttenbach'sche Lesart, welche er selbst in seinen Text aufgenommen, mit Rücksicht auf den Satzbau verworfen hat, dahin dass die Worte (üv ärepog flM-cüvog iydvero auvouaiaaz^g^ als am Rand bei- geschriebeu, zu tilgen sind.

ibid. XIII p. 9 B die Worte Tva zu) napaodyiiaTt. (poiTZivozepov noLr^au) zov Uyov sind zu streichen (ohne Angabe des Grundes).

de adul. et amico XIII p. 57 A die Worte ^ dypotxou als Glosse zu (foptvvjv rM^sTav (pipoyzoQ zu tilgen.

consol. ad Apollon. X p. 106 D für das nur hier sich findende Verbum doaavtda} ist zb Sucrdvcov einzusetzen , ein zwar sonst wenn auch selten -- gebräuchliches Wort, aber ebenfalls äna^ elprjuivov bei Plutarch.

ibid. XIV p. 109 C. Hercher sucht aus dem Inhalt zu erweisen, dass die Worte zoüzov yap slvac povov auzui in' oboia tioXXjj xa: XPW^' mv als das Produkt eines ungeschickten Interpolators aus dem Text zu entfernen sind, ebenso wie Apophthegm. reg. et imper. Scip. min. p. 199 F ev ooaiq. p.eydhfj zu streichen und ausserdem ^poaoö für y^poaiou zu verbessern ist.

consol. ad Apoll. XV p. 110 D: hier werden die Worte zu>v ^pr^jxdzuiv d/j.a zolg aujpaat diacpd^apivziov als einem Interpolator gehörig ebenfalls ausgeschieden und zwar weil es wider Plutarch's Gewohnheit ist, nach Anführung von Versen die aus ihnen entspringenden Lehren niederzuschreiben.

ibid. XXXI p. 118 B: hier werden die Worte raurjyv 8s zrjv [xoTpav iv äUocg 6 nocr]Z7jg (pr^at. mit dem folgenden Verse ebenfalls und aus gleichem Grunde beseitigt; sie stehen zudem mit dem Vorhergehenden in keinen innerlichen Zusammenhang.

ibid. XXXIII p. 118 D: da Tiapsd-rj^aiiev eine Formel wie wg (paat ausschliesst, wird es gestrichen; zwei Zeilen weiter ist statt dvayyeddv- zojv dnayyse^dvzajv zu schreiben.

Praec. conjug. XLIII p. 144 BC: durch t8ca, welches als Inter- polation in den Text gerathen, werden die zusammengehörigen Worte aözbv Tzai z^v yuvacxa xac zrjV d^epdnatvav zpsTg uvzag getrennt, daher ist es zu tilgen.

VII Sap. conviv. XVIII p. 160 F hibnh zd/oog als Interpolation auszuscheiden, ebenso gleich darauf unkp zrjg &aMzzr]g.

Plutarch's Moralia. 307

ibid. p. 161 C ist ebenfalls zu beseitigen in !^ü)v , wie schon die, Wortstellung zeigt und der Sinn ergiebt; gleich darauf p. 162 A ist statt onou onot. zu schreiben, wie slg Köpiv&ov beweist und Thucyd. IV, 42, der richtig ol xazaa^rjaooatv hat.

de super stit. III p. 165 E: hier und VI p. 167 E ist zou Becoo für Tod Beou zu setzen, ebenso wie VII p. 168 B &£Tov.

de mulier. virt. XV p. 253 D: mit Verwerfung aller Verbesse- rungsvorschläge ist OUT äXkoTE nüjno-E^ elrrsv, ouoh 7JpvrjiJ.ac aoi Beojxzvjj xai raÜTTfjv vuv Mßs rrjv X'^P^^ ^^^ ausserdem des Hiatus wegen statt ■npoTEpa npo-spov zu schreiben und kurz vorher ßpo^ov ä(paaa statt kvdipaaa.

Philo logus XXXVI p. 164 enthält einen Verbesseruugsvorschlag zu de Fort. II p. 97 E. Köstlin hält tb? liyouai für falsch und schlägt vor aü)Q Uyooat, eine Umwandlung, zu der ein Grund kaum vorliegt und die auch nicht das Richtige trifft, denn das Verständniss der Stelle ist mit wg Xiyouac leichter, als mit awg Xiyouai^ wobei Xiyouac mit »wie man sagt« zu übersetzen ist; auch ist die Verbindung wg Xiyooat bei Plutarch durchaus nicht selten.

An die Spitze der im Jahre 1877 erschienenen Plutarchea stellen wir die Programmabhandlung von M. Treu, Zur Geschichte der Ueberlieferung von Plutarch's Moralia I. Waidenburg i./Schl. 4. 18 S.

Die vorliegende Abhandlung beschäftigt sich mit vier Fragen, de- ren erste die Codices Par. Nr. 1672 und 1671 und ihren Zusammenhang mit Maximus Planudes betrifft. Berthold Müller hatte 1873 in seiner Programmabhandlung über die Seelenschöpfung im Timaeus (siehe Jahres- bericht 1873 S. 327 ff.) zuerst auf die hohe Bedeutung des cod. Par. 1672 hingewiesen, den wir für den besten und wichtigsten aller Plutarchcodices halten müssen; Treu setzt hier die Arbeit des leider so früh verstorbe- nen Müller fort.

Nach Aufzählung der im Cod. 1672 enthaltenen Plutarch-Schriften (es sind 78 Nummern, dabei aber jede aus mehreren Büchern bestehende Schrift als eine Nummer gegeben) erfahren wir die interessanten Schick- sale dieses Codex, die Villoison schon veröffentlicht hat. Darnach ruhte diese Schrift lange Zeit unbenutzt in der Bibliothek des Serails ; erst im Jahre 1688 kam sie mit 14 anderen durch die Vermittelung des französischen Gesandten in Constantinopel, Girardin, in die Pariser Bi- bliothek; nur ihrer hervorragenden Schönheit verdankte es "die Hand- schrift, dass sie der Jesuit Besnier dem Gesandten zur Anschaffung empfahl ; sie ist sehr umfangreich, sie umfasst nämlich 945 oder richtiger gezählt 962 Blätter. Wenn auch Anfang und Ende dieses Buches von einer Hand geschrieben sind, so ist es doch nicht ein Mann gewesen, der das ganze Corpus zu Stande gebracht hat; die bis jetzt über die

20»

308 Plutarch's Moralia.

Zahl der Hände verbreiteten Nachrichten sind unzuverlässig, Treu unter- scheidet nach sorgfältigster Prüfung fünf Hände:

Hand I fol. 2 706v, H fol. 707 - 869 r, HI fol. 870 875, IV fol. 876—936,, V fol. 1 und fol. 937-944. Und für diese Eintheilung giebt er einen ausführlichen Beweis (S. 6). In Betreif der Zeit, in wel- cher diese Handschrift geschrieben ist, kann kein Zweifel sein : sie gehört dem Anfang des XIV. Jahrhunderts au, ein Resultat, welches Treu durch Vergleichung mit dem Cod. Par. 1671 gewinnt; auch über diesen Codex sind viele falsche Nachrichten verbreitet, sowie die falsche Ansicht, dass 1672 eine Abschrift von 1671 sei; es ist dies ganz unmöglich, denn 1672 enthält nicht nur, wie 1671, die Viten und die Moralien von No. 1—69, sondern auch noch die Schriften No. 70—78 und doch ist uns 1671 ganz vollständig erhalten; es^ könnte sich also nur noch darum handeln, ob diese ersten 69 Schriften aus 1671 stammen; hätte nun der Schreiber von 1672 den Codex 1671 vor Augen gehabt, so würde er doch wohl nicht im Texte die Lücken andeuten, wo 1671 nicht nur keine Unter- brechung des Zusammenhanges aufweist, sondern sogar einen vollstän- digeren Text bietet. Nun sind aber in 1672 gerade in der letzten, bei- den gemeinschaftlichen Schrift No. 69 ungefähr 30 Stelleu, welche durch eine Lücke das Fehlen von .einzelnen Buchstaben oder von einzelnen oder mehreren Wörtern angeben, während in 1671 keine einzige dieser Lücken vorhanden ist. Eine darauf folgende Zusammenstellung einiger Stellen in 1671 und 1672 beweist dies vollständig.

Dagegen stammen beide Codices von derselben Quelle, wie dies eine fernere Vergleichung zeigt, und diese gemeinsame Quelle geht auf M. Planudes zurück, wie dies auch Wyttenbach (Tom. I S. LXX und Tom. VI pars II S. 756) von ganz anderen Argumenten ausgehend ver- muthet hat.

Aus dieser Wyttenbach'schen und Treu'schen Auseinandersetzung ergiebt sich nun folgendes Resultat:

1. M. Planudes hat zu der Aufstellung seines Verzeichnisses vom Jahre 1302 ein den Cod. 1672 und 1671 ähnliches Corpus, das die Viten und die Moralien von No. 1 69 umfasste, benutzt.

2. Da sowohl 1672 als 1671 eine Randbemerkung des M. Planudes anführen, aber von einander unabhängig, so müssen beide Codices auf ein Exemplar zurückgehen, welches von M. Planudes entweder selbst zusammengestellt ist oder doch sicherlich in nächster Beziehung zu ihm gestanden" hat.

Cap. II enthält Bemerkungen zu einigen anderen Plutarchhand- schriften.

1. Der Riccardianus 45, aus dem XII. Jahrhundert stammend, ent- hält auf 180 zweigespaltenen Blättern 16 Schriften, die von drei Händen geschrieben sind. Die in No. 7 sich findende Lücke von 21 Halbreihen

Plutarch's Moralia. 309

dient vielleicht dazu, das Verbältuiss aufzuweisen, in welchem der Riccar- dianus zum Vindobouensis No. 129 steht.

2. Auch im Cod. Laur. 56, 2, dessen Text, soweit Treu ihn verglichen hat, ganz werthlos ist, kommt eine Lücke vor und zwar nach No. 66, die nur bis fol. 201 r. 2. Spalte, 5. Reihe geht; hieran schliesst sich ohne die geringste Andeutung No. 69. Ausserdem findet sich in diesem Cod. die Schrift No. 58 von derselben Hand zweimal vor, aber nicht aus demselben Original stammend.

3. Auf dem Ausfall von Blättern beruhende Lücken hat auch der die Schrift No. 78 enthaltende Cod. Vindob. 184 aus dem XIL Jahr- hundert; da sämmtliche vorhandenen Handschriften von No. 78 jene grosse Lücke zwischen jyrrtö und opxo'.g haben, so müssen sie auf diesen Codex, in welchem dieselbe auf einem Blätterausfall beruht, zurückgehen ; für diese ist aber wahrscheinlich Par. 1672 die beste Quelle. Dieselbe Folge im dritten und vierten Buche dieser Schrift hat auch Cod. Laur. 80, 5 aus dem XIV. Jahrhundert ; dieselbe Verwirrung herrscht auch in der Aldina, wo allerdings ein wenn auch erfolgloser Versuch gemacht ist, die Ordnung herzustellen. In der Universitätsbibliothek zu Cam- bridge befindet sich ein Papiercodex dieser Schrift aus dem XV. Jahr- hundert, unter No. 2601 des Catalogs der Manuscripte dieser Bibliothek beschrieben; er ist bis jetzt wohl noch nicht benutzt, verdient es aber auch nicht; es ist eine von den Handschriften Antonii Seripandi ex lani Parrhasii testamento, die sonst meistens in der Nationalbibliothek zu Neapel sich befinden.

4. In die Var. lect. in Plutarchi Chaer. opuscula, welche sich am Ende des II. Bandes der grossen Plutarchausgabe von 1589 1590, 1620 und 1624 befinden, sind ausser den Lesarten von Turnebus, Vulcobius und Bongarsius auch sehr viele Varianten aus einem Codex von Paulus Petavius aufgenommen. Jac. Bongarsius hat seiner Zeit einen Codex Petavianus benutzt, welchen Wyttenbach für älter, vollständiger und besser hielt, als den Vossianus. Wenn hiermit Treu einerseits überein- stimmt, so geht er andererseits noch weiter und erklärt ihn für identisch mit dem Codex Petavianus, der jetzt im Vatikan sich befindet und von Montfaucon Bibl. I S. 86 und 89 mit No. 7 bezeichnet ist. Die Hand- schrift enthielt wohl nur solche Schriften, welche in den Bereich von 31 69 gehören und in einer mit Cod. Paris. 1672 übereinstimmenden Folge geschrieben sind. Ebenso werden nun in jener Variantensammlung aus Paul. Petavius-Codex zu sämmtlichen Schriften von No. 31—69 Va- rianten angeführt, nur nicht zu No. 54, weil jene genannten grossen Aus- gaben auch den Text zu No. 54 nicht enthielten. Wenn nun mit gutem Recht angenommen wird, dass zwischen Paul, welcher 1614 starb, und Alexander Petavius die nächste Beziehung zu suchen ist und die Angabe über Cod. 7 des letzteren und Cod. Petavianus zusammengehalten wer- den, so ist wohl der Schluss nicht gewagt, diese für identisch zu halten.

310 Plutarch's Moralia.

5. Marc. 250, von drei verschiedenen Händen geschrieben; Hand I aus der zweiten Hälfte des XI, Hand H aus dem XV, Hand HI aus dem XIL oder XIII. Jahrhundert.

6. Marc. 249, der ganze Text ist von einer Hand, mit Ausnahme einer Ergänzung des XV. Jahrhunderts fol. 35 r. bis 41 r. und 42 v. Die Handschrift ist vollständig.

1. Marc. 511, Schriften von verschiedenen Schriftstellern. Plutarch- schrifteu von einer Hand des XH. Jahrhunderts.

Das dritte Capitel der interessanten Abhandlung untersucht die Frage: Wann lebte Maximus Planudes? da die Beantwortung derselben von grosser Bedeutung für die Untersuchung über die Codd. Paris, ist. Gerade über die Zeit, in welcher dieser so bedeutende Mönch lebte, ist man wenig unterrichtet und vielfache Widersprüche treten hinsichtlich derselben auf; die Meisten schliessen sich der Ansicht an, dass Pla- nudes noch um 1353 gelebt habe. Treu, der diese Ansicht für falsch hält, theilt zunächst ein Epitaphium mit, welches nach Montfaucon Bibl. Bibl. I S. 28 a in der Vaticanhandschrift der Bibliothek der Königin Christine No. 653 auctore Gregorio quodara enthalten sein soll. So ge- ring die Ausbeute aus demselben auch ist, die eine Nachricht wird doch mit Sicherheit festgestellt, dass Planudes (Vers 7) nicht viel über 50 Jahre alt geworden ist; hieraus folgt nun, dass er nicht nach 1353 gelebt haben kann; denn es steht diplomatisch fest, dass er im Jahre 1302 den Cod. Marc. 481 geschrieben; somit müsste er einige 20 Jahre vor 1350 ge- storben sein ; ausserdem wissen wir ganz sicher, dass er vom Kaiser An- dronicus II. Palaeologus als Gesandter nach Venedig geschickt wurde; dies geschah nach des Jesuiten Possiuus unzweifelhaft richtiger Angabe 1296, damals war er ein dvr^p iUoyi/xos und auvzrüg, oifenbar also in gereifteren Jahren. Da er aber noch 1302 ein Buch schrieb und wenig über 50 Jahre alt wurde, so muss er noch vor 1310 gestorben sein, sein Geburtsjahr fällt dennoch zwischen die Jahre 1250 und 1260. Und die- ses Resultat erweist Treu noch aus anderen Argumenten, namentlich einem Epigramm und Briefen.

Die vierte Frage endlich lautet: Wie ist die jetzt in den Ausgaben herrschende Folge der Moralien Plutarch's entstanden? Treu bespricht zunächst die ältesten Ausgaben, die des Aldus Manutius von 1509, welcher sich die Baseler Ausgabe von 1542 genau anschloss, nur dass sie No. 25 vor 26 stellte; ebenso Xylander in seiner lateinischen Uebersetzung von 1570 und 1572, doch fügte er noch an die dritte Stelle die in der Aldina und Frobeniana fehlende Schrift No. 54 ein, liess aber 25 und 26 fort. Den ersten Versuch einer deutschen Uebersetzung mit 21 Büchern der Moralien machte D. Michael Herr Strassburg bei Hans Schotten M. Dxxxv. Bedeutsam ist die glückliche Aenderung, welche Henricus Stephanus in seiner griechisch -lateinischen Ausgabe vom Jahre 1572 mit der Aldina vornahm ; diese Anordnung rührt ganz allein von ihm her, wie aus einer

Plutarch's Moralia. 311

Bemerkung von ihm hervorgeht, die bis jetzt noch nicht beachtet wurde. Stephanus hat die ersten 17 Schriften nach der Aldina, erst dann die nach seiner Ansicht zusammengehörigen Schriften zusammengestellt, aller- dings oft nur von äusserlichen Gesichtspunkten, von Titeln, nicht dem Inhalt geleitet. Hierauf folgt die von Treu versuchte Herstellung der Anordnung nach den drei Bänden jener Ausgabe. Die in der lateini- schen Uebersetzung sich findende Abweichung von dieser Anordnung ist nur eine zufällige und betrifft nur einige von Xylander übersetzte Schrif- ten. Jene Aenderung des Stephanus behielten alle Herausgeber der Mo- ralia bei, ausser Xylander 1574, nur dass sie, wie auch dieser, No. 25 und 26 aus den Moralien ausschieden.

Aus dem Hermes XH »zu griechischen Prosaikern« von R. Hor- cher S. 145 151 gehört hierher

de lib. educ. V p. 3 E. Hercher streicht die Worte rcDv zsxvcuv und aurd aus Gründen des Inhalts als Interpolation.

de adul. et araico XVIII p. 60 D ist ebenfalls zoürov, wie die Stellung zeigt, Interpolation.

Quaest. Roman. LXI p. 278 F. An Stelle des wenig passenden ixx^astg schreibt Hercher xrjXrjoecg als parallelen Begriff' zu yorjTsIai Beüiv, wie beide Worte auch de sollert. animal. III S. 961 D verbunden sind. Ebenso sind sie verbunden

Syrapos. IX 14, 7 p. 746 F, wo mit Hertlein /xsrwxcximc r.phg abzoug zu schreiben ist.

In demselben Hermes hat Hertlein kritische Bemerkungen zu griechischen Prosaikern S. 182—188 veröffentlicht:

de rect. rat. audiend. III p. 39 A: statt r.pug k-ipoog Xuyoog xat ^h)dpoug schreibt er Tzpog kzipoug Xrjpoog, ein Wort, das besser zu (phdpoug passt und häufig mit demselben verbunden wird.

consol. ad Apoll. XXVII p. 115 B da: dp^ijv adverbial = von vornherein, ganz und gar zu erklären ist und dies ohne Negation sich kaum finden dürfte, schreibt er aup-cpopäg zr^g fjLsycazrjg.

de tuend, san. praecepta VII p. 125 D. Hertlein will ounozs vor dem ersten ouze einschieben oder ounoze ou8e schreiben.

Plutarchea et Lucianea cum nova Marciani codicis collatione scrip- sit Henricus van Herwerden. Trajecti ad Rhenum apud J. L. Bei- jers. 91 S. 8.

Cap. I dieser Schrift (S. 1 46) enthält Verbesserungen zu Plu- tarch's Moralien ; von denselben kommt, wie der Referent im Lit.-Central- blatt 1878 No. 3 S. 9 schon richtig bemerkt, nicht überall dem Ver- fasser die Priorität der Auffindung zu, da ein Theil derselben in der Hercher'schen Textausgabe oder in Dissertationen und Programmen sich schon findet; andererseits sind aber eine grosse Anzahl von Vorschlägen

312 Plutai-ch's Moralia.

selir beachtenswcrtli und ihre Mittheilung für weitere Kreise erscheint durchaus gerechtfertigt.

de lib. educ. V p. 3 C statt uTrs^Siv roug iiaa-oüg das schon seit Homer in dieser Verbindung gebräuchliche iniietv ; aber warum iiaaB^ohg statt fiaaToug?

ibid. IX p. 6E rb 8s Sscv statt rb Sk Srj hat schon Hercher's Aus- gabe, ebenso die folgende Verbesserung tujv xaipuJv und TTfjoarjxet, was Herwerden auch XI S. 8C geschrieben wissen will.

ibid. XVI p. 12 A die Didot'sche (Dübner) Ausgabe bietet TravTct- naacv zmwv Hercher Xe^w Herwerden vermisst emcnujv.

ibid. XX p. 14 B statt /ziy zoc ys /jt-y tc ys was Hercher schon hat. de aud. poet. III p. 18 A statt r^v nocrjacv und z^v ^Mypatplav beidemale n^a.

de r. rat. aud. VII p. 41 B. Dübner exSs^oiizvot , Hercher £k5. Herwerden elg8.

ibid. XIII p. 44 C 8' zöxolov xal fj.eya, Hercher aus Conj. jxeiXiyov, Herwerden xa\ euiisveg.

ibid. p. 44 F citirt Herwerden die Quelle (Plato), schon Hercher. de ad. et am. IV p. 51 A statt 8iä rü)v dpcuCov eupeu)v. ibid.- VII p. 52 E statt eorj^sia ävoia. ibid. IX p. 54 B im Verse des Eupolis nap' äpta~ov. ibid. XI p. 55 A vdpSov ivsßaXe statt in.

ibid. XII p. 56 E zwischen Tup.7:dvwv und yapd^zcg (Herwerden mit L. Dindorf iy;(apd$ecg) sollen die Worte fehlen dpdqztg xa\ ßpaytu- Viuv; aber was heisst dpd^eigTi

ibid. XIV p. 58 B hat schon Hercher das von Herwerden vorge- schlagene eu xai xaXivg.

ibid. XXII p. 64 A oV enpa^e, nXdvag ziväg zvsx' atjzou - gleich darauf (B) J.'<> für 3 8^, Hercher fj orj.

ibid. XXIV p. 65 C Dübner xvtaavzog eXxog, Hercher xv^jaavzog, Herwerden tilgt sXxog mit Beibehaltung von xvcaavrog.

ibid. XXXII p. 71 C statt indzrjaev S7iac<js\» oder indza^ev (Hercher). ibid. XXXVI p. 74 C vor (piloug ein ^' eingeschoben, ebenso de prof. in virt. XI p. 82 B vor eXeyyopevog.

de prof. in virt III p. 76E Herwerden hält es für wahrschein- lich, dass Plutarch die Ordnung der W^orte, wie sie ,im Orakel vorkom- men, bewahrt habe und schreibt:

^fxaza Tzdvza xai rÄaag wxzag TioXeiietv. ibid. VII p. 79 B drei Worte geändert: 8iaTizrMtxijjg abzoü -- UezaXaßscv.

ibid. IX p. 80 D iqsvsyxsTv statt des Particip. de cap. e^ host. util. IH p. 87 F statt xazauXoüvzsg xazaoodv- zzg, ebenso de am. rault. VIII p. 96 D ao\>8o'r^zag (schon Hercher).

Plutarch's Moralia. 313

ibid. VI p. 89 E x6[xr^g rig ocd&emg (schon Hereber).

de amic. mult. III p. 94 C Umstellung: ou-s ^ujpcocg npoßdUoi)- oiv (Dübner; Hercher Tipog) ipxr^ xal ßpcyxoug xai hp.iai yujp.ara.

consol. ad Apoll. VI p. 104 B ßiXziov o' äv iyzc^, sc p.^ ; die Umstellung D ouoev druyecv ävBpomov schon bei Hercher, der aber d.vBpLÜ7Zü) liest.

ibid. IX p. 106 B svzau^a yap äv zig dxouaeie xal rrjv zoT> Z(U- xpdzoog (pujvTjv^ zou ocopdvou.

ibid. XII p. 107 F streicht Herwerden ebenso wie Hercher o unvog röv ddvazov, in gleicher Weise hält er

ibid. XV p. 110 A die Worte ac o' im zoüzcuv bis iazc dia<popd für nicht plutarcheisch und entfernt sie als Bemerkung eines fleissigen Lesers.

ibid. XIII p. 108 F (fstoopevog zrjg zou löjo'j aopptzpiag (wie Her- cher), ebenso XXIV S. 114B.

ibid. XXV p. 114 D r^? ^urr^g pizov statt ;5/ov auch mit Hercher.

ibid. XXX p. 117 C statt xa\ zipcoprjBzig zu schreiben xai dnopa- pavHscg; der Referent im Lit. Centralbl. polemisirt gegen xaza^ßiaag, welches Wort allerdings im Texte S. 5 Zeile 24 steht, es ist dies aber nach Herwerden's eigener Mittheilung am Schluss der Brochüre Erratum und xazafB^tvTiOag zu schreiben.

ibid. XXXII p. 118 C rMiioviotat, wo Hercher schon Tzaiuivcotg bietet.

ibid. XXXIII p. 118 D will Herwerden nach zhv KXaZuixiv.ov xal die Worte UepixÄda xal Esvo^pwvza xal einschieben und zov 'AB^rjvaTov hinter dem Namen des Demosthenes in die Pluralform zohg 'A^rjvaioug verändern.

Praec. san. tuend. I p. 122B die beiden Verbalformen dTTszpi(pu) und dnezpsipdprjv sollen in dr.£zpc(/'uj und dnezptil'azo geändert werden; ebenso Quaest. graec. XL p. 300 B.

ibid. X p. 127 C statt ol dyad^ul vaöxXr^pot Dübner und Hercher xaxot; Madv. ä&zoi, Herwerdeu dvorjzoc.

ibid. XX p. 134E statt päUov ixrrXOuszac Xsnz'jvszac.

ibid. XXII p. 135 C awZetv ulopzwg statt 'j^prj^ziv.

Sept. Sap. couv. III p. 148 C det eingeschoben zwischen zhv und dXzul'djxevov.

ibid. p. 149 B zvtko xhatag was schon Hercher hat.

ibid. p. 149 C die Copula xal getilgt vor zh sI8og, schon bei Hercher.

ibid. p. 149 D die Herstellung von dnozporMioc (Hercher) statt zpönatoi^ ebenso Parallel. XIX p. 310 B.

ibid. VII p. 152D Herwerden zrfi oe a-auzoü (potvr^g Hercher Trjg 8k &zoü\ gleich darauf streicht Herwerden die Praep. iv vor olvw, endlich in F schiebt er den Artikel ein vor ßXaßspwzazov, was schon Hercher hat, und tilgt den Infinitiv emsTv, was ebenfalls schon bei Hercher.

ibid. XIII p. 152 A zo nXeiazov ixcovzt (schon bei Hercher).

314 Plutarch's Moralia.

ibid. B Dublier ilaivj^a not-qaat^ Hercher rMcrjoat-o , Herwerden voßiaat und C el vo}j.cCoifjLev statt des Indicativs.

ibid. XV i>. 158F r^v jikv yap iv jitacp, wo Hercher rayrijv ydp hat.

ibid. XX p. 163 D xai toutou eri xaXooixev oder xa\ robzoo auTuv ETC. Hercher xal roürov ^'EvaXov xaXoöfisv.

de super st. HI p. 166 B. Herwerden will die von Meineke her- gestellten und von Hercher auch in den Text so aufgenommenen Verse nicht gelten lassen; er hält rov uttvov für plutarcheisch und schlägt vor

o /xövov 8k TTpoTx' idojxav ^/iTv ol &£oc, Tc d^va zouTo r^oXuzeXsQ aaura) TiocsTg;

Reg. et imper. apophthegm. Philipp. I p. 177C ob /jlövov Ta7g 7:pd$£<Ti züjv ä/ihov ßaadiiov dXXä xai t^ 4'^Xfr

ibid. XX p. 178D xmv ^IXojv kxdazu) zio nXaxouvzc, wo zu einge- schoben wird; ebenso XXV p. 179 A hinter d8ixrj}idzu)v zivwv einzu- schalten.

ibid. Alex. HI p. 179 F xazaxXiv^vat statt xazaxXivat.

ibid. VI das zweite Ixavd zu streichen und VH statt alzsizat ahec.

ibid. Themistocles XHI p. 185 E Ttaps^sp^o/xsvoc xal r.poaoo- pouatv ? ?

ibid. Epamin. X p. 193A ^cuvzujv zu setzen und zoO nazpug xai rrjg firjzpog zu streichen.

ibid. Cato major XIX p. 199 B zrjs Su^r^g vor dnoppiujaiv Glossem. . ibid. Caesar Aug. IX p. 207D statt sv aczc'aeg alzta.

Apophtheg. Lacon. Agesil. Magn. XXV p. 210D dno^euxTec statt des Plural.

ibid. Paus. Cleonibr. f. I p. 230 D statt oöz' iazai ouzs xdat- rat = z£&d(l>£zac.

Instit. Lacon, VIII p. 237 C statt ojansp xai 6. u)nep.

ibid. XIII p. 237F zo 8h zrjg ffizo8oacag 8id zz zaoza.

Lacaen. apophthegm. XIV p. 241 F eni zu statt h yzXolo).

de mul. virt. IX p. 248 A op.u)g auixjmpzopobaav.

ibid. X p. 248 F ev h\ Ijiaztü).

ibid. p. 429 A dveUzv statt sUev.

ibid. XV p. 251 B eine Umstellung von nphg dpyr^v hinter ob ßoöXoiihoog 8i und xazayuyeTv scg statt £7i' AlzioXobg.

ibid. p. 251 F äg zag ixxaßexa xaXooacv mit eingeschobenem Artikel.

ibid. p. 253 A TipoeX&sTv (schon von Diuse gegen Hütten und Düb- ner geschützt), ebenso ibid. XXV npoayayovzeg statt Tipoaay.

ibid. XXIV p. 260A wg vor dnzdibv zu tilgen.

ibid. XXV p. 260 E o5v vor fbatt. zu beseitigen.

Dagegen ibid. p. 260D hinter kzepag zocabzfjg einzuschalten und p. 261 B zoi) vor Ttazpög.

Plutarch's Moralia. 315

ibid. XXVI p. 261 E hinter o) rivsg dnu zrjg ixaXaxcag MaXaxov einzuschieben.

Qua est. graec IX p. 292 F die oben schon besprochene und von Patzig emendirte Stelle will Herwerden anders und auch wohl rich- tiger so lesen: toöto yäp ivvo/j.ov xat rA-piuv (übereinstimmend mit Weniger).

ibid. XVII p. 295 B Tpmodiaxioc statt Tpcriodtaxatoi.

ibid. XXI p. 296 C ergänzt Herwerden -cijjv y^Bovuov Bzwv.

ibid. XLI p. 301 B statt r<h'Ilpaxkat nphg tov HpaxXia.

ibid. XLIV in. p. 301 E statt djib bnh zou ^scjxoijvos.

ibid. LVII p. 303 F das Wort yeiujxüpwv zwischen zrjv oYxot und ohyapy^iav zu streichen und gleich darauf xiai rtuv Mtyapiujv statt zöiq zu schreiben.

Parallela coli. I p. 305 C zweimal für Kovaiyetpog Kui/syetpog.

ibid. IV p. 306 E statt ts/jlvsc t^v xapdcav ixzepvsc.

ibid. VII p. 307 C statt oivcojj.zvo:g ajvivp.£vücg.

de fort. Rom. III p. 317D Umstellung: waTisp dnu axonr^g zou Tipoßlrjßazog^ darauf exeT hinter MoOxiog zu tilgen.

ibid. XI p. 324 B statt wg b KoXo<fcovfujv Baßukuviüjv, dem Sinn nach viel passender.

de Alex. M. s. fort. s. virt. I 2 p. 327 A statt y9:a« &up.wv ^r^pauv.

ibid. I, 11 p. 332 B ojxcavu) npocfoptaat MaxsSovtav statt Tpocrspscarxc.

ibid. n, 2 p. 335 D hinter piycozoM und vor abzuü noch abzog ein- zuschalten; während hier der Superlativ richtig sei, müsse de mul. virt. XXVI p. 262 A der Comparativ p-o'/^Br^püzspog geschrieben werden.

ibid. p. 335 D vor kx (pidhig ein uyg zu ergänzen.

ibid. n, 4 p. 337 A statt i.xXetrMvzeg die Aoristform ixhnövzzg; anstatt anttai xa\ (peüyzc vermuthet Herwerden aanivza xazaip^ivzt.

ibi d. II, 6 p. 338 D statt dnojSacvstv äpnarog: axovzi^etv d<p^ äpp-azog.

ibid. p. 338 E statt ouzujg bxcWjSy], wo Madwig bnÖTizcog ixc]/rj&rj, Herwerden ob pszpcwg.

de glor. Atheniens. VII p. 349 E statt xal wiiozdlmzor. vaol ^ihozdXavzoi und gleich darauf vzwaotxoi statt veu)v olxoi.

ibid. VIII p. 351 B statt zoTg azpazrjoTg r.apaßdlleiv: zu azpa- rYjyiu (Demosthenes); den Schlusssatz dieser Abhandlung über den Ruhm ändert Herwerden so um : xal prjv o" ye OT^poacoc Xöyot. zobzo iyooai dao- fiacTzov, ozi za?g pkv ^ihmiixoTg im npd^ecg npozpinszac , xazä ok zr^v AenzLvoo dixi^v drcpa^tav STiatvzt.

de Isid. et Osir. IV p. 352 C yäp hinter ot pkv vor ob8' okog und gleich darauf hinter ysAoTov ouv ein äv einzuschalten.

ibid. X p. 354 E BaupaaBeig xat vor daopdaag zu tilgen.

ibid. p. 355 A zcxzoum 8k zbv yuvov dfivzeg sig ovBov ov a(pcu- poTxotouao .

ibid. XI p. 355 B statt des poet. Adjectivums "^Eoyilüv schreibt Herwerden '^zoyvov.

316 Plutarch's Moralia.

ibid. XIII p. 356 C statt touq 8e auvövzag zu verbessern aüvajfiÖTag.

ibid. XIV p. 356 D rfjv 8' "lacv alaBojiivrjV xzipaad^at ivrauBa tÜ)V TrXoxä/iojv eva xai nivd^ijxov gtoXtjv dvaXaßsTv xal xu<pa(T&ac, onou noXcg jj jj-iXP^ ^^^ öVo/xa KoTiTU) ebendaselbst am Schluss xuvwv knayayöv-CLov.

ibid. XLVII p. 370 C dv&pu)Ti(p xocixcofievo) od /xsrpcov.

ibid. LI p. 372 A vor ^hov einzuschalten wansp rjXioo.

ibid. LH p. 372 C rj nzpcopop-rj zoü rjXtoo zu nüp ^ecpLOJVog r^g ^eou Tio&oöarjg.

ibid. LVIII p. 374 F dW wamp . . . xac Scxacov epäv yuvacxug

jj av ouvfi xac yuvacxa del yk^op-ivr^v exetvou xomep exeivü) napou-

oav .... LIX . . . ivraO&a 8oxoup£v ineaxuUpiundCecv xac Tievd-zTv Xi- yopev aözTjv.

ibid. LXIII p. 376 F Xdyszac ydp Tipwzov pkv sv.

ibid. LXX p. 378 F Umstellung: d?i^ä dwpa &zu)v psyaka xa\ dvayxala.

ibid. LXXX p. 384B die Lücke: xaBacpscv, xdpza paXaxzixov ov.

de Ei delphico VII p. 387F zd^a 8' ipsUov.

ibid. IX p. 389 B ipcpavtcrpoög (für dva^.).

de Pyth. orac. XIX p. 403 A zwv 8' evzau&a ^prjapoug l'apev.

ibid. extr. p. 403 F statt ujg zwv äXkov. ziuv noUaJv.

de def. orac. II p. 410 C zov ua-epov iviaurov.

ibid. IV p. 410 F vor scmTv ist xprjv oder i8ec ausgefallen.

ibid. XV p. 418 A Baupdaavzog 8k dvzayojvc^opivoog ebenfalls eine Ergänzung durch i8st.

ibid. XVIII p. 420 A Zo-^J^? iyecpouai statt zpinouat.

ibid. XXI p. 420 F el prj noXu <pav£2zat.

ibid. XXV p. 423 F vor zuv xoapov zu ergänzen eva.

ibid. XLVII p. 435 E za>v dXvj&wg xai batiog.

de virt. raor. XII p. 451 C xal Tizpdazaabat Hg zo ^prjaipov.

de cohib. ira VII p. 456 E xa\ rMt8cäg piktzt oder TiatScä wg pdXczc.

ibid. X p. 458E xai zuv NeuTizokspuv

Tcü o' ou zt xopTidaavz' dXoi8upuj 8üp7j spprj^dzrjv ig xüxka y^aXxecov onkwv oder rjpa^dzTjV oder ippa^dzrjv.

ibid. XVI p. 464C hinter elza p^va-.iva einzuschalten.

de tranquill, an im. VII p. 468 E Txpoßakkupevut xal pejxcarjxuzeg.

ibid. VIII p. 469 E Tcpoazpiipavza in Ttpopptipavza zu ändern.

ibid. XIV p. 475 B xeipdvoug hinter sv zfj (f'u^fj zu tilgen.

de frat. amore VI p. 480F puüaag zu tilgen hinter ouzcog wvupa^uv.

de amore prol. I p. 493 C nucxckr] ydyovs xal 7j8e7a oder n. y. -nyv c8£av.

ibid. III p. 496 C zoug paazohg und yeydvaacv zu streichen.

Au vitios. ad infel. suff. II p. 498D dkX' ot ys züpavvot ot anoo- Sd^ovzeg pvj^avüJvzac, dkoyouac (pu^^g.

Plutarch's Moralia. 317

ibid. III p. 499 A statt Xoyoug zu schreiben Xoytaiioug xa\ napa- SscyftaTa xofic^uvTwv.

de garrul. IV p. 503 D statt ofioazoixog nach Stob. flor. 99, 27 OfxuToc^og.

ibid. XIV p. 509 F zu ergänzen räjv vor hpoaöXojv.

de curiosit. X p. 520A statt npoazatrj Tipoaa-airj.

de cupid. divit. V p. 525 A hinter ipojzrj&scg e! ein sn zu er- gänzen.

ibid. VI p. 525 F npog vor /xr^dev dnokauouaa zu tilgen.

de vit. pud. VII p. 527 F statt xal jxrj auzujv zu schreiben ahsTv.

ibid. X p. 532 F rrjv Ob zu streichen.

de invid. et odio VI p. 538 A statt mp auscv ivaOecv zu schreiben.

de genio Socr. I p. 575D dcsX&a re ttjv rzpä-tv rjpTv.

ibid. IV p. 577 C abzoOg in abzoug zu ändern.

ibid. V p. 578A mpieXd^eTv aipag dvaa^^oiiivoog , gleich darauf 6

yäp del dnaXlazzupevog sn abzu) dpdaavzag dnopprjzoog lepoop-

ytag, wv OTjpala (Tuy^doucrc xal d<pavlZouacv.

ibid. XI p. 581 A u}g yäp uXxrj pLixpa. xad^ auztjv ob xazdyec zbv ^uyov.

ibid. XIII p. 583 B sc 8k prj Xsltpava.

ibid. XIV p. 583 E statt Mdr^mav ylaijjjoa zu lesen iXaviba.

ibid. XVI p. 586 A statt ebpsTat zu schreiben ao^vai p.kv yäp dzpa- •noi ßiiuv.

ibid. XVII p. 586 B statt ujg b^zpambacov zu (TÜJ}J.a: zb zpabjxa.

ibid. XVn p. 586 D icpeSpebzc nbxzr^g Vfj<pu}V Hpmmdag.

ibid. XVIII p. 587 D hinter yvujpipog 8' bplv ist b dv&pajnog zu tilgen.

ibid. p. 588 A zwischen xaxäg und bSobg ein pkv einzuschieben.

ibid. XX p. 588B iuit. dXXä als Einschiebsel zu beseitigen.

ibid. p. 588 F ij 8' ivococumv abzw ^aXwvzt xdt auvzecvovzi utanep rjvcag zag oppdg (ohne ivoobaag) dann dxpag (statt äxpa) napaipabaei ^stpug, endlich statt xtvijaewg xal auvevzdaeiug zu schreiben auvzdazwg.

ibid. p. 589 B zw yäp ovzt ojauep zl'prjzat, (piyyog. In diesem Satze emendirt Herwerden Saipovtotg für 8uvap£voig und abzdg für abzd.

ibid. p. 589D mit Vergleichung von Aeneas comm. poliorc. 37 § 5 (Hercher): wamp yäp al nXrjyal zujv bnopozzuvzüjv dam'at ^aXxatg dXiaxovzat.

ibid. p. 589 F statt drcrjXXaxzat drnjXXaxzo.

ibid. XXI p. 589 F (init.) obx oW el p'fj pbßocg {bfiocözepa jj) X6- yocg övza ationäv d}xztvov, gleich darauf iyvioxa statt iyvojv.

ibid. XXII p. 590 C zu ergänzen: vor wanep ßa^r^v ein uxrre.

ibid. p. 592 C statt ivdivos zrjg (po^rjg ivooß^sv.

ibid. p. 592 E statt zuiv xa&' iauzöv: zaiv xdzuj^zv.

ibid. XXV p. 594 C statt 8£$d/i£vog: de^cwadfisvog.

318 Plutarch's Moralia.

ibid. XXVI p. 594 D unspßdUovTsg in den Aorist bjiepßaXovzsg. ibid. XXVII p. 594 F statt tu? dyöixevog: dnayoix. ibid. p. 595 D /ze^' biiiov in ijixivv zu ändern, ibid. XXX p. 596 D ;^jra»y^a tujv yuvacxsuov. ibid. p. 596 F bnap tivojv aTtüodauov. ibid. XXXI p. 597 B statt napä zov zpdxrjXov xazd. ibid. XXXII p. 597 E xa;. zu tilgen zwischen i^eve^Belg zr] bno- voiq. und amiadiievog.

consol. ad uxor. III p. .608F (extr.) fir^ xaBrjai^ac pr^k xaza-

Sympos. 14, 3 § 4 p. 621 D d<patptTzac abzwv fj ßXdnzei zd rjSsa.

ibid. I 9, 1 § 1 p. 626 F zb zmv spuov zobg Ttloxnog.

ibid. II 1, 2 § 10 p. 630 D die Lücke xd\) dlXot novMvüJvzat zd Tocauza.

ibid. II 1, 8 § 2 p. 633 D <pdoxSdpoo für (pdoxcHaptazoü.

ibid. II 1, 10 § 4 p. 634 A statt h zj] (^X^^Ti "^otaüzr^g pszadoasiog : UTZo&iaecüg.

ibid. II 1, 12 § 2 p. 634 C i-notrjaev i$am(Tzrjmc.

ibid. II 5, 2 § 6 p. 639 F xazaßcaa^vat.

ibid. II 6, 2 § 2 p. 640 D coamp kXxcjBivza l^^^pa cruvdyae.

ibid II 8, 1 § 2 p. 641F rrsp} zag Tzpomfjyopcag auzoax^Scog cov.

ibid. II 10, 1 § 7 p. 643 D im dsTnvov ^xsi.

ibid. II 10, 2 § 10 p. 644 D xac obx i^acpsc ye vosh zivag aijzbu vopdg. . ibid. III 1, 3 § 8 p. 647 D r^phg zag zwv ataMjaswv dxpdg.

ibid. III 6, 4 § 13 p. 655 B xal zrjg (j-'^X^jg xazscrzcuarjg (? xaBs- azwOTjg muss es wohl heissen).

ibid. III 10, 3 § 12 p. 659 A öXtyov dno8sc arjtpLg dvai.

ibi.d. IV 1, 1 § 6 p. 661 A eunenzd iazc xal eundpccrra.

ibid. IV 1, 3 § 11 p. 662E xal uzt Statpsc zijv zpoiprjv.

ibid. IV 2, 3 § 2 p. 665 A (pdoo6<p(p 8^ zobzov TzapemSrjpoövzc.

ibid. IV 4, 3 § 2 p. 668 E die Lücke durch das Adject. doanpd- §sxzog zu ergänzen.

ibid. IV 6, 1 § 1 p. 671 C 0ao».daag 3k zb im Tidat prjMv.

ibid. V 2, § 7 p. 675 A dywva notrjjmzMV.

ibid. V 5, § 11 p. 679 D statt xou<fd zb notoüatv xou(puzepa und § 10. xa} zu(pXbv dXrjBwg xal dvi^ooov.

ibid. V 7, 6 § 3 p. 683 A noppoj vuxzwv ohne oucfojv.

ibid. VI 3, p. 688F üeberschrift zo2g diipwac 8k, idv ^dycoffc, zb di^og imzeivezat.

ibid. VI 7, 2 § 5 p. 693 A statt abzuv 8' etxppacvovzeg : auzbv 8k ^ai8püvavzsg.

ibid. VI 8, 1 § 3 p. 694 B hinter zb pkv ouv ßoOXtpov: Xtpov zu setzen.

ibid. VII 8, 3 § 6 p. 712A zt dv dvzdiyoi zig.

Plutarch's Moralia. 319

ibid. VII. 8, 4 § 1 p. 712D ^ SiaMnojv in den Aorist SiaXtnm zu ändern.

ibid. Vn 10, 2 § 9 p. 715E der Name Fopyiag verderbt yop- yujg oder yaupiäaaq oder bi dpyrjg"^

ibid. § 17 p. 7160 rbv Bzhv 'Ehu&spda ixdXoov.

ibid. Vni 3, 5 in it. p. 722 D w npbg Jtbg, elnar' d&swprjTa.

ibid. Vni 4, 2 § 4 p. 723 D Umstellung: ujg dhrjBwg zu xaxa •nollüiv hyopevov.

ibid. VIII 4, 4 § 2 p- 724 A Sd^vjj xal vor (pobtxt. zu streichen.

ibid. VIII 4, 5 § 6 p. 724F enaipovTac xal b^ouvrat.

ibid. VIII 6, 5 § 5 p. 726 F die Worte ro 8k xaTps bis dSovTag als nicht Plutarch angehörend zu streichen.

ibid. VIII 8, 1 § 3 p. 728 E xal rbv SiKump-ov ipol, rbv naoad- ve/JLOv, Ttudayopcxaig ne^acveiv zb Aoypaza 8' eZ aziy' eau) <ppev6g.

ibid. Vni 8, 2 § 2 p. 729 A dXa\ BaXazzmig.

Amator. II p. 749 D noXkaxcg ina^i zc Tipbg zb jiscpdxtov mit Einschub des zi.

ibid. IV p. 750 B iywyi (p-qju zohg yuvac$c z: npocrnanovBozcov.

ibid. p. 750 F ouSdv eaztv i^utzcxwzspov, gleich darauf yvijaiov xai opstov.

ibid. V p. 751 D ecxug eazc zbv yuvacxaiv rj zbv dv8pu>v.

ibid. VI 13. 752 B fxcxpbv 8e ahzdb 8iaXm6vzog.

ibid. VII in it. p. 752 F ndaaig yuvacglv slvai epaazrjV p^ Mßojpsv.

ibid. IX p. 754 A coansp 8axz(jhov zwv ihxzuiv, eine Verbesserung^ die Herwerden am Schluss zurücknimmt und so umformt: ujtrmp 8axzü- Xtov ia^vbg ajv prj.

ibid. XIX p. 764 D statt mpcopäv zu schreiben unepopdv.

ibid. p. 764 E statt xal mpl auzdv aczecadac: xsc<r&ac.

ibid. XXIII p. 769 B zäjv yuvacxeuov spiuziov.

Narrat. amator. II p. 772F knel 8e mtd-eiv snl zyjv olxtav zou MsXcaaoo. Nach zb pscpdxcov ist ein neuer Satz zu beginnen.

ibid. III p. 773 E xaza^f^evzag in'' aJjzohg JaxsSacpovcoug : nap' abzov, ebenso bald darauf p 774 D nap' auzojv <ppoupdv dTiiaipa^z.

cum princ. esse philos. I p. 776F ro ijpüyycov Xiyouat piäg alyog dg zb azöpa XajSoüarjg, ahzijv ze npwzov execvrjv xq.za zb kocnov.

ibid. IV p. 779 A z^v küpav zu streichen.

an seni sit ger. resp. I p. 784 C ydpojv im xüjpov d<piypivog.

ibid. VII p. 803 D xaxajg ouzco Tienpayivai.

praec. ger. reip. X p. 805C ohgriv KXiujv 'A^vrjac xal KXzo<pu)v.

ibid. XII p. 806 C dnipptipzv hinter Ttoirjaa.jxzvog zu tilgen.

de vitando aer. allen. VIII p. 832 B SouXeOovzeg dypunvoüvzeg dve^ovrai.

X orat. vit. I p. 833 A dkcyo) aiv vsiuzepog mit eingeschobenem wv.

ibid. p. 834 A npoaxaXeada&cuv 8' auzobg oc &s(Tpo&ezac.

320 Plutarch's Moralia.

ibid. VII p. 842 E dvrtxpo r^g Uaccuvtag ^ABrjväg.-

comp. Arist. et Menandr. II p. 853E dXXa MdvavSpog ouTOjg £fic$e rrjv Xi^tv.

de Herod. malign. VI p. 856A Aaxsdacfxovc'iov zwischen b^sca^ac und ed^eXrjaavTog zu tilgen.

ibid. IX 13. 856 D dg rJartv wv (piyzt. irpocramrcßsTac oder r.poazc^srat.

ibid. XII p. 857 B näcriv Aiyonrcotg oawzrj-a ttoXXyjv.

ibid. XIII p. 857 D Madvig's Conj. ärMfcxiviuv d-soög für dnocpac- vovvac wird gebilligt, aber das von jenem eingeschobene shac beseitigt.

ibid. XVI p. 858 C perä raüra Toug l4Xxpscuvc8ag ävdpag ysvopdvoug dyad^oög.

ibid. XXIII p. 861 A xai Siahjaaai rTJg kxnopTir^g Saptoig opyi- Z,ecfbai (pYjat.

ibid. XXVII p. 862 F (pr^ah log abrug Idwv.

ibid. XXXI p. 864 D die Lücke so ergänzt: wv pkv (l'sodwg, 8k ocaazpifcüv ttjv dXrjBztav.

ibid. XXXII p. 866 C rMlXoug prjv, £<pyj^ TS.Bvrj~opzvoug.

ibid. XXXIV p. 867 E zprjy^iiog de TisptecfBivreg rwv al rjpt-

azat iaco ig zrjv EXMSa.

ibid. XXXV p. 868 D alztag ixdHrjzo xal dmazoug zw ypaipdu).

ibid. XXXVI p. 869 B xai Jäzcv au&ig xazanprjaavza zu uTrdfftstov.

ibid. XXXVII p. 869 D zr^g yr^g xdzco ocxoüvzsg.

ibid. XXXIX p. 870 B die Lücke dXX' u pkv iif'suazac, Xöyog Y^ptv oooatg- d 8k rivtuv xaziil'tuazai povov e^zzä^opsv.

ibid. p. 87lB o? pkv auzrjv r.auaapzvrjV zou dw8p'jg ipäjaav, letzte- res eingeschaltet.

ibid. XLII p. 872 E zaüza yäp ou y^ophv ev KoptvBo) 8i8daxiov ouS' dapa.

ibid. p. 873 A dXiyoo koir^aav slg ^stpag iXlhcv und gleich darauf dno8£cXcd<Tavzsg xal dnoSpdvzsg.

de placit. phil. I 3, p. 877 F ins] d<p kauzCov ou xtvTj^rjiTzzat, gleich darauf so zu interpungiren, dass die Worte zaJjza bis aBpaoaxot eine Parenthese ausmachen.

ibid. I 6 p. 880 D Schluss: zu xpdzcazuv zu tilgen und dann fort- zufahren zoTg oüv dpcazEouoac zu xpdzcazov dpocwaat xaXaig £/c.'V ocs-

ibid. I 7 p. 880 F zu lesen: ZTzei 8k 6 vupog zd pkv (pavzpd xpixpa 8' Yj8ixoöv TiuXXot ojg 8sl <psü8si etc. ibid. p. 881 B naig ydp äv STiXacrsv. ibid. I 11 p. 882 E xoptiüza-ov 8k yjyzlzai. de facie in orbe lunae V p. 922B e; 5' eyyiyovs, mug oox. ibid. XII p. 926 C prj8k vouv, XPW^ ä&cxzov bnu ßd&o'jgrj Tidxoog.

Plutarch's Moralia. 321

de primo frig. XIII p. 950 C xal nöpizaq <n8rjpäg xai ra Xenrä riöv BpyaXetiov ohy^ udazc.

ibid. XIV p. 951 A rb 7:apoc]ica^6fj.svov im rdlg dSovdzotg und gleich darauf ei yäp dsi rawr' elg u jieraßdXXei rh <p&ecp6ixevov ivavziov iazc.

ibid. XVIII p. 953 D auvzpcßsaBai 8txr]V bekujv.

de soll, animal. I p, 959 A dya&bv Ttotrjzdv, e^jy, vsujv (pu^äg xaxxovrjv\ darauf: u)g zdlg veocg 8cä zwv inajv Spfirju d^scdoüacv auzojv.

ibid. II p. 960 C ^ SV olvoj xac napä nozov.

ibid. XVI p. 971 F Vers des Ion:

azpoßtXog dn^dxav&ov elXc^ag dip.ag.

ibid. XIX p. 973 A init. : eimXaazov ouzcu xat [xiprjXhv Scap&poüv xai po&fic^scv.

ibid. XXIV p. 977C rj 8' dXu>nrj$ dXdöaa 8' euBbg ixazpe^ezac.

ibid. XXXVI p. 984B ecg vabXo^a xac i^ö8oug i^ovza z^g ^(o- pag xac daipaXetg.

Gryllus IV p. 988B ocxot xd&rjzat npbg io^dpa oder Ttap' icr^dpav.

de esu carn. I 1 p. 993 A xai vsxpwv aajp.dza)v xai icoXojv xai zpo(pag Ttpoaecns za ficxpov.

ibid. 5 p. 995 C ^p-sTg 8' ouzujg iv zw ficac^ovo) zpu^aifxev waz' u(pov zb xpiag Tzpoaayopsuojxsv.

ibid. 2 p. 993 C Umstellung: elg 7]8ovag daop(p(jXoi)g napä <poatv.

ibid. 2 p. 993 F die drei Worte ißpwl^Y] und xai ^ayovrsg zu tilgen.

ibid. 3 p. 994 BC. In dieser Stelle von ofxocov o>g eY zig zbv Nec- Xov bis zum Ende des Capitels sind von Herwerden folgende Verände- rungen vorgenommen: iiim/xTiXdvza xai euxaprcov ist gestrichen ebenso zag vor alzcag zrjg fxep(pscug xai, worauf imXavBdvoczo eingescho- ben — dann enetza enißXiipag. Hinter zocoüzov zc xac eY zig eingescho- ben, dann xai auvrjyopca gestrichen , ebenso xai <pep6jxevov - hierauf rj zu)v 8cxaZ6vza>v ag 8e7 oiazpe<}iac, endlich eiza napelg zoüzo.

ibid. 4 p. 994 E elza ag fMyyezac xai zepezcZec.

ibid. 5 p. 995 A einzuschieben hinter e^ecv zrjv (poacv: ipeoSovzac; gleich darauf xai nveu/xazog &epix6zrjg ni(pac statt zpe<l'ai, endlich in der Mitte des Capitels: ec 8e Xiyeig necpoxivac aeauzbv enl zocaüzjj e8oj8fj u ßoöXec (payeTv, npujzov auzbg dnuxzeivov.

ibid. 6 p. 995 D exßdXjj xazepyaaiav zu)v xpeihv xai ttoXXwv nspcea- zatzajv abzbv dv&pwnojv.

ibid. p. 995 F zbv r^Xiov dvai^op-cdaeiuv Xenzwv dßprjaavzeg xac d^Xudj8^ xai daB^evouvza zag auyäg opjaJjjLSV.

ibid. II 1 p. 996 E ixzsfiövzag für ixzdpvovzag, bald darauf ou zpo<p(i>vzeg dvaiprjaofxev oTa vuv noXXol TzoXXä Spwatv.

ibid. 2 p. 997 D obSk zoXjirjaecg xai zdni8ag dXoupyetg xac xb- Xixag ocaXc'doug rtoXozeXeTg, dXX^ enezac Xizfj /ikv xai zpaneZjj xai xuXixc Toiabzjj 8e'cnvov d<peXeg.

Jahresbericht für Alterthums-Wissenschaft 1877. I. 21

322 Plutarch's Moralia.

ibid. 3 p. 997 F /x)y ysMaaiixev mit ccV und am Ende des Capitels ixecva iihv 2!xüBacg cpair^ d.v nB<pik)ao(pr^abai xat ^oyScavoTg xal MsXay- ^Xatvoig.

ibid. 4 p. 998 B Coarcsp zu npwTov bald darauf xa\ yevofievov oüroj auvTj&sg xat TTpofxaXerrj&ev, dann dXX' iav /jltj dnoSe^rjrac reg xal <po^r]v inl röXfiav u)}ioripav.

ibid. 5 p. 998 D hinter <p6ßu) ist xal 8iog zu tilgen. Dann et 8' srepog Tiapsarrjxoi , endlich am Schluss Yaog y' w &£oi, xal ofxoiog b xivduvog ptj (payelv xpiag xal ^ovsüaac rsxvov ^ izepov olxelov.

ibid. 6 iuit. out dya&bv oure TrpoYjyfidvov.

de Stoic. repugn. XXVIII p. 1047 B vijv prjTopcxijv bpc^szac zi^- VYjv Tiepl x6(T[xou xal eupyjpivou Xöyoo zd$cv.

de com. notit. Stoic. XXIII p. 1070 B wanep rj nap' 'Ap^cXo^o) yovTj zfj pkv udwp (popooaa doXoifpovoüaa X^^P'^i ^^~^PJj ^^ nop.

ibid. XXX p. 1073 E xai ehai fxh, oux ovza 8k slvac, ändvTOJV dzoTicüzazov eazc.

ibid. XXX p. 1074 D Ttäaav dzomav (Wyttenbach Faehse Rasmus ).

ibid. XXXVIII p. 1078 F dvacpeTzai <poacg, bald darauf nach zi ouv ein Fragezeichen; dann 8£t einzuschieben vor 8caazoXjj ^prjaaff&ac. Am Schluss ist das zweite prjzs i^ zu streichen.

ibid. XL p. 1081 A dXX' ou8s 8iavo7jz6v.

ibid. XLIV p. 1083 B zu ergänzen hinter zatg eipr^fiivaeg npoaoSotg xat d(p68oig.

Non posse suav. viv. sec. Epic. II p. 1087C xal zou 7j8d(og (VW£$em7tzov äv.

ibid. III p. 1087 F dW wanep dazepeg ot, gleich darauf 6 8k zou TTovorj TcoXbg Ol) pdpzog b Ala^üXou OiXoxzrfqg txavog' ob yäp 6 Spdxwv, (pr^alv, ivrjxsv, dXX' svwxcas 8sivr]v azojXiozbv ex^ucrev, noSbg Aaßwv, Im Folgenden: oXiaB^r^pä 8k y ^Sovtj, ou8k ezepa zotaüza xivobaa.

ibid. IV p. 1088 E dp^öfievoc fikv dnb zou aatfiazog, iv w npujzov i<pdvrj TjoovYjg yiveatg mit Ergänzung von ^8ov^g.

ibid. IV p. 1089 B ujamp iv axapapißt z^ 'P'^Xli '^^" cro<pou (andere Versuche bei Ed. Rasmus in der Programmabhandlung über diese Schrift des Plutarch S. 3).

ibid. V p. 1089 E pri auvzivdzzea&at zb enov.

ibid. V p. 1090 A ohx eaztv ä^oßov xal äxoiiov SiayayeTv oder besser 8tdy£tv.

ibid. VI p. 1090 D xal ^dXaaaav ßeßpayp.iv7jv, b(p r^g 'Emxoopog öXcyoo i8£r](T£ (anders Rasmus S. 4).

ibid. VIII p. 1091 F iXsuBspag 8k xal xa&apdg xal dßiyoug xal dvonoöXou (oder douauiTXTjzoo) ^apdg (anders Rasmus S. 5).

ibid. VIII p. 1092 B el firj8kv ^p-äg al bnkp zajv pezewptuv bnocptat YjVw^Xouv, ai T:£pl &avdzou.

Plutarch's Moralia. 3 -23

ibid. IX p. 1092 D aXXa awiiazcxacg rj8ova7g ohv iTTc/iecocdascg.

ibid. X p. 1093 B ivzari yäp xul zocg dvcwac.

ibid. XVII p. 1098 D in. xal oXov ol äv&pwnot xivrpa) 8cd(T7jiJ.d Tc r^ yaarpl iiepiypd(poöaiv. Darauf ob ydp tc <paükov rj (poxij ujamp ol TzoXüTzodeg zoug nodag, letzteres ergänzt.

ibid. p. 1099 A die beiden Worte dXX' "EU^veg zu streichen. Am Schluss des Capitels xal /isysß^og hfpaviZßum xac xazaaßevvooumv.

ibid. XXI p. 1101 C dX)^^ dltyoi }xhv zwv dvHputncjv dsdcaac zhv S^söv, wg oöx äiiecvov ivl </>6ßüJ, de' ov ob dsovzat noXXwv,

Adversus Colot. VII p. UIOE. Die Lücke wird so ergänzt: Tuv oöv ßopßopov xal zuv zbipov.

ibid. XIV p. 1115 C die Lücke <ptXovtx6zzpov ivtoig iBo^zv ^ ipiXo- aufwzspuv e^£(T&ac wg Txpo^ipzvog zr]v IlXdzajuog bnepemstv <ptXoao(piav.

ibid. XIX p. 1117 F in it. kml zoivuv b KuXwzrjg zag aeßdasig ixetvag ipcuzdc&uj npiozov Tzihg aczca npoadyezai xal ob ^opzov sm- ZTjdetog a)V.

ibid. XXXTT p. 1126 A i^opxujaa: zobg noXczag ^ fx'^v i/j./jLSvecv zoTc flapfievcdou opxocg.

ibid. extr. p. 1126 D zijv ydp yXäJzzav abzob dca-paycuv.

ibid. XXXIII p. 1126 E <pipovza ßbßXoug zuv Nznov.

De occulte vivendo I p. 1128A oncug zobg aovsa&tovzag 8ia- zpicpavzeg abzot.

ibid. IV p. 1129 C Zazspov 8s yvcupta^Big.

ibid. VII p. 1130D init. xatzoi zrjg ys 86$7jg xal d&Xov shac (pa- oiv ebaaßwv ^üjpov. Dann nach den Versen des Pindar: xal rcoza/ioc zc- veg xal Xoyocg zwv zs yzyovbzaiv xal zaiv ovzojv nipt zipnovzsg abzobg xal (Tuvovzeg.

De musica II p. 1131E mpl ypafifiaztxrjg cug zd^vrjg £mzrj8£iotj ypdfXfiaac zag (piwvdg Srjixtoupyslv.

ibid. IV p. 1132D bazdpaj 8k /|Ö01/üj xal zd I]oXup.vT^azsca xaXob- jieva i$supi&7j.

ibid. XLIV p. H47A dxaipov 8' äv scrj vbv dnozscvscv zobg nepl zobzou Xoyoog.

Fragment. IX libri de Daedalis Plataeens. VI § 2 auvsp- yobvzog 8k zoü 'AXaXxofjLSVoug xpb(pa sxz£[x6vzag abzobg ebxeazov xal nay- xdXijV Spbv.

Fragm. XI ex comm. in Hesiod. c. XXXIV extr. die Worte dXXd jiTj y£u)8£g zu tilgen.

ibid. XXXVn 1 ouza> xal t^v ocx£cav noXcv zcvkg dnov iyyozipav ZTjg }i7j olx£iag.

ibid. XXXIX 3 ÜXdzüJV 8k xal zrjg ^poupäg zyjg 7i£pl <piXiav xavöva 7:apa8£8üjx£.

Frag. XX libri contra volupt. 2 ef^s ydp rjv <pav£pu)g äv noXs- {loöoa za^iiog idXoj oder ^av£p(vg ydp dv.

21*

324 Plutarch's Moralia.

Frag. XXV e libro de amore III § 5 rpefiouac Tiapovrog, xo- Xaxeuooac, Xocdopoücrc, bnepano&v^axooat^ <povzüooatv.

Frag. XXVII e libro de ira § 2 xa\ kxäaroTZ, Ttpoanmroöaag dpyäg daui^oupevov xai ixveoovra.

Pseudoplut. pro nobilit. II § 1 xat ^dvarov dpousev, wg Tiphg lepd, dann in § 2 iv zj) noXoxrjdsazdrrj exscvjj kv Xatpiuvetq. p-dy^j] tzoü rwv Kexpomdwv xXsog xai p(i)prj\ ^Srja&d, ^<tiv, av und § 3: xa} ijpäcg, ^atv, Ol dyevecg.

ibid. III § 2 a^^d t6-b xaraXrjtpjj ohne av. In dieser Anzeige ist die Zahl der Seiten oder Capitel gegen Herwerden's Angabe an mehr denn 30 Stellen berichtigt.

Zum Schluss füge ich noch eine ziemlich unbedeutende Verbesse- rung von Ed. Tournier zu de exilio VI p. 601 D hinzu (Revue de Philologie, N. S. 3 livr. juillet p. 261) xakoi yeÄwpsv t^v dßeXrzpiav xou ^daxovrog TtjV iv ^A&rjvaig xaXXtova ashfjvrjV r^g kv Kopivi^o): hier ist also rrjv vor iv 'A&. eingeschoben und xaXltova statt ßsXzcova gesetzt.

Jahresbericht über Herodot für 1876 und 1877.

Von

Director Dr. H. Steiu

in Oldenburg.

Die bekamiteu Untersuchungen Kirchhoff's über die Abfassungszeit des herodotischen Geschichtswerkes haben, bei allen triftigen Bedenken gegen ihre positiven Ergebnisse, jedenfalls das Verdienst, ein eindring- liches Studium des Autors und der Structur seines Werkes nach den älteren Arbeiten von Adolf Scholl aufs Neue angeregt zu haben. Früchte solcher Studien liegen für den diesmaligen Bericht in zwei Arbeiten vor:

1) Ernst Bachof, Die 'Aaaüpcoc Xöyot des Herodotos (in Fleck- eisen's Jahrb. f. class. Philol. 1877 S. 577—584).

2) Dr. Adolf Bauer, Die Entstehung des herodotischen Ge- schichtswerkes. Eine kritische Untersuchung. Wien 1878. 173 S. 8.

Der kleine Aufsatz Bachof s betrifft eine erhebliche vielvex-handelte Frage, und bringt sie zu einer Lösung, die insbesondere für Kirchhoff's Hypothese gruuderschütternd ist. Denn ein Hauptpfeiler für dessen Auf- stellungen ist die Annahme dass in der festen Disposition, nach welcher Herodot sein Werk von vornherein angelegt und ausgearbeitet habe, die an zwei Stellen des ersten Buches (I 106. 184) versprochenen 'Aaaüfnot löjot allerdings ihre Stelle gehabt und zwar am Ausgange des dritten Buches, da wo der Aufstand der Babylonier und ihre Bezwingung durch Dareios erzählt wird. Wenn aber diese löyoi dann später nicht ausge- führt worden und jenes Versprechen unerfüllt geblieben, so sei dies nur erklärbar aus einem Vergessen, und eine solche Vergesslichkeit nur er- klärlich, wenn zwischen der Abfassung jener Stellen und des Endes des dritten Buches ein längerer Zeitraum verstrichen war. Dagegen die An- sicht früherer Gelehrten (s. Wesseling dissert. Herod. c. 1), welcher der Referent im wesentlichen Bestände erneuert und begründet hat, dass nämlich Herodot die Resultate seiner auf Assyrien (Ninos Babylon) be- züglichen Forschungen in einer besonderen Schrift niedergelegt, diese

326 Herodot.

Ausiclit schob Kirclihoff kurzer Hand als einen »Einfall« bei Seite. Eachof nimmt sie nun mit einiger Modiiication wieder auf und macht sie durch eine Reihe schlagender Beweise evident. Dass Herodot eine assyrische Geschichte wirklich geschrieben, lasse sich allerdings nicht positiv nachweisen, wohl aber dass es seine Absicht gewesen sie zu schreiben, und zwar unabhängig von den Historien. Denn wenn Herodot diese löyoi später aus Vergesslichkeit oder weil er seinen Plan geändert nicht aufgenommen, so wäre damit die Existenz des dafür gesammelten Materials nicht beseitigt, noch die Absicht des Autors dasselbe ausserhalb jenes Zusammenhanges zu verarbeiten. Eine solche Vergesslichkeit ist aber an sich nicht glaublich; Herodot zeigt vielmehr ein volles Bewusst- sein und starkes Gedächtniss für alles was er bereits erzählt hat oder noch erzählen will, wie die zahlreichen Verweisungen auf frühere oder spätere Stellen darthun. Schon die Existenz der Vorarbeiten musste an das Versprechen erinnern. Die Stelle für die nur beabsichtigte Ein- fügung ist Kirchhoflf gezwungen an's Ende des dritten Buches zu ver- legen, unmittelbar vor die Skythika, in deren Beginn (IV 1) der Autor eben auf jene versprechende Stelle I 106 zurückdeutet, die er unmittel- bar vorher vergessen haben soll. Unglaublich auch dass er die beiden Stellen des ersten Buches bei der nachgewiesenen späteren Ueberarbei- tung des ganzen Werkes nicht sollte getilgt haben, nachdem sie mit der wirklichen Ausführung in Widerspruch geraten. Man müsste denn mit Kirchhoff annehmen dass das erste Buch, nebst dem zweiten und einem grossen Theile des dritten, früher veröffentlicht worden sei als der spä- tere Theil, auf den die Stellen verweisen, und zwar so selbständig, dass dem Autor eine nachträgliche Aenderung nicht mehr möglich gewesen. Hiergegen macht der Verfasser die völlig zutreffende, für die ganze An- nahme einer theilweisen Publication vernichtende Bemerkung, »dass es höchst sonderbar wäre, wenn ein Geschichtschreiber, durch äussere Gründe an der Vollendung seines Werkes gehindert, einen Theil des- selben herausgegeben hätte, der mitten im Stoffe abbricht und keine Spur irgend eines Zusammenhanges zeigt«. Bei diesem negativen Resultate bleibt aber der Verfasser nicht stehen. Er bringt auch positive Gründe für die Selbständigkeit der Waaoptoi löyoi. Der Hauptgrund liegt in dem Plane der Historien. Die Eroberungen der Perser sind der durch- laufende Faden, an dem sich die Episoden über andere Völker und Länder, die aegyptischen, skythischen und libyschen lüyoi anknüpfen. Aber unter Assyrien begreift Herodot nicht nur das Reich von Babylon, sondern auch von Niuiveh; nur jenes wurde von den Persern erobert, dieses war schon früher den Medern zugefallen und liess sich also nicht in den Zusammenhang der persischen Eroberungen bringen, ausser etwa nach I 177 (nicht I 106, wie Referent angenommen). Aber gerade hier beschränkt sich Herodot auf Nachrichten über Babylon, während er im übrigen auf die Waabptot Xoyut verweist, für die dann natürlich eine spä-

Herodot. 327

tere Anknüpfung, etwa an die zweite Eroberung Babylon's (III 159), noch weniger als bei der ersten zulässig war. Endlich, wenn I 184 mitten in der Episode über Babylon, d. h. nach herodotischem Sprachgebrauch über Assyrien, ani 'Aaaupcoc löyoi. verwiesen wird, so kann mit diesem Aus- druck nicht eine spätere Partie desselben Werkes gemeint sein, man müsste in diesem Falle mindestens ev aXloiai 'A. h erwarten.

Auch Bauer steht in einem Gegensatze zu Kirchhoff's Ansicht, aber nur zu demjenigen Theile derselben, welcher sich auf die Weise der Com- position und Ausarbeitung des Werkes bezieht. Er acceptiert im All- gemeinen die chronologischen Schlüsse, welche Kirchhoff aus gewissen Hinweisen oder Andeutungen auf gleichzeitige Ereignisse glaubte ziehen zu können, aber mit dem Unterschiede, dass er dieselben nicht für die Abfassung der betreffenden Partien selbst, sondern nur für die Zeit- bestimmung einer zu erweisenden Schlussredaction gelten lassen will. Er denkt sich nämlich das Werk hervorgegangen aus einer Anzahl fer- tig vorliegender, aber in verschiedenen Zeiten abgefasster Einzelarbeiten {löyoC)^ die durch eine letzte Redaction unter bestimmten Gesichtspunkten vereinigt und dabei noch einmal überarbeitet worden, und zwar den er- sten Theil (bis in die Mitte des fünften Buches) in Thurioi, den letzten in Athen, und es erstrecken sich die sehr eingehenden und ausführlichen Untersuchungen vorzugsweise auf den Nachweis der Präexistenz solcher selbständigen Xöyot. und die Art ihrer Einfügung in das Historienwerk, sowie auf das zeitliche Verhältniss ihrer ersten Abfassung. Diese Nach- weisung nimmt folgenden Gang. Die überlieferte Eintheilung in neun Bücher rührt nicht vom Autor her, was besonders damit begründet wird dass ein durch /zs'v und M gegliedertes Satzpaar dreimal durch den Schluss des Buches (IV. V. VIII) zerschnitten werde. (Als ob dergleichen nach griechischem Sprachgebrauch überhaupt auffallen dürfte und sich nicht auch sonst fände, z. B. Thuk.III.IV, Xen. Anab. V. VI. Hellen. III. IV. und VI. VH.). Herodot selber bezeichne je die Theile seines Werkes als lüyoq oder loyot. Aber diese Theile, zuerst selbständig und unab- hängig zu verschiedenen Zeiten abgefasst, liegen nicht mehr in ihrer chronologischen Reihenfolge vor. Als solche in ihrer ursprünglichen Selbständigkeit noch erkennbare löyot ergeben sich zunächst und am deutlichsten die lydischeu, aegyptischen , skythischen und libyschen Ge- schichten, und als Hintergrund dazu die Geschichten vom Perserreich unter Kyros, Kambyses und Dareios, an deren Regierungen sich diese Theile anschliessen ; endlich sind auch besondere samische Geschichten in diesen Zusammenhang eingefügt. Damit sei aber allerdings noch keine eigentliche Eintheilung (?) des Werkes geboten. Man habe anzunehmen dass sich das Werk aus solchen schliesslich vereinigten und ineinander geschobenen Theilen so gebildet habe, dass weder deren ursprüngliche Selbständigkeit dem späteren Blicke ganz verwischt wurde, noch auch Reminiscenzen in der Art des Verweisens nach vorwärts und rückwärts

328 Herodot.

vermieden wurden. Mithin müsse eine Schlussredaction stattgehabt haben, die aber keineswegs gleichmässig war. In der ursprünglichsten Gestalt liegen die aegyptischen Geschichten vor. Für die späteren Theile lassen sich die Vorarbeiten allerdings nicht so leicht ausscheiden; das aber sei nur ein Zeichen dass entweder die Schlussredaction hier die greifbaren Spuren verwischte, oder dass diese Theile von Anfang au ein Ganzes darstellten, welches einer letzten Redaction weniger bedurfte. Nach dieser allgemeinen Feststellung wird dann unternommen, erstens die Ver- änderungen nachzuweisen, welche die einzelnen Xöyot schliesslich erfahren haben, und wo möglich, wenn auch nicht ihre Abfassuugszeit , so doch ihr chronologisches Verhältniss zu bestimmen. Die Untersuchung wen- det sich hierauf zu den einzelnen Xöyoc. Die Zeit der aegyptischen Reise und »die gleich darauf in Athen erfolgende Niederschrift« glaubt der Verfasser von 449 bis nicht zu spät nach 444/3 und wahrscheinlich näher dem letzteren Grenzjahre und jedenfalls vor 432 ansetzen zu müssen. Die Schwierigkeit, dass doch auch der erste Theil des dritten Buches noch erhebliche Nachrichten über Aegypten enthält und dort Gesagtes auf Stellen des zweiten Buches zurückweist, wird mittelst der Annahme umgangen, dass Herodot gleichzeitig mit der Einschiebung der (unver- änderten) Aegyptiaka des zweiten Buches das Folgende, aber früher Ge- schriebene überarbeitete und es dabei »wohl verstand die Resultate sei- ner aegyptischen Reise am passenden Orte in keineswegs den Zusammen- hang störender V^eise zu verwerthen«. Für die Priorität des dritten Buclies stützt sich der Verfasser besonders auf den Vergleich von III 60, wo der Heratempel auf Samos als der grösste aller (hellenischen) Tem- pel gerühmt wird, mit II 148, wo derselbe Tempel zugleich mit dem ephesischen, so d^coXoyoi sie sonst auch seien, gegen das eine Labyrinth (in Bezug auf novog xai 8aridvrj) weit zurückgestellt wird, während ander- seits daraus, dass II 148 der athenische Burgbau unerwähnt bleibt, ge- folgert wird dass die Niederschrift von Buch II vor dem zweiten Auf- enthalt in Athen (432) geschehen ist. Eine Reihe anderer angeblicher Discrepauzen, die der Verfasser zwischen dem zweiten und den übrigen Büchern aufzuweisen sucht, um darzuthun »wie wenig in Zusammenhang mit dem Uebrigen jenes Buch erst ausgearbeitet und dann einfach com- pilatorisch in den Zusammenhang eingefügt worden« , übergehe ich als theils unerheblich, theils für eine richtige Exegese verschwindend. Aber auch der ganze Inhalt und Ton dieses Buches soll sein späteres Ent- stehen verraten. In Aegypten, unter dem Einfluss der gelehrten Prie- ster, habe der Autor unhellenische Anschauungen und einen skeptischen Rationalismus eingesogen, und mit seinen bisherigen altgläubigen Ansich- ten über hellenische Theologie und Theogonie, wie sie die übrigen Bücher zeigen, gebrochen. Beweise solcher »Ketzereien« seien die Zweifel am troischen Kriege, an der Sage von des Herakles Opferung, an der Ueberlegenheit hellenischer Festspielordnuugen und Tempelbauten, an

Herodot. 329

erd Ursprünglichkeit helleuiscber Götternamen und Einrichtungen Von hellenischen Göttern und Heroen würden Dinge erzählt, die Blasphemien seien und hellenischen Ohren höchst anstössig erscheinen mussten (Per- seus' aegyptische Herkunft, des Meuelaos Kiuderopfer, Königs Rham- psinitos Würfelspiel mit Demeter im Hades, der obscöne Kult in Papre- mis). Die wiederholten Aeusserungen pietätsvoller Scheu beweisen nicht eine entsprechende Gesinnung, sondern die Furcht vor dem gehässigen Eindruck bei seinen Landsleuten. (Auch H 45 xal nepi jxkv ■zoötujv to- aaova rjjxTv ehouai xal napa twv ^swv xal napa riüv rjpcbujv eufisvsea djy? Ob wohl der Verfasser die Reste des Xeuophanes, Heraklit, des Stesi- choros und Pindar gelesen hat?). »Wenn nicht alles trügt«, wurde Hero- dot gerade wegen dieses zweiten Buches (und Stellen der Libyka) ge- nöthigt Griechenland zu verlassen; man bedeutete ihm, er solle sich mit solchen Ansichten nicht vernehmen lassen«. Die Atßoxol Xoyüt zer- fallen in zwei separate Stücke, die Gründung und Geschichte Kyrene's (c. 145—167. 200 20-i) und die dazwischen geschobene Uebersicht der libyschen Völkerschaften. Dies letztere sei, wegen der häufigen Bezüge auf das zweite Buch, erst nach dem Aufenthalt in Aegypten vorbereitet und geschrieben, das erstere hingegen stamme seinem Inhalte nach aus delphischeu Quellen und sei vor der aegyptisch-libyschen Reise abgefasst (ausser der erst später nachgefügten kyreuäischeu Tradition IV 154 bis 157) , daher noch erfüllt von den in Aegypten abgestreiften religiösen Vorstellungen. Eine weitere selbständige Schrift, die Uepatxol löyot^ enthielt ursprünglich die Geschichte des Perserreiches unter Kyros, Kam- byses und Dareios. Freilich I 95—130 sei wahrscheinlich lu-sprünglich eine Geschichte des Emporkommens des Kyros gewesen und erst bei der Schlussredaction als Theil der Persergeschichte verwendet worden, bei welcher Gelegenheit auch die Excurse über die persischen Sitten (I 130 bis 140) verfasst und eingefügt worden seien. Die Abschnitte über die asiatischen Hellenen (142 151) und die zweite Unterwerfung lonien's (152 177) seien, wenn nicht später hinzugefügt, doch zur selben Zeit eingehender überarbeitet. Ein ganz später Zusatz sei auch die Beschrei- bung Babylon's (I 178—187. 192—200), wegen der Bezüge auf Aegypten. Dagegen die Erzählung von den Massageten gehöre der ursprünglichen Fassung der Uzpatxol löyot an (auch I 215 f. V). Bis hierher bestehen die llepaixol Xoyoi aus zwei anfänglich unabhängig von einander gear- beiteten Theilen, davon der eine die medische Geschichte und Kyros' Jugendzeit behandelte, der zweite eine unmittelbare Fortsetzung des in der lydischen Geschichte verlassenen Zusammenhangs ist und die übri- gen Feldzüge des Kyros mit Ausnahme der vorweggenommenen gegen Kroesos enthielt. »Mau sieht überall für die Schlussanordnung bereits ge- gebene Verhältnisse, welche eben jene eigenthümliche Composition beding- ten, die Herodot's Geschichtswerk auszeichnet« (!) Wie aber diese Theile schliesslich »vielfach erweitert und theilweise auch umgearbeitet wurden«.

330 Herodot.

ebenso, uach Eiiifüguug des zweiten Buches, auch die Fortsetzung im dritten Buche, unter dem Einflüsse der inzwischen gewonnenen aegypti- schen Kenntnisse und Anschauungen. »So stark ist diese Umarbeitung, so ganz ausserordentlich viel ist geändert worden, dass man sich z. B. über die ursprüngliche Form des Kambyses - Zuges nach Aegypten schlechthin keine Vorstellung mehr machen kann«. Die Geschichten über Polykrates gehören einer besonderen älteren Arbeit über Saraos an, die durch des Autors Aufenthalt auf der Insel veranlasst, aber bei der Schlussredaction nicht mehr vollständig verwendet wurde, wogegen die Episode des Arztes Demokedes später geschrieben ist. Spätere Zu- thaten sind auch das Satrapieuverzeichniss , »wenn es sich auch nicht mehr von dem jetzigen Zusammenhange loslösen lässt«, und die Kapitel über die Ostländer. - Die ^xutJuol Aoyoc, als Excurse zur persischen Geschichte unter Dareios, bestehen aus zwei Theilen, IV 5—83 und 99 bis 101. 103 118. Jener ist der ältere, dieser wurde erst in Athen ge- schi'iebeu, beide aber in Unteritalien überarbeitet. Im fünften Buche schliessen die persischen Geschichten da ab, wo der ionische Aufstand beginnt, wenigstens brach sie Herodot bei der Schlussredaction hier ab. Die lydischen Geschichten gehören zu des Autors älteren Arbeiten, ge- schrieben uach den samischen und wahrscheinlich nach der Geschichte des Xerxeszuges, sind aber in das Ganze erst in Unteritalieu oder nach dem dortigen Aufenthalte eingefügt. Aehnlich steht es mit der Geschichte des ionischen Aufstandes, und mit den athenischen und spartiatischen oder den »griechischen Geschichten«, in Buch I und V. VI, nur dass auch hier mancherlei Zuthaten späterer Zeit anzunehmen sind (die grösste VI 33— 50). Ein besonderer ^uyog ist ferner die Erzählung des ersten Perserzuges; aber »die Ueberarbeitung dieser letzten Bücher im Ver- gleich zu jener der ersten vier war eine so eingehende, dass eine leichte Lostremmng der einzelnen Theile nicht mehr angeht«. Die Abfassung der Episode von den Alkmaeoniden (IV 121—132) ist (mit Kirchhoff) in die ersten Jahre des peloponnesichen Krieges zu setzen. Die Stücke über Miltiades sind vielleicht einer grösseren Arbeit über denselben ent- nommen. Besonders ausführlich sucht der Verfasser die Selbständigkeit und die Priorität der Geschichte des Xerxeszuges in den drei letzten Büchern zu erweisen, von der er annimmt, dass sie bei dem ersten Auf- enthalte in Athen verfasst und daselbst in der vielberufeneu Vorlesung (445/4) bekannt gemacht sei. Die Frage über die Zeit und den Inhalt der Vorlesung wird dabei einer neuen und gründlichen Prüfung unter- zogen. - Ein Schlusswort fasst die gewonnenen Resultate in Kürze zu- sammen.

Dass dem Herodot ein vieltheiliges , in seinen ersten Beständen disparates, in der Form mehr oder weniger vorbereitetes Material vor- gelegen, als er die Ausarbeitung seines Werkes unternahm, und dass es ihm nicht überall gelingen konnte noch gelungen ist die Fugen der Zu-

Herodot. 331

sammensetzung zu verwisclien oder einen überall gleichmcässigen , von Wiederholungen und kleineren Discrepanzen freien Fluss der Darstellung zu erreichen, hat man seit lange erkannt. Auch dass die grösseren Epi- soden der ersten vier Bücher sich ohne sonderliche Mühe als selbstän- dige loyot aussondern lassen, verrät sich dem ersten Blick. Aber der Versuch des Verfassers, das ganze Werk in eine Reihe einzelner, vorher ohne Rücksicht auf ihre einstige Verbindung abgefasster Schriften auf- zulösen und deren ursprüngliche Form und zeitliches Verhältniss zu er- mitteln, vermag, trotz des eminenten Scharfsinns und der fast mikro- skopischen Durchspür ung des Textes, schon wegen des je nach Bedürfniss dehnbaren Begriffes der sogenannten Schlussredactiou, eine Ueberzeugung nicht hervorzubringen. Schon die vorstehende Uebersicht des Inhaltes wird dies ei'kennen lassen. Im Einzelnen regt sich der Widerspuch des Lesers überall. Eine grosse Anzahl der vorgebrachten Auffälligkeiten und Widersprüche im Inhalt oder im Ausdruck sind theils für eine be- sonnene und sprachkundige Exegese nicht vorhanden (wie Heinrich Weil in einer Besprechung der Schrift, Revue critique 1878 No. 2, au mehreren Beispielen nachweist), theils erklären sie sich aus den na- türlichen Schwierigkeiten der Composition oder aus einer erwiesenen nachträglichen Erweiterung des Textes durch einzelne Zusätze. Aber auch wenn man den Beweis als erbracht zugibt, erhebt sich noch die gewichtige Frage, ob denn jene Einzelschriften als solche vor ihrer Ver- einigung in den Historien bereits publiciert zu denken seien, oder ob sie der Autor so lange in scriniis zurückgehalten, bis ihm der Plan des Ge- sammtwerkes aufgegangen? Der Verfasser formuliert und beantwortet diese Frage nicht, aber von den aegyptischen und libyschen Geschichten meint er, dass sie den Autor genötigt hätten Griechenland zu verlassen ; sie mussten also allgemein bekannt geworden sein. Nimmt man das Gleiche auch von den übrigen an, so bliebe für das Hauptwerk, wenig- stens in den Augen der Zeitgenossen, nur das Verdienst einer leidlich geschickten Compilation übrig, und derselbe Schriftsteller, der es ver- schmäht über die Herkunft und die Thaten der ersten spartiatischen Könige sich näher auszulassen, bloss weil aXXotat Tiepl ahrojv el'prjzai, und von ihnen nur dasjenige berichten mag aXXoc ou xarzkdßovzo (VI 55), hätte es über sich gebracht den bereits bekannten Inhalt und Wortlaut aller seiner bisherigen Arbeiten noch einmal, aber in neuer Gruppierung und nach dem Erforderniss der Redaction bald verkürzt bald erweitert, dem hellenischen Publicum darzubieten. In der Programmabhandlung von

Franz Hanna, Beziehungen des Sophokles zu Herodot. (Pro- gramm des kaiserl. königl. Staats - Unter - Gymnasiums zu Straznic). Brunn 1875. 17 S. 8.,

werden nicht nur alle Stellen vereinigt, in denen sich eine ähnliche

332 Herodot.

Ansicht über göttliche und incnschüche Dinge ausspricht, sondern ins- besondere auch diejenigen Stellen des Sophokles einer näheren Prüfung unterzogen, in denen mau eine Entlehnung oder Nachahmung aus Hero- dot hat hnden wollen. Einige solcher Beziehungen (Oedip. Kol. 1418 f. auf Her. VH 231, üed. Tyr. 1528 auf I 32, ib. 1227 ff. auf IV 48 f., 980 ff', auf VI 107, Antigone 1037 ff. auf I 50. HI 102 ff'.) werden als un- begründet zurückgewiesen.

A. Rüdiger, De orationibus, quae in rerum scriptoribus Graecis et Latinis reperiuutur, impriniis Herodoti et yallustii rationc habita. (Programm des Gymnasiums zu Schleiz). 1875. 20 S. 4.

Das Thema der Schrift ist zu zeigen »quo consilio, qua ratione quoque successu rerum scriptores Graeci et Latini orationes historiis suis inseruerint«. Zu diesem Zwecke »delecti sunt Herodotus et Sallustius a quibus exempla uostra (?) petere constituimus«. Weshalb gerade diese beiden gepaart sind, wird nicht begründet.

Ueber den Dialekt und seine kritische Behandlung ist heuer nur eine Arbeit anzuführen. Reinhold Merzdorf ein junger Gelehrter aus der Curtius'scheu Schule, der zu sehr hohen Erwartungen, nicht bloss auf dem Gebiete der Sprachwissenschaft, berechtigte, aber bereits im März 1877, kaum 23 jährig, der Schwindsucht erlag hat die im vorigen Bericht (1875 S. 722 ff.) besprochenen Untersuchungen über Vocal- gruppeu im herodotischen Dialekte fortgesetzt und zu einem vorläufigen Abschluss gebracht in dem Aufsatz:

Reinhold Merzdorf, Vokalverkürzung vor Vokalen und quanti- tative Metathesis im louischen (in Curtius-Brugmann's Studien Bd. IX S. 201-244).

Unanfechtbares Resultat der ersten Abhandlung sei gewesen »dass die so oft und fast als selbstverständlich vorgetragene Lehre von der grossen Vorliebe der las für offene Vokale in das Gebiet der Fabeln gehört, dass dieser Dialekt kaum anders als das Aeolo- Dorische der kontrahierenden Atthis gegenübersteht«. Dagegen scheine ihm »das was sich im Einzelnen, zumal bezüglich der Textkritik, als ganz sicher ergeben habe, nicht in richtigem Verhältniss zu der aufgewendeten Mühe zu stehen. Völlige einwandlose Sicherheit lasse sicli bei diesen und ähn- lichen Forschungen nicht erzielen, nur zu oft sei die Entscheidung sub- jectivem Ermessen anheimgegeben. Darum habe er den ursprünglichen Plan, den ganzen Vokalismus gleichmässig zu behandeln, aufgegeben als ein unfruchtbares Unternehmen, und beschränke die vorliegende Unter- suchung auf die Umgestaltungen derjenigen Vokalgruppen bei Herodot und in der jüngeren las, deren erster Vokal ursprünglich oder noch im älteren louismus lang war. Es handele sich dabei eigentlich um ande- ren Vokalen vorhergehendes rj\ denn über die Quantität von t und t>'

Herodot. 333

lasse sich nur selten etwas ausmachen, und a sei schon in alter Zeit zu Tj geworden, während w keine genauere Berücksichtigung erfordere. Was nun das jy angeht, so bleibt es innerhalb des Stammes vor folgendem harten Vokal imversehrt (jJo;? tioloq^ Mro-, &y]eüfj.svog). Dass sich neben £&7]BcT0 &y]et)/i£voQ (Wurzel &äf) im Aorist &zrjaaaBat iBsr^ad/xr^v findet (Wurzel &£af) ist nicht anstössiger als ^iuog neben Cor], C«ö> neben ^cjcu, nkeaj neben nXwoj. Dagegen vor Flexionsendungen, wie -arac 3. PL, oder vor wortbildenden Suffixen hält sich im Stamraauslaut kein r] vor folgendem harten Vokal der Endung. Das ist ein Charakteristikon der jüngeren las gegenüber der älteren. Solche Vokalgruppen bildet die Sprache Homer's in dreifacher Weise um, durch Contraction, durch Ver- kürzung des e- Lautes, und durch quantitative Metathesis. Die Contrac- tion ist bei Herodot ganz singulär, in der Conjunctivendung jy aus -7]at, wo Kürzung in -eac möglich, aber, zur Sonderung vom Indicativ, zu mei- den war. In den allermeisten Fällen tritt Verkürzung ein, und sie trifft, im Unterschied von der lateinischen Sprache, fast immer den hochbeton- ten Vokal ißaacMog, 'HpaxXiog, viag TSTcfidaTac). Der Genetiv der Wör- ter auf -xXir^g, nämlich -xÄiog, scheint zwar wegen des attischen -xXsoug {xXisog) durch Hyphäresis entstanden, gleichwohl ist nach des Verfassers Ansicht auch hier Kürzung aus jy anzunehmen. Eigeuthümlich steht es mit der Gruppe jy -|- o, aus der bald mit Kürzung eo {ßamXiog iiXiog), bald mit Metathesis der Quantität sio {karsätzog TXecog) hervorgeht. In dieser zwiefachen Behandlung des r] sieht der Verfasser die Spuren eines doppelten Lautes (geschlossenes und offenes e), der erst im Attischen zusammengefallen, und zwar wird jjo in der jüngeren las zu sto, wenn es altes äo, aber zu eo, wenn es altes sfo vertritt. Zu letzterem Falle gehören die sy-Stämme, die Genetive der Wörter auf -xkir^g, der Stamm ttMo, endlich ^psog (aber ^pdoj/iac, dagegen unentschieden ob d$c6^psog oder d$c6^pzüjg). Die Ausnahme von dieser Regel, die in Formen wie nepc&sojfiev uTTspßdwfiac zu liegen scheint, wird durch Annahme einer Analogiebildung beseitigt. Zu dem anderen Falle gehören aus Herodot die Participia ka-eiug rsßvsojg, kzwg \lpxeacXzojg u. ä. (daneben freilich VTjog^ was hjog zu fordern scheint, »indessen völlige Gleichmacherei ist pedantisch; vrjög ist eine Antiquität, die man als solche hinnehmen muss«); ferner yeu) m Compositionen (hingegen im zweiten Theile regelmässig -yacog), mit einziger Ausnahme des unveränderten yrjo^sovzc VII 190; £(ug Tscog, Formen wie i^avaaricop^v emßiiopev, iisviiopog, ^picupac (I 155 sei XP^^ ^^ lesen statt XP^^> während in j^josoj^ra VII 111 eine Analogiebildung anzunehmen sei), 'Apipcdpewg 8cpvs(og (auch Tksojg), UoasiSecuv 'AXxpituv 'ApuMwv oniojv , endlich die Endungen Genit. Sing, der männlichen a- Stämme, nämlich -so» und Genit. Plur. -acuv. Ausnahmen von diesem Gesetz sind zwei scheinbare {xpsofdyog Asuru^idT^g) , drei wirkliche (rsdvsog pipvso und der Genetiv vsog als Analogiebildungen).

334 Herodot.

Zum syntaktischen Sprachgebrauch Herodot's liefert einen Beitrag

L. Schwidop, Zur Mociuslehre im Sprachgebrauch [des Herodot (Progr. des Altstädtischen Gymnasiums in Königsberg in Pr.). 1876. 20 S. 4.

Eine sorgfältige, überall auf die kritische Unterlage zurückgehende Zusammenstellung der bei Final- und Temporalsätzen gebrauchten Con- junctionen und Modusformen, schätzbar sowohl für die historische Syn- tax wie für die Erklärung und Kritik des Autors.

Eine Reihe von Emendationsversuchen französischer Gelehrten bringt die Revue de Philologie, Jahrgang 1877.

S. 196 f. will H. Weil VII 61 für oüroj oöx uvecdog ouMv lesen ouTO) obx äetxig oudsv (mit Beziehung auf das Siegesepigramm bei Aeschin. in Ctes. 185. Plut. Cim. 7).

S. 201ff. Ed. Tournier. I 89 im letzten Satze der Rede des Krösos soll, mit Auslassung des zweiten xac, umgestellt werden xac ixsTvoc, auyy- vovTSS Ttoiistv <T£ Sixata, ixövTeg nporjaouai, au ri a(pt oltx dne^&r^asac ßtjj dnacpeü/isvog xa ^prjiiaza^ »pour obtenir une liaison d'idees satisfaisante«. I 108 yevupevov i^ «yr^s-j ro ysvrjaojxsvov £$ aur^g. I 138 äaaa Si <j<pc TTocBSiv oux t^eare] oux bairi. II 141 wird ergänzt iv&aüra dmxofievou xal dvTcarparomdsuaafidvou zdim evavzcoKTt im)(u&£V- rag xrX. III 14 xa\ zaüra wg dnevsty^&ivTa um toOtou £ö doxsecv a(pi slpT^abat, wg [de] Myerai un Alyon-iwv. III 79 \rj xix^rjzac bnh Tlspaiuiv Mayo(p6\)ia\. VII 101 p.rj kuvzeg äpBpcoc] p-rjzc ys jirj iövzsg äpU/iioc. S. 269 ff. VII 8 incazaiidvocfTc so [oux] äv ztg ksyoc. - VII 49 obx iovzojv zoi Xcfievajv unoSs^ccuv] iouadcuv , nämlich unods^cutv (von uTtoSe^ig), denn Xipivujv sei eingeschoben. VII 161 log 8k azpazrjyrjaztg aüzrjg yXc^eac] azpazrjyrjaai.

S. 264f. H. Dulac. VII 152 Tieif^eff&ac ys fikv ou navzdnaat o^ecko] Ttdvza näot (coli. Pausan. VI 3 4). VII 183 Xscrtovzsg 8k ^fi£po8p6/xoug] Xcnövzsg.

Aus Frankreich liegen auch zwei erklärende Studien vor. Mas- pero in einer neuen Probe des im vorigen Bericht besprochenen Com- mentars zum zweiten Buche:

Nouveau fragraent d'un commentaire sur le second livre d'Herodote. Par M. G. Maspero, professeur au College de France. (Extrait de l'Annuaire de l'association pour l'encouragemeut des etudes grecques en France. 10. annee 1876. p. 185—193)

behandelt diesmal zwei Stellen der Aegyptiaka. Erstens II 78, von dem Gebrauch bei Tafel das kleine Holzbild einer Mumie umher- zuweisen und damit zum Genuss der Gegenwart zu ermuntern. Aus zwei Grabschriften werden Lieder mitgetheilt, die im Inhalt und theilweise wörtlich mit dem Spruche übereinstimmen, welchen bei Herodot der Die- ner den Schmausenden zuruft. Ferner wird der Name des Königs

Herodot. 335

Ziaiuarpiq (II 102) sowie die sonstigen Formen desselben (Sesoostris, Ziautatq und 2saucuatg) in seiner Entstehung erklärt. Die Verdoppelung des 0 in zwei derselben wird auf eine Verschiedenheit der aegyptischen Aussprache zurückgeführt. Die Endung -pcg entspricht dem aeg. Ra (rich- tig auszusprechen Ri), wie -py^g im manethonischen Mav^iprjg = MenkeRä. Also Ziaioarpcg = SesosTRä. In Usacutrcg ist wie auch sonst oft das finale (Ri) abgefallen. König Ramses 11 führt auf den Denkmälern unter anderen volksthümlichen Spottnamen (sobriquets) auch den von SSSou, SSTsou, SSSou-Rä, SSTsou-Rä-MeiAMuN, und daraus machten die Griechen liaojatg und, mit euphonischer Einfügung (oder Metathesis) von r, Usaüjcrrpcg.

Ch. Tissot, La Libye d'Herodote (Bulletin de Correspondance Hellenique 1877. p. 265 273, avec deux planches).

Eine interessante und ausgiebige Vergleichung der herodotischen Nachrichten über das nordwestliche Libyen mit den heutigen Verhält- nissen, wobei sich jene durchweg als genau erweisen. Namentlich über den Tritonissee und seine Umgebung gibt der Verfasser eingehende und auf Autopsie beruhende Nachrichten.

Delle Istorie di Herodoto d'Alicarnasso. Volgarizzamento con note di Matteo Ricci. Tomo secoudo. Torino 1875.

Enthält Buch IV— VI. Der üebersetzer ist, wenn ich mich nicht irre, ein Schwiegersohn des bekannten Dichters und Staatsmannes Mas- simo d'Azeglio. Die beigefügten Anmerkungen erläutern schwierigere Stellen und begründen die Uebersetzung. Von seinem liebevollen und sorgfältigen Studium des Autors gibt Ricci weitere achtungswerte Proben in den über dieselben drei Bücher sich erstreckenden

Note alle Storie di Erodoto (in der Rivista Universale, Noveraber- heft 1875 S. 487-507 und im Märzheft 1876 S. 318-338).

Bericht über Aristoteles für das Jahr 1877.

Von

Prof. Dr. Franz Susemihl

in Greifswald.

Das Jahr 1877 hat uns zunächst aus bewährter Feder eine im Ganzen und Grossen vortreffliche, in gedrängter Kürze abgefasste Ge- samratübersicht über die Leistungen und die Wirksamkeit des Aristoteles gebracht :

1) Aristotle. BySir Alexander Grant, Bart., LL. D., Principal of the üniversity of Edinburgh. Edinburgh and London, Blackwood and Sons. MDCCCLXXVIL 196 S. 8.

Dieselbe bildet einen Theil der Sammlung: Ancient classics for english readers, cd. by Rev. W. Lucas Collins, welche bereits eine Reihe ähnlicher gemeinverständlicher Darstellungen von anderen altclassischen Schriftstellern zu Tage gefördert hat, und es ist sehr erfreulich, dass Grant's.Büchlein inzwischen auch dem deutschen Publikum durch eine wohlgelungene Uebersetzuug:

2) Aristoteles. Von Sir Alexander Grant, »Principal« der Uni- versität Edinburg. Autorisirte üebersetzung von Dr. J. Imelmann, Professor am Königl. Joachimsthalschen Gymnasium zu Berlin. Ber- lin, Bornträger (Eggers) 1878. 168 S. 8.

zugänglicher gemacht worden ist^). Es handelt in zehn Abschnitten über das Leben des Aristoteles, über seine Werke im Allgemeinen, über das, Organou, die Rhetorik und Poetik, die Ethik, die Politik, die Physik, die Biologie, die Metaphysik und die Geschichte des aristotelischen Ein- flusses seit der christlichen Aera. Mit bewunderungswürdiger Schärfe und Klarheit werden die Verdienste und Mängel des grossen Denkers

1) Der Uebersetzer hätte übrigens nicht unterlassen sollen die Citate, welche Grant nach englischen Ausgaben macht, in die Bekker'schen Capitel- Seiten- und Zeilenzahlen umzusetzen.

Aristoteles. Allgemeines. 337

auf allen Gebieten im Wesentlichen richtig gezeichnet und abgewogen und die grosse Bedeutung, welche das Studium seiner Schriften auch noch für die Gegenwart hat, abgegrenzt, frei von allen Vorurth eilen und in einer Weise, die wohl geeignet ist mancherlei Vorurtheile, die in den nichtphilosophischen und nichtphilologischen Kreisen noch immer vielfach gegen den Aristoteles herrschen, zu zerstreuen (s. unten S. 344). Einige Kenntniss des aristotelischen Systems muss freilich andererseits natür- lich der Leser bereits mitbringen auch zum Verständniss von Grant's Darstellung, aber wiederum findet selbst der genauere Sachkenner in ihr nicht blos Genuss, sondern auch Belehrung. Und nur selten sieht er sich durch sie zum Einsprüche gereizt. Einige Male ist dies indessen doch der Fall, und noch dazu betreffen diese Missverständnisse des Ver- fassers in ganz auffälliger Weise gerade die allerwesentlichsten Punkte des Systems. So wird S. 54 (Uebers. S. 45) die kleine Schrift über die Kate- gorien dem Aristoteles namentlich wegen ihres »extremen Nominalismus« abgesprochen und behauptet, dass derselbe in der Met. VII, 7, 4 dagegen das Allgemeine für die erste Substanz erkläre, während das Einzelne nur ein secundäres, abgeleitetes Sein habe. Allein in dieser Stelle steht nichts Derartiges, und man braucht nur einen Blick auf die anderen, von Zell er Phil. d. Gr. 11^ S. 229 gesammelten Stellen der Metaphysik zu werfen, um sich zu überzeugen, dass Aristoteles in dieser Hinsicht in dieser seiner letzten Schrift noch genau dieselbe Anschauung aus- spricht, wie sie in den Kategorien sich findet. So wird ferner S. 136 (115) im Widerspruch mit Grant's eigenen richtigen Bemerkungen S. 150f. (128 f.) der Irrthum wiederholt, dass auch die Menschenseele aus Aether bestehe (»which enters also into the composition of the human soul«). Und vollends unbegreiflich ist es, wie Grant S. 165 f. (141f.) aus Psych. III, 4 f. die Folgerung ziehen konnte, dass Aristoteles zwar keineswegs ein extremer Idealist, aber doch der Ansicht sei, dass der menschliche Geist zum Dasein der Dinge so viel beitrage wie Licht zur Farbe. In der That gebraucht Aristoteles dies letztere Gleichniss dort (430% 15) lediglich zur Verdeutlichung des Erkenntnissprocesses, und der naive Realismus des gesunden Menschenverstandes, nach welchem die Welt genau so ist, wie wir sie in unserer Erkenntniss erfassen, aber auch ohne Zuthun derselben schon genau eben so ist, und welchen Grant ihm abspricht, ist in Wahrheit auch seine Weltanschauung gleichwie neuer- dings noch die Herbart's^). Dass durch den Ausdruck anoudatozspov

2) Der Uebersetzer hat den von Grant gebrauchten Ausdruck »perceive« unrichtig durch »wahrnehmen« wiedergegeben. Grant meint das allerdings auf die sinnliche Wahrnehmung gegründete Begreifen. Den subjectiven Factor in der blossen sinnlichen Wahrnehmung, welchen schon Demokritos, Protagoras und Piaton erkannt hatten, bestreitet allerdings auch Aristoteles nicht, aber derselbe spielt bei ihm keine Rolle wie bei jenen seinen Vorgängern.

Jahresbericht für Alterthums-Wlssenschaft 1877. 1. 22

338 Aristoteles.

Poet. 9. 1451^, 6 die Poesie nicht für »ernster« sondern für »höher« als die Geschichte erklärt wird, hätte der Verfasser S. 98 (83) auch billigerweise aus Reinkens, den er selbst anführt, lernen sollen. Und so liesse sich noch manches Andere bemängeln. Auch Paradoxien, wie die, dass man die Komödie nach moderner Auffassung überhaupt kaum zi^r Poesie rechnen würde (S. 94 = 79) , liest man ungern, glücklicher- weise sind sie sehr vereinzelt.

Schlimmer ist die Art, in welcher Graut mit den schwierigen Fra- gen nach den Schicksalen der aristotelischen Werke im Alterthum und der chronologischen Abfolge der erhaltenen umgeht. Gestützt auf die bekannte Nachricht bei Strabon und Plutarchos hält er daran fest, dass von letzteren allen oder doch fast allen nur das einzige eigene Exemplar des Aristoteles existirt zu haben scheine, vergraben im Keller in Skepsis bis auf Apellikon, wobei man denn freilich nicht begreift, wie uns trotz- dem S. 40 (34) eingeschärft werden kann, nicht zu vergessen, dass Än- dronikos ausser diesen Bücherrollen »auch alle die in Händen hatte, welche von einem wohlhabenden Bücherfreund« (auch hiermit kann doch nur Apellikon gemeint sein) »zusammengebracht waren«. Der Leser er- hält auch nicht die leiseste Andeutung, dass jene Annahme eine von den meisten Seiten in dieser Ausdehnung stark bestrittene ist, und dass die Bekanntschaft nicht bloss des Theophrastos und Eudemos, sondern auch noch des Straten mit diesen Werken sich doch schwerlich auf jenes einzige Exemplar zurückführen noch der Zweck, zu welchem Aristoteles sie im Unterschied von seinen bloss hypomuematischen schrieb, sich solchergestalt begreifen lässt. Von Straten bis Apellikon lassen sich nun freilich, abgesehen von der Thiergeschichte , keine absolut sicheren Spuren ihrer Benutzung nachweisen, aber höchst wahrscheinlich ist sie doch von der Ethik, den physischen Schriften und dem zwölften Buche der Metaphysik, wenn anders allem Vermuthen nach die Verfasser der grossen Moral und der Abhandlung über die Bewegung der Thiere doch wohl nicht früher und nicht später gelebt haben (s. auch unten No. 10). Die Thiergeschichte aber ist bekanntlich in den zweifellos in dieser Zeit entstandenen »Wundergeschichten« ausgezogen, und es heisst um so mehr jeder gesunden historischen Forschung in's Gesicht schlagen, wenn nach Grant's Vermuthung (S. 159 = 135f.) diejenige Thiergeschichte, welche Aristophanes von Byzanz überarbeitete, wesentlich anders als die jetzige ausgesehen haben und folglich die in der alexandrinischen Bibliothek, deren Katalog die Verzeichnisse bei Diog. Laert. und dem sogenannten Anonymus Menagii wiedergeben, enthaltene in neun Büchern eine andere gewesen sein soll als die jetzigen, was Graut vergebens bestreitet, allein ächten neun ersten Bücher. Ueberhaupt aber macht er seinen Lesern eine nicht geringere Zumuthung, als dass sie glauben sollen, in jener alexandrinischen Sammlung seien nur die an der Spitze der Verzeich- nisse stehenden Dialoge und paränetischen Schriften acht, andere Aus-

Allgemeines. 339

Züge von Schülern des Aristoteles aus den inzwischen in Skepsis mo- dernden grösseren Werken, andere eigene Arbeiten dieser Schüler, alles Uebrige Fälschungen gewesen. Das sollen wir glauben, trotzdem dass von den Werken gleichen Titels in diesen Verzeichnissen fast alle nicht eine kleinere, sondern genau dieselbe oder auch gar eine noch grössere Bücher zahl zeigen als in unsern jetzigen, auf Andronikos zurückgehenden Ausgaben. Dass sich ferner in jenen Verzeichnissen noch deutliche Spuren streng wissenschaftlicher Abhandlungen des Aristoteles finden, die er selbst citirt, wir aber nicht mehr besitzen, imd ferner von selbst- ständigen Abhandlungen, die uns seit der Redactiou des Andronikos als Theile grösserer Werke überkommen sind, übergeht der Verfasser wie- derum einfach mit Schweigen. Und wenn er (S. 47 = 40 , vorsichtiger S. 149 = 127) bestreitet, dass die Werke über die Pflanzen und über Gesundheit und Krankheit von Aristoteles je ausgeführt seien, so ist da- gegen auf Heitz Die verl. Schrr. des A. S. 56ff. zu verweisen. Wenn er endlich genau angiebt, die sieben ersten Bücher der Topik seien vor den Analytiken, dann zunächst nach letzteren das achte, hierauf die beiden ersten der Rhetorik, die aofianxol iksy^oi, die Ethik, die Po- litien, die Politik, die Poetik, das dritte Buch der Rhetorik, die Physik, über den Himmel, über Entstehen und Vergehen, die Meteorologie, über die Theile der Thiere, die Psychologie, die Parva Naturalia, die Thier- geschichte, von der Fortpflanzung und vom Gang der Thiere, endlich die Metaphysik gefolgt, so ist dabei einerseits die Grenze des Richtigen, andererseits des Wissbaren keineswegs überall innegehalten. Dass z. B. dieselben ethischen Fragen tiefer und schärfer in der Ethik als in der Rhetorik behandelt werden (S. 44 f. = 38), erklärt sich genügend aus der Natur der letzteren Disciplin und berechtigt mithin nicht im Mindesten, die Aechtheit der Citate Rhet. I, 11. 1372% If. I, 8. 1366 % 21, (vgl. nik. Eth. I, 7. HOB'', 6) zu verdächtigen, kraft welcher bereits das erste Buch der Rhetorik erst nach Ethik, Politik und Poetik geschrieben ist. Und dabei bleibt Grant nicht einmal sich selber ganz gleich, denn her- nach S. 149 (127) wird von den drei letztgenannten zoologischen Schriften vielmehr die vom Gang der Thiere an die Spitze und die Thiergeschichte an den Schluss gestellt. Auch der Abschnitt über das Leben des Ari- stoteles ist nicht ganz frei von übereilten Behauptungen. Schliesslich sei noch bemerkt, dass Grant auch die Aechtheit der Hermenie bestreitet und gegen die des Testaments Bedenken erhebt.

Ein Theil des im Schlussabschnitt seines Buches behandelten Stof- fes erhält eine genauere und zum Theil auch eine richtigere Beleuchtung in folgender interessanten Abhandlung:

3) De Tautorite d'Aristote au moyen-äge. Par Charles Wad- dington, Correspondant de l'Institut. Paris, Picard. 1877. 57 S. gr. 8. (Extrait du compte-rendu de l'Acaderaie des sciences morales et po-

litiques. Sept. Oct. Nov.).

22

340 Aristoteles.

Der Verfasser verfolgt den Einfluss des Aristoteles auf das christ- liche Mittelalter in geschichtlicher Entwickelung. Es ist bekannt, dass derselbe erst seit dem dreizehnten Jahrhundert über die Logik hinaus- ging. Aber so bedeutend er auch jetzt ward, so wissen doch Bonaven- tura und Thomas, wie Waddington zeigt, im Wesentlichen den Unter- schied aristotelischer und christlicher Lehre wohl zu würdigen, und über- haupt sind die Scholastiker vor einer gleichen überschwänglichen Ver- ehrung wie die Araber weit entfernt. Gerade durch Duus Scotus, wel- cher die Unzulänglichkeit der Vernunft in Glaubenssachen stärker als Thomas betont, tritt aber eine neue Wendung ein, indem er auf der anderen Seite die weltlichen Wissenschaften doch nicht mehr als Mägde der Theologie gelten lassen will, sondern ihre Selbständigkeit auf ihrem eigenen Gebiete in Anspruch zu nehmen beginnt. Energisch folgt ihm auf diesem Wege sein grosser Schüler Wilhelm von Occam im vierzehnten Jahrhundert, von dessen ganzer historischer Stellung Waddington eine einheitliche, verständnissvolle Schilderung giebt. Derselbe schliesst sich nunmehr auf dem nichttheologischen Gebiete um so enger an Aristoteles, und so beginnt letzterer erst von jetzt an, wenn auch zunächst nur in dieser engeren Sphäre, als eine unfehlbare Auctorität betrachtet zu wer- den. Seine Verehrung gipfelt namentlich in einem von Wad ding ton näher besprochenen lateinischen Gedicht, welches zu Ende des vierzehn- ten oder Anfang des fünfzehnten Jahrhunderts aus den Kreisen der Kölner Theologen hervorging.

Für die verlorenen aristotelischen Schriften erhalten wir einen werthvollen Beitrag in einer anderen Abhandlung:

4) Aristotle's dialogue »of philosophy«. Von L Bywater. Im Journal of Philology VIL 1877. S. 64—87.

Der Verfasser bringt zunächst ein bisher übersehenes Fragment des Aristoteles bei Philop. zu Nikom. Isag. in Anwendung, welches er ohne Zweifel mit Recht weit über die demselben unmittelbar zugeschrie- benen Worte ausdehnt 3), als ein von Aristokles unmittelbar oder mittel- bar gemachtes Excerpt aus dem Dialog nspl (pduaocptag , dessen Gang man auf diese Weise noch deutlicher kennen lernt als zuvor. Denn dasselbe giebt fünf Stadien der Entwickelung menschlicher Cultur {aoipia) an, deren letztes die Beschäftigung mit den metaphysischen Fragen ist. Beiläufig mag nun hier sofort bemerkt werden, dass am Schlüsse dieser Auseinandersetzung in i<ppaaav ein Fehler zu stecken scheint und ein anderer englischer Gelehrter

3) Mit Recht macht er dafür auch das Citat von 11. XXIII, 712 mit aofbq-rixTiuv (wie bei Eustath. zu 11. XV, 412) geltend, wo wir jetzt viel- mehr xkuTui leseu.

Allgemeines. Dialoge. Organou. 341

5) F. F(ield) Note on Aristotle, ebeud. S. 315

denselben durch e<p^aaav zu verbessern gesucht hat. Ferner zeigt nun Bywater, welches Licht von diesem Excerpt aus auf die übrigen Frag- mente des ersten Buches von diesem Dialog fällt, und dass denselben sonach noch ein ferneres neues bei Prokl. in Eucl. S. 28 Friedl. einzuord- nen und auch der Abschnitt bei Jambl. in Villois. Aneed. II, 188 eine mittelbare Entlehnung aus derselben Quelle ist.

Eine zweite Untersuchung knüpft er an ein anderes Bruchstück (13 Rose = 40 Heitz) bei Sex. Emp. Math. IX, 26 f., in welchem freilich Aristoteles nicht einmal genannt wird. Auch er hält denselben für die letzte Quelle, aber einen der älteren Stoiker, wie etwa Kleanthes, für die Mittelperson, indem er die Spuren genauer verfolgt, welche auf eine starke Benutzung des in Rede stehenden aristotelischen Dialogs durch diese älteren Stoiker, wie Kleanthes und Chrysippos (vgl. Cic. K. D. IL § 37 mit Fin. IL § 40), hinführen. Zu ihnen gehört der Umstand, dass gerade das zweite Buch von Cic. N. D. besonders umfängliche und cha- rakteristische Bruchstücke desselben enthält, und dass ferner Dion Chry- sost. Olymp. S. 387 Reiske aus Kleanth. fr. theol. 4 Wachsm. geschöpft zu haben scheint, verschiedene Citate des Aristoteles und ähnliche Remi- niscenzen bei Synes. (Arist. Fr. 49 « H. 45 R.), Sen. Qu. N. VII, 30, 1 (Fr. 44 R. 77 H.)*), Ps.-Phil. de aet. m. S. 489 Mang. (Fr. 43 H. 17 R.), Plut. de tranquill. 20. 477 C. D aber darauf hinweisen, dass Aristoteles eine sehr ähnliche Wendung wie Dion (Vergleichung des Weltgebäudes mit einem Mysterientempel) gebraucht hatte. Weim sich aber bei Cicero a. a. 0. § 51 eine Erwähnung des »grossen Jahres« findet, so ist mit diesem Allen noch nicht im Mindesten bewiesen, dass auch diese in letzter Instanz aus Aristoteles stamme^), und By water bringt sie daher mit Unrecht in Anschlag bei der Frage, ob derselbe in nepl <pdoao<ptaQ oder im Protreptikos , den er auffallenderweise noch immer unbedenklich als einen Dialog bezeichnet, oder in beiden diesen Gegenstand behandelt habe.

Indem wir uns nunmehr zur Logik wenden, haben wir zuvörderst

6) Aristoteles' erste Analytiken oder Lehre vom Schluss. Ueber- setzt und erläutert von J. H. v. Kirchmann. Leipzig 1877, Koschny. 1. Bd. XX und 150 S., 2. Bd. Erläuterungen. VII und 260 S. 8.

7) Aristoteles' zweite Analytiken oder Lehre vom Erkennen. Ueber- setzt und erläutert von J. H. v. Kirchmann. 1. Bd. Leipzig 1877. Koschny. XXXI und 102 S. 8.

4) Von By water daher nicht mit Rose und Heitz zu izepl sö/ri?, sondern mit Bernays zu nspi (pdoaofiaq gezogen.

5) Im Gegentheil heisst es hier: quae quam longa sit, magna quaestio est, Aristoteles aber hat die Dauer genau bestimmt. Vgl. den Bericht für 1874 und 1875: IIL S. 349-351.

342 Aristoteles.

kurz zu erwähnen und sodann über die

8) Beiträge zur Logik. Von Dr. Werner Luthe. Zweiter Tlieil") Berlin, Weber, 1877. II und 80 S. gr. 8.

zu berichten. Dieselben zerfallen in zwei Theile: III. Die Kategorien (bis S. 44) und IV. Der Schluss. Der erste enthält zunächst, einen Wie- derabdruck der 1874 erschienenen Abhandlung über die aristotelischen Kate- gorien, welche bereits in dem Berichte für eben dieses Jahr (III. S. 374f.) besprochen ist^). Ihr ist sodann eine zweite über die stoischen Kate- gorien, eine Uebersicht über die Modificationen der aristotelischen in der neueren Philosophie und eine Kritik dieser verbesserten aristotelischen Kategorieneintheilung beigefügt. Das Ergebniss dieser Kritik ist, dass die Kategorieneintheilung überhaupt unhaltbar sei. Der zweite Theil beschäftigt sich, soweit er in diesem Hefte ausgeführt ist, ausschliesslich mit der Syllogistik des Aristoteles. Nachdem zuerst der Begriff des GölloYiaiiüg bei demselben im weiteren, engeren und engsten Sinne an- gegeben ist (S. 45 f.), sucht der Verfasser für's Zweite zu erweisen, dass die aristotelische Syllogistik einen blos formalen Charakter habe (S. 46 bis 53). Zum Zwecke dessen wird unter Anderem gegen Ueberweg dargethan, dass in dem Satze 2. Anal. II, 2. 90*, 6 f. to jmsv yrxp al'rtov To iiiao\' das Subject ro ol'-iov ist, und zugleich Drob i seh bekämpft, der zwar ebenso construirt, aber doch annimmt, dass Aristoteles die Erkennt- niss des realen Causalnexus der Dinge vom Syllogismos abhängig mache. Dann folgt die Kritik der aristotelischen Schlussformen. Luthe findet, dass erstens die Beweise des Aristoteles für die Richtigkeit und Voll- ständigkeit derselben nur zum Theil correct geführt werden (S. 54 f.), dass derselbe zweitens die von Theophrastos hinzugefügten Schlussformen (mit Prämissen des Stattfindens, die der sogenannten vierten oder gale- nischen Figur) absichtlich, aber mit Unrecht in Folge einer irrigen An- sicht von dem quantitativen Verhältniss der Begriffe des Schlusses über- gangen habe (S. 55 ff.), dass drittens in Bezug auf die Quantität der Prämissen die Forderung des Aristoteles für den Syllogismos, dass die Allgemeinheit der Quantität dem Begriff' ohne weitere Beschränkung des- selben beigelegt werde, ebenso verfehlt wie der von ihm für dieselbe versuchte Beweis sei und mit seinen Grundansichten über das Wesen des Syllogismos in Widerspruch stehe (S. 59 61), aus seiner schwankenden und verwirrten Bestimmung der Particularität der Prämissen aber noch einschneidendere Mängel entständen (S. 61—64), viertens, dass Aristoteles

6) Der erste, 1872 erschienene Theil enthält : I. Vorstellung und Begriff, S. 1 17. IL Das Urthoil, S. 18-63.

"?) Der dort S. 375 begangene Schreibfehler, über welchen der Verfasser S. 1 sich beschwert, ist inzwischen von mir selbst in dem Bericht für 1876: V. S 298 bereits verbessert worden.

Organon. 343

inconseqiient nur Schlusssätze aus Nothwendigkeitsurtheilen für nothweu- dig erklärt, dass er irrige Ansichten über die Umkehrung der Nothwen- digkeitsurtheile habe, und der Einwand des Theophrastos und Eudemos gegen seine Behaujitung, dass aus einem Obersatz der Nothwendigkeit und einem Untersatz des Stattfindens ein Schlusssatz der Nothwendigkeit folge, richtig sei (S. 64 67). Der fünfte und letzte mit »Möglichkeit« überschriebene Theil der Kritik lässt sich nicht füglich in kurzem Aus- zug wiedergeben, und vollends zu einer Prüfung aller dieser scharfsinni- gen Erörterungen gebricht hier der Raum.

Von der Analytik zur Dialektik oder Topik führt uns die Ab- handlung

9) De vi ac notione dialecticae Aristoteleae. Scr. Dr. August.

Tegge. Vor dem Treptower Gymnasialprogramm. Treptow a. R. 1877.

4. S. 1 22.

Der Verfasser, ein Schüler von Schuppe und mir, ist durch er- steren zu dieser Arbeit angeregt worden und hat sich ihr mit Geschick und Sorgfalt unterzogen, wenn auch die Darstellung einestheils wohl hie und da etwas zu breit ist, anderentheils umgekehrt Punkte erübrigen, die wohl hätten, sei es überhaupt, sei es genauer als es geschehen ist, in Betracht gezogen werden können. S) Die Dialektik ist gleich der Ana- lytik erst eine Schöpfung des Aristoteles, wie dieser selbst sagt. Wenn er andrerseits ihren Ursprung wiederum schon auf Zenon zurückführte (Fr. 54 R ), so erklärt Tegge nach dem Vorgang Anderer 9) richtig, wie dies zu verstehen ist. Dagegen hebt er den auffallenden Umstand, dass Piaton unter Dialektik etwas so ganz Anderes versteht als Aristoteles, zwar gebührend hervor, aber er erklärt ihn nicht. Piaton hat von seinem Ideengange aus dem Wort eine ganz neue Bedeutung untergelegt (Phädr. 266 B.), Aristoteles behält den gangbaren Begriff bei und sucht ihn wissen- schaftlich aus- und umzuarbeiten. Dass ihm dies vollständig gelungen wäre, muss mit dem Verfasser S. 22 bezweifelt werden. In der That behält der Begriff etwas Schillerndes, und die Grenze gegen Eristik und Sophistik ist nicht scharf genug gezogen. Dennoch spricht sich Tegge mit Recht ^°) dagegen aus, als ob das Wort in verschiedener Bedeutung

8) Auch die Correctur hätte sorgfältiger sein sollen. Einige der stehen gebliebenen Druckfehler sind recht sinnstörend.

9) Mit Hinzufügung der eigenen richtigen Bemerkung (S. 3) : volgaribus tritisque et communibus argumentis, quae insunt in omnium fere hominum con- sensu atque opinionibiis, quibus quiuis adversarius alia potest opponere (et hoc quidem proprium est dialecticae) Zenonem non pugnavisse contra multitudinem ac varietatem rerum.

10) Ich sehe ab von der bedenklichen Stelle Rhet. I, 2. 1355 a, 8—10, deren Schwierigkeiten bisher noch keineswegs erledigt sind, so dass ich nur darüber schwanke, ob dieser ganze Zwischensatz mitMuret zu streichen oder diaAsxrix-^g mit Thurot in dvakurix^? zu ändern ist.

344 Aristoteles.

von Aristoteles gebraucht werde, und sucht den Schlüssel namentlich in demjenigen, was dieser selbst Top. I, 2 über die Verschiedenheit der nützlichen Anwendungen dieser nämlichen Disciplin sagt. Den Anstoss zu ihrer Ausbildung hat, was in der Darstellung des Verfassers nicht scharf genug hervortritt, dem Philosophen die Disputirsucht der damali- gen gebildeten Athener gegeben, s. Grant S. 58 (48)ff. , und sie ver- leugnet auch bei ihm den Charakter einer theoretischen Anweisung zur Disputirkunst durchaus nicht, aber sie bleibt dabei insofern nicht stehen, als ja auch den Einzelnen nichts hindert im stillen Selbstgespräch eben so wohl blos dialektisch als streng philosophisch zu verfahren (Top. VIII, 14. 163 a, 36 ff., Tegge S. 15) und die Dialektik in diesem Sinne sogar ein unentbehrliches Hülfsmittel für die Philosophie ist, unentbehrlich bei der Induction als Aporieuerörterung, um die unbeweisbaren Grundlagen der Beweise, der Deductionen für alle Wissenschaften zu gewinnen. Die Auseinandersetzung T egge's nach dieser letzteren Kichtung ist noch durch den Hinweis darauf zu ergänzen, wie sehr in manchem Betracht das inductive Verfahren des Aristoteles, so Bewundernswürdiges er immer- hin in demselben geleistet hat, bei dem damaligen Stande und den da- maligen Mitteln wissenschaftlicher Beobachtung und wissenschaftlichen Versuchs nothwendig noch unvollkommen war und eben desshalb dieses Hülfsmittels bedurfte, s. Zeller IIb. S. 178 f. Grant S. 66 (56) f. Ganz zu entbehren ist es jedoch auch noch jetzt nicht und wird es nie sein, eben weil sich namentlich in den Geisteswissenschaften nicht Alles »veri- ficiren« lässt. Aristoteles, so bemerkt Grant unter Einweisung auf 1. Anal. I, 30 gegen Bacon 's in manchen Kreisen noch immer nicht aus- gerottetes Vorurtheil sehr richtig, 4achte über das inductive Verfahren ebenso verständig wie Lord Bacon oder John Stuart Mill und blieb diesen Grundsätzen auch in der Praxis treu, er macht es z. B. in der Ethik, Politik, Physik fast genau so, wie der tüchtigste Autor über solche Gegenstände es heutigen Tages machen würde. Und in gleichem Sinne rühmt derselbe Schriftsteller schliesslich S. 196 (168) an der »Methode analytischer Untersuchung des Aristoteles, welche man noch jetzt von ihm lernen und sich zum Muster nehmen könne«, mit vollem Recht nicht blos »die Sammlung aller erreichbaren Thatsachen, sondern auch aller erreichbaren Meinungen über den betreffenden Gegenstand und deren ruhige Prüfung und Vergieichung, bis ein helles Licht den ganzen Gegen- stand erleuchtet«.

In das Gebiet der Metaphysik treten wir mit einer Untersuchung ein, welche die oben (S. 338 f.) berührte Frage nach der ältesten Geschichte der aristotelischen Schriften an diesem Werke weiter verfolgt, bei wel- chem man mehr als bei den meisten andern geneigt sein könnte und auch geneigt gewesen ist zu glauben, dass es erst durch die Redaction des Andronikos überhaupt ans Licht getreten sei:

Organon. Metaphysik. 345

10) Uefoer die Benutzung der aristotelisclien Metaphysik in den Schriften der älteren Peripatetiker. Von Eduard Zell er. Aus den Abhandlungen der königl. Akademie der Wissenschaften zu Berlin, 1877. S. 145—167. Berlin, Dümmler 1877. 4.

Das Ergebniss ist, dass von denjenigen Büchern, welche in fort- laufendem Zusammenhange das Hauptwerk, so weit es von Aristoteles vollendet war, ausmachen, dem 1. 3. 4. 6. 7. 8. 9., das 1. 3. 4. 7. von Eudemos, das 1. 4. 6. 9. von Theophrastos, das 1. auch von dem Ver- fasser der Abhandlungen über Melissos , Xenophanes , Gorgias , welcher später als Theophrastos, aber, da diese Schriftchen schon in dem auf Hermippos zurückgehenden Katalog bei Diog Laert. stehen, noch im dritten Jahrhundert lebte, benutzt worden sind, also doch aller Wahr- scheinlichkeit nach schon damals in mehreren Exemplaren als Ganzes existirtcn^i). Für den Gebrauch des zwölften Buches liegen uns die ent- schiedensten Zeugnisse nicht bloss bei Theophrastos und Eudemos, son- dern auch bei den , wie oben bemerkt , wahrscheinlich zwischen Straton und Apellikon fallenden Verfassern der grossen Moral und der Schrift von der Bewegung der lebenden Wesen vor, und da das Citat in letzterer (700 b, 7) ev zoTg Tispl rr^g npiÜTrjg ipiloaoftag (wie Zell er schon früher Phil. d. Gr. IIb. S. 92. Anm. 5 bemerkt hat) schwerlich bloss auf dies Buch allein, sondern vielmehr nur auf die Metaphysik als Ganzes passt, so dürfte wenigstens dieses schon damals mit jenem Torso der letztern zur Ergänzung verbunden gewesen sein. Ob ein Gleiches von dem drei- zehnten, welches in der Ethik des Eudemos, und dem vierzehnten, wel- ches in einen) theophrastischen Bruchstücke berücksichtigt zu sein scheint, anzunehmen ist, wagt natürlich auch Zell er nicht mit der nämlichen Ent- schiedenheit zu behaupten, ist jedoch geneigt es selbst auf das fünfte auszudehnen, welches Straton erweislich benutzt hat. Ich möchte die Sache lieber dahingestellt sein lassen, ja wenn unter dem Titel -nzp^ twv noaa^cug (wie ja auch Zell er a. a. 0. S. 58 urtheilt) bei Diog. L. und dem Anon. doch wohl eben dies fünfte Buch zu verstehen ist, so befand es sich wenigstens als selbständige Abhandlung noch in der alexandri- nischen Bibliothek i2). Nach diesem Allen aber ist wohl kein vernünftiger

11) Auf den Titel Mezacpuatxä x' beim Anon. Men. (vgl. Trjropixyjg t^s IxzTä \Tä} (puaixä i im Anhang), unter welchem noch Braudis Gr.-röm. Phil. IIb S. 77 Anm. 30 und Zeller a.a.O. IIb S. 58 unsere Metaphysik, sei es ganz, sei es wenigstens in ihrer Hauptmasse, verstanden, wird man jetzt nicht mehr den sonst berechtigten Schluss begründen wollen, dass letztere schon vor Hermippos in der alexaudrinischen Bibliothek gewesen sei, da sich dieser Titel vielmehr mitten unter lauter Problemenwerken findet.

12) Ob auch das zehnte unter dem Titel nspl ivavcuuv bei Diog. und dem Anon. (siehe Brandis a.a.O. S. 79. Anm. 119), ist sehr zu bezweifeln. Näher liegt der Gedanke an die von Aristoteles selbst auch in diesem zehnten Buch (3. 1054a, 30) citirte dtaipeciq twv ivavriwv, s. Bonitz Ausg. der Met. U. S. 22.

346 Aristoteles.

Grund an der Richtigkeit der Nachricht (Alex. z. Met. S. 483, 14 Bon.) zu zweifeln, nach welcher schon Eudemos die Metaphysik herausgegeben hatte, zumal die andere, wie Zell er zeigt, unglaubwürdige und ihr wider- sprechende, bei Asklepios (Schol. 519b, 38 if.) doch auch immerhin am Leichtesten entstehen konnte, wenn wirklich dies Stück vom Nachlasse des Aristoteles nach dem Tode des letzteren zuerst in den Händen des Eudemos war. i^) Dass aber die zweite Hälfte des eilften Buches und das zweite vermuthlich erst von Audronikos, wenn nicht letzteres noch später, eingefügt wurde, giebt auch Zell er zu. Ferner sind aufzuführen:

11) Die Metaphysik des Aristoteles nach ihrem Inhalt. Von Dr. Schramm, königl. Studieulehrer. Bamberger Gymnasialprogramm. Bamberg 1877. 82 S. gr. 8.

12) Beiträge zur Kritik und Erklärung griechischer Schriftsteller. Von Th. Gomperz, corr. Mitgl. der kaiserl. Akad. der Wissensch. HI. In den phil.-hist. Sitzungsberichten der Wiener Akad. LXXXIII. 1876. S. 563 - 569.

Das eigentliche Absehen von Schramm ist auf eine historisch- kritische Betrachtung und eben damit auf eine mehr philosophische als philologische Arbeit, wie er selbst sagt, gerichtet. Dazu giebt er jedoch hier erst Anfänge; sein eigentlichstes Ziel sieht er vielmehr in der Unter- suchung, ob und in wie fern den aristotelischen Grundanschauungen ge- geniiber den Resultaten der moderneu Naturforschung noch eine Bedeu- tung einzuräumen ist, oder ob wirklich die jetzt herrschende monistische Atomentheorie zu einer allseitig befriedigenden Erklärung alles Werdens und Vergehens in der Natur ausreicht, und diese Untersuchung behält er einer späteren Gelegenheit vor. So liegt uns denn hier vornehmlich eine klare und wohlgeordnete Inhaltsübersicht über jene eben bezeichneten sieben, den eigentlichen Grundstock der Metaphysik bildenden Bücher und das zwölfte vor, die immerhin zu einer leichteren ürientirung beim

13) Ucber den Erfolg der bisherigen Bemühungen, die Nachricht bei Strabon und Plutarchos über die Geschicke der strenger wisseuschaftlicheu Bücher des Aristoteles auf ihr richtiges Mass zurückzuführen, kann ich dagegen nicht ganz so vortheilhaft urtheilen wie Zeller (S. 165). Nicht Nachweise ihrer Bekanntschaft zwischen Theophrastos und Andronikos, sondern zwischen Stratoü und Apellikou erfüllen wirklich vollständig diesen Zweck, daher kann uns z. B. Poseidonios dabei nicht allzu viel helfen. Ferner aber wird man zu solchem Zweck diese Untersuchungen auch wirklich auf die streng -wissen- schaftlichen Lehrschriften, d. h. auf die erhaltenen Werke und die ihnen ähnlichen verlorenen zu beschränken haben; dass neben den Dialogen und sonstigen populären Schriften auch Problem- und solche Sammelwerke wie die Didaskalien und Politien in jener Zwischenzeit wirklich im Gebrauch waren, steht mit jener Nachricht ja nicht im mindesten Widerspruch.

Metaphysik. Physik. Psychologie. 347

Studilira dieser Schrift gute Dienste thun kaun, wenn auch der Verfasser selber einräumt, viel Neues lasse sich zur Aufhellung und zum Verständ- niss der Gedanken des Aristoteles jetzt nicht mehr vorbringen. Auffällig ist es, dass er den Commentar von Bonitz nirgends erwähnt. Auf ein- zelne von ihm begangene Fehler einzugehen ist wohl nicht nöthig.

Gomperz giebt ein paar kritische Beiträge zur Rhetorik und zur Metaphysik. Die zu letzterer sind: I, 2. 982a, 13. [tujv rxc-ccuv], so aber ü-üher schon Baumann, s. d. Ber. f. 1874. III. S. 361, ferner I, 4. 985 a, 16. XiyouGtv (f. Ujeiv), II, 1. 995 b, 31. iLallov iazi, IV, 4. 1006 b, 6. \rs.Mri\. Endlich IV, 5. 1010a, 5 f. spricht er sich mit Recht für Zeller's Deutung aus, Epicharmos habe irgend eine Ansicht des Xeno- phanes für wahr, obgleich nicht wahrscheinlich erklärt, und reconstruirt versuchsweise den betreffenden Vers.

Der Verfasser der Abhandlung

13) On some misconceptions of Aristotle's doctrine on causation and TO ATTOMATON. Von D. D. Heath. Im Journ. ofPhilol. VII. 1877. S. 97- 115

widerlegt zwei allerdings kaum glaubliche Irrthümer, welche J. St. Mill in seiner Logik und deren zweiten mit ihm auch Grote (Aristotle I. S. 164. Plato III. S. 497) in der Auffassung von Met. I, 4. 984 b, 8 ff. und Physik II, 4 und eben damit der bewegenden Ursache und des au-ofjLa-ov und der rü^r^ bei Aristoteles begangen hat.

Die Behandlung vom astronomischen Systeme des Aristoteles bei

14) G. V. Schiaparelli, Le sfere omocentriche di Eudosso, dl Calippo e di Aristotele. R. Oss. di Brera, fasc. IX. S 1 63

war mir nicht zugänglich.

Von Trend elenburg's classischer Ausgabe der Psychologie ist eine neue Auflage erschienen:

15) Aristotelis de anima libri tres. Ad iuterpretum Graecorum auctoritatem et codicum fidem recognovit commentariis illustravit Pri- de r. Adolph. Trend elenburg. Editio altera emendata et aucta. Berolini sumptibus W. Weberi 1877. XXVIII und 500 S. gr. 8.

Der Bearbeiter, Christian Beiger, hat sich seiner Aufgabe im Wesentlichen mit grossem Geschick unterzogen und für die erhöhte Brauchbarkeit des Buches in löblicher Weise Sorge getragen. Für das Nähere kann hier auf die Recensionen von A. T(orstrik) Litt. Cen- tralbl. 1877. Sp. 1462 1463 und Fr. Susemihl Jen. Litt.-Zeit. 1877. S. 707f. verwiesen werden. Susemihl theilt bei dieser Gelegenheit meh- rere eigene Conjecturen mit, welche weiter unten (S. 351 f.) auch hier mit aufgeführt werden sollen.

Am zweckmässigsten wird hier folgendes Schriftchen sich anschliessen lassen :

348 Aristoteles.

16) Die Erkenntnisslehrc des Aristoteles und Kant's in Vergleichung ihrer Grundprincipien liistorisch-kritiscli dargestellt von Dr. Reinhold Biese, Gymnasiallehrer in Barmen. Berlin, Weber 1877. II, 74 S. gr. 8.

Zwei aufmunternde Anzeigen desselben erschienen in der Jenaer Lit.-Zeit. 1878. S. 532f. von J. Walter und im Litt. Centralbl. 1877. Sp. 1399. Ich beschränke mich in diesem Bericht auf den eigentlich philologischen Theil, die Darstellung der aristotelischen Erkenntnisslehre als solcher. Der Verfasser, auch ein ehemaliger Zuhörer von mir, legt in allen Stücken eine gute Sachkenntniss und auch ein tüchtiges, selbständiges Urtheil an den Tag. Am meisten zeigt sich letzteres in der schwierigen Frage nach dem Wesen des thätigen und des leidenden Verstandes. Seine Auseinandersetzung kommt hier in sehr wesentlichen Punkten mit der meinen (Philol. Anz. V. 1873. S. 685 ff. , vgl. auch den Ber. f. 1873. I. S. 584 f. 586 ft".), die ihm völlig unbekannt geblieben zu sein scheint, überein, so namentlich in seiner Auffassung der Worte Psych. III, 5. 430a, 23 ff., so ferner darin, dass auch er den Aristoteles nicht für einen reinen Empiristen hält, sondern im thätigen Verstände das apriorische Element von dessen Erkenntnisslehre und die aristotelische Erklärung für die Thatsache des Selbstbewusstseins findet, und seine Aus- führungen nach dieser Richtung hin können grossentheils füglich zur Ergänzung mid hie und da auch zur Berichtigung der meinen dienen. In anderen Stücken wiederum gehen wir freilich beträchtlich auseinander, so namentlich darin, dass er alle Psych. III, 4 getroffenen Bestimmungen (auch das Gleichniss von der unbeschriebenen Tafel) dem Ganzen des Verstandes oder der Vernunft zu erhalten sucht, während nach meiner Ueberzeugung in III, 5 der Leitfaden zu ihrer nachträglichen Vertheilung unter beide Intellecte gegeben ist, dass er sich die Einwirkung des thä- tigen auf- den leidenden als ein wirkliches und eigentliches Leiden des letzteren vorstellt und trotz seiner wohlberechtigten Polemik gegen Bren- tano sich doch von dessen Grundirrthum, als ob der voög naHr^rixog sich noch irgendwie von dem voüg duvd/xsi, welcher Alles »wird«, unterschiede, nicht losgemacht zu haben scheint, vielmehr eine solche Unterscheidung S. 41 gerade zur Widerlegung der übrigens ja auch von mir gemiss- billigleu Auffassungen des leidenden Verstandes bei Trendelenburg, F. Biese, Zeller, Brentano, Hertling und Kampe verwerthet.

Einen Theil des von diesem Verfasser kurz durchmusterten Gebietes finden wir in eingehender Untersuchung ausfülirlich , und zwar nicht er- kenntnisstheoretisch, sondern rein psychologisch und physiologisch, wenn auch natürlich nicht ohne Berücksichtigung der unmittelbar eingreifenden erkenntnisstheoretischen Momente, behandelt in einer anderen Schrift:

17) Des Aristoteles Lehre von den äusseren und inneren Sinnes- vermögen, als Inauguraldissertation zur Erlangung der Doctorwürde bei der pliilos. Fac. der königl. Akad. zu Münster dargestellt von

Psychologie. Parva Naturalia. 849

Clemens Bäumker, Leipzig, 1877. (Paderborn, Schöningh.) II und 91 S. gr. 8.

Dieselbe hat einen sachkundigen Recensenten an J. Neuhäuser in den philos. Monatsh. XIV. 1878. S. 429 434 gefunden , mit dessen Beurtheilung man in den meisten Punkten nur einverstanden sein kann. Jedenfalls darf man dem Verfasser Glück wünschen zu dieser Erst- lingsarbeit, in welcher er mit ruhiger und besonnener Prüfung unter wohlthuender Zurückdrcängung eigener geistreicher Hypothesen, auf Grund eines ernsten und eingehenden Studiums der aristotelischen Schriften uud der neueren Litteratur über seinen Gegenstand eine so anschauliche und übersichtliche Darstellung desselben gegeben hat, wie wir sie in dieser Vollständigkeit bis jetzt noch nicht besitzen, eine Darstellung, welche auch das an sich schon Bekannte theils in ein richtigeres Licht, theils wenigstens in einen deutlicheren Zusammenhang bringt. Sie muss daher als eine werthvolle Bereicherung der aristotelischen Litteratur bezeichnet werden. Doch fehlt es auch an neuen Ergebnissen nicht. Der Verfasser bezeichnet selbst S. I als solche die die stofflichen Elemente der ver- schiedenen Sinnesorgane betreffenden (S. 44 ff.), ferner die Unterschei- dung (S. 6 ff.) einer niederen Denkseele, welche Aristoteles gewöhnlich Stdvoca nenne, von dem höheren, theoretischen Denkvermögen (voy?), endlich die Berichtigung der gewöhnlichen Ansicht über das von Aristo- teles dem Geruchssinne beigelegte Object (S. 30ff. S. 47 f.). Allein der Recensent bemerkt mit gutem Grunde, dass von diesen Auffassungen und Auseinandersetzungen nur die erstgenannte völlig zutreffend ist, die zweite aber auf einem Missverständuiss der (S. 7. Anm. 2) angezogenen Stellen beruht, und dass drittens Bäumker zwar die Meinung, als habe Aristo- teles jemals selber das Object des Geruchssinns oder den Geruch im ob- jectiven Sinne für eine rauchartige Ausdünstung {xanvutdr^g dva^u/xcaacg de sens. 2. 438 b, 24) erklären wollen, widerlegt und demgemäss an der betreffenden Stelle (a. a. 0. Z. 17) die richtige Lesart hergestellt habe (s. u. S. 352), dass aber andrerseits seine eigene Auffassung (S. 32, vgl. S. 42) der wirklichen Ansicht des Aristoteles über diesen Gegenstand auf einer verkehrten Uebersetzung der Ausdrücke iy^ufLog und nXuv-txug rj pumi- x6g (a. a. 0. 5. 443 a, 1. 7) beruhe, von denen in der That der erstere nicht »geschmacksähnlich« und die beiden letzteren nicht »gewissermassen fortspülend« bedeuten können.

Bäumker bespricht zunächst in der Einleitung (S. 1—9) den Un- terschied der drei Seelentheile, dann im ersten Theil (S. 10 61) die peripherischen und im zweiten das centrale Vermögen der Wahrnehmung. Der erste zerfällt wieder in zwei Abschnitte, vom Wahrnehmen im All- gemeinen (S. 10 - 16) und von den fünf Sinnen im Besonderen nach ihren Objecten (S. 21—38), Medien (S. 38—44), Organen (S. 44—57) und dem Verhältniss der einzelnen Sinne zu einander (S. 58 f.) und zur sensitiven

350 Aristoteles.

Seele (S. 59 61). In Bezug auf letztgenannten Punkt bestreitet der Recensent mit Recht die Annahme des Verfassers, als lasse Aristoteles das Dasein der empfindenden Seele dem des Wahrnehmungsvermögens in ihr zeitlich vorangehen. Der zweite Theil behandelt zurerst den Cen- tralsiun als solchen (S. 62-78), dann (S. 78 - 82) dessen Verhältniss zu den äusseren Sinnen, wobei der Versuch von Schell (vgl. d. Ber. f. 1873. I. S. 583 ff.) die Annahme eines solchen besonderen Centralsiunes durch die Verlegung des eigentlichen Empfiudungsvorganges auch bei den äusse- ren Sinnen in das gemeinsame innere Empfindungsorgan aus der Lehre des Aristoteles zu entfernen richtig widerlegt wird (vgl. auch S. 55 f. Aum. 1) , und zuletzt das Organ dieses inneren Gemeinsinnes (S. 82 ff.). Bäumker folgt hier der gangbaren Ansicht, dass Aristoteles dasselbe im Herzen, zugleich dem Organe des Tastsinnes, und die Vermittelung mit den äusseren Sinnesorganen in den Adern finde. Neuhäuser kündigt eine eigene Darstellung an, in welcher er über diesen und über andere einschlagende Gegenstände ein richtigeres Licht zu verbreiten verspricht. Hoffentlich werden wir über dieselbe schon im nächsten Jahrgange zu berichten haben.

Bäumker's Schrift ist auch für die Textgestaltung der Psycholo- gie nicht ohne Werth, indem er mehrfach die Abweichungen Tors trik's von seinen Vorgängern in dieser Beziehung einer Prüfung unterwirft i*). In einem besonderen Aufsatz:

18) Zu Aristoteles. Von Clemens Bäumker. In der Zeitschr. f. d. österr. Gymn. XXVIII. 1877. S. 605 610.

und einem kurzen Nachtrage zu demselben:

19) Zu Aristoteles. Von Dr. Clemens Bäumker. Ebend. XXIX. 1878. S. 96.

bespricht er ausführlicher zwei Stellen der Schrift de sens., an welchen er schon in der Dissertation die Nothwendigkeit der von Bekker ver- schmähten Lesart dargethan hat. Die eine ist die schon erwähnte 2. 438'', 24, die andere (s. d. Diss. S. 33. Anm. 4) 4. 441% 6 (von Alexander auf Demokritos bezogen). Es wird aber zweckmässig sein dies und anderes mit in den Bericht über die

20) Emendatioues Aristoteleae. Von Oberlehrer Dr. Michael Hay- duck. Beilage zum Meldorfer Gymnasialprogramm. Meldorf 1877. 4. S. 10 - 19.

einzuverleiben. Denn diese mir gewidmete Abhandlung enthält Verbesse- rungsvorschläge namentlich zur Psychologie und zu den sogenannten Parva Naturalia. Und auch die schon unter No. 15 erwähnten Con-

14) 425 a, 15. 16. 21—24. 427 a, 6. 10. 431a, 24 {ßyj öiiuyevy/ auch /') S 65 Anm 4 64. A. 3. 63. A. 3. 69. A. 4. 70. A. 6. 73 A. 4.

Psychologie. Parva Naturalia. 351

jecturen vou Suse mihi zu eisterer Schrift mögen, wie eben dort (S. 347) bemerkt wurde, schicklicherweise in dieser Uebersicht mit ihren Platz finden.

Psych. I, 2. 404a, 27. Suseraihl ohzoi ^xaiyt (Steinhart 3k xal für 8' Ol). 405 b, 10. Susemihl (nach früherer mündlicher Mittheilung von Hayduck) o^? 3. 406a, 10. Susemihl o^? - 12. Susemihl xal ^oux ec}^ oder xal (oux et xa^ erspovyi 407a, 11. Susemihl iöv\ ü-ojouv liopiii) (so E) Twv auToü; jxopcw. 15. Susemihl i9' (für o')? 19 22 ist Susemihl geneigt für eine andere Fassung von 3 6 zu halten. 407 b, 1. Susemihl ly ouma {xal, oder {exaraacg ex) rrjg ohaiaq für /ijy oualai {f^ ouaia'l Torstrik). - 4. 408b, 7. Susemihl o;y? (Bonitz vielmehr h^ Z. 11) und dann 9. toötcov 11. lojoq Parenthese. 409a, 24. Susemihl be (für jap). ~ 5. 409 a, 31. Susemihl brj. 5. 410 a, 11 f. Susemihl [bpotiug prj äyaUov]'^ 410b, 20. Susemihl povrjv <J/xov3y)? 411b, 3. Susemihl 5s? II, 1. 412b, 26. Susemihl yap (für 5s)? 413a, 8 f. Susemihl [evc ■nhiou]'^^ 2. 413b, 13. Suseraihl Bpenzcxw, ^dpexnxS))! 3. 414b, 25. Susemihl xoivbv {ii6vov)l 4. 416a, 3. Susemihl [xal rai na^^rc]'^ 416b, 11. Susemihl ifi^'o^ov ^fj ep(pu^ov)' oder [xal]'} - 28. Susemihl yäp (für 5s)? 6. 4l7b, 9 11. Hayduck nimmt an diesen Worten Anstoss, ohne dass er jedoch zu helfen weiss. 13. Hayduck ouoe -(touto]-, wie schon Themistios gefühlt zu haben scheine, und 14. {waizep etpr^rat] nach S U X. 6. 418 b, 8 f. Susemihl \xa.l aibpaztX'i 8. 419b, 11. Susemihl ylveaBac aus X. 420a, 4. Susemihl dept^ 8td TS? - 7 9. Susemihl meint, vielleicht sei auru (po^og mit Umwandlung von dij in yäp vor 419 b, 25. ^;(aj umzustellen. 31. Suse- mihl 5s und [ou 33. ßpador^ra]'? 11. 423a, 13. Susemihl pera^u ov (für ep<puxov)^ III, 1. 425a, 15—19. Susemihl oupßeßrjxüg {ohv auve^oog) * * xal rocg tScotg? 18. Bäumker (S. 64. Anm. 3) bemerkt, dass schon / ^^) die Conjectur Torstrik's peyeßoug im Text gehabt zu haben scheint. 425 b, 2 f. Susemihl h äpcpco (für äii<puj ev)l 2. 426a, 28. Susemihl {xal\ to? -- 427a, 6. Susemihl rh aurb xal ddcacperov xal rohva\>rLöv'<i - 3. 427 a, 19. Susemihl jap (für 8e\, wenn anders wirklich nach Argyropylos und dem Rand von Bas. 3 mit Torstrik der Ausfall etwa von axenreov et n otacpipec zu voeTv zou ala^dveaHac hinter alaMveaf^ai. anzunehmen ist, und dann auch so 21 f. (sv - ovzwv) mit Bonitz i^). 427b, 15. Susemihl oh (für ze)! 6. 430b, 18. Susemihl [oy], wenn anders Torstrik im Uebrigen diese Stelle richtig behandelt. 7. 431a, 7. Susemihl zezeXeopivoo * * . 15 f. Susemihl ozav 5icyxsj hinter 17.

15) Mit r bezeichne ich wie in meiner Ausgabe der Politik der Kürze halber die vetusta translatio. Es wäre zu wünschen, dass man sich allgemein dies Zeichen aneignen möchte.

16) Hiernach ist die verkehrte Angabe in der Jen. Litt.-Zeit. a. a. 0. zu berichtigen.

352 Aristoteles.

^y;jfjy? 26 f. Bäumker (S. 74. Anm. 3) [ojg dU7]Xa]^ während Torstrik diese Worte vielmehr Z. 23 f. beseitigt. - 431b, 15. Susemihl [av]? 8. 431b, 24. Susemihl cog (für elg). 10. 433b, 15. Susemihl san orj.~ 12. 435 a, 4. Susemihl noppcu, 6. 13. 435 b, 21 f. Susemihl £7r£; upa hinter 22. otafavtll

De sensu 2. 438 b, IG 25. Die sachlichen Anstösse dieser Stelle hat Hayduck nur theihveise, Bäumker vollständig erkannt, jener daher auch durcli Tilgung der Worte ^ o daixrj nunüg Z. 24 f. nur theilweise, dieser durch Aufnahme von ojg si 8sl aus /"PLSÜ Alex. Z. 17 und Setzung eines Kommas mit Thurot (vgl. d. Ber. f. 1876. V. S. 270) vor roTj fikv Z. 19 so vollständig beseitigt, dass in so weit auch die von Hayduck beanstan- deten Worte gerechtfertigt sind ; doch findet Hayduck überdies, dass sie den Zusammenhang stören und derselbe ausserdem Z. 21 o' (für yap) ver- lange. — 4. 441a, 6. Bäumker elvac aus EMY {iv£7vai /'LPSÜ Bekker). 5. 442b, 29. nachzutragen: Thurot vielleicht $rjpov (für bypov). 443 a, 24. Bäumker oto.yvouTEv. 444 a, 18. Hayduck eucuooug {rjdovrjY'i ferner 19 21. [xat (pöaeojg], ähnlich schon Thurot (s. d. Ber. f. 1876 a. a. 0.), und 25 28. [xaTaxiy^prj-ai xtvifjatv]. 445a, 20 ff. Hayduck in §' <!^£c} ipifpeiv {avjp.arwozg auarrjauptvov)^ i~i Von hier ab haben wir es nur noch mit Hayduck zu thun: De mem. 2. 452 a, 10. ra» ivs7vac und aus LSU Süvapiv. De div. p. s. 1. 462b, 28. [rj Iv p.ovov]. De resp. 12. 477a, 1. {xa) rhay- xrxtov drj d(ptsvac op.niujg,} oTrcü? oder ähnlich. 14.477b, 25 f. [xa: st (pu^poj] oder auch [xac <l'tj^poü\ , dann 28. e)Ss.Tv (für sa-lv) und 30. rjk- ^£V <o.vy. 16. 478b, 17 f. &spp6v {Beppaivzt exdrepov), ßeppbv 5' ov [zo aJpa] mit Aufnahme der Ergänzung Z. 16 auTU) {, 8' ivuSpa iv dliyip y5«-;)>i8). _ 21. 480a, 29. 8k aus L (für yäp). - 480b, 15. po- pt'üjv vielleicht verderbt. 18. 8iy^e-at {xat äftr^at . - De anim. ine. 6. 707 a, 15. ausser Bussemaker's Herstellung von raüzrjv <8')- aus der Aid. und zwei Handschriften ferner noch i^atv {iv']- ixdaza) ^8öT opoicog } ^ Tiapankrjacajg. 8. 708 a, 26. 8uvazuv. 9. 709 a, 20. entweder pe- za$ü (für unozEtvuoaav) oder auch eine etwa so auszufüllende Lücke : (jis- za^ü- eazat ydp rj} unozstvooaa. Mechan. 24. 855b, 27. [r<Tjjv]. 856a, 10. B (für "), 11. zaüzjj (für zu auzo), 14. oTiozapcücFouv, 15. -{ikxz- zova xtvrj&Yjazzat' iäv ok xt^r^zat bnh zou psc^ovog)> za> auza> [^sj? 34. 958b, 2. xLvouvza'i (doch genügt Hayduck selbst dies nicht) und xa^' {abzu oi)8)kv. Physiogu. 1. 805a. 17 f. [eitj äXr]d^7j\ iaztv ^ ei'rj. 22. Scdvocav t8tav int zip tocoOzüj awpazt (für 8tdvotav S 8' im zoüzotg

1'') Bäumker Diss. S. 48. Anm. bemerkt, dass Thier P sehr nahe stehe, vielleicht aus einer ähnlichen Quelle geflossen sei.

18) Hayduck meint nämlich, dass diese schon von anderer Seite vor- geschlagen sei, weiss aber nicht, von wem ; ich vermag es mit den mir zu Ge- bote stehenden Mitteln auch nicht zu constatiren.

Psychol. P. Nat. Zool. Mpch Physiogn. Ethik. 353

awixd rO? dann -raJ— zh (für rhv zw) und 23. [ocouazc] und exovzi. 805 b, 15. h (für /zsv). 21. otaaa(frj(7Zca. 29. aTra'vrcuv (für dv^po)- TMv). 806 a, 9. [iirf\ oder auch etwa /zivoi^. 10. /j.ov:/iou. 2. 806 b, 29 f. zü) Tiä^ec- uzav yäp rMa/jj ^zig o/j-oiöv) z: yivBzar dlov und 31. op- y'iloo. 807a, 7. ^jy. 10. UWtv) 'ibtov. 14. {Utv)- ^ozh'i 23. [ev rai]. 4. 809a, 19f. auX'koyiap.o) [c5].

Für die Ethik kommt, da die englische Uebersetzung :

21) Aristoteles. The Nicomachean Ethics. A new Translation, mainty from the Text of Bekker, with an Introduction , a Marginal Analysis and Explanatory Notes. Designed for the üse of Students in the University. By D. P. Chase. 4. ed. revised. Oxford 1877.

mir nur dem Titel nach bekannt ist, lediglich in Betracht:

22) In welchem Verhältniss stehen das V., VI. und VII. Buch der Nicomachischen Ethik zu den vorhergehenden und die erste Behand- lung der fi^ovri und löriTi zur zweiten? Von Dr. Leonhard Diede- richsen. Vor dem Flensburger Gyranasialprogramm. Flensburg 1877. 4. S. 1 24.

Diese Abhandlung leistet nicht was der Titel verspricht, sondern der Verfasser bezeichnet sie am Schlüsse selber nur als »vorbereitenden Theil« seiner Arbeit, indem sie nämlich vielmehr allerlei Bemerkungen über die vier ersten Bücher enthält. Unter denselben findet sich hie und da einzelnes Brauchbare, das Ganze macht aber doch entschieden den Eindruck, dass der Verfasser sich an eine über seine Kräfte reichende Aufgabe gewagt hat. Die glückliche Zuversicht, als könnten da unmög- lich Schwierigkeiten sein, wo er keine zu entdecken vermag, theilt er freilich leider mit bedeutenderen Leuten. Die Meinung, dass die nik. Ethik nur ein Entwurf sei (was so schlechthin gewiss nicht richtig ist), genügt für ihn, um alle möglichen Schäden zuzudecken. So soll es dem Aristoteles, nachdem er III, 8. 1114b, 26 30 über das ganze zweite Buch und den ganzen bisherigen Theil des dritten recapitulirt hat, hin- terher noch eingefallen sein eine nachträgliche Bemerkung 1114b, 30 bis 1115 a, 3 hinzuzusetzen, die zum 7. Capitel gehört, und man soll sich mithin ja nicht unterstehen sie dem Schluss des letzteren wirklich anzu- fügen! Man hat wohl an diesem einen Beispiel »conservativer« Kritik des Verfassers genug. Zuzugeben ist ihm allerdings, dass an einzelnen Stellen (wie 1105b, 25. 1106b, 26. 1114a, 18. 1127a, 13) die von Ras- sow beanstandete handschriftliche Lesart doch vielleicht erträglich ist; unverdächtig indessen ist sie auch hier gewiss nicht. ^^).

19) Zuweilen schiebt er auch Rassow Behauptungen unter, die dieser gar nicht aufgestellt hat, z. B. in Bezug auf 1109b. 19 und die Bedeutung von ßioq ri/ieiog. 1, 6. 1098a, 4 ff. lässt sich vielleicht darüber streiten, ob der von Rassow empfohlene Einschub unbedingt nöthig ist, aber nicht darüber,

Jahresbericht für Alterthums-Wissenschaft 1877. I. 23

354 Aristoteles.

Die Politik ist Gegenstand folgender Arbeiten:

23) Aristotelis Politica. Books I. III. IV (VII). The text of Bekker, with an English Translation by W. E. B oll and, together with short Introductory Essays by A. Lang. London, Longtnans. 1877.,

mir bisher nur dem Titel und der verständigen Bemerkung (S. 15) nach bekannt, welche Grant S. 119 (100) aus diesen Essays mittheilt, dass sich in der Politik des Aristoteles drei Elemente unterscheiden lassen, acht wissenschaftliche Untersuchung, aristokratische Vorurtheile. metaphy- sische Träume.

24) Die Staatslehre des Piaton und des Aristoteles. Vom Gymna- siallehrer Dr. Stamm. Vor dem Programm des Gymnasiums zu Rössel. Königsberg i. Pr. 1877. 4. S. 1 28.

25) Die Erziehungslehre des Aristoteles. Von Wilhelm Biehl, Gymnasialdirector. Vor dem Programm des Innsbrucker Gymnasiums. Innsbruck, 1877. gr. 8. S. 1 27.

26) Die Grundzüge der aristotelischen Erziehungstheorie. Leipziger Inauguraldissertation von Alexius Zamarias aus Epirus. Leipzig 1877. 49 S. gr. 8.

27) Die politischen Ansichten des Polybius im Zusammenhange mit Plato und Aristoteles. Von Professor Josef Chodnicek. Vor dem Programm des Gymnasiums auf der Landstrasse in Wien. Wien 1877. gr. 8. S. 1 - 59.

28) Aristot. Pol. I, 3. Anthol. IX. 482. Von Henry Jackson. Im Journal of Philology VII. 1877. S. 236 - 244.

29) Notes on the Text and Matter of the Politics of Aristotle. By J. P. Postgate, B. A., Scholar of Ti'inity College. Cambridge (London), Deighton, Bell and Co. 1877. IV und 32 S. gr. 8.

dass die Worte toötou (havooußsvov ein sinnwidriges Einschiebsel sind und mithin auch das folgende xal] denn nur das £^ov xal dcavoou/ie^ov ist Aöj'uv 1/01/ , nicht aber das blosse int-^Tistßkg käyco. III, 5. 1112 b, 9 soll i.v olq ddio- piaxov heissen »in denen etwas Unbestimmtes ist«, und dies soll durch Beispiele bewiesen werden, in denen das neutrale Adjectiv Prädicat eines masculinen oder femininen Subjects ist! Und von ähnlichen Dingen ist die Abhandlung voll. III, 11. 1116 b, 18 wird ra Tzohnxä »der Staat« übersetzt statt »die Bürgertruppen«. Gut ist die Bemerkung, dass der Ind. Aristot. für xoußiörrjq ausser II, 8. 1109 a, 16 nur noch ein Beispiel aus einer unächten Schrift auf- weist. Nun fehlt aber ßäklov Z. 15, was Bekker entging, in allen Hand- schriften und der Aldina und ist erst von Turnebus zugesetzt. Unter diesen Umständen ist es mindestens fraglich, ob es nicht in der That wegzulassen, folglich aber auch nach Spengel's Vorschlag rj npöq xoaiiiürrjTa zu streichen ist, womit alle Anstösse gehoben wären.

Politik. 355

Die Abhandlungen von Stamm und Zamarias sind ohne Belang. Die von Biehl enthält den sehr wesentlichen neuen Gesichtspunkt (we- nigstens erinnere ich mich nicht ihn schon anderswo gefunden zu haben), dass Aristoteles die eigentlich -intellectuelle, wissenschaftliche Bildung nicht vor dem 21. Jahre beginnen lassen will (S. 25 f.). Wenn Biehl fürchtet damit auf herben Widerspruch zu stossen, so ist diese Furcht wenigstens mir gegenüber unbegründet: ich bin unabhängig von ihm zu der gleichen Ueberzeugung gekommen und habe ihr bereits in meiner neuen, seit einem Jahre unter der Presse befindlichen Bearbeitung der aristotelischen Politik Ausdruck gegeben : die unzweideutige Darstellung des Aristoteles lässt ja in Wahrheit gar keine andere Auffassung zu. Ja, man muss meines Erachtens auf Grund dieser Darstellung einen Schritt weiter gehen, um nicht den Philosophen unnöthigerweise in Wider- spruch mit sich selbst zu setzen, man muss annehmen, dass er gleich Piaton noch einen höheren, wissenschaftlichen Cursus öffentlicher Erzie- hung folgen lassen wollte und nicht, wie Biehl aus unzureichenden Grün- den (S. 24. 26) annimmt, diesen Gipfel der Bildung (denn als solchen betrachtet und bezeichnet Aristoteles ihn ja weit über das richtige Mass hinaus) im Abfall von seineu Grundsätzen als blosse Privatsache ansah. Gesteht doch Biehl selbst (S. 24) zu, dass die Darstellung seines Ideal- staats unvollendet geblieben ist. Auffällig ist es, dass Aristoteles die Zeit nicht angiebt, in welcher Lesen, Schreiben und Rechnen gelernt werden soll, offenbar auch ein Zeichen dafür, wie sehr selbst dem wirk- lich ausgeführten Stücke noch die letzte Hand fehlt. Denn diese erste Grundlage des wissenschaftlichen Unterrichts gehörte doch wohl auch nach des Aristoteles' Ansicht schon in die Erziehung vor dem 21. Jahre, und Biehl's Vermuthung (S. 25), dass er sie bereits unmittelbar nach dem siebenten angeordnet haben würde, wenn er sich hierüber geäussert hätte, spricht auch mich am meisten an.

Dass die politische Theorie des Polybios sich stark auf die Pla- ton's, den er ja auch ausdrücklich nennt, gründet, ist zweifellos. Aber der Versuch von Chodnicek darzuthun, dass er auch die aristotelische Politik gekannt habe und erheWich von ihr beeinflusst sei, scheint mir völlig misslungen. Hat überhaupt ein Eiufluss dieser Art stattgefimden, so dürfte es wenigstens nur ein durch die politischen Schriften von Schülern des Ai'istoteles, wie etwa Theophrastos oder Dikäarchos, ver- mittelter gewesen sein. Der Verfasser hat sich auch von Unklarheiten und Missverständnissen in seiner Auffassung von Aristoteles' staatstheo- retischera System nicht frei gehalten. So lässt er unbemerkt, dass der- selbe das Königthum im Uebrigen lediglich als die für die politisch Un- mündigen passende Regierungsform betrachtet, im entwickelten Staate aber demselben einzig in Form des möglicher- oder vielmehr nahezu unmöglicherweise aus der reinen Aristokratie oder besten Verfassung hervorgehenden Idealkönigthuras , welches dann freilich die allerbeste

23*

356 Aristoteles.

Verfassung sein würde, einen Platz einräumt. Daher rechnet er denn auch Erbliclikeit und Gesetzlichkeit keineswegs so sehr, als man nach der Darstellung des Verfassers (S. 20. 22, richtiger S. 17) annehmen niüsste, zu den wesentlichen Merkmalen des Königthums, denn gerade bei dieser höchsten Form desselben fehlt letztere, und die erstere tritt nur unter der neuen Bedingung ein, dass der Sohn des Königs ein ebenso eminenter Mann sein sollte. Daher hat er ferner nicht gesagt und konnte nicht sagen, was der Verfasser (S. 22, vgl. S. 18) mit unbegreitiicher Flüchtigkeit aus den etwas ganz Anderes ausdrückenden Worten III, 15. 1286b, 13 herausgelesen hat, dass der üebergang vom Königthum zu den anderen Verfassungsformen im Staatslebeu einen Wendei^unkt vom Guten zum Schlechten bedeute 2»^). Wenn übrigens aber dort Z. 15 die Lesart noXirstav unverstümmelt ist, so steht das Wort hier, was dem Verfasser (S. 27) entgangen zu sein scheint, wie öfter, in der Bedeutung »Republik«. Ferner tritt es (S. 27) mindestens nicht scharf genug her- vor, dass nur die beste Verfassung nach Aristoteles reine Aristokratie, alle übrigen Aristokratien aber mit anderen Elementen gemischt sind. Auch die Politie aber ist bei ihm wenigstens kein so schwankender Be- griff und nicht so wenig von der gemässigten Demokratie verschieden, als der Verfasser es darstellt. Davon, dass Aristoteles dem Piaton auch im Politikos die Scheidung der Volksherrschaft in Politie und Demokratie abspreche und vielmehr als seine eigene Erfindung bezeichne (S. 30), steht VI (IV), 5, 7 Schneid, und auch ebendas., wie es wohl vielmehr heissen soll, § 9 (1292a, 39— 1293b, 1) in Wahrheit nichts, und es ist nur eine fixe Idee des Verfassers, dass Polybios diesen Dialog nicht be- nutzt und nicht aus ihm vollständig seine eigenen sechs Verfassungsformen gezogen haben könnte. In Bezug auf die Vergleichuug des Polybios mit Piaton soll im Uebrigen Chodniceks Schrift ihr Werth hiermit nicht abgesprochen sein, aber sie ist nach dieser Richtung nicht Gegenstand meines Berichts.

Jackson zeigt, dass der aC"? h 2. 1253a, 7, weit entfernt davon, ein Räuberstein zu sein, wie noch Bernajss übersetzt, vielmehr, wie schon Göttling aus dem Epigramm des Agathias (Anthol. IX, 482) nachgewiesen hat, ein isolirter und dadurch lahm gelegter Stein im Brett- spiel ist, dass ferner Oncken's Excurs über diese Stelle auf einem Missverständniss von Göttling 's Auseinandersetzung beruht, und dass der Widersinn in der gewöhnlichen Construction dieser Stelle allein von Speugel erkannt, aber nicht gehoben, vielmehr durch Setzung von woTiep im&ufxrjTTTjg (Z. 4 6) in Parenthesen zu beseitigen ist. Sodann beschäftigt er sich mit Erläuterung der in jenem Epigramm berücksich- tigten Form des Brettspiels.

20) Was der Verfasser S. 44. Anm. * von »überzähligen« Verfassungen redet, welche II, 12 genannt sein sollen, ist mir vollkommen unverständlich.

Politik. Rhetorik. 357

Sehr verdienstlich ist Postgate's Besprechung verschiedener schwieriger Stellen und Sammlung verschiedener eigenthümlicher Sprach- härten des Aristoteles in diesem Werk. Der Verfasser ist sehr conser- vativ in der Textkritik und vielfach mit Recht, zum Theil aber auch über das mir glaubliche Mass hinaus, da doch Aristoteles mindestens griechisch geschrieben hat, zum Theil endlich hat er es hier und da wohl zweifelhaft gemacht, ob nicht das Ueberlieferte doch noch erträg- lich ist, aber keineswegs allen Verdacht entfernt. Auch mit seinen Er- klärungen bin ich, wie es zu gehen pflegt, theils einverstanden und theils nicht. Gewundert habe ich mich, dass er glaubt, dandvrj (Bekker ixsto.- ßamg) 1307 b, 36 thue wirklich dem Sinne Genüge, während doch der Zusammenhang entweder napaßaaig oder diKpurepa als logisches Subject verlangt. Eigene Conjecturen von ihm sind folgende: IV (.VII), 8. 1328a, 25. ziXog (für yivog)! 30. nai)-s7v (für XaßETvY^. V (VIII) 3. 1338b, 1. iiäXXov Tj (für rj fiäX^ov). VI (IV), 8. 1293b, 27. au xal l^für abrac), schwerlich richtig. VIII (V), 1. 1301b, 6—26. [dcö iv raü-fj zfj noXiT£ci^\.

Von der Rhetorik ist eine neue Ausgabe:

30) The Rhetoric of Aristotle with a Commentary by the late Edward Meredith Cope, M. A., formerly senior fellow and tutor of Trinity College; revised and edited for the syndics of the univer- sity press by John Edwin Sandys, M. A., fellow and tutor of St. John's College and public orator in the University of Cambridge. London, Cambridge Wai'ehouse. Cambridge, Deighton, Bell and Co. 1877. 3 Bde. XX, 303. 340. 270 S. gr. 8.

mit sehr ausführlichem Commentar erschienen. Derselbe enthält viel Schätzbares. Man muss aber zum Zweck einer gerechten Würdigung berücksichtigen, dass wir ein opus postumum vor uns haben, und dass laut der Vorrede von Sandys (I. S. VII XI) der 1873 verstorbene Cope es im Wesentlichen bereits 1867 1869 ausgearbeitet hat und dabei, um sich möglichat selbständig zu erhalten, Spengel's 1867 erschienene Ausgabe nur gelegentlich zu Rathe gezogen zu haben scheint, die vier letzten Jahre seines Lebens aber sich nicht mit der Ausfeilung seines Manuscripts beschäftigte. In Folge davon hat im dritten Buche, wo es am wenigsten druckfertig war, Sandys nicht umhin gekonnt seiner- seits diese Sorge zu übernehmen und für die drei letzten Capitel dieses Buches, für welche überhaupt kein Manuscript mehr vorhanden war, den Commentar selbst hinzuzufügen. Als Einleitung zu dieser Ausgabe ist die 1867 erschienene Introduction von Cope anzusehen und daher, wie Sandys bemerkt, eine solche dieser Ausgabe selber nicht beigegeben. Die Textkritik bezeichnet Sandys selbst als Cope 's schwache Seite und windet denn damit freilich auch nach dieser Richtung hin, nach welcher die Mängel allerdings augenfällig genug hervortreten, dem Beurtheiler

358 Aristoteles.

die Waffen aus den Händen, und ein Gleiches gilt ja von dem Vorwurf einer gewissen Weitschweifigkeit und Ueberfülle, der dem Commentar ohne Zweifel nicht erspart werden kann und gleichfalls von Sandys offen zugestanden wird. Auf die Vorrede des letzteren folgt ein Abriss von Cope's Leben aus der Feder von Munro. Dem ersten Bande sind drei Anhänge, dem zweiten einer beigegeben, von denen Cope die beiden ersten bereits früher selbst als besondere Artikel im Journal of Philo- logy I 1868 veröffentlicht hat, und dem dritten Bande handschriftliche, bisher ungedruckte Adversaria des 1863 verstorbeneu Shilleto; zwei Indices von Sandys bilden den Schluss des Ganzen. Der Herausgeber verdient für seine mühevolle Arbeit misereu lebhaften Dank.

Es sind hier jetzt noch die Conjecturen von Gomperz aus dem oben No. 12 aufgeführten Aufsatz zu verzeichnen: H, 25. 1403a, 8. idv TS ^l^rj} [xat TrXsovdxcg]. HL, 7. 1408b, 7 f. [ixaarov o iarcv].

Und so erübrigen nur noch die Schriften und Abhandlungen zm* Poetik, bei denen es gestattet sein möge zwei erst 1878 erschienene hier bereits vorwegzunehmen:

31) Die tragische Katharsis. Von P. Manns. In den Jahrb. f. Philol. CXVI. 1877. S. 146—158. 182 186. 253-262.

32) Die tragische Katharsis. Vom Gymnasiallehrer P. Manns. Vor dem Emmericher Gymnasial-Programm. Emmerich 1877. 4. S. 1 bis 21.21)

. 33) Der endlich entdeckte Schlüssel zum Verständniss der aristo- telischen Lehre von der tragischen Katharsis. Von Anton Bullin- ger, königl. Studienlehrer in Dillingen. München, Ackermann, 1878. 20 S. gr. 8.

34) Aristoteles, Lessing mid Göthe. Ueber das ethische und das ästhetische Princip der Tragödie. Von Dr. Hermann Baumgart. Leipzig, B. G. Teubner. 1877. 83 S. gr. 8.

35) Aristophanes und Aristoteles als Kritiker des Euripides. Vom Oberlehrer Dr. C. Schwabe. Vor dem Programm der Crefelder Real- schule. Crefeld 1877. 4. S. 3—40.

36) De Eiu-ipide poetarum maxime tragico. Dissertatio inaugu- ralis philologica Haleusis, quam scripsit AemiliusNeidhardt, Halis Saxonum MDCCCLXXVm. 39 S. gr. 8.

37) Varia. Von J. Vahleu. Im Hermes XII. 1877. S. 190.

Manns glaubt, dass in den vielumstrittenen Worten 6. 1449 b, 27 f. 8c' eXeo'j xal ^6ßoo Ttepalvooaa rrjv rwv zotoü-cuv na&r^ßdrajv xd&ap&iv

21) No. 32 ist später geschrieben als und keineswegs eine blosse Wieder- holung von No. 31.

Rhetorik. Poetik. 359

das TÄv rocoÜTojv Tra&yjfidTojv uicht als Genetiv des Objects noch der Trennung, sondern mit Weil des Subjects aufzufassen sei: »die von sol- chen Affecten ausgehende, bewirkte, ihnen eigenthümliche Keinigung«. Wir erhalten dafür von ihm kein anderes Beispiel (vermuthlich aus dem sehr einfachen Grunde, weil es kein solches giebt), sondern die einfache Versicherung, dass dies grammatisch recht wohl möglich sei, die genau ebensoviel werth ist, als wollte Jemand mis zureden, im Deutschen könne die Reinigung Christoph's ebenso füglich als die an ihm vielmehr die von ihm an Anderen vollzogene bedeuten. Von diesem gemeinsamen Ausgangspunkt aus entfernt er sich sodann aber gleich weit von Weil wie von allen übrigen bisherigen Auslegern, indem nach ihm das durch diese Reinigung Hinweggeschaffte Selbstsucht und Uebermuth sein sollen, so dass die Wirkung also aus einer homöopathischen zu einer allöopa- thischen wird. Nun steht freilich noch Pol. V (VIII), 7. 1342 a, 7 ff. im Wege, wo als Ausgangspunkt dieser ganzen aristotelischen Theorie die heilende und besänftigende Einwirkung gewisser ekstatischer {i$opycd- ZovTa, vgl. ev&ouacaarixd 1341b, 34) Melodien auf Leute, die an krank- hafter Ekstase (ivl^ouacaajiug) , nämlich dem sogenannten Korybanten- taumel, leiden, bezeichnet wird. Aber Manns kommt auch über diese Schvvierigkeit federleicht hinweg, indem er mich belehrt, dass diese bak- chischen Melodien nicht, wie man gewöhnlich annehme ^2), ausgelassen heitere, sondern gerade traurige, wehmüthige, voll leidenschaftlichen Schmerzes, gewesen sein dürften 23). Er muss also wohl glauben, dass jene Patienten, die sogenannten Korybantiasten , vor Allem an Lach- krämpfen litten oder in sonstiger Weise innerlich und äusserlich zu ju- biliren pflegten, wogegen denn doch wohl, so wenig wir auch über die Natur ihrer Krankheit unterrichtet sind, einige bescheidene Zweifel er- laubt sein werden.

Bullinger indessen findet, dass diese Belehrung »sehr schön« und »in der gelungensten Weise« von Statten gegangen sei, aber den Geue- tivus subiecti kann doch auch er nicht verdauen, sondern zieht es vor mit siegreichem Selbstgefühl ein anderes exegetisches Monstrum au die Stelle zu setzen: riov tocoutujv Ttai^rj/idrojv soll gar nicht auf 8c' eXeoo xal (pößou, sondern auf die ganze bisherige, diesen Worten voraufgehende Definition der Tragödie sich beziehen und folglich alle derartigen Affecte bezeichnen, wie sie die Tragödie an ihren Personen zur Darstellung

22) Davon ist mir nichts bekamit. Die Ekstase äussert sich bekanntüch sowohl in Trauer- als auch in Freudenausbriichen, ich denke also, auch jene alten ekstatischen Melodien werden abwechselnd beiderlei Stimmungen Ausdruck gegeben haben.

23) Die Anstösse, die er mit Recht an xa\ xa&dpatioq, Z. 11 nimmt, sind nicht neu und lassen sich in Wahrheit auf dem Wege blosser Erklärung nicht beseitigen, während r^g statt xal Alles in Ordnung bringt.

360 Aristoteles.

bringt. Auf welche Weise nun aber Leser und Zuschauer gerade von diesen und gerade durch Furcht und Mitleid gereinigt werden sollen, darüber hält der Verfasser es nicht für nöthig ein Wort zu verlieren. Um so geeigneter aber sind Abhandlungen wie die seine und die von Manns uns Furcht und Mitleid zu bereiten, Mitleid nämlich mit solcher- lei Interpretationskunststücken und »Furcht vor mehr dergleichen« 2*),

Sehr lesenswerth und gehaltvoll ist dagegen das Büchlein von Baum- gart, wenn schon auch in ihm einige, und nicht bios unerhebliche Dinge zum Widerspruch reizen. Der Verfasser macht (S. 4) die treffende Be- merkung, dass in verschiedenen Disciplinen bei Aristoteles dieselben Begriffsbezeichnungen eine verschiedenartige Begrenzung und Färbung annehmen, und weist mit Recht auf die Verkehrtheiten hin, welche noth- wendig entstehen, sobald mau »mit den Sätzen der Rhetorik unterschieds- los und unvorsichtig in die anderen Disciplinen hineinoperirt« (S. 36); nur aber wäre zu wünschen gewesen, dass er sich nicht selber (S. 15 f.) eines gleichen Fehlers schuldig gemacht hätte, indem er vom Standpunkte der Rhetorik (II, 5. 8. 1382b, 26f. 1386a, 33f.) aus richtig bemerkt, dass was wir Furcht für Andere nennen, von Aristoteles mit unter Mitleid begriffen ist^^), darüber aber zu sagen vergisst, wie sich dies mit Poet. 13. 1453 a, 4ff'. bei wirklich gewissenhafter Auslegung verträgt. Demzu- folge werden dann nach kurzer Einleitung (S. 1 3) zuerst die Begriffe von Furcht und Mitleid in der Ethik (S. 4 15), dann in der Rhetorik (S. 15 34) und erst zuletzt in der Poetik (S. 50 61) behandelt; ein- geschoben ist (S. 34—50, vgl. S. 16 ff'.) eine in der That niederschmetternde Kritik der Abhandlung über beide Affecte von Döring Philologus XXI. S. 506 ff'. XXVII. S. 702 ff'. Kuustlehre des Arist. S. 306 ff", (vgl. d. Ber. f. 1876. V. S. 293. Anm. 15)26). jj^ ersten dieser Abschnitte zeigt der Verfasser einleuchtend , dass und warum in der Ethik zwar die Furcht wesentlich, aber auch nur in so fern in Betracht kommt, als eine der Charaktertugenden, die Tapferkeit, die richtige Mitte zwischen dem Zu-

24) Nach Kästner's bekanntem Epigramme.

25) Falsch ist es jedoch, wenn zu diesem Zwecke auch 1385b, 16 heran- gezogen wird (S. 16. 21), denn xal xoüro kann nicht »und das ebenso« oder »auch tindet dies Statt« bedeuten , sondern nur »und zwar« ; allerdings aber bezieht Baum gart die Worte richtig. Offenbar also steht izk-qaiov hier im Sinne von iyyöq, also nicht von der nahen Zukunft, sondern von der örtlichen oder gleichsam örtlichen, sich augenfällig autdrängenden Nähe.

26) Obwohl Döring selbst Philologus XXVll S. 724 auf meine inzwischen gemachte Erinnerung hat einräumen müssen, dass er ebendas. XXI S. 501 den von Brand is und mir gebrauchten Ausdruck »pathologisch« miss verstanden hat, scheut er sich doch nicht Kunstl. des A. S. 311 dasselbe Missverständniss zu wiederholen. Wie sehr der Widersinn, welchen er durch dies beispiellose Verfahren zu Stand« bringt, lediglich seine eigene Auseinandersetzung trift't, liegt jetzt für jeden Einsichtigen in Baumgart's Widerlegung (S. 34 f.) zu Tage.

Poetik. 361

viel und Zuwenig des Fürchtens darstellt, dagegen das Mitleid, obwohl »Affect eines edlen Charakters« (Rhet. II, 9. 1386 b, 13 f.), keine ähnliche und überhaupt noch keine besondere Rolle spielt, dass aber trotzdem das richtige Mitleid unser ganzes tugendhaftes Verhalten "), namentlich gegen unsere Mitmenschen, wesentlich bedingt und folglich in der Rhetorik, als der Disciplin von der praktischen Einwirkung auf die Gemüther der Menschen, recht eigentlich den Platz zu seiner theoretischen Bestimmung findet. Ein ganz besonderer Fortschritt zur Erkeimtniss des Richtigen ist aber im zweiten und dritten Abschnitt der Nachweis, dass Lessing und alle folgenden Erklärer irrthümlich dem Aristoteles die Ansicht untergeschoben haben, als sei Mitleid unter allen Umständen mit Furcht für uns selbst verbunden, und dass in Folge davon namentlich Döring, aber auch Andere fälschlich geglaubt haben, er kenne nur ein selbst- süchtiges Mitleid. Völlig richtig wird auch (S. 17 f.) das Secvov und seine das Mitleid erstickende Wirkung (Rhet. II, 8. 1386 a, 19 if.) gegenüber den seltsamen Missverständuissen von Döring erläutern ^s). Aber nicht nur der damit verbundene Versuch Lessing 's Erklärung des (pdävbptoTiov (Poet. 13. 18) zu rechtfertigen scheint mir misslungen, sondern es ist dazu auch nicht einmal der Versuch gemacht uns zu erklären, wie es denn die Tragödie anfangen könnte nicht bloss durch Vermittelung des Mitleids, sondern auch unmittelbar uns Furcht für uns selbst zu erregen, da sie uns ja doch nicht unmittelbar ein uns oder den Unsern nahe be- vorstehend erscheinendes Leiden (Rliet. II, 5. 1382a, 21 ff.) vorführen kann. So lange diese Erklärung fehlt, kann aber auch von einer Recht- fertigung des 7] eXzov rj <f6ßov in der auch sonst anstössigen Stelle Poet. 11. 1452a, 38f. keine Rede sein. So richtig ferner Baumgart ge- gen Döring bemerkt, dass in der Definition der Furcht (Rhet. a. a. 0.) von keinem uns sicher und nahe drohenden Unglücksfall die Rede ist, ebenso unzweifelhaft wird andrerseits in ihr ein bestimmtes Leid ins Auge gefasst, welches wir uns nahe vorstellen, und die Polemik gegen Lessing, Döring, Reinkens ist mithin, in soweit sie gegen die von diesen (wie von Ed. Müller, Susemihl und Andern) gemachte Unter- scheidung einer tragischen und einer gemeinen Furcht sich richtet, völlig .WAfehlt, so fern doch die Tragödie auch nach des Verfassers eigenem Zuge- ständniss uns nicht sowohl die Furcht vor denselben Leiden, die sie dar- stellt, sondern nur das unbestimmte Furchtgefühl menschlicher Schwäche, vor allen möglichen Leiden erwecken kann. Man sieht also, dass die Defi- nitionen der Affecte in der Rhetorik keineswegs so weit sind, um alle Fälle, wie Baum gart meint, sondern nur um alle für den Redner in

2^) Nur aber von einer Einwirkung auf die (ppövriaiq und ao(pia zu reden (S. 11) ist ein Unding: ao(pia bezeichnet das metaphysische Wissen.

28) Vgl. die übereinkommenden Bemerkungen gegen Döring vonNeid- hardt S. 22ff. Anm. 45. 46.

362 Aristoteles.

Betracht komm enden zu umfassen. Schon hiernach kann ich der Deutung, welche Baum gart wie früher so jetzt im vierten Abschnitte der Auffassung des Aristoteles von der Wirkung der Tragödie giebt, nicht beitreten, aber auch desshalb nicht, weil ich auch jetzt noch seine Er- klärung von rMhrjixaza als Erscheinungsformen der Affecte {ndB-^) für unhaltbar erachte, ferner weil es mir ein Widersinn erscheint, dass die Tragödie durch richtige Erregung von Furcht und Mitleid doch zugleich solche unvollkommene, theilweise auch vielleicht richtige Erscheinungs- formen beider hervorrufen und schliesslich zur richtigen Mitte und eben damit zum harmonischen Einklang von Furcht und Mitleid bringen soll ^9), endlich aber auch desshalb nicht, weil auch diese Erklärung im Wider- spruch mit der obigen Stelle der Politik, also mit der Grundthatsache der ganzen Theorie, der Katharsis der Korybantiasten, steht. Denn diese werden doch von der mitgebrachten und nicht von der durch die vorge- spielte Musik in ihnen erregten Ekstase befreit, jede Deutung aber, die sich mit dieser Grundthatsache in Widerspruch setzt, ist eben damit falsch. Und so sehe ich keinen Anlass diejenige Modification der Müller'scheu Auffassung, welche ich ganz in dem gleichen Gegensatz wie Baum gart gegen B er nays und dessen Nachbeter bisher vertreten habe, zu Gunsten der seinen aufzugeben. Völlig beifallswürdig aber erscheint mir die Er- örterung im fünften Abschnitt »des Aristoteles Lehre von der Hedone und dem Kalon« (S. 61 75), in welcher der Satz des Aristoteles (nik. Eth. X, 13. 1153a, 23 ff.), keine Kunst vermöge Lust, Freude, Genuss (lyoovjy) als solche hervorzubringen, wohl aber habe sie das herbeizu- schaffen, was die Möglichkeit {oüva/xcg) zu ihnen giebt, auch auf die tra- gische Kunst angewandt und aus ihm erklärt wird, wcsshalb das Schöne keinen Platz in der Definition der nachahmenden Kunst bei Aristoteles hat, weil nämlich nach ihm das Schöne das Gute ist, so fern es eben als Gutes Freude erweckt (Rhet. I, 9. 1366a, 34f.), während doch andrer- seits der nachahmenden Kunst das Ziel bei ihm so gesteckt ist, dass Schönheit und Kunstgenuss etwas aus demselben sich nothwendig Er- gebendes sind. Im sechsten und letzten Capitel (S. 76 83) endlich wird hiernach mit Recht behauptet, dass die von ihm der Tragödie zugeschrie- bene Wirkung, gerade insofern sie eine ästhetische, auch momentan eine ethische ist, und dass Aristoteles, Lessing und Göthe im Kern ihrer Auf- fassungen einander ungleich näher standen, als es den Anschein hat.

So weit die Abhandlung von Schwabe den Aristoteles betriff't, wie- derholt sie im Wesentlichen nur die frühere Erörterung aus den Jahrb. f. Philol. CIX. 1874. S. 97 ff. (vgl. d. Ber. f. 1874. IIL S. 389), um dann nach einer Uebersicht auch über die von Aristophanes an Euripides geübte

29) Ueberdies heisst izepaivstv genau wie das völlig entsprechende deutsche »erzielen« nicht »schliesshch bewirken«, sondern überhaupt »bewirken«, wenn auch natürlich die Wirkung erst zuletzt zum Abschluss kommt.

Poetik. 363

Kritik aus diesem Allen nachzuweisen, dass, wie schon Th. Kock meinte, beide Kritiker in ihrem Urtheil gar nicht wesentlich von einander abge- wichen seien.

Im Gegensatz hierzu sucht Neidhardt Folgendes darzuthun: 1. Aristoteles habe den Eurii)ides trotz aller von ihm nicht verkannten Fehler desselben wirklich für den grössten Tragiker lediglich desshalb gehalten, weil seine Stücke häufiger unglücklich endeten als die des Aeschylos, Sophokles und der anderen Tragödiendichter. 2. Die Erör- terung des Aristoteles über die tragische Katharsis sei vollständig er- halten, nämlich im 13. Capitel (S. 17. Anm. 30) ^o). 3. Auch in der Poetik sei von keiner Furcht für Andere die Rede. Neidhardt hat wenigstens den Versuch gemacht die Gegeninstanz 1453a, 4 ff. zu beseitigen, aber die Spitzfindigkeiten und Sophismen, die er zu diesem Zwecke anwenden muss, zeigen am Besten, wie unmöglich dies ist. 4. Gleichfalls in Ueber- einstimmung mit Baum gart sucht auch er, jedoch auf andere Weise, zu zeigen, dass <piMvii^p(unov von Lessing richtig als eine Abschwächimg von iXsag gefasst sei. 5. Dagegen sei /icapov (C. 13. 14), welches er wohl mit Recht nach dem Vorgang Anderer für ungefähr gleichbedeutend mit dem oscvuv der Rhetorik (s. o. S. 361) erklärt, umgekehrt als eine extreme Steigerung des Furcht- und Mitleiderregenden anzusehen. 6. In der Be- zeichnung der Wirkung der Tragödie (1449b, 27f., s. o. S. 3.58f.) sei Sc' eUoo xa\ <p6ßoo emphatisch zu verstehen von der richtigen Furcht und dem richtigen Mitleid ^i), und diese Wirkung habe Aristoteles darein gesetzt, dass durch die schliessliche Herabminderung dieser beiden Affecte auf ihr richtiges Mittelmass ihre anfängliche zu starke Erregung durch die Tragödie beseitigt werde. Auch hier denkt sich also Neidhardt die Sache sehr ähnlich wie Baum gart, und auch er will nichts davon wissen, dass vielmehr der schon mitgebrachte Furcht- und Mitleidstoff das zu reinigende oder vielmehr durch die betreffende Reinigung zu beseitigende Object seien. Es treffen ihn aber eben desshalb auch die gleichen Ein- wände. In der That, similia similibus expellere hat einen Sinn, paria paribus aber erinnert, wie Manns richtig bemerkt, an den seligen Münch- hausen, der sich selbst beim Schöpfe aus dem Sumpfe herauszog, oder, wie schon Reinkens sagte, an Jemanden, dem umgekehrt die Aufgabe gestellt wäre sich beim eignen Schöpfe aufzuheben und in einen Abgrund zu werfen. Kurz, so sehr ich den Fleiss und Scharfsinn des jungen Verfassers anerkenne, kann ich doch in keinem dieser sechs Punkte ihm

30) Richtig fasst er übrigens S. 34. Anm. 61 das Verhältniss des vierzehnten Capitels zum dreizehnten auf. Aber genau ebenso ist dies schon von mir geschehen.

31) Richtig, aber nur nicht durch Emphase zu erklären, sondern durch die medicinische Analogie: Heilmittel können natürhch nur die richtige Furcht und das richtige Mitleid sein.

364 Aristoteles. Poetik.

beistimmen, wohl aber darin, wenn er 7. anerkennt, dass ich 14. 1454 a, 34 ft. den Widerspruch der Entscheidungsgründe mit der überlieferten Entscheidung nachgewiesen habe, nunmehr aber seinerseits, zeigt, dass das dnaf^dg der grössere, das ficapov der geringere Fehler ist, umgekehrt als ich glaubte, und daher die Erkennung vor der That erst den dritten, die wissentliche That aber den zweiten Rang einnimmt und folglich viel- mehr 1454 b, 2 und 4 oeuzspov und xpdztazov ihre Plätze tauschen müssen.

Vahlen vermuthet 2. 1448b, 15 jetzt uxrr.ep yap für loar.tp yaa.

38) Aristoteles. Poetique avec des extraits de la Politique et des Problemes. Traductiou fram^^aise par E. Egg er. 4. ed., revue, corrigee et augmentee de la traduction des extraits de Proclus relatifs ä la Poetique. Paris 1877. XIV und 65 S.

ist mir nicht zu Gesicht gekommen.

Druck vou J. Drägei's Biichdruckerei (C. Fei cht) in Berlin-

JAHRESBERICHT

über

die Fortschritte der classischen

iltertliiimswissenschaft

herausgegeben

Conrad Bursian,

ord. öffentl. Prof. der ciaffifchen Philologie an der Universität Münchea

Zehnter Band.

Fünfter Jahrgang. 18 77.

Zweite Abtheilung:

LATEINISCHE KLASSIKER.

BERLIN 1879. VERLAG VON S. CALVARY & CO.

\V. Unter den Linden 17.

Inhalts -Verzeichniss

des zehuten Baudes.

Seite

Bericht über Flautus von Oberlehrer Dr. Aug. Lorenz in Berlin. (Folgt im nächsten Jahrgange)

Jahresbericht über Terentius und die übrigen sceni- schen Dichter (ausser Plautus) für 1877 von Dr. A. Spen gel in München 314-330

Terentius 314. Zur Vita Terentii 322. - Fragmente der sceui- schen Dichter 323. Publilius Syrus 326. Seneca 328

Jahresbericht über die römischen Epiker von Prof. Dr. Emil Baehrens in Groningen 50—61

Vergilius 50 Silius 52. Statins 52. Claudianus 54. Si- donius Apollinaris 58. Dracontius 58. Germanicus 58. Por- fyriui Optatianus 58. Ausonius 60. ~ Avienus 61.

Bericht über die Literatur zu Lucretius, das Jahr 1877 umfassend. Voran gehen Nachträge zu früheren Jahresbe- richten von Dr. A. Brieger in Halle 62 75

Naturphilosophie 63. Literarhistorisches 65. Composition des Gedichtes 65. Prooeraium 68. Textkritik 70.

Bericht über die Literatur zu Ovid vom Jahre 1877 von Prof. Dr. A. Riese in Frankfurt a. M 20—29

Fasten 24. Ibis 27. Allgemeines 28. Heroiden 20. Meta- morphosen 23.

Jahresbericht über die Literatur zur Anthologia Latina aus dem Jahre 1877 von Prof. Dr. A. Riese in Frank- furt a. M 30 34

Allgemeines 30. Symphosius und Räthselpoesie 34.

Jahresbericht über die Römischen Bukoliker von Dr.

Th. Fritzsche in Güstrow 76 83

Virgilius 76.

Jahresbericht über die Literatur zu Horatius von Hofrath

Prof. Dr. H. Fritzsche in Leipzig 1 19

Ausgaben und deutsche Uebersetzungen 1. Französische Ueber- setzung 4. - Alte Erklärer 5 Zur Exegese und Kritik 7. Zusatz der Redaction 19.

Jahresbericht über die römischen Satiriker (ausser Lü- cilius und Horatius) von Prof. Dr. L. Friedländer in Königsberg 307 313

Petronius 307. Persius 307. Martialis 308. luvenalis 310.

VI Inhalts-Verzeichniss.

Seite

Bericht über Tibull und Properz für die Jahre 1874, 1875 und 1876 von Prof. Richard Richter in Dresden. 274—306 Tibull 174. Metrisches 274 Composition 276 ~ Haudschrift- liclies 28ö. Kritik 285. Uebersetzuncen 295. Properz 296 Sprachgebrauch 296. Kritik und Exegese 296.

Bericht über Catull und Phaedrus von Prof. R. Richter in Dresden, (Folgt im nächsten Jahrgange).

Bericht über die neueste Literatur zu den römischen Historiker (ausser Tacitus) bis zum Schhisse des Jahres 1877 von Prof. Dr. A. Eussner in Würzburg . . 105-224 Erste Abtheilung 105. Allgemeines 105. Cäsar 109. (Uober den Autor und seine Gesammtwerke 109. Bellum Gallicum 112. Bellum Civile 122 Fragmente und unächte Schriften 130.) Cornelius Nepos 139. Sallustius 152 (Allgemeines 152. Catilina 169. lugurtha 185. Historiae 197 Epistulae 200. In- vectivae 202.) - Zweite Abtheilung 207. Livius 207. Epitome des Florus 223.

Bericht über Tacitus von Prof. E. Wölfflin in Erlangen.

(Folgt im nächsten Jahrgange).

Jahresbericht über die Literatur zu Cicero 's Werken aus der Jahren 1876 und 1877 von Prof. Dr. Iwan Müller in Erlangen 225 273

Allgemeines 225. Ehetorische Werke 226. Reden 232.

Philosophische Schriften 242. Briefe 266.

Bericht über die römischen Rhetoren von Prof. Iw. Müller in Erlangen und Prof. C. Bursian in München. (Folgt im nächsten Jahrgange).

Jahresbericht über P 1 i n i u s den A e 1 1 e r e n von Prof. Dr. Ulrichs in Würzburg 35—49

Handschriftliches 35. Allgemeines 36. Conjecturalkritik 37. Kunsthislorisches 42. Quellen. Untersuchungen 45.

Bericht über die römischen Philosophen von Prof. M. Heinz e in Leipzig. (Folgt im nächsten Jahrgange).

Bericht über lateinische Grammatiker von Prof. H. Hagen in Bern. (Folgt im nächsten Jahrgange).

Jahresbericht über die auf Vulgärlatein bezügliche Lite- ratur aus dem Jahre 1877. (Mit Nachträgen aus dem Jahre 1876) von Dr. E. Ludwig in Eisenach 84- 104

Bellum Hispaniense et Africauum 84. Cicero 88. Nepos 90. Tertullianus 90. Ammianu? Marcellinus 91. Commodianus 91 . Chalcidius 92. Anthimus 92. Bibellatein 93. (Vulgata 94. Itala 95. Patrologie 96). Glossographie 97. (Allgemeines 97. Dositheus 99. Placidus 99. Mittelalterliche Glossare 100.) Vulgärlatein und Romanisch. 101.

Jahresbericht über die Litteratur zu Horatius.

Vou

Hofrath Professor Dr. H. Fritzsclie

in Leipzig.

A. Aixsgabe und deutsche XJebersetziingerL.

1) Des Q. Horatius Flaccus Oden und Epoden. Text und Ueber- setzung mit Erläuterungen von The od. Kays er, Prof. am Gymnasium zu Tübingen. Tübingen, Fues. 1877, XII, 339 S. 8.

Die Wahrheit behält immer die Oberhand. Das lehrt auch diese Ausgabe des Horaz, deren Bearbeiter sich gegenüber der »negativen Modekritik« offen als Vertreter der conservativen Richtung erklärt, einen sich an die Ueberlieferung der Handschriften anschliessenden Text giebt und nur an ganz wenig Stellen (z. B. Od. III, 5, 15 trahenti) Conjectu- ren zugelassen hat.

Abgesehen von diesem exemplum trahens perniciem veniens in aevom sind die Anmerkungen des Herausgebers (S. 279) von hohem Werthe, wo dieser vorzüglich die ästhetische Seite der Behandlung urgirt und von ihr aus die Aechtheit und den inneren Zusammenhange der Oden ge- genüber dem jetzt beliebten Fahnden auf Unterschiebungen und Zer- legungen der Gedichte an den Tag legt. Hier und da hat er freilich die Klippe nicht ganz vermieden, welche durch Zahlenverhältnisse der Strophen scheitern und einer zurückzuweisenden Zahlenmystik Hinter- pförtchen offen lässt.

Jeder Ode giebt auch unser Uebersetzer eine den Inhalt andeu- tende Ueberschrift. Recht artig ist z. B. die zu Od. IV, 2: »Schwan und Biene«. Eine strenge Durchführung ist freilich schwierig, ja sie widerspricht nach meiner Ansicht dem Wesen der antiken Lyrik. Haben doch selbst unsere grössten deutschen Dichter sich selbst verkennend Missgriffe in dieser Beziehung gethan (z. B. Schiller mit der Ueber- schrift des Gedichtes »Sehnsucht«). So erweckt die Ueberschrift zu Od. II, 9 »Nicht immer« eine ganz andere Erwartung des Lesers als durch die Betrachtung der Dichtung erfüllt wird.

Jahresbericht für Altertb ums- Wissenschaft 1877 II. 1

2 Horatius.

Als Gewand der Uebersetzuiigen hat Kayser die betreffenden an- tiken Metra beibehalten. Meine Ansicht hierüber habe ich in diesen Jahresber. II. III, 1 S. 191 ff. ausgesprochen. Der Verfasser hat laut Vorrede S. VIII die Schwierigkeiten, welche eine gelungene wirklich deutsche Uebersetzung in Asklepiadeen, alcäischen Strophen u. s. w. macht, nicht verkannt. Hat er sprachlich den Sinn auch sehr oft tref- fend wiedergegeben (z. B. Epod. I, 34 den Tropus in discinctus durch den Tropus des deutschen: ein lockerer Erbe), so hat doch auch er das nicht umgehen können, was wir an anderen Uebersetzungen in antiken Versmassen als nicht deutsch bezeichnet haben, z. B. die Art, Wör- ter wie ihn, ihm als Kürzen zu brauchen (Od. I, 1, 24

Lager- und Hörnerklang Mit Drommeten vermischt freut ihn und Schlachtgewühl). So ist auch Kayser nicht über den Missstand weggekommen, wel- chen gewisse deutsche Adjectiva in der Uebersetzung bewirken. Als Dactylen sollen wir z. B. recitiren. Od. IV, 1, 40:

jetzt folg' ich, wenn du entfliehst, Durch den rollenden Strom, grausamer Knabe, dir

Oder Od. I, 1, 2Y:

Ob dem Hirsch ihm erspürt folgsjtmer Hunde Schaar. i)

Trotz dieser Ausstellung sei diese Uebersetzung als eine den besten ebenbürtige, namentlich zum Vorlesen nach beendigter Leetüre einer Ode den Fachgenosseu empfohlen. Im Folgenden wird sich wiederholt Ge- legenheit bieten auf Kaysers Uebersetzung zurückzukommen. Im Inter- esse derer, welche zeitig in den Besitz des Buches gekommen sind, seien die nachträglich (im November) veröffentlichten Berichtigungen des Her- ausgebers hier abgedruckt. S. 10 ist zu IV, 8 die Variante visit hinzu- zufügen. — S. 217 V. 2 ist zu lesen: Lichte Zier des Himmels, verehrt wie jetzt so u. s. w. S. 224 fehlt unter den Varianten I, 26 me?'s. S. 232 V. 17 lies nepulcris. S. 261 V. 37 lies sei es. S. 286 L. 9 V. 0. lies in den drei Schlussstrophen. S. 306 L. 8 V. u. lies statt drei zweimal drei. S. 316 L. 10 f. v. o. lies 8 + 12 + 12 + 8.

2) Die alten Lieder des Q. Horatius Flaccus im neuen Gewände von Dr. Felix Kost er, zu Naumburg a. d. Saale. Würzburg 1877. Selbstverlag von P. Schulze. VIII, 156 S. 8.

Die Vorrede des Buches giebt uns folgende Aufschlüsse. Der

1 ) Allerdings schrieb Schiller in der Braut von Messina : Zwar weil der Vater noch gefürchtet herrschte, | Hielt er durch gleicher Strenge furchtbare I Gerechtigkeit die Heftigbrausendeu im Zügel. Aber jetzt würde Schiller diese Härte vermeiden.

Horatius. 3

Uebersetzer ist Doctor der Medicin, hatte »seit 2 0 Jahren den Ho- raz nicht mehr zur Hand genommen« und übernahm jetzt diese Uebersetzung in deutschen Reimversen, um den älteren Gelehrten, wel- chen unter den Mühen ihrer Lebensstellung »das Latein ausgegangen«, den Genuss von Horazens Poesien zu erleichtern. Aber auch »für den Schüler hat er geschrieben und sich in dem Gedanken gefreut, seinen Söhnen einstmals durch eine fliessende Uebersetzung mehr Geschmack an dem lorbeergekrönten Dichter zu verschaffen, als er demselben unter des seligen Kirchner's Leitung auf der Schulbank Schulpforta's abge- winnen konnte«. Gelang ihm die Uebertragung nicht immer, sollte er selbst »hier und da einen Bock geschossen haben«, so werden die »ge- strengen Herren Philologen« gebeten milde zu urtheilen, und ihm, dem Nichtphilologen »die Unthat nachsichtig zu verzeihen«.

Den am Schlüsse dieses Satzes ausgesprochenen Wunsch werden die Philologen gern erfüllen, wenn sie sicli auch nicht bewogen fühlen das Buch ihren Schülern zu empfehlen. Denn Versehen um das Wort Böcke nicht zu wiederholen finden sich in arger Weise, z. B. in der Construction der Schlussstrophe von Od. HI, 9 : Ist jener wirklich schöner noch Als Sternenlicht, so bist du leichter doch Als Kork, und wilder als die Hadria; Ich lebt' und stürbe gern Mit dir als meinem Herrn. Wie in diesem Verslein, so ist vielfach die Poesie des Horaz ver- wässert, der Ausdruck nicht selten unedel oder falsche Vorstellungen er- weckend. Man vergleiche Od. II, 2, 1—2: Ohne Farbe ist das Silber, Das in karger Erde steckt u. s. w. Od. IV, 26 Schluss:

Göttin, die du Cyperns Glück zu lieben Pflegst, und Memphis, das den Schnee nicht kannte, Mit der hochgeschwungnen Geissei Hieben Zücht'ge Chloe mir, die arrogante.

B. irraiizö.si.sch.e U ebersetziangeii.

3) Ödes d'Anacreon traduites en vers . . et douze Ödes d'Horace traduites en vers par A. Belhomme, ancien avoue ä la Cour d'appel de Paris etc. Paris, librairie Hachette et Co. 1876. XI, 204 S. 8.

4) Pocsies legeres. La Pleiade Latine. Traductions contcnant un choix de poesies legeres de Catulle, Horace, Virgile, Gallus etc. par E.-P. Dubois-Guchan, officier de la Legion d'Honneur et de l'Insti- tution publique. Paris, librairie de Firmin Didot frcres. 1877. 319 S. 8.

4 Horatius.

Wissenschaftliche Bedeutung haben diese zwei Uebersetzungen nicht. Beide Bearbeiter geben eine Anzahl Oden des Horaz in sehr freier, vom Originale oft bis zur Unkenntlichkeit abweichenden Reimversen, Belhomme erklärt in der Vorrede, dass er jetzt in seinem 64. Jahre, von Aratsge- schäften zurückgezogen, die vorliegenden Poesien seinen Freunden zu Liebe veröffentliche, und er thut dies mit so liebenswürdiger Bescheiden- heit, dass es Unrecht wäre eine eingehende scharfe Kritik über das Ein- zelne zu üben. Uebersetzt hat er: Od. I, 5. I, 13. I, 23. I, 24. I, 35.

II, 6. II, 8. II, 12. III, 9. III, 11. IV, 7. Epod. XVI.

Der Herausgeber von No. 4 hat folgende Oden auf dem Ambos gehabt: I, 4. I, 8. I, 11. I, 22. I, 23. I, 38. II, 2. II, 5. II, 11. III, 8.

III, 9. III, 13. III, 18. III, 26. Epod. VII. Dazu Epist. I, 3. I, 4. I, 9 und im Auszuge Epist. II, 1. Ohne die Responsion der Strophen zu beachten übersetzt er Od. III, 9, 9 ff. (pro quo non metuam mori pro quo bis patiar mori):

H. Pour Chloe sont tous mes amours, Cette enfant de Thrace m'enchante; Son luth est doux, sa voix touchante. Je mourrais pour sauver ses jours.

L, Moi, pour Calais je soupire, II me donne et j'aime ses lois; Que, pour lui, je meure deux foix, Oui, deux fois pourvu qu'il respire!

Wenigstens leise annähernd an die symmetrische Form bei Horaz schreibt Belhomme:

H. Aujourd'hui, de Chloe je subis l'influence, Chloe dont sur le luth nulle n'a la science. De lui donner ma vie heureux, si mon trepas De la Parque pouvait racheter ses appas.

L. Je cheris Calais; pour moi, semblable flamme Brüle mon Calais, et consume son äme. Et je voudrais soustraire au destin les appas De 1' enfant qui me charme et subir deux trepas.

(J. Italienisclie Tleber-setzung.

5) Prova d' un volgarizzamento dell' Epistola d' Orazio ai Pisoni. (Da V. Zambra). Programma dell i. r. Ginnasio Superiore di Trento. Trento Stabilimento Tipografico di Giov. Seiser Editore. 1876. 20 S. 8.

Dieses Programm enthält eine zunächst für Schulzwecke bestimmte Uebersetzung der ars poetica, die sich recht gut lieset und hier und da erklärende Zusätze giebt, z. B. V. 83 (Musa dcdit fidibus . . referre):

Horatius. 5

Affidö la Musa della Urica poesia alle corde 11 celebrare dei e figli di dei, 11 lottatore che viuce, 11 destriero primo nel corso, gli amorosl affanni dei giovanl, 11 vino, che Ubera dalle eure {libera tnna bei Hör. vielmehr im Sinn vou veracla, analog Serm. I, 4, 89 condlta cum verax aperit praecordla Liber. Od. I, 18 extr. ohog xal äXdBea Theokr. XXIX, 1 nach Alcäus).

~D. Alte Erklärer.

6) Scholia Vindobonensia ad Horatii artem poeticam edldit Dr. Jo- seph Zechmeister. Vindobonae apud C. Gerold fil. 1877. 56 S. 8.

In der Vorrede berichtet der Herausgeber über den cod. Vindo- bonensis No. 223 (phil. 244), den er in das 10. oder 11. Jahrhundert versetzt, der aber nach Holder's Urtheil, dessen Auctorltät hier den Ausschlag giebt, nicht früher als im 11. Jahrhundert geschrieben sein kann. Vgl. Keller in Zeitschr. f. österr, Gymn. 1877 S. 516. Dieser Miscellancodex enthält unter anderen auch einen Commentar zui' ars poetica mit der Ueberschrift von späterer Hand : ■>■> Colkctura in libros iwe- triae Horatii disputatio Karoli et Albinia. Darauf folgt ein dialogus de dia- lectica mit der Ueberschrift: »Incipit disputatio de dialectica et virtuti- bus sapientissimi regis Karoli et Albini inagistri suia ; dann ein altdeut- scher Tractat (einna reda umbe diu tier u. s. w.), abgedruckt in Hoff- manu's Fundgruben I, l7ff.; dann lateinische Glossen zu Büchern des alten und neuen Testamentes.

Der Herausgeber giebt nun eine eingehende Untersuchung, deren Resultat ist, dass der Vei-fasser der Schollen zur ars poetica Jlcuin (Albi- nus), der Lehrer Karl des Grossen, ist. Die sehr einleuchtenden Beweise sind namentlich auf die Aehnlichkeit von Alcuin's anderweitig bekannter Anschauungs- und Schreibweise gegründet.

Der Verfasser der Schollen hat den sogenannten Acron, so wie den Servlus zu Vergil benutzt. Der Codex des Horaz, welchen er vor sich hatte, gehörte nach Zechmeister's Untersuchungen zu der ersten Codexklasse bei Keller -Holder (S. XVIII). Die von Keller a. a. 0. angestellten Untersuchungen führen aber freilich erst auf die dritte Codexklasse.

Der Commentar ist meist in fortlaufender Rede. Der Anfang lautet so:

Humano capiti et caetera, in hoc libro est intentio Horatii tractare de poetica arte, id est arte fingendi et componendi. poesis enim graece, latine dicitur figmentum; inde poetae, id est compositores dicuntur. facit autem hunc librum amicis suis, patri ac filiis, quorum maior erat scriptor comoediarum. ideo Istis facit, quia volebant scribere, ut Romano popnlo placerent et eorum fama tali modo cresceret. et quoniam multi scriptores reprehendebantur non habentes certam regulam dictandi, rogaverunt Pi- sones Horatium ut certas poeticae artis daret praeceptloues; quas ipse,

6 Horatius.

sicut Victorinus praecepit, dupliciter tradit, dicendo primum, quid vi- t an dum, deiude quid tenendum sit. et hoc ostendit per similitudi- nem tractam a pictoribus (quia poetarum est loqui per similitudiues sicut etiam oratorum) hoc modo incipiens: 0 Pisones, si indor sci- licet aliquis velit iungere equinam cervicem humano cainti et indticere varias p. mcmbris widique , id est ex omni animalis genere collatis, scilicet in unam formam; ita dico iungere, ut mulier siqieme, id est in capite, /or- mosa desinat in piscem atnwi , id est magnum, quod scilicet erit turpiter scilicet factum: vos admissi spectatum, pro ad spectandum talem. pictu- ram, teneatis risum, id est, possitis non ridere? scilicet equidem non.

Der beigefügte index grammaticus giebt einen sehr guten Ueber- blick über die Latinität des Verfassers (z. B. über den Infinitivus: dif- ficilia servare; si qua sunt superflua auferre; huic materiae scribere = scribendi; pro velle tuo; ex esse suo u. s. w.)- Dazu kommt S. 55 ein Verzeichniss der vorkommenden mittelalterlichen Wörter, subos1;endere, congaudere, revivificare u. s. w., endlich S. 56 ein Verzeichniss der ci- tirten Stellen alter Autoren, z.B. Ovid Pent. I, 6, 17 emimis uno (Ovid unam) mit dem Zusätze id est, excepto uno cet. Einige übersehene Ci- tate fügt Keller a. a. 0. hinzu, dessen anerkennendes Urtheil über die Ausgabe jeder unterschreiben wird.

7) Neue Beiträge zur Kritik des Horazscholiasten Porphyrion (Ser- monen, Episteln, Ars poetica). Nebst Nachträgen zu den Schollen der Oden, Epoden und des carm. saec. von Franz Pauly (Programm des kaiserl. königl. Staats-Ober-Gymnasiums zu Eger für 1877). -- Prag bei Dominicus (1878). 42 S. 8.

Auf die in den Jahresberichten II, III, 1 S. 196 ff. angezeigten »Beiträge zur Kritik des Porphyrion« lässt Pauly in dem vorliegenden Programme eine bedeutende Anzahl weiterer Besserungsvorschläge für Porphyrion, namentlich im Anschluss an cod. Monac, folgen. Je ver- derbter der Text des Porphyrion ist, desto dankenswerther ist die Ar- beit, welcher sich Pauly unterzogen hat und durch welche Vieles ganz richtig hergestellt, für anderes wenigstens der geeignete Weg zur Auffin- dung des Wahren gezeigt ist, z. B. zu art. p. 193 (actoris partes cho- rus officiumque virile defendat), wo bei Porph. ohne Sinn steht: ne vi- ris ageutibus feminarum inducatur chorus neve femiuis virilis, sed agcn- tes ex usu (Meyer vermuthet agentis ex sexu) has partes custodient, Pauly aber vorschlägt: agentis sex^ib- has partes custodiet oder custodient: »es soll das Geschlecht des agens die Rolle des Chores stets behalten«. Od. IV, 13, 19, um nur dies hervorzuheben, ist sachgemäss emendirt allegoricos {dUrjyofjixäig) aridas quercus pro senio adfectas mulieres et inportunus ironicos [slpujvcxajg) dicitur statt des unverständlichen locus äfpovia, was der Codex bietet. Meyer schreibt iocosa ironia. Zu art, p. 431 ist hi g^raece (grece) vocantur ^^jyvox^o/ überzeugend vermuthet für hi ergo. Für gründliche Studien des Porph. ist die Schrift unentbehrlich.

Horatius. 7

E. Znr Exegese und Kritik.

8) Die Horazische Lyrik und deren Kritik. Von W. S. Teuf fei. (Festschrift zur Begrüssung der 31. Versammlung deutscher Philologen und Schulmcänner in Tübingen, Th. I). Tübingen, Druck von Fues 1876. 22 S. 4.

Wohl an jedem deutschen Gymnasium und an jeder Universität wird Horaz gelesen. Es war also ein richtiger Griff, die in Tübingen versammelten Philologen mit einer Schrift zu begrüsseu, für welche man sich überall interessiren wird, zumal dieselbe ganz zeitgemäss eine ge- harnischte Schutz- und Trutzschrift ist, durch welche das Gebaren mit Cüujecturen und Athetesen in Horaz, wie es jetzt wuchert, mit Klarheit und Entschiedenheit zurückgewiesen und dem Schulmanne mancher sehr zu beherzigende Wink gegeben wird. Non cuivis homiui contingit adire Corinthum. Denen also, welche nicht in Tübingen waren, wird es er- wünscht sein, die Hauptsachen aus der Schrift zu erfahren.

Der Text der horazischen Gedichte gehört auch nach Teuffel's An- sicht zu den bestüberlieferten, »so dass für Conjecturalkritik nur ein sehr schmaler Raum übrig bleibt. Auch sind unter den vielen Hunder- ten von Abänderungsvorschlägen, welche schon aufgestellt worden sind (Unger in seinen emendatt. Hör. 1872 hat allein ein volles Hundert vor- getragen), ganz unglaublicli wenige, welche wirkliche Verbesserungen wä- ren, und auch diese wenigen sind meist nur verspätete Anfragen bei dem Dichter, ob er nicht lieber so hätte schreiben sollen. Ja, die weitaus grösste Zahl der (von Unger wie von anderen) aufgestellten sogenannten Verbesserungen dient nur dazu zu zeigen, wie Horaz, wenn er das Ueber- lieferte geschrieben hat, sehr viel mehr Geschmack besass als die ihn meisternden Kritiker« (S. 3). Ausser der directen Ueberlieferung haben wir überdies Bezeugungen in Citaten durch Schriftsteller schon aus der Zeit des Nero u. s. w. Wenn schon Sueton sagt, dass er die angeb- lichen Elegieen des Horaz u. s. w. für unächt halte, überdies diese Apo- Inyphen spurlos verschwunden sind, so liegt darin ein Beweis, wie strenge die Kritik von Anfang an vor den Werken des Horaz Wache hielt.

Sehr klar wird von Teuffei gezeigt, wie sich das falsche Axiom festgesetzt habe, als sei Horaz ein so grosser lyrischer Dichter, dass alles bei ihm Gold sein und kein Unthätchen an ihm haften dürfe; wie diese Vergötterung immer mehr und mehr den Strudel heraufbeschworen, in welchem sich unsere Hyperkritiker seit Peerlkamp u. s. w. mit ihren Aeuderungen des ächten Horaz oft ohne Ueberlegung forttreiben lassen. Teuffei charakterisirt nun den Horaz, der auch unter Augustus der takt- volle, auf seine Ehre haltende Mann blieb, der sich zwar dem Einflüsse der veränderten Umstände nicht entzog, aber seine republikanische Ver- gangenheit in keiner Weise verläugnete oder auch nur bemäntelte. Selbst in den spätesten Gedichten zeichnet sich Horaz durch seinen Wahr-

8 Horatius.

lieitssinn aus. In Hinblick auf Gemüth und Form hat Horaz wirklich grosse Eigenschaften, die ihn als unwiderstehlich anziehenden und fes- selnden Dichter erscheinen lassen; überall erkennen wir seine scharfe Beobachtung, seine klare Einsicht, seinen unermüdlichen Fleiss und seine künstlerische Strenge. Aber trotz alledem muss unsere Zeit so weit sein, dass sie zugiebt, es finden sich in der Geschichte der Völker noch bessere Dichter als Horaz. Teuffei nennt Göthe, Schiller, Uhland, Heine. Wird die Mehrzahl der Leser das Gesagte, mit Ausnahme des letzten Satzes, gern zugeben, so werden sich allerdings viele finden, welche nicht mit Teuffei sagen, dass wahres dichterisches Talent dem Horaz gefehlt habe, insonderheit in der Lyrik, und welche mit der Rangord- nung der horazischen Oden nicht übereinstimmen, die Teuffei zum Schlüsse der Abhandlung (S. 18) giebt. Dem subjectiven Ermessen des Einzel- nen möge dies überlassen bleiben. Ja der hochverdiente Litterarhisto- riker wird selbst zugeben, dass es hier immer heissen wird : landatur ab bis, culpatur ab illis. Aendert sich doch unser eigenes Urtheil, z. B. über dieselben Dichtungen Göthe's, unter dem Einflüsse der Lebensjahre, der Lebenserfahrungen, der momentanen Stimmungen und Verstimmun- gen u. s. w. Teuftel theilt S. 18 die Oden des Horaz ein: 1. in un- vollkommene, mit Uebergewicht der Mängel, meist jugendlich unreif oder masslos, oder abgenöthigt, Epod. 7. 8. 12. 16. Od. I, 2. 10. 15. 18. 21. IV, 8. 10. u. s. w. 2. Mittlere, nicht ohne (nach Zahl oder Beschaffenheit erhebliche) Anstösse, aber doch mit Uebergewicht des Guten, das bald stärker ist ( + ), bald schwächer ( -). Dahin rechnet Teuffei. Epod. 1. 2 (+). 3 (+) u. s. w. Od. I, 1. I, 3. I, 4. I, 6 (+). H, 2 (■-), sogar H, 5 (— ) u. s. w. 3. Gute, ohne erhebliche An- stösse: Epod. 4. 6. Od. I, 5. Od. IV, 5; Od. II, 3 ( ) u. s. w., im Ganzen blos vierundzwanzig. 4. Treffliche, mit entschiedenen Vor- zügen des Inhaltes und der Form und (fast) ohne begründete Anstösse, aus dem ganzen Horaz blos drei Stück, nämlich Od. III, 7. 9. 29. Wenn Teuffei unter No. 4 auch Od. lU, 9 erwähnt, so bestätigt er in gewisser Beziehung selber das oben über die allgemeine Gültigkeit ausgesprochene Bedenken, da er 2) früher von der so oft gepriesenen Ode III, 9 ge- sagt hat, der leidige Egoismus des Horaz trete in der Schlusszeile unverhohlen an den Tag, da Horaz der Sieger ist, dem Lydia zuruft: tecum vivere amem, tecuvi obeam libens.

Sehr lehrreich ist Excurs B (S. 19 ff.) durch die Beiträge zur Beur- theilung der Handschriften des Horaz.

9) De Q. Horatii carmine saeculari. Dissert. quam scripsit. Aug. Kuehn, Silesius. Vratislaviae typis societatis typographicae. 51 S. 8.

Diese Dissertation behandelt zunächst die Frage über die Wahr-

2) Teuffei, Charakter, d. Hör. 1842.

Horatius. 9

scheinlichkeit einer Vertheilung der Strophen zwischen dem Chore von Knaben und Mädchen (und Quindecimvirn?) im Carmen saeculare. Gegen die Ansicht von Schmelzkopf (de Hör. carm. saec, Lips. 1838), wel- cher gewisse Strophen den Quindecimvirn in den Mund legt, wird das bereits von Gottfried Hermann (Jahrb. 1838. S. 195 ff.) hervorgehobene Bedenken geltend gemacht, dass die Theilnahme der Quindecimvirn als Sänger an sich nicht wahrscheinlich, auch mit nichts in den sibyllinischen Versen (Zos. H, 5) angedeutet sei, wo nur Knaben und Mädchen als Festsänger ausdrücklich genannt seien, vgl. Hör. Od. IV, 6, 31 (virginum primae puerique claris patribus orti Lesbium servate pedem cet.). Eben so wenig billigt der Verfasser die Annahme Steiner's (Kreuznach 1841), welcher in dem Liede einen Wechselgesang bloss zwischen Knaben und Mädchen findet, Strophe 1 2 als Vorgesaug vom ganzen Chor, Knaben und Mädchen zusammen, Strophe 3 8 abwechselnd von Knaben und Mädchen, Strophe 9 als Mittelglied halb (V. 33—34) von den Knaben, halb (V. 35 --36) von den Mädchen, Strophe 10—15 wieder alternirend von Knaben und Mädchen, Strophe 16 19 als Schlussparthie vom ver- einigten Chore der Knaben und Mädchen singen lässt.

Nicht stichhaltig ist hier Kuehn's Einwand, dass, wenn Strophe 9 die Knaben den Apollo in den zwei ersten Zeilen (V. 33 34), die Mädchen die Diana in den zwei letzten Zeilen anriefen (V. 35 36), con- sequenter Weise die Knaben in Strophe 5 (V. 16-20) nicht die Diana anrufen durften, sondern dies den Mädchen überlassen mussten. Auch Gottfr. Hermann, den der Verfasser S. 5 citirt, übersah, dass der poli- tische Hintergrund der Verse 16 20 ja ganz für den ernsteren Sinn des durch die Knaben repräsentirten männlichen Geschlechtes passt. Dieser unser Satz ist auch auf Strophe 7 auszudehnen (V. 25-28), wo bereits Steiner ähnliches hervorgehoben hat. Als schlagender Gegenbeweis können nicht betrachtet werden die unmotivirten Worte Kuehn's (S. 5): »deas Parcas invocare, nonne puellarum potius est quam puerorum?«

Auch die weitere Beweisführung in der Polemik gegen Steiner ist nicht genügend. Der Verfasser beruft sich nämlich auf den Umstand, dass keiner der Alten etwas von einem Wechselgesange berichtet, und folgert aus dem Parallelismus in Strophe 9 (V. 33 36): audi pueros, Apollo und audi, Luua, puellas, dass alles miteinander von den Knaben und Mädchen gesungen sei. Gegen die Annahme eines Tutti am Schlüsse (V. 61—71) spricht nach Kuehn der V. 71, votis pue- rorum applicat auris ohne Erwähnung der Mädchen. Allein die Sache steht hier deshalb anders, weil dieser Satz auf den folgt: quindecim Diana preces virorum curat (V. 70) und somit das genus potius zum Schlüsse des Ganzen kräftiger hervortritt (vgl. auch Orelli ad h. 1.). Nicht gelten kann die Conclusion S. 9, weil in der dem Carmen saec. historisch vorhergehenden Ode IV, 6 von V. 31 an Knaben und Mädchen

10 Horatius.

von Horaz aufgefordert werden, das Festlied rite zu singen (Lesbium ser- vate pedein cet.) und weil pluraliter sie zusammen Deliae tutela deae IV, 6, 33 genannt werden, und weil Horaz »pueros puellasque utrumque deum venerari iubeat«, so müsse jedermann einsehen (nemo est quin intelligat«), dass das Säcularlied von den Knaben und Mädchen gemeinsam (nicht amöbäisch) gesungen sei. Im Gegentheile findet der anaphorisch eingeleitete Parallelismus Od. IV, 6, 38 39 rite Latouae puerum canentes, rite crescentem face Noctilucam in dem Parallelismus der Verse 34 35 des Säcularliedes, audi imeros, Apollo und atidi, Lima, imellds einen derartigen Anklang, dass man vermuthen muss, Horaz habe bereits bei Abfassung von Od. IV, 6 die Absicht gehabt, im Säcu- larliede einen Wechselgesang zu geben. Dass Wechselgesänge zwischen Jünglingen und Jungfrauen, oder Knaben und Mädchen, in Rom nichts neues waren, zeigt Kuehn S. 10 selbst. Vgl. besonders Catull 62, Ho- rat. Od. I, 21, ganz abgesehen von dem Wechselgesange Hör. Od. III, 9. In keinem Falle kann die Folgerung bei Kuehn S. 10 gut geheissen werden: »quum putandum sit [doch nur als subjective Annahme?] antiqua carmina Romaua uno tenore ab universo choro cantata esse, saecularis quoque carminis eandem fuisse conditionem consentaneum est.« Auch Kays er in der oben besprochenen Ausgabe (S. 321) hat die Ansicht Steiuer's »als die gewöhnliche Annahme« wiedergegeben.

Im zweiten Theile (S. 12 ff.) bespricht der Verfasser einzelne Stel- len des Carmen saec, von denen namentlich V. 5—8 (von Peerlkamp ausgestossen) und V. 26—28 als treffend vindicirt und erklärt hervorzu- heben sind. V. 6 ist mit Kuehn virgines . . puerosque allgemein zu neh- men (Jungfrauen und Knaben), nicht im Sinne von nos virgines cet.

V. 26 28 ist von Kuehn die Construction veraces cecinisse als unantastbar gerechtfertigt und V. 27 der Indicativus servat (Var. servet) sehr gut erklärt: »quod semel dixistis (Parcae) hoc verum est neque ullo pacto potest mutari.« Damit hängt zusammen, dass der Satz quod servat (servet) nicht als von dem folgenden bona iam peractis iungite fata (V. 27 28) abhängig betrachtet werden kann, wie Ritter u. a. wollten. Der Sinn ist also, wie Kuehn mit Recht behauptet: knüpft, ihr Parzen, au das bisherige Glück ferneres Glück des Staates.

Am Schlüsse des Gedichtes behandelt der Verfasser die Verse 68, 71 und 72, wo er die Conjunctive proroget, curet und applicet den In- dicativen prorogat, curat, applicat vorzieht, welche letztere jetzt auch Kayser nach meiner Ueberzeugung mit Recht festhält. Die Zuversicht- lichkeit der Erhörung des Gebetes wird durch den Indicativus des Prä- sens eben so treffend bezeichnet, wie z. B. die Zuversichtlichkeit der Proi^hezeihung in Aesch. Prom. 333, wo mit der besten Handschrift TidvTiog jap uu mähcg vtM statt nscascg herzustellen ist. Uebrigens würde niemand, der in seiner Handschrift die Conjunctive proroget u. s. w. vorfand, dieselben in die Indicative prorogat u. s. w. verwandelt haben,

Horatius. 1 1

Wcährend es wohl jeden juckt, statt des überlieferten prorogat u. s. w. den Coujunctivus proroget zu corrigiren.

Der Schwerpunkt der Arbeit liegt im dritten Theile (S 28), einer eingehenden Kritik von C. Fr. Hermann's dissert. de loco Apollinis in carmine saec, Gott. 1843. Hier wird es deutlich gemacht, dass an einen Connex unseres carmen saec. und Vergil's famoser vierten Ecloge nicht zu denken ist, Apollo und Diana dagegen als Basis des ganzen Festliedes ihre volle Berechtigung haben und diese Gottheiten für Augustus (vgl. die Statue desselben) die erwünschtesten auch gegenüber dem rö- mischen Volke waren. Auf diese Parthie genüge es hier diejenigen auf- merksam zu machen, welche sich speciell für das carm. saec. interessiren.

Ein auffallender Druckfehler findet sich auf der letzten Zeile der ganzen Dissertation, nämlich carm. VI, 6 statt IV, 6. In der Sache selbst hat Kuehn Recht, wenn er die Thesis stellt, dass jenes Gedicht (IV, 6) Ein Ganzes bilde und nicht dürfe in zwei Lieder zerlegt werden.

10) Beiträge zur Kritik des Horaz. Von Th. Fritz sehe. Progr. der Domschule zu Güstrow 1877. Güstrow, Druck der Ebert'schen Rathsbuchdruckerei. 16 S. 4.

Der Verfasser behandelt und vindicirt in dieser Programmabhaud- lung mit grosser Schärfe und gründlicher Gelehrsamkeit eine Anzahl Stellen, zunächt der Oden, und gicbt selbst da, wo wir nicht beistimmen können, durch die Methode der Untersuchung zu genauer Betrachtung des Einzelnen Veranlassung.

Od. I, 20, 10 wird die Döderlein'sche Conjectur, welche Meineke u. a. in den Text aufgenommen haben, Caecubum Tum bibes uvara in ihrer Nichtigkeit dargelegt und eben so die grosse Zahl anderer Con- jecturen (uon bibes, tu vides u. s. w.) als ungehörig verworfen, dagegen tu bibes, die überlieferte Lesart, auf Grund des grammatischen Gebrauchs bei Horaz (vgl. auch Ebeling, de imperat. Hör. p. 39) glänzend gerecht- fertigt. Der Sinn ist also einfach (wie jetzt auch Kayser ihn fasst): da- heim trinke du immerhin deinen Caecuber und Calener, ich kann so feine Weine dir nicht vorsetzen nimm mit meinem Landwein (meinem Nauraburger) in meiner einfachen Wirthschaft vorlieb. Eine ästhetische Rechtfertigung des niedlichen »odarion« würde uns hier zu weit führen.

Od. I, 24, 15 hat Kayser jetzt quod si -- festgehalten. Die Mehr- zahl der neueren Herausgeber schreibt quid si wie der Bland, u. s. w. Sehr schlagend zeigt Fritzsche, dass letzteres nicht zu halten ist, da es einen Vorschlag, implicite eine Aufforderung, enthält, der doch Vergil, der Angeredete, nicht Folge leisten kann, wie z. B. Od. IH, 9, 17 in dem Vorschlage: quid si prisca redit fides? Cic. ad am. VI, 7, 4: hoc verbum suspiciosum est. Quid si hoc muto? Sehr ansprechend ist mm Fritzsche's Conjectur qui si. Ganz ähnlich sagt Plaut. Bacch. 128 Etiam me adversus exordire argutias'? Qui si decem habeas linguas, mutum

12 Horatius.

esse addecet. Vgl. meine Anm. zu Hör. Serm. I, 10, 17. Jedoch lässt sich die Vulgata durch Stellen wie Hör. Serm. H, 4, 5 und ähnliche rechtfertigen: »und wenn nun auch wirklich u. s. w.« Vgl. Dillenburger, qu. Hör. S. 53.

Od. I, 25, 11 erklart Fritzsche die Conjectur Unger's manens statt magis für ein passendes Auskunftsmittel zur Besserung des überlieferten Textes (Thracio bacchante magis sub interlunia vento), obwohl es nahe läge, in agris zu conjicireu. Was ist aber anstössiges, wenn man mit Kays er einfach übersetzt: Wenn in Neumondnächten der Thrakersturm- wind wilder (wilder als sonst) heranbraust? Gesucht ist es, mit Gesner, an den jetzt Zangemeister wieder erinnert, zu construireu: cum tibi amor et libido, quae solet cet., magis Threcia vento circa iecur saeviet.

Od. I, 26, 3 wird sinnig quid sub arcto für quis conjicirt. Lin- ker in der unten zu besprechenden Schrift erklärt - ohne Beweise qui für das richtige.

Ausführlich wird S. 9 über Od. H , 11, 1 5 gehandelt und zu- nächst der Ausdruck Hadria divisus obiecto für alle Zeit gerechtfertigt. Dann wird die Conjectur von Wiss u. a. nee trepides in usu (statt in usum) zurückgewiesen. Endlich wird S. 12 der Satz aufgestellt, es bliebe nichts übrig als zu emendiren, wenn man trepides in usum nicht, wie Fritzsche vorschlägt, übersetzen wolle: schaffe nicht ängstlich für den Gebrauch des Lebens u. s. w. Einfacher scheint mir aber doch, dass man den stehenden Gebrauch von trepidare festhält: zittere nicht, ängstige dich nicht (»frage nicht« ängstlich, wie jetzt Kayser) wegen des Bedarfs des Lebens u. s. w. In hat vielfache Analogien in dem grie- chischen dg, aus Horaz sei nur beispielsweise hingewiesen auf Epl. I, 18, 109 provisae frugis in annum copia. Serm. I, 2, 18—19 in se sum- ptum facit. Epod. I, 24 Cic. pro Roscio Com. IV, 12 quis in hanc rem fuit arbiter? u. dgl.

Od. I, 18, 1 vermuthet Fritzsche, dass Horaz die Worte nicht so gestellt habe: nullam, Vare, sacra vite prius severis arborem, sondern vielmehr so: nullam vitc sacra, Vare, prius severis arborem. Er geht hierbei von der Annahme aus, dass es ein Gesetz gewesen sei, in den längeren choriambischen Reihen in dem ersten Choriambus (nach der Basis) und am Schlüsse des Verses die zu betonenden Wörter zu stel- len, wie im Originale bei Alcäus das letzte Wort den Ton habe; iirjohv äXXo ^oTsüarjg Trpozspov ddvdpsov d/iT:eX(v. Es liege also die Alterna- tive vor, dass entweder Horaz bei der Uebertragung jenes Gesetz über- sehen und »somit einen Fehler gemacht habe«, oder dass der Fehler erst später in den Text gekommen sei. Aber es ist gewagt, die bei Horaz überlieferte Wortstellung als Fehler zu bezeichnen, so lange das Vorhandensein jenes Gesetzes als allgemein gültig zu bezweifeln ist. Denn von den Griechen haben wir nur wenige solche längere choriambische Zeilen, ja der dem Alcäus zeitlich doch näher als Horaz stehende Theo-

Horatius. 1 3

krit weiss in den Gedichten 28 und 30 (meiner Ausgabe) nichts davon; denn sonst hätte er Idylle 28 anfangen müssen FXauxag äXaxdra und durfte nicht schreiben: FXaüxag w (pdipi&' dXaxdza. Aus den drei in gleichem Metrum gedichteten kurzen Oden des Horaz (I, 18. I, 11 und IV, 10) lässt sich nichts als stehende Regel folgern. Dem von Fritzsche angenommenen Gesetze widerstreiten sofort in Od. I, 18 auch die Verse 3 und 7. Im ersten Verse hätte es sonst nahe gelegen, statt siccis omnia nam zu setzen: siccis dura etenim cuncta deus propo- suit . Vers 7 konnte Horaz statt des hier völlig tonlosen quis (ac ne quis modici ), wenn er gewollt hätte, nach der Basis das zu be- tonende Verbum setzen; ac ne transiliat quis modici munera Liberi. Aus Alcäus wollen jenem Gesetze sich Verse nicht fügen, wie z. B. reyys nveüiiovag olvw, rh ydp äarpov mpcTsXXsrac, wo ol'vaj den Hauptton hat; (Fragm. 39) oder mvcu/isvl zt Xu^vov p.evop.£v; ddxzoXog dp.epa, wo die dritte, vierte und fünfte Silbe ohne rhetorische Bedeutung sind, das zu betonende MxzuXug aber vorletztes, nicht letztes, Wort des Verses ist.

11) Scholae criticae in Horatii epist. II. libr. H. Scr. A. Lo- winski. (Jahresber. des königl. katholischen Gymnasiums in Deutsch- Krone für 1875-1876.) 14 S. 4.

Der Verfasser erklärt sich in der Einleitung als Anhänger der so- genannten höheren Kritik (»superior quam vocant artis criticae pars«), die sich mit »Interpolationen, Umstellen und Ausfindigmachen von Lücken« beschäftigt. Polemisiren lässt sich nicht mit ihm von unserem Stand- punkte aus, den er S. 4 als den derjenigen Gelehrten bezeichnet, »qui nescio quam »»sobrietatem ac modestiam«« iactant, quam socordiam et ignaviam recte dixeris« (S. 9 heisst es inertia). Die Geneigtheit, die Verse von völlig subjectivem, also allgemeiner Geltung baarem Standpunkte aus zu beurtheilen, lehren die freilich auch von anderen beliebten Ausdrücke wie ■»frigide dictiun; debile dictum; viisere languet; versuum exilitas, ne dicam insuhitas\ haec nostro palato «rä«« adda videri nuncine mirabere? Es wäre aber doch wohl an der Zeit, von solchen wissenschaftlich nichts beweisenden Ausdrücken abzusehen. Denn niemand kann einen solchen Syllogismus gutheissen: quod frigide dictum est, alienum est ab Horatio; hoc frigide dictum est; ergo alienum est ab Horatio. Dem Vordersatz steht das entgegen, dass auch Horaz ein Mensch war, dessen dictum einmal frigidum sein konnte; ob es aber in Wirklichkeit frigide dictum oder debile dictum sei oder ob es misere langueat u. s. w., bleibt immer noch thesis controversa^). Mit Recht sagt Teuffei in der oben ange-

3) Eine interessante Blumenlese solcher hingeworfenen, zu Schlüssen be- nutzten Aeusserungen giebt Teuf fei a. a. 0 S. 12 aus Lehrs, Gruppe und Genossen: »läppisch und abgeschmackt, roh und ganz ungehörig, blödsinnig, dumm »und was die deutsche Sprache sonst noch an Wendungen dieses Kali-

14 Horatius.

zeigten Schrift S. 10: »es ist ein Fehlschluss, aus Mängeln auf Un- äclitheit zu schliessen«, und S. 8: der Schluss »Horaz ist ein vollkom- mener Lyriker, also rühren die Un Vollkommenheiten in seinen lyrischen Gedichten nicht von ihm her« würde nirgends in der Welt für einen richtigen gelten.

Der Inhalt der zweiten Epistel des 2. Buches ist nach der Ansicht des Verfassers ganz geeignet gewesen Interpolationen anzubringen. Er tilgt V. 16, verwirft aber den von Lehrs nach V. 15 hinzugedichteten Vers: sie si quod satis est sapieuti dicat aperte. Auch V. 10—11 schei- nen ihm unächt zu sein. Die ganze Parthie V. 55 64 erklärt er für Falsificat^). Gegen V. 55 (singula de nobis anni praedantur euntes) wird dies geltend gemacht: »nonne versus totus languide et invita ut aiunt Minerva factus est? nee profecto memini quicquam me legere in- ficetius atque instdsius. Viele alte und alternde Herren werden im Ge- fühle der abnehmenden Kraft und der aetas ingravescens ganz im Ge- gentheile erklären, dass der Vers die rein menschliche Wahrheit sapien- ter und in der Form sogar facde ausdrücke. Wünschen wir dem Ver- fasser für seine Person, dass er auch im höchsten Greisenalter bei sei- ner Beurtheilung kraft seiner Lebensfrische bleibe. Am wenigsten durfte er V. 59 60 verdächtigen. Er schreibt: »v. 59 uon recte, si quid sapimus, Carmen a iambis tamquam diversum quid distinguitur^) nee satis liquet v. 60 nescio cuius Bionis philosophi sermones quamvis a bono scholiasta fuse et adeo literate laudati quales tandem sint et quid sibi hie velint^). Ganz unhaltbar ist das, was gegen die Aechtheit von 199-204, 208 210 vorgebracht wird.

V. 70 wird coujicirt: immane incommoda (für humane commoda); V. 72: fuste necat calidus 7mdos gerulosque redemptor (für festinat calidus mulis gerulisque redemptor); V. 87: fretus erat Romae (für f rater erat Romae), jedoch mit der Bemerkung (S. 11), dass die ganze Stelle un- ächt sei. Schliesslich wird V. 171 statt refufjit von dem Verfasser re- cludit vermuthet und erklärt: indicat, ostendit, aperit, patefacit.

bers zu bieten vermag«, z. B. Lehrs S. XCI: »all das Zeug soll von Horatius sein? Es ekelt mich wirklich au zu verweilen«.

4) »Mihi quidem valde ineptum, iie dicam ridiciilum, videtur poetam pu- tide sex causas computare quibus adductus nihil carminum ad Florum miserit omninoque poesim iam abiciat, quam una causa, quae clare et diserte indica- tur inde a v. 142, ad excusandum eum prorsus sufüciat.

5) Carmen geht offenbar auf die sogenannten Oden, iambi auf die Epo- den. Vgl. Teuffei, röm. Lit. § 237, A. 1, wo auch die Stelle Epist II, 2,59 citirt ist.

6) Sermonen (Satiren) werden damit bezeichnet, und zwar bittere, wes- halb gerade Bion aus Borysthenes genannt wird. Siehe namentlich F. V. Fritzsch';, l'rolegg. Lucian. p. XLII (ed. Lucian. II, 2).

Horatius. 15

12) Analecta Horatiana (Scr. Rob. ünger). In dem Programme: scholae Schleusingensi . . quartum saeculiim rite auspicanti gratulaa- tur . . gjTnnasii civici Halensis collegae. Halis Sax. formis descripsit E. Karras. 1877. 17 S. 4.

Der Verfasser bespricht eine Anzahl Stellen des Horaz, zu denen er eine Fülle von Beispielen giebt, welche zeigt, dass dieselben nicht nudius tertius zusammengerafft, sondern Resultate sorgfältiger Studien sind. Er belegt die Richtigkeit der Lesart uno, Od. II, 8, 3 (dente si nigro fieres Tel uno turpior ungui), wofür albo u. s. w. conjicirt worden ist; er vindicirt Od. I, 2, 21 das überlieferte acuisse (civis acuisse ferrum) gegenüber den Conjecturen raimisse ferrum oder iacuisse ferro (S. 8); er nimmt mit Recht Od. I, 12, 41-44 als acht in Schutz (S. 11-12). Od. I, 4, 13 wird die Uebersetzung pede pulsare, »dröhnend durch- schreiten« (Zeitschr. f. Gymnasialw. 1876 S. 483) widerlegt und der Aus- druck durch eine grosse Zahl von Stellen gerechtfertigt, von denen be- sonders Callimachus, Apoll. 3 bezeichnend ist {rä &öpezpa xalh 7:08} 0o7ßog äpdaaet. Dazu füge ich das Komische, Aristoph. Ran. 38 reg rrjv ^üpav indra^sv; ujg xsv-rwpcxüjg i.vijXa}^'' oaztg. Theokr. II, 6 ohdk ^üpag äpa^sv.

Was die Conjecturalkritik des Verfassers anbelangt, so ist die Be- rechtigung seiner Aenderungen mit Entschiedenheit in Abrede zu stellen. Es sind folgende:

Od. III, 4, 10 altricis extra limen Achaicae (S. 4). Od. III, 29, 6 me compare für me semper (S. 5). III, 29, 63 64 divum für tutum

per Aegaeos tumultus mra feret für aura feret (S. 6). Od. I, 32, 14 grate Imulator für grata testudo. Od. I, 3, 19 qui vidit mare Ibencum für qui vidit mare turgidum. Od. I, 4, 16 wird so interpun- girt und conjicirt: lam te premet nox. Fabula anne Manes et domus exilis Plutonia? als Fragesatz. Od. I, 12, 31 wird conjicirt: et minax (Cori voluere pont?n;i) unda recumbit. Od. I, 14, 7 cavemae für ca- rinae. Od. I, 14, 16 tu nisi ventis te des ludibrium, cave. Od. I, 15, 15 grataque feminis imbelli cithar«e (für cithar«) carmina divides.

Od. I, 25, 2 parcius iunctas quatiunt fenestras coetibus crebris iuve- nes protervi, obwohl schon Haupt mit Recht geschrieben hat: »tandem Horatio restitutum est iaciibusa. Od. III, 24, 4 et mare Brutium für publicum (Haupt u. a. , Ajmlicuni Eckstein). Od. III, 27, 76 tua sectus orbis nomina dklet. Od. IV, 4, 15 iam caute depulsum oder m tesca depulsum mit dem Zusätze des Verfassers: »utrum horum sit me- lius, videtur vix posse ambigi«. Zu Od. IV, 14, 55 (aeternet) schreibt der Verfasser S. 16: »Quod quidem verbum (aetemandi) posteriore tem- pore usurpari non desitum successisse verbo perennet arguunt Horatii imi- tatores Sidonius et Ausonius.« Gegen perennet ist aber das von Horaz im vierten Buche festgehaltene Gesetz, dass die drei ersten Zeilen der alcäischen Strophe mit einer Länge anfangen. Od. IV, 9, 42 (reiecit)

16 Horatius.

kann nicht als Ausnahme gelten. Vgl. Od. IV, 8, 16. Od. III, 9, 20 u. s. w. Od. IV, 14, 17 wird discrimine conjicirt für certamine. Druckfehler sind S. 8, Zeile 14 von unten 211 statt 219; S. 13 das Citat 15, 5 statt 15, 15.

13) Kritisch-exegetische Beiträge zu Horaz und Vergil von dem Oberlehrer Dr. Ad. du Mesnil. (Beilage zum XIV. Jahresberichte des Königl. Gymnasiums zu Gnesen.) Gedruckt bei J. B. Lange in

Gnesen. 1877. 22 S. 4.

Der Verfasser behandelt zunächst Hör. Od. III, 10, 13—16, wo er einen Widerspruch zwischen preces und suj)plidbus und den Fehler in dem Worte preces findet. Am ansprechendsten würde dem Verfasser dafür der Begriff der Gewalt erscheinen, die Horaz angewendet hätte, um in das Haus der Geliebten zu dringen ; das passende Wort hat sich ihm noch nicht gefunden (zu weit ab lägen nach seiner Meinung Wörter wie minae, fides, tremor von der Kälte auf der Schwelle lyrae d. h. seine musikalischen Leistungen, vgl. Metam XII, 157, wo aber citharae steht). Die gegen preces vorgebrachten Einwände sind zwar sehr scharf- sinnig, aber nach meiner Meinung doch zu gesucht, da alles plan ist, wenn in dem Verbum curvat die Bedeutung des Praesens ganz eigentlich festgehalten wird (bis jetzt vermag dich nichts zu beugen, aber schone doch ). Vgl. oben Kuehn, zu carm. saec. 26-28.

Zu Od. III, 10, 4 spricht der Verfasser in sehr beachtenswerther Weise über den Conj. Imperfecti plorares^ verwirft die Fassung von Orelli, Dillenburger u. a. und erklärt die Worte so: selbst wenn du ein scythisches Weib wärest (das doch am strengsten die Treue gegen den Gatten wahrt)''), so sollte es dich dauern mich hier in kalter Nacht liegen zu sehen. Aus den S. 8 gegebenen Citaten sei Plaut. Persa IV, 6, 28 hier hervorgehoben: - cras ires potius, hodie hie cenares, morgen solltest du gehen (nicht: du hättest gehen sollen). Indess erscheint es mir einfacher, die gewöhnliche Bedeutung des Conj. Imperf. im hypo- thetischen Satze mit Orelli u. a. festzuhalten ; nur darf man die Aeusse- rung über die Gattentreue bei den Scythen und Geten aus Od. III, 24 nicht hierher ziehen S), da dafür keine Andeutung vorliegt, sondern man hat festzuhalten, dass die Anwohnerin des Tanais hier nur das kalte, unempfindliche Weib repräsentirt.

7) Vgl. Od. III, 24, 20 ff.

8) Die Worte des Verfassers sind nämlich diese: »Aus der Erklärung von Orelli u. s. w. ergiebt sich folgender Nonsens: Wenn du eine Scythin wärest, so würde es dich dauern, mich den Nordwinden auszusetzen So aber, als Etniskerin, stehst du nicht an, diess zu thun! wie? die scythischen Weiber waren also von weicherem Gemüth und für buhlerische Liebhaber zugänglicher als die Tyrrhenerinnen? Weit gefohlt! Vgl. III, 24, 17—24«.

Horatius. 17

S. 8 ff. handelt der Verfasser über die ersten sechs Oden des dritten Buches und sucht den inneren Zusammenhang derselben nachzuweisen. Nach seinem Erachten zeigt sich in ihnen »ein durchaus angemessener und wahrhaft poetischer Fortschritt«, wenn man annimmt, dass folgende Tugenden in sechs Oden behandelt sind: »1. Continentia, Enthaltsam- keit. 2. Virtus im engeren Sinne, oder virtus Komana, Mannhaftigkeit, s. V. a. Standhaftigkeit, die sich in drei Hauptfällen kundgiebt: a) im Kriege; b) in der Verwaltung von Friedensgeschäften, in diesen beiden Fällen selbsthandelnd und positiv; c) in der Bewahrung von Geheimnis- sen, in diesem Falle nur imterlassend, nichts von sich gebend, also nega- tiv, was leichter, daher tuta silentio merces. 3. Die beharrliche, standhafte Gerechtigkeit (constantia in iustitia perfungenda) ; denn es sind hier zwei Tugenden zu einer verschmolzen. 4. Pflege der Dichtkunst (musarum artium liberalium Studium); deren Früchte Weisheit und Besonnen- heit. 5. Pietas in patriam. 6. Pietas in deos, coniuges, parentes^).« Dagegen vgl. die Abhandlung von Warschauer in unserem Jahresbe- richt für 1876, II S. 229 ff.

S. 10—11 wkd Od. III, 27 init. von dem Verfasser im Anschlüsse an seinen Aufsatz in der Zeitschr. f. Gymnasialw. XXX S. 74 behandelt. Hiernach soll V. 5 iter nicht sein iter impiorum (V. 1), sondern iter eorum, qui non sunt imi)ii; V. Iff. bedeute implicite: »Gottesfürchtige mögen sich durch gewisse (weil ungünstige) Zeichen von einer Reise ab- halten lassen«; hieran schliesse sich V. 5 mit dem Gedanken: »Auch eine Schlange möge eine Reise (sc. solcher, die nicht gottlos sind) unter- brechen, d. h. als ein ungünstiges Zeichen angesehen werden. Hin- gegen sind folgende Zeichen für den Plan einer Reise günstig (V. 7 ff.) diese also wünsche ich meinen Freunden und Bekannten«.

Schliesslich wird in Betreff der Abfassungszeit von Od. I, 3 und II, 9 die Vermuthung ausgesprochen, dass Horaz die ersten drei Bücher der Oden zwar 23 a. Chr. herausgegeben, später aber noch Od. I, 3 und Od. II, 9 hinzugefügt habe, da bei Od. I, 3 alles auf eine Entstehungs- zeit im Jahre 19, bei Od. H, 9 auf eine solche im Jahre 20 hinweise.

14) Gustavi Linkeri, Quaestiones Horatianae. (Programm der Universität Prag zum 400 jährigen Jubiläiun der Universität Tübingen) Pragae typis Henr. Mercy. 1877. 25 S. hoch 4.

Dem Verfasser erscheint die von Keller, Holder und anderen For- schern der neuesten Zeit geübte conservative Kritik des Horaz als eine

9) Kayser nimmt ebenfalls S. 304 an, dass Horaz die Oden III, 1—6 zu einem Cyclus vereinigt habe. Nach ihm wird Ode 1 behandelt der wahre Mensch (der Mensch, wie er als Mensch sein soll); Ode 2 der ächte Bür- ger (der Mensch, wie er als Bürger sein soll); Ode 3 Mannestugend (feste Beharrlichkeit in dem, was mau für gut und recht erkannt hat); Ode 4 Weisheit; Ode 5 Tapferkeit; Ode 6 Frömmigkeit.

Jahresbericht für Alterthums-Wissenschaft 1S77. II. 2

i^ Horatius.

Art frommer Aberglaube, von welcher er, wie andere, behauptet, »dass sie die Vernunft unter das Joch der Handschriften schickt«. Trotz Bentley finden sich nach seiner Ansicht im Horaz noch viele Dinge, »sive ob- scura nimis sive latina farum<i. (S. 6), ohne dass freilich festgestellt wird, wie weit Dunkelheit erlaubt sei (denn er sagt: y>nimi,<m), und ohne dass beachtet wird, dass der Begriff lateinisch eine Scheidung von allzu- sehr und allzuwenig (»parum«) nicht zulässt. In der Regel begnügt sich der Verfasser mit blossen Behauptungen, statt für den Denker zwin^ gende Beweise zu liefern, oder er bedient sich des Spottes über die Sache oder über die Vertreter einer anderen Ansicht durch welchen die "Wahrheit, das höchste Ziel all unserer wissenschaftlichen Mü- hen, nicht erschüttert wird.

Giebt der Verfasser wirklich hier und da einen Beweis, wie z. B. S. 7, so ist derselbe nicht stichhaltig. So nimmt er Anstoss an Od. I, 7, 17: sie tu sapiens ßnire memento Tristitiam vitaeque labores Molli Plance, mero und sagt: »quasi vero hortaturus esset amicum amicus, ut nimia perpotatione vitam simul vitaeque labores finiret. Nam finiuntur labores morte, at mero levantur ac leniuntur«. Das Sophisma ist so am Tage liegend, dass darüber kein Wort zu verlieren ist. Linker folgert nun aber, es müsse (oportet) bei Horaz corrigirt werden lenire labores und eben so S. 1, 1, 93 lenire laborem incipias, wobei vergessen ist, dass Horaz dem Habsüchtigen an letzterer Stelle anräth aufzuhören mit seinem Gegeize (sit finis quaerendi), und dass mit lenire laborem dem Harpax immer noch ein Hinterthürchen für sein Mühen im Zusammen- scharren der Gelder (laborem lenire!!) offen gelassen würde.

Eine auf logisch zwingende Unterlagen gegründete Widerlegung der Behauptungen von Linker würde ein Buch für sich verlangen. Es genüge hier, die Coujecturen zu den ersten drei Büchern der Oden mit- zutheilen.

Od. I, 2, 15 wird disiectum conjicirt für deiectum mit Cuningh. Auf S. 21 wird die Möglichkeit angedeutet, dass die ganze Ode I, 2 spätes Machwerk sei. Od. I, 22, 11 ruris vagor expeditus statt curis v. expe- ditis. I, 24, 6 soll so umgestellt werden : Pudor et lustitiae Fides incor- rupta soror. H, 1, 33 soll qui gurges »zu wenig lateinisch« sein und es qui gurgites, quae geheissen haben. H, 9, V. 1 - 2 enthalten nach Lin- ker ein Vitium ridiculum (non semper imbres nubibus hispidos manant in agros), was »leniter« entfernt werde durch die Aenderung: non sem- per imbres nubibus hispidas manant in arctos. H, 14, 1 nimmt Lin- ker Anstoss au der Wiederholung des Vocativus (»vocativus repetitus non convenit nisi acriter vocanti vel incitanti vel imploranti«). Der Ausdruck der Wehmuth liegt aber in der Wiederholung des Vocativus eben so wie um etwas modernes zu bringen in den Worten bei AI. Dumas, Jos. Balsamo 23: »ah! comtesse^ comtesse, dit tristemenet Louis XV.,

Horatias. 19

comme etc. Linker conjicirt optume Postume. 11, 20, 17—20 wird für unächt erklärt als vaticinium ex eventu (S. 22).

Od. ni, 3, 9 12 ist nach Linker das Machwerk eines Adulator, da bibit nur von dem todten Augustus könne gesagt worden sein; die Variante bibet aber stamme von Grammatikern, welche das Präsens für falsch hielten, aber die Ursache des Anstosses nur zu verhüllen such- ten. — Od. m, 4, 42 wird für impios conjicirt impiam, mit nicht passen- der Berufung auf Od. III, 24, 42 und IV, 8, 31 ^o). _ Od. III, 14, 10 hatte Madvig emendirt: pueUae ac iam virum expertae. So konnte nach Linker nur ein »scriptor misellus ac proletarius« schreiben. Er ändert: puellae carminum expertae. Od. IE, 16 ist nach S. 23 »Carmen miris et ineptis argutiolis affluens« und »unächt«. Vers 18 soll es perhorruit geheissen haben statt perhorrui. Nicht Maecenas der lebende werde angeredet, sondern über ihn als todten werde referirt. Vers 17 aber wird pecuniam geändert in potentiam mit der verfänglichen Folgerung: »illa emendatione admissa abruptum simul et laciniosum di- cendi genus in his truucis carminum fragmentis magis apparet«. Dahin gehöre auch V. 38, wo tu, wenn es acht sei, nach Linker's Meinung nur auf Kaiser Nero bezogen werden könne. Od. m, 30, 9 wird Latia conjicirt für tacita.

10) Ueberdies hat der Verfasser in seiner Ausgabe den Vers IV, 8, 31 mit als imächten bezeichnet.

Zusatz der Redaction.

Die von dem Herrn Referenten übergangene Abhandlung:

W. Christ, Fastorum Horatianorum epicrisis (Gratulationsschrift im Namen der philos. Facultät der Universität München zu L. Spen- gel's SOjährigem Doctorjubüäum). München, M. Rieger. 1877. 26 S. 4.

wird im nächsten Jahresberichte eingehender besprochen werden; vor- läufig bemerken wir nur, dass der Verfasser in dieser scharfsinnigen und gelehrten Arbeit nachzuweisen sucht, dass die drei ersten Bücher der carmina des Horatius zusammen im Frühling des Jahres 735/19 oder noch im Jahre 734/20, das erste Buch der Epistolae im Jahre 735/19 oder 736/18 veröffentlicht worden sind.

Bericht über die Literatur zu Ovid vom Jahre 1877.')

Von Prof. Dr. A. Riese

in Frankfurt a. M.

Zu den in dem ersten Bande der Ovid-Ausgaben zusammengefassten Gedichten ist zu besprechen:

Th. Birt, Animadversiones ad Ovidi heroidum epistulas. Rhein. Mus. XXXn. S. 386—432.

Birt geht von einigen zum Theil früher schon publicirten metri- schen Untersuchungen aus, durch welche er im Anfange seiner Abhand- lung zu dem Resultate kommt, die 1. bis 14. Heroide seien sämmtlich acht, alle anderen unächt. Doch sind die Beweise hierfür nicht stich- haltig, wenn z. B. aus S. 389 ersichtlich ist, dass her. 17—18 mit den allerächtesten Herolden in der Struktur der Verse so gut wie absolut übereinstimmen; die auf S. 391 gerade für diese beiden Gedichte ge- gebene Unächtheitsbegrüudung kann nur dann von Gewicht sein, wenn man sie für unächt eben ansehen will; dagegen war mir von Interesse, dass Birt in diesen beiden Herolden einen »amor semiquinariae caesurae

1) Auch diesmal begnüge ich mich mit einfacher Anführung folgender Ausgaben: Selectae labulae ex libris Metamorphoseon von Aubertin (Paris, XII. 276 S.) und ebenso von Lejard (Paris, 224 S.); Morceaux choisis des Metamorphoses von Nage Ott e (Paris, XXII. 246 S.); Anthologie aus Phädrus und Ovidius von Zimmermann (Frankfurt, IV. 215 S.), und Elegiac extracts from Ovid and Tibullus von Frost (London, 286 S.); sowie der Uebersetzun- gen in's Deutsche von dem Uebersetzungsfabrikanten H. R. Mecklenburg (die Verwandlungen »wortgetreu«, Berlin, 922 S.), in's Französiche von Dubois- Cuchac (Einiges in Poesies legeres, Paris), in's Englische von Hodgson (Eton Selections from Ovid and Tibullus, 208 S.), in's Italienische von Castelli (Fasti tradotti, Palermo) und Mazzi (Eroidi, epistola X: Arianna a Teseo, Venedig 16 S.), endlich in's Neugriechiche von A. Kabbadias {Msxa{i.op<pü}- atiov ßzTdfpaaiq, Athen 1874). Einige der im vorigen Berichte besproche- nen Schriften hat mittlerweile auch H. Magnus in dem der Zeitschrift für Gymnasialwesen beigegebenen Jahresberichte S. 229—245 behandelt.

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Ovid. Herolden. 21

tantus quantuin Tomis demum recepit poeta« findet und dadurch meine öfter ausgesprochene Ansicht, wonach diese Gedichte aus Ovid's letzter Zeit stammen, ohne es zu wollen bekräftigt. Denn wer diese Gedichte für unächt halten will (nach Birt entstammen sie dem ersten Jahrhundert n. Chr., wofür er Persius 1, 30 ff. herbeizieht), der möge doch endlich einmal die Frage klar und einfach beantworten: wie in aller Welt kam der angebliche Interpolator dazu, von Ovid's deutlichem Plane gänzlich abzugehen und nicht nur Briefe der Heroinen, sondern auch solche ihrer Liebhaber der Sammlung einzuverleiben, die doch alsbald auffallen und den Verdacht rege machen mussten? Ich bleibe dabei, dass alles dafür spricht, dass wir hier Produkte der späteren Ovidischen Zeit, wahrschein- lich seiner Verbannung, vor uns haben, in denen der Dichter das Jugend- werk mit etwas verändertem Plane neu aufgreifen wollte.

Doch kehren wir zu Birt's Aufsatz 'zurück, so gelangen wir nun zu den wirklich eindringenden und lehrreichen Partien desselben. Er sucht nachzuweisen, dass wie die meisten alten Gedichtsammlungen (aber auch Catull?) so auch die Heroides in Bücher abgetheilt waren von ungefähr gleichem Umfang (400 Disticha): Her. 1 5 bildeten danach einst das I., 6— 100^) das H., Her. 11 14 und die verlorene ächte Sappho das HI. Buch. Indem er ferner als das Ergebniss der Lehrs'scheu Kritik an Ovid einfach und richtig die Erkenntniss hinstellt »peccare potuisse etiam quos dicere solemus classicos scriptores«, geht Birt S. 398 zu der Untersuchung der Quellen einiger dieser Gedichte über und thut nun sehr eingehend dar, dass Medea und Phaedra aus der Medea und dem Hippolytos des Euripides, Deianira^) aus den Trachinierinnen des Sophokles, Hypermestra aber sogar aus den Danaides des Aeschylus, d. h. aus der aus 'IxeTc8eg, ßaXafionotoi und Alyunztot bestehenden Tri- logie entnommen sei; daher sei auch die letztgenannte Epistel, über welche Birt am genauesten spricht, in ihrem Charakter so verschieden von den übrigen, so gar nicht erotischer Art, und sei auch der Excurs über lo dadurch zu erklären. Zu Aeschylus sei Ovid vielleicht durch die Aeschylusstudien des (Pseudonymen?) Lynceus, eines Freundes seines Freundes Propertius (vergl. dessen HI 32, 41), geführt worden. Unsere unächte Sappho -Epistel sucht Birt S. 429 ff. auf Callimachus durch Be- nutzung einiger Fragmente desselben von ungewissem Ursprung zurück- zuführen; er betritt damit den Weg, welchen ich mit Bezug auf Catull's 64. Gedicht einst eingeschlagen, und der mir zwar vom hohen Ross herab ertheilte Verweise, aber bisher noch keinen Versuch einer Widerlegung eingebracht hat.

Ehe ich diesen scharfsinnigen und zum Theil wirklich fördernden

2) 9, 133 vermuthet Birt »et semidei Alcidae«.

3) Nachahmungen dieser Elegie bemerkt Birt S. 397 adn. in der Elegie an Maecenas (Anth. Lat. 779), aber mit Unrecht.

22 Ovid.

Aufsatz verlasse, muss ich auf S. 389 not. 2 (vergl. S. 395) zu sprechen kommen, ßirt ist nicht einverstanden, dass in den neuen Ausgaben in dem Briefe des Paris (15) die früher aus den allerjüugsten Handschriften der Humanistenzeit eingeschobenen Verse 39 142 weggelassen sind; denn V. 143 (= 39 der neuen Ausgaben) schliesse an 135—138, aber nicht an V. 36 38 an; nur jene enthielten das »incredibile« worauf 143 Bezug nehme. Darauf ist zu erwidern, dass Paris mit den Worten »minor est tua gloria vero« gar nichts »Unglaubliches« sagen will, da sie viel- mehr bedeuten »deine Schönheit, o Helena, ist weit berühmt; aber ihr Ruhm reicht doch noch nicht an ihre wahre Herrlichkeit, an ihre Wirk- lichkeit heran«. Damit schliesst dieser Vers aber gerade aufs Treff- lichste an V. 37—38 an: »ich hörte von deiner Schönheit schon ehe ich dich sah; ihr Ruhm machte mich zuerst mit deiner Schönheit bekannt«. Und nun: »aber dieser Ruhm entspricht der Wahrheit noch nicht ein- mal«. Ist nun auch die Zwischenpartie von einem fähigen Dichter ge- dichtet, der an V. 38 gut anschloss und wieder zu V. 39 (143) gut über- leitet, so ist sie doch 1. ganz unnöthig, 2. wäre höchst auffallend, dass trotz des angeblichen Ausfalls einer so grossen Zwischenpartie in den besten Handschriften der Zusammenhang keinerlei Unterbrechung zeigte, 3. ist sie obendrein sehr schlecht beglaubigt, während im Gegentheil die Tradition der Herolden sonst eine vorzügliche ist. Ergo ist es nur me- thodisch, diese Verse, das Werk eines Humanisten, welcher die Erzählung von dem Urtheil des Paris anbringen wollte, ebenso wie 20, 13 ff. aus den Ausgaben draussen zu lassen.

Sulla Epistola Ovidiana di Saffo a Faone. Studio critico del Prof. Dom. Comparetti.*) (Publicazioni del R. istituto di studi superiori. vol. H. p. 1—53). Firenze 1876.

Nachdem Comparetti aus angeblichen Erwähnungen der Epistel der Sappho noch im Alterthum, wo sie sogar dem Corpus der Herolden an- gehört habe (ich bemerke hierzu, dass weder Ausonius Cup. cruci äff. 24 noch Probus cathol. p. 30, 19 Keil sich in Wirklichkeit darauf beziehen; letzteres Citat geht auf eine verlorene Stelle Ovid's, da es ja den Gene- tiv von Atthis, nicht diesen Namen selbst belegen will) den etwas voreili- gen Schluss auf ovidische Echtheit derselben gezogen hat, führt er die Sätze durch, dass Ovid nicht Sappho's Gesänge direkt benutzte, sondern den zu seiner Zeit üblichen Vorstellungen von Sappho folgte, welche ihrer- seits auf poetischen Werken, die vor die Zeit des Menander hinaufreichen, beruhen. Der Sprung vom leukadischen Felsen sei aber nicht mit Wel- eker u. a. erst als Erfindung der attischen Komödie anzusehen, wenn gleich Menander in seiner Leukadia ihn erwähne. Phaon sei eine Figur, zuerst aus der attischen Komödie bekannt, stehe jedoch in keinem ur-

4) Angezeigt von R. Barco, Rivista di filologia, anno V S. 441—446.

Metamorphosen. 23

sprünglichen Zusammenhang mit Sappho; erst in der mittleren Komödie erscheine dieser Zusammenhang hergestellt. Doch alle diese Erzählun- gen seien weit älter, seien ursprünglich populärer, novellenartiger Natur, und schon bald nach Sappho's Zeit habe man angefangen dieselben auf diese und wohl auch schon auf Phaon zu beziehen. Natürlich haben dann alexandrinische Dichter sich des Stoffes bemächtigt (auf diese sei der Eintritt der Najade zurückzuführen) und einem solchen folge Ovid.

Birt (s. 0.) billigt diese Ausführungen und sieht in dem betreffenden Alexandriner den Kallimachos. Vergl. noch A. Schöne, Symbola Philol, Bonnensium II S. 76].

Otto Müller (Hermes XII. S. 303) conjicirt Her. 15, llY tandem statt tamen; 16, 253 tua robora; ib. 259 sapiam (so schon Bentley) und 260 et dabo cunctatas.

Ich gehe zu den wenigen Arbeiten über die Metamorphosen über 5).

Ovid's Metamorphosen in ihrem Verhältniss zur antiken Kunst. Von Dr. phil. Paul Schönfeld. Leipzig, Engelmann 1877. 75 S. 8.

Der Verfasser sucht die Annahme Helbig's, dass die römischen Dichter in ihren Schilderungen vielfach durch die Darstellungen der "Wandmalerei beeinflusst seien, speciell für Ovid näher zu begründen. Er findet unter anderm für manche Stellen des sechsten Buches der Metamorphosen, sowie für seine Beschreibungen der Europe und der vier Jahreszeiten ebensowohl rücksichtlich des Inhalts wie rücksichtlich der Gesetze künstlerischer Composition Seitenstücke zu Ovid unter den Wandgemälden, welche die Annahme nahe legen, dass der Dichter seine Vorstellungen aus jenen entnahm. Sei auch für manche andere Stelle das Resultat zweifelhaft oder negativ, so sei dasselbe doch schon wichtig genug, um den Wunsch zu veranlassen, dass diese Vergleichungen auch auf spätere Dichter, besonders Statins und Claudian, ausgedehnt würden.

Ohne mir über diese halb archäologische Frage ein festes Urtheil er- lauben zu wollen, spreche ich doch meine Meinung dahin aus, dass es dem Verfasser nicht gelungen sei noch auch gelingen konnte, seine Be- hauptung zur Evidenz zu bringen. Es ist doch an sich weder gerade wahrscheinlich, dass der Dichter anderen als dichterischen Quellen, d. h. vorzugsweise alexandrinischen, gefolgt sei, noch auch, dass er nach ein- zelnen, schliesslich doch nicht allgemein bekannten, Wandgemälden sich gerichtet habe; das Wahrscheinlichere ist doch wohl, dass die Künstler sich nach den alexandrinischen Dichtern richteten, die in ihrer Schil- derung der Natur, der menschlichen Attitüden u. s. w. sich schon sehr der Kleinmalerei befleissigten, und dass auf dieser Gemeinsamkeit alexan-

5) Merkel's Ausgabe derselben, sowie das erste Heft der 9. Auflage der PoUe'schen Ausgabe bespricht A. Zingerle, Zeitschrift für österreichische Gym- nasien Bd. 28 S. 511 ff.; die Merkel'sche auch G. Nick, Philol. Anz. VIII S. 486 ff.

24 Ovid.

drinischer Quellen die Aeliiilichkeit Ovid's uud der Wandmalereien be- ruht. Natürlich war die lebhaft emijfäugliche Phantasie des Dichters auch von der Betrachtung vieler Kunstwerke gesättigt, und sollen ein- zelne unwillkürliche Reminiscenzen dieser Art nicht gerade geleugnet werden, doch darf man aus solchen nicht einmal sicheren Einzelheiten keine weitgreifeuden Schlüsse ziehen. Auch, dass Ovid's Trist. I 2, 77 bezeugter Aufenthalt in Athen von grossem Einfluss auf seine Kuust- auschauung war (S. 8), ist unwahrscheinlich, da die attische und die ovidische Kunst von allzu verschiedenem Charakter sind.

C. Härtung theilt im Philologus XXXVI (S. 268, 362, 427, 487) zu den Metamorphosen mit: III 93 conjicirt er et ima; XV 748 sei inter- polirt; ferner bedeute III 3 ignarus thöricht, III 27 libare spenden; II 261, nicht aber auch II 296, enthalte eine Prolepsis; III 44 sei despicit richtig; XV 746 sei rerum unverständlich (?).

Die Gedichte des dritten Bandes haben folgende Arbeiten ver- anlasst:

H. Peter, De P. Ovidi Nasonis fastis disputatio critica. Progr. der Fürsten- und Landesschule Meissen 1877. 29 S. 4.

Peter billigt das Verfahren, welches ich in meiner Ausgabe Ovid's für die kritische Feststellung des Textes eingeschlagen, für sämmtliche anderen Gedichte, nur für die Fasti nicht. Er sucht nachzuweisen, dass ich in diesen dem Codex Reginensis (R) saec. X und in zweiter Linie dem Vaticanus 3262 (V) zu viel, den anderen Handschriften aber zu wenig Einfluss verstattet habe. Namentlich der Mallerstorfiensis sei mehr zu berücksichtigen, wenn gleich Peter mit mir darin übereinstimmt, dass Moriz Haupt denselben allzu hoch geschätzt habe. Aber auch die übri- gen Handschriften seien nicht zu verschmähen, ja selbst die allerjüngsten seien nicht ganz ohne Nutzen. Nachdem Peter hierauf die verschiedenen in den Handschriften vorkommenden Arten der Verderbniss : Interpolation von Versen, zufällige Entstellung imd beabsichtigte Aenderung von Wor- ten, Contamination mehrerer Lesarten, an Beispielen nachgewiesen, ver- sucht er die Entstehung der Verschiedenheiten in den Lesarten zu er- klären; dieselbe entstamme nicht etwa einer Mehrzahl von Lesarten in dem Autographon des Dichters (darin stimmt Peter mit meiner Behauptung Ovid vol. HI S. VIH völlig überein), sondern einer Bearbeitung viel- leicht aus dem Ende des Alterthums, aus der Zeit des »legi et ut potui emendavi«. Aus einer solchen freien Bearbeitung stamme ein Codex a, der allerhand Unbill erlitt, aus diesem dann ein Codex /?, der Stamm- vater der drei oben genannten, sowie ein stark verdorbener Codex y, aus welch letzterem die übrigen Handschriften entsprossen sind; doch gebe es auch viele, die bald in die Klasse ß, bald in y hinüberschillern. Ohne mich über dieses Stemma auszusprechen, welches vielleicht Genaueres

Fasti. 2S

festzustellen sucht, als uns festzustellen hier überhaupt möglich ist, und unter Anerkennung des sorgfältigen Fleisses, womit Peter seine Arbeit ausführte und womit es ihm auf den ersten Seiten auch gelang, mir einige Ungenauigkeiten nachzuweisen, muss ich mein Gesamraturtheil dennoch dahin fixiren, dass eine weiter fördernde Aufklärung für unser zu befol- gendes Gesammtverfahren nicht erreicht ist, dass Peter vielmehr in praxi nicht anders als ich (von manchen Einzeluheiten natürlich abgesehen) zu verfahren nicht umhin können wird. Denn dass R den ersten Rang un- ter den Handschriften einnimmt und weder die »audacior interpolatio« von V (Peter S. 9) noch die »diligentia minus religiosa« des Mallerstor- fiensis (S. 13) noch die »neglegentia audaciaque« des Peter'schen Codex y^ welcher nur durch »exemplaria gravius interpolata nobis innotuit« (S. 28), ihn entstellt, räumt ja auch Peter ein; dass aber anderseits auch in R Interpolationen nicht absolut fehlen, dass sein Archetyp hier und da schwer zu lesen war, sowie dass manche Stelle für uns überhaupt nur interpolirt erhalten ist, habe ich selbst S. VIII unumwunden behauptet; dass also in solchen Fällen bei anderen Handschriften Rath gesucht werden muss und in vereinzelten Fällen auch gefunden wird, geht daraus hervor und wurde von mir in der Bearbeitung als Grundsatz festgehalten. Ohne mich also in einen "Wortstreit über den Werth oder Unwerth solches »eklektischen« Verfahrens einzulassen, werden wir beide gleichmässig im Ganzen R folgen, im Einzelnen, wo R im Stiche lässt, uns in anderen Handschriften umsehen, eventuell in solchen Fällen mei- stens die richtige Lesart als verloren ansehen. Ohne nun die Frage im Ganzen zu fördern, giebt Peter doch in manchen Einzelerwägungen schätzeuswerthe Fingerzeige; doch kann ich auch da ihm vielfach nicht beistimmen, wo er die Lesarten anderer Handschriften gegen die von R vertheidigt; z. B. ist trotz S. 13 in I 186 condita aus verschiedenen Gründen dem Candida anderer Handschriften vorzuziehen und braucht mella ebensowenig wie 185 palma ein adjectivisches Epitheton zu haben. Es hätte mir bei so geringem reellen Werth der übrigen Handschriften Peter es nicht als Nachlässigkeit auslegen sollen (S. 2), dass ich dieselben aus Merkel's Ausgabe sorgfältig kennen zu lernen mich be- gnügte; ich stehe aber meinerseits nicht au, an seiner Arbeit den sau- beren Fleiss und die sorgfältige Disposition nochmals rühmend zu er- wähnen ; insbesondere hat er die Classification der Handschriften gefördert.

De retractatione Fastorum Ovidii. Dissert. inaug. von Halle. Scr. Paulus Goldscheider, 25 S. 8.

Der Verfasser dieser Dissertation nimmt die von H. Peter und mir bei verschiedenen Gelegenheiten behandelte Controverse (vgl. z. B. die- sen Jahresbericht für 1874 75 S. 243) über die zweite Ueberarbeitung der Fasti wieder auf und stellt eine vermittelnde Ansicht auf, welche wohl geeignet ist Anhänger zu finden. Bekanntlich hatte Peter nach

26 Ovid.

Merkels Vorgang behauptet, das erste Buch sei in zweiter, IT n. Chr. an Germanicus gerichteter Ueberarbeitung erhalten, 11 VI aber in der ersten, vor der Verbannung (also vor 1 n. Chr.) dem Augustus dedicir- teu Form vorhanden. Nach meiner Ansicht aber ist das ganze Werk gleichraässig in der vor 7 an Germanicus gerichteten Fassung überliefert, doch so, dass in allen Büchern, am meisten jedoch im ersten, einzelne Spuren späterer Ueberarbeitung sich finden. Goldscheider stimmt nun darin mit mir übereiu, dass alle sechs Bücher gleichraässig wie wir sie haben vor 7 n. Chr. verfasst sind; doch seien einzelne Stellen aller Bücher (auch IV Y9— 84, was Peter nicht hätte leugnen sollen), beson- ders aber des ersten, später (und zwar diese alle erst nach 17) verfasst, um welche späte Zeit auch die Verbindung der einzelnen Abschnitte zu einem Ganzen erst hergestellt und zwar ohne besondere Sorgfalt herge- stellt worden sei. Die Monate Juli bis December seien ebenfalls schon begonnen gewesen, aber ihre Retractation sei wegen der Schwierigkeit derselben unvollendet geblieben. Die Dedication an Germanicus sei gleich- falls erst der Zeit nach dem Tode des Augustus, dem das Werk laut Trist. II 549 ursprünglich dedicirt sei, zuzuschreiben. Ich verkenne nun nicht, dass diese Annahme manches für sich, die entgegenstehende aber manches gegen sich hat, ohne jedoch allen einzelneu Bemerkungen Gold- scheider's zuzustimmen ß). Mit Recht widerspricht Goldscheider der An- sicht Peter's, dass es gerade die von Germanicus geplante Orientreise war, welche Ovid zu diesem und zu den Fasti zurückgeführt hätte. Ich erkenne Goldscheider's Vorschlag als ganz zweckmässig an; die Durch- führung im Einzelnen und die Erklärung der Einzelstellen ist meist sorg- fältig gearbeitet (I 701 f. versteht Goldscheider trotz seines scheinbaren Widerspruches gerade so wie ich).

E. Hoffmann, zu Ovidius' Fasten (Jahrb. f. Philol. 1877 S. 396 bis 400) schlägt zu I 227 mit veränderter Interpunktion vor »finierat. monitus placidis«; (228 clavigeri?); 232 si vetus; II 398 nescio quod; 576 ligat . . fuso statt fusco; II 567 f. sei nach 616 umzustellen; 638 in singula verba (was weder dem Charakter der Darstellung noch dem be- haupteten Entstehungsgrund des Verderbnisses nach passt) ; III 634 dissi- mulatque metu; 643 silicem super (auf das Steinpflaster) ausa (kühn?) fenestra se iacit; 645 cumque metu; IV 236 Palamnaeas (vergl. Xen. Kyr. VIII 7, 18 u. a.).

6) Wenn Goldscheider meint: wenn nach meiner Ansicht Ovid durch die Trist. II 549 begangene Unwahrheit »priorem dedicationem ad Germanicum irritam fecisset«, so hätte er letztere auch später nie mehr erwähnen dürfen ohne sich der Lüge zu übertühren : so wäre dies mir wahr, wenn die dedicatio ad Germanicum schon öffentlich bekannt gewesen wäre ; in diesem Falle hätte Ovid aber freilich die Stelle Trist. II 549 überhaupt nicht schreiben können!

Fasti. Ibis. ^Y

G. Nick, Kritisches und Exegetisches zu Ovid's Fasten. Philolo- gus XXXVI, S. 428 bis 444.

Nick weist nach, dass aus Servius zu Vergil Georg. I 43 nicht der Schluss gezogen werden darf, dem Servius habe noch ein Exemplar des 7. und 8. Buches der Ovidischen Fasten vorgelegen, da die Worte »Sic Ovidius in fastis« in den Handschriften falsch gestellt seien und eigentlich schon nach »divisus fuerat« gehörten (doch eher erst nach »December«? vergl. I 42. III 150). Ferner zeigt er den Irrthum Peter's und älterer Herausgeber, welche IV 389—392 auf die vom 12. April an folgenden ludi Ceriales, anstatt wie es richtig wäre auf die Schlussfeier der ludi Megalenses bezogen. Auffallend ist bei dieser Stelle, wie ich offen bekenne, allerdings, dass in V. 393 nicht angedeutet wird, dass Ovid einen Tag, den 11. April, als bedeutungslos übergeht, während er solche Auslassungen sonst stets anzuzeigen pflegt. Schliesslich wird die Frage über die Wiederholung der Priapusfabel in den Fasti I 391—440 und VI 319 348 dahin beantwortet, dass nicht etwa die erste Stelle in ihrer »heiteren, rosigen und geradezu schalkhaften Laune« erst in Tomi, wie Peter vermeint, geschrieben sein könne; vielmehr hätten die Verse des sechsten Buches zuerst an der betreffenden Stelle des ersten gestan- den, seien dann von Ovid bei der Ausarbeitung des sechsten in dieses unbesehens übertragen worden, wodurch die mangelhafte Zusammenfügung mit ihrer Umgebung verschuldet sei, und sei dann als Ersatz dafür die jetzige Fabel des ersten Buches für dieses gedichtet worden. Eine ähn- liche Versetzung findet der Verfasser in dem Prolog des zweiten Buches, der ursprünglich dem ersten voranstand, dann aber daselbst durch I 1 26 ersetzt wurde, welche Verse ich mich freue nun auch von Nick als der Hauptsache nach noch der Zeit vor der Verbannung angehörig angesehen zu sehen. Dass die ganze Aufstellung nur Hypothese ist, giebt der Ver- fasser übrigens selbst zu.

Zu den anderen Gedichten erwähne ich

R. Ellis, On the Ibis of Ovid (Journal of philology VII S. 244 bis 255).

Ellis geht auf das 12Y3 compilirte, gegen Ende des 15. Jahrhun- derts gedruckte Repertorium vocabulorum exquisitorum des Conrad de Mure zurück, welcher Ibis und den Scholiasten zu Ibis in guter Ueber- lieferimg benutzt habe. Nach dessen Anleitung emendirt er V. 291 Aut ut Echecratides, worunter entweder Eetion oder ein Aleuade zu verstehen sei, und 466 Dexithoesque pater (Procrustes, nach Mure's Scholion); 513 hat Mure allein das Richtige Astacidae bewahrt; auch sonst theilt Ellis viele Stellen aus Mure mit, welche, soweit man für jenen Scho- liasten überhaupt ein Interesse haben kann, von Interesse sind ; er selbst conjicirt 537 lusus und bespricht dieses Distichon genau; zu 293 sei Crinius so v. w. Cyrenaeus, also Callimachus.

28 Ovid.

Ovid's sämmtliche Gedichte betreffen zwei Schriften:

1) E. Trillhaas, Der Infinitivus bei Ovid. Programm der Stu- dienanstalt zu Erlangen 1877. 22 S. 8.

In ähnlicher Weise wie von Bucht (vgl. Jahresbericht für 1874- 1875 Abth. I, S. 246), aber kürzer, wird zuerst der Subjectsinfinitiv bei est etc. und bei Impersonalien, sowie der Infinitiv als Prädikat (Art. am. III 366), dann der Objectsinfinitiv, geordnet nach den einzelnen ihn regierenden Verben und Adjectiven, weiter die Gräcismen in der Setzung des Infinitivs ^att ut c. conj. und in der des Nominativs c. Inf. besprochen. Der Inf. per- fecti stehe entweder im eigentlichen Sinne oder als Inf. aoristi; den Zwang des Metrums erkennt der Verfasser dafür nicht an. Die Abhand- lung ist wohlgeordnet, anspruchslos, nicht erschöpfend und kaum je auf die Frage nach den Ursachen eingehend.

2) Martial's Ovid-Studien. Untersuchungen von Anton Zingerle. Innsbruck, Wagner. VI und 42 S. 8.

Zingerle behandelt in derselben Weise wie in seinen früheren Schrif- ten über Ovid die Frage nach der phraseologischen Einwirkung eines Dichters auf einen anderen. Er weist nach, wie Martial (abgesehen von manchen Selbstwiederholungen) ovidische Wendungen, Motive, Verstheile, ja fast ganze Verse, zum Theil in schneller Aufeinanderfolge, sowie man- che von Ovid gern verwendete Eigenthtimlichkeiten der Versification, be- sonders in Bezug auf den Bau des Pentameters und die Wahl der Worte für denselben, nachahmte und benutzte. Manches davon geschah nun gewiss unwillkürlich; gar manches ovidische Wort war sicherlich in dem Grade in die Sprache und Denkweise des kaiserlichen Rom übergegan- gen, dass man es besser aus dieser, nicht aber aus direkter ovidischer Reminiscenz erklärt. Dahin möchte ich (vgl. S. 21) selbst einen schein- bar so entschiedenen Anklang rechnen wie den des Pentameters »nee tecum possum vivere nee sine te« (Mart. XII, 47, 2) an den Ovidischen Hexameter Am. III, 11, 39. Selbstverständlich betrifft dieser Zweifel nur Einzelnes wie denn Zingerle selbst zugiebt, dass manche von ihm an- geführte Einzelheit nur im Rahmen des Ganzen einige Bedeutung hat (S. 35) im Ganzen aber hat Zingerle seine Behauptungen durch lange Reihen von Beispielen schlagend erwiesen. Dahin gehört z. B. auch die acht ovidische Verwendung des Participium praesentis in der zweiten Hälfte des Pentameters; wobei nur leider S. 14 nicht ausdrücklich gesagt ist, ob und welche Nachahmungen der ovidischen Versanordnung in »car- mine temporibus conveniente suis« sich bei Martial finden. Auf die Nach- ahmung des Catull, Tibull u. a. durch Martial ist wenig, für die Gewin- nung des richtigen Gesammtbildes nur zu wenig, eingegangen. Für die Textkritik sind nur wenige Andeutungen gegeben; z. B. ist für Fasti I, 550 feros treffend begründet durch Herbeiziehung von Mart. V, 65, 6

Allgemeines. 29

(S. 17). Anderseits giebt allerdings Zingerle S. 31 einen Wink zur Vorsicht in der Ausbeutung der Nachahmer für die Textkritik: Ovid Am. III, 7, 41 wollte Burmann für Pylius nach Martial XI, 60, 4 (VI, Vi, 3) Pelias herstellen; eine weitere Nachahmung aber, welche Zingerle bei- bringt (luvenal 6, 325) setzt Pylius doch in sein Recht ein. Auch für meine Vermuthung, dass die letzten Herolden von Ovid in seiner späten Zeit geschrieben seien, bringt S. 12 einige neue Belege. Ein Register der besprochenen Stellen beschliesst die lehrreiche Schrift.

Jahresbericht über die Literatur zur Anthologia Latina aus dem Jahre 1877.

Von

Prof. Dr. A. Riese

in Frankfurt a. M.

Der diesjährige Bericht kann mit einer nicht unbedeutenden Be- reicherung des Inhaltes der Anthologie beginnen:

Unedirte lateinische Gedichte. Von Emil Bährens. Leipzig, Teubner 1877. 48 S.^)

Aus dem Codex Harleianus 3685 chart. saec. XV bietet uns näm- lich der Herausgeber eine schätzenswerthe Erweiterung unserer Kennt- niss der spätlateinischen Poesie. Diese bisher unbenutzte, für Bährens von E. M. Thompson in den betreffenden Theilen copirte Handschrift enthält folgende Gedichte: 1. Aegritudo Perdicae. Dieses 290 Hexa- meter umfassende Epyllion in theilweise ziemlich einfacher Haltung, theil- weise aber auch voll erotischer Rhetorik nach Art des Dracontius und mancher in der lateinischen Anthologie aufgenommenen, namentlich afri- kanischen. Dichter schildert die unnatürliche Leidenschaft eines gewissen Perdica für seine Mutter, die vergeblichen Versuche zur Heilung und sein endliches Unterliegen, sein Siechthura und seinen Tod; der Heraus- geber schickt über die verschiedenen Varianten dieser ziemlich späten romanhaften Erzählung einige Bemerkungen voraus. 2. Gedichte des Tiberianus. Diesen schickt Bährens die uns bekannten Nachrichten über diesen Dichter des vierten Jahrhunderts voraus (S. 28), welche sich in meiner Ausgabe der Anth. lat. H p. X adn. auch bereits finden. Ein nicht unedirtes Gedicht des Tiberianus, die neuplatonischen Versus Piatonis de deo (AL 490) eröffnet den Reigen. Dann folgen die Novitäten des Harleianus, welche ohne triftigen Grund in anderer Reihenfolge als in der Handschrift vorgeführt werden: zuerst 28 Hexameter des »Socrates Phi-

1) Anzeigen von R. EUis, Academy 1877 No. 289 S. 474, vom Referenten im Lit. Centralblatt 1877 S. 1725.

Lateinische Anthologie. 31

losophus« von demWerth und den verderblichen Wirkungen des Goldes (V. 3 wird'von Servius als Tiberianisch citirt), dann 20 trochäische Septenare : Am- nis ibat inter herbas valle fusus frigida u. s. w., welche eine wirklich schöne Schilderung lieblicher Natur enthalten. Diese Verse gehen in der Hand- schrift, wo sie »versus Tiberiani« heissen, dem vorgenannten Gedichte voran. Üebrigens bilden sie sicher nicht, wie Bährens meint, ein »selbstständiges Kunstwerk«; die Schlussverse »sie euntem per virecta pulchra odora et musica | ales amnis aura lucus flos et umbra iuverata weisen vielmehr auf eine Person als Mittelpunkt der Erzählung hin und nöthigen uns das Ganze als beschreibende Episode aus einem erzählenden Gedichte anzu- sehen. Von Bähren's ästhetischem Urtheile (er will hier die »originelle und eigenartige« dichterische Kraft eines »fast modern fühlenden« Dich- ters erkennen) will ich absehen. Auffallend ist, dass Bährens, nachdem er vorher noch zwölf nüchterne Hendekasyllaben de avicula (Ales dum madidis gravata pennis), welche ich nicht für Tiberianisch halten kann, aus dem Codex eingeschaltet, nun auch das ganze Pervigilium Veneris mit einigen kritischen Bemerkungen hinzufügt, unter denen ich die neue Umstellung der Verse hervorhebe (Bährens stellt V. 9—27 zwischen 62 und 63, ferner 29 f. nach 33, und 84 nach 85). Er hatte dasselbe nämlich vorher dem Tiberianus vindicirt, allerdings ohne jeden triftigen Grund; denn dass zwei Naturschilderungen, weil in dem gleichen Metrum, nun auch von dem gleichen Verfasser sein müssten, das ist eine Beweis- methode, welche die heutige Philologie zum Glück nicht mehr anerkennt. Doch sei es, wie durfte dann Bährens, nur damit man in der Zusammen- stellung der Dichtungen des Tiberian »nicht etwa das Pervigilium ver- misse«, es auf Seiten dieser Schrift hinzufügen, welche den Titel »Unedirte lateinische Gedichte« trägt? Der ki'itische Apparat ist den Gedichten gleich einzeln beigefügt; die Behandlung des Textes zeigt nicht selten Willkürlichkeiten. Zu manchen Stellen finden sich Bemerkungen von E. Rohde, besonders kritischer Art, am Schlüsse des Buches beigefügt. Perdica 201 f. wird wohl zu lesen sein: Inde Pudor prohibet vocisque ex- ordia rumpit Flammamque urentem (oder urgentem) revocat, ne (laedat?). At ille fsc. CupidoJ Ire iubet.

Im Weiteren befolge ich nach Möglichkeit die Anordnung der Ge- dichte in meiner Ausgabe.

E. Bährens, Zur lateinischen Anthologie. Rhein. Mus. XXXII. S. 211 bis 226.

Bährens bespricht hier vorzugsweise das christliche Gedicht c. 4, obgleich nach seinem früher entwickelten Plane die christlichen Gedichte von der Anthologie auszuschliessen wären. Er berichtet über eine Ab- schrift des uralten Codex von Salmasius Hand, den Parisinus 17904, sucht die dem Dichter vorschwebenden n>etrischeu und prosodischeu »Ge-

32 Lateinische Anthologie.

setze« zu ergründen (Verlängerung von Endsilben in der Arsis, Ab- werfung von s am Schlüsse, Freiheit in den Eigennamen), neben denen er leider doch nocli einige undefinirte »Nachlässigkeiten« gelten lassen muss, so dass für die Handhabung der Kritik hiermit also nichts Festes gewonnen ist. Es folgt kritische Durchnahme und Neuabdruck des Ge- dichtes. Bährens conjicirt V. 11 fluere, 12 mugireque, nach 13 fehle ein Vers, 24 sacrati, et 26 qui-transactu' sarissa est (was soll gar die raacedonische Lanze? ein Wort römischer Dichtersprache ist dies doch nicht!), 29 seditio ut vesträ, 30 Quo oder Quid tibi, 31 contugeret; die Verse 34—37, 46 50, 57 66, 74 f. seien nach 86 umzustellen; 36 vanos ritus, 38 olim] hornum, 40 cum] qui, 43 invisum q. qui, 44 subitus] iussit, 45 prostrare, 51 confecta, 52 cum quaereret, 74 Latoa statt Galatea, 62 cum] num, 66 quem larvale und comitares, 69 persuaserit, 71 Corae, 84 mit einer Lücke Solvere . . . voluit pia, 86 sibi] sie vi, 87 Paphu (nach griechischer Art, sehr unglaublich), 101 Quae renet (zusammen- flickt), 102 bin ich erstaunt, dass Bährens einmal eine Aenderung von mir, und gar unter Nennung meines Namens, anerkennt, 103 factos, 104 cum] ceu, 105 Dextra issam (= ipsam, die Herrin: aber dieses Wort in diesem Stil?) laevaque, 106 sectare, 110 sed. Ferner weist Bährens aus Parisinus 17160 nach, dass AL 741 von Fulbert von Chartres stammt, und conjicirt 490, 13 partibus haustus, 25 iuventae; 671, 54 tinxit, ib. 144 actus, 718, 20 quantum eximat, ib. 24 Et, 25 currum, 727, 24 Sic tetigit.

Beiträge zur Kritik lateinischer Schriftsteller, von M. Petschenig. Zeitschr. f. d. österr. Gymn. 1877. Bd. XXVHI S. 481 bis 492.

Petschenig vermuthet c. 21, 3 iuncta metallis, ib. 9 mens humilis miseris semper, quam (näml. mentem), ib. 28 ohne Parenthese und mit Komma nach nefas, ib. 47 tunc: nam perfidus, ib. 53 sane viderunt, 54 relevant, und den Punkt erst nach pisce. 63 mercator, populi tamen 137 miris cl. Verg. Aen. I 354. 255 plangit (eher denke ich an frangunt, vgl. etwa debilitat Hör. carm. I 11, 5). c. 26, 1 agis? responde 2 fa- mulans, post, 26, 9 dat] cano, 56, 2 sei pendet soviel wie suspensa est, cl. 83, 14; 18 u. a. 62, 1 alterna in, 81, 13 u. 16 huic, 82, 1 belli tiro cano 6 Fridi asseclae lususque magister, 83, 24 iterata redit 38 nam quid fugis? unde recussus? 42 capit, 61 repensat, 76 Lege sua, 149 Et malus hospes (so schon Bährens), 100, 5 Deleti, 110, 9 Thetidos, 112, 6 lapsu facili, 117, 9 dicatus honori Expoliat-senta, 123, 4 Haec radio- tepere, 124, 2 magis sei richtig, 128, 8 üt careas, 138, 1 sub ventre siringae, 150, 1 tabella, vultura, 5 formabit, 6 ludet iam, 7 manu, 155, 5 voverat aris, 168, 1 Discerpsit, 3 amore perenni, 185, 1 nutritur, 198, 3 sei falsos sexus vielleicht richtig, 7 devellere (so vermuthete schon Bäh- rens), 22 vellat, 43 cultorum sei richtig, 59 meduUae, 199, 91 planta Philoctetam nutrit, 203, 5 solo nix iacta, 207, 1 Cresciture, ferox ni quid 2 vinctis, 212, 2 vielleicht unda locus, 217, 2 zu rosas sei zu vergleichen

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Lateinische Anthologie. 33

Hör. carm. I 13, 2. 223, 1 vexatur, 224, 1 avenda, 229, 1 reficta, 234, 23 flevit in, 241, 1 cedat nox, 244, 4 quare als Pyrrhichius, 253, 103 serti, 271, 1 Ante bonam Venerem »bevor Venus ihre Güte bewies« 273, 2 pullanti floris in herba, 290, 7 Hinc . . auctu, 10 plurima bella cito, 298, 2 roseaque carne (cl. 332, 4), 299. 9 Pauperibusque? puto, quod penus, egeas, 301, 2 parente euecta, 6 heisse »zu Anfang der Welt«, 14 es, 304, 19 Actutum, 21 misit, 311, 1 solus, pateras quot omnes, 6 lagunara, 316, 7 nil recti in capite est, sibila dum canunt, 318, 2 sparsa die, 318, 6 sis vej ut inde (»oder wenn du von dort her- gekommen bist«), redi, 320, 8 laetos, 324, 5 in aequora, 329, 4 Poenica 6 potest, 331, 5 tignum, 8 pos, 332, 2 sopit 7 LäcÖnides sei richtig, cl. Verg. Aen. I 498, 338, 4 insanus, 345, 3 hoc tumulo, 350, 3 solo nemus atra tenebat, 7 ignotus tepet, 353, 7 pretiosa Sabae (aber nur das Adjectiv Sabaeus gehört der Dichtersprache an) natura, 8 sei depressa rich- tig, 354, 6 ut te non, 364, 8 mulier conparis, 367, 3 Priamidae 6 sei su- peris richtig, 8 certo stat marmore sectus, 376, 10 16 »quot« statt »quod«, 14 tegmina . . vestis, 15 olivae. Unter diesen zahlreichen Conjecturen finden sich einige, durch welche Schäden in überraschend einfacher Weise geheilt werden (z.B. 199,91), viele lassen sich wenigstens hören, nicht wenige sind auch verfehlt. Die Begründung ist kurz, aber auch präcis gegeben.

Zu den Gedichten des zweiten Bandes ist nur weniges nachzutragen:

M Bonn et (Jahrb. f. Philologie S. 272) giebt einige Nachweise über Handschriften der »schönen Lucreznach- ahraung« c. 720; interessant ist, dass sich danach das Gedicht in Co- dex C und E von demselben Schreiber geschrieben vorfindet (beiläufig gesagt ist V. 2 moUe die richtige Lesart). Referent bespricht im Rjiein. Museum XXXII S. 320 323 nochmals c. 672; ich glaube ge- gen Bährens daselbst nachgewiesen zu haben, dass nicht etwa die jün- geren Handschriften wie Vaticanus 1575 saec. XI die ächte Ueberliefe- rung enthalten, sondern dass diese im Berabinus und seiner Klasse zu finden ist, welcher nur zufällig drei Verse verlor, während der Palatinus eine freie Umbildung enthält, aus welcher die im übrigen der Klasse des Bembinus folgenden jüngeren Manuscripte einiges Sachliche frei entleh- nen. V. 25 conjicire ich reddere lucem. Ebenda S. 319 f. weise ich auf Spuren eines verlorenen Gedichtes des Dracontius zum Preise des Vandalenkönigs Thrasamund hin. Birt (Rhein. Mus. ib. S. 397) ver- muthet 779, 21 Quod discinctus eras animo, prope c. u. Dilutum hoc und S. 417 zu c. 777, 4 Nee rudis. R. Ellis (Journal of Philology VH 254 f.) giebt aus Konrad de Mure (13. Jahrhundert) die Varianten zu c. 786 und 787 und erwähnt, dass Mure c. 414 dem Martial zuschreibe.

Hermanni Hageni De aliquot Anthologiae latinae carminibus et de tractatu aliquo Bernensi de Philaütia disputatio. Bernae, 23 S. 4. (Gratulationsschrift zu Rettig's fünfzigjährigem Doctorjubiläum).

Jahresbericht für Alterthums-Wisseuschaft 1877. 11. 3

34 Lateinische Anthologie.

Die G^edichte A. L. 894—896 waren bisher nur aus Patisson's Pe- trouiusausgabe von 1587 bekannt, ihre (Quelle aber war verborgen ge- blieben, nur (iass P. Pithoeus von italienischem Ursprung von 896 eine dunkle Andeutung gab. Diesen italienischen Ursprung zu ermitteln ist nun llagen gelungen, welcher in dem Cod. Bern. 189 saec. XVI einen interessanten, halb philosophischen halb mystischen, christliche und heid- nische Beziehungen bunt vermischenden Tractat, ein achtes Product der Humanisteuzeit, in eigenthümlichem Stil und elegantem Latein entdeckte, der jenes Gedicht enthält. Er führt den Titel »Eiusdem P. li <pdaoTia^ amor sui. Phavorinus ad discipulos suos«, ist sicher vor 1530 verfasst und möchte vielleicht am ersten auf Marsilius Ficinus oder dessen Rich- tung zurückweisen. Hagen bespricht durchaus befriedigend die Judicien für Zeitbestimmung, die Gelehrsamkeit des Verfassers, und die Anzeigen modernen Ursprungs auch 4er anderen Gedichte. Göttling's Ansicht, dass 896 antik und aus Callimachus übersetzt sei, wird von Hagen gut wider- legt. Es ist nun constatirt, dass 895 V. 11 12 nicht mit V. 1 10, wie Patisson es hat, zusammenhängen; V. 11 12 will der Verfasser in Ephe- sus, c. 896 aber »in lovis Capitolini templo« (!) gesehen haben. Die phantastische Unwahrheit in diesen Angaben hätte Hagen mehr betonen sollen. Die anderen Gedichte, 894 und 895, 1—10 sind hinter dem Tractate de philautia in derselben Handschrift erhalten, welche zum Ueber- fluss noch die Adresse »A Mr. Patisson« trägt. Für Textkritik ist wich- tig, dass die Handschrift liest 895, 1 hanc praedam statt hunc puerum, 10 aut statt at, 896, 3 quod statt quid und ib. 5 sie statt ita.

Endlich soll im Anschluss an Symphosius und Gedicht 481 der Auf- satz von A. Ebert über die Räthselpoesie der Angelsachsen (Berichte d. Sachs. Ges. d. Wiss. vom 23. April 1877, S. 20-56) nicht übergangen werden, in welchem die 40 Räthsel des Tatuin und die 60 eines unbe- kannten Eusebius (beide zuerst von Giles, London 1851, edirt, aber in Deutschland noch fast unbekannt), alle im 8. Jahrhundert in Hexametern abgefasst, nach den Handschriften edirt und in einer interessanten Ein- leitung gewürdigt werden. Sie stehen auf der Uebergangsstufe von der weltlichen zur geistlichen Poesie.

Die Räthsel des Eusebius sind meist tetrastichisch , gegen das Ende hin polystichisch, die des Tatwin bestehen aus sechs (—10), dann aus 5 (11 30) und zuletzt aus 4 (31—39? 40, dessen fünfter Vers unächt zu sein scheint'^) Versen. Dem widerspricht nur c. 2 und 4, jenes aus 7, dieses aus 5 Versen bestehend. Man setze 2, 6 nach 4, 5 : so ist dieser Anstoss gehoben und kein neuer geschaffen (»Littera tollatur: non fulget nominis ortus, maternis qui nee poterit fore visibus aptus«, d. h. die falsche Schreibung litera mit einem t kann sich vor der Mutter der Buchstaben, vor der Wissenschaft, nicht sehen lassen). Euseb. 5, 4: statt unus lies imus, vgl. Matthäus 5, 3. Zu 60, 1 vgl. Ovid met. 5, 549.

Jahresbericht über Plinius den Aelteren.

Von

Prof. Dr. Urlichs

in Würzburg.

Mit dem handschriftlichen Material beschäftigt sich:

1) Descrizione dei codici Fiorentini della naturalis historia di Pli- nio e collazione dei capitoli 11 13 del libro XIII, relativi al papiro. Per Ettore Pais. (Estratto dalle pubblicazioni del R. Istituto di studii superiori in Firenze. Sezione di filosofia e filologia.) 1877.

9 S. gr. 8.

Von den sechs florentinischen Handschriften, welche der Verfasser beschreibt, waren fünf schon in dem trefflichen Aufsatze von Detlefsen (Philologus XXVIII S. 284 ff.) classificiert und gewürdigt worden und auch die sechste schon früher bekannt; die bei weitem wichtigste, der Riccar- dianus, welcher nach der übereinstimmenden Ansicht der neueren Ge- lehrten in das 12. Jahrhundert gehört, wird von dem Verfasser nach den älteren, schwerlich richtig, schon in das 9. oder 1 0. Jahrhundert gesetzt. Interessant ist die Nachricht, dass die Notiz, welche Osann aus dem Katalog der Riccardiana mittheiit, Detlefsen nicht gefunden hat, wirklich darin steht. Es ist eine Bemerkung von Lami zu S. 222: »Codex hie scriptus est anno DCCCCLIIII«, diese aber ein Missverständniss der Zahl, welche zum Index von Buch XXX am Ende einer Seite steht und zu den Observationes, d. h. zum Text gehört. Dass 2) der Codex Lauren- tianus A, wie ihn der Verfasser nennt, oder der Slaglosianus aus dem 13. Jahrhundert für Cosmus von Medici in Lübeck gekauft worden ist, habe ich schon in der Eos des J. 1866 (S. 361) vermuthet. Detlefsen und nach ihm der Verfasser leiten den Namen richtig von der Stadt Slagelse auf Seeland her. Das war aber nur die Heimath des Schreibers Petrus di Slaglosia, der Ort der Abschrift ohne Zweifel ein Kloster in Lübeck. Wichtig ist sie besonders für das 37. Buch.

Werthlos sind die daraus genommeneu Abschriften Laur. B. und C.

3*

36 Plinius.

Auch Laur. D. aus der Badia, eine Haudschrift des 14. Jahrhunderts, ist verhältnissniässig unbedeutend: Laur. E. (Leopoldo-Laurentianus) zwar erst 1433 geschrieben, aber als einer der wenigen Repräsentanten der von X^ nach Detlefsen stammenden Familie wichtig.

Die genaue Abschrift des Riccardianus, welche der Verfasser nebst den Varianten der fünf andern Codices von Buch 13, G8 - 89, einer mehr zufällig gewählten Stelle, giebt, liefert den Beweis, dass an einigen Stellen Detlefsen Sillig's Angaben mit Recht misstraut, denn dort stimmt der Codex mit den übrigen oder wenigstens den meisten überein.

Von Band II der Ausgabe Mayhoff's (siehe den vorigen Jahres- bericht) giebt

2) Joh. Müller in der Zeitschrift für österr. Gymnasien, 1877, S. 828 836

eine beachtenswerthe Recension. Indem er die Vorzüge der Arbeit lobend anerkennt, fällt er über die Conjecturalkritik des Herausgebers das Urtheil, dass sie geschickt und im Text besonnen, in den Anmerkungen mitunter recht frei gehandhabt wird. Die überlieferte Lesart von 9, 110 und 10, 72 wird mit Recht in Schutz genommen, zu 9, 73 kann ich mich keinem von beiden Gelehrten anschliessen. lAnae [pinnae] omnino longis nt lumbrids^ ut aiiguiUis et congris^ vullae iit mureins, quibus vec branchioe haben die Hand- schriften ; b. 0. l. et lubricis, [so nach einer alten Verbesserung allgemein] vt a e, c, nullae murenifi u. s. w. liest Mayhoff im Text und schlägt in der Anmerkung nach Aristot. h. a. 1, 5 aliis nullae nt 7nwcvt.s- vor. Letz- tere Vermuthung verwirft der Recensent mit Recht, da die Murenen zu den »longi pisces« gehören; wenn er aber nt durch die ganz richtige Stelle 11, 160 vertheidigt, so übersieht er, dass dort die Beispiele jedes- mal auf die Gattung, welche sie veranschaulichen, folgen, hier aber bei- derlei Arten zu den langen und glatten Fischen gerechnet werden , also die Ausnahme der Murenen unterschieden werden muss. »Wenn man sich omiinio longis et lubricis Vi'egdeükU, mag Alles in Ordnung sein; aber wie kann man das? Ich möchte nt nicht streichen, sondern in autem än- dern (wie vorher Ideo nicht mit Mayhoff in Item sondern in hdem). 11, 119 ist Mayhoff's Vermuthung verum verba discere statt verum addiscere nicht so willkürlich, wie der Recensent meint; denn verbum hat cod. R. Gelobt wird ferner die Sorgfalt, womit Mayhoff die Parallelstellen aus Aristoteles und Theophrast zur Verbesserung des Textes benutzt hat. Die Beispiele, womit der Recensent seinen Tadel, dass darin hin und wieder zu weit gegangen ist, begründen will, sind übrigens mehrentheils den Anmerkungen entnommen. Dasselbe gilt von den Umstellungen, von denen eine 7, 209 an diesem Orte vorgeschlagen, die andere 11, 206 im Text auf Grund der Ordnung in dem betreffenden Index vorgenommen wird, ein Verfahren, das mir, abweichend vom Recensenteu, ganz richtig zu sein scheint.

Plinius. ^3T

Die Uebersetzung von Külb wird mit dem 39. Bändchen in

3) Caius Pliüius Secundus Naturgeschichte. Uebersetzt und er- läutert von Dr. Phil. H. Külb. Geographisches Register IV. Schluss. Stuttgart, Verlag der J. 13. Metzler'schen Buchhandlung. 1877. 12. S. 4753 4844

abgeschlossen. Das Register hätte vielleicht knapper abgefasst werden können, vollständig und ausführlich ist es, so weit die Geographie in Betracht kommt.

Zur Conjecturalkritik gehören die Schriften:

4) Emendationen zur Naturalis Historia des Plinius. Von Job. Müller, Professor an der Universität zu Innsbruck. (Aus dem April- hefte des Jahrgangs 1877 der Sitzungsberichte der phil.-hist. Classe der kaiserl. Akademie der Wissenschaften LXXXVI. Bd., S. 183 beson- ders abgedruckt.) Wien 1877. In Commission bei Carl Gerold's Sohn. 30 S. 8.

Mit derselben Gründlichkeit, welche seine Arbeiten über Tacitus auszeichnet, bespricht der Verfasser mehrere Stellen der acht ersten Bücher und regt, auch wo man ihm nicht beipflichten kann, zu neuer Erwägung an.

Emendationen habe ich nur zwei gefunden: 5, 20 Cartenna colonia Augusti legione (statt legio) secundn^ item colonia eiusdem deducta cohorte prae- toria Gunuguiu. Denn kein Ort hiess Legio secunda, wohl aber bestand die Bevölkerung von Cartenna aus Veteranen der zweiten Legion, de- dttcta ist aus dem Folgenden durch eine Syllepsis zu ergänzen, eine Con- struction, welche durch passende Beispiele erläutert wird. Ebenso richtig ist die Bemerkung, dass 6, 171 die Zahl verschrieben ist. Von Berenice nach Ptolemais beträgt die Entfernung 4820 griechische Stadien (2, 183), folglich in römischen Massen nicht, wie die Handschriften angeben, DCII p., sondern, wie der Verfasser herstellt, DCII D p.

Das Uebrige sind Conjecturen, mehr oder weniger wahrscheinliche, unnöthige, misslungene. Der ersten Klasse gehört vor allen 8, 85 die Ver- muthung similes toriuento statt missili tormtnto an; wahrscheinlich wird ferner 8, 45 auf Grund der in Cod. R. d^. T. vorkommenden Variante sin- guli statt singulos und mit Rücksicht auf Aristoteles h. an. 6, 31 gelesen: Is ergo tradit leaenam primo fet.u parere quinque catulos , ac per annos sin- gulis mimis, oh uno .sterilescere. Ebenso wird 8, 206 in hiv statt his nicht ohne Wahrscheinlichkeit vorgeschlagen. 8, 117 geben die Handschriften : erumpunt autem [cervis COrnua] renascentibus tuberibus primo aridae cutis similia. eadem teneris increscunt ferulis harundineas in paniculas u. S. W. (d. T. statt eadem eiusdem).

Der Verfasser bemerkt richtig, dass eadem überflüssig und ein Ge- gensatz zu primo erforderlich ist. Wenn er lesen will ea dein, so scheint

38 Plinius.

ea ebenso unstatthaft, dein ganz am Platze zu sein. Ich halte ea für eine Dittographie des vorhergehenden ia. "Weiter meint er, dusdem führe auf cüius oder odus^ ein müssiger Einfall. Ebenso ist nur halb überzeugend die Behandlung von

7, 167 pars aequo morti similis exigitur aut poenae, nisi contigit quies.

Weil eine schlaflose Nacht wirklich eine Pein ist, liest der Verfasser sehr wahrscheinlich poena est. Aber im Folgenden nimmt er an tot peri- culorum genera, tot morbi, tot metus^ tot curae totiens invocata morte ohne Noth Anstoss. Die Bedrängnisse des Lebens sind 1. zwei äussere, Ge- fahren und Krankheiten, 2. zwei innere, Furcht und Sorgen; beides zu- sammen bringt den Wunsch des Todes mit sich. Ueber die Ablative üindem man den Tod so oft anruft u. s. w.« vgl. Grasberger, de usu Pliniano p. 42 ff. Des Verfassers Vermuthung tot curae. et offensae zerstört die rhetorische Abrundung und entfernt sich weit von der Ueberlieferung.

An mehreren Stellen bemerkt oder bestätigt der Verfasser eine Verderbniss, wählt aber ein imrichtiges oder zweifelhaftes Heilmittel. Es sind folgende:

4, 89 mors [Hyperboreorum] non nisi satietate vitae epulatis delibu- toque senio luxu e quadam rupe in mare salientium. hoc genus sepulturae bea- tissimum.

epulatis darf nicht mit salientium verbunden werden, es fehlt an der Construction. Die Vermuthung des Verfassers vitae: epulati-saliunt. aiunt etc. ist hart und gewaltsam, namentlich aiimt an erster Stelle miss- fällig. Nachdem die Hyperboreer ihr Alter genossen haben, machen sie sich nach einem guten Mahle den Scherz in's Meer zu springen: salien- tium hängt nicht von luxu.^ sondern von lusu ab, und so ist zu lesen

7, 50. Quarto partu Dacorum originis nota in bracliio redditur. In Le- pidorum gente tres . . . genitos accepimus.

redditur will der Verfasser in redditum ändern und von accepimus abhängen lassen, das Subject zu redditum unbezeichnet, was mir unklar ist. Denn in der Stelle 8, 163 liegt das Subject mas nicht fern. Plinius spricht nicht von einem einzelnen, sondern nach Aristot. h. anim. 7, 6 vgl. de anim. gen. 1, 18 mehrmals vorkommenden Falle; 8cä zptajv übersetzt er durch quarto partu\ das verdorbene Wort Dacorum hat schon Pintianus in avorum (oder proavorumf) verbessert.

7, 53. qualis causa patri quoque eius [Pompeü] Menogenis coci sui cognomen inposuit^ iam Strabonis a specie oculorum habentis vitium imitata et in servo.

Mit Recht bemerkt der Verfasser nach andern, dass et vor in nicht passt, ebenso, dass Menogenes schielte wie sein Herr und auch sonst ihm glich. Er stellt daher et vor vitium.. Weiter will er ändern et vilio imi- tata in servo, was ich nicht recht verstehe, et lässt Cod. d aus, es ist mit iam zu verbinden und zu lesen etiam Strabonis [cognomen] a sp. oc. habentis vitium u. S. W.

Plinius. 39

7, 86 nam Cimbricae victoriae Castoresque Romani qui Persicnm vic- toriam ipso die quo contigit nunciavere visus et numinum fuere praesagia.

Aus dem Vorhergehenden will der Verfasser zu victorine exemplum ergänzen, obgleich auditus ex. doch ungleichartig ist, dann Castorumque Romarn lesen, das letztere Wort nicht übel. Aber weit einfacher ist doch mit von Jan nundi einzusetzen, was zwischen namd leicht ausfallen konnte.

7, 102. [M. Sergius] secundo stipendio manum perdidit, stipendiis duo- bus ter et viciens vidneratus est, ob id neutra manu, neutro pede satis utiliSy uno tantum- servo, plurimia postea stipendiis debilis miles.

utilis uno ändert der Verfasser in iitili sumpto, was er für adsumpto gebraucht wissen will. Aber hatte nicht Sergius als Ritter schon einen Knecht? und wie konnte ihm ein Sklave seine Glieder ersetzen? Sehr schön vermuthet Detlefsen: animo tantum salvo, das passt aber nicht in den Zusammenhang, da auch im Folgenden die körperliche Invalidität be- schrieben wird, und steht nicht bei Solinus 1, 104. Die Worte können nur eine Erklärung zu 7ieutro 2^ede enthalten, und bedeuten, dass Sergius auch nur einen Fuss hatte, wie Gesner durch seine Conjectur servatus oder besser - o ausdrückt. Sie sind zwar weder wahr noch lateinisch, ob- gleich Doedcrlein es meint, aber auch nicht pliuianisch. In dem Sinne von uno tantum serviente sind sie das Glossem eines Schreibers, der zu der gleich erwähnten eisernen Hand ein Gegenstück vermisste.

7, 169 glaubt der Verfasser mit Mayhoff, dass die Worte atque etiam morbus est per sapientiam muri verdorben sind. An der Richtigkeit seiner Verbesserung er versucht aus dem Schreibfehler einiger Handschriften sapiendam etwa praecipiendum morbum ZU machen zweifelt er selbst. Wahrscheinlich muss der Satz, welcher hier allerdings die Darstellung unterbricht, in § 17 1 zu Ende versetzt werden.

8, 45. Die schwere Stelle liest der Verfasser: os morsu avidiore in- haeserat dentibus antciubatque inedia iam cum (Codd. »inediantum, inedia tantum, inedia cum«) poena in ipsis eius teils suspectantem ac velut mutis precibus orantem diu ut (Codd. »dum«) fortxiitis (Codd. »fortuitu, fortui- tus«) fidens non est contra ferum^ nndtoque diutius miraculo quam metu ces- satuin est. Hierin lässt sich iam nicht billigen, denn Hunger und Schmerz fing nicht erst an den Löwen zu plagen, er litt schon daran, als er Elpis begegnete; cum scheint richtig, aber ebenso sehr das handschriftliche dum, das mit dem Praesens est besser im Einklänge steht als diu. fortuitis nimmt der Verfasser mit Recht von Sillig an.

8, 129. circaque surculos dentium praedomantes horam [ursi].

Mit vollem Rechte weist der Verfasser die von Detlefsen und May- hoff aufgenommene Conjectur v. Jan's pracdomant opcram zurück, da das Verbum eine Verhütung, nicht eine Vorbereitung anzeigt. Auch daran thut er wohl, die Endung es, welche alle Handschriften »praedomantes horam, (oram, hora, ora)« darbieten, zu berücksichtigen. Wenn er aber

40 Plinius.

praedomant soporem liest, SO kann darunter die Taubheit der Zähne nicht verstanden werden. Dem Sprachgebrauch entspricht vielmehr praedomant stuporem.

8, 136. leontophonon acdpimus [accepimusf] vocari parvum nee aliubi nascens quam tibi leo gignitur, quo gustato tanta illa vis ut ceteris quadripedum imperitans ilico exspiret.

Die älteren Ausgaben geben ac statt ut^ der Verfasser liest statt dessen m, was durch den Sprachgebrauch wenigstens nicht empfohlen wird. Ueberhaupt scheint tarda vis nicht auf den Löwen, sondern den Löwentödter zu gehen: ich lese mit einer dem Plinius wohl zuzutrauen- den Härte tanta Uli vis.

Eine Zahl von Stellen bedarf der von dem Verfasser vorgeschlagenen Aenderung überhaupt nicht. Die drei Stellen 2, 211. 8, 39. 203, worin der Mangel eines den Acc. c. inf. regierenden Verbums gerügt wird, stützen sich gegenseitig. Die letzte hält er selbst für erklärlich, indem die Er- gänzung von tradurit und negant, obgleich directe Sätze dazwischen treten, statthaft bleibt. In der nächsten ist die Aenderung von iuvenco, wie der Riccard. liest, in invenio allerdings sehr leicht, aber man erhält dadurch den Widersinn, dass lange Ohren die Alce von den Eseln unterscheiden. Uebrigens wird übersehen, dass die anderen guten Handschriften iumento statt iuvenco lesen, was mit Solinus 20, 6 übereinstimmt, der die Gattung durch die Maulesel spscificiert, und von Mayhoff aufgenommen wird. Ich halte allerdings die erstere Lesart für richtig, weil ein bestimmtes Thier genannt werden muss, und die Esel und Maulesel auch lange Ohren haben. Aber cupi hängt von narratam ab, und die Rection leidet keine Schwie- rigkeit. In der ersten Stelle findet sich allerdings das Verbum regens nicht so klar, aber gerade sie wird durch die Uebereinstimmung beider Familien der Handschriften (auch des Cod. A) gestützt; es bleibt also nichts übrig als das folgende y>adnotatum esta zu Hülfe zu nehmen.

Praef. 5. Fulgurat in nullo ttmquam verius dicta vis eloquentiae, tri- buniciae potestatis fucundiae. »Wie man in diesen Worten dicta auffassen mag«, meint der Verfasser, »es bleibt immer überaus ungeschickt und nichtssagend«. Die Sscvözr^g, sagt das Kompliment, konnte man mehreren Rednern, z. B. Demosthenes, mit Recht beilegen, aber Niemanden mit grösserer Wahrheit als Titus, dessen Kunst seiner höchsten Gewalt {■»imperii fascibusa) entspricht, es ist j> tribuniciae potestatis facundiati (nicht ae).

8, 1*76. atnuncanniculaefecunditatemposcuntur, tolerantius tarnen bimae.

•Dtolerantiusv. übersetzt der Verfasser »erträglicher« und schiebt dann ut ein. Es heisst aber »wenn man massigere Forderungen stellt«.

5) F. L. Lentz, Pliniana. Schade's wissenschaftliche Monatsblätter. Königsberg. 1877. S. 151 156

verbreitet sich in Nr. III über die Schwächen der medicinischen Bücher

Plinius. 41

20 32, bringt in Nr. 11 drei Beiträge zur Kenntniss des Sprachgebrauchs bei, ausführlich spricht er über reddere, wobei er S. 153 beweist, dass er weder Detlefsen's Ausgabe noch meine Yindiciae lieunt. Sonst würde er 17,176 und 25,21 nicht so wie geschehen anführen. Auch meine Chrestomathia Pliniana hat er nicht eingesehen. Denn indem er in Nr. I über die Stelle 19, 23 Postea in theatris tantum umbram fecere [vela] spricht, bemerkt er, dass er so in v. Jan's Ausgabe gelesen, dann aber in Sillig's Ausgabe das Richtige Populo Romano ea in theatris spectanti wnbram fecere. Eine Uebergangspartikel, wie sie die Handschriften geben, darf aber nicht fehlen, damit von der Verwendung der Segel zur Schifffahrt sich die spätere Benutzung derselben unterscheidet. Detlefsen hat tantum in extento, ich in speciantum verändert, beides einfacher als Sillig.

Noch dürftiger scheinen die holländischen Bibliotheken bestellt zu sein. Wenigstens kennt

6) J. J. Cornelissen, Pliniana. Mnemosyne 1877. S. 420 429 auch y. Jan's Ausgabe nicht. Der Verfasser giebt, meistens ohne alle Begründung, eine grosse Zahl von Conjecturen zum 7. 11. Buch ein- schliesslich, worin gerade die besseren von andern vorweggenommen wa- ren. So liest Strack in seiner Uebersetzung 7, 107 forma statt »fortuna«, 132 Detlefsen tandcm statt »tameu«. 8, ^ streicht Mayhoff amoris^ ich schreibe 68 equitatus statt »equitatu«, jetzt auch in F^, Detlefsen infra equos statt »inter equos«, 9, 146 Mayhoff locumque statt »noctuque«, 10, 10 Pintianus (bei Sillig!) nictantemque statt »umectantemque«, 11, 71 Det- lefsen et varius (Cornelissen et variatus) statt »et barbarus«.

Ausser diesen Aenderungen finden sich wenige beachtenswerthe Bemerkungen. Richtig ist 9, 9 Nerddum fama falsa non est statt »N. falsa n. e.« (bei Dalechamp liest man übrigens opinio), wahrscheinlich 8, 169 die Umstellung mirumque dictu si mutentur aqiiae sitiunt et statt »m. d. sitiunt et si m. a«, ansprechend 8, 184 die Einschaltung rnacida cornibus lunae crescere indpientis similis, vielleicht richtig 9, 48 exquisitissima statt »exercitatissima« (»das Gesuchteste« Strack), 181 invehit statt »invenit«, 186 longius statt »omnes« (wohl eher eine Lücke). An andern Stellen ist die Verderbniss erkannt, aber schon von andern verbessert worden. So 8, 34. 130. 10, 108. An einer Stelle 8, 215 ist zwar die vorgeschlagene Aen- derung statt »visco iuungui« und »calciari« zu schreiben avis viscosis virgis und captare verwerflich, aber eine ganz befriedigende Erklärung des Jagdgebrauchs noch nicht gefunden.

Die übrigen Vermuthungen des Verfassers sind theils müssige Ein- fälle einer veralteten Manier; ich bezeichne sie durch den ersten 7, 1 parens mitior statt »parens melior« i) und begnüge mich die übrigen aufzu- zählen: 7, 8. 90. 171. 8, 1. 50. 59. 62. 184, 9, 13. 23. 48- 56. 147. 185.

1) Die vorhergehenden Worte sind allerdings verdorben; statt saeva ist zu lesen sane.

42 Plinius.

10, 7. 108. 11, 2; theils nachweislich falsch. So 7, 91 tantam enim con- flarat humano (jeneri [Cacsar] statt »tantam etiam coactam (durch Noth- wehr veranlasst) humani generis iniuriam«. io7 Homero statt »Horaero vate Graeco«; denn mit Homer fängt die Reihe der regelmässig näher bestimmten Griechen im Gegensätze gegen die Römer 112) an. 123 a Libya statt y>ah lUyrüs«, vergleiche meine Chrestom. PI. S. 70. 137 ador- iiatus statt »adoptatus«, ebendas. S. 75. 145 decorus statt »deorum«, ebend. S, 78. Vindic. n, 162. 170 die 'Streichung der Worte numquam hibemis wensibns, einer Steigerung zu »bruma«. 8, 56 ojyportunac statt »fortunae«, Chrestom. S. 103. 130 festinato statt »testato« d. h. vor Zeugen. 185 ministrat statt »privis (besser »privatis«) dat«, ebend. S. 116. 9, 5 dis- iecerit statt »direxeritff , vgl. Vind. n. 188, impactis statt »sparsis«, was Mayhoff streicht. 29 fretum statt »proelium«, wo nicht von einem »fre- tum« , sondern von einem »stagnum« die Rede ist. 41 nee nisi statt »nisi« in einer wörtlichen üebersetzung eav //;y aus Arist. h. a. 6, 12. 10, 7 ingenitum statt ingenium^ d. h. eines ersonnenen Kunstgriffs. 68 co- hirnices statt »noctu is eas«, wo Mayhoff »is« richtig streicht. 94 cum auctu %tfiii »cum anno«, als ob der MI im Frühling zu steigen anfinge. 167 in tomento statt »in lomento«, als ob man die Eier in einem Wollen- stoff aufbewahrte. 11, 9 corpus arenti simile Jicrvo, mollius infra^ reliquis partibus vcro lentius quam durius statt »corpus arenti simile, nervo mollius, in reliquis partibus tutius [so R^, »totius« M F^, »istius« rell.] vere quam durius«, ohne Erklärung. Plinius hat Arist. h. a. 5,7 übersetzt. Der Körper der Insekten gleicht einem blutleeren, ist aber mit Lebenssaft versehen 8), weicher als ein Muskel (»non videntur habere nervös«), in den übrigen Theilen knochenlos, also weniger hart als geschützt. 132 excepta modice indnera statt »excepta modice«. Aber es ist von den Knochen des Gehirns die Rede: man kann sie mit Mass und Vorsicht herausnehmen, ohne tödtliche Folgen zu befürchten. »Mox ad PI. r-edibo«, verspricht der Verfasser. Möge er weniger, aber Ueberlegteres liefern.

7) Robert Mowat, Revue de philologie. Paris 1877. S. 275f. behandelt zwei Stellen: 3, 107 und 34, 47. An der ersteren schlägt er vor, den Namen eines samnitischen Ortes »Fagifulani« [cod. A] oder »Fagifugali« [rell.] in Fagetulani zu ändern, wie in Latium eine Ortschaft »Querquetulani« heisst, möglich aber unsicher. Ganz verunglückt ist der Versuch, die ältere Vulgata Vibio Avito statt »Dubio Avito« herzu- stellen. Unrichtig ist die Angabe, dass »la plupart des autres manuscrits« ausser dem Bambergensis »Vibio« liest, vgl. Sillig z. d. St., und wenn sie richtig wäre, würde man sich an Tacit. ann. 13, 56 halten müssen. Wie

8) J. Klein, Rhein. Mus. 1878, S. 128 bemerkt, liest man jetzt den vollen Namen des L. Duvius Avitus auf einer pompejanischen Wachstafel.

Eine kunsthistorische Stelle 35, 12 wird von

Plinius. 43

9) Stark, Ueber die Ahnenbilder des Appius Claudius im Tempel der Bellona (Verhandlungen der Philologenversammlung in Tübingen S. 38 - 50).

sehr umsichtig erörtert. Der Verfasser weist überzeugend nach, dass der a. a. 0. erhaltene Bericht

clipeos in sacro vel puhlico dicare privatim primus instituit Appius

Claudius qui consul fuit cum P. Servilio anno urbis CCLIX; posuit

enim in Bellonae aede maiores suos. sich nicht auf den berühmten Censor bezieht, wie u. a. auch ich Chrestom. Plin. S. 337 angenommen hatte, sondern auf einen Anhänger Sulla's, wel- cher mit P. Servilius im Jahre 79 v. Chr. das Consulat bekleidete. Für die Textkritik ergiebt sich daraus, dass nicht, wie ich geglaubt hatte, der ganze Zwischensatz, sondern nur die Zahl an7io urbis CCLIX als Glossem ausgeschieden werden muss. Ein Versehen ist es, wenn Stark die Auf- stellung jener Denkmäler in das Consulatsjahr verlegt: da Plinius aus- drücklich den Ausdruck privatim gebraucht, lässt sich das Jahr nicht bestimmen.

Andere kunsthistorische Stellen bespricht:

10) Furtwängler, Zu Plinius naturalis historia (Fleckeisen's Jahrb. für Phil. 1876. S. 507-510).

Zu 35, 124 wird mit Grund bemerkt, dass das Inhaltsverzeichniss die richtige Erklärung der Stelle, wonach die der lacunaria und camcCrae bemalt, nicht gemalt wurden, bestätigt.

33, 156. Der Verfasser bemerkt (nicht zuerst, s. Nr. 13), dass das Verzeichniss der Caelatoren von »Ariston« an alphabetisch geordnet ist und ändert nach Posidonius Ephesius Hedystruchides (Bamb. hedys trachides RV. iedis thracides d T ledis thracides) in Thraddes. Er meint: »Das vorstehende hedys geht offenbar auf eine alte Corruptel zurück , deren Ursprung vielleicht nur in einer Dittographie des vorhergehenden Eij]he- sius zu suchen ist«. Dilthey hatte Telesarchides vermuthet. Die Bemer- kung ist richtig, die Aenderung unsicher.

34,59. [Pythagoras] fecit et stadiodromon Astylon qui Olympiae ostenditur et Libyn pmerum tenentem tabellam eodem loco et mala ferentem nicdum.

Die letzten Worte werden folgendermassen geändert: et Libyn mala ferentem nudum et puerum tenentem flagellum eodem loco. »Zu Libys«, meint der Verfasser, »würden die mala recht gut passen, wie schon Brunn K. G. 1, S. 134 bemerkt hat«. Einem Cyrenäer karthagische Granatäpfel (vgl. Plin. 13, 111 und 112) in die Hand zu geben, würde ungefähr so viel heissen, als wenn man einen Anwohner der Weichsel durch burgundische Trauben bezeichnen wollte. Dass Brunn in einem weitschichtigen Werke eine solche Verwechselung unterläuft, ist leicht zu entschuldigen; auch

44 Plinius.

dass der Verfasser nicht über die Entfernung nachgedacht hat, kaum zu tadeln. Aber dass er nun weiter vermuthet, der puer sei jenes Libyers Sohn Kratisthenes (Pausan. 6, 18, 1) gewesen, Plinius habe tmTq irrig durch puer übersetzt, und dann fortfährt : »In seiner Flüchtigkeit lässt Plinius auch die Nebenfigur (Nike) und den wichtigen Umstand, dass Kratisthenes auf einem Wagen stand, weg«, übersteigt beinahe das Mass zulässiger Willkür.

In der unter Nr. 13 zu besprechenden Abhandlung behandelt der Verfasser u. a. folgende Stellen: S. 49 Anm. 12: 34, 99. Zu anapcmomenen propter fratris amorem fragt er: »ist vielleicht zur Erklärung eine Ellipse anzunehmen wie: eine deshalb im Typus des Liegens (anapauomene) dargestellte Figur, weil sie aus Liebe zu ihrem Bruder krank liegt?« Bedeutet denn aber das Verbum den Typus des Liegens? Der Satyr des Protogenes quem anapauomenon vocant stand an einem Pfeiler (Overbeck SQ. 1907, 1924). lieber den Grund der Verderbniss unserer Stelle habe ich Eh. Mus. 25, S. 517 eine Vermuthung geäussert, welche die stilisti- schen, sonst wohl begründeten Bedenken des Verfassers vielleicht be- seitigt.

36, 39. Thespiades . . . qunrum unam amavit eques Romanus lunius Pisci- culus, ut tradit Varro admiratur et Pasiteles, qui et quinque volumina scrip- sit U. S. W.

So interpungiert Detlefsen. »Das seltsame Ungeschick der letzten Worte und der ganze Inhalt« veranlasst den Verfasser, die Lesarten des Bamb. admirator und der jüngeren Handschriften passitelis zu combinieren. Er liesst S. 40 scharfsinnig: admirator Pasitelis (oder et Pasitelis?) Aber dann könnte das erste et kaum, das zweite et gar nicht stehen. Schreibt man mit Sillig ut tradit Varro; admiratur et P, so wird jene Schwierig- keit gehoben. Uebrigens hat schon Pintianus so lesen wollen; Sillig's Ausgabe scheint der Verfasser nicht eingesehen zu haben.

11) Blümner, Ueber die Geschichte des Erzgusses bei Plinius Nat.-Hist. XXXIV, 54 - 67. Rh. Mus. 32, S. 591 613

behandelt die berühmten Urtheile des 34. Buches im Zusammenhang ; umsichtig und klar werden die Schwierigkeiten erörtert, die Ansichten der Gelehrten beurtheilt, eigne Lösungen vorgeschlagen oder einst- weilen als unmöglich hingestellt, dabei durch eine Unterscheidung zwischen dem Technischen und Stilistischen der Weg zur Aufklärung der dunkeln Punkte gesucht. So § 55. Polyklet habe vielleicht beim Erzgusse zuerst die Stütze weggelassen, es seien also die Worte »sine fulcro« zu Duno crure ut insisterent signaa hinzuzudenken; übrigens wird meine Deutung, man habe vorzugsweise an den Apopternizon zu denken und die Stelle buchstäblich zu verstehen, nicht unbedingt abgewiesen. § 58 findet der Verfasser, nachdem er die Erklärungen von Brunn, Overbeck u. a. wider- legt hat, keinen anderen Ausweg als mit Welcker die Worte -äPolycletus

Flinius . 45

eta auszuscheiden. Damit wird allerdings der Knoten zerhauen, aber in einer für philologische Kritik unbefriedigenden Weise. § 59 beschränkt der Verfasser das Lob des Pythagoras, er habe Muskeln und Adern, so- wie das Haar sorgfältiger angegeben, auf den schwierigeren Erzguss, nicht ohne Wahrscheinlichkeit. Unstatthaft scheint mir § 65 symmetriam quam diligentissiine cmtodivit [LysippusJ auf die Symmetrie der Vorgänger, namentlich Polyklet's, bezogen zu werden, da im vorhergehenden Satze Lysippus den »antiqui« ausdrücklich gegenüber gestellt wird; custodire ist ganz synonym mit observare, z. B. gleich in dem folgenden Satze imd 35, 130. Die schwierige Stelle vulgoque dicebat ab Ulis factos quales essent homines, a se quales viderentur esse ist auch der Verfasser geneigt einem Missverständnisse des Griechischen zuzuschreiben, mir scheint sie auf die Einführung malerischer Principien zu gehen, vergl. das zuletzt von Küppers, der Apoxyomenos 1873, S. 49 angeführte Zeugniss Braun's, dass die Verhältnisse dieser Statue selbst geschickte Zeichner täuschen. § 66 [Euthycrates] constantima potius imitatus -patris quam elegantiam austero maluit genere quam iucundo p)lacere: »constantia« ist dem Verfasser »Aus- dauer«, worüber die Eleganz der Ausführung verloren ging. Danach ahmte Euthykrates die argutiae Lysipp's, d. h. die feine Vollendung im Guss und im Ciselieren, mit derselben constantia nach, die elegantia aber nicht. Mir scheint die »elegantia« gerade in den »argutiae« zu liegen, wie z.B. 35,67 Plinius »argutias vultus, elegantiam capilli, venustatem oris« zusammstellt. Folglich kann der Gegensatz wie negativ den Mangel dieser Ausführung des Einzelnen so positiv den lebendigen Schwung, die Kühnheit der »animosa signa« Lysipp's bedeuten. Dass das Wort in der silbernen Latinität diesen Sinn hat, beweisen mehrere Beispiele. Ausser der in meiner Chrestom, S. 322 angeführten, und den bei Forcellini in der deutschen Ausgabe erwähnten Stellen nenne ich z. ß. Tac. ann. 14, 33 und bist. 3 , 1. Standhaft wäre hier das Heer gewesen , wenn es stehen geblieben wäre; der Vormarsch war entschlossener, ein Begriff, der von der Beharrlichkeit den Uebergang zur Unternehmung bildet. Gegen Furtwängler's Auffassung der Stelle § 66 und 67 wird scharfsinnig aus- geführt, dass zu einer Trennung dieser Urtheile von den vorhergehenden kein Grund besteht.

Mit grossem Eifer ist die Frage nach den Quellen des Plinius er- örtert worden. Die Abhandlung von

12) Otto Gruppe, Die Ueberlieferung der Bruchstücke von Varro's Antiquitates (Comraentationes philologicae in honorem Th. Mommseni scripseruut amici. Berolini 1877. S. 540 554)

ist auch für Plinius wichtig, indem sie untersucht, welche Schriften Var- ro's Plinius nachweislich oder wahrscheinlich benutzt hat. Er selbst führt nur ein bestimmtes Buch der Staatsalterthümer an (13, 87). Ausser den für die Schrift de dubio sermone aus varronischen Schriften gemachten

46 Plinius.

Auszügen die Titel lassen sich aus Charisius entnehmen hat Pli- nius namentlich von den Büchern, »de disciplinis« die beiden über Me- dicin und Astrologie stark benutzt. Aus der Schrift, »de vita populi Romani« rührt nachweislich nur eine Stelle 14, 96 her; vielleicht fand Plinius, dass die ihn interessierenden Nachrichten auch in den j)Antiqui- tates« vorkamen. Sonach stellen sich folgende Schriften Varro's: »de actionibus scaenicis, de scaeuicis originibus, de bibliothecis, de forma philosophiae, einige logistorici (sicher Gallus Fundanius de admirandis), einige saturae, de vita sua, epistolicae questiones, de vita populi Ro- mani«, aber als Hauptquellen die »Antiquitates« und die »Imagines« her- aus. Das Verzeichniss ist schwerlich vollständig; die Existenz der von Hieronyraus bezeugten »Annales« bezweifelt der Verfasser hyperkritisch. Ein geographisches Buch weist nach:

13) Detlefsen, Varro, Agrippa und Augustus als Quellenschrift- steller des Plinius für die Geographie Spaniens (ebendaselbst S. 23—34).

Bisher hatte man die Chorographie August's nur für einen Anhang oder Commentar zu Agrippa's Weltkarte gehalten. Der Verfasser weist überzeugend nach, dass in dem dritten und vierten Buche des Plinius drei verschiedene Nachrichten verbunden sind, zwischen 705 und 727, zwischen 727 und 735, und später verfasst. Agrippa's Eintheilung und Vermessung, welche nur an zwei Stellen 3, 16. 4, 118 sicher berücksich- tigt werden, ist von diesen die mittlere; eine ältere gab Varro in einer Schrift, welche sich nicht genau bestimmen lässt, aber bald nach 705 verfasst sein muss ; wahrscheinlich enthielt sie die Küstenbeschreibung der Provinz, die Angabe der Flüsse u. s. w. Die augustische Eintheilung endlich kehrte zu der varronischen zurück. Diese Provinzialstatistik August's benutzte Plinius neben der geographischen Beschreibung Varro's so, dass die nicht seltenen Wiederholungen dieser Doppelquelle entstammen. Da nun auch in den Indices der beiden Bücher Agrippa, Varro und Augustus nach einander aufgeführt werden, liegt für die dreifache Quelle ein äusseres Zeugniss vor. Befremdlich bleibt, wie Detlefsen selbst be- merkt, der Umstand, dass die von Augustus 47 vollendete Wandkarte in der porticus Vipsania die Eintheilung Agrippa's beibehielt.

Der von Brunn am Schlüsse seines Vortrags über Cornelius Nepos und die Kunsturtheile bei Plinius (Sitzungsberichte der philos.-hist. Classe der königl. bayer. Akademie der Wissenschaften 1875. I, 3. S. 327.) an jüngere Forscher gerichteten Aufforderung, die von ihm angeregten Fra- gen weiter zu verfolgen, hat in einer ausführlichen Abhandlung

14) Furtwängler, Plinius und seine Quellen über die bildenden Künste. Besonderer Abdruck aus dem neunten Supplementbande der Jahrbücher für classische Philologie. Leipzig, Druck und Verlag von B. G. Teubner. 1877. 78 S. 8.

entsprochen. Es ist dies mit jugendlicher Lebhaftigkeit, welche die Prä-

Plinius. 47

dikate »oberflächlich, thöricht, lächerlich« nicht spart und eigene Behaup- tungen durch die Ausdrücke »natürlich, offenbar, ohne Zweifel« unter- stützt, geschehen. Aus den nicht seltenen Fällen, worin die Vorgänger des Verfassers vergessen werden i), lässt sich auf eine eilfertige Abfassung schliessen.

Die Untersuchung selbst ist mit grossem Fleiss und Scharfsinn ge- führt. Wenn ihre positiven Ergebnisse nicht so bedeutend sind, wie die darauf verwandte Mühe hoffen Hess, so liegt die Ursache grossentheils an dem Gegenstande ; die Kritik der Vorgänger wird nirgends ohne Grund geübt, sie beseitigt einige Irrthümer und verdient auch, wo man dem Tadel des Verfassers nicht beipflichten möchte, sorgfältige Beachtung. Da sich ein gültiges Urtheil nur durch eine in's Einzelne gehende Prü- fung ermöglichen Hesse, für diese aber hier der Raum nicht hinreichen würde, begnüge ich mich einstweilen mit einem Berichte.

Sehr vollständig wird zuerst die Frage nach dem eigenen Antheil des Plinius erörtert. Eine lehrreiche Vergleichung der catonischen Schrift über den Landbau mit den daraus in der Naturgeschichte vorliegenden Auszügen dient zur Bestätigung der Behauptung, dass Plinius »niemals in langen Ab- schnitten blos einem Autor folgt, sondern überall nach eignem Plane und eigner Anordnung kurze Excerpte verschiedener vereinigt«. Theils folgt er den Urtheilen der Zeitgenossen, theils eigener Beobachtung und seinem un-

1) z. B. S. 7 f. heisst es: »Dass Plinius nach einer unter Rubriken geord- neten Excerptensammlung schreibt und nicht, wie meine Vorgänger vorauszu- setzen scheinen, seine ganzen Abschnitte jeweils [?] aus einem Buche abschreibt«. Bei Brieger S. 2: »Sequitur, ut quum naturalem historiam componeret, ipsos auctorum libros fcre non in manibus habuisse putandus sitc.

S. 11 : »So folgt er im 34. Buche . . . schon von § 72 an bis § 83 der alphabetischen Ordnung seiner Excerpte«. Brieger S. 55: »Sunt enim mani- festa vestigia, ex quibus apparoat, Phnium, quae apud alios scriptores invene- rit, hie collegisse et in catalogi ütterarum ordine dispositi formam redegisse«.

S. 13: »Noch ist ein alphabetisches Verzeichniss zu bemerken, das frei- lich bisher als solches nicht erkannt wurde. Nachdem Plinius 33, 154ff. die berühmtesten Caelatoren genannt hat, führt er nach seiner Gewohnheit § 156 von »item Ariston« an die unbedeutenderen Künstler in der ursprünghchen alphabetischen Ordnung seiner Excerpte an«. Benndorf de anthol. Gr. epi- gramm. p. 52 annot. : »Plinius 1. 1 toreutas recenset secundum dignitatem et famam in classes distributos, in bis autem alphabetico ordine dispositos«.

S. 59: »Bei meiner einfachen Umstellung ist zu vermuthen, dass das Excerpt über Lysistratos Anfangs am Rande neben dem auf [35] § 151 folgen- den »item et de signis« bemerkt war«. Brunn KG. 1, 403: »Wie öfter bei Plinius, so scheint auch hier die ganze Stelle über Lysistratos zuerst als Nach- trag an den Rand . . gesetzt worden zu sein«.

S. 26 : »Gewöhnlich missversteht man die Stelle [35, 15. 16], indem man annimmt, »mox docebimus beziehe sich entweder auf § 55. 56 oder auf § 152« u. s. w.« Urlichs, chrestom. PI. p. 339: :»mox, gleich im Folgenden« u. s. w.

48 Plinius.

geläutorten Geschniacke; auch der damaligen Anthologie, der er eine Reihe von epigrammatischen Beschreibungen entlehnt. Die grossen Künstler ordnet er nach historischen Gesichtspunkten, die unbedeutenderen nach selbst angelegten alphabetischen Verzeichnissen und sachlichen Rubriken. Die historischen Daten, auf welche er grosses Gewicht legt, entnimmt er zum Theil der Chronik des ApoUodor, und zwar wahrscheinlich unmittel- bar, wofür die vorherrschende Angabe der Olympiaden spricht, zum Theil eigenen, nicht immer glücklichen Untersuchungen.

Die Masse seiner Nachrichten entstammt den drei Hauptautoren Cor- nelius Nepos, Varro und Pasiteles, neben welchen für eine kleine perie- getische Gruppe über Rhodos und Kleinasien Mucianus in Betracht kommt.

Cornelius Nepos hatte, wie sich aus 35, 15 vgl. 56 ff. schliessen lässt, einen kurzen Ueberblick der Geschichte der Malerei als Einleitung den Biographien der berühmtesten Maler vorangestellt. Diesen Biogra- phien sei, einzelne Einschiebsel abgerechnet, die ganze Darstellung der Malerei bis § 112, namentlich alles Biographische und Anekdotische, ent- nommen. Dagegen sei, meint der Verfasser von Brunn abweichend, Cor- nelius für das 34. Buch keine Quelle gewesen, ja es sei nicht einmal wahrscheinlich, dass er die Erzgiesser überhaupt in seinen Biographien behandelt habe.

Es bleiben 1. die Kunsturtheile im 34. Buche, 2. die zahlreichen Nach- richten über die Kunstwerke, welche sich wieder in die periegetischen Angaben und die künstlerischen Würdigungen scheiden. Diese rühren aus Varro und Pasiteles her.

Das Werk des letzteren habe zwar eine locale Grundanordnung gehabt, aber bei einem so bedeutenden Künstler könnten Excurse über Schule, Charakter und verwandte Werke derselben Meister nicht gefehlt haben. Zur Ausscheidung seines Autheils dienen die Missverständnisse des Griechischen und besonders die Doppelangaben. So 35, 144. Hier habe Brunn richtig Theoros und Theon identificiert. Wenn also Plinius dasselbe Werk einmal durch die Worte »ab Oreste matrem et Aegisthum interfici^< , das andere Mal durch »Orestis insaniam« bezeichne, so gehe die erstere Notiz auf eine ausführlichere künstlerische Beschreibung des Pasiteles, die andere auf den nackten, abstracten Titel zurück, den Varro dem Werke gegeben habe. Ebenso weisen die Doppelangaben über Antiphilos 35, 114 und 138 und Lykios 34, 79 auf jene beiden Quellen hin. Pasiteles entlehne ferner Plinius die zahlreichen Allgemein- bezeichuungen des künstlerischen Motivs, sowie die ungewöhnlichen grie- chischen Ausdrücke. Denn Pasiteles habe überhaupt die Motive und den Inhalt der Kunstwerke berichtet, seine Beschreibungen haben, sehr ver- schieden von der trockenen, äusserlichen Periegetenmanier eines Polemon, einen etwas rhetorisch gefärbten Charakter gehabt; er habe auch ein Urtheil über den gesammten Charakter der Künstler ausgesprochen. So rühre wahrscheinlich von ihm die künstlerische Würdigung des Nikophanes

Plinius, 49

her, die § 137 gegebene laienhafte von "Varro; ebenso von jenem die Nachricht über Lysippos' Nachfolger 34, 66 f.

Was übrig bleibt, gehört Varro, der nicht etwa in einem eigenen Werke über Kunstgeschichte, sondern in verschiedenen Büchern die Ge- legenheit benutzt habe, seine aus griechischen Periegesen, sonstiger Lee- türe und eigener Beobachtung geschöpften Kenntnisse über römische Künstler und Zeitgenossen, den Ursprung der Plastik, der Marraorbild- hauerei, der Eukaustik, die Kunstwerke von Attika und in Rom, auch seine subjectiven Urtheile mitzutheilen. Namentlich rühren die Urtheile des 34. Buches über die Erzgiesser (mit Ausnahme von 34, 66. 67) von Varro her, welcher sie sicher aus den Schriften der Alexandriner, höchst wahrscheinlich aus Xenokrates und Antigonos, geschöpft habe, ebenso der grössere Theil des 36. Buches, insbesondere die Angaben über Phidias und seine Schule, sowie über einen Theil der Kunstwerke in Rom.

Wie aus diesem üeberblick sich ergiebt, liegt in der genaueren Bestimmung des eigenen Antheils von Plinius, der Beschränkung des Cornelius Nepos auf die Maler und der Unterscheidung der dem Pasiteles und dem Varro entlehnten Partieen die selbständige Bedeutung der Ab- handlung. In wie weit diese Ergebnisse gesichert erscheinen, muss eine genauere Prüfung, wozu der Verfasser eine dankenswerthe Anregung ge- geben hat, lehren. Eine grosse Zahl beachtenswerther Bemerkungen über inzelne Stellen ist in die Darstellung verwebt.

Jahresbericht für Alterthums-Wissenschaft 1877. II.

Jahresbericht über die römischen Epiker.

Vou

Prof. Dr. Emil Baehrens

in Groningen.

Die Literatur zu Vergil hat, wie es bei diesem Liebling der Schule erklärlich ist, auch in diesem Jahre einen bedeutenden Zuwachs erfahren ; der rein wissenschaftliche Gewinn steht auch diesmal zur Masse des Ge- lieferten in keinem, i'ichtigen Verhältnisse. Wir heben das Wichtigere hervor. Von der bekannten Ausgabe der Werke Vergil's vou J. Co- nin gton erschien in dritter Auflage der zweite Band. Ferner gab die- selben »Cum Prolegomenis et Commentario critico« heraus B. Hall Ken- nedy, Cambridge 1876.

Die anderweitigen kritischen Arbeiten über Vergil haben meist das Bestreben, das bisher für die Verbesserung des Vergil'schen Textes von verschiedenen Seiten Beigesteuerte zu sichten und die positiven Resul- tate festzustellen. Ausser C. Schaper (dessen in der Zeitschrift für Gymnasialwesen XXXI S. 65—95 erschienener Aufsatz »Ueber die in der ersten Hälfte der Aeneis durch die moderne Kritik gewonnenen Resul- tate« mir nicht zu Gebote steht) hat dieses Ziel auch H. Brandt, »Zur Kritik und Exegese von Vergil's Aeneis I— HI«, Bernburger Programm 1876, verfolgt, zunächst freilich im Interesse der Schule, um für diese einen möglichst gesäuberten Text herzustellen. Und allerdings konnte bei der oft unglaublichen Kritiklosigkeit der Schulerklärer gewöhnlichen Schlages einem einsichtigen Schulmanne nicht entgehen, welchen Schaden für die Sache selbst und in pädagogischer Hinsicht der gangbare Schlen- drian verursacht. Unter Brandt's Bemerkungen über die aus den Hand- schriften oder nach neueren Conjekturen aufzunehmenden Lesarten be- finden sich manche richtige und treffende. Weniger kann man ihm bei- stimmen, wenn er selbst das kritische Messer handhabt. Um ein Bei- spiel anzuführen, will er an der vielbesprochenen Stelle Aen. III 682- 687:

praecipites metus acer agit, quocumque rudentis excutere et uentis inteudere uela secundis

Vergilius. 51

contra iussa monent Heleni, Scylla atque Charybdis, ni teneant cursus; certum est dare lintea retro, inter utramque uiam leti discrimine paruo. ecce autem eqs.

lesen »ne timeant cursus«, als ob damit auch nur das Geringste gewon- nen wäre. Noch verkehrter ist es freilich, so lange nichts sicheres eruirt sei, Madvig's verunglückten Einfall als in einer Schulausgabe aufnehm- bar hinzustellen. Ich kenne keinen erzprosaischeren Gedanken als den durch Madvig"s Conjektur (»Contra ac iussa monent) hergestellten, ab- gesehen davon, dass damit für die folgenden Worte, welche nach Form wie Inhalt so linkisch wie möglich sind, nichts erreicht wird. Und eben- sowenig befriedigen sämmtliche übrigen Vorschläge. Heyne und "Wagner sahen hier zum Theil das Richtige, wenn sie die Verse 684 686 als interpolirt erklärten; zum Theile, sage ich; denn die ganze Passage zu entfernen, ist man schon desshalb nicht berechtigt, weil ein Grund zu dieser Interpolation nicht ausfindig gemacht werden kann. Für mich steht es fest, dass Vergil kurz und gut schrieb:

Praecipites metus acer agit, quocumque rudentis excutere et uentis iutendere uela secundis; contra iussa monent Heleui dare lintea retro, inter utramque uiam leti discrimine paruo. ecce autem eqs. Jeder verständige römische Leser wusste, welchen Gefahren die Trojaner entgegengingen, wenn sie das »retro dare lintea« ausführten; wusste, dass sie dieser Gefahr durch das Wehen des Boreas entrückt wurden. Vergil brauchte also daran nicht weitläufig zu erinnern; am allerwenig- sten aber brauchte er die iussa Heleni, welche aus Vers 410 sqq. noch frisch im Gedächtnisse der Leser waren, mit schulmeisterlicher Pedanterie noch einmal vorzuführen. Aber einem unverständigen und des poetischen Fühlens baareu alten Grammatiker musste die Erwähnung der iussa He- leni Gelegenheit geben, seine Weisheit auszukramen, die so beliebte Scylla atque Charybdis anzubringen und das Ganze mit Benutzung Ver- gilischer Lappen weiter auszuspinnen. Wenn irgendwo, liegt hier die Interpolation und die Veranlassung dazu klar vor Augen.

Zwei ansprechende Vorschläge (Aen. VII S. 65 »escit« für »exit« imd X 70 »et generis abducere pactas«) giebt 0. Müller, Hermes XII S. 302 303 ; die letztere Vermuthung hatte auch Referent sich au- gemerkt.

Unbedeutend ist die Rostocker Dissertation »Aduotationes ad Ver- gilii Aeneidem«, scripsit Otto Güthling, Liegnitii 1877.

Von grammatischen Untersuchungen zu Vergil lieben wir hervor: 1. die anerkennenswerthe Leipziger Dissertation »De infinitiui usu Ver- giliauo, scripsit Franciscus Maixner, Zagabriae 1877«; 2. das Saar-

4*

52 Römische Epiker.

brückener Programm von Julius Ley, »Vergilianarum quaestionura spe- cimen prius, de temporura usu«, 1877.

Mit Silius Italic US beschäftigen sich zwei Abhandlungen: 1. »Dr. Max He in ach er, die Stellung des Silius Italiens unter den Quellen zum zweiten punischen Kriege«. Programm der Ilfelder Klosterschule 1877. Berlin, Weidmann, in welcher ebenso umsichtigen wie fleissigen Arbeit der genaue Beweis geführt wird, dass Livius nicht die Haupt- quelle des Silius war, sondern dass auch ein älterer Annalist, vielleicht Fabius Pictor, von ihm benutzt ist, somit also den Punica des Silius eine höhere Bedeutung als Geschichtsquelle zukommt, als bisher ange- nommen wurde. 2. »Augustus Chory, emendationum Silianarum spe- cimen«, Leipziger Dissertation 1877. Es muss als ein kühnes Unter- nehmen bezeichnet werden, bei dem jetzigen Stande der Dinge Conjek- turen zu Silius zu veröffentlichen. Referent enthält sich daher eines ein- gehenden Urtheiles darüber: die sehnlichst erwartete kritische Ausgabe von H. Blass wird diesem Urtheile erst eine sichere Grundlage geben. Im Allgemeinen lässt sich sagen, dass manches nicht übel erdacht (je- doch dürfte z. B. I 113 »His agitur stimulis«, II 301 »Ut propria luat hoc poena«, III 227 »Nee bellum raptis molitum mille carinis« sich mehr empfehlen), anderes entschieden falsch oder unnöthig ist.

Als Probe der von ihm vorbereiteten neuen Ausgabe der Achilleis und Thebais des Statins hat Philipp Kohlmann im Emdener Pro- gramm 1877 Achill. I 1 396 mit den dazu gehörigen Scholien edirt. Dem revidirten Texte sind die Varianten der benutzten Handschriften beigefügt. Den ersten Platz unter diesen nimmt der Parisinus 8051 saec. X (P) ein, dessen Vorzüglichkeit allerdings an so vielen Stellen klar und unzweideutig hervortritt, dass ihm gegenüber die übrigen codd. zurücktreten. Von diesen hat Kohlmann mehrere selbst verglichen ; frei- lich ist es nur ein kleiner Theil der in den Bibliotheken zerstreuten Statiushandschrifteu , welche er bisher zu prüfen im Stande war; und somit bleibt die Hoffnung offen, dass es ihm bei weiteren Nachforschun- gen gelingen werde, noch anderes brauchbares Material aufzufinden. Es muss die Aufgabe des Herausgebers sein, jede der beiden offenbar vor- liegenden Klassen in mehreren zuverlässigen Vertretern uns vorzuführen, so dass über ihre besonderen und eigenthümlichen Lesarten kein Zweifel walten kann. Denn wer wollte es nach eingehender Prüfung leugnen, dass auch P manches bietet, was in der zweiten Klasse besser über- liefert ist? P also vor allem muss noch einige Vertreter seiner Familie zur Seite haben, damit wir über diese stets im Klaren sind. Es ist ein freilich zu entschuldigender Fehler von Kohlmann, dass er bei der Con- stituirung des Textes fast stets an P festhält, selbst an Stellen, wo aus gewichtigen Gründen die Lesarten der anderen Klasse vorzuziehen sind; zuweilen tritt auch der umgekehrte Fall ein. Ich lasse jetzt, nachdem ich die Bemerkung vorausgeschickt, dass Kohlmann einen im Ganzen

Silius. Statins. 53

mit Sorgfalt revidirten Text geliefert hat, meine Anmerkungen folgen. I 53 »Laetus et aequoreo diffusus nectare uultus« halte ich »aequoreos für erforderlich. 68 war mit P »Eheu« zu schreiben, welche Form als die alleinig richtige gelten muss, während »heuheu« mittelalterliche Schreibweise ist, wie ich anderweitig bemerkt habe. 73 war ebenfalls mit P »Haut permitte (seil, puppibus) fretum« zu lesen. In den folgen- den Versen 74 76:

da pellere luctus, Nee tibi de tantis placeat me fluctibus unam Litus et Iliaci scopulos habitare sepulcri

hat Kohlmann gewiss mit Recht das »da pellere luctus« von P gegen- über dem »da tollere fluctus« der anderen codd. aufgenommen; denn letzterer Begriff ist schon sattsam in den vorhergehenden Versen aus- gedrückt. Aber mit Unrecht hat er V. 75 ungeändert gelassen; aller- dings konnte weder die andere Lesart »unum« noch das, was von den Kritikern vorgeschlagen ist (wie 0. Müller's »fletibus udam«) zufrieden- stellen. Hier liegt eine sehr alte, weit über den Stammvater der beiden Handschriftenklassen hinausreichende Corruptel vor; »fluctibus« ist die ungeschickte Ergänzung eines Wortes, welches in seinem ersten Theile unleserlich war. Passender Sinn wird in folgender Weise erreicht: »nee tibi de tantis (= tot) placeat me neptibus unam«. Die »centura Ne- reides« sind bekannt ; Thetis bittet, nicht als die einzige von den vielen Enkelinnen des Okeanos ihr Leben in Kummer und Trauer verbringen zu müssen. Die Aenderung ist nicht leicht; aber andere Versuche, wie etwa »luctibus« geben keinen Sinn; und gar der mir geäusserte Ausweg »fluctibus« im Sinne von »neptibus« aufzufassen, scheitert daran, dass man zwar z. B. »Pallas« für »oleum«, aber nicht umgekehrt »oleum« für »Pallas«, wenn es sich um deren Person handelt, sagen kann. 113 »nee truncae bellis genialibus orni« lese ich »gentilibus«; denn »bella genialia« sind heitere Kämpfe , etwa wie sie Jünglinge und Mädchen unter ein- ander führen ; nicht können so bezeichnet werden die blutigen und schreck- lichen Kämpfe der Centauren und Lapithen, weil sie aus dem ursprüng- lich heiteren Mahle sich entwickelten. In V. 121 ff. interpungire ich so: »cimi uisa procul de litore surgens Nereis ; erumpit siJuis (dant gau- dia uires) Notaque« u. s. w. Ebenso ist 130 das Fragezeichen zu tilgen.

135 ist eine derjenigen Seilen, an welchen das »magici« der zweiten Klasse dem »magni« von P entschieden vorzuziehen ist, wie auch 141 »fata« dem »ficta«. 176 vermuthe ich »Par studiis aeuique animis«.

201 ist »Proxima nee studiis« vom Sinne gefordert, wie auch V. 202 »laudumue« (vgl. z. B. V. 152). Ich füge diesen Bemerkungen noch den Wunsch hinzu, dass in der hoffentlich recht bald erscheinenden voll- ständigen Ausgabe Kohlmann den überflüssigen Variantenwust aus den von Früheren benutzten codd. und aus den Ausgaben bei Seite schieben

54 Römische Epiker.

und auf die sorgfältigste Mittheilung der massgebonden Manuscripte das grösste Gewicht legen, z. B. auch für die zweite Klasse ein anderes Zeichen als »uulg.« wählen möge. Im Ganzen aber wünsche ich ein we- niger conservatives Festhalten an der als falsch erkannten Ueberliefe- rung und grössere Berücksichtigung der Conjekturalkritik.

Für Claudianus ist zu verzeichnen der erste Band der grossen kritischen Ausgabe von L. Jeep (Teubner 1876). Dieser Gelehrte hat sich schon seit einer Reihe von Jahren mit der Untersuchung der Clau- dianhandschriften beschäftigt und die gelegentlich mitgetheilten Proben Hessen das Beste für die versprochene Ausgabe erwarten. Und nach der Seite des handschriftlichen Materials sind diese Erwartungen nicht ge- täuscht worden. Die ungemein zahlreichen Manuscripte dieses Dichters hat Jeep, soweit sie zugänglich waren, entweder selbst eingesehen oder von Freunden einsehen lassen. Diese Codices zuerst mit ausdauerndem Fleiss ausgeforscht und verzeichnet, methodisch gesichtet und aus dem gewaltigen Wüste die wenigen brauchbaren und guten nachgewiesen zu haben, ist das bleibende Verdienst der Jeep'schen Ausgabe, wenn auch das Resultat ein leider wenig günstiges ist. Denn in der Hauptsache bleiben auch für uns die treuesteli Führer die von Nie. Heinsius als solche erkannten Codices, wenngleich im Einzelnen manches zur Ergän- zung hinzugekommen ist- Die Le sarten dieser besseren Manuscripte sind im Apparate mitgetheilt; wie wir annehmen, mit Genauigkeit. Denn wenn kürzlich A. Holder im Hermes, Bd. XH, zu Jeeps CoUation des Bruxellensis eine Anzahl von Nachträgen liefern zu müssen glaubte, so bestehen diese in untergeordneten Kleinigkeiten, Avelche bei einer Hand- schrift zweiten oder gar dritten Ranges, wie es der Bruxellensis in der That ist, kaum in Betracht kommen. Vielmehr wird, wer Jeep's Arbeit im Ganzen betrachtet, andere und grössere Unterlassungssünden ihm vor- werfen. Die werthvoUste Handschrift des Claudian ist der jetzt verlorene oder verschollene Lucensis, dessen Lesarten uns am besten in den jetzt zu Florenz befindlichen sogenannten excerpta Lucensia vorliegen. Zum weitaus grösseren Theile sind diese Lesarten in die editio princeps ein- getragen; und man ersieht leicht, dass der Collationator mit grossem Fleisse verfuhr. Bei der ungemeinen Wichtigkeit des Lucensis für die Kritik w'ar es nun absolut nothwendig, dass Jeep da, wo sich in jener editio princeps nichts angemerkt findet, die Lesarten dieser mittheilte; das würde, wenn der Schluss ex silentio auch nicht immer gültig ist, doch in der Fälle Mehrzahl an verdorbenen Stellen (und deren ist in den übrigen Manuscripten des Claudian eine grosse Menge) einen An- haltspunkt gegeben haben. Es wird umsomehr die Aufgabe eines folgen- den Claudianherausgebers sein, dies nachzuholen, als wir an wirklich guten Manuscripten wahrlich sehr schlecht bestellt sind. Mit Ausnahme des Lucensis und des an Umfang unbedeutenden Veroneser Fragmentes reichen nur sehr wenige Manuscripte ins 11. Jahrhundert zurück; die

Statins. Claudianus. 55

meisten stammen aus saec. XIII, und sie alle enthalten einen verdor- benen und interpolirten Text. Claudian war im Mittelalter sehr beliebt, was der Ueberlieferung natürlich schadete, indem man das Unverstan- dene oder Verdorbene sich zurechtzulegen suchte. Einige interessante, auf diese im Claudian wirksame kritische Thätigkeit jener Zeit bezüg- liche Verse habe ich in den Prolegomena meines Catullus mitgetheilt. Alle Codices aber (mit den erwähnten Ausnahmen) gehen zurück auf ein solches revidirtes Exemplar, welches, um das Unglück vollzumachen, aus einer sehr liederlich geschriebenen Quelle geflossen war. Wie ge- sagt, ist es Jeep nicht gelungen, ältere Manuscripte zu dem Lucensis und Fragraentum Veronense hinzuzugewinnen. Und doch gab es deren einst sehr wichtige, welche, wären sie uns noch erhalten, säramtliche codd. von saec. XI an überflüssig machten. Damit komme ich zu dem zweiten schwerwiegenden Vorwurf, den man Jeep machen muss. Wir erfahren nämlich nichts über die von den ältesten Herausgebern be- nutzten Codices; und jene haben deren gar vortreffliche in Händen ge- habt. In »de IV consulatu Honorii« 636f. (S. 91):

Hister sanguineos egit te consule fluctus, Alpinos genitor rupit te consule montes

fehlen in den für dieses Gedicht massgebenden codd. die Worte »fluctus consule« ; der Grund des Ausfalles liegt klar vor. Unmöglich kann man annehmen, dass ein Herausgeber das Deficit aus eigener Tasche gedeckt habe; er würde, wie dies Burmann that, vielleicht »montes« in »fluctus« geändert haben. Hier ist es nun die Ausgabe des Isingrinius, welche nach Jeep zuerst i) den fehlenden Vers darbietet. Isingrinius muss also ein Manuscript besessen haben, welches weit reiner und treif- licher war als unsere Manuscripte. Und auch sonst begegnet man hin und wieder vorzüglichen, aus jener Ausgabe stammenden Lesarten. Aber über diesen Mann theilt die Vorrede nichts mit; Jeep macht alle alten Editionen S. LIX mit drei Zeilen ab. So wenig wir dies sonst tadeln, musste doch in diesem Falle sicherlich eine Ausnahme gemacht werden. Es ist überhaupt die tiefere Auffassung der Pflichten desjenigen, welcher eine kritische Ausgabe veranstaltet, welche wir bei Jeep ver- missen. Das vorhandene Material zusammenzubringen, zu ordnen, mit- zutheilen, ist ein gewiss nicht kleines Verdienst; aber ein höheres be- steht darin, die Fäden, welche dies Material mit den vorherliegenden Zeiten verbinden und die besondere Art, in welcher ein Autor uns er- halten ist, kurz die Geschichte seiner Ueberlieferung von den ersten Zeiten an bis zum Ende des Mittelalters unter sorgfältiger Benutzung der zu erreichenden (nöthigenfalls auch früher vorhandenen) Codices, so-

1) Ob die excerpta Lucensia, resp. die editio princeps den Vers hat, erfährt man nicht.

56 Kömische Epiker.

wie mit Hülfe geschickter Combiaation darzustellen. Dies allerdings nicht immer durchführbare, jedenfalls schwierige Ziel auch für Clau- dian zu erreichen, musste wenigstens versucht werden; aber dazu finden sich in Jeep's Ausgabe keine Ansätze; und höchst unsicher ist auch, was hierfür seine früheren Arbeiten bieten. Dies Capitel erheischt eine neue Bearbeitung, welche freilich nach Gewinnung neuer, besserer Manuscripte noch ergiebiger sein würde.

Wenden wir uns nach diesen Vorbemerkungen zu den übrigen Theilen der Arbeit, so hat Jeep in den Prolegomena über das Leben und die Gedichte Claudian's gehandelt, sowie über die Glaubwürdigkeit des Dichters als Historikers. Hierin finden sich manche gute und brauch- bare Bemerkungen, wenngleich die Behauptung, dass Claudian nicht zu Alexandria geboren sei, wenig glaublich klingt. Weniger befriedigend ist das, was Jeep über die Metrik, meist im Anschluss an L. Müller's Werk De re metrica, vorbringt; hier will er mit einer Engherzigkeit, welche die geringe Vertrautheit mit der gesammten römischen Poesie verräth, alles nach der Schablone zustutzen. So findet er z. B. S. LXVI, dass Claudian die Elision von Monosyllaba nicht liebte, und will dess- halb in Rufin. H, 24 das von allen Codices gebotene, dem Sinne nach untadelhafte, »uix Alpes transgressus erat, nee iam amplius errat« durch Conjektur in »non amplius« ändern; desshalb wird des Referenten Ver- besserung de Torped. 16 »et tactu confisa suo iam inmobilis haeret« als unmöglich bezeichnet. Möge Herr Jeep sich von uns sagen lassen, dass die Elision von »iam«, wie sie sich bei den besten römischen Epi- kern findet, auch bei Claudian ohne Anstoss ist.

Der Text hat manche Verbesserungen erfahren, sei es, dass den Lesarten der Handschriften gegenüber der bisher gangbaren Vulgata zu ihrem Rechte verholfen, sei es, dass die verdorbene Tradition durch Auf- nahme der Vermuthungen früherer Kritiker oder des Herausgebers ge- heilt wurde. Heinsius war hier in erster Reihe zu berücksichtigen; und obwohl manche seiner schlagenden Verbesserungen recipirt sind, so wün- schen wir doch, dass dies an einer weit grösseren Anzahl von Stellen geschehen wäre. Die Conjekturen Schrader's (des nach Heinsius inge- niösesten holländischen Kritikers auf dem Gebiete der lateinischen Poe- sie) sind nicht nach Gebühr gewürdigt worden. Von dem, was in unse- rem Jahrhundert für die Kritik geleistet worden, ist das Bedeutendere gesammelt und verwerthet worden. Jeep endlich selbst hat einige, wenn auch verhältnissmässig wenige Stellen gut verbessert; bei anderen seiner Vorschläge vermisst man die nöthige Bekanntschaft mit den lateinischen Dichtern. Es bleibt der Conjekturalkritik noch ein weites Feld; und bei der Unzuverlässigkeit des handschriftlichen Materiales bedarf es noch der vereinten Anstrengung Vieler, um einen reinen und zuverlässigen Text zu gewinnen.* Es würde zu weit führen, wollte ich hier alle Stellen, an denen ich von Jeep's Recension abweiche, aufzählen; ich muss mich

Claudianus. 57

darauf beschränken, einiges anzuführen. S. 2 J. heisst es V. 18 20 »Nee quisquam procerum temptat, licet aere uetusto Floreat et claro cingatur Roma senatu«. In dem Gedanken »obwohl sein Geschlecht gar viele Senatoren als Ahnen aufzuweise n hat« ist »Roma« unerklärlich, ver- muthlich »stemma«. S. 8, V. 167 lies »quo uindice tutam Vidimus Hes- periam«. - S. 13, V. 274 »autumnusque madentibus ambiat uuis«; wohl »cadentibus«, vgl. XXII 466. S. 28, V. 302 »primos pecudum depascitur artus« ist »primo« eine leichtere und sprachlich richtigere Aenderung als Jeep's »primum«. Ebendaselbst V. 304 vielleicht »pestem destillat in amnes«. S. 63, V. 142 lies »cunctos decedere tectis«; auch S. 44, V. 278 war »degressus« gemäss der ersten Hand von L herzustellen. S. 65, V. 183 lies »regunt cunctas moderamine gentes«. S. 69, V. 50 wohl »et misso turbine gentes«. S. 75, V. 201 wird das Richtige sein: »moturae conuexa comae: iam scindere nubes« u. s. w. S. 80, V. 341 lies »submoueant rabidos umbracula soles«. Ebendaselbst V. 344 ff. schreibe und interpungire ich so: silvam si caedere postulat usus, Sumpta ne pudeat quercum strauisse bipenni; Calcari si pigra palus (sc. postulat), tuus ante« u. s. w. S. 82, V. 879 »nostro nee debes regna fauori« ist zu lesen »labori«; vergleiche V. 394 und S. 167, V. 221. S. 82, V. 395 lies »Decedam, uobis« u. s. w. Ebendaselbst V. 399 f.:

Antiquos euolue duces; assuesce futurae Militiae; Latium retro te confer in aeuum,

liegt eine Interpolation vor; die »duces« und »militia« bilden nur einen Theil dessen, was der Angeredete aus der römischen Geschichte lernen soll; wie die folgenden Verse zeigen, soll ihm dieselbe noch ganz An- deres lehren. Mit Ausmerzung der anstössigen Worte lese man : »Anti- quom Latium retro te confer in aeuum«. Die so natürliche und häu- fige Verderbniss des »uom« zu »uos« in »antiquom« gab vielleicht die Veranlassung zur Interpolation. S. 83, V. 407 ergiebt sich aus dem )^perfi'ingat« von V. 1 und dem »prQficiat« von L dies: »quid mora per- ficiat«. S. 108, V. 165 lies »certatimque suis ornant conubia donis«. S. 145, V. 66 schreibe »aut curam impertit populis«. S. 152, V. 233f. lies »utilior nullo confessus murmure uires Accrescit. pla- cidus« u. s. w. Ebendaselbst V. 237 wohl »quassisque minentur pon- tibus«. S. 162, V. 108 lies »rabido aestu«. S. 164, V. 154 f. »qui rebus eois Exitium primumque sibi produxit« ist nicht so sehr »exitium« (Jeep: exitio) als »primumque« verdächtig; dafür mit einem Theile der Codices »primoque« zu schreiben, möchte ich wegen des Folgenden nicht rathen. Wohl »priuumque sibi« (sc. exitium). S. 166, V. 199 ff.:

Hie Asiam uilla pactus regit, ille redemit Coniugis ornatu Syriam, dolet ille paterna Bithynos mutasse domo

58 Römische Epiker.

ist »dolct« sicherlich verdorben. Niemandeu iiöthigt Eutropius dazu. Giebt Jemand sein väterliches Haus her, so kann er um diesen Preis Bithynicn zur Verwaltung erhalten; bloss die Käuflichkeit des Eunuchen wird charakterisirt. Also »ualet«. S. 172, V. 324 ff.:

Tritonia, Phoebe, Terra, Ceres, Cybele, Inno, Latona coluntur: Eunuchi quae templa dei, quas uidimus aras?

Mit Jeeps auf den V. 1 sich stützender Lesung »Eunuchis deis« ge- winnen wir nichts; der Zusammenhang weist auf »Eunuchi deae«. Wie Catull den entmannten Attis, so macht Claudian den Eunuchen Eutrop zum Weibe. Nach 326 ist übrigens eine Lücke zu statuiren.

Von anderen auf Claudian bezüglichen Arbeiten ist zu erwähnen: Stephanus Gramlewicz, Quaestiones Claudianeae, Breslauer Disserta- tion 18V7, in welcher diejenigen römischen Dichter, deren Einfluss auf Claudian vorzugsweise stark war, nachgewiesen werden (vor allen Vergil, dann Horaz, Ovid, Lucan, Statins). Läuft auch, wie bei allen solchen Arbeiten, vieles unter, was nicht so sehr bezweckte Nachahmungen als vielmehr unbewusste Reminiscenzen oder gar sämmtlichen Dichtern eigene poetische Phrasen sind, so ist die Zusammenstellung doch im Ganzen mit Fleiss und Geschick gemacht. Beachtung verdient auch der S. 33 ge- führte Nachweis, dass Sidouius Apollinaris, bekanntlich ein eifriger Nach- ahmer des Claudian, in dessen Raptus Proserpinae I 53 »saecula pensis« las ; was für die Werthschätzung des von Jeep so hoch gehaltenen Lau- rentianus von Belang ist. Unter den S. 36 aufgestellten Thesen lautet die erste: »Landes Herculis non a Claudiano, sed ab obscuro quodam poeta, Claudiani imitatore, scriptas esse contendo«. Der Verfasser be- kennt sich also zu der vom Referenten an verschiedenen Orten verfoch- tenen Ansicht.

Mit Sidonius Apollinaris beschäftigt sich das Sondershausener Programm »Mohr, in Apollinaris Sidonii epistulas et carmina obser- vationes criticae, exegeticae, metricae«.

Endlich handelt eine Miscelle von A. Riese über Dracontius (Rhein. Mus. XXXII S. 319 f.); wogegen man meine Behandlung desselben Gegenstandes im Rhein. Mus. XXXIII S. 313 ff. vergleichen möge.

Ich schliesse hieran eine kurze Uebersicht des für die kleineren lateinischen Dichter Geleisteten.

Neue Bruchstücke der Aratea des Germanicus hat Referent im Rhein. Mus. XXXII S. 223 veröffentlicht.

Für den Porfyrius Optatianus liegt endlich die lange angekün- digte, erste kritische Ausgabe von L. Müller (Leipzig, Teubner, 1877) vor, wodurch die Kenntnissnahme dieses bisher so wenig beachteten Autors

Claudianus. Porfyriiis. 5 9

weiteren Kreisen ermöglicht ist. Die besten Handschriften sind dafür collationirt worden, von H. Hagen's bewährter Akribie der alte ehrwür- dige Bernensis 212 saec. IX X, welchen auch Referent aufs Sorgfäl- tigste verglichen hat; freilich nur ein kleines Spicilegium blieb mir an- zumerken übrig. Dieser Codex ist der vollständigste, da er mit Aus- nahme eines einzigen Gedichtes sämmtliche Porfyriana, wenigstens der uns vorliegenden Sammlung, enthält. Neben ihm besteht eine zweite Klasse, als deren hauptsächliche Vertreter Müller den Vaticano-Reginensis 733 saec. X und zwei (von mir ebenfalls verglichene) Parisini aufführt; den besten Vertreter dieser Klasse, den Philippicus 1815 saec. X hat er nicht benutzen können; er ist von mir gleichfalls verglichen. Ob L. Mül- ler in seiner Beurtheilung dieses handschriftlichen Materials überall das Richtige getroffen, bezweifle ich; doch werde ich darüber später in meinen Poet. lat. min. zu handeln haben. Der Text aber ist theils vermöge dieses Apparates, theils durch Conjekturen des Herausgebers an vielen Stellen gesäubert worden. Unter diesen befinden sich, wie sich erwarten liess, manche treffliche und gelungene; andere bleiben un- sicher oder lassen sich durch bessere ersetzen. So wird im Briefe an Constantin § 2 zu schreiben sein: »quoi (seil, carmini) plus mihi sincerae deuotionis Studium . . praestitit« gemäss dem »quo« der einen, dem »quod« der anderen Klasse; § 6 stimmen alle guten Codices in »et a musis tibi familiaribus laudis« überein, sodass nicht zugleich »et ac (in »etiam«) und »laudis« zu ändern, sondern die Verbessernng auf das eine »laudis« zu beschränken ist; etwa »hau cedis«? Im Schreiben des Constantin § 2, wo die andere Klasse, »id ex ea dicere« (Bern, nebst Par. »indicere«) bietet, scheint mir »eligere« die leichteste und passendste Verbesserung. Die Herstellung von § 3 ist L. Müller, wie auch den Früheren missglückt; es handelt sich, wie die vorhergehenden Worte zeigen, nur um die leuiora poeseos genera; ich schreibe »inligauit alter cothurnis, set prope cotidianis ac triuialibus uerbis, affectus hominum [comoediis locutus est]; quibusdam inaequali pede elegea cantata sunt« u. s. w. Es ist hier die Rede von der fabula Rhinthonica, der tragico- comoedia; die Worte »comoediis locutus est« sind ein offenbares Glossem, welches durch keine Aenderung hier Sinn erhält. Das überlieferte »ele- gia cantata sunt« brauchte nicht so gewaltsam geändert zu werden; es genügt »elegea« (denn bei Ausonius ist epigr. 94, 2 »elegeon«, parent. 29, 2 der Plural »elegea« die handschriftlich einzig bezeugte Form). Ebendaselbst § 10 vermuthe ich »uix hoc custoditum prioribus fuit«; § 11 schrieb Porfyrius wohl »tibi non una difficultate posita numero litterarum, distinction e s uersuum . . . hoc teuuere propositum, ut« u. s. w. § 14 endlich ergiebt sich aus der Lesart des Philipp, »cprobata e situ« dies: »conprobata est. sie tu« u, s. w.

In Gedicht III 21 ff. weiss ich nur durch folgende Aenderung Sinn zu erhalten: »Aonides; suetae et quantis sua uerba tueri Legibus ad-

60 Römische Epiker.

strictae te tota mente fideque Vatis uoce sui« u. s. w. Am wenigsten ist L. Müller gelungen die Verbesserung des bisher unbekannten vierten Gedichtes. Gleich V, 1 führt die Lesart von B »gemina-signa« auf »ge- mino-signo«; V. 3 ist »Constantinigenis-natis« selbst für Porfyrius (den überdies hier keine Versnoth entschuldigt) unmöglich, ferner ist in V. 4 »deuotis« sehr anstössig, da beim Trinken aus dem Musenquell auf De- votion absolut nichts ankommt. Das »heliconde italia natis« von B führt auf »Helicone et talia natus munera det totis«. Den Constantinigeni stellt sich Porfyrius als »Helicone natus« gegenüber; als dieser will er ihnen auch solche (d. h. Heliconia) munera darbringen, indem er mit vollen Zügen aus dem Quell trinkt: das ist des Mannes Denk- und Schreibweise ganz entsprechend. Auch V. 7 ist »ultima pictas honorem« zu gewaltsam geändert worden; ohne Schwierigkeit liest man heraus »ultima picta soro- rum«, da Calliope im Kreise der Musen zuletzt dargestellt wurde. Vor »ultima« ist ein Wort ausgefallen, z. B. »mundi«. Endlich ist in V. 9 »Quor« ganz ungehörig; in dem »quod textu« von B liegt »quo textu«. So lautet jetzt das Gedicht nach meiner Restitution:

Imperii fastus, gemino uicennia signo

Pagina flexoso tramite uota notat. Constantinigenis Helicone et talia natus

Munera det, totis haustibus ora rigans. Hos rupes cirrea sonet uideatque coruscos

Ponti nobilitas, altera Roma, duces. Sed nunc te, uictor mundi, ultima picta sororum

Contentum tenui munere Musa cupit. Quo textu scruposa siet mea pagina, simplex

Disserat Augusto Calliopea mea.

Gedicht 7, V. 4 lies »plene fauoris«. Ebendaselbst V. 17 wohl »gau- dens, sub n um ine mota. In iuga festinat, Musis ubi« u. s. w. Doch genug; trotz dieser und anderer zu machenden Ausstellungen verdient die neue Ausgabe unseren besten Dank.

Mit Ausonius beschäftigt sich die Schrift von Reinhold De- zeimer is, LcQons nouvelles et remarques sur le texte de divers auteurs« (M. Regnier A. Chenier Ausone), Bordeaux, 1876. Epist. X 41 will er lesen: »Nobiscum ut uenias xaTsuwma«; indessen hat die beste Handschrift, über welche ich anderweitig gesprochen habe, vortrefflich »Katenantia«, aber an der Richtigkeit von »nobiscum inuenies« zweifelt Dezeimeris wohl mit Recht: die Redensart findet sich noch einige Male bei Ausonius und mag so an dieser unpassenden Stelle eingeschwärzt sein. Ich denke: »Nobiscum uenies xarevdvrta, si libet uti Non Poena« u. s. w. Epist. VIII, 11 f.:

Porfyrius. Ausonius. Avienus. 61

Perfer et in curru^) uel teriuga milia epodou Vel falsas lites, quas scola uestra serit

schlägt Dezeimeris mit Rücksicht auf V. 14 »salsas lites« vor. Epist. XI conjicirt Dezeimeris »Dissonum, quem ^cuXovo/xov existimo proprie a phi- lologis appellatum, admonere, ut iubebas, . . uou ausus«. Indessen ist die Lesart der Handschriften sehr unsicher: »pissonem quem tolleno in existimo« giebt die beste, was einer anderen Remedur bedarf; und »ad- mouere« für das überlieferte »adcreui« ist keine leichte Aenderuug. Edyll. VII, 5 »Bissula in hoc scedio cantabitur aut Erasinus Admoneo ante bibas« vermuthet Dezeimeris, dass an Stelle des schwierigen »Era- sinus« entweder mit Hinblick auf Horat. epist. I 19, 1 »utque Cratinus oder gemäss Martial I, 5 »utque Latinus« zu lesen sei; die erstere Ver- muthung dürfte mehr Beifall finden. Epist. IV, 56 ff. 3):

Et iacula et fundas et nomina uillica lini Colaque et iudutos terrenis uermibus hamos

will Dezeimeris nach der Lesart der zweiten Handschriftenklasse »belli- cani« (Vossian. L. Q. 111 hat uilica lini) lesen »bellica lini«. Auch ich halte »bellica« für besser; nur bedarf es einer weiteren kleinen Aende- rung: »Et iacula et fundas (en nomina bellica lini) Colaque« u. s. w. Epigr. XX, 12 will er »merumque mero, es« (nicht richig), Epigr. XXX im Titel »In umßa&pov«, Epigr. X »In Eunomam adulteram«, endlich ändert er Epigr. LXXXII die Interpunktion.

Zu Avienus giebt A. Breysig im Hermes XII p. 151—160 wei- tere kritische Beitäge.

2) So schreibe ich für das »Perter in curru« des Vossianus; die Vulgata liest »Perfer in excursu«.

3) Kurz vorher V. 52 f. schreibe ich »An quia uenatus ob tanta pericula uitans [»uitas« uulgo] Piscandi studio traheris?«

Bericht über die Litteratur zu Lucretius, das Jahr 1877 umfassend.

Voran gehen Nachträge zu früheren Jahresberichten.

Von

Dr. A. Brieger

in Halle.

The Atomic Theory of Lucretius. Quarterly Review. 1875 p. 335 bis 377.

(Lucrece, De la iiature. Traductiou nouvelle par M. Patin. Paris, Hachette et C'«-, 1876).

Rec. Revue critique 1877. N. 20 p. 317 f. par M, Bonnet.

(Lucrece, Morceaux choisis. Publies avec une notice, des analyses, des resumes et des notes en fran^ais par C. Poyard. Paris 1876. VII, 184 S.).

(La natura delle cose. Libri sei, tradotti in versi italiani da J. Sar- tori. Edizione postuma, aggiuntovi il teste latiuo. Verona 1876. 4. 334 S.).

De Horatio Lucretii imitatore. Diss. inaug. auct. A. Weiugärt- ner. Halls Sax. 1874.

R. Wohl er, Ueber den Einfluss des Lucrez auf die Dichter der Augusteischen Zeit. I. Greifswald 1876. Gymnasialprogramm. 4. 26 S.

(G. Trezza, Lucrezio. Secouda ediz. arapliata e corretta dall' autore. Firenze. 252 S.).

G. Hoer seh el mann, Observationes Lucretianae alterae. Lips. in aed. Teubneri 1877.

Rec. Susemihl, Jenaer Lit.-Zeit. 1877. No. 44. S. 635 f

Vahlen, Ueber das Prooem. des Lucrez. Monatsbericht der königl. Preuss. Akademie der Wissenschaften. August 1877. S. 479-499.

Lucretius. 63

H. Pur mann, Zu Lucretius. Neue Jahrbücher für class. Philol. Band 115. Heft 4. S. 273—287.

R. Ellis, Lucretius U, 1162. Journal of Philology, Vol. VIL No. 14. S. 259.

(Fr. Bockemüller, Studien zu Lucrez und Epikur, verfasst und graphirt. L Stade. 4. 114 S.).

(Fr. Bockemüller, Lose Blätter. Beilage der Studien zu Lucrez und Epikur. la m. Stade. Autographirt).

J. Woltjer, Lucretii philosophia cum fontibus comparata etc. Groningae. VIII, 186 S.

Die Bücher und Aufsätze, deren Titel hier eingeklammert sind, haben dem Referenten nicht vorgelegen.

Unter dem, was ich zu den früheren Jahresberichten nachzutragen habe, dürfte der anonyme Aufsatz in der Quarterly Review, Jahrgang 1875 S. 335 377, das Bedeutendste sein.

Die Ueberschrift giebt den Inhalt mit genügender Deutlichkeit an: »The Atomic Theory of Lucretius contrasted with modern theories of atoms, the Constitution of matter, and the origination of life«. Der Ver- fasser benutzt, ausser Lucrez selbst (I u. II), vor allem folgende Arbei- ten: 1. Adress delivered before the British Association at Belfast, by John Tyndal, President. Longmanns 1874. 2. Molecules. A Lecture delivered before the British Association at Bradford, by Professor Clerk- Maxwell, F. R. S. 1873. 3. The Mystery of Matter, and other Essays. By J. Allanson Picton. Macmillan 1873. 4. The Atomic Theory of Lucretius. »North British Review«. Vol. XL VIII (von Prof. Jenkin in Edinburgh). Von diesen Artikeln haben mir nur 1. und 2. früher ein- mal vorgelegen. Die Hauptgedanken aus allen hat der ungenannte Ver- fasser des in Rede stehenden Aufsatzes in seine Arbeit verwebt.

Er giebt die atomistische Theorie des Lucrez klar und wesentlich richtig wieder, aber nicht ohne hier und da durch willkürliche Folge- rungen und Deutungen dem Dichter nachträglich doch etwas Falsches unterzuschieben. Hier eine Uebersicht der Hauptpartien. Nach einer Würdigung des Gedankens der Gesetzlichkeit in der Natur, eines Ge- dankens, in welchem Lucrez ganz und gar mit der modernen Wissen- schaft zusammenstimme, werden des Dichters Beweise für die Existenz der Atome besprochen und mit den Beweisführungen neuerer Physiker zusammengestellt (Newton! cf. Munro Not. II zu I, 547). Hier ist gegen die Behauptung Protest zu erheben, dass Lucrez die Atome als elastisch denke (142 und 150, 151). Der moderne Begriff der Elasticität fehlte ihm durchaus und wenn er ihn gehabt hätte, so würde er eingesehen haben, dass diese Eigenschaft seinen Atomen nicht beiwohnen könne. Das zweite Buch des Lucrez enthält, in seinem ersten Abschnitte, die

64 Lucretius.

Kiüetik (kinetics) der Atomenlehre. Hier vor allem sind grossartige Entdeckungen der Neuen vorgeahnt, wie unter mehrfacher Bezugnahme auf Ausführungen von Tyndal und Clerk -Maxwell nachgewiesen wird. Vgl. Jahresbericht 1873 S. 1127 und Neue Jahrbücher 1875 S. 625 f. Bei Besprechung der Deklination macht der Verfasser, wie es scheint, mit Jenkin, einen ähnlichen Fehler, wie in dem vorhin erörterten Falle, indem er Consequenzen, die er ziehen zu müssen glaubt, dem Dichter als dessen Meinung aufdrängt. Aus der Zufälligkeit der Deklination der Atome die Willensfreiheit der aus ihnen gebildeten Seele zu erklären, (L. II 251 293) ist ohne Zweifel höchst verkehrt. Aber geradezu Wahn- sinn wäre es gewesen, wenn Lucrez den Atomen, deren Uubeseeltheit zu beweisen er über hundert Verse aufwendet (II 865 990), Willen, wenn auch nur einen zeitweiligen, beigelegt hätte, wie der Anonymus behaui)tet. Dieser Behauptung entspricht es freilich durchaus, wenn der- selbe S. 363 wegen poetischer Ausdrücke wie conciUum^ genitale concilium, coire in concilium^ gignere, Lucrez die Ansicht imputirt, die Atome zögen sich gegenseitig stark an, wie durch eine Art von Molecularattraction, ja, wenn er meint, der Dichter lasse, durch seine Phantasie verleitet, die Atome, obgleich er ihre Seelenlosigkeit behaupte, doch wie lebendige Wesen wollend handeln, vergl. S. 371. Das ist eine völlig unbegründete Beschuldigung, für die auch nicht der Schatten eines Beweises zu er- bringen ist.

In den Versen 294 307 findet Jenkin mit Recht die Lehre von der Erhaltung der Kraft ahnend vorweggenommen. Ich setze die Stelle, die sonst vielleicht in Deutschland nicht zehn Lesern des Lucrez zugänglich wäre, ganz hierher, wie sie in dem hier besprochenen Aufsatze S. 359 f. abgedruckt ist: »This proposition foreshadows the doctrine of Conservation of Energy. It is clear that Lucretius conceived two things as quite con- stant: atoms were neither created nor destroyed, and their motion could neither be created nor destroyed. He believed that each atom kept its velocity unaltered«. Das ist durchaus richtig. »The modern doctrine is«, fährt Jenkin fort, »that the total energy of the universe is constant, but may be variously distributed, and is possibly due to motion alone ulti- mately, though this last point has not been yet proved«. Er ertheilt dem Lucrez, d. h. den alten Atomisten, mit Recht grosses Lob, weil er gelehrt habe, dass die Bewegung der Materie ebensowenig vernichtet werden könne wie ihr Dasein,

Vor der Darstellung der Weltentstehung findet der Anonymus eine klaffende Lücke, einen unüberbrückten Abgrund. Mit einem Sprunge komme der Dichter von den wirbelnden Atomen zu der Welt und all ihrem Leben, ihrer Schönheit und Ordnung. Auf die Frage, wie die Atome die Welt bauen könnten, gebe er uns nur einige undeutliche Winke (S. 360). Ich meine, wenn man die I 1021 1028 f. II 1053 bis 1063. V 419—431 und 187—194 gegebenen Andeutungen mit dem über

Lucretius. 65

Natur und JBewegung der Atome Gelehrten kombinirt, so bleibt, wenn man nur die behauptete Zufälligkeit der Weltentstehung beachtet, keine Lücke übrig, wenn sich der moderne Leser auch nicht befriedigt fühlen mag. In dem Abschnitte, welcher zeigt, wie moderne Spekulation »den Golf überbrückt«, handelt es sich vor allem um Tyndal's Hypothese. Verfehlt ist der Versuch, zu beweisen, dass, wie für den berühmten englischen Physiker, so auch für Lucrez die Materie in Wahrheit lebendig sei (»To him«, heisst es 371, »in realty, matter is living«), weil die Potenz des Lebens in ihr liege. Für Lucrez ist das ein Trugschluss.

Endlich mögen hier noch zwei Arbeiten erwähnt werden, welche, wenn sie auch eher in die Horaz- und Vergillitteratur gehören, doch auch für den Lucrezkritiker nicht ohne Nutzen sind:

R. Wohl er hat

»lieber den Einfluss des Lucrez auf die Dichter der Augusteischen Zeit« (I Vergil)!)

und A. Weingärtner

»De Horatio Lucretii imitatore« geschrieben 2).

Besonders der letztere hat dem Lucrez ein sehr eingehendes Studium gewidmet. Wenn, nach S. 20, pueris bei Horaz Epist. H 2, 142 einiger- massen für Bernays' gnatis Lucr. HI 961 sprechen soll, so ist das, bei der Verschiedenheit beider Stellen, bei der Verschiedenheit auch dessen, was in pueri und was in gnati betont wird, nicht zuzugestehen. Dass qui bei L. IV 633 »wie« bedeute, durfte bei der Unsicherheit der La. nicht so bestimmt behauptet werden. Bei quamvis überwiegt, wo es auf die Wahl des Modus einen Einfluss haben kann, bei Lucrez doch der Conjunctiv. V 2 darf man schwerlich dignum pro verum maiestate un- mittelbar verbinden, wie Weingärtner S. 40 thut.

An die Spitze der Arbeiten, welche im vorigen Jahre über Lucrez erschienen sind, stelle ich in jedem Sinne die Observationes Lucretianae alterae von W. Hoerschelmann, vgl. Jahresb. 1876 Abth. II S. 183ff. Hoerschelmann kündigt eine Sammlung und Ordnung, resp. Erklärung aller Stellen au, welche von dem einen Faktor alles Seienden, dem inane han- deln. Diese giebt er in Cap. V. »Ceteris (capitibus)«, fährt er fort, »id maxime efticere in animo erat, ut nonnuUis locis data opera tractatis subtilius quam fieri solet ea, quae ad inanis vim et notionem pertinent, distinguenda esse demonstarem«. Cap. I handelt »de inani puro«. Wenn Hoerschelmann, welcher von I 658, der einzigen Stelle, wo inane purum

1) Gymnasialprogramm. Greifswald 1876

2) Diss. inaug. Halle 1874.

Jahresbericht für Alterthums- Wissenschaft 1877. II.

66 Lucretius.

vorkommt, ausgebt, I 503 von vorn herein genügend berücksichtigt hätte, wo von loci natura (hier = inane) gesagt wird, sie, wie der Körper, müsste per se puramque sein, SO Würde er schwerlich inane purum ZU einem technischen Worte für die Lucrezsprache gestempelt, schwerlich dem Dichter indirekt den Vorwurf gemacht haben, dass er dieses unter den begriffsverwandten »fast allein unzweideutige Wort« (»cetera, quibus usus est, paene omuia ambigua sunt«) so wenig gebrauche.

Lucrez bezeichnet mit purus in dieser Verbindung, dass die Natur des Leeren nicht bis in's Endlose von einer anderen Natur, dem Körper- haften I 503, oder dem heraklitischen Feuer I 658, vgl. 646, durchsetzt und so verunreinigt sei. Wo die Vorstellung der Verunreinigung der We- senheit nicht in Betracht kommt, wo er nur ausdrücken will »loca esse prorsus vacua neque ulla vel primordia vel primordiorum concilia conti- nere« gestattet er sich den Ausdruck inane purum nie. Den entgegen- gesetzten Gebrauch von Hoerschelmann, welcher i. p. in dem eben an- gegebenen Sinne verwendet, halte ich für unstatthaft und will hier ein- für allemal gegen ihn und gegen Verbindungen wie inane purum vel vacuum inane S. 7 inane vacuum vel purum S. 15 Einspruch erhoben haben.

In dem Abschnitt über den aus der Bewegung geführten Beweis für die Existenz des inane sagt Hoerschelmann S. 5 »Lucretius optime, qua ratione motum fieri arbitretur, 1. I vv. 384—397 exponit«. Was Lu- crez sagen muss, hat Hoerschelmann mit gewohntem Scharfsinn durch- schaut, dass es aber wirklich dasteht, dass muss für die Verse 391 f. noch erst erwiesen werden (vgl. den vorigen Jahresbericht S. 181). Wenn er- klärend hinzugefügt wird »Itaque motus ita Lucretio procedere videtur, ut id, quod movetur, ubique in parem sibi magnitudine, qui vacuus sit, locum intret, parem relinquat«, so scheint mir damit dem Lucrez ein grösserer Irrthum aufgebürdet zu werden, als dieser wirklich begeht. Ich komme anderswo auf diese Stelle zurück. 520 - 523 wird gut erklärt, S. 8. Im Folgenden nimmt Hoerschelmann eine Lücke an, einmal wegen alternis. Diesen Anstoss finden wir im Cap. IV (S. 29 -31) begründet, wo der Lucrezische Gebrauch von alternis constatirt wird. Ich zweifle mit Susemihl, Jenaer Lit.-Zeit. 1877 No. 44 S. 635f., ob nicht alternis corpus inaui distinctum est »als verkürzter Ausdruck« für alternis corpus inani et inane corpore distinctum est, der Körper durch das Leere unterbrochen und vice versa, immerhin noch möglich ist. Den zweiten Anstoss bietet die Schwierigkeit, omne quod est als Subject zu nee plenum .... extat etC. ZU erkennen. Hoerschelmann vermuthet sehr schön, es sei zwischen distinc- tum und quouiam [est, itidem distinctum est corpore inane, omne quod est^ ausgefallen. Dagegen muss ich die Auffassung, wonach distinguere hier und S. 527 »trennen« bedeute, entschieden zurückweisen, siehe Jahres- bericht 1876 S. 183 und eine spätere Auseinandersetzung. Ist diese Auffassung aber unstatthaft, so fällt damit auch der, in anderer Bezie-

Lucretius. 67

hung gut begründete Vorschlag 527 zu schreiben quae spatium plenum possint distinguere ivani^ p. 33, 34 Vgl. 38 unten.

Cap. IL »De omnis spatii natura«. Wenn Hoerschelmann sagt »Inter omne spatium et inane purum (s. oben) ea intercedit ratio, ut illud totum, hoc pars sit; itaque magnitudine sunt diversa, natura omnino eadem«, so ist das vollkommen richtig, aber für die Beurtheilung der Wortwahl des philosophischen Dichters ist es doch wichtig zu betonen, dass beides völlig verschiedene Begriffe sind. Indirekt erkennt Hoer- schelmann das auch an, indem er fortfährt: »Itaque nonnunquam multum interest, de utro dicas, nonnunquam nihil«. Die in Betracht kommenden Stellen werden dann geordnet und erörtert.

Cap. III. »De omnis spatii magnitudine« enthält als Hauptpartie eine wahrhaft klassische und die Frage in der Hauptsache, wie es scheint, zum Abschluss bringende Untersuchung über den Gedankenzusammen- hang der Partien von 951-1051. Hoerschelmann weist nach, dass sich kein Abschnitt findet, wo die Unendlichkeit des Gesammtraumes allein bewiesen wird, sondern immer zugleich die des Raumes und die des Alls. Lucrez durfte beides zusammen behandeln, weil Gesammtraum und All, wenn auch ihrer Natur nach verschieden, doch nothwendig denselben Umfang haben, S. 22. So wird 958 967 gezeigt omne esse infinitum (S. 28), 968—983 und 984—997 -f 1002—1007 oinne et spatium Universum esse infinitum. Die Verse 998 1001, welche Goebel vor 1008 stellt, Munro vor 984, will Hoerschelmann, als inhaltlich wesentlich mit 958 967 zusammenfallend, einklammern. Susemihl rechtfertigt mit guten Gründen die Goebel'sche Umstellung.

Zweite Beweisreihe: o) es wird gezeigt: et corpus et inane purum (s. oben) infinitum esse, 1008 1011 + 1012, 13. 6), verloren gegangen, hat die Möglichkeit widerlegt, corpus fiuitum, inane purum infinitum esse. Hier wird der Irrthum derer überzeugend nachgewiesen, welche unter alter- utrum statt das Leere und das Köperliche, den Raum und das in ihm ja ent- haltene Körperliche verstanden haben. Die Verse 1012, 13 werden gegen Polle's Anfechtung vertheidigt, mit Recht. Der Anstoss, den Susemihl noch immer an nisi nimmt, scheint mir durch die ziemlich zahlreichen Stellen widerlegt, welche Munro im Comment. II z. d. St. beigebracht hat. c) endlich 1014 1051 widerlegt die Annahme, inane {purum) infinitum, corpus finitum esse. Der Anfang ist verloren gegangen. Diese Lücke hat schon Stürenburg a. a. 0. 415 in gleichem Sinne, wie Hoerschelmann will, ausgefüllt: »si materia finita esset in spatio, quod infinitum esse docui, nee mare etc.« Höchst werthvoll ist auch der Nachweis, dass sich die Beweisführung bei Lucrez hier nicht mit der von Epikur überliefer- ten, Diog. Laert. X 41, deckt.

Der Inhalt von V ist schon oben angegeben. Ich hebe hier nur hervor, dass Hoerschelmann S. 38 39 durch eingehende Untersuchung zu dem Resultate kommt, zu welchem auch PoUe, im Phil. XXV S. 296,

68 Lucretius.

gelangt ist, incme sei bei Lucrez immer substantivisch, doch schränkt er die Behauptung durch ein »verisimile est« ein.

Eine zwar weniger weit reichende, aber nicht weniger interessante Frage, als die von Hoerschelmann behandelte, ist die des Prooemiums von Buch I. Auf diese werden wir auch diesmal zurückgeführt durch die Vorlesung, welche Professor Vahlen in der Gesammtsitzung der Berliner Akademie am 2. August 1877 gehalten hat*). Vahlen erkennt, »zu Lachmanu's ursprünglicher Meinung zurückkehrend«, keine Lücke im Text des Prooemiums an und ebenso findet er, »dass alle Theile desselben in wohlüberlegter Ordnung und befriedigender Verknüpfung, wie sie vom Dichter selbst zum Ganzen gefügt worden, sich erhalten haben«. Dies nachzuweisen nimmt er das ganze Prooemium durch. Dasselbe beginnt, nach Vahlen's Auffassung, mit einem nicht weniger als 28 Verse umfassenden Satzgefüge, von dem er behauptet, es sei über- sichtlich. Nach der Anrede (v. 1 4), soll der Vordersatz mit per te quoniam beginnen (4 9), dann ein begründender Zwischensatz nam simvl ac eingeschoben sein (10 20), darauf der Vordersatz mit quae quoniam wieder aufgenommen werden (21 23), worauf der Nachsatz m\i tesociam studeo anhebe (24 28). Verglichen wird ausser III 425 ff., welches »nicht ganz gleicher Art« sei, IV 54 64, welches sich, jenen Vahlen'schen Vordersatz zugegeben, von unserer Periode nur durch den, Vahlen offenbar unwesentlich erscheinenden Umstand unterscheiden würde, dass dort die Parenthese anderthalb, hier elf Verse umfasst. Aber jener Vordersatz ist nicht zuzugeben. ?e, rfea, te fugiunt venti kann nicht zweites Glied eines Vordersatzes sein, es wird durch die Anaphora und nicht minder durch den Sinn deutlich als Nachsatz bezeichnet. Daran scheitert aber der gaijze Riesenbau der Periode.

Beachtenswerth ist, was Vahlen gegen die Ergänzung von v. 50 aus dem interpr. Verg. in Mali class. auct. t. VII S. 262 sagt. In Bezug auf die Unzuverlässigkeit derartiger Citate hat er recht. Möglich ist es ganz gewiss, dass das animumque sagacem einer Vermischung von I 50 und IV 912 seinen Ursprung verdankt. Dass aber (animumque) sagacem hier nicht passe, scheint mir nicht erwiesen zu sein. Ausser dieser Lücke nun, welche mit Lachmann's ursprünglichem >mnimumque, age Memmi aus- zufüllen sei, erkennt Vahlen im Prooemium keine solche an. 1 43, 50 - 61 bilden nach ihm einen festgefügten Gedankeuzusammenhang, wo- gegen es hier genügen dürfte, auf Brieger Philol. XXIII 456 f. und Stüren- burg, de carm. Lucr. 1. 1, in den Acta soc. philol. Lips. II, S. 386 und 387 vergl. den vorigen Jahresbericht S. 180 zu verweisen. Auch wegen des Versuchs, das von dem quod superest des v. 50 hergenommene Argument zu entkräften, weise ich auf Stürenburg's ohne Beweis getadelte

4) Monatsbericht der Königl. Preuss. Akademie der "Wissenschaften zu Berlin, August 1877, S. 479 - 499.

Lucretius. 69

Untersuchung auf S. 379 384 hin. Vahlen setzt das quod superest, das einem porro vergleichbarer sei als einem denique oder postremo, zu einer »bequemen Uebergangsformel« herab. Dagegen hat Vahlen gegen Brieger und Stürenburg Recht, wenn er leugnet, dass cura auf die religiöse Be- sorgniss gehen müsse.

"Weiter findet Vahlen es »natürlich und einfach«, dass Lucrez »nach- dem er Inhalt und Qualität des Lehrgebäudes mit wenigen Grundstrichen bezeichnet«, ohne »eine Anknüpfung im Worte« unmittelbar zur Verherr- lichung Epikur's übergehe, s. dagegen Brieger und Stürenburg, beide an den angeführten Orten. An den Inhalt dieses Abschnittes füge sich, setzt Vahlen weiter auseinander, der Gedankenzug von 80 101 durchaus inner- lich an. Es fehle auch nicht an sichtlicher Verbindung; vor allem weise illa religio (82 f.) zurück auf die religio, welche Epikur in den Staub ge- worfen habe. Hier ist Vahlen vielleicht Recht zu geben, nicht sowohl wegen des illa^ welches ja auf ferner liegendes weisen könnte, als wegen des ganzen Zusammenhanges. Weiter gehend, setzt Vahlen das Verhält- niss auseinander, in welchem 102—135 zu 80 101 stehe. In ersterem Ab- schnitte nehme der Dichter gleichsam einen vorgeschrittenen Standpunkt ein vergl. tu desciscere quaeres mit i7iire und indugredi im vorhergehenden Abschnitte »desciscere kann nur, wer, bereits gewonnen, sich wieder abwendet«. Der Abschluss des mit v. 135 endigenden Theiles zeigt, be- hauptet Vahlen, dass dieser ganze umfangreiche zweite Theil vom ersten nicht losgelöst werden kann. Wenn L. den Schluss nicht so formulire: »daher muss man die Natur der Seele erforschen«, sondern die gestellte Aufgabe in umfassenderer Weise so bezeichne: »daher muss man nicht bloss {cum so zu übersetzen dürfte kaum statthaft sein) die himm- lischen Dinge und was auf Erden geschieht, sondern insbesondere das Wesen der Seele ergründen«, so gewinne dies seine Berechtigung daraus, dass er sich mit beziehen könne auf das, was er bereits am Schlüsse des ersten Theiles (v. 54 f.) über den Inhalt seines Lehrgedichtes in den Worten na7n tibi de summa caeli ratione deumque disserere incipiam an- gekündigt habe«. Aber die ratio superis de rebus et qua vi \qiiaeque ge- rantur in terris, diese Dinge sind ja implicite schon v. 25 angekündigt mit dem versibus quos ego de rerum natura pangere conor. Die in Rede stehende Stelle kann also nicht als Beweis dafür gelten, dass Lucrez, als er sie schrieb, die Verse 50—61 als ein voranliegendes Stück seines Gedichtes vor Augen hatte.

An 102—135 soll sich nun mit Recht 136 145 anschliessen. Vahlen meint, gerade hier stelle sich in natürlichem Fortgang des Gedankens die Klage ein über die aus der Armuth der Sprache erwachsende Schwie- rigkeit des Unternehmens (?). Er vergleicht in Betreif des Zusammen- hanges von Ankündigung und Klage über die Schwierigkeit des Gegen- standes I 921 und V 91, zwei Stellen, welche der unseren recht wesent- lich unähnlich sind. Ferner meint Vahlen, die Versicherung, dem Freunde

70 Lucretius.

zu Liebe keine Mühe zu scheuen, welche der letzte Abschnitt enthält, stehe nirgends wirksamer als am Ende des Prooemiums. Dass sie dort an und für sich sehr gut stehen könnte, dass der Dichter von ihr aus einen Uebergang zum Eintreten in das Thema selbst hätte gewinnen können, hat niemand bestritten. Ob er aber das wirklich thue, ob er nicht viel- mehr von den animi terrores, welche den Inhalt des Abschnittes 102 bis 135 bilden, sich durch hunc igitur terrorem animi die Brücke zum Thema schlage, und ob 136 145 ein Theil dieser Brücke sein könne, darüber muss der Referent für jetzt das ürtheil anderen überlassen. Wenn ein solches auch nicht auf Grund eines Referates gefällt werden kann, so glaubte ich doch im Interesse der Leser des Jahresberichtes über eine Abhandlung aus den Monatsberichten der Akademie, welche, wenn auch niemand ganz unerreichbar, doch nicht jedem jederzeit zugänglich sind, etwas eingehender, als es im allgemeinen in dieser Zeitschrift zu ge- schehen pflegt, referiren zu müssen.

Eine Fülle von Beiträgen zur Textkritik des Lucrez bietet einer unserer ältesten und verdientesten Lucrezforscher, H. Purmann, in den Jahrb. für class. Philol. 1877, S. 272—287. Ich glaube, da die genannte Zeitschrift wohl fast jedem Leser des Jahresberichtes bequem zugänglich ist, die besprochenen Stellen nicht vollzählig aufführen zu dürfen.

I 357 (Bern) haud ulla liceat ratione videre, eine Möglichkeit neben andern, 604: primaque et ima; w«a nicht unerklärbar, ima wegen der Auf- fassung der pars minima als extremum cacumen bedenklich. Warum 675 certissima . . corpora (Purmann parvissima) 858 testor res ante probatas (Purmann res ullas ante probatumst!) nicht Lucrezisch sein sollen, ist nicht, abzusehen. Beide Ausdrücke lassen sich in jeder Beziehung recht- fertigen. Warum ferner I 904 »vielleicht« caeca? Facta giebt einen wesentlichen Begriff (s. Munro not. II), caeca^ neben abscondita, hilft den Vers füllen. II 98 Gegen den erneuten Vorschlag compulsa für confulta zu schreiben, vergl. Jahrb. für class. Philol. 1875, S. 626. Ebendaselbst S. 620 ist nachgewiesen, dass in v. 460 das von Purmann empfohlene laxa Munro's für saxa aus einem Missverständniss entsprungen ist. 462 Ollis für sensibus. Solche Aenderungen dürfte der Zustand der Hand- schriften kaum rechtfertigen, abgesehen davon, dass auch so kein befriedi- gender Sinn hergestellt wird, s. u. a. 0. II 501 tinda, so schon Marullus, s. Lachm. comment. 547, (Purmann früher sumamus uti, jetzt) sumam ma- gnum per inane, SO VOr ihm Göbel. 586 für quodcunque magis (für quae- cunque m. der Handschrift) quo quicque rn.^ SO Marullus, s. Lachm. com- ment. imd Winckelmann Programm Salzwedel 1857, S. 12. 685 für privis ßguris: primis zu lesen, vielmehr herzustellen, wie der Referent Philol. XXVI 67, 68 gezeigt hat. 923 für uUam: unam, so Susemihl Philol. XXIV 79. 926 quod vidimus ante passend, wenn es auch nicht jeden Anstoss beseitigt. 1037 ff. /wisset, quam (spedem) tibi iam nemo fessus satiate videndi suspicere in caeli dignatur lucida templa. Lachmann's Interpunction wird

Lucretius. 71

als höchst sonderbar bezeichnet; sie giebt jedenfalls einen klaren und wirksamen Gedanken. 1082 will Purraann geminam herstellen, aber die Zweigeschlechtlichkeit ist ja den ferae ebenso gut eigen wie den Men- schen: deshalb Lachmann's »inepte«. III 239f. statt recipü mens möchte Purmann am liebsten manifestumst (?) lesen, im folgenden Verse aut quae quis (statt quaedam que) , was ebenso passend und ebenso unsicher sein dürfte, als Munro's e< homo quae. 529 scinditur autem für f/^^we (Brieger Philol. XXVII 46 f. leichter atqui) animae für animo haec (so Brieger eben- daselbst und, wie Susemihl in Anm. 14 bemerkt, vor ihm schon Lambin). 102 A««c, (Lambin) vielleicht nothwendig.

IV 680 nosdt für ducit ^ jedenfalls passend, 802 nisi quis sese, passend; so {r>queis«) schon Christ, Quaest. Lucret. (Gymnasialprograrara) München 1855, S. 23. V 146 f. sedes esse deum solidas für sanctas; das wäre durchaus zweideutig. 412 hominum vitas (mss. midtas) quando obruit undis (Lachmann multas urbis), elegant, vielleicht für Lucrez zu elegant. 460 ff. Purmann ordnet und schreibt mit eingehender Begründimg non alia lange ratione ac saepe videmus (mss.) 463 exalare (mss. excdantque) lacus nebulam fluviosque (fluviique) perennes ; ipsaque ut intei-dum tellus fu- mare videtur 461 aurea cum . . . 462 matutina etC. Dadurch werden die beiden im Jahresb 1873 S. 1109 an Munro's La. gerügten Uebelstände vermieden. Auch 685 ff. wird ausführlich besprochen. Subject von dütinet ist weder sol noch caelum sondern id signum (V. 687) und statt caelum schreibt Purmann caeli (so Marullus vor ihm), das übrige wie Munro; sehr beachtenswerth, die Lesung wohl richtig. 877 f. wahrscheinlich: po- testas hinc illinc parilis (soweit mit Bern.) quibu'' non parta esse potissit^ auch dies beachtenswerth. 920 f. sed sibi quicque (statt si quaeque) suo ritu procedit et omnia (Subject) .... discrimina (Object) servant, Omnia zwei- silbig hat Lucrez nirgends. Weder I 1106 noch II 719 hat, soviel ich sehe, Lachmann's Aenderung Billigung gefunden, ausser an der ersten Stelle bei Goebel; desshalb ist der Vorschlag bedenklich. Res quaeque^ das Purmann nach seiner Erklärung allenfalls billigen würde, hat Munro ed. ni. 970 subu' tum, s. dagegen Luc. Müller de re metr. S. 349f. 1061 f. will Purmann irritata camim cum primum magna Molossum molliu' saecla fremunt. Es ist nicht rathsam, das seltene ricta (rictum noch VI 1193) anzutasten; saecla verallgemeinert unpassender Weise, mollia ricta . . . duros dentes offenbar beabsichtigter Gegensatz. 1383 f. -»reperta ein Nonsens«: reposta, d. h. ? Bockemüller nicht unpassend repertas (querellasj. 1425 ff. def endete ohne Object sei bedenklich, es sei wohl eine Lücke anzunehmen. VI 45 f. die handschriftliche La. inclusive diisohd sei herzustellen, so Eef. in Jahrb. für class. Philol. 1875, Heft 9, S. 613. 163 ligna (wie Veron. Venet. Avant.), offenbar richtig. 954ff. bespricht Purraann eingehend. Er schreibt: suevit. denique qua circum caeli lorica (richtig erklärt) coercet, morbida visque simul, cum extrinsecus insinuatur hier wohl ein Komma) et tempestates aetkra caeloque coortae in caelum

72 Lucretius.

terrasque remotas iura facessunt. Der Satzanfang mit denique richtig, dann aber hinter coercet Lücke. Alles übrige scheint mir sehr zweifelhaft. 1130 Inniger is (für iara pigrisj balantibus. Die schöne Vermuthung VOn Bruno s. Jahresb. 1873, S. 1100 ist noch besser empfohlen, da nun auch Purmann auf sie gekommen ist.

Eine einzelne Stelle, II 1162, bespricht Ellis im Journal of phi- lology, VII, S. 259. Er schlägt statt sujjpeditati^ das er mit Recht an- zweifelt, snppetiati vor. Referent bleibt bei »suppeditat iam, Phil. XXV, 90, als der leichtesten, nicht Aenderung, sondern Ergänzung.

Einen bedeutenden und hochwichtigen, aber freilich auch mehrseitig schwierigen Gegenstand, die Zurückführung der Philosophie des Lucrez auf ihre Quellen, behandelt ein jüngerer Holländischer Gelehrter, J. Wolt- jer*). Der Haupttitel »Lucretii philosophia cum fontibus comparata« wird erläutert durch (»Specimen litterarium quo«) »inquiritur quatenus Epicuri philosophiam tradiderit Lucretius«.

Der bescheidene Verfasser zweifelt selbst nicht, dass das Buch viele Mängel habe, hofft aber, dass wohlwollende und urtheilsfähige Kritiker finden würden, dass er »magnis ausis non plane excidisse«. Jedenfalls ist es ihm gelungen ein nützliches, wenn auch natürlich nicht ohne auf- merksame Prüfung des Einzelnen zu benutzendes Buch zu liefern.

Das »Prooemium« berührt unter anderm die Herausgeberfrage, S. 7 Not. 1. Woltjer entscheidet sich, wie beiläufig auch Vahlen, befremd- licher Weise für Quintus Cicero.

Caput primum, de atomis (Lucr. lib*. I). Hier wird zuerst die Frage angeregt, wie weit Lucrez von Epikur abhängig sei, S. 9, eine Frage, auf welche der Verfasser mehrfach, S. 37, 70 f., 136, 150, 177, 179, 182 und an anderen Stellen zurückkommt. Er erklärt sich für eine unbe- dingte oder fast unbedingte Abhängigkeit. »Satis videmur exposuisse«, sagt er S. 70 f., »poetam a Graeco philosopho non dissentire, neque ad doctrinara eins quidquam addidisse, neque quae vitiosa sint emendasse: nihil fecit quam eius philosophiam interpretari optima cum fide«. Das ist vollkommen wahr, wenn man es nur nicht so eng fasst, dass man damit dem Dichter auch das Verdienst abstreitet, die Reihenfolge und Verknüpfung der Beweise hie und da verbessert und die Beweise selbst schärfer und klarer gemacht zu haben, vergl. die Besprechung der Hoer- schelmann'schen Arbeit, vorletzter Abschnitt. Man darf nicht, wie manche Gelehrte dies gethan zu haben scheinen, vergessen, dass Epikur 37 Bücher nepi (pbazüjq geschrieben hatte, welche dem Lucrez vorlagen. Wenn Woltjer ferner behauptet (S. 10 und 11), Lucrez habe die Schriften des Leukipp, des Demokrit und ebenso auch die des Aristoteles und des Anaxagoras (S. 29) nie gelesen, sondern, was er aus ihnen wisse, aus

5) Lucr. philosophia cum fontibus compar. Specimen etc. . . . scripsit J. Woltjer, Philo. Theor. Mag. Litt. Hum. Doct. Groningae, apud P. Noordhoff, 1877-

Lucretius. 73

Epikur's Schriften geschöpft, so ist das gleichfalls wahrscheinlich, wenn auch durchaus nicht gewiss. Dass er aber auch die Philosophie des Empedokles, des Dichters, welcher ihn vor allen angeregt und begeistert hat, nur aus Auszügen bei Epikur gekannt haben soll, S. I79ff., folgt aus der in Bezug auf Empedokles unrichtigen Behauptung von I 753 ff. durchaus nicht und ist absolut unwahrscheinlich.

Wir kehren zu Cap. I zurück. Hier vor allem zeigt es sich, dass sich der Verfasser nicht lange genug mit Lucrez beschäftigt hat, um ihn nicht mannigfach misszuverstehen.^) Daher eine grosse Anzahl von Irr- thümern. So wirft Woltjer S. 13 dem Dichter mit Unrecht vor, er habe in der I 159 beginnenden Beweisreihe die beiden Sätze zusammenge- worfen, »omnia quae fiant causam habere« und »omnia quae fiant ex atomis exsistere«. Dort kommt aber kein einziger Ausdruck vor, mit welchem Lucrez das Atom als solches bezeichnet. In denselben Irrthum verfällt Woltjer, wenn er S. 16 f. behauptet, Lucrez hätte aus den Prae- missen in dem Abschnitte I 265- 328 logischer Weise den sachlich ver- kehrten Schluss ziehen müssen: atoma non videntur, at tamen alio sensu percipiuntur, ergo sunt. Rerum primordia (268) sind noch nicht Atome deren Existenz wird erst von 483 an erwiesen und der Dichter spricht es ja, 265 270, klar aus, dass er nur den Einwurf widerlegen will, der gegen die Existenz von rerum primordia^ d. h. dem Etwas im Gegensatz zum dem in unsichtbaren Theilen zur Verwendung kommenden Stoffe, von ihrer Unsichtbarkeit hergenommen werden könnte. Ebenso begreift man die Behauptung nicht, Lucrez rede II 294 von dem Universum wie von einem Kosmos. Eine Veränderung im omne wäre es, wenn eine neue Kraft die Atome zwänge die primäre Bewegung des Fallens mit der des Steigens oder Horizontalfliegens zu vertauschen.

Zu den ärgsten Missverständnissen und daraus entspringenden un- gerechten Vorwürfen gegen den Dichter führt die Vermischung der Be- griffe inane^ vacmim., spatium etc., S. 23, welcher Hoerschelmann's Unter- suchung nun wohl für immer gesteuert haben wird. Die ganze Lehre von den partes mir:imae missversteht Woltjer, obgleich der Irrthum Lach- mann's inzwischen von mehr als einem halben Dutzend Lucrezforscher wetteifernd widerlegt worden ist. Wie konnte er, dem doch Munro zur Hand war, S. 25 Anm. schreiben »Minus recte Lucretius I 626, 27 quoniam minima sint primordia ea quoque esse solida atque aeterna dicit?«. Bei solchen Missverständnissen kann natürlich auch das aus den ' Quellen beigebrachte Material nicht überall richtig verwendet sein.

Besser ist im Allgemeinen Cap. II. »de mundi ex atomis ortu«, wenn schon auch hier manches Schwierige nicht genügend verstanden oder doch nicht genügend gewürdigt erscheint so die ewige Bewegung

6) In der Praef. sagt er, »sero ad haec studia delatus, majore industria et intentione temporis defectum compensare coactus etc.

74 Lucretius.

der Atome in den Stoffen, S. 36 und auch gröbere Irrthümer nicht ganz vermieden sind. So werden S. 38 Epikur und Lucrez getadelt, weil sie nicht gesehen hätten, dass die Atome, wenn sie an Zahl unendlich wären (»atomorum infinitus est numerus«), den unendlichen Raum ganz ausfüllen müssten. Wir konnten sie sehen, was, wie die Mathematik lehrt, vollkommen falsch ist? Den STvog des Demokrit verwechselt Woltjer S. 38 offenbar mit der von Descartes ersonnenen Bewegung im Ringe! S. 40 wird Lucrez getadelt, weil er absolute und relative Bewegung verwechsle. Auch das ist ein Irrthum.

Bei Cap. III »de animo« und Cap. IV »de simulacris« ist mehrfach die vortreffliche Arbeit von Th. Tohte »Epikur's Kriterien der Wahr- heit«'') zu vergleichen. Woltjer zieht die Epikur's Meinung wiederge- benden Stellen, wie in den vorigen Capiteln, auch hier in ausreichender Weise heran und bezieht sie hier fast immer wesentlich richtig. Wenn er die Undeutlichkeit hervorhebt, welche bei Lucrez zuweilen aus der Zwei- deutigkeit des Wortes sensus und dem nicht immer genauen Gebrauche von animus und anima entspringe, S. 66 f., so muss man ihm Recht geben, ebenso, wenn er Heraklit als den III 359- 369 bekämpften Gegner be- zeichnet, S. 63 f.

In der Frage, ob die quarta essentia mit dem Geiste identisch sei, entscheidet er sich (S. 69, 70), gegen Reisacker, Epicuri de animorum natura doctrina a Lucretio discipulo tractata^) S. 21 , dafür, dass auch der animus aus allen vier Elementen bestehe, und die quarta essentia »mentis intima pars« sei - mit Recht, wie III 276 28.1 schlagend beweist. Auch Tohte urtheilt so, S. 3.

Cap. IV. »de simulacris«. Ueber den Inhalt der zwischen IV 124 und 125 (126 und 127 Lachm.) verloren gegangenen Verse stellt Woltjer eine eigenthümliche Vermuthung auf, S. 83. Die nächsten Partien will er (S. 84f.) so ordnen: 126, 175-229, 141-165, 166 174, 127—140; s. dagegen Susemihl (nicht Brieger, wieWoltjer angiebt) imPhilol.XXIX 423.

Cap. V. »de meteoris«. Dies Capitel behandelt, dem Gang ent- sprechend, welchen Lucrez in B. V. nimmt, Weltentstehung, Astronomie, Urgeschichte der Menschheit. Die Abschnitte 156-194, 195—234, be- sonders aber den ersteren erweist Woltjer als vor allem gegen Plato und dessen entgegengesetzte Darstellung im Timaeus gerichtet, S. 106 111. Zur Erklärung der Lucrezischen Kosmogonie wird natürlich vor allem Plut. Plac. phil. I , c. IV benutzt. Der Vorwurf, welcher dem Dichter wegen I 1051 ff. gemacht wird, nämlich, dass er die Gegner nicht durch- aus von ihrem Standpunkte aus bekämpfe, S. 121 f., trifft die ganze Epikurische und Epikureische Polemik. Die astronomischen Darstellungen findet Woltjer zum Theil nicht klar genug, so 612ff., S. 129, 130. Das

'') Gymnasialprogr. Clausthal 1874.

8) Programm des kathol. Gymn. zu Köln 1855.

Lucretius. 75

Liicrezische Gemälde der Urgeschichte der Menschheit empfängt einiges Licht von der auf Epikureische Quellen zurückgehenden Darstellung Dio- dor's, I c. 7, S. 137 146.

Cap. VI. »de reliquis meteoris«. In diesem Capitel findet Woltjer unter anderm (S. 157), die VI 1065- 1077 angeführten Beispiele sammt der verallgemeinernden Zusammenfassung bis 1084 passten gar nicht auf die zu erklärende Erscheinung. Er will deshalb 1085 - 1087 vor 1063 stellen, aber das est etiam und das quaedam in 1085 f. zeigen ja deutlich, dass Beispiele von anderer Art der Verknüpfung vorangegangen sein müssen. Die unnützen und unfruchtbaren ambages in der zweiten Hälfte des B. VI sind für den geistigen Zustand des müde gewordenen Dichters charakteristisch. Die Schilderung der Pest soll garnicht unmittelbar aus dem Thucydides genommen sein, S. 159 f.; aber die vorhandenen Ab- weichungen sind von Munro viel wahrscheinlicher auf Missverständnisse des schwierigen Textes zurückgeführt worden.

Ein siebentes und letztes Capitel handelt »de morali Lucretii doc- trina«. Hier werden die betreffenden Partien in geeigneter Weise zu- sammengestellt. Im »Epilogus« endlich, auf den schon Bezug genommen ist, muss die Herabsetzung von Lucrez' philosophischer Begabung S. 183 apparuit, poetam, quamvis non prorsus philosophi ingenio destitu- tum, tamen vix philosophi nomine dignum esse entschiedenen Wider- spruch erregen. Die meisten Lucrezforscher werden der Meinung sein, der Dichter übertreffe seinen Meister weit an Schärfe des, freilich nicht schöpferischen, philosophischen Denkens.

Hoffen wir, dass das Woltjersche Buch, welches einem wirklichen Bedürfniss entgegenkommt, eine zweite Auflage erlebt und sich so dem Verfasser Gelegenheit zu höchst nothwendigen Verbesserungen bietet.

Unter den im vorangeschickten Verzeichniss als dem Referenten nicht vorliegend bezeichneten Büchern werden die BockemüUer'schen Publicationen am meisten vermisst werden. Ich gedenke ihre Besprechung nachzuholen. An einem Bericht über die Patiu'sche Uebersetzung^), welche nach dem Tode des Verfassers von Freunden herausgegeben ist, dürfte, wenn ich Max Bonnet's sehr schonende Beurtheilung in der Revue critique, 1877, S. 317 f. richtig auffasse, der Leser nicht viel verlieren. Mit dem Fortschritt der Wissenschaften kann eine Lucrezübersetzung kaum etwas zu thun haben, in Bezug auf die berichtet wird »M. Patin a suivi les textes autrefois en credit de Creech, de Wakefield et plus particulierement celui de la collation Lemaire«.

Von der ausgezeichneten Italienischen Uebersetzung von Vanzo- lini s. den vorigen Jahresb. S. 202 ist jetzt das letzte Heft, L. VI enthaltend, erschienen.

9) Lucrece de la naturc. Traduction nouvelle par M. Patin. Paris, Hachette et CJ«, 1876.

Jahresbericht über die Römischen Bukoliker.

Von

Br. Tb. Fritz sehe

in Güstrow.

1. De quarta Vergili ecloga interpretanda. Von Dr. Rudolf Hoff- mann. Programm der Klosterschule Rossleben. Halle 1877. 16 S. 4.

Die Abhandlung zerfällt in zwei Tbeile, einen retrospectiven S. 1 6, der die bisher aufgestellten Deutungsversuche klar und übersichtlich be- spricht, und einen positiven, in welchem eine neue Erklärung des räthsel- haften puer, und zwar eine allegorische, versucht und an der Hand des Textes durchgeführt wird, S. 7 - 16.

Nach einer Beleuchtung der schwachen, für einen Asinius Saloninus geltend gemachten Gründe kehrt der Verfasser seine Spitze gegen die gewöhnliche Annahme, es sei Asinius Gallus, des PoUio ältester Sohn (von dem er übrigens S. 3 zugesteht nihil igitur obstat quominus Asinium Gallum a. u. c. 714 natura esse putemus) gemeint, sowie gegen die gar nicht so unwahrscheinliche Voss'sche (Virg. Id. I, 179) zuletzt von Ribbeck adoptirte Hypothese, Asinius Gallus habe nach der Einnahme von Salonae durch seinen Vater den Beinamen Saloninus erhalten, wo- durch Asinius Gallus und Saloninus dieselbe Person würden, und erhebt einen zweifachen Einwand. Er bemerkt nämlich S. 3: At quomodo de Asini PoUionis filio poeta tam praeclara vaticinari potuerit equidem non intellego. Fuit quidem C. Asinius PoUio magni ingenii magnaeque in rep. auctoritatis, ita tarnen, ut, quo tunc res essent statu, secundas in rep. ageret partes, Antonio et Octaviano summam rerum tenentibus. Talis autem viri filium nasciturum orbem terrarum umquam recturum esse va- ticinari fuisset poetae et imprudeutis et incauti. Et Octavianum enim et Antonium tale vaticinium aegre laturos esse cuilibet patebat. Quid vero si infans ille nasciturus puella fuisset, non puer? Risum profecto mo- visset praeclarum poetae vaticinium. Der erste Punkt ist sicherlich von Bedeutung: ihm eben ist es zuzuschreiben, dass man, abgesehen von der messianischen Hallucination, auf so ziemlich alles Mögliche und Unmög-

Vergilius. 77

liehe geratlien Tiat, auf das von der Octavia erwartete Kind, auf einen Spross des Octavian und der Scribonia, oder des Marcellus und der Julia, ja, um das Maass voll zu machen, auf bereits vor dem Jahre 40 ge- borene Kinder. Indessen darf nicht vergessen werden, dass, wenn wir von unserm Standpunkt und belehrt durch die Ereignisse nach dem Jahre 40 uns zu wundern geneigt sind, wie Vergil dazu kam, dem gegen Octavian und Antonius allerdings in den Hintergrund tretenden PoUio eine bedeutsamere Rolle anzuweisen, als er sie nachher factisch gespielt hat, daraus keineswegs folgt, dass Vergil ihm nicht eine solche Bedeutung im Jahre 40 wirklich beigemessen habe. Vergil konnte eben nicht in die Zukunft blicken. Vielmehr ist zu argumentiren : da Vergil von be- sonderer Werthschätzung seines Gönners PoUio erfüllt war, ist es sehr begreiflich, dass er in dessen Persönlichkeit grösseres Vertrauen setzt, als es später die Ereignisse rechtfertigen. Es thut dem Dichter keinen Abbruch, wenn wir zugestehen müssen, dass er darin wenig politischen Scharfblick gezeigt hat. Dieser ist ihm überhaupt nicht eigen (Teuffei RL^ 225, 6); eine ideal angelegte, zur Schwärmerei neigende Natur, ist ihm der Friede das Ziel der Sehnsucht: als Verkörperung des Friedens- gedankens erscheint ihm Pollio, der Vermittler des Brundusinischen Ver- trages zwischen Octavian und Antonius, und so bietet sich seiner poeti- schen Gestaltungskraft in der Thatsache, dass ein Nachkomme des nun- mehrigen Consuls Pollio erwartet wurde, ein Aulass, durch eben diesen Nachkommen die Wiederkehr des goldenen Zeitalters inauguriren zu lassen. Und was das zweite Bedenken betrifft wie wenn es nun ein Mädchen geworden wäre? -— so leuchtet allerdings ein, dass der Ver- fasser ein Interesse daran hat es auszunutzen um zu dem Schluss zu kommen: weil das nicht vorauszusehen war, so muss puer überhaupt heissen Kind, mithin sind wir auf eine allegorische Erklärung ange- wiesen, — aber es ist diese Folgerung ebensowenig stringent als Spohn's Schluss: weil Vergil das Geschlecht des erwarteten Kindes nicht vorherwissen konnte, dieses aber dennoch als masculinum bezeichnet, so musste das Kiud bereits geboren sein. Richtig hingegen und zugleich naheliegend genug erscheint mir nur der Schluss: weil Vergil den Erwarteten als Knaben besingt, sich aber auch die Möglichkeit denken musste, dass ein Mädchen geboren wurde, so fand er sicherlich ein Mittel, der eventuellen Lächerlichkeit seiner Prophezeiung vorzubeugen. Das bot sich ihm entweder darin, dass er die Veröffentlichung seines Ge- dichtes bis dahin zurückhielt, dass wirklich ein Sohn geboren war, so dass wir in dem Liede eine Beglückwünschung zur Geburt des Sohnes zu erblicken hätten, in welcher der Dichter als Seher vor der Geburt auftritt, oder aber Vergil schützte sich durch die absichtliche Mehr- deutigkeit des puer vor einer etwaigen Biossstellung. Welchen dieser Wege der Dichter eingeschlagen hat ist nicht zu entscheiden, beide bieten sich ungezwungen dar: die letztere Annahme bringt gleichzeitig

78 Römische Bukoliker.

für das im Liede stark hervortretende mystische Element, das übrigens auch anderweitig gerechtfertigt ist, eine immerhin willkommene Er- klärung.

Können wir hiernach des Verfassers Bedenken gegen die Beziehung auf Asinius Gallus als stichhaltig nicht anerkennen, so muss dasselbe von der proponirten allegorischen Deutung gelten. Diese läuft darauf hinaus, dass aus v. 49 cara deum suboles, magni lovis incrementum als Vater Jupiter, und aus v. 61 matri longa decem tulerunt fastidia menses als Mutter die Terra (warum nicht lieber Tellus?) gewonnen wird, die von dem als befruchtender Regen ihr sich nahenden Gemahl (Ecl. VII. 60 luppiter et laeto descendet plurimus imbri) als Sohn gebiert das neue Jahrhundert, vergl. S. 10: Tenendum autem est nondum apparuisse novam haue felicitatem, sed orituram esse inde a natalibus pueri alicuius nasci- turi, neque perfectam statim atque absolutam evasuram esse, sed ita cum puero illo coniunctam esse, ut initium captura sit inde a natalibus eins, incrementa vero, cum ille adoleverit, perfecta denique futura sit atque absoluta, cum ille ad aetatem constantem perveuerit; ut verbo rem ab- solvam, hunc puerum esse tamquam auctorem novae felicitatis. Es steht diese Vermuthung in einem gewissen Zusammenhange mit Heyne's Idee, Prooem. ecl. IV deflexit igitur orationem ad puerum illum, qui primus in huius saeculi auspiciis est nasciturus zeichnet sich aber vor dieser durch umsichtige Begründung aus. Allein, um von inneren Momenten abzusehen (man vergleiche nur die mustergültige Allegorie Hör. Carm. I. 14 und dazu Quintil. VIII. 6. 44), welche dieser sehr in der Luft schwe- benden Personification sich entgegenstellen, so fügen sich verschiedene Stellen des Gedichtes selbst nicht in diese hinein, soviel Mühe sich auch der Verfasser giebt sie ihr anzupassen. Ganz besonders gilt dies von v. 15-17, wo der Verfasser selbst zugestehen muss: Verba autem et ipse videbitur Ulis debentur pueri personae neque nobis anxie quaerendum est, ut ea temporis notioni, quae subest illi, ad verbum accoraodemus.

Sind wir hiernach ausser Stande, dem Ergebniss der Schrift bei- zupflichten, so ist dieselbe andrerseits durch lichtvolle Darstellung, ge- schickte und scharfsinnige Verwendung des reichen Materials und manche schätzbare Erörterung, namentlich in Bezug auf das Weltjahr und den philosophischen Standpunkt des Dichters , ein dankenswerther Beitrag zur Lösung eines Problems, das von jeher eine crux grammaticorum ge- wesen ist.

2. Quibus temporibus quoque deinceps ordine Vergilius eclogas composuerit. Von Prof. Rudolf Bitschofsky. Beigabe des eilften Jahresberichts des nieder-oesterr. Landes-Realgymnasiums zu Stockerau 1876. Im Selbstverlage des Realgymnasiums. 28 S. 8.

Ausgehend von C. Schaper's Abhandlungen in Fleckeisen's Jahrb. Bd. 89, S. 633 ff. 769ff., nach welchen Ecl. 1. 2. 3. 5. 7. 8. 9 in den

Vergilius. 79

Jahren 42 -38, 4. 6. 10 hingegen zwischen 27—25 geschrieben sind, sucht der Verfasser im Allgemeinen die von Ribbeck Proll. S. 1 - 13 festge- haltene Abfassungszeit 42 39 als richtig nachzuweisen, indem er die Zeugnisse der Grammatiker von Neuem durchgeht und für deren Glaub- würdigkeit eine Lanze bricht. Allerdings mit nicht immer gleichem Glücke; denn wenn er sich für die fides des Asconius u. a. auf Serv. zu Ecl. III. 105 beruft: Asconius Pedianus dicit, se Vergilium dicentem audisse: in hoc loco se grammaticis crucem fixisse und daraus folgert: Qui his de rebus a Gallo vel ipso VergiHo aliquid accepisset, nonne eundem etiam de bucolicon temporibus quibus coepta et perfecta fuerint, ab uno alterove illorum certiorem fieri potuisse versimile est? so übersieht er, dass Mad- vig bereits im Jahre 1828 De Q. Asc. Ped. S. 7 ff. nachgewiesen hat, dass Asconius erst etwa zwanzig Jahre nach Vergil's Tode geboren ist, wonach dann der Werth jener Versicherung, resp. der Stelle zusammenbricht. Auch andere Beweise ermangeln mitunter der Triftigkeit, wie wenn für das Triennium der Grammatiker geltend gemacht wird S. 4: Nescio an nemini mirum videbitur, Vergilio triennio tantumraodo ad componendas eclogas opus fuisse, siquidem consideraverit, quam parvo haec carmina sint ambitu. Hingegen zeigt die Behandlung der einzelnen Belogen von S. 5 an ein unbefangenes und selbständiges Urtheil und gelangt meist zu richtigem Resultat. Dies gilt namentlich von Ecl. V, welche der Ver- fasser als Verherrlichung des Geburtstages des Caesar in das Jahr 42 verlegt. Zutreffend ist auch der Einwand, den er gegen Schapei-'s durch Berufung auf Tassos freie Nachahmung der Episode vom Nisus und Eurya- lus gemachten Ehrenrettungsversuch in Bezug auf die von Servius zu Ecl. II. 1 dem Dichter zur Last gelegte Verirrung erhebt S. 12: Scha- perus id unum non satis eousiderasse videtur, Interesse in hac re inter poetam epicum et bucolicum. Ille profecto opus suum non condidit nescio quem imitandi gratia (offenbar meint der Verfasser hier den Tasso ganz speziell): immo argumentum ad suum potius arbitrium tractavit, narra- tionem illam aut non poterat imitari aut paulo debebat commutare, si- quidem carmine suo vellet recipere. At Vergilius nuUis finibus coactus erat, quominus accurate Theocritum sequeretur. Daher pflichten wir dem Verfasser vollkommen bei, wenn er mit Spohn über den Charakter der ganzen Ecloge urtheilt : totum hoc Carmen artis potius est specimen, quam amoris impudici et vesani documentum. Richtig betont der Verfasser endlich hinsichtlich der Ecloge VI Ribbeck gegenüber die Nothwendig- keit, sie nach Ecl. IX zu setzen.

3. Vergilianarum Quaestionum specimen prius de temporum usu scripsit Julius Ley Dr. phil. Gymn. prof. Saarbrücken 1877. 24 S. 4.

Seiner ebenso gründlichen als methodisch angelegten und scharf- sinnig durchgeführten Arbeit voran stellt der Verfasser das gewonnene Resultat, dass eine besondere Abweichung vom prosaischen Gebrauche

80 Römische Bukoliker.

der Tempora bei Vergil obwalte im Gebrauch des Praesens und Perfectum. Ganz entgegengesetzt der Prosa nämlich stehe das Praesens (es ist des Praes. bist, gemeint) ubicunque res gestae quieto et sedato cursu defluentes narrantur, das Perf. bist, dagegen in lebhafterer Erregtheit der Erzählung. Dieser interessanten Wahrnehmung , welche im Verlauf der Schrift aus- führlich dargelegt und überzeugend nachgewiesen wird, folgt die weitere Beobachtung, dass Vergil in der geschickten Wahl der Tempora seiner coordinirten Sätze sich als Meister der Kunst, die prosaische Periode mit ihren mannigfachen Nüancirungen der Unterordnung auch in aufge- löster Form nachzubilden, gezeigt habe. Leider hat der Raum nicht ausgereicht, um auch dieses Kapitel vorzuführen, zu dessen Bearbeitung der Verfasser ganz besonders qualificirt erscheint, wie aus einzelnen ge- legentlichen Erörterungen hervorgeht.

In der Behandlung des Praesens ist neu die Behauptung, dass dieses Tempus sich nie in Vertretung des sogen. Perfectum logicum findet. Die Stellen, welche bisher für einen solchen Gebrauch angezogen wurden, verweist der Verfasser entweder in das Gebiet des Graecismus, also ge- nerat = ri'xret, oder und das ist wiederum eine vorzügliche Beobach- tung — zeigt, dass solche Praesentia nur in Relativsätzen vorkommen, wo sie vielmehr das Impf. Perf. bist, oder Plusquampf. vertreten, wie z. B. II. 275 quantum mutatus ab illo Hectore qui redit = redierat. Beachtenswerth ist hier noch die Zurückweisung des von Wagner Quaest. Verg. VII. 3 (T. IV S. 396) statuirten Unterschiedes zwischen fatur und fatus.

Während darauf das Imperfectum verhältnissmässig kurz abgehan- delt ist etwas wesentlich Neues bringt dieser Abschnitt nicht, wenn- gleich auch er nicht feiner Observationen ermangelt bespricht der Verfasser sehr eingehend das Perfectum, das den Hauptinhalt der ganzen Schrift bildet. Hier findet sich nun der mit Spannung erwartete Nach- weis, dass der Dichter ubicunque altiore quodam cothurno incedit et pleniore ore sive res sive sententias pronuntiat, relicto tempore praesenti, tamquam id tenue sit et tritum prae rerum magnitudine, ad perfectum transcendit. Dieser wird zunächst geführt aus einer Reihe von Stellen, in denen die Gewichtigkeit des Dargestellten schon in der Klangfülle des Perf. zur Geltung kommt, wie II. 52. 53 contorsit, stetit illa tremens uteroque recusso Insonuere cavae gemitumque dedere cavernae. Diesen schliessen sich solche an, in denen gewaltige Affecte geschildert werden ; überzeugend ist der Blick auf die ansehnliche Reihe der Perfecta nach Art des obstipui steteruntque comae. Ebenso beweiskräftig sind die Perfecta am Eingang von Digressionen, während die Rückkehr zum Faden der Erzählung durch das Perf. bist, erfolgt, welches somit als das eigent- lich erzählende Tempus figurirt, wie I. 60 Sed pater omnipotens speluncis abdidit atris Hoc metuens, molemque Imposuit, regemque dedit. Ueber anderweitige nicht minder frappante Gebrauchsweisen des Perfectums

Römische Bukoliker. 81

müssen wir uns versagen zu referiren: genug, dass der Verfasser der poetischen Kunst Vergil's auf einem Gebiete nachzugehen gewusst hat^ das noch lange nicht genug gewürdigt, ja wohl gar mit vornehmer Ab- schätzigkeit hin und wieder zu den Pedanterien gerechnet wird. Dazu kann es allerdings ausarten, wenn man das Gras wachsen hören will und sich den Blick nicht frei zu halten weiss, wie es der Verfasser thut mit seiner trefflichen Bemerkung: Nam formarum varietate delectantur poetae, neque quisquam nisi iusipiens certas quasdam leges scribeudi iis imponere volet. Solche Gesetze muss man vielmehr aus ihnen herauszuempfinden verstehen: dass sich dem so Gewonnenen doch nicht alles unterordnen will, liegt eben in der freien Bewegung, die dem Dichter am wenigsten verkümmert werden darf. So gestehe ich, dass mir bisher keine genü- gende Erklärung des Tempuswechsels in dem berühmten Verse Conticuere omnes intentique ora jtenebant, bekannt geworden ist, auch die des Ver- fassers befriedigt mich nicht.

Soll ich der vorzüglichen, aus dem Ganzen heraus gearbeiteten Abhandlung, deren Fortsetzung hoffentlich bald erscheint, gegenüber einen Wunsch aussprechen, so ist es der, dass sich der Verfasser ganz auf die Aeneis beschränke und die, übrigens mit Recht sparsam eingestreuten, Belege aus den Bucol. und Georg, einer besonderen Abhandlung vorbe- halte. Die Stilgattungeu in diesen Dichtungen sind ebenso verschieden, wie Homer und Theokrit, und das rauss sich nothwendig auch im Ge- brauch der Tempora documentiren.

4. üeber den Einfluss des Ennius auf Vergil. Von Prof. C. A. Bentfeld. Progr. des k. k. Staats -Gymnasiums in Salzburg 1875. 24 S. gr. 8.

Die bei gelehrter Benutzung der vorhandenen Quellen ansprechend und geschmackvoll geschriebene Abhandlung behandelt in drei Abschnitten die literarische Bedeutung des Ennius, die aus seiner geistigen Verwandt- schaft mit ihm sich erklärende Vorliebe des Vergil für den calabrischen Epiker und den Einfluss des Ennius auf vergilische Anschauung und Darstellung. Den massvollen Urtheilen des Verfassers wird man ziemlich überall beistimmen: wenn indessen für Horaz' Ep. II. 1. 50'ff. 88 ff. Aeusse- rungeu als im Uumuth hingeworfen Nachsicht verlangt wird, so scheint das. nicht der Sachlage entsprechend. Horaz ist gereizt, so oft er die Erfahrung machen muss, dass die zur Modethorheit gewordene Vorliebe für Alterthümliches zur Verkeunung des Werthes dessen, was die Gegen- wart bietet, führt; er fühlt es wohl, wie schwer es ihm gemacht wird, sich Popularität zu erwerben, aber diese persönliche bittere Erfahrung verleitet ihn nicht zu einer Verkennung der wirklichen Verdienste der alten römischen Dichter. Zu den ewigen Mustern der Griechen empor- blickend misst er vielmehr an diesen die Leistungen seiner Vorgänger, welche diesen gegenüber natürlich zurücktreten müssen: sobald er selbst

Jahresbericht für Alterthums-Wisseiischaft 1877. IT. fi

82 Vergilius.

mit seiner Poesie einem Vorgänger sicli gegenüber stellt, so wägt er sorgfältig ab und seine ürtheile sind nicht durch einen Beigeschmack der Missgiuist beeinträchtigt, wie man ja am eingehendsten in seiner Würdigung des Lucilius erkennt. Und dass auch Vergil kein blinder Verehrei' des Ennins war, beweist doch wold am besten die auch vom Verfasser angezogene Aeusserung aus Donat's Vita: Cum is (Verg.) ali- (]uand() Eiiuium in manu haberet rogaretur(iue, (jiiidnam faceret, respondit ÄC (iiirmii coHüjerc de stercore Ennii.

Der Kern der Schrift besteht nun S. 7 Ende in einer Zusammen- stellung der mehr oder w^eniger bewussten Anklänge und Imitationen. Viele derselben sind allerdings wohl dem Zufall zu verdanken, besonders die Epitheta wie prisci Latini, mollia crura, obscura nox u. s. w., die eben Gemeingut der Sprache sind, doch ist eine respectable Zahl augen- fälliger Imitationen vorlianden, die der Verfasser mit grossem Fleiss auf- gespürt und in übersichtlicher Gruppirung zusammengestellt hat. Eine Vergleichung der Präpositionen, Adverbia, Conjunctionen, namentlich der Archaismen stellt der Verfasser noch in Aussicht. Möchte bei der Be- handlung der Conjunctionen der ganze Satzbau des Ennius, so weit er sich cruiren lässt, seine Berücksichtigung finden.

5. \'ergilius quae graeca exempla secutus sit in Georgicis. Diss. inaug. . Scripsit Arminius Knoche. Lipsiae 1877. 58 S. 8,

Der Verfasser geht die bei Heyne -Wagner und wählerischer von Woldemar Ribbeck verzeichneten griechischen Quellen der Georgica nach den einzelnen Autoren durch, behandelt zuerst die griechischen Fach- schriftsteller über Ackerbau u. s. w. und dann die übrigen Dichter der Griechen, welche Vergil sonst studirt hat, vor allen natürlich Homer, und knüpft an diese Aufzählungen seine Betrachtungen, wie weit in denselben eine bewusste Nachahmung, eine unwillkürliche Benutzung oder ein zu- fälliges Zusammentreffen gleicher Gedanken und Wendungen zu erblicken sei. Die Arbeit hat den Vorzug eines massvolleu Urtheils und guter Latinität, wesentlich neue Resultate vermag sie, wie das in der Natur des Themas liegt, nicht zu bringen. Immerhin aber ist der gegebene Conspectus der' Imitation, weil er nach einem richtigen Gesichtspunkte geordnet ist, für das Studium der Georgica willkommen.

6. Poesies legeres. La Pleiade latine. Traductions contenant un clioix des Poesies legeres de Catulle, Horace, Virgile, Gallus, Properce, Ovide, Tibulle, Phedre, Martiale, Stace etc, par E. P. Dubois-Guchau, OfJicier de la Legion -d'Houneur et de rinstruction publique. Paris. Didot Freres 1877. VII und 319 S. 8.

Wenn auch ohne eigentlich wissenschaftliche Bedeutung, liat diese Sammlung von Uebersetzuugen und Nachdichtungen schon durch den Namen des Verfassers Interesse, der sich bereits durch sein zweibändiges

Römisclie Bukoliker. 83

Werk Tacite et son siecle (Paris, Didier) als Kenner der römischen Li- teratur erwiesen und ebenso sein poetisches Talent in den Caprices d'un hemme serieux entfaltet hat. Als Leser hat der Verfasser im Auge ce public cultive, litteraire, aimable, qui ne craint pas de jeter un regard sur l'eternel tableau de nos elegantes faiblesses, et qu'attendent chaque jour, dans nos theatres, des saillies et des emotions moins discretes, und will diesem einen Blüthenstrauss römischer Dichtungen darbringen, der zugleich erquicken und die Quintessenz des Schönsten bieten soll, was im Garten der römischen Lyrik gewachsen ist. Die Auswahl ist sehr gelungen, darin liegt ein besonderer Vorzug; die Behandlung ist zwang- los: wir finden nicht nur Uebersetzungen, sondern durch Ueberschriften wie extrait, fragment, reduction bezeichnete Nachdichtungen, in denen das, was nach des Verfassers Urtheil dem modernen Geschmack nicht zusagt, ausgemerzt ist. Dem Philologen wird eine solche Willkür kaum behagen ; für den Leserkreis, der in's Auge gefasst ist, mag sie unschäd- lich sein. Die zum Theil wunderschöne Form, die unser Emanuel Geibel seinen Uebersetzungen zu geben wusste, wird diese schwerlich populär zu machen im Stande sein, ebensowenig wie dies Herder, Rückert oder Bodenstedt trotz ihrer Meisterhaftigkeit gelungen ist: nur wer das Ori- ginal kennt, vermag die Nachdichtung in ihrer ganzen Schönheit zu er- fassen, und für diesen ist Treue das erste Erforderniss. Das französische Publikum mag anders empfinden: jedenfalls wird es ein gutes Zeichen für die fortschreitende Bildung unserer Nachbarnation sein, wenn Werke, wie das vorliegende, nicht nur zum Schmuck des Salons dienen, sondern auch eifriges Studium finden. Die Form ist gewandt und ansprechend und frei von Weitschweifigkeit; das Aeussere durch elegante Ausstattung, Tonpapier u. s. w. einladend.

6*

Jahresbericht über die auf Vulgärlatein bezüg- liche Literatur aus dem Jahre 1877.

(Mit Nachträgen aus dem Jahre 1876).

Von

Dr. E. Ludwig

in Eisenach.

Wölfflin"s xiufsatz über das Vulgärlatein, mit dem wir im vorigen Jahrgange (1876. II. S. 239 ff.) den Bericht eröffneten, hat verschiedene Specialforschungen angeregt, die zu den besten Arbeiten zählen, welche auf dem Gebiete der Vulgärlatiuität in der letzten Zeit erschienen sind. Wenn Wölfflin noch eine Monographie über das Bellum Hispaniense vermisste, so sind wir nach Kurzem schon mit zwei Abhandlungen be- dacht worden, in welchen die Sprache des B. H. treffend charakterisirt und ihr Verhältniss zum sermo plebeius eingehend erörtert ist. Beide Schriften sind in Plan und Ausführung unabhängig von einander, wie sie denn fast gleichzeitig erschienen sind. Die um wenige Wochen ältere ist die von

J. Degenhart, De auctoris belli Hispaniensis elocutione et fide historica.. Wirceburgi 1877, 79 S. 8.

Nur der erste (grössere) Theil des Buches, -von S. 1 43, berührt unser Gebiet. Der Verfasser macht im Eingang auf verschiedene bisher übersehene oder nicht genügend erörterte Eigenheiten des auct. B. H. aufmerksam und bezeichnet die Schreibweise desselben als trocken, ab- gerissen, unbehülflich und ungebildet. Doch betont Degenhart, dass die- ser militärische Schriftsteller auch hier und da einen Anlauf zu schwung- vollerer Darstellung nimmt, wie in den eingestreuten Reden und in den Schlachtberichten: 7, 3; 42, 2; 5, 5. 6; 31, 6. 7. Sodann weist die Untersuchung darauf hin, dass der Autor, wenn er in seiner Rede Glanz und Würde erstrebt, in einen gewissen Schwulst verfällt, der sich durch das ganze Buch hinzieht. Dies zeigt sich in der Häufung syno- nymer Ausdrücke und im Gebrauch zahlreicher Pleonasmen; davon sind dem sermo vulgaris zu überweisen: signum ostendere 18, 5 finem dirimere 25, 6 planides aequabatur 29, 2 ut sileat verba facere 3, 7. Umschrei- bungen von caepisse mit d. Verb, finit., von facere mit einem Subst. statt

Bellum Hispaniense. 85

des einfachen Verbs gehören ebendahin. Auf der andern Seite lässt sich eine gewisse Beschrcänktheit des Wortschatzes nicht verkennen, die man der Unbehülflichkeit des Soldaten auf Rechnung zu setzen hat; Beispiele S. 7—8. Dürftig ist die Satzverbindung: seltener Gebrauch der Conjunktionen, dagegen häuüg Zeitbestimmungen {eodem die u. s. w.) am Anfang des Satzes; auch die pronominale Verbindung ist nicht sel- ten (S. 8-9). Sehr oft ist ita, auch zur Einleitung des Nachsatzes, verwandt; diesen Gebrauch bezeichnet Degenhart mit Recht als vulgär. Et und que zur Verbindung häufig verwandt, ac einmal, atque nie; sed fünfmal, autem dreimal, at einmal, verum vero nie; wenn ita allenthalben sich findet, so ist nur fünfmaliges ita que daneben auffallend; igitur, ergo, proinde fehlen gänzlich; nam ist häufig, namque, enim, eteuim nur je einmal vertreten, u. s. w. Von den Conjunktio- nen der Zeit- und Concessivsätze fehlen ubi, postquam, antequam, quamquam gänzlich. Mithin zeigt auch dieser Abschnitt, dass der Autor sich auf eine geringe copia beschränkt. Gewisse Ellipsen leitet Degenhart aus der Einwirkung der alltäglichen Rede ab: so die Aus- lassungen der Imperfektformen von esse (S. 11), von via bei recta (S. 12). Die bei Cicero und Caesar nur selten verwendete construc- tio ad synesiu erscheint im B. H. zum ersten Male in einer grösseren Summe von Beispielen; S. 14. - Syntax der Casus: (S. 16) zur Be- zeichnung des Zeitpunktes kommt id, idemtemporis sehr häufig für einen so kurzen Text vor; die Zeitdauer ist mit dem Abi. (nur einmal m. d. Acc.) bezeichnet, erweislich eine Ausdrucksweise des serrao plebeius, ebenso wie die Verbindung von potiri mit dem Acc. S. 19—24 wird die Syntax der Präpositionen besprochen, die mit dem Gebrauch der besse- ren Schriftsteller nicht .überall im Einklang steht; in mehreren Fällen weist der Verfasser die Uebereinstimmung nach. Beim Gebrauch des Ad- jectivs und des Adverbs (S. 24) bemerkt Degenhart die seltene Verwen- dung der Superlativformen ; wo der Superlativ erscheint, ist zu beachten, dass die Mehrzahl der Beispiele solche Formen enthält, die des Positivs entbehren, so dass die eigene superlativische Bedeutung als solche nicht mehr gefühlt ist. Es folgt die bekannte Umschreibung der Comparative durch Adverbia, die ja im Vulgärlatein sehr gewöhnlich ist. In dem folgenden Abschnitte ist u. a. hingewiesen auf den Gebrauch der Prono- mina reflexiua und demonstr., die promiscue verwendet werden (S. 26. 27), ferner auf die Häufung der pronomina (S. 28). Eingehender werden die Tempp. und Modi behandelt (S. 28—34). Verschiebung des Plqpfcts. in's Ipfct., Gebrauch des Indic. für den Conj. werden als vulgäre Erscheinun- gen besprochen. Der Inf. bist, ist selten, das Praes. bist, desto häufiger (in der consecutio stets mit dem Conj. Ipf.); quod statt des Acc. c. inf. ; animadvertere mit ut, impedire, tardare mit Praepositionen verbunden ; absolutes Partie, statt des P. coniunctum, u. a. m. Der Ver- fasser reiht die meisten dieser Vorkoranisse den Vulgarismen an.

86 Vulgärlatein.

S. 34-36 wird (He Abweichung in der Wortstellung besprochen. Mit S. 36 beginnt die Aufzählung der besonderen Bildungen, dann folgt (S. 37) der letzte Abschnitt über die copia verborum. Aus ihm erhellt wieder imi die Vorliebe der Volkssprache für Verba der ersten Conjuga- tion und für Verba composita (meist im Sinne der Verba simplicia). Den Schhiss des Abschnittes (von S. 40 an) bildet die Besprechung einer Reihe von hervorragenden Einzelheiten in Wortbedeutung und Phrase, deren Zugehörigkeit zum urbancn oder vulgären Gebiet durch Verglei- chuug mit dem Gebrauch anderer Schriftsteller detinirt wird. Degen- hart liat erhebliche Resultate gefördert, dass man nur wünschen kann, er möchte mit seiner feinfühligen Analyse auch andere Schriftsteller be- handeln, deren Sprachgebrauch noch der Darlegung harrt. Nur würden wir bei weiteren Arbeiten statt des fortlaufenden Textes oder neben dem- selben eine äussere Abtheiluug und Rubricirung des Stoffes zur schnelleren Orientirung empfehlen. Ihre Ergänzung findet diese Arbeit in der fol- genden, die ihrerseits durch die eben besprochene mitergänzt wird:

De auctorum belli Africani et belli Hispaniensis Latinitate. Scr. A. K.oehler, Erlangae 1877. 108 S. 8.

Während Nipperdey's sprachliche Beobachtungen (in den quaestiones Caesariaiiae) sich nur auf das Verhältniss der Latinität des B. A. zu derjenigen des Hirtius beziehen und dieselben nur in einigen Punkten auf den Sprachgebrauch des B. H. ausgedehnt sind, wähi^end Froehlich's Abhandlung über das B. H. ebenfalls nur diese eine Schrift behandelt und ihre Abweichungen von der mustergültigen Latinität feststellt, er- streckt sich Koehler's Arbeit gleichmässig über die Latinität der Com- mentare des Afrikanischen und Hispanischen Krieges. Der Verfasser verfolgt dabei die Absicht an der Hand der gesammelten Materialien nachzuweisen, was in dieser Latinität vulgär (im weitesten Sinne) ist und in wiefern. Die für diese Untersuchung von Koehler befolgten Grund- sätze der Beweisführung müssen als zweckmässig anerkannt werden : die Gegenüberstellung gewisser dem B. A. und H. entnommenen sprachlichen Ausdrücke und der entsprechenden Redewendungen Cäsar's, der Nachweis der Uebereinstimmung einzelner nur im B. A. und H. vorkommenden Wör- ter und Wortverbindungen, oder, wo diese Congruenz nicht nachweisbar ist, der Uebereinstimmung hinsichtlich der Aussprache, Wortbildung, Flexion; das Heranziehen eines gleichzeitigen stilverwandten Schriftstel- lers, des Vitruv, in dem Falle, dass die beiden Commentarschreiber nicht selbst das genügende Material an die Hand geben. Das Buch zer- fällt in drei Theile: de copia verborum; de syntaxi; de elocutione. Im I. Abschnitt (S. 4—41) wird nach beiläufiger Besprechung der wenigen, hinsichtlich der Aussprache bemerkenswerthen Vulgärformen {plostrum, cluderc) zunächst über die Eigenthümlichkeit der Wortbildung nach Ab- leitung und Zusammensetzung gehandelt. Unter den Bildungen der ersten

Bellum Hispauiensc imd Africauum. 87

Art werden die Deminutiv- und Iterativformeu besprochen; dann die Sub- stautiva auf raouia, die Adjectiva auf icius, osus, die Advcrbia auf ter uud tim u. a. Bei jeder Kategorie stellt Koehler iiocb einmal ge- nau fest, was dem Vulgärlatein eigen ist, uud prüft jedes Beispiel seiner beiden Scriptores, ob es hierher gehört oder der schulgerechten Latini- tät zuzuweisen ist. Dass eine solche genaue Sonderung nöthig ist, zeigt z. B. der Passus über die Verba frequentativa. Wo bei vereinzelten Aus- drücken (z. B. excubitus = e.ccubiae ; collatua = concursus) sich aus dem Gebrauch der in Frage kommenden Wortbildungsklasse kein Schluss zie- hen lässt, hat Koehler aus der Geschichte des betreffenden Wortes den indirekten Beweis der Zugehörigkeit zum sermo plebeius geführt. Wortbildung durch Zusammensetzung: die Vorliebe der popu- lären Rede für vv. compp. wird auch im Sprachgebrauch unserer Schrift- steller nachgewiesen. Ein Anhang über gewisse Eigenheiten der Flexion schliesst dies Capitel. Als neu hebe ich hervor die wohlbegräudete An- nahme, dass der Gebrauch von paucus im Singular in der Sprache des alltäglichen Lebens ein ausgedehnterer gewesen sei, als ihn die mustergültige Schriftsprache kennt. ~ S. 28 35 beschäftigt sich Koehler mit dem Bedeutungswechsel, den manche Wörter erlitten haben: latro {mercainnriun) , error {d. Umherirren), proclivitas {Abhang), pretium fpraemium) , aquila (legio), grandis (magnus)^ totus foinim), leniter (lente), intra {intus), portare, comp., dep. iferre.^ wiif.^ dcf.) u. a. m. Weiterhin (S. 3.5 45) folgen Bemerkungen über die ganz eigenartige Verwendung einiger Ausdrücke wie suppetias venire, proßcitci, ire, occurrere, mittere, sodann über den Gebrauch der Fremdwörter pela- gus^ catascopus u. s. w., welche sich in der Volkssprache eingebürgert hatten. II. De Syntaxi (S. 41 78). Die Erscheinungen werden nach den einzelnen Redetheilen gruppirt. Auch hier sind neue Beob- achtungen gemacht worden, z. B. (S. 47) über die Comparatiou mit vehementer (saucius), die Anhäufung der Pronomina (S. 49), die Ab- schwächung von ille zum Artikel. Nach einem Abschnitt über Tempp. und Modi folgt die Syntax der Casus und der Präpositionen, welche letz- tere in den betreffenden Schriften namentlich zur Casusumschreibung oder Verdeutlichung dienen. Auch die verbale Syntax zeigt manche Eigenheit des sermo plebeius. III. De elocutione (S. 78 105). Dieser Theil beginnt mit einem Capitel über die abundantia sermonis. Koehler unterscheidet eine ab. verborum (Häufung von Synonymen^ Verstärkung der Verbalcomposita durch beigesetzte Adverbien : ante prae- mittere, riirsus redire, celeriter accurrere u. s. W.) und eine ab. sententiae (Umschreibung der Conjugationsformen durch Participia mit esse; Phra- seubildung mit facere, habere, cuepisaej. Die umständliche Breite popu- lärer Rede schliesst in anderer Beziehung die Breviloquenz nicht aus, deren Beispiele Koehler ebenfalls im Folgenden berührt ^rerfa , movere, praeesne, recipere u. s. w.). Andere Eigenthümlichkeiten fasst Koehler

88 Vulgärlatein.

unter der Rubrik de improprietate sermouis (S. 92 -97) zusammen. Sehr ansprechend ist die Erklärung von de tempore icenare B. H. 33, 5) = de die. Sonst bietet namentlich wieder facere, im uucigentlichen Sinne gebraucht {damurem /., scelus /., culloqnia fieri), bei beiden Schrift- stellern manchen Beitrag zur Erkeuntniss des s. vulgaris. Das letzte Capitcl de supralatione giebt Beispiele und Erklärung übertriebener Redewendungen der Volkssprache: so ist z. B. infinitus in dem beschei- deneren Sinne von »bedeutend« oder »beträchtlich« gebraucht und sind einfache Verba der Bewegung, des Gehens und Kommens, durch recurrere (= redire), conciirsare circum (= circmnire), promlirc (nicht vom einzelnen Soldaten, sondern vom ganzen Heere gesagt), transilire (= transfugere) u. s. w. gegeben. Daran reihen sich mit vunius, brachium^ superciliuiu (= colUs) gebildete volksthümliche Ausdrucksweisen aus den beiden Com- mentaren, die durch eine Anzahl ähnlicher Verwerthungen der Namen einiger Körpertheile {nares = foramcn Vitruv., cervix ßstularum Vitr., Collum lagenae Phaedr., Immeri arborum PI in., crura Vitium Pallad., scnpvlcu' montium. Tertull. u. s. w., ergänzt werden. Koehler's Arbeit erweitert unsere Kenntniss der Latinität der B. A. und H. wesentlich und hat die specielle Aufgabe, den vulgärlateinischen Charakter der Dictiou nachzuweisen, in vollem Umfange gelöst. Durch Heranziehung neuen Materials sind verschiedene bisher übersehene Thatsachen des sprachlichen Stoffes als Eigenthümlichkeiten der Latinität des alltäg- lichen Verkehrs erkannt worden. Die Beweisführung unterscheidet sich vortheilhaft von derjenigen ähnlicher Arbeiten durch eine ausgiebige Be- nutzung der Inschriften, sowie einer neuen Sammlung von Observationen der Vulgärlatinität, zu der selbst die besseren Schriftsteller in berech- tigter Weise herangezogen sind. Wir können die beiden eben be- sprochenen Schriften nicht verlassen ohne des Programmes von

C. Fleischer, Observationes criticae de hello Hispaniensi. Meissen, 1876. 27 S. 4. zu gedenken, in welchem wichtige Vorarbeiten für Degeuhart's und Koeh- ler's Studien niedergelegt und einzelne Punkte der Latinität gründlich erörtert sind.

Nachdem Wölfflin in seineu erwähnten instructiven Bemerkungen gezeigt hat, wie man auch die mustergültige Literatur für das Vulgär- latein ausbeuten kann, ist nunmehr eine Probe im Besonderen gelie- fert durch

H. Hellmuth, De sermonis proprietatibus, quae in prioribus Ci- ceronis orationibus invcniuntur. Erlangae 1877. 74 S. 8. Diese Untersuchungen sind wie Koehler's Abhandlung von Wölfflin angeregt und machen wie jene dem Verfasser und zugleich auch dem Lehrer alle Ehre. Hellmuth versteht unter den früheren Reden Cicero's die aus dem Zeitraum von 81 - G9 erhaltenen pro Quinctio, p. Sex.

Cicoro's frühere Reden. 89

Roscio, p. Q. Roscio Comocdo, p. Tullio, die 7 Bücher Verriiien, p. Fon- teio und p. Caecina. Dass man bei Cicero wie bei jedem Schrift- steller eine stufenweis fortschreitende Veredlung der Sprache wahrnehmen kann ist zweifellos, und die Annahme eines grösseren Abschnittes mit dem Jahre 69 erweist sich nach der angestellten Untersuchung als ge- rechtfertigt. Hellmuth behandelt nun S. 7 ~ 29 die Eigeuthümlichkeiten der Elementarlehre, 'S. 29—67 diejenigen der Syntax und S. 67 74 die der copia verborum. Die Gegenüberstellung des Sprachgebrauchs der^ früheren und späteren Zeit ergiebt ganz eigenthümliche Differenzen. Die abweichenden Erscheinungen der früheren Reden gehen natürlich nicht immer, aber doch vielfach auf den Gebrauch des sermo cottidianus zu- rück. Eine bestimmte Entscheidung über die Endherkunft hat Hellmuth gewöhnlich nicht ausdrücklich angegeben, allein seine Vergleichscitate, namentlich den komischen Dichtern entnommen, sprechen deutlich genug für die Zugehörigkeit der beobachteten Formen, Bildungen, Verbindungen u. s. w. zum sermo vulgaris. Die Abweichungen vom Sprachgebrauch der späteren Reden gehören meist dem syntaktischen Gebiet an. Ich mache hier auf das Capitel über die Verwendung einer grösseren Anzahl von Adverbien aufmerksam; vergl. u. a. bene magnus etc., res sane bene culta, mire scite zu einem 'gleichsam superlativischen Ausdruck verbunden; Steigerung durch summe (necessarius), multum (bonus); quam mox (= dum oder ut); quam pridem (= quando); non in der Antwort = nein. Die Mittheilungen über Phrasenbildung mit facere zur Umschreibung besonderer Verba 51 reliquum f. = relinquere, saucium, perspicuum, planum f.; taxationem, redemptionem, reiectionem, medicinam f. = mederi), hätten zweckmässiger ihren Platz in der HI. Abtheilimg statt unter den Bemerkungen über die nominale Syn- tax gefunden. Das dritte' Hauptstück enthält eine Sammlung von Ein- zelheiten, die in den früheren Abschnitten nicht gut unterzubringen wai;en und doch der Beachtung nicht unwerth sind; ich nenne daraus 79 substantiva): articulus = discrimen rerum, pueri in Be- zeichnung für Knaben und Mädchen, impendium = impensa; 80 adjectiva): ceterus im Sg. gebraucht; das Adject. paulus; amicus in Verbindung mit Sachen; auffallend häufiges appositus und commodus; (§81 Verba und Redensarten): pendere ponderare, obtundere = lästig fallen, absumere = consumere, necesse habere, mittere (unterlassen) c. inf., certum est, deliberatum est; mihi ausculta, inorata re (orare = dicere) agere und ähnlich causa incognita; primo diluculo, omnibus horis u. a. m. Die Resultate von Hell- muth's Arbeit beruhen auf sorgsamer Beobachtung und einer umfassen- den Belesenheit in den Schriften des behandelten Autors. Der Ver- fasser deutet gelegentlich auf einige besonders zu behandelnde Capitel, z. B. über den Sprachgebrauch Cicero's in den epp. hin: nach dem Vor- gange dieser Leistung kann man eine Ausführung seines Vorhabens nur

90 Vulgärlatein.

dringend wünschen. Nicht uncrvvälint darf es schliesslich bleiben, dass sachgeniässe und erweiternde Zusätze W. [ölfflin]'s zu verschiedenen Puulitcn unter dem Texte beigegeben sind.

B. Lupus, Der Sprachgebrauch des Cornelius Nepos. Berlin 1876. 224 S. 8.

Lupus hat die Cornelische Diction auf Grund- reichhaltiger Collec- tanecn aualysirt und gicbt die Resultate seiner Studien als Special- granimatik des Schriftstellers. Den Werth der Leistung nach dieser Seite hin zu beurtheilen liegt uns nicht ob, aber nach dem Titel und dem Umfang des Buches glaubten wir erwarten zu dürfen, dass die Unter- suchung sich auch auf das Verhältniss des Coruelischen Sprachgebrauchs zum sermo cottidiauus, welches von literarliistorischcr Seite verschiedent- lich betont ist, mit erstrecken würde: in dieser Erwartung sind wir ge- täuscht worden. Wenn - die gewählte grammatische Disposition einer Gesammtübersicht der Vulgarismen nicht günstig war, so hätte dieser Stoff in besonderen Absätzen oder in einem selbständigen Capitel sich absolviren lassen. Es pflegt bei Cornel Vieles als Archaismus abgethan zu werden, da man die Vergleichung nur nach der Seite des Altlatein oder nach dem Gebrauch der classischen Schriftsteller hin anstellt. In- dess ein Autor wie Nepos, welcher einfacher Darstellung sich befleissigt, hat die Archaismen nicht in einer für den kurzen Text unverhältnissmässi- gen Menge in seine Rede hineingopfropft, sondern vielmehr der Sprache des täglichen Verkehrs erhebliche Concessionen gemacht. Dass wir es bei vielen der als alterthümlich prädicirten sprachlichen Erscheinungen nicht- mit solchen im eigentlichen Sinne zu thun haben, sondern mit Sprachformeu, die in der Vulgärsprache geläufig waren, beweist eine Ver- gleichung nach unten, d. h. mit dem Stande der Latiuität nach der Wende des Alterthums hin.

J. P. Condamin, De Q. S. F. Tertulliano vcxatae religionis pa- trono et praecipuo, apud Latinos, Christianae linguae artifice. Lug- duni 1877. 186 S. 8.

Der Verfasser hat den grössten Theil seines Buches der Unter- suchung »de linguae Latinae conditione apud Tertulliano« und dem Glossarium Latinitatis gewidmet. In der Besprechung de verboruni in- ventione kommt Condamin über ein Paar vereinzelte Bemerkungen nicht hinaus. Oberflächlich ist das Cap. de syntaxi apud Tertulliano, in dem allein oder meist nur das Apologeticura herangezogen ist!! Die Auf- fassung des Gegenstandes ist rein äusserlich, die Hervorhebung charakte- ristischer Züge ist nicht einmal versucht worden. Die Gruppirung (ies Stoffes nach bestimmten Gesichtspunkten hat einer alphabetischen Auf- zählung weichen müssen, die aber auch nicht alles Wesentliche bringt, dagegen manches Ueberflüssige. Condamin fehlt vorerst noch die zur

Nepos. Tertulliauus. Ammianus Marcelliuus. Coramodiauus. 91

Behandlung einer solchen spiuchgeschichtlicheu Frage erforderliche me- thodische Uebung und vor allem Literaturkenntniss.

De syntaxi Aramiani Marcellini. Scr. G. Ilasse nstcin. Regimouti 1877. 55 S. 8.

Hassenstein will den Nachweis führen, dassAmmian's Sprachgebrauch auf syntaktischem Gebiet doch mehr mit dem der besseren Schriftsteller gemein hat, als man gewöhnlich anzunehmen geneigt ist. Für diese Be- hauptung lassen sich allerdings manche Thatsachen iu's Feld führen, namentlich wenn man den Sprachgebrauch der sogenannten silbernen La- tinität zum Vergleich heranzieht. Doch darf dabei nicht übersehen wer- den, dass Verschiedenes, was sich dort auch ein und das andere Mal tindet, hier bei Ammian eine übertriebene Verwendung gefunden hat. Als speciell dem Ammian oder seiner Zeit eigenthümlich hebt Hassenstein Fol- gendes hervor (S. 54): der stehende Gebrauch des Coniparativs statt des Positivs (S. 30); die häufige Verwendung von ex mit einer Amts- benennung zur Bezeichnung der früher bekleideten Charge (S. 33); quamdiu = dum {»usque ad id temporis punctum quo«. S. 35); der In- dicativ bei licet (S. 41); causales und concessives quum c. indic. (S. 42); temporales ubi c. conj. (S. 44); quum primuni c. c (S. 45); der Ab- lativ gerundii statt des Part, praes. (S. 47); quod statt des Acc. c. inf. (S. 48-49), andererseits die Zunahme der einfachen Inlinitivconstruction. Sehr bemerkenswerth ist der Gebrauch der nach vulgärer Weise gehand- habten Tempora (S. 49): sehr häufiges Praesens für Futur, Ipfct. statt des Plqpfct., Pf ct. statt des Praesens; hier wäre eine Bezug- nahme z. B. auf Foth's »Verschiebung der lateinischen Tempora« (vgl. unten S. 102) angezeigt gewesen, alsdann würde das Urtheil »teniporum vis ac sen- tentia corrupta est et permixta« vielleicht eine mildere Fassung erhalten haben. Die consecutio tempp. erweist sich nach Hassensteiu's Beob- achtung als allem mustergültigen Gebrauch entgegen. Dazu ist zu be- merken, dass z. B. der Gebrauch von quum causale c. indic, licet c. indic, vom Infinitiv und quod, ferner die anomale Tempusverwendung be- reits in früheren Denkmälern populärer Diction sehr häufig ist, ebenso auch Abi. gerund, in Vertretung des Part, pr. Wenn sodann der Indic. in der oratio obliqua als Gräcismus (S. 55) dargestellt wird, so beruht das, wie andere nicht genügend erledigte Punkte der verbalen Syntax, auf einer mangelhaften Kenntniss einerseits der lateinischen Literatur, insbesondere des nächsten Zeitraums vor Ammian, sowie der der Zeit Ammian's selbst, andererseits der bezüglichen modernen Ilülfsmittel. Als eine Forsetzung resp. Ergänzung der von Hertz (Hermes VIII S. 257 ff.) veröffentlichten sprachgeschichtlichen Studien über Ammian kann die vorliegende Arbeit in dieser Gestalt noch nicht angesehen werden. In Ermangelung von Specialarbeiten über das Vulgärlatein mehrerer Schriftsteller bieten die Indices einiger neuen Ausgaben einen Ersatz,

92 Vulgärlatein.

so derjenig'c der Tcxtuusgabc von Cümmodiaui Carmen apologe- ticum rec. E. Ludwig, Lipsiae 1877 S. 34-43. Coramodian's Sprache zeichnet sich durch ein hochgradiges Vulgärlatein aus, wie die Flexion, Wortbildung, Syntax und die gesammte sprachliche Färbung überall zei- gen. Der Artikel nomina et declinatio führt Folgendes an: merces {Lohn) n. pl., nuntia n. pl., plasma, ae, lanipadu, ae, Persida, ae, u. s.w.; Adiectiva: solus dat. solo, insignus statt insignis. Die Coniparation bietet die bekannten Erscheinungen der Verstärkung durch plus und magis. Conjugationsvertauschung ist nicht selten (vgl. verba et coniugatio): augere, feruere, lugere, merere, prae- bere. Commodian bietet ferner passives excordari, recordari, mediales invideri, sodann Formen wie capebat (ipfct.), desinuit (pfct.), relinquit (pfct.), prosilisset, periet, venibunt. Von W^ortableitungen seien alapari, iocundari, iurgiare, refugare, cervicosus, von Zusammensetzungen salfacere genannt. Bedeu- tungswechsel erlitten confusio (pudor), donare (dare), fortia (n. pl. = die Gewalt), houestare (locupletare), ignotus (inscius), inquit (= dicit), intimare (nuntiare), ipse (idem), medietas (dimi- dium), notatus (uotus), quisque (quicumque) u. s. w. Zur vulgären Syntax bieten die Artikel cum, in, sub weiteres Material. Sonst fin- det sich noch dum statt cum, postquam c. c. pfct., quod und quoniam statt des Acc. c. inf., der Abi. gerund, statt des Part, pr., der Indicat. in d. or. obliqua, abweichende consecutio t. Einzel- heiten: dignus c. g., adjectivisches milia (multa m. gentes, homines Septem m.) vesci c. acc; potare alqm. alqd. »Wer die Periode sinkender Latinität vollständig durchforschen will, namentlich was die Syntax betrifft, der darf den Chalcidius nicht übergehen«. Mit die- ser Erinnerung machte Wrobel (vgl. den Jahresbericht 1876 II S. 250) gelegentlich seines Beitrags zur lateinischen Lexikographie auf jenes eigenthümliche Denkmal lateinischer Literatur aufmerksam. Jetzt liegen in Wrobel's Ausgabe von Piatonis Timaeus interprete Chal- cidio, Lipsiae 1876, in einem neu angefertigten Index S. 389 398 die bereits im vorigen Jahrgange besprochenen Beiträge vor, vermehrt durch anderweite Beobachtungen über den Sprachgebrauch des Chal- cidius. Das hier Gebotene ist trotz der beengenden Form werthvoller als manche langathmige Arbeit, welche ausschliesslich der Darstellung der Latinität eines Schriftstellers oder eines Zeitalters gewidmet ist. Wir knüpfen hieran bei gegebener Gelegenheit Iwani Muelleri Quae- stionum criticarum de Chaicidii in Timaeum Piatonis com- mentario specimen II, Erlangac 1876 und ein spec. III 1877: die Bemerkungen über den Sprachgebrauch des Chalcidius (vgl. Jahresb. 1876 II S. 250) werden fortgesetzt. - In lexicalischer Form bereichert end- lich V. Rose in der nachbenannten Publikation imsere Erkenntniss vul- gärlateinischen Sprachgebiets: Anthimi de observatione ciborum

Chalcidius. Anthimus. Bibellatein. 93

epistula ad Theudericum regem P'rancorum. Iterum edidit V. Rose, Lipsiae 1877 S. 48—58. Da Antliimus Grieche war und sein Latein erst im Umgänge lernte, so bietet seine Sclirift uns im Ganzen ein Bild der damals gesprochenen Sprache. Was von den sprachlichen Eigenthümlichkeiten dem Anthimus und was der Ueberlieferung auf Rech- nung zu setzen ist, wird sich freilich bei einem Autor des VI. Jahrhun- derts, dessen Manuscripte verschiedene Bearbeitungen erkennen lassen, schwer oder niemals bis zur absoluten Gewissheit festsetzen lassen. Aus dem Gebiet der elementaren Grammatik führt Rose u. a. Folgendes an: die Abi. animale, recente; die PI. ficus^ indigerie-t , ova ovarum^ renes renmm\ ferner die Formen -so/e für sal, vas vaso\ lac(tis) als masc. und fem. mit den entsprechenden Formen lactem lactes; lapis fem.; das neutr. ipsud. Aus der Conjugation mulgere und passives utantur. Es konnten noch hinzugefügt werden: bibiti fuerint 75, bibitum fuerit 76, bidlire 75, frixus p. 14. 41. 44. 53 (dagegen frictura 14), transtives nocere (no- cetur) 35. Abschwächung der Pronomina zeigt das häufige ipse und das bereits als Artikel fungirende ille. Comparationsverstärkung durch magis und satis (es fehlt das Beispiel magis parcius), sowie Comparation durch modice (statt magis). Neue Wortbildungen durch Ableitung sind u. a. acetare = acescere, cabalUcare^ capellare = caedere. Wortbildungen durch Zusammensetzung: die Adverbialcom- posita mit a und de abintus deiusum de lonye desursum^ ZU denen noch deintus 4, deforis desuper 21. 24 hätten hinzugefügt werden können. Be- deutungswechsel zeigen agitare {umrühren), alter (= alius) , causa (= morbus), devenire (frz. devenir werden), nam enirn {=:• sed, auiem), focus {Feuer), ignoscere (= ignorare), opus {Speisegericht), praedurare {leicht ab- brühen), praesumere {= comedere), sentire {riechen), sera (d. Abend, Vgl. soir). Nachzutragen sind fortis 46. 54 und confortare 64 {stark, stärken). Syntaktisches: ab nach dem Comparativ, cum hinzugefügt zum Abi. des Mittels, de zur Umschreibung des Genetivs und zur Bezeichnung des Mittels, in mit dem Abi. nach den Verben der Bewegung. Einzelnes: opus habere medicinas (ohne Angabe der Stelle); dazu sei bemerkt, dass andererseits altera veneno opus non habet c. 49 und 81 steht. Auch sonst finden sich interessante Seltenheiten und Neuheiten mancher Art in diesem Verzeichniss , dessen Wichtigkeit wie die der ganzen Schrift für das Vulgärlatein durch die oben ausgezogenen Angaben genügend angedeutet sein wird. In Ermangelung einer passenderen Rubrik mag es hier bemerkt werden, dass H. Jordan zu den früher mitgetheilten Ausdrücken des Bauernlateius aus einem Stück des Capitolinischen Stadt- plans (61, T. XIII) und aus einer Inschrift noch Navale (Magazin, Fabrik) hinzugefügt hat im Hermes XI S. 122.

Bibellateiu.

Nachdem J. N. Ott in seinem umfassenden Artikel »Die neueren Forschungen im Gebiete des Bibellatein« (Neue Jahrb. f. Philol. CIX,

94 VulgärLatein.

vgl. Jnlircsb. 187G. II S. 244 ff.) den Satz aufgestellt, dass mit Itala »die Bibel der kirchlichen Gemeinde und liturgischen Praxis in Afrika« be- zeichnet wurde, und diese Behauptung mit guten Gründen annehmbar gemacht hatte, wurde diese Theorie von L. Zie gier bei Veröffentlichung seiner »Italafragraente der Paulinischen Briefe aus PergamentbLättern der ehemaligen Freisingor Stiftsbibliothek« Marburg 1876 hart angegriffen und die Italische Herkunft der Itala vertreten. Dagegen hat nun Ott in einer Anzeige der genannten Italafragmente in Fleckeisen's N. Jahrb. CXV S. 185—207 seinen Standpunkt noch einmal in erweiterter Behand- lung der Frage mit schwerwiegenden sprachlichen und sachlichen Argu- menten vertheidigt.

J. Witte's Dissertation, Zur Geschichte der Vulgata. Han- nover 1876, 38 S. 8., mag der Vollständigkeit wegen hier genannt wer- den: weder in der Frage nach dem Ursprünge der Itala noch in anderen wird man hier etwas Neues finden. Die Erscheinungen der neueren Literatur, wie z. B. Ott's erster Aufsatz, der doch bereits zwei Jahre früher erschienen war, Rönsch's Itala, ein Werk, welches schon in zwei- ter Auflage vorlag, sind dem Verfasser unbekannt geblieben!

Vocabula Breviarii Romani in classicis aut uon aut raro aut aliter occurrentia quae praemissis de eins Latinitate prolegomenis proxime Bohemis et Germanis idem recitantibus interpretatur J, Bar- täk. Pragae 1876. 137 S. 8.

In den liturgischen Büchern der katholischen Kirche lebt die Sprach- gestaltung der Vulgata auf eigenthümliche Weise fort, sie dürfen daher bei der hermeneutischen Behandlung der Vulgata nicht unberücksichtigt bleiben. Kaulen hat sie auch in seinem Handbuch zur Vulgata (vgl. die praef. S. IV das.) thunlichst herangezogen. Noch mehr dürfte man aber von einem Werke erwarten, das ausschliesslich die Latinität eines solchen Buches behandelt, wie das oben genannte. Allein diese Leistung bleibt selbst hinter den geringsten Erwartungen zurück. Wenn die Ar- beit eine gründliche hätte sein sollen, so hätte der Verfasser in der ge- gebenen praefatio zunächst eine Uebersicht der einzelnen Bestandtheile des Br. R. aufstellen und die Entstehungszeit der Originale angeben müssen, da sonst eine Werthschätzung der gebotenen Materialien nicht möglich ist: es wird ein Ausdruck des dritten oder vierten Jahrhunderts für sprachliche Untersuchungen eine andere Bedeutimg haben, als ein solcher aus dem späteren Mittelalter, dem die Legitimation aus der leben- digen Sprache geschöpft zu sein völlig abgeht. Die Disposition der Prolegomena entbehrt jeder verständigen Grundlage. Bartak beginnt mit A. Insolita derivatio, formatio vel compositio, behandelt unter der Rubrik Substantiva, Adjectiva, Verba die Wörter nach der origo Latina, Graeca, Hebraica u. s. w., ordnet die Subst. nach dem Geschlecht und in diesem Rahmen alphabetisch, wobei jedoch

Bibellatein. 95

den »diminiitiva« die Ehre der Absonderung zu Theil wird; bei den Femininis sind tauch die Wörter auf tio hervorgehoben. Bei den Neu- tris geht der Fortsclnitt noch weiter: es erscheinen Wörter auf arium und orium gesondert, doch wandert der Rest unter alia wieder in den grossen Topf. Etwas weniger wüst sieht es bei den Adjectiven aus, ob- wohl zu einer geniessbaren Uebersicht noch Vieles fehlt; auch sind die einzelnen Grui)pen durchaus unvollständig in ihren Verzeichnissen. Bei den Verben und Adverbien geht es wieder (alphabetisch) durcheinander. Die zweite Abtheilung (B S. 16) Mutata uel irregularis ist ebenso dürftig angelegt. Declination: es werden neben den Heteroclita unter- schieden: casus insoliti; rarior forma und in classicis non oc- currens. Folgt (S. 17) grammatica structura u. s. w. in gleicher Unzulänglichkeit. Der lexicalische Theil des Buches umfasst S. 32 bis 137. Arbeiten eines Kaulen, Ott, Rönsch scheinen dem Verfasser, der doch u. a. auch Bibliothecarins ist, nicht bekannt geworden zu sein.

H. Rönsch, Studien zur Itala. Zeitschr. f. d. wissenschaftl. Theo- logie 1877. III. S. 409— 41G.

Wir haben der Arbeiten Rönsch's auf dem Gebiet des Bibellateins bereits im vorigen Berichte (1876 II S. 242) rühmend gedacht: in glei- chem Sinne können wir die Fortsetzungen registriren. Sie enthalten: (10.) Die zwei Participia p. p. vocitus und funditus der Itala nebst ihren analogen Formen; vocitus wird aus Bibelversionen, aus der patristischen und inschriftlichen Literatur mit vielen Stellen be- legt, funditus mit einem Citat. Die Fundstellen weisen die Formen »nicht dem schulgerechten Latein, sondern vielmehr dem vulgären, volksthüm- lichen Sprachgebrauche« zu. Ebendahin gehören nach Rönsch die pp. picitus (Agrimensoren) , probitus (Inschriften), rogitus (1. Sal.) = picatus, probatus u. s. w. Es ist für die genannten Verba nicht auf eine Nebenform vocire u. s. w. zurückzugehen, sondern eine vulgäre Parti- cipialbildung der ersten Conjugation nach Analogie .von applicitus u. s. w. anzunehmen. (11.) Substantivirte Feminina auf aria und oria. A: caldaria i^aXxsTov), cibaria {Tpocp-^), operaria {ipydng), jmrpuraria {nop^uponcjhg) werden aus Itala-Manuscripten zu »Itala und Vulgata« S.81. 101 nachgetragen; aus verwandten Sprachkreisen (ltal.105) werden noch folgende Wörter beigebracht: carbonaria, carenaria, formu- laria^ lanaria, libraria, imnctaria, rataria, ratiaria, scrutaria, suaria, super- aria. B. Substantivbildungen auf oria in den ältesten Bibelüber- setzungen: natatoria, innatatoria^ circatoria, messoria (Ital. S. 101); in an- deren verwandten Denkmälern : barbntoria, coUedoria, exceptoria, dolotoria, fictoria, portatoria^ quaestoria, rasoria, rectoria, registoi'ia, strictoria, tectona, terratoria^ versoria.

Die folgende Abhandlung gehört zwar nicht unmittelbar in das Ge- biet des Bibellateins, indess ist das Material hauptsächlich der Literatur

96 Vulgärlatein.

der Bibelversioueü und der Patres Latiui entuommeu, daher wir die Ar- beit hier einreihen:

F. We ihr ich, Beiträge zur lateinischen Grammatik. Pro de. Wien 1877. 35 S. 8. (Programm).

An das Wörtchen pro de, das erst seit verhältnissmässig kurzer Zeit aus der adnotatio critica als existenzberechtigt in die Texte spät- lateinischer Schriftsteller zurückgetreten ist, hat sich bereits eine reiche Literatur angeknüpft, ohne dass jedoch bisher ein abschliessendes Urtheil über den Ursprung und das Wesen dieses Findlings gefällt wurde. Ein solches herbeizuführen bezweckt die gelehrte Arbeit Weihrich's. Der Verfasser giebt zuerst eine detaillirte Uebersicht über die bekannt ge- wordene Ueberlieferung von prode, dessen Vorkommen durch eine Fülle von Citaten aus den Schriften der alten lateinischen Grammatiker und aus den Manuscripten uachklassischer Schriften festgestellt ist. Alle Schriften, die dabei in Betracht kommen, reichen nicht über die erste Kaiserzeit hinauf. Dabei bleibt ausserdem noch fraglich, ob die Form den Schreibern der Manuscripte oder den Schriftstellern selbst zukommt. Letzteren kann sie zugewiesen werden, wenn ihre Sprache sonst vulgäre Färbung trägt. Demnach würde prode zuerst bei dem unter Domitian schreibenden Feldmesser Jul. Frontinus vorkommen. Auf dieselbe Zeit geht aber auch jene älteste Gestalt der lateinischen Bibelversionen zu- rück, welche das Wort so häufig bietet. Hieraus ist dasselbe allmählich in die Sprache der Kirchenväter übergegangen. Eigenthümlich ist es, dass, das Wort nicht selbständig auftritt, sondern immer nur in Verbin- dung mit est, ero^ erü, esse, also nie mit einer mit s anlautenden Form; jedoch einmal mit fuü. Durch Vermittelung von prode fit ist schliess- lich ein prode facere »nützen« entstanden, und wiederum durch die Mittelstufe eines prodificus das Wort prodificare nebst prodi- ficatio. Als altlateinische Form lässt sich prode nicht nachweisen, weshalb Weihrich auf prod zurückgeht; (der adverbiale Comparativ prodius, welchen Nonius Marcellus aus Varro's Satire »Virgula divina« anführt, lässt sich nach den analogen Bildungen teinperius dkuius setius aus prod erklären). Wegen der häufigen und anfangs ausschliesslichen Verbindung mit den mit e anlautenden Formen von sum est, ero, erit, esse stellt Weihrich nun das Wort mit deesse praeesse zusammen, welche »in der Fuge der Zusammensetzung Lautaffectiouen erfahren haben, die den lautlichen Erscheinungen bei dem Wechsel von prodest und prodeest ähnlich sind. Das historische Verhalten von praeest deest scheint den Weg zur richtigen Erkenntniss in der Frage über den Ursprung von prodeest zeigen zu können«. In der älteren, der klassischen und augustei- schen Zeit wurde praest praeram deÄt deram dero u. s. w. geschrieben, aber etwa seit Domitian begann die Wiederauflösung. Der Zeitpunkt der Wiederauflösung fällt also zusammen mit dem ersten Auftreten von

Glossographie. Allgemeines. 97

prodeest, und in gleicher Weise lässt sich feststellen, dass prodeest ein geläufiger Ausdruck geworden ist zu der Zeit, wo die distrahirten For- men praeest u. s. w. wieder allgemein üblich waren (Alexander Severus). Wenn nun bei praeest deest das ursprüngliche e leicht hergestellt wer- den konnte, weil die Präpositionen im Gebrauche der Sprache geblieben waren, so mag bei prod das c unter Anlehnung an jene Bildungen her- vorgerufen sein, und prode, wie es mit einer Reihe von Adverbien in gleicher Weise mit esse gebraucht wurde (Jene, recte^ necesse und beson- ders pote est), ward durch diese Adverbien in seiner Existenz mit- geschützt. »Wie ein necesse est für das Nothwendige, ein pote est für das Mögliche vorhanden war, so hatte die Sprache jetzt ein prode est für das Nützliche«. Das Vorkommen mit fuit, sogar in der freien Stel- lung fuit prode, zeigt dann eine selbständigere Eutwickelung des Wortes. Das Mittelalter knüpfte an diese Schöpfung des Vulgärlateins ein Subst. pro dum, syn. lucrum, opp. damnum, und pro da = proventus reditus; prode hat auch das Italienische bewahrt und noch ein prodezza wei- ter gebildet. Nachdem Weihrich's gründliche Untersuchung dem wie- der ausgegrabenen prode die Existenzberechtigung von Neuem zugesichert hat, steht zu erwarten, dass das Wort noch in manchen Stellen, an denen es als Schreibfehler unter dem Texte figurirt, an den rechtmässigen Platz gestellt werden wird. Weihrich's tüchtige Abhandlung wird nach den oben gemachten Mittheilungen keiner Empfehlung mehr bedürfen.

Glossographie.

Die an Umfang sehr beträchtliche Literatur, welche die letzten Jahre auf glossographischem Gebiet hervorgebracht haben, kommt aner- kanntermassen hauptsächlich dem Vulgärlatein zu Gute, so dass sie an dieser Stelle eine besondere Berücksichtigung erfordert. Wenn wir in diesem Theile des Berichtes erst mit den Erscheinungen des Jahres 1876 beginnen und nicht weiter zurückgreifen, so geschieht dies aus dem Grunde, weil in diesem Jahre ein fimdamentales Werk über Quellen und .methodische Benutzung der lateinischen Glossare erschienen ist, bedeu- tend genug, um ein neues Stadium der glossographischen Studien zu eröffnen; es ist dies

Prodromus Corporis Glossariorum Latinorum, Quaestio- nes de Glossariorum Latinorum fontibus et usu. Scr. G. Loewe. Lipsiae 1876. XV. 450 S. 8.

Plan und allgemeine Bedeutung dieses Werkes sind bereits im Jahresbericht 1876 II S. 338 351 genügend gekennzeichnet worden und kann deshalb hier davon abgesehen werden, doch gebührt demselben wegen seiner Bedeutung für die Vulgärlatinität eine specielle Würdigung ; denn die Glossen gehören, besonders in lexikalischer Beziehung, zu den wichtigsten directen Quellen unserer Erkenntniss des Vulgärlateins

Jahresbericht für Altertfaums-Wissenschaft 1877. II. 7

98 Vulgärlatein.

(vgl. Schuchardt, Vocalism. 1, S. 4). Wie gewichtige Resultate sich auf diesem Gebiete erzielen lassen, zeigt vornehmlich der III. Theil (S. 331-442) des Loewe'schen Werkes (de novis vocibus et formis e gloss. eruendis), in welchem Abschnitt der Verfasser die Ergeb- nisse seiner Forschungen auf dem Gebiete des Vulgärlateins mittheilt. Es liegt in der Natur der Sache, dass die Durchforschung der Glossare allein Thatsachen in Aussprache , Formenbildung und eigenen Wörtern des sermo plebeius zu Tage fördern kann. So werden u. a. als Formen der vulgären Aussprache nachgewiesen: (a = au) acfushis alicus actionator S. 421; üine für itane S. 437; (e) spavesco {expavesco) S. 429; (i) stec für istaex S. 347; perstrorna für peristroma S. 347; se für si S. 422 ; emitari emitatio emitat amitatores für imifan u. S. W. S. 423; (o) hambis für hombyx S. 59, furnax^ furnix, ßirtuna S. 3G0. 361, quattur statt quattuor S. 423. Metathesis liegt vor in /albus statt flavus , iiigrino {nap^sveöu)) vigrineum u. S. w. S. 422, vielleicht auch in butrus {brultis) S. 82; (b) crefrare statt cribrare, Midcifer statt Mul~ eiber S. 421; C ist geschwunden in 7wn siebant, non nedo , vgl. S. 409 und A. 3; (t) obsetrix statt obstetrix S. 423, solidus stiltus statt stolidus = stulias S. 81. Dagegen hat die Volkssprache in scomscus scoruscatio den etymologiscli nothwendigen s- Anlaut, welchen die mustergültige Rede nicht mehr kennt, conservirt, vgl. S. 355. 356. Formenbilduug: randiiin (arbitrandum), rabamini (arbitr.) S. 346 dürften vulgäre Formen sein. Loewe führt ferner an: nere (spinnen), nit newit neben net nent S. 409, amplexat coviplexat S. 410, int zu eo S 421, endtarc (imitare) S. 423, mordeo und spondeo mit momorsit und spospondit S. 428; das Ad- verb forinseeus ist zum Adjectiv geworden in der Femininform forinseca u. a. m. Wortbildung: Der Einfluss der vulgären Aussprache be- wirkt eigenthümliche Wortformen wie Ulla {bellua bdla) S. 73; die En- dung ius wird gewöhnlich in is geändert: actnaris abstemis u. s. w. S. 420; die Anlehnung an andere Endungen wird dabei nicht ohne Einfluss ge- wesen sein. Wenn satim für satis vorkommt (S. 347), so scheint hier gleichfalls die Analogie von affatim statim u. a. mitgewirkt zu haben. - Von vulgärem rosina (ros rosis) wird roisinosus abgeleitet S. 81. Die häufigen Inchoativbildungen, welche die Glossare bieten, sind in der Sprache des täglichen Verkehrs factitiv gebraucht, wie die Umschrei- bungen der Glossare bezeugen: f erascit /er^m /ac/^ , minuescere minuere u. s. w. S. 362. Ueberhaupt aber beweist die veränderte Wortbedeu- tung, dass die Vulgärsprache ihre besonderen Wege gegangen ist: vgl. iuineniuiii, = j^ecus S. 73, dimittere = relinquere S. 422, ducere = trahere S. 430, intcndere = aspicere das.; in mittere = ponere collocare (z. B. pe- cuniae mittuntur) S. 430 vermag ich keine erhebliche Verschiebung der Bedeutung zu sehen, vgl. z. B. Liv. 1, 4, 3. Wie die Interpretamente für die Erkenntniss des plebejischen Sprachgebrauchs zu verwerthen sind, zeigt Loewc treffend an einigen Beispielen: nescit: iynoscii.-^ non scie-

Glossographie. Dositheus. Placidiis. 99

bant: ignnsc'ebant (in diesem Sinne beiläufig bemerkt aucli in der epist. Anthimi c. 35 gebrancht); mollis: sincer; osculatur: ajnplexat; pinguis: sa- turus u. s. w. S. 409. Auf die Excurse über brevis und modicus, welche in der Volkssprache parvus ganz verdrängt haben (S. 412 416), sei noch besonders aufmerksam gemacht.

Die Sprache des gewöhnlichen Lebens hatte aber, abgesehen davon, dass sie durch Ableitungen, Umbildungen und Umdeutungen sich das überkommene Sprachmaterial zurechtlegte und erweiterte, auch einen be- trächtlichen Bestand an eigenen Wörtern und Ausdrücken, welche sie für entsprechende Begriffe der urbanen Eede gebrauchte, vergl. folgende Glossen: cossi: vermes in ligno, quos vulgo teredones vocant; insana: genus herbae . . . ,, hanc vulgus milimindrum dicit; arbutus: comarus, cui vulgo nomen est uuedo; comitialis morbus, qui vulgo caducia di- citur u. s. w., zizuga rustice galla u. s. w. S. 416ff. Die Glossen lassen sich hier, wo directe Zeugnisse (vulgus, rustice) vorliegen, in sehr erfolgreicher Weise ausbeuten. Loewe hat, indem er auf diese Seite der Glossen aufmerksam gemacht und zugleich durch eine Reihe von Belegen aus dem Glossenschatz eine Probe ihres Werthes gegeben hat, dem Studium des Vulgärlatein einen fördersamen Dienst geleistet. Und so kann denn das Werk allen, die sich für die Geschichte der lateinischen Sprache und speciell für das Feld des Vulgärlatein interessiren, nur dringend empfohlen werden.

In dem eben besprochenen Werke berührt Loewe die von A. Bou- cherie aus einem cod. Montepessidanus saec. EK (H. Nr. 306) in den »Notices et extraits« t. 23. IL Paris 1872 S. 308 478 edirteu Glossen und führt sie auf Dositheus zurück, wobei er auf die Fülle der in den- selben enthalteneu vulgären Formen aufmerksam macht. Wenn er mit Boucherie's kritischer Leistung nicht zufrieden ist, so hat jetzt H. Hagen in einer seiner vortrefflichen Gelegenheitsschriften, »De Dosithei ma- gistri quae feruntur glossis quaestiones criticae.« Bernae 1877. 15 S. 4. (Universitätsprogramm.) den Mangel ausgeglichen. Im Be- sitz einer von Dübner nach dem cod. Montepess. No. 306 genau an- gefertigten Abschrift der Hermeneumata Dosithei hat Hagen, da er bei einem Vergleich dieses Apographs mit Boucherie's Text mehrfache Vorzüge des ersteren herausfand, eine Collation desselben mit Bouche- rie's Ausgabe S. 7 10 seines Programmes mitgetheilt: die Zahl der Va- rianten ist nicht unbeträchtlich. Ihnen hat Hagen in den S. 11 15 nachfolgenden »Coniectanea in Dosithei glossas« einen wei'thvollen Bei- trag von zum Theil überzeugenden Verbesserungen beigegeben. Einige Zusätze hat W. Schmitz in seiner Anzeige des Programms (Jenaer Lit.-Zeit. IV No. 734) gemacht.

Von anderen Arbeiten auf glossographischem Gebiet sind noch zu erwähnen: G. Loewe, Beiträge zu Placidus. Rhein. Mus. XXXI, S. 55 57, Verbesserungen und Nachträge zu Dcuerliog's Placidus-Ausgabe

7*

100 Vulgärlatein.

und weitere Anstülirungen der Reccnsion in der Jenaer Literaturzeitung II. Nr. 598 enthaltend. Ebendahin gehören Ott's »Bemerkungen zu Placidus und Isidorus«, Zeitschrift für die österr. Gymn. XXVII, S. 171—173, und einige Conjectui'en L. Havet's in der Revue de Phi- lologie N. S. I (1877) S. 166.

Glossae quae Placido non adscribuntur nisi in libro glossarura. Recensuit illustravit auxit A. Deuerling. Programm. München 1876. 36 S. 8.

Nachdem der Verfasser bereits ein Jahr vorher die Glossen des Placidus herausgegeben hatte und damit einem dringenden Bedürfniss entgegen gekommen war, hat er in dieser neuen Publikation eine dankens- werthe Ergänzung jener Ausgabe geliefert. A. Mai's Abdruck dieser Glossen (class. auct. t. VI, S. 554 -574) ist ja weder bequem zugänglich noch auch in seiner Textverfassung zuverlässig. Deuerling giebt unter dem Texte, der nach neuem handschriftlichen Material hergestellt und ver- mehrt* und vielfach mit glücklicher Hand gebessert wurde, den kritischen Apparat und eine fleissige Sammlung von Parallelstellen aus anderen Glossaren und aus den Autoren selbst, auf deren Text sich die Glossen beziehen. Handschriftliche Ergänzungen sind von Hagen in dem vorigen Jahresbericht (II. S. 353) nachgetragen; einige kritische Beiträge theilt der anonyme Recensent im Philologischen Anzeiger VIII. S. 51 mit.

Ein rühriger Arbeiter auf diesem Felde ist Rönsch, der dem »reiciien Schatz von archaischen und rustiken Formen« in den mittel- alterlichen Glossarien nachgeht und seinerseits nach Kräften das Dunkel ihrer Texte durch Nachweisungen und Emendationen zu lichten sucht- Sein Artikel »Hebraeische Lemmata in den Amplonianischen Glossen«, Rhein. Mus. XXXI, S. 453—464 (Fortsetzung der hebräischen "Wörter in den lateinischen Glossarien Parisin. 7651 und Monac. 6210, Rhein. Mus. XXX. S. 449—455), kann bei unserer Mittheilung über die glossographische Literatur nicht ausgelassen werden, wenn auch die be- handelten Stellen keine directen Resultate für das Vulgärlatein ergeben haben. Eine sehr ansprechende Lösung der (hebr.) Glosse batamola hat Rönsch im Rhein. Mus. XXXIL S. 142 144 in der Notiz »Noch einmal batamola im Glossar des cod. lat. Monac. 6210« gegeben. Die Glosse lautet in der Handschrift: batamola bene linguatus eloquens; Miller löste sie auf in batha mola und bene linguatus: eloquens, Loewe corrigirte bata: mola und bene linguatus: eloquens. Auf Grund dieser Zweitheilung emeudirt Rönsch die allein noch verbesserungs- bedürftige erste Hälfte, indem er bat: amola schreibt; er geht davon aus, dass die hebräischen Ausdrücke für Masse bat und epha synonym sind. Für letzteres wird im Lateinischen öfter amphora gegeben, wel- chem wiederum hamula (amula, amola) synonym ist.

Die latein-deutschen oder latein-französischen Glossare können immer

Vulgärlatein und Romanisch. 101

nur als abgeleitete Quellen für sprachliche Studien herangezogen werden, sind indess nicht gänzlich zu übersehen und mögen daher hier kurz mit verzeichnet werden. Die Augsburger Glossen (ahd.) mitgetheilt von A. Holder, Germania XXI N. R. IX, S. 1—18, gehören zu einer lateini- schen Bibelversion (A. T.) und sind in einem Cod. saec. X der Bibl. der Benedict, zu St. Paul in Kärnthen erhalten, aus welchem Holder sie genau copirt hat. Die Glossae Sau-Blasianae (ahd.), ebenda wiederaufge- funden, sind aus einem Manuscript saec. IX X von Holder in demselben Bande der Germania S. 135—139 publicirt; sie beziehen sich auf eine Version der Genesis. Petit Vocabulaire latin - frangais du XIII siecle extrait dun manuscrit de la bibliotheque d'Evreux par L. A. Chassant. Paris 1877, 58 S., 8. Das alphabetische Vocabular beginnt mit dem Wort cloaca und geht bis zelotipa. Hieran schliessen sich einige sachlich geordnete Wortgruppen an. Der Abdruck enthält eine Wiedergabe der Handschrift ohne Correcturen und Zusätze. Die lateinischen Wörter des Glossars zeigen in orthographischer Beziehung vielfach romanischen Einfluss.

Vulgärlatein und Romanisch.

F. Demattio, Morfologia Italiana con ispeciale riguardo al suo sviluppo storico dalla lingua primitiva latina. Innsbruck 1876, 124 S., 8., bringt nach Diez für unser Gebiet nichts Neues, womit über den sonstigen Werth des Buches kein Urtheil abgegeben werden soll.

Latin og Romansk. Bemaerkninger om skriftsproget i den tid- lige middelalder af Vilh. Thomson. (Opuscula philologica ad I. N. Madvigium a discipulis missa.) Hauniae 1876, 8., S. 256—266.

»Das gemeine Volk bei den Römern hat nicht von der ältesten Zeit an eine Art Romanische Sprache gesprochen; anderseits ist nicht den Barbaren allein alle Schuld des Verfalles beizumessen: die Verän- derung ist in allem Wesentlichen vom Latein selbst ausgegangen und ist eine Aeusserung der Umbildung, welcher eine jede Sprache unterworfen ist. Der Uebergang vom klassischen Latein bis zur rein Romanischen Sprachstufe (9. Jahrh.) lässt sich an den Sprachdenkmälern Schritt für Schritt beobachten. Am Schluss des Alterthums war in Aussprache und grammatischer Structur der Gegensatz zwischen Umgangssprache und Schriftsprache so bedeutend, dass man sich letztere nur durch literarisches Studium angeeignet haben kann. Nach dem Uebergang zum Mittelalter wirkten die grossen Umwälzungen hemmend auf alle Bildung, so dass fast Niemand mehr fehlerfrei schreiben konnte. Es entwickelt sich nun eine Schriftsprache, welche die Eigenthümlichkeiten der Umgangssprache wie- derspiegelt. Eine Untersuchung ihrer Fehler wird eine relative Bestim- mung des Punktes geben, auf dem wir uns innerhalb der Scala befinden, deren äusserste Punkte die alte classische Sprache und die Ro-

102 Vulgärlatein.

m a u i s eil c n Sprache n siud . Literatur der neuen barbarischen Sprache : die Gesetze und sonstigen Documente der Germanen, welchen man den Verfall der Sprache zugeschrieben hat. Um diesem Vorwurf auszuweichen niuss mau zur Untersuchung Denkmäler mit ähnlicher barbarischer Sprache wählen, die nur eine entfernte oder gar keine Beziehung zu den Ger- manen haben, namentlich populär medicinische Schriften«. Soweit Thomson. Neues bietet dieser Aulauf nicht, wohl aber manches Unrichtige über das Wesen des sermo plebeius. Dass das Volk von Hause aus ein gesondertes Idiom gesprochen, wird Niemand behaupten, aber dass der ursprünglich einheitliche Sprachstrom bereits zur Zeit der classischen Periode sich in zwei Arme gespalten, deren einer, die Volkssprache, sich schliesslich in die Romanischen Sprachen ergossen hat, kann nach Ott's Erörterung über diesen Gegenstand nicht mehr in Zweifel gezogen werden. Wer von den Romanischen Sprachen rückwärts gehend bei der classischen Schrift- sprache anknüpfen ^vill, wird keinen ebenen Weg finden. Eben jene Stationen, die der Verfasser zwischen beiden Endpunkten annimmt (In- schriften des ungebildeten Publikums u. s. w.), liegen auf einem anderen Wege. Jene citirten Quellen fliessen auch schon in der classischen Zeit, und zwar wenden sie sich dem anderen Strome zu. Thomsen wählt nun als eine geeignete Stufe jener Scala die Epistola Anthimi, um an ihrer Sprache den damals bereits stark romanisirenden Charakter der lebendigen Schriftsprache nachzuweisen. Aber der Verfasser geräth bei dieser Wahl mit sich selbst in Widerspruch, denn das dem Frankenkönige Theoderich gewidmete Werk ist für den fränkischen Gebrauch bestimmt, und die Vorschriften des Anthimus berücksichtigen Gothische und Fränkische Lebensweise, die dieser in eigener Beobachtung kennen gelernt hat: vgl. c. 14 delicias Francorum; quod solent Franci comedere . . ., de larido Franci sanant. Diese Stellen stehen dicht bei Thomsen's Proben; ausser- dem vgl. Gothi c. 64. Ueber die Latinität des Anthimus findet man in Rose's Indices mehr als bei Thomsen. Dieser geht sodann zum lateinischen Oribasius über, wie er in dem Berner Fragment (ed. H. Hagen) vorliegt. Wiederum von Thomsen's Standpunkt aus eine verkehrte Wahl, denn auch diese Schrift war für Germanen bestimmt, vergl. Teuffei R. L. G. S. 1157. Das Material der Nominalflexion bei Oribasius benutzt nun der Verfasser, um daran den Stand des Beugungssystems zur Zeit des Ueber- gangs vom fünften Jahrhundert zum sechsten zu illustriren. Dies System ist nach Thomsen gleichweit vom classischen als vom Romanischen ent- fernt, abwärts aber steht es, da es von den Casus eigentlich nur noch den Nominativ und einen Casus obliquus aufweist, dem altfranzösischen imd provengalischen sehr nahe. Es wird diese Theorie auf Grund der von Ha- gen systematisch zusammengestellten Thatsachen gegeben. Für den Zweck einer Untersuchung, wie die vorliegende sein soll, reicht eine Analysirung der Oribasius-Fragmente nicht aus: Thomsen hätte in grösserem Mass- stabe gleichzeitige literarische Denkmäler mit heranziehen müssen, wenn

Vulgärletein und Roraauisch. 103

er einen Querdurchschuitt der nominalen Flexion für die Zeit vom Jahre 500 geben wollte.

Die Verschiebung lateinischer Tempora in den romanischen Spra- chen vouK. Foth. Heft VIII der romanischen Studien, herausgegeben von E. Boehmer. Strassburg 1876, S. 243 336.

Der Verfasser nimmt, wenn er auch das Gesammtgebiet der latei- nischen Literatur berücksichtigt hat, doch besonders auf den vulgärlatei- nischen Sprachgebrauch Bezug. Seine Studie zerfällt in zwei Theile: A. Die Thatsachen der Tempusverschiebung (S. 243 296: das lat. Plusquamperfectum des Indic. ist verschoben in's Präteritum und in's Conditionale; das lat. Plusquamperfectum des Couj. ist als Imperfectum Conj. in sämmtlichen romanischen Sprachen er- halten ; das romanische sogenannte bedingende Futur ist dem lateinischen Futurum exactum entnommen); B. Die Ursachen der Tempusver- schiebung (S. 297 335).

Ueber die Entstehung dieser Erscheinung stellt Foth nach Fest- stellung der Thatsachen Folgendes auf: Der Ursprung der Tempusver- schiebung ist, soweit sie gleichartig in den romanischen Sprachen vor sich ging, schon im Latein, d. h. in dem allen romanischen Idiomen zu Grmide liegenden Vulgärlatein zu suchen. Deshalb werden die in Be- tracht kommenden Tempora nach ihrer eigentlichen Bedeutung noch ein- mal beleuchtet. Foth theilt dann die lateinischen Verba nach ihren Stämmen in zwei grosse Klassen. In der ersten Klasse »dient der Imper- fectstamm dazu, den Verbalbegriff als einen im Werden begriffenen, noch nicht zum Abschluss gekommenen, der Perfectstamm dazu, ihn als einen vollendeten und in Folge davon sich in einem Zustand befindlichen dar- zustellen«. »Die Verba der zweiten Klasse unterscheiden sich dadurch von denen der ersten, dass bei ihnen schon der Imperfectstamm die Be- deutung hat, die bei jenen erst der Perfectstamm enthält, nämlich der Vollendung und des zuständlich vorliegenden Resultates«, (habeo = ich habe = habe erlangt.) Bei den Verben der letzten Klasse ist der Per- fectstamm pleonastisch verwandt, oder er nahm neue Bedeutung an, und zwar war diese neue Bedeutung entweder eine Negation des Imperfect- stammes (habui = ich habe gehabt und habe nun nicht mehr), oder eine Inchoativ-Bedeutung (fuisse geworden sein = sein). Die Lateiner konnten demnach von gewissen Verben »sowohl den Imperfectstamm wie den Per- fectstamm gebrauchen, um die durch diese Verba bezeichnete Handlung als in einem Zustande befindlich darzustellen: so konnten sie für den Begriff des Seins sowohl esse als fuisse, für den Begriff des Habens so- wohl habere als habuisse, für den des Könnens sowohl posse als potuisse anwenden.« Machten die guten Schriftsteller auch einen Unterschied zwischen den Verbalstämmen, in der Vulgärsprache ist der Gebrauch ein willkürlicher gewesen; in den Umschreibungen der perfectischen Formen

104 Vulgärlatein und Romanisch.

des Passivs zeigen auch bessere Schriftsteller Spuren dieser Verschiebung (amatus fui, fuerara, fuero für a. sum u. s. w.)- Die Verben der ersten Ivlasse dagegen haben ihre Tempora in ihrer eigentlichen Bedeutung als Tempora der vollendeten Handlung bewahrt, und erst seit dem vierten Jahrhundert werden auch sie unter Anlehnung an die andere Verbalklasse in den Process der Verschiebung hineingezogen, hauptsächlich in Folge der Neubildung der perfectischen Tempora durch Umschreibung mit Hülfs- verben, welche ursprüngliche Tempusformeu überflüssig machten. Nach dieser Mittheüuug über den Inhalt der Abhandlung scheint es mir über- flüssig ihre Wichtigkeit für das Studium des Vulgärlatein noch besonders zu betonen.

Romanische Etymologien von H. Ron seh. In Groeber's Zeitschrift für roman. Philologie 1877. H. S. 414 420.

Röusch's etymologische Forschungen schliessen sich an desselben Verfassers »Nachlese auf dem Gebiete romanischer Etymologien« (Jahrb. für roman. und engl. Sprachen) an, auf die wir nachträglich mit aufmerk- sam machen wollen. In der Einleitung verbreitet sich Rönsch über das Gebiet und die Quellen der römischen Volkssprache und weist bei letzte- ren auf die ältesten Bibelversionen und die Glossarien hin. Wenn die mitgetheilten Ableitungen auch in erster Linie das etymologische Dunkel romanischer Wörter aufzuhellen bestimmt sind, so erleuchten sie doch auch gleichzeitig den vulgärlateinischen Sprachgebrauch, auf welchen die gegebenen Resultate zurückgeführt werden. Die Artikel enthalten u. a. folgende Beiträge zur romanischen Wortschöpfung : das Subst. caldaria, von Diez zuerst bei Gregor nachgewiesen, nach Rönsch schon in der Vul- gata und bei Pseudo-Apulejus de viitutibus herbarum. Calciata wird nicht von calx Kalk wie üblich hergeleitet, sondern von calx Ferse, wovon die Ableitungen calcia und calci are angenommen werden; dafür spricht die Glosse (Cyrill. ed. Vulc. p. 526, 15): M$ calcia calx. Mit- hin bezeichnet calciata nach Rönsch die allgemein betretene Strasse. Vulgärlat. male habitus (körperlich übel beschaffen) wird als Ausgangs- form für malade u. s. w. wahrscheinlich gemacht. Sapa vulgärlat. Aus- druck für rastrum nach Bezeugung einer Glosse und nach dem roman. Sprachgebrauch. Centesimum populäre Bezeichnung des Roggens nach dem Edict des Diocletian de pretiis vom Jahre 301 und nach Isi- dor. Die vom Verfasser in Aussicht gestellte Fortsetzung dieser Ety- mologien begrüssen wir im Interresse weiterer Erschliessung des rustiken Sprachgebrauchs mit Freuden.

Bericht über die neueste Literatur zu den rö- mischen Historikern (ausser Tacitus) bis zum Schlüsse des Jahres 1877.

Von

Prof. Dr. A. Enssner

iu Würzburs.

Vorbemerkung. Die Kürze des folgemleu Referates, die uu- gleiche Ausführimg iu deu einzelnen Theilen und der bei den verschie- denen Historikern verschiedene Ausgangspunkt ist durch deu Umstand veranlasst, dass nur iu einigen Fcällen der Anschluss an frühere Jahres- berichte möglich war, während in den übrigen weiter zurückgegriffen werden musste. lieber die Literatur zu Cäsar berichtete A. Hug im I. Jahrgang S. 1150 -1176, über Cornelius Nepos und Sallust E. Wölff- lin ebenda S. 1659 1668, derselbe Gelehrte über Livius im II. u. III. Jahr- gang S. 731—756 und über Aurelius Victor und Ammiauus S. 787 797.

Erste Abtheilung,

Allgemeines.

1) Caroli Nipperdeii Opuscula. Berolini apud Weidmannes MDCCCLXXVII. IV. 602 S.

In diesem von R. Scholl herausgegebenen Sammelbande, über wel- chen ich im Lit. Centralbl. 1878 No. 14 berichtet habe (vgl. die Anzeige von M. Hertz, Jen. Lit.-Zeit. 1877 No. 51), sind Nipperdey's sämmtliche Arbeiten zu den römischen Historikern, soweit sie nicht seinen Ausgaben des Cäsar, Nepos und Tacitus einverleibt sind, vereinigt. Ausserdem ist S. 411 422 aus einem im Anfang der fünfziger Jahre ausgearbeiteten Heft zu Vorlesungen über römische Literaturgeschichte ein Abschnitt zum ersten Male gedruckt: Von der antiken Historiographie über- haupt und der römischen insbesondere. Das Ergebniss dieser mit Meisterschaft geübten vergleichenden Kritik ist in dem Satze zu- sammengefasst, dass die moderne Geschichtschreibung in der Erkenutniss der wahren Bedeutung des historischen Stoffes, seiner Begrenzung und Anordnung die antike Historiographie übertrifft, dass aber in der Dar-

106 Römische Historiker.

Stellung und Form jene dieser nachsteht. Von den einzelnen Nachweisen ist hervorzuheben, dass die römischen Historiker ihre Ideen über ge- schichtliche PJntwickelung den Griechen verdankten; dass sie so wenig wie diese zu einer philosophischen Geschichtschreibung gelangten, son- dern über die pragmatische nicht hinauskamen ; dass sie im Wesentlichen auf die politische und Kriegsgeschichte sich beschränkten und daher auch in der Anordnung von der annalistischeu Form sich nicht befreiten. Aus der plastischen Wiedergabe der Thatsachen werden die Reden in den Geschichtswerken der Alten erklärt, aus dem Streben nach Einheit der Form die eigene Composition der Reden durch die Historiker. Von be- sonderem Interesse sind die über den Stil der griechischen und römischen Geschichtswerke gemachten Bemerkungen, in welchen die Grundlinien für eine noch zu führende Detailuntersuchung mit sicherer Hand vor- gezeichnet werden. Bezüglich der in historischen Werken der Römer eingelegten Briefe ist auf die in Nipperdey's Spicileg. crit. in Corn. Nep. gegebene, in den Opp. 98 abgedruckte Bemerkung hingewiesen; doch scheint diese einen Gebrauch zu generalisiren, der nicht ohne Ausnahme geblieben ist.

2) August Boeckh, Encyklopädie und Methodologie der philo- logischen Wissenschaften. Herausgegeben von Ernst Bratuscheck. Leipzig, B. G. Teubner 1877. XI. 824 S.

Ein opus postumum, dessen Bearbeitung für den Druck Bratuscheck, und zwar soweit es hier in Betracht kommt, aus dem Originalheft Boeckh's und nachgeschriebenen Collegienheften über Encyklopädie und aus dem Originalheft zu Vorlesungen über römische Literaturgeschichte hergestellt hat. Ueber Bratuscheck's Verfahren vgl. M. Hertz, Jen. Lit.-Zeit. 1878 No. 22.

Im zweiten Abschnitte des zweiten Haupttheils (d. h. in der Be- sonderen Alterthumslehre) § 99 a behandelt Boeckh (S. 691-697) sum- marisch die historische Prosa der Römer in übersichtlicher Weise, welche jedoch manche allgemeinere Andeutung, die zur richtigen Wür- digung des Gegenstandes gehört und auch sonst in dem Buche nicht ge- boten wird, vermissen lässt und in manchen Einzelheiten Ungenaues ent- hält. Wenn »Historien im engeren Sinn« als »ausführliche Darstellun- gen der Zeitgeschichte« bezeichnet werden, so ist dagegen au das zu er- innern, was H. Peter H R F. I S. XXXXVIIII zusammengestellt hat, und an Wölfflin's Einleitung zu Liv. XXI S. VIII. Die historia des Coelius Antipater war keine Zeitgeschichte, und die erste Zeitgeschichte des Sempronius Asellio führte nicht den Titel historiae, sondern rerum gesta- rum libri. Auffällig ist Boeckh's Anordnung, welche den Cäsar hinter Sallust setzt. Unter den skizzirteu Charakteristiken ist die des Sallustius schön und wahr, die des Livius zu dürftig, ebenso die des Ammiauus. Das Alterthümliche bei Sallust wird mit Unrecht auf die Nachahmung

Römische Historiker. 107

des Thukydides zurückgeführt, dessen alterthümliche Sprache Sallust vielleicht gar nicht als solche erkannte ; es hängt vielmehr mit dem An- schluss an Cato zusammen, vgl. Philol. Anzeiger IV 293. Nicht frei von einseitiger Uebertreibung ist das Urtheil über Curtius, den übrigens auch Boeckh richtig der Zeit des Claudius zuweist; es lautet: »Ei- iiat seinen Gegenstand in dem verderbtesten rhetorischen Geschmacke und mit aller der Romauhaftigkeit behandelt, welche aus den von Fabeln strotzenden Ge- schichtsschreibern Alexanders des Grossen aufzutreiben war*. Aus der biographischen Literatur der Römer werden neben dem Taciteischen Agricola, dessen biographischen Charakter Boeckh natürlich nicht ver- kennt, nur die Schriften des Nepos und Sueton eingeiicmler besprochen. In der Charakteristik des Nepos heisst es treffend : »Mau kann sich kaum überreden, dass ein Freund des Cicero, Atticus und Catull in dem gol- denen Zeitalter der Prosa solche Kindereien geschrieben, und dass irgend Jemand damals Gefallen daran gefunden habe. Trotzdem ist die mehr- fach aufgestellte Ansicht, dass die Schrift untergeschoben oder ein Ex- cerpt sei, aus vielen Gründen unhaltbar«. Von Trogus Pompejus sagt Boeckh, dass er »zuerst eine Universalgeschichte in römischer Sprache schrieb«; sein Werk war aber sogar das einzige grössere dieser Art, das unseres Wissens die Römer hatten. Festus Rufus, Julius Obse(iuens, Granius Liciuianus sind nicht erwähnt, die Scriptores Historiae Augustae sind, ohne dass die Namen der Einzelnen genannt werden, S. 696 auf- geführt. — Wenn S. 204 die eigenthümliche Ueberlieferung des Velleius als Beispiel für die Uebung der »grammatischen Kritik« angeführt wird, so luusste die Redaction genauer sein. Der Amerbacensis ist, wie fest- steht, nicht aus dem Murbacensis abgeschrieben, sondern aus einem Apo- graphum desselben ; wir besitzen noch eine von Burer gemachte Collatiou des Murbacensis mit der Ausgabe des Rhenanus, die neben den »beiden Copien« für die varietas lectionis in Betracht kommt.

3) D. Nisard, de l'Academie fraugaise, Les quatre grands histo- rieus latins [Cesar, Salluste, Tite-Live, Tacite]. Paris, Michel Levy Freres, editeurs 1874. IV. 403 S.

Es erscheint geboten über dieses Buch im allgemeinen Theile zu berichten, nicht bei der Besprechung der einzelnen Historiker, mit wel- chen es sich beschäftigt, einerseits, da es nirgends in Einzelheiten ein- geht, und andererseits, da sonst der Bericht wiederholt auf dasselbe zu- rückkommen müsste. Ueberdies ist die Trennung in der Behandlung der vier auf dem Titel bezeichneten Autoren, sowie die Beschränkung auf diese nur eine scheinbare, wie sich aus dem Folgenden ergeben wird.

Das Buch, dessen letzter Theil (S. 307 400) »Vingt-deux mois de la vie de Mirabeau« hier zu übergehen ist, enthält im Uebrigen Eröff- nungsvorlesungen, welche der Verfasser als Professor der Beredsamkeit am College de France in den Jahren 1845 1848 gehalten hat, und einen

108 Römische Historiker.

Essai über Napoleon III. Ilistoirc de Jiilos Cesar (S. 41 - 139). Der Verfasser liat kein Bedihi'uiss empfunden, den reichen Ertrag der in den letzten dreissig Jahren auf die genannten vier Historiker gerichteten Studien für sein Buch zu verwerthen.

Der erste Theil der Vorlesung über Cäsar (S. 1 40) enthält (S. 1 -- 18) nur Considerations generales sur la necessite de counaltre Ic latiu pour savoir le frangais, dafür erstreckt sich aber die Betrach- tung Cäsai''s auf die beiden ersten Abschnitte der zweiten Vorlesung, die dem Namen nach über Sallust handelt (S. 141 197) ; und zwar handeln im ersten dieser -Abschnitte nur drei kurze Sätze (S. 147. 150), im zweiten kein einziger über Sallust, dessen Name abgesehen von den Seitenüberschriften nur ein Mal in Verbindung mit dem des Tacitus (S. 152) genannt wird. In dem dürftigen Reste, der sich wirk- lich auf Sallust bezieht, werden dessen historiae nur ein Mal (S. 171) erwähnt und zwar mit ungenauer Angabe des in denselben behandelten Zeitraumes. Wenn der Verfasser sonst von den Histoires de Salluste spricht, so sind die bella, nicht die historiae gemeint.

Auch die Vorlesung über Livius enthält manches, was man gewiss nicht in der Mitte des Buches zu finden erwartet, wie die Abschnitte (S. 201 215): Qu'on doit commencer l'etude d'uue litterature par ses historiens, und De la critique des historiens secondaires, ferner Du vrai, et ä quels signes on le reconnait dans les ouvrages de l'esprit. Aus dem zweiten dieser Abschnitte (S. 204) mag ein charakteristischer Satz hier mitgetheilt werden: Ces auteurs [Suetone, Velleius Paterculus, Florus, Ammieu Marcellin, Cornelius Nepos, Quinte- Curce, Justin], dont aucun d'ailleurs n'est meprisable, ont pour principal merite d'offrür des textes appropries ä un certain temps des etudes classiques et de servir comme de degres dans la conuaissance du latin.

Das. Thema der vierten Vorlesung "»Tacite« gehört nicht in den Rahmen dieses Berichtes. Das ganze Buch wird ohne Zweifel dankbare Leser finden, wie die Vorträge dankbare Hörer gefunden haben; aber auf dem Boden der Philologie und der Geschichte liegt seine Bedeu- tung nicht.

4) Eduard Munk, Geschichte der römischen Literatur. Für Gynuiasien, höhere Bildungsanstalten und zum Selbstunterrichte. Zweite Auflage, bearbeitet von Oskar Seytt'ert. Zwei Bände. Berlin, Ferd. Dümmlcr (Harrwitz und Gossmann). 1875 1877. VIII. 452 S. und VHL 429 S.

Das Buch, dessen erste Hälfte die Literatur bis zum Ausgange der Republik behandelt, während die zweite den Stoff bis zum sechsten Jahr- hundert unserer Zeitrechnung umfasst, beansprucht nicht die Wissenschaft selbst zu fördern, sondern nur die Ergebnisse derselben zu verbreiten. Diesem Zwecke entsprach es schon bei seinem ersten Erscheinen. Durch

Cäsar. 109

die sorgfältige Bearbeitung von 0. Seyffert ist es im Wesentlichen anf den gegenwärtigen Stand der Forschung erhoben. Ich berufe mich auf die Besprechung im Lit. Centralbl. 1876 No. 18 und besonders 1877 No. 37, wo einige die römischen Historiker betreffenden Punkte hervor- gehoben sind. Vgl. die Anzeige von M. Hertz, Zeitschrift für das Gym- nasialwesen XXXI 510.

5) H. Bender, Grundriss der römischen Literaturgeschichte für Gymnasien. Leipzig, B. G. Teubner 1876. VHI. 84 S. mit einer Tafel in Quer-Folio.

Das im xinschluss an die dritte Auflage von W. S. Teuffel's Ge- schichte der römischen Literatur bearbeitete Werkchen entspricht seiner Bestimmung. Dies ist anerkannt in den Beurtheilungen von Bu(rsian), Lit. Centralbl. 1877 No. 37, und von M. Hertz, Zeitschrift für das Gym- nasialwesen XXXI 570. Die auf die römischen Historiker bezüglichen Abschnitte geben zu keiner besonderen Bemerkung Anlass.

Cäsar, a) Ueber den Autor und seine Gcsammtwerke.

1) A. W. Zumpt, De dictatoris Oaesaris die et anno natali. Pro- gramm des Friedrich-Wilhelms-Gymnasiums zu Berlin. 1874. 31 S. 4.

Mommsen hat seine von der üeberlieferung bei Sueton, Appian, Plutarch und Velleius abweichende Ansicht, dass Cäsar nicht im Jahre 100, sondern 102 v. Chr. geboren sei, gegen Napoleon's Einwürfe auf- recht erhalten. Auf's Neue wird dieselbe jetzt von Zumpt bekämpft, der manches Beachtenswerthe vorbringt, aber leider* die bedeutendste Schwie- rigkeit unerörtert lässt, dass nach der Üeberlieferung Cäsar sämmtlichc curulische Aemter zwei Jahre vor der gesetzlichen Zeit bekleidet hätte, ohne dass hiervon irgendwo Erwähnung geschähe. Vgl. Richard Müller, Berl. Jahresb. IV 21 25. Als den Geburtstag Cäsar's weist Zumpt den 13. Juli nach; zu dem gleichen Ergebnisse gelangt »ohne dass einer den andern geführt hätte«

2) Wilhelm Christ, Römische Kalenderstudieu. Sitzungsberichte der philos.-philol. Classe d. königl. bayer. Akad. d. Wiss. zu München 1876. S. 193-195.

Christ bringt noch zwei weitere Beweismomente, indem er in den Jahrb. f. Philol. CXIII 159 f. nachweist, dass die üeberlieferung des Porphyrio zu Hör. ep. I 5, 9 nicht widerspricht, sondern auf das richtige Datum a. d. IV. Id. lul. hindeutet, und indem er den Gedanken, dass der Hauptfesttag der apollinarischen Spiele der 13. Juli gewesen sei, und dass man deshalb den Geburtstag Cäsar's am vorhergehenden Tage gefeiert habe, durch die Analogie anderer Spiele begründet. Vgl. J. J. Müller, Jahresb. IV 229.

110 Römische Historiker.

3) A. W. Ziimpt, De impcratoris Aiifjusti die natali fastisque ab dictatore Caesare emendatis commentatio chronologica : Jahrb. f. Philol. Suppl.-Bd. VII S. 541—605.

Die Arbeit ist gegen den chronologisclien Theil in Napoleon's Vie de Cesar gerichtet; auf Grund der abweichenden Ergebnisse sind S. 587 bis 605 Paralleltafeln der römischen und julianischen Jahre für die Zeit von 64 46 v. Chr. mitgetheilt. Insbesondere wird die bei Napoleon angegebene Datirung der bell. Gall. I 6 und V 23 erzählten Thatsachen S. 503—565 zurückgewiesen. Vgl. J. J. Müller, Jahresb. IV 233.

4) Fürst N. S. Galitzin, Allgemeine Kriegsgeschichte aller Völ- ker und Zeiten. Aus dem Russischen in's Deutsche übersetzt, von [?] Streccius. I. Abth. Das Alterthum. 4. Bd. Mit 22 Plänen. Kassel, Kay 1877.

Dieser Theil enthält die Kriegsgeschichte der Römer von den Gracchen bis auf Augustus und behandelt auch Cäsar's Kriegswesen und Kriegszüge. Vgl. Streffleur's österr. militär. Zeitschrift XVII. Jahrgang 11./12. Heft.

5) Joh. Nikolai Madvig, Die Befehlshaber und das Avancement in dem römischen Heere in ihrem Zusammenhang mit den römischen Standesverhältnissen im Ganzen betrachtet: Kleine philologische Schrif- ten, vom Verfasser deutsch bearbeitet. Leipzig, B. G. Teubner 1875. S. 476—560.

Die zuerst 1864 in dänischer Sprache erschienene, bei der deut- schen Bearbeitung stellenweise vermehrte Abhandlung, welche nicht aus- schliesslich für philologische Leser geschrieben ist, schöpft für die Zeit nach dem Bundesgeuossenkriege ihren Stoff natürlich hauptsächlich aus Cäsar und ist daher in diesem Theile auch für das Verständniss Cäsar's von Interesse.

6) Theodor Mommsen, Das Militärsystem Cäsar's: Sybel's Historische Zeitschrift. 1877. N. F. II S. 1-15.

Die Abhandlung giebt nicht sowohl einen Beitrag zur Erklärung von Cäsar's Schriften als den Nachweis, inwiefern das von Cäsar geschaffene Militärsystem für die Kaiserzeit bis auf Diocletian typisch geworden ist.

7) [?] Kitt, Observationes gramraaticae quaedam in Caesarem. Programm des Gymnasiums zu Braunsberg 1875. 22 S. 4.

Die Schrift handelt § 1 De pronomine reflexivo ; § 2 De coniunctivo in iis enuntiatis relativis posito, quae ad infinitivum cum accusativo sive ad coniunctivum pertiuent; § 3 De coniunctionibus cum et priusquam quaedam; § 4 De ablativo absolute. Eine Fortsetzung dieser Beobachtun- gen ist vom Verfasser in Aussicht gestellt. Dass von den hier veröffent- lichten Abschnitten besonders der letzte brauchbar ist durch Sammlung

Cäsar. 1 1 1

der Stellen, in welchen Cäsar's Anwendung des Ablativs mit dem Particip von der Regel abweicht, ist hervorgehoben von P. Harre, Jahresbericht des philol. Vereins zu Berlin III 393.

8) Heinrich Hartz, Zum Sprachgebrauch des Cäsar. Programm des Friedrichs-Gymnasiums zu Frankfurt a. d. 0. 1875. S. 21 26. 4.

Zur Ergänzung der 13. Auflage der Schulgrammatik von EUendt- Seyffert (1873) werden Eigenthümlichkeiten in Cäsar's Schreibart nach der Anordnung des Stoffes ii] jenem Lehrbuche verzeichnet.

9) Bernard US Dinter, Quaestiones Caesarianae. Commentatio annalibus scholae regiae Grimensis addita. Grimae a. MDCCCLXXVI. 38 (39) S. 4.

In gedrängter und sorgfältiger Darstellung bietet hier der bekannte Herausgeber Cäsar's eine Fülle trefflich durchgearbeiteten Stoffes. Nach einem persönlich gehaltenen Vorwort handelt die Schrift in drei Ab- schnitten: I. De codicibus Caesaris S. 2-- 17; II. De decem locis com- mentariorum de Bello Gallico S.,l7 32; III. De extremo commentario de Bello Civili tertio S. 32—36. Daran reihen sich S. 37 38 Adno- ^tatiunculae (S. 39 Corrigenda), welche auch beachtenswerthe Beiträge zu Horaz enthalten, lieber diese wie über andere gelegentliche Bemerkun- gen Dinter's ist hier nicht zu berichten, über den II. und III. Abschnitt wird unter b. und c. gesprochen werden. Die I. sowohl auf den Galli- schen als den Bürgerkrieg bezügliche Abhandlung verzeichnet zunächst acht Handschriften, von welchen sieben der Bibliothek zu Leyden an- gehören und von Dinter selbst verglichen worden sind, während ihm von dem zu Amsterdam befindlichen Bongarsianus I. s. X. (A) eine von Boot gefertigte CoUation durch Naber zur Verfügung gestellt wurde. Fünf von diesen acht Handschriften enthalten nur das Bellum Gallicum, näm- lich ausser A noch Vossianus I. s. XL (C), ferner Mediolanensis (R) und Voss. III. (F), beide s. XIV., endlich Leidensis HL s. XV. (I); drei (der zweiten und dritten Haudschriftenklasse angehörige) umfassen auch das Bellum Civile, nämlich Leidensis I. s. XIV. (b.) Vossianus IL s. XIV. (XV. in.) (a) und Leidensis II. s. XV. (XVI.) (jy). Von den drei zuletzt genannten kommt weiterhin nur yj in Betracht. Aus A und C werden Nachträge zur discrepantia scripturae des ganzen Bellum Gallicum ein- schliesslich des VIII Buches mitgetheilt, dazu sind vom IL Buch an auch Mittheilungen aus F I ;y gefügt, vom VII. Buch au zugleich aus R. Wie S. 15 17 ausgeführt wird, ist das wichtigste Ergebniss, dass A mit B (Parisinus I oder Floriacensis s. X. oder IX. extr.) noch häufiger, als bisher bekannt war, übereinstimmt; dass aber nicht beide Hand- schriften von derselben Hand heiTühren, wie nach Anderen Dinter in seiner Ausgabe S. XII angenommen hatte, sondern dass vielleicht B die Vorlage von A war; endlich, dass die Hand des zweiten Schreibers von A nicht s. XIV. oder XV., sondern XVI. angehört. Liesse sich der

112 Römische Historiker.

Nacliwois, d.ass A Abschrift, von "R sei, zur Evidenz bringen, so ratisste natürlich A aus dem Apparat entfernt werden; einstweilen hat es Dinter als seine Meinung ausgesprochen, dass A weder an Werth noch an Alter die übrigen Handschriften soweit ubertrefl'e, als jetzt angenommen werde.

10) Max Miller, Kritische und exegetische Beiträge zu Cäsar. Programm des Gymnasiums zu Aschaffenburg 1874. 27 S. 4.

Die Schrift, welche erst S. 7 auf den in der Ueberschrift bezeich- neten Gegenstand eingeht, ist beurtheilt im Philol. Anzeiger VII 97 f. und von Richard Müller, Jahresbericht des philol. Vereins zu Berlin, IV 13 16. Die vom Verfasser behandelten Stellen sind im Folgenden unter b. und c. verzeichnet.

11) Heuricus Alanus, Observationes aliquot in C. lulii Caesaris utriusque belli commentarios. Inest interpretatio loci cuiusdam Vir- giliaui. Dublinii: apud Hodges, Fester et soc. Londinii: apud Wil- liams et Norgate. MDCCCLXXIV. 12 S. 8.

Die Schrift hat bei der Abfassung dieses Berichts nicht vorgelegen. Nach der vernichtenden Beurtheilung von B. D(iuter) im Philol. Anzeiger VII 93 96 erscheint es nicht nöthig, weitere Notiz von derselben zu nehmen.

b) Zum Bellum Gallicum.

1) C. luIii Caesaris commentarii de hello Gallico, erklärt von Friedrich Krauer. 9. Auflage besorgt von W. Dittenberger. Mit einer Karte von Gallien von H. Kiepert. Berlin, Weidmann'sche Buch- handlung 1875. IV. 397 S.

Dieselbe Ausgabe in 10. Auflage 1877. 395 S.

Die 9. Auflage des längst bewährten und nach dem Stande der Forschung ' fortgebildeteu Buches ist besprochen von Richard Müller, Berl. Jahresbericht IV S. 1—6.

2) C. lulii Caesaris commentarii de hello Gallico. Für den Schul- gebrauch erklärt von A. Doberenz. Mit einer Karte von Gallien. 7. Auflage. Leipzig, B. G. Teubner 1877. XIV. 320 S.

3) C. lulii Caesaris de hello Gallico commentariorum libri septem et octavus A. Hirtii. Tertium recensuit J. K. Whitte. Havniae MDCCCLXXVII. 184 S.

Da die Ausgabe noch nicht eingelaufen ist, so bleibt der Bericht über dieselbe vorbehalten.

4) Georg Mezger, Ueber die Abfassungszeit von Cäsar's Com- mentarien über den gallischen Krieg. Programm des Gymnasiums zu Landau i. d. Pfalz 1875. 27 S. 4.

Cäsar. 113

Während Nipperdey annahm, Cäsar könne nicht vor dem Jahre 50 die nöthige Müsse zur Aufzeichnung seiner Comraentarien über den gal- lischen Krieg gefunden haben, schliesst sich Mezger der nach Schneider namentlich von Köchly, Mommsen und Kraner vertretenen Ansicht an, dass Cäsar sein Werk im Winterquartiere zu Bibracte am Ende des Jahres 52 und in den ersten Monaten von 51 niedergeschrieben habe. Mezger's Entscheidung für diese Ansicht verdient Billigung; die neuen von ihm angeführten und ausgeführten Entscheidungsgründe erhöhen je- doch die Gewissheit derselben nicht. Selbst angenommen, dass die Cha- rakteristik des Legaten Galba durch die Rücksicht Cäsar's auf dessen Candidatur günstiger gestaltet worden sei, so würde sich hieraus kein Moment für die fragliche Zeitbestimmung ergeben; denn wenn Cäsar den Galba empfohlen hatte, so lag es auch nach dessen Zurückweisung nahe, durch eine günstige Zeichnung der Persönlichkeit die frühere Empfehlung derselben nachträglich zu rechtfertigen. Das warme Interesse, womit Cäsar über Q. Cicero spricht, hält Mezger für berechnet; aber die kühle Erzählung der Thaten des Labienus bezeichnet er als unwillkürlichen Ausdruck der Besorgniss, die Cäsar über die künftige Haltung dieses Legaten hegte. Sobald an die Stelle dieser sich widersprechenden Auf- fassung eine gleiche Würdigung der Urtheile über Q. Cicero und über Labienus tritt, fällt von diesen beiden vorgeblichen Beweismomenten wenigstens das eine weg. Wenn Mezger aus den »Spuren, dass Cäsar auch nach Alesia schon Umschau hielt, was für Hülfsmittel er sein nennen konnte« , einen Schluss auf die bald erfolgte Abfassung der Commen- tarien zieht, so ist das Unsichere und Dehnbare dieser Folgerung augen- scheinlich. Dies sind die Punkte, die ich in meiner Besprechung der Schrift von Mezger, Lit. Centralbl. 1876 No. 10 hervorgehoben habe. Im Einklänge damit steht die ausführliche Anzeige von Rieh. Müller, Berl. Jahresbericht IV S. 29-33.

5) Rudolf Usinger, Die Anfänge der deutschen Geschichte. Hannover, Hahn 1875. IX. 285 S.

Vom ersten Theile: »Die Ausbreitung der Germanen« behandelt der II. Abschnitt S. 26—42: »Deutsche am linken Rheinufer, Ariovist«, der III. S. 42—58: »Cäsar und die Germanen«. Aus dem zweiten Theile des Buches beziehen sich I. S. 186—192 »Der hercynische Wald« und III 1. S. 241—266 »Sueven« auch auf Cäsar.

6) Franz Fröhlich, Historische Beiträge zur Cäsar- Literatur. Programm der Kantonsschule zu Zürich 1876. 23 S. 4.

Die Schrift behandelt I. die lulischen Ackergesetze vom Jahre 59 V. Chr. mit einleitenden Bemerkungen über Cäsar's Propraetur und Triumvirat. II. Vercingetorix als Staatsmann und Feldherr. Nur der IL Beitrag, eine treffende und gewandte Darstellung des gefährlichsten Gegners, den Cäsar in Gallien fand, gehört in diesen Bericht. Zwei

Jahresbericht für Alterthums-Wissenschaft 1877. II. g

114 Römische Historiker.

Besprechungen der Schrift enthält der Philol. Anzeiger VIII 239 242 von H. W(ir)z und 522 f. von Fr. Raucheustehi. Vgl. J. J. Müller, Jahresb. IV 230. ~ Ueber Vercingetorix schrieb auch A. Reville, Revue des deux niondes 1877 No. 16. 17.

7) Max Eichheim, Die Kämpfe der Helvctier und Sueben gegen C. J. [so!] Cäsar. Eine kritische Studie. Neuburg, Baader 1876. V. 98 S.

Nicht ohne Humor, aber ohne Methode versucht der Verfasser durch eine kritische Betrachtung der Commentarien die völlige Unglaub- würdigkeit derselben nachzuweisen. Nach Eichheim hat Cäsar von den Helvetiern eine Niederlage erlitten ; ebenso wurde er von Ariovist zurück- geschlagen und hat sich nur durch Meuchelmord dieses Gegners erwehrt. Eine Anzeige der Schrift lieferte H. Strobl, Blätter f. d. bayer. Gymn.- und Realschulw. XIII 358. Eine Notiz über die ähnlichen früheren Schriften des Verfassers giebt Hug, Jahresbericht Bd. II 1173. Vergl J. J. Müller, Jahresb. IV 232.

8) J. Schlum berger, Cäsar und Ariovist oder Versuch, den Ort zu bestimmen, wo Ariovist von Cäsar geschlagen wurde, in vier Vor- trägen. Colmar 1877. 192 S.

Ich habe dieses Buch noch nicht gesehen. Auch mehrere neuere Arbeiten französischer Forscher, welche schon durch ihren Localpatrio- tismus zu erneuten Versuchen der Lösung territorialer Fragen aus dem gallischen Kriege getrieben werden, kenne ich nur aus den Mittheilun- gen .in der Revue des Revues. Als Curiosum muss betrachtet werden TJne tradition sequanaise concernant Arioviste. A. Delacroix reconstitue la guerre de Cesar et d'Arioviste et, ä l'aide dune tradition locale, pense confirmer et meme completer le recit des commentaires. So berichtete Hippeau .in der historisch -philologischen Section bei der Reuuion au- nuelle des delegues des societes savantes ä la Sorbonne im April 1876, s. Rev. des Rev. 1876, 212. Ebendas. S. 210 ist augeführt aus den Comptes reudus et memoircs du comite archeologique de Seulis 1869 bis 1874: Uue etude nouvclle sur la campagne de lules Cesar contre les Bellovaques, par Peigne Delacourt. Daselbst S. 217 wird bemerkt, dass J. Maissiat, lules Cesar en Gaule, tome II, Alesia auf das Pla- teau von Izernou (Ain) versetzt. Vorgelegen hat mir

9) E. Duboin, La muraille de Cesar. Les Allobroges et l'emi- gration des Helvetes. A propos de vestiges Romains decouverts pres de Chancy. Saint- Julien 1874. 32 S. 16.

Das Wesentliche des Inhalts dieses Schriftchens ist der Nachweis, dass die b. G. I 8, 1 erwähnte Mauer, welche Cäsar gegen die Helvetier a lacu Lemanno ad montem luram aufführte, ausschliesslich auf dem linken Rhoneufer sich befand. Vgl. Detlefsen, Jahresb. IV 336.

Cäsar. 115

10) Karl Lorenz, lieber Anaphora und Chiasmus in Cäsar's bellum Gallicum. Programm des Gymnasiums zu Creuzburg O.-Schl. 21 S. 4.

Im Anschluss an Nägelsbach's Lateinische Stilistik §§ 166 169 untersucht Lorenz »die gleichsam pathologische Disposition der verschie- denen Satzformen und Satzglieder« zu dem einen oder dem andern der in den Figuren der Anaphora und des Chiasmus erkannten Principien der Wortstellung im Lateinischen. Diese grammatisch- stilistische Ab; handlung ist hier zu erwähnen, da Lorenz sein Material ausschliesslich dem bellum Gallicum entnimmt. Für dieses Werk ergiebt sich aus der Analyse aller betreffenden Beispiele mit Sicherheit, was wohl auch all- gemeinere Geltung hat, »dass der Chiasmus weder quantitativ noch quali- tativ mit der Anaphora verglichen werden kann, dass, während die Ana- phora auf der Oekonomie des Denkens selbst beruht, das die einmal ge- fundene Form des Gedankens auch auf alle folgenden soweit als möglich überträgt, und während sie in allen Satzformen auftritt, der Chiasmus keiner Satzform eigenthümlich ist, nichts Constantes, aus der Natur des Gedankens Fliessendes repräsentirt, auf völlig heterogene, ja nur äusser- liche, nur den einzelnen Satz beeinflussende Ursachen zurückgeführt werden muss«. Iwan Müller hat in der 6. Auflage von Nägelsbach's Stilistik S. 504 Anm. die Arbeit von Lorenz bereits berücksichtigt; eine Anzeige derselben giebt P. Harre, Berl. Jahresbericht III 392.

11) Bernhard Müller, Zur Kritik und Erklärung von Cäsar's gallischem Kriege. Programm des Gymnasiums zu Kaiserslautern 1877. 30 S. 8.

Die Arbeit ist beurtheilt im Philol. Anzeiger IX 55 f.; die darin behandelten Stellen werden unten aufgeführt.

12) 0. Schambach, Zu Cäsar de hello Gallico. Mühlhausen 1877. 10 S. 4.

Ich habe diese kleine Schrift noch nicht erhalten.

Einzelne Stellen des Bellum Gallicum:

I 13, 6 Se ita didicisse, ut magis virtute contenderent quam dolo aut insidiis niterentur. So emendirt Dinter Quaestt. Caes. S. 17 durch Transposition des in der Ueberlieferung hinter quam dolo stehen- den contenderent. Dittenberger hat die evidente Besserung in der 10. Auf- lage in den Text aufgenommen.

1 26, 5 nuUam partem noctis itinere intermisso. B. Müller, Zur Kritik und Erklärung S. 22-30 bezieht diese Worte nicht auf die laufende Nacht, sondern auf jede Nachtstunde bis zu dem vierten Tage, an wel- chem die Helvetier und zwar in vier Nachtmärschen iu's Gebiet der Lingonen gelangten. Diese Erklärung ist schon bei Oudendorp abgewie- sen. Weiterhin sucht Müller Napoleon's Annahme, dass das Terrain

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116 Römische Historiker.

der Helvetierschlacht westlich von Bibracte sei, gegen Heller's Einwürfe zu schützen.

I 26, 6 qui si iuvisseut. Madvig's Aenderung qui iuvissent wurde von Hug, Jahresbericht Bd. II 1152 im Hinblick auf I 44, 11 mit Recht abgelehnt; aber Fr. Pauly, Zeitschrift f. d. österr. Gymn. XXVI 619 knüpft au Madvig's Vermuthung an, indem er der Ueberlieferung noch näher zu kommen sucht durch den Vorschlag: quisquis iuvisset.

I 42, 5 cui quam maxime confidebat. Madvig nach Clarke schrieb cui maxime, was Hug, Jahresb. Bd. II 1151. 1168 billigt; Pauly a. a. 0. 619 möchte lieber cui quidem maxime oder cui quura maxime lesen.

I 53, 5 trinis catenis vinctus. Von dieser Stelle ausgehend han- delt D int er Qu. 20 über die Pluralia catenae, vincula, frumenta, ripae.

II 5, 2 rei publicae communisque salutis. Dinter Qu. 21 bemerkt gegen Perthes, dass rei p. Romanae zu verstehen sei. Gegen denselben erklärt er ebenda VII 14, 5 salutis causa im Sinne von sui conservandi causa. Auch S. 20 giebt Dinter gelegentlich folgende Interpretation zu I 39, 6 : Qui se minus timidos existimari volebant, hi dicebaut se a) nou vereri hostem, sed b) timere «) augustias itineris et magnitu- dinem silvarum --, aut ß) rem frumentariam ut posset.

II 10, 4 Optimum esse, domum suam quemque reverti, et con- venirent. Gegen Polle's nicht neue Aenderung convenire schützt Dinter, Philologus XXXIV 710 die Ueberlieferung, indem er die Rede direct so formulirt: Optimum est reverti; et conveniamus! Für das auf- fällige et führt er zwei Beispiele an: b. G. I 45, 1. b. c. I 86, 2 (ueque).

II 22, 1 cum diversis legionibus aliae alia in parte hostibus re- sisterent. Während Madvig nach Ciacconius den bedenklichen Ablativ durch Aenderung in diversae legiones beseitigte, möchte Pauly, Zeit- schrift f. d. österr. Gymn. XXVI 619 e diversis legionibus vorziehen.

II 27, 2 Omnibus in locis pugnant. Für diese unhaltbare Lesart hat Dinter nach Vielhaber puguarunt geschrieben, Koch und nach ihm Madvig pugnando vorgeschlagen, was bei Hug, Jahresbericht Bd. II 1151 Anklang fand. Pauly a. a. 0. 619 schreibt pugnarent, was schon bei Oudendorp im Texte steht.

II 27, 3. 4 tantam virtutem praestiterunt, ut pugnarent; bis deiectis qui superessent, ut remitterent. Gegen Polle, der das zweite ut streichen wollte, zeigt Dinter, Philol. XXXIV 713, dass die- ses dem Sprachgebrauche Cäsar's entspricht.

III 6, 4 quod Galba nolebat atque alio se in hiberna consilio venisse meminerat, aliis occurrisse rebus viderat. Gegen Polle, der das in älteren Ausgaben stehende videbat wieder empfahl, wird viderat ge- schützt von Dinter a. a. 0. 715.

IV 13, 6 Quos sibi Caesar oblatos gavisus, illos retineri iussit, ipse . Diese Lesart der Vulgata vertheidigt Dinter Qu. 22.

IV 16, 7 uti opinionc et amicitia populi Romani tuti esse possint.

Cäsar. 117

Polle hatte uach uti ein vel vermisst; Diuter Philol. XXXIV 717 zeigt, dass dies zu amicitia nicht passt.

IV 28, 3 adversa nocte. M. Miller, Kritische und exegetische Beiträge 7 meint wohl mit Unrecht, diese Worte seien von einer »ungünstigen Nacht« zu verstehen.

IV 29, 2 longas naves, quibus Caesar exercitum transp'ortandum curaverat. Die befremdliche Angabe, dass das Heer auf Kriegsschiffen, nicht auf Trausportschiffen übergesetzt worden sei, sucht B. Müller, Kritik und Erklärung 5 wegzudeuten, indem er quibus im Sinne von quarum praesidio zu verstehen wagt. Der S. 6 von Müller ausgesprochene Satz, dass verschiedene Begriffe in der Form desselben Wortes nicht zusammengestellt werden könnten, wenn nicht ein Wortwitz beabsichtigt sei, ist im Philol. Anzeiger IX 55 f. durch den Hinweis auf den ent- gegenstehenden Sprachgebraucii Cäsar's widerlegt worden.

IV 33, 1 per omnes partes perequitant et cum se inter equi- tum turmas insinuaverunt, ex essedis desiliunt. B. Müller a. a. 0. 7 übersetzt: »Zuerst fahren sie durch alle Abtheilungen hindurch« und bezieht mit Göler den Satz cum insinuaverunt auf das Zurückfahren der Wagenstreiter in die Intervallen ihrer eigenen Reiterei. Dagegen ist schon im Philol. Anzeiger IX 55 bemerkt, dass Cäsar pars ohne Ge- netiv nicht in der Bedeutung »Abtheilung« gebraucht, und dass der Zu- sammenhang der Stelle, sowie der Bericht über das Mauövriren der bri- tannischen essedarii V 16, 2 die Beziehung von inter equitum turmas auf die römische Cavalleric nothwendig macht.

IV 34, 3 nostris omnibus occupatis, qui erant in agris reliqui, discesserunt. Göler schlug vor quae relicta, Hug schob hostes vor nostris ein; mit Hülfe dieser Vermuthuugen gestaltet M. Miller, Bei- träge 7 die Stelle so: hostes omnibus occupatis, quae erant in agris relicta, discesserunt. lieber das Unwahrscheinliche der dreifachen Aen- derung hat sich bereits Rieh. Müller, Berl. Jahresbericht IV 16 ausge- sprochen, der durch einfache Ersetzung von agris durch castris die Stelle emendiren will. Vergl. Philol. Anzeiger VH 97.

V 7, 8 nie enim revocatus . In den Zusammenhang scheint enim nicht zu passen. Das von Ciacconius zuerst vermuthete, dann von Mad- vig empfohlene, von Rieh. Müller gebilligte, von Hug, Jahresbericht Bd. II 1151 abgelehnte enimvero hat B. Müller, Kritik imd Erklärung 9 zurückgewiesen, da die Ueberlieferung richtig sei. Aber Müller hat für seine Behauptung, dass enim im Sinne von »natürlich, versteht sich« »öfters« stehe, keinen Beleg beigebracht. Wie wenig stichhaltig Müllers Behauptung sei, ist schon im Philol. Anzeiger IX 55 durch Verweisung auf Dräger, H. S. II 166 angedeutet. Die von A. Spengel, Philol. XXXII 368 vorgeschlagene, von E. Schulze ebenda XXXIII 730 wiederholte, von Hug, Jahresbericht Bd. II 1151 gebilligte Umstellung scheint Müller nicht gekannt zu haben.

11g Römische Historiker.

V 23, 3 uti üeque hoc ueque superiore anno uUa omnino navis desideraretur. B. Müller a. a. 0. 9 liest mit dem Bongars. nuUa und streicht neque hoc neque superiore anno. Im Philol. Adz. IX 55 ist gezeigt, durch welches Missverständniss dieser Vorschlag veranlasst ist.

V 25, 2 Huic Caesar maiorum locum restituerat »ist vielleicht nicht so genau wie: Hunc Caesar in maiorum locum restituerat«: Pauly, Zeitschrift f. d. österr. Gymn. XXVI 619.

V 25, 3 Tertium iam hunc annura reguantem inimicis multis palam ex civitate et iis auctoribus eum interfecerunt. Madvig änderte: inimici, multis palam ex civitate auctoribus, interfecerunt; Pauly', der ihm auch hier nachgeht, bemerkt a. a. 0.: »Vielleicht ist ausser hunc, in wel- chem tunc oder tum stecken könnte, nichts zu ändern, höchstens statt et iis [nach Davies] caedis (oder sollte in et iis auctoribus ein- fach et iisdem auctoribus liegen und de vor au ausgefallen sein?)«

V 28, 4 rem esse testimonio, quod sustinuerint. Die Ueber- lieferung der ganzen Stelle findet Dint er Qu. 24 verworren und schlägt die bedenkliche Aenderung vor: magno sibi etiam illud (oder hanc rem) esse testimonio, stellt aber, falls dies zu künstlich erscheine, auch eius rei esse testimonium (oder testimonio) zur Wahl.

V 28, 6 und 29, 7 rechtfertigt Dint er Qu. 25 die von der guten Ueb erlief erung quid esset levius und quem haberet exitum abweichende, aber durch die Grammatik geforderte Lesart esse und habere gegen Dittenberger (der jetzt in der 10. Auflage die Infinitive wieder herge- stellt hat).

V 31, 5 Omnia excogitantur, quare nee sine periculo maneatur et languore militum et vigiliis periculum augeatur. F. Lüdecke, Jahrb. f. Philol. CXI 429 432 versteht die Stelle so: »Alles, d. h. hier alles Mögliche wird ausgesonnen, um zu beweisen, weswegen einerseits das Bleiben nicht ohne Gefahr sei und wie anderseits diese Gefahr in Folge der (durch die Belagerung und Hungersnot bewirkten) Erschlaffung und des (augestrengten und vermehrten) Wachtdieustes der Soldaten sich noch steigere«. Durch diese Deutung würde der gesteigerten Gefahr die an- fängliche gegenübergestellt; dadurch aber ergiebt sich ein Widerspruch mit 29, 7, wo Sabinus selbst zugesteht, es sei kein praesens periculum zu fürchten. Da ferner 31, 4 in den Worten consumitur vigiliis reliqua pars noctis die Beziehung von vigiliis auf die laufende Nacht unzwei- felhaft ist, so erscheint es bedenklich, languore militum et vigiliis auf die von Lüdecke bezeichnete Weise zu erklären. Uebrigens will Lüdecke den ganzen fraglichen Satz in den § 3 transponiren vor Tandem dat Cotta permotus manus. Diesen Vorschlag hat Job. Klein, Jahrb. f. Philol. CXI 854—856 treffend zurückgewiesen, da Cotta nicht durch die in dem fraglichen Satze ausgesprochenen Gründe sich bestimmen liess. B. Müller, Kritik und Erklärung 10 schliesst sich an die Deutung, nicht

Cäsar. 119

aber an den Transpositionsvorschlag von Lüdecke an. Das letzte Wort über die Stelle ist noch nicht gesprochen.

V 34, 2 Erant et virtute et numero pugnandi pares nostri. Nach Davies, Vielhaber und Heller schreibt D int er Qu. 26 und Ditteuberger in der 10. Auflage studio pugnandi. B. Müller, Kritik und Erklärung 14 schlägt vor: proinde omnia in victoria posita existimarent : [erant] et virtute et numero pugnando (nach Nipperdey) pares esse, was schon wegen der dreifachen Abänderung nicht zu billigen ist.

V 42, 2 Haec et ab nobis cognoverant et quosdam de exercitu habebant captivos, ab bis docebantur. Pauly a. a. 0. 620 findet die von Hug, Jahresb. Bd. II 1152 abgelehnte Ergänzung Madvig's quod quosdam ansprechend, schlägt aber doch vor, quosdam als Corruptel aus quoniam zu betrachten.

VI 1, 4 daplicatoque eariun cohortium numero, quas cum Q. Ti- turio amiserat. Eine sachliche Eiiäuteruug dieser Stelle giebt Otfried Schambach, Rhein. Mus. f. Philol. XXXI 308 f. Aus der Uebersicht der Truppendislocation V 24 ergiebt sich die bestimmte Summe von 8 Legionen und 5 Cohorten, die offenbar nicht Bruchstücke einer Legion waren. Die Worte unserer Stelle besagen nun, dass die Zahl dieser Cohorten auf 10 erhöht worden ist. Da Cäsar diese 10 Cohorten nicht als legio bezeichnet, so schliesst Schambach, dass sie aus Nichtrömern, nämlich aus transpadanischen Galliern bestanden. Als diese später durch Cäsar das römische Bürgerrecht erhielten, seien sie vermuthlich zur le- gio V. Alauda umgewandelt worden.

VI 5, 2 ex eo quod meruerat odio. Die Worte werden gegen Apitz und Vielhaber von D int er Qu. 27 gerechtfertigt. "*

VI 38, 2 Hie diffisus suae atque omnium saluti inermis ex taber- naculo prodit. Bonstedt's Aenderungsvorschlag hie fisus oder hoc die fisus wird von Dinter, Philol. XXXIV 717 zurückgewiesen, da hie nach Cäsar's Sprachgebrauch nöthig sei, fido bei Cäsar gar nicht, fidens nur b. c. III 111, 1 vorkomme und da der Sinn der Ueberlieferung keiner Aen- derung bedürfe, wenn nur inermis nicht zu diffisus, sondern zu prodit gezogen werde (ut erat inermis). Auch M. Miller, Beiträge 7 verthei- digt gegen Boustedt die handschriftliche Lesart. Vgl. Rieh. Müller, Berl. Jahresb. IV 14.

VI 39, 4 despecta paucitate. M. Miller, Beiträge 15 meint ohne Begründung, es sei »vielleicht« perspecta zu lesen; was schon Rieh. Müller, Berl. Jahresb. IV 15 als unnöthig bezeichnet. Unrichtig ist es, dass Miller den vorhergehenden Paragraphen: nemo est tam fortis, quin rei novitate perturbetur nach Göler gegen Dinter und Kraner -Dittenberger als »allgemeine Sentenz« zu nehmen empfiehlt; der Satz ist nicht anders zu beziehen als der vorausgehende quid ab bis praecipiatur , expectant.

VII 8, 4 haec fama ac nuntii perferuntur. Diese in den Aus- gaben verworfene Lesart, wofür nuntiis geschrieben zu werden pflegt,

120 Römische Historiker.

hat Dinter Qu. 28 zu Ehren gebracht und Dittenberger in der 10. Auf- lage bereits in den Text gesetzt.

VII 14, 5 aedificia incendi oportere hoc spatio a Boia quoque versus. Statt der unverstcändlichen und schon vielfach veränderten oder getilgten Worte a Boia bietet Dinter Qu. 31 den Vorschlag hoc spatio omnia quoque versus, zieht aber schliesslich doch die Einklammerung der Worte hoc spatio a Boia vor. Als Zeichen nicht der Unächtheit, sondern der Undeutlichkeit wird man dies gelten lassen.

VII 14, 10 ad copiam commeatus praedamque toUendam. Madvig wollte entweder potiendam lesen oder tollendam streichen; an den letz- teren Vorschlag knüpft Pauly, Zeitschrift f. d. österr. Gymn. XXVI 620 an, indem er nach praedamque interpungirt und im folgenden Satze statt Haec si gravia aut acerba videantur, multo illa gravius aestimare schreibt : Toleranda haec, etsi videantur; multo .

VII 19, 2 omnia vada ac saltus eins paludis obtinebant. Die Ueber- lieferung dieser mehrfach angefochtenen Stelle hat M. Miller, Bei- träge 9 im Anschluss an C. H. Ritter vertheidigt; vgl. Hug, Jahresb. Bd. II 1164 f. Auffallend ist es, dass Miller sagt, er sei durch K. W. Nauck's Auffassung von saltus zu der nämlichen Deutung wie Ritter ge- kommen, während doch Nauck saltus anders als Ritter erklärt. 0. Kel- ler's Erörterung über saltus, Jahrb. f. Philol. CIII 558 f. ist von Miller übersehen worden. B. Müller, Kritik und Erklärung 15 vermuthet vada ac aditus, was schon Nipperdey in Betracht gezogen, aber als ungeeignet verschmäht hatte.

Vn 25, 1 quod deustos pluteos turrium videbant nee facile adire apertos ad auxiliandum animadvertebant. R. Menge, Philol. XXXIII 729 bemerkt richtig gegen Kraner-Dittenberger, aperti könne unmöglich »die nicht mehr durch Brustwehren Gedeckten« bezeichnen, da auch vor Verbrennung der plutei die Heranrückenden (adire) nicht durch diese, sondern von den auf den Thürmen Postierten gedeckt waren.

VII 28, 6 veritus, ne qua seditio oreretur, ut cui-aret. Mit dreifacher Aenderung will R. Menge, Philol. XXXIII 727 lesen: veri- tus que, ne qua seditio oreretur, [ut] curavit.

vn 30, 4 sie sunt animo consternati ut omnia, quae impera- rentur, sibi patienda existimarent. M- Miller, Beiträge 11 schreibt parati statt consternati und facienda statt patienda. Im Philol. An- zeiger VII 97 ist bereits darauf hingewiesen, dass parati in dem hier nothwendigen Sinne adjectivisch von Cäsar gebraucht wird, dass sonach nicht sunt parati, sondern erant stehen müsste. Die Vermuthung facienda ist schon von Ciacconius vorgebracht und von Oudeudorp zurückgewiesen worden. Auch Rieh. Müller, Jahresb. IV 15 bezeichnet diese Conjectur als unnöthig, jene erste als nicht stichhaltig.

VII 32, 5 divisum senatum, divisum populum, suas cuiusque eorum clientelas. R. Menge, Philol. XXXIII 728 schlägt vor: divisum populum

Cäsar. 12]

in duas cuiusque eorum clientelas. Schon Scaliger hat in vermuthet; neu ist, dass Menge duas statt suas schreibt. Das Bedenkliche hebt er selbst hervor, dass nämlich cuiusque im Sinne von utriusque nur in Ver- bindung mit suus oder se vorzukommen scheine. Daher fügt Menge bei. wenn cuiusque als unmöglich angesehen werde, so brauche man auch vor der Aenderung utriusque nicht zurückzuschrecken.

VII 35, 3 (4) captis quibusdam cohortibus. Diese Worte spotten noch immer jeder Verbesserung, obschon der Sinn der Stelle ganz unzweifel- haft ist. M. Miller, Beiträge 12 vermuthet ita positis quibusdam cohortibus; dagegen ist schon im Philol. Anz. VII 98 bemerkt, dass sich dies auf die Stellung der Cohorten selbst, nicht auf die Aufstellung inner- halb der Cohorten beziehen würde, wie auch Eich. Müller, Berl. Jahresb. IV 15 urtheilt. M. Miller's Vorschlag wiederholt, ohne seinen Vorgänger zu kennen, Ferdinand Hoppe, Jahrb. f. Philol. CXIII 618. Ebenso wenig entspricht dem geforderten Sinne die von B. Müller, Kritik und Erklärung 21 vorgetragene Vermuthung distractis quibusdam cohor- tibus, denn dies würde nur, wie an der von Müller citirten Stelle b. c. in 92, 1, eine Lockerung der Abtheilungen bezeichnen, wodurch nicht die Täuschung bewirkt werden könnte, uti numerus legionum constare videretur.

VII 35, 4 (5) His, quam longissime possent, egredi iussis. Statt egredi empfiehlt M. Miller, Beiträge 14 nach Göler progredi.

Vn 45, 1 eis de media nocte imperat, ut paulo tumultuosius Om- nibus locis vagarentur. M.Miller a. a. O. 15 verwirft sowohl die Be- ziehung der Worte de media nocte auf imperat, als auch die von Viel- haber vorgeschlagene, von Dittenberger angenommene auf vagarentur; er verlangt die früher in den Ausgaben durchgeführte Umstellung vor eis zum vorhergehenden Satze; über diese befremdliche Wortstellung wird jedoch nichts bemerkt.

VII 45, 5 eodem iugo mittit. M. Miller a. a. 0. 16 empfiehlt ohne eigene Begründung Göler's Vorschlag eodem illo.

VII 45, 7 raros milites, ne ex oppido animadverterentui", tra- ducit. Die zwar schlecht bezeugte, aber in den gangbaren Ausgaben längst als nothwendig anerkannte Lesart ne, wofür die besten Codd. qui haben, wird auch von M. Miller a. a. 0. 15 gerechtfertigt.

VII 45, 9 hoc una celeritate posse mutari. Dass M. Miller's Vorschlag a. a. 0. 16 vitari weder neu noch nöthig sei, ist im Philol. Anz. VII 98 und von Rieh. Müller, Berl. Jahresb. IV 15 bemerkt.

VII 56, 2 ut ne metu quidem necessario faciundum existimabat . Madvig schrieb id ne metu quidem; Pauly, Zeitschr. f. d. österr. Gymn. XXVI 602 f. glaubt nachbessern zu sollen id [ne] metu quidem necessario tarnen faciundum existimabat. Im vorausgehenden Paragraphen wünscht Pauly ut vor den Conditionalsatz zu stellen.

VII 69, 5 fossamque praeduxerant. M. Miller, Beiträge 22

122 Römische Historiker.

vermuthet perduxenuit, was Rieh. Müller, Berl. Jahresb. IV 15 mit Recht als unnöthig bezeichnet.

VII 72, 1 Fossam pedum viginti directis lateribus duxit. Nachdem Rüstow die hier angegebene Grabenweite, da sie ohne weiteres Beispiel bei Cäsar ist, als zweifelhaft bezeichnet hatte, findet es M. Miller a. a. 0. 23 »mehr als wahrscheinlich«, dass XV statt XX gelesen werden müsse. Aber es ist schon im Philol. Anz. VII 98 hervorgehoben, dass eine Aenderung bedenklich sei, da mit directis lateribus auch eine be- sondere Eigenthümlichkeit dieses Grabens angegeben ist.

VII 74, 1 ut ne magna quidem multitudine, si ita accidat, [eius discessu] munitionum praesidia circumfundi possent. Die Unhaltbarkeit der bei Dinter und üittenberger eingeklammerten Worte wird von M. Miller a. a. 0. 16 gegen Ritter's Rechtfertigungsversuch auf's Neue dargethan.

VII 81, 4 Nostri ut superioribus diebus, ut cuique erat locus adtri- butus, ad munitiones accedunt. M. Miller a. a. 0. 18 will nach Düb- ner das zweite ut gestrichen wissen.

(Hirt.) VIII 9, 3 imperat loriculam pro hac ratione eius altitu- dinis inaedificari. Madvig's Aenderung von pro hac ratione in pro por- tione findet Pauly, Zeitschrift f. d. österr. Gymu. XXVI 621 »nament- lich dem Sinne nach sehr treffend«, meint aber, »vielleicht gelte das auch« von seiner Aenderung loriculamque h ab ita ratione.

VIII 28, 2 Cuius praeceptis ut res gereretur. Madvig bestritt, dass der Ablativ praeceptis so viel als ut praeceperat bedeuten könne, und schrieb daher mos gereretur; Pauly a. a. 0. schreibt e cuius prae- ceptis ut res gereretur. Aber Madvig's Bedenken wurde schon von Hug, Jahresb. Bd. II 1152 widerlegt.

VIII 36, 1 cum intellegeret, fugato duce altero perterritos reliquos facile opprimi posse, magnae felicitatis esse arbitrabatur, neminem ex caede refugisse in castra, qui de accepta calamitate nuntium Drappeti perferret. Das sinustörende perterritos tilgte nach Vielhaber auch Mad- vig; Pauly a. a. 0. sucht im Hinblick auf das Folgende darin per celerrimos (celeritatem) oder per securos (securitatem) ; derselbe beginnt den folgenden Satz mit et statt mit sed.

VIII 38, 3 concitatorem belli Gutuatrum. Durch die Vergleichung einiger Inschriften wird Robert Mowat, Revue de Philologie I 273 bis 275 zu der Vermuthuug geführt »qu'il s'agit d'un sacerdoce gaulois renouvelable ä certaines epoques. II y a toute apparence que l'auteur des Commentaires, ne comprenant pas la signification du mot gutuater, simple appellatif, l'a eleve au rang de nom propre«.

c) Zum Bellum Civile. 1) C. lulii Caesaris commentarii de hello civili, von Friedrich Kran er. 6. Auflage von Friedrich Hofmaun. Mit zwei Karten von H. Kiepert. Berlin, Weidmann'sche Buchhandlung 1875. VII. 263 S.

Cäsar. 123

Angezeigt von Ignaz Prammer, Zeitschr. f. d. österr. Gymn. XXVUI 263—271. Vg]. Richard Müller, Jahresb. des philol. Vereins zu Berlin IV 7-11.

2) C. lulii Caesaris de bello civili commentarii III. Für den Schul- gebrauch erklärt von A. Doberenz. 4. Auflage. Leipzig, B. G. Teub- ner 1876. XII. 206 S.

Angezeigt von A. Schaubach, Jahrb. f. Philol. und Pädag. CXVI 463 f.; von Ignaz Prammer (mit Kraner's Ausgabe), Zeitschr. f. d. österr. Gymn. XXVUI 263-271.

3) [?] Strenge, Der tendenziöse Charakter der Cäsarischen Me- moiren vom Bürgerkrieg. II. Theil: Die Stellung Cäsar's zur Gegen- partei. Programm des Jobanneums zu Lüneburg 1875. 38 S. 4.

Bereits im ersten Theile dieser Schrift, welcher über die Friedens- gesandtschaften handelte und von Hug, Jahresbericht Bd. II 1172 1175, besprochen worden ist, behielt sich Strenge vor, Erörterungen über die Stellung Cäsar's zu seinen Gegnern und über seine Beurtheilung der Pompeianischen Partei und Armee folgen zu lassen. Diese Frage ist in dem nun vorliegenden zweiten Theile mit Genauigkeit und Umsicht untersucht, aber nicht, ohne dass Strenge auch in seiner Darstellung bisweilen tendenziös verfährt. Manches hat er nämlich für seinen Zweck verwerthet, was nicht als Verletzung der einfachen historischen Treue gelten kann; er fasst den Begriff der Tendenz entschieden zu weit, wenn er S. 35 sagt: »Zugegeben, dass sich der Verfasser von aller und jeder Uebertreibung fern hält, nur Thatsächliches berichtet, so erfüllt doch das Erzählte den bestimmten Zweck, bei jedem ver- ständigen Leser das Urtheil zu befestigen, dass es das grösste Un- glück für den römischen Staat gewesen wäre, wenn die Regierung des- selben bei einem Siege des Pompeius in die Hände solcher Männer, wie sie hier geschildert werden, zurückgefallen wäre; das Schicksal wollte es gut mit dem gewaltigen Reiche, als es für Cäsar bei Pharsalus ent-' schied. Solche Meinung zu verbreiten, solches Urtheil zu erwecken und zu befestigen, das bezweckte Cäsar mit seinen Memoiren; darin gerade besteht die Tendenz seines Werkes«. Eine ausführliche Besprechung der Schrift von Strenge giebt Richard Müller, Berl. Jahresbericht IV 26—29.

4) £d. Rouby, Le siege de Marseille par Jules Cesar l'an 49 avant Jesus -Christ, fitude darcheologie topographique et militaire. Extrait du Spectateur militaire. Paris, Auguste Ghio, editeur. 1874, 2 f., 143 (144) S. 8.

5) I. Gilles, Marseille XLIX ans avant Jesus -Christ d'apres les coraraeutaires de Jules- Cesar, les historiens, les poetes et les geo-

124 Römische Historiker.

graphes de l'antiquite. Paris, Tliorin, libraire-editeur. Marseille, Ca- moin, libraire-editeur. 1875. 42 (43) S. 8.

Beide Schriften sind interessante Beiträge zur sachlichen Erklä- rung namentlich der Capitel 1 16 des IL Buches vom Bürgerkriege. Rouby, Chef d'escadron d'£tat-major, hat seine Studie schon 1868 nieder- geschrieben, und zwar im Auftrage des Kaisers Napoleon als Vorarbeit zum III. Bande von dessen Cäsar. Die Ereignisse der Jahre 1870—1871 verzögerten die Veröffentlichung, welche der Kaiser noch genehmigt hatte. Unter den vier Abschnitten der Schrift, die von der Gründung Massilia's anhebt, ist für die Erklärung Cäsar's namentlich der letzte (S. 89 -142) von Wichtigkeit: Operations du siege de Marseille par Cesar. Zwei trefflich ausgeführte, vom Verfasser selbst entworfene Pläne sind beige- fügt: Marseille en 1850. Marseille au temps de Jules -Cesar.

Gilles hat seine Arbeit in der Hauptsache gegen Rouby 's Schrift gerichtet, wie schon das Urtheil zeigt, das er auf den Titel seines Werk- chens gesetzt hat: M. Rouby n'ayant pas tenu compte des lieux qu'il a si bien decrits, des textes que nul ne possede mieux que lui, a fait du siege de Marseille un livre interessant et instructif, mais un roman. Gilles behandelt die auch von Rouby erörterten Fragen in zwei Ab- schnitten: Topographie, Travaux du siege. Manche allzu kühne Combi- nation Rouby's wird hier zurückgewiesen; wie weit aber doch Gilles von philologischer Akribie entfernt ist, kann ein Blick auf die von ihm abge- druckten Capitel b. c. II 1. 2. 8. 9 lehren.

Eine Mittheilung über die einzelnen Ergebnisse der Schriften von Rouby und Gilles und über die darin befolgte Methode würde die Grenze dieses Berichtes überschreiten. Vergl. Detlefsen, Jahresb. Band VII 334.

Der dritte Abschnitt der S. 111 verzeichneten Quaestiones Caesarianae von B. D int er handelt De extreme commentario de Belle Civili tertio. Wie R. Menge für II 1—16 (vgl. Jahresbericht Bd. II 1169-1172), so sucht Dinter für III 108—112 den Nachweis zu liefern, dass nicht Cäsar der Verfasser sei. Aber während Menge's Versuch weder von Hartz noch von Hug noch von mir gebilligt wurde, hofft Dinter für seine Be- weisführimg, dass der Schluss des b. c. von Hirtius herrühren müsse, allgemeinen Beifall zu finden. Mich hat jedoch der gelehrte Verfasser noch nicht überzeugt. Von den 24 bedenklichen Stellen, welche Dinter anführt, bringt er für sieben (108, 3. 109, 1. 4—6. 110, 5. 6. 111, 2. 112, 1) Parallelen aus Cäsar bei, während er zwei scheinbar ähnliche (110, 1.

111, 6) nicht gelten lassen will. Von den übrigen sind die meisten nicht absolut anstössig, wenige singulär, wie sich überall im b. c. Sin- guläres findet. Für Hirtius kann Dinter nur drei Stellen (110, "6. 111,2.

112, 8) als charakteristisch anführen, und auch diese sind für die An- nahme der Autorschaft desselben nicht zwingend.

Cäsar. 125

6) Hermann US Willmann, Adnotationes qnaedam ad C. lulii. Caesaris relatiouem pugnae Pharsalicae. Gratulationsschrift für das Domgymnasium zu Magdeburg vom Gymnasium zu Halberstadt. 8. S. 4. Willmann erörtert in gründlicher Weise vier Punkte, welche sich auf die Erklärung des HI. Buches des b. c. beziehen. Zu 81, 3 wird S. 3 4 nachgewiesen, dass ille aus grammatischen Rücksichten auf Cäsar bezogen werden kann, aus sachlichen Gründen auf ihn bezogen werden muss. Zu 88, 5 (6) wird S. 4—6 der Beweis versucht, dass Palaephar- salus zwischen dem Enipeus und Apidanus und wohl am Apidanus selbst gelegen war, dass die Schlacht zwischen beiden Flüssen in der Nähe jener Stadt geschlagen wurde, und zwar so, dass der rechte Flügel des Pompeius vom Enipeus gedeckt wurde, während sich der linke ostwärts bis zum Apidanus oder noch über denselben hinaus erstreckte und die Front der Schlachtlinie gegen Süden gerichtet war. 91, 1 Erat Cra- stinus evocatus in exercitu Caesaris. 3 (4) eura electi milites circiter CXX voluntarii eiusdem centuriae sunt prosecuti. Willmann erklärt S. 6— V, Crastinus habe eine Centurie der antesignani befehligt, die aus ungefähr 100 electi milites und aus 20 evocati voluntarii bestand. Zu 94, 3 wird S. 7—8 durch Hinweisung auf b. G. VII 65, 4. VHI 13, 2 gezeigt, dass Germanorum cohortes nur irrthümlich von Florus H 13, 48 erwähnt sind, und dass jene Cohorten, welche nach Cäsar's Bericht in der Schlacht bei Pharsalus den Ausschlag gaben, keine Germanen waren.

Einzelne Stellen des Bellum Civile.

I 1, 2 Referunt consules de re publica in civitate. Statt der letz- ten beiden Worte, die nicht richtig sein können und von Nipperdey ge- strichen wurden, vermuthet Wilh. Heinr. Röscher, Jahrb. f. Philol. CXV 559 incitate, sei es, dass man dies an das Ende dieses Satzes oder an die Spitze des folgenden stelle. Aber am Schlüsse ist incitate auffallend, überdies ziemlich müssig, da die Referate im Folgenden ge- nauer charakterisirt werden. An der Spitze des nächsten Satzes aber erwartet man nicht ein Adverb, sondern den Namen des einen Consuls. Endlich gebraucht Cäsar incitatus in dem hier geforderten Sinne sonst nicht absolut, das Adverb incitate aber überhaupt nicht.

I 14, 1 ut, cum Lentulus consul ad aperiendum aerarium venisset ad pecuniam Pompeio ex senatus consulto proferendam, protinus aperto sanctiore aerario ex urbe profugeret. Die Stelle setzt Cäsar's Glaubwür- digkeit in ein besonders ungünstiges Licht, da sie wie eine vorsichtige Rechtfertigung aussieht gegen den Vorwurf des Einbruchs in das sanctius aerarium, der bei Plut. Caes. 35 bezeugt ist. T. Halbertsma, Mne- mosyne N. S. V 329 sucht Cäsar's Glaubwürdigkeit zu retten, indem er hinter protinus ohne Weiteres non einschiebt.

I 22, 5 ut tribunos plebis in ea re ex civitate expulsos in suam dignitatem restitueret. Die von Diuter eingeschlossenen Worte in ea re

126 Römische Historiker.

hat nach Faenius und Lipsiiis auch Madvig durch iniuria ersetzt, wofür Pauly, Zeitschrift f. d. österr. Gymn. XXVI 621 siue iure vorschlägt.

I 23, 3 pauca apud eos loquitur, quod sibi gratia relata non Sit. Statt die allerdings künstliche Erklärung des Satzes mit quod nach loquitur anzunehmen, verrauthet Halbertsma a. a. 0. 331, dass que- ritur nach loquitur ausgefallen sei.

I 39, 2 parem ex Gallia numerum, quam ipse pacaverat, nomina- tim - evocato; hinc optimi generis hominum . M. Miller, Beitr. 19 findet »eine Aenderung der Worte der Vulgata quem ipse paraverat unnöthig«; aber es fragt sich doch, ob eine Aenderung der handschrift- lich überlieferten Worte quam ipse pacaverat nöthig sei. Mit dem Sca- ligeranus schreibt Miller huic (nämlich numero) statt des unverständ- lichen hinc und nimmt nach Anderen den Ausfall einer Zahl an, von welcher der partitive Genetiv hominum abhänge. Am Ende des Satzes ergänzt Miller addiderat, das vor einem den folgenden Satz beginnen- den audierat ausfallen konnte und auch schon von E. Hoffmann vermuthet wurde. Statt ipse möchte Miller proxime lesen.

I 48, 5 Tempus quo neque frumenta in hibernis erant . Die handschriftliche Lesart hibernis, die auch Dinter im Texte beibehalten hat, sucht M. Miller a. a. S. 20 zu rechtfertigen, was Eich. Müller, Berl. Jahresb. IV 14 missbilligt.

I 52, 3 et tam paucis diebus. Pauly, Zeitschrift f. d. österr. Gymn. XXVI 622: ita in paucis diebus.

J 62, 1. 2 ut equites possent tamen atque auderent flumen tran- sire, pedites vero tantum modo humeris extare. M. Miller, Bei- träge 19 empfiehlt »Hofmann's Vorschlag« extarent, der schon im Leid. I überliefert ist und auch bei Dinter im Texte steht.

I 64, 8 (7) magnaque ad vadum fluminis mora interposita. Pauly, Zeitschrift f. d. österr. Gymn. XXVI 622: maguaque ad mo dura.

I 71, 3 sui timoris Signa misisse. Madvig: signa dedisse; Pauly a. a. 0.: timoris ignaviaeque signa dedisse.

I 71, 4 Quod si iniquitatem loci timeret, datum iri tamen aliquo loco pugnandi facultatem. Madvig theilweise nach Ciacconius: datum iri iam aequo loco; Pauly a. a. 0.: iam aliquaudo aequo oder alio atque aequo oder alio eoque aequo oder alio eoque aequiore loco!

I 80, 4 Qua re animura adversa Caesar f relictis legiouibus sub- sequitur, praesidio impedimentis paucas cohortis relinquit. Wolf fei emen- dirte relictis in delectis. Pauly, der diesen Vorschlag wohl nicht kannte, wiederholt ihn a. a. 0. 624, indem er minder passend electis empfiehlt.

I 81, 3 Uli animadverso vitio castrorum tota nocte munitiones pro- ferunt castraque castris convertuut. Madvig nach Ciacconius: conferunt; Pauly a. a. 0. 623: castellaque castris connectunt oder castra- que castellis connectunt oder couiungunt oder communiunt oder »dergleichen«!

Cäsar. 127

I 81, 3 (4) et praesenti malo aliis malis remedia dabantur. Mad vig: remediabantur; Pauly a. a. 0.: remedia meditabantur.

I 82, 3 quod spatii brevitas etiam in fugam coniectis adversariis non miütum ad summam victoriae iuvare poterat. Mad vig: quod spatii brevitate - non multum ad summam victoria iuvare poterat; Pauly a. a. 0.: quod spatii brevitate (»vielleicht sogar« ob spatii brevi- tatem) non multum ad summam victoriae iuvari i)oterat.

I 85, 6 neque tot tantasque classis paratas. Eine Flotte wurde nicht nach Spanien geschickt; statt des unhaltbaren classis schrieb Mad- vig: cohortes alasque paratas; Pauly a. a. 0.: tot tormenta atque alias res paratas. Viel ansprechender ist N. Wecklein's Verrauthung, Jahrb. f. Philol. CXIII 234: tot tantasque cohortes alarias.

II 4, 4 ut invisis [latitatis] atque incognitis rebus magis confidamus vehementiusque exterreamur. Die Streichung von latitatis billigt M. Mil- ler, Beiträge 21, ohne etwas zur Begründung beizubringen; vehemen- tiusve vermuthet Karl Schnelle, Jahrb. f. Philol. CXV 562.

II 8, 3 ut est rerum omnium magister usus, hominum adhibita solertia inventum est. Ich erinnere Philol. XXXVII 425, dass der Zu- sammenhang nicht nach usus, sondern nach solertia die Interpunction fordere. Daselbst rathe ich auch die in einigen neueren Ausgaben ver- lassene Interpunction II 18, 5 qui verba habuissent, eorum bona in publicum addicebat zurückzuführen.

II 10, 1 musculum pedes LX longum ex materia bipedali, quem a turri latericia ad hostium turrim murumque perducerent, facere institue- ruut. M.Miller, Beiträge 21 erklärt sich für die handschriftliche Les- art pedum mit Tilgung von longum, hält übrigens nach Anderen die Zahl LX für unrichtig. Da Cäsar perducere nur bei feststehenden Gegenstän- den gebraucht, soll hier producerent gelesen werden.

II 11, 3 non datur liberamuri defendendi facultas. Schnelle, Jahrb. f. Philol. CXV 562 vermutliet non datur ultra.

II 16, 3 tormentorum usum - spatio propinquitatis interire. M ad- vig: spatii propinquitate; Pauly, Zeitschrift f. d. österr. Gyran. XXVI 624: spatii propinqui brevitate.

II 17, 2 neque se ignorare, quod esset officium legati, qui fidu- ciariam operam obtineret, quae vires suae, quae voluntas erga Caesarem totius provinciae. [J.j Sörgel, Blätter f. d. bayer. Gymn. und Real- schulw. XI 311 vermuthet nach Kraner-Hofmann richtig, dass ein zweites neque ausgefallen sei, das er vor quae voluntas, Hofmann und Rieh. Müller, Berl. Jahresb. IV 34 wohl passender vor quae vires einfügen möchten.

II 34, 2. 3 Simul ab sinistro cornu cernebantur. Ad eos Curio mittit. Mad vig: simul - cernebantur et ad eos mittit. Pauly, Zeitschrift f. d. österr. Gymn. XXVI 624: simul ac (oder et si- mul ac) cernebantur, ad eos ~ mittit.

128 Römische Historiker.

III 9, 2 Est autem oppidum et loci natura et coUe munitum. Das erste et fand schon Doberenz befremdlich; M. Miller, Beiträge 23 streicht es, was Rieh. Müller, Berl. Jahresb. IV 15 billigt; damit stimmt auch Röscher, Jahrb. f. Philol. CXV 559, der entweder et vor loci natura zu tilgen, oder opere statt colle zu schreiben empfiehlt.

III 10, 8. 9 Condiciones pacis Romae ab senatu et a populo peti debere. Interea et reipublicae et ipsis placere oportere . M ad- vig änderte: Id Interesse reipublicae; Pauly, Zeitschrift f. d. österr. Gymn. XXVI 624: - peti. Et id debere interesse reipublicae.

III 10, 10 oraues suas terrestres urbiumque copias dimissurura. Röscher, Jahrb. f. Philol. CXV 560 meint, vor dimissurum müsse prius ausgefallen sein ; von urbium copiae könne Cäsar reden, da er Oricum und ApoUonia zwar noch nicht besass, aber auf deren Gewinnung rechnen durfte und überdies Brundisium und Salonae besetzt hielt.

III 11, 1 antequam de mandatis agi inciperetur. Gegen diese von Kraner - Hofmann und Dittenberger aufgenommene Vermuthung Nipper- dey's wird das handschriftliche inciperet als einzig richtig vertheidigt von Madvig, Kleine philologische Schriften 364. Vergl. P. Harre, Berl. Jahresb. III 396.

III 13, 5 ut castellis vigiliisque bene meritae civitates tutae esseut [praesidio]. In dem schon von P. Manutius gestrichenen praesidio glaubt Schnelle, Jahrb. f. Philol. CXV 564 ein Verbum wie providet suchen zu müssen.

III 16, 4 Pompeii summam esse ac fuisse seraper voluntatem, sed potestatem eins rei nullara habere, propterea quod de consilii sen- tentia summam belli rerumque omnium Porapeio permiserint. Der in dem Satze enthaltene Widerspruch zeigt, dass Pompeii, was Nipperdey "beibehielt, unhaltbar ist. Während bei Kraner-Hofmanu und Dinter Pompeii gestrichen und summam suam geschrieben wird, will Röscher, Jahrb. f. Philol. CXV 561 Pompeianis summam esse lesen.

IH 19, 2 de pace duo legatos mittere. Röscher a. a. 0. empfiehlt tuto, was schon Vossius fand und Dinter im Texte hat.

III 38, 4 in his fuit M. Opimius. Röscher a. a. 0. vermuthet unus fugit, was G. Velke in einer Marburger Promotionsthese 1877 (wo im Vorausgehenden auch cognitis hosti insidiis acceptirt wird) wiederholt.

III 44, 4 ut nostri perpetuas munitiones habebant perductas ne Pompeiani adorirentur [timebant], ita illi perpetuas munitiones efficiebant. Diese Lesart seiner Ausgabe rechtfertigt Dinter, Philol. XXXIV 720f. ; dafür spricht auch M. Miller, Beiträge 23. Dagegen vermuthet Pauly, Zeitschrift f.d. österr. Gymn. XXVI 624 studebant perducere; Schnelle, Jahrb. für Philol. CXV 562 hält timebant für acht, liest efficiebant statt habebant und schiebt nam vorne ein.

III 44, 6 Quae cum erant loca . Diese Worte sucht M.Miller,

.^^ Cäsar. 129

Beiträge 24 zu rechtfertigen, indem er sie nach Endler auf § 2 bezieht. Madvig las nach Bentley quaecumque; Pauly a. a. 0. 625 liest atque cum. Schnelle a. a. 0. 563 transponirt: cum qua erant loca.

III 48, 1 qui fuerant f valeribus. Madvig besserte: vivebant (vesce- bantur) oleribus; Pauly a. a. 0. ändert: fruebantur oleribus.

III 54, 2 alteram noctem subnubilam nactus. M. Miller, Bei- träge 25 vermuthet secundam (»günstig«) statt alteram, was schon Eich. Müller, Jahresb. IV 16 als willkürlich bezeichnet hat.

III 54, 2 obstructis omnibus rebus castrorum portis et ad impe- diendum obieciis. Nipperdey hat rebus eingesetzt. Schnelle, Jahrb. f. Philol. CXV 563 transponirt: obstructis castrorum portis et omnibus ad impediendum obiectis, belegt aber diesen Gebrauch des Neutrum nur aus Hirtius b. G. VIII 20, 2.

III 66, 7 ita complures dies inania manserant castra. So Mad- vig; Pauly, Zeitschr. f. d. österr. Gymn. XXVI 625: manserant castra inania!

III 69, 4 alii diraissis equis eundem cursum coufugerent. M. Miller, Beiträge 25: dimissis armis eodem cursu confugerent oder »gar« infestis signis. Dinter, Philol. XXXIV 721: dimissis capulis (Griffe der Feldzeichen). Pauly, a.a.O.: dimissos equos aequan- tes cursu fugerent oder dimissis equis aequando cursu fugerent. Schnelle, Jahrb. f. Philol. CXV 563: non dimissis signis eundem cur- sum fugerent (signis schon Oehler). Nichts befriedigend.

III 71, 3 neque in litteris, quas scribere est solitus . Madvig nach Bergk: sed in litteris nunquam scribere; Schnelle a. a. 0. 564: ascribere. Pauly a. a. 0. liest sed in litteris, quas ad senatum scribere est solitus, nunquam addidit neque in fascibus .

ni 75, 3 sed eadem spectans. M. Miller, Beiträge 26 ex- spectans, was Rieh. Müller, Berl. Jahresb. IV 16 verwirft. Dinter schon früher: sed eadem uocte expectans.

III 81, 2 qui magnis exercitibus Scipionis tenebantur. Madvig: magnis coerciti copiis; Pauly, Zeitschr. f. d. österr. Gymn. XXVI 625 : vi magna exercitus oder manu magna oder vi magna coerciti, a Scipione tenebantur.

III 81, 3 hat M. Miller, Beiträge 27 mit dem gleichen Ergeb- niss, aber mit weniger genügenden Gründen besprochen wie "Willmann, vergl. oben S. 125.

III 83, 3 tabellas dari ad iudicandum iis, qui ordinis essent sena- torii belloque una cum ipsis interfuissent seutentiasque de singulis fer- rent. So schreibt Dinter nach Nipperdey und rechtfertigt, Philol. XXXIV 723 diese Auffassung des letzten Sätzchens als eines noch von qui abhängigen Relativsatzes, da Cäsar, wie S. 723 728 nachgewiesen wird, beim Uebergange vom Infinitiv zu einem von demselben Verbum

Jahresbericht für Alterthums-Wisseiischaft 1877. II. 9

130 Römische Historiker.

abhängigen Coujunctivsatze das Asyndeton anwendet oder proinde setzt ; nur b. G. I 45, 1 und II 10, 4 steht et, b. c. I 86, 2 neque.

III 103, 1 partim quos delegerat, partim coegerat, quosque

existimabat. Pauly a. a. 0.: quos partim delegerat, partim

coegerat aut quos existimabat.

III 109, 5 alter accepto vulnere occupatus per suos pro occiso sublatus. Schnelle, Jahrb. f. Philol. CXV 564 setzt pallore vor occupatus ein.

d) Zu den Fragmenten und den unächten Schriften.

1) C. luli Caesaris commentarii cum A. Hirti aliorumque supple- meutis. Recognovit Bernardus Dinter. Vol. III. Commentarii de hello Alexaudriuo, Africano, Hispaniensi. Caesaris Hirtique fragmeuta. Lipsiae in aedibus B. G. Teubneri MDCCCLXXVI. VI. 311 S.

Die Vorrede zu diesem Schlussbande der zur Bibliotheca Teubne- riana gehörigen Ausgabe Cäsar's von B. Dinter ist mehr denn sechs Jahre später datirt als jene zum zweiten Bande. Wir erfahren vom Her- ausgeber, dass der Druck des Textes schon drei Jahre vorher abgeschlos- sen war, und dass nur die Vollendung des S. 163 - 309 füllenden Index nominum et rerum quae in omuibus commentariis et fragmentis leguutur, welche endlich von Richard Sachse übernommen wurde, das Erscheinen des Bandes verzögert hat. Daher erklärt es sich, dass der Ertrag der trefflichen Schrift von Fröhlich, das bellum Africauum sprachlich und historisch behandelt (Brugg 1872), der vorliegenden Ausgabe nicht mehr zu Gute kam. So war der Herausgeber, abgesehen von H. A. Koch's Beiträgen, Rhein. Mus. XVII 477-480 und 625—627, in der Hauptsache auf Nipperdey's Ausgabe und Quaestiones, auf Kraner und E. Hoffmann augewiesen. Eine durchgehende Vergleichuug des Textes von Dinter ist au diesem Orte nicht möglich; als Probe mag auf jene Stellen des b. Hisp. hingewiesen werden, welche Nipperdey mit dem Zeichen der Verzweiflung versehen hatte. Keine einzige von diesen hat Dinter un- versucht gelassen; nur 41, 1 ist das Kreuz vor praesidium ohne Weiteres entfernt, da hier eine genügende Erklärung des Textes möglich ist. 7, 1 und 8, 1 ist durch die Aenderung von oppidum in oppugnandum, inopem in iupeditam, 14, 4 durch Umgestaltung von ut cousuessent in et constitissent geholfen, ebenso 29, 1 durch die Verwandlung von auxilia in praesidia, 41, 2 (3) durch die Lesung inpediret statt appeteret. In allen übrigen Fällen bedurfte es stärkerer Mittel, um wenigstens einen les- baren Text zu gewinnen: 1, 1. 1, 5. 2, 1. 6, 2. 14, 1. 18, 1. 8. 25, 2. 6. 29, 6. 38, 4. 40, 4. 41, 1. 4 waren mannigfache, zum Theil recht künstliche, auch mit Aenderuugen und Streichungen verbundene Zusätze nöthig, um die corrumpirteu Worte verständlich zu machen. 7, 5 (6) hat auch Dinter auf die Ausfüllung der angenommenen Lücke verzichtet. Bei diesen Emendationen ist Dinter mehrfach der Vulgata, noch

Cäsar. 131

häufiger den Vorschlägen, die Nipperdey und Koch gemacht hatten, oder auch eigener Verrauthung gefolgt.

Die Sammlung der Fragmente des Cäsar und Hirtius, wie sie bei Dinter S. 118 -158 und S. 159 -162 vorliegt, beruht natürlich in ihrem Bestände und in der Anordnung auf Nipperdey's Ausgabe. Aber diese Grundlage hat Dinter mit selbständigem Urtheil benutzt und aus eigener Forschung ergänzt. Die Stelle des Emporius bei Halm, Rhet. Lat. min. S. 568, hat Dinter in den Abschnitten über die Reden im All- gemeinen S. 120 und über die Rede gegen Dolabella S. 121, jene de dub. nom. bei Keil Gr. Lat. V S. 575 zu den Büchern de analogia S. 130, ferner zwei Stellen aus den Lucauscholien zu dem Buche de com- putatione S. 133 nachgetragen, wobei jedoch die Commenta Bernensia ed. Usener S. 323 verglichen werden mussten. Von zahlreichen bei Nipperdey nur in den Noten citirten Stellen hat Dinter den ganzen Wort- laut mitgetheilt. Während Nipperdey nur solcher Reden in seiner Samm- lung gedachte, von denen feststeht, dass Cäsar sie aufgezeichnet hat, be- rücksichtigt Dinter auch die aus Cic. ad Att. XII 21, 1 und Plut. Cic. 7 bekannte Rede Cäsar's über die Verurtheilung der verhafteten Catilina- rier (vgl. Sali. Cat. 51) S. 122 und eine von Suet. d. lul. 66 erwähnte Rede an die Soldaten in Afrika S. 124. In dem Umfange der ausgeho- benen Stellen weicht Dinter mehrfach von Nipperdey ab. Passejid sind bei den Citaten aus Dial. de or. die Redner, denen die angeführten Worte in den Mund gelegt sind, genannt. Dagegen ist es unbequem, dass die Citate nicht immer genau sind, z. B. bei den Rhet. Lat. min. bisweilen nur die Seitenzahl, bei Gellius manchmal nur die Capitelnum- mer citirt wird. Leider sind nicht immer die besten Texte verglichen, Fronte wird nach der ersten römischen Ausgabe citirt, auch Halm's Quin- tilian und Hertz's Gellius scheinen noch nicht benutzt zu sein (die neuen Recensionen des Asconius, Velleius und der Panegyrici sind erst später erschienen). Selbst wenn der Wortlaut in den neuereu Texten nicht ab- weicht, so erwächst doch dem Leser durch die Nothwendigkeit des Nach- schlagens eine unwillkommene Mühe. S. 144 ist es begegnet, dass die Stelle aus Cäs. b. G. V 48, 3 nicht nach Dinter's eigener Recognition, sondern nach Nipperdey mitgetheilt ist. S. 149 wird Hirt. b. AI. citirt, während S. 1 die Ueberschrift einfach Bellum Alexandrinum lautet, ohne dass der Name Hirtius auch nur etwa in Cursivschrift beigefügt wäre. Doch genug der Einzelheiten.

Dinter's Bearbeitung der Fragmente ist wie die Recognition der drei pseudocäsarischen bella mit der kundigen Sorgfalt ausgeführt, die man von diesem Gelehrten erwarten durfte. Es ist nur zu bedauern, dass dem vorliegenden Bande nicht eine ähnlich ausführliche Discrepantia scripturae wie den beiden das b. Gall. und civ. enthaltenden Bänden vor- angestellt ist. Auf Dinter's Beliandlung einzelner Stellen, namentlich des b. Hisp. wird im Folgenden noch Rücksicht genommen werden.

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132 Römische Historiker.

Hier raiiss noch die Vermuthung mitgctheilt werden, welche Emil Bährens, Jahrb. f. Philol. CXIII 596 zu einem poetischen Fragment Cäsar's S. 157 bei Dinter veröffentlicht hat. In dem vorletzten der von Suet. v. Ter. S. 34 bei Reifferscheid überlieferten Verse Cäsar's wird neve hac despecte ex parte iaceres statt despectus parte vorgeschla- gen und für diesen Gebrauch des Vocativ auf Verg. Aen. II 282 ver- wiesen; zur Würdigung der Ueberlieferung ist zu vergleichen Ritschi bei Reifferscheid S. 526.

2) C.Fleischer, Observationes criticae de belle Hispaniensi. Programm der Fürsten- und Landesschule zu Meissen 1876. 27 S. 4.

3) losephus Degenhart, De auctoris belli Hispaniensis elocutione et fide historica. Diss. inaug. Wirceburgi in aedibus Ädal- berti Stuberi 1877. 4 Bl., 79 S.

4) Albr. Koehler, De auctorum belli Africani et belli Hispaniensis latinitate: Acta seminarii philol. Erlang. Vol. I. Er- langae in aedibus A. Deicherti MDCCCLXXVm. S. 367—471 (473 bis 476).

Die drei Abhandlungen, welche hier nach der Folge ihres Erschei- nens verzeichnet sind, berühren sich vielfach und dienen einander zur Ergänzung. Fleischer's Schrift ist sowohl von Köhler als von Degenhart benutzt worden. Diese beiden Verfasser aber haben unabhängig von einander gearbeitet. Doch konnte Köhler in den Nachträgen noch einiges aus Degenhart's Dissertation mit seiner eigenen Darstellung vergleichen.

Köhler 's Abhandlung wird in einem Berichte über lateinische Grammatik ausführlicher als in dem vorliegenden zu besprechen sein. Denn wie der Verfasser von dem bekannten Aufsatze seines Lehrers E. Wölfflin, Philol. XXXIV 137—165, über Vulgärlatein die Anregung zu seiner Arbeit empfangen zu haben gesteht, so bezeichnet er S. 367 als sein Thema: quid ex commentariis belli Africae et belli Hispaniensis redundet ad cognitionem sermonis latini vulgaris. In drei Hauptabschnit- ten: de copia verborum, de syntaxi, de elocutione, welche in sich wieder wohlgegliedert sind, behandelt der Verfasser seinen fleissig gesammelten Stoff' mit strenger Methode und in lichtvoller Darstellung. Ist der Nach- weis des Vulgarismus bei den einzelnen Wörtern, Structuren und Wen- dungen bisweilen auch etwas weitläufig geführt, so lässt man sich doch gerne durch die Umsicht des Verfassers leiten. Nur vereinzelt finden sich kleine Versehen, wie wenn S. 469 Pallad. ins. 60 mit dem poetischen Gebrauche von manus statt rami den Dichtern gegenübergestellt wird, während dieser scriptor rei rusticae gerade in dem Buche de insitione mit der metrischen Form auch dichterischen Ausdruck gewählt hat. Die ein- schlagende Literatur ist sorgfältig benutzt, doch konnte z. B. S. 455 J. N. Ott's Rottweiler Programm 1874 S. 9 verwerthet werden ; und S. 422

Cäsar. 133

würde sich eine Bemerkung des Verfassers modificirt haben, wenn er Ott's Abhandlung über den Ablativus gerundii in der Festschrift der württembergischen Gymnasien für die Universität Tübingen 1877 S. 30f. beachtet hätte. Aber nicht nur zur Kenntniss der Vulgärspraclie , son- dern auch zur Erklärung und Kritik zahlreicher Stellen der von ihm durchforschten Schriften hat Köhler schätzenswerthe Beiträge geliefert, indem er theils durch richtige Verwerthuug seines Materials zweifelhafte Punkte entscheiden, theils probable neue Vorschläge machen konnte.

Gelegentlich wird auch die Exegese der Schriften Cäsar's gefördert oder eine Emendation versucht; b. Gall. II 19, 2 soll, wie Köhler S. 433 ausführt, hostibus adpropinquabat statt ad hostis gelesen werden. Der Gebrauch von infinitus b. Gall. V 12, 3. VI 10, 5. 43, 5 wird S. 463 treffend erläutei't. Ueber die absolute Anwendung von appellere ohne navem b. civ. 11 23, 1 wird S. 456 eine Bemerkung gemacht u. s. w.

Zur Textkritik des b. Afr. hat Köhler Folgendes beigesteuert: 4, 3 simulatque cum wird S. 421, ferner 40, 5 und 50, 4 (3) postquam cum S. 420 mit Nipperdey und Dinter gerechtfertigt. Gegen diese beiden Herausgeber wird 36, 2 ex oppido Thisdrae und 87, 1 ad oppidum Pa- radae nach allen Handschriften S. 424 geschützt; ebenso 20, 4 importa- ticio mit den meisten Codd. S. 376 und 38, 4 (3) postquam animadver- terant mit den besten Codd. S. 420. Endlich wird nach den drei besse- ren Handschriften 73, 4 (3) rapsaret statt raptaret S. 375 empfohlen.

Zahlreicher sind die besprochenen Stellen des b. Hisp.; weiterhin werden dieselben verzeichnet werden.

Mit gleichem Fleisse wie A. Köhler in der Sammlung, wenn auch nicht mit gleicher Sicherheit in der Beherrschung des Stoffes und minder glücklich in der Anordnung und Darstellung hat J. Degenhart im er- sten Theile seiner Dissertation (S. 1 43) die sprachliche Seite des b. Hisp. behandelt, nicht um in erster Linie die Kenntniss des Vulgär- latein zu fördern, sondern um zunächst den Autor richtig zu würdigen, indem er untersucht, utrum elocutionis proprietates scriptori soli pecu- liares au ad vulgarem sermonem referendae essent. Auffallend ist eine Aeusserung des Verfassers S. 3, wonach es scheinen könnte, als betrachte er die Reden als diejenigen Schriften Cicero's, in welchen vorwiegend der Vulgarismus zum Ausdruck komme; doch ergiebt schon eine Andeu- tung S. 5 und die ganze Durchführung seiner Aufgabe, dass er die rich- tige Ansicht über das Wesen und die Spuren des Vulgärlatein theilt. Im Einzelnen lassen sich Degenhart's Erklärungen natürlich eigänzen. In praesentia erklärt Degenhart S. 12 als neutr. plur., indem er tempora supplirt; ebenso fasst es offenbar Köhler, da er S. 455 in praesentia unter den absolut gebrauchten Adjectiven auffuhrt. Aber an sämmt- lichen von beiden Verfassern citirten Stellen ist in praesentia als Ablativ des Substantivs zu verstehen. Auf diese Erklärung fühil überhaupt Cors- sen, Ausspr. II 869, dieselbe giebt Dräger H. S. I 491. Statt in prae-

]34 Römische Historiker.

sentia stellt bekanntlich auch in gleichem Sinne in praescnti, dem mit anderer Bedeutung in praesens entspricht. Vgl. auch Wölfflin, Jahresb. Bd. 11 1C60. S. 19 hebt Degenhart den auffälligen Gebrauch des Qualitätsablativ 3, 3. 30, 4 hervor; analoge Stellen verzeichnet und bespricht Nipperdey Opp. S. 173. Bei der Besprechung von quod c. coni. statt des acc. c. inf. S. 32 durfte die Stelle b. civ. I 23, 3 nicht mit Stillschweigen übergangen ^Yerden.

Neues zur Constituirung des Textes bietet Degenhart nicht; doch pflegt er zu dem neuesten Texte von Dinter Stellung zu nehmen. So wird 36, 2 die von Koch vorgeschlagene, von Dinter acceptirte Einschie- bung von fore, Avodurch die Verbindung von animadvertere mit ut besei- tigt werden soll, S. 32 mit Eecht verworfen. Zweifel an der Richtigkeit der auch von dem neuesten Herausgeber festgehaltenen Ueberlieferung 21, 3 (nicht 24) werden S. 21 angedeutet, lieber andere von Degeuhart beurtheilte Stellen wird unten berichtet werden.

Im zweiten Theile seiner Schrift (S. 44-79) handelt Degenhart de fide historica auctoris belli Hispaniensis und weist, indem er Schritt vor Schritt dem Gange der Erzählung folgt, überzeugend nach, dass der un- bekannte Autor seinen Parteistandpunkt als Cäsarianer nirgends verläug- net. Das Heer Cäsar's wird mit ganz anderer Anerkennung behandelt als das des Pompeius; minder erfreuliche Momente in Cäsar's Feldzug werden übergangen, bei den Gegnern werden eben diese betont; die Motivirung der Thatsachen ist bisweilen unverkennbar gefälscht; die Er- folge Cäsar's werden nicht nur durch gehobene Darstellung, sondern auch durch Uebertreibung in Zahlenangaben vergrössert, die erlittenen Nach- theile als möglichst unbedeutend geschildert, doch lässt sich nicht nach- weisen, dass der Autor irgend etwas fingirt habe. Ist demnach seine Schrift auch nur mit grosser Vorsicht zu benutzen, so rnuss sie doch als die relativ vollständigste Relation über Cäsar's spanischen Krieg für die Hauptqueile angesehen werden. Mit diesem Ergebniss der Untersuchung wird mau einverstanden sein müssen, auch wenn man hier und da etwas schärfer gefasst oder umfassender und gründlicher durchgeführt wünscht. So war z. B. S. 59 Flor. II 13, 86 foedum etiam in barbaros nach der besten Ueberlieferung (nicht inter barbaros) zu citiren und nach der bekannten Vorliebe des Florus für Spanien zu beurtheilen; vgl. Philol. XXXVII 145. Ferner durfte S. 55 Frontin. strat. III 14, 1 nicht übersehen werden. Endlich scheint es unkritisch, wenn S. 69 Appian, Plu- tarch, Velleius, Florus, Orosius, Eutrop, Sueton und Dio als ebensoviele Zeugen, deren Aussagen neben einander Geltung haben, aufgeführt wer- den, ohne dass dieselben möglichst nach ihrer Verwandtschaft gruppirt sind und der relative Werth der einzelnen erwogen wird.

C. Fleischer beabsichtigte ursprünglich, wie es nach ihm Köhler und Degenhart ausgeführt haben, den Sprachgebrauch des b. Hisp. im Vergleiche mit anderen Autoren des Vulgärlatein zu erörtern. Das Be-

Cäsar. 135

dürfniss eines zuverlässigeren Textes bewog ihn zunächst durch sorgfäl- tige Emendatiou eine festere Grundlage zu schaffen. Diese kritischen Studien hat Fleischer in dem vorliegenden Programm niedergelegt, wobei er zugleich manche Punkte des Sprachgebrauchs in treffender Weise be- handelt, wie dies Köhler und Degenhart mehrfach ausdrücklich anerkannt haben. Die von Fleischer kritisch besprochenen Partien des Textes sind im Folgenden aufgeführt.

Einzelne Stellen des Bellum Hispaniense.

1, 5 wird von Fleischer S. 3 hoc crebris nuntiis gegen frühere Herausgeber, weiche ob hoc wollten, und gegen Nipperdey, der crebrius schrieb, geschützt. Die Ausgabe von Dinter, welche hier an Nipperdey sich anschliesst, konnte von Fleischer noch nicht benutzt werden.

2, 1 liest Fleischer S. 3 multis ante iter rebus confectis cum celeri festinationead— , und zwar ante iter rebus confectis, was Köhler S. 421 ausdrücklich billigt, nach Oudendorp; celeri festinatione, was auch Degenhart S. 3 gutheisst, mit der Vulgata (nicht ex egregia Duebneri emendatione, wie Köhler S. 446 sagt). Dinter schreibt multis itineribus nocte dieque confectis (nach Koch) cum celeri festi- natione ad .

2, 3 (2) schützt Fleischer S. 5 qui ex provincia fuisset gegen Koch und reiht au die Behandlung dieser Stelle eine treft'liche Erörterung über den Coni. plusq. in Relativsätzen im b. Hisp.; vgl. Köhler S. 418; Degenhart S. 28.

3, 8 (9) vertheidigt Fleischer S. 6 unter Degenhart's Beifall S. 29 existimant gegen Nipperdey, dem auch Dinter gefolgt ist, und streicht p r 0 p e vor captos, während Dinter mit der Vulgata prope vor magna tilgt.

4, 5 (4) vermuthet Köhler S. 445 itaque facit et iter facere coepit. Dinter schreibt nach Nipperdey itaque facit: [ut] .

5, 5 liest Fleischer S. 8 ab utrisque comminus pugna iniqua inita. Das hier eingefügte inita steht nach einer geringen Handschrift in Ouden- dorp's Text und anderen Ausgaben statt iniqua. Dinter schreibt com- minus commissa pugna iniqua.

6, 1 will Fleischer S. 8 ita ad firmissimum eins praesidium Ate- guam proficiscitur lesen, was Degenhart S. 21 bekämpft. Dagegen schützt Fleischer S. 9 mit Köhler's S. 427 und Degenhart's S. 21 Billigung die überlieferten Worte 35, 4 rursus Hispalim oppidum recipitur, während Nipperdey und Dinter nach Oudendorp Hispalim in oppidum schreiben.

7, 2 (3) schützt Fleischer S. 10 loca natura edita ad rem mili- tarem gegen Koch's Conjectur expedita, welcher Dinter folgt.

7, 5 verlangt Fleischer S. 10 consistebaut. . . . auxiliares . . .; ähnlich schreibt Dinter consistebaut. Auxiliares .... Weiterhin for- dert Fleischer: nam (namque) [de] levi armatura, wie er auch 24, 4 (3)

136 Römische Historiker.

statt quo de facto quo facto oder quo peracto schreiben möchte, wogegen sich Degenhart S. 23 erkLärt.

9, 2 verlangt Fleischer S. 11 und schreibt Dinter: ita hac fretus opiuione.

14, 4 qui cum aliquo loco a nostris recepti essent et consti- tisseut, eximia virtute clamore facto adversarii proelium facere coeperunt. So liest Fleischer S. 11, indem er et constitissent von Krauer entlehnt, dem auch Dinter hierin folgt, und von Koch adversarii, was Degenhart S. 45 schlagend zurückweist. Dinter schreibt oben excepti.

15, 6 schützt Fleischer S. 13 sicuti apud barbaros gegen Koch.

16, 3 (2) vermuthet Köhler S. 421 mit Koch stabat in acie statt ibat und empfiehlt die Umstellung ultra flumen Salsum stabat.

17, 2 liest Fleischer S. 14 qui neque in illius prospera fortuna aciem priraam, neque in adversa secundam obtinuimus.

17, 3 liest Köhler S. 375 mit Koch und Dinter teloruraque missus exceptantes statt expectantes.

18, 1 vermuthet Fleischer S. 15 Remissis legatis cum ad portara venissent, introiit Tullius et cum introeuutem Cato Lusitanus inse- cutus non esset, revertit ad portam, ubi homo eum apprehendit. Quod Tullius . Dinter schreibt: venissent, Ti. Tullius prior in oppi- dum ingressus est, et cum introeuntem Cato Lusitanus insecutus non esset, revertit ad portam et hominem adprehendit .... Quod Ti- berius .

18, 3 wird suo signo von Fleischer S. 16 und Degenhart S. 19 als Dativ von perisse abhängig gefasst. Auch in den folgenden Worten neque' licere castris Cn. Pompei nuntiare neque dicere, perisse quem- quam erklärt Degenhart S. 18 castris als Dativ von nuntiare regiert. Köhler S. 430 (vgl. 474) vermuthet enuntiare [neque dicere] .

18, 5 (6) schlägt Köhler S. 443 vor nuntiarunt, quod Pompeius contionem habuisset. Im Folgenden rechtfertigt Fleischer S. 16 se de- ducerent gegen Koch und verzeichnet bei dieser Gelegenheit eine Reihe militärischer Ausdrücke, welche entweder ausschliesslich oder zuerst im b. Hisp. gebraucht sind.

18, 8 Ita funestae turri ligneae cum propius accessisset. So schreibt Fleischer S. 17, indem er funestae nach eigener Verrauthung, turri ligneae nach Davies setzt. Dinter schreibt Ita fune crure deli- gato (nach Goduin) cum propius unus accessisset.

23, 2 tritt Köhler S. 422 gegen Nipperdey für die Ueb erlief er ung dum distenti essent ein, die auch Dinter bewahrt hat. Ebenda schlägt Fleischer S. 18 decucurrerunt. Necopinantibus - vor. Dinter schreibt mit Schneider und Koch nee defugientibus.

26, 7 (6) schützen Fleischer S. 18 und Köhler S. 430 das über- lieferte animo habeo gegen Nipperdey (und Dinter).

Cäsar. 137

27, 2 fasst Fleischer S. 18 circum als Adverb und schreibt ca- stellis praeesse; vgl. dagegen Köhler S. 456.

28, 1 verlangt Köhler S. 387 nach dem Usns des Autors inse- quenti die, ebenso 37, 2 coufestira insequentes.

29, 1 wird Nipperdey's Trausposition von oppido et excelsi loci natura von Fleischer S. 19 und Dinter gebilligt; auxilia im Sinne von copiae wird gegen Nipperdey's Vorschlag praesidia, welchen Dinter an- genommen hat, von Fleischer vertheidigt.

29, 5 post laborem casus vermuthet Fleischer S. 19.

30, 3 liest derselbe S. 20 ne quid temere culpa sua (Scaliger) secus admitteretur, eum locum detiuere coepit. Degenhart beharrt S. 42 bei dem überlieferten definire.

31,4 tilgt Fleischer S 20 eorum opera, worin Degenhart S. 27 widerspricht.

32, 2 streicht Fleischer S. 20 uni versa nach con versa, ebenso Dinter.

32, 2 (3) ita illi tragulis iaculisque oppidum [ex] hostiura cadaveribus circumplexi . So liest Fleischer S. 21.

33, 3 will Fleischer S. 21 die Worte familiae et libertinorum im Hinblick auf das folgende familiara et libertos entfernen.

33, 5 (4) de tempore coenare fasst Köhler S. 459 im Sinne von de die, während es Degenhart S. 23 nach Dräger, H. S. I 586 durch »bei Zeiten« übersetzt.

35, 3 wird Lusitaniam proficiscitur von Köhler S. 427 und Degen- hart S- 22 gegen Nipperdey und Dinter geschützt.

36, 4 liest Fleischer S. 22 in legiones distributi.

37, 2 pedites et equitatus ad persequeudum missi ccleriter iter faciebant. So vermuthet Fleischer S. 22 unter Degenhart's Zustimmung, der jedoch S. 13 die Conjectur unvollständig wiedergiebt.

38, 4 stellt Fleischer S. 23 in folgender Weise her: Nam [idcirco propter suo praesidio fuisset conspectus] celeriter ad munitum locum natura receperat se Pompeius, ut quam vis magna multitudine ad- ducta pauci homines ex superiore loco defendere posseut. Subeunt in adventu nostro depelluntque felis. Die Worte jiraesidio cele- riter hat schon Nipperdey verdächtigt; ut adducta pauci depellunt- que schlug Madvig vor; receperat se und nostro vermuthet Fleischer selbst. Dinter schreibt: Nam idcirco [propter celeriter ad] munitum locum natura ceperat sibi Pompeius, ut quamvis deducta pauci possent. Subeuntes in adventu nostri depelluntur [qui] felis.

39, 3 (2) vermuthet Fleischer S. 23 exclusus munitione statt des handschriftlichen exclusa, wofür Dinter nach Nipperdey conclusa schreibt.

40, 4 liest Fleischer S. 24 incensisque qui subsidium propellerent (repellerent vermuthete Glandorp) statt repeterent und fordert die Til- gung des Komma § 5 zwischen signo und fugientes. Dinter wagt Folgendes:

138 Römische Historiker.

inceusisquc qui subsequentem Didium refugieutcs a tergo pete- rent; ferner nach Nipperdey's Vorschlag ut a nullo conspici possent; reliqui in conspectu omnium ad pugnam contendunt.

41, 1 liest Fleischer S. 25 mit Annahme von zwei Lücken Fabius Maximas, quem ad Mundam praesidium oppugnandum reliquerat .... Oppidani operibus assiduis diurnis nocturnisque (nach Koch) circum [se inter] clusi inter se decernere . . . . Eruptione facta cae- dem bene magnam faciunt. Dinter schreibt: reliquerat, operibus assiduis diurnis nocturnisque circum [se inter] clusit hostes. Qui cum inter se discordare coepissent, facta caede bene magna eruptione m faciunt.

41, 2 sed etiam natura muuitus ad oppugnandum hostem impe- diret. So emendirt Fleischer S. 26; in pe dir et schreibt auch Dinter statt des handschriftlichen appeteret.

Nachtrag. Nachdem ich die S. 115 No. 12 angeführte Schrift von 0. Schambach erhalten habe, theile ich den Inhalt dei'selben hier mit. Sie besteht aus zehn Abschnitten, welche sich alle auf die sach- liche Erklärung des bell. Gall. beziehen, aber unter einander nicht zu- sammenhängen. In I wird ausgeführt , der Zusammenhang zwischen der Vertreibung der Usipeten und Tencterer aus ihren Wohnsitzen und die Niederlage des Ariovist ergebe sich aus I 54, 1 verglichen mit IV 4, 1. In n wird gegen Göler bemerkt, dass die Römer das Pilum wohl erst während des Anlaufs in geringer Entfernung vom Feinde auf ein Com- mando emporhoben; dieses Commando sei nach I, 52, 3 »verpasst« wor- den. In III wiederholt Schambach die verständige Erklärung von Köchly- Rüstow zu I 52, 5, wonach die oft abenteuerlich aufgefassten Worte mi- lites, qui in phalangas insilirent et scuta manibus revellerent et desuper vulnerareut nichts anderes sagen, als dass römische Soldaten auf die feindlichen .Reihen zusprangen, die Schilde der Gegner zurückrissen und von oben her (statt nach dem Reglement von unten nach oben) ihre Stösse führten. In IV wird der von Rüstow aus I 52, 1 und II 20, 3 gezogene Schluss, dass Cäsar jeder Legion einen Legaten gab, bestätigt und die Competenz der Legaten nach den einschlagenden Stellen untersucht. In V wird anschliessend an V, 33, 4 der offensive Charakter der römi- schen Kampfweise besprochen und durch Beispiele erläutert. In VI wird bemerkt, dass aus der oft plötzlichen Wirkung der römischen Ausfälle weder mit Göler zu schliessen sei, dass es ausser den vier Hauptthoren noch kleinere Ausgänge des Lagers gegeben habe, noch auch, dass jene sehr breit gewesen seien (vgl. VIII 9 extr.). In VII vermuthet Scham- bach, dass die V 27, 2 angedeutete Befreiung der Eburonen von der Bevormundung der Aduatucer bei der II 33 erzählten Besiegung der letzteren durch Cäsar vollzogen worden sei; ferner in VIII, dass die V, 25, 2 erwähnte Einsetzung des Tasgetius zum Könige der Carnuten

'^

Cäsar. Coruelius Nepos. 139

bei dem II, 35, 3 berichteten Anlass erfolgt sei. In IX bemerkt der Verfasser zn der znletzt bezeichneten Stelle: »Lesen wir mit dem Bongars. A quaeque [statt quae], so haben wir unter den civitates propinquae his locis, ubi bellum gesserat die nördlich von den Carnuten und süd- lich vom Kriegsschauplatze wohnenden Stämme zu verstehen, also etwa die Parisier und Veliocasser«. In X wird zu V 24; VI 1; VIII 54 auf Orosius VII 6, 1 verwiesen und zu dessen Angabe: Caesari tres provin- ciae cum legionibus septem in quinquennium datae Folgendes angemerkt: »Seine Quelle könnte berichtet haben, dass Cäsar ausser den sechs Legio- nen, die er bei Beginn der gallischen Feldzüge (wenn auch nicht bei Uebernahme der Provinz) zur Verfügung gehabt, Oberitalien und Illyri- cum durch eine weitere siebente Legion besetzt gehalten habe«. So er- klärte es, wie der Verfasser anführt, schon Grotefend, dass Cäsar VIII 54 plötzlich eilf Legionen hat, während sich im Verlauf des Jahres 52 und 51 stets nur zehn nachweisen lassen.

Hier mag auch noch ausdrücklich bemerkt werden, dass oben S. 109 Z. 5 V. u. das Datum natürlich auf die Geburtsfeier Cäsar's sich be- zieht; die emeudirten Worte Forphyrio's lauten: quia IV. Id. lul. cele- brabatur (sc. Caesaris natalis).

Cornelius Nepos.

1) Cornelius Nepos. Für Schüler mit . . . Anmerkungen versehen von J. Siebeiis. Neunte Auflage besorgt von M. Jancovius. Leip-

zig, B. G. Teubner. 1877. XVL 196 S.

Diese Schulausgabe wird hier erwähnt, da sie nach dem Urtheile von Gerass, Berl. Jahresb. II 184, über die achte Auflage in manchen Punkten mehr bietet, als der Titel erwarten lässt.

2) [V| Thyen, De auctore vitarum Cornelii Nepotis quae ferun- tur. Programm des Carolinum's zu Osnabrück 1874. 22 S. 4.

Aus meiner im Philol. Anz. VII 439 441 erschienenen Beurthei- lung dieser Schrift wiederhole ich die Hauptpunkte. Nicht sowohl durch selbständige Forschung als durch umsichtige, wenn auch nicht vollstän- dige Zusammenfassung der betreffenden Arbeiten Anderer wird Thyen zu dem im Wesentlichen richtigen Resultate geführt, dass die Vitae excellentium ducum exterarnm gentium ebenso wie jene des Cato und Atticus sicher aus dem goldenen Zeitalter der römischen Literatur und wahrscheinlich von Cornelius Nepos herrühren, dass dieselben wohl einen Bestaudtheil seines Werkes De viris illustribus bildeten, dass sie aber ihren jetzigen Umfang und die Gestalt, in welcher sie uns vorliegen, erst in späterer Zeit empfangen haben, indem sie für Unterrichtszwecke zu- geschnitten wurden. Vergl. Gemss, Berl. Jahresb. II 189. Einen Beweis für die angenommene schulmässige Bearbeitung hat Thyen nicht geführt;

140 Römische Historiker.

weder den Sprachgebrauch noch die Quollen des Nepos hat er unter- sucht. Diese beiden Fragen haben aber von anderer Seite tüchtige Behandlung erfahren. Ueber die Abfassungszeit der Biographien vergl. unten S. 145; über die Genesis des gegenwärtigen Bestandes derselben S. 146.

3) Bernhard Lupus, Der Sprachgebrauch des Cornelius Nepos. Berlin, Weidraann'sche Buchhandlung 1876. VII (VIII), 224 S. 8.

Bereits den ersten Theil dieser trefflichen Arbeit, welcher im Pro- gramm des Progyranasiums zu Waren 1872 erschien, habe ich im Philol. Anz. IV 586- 588 als ein längst erwünschtes und nach dem Erscheinen der Halm'schen Ausgabe auch zeitgemässes Unternehmen willkommen ge- heissen. Wenn ich es damals tadelte, dass Lupus zu selten über den von Halm constituirten Text hinaus zur urkundlichen Ueberlieferuug zu- rückging, dass er Nipperdey's Spicilegium alterum nicht vollständig aus- gebeutet hatte und verwandte sprachliche Erscheinungen namentlich bei den Komikern zu selten verglich: so sehe ich jetzt mit Befriedigung, dass Nipperdey's Arbeiten vom Verfasser aufs Genaueste benutzt sind, wäh- rend die beiden anderen Punkte wenigstens erhöhte Beachtung gefun- den haben. Von einzelneu Bedenken, die ich in meiner Besprechung andeutete , iinde ich nunmehr zwei (S. 35 und S. 50) durch vorgenom- mene Aenderung, beziehungsweise Ergänzung erledigt; andere sind nicht berücksichtigt worden. Auch die Bemerkungen Wölfflin's, Jahresb. Bd. II S. 1660 zu dem 1873 veröffentlichten zweiten Theile konnte Lupus bei der Schlussredaction seines Werkes verwerthen (vgl. S. 69. 82, 86). Das fertige Buch ist besprochen von C. Peter in der Jen. Lit.-Zeit. 1877 No. 1, wo eine Reihe besonders interessanter Ergebnisse verzeichnet wird, und von [E.] W[ölfflin] im Lit. Ceutralbl. 1877 No. 13, wo manche vom Verfasser weniger beachtete Gesichtspunkte hervorgehoben und ein- zelne Nachträge gegeben werden. Vor den meisten ähnlichen Unter- suchungen zu anderen Schriftstellern ist die Schrift von Lupus durch Vollständigkeit ausgezeichnet. Die Sammlung des Materials ist das erste Verdienst des Verfassers; aber auch die Sichtung desselben durch sorg- fältige kritische und exegetische Würdigung der gesammelten Stellen lässt kaum etwas zu wünschen übrig. Doch haftet der Verfasser nament- lich in den ersten Theilen seines Werkes am Einzelnen. So hat er nur in einer Anmerkung des Vorwortes S. V die literarhistoi'ische Frage über Cornelius Nepos berührt und als das Resultat seiner umfassenden sprach- lichen Forschungen mitgetheilt, »dass der Atticus demselben Verfasser und demselben Zeitalter, nämlich dem ciceronianischen, zuzuweisen ist wie die übrigen Vitae«. Die von Lieberkühn in den Vordergrund ge- stellte Uebereinstimmung der einzelnen grammatischen und stilistischen Erscheinungen in den Feldherrnbiographieu und im Atticus tritt bei Lu- pus zurück. Wo übrigens gewisse Unterschiede wahrnehmbar sind, ver-

Cornelius Nepos. 141

säumt es Lupus nicht, dioselben zu erklären und dadurch irrigen Schlüs- sen, als ob die Schreibart im Atticus eine andere als in den übrigen dem Nepos zugeschriebenen Vitae sei, vorzubeugen. So wird S. 183 darauf hingewiesen, dass das historische Präsens der »in gemächlicher Ruhe dahinfliessenden Sprache« im Atticus nicht angemessen ist; S. 137 f., dass das verhältnissmässig häufige Vorkommen des Perf. Conj. sich ein- fach daraus erklärt, »dass in der Biographie eines dem Autor nahe- stehenden Mannes das Berichtete häufiger mit der Gegenwart des reden- den Beurtheilers verknüpft wird^ (vgl. über das im Atticus wiederholt vorkommende Präs. Conj. nach einem historischen Tempus S. 136 Anm.^), Ebenso wird S. 200 erläutert, dass der Atticus »die üppigste Fülle von Antithesen bietet«, da überhaupt »in dessen ausführlicherer Darstellung Nepos seiner Begeisterung durch eine reichlichere Verwendung seiner rhetorischen Mittel Ausdruck verleiht«. Eine zusammenfassende Cha- rakteristik des Stiles seines Autors hat Lupus nicht geboten, doch fehlt es nicht an gelegentlichen Andeutungen, z. B. über den hier und da stö- renden Mangel an Logik (vgl. die Anmerkungen zu S. 85. 155. 159. 181 und besonders 207 f.), über die »nicht recht einheitlich durchgebil- dete Schreibweise«, deren Eigenthümlichkeiten eine »auffallend ungleiche Vertheilung« auf die einzelnen Partien des erhaltenen Corpus von Bio- graphien zeigen (S. 4. 132 f. 138f. 144 f.); insbesondere über »die gegen das Ende der Vitae immer mehr zu Tage tretende stilistisch einförmige und dürftige Manier des Nepos den jedesmaligen Helden möglichst her- vorzuheben« (S. 145) u. s. w. Auch über die Bildung des Cornelianischen Stiles hat Lupus sein Urtheil nicht zusamraengefasst. Wohl sind auch in dieser Beziehung Andeutungen gegeben, wie wenn bei einzelnen Er- scheinungen Analogien aus der Komödie und aus Briefen angeführt wer- den; aber eine bestimmte Nachweisung der zum archaischen Latein und zur Vulgärsprache zurückführenden Fäden wird vermisst. Darüber hat Wölfi'lin sowohl in den oben citirten Anzeigen Ergänzungen mitgetheilt als auch in seinem Aufsatze über Vulgärlatein. Hier ist, Philol. XXXIV 146, namentlich darauf hingewiesen, wie Nepos als Schriftsteller seine galli- sche Herkunft nicht verläuguen konnte und schon darum weit hinter der Urbanität des Ausdrucks zurückblieb. Lupus pflegt bei den einzelnen Punkten, die er behandelt, auch die Sprache anderer Schriftsteller zu vergleichen, wie er denn z. B. einmal (S. 109) Nepos als Vorläufer der silberneu Latinität hinstellt. Wenn sich aus diesen zahlreichen Notizen noch kein Bild der historischeu Entwicklung ergiebt, so ist daran theil- weise vielleicht der verhältnissmässig dürftige Rest der Literatur, auf den wir beschränkt sind, aber gewiss auch vielfach die ungleiche Kennt- niss des erhaltenen Materials Schuld. Denn es ist natürlich, dass der Verfasser auf diesem weiten Felde sich der Führung anderer Forscher überlassen musste. Auf deren Schriften wird überall verwiesen; nur selten vermisst man hier etwas, z. B. S. 5 und 131 den Hinweis auf

142 Römische Historiker.

W. Dittciiberger. der im Hermos III 375—381 über die Auslassung von esse beim Part. Fut. handelt, und wohl auch auf Lieberkühn, Vindiciae librorum iniuria suspectorum 196 199. S. 100 § 64 a. A. war J. N. Ott's Rottweilcr Programm 1874 S. 1 zu beachten; S. 130 Absatz 2 g. E. Reisig-Haase A. 269; S. 142 Abs. 3 g. E. Reisig-Haase A. 445; S. 198 Abs. 2 a. A. die oben S. 115 f. besprochene Schrift von Lorenz; S. 208 Abs. 2 g. £. konnte auch au Sali. lug. 5, 1 erinnert werden u. s. w. Die Anordnung des reichhaltigen Stoffes ist bei Lupus so einfach und durchsichtig, dass mit Hülfe des kurzen Inhaltsverzeichnisses die Auffin- dung des Gesuchten keiner Schwierigkeit unterliegt. Wiederholungen hat der Verfasser zu vermeiden gewusst; nur vereinzelt begegnet man einer solchen, wie wenn z. B. von der angeblichen Unächtheit der Worte Timoth. 3, 2 quorum consilio uteretur zweimal in den Noten zu S. 135 und 166 gehandelt wird. Zur Annahme von Glossemen zeigt sich Lupus auch sonst geneigt, z. E.' Milt. 1, 2 mit Schoppius, 3, 2 mit Halm, Chabr. 3, 3 mit Schefter und Halm u. s. w. Uebrigens haben die Unter- suchungen des Verfassers häufiger zur Bestätigung der Ueberlieferung als zur Begründung von Conjecturen geführt. Ueber die Methode der Conject Uralkritik bei Nepos überhaupt findet sich S. 85 in der Note eine treffende Norm: »Nepos ist nun einmal weder ein correcter Stilist noch ein logischer Kopf. Wo entweder die guten Handschriften oder die Uebereinstimmung einer in Betracht kommenden Zahl von Parallelstellen oder beide zusammen es an die Hand geben, da sind wir gerne bereit unserm bis auf die neueste Zeit so sehr entstellten Autor durch eine offenbare Verbesserung eine Wohlthat zu erweisen, wo das aber nicht der Fall ist, wird es wohl gerathener sein, nicht der lieben Consequenz wegen Gefahr zu laufen, den Schriftsteller selbst statt der Tradition zu corrigieren«. Zahlreicher als die kritisch behandelten sind die gramma- tisch erklärten Stellen. Hier muss man der Auslegung des Verfassers fast durchaus beistimmen. So wird die Arbeit, wie sie nach dem Geständ- nisse des Verfassers (S. V) »unmittelbar aus der Schule« hervorgegangen ist, gewiss der Schule und zunächst den Schulausgaben reichen Nutzen bringen. Aber auch die wissenschaftliche Grammatik hat durch Lupus einen soliden Baustein gewonnen; Neue's Formenlehre und besonders Drägers Syntax empfangen manche Nachträge. Andererseits wird es schwer sein, den von Lupus gesammelten Stoff namhaft zu ergänzen. Die Genauigkeit und Umsicht des Verfassers haben sich durch die Ver- gleichung einzelner Theile seines Buches mit den sogleich zu besprechen- den Schriften von Eideuschink und Ignatius erprobt.

4) Joseph Eidenschink, Der Infinitiv bei Cornelius Nepos. Mit Rücksicht auf die Ergebnisse der neuereu Sprachwissenschaft dar- gestellt. Programm des Gymnasiums zu Passau 1877. 48 S. 8.

Die zahlreichen bibliographischen Uebersichten scheinen für den

Cornelius Nepos. 143

fasser nicht zu existiren; denn in seiner im August 1817 ausgegebenen Schrift weiss er von dem bereits im Jahre 1876 erschienenen Buche von Lupus noch nichts. Er kennt zwar dessen Programme von 1872 und 1873, hat sich aber über den Abschluss der dort begonnenen Unter- suchungen nicht unterrichtet. Die ganze Aufgabe ist vom Verfasser nicht richtig gestellt; denn unmöglich Lässt sich von dem Sprachgebrauche eines Autors aus so weit vorgeschrittener Periode der Sprache eine sol- che Darstellung geben, »dass dadurch der Ursprung und das Wesen des Infinitivs, sowie dessen allmählige Entwicklung zur Anschauung käme«. In der That fallen in der Schrift die Erörterungen theoretischer Art und die Beispielsammlung beinahe völlig aus einander. Für diesen Bericht kommt nur die letztere in Betracht. Zunächst werden von Eidenschink die Supina und das »sogenannte Part. Perf. Pass. auf to« betrachtet, ferner das Gerundium und Gerundivum, erst von S. 19 (beziehungsweise 30) an der Infinitiv im engeren Sinne, und zwar »als Ergänzung des Verb, finit.«, dann »als Prädicat eines nebensatzartigen Ausdrucks«, endlich »bei unpersönlichen Verben und Ausdrücken«. Soweit ich die verzeich- neten und angeführten Stellen mit den Sammlungen von Lupus ver- glichen habe, fand ich sie vollständig und genau. In den Abschnitten über die Supina scheint der Sorgfalt des Verfassers gar nichts entgan- gen zu sein, Lupus hat S. 187 Ale. 8, 6 praedatum exisse übersehen. Zu dem Capitel über Gerundium und Gerundivum bei Eidenschink S. 16 ist aus dem Material von Lupus eine Stelle nachzutragen: Alcib. 6, 1 exspectatio visendi Alcibiadis. Die Stellen Con. 3, 2 und Dion 9, 3 sind bei Eidenschink confuudirt. Zahlreichere Ergänzungen bietet Eiden- schink für den betreffenden Paragraphen bei Lupus S. 186 : der Genetiv steht bei facultas Phoc. 4, 2. Att. 2, 2; bei cupiditas auch Milt. 5, 1. Hann. 2, l; bei potestas auch Dion 2, 5; der Accusativ mit ad steht auch Hann. 10, 3. Oft citirt Eidenschink ungenau, indem er irrig die Zahl des nächstfolgenden Paragraphen angiebt. Seine Sammlungen sind auch neben dem Werke von Lupus brauchbar, insofern sie den Text der Beispiele ausschreiben und dadurch bei der Benutzung bisweilen das Nachschlagen ersparen.

5) W. Ignatius, De verborum cum praepositionibus conpositorum apud Cornelium Nepotem T. Livium Curtium Rufura cum dativo struc- tura commentatio. Berolini 1877. 138 (140) S. 8.

Die von A. Lehmann für Cäsar, Sallust und Tacitus geführte Unter- suchung über den von Verben, die mit Präpositionen zusammengesetzt sind, regierten Dativ hat Ignatius für Nepos, Livius und Curtius fort- gesetzt. In meiner Anzeige seiner Schrift im Lit. Centralbl. 1878 No. 32 habe ich bereits ausgesprochen, dass dem Fleisse des Verfassers eine umfassende und besonnen verarbeitete Stoffsammlung verdankt wird, welche

144 Römische Historiker.

für die grammatische Erklärung der betreffenden Autoren und für das einschlagende Capitel der lateinischen Syntax ein bequemes Nachschlage- buch bildet. Die auf Nepos bezüglichen Theile geben zu dem Werke von Lupus S. 40 f. einige kleine Nachträge, z. B. confero domum Ages. 7, 3 ; accedo ad in eigentlicher Bedeutung Milt. 4, 2; appropinquo ad im classi- schen Latein nicht nur bei Nepos und Cicero, sondern auch bei Livius XL 58, 3. Lupus vervollständigt den von Iguatius gesammelten Stoff z. B. S. 68 adducor in opinionem Dat. 6, 6; S. 86 confero circa Ale. 10, 4; S. 88 committo mit Dativ Lys. 1, 5. Euro. 2, 2. Att. 6, 1.

lieber die Quellen des Nepos handeln folgende Arbeiten:

6) Paulus Natorp, Quos auctores in ultimis belli Peloponnesiaci annis describendis secuti sint Diodorus Plutarchus Cornelius lustinus. Argentorati apud Carolum J. Truebner 1876. 3 Bl. 58 S. 8.

Besprochen im Philo!. Anz. VIII 144 147, von C. Bünger, Jahrb. f. Philol. CXV 315 325 und von C A. Volquardsen in diesem Jahres- bericht Bd. VIII S. 393-398.

7) Paul Natorp, lieber die Quellen der griechischen Geschichte für die Jahre 404-394: Zeitschr. f. d. österr. Gymn. XXVII 561-584.

8) Ernestus Bachof, De Diouis Plutarchei foutibus. Gothae MDCCCLXXIV. 67 (68) S. 8.

Angezeigt von H. Geizer in diesem Jahresbericht Bd. IV S. 7o und von Hermann Peter, Jeu. Lit.-Zeit. 1875 No. 6.

9) Moritz Pfalz, Dion der Syrakusaner. Ein historisch-kritischer Versuch. Programm des Gymnasiums zu Chemnitz 1877. 28 S. 4.

10) R[udolfJ Schubert, Die Quellen Plutarch's in den Lebens- beschreibungen des Eumenes, Demetrius und Pyrrhus: Jahrb. f. class. Philol. IX. Supplementband S. 647—836.

Angezeigt von Hermann Peter, Jen. Lit.-Zeit. 1878 No. 17.

11) Hermann Kallenberg, Die Quellen für die Nachrichten der alten Historiker über die Diadochenkämpfe bis zum Tode des Eume- nes und der Olympias: Philologus XXXVI 305-327. 488-528. 637 bis 670. XXXVII 193—227.

12) Walter Klotz, lieber die Quellen zur Geschichte Phokion's in Diodoros, Arrianos, Nepos und Plutarchos. Leipzig 1877. 69 S. 8.

Die zuletzt genannte Schrift war mir nicht zugänglich. In der Jenaer Inauguraldissertation von Edwin Evers, Ein Beitrag zur Unter- suchung der Quellen der Diadochenzeit (Potsdam o. J.), ist von Nepos nicht die Rede. Auch Georg Queck in der Jenaer Dissertation De fontibus Plutarchi in vita Pelopidae (Dramburg 1876) berührt Nepos nicht (vgl. S. 22).

Cornelius Nepos. 145

Natorp hat die Ergebnisse seiner beiden Quellenuntersuchungen übersichtlich zusammengestellt :

Lys. 1-3 Ephorus.

4 Theopomp.

Ale. 1 10 Theopomp.

11 Duris oder Satyrus.

Con. 1—5 Ephorus, am Schlüsse Deinon. Ages. 1—4 Theopomp.

ßünger und der Referent des PhiloL Anzeigers billigen das für Alcibiades gewonnene Resultat, Volquardsen bestreitet dasselbe. Aus dem Oster- programm des Gymnasiums zu Grossglogau 1878: Göthe, die Quellen des Cornelius Nepos zur Griechischen Geschichte (Miltiades bis Alcibia- des), das erst im nächsten Bericht zu besprechen ist, mag einstweilen raitgetheilt werden, dass daselbst Alcibiades ganz auf Theopomp, Lysander auf Ephorus zurückgeführt wird.

Dion l-4g. E. Timäus. 4 g. E. u. 5 Ephorus. 6—10 Timäus.

Dieses Resultat hat Bachof (S. 63 65) festgestellt, mit welchem Pfalz (S. 12 f.) im Wesentlichen übereinstimmt. Manches von Plutarch Abwei- chende glaubt Bachof doch auf die Quelle des Nepos zurückführen zu dürfen, während es Pfalz lieber dem Nepos selbst zuschreiben möchte. Für Euraenes hat Schubert den Hieronyraus und Duris als Quel- len nachzuweisen gesucht, die aber Nepos nicht direct (S. 660), sondern durch Vermittlung des Agatharchides (S. 807 f.) in der Weise ausgebeutet habe, dass er seine Vorlage willkürlich kürzt und erweitert. H.Peter in der angeführten Recension S. 258 findet, dass die Bezeichnung der Mittelquelle als Agatharchides keinen festen Grund habe. Beachtens- werth ist die Bemerkung, welche Schubert an die von Nepos Eum. 8, 2 eingeschobene Betrachtimg: ut nunc veterani faciunt nostri anschliesst (S. 675 f.). Da selbständige Excurse gegen die Gewohnheit des Nepos seien, so müsse der vorliegende durch ein bestimmtes Ereigniss ver- anlasst sein und sonach einen Rückschluss auf die Abfassungszeit die- ser Vita gestatten. Die Stelle sei vor der Schlacht bei Actium geschrie- " ben, als noch zwei römische Heere sich feindlich gegenüber standen;^ dies gehe hervor aus den Worten: neque minus eos, cum quibus stete- rint, quam adversus quos fecerint. Ein terminus post quem ergebe sich aus dem Satze : non parere se ducibus, sed imperare postulabat. Nepos habe also wohl daran gedacht, wie die Legionen den Octaviauus und Antonius zur Abschliessung des brundisinischen Vertrages zwangen. Die Biographie des Eumenes scheine demnach einige Zeit nach dem Jahre 40, aber noch vor 31 abgefasst zu sein.

Jahresbericht für Alterthums-W'isseuschaft 1877. II. 10

146 Römische Historiker.

Kallenberg's Untersuchung bezieht sich auf Phoc. (S. 508 ff. und XXXVII 198 ff.) und Eum. (S. 513 ff.), dessen Vita c. 2-12 nebst dem Schlüsse von 13 (S. 669) auf die gemeinsame Quelle des Nepos, Diodor und Plutarch zurückgeführt wird, d. h. auf Hieronymus von Kardia (XXXVII 222 ff).

Ueber Nepos als Quelle ist in folgenden Abhandlungen ge- sprochen :

13) Heinrich Brunn, Cornelius Nepos und die Kunsturtheile bei Plinius: Sitzungsberichte der philos.-philol. Classe der königl. bayer. Akad. d. Wiss. zu München 1875 Bd. I S. 311—327.

Aus den Andeutungen der Indices zum XXXIV. und XXXV. Buche der nat. bist, des Plinius und aus einer gewissen Aehnlichkeit mehrerer Stellen des Nepos und Plinius schloss Brunn, dass Plinius in jenen beiden Büchern Excerpte aus Künstlerbiographien enthalte, die in irgend einem der Bücher de viris illustribus gestanden haben müssten. Dagegen be- merkte L. Urlichs in diesem Jahresbericht Bd. VI S. 125, dass kein be- stimmter Anhalt für Brunn's Annahme vorliege.

14) Adolf Furtwängler, Plinius und seine Quellen über die bildenden Künste: Jahrb. f. class. Philol. Supplementband IX. S. 1—78.

Furtwängler kommt auf Brunn's Hypothese zurück und behandelt die Frage, wie weit Nepos Quelle des Plinius sei, S. 25 38, indem er nachzuweisen sucht, dass Nepos, wahrscheinlich in dem Werke de viris illustribus, einen Ueberblick über die Entwicklung der Malerei gegeben habe. Sowohl diese Einleitung zu den Biographien der berühmtesten Maler als auch die Biographien selbst seien im XXXIV. Buche von Pli- nius als Hauptquelle ausgebeutet worden. Dagegen sei Nepos für das XXXV. Buch nicht Quelle gewesen, da er allem Anscheine nach die Erz- giesser gar nicht biographisch behandelt habe. Vgl. auch hierüber Ur- lichs in diesem Jahresber. Bd. X S. 48 und in seiner Schrift: Die Quellen- register zu Plinius' letzten Büchern (Würzburg 1878) S. 6 ff.

15) Hermannus Haupt, De auctoris de viris illustribus libro quaestiones historicae. Francofurti [ad Moenum] MDCCCLXXVI.

46 (47) S. 8.

In dieser Würzburger Dissertation ist der Nachweis geführt, dass, wie auch von anderen angenommen wurde, Cornelius Nepos von dem Verfasser des erhaltenen Buches de viris illustribus und von Ampelius, ferner von Florus, Valerius Maximus, Lucanus und in den Strategemata des Frontinus (und Pseudofrontinus) als Quelle benützt worden sei. Be- züglich der Frage, ob Nepos ausschliesslich oder zugleich mit Hyginus die Vorlage für den Auetor de vir. ill. gebildet habe, hat E. Wölfflin in diesem Jahresber. Bd. III S. 790 f. seine der Ansicht Haupt's wider-

Cornelius Nepos. 147

sprechende Meinung festgehalten. Ueber die Werke des Nepos, ihre Ueberlieferung und ihren Bestand trägt Haupt (S. 39) folgende Sätze vor: Nur der Atticus ist in ächter Gestalt erhalten, alle übrigen Vitae sind entweder verloren oder nur im Auszuge vorhanden. Der Auetor de vir. ill. hat bereits eine epitome Corneliana vor sich gehabt, die dann von einem anderen Epitomator excerpirt wurde, dem wir die Vita des Cato und die Feldherrnbiographien in der gegenwärtigen Fassung verdanken. Zum Widerspruch könnte die weitere, auf Rinck zurückzuführende Be- merkung des Verfassers auffordern, dass die Vita des Hannibal zur Zeit jenes Epitomators verloren Vv^ar und durch eine untergeschobene ersetzt ward, wahrscheinlich auch andere Vitae von anderen Verfassern damals dem Corpus Cornelianischer Schriften, wie es uns vorliegt, einverleibt wurden. Als Quellen für seine römischen Biographien, auch die des Hannibal und des Cato, hat Nepos nach Haupt (S. 40 43) Valerius Antias und Claudius Quadrigarius , dazu Acta publica und Inschriften benutzt.

Einzelne Stellen der Vitae.

Milt. 3, 3 hie cum crebri afferrent nuntii. Anton Riedenauer, Blät- ter für das bayer. Gymnasialschulwesen X 220, hält huc für nothwendig.

Milt. 4, 2 ist von der Landung der Perser an der marathonischen Ebene die Rede. Zur sachlichen Erklärung sind zu vergleichen H. G. Lolling's Topographische Studien in den Mittheiluugen des deutschen archäologischen Instituts in Athen Jahrg. I S. 67 96. [G. F.] U[nger], Philol. Anz. VIII 419, findet die daselbst vorgetragenen Vermuthungen über die Aufstellung der Griechen im Augenblick vor der Schlacht und über die Oertlichkeiten, an welchen die persischen Heeresabtheilungen zu Grunde gingen, ansprechend, vermisst dagegen eine Erörterung über den Widerspruch, welcher zwischen Herodot und Nepos über die Be- nützung des Terrains für die griechische Aufstellung besteht, und über die Unklarheit in Betreff der Verwendung der persischen Reiterei.

Milt. 4, 5 auderi adversus se tarn exiguis copiis dimicari. Joh. Freudenberg, Jahrb. f. Philol. CXI 491, empfiehlt andere mit den Handschriften, dimicare mit J. M. Heusinger, indem er eos (Athenienses) ergänzt, das vielleicht hinter exiguis ausgefallen sei.

Milt. 8, 1 omnium civium suorum potentiam extimescebant. Gemss, Jahresber. d. philol. Vereins zu Berlin II 197, vermuthet nimiam.

Them. 8, 3 ibi cum eius principes animadvertisset timere. Freu- denberg, Jahrb. f. Ph. CXI 491, schlägt vor, eius insulae zu lesen; H. J. Müller, ebenda CXIII 226, ändert eius in cives; Gemss a. a. 0. betrachtet eius nach Bremi und Halm als Glossem.

Them. 9, 3 idem multo plura bona feci. Julius Amol dt, Jahrb. f. Ph. CIX 277, hält die Beziehung des Pronomen auf Xerxes (nicht auf Themistocles) für richtiger und will daher ei dem schreiben, was Gemss

10*

148 Römische Historiker.

a. a. 0. 190 misbilligt. Zu den folgenden Worten litteris eum certiorem feci bemerkt [Nikolaus] Wecklein in den Sitzungsberichten der philos.- pbilol. Cl. der k. bayer. Äk. d. W. 1876 S. 296, dass sie auf einem Mis- verständniss des Wortes ypdipaQ bei Thuc. I 137, 4 beruhen Vgl. Valcke- naer zu Herod. VIII 110. Gottleber zu Thuc. 1. 1.

Ar. 1, 5 sexto fere anno quam erat expulsus, - - restitutus est. "Nach Plut. Arist. 8 vermuthet Georg Löschcke, Jahrb. f. Ph. CXV 27, dass UI (sexto) wahrscheinlich nur aus III (tertio) verlesen sei. Schottus und Bosius dachten an lU (quarto).

Ar. 2, 1 in proelio, quo Mardonius fusus barbarorumque exercitus interfectus est. Lupus, der Sprachgebrauch des C. N. S. 6 Anm., streicht fusus, indem er Kellsrbauer's ansprechende Umstellung von fusus und interfectus ablehnt.

Paus. 1, 3 primum in eo est reprehensus, quod cum posuisset hos versus Lacedaemonii exsculpserunt. Da der Satz mit quod nicht die Schuld des Pausanias, sondern den ihm ertheilten indirecten Verweis enthält, so glaubte Riede nauer, bayer. Gymn.-Bl. X 220, eo statt in eo lesen zu müssen.

Paus. 1, 3 in quo haec erat sententia. Diese Worte verwirft K. Lattmann, Philol. XXXV 476; vgl. unten zu Dion 6, 4.

Paus. 2, 4 se adiuvante te redacturum pollicetur. In den Hss. fehlt te, das erst Bosius einsetzte; Lupus, Sprachgebr. S. 192 Anm., schreibt, um den durch diese Conjectur verursachten Misklang zu beseitigen, te adiuvante redacturum pollicetur.

. Paus. 5, 5 et procul ab eo loco infoderunt. Freudenberg, Jahrb. f. Ph. CXI 491, empfiehlt im Hinblick auf Thuc. I 134, 3 nach Bremi haud procul; vgl. exe. Pat. p. 193 Roth. Bereits Bosius hatte an non procul gedacht.

Cim, 2, 2 idem iterum apud Mycalen classem devictam cepit. Freudeuberg a. a. 0. 492 meint, dass Imperator nach iterum aus- gefallen sei, wie schon Bosius vermuthet hat.

Cim. 4, 2 saepe, cum aliquem videret minus bene vestitum, suum amiculum dedit. Freudenberg a. a. 0. schiebt ei nach suum ein; s. mensa philos. p. 190 Roth.

Ale. 1, 3 dives transponirt Freudenberg a. a. 0. zwischen for- mosissimus und ad omnes res aptus nach exe. Pat. p. 194, was Gemss, Berl. Jahresb. II 193, billigt.

Ale. 2, 3 in quorum amore, quoad licitum est odiosa, multa delicate iocoseque fecit: quae referremus, nisi maiora potiora haberemus. Ar- nol dt, Jahrb. f. Ph. CIX 278, transponirt quoad- odiosa hinter referre- mus; Gemss a. a. 0. 190 will nur odiosa in odioso ändern und zu diesem Ablativ in aus in quorum amore ergänzen. Ebenda S. 197 streicht Gemss potiora neben maiora.

Ale. 8, 5 illud moneo, iuxta hostem castra habeas nautica. Riede-

Cornelius Nepos. 149

nauer, bayer. Gymn.-Bl. X 220, setzt nach Plut. Lys. 10 ne hinter moneo ein, was Lupus, Sprachgebr. S. 148 Anm. 2, billigt.

Ale 9, 5 neque dubitabat facile se consecuturum. Da consequi in der Bedeutung »erreichen« bei Nepos stets ein Object hat und nur im Sinne von »folgen« absolut steht, fügt Riedenauera. a. 0. 221 id vor dubitabat ein; aus dem gleichen Grunde hält Lupus a. a. 0. 113 Anm. 1 die gleiche Ergänzung (vor consecuturum) für geboten.

Ale. 10, 2 quae regi cum Lacedaemoniis essent. Freudenberg, Jahrb. f. Ph. CXI 492, vermuthet convenissent, was Gemss, Berl. Jahresb. II 193, gutheisst.

Dion 6, 4 in quo haec sententia est. Lattmann, Philol. XXXV 476, tilgt diese Worte wie die ähnlichen Paus. 1, 3.

Dion 7, 2 neque, quo manus porrigeret, suppetebat nisl in araico- rum possessiones. [Heinrich] Rubner, bayer. Gymn.-Bl. XI 246, hält die überlieferte Lesart für unrichtig, »sei es nun, dass in in Folge falschen Verständnisses hineincorrigirt wurde, oder dass sie durch unrichtig ge- lesenes nisi sibi entstanden« sei. Vgl. August Theun, bayer. Gymn.- Bl. XII 405. Die unmittelbar folgenden Worte id eins modi erat, ut, cum milites reconciliasset, amitteret optimates wagt Rubner so zu deuten, als ob es Messe: id si fecisset, eins modi fiiisset, ut .

Dion 9, 1 cum in conclavi edito recubuisset. Rubner a. a. 0. 250 vermuthet ab dito, was längst von Fleckeisen vorgeschlagen worden ist. Thenn, bayer. Gymn.-Bl. XII 405, vertheidigt edito.

Dion 9, 2 qua fugeret ad salutem wird von Rubner a. a. 0. gegen die in den Jahrb. f. Ph. CV, 561 vorgebrachte Aenderung qua fugeret sal- tem vertheidigt. Gemss, Berl. Jahresb. II 195, schreibt diesen Vorschlag, den er misbilligt, mir zu; derselbe rührt aber von J. Arnoldt her.

Dion 9, 3 hi propter notitiam sunt intromissi. at illi . Um den Anstoss zu beseitigen, den illi nach hi erregt, da beide Pronomina auf die gedungenen Mörder sich beziehen, fügt Arnoldt, Jahrb. f. Ph. CIX 279, a custodibus hinter notitiam ein. Eventuell will Arnoldt hi tilgen und § 6 mit Halm ipsius custodes lesen. Rubner a. a. 0. S. 248 streicht den ganzen Satz hi intromissi, der nach seiner Vermuthung eine vorgefundene Lücke verdecken sollte.

Dion 9, 4 at illi in lecto cubantem invadunt, colligaut. Rub- ner a. a. 0. 249 liest confligunt, was Gemss, Berl. Jahresb. II 195, für richtig hält.

Dion 9, 6 namque illi ipsi custodes . Gemss, Berl. Jahresb. II 196, meint, entweder sei hier die Erwähnung der Freunde ausgefallen (vgl. Plut. Dion 67) oder mau habe custodes als Glosse zu illi ipsi zu betrachten.

Dion 9, 6 per fenestras möchte Rubner a. a. 0. 250 nach dem cod. Marc, in per fenestram ändern.

J50 Römische Historiker.

Iph. 2, 4 Artaxerxes Iphicraten ab Atheniensibus ducem petivit, quem praeficeret exercitui : quem quidem sie omni disciplina militari erudivit. Riedenauer, bayer. Gymn.-Bl. X 221, wollte quem quidem is sie lesen, um den Wechsel des Subjects anzudeuten. Aber Lupus, Spracbgebr. S. 1, lehrt, dass Nepos eben diese Andeutung häufig unterlässt.

Chabr. 1, 3 ut postea athletae ceterique artifices iis statibus in statuis ponendis uterentur. Rubner a. a. 0. 252 empfiehlt suis statibus, Ebenda schlägt er vor, die Worte cum victoriam essent adepti am Schlüsse des Capitels zu tilgen ; denn nach Rubner »verstösst ihre Stellung gegen alle Gewohnheit«. Lupus, Spracbgebr. S. 193, zeigt jedoch, dass auffallendes Nachschleppen von Satzgliedern und Nebensätzen nicht gegen die Gewohnheit des Nepos verstösst.

Chabr. 2, 3 Ath'enienses cum Artaxerxe societatem habebant, La- cedaemonii cum Aegyptiis, a quibus magnas praedas Agesilaus, rex eorum, faciebat. Hinter a quibus schiebt Freudenberg, Jahrb. f. Ph. CXI 493, nach Hand vocatus ein.

Chabr. 3, 3 neque animo aequo pauperes alienam opulentium in- tueantur fortunam. itaque . Sowohl Rubner a. a. 0. als Gemss, Berl. Jahresb. H 195, nehmen meinen Vorschlag alienam opulentiam intueantur fortunamque an; aber Rubner hält ausserdem noch die Streichung' von pauperes für geboten. Im folgenden Satze schützt Rubner nach Rinck, Klotz, Halm u. a. quom gegen A. Eberhard's quoniam.

Timoth. 1, 2 Samum cepit, in quo oppugnando . Freudenberg, Jahrb. f. Ph. CXI 493, empfiehlt nach cod. M, ed. u und exe. Pat. p. 196 in qua oppugnanda (F. schreibt irrig exp.) Aber Lupus, Spracbgebr. S. 10. zeigt, dass diese »Seltsamkeit« nicht vereinzelt ist.

Timoth. 2, 3 qui bonos huic uni ante id tempus contigit. Amol dt, Jahrb. f. Ph. CIX 282, vermuthet, dass diese Worte statt der ursprüng- lichen in den Text gerathen seien und dass Nepos nemini (umquam) ante hunc contigit geschrieben habe. Die Richtigkeit der Ueberlieferung findet auch Gemss, Berl. Jahresb. II 191, zweifelhaft,

Timoth. 3, 5 populus mobilis, adversarius, invidus [etiam poten- tiae in crimen vocabantur] domum revocat. Karl M eis er, Jahrb. f. Ph, CXIII 490, vermuthet die Parenthese adversarius invidus etiam poten- tiam in crimen vocarat. Vgl. dagegen Lupus, Spracbgebr. S. 204 Anm.

Dat. 4, 5 Aspis sese dedidit. hunc Datames tradit Mithridati. Halm dachte an tradidit: wegen des vorhergehenden pertimescit zieht es Riedenauer, bayer. Gymn.-Bl. X 221, vor, statt dedidit nach cod. M und ed. u dedit zu lesen.

Dat. 6, 1 audit Pisidas quasdam copias adversus se parare. Fer- dinand Hoppe, Jahrb. f. Ph. CIX 559, vermuthet clam copias oder Pisidas quosdam. Letzteres billigt Gemss, Berl, Jahresb. II 192.

Dat. 8, 5 pacem amicitiamque hortatus est. Freudenberg, Jahrb.

Cornelius Nepos. 151

f. Ph. CXI 493, liest amicitiamque simulans eum hortatus, womit Gemss, Berl. Jahresb. II 193, die Stelle geheilt glaubt.

Epam. 3, 1 erat enim temporibus sapienter utens. A[lbert] Sellerbauer, bayer. Gymu.-Bl. XII 345, schreibt nach Thera. l. Ale. 1 serviens.

Epam. 3, 2 idem continens, clemens patiensque admirandum in modum, non solum populi, sed etiam amicorum ferens iniurias. Da man 4, 1 von der abstinentia, 7, 1 fuisse patientem suorumque iniurias fereUem civium, in den dazwischen liegenden Capiteln aber von der eloqu?ntia des Epaminondas liest, so muss wohl mit Kellerbauer a. a. 0. eloquens statt clemens geschrieben werden, ebenso dann patiens admi- randumque in modum ferens.

Eum. 13, 2 quod nemo Eumene vivo rex appellatus est, sed prae- fectus, eidem post huius occasum statim regium oruatum nomenque sump- serunt. Arnoldt, Jahrb. f. Ph. CIX 286, will quod, cum appellatus esset verbessern, was Gemss, Berl. Jahresb. II 191, als überflüssig be- zeichnet. Vgl. Lupus, Sprachgebr. S. 110 Anm. 2.

Phoc. 1, 3 cum hortarentur accipere. Freudenberg, Jahrb. f. Ph. CXI 493, will ut acciperet lesen, während Gemss, Berl. Jahresb. II 193, an der Ueberlieferung festhält.

Phoc. 2, 1 cum prope ad annum octogesimum prospera pervenisset fortuna. Freudenberg a. a. 0. 494 schlägt usus esset vor.

Phoc. 4, 2 ne perorandi quidem ei data est facultas et dicendi causam, inde iudicio, legitimis quibusdam confectis, damnatus, traditus est undecimviris. Freudenberg a. a. 0. liest facultas [et] dicenti causam in [de] iudicio, legitimisque . Lupus, Sprachgebr, S. 185 Anm., möchte die Worte et dicendi causam nach ed. u tilgen.

Timol. 3, 4 cum tantis esset opibus. Lattmann, Philol. XXXV 601, schaltet munitus nach tantis ein.

Ham. 1, 4 donicum aut virtute vicissent. Lattmann a. a. 0. liest donec communi Marte; Meiser schlug suo Marte vor.

Ham. 3, 2 diligi turpius quam par erat. Arnoldt, Jahrb. f. Ph. CIX 288, vermuthet plus quam, was Gemss, Berl. Jahresb. II 192, an- sprechend findet, Lupus, Sprachgebr. S. 181 Anm. 2, ablehnt.

Hann. 6, 2 in colloquium convenit: condicioues non convenerunt. Während Arnoldt a. a. 0. 289 im Hinblick auf das wiederholte auji- TTopeusa&at bei Polyb. XV 5, 10. 6, 1 die Ueberlieferung schützt, empfiehlt Ernst Klussmann in der Rudolstädter Gratulationsschrift an das Gym- nasium zu Schleusingen 1877 S. 9f. inde colloquium convenit.

Hann. 10, 1 Sic conservatis suis rebus Poenus, illusis Cretensibus Omnibus, ad Prusiam in Pontum pervenit. Arnoldt a. a. 0. 291 trans- ponirt Omnibus vor suis oder hinter rebus, was Gemss, Berl. Jahresb. H 192, billigt, und vertheidigt zugleich die Ueberlieferung, 9, 3 statuas

152 Kömische Historiker.

aeneas, quas seciim portabat, omnes sua pecunia complet gegen Nipper- dey's Aeudcrimg omni, die auch bei Halm u. a. Aufnahme gefunden hat.

Att. 6, 3 nullius rei neque praes neque inanceps factus est. Dazu bemerkt Münderloh, Zeitschr. f. Rechtsgesch. XII 343: »Hiermit soli zum Ruhme des Atticus sicher nicht gesagt werden, dass er niemals Bürg- schaft geleistet habe. Eine solche Unterlassung hätte kein Lob verdient. Vielmehr sollte hervorgehoben werden, dass Atticus niemals bei dem Aerarium speculirte, dass er nicht Mitglied der stillen Gesellschaften war, deren Theilnehmer als Publicanen und Sectoren auftraten und sich gegen- seitig als praedes Credit verschafften«.

Att. 8, 4 si quid Brutus de suis facultatibus uti voluisset, usurum, quantum eae paterentur, sed neque cum quoquam de ea re coUocuturum neque coiturum. Die Beziehung von coUocuturum und coiturum auf Atticus, während sich usurum auf Brutus bezieht, erscheint zu hart. Ar- no 1 dt möchte, Jahrb. f. Ph. CIX 294, se hinter sed einschalten, was auch Gemss, Berl. Jahresb. II 192, als nothwendig anerkennt; Lupus, Sprach- gebrauch S. 3 Anm., will nach Lambin se an die Stelle von sed setzen.

Att. 22, 2 ne id quod natura cogeret, ipse quoque sibi acceleraret. Die Hss, haben ad id; K. E. Georges, Philol. XXXIH 334, vermuthet daher id, ad quod, was Gemss, Jahresb. II 190, sehr wahrscheinlich findet. Schon Bosius hat diese Emeudation gemacht.

Freudenberg, Jahrb. f. Ph. CXI 495—498, theilt zu der in Roth's Aem. Prob. S. 190 ff. enthaltenen Mantissa excerptorum eine Reihe zum Theil schlagender Verbesserungen mit, deren Anführung im Einzelnen hier nicht geboten erscheint.

Sallustius.

1) C. Sallusti Crispi de coniuratione Catilinae et de hello lugur- thino libri, ex Historiarum libris quinque deperditis orationes et epistulae. Erklärt von Rudolf Jacobs. Sechste verbesserte Auflage. Berlin, Weidmannsche Buchhandlung 1874. 2 BL, 287 S.

Diese zum ersten Male 1852 erschienene und rasch beliebt gewor- dene Schulausgabe des Sallust konnte, wie das vom November 1873 da- tirte Vorwort mittheilt, von dem kränklichen Herausgeber nicht revidirt werden. Dieser Mühe unterzog sich sein Freund W. Hirsch fei der, der sich jedoch auf wenige Aenderungen und Zusätze beschränkte, wozu Madvig's und Nipperdey's kritische Beiträge und meine ausführliche Re- cension der fünften Auflage in den Jahrb. f. Ph. CHI 401-419 Anlass gaben. Inzwischen ist Jacobs am 16. October 1877 in Altenburg gestor- ben. Von seiner Ausgabe erschien einige Monate später eine siebente, von Hans Wirz bearbeitete Auflage, welche in dem Literaturbericht über das Jahr 1878 besprochen werden muss.

Sallustius. 153

2) C Sallustii Crispi Catilina, lugurtha, Historiarum reliquiae po- tiores, incerti rhetoris suasoriae ad Caesarem senem de republica. Henricus lordan iterum recognovit. Accedimt incerti rhetoris in- vectivae Tullii et Sallustii personis tributae. Berolini apud Weid- mannos MDCCCLXXVI. XVIII, 162 S.

Die Textausgabe des Sallust von Jordan hat bei ihrem ersten Er- scheinen 1866 Epoche gemacht, da sie endlich eine zuverlässige urkund- liche Grundlage darbot. Die zahlreichen in dem letzten Jahrzehnt ver- öfientlichten Arbeiten zu Sallust sind ohne Zweifel zum grossen Theile durch diese Ausgabe angeregt, von dem Herausgeber jedoch wenig beachtet worden. Nur das 1867 erschienene Aarauer Programm von Hans Wirz hat einige Anerkennung gefunden. Was daher in der neuen Auflage geändert und verbessert ist, hat der Herausgeber nicht sowohl den Ergebnissen frem- der Studien als seinen eigenen Forschungen entnommen. Nachdem ich Jor- dan's Buch in der Jenaer Lit.-Zeit. 1876 No. 48 angezeigt habe, füge ich hier nur wenige Mittheilungen aus der Ausgabe hinzu. Durch Nipperdey's Andeutungen (s. jetzt Opp. 542) aufmerksam gemacht, hat Jordan den Lei- densis (Voss. lat. oct. 75) verglichen und gefunden, dass dieser dem XI. Jahr- hundert angehörige Codex durchaus die engste Verwandtschaft mit der ersten Handschriftenklasse zeigt, aber die grosse den übrigen Exemplaren derselben eigene Lücke lug. 103, 2 ff. ausgefüllt hat, und zwar nicht wie der ihm zunächst stehende einstige Blandinianus, jetzige Vaticanus 3325 s. XI. als Nachtrag am Schlüsse von anderer Hand, sondern in richtiger Folge durch denselben Schreiber, der auch die daneben stehenden Partien des Textes geschrieben hat. Offenbar muss in der Vorlage des Leid, jene Ergänzung am richtigen Orte eingetragen gewesen sein, in der Vorlage des Vat. 3325 nicht. So ist nun sicher gestellt, dass es im XI. Jahrhundert schon mehrere Exemplare beider Handschriftenfamilien gab und dass durch Vergleichung derselben eine Mischklasse entstehen konnte. Ferner fand Jordan, dass der Archetypus der zwei genannten Codices mit den beiden Parisini verschwistert sei. Demnach bezeichnet er als Aufgabe einer abschliessenden kritischen Bearbeitung des Textes, noch drei bis vier Handschriften derselben Sippe und einige wenige der zweiten Klasse sorgfältig zu collationiren, um daraus mit Ueber- gehung der übrigen Masse geringerer Codices, aber unter Ausbeu- tung der Nachahmungen und Citate einen Text herzustellen, wie er in der letzten Zeit des weströmischen Reiches im umlaufe war. Inzwischen hat sich Jordan begnügt, seine Ausgabe auf dieselbe Basis wie bei ihrem ersten Erscheinen zu gründen, und bietet ausser den Varianten des Pa- risinus Sorb. 500 s. X (P) nur summarische Angaben über die bessere und die interpolirte Handschriftenklasse. Zu den Reden und Briefen sind natürlich auch sämmtliche Discrepanzen des Vaticanus 3864 s. X (V), über welchen Jordan noch ebenso wie früher urtheilt, verzeichnet. Zu

154 Römische Historiker.

der in den meisten Handschriften der besseren Familie fehlenden Partie lug. 103 - 112 werden wie in der ersten Auflage auch die Lesarten des Vat. 3325 s. (XII?) XI (v) angegeben, wozu in der neuen Auflage noch die- jenigen des Palatinus 883 s.XII (tt) hinzugekommen sind. Für lug. 103 106 sind in beiden Auflagen auch die Varianten des Monacensis 14477 s. XI, des besten Codex der interpolirten Familie, mitgetheilt. Die Zeugnisse der Grammatiker, welche für die Textkritik in Frage kommen, hat Jor- dan auf's Neue durchgesehen; die Lesarten aus dem Cod. Perizonianus 84 des Messius Arusianus, welcher erst im zweiten Fascikel des Schluss- bandes der Gr. Lat. erscheinen wird, hat H. Keil dem Herausgeber mit- getheilt. Von den Historien sind in der neuen wie in der früheren Auf- lage ausser den in dem genannten Vat. 3864 überlieferten Reden und Briefen auch die Berliner Bruchstücke aus dem H. Buch und die vati- canischen aus dem HI. Buch mitgetheilt. Die schwer lesbaren Blätter hat Jordan 1867 persönlich, die ersteren mit W. Studemund, auf's Ge- naueste verglichen; so ist der kritische Commentar in der neuen Auf- lage vielfach ergänzt und präcisirt. Zu Fragm. Berol. col. HI 10 ff. wird eine Conjectur Mommsen's mitgetheilt: inde in /amculum per Yelabrum se contulit. Der Vorschlag von Urlichs im Rhein. Mus. XXIII 93 ist nicht erwähnt. Ueber Fragm. Vat. hat Jordan im Hermes V 396—412 ausführlich gehandelt. Ausser den in der ersten Auflage mitgetheilten Suasoriae ad Caesarem sind jetzt auch die beiden dem Cicero und Sal- lust zugeschriebenen Controversiae aufgenommen, wovon unten die Rede sein wird. Auch auf die neuen Emendationen des Herausgebers wird der Bericht weiterhin noch zurückkommen. Andere Einzelheiten hier anzuführen erscheint nicht nöthig; es genügt auf die reichhaltige Recen- sion von H. Wirz, Zeitschr. f. d. Gymn.- Wesen XXXI 269—287, zu ver- weisen, die eine treffende Würdigung von Jordan's Ausgabe und werth- volle Beiträge zur Förderung der Textkritik bietet.

Jordan verspricht S. VI seiner Ausgabe, über einige in der ersten Auflage übergangene Varianten aus P an anderem Orte handeln zu wol- len. Im Hermes XI 330 f. hat er dieses Versprechen gelöst. Wirz, de fide atque auctoritate cod. Sali. Par. 1576 p. 3n., hatte nämlich zu Jordan's Collation 95 Nachträge und Berichtigungen mitgetheilt. Jordan sucht nun nachzuweisen, dass einiges von Wirz Bemerkte wahrscheinlich irr- thümlich, anderes durch Druckfehler in der Ausgabe veranlasst sei und dass er manches von Wirz Vermisste absichtlich übergangen habe. Dem- nach reducire sich das Nachgetragene auf ein sehr kleines Mass von übersehenen Schreibfehlern. Dagegen bemerkt wiederum Wirz, Zeitschr. f. d. Gyran.-Weseu XXXI 272, durch solche Rechtfertigung setze sich Jordan dem Vorwurf der Inconsequenz in der Mittheilung der Collation von P aus. Bei dem grossen Gewicht, das Jordan auf P lege, sei es unzulässig irgend eine Variante desselben zu verschweigen. Bei dieser

Sallustius. 155

Gelegenheit theilt Wirz S. 272 f. weitere kleine Ergänzungen und Cor- recturen zu Jordan's Collation des P mit.

3) Gustavus Boese, De fide et auctoritate codicis Sallustiani Vat. 3864. Diss. inaug. Gottingae MDCCCLXXIV. 39 S.

Ziemlich gleichzeitig erschienen zwei Göttinger Dissertationen, die sich mit der Würdigung der Handschriften des Sallust beschäftigen. Heinrich Pratje's Quaestiones Sallustianae ad Lucium Septimium et Sul- piciura Severum Sallusti imitatores spectantes wurden in diesem Jahresbe- richt Bd. n S. 1667 f. von Wölfflin angezeigt, eine Besprechung der- jenigen Stellen aber, an welchen Pratje mit Hülfe des Septimius (Dictys) und Sulpicius Severus die Lesarten des Vat. 3864 gegen Par. 500 ver- theidigt, blieb vorbehalten. Dieselbe kann hier freilich nicht mit Wölff- lin's Feder -- nachgeholt werden, da ßoese's Schrift die Abwägung des Werthes der beiden soeben genannten Handschriften zur Hauptaufgabe hat. Pratje's und Boese's Abhandlungen sind mehrfach und theilweise widersprechend beurtheilt worden, jene von E. Wölfflin, Jen. Lit.-Zeit. 1874 No. 23, ferner im Philol. Anz. VH 46 -49 und von Meusel, Berl. Jahresb. IH 208-214, diese im Philol. Anz. VH 98 f. und von H. W(ir)z ebenda S. 150—154 dann von Meusel, Berl. Jahresb. HI 204—208. Während in der erwähnten Frage Pratje's Ansicht in der mit Weinhold und Dieck übereinstimmenden These Ausdruck gefunden hat: Codex Sallusti Vaticanus n. 3864 Parisino 500 praeferendus est, urtheilt Boese: Weinholdus atque ex parte quidem etiam Dieckius auctoritati Vi nimium tribuisse ac cete- rorum codicum, praecipue Pi scripturam nimis neglexisse videntur. Von den Stellen, auf welche Pratje seine Meinung gründet, ist die Lesart des V Cat. 20, 6 in dies magis magisque (statt in dies magis) von Boese ohne Entscheidung gelassen, im Philol Anz. VH 47 und von Meusel a. a. 0. 210 entschieden zurückgewiesen worden, da es unstatt- haft ist, einem Nachahmer mehr Autorität einzuräumen als dem nach- weisbaren Sprachgebrauche des Autors selbst, wie ihn schon Wölfflin, Philologus XVH 521, anerkannt hat. Gegenüber der auch von Boese bevorzugten Lesart multum laboris (statt multum laborem) lug. 14, 12 genügt es auf Meusel a. a. 0. 212 zu verweisen. Gegen die von Pratje ver- theidigte, von Boese angezweifelte Lesart saepe vos oratum mitto (statt ad vos) lug. 24, 2 hat sich ausser Meusel a. a. 0. bereits früher Wölfflin, Lit. Centralbl. 1872 No. 15 erklärt, ebenso Wirz, Philol. Anz, V 363, vgl. ebenda VH 47. lug. 24, 3 wird das auch von Boese an- genommene incertum est (statt incertus sum) gleichfalls von Meusel a. a. 0. bestritten, ebenso lug. 85, 26 meque vosque (statt me vosque), wofür sich auch 0. Anhalt in der sogleich anzuführenden Dissertation S. 20 entscheidet, während Boese schwankt. lug. 85 , 33 ist das von Pratje und Boese festgehaltene praesidium agitare von Meusel a. a. 0. 213 an- erkannt, wie auch ich, Philol. Anz. 1. Suppl.-Heft 696 gethan habe,

156 Römische Historiker.

Während sich Anhalt a. a. 0. für praesidia entscheidet. Jordan hat in beiden Auflagen praesidium geschrieben. Dieser flüchtige Ueberblick zeigt wohl zur Genüge, wie wenig es Pratje gelungen ist, mit seinen Mitteln einen Vorzug des V vor P darzuthuu; dass ihm der ver- suchte Beweis, Parisinus 1576 (Pi) sei überwiegend besser als P, noch weniger geglückt ist, wird im Philol. Anz. VII 48 bewiesen. Mein Urtheil über die massgebenden Handschriften steht jenem von Boese näher, der auch im Einzelnen, wie ich im Philol. Anz. VII 99 und übereinstimmend Meusel a. a. 0. 206 bemerkte, nicht selten das richtige Resultat trifft, wo seine Beweisführung nicht zwingend erscheint. Die Mängel derselben sind von mir a. a. 0. kurz angedeutet, von Wirz ebenda 151 ff. und von Meusel, Berl. Jahresb. 206 ff. einzeln nachgewiesen worden. Wenn ich übrigens a. a. 0. dem Satze von Boese, dass zur Recension des Textes die Handschriften PP i B (Basileensis) und daneben für die Reden und Briefe V zu verwerthen sei, in der Hauptsache zugestimmt habe, so war ich weit entfernt, hiermit einem »ungeregelten Eklekticismus« das Wort zu reden. Denn nicht nur darin, welche Handschriften benutzt werden, sondern vorwiegend in der Art der Benutzung, zeigt sich das eklektische Verfahren. Niemand darf der von Nipperdey, Opuscula 541 f. geforderten Methode den Vorwurf des Eklekticismus machen, obschon nach derselben eine grossere Zahl von Handschriften die Grundlage zur Reconstruction des Archetypus bilden sollen. Andererseits ist Jordan, der seinen Aus- gaben den einzigen Cod. P zu Grunde gelegt hat, nicht davor bewahrt geblieben, von Gerlach, Heidelb. Jahrb. 1868, 883, sein Verfahren als ein eklektisches bezeichnet zu sehen. Unter den von Boese behandelten Stellen, in welchen die geringere Autorität des V zugestanden wird, z. B. Cat. 52, 2. lug. 24, 9. 31, 10. 25, will ich nur eine hier besprechen, näm- lich Cat. 51, 4: magna mihi copia est memorandi , qui (quae) reges consuluerint (consuluerunt) ; sed ea malo dicere, quae maiores nostri fecere, worüber ich schon in meinen Exercitatt. Sali. S. 15 gehandelt habe i). Ich lese nach P qui reges consuluerint, indem ich es nicht für an-

1) Weinhold theilt Quaestt. Sali. p. 200 einige Sätze von mir mit und versichert, dass er sie nicht verstehe. Gewiss werden auch seine Leser sie nicht verstehen. Denn er führt sie zwar ohne Aenderung eines Buchstaben an, wie er ausdrücklich bemerkt, aber mit einer Aenderung der Interpunction, was er zu bemerken unterlassen hat. So scheint der Satz quam ob rem fuit causa das eigentliche Ergebniss meiner Beweisführung enthalten zu sollen, während er nur nebenher einen Schluss auf den Werth des V zieht. Das wirk- liche Resuliat meines Nachweises enthält erst der folgende, von Weinhold nicht mehr mitgetheilte Satz; denn mein Nachweis bezieht sich gar nicht auf das Verhältniss zwischen V und P, sondern auf den Vorzug von P gegenüber Pi, wie ich bestimmt in dem ersten Satze meiner Erörterung ausspreche, welchen freilich Weinhold auch nicht mitgetheilt hat.

Sallustius. 157

stössig halte, wenn der augenfällige doppelte Gegensatz zwischen den Personen und ihrem Verfahren mit einer variirenden Wendung ausge- drückt wird, wie wir auch im Deutschen sagen können: Ich hätte reichen Stoff von auswärtigen Fürsten und Völkern zu erzählen, welche leiden- schaftliche Beschlüsse gefasst haben ; aber ich will lieber von der leiden- schaftslosen Handlungsweise unserer Vorfahren sprechen. Aehnlich die- ser Stelle des Sallust schreibt sein Nachahmer ep. ad Caes. II 7, 5 saepe iam audivi, qui reges, quae civitates et nationes per opulentiam magna imperia amiserint. Erscheint sonach der in P überlieferte Wechsel zwischen Subject (qui) und Object (quae) nicht unstatthaft, so muss die weitere Variation zwischen Conjunctiv und Indicativ sogar als die sinngemässere bezeichnet werden. Im ersten Satze lehnt es der Redner ab auf Einzelnes einzugehen und bedient sich daher der allgemeineren Form der indirecten Frage; im folgenden ist auf bestimmte Thatsachen eingegangen, daher die Relativconstruction und die Ankündigung der- selben durch das Demonstrativum ea gewählt. Zu vergleichen sind die von Dinter, Satura gramm. S. 9, gegebenen Erläuterungen und die da- selbst citirten Beispiele. In V sind beide Sätze uniformirt: quae con- suluerunt: quae fecere. P^, der trotz seiner engen Verwandtschaft mit P auch sonst nähere Beziehungen zu V hat, bietet hier: quae con- suluerint, eine Lesart, die mir aus der zweifachen in P und V vertretenen Ueberlieferung contaminirt zu sein schien.

4) Ottocar Anhalt, Quae ratio in libris recensendis Sallustia- nis recte adhiberi videatur. Diss. inaug. Jenae 1876. 38 S.

Diese Erstlingsschrift zeigt fast durchaus ein nicht nur freies, son- dern auch besonnenes Urtheil. Es muss dies um so mehr hervorgehoben werden, je ungünstigere Erwartungen der Eingang der Schrift erweckt. Hier schreibt der jugendliche Verfasser: Itaque me omnes, qui usque ad hunc diem Sallustium aut totum ediderunt aut carptira commentati sunt, vituperare libere profiteor, quod quidem unum librum uimis admirati aliis parum pretii tribuerunt, reliqua vero iudicii prorsus neglexerunt prae- sidia. Der Vorwurf der üeberschätzung einer einzigen Handschrift auf Kosten der übrigen müsste zunächst Jordan treffen; aber dieser Heraus- geber hat bekanntlich auch reliqua iudicii praesidia nicht vernachlässigt. Und zwar hat er nicht nur den Zeugnissen der Grammatiker hohen Werth beigelegt, so dass er sogar eben deshalb wiederholt von Anhalt, S. 30. 31 Anm. getadelt wird, sondern auch die Nach.ahmer Sallust's beachtet, wel- che Anhalt in der an die Spitze seiner Schrift gestellten methodischen Vorschrift für die Recension des Textes unglücklicher Weise übergangen hat. Anhalt urtheilt über die ganze einschlagende Literatur, während er sie doch nur theilweise kennt. Hätte er z. B. Brentano's Dissertation De C. Sallusti Crispi codd. recensendis (Frankfurt a. M. 1864) gekannt,

158 Römische Historiker.

so würde er sie S. 25 ff. haben nennen müssen. Die von Anhalt behan- delten Citate bei Diomedes, Chaiisius und Priscianus sind auch schon in der Zeitsclir. f. d. G.-W. XXIX 737 739 kurz besprochen worden. Bei den Bemerkungen über lug, 14, 3 durfte der Verfasser die Erörte- rung von Nipperdey, Spicileg. alt. V 9 (Opp. 178) nicht übersehen. Bei dem Nachweise der Verderbniss von parum id aus parvi id lug. 85, 31 vermisst man die Beachtung von Madvig's Commentar zu Cic. de fin. V 30, 91 S. 769 3. In der Erklärung des Glossems alis alibi stantes Cat. 61, 4 sollte Jordan's Note z. d. St. und Neue, Lat. Formenl. II S. 213 2, ferner G. Becker, Jeu. Lit.-Zeit. 1875 No. 45 berücksichtigt sein. Auch anderes ist übersehen.

In der Handhabung der Textkritik folgt Anhalt den oben S. 156 erwähnten Directiven Nipperdey's, wonach V der ersten Handschriften- klasse nachgesetzt, auf die üebereinstimmung zwischen einigen Ver- tretern der letzteren und V ein besonderes Gewicht gelegt wird. Aber auch das Zusammentreffen der in den Correcturen von P (p) repräsen- tirten Vorlage von V mit den Handschriften der ersten Klasse ist wich- tig. Dies hätte Anhalt S. 7 in der Behandlung von lug. 31, 25 betonen sollen; hier wird nämlich die Lesart in V amittatis durch das Zeugniss von p omittatis als Schreibfehler erwiesen und die Ueberlieferung der ersten Klasse omittatis (obmittatis) bestätigt. Entschieden unrichtig urtheilt Anhalt über die Cat. 20, 10 in V stehende Lesart victoria in manu vobis est gegenüber der allein richtigen, übrigens auch von Jordan abgelehnten Ueberlieferung in den besten Handschriften der ersten Klasse, welche im Einklang mit Priscian nobis schreiben. Catilina hat § 3 aus- drücklich erklärt: vobis eadem quae mihi bona malaque intellexi; dem- gemäss gebraucht er in der ganzen Darstellung bis zum Schlüsse die erste Person, um seine Partei gegenüber den mit illi bezeichneten pauci potentes zu bezeichnen. Nur in der zweimaligen Aufforderung § 9 quae quo usque tandem patiemini fortissumi viri? und § 14 quin igitur exper- giscimini? steht selbstverständlich die zweite Person. Man bemerke: § 6 nisi nosmet ipsi vindicamus. 7 semper i 11 is reges tetrarchae vecti- gales esse ; ceteri omnes volgus fuimus. 8 divitiae apud illos sunt ; nobis reliquere pericula. 10 victoria in manu nobis est - ; contra illis omnia consenuerunt. 11 illis divitias superare , no- bis rem familiärem etiam ad necessaria deesse. illos binas aut amplius domos continuare, nobis larem familiärem nusquam ullura esse. 12. 13 divitias suas (sc. illi) vincere nequeuut. at nobis est domi inopia. Dass das Sätzchen § 9 ubi alienae superbiae ludibrio fueris nicht als Zeugniss da- gegen gelten kann, sondern allgemein zu fassen ist, beweist sowohl der Numerus als der Modus von fueris. In der Entscheidung über Cat. 20, 2 ni virtus fidesque spectata mihi foret (forent P) erwähnt Anhalt die Belege von Fabri zu 5, 7 über den Numerus des Prädicats nach mehreren Feminin-

Sallustius. 159

subjecten (vergl. Badstübner, de Sali, dicendi genere 5) nicht, obschon er sonst Fabri's Commentar zu würdigen weiss. Treffend wird vom Verfasser die Stelle Cat. 20, 7 erklärt, deren auch von Jordan verkannte Bedeutung in der Uebersetzung von Holzer und Rieckher ihren richtigen Ausdruck findet: ol 8s Xocnol ävdpsg ovzeg xaXo\ xdyad^ol, eYre söyevscg iaiiev atTS dysveTQ, iv o^Xou /xspei ysysv^/ie&a. Ebenso schlagend ist Anhalt's Urtheil S. 17. 23ff. über die Aufnahme vereinzelter archaisti- scher Formen in den Text des Sallust. Zu lug. 38, 10 wird die Con- jectur tentabantur vorgetragen, jedoch mit Recht sofort wieder zurück- genommen, da die Stelle zwar der Emendation bedarf, aber durch die Aenderung des Verfassers nicht emendirt würde. Unter den Stellen, an welchen Anhalt die Lesart der ersten Handschriftenklasse gegen V überzeugend gerechtfertigt hat, hebe ich hervor: Cat. 52, 2 longe mihi alia. 52, 18 attentius. 52, 35 in sinu urbis. lug. 10, 1 ego, lugurtha, te. 24, 2 ad vos oratura mitto. 24, 3 incertus sum. 24, 9 scribo. 31, 10 honori, non praedae, 31, 18 magis vos fecisse quam illis acci- disse dignum. 31, 25 omittatis. 85, 11 imperare. 85, 23 neque bona neque mala. Etwas unklar spricht Anhalt über die Stelle lug. 85, 16, wo V ex matre, die sonstige Ueberlieferung einstimmig ex patribus bietet. Der Verfasser leugnet, dass hier in V eine coniectura consilio facta vor- liege, da sonst im Folgenden auch responsuros angepasst worden wäre; gleich darauf gesteht er jedoch eine absichtliche (statuit) Aenderung zu. Ob aber die Conjectur dem Eclogarius, oder einem Librarius zugeschrie- ben wird: jedenfalls liegt hier eine bewusste Umgestaltung der Ueber- lieferung in V vor.

5) Octavius Clason, Eine Sallust-Handschrift aus der Rostocker Universitäts- Bibliothek: Jahrb. f. class. Philol. Suppl.-Bd. VH S. 247 bis 304.

In lebhafter Darstellung erzählt Clason die Auffindung einer von Gerlach und Dietsch übersehenen und überhaupt trotz der Mittheilun- gen von Dahl (1791 und 1799) verschollenen Rostocker Handschrift, welche den Catilina und lugurtha des Sallust und das V. Buch des Eutrop enthält. Von fünf verschiedenen, aber ziemlich gleichzeitigen Händen geschrieben gehört die Handschrift, welche Clason mit R bezeichnet, nach dem durch den Verfasser erbetenen Gutachten von Fournier der Grenze des XL und XH. Jahrhunderts, nach dem eingeholten Urtheil von Sickel dem Anfange des XH. Jahrhunderts an, während der Verfasser selbst die Entstehung etwa in die Mitte des XL Jahrhunderts hinaufrücken möchte. Schon dieses Bemühen sowie der ganze Ton der Darstellung zeigt den Verfasser eher als Anwalt, denn als ruhigen Beurtheiler seines Fundes. Da Clason's Schrift im Lit. Centralbl. 1874 No. 46 von o&, besonders gründlich im Philol. Anz. VI 588-595 von H. W(ir)z und noch ausführ-

160 Römische Historiker.

lieber im Berl. Jahresber. III 195 204 von Meusel übereinstimmend besprochen worden ist, so bedarf es hier nur weniger Andeutungen. Der sorgfältigen, S. 280- 304 verzeichneten Collation, zu welcher Meusel a. a. 0. S. 204 einige Nachträge und Beiichtigungen mittheilt, hat Clason Prole- gomena vorausgeschickt, worin er den Werth von R und die Stellung dieses Codex zu den übrigen zu bestimmen und nachzuweisen suchte. Hiernach gehört R, soweit er von den vier ersten Händen geschrieben ist, d. h. bis lug. 103, 2, der ersten Handschriftenklasse an, während der von der fünften Hand herrührende Rest aus einer der zweiten Klasse ange- hörigeu Vorlage copirt ist. In jenem grösseren Theile soll R insbesondere mit P^ET (N) und noch näher mit m verwandt sein, der kleine Rest dage- gen mit V übereinstimmen. Die befremdende Erscheinung, dass ein der ersten Klasse zugehöriger Codex gerade zu m, bekanntlich der besten Hand- schrift der zweiten Klasse, in engster Beziehung steht, hat den Verfasser in der Schätzung von R nicht bedenklich gemacht. Ihm scheint es fest- zustehen, dass wir es mit einer besonders guten Handschrift zu thun haben, welche eine Vermittlung zwischen der ersten und zweiten Klasse herstelle. Dagegen hat Wirz, indem er die von Clason in den Prolego- mena behandelten Stellen nachprüft, überzeugend bewiesen, dass Clason's Handschrift für die Kritik irrelevant ist und höchstens für die Erkennt- niss von Glossemen durch Vergleichung mit den zunächst verwandten Handschriften in Betracht kommt. Nach der Zusammenstellung von Meusel a. a. 0. S. 195 weicht R in der W^ortstellung an 75 Stellen von allen bei Dietsch berücksichtigten Codd. ab, lässt 16 mal Worte aus, welche in den übrigen Codd. stehen, hat 20 Zusätze, welche sonst in sämmtlichen Hand- schriften fehlen, und weist überdies noch 72 eigenthümliche Lesarten auf (wobei offenbare Schreibfehler gar nicht gezählt sind). Für den Unbe- fangenen ergiebt sich schon aus diesen Zahlen, dass R entweder für die Herstellung des Textes in erster Linie zu verwerthen ist, falls nämlich seine Eigenthümlichkeit auf ächter Ueberlieferung beruht, oder dass er als nachlässig geschrieben und schrankenlos interpolirt gänzlich zurück- treten muss. Clason hat den letzteren Gedanken abgewiesen, aber auch den ersteren nicht zu fassen vermocht. Da er nicht alle Zusätze und Auslassungen rechtfertigen kann, so sucht er doch möglichst viele zu retten. Ueberhaupt verfällt er bei seiner Beweisführung, wie Wirz a. a. 0. S. 590 hervorhebt, in den Fehler, von der Betrachtung einzelner in R eigenthümlich überlieferter Stellen auszugehen, während nur die Ver- gleichung des gesammten Textes in seiner Originalität wie in der Ueber- einstimmung mit den übrigen Handschriften den richtigen Ausgangspunkt gebildet hätte. Auch das Verwandtschaftsverhältniss von R hat Clason nicht ganz richtig festgestellt; nach Wirz a. a. 0. gehört R zu der Gruppe ETMM'M2F.

Nach dem Angeführten erscheint es nicht nöthig, hier oder bei der unten folgenden Uebersicht über die einzelnen von Clason besprochenen

Sallustius. 161

Stellen zu berichten. Doch mögen zwei Vermuthungen des Verfassers verzeichnet werden, welche auf die Autorität seines Codex gegründet sind. Cat. 3, 5 bietet R me honoris cupido eadem quae et ceteros faraa atque invidia vexabat; daraus entnimmt Clason den Vorschlag eadem [quae] et ceteros. lug. 31, 5 steht in E, situm est quirites neque ego vos quirites hortor; da diese Lesart zeige, dass quirites eine an ver- schiedeneu Stellen in den Text gekommene Glosse sei, so will Clason dieses Wort entfernt wissen. -- Endlich mag noch einer Stelle gedacht werden, au welcher ein nui" in R vorkommender Zusatz nach Clason in den Text aufgenommen werden soll. Cat. 58, 9 folgt nämlich in R auf die Worte advorsa fient der Satz Quia hello incepto pax in manu victoris constat. Da indessen derselbe Satz zu den Worten in § 15 nemo nisi Victor pace bellum mutavit am Rande beigeschrieben ist, so kann wohl über den Charakter desselben als eines verirrten Glossems kein Zweifel obwalten. Vgl. Jordan, praef. ^ VlIL

6) J. Undset, Fragmenter af et Sallust-händskrift i det norske rigsarkiv. Nordisk Tidskrift for Filologi. N. R. III S. 69-74.

Aus der Revue des Revues, deuxieme annee p. 218 entnehme ich, dass Undset über die wahrscheinliche Geschichte einiger Pergamentblätter handelt, welche dem XIII. Jahrhundert anzugehören scheinen und Bruch- stücke der Schriften Sallust's enthalten, ohne jedoch irgend welche neue und gute Lesart darzubieten.

Der Herausgeber dieses Jahresberichts theilt Bd. VII S. 156 mit, dass im ersten Theile von L. Lodi's Catalogi dei codici e degli autografi posseduti dal marchese G. Campori auch Handschriftliches zu Sallust verzeichnet ist.

7) Eduard Wölfflin, Bemerkungen über das Vulgärlatein. Phi- lologus XXXIV S. 137-165.

Diese bereits oben S. 132 und 141 erwähnte Abhandlung ist auch für die Würdigung der Sprache Sallust's von Wichtigkeit. Wölfflin tadelt S. 146 f. die Gewohnheit, jede auffällige Eigenthümlichkeit dieses Autors als Archaismus zu bezeichnen; richtiger sei es in vielen Fällen, von vul- gärem Demokratenlatein zu sprechen, wie wenn portare für ferre, nego- tium statt res gesetzt, uegitare statt negare gewählt, ad id locorum und postea loci geschrieben ist. Manchmal scheine es, als habe Sallust der Abwechselung wegen, weil ihm der volle Sprachschatz noch nicht zu Ge- bote stand, sich zu Ausdrücken verleiten lassen, die er besser vermieden hätte. Uebrigens lasse sich die Entwicklung seiner stilistischen Gewandt- heit an Beispielen nachweisen. Jene Unsicherheit in der Wahl der Worte zeige sich namentlich im Catilina, der Erstlingsschrift Sallust's, theilweise wohl auch noch im lugurtha, am wenigsten in seinem reifsten Werke, den Historien. So erscheint Cat. 22, 1. 24, 1. 52, 14 popularis sceleris,

Jahresbericht für Alterthums-Wissenschaft 1877. II. H

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coniurationis, dafür lug. 33, 3 socius sceleris. Das vulgäre agito ist im Cat. häufiger als ago, in den Hist. ist jenes nur 7 mal, dieses 25 mal gebraucht. Im Vordersatze tametsi, im Nachsatze tarnen steht 17 mal im Cat. und den ersten 38 Capiteln des lug., weiterhin in dieser Schrift und in den Historien nicht mehr. Natürlich ruht der Hauptvverth von Wölfflin's Arbeit nicht in diesen Einzelheiten, sondern in der mannig- fachen für weitere Detailforschung gegebenen Anregung.

8) Ludwig Hellwig, Zur Syntax des Sallust (Theil 1). Programm des Gymnasiums zu Ratzeburg 1877. 37 S. 4.

Hellwig hat den Zweck verfolgt, den auf dem Gebiete der Sallust- kritik Thätigen ein handliches Nachschlagebuch zu bieten, und knüpfte daher an die Dissertation von August Anschütz, Selecta capita de syntaxi Sallustiana (Halis 1873) an, welche in diesem Jahresber. Bd. H S. 1666 f. besprochen ist. Nachdeni Anschütz in fünf Abschnitten de substantivo, genere, numero, adiectivo, adverbio gehandelt hat, bespricht Hellwig die unterordnenden Conjunctionen, und zwar zunächst A. temporale S. 3—24, B. causale 24—26, C. coucessive 27-29, D. consecutive 29 30, E. finale 30 37. Die condicionalen Conjunctionen, das Relativum, der Conjunctiv in Hauptsätzen, die Zeitenfolge, der Infinitiv und Inf. mit dem Acc, die indirecte Rede, das Participium, Gerundium, Gerundivum und Supinum sollen in einem folgenden Theile behandelt werden. In der vorliegenden Schrift erklärt sich der unverhältnissraässige Umfang des Capitels über die zeitbestimmenden Conjunctionen daraus, dass jede Conjunction nicht je nach ihren verschiedenen Bedeutungen an verschiedenen Stellen, son- dern dort vollständig besprochen wird, wo sie zuerst erwähnt ist. Die Berücksichtigung der von Kritz und Dietsch gesammelten Fragmente des Sallust bleibt für den Schluss der Arbeit aufgespart, weil der Verfasser der Ansicht ist, dass vielfach erst dann die Kriterien ihrer Richtigkeit zu Gebote stehen werden. Einstweilen werden nur die Bella und die Reden und Briefe der Historiae ausgebeutet. Der Text, welcher zu Grunde liegt, ist jener der zweiten Ausgabe von Jordan. Für manche Stellen schlägt Hellwig Aenderungen vor ; dieselben werden in der unten folgenden Uebersicht verzeichnet werden. Was zur Erklärung einzelner Fälle und zur Bestätigung handschriftlicher Lesarten und älterer Ver- muthungen vom Verfasser dargeboten ist, mag gleich hier erwähnt wer- den. Cat. 18, 3 wagt es Hellwig, mit Jordan an der Lesart nequiverit festzuhalten, für welche er consecutive Bedeutung in Anspruch nimmt. 20, 1 soll mit P und anderen guten Hss. gegen Jordan secedit statt secessit gelesen werden, da der Wechsel des Tempus in dem coordinirten Satze, wo habuit überliefert ist, bei Sallust nichts Auffälliges habe. 22 , 2 wird Bergk's Conjectur dicitur statt dictitare als unnöthig bezeichnet, da bei Sallust auch sonst alleinstehende historische Infinitive vorkommen. Vgl. Fabri zu Cat. 12, 5. - Zu 35, 3 non quin aes alienum . . solvere

Sallustius. 163

non possem bemerkt Hellwig, es frage sich, ob non, wenn auch über- flüssig, gerade an dieser Stelle als beabsichtigte Nachlässigkeit nicht ge- halten werden könne. Dies niuss jedoch verneint werden, da ein analoges Beispiel nicht vorliegt und die Verderbniss sich leicht erklärt. lug. 6, 2 soll postquam . . intellegit nicht als archaistische Perfectform, wie sie Cat. 51, 24. lug. 40, 1 bezeugt ist, sondern als Präsens gefasst werden, wie lug. 52, 3 ubi intellegunt steht. lug. 13, 5 postquam . . potiebatur soll bedeuten : »nachdem er den Versuch gemacht hatte sich zu bemäch- tigen«. Denn solange die ausdrückliche Anerkennung durch das römische Volk fehlte, sei lugurtha's Besitzergreifung von ganz Numidien ein blosser Versuch geblieben. Einfacher und richtiger als diese Deutung Hellwig's ist die Erklärung von Fabri und Jacobs, dass potiri hier »die Macht haben« bedeute. Noch eine Reihe von Stellen, in welchen Sallust post- quam mit dem Imperfect construirt hat, lässt sich nicht de conatu er- klären, vgl. zu Cat. 6, 2 die genannten Ausleger. lug. 46, 1 ubi . . accepit, . . diffidere suis rebus ac tum demum veram deditionem facere conatus est soll diffidere nicht als historischer Infinitiv gefasst, sondern von einem aus dem folgenden conatus est zu ergänzenden coepit abhängig gedacht werden; aber Beispiele hierfür sind nicht beigebracht. lug. 110, 7 ist der Verfasser geneigt nach Dietsch quoad voltis statt quod zu schreiben.

Zur Würdigung der Schrift von Hellwig kann ein Vergleich mit Dräger's Historischer Syntax dienen, in welcher doch gerade das Capitel über Temporalsätze, wofür treffliche Vorarbeiten zu Gebote standen, zu den besten Partien gehört. Von Dräger Bd. H S. 542 wird angegeben, das sogenannte 'cum inversum stehe bei Sallust nur dreimal und zwar immer mit voraufgehendem iam; Hellwig verzeichnet auch lug. 51, 2 itaque multum diei processerat, cum erat. Ein Beispiel für iam im Hauptsatz und den historischen Infinitiv im Temporalsatz führt Dräger aus Sallust nicht an; Hellwig citirt lug. 98, 2 iamque dies consumptus erat, cum tamen barbari nihil remittere. Einen historischen Infinitiv im Haupt- satze zu dem mit prius quam eingeleiteten Temporalsatz belegt Dräger S. 598 nicht , Hellwig notirt Cat. 13, 3. Dräger hat S. 545 für den Potentialen Conj. Präs. bei cum zur Bezeichnung der Wiederholung nur lug. 85, 35 angemerkt; mehrere Beispiele bietet Hellwig. - So werden Dräger's Angaben auch S. 539. 557. 562. 565. 567. 578. 582. 587. 597. 598. 600 u. s. f. von Hellwig ergänzt. Natürlich liegt hierin kein Vor- wurf für Dräger's umfassendes Werk, zumal dort absolute Vollständig- keit nicht beansprucht wird; nur der Werth der vorliegenden Special- arbeit soll hiermit angedeutet sein.

Doch lässt sich auch bei Hellwig noch Einzelnes nachtragen: S. 14 postquam mit dem Imperfect, im Hauptsatz der historische Infinitiv lug. 53, 7. - S. 17 ubi mit dem Imperfect, im Hauptsatz das Imp. lug. 55, 4. S. 18 fehlt Cal. 9, 3 ubi pax evenerat. Den Beispielen von tametsi

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tarnen ist beizufügen Cat. 3, 4. Auch kleine Versehen finden sich: S. 31 ist aus Jordan's Ausgabe lug. 85, 10 der Druckfehler mature statt mutare herübergenommen, S. 36 ist nach Jordan Cat. 34, 2 Massaliam ge- schrieben, obschon dieser Herausgeber S. XVIII beides berichtigt hat. S. 29 ist bei Hellwig lug. 5, 2 faceret statt fecit zu lesen, S. 30 lug. 45, 2 fi-equentes statt frequenter, S. 32 lug. 29, 5 statt 29, 2, S. 33 lug. 93, 6 statt 93, 1, S. 35 lug. 6, 3 anxius.

9) Fridericus Vogel, OfiocuTrjTsg Sallustianae : Acta seminarii philol. Erlang. Vol. I. Erlangaeinaedibus A.DeichertiMDCCCLXXVIII. S. 313—365.

Geschickt und erfolgreich handelt F. Vogel über die Nachahmer des Sallust, indem er diö einzelnen je nach dem Stande der Vorarbeiten mehr oder minder eingehend bespricht und insbesondere drei derselben genauer prüft, um sowohl für diese selbst als für Sallust Anhaltspunkte zur Emendation des Textes zu gewinnen.

In den einleitenden Bemerkungen musste unter den Vorkämpfern für den Principat des Cod. Vat. 3864 jedenfalls H. Dieck, wohl auch H. Pratje genannt werden, dagegen war G. Boese (vgl. oben S. 155) nicht unter dieselben zn rechnen. Die S. 314 gewagte Behauptung, dass in der Controverse über den Vorzug dieser oder jener Handschrift die wichtigsten Beweise aus der Entwicklung und dem Geiste der lateinischen Sprache häufig (haud raro) übergangen würden, ist nicht als richtig an- zuerkennen. Es giebt keine Schrift über die betreffende Frage, welche sich nicht auch der von Vogel vermissten Beweismomeute bedient. Sind dieselben nicht erschöpft, so gilt eben Ritschl's Wort (Opp. III 52), man könne, wolle und müsse doch nicht, wenn man über Eines schreibt, zu- gleich und sogleich über Alles schreiben, was damit zusammenhängt. Wenn Wejnhold es unterlassen hat, Cat. 52, 18 paulum modo, wie V schreibt, gegen paululum modo, wie in P steht, und ebenda § 34 die Wortstellung in V Statilio Gabinio gegen jene in P Gabinio Statilio mit Gründen, wie Vogel sie treffend anführt, zu schützen , so folgt doch dar- aus noch keineswegs, dass der von diesem ausgesprochene Vorwurf über- haupt berechtigt ist. Ebenso wenig treffend ist S. 315 die Polemik ge- gen die Ungenannten, qui omnes fere controversias ad nutum quasi unius codicis solvere velint, cum ne cuneti quidem Codices accuratissime ex- cussi ubique sufficiant. Niemand hat die in dem letzten Satze Vogel's enthaltene Wahrheit verkannt. Jordan, der zuerst mit Consequenz den Text auf der Grundlage des einen Cod. P gestaltete, ist oft genug über die Autorität sämmtlicher Handschriften hinausgegangen. Gerade die von Vogel speciell behandelten Nachahmer hat Jordan nicht vernach- lässigt, wie z. B. die Noten zu Cat. 49, 1 und 51, 9 und der im Her- mes I 234 ausführlich behandelte Vorschlag zu Cat. 20, 7 beweisen. Hat also hier der Verfasser gegen Verkehrtheiten angekämpft, die in der

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Sallustliteratur nicht existiren, so hat er andererseits, woraus jedoch seiner Erstlingsschrift kein Tadel erwächst, ein paar Kleinigkeiten aus dieser Literatur übersehen. S. 317 war im Betreff der bei Velleius beobachteten Nachahmungen des Sallust vor Sauppe schon Ruhnken zu nennen (vgl. jetzt auch H. Georges, de elocutione Vell. Pat. S. 6) Mehr als S. 318 über Nachahmungen bei Curtius zusammengestellt ist, findet sich im Philol. XXXII S. 550. Die Klasse des Codex Rulandianus, der 1874 aus dem Nachlass seines Besitzers nach Rom in die vatica- nische Bibliothek gewandert ist, bezeichnet Vogel S. 323 als unsicher. Aber wie sich aus der Einreihung in der grösseren Ausgabe von Dietsch (1859) I S. 10 und aus dem Verzeichniss der Varianten daselbst ergiebt, gehört der Codex zur zweiten Handschriftenklasse. Schon J. Gutenäcker hatte im Programm des Gymnasiums zu Münnerstadt 1839 eine Collation des lugurtha mitgetheilt, was Dietsch übersah.

Weit ansprechender und fruchtbringender als die allgemeinen Be- merkungen Vogel's ist die Einzelbehandlung des von ihm emsig zusammen- getragenen und methodisch verwertheten Stoffes. Im I. Abschnitt (S. 316 bis 325) De Sallustii imitatoribus spricht der Verfasser, theilweise unter Mittheilung von einzelnen Stellen, über die Beziehungen auf Sallust bei Trogus Pompeius (lustinus), Velleius Paterculus, Pomponius Mela, Cur- tius Rufus, Tacitus, Florus, Fronte, Gellius, Aelius Spartianus, Trebellius Pollio, Aurelius Victor, Hegesippus (losephus), Septimius (Dictys), Sul- picius Severus, Ammianus Marcellinus, lulius Exuperantius. lieber den II. Abschnitt (S. 325—341) De Pseudosallustii in Tullium et invicem in- vectivis und über den III. (S. 341- 348) Pseudosallustius ad Caesarem senem de re publica wird weiter unten berichtet werden. Besonderes Interesse gewährt der IV. Abschnitt (S. 348 365) De Hegesippo. Die Frage nach der Person dieses problematischen Autors und nach der Entstehung seines Werkes sowie die Untersuchung über die Spuren Ci- ceronischer und Taciteischer Diction in demselben lässt Vogel grundsätz- lich (S. 349) bei Seite und beschränkt sich auf den Nachweis, wie weit sich die Nachahmung des Sallust durch Hegesippus erstreckt. Mit Um- sicht und Besonnenheit sammelt der Verfasser (S. 350 356) die zahl- reichen, mehr oder minder sicheren Berührungspunkte zwischen beiden Schriftstellern, woraus sich unzweifelhaft ergiebt, dass Hegesippus in ein- zelnen Wörtern und ganzen Ausdrücken, in Gedanken, Uebergängen und Structuren die Schriften des Sallust ausgebeutet hat. Die Schlüsse, welche Vogel daraus für die Kritik einzelner Stellen dieses Autors zieht, sind in der unten stehenden Uebersicht verzeichnet. Für die Textkritik des Hegesippus hat Vogel Folgendes gewonnen: I 18, 16 soll nach Sali. Hist. H 29 mit dem Cod. Ambrosianus satias statt satietas gelesen wer- den, wie schon Wasse wollte; ebenso IV 4, 61, wo im Cassellanus satius steht. V 24, 76 nach lug. 14, 4 qui prius statt quibus. V 43, 21 dedecores atque inulti nach Cat. 58, 21 und Hist. III 74 mit der Mehrzahl

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der Hss. statt inutiles, wie Cass. bietet. Dagegen wird V 15, 70 in mollius trotz Sali. Hist. ine 91 in melius durch gute Gründe gestützt. Ueberhaupt hat sich Vogel vor üebertreibuug gehütet und ist namentlich bezüglich der Kritik von Stellen aus Sallust der von ihm S. 321 aufge- stellten Norm treu geblieben, dass die handschriftliche Ueberlieferung nur dann zu verlassen ist, wenn sie dem allgemeinen oder individuellen Sprachgebrauche widerspricht oder durch zwei von einander unabhängige Zeugnisse anerkannter Nachahmer des Historikers überwogen wird.

10) Martini Hertz de Ammiani MarccUiui studiis Sallustianis dis- sertatio. Ind. schol. in univ. litt. Vratislav. per aestatem a MDCCCLXXIV habendarum. 16 S. 4.

Die Schrift ist bereits in dem Jahresbericht über Ammianus von WölfÜin Bd. HI S. 795 f. gewürdigt worden und hat auch bei Mensel im Berl. Jahresber. HI 221 eine kurze Erwähnung gefunden. Eingehender ist die Besprechung von H. "W(ir)z im Philol. Anz. VH 233 f. "Während Hertz die Ausbeutamg des lugurtha und der Historien bei Ammianus dargethan, aber S. 16 ausgesprochen hatte, dass dieser belesene Schrift- steller den Catilina des Sallust nicht gelesen oder wenigstens nicht ex- cerpirt zu haben scheine, behauptet Wirz bezüglich des Catilina das Gegentheil.

11) Hans "Wirz, Ammianus' Beziehungen zu seinen Vorbildern, Cicero, Sallustius, Livius, Tacitus: Philologus XXXVI, 627—636.

Hier werden S. 628— 633 die Entlehnungen des Ammianus aus Sallust verzeichnet; namentlich wird S. 628 f. durch Beispiele bewiesen, dass auch der Catilina für die Nachahmung Stoff geliefert hat.

12) Ignazy Znamirowski, 0 ile zaprawial swoje lacing na pis- mach Sallustego kronikarz bezimienny, Gallem pospolicie zwany? Spra- wozdanie dyrekcyi c. k. gimnazyum sw. Jacka w Krakowie za rok szkolny 1876. 42 S.

Den Inhalt dieser Abhandlung kenne ich nur aus der Anzeige von Iskrzycki in der Zeitschr. f. d. österr. Gymn. XXVII 945 f. Der Verfasser behandelt die Frage, inwiefern der anonyme, gemeinhin Gallus genannte Chronist, ein polnischer Mönch des XII. Jahrhunderts, sich in seiner La- tinität nach den Schriften Sallust's richtete. Es werden etwa 200 Stellen verglichen, wovon 21 den Historien, die übrigen zu ziemlich gleichen Theilen dem Catilina und lugurtha entnommen sind. Da der Nachahmer die "Wendungen seines Vorbildes aus dem Gedächtniss wiederholt, so sind die Entlehnungen, wie der Verfasser erkennt, für die Emendation des Sallust werthlos. Uebrigens könnten dieselben ohnehin die Autorität der zum Theil um zwei Jahrhunderte älteren Handschriften des Sallust nicht aufwiegen, wie F. Vogel, 'O/xocorrj-as S. 321, richtig bemerkt.

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13) Karl Zangemeister, Althochdeutsche Glossen zu Sallust: Germania XX 402 f.

In dem aus Lorsch stammenden Sallust- Codex der palatinischen Bibliothek im Vatican n. 889, der dem Anfange des XI. Jahrhunderts angehört, finden sich auf den ersten 15 Blättern viele Interlinearglossen, darunter auch deutsche. Zangemeister theilt folgende Proben derselben mit: insolens malarÄ artium, (über der Zeile) inpatiens uugeuuon. ferox, grimmer, proximi familiaresq;, holdun. hortabatur, schunta. uectigales, zolgodiga. familiärem; gesuasen. hortentur, schundan. confodere, erstech- can. domi militiaeq;, heime und in here.

14) Chr. E. Kraemer, Emendationes Sallustianae. Programm des Gymnasiums zu Hadamar 1874/75. Weilburg [1875]. 16 S. 4.

Im Philol. Anz. VIII 139 f. ist bereits bemerkt, dass der Verfasser auf die Beobachtung des Sprachgebrauches und eine entsprechende Inter- pretation Sorgfalt verwendet, dass er aber die handschriftliche Ueber- lieferung nicht richtig würdigt und mit der einschlagenden neueren Lite- ratur nicht genügend bekannt ist. Daher sind seine Erklärungen der Verderbnisse zum Theil verkehrt, seine Emendationsversuche meist will- kürlich. Manches schon von Anderen Gesagte wird wieder vorgebracht, wie die Vermuthung von Gronovius zu lug. 101, 3 utique statt aeque, die Madvig's zu or. Lep. 20 qua raptum ire und der Vorschlag von Dietsch zu Cat. 2, 9 aliquoi negotio intentus statt aliquo. Die übrigen Con- jeeturen Krämer's sind unten verzeichnet.

15) L. Conzen, Beiträge zur Erklärung des Sallust. Programm des Gymnasiums zu Darmstadt 1876. 20 S. 4.

Das Verständniss des Sallust ist durch Conzen's breite Erörterungen nicht gefördert, da auch in dieser Schrift die richtige Schätzung der handschriftlichen Gewähr und eine ausreichende Kenntniss der neueren Arbeiten zu Sallust, selbst der letzten Ausgaben von Kritz, Dietsch und Jacobs, vermisst wird. Die Beiträge des Verfassers sind folgende: Cat. 13, 1 wird mit Unrecht constructa (ohne Abweisung von constricta und contracta), 29, 3 richtig nullius, 38, 3 unrichtig per illa tempora empfoh- len. — 39, 2 werden unter ceteri »alle Gegner der pauci, die auf Amts- gewalt Anspruch machten und beim Streben darnach unterlegen waren«, verstanden; placidius tractarent wird zu dem Subject ipsi gezogen und im Sinne von »in grösserer Ruhe hielten« erklärt. 59, 2 wird aspera richtig als Acc. Plur. gefasst. lug. 18, 9 wird die Lesart Medi autera et Armenii befürwortet. 45, 2 wird ceteris im Gegensatze zu miles gregarius auf die »Officiere im Heere« bezogen, arte richtig als Adverb gedeutet. 47, 2 soll et, si paterentur, opportunitate und kann frequentiam negotiatorum et commeatuum iuvaturam oder commeatum iuvaturum gelesen werden; paratis rebus wird dann »nicht auf die herbeigeschafften Vor-

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räthe, sondern auf die allgemeine Lage des Metellus oder auf die An- ordnungen, die er schon getroffen«, bezogen. 74, 3 spricht der Ver- fasser für die Lesart Numidas tutata, 102, 2 für de se, 104, 1 für confecto, quo iutenderat, negotio itemque L. Bellienum praetorem Utica. In manchen Fällen hat der Verfasser auch andere Lesarten oder Erklärungen zur Wahl gestellt, ohne sich zu entscheiden. Neues von Werth findet sich unter dem Angeführten nicht. Ueber zwei von Conzen mitgetheilte Conjecturen ist in dem nachfolgenden Verzeichniss zu be- richten. Schliesslich muss bemerkt werden, dass im Anhange der Schrift eine Zusammenstellung über den Gebrauch von postquam bei Sallust ge- geben ist.

16) A. Rüdiger, De orationibus, quae in rerum scriptoribus Graecis et Latinis reperiuntur, imprimis Herodoti et Sallustii ratione habita. Programm des Gymnasiums zu Schleiz. 1875. S. 5 20. 4.

Der allgemeine Theil des vorliegenden Schriftchens umfasst nicht ganz eine Seite; den übrigen Raum desselben füllt die Betrachtung von Beispielen aus Herodot und Sallust zur Beantwortung der Fragen, quo consilio, qua ratione quoque successu rerum scriptores Graeci et Latini orationes historiis suis inseruerint. Nach dieser Disposition ist eine histo- rische Behandlung des Themas nicht zu erwarten. Die Eintheilung er- scheint aber auch logisch fehlerhaft, da die Theile einander nicht aus- schliessen, wie der Verfasser (S. 15) selbst gesteht. Ueber Herodot wer- den nur sehr dürftige Erörterungen gegeben; für Sallust bietet der Ver- fasser mehr, aber doch zu wenig. Gerade die reifsten Reden aus den Historien sind mit keinem Wort erwähnt. Das Verhältniss der Reden bei Sallust zu den reflectirenden Proömien und Excursen, die gleichför- mige rhetorische Gliederung, die ungleiche logische Entwicklung, die Fülle correspondirender Begriffsreihen, der Mangel verbindender Ueber- gänge, die Vorliebe für derbe Ausdrücke und feine Wortspiele, die Ab- neigung gegen einfache und geläufige Wendungen dies Alles sucht man in Rüdiger's Schrift vergebens.

17) Ferdinand Braun, Die Historiographie des Sallustius im Vergleiche mit der des Thucydides. Programm der Realschule und des Progymnasiums zu Ohrdruf 1877. 10 S. 4.

Diese neue Behandlung des schon vielfach erörterten Themas bringt keinen neuen Gedanken, der hier verzeichnet werden könnte. Auch die bisher von anderen gewonnenen Ergebnisse werden weder geordnet noch vollständig mitgetheilt. Insbesondere ist das Verhältniss der von Sallust eingelegten Reden und Briefe zur »Wirklichkeit« S. 9 nicht erschöpfend behandelt. Wenn dem Verfasser ferner (S. 10) die Proömien des Sallust »füglich als überflüssig« erscheinen, so kann er sich zwar auf Autoritäten aus alter und neuer Zeit berufen, wie Quintilian HI 8, 9 und W. Wacker-

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nagel (Poetik, Rhetorik und Stilistik herausg. von L. Sieber S. 248); auch wird er durch die Rechtfertigungen des Sallust, wie W. Pahl und R. Kuhn sie geben, kaum widerlegt. Dennoch befindet er sich in einem durch oberflächliche Betrachtung verschuldeten Irrthum. Richtigere Ge- sichtspunkte hat R. Dietsch eröffnet; vgl. auch Philol. Anz. IV 240 f. Es ist kaum nöthig, hier auf einzelne Missverständnisse des Verfassers ein- zugehen, wie wenn derselbe (S. 5) behauptet, der von Sallust lug. 3, 4 gegen die potentia paucorum ausgesprochene Tadel treffe auch Cäsar. Auch die Schreibversehen und Druckfehler können unerwähnt bleiben. Doch muss es im Hinblick auf den Titel der Schrift befremden, dass das Studium, welches Sallust dem Thucydides zuwandte, zwar (S. 3) erwähnt, aber nicht weiter erörtert ist.

18) Augustus Laureck, De C. Sallustii Crispi ingenio arte ra- tioneque dicendi. Accedit comparatio cum Thucydide et Tacito. Diss. inaug. Ahrweiler MDCCCLXXIII. 40 S.

Diese consensu et auctoritate amplissimi philosophorum ordinis in universitate Rostochiensi gebilligte Promotionsschrift ist von Mensel, Berl. Jahresber. III 221 226, als ein Plagiat der gewöhnlichsten Sorte entlarvt und verdient daher keine weitere Beachtung.

Catilina.

1) Caio Crispo Sallustio, La congiura di Catilina. Saggio di tra- duzione diF. Briscese col testo a fronte dell' edizione di Lipsia del 1872 per cura di Rodolfo Dietsch. Melfi, stab. tip, di B. Ercolani 1877. 105 S.

Der von Briscese zu Grunde gelegte Text ist jener der letzten Recognition von Dietsch. LTeber die Art seiner Uebertragung hat der Uebersetzer selbst in den S. 3— 8 vorausgeschickten, an den Leser gerichteten Erörterungen Winke gegeben. Ausgehend von der Frage, ob eine wahre Uebersetzung überhaupt möglich sei, beurtheilt Briscese insbesondere die Uebertragung des Frate Bartolomeo da S. Concordio, ferner die von Alfieri und von Castellani, um dadurch das Erscheinen seines eigenen Versuches zu rechtfertigen.

2) V, Garbari, Qualis fuerit rerum Romanarum conditio tempo- ribus Catilinae illiusque coniurationis origo et progressus. Programm des Gymnasiums zu Trient 1874. 16 S.

Angezeigt von J. Loserth, Zeitschr. f. d. österr. Gymn. XXV 836 und von J. J. Müller in diesem Jahresber. Bd. VII S. 229.

3) [?] Scholtze, Die catilinarische Verschwörung nach Sallust. Programm der Realschule I. 0. zu Rawitsch 1874. 16 S. 4.

Ueber den gänzlichen Mangel an wissenschaftlichem Werthe stimmen

170 Römische Historiker.

die Anzeigen dieser Schrift im Philol. Anz. VII 441 f. und von J. J. Müller in diesem Jahresber. Bd. VII 229 überein. Vgl. auch die Besprechmig von Mensel, Berl. Jahresber. III 226 f.

4) Adalbert von Berger, Wie verhält sich des Sallust Werk »de Catilinae coniuratione« zu den Catilinarischen Reden des Cicero, oder: was veranlasste den Sallust seinen »Catilina« zu schreiben? Pro- gramm des k. k. Staatsgymnasiums in Cilli 1875. 27 S.

Die vom Verfasser an die Spitze gestellte Frage ist in der Schrift gar nicht behandelt; vielmehr sagt der Verfasser am Schlüsse: »man wird nun nur noch einen Vergleich erwarten der historischen Ueberliefe- rung des Sallust und des Cicero in Bezug auf die erwähnten Ereignisse, allein da dies eng mit Cicero zusammenfällt, so wird es in der nächsten Abhandlung gegeben werden«. Was zur Beantwortung der zweiten auf dem Titel stehenden Frage, die der Verfasser mit der ersten confundirt, vorgebracht ist, braucht hier nicht wiedergegeben zu werden. Es genügt die Andeutung, dass Sallust, wie der Verfasser meint, seinen Mitbürgern einerseits ein Schreckbild des drohenden Verderbens vorhalten wollte, andrerseits ihnen die Hoffnung auf Rettung zu erregen suchte, wenn sie sich dem Imperium eines Einzigen fügen würden, welcher die Tugend des Cäsar und Cato in sich vereinige. Dass v. Berger's Schrift ungelesen bleiben darf, ist im Philol. Anz. VIII 140 f. ausgesprochen, von Meusel im Berl. Jahresber. III 228 wenigstens angedeutet.

5) Paul Weizsäcker, Cicero's Hypomnema und Plutarch. Jahrb. f. Philol. CXI 417-428.

Indem Weizsäcker's Abhandlung neben Cicero's autobiographischem Commentar auch die übrigen Quellen der Catilinarischen Verschwörung berücksichtigt, gehört sie zu einer Folge ziemlich gleichzeitig erschienener Schriften, welche die historische Glaubwürdigkeit des Sallust in seinem Buch über die genannte Thatsache prüfen und, obschon zu verschiedenen Ergebnissen gelangend, dennoch in wichtigen Punkten ein richtiges Ur- theil über diesen Historiker und sein Erstlingswerk fördern. Dieser Be- richt wird das Bedeutende mittheilen, ohne auf eine Kritik einzugehen. Aus der Untersuchung von Weizsäcker sollen nur zwei Punkte angeführt werden. Der Verfasser hebt (S. 420) als unzweifelhaft hervor, dass so- wohl Sallust als Livius Cicero's Hypomnema gekannt und zur Hand ge- habt haben, wenn sie es auch nicht als directe Quelle benutzten. Aus den Erörterungen von F. Baur im württemb. Correspondenzbl. 1868, 189 ff. und 1870, 24 ff. ergebe sich, dass die Widersprüche zwischen Sallust's und Cicero's Darstellung der Catilinarischen Verschwörung nicht so gross seien, als dies nach den Schriften von E. Hagen (1854) und H. Wirz (1864) den Anschein habe. Doch komme Cicero's Memoire weit weniger als Quelle für den Historiker Sallust, denn als solche für den Biographen

Sallustius. 171

Plutarch in Betracht, der dasselbe überdies ausdrücklich citirt (Crass. 13. Caes. 8). H. Peter, die Quellen Plutarch's in den Biographieeu der Römer S. 131, führt die Capitel 10- 22 von Plutarch's Cicero, welche klarer und besser geschrieben sind als Cap. 28-31, auf eine andere Quelle zurück als diese, und zwar (S. 132) auf Livius; Weizsäcker (S. 421. 428) glaubt, dass jenen Capiteln das Hypomnema des Cicero zu Grunde liege. Noch entschiedener bestreitet Weizsäcker (S. 422) die Annahme Peter's (S. 132), dass Plutarch den Cat. des Sali, nicht gekannt habe. Aller- dings sei Plutarch's Darstellung im Ganzen von derjenigen des Sallust ver- schieden, weil Plutarch einer anderen Hauptquelle folge, nämlich der soeben genannten Schrift Cicero's. Es fänden sich aber nicht wenige Stellen bei Plutarch, welche aus Sallust geradezu übersetzt zu sein scheinen; Plut. 10 stimme mit Sali. 23 , 5 24 , 1 ; die vecorspc^ovreg schildere Plut. wie Sali. 37. 38, 3. 16, 5; Catilina's Charakteristik treffe fast wörtlich mit Sali. 5, 1 5 zusammen, zu dessen Bericht sie aber noch Erzänzungen fügt. Plut. 11 erinnere im Ausdruck an Sali. 21,3. 26, 1. 23, 5—24, 1.

6) Heinrich Dübi, Die jüngeren Quellen der Catilinarischen Verschwörung. Jahrb. f. Phil. CXHI 851-879.

Dübi's Doctordissertation De Catilinae Sallustiani fontibus ac fide (Bern 1872) handelt in zwei Capiteln de fontibus, a quibus Sallustium rivos suos aut deduxisse sumamus aut deducere potuisse putemus und über die Frage quoraodo his fontibus ad describendam Catilinae coniu- rationem usus sit. Eine weitere Frage quo consilio quibusque auxiliis eam quam videraus libri formam atque ordinem compararit quidque de eins natura virtuteque iudicandum sit verspricht Dübi in einem dritten Capitel de Plutarcho Appiano Cassio Dione Catilinae coniurationis aucto- ribus zu erörtern. Diese Arbeit erschien in deutscher Sprache unter dem oben angeführten Titel; in derselben sind zugleich die Resultate der beiden ersten Untersuchungen wiederholt. Das Verhältniss der ab- geleiteten Quellen zu den ursprünglichen ist nach der Darstellung von Dübi folgendes:

Cicero mündliche Tradition

Sali

lust Appiar

1

Livius Suetoi

Florus

Plutarch

Velleius

Cassiiis

Dio

Vgl. das Referat von J. J. Müller in diesem Jahresber. Bd. VH S. 228 f. Den Zeugnissen Cicero's ist nach Dübi vor widersprechenden Angaben Sallust's fast überall der Vorzug zu geben, da sich der Historiker Flüchtig- keiten und besonders chronologische Irrthümer zu Schulden kommen lässt. Werthvolle Mittheilungen liefert dagegen Sallust aus der Tradi- tion, obschon auch in deren Benutzung wegen des entschieden tendenziö-

172 Römische Historiker.

sen und apologetischen Tones, den der Schriftsteller zu Gunsten des Crassus [?] und Cäsar anschlägt, Vorsicht geboten ist. Dübi betont es (S. 852), wie geschickt Sallust 40, 6 die Bemerkung einfliessen lasse : nominat (Umbrenus) socios, praeterea multos cuiusque generis, innoxios, um die später nicht zu verschweigenden Gerüchte über die Theilnahme des Crassus und Cäsar an der Verschwörung von vornherein zu verdächtigen; diese »Verzahnung« sei ein Beweis der historischen Künstlerschaft Sal- lust's. Auch der Aussage des Tarquinius gegen Crassus 48, 4 f. sei da- durch die Spitze abgebrochen [?], dass der äussere Misserfolg derselben nachdrücklich hervorgehoben werde. Sallust's Tendenz sei, eine Jugend- sünde der siegreich gewordenen demokratischen Partei möglichst zu ver- tuschen und alle Schuld den verurtheilteu Verschworenen aufzubürden. In Sallust's Darstellung werde aus dem weit aussehenden politischen und socialen Revolutionsplan Catilina's und seiner Genossen das tolle Attentat einiger verkommenen Menschen. Die Briefe des C. Manlius an Q. Marcius und des Catilina an Q. Catulus Cap. 33 und 35 verwende Sallust nur oratorisch. Er betrachte Catilina zu sehr nur als Menschen und zu wenig als Repräsentanten einer Partei. Aber diese einseitige psychologische Motivirung beruhe wie andere historische Mängel der Schrift auf rhetorischen Vorzügen derselben. Nachdem der zweimal in steigendem Masse gemachte Revolutions versuch des Winters 66/65 ge- scheitert sei, baue sich bei Sallust die eigentliche Catilinarische Ver- schwörung in wachsenden Stufen auf bis zu ihrem Höhepunkte, der An- klage Catilina's im Senat durch Cicero, um von da in zwei Abschnitten ihrem Ende zuzusinken. Nach den Gesetzen dieser an das Drama er- innernden Composition gruppire der Schriftsteller den überlieferten Stoff, unbekümmert um chronologische Genauigkeit und besonders auf künst- lerische Wirkung abzielend.

1) G. John, Sallustius über Catilina's Candidatur im Jahre 688: Rhein. Mus. f. Philol. XXXI 401—431.

John's Abhandlung liefert einen historischen Commentar zu der schwierigen imd vielbesprochenen Stelle 18, 3 post paulo Catilina pecu- niarum repetundarum reus prohibitus erat consulatum petere, quod intra legitumos dies profiteri nequiverat. Die Zeitbestimmung post paulo (sc. quam P. Autronius et P. Sulla designati cousules ambitus interro- gati poenas dederant) enthält einen chronologischen Irrthum, denn Ca- tilina bewarb sich bei der ordentlichen Wahl, nicht erst bei der Nach- wahl für das Jahr 689 (S. 415 f.). Die Worte pecuniarum repetundarum reus bezeichnen das thatsächliche Hinderniss der petitio, indem Cati- lina, bevor er zur eigentlichen professio kam, vom Consul L. Volcatius Tullus nach dem Gutachten eines consilium abgewiesen wurde. Da aber das passive Wahlrecht nicht durch die blosse Versetzung in den An- klagestand, sondern erst durch die Constituiruug des Gerichts gesetzlich

Sallustius. 173

aufgehoben wurde (S. 426), und da die aussergewöhnliche Zurückweisung durch den die Wahl leitenden Consul auf Grund eines erst bevorstehenden Repetundenprocesses dem Salliist unbekannt war, so fügte derselbe die factisch unrichtige Erklärung hinzu: quod profiteri nequiverat (nicht ne- quiverit). Er übertrug nämlich dieses Motiv von einer der späteren Be- werbungen Catilina's auf die 688 stattgefundene (S. 429 f.), obschon der fragliche Process nicht in das Jahr 688, sondern erst in das folgende Jahr fällt. Vgl. J. J. Müller, Jahresber. Bd. VII S. 228.

8) Constantin John, Die Entstehungsgeschichte der Catilinari- schen Verschwörung. Ein Beitrag zur Kritik des Sallustius. Jahrb. f. Bhil. VIII. Suppl.-Bd. S. 701—819.

Wie in der Frage über die Bewerbung um das Consulat für 691/63 Wirz (1864), so versucht jetzt John für die Genesis der Verschwörung Catilina's nicht durch Combination der Darstellung Sallust's mit den übrigen Berichten, sondern durch Scheidung der zweifachen Ueberliefe- rung bestimmte historische Ergebnisse zu gewinnen. Das erste Capitel (S. 706—726) behandelt die Verschwörung von 688/66 auf 689/65 und kommt zu dem der Angabe Sallust's 18, 5 widersprechenden Resul- tate, dass das Consulat des Jahres 689 dem Sulla und Autronius be- stimmt, Catilina aber nur in untergeordneter Rolle betheiligt war (S. 712). Die ganze sogenannte erste Catilinarische Verschwörung war nach John (S. 720) nichts als ein auf den Amtsantritt der Consuln geplanter Hand- streich, der die Regierungsgewalt factisch in die Hände des Crassus und Cäsar spielen sollte. Das zweite Capitel (S. 726—763) sucht die Frage zu lösen: Wann und wie ist Catilina's Verschwörung entstan- den? Die Verschwörung hängt mit den Umtrieben von 688 nicht zu- sammen (S. 727); dies ergiebt sich aus Sallust selbst, der dieselben 18, 1 nur beiläufig berichtet. Erst die Niederlage Catilina's bei der Bewer- bung um das Consulat für 692 war die Veranlassung der von ihm ge- stifteten Verschwörung (S. 755). Dies erhellt im Gegensatze zu Sallust, welcher dieselbe irrthümlich in das Jahr 690 zurückdatirt, schon aus Cicero's indirectem Zeugniss (S. 739 ff.), das aber noch durch eine Reihe directer Zeugnisse bestätigt wird. Catilina selbst giebt in dem von Sal- lust mitgetheilten Schreiben an Catulus 35, 3 seine wiederholte Zurück- weisung vom Consulat als Beweggrund des Versuchs einer socialen Em- pörung an. Hiermit stimmt die Epitome CII des Livius überein, zu deren Erläuterung Cassius Dio XXXVII 30 dient. Auch Velleius II 34 giebt keine Andeutung über das Zurückgreifen der Verschwörung in das Jahr 690; ebenso wenig Florus II 12, 5, der, obwohl sein bellum Cati- linae ein Excerpt aus Sallust ist, doch unter dem Einfluss der Liviani- schen Darstellung schreibt; vgl. auch Eutrop. VI 15 (S. 756). Appian bell. civ. II 2 hat richtig die Veranlassung der Verschwörung in der Er- folglosigkeit der Bewerbungen Catilina's erkannt und nur das übersehen.

174 Römische Historiker.

dass sie erst die Folge der Abweisung bei der (von ihm übergangenen) Bewerbung für 692 gewesen ist. Plut. Cic. 10 stimmt zwar in der Datirung der Verschwörung mit Sallust überein, weicht aber in der Motivirung ab (S. 757). In seiner wie in Appian's Erzählung liegt nur ein unglück- licher Versuch vor, Sallust's Darstellung mit derjenigen anderer Quellen zu combiniren, nach denen es sich 690 nur um eine politische Revolu- tion, für welche das Consulat des Catilina und Antonius die Hauptbe- dingung war, und erst im folgenden Jahre um die namentlich auf die Sullanischen Veteranen sich stützende Verschwörung handelte (S. 758). Unter den einzelnen Nachweisen John's im zweiten Capitel ist die nach F. Baur's Vorgang gegebene Darlegung (S. 749 ff.) hervorzuheben, dass die Consularcomitien für 692 in den Juli des vorhergehenden Jahres fallen, und dass die am ursprünglichen Wahltermin gehaltene Senats- sitzung mit jener, in welcher das Sc. ultimum zu Stande kam, nicht zu combiniren sei. Halm, Einl. zu den Cat. Reden ^^ S. 8 Anm. 45 hat dieses Ergebniss anerkannt. Das dritte Capitel (S. 763 819) bespricht die Fol- gen und Bedingungen von Sallust's Anachronismus. Die Folgen zeigen sich insbesondere in dem mehrfach befremdlichen Bericht über die von Catilina berufene Versammlung vor den Consularcomitien für 691 Cap. 17 22, namentlich in der weder für diese Zeit noch für die von Sali. 17, 3 bezeichnete Zuhörerschaft passenden Rede Cap. 20 (S. 763 ff.); ferner in der unvollständigen Berücksichtigung der Zeitgeschichte und in der Entstellung derselben (S. 768). Uebergangen werden z. B. die mit den Namen Cäsar und Crassus verknüpften Vorgänge vor den Co- mitien für 691 (S. 770) und die Begebenheiteji unmittelbar vor der Con- sulwahl für 692 (S. 776). Missverständlich ist die Darstellung des Ver- haltens der Nobilität Cap. 23 (S, 771), widerspruchsvoll die der Hand- lungsweise Catilina's 24 und 26, wie sich in dem 26, 1 gebrauchten ni- hilo minus, verräth (S. 772 f.). Auch die anachronistische Versetzung der im Hause des M. Porcius Läca gehaltenen Versammlung und des darauf folgenden Mordanschlages auf Cicero 27, 3 - 28 , 3 ist eine Folge des Irrthums über den Beginn der Verschwörung (S. 778 ff. 803); ebenso die unrichtige Motivirung der Senatssitzung, in welcher Cicero seine erste Rede gegen Catilina hielt (S. 782 ff.). Möglich war jener Irrthum einer- seits durch die fortwährenden übertriebenen Aeusserungen Cicero's, wel- che allmählig eine irrige Meinung über den Umfang und die Ziele der Verschwörung zu verbreiten geeignet waren, sowie in Folge der ziemlich gleichzeitigen Umsturzversuche des Crassus und Cäsar (S. 806). Anderer- seits konnte der dem Sallust eigenthümliche psychologische Pragmatis- mus (vgl. 5, 7. 14, 3. 15, 4) und die moralisirende Tendenz seiner Ge- schieh tschreibung eine solche Täuschung fördern. Nach Sallust entsteht die Verschwörung aus der Verworfenheit und Herrschsucht eines Einzel- nen 5, 1 6, stützt sich auf die allgemeine Demoralisation 5, 8 f., wird durch die Geldnoth und die Gewissensbisse des Urhebers beschleunigt

Sallustius. 175

15, 3 f. und kommt zum Ausbruch, sobald derselbe genug Anhänger ge- wonnen und herangebildet hat 14. 16, 1—4. So war Sallust's Vorurtheil über die Ursache der Verschwörung bestimmend für die Meinung über ihren Anfang.

Seine Schilderung der Periode, welche dem Ausbruche des Bürger- krieges vorangeht, hat nach John (S. 811) für den Geschichtsforscher nicht mehr Werth als ein historischer Roman. Erst von da an, wo eigene Erinnerung das mangelhafte Quellenstudium theilweise ersetzen konnte, ist seine Erzählung brauchbar und besonders durch die mitge- theilten Briefe werth voll. Der dem Sallust zugeschriebene Versuch, unter dem Deckmantel politischer Uupai'teilichkeit eine apologetische Tendenz zu verbergen, würde eine Abgefeimtheit und sophistische Gewandtheit voraussetzen, die seiner geistigen Individualität, wie sie sich deutlich in seinen Werken ausprägt, durchaus widerspräche (S. 810). Sallust hat seinem ausgesprochenen Ziele (4, 3. 18, 1), so wahrheitsgetreu als mög- lich zu schreiben, insoweit nachgestrebt, dass er in dem, was er erwähnte, wissentlich die Wahrheit nicht entstellte. Aber bei seiner Voreingenommen- heit für Cäsar und dessen Partei war eben eine völlig wahrheitsgetreue Darstellung der Vorgeschichte Catilina's für ihn schlechthin nicht möglich.

Gegen diese Auffassung wendet sich H. W(ir)z in seiner Bespre- chung von John's Schrift, Philol. Anz. VII 523-531, indem er behauptet: wenn Sallust seinen politischen und persönlichen Sympathien die un- parteiische Forschung nur in etwas geopfert habe, so sei das vielberu- fene quam verissume potero eine wohlfeile Redensart; Sallust habe die Wahrheit aus den Kreisen seiner Partei erfahren können; wenn er sie nicht voll enthüllen wollte, so stehe er unter der Anklage tenden- ziöser Geschichtsfälschung (S. 526, vgl. 529 f.). Im Uebrigen schenkt Wirz den Untersuchungen John's seinen Beifall; findet er doch hier mehr- fach die Ansichten bestätigt, welche er in der schon wiederholt erwähn» ten Schrift über Catilina's und Cicero's Bewerbung um den Consulat für das Jahr 63 (Zürich 1864) niedergelegt hat. Nur in einzelnen Punkten erhebt er Widerspruch : so gegen John's unbedingte Werthschätzung des Zeugnisses Sueton's (S. 722); gegen dessen Ansetzung der ersten Rede gegen Catilina auf den 8. November (S. 782 ff. Anm. 52); gegen die Com- bination der Thatsache der sogenannten freien Haft mit der Anklage de vi nach Dio XXXVII 31 (S. 790 f.); gegen die Annahme der Lesart Cic. Catil. I 3, 7 ante diem VIII Kai. Nov. (S. 790). Wenn endlich John (S. 804 Anm. 57) bei Sali. 26, 5 consulibus in dem Satze insidiae quas consulibus in campo fecerat durch den Hinweis auf Cic. Catil. ,1 5, 11 zu schützen sucht, so erhebt dagegen Wirz (S. 531) den Vorwurf der Inconsequenz; und gegen John's (S. 804) Rechtfertigung des nämlichen Wortes bei insidias tendere 27, 2 bemerkt Wirz (a. a. 0.), dasselbe störe die Concinnität gerade in einer rhetorisch angelegten und durchgeführ- ten Stelle.

176 Römische Historiker.

9) [?] Schliephacke, Ueber die griechischen Quellen zur Cati- linarischen Verschwörung. Programm der Realschule I. 0. zu Goslar 1877. 37 S. 4.

In drei Abschnitten handelt diese Schrift über Appian (S. 3 22), Plutarch (S. 22—31) und Dio (S. 31—37). Aber obschon später erschie- nen als John's Untersuchungen ist sie durch dieselben vielfach überholt. An dieser Stelle mag nur hervorgehoben werden, dass Schliephacke mit H. Peter gegen Wiedemann die Widersprüche Appian's mit Sallust nicht auf den Einfluss einer anderen Quelle, sondern auf willkürliche Kürzung und Umarbeitung zurückführt (S. 11 f. 21 f.), dass er für Plu- tarch die Benutzung Sallust's mit Peter in Abrede stellt (S. 32), für Dio aber eine directe Ausbeutung des Sallust neben der Hauptquelle Livius annimmt (S. 32), wie auch John (S. 811) thut. Sallust schöpfte seinerseits, wie Schliephacke ausführt (S. 12 f.) vorzugsweise aus der Erinnerung und der mündlichen Tradition und hat für die Vorge- schichte des Jahres 691/63 wahrscheinlich keine literarischen Quellen verwerthet. Der sichere Ton und die Ausführlichkeit bieten keine Ge- währ, dass Sallust's Erzählung nicht auf Rückschlüssen beruht und ledig- lich der Vorbereitung des Lesers auf die kommenden Ereignisse dient.

10) A. W. Zumpt, De imperatoris Augusti die natali fastisque ab dictatore Caesare emendatis commentatio chronologica : Jahrb. f. Philol. Suppl.-Bd. VII S. 541-605.

Zumpt's Abhandlung, die bereits oben S. 110 erwähnt ist, kommt in diesem Berichte nur soweit in Betracht, als sie die Chronologie der Catilinarischen Verschwörung betrifft (S. 549 ff. 565—578). Die hierfür gewonnenen Ergebnisse sind nach dem Urtheile von Constantin John, Jen. Lit.-Zeit. 1875 No. 27, nicht überzeugend. Der Beweis, dass die von Sallust 36, 2 erwähnte Senatssitzung, in welcher Catilina geächtet wurde, auf den 13. November falle (S. 580), ist nicht geliefert. Die auch von Zumpt (S. 550) wiederholte Annahme , dass die von Cicero pro Mur. 25, 51 erwähnte Senatssitzung mit der Cat. I 3, 7 bezeichneten identisch sei, ist unhaltbar (s. oben S. 174), Die Ansetzung der ersten Catilinarischen Rede auf den 7. November ist wenigstens durch die (S. 578) vorgeschlagene Interpunction: quid? proxima quid superiore nocte ege- ris? nicht gerechtfertigt. (S. John, Entstehungsgesch. S. 783.

IJ) C. Hachtmann, Die chronologische Bestimmung der beiden ersten Catilinarischen Reden Cicero's. Programm des Gymnasiums zu Seehausen 1877. 28 S. 4.

Auch Hachtmann datirt die bei Sallust 31, 6 erwähnte erste Rede Cicero's gegen Catilina vom 7., die zweite vom 8. November und will daher (S. 19) Cat. I 3, 7 die Worte quid proxima streichen. Seine Schrift ist von A. Weidner, Philol. Anz. VIII 410 412 besprochen. Weidner

Sallustius. 177

hält Hachtmann's Resultat (S. 21 f.), dass die Senatssitzimg am 7. No- vember, die Zusammenkunft der Verschworenen in der vorausgehenden Nacht stattfand, für unumstösslich sicher, verwirft aber die von Hacht- mann gewagte Athetese und erklärt, es sei unter proxima nocte der zweite Theil, unter superiore nocte der erste Theil der einen Nacht vom 6. zum 7. November zu verstehen, da nur proxima und superiore gegen- übergestellt, nocte aber nicht wiederholt werde. H. Wirz, Philol. Auz. VIII 531, stimmt Weidner bei.

12) A. S. Wesenberg, Beraaerkninger til Texten i Sallusts Ca- tilina, meddelte af 0. Siesbye: Kort üdsigt over det philologisk-histo- riske Samfunds Virksomhed i Aarene 1874—76. Kjöbenhavn, Hofieus- berg, Jespersen & Fr. Traps Etabl. 1877. S. 21—23.

Der Herausgeber Siesbye theilt mit, dass Wesenberg seine kriti- schen Bemerkungen zum Catilina nach der zweiten Ausgabe von ßojesen mit Benutzung der ersten Ausgabe von Kritz und jener von Fibiger niederschrieb. Erst nachträglich fand eine Vergleichung der Ausgaben von Dietsch (1859) und Jordan (1866) statt, in Folge deren dann man- cher Vorschlag Weseuberg's unterdrückt wurde. So zu 34, 1 respondet; 36, 1 C. Flaminium Flammam; 50, 4 qui censuerat; 51, 20 (nicht 21) possum equidem. Die übrigen mit kurzer Begründung begleiteten Vor- schläge sind im Folgenden verzeichnet.

Einzelne Stellen des Catilina.

Cat. 3, 5 ac me cum ab reliquorum malis moribus dissentirem, ni- hilo minus honoris cupido eadem qua ceteros fama atque invidia vexa- bat. A. Schöne, Hermes IX 254, schlägt vor, die Lesart von P und anderen guten Handschriften (C) quae für qua herzustellen, fama atque invidia als Ablative zu fassen und die erste Hand von P reliquis, welche erst in relicuorum verändert ist, zur Geltung zu bringen. Aber im Archetypus stand gewiss, wie ein Blick in den Apparat von Dietsch zeigt, reliquorum; auch in P rührt die Correctur wohl von dem Schreiber selbst her. Nipperde y, Opuscula 452 f., erklärt sich für Korte's Lesart eademque, quae. Ueber die Vermuthung von Clason siehe oben S. 161.

4, 2 statui res gestas populi Romani carptim, ut quaeque memoria digna videbantur, perscribere. A. S. Wesenberg, Kort üdsigt over det philol.-hist. Samfunds Virksomhed 1874—1876 S. 21 verlangt vide- batur, da es sich nicht um die Denkwürdigkeit jedes Abschnittes (jeder Episode), sondern um die jeder einzelnen Sache handle. Allein die über- lieferte Lesart passt zu der Bedeutung von carptim, wie sie sich aus Cic. ad fam. V 12, 2. 4. 6. und Plin. ep. VIH 4, 7 ergiebt. Von diesen Stellen aber haben die ersteren dem Sallust vielleicht vorgeschwebt und ist die letztere sicher (vgl. § 3 mit Cat. 3, 2) dem Sallust nachgeahmt.

Jahresbericht für Alterthums-Wiüsenschalt 1877. II. 12

178 Römische Historiker.

Auch im Hinblick auf Suet. de gramra. et rhet. 10 (S. 108, 23 Reiffer- scheid) erscheint die Aenderung vou videbantur nicht nothwendig.

5, 1 L. Catilina . Wesenberg a. a. 0. vermisst bei der ersten Nennung der Hauptperson den Gentilnamen und schaltet daher Sergius vor Catilina ein. Vgl. aber Dietsch (1864) z. d. St.

6, 3 sed postquam res eorum civibus moribus agris aucta . Robert Sprenger, Jahrb. f. Philol. CXV 184, will molibus schreiben, das »Prachtbauten« bedeuten soll. Aber wenn dieser Gebrauch des Wor- tes bei Sallust durch die Verweisung auf Hör. carm. HI 29, 10 gesichert würde, so träfe Sprenger's Vermuthung doch den Sinn nicht, da zwischen moles in diesem Sinne und der res Romana kein innerer Zusammenhang besteht. Die Zusammenstellung von civibus moribus, wofür wiederholt nach geringeren Handschriften legibus moribus vorgeschlagen wurde, ist schon von Gruter durch .Hinweisung auf Ennius erläutert worden ; vgl. auch Cic. Tusc. V 2, 5.

7, 4 iuveutus in castris per laborem usum militiae discebat. So schreibt Jordan^ im Anschluss an P, indem er nur usu in usum ändert. Hans Wirz, Zeitschr. f. d. Gymn.-Wesen XXXI 276, billigt die gewählte Lesart, welche schon Ciacconius und Ursinus empfohlen hatten, und verweist auf Caes. b. G. VI 40, 6 ; b. c. III 84, 3.

10, 3 igitur primo pecuniae, deiude imperi cupido crevit; ea quasi materies omnium malorum fuere. Wesenberg a. a. 0. vermuthet fuit; die Corruptel sei durch das kurz vorhergehende fuere veranlasst. Aber Madvig zu Cic. de fin. V 10, 28 S. 655 ^ schützt den überlieferten Plural, da Sallust die Begriffe avaritia und ambitio scheide. Vgl. Badstübner, de Sali, dicendi genere S. 5f. Nipperdey, Opuscula 542f., liest igitur primo imperii, deinde pecuniae cupido crevit. eae (seil, cupidi- nes) - fuere. So soll dem Widerspruche mit 11, 1 sed primo magis ambitio quam avaritia animos hominum exercebat begegnet und eine Ver- letzung des Gesetzes der Attraction verhütet werden.

12, 2 rapere, consumere, sua parvi pendere, aliena cupere, pudo- rem pudicitiam, divina atque humana promiscua, nihil pensi neque mo- derati habere. Wesenberg meint, hinter pudicitiam sei neglegere oder etwas Aehnliches ausgefallen. Die Ueberlieferung wird jedoch gesichert durch die Nachahmung ep. ad Caes. II 7, 8 ibi omuia bona vilia sunt, fides probitas pudor pudicitia.

12, 4 verum illi delubra deorum pietate, domos suas gloria deco- rabant. Nach Wesenberg soll das dem Zusammenhange nicht ent- sprechende verum, wofür man namque erwarte, aus dem nahestehenden deorum entstanden sein.

13, 1 subvorsos montis, maria constrata esse. Als Beleg für diese in den neueren Ausgaben aufgenommene Lesart vergleicht Joh. Nep. Ott, Jahrb. f. Philol. CXIII 242, die bisher nicht herbeigezogene Stelle des Hieronymus ep. 60, 18 Vall.: Xerxes rex potentissimus, qui

Sallustius. 179

subvertit montes, maria constravit. Ueber die unmetliodische Behand- lung dieser Stelle in L. Conzen's Beitr. zur Erkl. des Sali. Iff. siehe Philol. Anz. IX 188.

13, 2 divitiae, quippe quas honeste habere licebat, abuti per turpitudinem properabant. Wesenberg a. a. 0. setzt zwischen quippe und quas ein Komma, wie es bei Kritz und Jacobs bereits steht.

14, 6 postremo neque sumptui neque modestiae suae parcere. Wirz a. a. 0. 282 rechtfertigt modestiae, das einen passenderen und prägnanteren Sinn gebe, gegen das von Madvig zuversichtlich empfohlene, von Jordan erwähnte molestiae und verweist auf 54, 5 und Tac dial. 26. Gegen Madvig's Vorschlag habe auch ich mich ausgesprochen in der Zeitschr. f. d. Gymn.-Wesen XXIX 82.

16, 5 ipsi consulatum petenti magna spes. Wesenberg a. a. 0. vermuthet, dass vielleicht mit P und anderen guten Handschriften pe- tendi zu schreiben sei, und beruft sich auf seine Bemerkung zu Liv. XXXVII 16, 13 Tidskrift for Philol. og Pädag. X 208. Aber schon Ciac- conius und Ursinus haben petendi, wofür man adipiscendi erwarten müsste, verworfen.

18, 3 quod iutra legitumos dies profiteri nequiverit. Diese in den besten Handschriften überlieferte, von Mommsen, Rom. Staatsrecht I 411 Aum. 2 (2 485 Anm. 1) erläuterte, von Jordan beibehaltene Lesart verwirft Wirz a. a. 0. 273 aus inneren Gründen und schreibt im Ein- klang mit John (s. oben S. 173) nequiv erat, wie auch bei Kritz, Fa- bri, Linker und Jacobs steht. Nipperdey, Opuscula 452 und 534 Anm., verwirft mit Dietsch den ganzen Satz als Einschiebsel. Ueber Hell- wig's Ansicht vgl. oben S. 162.

19, 1 quod eura infestum inimicum Cn. Pompeio cognoverat. We- senberg a. a. 0. möchte mit geringeren Handschriften und älteren Ausgaben iuimicumque schreiben, da inimicum als Substantiv keinen Dativ regiere. Vielleicht sei inimicum auch nur Glossem zu infestum. Das Letztere findet 0. Siesbye wenig wahrscheinlich.

20, 2 spes magna, dominatio in manibus frustra fuissent. Wesen- berg a. a. 0. 22 meint, da hier von spes magna zu dominatio keine Steigerung stattlinde, so sei mit geringeren Handschriften dominatio- nis zuschreiben. In der besseren Ueberlieferung sei -nis vor in leicht ausgefallen.

20, 10 Victoria in manu vobis est. So schreibt Jordan, bemerkt aber dazu, dass die Lesart geringerer Handschriften in manibus est viel- leicht richtig sei. Vgl. dagegen Wirz a. a. 0. 281 f. Ich habe die Stelle bereits oben S. 158 besprochen.

22, 2 aperuisse consilium suum atque eo dictitare fecisse. We- senberg a. a. 0. liest idque eo [dictitare] fecisse. Er meint, dass dictitare und seine Varianten auf die Lesart dictam rem zurückweisen, dass aber dies nur Glosse zu idque gewesen sei, wie statt atque herge-

12*

130 Römische Historiker.

stellt werden müsse. Schon Selling hat dictitare gestrichen und Pal- raerius hat idque gelesen. Vgl. oben S. 162. Chr. E. Krämer, Emendatt. Sali. 1, vermuthet dictitarent eam rem fecisse, indem er dictitarent von Palmerius entlehnt und eam rem, das Madvig durch Emendation gewann, einschiebt; dictitarent wird als Wiederaufnahme des vorherge- henden qui dicerent erklärt. Vgl. Philol. Anz. VIII 139. Ritschl's Ver- muthung zu dieser Stelle ist wie die zu 53, 5. 39, 2. 57, 4 in den Opus- cula III 818-823 abgedruckt (1877).

23, 4 quae quoque modo audierat. Nipperdey, Opp. 453, be- merkt, dass Mommsen's richtige Conjectur quo quo modo schon in ge- ringeren Handschriften stehe.

20, 5 neque insidiae, quas consulibus in campo fecerat, prospere cessere. Da vorher § 1 gesagt ist: omnibus modis insidias parabat Ci- ceroni, so hält Nipperdey, Opp. 452, die Worte in campo für über- flüssig und unzulässig und daher wie Linker den ganzen Satz quas consulibus in campo fecerat für eingeschoben. Dagegen meint Mensel, Berl. Jahresb. III 219, es könne recht wohl besonders erwähnt werden, dass Catilina auch am Wahltage noch einen Angriff auf Cicero beabsichtigt hatte.

27, 3 coniurationis principes convocat per M. Porcium Laecam, Zur Rechtfertigung des handschriftlichen per citirt Jordan^ 44, 1 und Acta fr. arv. a. 224 p. CCXIII s. Henzen. Dagegen fordert Wirz a. a. 0. 285 wegen des gleich folgenden ibique, dass durch die Präposition der Ort der Versammlung bezeichnet werde, und wiederholt daher seinen Vorschlag convocat ^ad)- M. Porcium Laecam.

29, 1 rem ad senatum refert, iam antea volgi rumoribus exagita- tam. Da rem exagitare nicht bedeuten kann »eine Sache eifrig behan- deln«, so vermuthete Körte exagitatum, was Wesenberg a. a. 0. für richtig erklärt. Aber da der Senat die Sache jedenfalls nicht erst durch das Stadtgespräch erfahren hatte, so meint Nipperdey, Opp. 453, es müsse heisseu agitatam.

30, 3 in Apuliam circumque ealocamissi . Wesen berg empfiehlt Korte's Vorschlag circumque [ea] loca »die umliegenden Orte« und ver- weist für den adjectivischen Gebrauch von circum auf Liv. XLII 45, 1.

31, 5 sicut iurgio lacessitus foret. So schreibt Jordan^ zweifelnd, während er früher si geschrieben hatte. Da in P^ si von erster Hand geschrieben ist, so folgt Wirz a. a. 0. 278 diesem Zeugniss.

31, 7 Catilina postulare a patribus coepit, ne existumarent sibi patricio homini, cuius ipsius atque maiorum pluruma benificia in plebem Romanam essent, perdita re publica opus esse. Wesenberg a. a. 0. findet die Worte in plebem R. in Catilina's Mund nicht geeig- net und will daher mit Gruter, welchem Kritz, Dietsch, Linker und Jacobs gefolgt sind, in populum Romanum (P. R.) oder in rem pu- blic am (R. P.) schreiben.

32, 1 quod neque insidiae consuli procedebant . Nipperdey,

Sallustius. 181

Opp. 452, hält consuli für ein Einschiebsel, was schon Dietsch (1867) praef. V angedeutet hat, Meusel, Berl. Jahresb. III 219, bezweifelt.

35, 3 non quin aes alienum meis nominibus ex possessionibus sol- vere possem, at alienis nominibus liberalitas Orestillae suis filiaeque co- piis persolveret. So schreibt Jordan nach seiner fi'üheren Vermuthung, deren Richtigkeit er jedoch selbst praef. ^ XI bezweifelt. Wirz a. a. 0. 274 folgt der ersten Hand in P', welche non quin solvere possem et schrieb. Ebenso liest Nipperdey, Opp. 453, und erklärt: aes alienum meis nominibus und alienis nominibus sind beides Schulden des Catilina, »Schulden auf meinem Namen« und »Schulden auf fremdem Namen«. Meusel, Berl. Jahresb. EU 219, stimmt zu. Ueber Hellwig's Meinung s. oben S. 162 f.

35, 6 nunc Orestillam commendo tuaeque fidei trado. eam ab in- iuria defendas. Wesenberg a. a. 0. möchte mit Cod. Havn. I trado •(utV eam schreiben oder nach trado nur Komma setzen, so dass der folgende Conjunctiv von dem in commendo und trado liegenden Begriff einer Bitte abhängig zu denken wäre.

36, 5 tanta vis morbi ac veluti tabes . Gegen diese von Jordan aufgenommene Vermuthung Haupt's (abgedruckt Opuscula I 209) schützt Nipperdey, Opp. 453, die Ueberlieferung atque uti durch den Hin- weis auf Festus S. 359 uti tabes plerosque civium animos invaserat.

37, 7 praeterea iuventus urbanum otium ingrato labori praetu- lerat. Da mit diesen Worten eine neue Art von Leuten hinzugefügt werde, welche den Stadtpöbel vermehrten 5 Romam confluxerant), was von den § 6 deinde sperabat Bezeichneten nicht gelte, und da auf diese die Bemerkung § 7 a. E. eos atque alios omnis malum publi- cum alebat nicht anwendbar sei, so soll nach Nipperdey, Opp. 454, der ganze § 7 praeterea alebat vor den § 6 deinde spera- bat gestellt werden. Die § 6 Erwähnten seien auch § 8 in den Worten homines egentis, malis moribus, maxima spe zuletzt bezeichnet. Dagegen bemerkt Meusel, Berl. Jahresb. IE 219f. , treffend: Sallust wolle gar nicht von den Leuten sprechen, die den Stadtpöbel vermehrten, sondern nur den Satz § 4 urbana plebes - praeceps erat begründen. Die Be- merkung § 7 a. E. beziehe sich auch auf die § 6 Bezeichneten. Hätte Sallust § 8 die vorher genannten drei Klassen von Leuten in entsprechen- der Folge bezeichnen wollen, so hätte er homines malis moribus vor egentis setzen müssen. Die von Nipperdey vorgeschlagene Umstellung sei also unnöthig.

39, 2 ipsi innoxii agere ceterosque iudiciis terrere, quo plebem in magistratu placidius tractarent. Ueber die Auffassung von Conzen, Beitr. zur Erkl. des Sali. S. 5 ff. s. oben S. 167. Nach dem von demselben a. a. 0. mitgetheilten Vorschlage [A.] Weidner's wäre quo aus quom verderbt und hätte die Stelle den Sinn: »alle übrigen schreckten sie durch Anklagen, während sie (ipsi) das Volk gelinder behandelten«.

182 Römische Historiker.

40, 2 plerisque notus erat atque eos noverat. Wesenberg's Vcrmut Imng a. a. 0. atque <( i p s e > eos ist wohl überflüssig, obschon sich dafür lug, 7o, 1 et ipse eum suspiciens anführen Hesse.

40, 3 at ego, inquit, - rationem ostendam, qua tanta ista mala effugiatis. haec ubi dixit. Wesenberg vermuthet hoc. Auch dies er- scheint nicht nothwendig, wenn auch nur auf einen Gedanken zurückge- wiesen wird. Denn Sallust sagt ad hoc, um die Fortsetzung der Rede einzuleiten wie Cat. 30, 6. 31, 8. 44. 6. lug. 49, 4, ohne Rücksicht auf den Umfang des vorhergehenden Theiles derselben; also auch wohl haec ubi dixit ohne solche Rücksicht wie Cat. 59, 1, vgl. lug. 64, 3.

41, 5 legatis praecepit ut simulent. Das früher nach Linker aufgenommene praecipit hat Jordan^ durch das handschriftliche prae- cepit ersetzt, dagegen lug. 13, 6, wo zwar nicht alle, aber doch die meisten und besten Codd. praecepit bieten, praecipit geschrieben. Vgl. Wirz a. a. 0. 277.

42, 2 quos ante Catilina dimiserat. Wesenberg will mit einigen Handschriften ^ paulo )^ ante lesen, da nach seiner Ansicht kein Ab- schreiber dieses Wort aus sich selbst hinzugesetzt hätte.

43, 1 Lentulus cum ceteris constituerant. Wesenberg möchte mit einigen Handschriften constituerat lesen; der Sinn sei: «Lentulus hatte mit den übrigen verabredet«, nicht: »Lentulus und die übrigen hatten beschlossen«. So übersetzt aber Cless.

43, 1 cum Catilina in agrum Faesulanura cum exercitu venisset. So schreibt Jordan im Texte nach der sicher verderbten Ueberlieferung, während er in den Noten die Conjecturen von Dietsch Carsulanum (wo- für dieser später Trossulanum vorschlug) und von R. Rauchenstein Aesu- lanum anführt. Wirz a. a. 0. 284 erneuert seinen früheren Vorschlag in agrum suburbanum, vgl. Cic. p. Mur. 39, 85 in agros suburbanos advolabit. Es ist aber wenig wahrscheinlich, dass daraus durch Corruptel der überlieferte Ortsname entstanden wäre.

44, 3 Lentulus cum eis T. Volturcium quendam Crotoniensem raittit, ut Allobroges confirmarent. Wesenberg a. a. 0. schlägt Cortonen- sem vor, da bei den älteren Autoren die Form Crotoniates gebraucht werde und da es wahrscheinlicher sei, dass derjenige, welcher mit den Allobrogern abgesandt wurde, aus Etrurien war. Aber schon Plut. Cic. 18 nennt Tczov revä Kporiuvcdry^v.

45, 1 praetoribus imperat, ut Allobrogum comitatus deprehen- dant. Da nur von einem Gefolge die Rede sei, will Wesenberg a. a. 0. 23 comitatum lesen. Durch die von Fabri angeführten Stel- len wird der hier stehende Pluralis allerdings nicht gerechtfertigt. Doch vgl. Dietsch (1864) z. d. St.

47, 2 Cinnam atque Sullam antea, se tertium esse. Wesenberg hält es für unzweifelhaft, dass fuisse hinter antea ausgefallen sei, und verweist auf Cic. Cat. IH 4, 9. Aber lug. 81, 2 wird dem Leser eine

Sallustius. 183

ähnliche Ergänzung wie hier zugemuthet. Siesbye's Bedenken gegen diese Parallelstelle entbehrt der Begründung.

48, 1 plebs ~, quae primo bello favebat, mutata mente Cati- linae consilia execrari. Wesenberg verlangt faverat.

48, 6 seuatus decernit, Tarquini indicium falsum videri eumque in vinculis retinendum neque amplius potestatem faciundam, nisi de eo in- dicaret, cuius consilio tantam rem esset mentitus. Nachdem die Sena- toren die Angabe des Tarquinius für falsch erklärt hatten, konnten sie ihm nicht die Möglichkeit weiterer (von vornherein unglaubwürdiger) Mittheilungen eröffnen, wenn er aussagen würde, von wem er zu jener Angabe getrieben worden sei. Auch müsste in diesem Falle indicasset stehen. Vielmehr sollte Tarquinius weiterhin das Wort nur dazu erhal- ten, um auszusagen, wer ihn zu der falschen Angabe veranlasst habe. Daher glaubt Weseuberg, dass nisi inty de eo indicaret gelesen werden müsse. Doch lässt sich wohl auch der überlieferte Text in dem Sinne fassen: nur wenn Tarquinius aussage, wer hinter ihm stehe, solle er das Wort (nämlich zu dieser Erklärung) erhalten.

49, 1 inpellere potuere schreibt Jordan^ nach den Hand- schriften, nachdem er früher nach Priscian I 539 (impelli quivit) inpellere quivere geschrieben hatte.

50, 3. 4 consul convocato senatu refert . sed eos paulo ante frequens senatus iudicaverat contra rem publicam fecisse. tum D. lunius Silanus -. Wesen berg erinnert, dass die Worte sed fecisse als Parenthese zu betrachten sind, da das den folgenden Satz eröffnende tum nicht etwas mit iudicaverat Gleichzeitiges einführt, sondern auf re- fert zurückweist.

51, 8 nam si digna poena reperitur, novom consilium adprobo: sin raagnitudo sceleris exuperat, eis utendura censeo quae legibus con- parata sunt. Wesen berg vermuthet comparatae und beruft sich auf § 40. Dort ist aber nicht von poenae legibus comparatae, sondern von leges paratae die Rede.

51, 27 omnia mala exempla ex rebus bonis orta sunt, sed ubi Im- perium ad ignaros [eiusj aut minus bonos pervenit, novom illud exem- plum ab dignis et idoneis ad indignos et non idoneos transfertur. Das in geringeren Handschriften fehlende, von Gruter verworfene, seit Körte ausgeschiedene und erst durch Dietsch wieder aufgenommene rebus wird von R[udolf] Scholl im Hermes XI 332 ff. als ungehörig erwiesen, da schon das folgende novom illud exemplum die Erwähnung von bona exempla, nicht von bonae res voraussetze. Das zwar entbehrliche, aber nicht anstössige eius, das in V und von erster Hand in P überliefert ist, behält Scholl bei. Da der mit sed bezeichnete Gegensatz durch die Anlehnung an den einen Begriff bonis nur ungenügend motivirt sei, so wird et ubi vorgeschlagen; denn neben der allgemeinen Behauptung omnia sunt könne die speciellere ubi transfertur nur parallel und

184 Römische Historiker.

selbständig stehen, wie sich auch aus der §§ 28 41 von beiden Sätzen gemachten Anwendung ergebe.

51, 39 Graeciae morem imitati verberibus animadvortebant in civis, de condemnatis summum supplicium sumebant. Scholl a. a. 0. 334ff. sucht darzuthun, dass die vielberufenen, von Dietsch getilgten, von Dö- derlein transponirten Worte Graeciae raorera imitati an ihrer Stelle unentbehrlich sind. Sie gehören noch zur Beweisführung für § 36 potest alio tempore . Der Redner zeigt, dass auch die Einführung der Prügel- und Todesstrafe aus der Entartung eines bonum exemplum, nämlich der Nachahmung fremder Einrichtungen, hervorgegangen sei und dass die Vorfahren nach schlimmen Erfahrungen jene gar nicht nationalrömische Praxis wieder aufgegeben hätten. Ein Irrthum des Autors ist es aller- dings, wenn mit anderen Bestimmungen der Zwölftafelgesetze auch die- jenigen über die Todesstrafe auf griechisches Vorbild zurückgeführt werden ; vielleicht folgte Sallust hierin der Schrift Varro's de gente po- puli Romani.

51, 42 qui ea bene parta vix retinemus. Wesenberg a. a. 0. will ea, woran wegen der Beziehung auf Imperium längst Anstoss ge- nommen wurde, streichen, obschon er es schwer findet zu sagen, wie dasselbe in den Text kam.

52, 11 hie mihi quisquam mansuetudinem et misericordiam nomi- nat. Emil Wörner, Jahrb. f. Philol. CXIII 242 f., fasst den Satz als rhetorische Frage, wie lug. 14, 17 an quoquam mihi adire licet.

52, 35 Catilina cum exercitu faucibus urget, alii intra moenia at- que in sinu urbis sunt hostes. Sowohl gegen Linker's gewagte Aen- derungen als auch gegen die Lesart des V in sinu (ohne urbis) verthei- digt F. Vogel, Acta sem. Erlang. I 359 f. die Lesart von P und anderen giften Handschriften, indem er als neues Beweismoment die wiederholte Nachahmung bei Hegesippus anführt. Vgl. auch oben S. 159.

53, 5 res publica magnitudine sua imperatorum atque magistratuum vitia sustentabat ac, sicuti effeta parente, multis tempestatibus haud sane quisquam Romae virtute magnus fuit. So schreibt Jordan, indem er die kaum verständliche Lesart der besseren Handschriften effeta pa- rentum ablehnt und die Emendationsversuche von Dietsch (1859. 64) effeta aetate und von Ritschi (s. jetzt Opp. HI 818) effeta vi in der Note anführt. Wirz a. a. 0. 283 fügt esset vor effeta ein und supplirt als Subject aus dem Vorhergehenden res publica (oder civitas), streicht dagegen parentum, das er als Rest einer Glosse betrachtet.

55, 3 est in carcere locus quod Tullianum appellatur, ubi paulu- lum ascenderis ad laevam, circiter duodecim pedes humi depressus. Zu der im kritischen Apparat angeführten Lesart der geringeren Hand- schriften descenderis fügt Jordan 2 die Bemerkung: fortasse recte; in seiner Topogr. der Stadt Rom I 1, 505 verspricht er, auf die Beschrei- bung des Tullianum bei Sallust in der zweiten Abtheilung einzugehen.

Sallustius. 185

55, 5 vindices rerum capitalium hat Jordan beibehalten, citirt aber jetzt Korte's Vorschlag, die Worte auszuscheiden. Dem gegen- über verweist Wirz a. a. 0. 284 zur Rechtfertigung und Erklärung der- selben auf Mommsen, Rom. Staatsrecht II 559 (nicht 859).

55, 6 dignum moribus factisque suis exitium vitae invenit. Aus dem Sprachgebrauche überhaupt und insbesondere aus ähnlichen Stellen bei den Nachahmern des Sallust Augustinus und Ilegesippus schliesst Vogel a. a. 0. 361, dass mit einigen Handschriften ex i tum vitae zu lesen sei. Die häufige Verwechslung in den Handschriften erklärt sich leicht; ein interessantes Beispiel derselben citirt Vogel aus dem Cod. Cassell. des Hegesippus I 35, 5 hunc exitium tulit.

59, 2 planities erat inter sinistros montis et ab dextera rupe aspera. Wesenberg a. a. 0. liest mit einem der geringeren Codd. rupem aspe- ram, woraus die Lesart rupe aspera der meisten und besten Handschriften leicht entstanden sei. Natürlich könne Sallust auch rupes asperas ge- schrieben haben, aber jedenfalls sei ein Accusativ grammatisch nothwendig.

59, 3 ipse cum libertis et calonibus propter aquilam adsistit. We- senberg fordert libertinis, da bei libertis gewiss suis stehen müsste.

61, 2 quem quisque vivos puguando locum ceperat, eum amissa anima corpore tegebat. Aus der verschiedenen Wortstellung in den Handschriften, aus der Nachahmung bei Florus II 12, 12 (und bei Justinus IX 3, 10) und aus dem Citat in den Lucauscholien S. 195, 8 Usener glaubt Vogel a. a. 0. 322 f. auf die Unächtheit des Wortes vivos schliessen zu dürfen, die schon Wasse und Körte in ähnlicher Weise zu begründen suchten.

Aus dem Journal des russischen Ministeriums der Volksaufklärung erschien eine Auswahl philologischer Aufsätze in drei Bänden 1874—76, die mir nicht zugänglich war. Es findet sich darin eine Untersuchung Cui inscripta sit Catilinae epistola (Sali. Cat. 35), wie ich aus dem Literar. Centralbl. 1876 No. 27 S. 892 ersehe.

lugurtha. 1) C. Sallusti Crispi de hello lugurthino über. Texte revu et an- note par P. Thomas. Mons, Hector Manceaux, Imprimeur-editeur. Bruxelles, Librairie Henri Manceaux 1877. XII. 166 S.

Die vorliegende Ausgabe gehört zur CoUection nationale d'ouvrages ä l'usage de l'enseignement moyen und wird dadurch in ihrer Anlage und Durchführung bestimmt. Der Text ist im Wesentlichen nach Jor- dan's zweiter Ausgabe gestaltet, für den Commentar sind die Anmer- kungen von Jacobs ausgebeutet; doch hat sich der Herausgeber seine Selbständigkeit durchaus zu wahren gewusst. Die sachliche Erklärung ist möglichst kurz gefasst, die sprachlichen Erläuterungen sollen auch den individuellen Stil des Sallust zum Verständniss des Lesers bringen. Vorangestellt ist ausser einer Notice sur Salluste (S. VII -IX) und einem Sommaire de la guerre de lugurtha (S. X— XII) eine Uebersicht De

186 Römische Historiker.

quelques particularites orthographiques et lexigraphiques qui se rencon- Vent frequerament dans Salluste (S. vi). Es werden hier übrigens nur wenige Punkte besprochen; denn in der Hauptsache folgt Thomas aus äusseren Gründen der in den lateinisch-französischen Schulwörterbüchern üblichen Orthographie. Hiervon abgesehen sind die Abweichungen der neuen Ausgabe vom Texte Jordan's in einer Appendice critique verzeich- net, worüber ich mich in der Jen. Lit.-Zeit. 1877 No. 31 ausgesprochen habe. Ich erwähne hier nur die vereinzelte Herstellung archaistischer Formen 3, 1 eis als Nom. Sing, und 17, 5 arborei als Dativ, sowie die nur durch geringere Handschriften überlieferte, von Mommsen bestrittene Ergänzung 73, 7 sed paulo <ante senatus Metello Numidiam> de- creverat. Die Anführung der übrigen beachtenswerthen Aenderungen behalte ich der nachfolgenden Uebersicht vor.

2) H. F. Pelham, The chronology of the lugurthine war: Journal of Philology. Vol. VII No. 13, 91-94.

Die von Mommsen, Rom. Gesch.^ II 146, und im Hermes I 427 f. begründete, in die Ausgaben von Jacobs und Thoraas übergegangene Annahme, dass die beiden numidischen Feldzüge des Metellus von 109/8 nach 108/7 zu verlegen, die des Marius 106/5 anzusetzen seien, wird von Pelham bekämpft. Dieselbe sei von zwei unwahrscheinlichen Vor- aussetzungen abhängig: nämlich erstens, dass Marius die letzten sechs Monate des Jahres 108 in Numidien als Legat des Metellus zubrachte, während es doch wahrscheinlich sei, dass er sich in Rom aufhielt; zwei- tens, dass die Nachricht von der Bestimmung des Marius zum Oberfeld- herrn in Numidien sechs bis sieben Monate brauchte, um Metellus zu er- reichen (S. 94). Aber indem Pelham der gewöhnlichen Ansicht folgt, dass lugurtha schon im Frühling 106 ausgeliefert worden sei, muss er weiter annehmen, dass Marius noch länger als ein Jahr mit der Reor- ganisation- von Numidien beschäftigt war. Unter diesem Gesichtspunkte würde die Niederlage des Q. Caepio nicht, wie Sallust 114, 1 sagt, mit der Gefangennahme lugurtha's, sondern mit der Nachricht von seiner bevorstehenden Ankunft in Rom zusammenfallen. Wie man sieht, kann Pelham ebenso wenig als Mommsen dem Autor den Vorwurf chronolo- gischer Ungenauigkeit ersparen. Und dass auch in der Annahme eines so langen Aufenthaltes des Marius in Numidien und einer Verlängerung seines Commandos für die Jahre 106 und 105 bei dem Fehlen jeglicher Nachricht hierüber einige Schwierigkeit liegt, hat Pelham selbst nicht verkannt.

Einzelne Stellen des lugurtha.

1, 4 ubi per socordiam vires tempus ingenium diffluxere. C C. Cor- nelissen, Mnemosyne N. S. III 73, vermuthet impetus statt tempus

Sallustius. 187

und verweist auf Cic ad fara. VIII 2, 2. Vell. II 55. Aber Sallust ge- braucht Impetus sonst nicht im übertragenen Sinne.

3, 1 quoniam neque virtuti bonos datur, neque illi,, quibus per fraudem [iis] fuit, tuti sunt. T. J. Halbertsma, Mnemosyne N. S. V 331, liest per fraudem partus fuit. Es bedarf aber keines solchen Zusatzes.

4, 4 profecto existuraabunt me magis merito quam ignavia iudi- cium animi mei mutavisse. Cornelissen, Mnem. III 73, verlaugt ma- gis maerore quam ignavia, indem er auf die Worte §9 verweist dum me civitatis morum piget taedetque, die aber doch den gewünschten Be- griff nicht enthalten.

4, 5 saepe ego audivi Q. Maxumum P. Scipionem, praeterea civi- tatis nostrae praeclaros viros solitos ita dicere. Halbertsma, Mnem. V 331 fordert die Einfügung von multos vor praeterea unter Verweisung auf die ähnlichen Stellen Cat. 22, 3. 40, 6. 47, 1, oder auch von alios, wie lug. 60, 6. 84, 1.

9, 3 statimque eum adoptavit. Krämer, Emendatt. Sali. 5, sucht den Widerspruch mit 11, 6 durch die wenig einleuchtende Aenderung ita denique zu heben.

10, 1 in regnum meum accepi und 10, 3 per regni fidem will Krämer a. a. 0. 6 ohne stichhaltigen Grund durch in regiam meam und per regiam fidem ersetzen.

10, 2 meque regnumque meum gloria honoravisti. So schreibt Jordan 2 wie früher, citirt aber jetzt Dieck, De ratione cett. 35, der wie Weinhold, Quaestt. Sali. 206, für die Lesart des V oneravisti spricht. Weitere Momente zur Rechtfertigung dieser Lesart bietet H. Wirz, Zeitschr. f. d. Gymn.-W. XXXI 278.

11, 8 ea modo cum animo habere. Cornelissen, Mnem. III 74, will cum animo trahere lesen wie 93, 1, was schon Putschius empfahl. Aber ähnliche Wendungen, die zum Theil auch vereinzelt sind, sprechen gegen eine Aenderung. Vgl. Kritz und Fabri z. d. St.

13, 1 Adherbalem omnisque, qui sub imperio Micipsae fuerant, metus invadit. in duas partis discedunt Numidae. P.Thomas in seiner Ausgabe transponirt Adherbalem metus invadit; omnesque qui fue- rant in duas partis discedunt Numidae. Die Umstellung erscheint aber unnöthig, da die Furcht vor lugurtha ebenso gut das Motiv des An- schlusses an ihn als an seinen Gegner sein konnte. Vgl. auch Jen. Lit.- Zeit. 1877 No. 31.

14, 3 vellem potius ob mea quam ob maiorum meorum beuificia possem a vobis auxilium petere. Für diese schon früher bevorzugte, von P und V abweichende Lesart verweist Jordan^ auf 24, 9 und findet den Beifall von Wirz a. a. 0. 285, da possem auch durch P^ geschützt werde. Allein die Parallelstelle ergibt nur, dass possem stehen könnte, wenn es am sichersten überliefert wäre. Die Uebarlieferung aber beur-

188 Römische Historiker.

theilt richtig Nipper cley, Opp. 178, indem er sagt, dass V, wie er sonst das Geläufige vorziehe, so auch hier posse neben veliem geschrieben habe, und zeigt, dass posse me, wie P und die meisten Handschriften bieten, richtig sei; auch in P^ sei ja statt possem, wie zuerst irrthüm- lich geschrieben war, posse me hergestellt.

14, 11 (me) nihil minus quam vim aut bellum expectantem in im- perio vostro, sicut videtis. extorrem patria domo, inopem et coopertum miseriis effecit, ut ubivis tutius quam in meo regne essem. L. Hellwig, Zur Synt. des Sali. I 17 Anm. 1, nimmt eine Lücke an, die sich etwa so ausfüllen liesse: expectantem <(aggreditur et cum proelio devic- tum cogeret vorsariV in imperio vostro -. Folgt man der Interpre- tation von Kritz, Fabri und Jacobs, so bedarf es der Annahme einer Lücke nicht.

14, 21 quod utinam aliquando aut apud vos aut apud deos inmor- talis rerum humanarum cüra oriatur: ne ille gravis poenas reddat. J. K. Whitte, Opuscula philol. ad Madvigium missa (Hauniae 1876) 89, fordert gegen die Ueberlieferung mit Körte und Kritz reddet, was je- doch nach der von Fabri und Jacobs gegebenen Erklärung unnöthig erscheint.

19, 3 secundo mari prima Cyrene est. M. Cl. Gertz, Studia cri- tica in Sen. dial. (Havniae 1874) 148, entscheidet sich für secundum raare, wie vor ihm Palmerius.

26, 3 uti quisque armatus obvius fuerat. So schreibt Jordan^ nach P und mehreren guten Handschriften, während er früher nach anderen armatis schrieb. Aus inneren Gründen stimmt Wirz a. a. 0. 276 bei.

32, 1 Haec atque alia huiuscemodi saepe in . . . dicendo . Jor- dan2 vermuthet, dass in der Lücke, auf welche die Lesart der guten Handschriften indicendo schliessen lässt, contione gestanden habe. Thomas hat nach eigener Conjectur disserundo aufgenommen. Jor- dan hatte früher saepius dicuudo geschrieben, worin Dietsch und Jacobs ihm folgten. Eine sichere Entscheidung ist nicht möglich.

34, 1 ac tametsi multitudo - - vehementer accensa terrebat eum clamore voltu, saepe inpetu atque aliis omnibus quae ira fieri amat, vicit tamen inpudentia. Thomas schreibt quae ira volgus)> fieri amat und beruft sich dafür auf das Citat bei Quint. IX 3, 17 vulgus amat fieri. Aber schon die veränderte Wortstellung deutet darauf hin, dass Quin- tilian aus dem Gedächtniss citirt. Daher kann aus seinen Worten nicht geschlossen werden, dass er vulgus im Texte bei Sallust fand, sondern nur, dass er multitudo, wofür er ungenau vulgus sagt, als Subject zu amat fasste.

35, 5 deinde, ubi res postulabat, insidias tendit. Hellwig, Zur Synt. des Sali. I 17 Anm. 2, bezweifelt, dass ubi hier als relatives Ad- verb (in örtlicher Bedeutung) zu fassen sei, und meint, vielleicht sei

Sallustius. 189

uti res po^tulabat zu schreiben. Dieselbe Vermuthuug hegte im Hin- blick auf 52, 5 schon Nipperdey, ohne sie jedoch (soviel mir bekannt ist) zu veröffentlichen.

38, 2 ita delicta occultiora fuere. Jordan^ bemerkt nach der Angabe von Wirz (1867), dass in P ursprünglich occultaret stand. Dies und die ebenso unannehmbare Ueberlieferung in pi delicto occultiori fuit, sowie der Anstoss, den die von Jordan aufgenommene Lesart besserer Handschriften fuere erregt, veranlassen Wirz a. a. 0. 275, den Satz mit Dietsch und Linker als eingedrungene Interlinearglosse zu streichen.

38, 10 quae quamquam gravia et flagiti plena erant, tamen quia mortis motu mutabantur, pax convenit. So schreibt Jordan^ mit den guten Handschriften, während er früher unter Hinweisung auf Tac. Hist. n 76 metu nutabant schrieb. Doch deutet er in der Note, wo unter den zahlreichen Conjecturen nur die von Dietsch und von mir an- geführt sind, noch Zweifel an der Richtigkeit der Ueberlieferung an. Thomas hat seine Vermuthung quia mortis metus intentabatur in den Text gesetzt , indem er Tac. Ann. I 39 vergleicht. Mehr Wahr- scheinlichkeit hat der Vorschlag von Wirz a. a. 0. 277 quia mortis metu aestumabantur; vgl. or. Macri 19. Wenn übrigens Wirz bemerkt, das einzige Bedenken gegen den Vorschlag von Gehlen und Freudenberg metiebantur liege in dem Wechsel des Subjects, so verweise ich da- gegen auf meine Exercitatt. Sali. 36.

41, 1 mos partium popularium et factionum . So liest Jordan^ zweifelnd nach besseren Handschriften, während er früher mit Gruter popularium weggelassen hatte. Das in P und anderen Codd. neben factio- num überlieferte Glossem senatores (senatorum, seuatorium, senatus) lässt vermuthen, dass auch popularium nicht von Sallust herrührt. Vergl. die Erläuterungen von Wirz a. a. 0. 278.

41, 7 penes eosdem aerarium provinciae magistratus gloriae trium- phique erant. Den von Bernays und Bergk angefochtenen Plural glo- riae schützt Jordan^ durch die Vergleichung von Cornif. HI 6, 10. 7, 14 potestates gloriae. Ueber die metonymische Bedeutung von gloriae s. Wirz a. a. 0. 283.

43, 1 Metellus et Silanus consules designati provincias inter se partiverant. Die in der ersten Ausgabe aufgenommene Conjectur von Mommsen, Herm. I 430, de senatus sententia hat Jordan^ unter Hin- weisung auf dessen Rom. Staatsr. I 487 aus dem Text entfernt. Dies hat auch Nipperdey, Opp. 543, gefordert.

45, 1 Metellum sapientem virum fuisse comperior: tanta tem- perantia inter ambitionem saevitiamque moderatum. Cornelissen, Mnem. HI 74, vermuthet cauta temperantia inter remissionem . Aber weder cautus noch remissio findet sich sonst bei Sallust, der dafür providens und raansuetudo et misericordia gebraucht hat.

190 Römische Historiker.

47, 2 huc coDsul simul temptandi gratia et si paterenturoppor- tunitates loci praesidium inposuit. Gegenüber der besten, von Jordan bewahrten Ueberlieferuug schreibt Thomas simul tentandi gratia si pa- terentur et opportunitate loci . Thomas beruft sich auf Roersch; aber opportunitate verrauthete schon Gruter und auch die Umstellung von et beruht auf alter Conjectur. Letztere und das von P^ gebotene opportunitatis billigt Wirz a. a. 0. 283f.

47, 2 ratus - frequentiam negotiatorum et conmeatu iuvatu- ram exercitum et iam paratis rebus munimeuto fore. Die früher abge- lehnte Vermuthung von Ursinus, welche Madvig wieder empfahl, hat Jordan 2 statt des handschriftlichen commeatum iuvaturum in den Text gesetzt.

48, 3 collis oriebatur in inmensum pertingens. Krämer, Emendatt. Sali. 7, vermuthet in flumen vorsum pertingens, was schon im Philol. Anz. VIII 139 als willkürlich abgewiesen worden ist.

49, 4 cum Interim Metellus, iguarus hostium, monte degrediens cum exercitu conspicatur. Durch die Vergleichung des activen ludificare 36, 2 und der passiv gebrauchten Form ludificati 50, 4 deutet Jordan^ an, dass er conspicatur, wozu man ein Object vermisst, in passivem Sinne fasst. Dagegen erklärt sich Wirz a. a. 0. 285.

53, 5 quamquam itinere atque opere castrorum et proelio fessi erant. So schreibt Jordan*'*, indem er das in den guten Handschriften neben fessi überlieferte laetique als einen durch das folgende instructi inten- tique veranlassten Zusatz mit Linker tilgt, während er früher die Lesart der interpolirten Handschriften fessi lassique aufgenommen hatte. Tho- mas behält fessi laetique bei.

53, 7 strepitu velut hostes adventare - . Wirz a. a. 0. 282 bezeichnet die von Körte und Madvig vorgeschlagene Streichung des von Jordan beibehaltenen adventare als evidente Emendation. Ich habe mein Be- denken dagegen, Zeitschr. f. d. Gyran.-W. XXIX 82, angedeutet.

54, 1. 2 hortatur fore. et tamen Interim transfugas misit. In der guten Ueberlieferung fehlt et. Jordan^ hat es im Hinblick auf 39, 2. Hist. fr. Vat. 1, 18 hinzugesetzt.

61, 2 ceterum exercitum in provinciam, quae proxuma est Numi- diae, hiemandi gratia conlocat. Die Vermuthung der Bipontina, 0. M. Müller's und Mommsen's qua erwähnt Jordan^ nur in der Note; Wirz a. a. 0. 284 erklärt sich gegen dieselbe.

62, 9 quam gravis casus in servitium ex regno foret. Cornelissen, Mnem. III 74, tilgt in und fasst casus im Sinne von calamitas, ex im Sinne von post. Aber dass die überlieferte Lesart insulsa et inficeta sei, ist nicht bewiesen. ,

63, 4 plerisque faciem eins ignorantibus, facile notus per omnis tribus declaratur. Hellwig, Zur Synt. des Sali. I 18, ergänzt <(fama;

Sallustius. 191

facile notus. Wenn aber ein Gegensatz zu faciem nothwendig erscheint, so empfiehlt sich doch eher der auch von Thomas angenommene Vor- schlag von Palmerius f actis oder der von Bährens acie.

63, 6 tarnen is ad id locorum talis vir adpetere non audebat. Selbst wenn das Bedenken von Krämer, Emendatt. Sali. 7, gegen talis vir begründet wäre, so würde doch das von ihm vorgeschlagene umilis vir weder aufMarius anwendbar, noch dem Sprachgebrauche des Sallust angemessen sein. Vor adpetere haben manche Handschriften consulatum ; Halbertsma, Mnem. V 332, liest amplissimum honorem petere .

63, 7 novos nemo tarn clarus -- erat, quin is indignus illo honore et quasi pollutus haberetur. Da nicht indignus, wohl aber poUutus zu einem neuen Subjecte (honor) gehört, so erwartet man die Andeutung desselben vor dem letzteren Prädicat. Hellwig a. a. 0. 36 'schiebt daher hie ein. Leichter ist es wohl, wie ich Exercitatt. Sali. 31 vor- schlug, das vor indignus stehende is vor pollutus zu transponiren.

64, 6 quia diuturnitate belli res familiaris conruperant. Jordan^ folgt der Lesart von PPi quia, während er früher mit geringeren Hand- schriften quod geschrieben hatte.

70, 2 hominem nobilem, magnis opibus, carum acceptumque popularibus suis. Gegen die von Fabri, Linker und Gerlach beibehaltene Ueb erliefer ung darum acceptumque hat Jordan mit den meisten Heraus- gebern die durch analoge Stellen 12, 3 und 108, 1 belegte Vermuthung von Colerus carum acceptumque aufgenommen. Vogel, Acta sem. Er- lang. I 347, vertheidigt darum besonders durch Hinweisung auf die Nachahmung ep. ad. Caes. H 7, 6 (vgl. I 2, 2).

74, 3 Numidis in omnibus proeliis magis pedes quam arma tuta sunt. Diese von Jordan beibehaltene Lesart des P und anderer guten Handschriften verwirft Wirz a. a. 0. 274 aus inneren Gründen und mit Kücksicht auf P^ (Numidas tuta) und folgt der Lesung Numidas tutata sunt.

78, 2 quorum proxuma terrae praealta sunt, cetera, uti fors tulit, alta alia alia in tcmpestate vadosa. Die von Cornelissen, Mnem. HI 74, vorgeschlagene Einfügung eines zweiten alia zwischen alta und alia findet sich schon in (P^ und) geringeren Handschriften und ausser bei Kritz und Fabri auch in den neueren Ausgaben. Cornelissen's Bedenken gegen in tempestate, das von einem ineptus sciolus herrühren soll, sind nicht überzeugend.

79, 1 non indignum videtur egregium atque mirabile facinus duo- rum Carthaginiensium memorare. Für mirabile, wie nach der besten Ueberlieferung die neueren Herausgeber ausser Dietsch schreiben, ent- scheidet sich auch Vogel a. a. 0. 362 nach Erwägung der Stelle selbst und der Nachahmungen.

80, 4 Bocchus initio huiusce belli legatos Romam miserat foedus et amicitiam petitum, quam rem opportunissumam iucepto hello pauci

192 Römische Historiker.

impediverant. Mit Benützung der Schreibung (vielmehr Verschreibung) in P incepto belli liest Halbertsma, Mnem. V 333, opportunissimam ad incerta belli und vergleicht Liv. XXX 2, 6.

84, 2 auxilia a populis et regibus sociisque arcessere. Die von Siesbye und Madvig empfohlene Tilgung von que billigt Wirz a. a. 0. 282. Meine abweichende Ansicht habe ich in der Zeitschr. f. d. Gymn.-W. XXIX 82 ausgesprochen.

85, 3 neque me fallit, quantum cum maxumo benificio vostro negoti sustineam. Jordan bemerkt in der Note, die Lesart des Psustineo sei vielleicht richtig; Wirz a. a. 0. 281 erklärt sie für einen Schreibfehler. Krämer, Emendatt. Sali. 3, glaubt hier wie an mehreren anderen Stellen den Indicativ vertheidigen zu können; vgl. Philol. Anz. VIII 139.

85, 10 quaeso, reputate cum animis vostris, num id mutare melius Sit, siquem ex illo globo nobilitatis mittatis, hominem nullius sti- pendi: scilicet ut sumat aliquem ex populo monitorem offici sui. ita plerumque evenit ut quem vos imperare iussistis, is imperatorem alium quaerat. In der Note deutet Jordan Madvig's Interpunction an: me- lius Sit. si quem stipendi, scilicet - sui: ita . Ich habe

diesen Vorschlag von Madvig abgelehnt, Zeitschr. f. d. Gymn.-W. XXIX 82; auch Wirz a. a. 0. 282 weist ihn mit treffenden Gründen zurück.

85, 17 quodsi iure me despiciunt, faciant idem maioribus suis. So schreibt Jordan^ unter Zustimmung von Wirz a. a. 0. 277 nach V und anderen Handschriften (darunter P i), während er früher nach P und anderen faciunt geschrieben hatte.

85, 27 nam me quidem nulla oratio laedere potest. quippe vera necesse est bene praedicent, falsa vita moresque mei superant. Hal- bertsma, Mnem. V 333, liest gegen PV mit einigen Handschriften vera (sc. oratio) praedicet, falsam und vermuthet respuunt statt superant, indem er auf Cic. p. Mur. 35, 74 verweist.

85, 29 cicatrices advorso corpore. Gegen diese von Jordan angenommene Ueberlieferung in P und den meisten Handschriften der besseren Klasse sucht Vogel, Acta sem. Erlang. I 362, die nach Dietsch auch von Weinhold, Dieck und Anhalt bevorzugte Lesart in V und an- deren Handschriften advorso pectore als die richtige zu erweisen.

88, 4 ita lugurtham aut praesidiis nudatum, si ea pateretur, . . . . aut proelio certaturum. Jordan ^ glaubt, dass in der von ihm angedeuteten Lücke etwa in manus venturum wie 89, 2 gestanden habe. Wirz a. a. 0. 278 findet die Ergänzung sehr unwahrscheinlich und will, falls es zu schwierig scheint aus dem folgenden Futurum ein fore zu nuda- tum zu suppliren, nach dem Vorschlage von Kritz nudatum <(iri>, si lesen. Uebrigeus hat Kritz selbst (1856) seinen Vorschlag fallen lassen.

89, 7 idque ibi ut in omni Africa, qua procul a mari incultius agebant, eo facilius tolerabatur . So schreibt Jordan2 statt id ubi-

Sallustius. 1 93

que (ibique) et uud (hierin mit Linker zusammentreffend) statt quae agebat. Gegen beide Aenderungen erklärt sich Wirz a. a. 0. 279.

92, 5 erat inter ceteram planitiem mons - in inmensum editus uno perangusto aditu relicto: nam omnis natura velut opere atque con- sulto praeceps. Nipperdey, Opp. 454, behauptet, nara bringe die fol- genden Worte in Widerspruch mit den vorhergehenden; er tilgt daher nam und zieht uno perangusto aditu relicto zum Folgenden, worin sich ihm W. Hirschfelder in der 6. Ausgabe von Jacobs anschliesst.

92, 7 iter castellanorum angustum admodum, utrimque praecisum .... vineae cum ingenti periculo frustra agebantur Jordan^ deutet im Texte eine Lücke an und bemerkt dazu, dass vielleicht das praecisae der Handschriften beizubehalten uud mehreres ausgefallen sei. Da in P praeciseauineae steht, so vermuthet Wirz a. a. 0. 279 praecisum. ^ea) vineae . Ebenso schreibt Thomas in seiner Ausgabe.

93, 3 ubi postquam solitudinem intellexit, more ingeni humani cu- pido difficilia faciundi .... et forte in eo loco grandis ilex coaluerat inter saxa. Die von Jordan^ bezeichnete Lücke, in welcher nach seiner Meiuung etwa intentius eniti . . . gestanden haben könnte, ist in den besseren Handschriften durch die Worte animum vertit (in P und anderen animum advortit) ausgefüllt. Jordan hält dies nur für eine Wiederholung aus der kurz vorhergegangenen Stelle animum advortit inter saxa. Wirz a. a. 0. 279 glaubt, dass animum vortit einen passenden Sinn gebe. Thoraas hat das von Jacobs vermuthete, aber nicht in den Text gesetzte animum invasit aufgenommen.

93, 8 itaque ex copia tubicinum et coruicinum numero quinque quam velocissumos delegit et cum eis praesidio qui forent quattuor centuriones. Krämer, Emeudatt. Sali. 8, entscheidet sich für die Festhal- tung der auch von Jordan^ im Texte wiedergegebenen Ueberlieferung und für die Beziehung der Worte cum eis auf die folgenden praesidio qui forent, so dass damit milites bezeichnet wären. Wirz a. a. 0. 285 hält eis (iis, bis) für den Rest von paucis expeditis oder nur paucis.

94, 1 illi, qui e centuriis erant, praedocti . So schreibt Jordan nach P, billigt aber praef.^ VHI die Vermuthung eines seiner Zuhörer, welcher den Relativsatz als Glossem betrachtete. Auch Tho- mas hat denselben eingeklammert. Wirz a. a. 0. 284 erklärt sich jedoch dagegen.

95, 3 litteris Graecis et Latinis iuxta atque doctissumi eruditus . Seine in der ersten Auflage vorgeschlagene, schon früher von Bursian gefundene Conjectur doctissumi, die den Beifall von Madvig und Nip- perdey, Opp. 455, fand, hat Jordan^ in den Text gesetzt. Wirz a. a. 0. 280 schützt das überlieferte doctissume mit ausführlicher Be- gründung; auch Thomas hat das Adverb beibehalten. Vogel, Acta sem. Erlaug. I 363, wagt mit Rücksicht auf Hegesippus I 38, 11 eruditi Latinis iuxta et Graecis litteris die Vermuthung, bei Sallust sei iuxta

Jaliie.'.bericlit für AUerthnniswissenschaft 1877. II. 13

194 Römische Historiker.

durch doctissume erklärt worden, und nachdem diese Glosse in den Text gedrungen, sei auch atque hinzugetreten.

Die folgenden Worte schreibt Nipperdey a. a. 0. so: animo in- genti, cupidus voluptatum, sed glöriae cupidior (otio luxurioso esse; ta- rnen ab negotiis numquam voluptas remorata) [nisi quod de uxore potuit honestius consuli]; facundus, callidus, sed amicitia facilis, ad dissimu- landa negotia altitudo ingeni incredibilis , indem er otio remorata als Parenthese, nisi consuli als fremdes Einschiebsel betrachtet, sed statt et schreibt, da facilis zu callidus im Gegensatze steht; endlich mit geringeren Handschriften dissimulanda setzt, da das besser überlieferte simulanda nicht zur altitudo ingeni passt. Krämer, Emendatt. Sali. 9, nimmt vor nisi quod eine Lücke an und will moliunda statt simulanda lesen; vgl. Philol. Anz. VIII 139.

97, 5 denique Romani veteres novique et ob ea scientes belli , Die Ueberlieferung hat Jordan^ mit einem Kreuze vor veteres bezeichnet und dazu bemerkt, vielleicht sei quod er ant scientes belli zu schreiben, doch könne auch vor et ob mehreres ausgefallen und die Lücke durch veteres novique ausgefüllt worden sein. Ein ähnliches Verfahren setzt Jordan auch sonst voraus, s. oben 93, 3 und unten 100, 1. Thomas hat mit einer Umstellung geschrieben veteres et ob ea scientes belli no- vique, was schon wegen des hinkenden Rhythmus misfällt und darum dem Transpositionsvorschlage Wölfflin's novi veteresque nachsteht. Con- zen, Beitr. z. Erkl. des Sali. 14, vermuthet eique iam statt et ob ea, traut aber seinem Vorschlage selbst nicht und führt noch die Conjectur von A. Weidner navique an, die bereits Wasse gefunden, aber wieder verworfen hatte; vgl. Philol. Anz. IX 189.

99, 1 milites portis erumpere iubet. Das in geringeren Hand- schriften fehlende Verbum hatte Jordan früher, vermuthlich als Wieder- holung des kurz vorhergehenden iubet, gestrichen.

99, 3 ita cunctos strepitu clamore, nullo subveniente, nostris in- stantibus tumultu formidine terror quasi vecordia ceperat. So schreibt Jordan 2, während er früher terrore, wie die Handschriften bieten, mit Dietsch ausgeschieden hatte. Jordan's Emendation terror hat bei Wirz a. a. 0. 279 Zustimmimg gefunden. Auch Thomas hat terror aufge- nommen, dagegen tumultu formidine als Glosseme, die aus 53, 7 und 72, 2 entstanden seien, getilgt, was nicht geboten erscheint.

100, 1 Dein Marius, uti coeperat in hiberna .... propter con- meatum in oppidis maritumis agere decreverat. In P ist ceperat, hyberna übergeschrieben; Jordan^ meint, die Worte coeperat in hiberna, die er im Texte mit einem Kreuze bezeichnet, seien nur zur Ausfüllung der Lücke aus 97, 3 geschöpft, und lehnt praef. XI Nipperdey's Emen- dation ab, Nipperdey, Opp. 454, nimmt nämlich an, dass die Ueber- lieferung richtig, nur nam hinter hiberna ausgefallen sei, und schreibt daher: Dein Marius, uti coeperat, in hiberna: ;nam> propter commea-

Sallustius. 195

tum decreverat. Für die Auslassung des Verbums der Bewegung verweist er auf seine Beispielsammlung zu Tac. Ann. IV 57. Wirz a. a. 0. 281 scheint beizustimmen. Thomas hat nam von Nipperdey übernommen, aber auch nach dem Vorschlage von Dietsch pergit hinter hiberna eingefügt. Krämer, Emendatt. Sali. 12, will pergit quae einschalten, indem er theils Dietsch, theils geringeren Handschriften folgt.

100, 3 perfugae, minume cari et regionum scientissumi . Krä- mer, Emendatt. Sali. 13, möchte rari lesen. Eine Aenderung ist un- nöthig.

100, 4 diffidentia futurum quae imperavisset . Die beste üeber- lieferung bietet futuri; die durch die Beispiele bei Gellius I 7 bestätigte Lesart geringerer Handschriften futurum, welche Jordan in den Text gesetzt hat, billigt auch Hertz, Vindiciae Gell, alterae 14 Anm. 24. Wirz a. a. 0. 281 will futura lesen. Jordan selbst hält es für mög- lich, dass diffidens factum iri zu schreiben sei.

100, 5 Marius pudore magis quam malo exercitum coercebat. Im Texte folgt Jordan der guten üeberlieferung, vermuthet aber motu. Wirz a. a. 0. 282 schützt malo durch Vergleichung von Liv. IV 49, 11.

100, 5 quod multi per ambitionem fieri aiebant, pars a pueritia consuetam duritiam et alia voluptati habuisse. So schreibt Jordan, indem er das hinter aiebant überlieferte quod, das in einigen Hand- schriften die Aenderung habuisset nach sich gezogen hat, mit Dietsch streicht. Zugleich theilt er die Vermuthung mit, Sallust habe vielleicht geschrieben aiebant: [pars] a pueritia consuetam duritiam [et], alia voluptati habuisse. Wirz a. a. 0. 281 bemerkt dagegen, dass der fol- gende mit nisi tarnen beginnende Satz eine Disjunction voraussetze; ob jedoch deren zweites Glied durch pars eingeleitet gewesen, sei fraglich, da das zweite quod das ächte Wort verdrängt zu haben scheine.

101, 8 iamque paulum a fuga aberant. Jordan^ vermuthet abe- rat, indem er den persönlichen Gebrauch von abesse bezweifelt. Wirz a. a. 0. 282 belegt denselben durch Liv. VIII 32, 13.

102, 6 populo Romano iam a principio inopi melius visum. So schreibt Jordan 2. Dagegen streicht Thomas inopi, das auch Jordan früher eingeklammert hatte, und schaltet unter Hinweisung auf 77, 2 und Hist. I 9 in de vor iam ein. Mir scheint dies nicht begründet, vgl. Jen. Lit.-Zeit. 1877 No. 31.

102, 8 multo plura bona accepisses quam mala perpessus es. et quoniam . Diese von Jordan^ aus der schwankenden üeberlieferung eruirte Lesart billigt auch Wirz a. a. 0. 279.

102, 14 ceterum vetera omittere; actutum legatos ad senatum missurum. In diesen der indirect eingeführten Rede des Bocchus ange- hörigen Worten findet Jordan^ das überlieferte ac tum dem Zusammen- hange nicht entsprechend und wagt daher das alterthümliche actutum in den Text einzuführen, indem er auf Liv. XXIX 14, 5 verweist, wo das

13*

196 Römische Historiker.

seltene Wort in dem Berichte des Gesandten M. Valerius gebraucht ist. Wirz a. a. 0. 279 erklärt sich gegen diese Emendation und sucht tum als Correlativ zu si oder im Sinne von »jetzt« zu rechtfertigen.

103, 1 proficiscitur in loca sola obsessum Turrim Regiam. Jordan^ bat zuerst Turrim Regiam als Eigennamen betrachtet und verweist zur Bestätigung auf Hübner's Bemerkungen über einige hispanische Orts- namen im Hermes III 252 f.

103, 5 eos ille non pro vanis hostibus, uti raeriti erant, sed adcu- rate ac liberaliter habuit. Die von gätulischen Räubern ausgeplünderten Gesandten des Bocchus verdienten nicht als vani hostes behandelt zu werden, wohl aber konnten sie solche Behandlung fürchten. Gertz, Stud. crit. in Sen. dial. 84 Anm. , verbessert demnach uti veriti erant.

104, 1 infecto quo intenderat negotio -- . Wie 64, 1 eodem inten- dere, 74, l quocumque intenderat steht, so kann auch hier quo als Ad- verb gefasst werden. Der Vorschlag von Krämer, Emendatt. Sali. 16, es sei quoi zu schreiben, ist daher überflüssig.

104, 1 L. Billieuum praetorem. So schreibt Jordan^ statt des handschriftlich überlieferten Bellienum nach inschriftlichen Zeugnissen mit Recht, wie Wirz a. a. 0. 279 anerkennt.

106, 4 milites cenatos esse in castris, ignis quam creberrumos fieri iubet. Nach einem Brüsseler Codex 10034 schreibt Thomas milites cenatos esse ignis que in castris quam creberrumos fieri . Ich habe in der Jen. Lit-Zeit. 1877 No. 31 erinnert, dass die durch diese Trans- position hergestellte Beziehung der Worte in castris zu ignis fieri durch Interpunction hinter esse viel einfacher erreicht wird; vgl. die Aus- gaben von Kritz, Fabri, Linker, Gerlach. Doch hat schon Cledonius S. 72, 7 Keil richtiger cenatos esse in castris verbunden.

108, 2 neu lugurthae legatum pertimesceret, .... quo res con- munis licentius gereretur. Die von Dietsch vor quo angenommene Lücke hat auch Jordan anerkannt. Indem Thomas nach anderen dieselbe hinter quo annimmt, ergänzt er quo {ad colloquium adhibito fore uti postea)^ res .

110, 3 fuerit mihi eguisse aliquando pretium tuae amicitiae. So schreibt Jordan^ mit Madvig nach V und einigen besseren Handschriften der interpolirten Klasse, während er früher pretium nach anderen inter- polirteu Handschriften weggelassen hatte.

113, 3 Maurus dicitur secum ipse multum agitavisse, voltu et oculis pariter atque animo varius : quae scilicet tacente ipso occulta pec- toris patefecisse. Bei dem Schwanken der ohnedies mangelhaften Ueber- lieferung folgt Jordan im letzten Satze geringeren Handschriften. Wirz a. a. 0. 275 hält die radicalste Heilung für die rationellste und will die Worte quae patefecisse streichen. Aber wenn er dabei auf die von ihm angenommene Interpolation 38, 2 (s. oben S. 189) verweist, so ist

Sallustius. 197

doch die Frage gestattet, ob nicht die beiden Sätze sich gegenseitig stützen.

114, 2 illimque usque ad nostram memoriam Romani sie habuere. Whitte, Opiiscula ad Madvigium missa 86, will nach der besten Ueber- lieferung illique lesen, indem er diese Form statt illic dem archaisiren- den Sallust zutraut.

114, 4 et ea tempestate spes atque opes civitatis in illo sitae. Nach pi hat Jordan 2 et ea statt des ex ea der ersten Ausgabe vorgezogen. Vgh Wirz a. a. 0. 277.

Historiae.

1) Wilhelm Schmitz, Beiträge zur lateinischen Sprach- und Literaturkunde. Leipzig, B. G. Teubner 1877. X. 330 S.

S. 155 f. ist der zuerst 1863 erschienene Aufsatz abgedruckt, in welchem aus dem VIL und VIIL Bande von A. Mais Classici auctores Vaticani sieben Fragmente der Historien des Sallust verzeichnet werden. Darunter sind zwei, welche in den Sammlungen fehlen: Bd VII S. 485 bei Mai: dorso fluctus trieris adaequatum (adaequata?), vielleicht aus dem III. Buche der Hist. ; S. 567 M. : adcommodatum mandatum credat. S. 575 M. entspricht II 2 bei Dietsch genau; mit kleinen Abweichungen entsprechen sich: S. 586 M. und III 41 D., 569 M. und IV 54 D., 651 M. und ine. 10 D.; vollständiger ist VIII 86 M. als I 71 J).

2) E. Wölfflin, Ein Sallustfragraent: Hermes IX 253 f.

Das von Kritz und Dietsch unter Zustimmung von Gerlach aus den Historienfragmenten ausgeschiedene magis cum cura dicendum bei Seu. de benef. IV 1, 1 wird von Wölfflin mit gutem Grunde wieder für Sallust in Anspruch genommen und im Hinblick auf Vell. II 18, 1 vermuthimgs- weise auf Mithridates bezogen. Auszuschliessen sei raagis, dagegen dürfe vielleicht aus den Worten des Velleius vir neque sileudus neque dicendus sine cura noch vir in das Sallustfragment hineingezogen werden, so dass es laute vir cum cura dicendus, ähnlich wie Lamprid. Heliogab. 35, 2 schreibt Alexander cum cura dicendus.

3) Otto Müller, Drei neue Fragmente: Hermes X 118 f.

Das dritte der von Müller besprochenen Bruchstücke gehört dem Sallust an, ist aber von den Sammlern seiner Fi'agmente bisher nicht beachtet worden. In einem Scholion zu Stat. Theb. III 2 stehen die Worte: secundura Salustium Qua nocte ipse fiebat anceps.

4) Franz Bücheier, Coniectanea: Jahrb. f. Philol. CXI 305.

In No. XX seiner Coniectanea wirft Bücheier die Frage auf, ob ein römischer Historiker Gabinius anzunehmen sei, da Strabo XVII 8 S. 829 die Erzählung über den Fund von Riesengebeinen in Mauretanien durch

198 Römische Historiker.

Sertorius (vgl. Plut. Sert. 9) und über wunderbare Eigenthümlichkeiten der Elephanten auf Faßtvtoq b tmv ^ruj/xaicuv aoyypa^euQ zurückführt. Bücheier macht es wahrscheinlich, dass ein Abschreiber Gabinius aus Sallustius gemacht habe, und schliesst mit dem Satze: itaque non histo- riam litterarum latinarum Gabinii nomine augendara raagis censeo quam Sallustii reliquias descriptione elephantorum.

Einzelne Stellen der Historiae.

I 8 (bei Dietsch) nisi qua [a] paludibus invia fuit. Vogel, Acta sera. Erlaug. I 365, spricht sich nach Prüfung der Zeugnisse und Nach- ahmungen für die Streichung der von Kritz vertheidigten, von Gei'lach getilgten und von Dietsch eingeklammerten Präposition aus.

I 41 (or. Lepidi), 7 nisi forte speratis eum per scelus occupata periculosius dimissurum. A. Schöne, Herrn. IX 254, vermuthet peri- culo suo. Vgl. lug. 83, 1.

I 41, 18 atque illa, quae tum formidiue mercatus sum [pretio| so- luto iure, dominis tarnen restituo. Das von Jordan gestrichene pretio will Krämer, Emendatt. Sali. 14, beibehalten, indem er pretio soluto in concessivem Sinne fasst und iure auf dominis bezieht, wie schon Wasse und Körte thaten.

I 41, 20 ne ante capiamini, non opibus eins , sed vostra so- cordia, qua raptum ire licet. Nachdem bei Jordan ^ die Lesart von V quam raptum iri wiedergegeben, aber mit einem Kreuze bezeichnet war, hat jetzt Madvig's Conjectur Aufnahme gefunden, die auch von Hellwig, Zur Synt. des Sali. I 24, gebilligt wird.

1 41, 21 nam praeter satellites conmaculatos quis eadem volt aut quis non omnia mutata praeter victorem? A. Schöne, Hermes IX 254, schützt das überlieferte victoriam gegenüber der bei Jordan aufge- nommenen Vermuthung von Kritz, indem er es auf die Siege des Sulla über die auswärtigen Feinde bezieht und an die unmittelbar folgende captatio benevolentiae der milites erinnert.

I 41, 24 neque aliter rem publicam et belli finem ait. Schöne a. a. 0. vermuthet, dass bei der Auflösung der Abbreviatur R. P. das publicam ein salvam verdrängt habe, auf das sich conposita § 25 ebenso beziehe, wie pax auf belli finem.

I 41, 26 mihi quamquam per hoc summum Imperium satis quaesi- tum erat nomini maiorum dignitatis atque etiam praesidi . So schreibt Jordan^ im Anschluss an Madvig's Vorschlag statt diguitati atque etiam praesidio (praedio V).

I 48 (or. Philippi), 3 pro di boni, qui hanc urbem amissa curia adhuc tegitis. Den von Jordan angenommenen Vorschlag Haupt's (abgedruckt Opp. I 149) amissa curia findet A. Schöne a. a. 0. in der vor dem Senat gehaltenen Rede unerklärlich und vermuthet, in dem überlieferten omissa cura sei securam oder vobis sacram verborgen.

Sallustius. 199

I 48, 9 quod ego vos oro , ut animadvortatis , neu patiamini licentiam scelerum procedere. So schreibt Jordan^ richtig statt des früher aus V angenommenen ne.

I 48, 16 neque te provinciae neque leges neque di penates civera patiuntur. Madvig's Conjectur P. Ro. iudicia statt provinciae hat Jordan ^ nur in der Note erwähnt. Auch mir erscheint sie nicht annehmbar. Um die befremdliche Zusammenstellung von leges und di penates zu vermeiden und den vermissten Gegensatz zu civem zu gewinnen, vermuthete ich, Zeitschr. f. d. G.-W. XXIX 84, neque te provinciae [neque] regem neque di penates civem patiuntur

I 48, 18 nam qui armato Lepido vos inerraos retinet, quae victis toleranda sunt, ea cum facere possitis patiamini potius censet. ita illi a vobis pacem, vobis ab illo bellum suadet. Gertz, Stud. crit. in Sen. dial. 89 Anm., fordert die Umstellung illi a vobis bellum, vobis ab illo pacem suadet Aber die überlieferte Ordnung ist richtig, nur ist bei suadet nicht an die Intention sondern an den Effect zu denken.

III 9 nomenque Danubium habet, ut ad Germanorura terras ad- stringit. So lautet (vollständiger als in den Sammlungen von Gerlach, Kritz und Dietsch) das Fragment bei Porphyrio in Hör. od. IV 4, 38 (S. 128 W. Meyer); doch steht im Cod. Monacensis hab . . ut, und zwar müssen in der angedeuteten Lücke mehr als zwei Buchstaben gestanden haben. Daher verbessert W. Christ, Jahrb. f. Philol. CXIII 335, habet, quo ad adstringit.

III 61 (or. Macri), 12 permansit una res modo, quae utrimque quaesita est, et erepta in posterum vis tribunicia. So interpungirt Jor- dan 2 nach Madvig, indem er, was sich aus den vorhergehenden Worten certatum utrimque de dominatione ergiebt, dominatio unter una res ver- steht, während nach der früheren Interpunction (hinter posterum statt vor et) vis tribunicia darunter verstanden wurde.

IV 61 (ep. Mithridatis), 2 tibi si perpetua pace frui licet, nisi hostes opportuni et scelestissumi, egregia fama, si Romanos oppresseris, futura est. neque petere audeam societatem et frustra mala mea cum bonis tuis misceri sperem. So schreibt Jordan^ nach V unter Vorzeichnung eines Kreuzes, während er früher si mit Douza gestrichen und nisi sce- lestissumi hinter est gestellt und zum folgenden Satze gezogen hatte. Ausser den in der ersten Auflage angeführten Emendationsversuchen ist jetzt auch Madvig's Vorschlag mitgetheilt, ni vor egregia fama einzufügen

und das Ganze bis futura est als Vordersatz zum Folgenden zu nehmen.

IV 61, 16 ceterum consilium est parvo labore per nostra Cor- pora bellum conficere. Gertz, Stud. crit. in Sen. dial. 149 Anm.. ver- muthet parvo ^tuo) labore per nostra robora.

Bezüglich der die Berliner und vaticanischen Fragmente (II 38 -41 und III 67) betreffenden Zusätze und Verbesserungen muss auf Jordan's neue Ausgabe selbst verwiesen werden. >

200 Römische Historiker

Epistulae.

1) Sallustius ad Caesarem senem de re publica. Incerti rhetoris suasoriae. Henricus Jordan iterum recognovit (s. oben S. 153) S. 129 142.

Der vorstehende Titel ist von Jordan ^ statt des in der ersten Auf- lage gebotenen (Incerti auctoris epistulae ad Caesarem senem de r. p.) auf Grund der Ergebnisse gewählt worden, welche seine Untersuchung De suasoriis ad Caesarem senem de r. p. inscriptis (Berlin 1868) geliefert hatte. Hiernach ist auch das erste der beiden Stücke jetzt als Oratio, das zweite als Epistula überschrieben. Uebrigens fanden jene Ergebnisse mehrfachen Widerspruch, zunächst von Carl Spandau (Bayreuth 1869), dessen Schrift im Philol. Anz. II 450 f. beurtheilt ist, dann in den beiden folgenden Abhandlungen.

2) Ludovicus Hellwig, De genuina Sallusti ad Caesarem epi- stula cum incerti alicuius suasoria iuncta. Diss. Lips. MDCCCLXXIII.

36 S.

In meiner Besprechung dieser Erstlingsschrift, Philol. Anz. VI 289 bis 291, habe ich die Richtigkeit und Neuheit mancher Einzelberaerkung anerkannt, das bereits im Titel angedeutete Gesammtresultat jedoch, dass das erste Stück eine Suasorie aus der Zeit des Augustus, das zweite ein ächter Brief des Sallust aus dem Anfange des Jahres 51 v. Chr. sei, ab- gelehnt. Der Verfasser hat nämlich, wie a. a. 0. gezeigt ist, die Zeit- bestimmung des ersten Stückes nicht hinreichend zu begründen vermocht und auch den Beweis für die Aechtheit des zweiten nicht erbracht, da er die in Erwägung gezogenen Momente nicht gleichmässig würdigt und von den gegen die Authentie sprechenden Bedenken nur einen Theil erörtert.

3) Oscar Härtung, De Sallusti epistolis ad Caesarem senem. Diss. inaug. Halae Sax. MDCCCLXXIV. 30 (32) S.

Diese Ueberschrift lässt nicht ahnen, dass Härtung die in Rede stehenden Stücke nicht für Epistulae, nicht für sallustianisch und den Cäsar nicht für den Adressaten hält. Nach seiner Ansicht liegen viel- mehr Suasorien vor, von welchen die eine die Form der Rede hat, die andere ein Brief ist, und welche von zwei Rhetorenschülern aus der Zeit nach Augustus und vor Nero verfasst sind, jedoch das Jahr 46 v. Chr. als Abfassungszeit fingiren. Ich habe in der Jen. Lit.-Zeit. 1875 No. 44 bereits ausgesprochen, dass ich diese Resultate so weit für richtig halte, als sie aus Jordan's Abhandlung entlehnt sind, dass ich aber bezüglich der beiden Punkte, in welchen Härtung von Jordan abweicht, nicht beizustimmen vermag. Denn die Verschiedenheit der Verfasser beider Suasorien wird zwar behauptet; aber die dafür vorgebrachten Gründe hindern nicht, einen

Sallustius. 201

und denselben Rhelor anzunehmen, der das Thema in Rede- und Brief- form variirte. Für die von Härtung behauptete Abfassung vor Nero's Regierungszeit ist ein wirjdicher Beweis gar nicht gegeben. Auf Ein- zelnes, was ich a. a. 0. hervorgehoben habe, brauche ich hier nicht ein- zugehen.

4) Fridericus Vogel, 'ö/zo;or;yr£? Sallustianae: Acta sem. philol. Erlang. (S. oben S. 165.)

Im III. Abschnitte seiner Abhandlung (S. 341-348) bekämpft Vogel (S. 341 f.) die oben S. 200 besprochene Ansicht von Hellwig, zum Theil mit den nämlichen Gründen, die im Philol. Anz. VI 289 ff. dargelegt sind. Auf die soeben angeführte Schrift von Härtung hat Vogel keine Rücksicht genommen. Mit Jordan übereinstimmend nimmt er (S. 343 f.) für die beiden Suasorien eine spätere Entstehungszeit an als für die Invectiven, namentlich im Hinblick auf eine in ep. II 9, 2 aus inv. in Tüll. 3, 5 wiederholte Stelle. Im Anschluss an eine Gegenüberstellung ähnlicher Gedanken und Redewendungen bei Sallust und in den Epistulae (S. 344f.) macht Vogel ein paar kritische Vorschläge, die unter den folgenden ver- zeichnet werden.

Einzelne Stellen der Epistulae.

I 4, 1 an illa, quae increpabantur, oblivio interfecit? Vogel a. a. 0. 348 conjicirt intercepit. Dies vermuthete schon A. Popma und schrieben viele Herausgeber bis auf Gerlach ^ herab.

I 5, 6 res novas veteribus aec conquirit. Diese in V überlieferte Corruptel wiederholt Jordan 2 mit Vorzeichnung eines Kreuzes und ver- weist in der Note auf seinen de suas. 24 gemachten Vorschlag pro ve- teribus concupit.

I 6, 3 omuia aspera, uti soles, pervade. An supervade, wie Vogel a. a. 0. 345 schreiben will, dachte schon Wasse, glaubte aber doch an der Ueberlieferung festhalten zu sollen.

I 8, 3 nam inprudentia pleraque et se praecipitat. Vogel a. a. 0. 346 liest mit doppelter Aenderung nam impotentia (opulentia?) ple- raque sem et praecipitat und fasst pleraque adverbial statt plerumque wie Gell. XVH 19, 6.

I 8, 4 id quod factu haud obscurum est. Jordan^ vermuthet ab- surdum und vergleicht II 8, 1 haud mihi quidem apsurde placet.

I 8, 6 item ne, uti adhuc, militia iniusta aut inaequalis sit, cum alii triginta, pars nullum Stipendium facient. Jordan^ denkt an faciunt.

I 8, 8 non peius videtur pauca nunc de facto meo disserere. Jor- dan^ zweifelt, ob non peius nicht verderbt sei; Wirz, Zeitschr. f. d. Gymn.-W. XXXI 286 verbessert non ineptum.

II 1, 6 quod prius defessi sunt homines laudando —, quam tu in faciundo. Vogel a. a 0. 342 empfiehlt gegen Jordan die von Laetus

202 Römische Historiker.

vorgeschlagene und in früheren Ausgaben durchgeführte Streichung von in.

II 4, 2 at hercule a M. Catone schreibt Jordan^ nach Mommsen, Wcährend er früher mit Orelli at hercule M. Catoni statt des handschrift- lichen atherculem catonem geschrieben hatte.

II 8, 5 si pecuniae decus ademeris. Vogel a. a. 0. 343 fordert denipseris wie I 5, 4. II 7, 7. 7, 10. 8, 3.

II 9, 3 unius tarnen M. Catonis Ingenium - haud contemno. Jor- dan ^ vermuthet tan tum.

II 9, 4 in quibus sicut in titulo praeter bonum nomen nihil est additamenti. So schreibt Jordan^ nach seiner de suas. 26 vorgetragenen Conjectur statt des überlieferten instituto.

II 12, 3 volo ego consiliura meum prudens raaxumeque usui esse. Jordan^ vermuthet maxumoque. Vgl. lug. 4, 1. 14, 1.

Invectivae.

1) Sallustii in Tullium et invicem invectivae. Incerti rhetoris con- troversiae. Henricus Jordan recognovit (s. oben S. 153), S. 143 bis 156.

Ueber diese willkommene Zugabe zu Jordan's zweiter Ausgabe des Sallust habe ich in üer Jen. Lit.-Zeit. 1876 No. 48 referirt, Wirz in der Zeitschr. f. d. Gymn.-W. XXXI 269 f. Der mit Benutzung mehrerer bisher unbekannten Handschriften hergestellte Text weicht von Baiter's Ausgabe an etwa 60 Stellen ab, wobei orthographische Verschiedenheiten nicht eingerechnet sind. Ueber die handschriftliche Grundlage und die Her- kunft der beiden Invectivae handelt in Kürze die Praefatio XII f. , er- schöpfend die folgende Abhandlung.

2) H. Jordan, Die Invectiven des Sallust und Cicero: Hermes XI 305—329.

Drei von Franz Rühl entdeckte Codices Harleiani, von welchen Jordan Collatiouen zur Verfügung standen, bieten für die Recension des Textes eine zuverlässigere Grundlage: H (s. IX oder X) zeigt zwar will- kürliche Aenderungen, behält aber seines Alters wegen grosses Gewicht. H2 (s. XII) ist nicht ohne willkürliche Correcturen und so fehlerhaft und nachlässig geschrieben wie die von Baiter benützten Münchener Hand- schriften B (s. XII) und T (s. XI). H' (s. XI) erscheint sorgfältiger ge- schrieben und stimmt zumeist mit dem von Jordan auf's Neue vergliche- nen Wolfenbütteler Codex A (s. X). Den von Baiter verwendeten Giesse- ner (s. XV) hat Jordan aus dem Apparat entfernt, die Abweichungen von B und T nur mit Auswahl, dagegen die von H H^ H^ und A voll- ständig angegeben.

Die Ergebnisse von Jordans Untersuchung über Ursprung, Zeit,

Sallustius 203

Verfasser und Werth der Invectiven sind zu weit verzweigt, als dass sie hier vollständig mitgetheilt werden könnten. Es mag daher Folgendes genügen: Die üble Nachrede, welche bald nach Cicero's Tode seine per- sönlichen Verhältnisse umspann und durch das Pamphlet des Asiuius Gallus auch den nächsten Generationen bekannt wurde, veranlasste die^ Vorstellung einer zwischen Cicero und Sallust bestehenden Feindschaft- Auf diese Vorstellung gründet sich das Thema der uns vorliegenden In- vectivae oder Controversiae. Dieselben sind als Reden gedacht, wie sie nach Sallust's Rückkehr aus Afrika und auch wohl nach Cäsars Tode im Senate etwa gehalten werden konnten. Verfasst sind sie jedenfalls vor Quintilian, der sie citirt. Bestimmt waren sie, hinter einander ge- lesen zu werden, und wurden, wie es scheint, mit Schriften Cicero's ver- bunden in Umlauf gesetzt. Sowohl die Analyse des Inhalts als die Be- trachtung der Sprache lassen auf einen und denselben Verfasser beider Stücke schliessen. Der Werth derselben ist gering; die vom Autor v,er- suchten Lebensbilder sind nur aus dürftigen Personalnotizen, von welchen wir zufällig zwei oder drei sonst nicht kennen, und aus Kraftstellen Ci- cero's und Sallust's zusammengestellt. Alles dient nur der Phrase; eine politische Tendenz oder auch nur sachliches Interesse kann der Autor nicht gehabt haben. Er war vermuthlich ein Provinciale ; sein Latein ist ein werthvolles Denkmal ungebildeter und durch oberflächliche Schulung schlecht übertünchter plebejischer Sprechweise.

Wirz, Zeitschr. f. d. Gymn.-W. XXXI, 269f., billigt Jordan's kri- tisches Verfahren in der Herstellung des Textes und sein Ergebniss über das Alter der von Quintilian und Diomedes (bei welchem S. 387, 6 Jordan richtig Tullius statt Didius schreibt) für acht gehaltenen Invectivae; da- gegen bestreitet er Jordan's Ansicht, dass beide Declamationen von dem- selben Verfasser herrühren und dass derjenigen in Sali, irgend welcher Werth als historischer Quelle zukomme.

3) Fridericus Vogel, ' OfxocörrjTeg Sallustianae : Acta sera. philol. Erlang. (S. oben S. 165 und 201.)

Im II. Capitel des reichhaltigen Aufsatzes (S. 325—341) resumirt der Verfasser einige der von Jordan gewonnenen Resultate, ergänzt einzelne, sucht andere zu berichtigen und auf dieser Grundlage die Kritik mancher Stellen zu fördern. Die von Wirz bestrittene Annahme des gleichen Verfassers für beide Invectivae stützt Vogel durch Gegenüberstellung zahlreicher Phrasen, in welchen die beiden Stücke sich berühren (S. 327 f). Ebenso verzeichnet Vogel die wenigen Entlehnungen aus Sallust, die sich in der Invectiva des Pseudosallust und, was charakteristisch ist, in der Responsio des Pseudocicero finden (S. 336). Seinem mehr spielend ge- machten Versuche, die Abfassungszeit der zwei Controversiae genauer als Jordan zu bestimmen (S. 334 f.), hat Vogel selbst kein Gewicht bei- gelegt. Dagegen widerspricht er entschieden der Auffassung Jordan 's.

204 Römische Historiker.

dass die Sprache einen in urbanem Ausdruck wenig geübten Provincialen verrathe, und behauptet dagegen, auctorem fuisse virum satis exercitati still (S. 330-333). Auch die von Jordan gebotene Recension des Textes wird mehrfach bekämpft: in Sali. 6, 17 soll die Lesart von (A)H, 6, 16 die von Ri beibehalten werden; H^ wird höher gestellt, als bei Jordan, und in Tüll. 4, 7, in Sali. 1, 1. 1, 2 (an zwei Stellen) 3, 8. 5, 13. 7, 19. 8, 22 als massgebend betrachtet. Einige Conjecturen von Vogel sind im Folgenden mitzutheilen.

Einzelne Stellen der Invectivae.

In Tüll. 1, 1 ubi querar, quos implorem, patres conscripti, diripi rem publicam atque audacissimo cuique esse perfidiae? E. Wolf fl in, bei Vogel a. a. 0. 336 Aum., vermuthet, dass quos implorem Inter- polation sei, indem er auf das Anstössige der Verbindung implorare diripi rem p. hinweist. Ich habe, Jen. Lit.-Zeit. 1876 No. 48, audacissimo cui- que esse praedae zu lesen vorgeschlagen, worauf die Stelle in Sali. 6, 17 si quis praedae loco magistratum accepisset führt. Ebenso emendirt Wirz, Zeitschr. f. d. Gymn.-W. XXXI 270.

1, 1 ubiubi M. Tullius, leges audacia defendit. So schreibt Jor- dan, da er in den handschriftlichen Lesarten r. p. audacia A, audacia r. p. H^TB, iudicia r. p. H, iudiciaque p. r. H^ fortschreitende Verderb- niss erkennt. Diese im Herm. XI 310 f. gegebene Begründung und die gewählte Lesart verwirft V o g e 1 a. a. 0. 336 und empfiehlt im Anschluss an H2 iudiciaque populi Roman i.

, 2, 2 verum, ut opinor, splendor domesticus tibi animos tollit . domum ipsam tuam vi et rapinis funestam tibi ac tuis comparasti. Der mit ut opinor angeschlagene, in dem nachfolgenden videlicet noch fort- klingende Ton der Ironie Hess mich a. a. 0. vermuthen, dass Sallust auch in dem dazwischen stehenden Satze ein ironisches honestam statt des überlieferten funestam geschrieben habe.

2, 3 qui civitatis incommodum in gloriam suam ponit. Vogel a. a. 0. 332 will in gloria sua lesen, wie auch in Sali. 1, 2 der Ablativ bei posuit steht.

3, 4 verum, ut opinor, homo novus Arpinas, ex M. Crassi familia, illius virtutem iraitatur— , neque terrore neque gratia movetur. [aliud vero amicitia tantum ac virtus est animi.] immo vero homo le- vissimus. Die Klammern hat Jordan gesetzt. Vogel a. a. 0. 340 stimmt bei, dass der Satz ein Glossem sei; meint aber, in demselben müsse imi- tatio statt amicitia gestanden haben. Eine andere Ansicht theilt Wirz a. a. 0. 270 mit; da in allen alten Handschriften removetur, in einigen amicitiae, in einer Handschrift von erster Hand virtutis steht, versucht er, ohne für den Wortlaut einzustehen, so zu emendiren: removetur a studio veri, amicitiam tantum ad virtutem aestiraat.

3, 6 neque licet oblivisci [iis] servitutis suae. Das handschriftliche

Sallustius. 205

iis (Ins) hat Jordan nach einer Vermuthung von Franz Schmidt ge- tilgt, wie es auch in manchen früheren Ausgaben und bei Gerlach fehlt.

4, 7 cui in civitate insidias fecisti, ancillaris, quo iure, cum de exsilio tuo Dyrrhachio redisti, eum sequeris? quos tyrannos appellabas, eorum potentiae faves! qui tibi ante optimates videbantur, eosdem de- mentes ac furiosos vocas! Der bei Jordan zwischen Gedankenstriche" gestellte Satz stört die vom Autor unverkennbar angestrebte Concinuität. Ich schlug a. a. 0. zur Herstellung derselben die Ergänzung einiger Worte vor: a quo iure relegatus es, cum redisti, eum sequeris. Da ich ausdrücklich hinzufügte, dass »der ursprüngliche Wortlaut natürlich nicht mehr herzustellen ist«, so erscheint Vogers Bemerkung a. a. 0. 339 über nimia audacia mindestens überflüssig. Vogel hält die Worte in civitate für eine irrthümliche Wiederholung der vorausgehenden in hac civitate und zieht statt sequeris das nur in H^ überlieferte inse- queris vor, so dass der Sinn wäre: Ciceronem ancillam se praebuisse eins, quem immortali antea odio persecutus esset, itaque mira morum inconstantia eum insequi, cuius dementia civibus restitutus esset.

4, 7 Vatini causam agis, de Sestio male existimas, Bibulum petu- lantissimis verbis laedis, laudas Caesarem, quem maxime odisti, ei maxime obsequeris, aliud stans, aliud sedens sentis de re publica, bis male dicis, illos odisti . Die Rücksicht auf die gestörte Concinnität und auf die Wiederholung von odisti bestimmt Wölfflin, bei Vogel a. a. 0. 336 Anm., die Worte quem maxime odisti, ei maxime obsequeris als Glossem zu betrachten.

In Sali. 1, 1 Ea demum magna voluptas est, C. Salkisti, aequalem ac parem verbis vitam agere, neque quicquam tam obscenum dicere cui non ab initio pueritiae omni genere facinoris aetas tua respondeat, ut omnis oratio moribus consonet. Da erst mit den Worten ut tu des nach- folgenden Satzes die Anwendung auf den Angeredeten gemacht wird, so muss der vorstehende Satz wohl als allgemeine Behauptung gefasst werden. Daher schlug ich a. a. 0. vor, aetas ita respondeat, ut zu schreiben.

1, 1 si de mea vita atque actibus huic conviciätori respondero. Vogel a. a. 0. 337 verlangt actionibus; vgl. 4, 12. Sali. Cat. 43, 1.

1, 2 scio me, patres conscripti, in respondendo non habere raagnam exspectationem , quod nulluni vos sciatis novum crimen in Sallustium audituros. So schreibt Jordan im Texte, vermuthet aber in der Note sciam.

1, 3 itaque nihil aliud studet nisi [ut] lutulentus cum quovis vo- lutari. Das in den Handschriften stehende ut hat Jordan nach Franz Schmidt's Vorschlag aus dem Text entfernt, was Wirz a. a. 0. 270 billigt.

2, 4 num quid his quos protulit Scipiones et Metellos ante fuerit aut opinionis aut gloriae. Auch hier folgt Jordan einer Vermuthung

206 Römische Historiker.

von Franz Schmidt, da die handschriftliche Lesart hos (hi) - fuerint nicht haltbar ist; vgl. Herrn. XI 310. Wirz a. a. 0. 270 stimmt zu.

2, 6 sed fuerim aut in honoribus petendis nimis ambitiosus aut in gerundis magistratibus aut in vindicandis maleficiis tam severus aut in tuenda re publica tam vigilans. Die offenbar gesuchte Concinnität verlangt ein eigenes Prädicat zu in gerundis magistratibus. Ich habe daher a. a. 0. die Frage aufgeworfen, ob nicht tam severus hierher zu ziehen und an seiner bisherigen Stelle durch tam saevus zu ersetzen wäre, das zu carnifex in Tull. 2, 3 und crudelitas in Tüll. 3, 5 stimmen und die doppelte Verderbniss erklären würde. Dann lautet die Stelle: aut in gerundis magistratibus tam severus aut in vindicandis maleficiis tam saevus.

3, 9 unus enim satis es materiae habens. Vogel a. a. 0. 332 meint, das in den Handschriften an verschiedenen Stellen stehende es habe ursprünglich über habens als Correctur gestanden, so dass zu lesen wäre satis materiae habes.

3, 9 te opinio fallit, si mihi parare putasti iuvidiam. Jordan hat si statt des überlieferten qui (quae, quod) geschrieben.

4, 11 neque hercle mirum est, si ego semper iustas omniura ami- citias existimavi. Dass iustas <(iustorum)> omniura amicitias gelesen werde, scheint, wie ich a. a. 0. andeutete, der nachfolgende Gedanke zu fordern: quautum quisque rei p. studuit, tantum mihi fuit aut amicus aut adversarius.

5, 14 domum paternam vivo patre venalem habuit [vendidit]. Das in H^ fehlende, aber im Archetypus ohne Zweifel vorhandene vendidit hat Jordan, wie er im Herm. XI 321 ausführt, mit Franz Schmidt als Glossem bezeichnet, wie ich schon in den Jahrb. f. Philol. XCVII 645 gethan hatte. Wirz a. a. 0. 270 stimmt bei.

5, 14 at hercules postea se correxit. non ita est, sed abiit in sodalicium sacrilegi Nigidiani. Vogel a. a. 0. 330 tilgt est, sed; vgl. unten zu 7, 19.

5, 15 primum honorem in quaestura adeptus secutus est hunc lo- cum et hunc ordinem despectu. Um das von Körte gestrichene, auch in HH2 fehlende secutus est beizubehalten, schreibt Jordan despectu statt despectus; vgl. Herrn. XI 310. Wirz a. a. 0. 270 betrachtet se- cutus (est) als Glossem zu adeptus und ändert despectus in despi- catus est.

6, 17 at idem Sallustius, qui in pace ne Senator quidem manserat, postea quam res publica armis oppressa est, [et] idem a victore, qui exsules reduxit, in senatum per quaesturam reductus est. Dieser Text ist durch dreifache Emendation hergestellt: Jordan hat ein zwischen est und idem überliefertes et gestrichen, aus der schwankenden Ueber- lieferung (huic, victor, victores, victore*, auctorem) a victore (Caesare) eruirt und mit Mommsen per quaesturam statt post geschrieben. Wirz

Sallustius. 207

deutet a. a. 0. 270 seine Zustimmung an. Vielleicht ist aber et idem nur fehlerhafte Wiederholung von at idem; dann wäre nicht nur et, son- dern auch idem zu streichen.

7, 19 at postea quam praetor est factus, modeste se gessit et ab- stinenter, non ita provinciam vastavit, ut nihil neque passi sint neque exspectaverint gravius in hello socii nostri quam experti sunt in pace hoc Africam inferiorem obtinente? Di« nach Corrado von Jordan aufgenommene Verbesserung des handschriftlichen interiorem ist durch Sali. lug. 18, 12 empfohlen. Den Satz non ita obtinente will Vogel a. a. 0. 330 nicht als Frage auffassen, sondern nach non ita interpun- giren, indem er dies als Antwort auf den mit at eingeführten ironischen Einwurf versteht; ebenso 5, 14.

7, 19 quod si quippiam eorura falsum est, bis palam refelle, uude, qui modo ne paternam quidem domum redimere potueris, hortos precio- sissimos, villam [Tiburti] C. Caesaris, reliquas possessiones paraveris. Jordan hat Tiburti als Glosse bezeichnet; vgl. Herm. XI 325. Vogel a. a. 0. 328 möchte statt bis mit früheren Herausgebern nach H^ hie schreiben; refelle, wofür H^ von erster Hand referte hat, im Hinblick auf in Tüll. 2, 4 redde rationem in refer ändern; ferner a. a. 0. 340 statt des überlieferten relinire [U^ relinere) retinere verbessern.

7, 20 patrimonio non comesto schreibt Jordan nach Diomedes S. 387, 6 Keil, während die Handschriften comeso, commeso, comisso bieten.

8, 21 tu, C. Sallusti, idem putas esse bis senatorem et bis quae- storem fieri quod bis consularera et bis triumphalem? So emendirt Jordan das überlieferte totidem quot.

8, 21 carere decet omni vitio qui in alterum dicere parat, is de- mum male dicit . Die alten Handschriften haben paratus demum.

8, 21 sed tu, omnium mensarum adsecla, omnium cubiculorum in aetate pelex et idem postea adulter, [omuis] ordinis turpitudo es. In jji JJ2 TB steht omris ordinis; da aber in H omnis, in A ordinis fehlt, vermuthet Jordan, Herm. XI 309, dass omnis im Archetypus als Inter- linearglosse über ordinis stand, und entfernt es aus dem Texte. Vogel a. a. 0. 332 f. sucht omnis ordiniß zu schützen.

Zweite Abtheilung.

Livius.

lieber die Literatur der Jahre 1876 und 1877, auf welche sich der folgende Bericht bezieht, hat ausführlich und sachkundig gehandelt Her- mann Johannes Müller in den Jahresberichten des philologischen Vereins zu Berlin IV. Jahrgang S. 54 94.

1) Titi Livi ab urbe condita libri. Erklärt von W. Weissen- born. Dritter Band. Erstes Heft: Buch Vi - VIII. Vierte verbesserte Auflage. Berlin, Weidmann'sche Buchhandlung 1876. 287 S.

208 Römische Historiker.

2) Dritter Band. Zweites Heft: Buch IX— X. Vierte ver- besserte Auflage 1877. 220 S.

3) Vierter Band. Erstes Heft: Buch XXI. Sechste ver- besserte Auflage 1877. IV, 148 S.

4) Vierter Band. Zweites Heft : Buch XXII— XXIII. Sechste

verbesserte Auflage 1877. 254 S.

5) Neunter Band. Zweites Heft: Buch XXXXI -XXXXII.

Zweite verbesserte Auflage 1876. 190 S.

Angezeigt von Michael Gitlbauer, Zeitschr. f. d. österr. Gynra. XXVII 742—748 und von Gustav Becker, Jen. Lit.-Zeit. 1877 No. 46.

6) Titi Livii ab urbe condita über HI. Erklärt von Carl Tückin g. Paderborn, Ferdinand Schöningh 1876. 119 S.

Angezeigt von Anton Zingerle, Zeitschr. f. d. ö. G. XXVII 430 432, und von Gustav Becker, Jen. Lit.-Zeit. 1876 No. 52.

7) - 1. IV. 1876. 98 S.

Angezeigt von Anton Zingerle, Zeitschr. f. d. ö. G. XXVIII 744—746 und von Gustav Becker, Jen. Lit.-Zeit. 1878 No. 1.

8) 1. V. 1877. 96 S.

9) - 1. XXL Zweite verbesserte Auflage 1877. 111 S.

10) Titi Livi ab urbe condita libri I. IL XXI. et XXII. With Notes by Ch. Anton and by H. Craig. New-York 1877.

11) W. L. Collins, Livy. Being the first volume of the Supple- mentär Series of Ancient Classics for English Readers. New-York 1876.

Da die verzeichneten Ausgaben entweder nur neue Auflagen oder ausschliesslich für Schüler bestimmt sind, so kann hier nicht auf diesel- ben eingegangen werden. No. 10 und 11 sind mir nicht zugekommen.

12) Arnold Schäfer, Miscellen zur römischen Geschichte: Com- mentationes philologae in honorem Theodori Mommseni scripserunt amici. Berolini apud Weidmannes ]\|DCCCLXXVIL S. 1-10.

Angezeigt von M. Zöller, Philol. Anz. IX 169-172.

In No. 1 (S. If.) ist gezeigt, dass der von Livius VIII 1 erzählte Krieg gegen Privernum nur eine Doublette des VIII, 19, 4 ff. erzählten ist.

Nach No. 2 (S. 2—4) gehört der von Livius VIH 37, 8 ff. berich- tete Process gegen die Tusculaner in eine frühere Zeit (397/357).

No. 3 (S. 4—6): Die Consuln L. Furius Camillus und C. Maenius sind es, die den Latinerkrieg siegreich beendigt haben ; sie erhielten aber dafür nicht Reiterstandbilder, wie Livius VIH 13, 9 angibt, sondern Maenius eine EhrensäAe (Plin. n. h. XXXIV 5, 20), L. Camillus ein Standbild auf der Rednerbühne (Eutrop. II 7), welches später irrthüm- lich für das des M. Camillus gehalten wurde (Plin. XXXIV 6, 23).

Livius. 209

No. 4 (S. 6): Die Nachricht vom Tode des M. Caraillus bei Liv VII 1, 8 kann auf gleichzeitiger Aufzeichnung beruhen; aber es ist doch zu bemerken, dass die Annalisten den Tod berühmter Männer gern an ihre letzte Erwähnung anknüpfen.

Nach No. 6 (S. 7—10) stand an der Spitze der von Livius XXI 18 erwähnten Gesandtschaft nicht Q. Fabius (Maximus), sondern M. Fabius (Buteo), wie Dio fr. 55, 10 (Zonaras S. 408c) nach Coelius [?^ berichtet.

13) Hans Virck, Die Quellen des Livius und Dionysios für die älteste Geschichte der römischen Republik (245 260). Diss. Strass- burg 1877. 82 S. 8.

Die Schrift ist mir nicht zugegangen.

14) [VJ Wende, Ueber die zwischen Rom und Karthago vor Aus- bruch des ersten punischen Krieges abgeschlossenen Handelsverträge. Programm der Kortegarn'schen Realschule in Bonn 1876. 30 S. 4.

Besprochen im Philol. Anz. VIH 259—261.

15) A. Vollmer, Die römisch - karthagischen Verträge: Rhein. Mus. f. Philol. N. F. XXXII 614—626.

Die Abhandlungen von Wende und Vollmer kommen insbesondere für Liv. VII 27, 2 und IX 43, 26 in Betracht.

16) Otto Gilbert, Rom und Karthago in ihren gegenseitigen Beziehungen 513-536 u. c. (241 218 v. Chr.). Leipzig, Duncker und Humblot 1876. 2 BL, 216 S.

Angezeigt vom Verfasser selbst in den Göttinger Gel. Anz. 1876 No. 49, im Philol. Anz. VIII 155—163, in der Jen. Lit.-Zeit. 1877 No. 20 von Heinrich Nissen, im Literar. Centralbl. 1877 No. 28, in der Rivista Europea III 725 f. von D. Scartazzini, in der Revue historique VI 453.

Der grössere Theil des Buches bezieht sich auf Thatsachen, die in dem verlorenen XX. Buche des Livius behandelt waren. Doch bietet die Darstellung der letzten Verhandlungen zwischen Rom und Karthago, welche zum Kriege führten, und der Abschnitt (S. 172 216), welcher die Katastrophe von Sagunt betrifft, einen kritischen Commentar zur Er- zählung des XXI. Buches. Dadurch ist Gilbert auch veranlasst, zu der Frage nach den Quellen des XXI. (und XXII.) Buches Stellung zu nehmen (S. 10 ff.). Nachstehende Sätze des Verfassers sind hervorzuheben: Wenn Livius XXII 7, 4 Fabius und XXVI 49, 3 Silen als seine Quellen citirt, so ist daraus der Schluss zu ziehen, dass er diese Historiker selbst ein- gesehen hat (S. 12). Die Benutzung des Fabius und des Silen von Sei- ten des Livius im XXI. und XXII. Buch ist unzweifelhaft (S. 14). Ausser- dem hat Livius noch aus einem Annalisten, ohne Zweifel Valerius, ge- schöpft (S. 17).

17) Otto Hirschfeld, Hat Livius im XXI. und XXII. Buche den Polybius benutzt? Zeitschr. f. d. ö. G. XXVIII 801-811.

Die Frage wird dahin beantwortet, dass Livius allerdings schon in

Jahresbericht für Alterthums-Wissenschaft 1877. II. 14

210 Römische Historiker.

der ersten Hälfte der dritten Dekade den Polybius als Quelle benutzt habe, aber nicht im Original, sondern in einem Auszuge, und zwar ver- muthlich demjenigen, welchen Brutus nach dem Zeugnisse des Plutarch (v. Brut. 4) verfasst hatte.

18) Carolus Fuhr, Animadversiones in oratores Atticos. Diss. Bonnae 1877. 64 S.

Die achte der Sententiae controversae S. 63 lautet: Liv. XXIII 23 24, 10 et 38—39, 5 Valerium Antiatem auctorem secutus est.

19) Guilelraus Velke, De metrorum polyscheraatistorum natura atque legibus primariis quaestiones. Dissert. Marburgi Cattorum MDCCCLXXVII. 2 Bl., 58 (60) S.

Die vierte These lautet: Cum Woelfflino plerique recentiorura de necessitudine, quae inter tertiam Livii decadem et Polybium intercedat, definienda erraut.

20) Emil Müller, Noch einmal die Schlacht an der Trebia. Pro- gramm des Gymnasiums zu Conitz 1876. 29 S. 4.

Besprochen von H. J. Müller, Berl. Jahresber. IV 93.

21) Karolus Kessler, Secuudum quos auctores Livius res a Scipione maiore in Africa gestas narraverit. Diss. Kiliae 1877. 41 S. 4.

Der Verfasser, ein Schüler von Nissen, bezeichnet als das Resultat seiner auf Liv. XXIX und XXX bezüglichen Untersuchung S. 37: Livium quidquid de rebus a Scipione maiore in Africa gestis memoriae prodidit npnnullis exceptis quae e Valerio repetita sunt - soli Coelio debere, Coeliura autem in rebus Scipionis scribendis maxime Polybii auctoritate esse ductum, ex quo res ipso hello gestas desumeret, contra e Sileno eum singulas quasdara res, quae non ad ipsum bellum pertinerent, repetiisse et amplificandi ornandique causa Polybianis narrationibus in- seruisse, praeterea autem eum ex annalibus, seil, scriptore Romano nou- nullas res desumpsisse, quibus fontem suum aut amplificarit aut correxerit aut ad res Romanas aptarit.

22) [?] Frühe, Die Reden des T. Livius in der Schule. Pro- gramm des Pro- und Realgymnasiums in Baden. Baden-Baden 1876. S. 21—34. 4.

Schulmässige Disposition der Reden XXI 40 45. XXII 59 60. IV 2—5. V 51—54.

23) W. Ignatius, De verborum cum praepositionibus conpositorum apud Cornelium Nepotem T. Livium Curtium Rufum cum dativo struc- tura commentatio. Berolini 1877. 138 (140) S.

Ich begnüge mich auf meine Bemerkungen oben S. 143 f. zu verweisen.

24) Moritz Müller, Zum Sprachgebrauch des Livius. I. Die Negationen haud (non), haudquaquam (nequaquam). Programm des Gymnasiums zu Stendal (Berlin, W. Weber) 1877. 29 S. 4.

Livius. 211

Nach einigen Bemerkungen über den noch immer fraglichen Be- deutungsunterschied zwischen haud und non (S. 1—3) und über die An- wendung von haud bei den Prosaikern vor Livius, insbesondere Cicero, Sallust, Cäsar (auctor belli Afr.) und Nepos (S. 3 4) folgt eine nach Dekaden geordnete Tabelle über die von Livius mit haud (non) negirten Worte (S. 5 21) nebst einer statistischen Zusammenstellung (S. 22 23). In ähnlicher Weise wird über haudquaquam (nequaquam) gehandelt (S. 23-29).

25) A, Dederich, Emendationes Livianae. Pars prior. Programm des Gymnasiums zu Emmerich 1876. 12 S. 4.

Zu zahlreichen Stellen des L Buches hat Dederich , ohne Madvig, der nur S. 10 nach einem Citate von Weissenborn erwähnt wird, zu ken- nen, theils eigene Vorschläge, theils Rechtfertigungen handschriftlicher Lesarten oder fremder Conjecturen mitgetheilt: S. 3: 14, 7 locis circa, densa ob [sita] virgulta obscuris, subsidere. 14, 9 cum eo equites abire visi erant. S. 4: 15, 7 ab illo enim tempore aucta viribus datis. 27, 8 idem imperat, ut hastas equites erigere iubeat. S. 5: 29, 4. 5 raptim elatis, cum exirent, postquam continens agmen impleverat vias, et conspectus - integrabat lacrimas vocesque exaudiebautur. S. 6: 32, 2 in album relata. S. 7: 35, 2. 3 ora- tionem dicitur habuisse compositam: nimirum se petere. 37, 1 qui magnam vim lignorum ar entern in flumen conicerent; veutoque iuvante accensa ligua, et pleraque in ratibus (»zumal da es sich in grosser Masse auf den Flössen befand«), impacta sublicis cum haererent, pontem incendunt. S. 8: 40, 2 at iam Anci filii duo -(exstitere) et si . S. 9: 40, 4 et cum gravior futurus erat , tum Servio occiso facturus videbatur. 41,6 celata morte suas opes firmavit ; tum demum, palam facta (sc. morte) ex comploratione in regia orta, Ser- vius regnavit. S. 10: 48, 6 cum se minime regio habitu domum [se] reciperet. S. 11: 54, 5 ut omnia unus patrare Gabiis posset. 55, 9 cum ea <(sit) summa pecuniae neque sperauda et nullius fundamenta non exsuperatura. 56, 11 Tarquinii, ut Sextus [ut] ignarus esset, rem taceri iubent. S. 12: 59, 5 inde, pari prae- sidio relicto Collatiae \3ic)- ad portas <^eius',, custodibusque datis. Gelegentlich gibt Dederich, vorläufig ohne Begründung, S. 6 zwei Bei- träge zum XXL Buch: 3, 1 In Hasdrubalis locum haud dubia res fuit quin, <(postquam) praerogativa militari [qua] extemplo iuvenis appellatus erat, favore etiam plebis sequeretur. 8, 4 oppidani , N postquam; multifariam distineri coepti sunt, non sufficiebant.

26) Wilhelmus Weissenborn, De ratione qua Gelenius quartam T.Livii decadem emendaverit: Commentatt. philol. in honorem Th. Moram- seni S. 302—320.

14*

212 Römische Historiker.

Das Ergebniss seiner Forschung hat der Verfassers. 319 f. in fol- genden Sätzen niedergelegt: Ex iis, quae exposui, ut paucis rem com- prehendam, haec patere putaverim, in quarta decade recensenda Gele- nium, nulla reliquarum editionum ratione habita, sola Frobeniana a. 1531 usum esse; duos Codices, quos ad eam emendandam adhibebat, pares esse et vetustate et fide existiraasse. Ad eorum auctoritatem perraulta, quae in F(robeniana editione 1.) legebantur, correxit, sed nounulla tarnen tarn in libb. XXXI et XXXII quam in XXXIV sqq. intacta reliquit, quamvis aut Sp(irensis) aut M(oguntinus) aut uterque codex digna suppeditaret, quae Livio redderentur ; haud pauca autem videtur retinuisse, quod quae in F recepta erant, Spirensi codice confirmareutur. Quaraquam plerasque emendationes suas aut aperte aut ambigue ex utroque codice se sumpsisse dicit, neque negari potest multas in utroque fuisse, tarnen alias ex altero utro petitas utrique videtur tribuisse. Quas adnotavit codicum scripturas, quae quidem examinari possunt, non omnes accurate ita ut in libris le- gebantur rettulit, sed errores et menda quibus deformatae aut erant aut esse ei videbantur, ita, ut rem aut sententiam requirere putabat, correxit. Quae aut ipse tacite emendavit aut coniectura emendata ex F recepit, aut ex veteribus editionibus in F recepta servavit, qua auctoritate nitantur, non constat, nisi quod, quae in B(ambergensi) aut recentioribus codicibus leguntur, in Sp. exstitisse probabile est, in M scripta fuisse ea pro certo haberi potest, quae a Moguntinis enotata sunt.

27) Michael Gitlbauer, De codice Liviano vetustissimo Vindo- bonensi. Vindobouae apud G. Geroldum filium MDCCCLXXVI. 2 Bl., 133 (135) S.

Angezeigt von Anton Zingerle, Zeitschr. f. d. ö. G. XXVII 434 bis 437, von Gustav Becker, Jen. Lit.-Zeit. 1876 No. 32, von F[ranz] R[ühlj, Lit. Centralbl. 1877 No. 23 , in der Rivista di Filol. e d'istruz. class. V 90 --91.

Einer durch Sorgfalt und Sachkenntniss gleich ausgezeichneten Geschichte (S. 1-21) und Beschreibung (S. 21 ff.) des für die fünfte De- kade massgebenden Wiener Codex s. VI (VII.) lässt der Verfasser die kritische Behandlung einzelner Stellen folgen, wobei er eine eigenthüm- liche Compendientheorie (S. 60 ff.) zu Grunde legt. Er versucht nämlich den Nachweis, dass in dem Archetypus, von welchem die Wiener Hand- schrift in zweiter Linie abstammt, sowohl nach Art der Inschriften in den Endsilben als auch nach der Weise der tironischen Noten und der juri- dischen Handschriften im Inneren der Wörter vielfache Abkürzungen angewendet worden seien, deren Verkennung zahlreiche Verderbnisse im Texte der Abschriften veranlasst habe, deren Erkenntniss also zur Her- stellung des ursprünglichen Textes unerlässlich sei. Folgende Emenda- tionen schlägt Gitlbauer vor:

S. 96: XLI 12, 10 [duabus]. S. 96: 13, 5 de Liguribus

LiviuB. 213

<is> captus (mit He?tz). S. 97: 13, 8. 14, 1 secuti sunt [currum], cum is agebatur. S. 101: 15, 9 <(eiV citerior Hispania obvenerat.

S. 102: 18, 8 quod extra templum sortem in sitellam in[templum]- latam foris ipse opperiretur. S. 104: 20, 4 insanire censebant.

S. 104: 21, 13 aureis maculis (gerechtfertigt). ~ S. 104: 24, 8. opportun! \itane> propinquitate sumus?

S. 105: XLII 3, 2 magnum ornamentum (mit ed. Froben.). S. 105: 3, 11 quae - pertinerent. S. 106: 15, 9 ex semita pro- cidit in declive. S. 107: 19, 6 legatis sibi finitumisque et socis societatem petentibus. S. 108: 37, 7 Lentuli circumeuntes fre- mitum sentiebant (mit Vahlen). S. 109: 43, 7 decrevit, ne Boeotarchae . S. 110: 57, 3 maxumopere indigne ferentes (nach Grynaeus). S. 57: 59, 3 Thraces <;postea)> gladis hastas petere, pe- dites {occidere, equit; umque nunc succidere crura, equis nunc ilia suffodere. S. 58: 59, 4 quibus ^^fusis). S. 110: 65, 7 ab ictibus sagittarum.

S. 113: XLIII 1,8 nee audisse. S. 116: 7, 10 templa conpilata spoliaque sacrilegis , libera corpora ^^lacerata), in servi- tutem abrepta. S. 114 Anm. 2: 11, 11 elevare eos patres accusarunt, qui perpaucos - (mit Hartel). S. 116: 20, 3 qua non data barbarus

non poterat (mit Weissenborn).

S. 116: XLIV 2, 12 deinde a Dio, ne videretur, - percurrebat eodem inde cursu Dium repetens. S. 131 : 6, 7 sunt [enim] Tempe. S. 117: 8, 7 hoc flumine {ei sospitem se et saeptum iter hostis credens extra Heracleum tendere stativis in animo habebat. S. 58 und 90: 14, 10 incultam insulam inopem esse, nisi raaritimis iuvetur contributisque commeatibus. S. 122: 23, 8 foederi san- ciendo cum Gentio societatis. S. 123: 36, 2 et meridiem aestum magis adcensurura cum mox adpareret, statuit . Vgl. Vahlen S. 214.

S. 125: XLV 6, 10 deosque, quorum <in)> templo erant, nulla tutela, nulla ope supplicem iuvantis. S. 126: 10, 11 si sana mens populo foret (gerechtfertigt). S. 127: 12, 7 Aegyptiacas naves. S. 127: 19, 11 regnaturum: eam infirmitatem aetatemque Eumenis esse. - S. 59: 24, 12 wie Madvig. S. 128: 39, 12. 13 victimas, quas traducendas in triumphum dicavit, alias alio ducent mactaturi? quid enim? illae epnlae senatus quod eduntur utrum hominum voluptatis causa an deorum honoris fiunt? quae auctore S. Galba turbaturi estis? S. 94: 44, 21 actumque in Asia bellum inter Eumenen et Gallos increvit.

28) [Johannes Vahlen], Index lectionum quaQ in universitate litteraria Friderica Guilelma per semestre hibernum a. MDCCCLXXVI usque ad a. MDCCCLXXVII habebuntur. ßerolini. S. 3—11.

Beiträge zur Emendation der fünften Dekade.

214 Römische Historiker.

S. 1: XLI 23, 7 manereque id decretum <;sci'remus quo cavera- m u s ^ scilicet, ne adraitteremus.

S. 8 Anm.: XLII 26, 9 senatum iis non prius dari, quam novi consules magistratum inissent. Vgl. Zeitschr. f. d. ö. G. XXII 255. - S. 4: 41, 2 partim ea sunt, quibus nescio an gloriari debeam neque quae fateri erubescam, partim quae verbo obiecta verbo negari satis sit. S. 5: 42, 1 qua in propinquo Delphi, sacrificandi causa Delphos escendi (gerechtfertigt). S. 9 Anm.: 64, 7 propter [cum] longinqui- tatem. Vgl. Zeitschr. f. d. ö. G. XXII 259.

S. 9 Anm.: XLIV 30, 5 dempto a fratre metu. Vgl. ebenda S. 9. S. 9: 36, 1 lassitudo sentiebatur, et meridie st ante magis. ad- cesserunt tum * * mox adparebat. statuit obicere.

S. 10: XLV 37, 2 itaque antiqua disciplina habiti <(neque dixer- unt seditiose quicquam) neque fecerunt.

29) lo. Nie. Madvigii Emendationes Livianae iterum auctiores editae. Hauniae MDCCCLXXVII. Sumptibus librariae Gyldendalianae (Hegeliorum patris et filii). IV, 770 S.

Angezeigt in der Revue critique 1877 No. 51 von Charles Thurot, im Literar. Centralbl. 1878 No. 12.

Der reiche Inhalt des berühmten Werkes und die vielfältigen Zu- sätze, mit welchen die zweite Auflage ausgestattet ist, können nicht in diesem Bericht verzeichnet werden. Ich rauss mich begnügen, auf das- selbe als Quelle mannichfacher Belehrung und Muster vollendeter Methode hinzuweisen und aus meiner Besprechung des Buches im Literar. Cen- tralblatt einige orientirende Bemerkungen über das Verhältniss der neuen zur ersten Auflage zu wiederholen. Der im Wesentlichen beibehaltene ur- sprüngliche Text ist durch Aufnahme der in Madvig's Ausgabe des Livius enthaltenen Vorschläge ergänzt worden, so dass jetzt alle Conjecturen von Madvig zu Livius in diesem Buche vereinigt sind. Mancher Nachweis zur Begründung des Einzelnen wurde hinzugefügt, Weniges gestrichen. Zu bedeutenderen Aenderungen veranlasste in der ersten Dekade Moram- sen's Ausgabe des Veroneser Palimpsestes, in der dritten die von Heer- wagen angeregte, von Mommsen und Studemund weiter verfolgte Her- vorhebung des Spirensis (soweit er sich reconstruiren lässt). Für die fünfte Dekade ist Gitlbauer's Buch über den Vindobonensis (s. oben S. 212) Madvig erst nach dem Abschlüsse seiner Arbeit zugegangen, so dass es nur nachträglich Berücksichtigung fand.

30) AI. Harant, Emendationes ad T. Livium: Revue de Philo- logie, de litterature et d'histoire anciennes. Nouvelle serie I 40—54. 254 -261.

Harant behandelt eine grosse Zahl von Stellen nach vier Ka- tegorien :

Livius. 215

a) Sententiae depravatae.

S. 40: I 17, 9 idem ius, vice dempta. -- 21, 3 quod earum sibi concilia cum coniuge sua Egeria essent, et soli. Fidei sollemne instituit. S. 41 : 58, 5 quo terrore quum vicisset obstinatam pudicitiam, velut vi, atrox libido.

S. 41: n 65, 5 ut obtinentes locum vires t er e baut.

S. 42: IV 6, 2 alter roganti tribuno respondit.

S. 42: V 54, 6 quae, malum! ratio est expertis laetos alia experiri?

S. 42: VII 10, 12 perducunt, instar carminum properaodum ioculantes. Torquati nomen auditum, celebratum deinde, posteris etiara familiaeque honori fuit. - S. 43: 30, 11 qui idem implorantibus aliis auxilium dum - praestant, homines ipsi in haue necessitatem venerunt.

S. 43: XXII 60, 20 fuisse in erumpentibus (seil, bonos fidelesque cives), qui, ne eruraperent, obsistere conati sunt.

S. 44: XXIII 14, 8 secunda stipulanda simulando.

S. 44: XXVI 33, 2 eo se libertatem orare cives Romanos.

S. 45: XXVII 27, 13 originem edit scriptara in laudatione.

S. 45 : XXXV 49, 7 hoc dici apte in copias regis, quae iactatae sunt, possit: varia enim genera esse.

S. 46: XXXIX 48, 2 quae maxime rem continerent erant, utrum restituerentur, quos Achaei damnaverant, necne (inique an iure occidis- sent, quos occiderant, avertebatur), et utrum manerent an .

S. 46: XL 10, 1 et petitum insidiis, noxium innocensque caput. S. 47: 46, 6 nisi forte implacabiles fueritis, si implicaverint.

S. 47: XLII 55, 9 Aetolorum, alae unius instar, quantum ab tota gente equitum erat, venerant; et Thessalorum omnis equitatus spar- sus erat; non plus quam trecenti erant adhuc in castris Romanis. S. 48: 65, 10 funda media (duo scutalia imparia habebat) quum maioris sinu ligatum funditor habena rotaret, excussum velut glans emicabat.

S. 49: XLIV 14, 10 mari interira intercluso, omnium insulam inopem fuisse, quae maritirais viveret compendiis atque com- meatibus. (Vgl. oben S. 213.)

b) Nomina corrupta aut ficta.

S. 49: IV 58, 9 nondum debellatum cum Volscis esse, modo occisa; Aequum periculo retineri.

S. 49: VI 30, 7 otium fuit; Setiae modo tumultuatum.

S. 50: XXn 59, 1 quorum princeps: M. luni vosque, P. C, inquit.

S. 50: XXV 3, 16 ubi laturi suffragium forent.

S. 50: XXVI 24, 2 inde fidem in Aetolia quoque rerura secun- darum ostentasset.

S. 51: XXXVI 42, 4 pergit protinus navigare. Peloponnesum ta- rnen Zacynthumque.

S. 52: XXXVn 56, 2 et Mysiam regi assignat et Lydiam lo- niamque.

216 Römische Historiker.

S. 52: XXXVIII 28, 6 obsides inde, imperatos pro viribus, inopes Pronesii decem, vicenos autem Cranii dederunt.

S. 53: XLIV 41, 3 ita tum elephantoraachae in acie.

S. 54: XLV 34, 10 ver primura eos domo exciverat, iamque Synnada pervenerant; tum Eumenes contraxerat. ibi Romani cum Attalo veniunt, ducem adlocuturi. Attalus cum eis est profectus.

c) Supplementa longiora aut supervacua. S. 254: XXV 30, 12 ut captam esse Nasum et Achradinae regio- nem unam teneri, Moericuraque praesidio sciit adiunctum. 31, 7 ne- quaquam tanti eum fructum esse, quod capere Syracusas potuisset.

S. 255: XXVIII 23, 1 atque haec dimicantium, pugnantesque caedebautur.

S. 256: XXIX 18, 9 per vos fidem vestram, P. C, nil usquam, rogo, gesseritis.

S. 256: XXX 29, 4 audiit, maxime vi hostis fiduciaque.

XXXIX 4, 4 M. Aburius ostendit; eum sibi ita man- servaretur. Fulvius temporis iacturam facere senatum;

XL 16, 6 verius fuisse consuli, quorum provincia esset,

d) Verba male deleta.

XXVIII 44, 7 quorum ego fidei ita, perfidiae ita iunitar. XLII 17, 3 et legatos, exterarum quoque gentium insignes quosque, praecipue regios. - S. 259: 23, 7 quid dedissent, quid non; ipsi nullum, praeterquam suae libidinis arbitrio, futurum modum. si . S. 259: XLIII 4, 13 senatum iudicare Abderitis iniustum bellum illatum. - S. 260: 7, 10 libera corpora verberata, in servitutem ab- repta. Vgl. oben S. 213. 19, 14 biemisque anteactae sua adversus Romanos Dardanosque acta.

S. 261: XLV 13, 3 laetati deinde victoria sunt.

S. 261: XLI 20, 7 ut quaeque usus eorum utique postulaverunt.

S. 261: XLII 26, 7 redierunt legati qui retulerunt. - 54, 4 cum etiam scalae. -— 57, 3 cunctationem hanc suam.

S. 261: XLV 12, 6 sanatus. tum demum Popilius sedatus dex- tram - porrexit.

31) Julius Völkel, Zu Livius: Jahrb. f. PMlol. CXV 851-857.

Aus seiner seit 1869 in drei Auflagen erschienenen russischen Schulausgabe des XXL und XXII. Buches theilt Völkel (S. 851) folgende Vermuthungen mit:

XXI 2, 6 obtruncavit. 8,4 coepti sunt itaque non suffi- eiebant. iam enim. 28, 8 et, cum elephanti acti [ubi] in min- orem applicatam transgressi sunt. 33, 4 per di versa rupibus. Vgl.

S.

257

dasse

, uti -

etiam

S.

257

quam

se

S.

258

S.

258

Livius. 217

unten S. 219. 34, 5 circumspectans sollicitus [que] omnia (wie Mad- vig). 44, 7 adimis? 'vis) etiam Hispanias? et si inde decessero.

XXII 10, 5 si id moritur (als alte Futurform erklärt). 13, 6 Punicum abhorrens abLatino nomine, pro Casino Casilinum dux ut acciperet, fecit.

Nach der Regel, dass ein zu zwei in verschiedenen Casus stehenden Adjectiveu gehöriges Substantiv beim zweiten Adjectiv und zwar in dem Casus desselben stehe (S. 852), soll bei Livius geschrieben werden : XXI 10, 3 Romanum cum Saguntino hello. 26, 1 Punicum insuper Gallico hello. 56, 1 e media in extremara aciem. XXII 15, 4 Falernum a Carapano agro (S. 853). Völkel meint, gewiss gebe es noch viele Stellen, wo diese Regel in Anwendung kommen müsse. Richtiger wird man sa- gen: viele Stellen, wo diese Regel nicht angewendet ist , und wird daher Bedenken tragen, irgend eine derselben durch Aenderung des Ueb erlieferten mit einer solchen »Regel« in Einklang zu bringen.

Weiterhin handelt Völkel (S. 853 if) über den Unterschied von derectus und directus und will bei Livius (und sonst) den Text so ge- stalten, dass derectus gleich perpendicular, directus gleich horizontal sei.

Einzelne Beiträge:

Praef. 1. 2 erklärt [Franz] Höger, Blätter f. d. bayr. Gyran.- Schulw. XII 3: »Weil ich sehe, dass es eine schon von Alters her und von vielen unternommene Sache ist (die römische Geschichte darzustellen), indem stets neue Schriftsteller auftreten, in dem Glauben, sie könnten entweder sachlich oder formell ihre Vorgänger überbieten, darum weiss ich nicht gewiss, ob ich etwas der Mühe werthes unternehme, und wüsste ich es auch, wagte ich es gleichwohl nicht zu sagen, aus Furcht, als anmassend zu erscheinen«. Eine theilweise andere Auffassung vertritt [Johann] Sörgel ebenda XII 305.

I 4, 1 fatis wäre nach Höger a. a. 0. 5 Ablativ.

I 4, 4 poterat ersetzt Höger a. a. 0. 5 durch patiebatur.

I 7, 5 aversos heisst nach Höger a. a. 0. 6 »die entwendeten«, nach August Thenn, ebenda XIII 106, »rückwärts«.

I 14, 7 partem militum locis circa densis (denso) abditam vir- gultis (virgulto) vermuthet Anton Zingerle, Zeitschr. f. d. österr. Gymn. XXVII 429. Vgl. oben S. 211.

I 41, 7 iam tum ändert A. Weidner, Philol. XXXVI 596, in ac- tutum.

I 53, 3 und 55, 8 soll Livius den Fabius misverstanden haben, wie aus Dion. Hai. IV 50 hervorgehe. Aber C. G. Cobet, der dies in den Observatt. crit. (Leyden 1877) S. 133 behauptet, nimmt zweimal irrthüm- lich an, Livius habe quadringenta (nicht quadraginta) geschrieben.

n 9, 5 empfiehlt Wilhelm Velke in der oben S. 210 angeführten Schrift Thes. II k veniebat in publicum, cum omni suraptu.

218 Römische Historiker

II 16, 5 erklärt E. Schweikert, Zeitschr. f. d. Gymn.-W. XXX 753 f., so, dass er tribus als Subject, vetus Claudia als Prädicat fasst, qui auf tribulibus bezieht, venirent als Repräsentation betrachtet und ex CO agro von der Gegend jenseit des Anio versteht.

II 17, 4 cum ira maiore bellantium tum viribus etiam auctis vermuthet Anton Zingerle, Kl. philol. Abhandlungen II. Heft (1877); vgl. Zeitschr. f. d. ö. G. XXVII 227. XXVIII 273.

II 20, 1 soll nach Eduard Hiller, Commentatt. philol. in hon. Th. Mommseni 747, auf einer Rerainiscenz des Gewährsmannes des Livius aus Hom. II. ri5ff. beruhen.

II 28, 3 cum alia in Esquiliis, alia in Aventino fiant concilia tilgt Nicolaus Wecklein, Jahrb. f. Philol. CXIII 632, als Interpolation.

II 32, 10 lehnt Hermann Johannes Müller, Jahrb. f. Philol. CXm 787, den Vorschlag von 0. Hirschfeld (Herrn. VIII 471) ab und vermuthet nee os acciperet datum, nee dentes acceptum conficerent.

II 48, 7 quod nullo tempore neglegi poterat aut averti alle sinebat erklärt Weck lein a. a. 0. für eingeschoben.

III 50 cruentum etiam telum tenens schreibt Cobet, Observatt. crit. 211, nach Dion. Hai. XI 37.

III 55, 8 liest H. J. Müller a. a. 0. 788 sed eum, qui eorum cuipiam nocuerit, lovi sacrum sanciri.

V 28, 1 lehnt Thenn, Bl. f. d. bayr. G.-Sch.-W. XHI 443, die von Döring und Geist vorgeschlagene Interpunction hinter tacite ab und in- terpretirt: »der Senat ertrug nicht ohne Erwiderung das Sichschäraen des (Damillus, so dass letzterer nicht unverzüglich von seinem Gelübde befreit worden wäre«.

VI 15, 9 quod afluit opibus liest nach Cod. Med. s. XI und Par. s. X Bernhard Dombart, Jahrb. f. Philol. CXV 341; ebenso III 26, 7 ubi effusae afluant opes nach Med. (und Par. von erster Hand).

VII 2, 11 quae exodia postea appellata consertaque fabellis potissi- mum Atellanis sunt erklärt Isidor Hilberg, Epistula critica ad lo. Vah- lenum (Vindobonae 1877) S. 18 f. durch die Uebersetzung: »welche später exodia genannt wurden und am ehesten den Atellanischen Schwänken verschwistert sind«.

VIII 8, 4 bezieht Konrad Niemeyer, Jahrb. f. Philol. CXV 179, postremo auf die Zeit nach 414/340 und fasst ordo, wenn nicht ordo habebat Glossem sei, wie ordines als »Centurie«, indem er die Angabe duos centuriones für einen Irrthum des Livius erklärt. Daran reihen sich Bemerkungen über die Stärke und die Bestandtheile der Legion.

IX 13, 9 erklärt [Konradj Geist, Bl. f. d. bayr. G.-Sch.-W. XHI 258: )" Trotzdem quälte sie die Noth, da sie (die Römer) in gleicher Weise belagerten und belagert wurden«.

IX 45, 13 empfiehlt Geist a. a. 0. 257 ad deportanda omnia tuen- daque raoenibus. Dagegen spricht Thenn a. a. 0. 441.

Livius. 219

X 16, 6 liest Geist a. a. 0. 258 cum suopte ingenio tum /odio)- adversus Romanum populum.

X 19, 18 empfiehlt Geist a. a. 0. 259 et ipse collegae et exer- citus virtutem aequavit. duces imperatoria munera exsequuntur. Da- gegen bemerkt Theiin a. a. 0. 440: »Die authentische Wahrheit über diese Stelle habe ich in dem bisher vollständig ignorirten Münchener Cod. lat. 15781 gefunden: et ipse collegae et exercitus exercitus vir- tutem aequavit. duces . Jetzt ist alles sonnenklar!«

XXI 16, 5 Poenum hostem veteranura trium et viginti annorum militia durissimum, inter Hispanas gentes semper victorem liest Franz Rühl, Rhein. Mus. f. Philol. XXXII 327, und versteht die Veteranen aus dem Söldnerkriege.

XXI 33, 4 pervasis rupibus iuxta in vias ac devia adsueti und 5 ut periculo primus evaderet vermuthet G. F. Unger, Philol. XXXV 566 f.

XXI 44, 6 schützt Wilhelm Vorländer, Jahrb. f Philol. CXIII 269, die Worte adHiberum est Saguntum und meint, Hannibal habe seinen Soldaten den Uebermuth der Römer vorgeführt, indem er sagte: Sie sind so wahnsinnig geworden in ihrer Ueberhebuug, dass sie de- cretiren, Sagunt liege für sie am Ebro. Wenn Hannibal hiermit die Sache so darstelle, als ob die Bestimmung über Sagunt aus dem Vertrage über die Ebrolinie unehrlich abgeleitet sei, so könne daran etwas wah- res sein.

XXII 9, 2 haud satis prospere empfiehlt Fr. Pauly, Zeitschr. f. d. ö. Gymn. XXVII 261.

XXII 12, 4 victos tandem illos Martios animos Romanis vermuthet Unger a. a. 0. XXXV 180; quamvis Martios Pauly a. a. 0. 261; et quassos Anton Zingerle ebenda 434. »

XXII 13, 1 ducem^ Romano r um (romanum) liest Pauly ebenda.

XXII 23, 1 quoque transponirt hinter in Italia C. Pavlikowskii im Aprilheft des Journal Ministerstva Narodnago Prosvestcheniia 1876, wie ich aus der Revue des Revues I 273 entnehme.

XXIII 4, 7 cum militarent aliquot apud Romanos tilgt Vor- länder a a. 0. 271 als Glosse zu der Wortgruppe, in welcher das Sätz- chen steht.

XXni 47, 5 tum Romanus Campano erweist Unger a. a. 0. 204 als nothwendige Umstellung. Dazu fügt E. v. L[eutsch] die Frage, ob vor dem nachfolgenden dicto nicht et einzufügen sei.

XXIV 44, 10 transponirt H. J. Müller, Berl. Jahresber. IV 71, et is, ut descenderet ex equo, inclamavit.

XXVI 9, 7 aras vertheidigt Hermann Blass, Philol. XXXVII 353, gegen die von G. F. Unger ebenda XXXIV 515 vorgeschlagene Aenderung areas; vgl. E. Wölfflin in diesem Jahresber. Bd. III S. 756.

XXVI 23, 3 ut in perpetuum voverentur erklärt Paul von Boltensteru, De rebus scaenicis Rom. (Diss. Greifswald 1876) S. 13

220 Römische Historiker.

für eine Interpolation aus XXVII 23, 5. Vgl. A. 0. Lorenz, Philol. Anz. VIII 165.

XXVI 34 erzählt Livius das Strafurtheil über die Campaner. Dazu gibt Fr. Mezger, Philol. XXXVI 181 f., eine ausführliche Erklärung, vs'elche die Verwandlung des § 5 vor pecua stehenden Punktes in ein Kolon fordert wie es sich bei Madvig findet.

XXX 29, 4 Hannibal nihil quidem laeto animo audiit, •^sedy maxime hostis fiducia, quippe non de nihilo profecto concepta, per- cussus est schlägt Weidner vor, Philol. XXXVI 209.

XXX 30, 11 quem Ibrtuna nunquam decepit verlangt Weidner daselbst.

XXX 31, 1 alacres adventus tui spe vermuthet Weidner ebenda.

XXX 35, 4 omnia et ante proelium et in acie liest Weidner a. a. 0. 128 mit Umstellung der Präpositionen.

XXX 37, 4 sucht Weidner daselbst durch die Transposition bel- lum ne extra Africam neve in Africa iniussu populi Romani gererent Uebereinstimmung mit Polyb. XV 18, 4 herzustellen.

XXXI 11, 12 si quid etiam ad firmandum augendumque regnum opus verlangt Weidner a. a. 0. 245.

XXXII 16, 11 änderte Job. Kofod Whitte, Opp. philol. ad Mad- vigium missa 89, haud impigre sinngemäss in haud pigre. Indem ich im Philol. XXXVII 449, um der Ueberlieferung näher zu kommen, haud ita pigre vorschlug, übersah ich, wie Whitte selbst, dass pigre sonst bei Livius nicht vorkommt. Dies hat H. J. Müller, Berl. Jahresber. III 189 und Zeitschr. f. d. G.-W. XXXI 732, bemerkt und demnach [haud] impigre empfohlen.

XXXIV 2, 12 latam,legem abrogandam consent vermuthet Weid- ner, Philol. XXXV 714.

XXXIV 3, 5 in summam ^rem publicam (r. p.)) prodest ergänzt Weidner, Philol. XXXVI 345.

XXXrV 13, 2 castra ad Hiberum liest Weidner ebenda.

XXXIV 26, 3 cum erumpentibus ea porta Lacedaeraoniis fordert Weidner a. a. 0. 245.

XXXIV 53, 7 haec eo anno acta hält P. v. Boltenstern in seiner oben S. 219 citirten Diss. Thes. 6 für interpolirt.

XXXV 9, 2 entscheidet sich Ernst Herzog, Comm. philol. in hon. Th. Mommseni 131, für civium capita CCXLIII. DCCIV; ebenso Julius Beloch, Rhein. Mus. XXXII 236.

XXXVIII 15, 13 postero die Celaenas Phrygiae processit schreibt C. G. Cobet, Mnemosyne V 91, Collectanea critica (Leyden 1878) S. 87.

XXXIX 53, 15 vermuthet Arnold Schäfer, Jahrb. f. Philol. CXHI 3ö7, ex Illyrico per Pelagoniam fluens.

XL 5, 7 will Michael Gitlbauer, Zeitschr. f. d. ö. G. XXVIII 103, ad senatum populumque ßomanorum lesen.

Livius. 221

XL 53, 1 per Suismontii Ballistaeque saltus vermuthet Gitl- bauer a. a. 0. 104.

XL 59, 8 lanxque cum leguminibus conjicirt Gitlbauer ebenda.

' XLI 15, 1 bovis saginati schlägt Fr. Pauly vor, Zeitschr. f. d. ö. G. XXVIII 14.

XLI 23, 6 transponirt Gustav Becker, Jen. Lit.-Zeit. No. 46, maxumam omniumque gravissimam.

XLI 23, 7 manereque id decretum ^sciremus, quo erat decretum^ ergänzt H. J. Müller, Berl. Jahresber. IV 71. Vgl. oben S. 214.

XLI, 27, 5 censores vias sternendas silice in urbe, glarea extra urbem substruendas marginandasque prirai omnium locaverunt pontesque multis locis faciendos. Diese Stelle, nach welcher H. Nissen (Pompeian. Stud. 520) annahm, dass von den damaligen Censoren die Strassenpflaste- rung in ganz Rom durchgeführt worden sei, deutet Th. Mommsen, Hermes XII 486ff., in dem Sinne, dass die Censoren des Jahres 580/174 .die Chaussirung aller noch nicht chaussirten italischen Staatsstrassen, sowie die Pflasterung der mit ihnen in Verbindung stehenden und also der Wagencirculation eröffneten Strassen der Stadt Rom, endlich die durchgängige Herstellung eines neben der Fahrstrasse herlaufenden Fuss- wegs zuerst verdungen.

XLII 5, 4 exulantem accersitura - interfecisse verbindet J. Vahlen, Herm. XII 195, in dem Sinne exulantem accersivisse et interfecisse.

XLII 12, 6 uno Thebis, altero Dii, dem um augustissimo et cele- berrumo in templo Delphis conjicirt Gustav Becker, Jen. Lit.-Zeit. 1877 No. 46.

XLII 13, 9 in Aetolia Perrhaebiaque vermuthet Fuhr, Animadv. in or. Att. (s. oben S. 210) Sent. controv. 9 (S. 63).

XLII 41, 7 ergänzt Vahlen a. a. 0. 194 si nusquam exuli <( locus est exiliiX «

XLH, 42, 1 quia in propinquo Delphi s-^unt)- vermuthet H. J. Mül- ler, Berl. Jahresber. IV 71.

XLII 48, GaThurinis quattuor liest A. Schäfer, Jahrb. f. Philol. CXIII 368.

XLIV 26, 1 pecuniam dando pacem habere schlägt Cobet vor, Mnem. IV 365, Coli. crit. 13. Vgl. Madvig, Em. Liv.2 695.

XLV 2, 3 prosequentiumque trahentes turbam in forum perrexerunt schreibt Hiller, Comm. philol. in hon. Th. Moramseni 747, indem er die hinter forum überlieferten, verschieden emendirten Worte at urbi als eine durch Dittographie von turbam entstandene Corruptel verwirft.

XLV 2, 7 conperta <(re implebantur tota) urbe deorum im- mortalium templa ergänzt beiläufig Hiller a. a. 0. 748; H. J. Müller, Berl. Jahresber. IV 89, schlägt dagegen vor compler; i to)>ta urbe.

222 Römische Historiker.

Periochae.

1) Eduard Wölfflin, Die Periochae des Livius: Commentationes philologae in honorem Th. Mommseni. Scripserunt amici. Berolini apud Weidmanuos MDCCCLXXVII S. 337-350.

Die Frage nach dem Wesen und Bestände der Periochae ist durch die sorgfältigen Forschungen von Franz Hey er, Jahrb. f. Philol. CXI 645 bis 652, niclit in's Reine gebracht worden, wie ich ebenda 881—884 nach- gewiesen habe. Durch »die lexikalisch-stilistische Untersuchung mit der Loupe« gelangt Wölfflin zu folgenden Ergebnissen: Die von Madvig ein- geklammerte Per. 1 ^ ist acht ; Per. 1 ^ ist, wie auch Studemund erkannte, aus Inhaltsaugaben, die am Rande standen, zusammengesetzt (S. 338). Sowohl die Sprache als die Wahl und Behandlung des Stoffes deuten darauf hin, dass ein Verfasser alle Periochae geschrieben hat (S. 340 f.). Derselbe wollte kein dürres Inhaltsverzeichniss geben nach Art der Prologi des Pom- peius Trogus oder der Capitelangaben des Gellius, sondern ein Handbuch zum Nachschlagen im Livius und zur Benützung als Beispielsammlung nach der Weise des Valerius Maximus. Darauf führen die aufgenomme- nen exempla von Tugenden und Lastern; damit stimmen auch Notizen wie extat oratio. Andererseits wollte der Verfasser auch keinen lesbaren Abriss der römischen Geschichte bieten in der Art des Florus. Denn jede Periocha bildet ein Ganzes für sich, wie schon die Erneuerung der den einzelnen Personen zukommenden Titel in folgenden Periochae zeigt. Auch ist mit der Angabe der livianischen Buchzahlen und mit Formeln wie contiuet (über), refertur immer wieder auf das Werk des Livius ver- wiesen (S. 350). Livius selbst kann die Periochae nicht verfasst haben. Die Latinität ist trotz einer gewissen Anlehnung an Livius, die sich aus dem Excerpiren von selbst ergibt, eine nachlivianische (S. 349). Aber die schlimmsten sprachlichen und historischen Fehler fallen nicht dem Verfasser der Periochae zur Last, sondern sind durch spätere Interpo- lationen in den Text derselben gerathen (S. 350). Diese Interpolationen sind in der Hauptsache aus dem Originalwerke des Livius gezogen; die zweite Hälfte der fünften, die sechste und zehnte Dekade waren demnach noch vorhanden, als die übrigen bereits verloren oder vergessen waren (S. 348 f.).

Interpolirt sind nämlich nach WöMlin: Per. I'' Hie feemptandae protinus factum (S. 340); der Schluss von XXIII, XXIV, XLI, XLIV (S. 341 - 343); die hinter der Formel praeterea contiuet folgenden No- tizen in XCII, XXII, XXXI, XXXIX, IX, XXXIV (referuntur) , XL VI, XLVH (?), LH, LX, XCIII, XCIX, CHI (?) (S. 343-347); der Schluss in V, XLV, XLIX (S. 347); die Worte Cum M'. Aquilius - solus auctor in LXX und aegre propter onus - gladio uteretur in LVH (S. 348).

In den ächten Theilen der Periochae hat Wölfflin nach dem con- stanteji Sprachgcbrauche des Autors emendirt: P in potestatem suam

Flonis 223

redegit; II ^affectati; regni crimine ; LX rebellantes Sardos; LXI in deditionem accepti (S. 349).

Einzelne Stellen.

Per. XVI civium capita CCLXXXII. CCXXXIV fordert Ernst Her-, zog, Comm. philol. in hon. Th. Mommseui 131; vgl. Eutr. II 18, 2. Julius Beloch, Rhein. Mus. XXXII 234, liest genau nach Eutr. CCLXXXXII. CCXXXIV.

XVIII verlangt Beloch a. a. 0. 235 CCXLVII. DCCXCVII.

XIX verbessert Beloch a. a. 0. 234 CCLXI. CCXII.

XX eo hello populum Romanum sui Latinique norainis DCCC ar- matorum habuisse dicit <Fabius)' liest Th. Momnisen, Herrn. XI 50 f., indem er D mit Sicherheit aus der Corruptel der Heidelberger Hand- schrift, Fabius nicht ohne Wahrscheinlichkeit aus Eutr. III 5 und Oros. IV 13 erschliesst.

XX lustrum a censoribus quater (ter?) conditum est eraendirt Mommsen a. a. 0. 57.

Epitomae des Florus.

An die Mittheilungen über die Periochae eines Ungenannten schliesse ich ein kurzes Referat über die neueste Literatur zu den sogenannten Epitomae de T. Livio des lulius Florus. Indem ich auf meinen im Phi- lologus XXXIV 166 ff. und XXXVII 130 ff. erschienenen Bericht verweise, füge ich nur Folgendes hinzu:

1) Gaston Bizos, Flori historici vel potius rhetoris de vero no- raine, aetate qua vixerit, et scriptis. Lutetiae Parisiorum apud E. Tho- rin bibliopolam MDCCCLXXVI. 174 S.

Die sieben Capitel dieser der Pariser Facultät vorgelegten Schrift sind überschrieben: de Flori nomine et aetate; quibus historicis fontibus Florus usus fuerit; quam male optimis fontibus Florus usus fuerit; qui- bus aetatis suae rhetoribus Florus annumerandus sit; quo ordine, quem ad finem res romanas Florus tractaverit; de Flori moribus et stylo; cujus latinitatis verbis Florus utatur. Diese Ueberschriften geben auch eine Vor- stellung von der Latinität des Verfassers, der namentlich fuisse, fui, fue- rim in umschriebenen Perfectformen oft misbraucht, auch sonst weder in der Wahl der Worte noch in den Structuren correct verfährt, und sich einer fragwürdigen Orthographie bedient. Unangenehmer wirkt die Breite der Darstellung, die durch zahlreiche Wiederholungen noch lästiger wird. So sind S. 24 und 62; 27 und 120; 31 und 102 f.; 34 f. und 113; 52 und 110 f.; 73 und 135; 75 und 142; 119 und 124 die gleichen Citate aus Florus ausgeschrieben; S. 20 und 157; 117, 141 und 164 f. begegnen die nämlichen Bemerkungen des Verfassers. Daneben stört der Maugel an Genauigkeit, wie wenn der Titel der Epitomae im Cod. Bamberg. S. 12

224 Römii^che Historiker.

uugenau, S. 33 und 101 unvollständig (mit Auslassung von annorum) an- gegeben wird. Die für seine Aufgabe wichtigen Fragen hat der Ver- fasser umsichtig behandelt und zumeist richtig entschieden, ohne jedoch irgend welche neue Gesichtspunkte zu eröffnen. Die neuere Literatur überblickt Bizos nicht vollständig. Halra's Ausgabe scheint ihm fi-erad geblieben zu sein; jedenfalls kennt er dessen Recension der Jahn'schen Ausgabe nicht, sonst würde er wohl S. 98 f. über die Capitelüberschriften bei Florus weniger vorschnell geurtheilt haben. Auch hätte er vermuth- lich S. 17 den ungeziemenden Ausfall gegen J. Reber unterdrückt oder gemässigt, wenn er aus jener Recension von Halm ersehen hätte, wie nahe sich in der betreffenden Frage Reber mit Mommsen berührt.

2) Hermann Johannes Müller, Zu Florus: Jahrb. f. Philol. CXHI, 559 f.

Gegen G. Baier, welcher in einer Breslauer Dissertation (De Livio Lucani in carmine de hello civili auctore 1874 S. 3 f.) jeden Zusammen- hang zwischen Lucanus und Florus geleugnet hatte, weist H. J. Müller nach, dass sich bei Florus eine Reihe unbestreitbarer Reminiscenzen aus Lucanus findet, wie schon 0. Jahn und H. Sauppe erkannten. Bei dieser Gelegenheit erinnert Müller an seine Conjectur zu Flor. I 17, 4 sed hie (Camillus) maestiorVeis in capta urbe consenuit. In meinem Berichte Philol. XXX VH 139 ist diese Vermuthung neben der dort angeführten von E Bähreus nachzutragen. Dagegen beruht das, was ich ebenda Zeile 6 zu I 7, 7 angegeben habe, auf einem Versehen und ist zu streichen.

Einzelne Stellen:

I 17, 4 mox supplices de hoste Gallo vindicavit. Im Hinblick auf Val. Max. IV l, 2 sprach ich, Philol. XXXVII 275, die Vermuthung aus, dass cives hinter supplices ausgefallen sei.

I 18, 25 illo voluntario ad hostis suos reditu. Statt suos vermu- thete ich ebenda saevos (saevissimos) ; vgl. Val. Max. I 1, 14.

I 36, 2 non leviter se Numidia concussit. Ich schlug ebenda se- natum Numidia concussit vor, indem ich I 31, 12 verglich.

I 46, 8 in modum grandinis atque nimborum densa pariter tela fuderunt. Im Philol. XXXVIII 62 bezeichnete ich densa pariter als Glossem zu in modum.

II 1, 7 eraptio frumenti ipsos rei publicae nervös exhauriebat aera- rium. Ich äusserte ebenda die Vermuthung, dass aerarium Glossem zu rei p. nervös sei.

Der Rest der zweiten Abtheilung dieses Berichtes muss wegen Mangels an Raum für den nächsten Jahrgang zurückgelegt werden.

Jahresbericht über die Literatur zu Cicero's Werken aus den Jahren 1876 und 1877.

Von

Prof. Dr. Iwan Müller

in Erlangen.

Indem ich über die literarischen Erscheinungen der beiden letzt- verflossenen Jahre, welche die Werke Cicero's zum Gegenstand haben, Bericht zu erstatten mich anschicke, habe ich folgende Bemerkung vor- auszuschicken. Von der Besprechung sind zuvörderst alle die Schriften ausgeschlossen, welche in das Bereich einer speciellen Disciplin, wie der Grammatik, Lexikologie, Literaturgeschichte, Kunstgeschichte u. s. w. fallen, wofür besondere Berichterstatter aufgestellt sind. So fanden kei- nen Platz die gediegene Untersuchung über die consecutio temporum von Wetzel (de consecutione temporum capita duo, Leij^zig, Teubner 1877; vergl. Zeitschr. f. d. Gymn., Berlin, Jahrg. 1878, S, 327 fi.), der sehr interessante Beitrag zu einer Entwicklungsgeschichte des Ciceroni- schen Stils von Di'. Hermann Hellmuth (de sei'raonis proprietatibus, quae in prioribus Ciceronis orationibus inveniuntur, in den Acta Seminarii Philol. Erlangensis I 101 174 und separatim Erlangen, Deichert 1877), ferner die scharfsinnige Entwicklung des Begriffs und Gebrauchs des Wortes fides bei Cicero von Dr. Ferdinand Heerdegen (de fide Tulliana h. e. de uocabuli fidei apud Ciceronem notioue et usu. Erlangae, typis E. Th. Jacob. 1876) , sowie das fruchtreiche Lexikon zu den Reden des Cicero von H. Merguet, dessen erster Band nunmehr abgeschlossen ist; und ungern versagte ich es mir, die Frucht langjährigen Studiums einer für Cicero begeisterten Dame, deren Worten: «Si j'ai longtemps etudie Ciceron et passe la moitie de ma vie ä lire assise ä ses pieds, j'ai cru pouvoir essayer quelques observations sur sa correspondance et son ca- ractere pour ceux qui n'ont pas mes loisirs« wir hochachtungsvoll Glau- ben und Zustimmung schenken, Timide essai sur la correspondance su- blime de Ciceron par Mj^^ Hortense de Meritens, Sceaux, imprimerie M. et T.-E. Charaire 1876 (128 S.) einer näheren Besprechung zu unter- ziehen; ebensowenig gehörte die umfassende Abhandlung über Cicero's

Jahresbericht für Alterthums- Wissenschaft 1877. II- 15

226 Cicero.

Dilettantismus in der Kunst von Wilhelm Göhling (de Cicerone artis aestimatore, Halle ISTT) vor mein Forum. Ferner hielt ich es für un- uötliig, alle Ausgaben einzelner Schriften Ciccro's zu besprechen, welche im Ausland erschienen lediglich für die Bedürfnisse der ausländischen Schulen verfasst sind, da die meisten derselben doch nur als Eepro- duktionen der Leistungen deutscher Gelehrten erscheinen, die eben den besonderen Zwecken der betreffenden Landesschulen angepasst sind. Wenn ich endlich manche der neuen Bearbeitungen längst anerkannter und be- währter Ausgaben und deren sind in den genannten Jahren nicht wenige erschienen nur kurz berührt habe, so geschah dies deswegen, weil in den nächsten Besprechungen doch vielfach Bezug auf sie wegen ihrer Wichtigkeit genommen werden muss. Das Eeferat über die Behand- lung einzelner Stellen in einigen ausländischen Journalen bleibt dem näch- sten Jahresbericht vorbehalten.

Nach diesen Vorbemerkungen berichten wir über die Literatur, welche betrifft:

A. Rhetorische Werke.

Hierher ziehen wir, wie im ersten Jahresbericht, die Rhetorik des Cornificius und besprechen demnach

1) De additamentis, quae in Rhetoricis ad Herennium inueniuntur, antiquioribus. Scripsit Ricardus Ostmann Silesius (Breslauer Doc-

tordissertation) 1876. 46 S. 8.

Der Verfasser berücksichtigt nur solche Interpolationen, welche der älteren und jüngeren Handschriftenfamilie gemeinsam erscheinen, und unterscheidet absichtliche von unabsichtlichen (additamentorum duo sunt geuera, quorura unum ea in re consistit, ut librarius aut lector aliquis, cuius conamina inde in textum subierunt, unum uel plura uerba addi- derint, ut aut orationem, quam uel scriptoris uel librarii culpa hiulcam putabant, supplerent aut eam modo (?), ut nimis aridam et exsanguem, amplificarcnt. Altero geuere ea additamenta continentur, quae in mar- gine uel supra uersus scripta non eo animo, ut scriptoris ducerentur, sed explicandi siue omnino alicuius rei adnotandae causa postea ab in- cauto iuscitoque librario in contextum recepta et saepius etiam ad con- structiouem cum iis conglutiuata sunt). In beiden Fällen ist er bemüht, ein deutliches Bild von dem Verfahren der Interpolatoren und Abschrei- ber zu geben unter Benutzung und ausführlicher Besprechung der bereits von Anderen oder von ihm selbst aufgefundenen Interpolationen. Die letzteren sollen uns hier allein beschäftigen. Von den mehr als dreissig Atheteseu des Verfassers heben wir als sehr beachtenswerth hervor die S. 15 zu 3, 13, 23 unter Annahme der Kayser'schen Athetese vorge- schlagene Ausmcrzuug von euuntiaudae in der Definition von coutinuatio, SO dass zu lesen ist: continuatio est orationis [enuntiandae] adceleratio;

Rhetorische Werke. 227

S. 20 zu 2, 12, 18 die Tilgung nicht blos von in rebus maioribus aut miuoribus, sondern auch von dem unmittelbar folgenden aut dissimilibus, somit zu lesen: »in causa ratiocinali priraum quaeretur, ecquid similiter scriptum aut iudicatum sit; S. 22 zu 3, 21, 34 die Entfernung von hac notatione; S. 25 mit Erweiterung der Kayser'schen Tilgungen in 2, 19, 30 und 20, 31 die Beseitigung des Satzes duo genera sunt uitiosarum argumentationum non iudiget reprehensionis. S. 28 tilgt er in 4, 7, 10 den Satz et (at) post in dicendo occultatur; S. 33 in 2, 30, 47 refe- remus, S. 34 in 4, 34, 46 frequenter, S. 38 in 3, 3, 5 nee idoueas dig- nitate sua iudicare. Es ist aber leicht begreiflich, dass der auf Inter- polationen Jagd machende Verfasser in der Annahme von solchen öfters zu weit geht, obwohl er selbst S. 34 sagt: »cum sit aliquid uel miuimam uocem scriptori abiudicare«. So will er in der handschriftlich sehr un- sicher überlieferten Stelle 4, 22, 31 die Lesung Kayser's »Ti. Gracchum rem publicam administrantem prohibuit mali ciuis scelus et indigna nex diutius in eo (ea) commorari« verbessert wissen in . . mali ciuis scelus in dignitate diutius commorari, wobei unter dignitas die tribuuicische zu verstehen sei. Verglichen mit den folgenden Beispielen: C. Graccho si- militer occisio est oblata, quae uirum de siuu ciuitatis eripuit; Satur- ninum malorum perfidia ac scelus uita priuauit; tuus, o Druse, sau- guis domesticos parietes adspersit etc wäre es eine stilistische Un- schicklichkeit zu schreiben in dignitate diutius commorari, als ob Tibe- rius Gracchus blos sein Tribunat und nicht auch sein Leben verloren hätte. S. 12 wird zu 1, 6, 9 statt aut negabimus uos de aduersariis aut de aliqua re dicturos et tarnen occulte dicemus interiectione uerbo- rum vorgeschlagen . . de aduersariis aliqua dicturos etc., wo aliqua das- selbe wie alio modo bedeuten soll! Vielmehr ist hier aut de aliqua re als Interpolation auszuscheiden, wie aus der Nachahmung Cicero's de inuent. 1, 17, 24 et negare te quicquam de aduersariis dicturum hervor- geht. — S. 20 wird in 2, 5, 8 num quid habuerit de consciis, de adiu- toribus, de adiumentis die Streichung von de consciis, de adiutoribus empfohlen und num quid habuerit de adiumentis im Sinne von num quid habuerit adiumentorum (num quae habuerit adiumenta) genommen, wofür doch erst Belege aus dieser Zeit erbracht werden müssten. Zuzugeben ist aber, dass die Stelle, auch wenn man mit Kayser de adiumentis als Glossem betrachtet, nicht völlig klar ist. S. 24 macht der Verfasser zu 4, 19, 27 in bis tribus generibus ad continuationis uim adeo frequentatio necessaria est, ut infirraa facultas oratoris uideatur, nisi sententiam et contrarium et conclusionem frequentibus eiferat uerbis etc. folgende Bemerkung: Continuatio sine frequentatione uerborum cogitari nequit, cf. § 27 in. Ergo in senteutia contrario conclusioue neque magis neque minus frequentatio ad eontinuationem efficiendam necessaria est quam alio loco, quo quidpiam illa exornatione dicitur, quapropter »ad continuationis uim« damnamus. Hier ist offenbar der Ausdruck ad con-

15'

228 Cicero.

tinuationis uim nicht richtig verstanden; der Sinn desselben ist, wie aus den folgenden Worten ut infirma facultas oratoris uideatur ersichtlich ist: Bei diesen drei Arten ist für die Kraft der Periode die ge- drängte Wortfülle so nothwendig, dass u. s. w. S. 30 streicht er in

4, 20, 28 die Worte et tarnen cum ita uiuit, neminem prae se ducit hominem. Aber et tamen ist corrumpirt aus item; man nehme die Worte cum hominem als ein viertes mit dem unmittelbar vorherge- henden nicht zusammenhängendes Beispiel der similiter cadens exornatio und schreibe: item: »cum ita uiuit, neminem prae se ducit hominem«. S. 31 ist der Anstoss an den Worten in contrario causae in 4, 28, 38 »uehementer auditorem commouet eiusdem redintegratio uerbi et uolnus malus efficit in contrario causae, quasi aliquod telum saepius per- ueniat in eandem partem corporis« vollkommen gerechtfertigt; aber sie sind nicht einfach zu beseitigen, sondern als Glosse für in aduersario zu betrachten, was wegen des vorausgehenden auditorem commouet sti- listisch keineswegs überflüssig ist; die sTiavadmXwatg macht erstens auf den Zuhörer einen gewaltigen Eindruck; zweitens vergrössert sie die Wunde bei dem Gegner, Also wird zu lesen sein: efficit in aduer- sario. — S. 36 erscheint nicht recht ersichtlich, warum 4, 10, 15 die Worte specie grauitatis falluntur als eine von einem Interpolator her- rührende Wiederholung der weiter oben stehenden Worte grauis oratio saepe imperitis uidetur ea, quae turget zu betrachten sind. Bei dem

5. 41 43 vorgenommenen Heilungsversuch der Stelle 2, 4, 6, die durch die Handschriften in den einzelnen Worten corrumpirt überliefert ist, während über den Sinn des Ganzen kein Zweifel besteht, möchte ich dem Verfasser, dessen Scharfsinn ich übrigens gerne anerkenne, die Worte Cicero's zurufen: ut ad urendum et secandum, sie ad hoc genus casti- gandi raro inuitique ueniemus nee unquam nisi necessario, si nuUa re- perietur alia medicina (Off. 1, 136).

2) Commentationes Cornificianae. Scripsit P. Langen.

Unter diesem Titel giebt der Verfasser im Philologus XXXVI (1877) S. 445 ff. und 577 ff. zuerst die CoUation eines Münsterer Codex, muthmasslich aus dem dreizehnten Jahrhundert, welcher die Rhetorik des Cornificius und Cicero's Bücher de inuentione enthält und von ihm unter das von Kayser angenommene mixtum genus gerechnet wird. Lan- gen weist nach, dass die Handschrift zu den besseren dieser Klasse ge- hört, welche nach dem bei der Textkritik des Cornificius einzuschlagen- den eklektischen Verfahren da zu Rathe gezogen werden müssen, wo die besseren Handschriften, d. h. die der ersten Klasse, im Stiche lassen, und dass sie die meiste Verwandtschaft mit r^ (Kayser'sche Bezeichnung) zu haben scheint. Hierauf geht er über zur Besprechung einer ansehn- lichen Zahl von Stellen, durch welche die Einsicht in den Sprachgebrauch

Rhetorische Werke. 229

unseres Rhetors gefördert und der kritischen Behandlung des Textes interessante Probleme vorgelegt sind.

3) In den Büchern de oratore sind einzelne Stellen behandelt von Dr. Paul y und von J. K. Whitte. Jener schlägt zu I § 32 vor: prouo- care iniquos in der Zeitschr. f. österr. Gymn. XXVII (1876) Heft 5; dieser will zu I 215 für aliquam scientiam dicendi copia est assecutus, wofür schon Manutius illam sc. etc. vorgeschlagen, gelesen wissen: al- teram illam scientiam, woraus durch missverstandenes compendium jenes aliquam entstanden sei (Enarrationes, defensiones, emendationes aliquot locorum scriptorum Romanorum in Opusc. philolog. ad lo. N. Madvigium Hauniae 18Y6 S. 87). Eine eingehendere Besprechung macht nothwendig

4) Index lectionum in Academia Monasteriensi per menses hi- bernos a MDCCCLXXVI— VII habendarum. Praemissa est P. Laugen i commentatio de nonnullis locis, qui sunt in Ciceronis de oratore libro I. Part. IL Mouasterii Guestphalorum, ex Typographia Academica Aschen- dorfiana. 8 S. 4.

Der Verfasser will 1, 12, 54: cum illis coguitionem rerum con- cesserit, quod in ea solum illi uoluerint elaborare, tractationem orationis, quae sine illa scientia nulla est, sibi adsumet in den Worten quae sine illa scientia nulla est ein Glossem erkennen ; gegen eine solche Annahme dürfte der folgende Satz sprechen: hoc enim est proprium oratoris oratio grauis etc.; dazu gehört eben jene von den Philosophen in An- spruch genommene scientia naturas hominum uimque omnem humanitatis penitus perspiciendi. Hinsichtlich der Worte 1, 31, 140 Exsistere autem controuersias etiam ex scripti interpretatione, in quo aut ambigue quid Sit scriptum aut contrarie aut ita, ut a sententia scriptura dissentiat äussert sich der Verfasser: »aut a Cicerone inconsideratissime addita sunt aut, quod equidem malim, profecta non a scriptore, sed a lectore«. Man wird das erstere annehmen dürfen, ohne den Cicero einer inconsi- derantia zeihen zu müssen. Nachdem Cicero den Crassus aus der Reihe der communia et contrita praecepta den Unterschied zwischen quaestio- ues infinitae und finitae hatte angeben lassen, lässt er ihn zunächst von dem sprechen, was beiden gemeinsam ist, nämlich die constitutio causae, und dabei eine controuersia hervorheben, nämlich die Streitfrage bei der Gesetzesinterpretation. Dass die Erklärung einer Gesetzesstelle zu einer quaestio infinita sich gestalten konnte, erleidet doch keinen Zweifel. Man kann daher dem Cicero nicht, wie Langen, den Vorwurf machen, dass er mit dem in Frage stehenden Satz bereits auf die quaestiones finitae übergeht, während er von ihnen erst im Folgenden spricht (Sed causa- rum, quae sint a communi quaestione seiunctae etc.)- S. 647 nimmt Langen Anstoss an dem in drei Stellen vorkommenden Ausdruck rhetorici : 1, 12, 52 ipsi magistri qui rhetorici uocantur: § 86 rhetorici illi doctores;

230 Cicero.

§ 87 rhetorici isti doetores. Da an diesen drei Stelleu die Rhetoren getadelt werden, so scheint der Ausdruck eine Ironie oder einen Spott zu bezeiclinen; da er offenbar nicht glücklich gewählt war denn ol pr^Toptxoc sind Männer der Beredsamkeit, nicht der Rhetorik , so hat ihn Cicero in den anderen Büchern und in den späteren Werken der Rhetorik nicht wieder im genannten Sinne gebraucht. Zu § 65 : sin cuipiani nimis infinitum uidetur; quod ita posui »quacunque de re«, licet hinc quantum cuique uidebitur, circumcidat atque amputet bemerkt Langen: uerba »quantum cuique uidebitur« ad seutentiam non satis qua- drare facile probari posse puto. Cicero enim non uult dicere, licere omues circumcidere atque amputare, quantum cuique uideatur, quod ita posuerit »quacunque de re« und will deshalb emendiren: quantum- cunque uidebitur. Aber er hat dabei die Natur von quisque und von quispiam verkannt; über jenes Pronomen vergl. Madv. zu Cic, Fin. 1, 4, 11, über dieses (»der oder jeuer«) Seyffert- Müller zu Lael. S. 279. In § 116 adest enim fere nemo quin acutius atque acrius uitia in dicente quam recta uideat wird für in diceute die Lesart der codd. det. iudicet empfohlen. Aber in diceute ist hier unentbehrlich und ein Gegen- satz von uitia iudicare und recta uidere gänzlich unstatthaft. § 148 liest man jetzt Haue ipsam, inquit Sulpicius, nosse uolumus: ac tarnen (so Schütz und Madvig für das in einigen codd. überlieferte at t.) ista, quae abs te breuiter de arte decursa sunt, audire cupimus, quamquam sunt nobis quoque non inaudita. Langen beanstandet die Verbindung ac tamen, wofür er at etiam schreiben will. Aber ac ist hier das an- reihende (»und dabei«) und tamen bereitet den Satz mit quamquam vor; also ist jede Emendation überflüssig. Wir bedauern keinem der Text- verbesserungsvorschläge des gewisse Unebenheiten mit Scharfsinn auf- spürenden Herrn Verfassers beistimmen zu können.

5) Cicero's Brutus de claris Oratoribus. Erldärt von Otto Jahn. Vierte Auflage bearbeitet von Alfred Eberhard. Berlin, Weidmaun'sche Buchhandlung 1877. 208 S. 8.

Die treffliche Ausgabe 0. Jahn's, welche zum letzten Mal von ihm selbst besorgt in dritter Auflage erschienen war, hat in Herrn A. Eber- hard einen ihrer würdigen Bearbeiter gefunden. Fast auf jeder Seite, von der Einleitung bis zum Namenverzeichniss, finden wir Spuren seiner (auch in formeller Beziehung) bessernden, berichtigenden und ergänzen- den Thätigkeit, welche letztere schon äusserlich durch den Umfang der neuen Ausgabe (die dritte hat 189 Seiten) entgegentritt. Die erklären- den Anmerkungen haben eine grosse Bereicherung in sprachlicher wie sachlicher Hinsicht erfahren unter steter Rücksicht auf die Bedürfnisse derer, denen die Ausgabe in erster Linie bestimmt ist. Am meisten um- gestaltend wirkte der Bearbeiter auf dem Gebiet der Textkritik, indem er in dem überlieferten Text weit mehr Interpolationen annehmen zu

Rhetorische Werke. 931

müssen glaubte, als Jemand vor ihm. »Mehr Tadel fürchte ich weniger als erwarte ich wegen der Aufnahme mancher kritischen Bemerkung, so- wie wegen der zahlreichen Athetesen im Text« sagt er S. 199. 200. Es ist hier nicht der Ort, die letzteren einer Besprechung zu unterziehen; aber soviel darf man aussprechen, dass ein nicht geringer Theil dersel- ben zu interessanten Controversen Anlass geben kann. Einzelnes be- darf noch einer anderen Fassung. "Wenn es z. B. in der Einleitung S. 1 heisst: »Wir wissen, dass Aristoteles, wie er es in anderen Zwei- gen der Philosophie zu thun gewohnt war, so auch der Khetorik eine historische Uebersicht und Nachweisung in der zexvcöv auvayiupj hinzu- fügte« (vgl. auch die Note zu § 46), so liegt das Missverständniss nahe, als ob Ai-istoteles die historische Darstellung der einzelneu rhetorischen Systeme später veröffentlichte als seine Rhetorik, während doch das Um- gekehrte anzunehmen ist. Von Druckfehlern sind S. 39, 13 56) esse für esset und S. 101, 5 171) retinuit (ebenso in der dazu gehö- rigen Anmerkung) für retinnit zu bemerken.

6) E. Hoffmann bespricht in Fleckeisen's Jahrb. 113, 243 die Lücke in Brutus 6, 23: te praesertim tam studioso et dicere euim bene nemo potest nisi qui prudenter intellegit, welche Piderit also ergänzt hatte: . . studioso et diiigenti dicendi magistro, und ergänzt sie unter Hinweis auf Or. 3, 10 und 5, 17 so: studioso et dicendi et intellegendi magistro. dicere enim etc. Derselbe schlägt S. 244 zu Brut. 21, 84 vor: . . Catonis situque exaruerunt. - In dem 8, 31: His opposuit sese Socrates, qui subtilitate quadam disputandi refeilere eorum iustituta solebat uerbis handschriftlich überlieferten letzten Wort findet Prof. Girolamo Vitelli eine Verschreibung für urbanius (Publicazioui del r. istituto di studi superiori pratici e di perfezionameuto in Fireuze. Sezione di Filosofia e Filologia. Vol. H. Dispensa 5 a. Fireuze 1877. S. 5.

7) Cicero's Orator ad M. Brutum. Für den Schulgebrauch erklärt von Dr. Karl Wilhelm Piderit. Zweite, vielfach verbesserte Auf- lage. Leipzig, Teubner. 1876. 203 S. 8.

Diese nach dem Ableben Piderit's von einem unserer ersten Kenner Cicero's besorgte neue Ausgabe unterscheidet sich von der ersten im Jahre 1865 erschienenen hauptsächlich dadurch, dass im Text bedeutende Veränderungen vorgenommen wurden, durch welche das Buch ganz ent- schieden an Werth gewonnen hat. An dem Commentar durchgreifende Aenderungen zu machen fand der neue Herausgeber weniger Anlass; doch fehlt es nicht an solchen, zumal da, wo die neue Textgestaltung dieselben nothwendig forderte. Um die Bemerkung über den Fortschritt in der Textverbesserung, den die neue Bearbeitung gemacht, mit einigen Beispielen zu belegen, wollen wir aus den ersten hundert Paragraphen folgende Aenderungen aufzählen: § 11 wird mit Strebaeus oratoriis dis- putationibus statt oratoris d. geschrieben; § 16 lautet jetzt quid dicam

232 Cicero.

de natura reruin, ciiius cognitio magnam oratori (mit Eruesti) suppeditat copiain, de uita, de officiis, de uirtute, de moribus? de quibus nihil (mit Schenkl) sine multa earum ipsarum rerum disciplina aut dici aut iutel- legi potest; § 22 wird wenigstens im kritischen Anhang die Streichung der Worte in siiigulis nacli Ernesti empfohlen; § 37 laudationum et histo- riarum . . . reliquarumque scriptionum formam mit Madvig und Schenkl geschrieben ; § 44 vermuthet der Herausgeber non tam insignia ad maxi- mam laudem quam necessaria et eadem cum multis paene communia; § 49 hatte Piderit habitabit ut suis geschrieben, jetzt heisst es mit Recht blos habitabit suis; § 57 werden die Worte Dicit plura etiam Deraosthe- nes fuisse mit Meyer als Einschiebsel bezeichnet; § 58 las Piderit quasi modularetur hominum auribus oratiouem, jetzt ist auribus mit Recht ausgeworfen; § 61 ist mit Madvig actor, qui haec complexus est omnia und § 68 mit demselben nonnuUi eorum uoluptati uocibus magis quam rebus inseruiunt geschrieben; § 87 hatte Piderit qui in dlcendo mirum quantum ualent in den Text gesetzt; jetzt ist nimium quantum wieder hergestellt. In ähnlicher Weise ist auch der übrige Text der ersten Auflage gegenüber geändert und verbessert und so wird sich die neue Auflage gewiss noch mehr Freunde erwerben als sich die erste bereits erworben hat.

8) E. Hoffmann findet 1. 1. S. 365 Sauppe's Coujektur zu Or. 7, 23: recordor longe omnibus unum anteferre Demosthenem eumque unum accommodare ad eam quam seutiam eloquentiam sprachlich unzulässig, da accommodare in dem Sinn, den es nach dieser Lesart haben soll (Piderit: dem Idealbild entsprechend finden), ohne jeden Beleg sei. Er conjicirt deshalb mit Rücksicht auf die handschriftliche Ueb er lieferung (quem uim oder unumque accommodare) : Demosthenem, quem unum accommodari ad eam quam sentiam eloquentiam = »er füge sich, schmiege sich an, an jene ideale Beredsamkeit«.

B. Reden.

1) Cicero's Rede für Sex. Roscius. Für den Schulgebrauch her- ausgegeben von Fr. Richter. Zweite Auflage durchgesehen von Al- fred Fleckeisen. Leipzig, Teubner 1877. 92 S. 8.

Die im Jahre 1863 veröffentlichte Ausgabe Richter's ist von der Hand eines unserer bewährtesten Forscher nicht sowohl umgearbeitet als im Einzelnen sorgfältig revidirt worden, indem theils offenbare Versehen berichtigt, theils nothwendige Ergänzungen beigefügt erscheinen. Zu den Schlussworten der Richter'schen Einleitung, welche von der Eigenthüm- lichkeit der Sprache in dieser Rede handeln und diese unter anderem mit Recht auch darauf zurückführen, dass Cicero »in seiner vieljährigen Wirksamkeit als Redner, Staatsmann und Schriftsteller auch die äussere Form der Darstellung allmählich geändert, gereinigt und veredelt hat«

Reden. 233

(S. 19), kaiin bei der künftigen Auflage verwiesen werden auf H. Hell- muth's oben (S. 225) augefühlte Schrift. Zur Erkläruug der Worte des § 114 si haue ei rem priuatim Sex. Roscius maudauisset, ut cum Chry- sogono transigeret atque decideret, iuque eam re lidem suam . . inter- poueret konute F. Heerdegen's el^eufalls angeführte Schrift de fido Tul-^ liana S. 27, woselbst die Stelle gründlich erklärt ist, benutzt werden. Grössere Aenderungen nahm der Herausgeber, was auch dringend ge- boten war, mit dem Text vor, indem er eine grosse Zahl von fremden wie eigenen Coujekturen in denselben aufnahm. Von den letzteren er- wähnen wir § 2 si qui istorum dixisset, in quibus summa auctoritas est atque amplitudo mit Ausscheidung der nach dixisset in den Handschrif- ten stehenden Worte quos uidetis adesse, § 3 ego si omnia statt ego autem (etiam) si omnia der Handschriften, § 14 die Eiuklammerung der Worte quo facilius calaraitatem, § 64 die Tilgung der Worte erat porro nemo, in quem ea suspicio conueniret, § 68 die Umstellung der Worte tam immane, tam acerbum, so dass zu lesen: si tantum facinus, tam acerbum, tam immane; § 74 ipsene percussit, § 110 die Einklamme- rung der Worte cum illo enuntiare. Dass durch einen Theil der aufgenommenen Conjekturen der Text an Lesbarkeit und damit die Aus- gabe auch nach dieser Seite hin au Brauchbarkeit gewonnen hat, unter- liegt keinem Zweifel.

2) Zur Textverbesseruug der Rede für Sex. Roscius lieferten Ein- zelbeiträge Weidner, der im Philolog. XXXV 718 zu § 7 für si uobis aequa et honesta ista postulatio uidetur schreibt nisi uobis etc. und die- sen Satz in ironischem Sinne genommen wissen will, ferner im folgenden Satz et zwischen leuetis und in causa streicht und ebenso § 124 in der Stelle uenio nunc ad illud nomeu aureum Chr}^sogoui letzteres Wort zur Streichung empfiehlt (was übrigens schon van deu Es empfohlen hatte; s. Fleckeiseu 1. 1.); Vit eil i 1. 1. behandelt die in den Handschriften so unzureichend überlieferten Worte des § 64 quid poterat iam (sane) esse suspitiosum autem ueutrum sensisse ausum autem esse, sowie die ver- schiedenen beachteuswerthen Verbesserungsversuche der neueren Gelehr- ten und schlägt vor zu lesen: quid poterat tam esse suspitiosum quam neutrum sensisse etc.; Whitte 1. 1. S. 89 und 91 emendirt § 151 di prohibeant ne, während bisher ut gelesen wurde (»Ut, ne, uel non ita raro in codd. commutata sunt«), § 107 qui indicii partem accepit (statt acceperit) und § 116 cum per eius fidem laeditur, cui se commisit (statt commiserit). Diese drei Emendationen sind von Fleckeisen bereits auf- genommen. — Fr. Pauly veröffentlichte unter dem Titel »Kritische Miscellen« in der Zeitschr. f. österr. Gymn. 1877 S. 261 und 262, ferner 418—421 Resultate textkritischer Studien, welche deutlich zeigen, dass sich die Wrampelmeyer'sche Ueberschätzung des Codex W, wovon im vorigen Jahresbericht S. 687. 688 die Rede ist, auch ihm mitgetheilt hat. Einige Proben werden zur Rechtfertigung dieser Behauptung ge-

234 Cicero.

uügen. Weil W § 16 propter quos ipso hoiiestissimis (offenbar Schreib- fehler für houestissimus) iuter suos nunierabatiir hat, so meint er, dass nach intor suos ein ad ausgefallen sei, also Cicero geschrieben habe hüuestissimis iuter suos adnumerabatur. § 28 ist ihm die Schreibung des cod. W in qua re nulla esset suspitio Grundes genug, um das vor- treffliche subesset anderer Handschriften zu verwerfen und das sub sich durch eine fehlerhafte "Wiederholung aus folgendem sub in suspicio ent- standen zu denken; ja § 30 ist er geneigt zu zweifeln, ob die Worte nach domus obsessa, nämlich ab inimicis possessa wirklich von Cicero herrühren, weil dann die »rhetorische Symmetrie noch vollkommener« wäre; in W sind nämlich diese Worte in Folge einer vom Verfasser selbst zugestandenen aberratio oculorum von obsessa auf possessa ausgefallen. Da § 33, wo andere Handschriften is cum curasset bieten, W is ausge- lassen und für cum cui hat, so schliesst Pauly auf ursprüngliches cum is curasset. § 47 vermuthet er in der sinnlosen Verschreibung seines Codex: etenim ha er et confecta ein has res coufectas (andere richtig haec confecta), und in dem folgenden imaginem nostram uitae cotidia- nae des W, dessen librarius hier offenbar eine vom vorausgehenden uo- stros mores stammende einfältige Glosse in den Text gesetzt hat, findet er ein ursprüngliches illustrem heraus, so dass Cicero gesagt haben würde: ut effictos nostros mores in alienis personis expressamque ima- ginem illustrem uitae cotidianae uideremus! § 50 accusator esses ri- diculus, si illis temporibus natus esses, cum ab aratro arcessebautur qui consules fierent; etenim qui praeesse agro colendo flagitium putes, pro- fecto illum Atilium -- inhonestissimum iudicares (sc. si tum esses); so schreiben die Handschriften und Herausgeber; W hat den Schreibfehler iudicare. Aber Herr Pauly hält in allem Ernst iudicare für die richtige Lesart und da der Infinitiv doch von einem Worte abhängig sein muss, so glaubt er, dass nach putes ein debes ausgefallen ist ! § 54 haben andere Handschriften uerum concedo tibi, ut ea praetereas, quae cum taces, nulla esse concedis; W lässt, wie so häufig kleine Wörter und Silben, so hier cum weg: Pauly giebt dies nicht zu, sondern schreibt quae taceus. § 55 liest man allgemein accusatores multos esse in ciui- tate utile est , uerum tarnen hoc ita est utile, ut ne plane illudamur ab accusatoribns. W hat nach plane ein gleichsam hereingeschneites mediis omissis; wahrscheinlich ist dies die Randbemerkung eines Schreibers im Archetypus des W, welche andeuten soll, dass eine viel- leicht nach ut ne plane im Original des Archetypus gewesene grössere Wiederholung von vorausgegangenen Worten ausgelassen worden ist, und die vom Schreiber des W in den Text gesetzt wurde; Pauly ist anderer Meinung, er sieht darin ein von Cicero herrührendes indiciis omissis. - - Eeferent ist der Ueberzeugung, dass das Verfahren Pauly's am besten dazu dienen wird, etwaige andere begeisterte Anhänger des W zu er- nüchtern.

Reden. 235

3) Utri Yerriuarum codici raaior fides liabcnda sit, Palinipsesto Vaticauo an Regio Parisiensi. Dissertatio inauguralis, quam propo- suit Heuricus Meusel Saxo-Borussus. Berolini. Typis expressit G. Lange (P. Lange), s. a. 31 S. 4. (Jenaer Doctordissertation). Der Verfasser zieht einen statistischen Vergleich zwischen den Feh- lern des Vatikanischen Palimpsestes V, aus welchem A. Mai bedeutende Bruchstücke aus den fünf Büchern der actio secunda in Verrem ver- ölfentlicht hat und welchem Männer, wie Jordan, Halm und Kayser ge- bührende Aufmerksamkeit schenken zu müssen glaubten, und denen des Parisinus 7774 A, in welchem nur die vierte und fünfte Verrina entlialten ist. Das Resultat seiner Untersuchung fasst er am Schluss der Abhand- lung in folgende Worte zusammen: cum Vaticanus non solum maxime ad eiTores iuclinet eosque grauissimos, cum temere saepe mutet, quae recte tradita sunt, cum non raro, id quod maximum est, consulto eos qui fidem ei habent, in errores inducat, summo opere cauendum est re- ligiosis Omnibus et prudentibus hominibus, ue ab hoc fallacissimo auctore decipiantur et circumueuiantur. Speciosa sane saepenumero Vaticani sunt uerba et quae facillime homiuum minus prouidoruni animis leuo- cinentur, sed eo niagis prouideudum est, ne fallamur iis atque inducaraur ueque unquam, uisi certissimis probari poterit argumentis uera esse quae tradat Vaticanus, fides ei erit habenda. Sequamur potius in dubiis rebus omnibus Reg., qui quamquam ne ipse quidera erroribus uacuus est, nunquam tamen eos, qui ei creduut, de industria fallere conatur, uun- quam consulto a ueritate discedit. Ob sich wohl Halm von seinem auch in der neuesten Ausgabe (1878) der vierten und fünften Verrina einge- schlagenen Verfahren und mit ihm Andere durch dieses kräftige Verdikt von nun an bekehren werden ? Es handelt sich hauptsächlich um Stellen in den genannten Reden, in denen der Vaticanus das eine oder andere Wort mehr hat als der Parisinus. Nach Herrn Meusel machen eben bei weitem die meisten derselben als Interpolationen das Mass des Sünden- registers im Vaticanus voll und haben die homines minus ijrouidi, welche einen Theil derselben in den Text aufnahmen, arg getäuscht. So schreiben dem fallacissimus auctor folgend Halm, Jordan, Kayser, Eberhard und Hirschfelder 5, 41, 106: in forum ueuit, nauarchos ad se uocari iubet, mit Berufung auf § 102 nauarchos ad se uocari iubet. Da aber der Pari- sinus und die übrigen Handschriften an unserer Stelle ad se nicht haben, so glaubt der Verfasser, die andere Stelle habe dem librarius des Va- ticanus oder dessen Quelle den Anlass gegeben hier ad se einzuschwärzen. Aber in dieser Formel ist ja die Hiuzufüguug von ad se stehender Sprach- gebrauch: Diu. in Caec. 17, 56 uocari ad se Agouidem iubet; Verr. 1, 26, 67 seruos suos ad se uocat; ibid. 50, 132 iste ad se Habonium uo- cat; 2, 20, 48: uocat ad se Syracusanos; ib. 38, 92 Sthenium citari iubet Agathinum ad se uocat; 3, 44, 105 uocasse ad se magistratus; 4, 18, 38 ut Diodorum ad se uocaret; ib. 23, 50 Dionysiarchum ad se

236 Cicero.

uociui iubet; 5, 3, 7: euni uocari ad se iussisse; ib. 7, 16 quem ad sc uocari iussit u. s. w. Es hätte also Herr Meusel zuvor nachwei- sen sollen, dass Cicero auch uocari iubet ohne ad se sagte, ehe er sich auf die Autorität des Parisinus verliess. 5, 45, 117 liest man: iuclu- duutur in carcerem condemnati; supplicium constituitur in illos, sumitur de miseris parentibus nauarchorum ; prohibentur adire ad filios, prohiben- tur liberis suis cibum uestitumque intro ferre. Väter und Mütter der zum Tode Verurtheilten unterhandeln mit dem Gefängnisswärter. Letzteren lässt Cicero sagen § 118: ut adeas, tantum dabis; ut tibi ci- bum uestitumque intro ferre liceat, tantum. Fehlte hier uestitumque, so wäre dies eine stilistische Ungeschicklichkeit: die Leute sind mit Speisen und Kleidungsstücken gekommen; da kann doch der Gefängniss- wärter nicht sagen: »so und soviel müsst ihr mir geben, damit ihr Spei- sen hineintragen dürft«? Aber eine solche muthet dem Cicero Herr Meusel zu, weil Parisinus uestitumque ausgelassen hat, während es im Vaticanus steht. Im nämlichen Paragraphen führt Meusel gegen die Lesart des Vaticanus in limine ipso (Par. hat nur in limine) das Zeug- niss des lulius Seuerianus zu Felde; diesem ist das des Martiauus Ca- peila entgegen zu halten, der nach Halm's Lesung den Text so hatte-, iacebaut in limine primo, wo primo offenbar Glosse für ipso ist; vergl. Rhetores Lat. min. em. Halm, Leipzig 1863 S. 471, 1; in limine ipso steht im Gegensatz zu ad ostium carceris. - 4, 3, 6 hat Vat. non ablata ex urbibus sociorum atque amicorum, während Par. und die übrigen Handschriften nur sociorum bieten. Nun giebt Meusel die Möglichkeit zu, dass hier Vat. den ursprünglichen Wortlaut unversehrt erhalten habe ; aber auf der anderen Seite konnte nach seiner Meinung ebenso leicht jenes atque amicorum der Zusatz eines Interpolators sein, der socii atque amici so oft gelesen hatte und »cautum religiosumque criticum Vati- cani menda, bonorum auctoritatem fidemque, meliorum deteriorumque conseusum spectantem, nisi certis firmisque argumentis demonstrauerit loci sententia efflagitari id, quod in Vaticauo solo exstat, sequi non de- bere Vaticanum coutendo« (S. 26). Hier entscheidet eben wieder nicht die sonstige Lüderlichkeit oder Leichtfertigkeit des Scribenten, sondern der constante Sprachgebrauch Cicero's. Darnach findet sich bald socii ohne, bald und dies ist das häufigere mit amici. Letzteres ist der Fall, Avenn es sich um irgend eine Unbill, die den Bundesgenossen zugefügt wurde oder werden sollte, handelt. Lehrreich ist de imp. Pomp. 22, 66 pro sociis uos contra hostes exercitum mittere putatis an hos ti um simulatione contra socios atque amicos? vgl. Diu. in Caec, §§ 64. 65; Verr. Act. prim. 13, 53; Act. sec. 1, 11, 15, 45, 54, 56, 58, 59, 76; 2, 121, 163; 3, 57, 79, 106, 127, 143; 4, 67, 68, 86, 88; 5, 83, 137 u. s. w. Also wird an unserer Stelle mit vollem Rechte dem Vat. gefolgt. Wie weit das Misstrauen des Verfassers gegen diesen Codex geht, beweisen seine Aeusserungen S. 13 und 14 über zwei Stellen,

Reden. 237

wo derselbe ein "Wort nicht hat, was sich im Paris, und anderen Hand- schriften findet: 5, 31, 82 liest letzterer mit etlichen: hoc eo facit, ut ille non solum abesset a domo tum dum nauigaret, sed etiam libenter cum magno honore abesset. Vat. hat den offenbar aus Dittographie entstandenen Unsinn nicht, sondern blos dum , was auch Halm und An- ' dere aufgenommen haben. Was bemerkt Meusel? utrum hie cum Vati- cano omittendum sit tum an cum deterioribus scribendum tum cum nauigaret, diiudicare non audeo. Also eine stilistische Plumpheit, wie sie tum cum hier wäre, wird mit der natürlichen Leichtigkeit auf einerlei Linie gestellt! ib. § 98 liest Vat.: Atheniensium classis quae in eo ipso portu loci ipsius natura uicta atque superata est; Par. und die übrigen codd. : loci ipsius portusque natura, und dieser Zusatz, der doch wohl durch eine über loci ipsius geschriebene Glosse in den Text des Par. und anderer Handschriften gekommen ist, findet folgende Vertheidigung : Licet, ni fallor, uerba loci natura referre ad uniuer- 3 am illius regionis naturam, ad lusulae situm, Plemmyrium, loca omnia, quae circa portum sunt, portus natura tum spectabit ad eas res, quae portus Syracusani sunt propriae; ut generali notioni h. 1. addita sit spe- cialis. Es wird uns also zugemuthet zu glauben, dass sich Cicero die Sache so gedacht habe: in eo ipso portu locorum, quae circum por- tum sunt, et rerum, quae portus sunt propriae, natura! Der an sich richtige Grundsatz, in den Fällen, in denen weder Sprachgebrauch noch Gedankenzusammenhang Ausschlag gebend erscheinen, der verhältniss- mässig sorgfältiger geschriebenen Handschrift den Vorzug zu geben, ist von dem Verfasser bei allem Streben nach streng methodischer Kritik insofern nicht consequent durchgeführt, als über der äusserlichen Ab- wägung der menda codicum nicht überall der Stil des Autors zu seinem Kecht kommt.

4) M. T. Ciceronis in C. Caecilium Diuinatio et in C. Verrem Actio prima. With introduction and notes by W. E. Heitland and Her- bert Cowie, Fellows of St. John's College, Cambridge. Cambridge: At the University Press. 1876. XVI, 114 S.

Die Herren Herausgeber theilten sich bei aller Gemeinschaftlich- keit so in die Arbeit, dass Heitland die Bearbeitung der diuinatio, Co- wie die der actio prima übernahm. Bei ersterer wurden speciell die Ausgaben von Halm (1867; warum nicht die von 1874?) und Richter (1870) benutzt. Unter den Textabweichungen von der Halm'schen Aus- gabe verdienen folgende besprochen zu werden: § 4 steht qui me ad defendendos homines ab ineunte adolescentia dedissem nach den Hand- schriften, während Halm dedidissem schreibt. Heitland bemerkt nach An- führung des aus Richter entnommenen Citats Rose. A. § 18 cum hie se uitae rusticae dedisset: the construction with ad is rare. Aber gerade diese Construction hätte aus Cicero nachgewiesen werden sollen, um die

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Lesart dor Handschriften zu begründen, während das Richter'sche Citat füglicli wegbleiben konnte; es musste hingewiesen werden auf Cic. Leg. 1, 4, 12 si te ad ius respondendum dedisses, N. D. 1, 4, 9 si me non modo ad legendos libros, sed etiara ad totam philosophiani pertractandam de- dissem, vielleicht auch auf Fam. 13, 1, 4 des te ad leuitatem. Nach diesen Stellen erscheint allerdings die handschriftliche Lesart zweifellos.

§ 31 nimmt Heitland Madvig's (Adv. crit. 11 S. 196) ansprechende Emendation qualis erit tua ista accusatio, quae non modo sub- scriptionem (codd. suspicionem) uerum etiam mentionem ipsam perti- mescat in den Text auf und verbreitet sich im Appendix S. 52 über die Bedeutung von subscriptio, subscribere. § 46 schreibt er mit Richter : poterisne eins orationi subire? [inuidiam] uide modo, weil hier »two old grammariaus« (er meint Non. Marc, und Arus. M.; s. Jordan in der Orelli-Halm'schen Ausg. z. d. St.) den Dativ bei subire lasen, da sie su- bire c. Dat. im Sinne von resistere, non succumbere mit unserer Stelle belegen wollten. Dass aber dies einer der vielen auf schlechten Texten beruhenden Autoschediasmeu der Grammatiker ist, erleidet keinen Zweifel. Mit Recht halten daher Halm und Baiter an der handschriftlichen Les- art poterisne eins orationis subire inuidiam? uide modo fest und Jordan bemerkt: postquam orationis ob sequens s in orationi deprauatum est, male inuidiam cum uide a librariis coniunctum est. Die § 57 mit vollem Recht beibehaltene Lesart repenteeuestigio ex homine

factus est Verres findet sich bei Halm aucli in der Ausgabe von 1874. Ueber diesen der Umgangssprache entnommenen Pleonasmus vgl. jetzt Hellmuth in den Acta Seminarii Philol. Erlangensis I S. 166. Hinzu- weisen wäre hierbei noch auf rtapa^/^prjiirx euHug Dem. 19, 42 ; Pseudodem. 52, 6 eoS-iwQ Tiapay^pruia^ s. Rehdantz, Demosth. neun philipp. Reden. Zweites Heft (3. Aufl.) S. 179. Zur Vertheidigung der § 60 überlie- ferten Lesart si uero non ulla tibi facta est iniuria, wofür Halm si uero nuUa tibi f. e. i. liest, war auf Madvig's Bemerkung zu Cic. de fin. 3, 15, 50 (S. 430 ed. 3) Rücksicht zu nehmen.

, Cowie liest in der actio prima § 6 cum ego diem inquirendi in Sicilia perexiguam postulauissem, inuenit iste qui sibi in Achaia bi- duo breuiorem diem postularet nach einigen Handschriften (Lg. 29 scheint in Siciliam in Achaiam zu haben) mit der Bemerkung: the common reading is in Siciliam but in Siciliam inquirere can hardly mean »to make enquiry in Sicily«. Dagegen ist zu erinnern, dass in den ste- henden Formeln postulare diem inquisitionis oder inquirendi der Acc. mit in gebräuchlich war, der nicht zunächst von inquirere abhängig, son- dern mit postulare diem zu verbinden ist, wie aus den von Halm ange- führten - Stellen act. sec. 1, 11, 30 und Asc. in Scaur. S. 19, 12 Or. (S. 17, 5 K. et Seh.) hervorgeht (eine Untersuchungsfrist für (eigentlich nach) Sicilien, Achaja verlangen, bekommen). Es ist also mit Jordan und Kayser in Siciliam in Achaiam zu schreiben, was ohnehin band-

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schriftlich gut bezeugt ist. § 7 steht uidet etiam tot graues ab amicissimis ciuitatibus legationes etc., weil nur G2 tot tarn graues hat; aber tot tarn findet sich auch im Lag. 29 und die Verbindung ist ciceronianisch: Mil. 23, 61 cum res ipsa tot tam claris argnraentis sig- nisque luceat; Cat. 4, 3, 6 tantam tam exitiosam coniurationem. § 11" wird nach der Lesung des Grammatikers Diomedes (S. 463 P.) geschrie- ben quidnam habet aliud in se, während die Cicero-Handschriften quid aliud habet in se bieten. Aber die Lesart bei Diomedes ist ja gar nicht feststehend; wie in der adn. crit. bei Jordan bemerkt ist, hat ein cod. Monac. saec. IX nicht quid uam, sondern quid habet aliud in se. § 43 haben nur die codd. det. tempus opportunissimum hoc uobis diuinitus datum esse, während die besseren das sicher überflüssige opportunissi- mum weglassen. § 48 hat der Herausgeber zwar ita res a me agetur, ut in eorum consiliis omnibus non modo aures hominum, sed etiam oculi populi Romani Interesse uideantur in den Text aufgenommen, aber in der Anmerkung sich für Fritzsche's Ausmerzung von populi Romani ent- schieden. An sich ist die Verbindung von aures und oculi mit populi Romani nicht ungewöhnlich; Rab. p. r. 5, 16 nomen ipsum crucis absit non modo a corpore ciuium Romanorum, sed etiam a cogitatione, oculis, auribus; Plane. 27, 66 populi Romani aures hebetiores, oculos autem esse acres atque acutos; Sest. 50, 107 nihil tam populäre ad populi Romani aures accidisse; Phil. 10, 3, 6 ad populi Romani aures peruenire: aber, wie Heitland richtig bemerkt, the antithesis being aures hominum and oculi populi Romani is utterly point less. Man könnte übrigens hominum für ein Glossem halten und schreiben: non modo aures, sed etiam oculi populi Romani Interesse uideantur. Wenn § 54 mit Zumpt an der handschriftlichen Schreibung non sinam - tum nobis de- nique respondere festgehalten und der aktive Infinitiv durch die Ellipse von illos erklärt wird, so ist dagegen zu erinnern, dass ein solcher In- finitiv mitten unter passivischen Fügungen gänzlich unstatthaft erscheint; § 53 mihij certum est non committere, ut in hac causa mutetur; non patiar rem adduci und dann § 54 non committam ut iudice- tur. Die Schreibung respondere ist als eine gewöhnliche Verschreibung für responderi zu betrachten. - Einleitung und Bemerkungen erscheinen in edlem populärem Stil gehalten und den Bedürfnissen englischer Leser entsprechend.

5) Cicero's Rede gegen C. Verres viertes Buch. Für den Schul- und Privatgebrauch herausgegeben von Fr. Richter. Zweite Auflage, bearbeitet von Alfred Eberhard. Leipzig, Teubner 1876. 129 S. 8.

Die im Jahre 1866 erschienene Ausgabe Richter's hat durch die kundige Hand Eberhard's eine sorgfältige Bearbeitung erfahren. In der Einleitimg und besonders in den Anmerkungen ist von seiner Seite vieles ziu" Ergänzung und Berichtigung geschehen, wobei denselben die Absicht

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leitete das Privatstudium der Schüler, »für welches diese Rede in hohem Grade geeignet ist, fördern zu helfen«. Am meisten hat der Text Aen- derungen erfahren, welche, wo es nöthig erschien, in den Anmerkungen und nicht in einem besonderen kritischen Anhang motivirt sind.

So nimmt Eberhard, um seinen Text nach dieser Seite anzusehen, folgende Glosseme an: § 21 qui habent oppidum opportune loco, quo saepe adeundum sit nauibus [non nunquam etiam necessario] ; § 25 ipsi TuUio patebat domus locupletissima [et amplissima] Cn. Pompei (mit Halm, Kayser und Anderen), § 29 tuum istum morbum [ut amici tui appellant], § 30 ad eum se exsules [cum iste esset in Asia] contulerunt, § 36 quid existiraas hos [iudices] facere posse ? (ebenso Halm und Kayser), § 40 tum primum [ut] istum absentis nomen recepisse; § 48 quem ego interrogem [de patellis, pateris, turibulis], § 53 auertere aliquid [per magistratum] solebant, § 71 [quod priuati homines de suis pecuuiis or- nant oruaturique sunt, id C. Verres ab regibus ornari non passus est], § 92 [quis est hie? qui ad statuam astrictus est] (mit Kayser), § 93 uiri fortes [atque strenui] et honesti (uiri fortes atque houesti Halm und Kayser), § 100 tum iste [permotus illa atrocitate negotii], § 102 [quoniam id uiri nee uidisse neque nosse poterant] (mit Bake und Kayser), § 110 [his] pulciiritudo periculo (mit Halm), § 113 [multo] maxime (mit Halm und Kayser), § 122 picta [praeclare] (mit Halm und Kayser), § 125 com- moueri [quod erant eiusmodi, ut semel uidisse satis esset] (mit W. Meyer) ; § 144 [cuius modi non desineret] (mit Halm). Ebenso zahlreich sind die Textänderungen nach anderen Richtungen; aber auf alle Fälle hat der Text dem Ricliter'schen gegenüber entschieden gewonnen, so dass auch nach der kritischen Seite hin die neue Auflage als eine verbesserte erscheint.

6) Verr. IV § 9 vertheidigt die Ueberlieferung paruis in rebus mit Glück Anton Z in gerle in seinen »Kleinen philologischen Abhandlungen« n. Heft Innsbruck 1877 im dritten Capitel. In der Rede pro Caecina § 14 vermuthet C. Hammer in den Blättern f. d. bayer. Gymn. und Real- Schulw. XII 303, dass in den Worten inter mulieres periti iuris ac cal- lidi der Genetiv iuris ein Glossem sei. Ebenso nimmt derselbe Leg. agr. II § 8 die Worte infirmatioue rerum iudicatarum für ein Glossem zu suspicioue ac perturbatione iudiciorum und schreibt § 57 qui publicus esse uideatur.

7) Cicero's Rede über das Imperium des Cn. Pompeius. Für den Schul- und Privatgebrauch herausgegeben von Fr. Richter. Zweite um- gearbeitete Auflage von Alfred Eberhard. Leipzig, Teubner 1876. 66 S. 8.

Der thcilweise umgeänderten Einleitung ist S. 21 und 22 eine Disposition der Rede in der neuen Auflage beigefügt worden und wie der Commentar durch Aenderungen und Zusätze, so hat auch der Text

Reden. 241

durch ansprechende, wenn auch mauchmal kühne Emendationen eine ent- schiedene Besserung der ersten Auflage gegenüber erfahren. Warum ist weder ein Vorwort noch ein kritischer Anhang beigegeben? Versehen, welche aus der ersten Auflage stehen geblieben sind, sowie Druckfehler giebt Prammer an in seiner ausführlichen Besprechung der neuen Auf- lage in der Zeitschr. f. österr. Gyran. 1877 S. 634 ff.

8) Quaestiouum in Ciceronis pro M. Fonteio oratiouem capita quattuor. Scripsit A. R. Schneider Saxo Callubergensis. Griniae, typis C. Roessleri 1876 (Leipziger Doctordissertation). 50 S. S.

Schneider's Abhandlung ist ihrem Wesen nach als historische Ein- leitung zur Rede für Fonteius anzusehen, wobei die Ansichten Niebuhr's, Druraann's und Anderer theils ausführlicher und besser begründet, theils bekämpft und neue Gesichtspunkte aufgestellt werden. Das erste Capitel beschäftigt sich mit den Lebensumständen des Fonteius, insbesondere mit den Aemtern vor seiner Propraetur. Bei dem Nachweis, dass sein erstes Amt das eines triumuir monetalis gewesen sein müsse, konnte auf Mommsen's Römisches Staatsrecht 11, 1, 563 N. 1 verwiesen werden, der die nach diesem Amt bekleidete städtische Quaestur in das Jahr 669 oder 670 (85 oder 84 a. Chr.) setzt, übrigens auch hier Mauius, nicht Marcus Fonteius schreibt, üeber das dritte Amt, die legatio in Hispa- nia ulteriore, lautet die Stelle bei Cicero § 6 nach .Niebuhr's Fassung: Hispaniensis legatio consecuta est turbulentissimo rei publicae tempore, cum aduentu L. Sullae in Italiam maximi exercitus ciuium dissiderent de iudiciis ac legibus. Schneider hält in Italiam, das sich im Vatikani- schen Palimpsest nach maximi exercitus findet, weil gänzlich entbehrlich, für eine Glosse. Er hätte sich zu Gunsten seiner Ansicht auf Cluent. § 110 Rostra iam diu uacua locumque illum post aduentum L. Sullae a tribunicia uoce desertum oppresserat, wo der Zusatz in Italiam fehlt, berufen können; aber beide Stellen sind einander nicht gleich; in der ersteren erforderte das stilistische Gesetz der Deutlichkeit, da Hispa- niensis legatio vorhergeht, den Zusatz, während in der anderen eine solche Rücksicht wegfällt. Die Zeit dieser legatio verlegt Schneider nach dem 1. November 82, nachdem der Kampf des Sulla mit den Ma- rianern geendet hatte. Diese hauptsächlich auf eine blosse Vermuthung über den Parteiwechsel des Fonteius gestützte Zeitbestimmung steht im Widerspruch mit dem klaren Wortlaut der oben angeführten Stelle: tur- bulentissimo rei publicae tempore, cum dissiderent, wonach die legatio bereits im Jahre 83 von Fonteius bekleidet wurde. Dass er die Mace- donica legatio im Jahre 78 oder 77 verwaltete und die Aedilität über- sprang, um 75 die Prätur zu bekleiden, ist sehr wahrscheinlich. Im zwei- ten Capitel werden die historischen Verhältnisse der Gallia Narbonensis und die Amtsführung des Proprätor Fonteius während der Jahre 74 72, welche einen Repetundenprocess zur Folge hatte, besprochen. An die

Jahresbericht für Alterthums-Wissenschaft 1877. II. JQ

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Zeitbestimmung des Processes, welcher, wie der Verfasser im folgenden C;ii)itel ausführt, im Jalire (iO stattfand, knüpft sich die Untersuchung über die Person des Anklägers, über Belastungs- und Entlastungszeugen, über den die Untersuchung leitenden Prtätor M. Marcellus und über die nach der lex Cornelia nothwendige actio secuuda, zu der die Kede ge- hört. Die Frage, ob Fouteius freigesprochen wurde, glaubt Schneider gegen Drumaun verneinen zu sollen, »quod post a. 685/69, quo accu- satus est, eius nomen a ueteribus auctoribus omnino non commemoratur« (S. 33), freilich kein sicheres Argument. Das vierte Capitel behandelt die Anordnung der Fragmente, nicht sowohl der drei grossen von Nie- buhr 1820 aus dem Vatikanischen Palimpsest veröifentlichten , als der kleineren von Joseph Klein 1866 in einer Handschrift des Nikolaus von Cues gefundenen, und deren Verhältniss zu den übrigen Fragmenten und dem erhaltenen Theil der Rede. Die vom Verfasser vorgeschlagene Ein- reihung und die Begründung derselben hat vieles für sich und dürfte zur Aufhellung des Gedanlienganges der Rede einen beachteuswerthen Beitrag liefern.

9) Hammer will 1. 1. pro Fouteio § 32 lesen: cum Gallis iudicare malitis und § 36 in der Stelle natiouem AUobrogum et reliquias die letzteren Worte et rel. getilgt wissen als Glossem zu den ersteren.

10) Quaestionum in Cicerouis pro C. Cornelio orationis capita quattuor. Scripsit Ricardus Gustavus Beck Dresdensis. Lipsiae, typis Sturmii et Koppel 1877. 58 S. 8. (Leipziger Doctordissertation).

Die Untersuchung geht naturgemäss von dem Volkstribunat des C. Cornelius (a. 67) aus, dessen Verbissenheit den Optimaten eine gute Gelegenheit zur Anklage wegen verletzter maiestas bot. Von den Ge- setzen, durch die er sich bei der Nobilität verhasst machte, ohne für das Volk etwas zu erreichen, sind uns vier bekannt, welche der Verfasser im ersten Capitel »de C. Corneli tribuuatu« in angemessener "Weise be- spricht. Doch ist die Darlegung der näheren Umstände, welche dem ersterwähnten Gesetz »ne quis legatis exterarum nationum expensam ferret« vorausgingen, nicht völlig klar. Um so lichtvoller ist die Veranlassung zur Anklage dargestellt, worauf im zweiten Capitel »de causa Corueliana« der Processfall selbst beleuchtet wird und zwar nach folgenden Rubriken: A. de accusatore; de priore iudicio disturbato; B. de posteriore iudicio Corneliano a. 65 exercito; C. de criminibus Cornelio ab aduersariis ob- iectis; de ratiouibus defendendl, quibus Cicero usus est. Unter den vier Vertheidigungspunkten , welche der Verfasser zusammenstellt, bestimmt er den zweiten nach Cicero in Vatin 2, 5 also: legis codicem non reci- tandi, sed tantum recognoscendi causa legit. Er giebt dabei eine Er- klärung von recitare, aber nicht von recognoscere. Warum wurde nicht die Bemerkung des Manutius ad 1. 1.: non ut eum populo recitaret, ut, cum audisset, suffragium ferret, sed aniraaduertendi causa, si quid in

Reden. 243

scribendo peccatum esset, zu Grunde gelegt? Im dritten Capitel »de fragmentis orationum pro Cornelio, quae supersunt« werden die Frag- mente der oratio prior wie posterior nach vorausgeschickten allgemeinen Betrachtungen, von denen die über die Zeilenberechnung besonders wich- tig erscheinen, eingehend besprochen. Die Anordnung der Fragmente, welche von der bisherigen vielfach abweicht, ist annehmbar und giebt eine bessere Einsicht in den Gang der Reden als es bisher möglieh war. Den Fi'agmenten sind vom Verfasser theils zur Begründung seiner An- ordnung, theils zur Erklärung und Textfeststellung Bemerkungen bei- gegeben. Fgm. 8 (3) bei Asc S. 56 (ed. K. et Seh.) gestaltet er so: »Legem« inquit »de libertinorum sulfragiis Cornelius C. Manilio dedit«. Quid est hoc dedit? Au iuuit? an ut rogaret, adhortatus est? At iuuisse ridiculum est etc. Das letzte Capitel, das als Anhang zum Ganzen zu betrachten ist, handelt von dem Unterschied der Ver- theidigungsweise in beiden Reden. Die tüchtige Arbeit ist leider durch viele Druckfehler entstellt.

11) Spicilegium emendationum in Mureniana. Von C. M. Fran- cken in der Mnemosyne. N. S. V (1877) S. 295 320.

Nach einem Ueberblick über die textkritischen Leistungen zu die- ser Rede seit den beiden letzten Jahrzehnten beschäftigt sich der Ver- fasser mit der Eintheilung der für die Textgestaltung massgebenden Hand- schriften in Familien, Codices Italic! et Gallici, unter denen er Lagomars. 9 als den Hauptvertreter für jene, den Guelferbytauus für diese ansieht. Beide, von denen letzterer von Wrampelmeyer bekanntlich genau ver- glichen ist (s. meinen ersten Jahresb. S. 686 ff.), werden näher charakte- risirt; vom ersteren heisst es S. 298: apparet igitur codicem librarÜ additamentis fere uacuum esse, scriptum ab homine bardo et stupide nee satis diligente. Sed consulto quae immutauit, non ita multa sunt; ut speciose fingeret, non habuit hie librarius satis peritiae et calliditatis und S. 305: testem esse non contemnendum, sed cum cautione adhiben- dum, was freilich keine neue Wahrheit ist. Die S. 311 320 folgende Besprechung einzelner Stellen halten wir für einen interessanten Beitrag zur Textkritik der so kläglich überlieferten Rede.

12) M. T. Ciceronis oratio pro L. Mureua. With english intro- duction and uotes by W. E. Heitland, fellow and classical lecturer of St. John's College, Cambridge. Second edition, revised throughout. Cambridge: At the University Press.

Die Einrichtung der Ausgabe ist die in England übliche. Der Einleitung, an welche sich eine Inhaltsangabe der Rede anschliesst, folgt der Text mit Anmerkungen und ein Verzeichniss der Textabweichuugen von der Halm'schen Ausgabe und diesem ein Anhang und Index. Das Ganze macht den Eindruck einer gediegenen Arbeit, welche mit Recht

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in England Beifall fand, da schon nach zwei Jahren eine neue Auflage nötliig wurde. Was mui die Textgestaltung betrifft, so wird bei der misslichen handschriftlichen Grundlage, auf welcher der überlieferte Text beruht, den subjectiven Vermuthungcn und Versuchen einen lesbaren Text herzustellen ein gewisser Spielraum eingeräumt werden müssen; aber mir scheint, dass sich Herr Heitland an verschiedenen Stellen zu sehr von A. W. Zumpt's Ansichten hat bestimmen lassen, deren Unhalt- barkeit bestimmt nachgewiesen werden kann. So schreibt er § 8 mit Zumpt : quae si causa non esset hominis, tamen honoris eius, quem adep- tus est, amplitudo, während die Handschriften bieten: quae si causa non esset, tamen uel dignitas hominis uel honoris eius amplitudo. Das gewaltsame Verfahren Zumpt's ist ganz unnöthig, da sich quae si causa non esset gut erklären lässt: »wenn auch dieses Verhältniss der Freund- schaft mit Murena nicht bestände«, und auf die beiden Begriffe: »per- sönliche Würde (dignitas hominis) und hohe Stellung« die folgenden Worte »hominis et suis et populi Romani oruamentis amplissimi« sich offenbar zurückbeziehen. Ueber uel uel, was Zumpt hier merk- würdiger Weise Noth machte, vgl. Kühner zu Tusc. 3, 19, 44. In dem folgenden locus desperatissimus nimmt er Zumpt's Lesung: »nam cum praemia mihi tanta pro hac industria sint data, quanta antea nemini, sie existimo, quibus ceperis, ea, cum adeptus sis deponere esse hominis et astuti et ingrati« in Ermangelung einer besseren (because I find no better) in den Text auf; aber sie ist unter allen die unglück- lichste ; denn nachdem Cicero gesagt : »Ich kann und darf mich nicht mehr dem Dienste der Hilfeleistung bedrängter Angeklagter entziehen. Denn da mir für diese Thätigkeit eine so hohe Belohnung zu Theil ge- worden« —, so kann er nicht fortfahren »so wäre es undankbar diese Belohnungen aufzugeben, nachdem man sie erlangt hat«, sondern nur: »diese Arbeiten, welche uns die Belohnungen eingebracht haben«. Besser wäre es also gewesen hier Halm zu folgen, welcher schreibt: nemini, quibus laboribus ea petieris (expetieris Hirschfelder), eos, cum adeptus sis, deponere esset hominis etc. Wenn in der handschriftlichen Ueberlieferung : nemini sie et si ceperis eos cum der Ausfall mehrerer Wörter angenommen werden darf, so konnte vielleicht ursprünglich ge- schrieben sein: nemini, si ea (sc. praemia) adipiscendi causa lab 0 res sus ceperis, eos, cum adeptus sis, deponere etc. § 22 waren die Worte quam iuris ciuilis nicht nach Zumpt für ein Glossem zu hal- ten und einzuklammern; sie können, nachdem Cicero eine studiorum atque artium contentio eben angekündigt hat, aus stilistischen Gründen nicht entbehrt werden, höchstens iuris. § 30 wird Zumpt's Conjektur simulatque aliquis motu nouo bellicum canere coepit, adoptirt. An welche Persönlichkeit hätte man denn zu denken, welche das Signal zum Losschlagen giebt? Der Gedanke kann hier nur ganz allgemein gehal- ten sein; die den Handschriften am nächsten kommende Lesung : »simu-

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latque aliqui motiis nouns bellicum canere coepit« lässt sich durch ähn- liche poetischen Reminiscenzen entstammende Kühnheiten Cicero's recht- fertigen. — § 32 glaubt der Herausgeber mit Zumpt nunquam cum Scipione esset profectus aufrecht halten zu können; aber man halte Zumpt's mit Möglichkeiten operirende Vertheidigimg (»nura igitur a pro- babilitate prorsus abhorret«) mit Ernesti's bündigem und schlagendem Beweis, dass cum Scipione ein Glossem ist, zusammen und man wird den neueren Herausgebern beistimmen, welche diese Worte als ein solches behandeln. Im nämlichen Paragraphen liest Zumpt und nach ihm Heit- land: quem L. Sulla maximo et fortissimo exercitu pugnae certe nou rudis Imperator, ut aliud nihil dicam, cum belle inuectum totam in Asiam cum pace dimisit. Dass in der Lesart des Lag. 9 pugna certe nicht eine treue Copie des exemplar Poggianum, sondern die »Spur der Selbsthülfe eines gelehrten Lesers« zu finden ist, der aus dem pugna exaceraret des Archetypus darauf führen die verschiedenen anderen codd. nicht klug werden konnte, wird von den neueren Herausgebern, auch von Kayser (1862), anerkannt, welche die schöne Emendation von Niebuhr pugnax et acer angenommen haben trotz der Einwendung Zumpt's, dass pugnax von Sulla nicht passend gesagt werde, da es sei: pugnandi ultra quam rectum est cupidus (gegen welche Erklärung Pis. 28, 70 uimis pugnax spricht): ebenso nahmen sie mit Recht die andere Emen- dation Niebuhr's cum bellum inuexisset (die meisten codd., auch Lag. 9, haben cum bellum inuectum) an, gegen welche sich Zumpt's Schreibung und Erklärung: »ait (Cicero) eum (Mithridatem) , dum bellum Romauis infert, comitante quasi hello, quod in Romanos gerebatur, in totam Asiam inuasisse« sonderbar ausnimmt. Diese Beispiele mögen genügen, um das oben ausgesprochene Urtheil zu rechtfertigen. § 62 sucht Heitland die Lesart der Handschriften in der Weise herzustellen, dass er schreibt: dixisti: »quippe, iam fixum et statutum est«. Hierzu im Appendix S. 118 die Erklärung: »you have said«: »to be sui' I have; heuceforth« »tis fastened and established for ever«.

13) Zu der Rede pro Murena veröffentlichte in Fleckeisen's Jahrb. 113, 506 Julius Völkel in Moskau eine Reihe von Coujekturen es sind über 30 , aber zunächst nur in Form von Thesen. »Meine Gründe werden später erfolgen, falls sie gewünscht werden sollten«. Warum sollte man nicht eine Begründung der Coujekturen wünschen? Ham- mer entscheidet sich 1. 1. § 42 für plena tabe Ilarum atque indicum.

14) In der Rede pro Sulla wird von Otto Müller im Hermes XII 301 die grammatisch falsche Conjektur Richter's zu § 68 etiamsi quis dubitasset an (Madvig) cogitasset interfecto patre tuo consulem descendere verbessert in consul. § 74 wird vorgeschlagen: quae tarnen ei solid a (sola handschriftliche Ueberlieferung) in malis restiterunt. »Freilich würde eine andere Wortstellung, nämlich quae tarnen in malis

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ei solida rcstiterunt dem lateinischen Sprachgebrauch noch mehr ent- sprechen«. — § 92 uos reiectionc interposita nihil suspicantibus nohis repentini in nos iudices consedistis bespricht Hans Wir z in Fleck- eisen's Jahrb. 113, 261 ausführlich und zeigt, dass unter der reiectio die vom Kläger selbst ausgegangene gemeint sein muss.

15) Marci Tullii Ciceronis pro Aule Licinio Archia poeta oratio ad iudices. Til Skolebrug udgivet af Valentin Voss, Rector ved Aaalesunds offentlige Almenskole. Christiauia. Forlagt af Alb. Cam- raermeyer 1876. X. 29 S. 8.

In netter Ausstattung enthält vorstehende Ausgabe eine »Indled- ning« über den Dichter Archias und den Process desselben und den Text mit Anmerkungen. Der Text ist, wie der Herausgeber im Vorwort selbst bemerkt, »det Vaesentlige uulgata« und schliesst sich mehr dem Baiter- scheu in der Orelliana altera als dem Halm's an. Warum § 13 die Les- art der uulgata: atque hoc adeo mihi concedendum est magis, quod festgehalten ist, kann man schwer begreifen. § 16 findet sich im Text, wie in der Anmerkung G. Laelius geschrieben. Die Anmerkungen sind, wie schon aus dem Titel ersichtlich ist, für die Schulen Norwegens be- rechnet, setzen aber einen verhältnissmässig niederen Kenntnissstand der Schüler voraus, wenn ihnen z. B. erklärt werden muss, dass § 1 profeeta (huiusce rei ratio aliqua ab optiraarum artium studiis ac disciplina pro- feeta) bedeutet »udgaaet fra«, aetatis (aetatis meae tempus) = uitae, uel (uel in prirais) = endog, hie (A. Licinius) deiktisk zu nehmen ist. Wir wünschen übrigens dem Büchlein mit seinen klar geschriebenen An- merkungen in den nordischen Schulen gute Aufnahme.

16) Zu § 23 der Pseudociceronischen Rede post reditum ad Quir. macht Hammer 1. 1. S. 303 die Conjektur: qui in ulciscendo remissior fuit, ingenio suo aperte utitur. Ebenderselbe schlägt zur Rede.de domo § 136 vor: quam quidem rem quanta seueritate quantaque dili- gentia senatus exhibuerit, ex ipso senatus consulto facile cognoscetis. In der Sestiana emendirt 0. Müller 1. 1. S. 300 § 68 res erat et causa nostra eo iam loci ut erigere oculos et uiuere uideremur für uideretur. Vitelli möchte 1. 1. S. 5 § 110 gelesen wissen: studio litterarum se subito dedidit. Nihil sane attente: libello pro uino etiam saepe oppignerabantur.

17) Cicero's Rede für P. Sestius. Für den Schulgebrauch heraus- gegeben von Hermann Adolf Koch. Zweite Auflage, besorgt von Al- fred Eberhard. Leipzig, Teubner 1877. 92 S. 8.

Der Text dieser Rede ist bekanntlich seit den letzten 25 Jahren häufig Gegenstand kritischer Untersuchungen und Versuche geworden und eine stattliche Reihe von Verbesserungsvorschlägen liegt in Aus- gaben, Abhandlungen und Einzelbemerkungen vor, so dass ein neuer

Reden. 247

Sammelcomraentar, wenn er veranstaltet würde, einen beträchtlichen Um- fang bekommen müsste. Auch Herr Eberhard hat in der Bearbeitung der Koch'schen Ausgabe eine nicht unerhebliche Zahl von Conjektureu zur besseren Textgestaltung beigesteuert, von denen wir folgende aus den ersten fünfzig Paragraphen namhaft machen: § 8 wird in dem Satz in quo conlega sustinendo par prope laus P, Sestii esse debet der Ausdruck conlega eingeklammert; § 12 siluestres callis für Italiae c. geschrieben; § 15 zu Anfang des 7. Capitels vermuthet: ruebat ille an- nus iam in rem publicam, geschrieben ist funestus ille aunus iara impen- debat rei publicae; § 19 sind die Worte ut illo supercilio annus ille tamquam uideretur eingeklammert; § 24 wird gelesen ut multa eins ni- doris (sermonis codd.) indicia redolerent und foedus meo sanguiue clam (ictum codd.) sauciri posse dicebant; § 26 uestem mutandam omnes me- que iam (mit Madvig für etiam) priuato consilio mit Einklammerung der vor priuato c. stehenden Worte omni ratione ; § 27 werden die Worte hac mutatione uestis facta eingeklammert, ebenso § 37 C. Marii zwischen cum exercitu und inuicto; § 46 gelesen ob hasce causas tot tamque ua- rias nie unum undique deposcerent. Dies mag genügen, um auf die er- höhte Brauchbarkeit, welche Koch's Ausgabe gewonnen hat, hinzuweisen.

18) In der Rede pro Plancio schlägt 0. Müller 1. 1. § 29 für facilis est illa occursatio zu lesen vor: futilis est i. o. (Campe hatte für facilis fallax empfohlen).

19) M. Tullii Ciceronis pro T. Annio Milone oratio ad iudices. Texte latin, revu, corrige et annote avec une esquisse historique, ser- vant d'introduction generale et l'introduction de Q. Asconius Pedianus, revue, traduite et annotee par J. Wagener, Professeur de Rhetorique latine ä l'Athenee royal d'Anvers, et A. Wagener, Professeur a l'Uni- versite de Gand. Deuxieme edition. Mons, Hector Manceaux, impri- raeur-editeur 1876. XXXIX. 167 S. 8.

Der ersten Ausgabe (1860) lag die Halm'sche in dritter Bearbei- tung (1857) zu Grunde; jedoch gebot die Rücksichtnahme auf die Be- dürfnisse der belgischen Jugend, die zum Theil andere sind als die der deutscheu, die Anmerkungen Halm's umzuarbeiten und ausserdem Gara- toni, Möbius und Osenbrüggen heranzuziehen. Die dem Texte voran- gehende Einleitung hatte der Sohn, August Wagener, verfasst. Letzterer übernahm die Besorgung der neuen Auflage allein, da sein Vater bereits 1862 gestorben ist, und benutzte hierzu die eingehende Recension Rich- ter s in Fleckeisen's Jahrb. 85 (1862), 625 ff., Richter's Ausgabe (1864) und Osenbrüggen's Commentar in der Bearbeitung von Wirz, sowie Halm's 7. Ausgabe (1874). Dass von Richter's Ausgabe bereits 1873 eine zweite verbesserte Auflage erschien, scheint dem Herausgeber unbekannt ge- blieben zu sein, ebenso die von A. Kiessling und R. Scholl 1875 be- sorgte Ausgabe des Asconius Pedianus, wozu bereits in der ersten Auf-

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läge einige trctfliclie Emcndatioiicu beigesteuert waren. Da wir nicht im Besitz der ersten Auflage sind, so können wir über das Verhältuiss der neuen zu derselben nicht Bericht erstatten. Die Abweichungen vom Text der letzten Halm'schen Ausgabe sind bedeutend. Doch macht die Textgestaltung wie der Commentar den Eindruck einer besonnen erwä- genden Arbeit und es ist zu wünschen, dass der Verfasser noch mit mehreren Bearbeitungen Cicerouischer Reden hervortreten möge.

20) Iginio Gentile, Clodio e Cicerone. Studio di storia Romana. Milano, Ulrico Hoepli 1876. XL 320 S. 8.

Nicht für Gelehrte ist dies Buch bestimmt, sondern es soll, wie der Verfasser sagt, un sussidio agli studi di letteratura latina nelle scuole liceali sein und diesen bescheidenen Zweck hat es in trefflicher Weise erreicht. Mittelpunkt der Darstellung ist Clodius in seiner Thä- tigkeit vom Jahre 61 bis 52, welche ohne ausführliche Darlegung der Stellung Cicero's natürlich nicht hätte geschildert werden können, daher wohl der Titel des Buches Clodio e Cicerone, obwohl Clodius die Hauptperson ist. Der Verfasser hat überall die Quellen in umfassender uud umsichtiger Weise benutzt; auch in der neuen Literatur zeigt er sich bewandert; nur ist zu verwundern, dass er Drumann's Darstellung gar nicht und Moramsen's Römische Geschichte so gut wie nicht heran- zog. Die Charakteristik der Hauptpersonen, namentlich Cicero's, darf man als gelungen bezeichnen; sie würde wohl auch schwerlich anders ausgefallen sein, wenn der Verfasser Drumann gekannt oder Mommsen mehr berücksichtigt hätte. Wenn wir noch hinzufügen dürfen, dass die Gruppirung der Thatsachen eine durchaus lichtvolle ist, so werden wir in Gentile's Buch ein Hilfsmittel zum Studium der Geschichte jener Zei- ten, insbesondere der Reden Cicero's für Sestius und für Milo, erkennen, das der italienischen studirenden Jugend und den Lehrern derselben nicht genug empfohlen werden kann. Auf verschiedene Unrichtig- keiten und Versehen macht C. Peter in der Jen. Lit.-Zeit. 1876 S. 632 aufmerksam.

21) Orationem pro M. Marcello, quam Frid. Aug. Wolfius a M. Tul- lio Cicerone abiudicavit, denuo defendit Francis cus Hahne. Brunsvigae, typis M. Bruhnii 1876 (Jenaer Doctordissertation). 55 S. 8.

Der lusus ingenii, mit welchem einst F. A. Wolf die erste der drei Caesarianae für das Machwerk eines Deklamators erklärte, wird heutzutage Niemanden so verstimmen, wie ehemals den biederen Rektor in Horsten, Oluf Worm (Cic. or. pro Marc, vu&ecag suspicione liberare conatus est 0. W. Hauniae 1803 praef. S. 13: dicere uix possum, quid mihi perlecta Wolfii commentatione fuerit animi. Omnem certe hilari- tatem pectore exturbauit et tiistitiae quasi nebulara aliquamdiu animo offudit) oder bestechen, wie er einen Spalding, Orelli, C. L. Kayser be-

Reden. 249

stocheii hat Doch fehlte es bisher nach den für die Aechtheit der Rede eintretenden Leistungen Worm's, Weiske's, Klotz's, Drumann's, Passow's, Keller's an einer die Aechtheitsfrage wenigstens relativ abschliessenden Untersuchung und so konnte sich Hahne au diese Aufgabe machen, ohne den Vorwurf rem actam agere befürchten zu müssen. Dass er derselben vollkommen Genüge geleistet, wird man freilich bei allem Verdienstlichen, das man seinen die fi-üheren Vertheidiguugen wieder aufnehmenden und ergänzenden Bemerkungen zuerkennen darf, nicht sagen können. So zeigt sich im ersten Theil, der von den Zeugnissen der Grammatiker und von den geschichtlichen Bedingungen der Rede handelt, manche Lücke und Uuvollständigkeit in der Beweisführung. Er kennt keine an- deren Zeugnisse als die bereits von Wolf und Anderen angeführten des Asconius, Nouius Marcellus und Priscianus, ohne der Citate bei Claudius Sacerdos , Lactantius (den schon F. A. Wolf erwähnt), Julius Victor und Messius Arusianus zu gedenken und sie zu besprechen, und hält die unter dem Namen des Asconius vorhandenen Erklärungen zur div. in Cacc, in denen zu § 21 die Worte aus der Marcelliana 4, 12: uercor uideris angeführt werden, unbedenklich für ein Werk des berühmten Commeutators der Pisoniana, Scauriana, Milouiana u. s. w., von dem die neuesten Herausgeber mit Recht sagen: »minime uero suppositis decla- mationibus, quarum ipsis illis temporibus larga pullulabat seges, decipi se passus est« (Asc. Ped. Or. Cic. quiuque enarratio. rec. A. Kiessling et R. Schoell S. XHI). Hat Madvig seine Untersuchung über Asconius und Pseudo-Asconius umsonst geführt? Wenn der Verfasser mit der all- gemeinen Ansicht, dass jene Erklärungen nicht dem Asconius angehören, sondern ein spätes Machwerk sind, im Widerspruch steht, so musste er seine Behauptung doch erst beweisen. Ferner war hier der Ort, die Spuren der Benutzung der Rede von Seiten des Valerius Maximus und des jüngeren Plinius zu behandeln. Will man auch aus den Worten des ersteren VHI, 15, 8 »lam quae in Cn. Pompeium et ampla et noua cou- gesta sunt, hinc adsensione fauoris, illinc fremitu inuidiae litterarum mo- numentis obstrepuntur« nicht den Schluss ziehen, dass ihm, der sonst aus Cicero so vieles entlehnt (cf. Val. Max. rec. Kempf. S. 13; Klotz Ibb. 83, 712; Zschech de Cicerone et Liuio Valerii Maximi fontibus S. 15), bei dem Gebrauch des Wortes obstrepere die Stelle aus unserer Rede § 9 eiusmodi res obstrepi clamore militum uidentur et tubarum sono vorgeschwebt habe, so wird man doch in dem Satz des Plinius (Ep. HI, 3, 6) : Vita hominum altos recessus magnasque latebras habet eine Nachahmung von § 22 cum in animis hominum tantae latebrae sint et tanti recessus und in der Stelle im Paneg. c. 55 Arcus enim et sta- tuas florescit eine Nachbildung des in der Marcelliana § 11 und 12 enthaltenen Gedankens zu erkennen und somit Plinius für den ältesten sicheren Zeugen der Rede zu halten haben. - Die von Plutarch uit. Cic. 39, 5 erzählte Anekdote: Myezai Sk xal Kotvrou jhyapcou ot'xrjv fsu-

250 Cicero.

yovTog, uTc ribv hataapug Tto^Sficujv scg iyzyövsc, xal Kcxepajvog au~w ßor^- d^uüvTog scnsTv zöv Kat'aapa rcpog touq (piXoug »tc xwXusc 8cä ^puvou Kcxe- piovog äxoöaai Myovrog, iTisc rAXat xixpirai Tzovrjpug ävYjp xal TTo^sjuLcog;« hat Wolf bckauntlich als Beweis benutzt, dass Cicero keine förmliche Daukrede bei Gelegenheit der von Cäsar im Senat eingeleiteten Begna- digung des Marcellus gehalten habe, weil zwischen dieser Senatsverhand- lung und dem Process des Ligarius nur wenige Monate verstrichen waren, folglich Cäsar sich nicht so hätte äussern können, wenn er kurz zuvor Cicero hätte reden hören. Hahne bestreitet nach Passow mit Recht die Glaubwürdigkeit der Erzählung, die Plutarch selbst durch ein Xeyezat einführt; aber er hätte noch erwähnen sollen, dass die dem Cäsar in den Mund gelegte Aeusserung schlecht zu dem stimmt, was Cicero über dessen Benehmen bei der Audienz in der Angelegenheit des Ligarius ad Fam. VI 14, 2 berichtet: »non solum ex oratioue Caesaris, quae sane mollis et liberalis fuit, sed etiam ex oculis et uultu, ex multis praeterea siguis hac opiuione discessi, ut mihi tua salus dubia non esset«. Daraus ergiebt sich am deutlichsten das Unhistorische der Anekdote, welche, wie aus den weiteren Worten Plutarch's von der heftigen Er- scliütterung Cäsar's beim Anhören der Vertheidigungsrede Cicero's her- vorgeht, lediglich die Bewunderung der Mit- und Nachwelt erfunden hat (vergl. Richter, Cic. Reden für Marcellus, Ligarius, Deiotarus, Leipzig 1870 S. 31). Im zweiten Capitel geht Hahne auf die Einzelausstellun- gen Wolfs, hauptsächlich die sprachlichen, über, wählt aber nur solche aus, die ihm von den früheren Vertheidigern nicht vollständig widerlegt scheinen. Mit der Auswahl kann man sich im Ganzen einverstanden er- klären, aber nicht immer mit der Art seiner Zusätze und seiner Ver- theidigung. In § 2 illo aeraulo atque imitatore studiorum ac laborum meorum quasi quodam socio a me et comite distracto will er laborum meo- rum von studiorum trennen und zu socio et comite beziehen. Dies verbietet die durch die besten codd. bezeugte Stellung des meorum, welche wegen der unzuverlässig citirenden Grammatiker Nonius und Servius sehr richtig spricht er sich selbst S. 47 über die Citate der Grammatiker aus nicht in studiorum meorum ac laborum geändert werden darf; und warum sollte Marcellus, von dem Cicero Brut. § 249 rühmt: »sese- que cotidianis commentationibus acerrime exercuit«, nicht »der wett- eifernde Nachahmer meiner mühevollen Bestrebungen« genannt werden dürfen ? Zur Vertheidigung des Ausdruckes § 3 iudicio tuo grauissimo et maximo konnte auf Nägelsb. Stil. § 70, 2 verwiesen werden. Flu- men ingenii § 4, was Wolf als unciceronianisch verwirft, ist nicht »FIuss der Gedanken«, »Gedankenschwung«, sondern bezeichnet das reichflies- sende Rednertaleut, etwa das, was Horaz mit einem anderen Bild und in einem anderen Sinn benigna ingenii uena nennt (Carm. 2, 18, 10). Zu der an sich richtigen Bemerkung : »metaphora ei (sc Wolfio) audacior uidetur. Res omnium difficillima est hoc tempore statuere, quo audaciae

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oratori Romano licuerit procedere in nictaphoris adhibendis« hätte Hahne als schlagendes Beispiel anführen können Or. III 36, 145 »repente te quasi quidam aestus ingenii tui procul a terra abripuit atque in al- tum abstraxit« »der Wogenschlag deines Geistes hat dich in die hohe See entführt«, ein Bild, das an Kühnheit jenes flumen ingenii weit übertrifft und gewiss von Wolf beanstandet worden wäre, wenn es sich in der Rede pro Marcello gefunden hätte. § 25 ist das von Hahne gegen Wolf in Schutz genommene credo, sed tum id audirem als eine der Formeln zu betrachten, welche die Widerlegung mit einem Zugcständ- niss beginnen, Yon denen ausführlich Seyffert Schol. L. I § 64, II § 83 handelt. In der Vertheidigung der Schlussworte sie tibi gratias ago, ut maxiraus hoc tuo facto cumulus accesserit schliesst er sich an Richter's Erklärung: kurz gesagt für ut accessisse contitear mit Recht an; statt aber dieselbe mit der allgemeinen Bemerkung: quae structura quamquam paullo insolentior est, tamen non prorsus a Romanorum usu abhorret etc. zu motiviren, konnte auf Madv. ad Cic. Fin. I 5, 14 und Naegelsb. Stil. § 184, 3 hingewiesen werden. Dem Tadel Wolfs sucht Hahne auch durch Verbesserung scheinbarer Verderbnisse auszuweichen. Wenn er aber § 6, um das auch ihm anstössige nisi ita magna esse fatear , amens sim zu beseitigen, folgende Lesung empfiehlt: quae quidem ego etsi tam magna esse fateor, ut ea uix cuiusquam mens aut cogitatio capere possit, sed tamen sunt alia maiora, so hätte ihn vor einer solchen unciceronianischen, nicht einmal dem Declamator Wolfianus geziemenden Fixirung des Nachsatzes mittelst sed tamen nach voraus- gegangenem etsi bereits Wiehert, Lat. Stillehre § 171, warnen sollen; vergl. jetzt auch Hellmuth in Acta Seminarii Erlangensis I S. 160. Die Widerlegung des Wolf'schen Einwaudes: »Cicero dicturus erat, ni fallor: Quae nisi quis fateatui' , amens sit; nimirum displicet oratio ad primam personam retracta« war übrigens leicht zu finden: Cicero spricht von sich mit Bezug auf das vorausgehende soleo saepe ante oculos ponere und im gegensätzlichen Hinweis auf das folgende bellicas laudes solent quidam extenuare; statt aber zu sagen: »Ich muss anerkennen, dass solche Thateu für die Phantasie eines Menschen fast zu gross sind«, ge- braucht er eine an den sermo familiaris anstreifende und mit moriar, ni; ne sim saluus, si zu vergleichende Wendung nisi fatear, amens sim. Die Conjektur § 8 uicto temperare für uictoriae temperare der Dativ ist durch Arusianus Messius hinlänglich bezeugt und uictui ein reiner Schreibfehler würde sich äusserst matt ausnehmen neben ad- uersarium non modo extollere iacentem, sed etiam amplificare etc. simillimum deo iudico. § 9 passt obteri, das Hahne für obstrepi empfiehlt, durchaus nicht zu dem Bilde clamore militum et tubarum sono. ~ § 11 sucht er das Anakoluth durch Annahme einer Lücke in der Weise zu beseitigen, dass er liest: Huius autem rei tu idem es et dux et comes, quae quidem tanta est, ut nulla unquam obliuio eins

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laudcni obscuratura sit; nam ut tropaeis et mouumentis tuis ad- latura liaeni sit aetas etc., wobei das zweite ut iu concessivem Sinne zu nehmen. Aber er bat nicht bedacht, dass dieses ut nicht eine Wirk- lichkeit einräumt, sondern dieselbe, oder die Verwirklichung, dahin ge- stellt sein lässt, der Satz also in einem gewissen Widerspruch stehen würde mit der folgenden Ansicht, dass die Zeit wirklich die Werke der Menschenhand, also auch die tropaea et monumenta zerstört: nihil est euim opere et manu factum, quod non consumat uetustas. Das Ana- koluth hat schon Nägelsbach, gestützt auf das Wesen des sogenannten Coordinatiousgesetzes, richtig erklärt Stil. § 161, 3. § 34 ist die Ein- schiebung eines tanta in den Relativsatz: quae mea erga illum omnibus nota semper tanta fuit, ut sehr überflüssig; quae sc. summa beueuo- lentia; das Wohlwollen, das zu jeder Zeit allen als das höchste bekannt gewesen, so dass etc. Das Latein des Verfassers ist gewandt ; im Ci- tiren ciceronischer Stelleu zeigt sich eine auffallende Inconsequenz S. 22. 22) Philipp. I 10, 24 schlägt 0. Müller 1. 1. S. 302 vor: eas ieges, quas ipse nobis inspectantibus promulgauit recitauit; Philipp. II 17, 42: uini exbalandi, non ingeui alendi causa declamas (cod. Vat.: non ingeniendi causa).

C. Philosophische Schriften.

1) Acad. II § 17 glaubt Adolf du Mesnil in Fleckeisen's Jahrb. 115, 7fiO lesen zu sollen: sed tamen rationem nidlam putabant illu- striorem ipsa euideutia reperiri posse (statt des überlieferten orationem).

2) M. Tullii Ciceronis de finibus bonorum et malorum libri quin- que. D. lo. Nicolaus Maduigius recensuit et enarrauit. Editio tertia emendata. Hauniae, impensis librariae Gyldendalianae (Frede- rici Hegel) 1876. LXX. 869 S. 8.

Während zwischen der ersten und zweiten Ausgabe dreissig Jahre verflossen, war bereits drei Jahre nach dem Erscheinen der letzteren, über deren Verhältniss zur ersten Referent im Erlauger Universitäts- programm 1869 (Obseruationes in Cic. de fin. libr. I) sich verbreitete, eine neue Ausgabe nöthig geworden, doch verzögerte sich die Vollendung des Druckes derselben bis zum Jahre 1876. Die neue Auflage schliesst sich enge, sogar bis auf die Seitenzahl, an die vorhergehende an; doch war damit eine Reihe zahlreicher Aenderungen und Zusätze, die haupt- sächlich die Anmerkungen, weniger den Text betreffen, nicht ausgeschlos- sen. In der Vorrede erhalten wir endlich Auskunft über eine CoUation des Erlanger Codex, welche in den vierziger Jahren (vor 1848) Nägels- bach durch zwei Studirende der Philologie, C. Pfeiffer aus Ansbach (unterdessen im Erlanger Irrenhaus gestorben) und G. Stier aus Basel, anfertigen Hess und an Madvig sandte, ohne dass dieser jemals Ge- brauch von derselben machte, so dass sich Nägelsbach in Privatgesprä-

Philosophische Schriften. 253

eben dem Referenten gegenüber öfter deshalb über den »stolzen Dänen«, wie er ihn nannte, beklagte. Nun schreibt Madvig: In codice Erlangensi mea ipsius grauis obliuionis culpa accusanda est. Cum enim a. 1848 difficillimo turbulentissimoque tempore subito a studiis ad negotia pu- blica tractanda traductus essem in iisque plus triennio hausissem, prorsus oblitus eram iuuenes duos philologos C. Pfeifferum Onoldinum et G. Stie- rium Basileensem perhuraaniter mihi transmisisse eius codicis scriptura- rum annotationem plenissimam et accuratissimam , quam Naegelsbachio suasore ad superiorem collationem (vergl. die Einleitung zur 1. Ausg.) corrigendam et supplendam confecerant. Ecce anno 1872 mihi ueteres Chartas meas uolutanti obtulit sese exemplar horum librorum Monachii 1841 Impressum, in cuius marginibus ea annotatio perscripta erat, una cum litteris Stierii. Die der praefatio folgenden Addenda et Corri- genda der zweiten Auflage sind natürlich in die neue verarbeitet ; dafür ist eine Reihe schätzbarer Nachträge und Verbesserungen hinzugekommen, besonders wegen Cobet's Verbesserungsvorschlägen in der Zeitschrift Mne- mosyne N. S. 1875 S. 94 ff. Wenn übrigens Madvig dort zur Stützung der im ersten Buch § 20 überlieferten Lesart nam si omnes atomi de- clinabunt siue alii declinabunt etc. auf C. F. W. MüUer's Abhand- lung: lieber den Gebrauch der Partikel siue Berlin 1871 S. 9 sich be- ruft, so passt diese Berufung in so fern nicht, als es sich an unserer Stelle um ein Dilemma handelt und bei einem solchen der constante Sprachgebrauch bei Cicero siue siue fordert, daher Referent in sei- nen Obseru. criticae in Cic. de fin. libr. II S. 7 für jenes si siue als nothwendig in den Text zu setzen behauptet hat. Madvig verhält sich zu den Vorschlägen des Referenten, die er in den genannten Obserua- tiones aufgestellt hat, theils zustimmend, theils ablehnend; in den wenig- sten Fällen letzterer Art hat er Referenten zu überzeugen vermocht; z. B. II § 56, wo er auch in der neuen Ausgabe für das verderbte cum causa cum amico oder cum amica empfiehlt. Dass Madvig's klas- sisches Buch heutzutage, wo die subjective Richtung der Textkritik auch in Cicero's Werken sich breit zu machen anfängt, nicht dringend genug zum Studium und zur Aneignung der darin eingehaltenen Methode der Forschung und Kritik empfohlen werden kann, bedarf keines Beweises.

3) Ciceron. De finibus bonorum et malorum. Livres I et II avec introduction et notes par M. Guyau, professeur de Philosophie. Pa- ris, Librairie Ch. Delagrave. 1876. XXXVI. 150 S. 8.

Die Einleitung mit der Ueberschrift: Notice sur Ciceron, ist ganz allgemeiner Natur. Sie behandelt nämlich in sieben Abschnitten Cicero's Philosophie im Allgemeinen, hierauf Leben, Charakter und Tod dessel- ben (nach Plutarch) ; woran sich unter dem Titel : Ciceron raconte pour- quoi il s'est applique ä la philosophie. La philosophie et l'esprit Ro- main eine Paraphrase einiger Capitel aus den Tuskulanen anschliesst.

254 Cicero.

Don Scliluss der Einleitung bilden eine Aufzählung der philosophischen Werke und eine kleine Ycrtheidigungsrede, letztere unter dem Titel: Reponse de Cicöron aux critiques dirigees contre ses ouvrages philoso- p]ii(iues. Defense de son probabilisme. Unter den philosophisclien Schriften, welclie im VI. Abschnitt aufgezählt werden, vermissen wir die de fato und wundern uns unter ihnen die Lobschrift auf Cato und auf dessen Schwester Porcia zu finden; die Chronologie der Schriften bedarf der Berichtigung nach Teuffel's Römischer Literaturgeschichte 3. Auflage § 185. Für den Text und die Anmerkungen dienten dem Verfasser Madvig und Böckel als Hauptführer; wir wünschten, dass er an ver- schiedenen Stellen mehr jenem als diesem gefolgt wäre. So schreibt er, um einige Proben aus dem ersten Buch zu geben, mit Böckel : § 3 siue ad sapientiam perueniri potest, non paranda nobis solum ea, sed fruen- dum etiam sapientia est; § 7 facete is quidem, sicut alias; § 10 non mirari non queo; vor confirmat autem illud § 23 erkennt er keine Lücke an mit der Bemerkung: »nous pensons avec Boeckel que cette lacune n'existe pas. II y a seulement un peu de decousu dans les idees, comme cela arrive souvent chez Ciceron«! § 50 liest er mit demselben contra semper facit fidem cum ui sua atque natura. Zu bemerken ist, dass er im zweiten Buch § 23 den Vers des Lucilius nach Böckel so gegeben hat: quibu' uinum defusum e pleno sit /pocn'Stuv. An anderen Stellen hält er sich an handschriftliche Lesarten, deren Unhaltbarkeit auch Böckel erkannt hat, wie 1, 25 nunquam hoc ita defendit Epicurus neque uero tu aut quisquam eorum etc.; § 70 schreibt er: quod et fieri passe intelligimus et saepe quidem etiam uidemus, wo übrigens quidem handschriftlich nicht bezeugt ist. (Ebenso liest Charles in seiner Ausgabe dieser Bücher, über welche man meinen vorigen Jahresbericht S. 692 ff. nachsehen möge). Die erklärenden Anmerkungen sind fast alle sachlicher Natur. Aufgefallen ist uns, dass in dem den didaktischen Zwecken gemäss bündig angelegten Commentar umfangreiche Stellen vollständig mitgetheilt werden, sei es im Original, sei es in französischer Uebersetzung. 1, 7 wird zu si ad eorum cognitionem diuina illa in- genia transferrem dieselbe falsche Bemerkung gemacht, die ich bei Char- les getadelt habe: si je traduisais mot ä mot. § 16 lesen wir die antiquirte Bemerkung: Ciceron a fait des emprunts ä ce Phedre dans le De Natura Deorum, comme le montrent les manuscrits decouverts r6- cemment ä Herculanum ; § 45 finden wir die Bemerkung zu den Worten Cicero's »quarum (sc. cupiditatura) ea ratio est, ut necessariae nee opera multa uec irapensa expleantur«: »Pas toujours: Epicure oublie ceux qui meurent de faim« zum Mindesten überflüssig. Irgend eine Bedeutung kann man dieser Schulausgabe nicht beimessen.

4) Ein. III § 69 ut uero conseruetur omnis homini erga hominem societas communia esse uoluerunt wird von A. du Mesnil 1. 1. S. 753 ausführlich besprochen; IV § 34 betrachtet er die Worte quo modo autem

Philosophische Schriften. 255

Optimum, si bonum praeterea nullum est als eine in den Text einge- drungene Bemerkung eines Lesers, die wieder entfernt werden müsse; IV § 41 werden die "Worte: atque ipsa institutio hominis a natura discedere eingehend erklärt und § 50 wird der auf die Worte gloriatione dignam esse beatam uitam folgende Satz quod non possit sine honestate contingere, ut iure quisquam glorietur nicht mit Madvig als Causalsatz gefasst, sondern quod als Pronomen relativum = id autem.

5) Zu einzelnen Stellen in den Tusculanen sind folgende Conjek- turen gemacht worden : Whitte bespricht 1. I. S. 88 I § 101 quid duces et principes nomiuem, cum legiones scribat Catosaepe alacres in eum locum profectas, unde redituras se non arbitrareutur? Da cod. Paris. R statt Cato geschrieben habe uocato, so meint er in uo ein verderbtes no- stras lesen zu sollen und conjicirt: scribat nostras Cato. Aber nostras wäre an dieser Stelle ein ganz überflüssiger Zusatz und überdies hat Whitte übersehen, dass in R jenes uo von derselben Hand getilgt ist. III § 55 will er statt sed id haud sciam an plurimum lesen sed id band scio etc. mit der Motivirung: Coniunctiuus potentialis praesentis 1. pers. a Cicerone uix usquam usurpatur in tam uulgari formula«. Wenn aber Lael. § 51 sich findet: atque haud sciam an ne opus sit quidem nihil unquam omnino deesse amicis, warum sollte es nothwendig sein an unserer Stelle zu ändern? V § 78 empfiehlt er für das hand- schriftliche cum est cuius earum uir mortuus zu schreiben cum est quis earum uir mortuus. Viel ansprechender und der Herodot- Stelle V, 5, welche doch wohl die Quelle der Erzählung bei Cicero ist, ent- sprechender ist Geel's Emendation cum est communis earum u. m. - Konrad Niemeyer handelt in Fleckeisen's Jahrb. 113, 641f. ausführ- lich über V § 50. Unter Streichung des von Davisius nach quod si eingeschobenen est betrachtet er quod si beata uita prae se ferenda est als Vordersatz, welchem anakoluthisch als Nachsatz entspreche qui- bus positis intellegis quid sequatur, während nihil est enim etc. als Pa- renthese zu fassen sei. Die folgenden Worte et quidem sind nach sei- ner Vermuthung aus ursprünglichem atque item verderbt. Fr. Z e i s s schützt im Philolog. 35, 114 in der Stelle V § 34: gloria quidem huius sententiae quis est illo uiro dignior? nos tarnen teneamus, ut sit idem beatissimus das tarnen gegen Binsfeld's Versuch dafür etiam zu setzen.

6) M. TuUii Ciceronis de natura deorum libri tres. Erklärt von G. F. Schoemann. Vierte verbesserte Auflage. Berlin, Weidmann 1876. 276 S. 8.

Es ist erfreulich, dass die treffliche Ausgabe des um die Kritik wie Erklärung der religionsphilosophischen Schrift Cicero's so verdienten hochbetagten Nestors der deutschen Philologen nach eilf Jahren in vier- ter Auflage erschien. Nachdem er schon in der vorhergebenden Aus- gabe mit Recht die Bedürfnisse der Schüler wenig mehr berücksichtigte.

2r>ß Cicpro.

da diese Schrift doch nur selten auf Gymnasien gelesen wird, sondern für einen allgemeineren Leserkreis arbeitete, insbesondere für solche, welche in das Studium der philosophischen Schriften Cicero's überhaupt eingeführt zu werden wünschen, ist er diesem Zweck in der nunmehr vorliegenden Bearbeitung, welche Einzelnes berichtigt und ergänzt, noch mehr nachgekommen. Die im Anhang gegebenen kritischen Erläuterun- gen dürfen als höchst willkommene Anhaltspunkte zu erneuten Unter- suchungen und Erläuterungen schwieriger Stellen betrachtet werden.

7) Einzelne Stellen aus den Büchern de natura deorum besprechen A. Mesnil, Referent, Ad. Hofmeister, H. Köstliu. Jener verän- dert 1. 1. S. 759 I § 78 quid ceuses, si ratio esset in beluis, non suo quasque generi pluriraura tributuras fuisse jenes ratio in oratio, wenn nicht überhaupt der ganze Satz mit Madvig zu streichen sei. In II § 17 an uero, si domum magnam pulchramque uideris, non possis adduci ut putes ist er für Streichung des non. Referent erklärt in den Acta Seminar. Philol. Erlang. 1877 S. 366 in II § 45 den auffallenden Ueber- gang von einem Theil zum anderen: res tat ut qualis eorum natura sit consideremus, wofür man sequitur ut, proximum est ut oder Aehnliches als Ucbergangsformel erwartet. Ad. Hofmeister meint im Hermes XII 516, dass III § 84 für (Dionysius) . . in suo lectulo mortuus in Tympa- nidis rogum illatus est zu lesen sei . . mortuus Tyndaride in rogura i. e. H. Köstlin stösst im Philolog. XXXV 717 II § 143 tamquam als Glossem von ut qui aus und liest: cum oculis ad cernendum non egere- nius, ut qui inuoluti quiescerent; »Die Augen sind im Wachen von den Pallisaden, den Wimpern, geschützt und im Schlafe ruhen sie wie Leute, die in ihre Haardecke (acaüpa) gehüllt sind«.

8) Untersuchungen zu Cicero's philosophischen Schriften. Von Ru- dolf Hirzel. I. Theil: De Natura Deorum. Leipzig, Hirzel 1877. 244 S. 8.

Nach einer Vorbemerkung über Cicero's Verhältniss zu seinen Quel- len, in welcher mit Recht vor der Annahme einer »allgemein geltenden Schablone, nach der wir über Cicero's Verhältniss zu seinen Quellen in zwei Worten absprechen könnten« gewarnt wird, untersucht der Verfasser zuerst die Quellen des ersten Buches und zwar 1. die der Darstellung der epikureischen Lehre. Dass für den historischen Theil derselben Cicero die aus den Herkulanischen Rollen bekannte Schrift des Philo- demus mp: suaeßac'ag auszugsweise benutzte, gilt auch ihm als ausgemacht (S. 6-9); für die beiden nicht historischen Abschnitte jener Darstellung nimmt er nicht, wie Teuffei, verschiedene Quellen an, da Cicero, »dem CS bei seinen philosophischen Arbeiten mehr um die Schnelligkeit als um die Gründlichkeit zu thun war, sich nicht die Mühe zu nehmen pflegte, für einzelne Partien seiner Werke mehrere Quellen zu gegenseitiger Con- trole zu benutzen, sondern sich in der Regel au eine einzige hielt«; er

Philosophische Werke. 257

vermuthet, dass Cicero sich auch hier mir an eine Sclivift gehalten habe und zwar an eine von dem Epikureer Zeno herrührende. Letztere An- nahme kann freilich zunächst nur als eine ansprechende Hypothese an- gesehen werden. Mit um so grösserer Wahrscheinlichkeit bezeichnet der Verfasser 2. als Quelle für die Kritik der epikureischen Lehre, die Cicero dem Akademiker Cotta in den Mund legt, eine der Schriften des " Akademikers Klitomachus. Derselben Ansicht ist bereits Schömann; nur hat Hirzel die Verrauthung desselben zu einer sicheren zu machen sich bestrebt. Der Untersuchung über die Quellen des ersten Buches folgt die Besprechung einiger schwieriger Stellen, unter denen die schwierigste und neuerdings öfter besprochene (vgl. den ersten Jahresbericht S. 698) 1, 19, 49 einer allseitigen Beleuchtung sich erfreut. In dem folgenden Abschnitt über die »Differenzen in der epikureischen Schule« richtet sich der Verfasser gegen die herkömmliche Ansicht von der Stabilität der Lehre Epikur's und der Epikureer, indem er nachweist, dass sowohl Epikur selbst seine Ansichten immer mehr von Demokrit's Atomen = wie Erkenntnisslehre cmancipirt und fortgebildet habe, als auch seine Anhänger sich manche Abweichungen von ihrem Meister erlaubt haben. Nicht so gesichert wie die meisten seiner übrigen Resultate erscheinen die Resultate der Forschung über die Quellen des zweiten Buches. Aber jedenfalls wird man auch liier wohltbätig berührt von der Umsicht, mit welcher der Verfasser verfährt, wie man denn überhaupt die Art und Weise, mit der durch das ganze Buch die Untersuchungen geführt werden, in dem gegenwärtigen, an unfruchtbaren und luftigen Hypo- thesen so reichen Zeitalter der Quellenuntersuchungeu nur willkommen heissen kann.

9) Zu Cicero's Büchern »De Diuinatione«. Von Professor Franz Zöchbauer. Wien, Selbstverlag des kaiserl. königl. Staats -Real- gymnasiums in Hernais 1877. 32 S. 8. (Programm des Realgymna- siums in Hernals).

In diesem kritisch -exegetischen Versuch, dessen Verfasser »von keinem anderen Wunsche beseelt ist als dem, es möge hierdurch man- che der besprochenen Steilen neuerdings Aulass zur Untersuchung geben und auf diese Weise der Text der genannten Bücher einer endgiltigen Gestaltung näher gerückt werden«, sind gegen vierzig Stellen behandelt, unter denen fünf demi zweiten, die übrigen dem ersten Buch entnommen sind. In den weitaus meisten Fällen entscheidet sich der Verfasser für eine handschriftlich überlieferte Lesart oder für die Emendation eines Gelehrten, wie des Lambinus, Davies, Baiter, Christ und anderer, wäh- rend eigene Verbesserungsvorschläge, woraus wir übrigens dem Verfasser durchaus keinen Vorwurf machen wollen, nur in ganz geringer Zahl auf- treten. Zu den letzteren gehört der Vorschlag, an der schon oft, aber wenig glücklich behandelten Stelle I 7, 12 Obseruata sunt haec tempore

Jahresbericht für AUerthums-Wisseiischaft 1877. II 17

258 Cicero.

inmcnso et in significatione euentus animaclversa et notata zu lesen: et in significatione et eueutu, was so übersetzt und erklärt wird: »Diese Dinge sind während einer unermesslichcn Zeit sowohl in der Art und Weise der Zeichen als in dem Erfolge beobachtet, genau erfasst worden, haben sich dem Geiste fest eingeprägt«. Abgesehen davon, dass die Ausdrücke animaduertere und notare zu abstract gefasst sind und die Stellung von obseruata zu animaduersa et notata gänzlich ignorirt ist, musste durch Beispiele nachgewiesen werden, dass man sagte aliquid in significatione oder in euentu animaduertitur, notatur; denn das aus Or. I 23, 109 angezogene Beispiel quae obseruata sunt in usu ac tractatione dicendi passt nicht. Da wir bei Cicero de diu. I 33, 72 lesen: quae uero aut coniectura explicantur aut euentis animaduersa et notata sunt, ferner I 10, 16: uentorum et imbrium signa rationem quam habeant, non satis perspicio; uim et euentum agnosco, so werden wir das an un- serer Stelle überlieferte in für ein verschriebenes ui und significatione als ein Glossem zu ui ansehen dürfen und schreiben demnach: Obser- uata sunt haec tempore immenso et ui et euentu animaduersa et no- tata: »dies ist in unermesslicher Zeit beobachtet und der Bedeutung wie dem Erfolg nach wahrgenommen und angemerkt worden (sei es im Geiste, sei es schriftlich)«. - I 28, 59 setzt der Verfasser das von F. A. Wolf zwischen arte und et grauiter eingesetzte te vor den Anfang der Erzäh- lung und gestaltet den Text also: audiui equidem ex te ipso, sed mihi saepius noster Sallustius narrauit, te cum in illa fuga . . . uigilasses, ad lucem denique arte et grauiter dormitare coepisse ; itaque quamquam iter instaret, se tamen silentium fieri iussisse neque esse passum te ex- citari, couform mit § .58: saepe tibi meum narraui, saepe ex te audiui tuum somnium, me cum Asiae prouinciae praeessem, uidisse in quiete etc. I 30, 62 wird vorgeschlagen: Epicurum igitur audiemus potius? Namque Carneades concertationis studio modo ait hoc modo illud. At ille aliquid sentit; sentit autem nihil umquam elegans, nihil decorum. II 15, 36 cum enim tristissima exta sine capite fuerunt, quibus nihil uidetur esse dirius findet er in den Worten quibus dirius eine aus dem Text zu entfernende Erklärung von tristissima. - Die Vertheidigung handschriftlicher Ueberlieferung gegenüber den Conjekturen der Neueren beruht grösstentheils auf sorgfältiger Erwägung und richtigem Urtheil; doch ist der Verfasser hier und da in seiner Vertheidigung zu weit ge- gangen. So will er I 1, 2 Lambin's Conjektur ut certissimis signis (codd. ABH haben ut nicht, V^ hat et) nicht anerkennen und geschrieben wissen: Cilicum autem et Pisidarum gens et bis finituma Pamphylia uo- latibus auium cantibusque certissimis signis declarari res futuras putant, mit der Erklärung: »Flug und Gesaug der Vögel zeigen durch die Art und Weise ihrer Erscheinung, d. h. mit bestimmten Zeichen (Abi. mod.) die Zidvunft an«. Warum giebt der Verfasser die Emendation Lambin's auf und muthet dem Cicero eine pedantische Unbehülflichkeit im Aus-

Philosophische Werke. 259

druck zu? Weil »der Flug der Vögol und ihr Gesang oder ihr Geschrei noch nicht an und für sich schon als Zeichen gelten, solche vielmehr erst durch die bestimmte Art und Weise werden, mit der sie in den einzel- nen Fällen in die Erscheinung treten«. Eine unnöthige Grübelei. Es handelt sich ja an unserer Stelle um ganz allgemeine Angaben von Er- scheinungen, welche bei den verschiedenen Völkern Gegenstände einer ausgebildeten Divinationskunst wurden. Volatus auium cantusque sind unzweifelhaft signa; ob Glück oder Unglück verheissende , hängt aller- dings von der »Art und Weise ab, mit der sie in die Erscheinung tre- ten«; aber darauf kommt es hier nicht an; es genügt die Angabe, dass sie als certissiraa signa angesehen werden (vgl. I 42, 94: Arabes autem et Phryges et Cilices . . cantus auium et uolatus uotauerunt; II 32, 70 non enim sumus ii nos augures, qui auium reliquorumue signorum ob- seruatione futura dicamus). Ebenso empfiehlt sich I 42, 93 die leichte Aenderung des Manutius: Etenim Aegyptii aus handschriftlichem Ut enim viel besser als die Beibehaltung des letzteren mit Annahme eines bei der Aufzählung recht schwerfälligen Anakoluths, wie es dem Cicero hier und I 57, 130 der Verfasser aufbürden möchte. Wenn derselbe 149, HO an der einstimmigen Lesart der Handschriften cumque omnia completa et referta sint aeterno sensu et mente diuina, necesse est cognitione diuinorura animorura animos humanos commoueri festhält und erklärt: da ferner die ganze Welt mit ewigem Sinn und göttlichem Geist erfüllt und durchdrungen ist, so müssen die menschlichen Seelen (da sie ja dann auch von der Gottheit erfüllt und durchdrungen sind) nothwendiger Weise durch das Erkenntnissvermögen göttlicher Seelen angeregt wer- den«, so fragen wir, was hier auf einmal das Erkenntnissvermögen zu thun hat, wo nur von der Verwandtschaft oder dem Zusammenhange des menschlichen Geistes mit dem göttlichen als der Grundhedingung der diuinatio naturalis die Rede sein kann, wie aus dem unmittelbar folgen- den Satz klar erhellt: sed uigilantes animi uitae uecessitatibus seruiunt disiuuguutque se a societate diuina uinclis corporis impediti? (Dass das folgende ad diuinarura rerum Cognitionen! nicht herangezogen werden darf, ist selbstverständlich); vgl. I 30, 64; 51, 115; II 69, 142. Also ist mit den älteren Ausgaben cognatione zu lesen. Zur Be-

gründung der Emendationen älterer und neuerer Kritiker konnten hier und da aus Cicero's Schrift Belege noch beigefügt werden; so spriclit für die Coujektur des Herelius zu I 6, 12 aliquo instinctu afflatuquc n'iHi I 29, 38 uis illa terrae, quae mentem Pythiae diuino afflatu concitabat; für die Lambin's zu I 17, 31 quarta parte quae erat reliqua in regiones distributa nicht nur die Stelle aus Plin. N. H. II § 143, sondern auch aus Cic. diu. II 18, 42 Caelum in sedecim partes diuiserunt Etrusci. Giese's Ausgabe scheint der Verfasser nicht benutzt zu haben; sonst würden wohl manche Emendationen einem älteren Gelehrten zugeschrie- ben worden sein.

17'

260 Cicero.

10) M. Tnllii Ciceronis Cato Maior de sonoctute. Erklärt von Ju- lius Sommerbrodt. Achte Auliage. Berlin, Weidmann'sche Bucli- haudlung 1877. 84 S. 8.

Mau wird Herrn Sommerbrodt, dessen Ausgabe des Cato Maior sich seit 25 Jahren eines uugeschwächten Beifalls erfreut, die Anerken- nung nicht versagen düi'fen, dass er von Auflage zu Auflage emsig be- müht ist alles, was in Bezug auf Kritik und Erklärung dieser Schrift erscheint, zu beachten und das Brauchbare davon zu verwerthen, sowie durch eigenes Studium zur besseren Textgestaltung und richtigeren Aus- legung beizutragen. So schlägt er in der neuen Auflage, in welcher übrigens durchgreifende Veränderungen der siebenten gegenüber vorzu- nehmen der Herausgeber keine Veranlassung fand, c. 6, 16 zu lesen vor: ex quo intellegitur Pyrrhi hello grandem sane fuisse eum, sicut a pa- tribus accepimus (statt des überlieferten sane fuisse; et tamen sie a pa- tribus a.), eine Conjektur, die insofern ansprechend erscheint, als einige Zeilen vorhergeht »et tamen ipsius Api)ii exstat oratio«. Denn ich halte nicht mit G. Wagner, Halm, Baiter und Sommerbrodt dafür, dass hier et tamen aus etiam verschrieben sei, sondern dass es sich aus dem von Madvig zu Fin. 2, 26, 84 angeführten Sprachgebrauch zutreffend er- klären lässt. Mit et tamen fügt Cicero unter Anderm denn nicht überall ist dies der Fall zu einer Bemerkung eine zweite, um anzu- deuten, dass diese jedenfalls Geltung hat, wenn mau auch die erste nicht gelten lassen oder auf sie kein Gewicht legen will. Das in dieser Weise verwendete et tamen möchte unserem »und davon abgesehen« (= auch wenn dem nicht so sein sollte) entsprechen. Vergl. den ersten Jahres- bericht über Cicero S. 698. Die Anwendung auf unseren Fall ergiebt sich leicht. Zu c. 13 § 44 bemerkt Sommerbrodt im Nachtrag, dass statt crebro funali zu lesen ist cereo funali, »eine unzweifelhaft sichere Verbesserung von Th. Mommsen (Rom. Staatsrecht P. 408 Anm. 6 und 409 Anm. 2), bestätigt durch Val. Maxim. HI 6, 4«. Gewiss ist so zu lesen; aber die Verbesserung ist nicht neu und die hierfür angezogene Stelle aus Val. Max. längst bekannt ; vgl. Mayer's Commentar (Kempten 1831) S. 127. Cap. 14 § 49 schliesst sich jetzt der Herausgeber der Leidener Handschrift mori uidebiimus, also der alten Vulgata an, die auch in BIRS vertreten ist. Unter den aus früheren Auflagen auf- genommenen Verbesserungsvorschlägen des Herausgebers halte ich den zu 4, 10 comitate condita uirtutis grauitas (nach Leid, comitate con- dita uirtus grauis) nicht für richtig ; einmal pflegt in derartigen Verbin- dungen bei grauitas kein Genetiv ausser einem persönlichen zu stehen: Mur. § 66 si illius comitatem et facilitatem tuae grauitati seueritatique adsperseris; de Or. 1, 49, 214 cuius uita consecuta mihi uidetur diffi- cillimam societatem grauitatis cum humanitate; Rep. 2, 1, 1 grauitate mixtus lepos, und ausserdem müsste die Verbindung grauitas uirtutis im Gegensatz zu comitas oder synonymen Ausdrückeu aus Cicero nach-

Philosophische Werke. 261

weisbar sein. Mit Recht sagt Baiter, der bei der bekannten Lesart co- niitate condita grauitas bleibt: »mihi uox uirtus in EL ab interpolatore addita uidetur ad niendum grauis sarciendum« (^Cic. Opp. phil. Vol. II pag. XXI "* Lips. 1865). Es verhält sich mit dem Genetiv uirtutis ähn- lich wie mit dem vom Herausgeber § 37 angenommenen patrii moris, wo er von der Schreibung des Leid.^ uigebat in illa domo patri domus disciplina ausgehend liest: domo patrii moris disciplina, während es viel näher liegt und dem Ciceronianischen Sprachgebrauch angemesse- ner ist hier zu lesen patrius mos et disciplina (die Herausgeber mos pa- trius et d.). Gegen die von Brieger empfohlene und von Sommerbrodt aufgenommene Lesart § 45 Sodalitates autem Magnae Matris, sowie ge- gen dessen ebenfalls von ihm gebilligte Athetese § 46 Et refrigeratio

hibernus habe ich mich im vorigen Jahresbericht S. 698 erklärt.

Gleichzeitig erschien in neuer Bearbeitung eine ebenfalls in den Schulen viel gebrauchte, bewährte Ausgabe:

11) M. Tullii Ciceronis Cato Maior de seuectute. Für den Schul- gebrauch erklärt von Gustav Lahm ey er. Vierte Auflage. Leipzig, Teubner 1877. VIIL 73 S. 8.

Auch Lahmeyer's Ausgabe sucht seit den zwanzig Jahren ihres Bestehens zum ersten Male erschien sie 1857 mit dem wissen- schaftlichen Fortschritt, den die Textverbesserung und Erklärung der vielgelesenen Schrift Cicero's macht, in anerkennenswerther Weise glei- chen Schritt zu halten, wie denn der Herausgeber selbst zu jenem Man- ches beigetragen hat; man vergl. z. B. Phil. XXI 290 ff. und XXIII 473 ff.

In den Versen des Ennius 6, 16 nimmt er aus der zweiten Rheinauer Handschrift dementes sese flexere ruina (herkömmliche Lesart ist uiai) auf und in den Versen des Caecilius 8, 26 Sentire ea aetate eumpse esse odiosum alteri nach Fleckeisen. In der viel besprochenen Stelle 11, 37 liest er uigebat in illa domo ins patrium, uetus discii)lina. Von uetus zeigt sich in der handschriftlichen Ueberlieferuug keine Spur und die Berufung auf Vell. Paterc 2, 1, 1 uetus disciplina deserta, noua in- ducta beweist nichts für unsere Stelle; ebenso deuten die Verschreibun- geu in den massgebenden Handschriften nicht auf ins, sondern auf mos ; vergl. No. 10. - 17, 61 liest Lahmeyer notum est totum carmen; L hat notum est itio tum Carmen, Q notum extimo Carmen. Nach unserer An- sicht hat Bergk Recht, wenn er sagt: »Eine Verweisung auf das voll- ständige Epigramm wäre ganz tiberflüssig«. So schreibt denn Halm mit Recht blos notum est carmen: jenes itio tum, was zu manchen wunder- lichen Conjekturen Anlass giebt, scheint als eine verderbte Dittographie von notum angesehen werden zu dürfen und aus dem itio tum durch Correktur extimo entstanden zu sein.

12) M. Tullii Ciceronis Laelius de amicitia dialogus. Mit einem Commentar zum Privatgebrauch für reifere Gymuasialschüler und an-

262 Cicero.

goliciule Philologen bearbeitet von Moritz Seyffert. Zweite Auf- lage besorgt von C. F. W. Müller. Leipzig, Verlag von Otto Holtze. 1876. XII. 590 S. 8.

Seyffert's Buch, neben Madvig's Commentar zu Cic. de fiu. einst eines der gebrauchtesten Hilfsmittel zur Einsicht in die Sprache und den Stil Cicero's, bedurfte, da es im Jahre 1844 erschienen war, wenn es sich halten wollte, dringend einer Umarbeitung, sowohl was den Text als den Commentar botritft. Zu einer solchen war wohl Niemand besser befähigt als Herr C. F. W. Müller, der sich seit lauger Zeit als einen feinen Kenner der Sprache Cicero's in den philosophischen Schriften und gründlicheu Forscher auf dem Gebiet des Lateiu bekannt gemacht hatte. Obwohl wir dem Herausgeber gerne zugeben, dass die Schwierigkeiten der Umarbeitung für ihn sehr gross waren und dass sich die Massbestim- muug, wie viel sowohl für die Kürzungen, welche vorzunehmen, als für die Zusätze, welche zu machen wareu, vom Eigeuthum Seyffert's beizu- behalten sei, kaum festsetzen liess, so wird er wegen seines, wie er selbst zugesteht, ungleichen Verfahrens von Einsichtigen schwerlich einen Vor- wurf erhalten, sondern alle Freunde des Seyffert'schen Buches und deren zählt die ältere Generation der Philologen nicht wenige wer- den ihm dankbar sein für das, was er geboten hat. Der Text hat durch die Verwerthung der Mommsen'schen Collation des Codex Didotianus und der Baiter'schen Collation des Monacensis 15514 (saec. X) entschie- den gewonnen. Zu dem ersten vielfach ergänzten Register hat der neue Bearbeiter ein zweites über die im Commentar behandelten Stellen aus anderen Schriften hinzugefügt. Wir hegen die Ueberzeugung, dass das umgearbeitete Buch sich viele neue Freunde erwerben und Anlass zur fruchtbringenden Besprechung einzelner Stellen im Laelius, sowie ver- schiedener Punkte, die sich auf den Ciceronianischen Stil beziehen, geben wird.

13) F. L. Lentz vertheidigt in den Wissenschaftlichen Monats- blättern, Königsberg 1877 S. 13 im Anschluss an das eben besprochene Buch im Laelius § 19 aequitas, liberalitas und erklärt § 22 quoquo te uerteris (amicitia) praesto est: wohin Du Dich gewendet haben wirst (Fut. exact.) nun sollte folgen: »überall wirst Du Freundschaft fin- den«, dafür hat Cicero geschrieben: sie ist da, und schliesst nun die fol- genden Praesentia an: nuUo loco excluditur, nunquam molesta est.

14) Ueber die Grundlagen des Sittlichen nach Cicero und Ambro- sius. Vergleichung ihrer Schriften de officiis. Ein Beitrag zur Be- stimmung des Verhältnisses zwischen heidnisch -philosophischer und christlicher Ethik. Programm der königl. Studien-Anstalt Zweibrücken von Jakob Reeb, Königl. Gymnasialprofessor. Zweibrücken, Druck von A. Kranzbühler 1876. 63 S. 8.

Nach einer Einleitung über den philosophischen Standpunkt Cicero's,

Philosophische Werke. 263

wobei freilich nur Allbekauutes wiederholt ist, sowie über Veranlassung, Charakter und Werth der gleichnamigen Schriften Cicero's und des Am brosius folgt zuerst eine Darlegung des ethischen Priucips des ersteren, woran sich die des Hauptunterschiedes zwischen beiden in der Pflichteu- lehre anreiht, welcher dahin bestimmt wird, dass Ambrosius die Sitteu- vorschriften auf die christliche Religion, Cicero lediglich auf die Men- schennatur gründete, dass ersterer eine religiöse, letzterer eine religions- lose Moral lehrte und seine Pflichtenlehre mit Bewusstsein nicht in Be- zug zur ßeligion brachte, weil seine Erkenntniss der religiösen Haupt- wahrheiten, des Wesens Gottes und der Unsterblichkeit der Menschen- seele nicht so beschaffen war, dass sie der Moral als sicheres Fundament dienen konnte (S. 31). Die Verschiedenheit des heidnischen und christ- lichen Staudpunktes macht sich auch, wie der Verfasser S. 36 ff. aus- führt, bei der Bestimmung des Zieles und des höchsten Gutes des Men- schen trotz der Uebereinstimmung in den Anschauungen über die höch- sten Lebensaufgaben geltend und dasselbe gilt bei der Bestimmung des Tugendbegriöes (S. 50 ff'.). Man folgt gerne der lichtvollen Darstellung und klaren Auseinandersetzung des allgemeinen Verhältnisses zwischen Ambrosius und Cicero, wie es in den Officien zu Tage tritt. Uebrigens nimmt es uns Wunder, dass der Verfasser auf die dasselbe Thema be- handelnden Schriften von Leitmeir (Apologie der christlichen Moral, Mün- chen 1866) und Hasler (Ueber das Verhältniss der heidnischen und christ- lichen Ethik, München 1866) keine Rücksicht genommen hat; vergl. den ersten Jahresbericht über Cicero S. 701.

15) Charles Thurot bespricht in der Revue de Philologie. Nou- velle Serie. Tome Premier. Paris 1877 unter dem Titel Observations sur quelques passages de Ciceron (de ofiiciis) S. 86 - 90 ausführlich die Stelle in den Officien I 35, 126: quoniam decorum illud in omnibus fac- tis, dictis, in corporis denique motu et statu cernitur idque positum est in tribus rebus, formositate, oruatu, ordine ad actionem apto.

16) Adam Eussner behandelt in Fleckeisen's Jahrb. 115, S. 620ff. eine Reihe von Stellen in Cicero's Büchern de legibus. I 1, 2 ist er der Ansicht, dass nach den Worten nisi Athenae tuae sempiternam in arce oleam teuere potuerunt ein Satz ausgefallen sei, dessen Wortlaut sich zwar nicht mehr herstellen lasse, aber der ungefähr so gelautet habe: Mariana arbor non poterit. I 2, 6 liest er: quamquam ex bis alius alio plus habet ueri (statt uirium), tamen quid tarn exile quam isti om- ues; I 6, 19: ab illa summa lege capiamus exordium, quae saeclis om- nibus ante nata est ante quam scripta lex ulla; 8, 25 vermuthet er hinter ad summum perducta natura den Ausfall des Wortes naturae vor est igitur; also naturae est igitur homini cum deo similitudo; 19, 50 sucht er die verstümmelte üeberlieferung so zu bessern: qui ullum iu- dicium uitare nisi uitio ipso uitato honestum putant; 23, 61 ver-

204 Cicci-o.

iiiutliot er, dass Cicero geschrieben: quo recursura aliquando, quo modo obitura. E. Heydeu reich sucht im Rheiu. Mus. 1876 S. 639 III 15, 37 also zu gestalten: audaciani in sacris et in immittendis roligionibus foedis damnet; 15, 33 schreibt er dein de suftragiis. Vi- tolli spricht sich 1. 1. S. 6 über die Worte in I 2, 6, welche handschrift- lich so überliefert sind: post annalis pontiticuni maxinioriini, qnibus nihil potest esse iucundins, dahin aus, dass jedenfalls iucuudius für corrupt zu halten sei, ohne jedoch sich für eine der vielen dafür vorgeschlage- nen Conjekturen ieiimius, iucultius, inconditius, incomptius zu entscheiden.

17) Ueber Cicero's Studium des Plato. Vom Oberlehrer Dr. Fried- rich Gloel. Jahrbuch des Pädagogiums zum Kloster Unser Lieben Frauen in Magdeburg. Vierzigstes Heft 1876. Magdeburg, Hofbuch- druckerei von Carl Friese. 19 S. 4.

Aus der allgemeinen Einleitung über die ßeurtheilung Cicei'o's in unserem Jahrhundert ist von Interesse die Mittheilung aus einer Rede Herbart's über Cicero. Nach des Verfassers Ansicht S. 3 liegt der Werth der philosophischen Schriften Cicero's, auch für die Gegenwart noch, gerade darin, »dass er nur den Compilator und Uebersetzer griechischer Originalwerke gemacht hat und dass, je unbedeutender die Zuthaten Cicero's sind, desto werth voller diese Schriften für uns sind«. Der Dar- stellung des bekannten Bildungsganges, den Cicero genommen, und sei- ner platonischen Studien folgt ein Verzeichniss derjenigen Stellen bei Cicero, »welche entweder durch Nennung der Quelle unzweifelhaft als platonische bezeichnet, oder auch solche, die dem Sinn- und dem Wort- laut nach als platonische erkannt sind, nach einer gewissen Reihenfolge der Bücher Cicero's«. An die Spitze werden die Orationes gestellt, aus denen gegen Heuse nur die eine Stelle, die sich pro Ai'ch. 1, 2 tiudet: omnes artes, quae ad humanitatem pertiuent, habent quoddam commune uinculum etc., als aus der platonischen Schrift Epinomis S. 992 A ent- lehnt bezeichnet wird; dann reihen sich die Schriften de Oratore und Orator an, sowie die philosophischen Schriften, wobei die Schrift de Inuentione den merkwürdigen Platz zwischen de Finibus und Tusc. Quaest. erhält. Warum die Briefsammlungeu ganz übergangen sind, ist nicht ersichtlich; vgl. z. B. ad Att. IV, 16, 3; VII, 13", 5; IX, 13, 4 u. s. w. Für die Hanptquelle im ersten Buch de Nat. Deorum für den Vortrag des Epi- kureers Velleius hält er nach alter Weise die Schrift des Phaedrus mp\ dswv. Die Stelle de Sen. 13, 6: diuine enim Plato escam malorum uo- luptatem appellat nach Plat. Tim. S. 69 D wird jetzt für unächt erklärt ; siehe den ersten Jahresbericht S. 698. Das Resultat fasst der Verfasser S. 14 in die Worte zusammen: »So viel ist nach den angeführten Paral- lelen wohl ausser allem Zweifel, dass Cicero Platon's Schriften sehr werth gesehätzt und in einem gewissen Umfang auch fleissig gelesen hat. Auf Protagoras und Timaeus weisen bestimmte Nachrichten und Spuren hin,

Philosophische Werke. 265

auf Gorgias, wie wir meinen, eine etwas verbüUie, aber nicht wohl an- ders zu verstehende Andeutung. Ausserdem treten nach Zalü und Be- deutung der Stellen hervor Phaedrus, Phaedon, der Staat und die Gesetze, während andere Schriften von der Eclitheit oder Unechtheit sehen wir hier durchaus ab , wie der Sophist, der Staatsmann, Philebus und Parnienides, so gut wie gar nicht in Betracht kommen«. Die Abhand- lung können wir als einen dankenswerthen Beitrag zur Bestimmung des Verhcältnisses Cicero's zu Plato betrachten, aber nicht eine den Gegen- stand erschöpfende nennen, da ausser der UnvoUständigkeit in der An- gabe der Parallelen auch zu wenig darauf Rücksicht genommen ist, wie weit Cicero direkt, wie weit er durch die von ihm benutzten Quellen aus Plato schöpfte.

18) M. T. Ciceronis philosophia moralis. Ad uiam quandara et

rationem reuocabat Dr. Jos. Walter. Prag, Verlag des kaiserl.

köuigl. Deutschen Ober- Gymnasiums der Kleinseite 1877. (Gymnasial- programm). 53 S 8.

Quaerenti mihi, beginnt der Verfasser, multumque deliberauti, qua- nam potissinium ratione possem Ciceronis philosophiam illustrare , inter plurima tractandi geuera, quae menti obseruabantur, optimum uidebatur esse, si meo ut dicunt Marte, meis solius uiribus nixus operi sufficerem. Wir können uns mit diesem Grundsatz nicht einverstanden crklävea. Der Fortschritt in der philologisch-historischen Wissenschaft besteht ja unter anderem auch darin, dass man sich der Literatur über einen Gegenstand so vollständig als möglich bemächtigt und auf der von den Vorgängern gegebenen Grundlage selbständig in einer natürlich quellenmässigen Unter- suchung weiter fortbaut, dieselben theils berichtigend theils ergänzend. Es hätte also der Verfasser nicht nur zu Kühner's bekanntem Buch, das er allein anführt, sondern auch um, von älteren Darstellungen der Philo- sophie Cicero's zu schweigen, zu Ritter, Brandis und vor allem Zeller, ferner zu den verschiedenen in neuerer Zeit erschienenen Untersuchun- gen über die Quellen, aus denen Cicero schöpfte, Stellung nehmen sollen. Sein Verfahren bestimmt er S. 2 also: id agebam, ut in prima parte (^sajfjYjTcxjj primis initiis naturae inuestigatis et quae bis cousequeutia essent adiunctis, stabili ratione ac uia procederem, quoad ad tinem bo- norum ultimum, ad sapientiam peruenissem, totius hominis illani quidem procuratricem et custodem et matrem omnium bonarum artium. Quod propositum ita perticiebam, ut Ciceronem ipsuni suis ipsius uerbis tinem bonorum facerem constituentem; quo posito philosophiae moralis funda- mento in altera parte rMpatvzrtxfj illud contendebam, ut, quae ex eius praeceptis ducerem officia, Cicero ipse describeret. Wir haben in der That in der vorliegenden Abhandlung eine systematische, jedoch nicht vollständig vorgelegte Zusammenstellung des in den verschiedenen phi- losophischen Schriften zerstreut liegenden Materials vor uns; freilich ist

266 Cicero.

es nur ein ucrinicuhitum cnibleiiui, wcun auch mit einer gewissen Wärme für den Gegenstand gefertigt. Wie sehr übrigens der Verfasser auf der Hut sein durfte, um dem Cicero nicht Gedanken beizulegen, die er nur Vertretern anderer philosopliischer Richtungen in den Mund legt, ohne sie selbst zu billigen, beweist S. 45, wo er den Cicero aus Fin. I 13, -13. 46 sagen lässt: Sapientia certissimam se nobis ducem praebet ad uoluptatem - und quid est cur dubitemus dicere et sapientiam propter uoluptatem expetendam et insipientiam jjropter molestias esse fugiendam, Worte, die ja ein Epikureer sagt, der nachher von Cicero widerlegt wird! Sprachliche Verstösse wie At, dixerit quispiam, hätten gemieden werden sollen.

D. Briefe.

1) Unter dem Titel »Angebliche Briefe des Cicero« macht Fr. Rühl in den Wissenschaftlichen Monatsblätteru 1877 S. 53 auf die falsche Auf- schrift in einer Miscellanhandschrift von Trinity College in Oxford No. 18 aus dem 13. oder 14. Jahrhundert aufmerksam, welche lautet Excerpta epistolarum de libro Marcii TuUii Ciceronis, während die ausgezogenen Stelleu den Tuskulanen entnommen sind, und erklärt dieselbe dahin, dass die Stellen nicht als Auszüge aus Briefen, sondern als Phrasen, die in Briefen angebracht werden sollten, zu betrachten sind.

2) Eine neue und beachtenswerthe Ansicht über die Entstehung der Ciceronianischen Briefsammlung bringt Leighton R. Fowlerus in seiner Historia critica M. Tullii Ciceronis epistularum ad familiäres. Leipzig, Engelhardt 1877, 44 S. 8., indem er die Hypothese aufstellt, dass von den Briefen ad fam. zuerst die zwölf ersten Bücher heraus- gegeben wurden, denen dann die übrigen vom 13. bis 16. als Ergänzung folgten. Diese wie andere in der interessanten Schrift enthaltenen Hy- pothesen werden jedenfalls verschiedene Besprechungen hervorrufen, durch welche die verwickelte Frage über die Ciceronianische Briefsammlung ihrer endgiltigen Lösung entgegensehen kann.

3) In Fleckeisen's Jahrb. 113, S. 540 bespricht Teuffei ad Fam. VH 16, 1 die Stelle nunc uero in hibernis iniectus mihi uideris und schlägt für iniectus, wofür Andreas Schott und Wesenberg intectus lesen, iniec- tus vor = verstrickt, bezaubert, durch Liebenswürdigkeit Cäsar's gefesselt.

4) Zu den Briefen an Atticus veröfi'entlicht Friedrich Schmidt in den Blättei'n für das bayrische Gymnasial- und Real-Schulw. XH S. 235 eine ziemliche Anzahl von Conjekturen, welche au einem anderen Ort besprochen werden sollen.

5) Der Briefwechsel zwischen Cicero und Decimus Brutus. Von Bruno Nake, in Jahrb. f. class. Philol. Herausgegeben von A. Fleck- eisen. Achter Supplementband. Leipzig 1875 - 1876. S. 649 700.

Die Abhandlung Nake's, der sich bereits einige Male mit dem

Briefe. 267

Briefwechsel Cicero's literarisch beschäftigt hat (Historia critica M. TuUi Cicerouis epistolarum, Bonn 1861 ; der Briefwechsel zwischen Cicero und Caelius, Fleckeiseu's Jahrb. 89 (1864) S. 60—68; de M. Caeli Rufi epi- stularum libro, Symb. philol. Bonn S. 373 384; de Planci et Ciceronis epistulis, Berlin 1866) zerfällt in drei Theile. Der erste behandelt die Abfassungszeit der einzelnen Briefe des elften Buches der Epistulae, deren im Ganzen dreiundzwanzig sind, die sich auf die Correspondenz zwischen Cicero und D. Brutus beziehen (Epp. 3 26), unter ihnen zwölf im cod. Med. mit keinem Datum versehene. Auf Grund eingehender Untersuchung gelangt er, was die letzteren betrifft, zu folgendem von den Bestimmungen Baiter's und Wesenberg's und Anderer abweichenden Resultat: Brief 4 ist verfasst wahrscheinlich Anfang September 710, Brief 5 etwa zwischen pridie Idus Dec. 710 und XV. Kai. lan. 711, Brief 6 wohl noch XIII. Kai. lan. 711; der siebente etwa XI. Kai. 711, der achte in den letzten Tagen des Januar 711 oder Anfang Februar; der zwölfte zwischen Id. Mai. und XIV. Kai. lun. 711; der dreizehnte bald nach XL Kai. Quinct. 711, der vierzehnte um IV. Kai. lun. 711 (nicht vor VII. Kai. lun.), der fünfzehnte etwa V. Id. Quinct. 711, der sechszehnte und siebzehnte im September oder in der ersten Hälfte des Oktober 710; der zweiundzwanzigste XI. Kai. Mai. 711 oder unmittelbar darauf. Der zweite Theil sucht die Frage zu beantworten, in welcher Reihenfolge jeder von beiden seine eigenen Briefe verfasste und da- zwischen die des anderen erhielt; der letzte prüft die Vollständigkeit des aus der Zeit vom September 710 bis zum Anfang des Juli 711 stam- menden, also ungefähr zehn Monate umfassenden Briefwechsels; das Er- gebniss der Prüfung fasst Nakc in die Worte zusammen (S. 698): »Einer- seits sind nachweislich vier oder fünf Briefe von ihnen geschrieben wor- den, resp. in die Hände des Adressaten gelangt, die wir heute nicht mehr besitzen; vier oder fünf, je nachdem einer von ihnen identisch ist mit ep. XIII b oder nicht; andererseits trägt mit Ausnahme dieser ver- lorenen Briefe der Briefwechsel so deutlich das Gepräge der Vollstän- digkeit, die Unterbrechungen in ihm beruhen auf so natürlichen Grün- den, und die Vollständigkeit lässt sich au so vielen Stellen geradezu beweisen, dass wir annehmen müssen, ausser jenen vier oder fünf Brie- fen sei schwerlich einer geschrieben worden, den wir nicht besässen«. Damit ist zugleich die Frage, welche mit der nacli der Entstehung der im Med. überlieferten Briefsaramlung im engen Zusammenhang steht, nämlich: ob der erhaltene Briefwechsel zwischen Cicero und D. Brutus ein Auszug aus einer reicheren Sammlung von Briefen der beiden Män- ner ist oder die vorliegenden Briefe im Wesentlichen niemals in grösserer Vollständigkeit herausgegeben sind, im letzteren Sinne entschieden. Die von Scharfsinn und Umsicht zeugende Abhandlung dürfte als an- regender Ausgangspunkt für weitere derartige Untersuchungen betrachtet werden.

268 Cicero.

0) De opistulis et a Cassio et ad Cassium post Caesareni occisum datis quaestiones chrouologicae. Scripsit Otto Eduardus Schmitt Reiclionbacliensis. Lipsiae typis G. Kreysingii 1877 (Leipziger Disser- tation). 56 S. 8.

Der eigentlicheu Abhaiidlung geht eine Vünmtersuchuug »de celeri- tate, qua tabellarii in Cassii epistulis pcrfereudis usi esse uidentur« vor- aus, welche interessante, zum Tlieil von bisherigen Annabnien abweichende Resultate über die Schnelligkeit der Briefbeförderung in den letzten Zeiten der Republik enthält. Die Untersuchung über die Datirung der einzelnen Briefe muss als eine durchaus sorgfältige bezeichnet werden. Ob dem Verfasser, der hierbei den Briefwechsel zwischen Cicero und Brutus heranzuziehen Gelegenheit nahm, gelingen wird, wie er im Epilog in Aussicht stellt, die Aechtheit desselben auf historisch-chronologischer Grundlage nachzuweisen oder ob er die Ansicht, dass der Verfasser des- selben, der Zeit des Cicero und Brutus nahestehend, im Besitz eines guten Materials zur Fabrikation der Briefe sich befand, lediglich be- festigen wird, ist abzuwarten. Die vorliegende Arbeit darf jedenfalls als ein werth voller Beitrag zur Chronologie der Ciceronischen Briefsaramlung augesehen werden.

7) De Ciceronis quae feruntur ad Brutum epistulis. Scripsit Fer- dinaudus Becher Pomeranus. Harburg 1876. 22 S. 4. (Jenaer Doctordissertation und zugleich Programm der Realschule erster Ord- nung zu Harburg),

Die Abhandlung enthält in ihrem ersten Theil werthvolle Beiträge zur Entscheidung der vielbesprochenen Aechtheits - Frage. Mit Recht geht der Verfasser von der Sprache und dem Stil des Verfassers der in zwei Büchern enthaltenen Briefsammlung aus und rindet eine Reihe von deutlichen und sicheren Spuren der ünächtheit. Wir heben folgende nach unserer Ansicht besonders überzeugende Fälle heraus: Die Bedeu- tung mancher Ausdrücke ist eine andere als bei dem ächten Cicero und verräth die nachciceronianische Zeit; wenn es I 15, 1 heisst quibus litte- ris tarn accnrate scriptis adsequi possum, subtilius ut explicem, quae gerantur quam tibi is exponet, qui et optime omnia nouit et elegantis- sime expedire et deferre ad te potest, so ist hier expedire im Sinne von entwickeln, darlegen gebraucht, welchen Gebrauch weder Cicero noch Cäsar kennen, wohl aber Sallust, Livius und Andere nach ihnen. Der Verfasser sagt: Sali. lug. 5, [3: priusquam huiuscemodi rei initinm ex- pedio] hac significatioue praeiit; er hätte hinzufügen sollen, dass diese Bedeutung bereits dem Latein des Plautus und Terenz, weiterhin des Lucrez nicht frenul ist, von Sallust also von dorther in die Schriftprosa herübergeholt zu sein scheint. Ferner macht er auf den bei Cicero un- erhörten Gräcismus I 15, 2 quem cum a me dimittens graviter ferrem aufmerksam, womit man aber nicht mit dem Verfasser die Stelle ad

Briefe. 269

Att. IV 5, 1 senseram , noram inductns, relictus, proicctus ab iis ver- gleichen kaun, da zu senseram und norara, wie Boot richtig bemerkt, aus dem Vorhergehenden der Satz quae esset perfidia in istis principi- bus zu ergänzen ist, man müsste denn, was nicht unwahrscheiulicli wäre, annehmen, dass der Verfasser der in Rede stehenden Briefe, der natür-^ lieh die ächten Briefe studirt hatte, in dieser Stelle, welche er nicht richtig construirte, ein Beispiel für seine unklassische Construktiou er- kannte. Dass dem Falsarius manches Ungeschickte, Gekünstelte und Affektirte unterlief, wird an verschiedenen Beispielen nachgewiesen, wie an dem in I 15, 6 vorkommenden Ausdruck animus idem qui semper, in fix US in patriae caritate. Ein weiterer Beweis für den uncicero- nianischen Ursprung der Briefe liegt in der Entlehnung vieler Gedanken aus dem ächten Cicero, die in einer Weise stattfindet, dass die Nach- bildung unverkennbar ist, ferner in der Häufung der loci communes, die sich ohne zwingenden Grund und ganz unpassend eindrängen; mit Recht schliesst daraus Becher: talia cum Icgimus, non uocem Ciceronis, sed umbratilis cuiusdam doctoris cantilenam exaudire nobis uidemur. Inter- essant ist die Beobachtung, dass die Anrede Brüte oder rai Brüte in den zwei Büchern, von denen das zweite einen sehr geringen Umfang hat, drcissig Mal vorkommt, während die aus nahezu vierhundert Briefen bestehende Sammlung an Atticus, der doch dem Cicero noch näher stand als Brutus, nur siebzehn Anreden enthält; man vergleiche S. 15. Da- gegen beruht der auf Nake's Ansicht über die Entstehung der gegen- wärtigen Sammlung gegründete Beweis gegen die Aechtheit auf einem ganz unsicheren Fundament. Uebrigens theilt Becher mit Recht Niebuhr's Ansicht, dass die Briefe an Brutus in einer verhältnissmässig frühen Zeit geschrieben und wahrscheinlich als ein Erzeugniss des ersten Jahr- hunderts unserer Zeitrechnung zu betrachten sind, da sich der Verfasser derselben in der Geschichte jener Zeit, in welche der angebliche Brief- wechsel fällt, gut bewandert zeigt.

Von Seite 16 an theilt Becher eine Anzahl von Verbesserungsvor- schlägen zu dem Text der unächten Briefe mit. Ep. I 2, 3 will er das räthselhafte de Catoniis oder de Antoniis als Glossem beseitigt wissen, während wir hierin nur eine vielleicht nicht mehr richtig zu stellende Verschreibung zu sehen berechtigt sind, und billigt Wesenberg's Ergän- zung magis mihi probatur militum seueritas quam tua dementia (vgl. auch unseren ersten Bericht S. 708); ib. 5 hält er in den Worten salu- taris seueritas uiucit inanem speciem clementiae den Ausdruck seueritas für eine Erklärung des Wortes rigor, das Amraian. XXIX 5, 24 an un- serer Stelle gelesen haben rauss; ib. schreibt er für maximo otio egisse ut insectarer Antonios unter Billigung der Conjektur Lambin's odio also: maximo odio id egisse, ut insectarere Antonios, was jedenfalls des Zu- sammenhanges mit dem Folgenden wegen einer näheren Begründung be- durft hätte. - Wenn er I 4, 3 gegen die Schreibung nunc ageudum

270 Cicero.

est no frustra - gaiiisi simus, wofür er caueudum - ne gaudeamus empticlilt, mit den Worten polemisirt: agendi uerbura sie nude positum eodein sensu atque curare plane ab ea quam Cicero fovit consuc- tudine dicciidi abhorret, so vcrgisst er, dass der Declamator diesen Brief nicht den Cicero, sondern Brutus schreiben lässt, welcher dem Cicero, der geneigt sei Mächtigen eine schrankenlose Gewalt einzuräumen (om- nia daro ac permittere) und der Politik des Gewährenlassens zu huldi- gen scheine (nihil iam necopinautibus aut patieutibus nobis aduersi euenire potest^ in quo non cum omnium culpa, tum praecipue tua futura sit), die Pflicht des Handelns zu Gemüthe führt, damit nicht die Ueber- wältigung des Antonius eine vergebliche Freude gewesen sei u. s. w. I 9, 1 schreibt Wesenberg gewiss richtig teque per litteras consolarer, uisi scirem iis remediis, quibus meum dolorem tu leuasses, te in tuo non egere ac uelim facilius, quam tunc mihi, nunc tibi tute medeare; leuasses mit Becher in lenasti zu ändern ist nnnöthig und in dem im Mediceus nach facilius quam gesetzten in tuo eine Verschreibung für tunc zu se- hen, somit in tuo vor non egere zu streichen ist wegen des Gegensatzes meum dolorem unthunlich; dagegen ist die von ihm zu I 10, 4 mitge- theilte Conjektur Studemund's exercitu libera (exitu 1. codd.) sehr an- sprechend und die zu I 12, 1 empfohlene Streichung des Namens Lepi dus zwischen a senatu esset und ornatus hat Manches für sich, wenn sie auch nicht zwingend erscheint; nothwcndig dagegen erscheint § 3 die Tilgung von et te vor in Italiam; aber schwerlich wird der Decla- mator tecum enim illum in Italiam celeriter esse uenturos haben schrei- ben können, wie Becher annimmt, um jenes Glossem et te zu erklären, da ja Cicero Hauptgegeustand des Gedankens ist: Ciceronera meum pro- pediem, ut spero, uidebo; tecum enim illum -- uenturum confido. Für verfehlt halten wir den Versuch I 18, 3 die Schreibung des Mediceus s i is dependi facile patitur pro quo spoponderis ? statt nisi festzuhalten und in fucile pati den Sinn zu finden: »wenn der sich gleichgültig verhält und Dich im Stiche lässt«! facile pati heisst hier wie in der ange- rufenen Stelle I 16, 4 und anderwärts »es sich (leicht, ohne Schwierig- keiten zu machen) gefallen lassen« und dazu passt nur nisi: »Es ist ein schwierigeres Ding sich für die Gesinnung als für die Zahlungsfähig- keit eines Anderen zu verbürgen. Im letzteren Fall kann man doch selbst zahlen und den Verlust verschmerzen. Aber wie soll mau die dem Staate geleistete Bürgschaft erfüllen, wenn der, für den man gebürgt, die Lei- stung sich nicht gefallen lassen will?« Die folgenden Worte uidetur enim esse indoles (sc. in eo), offenbar eine Nachbildung von Att. X 12, 7 est enim indoles, zu corrigiren in uidetur enim bona adulescens indole erscheint misslich, weil dann auch die andere Stelle corrigirt werden muss. Ansprechend dagegen erscheint Bechers Vermuthung I 15, 3 qul et sapiens unus fnit ex septem nach M^, und I IG, 2 uindici quidem alienac dominationis au (statt non) uicario ecquis supplicat? - Das

Briefe. 271

Latein der Abhandlung hat ein lebhaftes rhetorisches Colorit; aber die Rerainiscenz aus der Ameriua in der Einleitung »offensionis aliquid ha- bere possit, si ego ad illorura (sc. praeclarorum uirorum) opiniones refutandas surrexerim, qui neque ingenio neque auctoritate ullo modo cum tarn grauibus aduersariis sim comparandus^ erinnert an den skla- vischen Ciceronianismus der italienischen Latinisten des 16. Jahrhunderts.

Der Curiosität wegen besprechen wir noch folgende Gelegenheits- schriften:

1) Qua de causa factum sit, ut Cicero a nonnuUis aequalibus suis fpacxög xa\ ay^oXacmxog nominaretur? Vom Oberlehrer Dr. Klee. Programm des Königlichen Gymnasiums zu Ostrowo, Michaelis 1877. Ostrowo, Theodor Hoffmann's Buchdruckerei. 27 S. 4.

Nach einer hochtrabenden Einleitung über die durch die ''Attj er- zeugte Verblendung der Menschen, welche verderbliche Kriege im Ge- folge habe (»Quum enim 'y^-iy, quae dicitur, mundum tristi discidio im- plicasset et passim bella, seditiones ceteraque generis eiusdem multa monstra seuisset, turbae Agameninoneae, quae Priami regis moenia cir- cumdederunt, in perniciosas inciderunt clades, Cecropidae extincti, po- tentissima regna, quae innicti reges Macedonum pepererunt, euersa«) und hervorragende Männer, die es wohl mit ihrem Vaterland meinten, zu einem Opfer des Unverstandes des Pöbels werden lasse, wie den So- krates (»Quamquara iustam uenerationem habet, quicquid excellit, et ira inuidiaque segreganda sunt a praestanti natura, tameu Athenienses odia, discidia, discordias, ortus, interitus, querellas, lamentationes, effusas in omni intemperantia libidines, uincula in medium protulerunt, nee po- tuerunt non Socratem . . . capitis condemnare« !) und andere Männer in Athen wie in Rom, wird mit dem Gedanken, dass es trotzdem an edlen Männern nicht gefehlt habe, die zur Förderung des Wohles ihrer Mit- bürger beizusteuern suchten, der Uebergang gemacht zu Cicero's Ver- diensten um die philosophischen Studien und der Verlästerung derselben bei seinen Landsleuten, die ihn einen Fpa^xog xai (T^uXaaztxhg nannten. Die Disposition der declaraatio, welche S. 3 also angegeben ist: Ac pri- mum quidem exponam, quid uoces Graecae y>rpat.xoq xai a^r^oXaaTixog«. sibi uelint , deinde ea docebo, qnae Cicero studiis suis philosophicis ad mores Romanorum limandos emendandosque contulit, tum mihi demon- strandum erit, cur duri agrestesque Romani ea studia reiecerint atque aspernati sint, denique explanabo, qnid superbi insolentesque illi homines spectaverint, wird im Folgenden durchgeführt. Fragt man, für wen die Abhandlung bestimmt ist, so wird man mit der Antwort in Verlegenheit gerathen. Für die Gelehrten ist sie nicht geschrieben; denn diese finden auch nicht einen Gedanken darin, der nicht anderswo und zwar meistens klarer und besser ausgedrückt wäre - höchstens kann die Zusammen- stellung der Beispiele für die Bedeutung des Wortes Scholasticus Inter-

272 Cicero.

esse erwecken uiui müssen nebenbei Veraltetes in Kauf nelnnen, wie den kindischen Glauben an die Existenz des Numa Ponii^ilius und an die Entstellung des röniischen Staates aus Hirten und Räubern; und den Schülern eine decUunatio mit wunderlichen, ja tollen Sätzen, wie schon aus dem ersten und zweiten der angeführten Sätze erhellt, und mit einem aus Rcminiscenzen aus Cicero und anderen Schriftstellern zusammenge- stoppelten Inhalt in die Hände zu geben halte ich für sehr bedenklich. Wenn man Sätze lesen muss, wie folgende (S. 3): »Quo facilius eae, quas dixi, denominationes explicentur, sie agam, ut rationes afferam, quibus adducti aduersarii eius philosophum Romanum ita compellauerint, affin- gentes uicina uirtutibus uitia, premendoque superioreni, quae pessima ars, quamuis nimiis conatis nonnullorum aequalium, nihil eum obscurauit, ta- rnen incrementis antiquissimae et nobilissimae philosophiae nou nocuerint, aut obfuerint, ut ad illa finitima istis praeclaris, quae auctores pepcre- runt, homines suos cohortaretur« ; (S. 26) : Sed quum Cicero uellet suae statum ciuitatis ceteris ciuitatibus praestare, quod neque ullum Ingenium tantum extitit, ut quisquam aliquando fuisset, quem ars nulla fugeret, nee cuncta ingenia, coli ata in unum, tantum possunt uno tempore pro- desse, ut omnia complectantur sine rerum usu ac uetustate, scriptis suis rempublicam, quae, ubi nata est, et creuerat et adoleuerat, et iam firma et robusta euaserat, immortali et insuperabili munere philosophiae con- donauit, cuius Studium ut in multis excitaret, tamquam inutile ei non contigit, utj qui ipsi csscnt Graeculi uitiis et libidiuibus alienis facti, eum »Graecum« et, quum arduas intellectuque difficiles, quas quidem nid- lius momenti ad uitam humanam iudicareut, praeceptoris persona indutus, tractäret, »scholasticum« nuncuparent wenn man solches verworrene, noch dazu von Druckversehen verunstaltete Zeug liest, so bedauert man die Zeit, die man auf derartige Lektüre verwendet, und begreift nicht, wie von einem Gymnasium eine so formlose Schrift ausgegeben werden konnte.

2) Dr. Th. Uebert, De Cicerone in gj-mnasiis cum utilitate le- gendo. Osterprogramm der Höheren Bürgerschule und des Progyra- nasiums zu Crefeld. Crefeld, Druck von Kramer und Baum 1877. 11 S. 4.

Wer diese Abhandlung zur Hand nimmt, um belehrende Aufschlüsse über die rechte Methode der Lektüre Cicero's in den Schulen zu finden, wird, glaube ich, etwas enttäuscht werden. Nach einer allgemeinen, übrigens verständigen, wenn auch nichts Neues enthaltenden Beurthei- lung Cicero's empfiehlt der Verfasser S. 6 11 den Lehrern, die Schüler auf die Verstösse Cicero's gegen die Logik und Rhetorik einschliess- lich der Stilistik aufmerksam zu macheu, wodurch ihre Denkkraft geweckt und eine treffliche Geistesübung erzielt Averde. So heisst es am Schluse: Huiusmodi errores, qui permulti apud Ciceronem sunt obuii, tantum

Cicero. 273

mihi abesse uidetur ut fraudi sint discipulis, ut egregia inde animorura exercitatio possit repeti. Quocirca sumraum diccudi artilicera, quem per tot saecula amicum habuerunt scholae, et ipsi carum habere pergamus etc. Die Beispiele, an denen der Verfasser seine Ansicht veranschaulicht, sind nicht immer glücklich gewählt ; die Wahl mancher verräth Unkenntniss des Ciceronischen Sprachgebrauchs, der lediglich mit dem Massstab der deutschen oder modernen Ausdrucksweise schulmeisterlich gemessen wird. So bemerkt er z. B. zur bekannten Stelle C. M. § 5: quid est enira aliud Gigantum modo bellare cum diis uisi naturae repugnare? S. 8: Ex- tremo hoc loco mira scriptor uerborum inuersione usus est. Sic ergo dicendum erat: »Quid est enim aliud naturae repugnare nisi Gigan- tum modo bellare cum diis?« Allerdings vom Standpunkt der deutschen Denkweise, die natürlich auch der antiken nicht fremd ist; dass aber auch die von Cicero 1. 1. vertretene eine nicht ungewöhnliche war, be- weisen die Stellen pro Eosc. A. § 54; Verr. I § 128, III § 71. Der Lehrer wird auf Grund solcher Kenntniss auf die Verschiedenheit der antiken und modernen Anschauung hier, wie in unzähligen anderen Fällen die Schüler aufmerksam machen, aber nimmermehr mit Herrn Uebert eine neglegentia dicendi annehmen. Mit der Unkenntniss des Ciceronia- nischen Sprachgebrauches verbindet sich bei dem Verfasser auch das Verkennen des Satzes, dass ein Unterschied zwischen nationaler und allgemeiner Logik ist, dass die Nationen sich ihre eigenen Gesetze schaf- fen, welche mit der Logik zusammenfallen können, aber nicht nothwendig zusammenfallen müssen. Fast komisch lautet die vom Verfasser einem Schüler in den Mund gelegte Zurechtweisung Cicero's wegen Eosc. Am. § 69: Itaque cum multis ex rebus intellegi potest etc. Nachdem er die vorausgehende Stelle über die Bestrafung des Vatermordes von § 66 an mitgetheilt, fährt er fort: Ita Cicero. Cuius loci uim ac dignitatem quis non admiretur? Et tarnen magister ex discipulis quaeret, num omnia ita sint dicta, ut cum logice congruant. Hand diu cunctatus di- scipulus respondebit sententiarum decursum planum et perspicuum esse usque ad uocabula /Jtaque cum multis« e. q. s. Ibi autem uitium la- tere Dicendum ergo Ciceroni fuisse »Itaque maiores nostri in impios singulare supplicium inuenerunt atque cum multis ex rebus« etc. Hat Halm seine Anmerkung zu dieser Stelle, hat Nägelsbach den dritten Ab- satz des § 161 seiner Stilistik vergebens geschrieben? Und ist Herr Dr. Uebert in Crefeld der lateinischen Sprache so wenig mächtig, dass er zu C. M. § 46: non intellego ne in istis quidem ipsis uoluptatibus carere sensu senectutem S. 11 die Bemerkung machen konnte: »Egre- gie lapsum esse Ciceronem, quum 'non intellego, ne - quidem' scri- beret, non est quod negemus«? Sein Latein ist gewandt; aber die Stelle S 6: optimus quisque sine adulescens sine uir siue senex werden seine Schüler hoffentlich auch cum utilitate lesen.

Jahresbericht für Alterthums- Wissenschaft 1877. II. 18

Bericht über Tibull und Properz für die Jahre 1874, 1875 und 1876.

Von

Prof. Richard Richter

in Dresden.

Tibull.

1) Rudolf ßoltzenthal, De re metrica et de genere dicendi Albii Tibulli. (Jahresbericht des Raths- und Friedrichsgymuasiums zu Cüstrin). Cüstrin 1874. 17 S. 4.

Im ersten Theile der Arbeit wird mit den metrischen Regeln und Usancen des lateinischen Distichons die Probe auf Tibull gemacht, aber ohne dass dabei etwas Erspriessliches gewonnen würde. Oder was sollte es nützen, wenn, wie hier geschieht, einige Beispiele von Alliteration und Assonanz, einige für das Homoioteleutou in den Halbversen des Pentameters, einige für nescio als Dactylus (natürlich in der Verbindung mit quis^ quid) angeführt werden, wenn daneben vollends ausdrücklich constatirt und durch Citate belegt wird, dass der Dichter cui einsilbig und bene, male als Pyrrhichius braucht? Etwas mehr Werth haben die Partien, wo für gewisse Licenzen oder für minder triviale Verhältnisse des metrischen Brauches die einschlagenden Stellen vollständig aufgezählt werden, wie z. B. für die Vertheilung der Elisionen auf die einzelnen Füsse im Hexameter und Pentameter, für drei- oder mehrsilbige Penta- meterausgänge, für die selteneren Fälle der Verlängerung kurzer Silben. Aber auch hier kommt es nicht zu neuen Ergebnissen, nicht zu einer reinlich herausgeschälten Darstellung dessen, was nun eigentlich metri- sche Eigenart des Tibull sein soll. Einmal wird L. Müller berichtigt durch den Hinweis auf H, 5, 93, wo sich ein spondeisches Wort vor be- tonter langer Silbe elidirt findet, wag Müller für Tibull in Abrede ge- stellt hat. Bei I, 5, 33 wird nicht (wegen des Hiatus) verderbte Ueber- lieferung angenommen. Auch aus dem zweiten Theile der Abhandlung über den Stil des Tibull haben wir uns nichts Besonderes zu ent- nehmen vermocht. Wozu das mühsame Registriren der verschiedenen

TibuU. 275

Sorten von Perioden in ihrer Vertheilung auf die Disticha, der allbe- kannten rhetorischen Eifectmittel, der nicht minder bekannten dichteri- schen Freiheiten in Wortstellung, Numerus, Tempus, Modus u. s. w.? Es kommt nichts weiter dabei heraus, als dass der Stil des Tibull durch Simplicität und Eleganz sich auszeichnet, was jedermann weiss, der die Gedichte einmal gelesen hat. Dabei hätte übrigens Verfasser nicht mit Dissen IV, 2, 7 als Beispiel kühneren Tempuswechsels anführen sollen; mouit neben agit ist dort ganz in der Ordnung; die Handlung des agere muss nothwendig während der Handlung des Hauptsatzes fortdauern, das uestigia mouere dagegen -- »die Schritte lenken, den Weg nehmen« kann als vorher vollendet aufgefasst werden. Zu I, 6, 53 wird (unter Berufung auf Cicero im Allgemeinen!) attigerit im indefiniten Sinne als möglich vertheidigt, während wir gemeint haben, dass das durch die Correctur attigeris längst abgethan ist. Gegenüber von Umstel- lungsversuchen bezeichnet sich Verfasser ausdrücklich als conservativ; die Unbegreiflichkeiten im überlieferten Gedankengange von I, 4 erklärt er billig und schlecht mit der unreifen Jugend des Dichters; an anderen Stellen sollen Lücken und Corruptelen anzunehmen sein, doch geht er darauf nicht weiter ein. Am Schlüsse endlich setzt er an zu einer Nützliches verheissenden Untersuchung, zu einem Vergleich der Stileigenthümlichkeiten des Lygdamus und des Tibull; aber es bleibt leider beim ersten Ansätze.

2) Maximilian Kr äfft. De artibus, quas Tibullus et Lygdamus in uersibus concinuandis adhibuerunt. Diss. inaug. Halis Saxon. 1874. 32 S. 8.

In eingehender Untersuchung beschäftigt sich die Schrift mit der Frage, nach welchen Grundsätzen in den Elegien der TibuU'schen Ge- dichtsammlung die Bezugsworte im Pentameter und Hexameter gruppirt sind. Es wird gewissenhaft Rechnung gelegt über die bräuchlichen Fälle von Sperrung der dem Sinne nach näher zusammengehörenden Worte, über die Vertheilung derselben auf die Hemistichien, über den Gebrauch, ein Adjectivum oder einen Genitiv dem zugehörigen Namen vorauszu- schicken, über die beliebten Arten der Verschränkung bei Verbindung zweier mit Attributen versehener Substantiva. Für die zahlreichen Ab- weichungen von den aufgestellten Conciunitätsregeln werden Erklärungen und Entschuldigungen gesucht theils in metrischen Gesetzen, wie nament- lich darin, dass im Versanfange ein spondeisches Wort vermieden und der Dactylus besser dem Spondeus vorausgeschickt wird, theils in be- sonderen rhetorischen Rücksichten oder in Verhältnissen des Gedanken- zusammenhanges. Hier geht der Verfasser gelegentlich zu weit im Eifer für die Regel und in dem Streben, womöglich jede Ausnahme auf trif- tige Sondergründe zurückzuführen. Da soll z. B. I, 3, 78 iamium poturi das zweisilbige Wort zur rhythmischen Ausmalung des Durstes zu Anfang

18*

276 Tibull und Proper z.

gesetzt sein, desgleichen soll dieselbe Wortstellung I, 3, 36 tellus in lon- gas zur Veranschaulichuug der langen Märsche, I, 5, 46 uecta est frenato zur Veranschaulichung des gl.änzenden Aufzuges der Nereide beabsichtigt sein. Das sind doch Phantasiegründe. Aus der Wortstellung I, 1, 36 et placidam soleo statt soleo placidam wird gar ein Argument abgeleitet gegen die Umstellungen von Haase, während es dem unbefangenen Betrachter bei der Haase'schen Anordnung genau ebenso berechtigt erscheinen wird wie bei der überlieferten Versfolge, dass placidam als proleptisch zu fassen- der Begriff bevorzugte Stellung hat. Gerade durch diese und ähnliche verunglückte Versuche, die Ausnahmen zu erklären, wird das bestätigt, was der Verfasser wiederholt selber andeutet, dass in diesen Dingen die Willkür nicht ausgeschlossen war, der Dichter sich nicht durch unver- brüchliche Gesetze gebunden fühlte. Mit besonderem Nachdrucke werden im Laufe der Erörterung Tibull und Lygdamus einander ent- gegengestellt und die Verschiedenheiten im Baue ihrer Verse hervorge- hoben. Das thatsächliche Resultat der Vergleichung ist freilich kein be- deutendes; es besteht wesentlich im Folgenden: Lygdamus erlaubt sich häufiger als Tibull den spondeischen Versanfang, stellt nicht so häufig die Bezugsworte parallel und wendet viel seltener die Hephthemimeres im Hexameter an. (Vgl. unten S. 284).

3) Herrn. Fritzsche, Quaestiones Tibullianae. Diss. inaug. Halls Saxon. 1875. 33 S. 8.

Mit der Tendenz der Abhandlung haben wir uns nicht befreunden können. Es wird wieder einmal die symmetrische Anlage der TibuUi- schen Elegien nachgewiesen und der Versuch gemacht, System und Me- thode in die Distichengruppirungen zu bringen. Indem dabei die glei- chen Versuche Prien's, Bubendey's, Groth's und anderer zusammengestellt und kritisirt werden, muss den Unbefangenen schon der Umstand stutzig machen, dass die Vertreter des Symmetrieprincips so selten in der An- wendung desselben übereinstimmen, woraus man ohne Weiteres auf den Mangel zwingender Gründe für die Anwendung überhaupt schliessen kann. Dazu kommt, dass für die anzustellenden Berechnungen erst ft-eies Feld gemacht werden muss durch Streichung zahlreicher Disticha und durch die Annahme von Lücken, wiewohl bei Fritzsche anzuerkennen ist, dass er in dieser Beziehung massvoller vorgeht als manche seiner Vorgänger, Wenn er ferner selber erklärt, dass nur bei sechs Elegien (I, 1, 5, 8; n, 6; IV, 5, 6) die symmetrische Gliederung durchgeführt sei, während sie bei neun anderen nur im Mittelstück und bei den sechs übrigen (I, 2, 6, 7, 9; II, 1, 5) nur an einzelnen Stellen sich angewendet finde: liegt nicht in diesem Zugeständniss ein starkes Argument gegen die An- nahme, dass sich Tibull Irgend welche Regel für den symmetrischen Aufbau seiner Gedichte gemacht habe? Warum hätte er dann nur stellen- weise so bauen sollen? Und endlich, man mag aus der Schlusszusammeu

TibuU. 277

Stellung bei Fritzsche nehmen, welches Gedicht man will, eine Einthei- lung wie die von I, 1 -- (5 + 5) -f (4 + 4) + 5 + (5 + 4 + 5) und besser steht es bei keiner anderen ergiebt doch thatsächlich keine Symmetrie des Ganzen; der rechte Flügel ist bei diesem Bau erheblich grösser als der linke. Es bestätigen diese Eiutheilungen nur, was nie- mand leugnen wird, dass TibuU die Neigung hat, Disticheupaare und Distichendrillinge zu bilden, die sich als solche durch die angewendeten Redeliguren kennzeichnen, und dass er ferner nicht selten eine Anzahl Gedanken zu einem Complex zusammenfasst, der sich scharf aus der Um- gebung heraushebt, zuvt^eilen so scharf, dass die Uebergänge nicht ge- nügend vermittelt erscheinen. Wenn man aber nun die Disticha dieser Complexe zählt und die Zahlen zu einem Schema zusammenstellt, so halten wir das nach dem, was bisher damit gewonnen worden ist, für eine unfruchtbare Spekulation. Bei der Verfolgung seines Zieles nimmt Verfasser vielfach Veranlassung auf kritische Einzelfragen einzugehen, und zwar entscheidet er sich in der Regel für die Radicalkur des Strei- chens. Wir müssen bekennen, dass uns sein Verfahren meistens nicht genügend motivirt erscheint. Es seien folgende Fälle hervorgehoben, wo er selbständig vorgeht oder die Vermuthungen anderer mit neuen Gründen zu stützen sucht. I, 1 wird die Hauptumstellung Haase's an- genommen und ausserdem 35 und 36 gestrichen, Verse, denen an und für sich nicht das geringste Interpolationsmerkmal anhaftet. 39, 40 hat Referent selbst einmal verdächtigt, aber er würde sie nicht mit der Entschiedenheit zu verwerfen wagen, wie es Fritzsche ohne neue Gründe thut. I, 2, 17 und 18 werden als spurii bezeichnet, ohne Grundangabe, weil diese Frage am Schlüsse mit unter die Thesen aufgenommen ist. Wir können uns keinen stichhaltigen Grund denken. I, 3 wird vorge- schlagen 45, 46 vor 43 zu stellen. Es lässt sich nicht leugnen, dass dadurch die Gedankenverbindung ein wenig strenger wird ; aber die alte Verbindung ist für die Aufzählung der Herrlichkeiten des goldenen Zeit- alters vollauf streng genug, um original sein zu können. ~ I, 4 werden unter theilweiser Anerkennung der Ritschl'schen Umstellungen, die ver- bleibenden Schwierigkeiten kurzer Hand durch Annahme zweier Lücken beseitigt. Wenn wir nur dadurch die verzweifelte Frage vom Herzen bekämen! 63, 64 soll ausgetilgt werden, hauptsächlich weil es Mytho- loguraenon ist. Gewiss kein Grund, namentlich nicht in dieser Elegie, die sehr nach der Rhetorenschule schmeckt. Wie dürr und dürftig wäre dann auch die Ausführung für das a77iate poetas, ganz zu geschweigen der numerischen Uebereinstimmimg von 63 66 und 67-70 (2 4- 2'.). I, 9, 39—44 wird wieder gestrichen. Hier wäre dei- Strich eine Wohl- that, wenn er nur die unverständlichen Verse aus der Welt schaffte. Aber welcher Interpolator sollte auf dieses Einschiebsel gekommen sein! Die Verwerfung von H, 3, 68 und 69 ist ein arger Fehlgriff. Sie bringt eine böse Lücke in den Gedankengang, abgesehen davon, dass gerade

278 TibuU und Tropcrz.

diese Verse unseres Eraclitens recht sinuig sind. II, 6, 23 und 24 haben verdächtigen Schein, aber die Auldagegründe reichen nicht aus, nament- lich der von Fritzsche geltend gemachte nicht, dass haec captat nur von der Hoffnung der Vögel und Fische verstanden werden könnte. Selbst- verständlich bezieht es sich auf den beutehoffenden Fischer und Vogel- steller, wie vorher spes sulds credit auf den hoffenden Landmann. End- lich ist noch die These aufgestellt: Tib. I, 6, 16 interpolatum esse iu- dico. Vermuthlich soll der Vers aus den bezüglichen Citaten bei Ovid (Trist. II, 458) fälschlich hier eingetragen sein. Das Wie ist uns ein Räthsel.

4) Tibulli eleg. I, 4 enarravit Dr. Oscar Diskowsky. (Programm des städtischen Gymnasiums zu Kattowitz). Kattowitz 1876. 15 S. 4.

Den Kern der Abhandlung bildet ein neuer Transpositiousvorschlag für die fragliche Elegie oder richtiger eine Veränderung in den Ritschl'- schen Transpositioneu. Diesen letzteren wird unter Ausführung der Be- gründungen Eitschl's und Bekämpfung der von Groth (quaest. Tibullianae, Halle 1872) gegen dieselben erhobenen Einwände beigetreten bis auf zwölf Verse in der Mitte des Gedichtes, die anders geordnet werden sollen. Die Veränderung stellt sich so dar:

Ritschi: 53 56, 71 72, 21 - 26 Diskowsky: 21 26, 71 72, 53 56. Es bleiben also die Schwächen der Ritschl'schen Anordnung im Eingange und Ausgange des Gedichtes: der schlechte Anschluss von 39 ff. an 1 14, wo auch Diskowsky in das Tu puero keinen befriedigenden Uebergang hineiuzuinterpretiren vermag; sodann der zweifelhafte Epilog, dass der echt TibuUische Schluss (73 84) mit seinen rein persönlichen Beziehun- gen und seinem plötzlichen Stimmuugsumschlag (81 ff.) verdrängt wird durch die phrasenhafte Predigt an die Jugend über das Pieridenthema (61 70) mit der hässlichen Perspective auf die Castration im Cybele- dienste. Die Abweichungen von Ritschi aber in der Mitte der Elegie sind keine Verbesserungen. Der natürliche Zusammenhang von 52 und 53, den Ritschi wahrt, wird von Diskowsky in unerträglicher Weise zer- rissen durch die Einschaltung der Schwurpartie (21 - 26 Nee iurare time -) und des allgemeinen Gedankens 71, 72 {BlandiiUs uult esse locum Venus ). Man begreift dann nicht, wie der Dichter ton den gymnastischen Kün- sten und sonstigem Sport (39 52) auf das Schwören (21) überspringen kann; man begreift nicht, wie er nach dem Excurs über das Schwören die Auslassung über blanditiae , querelae und fletus in einer Fassung an- schliessen kann (71, 72), als wären das Synonyma für Liebesmeineide; man begreift endlich nicht, wie er an diese so allgemein gehaltene Aus- lassung die specielle Verheissung Tum tibi mitis erit anknüpfen kann. Nein, die Disposition von Ritschi ist gerade in diesen zwölf Versen eine so glückliche, dass man sie ohne weiteres als Herstellung des Originals

Tibull. 279

annehmen müsste, wenn das Uebrige damit harmonirte ; durch seine Ein- schaltung von Vi, 72 zwischen 56 und 21 wird dem unglückseligen heimat- losen Distichon eine erträgliche Unterkunft und der folgenden Schwur- partie eine genügende Stütze geschafft; andererseits freilich verliert die Priapusrede den Abschluss, den dieses Distichon viel angemessener bil- det als die gelehrt gefärbte Specialität von Dictynna und Minerva. Wir meinen, dass die letzten 14 Verse der Ueberlieferung das ursprüngliche Schlussstück richtig bieten, ebenso wie die ersten 14 Verse unzweifelhaft das ursprüngliche Anfangsstück, dass aber das Problem, welches durch die Verwirrung in dem verbleibenden grossen Mittelstücke geboten wird, durch Umstellungen schlechterdings nicht gelöst werden kann. Auch der allerneueste Heilversuch dieser Art, der von Baehrens, renkt, wie sich weiter unten ergeben wird, das Gedicht nicht ein. Was Diskowsky zu der kritischen Erörterung noch hinzugefügt hat Bemerkungen über den ästhetischen und moralischen Werth des Gedichtes, so wie über die Zeit seiner Abfassung und kurze erklärende Noten zu den einzelnen Ver- sen — das giebt uns keinen Anlass zu einer Mittheilung.

5) Dr. W. Wisser, Ueber Tibull II, 5. (Jahresbericht des Gym- nasiums zu Eutin). Eutin 1874. 30 S. 8.

Aus richtigen Prämissen zieht der Verfasser einen falschen Schluss. Ausgehend von den Unklarheiten und Verworrenheiten im Gedankengange des Gedichtes, die er im Anschlüsse an Gruppe ausführlich darlegt, kommt er zu dem Resultate, dass die Elegie unecht, das Machwerk eines höchst mittelmässigen Dichters sei. Dem gegenüber wird sich schwer- lich noch jemand zum Vertheidiger des ganzen Gedichtes in seiner über- lieferten Gestalt aufwerfen. Die Unfertigkeit der Composition in den Stücken 21—38 und 67—80, die ungeschlachten Parenthesen in beiden, die ungeschickte Einführung der ersten Parenthese durch 21 und 22, die lächerliche Zusammenstellung von Käse und Prophezeiung (38 und 39), das unbestimmte Verhältniss der zweiten Prophetie (66 ff.) zur ersten (39 ff.), der unklare Ausdruck in dem Uebergangsdistichon 79, 80 das alles sind sehr unverdauliche Dinge. Aber Wisser begnügt sich nicht damit, die vielfach schon ausdrücklich anerkannte Mangelhaftigkeit die- ser Stellen in den stärksten Farben zu schildern, er geht auch dem übrigen Gedichte zu Leibe, aber mit Angriffen, die uns grösstentheils unberechtigt erscheinen. Namentlich gilt dies für den letzten Theil (81 bis 122). Es soll ein arger Fehler sein, dass die in Aussicht gestellten Segnungen von der Bedingung abhängig gemacht werden : laurus ubi bona Signa dedit (83). Wenn nun aber dieses günstige Zeichen nicht eintritt? fragt Wisser. Nun, dann freuen sich eben die Landleute nicht. Aber der Lorbeer wird ihnen schon den Gefallen thun; das liegt schon in der Art dieses Orakels selbst ; die Knisterei werden wohl empfängliche Ohren immer gehört haben. Und dass der Dichter auch in diesem Falle gute

280 Tibull und Properz.

Zuversiebt hegt, giobt er deutlich durch das von der gemeinen gram- matischen Regel abweichende Perfectum dedit zu verstehen. Weiter wird der Dichter getadelt, weil die folgende Schilderung ländlichen Glückes unpassend sei für die Feier der Inauguration eines Quindecimvir ; man erwarte vielmehr von glücklichen Ereignissen, von Siegen nach aussen, von Eintracht unter den Bürgern zu hören. Da will also wieder einmal einer dem Dichter in die Feder dictiren, was er zu schreiben hat. Ist denn dieses idyllische Glück nicht eine klare Illustration dafür, dass es auch in der Politik glücklich steht? Ist nicht Tibull als der laudator uitae rusticae von Profession vorzugsweise berechtigt, die Sache von die- ser Seite zu betrachten? Ist es nicht bei der verhältnissmässig unbedeu- tenden Stellung des Messalinus recht angemessen, dass der Dichter sich nicht verpflichtet fühlt, mit unverdienten Lobhudeleien bei diesem No- vizen zu verweilen, dass er vielmehr seiner Herzensneiguug folgend sich in idyllischen Excursen ergeht? Hat er sich das nicht I, 7 sogar dem Vater gegenüber herausgenommen? Er wird seiner Verpflichtung gegen den Messalinus vollauf gerecht durch die Schlussprophezeiung. Aber auch diese bekritelt Wisser. Er findet das uati parce, pnella, ut Messa- linum celebrem unglaublich abgeschmackt. »Bringe mich nicht um, quäle mich nicht zu Tode natürlich : mit deiner Sprödigkeit oder Untreue damit ich den Triumph des Messalinus noch erlebe«: das ist der Sinn. Was in aller Welt ist daran abgeschmackt? Die übertriebene Befürch- tung, dass die Liebe an's Leben gehen wird? Das fürchtet jeder Ero- tiker. Oder dass der Dichter scheinbar nur für den Triumphgesang das Leben erhalten haben will? Natürlich will er dann auch noch allerhand andere Dinge thun und geniessen, aber seinem jetzigen Zwecke entspricht es, dieses eine Lebenszeichen zu erwähnen. Die Abgeschmacktheit ist hier vielmehr auf Seiten Wisser's. Ebenso schliesslich, wenn er fragt: Wie kommt Tibull dazu, dem Messalinus, dem Quindecimvir, einen Triumph in Aussicht zu stellen? Wie er dazu kommt*? Als Freund des Hauses, der dem Sohne des Hauses die höchsten Ehren wünscht; als Kenner seiner Zeit, der die Erfüllung dieses Wunsches bei den herr- schenden politischen Verhältnissen und bei dem Range seines Freundes für möglich, ja wahrscheinlich ansieht; als Dichter, der kraft seiner Vaterswürde das, was er dem Freunde wünscht, mit noch viel grösserer Bestimmtheit prophezeien dürfte, als er es thatsächlich hier thut. So viel über die Wisser'sche Kritik des letzten Stückes der Elegie. Auch seinem Verdikt über den Eingang (1—10), den er des Tibull völlig un- würdig compouirt findet, vermögen wir nicht beizutreten, wenn wir auch zugeben, dass diese Verse modernem Geschmack nicht zusagen können. Näher darauf einzugehen unterlassen wir hier, weil wir die Stelle weiter unten (Baehrens, TibuUische Blätter) noch besprechen müssen. Wir kom- men zum Schlüsse. Selbst wenn die Wissei^'schen Bemängelungen der Composition alle richtig wären, würde es unbegreiflich sein, wie der be-

Tibull 281

wiisste höchst mitteimcässige Dichter die einzehien Disticha fast alle mei- sterhaft, echt Tibiülisch, ohne alle erkennbare Abweichung von der Eigen- art seines Vorbildes zu gestalten, bei der Verbindung der Disticha aber die allergröbsten Schnitzer nicht zu vermeiden vermocht hätte. Das müsste ein wunderlich organisirter Mensch gewesen sein. Da nun aber thatsächlich die Compositionsfehler nur an einzelnen Stellen vorhanden sind, und für die längsten Partien, wie vornehmlich für 81 122 und 39—66, gegen welches letztere Stück Wisser nur ganz schwache Ein- wendungen machen kann, ferner für 23—38, 11-18 und nach unserer Ueberzeugung auch für 1-10 eine schlechte, eine von entsprechend um- fänglichen Complexen der Deliaelegien wesentlich abweichende Compo- sition von Wisser nicht hat erwiesen werden können, so verliert die Diagnose desselben auf Unechtheit des Gedichtes allen Halt und wir werden zurückgeführt auf die alten Vermuthungen, dass entweder der ursprüngliche Zusammenhang der Gedichtstheile zerrissen und schlechte Flickerei versucht worden ist, oder dass uns hier nur ein Tibullisches Concept vorliegt, in welchem die Verfugung der Theile nicht ausge- führt war.

6) Fr. Hank el. De Panegyrico in Messallam TibuUiano. (Acta societ. philol. Lips. ed. Fr. Ritschelius. Tora. V. S. 45 - 86. 8.).

Verfasser vindicirt den Panegyricus dem Tibull als Jugendarbeit. Uns erscheint das, offen gesagt, als Mohrenwäsche, und wir möchten es bedauern, dass so viel Fleiss und Methode und, um das auch einmal zu erwähnen, weil man selten dazu Gelegenheit hat, so gutes Latein auf den undankbaren Stoff' verwendet worden ist. Es macht auch den Eindruck, als wenn dem Verfasser im Fortgange der Untersuchung im- mer mehr bange geworden wäre um die Haltbarkeit seines Satzes, so dass er schliesslich bei Erörterung der chronologischen Frage nur noch mit einer gewissen Zaghaftigkeit denselben zu behaupten wagt. Hier liegt denn auch die Hauptklippe, an welcher der Rettungsversuch noth- wendig scheitern musste. Es wird als richtig zuzugeben sein, was Hankel nachdrücklich betont, dass in sprachlicher Beziehung sich nicht hervor- stechende Differenzen zwischen dem Panegyristen und Tibull nachweisen lassen, wiewohl die Einzelheiten, die er anfühlt, um positiv eine Ver- wandtschaft in dieser Beziehung zu beweisen, dafür nicht belangreich genug sind. Es ist ferner anzuerkennen, dass auch das Metrische im Panegyricus keinen Grund bietet, um die x\utorschaft des Tibull zu ver- neinen. Aber die ethischen und ästhetischen Absonderlichkeiten oder richtiger Ungeheuerlichkeiten! Natürlich sucht Hankel den Eindruck der- selben möglichst abzuschwächen. Aber es gelingt ihm nicht und kann ihm nicht gelingen, durch Verweisungen auf die sittlichen und gesell- schaftlichen Zustände der Zeit und durch Vergleichung mit anderen Dichtern der Periode das Produkt gegen den Vorwurf zu vertheidigen,

282 Tibull und Properz.

dass CS auch im Rahmen seiner Zeit betrachtet durch eine hochgradige Bettelhaftigkeit der Gesinnung und Geschmacklosigkeit der Stoffbehand- lung sich auszeichnet. So recurrirt denn Hankel selbst immer und immer wieder auf die Jugendlichkeit des Verfassers, durch welche die Nichts- würdigkeiten des Gedichtes erklärt werden sollen. Aber wie steht es denn eigentlich mit dieser Jugendlichkeit, wenn Tibull der Verfasser ist? Angenommen, dass Hankel's chronologische Rechnungen richtig wären, wovon wir uns nicht haben überzeugen können, so würden zwischen dem Panegyricus, der nicht vor Messalla's Cousulat 723 entstanden sein kann, und der ersten Elegie TibuU's (I, 10, gedichtet 726 nach Hankel) drei Jahre liegen. Ein Jahr später soll I, 7 entstanden sein. Jene drei Jahre würden etwa das 24. bis 26. Lebensjahr des Dichters sein. Also in einem kurzen Triennium und noch dazu in dieser verhältnissmässig vorgeschrittenen Lebenszeit hätte der Dichter eine so riesenhafte Ent- wickelung von tiefster Schülerhaftigkeit zu einer der höchsten Meister- schaft ganz nahe stehenden Kunstfertigkeit, von niedrigster zu edelster Gesinnung durchgemacht? Das heisst ein psychologisches Wunder, dem wir den Glauben versagen müssen. Wenn Hankel dazu noch besonders geltend macht, dass die den gleichen Stoff behandelnde Elegie I, 7 auch in der Kunstbehandlung deutlich die Spuren der Panegyricusschwächen zeige und so eine Vermittelung zwischen dem Panegyricus und den Ele- gien der Reife bilde, so müssen wir das entschieden bestreiten. Zwischen IV, 1 und 1, 7 ist eine unübersteigliche Kluft. Für ein unter dem Zwange des Officium gedichtetes und einen so spröden Stoff wie die zwei Expe- ditionen des Messalla behandelndes Lied ist I, 7 verhältnissmässig ebenso gut gelungen wie die zwanglosen und dankbarere Themata behandelnden anderen Gedichte. Was will man eigentlich aufbringen gegen die Elegie? Die geographischen und ethnographischen Reminiscenzen gab der Stoff; der idyllische Excurs in der Mitte ist Tibullische Manier (während die gelehrten Excurse im Panegyricus nach Inhalt und Motivirung der Ti- buUischen Manier widersprechen). So bleibt nur der Maugel, dass das Wegebauverdienst des Messalla wenig künstlerisch in das Ganze ein- gearbeitet ist. Aber auch hier wird man mit dem Dichter sofort wieder versöhnt durch die glückliche Veranschaulichung, die der Sache in V 61 und 62 gegeben ist. Und wie himmelweit verschieden ist der Geist der Huldigung in dem Tibullischen Lobgedicht von der Servilität des Panegyristen. Es würde Niemanden einfallen, das Machwerk des letz- teren lediglich desshalb, weil es sich auf Messalla bezieht, dem Tibull zuzuschreiben, wenn es nicht mitten in der Tibullischen Gedichtsammlung auf uns gekommen wäre. Nun aber enthält diese Sammlung auch sonst notorische PseudotibuUiana. Warum soll man sich unter diesen Umstän- den gerade bei demjenigen Stücke, das in Geist und Form am meisten von der echten Tibullischen Poesie abweicht, ängstlich an die Ueberlie- feruug klammern, anstatt wie bei Buch III und bei IV, 7 12 die Hetero-

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genität durch die Annahme zu erklären, dass Produkte verschiedener Hände zu einer Sammlung vereinigt worden sind, für welche Person und Haus des Messalla den Mittelpunkt bildete? Denn darin stimmen wir Hankel durchaus bei, dass der Panegyricus nicht später zu setzen ist als in das Consulatsjahr des Messalla - 723.

7) Richard Richter, De quarti libri Tibulli elegiis inprimisque de quinta disputatio. (Programm des Königl. Gymnasiums zu Dresden Neustadt). Dresden 1875. 10 S. 4.

Das Schriftchen bekämpft zunächst unter Zustimmung zu Rossbach's Vertheilung der Elegien zwischen Tibull und Sulpicia (2—6 Tib., 7-12 Sulp.) die Gruppe-Teuffel'schen Ansichten über die besonders kunstvolle Composition des Corpus der sechs ersten Elegien und sucht nachzuwei- sen, dass die Behauptung, diese Elegien seien in besonders berechneter Weise an einander gereiht, in genaue Respousion gesetzt zu den Sul- piciagedichten , stellten eine allmähliche Entwickelung und Steigerung dar u. s. av., durch die Elegien selbst sich ebenso wenig rechtfertigen lasse wie die von Gruppe und beziehungsweise von Teuffei ausgesproche- nen Vermuthungen über Charakter und Lebensstellung des Cerinthus. Namentlich wird die Identität des Cerinthus mit dem Cornutus des zwei- ten Buches und die Berechtigung, H, 2 mit den Sulpiciaelegien in Zu- sammenhang zu bringen, bestritten. Es wird sodann aufmerksam ge- macht auf die eigenthümliche Stellung, welche El. 5 (Qui mild te, Ce- rinthe —) im vierten Buche einnehme, insofern sie nach Motiven und Gedanken sich nur als eine Doublette zu El. 6 erweise und in noch ganz anderer Art als die übrigen Gedichte Reminiscenzeu aus der sonstigen TibuUpoesie enthalte, ja fast zusammengesetzt sei aus solchen Reminis- cenzeu, andererseits aber doch auch in stilistischer Beziehung von der Tibullischen Art differire. Dabei ist fälschlicher Weise das Kunstmittel der Wiederaufnahme eines Begriffes aus dem vorhergehenden Verse, das in der That echt Tibullisch ist, in die Aufzählung der Abweichungen von Tibull aufgenommen. An diese Ausführungen knüpft sich die Ver- muthung, dass das fragliche Gedicht seineu besonderen Verfasser habe und ein mit vielem Geschick zu El. 6 unter Benutzung von Elementen der Tibullischen Poesie gestaltetes Gegenbild, eine Spielerei aus dem Messallischen Dichterkreise sei.

8) Lierse, Ueber die Unechtheit des dritten Tibullianischeu Bu- ches nebst einer Untersuchung über die Conjunctionen des Tibull und Lygdamus. (Programm des Königl. Gymnasiums zu Bromberg). Brom- berg 1875. 36 S. 4.

9) S. Klee mann, De libri tertii carminibus, quae Tibulli nomine circumferuntur. Diss. inaug. Argentorati 1876. 68 S. 8.

Die beiden Arbeiten sind unabhängig von einander; Kleemanu hat»

284 Tibull und Properz.

was ilim boi der mir wenige Monate früher in Druck gekommenen Schul- scbrift niemand zum Vorwurf machen wird, die Studie seines letzten Vor- gängers niclit gekannt. Aber er hat sie durch ungleich gründlichere, auf speciellen Beobachtungen und reichhaltigen Sammlungen beruhende Be- handlung der Fi-age weit überholt. Nur in einem Punkte bietet Lierse quantitativ mehr. Derselbe hat sämmtliche Conjunctionen nach ihrer Stellung und sonstigem Gebrauch bei Tibull und Lygdamus einer ver- gleichenden Prüfung unterworfen, während Kleemann diese Prüfung nur auf einige Conjunctionen ausgedehnt hat. Aber es will uns scheinen, als wenn das Mehr bei Lierse nicht wesentlich zur Förderung der Sache beitrüge, zumal da er das Material nicht recht übersichtlich geordnet und die Resultate nicht genügend hervorgehoben hat. Jedenfalls ist, wie gesagt, in allen übrigen Stücken der Lierse'sche Unechtheitsbeweis er- ledigt durch den genauer und vollständiger geführten von Kleemann. Und was die Vermuthung des erstereu über die Persönlichkeit des Lyg- damus und die Zeit der Abfassimg seiner Elegien anlangt, so muss es als eine sehr unglückliche Idee abgewiesen werden, dass er nach schlech- ten Handschriften III, 5, 17 lesen will

Natalem nostri primum tddere parentes (statt Natalem primo nostrum). Der Dichter soll hier das Geburtsjahr seiner (beiden !) Eltern zur Bestimmung seines eigenen Alters haben an- geben wollen, soll demnach ein Menscheualter jünger als Ovid und Nach- ahmer desselben gewesen sein und zwischen 765 und 770 die vorliegen- den sechs Elegien zusammengestellt haben. Die Hypothese widerlegt sich selbst. Den Schwerpunkt des Kleemann'scheu Beweises für die Unechtheit bilden die Capitel IV und V seiner Abhandlung (res metrica und genus dicendi). Ueber die Pentameter- und Hexameterschlüsse ins- besondere sowie über den Gebrauch der Elision macht er Zusammen- stellungen, durch welche die Krafft'sche Arbeit (s. o.) erheblich ergänzt wird. Desgleichen corrigirt er die Hultgren'sche Tabelle für das Spon- deen- und Dactylenverhältniss. Im fünften Capitel werden ausser den Conjunctionen auch andere Wortarten, Lieblingsausdrücke, die Bestand- theile des mythologischen Apparates u. s. w. zur Vergleichung gebracht. Nach der negativen Seite Iiin könnte man wohl nunmehr die Lygdamus- frage für abgeschlossen ansehen : aber sie wird wieder aufgenommen wer- den müssen wegen der Argumentation Kleemaun's, durch die derselbe die Autorschaft Ovid's für die Lygdamuselegien zu erweisen sucht. Er nimmt an, dass cc. 1. 2. 3. 4. 6 Jugendstudien des Ovid aus dessen fünfzehntem oder sechzehntem Lebensjahre seien, die von dem Jüngling dem Tibull zur Kritik übersandt aus den Papieren des letzteren etwa um die Zeit des Todes von Ovid, von Messalinus oder einem Freunde des Messalla mit den übrigen Pseudotibulliana herausgegeben worden wären. Das fünfte Gedicht des Buches aber soll eine ebenfalls von Ovid etwa im Jahre 732 an die in Etrurien auf dem Laude weilenden Freunde

Tibull. 285

Messalla und Tibull abgeschickte Epistel sein. Es stützt sich die An- nahme vorzugsweise auf einen Vergleich der poetischen Phraseologie des Lygdamus und des Ovid, der aber freilich trotz der Menge des Bei- gebrachten keine rechte Beweiskraft hat, weil die Grenze zwischen dem, was bei solchen Phrasen individuell sein muss, und dem, was Gemeingut- sein kann, schwer zu ziehen ist. Wir sind der Uebezeugung, dass durch eine zwischen Ovid und Lygdamus angestellte Vergleichung des höheren Stiles, der poetischen Logik und des poetischen Geschmackes die Nicht- identität sich wird erhärten lassen. Gelänge das , so wäre damit das Hauptverdienst der Kleemann'schen Arbeit und der Werth der von ihm gesammelten Notizen über den Sprachgebrauch römischer Dichter nicht geschmälert.

10) E. Hill er, lieber die Tibullhandschriften Scaliger's. Rhein. Museum für Philol. Bd. 29. Heft 1. S. 97- 106.

Verfasser hat das in der Leidener Bibliothek befindliche Exemplar der Plantin'schen Ausgabe vom Jahre 1569, in welches Scaliger Varian- ten aus dem fragmentum Cuiacianum, dem jüngeren Cuiacianus und den »excerpta peruetusta« eingetragen, erneut durchgesehen, um die Frage zu entscheiden, ob Scaliger (und Heinsius in seinen Aufzeichnungen über die Scaliger'sche Variantensammlung vgl. Lachmann Tib. p. VI sq.) ausser den Notizen jenes Handexemplars noch andere aus dem fragmen- tum Cuiacianum und den Excerpten vor sich hatten. Er constatirt, dass die Heinsius'schen Angaben nur aus dem Handexemplar stammen; be- züglich Scaliger's erklärt er es für höchst wahrscheinlich, dass derselbe noch andere Notizen über das fragmentum Cuiacianum ausser denen des Handexemplars vor sich gehabt hat; aber der Erweis dafür ist bei der Flüchtigkeit, mit welcher Scaliger seine castigationes abgefasst hat, nicht zu geben. Bei Differenzen zwischen den castigationes und den Angaben im Handexemplar sind die letzteren als die richtigen anzunehmen. Aus den Einzelheiten, die bei der Ausführung dieser Sätze zur Besprechung kommen, heben wir das Eine besonders hervor, dass es sich nach Hiller's Beobachtungen als irrthümlich erweist, wenn man angenommen hat, das fragmentum Cuiacianum habe zwischen IV, 7 und 8 einen Absatz und die Ueberschrift Sulpicia.

ll)EmilBaehrens, Tibullische Blätter. Jena 1876. 91 S. 8.

In neun Abschnitten behandelt der Verfasser zur Vorbereitung sei- ner (inzwischen erschienenen) neuen Ausgabe die Tibullfrage nach den verschiedensten Seiten hin in der vom Catull her bekannten Weise, un- erschrocken vorgehend gegen althergebrachte Anschauungen, in anregen- der Art neue Gesichtspunkte aufstellend, mit grosser Zuversicht auch die gewagtesten Hypothesen vortragend, erfüllt von dem Bewusstsein, hier wieder einmal gründlich reformirt zu haben, erstaunlich schroff im Tone

286 Tibull und Properz.

seiner Tolomik. Bei der Manichfaltigkeit des Inhaltes der Schrift kön- nen wir nur auf einzelnes näher eingehen, vieles nur kurz andeuten. Cai). I wird die anonyme Biographie des Tibull, die bisher als Machwerk des Mittelalters galt, mit zweifelhaften Argumenten auf den die römi- schen Elegiker behandelnden Abschnitt des Suetonischen Werkes de l^oetis zurückgeführt. Von den verschiedenen ebenfalls zweifelhaften Emendationsvorschlägen für die Corruptelen der Vita erwähnen wir eq^ie/i IL c GahÜK für das überlieferte eques rcgalis. Charakteristisch für die Baehrens'sche Begründungsweise ist es, wie er diese Conjectur, der bei der sprachlichen Fassung des Ausdruckes und in Mangel weiterer sach- licher Unterstützung doch höchstens das Prädikat der Möglichkeit ge- bührt, sofort als Beweismittel verwendet, indem er unter den exquisiten Notizen der Biographie, aus denen sich auf das Alter ihrer Quelle schlies- sen lasse, eben dies mit anführt, dass Tibull im Gebiete von Gabii geboren sei. Als eine andere solche Notiz, die nicht aus den Gedichten entnommen sein könnte, wird hervorgehoben, dass er in der Biographie als Contuber- nalis des Messalla im aquitanischen Kriege bezeichnet ist. Warum sollte das nicht aus I, 7 entlehnt sein? Darum, weil Baehrens dort durch eine, wie sich unten zeigen wird, mehr als zweifelhafte Emendation die Person des Tibull ganz aus dem Gedichte herausconjicirt hat. In Cap. II wird bezüglich der beiden an Albius adressirten Horazgedichte der Nachweis versucht, dass der Horazische Albius nicht identisch sei mit Albius TibuUus. Einige der Bedenken gegen die Identität theilen wir; die Ueberzeugung, dass die Nichtidentität nunmehr erwiesen sei, theilen wir nicht. Es ist wahr, dass die Glycera bei Horaz Od. l, 33 kaum unterzubringen ist in dem Rahmen des uns bekannten Lebens und Dichtens von Tibull ; es ist auch wahr, dass die Charakteristik des Albius bei Hör. Epist. I, 4 sich nicht deckt mit dem Bilde, das wir uns von Tibull machen. Aber machen wir uns denn auch sicher das richtige Bild von dem Menschen Tibull, von seinen äusseren Lebensverhältnissen, von seinen geistigen Interessen ne- ben der erotischen Poesie, von seinem Wesen in der letzten Zeit seines Lebens? Und ist denn die bei aller Innigkeit und gefühlvollen Theil- nahme doch humoristische Epistel des Horaz nothwendig auf's Wort scharf zu nehmen, als wäre sie ein Stück Literaturgeschichte? Vermuth- lich verstehen wir sie gar nicht recht, weil wir die vielleicht sehr spe- ciellen persönlichen Vorgänge und intimen Beziehungen, die ihr zu Grunde liegen, nicht kenneu. Aber freilich, der Vergleich zwischen Cassius Parmensis und Albius widerspricht der Beziehung des Gedichtes auf Tibull. Denn Cassius Parmensis war Tragödiendichter, sagt Baehrens. Aber wer will denn bei der Unzulänglichkeit unserer bezüglichen histo- rischen Grundlagen behaupten, dass sich Cassius Parmensis nicht auch in Elegien versucht haben könne? Vielleicht dass Horaz hier eine uns unbekannte besondere Veranlassung hatte, etwa ironisch, auf solche Ver-

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suche anzuspielen. Oder umgekehrt könnte auch Tibull schliesslich auf den Einfall gekommen sein, sich an die Tragödie zu machen. Aus un- serem Nichtwissen von solchen Studien, die nach dem ersten Anlauf wieder aufgegeben worden sein könnten, lässt sich gar nichts folgern. Ebensowenig aus der besonderen Beanlagung Tibull's für die Lyrik. Auch Heine und Rückert und viele andere geborene Lyriker haben sich, meist zu ihrem Schaden, an die Tragödie gewagt. Und wenn das argu- mentum a silentio in diesen Dingen gelten soll, so würde dem Satze von Baehrens: »wäre Cassius Parmensis Elegiker gewesen, so wäre es auf- fallend, dass kein römischer Autor von seinen Elegien jemals spricht der andere Satz entgegenzustellen sein: »wäre der Horazische Albius nicht Tibull, so wäre es auffallend, dass über den von Horaz houorirteu Dich- ter Albius kein römischer Autor jemals spricht«. Uebrigens ist es recht freundlich von Baehrens, dass er mit den Worten: »Schrieb Horaz an Ti- bull, so konnte er passend nur sagen: Comeli Galli quod opuscula täncat« den Horaz nicht bloss darauf aufmerksam macht, was er an Tibull zu schreiben gehabt , hätte , sondern ihm zugleich auch an die Hand giebt, wie er metrisch dieser Aufgabe gerecht werden konnte. Schliesslich müssen wir in diesem Capitel noch der Art entgegentreten, wie Baehrens das Ovidische Epicediura auf Tibull für seine Zwecke ausbeutet. Er constatirt, dass Ovid damals die Nemesiselegien noch nicht kannte ; denn während er manche Situationen und Ausdrücke des ersten Buches ge- schickt verwerthe, erinnere er an das zweite Buch durch kein Wort; ja er lasse sogar nicht gerade glücklich die Nemesis sagen: me temdt mo- riens cleficiente manu, Worte, welche Tibull an Delia gerichtet habe. Diese ungeschickte Reminiscenz würde Ovid nimmermehr angebracht haben, wenn ihm das zweite Buch schon vorgelegen hätte. So Baehrens. Genau besehen aber bringt Ovid Reminiscenzen lediglich aus der ersten und dritten Elegie des ersten Buches und zwar, mit einziger Ausnahme der Anspielung auf den Isiscult in I, 3, naturgemäss Reminiscenzen aus den Stellen der beiden Gedichte, die vom Sterben und Bestattetwerden han- deln. Also wenn Ovid nur aus zwei Elegien des ersten Buches citirt, mithin aus acht Elegien desselben Buches und aus den sechs Elegien des zweiten Buches nichts citirt, so soll daraus mit Nothwendigkeit fol- gen, dass er nur das erste, nicht auch das zweite Buch gekannt habe. Das ist keine Logik. Und mit dem Haupttrumpf der vermeintlich un- geschickten Uebertragung des Deliaverses auf die Nemesis ist auch nichts gewonnen. Diese Uebertragung ist vielmehr eine glückliche, feine Mani- pulation des Dichters. Das Citat wird zu einer schneidenden Waffe in der Hand der Nemesis gegen die Nebenbuhlerin, indem sie damit sagt: »was er von dir erhoffte, die Liebe bis zum Tode, das ist ihm nicht an dir, sondern an mir in Erfüllung gegangen«. Cap. HI die Zeitfolge der Elegien des ersten Buches geht aus von I, 7. Aus diesem Ge- dichte ist zunächst nach des Kritikers Meinung ein hässlicher Flecken

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zu entfernen. V. 9 non sine me est tibi pnrtus honos soll eine lächerliche Arroganz; eine dummdreiste Hervorhebung der eigenen Person sein, die dem sonst so feinfühligen und bescheidenen Tibull nicht zuzutrauen wäre. Baehreus schreibt: »o?i sine marte ihi pnrtus honos. Nun, dass das erst recht einen hässlichen Flecken giebt, ist leicht zu erkennen. Ibi wäre ein elendes Flickwort, das, während ohne dasselbe die Localität des Sieges zweifellos ist, die Situation eher verdunkeln als klären würde, da es nicht an die Erwähnung des Siegesortes Aquitanien (2, 3), son- dern an die des Triumphortes Rom (5 8) sich anschlösse Und mit dem 11011 sine marte würde der Dichter nicht bloss etwas üeberflüssiges sagen nach v. 2, 3, wo des Kampfes hinlänglich gedacht ist, sondern auch etwas Plumpes und Ungereimtes, da er damit die Möglichkeit con- statiren würde, dass Messalla allenfalls auch mit wenigem oder keinem Kampfe den Triumph hätte erlangen können. Aber bei aller Verfehlt- heit des Emendationsversuches könnte doch die Beanstandung der Ueber- lieferung berechtigt sein. Allein der Schroffheit zum Trotze, mit welcher Baehrens diese Ueberlieferung und alle, die an sie glauben, verdammt, müssen wir dieselbe doch aufrecht erhalten. Es ist die einzige Stelle, wo Tibull seiner persönlichen Betheiligung au der Expedition gedeukt. Und es wäre unnatürlich, wenn er dieses Moment ignorirte, das seiner Lobeserhebung ein besonderes Gewicht giebt, sofern er nun über die Heldenthaten aus Autopsie sprechen kann Er wird wohl gewusst haben, dass Messalla und die Freunde sein non sine me nicht im Sinne von »nur durch meine Beihülfe hast du gesiegt«, sondern viel harmloser so ver- stehen würden: »und immer bin ich dabei gewesen, wenn du dir deine Ehren erwarbst; Zeugen unseres unzertrennlichen Beisammenseins sind die ersten, letzten und mittelsten Stationen des von dir durchzogenen Landes«. Während wir somit die Conjectur von Baehrens unbedingt ver- werfen, stimmen wir ihm durchaus bei in seinem Urtheile über den Total- werth der Elegie, die er gegen Teuffei (Stud. und Charakt. S. 355) in Schutz nimmt als ein in seiner Art ganz gut gelungenes Produkt Für die Deliaelegien statuirt Bährens eine neue Zeitfolge, so dass man nun- mehr zu entscheiden hat zwischen folgenden drei Ansätzen:

Lachmanu 0. Richter: I, 3. 1. 2. 5. 6 Gruppe Teuflei: I, 1. 3. 5. 2. 6

Bährens: I, 1. 2. 3. 5. 6.

Letzterer nimmt also an, dass die Aufeinanderfolge der Ueberlieferung dem Entwickelungsgange des Liebesverhältnisses entspricht. Selbstver- ständlich geht er bei dieser Annahme von der Voraussetzung aus, dass Delia durch alle fünf Gedichte verheiratet zu denken ist. Er drängt übrigens die Gedichte auf die Zeit von Ende 30 bis 28 oder 27 v. Chr. zusammen. Wir verspüren keine Neigung, eine eingehende Beurtheilung seiner Combinationen zu versuchen, die, wie natürlich, an dem erheblichen

Tibull. 289

Mangel leiden, dass sehr wichtige Mittelglieder durch die Phantasie er- setzt werden müssen. Auch bei seiner Anordnung bleiben wie bei den anderen Schwierigkeiten zurück, über die wir nicht hinwegkommen kön- nen. Er findet eine Vermittelung zwischen I, 1 und 2 darin, dass bereits I, 1, 56 auf die Wächter hingedeutet sei, welche der argwöhnische Gatte der Delia gesetzt habe. Aber gerade umgekehrt weist die Art, wie Ti- bull von I, 2, 5 au seiner Entrüstung über die Bewachung der Thür Luft macht, darauf hin, dass ihm diese Bewachung ein neues, unerwar- tetes Hinderniss ist, dass er in der vorigen Elegie der mit Geduld um die Liebe des spröden Mcädchens Werbende war, während er hier der längst Begünstigte ist, den jetzt eine neue Macht, die des Gatten, von dem Verkehr mit seiner Geliebten ausschliessen will. Uebrigens enthält allerdings das Gedicht nichts, was der Auffassung, dass wir es hier mit einem vorher noch nicht an's Ziel seiner Werbung gekommenen Lieb- haber zu thun hätten, geradezu widerspräche. Dagegen soll nun in Ele- gie 3 der Gatte wieder über Bord springen müssen. Mag auch dieses Ehebündniss noch so äusserlich, nur ein Rechtsverhältniss gewesen sein und der Ehemann nur eine Nebenfigur gemacht haben, so bleibt es doch unlöslich widerspruchsvoll, wenn der Dichter solche häusliche Scenen mit der Verheirateten fingirt wie bei dem Abschied und der (gehofften) Rück- kehr ia I, 3, wenn er dann gar I, 5 die Verheiratete bei sich auf dem Lande sein und die Wirtschaft führen lässt; denn dass er das nur sich ausgemalt, nicht wirklich erreicht hat, ändert unter den in dem Gedichte obwaltenden Umständen an dem Widerspruche nichts. Wir meinen, es muss zunächst jede Elegie an und für sich als einheitliches Ganze ge- nommen werden, und da ergiebt sich für vorurtheilsfreie Betrachtung, dass 1, 3, 5 die Ledigkeit, 2, 6 den Ehestand der Delia zur Basis haben. Und wenn wir dann historisch die Elegien unter sich zusammenzustellen versuchen, so werden wir zurückgeführt auf die Gruppe-Teuffel'sche An- ordnung (1. 3. 5. 2. 6) als die annehmbarste. Dabei dürfen wir nicht vergessen, dass für ein so bewegtes Liebesleben fünf Lieder sehr wenige Stationen bezeichnen, so dass nothwendig erhebliche Lücken in der Dar- stellung desselben wie namentlich zwischen 3 und 5 und 5 und 2 blei- ben müssen; es sind eben sehr viele Wandelungen dieser Liebesgeschichte unbesungen geblieben. Dass aber der Dichter bei Anordnung der Ele- gien des ersten Buches geflissentlich den historischen Zusammenhang verwirrt hat, beweist schon die Einschaltung des ersten Marathusgedich- tes zwischen die Delialieder. Ebenso gut kann er aus wer weiss wel- cher — Caprice carni. 2 anachronistisch vor carm. 3 und 5 gesetzt haben. Die Marathuselegien, um das sogleich hier anzuschliessen, setzt Baehrens nach den Delialiedern an. Es lassen sich weder dafür noch dagegen durchschlagende Gründe geltend machen. Der stark rhetorisirende Ton von I, 4 scheint uns auf die frühere, die Anfangszeit des Tibullischen Dichtens, hinzudeuten. Die physiologischen uud psychologischen Ar-

Jahresbericht für Alteithums-Wisseuschaft 1877. II. 19

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Argumcute, die Baehrens aus dem allgemeinen Wesen der Knabenliebe entnehmen will, ziehen nicht bei der thatsächlichen Unberechenbarkeit dieser Verirrung, namentlich unter so zerrütteten Sittenzuständen wie die damaligen römischen, wozu noch kommt, dass wir nicht einmal wis- sen, inwieweit es sich hier bei Tibull um Realität oder Phantasie han- delt. — Schliesslich zu diesem Capitel noch etwas Einzelnes. Zu I, 5, 71 bemerkt Baehrens : Es kann keinem Zweifel unterliegen, dass Tibull unter dem »quidam« nur sich selbst meint. Das ist nach den beiden vorher- gehenden Distichen, in welchen der Dichter das gerade Gegentheil, sei- nen uumuthigen Verzicht auf einen Erfolg an der Thür ausspricht, durch- aus falsch. Es bricht vielmehr hier der Galgenhumor durch, der auch Ende I, 2 sich regt und in der ersten Hälfte von I, 6 ganz deutlich hervortritt, der ihn veranlasst, die Miene eines Warners vor einem un- bekannten Dritten gegen den Nebenbuhler anzunehmen. Cap. IV geht zum zweiten Buche über und behandelt eingehend die fünfte Elegie als besonders charakteristisch für den unfertigen Zustand des Buches. Im Allgemeinen pflichten wir hier der Baehrens'schen Auffassung bei, die sich an die Gruppe'sche anschliesst. Es wird ein Concept von Tibull ange- nommen, bestehend aus den vier unvermittelten Stücken 1—18, 23—38, 39—64, 81—122. Die Verse 19-22 und 65 80 sollen zur Herstellung der Verbindung und aus anderen Gründen interpolirt sein. Bei dem letzteren Stücke ei'scheint uns das sehr probabel; nur begreifen wir nicht, wie das erste Distichon desselben (65, 66), das an sich tadellos ist, mit in das Verdikt hat hineingezogen, ja als Beweis für die Interpolation verwendet werden können. »Hier wird coordinirt, während subordinirt werden müsste (nachdem sie angerufen hatte)« sagt Baehrens, als wenn er noch keine der zahllosen Dichterstellen gelesen hätte, wo in allbekannter poetischer Veranschaulichung die Nebenhandlung durch Para- taxe selbständig gemacht ist. Neben der höheren Kritik übt er nun in diesem Gedichte auch die niedere, an 1 10, aber in einer schwer zu qualificirenden Weise. Er ändert viermal in den zehn Versen und bringt dadurch in die Stelle unter anderem eine unmögliche Coustruction {pj-e- cor, me itnpellere chordas) und eine Ungereimtheit sondergleichen. Vers 9 schreibt er quali te memorant loid laudes concinuisse für qualem. Das ist also eine Aufforderung an Apollo, nicht wie gewöhnlich bei feierlichen Gelegenheiten als Kitharöde zu erscheinen, sondei'u zur Abwechselung sich einmal ä la Zebg Tizavoxpdzwp zu frisiren und zu costümiren, wozu er wahrscheinlich nicht viel Kleider gebraucht hätte. Völlig müssig fer- ner ist die Aenderung et für sed (V. 7). Das Bedenken, welches der Conjectur offenbar zu Grunde liegt, dass schwerlich Apollo mit dem Lor- beerkranze auf dem Haupte in Schlafrock und Pantoffeln erscheinen dürfte, würde ebenso auch bei dem et bestehen bleiben, wenn man es überhaupt aufwerfen dürfte bei dieser für unseren Geschmack kindischen, spieligeu, an die Manier des Üvid erinnernden Art über den Gott zu

Tibull. 291

reden. Gerade diese Stelle hätte den Kritiker lehren mögen , dass es dem Dichter gar nicht so bitterer Ernst ist mit der Apollocitation. Baeh- rens hätte sich erinnern können an seine eigenen Worte: »man sollte doch bei Tibull sich hüten vor allzu pedantischen und kleinlichen Aus- legungen und nicht gleich alles wörtlich nehmen, sondern der Phantasie ihr Recht lassen«. Er verkennt ganz den altbekannten Brauch, dass der Dichter seine Begeisterung darstellt unter dem Bilde der für ihn singenden Gottheit. Wie leicht dabei Bild und Wirklichkeit zusammen- fliessen, das lehrt u. a. Hör. c. I, 12. Bei dieser landläufigen Vermengung der Vorstellungen sollten wir nicht mit unserer nüchternen Betrachtungs- weise die äusserste Consequenz ziehen, dass streng genommen allerdings Phöbus sich selbst das Loblied singt. Der Dichter lässt eben das con- ventiouelle Bild des für ihn singenden Gottes fallen, sobald er es nicht mehr brauchen kann. Besonders schön ist das freilich nicht, aber darum nicht unecht. Es ist also nach unserer Ueberzeugung nichts weiter zu ändern als mit Lachmann meas (v. 4) in mea. Aus dem Inhalte des interpolirten Stückes (67 80) schliesst Baehreus, dass diese Interpolation und somit auch die Herausgabe des zweiten Buches im Jahre 18 v. Chr. erfolgt sei. Diese Hypothese hat so wenig Halt, dass es sich nicht erst lohnt, ihre Haltlosigkeit darzustellen. Cap. V Pseudotibulliana. Un- echtheit des Lygdamusbuches und des Panegyricus, Widerspruch gegen die Kleemann'sche Vertheidigung der Autorschaft des Ovid für das Lygdamus- buch ; Verweisung von IV, 7 unter die von Sulpicia herrührenden Gedichte hier sind wir völlig einverstanden mit den gegebenen Ausführungen. Die Gedichte IV, 2-6 glaubt Baehrens dem Tibull absprechen zu müssen. Die Veröffentlichung der einzelnen Bestandtheile des jetzigen TibuU- buches denkt er sich so: B. I vom Dichter selbst 25 oder 24 v. Chr. herausgegeben; B. II nach des Dichters Tode im Jahre 18 v. Chr. ver- öffentlicht (s. vor. Capitel); B. III und IV in derselben Weise wie die pseudovergilischen Catalepta aus den Papieren des Messallischen Hauses einige Zeit nach dem Tode des Messalinus etwa unter Kaiser Claudius zusammengeste'lt und als ein Buch, als welches sie in massgebenden Handschriften erscheinen, unter Tibull's Namen in die Welt geschickt. Die Verschmelzung der beiden echten Bücher mit dieser Sammlung hätte erst in später Zeit stattgefunden. Cap. VI enthält eine Digression auf Epigr. XIII und XIV in den pseudovergilischen Catalepten, schlägt einige Emendationen für das erstere vor und bespricht die Persönlichkeit des in beiden gefeierten Octavius Musa. Ueber Cap. VII haben wir, obgleich es die wichtigste Frage, die des kritischen Apparates für Tibull, zum Gegenstande hat, hier hinwegzugehen, weil die darüber gegebenen Andeutungen inzwischen ihre Ausführung gefunden haben in der Tibull- ausgabe, auf die wir an anderer Stelle einzugehen haben. In Cap. VIII und IX endlich kehrt Baehrens zur Conjecturalkritik zurück, indem er zunächst die Gedichte I, 1, 4, 6, 8, 9 hauptsächlich durch Transposition

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292 Tibull und Properz.

zu redintegriren sucht. Leider ist ihm das in keinem Falle gelungen. In I, 4 transponirt er, nur theilweise Ritschi folgend, so: 1 20, 27 56, 21—26, 71 76, 57—70, 77—84. Darin ist handgreiflich falsch die Ein- schiebung der Pieridenpartie zwischen 76 und 77, welche beiden Verse nebst ihrem Anhang so nothwendig zusammengehören, dass man nicht begreift, wie jemand die in me consultent amantes enthaltene Erläuterung und Ausführung zu me celebrate m.agistrum tibersehen oder ignoriren kann. Und 77 passt auf 57 70 wie die Faust aufs Auge. Und dass 57 ff. nach 76 zweimal hintereinander den Pentameterschluss imer ergiebt, dass artes in 57 in anderem Sinne zu fassen ist als arte in 76, also hier von der beliebten Wiederaufnahme eines Wortes bei Tibull nicht die Rede sein kann das hätte der Beobachtung nicht entgehen sollen. Auf die kuriose Conjectur v. 15 sera haec: ne capias (oder pariat) brau- chen wir uns nicht einzulassen, weil der Urheber offenbar selber nicht an dieselbe glaubt. Die in c. 6 vorgenommenen Umstellungen (1 16, 21—22, 17—20, 25 38, 23 24, 39 bis Schluss) beruhen hauptsächlich auf der Voraussetzung, dass in V. 16 die Conjectur te quoque seruato für me q. s. richtig sei. Aber die Conjectur ist zweifellos unrichtig, weil der Dichter nicht te seruato im Sinne von caueto sagen konnte, und weil in der bezüglichen Ovidstelle Trist, II, 457 f.

Denique ab incauto nimium petit ille marito^ se quoque uti seruet^ jieccet ut illa minus das me quoque eine authentische Bestätigung bekommt. Baehrens legt die Stelle falsch aus, indem er unglaublich, aber wahr! nimium petit verbindet anstatt incauto nimium. Die Hauptschwierigkeiten der Elegie lösen sich durch die Auffassung, dass der Dichter, wie wir es oben schon angedeutet haben, mit verzweifeltem Humor selber bei dem Gatten sich denuncirt und ihm seine guten Dienste als Frauenwächter anbietet, um wenigstens die Genugthuung zu haben, dass Delia nicht mit einem Dritten und Vierten scharmuzirt; es liegt dem dasselbe Princip zu Grunde, wie wenn recht geriebene Spitzbuben als besonders geeignet zum Geheimpoli- zeidienste gelten. Selbstverständlich ist auch die Umstellung von L. Müller anzunehmen. Aus I, 9 überträgt Baehrens die Verse 39 44 nach I, 8 zwischen 26 und 27 unter sehr erheblicher Umgestaltung der beiden ersten Verse des umgesetzten Stückes. In der ersten Elegie wird der Haase'sche Vorschlag dahin modificirt, dass zwischen 6 und 7 nicht bloss 25—34, sondern 25—36 eingeschoben wird. Dadurch entsteht eine kaum zu ertragende Parenthese (34 36). Referent hält noch fest an der frü- her einmal von ihm proponirten Transposition (nur 25 32 zwischen 6 und 7 eingeschoben) als an der wahrscheinlichsten Verbesserung und bedauert, dass Baehrens diesem mit dem seinigen vielmehr als die Rib- beck'sche Argumentation sich berührenden Vorschlag kein Wort der Beur- theilung gewidmet hat, während derselbe eine in der gleichen Schrift

TibuU. 293

enthaltene, von dem Referenten selbst längst als in der Hauptsache ver- fehlt aufgegebene Behandlung der zweiten Elegie extra todtzuschlagen die Müsse sich genommen hat. Auf die ebendaselbst vom Referenten empfohlene Conjectur dummodo iam (1, 25) ist auch Baehrens gekommen. Die ungefähr fünfzehn Conjecturen aber, die Baehrens am Schlüsse des Schriftchens auf den Markt wirft, sind wir nicht in der Lage unseren Lesern besonders anzupreisen. Eine eingehende Motivirung dieses un- günstigen Urtheils glauben wir nach dem, was wir über Verwandtes be- reits gesagt haben, uns ersparen zu können. Wir haben ohnehin die gewöhnlichen räumlichen Grenzen eines solchen Berichtes weit über- schritten. Aber freilich, gegenüber dem der Sache wegen sehr bedauer- lichen Untrüglichkeitsgefühl, von dem der Verfasser der TibuUischen Blätter sichtlich erfüllt ist, war eine gewisse Ausführlichkeit der Polemik geboten. Hat er sich doch durch dieses Gefühl bestimmen lassen, fast alle seine Einfälle aus den TibuUischen Blättern in den Text der Aus- gabe aufzunehmen, darunter Dinge, deren Geschmacklosigkeit oder Fehler- haftigkeit bei nochmaliger kaltblütiger Erwägung ihm kaum hätte ent- gehen können, wie z. B. H, 2, 21 f.

prolesque ministret, ludat ut ante tuos turba nouella pedes d. h. die zweite Generation mag es beschaffen, dass die Gattung sich in einer dritten Generation fortpflanzt eine förmlich Darwin'sche Poesie! Oder I, 1, 46 e( dominam tenero tum tenuisse sinu (für das recipirte deti- nuisse) das armselige Füllwort in dieser Situation! Oder HI, 4, 26 humanuni nee tulit ille decus ein Zeugma ungeheuerlicher Art! Oder IH, 4, 32 nitente für rubente, wodurch der Begriff »Roth«, auf den es allein hier ankommt, ganz verdrängt wird oder Pan. ad Mess. 63 captas uel cantu ueteres mutare figuras captas und ueteres sind unverein- bar; er hat uel = »sogar« missverstanden. Durch solche und zahlreiche ähnliche Makel wird der Werth seines Buches ganz ausserordentlich verringert, und das Verdienst, das er sich durch neue Prüfung und bessere Feststellung der handschriftlichen Grundlage unleugbar erworben hat, wesentlich beeinträchtigt. Möge uns endlich .der in Aussicht ge- stellte Properz ein besonneneres Vorgehen zeigen!

Wir stellen hiernächst einige verstreute kritische Beiträge zu Ti- buU zusammen:

12) Bubendey (Programm des Johanneums zu Hamburg 1876. S. 22 ff.) sucht gegen Ritschi die überlieferte Anordnung in I, 4 zu hal- ten, stellt dabei allerdings die Hauptmängel des Ritschl'schen Vorschla- ges (s. o. No. 4) in hellstes Licht, vermag aber nicht für 15 ff. nach 14 eine plausible Erklärung zu geben, ebenso wenig für Vif. nach 70; blauditiae als Liebeselegien zu verstehen, ist in diesem Zusammenhange unmöglich; Ov. Am. H, 1, 21 und HI, 1, 45 gewinnt es durch den dor-

294 Tibnll und Properz.

tigen Zusatz, beziehungsweise Gegensatz {elegos, cothumo) diese Bedeu- tung. Die Schwierigkeit, welche 21 26 zwischen 20 und 27 in der Ueberlieferuug macht,- hat Bubendey nicht genügend gewürdigt.

13) A. du Mesnil (Berliner Zeitschrift für Gyranasialw. XXX. Jahrgang 1876 S. 553 f.) sieht III, 6, 16 in Amor eine Corrnptel und will pater oder nie lesen, also die Verse 13-17 auf Bacchus beziehen. Aber man beachte den Gegensatz y>sed ijosdte Bacdd munerua (17) und den Inhalt von 13 17, der mit einziger Ausnahme von üle facit dites animos nur zum Wirken des Liebesgottes stimmt! Freilich ist ilh deus in V. 13 eine sehr unldare Bezeichnung für Amor; vielleicht steckt hier eine Corruptel.

14) M. Hertz (Fleckeisen's Jahrbücher Bd. 109. 1874 S. 198f.) will das obdachlose Distichon I, 10, 51 und 52 nach II, 1, 90 setzen. Das Bedenkliche der Transposition weist Fritzsche nach (quaest. Tib. p. 24).

Das Wesentliche der Widerlegung ist auch enthalten in

15) M. Haupt, Ueber J. Scaliger und die von Haase vorgeschla- gene Umstellung Tibullischer Versreihen (Opuscula III, 30-41), wo die von Haase seiner Zeit ausgesprochene Vermuthung, dass I, 10, 51 68 der Schluss von II, 1, also dort nach V. 90 anzureihen sei, eine Ver- muthung, die unseres Wissens bei niemand Beifall gefunden hat, ent- schieden zurückgewiesen wird.

16) Hankel (Commentationes philologae, scr. sem. philol. Lips. sod. Lipsiae 1874 p. 283) schlägt für illum I, 3, 93 oUm vor. Aber die von Wunderlich bereits citirten Parallelstellen aus Vergil Aen. VII, 272 und noch mehr 255 müssen, wenn sie auch etwas anderen Cha- rakter haben, doch zur Vergleichung herbeigezogen werden. Der Aus- druck ist zurückzuführen auf hie est ille quem . (Beiläufig: die in Klotz's Lexicon für huic Uli aus Cicero angeführte Stelle pro Flacco 22, 52 ist falsch verstanden; dort ist iV^e Nominativ des Plurals). Olim würde übrigens doch auch die Sache in einer Weise in die Ferne rücken, wie es den Intentionen des Dichters nicht entspricht. Kleemann merkt über das Wort an, dass- es bei TibuU zweimal von der Vergangenheit ge- braucht ist (II. 3, 29. II, 5, 79), bei Lygdamus einmal von der Zukunft (III, 5, 23).

Mehr belletristischen als wissenschaftlichen Charakter hat

17) Jules Soury, La Delia de TibuUe. (Portraits de Femmes. Paris 1875 S. 1—104).

Aus dem von der deutschen Gelehrsamkeit beschafften Material ist ohne tiefgehende Kritik ein Cultur- und Charakterbild zusammen- gearbeitet, das bei zahlreichen Digressionen auf allgemeine Verhältnisse, bei phantasievoller Ausschmückung des historisch gegebenen Stoffes, bei

Tibull. 295

lebhafter und wechselvoller Darstellung sich recht interessant ausnimmt, aber für die Wissenschaft kaum etwas bietet.

Es sind ferner zwei Versuche deutscher metrischer Bearbeitung von Tibullelegien zu erwähnen:

18) Friedr. Habicht, Die Delia-Elegien Tibull's. Jena 1875. 23 S. 8.

19) Hultgren, Tibull's Delia-Elegien in deutscher Uebertragung. Fleckeisen's Jahrb. Bd. 114. 1876. S. 470—476 und 648—650.

Habicht übersetzt in paarweise gereimten trochäischen Tetrametern, Hultgren in Alexandrinern mit gekreuzten Reimen. Keines der beiden Versmaasse entspricht der manichfaltigen, anmuthigen rhythmischen Be- wegung des Originals. Hultgren's Uebersetzung hat den Vorzug der grösseren philologischen Treue; aber sie macht, als Poesie angesehen, einen recht altvaterischen Eindruck; man fühlt sich zwei Jahrhunderte zurückversetzt, wenn man liest:

Hier weilt auch Tantalos, den rings die Woge netzet, Doch seinem heissen Durst entweichet stets das Nass: Der Danaiden-Schaar, so Venus' Macht verletzet, Schöpft aus dem Lethestrom hier stets in's leere Fass.

Keine der beiden Uebertragungeü wird man als wirkliche Dichtung gel- ten lassen können, wenn sich auch bei Habicht hier und da ein poeti- scher Anflug findet. Dafür ist bei diesem wieder der Reim sehr man- gelhaft behandelt: »könnte, dröhnte; lassen, Strassen; büssen, küssen; geflucht, Wucht; Schwall, Strahl; naht, Stadt; mir, Geschirr; hin, mühn«. Die Betonungen Priap und Tisiphöne sind sehr störend.

Wir schliessen mit einer Aufzählung derjenigen Werke, die uns nur dem Titel nach bekannt sind:

20) Tib., Elegias traducidas al castellano por D. N. Perez del Camino con au prölogo di D. M. A. Martinez. Madrid 1874. 326 S.

21) Tib., Elegie scelte recate in versi italiani da B. Muzzone. 2. Ed. Serigliano 1875. 116 S.

22) Tib. ed Ovid., Elegie scelte corredate da copiose note italiane de A. Bruni. 3. Ed. Mondovi 1875. 100 S.

23) Tib., La quarta elegia del libro II, recata in versi italiani. Saggio di traduzione per V. de Novellis. Matera 1875. 16 S.

24) Tib., Poesie scelte tradotte in versi da E. Corti. Milano 1876. 52 S.

296 Tibull und Properz.

P r o p e r z.

1) Frahnert, Zum Sprach gebrauche des Properz. (Programm der lateinischen Hauptschule in Halle. Halle 1874. 36 S. 4.)

handelt vom Supinum, Gerundium, Gerundiuum und den Participien bei Properz und zählt sämmtliche Stellen auf, wo eine dieser Verbalformen vorkommt. Die Anordnung ist innerhalb der bezeichneten Kategorien zunächst nach den Conjugationen, innerhalb der Coujugationen nach dem Alphabete getroffen. Den Participien des Präsens ist eine Liste der Verbalsubstantiva auf tor und trix beigefügt. Wir zweifeln nicht an der Vollständigkeit der Sammlung ; da aber keine besonderen Gesichts- punkte aufgestellt, keine Beobachtungen angeknüpft, keine Versuche ge- macht sind, die Zusammenstellung irgendwie auszunutzen, so kann die- selbe nur als eine Aufspeicherung von Rohmaterial bezeichnet werden, dessen Verwendbarkeit noch zweifelhaft ist. Und jedenfalls ist es eine Zeit- und Papierverschwendung, dass die Belegverse sammt und sonders vollständig ausgeschrieben sind.

Da die übrigen uns bekannt gewordenen Beiträge zu Properz aus den drei Jahren, die unser Referat umfasst, lediglich in Kritik oder Exe- gese einzelner Gedichte oder Verse bestehen, so halten wir es für zweck- mässig, nach kurzer Bezeichnung der bezüglichen Schriften, das, was aus denselben hervorzuheben ist, nach der Reihenfolge der Gedichte mit- zutheilen. Wir citiren dabei durchgehends nach der Numerirung von L. Müller.

2) Hetzel, Zur Erklärung des Propertius. (Programm des Königl. Gymnasiums zu Dillenburg). Dillenburg 1876. 20 S. 4.

Verfasser sucht an einigen dreissig Stellen aller Bücher durch Interpretation oder Emendation einzelner Verse, durch Ausscheidung von Interpolationen, durch Nachweis des Zusammenhanges zwischen getrennt überlieferten oder der Zusammenhangslosigkeit zwischen verbunden über- lieferten Stücken das Urspüngliche wieder herzustellen. Seine Begrün- dungen sind sehr kurz gehalten.

3) G. Faltin, Zur Properzkritik. (Programm des herzogl. Gym- nasium Christianeum zu Eisenberg). Leipzig 1876. 28 S. 4.

Versuch, die Unechtheit von I, 1 nachzuweisen und das ursprüng- liche Einleitungsgedicht für das erste Buch aus Bestandtheilen anderer Elegien herzustellen. Wie sehr dieser Versuch misslungen ist, siehe unten zu I, 1 und III, 1.

4) Ed. Heyden reich. De Propertio laudis Vergilii praecone. (Commentationes philologae. Scr. semin. philol. Lipsiensis sodales). Leipzig 1874. S. 3-21.

Eingehende Kritik von III, 32, 61 84, in der Hauptsache in con- servativem Sinne gegen Heimreich.

Properz. 297

5) Ed. Heydenreich, Quaestiones Propertianae. Diss. inaug. Dresden 1875. 39 S. 8.

Kritische Behandlung von II, 6 und III, 11; II, 1 und II, 4; I, 8b; III, 1 und IV, 8; V, 1, 33-56; I, 18, 21 22 mit derselben Tendenz wie das Vorhergehende.

6) K.Weber, Quaestiones Propertianae. Diss. inaug. Halle 1876. 42 S. 8.

lieber die Interpolationen bei Properz. Begründung älterer Inter- polationsannahmen und insbesondere Aufstellung neuer Vermuthungen über Interpolationen im dritten und vierten Buche. Die gegebenen Ar- gumentationen sind sehr ausführlich, aber zumeist nicht von überzeu- gender Kraft.

7) H. A. J. Munro, The last elegy of the third or second book (III, 32) of Propertius. (Journal of Philology, Vol. VI. S. 28—69).

Der Hauptabhandlung, für die wir auf unsere Bemerkungen unten zu III, 32 verweisen, sind kritische Beiträge zu acht anderen Stellen hinzugefügt.

8) Ad. Kiessling, Coniectanea Propertiana. (Gratulationsschrift für Schömann zum 15. April 1875). Greifswald 1875.

Conjecturen zu vier einzelnen Stellen und eine Vermuthung über Demophoon III, 15.

9) Robert Tyrrell, "JraxTa. Hermathena No. III, 1875. S. 117 ff. Vindicien der Ueberlieferung und Emendationsvorschläge zu acht- zehn Stellen.

10) H. V. Herwerden, Coniectanea Latina. Mnemosyne, Noua ser. Vol. prim. 1873 S. 427—431. (Lag dem Referenten beim vorigen Berichte noch nicht vor).

Conjecturen zu I, 13, 19; II, 6, 32; III, 6, 7; III, 15, 35; IV, 4, 21.

11) E. V. Leutsch, Zu Propert. II, 8 und 8b im Philologus Bd. 34. 1875. S. 538 und 560.

12) E. Baehrens, Zu Propert. I, 13, 13 im Rhein. Mus. Bd. 30. 1875. S. 635.

13) W. Teuf fei. Zu Prop. III, 11. Ebendas. S. 142f.

14) F. Teuf fei. Zu Prop. IV, 8, 21 im Philol. Bd. 34. 1875.

S. 574 f.

15) In M. Haupt's Opuscula findet sich auf Properz bezüglich abgedruckt: Bd. I S. 156 Prop. IV, 22, 7; S. 276 Beiträge zur Geschichte der handschriftlichen Ueberlieferung des Catullus und Propertius ; S. 250 Ueber die Namen des Dichters Propertius. Bd. 11 S. 52 Emendantur S.

298 Tibull und Properz.

Propertii elegiae; S. 101 Emend. S. Prop. eleg. : Bd. III S. 201 Ueber eine christliche Inschrift und einen Vers des Propertius; S. 289 Prop. I, 10, 21 f.

Nicht zur Hand gewesen ist uns:

16) J. Cranstoun, Propertius, elegies, translated into english verse. London 1875. 302 S.

17) A. Palm er, Emendation of a passage in Propertius. Journ. of Philol. Vol. VI. No. 11. S. 80-81.

18) H. Köstlin, Zu Prop. V, 4, 55. Philol. Bd. XXXV. 1876. S. 564. (Früher übersehen und beim Abschlüsse des Berichtes nicht sofort zu beschaffen; wird im nächsten Referate Erwähnung finden).

I, 1 soll nach Faltin S. 20ff. eine schlechte Fälschung sein, her- rührend von jemand, »dessen Cerebralsystem von bedenklichem Blutan- drang zerrüttet war«. Die Argumente für diese im Tone ebenso wie in der Sache gewagte Athetese sind von der Art, dass man die ganze Aus- führung für einen schlechten Spass ansehen könnte, wenn sie nicht eben bitter ernsthaft gemeint wäre. Es ist sehr wohlfeil und mit ein wenig Witz bei den meisten lyrischen Gedichten aller Zungen ausführbar, den raschen Wechsel der Stimmungsbilder durch übertreibendes Hervorheben der fehlenden Vermittelungeu und den tropischen Ausdruck des Dichters durch Wörtlichnehmen in Eulenspiegelmanier in's Lächerliche zu ver- zerren. Dieses billige Vergnügen hat sich Faltin hier gemacht. Zu ferte (v. 29) in der Bedeutung »führt mich« vermisst man doch wohl Belege, sagt er das folgende meum iter bietet jedem, der sehen will, das gewünschte Object me. »Dem Properz fremd ist das Bild des Amor, der höchst unmanierlich auf dem Haupte des unglücklich Liebenden herumstampft« (v. 4). Dieses Bild ist freilich dem Properz fremd, aber nicht das für anständige Interpretation in v. 4 enthaltene : vgl. III, 28, 7 f. »V. 31 wendet sich der Dichter an die, denen ein Gott mit gefälli- gem Ohre zugewinkt hat ich empfehle das discret gewählte Bild«. Für einen römischen Leser war diese Roheit der Auffassung unmöglich, weil er facili richtig verstand. Ein ehrlicher Uebersetzer hätte übrigens ge- sagt: willigen Ohres. -- »V. 1 Wer yon prima spricht, denkt doch jeden- falls an eine altera und tertian. Aber nicht nothwendig an eine zweite und dritte folgende, wie Faltin hier annimmt; der Gegensatz ist »vorher noch keine«, was zum Ueberflusse der Pentameter ausdrücklich sagt. Diese Proben der Faltin'schen Beweisführung werden genügen. Angeb- lich besteht die Elegie aus »gedankenlos und oberflächlich zusammen- gewürfelten Fragmenten aus Gedichten der drei ersten Bücher«. Was der Kritiker unter solchen Fragmenten versteht, mag seine Bemerkung zu v. 5 lehren: »donec me docuit erinnert an I, 10, 19 Cynthia me docuita.

I, 6, 31 34 Munro: ibis et acceptis par eris imperii, wobei accepta

Properz. 299

imperii die Pflichten, die Schuldigkeiten des Oberbefehls bedeuten soll. Eine unmögliche Verwendung des kaufmännischen Bildes der ratio ac- ceptorum et datorum.

I, 8, 19 Munro (S. 49): ut te praeuectam felice Ceraunia remo (ce von felice wäre vor Ceraunia ausgefallen, das gewöhnlichere felici corrigirt und schliesslich die Umstellung und sonstige Aeuderung der überliefer- ten Lesart vorgenommen worden, um metrisch den Vers herzustellen).

I, S*» transponirt Heydenreich (Quaest. S. 18 f.) v. 45 u. 46 zwi- schen 36 und 37. Dadurch wird allerdings für daret daturus (v. 37) ein Subject geschafft, aber zerstört wird das correcte Tempusverhältniss, das die überlieferte Anordnung bietet: v. 33 40 Praeteritum, 41—46 Präsens.

I, 13, 13 Baehrens: Haec cano (statt ego) non rumore malo ^ non aufjure doctus.

Ebendas. v. 19 Herwerden (S. 427 f.): Non eyo complexu potui secedere uestro (für complexxis diducere uestros) aus zwei Gründen: weil der Dichter, der sich ausserordentlich über die Verliebtheit des Freun- des freue, gar nicht an ein Stören der Liebesumarmung habe denken können, und weil »uerba ipsa prorsus immundum sonent, quasi de duo- bus canibus neuere iunctis per uim separandis sermo sit«. Dass aber der Dichter die höchste Brunst hat bezeichnen wollen, lehren nicht bloss die folgenden Vergleiche (21 24), sondern vor allem die Worte des Pen- tameters, durch dessen Fassung {demens furor) die Herwerden'sche Con- jectur abgewiesen wird. Der Vers sagt gar nicht, dass der Dichter sich nicht über die Umarmung gefreut hätte, sondern constatirt nur die Festig- keit derselben, die so gross war, dass nicht einmal das Erscheinen eines Dritten die Liebenden zu trennen vermochte.

I, 18, 9 sucht Tyrrel (S. 118) das zwischen den beiden anderen Fragen der Stelle durchaus unmotivirte carmina im Sinne von »Zauber- sprüche« gegen die sichere Emendation crimina vergeblich zu halten.

I, 18, 21 und 22 vertheidigt Heydenreich (Quaest. S. 36), was kaum nöthig gewesen wäre, gegen die unbegründete, aus dem Symmetrie- princip abgeleitete Verdächtigung Prien's.

n, 1 Hetzel (S. 6f.) und Heydenreich (Quaest. S. 12) treten gegen Heimreich ein für die Integrität der Elegie im Ganzen und Gros- sen, Heydenreich mit ausführlicher und unseres Erachtens zureichender Begründung. Verderbniss im Einzelnen nimmt auch er als wahrscheinlich an, namentlich bei v. 37 und 38, wo er mit Keil eine Lücke vor 37 statuirt. Gegen den Versuch Heimreich's H, 1, 57—70; H, 4, 17—26; H, 1, 71—78 zu einer Elegie zusammenzuschweissen, hätte wohl vor allem geltend ge- macht werden sollen, dass dann in demselben Gedichte die Medicin nicht bloss zweimal als Motiv verwendet wäre, sondern auch in widerspruchs- voller Weise, sofern sie das erste Mal (vgl. namentlich H, 1, 65f.) als

300 TibuU und Properz.

begehrenswerth , das andere Mal (vgl. namentlich II, 4, 21 f.) als über- flftssig dargestellt ist.

II, 4, 1 und 2 Tyrrell (S. 119): His saltem aut tenear iam finibus aut mihi si quis acrius ut moriar, uenerit alter amor. Das ist uns nicht recht verständlich.

II, 4 erklärt Hetzel (S. 7) für ein Conglomerat aus Trümmern verschiedener Gedichte; er unterscheidet fünf Stücke: 1—2, 3 10, 11 bis 14, 15 16, 17—32. Wenn wir auch dieser Zerlegung nicht zustim- men können, so sind wir doch der Ueberzeugung, dass die fraglichen 32 Verse nicht eine genuine Elegie bilden.

II, 6. Gegen die herrschende Ansicht von der fragmentarischen Beschaffenheit des Gedichtes tritt Heydenreich (Quaest. S. 5 ff.) mit einem Rettungsversuche auf. Er ordnet v. 1—22, 25 26, 35 36, 27—34, 37 40, 23 24, 41-42 und emendirt in v. 35 si non immerito für sed non imm. Aber das will nicht stimmen, namentlich nicht 35 nach 26. Was sollte hier non immerito bedeuten? Hetzel will (S. 8) das Schluss- distichon unserer Elegie (41 42) in das folgende Gedicht (7) nach v. 12 einschalten (mit Scaliger?). Aber die amica gehört nicht hier herein.

II, 6, 32 schlägt Herwerden (S. 429) für iurgia sub tacita condita laetitia vor: turpia sub placida condita laetitia. Dem Sinne nach nicht übel: »Gemeinheit unter dem Bilde holder Lust«.

n, 8 behandeln Leutsch und Hetzel (S. 8f.). Uebereinstimmend weisen beide darauf hin, wie zu dem in v. 1-6 eingeführten Thema das Beispiel in v. 29 38 nebst dem Schlüsse (39 -40) als Ausführung vor- trefllich stimmt. Dementsprechend construirt Hetzel aus 1—6 und 29—40 eine Elegie, gegen die sich kaum etwas einwenden lässt. Leutsch zieht noch die Verse 7 10 hinein und verbindet: 1—6, 7—10, 29—40. Die Worte Omnia uertuntur altaque Troia fuit (7 10) sollen als Antwort des Freundes auf die vorhergehenden Fragen zu fassen sein, während dann 29 - 40 wieder Gegenrede des Properz wäre. Aber diese letzte Partie ist thatsächlich keine Antwort auf 7—10; wer sollte denn auch erkennen, dass bei Ille etiam ~ (v. 29) der Dialog wechselt? Noth wen- dig müsste man annehmen, dass der Freund hier weiter redete. Leutsch giebt dem Schlussverse (40) offenbar eine falsche Deutung, wenn er da- von spricht, dass sich hier die Hoffnung auf Wiedervereinigung als Lohn für die während der Trennung bewiesene Treue angedeutet findet. Unter dem berechtigten Triumph des Amor kann nur zu verstehen sein, dass Properz, weil multo inferior als Achilles, die Trennung erst recht nicht vertragen kann. In den übrigbleibenden Versen (11 26) sieht Leutsch das zusammenhängende Mittelstück eines um Kopf und Schwanz gekom- menen Gedichtes. Die Unvereinbarkeit von 11 12 mit dem Vorher- gehenden hebt er sehr richtig hei'vor; aber die Vereinbarkeit von 15 16 mit 11 14 und von 17 ff. mit 11 16 hat er uns nicht zu beweisen vermocht.

Properz. 301

III, 1 und IV, 8. Heydenreich (Quaest. S. 20ff.) und Hetzel (S. 10 vgl. S. 18) verfechten die Selbständigkeit des Gedichtes gegen den Vorschlag Heimreich's, IV, 8, 47 58 mit demselben zu verbinden, wäh- rend Faltin (S. 14ff.) einen den Heimreich'schen noch überbietenden Contaminationsversuch macht. Dabei geht Hetzel soweit, die unter III, 1^ überlieferten 26 Verse als eine völlig unversehrte, vollständige Elegie anzusprechen, während Heydenreich den fragmentarischen Charakter des Gedichtes nicht in Abrede stellt und namentlich eine Lücke nach V. 20 erkennt. Wohl mit Recht. Hetzel's Interpretation von V. 23 sie nos nunc: »Heute huldige ich nur dem bescheidenen lyrischen Liede«, hilft dagegen gar nichts. V. 9 hat der Dichter mit nunc uolo sqq. erklärt, dass er heute Epiker werden will. Von der feierlichen Ankündigung dieses Entschlusses kann er unmöglich übergehen auf die Erklärung: Aber heute habe ich noch nicht das Zeug dazu. Für sed am Anfange des Gedichtes schreibt Heydenreich Est. Seine Argumentation gegen Heimreich besteht nicht sowohl darin, dass er an dem von diesem neu- geschaifenen Gedicht (III, 1, 21—26, 1—6, 9—20, IV, 8, 47—58) Schwächen nachweist, als dass er die Integrität von IV, 8 und insbesondere die Zugehörigkeit von v. 47 56 dai'zulegen sucht. Das ist ihm nicht recht gelungen. Auch nach seinen eingehenden Erörterungen erscheint uns das fragliche Stück als unorganisch in IV, 8, auch wenn man mit Heyden- reich nach Lachmann 59 60 nach 46 einschaltet. Die kühne Trans- position Heimreichs löst freilich die Schwierigkeiten auch nicht: in sei- nem Gedichte ist die betreffende Partie eine ungeschickte, in dem über- lieferten eine mit der übrigen Haltung des Gedichtes in Widerspruch stehende Hyperbel. Der Ausweg, den Hetzel wählt, indem er 47 56 nach 21 einschiebt, führt auch nicht zum Ziele; der Widerspruch bleibt. Am allerwenigsten endlich bringt das von Faltin angewendete Mittel Heilung. Er räumt zunächst IV, 8, 5 20 und 55 56 als Interpolation aus dem Wege. Es ist nicht zu leugnen, dass er dabei auf manche Schiefheit und Unbestimmtheit der Darstellung in den kunstgeschicht- lichen Citaten richtig hinweist, und es wird sich empfehlen, die Stelle erneuter Prüfung zu unterwerfen; aber im Ganzen verfällt er auch hier wie bei I, 1 in einen forcirten Skepticismus, der sich manchmal aus- nimmt wie ein geflissentliches Verkennen der Wahrheit. Das gilt nament- lich von seinen Bemängelungen der Verse 5, 6 und 19, 20. Geradezu monströs aber muss das Product genannt werden, das er schliesslich als echtes Properzisches Gedicht und zwar als Eiuleitungsgedicht des ersten Buches an Stelle der überlieferten Elegie vorführt. Es setzt sich zu- sammen aus folgenden Bestandtheilen: IV, 8, 1 4; 35 46; 21-30; III, 1, 1-6; 8-20; IV, 8, 47-54; 31 -34; III, 1, 21—26; IV, 8, 57 bis 60. Wir sehen zuversichtlich der Bestätigung unseres absprechenden Urtheils seitens unserer Leser entgegen. F. Teuf fei sucht die Schwierig- keiten in 21 und 22 zu heben, iudem er superare erklärt mit »überwin-

302 Tibull und Properz.

den, besiegen = widerlegen«. Der Vollständigkeit wegen sei noch angeführt, dass Weber (S. 28f.) III, 1, 7 12 als Interpolation betrach- tet, weil die Verse angeblich ein zweites Exordium bilden. Es wäre sehr gefährlich für den Dichter, wenn jede solche weitere Ausführung und Variirung eines Hauptgedankens gestrichen werden dürfte.

III, 5. Hetzel (S. 10 f.) kommt hier darauf zu, dass in den Ver- sen 27—42 vielleicht nichts weiter acht ist als die Fragmente 27-29, 35, 41 42 (?V). Kiessling (S. 5) conjicirt zu v. 23: Huc iterum ad lapides cana ueni memores. Schwerlich richtig. L. Müller"s memento hoc iter: ad lapides cana u. mem. hat nichts bedenkliches; hoc itcr ist »der Weg hierher« und wird durch den folgenden Satz des Pentameters satt- sam erklärt.

III, 6, 29 32 will Weber (S. 30f.) als Interpolation oder Bruch- stück eines anderen Gedichtes von der Elegie getrennt haben.

Ebendas. findet Herwerden (S. 429) den v. 6 Nee sie incolumem Minois Thesea uidit sensu cassum, weil doch zu nee sie supplirt werden müsste gauisa est. Also nicht einmal eine so einfache, unzweideutige Verschiebung der Prädicate wird allgemein verstanden. Nee sie uidit bedeutet natürlich nach dem Zusammenhange; »und nicht mit solcher Freude sah« und ist eine angenehme Variation der Rede nach gauisus, laetatus. Herwerden conjicirt: Nee sie ineolumem Minois Thesea uidens, wobei hoffentlich tiidens Druckfehler ist für das sprachlich freilich kaum zulässige uisens.

III, 8, 25 ff. schreibt Hetzel (S. 11) nee tu septenas noctes seiunef.a cubares Non quia peccarivi^ testor te, sed quia uulgo . -- V. 41 und 42 hält er für interpolirt.

III, 9. Hetzel stellt (S. 12) aus dieser und den (bei L. Müller) folgenden Elegien 10 und 11 ein Gedicht her, indem er 9, 17 18 als imächt, 10, 1 4 und 21 22 als nicht hierhergehörige Fragmente streicht; er verbindet demnach so: III, 9, 1 12; 15-16; 13 14; 10, 5—20; 11, 1-16.

III, 11 transponirt W. Teuffei: 1 2, 9—10, 5-6, 3-4, 7 8. Allerdings wird durch diese Umstellung der Gedankengang stetiger: sollte sie darum aber nothwendig sein? V. 29 empfiehlt für De me jni certe Kiessling (S. 6) JJementi eerte (im Gegensatz zu dem im Pentameter folgenden Mi formosa sat es —), Tyrrell (S. 120) Demens! Mi certe . Aber kurz vorher ist Cynthia schon demens genannt worden ; die Wieder- holung hat etwas Anstössiges. Das Kiessling'sche y>dementi<( wäre ganz plausibel, wenn nicht certe deutlich darauf hinwiese, dass jni hier gehal- ten werden muss: »mir wenigstens, mir jedenfalls«.

III, 12, 31 f. giebt Munro (S. 5 Oft".) die wunderliche Erklärung für mutem: »Der Dichter wechselt ab zwischen dem Rufe »Oynthia«: und dem Rufe nabsenti nemo ne nocui&se uelitic, bald ruft er jenen Namen, bald diesen Wunsch«. Liegt nicht die Erklärung für mutare in dem

Properz. 303

Plural tua iiominn f Der Dichter wird wohl mehrere Namen für seine Ge- liebte gehabt haben.

Zu III, 15 spricht Kiessliug (S. 11) die Vermuthung aus, dass Demophoon wohl Pseudonym für den Ovid. Epp. ex Ponto IV, 16, 20 als Dichter eines Liedes auf (Demophoon und) Phyllis genannten Tuscus sein möchte. - Ebendas. v. 39 Her werden (&. 430) Aut si forte irata mihf Sit. facta minisfro, soll heissen : si forte puella mihi irata est, pro uanis suspicionibus praebeo ei facta, ut sciat esse aliam, quae mea esse uelit. Aber der Ausdruck ministrare hier, die Unklarheit des Begriffes facta^ die hässliche Diäresis nach sit u. s. w.! Die Stelle ist unzweifelhaft cor- rupt, aber so wäre sie nicht eraendirt.

III, 19, 28 29 sucht Weber S. 31 f gegen Heimreich als echt zu vertheidigen. Aber die Hauptsache, die unbegreiflich abgeschmackte Fassung von v. 29, durch welche die Stelle am meisten verdächtig wird, berührt er gar nicht. Und die Schiefheit des Ausdrucks sola relicta für Medea kann er nicht weginterpretiren.

III, 20, 17. Nur der Curiosität wegen sei hier der Einfall von Munro erwähnt (S. 66 ff.). Ät nullo dominae. teritur sub alumine amor, qui »kein Alaun kann so adstringirend auf die Liebe einwirken, dass sie eingeht«!

Die drei Gedichte III, 21, 22 und 23 will Hetzel (S. 13) unter der Annahme, dass zwischen 22 und 23 ein Distichon ausgefallen ist, als eine Elegie aufgefasst haben. Die unversöhnlichen Discrepanzen zwischen den drei Stücken sucht er leichter Hand zu beseitigen durch die Darstellung des angeblichen Gedankenganges im ursprünglichen Ge- dichte. Bekanntlich ist ein solcher allgemein gehaltener Gedankengang, in welchem der Interpret beliebige Vermittelungen einschaltet, ein sehr trügerisches Mittel der Exegese.

III, 21, 9—20. Weber (S. 32ff.): Nicht blos 17-18, sondern auch 13 16 sind Interpolation. Desgleichen III, 26, 3.

III, 26, 8. Tyrrell (S, 120): Oetoeo et Priami diruta regna senis mit Rücksicht auf IV, 1, 32 Troia bis Oetaei numine capta dei. Aber diese Stelle rechtfertigt nicht den absoluten Gebrauch von r>Oetaeo für Herculm. III, 27, 41 42 bezeichnet Hetzel (S. 14f.) als verdächtig.

III, 28. Weber (S. 12 ff.): Die ersten 18 Verse spricht Cynthia; 19 22 sind als Fälschung zu streichen; die übrigen 18 Verse (23—40) bilden die Antwort des Dichters ; der Dialog bezieht sich auf die IV, 21 behandelte Reise nach Griechenland. Die Schwierigkeiten der Erklä- rung des Gedichtes scheinen uns damit nicht gehoben. Die Gegenrede des Dichters würde sich, auch wenn 19 22 zu beseitigen wäre, schlecht an die Anrede der Cynthia anschliessen, die auch in sich selbst ihre Unbegreiflichkeiten behält.

III, 28, 20. Munro (S. 53) rauca für das handschriftliche nota.

III, 29 und 39 combiuirt Hetzel (S. 15f.) so: 28, 1— 4-, 9—16;

804 TibuU und Properz.

5 8; 30, 7—10; 1-6; 11-24; 27 62. Die Verse 25-26 sollen ein Citat sein, das ein Leser aus einer anderen nicht erhaltenen Elegie an den Rand geschrieben.

III, 31. Hetzel (S. 16): Mit v. 23 beginnt eine neue Elegie; V. 41 und 42 stehen nicht an ihrer Stelle, sind als ein Fragment an- zusehen.

III, 32. lieber diese vielumstrittene Elegie liegen uns drei Unter- suchungen vor, eine oberflächliche von Hetzel (S. 16 ff.) und zwei gründ- liche von Heydenreich (de Propertio laudis Verg. praec.) und Munro (S. 28—46). Hetzel weiss über den offenbaren Widerspruch zwischen dem Eifersuchtsmotiv (1—22) und dem Motiv der Freude über die späte Liebe des gelehrten Freundes (23 ff.) hinwegzukommen mit einer vagen Redensart von launiger Neckerei des Dichters. Ebenso leicht macht er sich die Erledigung der Schwierigkeiten in dem praeconium Vergilii. Hier soll v. 81 haec im Anschluss an das Lob der Georgica sich so er- klären: »den beiden berühmten Dichtungen (Aeneide und Georgica) werden die Bucolica als lyrische Gedichte entgegengestellt und darum mit ^haecii = zu meinem Bereiche gehörig bezeichnet«. Wenn das mög- lich ist, dann kann alles alles bedeuten. Heydenreich polemisirt wie- der gegen Heimreich, mehr beiläufig bezüglich der Verse 1 60. Ge- lungen ist ihm hier nach unserer Ueberzeugung die Widerlegung der Heimreich'schen Bedenken gegen die Verse 11. 12. 19. 20. 25. 26 bis auf die Erklärung von solum (v. 25), die wir nicht verstehen ; das Wort ist corrupt. Nicht ausgeführt dagegen ist die Lösung des oben angedeu- teten Widerspruches zwischen dem ersten und dem zweiten Drittel der Elegie. Der Schwerpunkt der Abhandlung liegt in der Emendation des letzten Drittels. Es wird transponirt 59-66, 77 80, 67—76, 81 bis Schluss. V. 81 soll sane für tarnen^ v. 83 nee minor his animis, aut segnior ore canorus geschrieben werden , wozu die Erklärung wörtlich lautet : »Nicht bist du, o Vergil, kleiner durch den Geist dieser Gesänge (der Eclogen) und nicht weicht der wohltönende Schwan dadurch, dass er sang {indocio carmine abl. abs.) ein einfaches Gedicht (von dem er selbst sagt, dass es sei) ein carmen anseris«. Diese Künstelei befriedigt nicht ; dagegen ist die Transposition beachtenswerth. Munro transponirt im zweiten Drittel in sehr kühner Weise (23—30, 45—46, 51—54, 41—42, 39-40, 31 -38, 43-44, 47—50, 55 ff.). Er kommt hier mit sich selbst in Widerspruch, insofern er ausgegangen ist von der Annahme, dass das Gedicht als unvollendet, als Coucept mit unausgeglichenen Stellen und Varianton von des Dichters Hand auf uns gekommen sei. In der rich- tigen Erkenntniss, dass bei seiner Transposition nicht alles zusammen- klappt, recurrirt er auf die Concepttheorie ; aber welches Recht hat dann überhaupt die Transposition, bei der doch nothwendig vorausgesetzt sein müsste, dass das Gedicht ursprünglich in sich abgeschlossen gewesen? Für das letzte Drittel hilft er sich durch die Annahme, dass der Dichter

Properz. 305

77-80 als einen Entwurf zu etwaiger späterer Einarbeitung neben 61—70 geschrieben habe. Die Conjectur zu 53 nee si post Siygias aliquis re est arbiter undas ist unbedingt abzuweisen; das re (für »thatsächlich«) wäre in dieser Verbindung barbarisch. Zu IV, 3 und 4 nimmt Hetze! (S. 18) die Scaliger'sche Ansicht wieder auf, dass dies ein Gedicht sei. Er be- - weist wieder bequem mit einem ad hoc zurechtgemachten Gedanlvengange der Elegie, dabei ganz ignorirend, wie grundverschieden in den beiden Stücken Krieg und Beute behandelt werden, im zweiten mit Verachtung, im ersten mit Anerkennung.

IV, 4, 31 Herwerden (S. 431) fulcire für uindre {'i). IV, 4, 15 18 These von Weber: Hi uersus interpolati sunt.

IV, 5, 2lf. Kiessling (S. 9): Ille potest niillo miseram ine Unquere pacio, Aequalem nulla clicere habere domo. »Puella primum indignabunde increpat Propertii perfidiam (19. 20); tum pristini amoris recordatione uicta confidentius rem a Lygdamo delatam ueram esse uegat (21. 22); sed statin! ex riualis puellae mentione surgit acerba amatoris species nouo amore luxuriantis (23. 24).

IV, 5, 11 Tyrrel (S. 120 f.) erklärt Nee speculun utralo uidisti, Lygdame, leeto: Hast du den Spiegel nachlässig hingeworfen auf dem ungeordneten Bette gesehen (mc strato = et non stratoj? Gewiss nicht; erstlich müssten die Worte anders gestellt sein fnec strato speculum); dann soll, wie die folgenden drei Verse bestätigen, das Nichtbeiderhand- sein des Spiegels ein Beweis dafür sein, dass Cynthia nicht an's Putzen denkt, sondern trauert. Strato lecto ist abl. abs. und steht mit unter dem Einflüsse der Negation: die Lagerstätte ist nicht vorbereitet wozu, versteht sich von selbst.

IV, 8 sucht Weber (S. 20 ff.) nicht bloss für die Verse 23 und 24, sondern auch für 21 und 22 die Unechtheit zu erweisen.

IV, 10, 23 und 24. Tyrrel (S. 121): Et dno in aduersum mitti per vioeaia currus nee possent tacto stringere ab axe latus.

IV, 10, 72. Kiessling billigt (S. 9) die alte Aenderung tuto für toio. Nöthig? Das in bei toto rechtfertigt Kiessling selbst durch zwei Parallelstellen aus Properz; die Beschränkung auf das Ionische Meer wird erklärt durch v. 69 , und endlich empfiehlt sich totus als Lösung der vorhergehenden Alternative.

IV, 15, 29. Weber (S. 37 f.): aut humet ignotum uili me litus arena. Empfiehlt sich weder durch dringendes Bedürfniss erneuter Aenderung noch durch Einfacheit des Verfahrens.

IV, 21, 25 und 26 will Weber (S. 9 ff.) (nach Lachmann's Vorgang) streichen; im folgenden Verse soll geschrieben werden: Persequar Mc Studium. Eine gewaltsame Correctur. Die auf die Philosophie bezüg- lichen Verse sind sachlich nicht leicht zu entbehren. Es wäre geradezu wunderbar, wenn diese erste und vornehmste Seite des Athenischen Geisteslebens unberührt bliebe.

Jahresbericht für Alterthiims-Wissenschaft 1877. II. 20

306 Tibull und Properz.

IV, 22, 1-4 erklärt Weber (S. 39 f.) für interpolirt.

V, 1, 23—56. Heydenreich giebt (quaest. S. 29—36) eine aus- führliche Vertheidigung der L. Müller'schen Behandlung der Stelle. Neue Zuthat von ihm (oder richtiger von L. Lange, auf den er sich bezieht) ist die Umstellung von 55 und 56 nach 38. (31—33; 36. 35. 34. 37. 38. 55. 56. 39. 40—52. 87. 88. 53. 54. 57ff.).

In derselben Elegie conjicirt Munro (S. 69) v. 73 at certis für accersis und Tyrrell (S. 122) interpungirt v. 8f. Nunc pretium fecere deos et (fallitur auro luppiterj obliquae signa iterata rotae.

V, 3, 10. Munro (S. 63ff.): Vstus et Eoae decolor Indus aquae.

Wir schliessen mit zwei Proben kühnster kritischer Combination. Munro reconstruirt die corrupte Stelle V, 11, 39. 40 folgendermassen (S. 53—62):

Testor maiorum cineres tibi, Roma, uereudos, Sub quorum titulis, Africa, tonsa iaces,

[Et qui contuderunt animos pugnacis Hiberi Hannibalemque armis Antiochumque suis].

Et Persen proaui simulantem pectus Achilli, Quique tuas proauus fregit, Auerne, domos.

Der Angeredete des letzten Verses ist Hercules. In v. 66 derselben Elegie schreibt Munro: Consule quo, festo tempore, rapla 807-ür die Festzeit soll nämlich darin bestehen, dass der Bruder Consul ist.

Jahresbericht über die römischen Satiriker (ausser Lucilius und Horatius).

Von

Prof. Dr. L. Friedländer

IQ Königsberg.

Petronins.

Friedrich Jacobs, In Petrouii Satyricon I. Journal of Philo- logy VII (1877). 8. 206—214.

J(ohn) E. B. M(ayor) kaufte aus Jahn's Nachlass diese »14. April 1793« datirten handschriftlichen Bemerkungen von Fr. Jacobs zu Petro- nius, deren Veröffentlichung er hier begonnen hat; nach denselben scheint Jacobs die Absicht gehabt zu haben, den Petrc^ herauszugeben (S. 212: Grandis edere non dubitavi). Weder die exegetischen Bemerkungen, noch die Conjecturen (c. 1 declamatoribus committebantur für de- clamationibus continebantur, ingenia detriverat statt deleverat) sind von Erheblichkeit.

P* er «ins.

Dr. J'ranz Semisch, De vi ac natura poesis Persii satiricae. Pro- gramm des städtischen Progymnasiums zu Friedeberg N./M. zum 2 I.März 1877. 24 S. 4.

Der Verfasser glaubt, dass die Satiren des Persius voll von ver- steckten Anspielungen auf Nero sind. Wenn Nero dies auch merken mochte, so hatte es Persius doch stets so geschickt eingerichtet, dass eine Anklage wegen Majestätsbeleidigung nicht erhoben werden konnte. So kann man in der vierten Satire alles was von Alcibiades gesagt wird, auf Nero beziehen. Das Lob in v. 10—13 passt vortrefflich auf sein quinquennium (S. 16). Hätte Nero aber auch die Vorwürfe auf sich be- zogen, so würde er ja anerkannt haben, dass er sie verdiene! Der Ver- fasser besitzt einen Persius (wie es scheint die Ausgabe von Casaubonus), einen Sueton, einen Tacitus und einen Cassius Dio: durch fleissige Lee- türe in diesen drei letzten Autoren hat er die überraschendsten Bestä-

20*

308 Römische Satiriker.

tigungen seiner Ansicht entdeckt. So ist z. B. in der Stelle 3, 5G cum tibi calve Pinguis aqualiculus protenso sesquipede extet, Nero gemeint, der nach Sueton cervice obesa, ventre projecto war (S. 8). Der patruus, auf dessen Tod der Erbe wartet (2, 10), ist Claudius, der pupillus (12) Britannicus (S. 9 f.). Auch Nero jam tertia conditur uxor (14) bezieht sich auf Nero, wesshalb auch vermuthlich der ähnlich klingende Name gewählt ist; denn (S. 11) Nerio tödtete drei Frauen, Octavia, Poppaea und Statilia Messalina. Nach allem diesem wird man es nicht auf- fallend finden, wenn S. 12 M. Aquilius Regulus Regulus quidam, der Frei- gelassene August's Licinus Licinius genannt, das ovatum aurum 2, 55 auf eine Nero 811 zuerkannte Ovation bezogen wird, lieber den 5, 126 genannten Crispinus sagt der Verfasser S. 21, er sei überzeugt, sub hoc nomine Rufium Crispinum latere, famosum illum Neronis vernam, quod »monstrum nulla virtute redemptum a vitiis« (luv. 4, 3) princeps ma- gistrum equitum fecit. Maritus enim erat Poppaeae Sabiuae etc. Doch genug. Wenn die Verpflichtung der Lehrer der höheren Lehranstalten in Preussen, wissenschaftliche Abhandlungen in Schulprogrammen zu ver- öffentlichen, oft ähnliche Resultate geliefert hat, so ist es gut, dass sie aufgehoben ist.

Otto Kunzendorf, Sind die Satiren des Persius ein Bild seiner

Zeit? Programm der König- Wilhelrasschule (Realschule L Ordnung) in

Reichenbach (Schlesien). 1877. Progr. Nr. 178. 25 S. 4.

Lütt ich, Ueber die Mängel und Vorzüge der Satiren des Persius.

Programm des Domgymnasiums zu Naumburg 1877. Progr. No. 196.

26 S. 4.

Keine von beiden Abhandlungen bietet etwas Erhebliches. In der ersten wird ausgeführt, dass die Satiren des Persius mit Ausnahme der ersten nur hin und wieder Beziehungen auf seine Zeit enthalten und dass er dem wirklichen Leben zu fern stand, um ein eigentlicher Satiriker zu sein; in der zweiten, dass die Ideale der stoischen Philosophie und sitt- liche Entrüstung bei Persius den Mangel praktischer Lebenserfahrung und poetischen Schwunges ersetzen müssen, dass er sich aber durch lebensgetreue Charakterschilderung und eine »wundervoll erhabene Sitt- lichkeit« auszeichnet.

Martialis.

Köstlin, Kritische Bemerkungen zu Martialis. Philologus 36. 1877. S. 264—284.

Die Mehrzahl der hier mitgetheilten Conjecturen ist verfehlt. Wirk- liche Verbesserungen oder doch beachtenswerthe Vorschläge sind folgende: IV 23, 3 Graium quos epigramma comparavit. VI 43, 2 Canaque sulphureis lynipha uatatur aquis. IX 7, 4 iam satis est: uon vis, Afer,

Martialis. 309

avere vale (für Afer: non vis avere, vale). IX 85, 3 Tu languore quidem subito fictove laboras. X 70, 3 Si secum coraitem trahit pudorem, Sem- per pauperior redit potestas. XI 99, 6 Et minias intrant Cyaneasque nates (wo aber Martial doch wohl Minyas geschrieben hat, das nur wie minias klingen sollte). Vgl. mein Programm Recensio locor. in Martial. XIV epigr. libris corruptor. (Acad. Alb. Regim. 1878 III). Ob VIII 21, 8 Jam anthus et Aethon Frena volunt das von Köstlin vorgeschlagene voraift den Vorzug verdient, möchte ich nicht entscheiden. Die Be- ziehung von IX 50 auf Statins (welche allerdings nicht, wie Köstlin glaubt, durch den Namen Gaurus angedeutet sein kann) habe ich schon vor län- gerer Zeit hervorgehoben (Darst. a. d. Sittengesch. Roms III 348, 1), wo auch über das Verhältniss von Martial und Statins gesprochen ist.

0. Müller, Zu Römischen Autoren. Hermes XII, 1877, S. 304 f.

Müller will bei Martial I 25, 2 et cultum docto pectore profer opus, lesen pect ine. Dass aber diese elegante und gelehrt begründete Conjectur nicht richtig ist, zeigt IX 77, 3 Et raulta dulci, multa sublimi refert, Sed cuncta docto pectore.

E. Renn, Kritisches zu Martial. Zeitschr. f. d. bayer. Gymnasialw. Bd. 13 (1877) S. 212-214.

Renn schlägt vor Mart. VII 87, 1 si meus aurita gaudet lagalopece Flaccus zu lesen glagalopece, da es eine nordafrikanische, leicht zähm- bare Fuchsgattung mit übermässig langen Ohren giebt, deren Farbe im zunehmenden Alter immer lichter, milchähnlicher wird. Trotzdem bleibt dieser »Milchfuchs« nicht weniger problematisch als der Hasenfuchs der Texte.

Dr. Anton Zingerle, o. ö. Professor zu Innsbruck, Martial's Ovid- studien. Innsbruck, Wagnerische Universitäts-Buchhandlung 1877. (Fest- schrift zum Jubiläum der Universität Tübingen.) 8. VI, 42 S.

Diese (von mir bereits in der Zeitschr. f. österr. Gymnasialw. 1877 S. 827 f. angezeigte^ gründliche und werthvoUe Arbeit giebt eine will- kommene Uebersicht über Martial's Nachahmung des ihm so geistesver- wandten und von ihm neben CatuU am meisten benutzten Ovid. Zingerle weist ungefähr 200 Stellen mit Anklängen und Reminiscenzen au Ovid bei Martial (und zwar hauptsächlich dessen spätere Dichtungen) nach, die sich natürlich vorzugsweise in den elegischen Gedichten finden, wo auch (doch mehr im Pentameter als im Hexameter) sich die Anwendung ge- wisser Lieblingsmittel der Ovidischen Versification zeigt. Martial hat Ovidische Wendungen, Motive, Verstheile und ganze Verse nicht bloss in ähnlichen Situationen, sondern auch in ganz verschiedenen verwandt, und zwar im letzteren Fall in der Absicht eine überraschende Wirkung hervorzubringen. Bei Mart. II 42, 1 findet Zingerle mit Recht eine Er- innerung au Ovid A. A. III v. 19 ff. und HI 513, doch ohne die Absicht

310 Römische Satiriker.

der wörtlichen Anführung (S. 5 f.), und nimmt auch wohl mit Recht an, dass Auson Idyll. 13 f. den Vers Mart. I 4, 9 nicht aus Irrthum als einen des Plinius angeführt hat, sondern dass dieser ihn wirklich von Martial entlehnt hatte (S. 6 f.).

luvenalis.

Dr. A. Hack ermann, Zur Kritik und Erklärung luvenal's. Pro- gramm des städtischen Gymnasiums zu Greifswald 1877. Progr. No. 702. 4. 38 S.

Der Verfasser hat seine bekannte Ansicht, dass der ursprünglichere Text des luvenal nicht in der Pithöanischen , sondern in der Masse der übrigen Handschriften überliefert sei, hier nochmals auf's ausführlichste vorgetragen und zu begründen versucht. In der Rückkehr der deutschen Kritik zu der von Pithoeu^ zu Grunde gelegten Handschrift erblickt er einen Rückfall in die Nachäffung französischer Vorbilder (S. 18)! Es thut Noth, sagt er S. 20, dass man die französische Gouvernante unver- züglich entlässt, die übel berathene Landestochter (d. h. die deutsche Textkritik) aber ihrer sehnsüchtig harrenden, sinnigen Milchschvvester (d. h. der Exegese) zurückgiebt, damit sie sich unter deren Obhut und Aufsicht wieder an einen ehrsamen Wandel gewöhne. Der »Pithöanische Schwindel« erscheint ihm als die Ausgeburt eines wissenschaftlichen Grün- derthums, zu welchem eine Coterie der zünftigen Vertreter einer in ihrem innersten Kern morschen Katbederdoctrin sich verbündet hat, aber den Kenner des luvenal (d. h. den Verfasser) »irritirt« dies nicht (S. 37). Kurz der Verfasser macht ganz den Eindruck eines von einer fixen Idee beherrschten Mannes, der alle übrigen Menschen für sinnverwirrt hält und mit mitleidiger Verachtung auf sie herabsieht.

Aus allem was der Verfasser vorbringt, ergiebt sich für eine unbe- fangene Auffassung nichts anderes als was jeder Urtheilsfähige längst weiss, nämlich dass die Lesarten des P keineswegs durchweg den Vor- zug vor denen von co verdienen, dass vielmehr auch die letzteren Hand- schriften oft das Richtige bieten, wo P Falsches hat. Jahn hat dies auch (ed, 2 p. 8) ausdrücklich gesagt. Um aber im Grossen und Ganzen in u) eine primäre, in P eine sekundäre Ueberlieferung zu erkennen, muss man eben wie der Verfasser in zahlreichen Fällen sprachlich und sachlich Unmögliches für möglich, Verkehrtes und Sinnwidriges für natürlich, Ab- surdes für angemessen halten. Der Verfasser glaubt, dass luvenal 4, 147 Getis als Spondeus und zwar für Dacis brauchen konnte, er vertheidigt 3, 112 aulam resupinat amici, 8, 198 citharoedo principe natusNobilis (die Geburt unter Nero soll den Adligen zum Schauspieler prädestinirt haben!); er glaubt, dass cura cohortis 1, 58 praefectura praetorii bedeutet (S. 27) und russatus lacerta 7, 114 eine rothgesprenkelte Eidechse, da lacerta commune sei (S. 34) u. s. w. Um noch eine Probe von seiner Beweisführung zu geben, so führt er für die Lesart Codri 1, 2 S. 24 ff.

luVenalis. " 311

an, dass dies als specifisch attischer Name zur Theseis passt; ferner dass Martial IJ, 57 und V 26 einen zeitgenössischen Dichter dieses Namens erwähnt. Aber abgesehen davon, dass die beiden Bücher Martials 86 und 89, das erste Juvenals zwischen 107 und 116 ediert sind, stehtauch bei Martial in den besten Handschriften (V 26 auch in T) Cordus, wie Schneidewin ediert hat; sodann sagt Martial mit keiner Silbe, dass der Stutzer Cordus (alpha paenulatorum »Nummer Eins der Pänulaträger«, hält der Verfasser für einen Hinweis auf seine hellenische Nationalität!) ein Dichter war. Endlich gewährt nach der Ansicht des Verfassers »bei der Nachhaltigkeit luvenalischer Invectiven« die Wiederholung des Na- mens Cordus 3, 203 die sicherste Bürgschaft für dieselbe Lesart in 1, 2. Von den Untersuchungen über die Personen bei Martial und luvenal scheint dem Verfasser nichts bekannt geworden zu sein. Wenn er übri- gens wirklich die via Flaminia, die er S. 28 »die frequenteste und no- belste Strasse Roms« nennt, für eine Strasse in Rom hält und glaubt, dass man in den Strassen Roms spazieren fahren konnte; wenn er S. 30 glaubt, dass die lacerna ein »grobes Ueberkleid« ist, wenn er S. 34 sagt, Domitian habe die factio russata »als aurata oder purpurea« errichtet: so zeigt diese schülerhafte Unwissenheit in den römischen Alterthümern, dass der Verfasser gar keine Vorstellung hat, welche Kenntnisse auch auf diesem Gebiet zur Erklärung Juvenals erforderlich sind.

Dr. Otto Haenicke, Adjunct am kgl. Pädagogium zu Putbus, Kritische Untersuchung über die Echtheit der zwölften Satire von lu- venal, Putbus 1877. 22 S. 4.

Der Verfasser führt S. 1— 8 richtig aus, dass die Manier luvenal's in den späteren Satiren im wesentlichen dieselbe ist wie in den frühe- ren; dass auch die letzteren im hohen Grade seine Unfähigkeit zu künst- lerischer Composition, Ungleichheit in der Ausführung, Nachlässigkeit des Ausdrucks, Weitschweifigkeit und stellenweise Geschmackslosigkeit zeigen; dass endlich die zunehmende Kraftlosigkeit und Weitschweifig- keit der späteren Satiren sich vollkommen daraus erklärt, dass er sie in seinem höheren Alter verfasst hat. Wenn der Verfasser aber ver- sucht hat zu beweisen, dass die Schilderung des Sturms 12, 22 -22 »mit all ihren Sinnwidrigkeiten und Abenteuerlichkeiten, sentimentalem Ge- wimmer und tragisch sein sollendem Pathos« im Ton damaliger Dichter- linge und um dieselben zu persifliren gedichtet sei (S. 12), so ist ihm dies völlig misslungen. Es würde nur glaublich sein, wenn hier eine von luvenal's sonstiger Darstellungsart wesentlich abweichende Manier hervorträte: doch den Wiederholungen, Härten und Unbehülflichkeiten des Ausdrucks, der Weitschweifigkeit, den Hyperbeln , die hier vorkom- men, begegnen wir vielfach auch sonst. Ein Theil der Ausstellimgen des Verfassers erledigt sich durch die sehr nahe liegende Annahme, dass CatuUus Kaufmann und die über Bord geworfenen Güter zum Ver-

312 Römische Safiriker

kauf bestimmt waren. Die Stelle 12, 78, in der Iiivenal den Hafen von Ostia über alle natürlichen Häfen setzt, steht keineswegs in Wi(ierspruch mit 3, 18 ff., wo er sich gegen die Verkünstelung der Natur erklärt (S. 20) : seine Abneigung gegen diese konnte ihn doch nicht hindern anzuerkennen, dass menschliche Kunst im Stande war, ein Werk von grösserer Zweckmässigkeit zu schaffen als die Natur. Unter den Her- stellungsversuchen von 12, 32 arboris incerto hätte der von Lachmann ad Lucret. p. 387 arbori incertae mindestens erwähnt werden sollen.

Arthur Palmer, luvenal Sat. XV 104. Journal of Philology VH (1877). S. 95f.

luv. XV 104: quisnam hominum veniam dare quisve deorum viribus abnueret dira atque immania passis etc.

Für das von den Handschriften (Pcu) gebotene viribus hat Jahn die Conjectur von Valesius ventribus aufgenommen. Auf Grund der Les- art urbibus (c) schlägt Palmer Virbius vor, der als italischer Hippolyt (wegen der dem Hippolyt bei Eurip, 952 ff', nachgesagten orphischen Lebens- weise) der Repräsentant des Vegetarianismus unter den Göttern sein soll !

Jacob Beruays, Die Gottesfürchtigen bei luvenal. Commenta- tiones philologicae in honorem Th. Mommseni 1877. S. 563-569. 4.

Bcrnays weist nach, dass luvenal 14, 96 (metuentem sabbata pa- trem) und 106 (Judaicum ediscunt ac servant ac metuunt ins) mit me- tuere einen Hinweis auf die Bezeichnung der sich dem jüdischen Glauben anschliessenden Nichtjuden gemacht hat, welche die Juden metuentes nannten; so auch in der Inschrift CLL. V 1, 88 Aur. | Soteriae matri piere|tissimae religioni (lies li) j ludaicae metuenti. Für den hebräi- schen Ausdruck »den Ewigen fürchten« findet sich als Aequivalent bei Josephus (A. J. XIV 7, § 2 S. 220, 3 B.) und in der Apostelgeschichte ai- ßeaHai rbv {^sov von Anhängern des Judenthums (in der letzteren auch as- ßofjLSvoi allein); aber auch ol (poßoüjxevot zhv &z6v Act. ap. 13, 16 und 26. Die Vermeidung des Gottesnaraens, die in der nachbiblischen hebräischen Litterätur zum Gebrauch des Surrogats »Himmel« geführt hat, so dass »Himmelfürchtende« für Gottesfürchtige gesagt wurde, hat bei luv. (v. 97) den Ausdruck caeli numen adorant veranlasst.

Glossae in luvenalem ex codice Parisino edidit Henricus Keil. Ind. Schol. Halens. aestiv. 1877. p. III -XIL 4.

Der cod. Paris. 7730, eine Sammelhandschrift des zehnten Jahr- hundert, enthielt unter anderem ein Stück der Satiren luvenal's und das hier von Keil edierte Glossar, das grösstentheils aus Erklärungen luve- nalischer Wörter besteht. Die Lesarten sind meist die des Pith., auch sind die zu diesem Texte gehörigen Schollen mehrfach zur Erklärung

luvenalis. 313

benutzt, zum Theil mit groben Entstellungen, wie sich denn überall eine barbarische Unkenntniss des Alterthums verräth, z. B. in den Erklärun- gen Artaxata geuus vestis peregrinae, Beronices (6, 156) lapis est opti- mus et pretiosus de quo calices reges habebant, Subura, ultima pars urbis ubi primo corpora urebantur etc. Antifates (14, 20) cuslos donius, quem homines timent. Opici mures i. e. rosores litterarum, opicizin di- citur minuere litteram loquendo (schol: opizin Graeci dicuiit de his qui imperite loquuntur) u. s. w. Der Herausgeber hat (ausser den wie es scheint gleichzeitigen Correcturen) überall die betreffenden Textstellen und Schollen hinzugefügt. Die Zeit, in welcher dies (für die Erklärung luvenal's werthlose) Glossar frühestens abgefasst sein kann, ergiebt sich aus der Benutzung des Isidorus in einer (nicht luvenalischen) Glosse: Paradoxus est qui cuius laudis praedicator esse debuit, eins periculi deprecator est inopinatus effectus. Isidor. orig. II 21, 29: paradoxen est quum dicimus inopinatum aliquid accidisse, ut pro Flacco Cicero ucu- ius laudis praedicator esse debuerit, eins periculi deprecatorem esse factum«.

Jahresbericht über Terentius und die übrigen scenischen Dichter (ausser Plautus) für 1877.

Von

. Dr. A. Spenffel

in München.

I. Terentius.

1) Die Frage, wann die Masken auf der^römischen Bühne eingeführt wurden, behandelt:

Christianus Ho ff er, De personarum usu in P. Terentii comoe- diis. Dissert. inaug. Halis Saxonum, 1877. [Recensirt in der Jenaer Literaturzeitung 1877 No. 30, S. 474f. von C Dziatzko und im Li- terar. Centralblatt 1877 Nq. 36, S. 1220 von W. Wagner.]

Uebereinstimmend mit dem von W. Wagner (vergl. Bursian's Jahresb. I S. 448) und schon früher wiederholt von Dziatzko ausge- sprochenem Urtheil wird der Gebrauch der Masken der Zeit des Teren- tius abgesprochen und die bleibende Einführung derselben nach Diomedes bei Suetonius (Reifferscheid, Sueton. rel. S. 11) dem Roscius zugeschrie- ben, während ein erster, noch nicht durchschlagender Versuch auf Cincius Faliscus und Minucius Prothymus bezogen wird, wodurch Hoff er die Angabe bei Donatus mit obiger Suetoniusstelle in Einklang zu bringen sucht. Es bleibt verdienstlich, die hierher gehörigen Nachrichten aus- führlich besprochen zu haben, wenn man auch in der ErkläAing und Be- handlung der Stellen nicht immer der nämlichen Ansicht sein wird wie der Verfasser. So lag in der Suetoniusstelle personin uei-o uti primus coe- int Roscius Gallus praecipuus histrio , quod oculis obversis erat nee satis de- corus inpei-snnis nisi parasitus prommtiahat , wenn Hoffer sich nicht mit der gewöhnlichen Aeuderung sine personis begnügen wollte, inpersonatus weit näher als die Schreibung Yqui] quod . . . decorus^ in personis n. par. pron. (Auch war obuersis gegen das aus Cicero eingeschwärzte permrsis zu halten.) In den beiden Donatusstelleu : agentibus etiam tunc perso-

Terentius. ' 315

natis L. Minucio Prothymo L. Amhiuio Turpione (Vorrede zu Eunuchus) und agentibus L, Ambiuio et L. Minucio Prothymo qui cum auis gregibns etiam tum personati agebant (Vorrede zu Adelphi) hat weder die zwei- malige Aenderung iam tunc und iam tum (für etiam tunc und etiam tum) noch der Versuch etiam tunc und etiam tum einem unkundigen Gramma- tiker zuzuschreiben Wahrscheinlichkeit. Ein guter Gedanffc war es die Bemerkungen des Donatus zusammenzustellen, in denen w/U/'s oder ocuH und labra erwähnt sind. Der Schluss freilich, den Hoff er daraus zieht, dass nämlich diese Angaben auf Bühnenexemplare alter Zeit vor der Einführung der Masken durch Roscius zurückgehen, ist eine blosse (dem Referenten sehr unwahrscheinliche) Vermuthung. Hieran reiht sich die Untersuchung, inwiefern in den Comödien des Terentius selbst Anhalts- punkte für oder gegen den Gebrauch der Masken zu finden sind, wobei hauptsächlich Phorm. I, 3, 39 f. in die Wagschale gelegt wird. Alle Co- mödien des Dichters, besonders aber Andria und Phormio, seien so ab- gefasst, dass deutlich auf Darstellung durch unmaskirte Schauspieler ge- rechnet werde.

Von den beigefügten sententiae conirover.sae beziehen sicli auf Teren- tius These VH: Pharm, v. 1004 verba y>hem quid ai.sfn Aousi.stratae et verba %non tace.i?% Demiphovi assignanda mnf ; und These VHI: Ambivium quem Lucilius (cd. Muelleri p. 140) nominat, esse puto Ambiriwm. Turpionem actorem fabularinn Terevtianarum.

2) Auf die Contamination der Comödien des Terentius bezieht sich die Schrift:

Konradus Braun, Quaestiones Terentianac. Disscrt. inaug. Goet- tingae 1877.

Der erste Theil untersucht das Verhältniss der lateinischen Andria zu den griechischen Comödien 'AvSplo. und tUptv^ia^ der zweite die Con- tamination im Eunuchus. Braun nimmt an, Menander habe zuerst die 'Avdpta geschrieben, dann das Stück, sprachlich überarbeitet und um we- nige Scenen vermehrt, unter dem Titel llaptv^ta wieder auf die Bühne gebracht. Diese wenigen Scenen, welche Menander in der Ikptv&ta hin- zufügte, seien die Scenen, in welchen Charinus und sein Sclave Byrria auftreten, H, 1; H, 2; H, 5; IV, 1; IV, 2; V, 5; V, 6. Ebendiese Sce- nen habe Terentius aus der fkpcv&ca herübergenommeu, sonst aber die 'Avdpia für seine Uebertragung benutzt. Die Beweisführung, auf die hier nicht genauer eingegangen werden kann, hat wenigstens den Referenten nicht zu überzeugen vermocht. Die zweite Schlussscene der lateini- schen Andria bringt Braun gleichfalls in Beziehung zur IkpcvBta, in der, wie er annimmt, die Angelegenheit des Charinus zu Ende geführt worden sei imd die Verlobung auf der Bühne stattgefunden habe. Als Verfasser dieser Scene sei anzusehen »aliqui vir doctus sive, quum postea iterum terumque ageretur Andria, princeps histrionum gregis vel poeta quid am -,

316 * Terentius.

cui antea inspiciendae erant fabulae agendae« , und dieser habe wahr- scheinlich die griechische fhpcv&ca vor Augen gehabt und die ganze Schlussscene aus ihr entnommen. Da Donatus die zweite Schlussscene bereits kenne, von Calliopius aber keine Bemerkung hierüber erhalten sei, so falle ihre Entstehungszeit - so wird mit keineswegs zwingendem Schluss gefolgert in die Zeit zwischen Calliopius und Donatus. Eine andere Uebertragungsart wird für den Eunuchus angenommen, bei welchem Terentius ungleich selbständiger zu Werke gegangen sein müsse als in der Andria, da schon die Worte des Prologs 30 f.: Colnx Menandrist, in east parasitus colax El miles gloriosiis. eas se non negat Personas trana- tulisse in Eunuchum suant Ex Graeca zeigten, dass nur ihre Charaktere und der allgemeine Inhalt ihrer Reden vom Dichter benutzt worden sei, nicht aber wörtliche Uebersetzung stattgefunden habe. Ihne's Ansicht (quaest. Terent. p. 15), dass ausser diesen beiden Rollen auch noch an- dere aus dem Colax in den Eunuchus herübergenommen seien, wird be- kämpft, wobei manche richtigen Bemerkungen gegen Ihne's Hypothesen gemacht werden, und schliesslich der Inhalt des Menander'schen Euvoü^os von Scene zu Scene darzulegen gesucht.

3) Nichts neues bietet:

*

I. Dornseiffen, Wetten der Latijnsche prosodi^ en van het me- trum van Terentius. Amsterdam. C. F. Stornier 1877.

Der Verfasser, Conrektor am Gymnasium zu Amsterdam, hat, wie er in der Vorrede sagt, das Büchlein zunächst zu eigenem Gebrauche beim Unterricht zusammengestellt; er behandelt kurz die allgemeinen Regeln der lateinischen Prosodie und in einem Anhang S. 31 42 die von Terentius gebrauchten Versarten, letzteres im Anschluss an den Auf- satz von W. Christ »Die Gesetze der Plautinischen Prosodie« Rhein. Mus. XXIII 1868.

4) Von der im Bericht des vorigen Jahres Abth. II S. 364 366 besprochenen Abhandlung von Thomas erschien der zweite Theil:

La syntaxe du futur passe dans Terence par P. Thomas. 2. partie. Revue de ITnstruction publique XX, 4 S. 235-244 und XX, 5 S. 325 bis 332 und XXI, 1. Auch zusammen Gand, imprimerie Eug. Vander- haeghen.

Auch für diesen Theil ist Besonnenheit und gutes Urtheil in der Auswahl der kritischen Lesarten hervorzuheben. Der thatsächliche Ge- winn der etwas breit angelegten Beispielsammlung ist, dass mehrfach bestimmtere Anhaltspunkte oder Wahrscheinlichkeitsgründe für die Un- terscheidung von Conjunctiv Perfecti und Futurum exactum (resp. Conj. Präs. und erstem Futur) gewonnen werden, wo die betreifenden Verbal- formen gleich lauten. Selbständige, gelegentlich beigebrachte Aenderungs- vorschläge sind (S. 47) zu Adelph. 436 f. die Interpunktion : illum cwo

Terentius. 317

ununi, nie ad me attinet. Quundo ita uoU fratcr, de istoc ipse uiderit statt : ilhim curo unum: ille ad me attinet, quando ita uolt f rater: de istoc ipse uiderit und (S. 49) zu Hec. 609: Quod fdciundum ttit p6st fortasse idem hoc [tu] nunc si feceris.

5) Ueber C. Conradt's Buch »Die metrische Composition der Co- mödien des Terenz«, das im Jahresbericht für 1876 Abth. II S 372 388 besprochen wurde, erschienen 1877 zwei Kecensionen, die Beachtung ver- dienen: eine im Philologischen Anzeiger Band VIII, Heft 8, S. 399-405, deren (anonymer) Verfasser sich jedoch hinsichtlich des Hauptthemas der Conradt'schen Schrift durch den Schein täuschen Hess und den Be- weis für die Dreitheiligkeit aller lyrischen Partien für erbracht hält, und eine zweite in der Jenaer Lit.-Zeit. 1877 No. 4, S. 58 62 von Carl Dziatzko, dem, wie zu erwarten war, die Schwäche dieser Beweis- führung nicht entging. Eine von Conradt abweichende Ansicht vertritt ersterer Recensent in Folgendem. Mit der Behauptung, dass trochäische Oktonare nie in stichischer Composition vorkommen, erklärt er sich nicht einverstanden; Hec. 746, 747 seien nicht glücklich behandelt, sondern hier eine besondere metrische Bildung sehr wohl zulässig und die zwei trochäischen Oktonare beizubehalten. Auch sei nicht probabel die sach- liche Polemik gegen Hec. 768, wo der regelrechte Septenar am besten durch opust für opua sit hergestellt und im nächsten Vers es mit Bent- ley für eris gelesen werde. In der Unterscheidung von lyrischer und stichischer Composition und der Ueberleitung der einen in die andere sei Conradt's Untersuchungen im Allgemeinen zuzustimmen, die Ent- scheidung für einzelne Fälle aber nicht immer sicher, und es müsse dem Dichter mitunter etwas mehr Freiheit zugestanden werden; so Eun. 1031, wo der trochäische Septenar nicht anzufechten sei; ebenso Adel|)h. 540, ein tadelloser Oktonar, der sich metrisch an die vorhergehende Reihe, sachlich an die folgenden trochäischen Septenare anschliesse. Das Um- gekehrte sei der Fall And. 621 und 606; die Verse 607 if. seien zwar richtig als iambische Oktonare constituirt, aber die Clausel 606 mit Bentley's Umstellung sed eccum video ipsum occidi festzuhalten. Auch Hec. 743 745 seien zu Gunsten einer freieren Bewegung des Dichters als iambische Oktonare zu schützen, letzterer mit Bentley: Mune, non- dum etiam dixi id quod \te\ volui. hie nunc uxörem habet. Von den vier Cantica, welche Conradt in sein Schema nicht unterzubringen weiss, wird für eines, Adelph. 299—319, folgende Gliederung vorgeschlagen:

1. IL 111.

1—4 iamb. cot. 7 10 iamb. oct. 13 17 iamb. oct.

5—6 troch. sept. 11 12 troch sept. 18 iamb. oct.

19 iamb. dim. 20—21 troch. sept.

wobei Vers 11 durch »Sdtis quae loquitur und 12 durch Mi miseruiu vix

318 Terentius.

cömpos sum animi zu trochäischen Septenareii gemacht werden^). Wich- tigei' ist die Recension von C. Dziatzko. Der Nothwendigkeit einer Unterscheidung zwischen stichischer und lyrischer Composition wird bei- gestimmt; für Eun. 1031 auf den Anstoss, der in der Betonung 0 po- puläres Me^i, hingewiesen. Conradt's Deutung der bei Donatus über- lieferten Buchstaben M. M. C. wird sehr unwahrscheinlich genannt; seine vierfache Sonderung der Scenen (Seite 8) als unzureichend motivirt und für den weiteren Verlauf der Untersuchung bedeutungslos erklärt. In dem Abschnitt, der die Unterschiede zwischen lyrischen und stichischeu Scenenbau im Einzelnen darzulegen suche (S. 13—29), sei Bewiesenes und noch zu Beweisendes vielfach vermengt. Richtig scheine unter an- derem die Beobachtung (S. 13 f.), dass lyrische Composition stets mit Scenenanfang zusammenfalle; dass Andr. I 2 nur eine scheinbare Aus- nahme mache (S. 14) werde dadurch bestätigt, dass der Paris. A des Donatus V. 175 wie auch 172 eine neue Scene beginnen lässt. Die sogenannten Clausein seien nur für die stichischen Theile im Wesent- lichen abschliessend behandelt. Die widerstrebende Clausel Andr. 517 werde (S. 16 f.) mit Glück beseitigt; auch die Behandlung von Hec. 205 f. (S. 49f.) sei zwar gewagt, aber nicht unwahrscheinlich; gefälliger jedoch, was Fleckeisen Jahrb. 1876 S. 537 vermuthe. Den Nachweis (S. 23 bis 29), dass trochäische Oktonare nur in lyrischen Abschnitten gebraucht werden; sieht Dziatzko für erbracht an; zu Hec. 768 jedoch und auch 746 f. sei vielmehr Fleckeisen a. 0. als Conrad t zu folgen. Im näch- sten Capitel über die Regeln der stichischen Composition (S. 30-87) sei Hec. 877 die Messung ^,mmö uerö (S. 60) unannehmbar, wodurch der Vers zum trochäischen Septenar werden solle. V. 875— 878 dürfe vielmehr eine kurze Reihe iambischer Oktonare bilden, wie Conradt für 854—858 eine Reihe von nur fünf Senaren annehme (S. 58). Dass V. 878 dem Parmeno, nicht dem Pamphilus zuzuweisen, darin sei Con- radt beizustimmen, aber im Anfang des Verses das handschriftliche An zu belassen, vor welchem A, das Personenzeichen des Sklaven im Bem- binus, leicht ausfallen konnte. Ansprechend sei Andr. 225 (S. 73 f.) der Senar hergestellt, dagegen nicht zu billigen, dass (S. 79 f.) zu Anfang von Andr. III 5 zwei trochäische Oktonare nur darum beseitigt werden, weil sie dem angenommenen Gesetz der Responsion nicht entsprechen. Andr. 664 sei mit Conradt (S. 83) satis sclo zu streichen und Hec. 743 bis 745 gewiss als trochäische Septenare herzustellen (S. 57). Zu Andr. 957 spreche Conradt (S. 86) mit Unrecht von dem Auftreten des Pamphilus. Da dieser schon vorher die Bühne betreten, beginne die neue Scene gleich am Anfang jenes Verses mit dem Auftreten des Charinus, und sei nicht unwahrscheinlich, dass beim Zusammentreffen zweier Scenen,

1) Dass Conradt durch diese Betonung und Umstellung das Canticum in sein Schema hütte briugeu kümien, beuicrkl auch Dziatzko a 0. S. 61.

Terentius. 319

bezw. Versreihen, der erste Vers der zweiten als eine Art Uebergang noch das Metrum der ersten Reihe beibehalten durfte; darnach werde auch z. B. Eun. 1031 zu beurtheilen sein. An der kritischen Besprechung einer Reihe von Stellen, die mit der Hauptfrage in keiner weiteren Ver- bindung stehen, rühmt Dziatzko mit Recht Conradt's klares Eindrin- gen in den Gedankeuzusammenhang und billigt seine Vorschläge zu Phorm. 611 f. (S. 47), Hec. 306 (S. 51), Adelph. 144 (S. 62); an letzte- rer Stelle war Dziatzko mit Conrad t zusammengetroffen. Probabel werde Hec. if. (S. 55 f.) haec nova quom datast, Novae n. i. vorgeschla- gen; und auch Hec. 393 f. (S. 51 f.) sei, wenn man die völlige Beseiti- gung der beiden Verse für zu gewaltsam halte, ihre Umstellung hinter 399 unbedingt der von Fielitz Rhein. Mus. XXXI 304 f. empfohlenen und von Fleckeisen a. 0. S. 533f. vertheidigten Eracndation vorzuziehen. [Referent hat die Stelle unterdessen im Jahresbericht für 1876 Abth. H S. 367-369 ausführlich besprochen]. Weiter sagt Dziatzko: »Heaut. 342 f. hat Conradt (,S. 41) nur zum Theil das Richtige getroffen. Clitipho ruft dem Sklaven, um ihn aufzuhalten, nach Syre, di: modo und sagt zu Clinia bestätigend Verum; Syrus ätt't, zur Seite sprechend, ihm nach mit Age modo und jenes Verum wird V. 348 vollständiger aufgenommen durch Verum hercle istuc est. Dass Clitipho so spricht, ohne dass er später den Syrus etwas fragt und ohne dass Clinia seinen Satz ausgesprochen hat, entspricht durchaus der Aufregung und Verlegenheit, in welcher er sich befindet«. »Hec. 163 ist die Conjectur Suam ad exemplum metrisch «nd dem Sinne nach unmöglich ; Heaut. 458 (S. 42) finde ich in der Vul- gata sie hoc, der Wein ist so so, gar keinen Austoss ; in Conradt's Les- art Sic ?ioc asperum lässt Sic keine geeignete Erklärung zu. Ebenso möchte ich Heaut. 461 (S. 42) die Vulgata gegen Conradt in Schutz nehmen«. In der Beurtheilung des Hauptthemas des Conradt'schen Buches, der Dreitheiligkeit aller lyrischen Partien (S. 88-209), widerlegt Dziatzko zunächst die Erklärung der Stelle in dem Traktat de comoe- dia; ut significant qui tres numeros in comoediis ponunt qui tres cordiaent mutatos modos cantici im Wesentlichen mit denselben Gründen wie Refe- rent in dem Jahresbericht 1876 und bemerkt, dass in den meisten der 25 Cantica die von Conradt angenommene Gliederung nicht die durch den Inhalt einzig oder zunächst gebotene, vielmehr in mehrei'eu Fällen seine Eintheilung sogar eine recht unnatürliche ist, wie Adelph. 610 f., Eun. 624, Adelph. 524, Heaut. 175, Eun. 297, 653, Hec 522 u. a. Hierauf wendet er sich gegen die Annahme, dass jedem Verse je eine Clausel angehängt werden könne ohne einer Responsion zu bedürfen. »Dass die Richtigkeit oder nur die Möglichkeit dieser, aller Analogie widerstreitenden Strophenbildung nicht nachgewiesen ist, scheint mir der schwächste Punkt der Hypothese zu sein«. Weiter wird darauf hinge- wiesen, wie bedenklich es ist, dass die wenigen Partien, welche bei Te- rentius seltenere Metra haben, von Conradt theils gar nicht, theils nur

320 Terentius

mit grosser Gewalt in Ordnung gebracht werden können, während Con- radt gerade von solchen Stellen hätte ausgehen müssen. »Andr. 625 Hodnest credibile mit memorabile hat jedenfalls in den drei letzten Füssen reine Daktylen; der erste Fuss scheint mir ein Anapäst als Stellvertreter eines Daktylus zu sein; mag er aber auch ein Creticus sein, jedenfalls weist der V. 630, welcher nach Conradt jenem correspondiren soll, so entschieden vier Cretici auf, dass Conradt's Annahme modo und imdor und adest hätten je ihre Schlusssilben gekürzt (S. 191 f.), kaum Glauben finden wird. Namentlich müsste am Ende des Verses ein reiner Dakty- lus stehen«. »Wenn wiederholt die drei Theile von so ungleicher Länge sind, wie Adelph. 155 f. oder Eun. 207 f., so nähert sich eine solche stro- phische Composition gar sehr der astrophischen«. »Gegen die Con- struction einzelner Cantica noch ausführlich specielle Bedenken vorzu- bringen, würde hier zu weit führen; ich erwähne nur kurz, dass Andr. 236 der Par. A des Donatus Hoccine (bezw. haecclne) e- hat, dass Phorm. 738 die Umstellung est nil quod uerear statt nil est quod uerear gegen den Sprachgebrauch verstösst, dass Eun. 649 die gewählte und auch sonst gut beglaubigte Wendung absente nobis anzuzweifeln und in gezwungener Wortstellung durch Me nescio quid profecto absente nobis ZU ersetzen un- methodisch ist, dass sdentem nie zweisilbig ist (zu S. 208)«. Für einzelne Fälle hält Dziatzko die von Conradt behauptete Gliederung in Gesang, Gegen- und Abgesang für sehr annehmbar, so in No. 1, 10 (wo die Clausel an's Ende von I fällt), 14 (wenn von einem Sinnesabschnitt zwi- schen II und III abgesehen wird); schliesslich billigt er Conradt's kri- tische Bemerkungen zu einer Anzahl von Stellen.

6) Noch nicht zugekommen ist uns die englische Ausgabe:

Terentius Hautou Timorumenos, with introduction and notes by E. S. Shuckburgh. London.

Dieselbe wird im Bericht des nächsten Jahres besprochen werden.

7) Einzelne Stellen aus Terentius werden kritisch behandelt in der Schrift:

Dissertatio Terentiana critica, scripsit J. Koenighoff, Programm des Gymnasiums zu Trier 1877. Progr. No. 378.

Der Verfasser sucht nachzuweisen, dass Phorm. 709 f.

Haruspex vetuit [ante brumam autem novi Negoti incipere] quae causast iustissima.

die beiden, hier bezeichneten Halbverse als unecht auszuscheiden seien; aber der Beweis der Wahrscheinlichkeit einer solchen Interpolation ist nicht geglückt. Auch die gelegentlich (S. 7) vorgeschlagene Tilgung der zwei Verse Adelph. 55, 56 (übereinstimmen<' '•', W. Kocks Interpol. Terent. S. 27) kaiui nicht auf Zustimmung riicnnen. Dagegen wird für

Terentius. 321

Phorm. 707 uud Eun. 589 die haudschriftlich überlieferte Lesart per in- jduvium mit Recht iu Schutz genommen und als sachlich uud prosodisch richtig erwiesen.

8) H. Köstlin im Philologus, XXXVII. Band, 1. Heft (1877) S. 177 f.

schlägt für Ter. Hec. III 5, 35 (485) vor: Quibus iris hqmlsus nunc in illnm inlquos [ego\ sieiu'i Dem negativen Theil seiner Ausführung, dass nämlich Fleckeisen's und W. Wag ner's Versuch: Quibus iris impülsus [tandein] nunc in illam iniquos sie/n f abgesehen von der äusseren Unwahr- scheinlichkeit des eingesetzten tandem auch i^rosodisch unmöglich ist, muss vollkommen zugestimmt werden; anders aber verhält es sich mit der Behauptung, dass ego hier zur Herstellung des Sinnes absolut nöthig sei und der Vers ein trochäischer Septenar sein müsse als lebhafte Ant- wort auf die vorausgehende lebhafte Mahnung in demselben Versmass (484) und als Gegensatz gegen die folgende Aufzählung in iambischen Senaren. Vielmehr hat Bentley's (an anderer Stelle des Verses einge- setztes) ego nur den Werth eines Flickworts und wäre ein trochäischer Septenar hier, wo die ganze folgende Rede des Pamphilus aus iambi- schen Senaren besteht, befremdend, lieber Letzteres urtheilt schon rich- tig Conradt, die metrische Composition der,Comödien des Terenz, S. 52. Dessen Recensent im Philol. Anzeiger Bd. VIII S. 403 bespricht gleichfalls die Stelle und schlägt vor den Senar entweder durch Quibiis iris nunc impülsus oder, nach einem der Vorschläge Conradt's, durch Quibus nunc impülsus iris herzustellen.

9) Einen schätzbaren Beitrag zur Literaturgeschichte liefert:

Terenz und die lateinische Schulkomödie in Deutschland. Von Otto Francke. Weimar. H. Böhlau. 1877.

Zunächst wird die Aufführung antiker Komödien, besonders des Terentius, in Deutschland besprochen, dann die Entstehung und Fort- bildung der lateinischen Schulkomödie, die von den ersten Zeiten des XVI. Jahrhunderts an bis in die Mitte des XVIII. hinein auf fast allen Schulbühuen Deutschlands gepflegt wurden. Hierauf wird das Wesen der lateinischen Schulkomödie behandelt, sowohl die formale Seite im Verhältniss zu der römischen Palliata nach äusserer Einrichtung, Oeko- nomie und technischem Bau, Sprache und Metrum, als auch der Inhalt, geschieden nach dem weltlichen Stoff, dem biblischen oder der Legenden- und Kirchengeschichte entlehnten und dem pädagogisch-didaktischen oder politisch- uud kirchlich-satirischen. Endlich wird über die Art der Auf- führung nähere Mittheilung gemacht. Schon diese Inhaltsangabe wird die Reichhaltigkeit der Abhandlung zeigen, zu der namentlich Münche- ner Handschriften wich Material lieferten. Der Verfasser schliesst mit den Worten: »Dass uie gegebene Untersuchung bei weitem nicht

Jahresbericht für Alterthums-Wisaenschaft 1877. II. 21

322 Terentius.

erschöpfend genannt werden darf, dessen bin ich mir wohl bewiisst: ich wollte nur einmal für die bisher vernachlässigte Frage nach dem Wesen des lateinischen Schuldrama mit Rücksicht auf seine Abhängigkeit von der antiken Komödie an dieser Stelle das verdiente Interesse zu erwecken suchen und einige bis jetzt vielleicht nicht berücksichtigte Punkte in helleres Licht setzen. Nachzuforschen, welch weittragende Einwirkungen Terenz und Plautus auf das Nationaltheater der modernen Völker aus- geübt haben, ist eine weit fesselndere Aufgabe, deren Lösung ich mir für eine spätere Zeit vorbehalte«. Die versprochene Behandlung des angeregten Themas wird nicht verfehlen das Interesse in hohem Grade in Anspruch zu nehmen.

Zur Vita Terentii.

L Im Rhein. Mus. f. Philol. XXXII (1877) S. 517-519 kommt R. Peiper, nachdem er einige mittelalterliche Gedichte, die auf Teren- tius Bezug haben, mitgetheilt hat, auf die schon vielfach behandelte Stelle der Vita des Terentius [vgl. Jahresbericht für 1876 Abth. II S. 391] zu sprechen und schlägt vor: Quintus Cosconms redeuntem e Graecia pcrisse in mari cum C et VIII fabulis universis a Menandro etc.^ d.h. »die sämmtlich von Menander herstammen«.

IL Dieselbe Stelle behandelt:

Epistula critica ad loannem Vahleuum, scripsit Isidorus Hil- berg. Vindobonae, sumpt. A. Hoelderi 1877. p. I7f.

Hier wird angenommen, dass die Worte unverfälscht seien und nur ein Beweis für das thörichte Urtheil des Cosconius vorliege. Als die Nachricht von dem Tode des Terentius bekannt wurde, habe das Volk etwa geäussert: »Wie schade um den talentvollen jungen Mann! Wenn er länger gelebt hätte, so hätte er noch alle Lustspiele des Me- nander übertragen können«. Daraus sei bald das Gerücht entstanden, Terentius habe bereits alle übertragen, die Manuscripte seien aber bei dem Schiffbruch zugleich mit ihm selbst zu Grunde gegangen. Eine der- artige Erzählung habe nun Cosconius gehört oder gelesen und mit sel- tener Einfalt wiedergegeben, ohne sich daran zu stossen, dass des Te- rentius kurzer Aufenthalt in der Fremde damit im Widerspruch stehe und ohne auch nur die Zahl zu ändern, die, nachdem der Dichter schon mehrere davon früher auf die Bühne gebracht habe, nämlich Andria, Perinthia, Eunuchus , Colax, Heautontimorumenos, Adelphi, wenigstens 102 (statt 108) hätte heissen müssen.

III. Für eine andere Stelle der Vita des Terentius wurde von L. Havet, Revue de Philologie, 3. Livraison, Juillet 1877, p. 280 f durch Beiziehung der Ambrosianischen Vita eine sehr ansprechende Erklärung ihrer Verderbniss gefunden. Die Stelle lautet bei Donatus (Sueton. ed.

Terentius. 323

Reifferscheid S. 35): duac ab ApoUodoi-o translatae esse dicuntur comico, Phormio et Hecyra^ quafuor reliquae a Menandro und in der Ambrosiani- schen Vita: fabidae eins extant . , duae ex Apollodoro Caritio Hecyra et Phormio. Da nun die letztere Vita, wie sclion Ritschi annimmt, nur auf den Text des Donatus zurückzugehen scheine, so habe die Vermuthung grosse Wahrscheinlichkeit, dass auch im Text des Donatus Caritio stand und comico nur von einem Abschreiber, der mit caritio nichts anzufangen wusste, an dessen Stelle gesetzt wurde. Dieses selbst aber sei verderbt aus Carystio und damit werde Apollodorus aus Carystos bezeichnet zum Unterschied von Apollodorus aus Gela.

IV. Zu dem zweiten Vers des Porcius Licinus in der Vita Terentii : Dum ' Africani uocem diuinam inhiat auidis aüribus stellt A. Fleckeiseu Jahrb. f. Philol. CXV (1877) S. 394 f. die Vermuthung auf: Dum 'Africani uocem diuinam inhietat auidis ath-ibns, um einen vermeintlichen Hiatus vor inhiat zu beseitigen. Aber von mehreren Seiten darauf aufmerksam ge- macht, dass dies wegen der Quantität der ersten Silbe von Africani pro- sodisch unmöglich sei, nimmt er selbst seinen Vorschlag zurück a. a. 0. S. 576.

II. Die Fragmente der scenischen Dichter.

I. Emendationen zu einzelnen Stellen der Tragödien des Ennius giebt J. Vahlen im Hermes Band XH S. 253 254 und S. 399 f. und schlägt vor:

1. Alexand. frag. XI (IX Ribb.):

nam maximo Saltu superabit gravidus armatis equus Qui [cnin] suo partu ardua perdat Pergama

oder auch gravidus armutis equus \Et^ qui etc. Aber der Vers kann damit nicht geheilt sein, da der Daktylus ärdüä metrisch unzulässig ist.

2. Hect. Lutr. frag. HI (HR.):

Hector vi summa armatos educit foras Castrisque castra {ipse\ ultro iam fere occupat so dass der nächste, nicht mehr erhaltene Vers z. B. mit Inferre fort- fahren konnte. Da jedoch der Senarschluss iäm fer(e) öccitpäk metrisch wenigstens sehr zweifelhaft ist, wird man besser thuen mit anderen das vermisste Verbum in fere zu suchen. Man kann z, ß. vermutheu iam ultro conferre occupat.

3. Telam. frag. VHI (VHR.):

Deum me renuit facere pietas, civium porcet pudor.

4. Thyest. frag. VH (V R.):

impetrem Facile ab animo ut cernat vitalem habitum ....

21*

324 Fragmente der scrnischen Dichter.

mit i)asscnder Benutzung von Lucret. III, 100: Verum habitum quendam vitalem corporis esse. Der Inhalt der Worte könne ein philosophischer Satz gewesen sein wie: impetrem fädle ab animo (h. e. a me) ut cernat (i. e. Intelligat, agnoscat) vitahm habitum esse animam corporis.

5. Sehr gefällig ist auch die Vermuthung zu Phoen. frag. II:

Sed virum vera virtute vivere animatum addecet Fortiterque innocuum verare adversum adversarios

worin innocuum verare für innoxium vocare hergestellt wird mit Verweisung auf des Ennius Annalen V. 370, wo das Verbum verare von Gellius er- halten ist.

6. In dem bei Nonius S. 91 citirten Fragment aus Phoenix (frag. I R.) wii'd vorgeschlagen:

Stultus est qui cupidam cupiens cupienter cupit cupidam, nemlich 2}aelicem., sei es dass der Vers mit dem Anfang Stuäust als Senar genommen wird oder mit fehlendem Trochäus vor stultus est als troch. Septenar.

Y. In dem Fragment aus Athamas (Charis. S. 214 P.): Tum pariter Euhan euhoe euhoe Euhium Unosus iuvenum coetus alterna vice Inibat, alacris Bacchico insultans modo

wie unose von Nonius S. 183 aus Pacuvius citirt wird und Lucretius IV, 262 unorsum gebraucht.

8. Die Verse aus Alexander (frag. VIII R.) bei Macrob. Sat. VI, 2 schreibt Vahlen, ohne übrigens das Metrum für sicher auszugeben, nach der Ueberlieferung, nur mit Einsetzung von es:

'0 lux Troiae, germane Hector, Quid ita cum luo lacerato corpore Miser [cs\, aut qui te ^ic respectantibus Tractavere nobis?

II. Das bei Cicero de ii-l. deor. III cap. 25, 65 erhaltene Fragment aus des Ennius Tragödie Medea (Ribbeck frag. VIIIJ bespricht J. Vahlen im Index lect. aest. univ. Berol. 1877 und schreibt:

Medea.

Nequaquam istuc istac ibit: magna inest certatio. Nam ut ego illi supplicarem tanta blandiloquentia,

Ni oh rem?

Qui volt esse quod volt, ita dat se res, ut operam dabit. nie transversa mente mi hodie tradidit repagula, Quibus ego iram omnem recludam atque illi perniciem dabo, Mihi maerores, illi luctura, exitium illi, exilium mihi.

Fragmente der Kcenischen Dichter. 325

Im dritten Vers wird die seltenere Wendung ni oh rem, welche aus dem überlieferten niobem, niorbcm u. ähul. gewonnen wird, durch Ter. Phorni. III, 2, 41: minume, dum ob rem und Sallust. lug. C. 31: id frustra an ob rem, faciam belegt und auf die Stelle in des Euripides Medea 368 f. hin- gewiesen, woraus die Verse des Ennius übersetzt sind:

Soxecg yäp äv jie TÖv§e Swmöaat Tioze el iirj Tt xepdacvouaav ^ zeyvu}jxiv7^v\

Das Fehlen des Pronomens ei im vierten Vers wird durch eine Anzahl beweiskräftiger Parallelstellen geschützt.

III. Zwei Fragmente aus dem Armorum iudicium des Pacuvius werden von L. Havet, Revue de Philologie, 2. Livraison. Avril 1877, S. 167 nicht glücklich behandelt. Frag. V R. si non est ingratum reapse quodfeci bene, Worte, welche Havet (im Gegensatz zu Ribbeck Die röm. Tragödie S. 219) lieber dem Ulixes als dem Aiax in den Mund legen will, werden von ihm als iarabischer Senar genommen mit der Lesart: Si non st ingruium redpse quod feci bene. Aber nonst ist unhaltbar; CS müsste wenigstens umgestellt werden si non ingmtumst. Ein anderes Bruchstück frag. VI war von Ribbeck (Die röm. Trag. S. 219) in folgender Weise ergänzt und eingetheilt worden:

tüque te Desidere [in tüte residem], nös hie esse m[ilites] Mäluisti,

dabei aber die Ergänzung der Lücken von ihm selbst als ganz unsicher bezeichnet. Havet bildet nun daraus folgenden trochäischen Tetrameter:

Tuque te desidere [residem], nos hie esse m[avelis],

jedenfalls unrichtig, da weder desidire a.ns ]^vosodischen, noch destdere uns grammatischen und metrischen Rücksichten zulässig ist. Die Situation wird in folgender Weise erklärt: »Chaque fois qu'il te faut sortir de ta tente et t'avancer ici pour combattre, ülysse, tu viens ä regret ; tu aime- rais mieux te reposer et nous laisser ici combattre seuls. Le lieu de la scene (hie) est probableraent en avant des vaisseaux: agimus ante rates causam (Ovid. Met. 13, 6)«. Beizustimmen ist einer gelegentlichen Be- merkung Havet' s, dass kein Grund vorhanden ist den regelrechten iambischen Senar frag. XIII Ferod ingenio, torvos, praegrandi gradu mit Ribbeck als lückenhaften trochäischen Tetrameter (mit fehlendem Cre- ticus an der Spitze des Verses) zu messen.

IV. Cn. Nevius, essai sur les commencements de la poesie ä Rome, par D. de Moor. Tournai, typographie Decallonne-Liagre. 1877.

Die umfangreiche Schrift behandelt die Stellung des Dichters Nae- vius in der Literaturgeschichte und kann für angehende Philologen Frank- reichs als angenehme Einleitung in die Kenntniss des alten Dramas der

326 Fragmente der scenischen Dichter.

Römer bezeichnet werden. Der Verfasser weiss von allem möglichen zu reden und vermittelt dem Leser, ohne dass dieser es merkt, die Ergeb- nisse der deutschen Wissenschaft. Denn auf deutscher Grundlage und zugleich auf guter Kenntniss der klassischen Schriftsteller beruht der grösste Theil des Werkes. Die Wissenschaft selbst ist freilich wenig dadurch gefördert worden; geistreiche Hypothesen sind kein Resultat. Im ersten Caipiiel Biographie de Nevius sucht Moor die von Kluss mann aufgestellte Ansicht, dass Naevius von Geburt ein Römer sei, weiter zu begründen. In der Stelle des Gellius I, 24, wo des Naevius selbstver- fasste Grabschrift plenum superbiae Campanae genannt wird, woraus Nie- buhr. Welker, Bernhardy, Mommsen, Bergk, Teuffei u. a. seine campanische Herkunft ableiten, sei superbia Campana nur eine sprüchwörtliche Redensart, aus der man keinen weiteren Schluss ziehen dürfe. Aber die Erwähnung der Campaner wäre an diesem Orte unge- schickt und unerklärlich, wenn sie nicht in Beziehung zu dem Dichter stünde; Moors ästhetische Gründe können dagegen nicht ins Gewicht fallen. Das zweite Capitel bespricht den wahrscheinlichen Inhalt der Tragödien des Naevius, das dritte die Comödien, das vierte die Fragmente des bellum Punicum. Der Gang des letzteren Gedichtes wird nach Berchem, De Cn. Naevii poetae vita et scriptis, Monasterii 1861 gegeben, der, wie Moor sagt, die Fragmente mit grösster Wahrscheinlichkeit geordnet habe. Einen besseren Vorgänger hätte er an Vahlen gehabt, welcher es in seiner Ausgabe der Fragmente des bellum Punicum vermied der Phantasie die Zügel schiessen zu lassen und erklärte, bei der geringen Anzahl der erhaltenen Brüchstücke könne man es nicht wagen den Gang des Epos festzustellen. Hier wäre Gelegenheit gewesen von dem Spruch des Quintilianus , den Moor an anderer Stelle citirt, thatsächlichen Ge- brauch zu machen: Inter virtutes grammatici Jiabebitur etiain aliqua nescire. Den Text der Fragmente giebt der Herausgeber fast ausschliesslich nach dem überlieferten Wortlaut, ohne sich viel mit den Conjecturen anderer abzugeben oder selbst solche vorzubringen. In dem Bruchstück aus der Tragödie Iphigenia wird vermuthet Passo velod hospitum, Aquilo, Orestem in portuvi fer foras. Im zweiten Theil werden Le Langage de Neoius und La Versification de N. ausführlich besprochen. 20 Thesen sind beigefügt, von denen die 14. lautet: Le pobne d' Ennius intitule Scipion, nitait pas une Satire^ comme le croyait Vahlen, ni une praetexta, comme le pretendait plus recemment Roeper: c'itait un pohne narratif, par lequel il se preparait ä la composition de soji epopee.

III. Publilius Syrus.

Interessantes bietet die Schrift:

Die Sammlungen der Spruchverse des Publilius Syrus von Wilhelm Meyer aus Speyer. Darin 16 neugefundene Verse. Leipzig, Teubner

Publilius Syrus. 327

1877. fRecensirt in der Jenaer Literaturzeitimg 1877, No. 28 von Emil Bährens, nebst Emendationsvorschlägen.j

Das Hauptverdienst der Abhandlung, die Bereicherung der Senten- zen des Publilius durch 16 neugefundene Verse aus einer Veroneser Hand- schrift des XIV. Jahrhunderts, fällt allerdings dadurch weg, dass die meisten der betreffenden Verse, wie nächstens von kundiger Seite wird dargethau werden, nicht neu entdeckt sind, sondern, was Meyer entgangen, bereits veröffentlicht waren. Doch behält die Schrift auch so noch ihren Werth, abgesehen davon, dass keinem der deutschen Herausgeber jene Verse bekannt waren. Das Verhältniss der einzelnen Sammkmgen zu einander wird eingehend besprochen und von einer neuen Seite beleuchtet. Die Bedeutung der Veroneser Handschrift besteht namentlich darin, dass in ihr der Name des Dichters so oft ausdrücklich genannt ist, nemlich im Ganzen 21 mal Publius, 10 mal Ex sententüs Publii, zweimal Publius Syrus, einmal Publius mimus^ wonach Meyer als den ursprünglichen Titel fest- stellt PVBLILII SYRI MIMI SENTENTIAE. Er glaubt, dass die Sammlung in dieser Handschrift eine Abschrift der verloren gegangenen Ursammlung sei Lässt sich nun auch aus diesen Citaten noch nicht mit Bestimmtheit schliessen, dass wirklich alle diese Verse den Publilius zum Verfasser haben, so lernen wir doch soviel daraus, dass man sie im Mittelalter dem Publilius zuschrieb. Von den 16 neuen Versen, welche Meyer sämmtlich schön und des Publilius in jeder Hinsicht würdig nennt, enthält in der That die Mehrzahl passende Gedanken, einige sind trivial wie der Spruch Vincere est honestum^ oppriniere acerbum, sed 'pulcrum igno- scere, bei anderen lässt sich die Frage nicht abweisen, ob sie neben be reits bekannten, gleichfalls dem Publilius zugeschriebenen (resp. letztere neben den ersteren) bestehen können , wie der neue Ubi peccatum cito corrigitur , fama solet ignoscere neben Vers 489 (bei Wölfflin): Peccatum ertenuat qui celeriter corrigit. Diese wichtige Untersuchung hätte Meyer nicht bei Seite lassen sollen. Der Text ist im Allgemeinen gut über- liefert. Die wenigen, meist nahe liegenden Verbesserungen hat Meyer fast alle bereits vorgenommen. Nicht geglückt ist die Emendation des Verses Prudentis est irasci et sero et semel, der übrigens wieder als Zwil- lingsbruder erscheint zu V. 685 Tarde sed grauiter sapiens irascitur (z. B. irasci solet); vergl. auch 712. Meyer sagt hierüber: »Da irusder dem Publilius nicht zuzutrauen ist, scheint irasci sed sero zu schreiben«. Aller- dings kann von irascier an dieser Stelle des iambischen Senars weder bei Publilius noch bei irgend einem anderen sceuischen Dichter die Rede sein, aber das Adverbium sero kann nicht den nämlichen Sinn ausdrücken, welchen die Fassung des Parallelverses durch tarde giebt, sondern heisst in klassischer Sprache nur »zu spät«, was also einen Tadel enthalten würde. Anders verhielte sich die Sache, wenn der Spruch ein mittel- alterliches Machwerk wäre. Den Vers Paene sat est qui liesit cum supplex

328 Pnlililius Syrus. Seneca.

uenü scheint Meyer für unverfälscht zu halten; wenigstens führt er ihn ohne BesserungsvorschLag an. Es steckt aber ein Quantitätfehler darin, weil pacne die Schlusssilbe kurz hat, wenigstens in der klassischen Zeit; später wird auch paene gemessen. - Nicht unnütz dürfte sein hier zu wiederholen, was Meyer zu Anfang seiner Schrift S. 3 sagt: »Nachdem ich in wenigen Jahren ungefähr fünf neue Sammlungen gefunden habe, wäre es wunderbar, wenn nicht noch manche wichtige Sammlung zu finden wäre. Ja ich halte es nicht für unwahrscheinlich, dass die Ursammlung mit mehreren Hunderten von unbekannten Sentenzen in irgend einer Bibliothek verborgen liegt. Mein zweites Ziel ist daher, zur Untersuchung von Pseudonymen oder anonymen Sentenzensammlungen anzuspornen und dafür die nöthigen Gesichtspunkte zu geben. Heutzutage aber ist die Auffindung einer guten Handschrift für den Publilius fruchtbarer als das Nachdenken vieler Gelehrten«.

In frauzösicher Uebertragung erschienen die Sentenzen des Publi- lius in dem Werk:

Phaedrus, fahles publiees et traduites en fran^ais par E. Panckoucke, suivies des oeuvres d'Avianus, de Denys Caton, de Publius Sirus, tra- duites par Levasser et I. Chenu. Nouvelle edition, revue avec le plus grand soin par E. Pessonneaux, et precedee dune etude sur Phedre par E. Charpentier. Paris, 1877.

Einige derselben auch in der Sammlung:

Dubois- Cuch an, Poesies legeres. La Pleiade latine. Traductions contenant un choix de poesies legeres de Catulle, Horace, Virgile, Gallus, Properce, Ovide, Tibulle, Phedre, Martial, Stace, Sulpitie et Turnus, Maximien; les Vigiles de Venus, ou le poeme du printemps; quelques sentences de Publius Syrus. Paris, 1877.

IV. Seneca.

1) Von den Tragödien des Seneca wurde die Medea durch Wil- helm Braun im Rhein. Museum Bd. XXXH (1877) S. 68—85 mit der gleichnamigen Tragödie des Euripides in Vergleichung gebracht und nachgewiesen, dass trotz vielfacher Verschiedenheit der beiden Dramen doch die griechische Tragödie dem römischen Dichter im Gang der Hand- lung und vielen Einzelheiten zum Vorbild diente, und auf die Gestaltung mehrerer abweichenden Momente die Werke des Ovidius von Einfluss waren. Gelegentlich wird (S. 80 Anm.) V. 652 f. kritisch besprochen und condidit sedi vermuthet (sedi = sepnlcro), wobei zu dem Ablativ auf i die Ausgabe von Peiper und Richter S. 575 verglichen, für den Ausdruck Verg. Aen. VI, 152, 328 citirt werden. Als Subject des Satzes wird Mopsus oder Jason genommen und Lybicis harenis auf Mopsus bezogen,

Seneca. 329

von dem es bei Hyginus p. 48, 23 f. ed. M. Schmidt heisst: Mopsus autem . . . ab serpentis morsu in Africa obiit.

2) Zeugnisse für die Bekanntschaft der späteren Zeit mit den Tra- gödien des Seneca bringt R. Peiper im Rhein. Museum Bd. XXXII (1877) S. 532—537 aus Dracontius, d'er Salmasianischen Anthologie, AI- cimus Avitus und anderen.

3) Geringen Werth besitzen die Conjecturen zu den Tragödien des Seneca von J. J. Cornelissen in der Zeitschrift Mnemosyne, bi- bliotheca philologica Batava, vol. Y (1877) S. 175 - 187. Dieselben lassen den nöthigen kritischen Takt sehr vermissen und entbehren mit wenigen Ausnahmen aller äusseren Wahrscheinlichkeit, indem der Verfasser, ohne auf die Ueberlieferung Rücksicht zu nehmen, beliebig ein Wort, das ihm besser zu passen scheint oder zu dem er eine analoge Wendung bei Ovidius oder anderen gefunden hat, statt der handschriftlich bezeugten Lesart einsetzt. Ich begnüge mich damit die einzelnen Vermuthungen auf- zuzählen^). Hercules furens V. 683 Umbrae tenaces intus inniensi sinus wird als unecht getilgt; V. 1127: duris laceret pectora nodis {iür oneret) ; V 1291: arma cito dentur mihi statt a. nisi dantur mihi. Thyestes V. 43: incesta coniunx statt infesta con.; V. 110 ac nudus riget {i\iv stetit) und 115 extendit salo für exaudit sono ; V. 381 nil actis opus est equis (statt Ullis); V. 553 genuitque bellum für cecinitque b.\ V. 677 attonita vanis (statt magnis); V. 729 qiierulum susurrat murmure incerto caput (für cucurrit); V. 762 et lacertorum toros (statt moras); V. 1012 rupta et hiscenti via ; V. 1022 igneus tost as agens {st3itt totas). Oedipi frag. V. 65 omnis exigitur via (statt eligitur)\ V 253 validoque für calidoque. Phoeniss. frag. V. 63 regis obturbans dapem ^itaXt regis observans famem; V. 225 precer statt sequar. Phaedra V. 212f. suetae domus Non texta sani moris aut vilis cibus ; V. 252 vana ubera statt rara ubera; V. 466 maligna laedit (für coedit); V. 660 blandus inr ßavus; V. 669 in- trasses sp)ecum für intr. fretum\ V. 740 f. ut sunt remaneant. facinoris tanti notas Perferte in urbem mit dieser Interpunction. V. 772 vere recentia statt V. decentia\ V. 840 marcer ent genae statt canderent V. 891 astricta prodet statt altrixque pr. V. 1011 curvo sonipedes statt celso son. V. 1051 faucibus iür haustibus; V. 1270 laceris jja7-s adhuc membris statt lacrimis pars adhuc nostris. Oedipus V. 135 languens male carpit statt pingues male carpsit; V. 336 f. quid istud est quod esse prolatum volunt Ite- rumque nolunt et truces iras teguntf spricht Manto statt Tiresias. V. 387 crepitant statt trepidant; V. 441 incita maenas statt impia maenas\ V. 598 noctemque furvam (statt veram)] V. 615 trudit statt frangit; V. 718 gerit statt regit; V. 982 struentis statt eruentis; V. 1030 stupet statt cupit. Troades V. 58 torquetur iür sortitur\ V. 260 fervor infrenus statt/, hie

2) Die Yerszahlen sind nach der Ausgabe von Peiper und Richter.

330 f^ Seneca.

jirimus; V, 424 peleius mit Synizese der zweiten und dritten Silbe statt peliocvs; V. 425 quod nunc accidit statt quodcumque acc. V. 557 gemens statt «e«ex-; V. 643 debitum turaulo puer statt dehitum muris puer^ die Verse 649 und 650 werden getilgt; V..792 dardania statt bnrbarica; V. 798 concede caros statt conc. parvos; V. 802 f. mit Aenderung der Interpunctioü quid meos retines sinus Manusque? niatris cassa pracsidia occupa.'i. Medea V. 29 servator statt spectatur; V. 181 ß-oiw für fraus; V. 196 i repete Colchos statt 2 querere ColcMs; V. 249 /e*5f/ /«ic miseriin statt <er?-a äoc ??«5. V. 283 ne cidpa matrU natos insontes preraat statt ne c. natos matris ins. trahat; V. 995 [die Zahlenangabe fehlt bei Coruelissen] Jervent manus statt /aciunt manus.

Druck von J Draeger's ßuchdruckerei (C. Fe icht) in Kerl

PA Jahresbericht über die Fort-

3 schritte der klassischen

J3 Alter t\iinswissenschaft Bd. 9-10

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