2G. Tibrary of the Museum or COMPARATIVE ZOÖLOGY, AT HARVARD COLLEGE, CAMBRIDGE, MASS. Pounded by private subscription, In 1861. R oughu- No. 72.68. Nov. 10.1874 n.. 0 27 de Ueberſicht der Arbeiten und Veränderungen der Schleſiſchen Geſellſchaft für vaterländiſche Kultur im Jahre 1847. Zur Renntnißnahme für ſämmtliche einheimiſche und wirkliche auswärtige Herren Mitglieder der Geſellſchaft. (Mit 6 Tafeln Abbildungen.) Sn Breslau 1848. Gedruckt bei Graß, Barth und Comp. Allgemeiner Bericht über die Verhältniſſe und die Wirkſamkeit der Geſellſchaft im Jahre 1847, abgeſtattet in der allgemeinen Sitzung den 17" December ej. vom Hürgermeiſter Bartich, erſtem General- Secretair der Geſellſchaft. H. H. Der Rückblick auf die Wirkſamkeit und die Verhältniſſe der Geſellſchaft, wie ſich dieſelben in dem jetzt zu Ende gehenden Jahre geſtaltet haben, iſt ein ſehr erfreulicher. Nach einer langen Zeit bedenklicher Stagnation hat die Geſellſchaft in dieſem Jahre einen neuen Aufſchwung genommen, ihren fortdauernden Beruf für unſere bedeutungsvolle Zeit klar erfaßt, ſich mit verjüngter Kraft ſowohl nach Innen als nach Außen umfaſſender als je bethätiget und ſo die öffentliche Beachtung und Theilnahme wieder errungen, wie ſie ſich deren lange nicht zu erfreuen gehabt hat. Daß dieſe glückliche Wiedergeburt vorzüglich den ausgezeichneten, gewinnenden Eigenſchaften, der Hingebung und der unermüdlich anregenden, einſichtigen und umfaſſenden Thätigkeit Desje— nigen zu danken iſt, welcher vor Jahresfriſt das Amt des Präſes übernommen und bisher mit ſeltener Energie geführt hat, iſt allbekannt, und iſt es nur der Ausdruck der ungetheilteſten Geſinnung der Geſellſchaft, wenn hier den Gefühlen dankbarer Anerkennung der Verdienſte des verehrten Mannes Worte gegeben werden. — In unſerer ſtatutenmäßigen Grundverfaſſung ſind keine Veränderungen eingetreten; es hat jedoch die Geſellſchaft in drei neugebildeten Sektionen eine wichtige Erweiterung des Bereiches wiſſenſchaftlicher und ge— meinnütziger Wirkſamkeit erhalten; es ſind dieß die Sektion für Statiſtik und National- ⸗Oekonomie unter dem Sekretariate des Königl. Regierungs⸗ Aſſeſſors Herrn Dr. Schneer, die Sektion für Philologie unter dem Sekretariate des Herrn Direktors Dr. Schönborn, und die Sektion für Gartenbau und Obſtbaumzucht unter dem Sekretariate des Herrn Stadt-Aelteſten Selbſtherr und deſſen Stellvertreters, des Herrn Univerſitäts-Sekretairs Nadbyl. Im Laufe des Jahres ſind, außer der heutigen, ſechs allgemeine Verſammlungen gehalten worden, denen wir folgende Vorträge zu verdanken haben. Im Januar trug Herr Geh. Medizinalrath Dr. Ebers den von ihm verfaßten Nekrolog der im Jahre 1846 verſtorbenen Mitglieder der Geſellſchaft vor. Es betraf derſelbe zehn Mitglieder, nämlich zwei 1 * einheimiſche und drei auswärtige wirkliche Mitglieder, zwei korreſpondirende und drei Ehren: Mitglieder, unter dieſen den Königl. Wirkl. Geh. Rath und Ober-Präſidenten von Schleſien, Dr. v. Merckel, von welchem um das Vaterland hochverdienten Manne der Herr Berichterſtatter ein treffendes Bild eines thatenreichen, in Schleſien und im preußiſchen Staate unvergeßlichen Lebens entwarf. Im Februar ſprach Herr Prof. Dr. Kahlert über die in der Allgemeinen Zeitung veröffentlichte Aufforderung zu einer Verſammlung der deutſchen Philoſop;hen, und im März Herr Prof. Dr. Braniß über die Bedeutung der Philoſophie in gegenwärtiger Zeit. Im April hielt Herr Geh. Archivrath Prof. Pr. Stenzel einen Vortrag über den zweiten ſchleſiſchen Krieg von 1744 bis 1745; im Oktober berichtete Herr Profeſſor Dr. Guhrauer über die Pfalzgräfin Maria Eleonore von Brandenburg, Mutter der Herzogin von Brieg, und ihren Briefwechſel mit Johann Coccejus; im November endlich las Herr Konſiſtorial- und Schul-Rath Menzel über Friedrich Wil— helm II. Verhältniſſe als Kronprinz und die preußiſchen Staatszuſtände bei feinem Regierungs-Antritte. Von der Thätigkeit der einzelnen Sektionen iſt in gedrängter Ueberſicht Folgendes mitzu— theilen: 8 1. Abtheilung für Naturwiſſenſchaften. A. Aaturwiſſenſchaften an und für ſich: 1. Die naturwiſſenſchaftliche Sektion, unter dem Sekretariate des Herrn Profeſſor Dr. Göppert, hielt in dieſem Jahre 21 Sitzungen, in welchen 52 einzelne Vorträge und Mittheilungen vorkamen, welche die Sektion folgenden Herren verdankt: Aus dem Gebiete der Aſtronomie: Dem Direktor der Sternwarte, Herrn Prof. Dr. v. Boguslawski. Aus der Phyſik: Herrn Apotheker Beinert, Herrn Direktor Gebauer, Herrn Dr. Marbach und Herrn Oberlehrer Dr. Sondhaus. Aus der Geographie: Herrn Stadtrath Scholtz. Aus der Chemie: Herrn Prof. Dr. Duflos, Herrn Prof. Dr. Fiſcher, Herrn Dr. Phil. Krocker, Herrn Apotheker Müller und Herrn Apotheker Struve in Görlitz. Aus der Mineralogie und Geologie: Herrn Apotheker Beinert, Herrn Stollenſteiger Hammer in Zabrze, Herrn Apotheker Jäckel in Liegnitz, Herrn Privatdocenten Dr. Phil. Kenngott, Heften Oberhütten-Inſpektor Menzel in Königshütte, Herrn Heinrich v. Meyer in Frankfurt a. M., Herrn Apotheker Krauſe, Herren Oberlehrer Rektor Rend— ſchmidt, Herrn Stadtrath Scholtz, Herrn Dr. Phil. Scholtz, Herrn Dr. Phil. Schneider, Herrn Oberſtlieutenant Dr. v. Strantz und dem Sekretair der Sektion. Aus der Pflanzenkunde: Herrn Hauptmann Farthmann auf Klein-Schwein bei Glogau, Herrn Univerſitäts-Sekretair Nadbyl, Herrn Prof. Dr. Purkinje, Herrn Apotheker Spatzier in Jägerndorf und dem Sekretair der Sektion. 5 Aus der Petrefaktenkunde: Herrn Apotheker Beinert, Herrn Apotheker Oswald und dem Sekretair der Sektion. Aus der Anatomie und Phyſiologie: Herrn Dr. Med. Günsburg, Herrn Dr. Med. Levy, Herrn Dr. Med. Neugebauer und Herrn Prof. Dr. Purkinje. Um die Anordnung des mineralogiſchen Kabinets erwarb ſich der Privatdocent Herr Dr. Phil. Kenn- gott große Verdienſte, der ſich auf Erſuchen bereitwillig dieſem mühevollen und ſchwierigen Geſchäfte unter— zog. Die Sammlung ward mehrfach weſentlich vermehrt durch eine hübſche Kollektion angeſchliffener ſchle— ſiſcher Marmorarten vom Herrn Stadtrath Scholtz, Petrefakten vom Herrn Apotheker Oswald und von dem Sekretair der Sektion; insbeſondere aber durch ein überaus werthvolles großes Stück Meteoreiſen, von dem in feiner Art einzigen Meteorſteinfalle zu Braunau am 14. Juli d. J., deſſen wiſſenſchaftliche Unterfu- chung die Sektion zuerſt unternahm, welches ſie der anerkennenswerthen Liberalität des Herrn Prälaten und Abtes Rotter zu Braunau verdankt, ſo wie durch mehrere andere Meteorolithen; wie denn der Sektion es gegenwärtig wieder gelungen iſt, einen bis dahin ganz unbekannten, faſt zwei Centner ſchweren, vollſtändigen, gediegenen Meteorolithen zur wiſſenſchaftlichen Unterſuchung zu fördern und deſſen Beſchreibung zu vermitteln. Durch Ueberſendung von Werken erfreuten die Sektion: Herr Prof. Dr. Fürnrohr in Regensburg, Herr Dr. Prunner in München, Herr Dr. Böhm, Herr Dr. Münter in Berlin, der K. K. Bergrath Herr Prof. Dr. Haidinger in Wien; ferner die Königsberger phyſikaliſche Geſellſchaft, die Akademieen in Erfurt, Berlin, Brüſſel, München, Petersburg, Moskau, von welcher letzteren noch beſonders zu erwähnen iſt das zur Feier des Jubiläums ihres Präſidenten, des wirklichen Staatsrathes Prof. Dr. Fiſcher v. Wald— heim, herausgegebene Prachtwerk; endlich: die naturwiſſenſchaftlichen Vereine zu Wien, Prag, Görlitz, die naturwiſſenſchaftliche Geſellſchaft des Oſterlandes, die Alterthumsgeſellſchaft in Kopenhagen, die beiden nature wiſſenſchaftlichen Vereine zu Hamburg, und die naturwiſſenſchaftlichen Vereine des Harzes, der Rheinlande und für die Provinz Poſen. 2. Die entomologiſche Sektion hielt, nach dem Berichte des Herrn Geh. Hofraths Prof. Dr. Gravenhorſt, im Jahre 1847 neunzehn Verſammlungen, in denen Vorträge und Beſprechungen über Gegenſtände aus allen Ordnungen der Inſekten gehalten wurden. Die meiſten Arbeiter hat, wie gewöhnlich, die Ordnung der Käfer gefunden, dann die der Hautflügler. Es ſind mehrere intereſſante Beobachtungen und Mittheilungen gemacht und über mehrere in dieſem Jahre zum erſten Male in Schleſien gefundene, theils bisher ganz unbekannte, alſo neue Arten, Bericht er— ſtattet worden. Dies Alles wird in dem künftigen gedruckten Berichte näher auseinander geſetzt werden. Die Wahl eines neuen Sekretairs der Sektion hatte noch nicht vorgenommen werden können, weil in der letzten Verſammlung nicht die dazu erforderliche Anzahl von Mitgliedern erſchienen war. 3. Die botaniſche Sektion hat, wie Herr Direktor Wimmer berichtet, in dieſem Jahre neun Verſammlungen gehalten, worin, außer verſchiedenen kleineren Mittheilungen, Folgendes verhandelt worden iſt: Herr Dr. Körber las einen Aufſatz über die Bildung der Zellen und Zellenkerne bei den Kryptogamen. Der Sekretair las einen Aufſatz über die Baſtardbildungen bei den Weiden. Herr Aſſeſſor Wichura ſprach über die Zuſammenſetzung der weiblichen Blüthe und die Stellung der Narben bei den Weiden. 6 Herr Prof. Dr. Göppert demonſtrirte unter dem Mikroſkope feine Entdeckung eines Farbeſtoffes in den Schläuchen der Utricularia und im Ceratophyllum, ſo wie den Saftlauf in den Zellen von Chara und Vallisneria. Herr Muſik-Direktor Siegert legte eine Anzahl ſeltnerer Arten aus der Gegend von Schmolz bei Breslau und einigen anderen Punkten Schleſiens vor. Herr Dr. Sadebeck ſprach über die Vegetation des Rummelsberges bei Strehlen. Herr Prof. Dr. Göppert über die Dendriten im Achat, als Einſchlüſſe in den vulkaniſchen Gebirgs— Arten. Der Sekretair legte die Neuigkeiten aus der ſchleſiſchen Flora vom Jahre 1847 in Exemplaren vor, ſo wie ein vom Herrn v. Uechtritz ihm übergebenes Manuſkript, pflanzengeographiſchen Inhalts, und trug daraus die wichtigſten Abſchnitte vor. Herr Prof. Dr. Göppert legte der Sektion ein Exemplar der Malediviſchen Nuß nebſt Abbildung der Pflanze vor. Derſelbe gab umſtändliche Nachricht über die Flechten- und anderen botaniſchen Sammlungen des Herrn Major v. Flotow zu Hirſchberg. i Herr Pharmazeut Zölffel machte Mittheilung über die Flora der Umgegend von Krotoſchin. Der Sekretair las einen Aufſatz: Allgemeine biologiſche Betrachtung der Weiden. 4. Die Sektion für allgemeine Erdkunde verſammelte ſich, nach dem Berichte ihres Sekretairs, des Herrn Prof. Dr. v. Boguslawski, im Jahre 1847 ſechsmal. Herr Stadtrath Scholtz ſprach über die Möglichkeit einer Waſſerverbindung zwiſchen dem atlantiſchen und ſtillen Ocean, beſonders über die Landenge von Tehuantepec; Herr Dr. Phil. Sadebeck über Verbeſſe⸗ rungen barometriſcher Höhenmeſſungen; der Sekretair über den Meteorſteinfall bei Braunau, nach Mittheilun⸗ gen des Herrn Apotheker Beinert in Charlottenbrunn, und über einige durch feinen jüngeren Sohn vorge⸗ nommene Höhenmeſſungen im Eulengebirge in der Grafſchaft Glaz. Demnächſt kamen von auswärtigen Berichten zum Vortrag: Aus Mexico mehrere Schilderungen des Landes und der dortigen Verhältniſſe von Dr. v. Boguslawski daſelbſt, und aus Oberſchleſien vom Herrn v. Hochberg auf Muckerau eine Fortſetzung ſeiner geſammelten Bemerkungen über die Sitten und Gebräuche der dortigen ſlaviſchen Bevölkerung. Die hypſometriſchen und klimatologiſchen Beobachtungen der auswärtigen meteorolog iſchen Sta⸗ tionen der Sektion ſind überall mit großem Eifer fortgeſetzt worden, ſo daß nunmehr daran gedacht werden kann und wird, auch die klimatologiſchen Reſultate aus den Beobachtungen zu ziehen und zu ordnen, wie es bisher nur erſt mit den hypſometriſchen möglich war. Die Bearbeitung der letzteren vom Jahre 1845 durch Herrn Günther iſt bereits vollendet worden. Die auswärtigen Stationen ſind ſeit Anfange dieſes Jahres noch durch eine zu Frankfurt a. M. ver⸗ mehrt worden, während mit dem Beginne des kommenden Jahres auch noch vielfache Beziehungen zu den vom königlichen ſtatiſtiſchen Bureau gegründeten meteorologiſchen Stationen im preußiſchen Staate in naher Ausſicht ſtehen. B. Angewandte Natur wiſſenſc haften. 5. In der mediziniſchen Sektion fanden, wie uns deren bisheriger Sekretair, Herr Prof. Dr. Barkow, mittheilt, zwölf Verſammlungen ſtatt, in denen Vorträge von den Herren Dr. Bürkner, Geheimen Medizinalrath Dr. Ebers, Prof. Dr. Kuh, Geheimen Rath Dr. Zemplin, Hoſpitalarzt Dr. Günsburg, Sanitätsrath Dr. Krocker, Dr. Neuge⸗ 7 bauer, Privat-Docenten Dr. Seydel, Dr. Levy, Privat Docenten Dr. Groſſer, Hofrath Dr. Bur— hard, Hoſpitalwundarzt Hodann, Dr. Lüdicke, Hofrath Dr. Borkheim, Dr. Krauß und dem Sekre— tair gehalten wurden. In der Verſammlung am 3. Dezember fand die Wahl eines neuen Sekretairs ſtatt, zu dem Herr Dr. Krauß bei der erſten Abſtimmung mit entſcheidender Stimmenmehrheit ernannt wurde. 6. Die ökonomiſche Sektion hat im abgelaufenen Jahre nur ſieben Sitzungen gehalten, da die im Februar und März d. J. angeſetzten we— gen ſehr bedeutender Krankheit des Sekretairs nicht abgehalten werden konnten. In dieſen ſieben Sitzungen wurden vornehmlich die vielfachen, theils von dem königlichen Landes-Oeko- nomie⸗Kollegium in Berlin, theils von dem hieſigen landwirthſchaftlichen Centralkollegium eingeſandten Mik theilungen vorgelegt. Die erſteren betrafen vornehmlich a) die Reſultate der, aus den von Demſelben im vorigen Jahre an alle landwirthſchaftlichen Vereine vertheilten Schematen der Kulturtabellen entnommenen, Ergebniſſe über den höchſt unbefriedigenden Ausfall der vorjährigen Erndte, und die Aufforderung zur möglichſt baldigen Einſendung der auch für dieſes Jahr eben ſo vertheilten Exemplare derſelben nach möglichſt ſorgfältiger Ausfüllung ihrer Rubriken (die leider von den unter den Mitgliedern der Sektion befindlichen Herren Gutsbeſitzern, denen fie ſogleich nach ihren Eingange zugeſandt wurden, höchſt wenig berückſichtiget worden find), Dann b) den An— bau von Färbepflanzen, und von frühzeitigen Nährpflanzen und dergleichen mehr. Die letzteren aber theilten theils die Protokolle der Generalſitzungen des Centralkollegiums im Dezember vorigen Jahres und im No— vember dieſes Jahres mit, theils bezogen ſie ſich auf ſehr verſchiedene wichtige ökonomiſche Gegenſtände, vor— nehmlich den Anbau, die Aufbewahrung und die Benutzung der Kartoffeln, beſonders die Auswäſſerung und Trocknung derſelben, und die auch in dieſem Jahre fo verderbliche Kartoffelkrankheit, die Beiſpiele einer merk— würdigen langen Aufbewahrung von Kartoffeln mit voller Erhaltung ihres Stärkemehles, von der man in dieſem Jahre in Oberſchleſien Erfahrung gemacht hat; ferner die Errichtung einer eigenen Vereinsabtheilung für Flachsbau und Flachs-Induſtrie u. ſ. w. 5 Auch wurden von dem königlichen Landes-Oekonomie-Kollegio und dem hieſigen Central-Kollegio einige intereſſante kleine Schriften mitgetheilt, als des Herrn Hauptmann Farthmann über Auswäſſerung und Trocknung geſunder und kranker Kartoffeln, ſo wie über Flachsbau und Flachsbereitung nach Berathung in Berlin, über die Pferdezucht für den Landmann u. ſ. w. Außerdem wurden in den Sitzungen auch noch andere intereſſante ökonomiſche Gegenſtände verhandelt und Notizen darüber mitgetheilt, namentlich über beſondere Erſcheinungen bei der diesjährigen Kartoffelkrankheit in einzelnen Gegenden, über ein an mehreren Orten aus Runkelrübenabgängen der Zuckerfabriken und ſchwar⸗ zem Roggenmehl bereitetes ſchmackhaftes Brodt, über die neue herzoglich Ratiborſche Ackerwerkzeugfabrik zu Rauden bei Ratibor mit deren ſehr billigen Preis-Tarif; dann über die Richterſche Schwingemaſchine, über einige aus Kurland erhaltene ſibiriſche Sämereien (über deren verſuchten Anbau noch zu berichten iſt), über die ercentrifche Univerſalmühle und deren verhoffentlich ſehr wohlfeile Verfertigung zu Dammer in Schleſien u. ſ. W. 8 An Modellen wurden aus der Sammlung der königl. Univerſität vorgezeigt: 1) eine rheiniſche Schlag⸗ karre, die im Großen bis 60 Gentner transportirt; 2) eine rheiniſche Ringelwalze; 3) ein ſchottiſcher, ganz eiſerner Imperial-Pflug von Uley; 4) ein engliſcher Reiniger oder Cleaner zum erſten Bearbeiten der behack— ten Früchte, beſonders der Rüben; 5) die Clarke'ſche Harke aus England zu demſelben Behufe. Von den auswärtigen landwirthſchaftlichen Vereinen waren ſehr zahlreich die neuen Hefte ihrer Schrif— ten und Verhandlungen wiederum eingegangen, und ſie wurden bei jeder Sitzung vorgelegt, vom Sekretair der Sektion einiges beſonders Merkwürdige daraus auch referirt. An dieſelben iſt dagegen die Geſammtüberſicht der Arbeiten und Verhandlungen der Geſellſchaft überſendet worden. 8 An die k. k. Landwirthſchaftsgeſellſchaft zu Wien wurde auf deren Wunſch die bronzene Medaille der hieſigen Geſellſchaft eingeſandt, und dagegen wurden zwei ſchöne Medaillen der erſteren, eine große und eine kleinere, ebenfalls in Bronze, in Empfang genommen. In der December-Sitzung endlich wurde die Wahl eines neuen Sekretairs vorgenommen, und fiel bier ſelbe, da der zeitherige, ſeines hohen Alters und ſeiner Kränklichkeit wegen, ſeine vielleichtige neue Wahl, nach deren 17maligen Wiedererneuerung ſeit dem Jahre 1812, wonach er das Sekretariat nun bereits 35 Jahre lang geführt hat, im Voraus freundlich zu verbitten ſich genöthiget geſehen, auf den Herrn Grafen v. Ho: verden, der dieſelbe auch annahm. . 7. Ueber die Sektion für Gartenbau N iſt uns durch deren jetzt erwählten Sekretair, Herrn Nadbyl, folgender Bericht zugegangen: Mit Genehmigung des Präſidii der ſchleſiſchen Geſellſchaft für vaterländiſche Kultur hatte ſich der hier— orts bis dahin beſtehende Gartenbau- Verein der ſchleſiſchen Geſellſchaft als Sektion für Obſt- und Garten Kultur angeſchloſſen, und nach mehreren konſtituirenden Verſammlungen am 29. Juni d. J. die erſte ordentliche Verſammlung abgehalten, welcher bis jetzt noch 12 Verſammlungen gefolgt ſind. In dieſen Verſammlungen wurden theils Berathungen über die inneren Angelegenheiten gepflogen, theils Vorträge gehalten, theils endlich intereſſante Fälle aus dem Gebiete der Gärtnerei zur Sprätye gebracht. Was insbeſondere die Vorträge betrifft, ſo ſind deren zehn gehalten worden, und zwar: 1) Von Herrn Schauer: Ueber die geographiſche Verbreitung und die Anwendung der Gattungen und Arten der Familie der Pomaceen, mit beſonderer Bezugnahme auf die bildende Gärtnerei, und zwar zuerſt über die Gattung: Pyrus. 2) Von Demſelben: Fortſetzung ad 1 über die Gattung: Sorbus. 3) Von Demfelben: Fortſetzung ad 1 und 2. Gattung: Crategus. 4) Von Herrn Nadbyl: Ueber feine Erfahrungen in der Hyacinthen-Kultur. 5) Von Herrn Prof. Dr. Göppert: Ueber die allgemeinen anatomiſchen und phyſiologiſchen Ver⸗ hältniſſe der Bäume. 6) Von Herrn Profeſſor Dr. Henſchel: Ueber die zwei Giftbäume Aftens: Pohon Upas und Upas Radja. 7) Von Herrn Schauer: Ueber Pflanzen-Metamorphoſen. 8) Von Demſelben: Ueber Pomologie und insbeſondere über Anzucht von Obſtbäumen aus Kernen. 9) Von Demſelben: Ueber eßbare Knollengewächſe aller Klimate. 10) Von Herrn Direktor Wimmer: Ueber hybride und zum Anbau empfohlene Weiden. Demnächſt hat die Sektion im vergangenen Herbſte vom 15. bis 21. September ihre erſte Ausſtellung veranſtaltet, deren Reſultat ſowohl hinſichtlich ihrer Aufnahme beim Publikum, als hinſichtlich der Geld-Ein⸗ nahme im Ganzen erfreulich war, ſo daß die Sektion mit Luſt und Liebe an die Herſtellung einer größeren Frühjahrs-Ausſtellung bereits denkt und dazu Vorbereitungen zu treffen beginnt. Die Mitgliederzahl der Sektion beläuft ſich jetzt auf 110, worunter einbegriffen ſind: 1) 15 Mitglieder der vaterländiſchen Geſellſchaft, und 2) 95 Mitglieder, die nicht der vaterländiſchen Geſellſchaft, ſondern der Sektion allein, gemäß dem getroffenen Abkommen und der beſonderen, für dieſe Sektion vom Präſidium genehmigten Sta: tuten, angehören. 8. Die techniſche Sektion, deren Sekretair Herr Direktor Gebauer iſt, hielt im abgelaufenen Jahre 15 Verſammlungen, in welchen folgende Vorträge gehalten wurden: 9 1) Von dem Stadtrath Herrn Selbſtherr: Ueber die Gewinnung des Weines in der Hegyallya oder der Tokaier Gegend. 2) Von dem Oberlehrer Herrn Dr. Sadebeck in zwei Verſammlungen: Ueber Gasbeleuchtung. 3) Von dem Baumeiſter Herrn Gottgetreu: Ueber die Einrichtung zur Heizung mit warmem Waſſer. 4) Von dem Herrn Prof. Dr. Duflos in drei Verſammlungen: a) Ueber die Mineralbeſtandtheile der Pflanzen, deren Urſprung, Werthbeſtimmung und Verwendung in der Technik; b) über Al⸗ kohole, deren Gewinnung und Metamorphoſen; c) über den peruvianiſchen Vogeldünger (Guano), deſſen Zuſammenſetzung und Prüfung auf Aechtheit. 5) Von dem Herrn Prof. Dr. v. Boguslawski in zwei Verſammlungen: Ueber die bisherigen Leiſtungen des von ihm angegebenen Univerſalſtativs zu aſtronomiſchen Zwecken, nebſt Vorzeigung eines Modelles mit einer veränderten Einrichtung behufs der Anſtellung von Reiſebeobachtungen. 6) Von dem Landgerichtsrath und Juſtizkommiſſarius Herrn Szarbinowsky nähere Mittheilung über den Bau des Gaſometers in der hieſigen Leuchtgasbereitungsanſtalt, nebſt Vorzeigung und Erörterung der von derſelben angewendeten Gasmeſſer. 7) Von dem Oberlehrer Herrn Dr. Sondhauß Vorzeigung von Verſuchen mit der Centrifugal— Maſchine. 8) Von dem Herrn Prof. Dr. Frankenheim: Ueber die Beſtimmung des Zuckergehaltes durch Polariſirung des Lichtes. 9) Von dem Herrn Uhrmacher Schade: Ueber helikoidiſche Verzahnung und ihre Anwendung auf den Uhrenbau. 10) Von dem Sekretair der Sektion in drei Verſammlungen: a) Ueber irdene Waſſer- und Luft⸗ leitungs-Röhren; b) über das ſtylographiſche Verfahren nebſt Vorlage einiger Verſuche von Schröter und den dazu erforderlichen Platten; e) über eine neue Vorrichtung auf der Dreh: bank, Schrauben von beliebiger Gangweite zu ſchneiden. Der bisherige Sekretair wurde für die nächſte Etatszeit wieder gewählt. II. Abtheilung für Geſchichte, Statiſtik, Philologie, Pädagogik, Kunſt und Muſik. 9. Die hiſtoriſche Sektion, unter dem Sekretariate des für daſſelbe neuerdings wieder gewählten Herrn Prof. Dr. Röpell, hat im Jahre 1847 ſechszehn Verſammlungen gehalten, in welchen nachſtehende Vorträge gehalten wurden: 1) Vom Herrn Prof. Dr. Guhrauer: Zur Charakteriſtik Wilhelm von Humboldt's. 2) Den 28. Januar. Herr Prof. Dr. Röpell: Beiträge zur Geſchichte Preußens in den Jahren 1806 bis 1812. 3) Den 11. Februar. Von Demſelben: Zur Geſchichte der engliſchen Reformbill im J. 1832. 4) Den 25. Februar. Herr Konſiſtorial- und Schul-Rath Menzel: Ueber den Geiſt der deutſchen Staats- und Kriegskunſt zur Zeit des baierſchen Erbfolgekrieges und über die damaligen Bemühungen eines geiſtlichen Miniſters, des Freiherrn von Fürſtenberg in Münſter, für nationale Erziehung und Volksbewaffnung. 5) Den 11. März. Herr Prof. Dr. Kries: Ueber das kürzlich erſchienene Werk: Die Aufgabe der Hanſeſtädte, gegenüber dem deutſchen Zollvereine. 8 2 10 6) Den 25. März. Herr Prof. Dr. Röpell: Zur Geſchichte der Einrichtung der Provinzial: ſtände Schleſiens, von 1822 bis 1823. 7) Den 15. April. Herr Prof. Dr. Guhrauer: Beiträge zur Sittengeſchichte in Deutſchland zu Anfange des 18ten Jahrhunderts. . 8) Den 6. Mai. Herr Konſiſtorial- und Schul-Rath Menzel: Ueber das von Preußen, nach Beſitznahme der Fürſtenthümer Anſpach und Baireuth, zur Geltendmachung der Landeshoheits— rechte gegen die benachbarten Reichsſtände angewandte Verfahren. 9) Den 20. Mai. Herr Oberſtlieutenant Dr. v. Strantz: Beiträge zur ruſſiſchen und preußi⸗ ſchen Geſchichte. 10) Den 10. Juni. Herr Seminarlehrer Löſchke: Wirkſamkeit des Magiſtrats in Breslau für Erlangung des Terrains der im Jahre 1807 demolirten Feſtungswerke. 11) Den 14. Oktober. Herr Prof. Dr. Röpell: Zur Geſchichte Italiens, in den Jahren 1815 bis 1821. 12) Den 28. Oktober. Herr Oberſtlieutenant Dr. v. Strang: Zur Jugendgeſchichte Albrechts von Waldſtein. Vorzeigung eines Briefes deſſelben im Original. 5 Herr Prof. Dr. Röpell: Ueber die Denkwürdigkeiten des General Pepe. 13) Den 11. November. Herr Prof. Dr. Jacobi: Ueber die Verwandtſchaft der provenzali— ſchen, nordfranzöſiſchen, deutſchen und italieniſchen Minnepoeſie. 14) Den 18. November. Von Demſelben: Fortſetzung des vorſtehenden Vortrags. 15) Den 4. Dezember. Herr Prof. Dr. Röpell: Die europäiſche Pentarchie, am Ende des Jahres 1828. 16) Den 10. Dezember. Von Demſelben: Fortſetzung des vorſtehenden Vortrags. 10. Die Sektion für Statiſtik und National⸗ Oekonomie, begründet in der konſtituirenden Verſammlung vom 24. Januar 1847, wurde von dem Präfidium der Ger ſellſchaft mit ihren Statuten am 30. Januar 1847 genehmigt und beftätigt. Nach dem vorliegenden Berichte ihres Sekretairs, des Herrn Regierungs- Aſſeſſor Dr. Schneer, fand die erſte Verſammlung am 2. März ſtatt. Sie wurde eröffnet durch einen Vortrag des Sekretairs über Fichte's geſchloſſenen Handelsſtaat. Am 30. März hielt Herr Stadtrath Scholtz einen Vortrag über die bisher angenommenen Prinzipien bei Entwerfung der Handelsbilanz, und am 27. April der Sekretair über die Magazinirungsfrage. Am 3. Mai fand eine außerordentliche Verſammlung ſtatt, um mehrere Vorträge über kurrente Ges ſchäfte der Sektion zu erledigen, welche ſich in den regelmäßigen Verſammlungen nicht abmachen ließen. Am 8. Juni hielt Herr Prof. Dr. Kries einen Vortrag über das Prinzip und die praktiſche Anwen⸗ dung der Einkommenſteuer, und am 23. November der Sekretair über Differenzialzölle. In den zehn Monaten, vom März bis Dezember, hielt die Sektion alſo ſechs ordentliche und eine außerordentliche Verſammlungen. Die Sektion iſt in ihren ſtatiſtiſchen Beſtrebungen hauptſächlich auf Mittheilungen von außerhalb der Geſellſchaft begründet; die Zahl der an die Sektion gelangten derartigen Mittheilungen und Schreiben überhaupt beläuft ſich im Geſchäfts-Journal auf 125. Das Journal weiſt die Zahl der von der Sektion abgegangenen Schreiben, Geſuche u. ſ. w. mit 356 nach. Unter dieſen Umſtänden würde es die für den General- Bericht zugemeſſene Zeit überſchreiten, die an die Sektion zugekommenen Mittheilungen reſp. Geſchenke einzeln aufzuführen. Im Allgemeinen iſt dankend anzuerkennen, daß die Beſtrebungen der Sektion von den königlichen Be⸗ hörden, ſehr vielen Kommunal-Behörden, den Eiſenbahn-Geſellſchaften und vielen andern Privaten eine liberale 11 Unterſtützung gefunden haben, auch daß andere gelehrte Geſellſchaften ſie bei ihrem Entſtehen freundlich begrüßt und die denſelben angebotene Verbindung durch Zuſendung ihrer Arbeiten bereits geknüpft haben. 11. Die Sektion für Philologie hat ſich, nach dem Berichte ihres Sekretairs, des Herrn Direktor Dr. Schönborn, ſeit ihrer Konſtituirung im Frühjahre d. J. zwölf Mal verſammelt. Vorträge haben gehalten: Herr Prof. Dr. Haaſe über den Begriff der Elaffifchen Philologie und über die Entwickelung der ſatyriſchen Poeſie bei den Römern. Herr Prof. Dr. Wagner über die Theater der Alten. Herr Gymnaſiallehrer Dr. Winkler über die Ausſprache des Griechiſchen. Herr Direktor Dr. Fickert über den Styl des Philoſophen Seneca. Herr Prof, Dr. Friedlieb über ein römiſches Mithras-Denkmal in den Vogeſen. Herr Gymnaſiallehrer Dr. Zaſtra über des Euripides Supplices. Herr Direktor Dr. Wiſſowa gab Beiträge zur innern Geſchichte des zweiten Jahrhunderts nach Chriſtus aus Lucians Schriften, und Herr Direktor Schönborn eine Ueberſicht der neueſten Anſichten über Urſprung und Herkunft der gemalten griechiſchen Vaſen, nach einem Aufſatze vom Herrn Profeſſor Oſann. 12. Die pädagogiſche Sektion. In den zwölf Verſammlungen, welche im Laufe dieſes Jahres in der pädagogiſchen Sektion, nach dem Sekretariats-Berichte des Herrn Oberlehrers Scholz, ſtattfanden, wurden folgende Vorträge gehalten: Herr Direktor Dr. Kletke berichtete über die im Oktober vorigen Jahres zu Mainz von den aus meh⸗ reren Staaten und Ländern Deutſchlands verſammelten Real-Schulmännern gepflogenen Verhandlungen, woran er perſönlich Theil genommen hatte. Herr Stadtrath Oberſtlieutenant v. Hülſen hielt zwei Vorträge. In dem einen ſprach ſich Derſelbe „über die Wichtigkeit einer guten Disciplin in und auf unſern Schulen,“ in dem andern „über die wirk⸗ ſamſte Verbindung der Schule mit dem Leben“ aus. Herr Rektor Dr. Reiche theilte „Beſonderes und Intereſſantes aus den öffentlichen Mittheilungen über die Anſtalten für Erziehung und Unterricht der Taubſtummen in Deutſchland“ mit. Herr Rektor Kämp beantwortete die Frage: „Können Schulen auch Verbildungsanſtalten werden?“ mit Ja. „Ueber die Temperamente und deren Berückſichtigung bei der Erziehung der Jugend“ las der Vorſteher einer Privat-Lehr- und Erziehungs-Anſtalt, Herr Geppert, „über die Eigenthümlichkeiten der neuen Frö⸗ bel'ſchen Erziehungsanſtalt bei Zürich in der Schweiz,“ lieferte Herr Kandidat Saske einen ausführlichen Bericht, und „über die Grundloſigkeit eines Haupteinwurfes gegen die Leſemethode Jacotot's“ hielt Herr Leh— rer Karl Seltzſam einen Vortrag. Vom Sekretair der Sektion kam in einzelnen verſchiedenen Verſammlungen Folgendes zum Vortrage: 1) über die deutſche Volksſchule der Gegenwart; 2) über die Schule als Staatsanſtalt, eine pädagogiſche Abhandlung von Körner in Halle; 3) ein Bruchſtück aus Dittrich's Schrift: „Unſere Uebergangszeit, betreffend die Erlöſung des Proletariats“; 4) eine humoriſtiſch-pädagogiſche Abhandlung „über den Stock als Strafmittel in der Schule, aus den Papieren eines alten Peſtalozzianers“; und 5) über die „Schul⸗Emancipation“, eine Abhandlung aus der „Schul- Chronik“, vom Seminar⸗ Direktor Zahn zu Mörs. In der letzten Verſammlung wurde über die Wahl des Sekretairs der pädagogiſchen Sektion für die neue Etatszeit abgeſtimmt; der bisherige Sekretair ward wieder gewählt. 2 * 13. Ueber die Sektion für Kunſt und Alterthum iſt uns von den Herren Geh. Medizinalrath Dr. Ebers und Prof. Dr. Kahlert, als den bisherigen Sekte: tairen, folgende Mittheilung zugegangen: Die Abtheilung für Kunſt und Alterthum in der ſchleſiſchen Geſellſchaft für vaterländiſche Kultur, die ſich bereits im Jahre 1809 gebildet, ein äußeres Lebenszeichen aber erſt im Jahre 1818 durch eine öffentliche Kunſt-Ausſtellung geäußert, hat, nachdem fie bis zum Jahre 1845 letztere fortgeſetzt, wobei der von ihr früher erſparte Reſervefond für Deckung etwaiger Ausfälle in der Einnahme bis auf eine kleine Summe allmälig erſchöpft worden, laut Uebereinkommen mit dem ſchleſiſchen Kunſt-Vereine (vom Juli 1845), für die Zukunft die Einrichtung der Breslauer Kunſt-Ausſtellungen aufgegeben. Die Abtheilung hatte längſt außer dem Unter⸗ nehmen der Ausſtellung keine Art von Thätigkeit, und durfte mit dem Augenblicke, wo ſie auch dieſen Zweck zu verfolgen aufhörte, ihre Aufgabe als beendet betrachten. Nur ſehr wenige ihrer früheren Mitglieder leben noch und ihre Verſammlungen haben längſt aufgehört. Sie legt daher ihre Wirkſamkeit nieder, indem ſie ihren Kaſſenbeſtand, wie derſelbe ſich nach beigelegtem Rechnungs⸗Abſchluſſe herausſtellt, zur Dispoſition der allgemeinen Geſellſchaft übergiebt. Demnächſt überläßt die Abtheilung auch ihr erworbenes Eigenthum: an Oelgemälden, Kupferſtichen, Kunſtwerken und andern Ge⸗ genſtänden der Kunſt, an die ſchleſiſche Geſellſchaft. Wir erwarten, daß Ein Präſidium der ſchleſiſchen Geſellſchaft für vaterländiſche Kultur keinen Anſtand nehmen werde, unſere vorſtehenden Anträge zu genehmigen, und erſuchen daſſelbe, eine Kommiſſion zu ernennen, welche hierüber ein Inventarium auf- und dieſe Gegenſtände entgegen nehme. Was indeſſen den ausgelieferten Kaſſen-Beſtand anbelangt, ſo bemerken die bisherigen Sekretaire: J. Daß aus der Kaſſe der Kunſt-Sektion noch zwei wichtige Werke, welche in Abtheilungen erſchei⸗ nen, angeſchafft werden: 1) Die Denkmale der Baukunſt des Mittelalters; herausgegeben von Dr. Puttrich und Gei⸗ ſer, beides unſere Mitglieder, und 2) Die Trachten des Mittelalters. Sämmtliche bisher erſchienenen Lieferungen beider Werke befinden ſich in der allgemeinen Bibliothek der Geſellſchaft. Die Werke neigen ſich dem Abſchluſſe zu und werden wahr⸗ ſcheinlich im Verlaufe des nächſten Jahres geſchloſſen werden. Wir müſſen es zur Be⸗ dingung, im Intereſſe der Geſellſchafts-Bibliothek, machen, daß dieſe Werke bis zu ihrer Vollendung mitgehalten werden. II. Es befindet ſich noch in dem Vermögen der Abtheilung für Kunſt und Alterthum ein Prämien⸗ Schein von Fünfzig Reichsthalern. Die Unterzeichneten ſprechen hiermit den Wunſch aus: Daß das Präſidium der Geſellſchaft dieſen Schein nicht veräußern laſſe, und im Falle derſelbe mit einem Gewinne gezogen werden ſollte, daß dieſer Gewinn dann für Zwecke der bildenden Kunſt ausſchließlich angewendet werde. Die Unterzeichneten ſcheiden von dieſem bisher unter dem Namen: „Sektion für Kunſt und Alter thum“ beſtandenen Zweig- Vereine der vaterländiſchen Geſellſchaft, dem fie ſeit einer langen Reihe von Jahren vorgeſtanden, mit dem Bewußtſein, feiner Zeit Alles angewandt zu haben, um die Breslauer Kunſt-Ausſtel⸗ lungen, als Unternehmen der vaterländiſchen Geſellſchaft, zu erhalten. Es war die unvermeidliche Folge des Mangels an öffentlicher Unterſtützung, daß das bedeutende Zuſchüſſe erfordernde Unternehmen aufgegeben werz den mußte, um auf eine andere Geſellſchaft überzugehen, deren Geldkräfte und Beruf ihre Fortdauer aller dings bei Weitem mehr ſichert. 13 Endlich bitten fie, dieſen ihren Antrag zugleich als den Schluß-Bericht der Thätigkeit und Wirkſamkeit der Abtheilung für Kunſt und Alterthum betachten zu wollen. Das Siegel des Vereins liegt bei; die Porto— freiheit bezieht ſich auf die Ordre vom 29. Februar 1824. Breslau, den 3. Dezember 1847. Ebers. Kahlert. Seine Beiftimmng zu den hier ausgefprochenen Anſichten erklärt Reiche. Desgleichen Mücke. Desgleichen Raabe. 14. Die muſikaliſche Sektion. Der Sekretär hatte die Sektion auf Dienftag den 21. Dezember zu einer Sitzung eingeladen, in wel⸗ cher er den ſparſam verſammelten Mitgliedern derſelben eröffnete, daß es im verwichenen Jahre an allem Stoffe zu Vorträgen eigener Arbeiten ſeitens der Mitglieder gefehlt habe, und da die Abende größtentheils den prak— tiſchen Muſikern anderweitig in Beſchlag genommen waren, bei der wachſenden Zahl der übrigen Sektionen und deren erhöhter Thätigkeit auch eine eventuelle Verlegung der Verſammlungen auf einen andern als den feſtgeſtellten Tag unmöglich geweſen ſei, ſo habe er ſich auf ſeinen eigenen, zum Jahresſchluſſe vorbehaltenen, Vortrag beſchränken müſſen. — Der von ihm hierauf gemachte Vorſchlag, in der nun beginnenden neuen Etatszeit, ohne alle weitere Berückſichtigung der anderweitigen muſikaliſchen Unternehmungen am Orte, die Sektion allmonatlich am letzten Dienſtage des Monats zu verſammeln, und in Ermangelung eigener Arbeiten der Mitglieder eine im Druck erſchienene wiſſenſchaftlich-muſikaliſche Abhandlung von Intereſſe zum Vortrage zu bringen und der Beſprechung der Verſammlung anheim zu geben, wurde mit Beifall aufgenommen, und übernahm es Herr Dr. Baumgart, im Beginne des künftigen Jahres mit Janßens Grundregeln des Gregorianiſchen Kirchengeſanges den Anfang dieſer neuen Praxis der Sektion zu machen. Hierauf wurde der zeitherige Sekretär um Beibehaltung ſeines Amtes erſucht, und verſprach derſelbe, nach erfolgter Annahme, in Ermangelung eines andern, im ſechszehnten Jahre ſeiner Leitung der Sektion, nach Kräften, der ſchwungvollen Thätigkeit der übrigen Sektionen nachſtreben zu wollen. Die Sitzung ſelbſt wurde eingeleitet durch einen Vortrag des Herrn Oberſtlieutenant Dr. v. Strantz: „Ueber den Standpunkt der Muſik zu Anfange dieſes Jahrhunderts (1803) zu Wien, im Vergleiche zu Berlin.“ — Hierauf trug der Sekretär der Sektion in einer Einleitung ſeine Anſicht im Allgemeinen über das Buch und die Muſik „der Zauberflöte,“ nebſt einer äſthetiſchen Analyſe der Ouverture dieſer Oper vor. — Ihr ſchloß ſich eine Vorleſung der Abhandlung über die genannte Oper aus v. Oulibiſcheff's „Leben Mo⸗ zart's“ an, welche zugleich, bei abweichender Anſicht, mit Anmerkungen begleitet wurde. — Wenn Hr. v. O. durch umfaſſende und höchſt genaue Studien ſämmtliche Werke Mozart's geiſtig durchdrungen und im ſich bewußt gewordenen Gefühle lebendig erfaßt hat, ſo muß die geiſtreiche und lebhafte Darſtellung ihres In- und Gehalts nicht allein ſeine große Liebe für den Tondichter rechtfertigen, ſondern auch noch die Verehrung, welche dieſer fo allgemein feit faſt 60 Jahren unverkürzt genoffen, in der leicht ſchwankenden, der großen Anzahl ſei— ner Werke jetzt weniger zugewendeten, Jugend von Neuem anregen. — Mozart's Tonſchöpfungen gewähren keinen nur vorübergehenden, flüchtigen Reiz; ſie machen auch ſelbſt auf Laien einen tiefen, bleibenden Eindruck; der Kenner und Kunſtfreund fühlt ſich bei jeder Wiederholung ihrer von Neuem befriedigt, entdeckt immer mehr ihre Schönheit und charakteriſtiſche Wahrheit, welche ſich auch in den ernſteſten Aufgaben, ungeachtet ihrer Tiefe, doch in leicht faßlichen Melodieen ausgeſprochen vorfindet. Herr v. Oulibiſcheff iſt ein köſtlicher Wegweiſer für Alle, welche den Meiſter mit Ernſt ſtudiren wollen; er giebt nicht allein eine anſchauliche Glie— derung des Einzelnen und weiſet deſſen innere Verbindung zum Ganzen nach; Herr v. O. geht noch weiter, er bringt die Werke ſelbſt mit des Künſtlers äußeren Verhältniſſen, ſeiner Stellung im Leben, in Beziehung, m zeigt in ihnen die Entwickelung deſſen frei fich gebender Gefühle, des ficheren und unbefangenen Blickes in die Welt ſeiner Ideale, wie leider das frühzeitige Hinſcheiden deſſen körperlicher Kräfte und die Ahnung ſeines nahen Todes. Ob immer mit gleichem Erfolge, iſt allerdings in Zweifel zu ziehen; doch muß zugegeben wer⸗ den, daß der Verfaſſer nie, ohne Gründe anzugeben, urtheilt, und daß jedenfalls die Entwickelung der Werke, ſelbſt wo er irren mag, mit Begeiſterung, Phantaſie, Geſchmack und Sachkenntniß unternommen wird. — Am wenigſten einverſtanden war der die Abhandlung Vortragende mit der Anſicht, welche der Verfaſſer über die Zauberflöte hat. In der Ouverture ſieht dieſer nichts weiter als eine Fuge; der Anſicht des Hrn. v. O. nach will eine Fuge nichts weiter ſein, als eben nur eine Fuge; ſie iſt inhaltsleer; die Arbeit, ihre kunſt⸗ reiche Form ſei ihr ganzes Weſen. — Dies ſei nun eben Mozart's großes Verdienſt und ſeinem Genie allein möglich geweſen, in der Ouverture zur Zauberflöte eine ſolche kunſtreiche Fuge zu komponiren, welche durch keine Herbigkeiten das Ohr verletze, ſondern, mit melodiſcher Anmuth und allem Glanze der Inſtrumentation ausgeſchmückt, auch dem Laien zugänglich und genießbar, und durch dieſe Verbindung des Kunſtvollen mit dem melodiſchen und inſtrumentalen Reize ſo Kennern als Laien gleich intereſſant und erfreulich werde. Wenn dies nun an ſich völlig richtig iſt, ſo darf doch nicht überſehen werden, daß das in Rede ſtehende Tonſtück auch das Süjet der Oper im Weſentlichen andeutet; und dieſes iſt nichts weiter als: Tamino's Wanderſchaft zu Sa⸗ raſtro's Tempel der Weisheit, deſſen Ankämpfen gegen die ihm bereiteten Prüfungen, deſſen freudiger Muth und Beharrlichkeit auf dem unebenen Pfade und deſſen endliches ſieghaftes Erlangen des erſtrebten Zieles. Beide, das Adagio wie das Allegro, ſtellen ein und daſſelbe Bild in Tönen dar. Schon die verhüllten myſtiſchen Rhythmen, welche in der Mitte des Allegro heraustreten, das Beifallszeichen der Prieſter in der berathenden Verſammlung über Tamino's Annahme, im Beginne des zweiten Aktes, deuten ganz unzweideutig darauf hin. — Auch mit der Bezeichnung der Arien der Königin der Nacht, als bloße Bravourſtücke durch Hrn. v. O., dürfte man nicht einverſtanden ſein. Das Adagio: „Zum Leiden bin ich auserkoren,“ gehört ſicher zu den ausdrucksvollſten Charakterſtücken, welche jemals komponirt worden ſind; eben fo wenig vermögen wir, in des Mohren Arie: „Alles fühlt der Liebe Freuden,“ Plumpheit und rohe Sinnlichkeit zu entdecken, vielmehr ſcheint uns die wahrhaft durchſichtige und luftige Begleitung neben der Lüſternheit des Mohren ganz zur deutlichen Verſinnlichung des morgenländiſchen Nachthimmels zu gehören. — Das Weitere übergehend, werde nur noch bemerkt, daß ſich auch in Hrn. v. O's. Werk die irrthümliche Bezeichnung des Chorals der feurigen Männer durch: „Chriſt, unſer Herr, zum Jordan kam,“ vorfindet, ein Irrthum, welcher durch Abbe Stadler verbreitet worden iſt. — Es darf heute kaum mehr angeführt werden, daß es der Choral: „Ach, Gott vom Himmel, ſieh darein,“ iſt, welchen Mozart dort bearbeitete, und deſſen hypokryphiſchem Schluſſe er noch eine Zeile, in die moderne Molltonart leitend, hinzugefügt hat. — Der erſte Band der Kunſt des reinen Satzes von Kirnberger bietet auf den letzten Seiten ſehr intereſſante Vergleiche der kontrapunktiſchen Bearbeitung deſſelben Chorals mit der von Mozart dar. Uebrigens muß Hrn. v. Oulibiſcheff's Werk den Muſikſtudirenden als eine eben ſo intereſſante Lektüre, wie zugleich als Leitfaden beim Studium Mozartſcher Werke dringend anempfohlen werden. Moſewius, Sekretaͤr der Sektion. Dieſe Mittheilungen über die einzelnen Sektionen können nicht geſchloſſen werden, ohne den Dank des Präfidii und gewiß auch der Geſellſchaft denjenigen hochverehrten Männern darzubringen, welche, meiſt nach vieljähriger treuer und eifriger Amtsführung, die Sekretariate der betreffenden Sektionen niedergelegt haben. Es ſind dieß die Herren Geh. Hofrath Prof. Dr. Weber, bisheriger Sekretair der ökonomiſchen, Geh. Me⸗ dizinalrath Dr. Ebers und Prof. Dr. Kahlert, bisherige Sekretaire der Kunſt-Sektion, Herr Prof. Dr. Barkow, bisheriger Sekretair der mediziniſchen Sektion, und der für die erſte Begründung der Sektion für Gartenbau thätig geweſene, aber jetzt leider durch Kränklichkeit verhinderte Stadt- Aelteſte Herr Selb ſtherr. 15 15. Das Präfidium der Geſellſchaft hat ſich in dieſem Verwaltungsjahre zur Erledigung der laufenden Geſchäfte vierzehn Mal verſammelt. Auf ſeine Verwendung ſind von dem hohen Finanz-Miniſterio für die Zwecke der techniſchen Sektion auch pro 1847 hundert Thaler bewilliget und angewieſen, auch iſt der neuen ſtatiſtiſchen Sektion von dem Herrn General-Poſtmeiſter Portofreiheit bewilliget worden. Die Anlegung und Fortführung eines Albums der Geſellſchafts-Mitglieder wurde angeordnet. Dem hieſigen Gewerbeverein iſt der Mitgebrauch unſerer Lokalien miethsweiſe (gegen jährlich 180 Thlr.) eingeräumt worden; auch haben wir im Sinne der Geſellſchaft zu handeln geglaubt, wenn wir gemeinnützigen und wohlthätigen Vereinen für ihre Zwecke die zeitweilige Benutzung unſerer Räume im vergangenen Jahre ebenfalls geſtatteten. Es iſt der Plan gefaßt und eingeleitet worden, wiſſenſchaftliche Abhandlungen in ungezwungenen Heften Namens der Geſellſchaft herauszugeben. Der mit vielſeitigem Beifalle aufgenommene Vorſchlag unſeres Herrn Präſes: von Zeit zu Zeit allgemeine Verſammlungen auch außerhalb Breslau's an geeigneten Orten der Provinz, verbunden mit Exkurſionen, zu halten, konnte in dieſem Jahre noch nicht zur Ausführung gelangen. Die von dem Präſidio zu Anfange des Jahres für das größere Publikum gegen ein mäßiges Eintritts⸗ geld veranſtalteten Vorträge des Herrn Prof. Dr. Duflos aus dem Gebiete der Chemie und Experimental⸗ Phyſik hatten ſich einer lebhaften Theilnahme zu erfreuen; es ſind daher auch wiederum in dieſem Winter, wie bekannt, dergleichen Vorleſungen, und zwar über die kosmiſchen Verhältniſſe und über Anthropologie und Pſychologie, veranſtaltet worden, welche die Herren Prof. Dr. v. Boguslawski, Dr. Purkinje und Dr. Braniß übernommen haben. Um zur Bearbeitung von wiſſenſchaftlichen Gegenſtänden Veranlaſſung zu geben, welche beſonders für unſere Provinz von Bedeutung, aber bisher nicht genug berückſichtigt ſind, hat das Präſidium unterm 20. Fe⸗ bruar C. drei Preisfragen veröffentlicht, und zwar: 1) eine Beſchreibung ſämmtlicher ſchleſiſcher Mineralquellen, 2) eine Anweiſung zur Obſtbaumzucht, und 3) eine geſchichtliche Darſtellung der Entwickelung des ſchleſiſchen Handels ſeit 1740 bis 1840. Die Aufſtellungs- und Katalogiſirungs-Arbeiten für unſere Bibliotheken find unter Leitung des Herrn Prof. Dr. Jacobi fortgeſetzt worden. Die Jahres-Rechnung pro 1846 iſt revidirt und dechargirt. Ueber den gegenwärtigen Kaffene und Vermögens-Zuſtand liegt folgender Bericht der Herren Kaſſirer vor: Ueber die Kaſſenverwaltung in dem laufenden Jahre und den gegenwärtigen Stand des Vermögens der Geſellſchaft beehren ſich die unterzeichneten Kaſſirer, nachſtehenden Bericht zu erſtatten: Die größere Thätigkeit, welche in dem letzten Jahre die Geſellſchaft belebte, konnte auch auf die Umſätze der Kaffe nicht ohne Einfluß bleiben, und wird die Ausgaben, gegen das Jahr vorher, um mehr als 640 Tha⸗ ler erhöhen, wozu beſonders die über 500 Thaler angewachſenen Druckkoſten für die voluminöſeren Jahresbe⸗ richte von 1846 beitragen; ferner die größere Anzahl der Zeitungs-Inſerate, Folge vermehrter Verſammlun⸗ gen durch die neugebildeten Sektionen, welche zugleich den früheren Koſtenbetrag für Heizung und Beleuchtung unzureichend machten; endlich die Koſten der von der Geſellſchaft veranſtalteten öffentlichen Vorträge und die für Preisſchriften ausgeſetzte Prämie. Glücklicherweiſe ſind aber auch die Einnahmen in einem entſprechenden Verhältniſſe geſtiegen, hauptſäch⸗ lich durch den in dieſem Jahre erfolgten Zutritt von 63 neuen Mitgliedern, welche Geldbeiträge leiſten; ferner durch den feit vorigem Jahre feſtgeſtellten Zuſchuß zur Miethe von jährlich 150 Thalern von Seiten des ſchleſiſchen Kunſtvereines, und einen ähnlichen Beitrag zur Miethe, den ſeit Mitte dieſes Jahres der in das Lokal der Geſellſchaft aufgenommene Gewerbeverein mit 180 Thalern per annum zu entrichten hat; endlich durch höheren Zinsertrag der Aktiv-Kapitalien, indem die früher in preußiſchen 3 ½ procentigen Staatsſchuld⸗ ſcheinen angelegten Fonds in Sprocentige Prioritäts-Obligationen der Niederſchleſiſch-Märkiſchen Eiſenbahn⸗ Geſellſchaft umgeſetzt worden, während die Koſten der öffentlichen Vorträge durch den Erlös verkaufter Ein⸗ trittskarten gedeckt werden, und für nächſtes Jahr hieraus wahrſcheinlich noch ein Ueberſchuß erwachſen dürfte. Unter dieſen Umſtänden war es möglich, trotz der weſentlichen Steigerung der Ausgaben, das Kapital der Geſellſchaft ziemlich auf dem vorjährigen Stande zu erhalten, und wird ſich daſſelbe am Schluſſe des Jahres auf ohngefähr 4800 Thaler, einſchließlich 3600 Thaler in 5procentigen Prioritäts⸗Obligationen, 800 = in Aprocentigen Prioritäts- Obligationen, 150 -in 3 Stück Seehandlungs-Prämienſcheinen, zuſammen 4550 Thaler in Effekten, ſtellen, von welchem Geſammtbetrage 4428 Thaler der allgemeinen Kaſſe, 229 Thaler dem Separatfond der Kunſt-Sektion, 143 Thaler dem Separatfond der techniſchen Sektion gehören. Für die neue Sektion für Obſt- und Garten-Kultur iſt nach deren Statute ein Separatfond errich- tet, zu welchem ein Kaſſen-Beſtand von 19 Thlr. 29 Sgr. 8 Pf. aus dem früher hier beſtandenen Blumen⸗ Vereine eingezahlt worden. 5 Bei der von dieſer Sektion im Herbſte veranſtalteten erſten Ausſtellung haben die erhobenen Eintritts- gelder nicht allein die Koſten gedeckt, ſondern noch einen kleinen Ueberſchuß gewährt. Die Beiträge der außer⸗ ordentlichen Mitglieder für dieſe Sektion dürften in dieſem Jahre bis zum Schluſſe deſſelben ſich auf 88 Thaler belaufen. Einen für die nächſte zweijährige Periode entworfenen Einnahme- und Ausgabe ⸗Etat für die allgemeine Kaſſe haben wir die Ehre, zur Prüfung und Genehmigung hierbei vorzulegen. Breslau, den 15. Dezember 1847. Die derzeitigen Kaſſirer der Geſellſchaft. Scholtz. G. Liebich. Kaſſen⸗Abſchluß für das Jahr 1847, ——5—Æ . —᷑ ęr Soll einkommen. Iſt eingekommen. Ausgaben: Iſt verausgabt. Baar. Allgemeine Kaſſe. Effecten. Baar. g Etat. Allgemeine Kaffe. Effecten, Baar. , Ir N. aa, BE Im e Im . au, ME Gm Pi Beſtand aus dem vorigen Jahre: . in Bresl.-Freib. 41% Prioritäts⸗Obligationen 600 Thlr. Ausgaben. in Niederſchl.-Märk. 50% „ 3600 = in Preuß. Seehandlungs - Prämien = Scheinen 100 4300 , d 6000 f d ee — 142 17 8 eee ef — Sure al ai 3 Dem 1 Dein aten — MI | : 3 — — ß d y — Se Einnahmen, Olpe ee e,, „ ä 1 , y nn ed ne —_ 9 27 6 50 | — | — [An Reſten, rückſtändige Beiträ NR REEL TE — 26 — — a 55 ſten, 121 Thlr. N Ndückttand elbe | S Unterhaltung der Mill 8 — 23 96 204 — An Zinſen von Effecten: 20 — — Schreibmaterialien ͤ⁰ RER ER ee DT — 19 23 9 von 600 Thlr. Bresl.⸗Freib. Prior.-Obligationen à 4% 24 Thlr. 305 — — e e e — Er I 8 fa) 8 „ 1 7 [2 * 9 0 & 2 = 1 rue fle lk „„ „„ „ „ „„ „ „„ „„ „„ „„ „„ „ ee — — 8 j ru ZU eee ee 27 2043 ı — | % P — 41 14 9 1341 — | — [An halbjährigen Beiträgen von einheimiſchen a 30 | — | — | Poftprocura und Porto —ͤ 55; = 33 17 9 pro Johanni 214 a 3 Thl “unceneneenneeeennn 2 Thlr. , ene lach eher enter = — 28 283 = Weihnachten 228 a 3 Thliju—— 681 s — 132603 — ee ee , ss. 3 (15 Thlr. in Rückſtand verblieben.) 50 — | — Naturwiſſenſchaftliche Sectiou⸗n 2.2... en = 64 10 6 352 — — [An halbjährigen Beiträgen von auswärtigen Mitgliedern 20 — — l Entomologiſche Sectia. ce nnnosenuenneneeneictrer: er 20ı | — pro Johanni 85 A 2 Thlr. )) 170 Thlr. 60 A Bihlinihek 2. eee RN 2 118: az sa = Weihnachten 8⁴ rr ne, 168 = — — ein extraordinairer Jahresbeitrag 10 = ns al |) ade 16 108 (4 Thlr. in Rückſtand verblieben. 150 | — | — An Eintrittsgebühren I Außergewöhnliche Ausgaben: von 50 neuen Mitgliedern à 3 Thl ceeeceeceeeeeecnne Mm. 150 | Honorar dem Prof. Dr. Duflos für feine Vorleſungen 150 | — — | An Miethe von dem ſchleſiſchen Kunſtvereine einschließlich feiner Koſten für Erperimente.......... _ 200 ee r . euer er . 150 — | — Honorar dem Prof. Dr. von Boguslawski für feine 0 a 90 — | — | An Miethe von dem Gewerbevereine 10 für 5 en und ſonſtige Koſten . 2 55 16 — ür 1 & bis Mei . ** . ür von der Kunſtſection übernommene An al bergewößnlichen Ei u ” 200 Thlr. Breslau Freib. 4% Prioritäts- Obligationen | — 200. erftattete Heizungs = und Beleuchtungskoſten Beſtand Verblie hen 8 4500 363 4 4 von dem hiſtoriſchen Vereine für 1846 und 1847 . . 7 29 — von dem ſchleſiſchen Kunſtverein nern. — 214 4 für verkaufte Eintrittskarten zu den Vorleſungen des Prof. Dr. Duflos ... ..... — 210 — — zu den Vorleſ. der Profeſſoren DDr. von Boguslawski, eee r ee nee n ee ehe. ‚= 478 — — von der Kunſt-Section übernommene 200 Thlr. Breslau-Freib. 4% Prioritäts- Obligationen [| 200 — | — | — | 4500 | 3135 | 1| — 4500 | 3135 | 1| — G. Liebich, z. 3. Kaſſirer der Geſellſchaft. Kaſſen⸗Abſchluß für das Jahr 1847. Iſt eingekommen. Effecten. Baar. , e, n, RG Separat-Fond der techniſchen Section. Fur technſche Jenſcheifte n C De potter ee en re Für Zeitungs Inserate x en nenne nenne ] ũ⁵ ß ee ⁰ ern FC Separat-Lond der techniſchen Section. Beſtand aus dem vorigen Jahre ...... e 22 118 99 Beitrag von dem Königl. Miniſterium der Finanzen d „ — 100 — | — Separat-Fond der Kunſt-Section. Separat-Fond der Kunſt-Section. Beſtand aus dem vorigen Jahre: Für Puttrich s Denkmale der Baut Hefte: rare F/ ᷣ ⁰õy /// RS, — 19 10 | 11 ||| Für Trachten des chriſtlichen Mittelalters, 5 Hefte ..... eee e . . . eee 2) in Effecten: Unterstützung en Den Ucapemiker Naſ ai BE. BEE ee 1 Priorit.⸗Obligation der Breslau: Freiburger Eiſenbahngeſellſchaft .... 200 | — | — | — Der allgemeinen Kaffe überlaſſene Breslau> Freiburger Priorit.- Obligationen .......... 1 Preuß. Seehandlungs-Prämienſcheinnnn nn 50 „„ EH N Belland, eben Zinſen von 200 Thlr. Breslau-Freiburger Priorit.-Obligatione xxx c — 8 — — Für der allgemeinen Kaſſe überlaſſene 200 Thlr. Breslau-Freiburger Priorit.- Obligationen ʒVODVL Ut¹ D 250 227 10 11 Separat-Fond der Section für Obſt- und Garten-Cultur. Separat-Fond der Section für Obſt- und Garten -Cultur. Uebernommener Kaſſen⸗Beſtand des Blumen⸗ Vereines —_ 19 | 29 Zeitungs-Inſerate, betreffend die Auflöfung des Blumen-Vereines Beiträge von 92 Mitgliedern den Seton pro a, e wine — 92 = = e . . Eintrittsgelder bei der Ausſtellung vom 15. bis 20. September — 107 2 Anfertigung der lithographirten Diplome für die Mitgliedern Geſchenk des Zimmermeiſter Krauſe im Betrage der von ihm liquidirten Koſten ..... — 6 18 nde ff asian Geſchenk des Grafen von Reichenbach auf Goſchütz z — 100 | — Poft-Procura für Beiträge von auswärtigen Mitgliedern ........- mice e eee r ddp ꝗ d . N. Koſten bei der Ausſtellung vom 15. bis 20. Septembe Für von auswärts bezogene Pflanzen und Sämereien einſchließlich Fracht und Porto ... n f ʒ e Beltand pebblei dd FETTE — 325 20 G. Liebich, z. 3. Kaſſirer der Geſellſchaft. Iſt verausgabt. Effecten. RUE: Baar. g, Im Pg 2 2 6 — — 3 9 9 155 41 — I 104 41 16 6 — ls 6 5 1 == 18 — See 289 18 3 N — 8 2 208 Entwurf zu dem Einnahme: und Ausgabe⸗Etat Einnahmen. I. I Binfen von Aktiv-Kapitalien. Von den jetzt für die allgemeine Kaffe vorhandenen Effekten: 5 RU: 3600 Thlr. 5% Niederſchleſ. Märkiſche Prioritäts-Obligationen 180 600 Thlr. 4% Breslau-Schweidnitz-Freiburger desgl. 24 a II.] Beiträge von einheimiſchen Mitgliedern. Nach der jetzigen Anzahl der kontribuirenden Mitglieder 227 à 6 Thlr. | 1362 5 à 3 Thlr. 15 1377 III.] Beiträge von auswärtigen Mitgliedern. Nach der jetzigen Anzahl der kontribuirenden Mitglieder 86 à 4 Thlr. 344 1 à 10 Thlr. 10 354 IV. | Eintrittsgebühren von neu aufgenommenen Mitgliedern. Seit 1. Januar find zugetreten und haben Eintrittsgebüh⸗ Ken bezahl, e Straelen 48, in den vorhergehenden 4 Jahren zufammen ........ 36, in „ Jahren 8 84, dürchſchnitelich pro d ahhke e hr, ae 51 V. | Beitrag zur Miethe vom ſchleſiſchen Kunſtverein nach dem Abkommen mit denen n || 800 150 VI.] Beitrag zur Miethe von dem Gewerbeverein nach dem Abkommen mit dem ſelben, einſchließlich Beheizung und Beleuchtung ꝛ «. 180 VII.] Beitrag aus dem Separatfond der Sektion für Obſt- und Garten-Kultur ö zur Salcgikung des Faſtelan Ganz 8 16 2332 Breslau, den 15. Dezember 1847. 19 der allgemeinen Kaſſe für die Jahre 1848 49. Ausgaben. F.. ARN AIR Rn 000 MR II Honorar dem Piafetten ß anne NIE 1 Jteuiahesgefchenen den ate!!! 88 ehe nenen A fenen 8 Nigg. dan BE En VIE Beleuchtung: 2.2 nenasle Selen en een needs NIS I nlinterhaltungmders Mobilen 8 IX. | Seuere Berficherumgs- PI,, NEN ER... ld, Scheib materialte n er Re ores ans nns „ n koſ en 8 NUT dindekarbfeen2nmasn.nw ARAHEGD 6 IE, A N ENot Proeüra und Workout. rn A N es a un rt eine lusgaben a Ser eu ke ee 8 XVI. | Dem Sternwarten-Diener für meteorologiſche Beobachtungen sss XVII. Naturwiſſenſchaftliche Sektiornn e RER l akomologiſche Sektonnnn?n?̃sn 8 biete Ela BFÄST EL re A Ahn XX. | Prämie für Preisfchriften: hundert Thaler Gold und die filberne Medaille.... nes chergeſehene Fall] 8 r Die derzeitigen Kaſſirer der Geſellſchaft. Scholtz. G. Liebich. 20 In dem Status der Mitglieder unſerer Geſellſchaft haben nachſtehende Veränderungen ſtattgefunden. - ; Im Laufe diefes Jahres find 80 wirkliche einheimiſche und 4 wirkliche auswärtige, und in der ganzen zweijährigen Etatszeit zuſammen 94 einheimiſche und 3 auswärtige Mitglieder aufgenommen worden. Ausgetreten ſind 17, und geſtorben 6 wirkliche Mitglieder. — 15 korreſpondirende und 4 Ehrenmitglieder wurden ernannt. Die in dieſem Jahre hinzugetretenen ſind: A. Die wirklichen einheimiſchen Mitglieder: 1) Herr Prof. Dr. Phil. Ambroſch. ) = Dr. Phil. Baumgart, Muſiklehrer an der Univerfität. 3) = Stadtrath Becker. 4) = Dr. Phil. Beinert. 5) Kaufmann H. W. Bergmann. 6) Se. Durchlaucht Prinz Biron von Curland. 7) Herr Kaufmann W. Bloch. 8) = Dr. Med. Bruck. 9) Apotheker Cholewa. 10) = Kaufmann L. Cohn. 11) = Kaufmann und Banquier L. S. Cohn. 12) = Kaufmann E. F. Eredner. 13) „Prediger Dondorff. 14) -Regierungsrath v. Ebertz. 15) -Reegierungsaſſeſſor Eichhorn. 16) = Generalmajor v. Erhardt. 17) -Regierungsaſſeſſor Ewald. 18) = Gymnaſial-Direktor Dr. Fickert. 19) = Dr. Jur. Förſter. 20) = Prof. Dr. Theol. Friedlieb. 21) ⸗Privat⸗Inſtituts⸗Inhaber Lehrer Geppert. 22) = Kaufmann J. F. W. Grund. 23) = Prof. Dr. Phil. Haaſe. 24) Kaufmann Siegfr. Hahn. 25) =Schulamts-Kandidat Harnecker. n 26) = Kammerherr und General-Landſchafts-Repräſentant Graf v. Hoverden. 27) = Kaufmann L. Hüſer. N 28) Oberlehrer Dr. Phil. Idzikowski. 29) = Prof. Dr. Phil. Kampmann. 30) = Dr. Phil. Privat⸗Docent Kauer. 31) = Dr. Phil. Kergel. 32) = Megierungsaffeffor Knebel v. Döberitz. 33) „Oberlehrer Knie. 34) = Rittmeiſter a. D. Freiherr v. Köckritz. 35) Geheimer Kommerzienrath und Kaufmannsälteſter Kraker. 21 36) Herr Dr. Phil. Kuſchel. 37) = Dr. Med. Landsberg. 38) = Dr. Phil. Lilie. 39) = Kaufmann Emanuel Löwenfeld. 40) Kaufmann und Stadtrath Lübbert. 41) Regierungs- Referendar Ludwig. 42) = Dr. Phil. Marbach. 43) = Regierungsrath v. Maſſow. 44) = Regierungsrath v. Merckel. 45) Meyer, General-Sekretair der oberſchleſiſchen Eiſenbahn. 46) = Monhaupt, Eduard, Kunſt- und Handelsgärtner. 47) = Univerſitäts⸗Sekretair Nadbyl. 48) = Kaufmann F. Nitſchke. 49) = Regierungs-Referendar Olearius. 50) = Dr. Phil. Palm. 51) = DbersBürgermeifter Binder, 52) = Negierungs=Neferendar Pohl. 53) = Dr. Phil. Purrmann. 54) = Graf v. Reichenbach. 55) Dr. Phil. Reimann. 56) = Dr. Med. Nutſch. 57) = Dr. Phil. Schedler. 58) Schierer, J. C. W., Güter⸗Inſpektor der oberſchleſiſchen Eiſenbahn. 59) = Regierungs- und Landbau-Rath Schildener. 60) = Prof. Dr. Theol. Schmölders. 61) = Prof. Dr. Phil. Schneider. 62) = Dr. Phil. Schück. 63) = Konſiſtorialrath Prof. Dr. Theol. Schulz. 64) = Geheimer Regierungsrath v. Schweinitz. 65) = Apotheker Seidel. 66) = Lieutenant v. Seidlitz. 67) Apotheker Somme. 68) = Dr. Phil. Speck. 69) = Obberlandesgerichts-Präſident Starke. 70) = Dr. Phil. Tagmann. 71) = Dr. Phil. Tſchirner. 72) „Prof. Dr. Phil. Wagner. 73) „Kaufmann v. Wallenberg⸗-Pachaly. 74) = Regierungsrath v. Willich. 75) = Dr. Jur. Windmüller, Juſtiz-Kommiſſarius und Notarius publicus. 76) = Dr. Phil. Winkler. 77) = Montirungs-Depot-Rendant Winter. 78) = Gymnaſtal-Direktor Dr. Phil. Wiſſowa. 79) = Graf Vork v. Wartenburg. Dr. Phil. Zaſtra. 22 B. Die wirklichen auswärtigen Mitglieder: 1) Herr Apotheker Becker in Wohlau. 2 3) 27 Se. Land- und Stadt-Gerichtsrath Göppert in Wohlau. Baron v. Welczek zu Laband bei Gleiwitz. C. Bu Ehrenmitgliedern wurden ernannt: Excellenz Herr Graf v. Brandenburg, Königl. Generallieutenant und kommandir ender General des ſechsten Armeekorps. Herr Ober-Präſident v. Wedell. 7 Herr Dr. Phil. Daremberg, Bibliothekar der Academie Royale de Medeeine in Paris. Geheime Hofrath Prof. Dr. Rau in Heidelberg. Dr. Theol. Rotter, Prälat und Abt der Benediktiner-Abtei zu Braunau. D. Zu korreſpondirenden Mitgliedern wurden ernannt: Dr. Med. Eiſelt, K. K. Kreis-Phyſikus zu Gitſchin in Böhmen. Baron v. Fälkerſahm zu Papenhof in Liefland. Dr. Med. et Phil. Hartwig in Oſtende. Juſtiz-Bürgermeiſter Haupt in Forſt bei Kottbus. Apotheker Koch in Oppeln. Dr. Med. Kolenati in Tiflis. Freiherr Dr. Phil. v. Reden in Berlin. Apotheker Spatzier in Jägerndorf. Dr. Sponholz, in Bergen auf der Inſel Rügen. Regierungsrath v. Tettau in Liegnitz. Dr. Phil. Walpers in Berlin. Oberlehrer Dr. Phil. Warnsdorff in Harburg. Lehrer Wende in Landshut. Kammergerichts-Aſſeſſor Wichura in Berlin. Ausgetreten ſind im Laufe dieſer Etatszeit: 1 2) 3) 4) 5) 6) 7) 8) 9) 10) 11) 12) 13) 14) In der Saut td Herr Baron Alleyne. Dr. Med. Berendt. Juſtizrath Bitkow. Kommerzienrath Sphrenfueth; Seminar-Direktor Gerlach. Particulier Eduard Kuh. Dr. Med. Laband. Regierungsrath Baron v. Reibnitz. Kaufmann Th. Reimann. Lieutenant Baron v. Rheinbaben. Kommerzienrath Schiller. Geh. Ober-Tribunalsrath Graf v. d. Schulenburg, Kaufmann Stache. Regierungsaſſeſſor Knebel v. Döberitz. 23 In der pre eien z: 1) Herr Sanitätsrath Dr. Med. Helmer in Brieg. 2) = Kreis und Stadt- Wundarzt Ilſe in Brieg. 3) = Geh, Regierungsrath v. Woyrſch, auf Pilsnitz. Durch den Tod verlor die Geſellſchaft im Laufe dieſes Jahres: A. Wirkliche einheimiſche Mitglieder: 1) Herrn Kaufmann Gad. 2) - Gymnaſial-Kollegen Geisheim. 3) Baurath und Gutsbeſitzer Knorr. 4) = here und Religionslehrer Stenzel, Regens Convietorii am kathol. Gymnaſium. 5) „Prof. Dr. Suckow. B. Wirkliches auswärtiges Mitglied: 1) Se. Durchlaucht den regierenden Herzog von Anhalt-Köthen, zu Köthen. C. Ehrenmitglieder: 1) Herrn Berghauptmann v. Charpentier in Brieg. 2) = Dr. Phil. Hoffmann, Wirkl. Geh. Ober- Regierungsrath in Berlin. 3) „Kaufmann Rupprecht in Wien. 4) = Baron v. Stillfried in Hirſchberg. 5) Ober- Medizinalrath Dr. v. Froriep in Weimar. 6) Dr. Med. Tſchirſchnitz, Rittergutsbeſitzer, in Bojanowo. 7) = Graf v. Zierotin, K. K. Geh. Rath, Kammerherr, Gubernialrath und Direktor der mähriſch-ſchleſiſchen Agrikultur-Geſellſchaft in Brünn. D. Korreſpondirende Mitglieder: 1) Herrn Prof. A. Boezek, Hiſtoriograph von Mähren, in Olmütz. 2) = Dr. Phil. Förſter, Major in der Artillerie, Feuerwerksmeiſter und Direktor der Ober⸗ Feuerwerks-Schule in Berlin. 3) Prof. Hallaſchka, Studien-Direktor in Prag. „Bergrath Prof. Dr. Puſch in Warſchau. 5) Graf v. Reichenbach, auf Kroſchnitz bei Feſtenberg. 6) = Prof. Dr. Med. Richter in Wiesbaden. = Staatsrath und Prof. Schmalz in Dorpat. 8) - Ahpotheker Schulz in Myslowitz. 24 Zuwachs der Bibliotheken und Mufeen. Die Bibliotheken haben im Jahre 1847 einen Zuwachs von 717 Nummern erhalten, wovon 366 der ſchleſiſchen Bibliothek, 351 aber der allgemeinen Bibliothek angehören. Die Namen der Geſellſchaften, Be⸗ hörden, Vereine, einzelnen Herren, denen die obgedachten Sammlungen dieſen Zuwachs verdanken, ſind, mit beigefügter Zahl der, von ihnen geſchenkten, Bücher u. ſ. w., folgende: A. Vei der ſchleſiſchen Bibliothek. a. Behörden, geſellſchaftliche Vereine, wiſſenſchaftliche Inſtitute u. ſ. w. Die königl. Regierung zu Breslau 1 Nr., der Magiſtrat zu Breslau 1 Nr., der Künſtlerverein zu Breslau 1 Nr., die königl. Univerſität zu Breslau Al Nrn., der Verein für Volksbildung zu Breslau 6 Nrn., der Gewerbeverein für Breslau 3 Nrn., die ökonomiſch-patriotiſche Societät der Fürſtenthümer Schweidnitz und Jauer 1 Nr., der landwirthſchaftliche Verein zu Oels 1 Nr., der Magiſtrat in Striegau 1 Nr., der Verein für Geſchichte und Alterthum Schleſiens 1 Nr., der landwirthſchaftl. Centralverein für Schleſien 1 Nr., der ſchleſiſche Verein für Pferderennen und Thierſchau 1 Nr. b. Einzelne Seſchenkgeber. Hr. Senior Berndt 34 Nrn., Hr. Graf v. Bethuſy, Major und Direktor der königl. Ritter-Aka⸗ demie zu Liegnitz 1 Nr., Hr. Dr. Med. Bürkner 1 Nr., Hr. Geh. Medizinalrath Dr. Ebers 1 Nr., Hr. Direkt. Prof. Dr. Fickert 1 Nr., Hr. Oberlehrer Dr. Francolm 1 Nr., Hr. Prof. Dr. Göppert 179 Nrn., Hr. Apotheker Güntzel in Wohlau 1 Nr., Hr. Prof. Heimbrod in Gleiwitz 4 Nrn., Hr. Prof. Dr. Kahlert 1 Nr., Hr. Dr. Med. Keller in Habelſchwerdt 1 Nr., Hr. Hauptmann a. D. Köhler in Liegnitz, Direk⸗ tor des königl. und ſtädtiſchen Gymnaſiums daſelbſt, 1 Nr., Frau Dr. Lindner 1 Nr., Hr. Prof. Dr. Nees v. Eſenbeck, Präſident der kaiſerl. Akademie der Naturforſcher, Direktor des botaniſchen Gartens, 1 Nr., Hr. Regierungsaſſeſſor Dr. Schneer 1 Nr., Hr. Gymnaſial-Direktor Prof. Dr. Schönborn 1 Nr., Hr. Apotheker Scholtz in Steinau 1 Nr., Hr. Lehrer Unverricht 1 Nr., Hr. Dir. Prof. Dr. Wimmer 1 Nr., ein Ungenannter 6 Nrn. Gekauft wurden für die ſchleſiſche Bibliothek: Bei Hrn. Antiquar Ernſt 45 Nrn., bei Hrn. Antiquar Schletter 23 Nrn. An Abbildungen in Schleſien lebender Gelehrten wurden geſchenkt: Vom Hrn. Grafen v. Hardenberg: Bildniß des verſtor⸗ benen Hrn. v. Charpentier, Berghauptmanns von Schleſien. Vom Hrn. Oberlehrer Scholtz: Bildniß des Geſchenkgebers. Vom Hrn. Geh. Hofrath Prof. Dr. Weber: Bildniß des Geſchenkgebers. B. Bei der allgemeinen Bibliothek. a. Behörden, Seſellſchaften, Vereine, wiſſenſchaftliche Inſtitute u. ſ. w. Der großherzoglich badenſche landwirthſchaftliche Verein 1 Nr., der hiſtoriſche Verein zu Bamberg 1 Nr., der landwirthſchaftliche Verein im Königreiche Baiern 2 Nrn., die königl. baierſche Akademie der Wif- ſenſchaften in München 3 Nrn., die königl. Akademie der Wiſſenſchaften von Belgien 3 Nrn., die königl. preußiſche Akademie der Wiſſenſchaften zu Berlin 2 Nrn., das königl. Landes-Oekonomie⸗Kollegium zu Berlin 25 1 Nr., die k. k. patriotiſch⸗ökonomiſche Geſellſchaft im Königreiche Böhmen 3 Nrn., der landwirthſchaftliche Provinzialverein für die Mark Brandenburg und Niederlauſitz 1 Nr., die brittiſche Geſellſchaft für die Fort— ſchritte der Wiſſenſchaften 1 Nr., die königl. Landwirthſchafts-Geſellſchaft zu Celle 1 Nr., der Danziger allge— meine Gewerbeverein 2 Nrn., der Verein für Erdkunde und verwandte Wiſſenſchaften zu Darmſtadt 1 Nr., der Verein der deutſchen Geſchichtsforſcher 1 Nr., die naturforſchende Geſellſchaft zu Görlitz 4 Nrn., die Hamburgiſche naturwiſſenſchaftliche Geſellſchaft 2 Nrn., der Gartenbauverein für das Königreich Hannover 1 Nr., der landwirthſchaftliche Verein im Königreiche Hannover 1 Nr., der naturwiſſenſchaftliche Verein des Harzes 1 Nr., die hiſtoriſchen Vereine des Kurfürſtenthums und des Großherzogthums Heſſen 1 Nr., der Verein für heſſiſche Geſchichte und Landeskunde 2 Nrn., der hiſtoriſche Verein für das Großherzogthum Heſſen 2 Nrn., der landwirthſchaftliche Verein des Kurfürſtenthums Heſſen 1 Nr., die phyſikaliſch-ökonomiſche Ge— ſellſchaft zu Königsberg 1 Nr., die königl. Geſellſchaft für nordiſche Alterthumskunde zu Kopenhagen 1 Nr., die Verſammlung deutſcher Land- und Forſtwirthe 2 Nrn., der Verein für Lübeckſche Statiſtik 8 Nrn., der Verein weſtpreußiſcher Landwirthe zu Marienwerder 1 Nr., der Verein für mecklenburgiſche Geſchichte und Al— terthumskunde 2 Nrn., der mecklenburgiſche patriotiſche Verein I Nr., die kaiſerl. Geſellſchaft der Naturfor— ſcher zu Moskau 4 Nrn., die Nathuſius'ſche Gewerbe-Anſtalt zu Alt- Haldensleben 1 Nr., der hiſtoriſche Verein für Niederſachſen 2 Nrn., die oberlauſitziſche Geſellſchaft der Wiſſenſchaften 3 Nrn., der hiſtoriſche Verein von Oberpfalz und Regensburg 1 Nr., die geſchichts- und alterthumsforſchende Geſellſchaft des Oſter— landes zu Altenburg 3 Nrn., die Geſellſchaft für Geſchichte und Alterthumskunde der ruſſiſchen Oſtſee-Pro— vinzen 1 Nr., die kaiſerl. Akademie der Wiſſenſchaften zu St. Petersburg 2 Nrn., die kaiſerl. freie ökono— miſche Geſellſchaft zu St. Petersburg 1 Nr., die Geſellſchaft praktiſcher Aerzte zu St. Petersburg 1 Nr., die Geſellſchaft für pommerſche Geſchichte und Alterthumskunde 1 Nr., der baltiſche Verein für Förderung der Landwirthſchaft 1 Nr., der Verein zur Beförderung des Gartenbaues in den königl. preuß. Staaten 2 Nm, die königl. Regierung zu Breslau 1 Nr., der landwirthſchaftliche Verein für Rheinpreußen 1 Nr., der pro⸗ vinziallandwirthſchaftliche Verein für den Landdroſtei-Bezirk Stade 1 Nr., der entomologiſche Verein zu Stet— tin 1 Nr., die k. k. Landwirthſchafts⸗Geſellſchaft von Tyrol und Vorarlberg 1 Nr., die Geſellſchaft nützlicher Forſchungen zu Trier 1 Nr., die weſtphäliſche Geſellſchaft zur Beförderung der vaterländiſchen Kultur 1 Nr., die k. k. Gartenbau⸗Geſellſchaft zu Wien 1 Nr., die k. k. Landwirthſchafts-Geſellſchaft zu Wien 2 Nrn., die Freunde der Naturwiſſenſchaften zu Wien 1 Nr., der königl. würtembergiſche landwirthſchaftliche Verein 1 Nr., der Verein zur Verbreitung guter und wohlfeiler Volksſchriften zu Zwickau 1 Nr. Die allgemeine Bibliothek verdankt daher ihre Vermehrung an Schriften gelehrter Geſellſchaften u. ſ. w. 43 deutſchen, 3 preußiſchen, 5 ruſſiſchen, 1 däniſchen, 1 belgiſchen, 1 engliſchen Geſellſchaften, Vereinen, Univerſitäten u. ſ. w., zuſammen 54 verſchiedenen Geſellſchaften u. ſ. w. b. Einzelne Seſchenkgeber. Hr. v. Abrahamſon, Kammerherr, Oberſt und General-Kriegs-Kommiſſär in Oſtende, 1 Nr., Hr. Forſt⸗ und Wirthſchafts-Rath André in Wien 1 Nr., Hr. Freiherr H. v. u. z. Aufſeß, Dr. Juris in Nürnberg, 1 Nr., Hr. Direktor der Anatomie, Prof. Dr. Barkow, 1 Nr., Hr. Dr. Phil. Beilſchmied in Herrnſtadt 1 Nr., Hr. Direktor Dr. Med. Berend in Berlin 1 Nr., Hr. ꝛc. Berthold in Göttingen 1 Nr., Hr. Prof. Dr. Böhm in Innsbruck 1 Nr., Hr. Direktor Prof. Dr. v. Boguslawski 1 Nr., die Herren Direktor Prof. Dr. v. Boguslawski, Schubert und Freiherr v. Nothkirch 1 Nr., Hr. Dr. Daremberg, Bibliothekar der königl. Akademie der Medizin u. ſ. w. in Paris, 2 Nrn., Hr. Hauptmann Farthmann in Glogau 1 Nr., Hr. ꝛc. G. Friedländer in Berlin 1 Nr., Hr. Prof. Dr. Fürnrohr in Regensburg 1 Nr., Hr. Direktor Prof. Dr. v. Glocker 1 Nr., Hr. Prof. Dr. Göppert 176 Nrn., Hr. Dr. Grotefend in Hannover 1 Nr., Hr. Dr. Med. Hartwig, Badearzt in Oſtende, 3 Nrn., Hr. Franz Nitter v. Hauer, k. k. Bergwerks⸗Praktikant in Wien, 1 Nr., Hr. Prof. Heimbrod in Gleiwitz 5 Nrn., Hr. J. G. Hoff⸗ 4 26 mann, Eönigl, Fabriken⸗Kommiſſarius, 1 Nr., Hr. Dr. Phil. Kandidat Johnſon in Petersburg 1 Nr., Hr⸗ Dr. Phil. Kenngott 3 Nrn., Hr. Senior, Lehrer Koreff zu Prag 3 Nrn., Hr. Kraus, k. k. Münz. und Bergweſens-Hof-Buchhaltungs-Official in Wien, 1 Nr., Hr. Kreyßig, Landwirth in Oſtpreußen, 1 Nr., Hr. Dr. A. v. Lengerke, königl. preuß. Landes⸗Oekonomie-Kommiſſarius, 1 Nr., Frau Dr. Lindner 1 Nr., Hr. Lehrer Löſchke 1 Nr., die Herren Dr. Med. G. Lorinſer und Operateur und Wundarzt F. Lorinſer in Wien 4 Nrn., Hr. Dr. Münter in Berlin 1 Nr., Hr. Dr. Med. Neugebauer 2 Nrn., Hr. Dr. Med. Neumann 2 Nrn., Hr. Prof. Dr. Plieninger in Stuttgart 1 Nr., Hr. Oberlehrer Dr. Preſtel in Emden 3 Nrn., Hr. Preusker, königl. ſächſ. Rentamtmann und Lieutenant von der Armee in Großenhain, 1 Nr., Hr. ꝛc. v. Nabe in Lesnian 1 Nr., Hr. Prof. Dr. Radius in Leipzig 5 Nrn., Hr. Dr. Freiherr v. Rheden in Berlin 1 Nr., Hr. Dr. Med. Noſenfeld in Peſth 1 Nr., Hr. Schenck, Landwirth zu Weiben im Kreiſe Siegen, 1 Nr., Hr. Dr. Phil. Schneider 3 Nrn., die Herren Lehrer Schütze sen. und Schütze jun. in Berlin 1 Nr., Hr. Apotheker Seidel 1 Nr., Hr. Dr. Med. Sponholz, Kreisphyſikus des Kreiſes Rügen, 2 Nrn., die Herren Freiherr R. v. Stillfried und Dr. Märcker 1 Nr., Hr. Freiherr N, v. Stillfried⸗Nattonitz, königl. Kammerherr und Ober-Ceremonienmeiſter in Berlin, 1 Nr., Hr. ꝛc. v. Tettau in Königsberg 1 Nr., Hr. Freiherr M. v. Uechtritz 1 Nr., Hr. Lehrer Unverricht, z. Z. in Hermannſtadt, 1 Nr., Hr. Dr. Phil. Privatdocent Wuttke in Leipzig 1 Nr., Hr. Apotheker Zölffel 1 Nr., ein Ungenannter 4 Nrn. Gekauft wurden für dieſe Bibliothek, als Fortſetzungen früher angeſchaffter Zeitſchriften, 5 Nrn. An getrockneten Pflanzen erhielt die allgemeine Sammlung eine Sammlung getrockneter Pflanzen, 49 Arten enthaltend, vom Herrn Apotheker Zölffel. Das Stiftungsfeſt wird am dritten Sonntage des neuen Jahres gefeiert werden. Indem hiermit das Präſidium ſein Amt in die Hände der Geſellſchaft zurückgiebt, bleibt ihm nur noch übrig, derſelben den Etats-Entwurf für die neue zweijährige Verwaltungs-Periode vorzulegen und zu erſuchen: demnächſt zur Wahl derjenigen fünfzehn Geſellſchaftsmitglieder zu ſchreiten, welche verfaſſungsmäßig das neue Präſidium zu bilden haben werden. 27 I. Abtheilung für Maturwiſſenſchaften. A. Naturwiſſenſehaften an und für ſich. I, Bericht über die Thätigkeit der allgemeinen naturwiſſenſchaftlichen Section der ſehleſiſchen Geſellſchaft im Jahre 1847 von H. U. Göppert, zeitigem Secretair derſelben. Die naturwiſſenſchaftliche Sektion hielt in dem vergangenen Jahre zwanzig Sitzungen, in welchen an zwei und fünfzig einzelne Vorträge und Mittheilungen vorkamen, über welche nachſtehend größtentheils mehr oder minder ausführlich berichtet werden ſoll: Phyſik. Herr Direktor Gebauer zeigte und erörterte der Sektion ein von dem hieſigen geachteten Künſtler Herrn Mechanikus Ilgmann angefertigtes, zur Unterſuchung der Wärmeſtrahlen beſtimmtes, nach Melloni be— nanntes Inſtrument, von dem bereits viele Exemplare wegen ihrer vortrefflichen Wirkung, berühmt auch außer— halb der Gränzen unſerer Provinz und unſeres Vaterlandes, auf Beſtellung nach Berlin, Wien, Prag und Paris von Herrn Ilgmann geliefert wurden. Mittwoch, den 5. Mai, hielt Herr Dr. Marbach einen Vortrag über die neueren Entdeckun— gen Faraday's. i Nach denſelben find die feften und tropfbar-flüſſigen Körper in Rückſicht auf ihr Verhalten zu Magneten in zwei Klaſſen zu theilen: in die der ferromagnetiſchen und diamagnetiſchen. Eine polariſche Wir— kung, zunächſt eine Anziehung, erleiden vom Magneten nächſt dem Eiſen bekanntlich Nickel, Kobald und einige chemiſche Verbindungen dieſer Metalle. Faraday hat auch die Metalle: Mangan, Chrom, Titan, Palla⸗ dium, Platina, Osmium, und zwar auch in den hohen Temperaturen, in welchen Eiſen und Nickel früher für unmagnetiſch galten, fo wie die kryſtalliſirten und flüffig aufgelöften Verbindungen dieſer Metalle als magne⸗ tiſch im gewöhnlichen Sinne nachgewieſen. Die Klaſſe der diamagnetiſchen Körper ſchließt die übrigen Sub⸗ ſtanzen ein und iſt durch eine nicht polariſche Abſtoßung von dem Magneten charakteriſirt. Eine große An: zahl durchſichtiger Stoffe ferner, welche von dem Magneten beſonders ſtark abgeſtoßen werden, haben in der 4 * 28 Nähe eines Magneten die merkwürdige Wirkung auf das polariſirte Licht, deſſen Polariſationsebene zu drehen. Faraday hat dieſe Entdeckung meiſt mit ſehr großen Elektromagneten angeſtellt, in melchen ſtarker Magnetis⸗ mus nach Belieben hervorgerufen und aufgehoben werden kann. Herr Dr. Marbach zeigte der Geſellſchaft die Abſtoß ung des Wismuths mit Hülfe eines Elektromagneten, welcher aus 116 Eifendräthen von etwa 1.“ Dicke und 14 bis 17“ Länge beſtand, ein Gewicht von 2%, Pfund und eine faſt kreisförmige Geſtalt beſaß. Der Magnetismus wurde in dieſem Eiſen mittelſt 150 Windungen Kupferblech von drei Quadratlinien Querſchnitt und durch zwei Platin-Zink⸗ ketten hervorgerufen. Die angewendete Wismuthplatte war 3“ lang, 5 breit und etwa ½“ dick, in der Mitte an einem 3“ langen ungedrehten Seidenfaden zwiſchen die, einem Zoll von einander entfernten Pole aufgehängt und durch eine geringe Torſion des Fadens an dieſelben angedrückt. Ein Glascylinder umſchloß das Ganze, um jeden Luftzug abzuhalten. Beim Eintreten des elektriſchen Stromes wurde das Wismuth vom Magneten abgeſtoßen, und ſtellte ſich nach mehreren Schwingungen, wie Faraday ſich ausdrückt, äq ua⸗ torial, d. h. ſenkrecht auf die Richtung, welche die Pole verbindet und welche die axiale Richtung genannt worden iſt. Zwei Kryſtalle von Eiſenvitriol, mit etwas Talg an die Enden der Wismuthplatte geklebt, hob die Abſtoßung auf, indem die Anziehung jenes ferromagnetiſchen Körpers vorwaltete. Herr Dr. Marbach theilte mit, daß er dieſen Verſuch auch auf andere Subſtanzen ausgedehnt, und bei Anwendung deſſelben Elek⸗ tromagneten mit einer Kupferzinkkette von 1½ Quadratfuß wirkſamer Zinkfläche, ſo wie mit einer Kohlen⸗ Zinkkette von 22 Quadratzoll Zinkfläche angeſtellt habe. . Die optiſche Wirkung des Magnetismus wurde von dem Hrn. Dr. Marbach mit Hülfe eines Elek tromagneten gezeigt, deſſen Eiſenkern, ein kreisförmig gebogener Stab von 10“ Dicke und 16“ Länge, mit⸗ telſt 40 Windungen Kupferdrath von 6 Quadratlinien Querſchnitt und von zwei Platin-Zinkketten magne⸗ tiſch erregt wurde. Das optiſch wirkende Diamagnetikum war ein Glasprisma von 134 Länge, ein we⸗ nig gelblich gefärbt und von dem bedeutenden ſpecifiſchen Gewichte 4,1. Als Polariſations-Apparat dienten zwei Nicol'ſche Prismen; zwiſchen dieſen und auf die Pole des Elektromagneten war das Diamagnetikum gelegt. Die Lichtquelle, eine gewöhnliche Lampe, war etwa 5 Zoll vor dem erſten Nicol'ſchen Prisma auf- geſtellt. Beim Eintreten des galvaniſchen Stromes wurde das durch die Polariſation perdunkelte Lichtfeld ſehr deutlich wieder erhellt. Am 1. Dezember hielt Herr Dr. Sondhauß einen Vortrag über die Reaktionsmaſchinen. Nach⸗ dem Derſelbe die Theorie dieſer Maſchinen (des Segner'ſchen Waſſerrades und der Dampfkugel) auseinander⸗ geſetzt und die Geſchichte derſelben mitgetheilt hatte, zeigte er einen von ihm konſtruirten, einfachen und wohl feilen Apparat vor, welcher durch mäßig komprimirte Luft oder durch ein ſich raſch entwickelndes Gas nach dem Prinzipe der Reaktion in Bewegung verſetzt wird. Der Apparat ift auf folgende Weiſe eingerichtet: Die Glasröhre ab ift bei b verengt und dort ein zugeſpitzter Eiſendrath, etwa eine ſtarke Nähnadel eingeſchmolzen oder eingekittet; bei e ift eine Oeffnung durchgeblaſen oder gebohrt; auf der eingeſchmolzenen Spitze ſchwebt eine weitere Glasröhre ke, welche bei d fo zugeſchmolzen iſt, daß die innere Vertiefung als Hütchen dient; bei k find zwei engere Glasröhren fg eingeſetzt, deren Enden nach entgegengeſetzter Seite umgebogen und in nicht allzufeine Spitzen ausgezogen ſind. Die untere Oeffnung ee der weiten Röhre wird durch Queckſilber verſchloſſen, welches man in eine über die mittlere engere Röhre ab geſteckte, entweder aus Holz gedrehte oder aus einem breiten Pfropfen und einem abgeſchnittenen Lampencylinder angefertigte Schale Ikkl gießt. Die weite Röhre iſt noch durch einen darum gelegten Metallring hh beſchwert, damit fie durch den Druck des Gaſes nicht in die Höhe gehoben wird. Der ganze Apparat wird mittelſt des Pfropfens mm auf den Hals der Gasentbindungsflaſche oder des Kol— bens geſetzt, in welchen man Waſſer oder Weingeiſt zum Kochen bringen will. Soll komprimirte Luft als bewegende Kraft gebraucht werden, ſo ſetzt man den Apparat entweder auf das nach dem Teller der Luftpumpe führende Rohr oder auf das Rohr eines Blaſetiſches, oder auch auf den ſenkrechten Hals einer zweihälſigen Flaſche, in deren andern Hals man mit dem Munde bläſt. Daß man die Röhre ab genau ſenkrecht ſtellen muß und in die oben erwähnte Schale nicht zu viel Queckſilber gießen darf, bedarf kaum der Erwähnung. Die Luft oder das ſich entwickelnde Gas geht durch Röhre ab und die Oeffnung e in den durch das Queck— ſilber abgeſperrten inneren Raum der weiten Röhre, und treibt, indem ſie mit der entſprechenden Spannung aus den nach der Seite gebogenen Spitzen der beiden Arme fg heraustritt, dieſe nach dem Prinzipe der Hero'ſchen Dampfkugel und des Segner'ſchen Waſſerrades nach der entgegengeſetzten Richtung. Der auf der Spitze ſchwebende Theil des Apparates iſt ſo leicht beweglich, daß eine Kompreſſion des elaſtiſchen Fluidums von 2 bis 3 Zoll Waſſerdruck ausreicht, um ihn in eine raſche Rotation zu verſetzen. Es würde daher mög- lich ſein, wenn man einen ſolchen Apparat als Brenner auf ein Gaszuleitungsrohr ſetzt, rotirende Flammen von Steinkohlengas zu erhalten, wobei die Geſchwindigkeit der Bewegung zur Kontrolle für die Größe und Gleichmäßigkeit des im Gaſe ſtattfindenden Druckes dienen könnte. Daß ſolche rotirende Gasflammen gut leuchten werden, iſt freilich nicht zu erwarten. Der Vortragende zeigte die Rotation des Apparates mit durch ſchwaches Blaſen verdichteter Luft und mit aus Zink und verdünnter Schwefelſäure in einer Gasentbindungsflaſche entwickeltem Waſſerſtoffgaſe, welches bei feinem Ausſtrömen aus den Spitzen angezündet wurde. Dieß iſt wahrſcheinlich der erſte Verſuch, in mels chem die Elaſticität des Waſſerſtoffes als bewegende Kraft gebraucht worden iſt. Herr Dr. Sondhauß bemerkte noch, daß er den Apparat urſprünglich deshalb konſtruirt hat, um mit demſelben durch Ausſaugen der Luft eine Bewegung im entgegengeſetzten Sinne zu erlangen, daß ihm dieß aber bis jetzt noch nicht gelungen iſt, wahrſcheinlich weil der Apparat wegen der durch den Luftdruck und durch das in die Höhe ſteigende Queckſilber vermehrten Reibung nicht mehr die erforderliche Beweglichkeit hat. Sehr wahrſcheinlich iſt aber auch, daß der Widerſtand, welchen die äußere Luft der aus den umgebogenen Spitzen heraustretenden verdichteten Luft entgegenſetzt, von bedeutendem Einfluſſe auf den raſchen Fortgang der Reak⸗ tionsbewegung iſt. ö Chemie. Herr Dr. Phil. Krocker ſprach über die nach Bunſen zur Beſtimmung des Stickſtoffes in organiſchen Subſtanzen angegebene Methode, zeigte die hierzu erforderlichen Apparate und erörterte die zur Ausführung der Analyſe nöthigen Manipulationen. Hierauf gab Derſelbe einen näheren Bericht über die chemiſche Unterſuchung von Kartoffeln, welche in Oberſchleſien in Schwirklan, ſo wie in Marklowitz, Kreis Rybnik, aufbewahrt worden waren, und von denen ein Theil ungefähr dreißig, ein anderer Theil drei bis vier Jahre in der Erde, einem ſtrengen Lehmboden, vergra— 30 ben gelegen hatten. Es gab dies Veranlaſſung zunächſt, ſo weit es die Zeit erlaubte, auf die Veränderungen, welche die ſtickſtoffhaltigen Subſtanzen von Kartoffeln, Pflanzeneiweiß und Pflanzencaſein, während des Fäul- nißprozeſſes erleiden, ſo wie auf die hierzu erforderlichen Bedingungen näher einzugehen. In Bezug auf die letztern wurde beſonders hervorgehoben, wie die genannten ſtickſtoffhaltigen Subſtanzen nicht fähig ſeien, von ſelbſt eine Metamorphoſe zu erleiden, wenn das Waſſer ausgeſchloſſen iſt, eine Bedingung ihrer Umſetzung. Dieſelben Subſtanzen gehen im trockenen Zuſtande nicht in Fäulniß über, die letztere kann alſo verhindert oder unterbrochen werden durch Austrocknung, welche noch in dem in Rede ſtehenden Falle Urſache der Erhaltung und großen Theils der nährenden Beſtandtheile iſt. Es waren die Kartoffeln, welche dreißig Jahre in einem ſtrengen Lehmboden gelegen hatten, in eine weiße, leicht zu Mehl zerfallende Maſſe verändert, welcher die Schale nur loſe anhing, das Stärkemehl mit den ihm eigenthümlichen Eigenſchaften ganz erhalten, ſo wie der Inhalt als Eiweiß und Caſein ſich etwa nur um ein Drittheil ihres normalen Gehaltes vermindert hatte. Die Maſſe wurde an den Fundörtern, mit anderem Mehl verbacken, als Brodnahrung bald konſumirt. Kartoffeln, welche nur drei bis vier Jahre auf dieſe Weiſe aufbewahrt im Boden gelegen hatten, erſchie— nen bei Verminderung der Hälfte ihres Waſſergehaltes von ziemlich feſter Konſiſtenz, glatt gedrückt und zeigten ebenfalls einen ziemlich ſtarken Geruch nach faulem Käſe, welcher von den Zerſetzungsprodukten eines Antheils Eiweiß und Caſeins herrührte. Die Austrocknung war bereits ſo weit vorgeſchritten, daß die weitere Fäulniß der noch erhaltenen ſtick⸗ ſtoffartigen Subſtanz, deren Gehalt noch etwas größer als bei den früher erwähnten war, nicht mehr ſtatt— fand. Sie wurden an der Luft ſehr bald vollkommen geruchlos, oder behielten nur den eigenthümlichen Kar⸗ toffelgeruch. Es iſt dieſe Thatſache um fo wichtiger, als dieſe Methode auch für kranke Kartoffeln Anwen⸗ dung finden könnte, und nicht zu zweifeln iſt, daß dieſer Prozeß der Austrocknung unter günſtigen Bedingun⸗ gen verkürzt werden kann. Sicher wenigſtens dürfte hierdurch eine neue Richtung in Bezug auf zweckmäßige Methoden zur Aufbewahrung der Kartoffeln angedeutet werden. Herr Profeſſor Dr. Fiſcher lieferte am 13. Januar Beiträge zur Geſchichte des Palladiums. Bis zum Jahre 1827 waren unſere Kenntniſſe von den chemiſchen Verbindungen dieſes Metalls ſehr dürftig. Man kannte nur ein Oxyd und eine Chlorverbindung, welche mit den Chlormetallen der drei Alka⸗ lien Doppelſalze bildet, und von den Sauerſtoffſalzen nur das ſalpeterſaure, vermittelft deſſen durch Einwirkung der Schwefelſäure das ſchwefelſaure, und durch Vermiſchen mit phosphorſauren, weinſauren, zitronenſauren und oralfauren Salzen die Palladiumsſalze dieſer Säuren als gelbes Pulver dargeſtellt werden, — wie dieſes aus Berzelius Lehrbuch, Zte Auflage, welches den damaligen Standpunkt der Wiſſenſchaft darſtellt, am ſicherſten hervorgeht. Durch meinen in dieſem Jahre (1827) erſchienenen Aufſatz: „Zur Geſchichte des Palladiums,“ (Schweiggers Jahrbuch Bd. 51) ſind unſere Kenntniſſe von dieſem Metall auch nur in folgenden wenigen Punkten erweitert worden: daß nämlich die blaue oder blaugrüne Farbe, welche Ammoniak zu der Palladium⸗ Auflöſung im Ueberſchuß zugeſetzt, zeigt, von einem Kupfergehalt des Metalls herrührt, daß die neutrale ſalpe— terſaure Auflöſung nach einiger Zeit faſt alles Oxyd abſcheidet, ſo daß die darüber ſtehende, faſt kaum gefärbte Flüſſigkeit nur Spuren von dem Metall enthält, daß die Alkalien aus der Auflöſung einen braunen, im Ueber⸗ ſchuß ſich mit brauner Farbe auflöſenden Niederſchlag, und daß Ammoniak mit dem Chlorür außer dem be⸗ kannten, von Vauquelin zuerſt dargeſtellten rothen auch noch einen gelben Niederſchlag bildet. Endlich hatte ich ſpäter (1829) noch beobachtet, daß das Palladium ſowohl aus dem Chlorür, als aus der ſalpeterſauren Auflöſung durch Stickgas, und zwar nicht nur durch den freien, ſondern durch den in der atmoſphäriſchen Luft enthaltenen reducirt werde. (Dieſelben Annalen Bd. 17.) Seit dieſer Zeit ſind unſere Kenntniſſe über das Metall ſehr erweitert worden, fo daß man gegenwärtig drei Oryde — ein Suboryd, ein Oxpdul (das 31 frühere Oxyd) und ein Oxyd, und eben ſo drei Chlorverbindungen, ein Subchlorür, ein Chlorür und ein Chlo— rid annimmt, ſo wie Verbindungen dieſes Chlorürs und Chlorids mit den Chlormetallen der Alkalien u. ſ. w. Eben ſo ſind die beiden Niederſchläge, welche Ammoniak mit der Auflöſung des Chlorürs hervorbringt, der rothe und der gelbe als iſomer erkannt worden u. ſ. w., wie dieſes am vollſtändigſten wieder in der fünften Auflage von Berzelius Lehrbuch angegeben wird. Die folgenden Bemerkungen ſollen dazu beitragen, manche Angaben zu berichtigen, beſonders in Beziehung des Verhaltens dieſes Metalls zu den Säuren und Alkalien, welches ganz abweichend von den übrigen Mer tallen iſt, und worüber die Angaben ſo widerſprechend ſind. 15 I. Verhalten zu den Säuren. 1. Zur Salpeterſäure. Wie längſt bekannt, wird dieſes Metall ganz abweichend von allen andern, welche ſich auf Koſten der Salpeterſäure oxydiren, bei gewöhnlicher Temperatur ohne alle Luftentwickelung aufgelöſt, d. h. die Salpeter- ſäure wird nur zu ſalpetriger Säure desoxydirt. Zugleich geht die Auflöſung ſehr langſam von ſtatten, wäh— rend beim Erhitzen der Säure Stickoxydgas entwickelt und ſchnell eine geſättigte Auflöſung gebildet wird. Der Grund davon dürfte wahrſcheinlich folgender fein: ohne Mitwirkung der Wärme wird unmittelbar ſalpetrig— ſaures Palladium-Oxydul gebildet, welches durch die Gegenwart der Salpeterſäure in ſalpeterſaures verwandelt wird, unter Abſcheidung der ſalpetrigen Säure; dieſe nimmt demnach immer mehr zu und wirkt hemmend auf die fernere Auflöſung ein. Wenn daher der Verſuch in verſchloſſenen Gefäßen vorgenommen wird, ſo nimmt die Auflöſung des Metalls nur ſehr langſam zu und hört nach einiger Zeit ganz auf — wie man dieſes aus der Färbung der Säure ſehr leicht wahrnehmen kann — in offenen Gefäßen hingegen geht die Auflöſung weit raſcher von ſtatten, ſo daß unter gleichen Umſtänden eine geſättigtere Auflöſung gebildet wird. Im erſten Falle hat die Auflöſung eine lichte, im zweiten Falle eine dunkle braune Farbe, wie auch die Reagentien in jener Auflöſung eine weit geringere Menge Palladium-Oxpd als in der letzteren anzeigen. Bei erhöhter Temperatur nimmt natürlich die Auflöſung des Metalls weit raſcher zu, ſo daß ſchnell eine geſättigte erhalten wird. Im Exſiccator über Aetzkalk bei gewöhnlicher Temperatur getrocknet, erhält man das Salz, gleichviel, ob aus der kalten oder warmen Auflöſung, theils als feine rhombiſche Prismen von braungelber Farbe, theils als braunrothe Salzmaſſe, wie es Kane angegeben hat. In beiden Zuſtänden zerfließt es an der Luft und löſt ſich vollkommen im Waſſer auf. Die Auflöſung iſt braun, mit viel Waſſer verdünnt, gelb. Wenn Kane angiebt, daß die Auflöſung in einer geringen Menge Waſſer beim Verdünnen zerſetzt wird und ſich ein baſiſches Salz abſcheidet, ſo iſt es allerdings richtig, indem durch dieſes Verdünnen die Zerſetzung beſchleunigt wird, welche aber auch bei der geſättigten Auflöſung ſtattfindet. Das Salz bildet nehmlich unmit⸗ telbar eine klare braune Auflöſung, welche bald eine dunklere Farbe annimmt, trübe wird und nach längerer Zeit faſt alles Palladium als baſiſches Salz abſcheidet, während die darüber ſtehende Flüſſigkeit nur Spuren vom Metall enthält. Was aber hier erſt nach langer Zeit erfolgt, wird durch das Verdünnen mit Waſſer ſehr beſchleunigt. Wie ich dies a. a. O. S. 196 angegeben habe. Wird hingegen die ſalpeterſaure Auflöſung bei einer höheren Temperatur zur Trockniß verdampft, fo nimmt nach dem Grade der Temperatur die Auflöslichkeit im Waſſer immer mehr ab, fo daß ſchon von dem bei 25 — 30° gebildeten Rückſtand ein Theil ungelöft bleibt, und von dem bei 100 — 120° getrockneten nur eine geringe Menge aufgelöſt wird, d. h. alſo daß beim Verdunſten unter Mitwirkung der Wärme Salpeter⸗ ſäure ſich verflüchtigt und der trockene Rückſtand nach der angewandten Wärme entweder zum Theil oder ganz in baſiſches Salz, oder wie es bei der Temperatur von 120 — 130° der Fall ift, in baſiſches Salz, in Oxy⸗ dul und dreifach baſiſches, nach Kane, oder endlich bloß in Orydul verwandelt wird. Daher es auch bei 100 — 120 getrocknet ganz trocken bleibt, weil nur das neutrale Salz Feuchtigkeit anzieht. Auch ſieht der 32 Rückſtand nicht mehr braun, ſondern mehr grau aus, und wenn er nue Oxydul enthält, grau kryſtalliniſch und metalliſch glänzend, und löſt ſich leicht von dem Gefäße ab. Dieſe Neigung, in baſiſches Salz überzuge⸗ hen und folglich Salpeterſäure fahren zu laſſen, iſt auch der Grund, daß die wäſſerige Löſung des neutralen Salzes, wie angegeben, nach einiger Zeit ſich trübt und baſiſches Salz abſcheidet. Was ſelbſt bei der nicht verdampften geſättigten Auflöſung des Metalls in Salpeterſäure, alſo bei freier Säure, vorausgeſetzt, daß ſie nicht zu viel betrage, wenn auch nicht in dem Grade erfolgt. Was in der wäſſerigen Auflöſung erſt nach längerer Zeit erfolgt, wird ſchnell bewirkt, wenn man der Auflöſung Salze, wie Kochſalz, Salpeter u. ſ. w., ja ſelbſt Salpeterſäure zuſetzt; das baſiſche Salz ſchlägt ſich ſchnell nieder, und die darüber ſtehende ſaure Flüſſigkeit enthält nur eine geringe Menge Palladium aufgelöſt. Der Grund davon iſt, daß das baſiſche Palladiumſalz die Eigenſchaft hat, ſehr lange im Waſſer ſuspendirt zu bleiben; indem nun dieſe Salze oder die Salpeterſäure ſich mit dem Waſſer verbinden, wird die Abſcheidung deſſelben beſchleunigt. Bleibt jedoch die Flüſſigkeit bei Anwendung der Salpeterſäure längere Zeit über dem gebildeten Niederſchlag ſtehen, ſo löſt fie ihn freilich wieder auf. Aus dieſem baſiſchen Salze zieht das Waſſer, damit digerirt, alle Säure aus, fo daß nach vollkommenem Ausſüſſen nur ein dunkelbraunes Pulver zurückbleibt, das Hydrat des Oriduls. 2. Zur Schwefelſäure. Das 1 geſchmiedete Metall wird von dieſer Säure kaum angegriffen, hingegen das ſchwammige, welches aus mehreren Salzen beim Erhitzen erhalten wird, und auch das durch die Feile in Pulver dargeſtellte, löſt ſich beim Erhitzen unter Entwickelung von ſchwefliger Säure mit rothbrauner Farbe auf, indem ſich zu⸗ gleich bei fortgeſetztem Erhitzen auf dem noch ungelöſten Metalle das Salz als brauns Pulver abſetzt. Die Auflöſung, die viel freie Säure enthält, läßt ſich mit Waſſer verdünnen, ohne eine Trübung zu erleiden. Eben ſo iſt das Salz leicht im Waſſer auflöslich; beide Auflöſungen ſind gelb. Da die überſchüſſige Schwefelſäure erſt bei dem Siedpunkte derſelben verflüchtigt werden' kann, bei dieſer hohen Temperatur aber das neutrale Salz ſelbſt zerſetzt wird, ſo kann es auf dieſe Art nicht gut dargeſtellt werden, ſondern entweder durch das Auflöſen des Oxydulhydrats in der Schwefelſäure, oder, was daſſelbe iſt, wenn die Schwefelſäure zugleich mit Salpeterſäure auf das Metall einwirkt, wie es Kane bereitet hat. Hier ſollte nur gezeigt werden, daß die Schwefelſäure auch für ſich das Metall aufzulöſen vermag. Daß auch dieſes Salz die Neigung hat, in baſiſches überzugehen, geht ſchon aus Kane's Verſuchen hervor, nach welchen die Auflöſung des neutralen Salzes durch viel Waſſer ein baſiſches Salz abſcheidet, was dei der geſättigten Auflöſung mit freier Säure aus dem Grunde nicht auch der Fall iſt, weil die Schwefel⸗ ſäure nicht abdunſtet. 3. Zur Salzſäure. Unter Zutritt der atmoſphäriſchen Luft greift dieſe Säure das geſchmiedete kohärente Metall nur ſehr unbedeutend an, das ſchwammige hingegen, oder das Feilpulver, löſt fie vollſtändig, obgleich langſam, unter Mitwirkung der Wärme auf. Soll die Auflöſung raſch und auch mit dem geſchmiedeten bereitet werden, fo wird zu der Säure ſo lange Chlorgas geleitet, bis alles Metall aufgelöſt wird. (Chlorwaſſer ſelbſt, welches fo leicht Gold auflöſt, wirkt unbedeutend auf dieſes Metall ein.) Wird an der Stelle des Chlors Salpeterſäure zu der Salzſäure gefest, fo kann zwar ebenfalls ſchnell eine geſättigte Auflöſung erhalten werden, aber das beim Verdampfen, ſelbſt bei 100%, erhaltene Salz, Chlo— tür, iſt nicht rein, ſondern enthält noch mehr oder weniger ſalpeterſaures Salz,) wie aus dem Folgenden hervorgehen wird. ) Daß die Salpeterſaͤure vollkommen entfernt werden kann, verſteht ſich von ſelbſt, ſobald nur während des Ver⸗ dampfens immer von Neuem Salzſaͤure zugeſetzt wird, fo lange noch Chlor ſich entwickelt, aber bei dieſer Art der Darſtellung, wo eben nur die mit Salpeterſaͤure bewirkte Auflöfung zur Trockne verdampft wird, da geht nicht alle Salpeterſaͤure davon. 1 Die gebildete Auflöſung im Exſiccator über Aetzkalk getrocknet, ſtellt das Chlorür in prismatiſchen Kry⸗ ſtallen, oder als kryſtalliniſche Maſſe von rothbrauner Farbe dar, welche, aus der ohne Salpeterſäure gebildeten Auflöſung erhalten, vollkommen trocken bleibt. Das Salz hingegen, welches aus der mit Hülfe der Salpeterſäure gebildeten Auflöſung erhalten wird, zerfließt an der Luft. Das Letztere findet auch ſtatt, wenn die Auflöſung bei einer Temperatur von 30 kund auch bei der über 100“ getrocknet worden iſt, nur daß im letztern Falle das Salz nicht mehr zerfließt, ſondern nur feucht wird. Der Unterſchied in dem Verhalten des Chlorürs zur Feuchtigkeit der Luft, je nachdem die Auflöfung des Metalls mit oder ohne Salpeterſäure bereitet worden iſt, hängt alſo nur von der Gegenwart oder Abweſenheit des ſalpeterſauren Salzes ab, was auch in andern Beziehungen ſich zeigen wird. Im Uebrigen verhält ſich dieſes Salz bei Einwirkung der Wärme wie das ſalpeterſaure, d. h. nach dem Grade der Hitze wird es zerſetzt, entwickelt Salzſäure oder, wenn es waſſerfrei iſt, Chlor, und geht mehr oder weniger in baſiſches Salz oder, im letztern Falle, in Subchlorür über. Eben ſo zeigt die wäſſerige Auflöſung des (neutralen) Chlorürs ein ähnliches Verhalten, wie die des ſalpeterſauren Salzes, ſo daß die klar durch das Filtrum gehende Eonzentrirte Auflöſung nach einiger Zeit ſich trübt und baſiſches Salz abſetzt, und das trockene Chlorür ſelbſt, bei welcher niedrigen Temperatur es auch erhalten worden iſt, ſich nicht vollſtändig auflöſt. Daher auch, wie Kane angiebt, beim jedesmaligen Verdampfen und Wiederauflöſen ein Theil ungelöſt bleibt. Auch die Auflöſung dieſes Salzes iſt ebenfalls geſättigt braun, ſehr verdünnt, gelb. Die andern Säuren ſind ohne Mitwirkung auf das Metall, nur die konzentrirte Phosphorſäure greift das gepulverte beim Erhitzen in ſo fern an, daß ſie unter Entwickelung phosphoriger Säure eine geringe Menge oxydirt, welches Oxyd entweder durch die entwickelte phosphorige Säure oder durch die Hitze wieder reducirt wird. Es findet daher keine Auflöſung ſtatt, aber daß eine ſolche Opydation und die darauf folgende Reduktion ſtattgefunden, zeigt der Metallüberzug an den Wänden des Gefäßes. II. Verhalten der Alkalien. 1) Kali, ſo wie Natron, in ätzendem Zuſtand, bringen mit der neutralen ſalpeterſauren Auflöſung einen ſtarken braunen Niederſchlag hervor, der ſich im Ueberſchuß des Laugenſalzes auch beim Kochen nicht auflöſt; die darüber ſtehende Flüſſigkeit iſt nur wenig gefärbt, d. h. die Alkalien entziehen dem Salze Säure und eine geringe Menge Oxydul und fällen baſiſches Salz. Beim Kochen zieht das im Ueberſchuß angewandte Laugen: ſalz alle Säure aus, ſo daß nur Oxydulhydrat zurückbleibt. Der Zuſatz von Salpeterſäure zu dem durch Einwirkung der Wärme zur Trockne verdampften und wieder aufgelöſten Salze verändert dieſe Wirkung der Alkalien nicht. Hingegen bei unmittelbarer Anwendung der bei gewöhnlicher Temperatur in offenen Gefäßen gebildeten Auflöſung des Metalls, die folglich viel freie Säure hat, bewirken ſie anfangs keine Trübung — die Auflöſung iſt von klarer lichtbrauner Farbe — die erſt nach längerer Zeit ſich einſtellt, wo dann derſelbe Niederſchlag erfolgt. Im kohlenſauren Zuſtande bewirken dieſe Alkalien keinen Niederſchlag, gleichviel, ob die Auflöſung neu⸗ tral iſt oder freie Säure hat, nur daß im letztern Falle anfangs Kohlenſäure entwickelt wird, was bei der neutralen Auflöſung weder beim Vermiſchen mit einer geringen, noch mit einer überſchüſſigen Menge des kohlenſauren Laugenſalzes ſtattfindet. Die Auflöſung färbt ſich nur dunkler, aber bleibt klar. Wird ſie hingegen erhitzt, ſo ſtellt ſich mit der noch zunehmenden dunklen, ſchwarzbraunen Färbung die Trübung ein, und beim Kochen ſchlägt ſich baſiſches kohlenſaures Palladium-Oxydul als braunes Pulver nieder. Die dar⸗ über ſtehende Flüſſigkeit hat eine lichtbraune Farbe und enthält eine geringe Menge Palladium-⸗Oxydul. Ein gleiches Verhalten zeigen beide Alkalien im kauſtiſchen und kohlenſauren Zuſtande zu der Auflöſung des ſchwefelſauren Palladium-Oxyduls. 5 34 Auf die Chlorürauflöſung, neutral oder mit freier Säure, zeigen die kohlenſauren eine gleiche Wirkung. Auch hier findet die Entwickelung der Kohlenſäure nur bei freier Salzſäure, und folglich nur im An— fang ſtatt. Die kauſtiſchen hingegen bilden zwar auch einen Niederſchlag von baſiſchem Salz, wie bei den vorigen Salzen; aber dieſer Niederſchlag iſt im Ueberſchuß des Laugenſalzes beim Erhitzen vollkommen mit lichtbrauner Farbe auflöslich. 2) Ganz anders wirkt Ammoniak, bei dem auch kein Unterſchied ift, ob es kauſtiſch oder kohlenſauer angewandt wird. In der ſalpeterſauren Auflöſung fällt es ebenfalls ein braunes baſiſches Salz, welches im Ueberſchuß unauflöslich iſt, aber in weit geringerer Menge, als bei den fixen Alkalien, indem ein bedeuten⸗ der Theil des ſalpeterſauren Salzes aufgelöſt bleibt, und zwar, hier allein, farblos. Wird dieſe Auflöſung bei gelinder Wärme verdampft, fo erhält man ein Doppelſalz — neben falpeterfaurem Ammoniak, wenn die Auflöſung freie Säure enthält — in farbloſen Prismen kryſtalliſirt, welches, nach dem Entziehen eines Theils Ammoniak, durch's Erhitzen oder durch den Zuſatz einer Säure in ein gelbes übergeht, wovon in der Folge die Rede ſein wird. Wird der braune Niederſchlag, das baſiſche Salz, nachdem die Auflöſung abgegoſſen worden iſt, mit Ammoniak gekocht, fo wird ihm alle Säure und etwas Oxpdul entzogen; das zurückbleibende iſt aber nicht, wie unter dieſen Umſtänden bei den fixen Alkalien, bloßes Oxydul, ſondern eine Verbindung deſſelben mit Ammoniak, wovon ebenfalls in der Folge ein Näheres angegeben werden wird. Ein gleiches Verhalten zeigt das Ammoniak zu dem ſchwefelſauren Salz, nur mit dem Unterſchiede, daß, wenn in der neutralen Auflöſung anfangs und bei einer geringen Menge Ammoniak ein Niederſchlag entſteht — in der Auflöſung mit freier Säure findet keiner ſtatt — er leicht im Ueberſchuß ſich auflöſt. In der Auflöſung des Chlorürs bewirkt eine beſtimmte Menge überſchüſſiges Ammoniak einen lichibrau⸗ nen, zimmtbraunen Niederſchlag baſiſches Doppelſalz; wird noch mehr Ammoniak zugeſetzt, ſo nimmt der Niederſchlag an Menge ab und zeigt eine pfirſichblüthrothe Farbe, ein Doppelſalz. Bei einem noch größeren Ueberſchuß von Ammoniak wird dieſer Niederſchlag vollkommen aufgelöſt, was bei gewöhnlicher Temperatur erſt nach längerer Zeit, und nur zum Theil beim Erhitzen, aber ſchnell und vollſtändig erfolgt. Beim Ver⸗ dampfen dieſer farbloſen Auflöſung erhält man ein weißes, prismatiſch kryſtalliſirtes Salz, welches ebenfalls bei gelindem Erhitzen oder durch den Zuſatz einer Säure in gelbes übergeht. Daſſelbe weiße Salz wird auch aus der Flüſſigkeit erhalten, welche von dem rothen Niederſchlag und ſelbſt aus der, welche von dem baſiſchen Salz abgegoſſen wird, nur in immer geringerer Menge, und im letztern Fall mit viel Salmiak verbunden, was noch mehr der Fall iſt, wenn die Auflöſung zugleich freie Salzſäure enthält. Dieſes vollkommene Auflöſen des Chlorürs in überſchüſſigem Ammoniak findet jedoch nur dann ſtatt, wenn es ohne Mitwirkung von Salpeterſäure gebildet worden iſt; enthält es hingegen mehr oder weniger von dem ſalpeterſauren Salze, ſo bleibt eine, dieſem Salze entſprechende Menge brauner Rückſtand ungelöſt, wie es nothwendig aus dem Verhalten des Ammoniaks zu dieſem Salze ſelbſt ſich ergiebt. Daher der aus einer ſolchen nicht reinen Chlorürauflöſung durch Ammoniak gebildete rothe Niederſchlag auch mehr oder weniger Palladium-Oxydul enthält, durch welches die Farbe dieſes Niederſchlages etwas verändert wird, nicht rein pfirſichblüthroth, ſondern fleiſchroth u. ſ. w. iſt. Doch kann die nicht reine Farbe dieſes rothen Salzes noch von einer andern Verunreinigung herrühren, wie in der Folge nachgewieſen werden wird. III. Doppelſalze. Wie bekannt und in dem Vorhergehenden auch ſchon beiläufig erwähnt, bildet Ammoniak mit allen Salzen zwei Doppelſalze, wovon das eine weiß und aus 1 At. des Salzes mit 2 At. Ammoniak, das zweite gelb gefärbt aus 1 At. Salz und 1 At. Ammoniak zuſammengeſetzt iſt. Mit dem Chlorür hingegen bildet es, außer dem weißen, ebenfalls aus 1 At. Chlorür und 2 At. Ammoniak zuſammengeſetzten, zwei gefärbte, ein rothes und ein gelbes, welche als iſomer, aus 1 At. Chlor und 1 At. Ammoniak zuſammengeſetzt, ange: nommen werden. 35 Gegen eine ſolche Iſomerie ſprechen zwar die verſchiedenen Eigenſchaften, das weſentlich verſchiedene Verhalten und die verſchiedene Darſtellungsart dieſer beiden Salze, wie folgendes zeigt, aber alles dieſes hat keine Bedeutung, ſobald die chemiſche Analyſe daſſelbe Verhältniß der Beſtandtheile darthut, wie dieſes von Fehling) angegeben worden iſt. In Hinſicht der Eigenſchaften unterſcheiden fie ſich außer durch die Farbe auch dadurch, daß das rothe haarförmig kryſtalliniſch und glänzend iſt; auf das Filtrum gebracht, vereinen ſich dieſe Faſern zu einer glän⸗ zenden Haut — ähnlich wie eſſigſaures Queckſilber-Oxydul oder baſiſches ſalpeterſaures Wismuth-Oxyd. Das gelbe bildet ein glanzloſes Pulver, und auch das unter günſtigen Umſtänden in kryſtalliniſchen Blättchen ſich darſtellende zerfällt auf dem Filtrum beim Trocknen zu einem glanzlofen Pulver. Das Verhaleen zum Waſſer iſt der Art, daß zwar beide beim Kochen darin aufgelöſt werden, aber das rothe unter Zerſetzung, wie Fehling beobachtet hat; es bleibt ein brauner Rückſtand und die Auflöſung enthält Salmiak und gelbes Salz. Daſſelbe giebt auch Kane an. Das Verhalten des gelben haben Beide nicht unterſucht; dieſes iſt aber von der Art, daß es ſich ohne bedeutende Zerſetzung, und vorausgeſetzt, daß es rein ſei, ohne einen Rückſtand zu laſſen, auflöſt. Auch das Verhalten zu Ammoniak iſt verſchieden, wie ebenfalls Fehling bereits angegeben hat, indem das gelbe ſehr leicht und bei gewöhnlicher Temperatur, das rothe hingegen erſt beim Kochen oder in geringerer Menge nach langer Zeit bei gewöhnlicher Temperatur aufgelöſt wird. Die größte Verſchiedenheit zeigen ſie bei der Darſtellung. 4 Das rothe wird einzig und allein durch Vermiſchen der Chlorürauflöſung mit Ammoniak bewirkt, am vortheilhafteſten, wenn vor dem Vermiſchen mit Ammoniak zu der Chlorürauflöſung noch Salzſäure geſetzt worden iſt. Das gelbe umgekehrt durch den Zuſatz von Salzſäure zu der ammoniakaliſchen Auflöſung des Chlorürs. Daher auch das dem weißen Doppelſalze Ex SI = 2 Ns entweder durchs Erhitzen oder durch den Zuſatz von Salzſäure. Ein Uebergang von dem einen zum andern findet eben nur in der angegebenen Darſtellungsart ſtatt, ſo daß das rothe, in Ammoniak gelöſt, durch Salzſäure als gelbes, und dieſes, in Salzſäure beim Kochen gelöſt, durch Ammoniak als rothes gefällt wird. Die Verwandlung des rothen, wenn es feucht bis 100 erwärmt wird, in gelbes, fand ich bei reinem rothen Salze nicht beſtätigt. Eine Verwandlung des gelben in rothes erwähnt weder Fehling noch Kane. Das aus dem Chlorür und Chlorkalium gebildete Doppelſalz iſt in kleinen haarförmigen Kryſtallen von einer ſchönen Bronzefarbe, die größern prismatiſchen Kryſtalle find bei reflektirtem Lichte braun, bei durchſchei⸗ nendem von ſchöner grüner, piſtaziengrüner Farbe. Außer dieſen Salzen werden auch noch Doppelſalze als Verbindungen des Chlorids mit den Chlorme⸗ tallen der Alkalien erhalten, welche, von Chlorkalium oder Ammonium gebildet, eine ſchöne zinnoberrothe Farbe haben. Das erſte wird am. vortheilhafteften dargeſtellt, wenn zu der warmen Auflöſung des Kalium-Palla⸗ dium⸗Chlorürs in Königswaſſer Chlorkalium geſetzt wird. Von den Sauerſtoffſalzen ſind nur die angegebenen ammoniakaliſchen bekannt. Ein prismatiſch kryſtalliſirtes gelbes Doppelſalz aus ſalpetrigſaurem Palladium⸗ Oxydul und ſalpetrigſaurem Kali, und ein ähnliches faſeriges von Natron, wovon das erſte luftbeſtändig iſt, das zweite aber zerfließt, erhält man, wenn zu der Auflöſung des (reinen) Chlorürs ſalpetrigſaures Kali oder Natron ſo lange hinzugeſetzt wird, bis die braune Farbe des Chlorürs in die gelbgrünliche übergeht und die Flüſſigkeit bei gelinder Wärme verdampft wird. Sind beide Auflöſungen konzentrirt, ſo bedarf es keines Ver⸗ dampfens, indem ſich das Salz gleich beim Vermiſchen in Kryſtallen abſcheidet. Ammoniak bildet mit dem *) Nach einer Stelle in Berz. Lehrb. Öte Auflage, S. 959, konnte man glauben, daß auch Kane dieſe beiden Verbindungen unterſucht und die Iſomerie derſelben beftätigt hat, dem iſt aber nicht alſo; Kane erklärt aus⸗ druͤcklich, es nicht gethan zu haben. 5 * 36 ſalpetrigſauren Palladium zwei Salze, mit 2 und 1 At. Ammoniak, wie mit den früher angegebenen. Auch bei dieſer iſt das erſte weiß, das zweite gelb. Wenn ich in dem Vorhergehenden bis auf geringe Abweichungen alle Angaben Kane's, wie ſie Bebe zelius darſtellt, beſtätigt gefunden habe, ſo konnte ich dieſes in Betreff der Salze, welche als Niederſchläge erhalten werden ſollen, durchaus nicht finden. Namentlich konnte ich aus der Chlorürauflöſung weder beim Vermiſchen mit phosphorſauren, noch mit tartrylſauren Salzen die Palladiumſalze dieſer Säuren als gelbes Pulver fällen. Das letztere Salz bringt gar keine Veränderung hervor, in welchem Verhältniſſe auch die Aufz löſung des neutralen weinſauren Kalis mit der neutralen Chlorürauflöſung vermiſcht werde. Beim Erwärmen wird eine geringe Menge Metall reducirt. Die Auflöſung des phosphorſauren Natrons bewirkt nach einiger Zeit einen braunen, ſchleimigen Niederſchlag, der aber nichts von Phosphorſäure enthält, ſondern baſiſches Chlorür iſt, welches eben ſo durch andere indifferente Salze, wie durch ſchwefelſaures und ſalpeterſaures Natron aus der Chlorürauflöſung gefällt wird. Bloß ein oralfaures Salz wird aus dem Chlorür durch oralfaures Kali als feine haarförmige Faſern von bräunlich gelblicher Farbe erhalten, iſt aber nicht, wie angegeben wird, das einfache Palladiumſalz, ſondern ein Doppelſalz, aus oralfaurem Palladiumoxydul und oralfaurem Kali zus ſammengeſetzt. Oxalſaures Ammoniak, das einfache wie das doppelſaure, bewirkt keinen Niederſchlag. Weder Gerbſäure noch Formylſäure gehen Verbindungen mit dem Oxpdul ein, vielmehr bewirken beide die Reduktion deſſelben aus den Auflöſungen; die erſte ſcheidet es als ſchwarzes Pulver, die letzte als eine glänzende Metallhaut ab. Die oben angegebene Verbindung des Oxyduls mit e welche gebildet wird, wenn Ammoniak im Ueberſchuß auf ſalpeterſaures Oxydul einwirkt, und der gebildete Niederſchlag mit Ammoniak gekocht wird, iſt getrocknet von grauſchwarzer Farbe und löſt ſich blättrig von dem Gefäße ab, detonirt ſchwach bei gelindem Erhitzen, wobei Waſſer und Stickgas entwickelt wird und das Metall als körniges Pulver zurückbleibt. Es it Pd =- H Ns. Meine frühere Beobachtung über die Reduktion des Metalls aus ſeinen Auflöſungen, wenn ſie der atmoſphäriſchen Luft ausgeſetzt werden (Poggendorff's Annalen a. a. O.), hat ſich bei meiner jetzigen Un⸗ terſuchung bei allen drei Auflöſungen, des ſchwefelſauren und falpeterfauren Oxyduls und des Chlorürs, voll⸗ kommen beſtätigt, wie in der Folge umſtändlich gezeigt werden wird. Gegenwärtig bemerke ich nur, daß Kane dieſe Reduktion beim Chlorür gar wohl wahrgenommen hat, ohne jedoch den Grund derſelben einzuſehen. Zu den charakteriſtiſchen Reagentien für die Auflöſungen dieſes Metalls gehört, wie ich ſchon in meinem erſten Aufſatze bemerkt habe, das Zinnchlorür, indem es für ſich einen braunen Niederſchlag bildet, ähnlich wie mit der Platinauflöſung, der ſich aber durch den Zuſatz von Salzſäure mit grüner Farbe auflöſt, weshalb unmittelbar dieſe Färbung ſtattfindet, wenn die Palladium-Auflöſung freie Salzſäure hat. Selbſt bei 00000 Metall in der Auflöſung iſt dieſe Farbe noch ſehr gut wahrzunehmen. Dieſe Reaktion ift daher eben ſo charakteriſtiſch und empfindlich wie die des Jodkaliums, welches bei dieſer Verdünnung eine ſchwache bräunliche Färbung erzeugt, Der Sekretär der geographiſchen Sektion, Herr Prof. Dr. v. Boguslawski, theilte am 28. Juli einen vom Herrn Apotheker Beinert zu Charlottenbrunn eingegangenen Bericht: Ueber den Mleteorſteinfall am 14. Juli d. J. zu Braunau in Döhmen, mit, wozu Herr Beinert ein Stück des einen der gefallenen Meteorſteine, ſo wie auch von dem Herrn v. Heyden aufgenommenen Situationszeichnungen und Abbildungen der gefundenen Meteormaſſen eingeſchickt hatte. 37 N „Am 14. Juli) des Morgens um drei Viertel auf 4 Uhr, als der öſtliche Horizont in ſchöner, reiner Morgenröthe erglühte und unbewölkt war, den weſtlichen dagegen tief unten eine dunkle Wolkenwand verhüllte, wurden die Bewohner der Stadt und Umgegend von Braunau in Böhmen durch zwei auf einander folgende heftige Exploſionen, von Kanonenſchuß-Stärke, und zwar in dem Zeitraume, der zum Abfeuern einer Doppel— flinte nöthig iſt, aus dem Schlafe geweckt und in Schrecken geſetzt. Es war durch das ganze Braunauer Ländchen, von Hutberg aus bis Wünſchelburg und Albendorf in der Grafſchaft Glaz, alſo längs des Quader— ſandſteinzuges, der in der Heuſcheuer endigt, ein heftiges, mehrere Minuten andauerndes Sauſen und Brauſen hörbar. Die Menſchen eilten an die Fenſter und in's Freie, ſo auch der von wiſſenſchaftlichem Eifer beſeelte k. k. Oberförſter Herr Pollack in Braunau, dem ich die folgenden Nachrichten zu verdanken habe.“ „Es bildete ſich bei ſonſt ziemlich wolkenfreiem Himmel, an dem noch einige Sterne glänzten, über dem von Braunau aus nordweſtlich gelegenen Dorfe Hauptmannsdorf eine kleine ſchwarze Wolke, die ſich während ihres Hin⸗ und Hertreibens zu einem horizontalen, anſcheinend klafterlangen Streifen geformt hatte. Dieſe Wolke ſah man mit einem Male in feuriges Erglühen verſetzt und nach allen Richtungen Blitze zucken, gleich- zeitig zwei Feuerſtreifen ſcheinbar aus ihr nach der Erde niederfahren, worauf die beſchriebenen Kanonenſchläge erfolgten. Gleich darauf erblickte man an dem Punkte der feurigen Wolke eine aſchgraue Wolke von roſetten⸗ artigem Umriß längere Zeit ſtehen, die, ſich nach Nordoſt und Südweſt theilend, in Streifen auslief und endlich verſchwand, wobei es deutlich wahrzunehmen war, in welcher großen Bewegung ſich die Luft in jenem Punkte befand. Auf Grund dieſer Erſcheinung machte Herr Pollack ſofort den ſehr richtigen Schluß auf einen Meteorſteinfall, während die meiſten andern Menſchen der Meinung waren, es müſſe der Blitz an meh⸗ reren Orten eingeſchlagen haben. Hierauf verbreitete ſich auch alsbald die Nachricht, daß dies der Fall bei Hauptmannsdorf geweſen ſei, wo der Blitz in die Böſchung eines Ackerraines, hundert Schritte vom Dorfe entfernt, eingeſchlagen habe. Dieſe Nachricht fand man inſofern beſtätigt, als auf dieſem, 1200 Schritte nordöſtlich von der Stadt Braunau entfernten, Punkte ein drei Fuß tiefes Loch in der Erde vorgefunden wurde, worin ſich eine ſehr heiße Maſſe befand, die um 10 Uhr des Vormittags, alſo 6 Stunden nach ihrem Falle, noch ſo heiß war, daß man ſie nicht anzufaſſen vermochte, ohne ſich zu verbrennen.“ „Ein Mann, Namens Joſeph Tepper, aus Hauptmannsdorf hatte fie niederfallen ſehen, der auch unverzüglich von der Oberamts-Behörde zu Braunau protokollariſch vernommen wurde, die ſich, wie Herr Pollack, um die nähere Konſtatirung dieſes Phänomens große Verdienſte erwarb, für welche die Wiſſenſchaft ſtets dankbar ſein wird.“ „Dieſe Meteormaſſe, deren Gewicht 42 Pfund 6 Loth öſtr. Gewicht beträgt, wurde an das k. k. Ober⸗ Amt in Braunau zu Händen des Herrn Oberamtmanns Slawskowsky abgeliefert, von dem aus ſie an das k. k. Muſeum nach Wien befördert werden wird. Die äußere Form derſelben beſchreibt ein unregelmäßi⸗ ges verſchobenes Viereck, deſſen Flächen über und über mit Konkavitäten bedeckt ſind, deren Einfaſſungen ziemlich ) Wir beſchraͤnken uns hier auf die Mittheilung dieſes Berichtes, fo wie der Analyſen, welche die Herren Prof, Dr. Duflos und Dr. Fiſcher von diefen merkwuͤrdigen Werolithen in unſern Verſammlungen lieferten. Eine nähere Beſchreibung des ganzen Phänomens wird Herr Beinert in einem eigenen Werke geben, auf welches wir hiermit verweiſen; wohl aber möge hier nochmals der Herr Abt Dr. Rotter zu Braunau, Landes- Prälat von Böhmen, im Namen unſerer Geſellſchaft unſern ergebenſten Dank empfangen, für die große Liberalität, mit welcher Derſelbe nicht nur uns zu wiederhol— ten Malen bedeutende Quantitäten Meteoreiſens zur chemiſchen Unterſuchung, ſondern auch ein prächtiges, 3 Pfund ſchweres Stück fuͤr unſere Sammlungen ſchenkte. — Bei dem Abſchneiden deſſelben von dem größeren Stücke zeigte es ſich, daß es nicht durchweg homogen war, ſondern an verſchiedenen Stellen Knollen von Schwefeleiſen enthielt, in denen auch Kohle, Phosphor und Chrom von Herrn Prof, Dr. Fiſcher gefunden wurden. 38 deutlich ſechseckige, mehr oder weniger ins Längliche gezogene Zellen bilden (wahrſcheinlich im Moment des Erſtar⸗ rens gebildet. v. B.). Die ganze Maſſe iſt äußerlich eiſengrau angelaufen, und nur in den tiefern Punkten einiger dieſer Zellen mit einem gelbbraunen Ueberzuge, auf welchem kleine glimmerartig, metalliſch glänzende Blättchen ſitzen, bedeckt. Auf dem Bruche zeigt fie ein deutlich kryſtalliniſch blättriges Gefüge von einem Metallglanze, der zwiſchen Blei und Zink mitten inne zu ſtellen iſt, erglüht im Schmiedefeuer ſehr raſch und läßt ſich unterm Hammer leicht ſtrecken, auch mit der Stahlfeile bearbeiten, wobei ſie ſich raſch und ſtark erhitzt.“ „Nächſt dem Vorfalle in Hauptmannsdorf verbreitete ſich die Nachricht, der Blitz habe auch zu gleicher Zeit in das eine Viertelſtunde von der Stadt gelegene Dominialhaus, in dem ſogenannten Ziegelſchlage, wel⸗ ches ein armer Familienvater, Namens Pohl, bewohnt, ohne zu zünden, eingeſchlagen. In Folge deſſen ver⸗ fügte ſich der Herr Oberförſter Pollack auch dahin, und fand in dem Schindeldache des Hauſes ein kopf⸗ großes Loch, außerdem eine Latte, einen Sparren, den Lehmſtrich, nebſt dem darin liegenden Holze, diagonal durchgeſchlagen, und unten in der ſüdöſtlichen Bindewand der Schlafkammer von drei Kindern, eine gewaltige Zertrümmerung, welche Anfangs den erſchreckten Kindern den Ausgang verſperrt hatte. Unter dieſen Trüm⸗ mern wurde das Meteor mit vielem Fleiß geſucht, jedoch erſt am 15ten d. Mts. von Herrn Pollack ge funden und ebenfalls an oben genannte Behörde abgeliefert. Es beſitzt daſſelbe ein Gewicht von 30 Pfund 16 Loth, und iſt blos in der äußeren Form, die mit einer koloſſalen Auſterſchale eine Aehnlichkeit hat, von dem in Hauptmannsdorf niedergefallenen Stück verſchieden. Die ſechseckigen Konkavitäten ſind bei dieſem Stück weit deutlicher, tiefer und mit mehr röthlich braunem Oxyd belegt. Das beim Durchſchlagen des Eſtrichs eingeſchmolzene unverbrannte Stroh giebt demſelben, in der Ferne geſehen, einen Goldglanz.“ Beinert. Dieſer Meteorſteinfall gewährt dadurch noch ein ganz beſonderes Intereſſe, weil er, wenn wir nicht irren, nächſt dem zu Agram im Jahre 1751 beobachteten zu den wenigen völlig beglaubigten gehört. Nach Herrn Johl's unter des Herrn Beinert's Anleitung ausgeführter Unterſuchung haben ſich als Beſtandtheile des Meteorſteines ergeben: Nickelhaltiges Eiſen, nebſt kleinen Spuren von Mangan, Zinn, Magneſia, Alkali, Chlor und Schwefel. Es gehört derſelbe zu den gediegenen Meteorſteinen, während die am 22. März 1841 zu Seiffersholz bei Grünberg herabgefallenen Steine, von denen unſere Sammlung ein vollſtändiges Exemplar durch die Güte des Herrn Apotheker Weimann zu Grünberg beſitzt, wegen ſeines überwiegenden Gehaltes an Erden zu den gediegenen erdigen zu rechnen iſt, über welches unſere Verhandlungen vom Jahre 1841, S. 52 — 58, das Nähere enthalten. Am 7. September theilten die Herren Profefforen Dr. Duflos und Dr. Fiſcher die erſten Reſultate ihrer gemeinſchaftlich unternommenen Analyſe des Braunauer Meteoreiſens mit. ei 1) Behandlung mit Salpeterſäure. 5,16 Gramm von der Meteormaſſe, welche mittelſt einer gehärteten Feile von der ganzen Maſſe abge⸗ feilt worden waren, wurden in einer Kochflaſche, welche mit einem Gasableitungsrohr verſehen war, deſſen äußerer Schenkel unter Waſſer ausmündete, mit einem Ueberſchuß reiner Salpeterſäure bis zur vollſtändigen Auflöſung behandelt, und die Flüſſigkeit bei mäßiger Wärme bis zur Trockne verdunſtet. Das vorgeſchlagene Waſſer reagirte auf Chlor. 39 Der Rückſtand im Kölbchen wurde mit Aetzammoniak wiederholt ausgekocht und filtrirt. Das bläulich gefärbte Filtrat wurde mit Salpeterfäure angeſäuert, darauf mit ſalpeterſaurer Silber- und Barytauflöſung geprüft. Das erſte Reagens gab Chlor, das zweite Schwefelſäure und ſomit Schwefel zu erkennen. Nachdem mit Chlorwaſſerſtoffſäure das überſchüſſige Silber und mit verdünnter Schwefelſäure der über— ſchüſſige Baryt ausgefällt worden war, wurde das Filtrat von Neuem mit Aetzammoniak alkaliſch gemacht und Schwefelwaſſerſtoffgas dazu geleitet. Der entſtandene ſchwarze Niederſchlag wurde auf ein Filtrum ge— bracht, das Filtrat von Neuem mit Salpeterſäure angeſäuert, durch Verdunſten konzentrirt, filtrirt und zuerſt mit kauſtiſchem, dann mit kleeſaurem Ammoniak verſetzt. Es entſtand eine weiße Trübung, welche durch Eſſigſäure nicht verſchwand, daher Kalk und folglich Calcium. : Die von kleeſaurem Kalk abfiltrirte Flüſſigkeit wurde mit phosphorſaurem Ammoniak verſetzt. Es entſtand nach längerer Zeit ein kryſtalliniſcher Niederſchlag, daher Magneſia, folglich Magnefium. Der von Ammoniak nicht gelöſte Antheil der zur Trockne verdunſteten ſalpeterſauren Auflöſung (Eiſen⸗ Oxyd) wurde mit Chlorwaſſerſtoffſäure behandelt, wodurch es bis auf einige unbedeutende weiße Flocken ſich löſte. Dieſer höchſt unbedeutende Rückſtand war Kieſelſäure, folglich Silicium. Die chlorwaſſerſtoffſaure Löſung wurde mit kohlenſaurem Baryt verſetzt und kalt damit digerirt. Nach 24 Stunden wurde das abgeſchiedene Eiſenoxyd abfiltrirt, der Baryt, im Filtrat mit Schwefelſäure ausgefällt, abermals filtrirt, das Filtrat mit Aetzammoniak überſättigt und Schwefelwaſſerſtoff eingeleitet. Es entſtand ein ſchwarzer Niederſchlag, welcher auf daſſelbe Filter, worauf bereits der erſte Niederſchlag geſammelt worden war, gebracht und ſorgfältig mit Schwefelwaſſerſtoffwaſſer ausgeſüßt wurde. Dieſer Niederſchlag wurde in Salpeterſäure gelöſt und die Löſung mit Aetzkalilöſung verſetzt. Es entſtand ein apfelgrüner Niederſchlag, Nickelorydhydrat, folglich Nickel. Dieſes Nickelorxyhydrat ausgeſüßt, getrocknet und geglüht, betrug, von den in Arbeit genommenen 5,16 Gramm, 0,364. Da beim Wiederauflöſen in Chlorwaſſerſtoffſäure Chlor entwickelt und aus der Löſung mit ſalpetrigſaurem Kali ein gelber Niederſchlag gebildet wurde, fo enthält das Nickelorxyd Kobalt. Es wurde daher von Neuem in Chlorwaſſerſtoffſäure aufgelöſt, die Löſung mit ſalpetrigſaurem Kali im Ueberſchuß vers ſetzt, der dadurch gebildete Niederſchlag — ein aus ſalpetrigſaurem Kali und Kobaltoxyd beſtehendes Doppelſalz — abfiltrirt und das Filtrat abermals mit Aetzkali gefällt.“) Dieſer Niederſchlag, getrocknet und geglüht, wog 0,329 Gramm — 0,2589 Nickel. Aus dem gelben Kobaltniederſchlag wurden 0,0348 Kobaltoryd = 0,0273 Kobalt erhalten. *) Indem wir durch die Chlorentwickelung beim Aufloͤſen in Salzſaͤure die Gegenwart von Kobalt erkannten und zur Scheidung deſſelben vom Nickel ſchreiten wollten, erinnerte ich mich einer vor langer Zeit (1830) gemach⸗ ten Beobachtung, nach welcher ſalpetrichtſaures Kali das Kobalt aus der Auflöfung als ein gelbes unloͤsliches Pulver — ein Doppelſalz — niederſchlaͤgt. Da ich nun bei einer naͤheren Unterſuchung fand, daß dieſe Reaktion des ſalpetrichtſauren Kalis vollkommen dazu ſich eignet, um Kobalt von Nickel vollſtaͤndig zu trennen, ſo wandten wir dieſes Verfahren bei unſerer Unterſuchung an. Dieſes Verfahren zeichnet ſich ſowohl durch ſeine Einfachheit als Leichtigkeit vor allen anderen aus, indem es einzig und allein darin beſteht, daß man zu der ſalpeter⸗ oder ſalzſauren Auflöfung beider Metalle eine geſaͤttigte Auflöſung von ſalpetrigſaurem Kali im Ueberſchuß ſetzt, wodurch ſofort oder nach einiger Zeit — je nach der Konzentration der Aufloͤſungen — der groͤßte Theil des Kobalts gefaͤllt wird. um vollends jede Spur abzuſcheiden, wird die Fluͤſſigkeit bei gelinder Wärme zur Trockne verdampft, und der Ruͤckſtand in Waſſer, mit etwas Aetzammoniak verſetzt, aufgelöft. Das Kobalt bleibt dann als gelbes Pulver ungeloͤſt. Ueber das Naͤhere dieſer Scheidung, die Natur dieſes Doppelſalzes, jo wie über ſalpetrichtſaure Salze überhaupt, in der Folge, F. 40 2) Behandlung mit Chlorwaſſerſtoffſäure. 2 Gramm wurden mit einem Uebermaaß von mäßig verdünnter Salzſäure ohne Anwendung von Wärme digerirt, bis keine Einwirkung mehr wahrgenommen wurde. Es blieben einige wenige ſchwarze Flocken ungelöſt, welche durch Abgießen der Auflöſung von Waſſer, Abſetzenlaſſen und Abgießen von dem Aufgelbſten getrennt, endlich auf Platinblech gebracht, darauf eingetrocknet und bis zum Glühen erhitzt wurden. Als das Blech glühte, war ein ſchnelles Verglimmen (folglich Kohlenſtoff) ſichtbar, und ein äußerſt geringer grauer Rückſtand (Kieſelſäure) auf dem Blech zurückgeblieben. Die ſalzſaure Löſung wurde, mit Schwefelwaſſerſtoffgas angeſchwängert und loſe bedeckt, an einen war⸗ men Ort 24 Stunden lang geſtellt. Nach dieſer Zeit hatte ſich eine geringe Menge eines ſchmutzig bräunlich⸗ weißen Niederſchlags auf dem Boden des Gefäßes angeſammelt. Die darüber ſtehende klare Flüſſigkeit wurde abgegoſſen, der Niederſchlag auf ein Filter geſammelt, mit Schwefelwaſſerſtoffwaſſer, wozu ein wenig Salzſäure geſetzt war, ausgeſüßt, und endlich auf dem Filter ſelbſt mit Ammonium-Sulfhydrat behandelt, wodurch er mit Hinterlaſſung eines geringen ſchwärzlichbraunen Rückſtandes aufgelöſt wurde. Letzterer wurde auf demſel— ben Filter mit etwas mäßig verdünnter erwärmter Salpeterſäure übergoſſen, die ſalpeterſaure Flüſſigkeit in einem Uhrglaſe bei gelinder Wärme eingetrocknet, der Rückſtand hierauf mit Aetzammoniak verſetzt, ein Tropfen aufgelöſtes Blutlaugenſalz zugefügt und das Ganze ſich ſelbſt überlaſſen. Nach mehreren Stunden trat eine ſehr deutlich wahrnehmbare Abſcheidung von Kupfereiſencyanür ein, folglich Kupfer.“ Die geſchwefelſe ammoniakaliſche Flüſſigkeit wurde eingetrocknet, der Rückſtand mit Soda gemengt und ein Theil der Miſchung auf der Kohle vor dem Löthrohr erhitzt. Die Entwickelung eines knoblauchartigen Geruchs war unzweideutig wahrnehmbar, folglich Arſenik. Von der Eiſenoxydullöſung wurde behufs der quantitativen Beſtimmung des Eiſens ein Theil, welcher 0,217 Gramm der Subſtanz entſprechend war, durch Salpeterſäure oxydirt, darauf ſtark verdünnt und tro- pfenweiſe in einem Uebermaaße von ſiedender Ammoniakflüſſigkeit eingetragen. Das Eiſenoxydhydrat wurde geſammelt, ausgewaſchen, getrocknet und geglüht. Es wog 0,285 Gramm. Dieſes giebt für 5,16 Grm. des Meteoreiſens 6,773 Oxyd, — 4,7411 metalliſches Eiſen. Eine zweite gleiche Portion von der Eifenorydul- auflöſung wurde oxydirt, mit Ammoniak neutraliſirt und mit bernſteinſaurem Ammoniak gefällt. Der geſam— melte ausgeſüßte und geglühte Niederſchlag wog 0,285, alſo eben fo viel wie im vorhergehenden Verſuche. 3) Behandlung mit Alkalien. 1 Gramm von der gefeilten Subſtanz wurde mit dem Fünffachen eines Gemiſches aus gleichen Theilen reinen ſalpeterſauren Kalis und kohlenſauren Natrums gemengt und in einem ſilbernen Tiegel einige Zeit im glühenden Fluß erhalten. Die erkaltete Maſſe wurde mit Waſſer gekocht, die Abkochung filtrirt und das Fil- trat mit verdünnter Schwefelſäure überſättigt, wodurch es ſich gelb färbte. Schweflige Säure brachte darin keine grüne Färbung hervor. Es wurde mit Ammoniak überſättigt, wodurch keine Trübung eintrat, darauf Schwefelwaſſerſtoffgas eingeleitet und das Gemiſch in einem verſchloſſenen Gefäße hingeſtellt. Nach mehreren Tagen hatten ſich einige wenige bräunliche Flocken abgelagert. Sie wurden durch Abgießen und Filtriren von der Flüſſigkeit getrennt, darauf in einigen Tropfen Salpeterſäure gelöſt, die Löſung mit etwas Soda einge⸗ ) Unter allen Reagentien für Kupfer habe ich das Kaliumeiſencyanuͤr, in der angegebenen Art angewandt, als das empfindlichſte und ſicherſte gefunden, wodurch die geringſten Spuren in der Aufloͤſung der verſchiedenſten Metallſalze zu entdecken find. Die Aufloͤſung, in welcher man Spuren von Kupfer vermuthet, wird naͤmlich mit Aetzammoniak verſetzt und mit einer geringen Menge Kaliumeiſencyanuͤrloſung verſetzt. Unmittelbar ift natuͤrlich keine Reaktion wahrzunehmen, aber in dem Grade, als in dem offenſtehenden Gefaͤße das Ammoniak ſich verfluͤcktigt, ſtellt ſich die Roͤthung der Fluͤſſigkeit und ſpaͤter auch die Abſcheidung des Kupfereiſencyanuͤrs an den Waͤnden des Gefaͤßes ein. FJ. 41 trocknet und in der Löthrohrflamme auf Platindraht erhitzt. Die Probe färbte ſich blaugrün, folglich Mangan. Die klare abfiltrirte Flüſſigkeit wurde von Neuem mit Schwefelſäure überſättigt, bis auf die Hälfte ver dunſtet, abermals filtrirt, und das Filtrat mittelſt einer ammoniakaliſchen Bitterſalzlöſung auf Phosphorſäure geprüft — es fand auch nach längerer Zeit keine Fällung ſtatt. Aus allem dieſen geht hervor, daß das Meteoreiſen von Braunau in ſeiner qualitativen und quantita⸗ tiven Zuſammenſetzung die größte Aehnlichkeit mit dem von Bohumiliz befist. Seine Beſtandtheile find, wie aus dem Vorhergehenden hervorgeht, in hundert Theilen: Eier!!! aA ER WE 91,882 Mie) MR 5,517 affe RER 0,529 Kupfer Mangan Arſenik Calcium Nan!!! 8 2,072 Silicium Kohlenſtoff Chlor Schwefel 100,000. Am 20. Oktober lieferte Herr Profeſſor Dr. Fiſcher die Fortſetzung der begonnenen Analyſe. Bei der mit Herrn Prof. Dr. Duflos gemeinſchaftlich unternommenen Unterſuchung hatten wir uns, wie angegeben, der Feilſpähne bedient, welche mir bei meiner Anweſenheit in Braunau von der Maſſe abzu⸗ feilen der Herr Oberamtmann Slawkowsky erlaubt hatte; wir konnten daher das Meteor als einen homo- genen Körper annehmen. Gegenwärtig durch die beſondere Güte des Herrn Abts Dr. Rotter im Beſitz eines ganzen Stücks von mehr als 20 Gramm ſuchte ich zunächſt auszumitteln, aus welchen heterogenen Körpern dieſes Meteoreiſen zuſammengeſetzt ſei, und fand, daß es drei verſchiedene Körper enthalte. Der eine, und der bei weitem vorwaltende, die Hauptmaſſe, iſt eben die Verbindung von Eiſen, Nickel und Kobalt mit Spuren der anderen Stoffe, wie wir es als Ergebniß unſerer Unterſuchung angegeben haben. *) i Ein zweiter, der an vielen einzelnen Stellen in der Hauptmaſſe eingewachſen vorkommt, und ſich ſehr deutlich durch Farbe, Bruch, Sprödigkeit und Glanz von derſelben unterſcheidet, kann durch mechaniſche Mittel leicht davon getrennt werden. Ein dritter endlich wird aus dem Meteoreiſen als kleine dünne Blättchen, Flitterchen, abgeſchieden, wenn Salzſäure fo lange darauf einwirkt, als noch eine Auflöſung ſtattfindet. ““) *) Doc, dürften manche dieſer Stoffe von den zwei andern Körpern herruͤhren. ) Einen ahnlichen Körper hatte Berzelius in der Meteormaſſe von Bohumilitz gefunden und als Schuͤppchen bezeichnet, aber dieſe waren weiß, koͤrniger, ſchwerer und ließen ſich daher leicht durch Schlaͤmmen von dem zugleich ausgeſchiedenen kohligen Pulver trennen (ſ. Poggend, Annalen, Bd. 27, S. 122 u. f.), was hin: gegen bei dieſen zarten Flitterchen nur zum Theil bewirkt werden kann. 6 42 Das zugleich bei Einwirkung der Säuren abgeſchiedene ſchwarze Pulver ebenfalls als einen eigenthüm⸗ lichen Körper anzunehmen, halte ich nicht für begründet, da es vielmehr die einzelnen Beſtandtheile der Haupt— maſſe enthält, welche, als unlöslich in den angewandten Säuren, abgeſchieden werden. Indem ich nun auch von dieſen beiden Körpern — dem zweiten und dritten — das Verhältniß ihrer Beſtandtheile auszumitteln ſuchte, mußte ich mich bei der äußerſt geringen Menge derſelben, welche mir zu Gebote ſtand, großentheils auf das qualitative beſchränken. 1) Der eingewachſene Körper. Verdünnte Salzſäure, welche auf die Hauptmaſſe erſt nach einiger Zeit einwirkt, entwickelt, auf dieſen Körper gegoſſen, ſofort eine große Menge Schwefelwaſſerſtoffgas — das Waſſerſtoffgas, welches die Meteor⸗ maſſe, in der nichts von dieſem Körper enthalten iſt, bei Einwirkung der Salzſäure entwickelt, hat nicht den geringſten Geruch nach Schwefelwaſſerſtoffgas — und löſt ihn bis auf einen geringen Rückſtand, ein grau⸗ ſchwarzes Pulver, auf. Dieſes, auf ein dünnes Platinblech gebracht, entzündet ſich ſchon bei gelindem Er⸗ hitzen, wie Zunder glimmend, was ſich beim Erglühen des Blechs wiederholt. Das nunmehr bräunlich ge— färbte Pulver wurde mit ſalpeterſaurem Natron auf dem Platinblech zuſammengeſchmolzen und geglüht. Beim Erkalten zeigt das Salz eine gelbe Farbe, löſt ſich mit dieſer Farbe in Waſſer auf, welche Auflöſung, nach⸗ dem ſie mit Salpeterſäure neutraliſirt worden iſt — um ſowohl das kauſtiſche als das ſalpetrichtſaure Natron in ſalpeterſaures zu verwandeln — in ſalpeterſaurer Silberoxydlöſung einen ſchönen rothen Niederſchlag herz vorbringt, der ſowohl in Salpeterſäure als in Ammoniak leicht aufgelöſt, und aus dieſer Auflöſung durch das wechſelſeitige Neutraliſiren, d. h. der ſalpeterſauren Auflöſung durch Ammoniak und der ammoniakaliſchen durch Salpeterſäure, wieder mit der ſchönen rothen Farbe abgeſchieden wird.“) Die ſalzſaure Auflöſung enthält Eiſen und eine geringe Menge Nickel. Das Verhältniß des in Salzſäure aufgelöſten Theils zu dem ungelöft gebliebenen iſt in 100 97:3. (Ich hatte zur Unterſuchung 0,073 Gramm, von dieſen blieb ungelöſt 0,002.) Die Beſtandtheile dieſes Körpers ſind demnach: Eiſen in 100 = 78,9, Schwefel) Einfach- Schwefeleifen, Nickel, Chrom, Kohlenſtoff. Von den angewandten 0,073 war das aus der ſalzſauren Auflöſung abgeſchiedene Eiſenoxyd 0,683, folglich Metall 0,057. Dieſes würde, um Einfach-Schwefeleiſen zu bilden, 0,033 Schwefel erfordern, das Schwefeleiſen würde alſo allein 0,090 betragen, alſo mehr als das Gewicht des angewandten Körpers. Ein (geringer) Theil des Eiſens muß dieſemnach mit Nickel, Kohlenſtoff und Chrom in dieſem Körper verbunden ſein. Phosphor habe ich in dieſem Körper nicht auffinden können. 2) Die Metallblättchen, Flitterchen. So leicht es iſt, den erſten Körper rein zu erhalten, d. h. durch mechaniſche Mittel von der Haupt⸗ maſſe zu trennen, ſo ſchwer iſt es, ſich dieſen Körper frei von den Stoffen zu verſchaffen, welche eben ſo wie dieſe Flitterchen bei Einwirkung der Salzſäure auf die Maſſe als Rückſtand bleiben, wie Kohlenſtoff, Kieſel— ſäure u. ſ. w. Zugleich iſt die Ausbeute dieſes Körpers ſo gering, daß er mit dem zugleich abgeſchiedenen Pulver noch kaum ein Procent der Maſſe beträgt. 5) Von allen Reaktionen für Chromſaͤure ſcheint mir die angegebene die charakteriſtiſchte und ſicherſte zu fein, welche zugleich am leichteſten hervorzubringen iſt. 43 So wie auf dieſen Körper die Salzſäure ganz und gar nicht einwirkt, ſo greift auch die Salpeterſäure ihn nur ſehr unbedeutend an; in Salpeterſalzſäure hingegen iſt er unter Mitwirkung der Wärme leicht und bis auf eine ſehr geringe Menge Kieſelſäure vollſtändig auflöslich. Dieſe Auflöſung vollſtändig zur Trockne verdampft, läßt einen Rückſtand, der auf der Oberfläche vöth- lichgelbe glänzende Blättchen bildet, die ſich leicht vom Gefäße ablöſen; das Darunterliegende iſt eine gelblich weiße Maſſe, die feſthaftet. Beide ſind im Waſſer vollkommen unlöslich — doch geht dieſe weiße Maſſe, wenn das Trocknen bei gelinder Wärme ſtattgefunden, mit dem Waſſer durchs Filter; iſt ſie hingegen ſcharf getrocknet, ſo bleibt ſie, wie die gelben Blättchen, darauf liegen. Beide Theile des Rückſtandes ſind leicht mit gelber Farbe in Salzſäure auflöslich, und verhalten ſich wie baſiſch phosphorſaures Eifenoryd. Auf Platinblech erhitzt, entzündet ſich dieſer Körper ebenfalls bei gelinder Hitze, wie Zunder glimmend, verliert dabei den Metallglanz und verwandelt ſich in ein braunes Pulver, von welchem nunmehr ſowohl Salz— als Salpeterſäure einen bedeutenden Theil auflöſt. Die Beſtandtheile dieſes Körpers find: (Berzelius fand in den Schuͤppchen, ſ. a. a. O. S. 131; Eiſen 65,977, Phosphor 14,023, Nickel 15,008, Kohlenſtoff 1,422, Kieſel 2,007.) Es ſind alſo dieſelben Beſtandtheile, die Berzelius in den Schüppchen des Bohumilitzer Meteoreiſens gefunden hat; ob aber das quantitative Verhältniß auch gleich ſei, vermochte ich bei der geringen Menge, die ich von dieſem Körper hatte, 0,047 Gramm, nicht auszumitteln; “) das Eiſen allein habe ich annähernd zu beſtimmen vermocht, und dieſes war hier nur ungefähr 51 Procent. Dieſe beiden Körper, der eingewachſene und die Blättchen, bilden, wenn wir von den anderen Stoffen abſehen, einen merkwürdigen Gegenſatz, während der erſte vorwaltend Schwefeleiſen, enthält der zweite großen— theils Phosphoreiſen. Daß der erſte nur an einzelnen Stellen und in verhältnißmäßig großen Maſſen, der zweite hingegen überall verbreitet vorkommt, und in ſo zarten Blättchen, dürfte vielleicht ſeine Erklärung in dem verſchiedenen Schmelz- und Erſtarrungspunkte der beiden Körper finden. Das Phosphoreiſen ſcheidet ſich ſchon bei einem Grade des Erkaltens des Meteors aus, bei dem das Schwefeleiſen noch flüſſig iſt, und daher ) Berzelius konnte zur Darſtellung der Schuͤppchen eine Quantität von 60 Gramm des Meteoreiſens anz wenden, und hatte 0,777 Gramm erhalten; ich hatte nur etwa 5 Gramm dazu zu verwenden, da mir ein großer Theil meines Vorraths durch folgendes Ereigniß verloren ging, welches ich zur Warnung hier mit⸗ theile: Ich hatte namlich, um mir eine gehörige Menge dieſer Blaͤttchen zu bereiten, meinen ganzen Vorrath der Maſſe, in Stücke zerſchlagen, in eine kleine Flaſche — Faraday's Spritzflaͤſchchen — gethan, mit Salz⸗ ſaͤure uͤbergoſſen, und vermittelft eines Pfropfens, in welchem eine lange, enge, in einem ſtumpfen Winkel gebogene Roͤhre befeſtigt war, das Flaͤſchchen verſchloſen. Nach 16ſtuͤndiger Einwirkung der Säure hielt ich die ſchwache Flamme einer Weingeiſtlampe mit einfachem Dochte an den gebogenen Theil dieſer Roͤhre, um zu ſehen, ob das entwickelte Waſſerſtoffgas Arſenik enthielte, als nach einiger Zeit eine heftige Exploſion und das Zerſchmettern des Flaͤſchchens ꝛc. erfolgte. Daß unter dieſen Umftänden, der langen Einwirkung der Salz⸗ ſäure ungeachtet, das Flaͤſchchen noch mit Knallgas gefuͤllt war, hat nichts Auffallendes, wohl aber, daß dieſes Gas durch das ſchwache Erhitzen der Roͤhre in fo kurzer Zeit ſich entzündet, Wahrſcheinlich iſt der Grund dieſer Entzündung, daß das entwickelte Waſſerſtoffgas zugleich, wenn auch nur Spuren, von Schwefel oder Phosphor enthielt. So wie das Flaͤſchchen in kleinen Splittern zerſtob, fo konnte ich auch von der ange⸗ wandten Meteormaſſe nur eine geringe Menge auffinden, die ich zur Darſtellung der Flitterchen ange⸗ wandt habe. 6 * 44 in größerer Menge zufammentreten kann. Wie ſehr allgemein aber dieſe Flitterchen in der Maſſe verbreitet ſind, zeigt ſich bei Einwirkung der Salzſäure; denn ſchon nach ſehr kurzer Zeit ſieht man ſie, beſonders beim Schütteln, in der Flüſſigkeit ſchwimmen. Daraus geht zugleich die Zartheit und Leichtigkeit derſelben hervor, indem ſie, ungeachtet dieſer allgemeinen Verbreitung, doch noch nicht ein Procent der Maſſe betragen, und zwar mit dem zugleich ſich abſcheidenden kohligen Pulver. In dem Meteoreiſen von Bohumilitz betrugen die Schüppchen mit dem Pulver 2,26 und allein 1,3 Procent. (Von 60 Gramm erhielt Berzelius, wie angegeben, 0,777 dieſer Schüppchen.) Am 26. Januar 1848 theilte Herr Profeſſor Dr. Fiſcher den Schluß der Unterſuchung des Braunauer Aleteoreifens mit. “) Durch ein abermaliges gütiges Geſchenk des Herrn Prälaten Rotter wurde ich in den Stand geſetzt, an 70 Gramm dieſes Meteors zur Abſcheidung der Blättchen zu verwenden; welches dadurch bewirkt wurde, daß Salzſäure, unter Mitwirkung der Wärme, ſo lange auf die Maſſe einwirkte, als noch eine Luftentwicke⸗ lung, mithin eine Auflöſung ſtattfand. Dabei muß, um dieſen Körper, welchen die Wiener Naturforſcher wohl mit Recht mit einem eigenen Namen, Schreiberſit, belegten, ganz rein zu erhalten, die nöthige Menge Säure nicht auf einmal, ſondern in einzelnen Antheilen angewandt werden, ſo daß, wenn der erſte Theil nicht mehr oder nur ſchwach einwirkt, die Flüſſigkeit abgegoſſen, ein zweiter Theil zu dem ungelöſten geſetzt wird, und fo fort, bis der letzte Theil Säure, damit gekocht, nichts mehr auflöſt. Wird dieſes nicht beobachtet, ſo kann der ungelöſte Rückſtand mehr oder weniger von der Hauptmaſſe enthalten, von welcher ſich einzelne Stückchen ablöſen, die, von den Blättchen umhüllt, der Wirkung der Säure widerſtehen, was beſonders dann der Fall iſt, wenn die Flüſſigkeit eine geſättigte Auflöſung des Eiſens, Nickels u. ſ. w. enthält. Der ungelöſte Rückſtand, den ich erhielt, beſtand aus ſehr dünnen, grauweißen, ſehr glänzenden und ſpröden Blättchen — ein paar derſelben zeigten deutlich die Form einer länglichen, rechtwinkligen Tafel — die ſehr ſtark magnetiſch ſind, aus einem grauweißen glänzenden Pulver, von gleicher Natur der Blätt⸗ chen, und aus einem ſchwarzen glanzloſen Pulver, von ganz verſchiedener Art, die unlöslichen Beſtandtheile der Hauptmaſſe enthaltend. Zur Analyſe mußten nun die erſten von dem letzten getrennt werden, was nur ſehr ſchwer durch Schlämmen bewirkt werden konnte, wobei ein nicht unbedeutender Theil des glänzenden Pulvers und auch der Blättchen mit weggeſchlämmt wurde, ſo daß mir, obgleich der Geſammtrückſtand 1,3 Procent der Maſſe beträgt, nur 0,424 Gr. zur Unterſuchung blieben, mit denen ich natürlich auch nur eine einzige vornehmen konnte. Das Verfahren, welches ich dabei befolgte, war folgendes: Dieſe 0,424 Gr. Blättchen und Pulver, mit 10 Gr. trocknem ſalpeterſauren Natrum ſorgfältig zuſammengerieben, wurden in einem Glaskölbchen all- mälig bis zum Glühen erhitzt und eine halbe Stunde in dieſer Hitze erhalten. Das Kölbchen war vermittelſt eines Pfropfens mit einer Entbindungsröhre verbunden, welche in einer Miſchung von Chlorcalcium und Am⸗ moniak mündete. Die entwickelte Luft enthielt keine Kohlenſäure. Die Salzmaſſe wurde mit Waſſer gekocht, mit dem ungelöft gebliebenen auf ein Filter gebracht und dieſes ausgeſüßt. Das Filtrat, mit ſalpeterſaurer Kalkerde vermiſcht, bildet einen weißen Niederſchlag, der, ausgeſüßt, getrocknet und gewogen, in Salpeterſäure wieder aufgelöſt, wobei die Entwickelung von Kohlenſäure ſtattfand, in einem verſchloſſenen Gefäße mit Aetzammo⸗ niak vermiſcht wurde. Der dabei entſtehende Niederſchlag ausgeſüßt u. ſ. w., deſſen Gewicht von dem früheren, *) Um dieſe intereſſanten Arbeiten uͤberſichtlich zu liefern, möge es uns geſtattet fein, dieſen eigentlich in unfern Bericht fuͤr das Jahr 1848 gehoͤrenden Vortrag, der waͤhrend des Druckes der Verhandlungen fuͤr das Jahr 1847 gehalten wurde, hier noch beizufügen, 45 vor Einwirkung der Salpeterfäure, abgezogen, das der kohlenſauren Kalkerde indirekt angiebt, aus dem der Kohlenſtoffgehalt berechnet wurde. Dieſer letzte, durch Ammoniak gebildete Niederſchlag, von Neuem in Salpeterſäure gelöſt, erzeugt, nach dem Zuſatz von Salmiak und Aetzammoniak, mit ſchwefelſaurer Magneſia, einen weißen, kryſtalliniſchen Nies derſchlag von phosphorſaurer Ammoniak- Magneſia. Der im Waſſer ungelöſt gebliebene Rückſtand wurde in Königswaſſer aufgelöſt und die heiße Auflöſung in geringen Mengen zu kochendem Aetzammoniak geſetzt. Das Gewicht des dadurch gefällten Eiſenoryds — welches frei von Nickeloryd iſt — nach dem Ausſüßen u. ſ. w., giebt den Gehalt an Eiſen, nach Abzug der geringen Menge Kieſelerde, welche beim Auflöſen in Salzſäure, Verdampfen zur Trockne und Wiederauflöſen im Waſſer geblieben war. Aus dem ammoniakaliſchen Filtrat mit Salpeterſäure neutraliſirt, fällte kauſtiſches Kali das Nickeloxyd, und aus dem Filtrat von dieſem, mit Salpeterſäure neutraliſirt, ſalpeterſaures Silberoryd, chromſaures Silber⸗ oxyd, und endlich aus dem Filtrat von dieſem, nach dem Zuſatz von Salmiak (wodurch zugleich das Silber der überſchüſſig angewandten Auflöſung, als Chlorſilber abgeſchieden und auf einen Filter gebracht worden iſt), Aetzammonik und ſchwefelſaure Magneſia, phosphorſaure Ammonik-Magneſia, welche, mit dem oben erhaltes nen zuſammengenommen, geglüht und aus dem Gewicht derſelben der Phosphor berechnet wurde, ſo wie aus dem geglüheten Nickeloryd das Nickel und aus dem chromſauren Silberoryd das Chrom. Nach dieſem beſtehet dieſer Körper im 100 aus: SIMS e e ede nu 56,430, Nell A ORTE 25,015, Pei ee era nee en 11,722, r 2,850, Fohlen 8 1,156, und ieee 8 0,985, 98,158. Die Haupt⸗Ergebniſſe dieſer Unterſuchung des Braunauer Meteoreiſens find folgende: Es beſtehet, wie alle anderen dieſer Art, welche umſtändlich unterſucht worden find, aus drei ſpecifiſch verſchiedenen Körpern. 1) Der bei weitem die andern beiden überwiegende, an 95 bis 98 Procent der Maſſe, beſtehet aus Eiſen (vorwaltend), Nickel und Kobalt, mit geringen Mengen verſchiedener Stoffe, wie Chlor, Kalcium, Magnum u. ſ. w. Schwefel und Chrom, die wir, Duflos und ich, ebenfalls gefunden haben, ſcheint wohl nicht dieſer Hauptmaſſe, ſondern den beiden anderen Körpern anzugehören. Das Verhältniß dieſer drei Hauptbeſtandtheile ſcheint wohl kein konſtantes zu ſein, da bei den vielen Unterſuchungen ſo vieler Meteore es nicht zwei giebt, die ein übereinſtimmendes Reſultat geben. Vielmehr iſt dieſes ſo abweichend, daß der Eiſengehalt von 66,56 (in dem von Clairborne nach Jackſon) bis zu 93,78 (in dem von Bohumilitz nach Berzelius) und der Nickelgehalt von 5,5 (in dem von Brahlin nach Laugier) bis zu 24,71 von Clairborne gefunden worden iſt. 2) Der an vielen Stellen in größern oder kleinern Stücken in der Hauptmaſſe eingewachſene Körper“) ift eine vollkommene chemiſche Verbindung Einfach- Schwefeleiſen und Nickel, der ſich daher in Salzſäure bei *) In weit groͤßern Stuͤcken, als in dem Braunauer, iſt dieſer Körper in dem unlaͤngſt in Seelaͤsgen aufgefun⸗ denen Meteoreiſen enthalten; in dieſem bildet er an vielen Stellen Adern, die ununterbrochen von einem Ende zum andern die Maſſe durchlaufen. Auch zeigt dieſe ein etwas verſchiedenes Verhalten zur Salzſaͤure, welche zuerſt nur Eiſenoxyd ohne alle Luftentwickelung auflöft und erſt ſpaͤter die Zerſetzung des Schwefel⸗ eiſens bewirkt. 46 gewöhnlicher Temperatur unter Einwirkung von reinem Schwefelwaſſerſtoffgas ohne Abſcheidung von Schwefel bis auf einen kleinen Rückſtand von ungefähr ein Procent auflöſt — der Chrom, Kohlenſtoff und Kieſelerde enthält. 3) Der dritte Körper ſtellt ſich als dieſe Blättchen, Flitterchen oder Schüppchen dar und ift gewiß in allem Meteoreiſen enthalten, ob er gleich bis jetzt nur in einigen dargeſtellt worden iſt. Im Gegenſatz des zweiten kommt dieſer nicht an einzelnen Stellen und in größern oder kleinern Stücken vereint vor, ſondern iſt überall in der Maſſe vertheilt und iſt wohl der Grund der Widmannſtadtſchen Figuren, wie ſchon Berzelius bemerkt hat. Die wenigen Analyſen, die wir von dieſem Körper haben, geben übereinſtimmend als die weſentli— chen Beſtandtheile deſſelben Eiſen, Nickel und Phosphor, das erſte als bei weitem vorwaltend, an. Das Ver⸗ hältniß derſelben wird zwar auch hier als verſchieden aufgeſtellt, ſo z. B. der Eiſengehalt in dem aus dem Pallus'ſchen Eiſen nach Berzelius zu 48,67, und in dem unlängſt von Patera unterfuchten aus dem Arvaer Meteor zu 87,2 in 100. Doch iſt dieſe Abweichung in den beiden, ebenfalls von Berzelius unterſuchten Körpern in des Bohumilitzer und Ellbogener Meteoreiſens ſehr unbedeutend (der erſte beſtehet aus 65,987 Ei⸗ ſen, 15,008 Nickel und 14,023 Phosphor; der zweite aus 68,11 Eiſen, 17,72 Nickel und Magneſium und 14,17 Phosphor), ſo daß man wohl zu der Annahme berechtigt ſein dürfte, dieſer Körper ſei ebenfalls, wie der zweite, was die drei Hauptbeſtandtheile betrifft, in beſtimmten Proportionen zuſammengeſetzt, voraus⸗ geſetzt, daß er rein von den andern beiden Körpern dargeſtellt wird. Alle dieſe drei Körper ſind mehr oder weniger vollkommen kryſtalliſirt, wie dieſes von der Hauptmaſſe Haidinger dargethan hat, was auch leicht beim Bruch wahrzunehmen if. Bei dem Schwefeleiſen konnte ich aus einem Kerne von dem Seeläsgener Meteor deutlich zwei Detaederflächen unterſcheiden, und eben fo bei einem Paar Blättchen, wie angegeben, eine regelmäßige Tafelgeſtalt. Endlich ſind alle drei magnetiſch. Die Hauptmaſſe und die Blättchen ſind freilich nur retraktoriſch, die letztern in höherem Grade, als das Eiſen, das Schwefeleiſen hingegen zugleich ſtark retraktoriſch. Herr Direktor Gebauer ſprach über die Meteormaſſe, welche am 14. Juli 1847 zu Braunau in zwei Stücken niedergefallen war, von welchen das eine 38, das andere 42% Pfund wog. Die chemiſche Zuſammenſetzung, welche von den Herren Prof. Dr. Fiſcher und Dr. Duflos unterſucht worden, zeigt keine Abweichung in Bezug auf die weſentlichen Beſtandtheile von an⸗ deren ähnlichen Meteormaſſen. Nach dem äußeren Verhalten theilt man die Meteormaſſen in erdige und metalliſche. Die Braunauer Maſſe iſt metalliſch, und enthält vorzugsweiſe Eiſen, Nickel, Kobalt, Schwefel, Phosphor. Kerne von Schwefeleiſen, von der Dicke eines Haares bis zu der eines Daumens, durchſetzen in verſchiedener Richtung die Maſſe, und bei dem trockenen Einſägen in einen ſolchen Kern entzündeten ſich die ausgeſtoßenen Sägeſpähne in der Luft und verbrannten als kleine glühende Kugeln mit einer phosphorartig leuchtenden Hülle umgeben. Es giebt drei verſchiedene Anſichten über den Urſprung dieſer Körper. Einige glauben, daß es Maſſen ſeien, welche vom Monde zu einer Höhe emporgeſchleudert worden wären, in welcher die Anziehungskraft der Erde bereits ein Uebergewicht erhalten habe. Ein ſolcher Körper kann dann allerdings nicht mehr zum Monde zurückfallen, ſondern muß feinen Weg zur Erde fortſetzen. In der Atmoſphäre der ſelben angekommen, entzünde er ſich. Die Hitze ſteigere ſich, bis ein Zerplatzen durch manche in Dampf ver⸗ wandelte Körper veranlaßt werde, wobei die feſteren, zuſammengeſchmolzenen Stücke herabfallen, während die dünnflüſſigeren in der Luft zerſtreut werden und zur Bildung einer dunklen Wolke Veranlaſſung geben. Die Möglichkeit, daß ſolche Körper vom Monde kommen können, iſt nicht zu beſtreiten, aber die Richtung, in welcher ſie zur Erde gelangen müßten, wäre eine beſchränkte und ſteht im Widerſpruche mit den vielfachen Erfahrungen. Nach einer anderen Anſicht ſeien die Feuerkugeln Gebilde der Atmoſphäre. Die große Höhe, 47 in welcher Feuerkugeln aber geſehen worden find, ſteht dieſer Anſicht entgegen. Manche der Feuerkugeln haben einen Durchmeſſer von 2000 bis 3000 Fuß gehabt, und find über fo ausgedehnten Länderſtrekken geſehen worden, daß ihre Höhe 30 Meilen überſchreiten dürfte. Selbſt das Zerplatzen fand nach manchen Beobach— tungen in 10 Meilen Höhe ſtatt. In ſo bedeutender Höhe ſind aber wahrſcheinlich nicht mehr gasförmige Stoffe vorhanden, welche zur Bildung jener Körper Veranlaſſung geben können, die in Gewichten von zwei und mehreren Centnern niedergefallen ſind, deren bei weitem größte Theil aber während der Exploſion verſtreut wurde. Nach der dritten Anſicht ſind dieſe Meteormaſſen Körper im Weltraume zerſtreut, mit eigener Bewe— gung von großer Geſchwindigkeit verſehen. Gelangen dieſe Körper auf ihrem Wege in den Wirkungskreis der Erde, ſo werden ſie eine Ablenkung in ihrer Bahn erfahren, welche ſo groß werden kann, daß einige die Oberfläche der Erde erreichen, während andere noch an derſelben vorübergehen können, nachdem ſie größere oder geringere Veränderungen erlitten haben. Die Meteormaſſe zu Braunau iſt als Feuerkugel vom Ritterplatze aus zu Breslau geſehen worden. Rechnet man den Höhenwinkel, unter welchem fie erſchien, nur zu 20% was ſicher hinter der Wahrheit bleibt, da der Beobachter nur vom zweiten Stockwerke aus die Erſcheinung über die vorliegenden Häuſer hinweg erblicken konnte, ſo war im Augenblicke der Wahrnehmung das Meteor 3 ½ Meile hoch. Das Meteor zerplatzte und fiel in zwei Stücken nieder, von welchen das eine auf ein Ackerfeld gegen 3 Fuß tief ſenkrecht, das andere in ein Haus, durch Dach, Aeſtrich bis in den Erdboden unter einem Winkel von 77° einſchlug. Mit Berückſichtigung der Entfernung dieſer beiden Orte und der Voraus- ſetzung, daß beide Maſſen zur Zeit der Exploſion ſich zuſammen befanden, würde das Zerplatzen in einer Höhe von 27000 Fuß etwa ſtattgefunden haben. Da das Phänomen hier geſehen wurde, ſo dürfte wohl der Durchmeſſer wenigſtens 18 Fuß geweſen ſein, wobei der Geſichtswinkel zu 15 Sekunden gerechnet iſt. Aller Wahrſcheinlichkeit nach iſt er weit größer ge— weſen, da eine große Helligkeit bemerkt worden iſt. Da die beobachteten Meteormaſſen ſtets faſt gleiche Er— ſcheinungen dargeboten haben, und auch in ihren Beſtandtheilen eine große Uebereinſtimmung zeigten, ſo dürfte der Unterſchied zwiſchen erdigen und rein metalliſchen Maſſen nur darin zu ſuchen ſein, daß beide Arten im Weltraume aus Metallen im unoxydirten Zuſtande zuſammengeſetzt vorhanden waren, beim Eindringen in die Atmoſphäre aber die alkaliſchen und erdigen Metalle eine Oxydation erlitten, wobei die minder leicht oxydablen Körper, wie Eiſen, Nickel u. ſ. w., in dem gebildeten Flußmittel gegen weitere Oxydation geſchützt wurden und in einen Regulus zuſammenſinterten, in welchem daher auch oft noch unzerlegtes oder theilweiſe gebildetes Schwefeleiſen und Flußmittel enthalten ſind. War das Meteor nicht von ſolcher Größe, daß die entſtandene Wärme zum Schmelzen des Eiſens hinreichte, ſo blieben die Eiſentheilchen in dem Flußmittel oder der erdigen Maſſe vertheilt. Bei großen Meteoren kann der Regulus wohl auch aus mehreren Stücken beſtehen. Das Braunauer Meteor hat aller Wahrſcheinlichkeit nach aus drei Stücken beſtanden. Erreicht die Hitze eine ſolche Höhe, daß Beſtandtheile dampfförmig werden, ſo erfolgt eine Exploſion, die, wenn ſie nicht die ganze Maſſe auseinanderwirft, die Richtung der Bewegung verändert und zur 0 des häufig beobachteten Schweifes, welcher aus verbrannten und unverbrannten flüchtigeren Theilen beſteht, Veranlaſſung giebt. Bei zu ſtarker Exploſion zerſtiebt das Flußmittel und der Regulus fällt allein nieder. So lange das Flußmittel den Regulus umgiebt, muß nothwendig derſelbe einen mehr nach vorn zu gelegenen Ort feines größeren ſpecifiſchen Gewich— tes wegen einnehmen, während das Flußmittel mehr nach der Rückſeite durch den Widerſtand in der Luft ge— drängt wird. Die Geſtalt des Körpers wird hierdurch ellipſoidiſch. Bei der Beweglichkeit der Theilchen der flüſſigen Maſſe dürfte die Aenderung in der Geſtalt unter ſolchen Umſtänden nicht mehr befremden, und aus der Rotirung des Flußmittels um den feſteren Kern in einer EN nach hinten liegenden Fläche erklärbar fein. f * 48 Herr Dr. Philos. W. G. Schneider erläuterte am 6. Oktober die in feiner Sammlung befindlichen Meteoriten in ſyſtematiſcher Reihenfolge, nach dem vom Herrn Profeſſor Partſch *) aufgeftellten, zue natur: hiſtoriſchen Beſtimmung dieſer merkwürdigen Subſtanzen ſehr geeigneten Syſteme, mit Beifügung der Nach⸗ richten über die Erſcheinungen bei dem Niederfallen derſelben, ſo weit dieſelben ihm bekannt geworden, nebſt der Angabe der chemiſchen Analyſe und des ſpecifiſchen Gewichtes faſt aller vorgezeigten Exemplare, wobei der Vortragende ſich zu der Bemerkung veranlaßt fühlte, daß die chemiſchen Analyſen ſämmtlicher, bis zu dem vierten Decennium unſers Jahrhunderts unterſuchten Meteoriten fo mangelhaft find, daß eine richtige Weber: ſicht derſelben in chemiſcher Beziehung faſt unmöglich iſt, daher eine erneuerte Unterſuchung überaus wünfchens- werth und für die Kenntniß der Meteoriten wichtig wäre. Die vorgezeigten Meteoriten ſtellen Repräſentanten aus faſt allen Gruppen des oben angeführten Syſte⸗ mes dar, und zwar aus den beiden Hauptklaſſen der Meteorſteine und Meteoreiſen. Die erſte Klaſſe, Meteorſteine, enthält die erdigen Meteoroliten, die entweder ganz ohne Ein⸗ mengung metalliſcher Theile find, oder ſolche betragen nur den vierten Theil der ganzen Maſſe. 1) Ein Bruchſtück mit Rinde von 8 Loth Gewicht, von einem der vielen Meteorſteine, welche am 22. Mai 1808 früh gegen 6 Uhr bei Stannern in Mähren fielen. 2) Ein Bruchſtück von dem im Jahre 1492 am 7. November bei Enſisheim (im ehemaligen Elſaß) gefallenen Steine. 3) Ein Stück mit viel Rinde von 16 Loth, von den Steinen, welche im Jahre 1803 den 26. April 1 Uhr Mittags in großer Menge bei l' Aigle in der Normandie fielen. 4) Ein Stückchen Meteorſtein, von dem bei Weſton im Staate Connecticut (Nord-Amerika) im Jahre 1807 am 14. Dezember gegen 6 ½ Uhr des Morgens beobachteten Steinfalle herrührend. 5) Zwei Bruchſtücke mit Rinde und Ablöſungsflächen, von reſp. 28 und 14 Loth Gewicht, von dem Meteoriten, welcher am 12. Juni 1841 bei Chateau-Renard (Gemeinde Triguères, Departement du Loiret) in Frankreich fiel. Die zweite Klaſſe, Meteoreiſen, enthält die aus vorherrſchend gediegenem Eiſen beſtehenden Meteoriten. 1) Zwei Stücke von reſp. 1 Pfund 8 Loth und von 8 Loth von dem Meteoreiſen von Krasnojarsk, am Jeniſei in Sibirien, auch unter dem Namen „Pallas'ſches Eiſen“ bekannt, indem der berühmte Naturforſcher Pallas dieſes Meteoreiſen, damals eine Maſſe von 1600 ruſſ. Pfunden, im Jahre 1772 auffand und im Jahre 1776 ausführlich bekannt machte. Das größere der obigen Stücke ift durch den ſchönen, reichlich eingeſprengten Olivin ausgezeichnet. 2) Drei kleine Bruchſtücke von dem bei Sevier im Staate Teneſſee (in Nord-Amerika) vor einigen Jahren aufgefundenen, an der Oberfläche ſchon ganz in Brauneifenften umgewandelten Meteoreifen. 3) Ein ſchönes Stückchen von 4½ Loth von dem in dieſem Jahre am 14. Juli zu Hauptmannsdorf bei Braunau gefallenen Meteoreiſen; Geſchenk des Herrn Prälaten Rotter. 4) Ein Stück von 1 Pfund 3 Loth von dem im Arvaer Komitate bei Slanicza vor einigen Jahren bei einem Schürfverſuche aufgefundenen Meteoreiſen. 5) Ein Stückchen von 1 Loth %, Quentchen von dem bei Oswego in Nord-Amerika bei dem Aufgra⸗ ben einer alten Kohlengrube in der Erde aufgefundenen gediegenen Eiſen, welches nach Herrn Partſch und Shepard's Anſicht kein Meteoreiſen ſein ſoll; Nickel iſt nach des Letzteren Analyſe allerdings nicht darin enthalten, doch liegt darin kein erheblicher Grund für dieſe Anficht, „ ) Die Meteoriten oder vom Himmel gefallenen Steine und Eisenmassen im K. K. Hof-Mineralien-Kabinette zu Wien. Beschrieben u. s. w. von Paul Partsch. Wien 1843. Meteormaſſe zu Seeläsgen in der Mark Brandenburg. Während die Geſellſchaft mit Unterſuchung des eben erwähnten, in ſeiner Art faſt einzigen Metegrſtein⸗ falles beſchäftiget war, hatte ſie das Glück, abermals eine noch weit bedeutendere meteoriſche Eiſenmaſſe zur wiſſenſchaftlichen Unterſuchung zu fördern, worüber in der naturwiſſenſchaftlichen Sektion vom 8. Dezem— ber 1847 Folgendes verhandelt wurde: 5 In der heutigen Sitzung theilte Herr Profeſſor Dr. Duflos Folgendes mit: „Vor etwa acht Tagen wurde ich vom Herrn Mechanikus Ilgmann benachrichtiget, daß Herr Me— chanikus Hartig auf einer Geſchäftsreiſe in der Umgegend von Grünberg bei Seeläsgen (einem im Kreiſe Schwiebus des Frankfurter Regierungsbezirks gelegenen Dorfe) eine faſt zwei Centner ſchwere Eiſenmaſſe anz getroffen, deren äußere Aehnlichkeit mit dem Braunauer Meteoreiſen, welches ihm aus den in der ſchleſiſchen Geſellſchaft darüber gehaltenen Vorträgen bekannt war, aufgefallen ſei, und ihn veranlaßt habe, einige Bruch— ſtückchen mitzunehmen, um ſie hier einer näheren chemiſchen Prüfung unterwerfen zu laſſen. Durch Herrn Ilgmann wurden mir dieſe Bruchſtückchen eingehändigt, und die Prüfung ergab alsbald, daß Herr Hartig ſich nicht getäuſcht. Auf die von mir an den zeitigen Präſes der ſchleſiſchen Geſellſchaft, Herrn Profeſſor Dr. Göppert, gemachte Mittheilung dieſer Angelegenheit, beeilte ſich derſelbe, Letzteren zu bitten, die fragliche Eiſenmaſſe behufs näherer Anſchauung und genauerer Unterſuchung kommen zu laſſen. Herr Hartig ent ſprach alsbald dieſer Aufforderung, und die genannte, hier eben vorliegende Maſſe gelangte am vergangenen Sonntage nach Breslau. Sie wiegt 220 Pfund, iſt etwa 12 Zoll dick, unregelmäßig länglich rundlich mit vielen grubigen Vertiefungen von ungleicher Beſchaffenheit, und faſt üllerall von einer 1 — ½ Linie dicken Schicht ſchwarzbraunem Eiſenoryd bedeckt. Es wurde mir nun ſogleich eine zur quantitativen Unterſuchung hinreichende Menge von derſelben übergeben. Die näheren Reſultate der Analyſe werde ich ſpäter der Sektion mitzutheilen nicht unterlaſſen, und begnüge mich gegenwärtig nur mit der Bemerkung, daß wie das Aeußere, ſo auch der weſentliche innere Gehalt, nämlich Eiſen, Phosphoreiſen, Nickel, Kobalt u. ſ. w., die vollkommenſte Aehnlichkeit mit den Braunauer Maſſen zeigen, fo daß jetzt ſchon der meteoriſche Urſprung des Seeläsgenſ'chen Eiſens wohl unzweifelhaft feſtſtehen dürfte. Die ſpäter während des Druckes dieſer Verhandlungen vom Herrn Prof. Dr. Duflos ausgeführte Analyſe hat dieſe vorläufig erhaltenen Reſultate vollkommen beſtätiget, und aus dem folgenden, am 22. Febr. 1848 mitgetheilten Berichte erhellet: Die quantitative chemiſche Zerlegung des Meteoreiſens von Seeläsgen hat als Beſtandtheile deſſelben ergeben: S/ RR Ne EnaRan 90,000, Miel 8 5,308, !! 8 0,434, Mangan Sohle 0,912, Gee er: 0,108, LTE ee ee N en 1,157, Schreiber De es un: 0,834, 98,749. Der in dieſem Meteoreiſen in großer Menge eingewachſene Körper beſteht zum größten Theile aus Schwefeleiſen, entwickelt daher mit Chlorwaſſerſtoff reichlich Schwefelwaſſerſtoff, hinterläßt aber dabei, außer einigen metalliſch-glänzenden Blättchen und kleinen Partikelchen von Graphit, eine nicht unbedeutende Menge eines leicht abſchlämmbaren braunen, ſtark abfärbenden Rückſtandes, welcher in den ſtärkſten Säuren unlöslich iſt, auch vor dem Löthrohre vom Borax und Salpeter nicht aufgenommen wird, wohl aber von Soda unter 7 50 ſtarkem Schäumen und Funkenſprühen. Wird etwas davon mit Borax geſchmolzen und zu der ſchwarzen Perle etwas Salpeter zugeſetzt, fo färbt ſich die Perle grün, Das Erſtere deutet auf Kieſel (Silicium), das Letztete auf Chrom. Herr Apotheker Struve in Görlitz ſandte einige ſchöne, noch auf Kampecheholz ſitzende Kryſtalle von Haematoxylin ein, welche man in großer Menge im Innern eines ſolchen Stammes gefunden hatte. So viel bekannt, iſt dies wohl das erſte Mal, wie auch Herr Struve bemerkt, daß man dieſe Ausſcheidung beobachtet hat. Mineralogie. a. Oryktognoſie. Herr Privat-Docent Dr. Kenngott ſprach am 24. Februar 1847 über das Verhältniß zwiſchen der Kryſtallform und der chemiſchen Zuſammenſetzung. Als die Kryſtalle der Mineralien von den Mineralogen nicht mehr für zufällige Gebilde angeſehen wur⸗ den, ſondern dieſelben erkannt hatten, daß das übereinſtimmende und geſetzmäßige Vorkommen derſelben zur Beſtimmung der Species diene, wurden die Kryſtalle genauen Beobachtungen unterworfen. Es entwickelte ſich hierdurch die Kryſtallographie als eine der Mineralogie untergeordnete Wiſſenſchaft, oder vielmehr als ein Theil derſelben. Da es aber auch außer den Kryſtallen der Mineralien noch viele giebt, welche gewöhnlich von den Mineralogen als künſtliche unterſchieden werden, welche aber dieſelben Verhältniſſe zeigen und an ſich beſtim⸗ men laſſen, wie jene, ſo zog man auch dieſe in den Kreis der Beobachtungen. Auf dieſe Weiſe ſtellte ſich die Kryſtalllehre als Wiſſenſchaft feſt, welche alle Kryſtalle nach allen ihren Eigenſchaften zu ihrem Gegen— ſtande hat. Die Eigenſchaften der Kryſtalle laſſen ſich als morphologiſche, phyſiſche und chemiſche unterſcheiden und ſtehen in der engſten Beziehung zu einander. Dies zeigt ſich am ſtärkſten bei den morphologiſchen und cher miſchen, indem bei den Kryſtallen ein beſtimmtes Verhältniß zwiſchen der kryſtallographiſchen Form und der chemiſchen Zuſammenſetzung vorhanden iſt. Man findet zunächſt im Allgemeinen, daß jeder Kryſtall, wenn er nicht, ſeiner Subſtänz nach, chemiſch einfach iſt, eine beſtimmte chemiſche Zuſammenſetzung hat, und daß ferner jede homogene kryſtalliſirte Subſtanz, welche eine beſtimmte chemiſche Beſchaffenheit oder Zuſammenſetzung hat, eine beſtimmte kryſtalliniſche Form zeigt, und daß die Kryſtallformen derſelben chemiſchen Subſtanz in einem beſtimmten kryſtallographiſchen Vers hälniſſe ſtehen. Die Unterſcheidung alfo der einzelnen Species iſt nicht allein nach der chemiſchen Beſchaffen⸗ heit, ſondern auch nach der kryſtallographiſchen möglich, ſo daß im Allgemeinen verſchiedene kryſtallographiſche Verhältniſſe auf verſchiedenes chemiſches Verhalten hinweiſen. Wäre es immer der Fall, daß chemiſch verfchies dene Subſtanzen verſchieden kryſtalliſiren, wobei natürlich von denjenigen Verſchiedenheiten abzuſehen iſt, welche ſich unter den von einer Grundform ableitbaren Formen zeigen, ſo wäre ein gegenſeitiges Verhältniß nicht zu verkennen, ſelbſt wenn auch zufällig chemiſch ſehr verſchiedene Subſtanzen bisweilen übereinſtimmende Geſtalten zeigen, wie es bei gewiſſen Formen gar nicht anders ſein kann. Daß überhaupt ein beſtimmtes Verhältniß zwiſchen der kryſtallographiſchen und chemiſchen Beſchaffenheit exiſtire, iſt gar nicht in Abrede zu ſtellen, wenn man alle Verhältniſſe berückſichtigt, unter welchen die Kryſtalle entſtehen und bei Formenverſchiedenheiten die chemiſche Beſchaffenheit vergleicht. Die Möglichkeit der Kryſtalli⸗ ſation iſt an beſtimmte chemiſche Verbindungen geknüpft (die Elemente ausgenommen), verſchiedene Subſtanzen 51 zeigen verſchiedene Kryſtalliſation, gewiſſe Subſtanzen kryſtalliſiren leichter, zeigen größeren Reichthum an For— men, die von derſelben Grundform ableitbar ſind, gewiſſe Zuſammenſetzungen zeigen nach den einzelnen Stof— fen große Verſchiedenheiten, die weniger von der Qualität der einzelnen Elemente, als von der Quantität der— ſelben und der Art, nach welcher ſie unter einander verbunden auftreten, abhängig ſind. Dieſe und ähnliche Erſcheinungen beweiſen das erwähnte gegenſeitige Verhältniß, laſſen es aber in ſeiner Art ſchwierig be— ſtimmbar. Zu dieſer e führten zwei feheinbare Ausnahmen. Inſofern man nämlich gewöhnt war, für dieſelbe chemiſche Subſtanz dieſelben Kryſtallformen zu finden, welche zuſammen die Kryſtalliſation derſelben beſtimmen und gegenſeitig ſowohl als auch von einer beſtimmten Grundform ableitbar ſind, mußte es als eine Ausnahme von der Regel gelten, wenn man bei einer und derſelben Subſtanz zweierlei Kryſtalliſationen nach— weiſen konnte. Dieſe Erſcheinungsweiſe oder dieſe Eigenſchaft einer und derſelben Subſtanz, zwei verſchiedene Kryſtalliſationen zu bilden, nannte man Dimorphismus, wozu dann auch diejenigen Fälle gerechnet werden, wenn eine Subſtanz drei (wie es vorkommt) oder mehr (wie es möglich if) Kryſtalliſationen zeigt. Der Di— morphismus jedoch iſt nicht als eine Ausnahme von der Regel anzuſehen, ſondern er iſt vielmehr ein Hülfs— mittel, um das Geſetz des gegenſeitigen Verhältniſſes zu finden. Zunächſt lernte man durch ihn, daß es nicht zufällig iſt, wenn analoge Verbindungen nicht analoge Kryſtalliſationen zeigen, da dieſelbe Subſtanz eine Ver— ſchiedenheit zeigt, die ſich auch in beſtimmten Verhältniſſen geltend macht. Dann aber zeigt der Dimorphis- mus, daß nicht das numeriſche Verhältniß der Stoffe, die Zahl der Elemente und die gleichartige Verbindung allein auf gleiche Formenbildung Einfluß hat, ſondern daß die phyſiſche Beſchaffenheit auch dabei geltend ge— macht wird. Der richtigſte Grund des Dimorphismus nämlich iſt jedenfalls die Dichtigkeit, indem di ſelbe Subſtanz verſchiedene Grade der Dichtigkeit haben kann und in jedem verſchiedenen Grade auch eine verſchie— dene Geſtaltung zeigen muß. Die konſtante Differenz des ſpecifiſchen Gewichtes derſelben Subſtanz in ihrem Dimorphismus iſt dafür Beweis genug. Mit der verſchiedenen Dichtigkeit ſind dann auch noch andere phy— ſiſche Unterſchiede verknüpft, und es iſt ſogar auch möglich, daß der verſchiedene Dichtigkeitsgrad verſchiedene chemiſche Eigenſchaften wenigſtens in gewiſſen Beziehungen nach ſich zieht. Die verſchiedene Dichtigkeit felbft einer und derſelben chemiſchen Subſtanz iſt von vielen Urſachen abhängig, welche bei der Entſtehung der Sub— ſtanz und der Kryſtalle mitwirken, wie z. B. der Aggregatzuſtand, die Auflöſungsmittel, die Temperatur, der Magnetismus, die Elektrizität u. a. m. Auf der anderen Seite fand man viele Kryſtallſpecies von der Subſtanz, denen gleiche Kryſtalli— ſation eigen iſt. Die Möglichkeit einer ſolchen Erſcheinung war noch eher zu erwarten, als die des Dimor— phismus, und das reguläre Kryſtallſyſtem konnte und mußte dafür die auffallendſten Beiſpiele geben, deſſen Gebiet ſich in alle Grade der chemiſchen Verbindungen erſtreckt, und dieſe in ihren Formen einander gleich— ſtellte. Selten dagegen nahm man wahr, daß verſchiedene Subſtanzen Formen anderer Syſteme zeigten, welche eine vollkommene Uebereinſtimmung in ihren Größenverhältniſſen und in der Art der Formen haben, oder daß eine annähernde Gleichheit vorhanden war. Man bezeichnet dieſe Erſcheinung mit dem Ausdruck Iſomorphis⸗ mus, ſelbſt wenn auch geringe Unterſchiede bemerkbar ſind und man ſtreng nur von Aehnlichkeit ſprechen könnte. Durch die Uebereinſtimmung, welche außer der gleichen Geſtalt auch in der chemiſchen Beſchaffenheit zu erkennen iſt, daß nämlich die quantitativen Verhältniſſe der verſchiedenen Stoffe gleich ſind und die Anzahl der Atome, ſo wie ihre Vertheilung dieſelbe iſt, zeigt ſich eiſt die wahre Bedeutung und Wichtigkeit des Iſo⸗ morphismus. Einfache Stoffe oder Elemente, binäre Verbindungen und die höherer Grade, welche durch dies ſelbe Form ausgedrückt werden können, zeigen Gruppen ifomorpher Kryſtalliſationen, und der Einfluß dieſer wichtigen Erſcheinung zeigt ſich in den verwickeltſten. Verbindungen am fruchtbringendſten, indem dieſelben ſich durch die Kenntniß der iſomorphen Subſtanzen auf ſehr einfache Weiſe löſen laſſen und ihre Form ſelbſt recht⸗ fertigen. Es iſt nämlich der Grund des Iſomorphismus nicht bloß in der gleichartigen Zuſammenſetzung zu ſuchen, ſondern es iſt auch ein analoges chemiſches Verhältniß damit verbunden, welches ſich jedoch nicht im⸗ Wie 52 mer in der übereinſtimmenden Wirkung zu äußern braucht, ſondern welches von der Qualität der Subſtanzen beſtimmt wird. Der Iſomorphismus und der Dimorphismus können nicht als Ausnahmen der gewöhnlichen Kryſtallbil⸗ dung angeſehen werden, fie drücken vielmehr auf eine einfachere Weiſe das Geſetz der Formenbildung an uns organiſchen Individuen aus, welches ohne ſie wohl ſchwerlich erkannt werden würde. Die geometriſche Form, mag ſie durch das Volumen oder durch die Axen ausgedrückt werden, das Miſchungsgewicht oder die chemiſche Zuſammenſetzung, und die Dichtigkeit oder das ſpecifiſche Gewicht beſtimmen einander gegenſeitig. Bis jetzt läßt ſich das gegenſeitige Verhältniß nur theilweiſe ausdrücken, daß nämlich bei gleichen Subſtanzen das ſpeci— fiſche Gewicht die Kryſtalliſation, bei verſchiedenen Subſtanzen die Verbindungsweiſe (mit Ausnahme der ein— fachen Subſtanzen) die Gleichheit oder Verſchiedenheit der Formen, und die Form ſelbſt wieder die Verbindung, und endlich alle drei Momente der einen Subſtanz mit allen dreien einer anderen in einem beſtimmbaren Ver⸗ hältniſſe ſtehen. Es wäre jetzt zu voreilig, dieſes Verhältniß beſtimmt auszuſprechen, obgleich es ſchon mehr— mals verſucht worden iſt; denn dazu bedarf es noch einer größeren Anzahl Beobachtungen an Kryſtallen und einer Einigung der Chemiker über die Atomgewichte, deren Größe noch nicht genau beſtimmt iſt, für jenes erwähnte geſetzlich zu beſtimmende Verhältniß aber eine unerläßliche Forderung iſt. Herr Apotheker Krauſe legte Molybdän vor, welches in einer Quarzdruſe bei Arnsdorf gefunden worden war; der Sekretär der Sektion ſehr wohl erhaltene, 1 — 1% Zoll große Gypskryſtalle aus dem Lehm zu Rogau bei Löwen, und jetztweltliche Bildungen von Raſeneiſenſtein und Thoneiſenſteinnieren aus der Gegend von Steinau a. d. Oder, geſammelt von dem Herrn Dr. Phil. Scholtz, ſo wie dergleichen und merkwürdige Bildungen von Rollſteinen, zum Theil aus vorchriſtlichen Grabſtätten der Urbewohner Schleſiens, eingeſchickt vom Herrn Baron v. Biberſtein. Herr Oberlehrer Rendſchmidt hielt am 17. November einen Vortrag über das Vorkommen des Kalkfpathes in Schlefien. Obgleich Schleſien keine große Mannichfaltigkeit an Kalkſpathen aufzuweiſen hat, ſo kommen doch einige ausgezeichnete Formen und Verbindungen derſelben vor, welche wohl hinſichtlich ihrer Farbe und Kryſtalliſation der Beachtung werth ſind. - Bei Tarnowitz findet ſich der Kalkſpath in Druſen des dichten Kalkſteines über den Blei-Erzen, auch häufig in dem Eiſenſteinbau des Trockenberges. Seine Kryſtalle ſind mehrentheils ſtumpfe Rhomboeder, zu dünnen ſechsſeitigen Tafeln zuſammengedrückt. Oft durchzieht er in ſchwachen Lagen das Geſtein. — In der Gegend von Reichenſtein zeigt ſich der Kalk path öſtlich an der Stadt in dem Bruche unterhalb der Gucke; häufiger wird er noch aus dem Arſenikbaue gefördert. Die Kryſtalle ſind bald drei-, bald ſechsſeitige Säulen mit dreiflächiger Zuſpitzung oder ſtumpfe Rhomboeder. Oft iſt der arſenikhaltige Serpentin mit Quarz um: zogen, den ziemlich große Kalkſpathkryſtalle durchbrechen. Eigenthümliche Gebilde dieſer Steinart erhält man aus der Mummelgrube am Buchberge bei Landshut. Sie ſitzen in Achat- oder Mandelſtein-Druſen zwiſchen Quarz- und Amethyſt-Kryſtallen, und beſtehen aus Säulen mit unebenen Seitenflächen, die aus verſchobenen Würfeln zuſammengeſetzt find. Spaltet man vor— ſichtig eine Mandelſteinkugel, fo wird man oft von der prachtvollen Ausſtattung der inneren Höhlung über: raſcht. Kieſel und Kalk ſcheinen in glänzenden und regelmäßigen Formen mit einander zu wetteifern. — Auf mancherlei Verſteinerungen des Kunzendorfer Grauwackenkalks befindet ſich weißlicher Kalkſpath mit dreiſeitigen, ſehr kleinen, an einander gedrängten und oft mit einem dünnen Ueberzuge von Schwefelkies verſehenen Spitz⸗ ſäulen. — Den weißen Kalkſpath zu Prieborn, der bisweilen den Marmor bekleidet, ſchmückt der Schwefelkies ebenfalls, aber mit großen goldenen Punkten. Doch befindet ſich dort noch eine andere Art von rehbrauner Farbe in den Spalten des körnigen Kalkſteins. — Zu Albendorf bei Schömberg wird ein mit Glimmer und Eiſenocker durchzogener Kalkſpath gebrochen, in der Form ſechsſeitiger Säulen und verſchobener Würfel. Dort muß man jedoch beim Nachſuchen vorſichtig ſein, weil die überhängenden Wände der Gruben den Einſturz drohen. Die Berge um Gabersdorf im nördlichen Theile der Grafſchaft Glatz ſind reich an Kalk. Ein Stein— bruch, dem Landmanne Rudolph gehörig, enthält bunten Kalkſpath in dünnen, an einander gewachſenen Ta— feln. Nicht gar fern, bei Eckersdorf, bemerkt man einen Uebergang des körnigen in den ſpäthigen Kalk. Man kann ſchöne blaßrothe Stücke herausſchlagen, die mit feinen glimmerartigen Blättchen beſetzt ſind, ähnlich dem zu Girlachsdorf bei Nimptſch, wo er dunkelroth gefleckt und auch in bläulicher Farbe erſcheint. — Auf der Grube „Bergfreiheit“ zu Ober-Schmiedeberg durchzieht ein weißer Kalkſpath den Magneteiſenſtein, und bei dem eine halbe Stunde entfernt liegenden Lilienhof findet man ihn verſchieden gefärbt an einem ſerpentinarti⸗ gen Geſtein, bisweilen auch mit Braunſtein vereint. — Eine bemerkenswerthe Verbindung geht er aber mit dem Manganſpathe auf dem Diorit, der zwiſchen Gottesberg und Waldenburg lagert, ein; doch kommt er hier immer ſeltener zu Tage. Reiche Fundgruben von Kalkſpath giebt es im Schönauer Kreiſe um Leipe und Lauterbach. Beim erſt⸗ genannten Dorfe iſt er röthlich, ſäulenförmig kryſtalliſirt; beim letzteren mit großen, gelblichen Rhomboedern in Zwillingskryſtallen im dichten Geſtein oder auf demſelben wie angeklebt. Es hält ſchwer, gute Stücke heraus— zuſchlagen, weil die Kryſtalle gewöhnlich ſchon bei mäßiger Erſchütterung abſpringen. Nebenbei iſt dort ge— meiner Kalkſpath in großen Neſtern ſichtbar. Die Höhle des Kitzelberges bot früher mannichfache Gebilde von Kalkſinter. Jetzt iſt fie halb eingebro= chen und ihres Schmuckes beraubt. Dagegen wird unterhalb, nahe an Kaufung, ein röthlicher, zum Theil ſtänglicher, oft in unvollkommenen Säulen kryſtalliſirter Kalkſpath gefunden. € Mit ſtänglicher Abſonderung treffen wir ihn ferner, jedoch gelblich gefärbt, bei Eifersdorf in der Graf— ſchaft Glatz und Myslowitz in Oberſchleſien, von beſonderer Schönheit; dunkelbraun gefärbt auf dem Chelmberge nahe an der öſterreichiſchen Gränze. Man erreicht den Fundort am ſchnellſten, wenn man auf der Eiſenbahn bis Myslowitz fährt. Von dort geht der Weg über Slupna, Brzenzkowitz und Brzezinka in den Pleſſer Kreis nach Koſtöw. Hier hat man einen anſehnlichen Wald zu durchwandern und hinter demſelben das lange, auf einer Anhöhe liegende Dorf Imielin, das nicht mehr fern von Chelm iſt. Bei dieſem Orte erhebt ſich gegen Oſten ein anſehnlicher Berg von der Größe des Keltſchberges, genannt „Chelmſka Gra“. Auf feinen Ab- hängen breiten ſich fruchtbare Aecker aus und ein Fahrweg führt vom Dorfe hinauf. Oben hat man eine weite Ausſicht nach allen Seiten. Gegen Mittag zeigen ſich in mehreren Ketten die Karpathen, beſonders deutlich tritt die Babia Göra hervor. Die nächſte Umgegend iſt hügelig. Am Fuße des Chelmberges ſchlän— gelt ſich die Przemſa, welche hier die Gränze zwiſchen Schleſien und dem ehemaligen Krakauer Gebiete macht. Der Berg beſteht aus Muſchelkalkſtein, den man nahe am Gipfel bricht. Hier lagert nun der erwähnte Kalkſpath in A bis 6 Zoll dicken Schichten. Er iſt in Farbe und Glanz dem Kolophonit ähnlich. Die ſtängliche Abſonderung geht in Strahlen aus, die ſich auch zu Büſcheln vereinigen. Kryſtalle ſind ſelten. Sie beſtehen aus Rhomboedern, die mit dem einen Ende als dreiſeitige Spitzſäulen hervorkommen. Die Entfernung von Myslowitz bis Chelm beträgt 31, Meilen. Die hier erwähnten Formen des Kalkſpathes wurden von dem Vortragenden in höchſt charakteriſtiſchen Exemplaren vorgelegt. — Am 31. März überreichte der Herr Stadtrath Scholtz für die Minerolienſammlung unſerer Geſellſchaft einige Proben von ; ſchleſiſchem Marmor, welche er mit folgenden Bemerkungen über die Fundorte begleitete: AH 54 gezeichnet, iſt aus einem Bruche bei Rothenzechau, welcher zwiſchen Landeshut und Schmiedeberg, eine halbe Meile von Hochwalde, liegt. Der Marmor iſt blaßgelb und grün geadert und nimmt eine gute Politur an, außer auf Stellen, die Kies enthalten. findet ſich in derſelben Gegend, nahe bei den dortigen Arſenik-Hütten; er iſt dem vorigen ähnlich, nur mehr grün als gelb. aus dem Bruche in Kaufungen am Mühlberge, in der Nähe von chönau. Schwarz mit weißen Adern; enthält zuweilen Schwefelkies und Quarz. findet ſich bei Seitendorf zwiſchen Kaufungen und Ketſchdorf. Dieß letztere iſt jetzt Poſtſtation zwiſchen Hirſchberg und Landeshut. Der Marmor iſt braun und roth gefleckt. aus einem Bruche bei Boberröhrsdorf, Hirſchberger Kreiſes. Der Marmor liegt in Platten und iſt roſenfarbig bandartig geſtreift; zeigt keine feine Politur. Fundort Tiefhartmannsdorf, Schönauer Kreiſes, zwiſchen Kupferberg und Hirſchberg. Hellgrau und braun, mit feinen moosartigen Adern gemiſcht. aus dem Bruche bei Landeck in der Nähe der Stadt. Dunkelgrau und bläulich geſtreift; bricht in großen Blöcken, hat indeß kein feines Korn. aus Lindewieſe, an der Gränze von Schleſien und Mähren; bricht in Platten und rate fih zu Fußböden. grauer Marmor von Prieborn; enthält Schwefelkies. Gleiche Art kommt in Goldenſtein, 2 Meilen von Freiwalde in Mähren, vor. vom Langenberge bei Klein-Aupa (Gränzbauden). von Hohen-Elbe und St. Peters jenſeits der Schneekoppe. aus dem Bruche bei Arnsdorf, in der Nähe von Schmiedeberg. Dieſe drei letzten Arten ſind gelblich— weiß, die letztere ſehr hart, mit Glimmer gemiſcht; ſtreifig. von Wolmsdorf, in der Nähe von Landeck. Ziemlich weiß, doch nicht in größern Blöcken zu finden. von Lindewieſe, nahe beim Bruche FL; wird ebenfalls in Platten gebrochen und iſt nur in Farbe verſchieden. aus dem Bruche bei Saubsdorf, Johannisberger Kreiſes, in Mähren; gleichmäßig blaßgrau geflimmert, zuweilen mit Hornblende und Schwefelkies gemiſcht; eignet ſich zu Bauarbeiten. von Schwarzenthal, am Fuße der Schneekoppe auf böhmiſcher Seite; ein ſchöner weißer transparenter Marmor, mehr oder weniger mit roſafarbenen Adern und Flecken gemiſcht, von ſchöner Politur. aus einem Bruche zwiſchen Roſenthal und Seitendorf, ohnweit Mittelwalde, Habelſchwerdter Kreiſes; weißlicher Grund und fein ſchwarz geadert. Unter M auch noch Serpentin von Klein-Kniegnitz, öſtlich vom Zobtenberge, von dunkelgrüner Farbe und ſchwarz geſprengt, der eine ſehr ſchöne Politur annimmt. Es wäre, im Intereſſe vaterländiſcher Induſtrie, wohl zu wünſchen, daß es Herrn Stadtrath Scholtz gelänge, die Förderung dieſer verſchiedenen, zum Theil ſehr ſchönen Sorten, unterſtützt durch bedeutenden Ab- ſatz, zu recht ſchwunghaftem Betriebe zu bringen. ER 405 b. Geognoſie. Der Sekretär der Sektion trug eine, von dem königl. Stollenſteiger Herrn Hammer, zur Zeit in ze in Oberſchleſien, eingeſchickte Abhandlung vor, betitelt: ein Beitrag zur geognoſtiſchen Kenntniß von Oberſchleſien. Nach der trefflichen geognoſtiſchen Karte von Oberſchleſien von dem Herrn Geh. Bergrath v. Carnall, und den dieſe erläuternden Beſchreibungen im erſten und zweiten Jahrgange des „bergmänniſchen Taſchenbuches“ 55 von Demſelben, war die, ſich eng dem Muſchelkalk anſchließende bunte Sandſtein-Formation bisher nur auf folgenden Punkten bekannt: 1) bei Chorzow und 2) bei Deutſch-Piekar; 3) bei Bobrek; 4) bei Rad— zionkau; 5) in der Gegend von Toſt bei Schierott, Kotliſchowitz u. ſ. w., bei Zirowa und Krappitz. Die Formation kommt auf den genannten Punkten ſtets am Rande des Muſchelkalkes vor, theils zu Tage austretend, theils von letzterem und Diluvium bedeckt. Sie beſteht vornehmlich aus dunkelrothen, glimmerreichen Letten, gelben und bunten Thonen, rothem und gelben, loſen Sande, und aus rothen, gelben, weißen, grob- und feinkörnigen, milden, kalkhaltigen Sandſteinen. Die Schichtenneigung iſt flach, dem Muſchelkalk gleichförmig, wenig deutlich und überſteigt nicht 10 Grad. Die genannten Glieder wechſellagern häufig. Petrefakten ſind nirgends bis jetzt gefunden worden. Die Mäch— tigkeit iſt gering, von einigen Lachtern bis zu 140 Fuß, wie bei Radzionkau. Der bunte Sandftein ruht unmittelbar entweder auf dem Steinkohlengebirge, wie bei Chorzow, Deutſch-Piekar, Bobrek und Radzionkau, oder auf der Grauwacke, wie bei Toſt und Krappitz, mit ganz entgegengeſetzter Schichtenneigung. Ein Mehreres über die Formation des bunten Sandſteins in Oberſchleſien auf den bezeichneten Punkten und im Allgemeinen zu behandeln, iſt nicht der Zweck dieſer Zeilen, namentlich da dieſe Bildung noch zu we— nig aufgeſchloſſen und bekannt iſt. Ich will hier nur auf ein neues, bisher noch unberückſichtigtes Vorkom— men dieſer Bildung aufmerkſam machen. Auf der Höhe zwiſchen Ornontowitz und Dubensko ſieht man, zwiſchen den letzten Koloniehäuſern und der Kreisgränztafel, auf einer Strecke von circa 100 Fuß, zu beiden Seiten der Straße einen rothen Letten und Sand zu Tage liegen, und wenn man ſich durch den Wald nach den Häuſern zuwendet, zeigen die Felder eine rothgefärbte Erde. In dieſem Letten und Sand glaube ich eine Analogie mit den weiter oben bezeichneten, den bunten Sandftein in Oberſchleſien repräſentirenden Gebirgsgliedern zu finden. Dies ver— anlaßte mich, auch im vorigen Jahre (1846) die Bildung weiter zu unterſuchen und zu verfolgen, ſo weit ſich mir die Gelegenheit dazu darbot. Bekanntlich tritt von dem Haupttraktus des oberſchleſiſchen Steinkohlengebirges zwiſchen Zabrze und Brzenskowitz ſüdweſtlich, nach einer Unterbrechung von einer bis 1½ Meile, unter mächtig aufgeſchwemmten Maſſen, bei Nikolai inſulariſch eine Steinkohlengebirgsparthie hervor, welche, eine Seehöhe von über 1100 Fuß erreichend, nach ſüdweſtlich 2 Meilen langer Erſtreckung bei Czerwionkau unter Diluvialgebilden wieder ver— ſchwindet. Die Breite beträgt kaum ½ Meilen. Dieſes Steinkohlengebirge ſteht jedenfalls mit dem nordöſtli⸗ chen Haupttraktus in der Teufe im Zuſammenhange. Das hierdurch gebildete Becken iſt von mächtigen jün⸗ geren Gebirgsmaſſen, Diluvionen, ausgefüllt, welche den ganzen Nikolaier Höhenzug auch von allen Seiten umſchließen, und deren Mächtigkeit, bei allen bisher gemachten Verſuchen, nach feſtem, anſtehenden Gebirge nicht zu erkunden war. Jedoch nicht ganz vereinzelt ragt dieſes Steinkoblengebirge aus dem Diluvialmeere hervor. Am Nord: rande des Höhenzuges liegt bei Mokrau eine nicht unbedeutende Parthie Muſchelkalk auf, dem unteren oberſchleſiſchen Muſchelkalk analog. Die Mächtigkeit deſſelben iſt nicht bekannt; die Längsausdehnung mag % Meile betragen. Man glaubte zeither dieſer Muſchelkalk ruhe unmittelbar auf dem Steinkohlengebirge. Dies iſt jedoch nicht der Fall. Durch den oben erwähnten rothen Letten bei Ornontowitz aufmerkſam gewor— den, ſuchte ich dieſen auch hier auf, und fand denſelben zunächſt durch einen Gränzgraben aufgeſchloſſen dem Kieferberge bei Mokrau, unmittelbar unter dem Muſchelkalk, das Steinkohlengebirge überlagernd ferberg-Vorſehung-Grube. Während nun der Muſchelkalk bei Mokrau nur in einer Parthie vorliegt, fo läßt ſich dagegen ſeine Unterlage, der rothe Letten, reſp. der bunte Sundftein, vom Kieferberge bei Mokrau an, am ganzen Nordrande des Hügelzuges bis nach Czuchow verfolgen, woſelbſt wieder eine ganz unbedeutende Par— thie mergeliger Muſchelkalk ifolirt auftritt, und wo das Steinkohlengebirge mit dieſen jüngern Bildun— gen unter mächtigen Aufſchwemmungen verſchwindet. 56 Der bunte Sandftein läßt ſich, wie eben erwähnt, am ganzen Nordrande des Hügelzuges in ſchma⸗ len Streifen verfolgen. Nur in den Thälern und Schluchten bei Bujakow, Ornontowitz und Dubensko fehlt er; auf den Höhen tritt derſelbe jedoch überall theils zu Tage aus, theils hat man ihn in Verſuchsſchächten und Bohrlöchern gefunden, nirgends aber mächtiger, wie 20 Fuß. Im Weſten bei Czuchow, im Oſten bei Mokrau liegt, wie erwähnt, Muſchelkalk auf. Auf den Höhen bei Dubensko, Ornontowitz und Bujakow jedoch hat der bunte Sandſtein nur eine ganz geringe Decke von Diluvialſand und Lehm. Vorherrſchend iſt ein blaß- bis dunkelrother, glimmerreicher Letten, ganz dem bei Chorzow und andern Orten Oberſchleſiens analog; theils ift derſelbe rein, theils fandig und mit Sandlagen wech— ſellagernd. Ueber oder unter dem Letten liegt häufig eine mehrere Fuß mächtige Schicht Sand, welcher, ſeine gelbe bis dunkelrothe Farbe wechſelnd, bis zu einem glimmerreichen, milden Sandſteine zuſammenbäckt. Wirklich feſter Sandſtein wurde nirgends anſtehend gefunden; dagegen aber Geſchiebe, bei Ornontowitz in großen Stücken, eines dunkel eiſenbraunrothen, kryſtalliniſchen, kalkhaltigen Sandſteines, welcher entſchieden nicht dem Steinkohlengebirge angehört. Daſſelbe gilt von einzelnen gelben, glimmerreichen, ſandigen Schieferſtücken. Petrefakten ſind nicht bemerkt worden. Der rothe Letten iſt, wo er ſandfrei, zu techniſchen Zwecken benutzbar. Der Muſchelkalk wie der bunte Sandſtein haben eine Schichtenneigung gegen Norden, während die Schichten ihrer Unterlage, des Steinkohlengebirges, ſcharf getrennt gegen Süden einfallen. Beide, der Mu— ſchelkalk und der bunte Sandſtein, ſcheinen mannichfachen Zerſtörungen unterworfen geweſen zu ſein. In den Thälern und Schluchten, wo beide fehlen oder zu fehlen ſcheinen, finden ſich zahlloſe Geſchiebe von Muſchel— kalk in den jüngeren aufgeſchwemmten Sand- und Lehmgebilden zerſtreut und loſe angehäuft, oft auch weit weggeführt. Ein Gleiches gilt vom rothen Letten. Man ſieht auf den Höhen bei Dubensko und Ornontowitz die oberſte Lage des zu Tage liegenden Kohlenſandſteins und Gerölle deſſelben, häufig durch den rothen Letten gefärbt, und dieſen, in aufgelöſtem Zuſtande, von ſeiner urſprünglichen Lagerſtätte entfernt und auch in Stücken unter Steingerölle zerſtreut liegen. Es läßt ſich hieraus ſchließen, daß der Muſchelkalk und die den bunten Sandſtein repräſentirenden Glieder vielleicht hier ausgedehnter anſtehend vorhanden waren; die geringe Mächtigkeit des Kalkſteins, und durch dieſen der bunte Sandſtein, konnten aber den verheerenden Fluthen der Tertiär- und Diluvial-Periode nicht widerſtehen. 5 Immerhin bleibt es auch hier noch weiteren Unterſuchungen und Aufſchlüſſen überlaſſen, bei dem ſich in den Bereich des bunten Sandſteins ziehenden Kohlenbergbaue, da erſterer das Kohlengebirge überlagert, die ſpeciellen geognoſtiſchen Verhältniſſe zu erkunden. C. Geologie. Herr Oberſtlieutenant Dr. F. v. Strantz ſprach am 4. Auguſt 1847 über Erdſpaltungen und Verſenkungen bei Erdbeben. Es iſt bekannt, daß bei den Erdbeben die in horizontaler Richtung ſich verbreitenden Stöße die ſchwä⸗ cheren ſind, die Vertikalſtöße dagegen größere Wirkungen hervorbringen. Die Horizontalſtöße, welche der Länge nach ſich verbreiten, ſind auch die vorherrſchenden, wirken eiſt doch nicht zu Tage, und ſind die Wirkung mehrerer, in horizontalen Erdkanälen raſch auf einander nden Exploſionen der expanſiven Gaſe, die ſich wie bei einer Dampfflinte ſucceſſive entladen; der kürzeſte derſtand hier fällt meiſtens innerhalb des Kanals. Es erleidet hierbei die Erdrinde, nach Maßgabe des Widerſtandes, eine Erſchütterung, wellenförmige Bewegung, Zerreißung oder Aufklaffen der Schichten, Spalten, woraus ſich ein Theil der Gaſe entladen, Sand und Waſſer auch wohl auswerfen und ſodann ſich wieder fliegen, Die Vertikalſtöße find Wirkungen auf einander folgender Erplofionen der aus großer Tiefe auf⸗ ſteigenden Gaſe in Vertikalkanälen, und die ſelteneren, aber mehr Zerſtörung hervorbringenden. Ihre Wirkung, 57 nämlich die hieraus entſtehende Verſenkung, iſt radial wie die eines Exploſionskraters; ſie unterſcheidet ſich aber von dieſen dadurch, daß ſie hier keine Auswurfskegel bewirkt, auch die Folge mehrerer, gemeinhin 2 bis 3 Exploſionen und ſo vieler Erdſtöße iſt, die hinreichen, um den Einſturz einer Stadt zu bewirken. Ein Durchſtoß im Mittelpunkte des Kreiſes und ſternförmiger Schichtenbruch von hier ausgehend und ſich ſenkend iſt die Folge; ſo z. B. in Calabrien. (Poggendorff's Annalen 1840. Nr. 10. S. 291.) Auf die Radialwirkungen ſolcher Erſchütterungen, die oft iſolirt vorkommen, iſt man in neueſter Zeit mehr aufmerkſam geworden; ſie kommen auch an Meeresküſten und Ausmündungen der Flüſſe vor, wo ſie große Verwüſtungen anrichten. So vor Jahren am Tajo der Einſturz von Liſſabon, und in neueſter Zeit (1846) dergleichen Verſenkungen am Arno unterhalb Piſa und in gebirgigen Sternthälern, z. B. das mitt⸗ lere Rheinthal, das Thal der untern Lahn und Maas; alles Wirkungen, welche über die Felsthalwände hinaus ſich erſtreckten. Zerg ſt ur z. Ueber ein merkwürdiges Phänomen dieſer Art, welches freilich nur im verjüngten Maaßſtabe an den im Dezember des vorigen Jahres zu Unkel am Rhein erfolgten, von Nöggerath ſo trefflich beſchriebenen Berg—⸗ ſturz erinnert, enthält das Bunzlauer Wochenblatt vom 4. Oktober hierüber folgende Nachrichten: „Von einem mäßigen, aber hoch gelegenen Abhange in der Nähe des durch eine weite und ſchöne Aus— ſicht ausgezeichneten Willmannsdorfer Berges hat ſich in der Nacht vom 1. zum 2. Oktober zwiſchen Haſel und Wilmannsdorf, 1Y, Meile von Goldberg im Jauerſchen Kreiſe, in der Breite von etwa 180 Schritten und mit nach unterhalb wachſender Dicke, die Oberfläche abgetrennt, und iſt mit der darauf befindlichen Wieſe, einem Stück Stoppelfeld, Wegen, dem Kalkſteinbruche, dem Kalkofen, dem Wächterhauſe, dem Kalkſchuppen u. ſ. w. theils 20, 30 und mehr Schritte abwärts geſchoben. Die Oberfläche iſt überall in Spalten aufge⸗ riſſen, der Kalkſteinbruch verſchüttet, doch ſo, daß die in der Tiefe deſſelben gelegenen Geräthe ſich jetzt oben befinden; der feſt gebaute Kalkofen iſt nach einer Seite bedeutend eingeſunken und ſteht ganz ſchief und über— hängend; auch iſt das ſtarke Mauerwerk voller Sprünge und Riſſe, der hölzerne Auflauf aber noch daran be— findlich; das Wächterhaus iſt ganz verſchoben und innerhalb der Stubenofen zertrümmert; aus der Fenſter⸗ brüſtung ſind die Steine theilweis herabgefallen und andere Verwüſtungen im Hauſe ſichtbar; auch der Kalk— ſchuppen hat Riſſe; auf der unten befindlichen, früher flachen Wieſe iſt in der Mitte ein bedeutender Hügel von etwa 10 Ellen Höhe heraufgetrieben worden, der überall durchſpalten iſt, fo daß die Röhren einer Waſſer— leitung jetzt bloß liegen. Da ſich die Zerſtörung nur auf den bemerkten Raum beſchränkt, die Oberfläche nicht durcheinander geworfen worden, ſondern augenſcheinlich nur verſchoben iſt, auch in der Umgegend keine Er: ſchütterung bemerkt wurde, fo läßt eine ſolche als Urſache des Ereigniffes ſich ſchwerlich annehmen, vielmehr dürfte die Erweichung des Abhanges durch das anhaltende Regenwetter wohl die nächſte Veranlaſſung ſein. Der Mann im Wächterhauſe, der einzige Zeuge dieſes Vorfalls, wurde durch das fürchterliche Getöſe und Rauſchen aus dem Schlafe geweckt, der Ofen ſtürzt zuſammen, alles Bewegliche fällt herab und durch einan— der, das ganze Haus knackt, platzt und ſchiebt fort. Er verſucht zu fliehen, findet aber die Thür und den Ausgang verſchüttet, ſo daß er durchs Fenſter ſteigen muß, aber, voll Grauſen über die Verwüſtung nach allen Seiten, wieder zurückkehrt und ſich Gott durch inbrünſtiges Gebet empfiehlt. Am meiſten iſt der Beſitzer des Kalkofens, Herr Helmrich zu Willmannsdorf, zu bedauern, dem ſein ganzes Beſitzthum vernichtet iſt. Die Zerſtörung iſt fo vollſtändig, daß an eine Wiederherſtellung nicht zu denken iſt, wenn er auch die Mittel dazu hätte. Uebrigens iſt bei den vielen Riſſen und Spalten der Oberfläche und ihrer gegenwärtigen Lage eine theilweiſe Wiederholung des Ereigniſſes nicht undenkbar.“ b Unſer korreſpondirendes Mitglied Herr Apotheker Jäckel in Liegnitz hatte die Güte, uns hierüber fol⸗ gendes Nähere brieflich mitzutheilen, woraus ſich ergiebt, daß hier, wie am Rhein, in der Tiefe vorhandene 8 58 weichere Schichten zu dieſem immerhin bei uns ſeltenen Phänomen, und kein Erdbeben Veranlaſſung gegeben haben. — „Der Gebirgszug, welcher von Goldberg nach Jauer ſich erſtreckt und ſich dort in einzelnen Hügeln verflacht, iſt bekanntlich meiſt baſaltiſch, ſo daß ſchon vor dem Hauptgebirgszuge noch vor den Ufern der wü— thenden Neiſſe, von hier aus gerechnet, Baſaltkuppen und längere Rücken auftreten; die erſten bei Dohnau, die folgenden bei Schlaupp, dann bei Bremgarten, wo der Baſalt bald dicht, bald porphyrartig, bald in horizontalen Platten, von 2 bis 3 Zoll Dicke brechend, vorkommt. Intereſſanter iſt dieß Mineral bei Pe⸗ terwitz, wo es am Weinberge in Säulen und am Fuße deſſelben als Baſalttuff und auch ganz blaſig und ſchwammig von braunrother Farbe erſcheint und Einſchlüſſe von Ryakolith enthält, wovon ich ſchon einmal Stücke von anderthalb Zoll Länge fand. Von Kolbnitz an erhebt ſich nun der Baſaltzug des Heßberges in mehreren Kuppen, deren höchſte, der Heßberg ſelbſt, mit 1316 Fuß angegeben wird. Südlich vom Heßberge liegt das intereſſante Moosdorf, mit ſeinem lieblichen Thal vom Pladerbach durchfloſſen, wo auch ein Kalklager von röthlichem und dunkelblutrothem großblättrigen Urkalk vorkommt, und ſüdweſtlich vom Heßberge das Dorf Pombſen in einer Vertiefung, hinter welcher ſich der baſaltiſche Pombſer Spitzberg erhebt, welcher einige Aehnlichkeit vom Probſthainer Spitzberge hat, nur bedeutend kleiner als dieſer iſt. — Am nordöſtlichen Fuße des Heßberges bei Seichau kommt noch Thonſchiefer und viel Quarz vor, wogegen der Heßberg und feine Nachbaren alle baſaltiſch ſind. Hierher gehört nun auch die Bergkuppe, welche hier allgemein unter dem Na⸗ men der Willmannsdorfer Höhe bekannt iſt, eine etwas flache Halbkugel, welche häufig von Reiſenden ihrer Ausſicht wegen beſucht wird lich ſelbſt ziehe dieſe derjenigen vom Heßberge vor). Die Höhe des Berges dürfte der des Heßberges wohl gleichkommen, doch iſt fie noch in keinem Buche angegeben. — Weſtlich von hier verändert ſich nun das geognoſtiſche Verhältniß dieſer Gegend bedeutend, ſo daß, während um Goldberg herum Quaderſandſtein, Thonſchiefer und Baſalte auftreten, hier ein eigenthümliches Lager eines Kalkſteins gefunden wird, welches in älteren Büchern „Mergelkalkſtein“, in neueren direkt „Zechſtein“ genannt wird. Die vielen Kalkbrüche von Haſel bieten denſelben von rauchgrauer Farbe und feinem Korne dar, und liefern noch außer—⸗ dem manches Intereſſante, z. B. ſchöne Bergkryſtalldruſen, wovon die der letzteren Sammlung ſchön himmel- und lavendelblau, auch mitunter von Kupferſpangrün grün gefärbt, desgleichen auch Kryſtalle in Rhomboedern, und abgekürzten rhomboedriſchen Säulen. Der letzte Haſeler Kalkbruch enthält noch außerdem Sthlolithen, de⸗ ren ich mehrere ganz mit den Rüdersdorfern übereinſtimmend gefunden habe. Der Kalkſtein iſt mitunter von ſo feinem Korne, daß er ſich, wenn er nur in größeren Platten bräche, zur Lithographie könnte verwenden laſſen. In dieſem Kalkſteinlager in Haſel, welches ſchon bei Prausnitz aufhört, kommen auch mitunter ſchöne Kupferlaſuren vor, wie denn auch bei Prausnitz im vorigen Jahrhunderte ein Bergwerk geweſen iſt. Im Mundloche des einen Schachtes, welcher aber im Thonſchiefer liegt, fand ich Eiſenglanz und Eiſenglimmer. — In der Mitte des Dorfes Haſel liegt ein Lager von buntem Sandſteine, identiſch mit dem von Neukirch bei Goldberg. Die Haſeler Sandſteine werden nicht nur in der ganzen Gegend als Bauſteine verbraucht, ſondern auch vielfach zu Schleifſteinen verarbeitet, wovon alljährlich große Quantitäten nach Stettin geſendet werden. Der bunte Sandſtein iſt ſchmutzig roſaroth, manchmal in ſchönen parallelen Streifen von roſa und braun ge⸗ zeichnet; mitunter kommen auch Muſcheln vor, doch habe ich noch keine finden können.“ „In dieſe hier beſchriebene Formation gehört nun auch der Willmannsdorfer Berg, welcher geognoſtiſch Biere darbietet. Das Dorf Willmannsdorf felbft, dicht unter der Kuppe gelegen (das höchſte Dorf der ganzen Gegend), liegt im Thonſchiefer, der mitunter ſo grün vorkommt, wie derjenige von der Bolkoburg. — Die zwei Kuppen des Berges beſtehen aus Baſalt; an der Nordoſtſeite erſcheint er auch in ſchiefſtehenden Säulen. Dieſer Baſalt iſt hier durch den Zechſtein durchgedrungen, welcher letztere als ein dunkel oranger oder braungelber Kalkſtein erſcheint, welcher aber mehr zum Düngen als zum Bauen gebraucht wird, und in ſeinem ganzen Anſehen von dem dicht unter ihm in Haſel vorkommenden Kalkſtein ſehr verſchieden iſt. Mehr Aehnlichkeit hat er mit dem Kalk im Dorfe Gröditz am Gröditzberge. An der Nordſeite unter der Kuppe des 59 Berges iſt wieder bunter Sandſtein, und werden dort viel Schleiffteine verfertigt. — An der Südweſtſeite dicht unter der Kuppe des Berges ſind zwei Brüche im Kalkſteine, wovon der mehr nach Oſten, dem Helmrich gehörige, in Form eines Halbzirkels, nicht eingeſtürzt iſt, ſondern ſich mehr abgelöſt hat, und keinesweges neue Gegenſtände aus den unteren Schichten heraufgebracht hat, wie zuerſt erzählt wurde. Sämmtliche von dem Halbzirkel eingeſchloſſene terraſſenartig bis zur Straße liegende Subſtanzen ſind faſt zur Hälfte durch den Ra— ſen der Wieſe bedeckt; zwiſchen den unzähligen Spalten und Riſſen dieſes Erdſturzes ſehen noch an einigen Stellen große Bruchſtücke des Kalkſteinbruches hervor, dazwiſchen Baſaltſtücke, kleine Antheile bunten Sand— ſteins, und eine ſchwarze lettige Maſſe (faſt wie erweichter Baſalt), welcher Letten wohl auch die Urſache der ganzen Kataſtrophe geweſen iſt, da nach Art der Schweizer Bergrutſche die ganze Parthie nicht bloß geſtürzt, wie eine umfallende Wand, ſondern auf einer ſchiefen Unterlage mehr geſchoben iſt, wo denn die Wieſe von Helmrich's Nachbar theilweiſe nachfolgen mußte. Aus dieſem Grunde wurde auch die Straße 20 Schritte nach Nordweſt geſchoben, nebſt Kalkhaus und Kalkofen, und aus demſelben Grunde haben ſich zwei ovale kleine, etwa 15 bis 20 Schritte lange Hügel gebildet, welche, wenn der Druck noch größer ge— weſen wäre, wahrſcheinlich mitten von einander geborſten wären. Unter dem Grus des Erdſturzes befindet ſich auch eine Menge eines brauneiſenſteinartigen knollenförmigen Erzes, oft von 20 Zoll Durchmeſſer, nur ſchwarzblau, während die andern Brauneiſenſteine, welche ich in den Haſeler Brüchen fand, mehr dunkelbraun und ockrig ausſahen.“ „Die Mineralien ſelbſt glaubte ich Ihnen nicht erſt überſenden zu dürfen, da fie durchaus keine Selten- heiten enthalten, und die ganze Begebenheit auf nichts Vulkaniſches ſchließen läßt. Erdſtöße wurden nicht be— merkt; der Barometer ſtand in dieſer Nacht zwar tief, doch wohl nicht bedeutend, 27 Z. 4 L.“ „Hier werden nun wohl das lang anhaltende Regenwetter dieſes Herbſtes und die Lettenſchichten des Berges die Haupturſachen geweſen ſein.“ Petrefaktenkunde. Als ich im September 1846 Herrn Herrmann v. Meyer in Frankfurt a. M. beſuchte, äußerte er den Wunſch, die in unſerem oberſchleſiſchen Muſchelkalke enthaltenen Verſteinerungen kennen zu lernen, die Herr Ober-Hütten-Inſpektor Mentzel in ausgezeichnet ſchönen Stücken mit Sachkenntniß und vieljährigem darauf verwendeten Fleiße geſammelt hat. Herr Mentzel bot hierzu bereitwillig die Hand, indem er eine Sammlung Herrn v. Meyer überſandte, der ſich in die Bearbeitung derſelben mit Herrn Dr. Dunker in Kaſſel theilte. Nachſtehend liefert Herr Mentzel eine Einleitung zu dieſen Arbeiten, worauf die Abhandlung des Herrn v. Meyer folgt. Einleitung zu der vom Herrn H. von Meyer gelieferten Ueberſicht der im Mluſchelkalk Oberſchleſiens vorkommenden Saurier, Fiſche, Cruſtaceen und Schinodermen, vom 8 Herrn Ober⸗ Hütten ⸗Inſpektor Mentzel zu Königshütte. * Die Muſchelkalk⸗Formation Oberſchleſiens, fo berühmt durch ihren großen Reichthum an metallifchen Foſſilien, namentlich Eiſenerz, Gallmei und Bleiglanz, auf welche ein ſehr ausgedehnter und wichtiger Bergbau betrieben wied, gewährt wegen der Eigenthümlichkeit ihrer Lagerungsverhältniſſe auch dem Geognoſten großes Intereſſe. Wir beſitzen viele treffliche Abhandlungen über dieſen Gegenſtand, von denen v. Carnall's Ent wurf eines geognoſtiſchen Bildes von Oberſchleſien (in deſſen Kalender für den oberſchleſiſchen Bergmann, Jahrgang 1844) als beſonders gründlich und umfaſſend hervorzuheben iſt. Auf dieſe Abhandlung verwei⸗ 8 * 60 fend, beſchränke ich mich hier nur auf einige Bemerkungen über jenes Gebilde, ſoweit fie mir zum Verſtändniß und zur Würdigung der nachſtehenden Abhandlung über die Petrefakten des oberſchleſiſchen Muſchelkalks erfor derlich ſchienen. Die Zahl der Glieder, welche dieſe Formation zuſammenſetzt, iſt hier viel geringer, als an irgend einem der andern Punkte, wo ſich dieſelbe findet. Man kennt hier bis jetzt nur eine obere und eine untere Kalk ſteinſchicht, zwiſchen welche ſich an einigen Punkten mächtige Dolomitmaſſen einſchieben. Letztere ſcheinen ſich in muldenförmigen Vertiefungen der untern Kalkſteinſchicht (dem Sohlenſtein) abgeſetzt zu haben und ſind die Träger der oben erwähnten metalliſchen Foſſilien, welche meiſt nur an den Rändern des Dolomits auftreten und theils ſtockförmig, theils flötzartig darin abgelagert ſind. Während der Dolomit eine Schichtenlage zeigt, die der Oberfläche ſeiner oft unebenen wellenförmigen Unterlage entſpricht, beſitzt letztere eine von jener des Dolomits abweichende, meiſt horizontale Schichtung. Dagegen iſt die den Dolomit bedeckende Kalkſtein ſchicht mit dieſem gleichförmig gelagert, wonach der Sohlenſtein als ſelbſtſtändiges älteres Glied, der Dolomit und die ihn bedeckende obere Kalkſteinſchicht aber als zuſammengehöriges jüngeres Glied der Formation zu betrachten fein dürfte. Da, wo der Dolomit fehlt, konnte bisher das relative Alter der Schichten nicht mit Beſtimmtheit feſtgeſtellt werden, da kein Zuſammenhang mit denjenigen Schichten, deren Alter feſtſteht, ftattfindet, der per trographiſche Charakter der Geſteine nicht geeignet iſt, um mit Sicherheit Altersverſchiedenheiten daraus nach— weiſen zu können, und eines der wichtigſten Hülfsmittel zur Altersbeſtimmung der Schichten, nämlich die darin eingeſchloſſenen Petrefakten, bisher noch viel zu wenig bekannt waren, um ſie zu dieſem Zwecke benutzen zu können. Die Vernachläßigung dieſes Hülfsmittels iſt um ſo mehr zu bedauern, da die zur Muſchelkalk⸗ Formation Oberſchleſiens gehörigen Gebilde, mit Ausnahme des Dolomits, der nur wenige Verſteinerungen enthält, einen ſehr großen Reichthum von organiſchen Reſten, nicht blos an Individuen, ſondern auch an Formen, in ſich ſchließen. Um die Vortheile, die eine nähere Kenntniß derſelben erwarten läßt, nicht länger entbehren zu dürfen, legte ich ſchon vor geraumer Zeit eine Sammlung derſelben an, und gewann die Ueber- zeugung, daß das Studium der Petrefakten nicht nur der genauern Beſtimmung der hieſigen Formationsglie⸗ der ſehr förderlich ſein, ſondern auch die Kenntniß der Verſteinerungen des Muſchelkalks überhaupt weſentlich vermehren und das Mittel zu lehrreichen Vergleichungen mit den Gliedern dieſer Formation in andern Gegen⸗ den darbieten würde. Zur ſchnelleren Erreichung dieſer Zwecke hat nun einer der tüchtigſten Petrefaktologen Deutſchlands, Herrmann v. Meyer in Frankfurt a. M., die Hand geboten, und ſich der Unterſuchung der in der oberſchleſiſchen Muſchelkalk-Formation vorkommenden Saurier, Fiſche, Cruſtaceen und Echinoder⸗ men unterzogen, auch einen andern bewährten Naturforſcher, Dr. Dunker in Kaffel, vermocht, die Beſtim— mung der dieſer Formation angehörigen Conchylien zu übernehmen. Bis jetzt iſt erſt die Unterſuchung derje⸗ nigen Gegenſtände beendigt, mit denen ſich Herr v. Meyer ſelbſt beſchäftigt hat und das Reſultat derſelben in nachſtehender Abhandlung niederlegt, die derſelbe der ſchleſiſchen Geſellſchaft für vaterländiſche Kultur freund— lichſt zur Benutzung überlaſſen hat. Dieſe Abhandlung beſtätigt den Reichthum und die Wichtigkeit der Verſteinerungen des ſchleſiſchen Mu— ſchelkalks, durch welche die bisher ſo arme Fauna dieſer Formation einen erheblichen Zuwachs erhält, deſſen nähere Kenntniß der Wiſſenſchaft mehrſeitig fördern und manchen wichtigen Aufſchluß herbeiführen wird. Als ein Moment hierzu glaube ich vorläufig ſchon die Aehnlichkeit andeuten zu dürfen, welche einige der im ſchle— ſiſchen Muſchelkalk aufgefundenen Thierformen mit ſolchen Formen beſitzen, die in dem räthſelhaften Gebilde von St. Caſſian in Tyrol vorkommen. Dieſe Aehnlichkeit beſchränkt ſich nicht blos auf die in nachſtehender Abhandlung bezeichneten Gegenſtände, ſondern iſt auch ſchon vor einiger Zeit durch Leopold v. Buch bei einigen von ihm beſtimmten Schalthierreſten aus dem oberſchleſiſchen Muſchelkalk erkannt worden. Nach den Unterſuchungen des Herrn v. Meyer iſt es in hohem Grade wahrſcheinlich geworden, daß beinah die ſämmtlichen, zu dieſer Formation gehörigen Kalkſteinſchichten, welche an Punkten auftreten, wo der Dolomit fehlt, den jüngern Gliedern des Gebildes beigezählt werden müſſen, indem die organiſchen Einſchlüſſe 61 dieſer Schichten mit denen am meiſten übereinftimmen, welche die auf dem Dolomit abgelagerten Schichten enthalten. Bisher wurden jene — entfernt vom Dolomit auftretenden — Schichten, namentlich die von Chorzow und Lagiewnik, irrthümlich dem Sohlenſtein zugezählt, da ihre unmittelbare Auflagerung auf den Ge— bilden der Steinkohlen-Formation oder dem bunten Sandſtein jene Annahme zu rechtfertigen ſchien. Die Unterſuchung der Schalthierreſte wird über die Altersfolge der in Rede ſtehenden Geſteinsſchichten noch weitern Aufſchluß geben und dieſelbe hoffentlich definitiv feftftellen. Bis jetzt ſind die verſteinerungsführenden Schichten der oberſchleſiſchen Muſchelkalk-Formation erſt an wenigen Punkten erforſcht. Eine vollſtändigere Unterſuchung läßt noch zahlreiche Entdeckungen neuer Thier⸗ 4 formen erwarten. Wie wichtig es aber iſt, eine umfaſſendere Kenntniß der organiſchen Einſchlüſſe dieſer For— mation zu beſitzen, bedarf nach den obigen Andeutungen keines weiteren Beweiſes. Es bleibt daher nur zu wünſchen, daß das Intereſſe für dieſen Gegenſtand bald reger werden und die Zahl der Sammler ſich meh— ren möge. Vorläufige Ueberſicht der in dem Muſchelkalk Oberſchleſtens vorkommenden Saurier, Liſche, Cruſtaceen und Schinodermen, nach der Sammlung des Herrn Ober-Hütten-Inſpektors Mentzel in Königshütte, von Herrmann von Meyer. Saurier. Unter den Ueberreſten von Sauriern aus dem oberſchleſiſchen Muſchelkalk habe ich eben ſo wenig, als im Muſchelkalk von Baireuth, Spuren von Labyrinthodonten finden können. Die Saurierreſte aus dieſem Muſchelkalk beſtehen bis jetzt nur in vereinzelten Theilen, in Wirbelkörpern, Wirbelbogen, ſeltener in vollſtän— digen Wirbeln, in Rücken- und Bauchrippen, Schulterblättern, Hakenſchlüſſelbeinen, Beckenknochen, Dberarmz und andern Gliedmaßenknochen und in einer geringen Anzahl von Zähnen; Fragmente von Kiefern oder Schä— deln waren darunter nicht vorhanden. Oberſchleſien liefert Ueberreſte von den kleinſten Sauriern, die ich aus dem Muſchelkalk überhaupt kenne, und die daher noch kleiner find, als in derſelben Formation bei Jena; die größten übertreffen noch den Nothosaurus mirabilis an Größe. Bei dieſer Verſchiedenheit in Größe ſcheint im Bau aller dieſer Thiere der Typus vorgeherrſcht zu haben, der die von mir unter den Macrotrachelen begriffene Saurierfamilie auszeichnet. Schwerer iſt es, nach den vereinzelten Stücken, wie ſie jetzt vorliegen, ſichere Angabe über die Species zu machen, von denen fie herrühren. Von Chorzow, Rybna und Alt-Tar⸗ nowitz liegen Zähne vor, aber nur in fo geringer Anzahl, daß fie kaum geeignet find, über die Species Auf ſchluß zu geben. Sie erinnern an Nothosaurus bis auf einen glatten Zahn von Rybna, der den Zähnen des Pistosaurus ähnlich iſt. Von Simosaurus traf ich keine Zähne an; es fehlt dieſes Genus auch dem Muſchelkalk von Baireuth. Unter den Zähnen, welche Nothosaurus ähnlich ſehen, befindet ſich einer, der für Nothosaurus mirabilis etwas zu groß wäre und daher eine andere Species andeuten könnte. Am häufigſten fanden ſich Wirbel, meiſt der Körper derſelben, öfter auch der obere Bogen; bei den meiſten Wirbeln waren Körper und Bogen nicht mit einander verſchmolzen; ſelten aber findet man dieſe beiden Theile noch mit einander vereinigt. Mehrere Wirbel beſitzen auffallende Aehnlichkeit mit Nothosaurus mira- bilis; es finden ſich aber auch, namentlich zu Alt-Tarnowitz, Wirbel mit hochovalen Gelenkflächen, bei denen Körper und Bogen feſter vereinigt ſich darſtellen, und die an jene Wirbel erinnern, welche ich aus dem Bai- reuther Muſchelkalk dem Pistosaurus beilegen möchte. Dieſe werden in Größe noch von Wirbeln mit run⸗ derer Gelenkfläche übertroffen; andere, welche nicht ganz ſo groß ſind, zeichnen ſich durch ſtark aufgeworfenen 62 Gelenkflächenrand und mehr ſchräg ſtehende Gelenkflächen aus; keiner aber unter allen dieſen Wirbeln beſitzt konvexe Gelenkflächen. Die kleinſten Wirbel liefert Lagiewnik in ziemlicher Anzahl. Auch dieſe rühren offen⸗ bar von verſchiedenen Sauriern her; bei den meiſten derſelben waren Körper und Bogen leicht trennbare Theile; an andern beſtand keine natürliche Trennung zwiſchen dieſen beiden Theilen. Der kleinſte Wirbel ift nur 0,002 Meter lang, der größte, den ich aus dem ſchleſiſchen Muſchelkalk kenne, mißt 0,0425 Länge. Auch fand ſich bei Lariſchhof ein Bruchſtück von jenen merkwürdigen Wirbeln, welche ſich durch überraſchende Länge und flache Geſtalt auszeichnen und vollſtändig aus dem Muſchelkalk von Baireuth vorliegen. Wie die Wirbel, ſo ſtellen ſich auch die Rücken- und Bauchrippen in verſchiedener Größe dar. Die Rückenrippen find alle einköpfig, die kleinen ſind dabei ſehr ſtumpf und erinnern an Rippen von Jena, wo auch kleine Wirbel, denen aus Oberſchleſien ähnlich, vorkommen. Von dieſen kleinſten Sauriern glaube ich in der Nähe ihrer Wirbel einige Zähnchen erkannt zu haben, welche in Form und Streifung denen in Nothosaurus ähnlich, aber viel kleiner und etwas ſchlanker waren. Von den Schulterblättern der größern Saurier fand ich keine Ueberreſte vor, wohl aber lieferten Chorzow und Lagiewnik vollſtändige oder doch faſt vollſtändige Schulterblätter von kleinen Sauriern, woraus man auf 5 bis 6 Species dieſer kleinen Thiere ſchließen möchte. Keines davon ſtimmt mit den bei Jena gefundenen Schulterblättern vollkommen überein. Die Hakenſchlüſſelbeine zeigen verſchiedene Größe; das größte, bei Alt-Tarnowitz gefunden, kommt auf die kleineren von Nothosaurus mirabilis heraus; zwei andere von Chorzow waren nur halb ſo groß, und hierzu kommen nun noch die Hakenſchlüſſelbeine von wenigſtens drei allmälig kieinern Species, ſämmtlich von Chorzow. Der kleinſte Knochen der Art verhält ſich zum größten wie 1: 10, wobei der größte noch nicht vom größten Saurus herrührt, der ſonſt in dieſem Muſchelkalk nachgewieſen iſt; der kleinſte Knochen der Art iſt noch kleiner als der kleinſte von Jeng und weicht auch in Geſtalt von dieſem ab, wie überhaupt kein Ha⸗ kenſchlüſſelbein von Jena mit denen Oberſchleſiens übereinſtimmt. Von demſelben Thiere, welches das kleinſte Hakenſchlüſſelbein geliefert hat, fanden ſich zu Lagiewnik zwei verſchiedene Knochen aus dem Becken vor. Die eine Art dieſer Beckenknochen lieferte auch Chorzow, und zwar von drei verſchiedenen Species, unter denen die eine mit der von Lagiewnik übereinſtimmen wird, eine andere, nach dieſem Knochen zu urtheilen, noch einmal fo groß war, und die dritte ſich zur erſten wie 5: 1 verhielt. Dieſe Verſchiedenheit in Größe iſt mit Abweichungen in Form verbunden. Was zu Jena vom Becken gefun⸗ den wurde, ſtimmt damit nicht überein. Die Ueberreſte vom Oberarm gehören ſieben Saurierſpecies an. Der kleinſte Knochen der Art mißt vollſtändig nur 0,0125 Länge, vom größten bei Lariſchhof gefundenen, iſt nur etwas weniger als die obere Hälfte überliefert, und die Breite in dieſer Gegend verhält ſich zwiſchen beiden Knochen wie 1:15; noch auffallender aber dürfte das Längenverhältniß dieſer beiden Knochen ſein. Die kleinen Oberarmknochen rühren von Chorzow und Lagiewnik her. Die übrigen Gliedmaßenknochen ſind unbedeutend. 5 Aus dieſen Andeutungen ergiebt ſich, daß die im Muſchelkalk Oberſchleſiens gefundenen Saurierreſte we⸗ nigſtens 7 verſchiedenen Species angehören, die nach der Beſchaffenheit der hinterlaſſenen Knochen in die Familie der Macrotrachelen zu bringen finds daß darunter wahrſcheinlich Nothosaurus mirabilis und Pisto- saurus vorkommen und mehrere dieſer Saurier ſich durch auffallende Kleinheit auszeichnen; daß Chorzow und Lagiewnik die kleinſten Species liefert, welche von Sauriern aus dem Muſchelkalk überhaupt bekannt find; daß dieſe kleinen Species wenigſtens zum Theil verſchieden find von den im Muſchelkalk bei Jena gez fundenen, und die Familie der Macrotrachelen aus Formen von auffallender Größenverſchiedenheit be⸗ ſteht. Es bleibt nun übrig, die einzelnen Species noch genauer zu entwickeln und ſie mit denen zu verglei⸗ chen, welche anderwärts gefunden wurden; erſtere Arbeit würde durch Auffindung charakteriſtiſcher Skelettheile weſentlich gefördert werden, und in Betreff letzterer läßt ſich jetzt ſchon nicht verkennen, daß der Sauriergehalt 63 des Muſchelkalks in Oberſchleſien mit andern Lokalitäten nicht vollkommen übereinſtimmt, vielmehr Eigenthüm: lichkeiten beſitzt. Unter den Koprolithen laſſen ſich ebenfalls mehrere Arten unterſcheiden. Ein Koprolith von ſehr feiner Maſſe umſchließt einen unverdauten kleinen Saurierwirbel, ein anderer Koprolith von ſchmalerer Form un- verdaute Fiſchſchuppen. FKiſche. Die im Muſchelkalk von Oberſchleſien vorkommenden Fiſchreſte beſtehen in Floſſenſtacheln, Zähnen, Kie— ferfragmenten, Schuppen und Wirbeln; von letzteren wurden nur wenige gefunden. Unter den Ichthyodoru— lithen erkannte ich Hybodus major Ag., welcher ſich zu Rybna und Lariſchhof fand, fo wie H. tenuis Ag. von Chorzow und Alt-Tarnowitz. Die Ichthyodorulithen aus dem Muſchelkalk find überhaupt nur unvoll- kommen bekannt. Was darüber Agaſſiz in feinen Poissons fossiles giebt, iſt größtentheils nur aus den ihm mitgetheilten Zeichnungen geſchöpft. Er trennt die Floſſenſtacheln ohne Zähne auf dem Hinterrand unter der Benennung Leiacanthus von den Stacheln, deren Hinterrand mit Zähnen bewaffnet iſt und die er unter Hybodus begreift. Von Leiacanthus werden überhaupt nur zwei Species aus der Trias angenommen, L. falcatus, dem Muſchelkalk von Lüneville und Baireuth zuſtehend, und eine andere, von ihm noch nicht näher dargelegte Art. Der oberſchleſiſche Muſchelkalk bot mir zwei Floſſenſtacheln dar, woran der Hinterrand, fo weit er entblößt iſt, keine Zähne wahrnehmen läßt. Der eine dieſer Stacheln, zu Opatowitz gefunden, ges hört einer Species an, deren Stachel jenen in Größe übertrifft, welchen Agaſſiz unter Hybodus major be⸗ greift. Der Species legte ich den Namen Leiacanthus (Hybodus) Opatowitzanus bei. Der andere dieſer Stacheln, nicht viel kleiner, als in Hybodus major, wurde zu Alt-Tarnowitz gefunden, und rührt ebenfalls von einer eigenen Species her, welche ich unter Leiacanthus (Hybodus) Tarnowitzanus begreife. Aus den Zähnen des Hybodonten-Genus Hybodus laſſen ſich fünf für den Muſchelkalk bereits nach⸗ weiſen und eine neue Species erkennen. Hybodus plicatilis wird ſchon von Agaſſiz aus dem Muſchelkalk von Tarnowitz angeführt; ich unterſuchte deren Zähne, welche ſich zu Rybna und Lariſchhof fanden, und zwar mit H. Mougeoti Ag.; erſtere Species kommt auch zu Alt-Tarnowitz vor, und bei Rybna fand ſich noch ein Zahn, der mehr zu H. angustus Ag. paffen würde. Opatowitz lieferte Zähne, welche H. longicornis Ag. gleichen, und Rybna Zähne, welche denen der noch ſchwankenden Species H. obliquus entſprechen. Alt-Tar⸗ nowitz bot nun noch einen Zahn dar, der eine Species verräth, die an die äußerſte Gränze des Genus zu verlegen iſt, und von mir unter II. simplex begriffen wird. Am meiſten Aehnlichkeit beſitzt damit H. medius aus dem Lias von Lyme- Regis, der jedoch aller Verwechſelung entgeht. Von Ceſtracionten machen ſich die Genera Strophodus und Acrodus bemerkbar. Von Strophodus beſchreibt Agaſſiz aus der Trias zwei Species, St. angustissimus aus dem Muſchelkalk Würtembergs und von Lüneville, und St. elytra aus dem Muſchelkalk von Lüneville und dem bunten Sandſtein von Zweibrücken. Von dieſen beiden Species liegen nur wenige Zähne vor, deren Abweichungen der Art ſind, daß man glauben ſollte, fie gehörten nur einer Species an, für die alsdann erſtere Benennung beibehalten werden könnte; und es ſcheint wirklich, wie ſchon Agaſſiz vermuthet, daß dieſe Zähne einem von Strophodus verſchiedenen Genus angehören, deſſen Trennung aber wohl erſt vorzunehmen fein dürfte, wenn beſſere Reſte vorliegen; Stropho- dus würde alsdann aus der Trias ganz verwieſen und erſt im Jura auftreten. Die Ueberreſte dieſes Genus aus dem Muſchelkalk Oberſchleſiens beſchränken ſich auch nur auf ein Paar zu Chorzow gefundene Zähne, welche ich daher vorläufig noch unter der Benennung St. angustissimus begreife. — Vom Genus Acrodus laſſen ſich nach den Zähnen vier Species unterſcheiden, von denen drei bereits Agaſſiz aufſtellt und die vierte neu iſt. Acrodus Brauni Ag., aus dem bunten Sandſtein Zweibrückens bekannt, findet ſich im Muſchelkalk zu Rybna, fo wie in Böhm's Steinbruch bei Tarnowitz; A. acutus Ag., im Keuper von Tübingen und auch im Muſchelkalk gefunden, würde zu Rybna vorkommen; A. Gaillardoti Ag., eine Species des Mu⸗ 64 ſchelkalks und Keupers, findet ſich zu Rybna und Alt-Tarnowitz, und A. immarginatus, wie ich die neue Species benenne, zu Lariſchhof. Letztere Species würde mehr als andere Acrodus zu Hybodus überſpielen und dem Acrodus leiopleurus Ag. aus dem Großoolith am ähnlichſten fein, von dem fie aber gleichwohl verſchieden iſt. Von Sauroiden finde ich nur zwei Species des Genus Saurichthys vor, nämlich S. apicalis Ag., durch eine Unterkieferhälfte von Lagiewnik überliefert, welche der von Münſter aus dem Muſchelkalk von Bai⸗ reuth bekannt gemachten ganz ähnlich iſt, und 8. Mougeoti Ag., die zu Lariſchhof, hauptſächlich aber zu Rybna vorkommt; und es ſcheint wirklich, daß S. acuminatus Ag., fo wie S. costatus und S. semi-cos- tatus Münster, wie Agaſſiz vermuthet, nur Varietäten von S. Mougeoti darſtellen. Von Pyenodonten liegt das auf die Trias beſchränkte Genus Placodus, fo wie Pyenodus vor. Pla- codus, wovon der Muſchelkalk von Baireuth ſo vollſtändige Schädel geliefert hat, iſt aus Oberſchleſien nur durch vereinzelte Zähne bekannt. Einer von den großen pflaſterſteinförmigen Zähnen dieſer Species fand ſich zu Alt⸗Tarnowitz. Die Beſchaffenheit feiner Oberfläche erinnert am meiſten an P. impressus Ag. aus dem bunten Sandſtein von Zweibrücken; für letztere Species aber würde der Zahn zu groß ſein, ſo daß es möglich wäre, daß er von einer eigenen Species herrührte, die indeß noch der Beſtätigung bedarf. Ein Bruchſtück von einem großen, zu Rybna gefundenen Placodus-Zahn unterſcheidet ſich durch ſeine vollkommen glatte Ober⸗ fläche vom vorigen, und würde eine davon verſchiedene Species andeuten. Von Lariſchhof iſt das Genus durch einen Schneidezahn bekannt, der eher zu Placodus gigas paſſen würde, was auch von einem zu Opa⸗ towitz gefundenen Schneidezahne gilt. Die Pyenodus- artigen Zähne rühren eigentlich nur von Rybna her und gehören zweien Species an, von denen ich die häufiger ſich darſtellende P. triasicus, die andere P. splen- dens nenne. Münſter (Beitr. I. S. 121. t. 15. f. 3. 4.) hält zwei Zähne aus dem Muſchelkalk von Bai⸗ reuth für vordere Seitenzähne des Placodus rostratus, von denen wenigſtens der eine (k. 3.) zu P. triasicus gehören dürfte. Ich habe nun der Zahnbewaffnung von Fiſchen zu erwähnen, die ich für völlig neu halte, ohne daß ich es wagen möchte, jetzt ſchon ihre Stellung im Syſtem anzugeben. Von einem dieſer Genera haben ſich zu Chorzow Vomera gefunden, welche mit Zähnen beſetzt find, deren Beſchaffenheit an Sphaerodus erinnert. Aber ſchon daraus, daß die Zähne von Sphaerodus nicht aufſitzend, ſondern immer nur vereinzelt gefunden werden, läßt ſich vermuthen, daß die im Muſchelkalk Oberſchleſiens gefundenen Vomera dieſem Genus nicht angehören. Nur von Sphaerodus pygmaeus Münster aus dem Tertiärgebilde von Nußdorf liegt ein für den Gaumen gehaltener, mit Zähnen beſetzter Knochen vor, von dem jedoch noch nicht ermittelt iſt, ob er wirklich zum Genus Sphaerodus gehört; jedenfalls aber ſind die Fiſche, von denen die Vomera aus dem Muſchelkalk Oberſchleſiens herrühren, hiervon generiſch verſchieden. Die Zähne, nicht größer als ein Steckna⸗ delknopf, erinnern an Lepidotus parvulus Münst. ; die Form der Vomera würde aber zu Lepidotus nicht gut paffen, noch weniger zum kurzen Kopf der bekannten Pyenodonten. Ich glaube daher, daß dieſe bewaff⸗ neten Knochen von einem eigenen Genus herrühren, das ich Cenchrodus nenne, von dem ſich zwei Species unterſcheiden laſſen, Cenchrodus Göpperti und C. Ottoi. In der Trias werden zwei Species von Sphae- rodus angenommen, Sp. annularis Ag. und Sp. minimus Ag. Bei Prüfung der darüber beſtehenden Anz gaben habe ich mich überzeugt, daß dieſe Ueberreſte mit Cenchrodus nichts gemein haben, zugleich aber iſt es mir zweifelhaft geworden, ob das Genus Sphaerodus wirklich die Trias beherbergt. Die Species eines andern eigenthümlichen Genus, welche ich Opophalodus Chorzowensis nenne, gab ſich durch eine zu Chorzow gefundene Reihe von ſieben Zähnen, welche noch auf der Knochenplatte vereinigt waren, zu erkennen; der Scheitel der etwas gedrückt bohnenförmigen Zahnkrone ſtellt eine kurze, nabelförmige, aufſitzende Spitze dar. Wiederum ganz verſchieden ſind drei noch im Kieferknochen vereinigte Zähne, die ebenfalls zu Chorzow gefunden wurden. Die Spitze der koniſchen, ſtark geſtreiften Zähne gehört eigentlich nur der äußern Hälfte 65 der Zahnkrone an, während die innere Hälfte wie ausgeſchnitten und dabei napfförmig vertieft erſcheint. Ich hielt daher die Benennung Hemilopas paffend; die Species begreife ich unter H. Mentzeli. Die Zähne erinnern am meiſten an meinen Charitodon Tschudii aus dem Muſchelkalk anderer Orte, der indeß generiſch davon getrennt zu halten iſt. Ein zu Chorzow gefundenes Kieferfragment von einem kleinen Thiere, fo wie ein vereinzelter Zahn, deuten an, daß der Muſchelkalk Oberſchleſiens noch andere Fiſche beherbergt, zu deren Entzifferung es noch nicht an der Zeit iſt. Der Muſchelkalk von Opatowitz, Alt-Tarnowitz, Rybna, Lagiewnik, Lariſchhof und Chorzow liefert auch eine Anzahl vereinzelter Schuppen, deren Beſtimmung Schwierigkeiten unterliegt. Mehrere derſelben ſtimmen mit denen überein, wonach Agaſſiz Lepidoiden, namentlich einige Species der Genera Palaeoniscus, Amblypte- rus, beſonders aber Gyrolepis annimmt; es zeichnen ſich aber auch darunter Schuppen durch eine gewiſſe Anzahl ſtarker Wülſte auf ihrer Oberfläche aus, die noch nicht bekannt zu ſein ſcheinen und in Oberſchleſien bis jetzt nur zu Chorzom gefunden wurden; eine Schuppe der Art rührt auch aus dem Muſchelkalk von Dombrowa im Königreich Polen her. Cruſtac een. Die in der Mentzel'ſchen Sammlung befindlichen Cruſtaceen ſind ſämmtlich langſchwänzige Decapoden, und rühren nur aus dem Muſchelkalk von Böhm's Steinbruch bei Tarnowitz her. Darunter iſt mein Pem- phix Sueurii am zahlreichſten; er ſtellt ſich in mittelgroßen und kleinern Exemplaren dar, und fein Auftreten iſt ein vollgültiger Beweis, daß das Gebilde Muſchelkalk, und daß die andern damit vorkommenden Krebſe dieſer Formation wirklich angehören, was man bei deren Verwandtſchaft zum Jurakrebſe Glyphea kaum ver⸗ muthet hätte. Genauere Vergleichung jedoch hat mich überzeugt, daß die übrigen Krebſe des oberſchleſiſchen Muſchelkalks keinen Anſpruch auf Glyphea machen dürfen. Dieſe ſeltenen, meiſt durch den Gephalothorar angedeuteten Reſte vertheilen ſich in drei mit einander und mit Glyphea verwandte Genera, deren eines be— reits zwei Species darbietet. Ich habe dieſen Krebſen die Namen Aphthartus ornatus, Brachygaster ser- rata, Lissocardia magna und Lissocardia Silesiaca beigelegt, von denen letzte ſich öfter vorfand. Wegen weiterer Darlegung dieſer Krebſe muß ich auf die demnächſt erſcheinende genauere Beſchreibung und Abbildung verweiſen. Ech in oder men. Erinoideen. Oberſchleſien beſtätigt auf erfreuliche Weiſe, daß der Muſchelkalk an Crinoideen reicher iſt, als man erwartet hatte. Das beſtändige Auffinden von Enerinus liliiformis ließ faſt an der Möglichkeit zweifeln, daß der Muſchelkalk noch andere Crinoideen außer dieſem darbieten werde; bis durch Goldfuß, Quenſtedt und Bronn Ueberreſte bekannt wurden, die man theils dem Genus Pentacrinus, theils andern Species des Genus Enerinus beilegte. Ich habe indeß nachgewieſen, daß letztere dem Genus Enerinus eben fo wenig angehören, als die pentagonalen Stielglieder nothwengig Pentacrinus fein müſſen, fo daß von erſterem Genus nur En- erinus liliiformis übrig blieb, zu dem ſich fpäter Enerinus gracilis L. v. Buch geſellte, den ich nunmehr durch die Mentzel'ſche Sammlung näher kennen lernte. Ich kann nun auch für dieſe, zu Chorzow gefundene Form anführen, daß fie nicht zu Enerinus gehört, vielmehr eher zu Apiocrinus hinneigt, wobei fie ein neues Genus von Sthylaſtriten eröffnet, das ich unter Dadocrinus begreife. Dieſer Dadocrinus gracilis iſt klein und beſitzt einen ſpitzbirnförmigen Kelch auf einem langen, glatten, dünnen, drehrunden, gegliederten Stiel. Enerinus hat die fogenannten Beckenglieder in der Unterſeite liegen, die daher außen nicht ſichtbar find; in Dadoerinus dagegen treten dieſe Glieder ganz in der Außenſeite auf, wie in Apiocrinus, bei dem aber ſämmt⸗ 9 66 liche, den Kelch zuſammenſetzende Täfelchen auffallend niedriger, die Rippenglieder beider Ordnungen und das Schulterglied nicht wie in Dadocrinus zu einem deutlicher entwickelten Täfelchen vereinigt, und die größte Stärke nicht ſowohl im Kelch wie in Dadocrinus, als in einer Anzahl, dem Kelche ſich unmittelbar anreihen- der Stielglieder liegt. Dabei ſcheint die Gliederung der Arme in Dadoerinus einfach und nicht der Art, daß darin Andeutung zur Trennung in zwei Finger, wie fie in Encrinus beſteht, geſucht werden könnte. Dado- erinus iſt daher offenbar nach einem eigenen Typus gebildet. Säulenfragmente, welche in Böhm's Steinbruche bei Tarnowitz und im Muſchelkalk bei Beuthen ge— funden wurden, fo wie Wurzelglieder von Chorzow, deuten Enerinus liliiformis an. Von dem Kelch dieſes anderwärts im Muſchelkalk ſo häufig ſich darſtellenden Geſchöpfs wird mir aus Schleſien nichts bekannt; wohl aber beſitzt die Mentzel'ſche Sammlung einen im Sohlengeſtein der Friedrichsgrube bei Tarnowitz gefundenen Kelch, mit der Aufſchrift: Enerinus liliiformis, durch den jetzt erſt eine zweite Species des Genus Enerinus ſich nachweiſen läßt, und es wird hierdurch auch zugleich die Trennung gerechtfertigt, welche ich mit den For— men vorgenommen, die man in das Genus verlegt hatte, wozu Enerinus liliiformis gehört. Dieſe zweite Species nannte ich Enerinus aculeatus wegen ihrer ſtachelichen Beſchaffenheit, die durch Erhebung der ein— zelnen Täfelchen und Glieder bedingt wird, wozu noch andere Abweichungen treten, welche nicht bezweifeln laſſen, daß dieſe Species von Enerinus liliiformis wirklich verschieden iſt. Zu Chorzow fanden ſich auch pentagonale Stielglieder von mehr als einer Species. Ein Glied der Art beſitzt die meiſte Aehnlichkeit mit Pentacrinus propinquus, den Münſter aus dem Gebilde von St. Caſſian aufſtellt; es bleibt aber nicht allein zweifelhaft, ob zwiſchen beiden wirklich Identität beſtehe, ſondern auch, ob dieſe pentagonalen Glieder wirklich dem Genus Pentacrinus angehören. Andere zahlreicher ſich darſtellende pentagonale Stielglieder von Chorzow kommen denen des Chelocrinus pentactinus am nächſten, find aber ſicherlich davon verſchieden; bis zur Auffindung des Kelches, der über das Genus näheren Aufſchluß geben wird, werden dieſe Stielglieder am beſten unter der Benennung Chelocrinus? acutangulus begriffen werden. Unter den Gegenſtänden aus Böhm's Steinbruche bei Tarnowitz erkannte ich noch eine neue Form von Stylaſtriten für den Muſchelkalk, welche ich Calathocrinus digitatus benannt habe. Es ſind daran die Gränzen der einzelnen Glieder und Täfelchen kaum zu verfolgen. Der Kelch dieſer eigenthümlichen Form be— ſteht aus fünf Paar Arme, welche, nach innen gekrümmt, mageren, gekrümmten Fingern gleichen, die mit kleinen Hübeln auf den Knöcheln verſehen waren. Von Tentakelen habe ich nichts wahrgenommen, auch fragt es ſich, ob die paarigen Arme auf Schultergliedern aufſitzen oder abwärts mit einander verſchmelzen, was bei dem Mangel an ſcharf begränzter Struktur nicht zu ermitteln war. Abwärts verliert der Kelch etwas an Stärke und geht in den im Vergleich zum Kelch auffallend ſtarken Stiel über, der unregelmäßig gerundet war, eine Gliederung nicht unterſcheiden läßt, am Bruch-Ende aber einen deutlichen Nahrungs-Kanal darbietet. 5 Bei Chorzow fanden ſich auch von den Verſteinerungen, welche Goldfuß für Knöpfe hält, aus denen durch weitere Anſchwellung und Spaltung das Becken und der ganze Kelch von Enerinus ſich entwickelt hätte. Dieſe Anſicht will mir nicht ganz zuſagen; vielmehr möchte ich dieſe Knöpfe für eine Art von Bil— dungshemmung, für blinde Knospen halten, aus denen nie ein Kelch geworden wäre. Echinideen. Es war bisher nur eine Species von Echinideen aus Muſchelkalk bekannt, Cidaris grandaeva Goldf., von denen ich Stacheln und Gehäustäfelchen aus Schwaben unterſucht habe. Der Muſchelkalk Oberſchleſiens bietet Stacheln zweier hiervon gänzlich verſchiedener Species dar, von denen ich die eine Cidaris subnodosa, die andere C. transversa nenne. Cidaris subnodosa, zu Chorzow gefunden, beſitzt ſtarke glatte Stacheln mit ſehr ſchwacher Andeutung zum Knotigen; von Cidaris transversa, welche aus der erſten Bank des über 67 Dolomit auftretenden Muſchelkalks des Mikulſchützer Steinbruchs herrührt, fand ſich eine Anzahl Stacheln, die an Cidaris baculifera Ag., noch mehr aber an C. spinulosa Klip. von St. Caſſian erinnern; ich habe mich jedoch durch Vergleichung mit den Klipſteiniſchen Original-Verſteinerungen überzeugt, daß ſelbſt letztere Species davon verſchieden iſt, fo daß eine Uebereinſtimmung mit den Cidaris-Arten des Gebildes von St. Caſſian nicht zugelaſſen werden kann. Von Rhyncholithen, welche eigentlich mit den Conchylien betrachtet werden ſollten, von mir aber auch unterſucht wurden, ſind im Ganzen unbedeutende Reſte gefunden. Zwei vollſtändigere Exemplare von Rybna kommen am meiſten auf Rhyncholithus hirundo heraus, und ein zu Lagiewnik gefundener Ueberreſt fcheint von Conchorrhynchus avirostris herzurühren. Nach den vorliegenden Unterſuchungen beſteht die Muſchelkalk-Formation in Oberſchleſien aus einem Sohlenkalkſtein, der von dem Dachkalkſtein oder ſogenannten Opatowitzer Kalkſtein durch Dolomit getrennt wird. So reich unter dieſen drei Formationsgliedern der Dolomit an Metallgehalt iſt, ſo arm ſtellt er ſich an Verſteinerungen dar, die ihm jedoch nicht ganz fehlen. Herr Mentzel fand ein Paar Species Conchylien, welche auch die andern Glieder des Muſchelkalks umſchließen, ſo wie Stiele von Crinoideen. Das Sohlenge— ſtein ſcheint nach dem, was darüber bekannt iſt, ärmer an Species zu ſein, als das Dachgeſtein. Von den Conchylien ſtimmen mehrere mit denen des Dachgeſteins überein, und wenn der Dolomit fehlt, ſo ſind die beiden ſonſt durch ihn getrennten Kalkſteine nicht von einander zu unterſcheiden. Es verdient Beachtung, daß die neue Species Enerinus aculeatus aus der Friedrichsgrube bei Tarnowitz dem Sohlengeſtein der Muſchel— kalk-Formation entnommen wurde; auch bemerkte Herr Mentzel, daß das Sohlengeſtein Reſte von Placodus geliefert habe, die ich jedoch nicht kenne. Alle übrige Verſteinerungen fanden ſich im Dachgeſtein, das an den verſchiedenen Orten hierin bemerkenswerthe Abweichungen darbietet. Die Rhincholithen von Rybna und Lagie— wnik ſind verſchieden. Die Echinodermen rühren her aus Böhm's Steinbruch, von Mikulſchütz aus der erſten Bank über dem Dolomit und von Chorzow. An letzterem Orte ſind ſie am häufigſten; dort fanden ſich Cidaris subnodosa, Dadocrinus gracilis, Chelocrinus? acutangulus, Pentaerinus propinquus? und, wie es ſcheint, Enerinus liliiformis, Das eigenthümliche, bei Mikulſchütz auf Dolomit ruhende Geſtein hat an Echinodermen nur Cidaris transversa geliefert, von Wirbelthieren bis jetzt gar nichts. Eigenthümlich iſt auch das gleichfalls auf Dolomit ruhende und daher dem Dachgeſtein beizuzählende Geſtein von Böhm's Stein bruch. Wirbelthierreſte ſollen darin kaum angedeutet ſein und unter den Conchilien die Cephalopoden gänzlich fehlen; es iſt dieß das Geſtein, welches den Calathocrinus digitatus lieferte, woraus Stielglieder herrühren, aus denen Enerinus liliiformis ſich vermuthen läßt und das bisher in Oberſchleſien allein ſich durch Krebſe auszeichnet. Die Wirbelthierreſte beherbergt alſo faſt ausſchließlich das Dachgeſtein, und es zeichnen ſich darin die Lokalitäten Chorzow, Rybna, Lariſchhof, Alt-Tarnowitz, Opatowitz und Lagiewnik aus. Von letzterem Orte habe ich an Fiſchen eigentlich nur Saurichthys apicalis unterſucht, eine Species, die, wie Herr Menßel mir bemerkt, auch zu Chorzow vorkommt. Rybna, Chorzow und Lariſchhof würden die meiſten Fiſche dar— bieten. Gewiſſe Species kommen an mehreren Orten zugleich vor, andere ſind nur von einem dieſer Orte bekannt; doch wäre es gewagt, aus den vorliegenden Angaben jetzt ſchon weitere Folgerungen über ihre Ver— theilung zu ziehen. Ceratodus iſt aus Oberſchleſien eben ſo wenig bekannt, als aus Franken, wofür dieſes Genus im Muſchelkalke Schwabens und bei Lüneville auftritt. Unter den 12 Genera Fiſche, welche ſich im Muſchelkalke Schleſiens mit Beſtimmtheit annehmen laſſen, fand ich drei neue, und unter den 25 Species, welchen dieſe Genera angehören, waren mir 10 oder 11 neue. Dafür ſind im Muſchelkalke Oberſchleſiens Fiſch⸗Species noch nicht aufgefunden, welche anderwärts in dieſer Formation vorkommen; es fehlen ihm aber die Fiſche nicht, welche für den Muſchelkalk bezeichnend erachtet werden. 9 * 68 Die Saurier kommen im Dachgeftein an denſelben Orten vor, welche Fiſche liefern. Chorzow und La— giewnik ſind daran am reichſten; es ſind dieß auch die Orte, wo ſich Reſte der kleinſten Saurier fanden, La— giewnik ſcheint daran beſonders reich zu ſein; bei Chorzow ſind auch mittelgroße Saurier angedeutet, wofür Alt-Tarnowitz nur Ueberreſte von großen Sauriern darbot; Rybna und Lariſchhof liefern ebenfalls größere Saurier. Als eine beſonders intereſſante Lokalität giebt ſich in Oberſchleſien Chorzow zu erkennen, namentlich durch den Reichthum an Echinodermen, durch den Reichthum an Fiſchen, worunter die drei neuen Fiſchgenera und die Fiſchſchuppen mit ſtarken Wülſten auffallen, und endlich durch den Reichthum und die Kleinheit ſeiner Saurier. Es iſt dieß das vorläufige Ergebniß, welches ich aus den Verſteinerungen ſchöpfte, die Herr Ober— Hütten-Inſpektor Mentzel zu Königshütte die Gefälligkeit hatte, mir zur Unterſuchung anzuvertrauen. Die ausführliche Darlegung der Saurierreſte wird in meinem Werke über die Saurier des Muſchelkalks u. ſ. w. erfolgen, die andern Thierreſte aus dem Muſchelkalk Oberſchleſiens in den nächſten Lieferungen der Palaeon- tographica, Beiträge zur Naturgeſchichte der Vorwelt, welche ich mit Herrn Dr. Dunker herausgebe. Der Sekretär der Sektion, Prof. Dr. Göppert, liefert folgende, in das Gebiet der Petrefaktenkunde gehörige Vorträge: . ; Den 12. Sanuar 1847, 1) Weberficht der Unterſuchung der rheiniſchen Steinkohlenlager. Es ließe ſich wohl vorausſehen, daß die Strukturverhältniſſe der Steinkohle nicht blos in ſchleſiſchen, ſondern auch in anderen Lagern der älteren Kohle ſich nachweiſen laſſen würden, eine Vermuthung, die voll⸗ kommene Beſtätigung erhielt, als ich im Herbſte des Jahres 1846 Gelegenheit hatte, die Kohlenlager im Saarbrückſchen, bei Aachen und einige zu Lüttich und in Weſtphalen zu unterſuchen. Ueberall fand ich, ebenſo wie in Schleſien, nur nicht in dem Grade, wie in dem Nikolaier Revier in Oberſchleſien, in der Steinkohle ſelbſt mit bloßen Augen ſichtbare Pflanzen, Stigmarien, Lepidodendreen (insbeſondere Lepidofloyos laricinus) und Sigillarien, in der Grube zu Norheim bei Kreuznach zum erſten Male ſogar ein Farrnkraut (Cyatheites arborescens m.), ſo wie ſo viele zu Calamites decoratus gehörende Calamiten, daß ich ſie glaubte als Calamitenkohle bezeichnen zu konnen. Hierdurch wird der Kreis dieſer Beobachtungen nun auf eine wünſchenswerthe Weiſe ver⸗ vollſtändigt, indem nun die Repräſentanten ſämmtlicher, überhaupt in der Kohlen formation beobachteten Pflanzenfamilien auch in der Steinkohle ſelbſt nachgewieſen erſcheinen. Von Nor⸗ heim ging ich nach St. Wendel, beſuchte die in der Umgegend liegenden ſogenannten Zettowſchen Gruben, bei Mätzweiler (Philippsgrube), bei Urexweiler (Louiſe- und Ernſtgrube), dann die Mareſchweiler (Auguſt- und Hansſachſengrube), die Kohlenſandſtein- und Kalkbrüche der Umgegend zwiſchen St. Wendel und Ottweiler. Die Flora der Kalkbrüche, wie überhaupt der Kalk ſelbſt, zeigt eine auffallende Aehnlichkeit mit den ſchleſiſch— böhmiſchen Lagern, welche zwiſchen Wünſchelburg in Schleſien und Braunau in Böhmen, im rothen Sandſteine ſich befinden. Die Kohlen dieſer verſchiedenen Gruben find von ziemlich gleichförmiger Beſchaffenheit. Sie ent— halten eine ungeheure Menge fein zertrümmerter, die Schichten in allen Richtungen durchſetzenden Faſerkohle (Arauearites mihi) und viel Schwefelkies, daher fie gewöhnlich ſehr locker erſcheinen und nach wenigen Monaten ſchon zerfallen. Von Ottweiler gelangte ich nach Neuenkirchen, deſſen Umgebung mich längere Zeit beſchäftigte; die Königsgrube, die Rotheiſenſteinlager der Fuchsgrube, die zahllos bei den Hüttenwerken aufgeſpeicherten Thon⸗ eiſenſteine, insbeſondere die Lehbacher fiſchhaltigen Erze, welche ebenfalls, was man bisher bezweifeln wollte, Pflanzen enthalten, die überaus intereſſante Wellesweilergrube mit ihren ſtehenden Stämmen, bei der ſich die 69 verſchiedene Beſchaffenheit der Kohle der einzelnen 12 Flötze recht überzeugend herausſtellte (das erſte Flötz war z. B. überaus reich an Sigillarien und Lepidodendreen, beſonders Lepidofloyos larieinus, das Martinsflötz an Stigmarien), die Merchweiler, die kleine Querſcheidgrube mit dem Dechenflötz, in deſſen Kohle die Si- gillarien, wie in keiner anderen des ganzen rheiniſchen Ober-Bergamts-Bezirks, vorherrſchen und recht lebhaft an die Leopoldgrube bei Ornontowitz in Oberſchleſien erinnerten. Ueber die Friedrichsthaler, Sulzbach-, Altenwald-, die drei Königl. Baieriſchen Gruben bei St. Ingbert, Duttweiler-, Jägersfreude-Gruben, kam ich nach Saarbrücken, wo ich unter der gütigen und überaus zuvorkommenden Lei— tung des Herrn Bergamts-Direktors Sello mich noch näher über die allgemeinen Verhältniſſe des Reviers, und in den Sammlungen des Oberbergamts, ſo wie der Herren Dr. Goldenberg und Dr. Jordan daſelbſt, näher über das Vorkommen der foſſilen Pflanzen zu unterrichten ſuchte. Bald kehrte ich wieder zu den übri— gen Gruben des Reviers zurück, wie der koloſſalen, jährlich an 800,000 Tonnen Kohlen liefernden Gerhard— grube, auf welcher die Kohle des Beuſtflötzes als wahre Stigmarienkohle zu bezeichnen iſt, und eine unge— heure, ja kaum glaubliche Menge derſelben enthält; der Leopoldſtollen, in welchem ich in der geringen Erſtreckung von 60 Lachtern 15 ſtehende Stämme, größtentheils Sigillarien, beobachtete, ſo daß alſo hier ein wahrer unterirdiſcher Wald begraben liegt. Prinz-Wilhelm Grube mit Louiſenthal, Geislautern, Lehbach, Kronprinz Friedrich Wilhelm und die Privatgrube Hoſtenbach. Die drei letztern Gruben zeichnen ſich durch einen bedeutenden Reichthum an Faſerkohle aus, die hier faſt eben ſo in ganzen Stämmen, wie in Oberſchleſien zu Agnes-Segen bei Chelm und der Theodor-Grube zu Myslowitz und den Krakauer Gruben bei Jaworzno und Dombrowa vorkommt. Nach Unterſuchung des Saarbrücker Reviers beſchäftigten mich die bei Aachen gelegenen Kohlenmulden, zunächſt die an der Inde bei Eſchweiler und Stolberg, wo ich mehrere Tage unter anderen mit dem Studium der überaus reichhaltigen Sammlung des Herrn Direktors Gräſer daſelbſt zubrachte, der mich überaus freundlich empfing. Dieſe Sammlung hat ein ganz beſonderes Intereſſe, weil ſie aus einer Lokalität, aus den weitläuftigen Strecken der Grube Centrum ſtammt. Sie enthält wohl an 50 neue Arten, worunter allein 15 neue Arten Farrn aus der Gattung Sphenopteris, mehrere mit ſolchen Früchten, deren Auffindung ich vor 10 Jahren vorausſagte, ohne gerade damals viel Glauben zu finden, an 12 Arten Sigillarien. Sehr merkwürdig erſcheint unter andern hier in dieſer Kohlenablagerung das Vorkommen von Mytuli— ten, welches ſich auf mehrere hundert Lachter weit erſtreckt. Auf meine Frage, wie es ſich wohl mit den Pflanzen in der Kohle verhalte, zeigte er mir ein Stück Kohle mit Sigillaria, als des einzigen Exemplares, welches er ſeit 30 Jahren hier wahrgenommen hätte. Jedoch glückte es mir, hier eben ſo, wie an allen an— deren Orten, wo man mir mit ähnlichen Zweifeln über die Möglichkeit, dergleichen aufzufinden, entgegentrat. Nachdem ich gezeigt hatte, daß man die Schichtungsflächen, insbeſondere die matten, ins Auge faſſen und un— ter verſchiedenem Einfallen des Lichtes betrachten müßte, ging es hier, wie anderswo: Stigmaria ficoides wurde als vorherrſchende Pflanze häufig wahrgenommen, und Lepidodendreen und Sigillarien kamen auch noch in hinreichender Menge hinzu. Sehr eigenthümlich erſchien mir die Kohle ſämmtlicher Gruben an der Worm. Auf ſehr gleichförmige Weiſe tritt hier in allen Richtungen hin die mit bloßen Augen noch ſichtbare Struktur der Kohle zurück. In gleichem Verhältniſſe nämlich, wie hier Sigillarien, Stigmarien und Lepidodendreen in der glänzenden, oft an— thracitartigen Kohle ſelten vorkommen, vermindern ſich auch die Koniferenreſte, indem die ſogenannte Faſerkohle oder der Araucarites carbonarius hier auffallend ſeltener, als in allen anderen mir bekannten Steinkohlen angetroffen wird. Die geringe Zeit, welche mir hier nur noch übrig blieb, benutzte ich zu einem kurzen Aus— fluge nach Belgien. Ich ging alſo nach Lüttich und unterſuchte dort die in der Stadt gelegenen Kohlengru— ben (houilleres de Bellevue à St. Laurent), wo ich ganz ähnliche Verhältniſſe, ſchöne Lepidodendreen, wie in der Wellesweiler-Grube, fand. Auf der Rückreiſe beſuchte ich noch in Weſtphalen, unter gütiger Leitung des Herrn Ober-Bergraths Heintzmann, einige um Eſſen gelegene Gruben, die Beuſt-, Matthias-, Helena-Amalien-, Gewalt-, Schölerfarh-, Hagenbeck-Grube, welche alle, mehr oder minder in der Kohle neben Mengen von Stigmarien, auch Sigillarien und Lepidodendreen enthielten. Wenn ich nun überlege, daß ich in allen Steinkohlenlagern, welche ich zu unterſuchen Gelegenheit hatte, die Steinkohle nicht, wie man bisher allgemein annahm, und noch kürzlichſt Elie de Beaumont in ſeinen Vorleſungen über Geologie behauptete, als eine mehr oder minder gleichförmige, keine Spur von Pflanzen mehr zeigende Maſſe auffand, ſondern noch deutlich, ſelbſt mit unbewaffnetem Auge die Pflanzen erkannte, welche ihre Bildung vermittelt, ſo wird es mehr als wahrſcheinlich, daß man überall Daſſelbe finden wird, wenn man nur dieſe Verhältniſſe und die Art und Weiſe meiner Unterſuchung beachten wird. Verſchiedenheiten werden ſich immer herausſtellen, da die vollkommnere oder unvollkommnere Erhaltung der Struktur unter andern entſchieden von dem Grade der Zerſetzung abhängt, in welchem ſich die Vegetabilien befanden, als ſie dem weiteren Zerſetzungs- oder Verweſungs-Prozeſſe durch Entfernung des Zutrittes der Luft entzogen, zwiſchen Erd- und Steinſchichten begraben wurden. In einem weiter fortgeſchrittenen Stadium der Zerſetzung befanden ſich z. B. einſt die Vegetabilien, welche in der Kohlenmulde an der Worm begraben lie- gen; daher die oben erwähnte Seltenheit wehlerhaltener, noch Struktur zeigenden Exemplare. 2) Verſuche, Kohlen auf naſſem Wege zu bilden, wie über die Entſtehung der foſſilen Harze. Am 16. Juni 1847. Bereits im vorigen Jahre theilte ich der Geſellſchaft einige Nachrichten mit über den mit glücklichem Erfolge gemachten Verſuch, Kohle auf naſſem Wege zu erzeugen, indem die zu dieſem Verſuche beſtimm⸗ ten Vegetabilien längere Zeit hindurch unter Zutritt der Luft in Waſſer gelegt wurden, deſſen Temperatur am Tage 80 R. und des Nachts etwa 50 — 60 R. betrug. Auf dieſe Weiſe wurde von manchen Pflanzen ſchon nach einem Jahre, bei anderen erſt in zwei Jahren ein Produkt erzielt, welches in feiner äußeren Be⸗ ſchaffenheit von Braunkohle nicht mehr zu unterſcheiden war, wiewohl ich eine der Beſchaffenheit der Stein: kohle ähnliche Bildung oder Kohle von ſchwarzer glänzender Beſchaffenheit ſelbſt nach 2½ Jahre durch dieſes Verfahren nicht erreichte. Dies gelang erſt durch einen Zuſatz von einer ſehr kleinen Quantität von ſchwefel— ſaurem Eiſen, etwa / Procent, indem ich von der Ueberzeugung ausging, daß das in den Steinkohlen fo häufige Schwefeleiſen unſtreitig aus den Pflanzen, welche zu ihrer Bildung beitrugen, ſtamme. Zu dieſem Verſuche verwendete ich folgende friſche Pflanzen: Wedel von Polypodium effusum, „ „„ Pteris nemoralis, und „„ „„ Cheilanthes repens, Aspidium filix mas (friſcher Stamm); Holz mit Aeſten und Blättern von Pinus balsamea, Blätter von Chamaerops humilis, „ „ Cycas revoluta, „ „ Lycopodium denticulatum, Pflanzen, die man etwa als Haupt-Repräſentanten der alten Flora anſehen kann. Eine Quantität A wurde mit der angegebenen Menge ſchwefelſauren Eifenorydules (auf 6 Unzen friſche Pflanzen 2 Drachmen deſſelben), die andere B ohne daſſelbe, jede getrennt, in eine beſondere, leicht verſchloſ— ſene Büchſe mit Waſſer von der angegebenen Temperatur in das Digeſtorium der hieſigen Univerſitäts-Apotheke am 27. Februar 1846 gebracht. Schon nach zwei Monaten war eine auffallende Veränderung, eine begin= nende braunſchwarze Färbung bei den in der erſteren Büchſe A befindlichen Vegetabilien wahrzunehmen, wäh— rend die anderen B kaum ihre grüne Farbe vollſtändig mit einer fahlen vertauſcht hatten, und als ich am 71 1. Mai 1847, alſo nach 14 Monaten, die Verſuche beendigte, erſchienen ſie bei A ganz ſchwarz, dunkler, als die oben erwähnten, durch 2%½ Jahr ohne Zuſatz von ſchwefelſaurem Eiſen digerirten Pflanzen, während die bei B nur eine ſchwache Braunung erlitten hatten. Nun bin ich zwar weit davon entfernt, zu glauben, wie ich wohl früher auch ſchon ausgeſprochen habe, daß die Pflanzen der Vorwelt, ehe ſie in die Schichten gehüllt wurden, oder in dieſem Zuſtande ſelbſt ſich in einer Flüſſigkeit von ſo hoher Temperatur befunden haben ſollten, ſondern meine nur, daß die von mir ge— wählte Verfahrungsart, welche ich auch den Chemikern für Analyſen, namentlich zur Erreichung geognoſtiſcher und geologiſcher Zwecke, empfehle, dazu diene, den Kohlenbildungs-Proceß zu beſchleunigen, und insbes ſondere die Zeit zu erſetzen, die wir bei unſerm vergänglichen Daſein in den Laboratorien nicht in Anwen— dung bringen können. Zur Erzielung vollkommener Produkte erſchiene es freilich nun noch nöthig, die Einwirkung des Druckes, der unſtreitig hier von dem größten Einfluſſe war, mit jener Verſuchsme— thode zu verbinden, was ſich aber freilich ſchwer ausführen läßt. Inzwiſchen kann man durch dieſelbe ſich eine ſehr anſchauliche Bildung der zahlreichen foſſilen Harze ver— ſchaffen, die, faſt ſämmtlich wohl von Koniferen ſtammend, ihre verſchiedenen chemiſchen Eigenſchaften, größten— theilswenigſtens, den verſchiedenen Umſtänden verdanken, unter welchen ſie den Foſſiliſationsprozeß erlitten, wie ich auch früher ſchon, insbeſondere hinſichtlich des Honigſteins, der auch in dieſe Kategorie gehört, ausgeſprochen habe. Als ich nämlich Harz von Pinus Abies L. drei Monate lang unter den oben beſchriebenen Verhält⸗ niſſen der Einwirkung des erwärmten Waſſers ausſetzte, roch es nicht mehr terpentinartig, ſondern nicht uns angenehm eigenthümlich balſamiſch, war aber noch im Weingeiſt auflöslich. Dieſe Fähigkeit verlor jedoch, we— nigſtens zum Theil, venetianiſcher Terpentin, der mit Zweigen vom Lerchenbaume vom 1. Mai 1846 bis zum 1. Mai 1847, alſo ein Jahr lang, auf die angegebene Weiſe digerirt worden war, näherte ſich alſo in dieſer Beziehung dem Bernſtein, der bekanntlich vom Weingeiſt faſt gar nicht aufgenommen wird. Dieſe Ver—⸗ ſuche werden fortgeſetzt. Man wird es wohl nun nicht ganz unwahrſcheinlich finden, daß es gelingen dürfte, mehrere ſolche, eigentlich nicht in das Mineral-, ſondern in das Pflanzenreich gehörende Harze, wie Retinas⸗ phalt, Bernſtein und ſelbſt Honigſtein, bei paffenden Modifikationen dieſe Verſucher künſtlich darzuſtellen. 3) Ueber foſſile Pflanzen im Schwerſpath. In der am 26. Mai d. J. zu Kreuznach abgehaltenen Verſammlung des naturhiſtoriſchen Vereins für Rheinland und Weſtphalen legte Hr. Referendarius Engelmann eine in einer ſphäroidiſchen Baryt— maſſe enthaltene Koniferenfrucht vor, welche in den tertiären Ablagerungen der Hardt bei Creuznach gefunden und mir ſpäter durch Hrn. Berghauptmann v. Dechen zur Unterſuchung mitgetheilt worden iſt, welche fol— gende Reſultate lieferte. Die Schwerſpathkugel mit dem Zapfen war mir höchſt intereſſant, da ich bis jetzt niemals durch Ver— mittelung des Schwerſpathes im foſſilen Zuſtande erhaltene vegetabiliſche Reſte geſehen habe, wie mir auch nicht bekannt ift, ob dergleichen von irgend Jemanden, außer von Blum,“) beobachtet worden find, welcher den Barytſpath als Verſteinerungsmittel von Holz in dem Liaskalk der Gegend von Miſſelgau anführt. In einem grünlichgrauen dichten Kalke kommen nämlich dort einzelne Stücke Holz eingeſchloſſen vor, an welchen ſowohl die Textur, als auch die bräunliche Farbe ganz gut erhalten find. Der Längsbruch zeigt die faſerige Struktur des Holzes, der Querbruch dagegen läßt Spaltungsflächen des Barytſpathes, obwohl auch ſehr ge— bogen, und um ſo deutlicher wahrnehmen, je näher die Theile des Holzes dem umſchließenden Kalke liegen. Hier und da iſt das Holz zu Pechkohle geworden, und gerade an dieſen Stellen findet ſich auch faſt ſtets der Baryt, ja in manchen Fällen liegt die Pechkohle mitten in der Barytſpathmaſſe darin. Von einer Annahme ) Deſſen Nachtrag zu den Pſeudomorphismen des Mineralreichs. Stuttg. 1847. S. 176. 72 organiſcher Textur iſt jedoch bei dieſem nicht die Rede; nur kommt das Faſerige hier und da bei einzelnen Barytſchnüren vor. Es geht hieraus zwar nicht hervor, in wie weit die Holzzellen auch von dieſem Minerale erfüllt find; jedoch läßt ſich wohl kaum daran zweifeln, daß fie bei fo naher Berührung mit dem Schwerſpath nicht auch davon aufgenommen haben ſollten. Die mikroſkopiſche Unterſuchung dieſes Holzes könnte allein hierüber Aufſchluß ertheilen. Kieſelerde und Gyps find, wenn auch nur in geringer Menge, unſern Erfah, rungen gemäß im Waſſer auflöslich, können alſo wohl organiſche Körper unter Einfluß einer ſehr langen Zeit endlich umſchließen und uns aufbewahren. Daſſelbe müſſen wir auch bei dem freilich noch ſchwieriger lösli— chen Barytſpath vorausſetzen, wiewohl derſelbe nicht, wie man bisher nach Klaproth's Beſtimmung annahm, von 43,000, ſondern nach G. Biſchof erſt von 209,428 Theilen Waſſers aufgenommen wird. Ich glaube, daß man hierbei auch wohl noch an eine Epigeneſe, wie etwa eine Umbildung aus kohlen⸗ ſaurem Baryt, oder an eine Umwandlung aus Schwefelbaryt, die auf ähnliche Weiſe, wie bei'm Gyps, durch Einwirkung organiſcher Subſtanz erfolgte, denken oder meinen könnte, daß der Schwerſpath unter Vermitte⸗ lung einer andern bereits im Waſſer gelöſten Subſtanz, die wir zur Zeit freilich noch nicht kennen, in größe⸗ rer Menge löslich ſei und überhaupt ſehr hoher Druck die Löſung befördert habe. Unſer verehrter G. Biſchof hat, ſo viel ich weiß, auf letzte Verhältniſſe zuerſt die Aufmerkſamkeit gelenkt, indem er bereits im Jahre 1835 bemerkte, daß die Kieſelerde unter Vermittelung organiſcher Subſtanz in größerer Menge von Waſſer als ſonſt aufgelöſt werde, und neuerlichſt hat man gefunden, daß Gyps und Strontian von kochſalzhaltigem Waſſer und die faſt unlöslichen phosphorſauren Salze (phosphorſaures Eiſen und Kalk) und ſogar Flußſpath von Kochſalz oder Ammoniakſalze enthaltendem Waſſer mit Leichtigkeit aufgenommen werden. Ich glaube, daß dieſe Eigen- thümlichkeiten der Löslichkeitsverhältniſſe ſich vielleicht auch bei andern wiederholen dürften, wozu ich nun auch die Einwirkung erhöhten Luftdrucks rechne, wie dieß die intereſſanten Verſuche der Gebrüder Siemens in Berlin zeigen, die mit Hülfe dieſes Agens eine viel größere Menge von Kieſelerde, an 60 Procent, in Aetz⸗ Natron löſten, als dies unter den gewöhnlichſten Umſtänden möglich iſt (Kunſt- und Gewerbe-Blatt des poly: techniſchen Vereins in Baiern, 1847, 1. Heft). Der letzte Fall dürfte hier freilich weniger, als für das Vor⸗ kommen des Schwerſpathes im ältern Steinkohlengebirge in Anſchlag zu bringen fein, weil in der Tertiärzeit, in die das hier in Rede ſtehende Petrefakt gehört, die Beſchaffenheit der Atmoſphäre von der der gegenwärtigen wohl wenig verſchieden war. Wenn ich mir aber überhaupt einige Bemerkungen über die Schwerlöslichkeit des Schwerſpaths geſtattete, ſo darf man jedoch keinesweges glauben, daß der von demſelben eingeſchloſſene Koniferenzapfen wirklich wahrhaft verſteinert ſei, d. h. in allen ſeinen Zellen von Schwerſpath durchdrungen ſich uns darſtelle. Dieß iſt nun keinesweges der Fall, ſondern nur der Ausguß deſſelben liegt uns vor. Der Zapfen gerieth im überreifen oder aufgeſprungenen Zuſtande in die bald erſtarrende Schwerſpath-Löſung und drückte ſich darin ab, während ſeine organiſchen Beſtandtheile verrotteten. Der Reſt derſelben iſt nur noch als ein brauner Ueberzug auf beiden Seiten der Ausfüllung der Schuppen wahrzunehmen, die Are aber faſt ganz verſchwunden, und an ihre Stelle ſind mehrere Centra ſtrahligen Schwerſpaths getreten. Der Zapfen ſelbſt gehört zur Gattung Pinus, wie ſelbe durch Richard und Link neuerdings begränzt worden iſt, und erſcheint mehreren andern, bereits im tertiären Gebiet foſſil entdeckten Arten ſehr ähnlich, unter andern verwandt dem Pinites ovoideus m., den ich in der jüngeren Gypsformation Oberſchleſiens auffand; eben ſo der Pinus Pallasiana der Jetztwelt, bietet aber doch mehrere Kennzeichen dar, die wohl geſtatten, ihn als eine ſelbſtſtändige Art zu betrachten. Sehr intereſſant war es mir, zur Seite rechts den Hohldruck eines ganz jungen weiblichen Zapfens, von der Größe, wie er bei unſern Pinus-Arten etwa im Monat April und Mai erſcheint, noch wahrzunehmen, wie ich bis jetzt, mit Ausnahme junger Abies ähnlichen Za⸗ pfen im Bernſtein noch nicht im foſſilen Zuſtande, beobachtet habe. Die Zapfen in dieſem jungen Zuſtande ſind einander ſehr ähnlich. Er könnte alſo leicht einer anderen foſſilen Art der Gattung Pinus im obigen Sinne angehören; inzwiſchen ſpricht ſeine äußere Beſchaffenheit, an der jedenfalls die Gattung Pinus zu erken⸗ nen iſt, nicht gegen die Annahme, daß er mit dem älteren Zapfen zu ein und derſelben Gattung gehöre, wozu 73 ich ihn auch vorläufig rechnen will, da ich mich nicht berechtigt halte, ihn als felbftftändige Art mit eigenem Namen zu bezeichnen. Die Zapfen der Gattung Pinus reifen in unſerm Klima erſt im dritten Jahre, und zwar im April und Mai, um welche Zeit ſie aufſpringen und die Samen ausſtreuen. Die jungen Zapfen befinden ſich um dieſe Zeit in einem ähnlichen Entwickelungs-Stadium, wie der erwähnte Hohldruck des foſ— ſilen. Man könnte ſich alſo vielleicht berechtigt halten, hieraus eine Schlußfolge auf die Zeit zu ziehen, in welcher die Kataſtrophe ſtattfand, die ſeine Foſſiliſation zur Folge hatte. Jedoch erſcheint mir dieſer Fall nicht hinreichend entſcheidend, indem ſehr leicht jener junge Zapfen vielleicht längſt abgefallen war und daher zu jeder beliebigen Zeit in die Löſung, welche ſein Andenken ſo lange erhielt, gerathen ſein konnte, wohl aber vollkom— men geeignet, um überhaupt jene Frage einmal aufzuſtellen, welche, wenn wir noch genauere Kenntniß von foſſilen Pflanzenlagern einzelner Lokalitäten haben werden, nicht mehr in das Gebiet einer müſſigen Spielerei zu ziehen fein dürfte. Wenn es erlaubt wäre, vorläufig eine Meinung auszuſprechen, fo dürfte jene Kata⸗ ſtrophe bei mehreren Braunkohlenlagern allerdings in die vorgerückte Frühlingszeit zu ſetzen ſein. 4) Ueber vegetabiliſche Ueſte im Salzſtocke von Wieliczka. Der Sekretär der Sektion legte mehrere foſſile vegetabiliſche Reſte aus dem Salzſtocke von Wieliczka vor, wie Nüſſe Juglandites salinarum Sternb. und eine neue Art, drei Arten braunkohlenartigen Koniferen— holzes, Zapfen, wahrſcheinlich zwei Arten, ähnlich dem jetztweltlichen Pinus Pallasiana Lamb., und verwandt, wie auch eines der drei genannten Koniferenhölzer der von dem Referenten in der oberſchleſiſchen Gypsforma⸗ tion zu Dirſchel und Czernitz entdeckten Zapfen und Hölzer, Pinites ovoideus und Pinites gypsaceus. Wiewohl es nun längſt bekannt iſt, in welcher innigen Beziehung die Gypsformation jener Gegend zu dem Salzgebirge überhaupt ſteht und ähnliche Schichten an anderen Orten mit ihm wechſellagern, könnte dieſer neue, von ihrer früheren Vegetation entnommene Beweis für ihre gegenſeitige Verwandtſchaft wohl dazu die— nen, die ſchon oft begonnenen, bisher aber freilich noch nicht vom Glück gekrönten Verſuche, Steinſalz in unſerer Provinz zu entdecken, nicht ganz aufzugeben. 5) Weber die Benntzung der Gutta percha zu naturhiſtoriſchen Zwecken, insbeſondere zur Abformung von Petrefakten. Die merkwürdige Eigenſchaft der in neuerer Zeit unter dem Namen Gutta percha nach Europa aus Singapore gebrachten Subftanz,*) durch kochendes Waſſer erweicht zu werden und erkaltet die ihr in jenem Zuſtande gegebene Form beizubehalten, veranlaßte mich ſchon vor einiger Zeit zu Verſuchen, um fie zur Ab⸗ formung naturhiſtoriſcher Gegenſtände zu benutzen, die auch recht gelungen ſind. Ich erlaube mir, beifolgend, da in unſeren Verſammlungen letzthin von jenem merkwürdigen Körper die Rede war, zu näherem Belege dieſer Erfahrung einige Exemplare zur Anſicht vorzulegen: einen Hohldruck von einem kleinen Zapfen der Pinus austriaca, einen Hohldruck und einen davon wieder entnommenen Abdruck eines Theils der Oberfläche eines baumartigen Farrnſtammes, und den Hobhldruck und Gegendruck einer zierlichen Terebratel der Texebra- tula diodonta aus der Geſchiebeformation. Ganz beſonders ſcharf gerathen die Abdrücke, wenn man einen gelinden Druck auf die Maſſe, wenn ſie ſich in der Form befindet, anwendet, und denſelben bis zu dem in kurzer Zeit ſtattfindenden Erkalten fortdauern läßt. Wenn man nun von einem ſolchen Hohldrucke einen Ab: druck nehmen will, deſſen Gelingen ich anfänglich bezweifelte, indem ich allzu ſchnelles Erweichen der Form ) Seit der erſten Veroffentlichung dieſer Verſuche iſt nun auch der Baum bekannt geworden, von welchem ſie und zwar auf Singapore, Lahore und Coti, und auf der Suͤdoſtſeite von Borneo und auf Sarawak geſam— melt wird. Hooker bringt ihn zu der Gattung Isonandra der Sapotaceen. 10 74 wählte, fo hat man nur nöthig, um namentlich die Trennung zu erleichtern, die Form mit irgend einem fetten Oele, Mandelöl, anzuſtreichen, und dann die in kochendem Waſſer erweichte Maſſe hineinzupreſſen. Die mir zu Gebote ſtehende Gutta percha war noch mit vielen Holzſplitterchen eines braunen Dikotyledonenholzes ver— miſcht, von welchen ſie ſich aber leicht beim Erweichen und Durchkneten befreien läßt. Da ſie im Handel bald fo wohlfeil werden wird, wie man mir verſichert, als Gummi elasticum, und ſich fo leicht handhaben läßt, verdient ſie auch in dieſer Hinſicht, bei der großen Durchſichtigkeit der dadurch erlangten Präparate, gewiß die Aufmerkſamkeit der Naturforſcher, beſonders der Petrefaktologen. In der Technik dürfte ſie wohl bald eine große Rolle ſpielen. Den 12. Dezember 1847. 6) Beiträge zur Flora der Braunkohlen - Formation. Bereits im Jahre 1839 habe ich einige Unterſuchungen über bituminöſe Hölzer aus verſchiedenen Ge— genden der Braunkohlen-Formation Norddeutſchlands angeſtellt (Ueber die neulichſt im Baſalttuff des hohen Seelbachkopfes bei Siegen entdeckten bituminöſen und verſteinten Hölzer, ſo wie über die der Braunkohlen— Formation überhaupt in Dr. Karſten und Dr. v. Dechen Archiv 14. Bd. S. 182 u. f.) und damals na⸗ mentlich zwei Arten (Pinites Protolarix und Taxites Ayckii) beſchrieben, die wegen ihrer großen Verbrei⸗ tung mir ganz beſonders bemerkenswerth erſcheinen. Später, in denn von Herrn Dr. Berendt in Danzig und mir gemeinſchaftlich herausgegebenen Werke über die Pflanzenreſte im Bernſteine, ſtellte ich eine, 54 Arten umfaſſende Flora zuſammen, welche ſich hinſichtlich der Gattungen nicht von der der Braunkohlen- Formation überhaupt unterſcheidet; wenn auch das Braunkohlenlager noch mit Beſtimmtheit nachgewieſen werden ſoll, in welchem ſich der Bernſtein in feiner urſprünglichen Lage befindet, denn auch der angeblich von mir früher in, der Braunkohle in Muskau entdeckte Bernſtein kann nur für Retinasphalt erklärt werden. Ich beſitze gegen= wärtig ein kleines, mit Rinde noch verſehenes Stämmchen, an welchem ſich tropfenweiſe dieſer harzige Erguß vorfindet, und viele andere foffile Koniferen, unter ihnen ſelbſt Taxineae, zeigen daſſelbe, keine aber unter ih- nen, ſo viel ich bis jetzt weiß, einen Harzreichthum, wie die in meiner Sammlung befindlichen Stämmchen und Holzreſte, die den Bernſtein lieferten. Ich habe ſie in meiner oben genannten Arbeit abgebildet und be— ſchrieben; wie ſie denn auch einer ſehr großen Zahl einheimiſcher und ausländiſcher Naturforſcher durch eigene Anſicht bekannt ſind, und kann zur Zeit nur dieſe als die einzigen Reſte anerkennen, welche uns mit Beſtimmt⸗ heit von der Exiſtenz wenigſtens eines Bernſtein liefernden Baumes Kunde geben, obſchon ich gar nicht zweifle, daß dergleichen noch mehrere vorhanden waren. Herr Dr. Thomas, dem ich ſehr intereſſante Beiträge zu meinen Unterſuchungen verdanke, meint zwar, in Folge von chemiſchen Unterſuchungen mehrerer aus den Braunkohlenlagern des Samlandes ſtammenden Holzreſte, in denen Bernſteinſäure nachgewieſen wurde, ſie auch der Zahl der Bernſtein liefernden Bäume zuzuzählen und dieſe Lager überhaupt als die Erzeugungsſtätte des Bernſteins betrachten zu können, jedoch gebe ich zu bedenken, daß dies allein nicht als hinreichend beweiſend zu erachten iſt, da Bernſteinſäure als ein Oxydationsprodukt aller Wachſe und Fette in mehreren Braunkoh— lenlagern, ja ſelbſt im Harze noch lebender Koniferen und mehrerer anderer Pflanzen, wie in Wermuth und Salat, vorkommt. Nur die wirkliche Anweſenheit von Bernſtein in den Holz- und Rindenlagen kann hier entſcheiden und uns beſtimmen, einen ſolchen Reſt als einen Bernſtein liefernden Baum zu betrachten. Wenn nun aber auch wirklich an Preußens Küſten noch die urſprünglichen, die Bernſteinbäume enthaltenden Lager entdeckt würden, was ich um ſo weniger bezweifeln kann und mag, da ich ſelbſt noch nicht Gelegenheit hatte, ſie zu beſuchen, ſo verlieren doch die zahlreichen, von meinem geehrten Herrn Mitarbeiter geſammelten That— ſachen über die weite Verſchleppung des Bernſteins durch Waſſerfluthen im Gebiete der Oſtſeeländer als That— ſachen keinen Augenblick an ihrem Werthe, die ich durch vielfache eigene, in Schleſien und in der Laufis, zum Theil auch von Anderen (Julius Müller in der allgem. naturhiſt. Zeit. von C. Tr. Sachſe, 1. J. 75 2. Heft) gemachte Beobachtungen nur beſtätigen kann. In keinem einzigen der vielen, zur Zeit in unſerer Provinz eröffneten Braunkohlenlager hat ſich Bernſtein vorgefunden, ſondern immer nur über denſelben in rein aufgeſchwemmtem Lande, meiſt nur in geringer Tiefe unter der Oberfläche in Sand- und Lehmgruben mit zahlreichen Rollſteinen, und wie auch erſt neulich oberhalb dem Braunkohlenlager bei Schwiebus “) mit mulmigen, an allen Ecken wie Treibholz abgerundeten Holzſtückchen, dergleichen ich auch noch niemals in un— ſeren Braunkohlenlagern wahrnahm. Die Zahl der mir bekannten Fundorte in beiden Provinzen beläuft ſich in dieſem Augenblicke ſchon auf 9%, Ich beſchränke mich in dieſen, wie in allen ähnlichen Fällen, nur auf möglichſt vorurtheilsloſe Beobachtungen, da ich mich durchaus nicht für befähigt halte, in geognoſtiſch-geolo— giſchen Angelegenheiten ein Urtheil abzugeben, bitte aber auch die Geologen, ſolche Erfahrungen nicht unbeach— tet laſſen zu wollen, namentlich gegenwärtig, wo man unbedingt geneigt ſcheint, unſere Braunkohlenlager auch für die Geburtsſtadt des Bernſteins anzuerkennen. Ich habe mich bei dieſer ganzen Sache nur inſofern betheiligt, als ich aus dem vorliegenden Materiale vom rein botaniſchen Standpunkte die bis dahin noch nicht nachge— wieſene Exiſtenz wenigſtens eines Bernſtein liefernden Baumes, ſo wie aus den anderweitigen vegetabiliſchen Einſchlüſſen, eine Schilderung der mit ihm zugleich einſt vorhandenen Flora zu liefern verſuchte; die Löſung der zur Zeit, wie aus Obigem hervorgeht, wie mir ſcheint, noch nicht erledigten Frage über die urſprüngliche Lagerſtätte der Bernſteinformation überlaſſe ich den Geologen. Faſt ſämmtliche oben erwähnte, in meiner Sammlung befindliche Exemplare des Bernſteinbaumes zeigen ebenfalls deutlich dieſe Spuren der An— ſchwemmung. Fortdauernd mit Unterſuchung der in unſern norddeutſchen und rheiniſchen Braunkohlenlagern vorkom— menden bituminöſen Hölzer beſchäftiget, werde ich mir nun erlauben, an dieſe Bemerkungen einige diesfallſige Ergebniſſe zu knüpfen. 1) Sehr bemerkenswerth erſcheint das Ueberwiegen der Koniferen. Unter 300 einzelnen, allein in den ſchleſiſchen Braunkohlenlagern geſammelten bituminöſen Hölzern befinden ſich nur ein Paar anderweitige Di: kotyledonenhölzer, was um ſo auffallender erſcheint, da an mehreren Orten doch in dem Braunkohlenthon di— kotyledoniſche Laubholzblätter vorkommen und dennoch in den Kohlenlagern ihre muthmaaßlichen Träger fehlen. Man könnte auch vielleicht hierbei an Treibholzbildung denken, folgende Beobachtung aber ſpricht dagegen: In dem Braunkohlenlager zu Blumenthal bei Neiße finden ſich Laubholzhölzer, ſo wie Zweige und Früchte einer Taxus und Cupreſſinee, unter dem Holze aber nur Taxus und Cupreſſineen und keine Spur eines an⸗ derweitigen Dikotyledonenholzes. Dies erſcheint mir nicht unwichtig, um vielleicht zur Erklärung dieſer auffal— lenden Erſcheinung zu führen. Ich glaube nämlich, daß während des Macerations- und Zerſetzungs-Prozeſſes, welchem einſt die Vegetation der Braunkohlenwälder unterlag, ehe ſie unter Erdſchichten begraben und der Einwirkung der Luft entzogen wurde, die Laubhölzer ihren organiſchen Zuſammenhang früher als die an Harz fo überreichen Koniferen verloren und daher zerfielen, während dieſe größtentheils erhalten wurden, was, fo viel ich weiß, auch mit den Erfahrungen übereinſtimmt, die man zu unſerer Zeit über die Dauer dieſer Holz⸗ arten unter verwandten Verhältniſſen gemacht hat. Ich ſtelle dies jedoch nur als eine Vermuthung auf, die ihre weitere Begründung erſt durch dieſen Geſichtspunkt vielleicht beachtende Unterſuchungen verſchiedener Braunkohlenlager finden kann. 2) Die Zahl der Arten iſt im Ganzen nach Maaßgabe der ungeheuren Maſſe von Braunkohlen, zu deren Bildung ſie beitragen, ſehr gering, was auf ein ähnliches geſelliges Wachsthum bei den vorweltlichen Koniferen, wie wir es in unſerer gegenwärtigen Flora finden, ſchließen läßt. Um dies in Lagern auch für einzelne Arten nachzuweiſen, ſammle ich ſo viele Exemplare von verſchiedenen Stämmen oder Bruchſtücken bituminöſen Holzes, als ſich nur irgend vorfinden, und unterſuche ſie dann. Es ergiebt ſich nun hieraus das ) Herr Baron v. Stuͤcker hatte die Güte, mir dieſe mitzutheilen. 10 * 76 Ueberwiegen der einen oder der anderen Art, und wenn man auch, und gewiß nicht mit Unrecht, bemerken wollte, daß ſich unter denſelben vielleicht oft Stückchen von ein und demſelben Baume befinden dürften, ſo wird doch öftere Wiederholung dieſes freilich mühſamen Verfahrens ein der Gewißheit ſich annäherndes Reſultat zu liefern im Stande ſein. 3) Die foſſilen Arten ſind von denen der gegenwärtigen Koniferen-Flora Norddeutſchlands auffallend verſchieden; wenige ähneln unſerer Pinus, Abies und Picea, und eine einzige fand ich bis jetzt nur von der Struktur der Pinus sylvestris, wie überhaupt von der Gattung Pinus nach Richard's und Link's Be⸗ gränzung; die meiſten kommen mit Cupreſſineen überein, wenn man aus der glatten Rinde größerer Stämme, den ſcharfbegränzten Jahresringen, der geringen Zahl der in einem Markſtrahle enthaltenen Zellen ſo ſchließen darf, obſchon es auch unter ihnen Ausnahmen von dieſer Regel giebt, und auffallend erſcheint auch in quan⸗ titativer Hinſicht das Ueberwiegen der Taxusform, von der ich mindeſtens 4 Arten gut zu unterſcheiden ver⸗ mag. Unter ihnen befinden ſich Arten, deren Holz aus dickwandigen Zellen, wo möglich noch dichter und feſter iſt, als das des gegenwärtigen Taxus, aber auch wieder eine Art von ungemeiner Leichtigkeit und weit⸗ räumigen Zellen, ähnlich hierin dem Holze der nordamerikaniſchen Taxus montana Nutt. oder Torreya taxi- folia Arnott, wie denn überhaupt meine gegenwärtigen, wie auch früheren Unterſuchungen zeigen, welche große Aehnlichkeit zwiſchen der Braunkohlen-Flora und der Flora der gemäßigten Zone der vereinigten Staaten Nord- Amerika's ſtattfindet. Später, wenn ich zur Zuſammenſtellung ſämmtlicher diesfallſigen Reſultate ge⸗ lange, wird ſich dies noch überzeugender erweiſen. Sämmtliche in der Braunkohlenformation beobachtete Taxus-Arten weichen durch die drei- bis vierfache in ſpitzen Winkeln verlaufende Streifung ihrer Wandungen von den jetztweltlichen auffallend ab, bei denen eine einfache Faſer in faſt horizontalen Windungen gefunden wird. In manchen Braunkohlenlagern in Schle— ſien wie in Preußiſch Sachſen (Nietleben bei Halle, Wörſchen, Gramſchütz, Roßbach bei Weißenfels, Teuditz, Tollwitz bei Dürenberg, Voigtſtedt bei Artern) ſcheinen Taxus-Arten auch in quantitativer Hinſicht überwie⸗ gend zu fein, und unter ihnen iſt die früher ſchon beſchriebene Taxites Ayckii von ungemeiner Verbreitung, die nicht nur nicht an den genannten Orten, ſondern auch in den rheiniſchen Braunkohlenlagern, in Heſſen⸗ brück unfern Laubach in der Wetterau, in Schleſien, der Lauſitz, in Redlau bei Danzig, im Samlande in Preußen und Oſtrolenka in Polen vorkommt. Die weitere Unterſuchung wird gewiß auch von andern Arten, wie z. B. Pinites Protolarix, ähnliche Reſultate liefern. 4) Enge Jahresringe, daher alſo ſehr gedrungenes Wachsthum, wie es die jetztweltlichen Koniferen nur im hohen Norden nach Martins und auf hohen Bergen nach meinen eigenen, früher ſchon veröffentlichten Beobachtungen zeigen, werden überhaupt bei den bituminöſen Hölzern vorherrſchend gefunden, die einigen Hölzern eine ungemeine Dichtigkeit und Schwere, vergleichbar mit der des Guajakholzes, verleihen. Bei man⸗ chen Arten zählte ich 15 — 20 Jahresringe auf der Breite einer Linie, vekſteht ſich, bei runden Stämmen, da bei flachgedrückten die Wirkung des Druckes in Rechnung zu bringen ift, die übrigens, was nämlich ihren Ein— fluß auf die Wandungen der Holzzellen betrifft, geringer iſt, als man wohl anzunehmen geneigt fein könnte. Ein 12 Zoll im Breiten- und 16 Zoll im Längendurchmeſſer haltender Stamm eines Pinites Protolarix aus den Braunkohlengruben bei Laaſan zeigt in dieſem geringen Umfange nicht weniger als 700 Jahresringe. Jedoch haben ſchon in der Vorwelt wie in der Jetztwelt bei einer und derſelben Art Abänderungen im Wachs- thumsverhältniſſe ſtattgefunden; denn ein anderer faſt runder Stamm derſelben Art von 16 Zoll Querdurch⸗ meſſer läßt nur 400 Jahresringe erkennen. 5) Mehrfach bdobachtete ich an Stämmen und Aeſten das Ueberwallungsphänomen, d. h. Ueberwach⸗ fung von abgebrochenen Zweigen und Aeſten mit neuen Holzlagen, und zu meiner Freude auch in der Braun⸗ kohlengrube Francisca zu Popelwitz bei Nimptſch in Schleſien einen ganz vollſtändig geſchloſſenen über⸗ wallten Koniferenſtumpf, der ganz gut noch zu einem Krater oder Miſchbecher, wozu die alten Thraker 775 nach Theophraſt's Zeugniſſe dieſe Stümpfe der Tannen brauchten, dienen könnte. Da in der Vorwelt die— ſelben Vegetationsgeſetze walteten, wie in der Jetztwelt, ſo haben dieſe Beobachtungen nichts Auffallendes, im— merhin verdienen ſie wohl erwähnt zu werden. 7) Ueber die Bedeutung des Studiums der foſſilen Flora zur Aufſuchung von Stein- und Braunkohlen. Dieſer Aufſatz wird in den Beiträgen zur Natur- und Geſchichtskunde Schleſiens, welche die ſchleſiſche Geſellſchaft für vaterländiſche Kultur zum Beſten der nothleidenden Oberſchleſier herauszugeben gedenkt, abgedruckt werden. Endlich nahm der unterzeichnete Sekretär der Sektion Gelegenheit, eines jüngſt erſchienenen Werkes: „Die Entſtehung und Ausbildung der Erde, geſammelte populäre Flugblätter, von Dr. J. Nög⸗ gerath, Geh. Bergrath und Profeſſor zu Bonn. Stuttgart 1847,“ zu gedenken, in welchem der Herr Verfaſſer auf eben fo anziehende als allgemein faßliche Weiſe über die Meteorolithen, Feuerkugeln und Stern⸗ ſchünppen, wie über mehrere andere naturhiſtoriſche Phänomene: Erdbeben, Bergſchlüpfe, Felſenſtürze und Erd— fälle, Erdbrände, wie der Brand der Fannygrube in Oberſchleſien, ſpricht, und treffliche Schilderungen intereſ— ſanter Gegenden, wie der Vulkane am Rhein, des Petersberges bei Maſtricht, des Salzbergwerkes von Wie— liczka, Hallein u. a. m. liefert, weswegen dieſes Buch auch dem größeren Publikum, bei der ſehr geringen Zahl der in dieſer Art verfaßten wiſſenſchaftlichen Arbeiten, angelegentlich empfohlen zu werden verdient. Pflanzen kunde. Den 19. Mai hielt Herr Profeſſor Dr. Purkinje einen Vortrag über den Hausſchwamm. Die wiederholten Verwüſtungen eines der königl. Univerſitätsgebäude durch den Hausſchwamm (Meru- lius destruens Pers, M. vastator Tode, M. lacrymans Schum.) gaben demſelben Gelegenheit, über die Natur und die mannichfaltigen Formen dieſes furchtbaren Paraſitengewächſes Erfahrungen zu ſammeln. Die Grundbedingungen deſſelben ſind wohl, wie bei allen ſelbſtſtändigen Organismen, eigenthümliche Keimkörner oder ſchon vorhandene Pilzpflanzen, die durch die Luft oder andere Mittheilung dem Holzwerk eingeimpft wer: den; die andern Bedingungen beruhen auf Zufluß hinlänglicher Nahrung, namentlich organiſcher Feuchtigkeit, friſchen, beſonders im Frühjahre gefällten, jungen und ſonſt nicht genug ausgetrockneten Holzes, nicht gehöriger Austrocknung des Mauerwerks, feuchtem Baugrund, Mangel an Luftzug u. dgl. Der Hausſchwamm hat in ſeinen äußern Geſtaltungen durchaus nicht einen ſo feſten Typus, wie wir bei andern Pflanzenarten zu ſehen gewohnt find. Seine Geſtalt hängt meiſt von äußern Umſtänden, beſon⸗ ders den nächſt umgebenden Subſtanzen und der Räumlichkeit ab; indem er bald papierartig über die innern Flächen oder Dielen ſich ausbreitet, bald ſchwammartig und wulſtig (beſonders am friſchen Holze) aufquillt, bald zwiſchen den Fugen und am Mauerwerk mit ziemlich dicken holzartigen Stengeln rankenförmig fortſchleicht und ſich in unregelmäßiges Blätterwerk ausbreitet; zuweilen bildet er auch ſchimmelartige Ueberzüge wie die feinſte Watte, dann wieder netzförmige Geſpinnſte, ferner lederartige knollige Membranen, meiſt ſchmutzig weiß, doch auch in ſchwefelgelbe, roſenrothe, grünliche, roſtbraune Farbennüancen übergehend. Von allen dieſen For⸗ men wurden ausgezeichnete Exemplare vorgezeigt. Die Art des Keimes iſt auch nicht ſo regelmäßig wie bei 78 andern Pilzen. Es kamen zwei Hauptformen von Keimkörnerbildungen vor. Am häufigſten zeigten ſich Keim⸗ körner in größern oder kleinern Haufen, bis zur Größe eines Thalerſtücks und bis 1 ½ Linie Dicke, holzgelb wie Holzmehl vom Wurmfraß; ſie beſtanden aus den feinſten ungleich ſphäriſchen, durchſcheinenden Kügelchen, die frei, ohne auf Fäden angewachſen zu ſein, neben einander gelagert waren. Die andere Art Keime, die in den Handbüchern gewöhnlich beſchriebene, fand ſich beſonders an den oben genannten lederartigen, knolligen Membranen, beſonders an den roſtfarbigen Stellen, und bildet ovale Schläuche mit inliegenden Keimkörnern. Die verſchiedenen Formen des Gewebes der Pilze, fo wie die Keimkörner, wurden mikroſkopiſch demonſtrirt. Am 19. Oktober trug der Sekretär der Sektion noch vor: 1) Eine Abhandlung des Herrn Apotheker Johann Spatzier zu Jägerndorf: Beiträge zur Ermit⸗ telung der Kartoffelkrankheit, als deren Urſache er in feiner Gegend die Verheerungen der Larve des Wei— denmulmkäfers Helops atra bezeichnet. 2) Den Hauptinhalt einer höchſt beachtungswerthen Schrift des Herrn Hauptmann Farthmann auf Klein-Schwein bei Groß-Glogau: „Neuere Mittheilungen und Erfahrungen über das Auswäſſern, Trocknen und Benutzen ſowohl kranker als geſunder Kartoffeln, mit 6 lithographirten Abbildungen. Glogau 1847,“ in welcher treffliche Vorſchläge zur längeren Aufbewahrung und Erhaltung geſunder wie kranker Kartoffeln gegeben werden, und 3) ſeine eigenen Anſichten über die Kartoffelkrankheit, die ſich auf folgende kurze Sätze zurück⸗ bringen laſſen: } a. Das Weſen der Krankheit beruht in einer einfachen Fäulniß des Zellgewebes, die die Stärkemehlkör⸗ ner zunächſt nicht berührt, daher denn auch ſelbſt bereits von der Krankheit ergriffene, in aashaft ſtinkenden, fauligen Zuſtand übergegangene Kartoffeln, wie er im November des Jahres 1845 zuerſt beobachtete, durch Auswaſchen mit Waſſer gereinigt und ſo noch eben wegen Erhaltung des nährenden Beſtandtheiles des Stärke— mehls benutzt werden können. Er habe Kartoffeln unter Zutritt der Luft ein Jahr lang in Waſſer eingeweicht und die Stärkemehlkörner immer noch unverletzt angetroffen. Auf das damals gleichfalls von ihm ſchon em: pfohlene Trockenlegen, als einziges Mittel zur Erhaltung inficirter Vorräthe, hat man daher gleichfalls ſeine Beſtrebungen zu richten, daher ſei der Inhalt von Schriften, wie die des Herrn Farthmann, beſonders beachtenswerth. b. Die von ihm im Jahre 1845, unter gütiger Vermittelung des Herrn v. Wallenberg auf Peter⸗ witz, veranlaßten Futterungsverſuche mit kranken und fauligen Kartoffeln haben damals ſchon ihre Unſchädlich— keit nachgewieſen, Erfahrungen, die vorurtheilsfreie Beobachtungen bis jetzt überall beſtätigten. Das Auswa⸗ ſchen derſelben mit Waſſer vor der Verwendung iſt freilich angelegentlich zu empfehlen. c. Die eigentliche Urſache der Krankheit, offenbar eine epidemiſche, wenn wir ihre Verbreitung in beiden Hemiſphären, in ihrem Vaterlande, wie in den verſchiedenſten Gegenden der Erde, in alle Klimaten, in jeder Höhe und Bodenart, ihr ſprungweiſes Erſcheinen in verſchiedenen Richtungen auf ein und demſelben Felde und vor allem das Vorkommen von geſunden und kranken Kartoffeln an einem und demſelben Stocke erwä— gen, werden wir nie ergründen. Pflanzen unterliegen als lebende Weſen, eben ſo wie Thiere und Menſchen, epidemiſchen, mehr oder minder allgemein verbreiteten Einflüſſen, was inſofern betrübend erſcheint, weil wir fo wenig zu ihrer Beſeitigung zu thun vermögen, aber doch auch erheben muß, da eben die Geſchichte aller Epi— demien lehrt, daß fie, nachdem fie freilich oft Menſchen und Thiere decimirten, ſpurlos verſchwinden. Mit Hinblick auf dieſe unleugbare Erfahrungen, hegt der Vortragende die feſte Ueberzeugung, daß ſich die Kultur⸗ verhältniſſe der Kartoffeln über kurz oder lang beſſer geſtalten und dieſes unſchätzbare Produkt, welches ſelbſt in den Minderertrag der letzten Jahre fo leicht durch keine andere Pflanze zu erſetzen iſt, uns erhalten wer den wird. 79 Nur der Wunſch, durch dieſe Mittheilungen vielleicht fo manchem, durch die fo oft meiſt ohne alle Kenntniſſe der Pflanzenphyſiologie und Chemie veröffentlichten Meinungen über die Zukunft dieſes Produktes, ſchon eingeſchüchterten Landwirthe neuen Muth einzuflößen, konnte ihn veranlaſſen, auf dieſes in der That ſchon zum Ueberdruſſe verhandelte Thema hier noch einmal zurückzukommen. Am 8. Juli ſprach der Sekretär der Sektion über die Getreide- oder Manna -Megen. Die von der geehrten Redaktion der allgem. Oderzeitung mir mitgetheilten Knöllchen, welche in Schleſien und anderswo die Sage von den ſogenannten Manna- oder Getreide-Regen veranlaßten, ſtammen von Ranunculus Ficaria L., Butterblume, Frühlingsſchmirgeln her, einer bekanntlich bei uns allgemein verbreite— ten Pflanze, welche auf doppelte Weiſe dieſelben verurſachen kann. Einmal durch ihre Wurzeln, welche aus 6 bis 20 durchſchnittlich vorherrſchend länglich rundlichen Knöllchen zuſammengeſetzt ſind, und durch die mehr rundlichen Brutknöllchen, welche ſich nach dem Blühen im Monat Mai in den Blattachſeln bilden, während Blätter und Stengel vertrocknen. Uebrigens, was die Entſtehung dieſer ganzen Erſcheinung betrifft, beziehe ich mich auf die Abhandlung, welche ein früher gegen mich zu gütig geſinnter Referent in Nr. 40 der Oderzeitung zum Theil aus einer von mir bereits im Jahre 1831 verfaßten diesfallſigen Arbeit mitgetheilt hat, und führe nur noch an, daß ſämmtliche Knöllchen in ihren Zellen ganz und gar mit Stärkemehlkörnchen erfüllt und daher wirklich ſehr nährend ſind, und dieſe ſogenannten Getreideregen, laut brieflichen Nachrichten des Herrn Profeſſor Schramm zu Leobſchütz, nach dem großen Regenguſſe am 18. und 19. Juni d. J., in Bauerwitz, Katſcher, Ratibor und Troppau in großer Ausdehnung wahrgenommen worden ſind. Um Ratibor hat Herr Oberlehrer Kelch ſchon vor mehreren Jahren Aehnliches beobachtet. Zoologie. Herr M. v. Uechtritz: Joologiſche Demerkungen über die Umgegend von Meinerz in der Grafſchaft Glatz. Reinerz, ein Städtchen des Glatzer Kreiſes der Grafſchaft Glatz, liegt unter 50% 24° 24“ N. Br. und 340 3° 56“ O. L. in 1788 P. F. Seehöhe und 14 deutſche Meilen von Breslau ſüdweſtlich entfernt, iſt durch ſeine Heilquellen und Molkenanſtalt im In- und Auslande zur Genüge bekannt. Tiefe Thäler, ſchroff anſteigende, mannichfach und beſonders beim Dorfe Hinter-Kohlau maleriſch gruppirte und geformte Höhen, die in der hohen Menſe (3323 P. F. nach Lindner) ihren Kulminationspunkt erreichen, machen, abgeſehen von ihren intereſſanten geologiſchen und oryktognoſtiſchen Verhältniſſen, Reinerz für den Freund der Natur zu einem der anziehendſten Punkte Schleſiens. Dem Botaniker wie dem Entomologen iſt Reinerz ein ſtets will: kommener Aufenthaltsort. Doch auch der Zoolog wird in den Umgebungen von Reinerz nicht leer ausgehen. Ich beſchränke mich hier auf die Erwähnung der von mir und Andern bei Reinerz beobachteten Säugethiere, Vögel, Fiſche und Amphibien, ohne mein Verzeichniß als erſchöpfend ausgeben zu wollen. Säugethiere Cervus Elephas (im Wechſel aus Böhmen im k. Forſt ꝛc.), Tervus Capreolus (um die Seefelder und Grunwald, ſo wie bei Neſſelgrund als Standwildpret), Mustela Foina (Grunwalder Thal), Martes (Buchenwaldung bei Neu- Biebersdorf und Neſſelgrund), M. Erminea, Canis Vulpes, Sorex leucodon, Sciurus vulgaris, Variet rubra et nigra, Mus Musculus, Mus sylvaticus, decumanus, Lepus timidus (ſelten). 80 VS gel. A) Raubvögel. Falco Nisus L., Falco palumbarius (ziemlich häufig), Strix Bubo (im königl. Forſt), Strix Aluco. B) Klettervögel. Corvus Pica (häufig um die Stadt), C. glandarius (paarweiſe noch in 2500 P. F. Höhe bei Grenzendorf von mir angetroffen), Corv, Caryocatactes (niſtet in dichter Waldung um das rothe Floß), Corvus Cornix (in offnern Thälern), Picus Martius (im k. Forſt), Picus tridactylus (um die Seefelder), Picus major, Picus minor (um die Scheibenkolonie), Alcedo Ispida (an der Weiſtritz), Cuculus cannorus, Certhia familiaris (um die Stadt und Rückerts), Sitta europaea. C) Sperlingsartige oder Singvögel. Turdus torquatus, musicus, Merula (häufig), visci- vorus (überall gemein), Cinclus aquaticus (Grunwalder Thal an der Weiſtritz, 1817, niſtend, ſpäter dort nicht mehr bemerkt, Kaiſerswalde an der Erlitz, 1842), Saxicola Oenanthe (Harta, Kreuzberg, Hinter-Kohlau), Saxic. Rubetra (ein Paar bemerkte ich im Juli 1817 beim Bade, ſpäter nicht mehr). Sylvia Tithys (gemein), abietina (Grunwalder Thal), Sylv. Sibilatrix (Scheibe, Grenzendorfer Berg, Berg an der böhmiſchen Gränze oberhalb der Schnappe, Waldſtellen unterhalb der Ziegenſennerei), Sylvia Hippolais (wider Vermuthen niſtete ein Paar 1835 am Bade, doch fand ich den Vogel weder 1841, noch 1842 wieder), Sylvia Rubecula (Berge am Grunwalder Thale, Schnellewalder Grund), Motacilla sulfurea (häufig im Grunwalder Thale an der Weiſtritz, auch Kaiſerswalde und Langenbrück an der Erlitz), Alauda arvensis (Rückerts), Alauda arborea (Mittel-Walddorf vor Rückerts 1842), Anthus pratensis (Grun⸗ wald, hohe Menſe, Seefelder), Accentor modularis (Hinter-Kohlau und Grenzendorf, häufig). Emberiza Citrinella (überall, niſtet ſelbſt über 2000 P. F. bei Grenzendorf). Passer domesticus. Fringilla Coelebs (häufig), Fring. s. Loxia Pyrrhula (niſtet an den mit Rothbuchen bewachſenen Stellen im Hintergrunde des Grunwalder Thals, im Buchenwalde am weſtlichen [böh— miſchen] Abhange der hohen Menſe, am Berge oberhalb der Schnappe, bei Jauernick u. ſ. w.), Fr. Chloris (niſtet um das Bad), Fr. cannabina (Hartau, und häufig hoch oben bei Grenzendorf), Spinus (ſehr gemein, Grunwalder Thal, kön. Forſt, ſelbſt Gipfel des Grenzendorfer Berges, hohe Menſe und Deſchnayer Koppe), Laxia Curvirostra (nicht felten), Troglodytes parvulus (in dichten Bergwäldern häufig), Regulus flavica- pillus (im kön. Forſt und um die Seefelder), Parus ater, coeruleus (Bade-Allee und Hartau), major (häufig), palustris (Obſtgärten in der Stadt und bei Rückerts), Muscicapa Gripola (Nieder- [oder Glas⸗ hütte] Walddorf), Musc. atricapilla (in Buchenwaldung bei Neu-Biebersdorf, am Kaßnerberge, Altarberge, an der Freudenburg u. ſ. w.), Hirundo urbica (verläßt das Bad und Vorder-⸗Kohlau den 22. — 24. Auguſt). D) Hühnerartige Vögel. Columba Oenas (ziemlich hoch an der hohen Menſe hinauf und ſonſt in Bergwäldern), Tetrao Urogallus (kön. Forſt am Vogelberge), Tetrao Bonasia (nach Ausſage des fel, k. Unterförſters Herrn Bürgel), Tetrix zeigt ſich in letzterer Zeit bei Reinerz häufiger als früher, vielleicht der ſich mehrenden Holzblößen wegen. Perdrix cinerea (Rückerts, Hummel, nur ſparſam), Perdrix Co- turnix bemerkte ich auf einem Haferfelde 1835 hoch hinauf, circa in 2200 Fuß bei Hinter-Kohlau. E) Sumpfvögel. Scolopax Rusticola L. (im kön. Forſt und um Reinerzkron in einem Feldholze beobachtet). F) Waſſervö gel. Gallinula Chloropus, an einem Teiche zwiſchen der Stadt und Rückerts 1817 beobachtet. s An Fiſchen ift die Gegend arm. Cyprinus Carpio wird in Teichen bei Rückerts und Friedrichsgrund gehalten. Cyprinus Phoxinus in der Erlitz ſparſam. Salmo Farco in der Erlitz ziemlich häufig, doch mehr tiefer hinab hinter Langenbrück als gegen ihren Urſprung. In der Weiſtritz hat ſie gegen früher ſehr abgenommen, und findet ſich kaum noch 81 oder nur ausnahmsweiſe um Bad und Stadt, ſonſt im rothen Floß. Esox Lucius im Teiche bei Rückerts. Cobitis taenia in der Weiſtritz, beſonders im hintern Grunwalder Thale, im Hinter-Kohlauer Bache und in der Erlitz nicht ſelten. Cottus Gobio in der Erlitz. Von Amphibien bemerkte ich folgende: Lacerta agilis, z. B. am niedern Kreuzberge; L. erocata, an der hohen Menſe, um die Seefelder, Deſchmeyer Koppe, Klötzelhübel, Holzberg, Berg an der böhmiſchen Gränze vor der Schnappe, Grunwalder Thal; Anguis fragilis, hier häufig ſowohl unten im Thale, als hoch ins Gebirge hinauf; Coluber Natrix, einzeln, beſonders um die Stadt und am Bade, in der Nähe der Weiſtritz einzeln; Vipera Berus, in man⸗ nichfachen Abänderungen, worunter eine ſchön rothbraun gefärbte; ſcheint ziemlich häufig, da ich z. B. 1835 auf meinen naturhiſtoriſchen Exkurſionen deren 4 Stück tödtete, ungerechnet die mir Entſchlüpftenz Hyla arborea um das Bad; Rana esculenta, z. B. Teiche bei Rückerts; R. temporaria, häufig bis um die obern Häu— fer von Hinter-Kohlau aufwärts; Bufo einereus, einzeln in Thälern; Triton palustris, nicht felten; Tr. punctatus, in Quellenwäſſern und in einer Lache auf dem Altarberge; Salamandra vulgaris, nicht ſelten am Hummel; S. atra, ein Exemplar (rundſchwänzig) fand ich 1817 in einem Wagengleiſe am Rothfloſſe im Hochwalde todt. Anatomie und Phyſiologie. Am 11. Februar 1847 ſprach Herr Dr. Med. et Chir. Levy: Ueber die Erkennung geiſtiger Anlagen aus der Zeſchaffenheit der Hand. Den Keim großer Wahrheiten in der Form dunkler Ahnung, deren vollſtändige Erkenntniß ſpät im Laufe der Zeiten ſich herausbildete, hat die Menſchheit ſchon ſehr früh gehegt. Die Syntheſe iſt ſtets das Uranfängliche, die Analyſe aber die Reife der Entwickelung. Die Wiſſenſchaft von der Natur des Menſchen mußte denſelben Weg gehen. Noch hat es aber der ſich ſelbſt analyſirende Menſch nicht bis zu ſeiner voll— ſtändigen Erfaſſung bringen können. Die Inſtrumente des Erfaſſens ſind der Geiſt und die Hand; ihre Beziehungen zu einander bilden den Gegenſtand dieſes Vortrages. — Die Möglichkeit, aus den Hand— formen auf die Individualität eines Menſchen zu ſchließen, hat man ſchon in den älteſten Zeiten geahnet. Chiromantie. Die Hautfalten und Vertiefungen der Hohlhand, die Räume zwiſchen den Handlinien, Form der Finger und Nägel bilden die chiromantiſchen Grundlagen. Mitten unter dieſen abergläubiſchen Spielereien zeugen manche der Dogmen ſchon von treuer, treffender Naturbeobachtung und ſind nicht ohne phyſiologiſchen Grund. Am früheſten wurde die Chiromantie von den Chaldäern, dann von den Aegyptern (Zigeuner) getrieben und von den Griechen (Ariſtoteles, Anaragoras) ſehr gepflegt. Auch der Talmud (Mai⸗ monides, Achmanides) beſchäftigt ſich mit ihr. In Deutſchland wurde fie von Prieſtern und Aerzten (Para— celſus) gepflegt. Die neueſte Zeit hat die erſten Keime einer wiſſenſchaftlichen, phyſiologiſchen Hand— kunde geſehen. Charles Bell, d' Arpentigny, Carus. Iſt a priori eine wiſſenſchaftliche Zeichendeutung der Hand möglich? Allgemeiner gefaßt: Kann aus der äuſſern organiſchen Form auf geiſtige Qualität geſchloſſen werden? 8 Nachdem der Dualismus zwiſchen Geiſt und Natur, Seele und Körper als unwiſſenſchaftlich bekämpft; nachdem eine beſondere Anordnung der Materie, eine beſtimmte organiſche Form als Bedingung der eigen— thümlichen Funktion, alſo auch die eigenthümliche Form des Gehirns und geſammten Nervenſyſtems als noth⸗ wendiges Subſtrat des eigenthümlichen Denkens und Empfindens a posteriori nachgewieſen worden; nachdem durch die vergleichende Anatomie die Organiſation der Thiere den eigenthümlichen Trieben und Inſtinkten ſtets 11 82 entſprechend gefunden und endlich die Hand als ein Haupt-Inſtrument zur Aeußerung der menſchlichen Fähigkeiten dargeſtellt worden, werden beide obige Fragen unbedenklich mit Ja beantwortet. Sodann wird die d' Arpentignyſche „Chirognomonie“ und das eigentlich darauf geſtützte Carus'ſche „über Grund und Bedeutung der verſchiedenen Formen der Hand“ beſprochen; auch einige Proben von d' Arpentigny's perſönlicher Geſchicklichkeit bei Beurtheilung von Händen mitgetheilt. Dem d' Arpentigny'ſchen Syſteme fehlt es an Logik und Nüchternheit, dem Carus'ſchen an Naturwahrheit. Manches aber von dem, was d' Arpentigny in ſeinem Buche ſagt, iſt gut beſchrieben und wirklich erfahrungsgemäß. Bei der eben erſt entſtehenden Wiſſenſchaft der Handkunde muß von einer Syſtematiſirung zuvörderſt ganz abgeſtanden werden. Gute Naturforſcher müſſen ſchlechte Syſtematiker ſein. Es wird Aufgabe der nüchternen Beobachtung fein müſſen, der Entwickelungsgeſchichte der Hand folgend zu kontroliren: das je— weilige Verhältniß der Wurzelfläche zu den Fingern; die Formen beider für ſich betrachtet; die Haut in Bezug auf Temperatur, Feinheit, Geſchmeidigkeit oder Sprödigkeit, Farbe, ſubkutanen Zellſtoff, Fettlager u. ſ. w., Knochenbau, Nägel, Muskulatur; die einzelnen Finger, ihre Gliederung und Stellung. Der Daumen, dem Menſchen erſt eigenthümlich, als & M ο, als Mittelpunkt eines von den andern Fingern beſchriebenen Krei⸗ ſes, als Repräſentant der Willensenergie (domare, „den Daumen halten“ oder „einziehen,“ poltron von pollex truncatus), iſt vorzüglich zu beachten. Auch der Zeigefinger zeichnet ſich meiſtens vor den an⸗ dern durch ſeine Form aus; er repräſentirt die Aeuſſerung des Demonſtrirens und Beherrſchens. Die Linien und Furchen der Hohlhand werden mit Unrecht vernachläſſigt; ihre Bildung hängt innig mit den verſchie— denen, am öfteſten gebrauchten Bewegungen der Hand zuſammen. Die abſolute Größe der Hand und in Relation zur Struktur des übrigen Organismus, endlich aber das Verhältniß der Hand— form zur Schädelform und Gehirnform (der Handfurchen zu den Hirnwindungen u. f. w.) in allen ihren Verhältniſſen, muß von um ſo größerem Intereſſe ſein, als das Erfaſſen mit dem Kopfe zu dem Erfaſſen mit der Hand im umgekehrten Verhältniſſe zu ſtehen, eine mehr als Ergreifungsinſtrument ausgebildete Hand einer niedern Gehirnorganiſation, eine mehr als Taſtſinn ſich bethätigende einem großen Denkvermögen zu entſprechen ſcheint. Auf häufige Krankheiten einzelner Theile der Hand wird immer die nöthige Rückſicht zu nehmen ſein. — In der Phrenologie, Phyſiognomik und Chirognomie liegt unzweifelhaft phyſiologiſche Wahrheit. Aber noch keine von ihnen hat es bis zu einiger Exaktheit gebracht. Es iſt höchſt wichtig, daß dieſe drei Wiſſenſchaften ſich gegenſeitig ergänzen und kontroliren. Ihr Einfluß auf Menſchenkenntniß und weiter auf allmälige Umgeſtaltung der Geſellſchaftsprinzipien kann groß werden, wenn die Baſis menſchlicher Entfaltung, die Erziehung, einmal auf ſolchen Grundpfeilern, überhaupt auf Phyſiologie, ſich er— bauen wird. Den 15. Dezember Herr Profeſſor Dr. Purkinje: Ueber das Bewußtfein als eigenthümliches Phänomen des Geiſtesweſens in der irdiſchen Natur. Die Auffaſſung iſt urſprünglich naturhiſtoriſch. In der Reihe der Thiere tritt das Welt- und Selbſt⸗ bewußtſein in auffteigender Reihe von dem niederſten Infuſorium bis zu den höchſten Thierformen auf. Erſt im Menſchen erhebt es ſich zum geiſtigen Bewußtſein und beſtimmt feinen unermeßlich höheren Werth. In: nerhalb des Menſchenreichs findet nun die Betrachtung wieder eine Entwickelungsreihe des Bewußtſeins durch die Lebensalter aus der Dämmerung des Embryolebens bis zur höchſten Klarheit des mittlern Alters. Endlich wendet ſich die Betrachtung nach den Entwickelungszuſtänden des Bewußtſeins, wie ſie in den Racen und Völkern der Erde in verſchiedenen Qualitäten und Graden der Geiſteskultur ethnographiſch und hiſtoriſch gez 83 geben ſind. Solche naturgeſchichtliche Auffaſſung des Bewußtſeins innerhalb der Sphäre unſeres Erdlebens eröffnet uns zugleich einen Blick in die Unendlichkeit dieſes allgemeinen, geiſtig materiellen Phänomens in der uns umgebenden Natur, und iſt geeignet, uns über den Standpunkt des gemeinen Materialismus zu erheben. Miscellaneen In der Sitzung am 31. März hielt Herr Dr. Med. L. Neugebauer einen Vortrag über die naturwiſſenſchaftlichen Sammlungen des Jardin des plantes zu Paris, die er im Herbſt 1846 kennen zu lernen Gelegenheit gehabt hatte. Er gab zuerſt einen flüchtigen Abriß der Geſchichte dieſes Inſtituts, theilte ſodann Bemerkungen über die Lage, Größe, — der Garten um⸗ faßt 33 Hektaren oder 165 Morgen Landes, — Geſtalt und die Bodenverhältniſſe des Gartens ſelbſt mit und ging hierauf zur eigentlichen Beſprechung der darin enthaltenen Sammlungen über. Dieſe ſind: 1) die Menagerie, 2) der eigentliche Pflanzengarten mit den Glashäuſern, 3) das zoologifhe Muſeum, 4) das Muſeum für vergleichende Anatomie, 5) das botaniſche Muſeum, 6) das geologiſch-mineralogiſche Muſeum, Sammlungen, zu denen überdies eine reichhaltige naturwiſſenſchaftliche Bibliothek von ungefähr 35,000 Bänden gehört. Die Menagerie oder der zoologiſche Garten, der eine etwas hügelige, mit engliſchen Anlagen gezierte Abtheilung des Gartens einnimmt, bietet einen bedeutenden Reichthum an Thieren der verſchiedenſten und ſeltenſten Art aus den Klaſſen der Säugthiere, Vögel und Amphibien dar. Die Thiere ſind, je nach ihrer Natur und Lebensweiſe, theils, wie die reißenden Thiere, die Affen, die Elephanten u. ſ. w., in beſonde⸗ ren gemauerten Gebäuden, theils, wie die Mehrzahl der Wiederkäuer, desgleichen die Känguruhs, ferner die Strauße, Kaſuare u. ſ. w., im Freien in Gehegen, wo ihnen leichte Holzhütten Schutz vor Kälte und Näſſe gewähren, untergebracht. Die Bärenfamilien bewohnen eigene Bärengruben. Die ausländiſchen Amphibien werden in einem beſonderen Haufe in mit Glasfenſtern verſehenen Zellen in Gewahrſam gehalten. Die Ein- richtung iſt überall eine ſolche, daß der wiſſenſchaftlichen Beobachtung der Thiere nach allen Seiten hin mög— lichſte Gelegenheit geboten wird. Aus dem botaniſchen Garten hob Hr. Dr. N. unter Anderem mehrere Bäume von botaniſch-ge⸗ ſchichtlichem Intereſſe hervor, fo namentlich eine im Jahre 1735 von Bernard de Juſſieu gepflanzte prächtige Libanonzeder, deren Stamm jetzt 11 Fuß im Umfange hält, desgleichen einen aus der Baumſchule Tourne⸗ fort's ſtammenden, um das Jahr 1707 gepflanzten Montpellierſchen Ahornbaum, ſo wie eine im Jahre 1635 von Vespaſien Robin ſelbſt, als erſter Baum dieſer Art in Europa, hier angepflanzte, gegenwärtig allerdings ſchon ziemlich ſchadhafte Robinia Pseudacacia. Die Gewächshäuſer find zum Theil gemauert, zum Theil ſehr zierlich aus Eiſen konſtruirt. Das Letztere iſt unter Anderem bei den faſt in Würfelform gebauten beiden Palmenhäuſern der Fall. Hinſichtlich des Kakteenhauſes iſt zu bemerken, daß die Glaswand deſſelben gegen die Sonne hin gewöbbt iſt. Von merkwürdigeren Gewächſen aus den Häuſern nannte Hr. Dr. N. unter Anderen einige, damals eben in Blüthe ſtehende prächtige Musa, einen peruvianiſchen Fackel-Kaktus von der rieſigen Höhe von etwa 40 Fuß u. ſ. w. Das zoologifhe Muſeum iſt vor allen übrigen Sammlungen durch eine erſtaunenerregende Reich: haltigkeit an Seltenheiten, wie überhaupt an Thieren ausgezeichnet. Die Maſſe des darin aufgehäuften Ma⸗ terials iſt ſo groß, daß das geräumige, aus einer Menge großer Säle, die zuſammengenommen eine Länge von ungefähr 800 Fuß haben, beſtehende Lokal der Sammlung geradezu überfüllt mit Präparaten erſcheint. Der 11 * 84 Gefammtinhalt der Sammlung wird auf 150,000 Exemplare angegeben, wovon 15,000 allein, 5000 Arten angehörend, auf die Klaſſe der Säugthiere, 6000, zu 2300 Arten gehörend, auf die der Vögel, und eine gleichfalls ſehr anſehnliche Zahl auf die beiden übrigen Vertebraten-Klaſſen kommen. Unter den niedern Thie⸗ ren iſt beſonders die Klaſſe der Schalthiere ſehr reich vertreten. Eine Fülle ſeltener Formen bietet die Abthei⸗ lung für Käfer und Schmetterlinge dar. Unter den erſteren ſieht man unter Andern die durch ihre Größe ſich auszeichnenden Arten Scarabaeus chorinaeus, Hercules und Actaeon, Enoplocerus armillatus, Tita- nus giganteus, unter den letzteren nächſt den Rieſenſchmetterlingen Eurebius Strix und odora, die Pracht⸗ arten Pavonia Eurylochus und Inachus, Urania riphaea, Vanessa orythyia, Cyreste elegans und viele andere. Viel Fleiß iſt auf die Darſtellung der Fiſche verwendet, in deren Abtheilung Buffon's Marmorſtatue aufgeſtellt iſt. Wenn in dem zoologiſchen Muſeum wegen des Mißverhältniſſes zwiſchen feiner Reichhaltigkeit und ſei⸗ ner Räumlichkeit das Material mitunter in einer der Idee des Syſtems zuwiderlaufenden Weiſe und öfter noch nicht überſichtlich genug aufgeſtellt erfcheint, läßt das zootomiſche Muſeum, deſſen Inhalt in runder Summe auf 12,000 Präparate angegeben wird, hinſichtlich ſeiner innern Einrichtung, kaum etwas zu wün⸗ ſchen übrig. Cuvier's vergleichender und ordnender Geiſt tritt hier dem Beſchauer auf jedem Schritte entge— gen. Vortrefflich iſt, das überhaupt mit der größten Sorgfalt bearbeitete Knochenſyſtem anlangend, unter An⸗ derem die vergleichende Zuſammenſtellung der einzelnen Kopfknochen, und ganz beſonders die der Zähne nächſt den auf den Dentitionsprozeß bezüglichen Präparaten. Das Muskel- und Nerven-Syſtem ſind zu großem Theile durch ſchöne Wachspräparate verſinnlicht. Unter den Gefäßpräparaten, die im Ganzen weniger zahl- reich vorhanden ſind, zeichnen ſich unter Anderem ein Paar Präparate aus, welche das Blutgefäßſyſtem des Menſchen in feiner Geſammtheit und ausſchließlich darſtellen, fo wie desgleichen ein Paar in Weingeiſt aufbe⸗ wahrte Kinderköpfe mit vortrefflich gelungener Injektion der Hautgefäße des Geſichts. Unter den anderweiti⸗ gen Weichgebilden find beſonders die Digeſtionsorgane und der Urogenital-Apparat ausführlich bearbeitet. Eine eigene kleine Abtheilung des Muſeums iſt der Gall'ſchen Schädellehre gewidmet. In ſeiner Art derſelben Aufmerkſamkeit werth, wie die eben genannte Sammlung, iſt das botaniſche Muſeum, welches mit dem mineralogiſch-geologiſchen und der Bibliothek der Anſtalt zuſammen in einem großen, neuen, höchſt elegant eingerichteten Gebäude untergebracht iſt. Es iſt dieſe Sammlung einmal Herba⸗ rium, anderntheils aber enthält ſie eine vergleichende Zuſammenſtellung der verſchiedenen Pflanzenformen als Organismen in deren Geſammtheit ſowohl, als in ihren einzelnen Theilen, von der Wurzel bis hinauf zum Blatt, der Blüthe und der Frucht. Sehr belehrend iſt unter Anderem die Vergleichung der Stämme der baumartigen Monokotyledonen und anderer baumartigen Tropengewächſe, welche ein eigenes, mit Juſſieu's Marmorſtatue geſchmücktes Zimmer einnimmt, wie andererſeits die der Stammdurchſchnitte, der Wurzeln ꝛc. Wohl am ausführlichſten aber iſt die Frucht und deren einzelne Theile bearbeitet. Einen ſchönen Schluß der verſchiedenen Vergleichungen bildet eine Zuſammenſtellung der verſchiedenen Pilzformen, welche gut in Wachs modellirt ſind. Das mineralogiſch-geologiſche Muſeum zerfällt, hinſichtlich der Anordnung feines mehr denn 60,000 Exemplare umfaſſenden Materials, in zwei Abtheilungen: eine rein mineralogiſche oder beſſer oryk— tognoſtiſche, und eine geognoſtiſch-geologiſche. Außerdem aber iſt dieſer Sammlung, gleichſam im Anſchluß an die Zuſammenſtellung der auf die Schichtung der Erdrinde bezüglichen Mineralien, eine reichhaltige Sammlung von Pflanzenpeträfakten und die von Cuvier ſtammende Sammlung foſſiler Thiere, welcher würdig die mar⸗ morne Statue dieſes großen Forſchers beigegeben iſt, einverleibt. Die letztgenannte Sammlung umfaßt einen fehr anſehnlichen Theil des bisher bekannt gewordenen foſſilen Thierreichs, von dem einzelne Abtheilungen, wie insbeſondere die der Schalthiere, in einer namhaften Anzahl von Gattungen und Arten vergegenwärtigt ſind. Unter den Wirbelthieren ſind beſonders die Säugthiere reichlich vorhanden; weniger zahlreich ſind die Fiſche; ſpärlicher ſind die Reptilien, am ſpärlichſten, was indeſſen bei ihrem überhaupt ſeltneren foſſilen Vorkommen ea Menke nicht befremden kann, die Vögel vertreten, von welchen letzteren die Sammlung kaum mehr als einige in Gyps nachgebildete Fußknochen von mehreren Species der rieſigen neuſeeländiſchen Gattung Dinornis und einige wenige in Europa aufgefundene foſſile Ueberreſte von kleineren Arten beſitzt. Die vorhandenen Repräſentanten der Amphibien find etwa folgende: Trionix fossilis, Chelonia Coo- peri, Lacerta gigantea, Mosasaurus (Conybeare) (durch ein Gypsmodell der im Maſtrichter Berge auf— gefundenen Ueberreſte verſinnlicht), Iguanodon fossilis, Megalosaurus, Crocodilus oxoniensis, Teleosaurus Ichthyosaurus communis, intermedius, platyodon und tenuirostris, Plesiosaurus, Mastodonsaurus Jae- geri v. Meyer (Batrachosaurus Fitzinger, Labyrinthodon Owen) (durch einen Gypsabguß des Kopfes vergegenwärtigt, von dem Hr. Dr. N. ſpäter in der Stuttgarter Sammlung das ſchöne Original zu fehen Ges legenheit hatte), Rana diluviana. Von Mammalien⸗Ueberreſten ſieht man, nächſt ein Paar der neueren Formation angehörenden Schädeln und Skeletten des Menſchen, unter Anderem Knochen von Ursus spelaeus und arctoides, von mehreren Viverra-Arten, von Palaeocyon primaevus, Amphicyon major und minor, Hyaenodon brachyrrhynchus, von verſchiedenen Hyänen- und Katzen-Arten, u. A. von den durch ihre ungeheuren oberen Eckzähne ausgezeichneten Arten Felis smilodon und F. cultridens; ferner aus der Reihe der Edentaten von Megalonyx, Megatherium, Mylodon Darwinii, Scelidotherium leptocephalum (2 Fuß langer Schädel), Glyptodon clavipes (Owen), aus der Ordnung der Pachydermen viele Schädeltheile und anderweitige Knochenpartieen von Elephas fossilis, Mastodon magnus, longirostris, angustidens und Humboldtii, von Dinotherium Cuvieri und giganteum, von Hippopotamus fossilis (mehre ſchöne Schä— del), Rhinoceros incisivus, tetradactylus, fossilis und dichorrhinus, Tapirus arvernensis, Lophiodon tapiroides, und mehren Palaeotherium- und Anaplotherium-Arten, aus der Ordnung der Wiederkäuer Knochen von mehren Hirſch- und Rinder-Arten, ſo wie von Camelopardalis Biturigum; endlich auch einige Knochen von Cetaceen, unter Anderem von Manatus fossilis. Schließlich legte der Vortragende der Sektion eine Anzahl ſelbſtgefertigter Abbildungen von einzelnen in feinem Vortrage berührten Gegenſtänden zu näherer Erläuterung des darüber Geſagten vor. Herr Dr. Med. Günsburg ſprach am 12. Januar: Ueber die Aufgabe einer volksthümlichen Maturgefchichte des Menfchen. Die Wiſſenſchaft iſt zu keiner Zeit an einem größeren Haltpunkte angekommen, ohne auf ihren Hebel, das Wohl der ganzen Menſchheit, zurück zu blicken. Jeder Fortſchritt des Prinzips wandte ſich der praktiſchen Welt zu und prüfte an ihr den erlangten Grad von Brauchbarkeit, wie an einem Barometer der realen Vollendung. Das Streben jedes Forſchers iſt eben der Kampf um den letzten Begriff, welcher Licht über das ganze zugehörige Gebiet ausſtrömen ſoll. Die Menſchenkunde ſelbſt, das Centrum, um welches alle anderen Körper der Wiſſenſchaft planetariſch kreiſen, hat in lang getrennten Epochen endlich einen Höhepunkt erreicht, von welchem aus ſie den Geiſt des menſchlichen Geſammtlebens beherrſchen muß. Die Kenntniß von dem normalen Bau und den Verrichtungen des menſchlichen Körpers, die Erforſchung der abnormen Lebensformen find immer von Naturforſchern und Aerzten zum Nutzen des großen Ganzen angewandt und, fo viel es an—⸗ ging, zum Erfahrungswiſſen des ganzen Volkes gemacht worden. Durch die allgemeinen Werke über Natur⸗ wiſſenſchaft giebt die Geſchichte davon Zeugniß. Wir erinnern aus einer neueren Zeit an die Namen Linné und Oken. Die Gleichartigkeit der Bildung wurde in den entfernteren Folgereihen dargethan und der Menſch als Glied des ganzen Naturreichs eingereih't. Dem Naturſtudium dieſes Jahrhunderts iſt im Allgemeinen der Ruhm der genetiſchen Forſchung zuzuerkennen. Die Einheit normaler und abnormer Bildungen wurde in der organiſchen Welt bis zu den Elementen verfolgt, ſelbſt in der lebloſen Natur, nur vergangenes Leben und ſchweigendes Neuwerden erkannt. Der Menſch, als Endzweck der Naturforſchung, zeigte den Grundtypus 86 jeder Bildungsform. Alles außer ihm Beſtehende gehört ſeiner Formſphäre an. Der Menſch iſt alſo im Sinne der Naturwiſſenſchaft das Geſammtbild des Weltalls. Die volksthümliche Naturgeſchichte knüpft die Darſtellung des Begriffs an den Kreis ſeiner Verwirkli⸗ chung. Wenn früher volksthümliches Weſen bald nationalen Beziehungen, bald der Schroffheit der Romantik zugeordnet worden iſt, ſo hat beſonders die neueſte Zeit flache und überſichtliche Skizzen für populäre Dar⸗ ſtellung erklärt und ſich darin arg getäpſcht. Eben fo wenig, wie dem Gelehrtenthum ein Verſinken in das Detail angemuthet werden darf, ſo darf auch der Volkswiſſenſchaft nicht Oberflächlichkeit vorgehalten werden. Der Volksgeiſt hat die Eigenthümlichkeit, daß ſich jedes Gegebene nur an ein theologiſches Verhältniß anz knüpfen kann. Jeder Volksbegriff muß umfaſſend, tief eindringend und möglichſt gerundet ſein; die Glieder deſſelben müſſen ſich an den Zweck der Dinge anſchließen. Die gelehrte Sonderung einzelner Doktrinen muß fallen und die Durchdringung der verſchiedenen Wiſſenszweige die Kompaktheit der populären Wiſſenſchaft erzeugen. Die Bildungsgeſchichte beweiſt zuerſt die Geſtaltung aus der Urform der belebten Zelle und die Identität aller organiſchen Weſen. Geſtaltung iſt der erſte Ausdruck des Lebendigen, und eher darf der Naturforſcher die Trennung alles Beſtehenden in Geformtes und Formloſes, als in Lebendes und Lebloſes zugeben. Durch den Typus der erſten Bildung tritt der Menſch in Verwandtſchaft mit Pflanze und Thier. Die Fähigkeit der Umbildung giebt die Möglichkeit des Fortlebens durch das Aufgehen einer Form in eine adäquate, Die Geſetzmäßigkeit des Werdens, der allmälige Fortſchritt zur Reife eines Theils nach dem andern, unter den Beſtimmungen des Zwecks, die Anpaſſung der umgebenden flüſſigen Medien und Häute, werden in populärer Anwendung eine fruchtbare Diätetik des Säuglings mit ſich bringen. Wird das Volk nach ſolchen Vorbegriffen über Entſtehung und Geſtalt des menſchlichen Kindes noch länger die Banden ſchmieden, mit welchen der Menſch, bei feinem erſten Schritte in die Außenwelt, von der leidigen Zucht der Gewohnheit be⸗ grüßt wird? Schutz ohne Zwang, gleichmäßige Ernährung und Freiheit der Selbſtentwickelung wird eine po⸗ puläre Bildungsgeſchichte für den Neugeborenen vindiziren und ihn vor Verzärtelei, wie vor Vernachläſſigung verwahren. An den Menſchgewordenen wird die Lehre vom Bau und den Verrichtungen der einzelnen Theile die erſte Hand anlegen. Die populäre Naturgeſchichte kann Anatomie und Phyſiologie nicht trennen, weil für ſie ein kontinuirliches Band zwiſchen Form und Beſtimmung beſteht. Der gleichförmige Bau der ſich in den einzelnen Theilen wiederholenden Gewebe ſchafft die Zuverſicht der harmoniſchen Funktionen. So bahnt ſich der Weg zur Schilderung der einzelnen Theile. Der populäre Anatom zergliedert nicht den Arm, ſondern er bekleidet den Röhrenknochen mit Muskeln und Sehnen, er beſchützt ihn mit Häuten und befeſtigt ihn mit Bändern. So zeigt er ſeinen Zweck, die Schonung in ſeinem Gebrauche, das Gebiet ſeine Verrückungen und die Möglichkeit, ihn ſtets wieder in das richtige Verhalten zum Ganzen zu bringen. Die Lehre von den Miſchungsverhältniſſen des Körpers, von ſeiner fortwährenden Neugeſtaltung durch Ernährung unterrichtet das Volk, woraus ſein Fleiſch und Blut geworden iſt, und wie das rechte Maaß in Speiſe und Trank zu halten ſei. Die Verbreitung ſolchen Wiſſens wird der Völlerei des Einzelnen, ſo wie der Zügelloſigkeit der Maſſen Einhalt thun und Ehrfurcht für das eigene Sein gebieten. Die Geſetze der Aſſimilation durch die Ernährung führen zur Lehre von der Erhaltung der menſchlichen Gattung. Eine weiſe Schonung der Einzelkräfte, ihre Erhaltung für die Zeit der Reife, ein geordnetes Leben in derſelben werden die erſprießlichen Ergebniſſe ſein, wenn geläuterte Begriffe über dieſe Vorgänge zur allge⸗ meinen Kenntniß gebracht fein werden. Die Reinheit des Naturgeſetzes wird dem Laſter manchen Damm entgegenſetzen; ſie wird die unbewußten und bewußten Vergehen an dem eigenen Selbſt vermindern. Auf ſolchen Grundlagen erhebt ſich die populäre Krankheitslehre. Von dem naturwiſſenſchaftlichen Standpunkte aus widerlegt ſie die pandämoniſche Pathologie, welche bisher dem Volke eigen war. Die Kenntniß von den örtlichen Mehr- und Minderbildungen, von den qualitativen Erſcheinungen des Lebens wird die unglaubliche 87 Unwiſſenheit beſeitigen, welche die große Maſſe bisher in der Zeichenlehre der Krankheit an den Tag gelegt hat. Aus Mangel an Belehrung wird oft ein leicht zu ertödtender Keim der Krankheit zum unheilbaren Uebel. So begleitet die Naturgeſchichte den Menſchen in den Wechſelfällen des Seins bis zum Rückgang in das Geſammtleben. Sie muß ſtets von dem Kulminationspunkte ihrer doktrinären Grundlage ausgehen und wird dabei immer einer weiteren Fortbildung fähig ſein. Die Ausführung der volksthümlichen Naturkunde wird dem ſocialen Leben förderlich ſein. Die gleiche Dignität der Individuen wird zur Begründung der gleichen Berechtigung jedes Menſchen an der irdiſchen Wohlfahrt hinleiten. Die Vollendung in feiner Maſſe muß mit dem Gefühle der Selbſtſtändigkeit den Phö— nix der Freiheit gebären. Dieſe Naturkunde giebt endlich dem Menſchen den Muth der Unſterblichkeit. Nirgends ſieht der von der Natur Gebildete mehr Tod, ſondern überall nur Aufgehen der individuellen Bildung in das Weltall und Emporblühen der Einzelheit aus der allmächtigen Vereinigung der lebendigen Maſſe. Den 10, Februar las Herr Profeſſor Dr. Purkinje den zunächſt folgenden Aufſatz: Ueber Gymnaſial⸗ Reform. Da dieſes Thema gerade gegenwärtig unter den Intereſſen der Studien-Reformen obenanſteht, ſo fin⸗ den wir es angemeſſen, den Aufſatz ganz hier abdrucken zu laſſen. Ueber Reform der Gymnaſten, mit Mückſicht auf Uaturſtudium, nebſt kurzer Darlegung eines cycliſchen Unterrichtsſyſtems. Der geheime Hofrath Herr Dr. Carus hat in feinem Auffage:*) „Von den Forderungen der Zeit an eine Neform des Medicinalweſens,“ ein ernſtes, würdiges Wort geſprochen, welches gewiß nicht ver— fehlen wird, im Publikum ſowohl, als bei denen quos penes arbitrium, ſeine gute Wirkung zu üben. Es betrifft die Sorge der Regierung für vollſtändige und allſeitige Ausbildung der Aerzte, die Bildung derſelben zu wahrhaft humaner Geſinnung durch die gehörige Normirung der Gymnaſien, endlich die ärztliche Pflege des Militärs und der ärmeren Volksklaſſen in Städten und auf dem Lande. Mit beſonderem Nachdrucke wird die Normirung der Gymnaſien beſprochen, wie ſie ſein müßte, um durch ſie ächte humane Bildung zu erzwecken, die dem praktiſchen Arzte ſo nöthig ſei, und wie ſie ſo geeignet wäre, um den Geiſt für ein freies Auffaſſen der Natur aufzuſchließen. Jedes beſondere Realſtudium, wie das der Naturwiſſenſchaften, ſoll von der Spiritualſchule, wie hier das Gymnaſium zum Gegenſatze der Realſchule genannt wird, fern gehalten werden, ſo wie dagegen von der Realſchule jede abſtraktere Richtung auszuſchließen wäre. Da der Theil in dem angeführten Aufſatze, die Ausſchließung der Naturwiſſenſchaften von den Gymnaſien betreffend, meinen Ueberzeugungen und wohl auch vieler Anderer durchaus entgegenſteht, auch zu fürchten wäre, daß eine ſo gewichtige Stimme bei den bevorſtehenden Studien-Reformen im Medicinalfache, die nothwendig auch auf die Gymnaſien influiren werden, nicht ohne Wirkung bleiben könnte, hielten wir es für angemeſſen, diejenigen Gründe aufzuſuchen, welche die Nothwendigkeit der Betreibung der Ae auf Gymnaſien zu erweiſen geeignet wären. Vorerſt wollen wir den Zweck des Gymnaſiums ſchärfer ins Auge ſaſſen Dieſer kann doch kein an⸗ derer ſein, als der der Schule überhaupt, nämlich die Entwickelung und Regelung der angebornen menſchlichen geiſtigen ſowohl als leiblichen Anlagen der Jugend durch Zucht und Lehre. Daher nennt man auch das Gymnaſium ſchlechtweg die Schule. Der althergebrachte Name Gymnaſium ſoll uns heutzutage daran erin⸗ ) Janus, Bd. II. Heft 1. 88 nern, daß nicht bloß paſſiver Unterricht, ſondern Uebung geiſtiger und leiblicher Kräfte hier das Mittel rein menſchlicher Entwickelung ſein müſſe. Hat ſich ſogar durch neuerliche Einführung der Turnübungen dieſer Name feiner antiken Bedeutung wieder genähert. Mit mehr Prätenſion nennt man die Gymnaſien auch Ge⸗ lehrtenſchulen im Gegenſatze der Bürgerſchulen für Gewerbleute jeder Art, die keine Gelehrtenbildung in An— ſpruch nehmen. Als Gelehrtenſchule iſt das Gymnaſium eine Vorbildungsanſtalt für die Univerſität und ihre Fakultäten, aus welcher der eigentliche Gelehrtenſtand, Fachlehrer jeder Art, Prieſter, Aerzte, Juriſten, höhere Staatsbeamte, Privatgelehrte und Akademiker hervorgehn. Seit der Erneuerung des klaſſiſchen Studiums im 14. Jahrhun- derte bildete die Erlernung der lateiniſchen und griechiſchen Sprache und die Aneignung der durch ſie gebotenen allgemein menſchlichen Kult urmittel die Grundlage der Gelehrtenbildung auf Gymnaſien. Beſonders übte hier die lateiniſche Sprache mit der hiſtoriſch von den Römern auf die Inſtitute der Kirche und des Staats über— tragenen Bildung ihre weltbeſiegende Kraft aus. Bald wurde ſie allgemeine Kulturſprache in Kirche und Staat und in gelehrten Verhandlungen, und erhob ſich zu einer Univerſalität, die wir noch jetzt zu beneiden Urſache haben und in anderer Form wohl anzuſtreben hätten. 0 Dieſe Univerſalität der lateiniſchen Sprache hat ſich heutzutage in viel engere Gränzen zurückgezogen, indem ſeit der Reformationszeit die beſonderen Nationalkulturen, mitunter glänzend und wetteifernd mit der antiken Bildung, ſich erhoben. Wenn früher die klaſſiſche Bildung die conditio sine qua non jeder höheren geiſtigen Bildung ſein mußte, hat ſich in der modernen Welt, beſonders in Bezug auf Wiſſenſchaft bei den Kulturvölkern Europas, das Verhältniß anders geſtellt. Nur noch in Hinſicht der ſtpliſtiſchen Kunſt, alfo als äſthetiſches Kulturmittel, bleiben uns die Alten, namentlich die Griechen, ewige Muſter; in der ſtrengen Wiſ— ſenſchaft haben wir ſie, materiell und formell, weit überflügelt, und ſo wie die Wiſſenſchaft die Landesſprachen zum unmittelbaren Organ ſich erwählte, konnten die alten Sprachen nicht mehr mit ihnen gleichen Schritt halten, ſie wurden immer mehr aus dem lebendigen Verkehr der Wiſſenſchaft herausgedrängt und führten in dieſer Hinſicht zeither nur ein Scheinleben, dem man nur aus althergebrachter Sitte noch zu huldigen ſchien. Die Univerſitäten find ſeitdem romaniſch, germaniſch, ſlaviſch, die Maſſe des wiſſenſchaftlichen Unterrichts ift meiſt durch dieſe Sprachen vermittelt. Und ſo hat ſich die Aufgabe der vorbereitenden Gelehrtenſchulen auch weſentlich umgeſtellt. Wenn dennoch die Gymnaſien in ihrer alten Form zu beharren ſtreben, ſo ſcheinen ſie dem mächtig fortgeſchrittenen Zeitgeiſte die Spitze bieten zu wollen und müſſen ſeine reformirende Gewalt viel⸗ fältig erfahren, wie fie denn auch, obgleich nur ſchrittweiſe, ihm einen großen Theil ihres Terrains bereits ein— geräumt haben.. Wenn wir heutzutage das Gymnaſium als Vorbereitungsſchule höherer und höchſter wiſſen— ſchaftlicher und Kunſtbildung anſprechen ſollen, ſo tritt das klaſſiſche Studium immer mehr in den Hinter— grund, zieht ſich von ſeiner ehemaligen Allgemeinheit unter die andern Specialitäten zurück, zunächſt unter die philologifch = äſthetiſchen, hiſtoriſchen Bildungsmittel, und muß unter dieſen neben dem Studium anderer Kul- turſprachen und Litteraturen ſeinen beſcheidenen, wenn gleich noch immer erſten, Platz einnehmen. Wenn wir jedoch das Gymnaſium als Vorbereitungsanſtalt höherer und höchſter wiſſenſchaftlicher und Kunſtbildung betrachten müſſen, ſo ſoll damit nicht gemeint ſein, als habe es nur eine bedingte Exiſtenz, oder als hätte es ſeinen Zweck lediglich außer ſich, etwa in der Univerſität, den Fakultäten, ſo daß, wenn es ihn in dieſen nicht erreichte, ſeine Wirkung aufs Individuum fruchtlos und eitel wäre. Jede geiſtige Uebung, wenn ſie auch in Beziehung zu einer höheren ſteht, erreicht ſchon ihren Zweck als ſolche in der geiſtigen Ent⸗ wickelung des Individuums. Wenn ſie auch in objektiver Hinſicht nur als Theil eines ſyſtematiſchen Gan⸗ zen betrachtet wird und inſofern ihr nur eine bedingte Exiſtenz zukommt, wo ſie denn, vom Ganzen getrennt, weſentlich an Werth einbüßt, ſo iſt es doch nicht ſo in ſubjektiver Beziehung, ſofern ſie nur geeignet war, geiſtige Kraft zu üben und zu entwickeln. Das Leben macht verſchiedene Anſprüche an die organiſchen Be— ſtandtheile der Wiſſenſchaft, und iſt gar oft mit einem Bruchtheil zufriedengeſtellt, ohne das Ganze in Anſpruch zu nehmen. Dieſen Forderungen zu genügen, haben auch die Gymnaſien vielfältig geſucht, es fehlt nur noch, 89 für ſolche Beſchränkungen die vollen und entſprechenden Normen einzuführen. Doch wird man fagen: hier iſt eben die Verſündigung gegen die höhere Beſtimmung der Gymnaſien. Die Mützlichkeits-Philoſophie will fie ins Materille herabziehen. Jede Uebung, jedes Gelernte ſoll ſogleich Nutzen bringen, irgend eine Anwen⸗ dung für die Zwecke des Lebens zulaſſen. Dies, meint man, entwürdigt die geiſtigen Beſchäftigungen, zieht fie in niedere Sphären herab, da fie ſonſt nur Zweck an ſich find, und nur mit ihres Gleichen in Bezie— hung treten wollen. Darum hält man hoch das klaſſiſche Studium, das uns der Gegenwart ganz entrückt und uns fern hält von der Miſere unſerer Zeit, darum begünſtigt man die Mathematik nur inſofern, als ſie reine Geiſtespaläſtra iſt, nicht, um ſie zu gemeinen Rechnungen herabzuziehen; man betreibt die Grammatik, die Logik, die Philoſophie um ihrer ſelbſt willen, nicht, um damit Sprachen zu lernen, denken zu lehren, die Gedanken der realen Welt zu erfaſſen; und ſo ſteigert man ſich auf einen höchſt vornehmen Standpunkt, der mit der gemeinen Wirklichkeit nichts zu thun habe. Dies iſt nun die ſpirituelle im Gegenſatz der Realſchule. Zu dieſen Extremen iſt es heutzutage gekommen, und noch dauert der Kampf hartnäckig fort. Wenn einige Zeit der Realismus gegen die damals faſt einzig Beſtand habenden Gymnaſien, theils mit Erfolg, theils mit Nachtheil, Anlauf machte, iſt es ihm nunmehr gelungen, ſein eigenes Lager zu beziehen, ſich in eignen Real— Gymnaſien, polytechniſchen Schulen ꝛc. ſeine Feſtungen zu errichten, ja ſogar Real-Univerſitäten anzuſtreben, als Reſidenzen ſeiner Herrlichkeit. Wohin treibt uns die Einſeitigkeit der Theorie und der Anwendung? Iſt das, was man Ideales und Reales nennt, nicht aus einem Geiſte hervorgegangen? Giebt es nicht hier Mittel und Wege der Vermittlung und Verſöhnung? — Gewiß hat es immer etwas Nobles an ſich, wenn geiſtige Beſchäftigungen um ihrer ſelbſtwillen ohne alle Beziehung auf Nutz und Anwendung betrieben werden. Es ſcheint dies Sache höherer Geiſter; den niederen bleibt vorbehalten, die Eingriffspunkte der An— wendung auszufinden. Doch hat ſolches abſtraktes Thun wieder etwas Deſolates, und ſcheint unſerer menſch—⸗ lichen Art nicht angemeſſen, ſcheint auch niderftreitend der humanen Bildung, welche die Gymnaſien haupt⸗ ſächlich als ihre Beſtimmung betrachten. Wenn Cauchy ſeine abſtruſen Calcüle, die vielleicht erſt nach einem Jahrhundert ihre Früchte tragen werden, auf das Bureau der franzöſiſchen Akademie niederlegt, ſo werden ſie meiſt ad acta deponirt und das Publikum mit ihrer Mittheilung verſchont, indeß die geringſten Entdeckungen in den Naturwiſſenſchaften, die geringfügigſten Verbeſſerungen in der Technik ſogleich ihre Reiſe um die Welt beginnen und Licht und Wärme verbreiten. Man bewundert den tiefſinnigen Mathematiker, aber wie anders fühlt man ſich hingezogen zu einem Davy, einem Wheatſton, Faraday, die jeder Entdeckung auch ſo— gleich irgend eine nützliche menſchenbeglückende Anwendung abzugewinnen wiſſen. Iſt dies nicht ächte Huma⸗ nität? und ſollte ein ſolcher Geiſt geeignet ſein, die Reinheit der Humanitätsſtudien zu beeinträchtigen? Gehört die Entwickelung des praktiſchen Sinnes, des Sinnes der Anwendung des Gelernten, Gewußten, neu Entdeck— ten nicht auch zu den ächt humanen Entwickelungen? Sollten dieſe vom Gymnaſium ſo gar ſtrenge fern gehalten werden? Das ganze Geſchäftsleben des Arztes beſteht in unausgeſetzter Uebung der Kombination, um für gegebene Krankheitsfälle die Anzeige, die Mittel, die Behandlung zu erfinden. Aehnliches gilt vom Prie— ſter, wenn er als Redner wirken, als Seelenarzt mit Erfolg thätig fein will. Die Kaſuiſtik des Rechtsan⸗ walts, des Richters, des Polizeibeamten, des Kameraliſten, des Volksdeputirten, des höheren Staatsbeamten jeder Branche und jedes Grades bietet ein unendliches Feld praktiſcher Anwendung allgemeiner wiſſenſchaftlicher Grundſätze und der aus reicher Erfahrung geſchöpften Analogieen dar. Wenn der hierzu nöthige praktiſche Sinn nicht frühzeitig geübt worden, vielmehr durch verkehrte, pedantiſche, abſtrakte Lehrmethoden im Keime erſtickt iſt, und ſich eine Spaltung zwiſchen Wiſſen und Leben frühzeitig gebildet hat, ſo darf man ſich nicht wundern, wenn die Erſcheinung beinahe an der Tagesordnung iſt, daß die Begabteſten, dem Betreiben abſtrak⸗ ter Studien auf Gymnaſien und Univerſitäten hingegeben, ſo es zur Anwendung ihres Wiſſens kommt, wenn ein gegebener Fall ſchnelles Urtheil, Entſchluß und That fordert, oder fie in praktiſchen Anſtalten ihre Befä— higung und Ausbildung für's Leben vollenden ſollen, gerade am unbehülflichſten ſind, und ſich bald von weni— ger Befähigten in den allgemeinen Wiſſenſchaften, die ihnen nach der gegenwärtigen Art ihrer Betreibung 12 90 nicht genug Intereſſe einflößen konnten, weniger Unterrichteten den Vorrang ablaufen laſſen. Daß eine ſolche unpraktiſche Behandlung des edelſten Theiles des Volksunterrichts für die Wohlfahrt des Staates, für den Ruhm und die Größe der Nation, und auch für das des Publikums nicht ohne nachtheilige Folgen bleiben könne, ließe ſich an manchen traurigen Phänomenen beweiſen, die uns die Geſchichte der Vergangenheit und Gegenwart liefert. Es iſt ein höchſt einfacher, dem ſimpelſten Verſtande klarer Gedankengang, daß, wenn die weſentlichſten Beſtandtheile des Univerſitätsſtudiums, Theologie, Jurisprudenz, Medicin, Lehrfach, oder auch die Studien bes ſonderer ökonomiſcher, merkantiliſcher und anderer Inſtitute, durchaus praktiſche, für die Bedürfniſſe des Lebens berechnete Kultur erfordern, das Gymnaſium aber größtentheils die Vorbereitung dazu ſein ſoll, die Methode des Gymnaſialunterrichts praktiſchen Charakter nicht verläugnen oder ihn gar ſtreng abweiſen dürfe. So mö— gen denn die Humanioren und auch ein Theil der Univerſität, den man für jetzt unter der philoſophiſchen Fakultät befaßt, indem ſie die Ertheilung allgemein menſchlicher Bildung anſtreben, auch dafür ſorgen, daß dieſe durch alle Stadien mit dem Leben des Volkes in innigſter Beziehung bleibe, von ihm Wirkungs⸗ ſtrahlen empfange und mit ſolchen darauf zurückwirke. Nur ſo kann ſie Allſeitigkeit erlangen und ſo das ganze Weſen der Menſchennatur im Individuum zur Blüthe, zum fröhlichen Leben nach Auſſen treiben. Das edle Sichſträuben eines jeden ächten Denkers gegen die ſogenannte Nützlichkeitsphiloſophie iſt mir wohlbekannt, ich ſelbſt bin von gleicher Geſinnung völlig durchdrungen, und es würde mich ſehr betrüben, wenn ich bei gegenwärtiger Veranlaſſung den Gradus eines Nützlichkeitsphiloſophen erlangt hätte. Nicht ganz ohne Unrecht verbindet fi mit dem Begriffe der Realſchulen, wie fie eben hier oder dort exiſtiren, der Begriff des Gemeinen und Niedrigen, wo es nur auf Abrichtung für beſtimmte Zwecke abgeſehen ſei, ohne alle wiſſen⸗ ſchaftliche Begründung, oder nur inſoweit, als es die mangelhaften Vorkenntniſſe, die beſchränkte Zeit, der Mangel an Fähigkeit und geiſtiger Entwickelung erlauben, oder gar mit Rückſicht auf beabſichtigte Niederhal⸗ tung gewiſſer Arbeitsklaſſen in beſchränkten Sphären, die eben dadurch nach dem Stande unſerer ſocialen Kul⸗ tur um ſo brauchbarer gemacht werden ſollen. Es iſt dann nicht zu verwundern, daß ein edles Gemüth jede Verunreinigung der ſchon von Alters her fo genannten freien Künſte und Wiſſenſchaften, artes liberales, von einem ſolchen Realismus durchaus abhorrirt, und von ihnen abzuweiſen, mit allen Kräften beſtrebt iſt. Dieſer Begriff von Realismus hat jedoch in neuerer Zeit, ſelbſt in der Volksmeinung, eine bedeutende Läute⸗ rung erfahren, ſeitdem die Mittelklaſſen und Gewerbleute immer mehr der wiſſenſchaftlichen Bildung entgegen⸗ ſtreben, und auch die wiſſenſchaftlichen Männer es nicht verſchmähen, durch Populariſirung der Wiſſenſchaft den Wünſchen und Bedürfniſſen des Publikums entgegenzukommen. Anzeichen ſolcher Denkungsart iſt ſchon der Name: Realgymnaſium, womit man hie und da die techniſchen Schulen beehrte, und den man ihnen gerne läßt, da fie ihn durch die darin herrſchende wiſſenſchaftliche Methode mit Recht verdienen. Eben fo ift der Begriff des Realismus mit den Realwiſſenſchaften der Univerſitäten verbunden, ohne daß es Jemandem einfallen könnte, ſie aus dieſem heiligen Kreiſe verjagen zu wollen. Es iſt alſo hier, wie mit ſo vielen andern Wortbedeutungen, die bald im niederen, bald im höheren Sinne genommen werden können, wo es denn nur darauf ankommt, ob man ſich abſichtlich, aus was immer für gemüthlichen Gründen, in den Kopf ſetzt, das Wort in verkehrter Weiſe zu gebrauchen. Daß aber auch das reale Wiſſen, im Gegenſatz der Kunde der alten Sprachen, auf unſern Gymnaſien ſeit jeher Eingang gefunden hat, zeigt uns die Geſchichte der Kämpfe der Humaniſten und Realiſten, die ſchon im 17ten Jahrhunderte beginnen und in neuerer Zeit auf die höchſte Spitze getrieben wurden; wo denn eine gemäßigte Parthei neben den klaſſiſchen Studien auch den Realwiſſenſchaften einen, obgleich noch immer ſehr beſchränkten, Platz anweiſet. Natürlich muß mit jedem bedeutenden Fortſchritte des geiſtigen Lebens der Menſchheit eine Fortgeſtaltung des Unterrichts und der übrigen Bildungsformen auf Gymnaſien ſtattfinden. Nach ihrem weſentlichen Zwecke, allgemein menſchliche Bildung der jedesmaligen Generationen zu erzielen, ſtellen ſie gleichſam das Bild der 91 kultivirten Menſchheit im kleineren Maßſtabe dar, und müffen fo nothwendig die Farbe und den Grundtypus des jedesmaligen Zeitalters früher oder ſpäter annehmen. Wenn ihre Umwandlung gewöhnlich mit einem ge— wiſſen Widerſtande der hinſcheidenden Formen verbunden iſt, ſo theilen ſie dieſes Geſchick mit allen andern hiſtoriſchen Entwicklungen. In jener Zeit, wo das erneute Studium der Alten alle Intereſſen der damaligen Gelehrtenwelt an ſich zog, konnte das Gymnaſium nichts anderes ſein, als eine Sprach- und Vorbildungs— Schule für das Studium der Alten. Das blieb es auch, ſo lange die lateiniſche Sprache in allen höheren Verhältniſſen der Kirche und des Staats die herrſchende blieb. Heutzutage, wo die exakten Wiſſenſchaften den Reigen der geiſtigen Bewegung der Menſchheit anführen, müſſen nothwendig auch die Gymnaſien einen Re— fler des wiſſenſchaftlichen Lebens dieſer Art in ſich aufnehmen, wenn fie nicht bald durch entſprechendere An— ſtalten überflüſſig gemacht und verdrängt werden ſollen. Es ergehen aber ſo enorme Anforderungen an die heutige Kulturſchule, und ſind noch ſo im Steigen begriffen, daß wohl die Zeit gekommen iſt, nach einem Heilande auszuſehen, der in dieſen Bedrängniſſen, wo durch die Maſſen wiſſenſchaftlichen Vorraths der jugendliche Geiſt erſtickt zu werden in Gefahr iſt, für Leh— rende und Lernende Retter und Helfer ſei. Es ſind wohl zu verſchiedenen Zeiten Männer erſtanden, welche durch Verbeſſerung der Lehrmethode es möglich machen wollten, auch den unermeßlichſten Inhalt dem Geiſte erfaßbar zu machen. Unter dieſen Männern iſt hier vorzüglich Peſtalozzi zu nennen, der gewiß auf den riche tigſten Anſichten über den Mechanismus der geiſtigen Thätigkeit ſeine Methode gebaut hat. Wenn ſie dennoch nicht die Früchte brachte, die ſie verſprochen, ſo lag es wohl zumeiſt in der Beſchränktheit ihrer Anwendung auf Elementargegenſtände, und es iſt mit Sicherheit zu erwarten, daß ſie noch bei weitern Entwickelungen und Anwendungen auf die Betreibung der höheren Wiſſenſchaften, wenn auch vielleicht unter andern Namen, neue Triumphe feiern wird. Von der andern Seite liegt es in der Natur der Entwickelungen der einzelnen Wiſſenſchaften ſelbſt, daß mit dem Hervortreten ihres Stoffes auch ihre Idee oder Form immer gewaltiger hervortritt, ſich den Inhalt unterjochend, die dann als weſentlich verwandte des menſchlichen Geiſtes von die— ſem mit Leichtigkeit ſich ergreifen läßt. Am reinſten zeigt ſich dies bei den Entfaltungen der neueren Matheſis, ſodann im Bereich des Empiriſchen, in den Fortſchritten der neueren Morphogenie. Je trefflicher die Form iſt, in die ein wiſſenſchaftliches Material ſich einſchließt, deſto leichter die Erfaſſung. Der hier erwähnte Gegenſatz zwiſchen Stoff und Form der Wiſſenſchaft läßt ſich auch in der neuerli— chen Auffaſſung der Beſtimmung der Gymnaſien, gegenüber den Univerſitäten, deutlich erkennen. Die Einen wollen den Gymnaſien vorzugsweiſe das Formelle zuweiſen, dem das Materielle nur wie beiſpielsweiſe und zur Erläuterung beigegeben würde, indeß der Univerſität das geſammte Material in ſyſtematiſcher Faſſung zuzu⸗ weiſen wäre. Dieſe Anſicht iſt noch erſt im Werden, es ſind noch nicht die gehörigen Applikationen, Verſuche und Erfahrungen darin gemacht worden. Carus's Gymnaſialform, wornach dieſer Sprache, Matheſis, Geſchichte, Poeſie und Philoſophie, als die Hauptgegenſtände zu humaner, von allem Realismus rein gehaltener Kultur, aufnehmen ſoll, ſcheint we— ſentlich dieſen abſtrakt formellen Typus an ſich zu tragen, obgleich auch hier nicht die äußerſte Konſequenz beobachtet wird. Denn wenn man auch der Matheſis, der Philoſophie rein formelle Bedeutung zugeſtehen will, fo kann doch Sprache, Geſchichte und Poeſie des Materials nicht entbehren. Wo bleibt aber das For⸗ melle der ſinnlichen Anſchauung, das uns zur Auffaſſung des ungeheueren Materials der Naturwiſſenſchaften qualificiren fol? Es ſcheint, daß dieſes Alles der Matheſis als der reinen Anſchauung a priori zugeeignet werde. Wenn wir es verſuchen, im obigen Sinne die Aufgabe des Gymnaſiums als formelle Vorbereitungs— ſchule für die Realwiſſenſchaften der Univerſität ſchärfer ins Auge zu faffen, fo Beben ſich etwa folgende For⸗ derungen, die an daſſelbe gemacht werden können: 1) Als Vorbereitung zu den hiſtoriſchen Wiſſenſchaften muß allerdings das Studium alter und neuer Sprachen und Uebung in philoſophiſcher und hiſtoriſcher Kritik einen großen Theil der Lehrzeit in Anſpruch 12 * 92 nehmen, davon dann auf der Univerfität der Philolog, der Juriſt und Theolog die Früchte brechen fol. Die Uebungen in ſprachlicher Darſtellung, wozu denn auch Poeſie und Proſa, ferner das Studium der Litteratur gehören, könnten in dieſer Abtheilung ihren Platz finden. 2) Einen nicht geringen Theil der Zeit würden philofophifche Uebungen einzunehmen haben, in denen gewiſſermaßen die Logik und Dialektik aller Theorie und Praxis der Fakultäten vorausgenommen würde; na⸗ türlich müßte, als Einleitung, die Eneyklopädie der Wiſſenſchaften vorhergehen. 3) Die Matheſis als Logik der Anſchauung würde vorzüglich den Naturwiſſenſchaften zugekehrt ſein, und alle Schemen der empiriſchen Naturanſchauung im Voraus behandeln. 4) Als eigene Abtheilung wäre noch Pſychologie und Anthropologie einzufügen, inwiefern dieſe die all- gemeinen Formen alles beſonderen pſychiſchen und geiſtigen Lebens umfaſſen; hier hätte auch Geſchichte, Eth⸗ nographie und Biographie ihre Stelle. 5) Endlich würde die körperliche Gymnaſtik, wozu auch alle Arten techniſcher und artiſtiſcher Vorübun⸗ gen gehören, einen weſentlichen Beſtandtheil des Formalgymnaſiums ausmachen. . Man ſieht aus dieſem beiläufigen Verſuche ſchon, wie das Gymnaſium als formale Vorbildungsanſtalt der Univerſität nichts mehr und nichts weniger als eine philoſophiſche Paläſtra werden müßte. Ein ſo gebildetes Individuum würde am Schluſſe der durchgemachten Schule eigentlich kein poſitives Wiſſen beſitzen, denn alles Materiale des Wiſſens iſt ihm nur zufällig und beiſpielsweiſe zugekommen, es würde aber die höchſte Empfänglichkeit und Anſtelligkeit für die Auffaſſung und Behandlung alles materiellen Wiſſens und Könnens in ſich entwickelt haben. Wenn man auf ſolche Weiſe und noch ausführlicher in eigenen Gedanken ſich ein ſolches Formalgym— naſium ausmalt und alle Konfequenzen zu Ende denkt, die daraus hervorgehen, fo wird man finden, daß es ein höchſt künſtliches Werk geben würde, das nur in einer eben ſo abſtrakten Welt Beſtand gewinnen könnte, für unſere ſocialen Zuſtände unſere Kulturformen durchaus unpaſſend befunden werden müßte. Dieſen muß ſich vielmehr das Gymnaſium als humaniſtiſche Anſtalt auf das innigſte anſchmiegen, mit ihnen ſteigen und fallen und ihnen den Weg vorbahnen. Nimmt man in dieſer Beziehung die Beſtimmung des Gymnaſiums in nähere Betrachtung, ſo kommt vorerſt zu erwägen, welche Kräfte die Menſchheit als weſentliche Anlagen in ſich enthält, und welche davon durch frühere und gegenwärtige Kulturen zur Entwickelung gekommen ſind. Dies würde denn das Vorbild abgeben, nach welchem die Uebungen des Gymnaſiums zu regeln wären, um ein kleines Bild der Menſchheit im Individuum darzuſtellen. Es iſt nicht ſchwer, ein allgemeines Bild derjenigen Kulturen zu entwerfen, welche fi in der Menfch- heit bisher entwickelt haben. Die älteſte iſt die religiöſe Kultur, ſodann die Kunſtkultur; die jüngſte iſt die wiſſenſchaftliche. So wie aber alle aus demſelben Weſen der menſchlichen Natur hervorgehen, ſo müſſen ſie auch in demjenigen verbunden ſein, der auf allgemeine humane Bildung Anſpruch macht. Außerdem aber find unter jenen allgemeinen noch eine große Menge ſpecieller Kulturen begriffen, davon die äußerſten Ent⸗ wickelungen nur noch von zufälligen Verhältniſſen ihre Beſtimmung erhalten haben. So modifieirt ſich die religiöſe Kultur nach den verſchiedenen Religionen, ob heidniſch, mahomedaniſch, jüdiſch, chriſtlich, und von welcher Konfeſſion, ob katholiſch, oder proteſtantiſch, oder griechiſch. Alles dieſes prägt dem Menſchen ſeine Form auf und bringt auf eigene Art den religiöſen Sinn zur Entwickelung. Am innigſten vereinigt mit der religiöſen iſt die moraliſche Kultur. Sie geht zwar zunächſt aus der natürlichen Sympathie zu Unſersgleichen hervor, muß jedoch auch durch Erziehung und Uebung ihre Bekräftigung erhalten. Auch die Sitte iſt ein Ergebniß moraliſcher Kultur, obgleich durch Beiſpiel und Nachahmung von früheſter Jugend eingeführt. So haben wir ferner verſchiedene Arten äſthetiſcher und Kunſtbildung nach Verſchiedenheit des Schönen, gegen das ſich der menſchliche Sinn und Kunſttalent hinwendet. Geläufig iſt uns der Ausdruck muſikaliſcher Bildung, weniger geläufig der Ausdruck für Kunſtbildung des Malers, des Plaſtikers, des Architekten, des Schauſpielers, des Dichters u. ſ. w., obgleich jede eben ſo beſonders und eigenthümlich iſt. Die intellektuelle Bildung theilt 93 ſich in die litterariſche, gelehrte und in wiſſenſchaftliche, in formale und reale, und was noch fonft für Unter ſchiede ſich finden mögen. So z. B. nach den Fächern: philologiſche, philoſophiſche, juriſtiſche, theologiſche, medieiniſche, ferner auch techniſche Ausbildung. So erhält auch jede allgemeinere Bildung eine Tinktur von der Nationalität und ſonſtiger ſocialer Umgebung, worin das Individuum ſich befindet. Endlich kann die ſpecielle Kultur nach den verſchiedenen Zwecken des Lebens verſchiedene Beſchränkungen erleiden, die mit relati⸗ ver Unkultur in mannichfachen Graden ſich kombiniren. Zu ähnlichen Reſultaten gelangt man von der ſub— jektiven Seite, wenn man die pſychiſchen Anlagen des Menſchen analyſirt. Aus dieſer Betrachtung menſchlicher Kulturformen ergiebt ſich nun ſogleich die allgemeine Norm, nach welcher die Erziehung und der Unterricht geregelt werden müſſen, wenn ſie eine allſeitige humane Bildung erzielen ſollen. Wir müſſen religiös moraliſche, äſthetiſche und wiſſenſchaftliche Bildung anſtreben und möglichſt alle Formen, die in dieſen enthalten ſind; dabei darf auch die körperliche Ausbildung nicht vernachläſſigt wer— den. Schwieriger wird es, im Beſonderen anzugeben, auf welche Weiſe und durch welche Mittel die verſchie— denen Kulturen zu erreichen und wie dieſe den gegenwärtigen ſocialen Verhältniſſen anzupaſſen ſind. Die rein formelle Bildung haben wir ſchon oben, als den gegenwärtigen ſocialen Zuſtänden unangemeſſen, fallen laſſen. Es ſcheint uns am zweckmäßigſten, Formelles mit Materiellem ſo zu verbinden, daß daraus für die rein menſchliche Ausbildung des Individuums und feine Brauchbarkeit in der Geſellſchaft die möglichſt größten Erz folge hervorgehen. Nach den natürlichen Vorgängen der menſchlichen Entwickelungen iſt überall das Formelle an ein Materielles gebunden. Alle unſere ſinnliche Anſchauung iſt uns durch Gegenſtände zugekommen, und ſelbſt unſerm Denken wurde durch äußere Begebenheiten und Naturerſcheinungen vorhergedacht. Die ganze Menſchheit aber hat ſich an ſich ſelbſt und an der umgebenden Erdnatur zu immer höherer Kultur geſteigert. So möge denn auch das Bildungsmaterial der Schule hauptſächlich in anthropologiſche und naturwiſſenſchaft— liche Lehren und Uebungen ſich theilen. Zu den erſteren gehören Sprach-, Kunſt-, Litteraturkenntniß, an⸗ Ihropologiſche und hiſtoriſche Studien; zu den letzteren Naturgeſchichte der drei Reiche, Phyſik, Chemie, allge— meine Erdkunde, Aſtrognoſie, Mathematik. Beſonders müßte aber darauf geſehen werden, daß die formelle Bildung oder Kräfte⸗Entwickelung mit dem darzubietenden Lehrſtoffe in gehörige Harmonie geſetzt würde. Da wir oben die Zweckmäßigkeit der ſchnellen Beziehungsübung zur Anwendung erwieſen haben, ſo müßte bei allen einzelnen Fächern auch dafür geſorgt werden, daß überall bei den einzelnen Doktrinen, wo ſich Gelegenheit dazu ergiebt, auf ihre Anwendung im Leben hingewieſen würde. Nach dieſem möchte alſo das Gymnaſium, wie es auch ſchon jetzt im Allgemeinen der Fall iſt, von der Univerſität weſentlich kaum zu ſcheiden ſein, in⸗ dem beide daſſelbe Material der Wiffenfchaft enthalten, fo wie die Univerſität von der Akademie nicht geſchieden werden kann, indem allen dieſelben Stoffe vorliegen. Es wären nur verſchiedene Stufen allgemein menſchli⸗ cher Bildung. Der Unterſchied läge nur darin, daß jede dieſer Kulturſtufen auf eigene ſubjektive Weiſe die gemeinſamen Gegenſtände behandelte. Das Gymnaſium, um an ihnen die Kräfte zu üben und zu entwickeln, die Univerſität, um ſie vollkommen zu begreifen, zu behandeln und anzuwenden, die Akademie, um ihre weitere Erforſchung und allgemeine Anwendung zu betreiben. Da ferner der Organismus aller Bildungsanſtalten nicht allein in ſich ſelbſt abgeſchloſſen fein kann, fo daß die Zukunft und Relation der einen nur in der ans dern enthalten wäre, vielmehr die niedere und höhere Schule in allen Stadien der Entwickelung dem öffentli⸗ chen Leben zugekehrt bleibt, fo werden ſich gewiſſe Stufen relativer Maturität herausſtellen, welche cyklenweiſe durch die Schulbildung erreicht werden können, um ſofort, nach Abbruch dieſer Art Fortbildung, im Leben nützlich und anwendbar zu erſcheinen. Wir müſſen uns hier im Allgemeinen über das vorzuſchlagende cykliſche Lehrſyſtem ausſprechen. Die ſocialen Verhältniſſe im Volke, wie ſie nun einmal beſtehen, erfordern verſchiedene niedere und höhere Grade theoretiſcher und praktiſcher Vorbildung. Unſere Schulen haben bisher meiſt nur den formalen Unterricht be⸗ rückſichtigt, und die Gelehrtenſchulen, wo fie noch zum beſten beſtellt waren, fuhren mit vollen Segeln nach der Univerſität zu. Da jedoch kaum die Hälfte dieſes Ziel erreichte, war für die andern, die andern Berufs: 94 arten eher oder ſpäter ſich zuwendeten, zu wenig aus der Schule geblieben, das meiſte war unbrauchbar und wurde der Vergeſſenheit überliefert. So luxuriös darf man mit der koſtbaren Lebenszeit nicht verfahren. Die Oekonomie des menſchlichen Lebens fordert für jeden Stand und jede Kulturart ſtrenge Angemeſſenheit der Lehre und der praktiſchen Zwecke, mit immerwährender Hinſicht auf allgemeine menſchliche und bürgerliche Ausbildung. Dies läßt ſich nun auf zweierlei Weiſe erreichen. Entweder jede Kulturſtufe hat eigne, nur ihr zugewendete, von andern unabhängige Bildungsanſtalten, oder ſie ſind alle zuſammen in ein Syſtem verbunden. Im erſten Falle gäbe es Bauernſchulen, Handwerkerſchulen, landwirthſchaftliche, techniſche, merkantiliſche, militäriſche und andere Inſtitute, fo wie wirklich ſolche gegenwärtig in allen Ländern exiſtiren. Im andern Falle könnten aber auch die vorhandenen öffentlichen Schulen ſo eingerichtet werden, daß in ihnen jede Berufsart die ihr zukom— mende Kulturſtufe vorfände. Dies würde durch beſondere Lehreyklen zu erreichen ſein, die, den Stadien des menſchlichen Lebens entſprechend, von der elementaren, aller folgenden unentbehrlichen Bildung begönnen, und in wiederholten aufſteigenden Umläufen bis zu den höchſten geiſtigen Kulturformen aufſtiegen, wie wir ſogleich näher erörtern werden. Ein ſolches Syſtem, in möglichfter Konſequenz ausgeführt, könnte das eykliſche Unter richtsſyſtem genannt werden. Wir hätten fo als erſten Cyklus die Elementarbildung, welche bei den Dorfbewohnern und Arbeitsleuten der Städte für ihr ganzes Leben ausreichen ſoll, aber auch als Grundlage jeder folgenden Bildungsſtufe dienen muß. Wir können ferner das Gymnaſium in zwei Lehreyklen theilen, die durch die Art der Kultur, die ſie anſtreben, deutlich von einander geſchieden ſind. Der erſte reichte bis zu Ende der jetzt ſo genannten Tertia, der andere umfaßte die übrigen Klaſſen des Gymnaſiums. Auf der Univerſität würden die Jahre, welche jetzt gewöhnlich den allgemeinen Wiſſenſchaften unter dem Titel der philoſophiſchen Fakultät gewidmet werden, wieder einen eigenen Cyklus ausmachen. Endlich würden das letzte Stadium der individuellen Entwickelung die eigentlichen Fakultätsſtudien einnehmen, nach deren Beendigung die Welt und das Leben die weitere Fort— bildung übernähme. Wenn nun der letzte Cyklus vor allen andern am häufigſten ins Leben einführt und ganz darauf berechnet iſt, ſo ſind doch die andern auch ſehr häufig dem gleichen Falle ausgeſetzt, obgleich ſie für den unmittelbaren Uebergang ins praktiſche Leben leider gewöhnlich nicht berechnet ſind, ſondern nur unter einander in leidlicher Beziehung ſtehen. Es wäre alſo wohl zu wünſchen und anzuſtreben, daß jeder Cyklus des Gymnaſiums, ſo wie die erſten Jahre der Univerſität, in ihrem Innern eine ſolche Einrichtung erhielten, daß mit ihrem Abſchluß eine beſtimmte Art von Maturität für das Leben zu erreichen wäre. Dieſemnach müßte das Lehrmaterial nicht reihenweis durchs ganze Gymnaſium, ſondern gruppenweis eingetheilt werden, ſo daß in jedweder Gruppe eines jeden Cyklus alle weſentlichen Bildungsmomente des Menſchen enthalten wären und in angemeſſener Form bis zu einer gewiſſen Vollendung und Abſchluß mitgetheilt würden. Da bei fol- cher Einrichtung das Gymnaſium zugleich die Stelle der Real- oder praktiſchen Schule vertreten würde, ſo könnte die letzte Klaſſe eines jeden Cyklus ſo getheilt werden, daß die eine Abtheilung diejenigen Schüler be⸗ faßte, die aus dem Unter-Gymnaſium ins obere aufzufteigen gedächten; die andere ſolche, die zunächſt ins gemeine Leben wieder ausſcheiden, um ſich verſchiedenen bürgerlichen Gewerben zu widmen. Wenn in erſterer auf größere Begründung und Einübung der fürs Ober-Gymnaſium erforderlichen Studien und Fertigkeiten geſehen würde, ſo müßte in letzterer dasjenige betrieben werden, was in den Geſchäften und Verhältniſſen des bürgerlichen Lebens brauchbar iſt, Geſchäftsſtyl, Rechenkunſt, Baukunſt, Oekonomie, Technologie mit Hintan⸗ ſetzung gelehrter Sprachſtudien. Prüfungen der Abiturienten vor einer aus den Lehrern und vom Staat dazu ernannten Mitgliedern gemifchten Kommiſſion würden dieſen Cyklus beſchließen. In dem zunächſt folgenden Ober-Gymnaſium, welches drei bis vier Jahre umfaſſen würde, bleiben im Weſentlichen dieſelben Gegenſtände, da der Stoff für allgemein menſchliche Bildung immer derſelbe bleibt, nur würden ſie nach einem höheren Maßſtabe betrieben. Das im Unter-Gymnaſium gegebene und nothwendig vorausgeſetzte Material (worauf ſtreng zu halten wäre), die hier begonnenen Uebungen würden angemeſſen erweitert, und die früher mehr populäre Form würde eine wiſſenſchaftliche annehmen. Hier wäre der Ort für 95 Betreibung der höheren Grammatik, der vergleichenden Sprachkunde, der Synonymik, fürs Studium der klaſ— ſiſchen und modernen Litteratur, für Uebung im höheren Styl, in Proſa und Poeſie, für ausführliche, ſelbſt⸗ thätige Behandlung der Mathematik bis zu den Anfängen der Differential- und Integral-Rechnung, der phy⸗ ſikaliſch⸗chemiſchen Wiſſenſchaften, der Naturbeſchreibung, beides in ſyſtematiſcher Form. Auf dem ſchon vor— auszufegenden Hintergrunde der allgemeinen Geſchichte würden Specialgeſchichten wichtiger Zeiträume, Biogra— phieen weltgeſchichtlich bedeutender Perſonen eingetragen u. ſ. w. Die Kunſtübungen würden in angemeſſener Steigerung fortgeſetzt. Für die aus dieſem Cyklus ins bürgerliche Leben ausſcheidenden würde wieder in der letzten Klaſſe durch Aufnahme mehr praktiſcher Studien und Uebungen (wohin Kameraliſtik, Geſetzkunde, Sta⸗ tiſtik u. ſ. w., namentlich auch Technologie in höherem Maßſtabe, Volksmedicin u. ſ. w.) vorgeſorgt werden. Am Schluſſe würde abermal ein Maturitäts-Examen vor einer Kommiſſion, wozu auch Univerſitätslehrer ge— zogen würden, abzulegen ſein. Der folgende Cyklus gehört ſchon der jetzt ſogenannten Univerſität an. Er umfaßt wieder dieſelben Ger genſtände allgemeiner Geiſtesbildung. Das Ziel dieſes Cyklus wäre die Erreichung wiſſenſchaftlicher Selbſtän⸗ digkeit in allen Hauptfächern des menſchlichen Wiſſens und Könnens. Zunächſt wären zwei Jahre beſtimmt für Betreibung der allgemeinen Wiſſenſchaften. Wieder ſtrenge auf die Grundlage des Ober-Gymnaſiums, um nicht durch ewige Wiederholung des Vorauszuſetzenden Zeit und Kraft zu verſchwenden. Die wiſſenſchaft⸗ liche Konſequenz, der Zuſammenhang aller Glieder der Wiſſenſchaft fordern auch hier eine ſtrenge Disciplini⸗ rung des Lernens und Lehrens; denn die Freiheit des Geiſtes beſteht nur in Geſetzmäßigkeit, zuhöchſt aber im ſelbſtändigen Fortgange auf der Bahn der Wiſſenſchaft, was nur dem höheren Talente und Genie gegeben iſt. (Die ſogenannte akademiſche Freiheit kann nur ſociale Bedeutung haben.) Mit dem Abſchluſſe diefes Eyklus, durch ein Maturitäts⸗Examen, dem, nach Erforderniß, Fakultätslehrer beigegeben würden, erfolgte der Ueber— „gang in die eigentlichen Fakultäten ſelbſt. Eine eigene didaskaliſche Fakultät würde die Vollendung des höhe— ren Lehrſtandes und freien Gelehrten über ſich nehmen und ſich in den noch folgenden Bildungsjahren der Form einer Akademie mit bleibenden und durchgehenden Mitgliedern annähern können. Von ihr würden wahrhaft univerſell gebildete Lehrer ausgehen, die das möglichſt erreichte Urbild zeitgemäßer humaner Kultur in den heranwachſenden Generationen fortzupflanzen hätten. Andere Fakultäten, die theologiſche, die juriſtiſch— politiſche, die mediciniſche, würden mehr oder weniger in derſelben Form, wie fie gegenwärtig exiſtiren, den Bedürfniſſen und Forderungen des Volkslebens angemeſſen für die entſprechende theoretiſche und praktiſche Ausbildung ſorgen. Außerdem könnten noch, nach Verſchiedenheit der Zwecke, mehrere andere Fakultäten mit ähnlichen Formen eingerichtet werden, die bis jetzt in beſondern Inſtituten von der Univerſität getrennt exiſti⸗ ren, als: eine merkantiliſche, technologiſche, ökonomiſche, montaniſtiſche und dergleichen Fakultät. Der Abſchluß der Bildung und das Befähigungszeugniß für alle höhere Thätigkeitsgebiete im praktiſchen Leben würde wieder ein letztes, hier das Fakultäts-Examen, erfordern. Bei dieſer nur ſehr flüchtigen Auseinanderſetzung des cykliſchen Unterrichtsſyſtems muß noch im Allge⸗ meinen bemerkt werden, daß die ſtrenge Beurtheilung der Maturität für jedes Stadium von großer Wichtigkeit wäre. Ohne die nöthigen Vorkenntniſſe und Vorfertigkeiten dürfte durchaus kein Aufſteigen in den höheren Cyklus zugelaſſen werden. Die ſich als ganz unfähig Bewährenden gehören in beſondere pathologiſche Inſti— tute. Wir können hier nur das mittlere Talent berückſichtigen. Für dieſe müßten eigene Wiederholungsklaſſen eingeführt werden, mit Specificirung der Gegenſtände und Uebungen, damit durch das ſogenannte leidige Sitzen bleiben nicht unnütz Zeit und Lernluſt verſchwendet werde. Noch muß ich hier der nothwendigen Uniformirung, wenigſtens der niedern Lehranſtalten, Erwähnung thun, wodurch eine im ganzen Volke gleichmäßige Bildung erzielt, und der Uebergang aus einer Ortsſchule in jede andere, auch die entfernteſte, erleichtert würde. Dieſe Gleichförmigkeit des Unterrichts wäre zunächſt zu erreichen durch gleiche Lehrbücher im ganzen Lande, die unter der Auktorität des Staates von einer eigenen Kommiſſion redigirt und von Zeit zu Zeit erneuert würden; ferner durch gleichmäßige Ausbildung des Lehrer— 96 Perſonals in den didaktiſchen Fakultäten der verſchiedenen Landes-Akademieen. An dieſe aber wäre die For⸗ derung zu ſtellen, daß ſie ihren Eleven eine möglichſt univerſelle Bildung zu eigen machen. Wenn irgend einer, fo vorzüglich der Gymnaſiallehrer, hat die ſchöne Aufgabe, durch harmoniſche Ausbildung aller menſchli- chen Anlagen als Vorbild den ihm nacheifernden jungen Generationen vorzuleuchten, und nicht blos durch Worte zu rühren, ſondern durchs Beiſpiel nach ſich zu ziehn. Die Forderung einer univerſellen Bildung wird hier auch ſchon dadurch motivirt, daß aus dem Gremium der Gymnaſiallehrer die Direktoren billigerweiſe gewählt werden, bei denen man nothwendig univerſelle Bildung vorausſetzen muß. Aus dem bisher Geſagten geht ſchon hervor, daß die Bezweckung allgemein menſchlicher Bildung auch das Naturſtudium nothwendig in ſich ſchließt. Das höchſte Weſen, das uns Leben und Geiſteskraft gegeben, hat uns auch mit einer Natur umgeben, an ihr dieſe Geiſtesmacht zu üben, ſie zu Zwecken der Menſchheit zu lenken, ſie zu beherrſchen. Nicht leicht hat uns der Allweiſe dieſe Mühe gemacht, nur noch mehr den Geiſt zur Thätigkeit zu reizen, zu entwickeln, zu erkräftigen, daß er nicht in weſenloſen Idealen und Mythen, wie uns davon im Orient ein warnendes Beiſpiel vorliegt, wirkungslos ſich verliere, oder in ee Stumpf: heit, wie uns abermal die Wilden Beiſpiele find, unentwickelt verlöſche. g Ich kann nicht umhin, bei dieſer Gelegenheit an das ſchöne Bild der Menſchheit in Sils Gedicht: „Die Künſtler,“ zu erinnern. Wer dieſes Bild mit lebendigem Geiſte erfaßt hat, der verſuche, es zu denken, daß Naturſtudien als gemeine Realien unwürdig ſeien, als Bildungsmittel für ächte humane Entwickelung in die Schulen jeder Stufe aufgenommen zu werden. Die Menſchheit ſteigert ſich durch drei wirkungsreiche Beziehungen zu höherer Vollendung. Die eine iſt die myſtiſche, durch Einfluß der uns verborgenen, nur dem Glauben offenbarten höheren Geiſterwelt; die andere iſt die hiſtoriſch-pragmatiſche und künſtleriſche, durch Wirkung der Menſchheit auf ſich ſelbſt; die dritte „Beziehung iſt die zur materiellen Natur. In unendlicher Mannichfaltigkeit von Formen ſpricht das All unſere Sinne an, entwickelt unſer Anſchauungs- und Vorſtellungs-Vermögen, auf welcher Baſis dann der Geiſt zu Gedanken ſich erhebt und die Geſetze der Natur erforſcht, um dann in ihre eigenen Bande ſie zu feſſeln, ſie zu menſchlichen Zwecken zu verwenden, oder, wenn ſie gegen ſeine Macht ſich zu empören ſcheint, ſie mit ihren eigenen Kräften zu bekämpfen. Von dieſen Beziehungen iſt kein Sterblicher ausgeſchloſſen, und es ift ſein eigener Nachtheil, wenn er wähnt, durch Unglauben, durch Unkenntniß, durch Thatloſigkeit ſich ihnen entziehen zu können. Am wenigſten geziemt es demjenigen, der auf höhere Bildung Anſpruch macht, der den großen Gang der Menſchheit wirklich mitgehen will, irgend einen Theil zu vernachläſſigen, der ihn in jenen Beziehungen erhält. Auch einſeitiges Sichergeben in die eine oder andere Beziehung läßt ſich nicht entſchul⸗ digen. Weder das fromme Verlorenſein in Gefühlen religiöſen Entzückens mit Vernachläſſigung der Kultur des Verſtandes und der Uebung menſchlicher Pflicht, noch das blinde Treiben praktiſchen Sinnes mit Hintan⸗ ſetzung der Wiſſenſchaft, noch endlich das Anheimfallen an die Materie, wo man dann nur noch als Natur⸗ Objekt fremdem Willen als Werkzeug verfällt. Die wahre Würde des Menſchen kann nur in der Totalität jener Beziehungen ruhen. Und ſo ſei denn auch die Humanitätsſchule nicht einſeitig und pflege ſorgſam und entwickele an jenen Grundbeziehungen den Menſchen, ihren Zögling. Hier brüſte ſich nicht die Spiritualſchule gegenüber der Realſchule, und dieſe thue ſich nicht zu viel zu Gute auf ihre Realität, wenn ſie nicht vom Geiſte der Wiſſenſchaft ihre Weihe erhalten hat. Am beſten, fie thun ſich freundlich zuſammen, denn fie kön⸗ nen nur ein Ziel haben, oder vielmehr es beſtehe gar keine ſolche Trennung mehr. Indem ich oben ein flüchtiges Bild der Humanitätsbildung von der Elementarſchule durchs Gymnaſium bis zur Univerſität entwarf, hatte ich gerade dieſe Untrennbarkeit des Realen und Spirituellen im Sinne. Es mußten da die Naturwiſſenſchaften einen integranten weſentlichen Theil ausmachen. Der Beſchränktheit menſchlicher Verhältniſſe mußte nachgegeben werden, daß die kunſtmäßige Jugendbildung in unterſchiedenen Gra⸗ den der Vollendung betrieben werden könnte. Doch wurde auf jeder Stufe die Allheit der menſchlichen Be⸗ ziehungen angeſtrebt, indem nach dem Gange der gegenwärtigen Betrachtung kein weſentlicher Beſtandtheil 97 ausgefchloffen werden konnte. Hiermit fei der Hauptgrund der Nothwendigkeit der Betreibung der Natur⸗ wiſſenſchaften auf Gymnaſien, oder, wie wir ſie hier lieber nennen möchten, auf Humanitätsſchulen, aus⸗ geſprochen. Die noch folgenden Gründe ſind mehr untergeordneter Art, obwohl nicht weniger wichtig. Abgeſehen davon, daß das Gymnaſium Vorbereitungsſchule für alle Berufsarten des Lebens ſein ſolle, und da dieſe meiſt mit der Naturbearbeitung zu thun haben, der Naturkenntniſſe nicht entbehren könne, ſo iſt es dies denn auch für mehrere Fächer, die erſt auf der Univerſität ihre weitere Ausbildung und Vollendung erwarten. Da⸗ hin gehören höhere technologiſche und Kunſt-Studien, Oekonomie, Kameralia, verſchiedene Lehrfächer, befon- ders in ihrer Beziehung zu Gymnaſien, Univerſitäten und ſonſtigen höheren Inſtituten, namentlich auch und vorzüglich die Medicin, deren Objekt des Wiſſens und Handelns, der Menſch, auf die Höhe der Entwickelungen irdiſcher Natur geſtellt iſt. Wenn wir nun erwägen, was die Gymnaſien nach älterer Einrichtung allen dieſen Berufsarten als Vorbereitung aus den Naturwiſſenſchaften und verwandten Doktrinen (wohin die reine und angewandte Mathematik zu rechnen) an Wiſſen und Vorübung geliefert haben, und von welcher Art es be— ſchaffen war, fo. wird man erſtaunen, wie wenig und wie gering das geweſen. Immer mußte auf der Unis verſität auf der mitgebrachten tabula rasa von den erſten Elementen an Mathematik und Naturwiſſenſchaft neu aufgetragen werden, und wo blieb die Zeit, durch Uebung und Anwendung ihrer mächtig zu werden? Man mußte froh ſein, ſie paſſiv aufnehmen zu können, was jedoch nicht genügen konnte, ſie ins eigenſte Le⸗ ben zu überführen. Daher durfte es nicht verwundern, wenn eine allgemeine Unluſt zum Theoretiſchen zur ächten Wiſſenſchaft ſich kund gab, und der im Lebensalter bereits weit fortgeſchrittene junge Mann nach den praktiſchen Fächern ſich drängte, die ihm endlich ſelbſtändige bürgerliche Exiſtenz gewähren ſollten. Es erregte immer mein innigſtes Bedauern, wenn ich beim philoſophiſchen Examen ſah, wie unbeholfen die Kandidaten bei der ihnen aufgegebenen Benennung und Beſtimmung irgend eines ganz gemeinen Gewächſes oder Apothe— kenpflanze ſich benahmen, die bei zweckmäßigerer Einrichtung der Schulen Knaben im zwölften Jahre mit Sie cherheit und ſyſtematiſch kennen müßten, und da wurde noch mit großer Schonung Rückſicht genommen, daß man ihnen nicht etwas Ungewöhnliches vorlege. Was ſoll man dazu ſagen, daß ein Biberſchädel für einen Katzenſchädel ausgegeben wurde? Wo iſt hier die akademiſche Reife? Wo dürfte ſich hier eine Frage wagen nach wiſſenſchaftlichen Erörterungen mit freiem Gedankengange in irgend einem mit Sinn, Phantaſie und Verſtand erfaßten Gebiete der Naturwiſſenſchaft, wie es an junge Männer von 20 bis 24 Jahren wohl geziemte? Wenn nun die Realien ſo ſchlecht beſtellt ſind, welchen Werth hat die gelehrte, nur dürftig mit fragmentarer Litteraturkenntniß ausgeſtattete Sprachkunde, die man ſich im Drange der Umſtände unter der | Bakel der Gymnaſiallehrer angeeignet. hat? Sie iſt ein Flitterſtaat, mit dem man beim Doktor-Examen und Promotion das letzte Mal geprunkt hat, um ihn dann für immer abzuthun. . % Welch ein Verlust der Zeit und des Lebens, bei fo geringem Ertrage! Wenn nun außer der Philofos phie vorzüglich die Mathematik und die exakten Naturwiſſenſchaften es find, welche wiſſenſchaftlichen Geiſt zu wecken, zu entwickeln vermögen, wo ſoll er herkommen, wenn er nicht ſchon auf dem Gymnaſium Wurzel gefaßt und ſchon da zur Blüthe gediehen iſt, um auf der Akademie der Frucht entgegen zu reifen? Daß die Beſchäftigung mit dem Studium der alten Sprachen, mit Grammatik und Kritik, wenn ſie auch das Denken übt, hinreiche, wiſſenſchaftlichen, das iſt, ſyſtematiſch theoretiſirenden Geiſt zu wecken und zu erziehen, kann nur in Bezug auf die hiſtoriſchen Doktrinen zugegeben werden, für die Naturwiſſenſchaften werfen ſie nur geringen Gewinnſt ab. Angehende Philologen, allenfalls auch Juriſten und Theologen, inſofern ſie auf lateiniſche Urkunden gewieſen ſind, können von dieſer Art Studien auch ſpäter Förderung erwarten; nicht ſo der künf— tige Kandidat der Arzneikunde und jedes anderen Berufs, welcher mit der Natur unmittelbar zu thun hat. Es iſt daher ein großes Unrecht, welches dieſen letzteren wiederfährt, und es ergeht die Forderung, andere zweckmäßigere Einrichtungen zu treffen. Dies würde ſchon dadurch auf die natürlichſte Weiſe geſchehen, wenn 13 98 man, treu dem Ideal der Humanitätsſchule, philologiſch-hiſtoriſche und naturwiſſenſchaftliche Studien genau gegen einander abzuwägen nicht unterließe. Indem nun das Unrecht gegen die eher oder ſpäter der ausübenden Naturwiſſenſchaft ſich Widmenden gut gemacht würde, dürften Philologen, Juriſten und Theologen auch nicht darüber klagen, wenn ihnen in den Zeiten regſten Geiſteslebens gründliche Naturkenntniſſe zugeeignet würden, die ihnen als Vermächtniß der mütterlichen Humanitätsſchule für das ganze Leben verbleiben ſollten, Troſt, wenn menſchliche Mißverhältniſſe uns bedrängen, unerſchöpfliche Quelle immer neuer Selbſtbelehrung und der Belehrung Anderer, ja oft Hülfe und Förderung in manchen Geſchäften und e Denen ſic Aach der gelehrteſte Philologe nicht immer entziehen kann. 30 Br Gewiß kann es nicht ohne Nachtheil für die höhere 1 0 des Bewußtſeins bleiben, wenn uns wegen Mangel an gehörigem Unterricht verſagt iſt, eine freie Umſicht in die Erſcheinungen und Geſetze der Natur zu gewinnen. Wenn wir aber auch davon abſehen, wie und durch welche Mittel der künftige Arzt und ſonſtiger Naturbearbeiter den Grund zu ſeiner Ausbildung lege, ſo iſt ſo viel klar, daß dieſes ſchon in früher Jugend geſchehen müſſe, wo das Gedächtniß noch die gehörige Receptivität beſitzt, um das unendliche Material, welches die Naturreiche darbieten und die entſprechende Nomenklatur mit Leichtigkeit aufzufaſſen und feſtzuhalten. Es iſt eine ausgemachte pſychologiſche Erfahrung, daß nur in den Knabenjahren Sinn und Gedächtniß diejenige Lebensenergie beſitzen, welche, bei der ſonſtigen Unbefangenheit des Gemüths und Unangefochtenſein von ſocia⸗ len Störungen und daraus hervorgehenden Affekten und Leidenſchaften, am meiſten geeignet ſind, die unendlich mannichfaltigen Formen der Natur im Pflanzen-, Thier- und Mineralreich aufzufaſſen und für ſpätern Ge⸗ brauch aufzubewahren. Nie iſt unſer Blick ſo geſchärft für die Aufnahme des Specifiſchen, für die Erfaſſung des Habitus, als in dieſem Alter. Wenn die Jünglingsjahre eintreten, entwickelt ſich ſchon der Sinn fürs Allgemeine und die Phantasie. Beide fordern ein ſchon erworbenes reiches Material, wo der Verſtand feine Begriffe bilde, die Phantaſie hre Ideale baue. Die Blüthe ſetzt ſchon Wurzel, Stamm und Blätter voraus. Wenn ein Jüngling nach dem achtzehnten Jahre noch mit den erſten Elementen der Botanik, Zoologie, Mi- neralogie zu kämpfen hat, wenn er dann erſt, und nur von ferne, in die Geheimniſſe der chemiſchen Stoffe, der Geſetze der phyſikaliſchen Kräfte u. ſ. w. eingeführt wird, ſo iſt er wohl als ein Spätling zu betrachten, indem er da erſt dasjenige aufzufaſſen und zu erwerben bemüht iſt, womit er mit freier entwickelter Geiſtes⸗ kraft ſchon hätte ſchalten ſollen, um es in Gedanken und große Bildmaſſen zu geſtalten. Davon wollen wir nun gar nicht Erwähnung thun, wo die Verſäumniß bis ins reife Alter hinauf: reicht. Diejenigen nun, die nur die allerbeſchränkteſten Anforderungen an einen Arzt zu machen pflegen, die nur ſeinen Werth nach einzelnen Erfolgen beurtheilen, ſelbſt wenn ſie dem Zufalle und dem Glücke zu danken wären, ſind freilich überzeugt, daß ſolche Kleinigkeiten, wie die Kenntniß von allerlei Naturgegenſtänden, zu feinem eigentlichen Geſchäfte nicht gehören; es ſcheint ſogar eine gewiſſe myſtiſche Verehrung denjenigen Per— ſonen gezollt zu werden, die in ihrer Simplicität und Unwiſſenheit, wie von einem Geiſte getrieben, es un⸗ ternehmen, beſondere Heilmittel in Anwendung zu bringen, und leicht perſuadirt ſich der junge, mit mangel⸗ hafter Vorbildung und ohne wiſſenſchaftlichen Geiſt an das Studium der Medicin herantretende Kandidat, daß alles Theoretiſche ein unnützer Ballaſt iſt und die Kurirerei auf weit fimplere Weiſe in kürzeſter Zeit ſich erwerben laſſe, wenn man nur klug genug iſt, den Schein vor dem unkundigen Publikum zu wahren. Es iſt traurig, geſtehen zu müſſen, daß ein ſolcher Myſticismus noch immer im Gebiete phyſiologiſcher Wiſſenſchaft ſich zu ſpreizen die Kühnheit haben darf, da die allgemeine Kultur noch nicht ſo weit gediehen iſt, um in die Wahrheit dieſes Verhältniſſes die gehörige Einſicht zu erlangen und ſie gehörig zu kontroliren. Man laſſe jedoch nur eine Reihe von Jahren das allgemeine Naturſtudium auf Gymnaſien und Univerſitäten mit und ohne Beſchränkung durch künftige Lebensberufe ſeine Wirkſamkeit auf die Generationen ausüben, und es wird gewiß ein völliger Umſchwung der Ideen in dieſer Hinſicht erfolgen. Man wird dann von 99 einem Arzte in noch erhöhterem Grade diejenige naturwiſſenſchaftliche Bildung fordern, die nun zu allgemeis nem Gut jedes Gebildeten geworden iſt, und es wird wenig helfen, durch ſtrenges Schweigen ſich das An— ſehen eines Philoſophen geben zu wollen. So vorausnehmend dieſe ſchöne Zukunft ächt humaner Kultur, behaupte ich ſchon jetzt, daß das Weſen des ärztlichen Berufs Naturforſchung und Naturbeherrſchung im höchſten edelſten Sinne ſei, und daß nur derjenige würdig iſt, auf dieſe Höhe geführt zu werden und die höchſte ärztliche Weihe zu erlangen, der den Iſisſchleier gehoben und die Natur in der ganzen Fülle des kleinſten und des größten Lebens erſchaut hat. Wie er dazu gelange, ob auf dem Wege der gewöhnlichen Gelehrtenſchulen, oder lieber mit Hülfe der Realgymnaſien, oder mittelſt eigener naturwiſſenſchaftlicher Inſtitute, das wäre gleichgültig, wenn an dieſen Anſtalten dafür geſorgt würde, daß Naturſtudien, vom erſten Knabenalter an, in zweckmäßiger Weiſe und konſequenter Ordnung getrieben werden, daß der junge Geiſt an der Natur groß werde und erſtarke, bis ſie ihm ſelbſt das Herrſcheramt in ihrem Hauſe übergebe. 13* 101 2, Bericht über die Arbeiten der entomologiſchen Sektion im Jahre 1847, von Gravenhorſt, zeitigem Sekretär derſelben. Dieſe Sektion hat im genannten Jahre neunzehn Verſammlungen gehalten, in denen folgende Vorträge gehalten wurden: A. Allgemeines. Herr Gymnaſiallehrer Klopfch theilte die in Pallas, in den Jahren 1770 — 1773 unternommenen Reiſen nach Sibirien enthaltenen, entomologiſchen Notizen mit. Herr Apotheker Seidel (feit 1847 Mitglied der ſchleſiſchen Geſellſchaft) ſprach über die Reſultate feis ner Verſuche, Inſekten verſchiedener Ordnungen durch Eintauchen in eine Miſchung von Weingeiſt und rekti— fizirtem Terpentinöl, und in eine Auflöſung von Kautſchuk in dieſer Miſchung mit einem dünnen, zu trock— nenden Ueberzuge zu verſehen, und ſie dadurch gegen die Zerſtörungen von Raub-Inſekten zu verwahren. B. Beſon deres. a. Inſekten. I. Coleoptera. Herr Oberlehrer Kelch in Ratibor machte die briefliche Mittheilung, daß er in dieſem Jahre im Mai die Nebria livida Fab. häufig bei Ratibor gefangen, und daſelbſt auch ein Exemplar des ſchönen, noch nicht in Schleſien gefangenen, Chlaenius spoliatus Fab. gefunden habe. Herr Lehrer Letzner zeigte einen Theil der von ihm in der Pfingſtferienwoche binnen 3 Tagen auf zwei Aus⸗ flügen von Uſtron aus in die umliegenden Berge des Klokacz-Gebirges gefundenen, vorzüglich aber die ſeltenen oder bis dahin noch nicht in Schleſien gefundenen Carabicinen vor und berichtete darüber Folgendes: Ueberſicht der im Jahre 1847 in den Zeskiden gefangenen Käfer. Der durch den Bau der oberſchleſiſchen und der Wilhelms-Bahn nun in bedeutend kürzerer Zeit ge ſtattete Beſuch Oberſchleſiens, fo wie der Umſtand, an dem Herrn Oberlehrer Rendſchmid einen der pol— niſchen Sprache vollkommen mächtigen, mit der Gegend ſchon bekannten Führer zu haben, machten es mir möglich, zu Pfingſten d. J. einen Ausflug in das öſterreichiſch-ſchleſiſche Fürſtenthum Teſchen zu unterneh- men, das in ſeinen Bergen eine nicht unbedeutende Zahl in Schleſien nicht weiter vorkommender Käferarten enthält. Wegen der beſchränkten Zeit (22. bis 26. Mai incl.) konnte nur der Theil der Beskiden lirrthümlich 102 auch Klokacz-Gebirge genannt) befucht werden, welcher das obere Weichſelthal einſchließt und bei dem Dorfe Uſtron plötzlich zu unbedeutenden Hügeln herabſinkt. In den Hundsıagen, wo ich dieſelbe Gegend zum zwei— ten Male beſuchte, und auch den ſüdlichen und ſüdweſtlichen Theil der Beskiden durchſtreifen wollte, vertrieb mich das anhaltende Regenwetter ſchon nach ſechs Tagen (31. Juli), leider faſt ohne alle Ausbeute. Die auf beiden Exkurſionen beſuchten wichtigſten Punkte ſind: Die kleine und große Czantory, der kleine Oſtry, der durch feinen Pflanzenreichthum berühmte Tut, das Thal der Weichſel aufwärts bis zum Zuſammenfluſſe der ſchwarzen und weißen Weichſel, dieſe aufwärts zur Barania und von da auf dem Kamme fort zum Malinow (an dem Tozzia alpina am 23. Mai ſchon blühte), das Thal der Malinka, des dritten Quellarmes der Weichſel, die Rowniza bei Uſtron und die Gegend von da am Gebirge hin über Groß- und Klein-Gurek, Ernſtdorf nach Bielitz. Zwar bin ich nicht im Stande, über den Inſekten-Reichthum dieſer Gegend ein vollkommen richtiges Urtheil zu fällen, da in den Hundstagen faſt alle Beobachtungen durch den beſtändigen Regen verhindert wur: den; allein ſo viel dürfte doch feſtſtehen, daß ſich die Beskiden mit dem Altvater-Gebirge an Reichthum der Inſekten durchaus nicht in Parallele ſtellen laſſen. Die Urſache iſt offenbar der in den Beskiden bei Weitem nicht ſo üppige Pflanzenwuchs, welcher durch das, eine viel unfruchtbarere Erde liefernde Geſtein, aus welchem die höhern Berge faſt ganz allein beſtehen (nämlich die Grauwacke und den Grauwackenſchiefer), bedingt wird. — Am beſten, ſowohl an Arten als an Exemplaren, ſcheinen unter den Käfern die Carabicinen, und unter ihnen die Gattung Bembidium, vertreten zu ſein. Von dieſer, welche in dem über alle Erwartung breiten, theils naſſen, theils trocknen, theilweiſe ſteinigen, an manchen Stellen aber auch ſandigen oder mehr ſchlammigen Weichſelbette bei Uſtron allerdings höchſt verſchiedenartige und angemeſſene Wohnſtätten findet, und von wel— cher hier die Arten des Hochgebirges mit denen der Ebene neben, ja unter einander wohnen, iſt es darum nicht gar ſchwer, binnen einer Stunde an 20 Species und von einigen Hunderte von Exemplaren zu Geſicht zu bekommen. Zu dieſem Reichthum an Bembidien-Arten bei Uſtron tragen offenbar die zu beiden Seiten der Weichſel von den ſehr ſteilen Bergen herabſtürzenden Gießbäche bei, welche, bei Regenwetter plötzlich an— ſchwellend, Thiere und Pflanzen, ja ſogar große Steine in das Hauptthal mit hinabführen. Wenn indeß, nach dem oben Angedeuteten, die Beskiden die ſchleſiſchen Entomologen auch nicht durch den Reichthum an Inſekten zufriedenſtellen werden, ſo werden ſie dieſelben doch ſtets durch eine Zahl mehr dem Süden angehörender, hier ihre nördlichſten Wohnplätze beſitzender Arten, von denen einige wohl nur durch Ueberſchwemmungen mittelſt Oſtrawiza und Olſa bisweilen ſelbſt bis in das preußiſche Oberſchleſien geführt werden, anziehen. Nicht alle dieſe Arten war es mir jedoch vergönnt, in dieſem Jahre aufzufinden; die von mir aber geſammelten ſind in dem nachſtehenden Verzeichniſſe aller daſelbſt gefangenen Käfer durch eine fettere Schrift ausgezeichnet. Cicindela sylvicola Meg., häufig, faft in der Ebene bei Bazanowitz. Kleine Czantory. Oſtufer der Weichſel. — C. campestris L. Uſtron. Brachinus explodens Duft., zwiſchen Teſchen und Uſtron, neu für Schleſiens Fauna. Cychrus attenuatus F., häufiger als der folgende. Weſtſeite der kleinen Czantory. — C. rostratus L., kleine Gzantory. Procrustes coriaceus F. Uſtron. — Carabus auronitens F., häufig unter Steinen. Czantory. — C. violaceus L., ebenda. — C. glabratus Payk., gemein. Czantory, Barania. — C. hortensis L., Czan⸗ tory. — C. Linnaei Meg., häufig, doch nicht in fo hohem Grade, als im Waldenburger Gebirge. — C. intricatus L. Czantory. Tut. — C. nodulosus F., der, nach früheren Angaben, bei Uſtron ſehr häufig ſein ſoll, iſt von mir auch nicht in einem Exemplare geſehen worden. Nebria pieicornis F., bei Uſtron im Bette der Weichſel unter Steinen an naſſen Stellen, aber nicht nahe am Strome. Häufig; ich fing zu Pfingſten 60 Exemplare; die meiſten waren erſt vor Kurzem ausgekrochen und einige noch ganz weich und unausgefärbt. In den Hundstagen ſahe ich nur 2 Exempl. — 103 N. Gyllenhalii Sch., an reißenden Gebirgsbächen ziemlich häufig (Czantory, Barania), ſteigt jedoch nicht bis Uſtron herab. Elaphrus uliginosus F., Uſtron, im Bette der Weichſel auf feuchten, ſchlammigen Stellen. E. ri- parius F., ebenda, gemein. — Notiophilus semipunctatus F., Barania. — Loricera pilicornis F., Malinow. — Chlaenius Schrankii Duft., Uſtron, im Bette der Weichſel, nicht häufig. — Patrobus ex- cavatus Payk., Czantory, Barania, Rowniza. — Taphria vivalis Pz., Rowniza, nur im Juli. — Ancho- menus angusticollis F., häufig; Czantory, Barania. — A. albipes F., ebenda. Agonum marginatum F., häufig, im Bette der Weichſel bei Uſtron. Bei zwei kleinen Exemplaren iſt der gelbe Rand der Flügel— decken nur noch ſehr ſchmal. — A. 6 punctatum L., Uſtron. — A. parumpunctatum F., Uſtron, Barania, Czantory. — A. rotundatum St., nur im Juli. Czantory. Platysma cuprea L., Barania, Uſtron. — P. lepida F., Malinow, Rowniza, Ernsdorf. — P. an- thracina III., Czantory. — P. oblongopunctata F., Barania, Czantory, Kleine Oftıy, — Platysma Ilatibhula St., ziemlich häufig unter Steinen (große und kleine Czantory, Barania, Malinow), oben auf den Kämmen auch umherlaufend. Bei den von mir gefangenen 23 Exemplaren find die Tarſen nicht roth— braun, wie Sturm angiebt, ſondern viel dunkler, nur wenig heller als die Beine; ein einziges Exemplar be— fist eine ganz rothbraune Unterſeite und ganz röthliche Beine. Charakteriſtiſch ſcheinen bei dieſer Art auch die ziemlich langen, ſteifen, nach hinten gerichteten, röthlichen Borſten zu ſein, welche aus den hinterſten drei bis vier Grübchen der Flügeldecken hervorragen. Die kupfrige Farbe der Oberſeite variirt, und ſcheint folgenden Kreis zu beſchreiben: grünlich, erzfarbig, kupfrig, violett, ſchwärzlich, bläulich. — P. strenua Pz., Er., Czantory. Pterostichus cordatus (von mir in der Ueberſicht der Arbeiten der ſchleſ. Geſellſch. für das J. 1841 beſchrieben), Barania, Malinow, unter Rinden, in faulem Holze, aber auch hier ſelten. — Pt. metallicus F., ziemlich häufig. — Pt. fossulatus Preöst., häufig, unter Steinen (Czantory, Barania), auf den Käm⸗ men auch herumlaufend; ich fing 57 Exemplare. Variirt auch in der Färbung der Oberſeite mit grünlichem oder kupfrigem Thorax. — Abax striola F., Czantory, Barania ꝛc. — A. ovalis Meg., mit dem vorigen, häufig. Iſt bei der Copula nicht ſo flüchtig, als die Carabicinen zu ſein pflegen. Ein Pärchen ließ ſich von der Erde aufnehmen und in eine Schachtel ſetzen, ohne die Verbindung aufzulöſen. — Molops terricola F., häufig, auch im Juli. — Amara fulva de G., communis St., trivialis Gyl., curta Dej, unctulata St., tricuspidata Dej. und vulgaris F., ſämmtlich bei Uſtron, die beiden letzten nur im Juli. — Harpalus ful- vipes F., montanus St. und aeneus F., bei Uſtron und an der Barania. — Stenolophus vaporariorum F., Barania. — Trechus litteralis Ziegl., Weichſel. Bembidium pallipes Meg., Ultron, an der Weichſel, in Geſellſchaft des Elaphrus riparius, Agonum marginatum ete. — B. ustulatum L., ebenda. — B. striatum F. (aerosum Er.), im Juli häufiger, als im Mai. — B. bipunctatum L., ſelten. — B. rupestre F., häufig. 2 Exemplare ſind im Ganzen dunkler gefärbt, die Flecken der Deckſchilde kleiner, die Schenkel ſchwarz, der Thorax verhältnißmäßig etwas breiter. Drei ganz gleiche Exemplare hatte ich früher im Geſenke gefangen. Ob dieſe Thiere zu der Var. b, humerale Meg. gehören, wage ich nicht zu beſtimmen, möchte es aber faft bezweifeln. — IB. sax- atile Gh., Uſtron, nahe am Waſſer der Weichſel; häufig. — B. obsoletum Dej.? (vielleicht nur Varietät von dem vorigen ?), ziemlich häufig mit dem vorſtehenden. — B. prasinum Meg., Uſtron, Weichſel, nur im Juli in 2 Exemplaren, von denen eines friſch ausgekrochen. Die Streifen ſind nicht ganz glatt, wie Sturm meint, ſondern zeigen, ſchräg geſehen, undeutliche Punkte in ihrem Grunde. — B. fa- sciolatum Meg., häufig zwiſchen den vom fließenden Waſſer genetzten Steinen der Weichſel und der in ſie mündenden Nebenbäche; ſteigt aber nicht ſehr hoch an den Bergen empor. Iſt im Juli ſeltener; ich fing 60 Exemplare, der Färbung nach in folgenden Varietäten: a) Decken faſt ganz roth. b) Decken mit zwei ſeitlichen rothen Längsbinden. Sie ift die Hauptform und in Sturm's Fauna von Deutſchland abgebildet. 104 e) Decken mit zwei röthlichen Flecken an der Schulter. d) Faſt einfarbig grünlich, die rothe Binde faſt gänz⸗ lich erloſchen. Auch in der Größe variirt dieſe Art bedeutend, und zwar von 2 — 3 ½% Linien, fo daß die kleinſten Exemplare kaum größer als B. femoratum find, — B. coeruleum Dej., Heer, nur ein Exemplar, in Geſellſchaft des vorigen. — B. tibiale Meg., häufig, jedoch nur in den ſchmalen, bewaldeten Seitenthälern, zwiſchen den vom Waſſer beſpülten Steinen. In Geſellſchaft des B. fasciolatum, aber weiter aufwärts ſteigend, als dieſes. Auch die Varietät geniculatum Heer iſt ziemlich häufig. — B. brunnipes St., nur 2 Exemplare, an der weißen Weichſel. — B. decorum Zenk., häufig (ich befige 40 Exempl.), mit B. tibiale, an der Czantory, Barania ꝛc., auch an der Weichſel bei Uſtron im Mai und Juli. — B. al- bipes St., mit B. fasciolatum, aber nicht häufig; im Mai und Juli. — B. rufipes III., in den Hundstagen an der Weichſel nur 2 Ex. — B. trieolor F., bei Uſtron faſt die häufigſte Art (ich nahm 58 Ex. mit), zwiſchen den vom fließenden Waſſer benetzten Steinen, in Geſellſchaft des B. saxatile und fasciolatum. In den ſchmalen Seitenthälern zeigt es ſich faſt gar nicht; nur an der Barania fing ich daſſelbe in dem engen Flußbette der biala Wisla in Geſellſchaft des B. tibiale in 2 Ex. — B. modestum F., in Geſellſchaft des vorigen, jedoch weniger häufig. — B. velox Er. und B. celere F., am Fuße der Czantory. — B. 4 guttatum Gyl., mit den vorigen an Gräben mit mehr ſchlammigen Rändern zwiſchen den Feldern am Fuße der kleinen Czantory. — B. areolatum Creutz, nur 1 Ex. an der Weichſel neben B. fasciolatum. — B. nanum Gyl., 3 Exemplare, mit dem vorigen. Ueber die aus andern Familien von mir gefangenen Käfer werde ich mir erlauben, ſpäter einige Mit⸗ theilungen zu machen. Herr Profeſſor Schilling zeigte alle von ihm bisher in Schleſien gefundenen Arten der Gattung: Cryptophagus Herbst vor. Es waren folgende Arten: 1) C. Populi Payk. 2) C. Lycoperdi Herbst. 3) C. fumatus Marsh. 4) C. Typhae Fall. 5) C. collaris Payk. 6) C. erenatus Fab. 7) C. silaceus Herbst. 8) C. pallens Lin. 9) C. einna- momeus? 10) C. ater Herbst. 11) C. mesomelas Herbst. 12) C. pusillus Payk. 13) C. atomus Gyl. 14) C. ipsoides Herbst. 15) C. pubescens n. sp. Da Herr Profeſſor Schilling durch Krankheit abgehalten wurde, feine Vorträge einzureichen, fo kön⸗ nen hier, wie auch bei den Gattungen Pemphredon Fab. und Oxybelus Fab., die vorgezeigten Arten nur namentlich aufgeführt werden. Derſelbe zeigte 1 Exemplar eines, bei Pöpelwitz im Waſſer an einem Grashalme gefangenen Käfers vor, den er bis dahin nicht beſtimmen konnte, den auch die anweſenden Herren Mitglieder nicht kannten, der aber feine Stellung im Syſtem nahe bei Dircaea haben muß. Herr Dr. Med. Scholtz zeigte zwei Arten der Gattung Saperda vor, deren eine noch unbekannt zu ſein ſcheint. Derſelbe zeigte auch die ſackförmigen Hülſen zweier Käferlarven vor, aus deren einer Clythra Scopo- lina Fabr., aus der andern aber Cryptocephalus minutus Fabr. ausgekrochen waren. Herr Freiherr v. Uechtritz zeigte mehrere, entweder in Schleſien ſehr ſeltene, oder noch gar nicht ge fundene Käfer vor, und zwar folgende: 1) Bromius obscurus var. Vitis. 2) Ergates Faber mas, ein ſehr ausgebildetes Exemplar bei Protſch unweit Sulau aus einer Schin— del ausgekrochen. 3) Opatrum arenarium Fabr., am Bahnhofe bei Kanth gefunden. 4) Heteraspis marginella. 5) Orchestes Rusei Herbst. Bei Verlorenwaſſer in der Grafſchaft Glatz gefunden. 105 Ueber das Vorkommen anderer feltener Käfer berichtete Derſelbe Folgendes: 6) Clytus detritus, wurde vom Herrn v. Uechtritz von Mitte April bis Mitte Mai in 3 Exem⸗ plaren am oberſchleſiſchen Bahnhofe bei Breslau gefunden. ; 7) Agapanthia violacea, hat in diefem Jahre Herr Kaufmann Neuſtädt bei Kynau gefunden. 8) Melolontha Fullo, fand Herr v. Uechtritz in einem Birkenwalde um Protſch bei Sulau; im vorigen Jahre kam ſie häufig bei Alt-Raudten, ſüdwärts von Groß-Glogau, vor. 9) Rhagium mordax, war auch in dieſem Jahre in Weidengebüſchen um Biſchofswalde und Bar: theln am Ende Mai ganz gemein. 10) Otiorhynchus sulcatus, wurde vom h Kaufmann Ellenberger am Altvater gefunden, ſo wie 11) Otiorhynchus aerifer, welchen Herr v. Uechtritz auch bei Reinerz und Charlottenbrunn auf jungen Rothtannen (Abies excelsa) öfters fing. Der Unterzeichnete hielt einen Vortrag über die Arten der Staphylinen-Gattung Quedius, ihre Ver⸗ wandtſchaften und Uebergänge. II. Orthopter a. Herr Dr. Med. Scholtz zeigte Forficula gigantea vor, welche er im Jahre 1846 bei Karlowitz aus dem Sande ausgegraben hatte, und die noch nicht in Schleſien gefunden worden war. III. Hy menoptera. Herr Profeſſor Schilling zeigte feine, in Schleſien geſammelten Arten der Crabronen= Gattung Oxy- belus Fab. und Pemphredon Fab. (Crabro Latreille und Jurine) vor. Es waren folgende Arten: 1) Oxybelus mucronatus Fab. Selten. 2) O. uniglumis Fab. 3) O. haemorrhoidalis Dahlb. Selten. 4) O. trispinosus Fab. 5) O. bicolor n. sp. Schwarz, fein punktirt; Fühler nach außen braunroth, Zapfen ſcharf zugeſpitzt, Hinterleib am Grunde (das erſte und zweite Glied) ſchwarz, die übrigen roth, beiderſeits mit zwei weißen Flecken, Beine ſchwarz, Schienen und Fußglieder braunroth. Bei Liſſa nur 1 Exemplar. 6) O. laevigatus n. sp. Hinterleib glänzend-ſchwarz, ohne merkliche Punktirung. Auf dem Fuchs⸗ berge bei Schwoitſch. Pemphredon Fab. (Crabro Jur. et Latreille). 1) P. leucostoma Linn. 2) P. albilabris Pzr. (Fortſetzung wird folgen.) ; Der Lehrer Schummel zeigte feine in Schlefien (beinahe nur um Breslau) gefundenen Arten der Gattung Pemphredon Fab. (Crabro Jur. et Latreille) und zwar vorläufig zwölf deutlich verſchiedene Ar ten, meiſt nach beiden Geſchlechtern, vor, die er ſchon im Jahre 1825 unterſchieden hatte, behält ſich aber vor der Hand ihre genauere Beſchreibung noch ſo lange vor, bis er alle ſeine Exemplare genau verglichen haben wird. Herr Dr. Med. Scholtz zeigte alle, ihm bis jetzt als ſchleſiſche Einwohner bekannt gewordenen Arten der Tenthredineten-Gattung Dolerus Jur. vor, und reichte darüber folgende Mittheilung ein: 14 106 / Schleſiens Blattwespeu, zuſammengeſtellt von Dr. H. Scholtz. Dolerus Klug. Tenthr. L., Fabr. etc. Dolerus fam. I. Jur. Zwei Radial- und drei Kubital⸗Zellen. Die mitt⸗ lere Querader fehlt. Die beiden rücklaufenden Adern (Nerven) ſind der mittleren Kubitalzelle inſerirt. Fühler 9 gliedrig. Mehr oder weniger bunt gefärbte, D. Eglanteriae Fabr. Roth. Bruſtſeiten (beim & der ganze Thorax), das erſte Segment des Hinterleibes (beim & auch die Spitze) und der Kopf glänzend ſchwarzz Flügel ſchwärzlich; Beine rothgelb und ſchwarz. Länge 3¾ /; Flü⸗ gelſpannung 7½“. Häufig. Nach Klug's Vermuthung lebt die Raupe auf Binſen. Auch ich fand fie beſonders an bin⸗ ſenreichen Orten. Um Breslau gemein. Warmbrunn (Luchs). D. lateritius Klug. Roth. Kopf, Bruſt und Beine ganz ſchwarz, Flügel glashell. Länge 5; Flügelſpannung 10, Ich fand dieſe Art im Frühjahre auf Weiden, worauf ſie auch ſchon Klug und Hartig angiebt. Be— ſonders an feuchten Stellen. Steckt auch in der Sammlung der hieſigen Univerſität. D. triplicatus Klug. Roth. Kopf, Bruſt, 3 Flecken auf dem Bruſtrücken und Beine ſchwarz; Flügel glashell. Größe der vorigen Art. Bei uns nicht ſelten, doch nur im zeitigſten Frühjahre (in den letzten Tagen des April) und zwar nur an feuchten Stellen, wo Binſen wachſen. So bei Breslau in naſſen Vertiefungen am Wege nach Oltaſchin. Fliegt nur bei warmem Sonnenſchein. Sonſt ſitzt er träge an den Binſenhalmen, auf denen auch wahrſchein— ich die Raupe leben mag, und läßt ſich leicht mit den Fingern abnehmen. Ihm gleicht friſch an Farben— pracht keiner ſeiner Gattungsverwandten, indem ihn das lebhafteſte Zinnoberroth ziert. Schilling und Ro— termund fingen ihn ebenfalls. > D. anticus Klug. Schwarz. Vordertheil des Thorax und Hinterleib außer der Baſis roth. Flügel glashell. Länge 5%; Flügelſpannung 10, g Gerade nicht gemein. Ich fing ihn im Frühjahre auf Weiden. In meiner Sammlung befindet ſich eine männliche Blattwespe von etwa 3½““ Länge, die vielleicht hierher gehört. Sie iſt ſchwarz; gelbroth find nur das dreieckige Fleckchen am Hinterrande des erſten Hinter— leibs⸗ Segments, das zweite bis ſechste ganz, desgleichen die Schenkel, Tibien und Tarſen; Tibien- und Tar⸗ ſenglieder jedoch nach der Spitze zu bräunlich; Flügel wie bei den weiblichen Exemplaren von anticus. Auch Hartig, dem ich das betreffende Exemplar zuſchickte, glaubt darin einen männlichen D. anticus zu erkennen. D. saxatilis Hartig. Schwarz. Mitte des Hinterleibes, Flügelſchüppchen, die vorderſten Knie, Tibien und Tarſen gelbroth. Länge 3%, Flügelſpannung 7 ½ Linie. Von dem ihm ähnlichen palustris durch die lebhaft gelbrothen Flügelſchüppchen, die ganz ſchwarzen Mittel- und Hinterbeine, fo wie die in der Mitte etwas verdickten Fühler beſtimmt unterſchieden. 107 Scheint viel ſeltner als die folgende zu fein. Ich fing fie in Geſellſchaft derſelben auf Weidengebüſch in der Nähe von Breslau. D. palustris Klug. Schwarz. Mitte des Hinterleibes gelbroth, Tibien hellbraun; Fühler kürzer als der Hinterleib; Flügel faſt glashell; Kopf und Thorax punktirt. g 374, Flügelſpannung 65 2 334, Flügelſpannung 8”, Bei uns im Frühjahre auf blühendem Weidengebüſch gemein. Hartig führt namentlich S. viminalis als Aufenthaltsort an. Auch um Warmbrunn (Luchs). D. uliginosus Klug. Schwarz. Mitte des Hinterleibes gelbroth; Kopf und Thorax ſchwach punktirt, etwas behaart; Flügel faſt waſſerklar; Fühler länger als der Hinterleib. Länge 4, Flügelſpannung 71, Bei uns im Frühjahre auf feuchten Wieſen, an Grabenrändern nicht ſelten. D. madidus Klug. Schwarz, etwas behaart. Hinterleib mit gelber Mitte; Flügel waſſerklar, Fühler länger, als der Hin— terleib. & Länge 4, Flügelſpannung 8’, Bisher kennt man nur männliche Individuen, und Klug vermuthet, vielleicht nicht mit Unrecht, daß ſie als Männchen zu latericius gehören möchte. Im Frühjahre gemeinſchaftlich mit latericius an feuchten Orten. D. Equiseti Klug. Schwarz, ſchwach behaart; Fühler braun, beim Männchen gelbroth; Mitte des Hinterleibes und Beine gelbroth; Flügel waſſerklar. Länge 3½“ Flügelſpannung 5½ “. Bei uns, auch um Breslau, z. B. um Karlowitz auf Equisetum arvense im Frühjahre, oft in zahlloſer Menge; Ing ramsdorf unfern des Pitſchenberges. Ich fing oft Exemplare, ſowohl männliche als weibliche, mit ganz dunklen Fühlern, und beobachtete dabei in dieſer Beziehung alle Uebergänge der Färbung. D. Tremulae Klug. Schwarz. Kopf und Thorax ſchwach punktirt und behaart; Hinterleib blaßbraun; Flügel glashell; Fühler länger, als der Hinterleib. § Länge 4½“, Flügelſpannung 84, , Das Weibchen bisher noch nicht gefunden. Nicht gemein. D. dubius Klug. Schwarz. Kopf und Thorax ſehr ſchwach punktirt; Mitte des Hinterleibes und vordere Tibien und Tarſen roth; Fühler kürzer als der Hinterleib. § 2 Länge 5½“, Flügelſpannung 11”, Bei uns nicht gemein. Um Warmbrunn (Luchs). D. timidus Klug. Schwarz. Kopf und Thorax ſehr ſchwach punktirt; Mitte des Hinterleibes, Tibien und Tarſen roth; Fühler kürzer als der Hinterleib. g 2 Länge 6”, Flügelſpannung 1114. Scheint bei uns, wenigſtens in der nächſten Umgegend Breslau's, nicht zu den gemeinſten Arten zu gehören. D. tristis Fabr., Klug. Schwarz. Kopf und Thorax ſehr ſchwach punktirt; Mitte des Hinterleibes, Flügelſchüppchen, vordere Tibien ganz, hintere Tibien an der Spitze roth. & 2 Länge 4½“, Flügelſpannung 6. Bisher nur einmal von Rotermund gefangen. Das Exemplar befindet ſich in der hieſigen b tätsſammlung. 14 * 108 D. palmatus Klug. Schwarz. Kopf und Rückenſchild punktirt; Körper unten und an den Seiten grauhaarig; Vorderſeite der Vordertibien blaßbraun; Fühler kürzer, wie der Hinterleib. Männchen mit weißen, faſt durchſichtigen Flecken auf der Mitte des fünften und ſechsten Hinterleibs-Segments. Länge 4, Flügelſpannung 8, Ich fing ſie alljährlich in beiden Geſchlechtern auf den Marienauer Dämmen bei Breslau, einer wahren Fundgrube für ſchwarze Doleren. D. haematodes Schrank. Schwarzblau, glänzend; Hinterleib an der Spitze grau behaart; Halskragen blutroth. P Länge 5“, Flü⸗ gelfpannung 10, Anfang Mai auf feuchten Wieſen und an graſigen Grabenrändern, doch auch auf Blüthen von Wei⸗ den, beſonders der grauen Arten. Ich fing ebenfalls bisher nur Weibchen. Das Männchen iſt noch unbekannt. D. thoracicus Klug. Schwarz. Bruſtrücken und Flecken an den Seiten des Thorax blutroh. L Länge 4%, Flügelſpan⸗ nung 9% /. Im Frühjahre auf den Weidenblüthen, beſonders auf grauen Weiden (S. cinerea, capraea), Nicht gemein. D. gonager Fabr. Glänzend ſchwarz; Knie und Baſis der Tibien gelblichroth, & 2 Länge 4, Flügelſpannung 8”, Im Mai ſehr gemein auf Blüthen von Weiden, namentlich Salix einerea und capraea. D. vestigialis Klug. Glänzend ſchwarz. Schenkel ganz und Tibien an der Baſis gelblichroth; Flügelſchüppchen ganz oder theilweiſe weißlich. Man findet auch Weibchen mit rothbraunem Halsſchilde. & 2 Länge 4, Flügelſpan⸗ nung 8%, Um dieſelbe Zeit und an denſelben Orten wie die vorige, doch im Ganzen weniger häufig. Einfarbig ſchwarze. Dieſe ſchwierige Gruppe, die nach Klug nur aus den drei Arten niger, anthraeinus und coraeinus beſteht, hat erſt Hartig in ſeinem erſten Bande der Aderflügler Deutſchlands, S. 237 — 244, näher aus⸗ einandergeſetzt und eine Anzahl neuer Arten unterſchieden. Die erſte Andeutung zur Annahme mehrerer Arten wurde Hartig durch die Betrachtung der ſehr verſchiedenen Bildung des Legeſtachels, die mehr oder weniger dichte und tiefe Punktirung, wie auch Behaarung des Kopfes und verſchiedene Grundfarbe des Leibes. Ferner ſpielt auch bei ſeinen Eintheilungen in Unter-Gruppen die abweichende Färbung der Enddornen der Tibien und der Umſtand, ob der Eindruck an den Seiten des Mittellappen auf dem Thorax ſpitzwinklig oder halbmondförmig ſei, eine große Rolle. Die hier folgenden ſchwarzen Doleren meiner Sammlung ſind von Hartig ſelbſt, dem ich ſie insgeſammt zur Anſicht zugeſchickt hatte, beſtimmt worden. A. Sämmtliche Enddornen der Tibien ſchwarz. Färbung des Körpers ganz oder theilweiſe braun⸗ ſchwarz. a) Eindruck an den Seiten des Mittellappens ſpitzwinklig. D. niger Klug. (Mus. Klug.) Größte Art. Tiefſchwarz; Kopf weiß mit deutlichem Blau, grauhaarig; Hinterleibs-Segmente weißlich gerandet; Fühler fo lang wie der Hinterleib. & & Länge 3½“ — 5%. Im Frühjahre. Gehört zu den weniger häufigen Arten. D. anthracinus Klug. Tiefſchwarz. 2 Kopf und Bruſt blauſchwarz, erſterer ohne merkliche Behaarung; Flügel wenig getrübt, Fühler kürzer als der Hinterleib, Körper beſtimmt eiförmig. & weicht in etwas ab. Es iſt beſonders ſchmal 109 und langſtreckig, lang 3 — 3% % Fühler von der Länge des Hinterleibes, das vierte Glied faſt länger als das dritte; Kopf hinter den Augen ſtark verengt, beide grauhaarig; Stirn und Bruſtbein mit bläulichem Schimmer. Hinterleibsſpitze bis zum dritten Segmente ſchwach behaart; die letzten Segmente mit weißlichen Rändern; mittlere Tibiendornen blaßbraun. Hartig zweifelt noch, ob es wirklich als F zu anthracinus ge⸗ höre, doch kann ich den Zweifel gänzlich heben, da ich beide in Begattung fing. Die Männchen ſcheinen viel ſeltner zu ſein. Bei Breslau häufig im Frühjahre, z. B. auf den Marienauer Dämmen. b. Eindruck an den Seiten des Mittellappens halbmondförmig. D. coracinus Klug. 2 Blauſchwarz, glänzend; Körper eiförmig, Flügel glashell, bräunlich getrübt; Fühler kürzer als der Hinterleib. Länge 4, Flügelſpannung 8 Linien. Mit D. niger zunächſt verwandt, von ihm (dem 2) jedoch, außer dem eiförmigen Körper und den kurzen ſchlanken, in der Mitte etwas verdickten Fühlern, dem lebhaften Braunſchwarz an Kopf, Bruſt und Beinen und dem ſehr ſchwach behaarten Rücken der Hinterleibsſpitze, auch noch durch den ſchmälern, überhaupt weit kleinern Kopf, durch den ſehr kurzen, ſtumpfſpitzigen, nicht ſchräg abgeſtutzten Lappen des Außendorns der Vor— dertibien und andere Beſchaffenheit des Legeſtachels verſchieden. (Siehe Hartig, S. 239 und tab. V. fig. 4. a.) An demſelben Orte theilt auch noch Hartig über das muthmaaßliche Männchen Folgendes mit: Ein dieſer Art ſehr wahrſcheinlich angehöriges Männchen, mit dem D. coracinus auf einer Nadel ſteckend, erhielt ich vom Harz durch Hrn. Sarefen, Die Fühler find länger als beim Männchen des D. niger, länger als der Hinter— leib, übrigens wie bei D. niger geformt; der kleine Kopf, das ſchöne Blauſchwarz an Kopf, Bruſt und Bei— nen, die geringe Behaarung und der Mangel der weißen Segmentränder ſprechen dafür, daß beide Geſchlechter einer und derſelben Art angehören. Ich kann mir hierbei kein Urtheil erlauben, da ich bisher nur 2 Weibchen, die in der Schilling'ſchen Sammlung ſtecken, ſah. Scheint bei uns nicht gemein zu ſein. D. atricapillus Hartig. Ueberall blauſchwarz glänzend; Behaarung des Kopfes und des Thorax dunkel graubraun; Kopf klein und ſchmal; Fühler ſo lang wie der Hinterleib, borſtenförmig mit geſtreckten cylindriſchen Gliedern; Flügel rauchfarben. Länge 4, Flügelſpannung 9 Linien. Von allen ihm verwandten Arten durch die Färbung der Haare am Kopf und Thorax zu unterſcheiden. Weibchen noch nicht gekannt. Ich fing bisher nur wenige Exemplare im zeitigen Frühjahre auf den Ma- rienauer Dämmen. b. Tibiendornen bunt oder blaßbraun. Kopf und Thorax meiſt erzfarben. D. leucobasis Hartig. Schwarz. Hinterleibsrücken in's Bräunliche. Grundglied der Hintertarſen mit weißer Baſis; Fühler fo lang wie der Hinterleib, deſſen achtes Segment geſpalten. Länge 3, Flügelſpannung 6 ¼ “/. Weibchen noch nicht gekannt. Nicht gemein. Im zeitigen Frühjahre an buſchigen Dämmen, z. B. bei Marienau. D. Hartigii m. = 2 Schwarz. Kopf und Thorax erzfarben; Rückenkörnchen groß, leuchtend, elfenbeinfarbig; Tibiendornen blaßbraun, die hinterſten mit ſchwarzer Baſis; Fühler kürzer wie der Hinterleib; Flügel klar. Länge 4, Flü⸗ gelfpannung 8%, D. Cenchris Hartig. Schwarz. Kopf und Thorax erzfarbig, Tibiendornen blaßbraun, die mittleren mit ſchwarzer Spitze, die hinterſten mit dunkler Baſis; das neunte, achte und die Spitze des ſiebenten Hinterleibsſegmentes geſpalten. Länge 3 ½, Flügelſpannung 8, D. fissus Hartig. 110 Da mir Hartig ſelbſt brieflich mittheilte, er habe die Ueberzeugung gewonnen, fein Cenchris und fissus feien nur die beiden Geſchlechter einer und derfelben Art, und zwar, wie ſchon erwähnt, Cenchris das Weib, fissus der Mann, vereinige ich hiemit beide in eine, und erlaube mir, felbiger den Namen ihres hochverdien⸗ ten Entdeckers beizulegen. Sehr häufig, beſonders der Mann, im zeitigen Frühjahre. D. aeneus Hartig. Schwarz. Kopf und Thorax erzfarbig; Hinterleib mit weißen Segmenträndern; Tibiendornen ſchwarz, die mittlern braun; Fühler fo lang wie der Hinterleib, borſtenförmig. G 2 Länge 3 ½, Flügelſpannung 7 Linien. Das Männchen unterſcheidet ſich hauptſächlich von dem Weibchen durch die bis zum zweiten Rücken— Segmente hinaufreichende ſtarke Behaarung, die mehr in's Bläuliche übergehende Grundfarbe des Kopfes und Thorax und die dunkleren Fühler. Von dem ihm ſehr nahe ſtehenden D. niger unterſcheidet er ſich durch die abweichende Grundfarbe, den weit ſchmäleren Kopf und die längeren, ſchlankeren Fühler. Bei uns im zeitigen Frühjahre häufig. D. gibbosus Hartig. Schwarz. Kopf und Thorax erzfarben; Rückenkörnchen weiß; Tibiendornen blaßbraun, die hinterſten ſchwarz; Fühler fo lang, wie Kopf und Thorax; Hinterleib bucklig. P Länge A, Flügelſpannung 9%. Aus: gezeichnet durch den welligen Rücken des Eileiters. Männchen noch unbekannt. Von mir bisher nur in 3 Exemplaren im zeitigen Frühjahre bei Marienau gefangen. D. coerulescens Hartig. Ueberall faſt ſtahlblau; Hinterleibsſegmente blaßbraun gerandet; Rückenkörnchen reinweiß; Baſis des erſten Gliedes der Hintertarſen weiß; Tibiendornen blaßbraun, die hinterſten mit dunkler Baſis. & Länge 4, Flügelſpannung 8 / Linien. Weibchen noch unbekannt. Nach Hartig vielleicht der Form des Hinterleibes wegen als § zu Gib- bosus gehörig. Im zeitigen Frühjahre nicht gerade ſelten an den Marienauer Dämmen. Es bleibt nun noch übrig, 3 Doleren näher zu erörtern, die unter keine der bisher von Hartig oder Andern beſchriebenen Arten unterzubringen ſind. Der erſte gehört zu denen mit rother Hinterleibsmitte ver— ſehenen Arten, die beiden andern der ganz ſchwarzen an. Es ſind folgende: D. Klugii n. sp. Schwarz glänzend; drittes Hinterleibsſegment rings herum, viertes nur oben in der Mitte voth- gelb; über die vier letzten geht der Mitte nach eine flache Längsfurche; Thorax, beſonders aber der Kopf und die Bruſt, ſtark greisbehaart; Rückenkörnchen bräunlich; Fühler ziemlich kurz und dick, kürzer als der Hinter- leib; Flügel glashell. Länge 4 Linien. Scheint mir wegen der nur ſpärlichen Vertheilung des Roth auf dem Rücken des Hinterleibes nicht leicht mit irgend einer ihr verwandten Art verwechſelt werden zu können. Ich fing bisher nur wenige, doch ganz übereinſtimmende Männchen. D. lacteus n. sp. Glänzend ſchwarz; Kopf klein, runzlich punktirt; Fühler fein und kurz, zwei Drittel fo lang als der Hinterleib; Rückenkörnchen elfenbeinweiß; Flügel milchweißlich. Länge vier Linien. Die milchweißlichen Flügel zeichnen ſie vor allen aus. 111 Zu welcher Art der ſchwarzen Doleren diefe Art vielleicht als Weib gehöre, muß die Zeit lehren. Ich wenigſtens zweifle nicht, daß der Mann ſchon unter irgend einem Namen beſchrieben iſt. Sehr häufig im zeitigen Frühjahre um Breslau, z. B. auf den Marienauer Dämmen. D. carinatus n. sp. Schwarz, ziemlich glänzend und von langgeſtreckter Figur; Kopf, Bruſtrücken und Bruſt ſchwach greisbehaart; Bruſtſeiten und Kopf tief und grob punktirt; faſt der ganze Hinterleib, beſonders die letzten 2 Drittel, mit feinen dicht anliegenden und greiſen Härchen bekleidet; erſtes Segment in der Mitte geſpalten, von der vordern Hälfte des zweiten bis zum fünften (inclufive) verläuft auf der Mitte eine deutliche kiel— artige Leiſte; das Ende des Hinterleibes zeigt wieder die, wie ſich Hartig ausdrückt, hechtkopfartige Geſtalt es Hinterleibes der ſchwarzen Doleren-Männchen. Länge 4 ½ Linie. Von mir bisher nur wenige Männchen im zeitigen Frühjahre bei Marienau gefunden. Ich wage es um ſo eher, die drei letzten Doleren beſonders zu beſchreiben, da Hartig, der doch wahr— lich hier als eine der bedeutendſten Autoritäten gelten kann, mich brieflich verſicherte, er könne ſie ohne Zwang nicht leicht unter eine der bereits beſchriebenen Arten bringen. (Fortſetzung folgt.) IV. Neuroptera. Herr Dr. Phil. W. G. Schneider zeigte vor und beſchrieb alle Arten der Gattung Perla Geoffroy, die bis jetzt in Schleſien gefangen wurden. Folgendes iſt der zum Drucke beſtimmte Vortrag: Bevor ich zur Schilderung der in Schleſien vorkommenden Arten der Gattung Perla Geoffroy übergehe, muß ich eines Werkes erwähnen, welches dieſen Gegenſtand auf eine ſehr vollſtändige, ausführliche und ausgezeichnete Weiſe behandelt, nämlich: Pictet’s histoire naturelle generale et particuliere des Insectes Néuroptères; famille des Perlides. Geneve et Paris 1841. Dieſes Werk zerfällt in zwei Hauptabtheilungen, von denen die erſte die allgemeinen Betrachtungen über die wichtigſten Charaktere dieſer Familie, über die Schriftſteller, welche darüber geſchrieben, über Metamorphoſe und Lebensweiſe der Perliden, über die Anatomie, ſowohl der äußern, als der innern Theile, über Klaſſifikation der Perliden, in fünf Kapiteln, welche theilweiſe wieder in Sektionen getheilt ſind, ausführlich behandelt, die zweite dagegen die genaue und ausführliche Beſchreibung aller dem Verfaſſer bekannt gewordenen Arten, welche zugleich durch ſehr ſchöne, genaue, vom Verfaſſer ſelbſt gezeichnete Abbildungen näher erläutert ſind, enthält; als Anhang ſind jeder Gattung die dem Verfaſſer nicht näher bekannt gewordenen Arten beigefügt. Es find in der Familie der Perliden von Pictet fünf Hauptgattungen (von denen drei nur exotiſch) aufgeſtellt, nämlich: Kollaria Pictet, Eusthenia Westw., Pteronareys, Perla, Capnia und Nemoura, und dieſe ſehr zweckmäßig in Untergattungen, und dieſe, wo es nöthig ſchien, wieder in Gruppen eingetheilt worden. 5 Beſchrieben find aus allen fünf Hauptgattungen zuſammen hundert Arten, wovon auf Europa 27 kommen. Uns beſchäftiget heute nur die Gattung Perla Geoffroy mit ihren in Schleſien einheimiſchen Arten, von denen ich freilich nur etwa zwei Drittheile aufzuweiſen haben werde, und benutze die vortreffliche Pictet'ſche Auseinanderſetzung dieſer Gattung. Die Familie der Perliden im Allgemeinen zeichnet ſich durch den platten Kopf, die gefalteten Unterflü⸗ gel, die verlängerten borſtenförmigen Fühler und den ziemlich plattgedrückten Körper aus; die Gattung Perla aber noch insbeſondere durch die mittelmäßig langen Maxillar-Palpen, deren erſtes Glied kurz, die drei fol— genden größer, nicht erweitert, das letzte Glied klein und gerade iſt. Die deutlich geaderten Flügel haben nur eine geringe Anzahl von Queradern; der achte Hinterleibsring hat unten bei dem Weibchen gewöhnlich keine Verlängerung; das Ende des Hinterleibes iſt mit zwei langen Schwanzborſten verſehen. 112 Pictet theilt die Gattung Perla zunächſt in zwei große Hauptabtheilungen nach der Beſchaffenheit des Hinterfeldes der Unterflügel, und zwar: I. Das Hinterfeld der Unterflügel groß und gefaltet. Dieſe Abtheilung umfaßt wieder folgende Untergattungen: 1) Dietyopteryx Pictet. Das Ende des Feldes unter der Randader durch Queradern abgetheilt; die Längsadern deſſelben Theiles meift unregelmäßig; Kopf klein, Kinnladen vielzähnig; Flügel breit und verrundet. Der Körper der hierher gehörigen Arten meiſt ſchwarz, mit einer gelben Strieme auf dem Kopfe und Thorax. 2) Nephelion Pictet. Das Ende des Feldes unter der Randader ohne Queradern; die acceſſoriſche Ader der subeosta ſehr veräſtelt und unregelmäßig; an der Stelle, wo die subcosta beginnt, durch Queradern abgetheilt zu werden, iſt an der costa ein Nebelfleck. 3) Perla im engern Sinne. Endfeld unter der Randader ohne Queradern; acceſſoriſche Ader der sub- costa ohne Aeſte, oder nur mit einer oder zwei regelmäßigen Gabeladern; die Randzelle am Ende hat wenigſtens zwei Queradern. Die Arten ſind meiſt groß, oder von mittlerer Größe, mehr oder weniger braun, oder gelb gefärbt. 4) Chloroperla Newman. Das Ende des Feldes unter der Randader ohne Queradern; die acceſſo— riſche Ader der subcosta einfach oder gegabelt; die Randzelle am Ende der costa hat außerdem noch eine Querader nach derjenigen, welche die acceſſoriſche Ader der costa abſchneidet. Die Arten find meiſt klein und gelblichgrün gefärbt. 8 Die andere Hauptabtheilung iſt folgende: II. Hinterfeld der Hinterflügel faſt gänzlich fehlend. Dieſe Abtheilung enthält nur eine Untergattung. 5) Isopteryx Pictet. Die Flügel von gleicher Breite und ſchmal. Die Arten ſind ſehr klein und gelb gefärbt. Die mir als in Schleſien heimiſch bekannten Arten ſind folgende: Erſtes Subgen. Dietyopteryx Pictet. 1) Diet. intricata Pictet. Schwarz; der Kopf ſtellt oben eine platte, breite und kurze Scheibe dar, deren leicht erhabene Ränder eine Leiſte über den Augen bilden; zwei rothgelbe Flecke auf dem Hinter- kopfe, ein lanzenförmiger in der Mitte und ein kreuzförmiger darüber; die Flügel ſind braun, deren Adern, ſtark und dunkel, bilden am Ende des Feldes unter der Randader ein reichliches Adernetz. Schwanzborſten ſchwärzlichbraun. Länge 12 Linien. Von Herrn Dr. Scholtz einmal im Salzgrunde gefangen. 2) Diet. microcephala Pictet. Schwarz; der Kopf bildet eine faft platte Scheibe, deren Ränder eine wenig deutliche Leiſte über den Augen bilden; die rothgelben Flecke auf Kopf und Prothorar wie bei der vorigen Art; Schwanzborſten und Füße hellbraun, Schenkel von der Mitte ab, Anfang und Ende der tibia und die Tarſen dunkler. Flügel durchſichtig, bräunlich; die Adern derſelben hellbraun. — Die Männchen haben nur ſehr kurze Flügel, wobei noch wichtig zu bemerken iſt, daß die Länge der Flü⸗ gel des Männchens nach der Lokalität und der Heimath zu variiren ſcheint, indem Pictet dieſe Flügel immer noch länger darſtellt, als ſie bei allen von mir in Schleſien beobachteten Männchen vorkommen, bei welchen ſie nur als kurze Stümpfchen erſcheinen, welche kaum den halben Hinterleib bedecken. Länge des Weibchens mit den Flügeln 10“, des Männchens 4 — 6%. Im Mai um Breslau und anderwärts. 2 3) 4) 5) 6 113 Zweites Subgen. Nephelion Pictet. Neph. nubecula Newman. Schwarz; auf dem Hinterkopfe mit einem gelben Flecke, eben fo der Scheitel; Stirn und Fühler ſchwarz; Prothorax und vordere Hälfte des Meſothorax mitten mit einem gelben Streif; der letzte Hinterleibsring oben gelb. Flügel faſt waſſerhell, nur wenig bräunlich; mit dem charakteriſtiſchen braunen Nebelfleck; Adern ſtark und braun. Länge mit den Flügeln 7 — 9%. Vom Mai an um Breslau, Glogau und anderwärts, nicht ſelten. Drittes Subgen. Perla im engeren Sinne. P. cephalotes Curtis. Männchen und Weibchen find in der Größe ſehr verſchieden. Der Kopf des Weibchens groß und breit, röthlichgelb, mit einem ſchwarzen Flecke um die hinteren Ocellen, und einem am vordern Rande des Kopfes. Der Prothorax iſt viel ſchmäler als der Kopf, hinten verengt, faſt einfarbig braun, mit Runzeln. Meſo- und Metathorax braun, Hinterleib etwas heller; Schwanz— borſten braun; Flügel bräunlich; Adern viel dunkler. Das Männchen iſt viel kleiner; die hintern Ocellen ſind jede von einem beſondern kleinen ſchwarzen Fleck umgeben; die Flügel ſind nur kurze abgerundete Stumpfe mit ſtarken Adern. Länge des Weibchens 13, des Männchens 7, Das Weibchen von Herrn Dr. Luchs bei Warmbrunn geſammelt; ein Männchen beſitze ich nur aus Lappland. P. marginata Panzer. Beide Geſchlechter ſind in der Größe nur wenig, dagegen in der Färbung etwas verſchieden. Das Weibchen hat einen breiten, oben faſt ganz ſchwarzen Kopf, mit zwei großen rothgelben Flecken auf dem Hinterkopfe, einen eben fo gefärbten Punkt vor jeder Deelle und rothgelben Vorderrand. Prothorax groß, faſt eben fo breit als der Kopf, hinten wenig verengt, runzlich und ge— miſcht braun und ſchwarz gefärbt. Der übrige Thorax ganz dunkelbraun. Der Hinterleib iſt gelb, die Segmente braun gerandet; die Schwanzborſten ſind ſchwärzlich, Beine braun, Ende der Schenkel und Baſis der Schienbeine ſchwarz. Die Flügel ſind groß, etwas bräunlich, die Adern dunkelbraun. Das Männchen, nur wenig kleiner, iſt im Allgemeinen etwas heller gefärbt; die Beine rußfarbig; die Flü— geladern etwas heller braun. Länge des Männchens 9 — 11”, des Weibchens 12 — 14%. Dieſe Art lebt, wie die vorige, nur in der Nähe von Gebirgsbächen, und findet ſich im Juni und Juli in der Grafſchaft Glatz bei Reinerz, im Morathal und bei Warmbrunn. P. bicolor und vitripennis Burmeister. Ich vereinige dieſe beiden Arten, da ſie ſich nur ſehr wenig unterſcheiden, als die beiden Geſchlechter einer Art, indem ich ſie auch zuſammen, wenn auch nicht in copula, antraf; bis jetzt ſind überhaupt von der P. bicolor B. nur Männchen, und von P. vitripennis B. nur Weibchen vorgekommen; P. bicolor iſt um Weniges kleiner und hat einen mehr rothgelben Hinterleib; da ſonſt keine Abweichungen vorkommen, kann ich ſie beide gemeinſchaftlich beſchreiben. Der Kopf breit, gelb, mitten mit einem ſchwarzen Fleck; Fühler gelb, gegen das Ende braun. Der Prothorax, ſchmäler als der Kopf, hat gerade Ränder und iſt runzlich und gelb und braun gemifcht> der übrige Thorax ſchwarz mit gelben Rändern. Hinterleib gelb, oder bei P. bicolor rothgelb; die vordern Segmente mitten ſchwarz. Die Schwanzborſten an der Baſis gelb, mitten geringelt und am Ende braun. Beine gelb, Schenkel und Schienbeine außen und die Tarſen ganz braun. Die Flügel glashell; die Koſtalzelle nebſt deren Queradern gelb, die übrigen Adern zart und braun. Länge der P. bicolor 4½ — 5%, der P. vitripennis 5 —6“¼. 15 9) 10) 11) 12) 14) 114 Um Breslau im Juni nicht häufig; bei Zedlitz von mir, im Kratzbuſch von Herrn Dr. Scholtz, und bei Glogau von Herrn Oberlehrer Zeller gefunden. Viertes Subgen. Chloroperla Newman. Chlor. rivulorum Pictet. Kopf grünlichgelb, Augen ſchwarz; eine braune Binde zieht ſich mitten über den Kopf vom Hinterkopf bis zum Scheitel und verſchmilzt mit den gelben Seiten. Prothorar braun mit gelber Mittellinie; Hinterleib ſchwärzlich. Flügel etwas bräunlich; Schwanzborſten braun. Länge 4 “/ — Von Herrn Dr. Luchs bei Warmbrunn gefunden. Chlor. virescens Pictet. Dieſe Art varürt zwar ſehr, doch ſind folgende Charaktere ſicher: Kopf gelb, Augen und Nebenaugen ſchwarz, letztere durch einen ſchwarzen Fleck in Hufeiſenform, die Kon⸗ verität nach vorn gerichtet, verbunden; Hinterleib oben ſchwarz, die zwei letzten Ringe aber gelb, mit einem ſchwarzen Fleck; Schwanzborſten an der Baſis gelb, am Ende ſchwarz. Länge 2 — 4%. Im Frühjahre und Sommer in allen Gegenden Schleſiens häufig. | Fünftes Subgen. Isopteryx Pictet. Is. serricornis Pictet. Gelb, Augen und Ocellen ſchwarz; die Fühler ſägeförmig, im erſten Drit⸗ theil gelb, dann ſchwarz; Prothorax elliptiſch, auf den beiden breiten Seiten mit einem röthlichbraunen Fleck. Auf den ſechs erſten Hinterleibsringen mitten eine ſchwarze Linie; Schwanzborſten gelb, leicht geringelt, am Ende ſchwärzlich. Länge 3½/. Vom Herrn Oberlehrer Zeller bei Glogau gefangen. Is. montana Pictet. Unterſcheidet ſich von der vorigen und den folgenden dadurch, daß die Fühler erſt hinter der Mitte ſchwärzlich find. Der Prothorax iſt mit einer ſchwarzen Linie eingefaßt und jeder- ſeits mit kleinen Stricheln bezeichnet; Queradern der Flügel viel zahlreicher. Länge 3— 3 //, Bei Reinerz und im Salzgrunde. Is. torrentium Pictet. Kleiner als die vorigen, die Fühler mehr ſchwarz; Prothorax mit einer ſchwarzen Linie eingefaßt, und jederſeits mit einem ſchwarzen Strich. Schwanzborſten lang geringelt und am Ende ſchwarz; in den beiden Mittelfeldern der Flügel 4 — 5 Queradern. Länge 3, Bei Schosnitz gefunden. Is. Burmeisteri Pictet (P. viridis Burm.). Gelb, ins Röthliche; die ſchwarzen Ocellen durch einen ſchwarzen Fleck in Hufeiſenform verbunden. Die Fühler vom erſten Drittheil ab ſchwarz; Pro— thorax mit einer ſchwarzen Linie eingefaßt, und mit einer eben ſolchen Mittellinie getheilt; beiderſeits ein kleiner ſchwarzer Strich. Länge 2½ /. Bei Schosnitz geſammelt im Juni. Is. fla va Foureroy. Unterſcheidet ſich von allen andern Arten dieſer Abtheilung durch den ſchmälern Kopf und Prothorarz; letzterer iſt nur mit einer ſchwarzen Linie eingefaßt; die Schwanzborſten find ganz gelb; die Fühler vom erſten Viertheile ab ſchwarz. Länge 3". In der Grafſchaft Glatz und bei Warmbrunn. Is. apicalis Newman. Iſt die kleinſte Art dieſer Gattung, und zeichnet ſich durch das Fehlen der ſchwarzen Einfaſſungslinie des Prothorax, ſo wie durch die ganz gelben Schwanzborſten aus. Länge 2— 2 / %,. Um Breslau von mir, um Glogau vom Herrn Oberlehrer Zeller und um Warmbrunn vom Herrn Dr. Luchs gefangen. 115 V. Hemiptera. Herr Dr. Med. Scholtz zeigte die vier von ihm bis jetzt in Schleſien gefundenen Arten der Gicadarien= Gattung Ulopa vor, und zwar: 1) UI. obtecta Fallen. 2) UI. decussata Germar. 3) UI. trivia Germar. 4) UI. lugens Germar. Herr Profeſſor Schramm in Leobſchütz führt in einem ſehr freundlichen Schreiben an die Sektion an, daß er vor etwa 50 Jahren die Tetyra nigrolineata Fab, auf einer Schirmpflanze auf einem buſchigen Berge bei Grafenort in der Grafſchaft Glatz ſelbſt gefangen und das Exemplar Hrn. Aſſeſſor Günther über: laſſen habe. Dann, daß der längſt verſtorbene Herr Profeſſor Heyde vor ſehr langen Jahren ſchon die Acanthia Hirundinis in einem Schwalbenneſte an den Fenſtern ſeiner Wohnung im Univerſitäts-Gebäude gefunden habe. VI. Diptera Herr Dr. Med. Scholtz theilte die Naturgeſchichte des Heerwurms oder, wie man nun weiß, der Larve der Sciara Thomae Meigen mit. Derſelbe zeigte holzartige Gallen von Salix caprea vor, aus denen Puppenhülſen einer Diptern-Larve halb hervorragten. Die Zweiflügler, welche daraus auskrochen, waren Exemplare von Cecidomyia salieis de Geer. Aus einigen Larven der erwähnten Zweiflügler war eine kleine Art der Gattung Diplolepis aus⸗ gekrochen. VII. Lepidoptera. Herr Gymnaſiallehrer Klopſch trug einen Ueberblick der, von Ochſenheimer und Treitſchke an— genommenen Gattungen der Eulen (Noctuae) vor, und zeigte von jeder Gattung eine Art als Beiſpiel vor. Herr Dr. Med. Scholtz hielt einen Vortrag über die Naturgeſchichte der Tinea lappella Linn., zeigte die, von der Raupe in horizontaler Richtung durchnagten, Samen des Arctium Lappa. Linn., die darin enthaltenen Puppenhülſen und die aus ihnen ausgekrochenen Motten vor. h. Arachniden. Herr Apotheker Seidel zeigte männliche und weibliche Exemplare der von Herrn Dr. Med. Scholtz zuerſt in Schleſien, ſpäter auch von Herrn Seidel bei Roſenthal im Sande an der alten Oder gefundenen Lycosa allodroma Koch (L. Lynx. Hahn et L. picta Hahn) vor, ſprach über ihre Lebensweiſe und zeigte lebende Exemplare vor. Derſelbe theilte einige Beobachtungen an lebenden Spinnen verſchiedener Gattungen mit, und zwar, wie folgt: : Einige Beobachtungen an Spinnen. Was die Nahrung der Spinnen anbetrifft, ſo ſcheint ſie ausſchließlich aus Inſekten zu beſtehen, und wenn auch die verſchiedenen Arten eins oder das andere vorziehen, ſo machen doch die Fliegen und Mücken nicht nur die Hauptnahrung, ſondern auch eine Lieblingsnahrung derſelben aus. Natürlich wagen ſich die kleineren in der Regel auch nur an kleinere Inſekten, doch überwältigen ſie auch zuweilen Thiere, die ihnen an Größe wohl dreimal und mehr überlegen find, So ſah ich eine kleine Epeira cucurbitina, die eine große Stubenfliege am Bauche gefaßt hatte, nicht loslaſſen, obgleich dieſe ſehr ungeſtüm mit ihr herumflog. An Inſekten mit hornigen Schalen ſcheinen ſie ſich nur bei großem Hunger zu wagen. Ameiſen werden von den meiſten gemieden, nur einige Theridien ſtellen ihnen nach und ziehen ſie andern Inſekten vor. Wenn eine Spinne auf Beute lauert, ſo hält ſie ſich nie in ihrem Netz, ſondern ſtets außerhalb deſſelben auf; hat ſich nun ein Inſekt gefangen, ſo eilt ſie mit großer Schnelligkeit darauf zu, und ſucht es durch Schläge mit 15 * 116 den Vorderfüßen noch mehr zu verwickeln. Zuweilen faßt es auch die Spinne ſogleich mit ihren Freßzangen,, in den meiſten Fällen jedoch umſpinnt fie es mit Hülfe ihrer Hinterfüße, indem fie mit dieſen Fäden aus den. Spinnwarzen zieht und dieſe ſehr geſchickt um ihre Beute wickelt. Selten verzehrt ſie dieſe im Netz, meiſt in ihrem Schlupfwinkel oder Neſt. Familie der Radſpinnen. Epeirides. Ueber die Lebensweiſe der gewöhnlichen Kreuzſpinne, Epeira diadema Koch, habe ich Gelegenheit ges habt, längere Zeit Beobachtungen anzuſtellen. Von fünf im Sommer des vorigen Jahres eingefangenen Weibchen dieſer Spinne wurde die erſte vom 21. Juli 1846 bis 18. September deſſelben Jahres gefüttert. Ihr Gewicht betrug 10 Gran; fie verfpeifte in dieſer Zeit nur 5 Fliegen, durchſchnittlich zu 4 Gran, und tödtete 20 Stück; eine merkliche Gewichtszunahme fand nicht ſtatt. In der erſten Zeit ſpann ſie ſehr viel, und leimte beſonders am Glasdeckel der Schachtel ſehr ſtarke Fäden an, wie die ſind, zwiſchen welchen ſie ihren Kokon mit den Eiern befeſtigen, ohne jedoch zu legen. Nach dem Tode waren die 1 außer⸗ gewöhnlich angeſchwollen und herausgetreten. 2) Gefangen am 21. Juli 1846, ſtarb am 20. Auguſt 1846, fraß nur 4 Fliegen, tödtete 22, wog 15 Gran, und ließ nach dem Tode keine Gewichtszunahme bemerken. Auch bei ihr fand das Heraustreten der Spinnwarzen ſtatt. 3) Gefangen am 22. Juli 1846, ſpann in der erſten Zeit nur ſehr wenig, fraß bis zum 19. Auguſt 51 Fliegen und tödtete 21. Am gefräßigſten war ſie in der erſten Zeit bis zum 28. Juli, von da ab fraß ſie weniger, fing an mehr zu ſpinnen und legte in der Nacht vom 17. zum 18. Auguſt Eier. Die Eier bilden einen kugelförmigen Klumpen und ſind unter einander feſtgeklebt. In der Größe ſtehen ſie zwiſchen den Mohn- und Senfkörnern, und ſind von Farbe etwas weißlicher, als der gelbe Senf, auch befanden ſich bald zu Anfang einige ſchwarze, wahrſcheinlich abgeſtorbene darunter, wenigſtens habe ich aus keinem derſelben eine Spinne auskriechen ſehen. Umgeben waren dieſelben zunächſt mit einem ſchwefelgelben, dicht verfilzten, mehr baumwollenartigen Gewebe; dieſes ging nach außen allmälig in ein weißes, mehr ſpinnwebenartiges über, und war mit vielen ſehr ſtarken Fäden in einer Ecke des Schachteldeckels befeftigt. Bei dem Einfangen wog die Spinne 10 Gran, nahm bis zum 27. Juli um 3 Gran, bis zum 15. Auguſt um 6 Gran an Gewicht zu. Die Eier wogen mit dem Kokon und übrigen Geſpinnſt 13 Gran, die Spinne ſelbſt nur noch 3 Gran. Der früher ſehr dicke Hinterleib war ganz eingefallen, voller Falten und Runzeln; an den Geſchlechtstheilen war nichts Auffallendes zu bemerken. Durch unvorſichtige Behandlung verlor ſie ein Bein und ſtarb am 21. Auguſt. 4) Lebte vom 23. Auguſt bis 18. September, wog 51, Gran, fraß 39 Fliegen und tödtete 11. Ihr Gewicht vermehrte ſich bis zum 2. September um 27, Gran. 5) Lebte vom 9. bis 24. Oktober. Sie fraß gar nicht, tödtete aber die ihr gereichten 11 Fliegen. Ihr Gewicht von 7 Gran hatte, obgleich ſie gar keine Nahrung zu ſich nahm, keine Abnahme erlitten. Im Allgemeinen ſcheinen die Spinnen im freien Zuſtande nicht fo viel Nahrung zu finden, als fie brauchen, wenigſtens fand ich ſtets, daß die eben gefangenen am gefräßigſten waren, daß ſie jedoch nach und nach, bei ſonſt vollſtändiger Munterkeit, weniger Nahrung zu ſich nahmen. Eine in dieſem Jahre eingefangene Epeira arundinacea (Brückenkreuzſpinne) legte innerhalb 5 Wochen dreimal Eier, klebte die ſpäteren außen an die älteren an, jedoch ſo, daß jede Brut ihren beſonderen Kokon hatte. Die erſten waren bereits ausgekrochen, als die letzten gelegt wurden; dies würde alſo beſtätigen, daß eine einmalige Befruchtung bei den Spinnen ausreicht, denn alle 3 Lagen Eier find ausgekrochen. Von den gereichten Fliegen wurden alle Theile, mit Ausnahme des Kopfes, verzehrt, und ſelbſt Flügel und Beine verſchwanden, nur die Köpfe lagen am Boden der Schachtel. Todte Fliegen wurden nicht ange⸗ rührt. Erhält eine Spinne an einem Fuße oder den Palpen eine Quetſchung, ſo fährt ſie zu wiederholten 117 Malen damit durch den Mund, befeuchtet den leidenden Theil mit Speichel und quetſcht ihn zwiſchen den Freßzangen, eben ſo putzen ſie die Vorderfüße oft zwiſchen den Freßzangen, die Palpen aber theils zwiſchen dieſen, theils mit den Vorderfüßen. Webſpinnen. Theridides. Die meiſten ſitzen unten am Gewebe, den Bauch nach oben, und wagen ſich erſt dann an die Beute, wenn dieſe ſich ſchon ſo verſtrickt hat, daß ſie faſt bewegungslos iſt. Sie umſpinnen die gefangenen Inſekten nicht, ſeltene Fälle ausgenommen, und dann meiſt nur die Füße. Die, welche unten am Geſpinnſt ſitzen, zerbeißen an der Stelle, an welcher ſich das Inſekt gefangen hat, das Netz und ziehen es durch. Auch ſie wagen ſich, obgleich der größte Theil zu den kleinſten Spinnen gehört, zuweilen an ziemlich große Thiere. So ſah ich eine ziemlich kleine Pachygnata Degeerii Koch eine mindeſtens noch einmal fo große Calliethera scenica Koch (Salticus scenicus Hahn), die ſich bei der dieſen Thieren eigenen Froſtigkeit eingeſponnen hatte, angreifen und ausſaugen. Gegen ihre eigene Art ſcheinen ſie weniger raubſüchtig zu ſein, ich habe we— nigſtens öfterer mehrere in einem Netze gefunden, und geſehen, daß zur Begattungszeit bei einigen die Männz chen von den Weibchen Beſuche erhalten, daß ſich dann zuweilen einige Weibchen bei einem Männchen ein— finden, welches die Begattung abwechſelnd vollzieht, ohne daß die Weibchen einander anfeinden. Bei Theri- dium lunatum finden ſich oft 2 bis 4 Netze ſo nahe bei einander, daß man ſie oft für eines hält. Sie ſitzen meiſt ſtill und fliehen bei Berührung des Netzes oder ziehen die Füße an und laſſen ſich an einem Fa— den herunterfallen. Einer Begattung ſah ich auch bei Theridium lunatum Koch zu. Das Weibchen hing, wie gewöhnlich, mit nach oben gekehrtem Bauche an einem Faden, das Männchen näherte ſich erſt etwas und fuhr, da das Weibchen unbeweglich ſitzen blieb, ſchnell darauf zu, berührte nur einige Male die Geſchlechts— theile des Weibchens mit ſeinen Palpen und eilte dann eben ſo ſchnell wieder davon. In Betreff der Eierhülle finden bei den Theridien zwei weſentliche Unterſchiede ſtatt. Die einen legen ihre Eier in ein ſackartiges Geſpinnſt, kleben ſie nicht zuſammen, wie die Radſpinnen, ſondern verbinden ſie durch einen einzigen Faden; darüber befinden ſich auch nur einzelne Fäden, ſo daß bei irgend ſtarker Berüh— rung die Eier herausfallen. Die andern weben erſt ein oft ſehr dichtes, papierartiges Säckchen, legen die Eier hinein und trennen ſich bis zum Auskriechen der Jungen faſt nie davon, kaum daß ſie ſich Zeit nehmen, Nahrung zu ſuchen, und auch dieß geſchieht nur, wenn ſich dieſelbe ganz in ihrer Nähe vorfindet. Wie überall, finden auch hier zwiſchen beiden Uebergänge ſtatt. Bei einzelnen Spinnenarten ſind nämlich die Jungen nicht im Stande, die Hülle, in welcher ſie ſich befinden, zu durchbeißen, und dieß ſcheint, ſo weit meine Beobachtungen reichen, bei allen denen der Fall zu ſein, welche ihre Eier in einem papierartigen Säckchen aufbewahren und mit ſich herumtragen. Dieß iſt bei den meiſten Theridien der Fall. Sie faſſen das Eierſäckchen, wenn man es ihnen nehmen will, mit den Freßzangen feſt, und entfernt man ſie mit Gewalt davon, ſo ſuchen ſie ſich doch wieder ſeiner zu bemächtigen, tragen es an einen ſicheren Ort und befeſtigen es an einem Blatt oder Stiel mit einigen Fäden. Zu der Zeit, wo die Jungen auskriechen, ſpinnt die Mutter viele feine Fäden in der Nähe, beißt dann das Säck— chen an einer Stelle auf, und ſogleich verlaſſen die kleinen Spinnen, welche die erſte Häutung ſchon im Eierſäckchen überſtanden haben, daſſelbe, und begeben ſich auf die Fäden, die ſie ſogleich zu vermehren bemüht find. Die Farbe der Säckchen iſt verſchieden, weiß, gelb, grün, blau oder braun, die der Eier gelb oder roth. Trichterſpinnen. Agelenides. Sie gehören mit zu den gefräßigſten Spinnen und zeichnen ſich durch einen überaus künſtlichen Bau ihres Netzes aus, wie dieß namentlich bei Agelena labyrinthica der Fall if. Vorn weben ſie ein tellerför⸗ miges Netz, von welchem nach allen Seiten Fäden gehen; hinten nach dem Winkel oder dem Stamm des Baumes zu endet dieſes in einen Trichter, deſſen Röhre nach unten offen iſt und durch welche ſie ſich Verfol— 118 gungen entziehen. Ein Weibchen der Tegenaria domestica Koch legte, in ſchwachen Weingeiſt geworfen, Eier, ſie nahm ſie mit dem zweiten linken Vorderfuße auf und übertrug ſie von da auf den rechten Hinter⸗ fuß; dieß wiederholte ſie, ſo daß ſich nach dem Tode, der in wenig Minuten erfolgte, auf dem Hinterfuße ſechs längliche, ziemlich große, an einander geklebte Eier befanden und eins noch an dem zweiten Vorderfuß. Sackſpinnen. Drassides. Die älteren Naturforſcher bezeichneten ſie mit dem charakteriſtiſchen Namen: leinwebende Spinnen, und fügten hinzu: die Menſchen hätten von ihnen erſt die Webekunſt erlernt. Zuerſt ziehen dieſe Spinnen, in der Regel, in einem Winkel einige horizontale, parallele Fäden, und ſtreichen dann mit ihren ſehr langen, biegſamen Spinnwarzen wie mit einem Pinſel hin und her, fo daß das von ihnen gefertigte ſenkrechte Ges webe wie eine Wand die dritte Seite ihrer Wohnung bildet. Oben und unten bleibt dieſelbe offen und nach allen Seiten gehen einzelne Fäden als Falle für Inſekten. Gewöhnlich ſtehen ſie mit dem Kopfe nach unten gewendet. Obgleich ſie ſehr gefräßig ſind, ſaugen ſie doch nur die Säfte aus. Amaurobius ferox Koch bewahrte ich längere Zeit auf; auch fie webte ſich eine ühniiche Wohnung, und zog unter anderem von da aus einen ſehr ſtarken horizontalen Faden, an welchem ſie gewöhnlich, den Bauch nach oben, hing. Sobald ſich eine Fliege fing, lief ſie darauf zu, umſpann ſie ſehr dicht, hing ſie wie an einer Schlinge an dieſen Faden feſt und zog ſie mit den Hinterfüßen bis in ihren Schlupfwinkel; die ausgeſogenen Inſekten entfernte ſie dann, indem ſie die Schlinge zerriß. Sie ſcheinen meiſt Nachtthiere zu ſein; bei vielen haben die Augen einen phosphorescirenden Glanz. Die, welche ſich auf Bäumen aufhalten, z. B. Drassus cinereus Koch, wohnen oft in ſehr großer Höhe, umziehen aber den ganzen Stamm von unten bis oben mit feinen Fäden. Gegen den Herbſt werden dieſe ſonſt ſehr lebendigen Thiere träge und zugleich verträglich. Für den Winter bereiten ſie ſich unter halb abgelöſter Rinde und in Ritzen durch dichte leinenartige Hüllen einen erträglichen Aufenthalt. Sie wohnen dann in großer Zahl neben einander, meiſt unten am Fuße der Bäume. Auch bei dieſen Spinnen ſcheinen die Männchen ihren Winteraufenthalt früher zu verlaſſen, als die Weibchen. Während die Männchen im Frühjahre ſchon herumliefen, lagen die Weibchen noch neben leeren Hüllen feſt verſchloſſen unter der Rinde. Zellenſpinnen. Dysderides. Bis jetzt habe ich nur Dysdera erythrina Koch und Segestria senoculata Koch gefunden, jedoch weder von ihnen Gewebe anfertigen, noch Nahrung zu ſich nehmen ſehen; ſie ſaßen wochenlang unbeweglich an einer Stelle. Wolfſpinnen Lycosides. Sie gehören zu den Spinnen, die ſich keine Gewebe anfertigen, ſondern in Löchern in der Erde, in Ritzen, Spalten oder in zuſammengerollten Blättern leben und ihre Beute im Laufe erhaſchen. Die meiſten tragen ihre Eier in einem Säckchen beſtändig mit ſich herum, theils in den Freßzangen, theils am After feſt— geklebt, und ſelbſt die Jungen verlaſſen die Mutter nicht ſogleich, ſondern halten ſich auf ihrem Rücken auf, bis ſie im Stande ſind, ihre Nahrung ſelbſt zu fangen. Sie ſind die gefräßigſten unter allen Spinnen, und ſetzen ſich gegen alles, was ſich ihnen naht, ſogleich mit ausgeſpreizten Vorderbeinen und weit geöffneten Freß- zangen zur Wehre. Die meiſten, beſonders die größeren, verzehren ihre Beute ganz, mit Ausnahme des Kopfes und der hornigen Flügeldecken. Eine der größten iſt die hier häufig vorkommende Lycosa allodroma Koch. Sie lebt im Sande an den Ufern der Oder, fertigt ſich dort ein ſenkrechtes Loch, welches fie ohngefähr fo tief, als der Sand im Sommer austrocknet, mit ſenkrechten Fäden ausſpinnt (2 bis 3 Zoll tief), damit der Sand nicht hineinfällt. Oben bedeckt fie das Loch mit einem leinenartigen, oben mit Sand beklebten, lap⸗ penförmigen Deckel, und faßt denſelben, wenn ſich Feinde nähern, inwendig mit den Freßzangen feſt. Ob 119 ihre Wohnung zwei Ausgänge hat, habe ich nicht beobachten können. In der Gefangenſchaft gräbt ſie ſich im feuchten Sande ein ſenkrechtes Loch, welches ſich in einiger Entfernung wieder nach oben zu mit einem Ausgange wendet. Sie gräbt ſehr ſchnell mit den Füßen, und rundet, indem ſie ſich umkehrt, mit dem dicken Hinterleibe die gemachte Oeffnung. Sie fängt ihre Nahrung, indem ſie die vorüberfliegenden Inſekten mit den langen Vorderfüßen herunterſchlägt und mit den Freßzangen faßt. Bei allen den Spinnen, welche nur den Saft der Inſekten ausſaugen, ſind die Exkremente mehr weißlich; bei denen, welche ſie ganz verzehren, mehr ſchwarz. So arm ich ſtets die Lycosa-Arten im Frühjahre an Spinnſtoff gefunden habe, ſelbſt durch Drücken der Spinnwarzen konnte ich nur ſelten einen Faden erhalten, fo find fie doch ohne Zweifel die Haupt: urheber der ſogenannten Sommerfäden. Keinesweges kann man alle die Spinnen, welche darin gefangen wer— den, für die Urheber derſelben halten; oft hängen ſich dieſe Fäden an Bäume und Sträucher, und junge Spinnen kriechen darauf. Zweimal habe ich ein junges Exemplar der Pachygnata Degeerii Koch darin gefangen, meiſt waren es jedoch Lycosa - Arten, vorzüglich Lycosa riparia Koch. Vielleicht iſt die Abſon⸗ derung des Spinnſtoffs im Herbſt größer, wenigſtens finden ſich zu dieſer Zeit auf dem Raſen und den Ge— treideſtoppeln unzählige Fäden, die, vom Winde aufgetrieben, die bekannten Sommerfäden ſind. Hüpfſpinnen. Attides. Sie ſind die beweglichſten und liſtigſten, dabei aber gegen Kälte die empfindlichſten aller Spinnen. Bei irgend kühlem Wetter weben ſie ſich in einem Winkel eine dichte Hülle, in die ſie ganz hineinkriechen, und aus der fie nur wärmeres Wetter oder die Sonnenftrahlen herauslocken können. Im Winter halten ſich die meiſten in einem überall feſt verſchloſſenen Säckchen auf. Unter den Wurzeln der Artemisia vulgaris fand ich im Frühjahre eine Menge theils ſchon leerer ſolcher Säckchen, die auswendig ganz mit Sandkörnern wie mit Perlen beklebt waren. Ich legte ſie an die Sonne, nach und nach wurden ſie an der Seite geöffnet und der darin wohnende Dendryphantes muscosus Koch (Salticus Rumpfii Hahn) kroch heraus und wärmte ſich in der Sonne. Sobald dieſe jedoch weg war, krochen alle wieder in ihre Hüllen zurück, jedoch ſo, daß der Kopf zur Oeffnung herausguckte. Auch bei ihnen ſcheinen die Männchen ihren Winteraufenthalt früher zu verlaſſen, als die Weibchen; die zuerſt im Freien gefangenen Exemplare waren ſämmtlich Männchen, wäh— rend die noch bewohnten Hüllen ſämmtlich Weibchen enthielten. Bemerkt eine Springſpinne ein Inſekt, ſo ſchleicht ſie langſam von der Seite näher, hebt den Vorderleib etwas in die Höhe und ſpringt mit einem Satze auf ihre Beute, die ſie nur ſelten verfehlt. Bei einer Begattung, der ich zuzuſehen Gelegenheit hatte, konnte ich außer der Berührung der weibli— chen Geſchlechtstheile mit den Palpen des Männchens nichts bemerken. Sie dauerte beinahe eine Viertelſtunde unter zeitweiſem Erzittern des Männchens, während das Weibchen ganz unbeweglich da ſaß. Das Männchen näherte ſich dem Weibchen, machte, indem es ſeine Palpen ſo weit als möglich ausſtreckte, vor ihm einige Sätze rechts und links, und kroch, als dieſes ruhig ſitzen blieb, an ſeine Seite. Das Weibchen hob an dieſer Seite die Füße und den Leib etwas hoch und die Begattung begann. Später näherte ſich ihm das Männ— chen wieder, wurde aber jedesmal zurückgetrieben und endlich aufgefreſſen. Krabbenſpinnen. Thomisides. Sie ſind durch ihre langen zwei Paar Vorderfüße, die ſie wie eine Scheere weit öffnen, und ſo, wie ſich ihnen etwas nähert, ſogleich darnach greifen, ſo wie durch ihren ſeitlichen Gang, widerwärtige Thiere. Die zwei Paar Vorderfüße find an den letzten Gliedern innen mit ſteifen Borſtenhaaren beſetzt. Wahrſchein— lich dienen ſie dazu, ihren Fang feſter zu halten, während ſie ſich mit den kurzen Hinterfüßen feſt anklammern. Die, welche ich Gelegenheit hatte, zu beobachten, fraßen nur einen ſehr kleinen Theil der Fliegen und zwar am Hinterkopfe aus. 120 Thanatus formieinus Koch hält ji, eben fo wie Dendryphantes muscosus, im Winter in einem Säckchen, mit Sand beklebt, unter Wurzeln in der Erde auf. Die meiften andern wohnen in einer weißen Hülle unter geborſtener Rinde nahe an der Erde. Sämmtliche Spinnen ſind, wenn ſie aus dem Ei kriechen, gelblich weiß, faſt durchſcheinend, und erſt nach der erſten Häutung, die bei den Theridien ſchon in der Eierhülle, bei den Radſpinnen in dem fie ums gebenden dichten Geſpinnſt erfolgt, treten Farben hervor. Faſt nach jeder Häutung, deren Zahl ich noch nicht beſtimmen kann, tritt eine Farbenänderung ein. Nur bei den meiſten Theridien zeigt ſich ſchon nach der erſten Häutung die Zeichnung und Farbe der ausgewachſenen. Die Spinnen, welche an ſchattigen oder feuchten Orten leben, namentlich die Lycosa- Arten, laſſen ſich nur dann ohne Steifwerden der Glieder in der Gefangenſchaft aufbewahren, wenn man den Boden des Bes hältniſſes mit Sand beſtreut, den man ſtets feucht erhält. Als Geſchenke wurden für die Bibliothek der ſchleſiſchen Geſellſchaft übergeben von Herrn Dr. Phil. Schneider: 1) Bericht über die wiſſenſchaftlichen Leiſtungen im Gebiete der Entomologie, von Erichſon. Jahr⸗ gang 1840 - 1845. (5 Hefte.) 2) Labram und Imhof, Inſekten der Schweiz. Band 1—4. 3) Germar, Zeitſchrift für die Entomologie. Band 2, 3, 5. Die Zahl der Mitglieder iſt in dieſem Jahre um zwei vermehrt worden: Herr Apotheker Seidel und Herr Dr. Med. Wocke. In Hinſicht des Perſonales der Beamteten iſt auch in dieſem Jahre keine Veränderung gewünſcht worden. Die entomologiſche Bibliothek iſt durch Ankauf wieder vermehrt worden. 121 3. Bericht über die Verhandlungen der botanifchen Sektion im Jahre 1847, von Tr. Wimmer, zeitigem Sekretär derſelben. In der erſten Verſammlung, am 22. April 1847, las Herr Dr. Körber eine Abhandlung: Beiträge zur Lehre von der Bildung der Pflanzenzelle, worin derſelbe die hierauf bezüglichen Reſultate ſeiner mehrjährigen Studien über den Bau des kryptogamiſchen Pflanzenkörpers niederlegte. Nachdem er zunächſt eine kurze Kritik der Zellenbildungstheorieen von Turpin, Mirbel, Schleiden, Hartig, H. Mohl und Nägeli gegeben, faßte er das Weſen der jetzt allgemein angenommenen zwei Bildungsweiſen der Pflanzenzelle (im Innern einer Mutterzelle) in die Worte zu⸗ fammen: daß entweder 1) der organiſirbare flüſſige Zellinhalt unter Bewahrung feines einheitlichen Wer⸗ thes ſich zunächſt zu einem konkreten oder ſtofflichen Gebilde anordne, heiße dieſes nun Cytoblaſt, oder Pri⸗ mordialſchlauch, oder Ptychode u. ſ. w., oder 2) daß derſelbe in ſich eine Theil ung erleide und die Bildung der Mutterzelle in ihr ſelbſt wiederholt werde zur ſofortigen Bildung von Specialmutterzellen. Er führte Bei⸗ ſpiele beider Zellenbildungsweiſen aus dem Gebiete der Kryptogamen an und beſtätigte zum großen Theil die Angaben Schleiden's und Nägeli's; aber bei der Vielgeſtaltigkeit der Formen reiche es nicht hin, ſich bloß im Allgemeinen auf dieſe Bildungswege zu beziehen; man müſſe für das erſte Produkt der Zellenbildung, wenn es regelmäßig unter den verſchiedenen Umſtänden eine konſtante Verſchiedenheit zeige, zur Erleichterung der Wiſſenſchaft verſchiedene Benennungen einführen. Das eigentliche Weſen der Zellenbildung, da hier, wie überall im Pflanzenleben Chemismus und Lebenskraft die vereinten (ſupponirten) Agentien ſeien, würden wir niemals erörtern können: wir könnten nur die Form belauſchen, unter der dieſe Bildung auftritt. Es ſei daher für uns relativ gleichgültig, ob dieſe Bildung durch eine Kondenſirung Goagulirung) des bildungsfähigen flüffigen Stoffes (Protoplasma) eingeleitet werde, oder durch eine Theilung deſſelben, in welchem Falle ſich dann die einzelnen Theile kondenſiren werden. Es komme darauf nur an, was für ein Körper auf beiden Wegen, die nur ſtattzufinden ſcheinen, ſich zunächſt gebildet habe, weil jede Form an einen Körper gebunden ſei. Dieſer aus der bildungsfähigen Flüſſigkeit erſtgebildete formtragende Körper ſei nun das allein Maßge⸗ bende für eine Zellenbildungstheorie, weil nicht der erſte Akt (das Bewegliche, Wandelnde) des Zellenbildens, ſondern das erſte Produkt deſſelben (das zunächſt Fertige, Unwandelbare) für unſere Beobachtung einen ſichern Anhaltepunkt gewähre. Der Verfaſſer theilte nun mit, daß nach ſeinen vieljährigen Beobachtungen die Zellenbildung bei den Lichenen auf drei Weiſen vor ſich gehe: durch Eytoblaſten, durch Gonidioblaſten 16 122 und durch Sporoblaſten. Die letzten beiden, bisher in ihrer Weſenheit gänzlich unerkannt gebliebenen Kör⸗ per, die er mit einem paſſenden Namen bezeichnet zu haben glaubt, würden das erſte Produkt einer jeden von beiden vorhin ausgeſprochenen Bildungsweiſen ſein können, der Eytoblaſt aber entſtehe nur auf dem erſt⸗ genannten Wege. Alle drei Körper ſeien die Bedingungen für die eigentliche, der ausgebildeten Pflanze zu Grunde liegende Zellenbildung, welche letztere zu beobachten ihm jedoch noch nicht gelungen ſei; ſie ſeien das, was die Mutterzelle in ſich aus ihrem Zellſtoffe zuerſt gebildet habe, um daraus das Zellengefüge der Pflanze zuſammenzuſetzen. Sie feien in der Art und Weiſe des Auftretens in den verſchiedenen Theilen des Flechten⸗ körpers, in ihrer äußeren formellen Begrenzung und wahrſcheinlich auch in ihren chemiſchen Beſtandtheilen weſentlich und konſtant verſchiedene Körper, und müßten deshalb unterſchieden werden. Der Verfaſſer gab nun eine Charakteriſtik dieſer Körper, das Weſen derſelben in folgenden Worten vorläufig zuſammenfaſſend: 1) Der Cytoblaſt iſt zuerſt von Schleiden aufgeſtellt worden und braucht daher eine Schilderung deſſelben hier nicht wiederholt zu werden. Er findet ſich bei den Kryptogamen bekanntlich meiſt unter der Modifikation, daß ſeine Kernkörperchen (nucleoli) hohle Kügelchen darſtellen, ſo z. B. in den Blättern der meiſten Laub- und Leber-Mooſe. Bei den Lichenen bilden ſich die Sporen aus Eytoblaſten der Schläuche (Theken) der Keimplatte, aber ſicherlich nicht (wie Schleiden irrthümlich glaubt) bildet ſich der Inhalt der Sporen zu Cytoblaſten aus. Dagegen finden wir ihn wieder ſehr ſchön in dem eigenthümlichen Maſchenge— webe der Rindenzellenſchicht mancher Lichenen, z. B. Peltigera aphthosa und Zeora (Lecanora) hypnorum. 2) Gonidioblaſt nennt der Verfaſſer den im Innern einer gonimifchen, urſprünglich ſtets kugelrun⸗ den Mutterzelle durch Fortentwickelung des gegebenen gonimiſchen Inhalts ſich bildenden ſaftgrünen oder gel⸗ ben, ſeltner rothen oder grauen Körper (Keimapparat), der nach Erreichung ſeiner Zellenbildungsfähigkeit ſich entweder zu einer intenſiver gefärbten, äußerlich formloſen und durchaus membranenloſen, innerlich meiſt gru⸗ möſen klumpigen Subſtanz (den ſogenannten Soredien bei den Flechten) umwandelt und dann die Mutter: zelle geſprengt hat, oder noch im Innern derſelben (was im erſteren Falle ein ſekundärer Akt iſt) durch Thei⸗ lung ſeiner Maſſe ſich in kleinere, und hier mit einer Zellmembran ſich umſchließende Gonidien anordnet, die dann nach Austritt aus der Mutterzelle ihre weitere Morphoſe beginnen. Dergleichen ausgetretene Special Gonidioblaſten wiederholen dann in ſich entweder denſelben Bildungsproceß, den ihr eignes Muttergonidium durchlaufen hatte (in dem Falle nämlich, daß ihre Beſtimmung die Erzeugung neuer Gonidien iſt), oder ſie vereinigen ſich, wie im homöomeriſchen (gallertartigen) Flechtenlager und verwandten Algengebilden, zu roſen⸗ kranzförmigen Schnüren, oder es verwachſen die Zellenmembranen der letzteren (wie ſich dies namentlich bei Colle ma flaccidum beobachten läßt) zur Bildung waſſerheller Faſerzellen, die in ihrer Anſammlung das ſogenannte Filzgewebe darſtellen. Der Umſtand, daß dieſe Faſerzellen meiſtens waſſerhell ſind (nur in wenigen Fällen, wie bei Solorina erocea und Peltigera venosa, find fie konſtant gefärbt), kann nur da⸗ durch muthmaßlich erklärt werden, daß dieſe Zellen an ihren Enden faſt ſtets offen ſind, ihr gonimiſcher In⸗ halt daher heraustreten konnte, um wahrſcheinlich außerhalb der Zelle ſich wiederum zu Gonidioblaſten zuſam— menzuballen. Uebrigens läßt ſich das Auftreten von Gonidienſchnüren auch an heteromeriſchen Flechten, ins⸗ beſondere bei einigen Evernien, beobachten, und läßt ſich ſomit vielleicht auf eine allgemeinere derartige Bil— dungsweiſe der Faſerzellen ſchließen. Der Gonidioblaſt findet ſich ohne Ausnahme bei allen Lichenen, und wahrſcheinlich auch bei allen Algen (mit Ausnahme der Leptomiteen, Desmidieen und Diatomeen). Er iſt, wie dies Kützing an den Gonidien der Conferven nachgewieſen, und wie dies bei den Flechten ſich von vorn— herein vermuthen läßt, in Beziehung auf ſeine chemiſchen Beſtandtheile dem Chlorophyll höherer Pflanzen ganz analog, alſo von wachsartiger bis harziger Natur und im Gegenſatz zu dem Cytoblaſten ohne Stickſtoffgehalt. Am ſchönſten läßt er ſich in allen feinen morphologiſchen Stadien bei Stieta fulginosa, Gyalecta odora. Schismatomma (Lecidea) dolosum, Segestrella rubra und Collema flacei- dum beobachten, 123 3)* Sporoblaſt nennt der Verfaſſer den bei den Lichenen faſt durchweg, wahrſcheinlich aber auch bei den Pilzen vorkommenden ſchleimigen Inhaltskörper der Spore, welcher von denen des Cytoblaſten ganz abweichende morphologiſche Erſcheinungen darbietet. Die Sporen ſelbſt erzeugen ſich, meiſtens zu 8 (ſelten in der Einzahl), bei faſt ſämmtlichen Lichenen mittelſt Cytoblaſten im Innern einer gelatinöfen Schlauchzelle, deren Urſprung im Faſergewebe der Schlauchſchicht aus dem darunter liegenden ſogenannten Hypothecium Geimboden) durch metamorphiſirte Gonidioblaſten, die niemals im Fruchtgehäuſe fehlen, wenigſtens vermuthet werden kann. Die Spore bildet fo eine nach Gattung und Art ſehr charakteriſtiſch verſchieden geformte voll- ſtändig ausgebildete Gelatinzelle, deren Inhalt (der Sporoblaſt) eben ſo nach Gattung und Art der Flechte äußerſt verſchiedene Morphoſen eingeht. Doch laſſen ſich bei den letzteren ſtets folgende konſtante Vorgänge beobachten. Der Sporoblaſt bildet im Innern der Spore niemals, ſo ſehr man auch auf den erſten Blick das Gegentheil zu ſehen glaubt, eine beſondere ihm angehörende und ihn umſchließende Zellmembrane aus, ſondern er füllt entweder die Sporenzelle gleichmäßig aus, oder trübt ſich zu einer opalen Subſtanz, die dann durch ſtellenweiſe Concentrirung der Schleimtheile eine Theilung ihrer ſelbſt beobachten läßt, die ſtets in regel⸗ mäßigſter Weiſe eine halbrunde, oder eine ein Vielfaches von zwei producirende iſt. Der Verfaſſer nennt Sporen mit einfachen (die Zelle bald ganz ausfüllenden, bald ſich zu einem abgegrenzten Schleimkügelchen zu— ſammenballenden) Sporoblaſten: sporae monoblastae, wie ſolche z. B. den Gattungen Us nea, Ce- traria, Umbilicaria, Sphyridium, Cladonia, Pertusaria, Pyrenothea eigen; Sporen mit getheilten oder, wie man auch fagen kann, mit zwei Sporoblaſten: Sp. dyblastae, wie fie bei Ra- malina, Evernia, Solorina, Lobaria, Stereocaulon, Leptogium qharakteriſtiſch find; Sporen mit vier Sporoblaften, Sp. tetrablastae, finden ſich konſtant bei Nephroma, Peltigera, Coniocarpon, Collema; mit ſechs Sporoblaſten, Sp. hexablastae, finden ſich nur bei der auslän= diſchen Gattung Ocellularia; Sporen mit vielen Sporoblaſten, Sp. polyblastae, zeigt z. B. The- lotrema. Gattungen, bei denen die Anzahl der Sporoblaften nach den Arten variirt, find z. B. Biatora, Lecidea, Segestrella, Endocarpon, Lecanora, Parmelia (Ach.), und halte ich aus dieſem Grunde und aus noch andern auf den innern Bau der Fruchtgehäuſe ſich ſtützenden Gründen eine Zerlegung jeder dieſer Gattungen in mehrere für nothwendig. Die durch Theilung entftandenen Sporoblaſten, urſprüng⸗ lich bald an den Enden der Spore, wie z. B. Biatora ferruginea,. bald in regelmäßigen Abſtänden, wie bei Nephroma, vertheilt, vergrößern ſich weiterhin, nähern ſich einander und laſſen einen leeren, eine ſcheinbare Scheidewand bildenden Zwiſchenraum, oder berühren ſich zuletzt und bilden dann eine oder mehrere wirkliche Scheidewände, die aber jede doppelt ſein müßten, wenn dem Sporoblaſten eine eigene Membran zu⸗ käme. Sie treten endlich aus der Spore heraus, und laſſen dann dieſe als einen an einem ſeiner Enden (oder an beiden) zerriſſenen oder auch wohl daſelbſt in eine Ausführungsröhre ausgewachſenen leeren Schlauch zurück, und exiſtiren nunmehr als freie iſolirte Sporoblaſten, welche durch Theilung ihres Innern den Zellbil⸗ dungsproceß für ſich von Neuem einleiten und ganz gleiche, nur kleinere, Sporoblaſten erzeugen. In jeder Schlauchſchicht, welche reichliche, in Schläuchen erzeugte Sporen zeigt, beſonders ſchön bei Zeora (Lecanora) brunne a, laſſen ſich nach Zerquetſchung des Objekts ſolche freigewordene Sporoblaſten von einem Minimum ihrer Größe, wo fie dann Molecülarbewegung zeigen, bis zu einem unbeſtimmbaren Maximum beobachten, und es iſt ſehr auffallend, daß dieſe Körperchen nicht ſchon längſt der Gegenſtand einer Unterſuchung geworden ſind. Sie ſehen kleinen Oeltröpfchen auf das Täuſchendſte ähnlich; ſie ſind unter allen Umſtänden vollkommen kugelrunde, gelblich gefärbte Körperchen, auf welche weder die angewendeten Säuren auflöſend, noch Jodine färbend wirken; ſie zeigen bei verändertem Focus an ihrer Peripherie dieſelben optiſchen Erſcheinungen, als die bekannten Luftblaſen, verändern ſich in ihrer Form in keiner Weiſe, wohl aber in ihrem Inhalt, der ſich zur *) Ueber das Folgende ſ. auch: Körber, Grundriß der Kryptogamenkunde (Bresl. 1848) S. 74. 16 * 124 krumig⸗flüßigen Subſtanz umwandelt und endlich daraus ganz gleiche Theilſporoblaſten bildet, deren weiterer Bildungsgang jedoch noch vollkommen unbekannt iſt. Der Verfaſſer vermuthet indeß, daß aus dieſen Sporo⸗ blaſten zunächſt die formloſe Thallusſubſtanz ſich bilde, die der Rindenſchicht, ſowie dem ſchleimig-grumöſen Hypothecium der Früchte zu Grunde liegt, d. h. es würden ſich dann aus den Sporoblaſten zunächſt keine wahrhaften Zellen bilden, ſondern nur eine ſchleimige gelatinöſe Subſtanz, wie denn der nähere chemifche Bez ſtandtheil der Sporoblaſten wahrſcheinlich Gelin ſein mag. Da ferner den Sporoblaſten keine umſchließende Zellenmembran zukommt, ſo muß die Konſiſtenz dieſer Schleimkügelchen um ſo zäh-gelatinöſer angenommen werden, weil ſie im Innern der Spore ſich doch meiſtentheils in ihrer Form nach der Wandung der Spore richten, herausgetreten aus dieſer aber ſofort die kugelrunde Geſtalt annehmen. — Aeußerſt große und ſchöne Sporoblaſten zeigen beſonders Lecidea sanguinaria und Segestrella thelostoma, bei denen auch (fo wie bei Endocarpon pusillum, vielen Pertuſarien u. A.) die doppelte Wandung der Sporen, ſowie der ganze Sporenbildungsproceß, ſich auf das Schönſte beobachten läßt. In der zweiten Verſammlung, am 3. Juni, las 1) der Sekretär einen Aufſatz über die Hybridität der Weiden. Wir glauben jetzt mit Sicherheit folgende Weiden-Baſtarde aufführen zu können, zum größten Theile von uns ſelbſt im Freien aufgefundene, denen wir mit dem Zeichen + der Vollſtändigkeit wegen auch noch diejenigen hinzufügen, welche wir entweder lebend in Gärten oder in getrockneten Exemplaren unterſucht haben. a) Der Salix purpurea; 1) mit S. viminalis, 2) mit S. repens, 3) mit S. aurita, 4) mit S. einerea, 5) mit S. silesiaca, 6) mit S. incana. b) Der Salix viminalis; i 7) mit S. cinerea, 8) mit S. aurita, 9) mit S. Caprea, +10) mit S. repens, +11) mit S. hippophaifolia. e) Der Salix aurita; 12) mit S. repens, 13) mit S. einerea, 14) mit S. silesiaca, 15) mit S. incana, 16) mit S. myrtilloides. d) Der Salix cinerea; + 17) mit S. incana, 18) mit S. Caprea. e) Der Salix silesiaca; 19) mit S. Lapponum, 20) mit S. hastata. 1) Der Salix Lapponum; + 21) mit S. myrtilloides. g) Der Salix hippophaifolia; 22) mit S. amygdalina. h) Der Salix amygdalina; 23) mit S. aurita. Von dieſen find bereits benannt und beſchrieben: 1) als S. rubra Huds., 2) als S. Doniana Smith, 4) als S. Pontederana Willd., 8) zum Theil als S. Smithiana Willd., 9) als S. lanceolata DC. und Fries (S S. acuminata Koch) und als S. stipularis Koch (Smith?), 10) als S. angustifolia Wulf. 11) als S. mollissima Ehrh., 12) als S. ambigua Ehrh. und S. spathulata Willd., 15) als S. olei- folia Seringe, 16) als S. finmarchica Fries, 17) als S. Seringeana Willd., 18) als S. grandifolia Seringe, 21) als S. fusca Linn. nach Fries, 22) als S. undulata Ehrh., alſo vierzehn von drei und 125 zwanzig Formen. Neun dagegen find als ganz neue, bisher außer Schleſien überhaupt noch nicht gefundene oder wenigſtens unbeſchriebene Formen zu betrachten, nämlich: S. aurito- purpurea, S. silesiaco- purpurea, S. incano- purpurea, S. einereo-viminalis, S. aurito-cinerea, S. aurito-silesiaca, S. silesiaco - Lap- ponum, S. silesiaco-hastata, S. amygdalino- aurita. Außer dieſen bisher von uns vollſtändiger beobachteten liegen uns noch manche zweifelhafte Formen vor, die unſerer Vermuthung zufolge ähnlichen Urſprung haben, über welche jedoch noch nicht hinreichende Beobach— tungen zu Gebote ſtehen, um mit Sicherheit urtheilen zu können. Gewiß bilden ſich auch Baſtarde von S. fragilis und S. alba, aber dieſe find zu ſchwer zu erkennen. Unter den in Gärten vorkommenden For⸗ men mögen ſich ohne Zweifel manche hybride befinden, und von den zahlreichen Geſtalten der nordiſchen Weiden haben gewiß mehrere dieſelbe Natur. Wir müſſen es übrigens zwar zum Theil auch unſerer Auf⸗ merkſamkeit auf dieſe Pflanzen, hauptſächlich aber doch einem beſonderen Glück zuſchreiben, daß wir hierſelbſt eine ſo große Anzahl dieſer Bildungen aufgefunden haben, welche einander gegenſeitig erklären und begründen helfen. Wenn, wie wir zu glauben genöthigt ſind, die Entſtehung der hybriden Weiden lediglich durch die bienenartigen Inſekten bewirkt wird, und man bedenkt, von wie vielen Zufällen die Entſtehung einer ſolchen hybriden abhängt, ſo wird man ſich über deren Seltenheit nicht wundern, und es auch wieder andererſeits erklärlich finden, wenn einige darunter ſehr ſelten, andere häufiger gefunden werden, wenn ferner manche an einzelnen Stellen in vielen Exemplaren nahe bei einander vorkommen, wenn aber überhaupt dergleichen vor— zugsweiſe und am zahlreichſten an vertieften bruchigen Stellen, beſonders ſolchen, welche von geringerem Umfange ſind und vereinzelt liegen, ſich darbieten. So finden ſich in einem kleinen Birkengebüſch, in deſſen Mitte ein Waſſerloch iſt, am Dorfe Janowiz bei Margareth, von S. aurito-repens vier weibliche und zwei männliche Sträucher, von S. purpureo-repens drei weibliche, mehrere Sträucher von S. viminali- purpurea und einer von S. viminali-aurita. — Unter allen hybriden Formen iſt gewiß die häufigſte S. viminali- purpurea, weil dieſe beiden Arten an Flußufern am häufigſten unter einander wachſen und daſelbſt gleichzeitig am frühe— ſten blühen; daß dieſe Form aber hin und wieder nur vereinzelt, hingegen wie an manchen Stellen um Bres⸗ lau in Menge angetroffen wird, hat lediglich darin ſeinen Grund, daß ſie an dieſen Stellen durch Stecklinge und Faſchinenlegen vervielfältigt worden iſt. Nächſt dieſer dürfte S. viminali-Caprea die häufigſte ſein; dann S. aurito-repens, S. purpureo-repens und S. purpureo-cinerea folgen. Anzeigen der Baſtardnatur. Als ſolche gelten uns: 1) vereinzeltes Vorkommen, 2) mittlere Ge⸗ ſtalt zwiſchen zwei bekannten und gewiſſen Arten, 3) ſchwankende Geſtalt zwiſchen zwei dergleichen Arten, 4) Standort zwiſchen dergleichen. 1) Bekanntlich find die Weiden geſellige Pflanzen. — An ſandigen und ſteinigen Flußufern, auf Sand⸗ plätzen, die das Austreten der Flüſſe zurückgelaſſen hat, in den Mooren und quellenreichen Lehnen der Gebirge wachſen dieſelben ſtets in großer Menge bei einander, und an den erſtgenannten Plätzen ſieht man oft ganze Strecken mit jungen Sämlingen dicht bedeckt, wie denn die Beſchaffenheit und Anzahl ihrer Samen ihre Ge— ſellſchaftlichkeit begünſtigt. Gewöhnlich find es wenige Arten, welche geſellſchaftlich bei einander wachſen; in unſerem Gebirge S. Lapponum und S. silesiaca, tiefer S. silesiaca mit S. Caprea, aurita und einzelner S. einerea; an den Flußufern meift nur S. viminalis und S. purpurea, zu welcher ſich hin und wieder S. amygdalina, ſeltner S. hippophaifolia, an den Ufern der Oelſa und Weichſel auch S. incana gefellen, In Brüchen finden ſich gemeiniglich mehrere Arten, namentlich aber S. purpurea, repens, cinerea, aurita und auch viminalis. — Alle Baſtarde aber ſind vereinzelt, ſowohl wenn man ihre Verbreitung überhaupt, als auch wenn man ihr Vorkommen in den einzelnen Gegenden betrachtet, eine natürliche Folge von der zufälligen Art ihrer Entſtehung. — Das vereinzelte Vorkommen der S. lanceolata bei uns, die zwar an genug Stellen, aber meiſt nur in einzelnen Sträuchern gefunden worden iſt, war mir daher immer ſchon problematiſch; den= noch ſträubte ich mich, ihre Baſtardnatur, welche mein Freund Wichura bchauptete, anzuerkennen, bis ich aus Gründen, die weiter unten folgen, mich dazu genöthigt geſehen habe. Die männliche Pflanze dieſer Art 126 gelang uns lange nicht aufzufinden, aus deren Mangel man geneigt ſein konnte, ihre geringe Verbreitung und Vereinzelung abzuleiten; neuerlich indeß fanden wir dieſelbe am Dorfe Raben, doch auch hier nur vier Sträu— cher, zwei männliche und zwei weibliche, und in einem Weidicht bei Ohlau zwei weibliche und einen männliz chen. — S. purpureo-viminalis oder rubra Huds., S. purpureo-repens oder S. Doniana Smith und S. viminali- aurita oder S. mollissima Smith (— S. Smithiana Willd.), find zuerſt in England beobach⸗ tet worden, von welchem Lande die genauere Kenntniß der europäiſchen Weidenarten ausgegangen iſt und das an allerlei Formen derſelben reich zu ſein ſcheint. Die erſte iſt, wie geſagt, die häufigſte unter allen hybri⸗ den; die andere bisher nur bei Hamburg von Sonder beobachtet, dagegen in Schleſien bis jetzt von uns an drei Orten ſechs männliche und an acht Orten vierzehn weibliche Sträucher gefunden worden, aber auch dieſe alle vereinzelt. Die dritte iſt gleichfalls nur an wenigen Punkten von Deutſchland beobachtet. — Die S. cinereo- purpurea (oder S. Pontederana, wenigſtens bei Koch und Reichenb. Herbar. flor. germ.) iſt bei uns in ſehr verſchiedenartigen Formen gefunden worden, von welchen den Kochſchen Exemplaren nur drei männliche und ein weiblicher Strauch entſprechen; andere drei männliche und ein weiblicher entfernen ſich ſchon von jenen zu ſehr, um noch unter dem Namen S. Pontederana begriffen zu werden. Ob die Willdenowſche S. Pontederana, welche auf dem Mont Cenis und den Gebirgen der Dauphiné angegeben wird und auf die Salix Pontederana Villars delph. gegründet iſt, dieſelbe ſei, dürfte noch zu unterſuchen fein. — Auch die S. aurito-repens oder S. ambigua Ehrh., welche nächſt der S. viminali- purpurea die häufigſte fein dürfte, iſt dennoch meiſt vereinzelt; obwohl ſie gewiß in Deutſchland äußerſt häufig vorkommen mag, weil dadurch, daß S. aurita und S. repens an bruchigen Stellen faſt immer in Menge bei einander wachſen, ihre Entz ſtehung ſehr begünſtigt wird, ſo iſt ſie doch noch wenig genug bekannt, und ſehr häufig werden dafür klein⸗ blättrige Formen der S. aurita gehalten. — Von Nr. 5, 6, 14, 20 und 22 endlich haben wir bisher nur je einen Strauch gefunden. 2) Unter den Baſtardformen giebt es mehrere, welche in ſämmtlichen Theilen und Merkmalen eine mittlere Geſtalt zwiſchen den Stammarten zeigen und dadurch ihre Natur unzweideutig ankündigen. Dieſe Art der Mittelbildung prägt ſich um ſo deutlicher aus, je weiter die Arten von einander entfernt ſtehen, iſt aber ſchwerer zu erkennen und nachzuweiſen, je näher die Arten einander ſtehen. Wer da weiß, wie ſchwer es oft hält, S. einerea und S. aurita von einander zu unterſcheiden, wird es erklärlich finden, daß Baſtarde beider nur gar zu leicht für Varietäten der einen oder der andern gehalten werden können, und daß ihre Erz kennung die ſchärfſte Aufmerkſamkeit verlangt. In andern dagegen iſt die Mittelbildung entſchieden. Das ſprechendſte Beiſpiel gewährt die von Herrn Wichura entdeckte weibliche S. purpureo-incana, welche die Kennzeichen dieſer beiden ſo differenten Arten auf eine ſo unverkennbare Weiſe theilt, daß ſelbſt die heftigſten Gegner der hybriden Geneſis hier ihre Einwürfe ruhen zu laſſen genöthigt werden dürften. Aber auch die S. aurito-incana, aurito- purpurea, einereo- purpurea, silesiaco- purpurea ſtellen ſich, wenigſtens in ein⸗ zelnen Formen, als deutliche Mittelbildungen dar. Mit Rückſicht auf die vorzüglichſten, bei den Weiden in Betracht kommenden Merkmale rechnen wir dahin, daß dieſe Baſtarde in der Geſtalt, Farbe und Bekleidung der Blätter, in der Länge, Dicke und Richtung der Kätzchen, der Geſtalt, Farbe und Bekleidung der Blüthen— ſchuppen, der Geſtalt und Bekleidung der Ovarien, der Länge des Griffels, der Länge und Form der Narben und der Geſtalt des Nectariums, endlich in der Verwachſung der Staubfäden zwiſchen ihren Stammarten mitten inne ſtehen. Wir müſſen uns über den Ausdruck Mittelbildung näher erklären. Um eine ſolche zu erkennen, muß vorausgeſetzt werden, daß man die Stammarten vollſtändig, d. h. nach ihrer Variation, kenne und ein feſtes Bild, welches typiſch iſt, d. h. die Art repräſentirt, beſize; die Feſtſtellung einer er⸗ kannten Mittelbildung, damit man vor einem Irrthume des Auges geſichert ſei, iſt Sache der Unterſuchung und Beobachtung, und in letzter Inſtanz, wenn es möglich iſt, des Experiments. Bei der näheren Unterſu⸗ chung, ſobald vollſtändige Beobachtungen vorliegen, wird für denjenigen, dem die Stammarten hinreichend bekannt ſind, und der nicht mit dem Vorurtheil daran geht, daß es überhaupt keine hybriden Pflanzen geben, 127 * oder daß man den Umfang der Variation nicht weit genug annehmen könne, oder endlich, daß es noch eine andere Intermedietät gebe, als die hybride — wer nicht mit einer folchen vorgefaßten Meinung daran geht, für den wird die Anerkennung dieſer Mittelbildungen keine bedeutenden Schwierigkeiten haben. Dieſe zeigen ſich vorzüglich da, wo die Form der Hybridität von der Mitte abweicht, wovon im Folgenden die Rede ſein wird. — Gewiſſe Merkmale ſind hier wenigſtens als Fingerzeige hervorzuheben. Die Baſtarde mit der Sal. viminalis ſind faſt immer an der dieſer Art eigenthümlichen Bildung der Narbe zu erkennen, welche aus einer breiteren, am Grunde eine Art Falte bildenden Baſis linealiſch zulaufen und ſich in einem ſtarken Bogen auswärts krümmen, bald mit, bald ohne Theilung; nächſtdem an der Geſtalt des ovarium, welches aus einer eiförmigen Baſis kurz in eine feine Spitze übergeht. Die mit der S. aurita hingegen werden an den roſt— bräunlichen ſchmalen Schuppen und den pfriemlichen ſtumpf abgeſetzten Ovarien zu erkennen fein. Alle Ba- ſtarde mit der S. purpurea, wenn fie männlich find, find an den verwachſenen Staubgefäßen, find fie weib— lich, an den kurzen und dicken Ovarien und den eiförmigen aneinanderliegenden Narben zu erkennen; — alles dieß natürlich mit Rückſicht auf die durch die vermiſchte Art begründeten. Die letztgenannte Art zeichnet ſich vor allen anderen durch ein eigenthümliches Seegrün der Blätter aus; dieſe Farbe wirkt in den verſchiedenen, aus ihr entſtandenen Hybriden eine ſo eigenthümliche Färbung, daß man die S. purpurea faſt immer daraus zu erkennen im Stande iſt. 3) Schwankende Geſtalt zwiſchen zwei gewiſſen und bekannten Axten. Dieſer Punkt erfordert eine nähere Erörterung. Zuerſt läßt ſich im Voraus annehmen, daß von jeder Hybridität zwei diffe— rirende Formen vorhanden ſein können, die eine durch Befruchtung der weiblichen B mit der männlichen A, die andere durch Befruchtung der weiblichen A mit der männlichen B entſtanden, und daß dieſe beiden For: men auf was immer für eine Weiſe bei aller Aehnlichkeit differiren werden. Wir bekennen, Erfahrungen hierüber keine zu haben, weil uns noch immer das Experiment fehlt; aber die Beobachtung hat uns auf For— men geführt, welche wir als ſolche anſprechen und auf dieſe Weiſe erklären zu können glauben, ohne daß wir geſonnen find, über die eine oder die andere Entſtehung eine Vermuthung zu äußern: nur, daß wir verſchie⸗ dene Kreuzungen vor uns haben, getrauen wir uns zu vermuthen. — Hierbei ſei beiläufig bemerkt, daß wir es für ein gewagtes Unternehmen erkennen müſſen, wenn Nägeli und Andere geradezu bei Baſtarden ange⸗ ben, wer deſſen Vater und wer deſſen Mutter fei, eine Angabe, welche ſichtlich alles Grundes entbehrt, fo lange ſie nicht durch das Experiment feſtgeſtellt und bewieſen iſt. Ja, es iſt offenbar, daß hier nicht einmal von einer Wahrſcheinlichkeit die Rede ſein kann, die ſich auf phyſiologiſche Sätze oder Analogieen ſtützen könnte. — Als das wahrſcheinlichſte Beiſpiel der doppelten Kreuzung laſſen ſich die beiden Formen der 8. purpureo- viminalis anführen, von welchen die eine als S. rubra Huds., die andere als S. Forbyana Smith bekannt iſt, und von denen die letztere bei weitem die ſeltenere iſt. Dabei iſt es bemerkenswerth, daß dieſe zwar in den Blättern, den Griffeln und Narben mehr die S. purpurea darſtellt, in der Geſtalt der Ovarien aber deutlich die S. viminalis verräth. Auch bei der S. einereo- purpurea, S. aurito-viminalis, S. Capreo- viminalis und S. cinereo-viminalis glauben wir die doppelte Kreuzung beobachtet zu haben, ohne jedoch hierüber uns beſtimmter äußern zu wollen. Dagegen wären wir nicht im Stande, unter den' von uns häufig genug beobachteten Formen von S. aurito-repens und S. purpureo-repens ſolche herauszuheben, welche auf dieſe doppelte Art des Urſprunges hindeuten könnten. Sollten die letzteren vielleicht alle nur auf einerlei Art entſtanden fein, näm ich aus weiblicher S. purpurea mit männlicher S. repens, wie die Differenz der Blühezeit dieſer beiden Arten vermuthen läßt? Wir ſind geneigt zu glauben, daß je zwei Kreuzungsformen ihren beſondern Habitus an ſich tragen, welchen freilich in Worten auszudrücken, oft ein Ding der Unmöglich⸗ keit iſt, um fo mehr, als ſich die Syſtematiker bisher faſt vergeblich bemüht haben, den Unterſchied ganz gez wiſſer Arten in Diagnoſen feſtzuſtellen. Oder wem wäre es wohl gelungen, die S. Caprea, S. einerea und S. aurita ſo zu diagnoſiren, daß man daraus ihre Formen ſogleich erkennen könnte? : 128 * 1 Aus dieſer unſerer Hypotheſe, denn für ein Weiteres können wir ſie noch nicht gelten laſſen, würde nun ſchon die Verſchiedenheit, und zwar zunächſt eine doppelte Geſtalt einer jeden Hybridität, abgeleitet werden können. Allein die Beobachtung zeigt uns ein noch größeres Schwanken der hybriden Formen, die ſich bald zu der einen, bald zu der andern Stammart mehr hinneigen, was ſich bald in allen, bald in mehreren Theilen ausgeſprochen zeigt, ja bisweilen ſo, daß man in einer Reihe von Formen faſt den Uebergang von der einen zu der andern Art erblicken zu müſſen meint. Dieſes Schwanken der Form der Baſtarde iſt weit entfernt von der Variation der Arten. Denn dieſe, ſo bedeutend ſie auch immer ſein mag, trifft nie den weſentlichen Typus der Art, welcher, wie wir nach wie vor entſchieden behaupten, unveränderlich feſtſteht. Variationen entſtehen nur aus dem Einfluſſe der äußeren Lebensbedingungen, und ſind von einem vorurtheilsfreien Blicke gar nicht zu verwechſeln mit den Baſtarden, welche einer ganz anderen Sphäre (Tors reg& yooıv, wie die Monſtra und Antholyſen u. dergl.) angehören. Um das Schwanken der Baſtarde zu deuten, könnte man fa= gen, daß die eine Art bei der Befruchtung präponderirt habe; aber dieß wäre keine Erklärung, ſondern nur eine Phraſe für die Erſcheinung; es iſt beſſer, die Thatſache vorläufig ohne Erklärung ſtehen zu laſſen. Zu⸗ läſſiger wäre die Betrachtung, daß die Baſtarde, eben weil ſie keine Arten, ſondern nur individuell ſind, keinen feſten Typus haben können, und nur darin ihre Begrenzung haben, daß ſie innerhalb zweier beſtimmter Arten ſtehen. Früher war ich der Anſicht, daß man im Baſtarde auch erkennen könne, aus welcher Varietät einer Stammart derſelbe entſprungen ſei, gleichſam, als ob die Varietät ſich auch im Baſtarde fortpflanze, wie ſie ſich durch Samen fortpflanzen kann und in Stecklingen fortpflanzen läßt. Gegenwärtig indeß halte ich dieſe Annahme für etwas gewagt, und ich glaube die Beobachtungen, auf welche ſie geſtützt war, lieber ſo deuten zu müſſen, daß diejenige Variationsfähigkeit, welche den Stammarten eigen iſt, potentia, weil durch Befruch⸗ tung vermittelt, auch auf den Baſtard übergehen muß. Daher giebt es z. B. mehr und minder bekleidete, ſchmalblättrige und breitblättrige Formen der S. Capreo-viminalis, wie daſſelbe bei beiden Stammarten der Fall iſt. Namentlich iſt es dieſe: S. acuminata Koch oder S. lanceolata Dec., welche vor allen anderen fi) ſchwankend erweiſt, doch in der Art, daß es ſich nach der Analogie anderer Arten nicht als Variation an⸗ ſprechen läßt, ſondern lediglich erklärlich wird, wenn man ihre Baſtardnatur erkannt hat. Denn dieſes Schwan⸗ ken betrifft nicht allein die Geſtalt und Bekleidung der Blätter, ſondern auch die Geſtalt der Blüthentheile, namentlich der Griffel und Narben, worin ächte Arten, fo viel wir bisher geſehen, ſich faſt vollkommen be— ſtändig erweiſen. 4) Vorkommen der Baſtardformen zwiſchen den Arten, aus welchen ſie entſtanden ſind. Alle von uns beobachteten Baſtardformen ſind in der Nähe und meiſt unmittelbar zwiſchen denjenigen Arten gefunden worden, deren Mittelbildung fie darſtellen. Die ſprechendſten Beweiſe dafür geben ab 1) die Baſtarde mit der S. incana, welche von uns, nachdem wir die Ueberzeugung von der hybriden Natur vieler Weidenformen gewonnen hatten, abſichtlich geſucht und auch glücklicherweiſe gefunden worden ſind. Die Sal. incana wächſt nur im öſterreichiſchen Schleſien auf den ſteinigen Flußufern der Weichſel, Oelſa, Oppa und der übrigen Bergflüſſe. Dort gelang es im vorigen Sommer unſerem Freunde Wichura, ihre Baſtarde mit S. purpurea und S. aurita zu entdecken. 2) Die Baſtarde der S. silesiaca mit S. purpurea und S. au- rita. Die S. silesiaca und S. purpurea berühren einander nur gerade in einer Gebirgsregion im ſchle⸗ ſiſchen Rieſengebirge, da, wo die unteren Gebirgsthäler ausmünden, und dort fand ſich bisher dieſer intereſſante Baſtard in beiden Geſchlechtern. Etwas höher hinauf ſteigt noch S. aurita, und wir glauben, von dieſer und der S. silesiaca mehrere Baſtardformen beobachtet zu haben. 3) Die S. aurito-myrtilloides, welche bisher bei uns nur an den Orten, wo S. myrtilloides wächſt, nämlich um Königshuld und Trenſchin bei Oppeln und auf dem großen See an der Heuſcheuer, gefunden wurde. Außerdem mag angeführt werden, daß wir faſt nirgends, wo S. aurita und S. repens zahlreich wachſen, vergeblich nach der S. ambigua Ehrh., und wo S. purpurea und S. repens wachſen, nach der S. Doniana geſucht haben. An allen Flußufern, wo S. viminalis und S. purpurea wachſen, wird S. rubra angetroffen, dagegen nirgends, wo S. viminalis fehlt, welche am Gebirge nicht fo hoch hinaufgeht, als jene. Auch der Baſtard der silesiaca und hastata wurde nur im Geſenke beobachtet, wo allein in Schleſien die hastata wächſt und auch hier bisher nur an einer Stelle, wo dieſe beiden Arten einander berühren, im großen Keſſel. Dieſe Thatſachen zu ignoriren, hieße ſich abſichtlich gegen die deutlichſten Anzeigen der Natur verhärten. Wir glauben aber, daß, je weiter man in der Kenntniß der hybriden Formen vorgeſchritten ſein wird, ſich auch dieſe Daten vervollſtändigen und daß die Zahl derſelben die Zweifel beſiegen helfen wird. — Wenn aber irgendwo einer der von uns angegebenen Ba— ſtarde vorkommt und die eine Stammart daſelbſt fehlt, fo darf man daraus nichts präjudiziren; erſtens kann die fehlende Stammart doch früher dageweſen und durch Zufälle ausgegangen fein; zweitens werden die Weiz den leichter als irgend eine Holzart durch Stecklinge fortgepflanzt; drittens braucht die eine Stammart nicht ganz in der Nähe zu ſein, weil die bienenartigen Inſekten den Blüthenſtaub auch auf weitere Entfernungen forttragen. — Es ſcheint hierher auch noch eine Bemerkung zu gehören, welche die Blühezeit der verſchiedenen Arten betrifft. Man muß vorausſetzen, daß nur diejenigen Arten Baſtarde bilden können, deren Blühezeit genau oder doch ziemlich zuſammenfällt. Und in der That finden wir dieß beſtätigt; die häufigſten und die meiſten Baſtarde find aus Stammarten entſprungen, deren Blühezeit nahe zuſammentrifft. Indeß leidet dieſer Satz manche Beſchränkungen, und es wäre voreilig, auf denſelben Argumente gegen unſere Anſicht zu be— gründen. Erſtens nämlich blühen manche Sträucher derſelben Art früher, andere ſpäter, aus Urſachen, die anderweitig her bekannt find und hier übergangen werden dürfen. Bedenkt man nun, daß die Weiden diöciſche Pflanzen ſind, ſo erklärt es ſich wohl, wie ein ſpätblühender Strauch einer der Regel nach früher blühenden Art mit einem frühblühenden Strauche einer der Regel nach ſpäter blühenden Art befruchtet werden könne. Zweitens bedingt die Witterung des Frühjahrs die Blüthenentwickelung der Weiden dergeſtalt, daß dieſelben, ſehr oft ſchon zur Antheſis vorbereitet, durch niedrige Temperatur lange zurückgehalten, dann bei eintretender Wärme plötzlich zur Blüthe kommen, wodurch die Blühezeit ſolcher Arten, welche ſonſt auf einander zu folgen pflegen, einander ganz nahe gerückt wird, und ihre Blüthe faſt gleichzeitig erfolgt. Drittens findet in Berg⸗ gegenden und Gebirgen eine ſo ungleiche Entwickelung wegen der Verſchiedenheit der Lage gegen die Sonne und des frühern oder ſpätern Wegganges des Schnees ſtatt, daß dadurch die Blühezeit verſchieden ſituirter Sträucher in ſehr verſchiedener Zeit ſtatt hat; wie es denn bekannt iſt, daß man auf kleinen Räumen neben einander reifende Kapſeln und eben erſt hervorbrechende Kätzchenknospen von S. Lapponum, S. silesiaca, S. aurita u. a. beobachten kann. Dieſen Bemerkungen ſchließen wir noch folgende an, die als Ergänzung und Berichtigung des früher von uns hierzu gelieferten und Ihnen größtentheils vorgelegten Materials dienen ſollen. In der vorangeſchickten Ueberſicht iſt die bisher aufgeführte und befchriebene Salix einereo- repens fem. ausgelaſſen. Eine weitere Beobachtung dieſer Form hat uns nämlich ihre ſtarke Affinität mit S. aurito- repens oder S. ambigua Ehrh. gezeigt, zu welcher fie von Koch im Taschenbuche d. d. Fl. als eine kleinblättrige Varietät gerechnet wird. Mit noch mehr Unrecht bezeichnet Fries dieſe Form als eine klein⸗ blättrige Varietät der S. einerea. Nachdem wir nun durch wiederholte und ſorgfältige Betrachtung der Sal. repens darauf gebracht worden ſind, daß die Anſicht derjenigen, welche S. repens und S. rosmarinifolia unterſcheiden, doch wohl richtig ſein dürfe, obwohl es uns bisher noch nicht gelingen wollte, dieſe beiden Arten ſicher zu unterfcheiden: fo ſchien es uns nicht unwahrſcheinlich, daß unſere S. aurito-repens der Baſtard der S. aurita mit der einen dieſer Arten, nämlich der S. repens, dagegen unſere S. cinereo-repens der Baſtard der S. aurita mit der anderen, der S. rosmarinifolia ſei. So lange hierüber Zweifel ſind, muß dieſe Form ausgelaſſen werden. 5 Was wir früher für S. cinereo-repens mas gehalten haben, wovon nur ein einziger, jetzt vertilgter, Strauch bei Lilienthal gefunden worden war, erwies ſich bei genauerer Betrachtung als ein Baſtard von S. pur- purea, und zwar, wie wir jetzt für wahrſcheinlich halten, als eine eigenthümliche Form der S. cinereo - purpurea. a 17 130 Eine dritte, früher von uns verkannte und unrichtig gedeutete Form iſt die bei Margareth gefundene und als S. acuminato- purpurea fem. aufgeführte. Sie iſt aber nichts mehr und nichts weniger als die weibliche S. einereo- purpurea, und die Exemplare der S. Pontederana fem. im Breslauer botaniſchen Garten ſtimmen damit faſt genau überein. Die S. acuminata oder lanceolata iſt ohnehin, wie oben ange⸗ führt wurde, keine ächte Art. Daß wir dieſe Form früher anders deuteten, kam daher, daß das betreffende Exemplar baumartig und ſehr hoch war, daher die Blätter eine von den uns früher bekannten Formen etwas abweichende Geſtalt hatten. Es findet nämlich häufig ſtatt und iſt von uns an mehreren Arten, namentlich auch an der S. lanceolata DC. bemerkt worden, daß baumartige hohe Exemplare breitere Blätter zeigen, während die ruthenförmigen Zweige ſtrauchartiger Exemplare ſtets ſchmälere Blätter haben. So ſind ſie bei der S. lanceolata im erſten Falle mehr zur eiförmigen Geſtalt neigend, während fie im zweiten länglich⸗ lanzettlich ſind. 0 Die Vermuthung, welche wir früher ſchon über die S. Smithiana von Janowiz gehegt haben, daß fie eine S. aurito-viminalis ſei, iſt uns jetzt zur Gewißheit geworden. Nachdem wir nunmehr die Natur der S. lanceolata erkannt haben, ſind die früheren Zweifel über jene Form geſchwunden, und die ſämmtlichen ähnlichen Formen, nämlich S. aurito-viminalis, S. cinereo-viminalis und S. Capreo- viminalis reihen ſich nunmehr in einer natürlichen Folge an einander und erklären einander gegenſeitig. — Wir kennen drei noch ziemlich deutlich unterſchiedene Formen von S. aurito-viminalis. Die eine, in der Nähe des Bahnhofes bei Liſſa gefunden, entſpricht ihrem Namen vollkommen und ſtellt die entſchiedenſte Mitte dar. Die zweite von Janowiz, einigermaßen einer ſchmalblättrigen S. lanceolata ähnlich, neigt ſich mehr zur S. viminalis; dieſe iſt es, welche die Schriftſteller unter S. Smithiana verſtehen. Die dritte iſt eine faſt ganz kahle Form und darum noch problematiſch, aber den Blüthen nach nur auf dieſe Weiſe zu erklären. Alle drei ſind weiblich. — Von der S. cinereo-viminalis haben wir eine neue Form aus der Nähe der Stadt Parchwitz, welche in den Blättern die deutliche Mitte hält, aber kurze kleine Kätzchen und kurze Griffel bei mäßigen Narben hat. — Endlich die S. Capreo-viminalis anbelangend, fo haben wir von dieſer in den beiden letzten Jahren eine Reihe mannigfaltiger Formen in der Umgegend von Neiße gefunden, welche nicht allein in der Geſtalt der Blätter, ſondern auch in der Länge der Ovarien der Griffel und der Narben alle Verbindungsformen zwiſchen S. Caprea und S. viminalis darſtellen. Die ſchmalblättrigen Formen derſelben werden von den Botanikern als S. stipularis aufgeführt, von welcher es am genannten Orte Herrn Krauſe gelungen iſt, auch die männ⸗ liche Pflanze aufzufinden, welche bisher noch gar nicht bekannt war. Wir vermuthen, daß dieſe S. stipularis die andere Kreuzung iſt. Die S. purpureo-silesiaca wurde von uns im vorigen Jahre am Vitriolwerk bei Schreibershau ge⸗ funden; leider iſt dieſer Strauch von dem Beſitzer nun gerade in diefem Winter umgehauen worden, doch hat ein Steckling ſchen in dieſem Frühjahre im Garten geblüht und unſere Anſicht beſtätigt. Es war eine männ⸗ liche Pflanze mit halbverwachſenen Filamenten. — Neuerdings iſt es uns gelungen, auch die weibliche und zwar ein Exemplar an demſelben Standorte und zwei andere am Zacken in Marienthal im blühenden Zu⸗ ſtande anzutreffen. Von der S. purpureo-incana und S. aurito-incana, welche Herr Aſſeſſor Wichura im vorigen Jahre um Teſchen entdeckte, haben wir nun vollſtändige Blüthen erhalten, wodurch die aus den Blättern ent⸗ nommene Beſtimmung ebenfalls vollkommen beſtätigt worden if, Namentlich iſt die erſtere ein fo ſchönes Intermedium, wie nicht leicht ein ähnliches gefunden werden könnte, da dieſe Arten in ihrer Bildung ſo weit von einander abſtehen. Endlich hat uns Herr Krauſe in dieſem Jahre noch mit einem der intereſſanteſten Baſtarde bereichert, einer weiblichen S. einereo-amygdalina, darum fo merkwürdig, weil dieſe beiden Arten ganz verſchiedenen Abtheilungen angehören und in Ausſehen und Bildungsweiſe ſo abweichend ſind. 131 Die nähere Erörterung dieſer Neuigkeiten und die Vorlegung der Exemplare behalte ich mir für eine unſerer nächſten Zuſammenkünfte vor. Mögen Sie aus dieſen Bemerkungen erſehen, daß wir uns die fort⸗ geſetzte Beobachtung dieſer Formen angelegen fein laſſen, und möge Ihnen das unzweideutige Bekenntniß un⸗ ſerer früheren Irrthümer zum Beweiſe dienen, daß es uns um eine wirkliche Aufklärung dieſer Pflanzenſippe zu thun iſt, um die wir uns redlich und aufrichtig bemühen. Schließlich noch die uns von unferem Freunde Beilſchmied zugegangene Notiz, daß auch ein nor= diſcher Botaniker, Anderſon, dem unſere Mittheilungen hierüber wohl noch unbekannt ſein dürften, eine Anzahl nordiſcher Weidenformen für hybride erkannt und als ſolche bezeichnet hat. Wir haben die Bedeutung der hybriden Formen früher dahin feſtzuſtellen geſucht, daß wir es als ihr Weſen bezeichneten, nur Individuen zu fein. Es dürfte nöthig ſein, noch einem möglichen Mißverſtänd⸗ niſſe zu begegnen. Weil es nämlich den unbegeiſteten Naturweſen zukommt, nur als Arten Geltung zu haben, indem nur die begeiſteten wahre Individuen, d. h. Perſonen ſind, ſo daß jene immer nur ein ſich Gleichartiges, oder dieſelbe Art produziren: ſo könnte es ſcheinen, als ob wir mit jenem Ausdrucke den Baſtarden einen höheren Rang angewieſen hätten und mit denjenigen einverſtanden wären, welche in der Hybridiſirung einen Weg zur Hervorbringung neuer Naturformen erblicken zu können glauben. Wir find einer ſolchen Mißdeutung zwar ſchon dadurch begegnet, daß wir die Baſtardformen als Ausnahmsbildungen ausdrücklich bezeichnet haben, welche auf der Nothwendigkeit des Zufalls beruhen. Aber es ſei hier nochmals ausdrücklich bemerkt, daß wir darauf Gewicht legen, daß ſie nur als Individuen gelten können, welche, ſo zu ſagen, unter den als Art ſich erhaltenden Naturweſen ſtehen. Die Individuen einer Art von Naturweſen ſind alle gleichgeltend, ſie gelten nur als einer Art angehörig, deren vielfache Exiſtenz ſie ſind: nicht wie die begeiſteten Individuen, deren jedes in ſich ſelbſt das Allgemeine beſitzt. Die Baſtard-Individuen dagegen be— ziehen ſich auf keine Art, und wenn fe unter einander Formähnlichkeit haben, fo beſitzen fie dieſelbe lediglich darum, weil jeder organiſche Vorgang eine beſtimmte Form zum Reſultat haben muß. Und es ſcheint daher auch zu folgen, daß ſie keine neuen Individuen ihresgleichen hervorbringen können, oder daß ſie unfruchtbar ſein müſſen. In derſelben Verſammlung hielt der Herr Kammer-Gerichts-Aſſeſſor Wichura aus Berlin einen Vortrag: - Ueber die Zuſammenſetzung der weiblichen Blüthe und die Stellung der Narben bei den Weiden. Die Staubblätter, in welche die weiblichen Blüthen von Salix einerea, vermöge einer bei dieſer Pflanze ziemlich häufigen Mißbildung, übergehen, laſſen, was ſowohl ihre Zahl als ihre Stellung anlangt, eine ganz beſtimmte, überall wiederkehrende Regelmäßigkeit erkennen. Jeder Fruchtknoten zerlegt ſich, ſobald die Umbil- dung eintritt, in zwei Staubblätter, und dieſe Staubblätter ſind allemal ſo geſtellt, wie in der normalen männlichen Blüthe, nämlich vom Nektarium aus betrachtet, das eine rechts, das andere links. Man hat die monſtröſen Umbildungen der Blüthentheile ſchon fo häufig benutzt, um daraus die ur— ſprüngliche Zuſammenſetzung derſelben zu erkennen, daß ein Verſuch gleicher Art, auf die im normalen Zus ſtande ein von allen Seiten geſchloſſenes Ganze darſtellende weibliche Blüthe der Weiden angewendet, einer beſonderen Rechtfertigung nicht bedarf. Ohne Weiteres können wir vielmehr annehmen, daß in der bezeich⸗ neten Mißbildung die der weiblichen Blüthe der Weiden zu Grunde liegenden Blatt Elemente geſondert zum Vorſchein kommen, und daß dieſelbe demgemäß aus zweien, vom Nektarium aus betrachtet, rechts und links gelegenen, an den Rändern mit einander verwachſenen Blättern beſteht. ö 17 * 132 Die im Bau der normalen weiblichen Blüthe hervortretenden Spuren einer Zuſammenſetzung derfelben gereichen dieſer Annahme zur Beſtätigung. Denn an der Stelle, wo nach unſerer Theorie die Ränder der Fruchtblätter mit einander verwachſen ſein müſſen — vom Nektarium aus betrachtet, vorn und hinten — liegen die Placenten, welche aus je zwei Strängen zuſammengeſetzt ſind, deren jeder ſomit einem Rande der ſich berührenden beiden Fruchtblätter anzugehören ſcheint; und an der Stelle, wo die Mittelrippen der Frucht⸗ blätter zu liegen kommen würden — die ſeitlichen Wölbungen des Fruchtknotens entlang — bemerken wir je eine von unten nach oben ſich erſtreckende, durch ein Gefäßbündel bezeichnete Linie, in deren Richtung ſpäter die reifende Kapſel aufſpringt und ſich auf dieſe Weiſe in eine vordere und hintere Hälfte zerlegt. Die weib⸗ liche Blüthe oder, was daſſelbe iſt, die Frucht der Weiden läßt ſich hiernach definiren als eine Zuſammenſetzung aus zwei Blättern, welche, von der Schuppe aus betrachtet, ſeitlich ſtehen, an den mit einander verwachſenen Rändern die Placenten tragen und in der Richtung der Mittelrippen aufſpringen. Mit dieſem Bau der Frucht hängt die Zahl und Stellung der Narben aufs Engſte zuſammen. Sie beſtehen aus vier, den vier Placentenſträngen in ihrer Lage entſprechenden Theilen. , Wenn a den Horizontaldurchſchnitt der Spindel des Weidenkätzchens, und die Linie b die Blüthenſchuppe vorſtellt, fo wird die relative Stellung der Narbentheile durch die Punkte cdef bezeichnet. Im Griffel find dieſe vier Theile zu einem Ganzen mit einander verwachſen. Oberhalb deſſelben treten ſie auseinander, und zwar entweder alle viere, ſo daß eine viertheilige, oder zu zweien noch mit einander verwachſen, ſo daß eine zweitheilige Narbe zum Vorſchein kommt. Aber auch in dieſem letzteren Falle, welcher der gewöhnliche iſt, macht ſich die zu Grunde liegende Viertheiligkeit geltend. Häufig bemerken wir, daß zur Zeit des Welkens die zweitheilige Narbe in ihre Beſtandtheile zerfällt und viertheilig wird; auch giebt es mehrere Arten von Wei⸗ den, welche das Eigenthümliche haben, daß jeder der beiden Narbenäſte gegen die Spitze zu ſich abermals ga⸗ belförmig theilt, z. B. S. incana Schrank. Es entſteht jetzt die Frage: Welche von den vier Theilen der Narbe zur Bildung je eines Aſtes ver⸗ wendet werden? Zwei Fälle find hier denkbar. Der Griffel kann ſich entweder in der durch hg oder in der durch ik angedeuteten Richtung in zwei Theile ſpalten. Im erſten Falle bilden de und fe die beiden Nar⸗ benäſte, und wir werden von der Blüthenſchuppe aus einen vordern und einen hintern Aſt unterfcheiden kön⸗ nen. Im letzteren Falle find ec und fd zu je einem Aſte vereint und die Stellung beider Aeſte wird eine ſeitliche ſein. Beide Kombinationen kommen in der Natur vor, und zwar mit ſolcher Regelmäßigkeit, daß dieſes, fo viel bekannt, bisher ganz unbeachtet gebliebene Merkmal für die ſyſtematiſche Eintheilung der Wei⸗ den von der größten Wichtigkeit ſein dürfte. Denn auch in den Fällen, wo die Narbe ſich viertheilig ſpaltet, zeigt die zwiſchen den benachbarten Narbentheilen bald nach vorn und hinten, bald nach beiden Seiten hin hervortretende größere oder geringere Konvergenz, welcher der beiden Abtheilungen die Pflanze unterzuordnen iſt. Aus der nachfolgenden, auf dieſes Eintheilungsprinzip gegründeten Zuſammenſtellung derjenigen ſchleſiſchen Weiden, welche der Unterſuchung lebend zu Gebote ſtanden, wird zugleich hervorgehen, wie natürlich die danach ſich ergebenden Gruppen ausfallen. 133 I. Weiden mit nach vorn und hinten gerichteten Narbenäſten. S. purpurea, viminalis, einerea, Caprea, aurita, depressa, repens (2), rosmarinifolia. II. Weiden mit ſeitlich gerichteten Narbenäſten. S. pentandra, fragilis, alba, amygdalina, incana, nigricans, silesiaca, bicolor, myrtilloides. Von Intereſſe ift es ſchließlich noch, auf die Uebereinſtimmung hinzuweiſen, in welche ſich die Narben⸗ ſtellung der Weiden mit der Annahme einer in dieſer Familie weit verbreiteten Baſtarderzeugung bringen läßt. Baſtarde, welche als das Produkt von zwei Weiden aus ein und derſelben Abtheilung angeſehen wurden, ge— hören auch in der Narbenſtellung dieſer Abtheilung an. So haben S. purpureo-viminalis Wimm. = rubra Huds., purpureo-cinerea Wimm. — Pontederana Schleicher, purpureo-aurita Wimm., purpureo- repens Wimm. — Doniana Smith., viminali-cinerea Wimm. — stipularis Smith., einerea - viminalis- Wimm., aurito-viminalis Wimm. = Smithiana Willd., viminali-repens Wimm. S angustifolia Wulf., viminali-Caprea Wimm. = acuminata Smith., cinereo-aurita Wimm., cinereo-repens Wimm., aurito- repens Wimm. = ambigua Willd. nach vorn und hinten gewendete, und S. pentandro-fragilis Wimm. = cuspidata Schultz ſeitlich gewendete Narbenäſte, wie ihre Stammeltern. Bei ſolchen Baſtarden hingegen, welche aus einer Kreuzung von Weiden aus den beiden Abtheilungen I. und II. hervorgegangen ſind, z. B. S. amygdalino-cinerea Wimm., incano- purpurea Wimm., silesiaco- purpurea Wimm., aurito-silesiaca Wimm., aurito- myrtilloides Wimm., macht ſich in der Stellung der Narbenäſte eine gewiſſe Unentſchieden⸗ heit bemerkbar, welche, die Baſtardpflanzen ihrer zweideutigen Natur entſprechend, bald der einen, bald der andern Abtheilung näher bringt. - In der dritten Verſammlung, am 16. September, wozu Herr Profeſſor Dr. Göppert die Mitglieder der Sektion in ſeine Behauſung eingeladen hatte, demonſtrirte derſelbe an lebenden Pflanzen und unter dem Mikroſkop: 1) den Saftlauf in den Zellſchläuchen der Chara flexilis und in den Zellen der Vallisneria spiralis; 2) das Wachsthum und das Schwimmen der Utricularia vulgaris und die Beſchaffenheit der an den Blättern derſelben befindlichen Blaſen, welchen bisher das Schwimmen dieſer Pflanze zugeſchrieben worden war. Zugleich wurde gezeigt, daß dieſe Blaſen im jungen Zuſtande roſenroth, ſpäter blau erſcheinen, und daß dieſe Färbung von einer unter der Oberhaut liegenden blau gefärbten Zellenſchicht herrührt. Das Nähere hierüber iſt in Nr. 41 der botaniſchen Zeitung von v. Mohl und v. Schlechtendal, Jahrgang 1847, mitgetheilt. Derſelbe zeigte bei dieſer Gelegenheit ſein Aquarium, worin die verſchiedenſten phanerogamen Waſſer⸗ pflanzen neben Konferven freudig vegetirten, und bemerkte, daß auf dieſe Weiſe, wenn lebende Pflanzen darin vegetiren und der Waſſerſtand mindeſtens 1% Fuß betrage, das Waſſer niemals faulig werde. In der vierten Verſammlung, am 25. September 1847, machte Herr Muſik-Direktor Siegert Mit⸗ theilungen über ſeltenere, in der Umgegend von Schmolz bei Breslau und an einigen anderen Punkten Schle— ſiens beobachtete Pflanzen, aus denen wir folgende hervorheben: Cirsium acaule, im Jahre 1847 meiſt ftenglig. Senecio erucifolius, in dieſer Gegend ſeyr verbreitet und faſt an allen Gräben bis gegen Kammelwitz. Carex Pseudo- Cyperus, am Schloßgarten in Schmolz. Carex Davalliana, bei Reibnitz. Nigella arvensis, an der Straße nach Malkwitz. 154 Leersia oryzoides, bei Schmolz. Vicia tenuifolia, zahlreich auf Aeckern. Carlina acaulis. Bromus arvensis, längs der Eiſenbahn. Orchis incarnata L. & Batrachium fluitans, in der Weiſtritz bei Kanth. Senecio erucifolius, Leiſewitz bei Ohlau. Carex cyperoides, bei Nimkau. Sedum album, in Mertſchütz bei Jauer auf Mauern. Hieracium echioides Lumn., auf dem Kreuzberge bei Striegau. Cirsium oleraceo-palustre, in der Hölle bei Hartmannsdorf bei Landeshut. Cirsium — vermuthlich oleraceo-arvense, von Landeshut. Cirsium semipectinatum Koch, von Röhrsdorf bei Landeshut. . Asperula arvensis, um Liebenau bei Riemberg von Herrn Wundarzt Knebel gefunden. In derſelben ſprach Herr Gymnaſiallehrer Dr. Sadebeck über die Vegetation des Nummelsberges bei Strehlen. Nachdem ich bereits im vorigen Jahre in der geographiſchen Sektion verſucht habe, eine Beſchreibung der phyſiſchen Beſchaffenheit der Strehlener Berge zu geben, deren höchſter Punkt der Rummelsberg, will ich mir heute erlauben, Einiges über die Vegetation dieſer Gegend mitzutheilen. Zuvor will ich aber in Kürze die Gränzen dieſes Gebietes bezeichnen. Weſtlich wird daſſelbe durch das ziemlich breite Ohlauthal mit ſeinen üppigen Wieſen von den Nimptſcher Bergen getrennt. Derſelbe Fluß bildet auch die nördliche, und fein Zu= fluß, das Kryhnwaſſer, die öſtliche Gränze. Im Süden dagegen iſt der Abfall der Gebirgsgruppe viel geringer, ſo daß die ſüdlich gelegene Landſchaft 3 — 400 Fuß höher liegt, als die Niederungen der vorgenannten Flüſſe. Zur topographiſchen Begränzung des Gebietes kann man ſich von Strehlen, welches den nördlichſten Punkt bildet, eine Linie ſüdöſtlich nach Prieborn und ſüdlich nach Kloſter Heinrichau ziehen, und endlich dieſe beiden Punkte noch durch eine gerade Linje verbinden, ſo hat man einen ziemlich gleichſeitigen Triangel, von welchem jede Seite circa 2 Meilen mißt, und welcher die in Rede ſtehende Gebirgsgruppe umfaßt. In geognoſtiſcher Beziehung gehört das ganze Gebiet dem Urgebirge an, denn der Granit liegt überall nur wenige Fuß unter der Oberfläche und kommt an vielen Stellen zu Tage. Nur an einer Stelle findet ſich Kalk, aber auch der Urgebirgs- und Uebergangs-Formation angehörend, nämlich bei Prieborn, deſſen Marmorbrüche ja bekannt ſind. Die Berggipfel überſteigen nicht die Höhe von 1200 Fuß, und als Erhebung der ganzen Gruppe kann man im Allgemeinen 8 — 900 Fuß annehmen. Der größte und namentlich ſüdliche Theil der Berge iſt mit Nadelholz, Pinus sylvestris, und höher hinauf Abies excelsa bewachſen, doch finden ſich auch viele Eichen und Rothbuchen, beſonders in der Gegend des Rummelsberges bis zu ſeinem Gipfel hinauf. Der nördliche Theil der Berge iſt dagegen kahl, theils ganz unfruchtbar, theils mit Getreide bebaut. Die Zwiſchenthäler ſind ziemlich waſſerarm und bringen bloß unbedeutende Bäche nach der Ebene hinab. Demzufolge iſt die Vegetation auch nirgends ſehr üppig, und obgleich man, nach der Erhebung zu ſchließen, eine Vorgebirgs-Flora erwarten ſollte, ſo beobachtet man doch im Ganzen nur wenige dahin gehörige Arten. Zur genaueren Charakteriſtik werde ich die Pflanzen anführen, welche, in der Ebene ſelten oder gar nicht vorkommend, hier gefunden werden. Ranunculac. Hepatica triloba. Ranunculus lanug. Actaea spicata. Von den Cruciferen findet ſich keine eigenthümliche Art. 135 Helianthemum vulgare, an dem Marienberge, einem früher ganz kahlen, jetzt mit Strauchwerk bepflanzten Felshügel nahe an Strehlen. Papilion. Vicia sylvatica. Lathyr. sylvestr. Genista germanica. Sarothamnus vulg. Cytisus capitatus. “ Sempervivum soboliferum, in Dörfern auf Dächen, z. B. in Roſen. Laserpitium prutenicum, ſehr verbreitet. Hypericum tetrapterum, bei Krummendorf. Rubus saxat. und R. Bellardi. Potentilla recta, auf dem Marienberge. Lonicera Periclymenum, auf dem Kryſtallberge bei Krummendorf, jedoch nicht blühend. Hedera Helix. Epilobium angustif. ‚Pyrethrum corymbos. Prenanthes purpurea. Carlina acaulis. Solidago Virga aurea. Campanula cervicaria. Stachys recta, im Marmorbruche bei Prieborn. Lathraea squam., auf dem Gipfel des Rummelsberges in großer Menge. Digitalis ochroleuca. Melittis Meliss. Trientalis europaea. Pyrola uniflora. Vinca minor, in großer Menge; aber ſelten blühend. Asarum europaeum. Acer Pseudoplatanus. Cephalanthera ensif., am Rummelsberge fehr häufig. Lilium Martagon. Polygonatum verticillat. Colchieum antumnale, auf den Wieſen an der Ohlau. Luzula albida, am Rummelsberge. Calamagrostis sylvatica, ebendaſelbſt. Poa compressa, auf den Mauern der Dörfer ungemein häufig. Außer dieſen von mir beobachteten Pflanzen werden von Schummel noch Sorbus tormin., Adeno- phora suaveolens, Pyrola chlorantha und von Kroker Seseli Libanotis angegeben. Ich habe jedoch, trotz aller Mühe, keine derſelben entdecken können. In der fünften Verſammlung, am 7. Oktober, ſprach Herr Profeſſor Dr. Göppert: Ueber die pflanzenähnlichen Einſchlüſſe in den Chalcedonen, beſonders über die Dendriten. Der Vortragende begann mit Anführung der ſchon in den älteren Schriftſtellern, wie im Plinius und Andern, hierüber gemachten Mittheilungen, die hier übergangen werden, indem wir uns gleich zu der Frage über die Entſtehung derſelben wenden, die auch die älteren Naturforſcher viel beſchäftigte. Eine kurioſe Erklärung geben unter anderen Kirchner (Mundus subterraneus P. II. p. 39) und Luidius (Lithophylacium brittanic. p. 134), nach denen eine ſogenannte Aura seminalis dieſe Stein⸗ figuren gebildet haben ſolle. 136 Scheuchzer (Herbar. Diluvian. p. 32) ſucht den Entſtehungsgrund dieſer Baumgeſtalten in dem Drucke und der Preſſung eines verdickten Fluidums zwiſchen zwei Flächen. Wenn man namentlich zwiſchen zwei polirte Steinplatten ein dickliches Fluidum preßt und ſie mit Gewalt dann von einander reiße, ſo fände man auf beiden Seiten dann daſſelbe Fluidum zuſammengetreten, ſo daß daraus gewiſſe Baumgeſtalten entſtehen. Auf der Steinplatte werde das Fluidum aus den Poris ausgepreßt, wenn die anfangs weiche Maſſe ſich zu⸗ ſammenziehe und verhärte. Auf die Dendriten, auf Feuerſteine läßt ſich freilich dieſe Entſtehung nicht anwen⸗ den, die übrigens auch Bomare (Mineral. 2. Th. S. 315, auch deſſen Diction de P hist. natur. T. III. p. 51) und Bertrand (Diction oryetol. univ. T. I. p. 189) theilten. 5 Ein ungenannter Schriftſteller läßt die Dendriten durch ein mit einem unterirdiſchen Feuer verbundenes Erdbeben entſtehen (Philoſophiſche Ergötzung oder Unterſuchung, wie die Seemuſcheln auf die höchſten Berge gekommen, S. 173 u. f.)) Zimmermann (in den Anmerkungen zu Henkel's mineralogiſchen Schriften, S. 361) durch Verwitterung, und Hollmann (bei Kron in prolusione oryetograph. Neostadt. S. 27) durch Abdrücke von dem Gerippe ſkeletirter Blätter. . | Noch andere nehmen zu gewiſſen Ausdünſtungen der Erde ihre Zuflucht, wie Stobäus (Opuscula p. 98), der ſich zugleich auf Imperatus und Teichmeyer beruft. Carthäuſer (mineralogiſche Abhandl. 1. St. S. 158 und 160) leitet ſie von einer Vegetationskraft her, von der er behauptet, daß ſie nicht nur dem Eiſen, ſondern auch andern Metallen eigen ſei, wobei er ſich auf die künſtlichen metalliſchen Vegetationen beruft, die der berühmte Condamine hervorgebracht habe. Aus dem verſchiedenen Verhalten im Feuer folge, worüber auch ſchon Imperatus (Histor. natural. Lib. XXIV. p. 578), Schultze (bei Scheuchzer Herb. diluv. p. 25), Kundmann (Rariora artis et natur. p. 154 und 140), Brückmann (Magnalia Dei in locis supterran. P. I. p. 87), Pott (Erſte Fortſetzung der Lithogeognoſie, S. 88), Baum (Natur: geſchichte des Mineralreiches, Th. 2, S. 175 Anmerk.), verhandelten, daß die Materie oder das mineraliſche Prinzipium, welches dieſelbe verurſacht, nicht in allen Dendriten und nicht allezeit von einerlei Natur ſein müſſe; die färbende Subſtanz ſei zwar meiſtens ein eiſenartiges Weſen, zuweilen aber auch mit vitrioli⸗ ſchen oder harzigen ſulphuriſchen vermiſcht. d Longolius (in einer 1768 geſchriebenen Einladungsſchrift von denen um Hof entdeckten Dendriten), Juſti (Grundriß des geſammten Mineralreiches' S. 184), Wallerius (Syst. mineral. II. edit. Viennae 1778, II. p. 590), Walch (Deſſen Naturgeſch. d. Verſteiner. I. S. 135), Schröter (Deffen vollſt. Einl. in die Kenntniß und Geſchichte der Steine und Verſteinerungen, 2. Th. 1776, S. 144 u. f.) die Dendriten, Deſſen Litholog. Real- und Verbal-Lexikon, 1779. I. Theil, Artik. Dendriten, S. 394 u. f., Deſſen li: thographiſche Beſchreibung der Gegenden um Teegelſtädt und Rettwitz, Kap. II. S. 13 und 18) meinen, daß das mit aufgelöſtem Kies und eiſenhaltigen Theilen geſchwängerte Waſſer in die zarteſten Ritze der Steine eindringe und auf dieſe Art dieſe ſonderbaren Bildungen hervorbringe, eine Anſicht, die auch heut noch mit Recht ſehr verbreitet iſt. Ungeachtet dieſe Anſicht theilend, ſchließen die Möglichkeit des Vorkommens von or⸗ ganiſchen Subſtanzen nicht aus: Daubenton (Mem. de P Acad. d. sc. Paris 1762, p. 667), welcher eine Conferve, ähnlich C. rivularis, und ein Laubmoos mit Kapſeln, und Ferber (Deſſen bergm. Nachr. v. d. merkw. mineral, Gegend d. herzogl. Zweibrückſchen Länder, S. 75, Mem. de l' Acad. d. sc. de Berlin 1790 91, p. 153), eine Flechte, Gautieri (Unterſ. über d. Entſt., Bildung und den Bau des Chalce⸗ dons, Jena 1800, S. 164), wahre Mooſe in unſerem Geſtein bemerkt haben wollen. Letzterer giebt ſogar auch die Unterſchiede an, durch die man im Stande ſei, wahre Mooſe von dendritiſchen Bildungen zu unter: ſcheiden, die wir aber, da ſie nirgends der wahren zelligen Struktur der Mooſe erwähnen, für nicht durch⸗ greifend und entſcheidend anzuerkennen vermögen. Auch Blu menbach (ej. specim. Archaeol. telluris terrarumque inprimis Hannover. alter. Göt- ting. 1816, p. 17) verſichert, verſchiedene Chalcedone, theils aus Island, theils aus Sibirien, zu beſitzen, in welchen theils Conferven, die noch ihr natürliches Grün beſitzen, theils einzelne, wie mit Schimmel bedeckte Fäden, ja ſogar eine Frucht, ähnlich Sparganjum erectum (2) derſelben zu ſehen ſeien. Auch Hr. Agardh (Syst. Alg. p. 122, Bot. Literaturbl. I. Bd. p. 328) erwähnt Algen im Chalcedon, desgleichen Raſpail (An. d. sc. d' observ. Vol. III. Fevrier 1850. Bull. d. sc. nat. 6. Juni 1830, p. 456), Graf Razoumofski (Bull. géol. 1835. VI. p. 165 — 168. Tab. I. fig. 10. Bronn und v. Leonh— N. Jahrb. 1836. V. p. 627), jedoch ohne nähere Angabe des Fundortes, der ſie mit Fucoides intricatus Brong. und Münsteria flagellaris Sternb. vergleicht. Niemand behauptet dies mit größerer Beſtimmtheit, als Mac Culloch (On vegetable remains pre- serve in Chalcedony Transact. of the geolog. society Vol. II. 1814, p. 511), der aus dem Chalcedon von Dunglas in Schottland Conferven-, Laub- und Lebermooſe, ſo wie flechtenartige Formen abbildet und ſo umſichtig beſchreibt, indem er ſich vertraut zeigt mit den falſchen pflanzenähnlichen Gebilden, welche theils durch Eiſenoxyd, theils durch Chlorit hervorgebracht werden, daß man wenigſtens die Frage über das Vorkom— men von Pflanzen in dem Chalcedon von Dunglas als entſchieden zu betrachten hätte, wenn die Abbildungen das Vertrauen verdienen, welches man ihnen, aus der ganzen Art der Darſtellung des Verfaſſers zu ſchließen, gern ſchenken möchte. Ich erſuche die engliſchen Geologen und Botaniker, dieſem Gegenſtande ihre Aufmerk— ſamkeit zu ſchenken und ſich hierüber näher auszuſprechen. Von ihnen ſelbſt, ſo viel ich wenigſtens auszu— mitteln vermochte, ſind bis jetzt dieſe Unterſuchungen nicht mehr aufgenommen worden. Nur Herr G. Man— tell ſcheint ſich hierauf zu beziehen (Deſſen Denkmünzen der Schöpfung, 1. Th. p. 131. fig. ), indem er eine Figur aus jener Abhandlung, ein mit einer Conferve umzogenes Hypnum, entlehnt und ſie als Beweis für die Anweſenheit von organiſchen Reſten betrachtet, ohne aber feine Quelle anzuführen oder des Mac Culloch auch nur zu gedenken. Herr H. Roſe ſetzte auf Veranlaſſung von Herrn H. F. Link (Deſſen phyſ. Erdbeſchr. 2. Bd. 1. Abtheil. S. 262) ein Stück einer Chalcedonplatte, worin ſich eine, einer Con— ferve täuſchend ähnliche Zeichnung befand, einem heftigen Feuer aus, ſo daß der Chalcedon undurchſichtig, muſchlich und glänzend im Bruche geworden war. Die grüne Confervenzeichnung war geblieben, aber braun geworden, alſo ſchließt Link, ſei die Zeichnung durch Eiſenoxyd oder Eifenorydul hervorgebracht worden. — Auch Hr. Adolph Brongniart (Hist. d. Veget. foss. I. p. 29. 34. tab. 1. fig. 6 —8) hält dieſel⸗ ben Bildungen auch für anorganiſch, entſtanden durch Infiltration von eiſen- und manganhaltigen Flüſ— ſigkeiten. Ebenſo Herr Steininger (Deſſen geogn. Beſchreibung d. Landes zwiſchen der untern Saar und dem Rhein, Trier 1840, S. 116) und Herr Ulex in Hamburg (Bronn und v. Leonh. N. Jahrb. f. Min. ıc. J. 1845. p. 643), der auf chemiſchem Wege, indem er nicht im Stande war, die ſogenannten Dendriten ſelbſt bei Weißglühhitze zu verbrennen, wie auch auf mikroſkopiſchem, zu ähnlichen Reſultaten gelangte. Mit Recht macht er darauf aufmerkſam, daß nicht alle Dendriten durch Infiltrationen, ſondern viele auch gebildet wurden, als die Metalloxyde, namentlich Eiſen haltende Oxyde, noch weich waren. Gegen Hrn. Ulex tritt namentlich Hr. A. v. Rennenkamff (Bronn u. Leonh. N. J. 1847, p. 26) auf, der in den Achaten vom Hundsrück eine Art Mnium, gallertartige Bildungen mit Keimkörnchen, Tre— mellen, Cladonien, Fucoideen und Conferven erkannt zu haben glaubt, zugleich aber eine briefliche Nachricht Ehrenberg's anführt, in welcher derſelbe erklärt, daß er die ſchönen Achate Oberſteins nicht für organiſche Bildungen halten könne. Herr Turpin (Januar Edinb. n. phil. Journ. 1838. XXV. 210) beſchäftigte ſich vorzüglich mit den Urſachen der rothen Färbung der Achate, die er in der größeren oder geringeren Menge des in farbloſer Achatmaſſe eingeſchloſſenen Protococcus Kermesinus ſucht, welcher gewöhnlich in feine kleine Kügelchen zer— fallen iſt, die dann wieder zuſammengchäuft, gruppirt oder zerſtreut find. Die Farbenabſtufungen von Roſa, Orange, Blutroth, Röthlichbraun, nur hängen ſie theils von einer verſchiedenen Wachsthumsſtufe des Proto- coceus, theils von der Miſchung feiner ungleich reifen Körner ab. 18 138 Herr J. Scott Bowerbank (über Moosachate und v. kieslig. Körpern. Geol. Soc. Ann. of Ma. gaz. of nat. hist. 1842. VIII. 460 — 464; Bronn und v. Leonh. N. Jahrb. 1842, p. 617) glaubt ge⸗ funden zu haben, daß die ſogenannten Moosachate von Oberſtein u. a. O. in Deutſchland und Sicilien, fo wie die grünen Jaspiſſe Indiens, Reſte von Seeſchwämmen einſchließen, wiewohl die Schwammſtruktur an allen Punkten ſelten vollſtändig erhalten ſei, ſondern alle Zwiſchenſtufen von vollſtändigſter Zerſetzuug bis zur ausgezeichnetſten Erhaltung ſich wahrnehmen ließen. Für organiſchen oder vegetabiliſchen Urſprung, Damm⸗ erde, Conferven, Mooſe u. ſ. w., erklärt Herr Carl Müller mehrere von ihm in Oberſteinſchen und Sibi⸗ riſchen Chalcedonen beobachtete Einſchlüſſe (Flora oder botan. Zeit. Nr. 19. Regensb. den 21. Mai 1842), auf welche wir im Verfolge der Abhandlung mehrfach zurückkommen werden. Gegen die Deutung dieſer Einſchlüſſe als organiſche Reſte erklärt ſich Herr Dr. Schaffner in Herrn— ſtein bei Oberſtein (Flora oder allg. bot. Zeit. 27. J. 1. Bd. 1844, S. 323), indem er beſonders den Manz gel jeder Spur von Zellenbildung hervorhob, wogegen Herr Müller (botan. Zeitg, von H. v. Mohl und v. Schlechtendal, Nr. 2. 1845. p. 30, und Flora oder bot. Zeit. 1845, p. 158) wieder ſich verwahrt und auf das Entſchiedenſte wiederholt, daß in jenen, Herrn Sigismund in Jever gehörenden Chalcedonen wirklich Conferven, Charen und Mooſe, letztere ſogar mit Frucht enthalten geweſen ſeien; und wenn Hr. Schaffner wirklich keine zellige Struktur in jenen Gebilden, ſondern nur eine körnige amorphe Maſſe gefunden habe, möge er ſich doch an jene unglaublich vielgeſtaltigen Algenformen, namentlich die Noſtochinen, erinnern, wo gerade dies bis jetzt die ganze Struktur der Pflanze ausmache, daß ſie in einer ſchleimigen oder gallertartigen Maſſe kleine runde körnige Zellen enthielten. Ich bedaure, Hrn. Müllers Anſicht auch nicht theilen zu können, wiewohl ich mit ihm mich von dem neptuniſchen Urſprunge dieſer in übrigens vulkaniſchen Gebirgsarten vorkommenden Chalcedonen überzeugt halte, und bereits früher noch, bevor Herr Ehrenberg Infuſorien in vulkaniſchen Produkten entdeckt hatte, Holzreſte in Baſalt und Baſalttuff auffand (Ueber die neuerlichſt in Baſalttuff des hohen Seelbachkopfes bei Siegen entdeckten bituminöſen und verſteinerten Hölzer, wie die der Braunkohlenformation überhaupt in Karſten und v. Dechen Archiv, 14. Bd. 1840, S. 182 u. f.), alſo füglich an der Möglichkeit eines organiſchen Inhaltes in den Chalcedonen gar nicht zu zweifeln geneigt ſein kann. In dem erwähnten Falle hatten baſaltiſche Eruptione ein Braunkohlenlager durchbrochen und zum Theil eingeſchloſſen; ſchwieriger bleibt freilich die Er⸗ klärung, wie organiſche Reſte in die Blaſenräume der Mandelſteine gelangen ſollten, in welchen ſich die Chal— cedonen durch Infiltrationen von Kieſelerde, kohlenſauren Kalk, Eiſen und Mangan-Oxydul und orydhaltige Tagewaſſer abſetzten, ja vielleicht ſich noch gegenwärtig bilden. Die genannten Beſtandtheile fand Herr Bi— {hoff auch in den Oberſteiner Grubenwaſſern. In mehreren von ihm an Ort und Stelle geöffneten Chal- cedonen und Amethyſtdrüſen fand er ſchwarzbraune knetbare Maſſen, als offenbaren Beweis vom Eniftehen der befragten Subſtanzen auf naſſem Wege, ja einige haben ſogar noch Flüſſigkeiten enthalten, die, fo viel ich weiß, aber noch nicht chemiſch unterſucht ward. Man ſieht ſogar beim Durchſchnitt vieler Chalcedonku— geln, wie Herr Schaffner, Herr Rennenkamff und ich ſelbſt beobachtete, ein oder mehrere Durchſtrömungs— punkte, wohlbemerkt, in der Chalcedonkugel, nicht in der umgebenden Porphyr- oder Mandelſteinmaſſe, von denen die Schichtbildung ausgeht, oder, richtiger vielleicht, wo fie aufhört. Die konzentriſchen Flüſſigkeiten festen ſich ohne Zweifel aus der in den Blaſenräumen eingedrungenen Flüſſigkeit ab und ließen die Einftrö- mungspunkte frei, worauf der Raum ſpäter mit ungeſchichteter Maſſe ausgefüllt wurde; zuletzt bildeten ſich Kryſtalle, welche die Höhlung in der Mitte auskleiden, wo nicht etwa, was ſehr ſelten vorkommt, der ganze Raum mit jenen konzentriſchen Schichten ausgefüllt wird. Herr Biſchoff berechnete, wie ein, kurz vor ſeinem Beſuche der Oberſteiner Gruben daſelbſt gefundener Onyx (geſtreifter Chalcedon) von 106 Pfund Gewicht eine Zeitdauer von 14,483 Jahren erfordert haben würde, wenn etwa in jeder Minute ein Waſſertropfen, der o 00 Kieſelerde enthalten hätte, in den Raum gelangt wäre, worin dieſer für 350 Gulden verkaufte Stein enthalten war. Jedoch habe ich auch bei den nun folgenden Unterſuchungen, um mich vor vorgefaßten Mei⸗ 139 nungen zu bewahren, mich nicht an geologiſche Konjekturen, ſondern nur an die Ermittelung von Thatſachen gehalten, durch welche die in Rede ſtehende Frage: Ob die in den Chalecedonen vorkommenden pflan⸗ zenähnlichen Gebilde wirklichen organiſchen Urſprungs ſind, oder nicht? zur Entſcheidung gelangen könnte. — Eigene Unterſuchungen. Wir betrachten zuerſt die ſogenannte Dammerde, und zweitens organiſch vegetabiliſche Algen-, Flechten- oder Moos- ähnliche Einſchlüſſe. 1) Ueber angebliche Dammerde in den Chalcedonen. Verworrene Ablagerungen von verſchiedener Farbe, meiſt ſchwarz oder rothbraun, ſind nach Hrn. Müller ſehr häufig, und verhalten ſich unter dem Mikroſkope wie Dammerde, d. h. fie ſeien platt gedrückt, durch⸗ ſcheinend, ohne deutliches Zellgewebe, vegetabiliſch zuſammenhängend, offenbar in einem, jener ähnlichen, vers kohlten Zuſtande. Da ſie ſo häufig andere pflänzliche Einſchlüſſe begleiten, ſo ſei es klar, daß ſie wirklich Dammerde ſeien, die ſich bildete, ehe das Mineral noch ſeine jetzige phyſikaliſche Geſtalt angenommen hatte. Ohne mit dem Verfaſſer über dieſe Definition der Dammerde zu rechten, die eben keine iſt, will ich nur bemerken, daß die Feſtſtellung dieſes Punktes mir von der größten Wichtigkeit erſcheint, da, wenn einmal die Anweſenheit von Dammerde erwieſen ift, kein vernünftiger Grund mehr uns veranlaſſen könnte, die Ans weſenheit von Pflanzen in jenen Steinen zu bezweifeln. Jedoch iſt der Beweis durch die oben erwähnte Beobachtung nicht geliefert, der, meiner Meinung nach, auf doppeltem Wege, nämlich chemiſchem, wie auch auf mikroſkopiſchem Wege geführt werden kann, nämlich auf chemiſchem durch Glühen, im Fall der Anweſenheit von Dammerde, würde ſchnell eine weißliche oder kalihaltige Aſche ſich bilden, oder wenigſtens, wenn auch zugleich färbendes Eifenoryd vorhanden wäre, eine Aenderung in der Struktur vorgehen, und auf mikroſkopiſchem Wege durch Nachweiſung der etwaigen Reſte von Pflanzenzellen oder Gefäßen oder Skeletten kleiner Infuſorien, die ſich ſelbſt noch in der Aſche erkennen laſſen würden. Ich habe mehrfach ſolche ſchwärzliche, mit ſcheinbar vegetabiliſchen äſtigen Subſtanzen erfüllte Achate unter dem Mikroſkop unterſucht, aber nicht eine Spur von der gedachten Struktur erkannt. Geglüht verloren die Achate zwar ihre Durchſichtigkeit, indem ſie ihre Eigenſchaft als Kieſelhydrat einbüßten, aber die erwähnte Veränderung, welche auf Gehalt von Kali ſchließen ließ, trat nicht ein, die ſchwarzen Stellen behielten ihre Farbe. Indem ich nun ein ſolches Stück zerſchlug, fiel aus einer Spalte eine kleine, ganz wie Erde ausſehende Maſſe heraus, die, unter das Mikroſkop gebracht, keine Struktur zeigte, und, mit dem Löthrohr behandelt und in Natrum geſchmolzen, ein in der Hitze grünliches Kügelchen lieferte, welches auch erkaltet noch eine, wenn auch nur ſehr ſchwache Färbung bei— behielt, ſich alfo als Eiſenoxyd auswies. Das in der Kieſellöſung enthaltene Eifenoryd hatte ſich hier offenbar mechaniſch zu mehr oder minder feſter Maſſe durch Sinterung vereinigt. 2) Algen-, Flechten - oder Moos- ähnliche Einſchlüſſe. Die algenartigen Gebilde, welche in den Chalcedonen, insbeſondere in denen von Oberſtein vorkommen, welche wir zunächſt vorzugsweiſe im Auge behalten, laſſen ſich mit verſchiedenen Abtheilungen der Algen ver— gleichen, die röthlich körnigen, mit einem mehr oder minder deutlichen Hof umgebenen oder auch hofloſen Gebilde, mit Protococcus-Kügelchen, wofür fie Turpin erklärt, blattartige, mit den Noſtochineen oder Ul— vaceen, fadige mit den Conferven, auch wohl gar mit den Florideen. Keine Form iſt häufiger, als die erſtere. Herr Müller hat fie auch beobachtet und einige Zeichnungen davon unter Fig. 3 geliefert. Dieſe dem un: bewaffneten Auge ſchon als purpurrothe Kügelchen ſichtbare Körperchen finden ſich überaus häufig, ſo daß ſie vielleicht nur in wenigen Chalcedonen, mit Ausnahme der ganz waſſerhellen, fehlen, entweder in der weißen, durch⸗ 18 * 140 ſichtigen Maſſe zerſtreut oder in den feftungslinienartigen oder Zickzackzeichnungen, welche fo häufig in den Achaten vorkommen. Von mikroſkopiſcher Kleinheit bis zu 40 — Ya" Diürchmeſſer, find fie bald flach, kreis⸗ förmig, länglich oder rundlich, eckig, wahrhaft vielgeſtaltig, mit nicht gleichförmiger, ſondern bröcklicher, wie angefreſſen ausſehender Oberfläche von ſehr verſchiedener Größe, welche Form Herr Müller nicht erwähnt, ſel— tener regelmäßig rund und noch ſeltener auf die verſchiedenartigſte Weiſe mit einem dem runden, in der Regel rothen, manchmal gelblichrothen Kern gleichgeſtalteten blaſſeren Hofe umgeben. Der Durchmeſſer des Kernes übertrifft in der Regel den des Hofes, welcher auch häufig durchbrochen erſcheint, durch die austretende rothe Maſſe, die ſich in einzelnen Parthien ausbreitet. In ſelteneren Fällen fehlt der Kern ganz, und war auch nie vorhanden, wie der vollſtändig erhaltene Hof bezeugt. Häufig jedoch nicht immer ſieht man in der Mitte des rothen Kernes wieder einen kleinen ſchwarzen Punkt. In einem Exemplare fand ich auch 2 bis 3 Linien breite regelmäßige Kreiſe, in denen jene kleine rothe Partikelchen des Kernes wie in einer Flüſſigkeit ſchwim⸗ men. Im Achat mit recht vielen Strömungsſtreifen oder konzentriſchen, die zu verſchiedenen Zeiten erfolgte Ablagerung der Kieſelerde beweiſenden Linien, ſind die Kügelchen in der Regel nicht rund, ſondern z. B. in einem ausgezeichnet inſtruktiven Exemplare länglich in den verſchiedenartigſten Formen, alle in der Längenachſe gelagert, mit entſchieden korrodirter Oberfläche, bruchſtückartig, die ſich namentlich auch linienartig in einer Linie Länge an einander reihen, ſo daß man die Wirkung der Strömung der ſtarken Bewegung der einſt flüſſigen Maſſe nicht verkennen kann, während ſie in der zwiſchen dem Zickzack, alſo damals weniger bewegten Maſſe mehr rundlich erſcheinen. — Manchmal, werden jene länglichen Formen auch eckig, als wenn fie durch Ver⸗ witterung aus kubiſchen oder dodekaedriſchen Kryſtallen entſtanden wären. Daß dies nicht ganz unmöglich iſt, zeigen mehrere ausgezeichnete Exemplare meiner Sammlung, in welchen ſich viele rothe, regelmäßig faſt Linie dicke kubiſche Kryſtalle in hellem, von rothen Punkten umgebenen Chalcedon, ſo wie auch Pyretoeder befinden, die höchſt wahrſcheinlich aus in Eiſenoxyd verwandelten Schwefelkieskryſtallen beſtehen, ein Vorkommen, welches ich auch bei einem Achate beobachtete, den mir mein verehrter Freund Herr Nöggerath unter Andern zur Unterſuchung übergab. Wenn zufällig längliche Körperchen auf kugliche zu liegen kommen, nimmt das Ganze eine Kreiſelform an, nicht unähnlich den von Herrn Müller a. a. D, unter Fig. 10 m o p abgebildeten und mit Charenfrüchten verglichenen Formen. Manchmal ſitzen kleinere gleichgebildete auf einem größeren, wodurch je nach ihrer Lage auf denſelben wunderliche Gebilde zum Vorſchein kommen, die kleinen warzigen Beeren, wenn ſie auf der ganzen Oberfläche ſitzen oder manchen Pollenkörnern gleichen, wenn fie zu 3 —5 in regelmäßigen Entfernungen ſich auf ihnen befinden. Einige ſcheinen ferner wie aus mehrfach übereinandergeſetzten Scheiben zu beſtehen und erinnern ſo an die merkwürdige Form der bekannten Steine von Imatra (Parrot in Mém. de l’Acad. imp. de St. Petersb. T. V. Bullet. d. la societé geol. de France. Sec. Ser. 1844 — 45. p. 218. T. 4. f. 10). Noch andere beſtehen aus einem inneren hellbräunlichen durchſcheinenden Kern, um welchen ſich eine dunklere Schaale wölbt, nach deren Zerreißen der Kern hervortritt, welcher, wenn er namentlich noch mit der äußeren Schaale in Verbindung bleibt, ganz ſo erſcheint, wie es Herr Müller a. a. O. Fig. 11 e K i abbildet. Jedoch die unregelmäßige Form, die bei den meiſten wieder hervortritt, kann es nicht geſtatten, hierin ur⸗ ſprüngliche organiſche Geſtalten zu erkennen. Uebrigens gehört dies Vorkommen zu den größten Seltenheiten, indem ich es nur in einem einzigen Stücke Chalcedon, aber in demſelben auch in der größten Mannig⸗ faltigkeit beobachtete. In andern Stücken ſieht man in den Fällen, wo offenbar ein ſtarker Druck auf die nahe an einander liegenden Kügelchen einwirkte, eine zellenähnliche Bildung, die endlich auch wohl ganz verſchwindet und in ein⸗ fach roth gefärbten Karneol übergeht, deſſen rothe Farbe in den meiſten Fällen, wenigſtens in den in Oberſtein vorkommenden Exemplaren, ſo viel ich zu erlangen vermochte, wohl durch jene rothe Kügelchen vermittelt wird. Wenn ſie einzeln liegend eine ſtarke Quetſchung erlitten, entſtanden unregel⸗ mäßig zackige Formen, Fig. 2. a—g des Herrn Müller, welche aber mit der gerade durch ihre regelmäßige 141 Bildung ſich auszeichnenden Micrasterias jedoch gar nicht zu vergleichen find. Auch an Nostoe iſt nicht zu denken, weil die für Nostoc fo charakteriftifche perlenſchnurartige Anordnung der an einander gereihten kugli— chen Kernzellen nicht vorhanden iſt. Herr Müller, welcher eben nur die regelmäßigen Formen dieſer Kügelchen erwähnt, welche aber, wie ſchon erwähnt, faſt in jedem Stücke durch zahlloſe Mittelformen in unregelmäßige, längliche, eckige, linienförmige, ja ſelbſt häutige Gebilde durch Aneinanderreihung oder, richtiger, Preſſung über— gehen, enthält ſich einer näheren Deutung dieſer merkwürdigen Gebilde, ſcheint ſich aber doch mehr für ihren organiſchen Urſprung zu erklären, gedenkt der Aehnlichkeit derſelben mit einer Beere, wiewohl das häufige Vorkommen derſelben auf kleinem Raume und der Mangel anderer organiſcher Gebilde dagegen ſpräche, und fragt zuletzt, ob man ſie nicht auch einem Waſſerthiere zuſchreiben könnte, in welchem Falle dann jener ſchwarze Kreis jedenfalls irgend ein Organ, wie z. B. den Magen, repräſentirte. Ich wundere mich, daß Herr Müller nicht an pflänzliche Gebilde dachte, welchen in der That die regelmäßigen, von ihm beſchriebenen und von mir auch beobachteten Formen auffallend ähnlich erſcheinen, an die Protococcus- Arten, wofür fie ſchon, wie ich bereits oben anführte, Turpin erklärte, und mit denen ſie beim erſten Anblicke, nament— lich mit den weiteren Entwickelungsſtadien derſelben, ſehr große Aehnlichkeit zeigen. (Man vergleiche nur in Kützing Phycolog. gener. Protococcus viridis T. III. Fig. VII. 1, oder den ſogar mit einem ähnlich rothgefärbten Kern verſehenen Protococcus umbrinus, T. VII. Fig. II. 2, 3, oder in Deſſelben Abhandlung über die Verwandlung der Infuſorien in niedere Algenformen, S. 16, Fig. II. 10, ſo wie die erſten Formen des Protococcus pluvialis, den mein geehrter Freund Herr v. Flotow beobachtete. Julius v. Flotow über Protococcus pluvialis Acta Acad. Caes. L. C. Nat. Cur. Vol. XX. P. IL Tab. XXIV. Fig. 3. 4. 6. 8. 9.) Jedoch abgeſehen von der Unwahrſcheinlichkeit, daß ſich jene ſo überaus zarte organiſche Farbe noch im foſſilen Zuſtande erhalten haben könnte, konnte ich niemals, trotz der ungeheuren Menge, in welcher dieſe Körnchen in allen rothen Achaten ſich vorfinden, auch nur eine Spur einer höheren Entwickelungsſtufe, wie etwa eine Selbſttheilung oder Bildung von Zellen, in denſelben wahrnehmen, wie ſie bei den genannten Pflan— zen ſtattfindet, viel häufiger ſah ich offenbar, in Folge der Zerquetſchung derſelben, eine wenigſtens dem unbe— waffneten Auge gleichmäßige rothe Färbung entſtehen, in der ſich alle mögliche Nüancen zeigten, von der ſechs—⸗ ſeitigen zellenähnlichen Bildung, in Folge der Zerdrückung der einander überaus genäherten Kügelchen, bis zum allmäligen Verſchwimmen des Inhaltes in eine ziemlich gleichförmig rothe Maſſe. Wenn nun der Mangel jener weiteren Entwickelungsſtadien, trotz vielfacher äußerer Aehnlichkeit, ſo wie der allmälige Ueber— gang dieſer rundlichen, regelmäßigen Formen in gänzlich unregelmäßige Geſtalten, als ein Hauptgrund gegen ihren organiſchen pflänzlichen Urſprung, geltend gemacht werden konnte, ſo hielt ich dieſen Beweis dennoch nicht für ausreichend, ſondern glaubte auch jedenfalls, um hierüber völlig ins Reine zu kommen, noch die chemiſche Unterſuchung dieſer Gebilde in Anwendung bringen zu müſſen. Herr Müller a. a. O. S. 303 überſieht die Nothwendigkeit dieſes Unterſuchungsweges, indem er, freilich von der Anweſenheit der organiſchen Subſtanz überzeugt, die im Chalcedon enthaltenen Pflanzen als eine vierte Art des Vorkommens der foſſilen Pflanzen den drei von mir aufgeſtellten Zuſtänden hinzufügt und meint, daß die Pflanzen in dieſem Stadium gar keine chemiſche Veränderung erlitten hätten, ſondern eingebettet in der urſprüng⸗ lich weichen Maſſe des Chalcedons, abgeſchloſſen von der atmoſphäriſchen Luft und allen chemiſchen Agentien, ähnlich wie die Inſekten im Bernſtein und Kopal enthalten wären. Sie befänden ſich nur in etwas gepreß— tem Zuſtande und ihre Subſtanz ſei noch ganz die urſprüngliche. Unter dieſen Umſtänden konnte man, ſelbſt nach der hier freilich nicht ausgeſprochenen, aber doch klar hieraus hervorgehenden Anſicht des Herrn Müller, nur von der chemiſchen Unterſuchung Entſcheidung hoffen. Wenn nämlich jene rothen Punkte, bei heftigem Feuer geglüht, ſich ſchwarz färbten und gänzlich verſchwänden, würde über ihren organiſchen Urſprung kein Zweifel übrig ſein. Um nun zur Verbrennung dieſer im feſten Geſtein eingeſchloſſenen Bildungen hinreichend Gelegenheit zu geben, 142 wurden fie mit einem fauerftoffreichen Körper mit Braunſtein zuerſt 1½ Stunde, und darauf, umgeben oder eingehüllt in Blutſtein, noch eine Stunde in einem Platintiegel, unter Hülfe des Seefſtrömſchen Gebläſes, und dann auch von dem Sauerſtoffgasgebläſe ſelbſt geglüht und darauf unverändert befunden. Die meiſten waren roth geblieben, einige nur ſchwarz geworden. Der Zuſammenhang und die runde Form derſelben erſchienen auch oft geſtört, wie auch die übrige Maſſe faſt ihre ganze Durchſichtigkeit und zum Theil auch ihren Zuſam⸗ menhang verloren hatte, da das Waſſer, welches bekanntlich die Achate enthalten, verſchwunden war. Aus demſelben Grunde hatten auch jene runden, im Achat eingebetteten, alſo auch waſſerhaltigen Kügelchen oft ihren Zuſammenhang eingebüßt. Der anorganiſche Urſprung jener nur aus Eiſenoxyd beſtehenden Partikelchen war alſo wohl nicht in Zweifel zu ſtellen. Offenbar hatten ſich dieſelben in Folge der Bewegung abgeſondert, wie denn auch die größte Menge in den feſtungslinienartigen Zeichnungen abgelagert erſcheint, welche die Rich- tung der Strömung andeuten. Bei Vorhandenſein von Luft bildet ſich ein Hof um die Kügelchen, welcher auch bei allen in Folge von Zuſammenſinterung zum Beweiſe dieſer Behauptung verſchwunden war. Daß übrigens die rothe Farbe des Karneols nicht organiſchen Urſprungs iſt, ſondern durch Eiſen, wahr⸗ ſcheinlich durch das Oxyd deſſelben, hervorgebracht wird, hat ſchon fräher W. Heintze (Poggendorff's Annal. Bd. 60. S. 519 u. f.) nachgewieſen, und durch dieſe Unterſuchung zugleich gezeigt, daß die von Gaultier de Claubry (Ebendaſelbſt Bd. 26. S. 562) dort angeblich entdeckte organiſche Materie darin nicht vorhanden iſt. Auch die zahlreichen Verſuche, welche mein geehrter Freund Duflos mit ſchön roth gefärbten Oberſteiner Chalcedonen anſtellte, lieferten kein anderes Reſultat, jedoch muß man ſich hüten, hierzu geſchliffene Karneole zu wählen, in deren Maſſe ſtets immer noch eine, wenn auch nur geringe Menge des fetten, zum Schleifen verwendeten Oeles gedrungen iſt, welches dann nur zu falſchen Reſultaten Veranlaſſung geben kann. Gaultier de Claubry arbeitete mit ſolchen und mag wohl die Reinigung derſelben mit Kaliflüſſigkeit nicht ganz vollſtän⸗ dig bewirkt haben. Wiewohl ſich nun, meiner Meinung nach, gegen die Wahrſcheinlichkeit dieſer Behauptung nicht viel einwenden laſſen dürfte, wollte ich mir über die Entſtehung dieſer Gebilde aus Eifenoryd Anſchauung ver⸗ ſchaffen, und brachte friſch gefülltes Eiſenoryd in erwärmte Gallertlöſung, ſchüttelte das Gemiſch eine Stunde lang und ließ es dann, ins Eis geſetzt, plötzlich erkalten. Ich fand nun das Eifenoryd in der mannigfaltig⸗ ſten Form in zerriſſenen unregelmäßigen eckigen Flecken, hie und da aber auch in rundlichen, jenen im Chalce⸗ don enthaltenen ähnlichen Kügelchen wieder. Noch bemerke ich, daß jene rundlichen Kügelchen und Flecken ſich auch hie und da in einer andern, der des rothen alten Sandſteins angehörenden Formation vorkommenden achatiſirten Staarſteinen vorfinden, unter andern ganz beſonders ſchön in den parenchymatöſen Zellen der Gefäßbündel eines Psaronius Helmintholi- thus, wie auch in manchen achatiſirten Koniferenhölzern derſelben Formation. Ich beſitze unter andern ein prächtiges Stück dieſer Art aus der Gegend von Chemnitz, welches im Querſchliff rothe flammenartige Strei⸗ fen im faſt waſſerhellen Chalcedon zeigt, und recht augenſcheinlich beweiſt, daß jenes rothe Eiſenoryd, wenn ſonſt eine organiſche Form vorhanden war, die es aufnehmen könnte, vollkommen geeignet erſchien, die orga⸗ niſche Form zu erhalten und ſpäter auch noch erkennen zu laſſen. Denn jene flammenartigen Streifen befte- hen aus lauter Holzzellen und Markſtrahlenzellen, die durch das ſchön roth gefärbte Eiſenoxyd ausgefüllt wurden, obwohl das Holz offenbar, wie die gewundene und verzerrte Richtung der Faſern beweiſt, ſchon in ſehr verrottetem Zuſtande verſteinerte, dennoch Zelle für Zelle ſtreng begränzt von einander unter dem Mikroskop unterſchieden werden können. Fadenartigen röhrigen, mehr oder weniger zylindriſchen Gebilden hat man oft den Namen von Conferven ertheilt. Hr. Mäller bildete auch dergleichen rundliche Röhren (Fig. 1) und glaubte in der einen, wiewohl nicht ohne Zweifel ſogar ſpiraligen Anordnung des Inhaltes, wie im Innern der Zellen der jetztweltli⸗ 145 chen Spirogyra zu ſehen. Ein Hauptkennzeichen, die Gliederung, die Wandungen der einzelnen, in Längs⸗ reihen verbundenen Zellen, wird nicht erwähnt, und ſcheint weſentlich nothwendig, wenn von Conferven die Rede ſein ſoll. Dergleichen rundliche, aber immer unregelmäßige, an keine organiſch vegetabiliſche Form erinnernde Röh— ren, deren Begränzung nur durch zarten ſchwärzlichen pulverförmigen Staub in der Chalcedonmaſſe geſchieht, die innerhalb und außerhalb dieſer Röhre gleichgebildet durchſcheinend ſind, ſah ich bei weitem am ſeltenſten, am häufigſten zylindriſche oder rundliche Röhren, in deren Mitte eine mehr oder minder zuſammenhängende ſchwärzliche Maſſe als innerſter Kanal erſcheint, deſſen Umgebung in verſchiedenen Abſtänden von etwa ½ Lin. bis 1 Zoll, von verſchieden gefärbten, mehr oder minder mit jenem inneren Kanal parallel laufenden Strei— fen eingefaßt iſt, die im Querſchnitt als eben ſo viel in einander geſchachtelte Röhren erſcheinen. Man ſieht an der Art der Ablagerung der ſchwärzlichen oder röthlichen, ganz mit den oben beſchriebenen übereinſtimmen⸗ den Körperchen, welche ſich in den Umgebungen jenes Kanals befinden, daß fie in Folge heftiger wellenförmi— ger Bewegung, in welcher ſich die ganze Maſſe vor ihrer jedenfalls zu verſchiedenen Zeiten erfolgenden Erſtar— rung befand, abgelagert wurden, wie man heut noch am ſandigen Ufer von Flüſſen körnige Maſſen, wie Sand u. dgl. in verſchiedenen Abſtufungen der Größe längsreihenweiſe angeordnet ſieht. Das bewegende Moment waren hier Gasentwickelungen, unſtreitig die im Ueberfluß vorhandene Kohlenſäure, welche frei wurde, als das durch ihre Vermittelung aufgelöſte doppelt kohlenſaure Eifenorydul oder Oxyd in einfaches überging und ſich ausſchied. In dieſen blaſigen, durch Entwickelung von Gas bewirkten Raum drang nun die weniger fein zertheilte Maſſe und bildete ſo gewiſſermaßen das Centrum der Ablagerung, während ſich die andern um ihn herumlagerten, weswegen ich dieſe urſprüngliche Röhre auch den Infiltrationskanal nenne. Indem nur unter Einwirkung des Druckes die Gasblaſen die mannigfaltigſte Ausdehnung erlitten, bildeten ſich zugleich die wun— derlichen, aber immer unregelmäßigen Verzweigungen dieſer, oft Conferven und Flechten ähnlichen Röhren, deren Endigungen nach meinen Beobachtungen immer rundlich, oft kolbenförmig aufgetrieben find, was, mei— ner Anſicht nach, ſehr für die oben genannte Entſtehungsweiſe ſpricht. Wenn wir nun auch in ein und der— ſelben Röhre zuweilen um den Infiltrationskanal zwei- bis dreifach verſchieden gefärbte konzentriſch angeordnete Ausfüllungen ſahen, ſo darf dies nicht überraſchen, da in allen ſolchen Ablagerungen die Neigung zur konzen— triſchen Anordnung vorherrſcht, und dies gewiſſermaßen als ein allgemeines Naturgeſetz zu betrachten iſt. Ich erinnere nur, außer an die Bildung der Achat- oder Chalcedonkugeln, überhaupt auch an die des Erbſenſtei⸗ nes, an die des ſtenglichen rothen und ſchwarzen Glaskopfes und an die noch in unſerer Zeit vor ſich gehen— den des Raſeneiſenerzes und das des röhrigen Thoneiſenſteines, die alle um ein Centrum von verſchiedener Beſchaffenheit, wie die Umſtände eben darbieten, gelagert ſind. Manchmal bilden ein Haufwerk ſolcher einzel— ner Röhren das Centrum, um welche ſich die konzentriſchen Schichten der übrigen Chalcedonkugeln lagerten, wie ein ebenfalls vor mir liegender Querſchliff zeigt, innerhalb deſſen konzentriſche Ablagerungen noch ein paar kleine, ebenfalls gelagerte Centra ſich befinden. Daß übrigens wirklich jene konzentriſchen Ablagerungen, wie man ſie im Chalcedon oft von außerordentlicher Zartheit ſieht (ich konnte in einigen Exemplaren in der Breite einer Viertellinie an 80 erkennen), zu verſchiedenen Zeiten erfolgten und eben deswegen eine verſchiedene Dich— tigkeit beſizen, zeigt ein intereſſantes, zuerſt von Herrn v. Kobell (Amtl. Bericht über die 28ſte Verſamml. deutſcher Naturforſcher und Aerzte in Nürnberg im September 1845. Nürnberg 1846. S. 143) angeſtelltes und von mir mit demſelben Erfolge wiederholtes Experiment, nämlich die Behandlung geſchliffener Achate mit Flußſäure. Die Flußfäure greift die verſchiedenen Streifen nicht gleichförmig an, fo daß insbeſondere die etwas weißlichen, an der Gränze der einzelnen Lagen befindlichen Streifen erhaben erſcheinen und ſich leicht auch durch das Gefühl unterſcheiden laſſen. Auch glaube ich ſtets wahrgenommen zu haben, daß ſich röhrige Ge— bilde der obigen Art nie aus einer konzentriſchen Maſſe in die andere erſtrecken. Bei der großen Menge vor= handenen Eifenorydes geſchah es nur ſelten, daß dergleichen Blaſengebilde leer erſcheinen und ſich wegen gleich— zeitigem Mangel an Gaſe auch nicht erſt zur Röhrenbildung erſtreckten, was ich auch, wenn nur ſelten, beob- 144 achtete. Auf eine anderweitige Urſache jener Röhrenbildungen, auf die Neigung der Kieſellöſung ſich in ſtalaktitiſcher Form abzulagern, macht Herr Steininger aufmerkſam, die ſich bildeten, ehe noch die Drufen- räume, worin ſie vorkommen, mit Chalcedonſubſtanz ausgefüllt wurden. Er beſitzt eine ſolche Achatkugel von Oberſtein, welche ſich ſpäter nicht ganz ausfüllte und nun eine unzählige Menge ſtalaktitiſcher Quarzfäden enthält, die, nach jeder Richtung gebogen, auf ihrer Oberfläche mit kleinen Quarzkryſtallen beſetzt ſind. Mit Recht meint er, daß dieſes Exemplar die Bildung der Röhren und Moosgchate am beſten erläutere und zu— gleich zeige, daß man ſich keinesweges vorſtellen müſſe, als ſei die Achatinfiltration in den Höhlungen der Mandelſteine ſtets von einem Punkte ausgegangen. Am ſeltenſten ſah ich vereinzelte längliche, einfache, nur zuweilen mit ſeitlichen Fortſätzen verſehene, ſonſt zylindriſche zarte, ſogar noch grünlich braune Röhren in deren Mitte, aber niemals ein durch eine zarte ſchwarze Linie bezeichnete Kanal fehlte, jener Infiltrationskanal. Hierher gehört auch die Form, welche Herr Adolph Brongniart (Hist. d. Vegetat. fossil. I. Tab. I. f. 6) abbildet, die einen Anſchein von regelmäßiger Veräſtelung darbietet, fo daß Herr Brongniart einen Augenblick geneigt ſcheint, fie mit einigen kleinen Algen, wie etwa Bangia atropurpurea, zu vergleichen, jedoch ſie, wie die übrigen, endlich dennoch für Infiltrations⸗ produkte erklärt. Hierzu veranlaßten ihn unſtreitig die vielen Uebergangsformen, die man zugleich antrifft, und von ihm Fig. 8 völlig naturgetreu dargeſtellt werden. Die Wände jener Röhren werden durch pulverförmi— gen, zartgrünen, röthlichen oder ſchwärzlichen Staub gebildet, deſſen Urſprung man vom Infiltrationskanal aus, wie ſchon erwähnt, deutlich verfolgen kann, oder ſie erſcheinen auch geradezu als Blaſen, welche manchmal durch ihre kurzlängliche, ſtellenweiſe bis zum Infiltrationskanal zuſammengezogene Form den Bau mancher, aus linienförmigen, aneinandergereihten Zellen beſtehenden Conferven nachahmen; der ſichtlich vorhandene Infiltrations— kanal, an welchem dieſe Blaſen, wie an einen Stiel, ſo zu ſagen, aufgehängt ſind, kann aber dem unbefange— nen Beobachter zu keiner Täuſchung Veranlaſſung geben. Dies Vorkommen aber gehört eben zu den größten Seltenheiten, indem ich es nur ein einziges Mal beobachtet habe und als eines der wichtigſten Stücke dieſer Art in meiner Sammlung aufbewahre. Am häufigſten ſind jedoch dieſe fadenartigen Gebilde bei mikroſkopi⸗ ſcher Betrachtung völlig unregelmäßig unter einander verzweigt (vergl. Brongniart a. a. O. t. I. f. 7.), der Infiltrationskanal zylindriſch oder höckerförmig, mit und ohne blaſenartige Umgebungen, von der mannigfaltig⸗ ſten zylindriſch länglich eckigen Geſtalt. Dieſe blaſenartigen Bildungen beſtehen dann oft aus mehrfachen kon— zentriſchen Kreiſen, in denen jene ſchwärzlichen oder auch röthlichen Körnchen, die ich oben beſchrieben habe, in verſchiedenen Abſtufungen der Größe um das Centrum, den Infiltrationskanal, gelagert ſind. In einem prächtigen Exemplare einer Oberſteinſchen Chalcedonkugel iſt das Innere der feſtungslinien⸗ artigen Streifen ſchön roth durch die oben beſchriebenen Kügelchen gefärbt, die Linie ſelbſt milchweiß, und zwi— ſchen ihnen liegen noch runde, „ —1 Zoll breite, ebenfalls weiß eingefaßte Röhren in der Mitte, mit dem % Linie breiten Infiltrationskanal, umgeben von jenen zierlichen rothen Kügelchen. Ob nun Herr Bowerbank, der, wie erwähnt, auch in den Oberſteinſchen Achaten Spongienſtruktur entdeckt haben will, wirklich Exemplare vor ſich gehabt hat, in welchen dieſelbe unzweifelhaft ſichtbar war, oder ſich durch die oben beſchriebene unregelmäßigere röhrige Geſtalt zu ſeiner Anſicht veranlaßt ſahe, vermag ich nicht zu entſcheiden, jedoch mit Beſtimmtheit zu behaupten, daß ich, da er ſich hierbei ausdrücklich auf die Textur der im Mittelmeere vorkommenden Schwämme (Spongia officinalis) beruft, die aus ſchon bei mäßi⸗ ger Vergrößerung leicht wahrzunehmenden, ſehr regelmäßig anaſtomoſirenden Röhrchen beſtehen, niemals derglei⸗ chen in Achaten von der genannten Lokalität wahrgenommen habe. In einem Exemplare, ebenfalls von Ober: ſtein, ſah er eine Menge kleiner durchſcheinender gelber Kügelchen, welche mit den kleinen Körnchen in den, die Faſern der Badeſchwämme einhüllenden, fleiſchigen Materie nach ihm die größte Aehnlichkeit haben und wahrſcheinlich beginnende Keime ſein ſollten. Dieſer Beſchreibung nach unterſchieden ſich dieſelben in nichts von den im Achat ſo zahlreichen vorkommenden Körnchen, von denen ich vielleicht oben ſchon zu weitläufig geſprochen habe. 5 6 145 Zuweilen beſitzen jene äftigen röhrigen Gebilde einen weißlich grauen Ueberzug, wodurch fie dann beim erſten Anblicke eine auffallende Aehnlichkeit mit Flechten aus der Gruppe der Usneen und Cladonieen er: halten. Jedoch die Aehnlichkeit verſchwindet, wenn man die gänzlich unregelmäßige Verzweigung der Aeſte, den gänzlichen Mangel jeder dieſen Gattungen ſonſt eignen Symmetrie beachtet, der hier ftattfindet. *) Hierher gehören vielleicht die Charenfragmente, deren Herr Müller S. 203 der gedachten Abhandlung erwähnt. Die von ihm daſelbſt gegebene Beſchreibung, es ſeien äſtige, gelblichgrüne, durch einander gewor—⸗ fene, aber auch aſtloſe, wie mit Kalk inkruſtirte Stengel, ſpricht für meine Vermuthung, nicht aber für Cha⸗ renfragmente, wie mir Herr Müller wohl ohne Weiteres ſelbſt zugeſtehen wird, da er gewiß die charakteriſti⸗ ſchen Merkmale der Charen zu genau kennt, als daß ich nöthig hätte, hier darauf zurück zu kommen. Noch viel deutlicher zeigt jene konzentriſche Ablagerung in einer und derſelben Röhre ein Chalcedonge— ſchiebe meiner Sammlung aus der Trapp- oder Mandelſteinbildung bei Löwenberg in Schleſien, auf deſſen Oberfläche mehrere rundliche Vertiefungen ſichtbar waren, welche beim Spalten des Stückes ſich als die En= digungen von Y, Linie breiten, anfänglich wie Pflanzenäſte erſcheinenden Gängen zeigten. Sie anaſtomoſiren aber ſo unregelmäßig, daß an organiſchen Urſprung derſelben nicht gedacht werden kann. Dieſe Gänge ſind von vierfach verſchieden gefärbtem, deutlich geſchichteten Eifenoryd ausgefüllt; in der Mitte befand ſich eine ſchwärzliche, locker zuſammenhängende Schicht, worauf eine feſtere braune, dann eine blaugrüne und eine braunrothe zunächſt dem Geſtein folgte. Solche verſchiedene Farben ſieht man nicht ſelten in den dichttrau— bigen äſtigen Gebilden, welche nun, mehr oder minder zart, endlich in die Dendritenbildung übergehen, welche die Naturforſcher von jeher beſchäftigte, und auch das Intereſſe der Laien in hohem Grade in Anſpruch nahm. Zuweilen ſtehen auch dieſe Dendriten mit Infiltrationskanälen in Verbindung und verbreiten ſich dann ſehr zierlich und regelmäßig um ein ſolches Centrum, wohin ich die von Herrn Müller unter Fig. 4, 7 und 8 abgebildeten Exemplare rechne. In den bei weitem häufigſten Fällen ſtehen ſie mit Sprüngen in Verbin⸗ dung, oder, wenn auch dieſe fehlen, ſchwimmen ſie im Chalcedon wie in einer Flüſſigkeit. Am gewöhnlichſten ſind ſie ſchwarz oder braun, ſelten grün und noch ſeltener ſcharlachroth, von der Farbe mancher See-Algen, wie Delesseria. Die erſteren ähneln beim erſten Anblicke ungemein zarten Aeſtchen mancher Grimmia- und Trichostomum- Arten, und laſſen ſich übrigens in der ganzen Bildung von den in andern Geſteinen, wie Kalkſtein aller Formationen, ſelbſt Bergkryſtallen, Chryſopras, Opalen, fo häufigen Dendriten gar nicht unters ſcheiden, bei denen es jetzt wohl keinem Menſchen mehr einfällt, ſie für etwas Organiſches zu erklären. Eben ſo wenig wie in dieſen kann man in jenen bei der mikroſkopiſchen Betrachtung auch nur eine Spur von Blattſtruktur oder auch nur regelmäßig alternirend geſtellte Aeſtchen, wie wir fie bei Mooſen ſehen, ent— decken. Sie beſtehen gewöhnlich aus zartem pulverförmigen Staube, der gegen das Centrum der Bildung hin am dichteſten gehäuft erſcheint und an den Endigungen ſich in oft ſehr regelmäßigen Halbkreiſen endiget, oder auch aus braunen hautartigen, oft durchbrochenen Maſſen, wie erſtere Herr Ulex an oben angeführtem Orte beſchreibt, deſſen Beobachtungen über dieſe Bildung ich in jeder Richtung hin vollkommen beiſtimmen muß. Auch auf chemiſchem Wege, indem ich ſie eben ſo einem energiſchen Glühprozeſſe unterwarf, wie die Achate mit den rothen Kügelchen, habe ich eben ſo wenig, wie Herr Ulex, eine Spur von organiſcher Subſtanz nachweiſen können. Ich trete auch ſeiner Anſicht über die Entſtehung derſelben bei, indem er ſie aus der Neigung pulverförmiger Körper, ſich in gewiſſen Richtungen hin zu gruppiren, herleitet, wenn Bewegung von Außen das Mittel, in dem ſie ſich befinden, Raumveränderung zuläßt; Bedingungen, die hier in der, doch unzweifelhaft einſt flüſſigen, Kieſelmaſſe der Achate ſtattfanden. Mit Recht erinnert er hierbei an die bekannten Verſuche mit zwei geſchliffenen Glasplatten, zwiſchen die Oryd mit Gummiſchleim oder venetianiſchem Terz *) Ein Achat meiner Sammlung ſchien ebenfalls eine Flechte, ein Bruchſtuͤck eines Thallus, aͤhnlich etwa der Unterflaͤche von Parmelia pulmonacea, zu enthalten. Als ich aber das Stuͤck ſpaltete, zeigte es ſich, daß dieſe ſcheinbare Bildung nur durch Eiſenoxyd bewirkt worden, welches ſich über eine ziemlich regelmäßig lakunoͤſe Flaͤche des Chalcedons ausgebreitet hatte, wie ſie haͤufig zwiſchen den einzelnen Schichten deſſelben vorkommt. 19 146 pentin gebracht worden, wo dann, nachdem man fie von einander geriffen, den Dendriten frappant ähnliche Gebilde entſtehen; an die Bildung der Chladniſchen Klangfiguren, die Kryſtalliſationen des Glauberſchen Eiſen⸗ baumes, des Böttcherſchen Bleichloridbaumes, denen ich noch die des Gmelinſchen Salzes hinzufüge, als verwandte Erſcheinungen. Sehr gut gelangen mir die obigen Verſuche, als ich einige Tropfen ziemlich konſiſtenten, mit Eiſenoryd gemiſchten Kopalfirniſſes zwiſchen zwei Glasplatten brachte und dann die eine Platte allmälig, aber nur von einer Seite in die Höhe hob. Die ſchönſten dendritiſchen Bildungen ſchießen augenblicklich wie Kryſtalliſatio⸗ nen hervor, die unter andern auch darin noch mit den beſagten Dendriten übereinſtimmen, daß die Aeſte an der Spitze etwas breiter als unterhalb erſcheinen. Häufig verleitet auch gewiß die grüne Färbung der eben erwähnten Einſchlüſſe zu der Anſicht, in ihnen organiſche Reſte, die ſich noch ihrer natürlichen Farbe erfreuten, zu ſehen. Ich weiß ſehr wohl, daß mehrere Beobachter, wie z. B. Hr. v. Glocker, von einer Alge (Keckia annulata), noch Andere von Farrn⸗ kräutern behaupten, fie noch mit ihrer im Leben einſt eigenthümlichen grünen Farbe zwiſchen Erd- oder Ger ſteinſchichten angetroffen zu haben. Dagegen glaube ich aber bemerken zu müſſen, wie mich viele Verſuche lehrten, die ich, um die Art der Erhaltung der Pflanze im foſſilen Zuſtande kennen zu lernen, anſtellte, daß beim Einweichen der Pflanze in Waſſer nach nicht zu langer Zeit das Chlorophyll oder der grüne Farbeſtoff ſich bräunt, und ſich eher alle möglichen, zarteſten Strukturverhältniſſe, die ich ja ſchon in jeder Richtung hin nachgewieſen habe, erhalten, als die grüne Farbe. Prüfung auf chemiſchem Wege iſt ebenfalls leicht an⸗ zuſtellen durch Glühen und durch Behandlung mit Alkohol, der bekanntlich den grünen Farbeſtoff löſt. In allen mir bis jetzt zur Unterſuchung mitgetheilten Fällen war die grüne Farbe anorganiſchen Urſprunges, nicht bloß in den Chalcedonen, ſondern auch bei Farrnkräutern verſchiedener Formationen und Algen aus der Kreide⸗ Formation, und Niemand hat bis jetzt die oben angeführten Angaben auf dieſe Art bewieſen. Jedoch außer dieſen dendritiſchen Gebilden, die man mit Vegetationstheilen der Algen und Mooſe ver— glich, glaubte man auch höhere Organe der Letzteren im Chalcedon zu finden. So erwähnt Herr Müller einer periſtomloſen Mooskapſel von der Geſtalt des Hypnum in einem Achat von Oberſtein, jedoch von einer Menge ſogenanter Dammerde umgeben, daß etwas Näheres über ihren Bau nicht ermittelt werden konnte, weswegen er auch wohl keine Abbildung lieferte. Ich habe zwar daher hierüber kein Urtheil, da ich das er— wähnte Exemplar nicht ſehen konnte, will aber nur hierbei, namentlich durch das Studium der Bernſtein⸗ Einſchlüſſe mit einigen Erfahrungen verſehen, auf die täuſchende Aehnlichkeit hinweiſen, welche oft Blaſenräume annehmen. Ich erlaube mir, auf die in dem von mir und Herrn Dr. Berendt in Danzig herausgegebenen Werke „über die organiſchen Ueberreſte im Bernſtein, Th. VII. Fig. 17, 20,“ gelieferten Abbildungen von ſolchen Blaſenräumen zu verweiſen, welche Fig. 18 — 20 Algen (Sphaerococcus), Fig. 23 Pilze, Fig. 21 und Fig. 22 Jungermannia und Fig. 24 eine Buxbaumia täuſchend nachahmen, von denen namentlich die letztere mich lange in Zweifel ließ, bis ich endlich am Stiel die weitere Fortſetzung der Blaſe in einen andern, ganz unregelmäßigen Blaſenraum bemerkte. Geſtützt auf dieſe Erfahrungen, welche, trotz der Verſchiedenheit des Materiales, doch jedenfalls auch bei der einſt eben ſo flüſſigen Chalcedonmaſſe und den darin vorkommenden Einſchlüſſen in Betracht kommen, möge mir es Herr Müller verzeihen, wenn mir das Vorhandenſein einer wahren Mooskapſel noch etwas zweifelhaft erſcheint. Wohin aber die Fig. 10. a. s. abgebildeten, in einem ſibiriſchen Chalcedon enthaltenen wunderli⸗ chen, einer Charenfrucht doch nur ſehr entfernt ähnlichen Bildungen gehören, vermag ich nicht zu entſcheiden, jedoch möchte ich wohl behaupten, daß es keine vegetabiliſche Frucht iſt. Herr Müller betrachtet ſie als ovale ſaftige Körper von vielleicht thieriſchem Urſprunge, welche von Außen mit einer rothgegürtelten Tunica umge⸗ ben und innerlich mit gelbem Mark erfüllt geweſen ſeien. Wenn alſo hier in dieſen Fällen das Eiſenoryd im Innern der Chalcedonmaſſe zu ſo mannigfaltigen Bildungen Veranlaſſung giebt, ſo trägt es auch manchmal dazu bei, ganzen größeren Maſſen das Aeußere 147 von organiſchen Körpern zu verleihen, wofür ich ein ausgezeichnetes Beiſpiel anführen kann. Mein verehrter Freund Herr Nöggerath beſitzt die Hälfte einer prächtigen, inwendig hohlen, mit bläulichen Quarzkryſtallen ausgekleideten Chalcedonkugel von 8 Zoll Breiten- und 6 Zoll Längen-Durchmeſſer aus Oberſtein, auf deren inneren Durchſchnittsfläche ſich eine 4 Zoll lange, 1½ Zoll breite wulſtige Erhabenheit von grau gelblicher Farbe befindet, die einem mit einem Aſtknoten verſehenen verſteinerten Holzſtücke ſo täuſchend ähnlich ſieht, daß gewiß Jeder, auch der Ungläubigſte, ohne nähere Unterſuchung ſie dafür erklären muß. Als ich aber ein Stück davon abſchlug, ergab es ſich, daß nur mit etwas Kalk vermiſchtes Eiſenoxyd, welches in mehreren La— gen zwiſchen die weißlich durchſcheinende, gänzlich ſtrukturloſe, keine Spur von Zellenbildung zeigende, Maſſe des Chalcedons gedrungen war, dieſe täuſchend ähnliche Bildung bewirkt hatte. Wenn ich nun alſo als Reſultat dieſer ganzen Unterſuchung behaupten muß, daß ich bis jetzt in den Achaten zu Oberſtein noch nichts Organiſches beobachtet habe, ſo tragen auch die dort obwal— tenden geognoſtiſchen Verhältniſſe weſentlich dazu bei, dieſem Reſultate hohe Wahrſcheinlichkeit zu verleihen, worauf ich ſchon in der Einleitung hindeutete. — In anderen Orten verhält ſich dies vielleicht anders, und insbeſondere fordere ich, wie ſchon oben erwähnt wurde, die engliſchen Botaniker und Geologen auf, ſich über die angeführten Beobachtungen von Herrn Mac Culloch auszuſprechen, welche Bitte ich na— mentlich an Herrn Mantell richte, der in feinem neueſten Werke eine der merkwürdigſten, in Culloch's Abhandlung enthaltenen Pflanzenform entlehnt und ſich dabei nicht im Mindeſten zweifelnd bei Anführung dieſer Beobachtung ausſpricht, ohne aber des Mac Culloch namentlich zu erwähnen. In manchen Formatios nen, wie z. B. im rothen Todtliegenden, kommen achatiſirte Vegetabilien von einſtens holziger Beſchaffenheit häufig vor, krautartige aber gehören zu den größten Seltenheiten. Ich kenne von den letzteren bis jetzt in Chalcedonmaſſe nur einen Fall, und zwar ein fruchttragendes, wunderbar erhaltenes Farrnkraut, welches mein für die Wiſſenſchaft früh verſtorbener Freund Zenken zuerſt unter dem Namen Scolecopteris elegans bes ſchrieb und abbildete. (Linnaea 1837, p. 510 12. Tab. X. Die in allen Richtungen bruchſtückweiſe im gelbrothen Chalcedon wie eingekittet liegenden Fiederblättchen der Pflanze erſcheinen weiß und durchſichtig, wäh— rend die mehr oder minder durchſcheinende braunröthliche Maſſe die Zwiſchenräume erfüllt. Das Ganze hat daher das Anſehen, als wären porzellanähnliche Gewächstheile in einen durchſcheinenden gelbröthlichen, bräunli— chen Lack eingeknetet. Man kann deutlich das Parenchym der Blätter von ihren Adern und Nerven, die geſtielten Kapſeln, ſelbſt vielleicht noch die Sporen unterſcheiden. So viel ich weiß, find von dieſem nicht bloß in ſyſtematiſcher Hinſicht, ſondern auch ſeiner Bildungsverhältniſſe wegen merkwürdigen Foſſil nur 3 Exemplare bekannt, wovon das ſchönſte in der Jena'ſchen Großherzoglichen Petrefaktenſammlung, ein zweites in der des verſtorbenen würdigen Cotta, und ein drittes in der meinigen ſich befindet. Herr Profeſſor Dr. Göppert ſprach: Ueber den rothen Karbeſtoff in den Ceratophylleen. Meyen erwähnt im erſten Bande S. 184 ſeiner Phyſiologie bereits, wie ich früher überſehen hatte, daß das Vorkommen der blauen oder röthlichen Färbung des Zellenſaftes in einzelnen Zellen der Pflanzen ſehr häufig, namentlich bei Waſſergewächſen, unter andern auch bei Ceratophyllum, vorkomme, ohne aber näher darauf einzugehen. Da dies nun, ſo viel ich weiß, auch von Andern nicht geſchehen iſt, ſo möge man mir erlauben, Folgendes hierüber mitzutheilen: Die Blätter der Ceratophylleen find bekanntlich zwei- bis dreimal gabelſpaltig in fünf bis acht borftiiche Zipfel getheilt, die an den Seiten abwechſelnd mit ſtachelähnlichen, aus einer Zelle gebildeten Steifhaaren beſetzt ſind, wie auch zwei einander gegenüber an den Ecken und der Spitze des Blattes ſitzen. Zwiſchen dieſen letz⸗ teren Stacheln befindet ſich ein länglicher, ſtumpfer, die Seitenſtacheln an Länge einigermaßen übertreffender 19 * 148 Fortſatz, der aus drei Reihen rundlicher Zellen beſteht, die von denen des Blattes ſich durch ihre Form, Ges ſtalt und Mangel an grünen Körnern auszeichnen. Die Blätter ſind aus Parenchymzellen zuſammengeſetzt, die ſehr viel grüne Körner enthalten. In der Mitte der rundlichen Abſchnitte befinden ſich an der Baſis zwei bis drei, in den Endſpitzen ein Luftgang, der abſatzweiſe durch Zellen geſchloſſen iſt, wodurch das Blatt ein gegliedertes Anſehen gewinnt. In den entwickelten Blättern ſind ſowohl jene ſtumpflichen, zwiſchen den beiden Stacheln gelegenen Spitzen, wie auch einzelne, um die Luftgänge liegende Zellen durch das ganze Blatt hindurch ſchön violett gefärbt. Bei ganz alten Blättern verliert ſich in der ſtumpflichen Spitze die violette Farbe und verändert ſich in eine braune. Merkwürdigerweiſe iſt dies genannte Organ der anfängliche Sitz jenes Farbe: ſtoffes, der ſich von hier aus in die übrige Pflanze verbreitet, wie man deutlich an den jungen, an den End— ſproſſen befindlichen Blättchen oder an der Knospe wahrnehmen kann. Wenn nämlich die ſpäter 1— 1½ Zoll langen Blätter erſt ½ Linie lang find, in welchem Entwickelungsſtadium auch die ſeitlichen Stacheln noch fehlen, beſchränkt ſich die Anweſenheit der Farbe auf daſſelbe, iſt aber dann mit großer Intenſität als ſchönes, reines Violett vorhanden. Die Bildung beginnt bei 10 — Y, Linie Länge, wo das ganze künftige Blatt nur als eine ovale, mit einzelnen lappenartigen Hervorragungen verſehene Fläche erſcheint. In einem früheren Zu⸗ ſtande erſcheinen fie ganz ungefärbt. Durch Alkalien wird dieſer Farbeſtoff ſchwach blau gefärbt, durch Säu— ren die urſprüngliche Farbe wieder hergeſtellt. In der Pflanze ſelbſt habe ich ihn in blauer Farbe noch nicht beobachtet. Seine Verwandtſchaft mit dem Anthokyan geht aus obigem Verhalten wohl unverkennbar hervor. Zuerſt machte ich dieſe Beobachtung an dem bis jetzt in Schleſien nur an einem einzigen Orte, und zwar um Breslau gefundenen Cefatophyllum submersum; ſpäter auch bei dem hier überall gemeinen Ceratophyllum demersum, wiewohl die Farbe hier nicht ſo intenſiv erſcheint. In den Stengel geht ſie bei beiden Arten ebenfalls über. Ueber die Entwickelung der Farbeſtoffe in Pflanzen, die man bisher größtentheils nur von der chemir ſchen Seite aus beachtete, wiſſen wir zur Zeit noch wenig. Es wäre wohl möglich, daß ſich die Bildung von einem Punkte aus als allgemeines Geſetz herausſtellte. Der Herr Profeſſor Dr. Göppert lieferte eine Ueberſicht der botaniſchen, insbeſondere der Flechten-Sammlungen des Herrn Major v. Flotow in Hirſchberg, wie er ſolche im Anfange des Jahres 1846 kennen zu lernen Gelegenheit hatte. *) Die Sammlungen des Herrn Majors v. Flotow enthalten außer phanerogamiſchen Pflanzen der ſchle— ſiſchen Flora Leber- und Laubmooſe, vorzugsweiſe Flechten. Sie ſind das Reſultat eines mehr als dreißig— jährigen raſtloſen Fleißes, indem der Beſitzer bald nach der Wiederherſtellung von einer in der Schlacht bei Groß⸗Görſchen empfangenen ſchweren Wunde (Zerſchmetterung des oberen Theils des rechten Oberarmes) ſich mit dem Studium der letztgenannten Kryptogamen zu beſchäftigen begann, nachdem er bereits einige Jahre früher durch Neuſchild, einem verdienten Forſcher der märkiſchen Moos-Flora, für die Botanik überhaupt Intereſſe gewonnen hatte. Vom Jahre 1814 bis 1817 botaniſirte er im Rieſengebirge, in der Grafſchaft Glatz, um Wohlau, in den Ardennen, in der Gegend von Aachen, im Maasdepartement, 1818 bis 1819 in der Umgegend von Halle, 1820 bis 1823 in der Neumark um Landsberg a. d. W. und Soldin, und brachte ſo eine bedeutende Sammlung von Flechten zuſammen, welche er nach den damals allgemein verbreite⸗ ten Anſichten von Acharius und nach den von ihm herausgegebenen Schriften, insbeſondere ſeiner Synopsis ) Die hohe Bedeutung dieſer in ihrer Art einzigen Sammlungen mögen die Ausfuͤhrlichkeit dieſer Mittheilung entſchuldigen. 149 Lichenum. 1814, bearbeitete und ordnete. Dieſe Sammlung, welche mit dem Jahre 1823 abgeſchloſſen wurde, beſteht aus 140 einzelnen Paketen, wozu noch 196 Pakete Doubletten kommen. Auf jedem Paket iſt äußerlich die Gattung oder Art bezeichnet, welche es enthält, die ſelbſt in Papierkapſeln mit Angabe der Beſtimmung und des Fundortes in einzelnen Bogen liegen. Die Exemplare ſind wohl erhalten, und weder bei dieſen, als dem älteſten Theile der Sammlungen, noch in den ſpäteren, Spuren von Wurmfraß zu ent⸗ decken. Wie ſehr der Verfaſſer bemüht war, ſchon damals die verſchiedenen Formen, unter welchen die Flech⸗ ten erſcheinen, einer genauen Prüfung zu unterwerfen, zeigt die große, oben bereits angeführte Zahl von Dous bletten, die ebenfalls mit Beſtimmungen und ähnlichen Bezeichnungen wie in der Hauptſammlung verſehen ſind. Die weſentlichſten Reſultate jener damaligen Forſchungen, vermehrt durch Mittheilungen von Moſig (einem einſt in Görlitz lebenden Botaniker, welchem wir die Entdeckung mehrerer ſehr ſeltenen Flechten im Rieſengebirge verdanken), Günther, Curt Sprengel, Scheerer in der Schweiz, Schubert aus Norwegen, konzentrirt Herr v. Flotow in einer überaus werthvollen Sammlung, die aus 52 Foliotafeln beſteht, auf welchen die einzelnen Arten und Formen, im Ganzen etwa tauſend auserleſene, wohl beſtimmte, mit Bezeichnung des Fundortes verſehene Exemplare ſämmtlicher Flechtengattungen, mit Ausſchluß der Clado— nien und Collemaceen, befeſtigt ſind, eine Sammlung, die gewiſſermaßen als eine Illuſtration des damaligen Zuſtandes unſers Wiſſens von den Flechten zu betrachten iſt, welches nun bald eine große Veränderung erfah—⸗ ren ſollte. Denn im Jahre 1825 erſchien G. F. W. Meyer's berühmtes Werk (Nebenſtunden meiner Be: ſchäftigungen im Gebiete der Pflanzenkunde, oder über die Entwickelung, Metamorphoſe und Fortpflanzung der Flechten, 1825), wodurch die Wichtigkeit des Studiums der zahlreichen Metamorphoſen der einzelnen Arten zur Feſtſtellung des Artbegriffes nachgewieſen wurde, ein Weg, den auch unſer Flotow bald zu dem ſeinigen machte, und, überzeugt von der Richtigkeit der Methode, wenn auch nicht von allen von Meyer aufgeſtellten Anſichten, es ſich zur Hauptaufgabe ſtellte, die Formenreihen der einzelnen Arten nach allen Richtungen hin zu verfolgen. Als die erſte Frucht dieſer Beobachtungen, welche er ſeit jener Zeit, alſo ſeit dem Jahre 1826, faſt unausgeſetzt in Hirſchberg und deſſen pflanzenreicher Umgebung im Rieſengebirge anſtellte, dürfen wir die Lichenologiſchen Bemerkungen (Flora oder bot. Zeit. 1828. II. S. 593) betrachten, denen ſpäter noch andere Abhandlungen, namentlich über die Flechten des Rieſengebirges (in Wendt's Beſchreib. d. Heilg. von Warmbrunn, Berl. 1839) folgten, welche ſämmtlich ihm den Ruf eines der gründlichſten Kenner dieſer ſchwie— rigen Pflanzenfamilie, ja eine entſcheidende Autorität in Beſtimmung derſelben verſchafften. Von größtem Werth iſt die Sammlung der Lichenes exsiccati, von denen bis jetzt zwei Zenturien erſchienen ſind und eine dritte vorbereitet wird. Nur wer, wie Flotow, mit ſolcher Ausdauer ſein Ziel verfolgt, wochen-, ja monatelang ſeine Beſtrebungen auf Erforſchungen beſtimmter Arten und Formen verwendet, kann zu ſolcher Sicherheit in der Beſtimmung gelangen, welche noch mehr verbürgt wird, da er ſich nicht bloß mit dem Stu— dium der äußeren Form begnügt, ſondern damit auch die Unterſuchung der mikroſkopiſchen Struktur, ihrer Entwickelungsgeſchichte, namentlich der in dieſer Beziehung vielleicht beſonders wichtigen Sporen, verbindet. Mit welcher Gründlichkeit er bei ſolchen Unterſuchungen zu Werke geht, hat er uns in ſeiner trefflichen Abhandlung über den Haematococcus pluvialis, ein Mufter für ähnliche Arbeiten, genügend gezeigt. Mehrere ähnliche Abhandlun⸗ gen find zur Publikation reif, wie z. B. über die merkwürdige Ephebe und ihre Metamorphoſen, über Colle— maceen, Umbilicariae, Verrucariae, Biatora vernalis u. ſ. w., über die Begränzung einiger Lecidea - Arten (Lecidea atroalba et affinis), zu deren Feſtſtellung er gegen dreihundert Exemplare beobachtete und die beobachteten Formen einer ebenfalls neu angelegten Sammlung mikroſkopiſcher Präparate einverleibte. Ein Exemplar in einer ſolchen Spezialſammlung ergänzt gewiſſermaßen das andere, zeigt dieſes oder jenes Kennzei— chen, was dem andern fehlt, faſt wie bei den gewöhnlich auch nur immer unvollſtändig vorkommenden foſſilen Pflanzen, und nur die ganze Suite oder Reihenfolge ſetzt uns in den Stand, über die Selbſtſtändigkeit einer Art zu urtheilen. Während man daher bei jeder andern Pflanzenfamilie aus der Zahl der Arten auf die 150 Reichhaltigkeit einer Sammlung zu ſchließen im Stande ift, würde man ſich ſehr irren, wenn man dieſe Grundſätze auf die Beurtheilung einer Flechtenſammlung in Anwendung ſetzen wollte. Kaum giebt es eine einzige Flechtenart, die in dem überaus langſam vorſchreitenden Gange ihres Wachsthums und während ihrer gewöhnlich langen Lebensdauer nicht mancherlei Veränderungen, veranlaßt durch innere und äußere Urſachen, nicht bloß hinſichtlich ihrer Vegetations-, ſondern auch ihrer Fruktifikations-Organe erlitte. Daher kommt es denn auch, daß die Zahl der Varietäten und Formen bei den Flechten die der Arten übertrifft und ſich auch unſtreitig noch immer höher ſteigern wird, je genauer wir die letzteren kennen oder begränzen lernen werden. Der Hauptreichthum und die hohe wiſſenſchaftliche Bedeutung derjenigen Sammlung, welche Hr. Major v. Flotow nun ſeit dem J. 1824 bis heute zuſammenbrachte, beruht alſo in der umſichtigen und mit größter Konſequenz durchgeführten Beachtung der hier ſo eben angedeuteten Momente, wodurch ſie nun einen Umfang und Inhalt gewann, wie kaum eine andere von Flechten irgendwo ſich erfreuen dürfte. Sie enthält eine unerſchöpfliche Fundgrube für künftige Monographieen der einzelnen Gattungen (von denen wir eine wünſchen, daß es dem Beſitzer ſelbſt vergönnt ſein möchte, ſie auszuführen), ſowohl hinſichtlich der Trefflichkeit der Exemplare, als der zahlreichen Beobachtungen, die wir auf denſelben, nebſt genauer Angabe des Fundortes und Datums, mit der dem Verfaſſer eigenen deutlichen Handſchrift verzeichnet finden. Bor: züglich reich bedacht ſind die gewöhnlich in Sammlungen fehlenden Steinflechten, welche Derſelbe mit beſon— derer Vorliebe geſammelt hat. Hierher gehört unter anderen eine treffliche Lecideen-Arten-Sammlung (Le- cidea Montagni. Flot., L. murina Achar., L. petraea Achar., L. ocellata Flk., L. lactea Fk., L. variegata Fr.) auf 17 Tafeln in 479 Exemplaren. Die überaus verwickelte und in ihren Arten ſchwie— rig zu unterſcheidende Familie der Cladonien beſteht wohl allein aus 15 — 20,000 Exemplaren in 30 einzel⸗ nen Paketen von 24, —3 Zoll Stärke.“) An dieſe zweite größere Flechtenſammlung ſchließen ſich nun einzelne, zum Theil ſehr reiche, mit ihr noch nicht vereinigte Lokalfloren Deutſchlands, fo wie anderer Länder Europa's, Aſien's, Amerika's und Afri⸗ ka's, die ſich noch geſondert befinden, weil ſie für zum Theil ſchon publizirte oder noch zu publizirende Ab— handlungen die nothwendigen Beläge enthalten. Gegenwärtig beabſichtigt Herr v. Flotow die Herausgabe von getrockneten Flechten unter dem Namen Deutſche Flechten, wozu bereits Exemplare von 154 Arten und Formen für die erſte Lieferung geordnet und kommentirt, und etwa eben ſo viele ungeordnet für eine folgende vorhanden ſind, ſo wie die Anlegung einer Normalſammlung, die auf die Art der oben angeführten eingerichtet, alſo die einzelnen Arten nebſt den Hauptformen auf vollſtändig zum Verſchluß geeigneten Mappen aufgeklebt werden ſollen. Dieſe Sammlung iſt das Ziel ſeines Strebens. Denn ſind die Repräſentanten jeder Hauptform in die geſchloſſenen Tafeln befeſtigt, fo dürfen nur alle übrige Pakete mit den Tafeln korreſpondirende Nummern er⸗ halten und die ſyſtematiſche Einheit der Sammlung iſt vollendet. Mit nicht geringerem Fleiße und Ausdauer, ſo wie von ähnlichen Grundſätzen ausgehend, hat ſich Herr v. Flotow auf die Erforſchung der Laubmoos-Flora bei ſeinem frühern Aufenthalt in der Neumark, und ſpäter auch vom Jahre 1831 bis 1839 dem Studium der Lebermooſe gewidmet, und einen großen Theil des Materials zu dem trefflichen Werke des Herrn Präſidenten Nees v. Eſen beck: Naturgeſchichte der europäi— ſchen Lebermooſe geliefert, worauf ich bei dem Inhaltsverzeichniſſe noch einmal zurückkommen werde. Um nun durch ein paar Beiſpiele den morphologiſchen Werth dieſer Sammlungen zu belegen, will ich hier anführen, daß Hypnum rutabulum ein bekanntlich überaus vielgeſtaltiges, oft verkanntes Moos, in 70 verſchiedenen Kapſeln; das ſeltenere H. albicans in 30; von den Lebermooſen die Madotheca platyphylla aber *) Als Beleg für dieſe Behauptung will ich nur die nähere Zählung und Schaͤtzung eines Paketes anführen, wel ches die Cladonia cnceifera, bellidiflora, Florkeana, digitata, erenulata, polydactyla und straminea in fünfzig einzelnen Bogen enthielt. In jedem einzelnen Bogen befinden ſich durchſchnittlich 16 bie 20 Exemplare. 151 gar in 118 Kapſeln in wohl erhaltenen Exemplaren vorhanden find. Ueberhaupt kann man fagen, daß Herr v. Flotow die bedeutendſte Sammlung von Laubmooſen aus dem Rieſengebirge (an 50 Pakete) beſitzt, und die der Lebermooſe in 56 einzelnen Paketen aus derſelben Gegend die des Herrn Nees v. Eſenbeck's, ſeiner Meinung nach, vielleicht an Mannigfaltigkeit der Formen und Zahl der Exemplare noch übertrifft. Außer den genannten Kryptogamen beſitzt Herr v. Flotow noch einige Pilze, Algen, ſo wie auch ſchleſiſche Phanerogamen. So viel glaubte ich nun zur näheren Würdigung der geſammten Sammlungen vorausſchicken zu müſſen, und gehe zur genaueren Spezifikation ihres Inhaltes und Umfanges über. Flechten. 1) Allgemeine Sammlungen. 1) Die ältere allgemeine Sammlung, 1814 bis 1823, in der oben angegebenen Beſchaffenheit in dazu gehörenden Doubletten und die oben verzeichneten auf 52 Tafeln aufgeklebten Exemplare. (In 336 Paketen.) 2) Die neuere allgemeine Sammlung, von 1824 bis 1846. Die einzelnen Pakete in blauen Mappen eingehüllt. Die in weißem Löſchpapier liegenden Exemplare in Kapſeln von weißem Papier, mit genauer Angabe des Namens, oft auch der Synonymie und beſonderen, an ihnen beobachteten Merkmalen, namentlich, wenn das Exemplar zu einer beſonderen Unterſuchung diente, der Fundorte und Datum der Einſammlung. Die Rinden- und Erdflechten von den Steinflechten getrennt und ſämmtlich wohl erhalten ohne Spur von Wurmfraß. Die anſchaulichſte Ueberſicht von dem Umfange derſel— ben erlangen wir, wenn ich eine Ueberſicht derſelben nach dem von dem Beſitzer damals im Jahre 1846 an⸗ genommenen Flechtenſyſteme gebe und dabei zugleich immer die Zahl der Pakete bemerke. I. Lichenes heteromerici. A. Gymnocarpi. Fam. 1. Usneaceae. 3 Pakete. Usnea Dill. Alectoria Link. Bryopogon Link. Cornicularia Ach. Neuropogon v. Flot. Roccella Ach. Fam. 2. Cladoniaceae. 52 Pakete. Stereocaulon Schreb. Cladonia Hill. Thamnolia Ach. Ms. (Dufourea Ach. Syn.) Fam. 3. Ramalineae. 6 Pakete. Evernia Ach. Ramalina Ach. Hagenia Eschw. Cetraria Ach. Fam. 4. Peltideae. 7 Pakete. Nephroma Ach. Peltigera Willd. Solorina Ach. Fam. 5. Parmeliaceae. 16 Pakete. Sticta Schreb. Parmelia Ach. Lobaria Link. Fam. 6. Cireinnarieae Fee. ) 2 Pakete. Circinnaria Fee. (Pyxine Fr.) Fam. 7. Umbilicarieae. Umbilicaria Hoffm. Omplialodium Flot. et Meyen. Gyrophora Ach. ) Zu Familie 6 gehört (wahrſcheinlich) (2) Coccocarpus Pers. Montagn. 152 Fam. 8. Lecanorieae. 48 Pakete. Dirina Fr. Lecanora Ach. Megalospora Meyen. Urceolaria Ach. Gyalecta Fr. Fam. 9. Lecideaceae. 71 Pakete. Baeomyces Pers. Sphyridium v. Flot. Lecidea Ach. Myriotrema Fee. Biatora Fries. Fam. 10. Graphideae. 7 Pakete. Sarcogyne v. Flot. Graphis Ach. Opegrapha Humb. Lecanactis Eschw. Ustalia Fee. Arthonia Ach. Conioloma FIk. Fam. II. Sclerophoreae. 6 Pakete. Calycium Pers. Trachylia Fr. Coniocybe Ach. B. Angiocarpi. Fam. 12. Sphaerophoreae. 1 Paket. Sphaerophorum Pers. Siphula Fr. Fam. 13. Endocarpeae. 2 Pakete. Endocarpon Ach. Fam. 14. Trypetheleaceae. 1 Paket. Trypethelium Spreng. Astrothelium Eschw. Pyrenodium Fee. Fam. 15. Glyphideae. Glyphis Ach. Chiodecton Ach. Medusula Eschw. Fam. 16. Verrucariaceae. 28 Pakete. * Porinoideae. (13 Verrucaria, 2 Sphaeromphale, 1 Pyrenula, 1 Sagedia, 1 Trichothecium.) Phlyctis Wallr. Pertusaria Dec. Thelotrema Ach. * Euverrucarieae. Endopyrenium v. Flot. Trichothecium v. Flot. Pyrenula Ach. emend. Flot. Sagedia Ach. Fr. Verrucaria Ach. Sphaeromphale Reichenb. Stigmatidium Meyer. Fam. 17. Limborieae. 5 Pakete. Cliostomum Fr. Limboria Ach. Pyrenothea Fr. Fam. 18. Appendix. 1 Paket. Isidium Ach. Variolaria Ach. Spiloma Ach. Pulveraria Flik. Lepra Hall. II. Lichenes homoeomerici vel byssacei. Fam. 19. Collemaceae. 11 Pakete. Lichina Ag. Nostoc Vauch (pro parte). Atichia v. Flot. Myriangium Montag. Collema Ach. Obryzum Wallr. Leptogium Fr. Stephanophorus v. Flot. Mallotium v. Flot. Fam. 20. Byssaceae. 10 Pakete. Ephebe Fr. Coenogonium Ehrenb. Racodium Pers. Chroolopus Agardh. Scytonema Ag. Byssus Fr. 2) Specialfloren einzelner Länder und Gegenden, oder Sammlungen aus denſelben. Europäiſche Flechten. ) Deutſchland. 1. Flechten, geſammelt in der Neumark um Landsberg an der Warthe und Soldin, 1820 bis 25 geordnet und beſtimmt. Spilomaceae, 1 P. Lecideae, 7 P. Calycium, 5 P. Opegraphe, 7 P. Variolaria, 1 P. Ur- ceolaria, 1 P. Lecanora, 3 P. Peltigera, 1 P. Lecidea, 1 P. Evernia, 1 P. Thelotrema, 1 P. 153 Endocarpon, 19. Verſchiedene Gattungen, 1 P. (Die Cladonieae find in der vorhin aufgeführten großen Sammlung enthalten.) Baumflechten aus der Gegend von Sprottau, von Göppert. 1 Paket. Rindenflechten aus der Umgegend von Wohlau. 1 Paket. 0 Flechten aus der Umgegend von Salzbrunn, Fürſtenſtein, Hochwald, von v. Flotow. 1 Paket. Lichenes selecti, von v. Flotow, 1845. 6 Pakete. (Biatora, Lecanora, Urceolaria, Lecidea.) Steinflechten von den Dreiſteinen und anderen Gegenden des Rieſengebirges, 1838 bis 39 geſammelt von v. Flotow und Siebenhaar. (1842.) 4 Pakete. Steinflechten aus dem Melzergrund, Rieſengrund, Kützelberg, Seifersdorf, Umgegend von Hirſchberg, auf Granit, grauem Schiefer und Kalk (größtentheils noch zu unterfuchen), von v. Flotow. 7 P. Flechten von Salzbrunn, von v. Flotow. 1 Paket. Steinflechten vom Baſalt der Landeskrone bei Görlitz, 1844, von v. Flotow. 1 Paket. Flechten, größtentheils Steinflechten, aus der ſächſiſchen Schweiz, 1843 (etwa 100 Arten), von v. Flot. 3 Pakete. Flechten der Halleſchen Flora, von v. Flotow, 1819. (Val. Sprengel's neue Entdeckungen.) 3 Pakete. Flechten von den Königshainer Bergen und aus dem Königreich Sachſen, 1843. 2 Pakete. Mecklenburgiſche Flechtenflora, 1844, von v. Flotow (Cladonieae, Usneae, Ramalinae, Parmeliaceae, Lecanorieae, Graphideae, Sclerophoreae, Verrucarieae und Byssaceae), beſtimmt und ge⸗ ſammelt von v. Flotow bei Malchow, von Albertini bei Goldberg, Penzin bei Brüel u. ſ. w., in Mecklenburg-Schwerin, incl. eines Paketes, welches die Repräſentanten ſämmtlicher Gattungen und Arten enthält. 5 Flechten aus Süddeutſchland, namentlich von den Alpen, geſammelt von Funk und Laurer, 1823. 1 P. Ein dergleichen, namentlich aus Salzburg, der Schweiz, von Schubert, Scharen und Laurer. 1 Paket. Flechten aus der Münchener Flora, von Sendner. 1 Paket. Deutſche Verrucarieae, geſammelt von Laurer, Wallroth, Hochſtätter. 1 Paket. Flechten des Harzes, von Hampe, 1837. 1 Paket. Flechten des Fichtelgebirges, von Laurer, 1842. 1 Paket. Würtembergiſche Flechten, von Hochſtätter. 1 Paket. Ein Exemplar der Lichenes exsiccati, herausgegeben von v. Flotow, 2 Centurien; Materialien zu dieſen beiden Centurien, in denen aber einzelne Arten fehlen. 21 Pakete. Materialien zu der dritten herausgegebenen Centurie, in 10 Exemplaren. 10 Pakete. Materialien zu den beiden erſten Centurien, von v. Fw. Lichenes exsiccati (einem 1Iten Exemplare), wo aber einzelne Arten fehlen. 21 Pakete. Auserleſene Flechten, von welchen übereinſtimmende Exemplare von Garavaglio geſchickt wurden. 1 P. Exemplare zu den von v. Flotow herauszugebenden deutſchen Lichenen, welche 300 Arten und Formen umfaſſen. 14 Pakete. Funk's Deutſchlands kryptogamiſche Gewächſe. 42 Hefte, à 20 Sgr. in 4. 28 Rthlr. 5 Pakete. 3) Stalieniſche Flechten. Flechten aus Ober-Italien, von Garavaglio. 4 Pakete. Flechten, geſammelt von Hildebrandt in Ober-Italien und Oeſterreich. 1 Paket. y) Schweiz. Flechten auf Stein, geſammelt von Schärer. 2 Pakete. Flechten auf Rinde und Erde, geſammelt von Schärer. 1 Paket. 20 oz © 154 Schärer's Lichenes helvetici exsiccati, Nr. 1— 500, 10 Hefte in Quart, fo daß die von Schärer beſchriebenen Formen und Arten, die ſich im Ganzen auf 350 Arten und 367 Formen belaufen, faſt vollſtändig vorhanden ſind. 5 Pakete. 0) Srankreich. Flechten aus der Umgegend von St. Michel und im Maasdepartement, geſammelt von v. Flotow, be⸗ ſchrieben in Link's und Schrader's Jahrbüchern. I. 3. 2 Pakete. Stein-, Erd- und Rinden⸗-Flechten aus dem weſtlichen und ſüdlichen Frankreich, geſammelt von Mon⸗ tagne, Frankreichs erſtem Kryptogamenkenner. 1 Paket. €) Spanien. Flechten, geſammelt von Willkom, 1844. 1 Paket. 8) Norwegen. 5 Sommerfeld, Centur. prima et secunda plantar. cryptog. norvegicar., quas collegit S. Christ. Sommerfeld. Christianiae 1826— 1827. Fol. Ladenpreis 12 Rthlr. 2 Pakete. n) Schweden. 10. 13. und 14. fase. (das 11. und 12. fehlen). Laden⸗ Fries, Lichenes exsiccati Sueciae, 1, preis 28 Rthlr. 4 Pakete. 3) Aus verſchiedenen Ländern Europa's. Deutſche, lappländiſche und ſchwediſche Flechten, geſammelt von Moſig, Flörke, Funk, Laurer, Fries, Hochſtätter. 3 Pakete. Sächſiſche, um Dresden und in Schweden geſammelte Flechten, von Reichenbach und Schubert. 1 P. Reichenbach und Schubert Lichenes exsiccati, 5 Kapſeln, 1824. Norwegiſche, ſardiniſche, Elbaer, Tyroler und pyrenäiſche Flechten, von Hochſtätter. 1 Paket. (Kauf⸗ preis 6 Rthlr.) Würtembergiſcher Reiſeverein. Außereuropäiſche Flechten. . Abyſſiniſche von Schimper, Kretenſiſche Flechten von Hochſtätter, 1843. 1 Paket. Flechten von Port Natal, geſammelt von Krauß. 1 Paket. c. Flechten aus Südafrika, von Zeyher, Dregé, Inſel Fernandez und Chili, nebſt Manuſkript und Zeich⸗ — os h. nungen von Bertero und Meyen. 1 Paket. . Weſtindiſche Flechten, von Breutel. 1 Paket. Wight, oſtindiſche Flechten, 100 Nummern. 1 Paket. Junghuhn, javaniſche Flechten. 1 Paket. Flechten aus Peru, Neuholland, Monte Video, Chili, Braſilien, Mexiko, Nord-Amerika, Madera, Kor⸗ ſika, St. Maurice, Gujana, geſammelt von Gaudichaud, Gueinzius, Holl, Beyrich, v. Martius, Cu⸗ ming, Sieber, worunter 50 Nummern aus Gujana, von Leprieure beſtimmt. 3 Pakete. Exotiſche (officielle) Rindenflechten, geordnet und beſtimmt, enthaltend die ſeltenen Gattungen Dirina, Glyphis, Chiodecton, Fissurina, Ustalia, Myriotrema, Trypetheleae, Sarcographe, von Fee, Schlechtendal, Meißner. 1 Paket. Flechten auf offizinellen Rinden, noch nicht ſämmtlich unterſucht; geſammelt von Günther, Göppert und Andern. 2 Pakete. 155 k. Exotiſche Usneae, Cladonieae, Parmeliaceae, Umbilicarieae, Collemaceae, aus Java (Blume) — Manila, Oaha (Meyen), C. B. S. (Zeyher, Drege) — Helena (Meyen) — Peru, Chili, Braſilien, Cuba (Meyen, Poppig, Cuming, Sellow) — Neuholland (Sieber). 1 Paket. 1. Flechten aus Grönland, Labrador, Surinam von Curie, und dem ſüdlichen Afrika von Enon (184 Nummern abgerechnet), 17 Nummern Collemaceae aus der Schweiz, Lauſitz und 16 Surinamer Le⸗ bermooſe. (Die Flechten von v. Flotow, die Lebermooſe von Nees v. Ef. unterſucht und beftimmt.) 1 P. m. Flechten aus Labrador und Grönland, mitgetheilt von Breutel und Curie (gehören zu den vorigen, und bilden mit ihnen die 184 Nummern). 2 Pakete. — Summa ſämmtlicher Flechten: 808 Pakete. In der letzten Sitzung, am 16. December, trug der Sekretär einen Aufſatz vor über einige wichtige biologiſche und morphologiſche Verhältniſſe der Weiden. Wachsthum. Die Weiden ſind ausdauernde holzige Gewächſe. Manche derſelben erwachſen zu ſehr hohen Bäumen und haben einen ſchlanken Wuchs: ſo bei uns S. alba, fragilis, auch incana, Caprea und pentandra. Werden dieſe durch zufällige Urſachen verhindert, einen einfachen Stamm zu bilden, ſo werden ſie ſtrauchartig. — Die Mehrzahl der Weiden iſt ſtrauchartig, indem ſie bald über dem Boden in Aeſte aus⸗ gehen; die Höhe derſelben von 1 bis zu 5, oft bis zu 10 Ellen. — Einige wenige Arten, welche auf Gebirgen wachſen, haben einen unterirdiſchen, d. h. zwiſchen Felſen oder im Mooſe kriechenden und daſelbſt getheilten Stamm, ſo daß gewöhnlich nur die letzten Zweige ans Licht treten. Es ſcheint angenommen werden zu können, daß weder die baumartigen Arten ſtrauchartig werden, noch die ſtrauchartigen baumartig, außer aus zufälligen Urſachen. Aus der Mehrzahl darf man nicht ſchließen. So wird z. B. die S. incana an den Ufern der Gebirgsflüſſe in vielen tauſend Exemplaren ſtets ſtrauchartig gefunden, offenbar weil die Hochwäſſer die Entwickelung des einen Hauptſtammes nicht geſtatten; dagegen an tieferen Stellen, und wo die Wäſſer minder fluthen, am Rande höherer Waldung, findet man vollkommene Bäume dieſer Art, ſo daß man genöthigt iſt, ihr einen baumartigen Wuchs zuzuſchreiben. Wo man die Weidenbäume bis an die Wurzel niederhauet, wachſen fie dann nothwendig eben fo ſtrauchartig wie Alnus, Betula, Popu- lus, Quercus. Läßt man ihnen jedoch dann wieder längere Zeit freies Wachsthum, ſo ſieht man, wie ſie in die Höhe ſtreben, ſo daß dann mehrere Bäume aus einer Wurzel zu erwachſen ſcheinen. Dergleichen fin— det man in großen Brüchen. Wenige Arten ſcheinen zwiſchen baumartigem und ſtrauchartigem Wachsthum zu ſchwanken, wie S. Caprea und S. nigricans; vielleicht iſt dahin auch S. babylonica und S. acutifolia zu rechnen. Die ſtrauchartigen können baumartig werden durch Kultur, wenn man ſtarke Stämmchen als Satzweiden benutzt; ſo werden bisweilen S. viminalis, triandra, rubra, acuminata gefunden. Wenn die ſtrauchartigen dicht und mit anderem hohen Gebüſch heranwachſen, ſo werden ſie anſehnlich hoch, auch bis 8— 10 Ellen, und in der Geſtalt, wie die abgehauenen, dann freigelaſſenen baumartigen: fo zeigt ſich S. vi- minalis, S. purpurea, S. amygdalina. 6 Die eigentlich baumartigen in Schlefien find: S. alba, S. fragilis, S. incana, S. praecox, S. Caprea. Die ſtrauchartigen find: S. triandra, S. hippophaifolia, S. viminalis, S. purpurea, S. cinerea, S. aurita, S. silesiaca, S. repens, S. Lapponum, S. phylicifolia, S. livida, S. hastata, S. myrtilloi- des, S. dasyclados. Die zwergartige iſt: S. herbacea. 20 * 156 Alle Weiden wachſen raſch, woher ja der Name Salix *) rühren ſoll; doch manche vor anderen, und zwar diejenigen, welche ein großes lockeres Mark haben, wie es ſcheint, am ſchnellſten. Dahin gehören: S. dasyclados, S. acuminata, S. daphnoides, S. viminalis. Rinde. a) Aeußere. An dickeren Stämmen der S. triandra ſchält ſich die Rinde in größeren Par⸗ tieen ab, gerade wie bei Platanus occidentalis; ſtellenweiſe erſcheint dann die junge in ſchmutzig-orangen⸗ gelber oder bräunlicher Farbe. Bei den Stämmen der S. fragilis und S. alba wird fie faſt wie bei den Pyrus-Arten unmerklich in länglichen Stücken abgeſtoßen. Bei einigen Arten find die jüngeren (2 — 3jährigen) Aeſte glänzend und gleichſam polirt; fo bei S. fra- gilis, S. daphnoides, S. purpurea. Bei S. acutifolia ſind ſie überdieß mit einem blauen Reife, wie die reifen Pflaumen, überzogen, welcher ſich eben ſo abwiſchen läßt, und dann nach einigen Tagen wieder anſetzt. — Die Farbe der Aeſte iſt nur theilweiſe beſtändig, am deutlichſten, wo die Exemplare unter günſtigen Ver⸗ hältniſſen wachſen, und dann auf der Sonnenſeite geſättigter, an der entgegengeſetzten bläſſer. Eine röthliche Färbung zeigen S. purpurea und S. daphnoides, rothbraune S. Caprea, eine bläulich-ſchwärzliche S. nigri- cans; olipengrüne mehrere Arten; am beſten wird dieſe Farbe im Frühling bei dem Safteintritt und vor dem Blühen beobachtet. Bei vielen Arten werden hellere und dunklere Abänderungen gefunden: fo gehört die S. vitellina zur S. alba, die S. laeta Schultz zur S. repens; ſo findet man Exemplare der S. purpurea ganz ohne Roth mit gelblich olivengrünen Aeſten. Die krautartigen Zweige ſehr vieler Arten ſind mit einem feinen Haarüberzuge verſehen, welcher beſonders an den kräftigen Spätſommertrieben ſtark iſt. Bei einigen Arten zeigt ſich derſelbe auch an den jährigen holzig werdenden Aeſten, wie an S. einerea. Am ſtärkſten iſt dieſer Ueberzug an S. dasyclados, bei welcher Art er ſich an den krautartigen Zweigen als eine weißliche, kurzhaarige Bekleidung zeigt, welche an den jährigen in einen roſtbraunen oder ſchwärzlichen Sammetfilz über: geht. — Die Epidermis der 2 — 4jährigen Aeſte zeigt ebenfalls namhafte Unterſchiede; bei S. aurita giebt ſie den Aeſten eine Oberfläche von mattem, ſchmutzig hellgrauem Anſehen und unebener Beſchaffenheit. Bei 8. cinerea dagegen iſt dieſe dunkler grau und gleichförmig. Bei Salix silesiaca iſt fie grün mit grauen Längsriſſen. Die Veräſtung wird beſtimmt theils durch die Natur der Arten, theils durch die lokalen, theils durch die Witterungsverhältniſſe in den erſten Jahren der Entwickelung. Was das erſte anbetrifft, ſo ſcheint auf den ſogenannten Charakter der Viminales nicht zu viel gegeben werden zu können; alle Arten haben unter günſtigen Umſtänden lange und kräftige aufrechte Triebe. Konſtante und augenfällige Merkmale laſſen ſich zur Unterſcheidung der Gruppen aus der Aſtgeſtaltung nicht hernehmen. Jedoch iſt allerdings zu bemerken, daß die S. viminalis, S. purpurea, S. acuminata, S. hippophaifolia in der Regel lange, ruthenförmige, auf rechte Aeſte treiben, während die Verwandten der S. einerea kürzere, dickere und mehr abſtehende Aeſte haben. Eine beſondere Eigenthümlichkeit zeigen die Verwandten der S. repens; die Aeſte ſind ſtellenweiſe blatt- und aſt⸗los, wo die Blüthenkätzchen ſaßen; an deren Spitzen treiben dann neue Blätterbüſchel reſp. Aeſte. — Die Oertlichkeit hat weſentlichen Einfluß auf die Aſtbildung; an feuchten, nahrhaften Orten werden die Aeſte um Vieles länger, und dadurch der ganze Strauch mehr aufrecht und in die Höhe ſtrebend; wogegen an mageren, z. B. ſehr ſteinigen und ſonnigen Stellen die Aeſte kürzer, daher dichter beblättert werden und deshalb eine ungleiche narbige Oberfläche zeigen und mehr bogig und gekrümmt erſcheinen. Da der Ueberfluß oder Mangel an Feuchtigkeit hier hauptſächlich wirkt, ſo folgt, daß mehrere trockene Jahre auf die darin entwickelten Exem⸗ plare einen ähnlichen Einfluß ausüben müſſen. Jede Art hat auch bei allen Veränderungen, welche durch die Oertlichkeit oder die Jahreswitterung begründet ſind, ihr Eigenthümliches in der Richtung, Länge, Dicke, Glanz 5) Doch iſt das Franzoͤſiſche Saules, das deutſche (volksthuͤmliche) Sohlen zu beachten, ob nicht jene an ſich nicht wahrſcheinliche Derivation unrichtig iſt. 157 und Farbe der Aeſte, ohne daß fich dieß immer in der Beſchreibung in unterfcheidenden Merkmalen ausfpres chen läßt. Am deutlichſten tritt dieß wohl an den eben holzig gewordenen, zwei- bis vierjährigen Aeſten herz aus, und man wähle zur Unterſcheidung ſtets kräftig gewachſene. Bei manchen brechen die jungen Aeſte leicht am Grunde ab, woher die S. fragilis ihren Namen hat, während ſie bei den ähnlichen baumartigen mit Zähigkeit anhaften. b) Innere. Die Farbe der grünen Rindenſchicht iſt bei jeder Art beſtändig, und bietet, wiewohl fie keine ſehr große Differenz umfaßt, doch für die Unterſcheidung einiger Arten eine gute Hülfe. Im Allgemei⸗ nen iſt fie ein lichtes Gelbgrün, welches bald in das ſchmutzige zieht, wie bei S. cinerea, bald in ein reineres, faſt Zitrongelb, wie bei S. purpurea, bald gleichſam ausbleicht und ein mattes Weißgrün darſtellt, wie bei S. aurita. Eine Gruppe von Arten kann man als Zwergweiden bezeichnen. Sie ſind ſämmtlich den Gebirgen eigen, und unterſcheiden ſich dadurch, daß nur ihre Aeſte oder Aſtſpitzen zu Tage kommen, während die Aeſte und der Stamm, von Steinen und Mooſen verdeckt, in Felsritzen oder im Mooſe niſtet. Von den ſchleſiſchen Arten gehört hierher nur S. herbacea, von den übrigen europäiſchen vielleicht nur S. polaris und S. reti- culata, vielleicht auch S. retusa. Dagegen gehören S. repens, S. myrtilloides und deren Verwandten nicht hierher, außer zufällig, wenn ſie etwa einmal in mooſigen Wieſen wachſen, wo der Stamm unten vom Mooſe überwuchert wird, oder auf Wieſen, wo ſie oft von der Sichel abgeſchnitten werden. Wo ſie hingegen frei wachſen, bilden ſie ſtets regelmäßige Sträucher, deren Stämmchen ganz über der Erde ſtehen und ſich von da aus verzweigen. Blätter. Die Blätter zeigen in dieſer Sippe die mannigfaltigſten Geſtalten, ſowohl, was den Umriß, als auch, was die Bekleidung, Farbe und den Glanz betrifft; jedoch ſind ſie ſämmtlich abwechſelnd, kurz ge— ſtielt, einfach und faſt ohne Ausnahme, wenn auch nur unſcheinbar, geſägt oder gezähnt. Im Umriß giebt es ganz ſchmal-linealiſche und faſt zirkelrunde Blätter und alle Mittelſtufen dazwiſchen; was die Bekleidung anbetrifft, fo giebt es ganz kahle und polirt- glänzende, wie auch ſolche, die mit einem dichten grauen oder weißen Filz überzogen ſind. Die Mannigfaltigkeit der Blätter findet ſich aber nicht blos bei den verſchiedenen Arten, ſondern auch innerhalb ein und derſelben Art, und zwar erſtens bei den Varietäten, zweitens nach der Beſchaffenheit, dem Alter und der Stellung der Zweige, an welchen ſie ſitzen. Bei allen Veränderungen aber, welche an den Blättern ſich finden, hat jede Art ihren Charakter, aus dem ſie nicht herausgeht, und welcher geübten Augen wohl kenntlich iſt, aber auch in Worten dargeſtellt zu werden verſucht werden muß. Im Allgemeinen iſt von den Weidenblättern Folgendes anzumerken: Man kann die Weiden in ſchmal⸗ und langblättrige und in kurz- und breitblättrige theilen, von welchen jene wieder zum größeren Theile kahl, dieſe bekleidet ſind. Die Subſtanz derſelben iſt bei der Mehrzahl zwar dünn, aber feſt, bei vielen im Herbſte lederartig. Aus einer unterhalb ſtark hervorſtehenden Mittelrippe, als der Fortſetzung des kurzen Blattſtieles, geht ein Adernetz hervor, welches aus mehreren Hauptſeitenadern, die ſich in mehr oder minder ſtarken Bogen aufwärts gegen den Rand krümmen, und einem dazwiſchen liegenden gleichmäßigen, vielmaſchigen Netz durch⸗ ſcheinender Aederchen beſteht. Auf der Unterſeite treten die Adern bei den meiſten, die Aederchen bei vielen Arten hervor. Die Oberſeite iſt dunkler, die Unterſeite heller grün; faſt nie ſind ſie ganz gleichfarbig. Letztere iſt bei ſehr vielen Arten grau- oder weißlich-grün, oder grauweiß, was bei vielen Arten um fo deutlicher er= ſcheint, je mehr ſie von Haaren frei iſt. Dieſe ſeegrüne oder grauweiße Färbung (color glaucus v. caesius) rührt bei den meiſten (allen?) Arten von mehr oder minder dicht ſtehenden Punkten her, welche unter der Linſe wie kleine Schüppchen erſcheinen. Das Schwarzwerden der Blätter beim Trocknen hängt mit dieſen Schuppenpunkten nicht zuſammen. f 158 Von den meiften Arten giebt es erftens: groß- und klein- blättrige Formen, je nach der guten Entwickelung der Individuen und der Güte des Bodens; jene meiſt auf naſſem, dieſe auf trockenem Grunde; jene an gut entwickelten höheren Sträuchern mit längeren Aeſten, dieſe an niedrigeren kurz- und viel- äſtigen. Bisweilen ſieht man auch beiderlei Formen an einem Strauche, zumal wenn derſelbe in günſtigere (Jahres- oder Witterungs-, daher Nahrungs-) Verhältniſſe eingetreten iſt. Die Sommertriebe am Ende des Juni und im Auguſt (bei den Arten der Ebene) bringen immer größere Blätter hervor, als die ſind, welche im Frühjahr und Herbſt gebildet werden. Zweitens: breit- und ſchmal-blättrige Formen. Dieſe Variation hängt theilweiſe und zuweilen mit der vorhergehenden zuſammen, indem die breitblättrigen Formen auch zugleich oft großblättrig ſind. Die Blätter der langen kräftigen Triebe an den Spitzen und an ſtrauchartigen Formen ſind ſtets ſchmäler als die der unteren kurzen Seitenäſte und der baumartigen Formen. Bei den baumartigen For⸗ men, die einen nach allen Seiten ſich ausbreitenden Aſtwuchs haben, ſo daß lange Endtriebe weniger oder gar nicht gebildet werden, find die Blätter ſtets mehr in die Breite gehend, da fie hingegen bei den ſtrauchartigen, bei welchen ſtets lange Endtriebe entwickelt werden, mehr in die Länge gezogen und dabei ſchmäler ſind. In⸗ dem ferner aus den oberen Knospen längere Triebe entwickelt werden, bilden ſich aus den unteren kürzere Seitentriebe; die Blätter der letzteren bleiben ſtets kleiner, ſind kürzer und etwas breiter, weniger zugeſpitzt, viel ſchwächer bekleidet (bei den bekleideten Arten oft auch faſt kahl) und fallen am früheſten ab, während die ſpäter gebildeten der langen Endtriebe oft viel länger dauern. Gehen wir nun zur Betrachtung der einzelnen Theile der Blätter über. 1) Geſtalt, wobei der Umriß, die Baſis, die Spitze und der Rand in Betracht kommen. Die ver⸗ ſchiedenen Blattformen laſſen ſich mit den Ausdrücken: linealiſch, lineal- lanzettlich, lanzettlich, länglich-lanzett⸗ lich, länglich, elliptiſch, eiförmig- lanzettlich, eiförmig, verkehrt- eiförmig, eirund, rundlich und kreisförmig erſchö⸗ pfen. Jede Art hat eine von dieſen Grundformen, nur wenig zu den nächſtliegenden abweichend. Breit⸗ und ſchmalblättrige Formen finden ſich von S. kragilis, triandra, daphnoides, purpurea, viminalis, incana, einerea, aurita, Caprea, silesiaca, Lapponum und repens. Sie behalten dabei eine gewiſſe Grundform bei, welche man in einem idealen Bilde repräſentiren kann, auch eine proportionale Größe. So hat z. B. S. Caprea durchſchnittlich größere Blätter als S. einerea, und dieſe wieder als S. aurita. Der Grund des Blattes iſt mehr gerundet bei den größeren und kräftigeren Blättern, mehr verſchmä⸗ lert und keilförmig bei den kleineren. Die Spitze iſt nicht minder veränderlich; oft tritt ſie aus einem breiten Blatte plötzlich und kurz hervor, oft iſt fie weiter und allmälig vorgezogen, wie beides an S. cinerea, aurita und hastata beobachtet werden kann. Ob ſie eine Falte bildet oder nicht, giebt kein Artmerkmal, wie man in jedem Gebüſch von S. aurita ſehen kann. Am längſten hervorgezogen und im Bogen geſchwungen iſt ſie an den Blättern von S. fragilis; lang und allmälig aus dem Blattrande verlaufend bei S. viminalis und S. incana; am meiſten variirend bei S. purpurea, wo fie bald lang hervorgezogen ift, bald aus einem brei⸗ teren Blatte kurz hervortritt. . Der Rand iſt bei ſehr vielen Arten nach unten ein wenig eingebogen, ſo daß die daran befindlichen Zähne unſichtbar werden; doch iſt dieſe Umbiegung nicht bei allen Blättern gleich deutlich, bisweilen faſt ver⸗ ſchwindend. Manche Arten haben dieß gar nicht. Artunterſchiede ſind darauf nicht zu gründen. Der Rand iſt bei faſt allen Arten zähnig-geſägt; dieſe Zähne ſind bald ſeichter, bald tiefer, bald dichter, bald entfernter; bisweilen find nur leichte Ausſchweifungen bemerkbar. Die Beſchaffenheit dieſer Zähne iſt zwar bei allen Ar— ten eine beſtimmte, aber nicht ohne Variation. So wird die S. purpurea gewöhnlich mit nur ſchwach⸗ge⸗ ſägten, zuweilen faſt ganzrandigen, oft aber auch mit ſcharf- und dicht-geſägten Blättern gefunden. Von S. triandra finden ſich Formen mit entfernten und mit ſehr dichtſtehenden Zähnen. Am ſtärkſten zeigen ſich die Zähne an den großen und langen Blättern der Endtriebe des Spätſommers; die unteren Blätter der klei⸗ nen Seitenzweige dagegen ſind oft ganzrandig. Die entſchiedenſten Zähne zeigen die Formen aus der Ver⸗ wandtſchaft der S. kragilis; bei dieſen endigen fie ſtets in eine ſtarke, nach innen gerichtete Drüſe. Bei — 150 S. pentandra find dieſe Drüſen, zumal in der Jugend, ſtark⸗ klebrig und einzelne erſtrecken ſich auch bis auf den Blattſtiel herab. Die Arten aus der Nähe der S. Lapponum find am wenigſten gezähnt. Bei S. ci- nerea, aurita, Caprea und silesiaca zeigen die Blätter meiſt unregelmäßig-geſchweiften Rand; an den großen Herbſtblättern dieſer Arten, auf kräftigen Sträuchern und dicken, ſaftreichen Zweigen, erſcheint der Rand oft tief ausgefreſſen-gezähnt und dabei ſchwach- wellig. So namentlich an den langen einjährigen Trieben aus abgehauenen Stöcken. Adern. Bei den meiſten Arten treten die Adern auf der Unterſeite vor und find daher auf der Ober: ſeite vertieft, bisweilen jedoch ſo wenig, daß die Blattfläche dabei eben erſcheint und, wenn ſie ſtark bekleidet iſt, die Adern ſelbſt kaum bemerkbar werden. Arten mit auf der Oberſeite erhabenen Adern ſind mir nicht bekannt. Treten die Adern und auch die feineren Zwiſchenadern ſtark hervor, ſo wird dadurch die Fläche des Blattes runzelig, wie am deutlichſten bei S. aurita. Je trockner der Standort und je kräftiger die Blätter ſind, deſto ſchärfer iſt dieß ausgeprägt. Bei den lang- und ſchmalblättrigen Arten ſind die Adern meiſt feiner und weniger bemerkbar. Bogenförmig-geſchwungene Hauptadern erſcheinen am deutlichſten bei S. dasyclados. Bekleidung. In keinem Stücke findet eine größere Veränderlichkeit bei den Weiden ſtatt, als in der Bekleidung der Blätter, und, ſoweit man dieſelbe bei der Diagnoſirung der Arten gebraucht, muß man ſich auf das Durchſchnittliche und Typiſche beziehen; denn zu entbehren iſt ſie nicht, weil ſie wichtig iſt und, richtig bezeichnet, die Arten leicht unterſcheiden macht. Die jungen, zunächſt unter den Knospenſchuppen hervorbrechenden Primordialblättchen der Blattzweige und Blüthenzweige (d. h. des Kätzchenſtiels) find bei allen Arten mit ſchlichtem Seidenhaar beſetzt, welches ſich bald verliert. Es ſcheint aber, daß zuweilen dieſes Flaumhaar auf faſt allen Blättern bis nach vollendeter Blühezeit ausdauert, wie wir wenigſtens an S. purpurea beobachtet haben. Dieſe Bekleidung unterſcheidet ſich aber von der ächten dadurch, daß fie loſe anhaftet und gleichſam verwiſchbar iſt; wie man denn von S. purpurea bisweilen junge Blätter findet, wo dieſe Haare theilweiſe noch vorhanden ſind, an einzelnen Stellen aber gleichſam abgerieben zu ſein ſcheinen. Bei allen Weidenarten beſteht die Bekleidung der Blätter aus einfachen, ziemlich kurzen, bald dicht an⸗ liegenden, bald locker aufliegenden, ſchlichten oder mehr oder weniger gekrümmten Haaren. Dieſe Unterſchiede nebſt der Menge derſelben bedingen vorzüglich die Verſchiedenheit der Bekleidung. Bei vielen Arten ſind die Blätter in der Jugend bekleidet, während fie im Alter kahl erſcheinen, wie bei S. fragilis, manchen Formen der S. alba, S. daphnoides, einigen Formen der S. nigricans, repens und silesiaca. Ueberhaupt pflegt die Bekleidung der Blätter mit deren Größerwerden abzunehmen, gleichſam, als wenn ſich die Haare nun über eine größere Blattfläche zerſtreuen müßten. Andererſeits aber zeigen die Endblätter der langen Sommertriebe faſt immer die ſtärkſte und dichteſte Behaarung, wie an S. viminalis und einerea am deutlichſten beobachtet wird; dieſe ſtark bekleideten Formen werden im September geſammelt. Daher kommt es, daß man an einem Zweige die größten Unterſchiede der Bekleidung findet, indem die unteren Blätter ſchwach bekleidet, oder faſt kahl, eine grüne Unterſeite zeigen, indeß die oberſten von einem dichten Filze grau oder weiß ſchimmern. Die kahlblättrigen Arten haben nie behaarte Blätter, außer an den Spitzen und in der Jugend; die behaartblättrigen Arten zeigen nie kahle Blätter, außer im Alter und an den unteren Seitenzweigen. Dabei findet aber in der Stärke der Bekleidung eine große Veränderlichkeit ſtatt nach der Beſchaffenheit des Standortes (feucht oder trocken, ſchattig oder ſonnig, ſteinig oder ſandig oder dammerdig), den Witterungs⸗ verhältniſſen, vielleicht auch aus anderen, noch nicht bekannten Urſachen. Von S. einerea, S. aurita und S. silesiaca, wie auch von S. Caprea werden Individuen mit ſehr ſtark und mit ſchwächer bekleideten Blättern gefunden. Namentlich kommen im dichteren Schatten der Ge⸗ büſche und an feuchteren Orten bisweilen faſt kahlblättrige Formen der S. einerea und S. aurita vor, wäh: rend auch wiederum einzelne Individuen mit durchaus dichterer Behaarung als gewöhnlich gefunden werden. Eben fo ſieht man an Orten, wo S. Lapponum und wo S. repens in Menge wachſen, nahe bei einander 160 Formen mit ſtark bekleideten, beiderſeits weiß ſchimmernden und mit oberſeits, ja ſogar beiderſeits grünen, faft kahlen oder ganz kahlen Blättern. Auch ſind die krautigen Triebe aus unterirdiſchen Stöcken oder Wurzeln, wie fie bei S. repens, cinerea und aurita auf ſumpfigen Wieſen gefunden werden, faſt immer kahl, dabei die Unterſeite graugrün und die oberen Blätter bläulich-grau und röthlich ſchimmernd (livescentia). — Die Feuchtigkeit des Bodens bedingt nicht immer die ſchwächere Behaarung, indem auch die dichtbekleidetſten S. cinerea und S. aurita auf ganz feuchten Stellen vorkommen, ſondern dieß mag, wie geſagt, von andern uns noch nicht genug bekannten Urſachen herrühren. Bei der Mehrzahl der Arten, welche bekleidete Blätter haben, iſt die Unterſeite derſelben allein oder doch um Vieles ſtärker bekleidet, als die obere; nur bisweilen findet man Individuen der S. Lapponum (wie am Altvater im Geſenke) und der S. repens, ſelten der S. cinerea, wo die Bekleidung der Oberſeite um Wer niges dichter iſt als die der Unterſeite. Meiſt ſind die Haare der Oberſeite ſehr zerſtreut, bald ſo dünn, daß die grüne Farbe nicht alterirt wird, bald etwas dichter, ſo daß die Farbe des Blattes in das Graue ſpielt, zumal, wenn man es gegen das Licht hält. Die Haare, mit welchen die Weidenblätter bekleidet ſind, ſind einfach und durchſcheinend, ungegliedert, ſehr fein, faſt von gleichem Durchmeſſer, ohne Verdickung am Grunde, und ſtehen auf den Adern. Sie ſind entweder ſchlicht, oder bald mehr, bald weniger gekrümmt. Die ſchlichten Haare ſind nach der Länge des Blattes gerichtet, gewöhnlich angedrückt; die gekrümmten meiſt locker, nach verſchiedenen Richtungen gehend, bisweilen in einander geworren. Auf der verſchiedenen Richtung der Haare und deren Dichtheit beruhen nun die Arten der Bekleidung der Weidenblätter. Von der dichten Bekleidung hat man drei Arten zu unterſchei⸗ den, welche im Allgemeinen Filz (tomentum) genannt zu werden pflegen, und als die ſeidenartige, die filzige und die mehlige bezeichnet werden können, deren jede der Blattfläche ein beſonderes Anſehn giebt. Bei allen dreien iſt die Bekleidung ſo dicht, daß die Blattfläche ſelbſt davon, wenigſtens für das unbewaffnete Auge, ganz oder größtentheils bedeckt iſt. Eine dünnere Bekleidung reicht es aus, mit dem Ausdruck pubescens zu bezeichnen. Daß die erſtgenannten Arten in dieſe letzte ſich theils bei einigen Varietäten, theils bei den ver⸗ ſchiedenen Blättern des Individuums verlieren können, iſt ſchon bemerkt worden. — Seidenartig iſt eine Bekleidung aus ſchlichten und anliegenden oder angedrückten Haaren, wodurch die Blattfläche einen ſeidenarti⸗ gen Glanz und ſilberweißen Schimmer erhält, wie bei S. viminalis, S. repens, S. alba, deren jede doch noch ihr eigenthümliches Anſehen hat. An den kräftigen Sommertrieben der S. viminalis geht dies in die zweite Art über, und an den unteren Blättern der Waſſertriebe und im Schatten wachſender Individuen mit ſchwachbekleideten Blättern verringert ſich dieſelbe bis zu einem ſchwachen grauweißen Schimmer über die blaß⸗ grüne Fläche. — Filzig iſt die aus gekrümmten, nur locker aufliegenden und in verſchiedenen Richtungen gehenden Haaren beſtehende Bekleidung, wodurch eine matte, bald grauweiße, bald weißgraue oder weißliche Fläche entſteht. Wir nennen ſo jede ſtärkere Pubescenz, wodurch die Farbe der Blattfläche ſichtlich verändert wird, auch wenn die Haare nicht fo dicht ſtehen, daß fie in einander gefilzt erſcheinen. Dieſe Art der Beklei⸗ dung findet ſich bei S. Caprea, S. cinerea, S. aurita, und zeigt je nach dem Alter und der Kräftigkeit der Blätter und der Triebe verſchiedene Stufen, ſo wie auch hier wieder bei jeder Art etwas Eigenthümliches, was ſich kaum beſchreiben läßt. Im Verein mit hervortretenden Adern und daher runzliger Fläche, giebt ſie ein beſonderes Anſehen. — Die dritte, oder mehlartige, Bekleidung iſt eigentlich eine beſondere Art der filzigen. Hier ſind weißliche Haare ſo ſtark gekrümmt und in einander gewebt, daß man mit bloßem Auge gar keine Haare unterſcheidet, ſondern die Fläche wie mit dichtem weißen Mehl überzogen zu ſein ſcheint. Unter den europäiſchen Arten iſt dieſe nur der S. incana und deren Baſtarden eigen. Farbe. Die Farbe der Weidenblätter durchläuft bei den verſchiedenen Arten ſehr verſchiedene Stufen des Grün, wechſelt indeß auch bis zu einem gewiſſen Grade bei derſelben Art. Im Allgemeinen ſind die kahlblättrigen Arten von lichterem und freudigerem, die bekleidetblättrigen aber von einem dunkleren oder doch matterem, mehr ins Graue ſpielenden, daher ſchmutzigerem Grün. Bei jenen iſt die Farbe im Frühjahr reiner 161 und heller grün und wird mit der zunehmenden Größe und Derbheit der Blätter matter und dunkler; hinge— gen bei dieſen ſind die jüngeren Blätter ſtets mehr grau und zeigen ſpäter mehr die grüne Farbe. Einiger Veränderung in der Helligkeit und dem Dunkel des Grüns ſind faſt alle Arten unterworfen, wie man unter andern an S. fragilis, cinerea, aurita, Caprea, silesiaca, purpurea und triandra ſieht. Hierbei verſteht es ſich von ſelbſt, daß die eigenthümliche Farbe der Blattfläche durch die Bekleidung alterirt wird, ſo daß ſtarkbekleidete Formen ſchon aus der Ferne grau, dagegen die ſchwächer bekleideten derſelben Art mehr grün ſchimmern. Am auffallendſten iſt dieß bei denjenigen Arten, welche in der Bekleidung am meiſten varüren, wie bei S. Lapponum, an welcher man, wo viele Formen zahlreich bei einander wachſen, ſehr verſchiedene Abſtufungen der Farbe wahrnimmt. Aber auch von S. cinerea und S. aurita trifft man unter vielen bei einander wachſenden Sträuchern mancherlei Abſtufungen in der Farbe der Blätter. — Unter den mannigfalti⸗ gen Nuancen des Grün zeichnet ſich das eigenthümliche Graugrün (glauco- viridis) der S. purpurea aus, woran man dieſe Art ſchon aus der Ferne erkennt; an manchen Exemplaren iſt dieſe Farbe ſehr hervorſte— chend, zumal im Herbſte, bei andern weniger. Auf der Unterſeite zeigt es ſich, wenn es entſchieden hervor— ſticht, als color glaucus oder caesius. Dieſe graugrüne oder graugrün⸗ weißliche Unterſeite der Blätter findet ſich bei vielen Arten theils beſtändig, theils dann hervortretend, wenn die Bekleidung dünn wird oder mangelt, wie bei S. einerea und S. aurita, wo ſie als ein ſchwaches Graugrün erſcheint. Stärker zeigt es ſich bei S. hastata, noch ſtärker bei S. phylicifolia. Bei S. silesiaca zeigt ſich dieſe Farbe bald nur ſehr ſchwach, bald deutlich. S. triandra kommt eben ſo häufig mit unterſeits blaßgrünen als graugrün-weißlichen Blättern vor. Dieſe Färbung iſt, wie oben von der Behaarung geſagt wurde, an den oberen Blättern langer kräftiger Triebe am ſtärkſten, und verliert ſich an den unteren und denen der Seitenzweige in das Blaßgrün, ſo zwar, daß oft ein Theil der Unterfläche, zumal an der Mittelrippe, noch grau, der andere grün iſt, was an S. triandra ſehr oft beobachtet wird. — Daß dieſe Färbung unter dem Glaſe als von kleinen dichten Schüpp— chen herrührend erſcheint, und daß ſie mit dem Schwarzwerden der Blätter bei dem Trocknen nicht zuſammen⸗ hängt, iſt ſchon bemerkt worden. Wie es ſcheint, rühren dieſe Schuppenpunkte daher, daß an dieſen Stellen die Epidermis von der darunter liegenden Parenchymlage gelöſt iſt. Wenn dieß auch ſchon bei jüngeren Blät— tern der Fall iſt, ſo zeigt ſich doch hier die davon herrührende grauweiße oder ſeegrüne Färbung bei ihnen viel ſchwächer, am ſtärkſten aber an alten Blättern von ſteiferer Tertur. Im übrigen weiß ich über das Phyſiolo⸗ giſche dieſer Erſcheinung Nichts anzugeben. Glanz. Die Art, wie die Flächen das Licht zurückſtrahlen, iſt ziemlich beſtändig. Gewöhnlich iſt nur die Oberſeite glänzend; doch iſt ausnahmsweiſe bei S. herbacea die Unterſeite glänzender. Er fehlt natürlich den bekleideten Arten, ſo weit bei dieſen nicht ein ſeidiger Schimmer ſtatt hat. Außerdem aber hat der Glanz der Blattfläche auch bei den kahlblättrigen Arten alle Abſtufungen. Am ſtärkſten iſt er bei S. pentandra, nächſtdem an einigen Formen der S. fragilis und bisweilen bei S. triandra. S. purpurea hat eine Art Fettglanz, ungefähr wie der edle Serpentin. Die kräftigen, großen und ſaftreichen Blätter ſind immer etwas glänzender. Stützblätter (stipulae) ſitzen je zwei an der Baſis des Blattſtiels. Meiſtentheils ahmen fie die Geftalt des Blattes nach; die breitblättrigen Arten haben halbrunde, ſichel- oder nierenförmige, überhaupt breitere, da⸗ gegen die ſchmal- und langblättrigen Arten halbpfeilförmige, lanzettliche oder linealiſche Stützblätter. — Die Stützblätter durchlaufen dieſelbe Formreihe, wie die Blätter, bleiben aber auch eben ſo wie dieſe ihrem Typus getreu. (Beiſpiel geben S. daphnoides und S. acutifolia.) Am ausgebildetſten zeigen ſie ſich an den langen und kräftigen Endtrieben, an welchen ſie, ſo wie die Blätter, oft von einer bedeutenden, die mittlere um Vieles übertreffenden Größe erſcheinen; dagegen fehlen ſie immer an den Blättern der kürzeren Seitenzweige. Ueberhaupt werden fie häufiger bei den großblättrigen Ar— ten ſowohl als Formen angetroffen. An großblättrigen Formen und den langen Endtrieben werden ſie daher auch bei ſolchen Arten angetroffen, an denen ſie ſich ſeltner oder in der Regel gar nicht vorfinden. ' 21 162 Es giebt keine Art, welche ganz ohne Stügblätter wäre; am ſeltenſten unter den unftigen ſieht man ſie an S. purpurea. An baumartigen Exemplaren ſind ſie gewöhnlich kleiner oder fehlen ganz. Wird der Stamm aber am Grunde abgehauen und treibt lange krautige ſaftreiche Triebe, ſo zeigen ſie ſich an dieſen in bedeutender Größe, wie an S. fragilis zu ſehen ift. Die Geſtalt der Stützblättchen iſt inſofern veränderlich, als die der unteren Blätter gewöhnlich runder oder breiter und ſtumpfer, die der oberen mehr länglich, ſchmäler und ſpitzer ſind, wie beſonders an der Salix silesiaca beobachtet wird. An der S. rubra und S. einereo- purpurea kommen fie bisweilen kurzgeſtielt vor. Bei denjenigen Arten, welche grobgezähnte Stützblätter haben (meiſt 2 — 4 Zähne), findet man fie zuweilen auch faſt ganzrandig. Eine beſondere Form zeigte ſich bisher nur an S. dasyclados, indem die Stützblätter bisweilen am Grunde ſo tief zweilappig ſind, daß deren zwei zu ſein ſcheinen. Blüthenknospe. Die Knospen der Staubgefäßblüthen ſind ſtets dicker als die der Stempelblüthen, und man kann ſchon im Herbſt dieſen Unterſchied an den Knospen erkennen. Bei den mehrſten Arten ſind die Blüthenknospenhüllen kahl, bei einigen aber behaart, woran ſich auch manche verwandte Arten, wie z. B. S. Caprea und S. cinerea, unterſcheiden laſſen. Die Geſtalt der Blüthenknospen iſt ſehr verſchieden. Bei einigen Arten ſind ſie länglich oder lanzett⸗ lich, bei andern oval oder faſt rundlich, bald etwas platt, bald am Rücken oder beiderſeits gerundet, bald der ganzen Länge nach an den Zweig angedrückt, bald mehr oder minder abſtehend, bald oben abgeſtumpft, bald etwas ſpitziger, zuweilen auch mit einem platten, auswärts gekrümmten Ende, wie bei S. Caprea. — Die Knospen der Stempelblüthen weichen, da ſie dünner ſind, auch in der Geſtalt von denen der Staubgefäßblü⸗ then ein wenig ab. Die Schuppendecke der Blüthenknospe iſt als das Grundblatt eines Zweiges (ſ. unten vom Kätzchen) zu betrachten, deſſen Dauer ſowohl vom Herbſt durch den Winter bis in das erſte Frühjahr, als auch Geſtalt und Subſtanz auf ſeine Beſtimmung Beziehung haben. Seine Beſtimmung iſt nämlich, das Käßchen vor ſeiner Entwickelung zu bedecken, daher auch ſeine Geſtalt die nach Innen eingerollte und zuſammenſchließende, kappenförmige, feine Subſtanz eine pergamentartige iſt. Sie können mit den blaſigen Scheiden der Dolden⸗ blätter bei Angelica und Conioselinum, noch näher mit den Aehrchendeckblättern mancher Gräſer verglichen werden. Man kann ſie auch, was am Ende auf Eines hinauskommt, als einen breiten Blattſtiel ohne Blatt⸗ fläche anſehen, zumal als ſie keine vortretenden Nerven zeigen. Auf der inneren Seite iſt die Knospendecke entweder ganz oder theilweiſe zuſammengewachſen. Mit der Entwickelung des Kätzchens wird dieſelbe erſt am Grunde dann durchaus nußfarbig, dunkelbraun oder ſchwärzlich; ſie löſt ſich am Grunde ringsherum ab, wird von dem wachſenden Kätzchen mit in die Höhe genommen und abgeſtoßen. Kätzchen (juli “) s. amenta). Die männlichen und weiblichen Kätzchen entſprechen einander in der Geſtalt, d. h. Länge und Dicke, wie auch in den übrigen Verhältniſſen. Die Kätzchen ſind entweder ſitzend oder geſtielt, ein Merkmal, welches zwar ebenfalls beſtändig iſt, aber auch nur relativ. Seiner Bedeutung nach iſt nämlich das Kätzchen nichts anderes, als ein verkürzter Zweig, welcher als Blüthenträger zur Spindel wird. Der mit Blüthen nicht beſetzte Theil wird nun zum Stiel, wel⸗ cher mit Blättchen (d. i. potentia Blüthenſchuppen) beſetzt iſt. Iſt dieſer Stiel ganz kurz, oder das Kätz⸗ chen ſitzend, fo ſitzen nur 2— 4 winzige Blättchen, die von den Knospenhüllblättchen abfällig find, darunter, gleichſam als Stützen deſſelben; iſt er aber länger, ſo iſt er mit einigen, zwar gleichfalls kleinen und bald ver⸗ welkenden, aber doch länger dauernden und den anderen Blättern ähnlichen Blättchen beſetzt, und das Kätzchen *) Es ſcheint paſſend, ſtatt des unbequemen Ausdrucks amentum den älteren iulus, womit die Griechen unzwei⸗ felhaft die Kaͤtzchen bezeichnet und den auch manche neuere Botaniker ſchon gebraucht haben, ohne Weiteres zu ſubſtituiren. b 163 erfcheint dann wie ein auf Seitenzweigen endſtändiges, zumal bei denjenigen Arten, deren Blüthen und Blät— ter ſich gleichzeitig entwickeln, wie bei S. kragilis, S. alba, S. myrtilloides. So ſehr auch dieſer Unterſchied in die Augen fällt und ein weſentliches Merkmal zu ſein ſcheint, ſo hat er doch nur biologiſche, aber keine morphologiſche Bedeutung. Daher iſt er auch mit dem Wechſel der Lebensbedingungen veränderlich, und man findet S. cinerea und S. aurita, welche ſitzende Kätzchen haben, mit geſtieltem und beblätterten Stiel, wie auch S. triandra häufig, bisweilen auch S. fragilis und S. alba mit faft ſitzenden Kätzchen. Abgeſehen da= von, daß die meiſten Arten mit ſitzenden Kätzchen während des Wachsthums der weiblichen Kätzchen auch die Baſis der Spindel verlängern und gegen die Kapſelreife geſtielt erſcheinen. Wenn im Spätſommer fortvege— tirende Zweige abgeſchnitten werden, fo pflegen die Knospen in den nächſt unteren Blattwinkeln ſich zu ent⸗ wickelu und wachſen dann in der Regel in Blattzweige aus; nicht ſelten aber findet man dergleichen mit einem Kätzchen an der Spitze (welches gewöhnlich nur unvollſtändig entwickelt iſt, am Grunde entfernte blattförmige Schuppen zeigt und am oberen Ende verkümmert). Dieſe Erſcheinung haben wir an S. einerea, aurita, repens und silesiaca häufig beobachtet. Dieſe Kätzchen ſind ohne allen Zweifel proleptiſch, d. h. für das nächſte Jahr beſtimmt, aber weil der Wachsthumstrieb an der Spitze gehindert wurde, vorzeitig, d. h. ſchon in dieſem Jahre entwickelt. Ganz genau fo verhält es ſich mit den häufig beobachteten Blüthenkätzchen (na— mentlich männlichen) der S. triandra im Herbſte. Von dieſer Art blühen bei uns in milden Herbſten faſt ſtets viele Exemplare an den beblätterten Zweigen zum zweiten Male. Auch dieſe find proleptiſch. Spätblü— hende Exemplare (amenta serotina) werden von den meiſten Arten angetroffen, wenn die Entwickelung der Kätzchen bei ungünſtiger Witterung oder durch gewiſſe Beſchaffenheit des Bodens aufgehalten wurde, ſo daß ſie dann bei plötzlicher größerer Wärme mit den Blättern zugleich hervorbrachen; dieſe Erſcheinung iſt am häufigſten bei S. aurita, dann bei S. cinerea, noch mehr aber bei S. silesiaca, phylicifolia und Lappo- num, bei welchen die den Gebirgsgegenden eigenen plötzlichen Wechſel der Witterung und die Ungleichheit der Temperatur gerade nach der Lage des Standortes eine ſehr ungleichmäßige Entwickelung ein und derſelben Art bedingen. Am auffallendſten iſt dieß an den Ufern der Gebirgsflüſſe, wo die Entwickelung von der ſehr un— gleichmäßigen Entfernung der Schneedecke abhängig iſt. 0 Anmerkung. Wahre iuli coaetanei, d. h. Kätzchen, die mit den Blättern gleichzeitig find, giebt es bei unſeren Arten gar nicht; denn auch bei denen, wo mit den Kätzchen zugleich die Blätter hervorbrechen, find die Blumen ſchon vollſtändig entwickelt, wenn die Blätter noch ganz oder doch ſehr jugendlich find. Da— her iſt dieſe Bezeichnung, wie ſie jetzt gebraucht wird, eigentlich unrichtig. Dagegen haben alle ſubtropiſchen Weiden iulos coaetaneos, bei welchen die Kätzchen in den Winkeln vollſtändig entwickelter Blätter ſitzen. Die proleptiſchen Kätzchen unſerer Arten kommen im Anſehen mit dieſen ganz überein; was dort Regel iſt, iſt hier Ausnahme. Unſere Arten zeigen alſo bei warmen Sommern, wo ſich das Klima gewiſſermaßen dem tropiſchen nähert, die in dieſem gewöhnliche Erſcheinung. Nach der Analogie der Mehrzahl der Pflanzen muß man die in den ſubtropiſchen Gegenden ſtattfindende Entwickelungsweiſe, wo die Pflanzen die beſten Lebensbedingungen haben, für die vollkommene anſehen. Daß unſere Weiden flores praecoces haben, iſt ein zwar phyſiſch⸗ regelmäßiger, aber durch das kältere Klima, alſo relativ- ungünſtige Bedingungen, herbeigeführter und im Ver: gleich mit den beſſerentwickelten wärmerer Länder abnormer Zuſtand. Dieſe Fragen und Zweifel müſſen durch Beobachtung der anderen Juliflorae in den warmen Ländern näher beſtimmt und gelöſt werden. Die Geſtalt und Größe der Käschen iſt zwar bei jeder Art beſtändig, aber doch eben fo und ziemlich unter denſelben Umſtänden, wie die der Blätter, etwas veränderlich. An magern, weniger kräftig gewachſenen, kleinblättrigen und kurzäſtigen Exemplaren find auch die Kätzchen kleiner, während fie an den langen Endtrie⸗ ben kräftiger Individuen, und beſonders auch den aus verſchnittenen Aeſten oder Stöcken entſprungenen, grö— ßer, länger und auch etwas dicker erſcheinen. Um dieſe Unterſchiede wahrzunehmen, können die gemeineren Arten, S. aurita, oinerea, purpurea, dienen. In mageren Brüchen, wo die S. aurita in 3“ hohen, viel⸗ und kurzäſtigen Exemplaren mit kleinen Blättern erſcheint, trägt fie ſehr kurze ovale, nur 6“ lange Kätzchen, 215 164 während fie an kräftigen Exemplaren bis 1“ lang und walzig find. So wird auch S. purpurea mit ſehr dünnen und wieder mit dickeren, und bald mit 2“ langen, bald mit Kätzchen von nur ½ —1“ Länge ges funden. Auch hier muß man die mittlere Geſtalt und von wohlausgewachſenen Exemplaren als die Regel beſchreiben. — Mit der Geſtalt der Kätzchen hängt auch die Dichtigkeit der Blüthen zuſammen. Dieſe ſtehen bald ſo dicht, daß von der Spindel nichts zu ſehen iſt, wie bei S. Caprea, bald ſo entfernt, daß die Spindel überall ſichtbar wird, wie an den männlichen Kätzchen der S. triandra. Obwohl auch hierin jede Art beſtän⸗ dig iſt, ſo ſind doch, zumal bei einigen Arten, kleine Abänderungen zu bemerken. Erſtens ſtehen bei allen Käßchen am Grunde die Blüthen entfernter, was ſich bei manchen Arten nur an ſpätblühenden Individuen zeigt, wie bei S. einerea, aurita, bei anderen, wie bei S. fragilis, alba, amygdalina, aber häufig vorkommt. Zweitens ſind aber überhaupt bei allen ſpätblühenden Individuen die Blüthen entfernter. Drittens giebt es bei manchen Arten Varietäten mit dichtblüthigen und lockerblüthigen Kätzchen, wovon das auffallendſte Beiſpiel die S. silesiaca gewährt; auch bei S. einerea und aurita haben wir dergleichen gefunden; dieſe Unterſchiede treten erſt nach dem Verblühen deutlich hervor. Während der Ausbildung des Kätzchens bis zur Fruchtreife verlängert ſich auch die Spindel bedeutend, fo daß bei S. cinerea und Caprea, wo die Blüthen dichtgedrängt ſtehen, gegen und bei der Fruchtreife die Kaps ſeln ziemlich entfernt ſind und die Spindel überall ſichtbar wird. Damit iſt folglich auch die Geſtalt des ganzen Kätzchens geändert, daher für die Beſchreibung ein gewiſſer Zuſtand feſtgehalten werden muß. Die männlichen Kätzchen, deren Entwickelungsdauer nur ſehr kurz iſt, trifft dieß natürlich weniger. Die Blüthen an den Kätzchen ſind in Spirallinien geordnet, über deren Anordnung wir aber noch keine Auskunft geben können. Wird die Spindel horizontal durchſchnitten, ſo zeigt ſich bei den dichtblüthigen Arten ein Kreis von Blüthen, meiſt von 5 — 7 Blumen, und die Zahl ſcheint bei jeder Art beſtändig zu fein. Bei den meiſten Arten, auch bei denen mit kahlen Blättern und Ovarien, iſt die Spindel behaart. Die Richtung der Kätzchen iſt ziemlich beſtändig, aber ſtets erſt bei der vollſtändigen Entwickelung, d. h. bei den weiblichen nach der Befruchtung zu beſtimmen. Am bemerkbarſten iſt fie an der S. incana, bei wel⸗ cher die Kätzchen bogenförmig abwärts gebogen, die längeren weiblichen oft auch ſchlangenförmig gekrümmt ſind. Die der S. kragilis verwandten Arten, deren Kätzchen auf einem beblätterten Stiele ſtehen, beugen ſich ſtets bogenförmig abwärts; nur S. triandra macht hiervon eine Ausnahme. Bei den übrigen Arten beugt nur das Geſetz der Schwere die Kätzchen bei der Fruchtreife herab. Iſt der Stiel zufällig ſtärker, ſo bleiben fie indeß auch bei jenen länger aufrecht ſtehen. Je länger die Kätzchen find, deſto eher find fie natürlich ver: anlaßt, eine gekrümmte Stellung anzunehmen. Blumen. Die Weiden find dibciſch. Hier drängen ſich folgende Fragen auf, deren Beantwortung auf dem Wege des Verſuchs zu ermitteln, vielleicht aber dieſem ſowohl als der blos theoretiſchen Betrachtung vorläufig und auf lange noch unmöglich ſein wird. 1) Kann ein Individuum, das männliche Blüthen trägt, im Verlaufe der Zeit ſich ſo verwandeln, daß es weibliche Blüthen trägt, oder umgekehrt? 2 Nach welchen Geſetzen entſtehen aus den Samen die männlichen und die weiblichen Individuen? Liegt dieß ſchon im Samen, oder hängt es von äußern Umſtänden ab? Entſtehen aus den Samen eines Individuums nur lauter männliche reſp. weibliche Individuen oder beiderlei? Aus unſeren Beobachtungen über monſtröſe Blüthen der Weiden iſt es gewiß, daß ſich auch auf einem und demſelben Individuum eine ſolche Reihe von Mittelbildungen zwiſchen Ovarium und Anthere erzeugen, daß man daran, ſo zu ſagen, den ſtufenweiſen Uebergang aus dem einen in das andere ſehen kann. Wieder ein ſchöner Beweis, wie die Natur in einer Verirrung (Abnormität) auf ein Geſetz hinweiſt, daß der ſexuelle Unterſchied nur ein virtueller, kein fpecififcher, ſei. Vielleicht mag bei den dicliniſchen Pflanzen, wie bei den Thieren, die Determination des ſexuellen Unterſchiedes bis in eine weite Ferne zurückgehen; einmal muß ſie 165 doch gefchehen fein, und wie frühe dieß auch geweſen fein mag, werde fie auch nur in die Potentia der zeur genden Eltern gelegt, ſo iſt doch einmal eine Indifferenz dageweſen. Wir wollen damit ſagen, daß die Pollen⸗ zelle wie die Ovariumzelle, durch deren Vereinigung der Embryo wird, für ſich das Gleiche bedeuten: die ent⸗ wickelungsfähige Zelle. (Daher bedarf es auch vielleicht nicht überall ihrer Vereinigung, ſondern bei den Kryp— togamen haben einzelne und gewiſſe Zellen dieſes Vermögen.) Nur ſo wenigſtens läßt es ſich erklären, wie in jenen monſtröſen Bildungen ein ſo offenkundiges Schwanken zwiſchen Anthere und Ovarium ſtattfinden kann. Man findet Ovarien, welche oben geſpalten und an den Theilungsflächen die deutlichen Antherenfächer tragen. Wiederum zeigen ſich Antheren, welche an ihrem Ende ein hornartig gekrümmtes Ovarienende tragen; bei andern hingegen iſt die eine Hälfte ein halbes Ovarium, die andere ein Antherenfach, und ſo kommen die mannigfaltigſten Kombinationen dieſer beiderlei Körper vor. Bisweilen ſieht man an einem Käßzchen zwiſchen dergleichen Mittelbildungen auch zahlreiche vollkommene Ovarien und Staubgefäße, wie häufig an S. einerea vorkommt, an welcher dieſe Mißbildungen auch am häufigſten beobachtet werden; oder die untere Hälfte des Kätzchens beſteht aus männlichen, die obere aus weiblichen Blumen, wie an einer bei uns noch nicht gefun⸗ denen Form der S. triandra, welche unter dem Namen S. Hoppeana Willd. bekannt if. Dieſe Mißbil⸗ dungen haben wir bisher an S. cinerea, S. aurita (einen Anfang dazu bildet die S. cladostemma Hayne; denn getheilte filamenta werden oft an dieſen Bildungen gefunden. Vgl. aber unten S. 167), S. Caprea, S. silesiaca, S. repens, S. purpurea, einmal auch an S. viminalis beobachtet (bei dieſer mit zwei Ova⸗ rien unter jeder Schuppe). Jede Art kommt da, wo ſie wirklich einheimiſch und in fo weit fie daſelbſt nicht durch Stecklinge vers breitet iſt, in beiden Geſchlechtern und dieſe ziemlich auch in gleicher Menge vor. Wenn die Salix alba und fragilis hiervon eine Ausnahme zu machen ſcheinen, bei welchen die männlichen bei weitem die weiblichen an Anzahl überwiegen, ſo rührt dieß nur daher, weil dieſe Arten bei uns vorzüglich nur durch den Anbau ver— breitet und reihenweiſe an Wegen gepflanzt worden find, und es iſt wohl glaublich, daß die Sorgfalt der An— bauer den männlichen, weil ſie keine Wolle auswerfen, den Vorzug gegeben haben. Wenn aber gewiſſe For— men in einer Gegend nur in einem Geſchlecht vorkommen, fo find fie entweder dort nur durch Anbau ver: breitet (wie bei uns notoriſch die S. acutifolia, von welcher nur mas vorkommt), oder fie find hybride For— men. — Jedoch ſcheinen bei mehreren, wo nicht bei den meiſten Arten, namentlich aber bei S. cinerea, au- rita und silesiaca, die weiblichen Individuen etwas zahlreicher zu fein. Bau der Blumen. Der Bau der Weidenblüthen iſt ziemlich einfach. Als Blumendecke dient einer: ſeits ein ſchuppenförmiges Deckblatt (bractea), andererſeits eine zur Geſtalt eines ſogenannten nectarium geſchwundene Blumenhülle. Zwiſchen dieſen beiden Organen ſtehen entweder die Staubgefäße, deren gewöhn⸗ liche Zahl zwei ift, oder ein geſtieltes ovarium. — Vergleicht man den Bau des Kätzchens mit dem analogen der Cyperaceae, beſonders der Cariceae, fo iſt nicht zu verkennen, daß die Blüthenſchuppen der Weiden den Deckblättern der Carex-Blüthe zu vergleichen ſind, und daß ſie nichts anderes als Deckblätter ſeien, wird an ſolchen ungewöhnlichen Bildungen (am öfterſten an S. kragilis bemerkt) wahrgenommen, welche untere ent— fernte Blüthen und vergrößerte, dabei grünliche Blüthenſchuppen in Blattgeſtalt mit verkümmerten Blüthen⸗ theilen zeigen, oder an denjenigen Mißbildungen (auch an S. fragilis), von welchen das ganze Kätzchen aus lauter vergrößerten blattartigen, keine oder ganz verkümmerte Blüthentheile (d. i. Ovarien) bergenden Schuppen beſteht und die Geſtalt eines Zapfens angenommen hat. — Wenn wir den länglichen, ſtielförmigen Körper, welcher herkömmlicherweiſe nectarium genannt wird, und an feiner Spitze Honig ausſondert, für eine unaus⸗ gebildet bleibende Blumenhülle, perianthium, anſehen, ſo ſcheinen hierfür als Gründe gelten zu können: 1) Daß derſelbe da, wo er am vollſtändigſten, d. h. in der Doppelzahl erſcheint, vor und hinter den Blüthentheilen, oder außer- und innerhalb des ovarium (der stamina), das eine hinter der Schuppe, das andere vor dem Spindeltheile ſteht; denkt man ſich beide verbunden, oder wo nur eines vorhanden iſt, dieſes genug verbreitert, ſo würde man eine becherartige Blumenhülle erhalten, wie z. B. bei Populus und bei den 166 Blüthen der Carices. Wo nur ein nectarium ift, ſteht es auf der inneren Seite der Schuppe gegenüber, dient zur Stütze, wie die Blumenhülle, und entſpricht der Schuppe, jene als äußere, dieſe als innere Blu⸗ menhülle gedacht. 2) Daß er, wenn auch nur ſchwach, gefärbt erſcheint. 3) Daß er bei manchen Arten, wie bei S. herbacea, ſchon blattartige Geſtalt zeigt. 4) Daß er mit dem Verblühen (d. h. nach geſchehener Befruchtung) verwelkt. 5) Daß derſelbe mit keinem anderen Blüthentheile eine nähere Analogie zeigt. Als eine merkwürdige Ausnahme iſt zu erwähnen, daß bei S. amygdalina die männlichen Blumen zwei, die weiblichen nur ein Nectarium haben. Blüthenſchuppen (squamae, beſſer bracteolae), Man bemerkt zwei Hauptverſchiedenheiten bei ih⸗ nen; entweder ſind ſie einfarbig gelblich (oder grünlich) und dann meiſt kahl, wie bei den Verwandten der S. fragilis, oder zweifarbig, an der Spitze ſchwärzlich und bärtig, wie bei der Verwandten der S. Caprea. Dazwiſchen find Uebergänge. Die Geſtalt der Schuppen iſt im Allgemeinen länglich; ſie geht vom Schmal⸗ linienförmigen bis zum Breiteiförmigen. Die untern ſind meiſt etwas länger, weniger dunkel gefärbt und weniger behaart; die obern kürzer und breiter, dunkler gefärbt und ſtärker behaart; doch findet man oft die oberſten wieder mit ſchwächerer Färbung und Behaarung. Zur Beſchreibung ſind ſtets die mittleren, aus wohlgebildeten Kätzchen zur Zeit der Befruchtung zu wählen! Mit dem Verblühen und der Fruchtreife än: dern fie oft ihr Ausſehen bedeutend. Bei einigen Arten, wie bei den meiſten der Gruppe der S. fragilis, ſind ſie abfällig, ſo daß ſie zum Theil ſelbſt ſchon fehlen, wenn die Staubgefäße noch ſtehen; bei anderen dauern ſie ſehr lange, faſt bis zur Fruchtreife aus, dann freilich welk oder trocken geworden. Wie die Länge wechſelt, fo auch die Spitze; einige Arten haben in der Regel ſpitze, wie S. viminalis, andere ſtumpfe, vorn abgerundete, wie S. Caprea und S. purpurea, doch wechſelt dieß auch; bei S. einerea und S. aurita fin⸗ den ſich beiderlei; die abgeſtumpfte oder ausgeſchweifte Spitze iſt der S. incana eigen. — Außerdem ſind die Schuppen bei vielen Arten faſt eben, oder der obere Theil ein wenig gekrümmt, bei anderen aber nach außen ſtark konvex, gleichſam löffelartig. — Die Farbe der Schuppen iſt ziemlich beſtändig. Bei einer Reihe von Arten ſind ſie gelblich oder gelbgrünlich und gleichfarbig, wie bei S. kragilis, alba, amygdalina; bisweilen ſchmutzig gelbröthlich, wie bei S. incana, namentlich mas; auch ſchmutzig roſtfarben oder roſtbräunlich, wie bei S. aurita und S. silesiaca; bei dieſen Arten werden fie indeß oft auch mit dunklerer bräunlicher oder ſchwärzlicher Spitze gefunden, als Uebergang zu den Arten, welche ſogenannte squamae sphacelatae, d. h. Schuppen haben, welche nach oben zur Hälfte oder einem Drittheile ſchwarz gefärbt find, wie bei S. einexea, Caprea, viminalis (hier braunſchwarz) und ſehr vielen anderen der Fall iſt. Letztere behalten auch am längſten ihre Farbe, während die erſteren, wenn ſie nicht abfallen, bald die braune Farbe des vertrockneten Laubes annehmen. Bei manchen Arten oder einzelnen Schuppen erſcheint zwiſchen dem ſtets grünlich- bleichen Grunde und der ſchwarzen Spitze oft auch ein Uebergang durch ein ſchmutziges Purpurroth. An S. purpurea erſcheinen die Schuppen am oberen Theile bald ſchwärzlich, bald purpurroth, bald ziegelroth gefärbt; zuweilen zieht ſich die ſchwarze Farbe tief herunter und ſticht dann gegen die ſilberweißen Ovarien ſcharf ab. Es er⸗ giebt ſich hieraus, in wie weit die Farbe der Schuppen zur Unterſcheidung dienen kann. — Meiſtentheils iſt die Schuppe am oberen Theile ſowohl am Rande als auf der Außenfläche mit längeren Haaren beſetzt, welche ſich als zottiger, dichterer oder dünner Bart darſtellen. Wenn das Kätzchen noch unentwidelt iſt, hüllen dieſe Haare das ganze Kätzchen ein — die ſogenannten Palmen —, wie bei S. einerea, Caprea, viminalis, purpurea, daphnoides, ja faſt bei den meiſten Arten der Fall iſt, welche daher ſich als ganz wollig darſtellen. Je älter das Kätzchen wird, deſto weniger fallen die Haare in die Augen, weil ſie zerſtreut oder entfernt wer⸗ den; oft werden ſie auch durch die Frühlingsregen verworren und unkenntlich. Sie ſind oft ſehr lang, oft kürzer bei ein und derſelben Art; bald ſchlicht, bald wollartig gekrümmt (beides an S. einerea); bald dichter, bald lockerer (faſt bei allen Arten); meiſt ſilberweiß glänzend und ſtärker als die übrige Bekleidung. An den 167 unteren Schuppen des Kätzchens iſt oft diefe Bekleidung mangelhaft oder fehlt ganz; ja es finden ſich bis⸗ weilen Individuen, deren Schuppen ganz kahl ſind, wie von S. Lapponum. Bei den Arten aus der Gruppe der S. fragilis find die Haare ſtets kürzer, ſtark gekrümmt und zerſtreut. — Hieraus möge man beurtheilen, ob man die Länge der Haare zur Artunterſcheidung benutzen dürfe. — Die Länge der Schuppe endlich hat zwar zum Ovarium ein gewiſſes Verhältniß, aber da dieſes ſammt ſeinem Stiel wächſt, auch der Stiel nicht immer von gleicher Länge iſt, fo darf man nur mit Vorſicht angeben, wie hoch die Schuppe an dem Ova— rium emporreicht. - Nectarium. Was das Nectarium fei, und daß es bald doppelt, bald einzeln in jeder Blüthe ſei, iſt oben geſagt worden. — Das Nectarium hat die Geſtalt eines linealiſchen, länglichen, vorn abgeſtutzten oder abgerundeten, bisweilen unter der Spitze eingeſchnürten, etwas dicklichen ſtielförmigen Körpers. Bisweilen ift es ſo verkürzt, daß es ein kleines Quadrat oder Trapez bildet. An ſeiner Spitze befindet ſich in der Zeit der Blüthe ein Tropfen Honig. Seine Farbe iſt grüngelblich, zitrongelb, pomeranzengelb. Gewöhnlich iſt es ger rade und ſteht ſchief gegen die Spindel; bei S. viminalis iſt es bogenförmig nach Innen gekrümmt. Eine beſondere Geſtalt hat es bei S. kragilis, indem es Staubgefäße ſowohl als Stempel in Geſtalt eines auf der einen Seite eingeſchlitzten Bechers umgiebt. Sehr veränderlich iſt ſeine Geſtalt bei S. pentandra, und an der S. herbacea findet man es in ein und demſelben Kätzchen länglich, keilförmig zweiſpaltig, oder zweilappig oder tief dreitheilig. Seine Geftalt und Größe iſt bei beiden Geſchlechtern einer Art ſtets dieſelbe. Die ab— ſolute Größe, Geſtalt, Farbe und Richtung deſſelben giebt gute Kennzeichen; ſeine Länge im Vergleich mit dem Kapfelftiel weniger, weil dieſer wächſt und weil feine Länge variabel iſt. Dieſer Theil bedarf noch ge— nauerer Unterſuchung. Staubgefäße. Gewöhnlich ſind zwei am Grunde dicht an einander ſtehende Staubgefäße vorhanden. Bei der S. triandra find drei, bei der S. cuspidata Schultz (welche eine Baſtardform iſt) 3 — 4, bei der S. pentandra und einigen exotiſchen Arten 4 — 6 Staubgefäße und darüber vorhanden. Die Staubfäden ſind bei den verſchiedenen Arten zwar von verſchiedener Länge und Dicke, doch ohne daß dieſe Verſchiedenheit beträchtlich wäre; an ihrem Grunde find fie meiſt mit Wollhaaren beſetzt, welche Bekleidung bald ſtark, bald ſehr ſchwach iſt. Jedes Staubgefäß trägt eine zweifächerige Anthere. Nur bei der einzigen S. purpurea ſind beide Staubfäden bis zu ihrer Spitze verwachſen, auf welcher fie eine vierfächerige oder Doppel-Anthere tra= gen, ſo daß ſie ein einziges dickliches und ſteifes Staubgefäß darſtellen. Verzweigte Staubfäden mit 2 bis 3 gabeligen Theilungen ſieht man bisweilen an den oben (p. 165) erwähnten Mißbildungen. Dagegen kommen bei allen denjenigen Baſtardformen, welche aus der S. purpurea abſtammen, und zwar nur bei dieſen, halb⸗ verwachſene Staubfäden vor; die Verwachſung erſtreckt ſich bald wenig über den Grund, am häufigſten bis zur Mitte, bisweilen auch bis dicht unter die Spitze, was auch bei ein und derſelben Form wechſelt. — Die Antheren ſind bei ein und derſelben Art vor dem Aufſpringen ganz gelb oder auch purpurroth, doch Letzteres bei manchen Arten nie. Sie ſind entweder rundlich oder rundlich-länglich, und nach dem Aufſpringen werden ſie gewöhnlich etwas länger und ſchmäler, bisweilen bleiben ſie auch rundlich. Nach dem Verſtäuben ſind die Antherenhäute theils ſchmutziggelb, roſtgelb oder gelbbräunlich, theils, wie bei den Verwandten der S. pur- purea, ſchwärzlich. O varium (germen, im reifen Zuſtande capsula). Das Ovarium iſt ſtets, wenn auch noch ſo kurz geſtielt, eines in jeder Blume oder hinter jeder Schuppe, von kegelförmiger Geſtalt, aus zwei ihrer ganzen Länge nach verwachſenen Karpellarblättern beſtehend, oben in einen bald ſehr kurzen, bald langen Griffel über— gehend, welcher zwei gegenüberſtehende längliche Narben trägt. Was den Bau des Ovarium anbetrifft, ſo ſpringt bei der Reife die Kapſel in zwei Längsnäthen in zwei Klappen auf. Dieſe Längsnäthe können entwe⸗ der die Kiele oder Rückennerven der beiden Karpellarblätter ſein: in dieſem Falle würde jede Klappe aus je einer Hälfte der beiden Karpellarblätter beſtehen. Oder die Längsnäthe ſind die Verwachſungslinien der Kar⸗ 168 pellarblätter: dann entfpricht jede Klappe einem Karpellarblatt. Die letztere Annahme ſcheint die richtigere zu ſein. — Wir betrachten nun die Modifikationen des Ovarium an den Arten und in der Variation, in Hin⸗ ſicht des Stiels, der Richtung, der Geſtalt und Oberfläche deſſelben. Die Ovarien aller Weidenarten haben einen Stiel, ſei er auch noch ſo kurz, wie bei S. purpurea; bei vielen hat er eine nahmhafte Länge, welche die des Ovarium ſelbſt übertrifft. Die Länge dieſes Stiels iſt in doppelter Hinſicht veränderlich: erſtens abſolut, indem viele Arten mit kürzer und länger geſtielten Ovarien vorkommen, wie an S. Caprea, cinerea, aurita, silesiaca u. a. zu ſehen iſt; zweitens relativ, weil ſich derſelbe mit der Entwickelung des Ovarium zur Kapſel verlängert. Der Stiel iſt faſt immer behaart. — Im jüngeren Zuſtande ſitzen die Ovarien aufrecht auf ihren Stielen und unter einem ſpitzen oder ſehr ſpitzen Winkel von der Spindel entfernt; ſpäter zeigen ſie ſich häufig ſchief auf den Stiel aufgeſetzt, und daher, wenn der Stiel weit abſteht, abwärts geneigt, was beſonders häufig oder faſt gewöhnlich an S. silesiaca ſtattfindet. — Die Geſtalt des Ovarium iſt im Allgemeinen die kegelförmige. Am Grunde, wo die placentae befindlich ſind und die Samen ſich entwickeln, ſind ſie ſtets etwas dicklich, gegen die Kapſelreife meiſt bauchig. Von hier aus verengern ſie ſich bald plötzlich in eine längere oder kürzere pfriemförmige Spitze, wie bei S. vi- minalis, Lapponum, nigricans, bald allmälig zur Kegelform, wie bei S. cinerea, Caprea, fragilis, bald in eine lange pfriemförmige Spitze, wie bei S. aurita, livida. Bei S. purpurea iſt das Ovarium kurz, dicklich, eiförmig; bei einigen exotiſchen Arten ſogar rundlich. In der Geſtalt variiren die Arten nicht; nur iſt zu bemerken, daß man, wie überall, ſo auch hier, wohlentwickelte Exemplare und in einem beſtimmten Alter zur Beſchreibung wählen muß. Nach der Befruchtung verdickt ſich der Grund des Ovarium, und indem es ſich zur Kapſel entwickelt, verändert ſich auch mit der zunehmenden Größe die Geſtalt ein wenig, indem der Grund anſchwellend ſich verdickt und der übrige Theil ſich verlängert. Andererſeits pflegen diejenigen Ovarien, welche unbefruchtet bleiben, in gewiſſer Weiſe zu verſchrumpfen, und zeigen ſich häufig plattgedrückt ſtatt runde lich. Plattgedrückte Ovarien (ob auch dieſe unbefruchtet?) haben wir gewöhnlich an S. daphnoides bemerkt. — Die Oberfläche iſt entweder kahl oder behaart. Iſt ſie kahl, ſo iſt das Ovarium grün, häufig mit gold— ſchillernden Punkten (indem einige Epidermiszellen lockerer aufliegen und daher das Licht anders zurückſtrahlen [), nicht ſelten auch mit kleinen Erhabenheiten, gleichſam körnig- rauh, wie bei S. amygdalina. — Die kahlen Ovarien ſind allen aus der Gruppe der kragilis eigen. — Bei einer großen Anzahl Arten ſind die Ovarien bekleidet, wodurch ſie eine graue, grauweiße, ſilberweiße oder ſchneeweiße Farbe erhalten. Die Bekleidung be⸗ ſteht in kürzeren oder längeren, bald geraden und ſchlichten, bald ein wenig gekrümmten, entweder dicht anlie⸗ genden, oder an den Spitzen oder auch ganz abſtehenden Haaren; darnach unterſcheiden wir ovaria sericeo-, hirto- und villoso-pubescentia, und bezeichnen die Farbe durch die Beſtimmungen einerea, cana, argentea und deren Mittelſtufen. Mit der Vergrößerung des Ovarium zur Kapſel vertheilen ſich die Haare auf einen größeren Raum und die grüne Oberfläche wird dazwiſchen ſichtbar, daher werden die Kapſeln grünlicher, er⸗ ſcheinen dünner behaart und zuletzt faſt kahl. — So ſicher und beſtändig dieſes Merkmal zu ſein ſcheint, ſo iſt es doch in der That nicht zuverläßig. Denn erſtens giebt es wirklich mehrere Arten, von denen Varietäten mit unbekleideten Kapſeln gefunden werden. Zu dieſen gehören, fo weit unſere Beobachtungen reichen, zu: verläßig: S. repens, S. rosmarinifolia, S. nigricans, wahrſcheinlich auch S. aurita; und zwar werden von dieſen beiderlei Formen nicht ſelten angetroffen. S. silesiaca, welche meiſt kahle Ovarien hat, wird auch häufig mit bekleideten getroffen. Selbſt von S. Lapponum ſind glattfrüchtige Exemplare gefunden worden. Bei allen dieſen, vorzüglich bei den drei zuerſt genannten Arten, werden nämlich auch ſolche Formen ange: troffen, wo die Ovarien nur zum Theil, entweder an der Baſis, oder in einzelnen Längslinien, oder auch zerſtreut an einzelnen Stellen bekleidet ſind (was man auch bei vielen hybriden Formen, als an S. finmarkica, S. hippophaifolia, S. ecinereo-amygdalina, S. aurito-incana, bemerkt). — Außerdem findet man auch bisweilen kahlfrüchtige Exemplare der S. cinerea, und zwar find dieß meiſt ſolche, welche zu der oben erwähn⸗ ten monſtröſen Bildung ſich hinneigen. — Dennoch wollen wir nicht unterlaſſen, zu erinnern, daß dieſer 169 Punkt noch einer genauen Beobachtung bedarf, und daß vielleicht die für Abänderungen gehaltenen Formen nicht ächte, ſondern hybride ſein könnten. Griffel. Scheinbar haben die Weiden einen Griffel, welcher als unmittelbare Fortfegung des Ova— rium erſcheint und nur durch Farbe und Subſtanz von jenem abgeſetzt erſcheint. Seine Länge iſt ſehr ver— ſchieden bei den verſchiedenen Arten; ſie iſt ein wenig, doch nicht ſehr, variabel. Bisweilen iſt er äußerſt kurz (stylus nullus der Autoren); bisweilen erreicht er auch faſt die Länge des Ovarium. Er iſt ſtets kahl, wird aber oft von den hinaufreichenden oberen Haaren des Ovarium ein wenig verdeckt. Seine Dicke iſt etwas verſchieden; er iſt dicker, wenn er kürzer iſt. Bei mehreren kahlfrüchtigen Arten, am meiſten bei S. triandra, reicht er bis zur Spitze und trennt die auseinandergeſperrten Narben (Stylus interstigmaticus; bei den an- deren stylus stigmatis terminatus). Der Griffel wächſt nicht mehr mit der Vergrößerung des Ovarium. Die Länge des Griffels ſcheint ſehr beſtändig zu ſein, obwohl bei einigen Arten deren Griffel gewöhnlich ſehr kurz iſt, wie bei S. cinerea und S. aurita auch Formen gefunden werden mit, wenn auch kurzem, doch deutlichen Griffel. Die Ausdrücke brevissimus, brevis, mediocris, longus ſcheinen zur Bezeichnung hin— zureichen. Narbe. Wie die Narben aus dem Griffel entſpringen, ift am beſten an S. triandra und S. vimi- nalis zu beobachten. Bei jener trennt der Griffel an der Spitze die beiden ausgeſperrten Narben; bei dieſer ſtehen dieſelben zwar einander ziemlich nahe, aber der Griffel tritt ein wenig in die Baſis jeder Narbe hinein, welche darum an ihrem Grunde breit und beiderſeits eine kleine Falte bildend erſcheinen. Die Bildung der Narben iſt für die Unterſcheidung der Arten von Wichtigkeit, nur muß man dieſelben ſorgfältig beobachtet ha— ben und ſie im vollkommenen Zuſtande beobachten; bald nach der Befruchtung verlieren ſie zuſammenſchrum— pfend ihre Geſtalt. Die Narben ſind entweder kurz und dick, eiförmig und länglich, oder lang und dünn. Meiſt theilt ſich jede Narbe ein wenig an der Spitze und erſcheint dann ausgerandet; oft theilen ſie ſich aber auch ihrer ganzen Länge nach in zwei dünne und fädliche Lappen, zumal die längeren. Man findet von ein und derſelben Art, z. B. S. cinerea, S. Caprea, S. viminalis, S. repens, Individuen mit ungetheilten und getheilten Narben, auch beiderlei in einem Kätzchen. Es iſt noch ungewiß, ob nicht die ungetheilten gleichfalls getheilt ſind und die beiden Lappen nur klebend an einander hängen. Auch die Richtung der Nar— ben iſt etwas veränderlich, da ſie bald mehr aufrecht, bald abſtehend ſind; die längeren ſind ſtets bogenförmig nach Außen gekrümmt. Ein höchſt merkwürdiger Umſtand iſt es, daß bei einer Anzahl von Arten die Klappennath zwiſchen die beiden Narben trifft, ſo daß bei dem Aufſpringen der Kapſel auf je einer Klappe eine Narbe ſitzen bleibt, hingegen bei den anderen Arten die Klappennäthe in die Mitte je einer Narbe treffen, ſo daß auf je einer Klappe zwei Hälften der beiden Narben aufſitzen. Ueber dieſes merkwürdige Verhältniß erwarten wir noch nähere Aufklärung. In der Regel find die Narben gelblich oder gelblichgrün, bisweilen zeigen fie einen vofen= farbenen Schimmer, oder völlig roſenfarben, wie namentlich an S. repens öfter beobachtet wird. Ein Aufſatz des Herrn M. v. Uechtritz: Materialien zur Pflanzengeographie. Erſte Abtheilung: Die Gruppe Clematideae der Ranunculaceae, welchen derſelbe als Manuſkript eingefandt und zur Aufbewahrung in der Bibliothek beſtimmt hatte, wurde der Sektion in einer der früheren Sitzungen vorgelegt, die allgemeine Einleitung und ein Theil der ſpeciellen Ausführung als Probe vorgelefen und das Manufkript ſodann der Bibliothek übergeben. 22 170 Indem die Sektion die ausnehmende Sorgfalt und Genauigkeit, womit die geographiſch-topographiſchen Verhältniſſe der einzelnen Arten ermittelt und begründet waren, anerkannte, konnte ſie nicht umhin, dem Ver⸗ faſſer für dieſe werthvolle Mittheilung ihren lebhaften Dank auszuſprechen. Der Sekretär legte einige neue und ſeltene Pflanzen aus der ſchleſiſchen Flora vor und gab dazu fol: gende Bemerkungen: Herr Apotheker Neumann in Wünſchelburg ſandte Exemplare von Auswüchſen an S. amygdalina Linn. ein, dergleichen an derſelben Art auch faſt alljährlich um Breslau beobachtet werden, und ihren Urſprung einem Inſekt verdanken, von deſſen Larve derſelbe eine genauere Beſchreibung gegeben hatte. Herr Paſtor Pauli in Zibelle ſendet, als einen neuen Bürger der ſchleſiſchen Flora, Litorella lacu- stris in mehreren Exemplaren ein; wie auch die in derſelben Gegend ſehr häufig vorkommende Rhyncho- spora fusca. Herr Cand. med. Paſſow theilt zwei Exemplare von Cirsium oleraceo-palustre aus der Gegend von Reinerz mit, und bemerkt, daß auf den Wieſen neben der Brunnenallee daſelbſt wahrſcheinlich auch an⸗ dere mit C. rivulare hybride Formen vorkommen dürften. Referent giebt ſich die Ehre, über die auf einigen Exkurſionen in dieſem Jahre gemachten Beobachtun⸗ gen Folgendes zu berichten: Auf einer Exkurſion um Charlottenbrunn wurden folgende Bemerkungen gemacht: Das ſchon früher im Dorfe Lehmwaſſer und dort zuerſt beobachtete Cirsium oleraceo-palustre wurde auch heuer daſelbſt wies der geſehen, und zwar aus demſelben ſchon längere Zeit perennirenden Wurzelſtocke. Ein anderes Exemplar, in der Tracht dem C. palustre ziemlich nahe, mit gelblichen Blumen, wurde bei Sophienau gefunden. Sehr zahlreich auf den nächſtliegenden Bergen ſind die Formen von Hieracium murorum, H. vulga- tum Fries und H. rigidum Hartm. Letzteres wurde namentlich in ſeiner ausgezeichneten Form, mit ſchma⸗ len, in der Mitte ſtark- und ſpitzgezähnten Blättern und ſteif-aufrechtem Stengel, an Gebüſchen hinter So⸗ phienau, am langen Berge und am Beinerts-Berge beobachtet; am letzteren indeß ſchienen Formen vorzukom⸗ men, welche einerſeits zum II. vulgatum, andererſeits zum H. boreale ſich neigten. Wenn man bei dieſen Pflanzen Baſtarde annehmen darf, ſo iſt damit wenigſtens eine Ausſicht eröffnet, durch Abſonderung der hy— briden Licht in das Gewirr zu bringen; ohne dieſe Annahme geſtehen wir, unvermögend zu ſein, die Formen ſo zu Arten zu gruppiren, daß ſich dabei keine Willkür kundthut. Nicht minder verdienen die Rubi um Charlottenbrunn eine genaue Beachtung; am günſtigſten am lan⸗ gen Berge in der Nähe des Steinbruchs. Auf dem ganzen Bergrücken ſtellen ſich R. hirtus und R. Bellardi in der entſchiedenſten Beſtändigkeit und großer Verbreitung dar; nächſtdem der R. nemorosus an einzelnen Stellen, K. vulgaris villicaulis, R. Radula, R. Koehleri und eine Form, für welche ich noch keinen ſiche— ren Namen anzugeben habe, vereinzelt. Eben ſo fand ſich jenſeitig nach Steingrund zu ein einzelnes großes Exemplar des R. thyrsoideus mit weißen Blumen. Am Abhange des Lorbeerberges gegen Sophienau zu wurde Epilobium virgatum in ſchönen Exempla⸗ ren zahlreich gefunden, und die Angaben von Fries über dieſe Art beſtätigt. — Daſſelbe ſahen wir auch in dieſem Jahre nächſt Carlsbrunn in der Nähe des Bades und im Dorfe Ludwigsthal. Dieſe Art iſt, wie ihre bisherigen Fundorte zeigen (außer den angezeigten wurde es noch am Zobtenberge und am Höllenplatze ober⸗ halb Schmiedeberg von uns gefunden), offenbar eine Pflanze des Vorgebirges, und eben fo ſehr von E. pa- lustre als von E. tetragonum verſchieden, welches letztere nur der Ebene angehört. Die Blätter vereinigen ſich mit ihren Rändern dicht unter ihrer Baſis, von welchem Punkte dann eine ſchwache Linie am Stengel herabzieht. Hiernach würden die Angaben von Koch im dritten Theile der zweiten Ausgabe der Synopsis Fl. 171 germ. p. 1023 zu berichtigen fein. Das dafelbft angeführte E. Lamyi ſcheint mit unſerem E. virgatum Nichts gemein zu haben. Am Blockberge wurde ein Exemplar einer Weide gefunden, welche wir nach den Blättern für eine 8. cinereo-Caprea zu halten geneigt find. An einer Blöße des ſchwarzen Berges fanden wir in zahlloſer Menge und eine große Strecke bedeckend Pyrethrum Parthenium in hohen aufrechten Exemplaren. Die kurzen Strahlenblumen geben ihm ein etwas anderes Anſehen, als das in der Ebene und in Gärten verwildernde hat. Nach Beinert's Mittheilung hat es ſich ſeit 20 Jahren immer an den Lehnen dieſes Berges, und zwar nur an dieſem, gezeigt, ſobald daſelbſt geholzt worden war. Dieß ſcheint auf ein Indigenat dieſer Pflanze hinzuweiſen. Auf einer zweiten Exkurſion in das mähriſche Geſenke am 28. Juli bis zum 2. Auguſt iſt Folgendes angemerkt worden: Am linken Oderufer vor Brieg wurde in zahlreichen Epemplaren eine Form der Salix rubra gefunden, wie dergleichen auch hin und wieder um Breslau und in zahlreicher Menge am Bober bei Bunzlau von Krauſe bemerkt worden iſt, mit ſchmäleren, langgezogenen, unterſeits ſchwach ſeidenhaarigen Blättern. Dieſe unterſcheidet ſich von der gewöhnlichen und am häufigſten verbreiteten S. rubra ſchon von weitem, und wir glauben nicht zu irren, wenn wir dieſe Form für die andere Kreuzung aus der S. viminalis und S. pur- purea anſehen. In den Anlagen bei Carlsbrunn wurden zahlreiche Exemplare der S. silesiaca betrachtet, meiſt in Form von Bäumchen, nach Art der S. Caprea, in der Breite, Zuſpitzung und Behaarung der Blätter ein wenig von einander differirend, aber alle dem Typus dieſer Art ziemlich treu. Nur ein Strauch am Waſſer hinter dem Badehauſe ſchien ſich zur S. Caprea hinzuneigen. Ueber Hubertuskirch am Heuwege wurde eine uns nicht geläufige Form von Rubus mit ſtark behaarten Blättern bemerkt, deſſen weitere Beobachtung leider verſäumt werden mußte, der aber fernerer Beobachtung zu empfehlen iſt. Unterhalb des Petersſteines wurde auf Grasplätzen die Euphrasia, welche hier in Geſellſchaft des Alec- torolophus pulcher in großer Menge vorkommt, wieder genauer betrachtet. In den weſentlichen Merkmalen ſcheint ſie mit der in der Ebene wachſenden E. officinalis übereinzuſtimmen; die Blumen ſind etwas größer, deren Färbung etwas geſättigter. Jedoch hat dieſe Gebirgsform einen ſchlanken Wuchs, iſt meiſt einfach, oder hat im Graſe nur dünne fädliche Seitenäſte, und außerdem iſt der etwas tiefer gezähnte Kelch meiſt mit ſchwarzen Flecken, gerade wie der Alectorolophus pulcher, verſehen. Da die Euphrasia officinalis der Ebene niemals auch an den fetteſten Standorten einen ſo ſchlanken Wuchs erlangt, und der Regel nach äſtig, ja vieläſtig, nur ausnahmsweiſe in dürftigen Exemplaren einfach erſcheint, ſo beſtimmen mich dieſe Gründe, jene Form für eine eigene Art anzuſehen, welcher ich den Namen E. pieta gebe. Auf den quelligen Stellen unterhalb des Petersſteines nächſt dem von Klein-Morau nach dem Altvater führenden Fahrwege wachſen S. hastata und S. silesiaca in Menge unter einander. Von der erſteren wurde eine Form mit elliptiſchen, kurz zugeſpitzten ſattgrünen Blättern, kürzeren, ſehr gedrängten Kätzchen und Eur- zem Griffel; eine andere mit länglichen, in eine Spitze vorgezogenen, hellen grünen Blättern und längerem Griffel; und eine kleinblättrige Form ohne Blüthen angezeichnet. Außerdem fanden ſich zwei Formen, welche für S. hastato-silesiaca gehalten werden mußten, deren eine wegen der röthlich-graugrünen Farbe des Lau⸗ bes als livida, eine zweite als oblongifolia bezeichnet wurde. An derſelben Stelle, wie auch weiterhin am ſogenannten Blumengarten, wurden eben aufblühende Exemplare eines Hieracium gefunden, welches dem H. prenanthoides zwar ſehr nahe ſteht, aber ſich doch in 22 * 172 der Tracht und durch eine viel ſchmälere Blattbaſis, ſo wie durch minder dichten Stand der Blätter, davon unterſcheidet. Wo der Weg den vom Altvater herkommenden Bach, die „Teß,“ durchſchneidet, wurde eine Form der S. aurita © bemerkt, welche ſich durch kleinere, röthlich-graugrüne Blätter auszeichnet, in den Blüthen aber keine Verſchiedenheit darbot. Aehnliche Formen wurden höher oben am Altvater und am Rande des großen Keſſels beobachtet, die höchſten Punkte, an welchen ich die S. aurita bis jetzt beobachtet habe. Im Rieſenge⸗ birge ſcheint dieſelbe an ähnlichen Stellen nicht vorzukommen. Sie ſcheint an ſolchen Plätzen ihr Ausſehen ein wenig zu ändern, und dieſe Form dürfte wohl als Varietät unter dem Namen S. aurita livida heraus⸗ zuheben ſein. An demſelben Fluſſe höher oben an der Lehne des Altvaters wurden zahlreiche Exemplare der beſtent⸗ wickelten S. silesiaca mit großen breiten Blättern, ſowohl mit kahlen als mit behaarten Kapſeln beobachtet. An derſelben Lehne wurden in einer vereinzelten Gruppe von einigen 30 Individuen von Hieracium Pilosella unter vielen einblüthigen auch 10 — 12 zweiblumige bemerkt. Außer andern Weidenformen am Altvater wurden an den Tafelſteinen ſelbſt zahlreiche Salix silesiaca geſehen, in welcher Höhe ſie ſonſt auf dem Geſenke nicht gefunden wird und auch im Rieſengebirg nur hier und da einzeln vorkommen dürfte. Auch hier war fie nur dürftig und es wurden nur wenige Blüthenkätz⸗ chen gefunden. Da ſie an dieſen Orten ſchon zwergig erſcheint, ſo könnte man geneigt ſein, dieſe Höhe für ihre obere Gränze zu halten, doch wäre zu beobachten, ob fie in höheren Gebirgen, etwa am Earpathifchen Tatra, nicht vielleicht noch höher aufſteigt. Beiläufig ſei hier erwähnt, daß die von Fries in der Summa Vegetationis Scandinaviae p. 207 gegebene Diagnoſe von S. laurina Smith faſt wörtlich (mit Ausnahme der Phraſe ramulis albo-villosis) auf unſere Salix silesiaca paßt, deren von mir mitgetheilte Exemplare auch Fries davon nicht zu unterſcheiden vermag. Allein was ich aus Gärten und von Koch, der die Weiden aus England bezogen hat, unter dem Namen Salix laurina Smith kenne, iſt eine der Salix praecox ganz naheſtehende Form. Dagegen iſt die S. silesiaca eine uns ſehr wohlbekannte Art, deren Formen wir Ihnen demnächſt auseinander zu ſetzen uns beehren wollen, und wir glauben, daß kein Grund vorliegt, den zweifel⸗ haften Smithſchen Namen auf dieſe von hier aus zuerſt bekannt gemachte Art zu übertragen. Eine beſondere Aufmerkſamkeit ſcheinen auch die Hieracium-Formen des Geſenkes zu verdienen, von denen wir hier nur Folgendes anmerken. Auch dießmal fanden wir zweiblüthige Formen mit großen Blüthen- köpfen, die ſich von dem ächten H. alpinum weit entfernen, ohne daß man ſie zu H. Halleri rechnen könnte, und die man auch nicht einmal für einen Baſtard dieſer Arten zu halten veranlaßt iſt. — Am Keſſelrande ſahen wir Exemplare des H. nigrescens Willd., welche faft dem H. rupestre All. nahe ſtehen. Dieſes ſelbſt haben wir dießmal im Keſſel an vier Stellen, zweimal auf den Felſen, und zwar daſelbſt größere Indi⸗ viduen mit äſtig⸗vielblüthigem Stängel, und zweimal auf den Graslehnen im unteren Theile der Schlucht, daſelbſt meift ½ hoch, mit 3 — 4blüthigem Stängel beobachtet. Am Rande des großen Keſſels unter den erſten kleineren Felsgruppen an den Bachrinnen finden ſich S. hastata, fo wie S. silesiaca in Menge, und darunter Formen, von denen es ſchwer zu entſcheiden war, zu welcher dieſer Arten ſie zu rechnen ſeien. Wie ſehr verſchieden auch dieſe beiden Arten an ſich ſind, ſo daß ſie in ihren normalen Formen auch wohl charakteriſirt werden können, ſo ſchwer hält es doch da, wo ſie ſich, ſei es durch Variation, einander annähern, ſei es durch Hybridation, in einander überzugehen ſcheinen, nicht blos in Worten, nein, auch mit dem Auge zu unterſcheiden. Hybride Formen derſelben gefunden zu haben, behaupten wir deshalb nicht, weil dazu längere Beobachtung in verſchiedenen Zuſtänden erforderlich iſt, obwohl wir bei einigen Formen dieſen Urſprung nicht bezweifeln. — Im Grunde des Keſſels werden von dieſen beiden Arten ſehr großblättrige Formen an kräftigen, durch das immer zuſtrömende Waſſer wohlgenähr⸗ ten Sträuchern beobachtet. Erklärung der Abbildungen. Auf den beigefügten drei Tafeln ſind eine Anzahl der in den letzten Jahren in Schleſien beobachteten Weiden⸗Formen und -Baſtarde, worüber in dieſen Blättern Bericht erſtattet worden iſt, abgebildet, und zwar ein ganzes Blatt, ein Stück der Unterſeite, ein Kätzchen, eine Blüthendeckſchuppe, ein Nektarium und ein Staubgefäß reſp. Ovarium. Tafel I. Tafel II. Tafel III. 1. 14. Salix incana- purpurea fem. von Bielitz. . Salix viminalis-cinerea fem. von Kanth. . Salix viminalis- cinerea fem. von Karlowitz bei Breslau. . Salix repens- purpurea mas von Sadewitz bei Oels, nebſt einem weiblichen Kätzchen von Herrnprotſch bei Breslau. Salix incana- aurita fem. von Uſtron. Salix purpurea- Caprea? mas von Lilienthal bei Breslau. Salix aurita- purpurea, a) fem. von Janowitz bei Breslau, b) ebendaher, ein anderer Strauch mit helleren lanzettlichen Blättern, c) mas, von Tſchanſch bei Breslau. „Salix dasyclados (holosericea Willd. 2) fem. von Scheitnich bei Breslau. . Salix aurita- viminalis glabra fem. von Ohlau. Salix aurita-viminalis fem. von Janowitz bei Breslau. . Salix einerea-triandra fem. von Tſchanſch bei Breslau. Salix cinerea-repens fem. von Herrnprotſch bei Breslau. . Salix purpurea-silesiaca von Schreibershau, a) mas am Vitriolwerk, b) fem. mit kürzeren Narben von Marienthal, c) fem. mit längeren Narben von Marienthal. Salix einerea- purpurea m. von Sadewitz bei Oels. . Salix oinerea- purpurea m. von Maſſelwitz bei Breslau. . Salix aurita-viminalis fem. von Liſſa bei Breslau. „Salix cinerea- purpurea fem. von Maſſelwitz bei Breslau. . Salix purpurea -repens, a) fem. von Herrnprotſch bei Breslau. b) mas von Sadewitz bei Breslau. „Salix purpurea -silesiaca, Blatt von den längeren Trieben. . Salix einerea- purpurea (17), desgleichen. Wee — Fe 1 1 8 Rau, dr 2 as ae tin * In: hun wi: air babe ah, | 0 e * a rasen“ 15 A * e N 5 Me nein bah aa een N SEE 2275 Petr db, g et, ITRREZRE RZ „ s. 173 Außer dieſen unternahmen wir zwei Exkurſionen, lediglich der Beobachtung der Salices wegen, auf nur je zwei Tage in das Rieſengebirge, und zwar den öſtlichen Theil deſſelben, von Petersdorf über den Kochelfall und die Kochelhäuſer zur alten ſchleſiſchen Baude, auf welchen wir über die S. silesiaca und deren verwandte Formen manche nützliche Beobachtung gemacht haben. Die Salix silesiaca iſt eine Pflanze des höheren Vorgebirges. In der bezeichneten Gegend erſtreckt ſie ſich genau bis zum Ausgange des von Schreibershau bei Petersdorf ſich ausmündenden Thales, ſo daß ſie mit dem Anfange des Dorfes Petersdorf ziemlich verſchwindet. Deren obere Gränze ſcheint daſelbſt die der Waldregion zu ſein, da ſie mit dem Walde unterhalb der alten ſchleſiſchen Baude aufhört. In dieſem Gürtel finden ſich in ihrer Geſellſchaft S. purpurea, S. Caprea, S. einerea und S. aurita, fo zwar, daß ſich S. purpurea nur ſehr wenig über die untere Gränze erſtreckt, S. oinerea zwar bis höher hinauf, aber nur in vereinzelten Exemplaren erſcheint, und S. Caprea und S. aurita, die letzte häufiger, jene bis an die obere Gränze begleiten. — Bei einem ziemlich feſten Typus findet man doch zahlreiche Abänderungen in der Größe, Form und Bekleidung der Blätter, der Dichtigkeit der Kätzchen, Bekleidung der Ovarien und Länge der Griffel. Die Form mit graubehaarten Ovarien iſt nur ſelten. Im Allgemeinen hat dieſe Art lockere Kätz⸗ chen, ſo daß die Spindel überall ſichtbar iſt; doch findet man einerſeits Exemplare mit dichteren und auch welche mit ganz lockeren Kätzchen; bei letzteren ſind auch die Kapſelſtiele ſehr lang. Außerdem zeigte Herr Profeſſor Dr. Göppert ein Exemplar der Maldiviſchen Nuß, nebſt Abbildung der Pflanze ſelbſt; Herr Dr. Körber Exemplare des bei Marienbad in Böhmen geſammelten Asplenium serpentinum Presl, und der Obengenannte mehrere merkwürdige Palmen- und Cykadeenſtämme u. a. von Encephalartos Friderici Guilelmi vor. Der Sekretär trug die Einleitung aus einem von Herrn Pharmazeuten Zölffel ſammt einigen getrock— neten Pflanzen der Sektion überſandten Manuſkript über die Flora der Umgegend von Krotosczyn vor. Für die uns von auswärts zugegangenen Mittheilungen und Sendungen ſpreche ich im Namen der Sektion unſern ergebenſten Dank aus. Nachträglich erlaube ich mir, hier noch die betrübende Mittheilung zu machen, daß die ſchleſiſche Geſell— ſchaft, und insbeſondere die botaniſche Sektion, den Verluſt eines ihrer thätigſten und gelehrteſten Mitglieder und Mitarbeiter zu beklagen hat. Der Dr. philos. C. T. Beilſchmied ſtarb am 6ten Mai d. J. zu Herrnſtadt. Die Sektion hat dem bisherigen Sekretär auch für die nächſten zwei Jahre dieſe Funktion übertragen. — — 8 ̃ᷓ§ꝙ—— e e, 08 0 a 19 5 (rad 9 175 4, Bericht über die Wirkſamkeit und die erlangten Reſultate der geographiſehen Sektion der ſehleſiſehen Geſellſchaft im Jahre 1847, von P. H. L. v. Doguslawski, zeitigem Sekretär derſelben. Die Sektion für allgemeine Erdkunde hat ſich im Laufe des Jahres acht Mal verſammelt, darunter mehre Male, nach Maaßgabe des Gegenſtandes, im Vereine mit der allgemeinen naturwiſſenſchaftlichen und mit der techniſchen Sektion der Geſellſchaft. Die Zwecke dieſer Sektion werden es erklärlich finden laſſen, daß die größere Zahl der gehaltenen Vor— träge von Außen her ſtammt, und daß ihre Wirkſamkeit vorzugsweiſe extenſiver Art iſt, zuletzt aber im Schooße der Geſellſchaft koncentrirt wird. Die gehaltenen Vorträge betrafen zunächſt: I. Topographie und Ethnographie. 1) Herr Stadtrath Scholtz hielt, nach den von ihm ſeit Jahren und ſchon in Amerika geſammelten Daten: Ueber das Projekt eines Kanals durch den Sſthmus von Tehnantepec zur Verbindung des atlantiſchen mit dem ſtillen Oceane, nachſtehenden Vortrag: Vermauert nicht den Iſthmus und durchgrabt ihn nicht; Denn wollte Zeus die Inſel, macht' er ſie von ſelbſt. Orakel zu Delphi. Als Columbus feine kühne Fahrt nach Weſten antrat, ahnete er ſelbſt nicht, daß er einen neuen Welt⸗ theil entdecken würde. Seine Abſicht war, auf dieſem Wege das Reich des großen Chans, deſſen Exiſtenz und Reichthum durch die Reiſen von Marco Polo der europäiſchen Welt bekannt geworden waren, früher zu erreichen, als auf dem Wege ums Cap der guten Hoffnung, welchen die Portugieſen verfolgten, wie ihn Vasco de Gama eröffnet hatte. Bei der mangelhaften Kenntniß unſers Erdballs in jener Zeit und den zu unbeſtimmten Berichten Marco Polo's, die zum Theil als fabelhaft betrachtet wurden, war es wohl ein ver— zeihlicher Irrthum, wenn Columbus das von ihm entdeckte Land für die Oſtküſte Aſiens hielt, und mit dem Namen Indien oder Weſtindien bezeichnete. Erſt nachdem der Iſthmus von Panama überſchritten worden, 176 und Cortez feine Eroberungen von Mexiko aus bis nach der Halbinſel von Californien ausgedehnt hatte, gez langte man zur Kenntniß des großen Oceans, welcher zwiſchen Aſien und Amerika liegt, und jetzt mit dem Namen des ſtillen Meeres bezeichnet wird. Sobald nun die Spanier im Beſitz von Peru, Chile und der Weſtküſte von Mexiko waren, ſtellte ſich das Bedürfniß heraus, eine Verbindung des atlantiſchen mit dem ſtillen Meere zu finden; jedoch blieben alle Nachforſchungen nach einer freien Durchfahrt zwiſchen Nord- und Süd-Amerika ohne Erfolg. Die Hoffnung, nördlich von Californien, durch die ſogenannte Fuca-Straße, einen Weg zu finden, ergab ſich ſpäter auch als eine Täuſchung. Da die Natur nun keine freie Durchfahrt geſtattet hatte, wendete man ſeine Aufmerkſamkeit auf die Punkte, wo die nördliche und ſüdliche Hälfte des neuen Continents durch einen ſchmalen Landſtrich verbunden ſind, und wo man daher glaubte, am leichteſten eine Verbindung durch eine Waſſerſtraße bewerkſtelligen zu können. Es ſind dieß vorzüglich drei Punkte, die eine Hoffnung des möglichen Gelingens eines ſolchen Unternehmens geben. Dieſe ſind 1) der Weg über den Iſthmus von Panama, 2) der Weg durch den See von Nicaragua, welcher durch den Fluß San Juan mit dem atlantiſchen Meere in Verbindung ſteht, und 3) der Weg über den Iſthmus von Tehuan— tepec. Es iſt dieſer letztere Weg, auf welchen ſich die folgenden Mittheilungen beziehen. Im Jahre 1842 bildete ein Bürger von Mexico, Dr. Joſé de Garay, den Plan, durch einen Kanal über den Iſthmus von Tehuantepec die beiden Meere im Norden und Süden mit einander zu verbin— den. In einem Memorial vom 25. Februar 1842, welches derſelbe an den damaligen Präſidenten der mexi⸗ kaniſchen Regierung, Santa Anna, richtete, ſchilderte er die von einem ſolchen Kanal zu erwartenden Folgen mit den lebhafteſten Farben, und verſpricht, daß nicht nur große pekuniäre Vortheile, ſondern auch unendlicher Ruhm für Mexiko durch eine ſolche Unternehmung zu erreichen fein würde. Er erwartet, daß „Tauſende“ von Schiffen dieſen Weg wählen würden, und daß für Schiffe aus Europa die Reiſe nach China um 2000 Leguas (1500 geographiſche Meilen) abgekürzt werden würde. Zur Ausführung dieſes Werkes verlangt er von der mexikaniſchen Regierung keine andere Hülfe, als die Gewährung des Landes, durch welches der Kanal ges führt werden ſoll, und ein Privilegium auf einen gewiſſen Zeitraum. Dieſer Landſtrich ſoll zu neutralem Territorium erklärt werden, damit er nicht etwa von einer andern Nation in Beſitz genommen werde. Ueber die zu erwartenden Folgen drückt ſich Herr Garay in dem Memorial an den Präſidenten unter andern fol: gendermaßen aus: „Erlauben Sie mir, zu wiederholen, daß das Gemüth verworren wird und ſich in dem Beſtreben ver= liert, alle die wohlthätigen Folgen zu umfaſſen, welche Mexiko dann erreichen wird, wenn der Plan vollendet iſt: durch die Leichtigkeit, womit die Erzeugniſſe des Landes ausgeführt werden können, dadurch, daß Mexiko das Emporium des Welthandels ſein wird, daß ungeheure Summen an Zöllen und Kontributionen werden gezahlt werden, nicht von Eingebornen und Bewohnern des Landes, ſondern von Fremden, und durch den Vortheil, welcher mit Zufluß von Bevölkerung und von Kapitalien unfehlbar herbeigeführt werden wird.“ Ohngeachtet dieſer ſanguiniſchen Hoffnungen iſt Herr Garap doch der Meinung, nicht ſogleich mit dem Kanalbau anzufangen, ſondern die Verbindung vor der Hand durch gute Landwege herzuſtellen und erſt dann den Kanal für größere Schiffe zu unternehmen, „wenn auf beiden Seiten der Transportlinie geld- und volk⸗ reiche Städte gegründet ſind, was ſicherlich — wie er hofft — in wenigen Jahren der Fall ſein werde.“ Dies Memorial hatte denn auch bei dem Präſidenten Santa Anna den erwünſchten Eindruck gemacht. Denn ſchon 4 Tage nachher, am 1. März 1842, erließ die Regierung ein Dekret von 11 Artikeln, worin die Wünſche des Unternehmers vollkommen befriedigt werden. Derſelbe erhielt das ausſchließliche Privilegium zur Herſtellung des Kanals, oder — wo dies nicht ausführbar ſei — zur Errichtung von Eiſenbahnen. Das Land wird für neutral erklärt — „für alle Nationen im Frieden mit Mexiko.“ — Don Joſé de Garay ſoll dagegen auf feine Koften die Unterſuchung und Vermeſſung vornehmen, doch innerhalb zehn Monaten, fonft erliſcht das Privilegium; auch ſoll er auf ſeine Koſten die Häfen einrichten und Magazine und Befeſtigungen zur Vertheidigung der Häfen anlegen. Bei Privat-Eigenthum wird ihm das Expropriationsrecht, doch nur auf 177 eine Viertellegua, an der Linie des Weges oder Kanals und gegen billige Entſchädigung gewährt. Er (oder die Unternehmer) erhält das Recht, den Tranſitozoll auf 50 Jahre zu erheben, nach welcher Zeit die Regie— rung den Zoll einzieht. Für den Transport durch Dampfböte und auf Eiſenbahnen erhält er das Privilegium auf 50 Jahre. Wenn die Regierung nach 50 Jahren in Beſitz und Genuß der Einnahme tritt, zahlt ſie noch für die nächſten 50 Jahre ein Fünftel der Einnahme an die Unternehmer. Alles unbebaute Land, zehn Leguas auf jeder Seite des Weges oder Kanals, wird den Unternehmern als Eigenthum bewilliget. Von Seiten der Regierung ſoll kein Tranſitozoll erhoben werden, ſondern nur von der Geſellſchaft der Unterneh— mer die Fracht-, Hafen- und Wegegelder. Es ſollen jedoch in den Häfen Zollbeamte angeſtellt werden, um den Schmuggelhandel zu verhüten und Zölle von den Waaren zu erheben, die im Lande verbleiben und nicht weiter gehen. Dieß ſind die weſentlichen Beſtimmungen des Dekretes. Demzufolge war nun der erſte Schritt, daß Herr Garay die Unterſuchung und Vermeſſung des Landes, wo der beabſichtigte Kanal durchgeführt werden ſollte, vornahm. Die Vermeſſungen wurden vorzüglich durch Don Gaetano Moro geleitet, von welchem auch die Charten entworfen ſind. Außer ihm waren dabei noch beſchäftiget: Oberſtlieutenant de la Troupliniere, Kapitain Gonzalez, Lieutenant Guido und Dr. Manuel Robles, Profeſſor an der Militairſchule in Mexiko. Dieſe Herren waren mit hinreichenden Inſtrumenten, mehreren Sextanten, Theodoliten, Borda'ſchen Kreiſen, Chronometern und Barometern zu Höhenmeſſungen ver— ſehen, und ſcheinen ihre Arbeiten mit vieler Genauigkeit und Sachkenntniß gemacht zu haben. Nicht nur ſind die Hauptpunkte theils aſtronomiſch, theils durch Triangulirung genau beſtimmt, ſondern auch die Höhen durch Barometer, wie auch durch trigonometriſche Meſſungen, ermittelt worden. — Dieſe Höhenbeſtimmungen ſind beſonders bei Anlegung des Kanals von der größten Wichtigkeit. Es war zwar, wie ſchon erwähnt, fürs Erſte noch nicht die Abſicht, einen Kanal für größere Schiffe zu bauen, ſondern ſich mit einem bequemen Landtransport auf Chauſſeen oder Eiſenbahnen zu begnügen; indeß ſind die gemachten Vermeſſungen doch von der Art, daß ſelbige den Plan, einen Kanal für größere Schiffe zu bauen, vorausſetzen. Es wird in der Folge unterſucht werden, ob die von einem ſolchen Kanal erwarteten glänzenden Vortheile zu erreichen ſind. Wenn ſich aber ergeben ſollte, daß dieſelben bei weitem nicht ſo groß und nicht ſo ausgedehnt ſind, wie man ſich geſchmeichelt hat, fo wird um fo weniger von einer ſchwierigern langſamern Verbindung durch einen klei— nen Kanal oder durch Eiſenbahn, wo Umladungen der Waaren ſtattfinden müßten, ein befriedigendes Reſultat für den Welthandel zu erwarten ſein. Die Vermeſſungen, ſo wie das ganze Projekt, muß daher aus dem Geſichtspunkte betrachtet werden, daß daſſelbe einen größern Schiffskanal beabſichtiget. Für dieſen Zweck find die beiden Endpunkte nördlich und ſüdlich des Iſthmus von Zehuantepec gut gewählt. Im merifanifchen Meerbuſen, weſtlich der Halbinſel von Yucatan, ergießt ſich unter 18% 87 nördli— cher Breite und 940 2% weſtlicher Länge von Greenwich der Fluß Coatzacoalcos, welcher an feiner Mündung und noch ein paar Meilen ſtromauf eine Tiefe von 30 — 33 Fuß hat, und mithin auch für große Schiffe einen guten Hafen bildet. Die Barre an der Mündung wird zwar von einer Sandbank, auf welcher nur 18 — 20 Fuß Waſſer find, geformt, allein dieſe ließe ſich leicht beſeitigen. An der Südküſte, in 16“ 137 nördlicher Breite und 949 53° weſtlicher Länge von Greenwich, führt ein enger Eingang in eine Lagune von bedeutender Ausdehnung (mehr als 2 Meilen Länge) und aus dieſer in eine zweite, noch größere, gleichfalls durch einen engen Paß bei St. Dioniſio. Beide Lagunen haben zwar an vielen Stellen, ſo wie in den Engpäffen, nur eine Tiefe von 12 — 15 Fuß; doch da der Boden Sand und Schlamm ift, ſo laſſen fie ſich leicht durch Bagger ausräumen und zu bequemen ſichern Häfen vertiefen. Weit ſchwieriger wird es aber ſein, die Flüſſe, welche die beiden Endpunkte in Verbindung bringen ſollen, für größere Schiffe fahrbar zu machen. Es läßt ſich zwar nicht die abſolute Unmöglichkeit behaupten, allein die Schwierigkeit und Koſtſpieligkeit eines ſolchen Unternehmens ſind einleuchtend, wenn man erwägt, daß dieſe Flüſſe faſt bis an ihre Quellen benutzt und ſchiffbar gemacht werden ſollen. So wie ſich der Fluß Coatzacoalcos nach Norden in den Golf von Mexiko ergießt, fo ergießt ſich nach Süden der Chicapa in die obere der vorerwähnten Lagunen. Die Waſſer⸗ 23 178 ſcheide zwiſchen Tarifa und dem Ultimo Rancho (das letzte Haus) hat eine Höhe von 208 Metres (663 Fuß Rheinl.) über dem Meeresſpiegel, und iſt nach Süden zu von den Lagunen, die mit dem ſtillen Meere ver⸗ bunden ſind, 5 geographiſche Meilen in gerader Linie entfernt. Nach Norden zu bis zur Mündung des Coatzacoalcos beträgt die direkte Entfernung 25 geographiſche Meilen. Der Abfall nach dem ſtillen Meere iſt mithin weit ſteiler. Es wird beabſichtiget, von dem Fluß Chicapa beim Ultimo Rancho einen Kanal an den Berglehnen St. Miguel vorbei bis Tarifa auf demſelben Niveau zu führen, und ſo den kleinen Fluß bei Tarifa mit dem Chicapa zu verbinden. Der Fluß von Tarifa vereinigt ſich in nördlicher Richtung mit dem Chichihua, und dieſer mit dem Malstengo, der ſich dann in den Coatzacoalcos ergießt, wodurch die Verbin⸗ dung von der Waſſerſcheide bis zum Golf von Mexiko bewerkſtelliget fein würde. Vom Ultimo Rancho fließt, wie ſchon erwähnt, der Chicapa in vielen Krümmungen ſüdlich zu den Lagunen. Um dem Chicapa und dem Verbindungskanale mehr Waſſer zuzuführen, beabſichtigt man, noch einen kleinern Kanal öſtlich von den Quellen des Oſtuta zu den Quellen des Chicapa zu graben. Ein Blick auf die Charte zeigt ſogleich, daß alle die genannten Flüſſe Gebirgsſtröme von kurzem Laufe ſind, und in der Nähe ihrer Quellen nur geringe Waſſermaſſen führen können. (Eine Vergleichung dieſer Flüſſe mit den Quellen des Bobers, Zacken und der Katzbach wird dieß deutlich machen.) Die bloße Vertie⸗ fung des Flußbettes würde nicht hinreichen, ſie für größere Schiffe fahrbar zu machen. Durch Schleußen ließe ſich zwar das Waſſer anſpannen und eine größere Tiefe erreichen, ob dieß aber auf der ganzen Waſſer⸗ ſtraße auszuführen ſei, iſt wohl zu bezweifeln. Der Coatzacoalcos iſt eine beträchtliche Strecke von ſeiner Mündung von einer bedeutenden Tiefe, und hat ſelbſt noch bei la Horqueta, wo er ſich in zwei Arme theilt, eine Tiefe von 3 ½ Metres (circa 11 Fuß), doch würde dieß nicht hinreichend für größere Schiffe fein. Auch hat er in ſeinem Felſenbette mehrere Untiefen, deren Beſeitigung mit nicht geringen Schwierigkeiten verbunden ſein würde. Ein großes Hinderniß der Schifffahrt dieſes Fluſſes entſteht auch durch die unendlich vielen Krümmungen, welche den Lauf des Fluſſes, in Vergleich zur geraden Entfernung von der Waſſerſcheide, mehr als verdoppeln. Die Flüſſe Malatengo und Chichua, durch welche, vereint mit dem Fluß von Tarifa, die Gewäſſer des Kanals auf der Waſſerſcheide dem Coatzacoalcos zugeführt werden ſollen, ſind auch kleine Flüſſe, die hier in der Nähe ihrer Quellen ſehr unbedeutend erſcheinen. Man hat wohl allerdings darauf gerechnet, durch eine Menge Schleußen den Waſſerſpiegel höher zu ſpannen, und bei dem Koſtenanſchlage hat man in der Richtung nach dem ſtillen Meere 89 Schleußen, und in der Richtung nach dem Golf von Mexiko 72 Schleußen, zuſammen 161, angenommen; indeß rechnet man darauf, einige derſelben zu erſparen und vielleicht mit 150 auszureichen. Bekanntlich geht bei dem Durchlaß eines Schiffes durch Schleußen jedesmal das Quantum Waſſer, welches das Baſſin enthält, verloren. Wenn alſo der Kanal befahren würde, müßte eine große Waſſermaſſe zuſtrömen, um den Abgang zu erſetzen. Es ſcheint, daß man den Kanal, welcher ſich vom Ultimo Rancho bis nach Tarifa erſtreckt, als das Reſervoir betrachten will. In wie fern derſelbe für den Zweck hinreichend fein würde, läßt ſich freilich nicht beſtimmen. Im Winter der Tropenländer, oder viel⸗ mehr in der Regenzeit, wird wahrſcheinlich ein Ueberfluß von Waſſer ſtattfinden; allein zu andern Zeiten kann leicht ein Mangel eintreten. Bei dem großen Kanal von Languedoc iſt ein Thal, welches auf der Waſſer⸗ ſcheide liegt, durch einen ſtarken Damm zugeſchloſſen, und die ins Thal ſich ergießenden Bäche und Regen- ſtröme werden aufgefangen, ſo daß ſie einen kleinen See bilden. Am Fuße des Dammes ſind Schleußen, oder vielmehr koloſſale Hähne angebracht, durch welche das Waſſer dem Kanale zuſtrömt. Ob ein ähnlicher Plan bei der vorliegenden Unternehmung auszuführen ſein würde, iſt die Frage. Der Kanal zwiſchen dem Ultimo Rancho und Tarifa ift zu 25 Kilometres (beinahe 3 / Meile) in der Länge, und zu einem Profil-Durchſchnitt von 40 Quadrat-Metres angenommen, und mithin würde der Kubik⸗Inhalt 1 Million Kubik-Metres betragen. Bei dem Profil von 40 Quadrat-Metres können wir die Tiefe zu 4 Metres (127 9) und die Breite zu 10 Metres (32) annehmen. Dieß würde aber bei weitem nicht hinreichen, um den Kanal für größere Schiffe fahrbar zu machen. Aus dem Koſtenanſchlage geht her⸗ 179 vor, daß durch das angegebene Quantum von einer Million Kubik-Metres die Ausgrabung bezeichnet wird; allein da der Kanal doch nicht bis an den Rand gefüllt werden kann, ſo muß natürlich die Waſſertiefe we⸗ nigſtens um ein paar Fuß geringer fein, Wollte man eine Tiefe von 5 Metres und eine Breite von 8 Me: tres annehmen, ſo würde zwar an Tiefe gewonnen werden; allein die Breite würde ſo verengt werden, daß größere Schiffe unmöglich durchgehen könnten. Dampfſchiffe, die ihre Schaufelräder an der Seite haben, er— fordern eine noch weit größere Breite, als Segelſchiffe,“) und bei einer Schifffahrt auf Flüſſen mit fo vielen Krümmungen wird es unerläßlich ſein, daß Schiffe durch Dampfböte bugſirt werden, was um ſo nöthiger ſein wird, wenn Schiffe auf Flüſſen, die einen ſtarken Fall haben, ſtromaufwärts gehen ſollen. Die Schiff— fahrt mit Dampfböten erfordert beſonders einen breitern Strom, weil durch die Bewegung der Schaufelräder ein ſtarker Wellenſchlag verurſacht wird, wodurch die Ufer des Kanals, wenn er zu enge iſt, ausgewaſchen werden. Ein enger Kanal wird auch den Uebelſtand haben, daß Schiffe ſich nicht ausweichen können, was diefelben Nachtheile herbeiführen würde, die auf Eiſenbahnen mit nur einem Gleiſe entſtehen. Bei dem Ko: ſtenanſchlage dieſes Kanals (10 Millionen Francs) muß noch erwähnt werden, daß bei der Berechnung dieſelbe Breite und Tiefe für die ganze Länge angenommen iſt. Allein ein Blick auf die Charte wird zeigen, daß der Kanal durch eine bergige Gegend geht, und daß, um ihn in's Niveau zu bringen, an vielen Orten tiefe Durchſtiche, an andern wieder ſtarke Abdämmungen erforderlich ſein werden. Wir wollen indeß hier nicht auf den Koſtenbetrag eingehen, der, beiläufig geſagt, zu 85 Mill. Francs (eirca 23 Millionen Thaler) angenommen iſt, ſondern hier nur unterſuchen, inwiefern die Unternehmung eines ſolchen Kanals ausführbar iſt. Was das Klima anbetrifft, ſo findet ſich darin wohl kein Hinderniß. Die Hitze iſt gemäßiget, und wenn dieſelbe auch in der Ebene zuweilen auf 929 Fahr. (26 ½ Rr.) ſteigt, fo würde fie doch im Allgemei⸗ nen den Arbeiten nicht hinderlich ſein. Auf der Waſſerſcheide bei Tarifa und Chivela erreicht der Thermo— meter ſelten mehr als 139 Cent., was wohl dem Einfluſſe der nahen Bergkette von 2300 Metres (7330 F.) Höhe zuzuſchreiben iſt. Auf dieſem Landſtriche herrſchen nicht die anſteckenden und verderblichen Fieber, welche die Gegend von Vera-Cruz, die Ufer des Nicaragua-See's und einen Theil des Iſthmus von Panama fo unheilvoll machen. Der ſüdliche Theil von Tarifa bis Tehuantepec und Juchitan ift theilweiſe angebaut und der Boden iſt fruchtbar, ſo daß Lebensmittel aller Art leicht erzeugt werden können. Auch fehlt es nicht an Rindvieh und Schafen. Die Bevölkerung iſt zwar bis jetzt nur gering, indeß bei einem geſunden Klima, einem fruchtbaren Boden und Reichthum an Waſſer fehlt es nicht an den erſten Elementen einer größern Kultur. Bis jetzt iſt der ſüdliche Theil des Iſthmus, von der Waſſerſcheide bis ans ſtille Meer, der am meiſten bevölkerte, wogegen der nördliche nur auf wenigen einzelnen Punkten angebaut iſt. Im letztern Theile ſcheint man mehr Vieh— zucht zu treiben. Die Ufer des Coatzacoalcos ſind mit dichten Waldungen bedeckt. Man hat zuweilen die Meinung ausgeſprochen, daß bei einer freieren Verbindung mit der Weſtküſte von Mexiko ein größerer Anbau und eine größere Bevölkerung ſtattfinden würde. Hier zeigt ſich indeß, daß die Seite, zu welcher ein freier Zutritt da iſt, und wo dem Abſatz der Landesprodukte kein Hinderniß in den Weg tritt, weniger kultivirt und weniger bevölkert iſt, als die entgegengeſetzte. Wohl iſt nicht zu zweifeln, daß bei einer erleichterten Verbin— dung der beiden Küſten das Land viele Vortheile genießen und die Kultur gegenſeitig befördert werden würde; indeß der Hauptzweck des in Vorſchlag gebrachten Kanals ſoll ſein, den Handel aller Nationen zu befördern, und, wie man hofft, den Iſthmus zum Sitz des Welthandels zu machen. Wir wollen nun unterſuchen, ob und wie dieſer Zweck zu erreichen ſei. *) Es müßten Dämpfer mit archimediſchen Schrauben gewählt werden. Anm. des Sekretaͤrs. 23 * 180 Es muß überraſchen, wenn Herr Garay in feinem Memorial feine Hoffnungen vorzüglich darauf grün— det, daß der Handel Europa's nach China und Oſtindien den Weg ums Kap der guten Hoffnung verlaſſen und ſich nach dem zu öffnenden Kanal wenden werde. Er ſetzt dabei voraus, daß Schiffe aus Europa nach China 2000 Leguas (1500 geographiſche Meilen) am Wege erſparen würden. Obgleich die Meinung, daß die Reiſe nach China auf dieſem Wege bedeutend abgekürzt werden würde, eine ſehr verbreitete iſt und manche große Autorität für ſich hat, ſo muß ſie doch als eine ganz unrichtige bezeichnet werden. Für alle Schiffe aus Europa, Spanien ausgenommen, kann man die weſtliche Mündung des engliſchen Kanals als den Anz fangspunkt der Reiſe annehmen. Der allgemeine Kurs iſt zuerſt nach Madeira oder in die Nähe der kana— riſchen Inſeln, um hier die Paſſatwinde zu treffen. Die Entfernung vom Kanal bis Madeira beträgt 300 geographiſche Meilen, und von hier bis zum Iſthmus von Tehuantepec 1150 — zuſammen 1450 Meilen. Rechnen wir 50 Meilen für den Iſthmus, fo haben wir 1500 Meilen. Von hier in möglichft gerader Linie bis zu den Marianen ſind 1700 Meilen, und von dieſen Inſeln bis Canton noch 450 Meilen, ſo daß die ganze Reiſe vom engliſchen Kanal bis Canton 3650 Meilen betragen würde. Auf dem öſtlichen Wege dage⸗ gen beträgt die Reiſe vom Kanal, ebenfalls bei Madeira vorbei, bis zum Aequator 800 geographiſche Meilen, vom Aequator bis zum Kap der guten Hoffnung 900 mehr (1700), von hier bis Java 1250 (2950), von Java bis Canton 450 — im Ganzen alſo 3400 geographiſche Meilen. Der Unterſchied iſt alſo zu Gunſten der Reiſe ums Kap der guten Hoffnung 250 Meilen, und ſollte ſelbſt auf dieſem Wege ein Schiff genöthigt ſein, einen Umweg von 250 Meilen zu machen, ſo würde doch bei der Reiſe durch den Iſthmus Nichts an Entfernung gewonnen werden. Für die Reiſe von Europa nach Weſten würden zwar die Paſſatwinde dies— ſeits und jenſeits des Iſthmus günſtig ſein, allein für die Rückreiſe auf demſelben Wege würden ſie um ſo hinderlicher werden. : Bei obiger Angabe des Weges iſt für beide Fälle nur die direkte Entfernung berückſichtiget. Die Fahrt durch den Kanal des Iſthmus iſt zu 50 Meilen angenommen, was bei Paſſatwinden der Reiſe eines Tages gleichkommt. Es iſt aber keinem Zweifel unterworfen, daß die Paſſage durch einen ſolchen Kanal einen weit größern Zeitverluſt verurſachen würde, beſonders wenn man erwägt, daß das Schiff 150 bis 160 Schleußen zu paſſiren haben würde, und daß die Flüſſe unendliche Krümmungen machen. Wenn es auch ſo glücklich fein ſollte, täglich 20 Schleußen zu paſſiren, fo würde doch wenigſtens ein Aufenthalt von 8 Tagen ſtattfin⸗ den, in welcher Zeit es ſchon 400 Meilen hätte ſegeln können. Es iſt jedoch ſehr wahrſcheinlich, daß der Durchgang durch die Schleußen eine weit größere Verzögerung verurſachen würde. Wenn es ſich ergiebt, daß bei einer Reiſe von Europa nach China kein Vortheil durch dieſen Kanal erlangt wird, fo iſt dieß um fo weniger der Fall bei Reiſen nach allen andern Theilen von Oſtindien, als Calcutta, Batavia, Singapore, welche Europa noch näher liegen. Wir können die Punkte, welche Oſtindien und China mit Europa auf die möglichſt kürzeſte und leichteſte Art verbinden, als diejenigen bezeichnen, wo ſich der Welthandel konzentriren kann. Hierzu eignet ſich ohne Zweifel der Iſthmus von Suez vorzüglich, und durch den nun projektirten Kanal, welcher das mittelländiſche Meer mit dem rothen Meer vereinigen ſoll, wird dieſer Zweck aller Wahrſcheinlichkeit nach ſicherer erreicht werden, als auf irgend eine andere Weiſe. Die größten europäifhen Mächte haben ſich für dieſen Plan vereinigt, und ſtehen mit dem Beſitzer von Egypten in einem ſolchen Verhältniſſe, daß von dieſem kein Hinderniß zu beſorgen iſt. Wenn alſo irgend ein Punkt als das künftige Emporium des Welthandels angeſehen werden kann, ſo wird es Suez ſein. Wenn hier die großen Vortheile, welche man ſich von einem Kanal durch den Iſthmus verſpricht, in Abrede geſtellt werden, fo ſoll damit keinesweges behauptet werden, daß derſelbe nicht wünſchenswerth fei. Vorzüglich würden die vereinigten Staaten von Nordamerika dabei gewinnen, indem ſie dadurch nicht nur eine kurze Verbindung mit der Weſtküſte von Nordamerika, wo ſie das Gebiet am Columbia-Fluß in An⸗ ſpruch nehmen, herſtellen würden, ſondern ſie würden auch für ihre Wallfiſchfänger einen kürzern Weg haben, um ins ſtille Meer zu gelangen. Man hat den Vortheil geltend machen wollen, daß europäiſche Schiffe, nach 181 Chile und Peru beſtimmt, den Weg durch den Iſthmus vorziehen würden, um den beſchwerlichen Weg ums Kap Horn zu vermeiden. Es iſt aber nicht wahrſcheinlich, daß viele dieſer Schiffe den Kanal benutzen wür⸗ den, weil ſie ſchwerlich etwas an Zeit gewinnen könnten. Vom Iſthmus nach Chile und Peru würden die Schiffe Wind und Strömung des Meeres gegen ſich haben, und müßten einen weiten Weg nach Weſten machen, um ihr Ziel zu erreichen. Ueberdieß ſind die Stürme am Kap Horn, bei einem freien Seeraum, weniger gefährlich, als die Orkane zwiſchen den weſtindiſchen Inſeln, wo dem Schiffer von allen Seiten ges fährliche Küſten drohen. Der ſicherſte Beweis iſt, daß zu manchen Zeiten die Aſſuranz-Prämien nach Weſt⸗ Indien auf 6 bis 8 Procent ſteigen, während ſie für die Reiſe nach Chile und Peru — obgleich die doppelte Entfernung — felten über 3 bis 4 Procent ſtehen. Baarſchaften und MWaaren, die keiner Beſchädigung von Seewaſſer ausgeſetzt find, werden häufig zu 2 — 2 ½ Procent verſichert. Es muß hier auch nicht unbeachtet gelaſſen werden, daß die Unternehmer des Projekts ſich von dem Tranſitozoll einen großen Gewinn verſprechen, mithin mehr als die gewöhnlichen Zinſen des Anlege-Kapitals, welches vorläufig zu 23,000,000 Thaler angenommen iſt. Um die Zinſen zu decken, müßte die Netto- Ein⸗ nahme wenigſtens eine Million betragen; allein da die Unterhaltung der Schleußen, Beſoldung der Beamten und die Dampfböte große Ausgaben verurſachen würden, ſo müßte die Brutto-Einnahme zum mindeſten das Doppelte, ſage 2 Millionen Thaler, betragen. Wir wollen annehmen, daß ſelbſt 1000 Schiffe den Kanal benutzten, fo müßte jedem derſelben ein Zoll von 2000 Thaler auferlegt werden, was keine unbedeutende Aus⸗ gabe ſein würde. Könnten die Reiſen wirklich um etwas Beträchtliches abgekürzt werden, ſo würden ſich wohl manche Schiffe dazu verſtehen, dieſe Kontribution zu entrichten; allein da die Vortheile dieſer Paſſage ſo zweifelhaft und in vielen Fällen nur ſehr gering ſind, ſo würden wohl immer nur eine kleinere Zahl dieſen Weg einſchlagen. In einer Berechnung über den Ertrag des Unternehmens wird angenommen, daß 1,500,000 Tonnen Schiffslaſt (wozu 3000 Schiffe, jedes von 500 Tonnen, erforderlich ſein würden) den Kanal paſſirten, und daß der „mäßige“ (2) Zoll von 10 Schill. Sterl. pro Tonne, gleich 3 ½ Thlr. Pr. Cour., erhoben würde. Dies würde alſo für ein Schiff 250 Livr. Sterl. oder 1666 Thlr. Pr. Cour. betragen und eine Totalſumme von 750,000 Livres Sterl. oder 5 Mill. Thaler geben. Bei dieſer Berechnung iſt angenommen, daß nicht nur alle Schiffe, die jetzt ums Kap der guten Hoffnung gehen, den Kanal paſſiren würden, ſondern daß ſich die Anzahl durch die Erleichterung, welche der Kanal gewähren ſoll, noch um die Hälfte vermehren würde. — Welch ſchöne, aber trügeriſche Hoffnungen! — Bei dem gegenwärtigen politiſchen Zuſtande von Mexiko, deſſen Regierung noch keine Stabilität erlangt zu haben ſcheint, iſt es wohl ſehr zweifelhaft, ob irgend eine europäiſche Nation geneigt ſein würde, ſich bei dem Kanalbau zu betheiligen. Auch hat Herr Garay für ſein Projekt in England keinen Anklang gefunden; fein Verſuch, eine Aktien-Geſellſchaft zu bilden, iſt gänzlich mißlungen. Man hat durchaus kein Vertrauen zu den Zuſicherungen der mexikaniſchen Regierung, die einem beſtändigen Wechſel unterworfen iſt, und dieſer Umſtand allein würde hinreichend ſein, von der Unternehmung abzuſchrecken, wenn dieſelbe in anderer Hinſicht auch große Vortheile verſpräche. Obgleich dem Territorium des Kanals Neutralität zugeſichert worden iſt, ſo iſt dieſelbe doch nur für die Nationen ausgeſprochen, die mit Mexiko in Frieden ſind. Es iſt daher zu befürchten, daß bei irgend einem politiſchen Zwiſt mit einer fremden Nation die Neutralität des Kanals nicht reſpektirt werden würde, und Schiffe und Waaren, die im Durchgang begriffen wären, mit Beſchlag belegt würden. Wenn auch die Regie⸗ rung von Mexiko keinen Zoll auf durchgehende Schiffe und Waaren erheben, und nur Zollbeamte anſtellen will, um Kontrebande zu verhüten, ſo läßt ſich doch leicht einſehen, daß die geringſte Kontravention gegen irgend eine Formalität des Zoll-Reglements die unangenehmſten Chikanen und Verzögerungen herbeiführen kann. Das Schiff würde bei Ankunft ein Manifeſt oder Deklaration ſeiner Ladung einreichen müſſen, und das geringſte Verſehen hierbei könnte als Vorwand dienen, Schiff und Ladung in Gefahr zu bringen. Bei irgend einem Verdacht würde das Schiff einer Unterſuchung und einem langen Aufenthalt unterworfen ſein. 182 Wenn es erlaubt ift, einen Blick in die ferne Zukunft zu werfen, fo könnte man die Meinung aus⸗ ſprechen, daß ſich das Projekt des Kanals nicht eher realiſiren wird (wenn es überhaupt realiſirbar iſt), bis nicht ganz Mexiko im Beſitz der vereinigten Staaten, oder vielmehr ſo, wie nun Texas, mit ihnen politiſch verbunden ſein wird. Blicken wir zurück auf die Geſchichte der großen Republik ſeit ihrer Unabhängigkeits-Erklärung, ſo fin⸗ den wir, daß ſie in den letzten 60 Jahren die größten, aber friedlichen Eroberungen gemacht hat. Man kann von Texas ſagen, daß es durch die Anſiedelungen der Nordamerikaner erobert, und durch die Gewalt der Waffen dieſe Eroberung behauptet worden iſt. Die größere Civiliſation dringt mit gewaltigen Rieſen⸗ ſchritten vor. Große fruchtbare Länderſtrecken haben Jahrhunderte lang faſt ganz unbenutzt gelegen. In vielen andern Theilen der Welt drängen ſich die Menſchen und finden nicht Raum mehr auf dem Boden, den ſie ihr Vaterland nennen. Was iſt natürlicher, als daß ſie Beſitz ergreifen von der Scholle, die nur ihres Fleißes bedarf, um in einen fruchtbaren, blühenden Garten umgewandelt zu werden. So ergreift der Künſtler den rohen Block, der verachtet bei Seite liegt, und ſchafft ein Gebilde daraus, welches noch die ſpäteſte Nachwelt erfreut. Wenn Auswanderer nach jenen Gegenden ihr Vaterland verlaſſen und vielen Mühen und Drang⸗ ſalen entgegengehn, ehe ſie die Wildniß in ein Fruchtfeld umgewandelt haben, ſo werden ſie hierzu angeſpornt und entſchädigt durch die unbedingte individuelle Freiheit, die nur im Maaß ihrer Kräfte und ihrer Thätigkeit ihre Begrenzung findet. Es iſt keinesweges unmöglich, ja ſogar wahrſcheinlich, daß in einem nicht zu ent⸗ fernten Zeitraume durch die Kultur, welche von den nordamerikaniſchen Freiſtaaten ausgeht, das ſpaniſche Prinzip in Mexiko ganz verloren geht, wie ſich in Canada und Louiſiana das franzöfifhe, und in Florida das ſpaniſche Prinzip zum Theil ſchon verloren haben und täglich mehr und mehr verlieren. In dieſer Hinſicht iſt der Krieg in Mexiko gegenwärtig von beſonders großer Bedeutung, und man hat Urſache, ſeinem Ausgange mit Spannung entgegen zu ſehen. Dieſen Bemerkungen fügen wir noch einige Mittheilungen über den Iſthmus von Panama bei. — Schon ſeit einigen Jahren hat ſich eine engliſche Dampfſchifffahrts-Geſellſchaft gebildet, die an der Küſte von Chile und Peru Dampfböte unterhält, durch welche eine raſche Verbindung der Häfen an der Küſte von Valparaiſo, Lima, Guayaquil bis Panama hergeſtellt iſt. Die Dampfböte berühren zugleich auf ihrer Fahrt viele kleinere Häfen an der Küſte. Von England aus gehn regelmäßig die Dampf-Paketböte nach Weſtindien, berühren Jamaika, Cartagena und andere Punkte in ihrem Laufe, und ſetzen Paſſagiere und Korreſpondenz, nach Peru und Chile beſtimmt, an der Nordſeite des Iſthmus in Chagres ab. Die Reiſe über den Iſthmus kann in zwei Tagen gemacht werden. Auf dieſem Wege gelangen Briefe und Reiſende in 52 — 55 Tagen von England nach Lima. Auf dem Wege ums Kap Horn würde man, unter ſelbſt günſtigen Umſtänden, die doppelte Zeit gebrauchen. Für den Transport von Waaren wird dieſer Weg indeß nicht, oder doch nur ſehr wenig, benutzt, weil die Koſten des Landtransports und die Fracht mit Dampfböten ſich zu hoch ſtellen. Für Geldſendungen fängt man indeß an, ſich dieſes Weges zu bedienen, weil hierbei eine Beſchleunigung von we⸗ ſentlichem Vortheil iſt. 2 Ein Nordamerikaner, Herr Wheelwright, hat es ſich vorzüglich angelegen fein laſſen, die Dampf: ſchifffahrt im ſtillen Meere einzurichten. Er hat den Iſthmus zum öftern beſucht, und darüber einige ſehr intereſſante Bemerkungen in einer Schrift veröffentlicht. Nach ſeiner Anſicht ſcheint es nicht unmöglich, daß hier ein Kanal „für die größten Schiffe“ (wie er ſich ausdrückt) auszuführen ſei — freilich mit vielen Kos ſten. Herr W. ſelbſt hat keine Vermeſſungen gemacht, ſondern er bezieht ſich auf die, welche Herr Lloyd unternommen, und deren Reſultat bei der königlichen Societät in London niedergelegt iſt. Zufolge der Angabe des Herrn Lloyd würde ſich die Limon-Bay, welche öſtlich von Chagres liegt, am beſten zu einem Hafen, auf der Seite des atlantiſchen Oceans, eignen, obgleich ſelbige gegen Norden offen iſt. Durch einen Damm könnte indeß dieſer Uebelſtand beſeitiget und der Hafen dadurch gegen Nordwinde geſchützt werden. Der Fluß von Chagres müßte aber durch einen Kanal mit dem Hafen verbunden werden. 183 Nach den Angaben des Herrn Wheelwright hatte der Fluß Chagres hier in der Regenzeit eine Tiefe von 14 Fuß engliſch, welche zu anderer Zeit nur 12 ½ Fuß beträgt. Höher herauf bei der Vereinigung des Rio: Trinidad iſt die Tiefe 18 bis 24 Fuß; dann wird der Fluß aber wieder ſeichter und hat nur 7 —8 Fuß. Am Vereinigungspunkte der beiden Flüſſe iſt das Land geſund, dagegen bei Chagres ſumpfig und feucht, und erzeugt bösartige Fieber. Von hier erreichen Reiſende Panama in 24 Stunden. Bis Gorgona ſind es 25 engliſche Meilen zu Waſſer, und ein Ritt von da bringt den Reiſenden in fünf bis zehn Stunden nach Panama. Herr W. iſt der Meinung, daß ein Weg gemacht werden könnte, auf welchem man von Panama bis zu den Dampfböten im atlantiſchen Meere in 5 — 6 Stunden gelangen würde, und mit beladenen Mauleſeln in 10 — 12 Stunden. Von dem Fluß Trinidad ſcheint ſich eine Ebene bis an die Küſte des ſtillen Meeres zu erſtrecken. Auf jeden Fall kann die Höhe dieſes Landſtrichs nicht bedeutend ſein, indeß ſcheint noch kein vollſtändiges Nivellement gemacht worden zu fein. Die Schwierigkeit liegt zum Theil dar zu, daß dieſe Ge⸗ gend dicht bewaldet iſt, und durch Unterholz und Schlingpflanzen, die in den Tropenländern fo üppig wu⸗ chern, ein Durchgang und eine freie Anſicht ſehr erſchwert wird. Nach der Angabe des Herrn Wheelwright, welche ſich wahrſcheinlich auf die Vermeſſungen des Herrn Lloyd gründet, ſoll das ſtille Meer 13300 engliſche Fuß höher liegen, als das atlantiſche. Dieſe fo genau angegebene Zahl kann indeß nur mit Vorſicht angenommen werden, und iſt noch überdieß dabei zu berückſich⸗ tigen, daß die relative Höhe der beiden Meere durch Ebbe und Fluth ſtündlich Veränderungen erleidet. Iſt z. B. Ebbe bei Panama, wenn bei Chagres Fluth eintritt, fo könnte leicht der entgegengeſetzte Fall ftattfin- den, daß das atlantifche Meer höher als das ſtille Meer ſtände. Dieß würde jedoch einem Kanal nicht hin— derlich ſein und nur eine entgegengeſetzte Strömung verurſachen, welche den Durchgang der Schiffe nach dieſer oder jener Richtung begünſtigen würde. Indeß würde ſelbſt unter den günſtigſten Verhältniſſen ein Kanal für „die größten Schiffe“ (wollten wir dieſelben auch nur zu 400 Tonnen annehmen) ein Rieſenwerk ſein. Es iſt ſehr wahrſcheinlich, daß das Land, welches dem bloßen Auge des Reiſenden als eine Ebene erſcheint, doch noch eine Höhe von vielleicht hundert Fuß, wenn auch nur ſtellenweiſe, hat. Nehmen wir nun an, der Kanal ſollte ſchiffbar für Schiffe von 400 Tonnen gemacht werden, ſo erforderte er eine Waſſertiefe von wenigſtens 18 bis 20 Fuß, bei einer Breite auf dem Waſſerſpiegel von mindeſtens 80 bis 90 Fuß, und auf der Sohle 50 bis 60 Fuß. Ein Durchſtich durch lockeren Boden würde eine bedeutende Böſchung erfordern, ſo daß bei einer Höhe des Terrains von nur 50 Fuß die obere Breite des Durchſtichs gegen 150 Fuß be— tragen würde, welches ein Profil von 5000 Quadratfuß giebt. Es läßt ſich leicht einſehen, welche Kraft: anſtrengungen und Geldopfer ein ſolches Werk erfordern würde, beſonders wenn dergleichen Durchſtiche meilen— weit geführt werden ſollen. Wie aber, wenn man auf Felſen trifft? was ſehr zu erwarten iſt. Wäre der ſchmale Erdſtrich, welcher hier die beiden Hälften von Amerika verbindet, nicht eine feſte Felſenmauer, fo würde das Meer wohl längſt einen Durchbruch gemacht haben. Eine andere große Schwierigkeit iſt, daß ſich an der Seite des ſtillen Meeres keine natürliche Mün⸗ dung für den Kanal und kein geeigneter Hafen findet. Die Rhede von Panama iſt voller Felſenklippen und Untiefen, und Schiffe ankern ein paar Meilen weit von der Stadt zwiſchen den Perlen: Inſeln. Es müßte alſo hier erſt ein künſtlicher Hafen geſchaffen werden. Zu allen dieſen Schwierigkeiten geſellt ſich noch der Umſtand, daß auf dem Iſthmus eine ſehr ſchwache Bevölkerung iſt, daß alſo erſt Tauſende von Arbeitern hierher gebracht, und alle Bedürfniſſe für ihren Unter: halt aus der Ferne herbeigeſchafft werden müßten. Die periodiſchen Regengüſſe würden bie Arbeit oft unter⸗ brechen und erſchweren. Anſtrengende Arbeiten würden ohne Zweifel eine große Sterblichkeit in dieſem zum Theil ſchon an ſich ſehr ungeſunden Klima erzeugen. Wir wollen hier nur an die Unternehmung in Mexiko erinnern, wo es ſich darum handelte, nur einen, verhältnißmäßig ganz kleinen Durchſtich zu machen, um den Seen bei Mexiko einen andern Abfluß zu geben, wobei Tauſende von Indiern umkamen. 0 Unſer berühmter Reiſender, A. v. Humboldt, giebt in feinem intereffanten Werke über Mexiko einen ausführlichen Bericht über dieſe Unternehmung. Es muß daher wohl ſehr in Frage geſtellt werden, ob die Vortheile, die man ſich von einem ſolchen Werke verſpricht, die Opfer verdienen, die man zu machen gend- thiget fein würde. Daß für den Handel nach Oſtindien und China nichts gewonnen würde, iſt bereits er- wähnt worden; den Iſthmus aber, ſei es bei Panama, Tehuantepec oder irgend einem andern Punkte, zum Emporium, das iſt zur Niederlage für den Welthandel, machen zu wollen, würde wohl nur zu Täuſchungen führen. Um Europa mit den Erzeugniſſen des Oſtens zu verſorgen, bedarf es keines Zwiſchenmarktes, durch welchen die Wagren nur vertheuert werden könnten. Es iſt keine Veranlaſſung, in Panama eine Niederlage von Thee und Gewürzen zu halten, wenn dieſe Waaren direkt bezogen werden können. Das allgemeine Streben des Handels iſt, die Waare fo billig wie möglich zu beziehen, um fie dem Konſumenten auch mög- lichſt billig liefern zu können, und dadurch den Verbrauch zu vermehren. Jede Dazwiſchenkunft vertheuert die Waare. Es iſt nicht ſowohl der Gewinn des Zwiſchenhändlers, der vielleicht nur gering iſt, als vielmehr das Anwachſen der Unkoſten, welche durch doppeltes Ein- und Ausladen, durch doppelte n und Fracht verurſacht werden, was die Waaren vertheuert. Wenn die großen Schwierigkeiten eines Kanalbaues durch den Iſthmus mit den dweifelpaften oder ge⸗ ringen Vortheilen deſſelben verglichen werden, ſo ergiebt ſich wohl ohnzweifelhaft als Reſultat, daß ein ſolches Unternehmen ſchwerlich je zur Ausführung kommen wird. in geographiſchen Meilen Reiſeronuten nach Alien 15 auf den Grad. Von Mew Durch den Iſthmus von Tehuantepec. Von New⸗York bis Kap Florida 250 bis zum Iſthmus 200 über den Iſthmus 50 500 zu den Marianen 1700 bis Canton 450 2650 bis Sincapore 350 3000 bis durch den Iſthmus 500 zu den Philippinen 350 bis Sincapore 350 2900 400 3300 von New⸗York zum Iſthmus von Pa⸗ nama durch den Iſthmus 20 zu den Marianen 2000 bis Calcutta bis Canton 450 2950 bis Sincapore 350 3300 bis Calcutta 400 3700 Vork aus: Ums Kap der guten Hoffnung. Von New⸗York bis zum Aequator 800 bis 20“ Südbreite 300 bis zum Kap der gu⸗ ten Hoffnung 700 1800 bis Java, Weſtende 1250 Straße Sunda 3050 bis Canton 450 3500 bis Java, Weſtende — a a or mer oder Str, Sunda 3050 zu den Marianen 1700 [bis Sincapore 100 3150 bis Kap der guten Hoffnung 1800 bis Ceylon 1100 bis Calcutta 300 3200 Vom engliſchen Kanal aus: Durch den Iſthmus von Panama. bis Madeira 300 zu den Caraiben 650 zum Iſthmus 300 1250 zu den Marianen 2000 3250 bis Canton 450 3700 zu den Marianen 3250 zu den Philippinen 350 bis Sincapore 350 3950 bis Calcutta 400 4350 bis zum Iſthmus von Panama 1250 nach van Diemens⸗ land 1900 3150 Swan River 450 —mr Durch den Iſchmus von Tehuantepec: bis Madeira 300 bis zu den Caraiben 650 bis zum Iſthmus 550 über den Iſthmus 50 1550 zu den Marianen 1700 bis Canton 450 3700 Ums Kap der guten Hoffnung. bis Madeira 300 zum Aequator 500 bis 20 Südbreite 300 bis zum Kap der gu⸗ ten Hoffnung 700 1800 bis Java, Weſtende, Straße Sunda 1250 3050 bis Canton 450 a 3500 bis Straße Sunda 3050 bis Sincapore 100 3150 bis zum Kap der gu⸗ ten Hoffnung 1800 bis Ceylon 1100 bis Calcutta 300 3200 bis z. Kap der gu⸗ ten Hoffnung 1800 es Swan River 1100 2900 bis Vandiemensland 450 3350 24 186 2) Herr Dr. v. Boguslawski hat von Mexiko aus nachſtehende Schilderungen des dortigen Landes und ſeiner Bewohner eingeſandt, und zwar zunächſt: a. Die Beſchreibung ſeiner Reiſe von Vera-Cruz nach der Hauptſtadt, im Januar 1846, durch Ge⸗ genden, welche ſpäter durch die Kriegs-Operationen des nordamerikaniſchen Heeres ein beſonderes Intereſſe gewonnen haben. Von Habana an, wo wir leider die ganze Zeit Regen und Wind gehabt haben, und darum nur zu Zeiten den Anblick des herrlichſten Hafens der neuen Welt in ſeiner ganzen Pracht genießen konnten, hatten wir anfangs in dem fo ſehr verrufenen Golf von Mexiko ſehr heftige Nordwinde; doch wurden wir vom Glück ſo ſehr begünſtigt, daß wir von dem Tage an, als wir die Berge von Mexiko, unter denen der mit ewigem Schnee bedeckte Gipfel des Pik von Orizaba wie ein Rieſe hervorragte, zu Geſicht bekamen, das herrlichſte, ruhigſte Wetter hatten, und in den ſo gefürchteten Hafen von Vera-Cruz bei dem ſchönſten Sonnenſchein, und ohne daß ſich nur eine Welle auf dem weiten Meeresſpiegel bewegte, am 14. Januar 1846 einliefen. Es war ein herrlicher Morgen; die Sonne tauchte, wie ein leuchtendes Meteor, aus dem dunkelblauen Oceane hervor, um gleich wieder hinter einer dunkeln, ſchwarzen Nebelſchicht zu verſchwinden, hinter welcher hervor fie mit ihren Strahlen viel tauſend kleine Wölkchen mit goldenem Schmelze färbte, und den Schnee- gipfel des Pik von Orizaba mit roſigem Lichte übergoß, bis ſie endlich durch ihre mächtigen Strahlen alle Nebelwolken zerſtreute, und uns die Thürme von Vera-Cruz in vollem Glanze zeigte. Zwiſchen den gefähr- lichen Korallenriffen hindurch wand ſich unſer Teviot, bis er endlich dicht vor dem mitten im Meere gelege— nen, halb verfallenen Fort San Juan de Ulloa feine beiden Anker warf. Denn obgleich das Meer glatt wie ein Spiegel war und ſich kein Lüftchen regte, kann doch hier binnen einer Stunde ſich das ganze Bild ändern, ein von den Bergen herabſtürmender Norte den blauen durchſichtigen Himmel mit ſchwarzen Wolken bedecken, und das ruhige, ſpiegelglatte Meer, das eher einer Wieſe, als der See gleicht, bis auf den unterſten Grund aufwühlen, ſo daß die feſteſten Schiffe im Angeſichte des Hafens vom Anker losgeriſſen und an den vielen tauſend kleinen Korallenriffen zerſchmettert werden. Wir haben nun, Gott ſei Dank, von dieſen Schreckniſſen nichts erfahren, ſondern den neuen Kontinent unter dem herrlichſten Sonnenſcheine betreten; möge es eine glückliche Vorbedeutung für die Zukunft ſein. — Nicht ohne Wehmuth nahm ich von unſerm alten „Teviot“ Abſchied, der mich glücklich 2000 Meilen weit über das Meer geführt, durch den ich mich doch noch immer mit Europa in einer gewiſſen Verbindung glaubte, und auf welchem ich auch in dem Kapitän Allan und dem erſten Lieutenant mir zwei ſehr lieb gewordene Freunde zurückließ. Der Eintritt in Vera-Cruz iſt ſehr hübſch und anſtändig, indem gerade an der Meeresſeite in den neueſten Zeiten in recht geſchmackvollem Style ein Thor erbaut iſt, durch welches man auf einen hübſchen Platz gelangt. Ich muß geſtehen, ich war überraſcht, in Vera-Cruz eine ſo gut und regelmäßig gebaute Stadt zu finden, in welcher die Straßen ziemlich lang, breit, gerade und gut gepflegt, und die Häuſer meiſt zwei⸗ ſtöckig und mit platten Dächern, in einem ſehr guten Styl, gebaut ſind, während alle Schilderungen ſie in einem ſchrecklichen Lichte darſtellen, und allen Städten Weſtindiens nachſtehend. Ich dagegen habe Vera-Cruz ſelbſt anſprechender, als die fo ſehr gerühmte Habafia, gefunden, wo keine Straße gepflaſtert und beim Re⸗ gen ein wirklich undurchdringlicher Schmutz iſt. Ich habe in letzterem, außer dem Palaſte des Vicekönigs, kein einziges Gebäude geſehen, welches einen angenehmen Eindruck gemacht hätte, woran wohl zum größten Theile auch der gänzliche Mangel an Glasfenſtern Schuld ſein mag. Auffallend ſind in Vera-Cruz die Geier, welche zu 5 bis 6 auf den Dächern aller Häuſer, vorzüglich aber auf den Thürmen und Kuppeln der vielen Kirchen und Klöſter, ſitzen, ohne Scheu in den Straßen herumfliegen und ſich auf dem Boden niederlaſſen, um das hier ſchnell in Fäulniß übergegangene Fleiſch, ſo 187 wie todte Thiere, welche hier auf die Straße geworfen werden, zu verzehren. Da fie auf dieſe Weiſe die Stra⸗ ßenreinigungs-Polizei (ausgezeichnet gut) ausüben, darf auch keiner, bei großer Strafe, getödtet werden, ſo daß ſie inſofern faſt beſſer als die Menſchen daran ſind, die hier ſehr leicht und ungeſtraft den tödtlichen Meſſern der vielen hier herumlungernden Tagediebe ausgeſetzt ſind. Die Straßen ſind immer ganz öde und leer, und außerhalb der Stadt ſieht man, faſt ſo weit das Auge reicht, keine Spur von Grünem: nur unendlichen Sand oder Sumpf und Moräſte. Selbſt auf der Alameda (der Promenade) trifft man in dieſer Jahreszeit nur blätterloſe Bäume, weil in dieſem verderblichen Klima jetzt noch kein Baum nur ein Blatt wieder treiben kann; denn entweder brennt die Sonne unerträg⸗ lich, Alles verdorrend, oder der kalte Norte ſtürmt von den Bergen daher, zerſtört durch ſeine Rauhheit die vielleicht kaum geweckten Keime, bedeckt die Felder mit Sand und wirft die Wellen des Meeres weit in das Land hinein, wodurch auch noch jene verderblichen Moräſte entſtehen. Am erſten Tage unſers Aufenthaltes in Vera⸗-Cruz war eine brennende Sonnenhitze am Tage, des Abends dagegen eine empfindliche Kälte, und am andern Tage ſtürmte der Norte ſo, daß man ſich kaum auf der Straße halten konnte und einige Böte an den Korallenriffen zerſchellten. Man kann auf viererlei Weiſe von Vera-Cruz nach Mexiko gelangen: 1) entweder mit der Dili— gence (Poſt), welche binnen viertehalb Tagen dieſe 85 Leguas (100 Leguas = 80 deutſche Meilen) zurücklegt, ausgezeichnet gute Wagen und Pferde hat, aber ſehr angreifend iſt und außerdem noch die Prärogative hat, faſt jedes Mal beraubt zu werden, indem die Räuber die Stunde der Ankunft ganz genau wiſſen, und die Arz rieros (Maulthiertreiber), die ſonſt ganz ehrliche Leute ſind, ſie aus Brodtneid auch gelegentlich ſelbſt plündern. Aus dieſen Gründen wurde dieſe billigſte und ſchnellſte Art, nach Mexiko zu reiſen, von uns nicht gewählt. Die zweite Art iſt, mit einer Privatkutſche zu reiſen, unter einer Militär-Eskorte; doch iſt dies erſt von Jalappa aus möglich, weil bis dorthin der Weg zu ſchlecht iſt. Die dritte Art iſt zu Pferde; doch iſt dieſe für Damen zu angreifend, und fo ward die vierte, aber eigenthümlichſte Art gewählt, nämlich Liter as. Es ſind dies eine Art Sänften, welche von zwei Maulthieren getragen werden und in denen zwei Perſonen ganz bequem ſich gegenüber ſitzen können. Dieſe Art zu reiſen iſt die bequemſte und ſicherſte, indem es noch nie vorgekommen iſt, daß eine Litera angehalten worden wäre; aber auch die theuerſte, denn jede Litera koſtet bis Jalappa (20 Leguas) 70 Peſos (1 Peſo = 1 Rthlr. 10 Sgr.). Zu jeder Litera gehören 8 Maulthiere, nämlich 6, von denen abwechſelnd je 2 die Litera tragen, eins für den Führer der Litera, welcher das vorderſte Maulthier nebenher reitend führt, und eins für den Geißler, welcher nebenher reitet und die nöthigen Peitſchen— hiebe auszutheilen hat. So waren alſo für unſere Fortſchaffung 24 Maulthiere, und noch 3, um das Gepäck zu tragen (mulas de carga), erforderlich, im Ganzen alſo 27. Auf den erſten 10 Leguas von Vera-Cruz iſt ein ſolcher Sand, daß die Maulthiere faſt immer bis an die Kniee im Sande gingen. Zuerſt führt der Weg nur längs der ſandigen Seeküſte hin, und wenn er nachher auch anſteigt, hört doch der ſchreckliche Sand nicht auf, der keine üppige Vegetation, nur niedriges Geſträuch aufkommen läßt, und dieſes noch mit dickem Staube bedeckt, ſo daß das Auge Nichts hat, woran es ſich erquicken kann. So iſt es faſt bis Puente nacional, einem ſehr hübſch gelegenen Orte, 10 Leguas von Vera⸗Cruz, wo wir aber erſt Abends gegen 10 Uhr ankamen. Wir lernten dort bloß ein leidliches Gaſt⸗ haus kennen, in welchem wir ein ziemlich gut bereitetes Abendbrodt zu uns nahmen, welches aus Huhn, Sa— lat und Bohnen beſtand. Letztere, von ſchwarzer Farbe und Frijoles genannt, ſind hier in Mexiko Das, was bei uns die Kartoffeln ſind; denn dieſe ſind hier theuer und ſchmecken immer wie unſere erfrorenen Kartoffeln. Frijoles findet man hier in jedem Hauſe und bei jeder Mahlzeit vor, noch weit eher als Brodt, das hier einen unangenehm ſäuerlichen Beigeſchmack hat. Die Nacht brachten wir in den Literen unter dem Vordache des Hauſes zu, da Gaſtzimmer mit Betten in den ländlichen Gaſthöfen unbekannte Dinge ſind. Am andern Morgen brachen wir ſehr zeitig auf und wurden nun für den geſtrigen ſchlechten Weg glänzend entſchädigt. Der Sand hört plötzlich auf, und man iſt ringsum von der üppigſten, tropiſchen Vege⸗ 24 * 188 tation umgeben. Der Boden, zwar meiſt ſteinig, iſt dennoch ganz und gar von friſchem Grün überzogen; an den hohen Mahagoni- und Mango-Bäumen ſchlingen ſich die mannigfachſten Schlingpflanzen in die Höhe, ſo daß man nicht erkennen kann, was dem urſprünglichen Grün und was dem Schmarotzergewächs angehört; dazwiſchen 20 bis 30 Fuß hohe Cactus, mit herrlichen rothen Blüthen gekrönt; dann wieder ganz laubloſe Bäume, die aber über und über mit großen weißen, lilienartigen Blüthen überdeckt ſind, welche die Luft mit balſamiſchen Düften ſchwängern. Man findet jetzt eher mit Zuckerrohr oder Reis bebaute Landſtriche, doch immer im Verhältniſſe der Fruchtbarkeit des Bodens nur ſehr ſparſam. Auch trifft man wohl alle halbe Stunden einige aus Rohrſtengeln errichtete Indianerhütten an, aus denen die kleinen, ſchmutzig-braunen Be⸗ wohner hervorſtürzen, um die Vorüberreiſenden anzuſtieren, oder ihnen Früchte anzubieten. In der Nähe der Wohnungen ſieht man auch zuweilen unter der Laſt der goldenen Früchte förmlich gebeugte Orangenbäume, welche gewöhnlich nur durch Wind oder Ueberreife von denſelben befreit werden, indem die Leute oft zu faul ſind, um die Früchte abzupflücken. Gegen 3 Uhr Nachmittags langten wir endlich in dem reizend gelegenen Jalappa, einem Städtchen von etwa 10,000 Einwohnern, an. Es liegt in einem herrlich angebauten, von den höchſten Gebirgen rings⸗ umgebenen Thale, in welchem, trotz ſeiner Höhe von 4300“ über dem Meere, doch alle Gewächſe der tropi⸗ ſchen und gemäßigten Zone gedeihen: Orangen, Limonen, Feigen, Granaden und Mais neben Aepfeln, Bir⸗ nen, Weizen u. a. Es iſt wegen ſeines äußerſt geſunden Klimas ein beliebter Aufenthalt für Kranke. Wir fanden hier in dem Gaſthauſe eines Deutſchen eine ſehr freundliche Aufnahme, und hatten den Genuß, endlich wieder ein Mal nach deutſcher Art und Weiſe eine Mahlzeit halten zu können. Leider konnten wir wegen des fortwährenden Regens, der ſich bald nach unſerer Ankunft einſtellte, Nichts von der ſchönen Umgegend ſehen, obgleich wir zu dem Zwecke zwei Tage hier blieben. Da wir in Jalappa, trotz vieler Bemühungen, keinen Reiſewagen finden konnten, mußten wir uns wie⸗ der zu den Literen entſchließen; doch ich bat mir ſtatt der theuern Litera ein wohlfeileres Pferd aus, und ſo zogen wir den 21. Januar Morgens 4 Uhr nur mit zwei Literas und ich zu Pferde aus Jalappa aus, eskor⸗ tirt von 20 Mann Dragonern, die uns zum Schutze gegen die Räuber mitgegeben wurden, ſo daß wir einen ſehr bedeutenden Zug ausmachten. Hierbei muß ich bemerken, daß die Soldaten zwar ganz erbärmlich und zerlumpt, faft wie Banditen, ausſehen, dennoch aber gar nicht fo ſchlecht find, als fie gewöhnlich gemacht werden; denn ſie ſind bei vernünftiger und höflicher Behandlung äußerſt gutmüthig und gefällig, merkwürdig genügſam (ſie, wie ihre Pferde und unſere Maulthiere, genießen den Tag nur ein Mal etwas) und unter guter Anführung (die freilich hier ſehr felten iſt) gewiß ganz brav. Von dieſer Seite habe ich wenigſtens dieſe, ſo wie ſpäter die Lanzeros, die uns von Perote aus eskortirten, kennen gelernt. Der Morgen, als wir von Jalappa aufbrachen, war ſehr kalt und neblig, ſo daß wir auch ſpäter nichts von der reizenden Gegend ſehen konnten. Der Weg iſt fortwährend anſteigend, ſo daß wir uns nach einem Marſche von ſieben Stunden in dem Dorfe Las Vigas auf einer Höhe von 7800 Fuß befanden. Es war hier ganz empfindlich kalt und von tropiſcher Vegetation gar Nichts mehr zu ſehen. Wir befanden uns ganz unter deutſchen Tannen und Fichten, und die leichten Rohrhütten hatten ſich in aus dicken Baumſtämmen beſtehende Hütten verwandelt, deren Dächer mit Schindeln gedeckt ſind. Von hier aus bis Perote bleibt man fortwährend auf dieſem öden Plateau, auf deſſen ſchwarzem, gleichſam glaſigen Boden ler iſt ſo hohl, daß die Tritte der Maulthiere weithin wiederſchallen) nichts als verkrüppelte Tannen und Magney (eine der Aloe ähn— liche Pflanze, aus deren Blüthenſaft Pul que, das Lieblingsgetränk der Mexikaner, bereitet wird) gedeihen. Das einzige Schöne, nämlich der Anblick des 13,500 Fuß hohen Cofre von Perote, wurde uns durch dichten Nebel entzogen. Etwas frierend und durchnäßt, waren wir alſo herzlich froh, als wir gegen 4 Uhr in dem öden, unheimlichen Perote ankamen. Leider war es uns aber nicht vergönnt, unſer Bedürfniß nach Erwärmung bald zu befriedigen; denn es wurde uns nur eine Art Stall ohne alles Mobiliar als Aufent⸗ haltsort angewieſen, und erſt nach vielem Bitten und nach vielem Brummen unſerer braunen Wirthin gegen 189 8 Uhr Abends der Genuß eines kärglichen Abendbrodtes (natürlich Bohnen) zu Theil. An ein Bett war nicht zu denken; und ſo brachten die Uebrigen die Nacht in ihren Literas, die in das Zimmer getragen wurden, und ich auf einem Tiſche zu, wobei mir mein Reiſeſack als Kopfkiſſen diente. Aber ermüdet, wie ich war, hüllte ich mich in meinen Mantel ein und ſchlief ganz gut, bis ich am andern Morgen früh 4 Uhr zur Mei: terreiſe geweckt wurde. i Der Morgen war empfindlich kalt und anfangs auch ſehr neblig; doch zerſtreute ſich der Nebel gegen 10 Uhr vollends, ſo daß man die herrlichſte Ausſicht haben konnte. Gern ließen wir dann den Blick von dem öden, unfruchtbaren Boden des nackten Plateaus weg in die Ferne ſchweifen und an dem ringsumgele— genen, himmelanſtrebenden Gebirge haften, vor Allem auf dem ſchneebedeckten Gipfel der Paloma (Pik von Orizaba), der faſt den Himmel zu berühren ſcheint, und der kühn ſein Haupt über die Wolken, die ſeinen Fuß bedecken, emporhebt. Der Anblick eines ſolchen hohen Berges iſt ſo feſſelnd, daß ich wohl einige Stun— den die Augen nicht von ihm verwendet habe, und dann nur, um ſie wieder an der kegelförmigen Spitze des 12,000 Fuß hohen Maliuche ruhen zu laſſen. Es iſt wahr, der Strich Landes, den wir am 22. Januar durchritten, bietet in der Nähe nicht das geringſte Erfreuliche dar: rauher, unwirthbarer Boden, nur mit kümmerlichen Pflanzen bedeckt, hie und da einzeln ſtehende Hütten oder verfallene Häuſer, die Luft ſcharf; aber daneben iſt der Anblick des Gebirges von dieſem Plateau aus ſo über alle Beſchreibung ſchön, daß ich mich deſſen mein ganzes Leben lang mit Entzücken erinnern werde. Beſonders merkwürdig ſind auch hier die Sandſäulen, welche wohl 5 oder 6 neben einander und 12 bis 50 Fuß hoch durch Wirbelwinde gebildet und weite Strecken mit unglaublicher Schnelligkeit fortgeführt werden, bis der Wirbel zerfließt und ſie in ſich zu— ſammenfallen. Mehrere ſolcher Säulen neben einander ganz frei heranmarſchiren zu ſehen, iſt wirklich ein faſt lächerlicher Anblick. Von der hier ebenfalls ſehr häufigen Luftſpiegelung habe ich leider nichts geſehen. Nach einem ſehr intereſſanten, aber durch Sonne, Staub und ſcharfe Luft ziemlich anſtrengenden Ritt von 16 Leguas hielten wir in dem aus wenig Häuſern beſtehenden Dorfe Ojos de Agua an, um hier un— ſer Nachtquartier aufzuſchlagen. Hier erging es uns jedoch noch ſchlechter, als in Perote. Der Wirth erklärte kategoriſch, daß er nichts zu eſſen habe. Nur der Gefälligkeit eines Unterofficiers, der mit 11 Lanzeros von Perote aus mitgeritten war, hatten wir es zu danken, daß wir durch ein paar Bohnen unſern Hunger eini⸗ germaßen ſtillen konnten. Gegen 4 Uhr des Morgens brachen wir nach Puebla auf. Die Gegend bis dorthin iſt der Räuber wegen am gefährlichſten; indeß das ſtrenge Edikt von Paredes, daß jeder Räuber auf der Stelle erſchoſſen werden ſoll, ſcheint ſehr gut gewirkt zu haben, ſo daß wir ganz ungefährdet in Puebla gegen Abend ankamen. Leider wurde es gegen Nachmittag ſo neblig, daß ich von der ſchönen Umgegend gar nichts ſehen konnte, und, weil wir ſpät Abends ankamen, von dieſer ſchönſten Stadt der Republik Nichts, als den guten Gaſthof, ken—⸗ nen lernte. Schon am andern Morgen um 4 Uhr fuhren wir mit der Diligence nach Mexiko weiter. Von der raſenden Schnelligkeit, mit der dieſe fährt, hat man gar keinen Begriff. Bergauf, bergab, über ſteinigen und ſandigen Weg, an Abhängen entlang, durch Waſſer und über Brücken: immer geht es in ſauſendem Galopp, was die ſechs Pferde laufen können, und ſo ſchnell, daß die Eskorte, die fie begleitet, alle Viertelſtunden ab⸗ gelöſt werden muß. Der Weg von Puebla aus bis Mexiko iſt, nach meiner Meinung, der intereſſanteſte und ſchönſte Theil der ganzen Tour von Vera-Cruz bis Mexiko, und darum allein habe ich es bedauert, daß es ſo ſchnell ging. Kaum begann der Morgen anzubrechen, ſo ſah man die ſchneebedeckten Gipfel der beiden Vulkane Popoca— tepetl und Iztaccihuatl von der aufgehenden Sonne ſich mit roſigem Lichte färben, und über die den übrigen Theil der Berge verhüllenden Wolken endlich, wie zwei im Feuer leuchtende Kegeln, erglühen. Der Anblick iſt ſo ſchön, daß ich es kaum beſchreiben kann, und ſo feſſelnd, daß ich die längſte Zeit nur dieſe beiden Berge angeſehen habe, und erſt, als ſie mir durch einen dichten Wald verdeckt wurden, das würdigte, 190 was ich in der Nähe hatte, Der Meg führte zumeilen bei gut bebauten Feldern vorüber, bald durch die eng- ſten und ſteilſten Waldſchluchten, bald durch finftere, enge Hohlwege, bald aber auch durch liebliche Thäler, in denen einige elende Indianerhütten Das bilden, was man hier ein Dorf nennt. Je weiter wir fuhren und je mehr die Sonne heraufſtieg, deſto mehr wurde ich genöthigt, mich in mei⸗ nen Paletot einzuhüllen, und deſto weniger konnte ich mir es einreden, daß ich mich in dem heißen Mexiko befinde; deſto mehr glaubte ich, in unſerem lieben Deutſchland zu ſein, zumal da ich auch das ſo heimiſch klingende Rauſchen der Nadeln in dem uns umgebenden Tannenwalde hörte. — Und endlich — war es ein Traum? — nein! es war Gewißheit, daß ich wirklich noch in meinem Vaterlande war, und daß ich nur im Traume im tropiſchen Mexiko mich befunden hatte — denn ich trat, als die Diligence vor einem mit Schin⸗ deln gedeckten, rings von Tannen und Fichten umgebenen Hauſe anhielt, in eine durch einen Ofen geheizte Stube, und wurde von einer blonden, blauäugigen Frau empfangen, die ich aufs Geradewohl Deutſch anredete (denn ſo freundlich, ſo hübſch, ſo weiß und rein iſt keine Mexikanerin) und die auch gleich Deutſch antwortete, worauf ein kleiner ehrlicher Sachſe hereinkam, mir die Hand auf ächte deutſche Weiſe drückte und mich und uns Alle als Landsleute willkommen hieß. Es machte wirklich einen eigenen wohlthuenden Eindruck, hier in dem rauhen, durch Räubereien berüchtigten Rio Frio, 10,000 Fuß über dem Meere, fo ganz heimiſch auf: genommen zu werden! a Nachdem wir nun hier eine halbe Stunde recht gemüthlich verplaudert und recht gut gefrühſtückt, aber auch gut bezahlt hatten, fuhren wir weiter, unter der Eskorte von 5 Dragonern in zerlumpten Uniformen und auf verhungerten Pferden, die ſchwer mit den gut genährten Diligence-Pferden Schritt halten konnten, und die ſich alle Viertelſtunden ablöſten. Daß dieſe Eskorte nicht ganz unnöthig iſt, davon zeugten die un⸗ zähligen Kreuze, welche längs des Weges als Denkmale für die durch Räuber Getödteten (matados por la- drones) errichtet ſind. Die Gegend iſt auch wild und waldig genug, um gute Schlupfwinkel zu bieten, ſo daß man es immer als ein ganz beſonderes Glück betrachten kann, wenn man hier nicht angefallen wird. Von Rio Frio an geht der Weg in vielfachen Windungen fortwährend bergab durch einen dichten, un⸗ durchdringlichen Wald. Endlich, nach zweiſtündigem Jagen (denn Fahren kann man das nicht nennen, wo der Wagen fortwährend auf einer Seite hängt) kommt man an den Fuß des Berges und tritt zugleich aus dem Dunkel des Waldes heraus, um einen über Alles erhabenen Anblick zu haben, den keine Feder beſchrei— ben, kein Pinſel malen kann: das Thal Tenochtitlan liegt zu unſern Füßen! Aus dem dunkeln Tannen⸗- und Eichenwalde herausgetreten, erblickt man plötzlich ein weites, weites Thal, anſcheinend ziemlich bebaut, mit Seen durchſchnitten und ringsum von der herrlich gezackten Gebirgskette umkränzt, die von den mit ewigem Schnee bedeckten Vulkanen auf der linken Seite bald bis auf den Boden ſich herabſenkt, bald mit dem Jollopetl wieder faſt in die Schneeregion ſich erhebt, und endlich auf der rechten Seite ſich fo weit entfernt, daß man die ganze lichtblaue Gebirgskette kaum von dem azurnen Himmel unterſcheiden konnte, wenn nicht der große See von Tezeuco mit feinem tief dunkelen Spiegel fo beſtimmt den blauen Fuß des Gebirges abgrenzte. Nur Eines bei alle dem fehlte: das Zeichen menſchlicher Thätigkeit. Denn nur ſpärlich ſah man in dem großen, weiten Thale kleine Dörfchen zerſtreut. Vor Allem aber das, was ich ſuchte — die Stadt Mexiko — ſah ich nicht; ich ſuchte und ſuchte, nahm ein Augenglas, einen Tubus nach dem andern zur Hand, aber vergeblich. Mexiko ſah ich nicht. Ich verwünſchte meine ſchlechten Augen, daß ich Das, was von allen Reiſenden als das Schönſte geprieſen wird — Mexiko — nicht gewahrte, bis ich endlich erfuhr, daß alle jene Reiſenden gelogen haben, und man von hier aus Mexiko gar nicht ſehen kann, da es hinter einem kleinen Hügel liegt, den man umgehen muß, um dann ſogleich, ohne von Mexiko vorher Etwas geſe— hen zu haben, in die Stadt einzufahren. Nun war ich beruhigt, und bemerkte zugleich, daß es dem Thale Tenochtitlan gehe, wie gewiſſen Damen, beſonders allen Mexikanerinnen, die man nur von fern ſehen muß; denn fo ſchön, fo himmliſch, fo über alle Begriffe prächtig das Thal Tenochtitlan beim erſten Anblicke er⸗ 191 ſcheint, fo ſehr verliert es bei näherer Betrachtung. Die gelben, fruchtbar ausfehenden Felder werden dann theils zu Sandflächen, theils zu gerade nicht ſchön ausſehenden Stoppelfeldern; die grünen Wieſen und klei⸗ nen Seen zu Sümpfen, bei denen bald das Land, bald das Waſſer die Oberhand hat. Auch der Mangel an Bäumen ſtimmt ſehr traurig und giebt dem Ganzen etwas Oedes. Doch trotz alle dem bietet dieſes Thal durch ſeine immenſe Ausdehnung und vorzüglich durch ſeine wunderherrliche Begränzung ein Bild, welches geſehen zu haben, ich um keinen Preis weggeben möchte! Mögen meine Beſchreibungen auch nicht ſo ſchön ſein, als die meiſten, welche dies Alles ſo herrlich und romantiſch geſchildert haben, ſo ſind ſie doch wenigſtens der Wahrheit getreu. Ich mag nicht Etwas darum wieder unwahr beſchreiben, weil es Alle vorher gethan haben. In die Stadt Mexiko fuhren wir wirklich ein, ohne es zu ahnen; denn man kann (da man ganz auf ebenem Wege herankommt und die Stadt von hohen Bäumen verdeckt wird, über welche die nicht ſehr hohen Kuppeln auch nicht hervorragen können) von der Stadt nicht eher Etwas ſehen, als bis man vor einem er— bärmlichen, verfallenen Thore ankommt, durch welches man in eine übelriechende, aus zwei Reihen verfallener Häuſer und elender Hütten beſtehende Straße einfährt. Wenn man mir es nicht wiederholt verſichert hätte, daß wir in Mexiko wären, und wenn wir nicht plötzlich aus dieſem Schmutzpfuhl in eine ſchöne, breite, wohl— gepflaſterte Straße gekommen wären, wo ſich bald ein Douanier, den Kopf unter dem Hut mit einem Tuche umwunden (was alle Mexikaner, beſonders auf Reiſen, thun) ſich zwiſchen uns neun als zehnter Paſſa— gier eindrängte (um jegliche Kontrebande zu verhüten) und in welcher wir bei einem Kloſter nach dem andern und bei einer Kirche nach der andern vorbeifuhren — wenn dies nicht geweſen wäre, dann hätte ich nie ge— glaubt, in Mexiko zu fein: aber ein Douanier, ein roſa-angeſtrichenes Kloſter, mit Kuppeln gezierte Kirchen, und um dieſelben Leperos in mannigfach bunten Serapen und mit großen runden, ſchwarz lackirten Hüten; dazu noch ein Regiment Soldaten in zerlumpten Uniformen, halb beſchuht und halb unbeſchuht, unter einem Ohren zerreißenden Trommel- und Pfeifen-Lärm, welcher trefflich akkompagnirt wird durch das Geläut von einigen fünfzig Glocken: — dies Alles waren ja untrügliche Zeichen, daß wir uns in Mexiko befanden. Obgleich ich es nicht begreifen konnte, daß ich Mexiko nicht vorher geſehen, fand ich mich doch recht gern in den Gedanken, jetzt in Mexiko zu fein, als ich endlich die ſchöne Plaga mit der in halb mauriſchem Ger ſchmacke gebauten, impoſanten Kathedrale, die ſchönen, regelmäßigen, breiten, von prachtvollen Häuſern einges faßten Straßen ſah, deren Hintergrund, man mag gegen Norden, Oſten, Süden oder Weſten blicken, durch majeſtätiſche Berge begränzt wird. In ihnen iſt ein Gedränge von Menſchen, wie faſt in London, nur freilich von mehr Lumpengefindel; denn 20,000 Leperos bilden hier die Hauptſtraßenbevölkerung. An den Seiten unter Säulenportalen findet man Läden mit allerlei europäiſchen Luxusgegenſtänden, an denen braune India⸗ nerweiber, Kopf und Bruſt in einen bläulichgrauen Reboſo eingehüllt, alle Arten Früchte u. ſ. w. feil haben. In dem Hauſe des preußiſchen Konſuls wurden wir ſehr freundlich aufgenommen, und ſind dort gerade einen Monat, vom 24. Januar bis 23. Februar, geblieben, weil wir durchaus keine Wohnung finden konn⸗ ten; denn entweder ſind die guten außerordentlich theuer, oder die wohlfeilen zu klein und ſchlecht. Dazu kommt noch, daß man bei den meiſten Wohnungen noch den ſogenannten Traspaſſo zahlen muß, d. h. ein für alle Mal eine ziemlich bedeutende Summe (1000 bis 3000 Peſos) für die äußere Ausſtattung, indem eigentlich Nichts als die kahlen Wände vermiethet werden, und Fenſter, Thüren, Tapeten u. dergl. traspaſſirt werden müſſen. Endlich haben wir eine ſehr hübſche Wohnung (4 Stuben, 1 Saal, 1 Kabinet, 1 Küche, Speiſekammer, Stall und Benutzung eines niedlichen Gartens) für 900 Peſos erhalten, aber ½ Stunde von der Stadt, vor dem Thore. Obgleich man ſich dadurch ganz von der übrigen Welt abſondert, indem die ber quemen Mexikaner Nichts mehr haſſen, als weite Entfernungen, und gegen Abend der Weg etwas unſicher iſt, ſo bin ich doch ſehr zufrieden damit, weil man hier erſt gewahr wird, in welch herrlicher Gegend man ſich befindet. Hier kann man alle Tage die impofanten Schneeberge bewundern, die wunderſchöne, reine Luft ein⸗ athmen und, ungetrübt durch Rauch, die Azurbläue des tropiſchen Himmels bewundern, der in der Nacht zu 192 einem ſchwarzen, mit Myriaden von demantnen Sternen wird (hier den Orion zu bewundern, iſt ein wahrer Himmelsgenuß!). Dies Alles hat man in der Stadt Mexiko nicht, und da dort von Geſelligkeit keine Rede iſt, entbehrt man alſo gar Nichts, wenn man ſich der Stadt entzieht. — 3) Herr v. Hochberg auf Mukrau hat demnächſt in nachſtehender Weiſe ſeine Schilderung der beſonderen Sitten, Gebräuche und Anſichten bei der flavifchen Bevölkerung in Oberſchleſten (Jahresbericht von 1845) fortgeſetzt. a 1) Die Pfingſt⸗ oder Gohannes- Feuer, Die weit verbreitet geweſene Sitte, an benannten Tagen mit Eintritt der Dunkelheit auf beſtimmten Punkten Freudenfeuer anzuzünden, um welche die Bevölkerung des Ortes ſich verſammelt, und bis ſpät in die Nacht durch Muſik und Tanz ſich ergötzt, beſchränkt ſich jetzt in hieſiger Gegend nur noch auf das Kar⸗ patengebirge und einzelne Theile des Pleſſer Kreiſes. Am St. Johannes-Abend (24. Juni) erglänzen wie Sterne auf den nahe belegenen Vorbergen der Karpaten unzählige dieſer Feuer, welche einen angenehmen An⸗ blick gewähren. Im Flachlande dagegen werden dieſelben ſchon am Abende des erſten Pfingſtfeiertages ange⸗ zündet. Von der Anhöhe, öſtlich von Nicolai gelegen, ſieht man dann in der Gegend von Berun und am St. Clemens⸗-Berge bei Lendzin eine große Anzahl ſolcher freundlichen Lichtpunkte erglänzen. Weſtlich und nördlich von hier tauchen noch einzelne in der waldigen Gegend auf; tiefer in das Land hinein aber ſeit vier len Jahren gar keine mehr, da das Holz dort immer ſparſamer wird. h Die polniſche Benennung diefer Feuer ift Sobotki. Wenn nun der Sonnabend gleichergeſtalt Sobota heißt, ſo ſcheint es mir demnach, als bedeute das Wort Sobotki Sabbathfeier, und dürfte dieſe Gewohnheit noch eine der Ueberreſte des Heidenthums ſein, vielleicht urſprünglich ein Götzendienſt. Da übrigens kurz hinter einander zwei verſchiedene Tage zu dieſem Feſte gewählt ſind, ſo läßt ſich um ſo mehr annehmen, daß weder das Pfingſt-, noch das St. Johannes-Feſt mit dieſer Sitte in Verbindung ſtehen; daß man vielmehr dieſe Tage zufällig gewählt habe, um nach Einführung des Chriſtenthums dieſes Feſt noch beibehalten zu können. — 2) Sprache. Vielfältig iſt behauptet worden, daß die in dem von Slaven bewohnten Theile Oberſchleſiens allgemeine Sprache nicht polniſch, und dem Polen unverſtändlich ſei. Dieſe Behauptung iſt unrichtig. Der Oberſchleſier kann ſich jederzeit mit dem Polen durchaus verſtändlich beſprechen, und Letzterer wird es wohl belächeln, daß Erſterer nicht in den Endſylben allein konjugirt, ſondern die Perſon noch außerdem vorſetzt. Eben ſo wird der Pole manche Vokabel, die, aus der deutſchen Sprache entnommen, mit einer polniſchen Endung ihm fremd iſt, nicht verſtehen; dies iſt jedoch kein Grund, zu glauben, daß man in Oberſchleſien eine beſondere Sprache redet.“) Wenn nun ſeit einer fo langen Reihe von Jahren Alles ſich beſtrebt, deutſche Sitte und Sprache ein⸗ zuführen, und folgerecht für Verbeſſerung und Verfeinerung der polniſchen Sprache nicht das Geringſte ges ) Nach der Verſicherung des Herrn Profeſſor Dr. Bittner haben ſich ſogar in dem oberſchleſiſchen (ſogenann⸗ ten waſſerpolniſchen) Dialekte ächt polniſche Benennungen aus früheren Zeiten erhalten, welche man jetzt in Großpolen aus dem Deutſchen entlehnt hat. 3. B. in Oberſchleſien wird die Waſſerſuppe wodzionka, ein Leuchter Swieeznik genannt; in Poſen und Gneſen dagegen Wassersupka, lichtarz. Anmerkung des Sekretairs. 195 . ſchieht, ſo müſſen allmälig deutſche Worte immer mehr und mehr ſich in die polniſche Sprache miſchen, wo— durch der Landmann ſeinem ſehr häufig blos Deutſch redenden Gutsherrn, Fabrikherrn oder deren Beamten verſtändlicher wird. Jedes neue Zeitereigniß, in ſo weit ſolches auf hieſige Gegend Bezug hat, bringt neue Worte, welche die Bevölkerung nur Deutſch kennt. So heißt der Gallmei hier Gallman, und die Eiſenbahn — Eiſenbana. — Wie beides und viele andere Dinge in Polen benannt werden, iſt dem Volke gleich, um ſo mehr, als mit dieſem Lande eine ungemein beſchränkte Verbindung beſteht. Zwiſchen deutſcher und polniſcher Sprache iſolirt hingeſtellt, nahm die ſlaviſche Bevölkerung von jedem Nachbar Etwas an, wodurch verſchiedene, doch einander Allen verſtändliche Mundarten entſtanden ſind. - 3) Lebensweiſe und Anſtelligkeit. Die auf das Nothwendigſte beſchränkte Ernährung des Volkes macht den Oberſchleſier tüchtig, bei mä— ßigem Geldverdienſt ſein Auskommen zu finden. Brodt, Kartoffeln , Sauerkohl und eine Mehlſuppe, wozu etwas Sauerteig beigemiſcht wird, welche die beſondere Benennung Zur hat und wie das franzöſiſche Wort jour klingt, ſind die vorzüglichſten Nahrungsmittel. Fleiſch wird in der Regel nur bei Feſtmahlen genoſſen, iſt alſo Luxus- Artikel. Zu jeder Arbeit zeigt ſich der Oberſchleſier befähigt und entſchloſſen; ſtrenge Aufſicht iſt nothwendig. Bei den Gruben, den Eiſen- und Zinkhütten, bei denen in früherer Zeit meiſt fremde Ar⸗ beiter angeſtellt waren, verrichten unſere Leute mit großer Geſchicklichkeit faſt alle Dienſte, und treiben Waſſer⸗ loſungs- und Förderungs-Maſchinen, ohne die eigentlich dazu erforderlichen wiſſenſchaftlichen Vorkenntniſſe er⸗ worben zu haben, was wohl ein genügender Beweis angeborener Fähigkeiten fein dürfte. Mit ſeltener Auf— opferung wagt der Oberſchleſier ſeine Geſundheit und ſein Leben um eines nur wenig erhöhten Lohnſatzes we— gen, und man wird zweifelhaft, ob ihm die Armuth, oder, was ich glaube, angeborener Leichtſinn, ſo leicht über jegliches Bedenken hinweg hilft. Wer nicht ein größeres Grundſtück eigenthümlich beſitzt, iſt in der Regel ganz arm. Sobald der Knabe herangewachſen iſt, ſucht er eine Lebensgefährtin; ob dieſe bemittelt iſt oder nicht, iſt eigentlich Nebenſache. Der Mann geht in Arbeit, die Frau, ſoweit es die Umſtände verſtatten, ebenfalls. Einige Nutzthiere werden gehalten, und auf des Wirthes oder anderer Leute Feldern, oder der Gutsherrſchaft zum Nachtheil, auf abgele— genen Grundſtücken im Felde oder Walde gehütet. — So geht das Leben in der Jugendzeit fort; im Alter treten gewöhnlich Nahrungsſorgen ein. 4) Religiöſe Anſichten. Aus der fo dürftigen Ernährung des Volkes wird es erklärlich, daß der katholiſche Theil der Bevölke— rung keines der Kirchengebote mit mehr Pietät befolgt, als die Faſten. Es iſt eine ſeltene Erſcheinung, daß ſelbſt kranke Leute ſich den Genuß des Fleiſches an gebotenen Faſttagen erlauben. Man kann eine Uebertre— tung des Gebotes als herkömmliche Abneigung betrachten. Das moraliſche Gefühl, ſeiner Kirche mit Hingebung anzugehören, den Prieſtern mit Ehrfurcht zu begeg— nen, und die von Kindheit her gewohnten religiöſen Gebräuche als heilig zu betrachten, iſt bei den Slaven vorherrſchend. Daß dies manchmal zu weit getrieben wird, läßt ſich nicht abläugnen, wohl aber die öffentliche, öfters aufgetauchte Meinung, als beſtände die Ausübung der Religion der katholiſchen Bevölkerung Oberſchle— ſiens in Aberglauben und blindem Gehorſam gegen die Prieſterſchaft. Der im preußiſchen Staate vom Auslande oft anerkannte wohlgeregelte Schulunterricht hat es bewirkt, daß das Volk über alle kirchliche Gebräuche die nöthige Kenntniß erlangt hat, und nirgends mehr, weder in myſteriöſen Formeln etwas Zauberhaftes, noch in ſeinen Prieſtern höhere Weſen erblickt. Die noch im Allgemeinen beſtehende große Achtung vor allen kirchlichen Gebräuchen und vor den Perſonen, die ſolche aus— üben, hat in der Anwendung gewiß mehr Nuten, als Schaden gebracht. Daß Leichtſinn dem Volksſtamme 25 194 eigen iſt, läßt ſich auch hier erkennen; denn der dem Laſter ergebene Menſch lebt hier häufig in dem Wahne im kräftigen Lebensalter ſeinen ſträflichen Neigungen folgen zu dürfen, und glaubt, daß es Zeit genug ſei, im vorgeſchrittenen Alter alle Laſter abzulegen, und ſich dann reumüthig der Religion zuzuwenden. Man wird dagegen auch finden, daß gewöhnlich der Verbrecher in dieſem Bolksſtamme, in religiöſer Be⸗ ziehung, nicht Heuchler wird. Er beſucht den Gottesdienſt gar nicht mehr, ſetzt ſich über die Gebote der Kirche frech hinweg, vermeidet die Predigt und die Beichte; letztere, um der e zu entgehen, erſtere, um ſeine Lebensweiſe nicht tadeln zu hören. II. Phyſiſche Geographie und Geognoſie. 1. Herr Oberſtlieutenant Dr. Fr. v. Strantz ſprach in nachſtehender Weiſe feine Anſicht i über Erderſchütterungs-Kegel und Auswurfs-Kegel aus. Erſtere bezeichnen den äußeren und inneren Umfang der Erdbeben, und zwar der großen als Folge einer Exploſion bei etwa % bis ½ des Erdradius an Tiefe, in meiſt jedem Erdſturz widerſtehenden Erd— höhlen, wo die Ereigniſſe, ſo zu ſagen, periodiſch ſich wiederholen, die expanſiven Gaſe nach der mindeſten Widerſtandslinie in den Kanälen gegen die Erdrinde aufſteigen, und jene zu Tage wahrzunehmenden Erſcheinun⸗ gen bewirken. Dieſe Gasausſtrömung nimmt, wie bei den Auswurfskegeln, ebenfalls die Geſtalt eines auf die Spitze geſtellten Kegels an, deſſen Baſis oben die Erdrinde mit größter Wirkung im Mittelpunkte des Erd— erjehätferunpeFteilee iſt. Das am 29, Juli 1846 in Deutſchland ſtattgefundene Erdbeben, welches zu den fchmäches ren gehört, von J. Bögner graphiſch mitgetheilt, erläutert dieſes am beſten. Zufolge ſeiner Karte erhalten wir hier einen Erderſchütterungskreis von 35 geographiſchen Meilen Radius oder 70 Meilen im Durchmeſſer mit folgenden Begränzungspunkten: In Norden Münſter, in Süden Freiburg, in Weſten die Gegend von Ath, in Oſten Koburg. Die größte Wirkung im Mittelpunkte des Kreiſes berührte die Rhein- und Moſelgegend weſtlich von St. Goar und Kochem an der Moſel. Die Tiefe des Exploſionsheerdes dürfte gewöhnlich etwa 14, bei ſtärkeren Erdbeben / des Kreisdurch⸗ meſſers betragen. Bei weit ausgehenden Erdbeben können mehrere Erſchütterungskegel, ſowohl an einander reihend oder in einander greifend, auch wohl abgeſondert ſich ergeben, was bei neueren Ereigniſſen dieſer Art einer genaueren Betrachtung werth iſt. Das Erdbeben zu St. Auguſta am Kap S. Croce in Sicilien vom Jahre 1847 gehört zu den Eleines ren Erſchütterungskreiſen (Erſchütterungskegeln), wo hier auf der Landſeite die Halbmeſſer: Catania, Leotine und Saragoſa, 3 geographiſche Meilen betragen, und, mit Inbegriff der Seeſeite, der Erſchütterungskreis nur 6 Meilen zum Durchmeſſer halte. Was die Auswurfskegel betrifft, ſo unterſcheiden wir deren zwei: 1) durch Feuerkraft, oder 2) durch Gas-Expanſion hervorgebrachte Krater. Erſtere ſind keine eigentlichen Vulkane, das heißt ſolche, mit derem Erd-Inneren ſie fortwährend in Verbindung ſtehen; ſo zum Beiſpiel jene der Eifel im Bezirke des Lacher-Sees (vergl. v. Leonhard und Bronn Jahrb. 1847, H. 6), etwa Lava-Anhäufungen, die nach der Erdoberfläche in mehrere Kanäle zu einer Maſſe aufgeſtiegen, anſchwellend partial geborſten, und Ergießungen der geſchmolzenen Maſſen, den Thälern zuſtrömend, zur Folge hatten. Eben fo möchte es ſich mit einigen vulkaniſchen Kratern des Tenger— gebirges in Java (Froriep's Jahrbücher, Bd. IV.) und der Sevennen ya welche in dieſe Kategorie gehören. Die zweite, noch jetzt durch Gas-Expanſion vorkommende Art von Kegelauswürfen (1797 in Amerika, vergl. Cosmos Bd. J.), gleich einer Minen-Exploſion, läßt keine Spur von Vulkanietät zurück. Sie zeigen mehr die Geftalt eines Trichters, und kommen, Waſſer bisweilen enthaltend, als Krater-Seen, auch ſonſt ohne dieſe vor. So nach Dumont (von Leonhard und Bronn, Jahrb. 1838), in der Eifel, in Kalk- und Schiefergebirgen der Ulmer-See, der von ausgetrockneten Schlamm, Schiefer- und Pfam: mit-Trümmern umgeben iſt, deſſen Kraterwände gegen die Ebene abfallen; wogegen dort auch ein waſſerloſer Trichter zwiſchen Dries und Dockweiler ſich ergiebt. Daß die großen Gebirgskeſſel, mehr als die kleinen, der Urzeit angehören, und letztere verhältnißmäßig tiefer find (etwa dieſe 3 bis ½ des Durchmeſſers), darüber hat Referent ſich ſchon an anderen Orten ausgeſprochen. III. Meteorologie, Climatologie und Hypſometrie. Eine Hauptaufgabe, welche die Section von dem Sudetenvereine überkommen hat, aus dem ſie hervor— gegangen iſt, war und iſt die durch Jahre fortgeſetzte Durchführung möglichſt vollſtändiger meteorologiſcher Beob— achtungen an einer Anzahl von Punkten in Schleſien, welche wegen ihrer Lage in hypſometriſcher Beziehung von Wichtigkeit ſind, und durch die Perſönlichkeit ihrer Beobachter Bürgſchaft leiſten. Faſt alle dieſe haben mit nicht genug zu erkennender Beharrlichkeit die übernommene Aufgabe durch täglich dreimalige Beobachtung zu beſtimmten Stunden, größtentheils von Anfang, d. i. vom Jahre 1836 an, mit immer ſteigendem Eifer durchgeführt, fo daß ein außerordentlich reicher Schatz für die obengenannten Wiſſenſchaften dadurch angeſam— melt worden iſt. Der jetzige Secretair der Section hat, von Uebernahme ſeiner Verpflichtung zu Anfang 1842 an, nicht unterlaſſen, durch Bearbeitung der laufenden Beobachtungen den Schatz nach und nach zur Hebung zu brin— gen. Bei der außerordentlichen Reichhaltigkeit des Materials iſt es ihm aber doch nur gelungen, erſt die Zuſammenſtellung der Jahrgänge 1842, 1843, 1844 und 1845 zu Ende zu führen, von denen die Reſultate des Jahres 1842 im Jahresberichte von 1843, die don 1843 in dem von 1845, die von 1844 im Jahresbe⸗ richte von 1846 von Seiten des ſchleſ. Geſellſchaft mit nicht unbedeutender Koſten-Aufopferung zur Veröffent⸗ lichung befördert worden ſind, und endlich im gegenwärtigen auch noch die von 1845 erſcheinen. Unter dieſen Umſtänden hat der Secretair aber leider noch nicht daran denken können, die vorangegange— nen Beobachtungen von 1836 bis zu Ende des Jahres 1841 ebenfalls zu bearbeiten, was in der That im höchſten Grade zu beklagen iſt, weil auch die nachfolgenden erſt einen noch höheren Werth dadurch erlangen würden. Möchten doch irgendwie die Geldmittel dazu geboten werden, noch einige Arbeitskräfte dazu heran— zuziehen. Obgleich die hypſometriſche Feſtſetzung einer angemeſſenen Anzahl von dazu geeigneten Punkten als Hauptzweck bei Gründung der meteorologiſchen Beobachtungsſtationen vorſchwebte, ſo liegt es doch auf der Hand, daß dabei zugleich auch noch andere wichtige Aufgaben, atmoſphärologiſche wie klimatologiſche, gelöſt werden. Von dieſen konnte aber erſt die Rede ſein, wenn die Bearbeitungen mehrerer Jahrgänge neben einander geſtellt werden konnten. So hat nunmehr Herr Kandidat Günther, Gehülfe auf der hieſigen königlichen Univerſitäts-Stern⸗ warte (der auch die hypſometriſche Bearbeitung der Jahre 1844 und 1845 durchgeführt hat), die Beobach— tungen der Jahre 1842 bis einſchließlich 1845 benutzt, um die mittleren Temperaturen der einzelnen Monate der genannten vier Jahre an den Beobachtungsſtationen, ſo wie die Mittel daraus in der von ihm nachſtehend angegebenen Weiſe zu beſtimmen, und dadurch für die Auimaknldu en Schleſien einen ſehr wichtigen Beitrag zu liefern. 196 1. Bearbeitung der Thermometerbeobachtungen auf den Stationen des Sudeten - Vereins zu klimatologiſchen Neſultaten der Jahre 1842, 1843, 1844 und 1845, von Günther. Um die mittlere Temperatur eines Ortes genau kennen zu lernen, iſt es nöthig, lang fortgeſetzte Reihen von Thermometer-Beobachtungen von Stunde zu Stunde nnunterbrochen fortgehend zu erhalten. Das 24ſtündige arithmetiſche Mittel aus den Beobachtungen eines Tages würde dann die mittlere Temperatur deſſelben ganz genau geben. In gleicher Weiſe würde man die mittlere Temperatur eines Monats, eines Jahres finden, und dieſe Orts-Conſtante der Wahrheit um ſo näher, je umfaſſender die Beobachtungsreihen waren, welche man hatte zum Grunde legen können. Derartige vollſtändige Reihen von allſtündlichen Thermometer-Beobachtungen, welche uns den Gang der täglichen Wärme an allen Orten in mittleren Breiten kennen lehren, beſitzen wir zur Zeit nur zwei, die eine von Chiminello in Padua, 16 Monate lang fortgeſetzt; die andere von Brewſter in Leith bei Edinburg, 2 Jahre umfaſſend. Hat man die Curve der täglichen Temperatur, von dem Minimum eines Tages etwa, bis zu dem des folgenden Tages aufgezeichnet, ſo giebt die Quadrirung derſelben ebenfalls die geſuchte mittlere Tagestempera⸗ tur. Tralles betrachtet dieſe Curve als aus A Parabeln beſtehend, und er und Hallſtröm haben Metho- den angegeben, den Flächeninhalt derſelben zu beſtimmen, ohne die Gleichung der Curven zu kennen. Wenn es nun, wie in der folgenden Zuſammenſtellung, darauf ankommt, aus wenigen, etwa 3 oder 4, Beobachtungen im Laufe eines Tages die mittlere Tagestemperatur zu beſtimmen, ſo empfiehlt Humboldt, aus den Beobachtungen in Padua und Leith Coefficienten herzuleiten, mit welchen die arithmetiſchen Mittel der einzelnen Thermometerſtände zu multipliciren ſind. Geſetzt, man hätte zu drei verſchiedenen Stunden eines Tages die Wärmegrade a. b. 6. gefunden, be: ren arithmetiſche Mittel aber nicht die geſuchte mittlere Temperatur iſt, dann dürfte man nur die Thermome⸗ terſtände a’ b“ c“ nehmen, welche zu eben dieſen Stunden in Padua und Leith beobachtet find. Da nun für dieſe Orte die mittlere Wärme t“ bekannt iſt, fo kann man ſetzen; ; t“ = ma’ + nb“ + pe‘, wo m. n, p durch Beobachtungen zu ermittelnde Coefficienten find. Sind diefe gefunden, dann erhalten wir für den Ort, deſſen mittlerer Wärmegrad verlangt wird: t= ma = nb + pe. Dieſe Coefficienten find in manchen Fällen ſehr einfach. Wo z. B. das Thermometer um VIIU. Morgens, IIu. Nachmittags, IX U. Abends beobachtet wird, iſt die mittlere Tagestemperatur: VII - I + 2. IX, „„ f wenn man mit VII, II, IX die an dieſen Stunden notirten Thermometerſtände bezeichnet. Hier werden alſo die Coefficienten m = , n = , p = %- Bei drei Beobachtungen, um VIII Uu. Morgens, III. Nachmittags, XU. Abends, wid die mittlere Tem⸗ peratur durch 1 7 N VIII 7 * III + 10 K X 24 gusgedsticte alf = % en up ae Dieſe Coefficienten ſind aber in den meiſten Fällen bei weitem zuſammengeſetzter, und haben nicht ſelten in jedem einzelnen Monate einen verſchiedenen Werth. Weil hier die Rechnung ſehr weitläufig werden würde, haben Leopold v. Buch, Schouw und Kämtz vorgeſchlagen, das arithmetiſche Mittel der Beobachtungen zu nehmen, und an dieſes eine Correction anzu⸗ bringen, um die mittlere Temperatur zu erhalten. == 197 Dieſe Correction wird auf folgende Weiſe gefunden: Geſetzt, man hätte Beobachtungen um VIU. Morgens, II U. Nachmittags und XU. Abends, und wollte daraus die mittlere Tages-, reſp. Monats-Temperatur berechnen. Das arithmetiſche Mittel der drei zu Padua zu derſelben Stunde deſſelben Monats gegebenen Beobachtungen zeigt, wie viel dieſes Mittel von der wirkli— chen mittleren Tagestemperatur zu Padua abweicht, oder wie viel die bei Padua anzubringende Correction an das arithmetiſche Mittel der drei Beobachtungen beträgt. Dann giebt die Proportion: die abſolute Summe der Aenderungen des Thermometers von 6 U. Morgens bis 10 U. Abends; verhält ſich zur abſoluten Summe der Aenderungen des Thermometers von 6 U. Morgens bis 10 U. Abends an dem Orte, deſſen wirkliche Temperatur man wiſſen will, wie 1 zu x, wo durch x derjenige Coefficient bezeichnet wird, mit welchem man die für Padua geltende Correction zu multipliciren hat, um die geſuchte Correction, die dann natürlich in demſelben Sinne an das arithmetiſche Mittel der drei Beobachtungen anzubringen iſt, zu erhalten. Ein Beiſpiel wird die Sache erläutern. Man habe in Breslau beobachtet am 20. Mai Morgens 6 U. + 9. 20 R., Nachmittags 2 Uu. + 15.4, Abends 10 U. + 12. 3 R. Das arithmetiſche Mittel dieſer drei Angaben beträgt + 12. 30 R. Die Beobachtungen in Padua im Mai geben für die gleiche Stunde folgende Thermometerſtände: 6 Uu. 14.02 2 U. + 18.92 10 u. 14.53 R. Arithmetiſches Mittel daraus: + 15.82 R. Die mittlere Tagestemperatur in Padua beträgt: + 15.98 R. Die Correction beträgt alſo in dieſem Falle für Padua: 15.98 — 15.82 = + 0. 16 R. Da nun die Temperatur in Breslau von 6 U. Morgens bis 2 U. Nachmittags um 6.2 geſtiegen, von 2 U. bis 10 u. Abends um 3.1 R. gefallen iſt, und der Umfang dieſer Aenderungen 9,3 beträgt, während dieſer Umfang für Padua 4.90 4.39 —= 9,29 ausmacht, ſo ſchließt man 9. 29: 9.30 = 1: X und findet x = 1.0011, Diefes x multiplicirt mit + 0.16 giebt die an das arithmetifche Mittel zu Breslau anzubringende Cor: rection von + 0.160116, fo daß alfo die mittlere Tagestemperatur des 20. Mai zu Breslau —= 12.30 + 0,16 = + 12.46 R. beträgt. Wie das eben durchgeführte Beiſpiel zeigt, genügt es ſchon, unmittelbar die für Padua geltende Cor= rectur von + 0.16 an das arithmetiſche Mittel zu Breslau anzubringen, ohne erſt den Coefficienten x zu berechnen, der immer nur äußerſt wenig von der Einheit verſchieden und daher auf die geſuchte mittlere Tem peratur ohne Einfluß ſein wird. In dieſer Weiſe ſind die nachfolgenden mittleren Temperaturen der Stationen berechnet worden, mit Ausnahme derjenigen, wo die Beobachtungen um 7 U. Morgens, 2 U. Nachmittags und 9 U. Abends angeſtellt waren. Für dieſen Fall muß der oben angeführten einfachen Formel mit Recht der Vorzug gegeben werden. Eine vortreffliche Methode, die mittlere Temperatur eines Ortes mit großer Genauigkeit zu beſtimmen, ift von Gauß vorgeſchlagen aorden. Dieſe hat aber für die Ausführung inſofern einige Schwierigkeiten, als dabei anzunehmen iſt, daß die innezuhaltenden Beobachtungszeiten nicht auf die vollen Stunden, ſondern auf die aus der Auflöſung der von Gauß geſtellten Aufgabe hervorgehenden Zeitmomente (mittlerer Ortszeit) fallen. Vielleicht bietet ſich ſpäter Gelegenheit dar, dieſen für unſere klimatologiſchen Verhältniſſe fo wichtigen Gegenſtand ausführlicher und umfaſſender zu behandeln. Die vorſtehend erwähnte „Ueberſicht der mittlern Temperaturen von 1842 bis 1845,“ zuſammengeſtellt von Hrn. Günther, bildet den Schluß der Reſultate aus den meteorologiſchen Beobachtungen des J. 1845, welche dem Jahresberichte zu Ende beigegeben find. Sie dürften wahrſcheinlich nicht blos für die betreffenden Sta⸗ tionen von Intereſſe fein, ſondern möchten auch wohl im Allgemeinen für die Klimatologie von Schleſien Bedeu⸗ tung haben und über den jährlichen Gang der Temperatur in unſerer Gegend manche Frage beantworten. 198 Je mehr Jahre in der Folge noch dazu treten, je ſicherer und entſcheidender werden die daraus gezo ge neu Folgerungen ſein. Auch der andere Zweck der meteorologiſchen Beobachtungen, eine genäherte Ermittelung der Höhe feſter Beobachtungsſtationen über dem Meeresſpiegel bei Swinemünde, wird mit jedem Jahre in höherem Grade erreicht; doch werden die Mittel aus vier Jahresbeobachtungen bereits ziemlich ſichere Haltpunkte bieten können, wenn Reiſende in der Nähe einer oder der anderen Station ihre barometriſchen Höhenmeſſungen darauf ſtützen wollen. Für dieſe Benutzung ſeien folgende Notizen aus den eben erwähnten Hauptreſultaten der Beobachtun⸗ gen des Jahres 1845 noch beſonders herausgehoben: 2. Angabe der noch thätigen Stationen des Sudeten - Vereins, der Herren Beobachter, der Beobachtungs- ftunden und der Seehühe ihres Barometer -Miveaus in Parifer Kuß, wie fie ſich in Beziehung auf die Station Breslau im Mittel zeither herausgeſtellt hat, vom Secretair der Section. J. Zu Zittau in der königlich ſächſiſchen Oberlauſitz; aus Beobachtungen von 1837 bis 1845 im Mittel 324.76 Pariſer Fuß über Breslau (778.38 P. F. über der Oſtſee), beobachtet Herr Haupt⸗ mann Dreverhoff täglich vier Mal: um 9 Uhr, um 12 Uhr, um 3 Uhr und um 9 Uhr. II. Zu Kupferberg am Rieſengebirge, aus Barometer-Beobachtungen von 1842 bis 1845 im Mittel 1162.14 P. F. über Breslau (1615.76 P. F. über der Oſtſee), beobachtet Herr Apotheker Chauſſy täglich drei Mal: um 7 Uhr, um 2 Uhr und um 9 Uhr. III. Zu Landeshut am Rieſengebirge aus Barometer-Beobachtungen von 1844 und 1845 im Mittel 960.58 über Breslau (d. i. 1414.29 über dem Oſtſeeſpiegel) beobachtet Herr Lehrer Wende täglich dreimal: um 7 Uhr, um 1 Uhr und um 10 Uhr. Anm. Bis zu Anfang des Jahres 1844 wurde daſelbſt in einer andern Lokalität von Herrn Oberlehrer Herrmann beobachtet. IV. Die Station zu Neurode in der Grafſchaft war nach dem Ableben des dortigen verdienten Beob— achters, Herrn Markſcheider Rhode, im Jahre 1843 durch die Beobachtungen des dortigen Herrn Apotheker Lauterbach auf einige Zeit wieder in Thätigkeit gekommen. Derſelbe hat ſich aber Ge⸗ ſchäfte halber genöthigt geſehen, ſie mit Ende des Jahres 1847 wieder einzuſtellen. V. Auch in Glatz hatten die Beobachtungen mit dem Jahre 1844 durch ein ſchweres Krankenlager des daſigen höchſt verdienten und äußerſt ſorgfältigen Beobachters, Herrn Profeſſor Schimmel am dor— tigen Gymnaſium, und durch ſeinen im Jahre 1845 erfolgten Tod, für einige Zeit ihr Ende erreicht, ſind aber durch ſeinen Nachfolger, Herrn Profeſſor Dr. Finger, vor Kurzem wieder aufgenommen worden, und werden wohl, wie zu hoffen ſteht, in Zukunft wieder regelmäßig fortgeſetzt werden, und zwar ganz in der bisherigen Oertlichkeit, welche nach dreijährigen Beobachtungen 1842 bis 1844 im Mittel 508.10 P. F. über Breslau, und 961.72 P. F. über der Oſtſee gelegen iſt. VI. Zu Habelſchwerdt, unfern ſüdlich von Glatz, aus vierjährigen Beobachtungen von den Jahren 1842 bis 1845 im Mittel 675.94 P. F. über Breslau (1129.56 P. F. über der Oſtſee) beobach- tet Herr Chor-Rector Marſchner mit großer Sorgfalt, allein durch Reiſen in ſeinem Berufe häufig unterbrochen, um 7 Uhr, um 3 Uhr und um 9 Uhr. VII. Zu Neiſſe aus vierjährigen Beobachtungen von 1842 bis 1845 im Mittel 126.97 P. F. über Breslau (580.59 Pariſer Fuß über der Oſtſee), beobachtet mit ausgezeichneter Regelmäßigkeit und ſeit langen Jahren geübter Genauigkeit Herr Director Petzeld um 6 Uhr, um 2 Uhr und um 10 Uhr. 199 VIII. In Leobſchütz, welches nach denſelben vierjährigen Beobachtungsreihen im Mittel 620.25. P. F. über Breslau (1073.87 P. F. über der Oſtſee) liegt, beobachtet Herr Prof. Schramm ſehr eifrig und ſorgſam: um 6 Uhr, um 2 Uhr und um 9 Uhr. Das dortige Barometer hätte indeß längſt ſchon in mehrerlei Beziehung eine Reſtauration ver— dient, wie Umſtände ſie leider bis jetzt noch immer verhindert haben. Bis es endlich dazu gekommen ſein wird, kann die obige Höhenangabe von Leobſchütz nur als Annäherung betrachtet werden; auch verlangen bis dahin alle mit Leobſchütz korreſpondirenden Beobachtungen durchaus dabei eine Verglei— chung der Barometer. IX. Ratibor, welches erſt durch zweijährige, mehrfach unterbrochene Beobachtungen in den Jahren 1844 und 1845 im Mittel 167.03 Pariſer Fuß über Breslau (620.65 Pariſer Fuß über der Oſtſee) angegeben wird, ſieht jetzt durch die Beobachtungen des Herrn Oberlehrer Fülle: um 6 Uhr, um 2 Uhr und um 10 Uhr, an Inſtrumenten des ſtatiſtiſchen Bureau's in Berlin einer genaueren Be— ſtimmung in dieſer Hinſicht entgegen. 5 X. In Oppeln aus den vierjährigen Beobachtungen von 1842 bis 1845 im Mittel nur 3.47 P. F. über dem Barometer- Niveau auf der Univerſitäts-Sternwarte zu Breslau (mithin 454.09 P. F. über der Oſtſee) wird vom Herrn Apotheker Koch: um 6 Uhr, um 12 Uhr und um 9 Uhr, ſehr regelmäßig beobachtet. XI. Auf der erſt ſeit 1844 erſtandenen Station Löwen, nordweſtlich von Oppeln, ſeitdem im Durch— ſchnitt 38.45 Pariſer Fuß über Breslau (492.07 Pariſer Fuß über der Oſtſee) ermittelt, wird von Herrn Apotheker Büttner daſelbſt um 6 Uhr, um 2 Uhr und um 10 Uhr mit großer Umſicht und Ausdauer beobachtet. XII. In Kreuzburg aus korreſpondirenden Beobachtungen mit der Univerſitäts-Sternwarte zu Breslau, welche den Zeitraum von 22 Jahren, ſeit 1824 bis 1845, umfaſſen, im Mittel 145.68 P. F. über der Station Breslau (d. i. 599.30 P. F. über der Oſtſee) ſich ergebend, beobachtet Herr Rathsherr Lehmann ebenfalls an den Stunden 6, 2 und 10 Uhr, nicht allein Barometer und Thermometer mit wiſſenſchaftlicher Pünktlichkeit und Sorgfalt, ſondern auch alle übrigen klimatologiſchen und at— moſphärologiſchen Erſcheinungen, wie ſeine Gewittertabellen ein ehrendes Zeugniß ablegen. XIII. Herr Schullehrer Raabe, welcher von Habelſchwerdt ein großes Intereſſe für meteorologiſche und hypſometriſche Beobachtungen mitgebracht hatte, gründete im April 1845 auch zu Prausnitz eine Station dafür. Zu Ende dieſes Jahres (1847) hatte derſelbe jedoch nach Petranowitz bei Wohlau überſiedeln müſſen, woſelbſt er ſeine immer ſorgfältig angeſtellten Beobachtungen fortzuſetzen gedenkt. Die genannten Herren Mitbeobachter, denen unſer Verein bereits ein ſchönes und volles Vertrauen ver— dienendes Syſtem von Reſultaten zu weiterer Grundlegung von noch umfaſſenderen meteorologiſchen, klimato— logiſchen und hypſometriſchen Beobachtungen verdankt, werden in ihre Nähe kommenden Meteorologen oder Hy— pſometern immer bereit ſein, ihre Stations-Beobachtungen mitzutheilen, ja auch, wenn ihre Berufsgeſchäfte es geſtatten, korreſpondirende Beobachtungen nach Verabredung zu anderen Stunden anzuſtellen. Es wird jedoch jetzt immer dringender erforderlich, daß die Inſtrumente der genannten Stationen durch Reiſe-Inſtrumente unter ſich und mit den Central-Inſtrumenten der Univerſitäts-Sternwarte einmal wieder verglichen werden, wozu der Secretair der Section allerdings auch ſchon immer den Vorſatz gehabt hat, ohne jedoch, durch ſeine Berufsgeſchäfte gehindert, ihn bis jetzt in Ausführung haben bringen zu können. Jetzt endlich hat der jüngere Sohn deſſelben, welcher den naturwiſſenſchaftlichen Studien, und namentlich auch dieſem Zweige derſelben, ſich widmet, im Herbſte 1847 einen kleinen Anfang gemacht, die Vergleichung der Barometer zweier Stationen mit dem der Sternwarte zu ermitteln, und bei dieſer Gelegenheit auch die Höhenmeſſung einiger intereffanten Höhenpunkte des Eulengebirges, mit Unterſtützung des Herrn Grafen v. Pfeil auf Hausdorf bei Neurode, in nachſtehender Weiſe ausgeführt. 3. Bericht über einige in der Umgegend von Neurode und von Hausdorf bei Neurode gemachten Höhen- meſſungen, und über einige Barometergleichungen auf den meteorologiſchen Stationen Neurode und Glatz im Monat Oktober 1847, von Georg v. Boguslamskt. A. Höhenmeſſungen. Eine Herbſt⸗Ferienreiſe in die Grafſchaft Glatz benutzend, ſtellte ich, mit Beihülfe des Herrn Grafen L. v. Pfeil auf Hausdorf bei Neurode, einige barometriſche Höhenmeſſungen der benachbarten Berge an, welche zum Theil zu dem Eulenkamme gehören, zum Theil die Verbindungsglieder zwiſchen dieſem und dem Glätzer Gebirge bilden. Zu dieſem Behufe war mir das der ſchleſiſchen Geſellſchaft für vaterländiſche Kultur gehörige Reiſe-Barometer von C. E. Pinzger anvertraut worden, welches vor der Abreiſe 18 Mal, und nach der Rückkunft noch andere 10 Mal mit dem auf der hieſigen Sternwarte befindlichen Piſtor'ſchen Baro⸗ meter Nr. 62 verglichen ward. Die Differenzen in Pariſer Linien zwiſchen beiden Barometern ſtellten ſich folgendermaßen heraus: 1) Vor der Abreiſe: Barometerſtand des Reiſe-Barometers — dem von Piſtor Nr. 62 — 0,42 bis 0.68; im Mittel + 0,55. 2) Nach der Rückkunft: Barometerſtand des Reiſe-Barometers = dem von Piſtor Nr. 62 + 0,36 bis 0.42; im Mittel + 0.30, daher im Mittel + 0.47. In Hausdorf ſelbſt wurde alle Tage das Reiſe-Barometer mit dem Barometer des Herrn Grafen v. Pfeil verglichen. An den Tagen, wo Höhenmeſſungen vorgenommen wurden, ergaben ſich Differenzen in Pariſer Linien zwiſchen beiden Barometern: 1847 Oktober A: Stand des Reiſe-Barometers — dem des Hausdorfer Barometers + 0.08 um 6h Mrgns. — 0,02 um 2 Nmttgs. 5 —+ 0,11 um 10h Abnds. „ Oktober 13: desgl. = desgl. —+ 0.06 um 7n Mrgns. —+ 0.11 um In Mittgs. —- 0.18 um 10n Abnds. „ Oktober 18: desgl. = desgl. + 0.46 um 7h Mrgns. —+ 0.37 um 150 Mittags. — 0.41 um 1050 Abnds. Die größeren Differenzen an dem letzteren Tage rührten von einer am 17. Oktober vorgenommenen Aenderung des Hausdorfer Barometers her. Die nachfolgenden Höhenangaben ſind theils auf das Hausdorfer Schloß, theils auf Neurode bezogen, welche beide Orte Herr Profeſſor Prudlo reſp. auf 1446 und 1237 Pariſer Fuß über dem Oſtſeeſpiegel beftimmt hat. — Die jedesmalige Barometer-Reduction auf C die Temperatur des Gefrierpunktes wurde nach der Formel e 4440 (J. Jahresbericht der ſchleſiſchen Geſellſchaft von 1843) berechnet, worin B den uncorrigirten Barometerſtand, die Temperatur des Queckſilbers nach Réaumur bezeichnet. C=-—B 201 Die Höhenberechnungen wurden nach der Formel (20. IV. ebendaſ.) Be - be h — H BJ Lb (400 L + 1) x 122.7 ausgeführt, worin BP —=B + C den auf 0% R. reducirten Barometerſtand und L die Temperatur der freien Luft ebenfalls nach Réaumur auf der unteren Station bezeichnet, deren Seehöhe in Pariſer Fuß — II iſt, während die analogen Größen auf der oberen Station durch b, q, o, be, 1 und h ausgeſprochen werden. Leider verhinderte das anhaltende Regenwetter in den erſten 8 Tagen meiner Anweſenheit in Hausdorf bei Neurode irgend eine größere Unternehmung, ſo daß nur ein Paar Höhenmeſſungen des Förſterhauſes am Schörſel, unterhalb der ſogenannten Ziegenſteine, vorgenommen werden konnten. Das Reſultat ſtützt ſich auf dreimalige Beobachtungen: am 4., 8. und 13. October. Das Mittel dieſer nahezu übereinſtimmenden Re— ſultate ward auf 678 Pariſer Fuß über dem Oſtſeeſpiegel angenommen. Herr Graf v. Pfeil machte unten in dem Schloſſe korreſpondirende Barometer Beobachtungen mit feinem von C. E. Pinzger in Breslau ver: fertigten Barometer, welches mit einem beweglichen Queckſilberrohre verſehen iſt, fo daß dieſes bei der Eins ſtellung herauf und herunter gewunden werden muß. Dieſelbe geſchieht vermittelſt zweier Spiegel und zweier Scharniere mit durch die Mitte quer durchgezogenen Fäden, ſo daß, bei der richtigen Einſtellung, der in dem Spiegel ſich abſpiegelnde Faden und das Queckſilber-Niveau ſich decken müſſen. Mit dem von Breslau mit: genommenen Reiſe-Barometer wurden die Beobachtungen in dem Förſterhauſe angeſtellt. Am 13. October wurde eine Barometer-Expedition auf die Sonnenkoppe und die benachbarten Berge zwiſchen Langenbielau und Hausdorf unternommen. Die danach berechneten Höhenbeſtimmungen, wobei in den näheren Angaben immer nur die auf 0“ R. reducirten Barometerſtände (b“ und B) angegeben werden, find nun: IJ. Bei Hausdorf. — Am 4., 8. und 13. October. 1) Das Förſterhaus am Schörſel. Die Beobachtungen wurden zu derſelben Zeit oben in dem Förſterhauſe (von mir) und unten in dem Hausdorfer Schloſſe (von dem Herrn Grafen v. Pfeil) gemacht; dieſe Höhenmeſſung wurde, wie ſchon er— wähnt, dreimal: am 4., 8. und 13. October, angeſtellt. Folgendes ſind die näheren Angaben: Die Mittel des auf 0% R. reducirten Barometerſtandes des Reiſe-Barometers in Pariſer Linien und die der beobachteten Lufttemperaturen bei dem Förſterhauſe am Schörſel betrugen: October 4. v. 10 U. 45 M. bis 12 U. 0 M. (aus Smaligen Ableſungen): be = 312.96; 1= + 208 R. „ 8. v. 3 U. 30 M. bis 5U. 0 M. (aus 7maligen Ableſungen): bo = 309.99; 1 + 71 R. „ 13. v. 9 u. 30 M. bis 11 u. 30 M. (aus Imaligen Ableſungen): bo = 309.94; 1 = + 59 R. während die Mittel der zu gleicher Zeit auf dem Hausdorfer Schloſſe gemachten Barometer- und Thermo— meter Beobachtungen waren: October 4 v. 10 U. 45 M. bis 12 U. 0 M. (aus 5maligen Ableſungen): Bo = 321.57; L 502 R. „ 8 v. 3 u. 30 M. bis 5 U. 20 M. (aus 5maligen Ableſungen): Bo = 318.26 L=+ 806 R. „ 13 v. 9 U. 30 M. bis 11 u. 45 M. (aus 10malig. Ableſungen): B = 318.34; L = 706 R. Die aus dieſen Angaben nach der oben angegebenen Formel berechneten Höhenunterſchiede ſtellten ſich ſo heraus: October 4: h — H = 680.0 P. F. „ 8: h — H= 675.0 P. F. alſo im Mittel: h — H = 678.0 P. Fuß. „ 13: h — H= 678.0 P. F.) Am 13. October geſchah ſodann die weitere Höhenmeſſung auf der Bergkette zwiſchen Langenbielau und Hausdorf in der Weiſe, daß, während Herr Graf v. Pfeil auf dem vorher ſchon beſtimmten Förſterhauſe am Schörſel Beobachtungen anſtellte, ich die korreſpondirenden auf den folgenden vier Punkten ausführte: 26 5 2) Auf dem höchſten Punkte des Paſſes zwiſchen Steinkunzendorf und Hausdorf, auf dem ſoge⸗ nannten Kreuzberge: beo = 305.80, 1 ++ 4.2; B39 = 309.46, L=- 9.6. Hieraus folgt: h — H = 301.8 Pariſer Fuß; mithin iſt der Kreuzberg 979.8 P. Fuß höher, als das Hausdorfer Schloß. 3) Auf der Sonnenkoppe zwiſchen Hausdorf und Langenbielau: bo = 300.06, 1= + 206; B — 309.55, L + 4.9, Hieraus folgt: h— H = 769.3 P. Fuß; mithin iſt die Sonnenkoppe 1447.3 P. Fuß höher, als das Hausdorfer Schloß. 4) Auf den ſogenannten Sonnenſteinen: bo = 30022, 1= 200; Be = 30954, L—= —+ 306. Hieraus folgt: h — H = 760,5 P. Fuß; mithin find die Sonnenſteine 1438.5 P. Fuß höher, als das Hausdorfer Schloß. 5) Auf dem Kuhberge. bo = 299.82, 1 +2 Hieraus folgt: h — H = 795.0 P. Fuß; mithin iſt der Kuhberg 1473.0 P. Fuß höher, als das Hausdorfer Schloß. Am 18. October wurden die Höhenbeſtimmungen nur allein mit dem Reiſe-Barometer ausgeführt. Die hierzu nöthigen correſpondirenden Beobachtungen wurden durch Interpolation zwiſchen den vor und nach der Meſſung erhaltenen Ableſungen in dem Hausdorfer Schloſſe gefunden: 6) Das Förſterhaus am Lehrberg: Mittel aus 6 Ableſungen in demſelben: 1 = 317.28, J + 894, Mittel aus 7 Ableſungen im Hausdorfer Schloſſe: BP = 320.08, L=—- 14.1. Hieraus folgt: h — H = 223.9 Pariſer Fuß. 7) Der ſogenannte Diamantfelſen bei demſelben: bo = 315,45, 1= 7%, B = 317.44, L = + 908. Hieraus folgt: h — H = 161.0 P. Fuß; mithin iſt der ſogenannte Diamantfelſen 384.9 Pariſer Fuß höher, als das Hausdorfer Schloß. 8) Die Waſſerheilanſtalt zu Kunzendorf zwiſchen Neurode und Hausdorf: bo = 316.34, L= + 608, 30 = 318.26, L = + 61. Hierbei find bo und ! die Ableſungen auf dem Hausdorfer Schloß, B“ und L die in der Waſſerheil⸗ Anſtalt. f Hieraus folgt: h — H = 154 P. Fuß; mithin iſt das Hausdorfer Schloß 154 P. Fuß höher, als die Waſſerheilanſtalt. f II. Vei Neurode. Die Höhe von Neurode wird hierbei nach Prudlo's Meſſung 1237 Pariſer Fuß über dem Oſtſeeſpie⸗ gel angenommen. Bei dieſen Höhenmeſſungen ward im Allgemeinen eben ſo verfahren, wie bei allen frühe⸗ ren, und im Beſonderen eben ſo, wie bei der Meſſung des Förſterhauſes am Lehrberge. 1) Der Annaberg bei Neurode. — Die Meſſung geſchah am 10. October: bo = 315.40, 1— + 302; Mittel aus 4 Ableſungen in der Apotheke zu Neurode: B“ — 324.02, L=- 11%. Hieraus folgt: h— H= 6779, Fuß. Doch kann die Sicherheit dieſer Meſſung nicht ganz genau verbürgt werden, da auf dem Annaberge ein ſehr dichter Nebel lag. < 2) Der Galgenberg bei Neurode. — Die Meſſung gefhah am 17. October. bo = 320.47, 1 + 70.0; Mittel aus 5 Ableſungen in der Apotheke zu Neurode: BO 326.81, L= + 906. Hieraus folgt: h— H= 4178 Pariſer Fuß. B. Barometervergleichungen. Außer den oben angegebenen Höhenmeſſungen wurden noch Vergleichungen der, der ſchleſiſchen Geſell— ſchaft für vaterländiſche Kultur gehörigen, Barometer der beiden Stationen zu Neurode und Glatz mit dem Reiſe⸗Barometer vorgenommen. Das Neuroder Barometer ſtand bei der Vergleichung am 10. October bei dreimaliger Ableſung um reſp. 0.83, 1.08 und 1.21 P. Linien niedriger, alfo im Mittel 1.04 P. Linien, als das Reiſe- Barometer, was ſich aus folgender Zuſammenſtellung ergiebt: Neuroder Barometer. Temperatur Barometer Reduction auf Barometer auf Datum. h w 5 i 5 der Luft. des Queckſilbers. P. Lin. 0% R. 0% reducirt. 4 0 + 7% + 1305 323.72 — 0,95 322.77 P. Lin. e 50 + 7⁰ + 1302 323.80 — 0.96 322.84 „ 1847. 6 30 + 6°0 + 136 323.92 — 0.99 322.93 „ im Mittel 322.85 Reiſe⸗ Barometer. 10. October 4 0 + 700 + 14 324.62 109 323.60 4 30 + 700 + 148 325.00 ee, er 6 30 + 6°0 + 1402 325.18 SS e im Mittel 323.89 „ daher Reiſe-Barometer — Neuroder Barometer + 1.04 „ Die Vergleichung des Reiſe-Barometers mit dem Barometer der Station zu Glatz, welche am 22ſten und 23. October vorgenommen ward, zeigte, daß das Glatzer Barometer niedriger ſtand, als das Reiſe-Ba— rometer, und zwar: October 22, 10 Uhr 30 Min. Morgens um 1.19 Pariſer Linien, 5 11 Uhr 0 Min. Morgens um 1.19 eh 11 Uhr 30 Min. Morgens um 1.14 ac a 9 Uhr 0 Min. Abends um 1.00 9755 „ 23, 7 Uhr 0 Min. Morgens um 0.95 nd 95 7 Uhr 30 Min. Morgens um 0.99 55 1 55 95 8 Uhr 0 Min. Morgens um 1.00 REN, 9 2 Uhr 30 Min. Mittags um 0.71 050 55 3 Uhr 0 Min. Mittags um 0.74 5 5 3 Uhr 30 Min. Mittags um 0.71 EIS ER alfo im Mittel Neife- Barometer — Glatzer Barometer + 0.99 Pariſer Linien. Die gewonnenen Reſultate find hiernach: 1. Höhenbeſtimmungen, unter der Vorausſetzung, daß nach Prudlo: a. das Schloß des Herrn Grafen v. Pfeil zu Hausdorf 1446 Pariſer Fuß, b. die Barometerftation des Herrn Apotheker Lauterbach in Neurode 1237 Par. Fuß uber dem Spiegel der Oſtſee bei Swinemünde erhaben ſind. 26 * a. Bei Hausdorf: 1) Das Förſterhaus am Schörſel unterhalb) über dem Hausdorfer Schloß: 678 Pariſer Fuß, der Ziegenſteine über dem Spiegel der Oſtſee: 2124 Pariſer Fuß. 2) Der höchſte Punkt des Paſſes zwiſchen ö über dem Förſterhauſe am Schörſel: 301.8 P. F. Stein⸗Kunzendorf und Hausdorf oder der über dem Hausdorfer Schloß: 979.8 P. F. ſogenannte Kreuzberg \ über dem Spiegel der Oftfee: 2425.8 P. F. Nach v. Lindener 2425, nach Prudlo 2520. 3) Der Sonnenberg oder die Sonnenkoppe | über ber, Se am Seht ee e, i über dem Hausdorfer Schloſſe: 1447.3 P. F. i über dem Spiegel der Oſtſee: 2893.3 P. F. Nach v. Lindener 2840, nach Prudlo 2969. 5 2 8 über dem Förſterhauſe am Schörſel: 760.5 P. F. 0 1 e ee e bern über dem Hausdorfer Schloſſe: 1438.5 P. F. über dem Spiegel der Oſtſee: 2884.5 P. F. ö über dem Förſterhauſe am Schörſel: 795.0 P. F. 5) Der Kuhberg, ebenfalls nicht weit davon über dem Hausdorfer Schloſſe: 1473.0 P. F. q über dem Spiegel der Oſtſee: 2919.0 P. F. Nach v. Lindener 2899, nach Prudlo 3004. 8 5 über dem Hausdorfer Schloſſe: 223.9 P. F. ee eee om e | über dem a 92 Oſtſee: 1669.9 P. F. über dem Förſterhauſe am Lehrberge: 161.0 P. F. 7) Der Diamantfelſen bei demſelben über dem Hausdorfer Schloſſe: 384.9 P. F. J über dem Spiegel der Oſtſee: 1830.9 P. F. Nach Prudlo 1824. 8) Die Waſſer-Heilanſtalt zu Kunzendorf unter dem Hausdorfer Schloſſe: 154.0 P. F. zwiſchen Hausdorf und Neurode | über dem Spiegel der Oſtſee: 1292.0 P. F. b. Bei Neurode: g 1) Der Annaberg (angeblich der höchſte über der Apotheke zu Neurode: 677.0 P. F. Punkt) über dem Spiegel der Oſtſee: 1914.0 P. F. nach Län ge: 1957.0 P. F. 2) Der Galgenberg zwiſchen Kunzendorf und ) über der Apotheke zu Neurode: 418.0 P. F. Neurode über dem Spiegel der Dftfee: 1655.0 P. F. II. unterſchiede im Stande zweier der ſchleſiſchen Geſellſchaft gehörigen Barometer in der Grafſchaft Glatz von dem Haupt: Barometer (Piſtor Nr. 62) der Univerſitäts-Sternwarte zu Breslau. Nach der oben angegebenen mittleren Differenz zwiſchen dem Reiſe-Barometer und dem Haupt-Baro⸗ meter vor der Abreiſe und nach der Rückkunft von + 0.47 P. Linien und nach den gleichfalls augegebenen Differenzen zwiſchen dem Barometerſtande des Reiſe-Barometers und der Stations-Barometer zu Neurode und Glatz, iſt: 1) Gleichung des Barometers zu Neurode: 2) Gleichung des Barometers zu Glatz: Piſtor Nr. 62 Piſtor Nr. 62 Neuroder Bar. + 0.57 P. Lin. Glatzer Barom. 0.52 P. Lin. G. v. Boguslawski. 205 4. Ueber die Herſchel'ſchen Termins-Beobachtungen im J. 1845, vom Secretair der Section. Der hypſometriſchen Bearbeitung aller täglichen Beobachtungen der Stationen unſeres Vereines im Jahre 1845 (am Schluſſe des Jahresberichts von 1847) iſt auch hinwiederum eine Zuſammenſtellung der Herſchel'ſchen 36ſtündigen Termins- Beobachtungen viermal im Jahre 1845 von dem bekannten größeren Vereine meteorologiſcher Stationen beigegeben worden. Da Sir John Herſchel, der ſolche vor Jahren einſt angeregt hatte, ſie längſt nicht mehr bei ſich concen— trirt, und darum überhaupt der Kreis ihrer anderweitigen Theilnehmer immer kleiner geworden iſt, wodurch ihre Allgemeinheit und Ueberſichtlichkeit immer mehr verloren geht; ſo ſind dieſe Termine nach Beſchluß unſe— res Vereins mit Ablauf des Jahres 1845 völlig geſchloſſen worden. An ihre Stelle ſind, vom Jahre 1846 an, zwölf Termine im Jahre getreten, welche mit denen der magnetiſchen Cooperation ganz genau zuſammenfallen, damit die gleichzeitigen meteorologiſchen Beobachtun— gen der Stationen jener Cooperation, welche in großer Zahl über das ganze Erdrund ſich erſtrecken, die unſe⸗ res Vereins zu Gliedern derſelben Kette erheben, und uns in der Folge von Monat zu Monat die Ueberficht gewähren mögen, welche Witterungsverhältniſſe zu einer und derſelben Zeit rund um die ganze Erde gewaltet haben. Darum beginnen wir ſeit Januar 1846 unſere Termine ſtreng gleichzeitig mit denen der großen magne— tiſchen Cooperation jedes Mal abſolut um 10 Uhr Abends mittlerer Göttinger Zeit, und ſetzen ſie 24 Stun⸗ den (nicht mehr 36 Stunden) lang immer zur vollen Göttinger Stunde bis um 10 Uhr Abends mittlerer Göttinger Zeit des folgenden Tages fort. Acht Mal im Jahre: im Januar, März, April, Juni, Juli, September, October und December, wird der Termin jedes Mal an dem Mittwoch begonnen, welcher dem 21ſten des Monats zunächſt fällt; und vier Mal, d. i. in den Monaten Februar, Mai, Auguſt und November, als Fortſetzung der Gauß'⸗ ſchen Termine, an dem Freitag Abend, welcher dem letzten Sonnabend im Monate vorangeht. Hiernach beginnen die Cooperations-Termine im Jahre 1848: Januar 19. I April 19. Juli 19. Oktober 18. 2 Februar 25. Mai 26. Y Auguſt 25. DO November 24. 3 März 22. J Juni 21. 5 Septbr. 20. December 20. bei allen um 10 Uhr Abends mittlerer Göttinger Zeit. So wünſchenswerth es auch iſt, daß möglichſt viele, wo nicht alle dieſe Termine innegehalten wer— den, fo wird ſich dies doch häufig mit den Berufsgeſchäften der Beobachter nicht vereinigen laſſen. In fol chen Fällen möchte es gerathen ſein, die Termine im März, Juni, September und December als eine Art Fortſetzung der Herſchel'ſchen zu betrachten, und dieſe um ſo weniger aufzugeben, weil die Verkürzung des Termins um 12 Stunden ſchon eine beträchtliche Erleichterung derſelben iſt. Nachdem im gegenwärtigen Jahresberichte mit den meteorologiſchen Beobachtungen des Jahres 1845 auch die Zuſammenſtellung der letzten, eigentlichen Herſchel'ſchen, Termins-Beobachtungen gegeben wird, tritt die Nothwendigkeit ein, nunmehr auch daran zu denken, die Beobachtungen dieſer Termine vor dem Jahre 1842, und zwar ſchon von 1836 an, nicht allein zur Zuſammenſtellung unter ſich zu brin- gen, ſondern auch, ſo viel als möglich, mit anderweitigen zu vergleichen, und dadurch dieſen Schatz nach Mög— lichkeit für die Wiſſenſchaft auszubeuten. Der Nutzen, ja die Wichtigkeit der Ausführung, und ſelbſt die Pflicht, Reſultate ſolcher Art für die Wiſſenſchaft und die Welt nicht verloren gehen zu laſſen, wird unzwei⸗ felhaft unſerer Geſellſchaft, und vornehmlich dem für höhere Zwecke immer beſeelten Präſidium derſelben, in vollem Maaße einleuchten, ſo daß wir hoffen dürfen, auch in der Hebung dieſes Schatzes noch nach Kräften unterſtützt zu werden, nachdem eigentlich ſchon in früherer Zeit Herr Gymnaſiallehrer Dittrich die Haupt⸗ arbeit daran vollendet hat. 206 Andeutungen mancherlei Art, was wir dabei zu finden hoffen dürfen, ſpringen ſchon jetzt vielfach in die Augen. So unter Anderm die Andeutungen des Geſetzes, nach welchem die Witterungsverhältniſſe über große Länderflächen fortzuſchreiten pflegen; wie ferner die Unthunlichkeit, Höhenunterſchiede barometriſch in bisheriger Weiſe zwiſchen Orten ermitteln zu wollen, welche mehr oder weniger entfernt von einander liegen. Denn wie in den Jahren 1842, 1843 und 1844, zeigen auch im Jahre 1845 ſich wieder Differenzen in Höhenunter—⸗ ſchieden von einander entfernter Stationen bei Gelegenheit Herſchel'ſcher Termins- Beobachtungen, welche allen Begriff überſteigen. Nach dem März-Termin 1845 würde z. B. unter Anderm Jena 24.24 Pariſer Fuß tiefer, nach dem December-Termine 224.53 Pariſer Fuß höher liegen, als Breslau, Aachen im März auch 47.90 Pariſer Fuß tiefer, und im December gar 315.25 Pariſer Fuß höher, als der Barometer der Breslauer Sternwarte. In den Erläuterungen zu den Reſultaten des Jahres 1842 hatte ich mir ſchon erlaubt, zu bemerken, daß „Druck und Temperatur der Luft nicht die einzigen Kräfte ſein dürften, welche das Gleichgewicht in der Atmoſphäre aufrecht erhalten.“ Zuerſt wurde ganz natürlich der Blick auf die Mitwirkung der Spannung der in der Luft enthaltenen Waſſerdämpfe gerichtet; indeß haben ſeitdem die Herſchel'ſchen Termins-Beobach⸗ tungen unſeres Vereines mit ſolcher Entſchiedenheit herausgeſtellt, daß jene Mitwirkung jederzeit nur von äußerſt geringer Erheblichkeit iſt, ſo daß es ſogar unthunlich erſchien, ſie noch weiter dabei in Betrachtung zu ziehen, weshalb ſie von 1845 an in hypſometriſcher Beziehung auch nicht mehr berückſichtigt worden ſind. Dagegen iſt Hr. Gymnaſiallehrer Dr. Sadebeck in dieſer Beziehung einen Schritt weiter vorgedrungen, wie derſelbe in nachſtehender Weiſe referirt. 5. Ueber die Veränderlichkeit des hypſometriſchen Coefficienten, von Dr. Sadebeck. Nachdem ich die Höhe des Rummelsberges bei Strehlen zweimal, nämlich im Oktober 1846 und im Mai 1847, durch barometriſches Nivellement beſtimmt und gut übereinſtimmende Reſultate gewonnen hatte, unternahm ich zur Verſicherung im Auguſt 1847 eine dritte barometriſche Meſſung, fand aber zu meinem Erſtaunen, daß das neue Reſultat von den früher gewonnenen um beiläufig 80 Fuß abwich; und doch war ich überzeugt, daß mit größter Sorgfalt beobachtet worden war. Die Entfernung des Berges von Strehlen beträgt ohngefähr 1½ Meile, und ich hatte dieſe Strecke bei der zuletzt erwähnten Meſſung in vier Abſchnitte eingetheilt, an welchen hinter einander in folgender Weiſe beobachtet wurde. Mein Bruder, welcher mit den Inſtrumenten von Strehlen aus vorausgegangen war, beobachtete zur verabredeten Zeit (7 Uhr 30 Minuten Vormittags) am Ende des erſten Abſchnittes, ich dage⸗ gen zu derſelben Zeit am Anfange deſſelben. Darauf gingen wir vorwärts und beobachteten um 9 Uhr 30 Minuten, er am Ende, ich am Anfange des zweiten Abſchnittes u. ſ. f. Ich hing jedesmal mein Baro⸗ meter genau an den Ort, welchen mein Bruder als den Stand des ſeinigen durch Zeichen bekundet hatte; auch waren ſonſt alle bekannten Vorſichtsmaaßregeln berückſichtigt worden. Nur der Dunſtgehalt der Luft war nicht beobachtet worden; allein bei einem ſo geringen Höhenunterſchiede von beiläufig 700 Pariſer Fuß iſt der aus dieſer Vernachläßigung erwachſende Fehler ſo gering, daß er kaum einer Bachtung verdienen dürfte. Ich theile die Beobachtungen vom 11. Auguſt 1847, wie folgt, mit: 207 Abſchnitt 1. Beobachtungszeit: 7 Uhr 30 Minuten Vormittags. Temperat. d. Queckſilbers. Temperatur der Luft. Beobachtungsort. | Barometerſtand. Strehlen | 3344.69 | — 150.5 R. | + 14°.0 R. Windmühle bei Mehltheuer 332.64 | — 14.0 | + 12.8 Abſchnitt 2. Beobachtungszeit: 9 Uhr 30 Minuten Vormittags. Beobachtungsort. | Barometerſtand. Temperat. d. Queckſilbers. Temperatur der Luft. — . ————— — —Au— ————— — —— — RE Windmühle bei Mehltheuer 332.75 | + 16.5 + 15.2 Kreuzeiche | 332.38 | —+ 15.0 —+ 13.8 Abſchnitt 3. Beobachtungszeit: 11 Uhr 30 Minuten Vormittags. Beobachtungsort. | Barometerſtand. | Temperat. d. Queckſilbers. Temperatur der Luft, Kreuzeiche | 332.30 | —+ 15.9 | —+ 16.2 Pogart (Wirthshaus) | 329.86 | —+ 16.0 | — 14.9 Abſchnitt 4. Beobachtungszeit: 1 Uhr 0 Minuten Nachmittags. Beobachtungsort. | Barometerſtand. Temperat. d. Queckſilbers. | Temperatur der Luft. Pogart | 329.55 | —+ 16.9 | — 16.0 Rummelsberg | 326.38 | —+ 16.5 | + 17.0 Wendet man auf dieſe Beobachtungen die Babinet'ſche Formel an, fo findet man folgende Höhen⸗ Unterſchiede: 208 Steigung von Strehlen bis zur Windmühle bei Mehltheuer = 152.77 Parifer Fuß, Fr „ der Windmühle bis zur Kreuzeihe ......... 2067 „ Mu 57 „ der Kreuzeiche bis Pogart -..r2en nen. + 194.85 „ 5 55 „ Pogart bis zur Höhe des Rummelsberges .... + 254.51 „ 95 Zuſammen —+ 622.78 Pariſer Fuß. Dazu die Höhe des Queckſilber-Niveaus über dem Fußboden in Strehlen 8 —+ 3.33 Pariſer Fuß, und davon ab die Höhe des Queckſilber-Niveaus auf dem Berge — 2.60 „ A Höhen-Unterſchied, Strehlen — Rummelsberg .......... —+ 623.51 Pariſer Fuß, Mittel aus den Beobachtungen vom 5. Mai 18477 —+ 700.40 „ 55 Unterſchied ... 76.89 Pariſer Fuß. Dieſe bedeutende Abweichung veranlaßte mich, eine Prüfung der barometriſchen Meſſungen vorzuneh⸗ men. Ich beſtimmte deshalb die Erhebung des erſten Abſchnittes durch Nivellement mit einem Libellen-In⸗ ſtrumente, und fand 173.75 Pariſer Fuß, alſo ohngefähr 21 Fuß mehr, als nach dem barometriſchen Ni- villement. Dies konnte unmöglich durch Beobachtungsfehler veranlaßt worden ſein, und ich vermuthete daher, daß der Fehler in dem barometriſchen Coefficienten liegen könnte. Bekanntlich hat ja ſchon d' Aub uiſſon bemerkt, daß derſelbe, der Theorie noch conſtant, erfahrungsmäßig veränderlich gefunden wird. Hierauf geſtützt, unterſuchte ich, wie der Coefficient der Babinet'ſchen Formel geändert werden müßte, wenn die Reſultate des barometriſchen und des Libellen-Nivellements in Uebereinſtimmung gebracht werden ſollten, und fand, daß man denſelben von 122.72 auf 139.57 erhöhen müßte. Demnach werden alle vorigen Reſultate in demſelben Verhältniſſe zu vergrößern ſein, wodurch man folgende Höhenunterſchiede erhält: Steigung von Strehlen bis zur Windmühle b. Mehltheuer + 173.45 Pariſer Fuß, 55 „ der Windmühle bis zur Kreuzeiche .... = eee 95 0 „ der Kreuzeiche bis Po gart — 221.61 „ 55 90 „ Pogart bis auf den Rummelsberg .... + 289.47 „ 99 Geſammter Höhenunterſchied + 708.32 Pariſer Fuß, Mittel aus den früheren Beobachtungen 700.40 „ "N Unterſchied ... —+ 7.92 Pariſer Fuß. Dieſer Unterſchied iſt aber für barometriſche Meſſungen unbedeutend, indem man bei denſelben immer auf eine Unſicherheit von mindeſtens 10 Fuß rechnen kann. Nun entſteht aber noch die Frage, welche atmoſphäriſchen Verhältniſſe in dem vorliegenden Falle obge— waltet und die bedeutende Veränderung des barometriſchen Coefficienten erfordert haben mögen. Meiner Un: ſicht nach können es bloß Luftſtrömungen geweſen ſein, welche man bekanntlich nicht in Rechnung bringen kann. Nach Benzenberg's und Ramond's Beobachtungen wird der Höhenunterſchied immer zu klein ger funden, wenn der Wind von dem höheren Orte herkommt, und umgekehrt, ſo daß alſo das Barometer an dem Orte zu hoch ſteht, von welchem die Luft herbeiſtrömt. Im vorliegenden Falle iſt zwar das Entgegen⸗ geſetzte beobachtet worden, indem der Wind von Strehlen nach dem Berge hinwehte; gleichwohl wäre es vor— eilig, das Benzenberg'ſche Geſetz dieſes einzelnen Falles wegen umſtoßen zu wollen, indem die Luftſtrömungen in den höheren Regionen, in Bezug auf die in den unteren, eine entgegengeſetzte Richtung gehabt haben können. 209 Da alfo der Einfluß, welchen Luftſtrömungen auf den Barometerſtand haben, nicht einmal mit einiger Sicherheit geſchätzt, geſchweige denn in Rechnung gebracht werden kann, ſo geht daraus hervor, wie überaus unzuverläßig die Reſultate barometriſcher Höhenmeſſungen ſein müſſen, ſo lange man nicht den Einfluß des Windes in die Rechnung einführen kinn. Ich glaube, eine einfache Methode dafür gefunden zu haben, und will dieſelbe in aller Kürze mittheilen. Man beobachte, außer an den beiden Orten A und B, deren Höhenunterſchied gemeſſen werden ſoll, gleichzeitig noch an einem dritten Orte, deſſen Höhenunterſchied von A oder B bereits zuverläßig bekannt iſt. Daraus wird man entnehmen können, ob der barometriſche Coefficient, abgeſehen von der Formel, nach wel— cher man rechnen will, eine Aenderung bedarf und welche. Wenn ich auch nicht behaupten will, daß auf dieſem Wege eine abſolute Genauigkeit erreicht werden kann, ſo glaube ich doch, daß man ſich der Wahrheit möglichſt annähern wird; und das wäre ſchon ein bedeutender Gewinn, wenn man berückſichtiget, daß zu— weilen die Ungewißheit, wie aus den angeführten Meſſungen hervorgeht, ſehr groß iſt. Dr. S. Nach den geſchilderten Thatſachen und den Folgerungen daraus, welche die bisherige Unſicherheit bei den barometriſchen Höhenmeſſungen vollſtändig erklären, ſcheint es nunmehr in hohem Grade intereſſant und wünſchenswerth, daß an möglichſt vielen Orten doppelte Barometerſtationen ſich einrichten, in der Weiſe, daß zwei Barometer an demſelben Orte, aber in möglichft verſchiedener, jedoch bekannter Höhe über einander, nahezu gleichzeitig beobachtet werden: ſei es nun wirklich von zwei verſchiedenen Beobachtern, oder von einem und demſelben, welcher den einen derſelben nahezu in der Mitte der Zwiſchenzeit ablieſt, und den andern vor— her und nachher. Jede ſolche Doppelbeobachtung giebt bei umgekehrter Anwendung der im Jahresberichte von 1843 gege— benen Formeln den hypſometriſchen Coefficienten, wie man will: nach Laplace oder nach Beſſel oder nach Babinet (welche in gegenſeitiger Relation zu einander ſtehen), und würde bei täglicher Fortſetzung zuletzt nach einem Jahre ein getreues Bild geben, welchen täglichen Schwankungen die Atmoſphäre an jenem Orte unterworfen geweſen iſt. Zugleich würde dieſe Operation aber auch für die Umgegend an jedem Tage im Jahre den gültigen hypſometriſchen Coefficienten darbieten, und, wie es ſcheint, den barometriſchen Höhenmeſ— ſungen dort eine Zuverläſſigkeit verleihen, welche ſie leider bis jetzt gänzlich entbehrt hat. Der Secretair der Section muß auf dieſen Gegenſtand nächſtens zurückkommen: einmal, weil er ver— anlaßt iſt, fobald als möglich eine gewünſchte neue Zuſammenſtellung der im Jahre 1843 entwickelten hypſo⸗ metriſchen Formeln und eine Vervollſtändigung derſelben zu geben (da jener Jahresbericht der Geſellſchaft, und der der Sudeten-Section ins Beſondere, gänzlich vergriffen iſt), und dann, weil mit dem Jahre 1849 es räthlich werden wird, unſern Beobachtungsplan nach den vorgeſchrittenen Forderungen der Wiſſenſchaft, zu⸗ gleich nicht ohne weſentliche Vereinfachung, in einiger Art abzuändern. IV. Mathematiſche Geographie und Kosmographie. Auch dieſes Feld hat ſich unſerer Wirkſamkeit geöffnet, und zwar zunächſt in unſerer Provinz ſelbſt durch Gründung einer Sternwarte, welche noch einzig in ihrer Art iſt. Herr Major Baron v. Zobeltitz auf Guſtau bei Groß-Glogau, der die Wichtigkeit einer genaueren Zeitbeſtimmung für den Geſchäftsmann bis in den gewöhnlichen Verkehr hinab in vollem Maaße anerkannt hatte, war auf den Gedanken gekommen, ſich zu dieſem Behufe ein kleines Meridian-Inſtrument etwa zu Mittagsbeobachtungen der Sonne) zu erwerben, und zu demſelben ein kleines Obſervatorium zu errichten. Schon hatte derſelbe im Jahre 1844 Anſtalten getroffen, ein ſolches in Berlin zu beſtellen, als er auf der hieſigen Sternwarte das hölzerne Modell zu Geſicht bekam, welches eigentlich nur zur parallactiſchen Auf 27 210 ſtellung eines Kometenſuchers verfertigt, aber zugleich berechnet war, die Einrichtung eines Stativs zu veran⸗ ſchaulichen, auf welchem ein und daſſelbe Fernrohr, ein Mal zu Meridian- Beobachtungen, dann wieder als Theodolith oder drehbares Paſſage-Inſtrument, und dann ſogleich auch wieder als Aequatorial angewendet werden kann. Er überſah ſogleich, daß ein Stativ der Art nicht allein eine außerordentlich ſolide Aufſtellung gewährt, und daher eine vorzüglich geſicherte und genaue Zeitbeſtimmung verbürgt, ſondern ihm auch anderweitig eine vielſeitige aſtronomiſche Benutzung verſprach. Zu dem Ende ſcheute derſelbe nicht den kleinen Mehraufwand, ein etwas größeres Fernrohr dazu zu wählen, als ein bloßes Meridian-Inſtrument erheiſcht hätte. Das dazu im Jahre 1845 von Merz in München (ohne Stativ) gelieferte Fernrohr, von 2½ Fuß Brennweite und 29 Pariſer Linien Oeffnung, hat ſich bei der nachherigen Anwendung als ein in ſeiner Art ausgezeichnetes Teleſkop erwieſen. Die Verhandlungen der techniſchen Section weiſen nach, wie im Laufe des Jahres 1845 der hieſige Mechanikus Pinzger das Stativ nach dem oben angedeuteten Princip größtentheils aus Gußeiſen angefertigt, und noch im Herbſte auf der dazu in Guſtau errichteten kleinen Sternwarte mit einer Drehkuppel aufge⸗ ſtellt hat. Herr Major v. Zobeltitz befolgt bei ſeinen Beobachtungen ganz ſtreng das Princip, den Raum nur durch die Zeit zu meſſen. Darum find die Kreiſe an den beiden Axen des Stativs (ſiehe die Verhand— lungen der techniſchen Section) auch nur ganz beiläufig, blos Behufs der Einſtellung getheilt. Bei dieſem Prinz cipe werden nicht allein bedeutende Koften erſpart, ſondern es wird auch eine abſolute Unabhängig— keit der Beobachtungen von allen Fehlern der Kreistheilung, der Excentricität und der Biegung, imglei⸗ chen von der Refraction erlangt. — Eine vortreffliche Libelle, von Repſold in Hamburg, ſorgt dagegen bei Durchgangsbeobachtungen für eine beſtändige Controle der Horizontalität der Axe, ſo wie das Umlegen der letzteren für die Sicherheit der Collimationslinie, wobei zugleich immer ſehr leicht auch der allerkleinſte Azimutalfehler entdeckt und ermittelt wird. Unter dieſen Umſtänden konnte dieſe kleine Sternwarte, ſelbſt als die Pendel-Uhr noch nicht, wie jetzt, mit einem Queckſilber-Compenſations-Pendel verſehen war, und wenn gleich immer nur eine Duplex- Uhr (ſtatt eines Chronometers) die Beobachtungen mit der Pendel-Uhr vermittelt, ſich, allen Anzeichen und Proben nach, einer Sicherheit in der Zeit, wie größere Sternwarten rühmen, d. h. bis auf ein Zehntheil einer Se= cunde, beobachten, und faſt jede Beobachtung wenigſtens bis auf 0.4 S. (oder einen Schlag der Duplex⸗Uhr) verbürgen. Auf dieſe Weiſe gerüſtet und eingeübt, konnte er im Jahre 1846 zu einer genauen Beſtimmung der geographiſchen Breite, und im gegenwärtigen Jahre 1847 auch zu der der geographiſchen Länge ſeiner Sternwarte, mit Hülfe ſcharfer aſtronomiſcher Beobachtungen, ſchreiten und dadurch dieſelbe den andern Obſervatorien anreihen. Herr Major v. Zobeltitz hält es jetzt für Pflicht, die Reſultate davon: die Ortsbeſtimmung der nunmehr zweiten Sternwarte in Schleſien, bei der verehrten Geſellſchaft, und namentlich bei der geographiſchen Section derſelben, in nachſtehender Weiſe zu deponiren: 1) Beſtimmung der geographiſchen Breite der Sternwarte zu Guſtau bei Groß⸗Glogau, mittelſt eines Münchener Fernrohrs von 2½ Fuß Brennweite auf einem Univerſalſtativ in der eee als drehbares Paſſage-Inſtrument mit einer Libelle von Repſold. Die Polhöhe p wird nach der Methode des Herrn Profeſſor Dr. v. Boguslawski aus der Stern⸗ zeit T gefunden, welche ein nahe nördlich beim Zenith vorbeigehender, in Declination D wohlbeſtimmter Fix⸗ ſtern gebraucht, um von ſeiner größten öſtlichen Digreſſion vom Meridiane bis zu dieſem zu gelangen, oder 211 von dieſem bis zu der größten weſtlichen Digreſſion, gewöhnlich alſo: aus der halben Zeit, welche von der größten öſtlichen bis zur größten weſtlichen Digreſſion verfloſſen iſt. Man erhält dann ohne Weiteres: tg ꝙ = tg D cos T. An dem gedachten nördlichen Circum-Zenithal-Stern kann jedoch, der Natur der Sache nach, dieſe Zeit nicht ſelbſt beobachtet werden, wohl aber ſehr ſcharf an Hülfsſternen zwiſchen Zenith und Aequator, nachdem der Circum-⸗Zenithal-Stern die Einſtellung in die beiden Vertikale der größten Digreſſion nach einander ſehr präciſe normirt hat. 1. 1846 Auguſt 8. wurde in dieſer Beziehung der erſte Verſuch mit 8 Draconis gemacht, deſſen De- clination = 5225“ 24.2% Als Nebenſterne fungirten: ce, u, , 5, y Pegasi in Oſten, fo wie 7 und s Bootis in Weſten. Da indeß aus Verſehen das Umlegen der horizontalen Axe während der Beobachtung unterlaſſen worden war, ſo ging ein wichtiges Moment bei dieſer Methode, die Eliminirung der Hauptwirkung des Collimationsfehlers, verloren, weshalb bei dieſen Beobachtungsreihen nur von einem mittleren und angenäherten Reſultate T = 53m 58.86s in Sternzeit und daher = 51° 38° 42.1“ die Rede fein kann. 2. 1846 September 19 wurde bei K Cygni, deſſen Declination D an dem Tage — 530 5/ 40.3% dieſe Vorſicht nicht vernachläßigt. Es ergaben die einzelnen Hülfsſterne: € Andromedae T 73m 24.178 Sternzeit = 51° 38° 55.54“ 73 24.03 55 9 = 51 38 6 Andromedae T — 55.89 0 Serpentis 2418 75 ꝙ = 51 38 55.52 z Serpentis 1 = 73 24.14 55 ꝙ = 51 38 55.61 y Serpentis 12 278226 55 ꝙ D = 51 38 53.23 im Mittel T — 73m 24.168 Sternzeit 9 = 51° 38/ 55.16”. 3. 1846 September 29 ergaben, ebenfalls bei demſelben Circumzenithalſtern x Cygni, deſſen Declina⸗ tion an dieſem Tage = 53° 5° 41.05“ war, nachfolgende Hülfsſterne die nebenſtehenden Polhöhenbeſtim— mungen: %“ Coronae T = 73m 22.738 Sternzeit ) = 51° 38° 59.73“ o Herculis T = 73 22.39 55 39 0.56 6 Arietis T = 73 22.47 55 ꝙ = 51 39 0.36 y Serpentis T = 73 22.45 99 = 51 39 0.41 % Arietis 1 = 73 22.34 95 ꝙ = 51 39 0,68 c Trianguli T = 73 22.74 35 ꝙ = 51 38 59.71 im Mittel 1 — 73m 22,525 Sternzeit = 51° 39 0,24, Im Mittel wird daher die Polhöhe der Sternwarte in Guſtau vorläufig wohl zu 51“ 58° 57.7“ angenommen werden dürfen. 2) Eulminations⸗ Beobachtungen des Mondes und der in den Ephemeriden dazu vorgeſchla— genen Mondſterne, zur Ermittelung der geographiſchen Länge der Sternwarte zu Guſtau bei Groß-Glogau, an dem vorgedachten Fernrohre auf demſelben oben erwähnten Univerſalſtativ. In der Erwartung, durch Beobachtung einer Sternbedeckung durch den Mond recht bald einmal eine ſchärfere Längenbeſtimmung gewinnen zu können, wurde inzwiſchen doch auch die Gelegenheit nicht verabſäumt, dieſen Zweck, vorläufig angenähert durch Beobachtung von Mondſternen, zu erreichen. Es wurden zu dieſem Behufe nachſtehende Beobachtungsreihen erzielt: 27 * a. 1847 April 26. gingen nach einander durch den Guſtauer Meridian: 11h 22m 31.888 Guft. Sternzeit s Leonis, mithin 14m 51.5 1s vor dem Mond: Centrum 11 29 9.16 55 55 v Leonis, 55 8 14.23 vor dem Mond-Centrum, 11 36 46.66 % h Mondrand J. 11 37 23.39 55 32 Mond⸗Centr. „ 1 0.84 nach dem Mondrande berechnet, 11 53 4.15 5 11 7 Virginis „ 15 40.76 nach dem Mond⸗-Centrum. b. 1847 October 19. Durchgang durch den Guſtauer Meridian: 21h 23m 33,285 Sternzeit 8 Aquarii, mithin 30m 10,985 vor dem Mittelpunkte des Mondes, 21 38 38.52 155 0 Capricorni „ 15 5.74 0 55 en 5 N 21 52 35.93 55 Monrand J. 21 533 44.26 95 Mond-Centrum „ 1 8.33 nach dem Mondrande J. berechnet. c. 1847 October 20. Durchgänge durch den Meridian zu Guſtau: f 22h 13m 48.305 Sternzeit y Aquarii. mithin 38m 3,395 vor dem Mittelpunkte des Mondes. 22 50 43.05 55 Mondrand I. und daher f 22 51 56.69 00 Mond-Centrum als Im 8.64s nach dem Rande berechnet. 23 9 17.66 55 y Piscium, mithin 17m 25.978 nach dem Mittelpunkte des Mondes. Weil aus dieſen beobachteten Durchgängen nur alsdann Meridian-Unterſchiede gefolgert werden können, wenn ſie mit den Durchgangszeiten, welche auf einem andern Punkte beobachtet worden ſind, zur Vergleichung kommen, ſo ſind ſie zuvörderſt der Univerſitäts-Sternwarte in Breslau zu dieſem Zwecke mitgetheilt worden. Und in der That hat es ſich gefunden, daß die nämlichen Sterne auch dort beobachtet worden waren. Eben ſo wurden vorläufig auch 3. die Beobachtungen der neu entdeckten kleinen Planeten, wie ſie zu Guſtau an demſelben Fernrohre, auf demſelben Stativ in der Stellung als Aequatorial mit dem Differenz: Mikrometer beobachtet worden find, dort deponirt. v. Zobeltitz. 4, Bemerkungen des Secretairs der Section zu den auf der Guſtauer Sternwarte beobachteten Mond— ſternen, und Angabe der daraus hervorgegangenen Meridian-Unterſchiede zwiſchen Guſtau und Breslau. a) Die erſte Reihe, vom 26. April 1847, wurde füglich nicht zur Vergleichung gezogen, weil ſie in Breslau von einem damals noch ungeübten Beobachter angeſtellt worden ſind, und daher nicht die erforderliche Bürgſchaft leiſten. Es werden wohl dazu noch Beobachtungen von anderen Orten zur Vergleichung ſich finden. p) 1847 Oktober 19. wurden die Durchgänge durch den Breslauer Meridian vom Herrn Obſervator Günther in folgender Weiſe beobachtet: 21h 23m 33.128 Sternzeit 8 Aquarii, mithin 29m 59.558 vor dem c des Mondes, 21 38 38.25 55 0 Capricorni, „ 14 54.42 99 27 55 55 55 21 52 24.34 52 Mondrand J. a 21 53 32.62 55 Mond⸗Centr. d. i. 1 8.33 nach Rand J. gerechnet. c) 1847 October 20. wurden nachfolgende Durchgänge vom Herrn Dr. Sadebeck am Paſſage-In⸗ ſtrument beobachtet: 22h 13m 47.868 Sternzeit y Aquarii, mithin 37m 52.3 1s vor dem Mittelpunkte des Mondes, 22 50 31 50 5 Mondrand J. 22 51 40.12 99 Mondmittelp. „ 1 8.64 nach dem Rande gerechnet, 23 9 17.73 55 y Piscium u. demnach 17 37.56 nach der Mond-Culmination. 213 Die Zwiſchenzeit von den Durchgängen eines dieſer Sterne durch den Meridian bis zu dem des Mond: mittelpunktes durch denſelben, eventualiter von dieſem zu jenem, kann, der Natur der Sache nach, keineswegs zu Guſtau und Breslau gleich groß ſein. Da Breslau etwas öſtlicher als Guſtau liegt, ſo muß der Mond zu Breslau auch etwas eher den Meridian erreichen, und, bevor er den Guſtauer paſſirt, ſich etwas am Him⸗ mel fortbewegt haben, und zwar ſo, daß er inzwiſchen von den nach Weſten ſtehenden (d. h. früher als der Mond durch den Meridian gehenden) Sternen ſich entfernt, dagegen den öſtlichen (oder ihm nachfolgenden) ſich genähert hat. i Die ganze tägliche Fortrückung des Mondes in Rectaſcenſion, oder, was nahezu daſſelbe ift, die 24ſtün⸗ dige Verſpätung im Meridian, kann zu Zeiten noch nicht 40 Minuten betragen, ein ander Mal jedoch auch wieder bis zu einer Stunde anwachſen. Dieſes Zurückbleiben des Mondes, welches ſich von einem Meridiane zum andern verhältnißmäßig ausſprechen muß, iſt natürlich auch ganz geeignet, eben dadurch den Meridian: oder Längen-Unterſchied auszudrücken: freilich bei 40m täglicher Verſpätung des Mondes nur in dem Ver— hältniſſe von 40m zu 24 Stunden, das iſt etwa durch 66 des ganzen Betrages. Dann werden demnach 36 Zeit⸗Secunden Meridian-Differenz (d. i. 9 Bogenminuten Längenunterſchied) nur durch eine Zeit-Secunde der beobachteten Verſpätung des Mondes angedeutet; bei einer Stunde täglicher Fortbewegung des Mondes dagegen durch eine Zeit-Secunde etwas genauer der 24fache Meridian-Unterſchied. Solchergeſtalt giebt freilich dieſe Methode keine ſolche Schärfe, wie Sternbedeckungen und Sonnenfin— ſterniſſe. Da aber möglicher Weiſe faſt in jedem Monate mehrmals, ja bei günſtiger Witterung ſogar häufig, ſolche Beobachtungen wiederholt werden können, fo iſt man mit Leichtigkeit im Stande, wenn man auf cor⸗ reſpondirende Beobachtungen einigermaßen rechnen kann, in kurzer Zeit durch 30 bis 40 Beobachtungen dieſer Art eine Sicherheit ſchon von einer Zeit-Secunde in dem Meridian-Unterſchiede ſich zu verſchaffen. 1847 October 19 als 23.946s M. U. durch 1s Mondverzögerung ausgeſprochen wurden, folgte der Mond zu Breslau auf 6 Aquarii in 29m 59,555, in Guſtau dagegen in 30m 10.988: Verzögerung alfo von Breslau bis Guſtau = 11.438. Hiervon jede Secunde S 23.9465 Meridian-Unterſchied gerechnet, ergiebt den Zeit⸗Unterſchied zwiſchen Breslau und Guſtau — Am 33. 70s nach W. Der Mond folgte nach o Capricorni zu Breslau in IAm 54.4258, zu Guſtau in 15m 5.745: Verſpä⸗ tung bis Guſtau = 11.3155, entſprechend einem Meridian-Unterſchiede von Am 30,955, und im Durch— ſchnitte von 8 Aquarii und 0 Capricorni 4m 32.328. 1847 October 20. gab jede Secunde Mond-Verzögerung 23.7095 Meridian-Unterſchied, und daher bei y Aquarii 38m 3,395 — 37m 52.31s = 11.088 Verzug = Am 27,595 Meridian-Differenz, bei y Piscium — 17m 25,975 — (— 17m 37.568) = 11.595 Verzug = Am 34.788 55 im Durchſchnitte von y Aquarii und von y Piscium == 4m 31.188 95 und von allen A Sternen am 19. und 20. Oktober im Mittel — Am 31,755 weſtl. v. Bresl., und da Berlin 14m 34.65 weſtl. von Breslau, fo liegt der Guſtauer Meridian 10m 2,855 öſtl. von Berlin, ferner Paris 58m 48.6 95 5 75 = = 55 54m 16.858 öſtl. von Paris, und Greenwich 68m 10.18 55 55 55 55 55 55 63m 38,355 öſtl. von Greenwich, bei welcher Annahme, als erſter Annäherung, es vorläufig fein Bewenden haben muß, bis Mondſtern-Beobach⸗ tungen in größerer Anzahl eine verbürgtere Beſtimmung liefern, oder noch beſſer correſpondirend beobachtete Sternbedeckungen mit noch größerer Schärfe die Entſcheidung geben.“) *) Der zuletzt ausgeſprochene Wunſch iſt noch rechtzeitig, d. h. noch vor dem Drucke des Jahresberichts, in Er⸗ fuͤllung gegangen. — Die zu Berlin und zu Guſtau den 15. Februar 1843 beobachtete Bedeckung des Ster⸗ 214 6. Beobachtungen der in jüngſter Zeit neu entdeckten Planeten, in unferer Provinz während des Jahres 1847, mitgetheilt vom Seeretair der Section. Die Theilnahme daran beſchränkt ſich freilich bis jetzt nur auf die Beobachter zu Breslau und Guſtau; allein nach den Verhandlungen der techniſchen und dieſer (geographiſchen) Section ſind wir berechtigt, erwarten zu dürfen, daß noch mehr Beobachtungsſtationen dieſer Art in der Provinz entſtehen werden, zumal, wenn ſie darauf rechnen dürfen, daß die Reſultate ihrer Beobachtungen zur Beachtung, Aufnahme und Veröffentlichung kommen, und mit dazu helfen werden, die Theorie der Bahnen dieſer bis jetzt unbekannt geweſenen Weltkörper unſeres Sonnenſyſtems in deſto kürzerer Zeit zu begründen. Die Beobachtungen dieſer Planeten find entweder, zu Breslau wie zu Guſt zu, im Meridiane am Paſ— ſage-Inſtrument (P. I. bezeichnet) gemacht worden (wiewohl ihrer Lichtſchwäche halber, und weil keine Decli— nations-Beobachtungen dabei erzielt werden, nur in ſeltenen Fällen), oder viel häufiger am Differenz-Mikro⸗ meter (D. M. bezeichnet) eines Fernrohrs, am bequemſten, wenn dieſes, wie zu Breslau und Guſtau, auf äquatorialem Stativ parallactiſch ſich bewegt, und zwar durch Vergleichung mit zwei Fixſternen in der Nähe (nach der in den Memoiren der Astronomical Society Vol. XV. p. 193 — 197 eee Methode); endlich zu Breslau auch wohl noch am Heliometer (H. bezeichnet). Während die Niederlegung der Beobachtungen in ein eigentliches aſtronomiſches Archiv einzeln erfolgen muß und wird, gebietet hier die Beſchränktheit des Raumes, daß ſolches für jeden Beobachtungstag nur fum= mariſch geſchehe, d. h. nur das Mittel aus ſämmtlichen Beobachtungen, mittelſt der bekannten ſcheinbaren Fortbewegung des Planeten auf ein und denſelben Zeitmoment in mittlerer Zeit des Ortes (meiſt die Culmi⸗ nationszeit deſſelben) reducirt, in ſcheinbarer Rectaſcenſion und Declination ausgedrückt, frei von Refraction dagegen noch mit der Wirkung der Parallaxe behaftet, gegeben werde. — a. Beobachtungen des Neptun (1846 September 23, nach der Andeutung Leverrier's zu Paris, entdeckt von Dr. Galle in Berlin. AR. Decl. h m s h m 8 e 1847 Januar 3 3 4 29.9 Breslau 21 54 47.75 — 13 15 32.3 DM. 6 Beob. v. Bogusl. 4 3 0 44.8 21 54 55.26 13 15 8.5 Hel. 2 „ v. B. 10 2 37 52.6 21 55 38.45 13 11 16.7 DM. 4 „ v. B. DE 2 D l 21 55 45.26 13 10 29.6 DM. 1 „ v. B. 11 2 33 41 21 55 45.95 13 10 31.6 DM. 3 „ Günther. 12 2 30 15.3 21 55 52.99 13 9 49.3 DM. 5 „ G. 13 2 26 27.0 21 56 0.56 13 9 22.6 DM. 5 „ G. 16 2 1 22 21 56 23.24 13 7 5.7 DM. 3 „ G. l e 7 21 56 39.35 18.8.2207 eee e. Auguſt 2 13 19 34.1 22 7 20.31 — 12 12 26.9 DM. 3 „ G. nes A Geminorum durch den Mond hat Herrn Profeſſor Dr. Ende Veranlaſſung gegeben, den Meridians Unterſchied von Berlin bis Guſtau ſelbſt abzuleiten. Das Reſultat 10m 3,35 ſtimmt näher mit dem oben erhaltenen überein, als wir zu erwarten berech⸗ tigt waren. Anmerkung des Secretairs. 1847 Auguſt 14 Sept. Oetbr. Novbr. Decbr. bh. Beobachtungen 1847 Juni 15 16 17 17 18 20 21 12 h 12 12 12 12 12 12 12 SWEATS o O O 5 © 4 12 28 16 12 28 8 6.9 Breslau 4.0 2.5 0.6 0.6 57.3 53.6 51.8 10.4 0.0 Guſtau Breslau Guſtau Breslau Guſtau Breslau Guſtau Breslau Guſtau Breslau Guſtau AR. 1 Se D 22 t is i S de des d D D de ee — — 1 8 22 d d DD ww 22 d * 22 1 * S d , om mm no ou , N A A S as — — aa 2 — 2 S S 55.55 48.77 48.71 42.48 29.86 23.91 2.99 50.53 44.55 15.71 15.19 9.70 9.17 2.85 3.57 58.45 58.23 30.27 30.59 53.87 54.36 47.78 37.96 35.17 35.26 20.37 59.42 59.86 31.28 19.76 24.39 38.84 42.58 9.41 10.40 40 40 der Astraea (1845 December 18 entdeckt 6.2 Breslau 15 58.9 15 23 16 26.27 9.32 eng 9 57 22.7 DM. DM. DM. Hel. 53.9 25.4 1.4 6.4 38.1 47.5 24.2 58.9 58.3 31.3 21.3 41.4 14.4 22.5 46.8 17.2 19.3 39.9 27.8 13.7 41.7 40.4 34.2 26.6 10.7 49.3 36.4 17.8 50.7 21.4 DM. DM. DM. DM. DM. DM. DM. DM. DM. DM. 25.9 DM. 3 3 3 3 3 3 3 3 3 3 3 3 3 3 3 3 3 3 3 3 3 3 3 3 2 4 Beob. Günther. „ G. 77 G. „ 7 G. 7. G. 77 G. mi © „ „ G. 8 „ G. 55 . „m G. „ G. „ . Zobeltitz. „ Günther. 8 „ . „ . „ 77 G. „ G. 77 v. 3. 5 „ v.. 7 G. „ „ . B. % ir Bi „ db. 3. 0 9. = von Hencke zu Drieſen). 55.8 DM. 4 Beob. v. B. 57 36.9 DM. 4 „ Günther. 216 e. Beobachtungen der Hebe (1847 Juli 1 entdeckt von Hencke zu Drieſen). AR. Decl. h m 8 h m 8 9 nv 1847 Juli 8 10 0 178 Breslau 17 5 8.90 — 4 26 56.2 DM. 3 Beob. v. Bogusl. 8 10% 0 178 I 5 5 4 26 58.8 DM. 3 „ Günther. 11 9 46 26.7 08! 4 46 55.1 DM. 2 „ v. B. 11 9 46 26.7 17 3 143 4 46 56.4 DM. 1 „ G. 12 9 41 51.0 17 2 21,61 4 53 47.0 DM. 1 „ o. B. 13 11 40 00 D D 5 1 33.4 DM. 5 „ v. B. 13 11 40 0.0 17 1 40.85 5 1 34.5 DM. 1 „ G. 14 10 40 0.0 I l 2 5 8 34.4 DM. 2 „ v. B. 14 10 40 0.0 17 5.37 5 8 39.8 DM. 3 „ G. 15 10 20 00 17 0 31.46 5 16 0.2 DM. 3 „ v. B. 15 10 20 0.0 17 0 31.85 5 15 49.8 DM. 3 „ G. 16 10 20 0.0 16 59 38.34 5 23 27.0 DM. 6 „ v. B. e 57 270 16 57 13.31 6 10 4.0 DM. 2 „ v. B. Auguſt 9 7 44 34.3 16 55 4.63 8 46 35.2 DM. 3 „ v. B. 1 270,370 54.3 16 55 24.31 9 5 5.6 DM. 6 „ v. B. 12 7 33 185 16 55 38.01 9 14 14.6 DM. 2 „ Günther. 12 7 33 185 16 55 37.80 e e ere 775028 13 7 29 382 16 55 55.86 9 23 23.0 DM. 3 „ v. B. 13 7 29 38.2 16 55 52.66 9 23 18.2 DM. 2 „ G. 15 7 22 21.6 16 56 26.62 — 9 41 35.7 DM. 3 „ G. d. Beobachtungen der Iris (1847 Auguſt 13 entdeckt von J. R. Hind in London). Octbr. A 7 0 52.2 Breslau 19 52 2.99 — 14 24 5.1 DM. 4 Beob. Günther. 13 6 33 6.4 19 59 38.13 14 15. 31.4 DM. 1 „ v. B. 14 6 30 10.0 20 0 38.93 14 14 51.9 DM. 3 „ G. 15 6 27 13,7 20 1 39.69 14 13 23.6 DM. 3 „ G. 16 6 24 22.4 20 2 40.61 14 11 47. DM. 3 „ G. Novbr. 25 6 0 00 21 1 26.63 11 34 18.3 DM. 5 „ v. B. 27 6 0 0.0 21 3 13.36 11 27 511 DN 4 „ ©. 28 6 0 0.0 21 4 59.53 11 21 22.6 DM. 6 „ v. B. 29 6 0 0.0 21 6 45.01 11 14 55.8 DM. 3 „ v. B. 30 6 0 0.0 2 8 J i 8 eee , v. B. Dechr. 16 0 0.0 21 10 19.60 11 1 26.9 DM. 4 „ v. B. 9 6 0 0.0 21 25 1.865 10 2 56.0 DM. 3 „ v. B. 10 6 0 0.0 21 26 54.41 9 5513.7 DM. 3 „ v. B. 13 6 0 0.0 21 32 37.06 931 7% DM. 4 „ v. B. 14 6 0 00 21 34 31.15 9 22 47.0 DM. 4 „ v. B. 15 6 000 21 36 26.34 9 14 21.1 DM. 4 „ v. B. 17 6 0 0.0 21 40 18.31 8 57 18.4 DM. 4 „ v. B. 18% 6% 0 9˙0 21 42 14.19 8 48 38.0 DM. 3 „ v. B. 19 6 0 0.0 21 44 11.67 8 39 41.7 DM. 3 „ v. B. 25 6 0 0.0 21 56 2.78 7 42“ 45.3 DDI 4 % 0. B. e. Beobachtungen der Flora (1847 October 18 entdeckt von J. R. Hind in London. D [213 14.71 14 28 25.6 DM. 14.37 14 31 37.2 DM. 17.19 14 34 39.5 DM. 23 16.18 14 34 40.9 DM. 22 20.13 14 37 59.7 DM. DD SE 7 0.0 Guſtau 0.0 Breslau AR. Decl. h m 8 h m 8 0 0 75 1847 Novbr. 2 11 0 00 Breslau 5 2 10.05 + 13 49 50.4 DM. 5 Beob. v. Bogusl. 3 11 0 0.0 5 1 45.34 13 48 53.2 DM. 4 „ v. B. i e . 5 1 45.64 13 48 54.9 DM. 3 „ Günther. 7 11 0 0.0 4 59 37.82 13 46 48.1 DM. 4 „ G. 9 11.0 0.0 Guſtau 4 58 19.72 13 46 28.2 DM. 3 „ v. Zobeltitz. 12 11 0 O. Breslau 4 56 7.47 13 46 18.2 DM. 4 „ G. 12 11 0 00 Guſtau 4 56 7.20 13 46 6.1 DM. 4 „ v. 3 13 10 0 0.0 Breslau 4 55 21.38 13 46 15.2 DM. 4 „ G. 13 11 0 09 Guſtau 4 55 19,99 18, in eee eee , e 18 9 0 0.0 Breslau 4 50 57.31 13 47 34.0 DM. 3 „ 19 16 30 0.0 4 49 42.15 13 48 14.2 DM. 3 „ 24 11 0.0 Guſtau 4 44 45.72 13 52 14,8 DM. 2 „ 3. 28 9 4 0.0 Breslau 4 40 25.89 13 57 1 DN. A, 28 11 0.0 Guſtau 4 40 22.49 13 57 14.1 DM. 3 „ 3. 29 0.0 Breslau 4 39 21.89 13 58 46.8 DM. 4 „ Decbr. 9 0.0 4 28 21.99 14 22 34.1 DM. 4 „ 4 3 4 4 4 3 4 3 4 3 4 3 4 3 4 4 — > Son 8 8 0209809 88 © Eee a S S / S D S ae S S S SSS SS SSS 17 0.0 20 31.42 14 44 46.4 DM. 3 „ 18 0.0 19 42.21 14 48 20.1 DM. 3 „ 18 0.0 Guſtau 19 39.78 14 48 35.8 DM. 3 „ 3. 19 0.0 Breslau 18 49.92 14 52 10.3 D. 4 „ Auch in der oben ſtehenden Zuſammenſtellung der Beobachtungen der teleſkopiſchen Planeten im Jahre 1847 (Beobachtungen, welche ſchon zu den delicateren der praktiſchen Aſtronomie gehören) zeigt ſich auf die erfreulichſte Weiſe und zur Aufmunterung für alle Beſitzer von Fernröhren, daß man auch mit ſehr mäßigen Inſtrumenten — das Fernrohr zu Guſtau hat wohl die kleinſte Dimenſion, welche man bis jetzt zu ſolchen Beobachtungen angewendet hat — und ohne Hülfe von koſtbaren, fein eingetheilten Kreiſen, nicht blos hinlänglich ſcharfe geographiſche Längen und Breiten erzielen, ſondern auch den Lauf der lichtſchwachen Planeten mit faſt nicht minderer Präciſion verfolgen kann, als es auf den Haupt- Sternwarten mit großen Inſtrumenten möglich iſt. Zwar zeigt jene Zuſammenſtellung vorläufig nur, daß die Guſtauer Beobachtungen, wenn ſie nahe zu derſelben Zeit, wie die Breslauer, angeſtellt worden waren, oder wenn man mittelſt der Kenntniß der ſcheinbaren Fortbewegung des betreffenden Planeten, die eine der beiden Beobachtungen auf den Zeitmoment der andern reducirt, gewöhnlich bis auf höchſtens ½ Zeitſecunde in Rectaſcenſion, und auf etwa 5 bis 6 Bogenſecunden in Declination (Größen, die bei kleinen Fernröhren ſchon an der Grenze der Wahr— nehmbarkeit liegen) mit einander übereinſtimmen. Das Reſultat fällt aber nicht minder günſtig für Guſtau aus, wenn man die dortigen Beobachtungen mit denen gewaltiger Inſtrumente auf großen Sternwarten, ja ſogar mit deren Meridiankreisbeobachtungen vergleicht. — So z. B. geben die Beobachtungen des Neptun: 28 1847 Sept. 13. 10h 34m 5,35 zu Guſtau AR. 22h 3m 3,575 Decl. Sd. 129 36° 22.5“ am Diff. Mikr. und die zu Königsberg in Pr. AR. 22h 3m 3.588 55 12° 36‘ 18.6“ am dortigen be— rühmten Meridiankreiſe (Aſtr. Nachr. Nr. 627 p. 43) auf den Guſtauer Zeitmoment reducirt; oder die Beob— achtungen des Neptun: 1847 Octbr. 15. 8h 25m 15.25 zu Guſtau AR. 22h Om 37.96s Decl. Sd. 129 49 13.7“ am Diff. Mkr. und die zu Hamburg auf dieſelbe Zeit reducirt AR. 22h Om 37.938 5 12% 49° 21.2“ am Meridian⸗ kreiſe (lt. A. Nr. 618. S. 286); oder aber auch die auf den Guſt. Zeitmoment red. Beobachtungen der Flora: 1847 Novbr. 12. Guftau AR. 4h 56m 7,205 Decl. Nd. 13% 46“ 6.1“ am Diff. Mikr. (ſ. d. Verzeichniß). Hamburg AR. 4h 56m 7.158 1 13° 46° 8.5, am Meridiankreiſe (f. Aſtron. Nachr. Nr. 618, S. 286). 5 130 46“ 6.1“ am Meridiankreiſe (ſ. Aſtron. Nachr. Nr. 622, S. 351); Berlin AR. Ah 56m 7.278 oder endlich auch ſelbſt unter ungünſtigen Umſtänden bei Mondſchein, 1847 Novbr. 24. Guſtau AR. dh 44m 45.728 Decl. Nd. 13% 527 14.8“ am Diff. Mikr. (f. das Berzeichniß). Altona AR. 4h 44 un 45.133 „ 130 52° 3.8“ am Meridiankreiſe (ſ. Aſtr. Nachr. Nr. 618, S. 274). 79 130 52“ 5.7“ am Meridiankreiſe (ſ. Aſtr. Nachr. Nr. 622, S. 351). Beobachtungen ſolcher Art ſind ein ſchöner, wohlverdienter Lohn für die Entſchloſſenheit, welche, über das Bedürfniß des Augenblicks hinaus ſchauend, einen kleinen Mehrbetrag nicht geſcheut hat, um auf einem und demſelben kleinen Raume ein Inſtrument zu gewinnen, das ſo vielſeitige aſtronomiſche Zwecke zugleich erfüllt; welche muthig die Idee aufgegriffen hat, mit Beſeitigung der koſtſpieligen Kreisthei⸗ lung, alle Raumverhältniſſe viel genauer mittelſt der Zeit zu meſſen, und die endlich auch verſtanden hat, ohne Schmälerung eines umfaſſenden Berufskreiſes, ſchon manche nützliche und anregende Reſultate für die Wiſſen⸗ ſchaft zu erlangen. Berlin AR. Ah 44m 45.508 v. Boguslawski, z. 3. Secretair der Section. Nachſchrift. Herr Stadtrath Scholtz hat nachträglich noch, aus den ihm zu Gebote ſtehenden Karten und andern Hülfsmitteln, eine ſpecielle Situations-Karte der Landenge von Tehuantepec, ganz beſonders in Bezug auf das Kanal-Project über denſelben, eigenhändig entworfen und lithographiren laſſen, ſo wie dem— nächſt unſerer Geſellſchaft verſtattet, für ihren Jahresbericht, und für den der geographiſchen Section ins Be— ſondere, die erforderlichen Abdrücke zu nehmen, welche demnächſt noch auf ganz beſondere Weiſe dienen werden, die Beſprechungen über den Kanal-Entwurf vollſtändig und lichtvoll zu erläutern. * Der Secretair der Section. ED Er enge BU Ay RD een zfouosy uurunan WE ‚oe wma e, ‚oz et 1 ee ee ee Teresa Tees ol | | — ll — | l u ur Zen un n no 140) ö Sa ur A 4 dum, d AT N mupsuggg eee, > DT 0.4% ') \ Sm TOT Y N uss una ö — —⁵8ᷣ—— ann a, bun ẽqNön nu n Hin nnn | | | | — —— ——5 * — — „ am- 3P ; m PNA. | Aufl 4 u- alben . ap o, u unit, N b, D I = 2 ı 2 ge, IB faul, ap uobraz uin, Did = ee en eee — 5 2 0. > vun Tee 0 — 8 \ “ DZ — 4 op una 2 N18 772 . [| Jo ee map | ö . 219 B. Angewandte Naturwiſſenſch aften. 5. Jahres-Berieht 5 der me diceiniſchen Section, Prof. Dr. H. Barkow zeitigem Secretair derſelben. Den erſten Januar theilte Herr Dr. Bürkner aphoriſtiſche Bemerkungen über die methodiſche Anwendung des kalten Waſſers in den verſchiedenen Formen des Scharlachs mit. In allen Formen des Scharlachs kann die methodiſche Anwendung des Waſſers das Mittel fein, wodurch die Krankheit zur Geneſung übergeführt wird. In einzelnen Fällen des bösartigen Scharlachs iſt ſie das einzige Mittel, das den Kranken vom Tode retten kann. Auch in den Nachkrankheiten des vernachläßigten Scharlachs zeigt fie ſich hülfreich. Die äußer⸗ liche Anwendung des kalten Waſſers beim Scharlach iſt nicht ganz neu, ſchon bei älteren Aerzten finden wir häufig ſeinen Gebrauch. Es genüget, die Namen: Currie, John Armſtrong, Müller in Münden, Hahn in Schweidnitz, Rogys in Breslau aus dem verfloſſenen Jahrhundert, und vom Anfange des jetzigen: Masmann, Hubertus, Kolbang, Fröhlich, Horn, Reiche, Naſſe zu nennen. Die Jetztzeit, na⸗ mentlich durch V. Pries nitzeens zu Gräfenberg Veranlaſſung, hat aber in größerer Ausdehnung das Waſſer angewendet. ; Soll ein Mittel, hier das Waſſer, gegen die verfchiedenartigen Formen einer Krankheit angewendet wer— den, fo muß dies Mittel mannigfaltige Formen der Anwendungsweiſe zulaffen, wodurch dann auch feine ver— ſchiedenen Wirkungen erklärbar werden. Das Waſſer wird innerlich und äußerlich gebraucht. Innerlich wirkt das Waſſer a) durch feine Temperatur, b) durch feine Maſſen. Man denke hierbei aber nicht an das Ueber maaß, in dem es bisweilen von Laien und oft zum großen Nachtheil getrunken wird. Aeußerlich wirkt es: a) Wärme entziehend, alſo die Thätigkeit der Haut herabſtimmend; b) Wärme erzeugend, die Lebensthätigkeit der Haut erhöhend. Beide Wirkungen können wiederum in verſchiedenen Abſtufungen erlangt werden: 1) durch die Temperatur des angewendeten Waſſers; 2) durch die Maſſe des Waſſers; 3) durch die Ausdehnung, in welcher daſſelbe angewendet wird, oder beſſer: je nachdem ein Theil oder der ganze Körper der Einwirkung des Waſſers ausgeſetzt wird, und 4) durch die Zeit oder die Dauer, während welcher der Körper oder Körpertheil der Einwirkung des Waſſers, den naſſen Einwickelungen oder Umſchlägen unterworfen bleibt. — Hinſichtlich 28 220 der Temperatur ift zu bemerken, daß das directe Einwirken des kalten Waſſers felten der eigentliche Zweck ſondern nur das Mittel zu demſelben iſt, das heißt: der Theil des menſchlichen Körpers, auf welchen einger wirkt werden ſoll, muß ſo gereizt werden, daß er durch vermehrte Kraftäußerung dieſen Angriff zurückweiſt, weßhalb auch die Kälte des Waſſers nie ſo groß ſein darf, daß das örtliche Leben durch ſie etwa allzuſehr beeinträchtigt würde, daher nie unter 50 R. Durch feine Maſſe wirkt das Waſſer: 1) indem es die äußere Luft von der kranken Stelle abhält, und 2) indem es durch Berührung der Oberfläche des Körpers, deſſen Eigenwärme größer iſt als die Temperatur des Waſſers, jenem die in dem einzelnen Falle nachtheilige Wärme entzieht. Je nachdem das Waſſer längere oder kürzere Zeit mit dem Körpertheile in Berührung bleibt, kann es die verſchiedenartigſten Heilwirkungen hervorbringen. Die Form der Anwendung des Waſſers als kühlende und erwärmende Umſchläge, kühlende oder ſchweiß— erzeugende Einwickelungen, Abwaſchungen, Voll-, Halb- oder partielle Bäder, Begießung, Douche, iſt ſehr vers ſchieden und danach auch feine Wirkung verſchieden. Nach Verſchiedenheit des Fieber-Charakters unterſcheiden wir vier Hauptarten des Scharlachs. “) Einfaches Scharlachfieber oder erethiſches Scharlach. Man reiche zum Getränk in kleinen Portionen ſo viel Waſſer, als die Befriedigung des Durſtes erfordert. Den Leib erhalte man durch Waſſerklyſtiere offen, ſchreite aber ſonſt direct nicht ein, weil die Krankheit ihren normalen Verlauf nimmt; felbft die dabei vor= kommende leichte Angina bedarf der ärztlichen Thätigkeit nicht, da ſie nur gelind auftritt und in wenigen Tagen ohne weitere Beihülfe vorübergeht. Bei Kindern, welche an die Abwaſchungen gewöhnt find, fest man dieſelben fort, ohne auf das Exanthem Rückſicht zu nehmen. Entzündliches Scharlach. In der Periode kurz vor dem Ausbruche des Exanthems iſt ein ſogenanntes antiphlogiſtiſches Verfahren indicirt; bei mäßiger Fieberhitze reichen wiederholte Abwaſchungen hin, entweder mit, in ſogenanntes abgeſchrecktes Waſſer (von + 12 bis 14 R.) getauchten, Schwämmen oder Tüchern. In höheren Graden der Synocha ſind naſſe Einwickelungen unentbehrlich. Der Kranke wird nämlich, je nachdem das Athemholen mehr oder weniger beengt iſt, vom Halſe oder von der Achſelhöhle ab bis zu den Füßen in mäßig ausgerungene Leintücher eingewickelt, ſo daß dieſelben überall dicht an dem Körper anliegen, und hierüber wird eine wollene Decke geſchlagen und endlich das gewöhnliche Bett aufgelegt. So bleibt Pa= tient eine Viertel- bis eine halbe Stunde liegen, je nachdem ſich Zunahme von Hitze zeigt; beim Eintritt der— ſelben wird er aus dieſer Einwickelung herausgenommen und aufs neue, aber ganz auf gleiche Weiſe wie vor⸗ her, eingewickelt, was ſo oft wiederholt wird, als ſich die Hitze ſteigert, und erſt dann damit nachgelaſſen, wenn der Kranke, ohne aufgeregt zu ſein, zu dünſten anfängt. Nach halbſtündigem Dünſten wird er mit abgeſchrecktem Waſſer von 12 bis 16 R. abgewaſchen, je nach Verſchiedenheit des Alters. Da mit dem Eintritte des Exanthems das Fieber ſich mäßigt, ſo entferne man auch gleichzeitig die Einwickelungen, wieder⸗ hole aber dieſelben, ſobald das Fieber exacerbirt, aber auch nur eben fo lange. Am meiſten Beachtung ver: dienen die Complicationen. 1) Die Angina iſt ſo heftig, daß ſie den ununterbrochenen Wechſel der örtlichen antiphlogiſtiſchen Tücher erfordert. Bei höherem Grade werden dabei noch ableitende Einwickelungen der Füße in naſſe, aber ſtark ausgewundene Tücher, welche mit Wolle bedeckt werden, nöthig. Iſt das Uebel noch mei: ter vorgeſchritten, dann müſſen, ſtatt der kühlenden, mäßig ausgerungene Tücher um den Hals gelegt werden, welche dreiſtündlich zu wechſeln und ſorgfältig mit trockenen Tüchern zu bedecken ſind. Die höchſten Grade fordern Einwickelungen des ganzen Körpers in ausgewundene Tücher mit nachfolgendem Baden oder Begie⸗ ßungen. 2) Delirien aber, die nur mit der Fieberexacerbation eintreten und mit ihr verſchwinden, bedingen die antiphlogiſtiſche Compreſſe, kalte, naſſe, nicht ausgewundene Tücher, aber nur ſo lange, als jene dauern. 3) Die ſchlimmſten Erſcheinungen, welche daher auch ein energiſches Verfahren erfordern, find die Erſcheinun⸗ *) Um die Aufzaͤhlungen der Krankheitserſcheinungen hier zu umgehen, verwies Herr Dr. B. auf Schoͤnlein's Pathologie und Therapie. gen der Meningitis oder Gehirnmarkentzündung. Dieſe find wohl zu unterſcheiden von den das Fieber ger wöhnlich begleitenden Delirien, welche meiſt in der Nacht als Folge heftiger Fieberagitationen erſcheinen. Es ſind Sinnesſtörungen, Sauſen vor den Ohren, Erweiterung oder Verengerung der Pupille ohne Exacerbation und Intermiſſion, höchſtens Remiſſion. Hier ſind naſſe Einwickelungen mit ausgewundenen Tüchern, welche drei- bis ſechsmal wiederholt werden müſſen, dabei von fünf zu fünf Minuten zu wiederholende, kalte, naſſe Umſchläge von nicht ausgewundenen Tüchern auf den Kopf, Abwaſchung des Körpers mit abgeſchrecktem Waſſer (von + 12 bis 14 %R.) und Ueberſchüttungen (milderer Grad von Begießungen) des Kopfes mit vielem kalten Waſſer + 6 bis 89 R.) öfters wiederholt nöthig, und es muß fo lange damit fortgefahren werden, bis das Sen- sorium frei wird. Erfolgt dies nicht, dann müſſen Halbbäder mit Waſſer von 10 R. angewendet werden wozu allmälig kühleres Waſſer gegoſſen wird und worin der Körper fo lange verweilen muß, bis Schüttelfroſt eintritt. Auf den Kopf müſſen die kalten Umſchläge oft erneuert oder ab und zu Begießungen gemacht werden. Iſt nach drei Viertel- bis einer Stunde kein Schüttelfroſt zu erzielen, dann iſt der Kranke verloren, weil die durch Ausſchwitzung bedingten Zerſtörungen ſchon zu bedeutend ſind. Nach dem Bade wird Patient ins Bett gelegt, und wenn ſich deſſen Körper etwas erwärmt hat, wieder in naſſe, aber ausgewundene Tücher und wollene Decken gewickelt und bis zum Dünſten liegen gelaſſen, worauf dann abermals eine Waſchung oder ein Bad oder eine Begießung erfolgt, je nach der Dringlichkeit der Umſtände. Nervöſes oder torpides Scharlachfieber, Scarlatina nervosa sive torpida, mit zwei Unterabtheilungen. a) Einfach nervöſes Scharlach. Die torpide Form kann hervorgegangen ſein aus Uebermaaß oder Mangel von Reaction. Dort iſt die Haut am Körper brennend heiß bei kühlen oder kalten Extremitäten. Iſt das Exanthem zum Vorſchein gekommen, ſo hat es eine violette Farbe. Hier ſind Sturzbäder nöthig mit nach— folgenden antiphlogiſtiſchen Einwickelungen, aber erſt zehn bis fünfzehn Minuten nach jenen, wenn ſich der Kranke wieder erholt hat und eine gleichmäßige Wärme der Haut zurückgekehrt iſt. Bei fehlender Reaction erſcheint dieſes Exanthem gar nicht oder nur an einzelnen Stellen, iſt bleich, livid, oder es erſcheint allgemein, verſchwindet aber wieder. Hier find nach den Sturzbädern erwärmende Einwickelungen erforderlich. Bei gu— tem Erfolge verlangſamt und hebt ſich der Puls, die ganze Haut bekommt eine gleichmäßige Temperatur, das Exanthem tritt mit lebhafter Röthe hervor. Der Wechſel der Tücher nach den Sturzbädern hängt von den allgemeinen Krankheitserſcheinungen ab. Die Sturzbäder ſind zu wiederholen, ſo oft als die Bedingungen wiederkehren, welche die erſte Anwendung indicirte. Beide Formen des torpiden Scharlachs haben in ihren höchſten Potenzen noch einen anderen Verlauf. Das Exanthem verſchwindet plötzlich, es erfolgen ſchnell Zuckungen, Sopor, Entzündung der Hirnhäute, oder ſelbſt, ohne dieſen langſamen Verlauf, Waſſererguß und Paralyſe. Die älteren Aerzte nannten es Hirnſchlag. Hier können entſchieden nur Sturzbäder noch Hülfe ſchaffen, wenn irgend ſolche möglich, was ſelbſt die entſchiedenſten Gegner des Waſſers einräumen. b) Die zweite Unterabtheilung des nervöſen Scharlachs tritt mit den Erſcheinungen der Diſſolution auf. Septiſches Scharlach, Scarlatina putrida sive septica. Hier werden wiederholte Abwaſchungen mit kaltem Waſſer, Ausſetzen des nur leicht abgetrockneten Körpers der friſchen Luft — Luftbad — kalte Klyſtiere oftmals auch Hülfe ſchaffen können. Die hier vorkommende Angina gangraenosa erfordert Umſchläge und Begießungen. Gaſtriſches Scharlach, Scarlatina gastrica. Die gaſtriſchen Erſcheinungen erfordern bisweilen ein be= ſonderes Verfahren. Iſt bei geringer Brechneigung und mäßigem Drucke in der Stirn die Zunge mit einem dicken, zähen und feſten Schleime belegt, ſo laſſe man häufig friſches Waſſer trinken, was Ausleerungen nach oben und unten bewirken wird. Wo der untere Theil des Darmkanals afficirt iſt, was ſich durch Meteoris— mus, Verſtopfung oder Durchfälle zu erkennen giebt, da müſſen erregende Umſchläge, ſtark ausgewundene Tü— cher auf den Unterleib feſt aufgelegt und mit trockenen bedeckt werden; auch kalte Klyſtiere ſind hier oft in Anwendung zu bringen. Wenn die Krankheit in ihrer normalen Entwickelung bis zu dem Eintritte der Kris ſen verlaufen iſt, oder wenn man ſie durch Kunſthülfe dahin geführt hat, ſo entſcheiden die allgemeinen Symptome, namentlich die Beſchaffenheit der Haut, ob man den Eintritt der Hautkriſen ganz der Natur überlaſſen kann, oder ob dazu eine erregende Einwickelung nöthig iſt. — Während der Abſchuppung verfährt man ganz expectativ, nur wenn fie nicht gehörig von ſtatten gehen will, befördert man fie durch eine Abwa— ſchung mit abgeſchrecktem Waſſer, nach welcher man den Kranken, leicht bedeckt, ins Bett legen läßt. Kinder, welche an tägliche Waſchungen gewöhnt ſind, läßt man auch jetzt des Morgens und Abends abwaſchen und dabei herumgehen. Dieſer Vortrag wurde die Veranlaſſung zu einer lebhaften Beſprechung, während welcher Herr Dr. Fi⸗ gulus und Herr Dr. Grätzer noch einzelne Beobachtungen mittheilten. Herr Dr. Figulus behandelte in einer Familie drei an Scharlach erkrankte Kinder. Zwei davon ſprangen zum Fenſter hinaus und wälzten ſich im Schnee. Das dritte blieb methodice zu Haufe gehalten. Die beiden erſten wurden hergeſtellt, das dritte ſtarb. Herr Dr. Grätzer hat in der letzten Zeit ein und zwanzig Scharlachkranke behandelt. Von dieſen litten ſechs an ſchweren Nachkrankheiten, vier ſtarben. Eine ſchwangere Frau erkrankte an Scharlach und wurde hydropiſch. Acht Tage vor der Entbindung nahm das Oedem der Oberſchenkel ſo ungeheuer zu, die Spannung und der Schmerz wurden ſo bedeutend, daß zwei Tage vor der Entbindung die Punktion mit der Nadel am Oberſchenkel angeſtellt werden mußte, worauf ſich viel Waſſer entleerte. Aber die punktirten Stellen wurden livid, dann brandig und neun Tage ſpäter ſtarb die Kranke. — Ein junger Schneider, ſiebzehn Jahr alt, erkrankte an Scharlach. Am ſiebzehnten Tage der Krankheit, noch vor vollendeter Abſchuppung, zeigten ſich Petechien, dann traten Blutungen aus dem Zahnfleiſche, aus den Ohren und Augen ein, und unter den Erſcheinungen eines vollſtändig entwickelten Morbus maculosus ſtarb der Kranke am zwanzigſten Tage. Ein ſcharlachkranker Knabe bot am zweiten Tage der Krankheit alle Erſcheinungen ausgebildeter Meningitis dar. Der Puls war auf hundert und vierzig Schläge in der Minute geſtiegen. Kalte Umſchläge, wiederholte Ap⸗ plicationen von Blutegeln blieben ohne Erfolg. Da ſchritt Herr Dr. G. zur Anwendung kalter Begießungen in lauem Bade. Vom Mittag bis zur Nacht wurden die Sturzbäder viermal angewendet. Es traten darauf allgemeine Schweiße ein und der Kranke kam zu ſich; im zweiten Bade ſchrie er, nach dem dritten kehrte das Bewußtſein wieder, nach dem vierten erkannte er die Umſtehenden. Er genas vollſtändig. Herr Dr. Koſchate machte einige Mittheilungen über Regeneration von Theilen des Scrotum's und der Naſe, und der Secretair zeigte eine Mißgeburt vor mit bedeutender Hydrencephalocele und Verkürzung des Rückgrates. Die Mutter dieſes Monſtrum's, eine ſechs und zwanzig Jahr alte, ziemlich kräftige Frau von regelmäßigem Körperbau, hatte ſchon früher zweimal ohne Kunſthülfe geboren. Das eine noch lebende Kind iſt ein dreijähriger geſunder Knabe. Der Accoucheur fand bei der letzten Entbindung regelmäßige und kräftige Wehen, beide Füße aus den Genitalien hervorhängend, und verſuchte die Extraction, die jedoch erſt möglich war, nachdem durch ſtumpfe Inſtrumente der zuſammengewachſene Klumpen (das verkürzte Rückgrat mit der durch die Hydrencephalocele gebildeten Geſchwulſt), der früher durchaus nicht durch das Becken zu bringen war, eingeriſſen worden. Den 5. Februar hielt Herr geheimer Medicinalrath Dr. Ebers einen Vortrag über Ileus. Nach einer Einleitung über die Behandlung des Ileus im Allgemeinen und nach ſeinen verſchiedenen Formen, in welcher Herr Geheimrath Dr. Ebers auf ſeine frühere Abhandlung in Hufeland's Journal, Bd. 8, Stück 2 und 3, ſich bezog, theilte er ſpeciell zwei, durch Anwendung von lebendigem Queckſilber geheilte Krankheits⸗ fälle mit. 1) Eleonore S., fünf und dreißig Jahre alt, ſonſt kräftiger Conſtitution, durch große Armuth aber geiſtig und körperlich ſehr herabgekommen und geſchwächt, mit Ungeziefer bedeckt und mit einer Hernia ven- tralis in der Linea alba behaftet, an freier Bauchwaſſerſucht und allgemeiner Hautwaſſerſucht leidend, kam am 1. Oktober ins Hoſpital zu Aller-Heiligen, nachdem ſie ſeit zehn Tagen keinen Stuhlgang gehabt hatte. Die Urin⸗Secretion war ſehr gering. Nach Anwendung von Klyſtieren und Infusum Sennae compositum ging 223 nur ſehr wenig Darmkoth aus dem unteren Theile des Dickdarms in flüſſigen Stühlen ab. Den 4. Oktober traten heftige Vomituritionen, Erbrechen übelriechender Stoffe, doch nicht eigentliches Kothbrechen ein. Der Bauch erſchien jetzt enorm aufgetrieben, hart, aber nicht empfindlich. Mandelmilch-Emulſion, mit vier Tro⸗ pfen Croton-Oel und vier Tropfen Tinctura Opii, wurden ausgebrochen, während eine Saturation von koh— lenſaurem Natron behalten wurde. Einreibungen von Croton-Oel in die Nabelgegend und verſchiedene Kly— ſtiere blieben ohne Erfolg. Klyſtiere von kaltem Waſſer machten große Beſchwerden und gingen ſchnell ab. Den 10. Oktober war noch kein Stuhlgang eingetreten. Der Unterleib war, ohne ſehr ſchmerzhaft zu ſein, doch bei der Berührung empfindlich und ſtellte eine harte Kugel dar. Alles Genoſſene wurde weggebrochen, die Kräfte ſanken auffallend. Die Urin-Secretion hatte faſt ganz aufgehört. Die ödematöſe Geſchwulſt der unteren Extremitäten war außerordentlich. Es wurden jetzt zehn Tropfen Tinetura Opii und darauf zehn Unzen lebendiges Queckſilber gereicht. Der Unterleib wurde mit in kaltes Waſſer getauchten Tüchern belegt. Das Erbrechen hörte ſofort auf. Den 1Iten wurden von neuem acht Unzen Queckſilber gereicht und die Anwen— dung der Klyſtiere von kaltem Waſſer erneut. Das Erbrechen kehrte nicht mehr wieder. Schon am IIten traten Bewegungen im Darme ein und am 12ten wurden die erſten kothigen Faeces in ungeheurer Menge durch den After entleert. Vom 12ten bis zum 17ten erfolgten, unter Anwendung von Kämpfſchen Visceral⸗ Klyſtieren, Mandelmilch-Emulſionen und nährenden Brühen, täglich zweimal fäculente Stuhlgänge; dann gingen auch vereinzelt Queckſilberkügelchen und graues Queckſilber-Oxydul ab. Am 20. Oktober ging faſt die ganze Maſſe des genommenen Queckſilbers und am 21ſten der Reſt ab. Die Geneſung erfolgte raſch. Die Urin⸗Secretion ſtellte ſich auch wieder her, Heißhunger trat ein und am 2. November verließ die Kranke das Hoſpital vollkommen geſund, nachdem auch alle Spuren von Hydrops geſchwunden waren. — Die Urſa— chen der Krankheit waren die ſchlechte Nahrung der Kranken und die dadurch verlangſamte Thätigkeit der Ver— dauung. Die Krankheit war ein Ileòus mechanicus (stercoraceus). 2) Friedrich L., zwei und dreißig Jahre alt, geſchwächt durch ein catarrhaliſch-gaſtriſches Fieber und durch Tuberkeln der rechten Lunge, kam am 13. November ins Hoſpital. Er litt an einem Leiſtenbruche der rechten Seite, der aber, wie die genaue Unterſuchung mit Beſtimmtheit erwies, nicht eingeklemmt war, an heftigen Leibſchmerzen, Uebelkeiten und Erbrechen, und hatte, wie er ſpäter, nachdem er ſich ganz erholt hatte, ausſagte, ſchon ſeit acht Tagen keinen Stuhlgang gehabt. Die Anwendung von Blutegeln, Calomel zu zehn Gran am 16. November, Aderlaß und Baden blieben ohne Erfolg. Das anfangs unbedeutende Fieber nahm zu, und in der Nacht vom 17ten zum 1Sten November trat Kothbrechen in großen Maſſen ein. Am 18ten wurden zehn Tropfen Tinetura Opii, dann zehn Unzen lebendiges Queckſilber gereicht und darauf der Kranke in ein warmes Bad geſetzt. Das Erbrechen hörte ſchnell auf, aber die ſchmerzhaften Bewegungen des Darms dauerten fort. Am 19. November erhielt der Kranke eine Doſis von ſechszehn Unzen Queckſilber und kalte Umſchläge um den Unterleib. Am 20ſten war noch kein Stuhlgang eingetreten, aber die ſchmerzhaften Be⸗ wegungen des Darms minderten ſich. Auf eine Gabe von Infusum Sennae mit Opium trat Erbrechen ein, mit dem einige Queckſilberkügelchen entleert wurden. Hierauf wurden ſchleimige Getränke, Emulſionen, Kly⸗ ſtiere aus Leinöl angewendet, denen anfangs breiige, dann fäculente Stuhlgänge folgten. Am 28. November kam ein ſtarker Stuhl und mit ihm das Queckſilber, ohne daß Oxydulation eingetreten war. Der Kranke genas vollſtändig. Dieſer zweite Fall war, nach der Anſicht des Herrn Geheimrath Dr. Ebers, eine Intuſſuſception, be⸗ gleitet mit krampfhaften Bewegungen des Darms. Das Queckſilber wirkt rein mechaniſch, hebt die convulſi— viſchen Bewegungen, worauf alsdann andere Mittel angewendet werden können, die ihre Wirkſamkeit zeigen. Nur im Ileus spasticus und stereoraceus iſt das lebendige Queckſilber indicirt, nicht aber im Ileus inflam- matorius. Auch wirkt es nur in großen Gaben. Kleine Doſen werden von der convulſiviſchen Gewalt des Darmes überwunden. 224 Herr Profeſſor Dr. Kuh machte Mittheilungen über feine Verſuche mit der Inhalation von Aether und der während derſelben angeſtellten Operationen. Bei einer Frau, welcher ein Zahn ausgenommen werden ſollte, trat fünf Minuten nach Beginnen der Inhalationen vollkommene Bewußt- und Bewegungsloſigkeit ein. Die Kiefermuskeln waren erſchlafft. Während des Anſetzens des Schlüſſels zuckte ſie, hatte aber nach Been⸗ digung der Operation keine Erinnerung von dieſer. Unmittelbar nach dem Erwachen betrug die Zahl der Pulsſchläge, deren ſonſt neunzig in der Minute ſind, hundert und fünfzig, und eine Stunde ſpäter war ſie auf hundert und vier geſunken. Die ſonſt ernſte Frau zeigte eine gewiſſe Heiterkeit und begleitete ihre Reden größtentheils mit Lächeln. Der Secretair zeigte ein Präparat vor, an dem Scirrhus der Meſenterialdrüſen und der Vasa chyli- fera vorhanden war. Die ſcirrhöſe Entartung erſtreckte ſich nach dem Verlaufe der Milchgefäße, ſo daß dieſer dadurch leicht in die Augen ſprang, jedoch nicht bis in die Zotten. Herr Geheimrath Dr. Ebers brachte noch das unwürdige Treiben eines Arztes zur Sprache, welches zur öffentlichen Rüge Veranlaſſung gegeben hatte. Den 5. März machte Herr Geheimrath Dr. Zemplin Mittheilungen über Salzbrunn. Er hat jetzt ein und dreißig Kurzeiten in Salzbrunn durchlebt, und was in den erſten Jahren die wenigen Beobachtungen, welche ſich ihm darboten, nachwieſen, ſeitdem viel tauſendmal ſich wiederholen ſehen. Jede neue Kurzeit gab eine neue Beſtätigung der vergangenen, und es kann jetzt kein Zweifel vorhanden ſein, daß die Heilkräftigkeit der Salzbrunner Quellen, namentlich des uralten Oberbrunnens, deſſen Wirkſamkeit ſchon vor zweihundert und dreißig Jahren Caspar Schwenkfeld genau ſchilderte, in allen Zeiten anerkannt bleiben wird, da es nicht zu erwarten ſteht, daß die Aerzte ſich gefliſſentlich von ihnen abwenden werden.“) Im Jahre 1846 waren in Salzbrunn 2316 Kurgäſte, unter denen ſich 46 aus Rußland, 98 aus dem Königreiche Polen, 320 aus dem Großherzog Poſen, 14 aus Krakau, 15 aus Galizien, 14 aus anderen öſterreichiſchen Staaten, 3 aus Schweden, 2 aus England befanden. Die übrigen waren aus Deutſchland, mit Einſchluß der deutſchen Provinzen des preußiſchen Staates. Die behandelten Krankheiten waren, wie ge⸗ wöhnlich, der Mehrzahl nach Lungen- und Luftröhren- Krankheiten, Krankheiten des Nervenſyſtems, des Un⸗ terleibes und Seropheln. Der Erfolg der Kur war größtentheils, oft ganz unerwartet, günſtig. In neun und dreißig Fällen hatte die Kur keinen Erfolg. In zehn Fällen erfolgte der Tod. Von dieſen befanden ſich acht bei ihrer Ankunft in Salzbrunn ſchon im letzten Stadium der Lungenſchwindſucht; einer ſtarb apoplek⸗ tiſch, der zehnte an einem anderen acuten Hirnleiden. Herr Geheimrath Dr. Ebers machte ſtatiſtiſche Mittheilungen über die auf öffentliche Kosten in Bres⸗ lau verpflegten Kranken, deren Reſultat dahin ging, daß Vermehrung der Kranken-Anſtalten für Hülfsbedürf⸗ tige kein Bedürfniß ſei. Herr Sanitätsrath Dr. Krocker trug die Krankengeſchichte einer Frau vor, welche an Ileus geſtorben war. Die ſieben und vierzig Jahre alte, früher ſtets geſunde Kranke wurde am 10. Februar ins Kloſter der Eliſabethinerinnen gebracht. Obgleich ſie ſehr einſylbig und verdroſſen war, ſo erfuhr man doch von ihr, daß ſie bei einer Anſtrengung ein Platzen im Leibe gefühlt haben wollte. Seitdem litt ſie an öfterem Erbrechen, an ſchneidenden Schmerzen im Unterleibe und unregelmäßigem Stuhlgange, der aber in der letzten Zeit doch noch zuweilen ſtattgefunden hatte. In den letzten drei Tagen waren alle genoſſenen Speiſen und Getränke weggebrochen. Die Zunge war dabei rein, roth und feucht, der Puls faſt natürlich, doch klein. Eine Hernia war nicht vorhanden. Wohl aber fühlte ſich die untere Bauchgegend ungleich an. Namentlich zeigte ſich ) Caspar Schwenkfeld's Stimme verhallte in der Wuͤſte, die Stimme Zemplin's kann nicht verhallen. Aus einer Wuͤſte hat er ein Paradies geſchaffen, deſſen ſchoͤnſte Zierde ſein Name bleiben wird. 225 links unter dem Nabel eine Anſchwellung von ungleicher Rundung, welche bis an das os pubis reichte und ſeit acht Tagen beſtand. Bald nachdem die Kranke in die Anſtalt aufgenommen worden, erbrach ſie eine grüne gallichte Flüſſigkeit mit einigen Speiſereſten. Die Urin-Secretion war vollkommen aufgehoben. Brechenſtillende und eröffnende Mittel, Klyſtiere von Belladonna und Nicotiana, Opiate, Rieinus-Oel, Ca- lomel u. ſ. w., Schröpfköpfe auf den Unterleib, krampfſtillende Einreibungen, Umſchläge und Bäder blieben ohne Erfolg. Die Auftreibung des Unterleibes dehnte ſich über die rechte Seite allmälig aus. Die ausge⸗ brochene Matrrie hatte ſtets eine grünliche Farbe. Es wurde jetzt eine Invagination des Darmes diagnoſticirt und 16 Unzen lebendiges Queckſilber wurden in zwei Doſen innerhalb einer halben Stunde gereicht. Das Brechen hörte bald auf. Aber nach einigen Stunden trat große Unruhe ein, die Bewegungen des Körpers wurden ſehr läſtig und ſchmerzhaft, auch kehrte das Erbrechen der grünen Materie wieder. Auf die Anwen— dung von Klyſtieren erfolgten unwillkürliche Ausleerungen, aber Queckſilber ging nicht ab. Am fünften Tage ſanken die Pulſe, es trat gänzliche Erſchöpfung ein, welcher der Tod folgte. Der Secretair legte den vom Herrn Sanitätsrath Dr. Krocker der Anatomie überſendeten Darm vor— Die Invagination erſtreckte ſich vom unteren Ende des Ileums bis ins Colon sinistrum, fo daß vom Ende des Ileums, vom Coecum und Processus vermiformis nichts ſichtbar war. Obgleich der eingeſchobene Theil ſich in einer bedeutenden Strecke hervorziehen ließ, fo war dies doch nicht überall möglich, namentlich nicht im Anfange des Colons. Sowohl der die Vagina bildende Theil des Darmes, als auch der invaginirte Theil deſſelben waren ſtellenweiſe brandig. Ein ligamentöſer Strang ging vom Meſenterium zu der Stelle des Darmes, wo die Invagination ihren Anfang nahm. Ueber dieſen Strang hing ein Theil des Ileums, ſo daß dadurch zwei Beutel gebildet wurden, in deren jedem ſich eine faſt gleichgroße Quantität Queckſilbers bez fand (im Ganzen etwa 12 Unzen). Außerdem zeigten ſich zahlloſe kleine Queckſilberkügelchen zerſtreut durch den ganzen Dünndarm bis an die Stelle, wo die Invagination begann, aber nicht über dieſe hinaus. Auf ſolche Weiſe wurde etwa noch eine Unze Queckſilber geſammelt, und eben ſo viel blieb wohl zerſtreut und nicht geſammelt zurück.!) Vorzugsweiſe lagen die Kügelchen zwiſchen den Valvulis conniventibus Kerkringii. An den Schlingen, welche über dem erwähnten Strange hingen, war der Dünndarm entzündet, doch nicht incarcerirt. Vielleicht war bei dem Platzen, welches die Kranke im Leibe gefühlt haben wollte, ein Einriß des Meſenteriums entſtanden und dieſer die erſte Veranlaſſung zur Invagination geworden. Den 9. April hielt Herr Hoſpitalarzt Dr. Günsburg einen Vortrag über Pneumothorax. Er faßte das Reſultat feiner einzelnen Wahrnehmungen in folgenden Sätzen zuſammen: 1) Nach der Statiſtik der Sectionen im Allerheiligen-Hoſpital kommt ein Fall von Pneumothorax unter je hundert und zwanzig Phthi— ſikern vor. 2) In Bezug auf das Vorkommen der Pneumonobroſe beſteht ein Verhältniß gleicher Häufig⸗ keit für rechte und linke Lunge. Die Cavernen der oberen Lappen geben nicht häufiger Gelegenheit zu der— ſelben, als der mittlere Lappen der rechten Lunge. 3) Maſſenhafte Tuberkuloſe giebt dazu weit ſeltener Ge— legenheit, als circumſcripte acute oder inveterirte Tuberkuloſe, die durch recenten Krankheitsvorgang der Erwei— chung unterliegt. 4) Die Entſtehung erfolgt plötzlich, meiſt unter heftigen Schmerzen und unter Erregung der peripheriſchen vaſomotoriſchen Nerven. 5) Die aus den Bronchialäſten durch die Caverne hindurchtretende, ſammt der durch Eiterzerſetzung gebildeten Gasmaſſe hat ſeröſen Erguß auf der Pleura, ſpäter auch meiſtens auf dem Pericardium zur Folge. 6) Die funktionellen Zeichen beim Pneumothorax find unſicher. Huſten, Schmerz, Pulsfrequenz u. ſ. w. ſind eben ſo oft vorhanden, als ſie fehlen, und geben überhaupt keinen pathognomoni— ſchen Charakter. 7) Die Ausdehnung der Thorax-Hälfte, die Anſpannung der Zwiſchenrippenräume, der metalliſch hohe, tympanitiſche Perkuſſionsſchall im ganzen Umfange der Bruſthälfte und der außer allem Ver⸗ ) Während der Section war eine Unze Queckſilber aus dem Magen ausgefloſſen. 29 226 hältniſſe zur Menge des Exſudats ftehende amphoriſche Wiederhall ſämmtlicher Reſpirationsgeräuſche find die charakteriſtiſchen Zeichen. Iſt der Bronchus der durchbrochenen Caverne obliterirt, ſo fehlen die auskultatori⸗ ſchen Zeichen, während die phyſikaliſchen Folgen der Expanſion einer Bruſthälfte durch die Gasentwickelung und der tympanitiſche Percuſſionsſchall unter allen Umſtänden vorhanden ſind. 8) Der auf die Pneumono⸗ broſe folgende Exſudations-Proceß iſt ſelten aufzuhalten, und die Prognoſe daher im Allgemeinen ungünſtig. Die Heilbarkeit iſt nur bei geringer Erregung der vaſomotoriſchen Nerven und bei einer in der Defibrination nicht weit vorgeſchrittenen Blutmiſchung gegeben. Dieſe Bedingungen waren in einem zur Geneſung verlau⸗ fenden Falle vorhanden. Bei vorwiegend ſeröſer Blutmiſchung beſchleunigen dieſe Momente dagegen das Erfudat. 9) Ruhe, Entziehungskur und narkotiſche Mittel, welche die Erregung der Gefäßnerven vermindern, ſind mit günſtigem Erfolge als Heilmittel angewendet worden. Herr Dr. L. Neugebauer machte Mittheilungen über ſeine im vergangenen Herbſte ausgeführte Reiſe nach Paris. Er begann mit einer Ueberficht der dortigen Hoſpitäler. Dieſelben zerfallen in allgemeine, in welchen Krankheiten jeder Art zur Behandlung kommen, ſowohl innerliche als äußerliche, und ſpecielle, welche zur Behandlung beſonderer Krankheitsformen beſtimmt ſind. Aus der Reihe der erſteren wurden beſonders das Hotel-Dieu, in dem unter Anderen die beiden Operateurs Roux und Blandin wirken, die Pitié mit der chirurgiſchen Klinik des ſeitdem verſtorbenen Lisfrance, die Charite und das Hoſpital Necker mit des berühmten Civiale Klinik für Steinkranke, von den letzteren dagegen das als Heilanſtalt für Hautkrankheiten berühmte Hoſpital Louis, und das unter des gefeierten Ric ord Leitung ſtehende Hoſpital du Midi oder des Veneriens hervorgehoben. Herr Dr. N. wies zugleich dabei auf den doppelten Zweck dieſer Anſtalten: als Krankenhäuſer und als ärztliche Bildungs-Inſtitute, hin. Die Art, wie die jungen Aerzte in den Hoſpi⸗ tälern herangebildet werden, iſt eine andere, als ſie im Allgemeinen bei uns üblich iſt. Die jungen Leute treten nämlich, nachdem ſie eine gewiſſe Zeit hindurch als ſogenannte Externes oder Auskultanten die Anſtalten beſucht haben, in Folge beſtandener Konkurs-Prüfung, als ſogenannte Internes in dieſelbe ein. Als letztere haben ſie einen weiteren Wirkungskreis, als die Praktikanten unter den ſtudirenden Medieinern bei uns. Sie verſehen die Stellen von Unterärzten oder beſſer von Gehülfen der Hoſpitalärzte. Die mittelbare körperliche Pflege der Kranken wird in mehreren Hoſpitälern, z. B. in der Pitie, durch Nonnen beſorgt. Die innere Einrichtung der Anſtalten ſelbſt betreffend, fand Herr Dr. N. die Krankenſäle im Allgemeinen ordentlich und ſauber gehalten. Im Hotel-Dieu und in der Pitie, wo fie ſehr geräumig, zu dreißig, vierzig und wohl noch mehr Betten enthalten, ſind ſie ziemlich hell; weniger iſt dies dagegen im Hoſpital Louis der Fall. Ueberflüſſig, wenn nicht gar in diätetiſcher Beziehung tadelnswerth, erſchien ihm der, der Landesſitte entlehnte Gebrauch von Himmelbetten für die Kranken, dem er in der Mehrzahl dieſer Anſtalten begegnet iſt. Die Krankenviſiten, zu denen alle fremden Aerzte durchaus freien Zutritt haben (nur das Gebärhaus, vom Volke la Bourbe genannt, iſt dem Beſuche Fremder jeder Art verſchloſſen), werden von den betreffenden Oberärzten der Anſtalten, die gleichzeitig kliniſche Lehrer ſind, mit belehrenden Bemerkungen und Demonſtrationen über die vorkommenden intereſſanteren Fälle verknüpft. Desgleichen werden in den chirurgiſchen Amphitheatern den vorkommenden Operationen längere Vorträge zur ausführlicheren Beleuchtung der vorliegenden Fälle vorange— ſchickt. Man bedient ſich zu allen dieſen Demonſtrationen ausſchließlich der Landesſprache, da das Latein bei den Franzoſen aus dem Bereiche der praktiſchen ſowohl als theoretiſchen Medicin fo gut wie ganz verbannt iſt. Hieran ſchloß Herr Dr. N. einige ſpeciellere Bemerkungen über Ricord's Behandlungsweiſe der Syphilis, wobei er auf das Werk Lippert's über dieſen Gegenſtand, die Pathologie und Therapie der veneriſchen Krank⸗ heiten, nach Phill. Ricord's neueſten Vorträgen bearbeitet, Bezug nahm, ſodann über Charrieres große Fabrik chirurgiſcher Inſtrumente und Bandagen und über die Vortrefflichkeit der Arbeiten dieſer Fabrik ſowohl, als der, wenn auch bei weitem nicht fo bedeutenden Luer's, eines Deutſchen, ehemaligen Werkführers von Char: viere, und gab endlich noch eine kurze Schilderung des im Jahre 1835 durch Orfila in's Leben gerufenen 227 Musée Dupuytren. Als Glanzpunkt dieſer ſchönen pathologiſch anatomiſchen Sammlung wurden die auf ſyphilitiſche und Hautkrankheiten bezüglichen mannigfaltigen Wachspräparate hervorgehoben, welche, Schöpfun⸗ gen des zu früh für die Wiſſenſchaft verſtorbenen Dr. Thibert, einen großen Theil des Muſeums ausma⸗ chen. Von merkwürdigen Original-Präparaten daraus nannte Herr Dr. N. unter anderen das Becken eines mit ectroversio vesicae urinariae behaftet geweſenen vierzehnjährigen Knaben mit angeborenem Getrenntſein der Schambeinfuge, welches ſo bedeutend iſt, daß die beiden Schambeine 65 Millimeter oder zwei und ein Drittheil Zoll von einander abſtehen, ferner ein von Percy in dem Diet. des sc. med. T. IV. beſchriebe⸗ nes Skelet eines Mannes mit Ankyloſe faſt ſämmtlicher Gelenke des Körpers und mehreres Andere. Endlich machte er auch auf eine in dieſem Muſeum befindliche Zuſammenſtellung in Emaille gut ausgeführter Nach— bildungen krankhafter Zuſtände des Auges aufmerkſam. Herr Privat-Docent Dr. Groſſer ſprach über das Verhalten der glans zu den corporibus caver- nosis penis et urethrae, die cartilago penis et linguae beim Menſchen. Schon vor längerer Zeit machte Mayer“) Unterſuchungen über den Bau des Penis bekannt, welche, obgleich ihre Reſultate nicht ohne Intereſſe waren, dennoch unberückſichtigt geblieben ſind. Es ſchien aber wohl der Mühe werth zu ſein, ſeine Angaben einer Prüfung zu unterwerfen. Zunächſt weicht Mayer darin von der gewöhnlichen Annahme ab, daß er das cavernöſe Gewebe der Eichel nicht als eine Entfaltung der corpus cavernosum urethrae, ſondern als ein ſelbſtſtändiges Ganzes auffaßt. Das Schwellgewebe der Harnröhre iſt bekanntlich von dem der beiden Schenkel des Penis theils durch das feſte Sehnengewebe, welches die letzteren einſchließt, theils durch eine zwar ſchlaffere, aber dabei ziemlich dicke Lage von Bindegewebe, von welchem jene ſelbſt umhüllt wird, geſchieden. Es entſteht nun die Frage, wie ſich dieſe beiden iſolirenden Gebilde in der Eichel verhalten. Daß die eigentlichen corpora cavernosa penis durch ihre albuginea ganz von dem Gewebe der Eichel geſondert werden, iſt eine eben ſo bekannte, als leicht zu conſtatirende Thatſache. Anders verhält es ſich bei dem corpus cavernosum urethrae, welches zwar nirgends mit den obengenannten Schwellkörpern zuſammenhängt, aber wohl in die Eichel überzugehen ſcheint. Wenn man dieſen Schwellkörper betrachtet, fo findet man zu— nächſt feine größte Entwickelung an feinem hinteren Ende, am fogenannten bulbus cavernosus. Von hier an nimmt derſelbe in feinem weiteren Verlaufe bis zur Eichel ſtets an Maſſe ab, und zwar iſt es hauptſäch⸗ lich das Maſchengewebe ſelbſt, welches an Mächtigkeit verliert. Nach dem Eintritte der Harnröhre ſieht man es um dieſes Gewebe zum Theil ganz verſchwinden, ſo daß das urſprüngliche ſubmuköſe und das umhüllende Bindegewebe zuſammenfließen, oder doch nur einige wenige Maſchen zwiſchen dieſen Platten übrig bleiben. Namentlich findet ſich dieſes Verhältniß an der vorderen, der Hauptmaſſe der Eichel zugekehrten Wand. Aber auch an der hinteren Wand pflegen nur noch Reſte des cavernöſen Gewebes von der Fortſetzung der Fascia, welche die Harnröhre in ihrem Verlaufe umgiebt, eingeſchloſſen zu ſein. Die Fascia nun verſchmilzt an dem ostium cutaneum urethrae jedesmal mit dem ſubmuköſen Bindegewebe und verdichtet ſich zu einem fehni- gen Ringe, welcher dieſe Oeffnung umgiebt. Auf dieſe Weiſe durchſetzt die Harnröhre die Eichel, ohne daß ihre cavernöſen Gewebe in einem nothwendigen Zuſammenhange ſtänden. Man kann dieſe Scheidewand ſo— wohl als eine Platte darſtellen, wenn die Harnröhre geöffnet worden iſt, als auch die Eichel von dieſer, ohne ihre Höhle zu öffnen, abpräpariren. Obgleich nun auf dieſe Weiſe ſchon Harnröhre und Eichel als zwei ger ſonderte Theile ſich darſtellen, ſo iſt doch noch außerdem eine Vorrichtung vorhanden, welche die Trennung an einer beſtimmten Stelle noch mehr hervorhebt. Da nämlich, wo die beiden corpora cavernosa penis in die Eichel hineinragen, laſſen ſie zwiſchen ihren abgerundeten Enden eine kleine Bucht, welche nach der Wurzel des Penis zu an das Septum, nach hinten zu an die Fascia der vorderen Harnröhrenwand ſtößt. In dieſer *) Froriep's Notizen, Juni 1834. 29 * 228 Bucht nun entwickelt ſich in weniger ausgebildeten Gliedern ein mehr oder weniger ſtarkes Sehnenbündel, welches an der vorderen Harnröhrenwand fortläuft, mit der Fascia derſelben zuſammenhängt und endlich ſich an annulus fibrosus des ostium cutaneum befeſtigt. Dieſes Sehnenbündel ſetzt ſich ſeitwärts fort über die Spitzen beider corpora cavernosa in eine mit Sehnenfaſern durchwebte, zuweilen ganz aus ihnen beſtehende Zellhaut, welche mit ihrer hinteren Fläche ſich an die Fascia der Harnröhre anlegt und eine Verſtärkung der⸗ ſelben darſtellt. Seitwärts werden die Sehnenfaſern immer geringer und die Haut geht ohne beſtimmte Grenze hier in die genannte Fascia über. Die Sehnenfafern, welche ſich auf dieſe Weiſe von der tunica albuginea der corpora cavernosa penis an ihrer Spitze entwickeln, gehen häufig in einer Bogenlinie von einer Seite zur andern, indem fie ſich durchkreuzen und Lücken zwiſchen ſich laſſen, welche durch weniger ſoli⸗ des Gewebe ausgefüllt ſind. Zuweilen treten durch dieſe Lücken Gefäße, welche die Schwellgewebe der Eichel und der Harnröhre in Verbindung ſetzen; ein Vorkommen, welches hauptſächlich in den Fällen beobachtet wird, wo an der vorderen Harnröhrenwand eine dünne Lage cavernöſen Gewebes übrig geblieben iſt. In der größeren Mehrzahl der Fälle kann dieſe Sehnenhaut jedoch als ein Continuum dargeſtellt werden, welches keine Durchbohrung von Gefäßen zeigt. So wie nun dieſe Haut, welche als Verſtärkung der Harnröhren— Fascia von der tunica albuginea der corpora cavernosa penis entſpringt, verſchiedene Stufen der Ent: wickelung zeigt, ſo findet ſich ein ähnliches Verhalten auch an dem Gebilde, welches als Fortſetzung des Septums auftritt. Iſt es nur wenig entwickelt, ſo beſteht es in einem Bündel von Sehnenfaſern. Bisweilen nimmt es aber einen bei weitem größern Umfang ein, entſpringt nicht blos aus dem Grunde der Bucht, welche ſich zwiſchen den corporibus cavernosis penis befindet, ſondern auch von den einander zugekehrten und die Seitenränder der Bucht bildenden Wänden der genannten Körper. Während ſo ſeine Baſis einen bei weitem größeren Umfang erreicht, pflegt dies bei dem Ende deſſelben am annulus fibrosus weniger der Fall zu ſein, ſo daß es ſich alſo in dieſer Richtung verjüngt. Die größere Entwickelung geſchieht aber nicht blos in der Dimenſion der Breite, ſondern auch nach der Dicke. Die Sehnenfaſern entſpringen in dieſem Falle nicht blos aus dem Theile der Bucht, welcher der Harnröhre zugekehrt iſt, ſondern auch aus dem gegen das corpus cavernosum glandis ſehenden. Die Maſſe der von dieſer Stelle entſprungenen Faſern vermindert ſich dann auf dieſelbe Weiſe gegen das ostium cutaneum urethrae zu, fo daß der ganze ſehnige Körper im Allgemeinen eine pyramidale Form erhält. In noch höherem Entwickelungsgrade findet ſich an dieſer Stelle ein knorpel⸗ artiger Körper, welcher faſt dieſelben Verhältniſſe, ſowohl was Form, als was Urſprung, Ende und Begren⸗ zung betrifft, zeigt. Das ſtärkſte Exemplar von denen, die Herr Dr. Groſſer bei ſeinen Unterſuchungen fand, hatte die Geſtalt einer dreiſeitigen Pyramide, ruhte in der Bucht zwiſchen den corpora cavernosa pe- nis, kehrte eine Fläche der Urethra zu, während die ihr gegenüber liegende Kante in das Gewebe der Eichel ſtark vorſprang. Der dieſem Exemplare an Größe zunächſt ſtehende Knorpel hatte eine mehr kegelförmige Geſtalt. Beide, ſo wie noch einige andere, weniger große, zeigten dem bloßen Auge und dem Taſtſinne alle Eigenſchaften des Knorpelgewebes. Anders verhielt es ſich bei der mikroſkopiſchen Unterſuchung, wozu Herr Dr. G. aber nur kleinere Exemplare benutzt hatte, um dem Muſeum die ſtärkeren unverletzt zu erhalten. Dieſe zeigten den Körper durchaus aus Sehnengewebe beſtehend, jedoch mit einer ſehr großen Zahl von Kern= faſern durchſetzt. Die im Centrum befindlichen Sehnenfaſern liefen der Längsrichtung nach von der Baſis zur Spitze; die äußeren dagegen liefen in mehr oder weniger querer Richtung um die erſteren herum, ſich vielfältig durchkreuzend. Herr Dr. Groſſer glaubt, daß mitunter ſich wohl auch Inſeln von Knorpelſubſtanz finden mögen, da auf der einen Seite eine ſolche accidentelle Knorpelbildung im fibröſen Syſtem zu den ziem⸗ lich häufigen Vorkommniſſen gehört, auf der andern Seite die unverkennbare Analogie dieſes Gebildes mit dem Ruthenknorpel und Ruthenknochen mancher Säugethiere noch mehr darauf hinzudeuten ſcheint. — Ein ähnliches Verhältniß zwiſchen fibröſem und knorpligem Gewebe, wie der oben beſchriebene Körper in der Ruthe, bietet der ſogenannte Zungenknorpel dar. In der bei weitem größeren Anzahl der Fälle beſteht dieſer nur aus einem ſehnigen oder zellgewebigem Blättchen zwiſchen den Querfaſern der Zunge, welches als ſolches ſogar nur 229 an der Wurzel deutlich zu fein und gegen die Zungenſpitze zu in einen einfachen Sehnenfaden, der ſich dann bald verliert, überzugehen pflegt. Es kommen aber auch hier zuweilen mehr oder weniger ſtarke knorplige Scheidewände vor. In einem Falle, den Herr Dr. G. im Winter 1847 fand, erſtreckte ſich dieſe Scheider wand zwiſchen den Faſern des stratum transversum ununterbrochen bis zu der Spitze der Zunge. Die größte Stärke beſaß dieſer Zungenknorpel allerdings an der Wurzel der Zunge, wo er auch Knorpelgewebe enthielt; nach vorn zu beſtand er aber aus Sehnengewebe. Sein oberer Rand hing mit der Haut des Zun⸗ genrückens zuſammen, ſein unterer hörte mit den Faſern des Stratum transversum auf. — Die beſprochenen Gegenſtände wurden durch Präparate erläutert. Den 7. Mai hielt Herr Privat-Docent Dr. Seidel einen Vortrag über den Vipernbiß. Zuerſt ſprach Herr Dr. S. über die in Schleſien vorkommenden Schlangen überhaupt, die giftloſen: Anguis fragilis, Coluber austriacus, Col. natrix, und die giftigen: Vipera berus und deren Varietäten, Vipera chersea und Vipera prester. Letztere kommt vorzüglich am Iſerkamme und in Oberſchleſien bei Kupp, Karlsruhe und Koſel vor. — Die Schlangen wurden von den Alten theils als Symbol der Liſt und der Luſt, theils als Symbol der Fruchtbarkeit (in Aegypten) und ſomit als guter Genius, ayadodaıuwv, als Symbol der Zauber- und Heilkraft (als ſolches waren fie Attribut des Aeſculap) und als Symbol der Sehergabe und der Weisheit betrachtet. Als Letzteres waren die Schlangen von den Griechen dem Traum ſpendenden Apoll bei— gegeben und wurden deshalb bei den Orakeln aufbewahrt. In der Mediein ſind die Vipern in verſchiedenen Zeiten, in verſchiedenen Krankheiten und Formen angewendet, in Pulverform, als Viperae exsiccatae, als Trogisci Viperarum, als Brühen (Jus) und als Gelatina Viperarum. Aus der Caro Viperarum mach⸗ ten die Griechen Paſtillen. Die Galle der Vipern wurde gegen Hornhautflecken ins Auge geſtrichen, und in Ungarn iſt die Viperngalle ein Volksmittel gegen Epilepſie. Der Vipernbiß iſt gegen Hydrophobie empfohlen. Gewöhnlich tödtet der Biß der Viper nicht, aber zuweilen iſt dies doch der Fall. Im Jahre 1845 ſtarb in Lomnitz (im Hirſchberger Thale) eine Beerenleſerin an Vipernbiß. Im Auguſt 1846 wurde eine robuſte Fleiſchersfrau aus Agnetendorf, welche an einem heißen und ſchwülen Tage oberhalb Giersdorf in einem Thale zwiſchen Saalberg und Silberlehne, wo beſonders viele giftige Schlangen find, baarfuß Himbeeren ſammelte, in den Rücken des rechten Fußes gebiſſen. Die Frau band ſogleich ein Tuch feſt über den Knöcheln des ge— biſſenen Fußes und wuſch ſich die Wunde mit kaltem Waſſer aus. Schon während des Gehens nach ihrer Wohnung, wo fie ungefähr %, Stunden ſpäter ankam, wurde der Fuß bläulich und ſchwoll bis über das Knie an. Ungefähr vier Stunden ſpäter ſah Herr Dr. S., der von Hermsdorf gerufen war, die Kranke. Die Geſchwulſt der gebiſſenen Extremität hatte jetzt die Inguinal-Gegend erreicht; die Bißwunde war nur an einer bläulichrothen Färbung zu erkennen und ſehr ſchmerzhaft; die Haut des geſchwollenen Gliedes war gelblichweiß, geſpannt, glänzend, kalt, ſtellenweiſe große livide Flecke zeigend. Das Geſicht war entſtellt, auf gedunſen, die Kranke fühlte ſich matt, war ſehr ängſtlich, klagte über Fröſteln; von Zeit zu Zeit trat Würgen und Erbrechen einer ſchleimigen Flüſſigkeit ein. Der Puls war ſehr frequent, aber regelmäßig, die Temperatur allgemein vermindert. Herr Dr. S. legte ein Emplastrum Cantharidum auf die Bißwunde, ließ Bähungen des geſchwollenen Gliedes mit einer Miſchung von Salmiakgeiſt und Terpentinöl anſtellen, gab innerlich Schwefeläther, Camphor und Tinctura Opii. Indeſſen ſtiegen die krankhaften Erſcheinungen. Nach einigen Stunden war der rechte Fuß doppelt fo dick als der linke, der Durſt war unerträglich, der Puls betrug hun⸗ dert und vierzig Schläge in der Minute, allgemeiner Ieterus trat ein, die Temperatur ſank tiefer, fo daß die Kranke ſich kalt anfühlte wie ein Froſch; mit Auftreibung des Unterleibes traten vermehrte Stühle ein, die höchſte Angſt ging in einen Zuſtand paſſiver Gleichgültigkeit über, wobei aber das Bewußtſein blieb. Das Blaſenpflaſter blieb ohne Wirkung. Es wurden große Gaben von Camphor, Tinctura Opii und Wein ge⸗ reicht. Doch trat keine merkliche Reaction ein. Länger als zweimal vier und zwanzig Stunden blieb die Kranke in dem erwähnten Zuſtande. Dann runzelte ſich die Epidermis, die Temperatur der Haut ſtieg, der 230 Puls ſank auf hundert Schläge, der leterus ſchwand, in der Wunde trat Eiterung ein und unter Anwen: dung von Analeptieis und Roborantibus genas die Frau in acht Tagen. Die Epidermis der gebiſſenen Extremität ſchälte ſich vollſtändig ab. Herr Dr. Lehr knüpfte hieran die Mittheilung von fünf Fällen, in welchen Perſonen an den unteren Extremitäten in den heißen Monaten von Vipern gebiſſen worden. Die Geſchwulſt ſtieg auch bis in die In⸗ guinalgegend. Alle Gebiſſenen wurden geheilt, auch die, welche die Verordnungen des Arztes nicht befolgten. Herr Profeſſor Dr. Kuh hielt einen Vortrag über Aether-Inhalationen, der ſich an die in der Ver⸗ ſammlung am 5. Februar gemachten Mittheilungen anſchloß. Herr Profeſſor Dr. Kuh hat zehn Operationen an acht Individuen, welche den Inhalationen unter⸗ worfen wurden, angeſtellt. Effekt zeigte ſich bei allen, aber auf eine ſehr verſchiedene und nicht immer er⸗ wünſchte Weiſe. Der Puls ſtieg bei allen, mit einer einzigen Ausnahme, bis auf hundert und zwanzig Schläge in der Minute, oder noch darüber. Die eine Ausnahme betraf eine Frau, an welcher die Amputation der Bruſt angeſtellt wurde. Hier ſank die Zahl der Arterienſchläge von achtzig auf fünfzig, das Geſicht war collabirt. Bei einem Menſchen, dem der Unterſchenkel amputirt und bei dem die Inhalation 25 Minuten fortgeſetzt wurde, war im tiefſten Sopor das Geſicht hochroth, die Augenlieder waren geſchloſſen, die Frequenz der Pulſe enorm. Selbſt kleine Arterien in der Markhaut der Tibia ſpritzten, während bei der gedachten Frau kein durchſchnittenes Gefäß ſpritzte. Die Empfindungen geſtalteten ſich in Folge der Inhalationen auch ſehr verſchieden. Von drei Fällen nimmt Herr Profeſſor Kuh an, daß vollkommene Schmerzloſigkeit einge= treten ſei, doch zeigten ſich auch hier bei zweien von dieſen Reactionen. In dem einen dieſer Fälle wurde die Strabotomie gemacht. Die Kranke ſchlug um ſich, trat Herrn Dr. Kuh auf den Fuß; in dem anderen, bei der erwähnten Amputatio Mammae, ftöhnte und ächzte die Frau. Bei der erwähnten Amputatio Cruris wurde der Aetherrauſch während der Operation unterbrochen. Der Kranke ſchrie entſetzlich und ſprach, hatte aber nach Beendigung der Operation keine Erinnerung ſeines Schmerzes. In den mehrſten Fällen war der Schmerz nicht aufgehoben, ſondern nur vermindert. Ein junger Mann, der das linke Auge verloren hatte und an Wucherungen von Granulationen in der linken Augenhöhle litt, ließ ſich dieſe von Zeit zu Zeit exſtir⸗ piren. Früher hatte er dieſe Operation ſchon im Aetherrauſch an ſich anſtellen laſſen und keine Schmerzen empfunden. Das letzte Mal fehlte der Schmerz nicht ganz, war aber geringer. Er behauptete im Aether- rauſch ſchärfer gehört zu haben. Bei drei Operationen, von denen zwei zu verſchiedenen Zeiten an demſelben Individuum angeſtellt wurden, war der Schmerz nicht einmal vermindert. Bei der letzteren, einer Perforatio Antri Highmori, traten ſtatt der Narcoſe bei ſtarken Congeſtionen nach dem Kopfe Reizung des Magens und Erbrechen ein. Der Schmerz war ſehr heftig. Im Muskelſyſtem zeigten ſich in Folge der Inhalationen die abweichendſten Zuſtände. Zwei Kranke ſchlugen um ſich. Bei den andern waren die Muskeln im Allge⸗ meinen ſchlaff, ſehr flexibel, der Unterkiefer war leicht vom Oberkiefer zu entfernen. Erweiterung der Pupille ſah Herr Profeſſor Kuh nicht, wohl aber Ophthalmospasmus. Deshalb verwirft Hr. Dr. K. die Aether Inhalationen bei Augen-Operationen, namentlich bei Erwachſenen, bei welchen die Einwirkung des Willens auf die Thätigkeit der Augenmuskeln dem Arzte zu Hülfe kommen kann. Die Heilung der Wunden erfolgte überall ſchnell. Auch bei der Frau, der die Mamma amputirt wurde, gelang die prima Intentio vollſtändig. Hr. Prof. Kuh erwartet von den Inhalationen beſonders günſtige Folgen bei der Reduction von Luxationen durch Erſchlaffung der Muskeln, vielleicht auch bei Hernien. Herr Wundarzt erſter Klaſſe Weigert knüpfte hieran die kurze Mittheilung eines Falles, in dem die Herniotomie unter Aether-Inhalationen angeftellt wurde. Die Narcoſe war vollſtändig. Keine Spur des Schmerzes zeigte ſich. Aber ſechs und dreißig Stunden nach der Operation ſtarb der Kranke doch am Brande. Herr Dr. Krocker junior bemerkte, daß in Reichenſtein kürzlich eine Amputatio Mammae im Aetherrauſch verrichtet worden. Fünf Stunden nach der Operation ſtarb die Kranke. 231 Am 4. Juni hielt Herr Dr. Levy einen Vortrag über den genius morborum der beiden erſten Monate im Jahee 1847, als einen Verſuch zur Einführung ſtehender Vorträge über die herrſchende Luft- und Krankheits⸗Conſtitution. Nach den vom Herrn Profeſſor v. Boguslawski Herrn Dr. Levy mitgetheilten Beobachtungen läßt ſich der allgemeine Witterungs-Charakter im Januar folgendermaßen bezeichnen: Ab⸗ wechſelnd heiterer und trüber Himmel, ſehr wenige atmoſphäriſche Niederſchläge, im Ganzen mittlerer Baro— meter und Thermometer-Stand, hohe, beinahe volle Dunſtſättigung und öſtliche Windrichtung. Der Krank heitscharakter war vorherrſchend der entzündliche. Bei der Auffaſſung des Proceſſes in der Entzündung muß ein einſeitiges Hingeben an die rein anatomiſche, mikroſkopiſche, chemiſche, phyſikaliſche, vitaliſtiſche Richtung ausgeſchloſſen werden. Der Entzündungsproceß aber iſt nur Ernährungsproceß unter abgeänderten Bedingun⸗ gen, ſetzt ſich alſo auch aus deſſen Elementen zuſammen; beſteht in Anziehung zwiſchen Blut und feſten Theilen und Ausſchwitzung. Die Anziehung zwiſchen Blut und feſten Theilen iſt lokal, auf Koſten Anderer abnorm geſteigert, gleichviel, ob nach Henle aus antagoniſtiſcher Lähmung und Erſchlaffung der Kapillarge⸗ fäße, oder umgekehrt entftanden, lokale Hyperämie, Congeſtion, in Folge deren Ausſchwitzung eines der Orga⸗ niſation, Zellenbildung in verſchiedenem Grade fähigen, aber durch Untauglichkeit für den Geſammt-Organis⸗ mus charakteriſirten Cytoblaſtem's; untauglich, weil es Product eines ſchon durch die Congeſtion ſelbſt patho= logiſch gewordenen, in ſeinen Beſtandtheilen nachgewieſenermaßen morphologiſch und chemiſch veränderten Blutes iſt. — Der Brouſſais'ſche Irrthum, in jeder Krankheit Entzündung zu ſehen, wird hierdurch ausgeſchloſſen, wenn man bedenkt, daß erſtens nicht jede Exſudation die Folge einer Hyperämie, ſehr oft ſogar die des Gegentheiles iſt; zweitens jede Hyperämie, Congeſtion nicht Entzündung iſt und zu werden braucht, ſondern ſich einmal ausgleichen kann, wie dies bei den phyſiologiſchen Hyperämien, die ſchon durch jeden Reſpirations-Act bedingt werden, der Fall iſt; drittens aber zur Hämorrhagie werden kann, wenn bei geringerer Widerſtandskraft der Gefäßwände dieſe berſten. Demnach ſind Entzündung und Hämorrhagie nahe verwandte Krankheitsproceſſe, wie ſie denn auch oft in einander übergehen, neben und mit einander, und durch gleiche Witterungseinflüſſe bedingt, vorkommen. So kamen auch im Januar Hämorrhagien: Cerebralapo⸗ plexie, Hämoptyſe, und von Entzündungen namentlich Lungenentzündung, Pleuritis und Hydrocephalus acutus in Behandlung. Von Catarrhen ſpricht Herr Dr. Levy nicht beſonders, weil dieſe nur entzündliche Proceſſe auf den Schleimhäuten ſind, von deren anatomiſchen Bau zum Theil die Verſchiedenheit des Exſu⸗ dats bedingt wird. Von nachtheiligen practiſchen Folgen kann dieſe Betrachtung des Catarrhes wohl nicht ſein, wenn bei Entzündung nicht ſogleich an Aderlaß gedacht wird. Herr Dr. Levy erörterte, wie wenig bis jetzt die Wirkung der Venäſection auf die Blutmiſchung mit Sicherheit feſtgeſtellt ſei. Auch die Reſultate der verſchiedenen Blutmiſchungs-Unterſuchungen find noch äußerſt unſicher. Die bloße pathologiſch-anatomiſche Beurtheilung der Blutkraſen, als deren Hauptträger Rokitanski und Engel genannt werden müſſen, iſt ſchon durch den ſehr ungewiſſen Rückſchluß von der Beſchaffenheit des Exſudats auf die primäre Kraſe trüs geriſch; dabei find die Kategorien fo generell, daß die in der Erſcheinung und dem Proceſſe differenteſten Krank: heiten unter eine und dieſelbe Kraſe ſyſtematiſirt werden. Es giebt bei Rokitanski und Engel eigentlich nur zwei primäre Kraſen: die arterielle oder hyperinotiſche oder entzündliche, und die venöſe oder hypinotiſche oder albuminöſe. Unter die letztere werden die acuten Exantheme, der Typhus, der acute Rheumatismus, die Brightſche Krankheit, die Miliartuberkuloſe, der Cancer medullaris, die Hypertrophie des rechten Herzens, Fettſucht, Scorbut, Säuferdyskraſie ſubſumirt. — Die Chemie hat eine eigentlich entzündliche Kraſe, die allen Entzündungen gemeinſam wäre, bis jetzt nicht nachgewieſen. Nur die alte Spissitudo sanguinis iſt widerlegt worden, indem Hewſon, nach Häſers Bericht, die relative Verminderung der feſten Theile behauptet, und Magendie experimentell nachgewieſen hat, daß, je dünnflüſſiger das Blut iſt, um ſo leichter Stockungen in den Capillargefäßen entſtehen. Bei den Entzündungen verſchiedener Organe wird die chemiſche Blutmiſchung ſehr verſchieden gefunden; fo bei Pneumonie ſtarke Vermehrung des Fibrlne, mäßige Eiweisvermehrung und Verminderung der alkaliſchen Salze; bei Pleuritis größere Vermehrung des Eiweißes, geringere der Fibrine; 232 bei Bronchitis als Hauptmerkmal Verminderung der Blutkügelchen. Es iſt daher zur Annahme einer pri— mären entzündlichen Kraſe, die ſich erſt in einem Organe lokaliſire, kein Grund vorhanden, im Gegentheil die Blutmiſchung eher als durch primäres Organleiden bedingt anzuſehen. Dieſes iſt daher Hauptgegenſtand der Diagnoſe. — Herr Dr. Levy knüpfte hieran die Mittheilung eines Falles von Pneumonia tuberculosa mit veraltetem pleuritiſchen Exſudat, und erklärt, daß das Vorkommen von Pyin in den Sputis der von Pneu⸗ monie Geneſenen nicht, wie Zehetmair behauptet, die Nothwendigkeit der eitrigen Schmelzung der rothen Hepatiſation bedinge, wenn die Pneumonie in Heilung übergehen ſolle, da Pneumonien auch aus dem zweiten und ſelbſt dem erſten Stadium ſich zurückbilden können und das Pyin auch in jedem intenſiven Catarrh ger funden wird. Geneſung von Pneumonie geſchieht zwar bei jeder Behandlung. Scoda, der nur in äußerſt ſeltenen Fällen zur Ader läßt, will Herr Dr. L. nicht als therapeutiſches Muſter gelten laſſen. Eben ſo urtheilt Herr Dr. L. über Krüger-Hanſen. — Die hypoſtatiſche Lungenentzündung iſt eigentlich kein Krankheits-, ſondern ein Todes-Proceß in wahrem, nicht Schult'ſchem Sinne. Sie unterliegt daher auch nicht ärztlicher Behandlung. Herr Dr. L. ſprach ſodann über Pneumonia biliosa und Kinder Pneumonie, deren Bösartigkeit er beſonders durch die hier erfolgende Pyämie erklärte. Die Reſorption des eitrig geſchmol— zenen Exſudats iſt bei kleinen Kindern um ſo leichter möglich, als die Expectoration hier viel ſchwieriger iſt u. ſ. w. Hieran ſchloß Herr Dr. Levy noch Betrachtungen über den Keuchhuſten und entzündliches Leiden der Darmſchleimhaut, vorzüglich der Dyſenterie. — Im Februar war im Allgemeinen der Witterungscharakter bezeichnet durch: trüben Himmel, viel atmoſphäriſche Niederſchläge, kaum mittleren, faſt immer ſchwankenden Barometerſtand, mittlere, jedoch häufig wechſelnde Temperatur, hohe, im Abnehmen begriffene Dunſtſättigung und weſtliche Windrichtung. Die vorherrſchende Krankheits-Conſtitution war die rheumatiſche. Eryſipelaceen, Ekzema simplex und rubrum, auch Typhus kamen vor. Herr Dr. Levy ſprach über die Gleichheit der Blutmiſchung beim Rheumatismus und bei den Eryſipelaceen und das gleichzeitige Vorkommen beider Krank⸗ heitsformen, ſowohl in derſelben Jahreszeit, als in demſelben Individuum, und knüpfte hieran Betrachtungen über die verſchiedenen Behandlungsweiſen des Rheumatismus durch Diuretica, Diaphoretica, Aderlaſſen, Chinin u. ſ. w. Bei chroniſchem Rheumatismus hat Herr Dr. L. das Chinin mit Erfolg angewendet, bei acutem Gelenk-Rheumatismus muß er dagegen dem Nitrum das Wort reden. In Betreff des Typhus ber merkte Herr Dr. L., daß der Typhus keine Dothienenteritis iſt, die Geſchwüre nicht ſein Weſen ſind. Ty⸗ phus und Febris intermittens find aber einander nahe verwandt. Die Milz- Affection iſt beiden gemein⸗ ſchaftlich. Typhus und Intermittens gehen als Epidemien in einander über, und eben ſo im Individuum. Die Tertiana wird zum Typhus und umgekehrt, wie Hr. Dr. L. dies aus ſeiner Praxis auf dem Hinterdom nachweiſen kann, wo die Intermittens endemiſch iſt. Auch die Mittel, welche gegen die Intermittens paſſen, werden mit Erfolg im Typhus angewendet, wie z. B. das Chinin u. ſ. w. Der Secretair zeigte eine lebende Lammsmißgeburt vor mit doppelten vorderen Extremitäten. Den 2. Juli theilte Herr Geheimrath Dr. Ebers die Geſchichte eines Ileͤẽns stercoraceus mit, der einen tödtlichen Ausgang nahm. Eine 44jährige Frau, deren Verdauung ſchon ſeit längerer Zeit durch den Genuß ſchlechter Nahrungsmittel geſtört war, ſeit vierzehn Tagen keinen Stuhlgang mehr gehabt hatte und bereits ohne Erfolg mit draſtiſchen Mitteln behandelt worden war, wurde am 7. April in das Hoſpital Aller Heiligen gebracht. Der Unterleib war ſehr aufgetrieben, der Darmkanal durch die Bauchwandungen zu fühlen. Beſonders erſchien die Flexura iliaca ſtark von Koth ausgedehnt. Sonſt war der Unterleib hart, ſchmerzlos, die Kranke ſehr torpid, die Haut trocken, kalt, das Geſicht bleich, eingefallen, das Auge erloſchen, der Puls ſchwach und langſam. Alles, was die Kranke zu ſich nahm, wurde ſogleich ausgebrochen. Abends trat auch Kothbrechen ein. Es wurden, nach Voranſchickung einer Gabe von Tinctura Opii, zwanzig Unzen lebendigen Queckſilbers gegeben. Sogleich hörte das Erbrechen auf. Es wurden einige leichte Nahrungsmittel, Brühe und Milch, gereicht, welche von der Kranken nicht weggebrochen wurden. Stuhlgang erfolgte jedoch nicht; 233 Klyſtiere gingen ohne alle Wirkung ab. Am neunten wurden ein Scrupel Oleum Crotonis in den Nabel eingerieben. Am elften und zwölften traten ſtarke, ſchmerzhafte Bewegungen im Darme ein. Es wurden Blutegel an den Unterleib gelegt und kalte Ueberſchläge über die Magengegend gemacht, worauf die Schmerzen wichen, aber die Kräfte ſanken. Schluchzen und wenig Stuhlgang loffenbar aus dem Maſtdarme) folgten. Am vierzehnten trat wieder Erbrechen einiger genoſſenen Speiſen mit fäculentem Geruch ein. Nach Anwen⸗ dung von Camphor und Moſchus zeigte ſich ſichtbare Erleichterung. Die Kräfte hoben ſich. Die Kranke wurde in ein warmes Bad gebracht, Breiumſchläge wurden über den Unterleib gelegt. Am fünfzehnten wur— den Klyſtiere von Glauberſalz angewendet. Es traten jetzt maſſenhafte Stuhl-Entleerungen, theils breiigen, theils feſten Kothes ein. Dieſe betrugen über 60 Quart. Der Unterleib ſank jetzt zuſammen, doch konnte man durchs Gefühl zwiſchen den leeren Darmtheilen immer noch gefüllte erkennen. Am ſechszehnten ſanken die Kräfte auffallend und am ſiebenzehnten erfolgte plötzlich der Tod. Vom Queckſilber waren nur vereinzelte Kügelchen abgegangen. Im Herzbeutel fand ſich bei der Section etwa eine Unze Serum, die Leber war fett⸗ haltig, die Milz klein. Dünn- und Dickdärme waren ſackartig ausgedehnt, das Cöcum kopfgroß. Die Schleimhaut des Ileums und die Submucoſa waren geſchwellt, eben ſo die Submucoſa und die Schleimhaut des Colons, die dunkel geröthet erſchien. In den Peyer’fchen Drüſen befanden ſich linſen- und bohnengroße Geſchwüre, die zum Theil quer geſtellt waren. An den ſolitären Drüſen erſchienen die Follikel wie ausge⸗ fallen. Der Dünndarm enthielt das Queckſilber. — Herr Geheimrath E. iſt der Meinung, daß die organi⸗ ſchen Veränderungen in dieſem Falle die Urſache des Todes waren und eine frühere Anwendung des Queck⸗ ſilbers die Kranke gerettet haben möchte. Herr Geheimrath Dr. Ebers machte ferner Mittheilungen über einen 45jährigen geiſteskranken Schu⸗ ſtergeſellen, welcher der Gegenſtand gerichtlicher Unterſuchung geworden war. Früher körperlich ſtets geſund, hatte der Kranke ſeit ſeinem 35ſten Jahre an periodiſchen Hämorrhoidal-Blutflüſſen gelitten. Sonſt hatte er aber von Kindheit an beſchränkte Verſtandeskräfte gezeigt, war in der Schule faul geweſen, hatte kaum leſen und ſchreiben gelernt. Als Schuſterlehrling war er träg' und ſaumſelig, wurde deßhalb von ſeinem Meiſter fortgejagt, kam dann als Vagabund ins Correctionshaus, wurde aber hier nicht gebeſſert, und trieb ſich, nach ſeiner Entlaſſung aus der Anſtalt, als lüderlicher und boshafter Bettler umher. Zu Ende des Jahres 1830 erhielt er ein Unterkommen im Kommunalhauſe. Es zeigten ſich jetzt bei ihm Spuren von Seelenſtörung. Seine Stimmung wurde melancholiſch, mit periodiſchen Anfällen von Manie. Er hatte damals ſeit fünf Wochen an heftigen Hämorrhoidal- Blutungen gelitten, die in abdominellen Stockungen begründet waren, welche wiederum durch ſeine unregelmäßige Lebensweiſe bedingt waren und muthmaßlich in Causalnexus zur Ent⸗ wickelung der pfychifchen Alienation ſtanden. Die Blutflüſſe dauerten während der heftigen Anfälle von Manie fort. Nach einem dreivierteljährigen Aufenthalte in der Irrenanſtalt zu Leubus wurde er aus dieſer geheilt entlaſſen. Er war jetzt aber auch moraliſch gebeſſert, fleißig, friedlich, ordentlich, und blieb in dieſem Zuſtande zwölf Jahre hindurch. Zu Anfang des Jahres 1845 wollte er ſich verheirathen, wurde aber bei feiner Be⸗ werbung abgewieſen. Zu Anfang Mai's 1846 ſtellte ſich wieder der Trieb zu unſtetem, zweckloſen Umher⸗ treiben ein, dem ſich Seelenſtörungen bald zugeſellten. Er beging die widerſinnigſten Exceſſe auf offener Straße, wurde ins ſtädtiſche Gefängniß gebracht, hier von einem Wundarzt bis zur Ohnmacht zur Ader gelaſſen, ver⸗ fiel darauf in einen zweiſtündigen Schlaf, dem aber eine maniatiſche Aufregung folgte, welche ſich durch Schimpfen, Toben und die unvernünftigſten Handlungen ausſprach. In der Verſammlung am 6. Auguſt, in welcher Herr Hofrath Dr. Borkheim den abweſenden Se: cretair vertrat, hielt Herr Hofrath Dr. Burch ard einen Vortrag über den Unterſchied zwiſchen den reifen, kindlichen und erwachſenen Becken. Die Erkenntniß der Becken beim Lebenden iſt der Probierſtein, an wel⸗ chem ſich Männer vom Fache erkennen, die Grundlage einer rationellen Geburtshülfe. In Betracht des rei⸗ fen Beckens hält man ſich ungefähr an folgende Grundlagen: 1) Es exiſtirt eine Normalität der Becken⸗ 30 234 form, welche die Scale für eine große Zahl abgiebt und welche mit dem normalen Kindeskopfe den Begriff der regelmäßigen Geburt abgiebt. 2) Es exiſtirt ein Unterſchied zwiſchen dem männlichen und weiblichen Becken. 3) Das regelmäßige Becken begreift verſchiedene Urformen. 4) Die Schädelform der Frucht ſteht mit der Beckenform der Mutter in einer gewiſſen Beziehung. 5) Die regelwidrigen Beckenformen werden während des Lebens erworben und behaupten einigermaßen Ständigkeit. — In Betracht der kindlichen Becken hält man bis heute die Behauptung feſt: 1) Daß in dem Becken der Neugeborenen wie der heranwachſenden Kinder kein Geſchlechtsunterſchied wahrzunehmen iſt. 2) Daß der Geſchlechtsunterſchied ſich erſt mit den Jah⸗ ren der Pubertät entwickelt. 3) Daß dieſe Entwickelungen ungeachtet der Entwickelung der weichen Ge⸗ ſchlechtstheile, der Schwangerſchaft und Geburt ausbleiben können. 4) Daß die Form des kindlichen Beckens ganz diejenige fei, welche man fpäter bei dem reifen männlichen Becken wahrnimmt. — Herr Hofrath Bu r⸗ chard bemühte ſich darzuthun: 1) Daß die Beckenform angeboren ſei und die letztere ſchon mit der früheſten Entwickelung des Embryo beginne. 2) Daß es gewiſſe Urformen giebt, welche ihren Bildungsgang im Fötus verfolgen. 3) Daß in dieſem Typus ſelbſt das Größenverhältniß des Beckens begründet ſei. 4) Daß das Becken in ſeiner Entwickelung theilweiſe oder ganz gehemmt werden kann. 5) Daß ſich ſchon bei dem neu⸗ geborenen Kinde die Geſchlechtsunterſchiede beſtimmen laſſen. 6) Daß ſelbſt Deformitäten, welche bei Er—⸗ wachſenen erworben werden, im Fötus-Leben vorkommen. 7) Daß in Beziehung auf die Form des Kindes⸗ kopfes dieſe nicht immer von der Mutter, ſondern ſehr häufig vom Vater abſtammt. Der Vortrag wurde durch Vorlegung verſchiedener Präparate erläutert. Herr Hoſpital-Wundarzt Hodann ſprach über Schwefel-Aether-Inhalationen bei Zahn-Operationen. Von ein und zwanzig Fällen, bei denen Herr Hodann die Inhalationen angewendet, wußten zwölf Perſonen beim Erwachen ſich keines Schmerzes zu entſinnen; vier von ihnen glaubten nicht, daß die Operation vollen⸗ det ſei; acht hatten nur ein dumpfes, rollendes, aber nicht ſchmerzhaftes Gefühl im Kopfe wahrgenommen. Dieſe Reſultate ſcheinen in Beziehung auf das Schmerzgefühl ſehr günſtig, indeß iſt gerade die Operation der Zahn-Extraction mit großer Schwierigkeit für den Operateur verbunden. Befindet ſich der kranke Zahn im Oberkiefer, ſo iſt die Extraction leichter zu machen, indem der auf der Erde, auf einem Kiſſen ſitzende Pa⸗ tient, an die Kniee des hinter ihm ſtehenden Operateurs gelehnt, nicht leicht umſinken kann, der Kopf hinten über, und in den meiſten Fällen der Unterkiefer herabſinkt, und ſo bei ziemlicher Feſtigkeit des geſtützten Ko⸗ pfes der Zugang zur Mundhöhle frei wird; in dieſer Situation genügt ein Gehülfe, welcher den Athmungs— Apparat beſorgt und ſpäter den Patienten in ſitzender Stellung erhält. Befindet ſich aber der kranke Zahn im Unterkiefer, ſo ſind drei Gehülfen nöthig; einer, welcher den Apparat beſorgt, ein zweiter, welcher den Kopf des Patienten firiet, und ein dritter, welcher den Kranken vor dem Herabfallen vom Stuhle ſchützt, ein Aufwand von Menſchenkräften, welche nicht jederzeit zur Hand ſein dürften. Trotz dieſer Hülfe wird die Operation dadurch ſehr erſchwert, daß der Unterkiefer mit dem kranken Zahne gewöhnlich ſchlaff herabhängt, bei der Extraction wankt und nicht die gehörige Feſtigkeit darbietet. Dieſen Uebelſtand zu heben, muß die eine Hand des Operateurs, welche eigentlich nur das Fixiren des Hakens beſorgen ſoll, ihre Kraft noch der Fixirung des Kiefers vorzügilch widmen, wodurch auch noch das Eindringen des Lichtes in die Mundhöhle beeinträchtigt wird. Dieſe Uebelſtände machten in einem Falle die Extraction unmöglich, in einem anderen Falle brach die allerdings ſehr ſchadhafte Krone des Zahnes ab, was wahrſcheinlich ohne Aether-Inhalation hätte vermieden werden können. Wird die Aufmerkſamkeit auf die momentane Laxität der Unterkiefergelenke nicht beſonders verwendet, ſo dürfte eine Ausrenkung derſelben nicht unter die Unmöglichkeiten gehören. Wenn die Aether-Inhalationen bei größeren Operationen, wie ſich Herr H. ſelbſt überzeugte, von dem glänzendſten Erfolge begleitet find, fo dürften fie bei Operationen, bei denen eine Selbſthülfe des Patienten unbedingt nö— thig iſt (alfo in unſerem Falle die zweckmäßige Richtung des Kopfes, das zweckmäßige Oeffnen des Mun⸗ des, und ein gewiſſer, bei kranken Zähnen im Unterkiefer vom Patienten inſtinktmäßig vollführter Gegen⸗ 235 druck) weniger anzurathen fein, und fie werden fich im Gebiete der Augen- und Zahn-Operationen keine große Geltung erwerben. Auch treibt in der Mehrzahl der Fälle zur gewünſchten Zahn-Extraction den Pas tienten ein ſolch heftiger, oder doch lange andauernder Schmerz, daß er den Muth hat, den, wenn auch hef— tigen, doch auch ſchnell vorübergehenden des Zahnausziehens kräftig zu ertragen. — Herr Hoſpital-Wundarzt Hodann erläuterte ferner mehrere anatomiſch-pathologiſche Präparate, unter denen beſonders die Dberfchen- kelknochen einer Frau intereſſant waren, welche vor vier Jahren, nämlich am 29. Mai 1843, den Oberſchen⸗ kelhals der rechten Seite gebrochen hatte, und, 74 Jahre alt, den 31. Juli 1847 an Alterſchwäche geſtorben war. Der nicht gebrochene Oberſchenkelkopf der linken Seite hat folgende Formverhältniſſe: Vom Rande der cavitas glenoidalis capituli ossis femoris zur fossa trochanterica iſt ein Raum von ein und einem halben Zoll, bis zur linea intertrochanterica anterior 1 ½ Zoll, bis zum trochanter minor 2 Zoll, bis zur linea intertrochanterica posterior 1%, Zoll. Der Anſatz des ligamentum capsulare iſt vom Rande der cavitas glenoidalis capituli oben 1Y, Zoll, vorn 1½ Zoll, unten 1%, Zoll, hinten einen Zoll entfernt. Der obere Theil des rechten gebrochenen Oberſchenkels bietet folgende Verhältniſſe dar: Es beträgt die Entfernung von der cavitas glenoidalis bis zur fossa trochanterica, alſo oben, 1 Zoll, bis zur linea intertrochanterica anterior, alfo vorn, 1 Zoll, bis zum trochanter minor, alfo unten, 1% Zoll, bis zur linea intertrochanterica posterior, alſo hinten, %, Zoll. Der obere Theil des früher abgebrochenen Halſes und ſein unterer Theil ſind etwas nach außen umgewälzt; ein Theil deſſelben, vielleicht einen halben Zoll ſeiner Länge betragend, durch das Alter der Patientin eben ſo wie die anderen Knochentheile obliterirt, und der frü— her dicht unter ſeiner Gelenkfläche abgebrochene Kopf des Oberſchenkels ſitzt etwas von oben nach unten und von hinten nach vorn verſchoben auf dem eben beſchriebenen Halſe feſt, und zwar überall durch feſten Callus verbunden. Nach der eben gegebenen Beſchreibung fiel der Bruch und deſſen Heilung durch Knochenſubſtanz innerhalb der Kapſelmembran. Vielleicht ließe ſich noch annehmen, daß ein kleiner Theil dieſes endokapſulären Bruches, und zwar hinten und oben in der Nähe der fossa trochanterica, außerhalb der Synovial-Kapſel gefallen ſei und ſich von hier aus beginnend die Callus-Bildung nach innen fortſetzte. Doch ſcheint dieſe Anſicht zu gewagt, und es ſtünde alſo die Heilung der Endocapſular-Brüche des Oberſchenkelhalſes durch vollſtändigen Callus feſt. Den 3. September legte Herr Hofrath Dr. Borkheim, welcher den abweſenden Secretair vertrat, folgende Schriften vor: 1) Brunnenärztlicher Bericht über die Saiſon von Karlsbad im Jahre 1845, von Dr. Flekles; 2) Die Schwefeläther-Dämpfe und ihre Wirkſamkeit, von Dr. Roſenfeld. Peſth 1847; 3) Programm zur fünf und zwanzigften Verſammlung der deutſchen Naturforſcher und Aerzte in Aachen; 4) Vorſchlag (im Manuſcript) zur Erweiterung der itterariſchen Thätigkeit der ſchleſiſchen Geſellſchaft für va⸗ terländiſche Kultur, vom Herrn Profeſſor Dr. Kahlert. Herr Dr. Lüdicke trug die Krankengeſchichte eines 28 jährigen, früher ſtets geſunden Goldarbeiters vor, der vor zehn Jahren an einer ſehr ſchmerzhaften Leberentzündung erkrankte, gegen welche ſein damaliger Arzt Blutegel und Mixtura salina verordnete. Da der Kranke ſich erleichtert fühlte, entzog er ſich ſchon nach zwei Tagen der Behandlung und kehrte zu ſeiner ſitzenden Lebensart zurück. Er fühlte ſich zwar in den erſten fünf Jahren geſund, verheirathete ſich, wurde Familienvater, merkte aber doch allmälig Druck, Schwere und Fülle in den Präcordien, Mangel an Appetit, erkrankte an einer Pleuritis rheumatica und ſuchte nun ärzt⸗ liche Hülfe nach. Bei näherer Unterſuchung fand Herr Dr. Lüdicke die Leber ſehr vergrößert. Sie füllte den Raum zwiſchen der Herzgrube und dem Nabel aus, war in der Mitte etwa 2 / Zoll erhaben, hart, beim Fingerdruck ſchmerzhaft. Das Geſicht, die Tunica albuginea des Auges waren gelb, die Stuhlausleerungen ſparſam und weniger gelb gefärbt als gewöhnlich. Der Harn war gelber als im normalen Zuſtande, doch nicht braun. Nach Beſeitigung der Pleuritis ſetzte der Kranke unter ziemlichem Wohlbefinden feine Arbeit 30 * 236 bei ſitzender Lebensweiſe drei Jahre fort, wurde dann durch heftigen Schmerz in der Geſchwulſt und anhal⸗ tendes Fieber ans Bett gefeſſelt. Unter zweckmäßiger Anwendung theils antiphlogiſtiſcher, theils auflöſender Mittel wurde das Fieber beſeitigt, die Schmerzen gemildert, die Geſchwulſt weicher, worauf der Kranke ſich von Neuem der ärztlichen Hülfe entzog, die er aber nach neun Monaten wegen wiederkehrender heftiger Schmerzen von Neuem in Anſpruch nehmen mußte. Nach einem dreimonatlichen Gebrauche erweichender Natron⸗Bäder und dem täglichen Genuſſe eines Bechers Bitterwaſſer beſſerte ſich der Zuſtand des Kranken. Die Geſchwulſt wurde weicher. Als der Kranke das letzte Bad verließ, befiel ihn plötzlich ein heftiges Angſt— gefühl und Bruſtbeklemmung, entſetzliche Schmerzen in der Geſchwulſt und große Ermattung. Es traten reichliche, blutig- eitrige, gelbliche, ſehr übelriechende Stuhlausleerungen ein, die Präcordial-Fülle, die Geſchwulſt, die Schmerzen ſchwanden, und der Kranke erlangte bald ſeine früheren Kräfte wieder. Herr Hoſpitalarzt Dr. Günsburg theilte diagnoſtiſche Unterſuchungen über die Exeremente des Darm⸗ kanals mit. Er lenkte zuerſt im Allgemeinen die Aufmerkſamkeit auf die Wichtigkeit derſelben für die Pa⸗ thologie und die fortlaufende noſognoſtiſche Beurtheilung des individuellen Falles. Als Einleitung gab er die Reſultate ſeiner mit Ravitz vorgenommenen Forſchungen über die Excremente des geſunden Menſchen. Dar⸗ auf wurden die Ergebniſſe in den einzelnen Krankheitsproceſſen namhaft gemacht. Im Stuhl der an Entero- catarrhus Leidenden finden ſich Exſudatzellen, Zellkerne als Elemente der Zellvermehrung und Erdphosphate; außerdem Prosenchymzellen und Pflanzenfaſern ohne Amylumgehalt. Dieſer Inhalt charakteriſirt mithin die beginnende Exſudation um den Follikel-Apparat des Darmkanals. Bei Exſudation in der Darmſchleimhaut mit fibrinöſer Blutmiſchung beobachtet man im Stuhl Blutkörperchen, Schleimzellen mit einem Kern von fein granulirtem Inhalt, fadenziehendem Schleim und zahlreiche Exſudatzellen, die zum Theil auf der Oberfläche die Marken einer Spaltung erkennen laſſen. Man kann aus der letztgenannten Eigenſchaft auf die rapide Vermehrung der Exſudatzellen ſchließen. — In der Dyſenterie, dem kroupöſen Proceß auf der Schleimhaut des Dickdarmes, enthalten die Excremente Blut, Exſudatzellen erſter Bildung, zuſammenhängende Stücke von Cylinderepithel und Erdphosphate. In Folge des Tenesmus werden auch Zellen des Pflaſterepithels vom Umfange des Afters abgelöſt. In der Helminthiasis werden oft zuſammenhängende Schleimmaſſen durch den Stuhlgang entleert. Darin befinden ſich zahlreiche Enchymkörner, neugebildetes Cylinderepithel und faden⸗ ziehender Schleim. Im Stuhl der an Melaena Leidenden finden ſich große Maſſen von Cylinderepithel, zer⸗ ſtörte Blutkügelchen und Pflanzenreſte. Beim Typhus gedachte Herr Dr. Günsburg der Arbeiten von Remak und nahm nach eigener Erfahrung folgende Endergebniſſe an: 1) In der erſten achttägigen Periode enthält der Stuhl ſparſame Erdphosphate, fragmentäre Epithelialzellen und feinkörnige Molekulärmaſſe. Die Elemente der pflanzlichen Nahrungsmittel gehen wenig verändert durch den Darmkanal. 2) In der zweiten achttägigen Periode mehrt ſich die Menge der e Außer den Zellreſten erſcheinen granulirte Schleimkügelchen und Cylinderepithel. 3) In der dritten Periode von gleicher Dauer findet man Cylinderepi⸗ thel, Zellen des typhöſen Produkts und Erdphosphate. 4) Während der letzten eigentlichen Geſchwürsperiode iſt außerdem noch der Detritus verſchiedener Gebilde im Stuhl. In der lenteseirenden Form des Typhus enthalten die Excremente beſonders Fett. Der Stuhl in der Darmtuberculoſe zeigt zuerſt Exſudatzellen, Blut kügelchen, Fragmente losgeſtoßenen Epithels und Erdphosphate, ſpäterhin Eiterzellen und kleinkörnige Maſſen, welche eben ſo gut die zerſtörten Reſte der Exſudat-, wie der Eiter- und Tuberkelzellen ſein können. Leider giebt alſo der Rückblick auf die Beſchaffenheit der Stühle in der Tuberkuloſe eben ſo wenig eine entſchiedene diagnoſtiſche Bedeutung, wie die übrigen Symptome dieſer Krankheit. Schließlich wurde auf die Wichtigkeit der elementaren Unterſuchung von Ererementen in den Kinderkrankheiten hingewieſen. Herr Profeſſor Dr. Göppert zeigte die Gutta Percha vor, eine harzige Subſtanz, dem Kautſchuck nahe verwandt und ſehr elaſtiſch, welche für die Technik überhaupt und namentlich für den chirurgiſchen Ge: brauch von Bedeutung werden möchte. 237 * Den 1. October hielt Herr Hofrath Dr. Borkheim einen Vortrag über das Weſen und die Bedeu: tung des Schmerzes. Das Allgemeingefühl in ſeinen verſchiedenen Geſtalten: Hunger, Durſt, Hitze, Kälte, Müdigkeit, Schwäche, Ekel, Reiz zum Stuhl und zur Harnentleerung, Angſt, Jucken, Kitzel, Geburtsſchmer— zen u. ſ. w. bezweckt ſowohl die Erhaltung der Art als des Individuums und deſſen phyſiſche Wohlfahrt. In Krankheiten macht es uns auf drohende Gefahren aufmerkſam, und fordert uns zu thätiger, rechtzeitiger Ab⸗ wehr auf, überwacht fo der Kranken Wohlfahrt und dient dem Arzte als Wegweiſer. Dies gilt ganz vorz züglich von dem erhöhten Gemeingefühl, das wir als Schmerz bezeichnen, wie wir ihn ſchon von Aretäus mit den Worten: & e Y zonyeix Hαjꝛ a νẽ« kurz und bündig beſchrieben oder vielmehr umſchrieben finden. Der Schmerz iſt ideell, wie bei manchen Delirirenden, Hypochondriſten, Hyſteriſchen, oder organiſch, wenn eine materielle Urſache in irgend einem Organe als Locus affectus wirkt. Unter den Erſcheinungen, welche die Krankheiten begleiten, iſt der Schmerz zur richtigen Würdigung als eines der wichtigſten Symptome zu betrachten. Es iſt hierbei ſowohl das urſprüngliche Verhältniß feines Entſtehens, als auch der Grund feiz ner Heftigkeit zu berückſichtigen. In manchen Fällen giebt ſich durch ihn, wie in geringeren Graden von Arthritis und Rheumatismus, die Wirkſamkeit der ſelbſtthätigen helfenden Natur zu erkennen. In gelähmten Gliedern iſt der Eintritt des Schmerzes ein Zeichen der wiederkehrenden Beſſerung, ſo auch in der atoniſchen Gicht, wenn der Schmerz ſich in den urſprünglich afficirten Gliedern wieder einfindet, während in acuten Fiebern entſtehende Schmerzen die Kriſen ſtören oder verzögern, und in manchen Fällen gefährlicher Mataſta⸗ ſen, Delirien, Krämpfen, Ohnmachten und dem Tode vorangehen. Herr Hofrath Borkheim wies ſodann auf das Charakteriſtiſche der ſpeciellen Schmerzesformen hin: des brennenden (entzündlichen), reißenden (rheu⸗ matiſchen und arthritiſchen), elektriſchen (bei gewiſſen Neuralgien zum Beiſpiel der Proſopalgie), ſtechenden (bei Entzündungen membranöſer Gebilde), ſtumpfen (bei Entzündungen gefäßreicher, parenchymatöſer Organe), klo⸗ pfenden (bei eintretender Eiterung), freſſenden (bei böſen Geſchwüren), und der Dedolatio Stollii (in den großen Gliedern bei beginnendem ſchweren Typhus), des Osteocopus (in der Syphilis und dem Scorbut) u. ſ. w. Bei der Würdigung des Schmerzes hat der Arzt aber die größte Vorſicht zu beobachten, da Tau: ſchungen leicht möglich ſind. Ganz beſonders iſt die, mit der Anäſtäſie nicht zu verwechſelnde Analgeſie zu berückſichtigen. Dieſe bei nicht geſtörtem Bewußtſein vorhandene Schmerzloſigkeit in Krankheiten, zu deren normalem Verlaufe der Schmerz gehört, deutet eine nahe Gefahr an. Herr Dr. Krauß hielt einen Vortrag, in welchem er die gegenwärtigen Krankheitsverhältniſſe mit denen verglich, welche früher den Cholera-Epidemien vorangingen. In den letzten Jahren begann die früher endemiſch beſchränkte Choleraform Oſtindiens, ſich von Neuem über die Grenzen ihrer Geburtsſtätte auszudehnen, fand alſo außer der ſie erzeugenden Malaria einen, ſie fortzupflanzen, geeigneten Boden. Sie hat gegenwärtig die Oſtgrenzen Europa's wieder überſchritten und iſt in Rußland eingedrungen. Herr Dr. Krauß hielt es deß⸗ halb für zeitgemäß, die Frage zu erörtern, ob wir das Wiederauftreten der Cholerea bei uns zu erwarten ha⸗ ben. Auf den Kriegs-Typhus der Napoleoniſchen Feldzüge folgte nach dem Jahre 1813 eine entzündliche allgemeine Krankheits-Conſtitution, auf dieſe die ſogenannte gaſtriſch-nervöſe oder gaſtriſch-venöſe. Der Uebergang zeigte ſich beſonders dadurch, daß die Entzündungen von den parenchymatöſen Gebilden mehr auf die membranöſen übergingen, weniger Eiterungen, mehr ſeröſe Exſudate festen, die ſchnell entſcheidenden Kriſen ſeltener, die Entſcheidung per Lysin häufiger wurden. Die Synocha machte dem Synochus Platz, dieſer dem Hemitritaeus, welcher endlich der Intermittens wich, die am entfernteſten von der wahren Entzündungs⸗ form ſteht. Die Arteriellität trat immer mehr zurück, die Venoſität immer mehr in den Vordergrund und ſomit auch die geſammte Vegetations-Sphäre, die Organe des Unterleibes mit ihren Nerven-Centris und dem vermittelnden Rückenmark. Seit dem Jahre 1826 erſcheinen die gaſtriſchen Fieber, weniger wie früher, als primäre, saburrales, ſondern mehr als ſecundäre, ſogenannte Abdominal-, Inteſtinal-, Schleim- und Frieſel⸗ Fieber. Die Formen des Hemitritäus und der Subintrans wieſen noch deutlicher auf die genetiſche Betheili⸗ 238 “ gung des Abdominal-Nervenſyſtems und führten zu der großartigen Entwickelung der Wechſelfieber-Epidemie, welche dem erſten Ausbruche der Cholera-Epidemie bei uns voranging. Mit dem Wechſelfieber verbanden ſich häufig Rheumatalgien, Bruſt- und Unterleibs-Catarrhe. Influenzen wurden mehrmals als Vorboten der Cholera beobachtet. In noch näherer Beziehung zum Ausbruche der Cholera ſtanden die dyspeptiſchen Zufälle, Gasſtrodynieen, Cardialgieen, Eructation, Flatulenz, Diarrhöen, Dysenterieen, Präcordial-Angſt u. ſ. w., welche der Cholera die Pforten zu öffnen begannen. So war es wenigſtens vor dem Ausbruche der Seuche im Jahre 1831 und 1837, während im Jahre 1832 folgende Krankheitsformen neben einander beobachtet wur⸗ den: Catarrhalfieber und Entzündungen, Maſern, Keuchhuſten, Rötheln, Scharlach, Frieſel, Schafblattern, modificirte Pocken, ächte Pocken, gaſtriſche Fieber, Wechſelfieber, Durchfälle, Ruhr, allerlei Digeſtions-Störun⸗ gen, dann die Cholera. Es entwickelte ſich die Cholera-Epidemie alſo aus dem Zuſammentreten der gaſtriſch⸗ venöſen und der catarrhaliſchen Conſtitution, wobei erſtere die venöſen Provinzen des Unterleibes zum Haupt⸗ ſchauplatze des epidemiſchen Effectes zu disponiren, letztere durch erhöhte Secretion das geſtörte Miſchungsver⸗ hältniß der Säfte auszugleichen, alſo einen Entgiftungsproceß herbeizuführen ſtrebte. Einer Malaria — Ver⸗ giftung dürfte das Weſen der Cholera am nächſten ſtehen. — Seit dem Jahre 1847 zeigen ſich im Vorder⸗ grunde das Wechſelfieber und die Ruhr, Hauptgruppen bildend, in epidemiſcher Verbreitung und zwar beide in großartigem Maaßſtabe, das erſtere in ſolcher Extenſität, wie ſie ſeit den Jahren vor dem erſten Erſcheinen der Cholera nicht wieder ſtattgefunden. Schon im Januar als Quotidiana und Quartana vorhanden, nahm es in den folgenden Monaten mehr den Typus der Pertiana an, wuchs der Extenſität nach bis zum Mai, wo es die größte Verbreitung gewonnen, nahm dann ſehr allmälig an Zahl ab, ohne bis zu dieſem Augen⸗ blicke aufgehört zu haben. Eben ſo ſtetig, wenn auch mit mehreren Schwankungen, dauert der Catarrh ſeit Beginn dieſes Jahres bis jetzt fort, und verräth eine ausgezeichnete Neigung, ſich mit dem Wechſelfieber zu verbinden, nur gewährt er den Unterſchied, daß er in der erſten Hälfte des Jahres mehr als Bronchial-, in den drei letzten Monaten mehr als Inteſtinal-Reizung auftritt. Von dem in unſerer Stadt herrſchenden Rheumatismus darf weniger die Rede ſein, da er niemals aufhört und nur Complicationen mitbilden hilft. Scharlach und Keuchhuſten kamen in den erſten vier Monaten ſporadiſch und ohne beſondere Nüancirung vor. Dagegen zogen ſich gaſtriſch-nervöſe Fieber neben dem vorzugsweiſe ſogenannten Abdominal-Typhus von Beginn des Jahres bis zur Stunde fort, bei deren Beobachtung ſich häufig ein Wandern der typhöſen Localiſation durch alle drei Höhlen des Körpers wahrnehmen ließ. Eben ſo wenig fehlte es in irgend einem Monate an Synochus, gaſtriſchen Fiebern, die nicht ſelten in Wechſelfieber übergingen. Kolik, Diarrhö und Brechdurchfall traten vorzugsweiſe im April hinzu, ließen aber im Mai wieder nach, wogegen ihre Rückkehr ſeit Juni ſich dergeſtalt ſteigerte, daß vom Juli ab bis zum September eine Dysenterie in epidemiſcher Ver⸗ breitung die Oberhand gewann. Zieht man nun die ſeit dem Auguſt ſich häufenden Anomalien der Digeſtion in Betracht, welche als Dyspepſie, Gaſtrodynie, Cardialgie, Kolik, Flatulenz, bald mit Neigung zur Diarrhö, bald zur Obſtruction auftreten, und wobei bereits Brechdurchfälle der gewöhnlichen Art zwiſchenlaufen, ſo darf man ſich geſtehen, daß der Complexus ſämmtlicher Krankheitsgebilde des laufenden Jahres ein Gepräge er⸗ giebt, wie es in den Jahren ſich herausſtellte, die von der epidemiſchen Cholera heimgeſucht waren. Zum mindeſten ſcheint die Baſis zu deren Entwickelung durch den Einfluß der allgemeinen Krankheits-Conſtitution nach obiger Auseinanderſetzung vorbereitet und der Schluß durch Analogie gerechtfertigt, daß das langſame und auf die alte räthſelhaft gebliebene Weiſe vorſchreitende Cholera-Miasma in unſern Gegenden einen mohl- vorbereiteten Boden zu feiner Aufnahme eben fo wie früher antreffen werde. Iſt aber auch aus der Aehn- lichkeit und Uebereinſtimmung der diesjährigen Krankheitsverhältniſſe mit denen der vergangenen Cholera-Jahre die Wahrſcheinlichkeit gegeben, daß ſich die Seuche wieder über unſere Gegenden verbreite, ſo bliebe immer noch zu erweiſen, ob auch die außerhalb des menſchlichen Körpers beſtehenden Verhältniſſe, wie die der Luft, des Waſſers, des Bodens, dem Verbreiten des epidemiſchen Zündſtoffes förderlich ſeien. Bis jetzt find in die- ſer Beziehung noch keine Wahrnehmungen gemacht, die an die Erſcheinungen erinnern, welche den früheren 239 Cholera: Epidemien vorangingen, doch glaubt Herr Dr. Krauß, daß theils die Folgen der vorjährigen unges nügenden Erndte, theils der lang andauernde Winter, theils die wiederholten Ueberſchwemmungen, theils die zwar kurze, aber beträchtliche Sommerhitze des Auguſts mit der plötzlich tief geſunkenen Temperatur und überwiegenden Näſſe des Septembers, im Verein mit dem Genuſſe leider wieder ſchlecht gerathener Kartoffeln und eines Ueberfluſſes nicht vollkommen gereiften Obſtes und Küchengewächſes, ſchon genügen, um unter dem Einfluſſe der oben bezeichneten Krankheits-Conſtitutionen, auch wenn die telluriſch-atmoſphäriſchen Vorgänge nicht weiter ſichtbar würden, der andrängenden Malaria-Seuche Eingang zu verſchaffen. Sollte übrigens die Cholera ſich unaufhaltſam nähern und in der früheren Geſtaltung aufzutreten fähig bleiben, fo dürften nach: ſtehende Erſcheinungen als Prodromi der bereits in der Entwickelung begriffenen Epidemie ſorgfältig zu beach⸗ ten fein, da fie als mehrfach beſtätigtes Reſultat früherer Beobachtung von Herrn Dr. K. empfohlen werden können: 1) Häufig und plötzlich eintretende Congeſtiv-Zuſtände nach Kopf und Bruſtorganen, daher Schwin⸗ del, Schlagflüſſe, Bluthuſten, Angſt und trübe Gemüthsſtimmungen. 2) Raſche und unerwartete Todesfälle bei Chroniſch-Leidenden, beſonders Schwind- und Waſſerſüchtigen. 3) Veränderung des Blutes nach dem Aderlaß, Fehlen der Entzündungshaut, mangelhaftes Gerinnen, dunklere Färbung, dickere Conſiſtenz deſſelben. 4) Schlechteres Verhalten der Wunden und Geſchwüre, Neigung zu Decubitus und Brandigwerden oder Verhauchung. 5) Bei gewöhnlichen Krankheiten große Mattigkeit mit Eingeſunkenſein und bläulicher oder bräunlicher Färbung um die Augen. 6) Endlich Neigung zu Durchfall mit ſchmerzhaftem Ziehen in den Extremitäten und verminderter Temperatur der Zunge. Herr Dr. Günsburg zeigte die Herzen zweier alten Frauen vor, welche am 11. September ſecirt worden und transpositio viscerum totalis zeigten. Beide Fälle ſind in dem zweiten Bande der Studien zur ſpeciellen Pathologie, Leipzig bei Brockhaus 1848, S. 61, näher beſchrieben, und die Herzen dem hieſi⸗ gen anatomiſchen Muſeum der königlichen Univerſität übergeben worden. Am 5. November theilte der Secundair-Arzt der hieſigen geburtshülflichen Klinik, Herr Dr. L. Neuge— bauer, eine nach den Büchern der hieſigen königlichen Gebäranſtalt entworfene Ueberſicht der Vorfälle in derſelben im Jahre 1846 mit. Es wurden im Jahre 1846 in der Anſtalt im Ganzen 731 Perſonen ver— pflegt. Es kamen nämlich zu den am Schluſſe des vorausgegangenen Jahres in Beſtand gebliebenen zehn Schwangeren ſechszehn Wöchnerinnen und fünfzehn Kinder, zuſammen ein und vierzig Individuen, im Laufe des Jahres 1846: zwei unſchwangere Kranke, 345 Schwangere und 343 Kinder, zuſammen 690 Indivi⸗ duen, hinzu. Von dieſen 731 Individuen gingen im Laufe des Jahres 707 ab, nämlich nächſt den beiden unſchwangeren Kranken 356 Perſonen aus der Kategorie der Schwangeren und Wöchnerinnen, und zwar ſpeciell acht noch als Schwangere, die übrigen, darunter eine geheilte Molenſchwangere, als Wöchnerinnen und 351 Kinder; es blieben daher am Schluſſe des Jahres im Beſtande 24 Individuen, nämlich 8 Schwangere, 9 Wöchnerinnen und 7 Kinder. Im Laufe des Jahres kamen 339 Schwangere nieder, und zwar eine mit einer Mole, die übrigen mit wirklichen Früchten. Die 338 Geburten der letzteren Kategorie ergaben fol—⸗ gende Reſultate: Den Jahreszeiten nach erfolgten ihrer im Frühling und Winter mehr als im Sommer und Herbſt, und zwar fo, daß die Zahl der Geburten in den erſten beiden zuſammen um 58, alſo etwa um , größer war, als in den letzteren beiden. Unter den Monaten hatte der Februar die weiſten Geburtsfälle, nämlich 42, die wenigſten, nämlich 14, der September aufzuweiſenz; 331 von den Geburten ergaben einfache Früchte, die übrigen ſieben lieferten Zwillinge. Geſundheitsgemäß verliefen im Allgemeinen 227 Geburten, regelwidrig im weiteſten Sinne des Wortes 111, ſo daß ſich faſt das Drittheil ſämmtlicher Geburtsfälle als Dyſtocien herausſtellten. Von operativen Eingriffen wurden bei dieſen Geburtsfällen 71 nöthig, nämlich: 1) das künſtliche Blaſenſprengen, und zwar als ſelbſtſtändige Operation 21mal, als Vorakt der Wendung auf den Kopf einmal. 2) Die Collocation oder Verbeſſerung der fehlerhaften Lage des Kindes, und zwar als In— 240 duction des Fußes behufs manueller Extraction von ſolchem aus zweimal. 3) Die Wendung, und zwar auf den Kopf einmal. 4) Die Extraction, und zwar: a. als manuelle Extraction &) von den Schultern aus bei vorangehendem Kopfe einmal, 8) von den Füßen aus ſiebenmal, 5) vom Steiße aus einmal; b. inſtrumen⸗ telle Extraction mit der Zange: c) des vorangehenden Kopfes ſechsundzwanzigmal, 8) des nachfolgenden Ko⸗ pfes zweimal. 5) Die künſtliche Löſung und Entfernung der Nachgeburt ſiebenmal. Hinſichtlich des ſpeciellen Verlaufes der 111 Dyſtocien iſt Folgendes zu bemerken: 1) Dystocia ex pelvi justo minore. Alle eilf vorgekommenen Fälle dieſer Art machten die Beendigung der Geburt mittelſt der Zange nöthig. Die Operation geſchah meiſt ohne bedeutendere Schwierigkeit, und der Zuſtand der Entbundenen war in der Regel beftiedi⸗ gend. Nur einmal trat nach beendigter Geburt eine äußerſt heftige Blutung ein, die, allen gewöhnlichen Mit⸗ teln Widerſtand leiſtend, erſt auf die Anwendung der Tamponade des Uterus mittelſt Einführung der Hand in denſelben ſtand. Das Reſultat der Operationen waren fünf todte und ſechs lebende Kinder. Von den Ope⸗ rirten verfielen zwei ins Wochenbettfieber, eine trug Blaſenentzündung, eine vierte Entzündung der Geburts⸗ wege davon, alle vier wurden jedoch glücklich geheilt. Die übrigen ſieben erfreuten ſich eines geſunden Wo⸗ chenbettes. 2) Dystocia e pelvi compressa sive rachitica. Alle fünf hierher gehörenden Fälle zeigten einen mehr oder minder ſchwierigen Verlauf, nichts deſto weniger förderte die in Anwendung gebrachte Zange das Kind dreimal lebend und nur zweimal todt zur Welt. Ganz beſondere Schwierigkeiten bot die Operation bei einer Erſtgebärenden mit in der Richtung der Conjugata bedeutend verengtem Becken dar, indem ſich hier das überdies ziemlich voluminöſe Kind in der Geſichtslage zur Geburt ſtellte. Das Kind kam todt zur Welt, die, durch lange Dauer der Geburt ſowohl, als der Operation in hohem Grade erſchöpfte Mutter aber trug, trotz ſorgfältigſter Behandlung, eine heftige Entzündung der Geburtswege davon, die ſchnell in Brand über: ging und ſieben und dreißig Stunden nach der Entbindung mit dem Tode endete. In einem anderen Falle, wo wegen Dysdynamia Uteri haematica der Application der Zange ein Aderlaß hatte vorausgeſchickt wer⸗ den müſſen, folgte auf die Geburt des Kindes ſpaſtiſche Retention der Placenta und Metrorrhagie. Da dieſe den in Gebrauch gezogenen innerlichen Mitteln Widerſtand leiſtete, mußte die künſtliche Entfernung der incar⸗ cerirten Placenta in Ausführung gebracht werden. Das Wochenbett verlief hier indeſſen, gleich wie in den übrigen drei Fällen, die weniger Bemerkenswerthes hatten, ziemlich günſtig. 3) Dystocia e partium mollium rigiditate. Auch bei den hierher ſchlagenden drei Geburtsfällen, von denen der eine Zwillinge betraf, mußte zur Application der Zange Zuflucht genommen werden, und zwar in dem Falle von Zwillingsgeburt ſowohl beim erſten als beim zweiten Kinde, indem ſich nämlich bei dieſem letzteren die durch die Extraction des erſten Kindes eben beſiegte Geburtsſchwierigkeit wegen vorliegenden Geſichtes in dem nämlichen Grade, wenn auch in anderer Weiſe, wiederholte. Von den vier Kindern kamen zwei lebend, die andern beiden todt zur Welt. Bei der von Zwillingen entbundenen Perſon fand ſich im Wochenbette ein entzündlicher Zuſtand der Gebärmutter ein, der jedoch glücklich beſeitigt wurde; die beiden andern Mütter blieben geſund. 4) Dystocia abortiva. Von den beiden beobachteten Fehlgeburten, die ſich beide um das Ende des dritten Schwangerſchaftsmonates ereigneten, war nur die eine bemerkenswerth, indem hier nämlich der Abgang des, ſchon eine Reihe von Tagen vor dem Eintritte der betreffenden Perſon in die Anſtalt, gelöſten Eies auf dem Wege der Fäul⸗ niß vor ſich ging. Die betreffende Perſon befand ſich in Folge dieſes Proceſſes in dem Zuſtande größter Er⸗ ſchöpfung, gewann indeſſen unter dem Gebrauche roborirender Behandlung, welcher die manuelle Entfernung der zurückgebliebenen Eireſte vorausgeſchickt wurde, raſch ihre Kräfte wieder. 5) Dystocia immatura. Beide Fälle dieſer Dyſtocie, welche auf Abgeſtorbenſein der Frucht zu beruhen ſchien, wurden durch die alleinige Nas turthätigkeit ſchnell und glücklich beendigt, obgleich ſich in dem einen von ihnen das Kind in der Schulterlage zur Geburt geſtellt hatte. 6) Dystocia praematura. Von den zwölf hierher gehörenden Fällen, welche alle einfache Geburten betrafen, wurden elf ebenfalls leicht und glücklich durch die alleinige Naturthätigkeit been⸗ digt, nur wurde in einem von ihnen das künſtliche Sprengen der Eihäute nöthig; in dem zwölften, in wel⸗ chem ſich das Kind in vierter Steißlage zur Geburt ſtellte, wurde die manuelle Extraction deſſelben vom Steiße 241 aus ausgeführt. Neun der Kinder, darunter das letztgenannte, kamen lebend, die übrigen drei todt zur Welt. 7) Dystocia ex infantis mole. Alle vier beobachteten Geburten dieſer Art konnten nur auf künſtlichem Wege beendigt werden, und zwar geſchah dies bei dreien von ihnen mittelſt der Application der Zange an den voran— gehenden Kopf, im vierten nach geſchehener ſpontaner Entwickelung des Kopfes mittelſt manueller Extraction des ſehr großen Rumpfes von den Schultern aus. In dem einen der mit der Zange beendigten Fälle wurde wegen organiſcher Retention der Placenta die künſtliche Löſung derſelben nöthig. Das dieſem Falle angehö— rende Kind kam todt, die übrigen drei kamen lebend zur Welt. 8) Dystocia e habitu infantis vitioso Sa) Dystocia e facie praevia. Beide unter dieſer Rubrik geſtellten Fälle verliefen ohne Kunſthülfe und für Mutter und Kind glücklich. Zu bemerken iſt, daß ſich die vierte Poſition dieſer Lage, in der ſich in bei— den Fällen das Kind zur Geburt ſtellte, unter der Geburt ſpontan in die zweite umwandelte. 8 p) Dystocia e manibus cum capite praeviis. In dem einen der beiden Fälle dieſer Art lag die rechte Hand, in dem anderen lagen beide Hände neben dem, in eine der beiden erſten diagonalen Hauptlagen eingetretenen, Kopfe vor. Beide Fälle mußten mittelſt der Zange beendigt werden, welche indeß weder in dem einen, noch in dem andern Falle im Stande war, des Kindes Leben zu erhalten. Die eine Mutter blieb geſund, die andere trug eine ſtarke Entzündung der Geburtswege davon, die durch Uebergang in Eiterung viel zu ſchaffen machte, jedoch ſchließlich glücklich geheilt wurde. Sc) Dystocia e manu cum clunibus praevia. In dem einzi⸗ gen Falle dieſer Dyſtocie, welcher zur Behandlung kam, und auf Vorlage der rechten Hand neben dem in erſter diagonaler Stellung eingetretenen Steiße beruhte, wurde — als die Vorlage der Hand erkannt wurde, waren die Wäſſer bereits abgegangen — ſofort die Induction des linken Fußes beſorgt und das Kind von dieſem aus extrahirt. Das Kind kam indeſſen, trotz ſchleuniger Ausführung der Operation, todt zur Welt. 8 d) Dystocia e genu praevio. Auch von dieſer Dyſtocie ereignete ſich nur ein Fall. Es wurde, da das linke Knie vorlag, der entſprechende Fuß inducirt, um das Kind durch manuelle Extraction von dieſem aus zu entwickeln. Letztere konnte indeſſen nicht ganz ausgeführt werden, denn als es zur Entwickelung des Kopfes kommen ſollte, zeigte ſich das Becken im Ausgange verengt, ſo daß ſchließlich zur Application der Zange ad eaput posterum Zuflucht genommen werden mußte. Auch dieſer Fall lieferte ein todtes Kind. Se) Dystocia e pedibus praeviis. Von den vier beobachteten Fällen aus dieſer Kategorie betrafen zwei einfache, die anz dern beiden Zwillingsgeburten. Bei der einen der letzteren ſtellte ſich das zweite, bei der anderen beide Kinder mit den Füßen zur Geburt, ſo daß die Fußlage bei dieſen vier Geburten, wie denn auch überhaupt fünfmal zur Behandlung kam. Bei der einen der beiden einfachen Geburten hatte ſich außerdem zu dieſer Lage Vor⸗ fall der Nabelſchnur geſellt. Es wurde in allen dieſen Fällen die manuelle Extraction der Frucht, in dem einen Falle, mit Hinzuziehung der Application der Zange an den zurückgehaltenen Kopf, ſchleunig ausgeführt, doch auch hier ſtellte ſich das Reſultat der Operation ungünſtig heraus, indem dieſelbe nur in einem Falle, und zwar bei derjenigen der beiden Zwillingsgeburten, wobei ſich nur das eine Kind in der in Rede ſtehenden Lage zur Geburt geſtellt hatte, das Kind lebend zu Tage zu fördern vermochte. In dem einen Falle wurde überdies wegen dysdynamiſcher, von heftiger Blutung begleiteten Retention der Placenta die künſtliche Entfernung dieſer nöthig. 9) Dystocia ex infantis situ vitioso. Von den zwei hierher zu zählenden Fällen von Schulterlage, welche, außer den oben zur Dystocia immatura geſtellten, beobachtet wurden, und die beide in zweiter Schulterlage beſtanden, betraf der eine eine einfache, der andere eine Zwillingsgeburt. In dem erſteren Falle, wo ſich das Kind, deſſen rechter Arm zugleich mit dem Waſſerſprunge ganz vorfiel, als bereits vor der Geburt geſtorben und ziemlich klein erwies, wurde die Geburt durch die alleinige Naturthätigkeit in Geſtalt des Partus conduplicato corpore leicht und raſch beendigt. Doch trug die Mutter von dem Vorgange eine Quetſchung der Harnblaſe davon, die zur Entwickelung einer Blaſenſcheidenfiſtel Veranlaſſung gab. Den an⸗ dern Fall aber, welcher zugleich mit frühzeitigem Abgange der Frucht complicirt war (wie denn auch das Kind in dem erſten Falle nicht ganz ausgetragen ſchien), belangend, ſo war es hier der zweite Zwilling, welcher ſich in der Schulterlage zur Geburt ſtellte. Das Kind wurde nach geſchehener Sprengung der Eihäute auf . 31 242 den Kopf gewendet, und, gleich dem erſten Zwilling, der ſich in der erſten Steißlage zur Geburt geſtellt hatte und vom Steiße aus manuell extrahirt worden war, lebend geboren. 10) Dystocia ex funiculi umbilicalis circumvolutione. So oft ſich auch die Umſchlingung der Nabelſchnur ereignete, fo äußerte fie doch nie einen nachtheiligen Einfluß auf den Geburtsverlauf, und nur in einem Falle, wo vierfache Umſchlingung der Nabelſchnur um den Hals mit todt zur Welt gekommenem Kinde zuſammentraf, drängte ſich der Verdacht auf, daß der Tod des letzteren die Folge dieſes Zufalles geweſen fein möge. 11) Dystocia ex ovi velamen- tis nimis densis. In keinem der hierher gehörenden Fällen wurde außer dem gewöhnlichen Waſſerſprengen irgend eine beſondere Kunſthülfe nöthig, und die Geburten verliefen nach Ausführung jener meiſt ganz regel mäßig. 12) Dystocia erythrotica. Der einzige hier zu nennende Fall, wo Eeythroſe für ſich allein Urſache fehlerhafter Geburtsthätigkeit war, iſt nur inſofern bemerkenswerth, als dabei nach Darreichung einiger Doſen Borax die Geburt eines ziemlich voluminöſen Kindes von acht und einem halben Pfunde Gewicht und einem longitudinellen Kopf-Durchmeſſer von fünf Zoll, leicht und glücklich durch die alleinige Naturthätigkeit erfolgte, 13) Dystocia lenta. Auch von dieſer Dyſtocie kam nur ein Fall zur Behandlung. Die Kreißende war eine 32jährige Frau mit leucophlegmatiſchem Habitus, die im betreffenden Falle zum ſechsten Male niederkam. Die Geburt geſchah ſchon in ihrer erſten Periode in Folge des durch allgemeine Atonie erzeugten Wehenman⸗ gels mit ſo wenig Energie, daß behufs der Erregung der Uterinalthätigkeit das Sprengen der Eiblaſe nöthig wurde. Doch auch jetzt blieben die Wehen ſchwach und wirkungslos, und da nach mehrſtündiger Dauer der zweiten Geburtsperiode die unterdeß in Anwendung gebrachten Mittel keinen Erfolg zeigten, bereits aber eine ſtarke Kopfgeſchwulſt ſich gebildet hatte, ſo wurde die Geburt mit Hülfe der Zange beendigt, welche übrigens ein lebendes Kind von acht und einem halben Pfunde zu Tage brachte. — Wöchnerinnen wurden im Ganzen 355 verpflegt. Von dieſen wurden im Laufe des Jahres aus der Anſtalt entlaſſen 341, zwei wurden dem Hoſpital übergeben und drei ſtarben, fo daß am Schluſſe des Jahres neun in Beſtand blieben. — Von bes deutenderen Krankheitsfällen kamen bei den Wöchnerinnen folgende vor: 1) Gebärmutterentzündung zweimal, und zwar beide Fälle bei durch die Zange entbundenen Perſonen. Beide Fälle endeten mit Geneſung. 2) Traumatiſche Entzündung der weichen Geburtswege ereignete ſich bei drei andern, welche ebenfalls durch die Zange entbunden waren. In dem einen dieſer Fälle, deſſen ſchon oben bei der Dystocia ex pelvi compressa gedacht wurde, führte dieſer Zufall durch raſch eingetretene Gangraena ſchon am zweiten Tage des Wochen⸗ bettes zum Tode. Die beiden andern Fälle, bei denen die Entzündung gleichfalls den Ausgang in Brand nahm, wurden durch die geeignete Behandlung zur Geneſung gebracht. Die Reconvalescenz wurde hier durch den Gebrauch des Eiſens unterſtätzt. 3) Traumatiſche Blaſenentzündung trat einmal ebenfalls nach ſchwieriger Entbindung durch die Zange ein, ein anderes Mal war ſie Folge heftiger Quetſchung, die die Harnblaſe in dem bei der Dystocia ex infantis situ vitioso gedachten Falle von Geburt mit gedoppeltem Körper erlitten hatte. Im erſtern Falle wurde die Entzündung ſchnell beſeitigt, im letztern, wo ſie ſehr ſtark auftrat, konnte die Ausbildung einer Blaſenſcheidenfiſtel nicht verhindert werden. 4) Rheumatiſche Bauchfellentzündung kam bei einer mit abgeſtorbenem, unausgetragenen Kinde niedergekommenen Perſon vor und endete am achten Tage des Wochenbettes mit dem Tode. 5) Wochenbettfieber kam bei drei durch die Zange Entbundenen zur Be⸗ handlung, die, vorzüglich auf Anwendung von Ammonialien geſtützt, in zweien dieſer Fälle die Geneſung herz beiführte, im dritten jedoch, der eine in hohem Grade ſecundär-ſyphilitiſche Perſon betraf, nicht im Stande war, den tödtlichen Ausgang der Krankheit abzuwehren. 6) Syphilis kam außerdem und zwar ebenfalls in inveterirter Form noch bei einer anderen, übrigens ohne Kunſthülfe niedergekommenen Perſon vor. Die ei⸗ gentliche antiſyphilitiſche Behandlung derſelben wurde dem Hoſpital überlaſſen. 7) Eklampſie wurde bei einer jungen, robuſten, in hohem Grade plethoriſchen Wöchnerin beobachtet und durch unverzügliche Anwendung kräftiger Antiphlogoſe glücklich beſeitigt. Nächſt dem litt eine Wöchnerin, die ebenfalls dem Hoſpital zugewie⸗ fen wurde, an Erysipelas vagum. — Kinder wurden im Laufe des Jahres, abgerechnet zweier vorgekomme⸗ ner Abortus, im Ganzen 343, nämlich 162 Knaben und 181 Mädchen, darunter ſieben Zwillingspaare, 245 geboren. Von zwölf Todesfällen, welche bei den Neugeborenen überhaupt ſich ereigneten, waren fünf Folge von Lebensſchwäche. Alle fünf waren unausgetragen, drei von ihnen ſtarben bald nach der Geburt, eins am vierten, das fünfte am fünften Lebenstage. Ein ſechster Todesfall wurde durch Atrophie veranlaßt und betraf ein durch die Zange zur Welt gebrachtes Kind, welches wegen geſtörter Milchſecretion der Mutter künſtlich ernährt werden mußte. Bei vier anderen Fällen waren krampfhafte Zuſtände als Urſache des Todes anzukla⸗ gen, welche bei dem einen Kinde unter den Erſcheinungen des Trismus ſchon am zweiten, bei den übrigen dreien zwiſchen dem fünften und neunten Lebenstage unter allgemeinen Convulſionen erfolgte. Die beiden übrigen Todesfälle ereigneten ſich in Folge von Zellgewebsverhärtung, und betrafen der eine das Kind einer anſcheinend ganz geſunden Mutter, deren Niederkunft auch ganz normal verlaufen war, der andere aber das Kind der oben gedachten, durch Wochenbettfieber untergegangenen Syphilitiſchen. — Schließlich nahm Herr Dr. Neugebauer Gelegenheit, der Section eine, von einer in der geburtshülflichen Polyklinik beobachteten, für Mutter und Kind ohne Kunſthülfe glücklich verlaufenen Dystocia e funiculi umbilicalis prolapsu ſtam⸗ menden Nachgeburt mit velamentaler Anheftung der Nabelſchnur, nebſt einer von dem Präparate entworfenen Zeichnung vorzulegen. Die Nabelſchnur zerfiel etwa drei Zoll vom Rande der Placenta entfernt in ihre Blut- gefäße, die von hier, zwiſchen Chorion und Amnion divergirend, die Nabelvene in Begleitung eines ſtarken Aſtes der einen Arterie auf dem nächſten Wege, die beiden Arterien rechts und links von jener in beträchtlis chem Bogen, zur Placenta verliefen. Es war dabei intereſſant zu ſehen, wie hier die beiden entgegengeſetzten Arten der Blutgefäße deutlich die Neigung verriethen, einander in ihrem Verlaufe gegenſeitig zu begleiten, in= dem nämlich, abgeſehen davon, daß der Hauptſtamm der Vene in Gemeinſchaft mit dem gedachten ſtarken Aſte der einen der beiden Arterien verlief, auch noch eine jede der letzteren für ſich beſonders von einer ſehr zarten Vene begleitet wurde, die parallel mit ihr zum Inſertionspunkte der Nabelſchnur lief, um daſelbſt in den Stamm der eigentlichen Nabelvene einzumünden. Herr Hoſpital-Wundarzt Hodann trug die Krankengeſchichte eines 66 Jahre alten Schuhmachermei— ſters vor, der ſonſt geſund, nur in der letzten Hälfte ſeines Lebens an Hämorrhoiden und wiederkehrender Stuhlverſtopfung mit Tympanitis intestinalis gelitten hatte, vor etwa drei Vierteljahren eine Treppe hinab— ſtürzte, und ſich dadurch eine Contuſion der Kreuzgegend zuzog. Seit jener Zeit konnte er den Urin oft nur mit Mühe laſſen, der Drang, dies zu thun, trat ſeltener als früher ein und der entleerte Urin zeigte oft einen ſtarken ſchleimigen Bodenſatz. Den 4. September trat Stuhlverſtopfung ein und vergeſellſchaftete ſich mit gänzlicher Urinverhaltung, die noch am 12. September, als der Kranke in das Hoſpital aufgenommen wurde, fortdauerte. Der Puls war klein, beſchleunigt, die Haut trocken, der Leib nicht aufgetrieben, wohl aber die bis in die Nabelgegend hinaufreichende Blaſe. Da alle Verſuche, den Katheter in die Harnblaſe einzuführen, ſcheiterten, und unter ſolchen Umſtänden eine Ruptur der Blaſe jeden Augenblick zu befürchten war, ſo wurde an demſelben Tage, Mittags zwei Uhr, die Punctio Vesicae zwei Zoll oberhalb des Schaambogens vom Herrn Ober⸗Wundarzt Alter mit der Flurant'ſchen Trocar gemacht, und über zwei Quart eines dunkelfarbigen ſtinkenden Urines entleert. Die Trocar-Röhre blieb zweckmäßig befeſtiget liegen und mit einem Pfropf verz ſchloſſen, welcher, von Zeit zu Zeit entfernt, dem Urin Ausfluß verſchaffte. Der Kranke wurde ruhiger, es traten häufige Stühle ein, welche vielleicht in Folge der anfänglich gereichten Purganzen in Diarrhö über— gingen. Das Allgemeinbefinden war erträglich zu nennen. Der Urin floß nur durch den Trocar aus, und jede Bemühung des Patienten, bei verſchloſſener Canüle zu uriniren, blieb ohne Erfolg. Am dritten Tage nach der Operation wurde ein elaſtiſcher Katheter mit Leichtigkeit eingeführt und folgenden Tages mit einem gebogenen ſilbernen vertauſcht, deſſen Application auch keine große Schwierigkeit machte. Da der Urin durch denſelben ausfloß, der Stichkanal um die Trocar-Canüle zu eitern begann, ſo wurde dieſelbe entfernt und die Stichwunde durch zweckmäßigen Verband geſchloſſen. — Unvorſichtiger und unglücklicher Weiſe entfernte ſich der höchſt ungeduldige und fortwährend an ſich experimentirende Kranke des Nachts den durch eine Bandage 31 * wohlbefeſtigten Katheter. Da er den Urin nicht laſſen konnte, fo träufelte dieſer durch den Stichkanal heraus, ſobald er deſſen Niveau erreicht hatte. Von jetzt an bot die Application des Katheters die größten Schwie— rigkeiten dar. Selbſt durch das häufige und ſehr oft nothwendige Katheteriſiren, da große Schleimpfröpfe die Inſtrumente fortwährend verſtopften, konnte man es zu keiner Routine bringen. An zwei Stellen fand der eindringende Katheter Hinderniſſe. Elaſtiſche Katheter blieben gewöhnlich bei dem erſten Hinderniſſe vor der pars membranacea ſtecken, paſſirten aber manchmal den Blaſenhals recht gut, während ſilberne gebogene Katheter das erſte Hinderniß immer bald, aber ſehr ſchwer, oft gar nicht die pars membranacea überwanden. Obgleich durch den Catheterismus immer für den Abfluß des Urins geſorgt wurde, fo verſtopfte doch der in enormer Menge und in ganzen Ballen abgeſonderte Schleim die Augen der Inſtrumente, und ehe dieſelben gewechſelt werden konnten, floß der Urin durch die Stichwunde aus. Der ſchwächliche Patient war jedoch den vielen Leiden, welche er zu erdulden hatte, nicht gewachſen; die copiöſen Entleerungen durch die Blaſenſchleim⸗ haut untergruben ſeine Kräfte und er ſtarb am 22. Oktober, nachdem in den letzten Tagen die Erſcheinungen einer Febris lenta nur ſchwach hervorgetreten waren. — Bei der Section erfchien die Leber verdickt, hell⸗ gelb gefärbt, der linke Leberlappen atrophiſch, der rechte etwas vergrößerte reichte weiter als gewöhnlich herab. Pankreas, Milz und Magen waren normal, der Darmkanal erſchien in ſeiner ganzen Länge mehr als ge— wöhnlich erweitert. Dieſe Erweiterung betraf beſonders den Dickdarm, und die Flexura iliaca war bis zur Größe eines kleinen Magens ausgedehnt. Die Nieren waren ziemlich groß, die Ureteren nicht pathologiſch verändert. Die Urinblaſe war vom Peritoneum vollſtändig überzogen und daſſelbe blutleer. Sie ragte etwa drei Zoll oberhalb der Schaambeinverbindung hervor und, obgleich entleert, behielt ſie dieſe ausgedehnte Geſtalt, ohne zuſammenzufallen. Der Stichkanal, ein und einen halben Zoll über der Schaambeinfuge, war etwa einen halben Zoll lang, an ſeiner inneren Fläche vollſtändig überhäutet, und betraf die äußeren Bedeckungen und die vordere Blaſenwand nebſt dem dazwiſchen liegenden Zellgewebe. Die Proſtata war nur um Weniges vergrößert, ihr Gewebe nicht pathologiſch verändert. Die Harnröhre bot, nachdem ſie von ihrer Mündung an bis in die Blaſe aufgeſchnitten und dieſer Schnitt bis zum Grunde der letztern verlängert war, Folgendes dar: Zwei Zoll vom Ostium cutaneum urethrae entfernt, begann an ihrer, dem Scrotum zugewendeten, alſo hinteren Fläche eine Trennung des Zuſammenhanges ihrer Schleimhaut, welche die Länge von zwei und die Breite von einem Zoll hatte. Der Grund dieſer geſchwürigen Stelle war mit Schleim bedeckt und dunkelviolett pigmentirt. Die Pars membranacea und prostatica urethrae waren normal beſchaffen, nur etwas Weni⸗ ges erweitert. In den Anfang des Blaſenhalſes hinein erſtreckte ſich das verdickte Ende der Längsfalte des ſogenannten Schnepfenkopfes, und bildete hier einen förmigen dicken Schleimhautbalken, welcher das Ostium vesicale urethrae in drei kleine Lumina theilte. Hinter dieſem pathologiſchen Produkte, welches gewiß kein neues war und wahrſcheinlich ſein Entſtehen dem beſchriebenen Falle oder einer primären Bildung verdankte, war noch eine kleine Ausbuchtung der Blaſenſchleimhaut zu ſehen, welche aber nur ein ſehr flaches Baſſin bildete. In ſeiner Umgebung war der untere Theil der Blaſe weniger exulcerirt und mehr violett gefärbt. Die Wände der Blaſe waren bis zu einem Viertelzoll verdickt und fo ſtarr, daß fie wahrſcheinlich in den letz⸗ ten Tagen des Patienten keiner Contraction mehr fähig waren. Die Muskelſchicht war hypertrophiſch, das ſubmuköſe Zellgewebe verdickt und ſtark dunkelblau pigmentirt. Die Schleimhaut der Blaſe hatte jenes dunkle venös injicirte Ausſehen, wie man es im Innern des Uterus findet, welcher kurz vorher ein Kind ausgeſchloſ⸗ fen hat. Zahlreiche geſchwürige Stellen, welche hier und da die Submucosa zerſtört hatten, waren mit Schleim bedeckt. Es erklärte ſich jetzt, warum der elaſtiſche Katheter das erſte, in der Harnröhre vorhandene Geſchwür weniger gut paſſirte, als der ſilberne, indem ſeine weiche Spitze eher am Ende des beſchriebenen Geſchwürs ſtecken blieb, während die feſte metallene Spitze beim Einführen an der vorderen Fläche der Urethra hingleitend, daſſelbe nicht traf. Eben ſo ſuchte ſich wieder der elaſtiſche Katheter durch eine der drei Oeffnun⸗ gen in der Pars prostatica urethrae eher ſeinen Weg, als der weniger gefügige ſilberne. 245 Den 3. December hielt Herr Profeffor Dr. Kuh einen Vortrag über Johann Diefenbach, den Chirurgen, in welchem er die Leiſtungen deſſelben in der Chirurgie überhaupt darſtellte, und namentlich ſeine Verdienſte um die plaſtiſche Chirurgie und die operative Orthopädik, fo wie um die Begründung einer phy⸗ ſiologiſchen Chirurgie ſchilderte. Der Secretair legte die letzten Nummern des Mediciner's von Kaliſch vor, die der Herr Herausgeber der Geſellſchaft vollſtändig zu verehren die Güte gehabt hat, und von dem die einzelnen Nummern nach ihrem Eingange in den verſchiedenen Verſammlungen im Laufe des Jahres mitgetheilt worden ſind. Dann zeigte der Secretair das Intestinum coecum eines erwachſenen Menſchen vor, dem jede Spur eines Processus vermiformis abging, ferner ein neugeborenes Lamm, an dem die Nabelſchnur, der Schädel und ein Border fuß unter einander verwachſen waren, und ſprach über die Schädelbildung des Orang⸗Outang (Simia saty- rus), indem er beſonders auf die großen Cellulae mastoideae aufmerkſam machte, die nicht bloß beim er> wachſenen, ſondern auch ſchon beim ganz jungen Thiere vorhanden ſind. Hierauf dankte der Secretair der Section für die während feiner Amtsführung ihm gewordene Nach⸗ ſicht und Unterſtützung, und bat, bei der bevorſtehenden Neuwahl des Secretairs auf ihn ferner keine Rückſicht nehmen zu wollen, da ſeine Zeit ihm die Fortführung des Amtes nicht geſtatte. In der hierauf erfolgten Wahl wurde Herr Dr. Krauß bei der erſten Abſtimmung durch überwiegende Majorität zum Secretair ernannt. Schließlich fügen wir noch bei: 1) einen merkwürdigen, von Herrn Dr. C. Nagel hierſelbſt beobachteten und mitgetheilten Fall von gleichzeitiger Erkrankung ſämmtlicher Mitglieder einer Familie, ſo wie 2) eine Abhandlung des Herrn Apothekers Beinert über Entſtehung der koh⸗ lenſäurehaltigen Mineralwaſſer, welche am 11. Oktober in einer Sitzung der natuswiſſenſchaftlichen Sektion vorgetragen wurde. a 1) Am 11. Oktober Abends in der ſiebenten Stunde wurde ich dringend aufgefordert, die Familie des Herrn Apothekers Henſel auf der Feldgaſſe Nr. 8 alsbald zu beſuchen, weil alle Familienmitglieder plötzlich erkrankt wären, und fürchteten, auf irgend eine ihnen unbekannte Weiſe vergiftet zu ſein. Beim Eintritte in die Wohnung fand ich in der erſten Stube zwei Knaben im Alter von 5 und 7 Jahren im Bette, den ältern leidend an Krämpfen der Geſichtsmuskeln und der Extremitäten, welche letztere kalt waren und eine bläuliche Farbe hatten. Er ſchielte bei Erweiterung der Pupille, knirſchte mit den Zähnen und das Bewußtſein fehlte. Der ſehr erhitzte Kopf war nach Hinten gezogen, die Pulſe auffallend frequent, klein, oft verſchwindend unter dem Finger, in gleichem Verhältniſſe die Reſpiration beſchleuniget, der Leib etwas aufgetrieben, jedoch ſchmerz⸗ los; der Urin war ohne Wiſſen des Kranken in das Bette gelaſſen worden. Der jüngere befand ſich in ähn⸗ lichem Zuſtande, hatte aber bei gänzlichem Mangel von Bewußtſein keine Krämpfe, ſchrie dagegen unaufhörlich in ein und demſelben Tone fort, ohne natürlich nur im Geringſten auf beruhigende Worte zu hören. In der zweiten Stube lag die älteſte Tochter von 21 Jahren auf dem Sopha, die zweite von 19 und die dritte von 10 Jahren aber jede in einem Bette. Die älteſte war vollkommen bei ſich, klagte über den unerträglich⸗ ſten Kopfſchmerz, hatte ein heißes, rothes Geſicht, ſehr erweiterte Pupille und die übrigen bereits genannten Krankheits⸗Symptome; die zweite Tochter hatte ebenfalls denſelben Kopfſchmerz und das eben beſchriebene Aus⸗ ſehen der Erſteren, beides aber in viel geringerem Grade, klagte aber dagegen über Mangel an Athem, litt in der That an kurzer, ſehr beengter Reſpiration, bedeutendem Herzklopfen und an naßkaltem Schweiße der Hände, wobei die Pulſe kaum zu fühlen, klein und ſchnell waren. Ein ganz anderes Krankheitsbild bot da— gegen die dritte Tochter dar. Ihr Kopf war zwar auch heiß, aber ihr Geſicht blaß, die Pupille erweitert, Bewußtſein fehlte, und von Zeit zu Zeit ſprang ſie in dem Bette auf, und ſtürzte ſich plötzlich, wie eine an Veitstanz leidende Kranke, wieder auf den Kopf nieder. Der Vater, welcher kurz vorher noch ganz geſund in 246 der Stadt geweſen war, ging zwar noch herum, klagte aber über Schwindel und Kopfſchmerz, große Angſt und überlaufenden Froſt, und konnte ſich nur noch mit großer Anſtrengung, an den Wänden haltend, wie ein Betrunkener bis in die nächſte Stube begeben, um mir ſeine Hausapotheke herbeizuholen, worauf er ſich alsbald niederlegte. Ein ganz gleiches Krankheitsbild bot fein erwachſener Sohn, 18 J. alt, dar, welcher kurz vor⸗ her ebenfalls geſund noch aus der Stadt zurückgekehrt war, und ſchon mittlerweile ſich auf ein aus der Neben⸗ ſtube hereingetragenes Sypha niedergelegt hatte. Von der ganzen aus neun Perſonen beſtehenden Familie befanden ſich alſo nur noch die beiden Dienſtboten ſcheinbar geſund, jedoch nur ſcheinbar; denn eine Stunde ſpäter legte ſich auch die Schleußerin ein, welche noch gegen 6 Uhr mich geholt hatte. Dieſelbe bekam daſſelbe rothe und heiße Geſicht, phantaſirte, lachte und weinte abwechſelnd, hatte alsbald auch kein Bewußtſein, kalte Hände, dieſelben kleinen ſchnellen Pulſe und große Angſt, mit ungleicher, ſehr beſchwerter Reſpiration. Auch die Köchin klagte zuletzt über Kopfſchmerz, blieb aber auf den Beinen und bei vollem Bewußtſein, und ſomit die Einzige von allen neun Familienmitgliedern, welche von keinem der oben genannten Zufälle ergriffen wurde. Schleunige Anwendung von Brechmitteln (Tart. stib.), kalten Umſchlägen, Senfteige, Klyſtiere, bez feitigten bei ſämmtlichen Kranken die drohenden Zufälle, fo daß fie ſchon nach wenigen Stunden um 12 Uhr ſich außer Gefahr befanden. Die Frau vom Hauſe war glücklicherweiſe verreiſt, ſonſt hätte ſie ein gleiches Schickſal betreffen können. 8 Die ſorgfältigſte Unterſuchung, welche ich mit dem inzwiſchen auch zur ärztlichen Hülfsleiſtung zugeru⸗ fenen Herrn Profeſſor Dr. Göppert anſtellte, vermochte über die Urſache dieſer eigenthümlichen, bei allen Mitgliedern der Familie in ſolcher Uebereinſtimmung eingetretenen Krankheits-Symptome keinen Aufſchluß zu ertheilen, weder Einwirkung von Kohlendampf, der ähnliche Zufälle hervorzurufen pflegt, konnte nachgewieſen werden, noch etwaige ſchädliche Beſchaffenheit der Speiſen oder der zu ihrer Bereitung benutzten Geſchirre, nur die verwendete Butter, von der man freilich auch ſchon mehrere Tage vorher ohne Nachtheil zur Be: reitung der Speiſen Gebrauch gemacht hatte, zeigte eine etwas veränderte Beſchaffenheit, hier und da An⸗ flug von grünlichem Schimmel, und einen, wiewohl nur ſchwachen, ſäuerlichen Geruch. — Die mikroſko⸗ piſche Unterſuchung ließ zahlreiche, der Butter offenbar wohl in betrügeriſcher Abſicht beigemiſchte Stärkemehl⸗ körner erkennen, die chemiſche, von Herrn Profeſſor Dr. Duflos veranſtaltete Analyſe vermochte aber eben fo wenig Fettſäure, wie eine anderweitige ſchädliche Beimiſchung nachzuweiſen. N 2) Geognoſtiſch⸗geologiſche Aphorismen über die Entſtehung der kohlenſäurehaltigen Mineral⸗ waſſer, insbeſondere der eiſenhaltigen Säuerlinge von Charlottenbrunn, 0 von Herrn Apotheker Beinert daſelbſt. Die Entwickelung bedeutender Mengen von Kohlenſäuregas, die wir in den Mineralwaſſern, in tiefen Brunnen, im Laacher See, im vulkaniſchen Gebiete der Eifel, im Taunusgebirge, in einigen Höhlen, in den ſogenannten Mofetten u. ſ. w. wahrnehmen, hat man auf verſchiedene Weiſe zu erklären geſucht. Ich will hierbei nur die Anſichten der neueren Gelehrten kurz berühren. Guſtav Biſchof in ſeinem neueſten Werke: „Lehrbuch der chemiſchen und phyſikaliſchen Geologie, 1846,“ in dem er die Hypotheſen Anderer kritiſch beleuchtet, und dieſelben zum Theil unwahrſcheinlich und unhaltbar findet, ſcheint ſich vorzugsweiſe der Anſicht hinzugeben, „daß in einer Tiefe der Erdkruſte, wo die innere Erdwärme den Grad erreicht, um kohlenſauren Kalk, den er in dieſer Tiefe als vorhanden annimmt, in glühenden Zuſtand zu verſetzen, Kohlen: ſäure gasförmig entwickelt und ausgetrieben werde.“ 247 W. Stein ſucht die Sache auf die Weiſe zu erklären, daß er „durch Zerſetzung der in der Erdkruſte häufig vorkommenden Schwefelkieſe ſchwefelſaures Eifenz oxyd entſtehen läßt, welches, in Waſſer gelöſt und mit kohlenſaurem Kalk in Berührung kommend, die Kohlenſäure frei macht, indem ſich Gyps und Eifenoryd bilden.“ Liebig iſt geneigt, die Kohlenſäure-Exhalationen aus den bedeutenden organiſchen Ueberreſten in der Braunkohlenformation abzuleiten. Nach ihm ſcheint noch jetzt in großen Tiefen die eigenthümliche Zerſetzungs⸗ weiſe der vorweltlichen Vegetabilien, d. h. eine fortſchreitende Entbindung von Kohlenſäure, in allen Braun⸗ kohlenlagern fortzudauern: „Jene Säuerlinge ſollen ſich auf dem Platze ſelbſt, wo fie vorkommen, bilden: aus ſüßem Maf- ſer, das aus der Tiefe kommt, und aus kohlenſaurem Gaſe, das gewöhnlich von der Seite zuſtrömt.“ Ich ſelbſt habe vor einigen Jahren eine der W. Stein'ſchen ähnliche Hypotheſe aufgeſtellt, wozu mich die Wahrnehmung vermochte, daß in den Waſſern der Sophieengrube, die mir von der Bergbehörde zur Un— terſuchung übergeben wurden, ſich ein fo bedeutender Antheil freier Schwefelſäure befand, daß die Belederun— gen der Pumpenkolben in ſehr kurzer Zeit zerfreſſen wurden, wodurch der Grubenkaſſe eine ungewöhnlich große Ausgabe erwuchs. Da jedoch bei einem ſpäteren Steigerwechſel die freie Schwefelſäure in den gedachten Gru⸗ benwaſſern verſchwand, und die Belederung der Kolben viel länger hielt, fo läßt ſich mit vieler Wahrſcheinlich— keit annehmen, daß in dem Falle ein Betrug obgewaltet habe. Die Schwefelſäure-Erzeugung würde hier ebenfalls nur von der Zerſetzung der in den Steinkohlen befindlichen Schwefelkieſe, die Entwickelung des Koh: lenſäuregaſes aber aus dem Eindringen des ſchwefelſauren Waſſers bis zu Kohlenkalklagern, oder kalkhaltiger Grauwacke abzuleiten ſein. Ziehen wir jedoch in Betracht, daß die Schwefelkieſe in den Steinkohlen-Lagern nur gering ſind, ſich in der Regel nur in den Blätterdurchgängen der Kohle zerſtreut befinden, daß mithin bei dem Zutritte von Grubenwäſſern nur eine äußerſt ſchwache Schwefelſäure mit dem kalkhaltigen Geſtein in Berührung kommen könnte, fo läßt ſich der bedeutende Kohlenſäuregehalt unſerer Mineralwaſſer aus dieſer Quelle nicht erklären. Demungeachtet will ich nicht in Abrede ſtellen, daß die heißen ſaliniſchen Quellen dergleichen chemi⸗ ſchen Proceſſen ihre Entſtehung verdanken. Der Karlsbader Sprudel z. B. bricht tauſend Fuß tiefer, als die Marienbader Quelle, mit einer Tem⸗ peratur von 59 R., aus Granit hervor, und enthält in einem Pfunde von ſechszehn Unzen beinah 42 Gran feſte Beſtandtheile, wovon circa 20 Gran auf ſchwefelſaures Natron, 13% Gran auf kohlenſaure Erd- und Metallſalze, 8 Gran auf Chlornatrium und ½ Gran auf Kieſelſäure gehen. Die große Menge des in dem Sprudel enthaltenen ſchwefelſauren Natrons iſt allerdings geeignet, uns für die obige Anſicht, und namentlich auch für die von Berzelius zu ſtimmen, der da annimmt, daß die Karlsbader, wie die Aachener Quellen ihren Urſprung einem in der Tiefe liegenden und noch thätigen vulka⸗ niſchen Heerde verdanken. Die Bildung der Schwefelſäure können wir uns ganz einfach erklären, wenn wir eine Zerlegung von Waſſer durch auf jenem glühenden Heerde erhalirte Schwefeldämpfe annehmen. Der Sauerſtoff des Waſſers erzeugt Schwefelſäure, der Waſſerſtoff dagegen Hydrothionſäure mit dem Schwefel: die Schwefelſäure zerlegt Natron verbindungen, und bildet ſchwefelſaures Natron, die Hydrothionſäure zerlegt Metallſalze und bildet Schwefelmetalle. Die dabei frei werdende Kohlenſäure wird von dem unzerſetzt gebliebenen Waſſer, nach den Geſetzen des hydroſtatiſchen Druckes und der Dampfſpannung nach der Oberfläche der Erde aufſteigend, auf- genommen, und dieſe Flüſſigkeit nimmt auf ihrem Wege dahin, vermöge ihres Kohlenſäuregehalts, kohlenſauren Kalk, Magneſia, Eiſenoxydul als Bicarbonate auf, welche, beim Austritte der heißen Quelle, an der Luft zu unlösllchen, einfach kohlenſauren Verbindungen, dem Quellenſteine, werden, während Kohlenſäure gasförmig entweicht. 248 Von ähnlichen Proceffen, jedoch nicht vulkaniſchen, ſondern plutonifchen, will ich die Entftehung unſerer kalten kohlenſäurehaltigen Mineralwäſſer, in denen die Bicarbonate des Kalks, der Magneſia, des Eiſens und Natrons, nebſt überſchüſſiger Kohlenſäure weſentlich, die ſchwefelſauren und ſalzſauren Verbindungen aber ſehr untergeordnet ſind, herzuleiten verſuchen. Um mich jedoch verſtändlich machen zu können, ſcheint es mir nothwendig, eine Anſicht über die Be⸗ ſchaffenheit unſeres Erdkörpers vorauszuſchicken. Unſer Erdkörper zerfällt, meiner Anſicht nach, zunächſt in zwei Theile: a) in den glühenden Kern, b) in den erſtarrten Theil, Erdkruſte oder Erdrinde genannt. Der erſtere beſteht aus allen bis jetzt bekannten oder unbekannten, bei einem außer aller Berechnung liegenden Hitzegrade in geſchmolzenem Zuſtande beharrenden einfachen Stoffen. Alle dieſe Stoffe ſind metalliſcher Natur und nicht chemiſch mit einander verbunden, ſondern nur legirt. Die ſchwereren bilden den geſchmolzenen rotirenden Kern, die leichteren deſſen glühende Metall⸗Atmoſphäre, die die erhärtete Erdkruſte in Spannung erhält. Ihr Hitzegrad iſt ſo hoch, daß eine Waſſerbildung unmöglich iſt, mithin chemiſche Reactionen der Stoffe unter einander durchaus nicht eintreten können. Geſchieht es indeß, daß Meteorwaſſer durch irgend eine luftleere Spalte der Erdkruſte in ſolche Tiefe hinabfallen, um partiell einen namhaften Einfluß auf die Temperatur der glühenden Atmoſphäre ausüben zu können, fo wird die Folge davon eine Abkühlung und eine Verminderung der Spannkraft derſelben fein, folg- lich eine Senkung der Erdkruſte auf der einen, eine Erhebung derſelben auf der anderen Seite ſtattfinden. Das Waſſer wird dabei in ſeine Beſtandtheile zerlegt, dieſe nehmen Gasform an, und bringen durch ihre momentane außerordentliche Expanſion eine weit ausgedehnte Erſchütterung und Schwankung der zerklüfteten Erdkruſte hervor, die den Namen Erdbeben führt, und die, in dem Falle, daß die brennbaren Gaſe ſich ent= zünden und verbrennen, mit donnerähnlichem Getöſe verbunden iſt. Wenden wir uns nun zu dem zweiten Theile, zur näheren Betrachtung der Erdkruſte, auf der wir und alle Geſchöpfe leben, ſo nehmen wir, bezüglich ihrer Beſchaffenheit, zunächſt zwei wichtige Erſcheinungen wahr: ö f 1) die Zerklüftung und Spaltung ihrer Maſſe, und 2) die nach der Tiefe hin zunehmende Temperatur. 0 Die erſte Erſcheinung iſt namentlich durch den Bergbau — der zu der Wahrnehmung Gelegenheit bot, daß ſich die Zerklüftungen überall, ſowohl in den plutoniſchen Geſteinsmaſſen, als auch in dem Thonſchiefer dem Uebergangsgebirge und den ſedimentären Bildungen vorfanden — längſt zur Thatſache erhoben. Dieſe Zerklüftungen ſind gleichſam die Adern der Erdkruſte, die Entbindungsröhren für die gasförmigen Körper, die Trichter und Heberröhren für die Meteorwaſſer. Wiürden die letzteren von den Waſſer durchlaſſenden Schichten nicht aufgefogen, nähmen Klüfte an den Ufern von Seen und größeren Flüſſen nicht bedeutende Mengen Waſſers auf, und könnte letzteres in der Erdkruſte nicht nach allen Richtungen hin, ja bis in die größte Tiefe hinab dringen — ſo würden allgemeine Ueberſchwemmungen eine weit häufigere Erſcheinung ſein; wir würden weder Mineralquellen, noch überhaupt Quellen haben; und die Wirkungen des Chemismus, dem die in der Erde befindlichen, mannigfaltig zuſam⸗ mengeſetzten Verbindungen ihr Daſein verdanken, würden nicht haben ſtattfinden können. Ohne dieſe Zerklüftung würde aber auch die Exhalation der alles Organiſche weckenden, belebenden und ernährenden gasförmigen Stoffe, als da find: Kohlenſtoff, Waſſerſtoff, Sauerſtoff und Stickſtoff, nicht ſtets in unverändertem Maaße in unſerer Atmosphäre vorhanden fein; denn, ſowohl Exhalationen als Inhalationen der lebenden Geſchöpfe ſind in ihrer Miſchung quantitativ viel zu veränderlich, als daß ſie im Stande wären, das Miſchungsverhältniß der unſere Atmoſphäre bildenden Gaſe conſtant zu erhalten, 249 Wir kommen nun zur näheren Erörterung einer für unſer Thema gleich wichtigen Erſcheinung, nämlich zu der Zunahme der Wärme nach dem Innern des Erdkörpers. Dringt man durch Bohrlöcher in die Erde ein, ſo findet man zunächſt, daß — in Deutſchland z. B. bei 4 Fuß Tiefe — die täglichen Temperaturwechſel aufhören, und nur die jährlichen noch das Thermometer bewegen. Dann erreicht man bei 60 Fuß Tiefe eine Region, in der auch die jährlichen Wechſel, alſo die wechſelnden Wirkungen der Sonne, gänzlich verſchwinden, und ſomit die der eigenthümlichen Erdwärme allein herrſchen. Noch tiefer hinein findet, nach den Beobachtungen Humboldt's, Fox's, Cordier's, Reich's u. A., durchſchnittlich bei je 120 Fuß eine Wärmezunahme um 1“ der hunderttheiligen Scala ſtatt. Aus dieſen Beobachtungen ſcheint hervorzugehen, daß eine ähnliche Zunahme bis in die größten Erdtie— fen ſtattfinde, woraus dann ein heißflüſſiger Zuſtand des Erdinneren, deſſen wir ſchon oben umſtändlicher ge— dacht haben, zu folgern ſein würde. Vorausgeſetzt, daß die Wärmezunahme gleichmäßig bleibt, ſo müßte ſchon bei acht Meilen Tiefe der Schmelzgrad des Eiſens (gleich 1800 C. angenommen) eintreten, und bei zwölf Meilen Tiefe oder bei 2700 C. würden wohl alle uns bekannten Stoffe ſich in heißflüſſigem Zuſtande befinden. Ohne innere Erdwärme in Verbindung mit der Sonnenwärme würden die bekannten Stoffe, aus de⸗ nen unſere Atmoſphäre beſteht, ihren gasförmigen Zuſtand verlieren und alles Leben würde erlöſchen. 0 Wir müſſen hier noch eines Umſtandes gedenken, der namentlich für das Eindringen der Meteorwaſſer von hoher Bedeutung iſt. Ich meine die Erhebung des Feſtlandes und der Gebirgsketten. Nach der Theorie, die Leopold v. Buch und Elie de Beaumont darüber aufgeſtellt haben, unter= liegt es kaum noch einem Zweifel, daß die Gebirgsketten durch Aufreißen und Erheben einzelner Theile der Erde entſtanden ſind. Der letztere zeigt, daß das, was L. v. Buch für Deutſchland nachgewieſen hat, ſich auf der ganzen Erdoberfläche wiederfinde. Durch dieſe Hebungen, theils vulkaniſchen, theils plutoniſchen Ur— ſprunges, wurden die urſprünglich horizontal abgelagerten, die Oberfläche der Erdrinde bedeckenden ſedimentären Bildungen mit aufgerichtet, was wir in der uns zunächſt liegenden Kohlenformation überall deutlich wahrneh— men können. Wie wir hier ſehen, zeigen ſich die Wirkungen der Hebung am deutlichſten an den Schichten des lie— genden Zuges, der unmittelbar mit dem Gneuße grenzt. Die Schichten fallen in Winkeln von 65 bis 75 Graden ein, und da ſie auf dem Gneuße hangen, fühlt man ſich verſucht, ihre Aufrichtung dieſem, und nicht dem Porphyr zuzuſchreiben, der ſie bei ſeinem Empordringen blos durchbrochen zu haben ſcheint. Bevor jedoch das Liegende der Flötze nicht in größerer Tiefe unterſucht worden, läßt ſich nicht unterſcheiden, ob die Hebung dieſer Schichten dem Gneuß oder Porphyr zuzuſchreiben iſt. Zwiſchen dieſem Gneuß und Kohlenſandſtein ſetzt ein Lager in die Tiefe, deſſen Ausfüllung aus Schwerſpath, Braunſpath, Kalkſpath, Quarz mit etwas Schwe⸗ fel- und Kupferkieſen beſteht. Auf dieſem ruht ein feſter, grauer, viel Glimmerblättchen einſchließender Sands ſtein; darauf ein 12 Zoll mächtiges Flötz zäher, ſchwarzer Lette, die im trockenen Zuſtande ſchreibt; dann Kohlenſandſtein, Schieferthon, Steinkohle und wieder Schieferthon. In der Art wiederholt ſich der Wechſel zwiſchen Schieferthon und Steinkohle viermal, und ſchließt vier bauwürdige Steinkohlenflötze ein, die von rothgefärbten Sandſteinen bis an die Grenze des emporgeſtiegenen Porphyrs bedeckt ſind. Dieſer Porphyr, aus dem die hieſige Charlottenquelle hervorquillt, iſt der Zweig einer langen Porphyrerhebung, die im Hoch— walde beginnt, die Felder mehrerer Steinkohlengruben durchſchneidend, die Vogelkoppe bei Altwaſſer emporhob, die „Segen⸗Gottes-, Lauras, Weißig, Bergrecht-, Gnade-Gottes-, Cäſar-, Hubert-, Caroline-, Friedrich⸗ und die Troſt-Grube“ berührend, unterhalb des herrſchaftlichen Schloſſes zu Tannhauſen in der bedeutenden Erhebung des Teichwaldes endigt. — Wie aus der Beobachtung hervorgeht, trennt dieſer Porphyrzug das Flötzgebirge durchgängig in zwei Theile, wovon der links der liegende, der rechts der hangende Zug ge— nannt wird. Die Einfallswinkel der beiden Züge ſind ſo auffallend von einander abweichend, daß man ſich nicht enthalten kann, nach der Urſache dieſer Erſcheinung zu fragen; und dieſe ſcheint keine andere geweſen 32 250 zu fein, als daß nämlich im liegenden Flötzzuge außer der Hebung einerſeits, gleichzeitig eine Senkung in die glühende Porphyrmaſſe andererſeits ftattfand, was im hangenden Flößzuge, wo die Schichten bloß gehoben wurden, nicht der Fall war, mithin die Schichten auch ein flacheres Fallen beibehalten mußten. Die Lage, in welche wir die Schichten des in Betracht genommenen Flötzzuges verſetzt ſahen, giebt uns die Ueberzeugung, daß die Charlottenquelle ihren Reichthum an Waſſerzufluß wohl nur mittelbar den Meteorwaſſern, die in den waſſerdurchlaſſenden Schichten des liegenden Zuges in die Tiefe hinabdringen, zu verdanken habe; dagegen die Schichten des hangenden Zuges aus der Quelle eher Waſſer entnehmen, als ihr zuführen können. Wie bereits oben geſagt, ſind die kohlenſäurehaltigen Quellen plutoniſchen Urſprungs. Sie empfangen ihre Kohlenſäure weder aus den Stein-, noch Braunkohlenlagern, eben ſo wenig aus dem kohlenſauren Kalke, ſondern aus dem in unbekannter Tiefe glühenden Theile der Erdrinde, dem eigentlichen Heerde chemiſcher Proceſſe. f Hier befinden ſich wahrſcheinlich mächtige Graphitlager in fortwährender langſamer Oxydation, deren Produkt kohlenſaures Gas iſt, was durch feine Expanſion und durch den hydroſtatiſchen Gegendruck der Me— teorwaſſer ſich mit denſelben verbindet zu kohlenſaurem Waſſer. Betrachten wir nun die waſſerdurchlaufenden Schichten des liegenden Flötzzuges als den verlängerten Schenkel eines umgekehrten Hebers; den zerklüfteten Porphyr aber, der ſich in der Tiefe mit den ſedimentären Schichten durchkreuzt, als den anderen Schenkel deſſelben, und zwar den kürzeren: ſo ſehen wir leicht ein, daß die Waſſer an der Grenze des Porphyrs und in ſeinen Zerklüftungen aufſteigen, und als arteſiſche Brunnen zum Vorſchein kommen müſſen. Da nun bekanntlich kohlenſaures Waſſer die Eigenſchaften beſitzt, mit ver: ſchiedenen Oryden, ſogenannten Erden und Alkalien, z. B. mit Kalk-, Talk-, Strontianz Erde, Eiſen-Oxyd, Natron und Kali u. ſ. w., ſich zu verbinden, und bei vorhandenem Ueberſchuſſe an Kohlenſäure leicht lösliche Bicarbonate zu bilden, und dieſe Verbindungen in den Geſteinen vor ſich gehen, in denen die Waſſer aufſtei⸗ gen, ſo bezeichnet man dergleichen Quellen mit dem Namen Mineralquellen. Der Graphit iſt reiner Kohlenſtoff, deſſen Entſtehung wir von exhalirtem Kohlenmetallgaſe aus dem glühenden Kerne der Erde ableiten. Den Kohlenſtoff ſehen wir demnach nicht als einfachen Körper an, ſon— dern halten ihn für zuſammengeſetzt aus Kohlenmetall und einem unbekannten Stoffe, wahrſcheinlich Waſſer⸗ ſtoff. Bei hohen Hitzegraden iſt er ſublimirbar, was beim Garen des Eiſens wahrzunehmen iſt. Sollte es der Chemie gelingen, einen Apparat zu erfinden und einen Hitzegrad hervorzubringen, bei und in welchem unter Abhaltung des Sauerſtoffs der Luft der Graphit geſchmolzen werden könnte, dann würde die künſtliche Darſtellung des Diamanten, der wahrſcheinlich nichts als ein im Waſſerſtoffgaſe geſchmolzener, und durch ſehr langſames Abkühlen kryſtalliſirter Kohlenſtoff iſt, gefunden ſein. Die Temperatur der eiſenhaltigen Säuerlinge aller Länder iſt durchſchnittlich 7,5“ R., und es varüren die derartigen ſchleſiſchen Quellen darin, wie folgt: Flinsberg beſitzt eine Temperatur von 80 R., O ber-Salzbrunn 6 R., N Georgbrunnen zu Altwaſſer 6,40 R., Charlottenquelle hier 7 R., Reinerz 9 R., Langenau 7“ R., Cudowa 7 R. Bleibt die Temperatur einer Mineralquelle nicht Eonftant, verändert fie ſich vielmehr mit dem Wechſel der Jahreszeiten, fo deutet dies theils auf einen Zufluß von Tagewäſſern, theils auf ein Entſtehen in derje— nigen Tiefe hin, bis zu welcher die Temperaturwechſel der Atmoſphäre noch einzuwirken im Stande ſind. Waſſer, die keinen Ueberſchuß an Kohlenſäure beſitzen, ihre Temperatur oft wechſeln, enthalten auch nur we⸗ nig, oft gar keine Bicarbonate, und haben kein Recht auf den Rang eines Mineralwaſſers Anſpruch zu machen. In hieſiger Gegend ſind es in der Regel Grubenwaſſer, die hie und da, fo auch in einem Bruns nen des Herrn Geheimen Raths Treutler in Neu-Weisſtein zum Vorſchein kommen. Sie ſind in der Regel trübe, von etwas dintenhaftem Geſchmack, und ihre Temperatur iſt die der Tagewaſſer. Die Temperatur iſt für den Charakter der eiſenhaltigen Säuerlinge ein wichtiges Kriterium: ſie iſt konſtant, und übertrifft niemals die mittlere Temperatur unſerer Atmoſphäre, von der ſie überhaupt in keiner Jahreszeit afficirt wird. Faſſen wir das Vorgetragene kurz zuſammen, ſo ergeben ſich daraus folgende Schlüſſe: Der glühende Zuſtand unſers Erdinnern iſt der Urquell aller chemiſch wirkſamen Stoffe in, auf und über der Erdkruſte. Die Exhalation der flüchtigen Stoffe iſt fortwährend im Gange, wodurch die vom Chemismus verbrauchten Mengen erſetzt, und die Miſchungsverhältniſſe, namentlich unſerer Atmoſphäre, im Gleichgewichte erhalten werden. Der Kohlenſtoff iſt kein einfacher Körper, ſondern aus Kohlenmetall und einem unbekannten Stoffe zuſammengeſetzt. Er iſt ſublimirbar, und giebt ein Sublimat, das wir unter dem Namen Graphit kennen, deſſen Neigung, mit Sauerſtoff zuſammen zu treten und kohlenſaures Gas zu bilden, bei gewiſſen Hitzegraden ſehr groß iſt. Dieſer Graphit iſt der Urkohlenſtoff, von dem der ſecundäre Kohlenſtoff in Pflanzen und Thie— ren, mithin unſere Stein- Braun- und Thierkohle abſtammen. Die Vegetabilien ernähren und erhalten ſich bekanntlich von kohlenſaurem Gaſe, das ihnen aus der Luft und aus der Erdkruſte dargebracht wird; der Kohlenſtoff wird in der Pflanze verkörpert; der Sauerſtoff ent⸗ weicht in die Atmoſphäre, um Oxpdationen organiſcher und unorganiſcher Stoffe, mit anderen Worten, um Verbrennungen zu bewirken und dabei wieder Kohlenſäuregas zu erzeugen. Durch die Schichtenerhebung und durch die Zerklüftung der Erdkruſte iſt den Meteorwaſſern das Ein— dringen in große Tiefen verſtattet. Da, wo ihnen ein Strom von kohlenſaurem Gaſe entgegenwirkt, nehmen ſie einen Ueberſchuß deſſelben auf, und ſind dadurch in den Stand geſetzt, aus den Mineralien, die ſie bei ihrem Aufſteigen berühren, die bekannten Beſtandtheile aufzunehmen. Die Meteorwaſſer ſind alſo die Aufſauger und Träger der exhalirten Gaſe, vorzugsweiſe des kohlen— ſauren Gaſes und Schwefelwaſſerſtoffgaſes. 5 — p — —— 32 * 6. Bericht über die Vorträge der techniſehen Sektion im Jahre 1847, ö vom Direktor Gebauer, zeitigem Secretair derſelben. Am 11. Januar. Der Sekretär legte der Sektion irdene Waſſer- und Luftleitungsröhren zur Beurtheilung vor, welche ihm zu dieſem Behufe von dem Holzhändler Herrn H. Kopiſch übergeben und in der Fabrik der Herren Kanold und Frey in Steinau a. d. O. angefertiget worden waren. Sie zeigten ein tadelloſes Aeußere. Muff und Endſtück waren mit Schraubengewinden verſehen, um leichteres und ſichereres Aneinan⸗ derfügen einzelner Röhrenſtücke zu bewerkſtelligen. Beim Zerſchlagen zeigten fie erhebliche Feſtigkeit, und ges währten damit die Ueberzeugung, daß ein Brechen und Zerdrücktwerden im Boden ſchwerlich erfolgen dürfte. Die innere Fläche war glaſirt, zeigte aber leider mehrere Stellen, an welchen die Glaſur nicht gehaftet hatte, oder durch Blaſentreiben abgeſprungen war. Die Beſeitigung dieſes Uebelſtandes dürfte vorzugsweiſe die Fa⸗ brik zu beachten haben, wenn eine nützliche Verwendung dieſer Röhren zur Leitung von Waſſer und Luft ein⸗ treten ſoll, was ſehr zu wünſchen wäre, da die Preisſtellung günſtig ausfallen dürfte. Am 25. Januar. Herr Stadtrath Selbſtherr hielt einen Vortrag über die Gewinnung des Tokaier Weines. Es iſt vielfach die Meinung verbreitet, daß der genannte Wein nur auf dem Tokaier Berge wachſe, welcher Eigenthum des Kaiſers ſei, von dieſem nie verkauft, ſondern nur zu Geſchenken an höchſte und hohe Herrſchaften verwendet werde und daher niemals ächt in den Handel komme. Zur Widerlegung dieſes Ge: rüchtes legte der Vortragende ein Atteſt des Tokaier Magiſtrates vor, in welchem atteſtirt war: daß der To—⸗ kaier Berg keinesweges dem Kaiſer gehöre, ſondern, in viele Hundert Parzellen vertheilt, das Eigenthum der Bewohner der Stadt iſt, welche ihren geernteten Wein an Jedermann verkaufen, der ihn nur bezahlen will. Der Name Tokaier Wein kommt zwar allerdings von der Stadt Tokay her, weil ſie die größte Stadt in der Tokaier Gegend iſt, aber gerade auf dem Tokaier Berge wird in den meiſten Jahren nur ein untergeordneter Wein, in Vergleich mit dem in anderen Ortſchaften dieſer Gegend geernteten, gewonnen. Das Tokaier Weingebirge, in Ungarn unter dem Namen Hegyallya (an den Hügeln) bekannt, hat von dem Flecken Szanto bis Tokay eine Breite von vier, und von Tokay bis Ris Toronya eine Länge von ſechs geographiſchen Meilen, und bildet ein Dreieck von vierzehn Quadratmeilen. Die Namen der 21 Ort: ſchaften, welche zur Hegyallya gehören, find: Stadt Szanto, Dorf Golop, Stadt Tallya, Dorf Ratka, Dorf Ond, Stadt Mad, Dorf Zombor, Marktflecken Parzal, Stadt Tokay, Stadt Badrog Kereztus, Dorf Ris⸗ fallud, Prädium, Scheghy, Stadt Olaszy Liska, Marktflecken Erdo Benié, Stadt Toltzehwa, Dorf Erdo 254 Hervathi, Dorf Szadany, Stadt Nagy Saras Patak, Stadt Ujehli, Dorf Ris Toranga. Der größte Theil dieſer Ortſchaften baut Wein unter dem allgemeinen Namen Tokaier, welcher aber in der Hegyallya ſelbſt nach den Ortſchaften benannt wird, z. B. Madaer, Talyaer u. ſ. w. Die Gegenden Mad, Kerectur, Talya u. ſ. w. liefern das beſte Gewächs. Beim Beginn der Traubenreife findet aus den nördlicheren Gegenden ein erhebli—⸗ cher Zuzug von theils Frohnarbeitern der Grundherrſchaften, theils freien Arbeitern ſtatt, welche nach Beendi— gung der Getreideernte Erwerb ſuchen. Ohne deren Hilfe würde die Leſe, welche bei guten Mittelernten in der Hegyallya einen Ertrag von 420,090 Eimern liefert, nicht beendiget werden können. Für alle Weingär⸗ ten, welche dem Zehnten unterworfen ſind, iſt der Anfang der Leſe auf den 28. Oktober feſtgeſetzt. Obgleich dies ſchon ein ſehr ſpäter Termin iſt, in Vergleich mit der Leſe aller übrigen Weinländer, ſo wird er dennoch von den Beſitzern freier Weingärten oft bis Mitte December ausgedehnt, falls nicht früh eintretender Froſt eine Beſchleunigung herbeiführt. Je länger die Traube am Stocke verweilt, deſto mehr trocknen die Beeren. Das Klima des Tokaier Gebirges iſt nur ein gemäßigtes. Der Wein reift langſamer, als in den meiſten anderen Weinländern. Das Gebirge iſt vulkaniſchen Urſprungs, bedeckt mit Gerülle von Bimſtein und Kreide, und ſo warm, daß ſelten Schnee auf den Weinbergen liegen bleibt, während er auf der Ebene häufig ge— troffen wird. Noch 1834 erlebte der Vortragende in Kereſtur eine Erderſchütterung, bei welcher Giebel der maſſiven Häuſer in die Straßen ſtürzten. Die Nähe der kaum 15 Meilen entfernten Karpaten veranlaßt, daß Ende September und im Oktober die Nächte ſchon ziemlich kalt ſind, wobei ein Stocken der Säfte im Weinſtock eintritt, während die heiße Sonne am Tage die Traube wieder kocht. Die Nährung der Trauben nimmt immer mehr ab, indem die Stengel vertrocknen, und zwar um fo mehr, je häufiger und früher nächt— liche Reife eintreten, wobei die Beeren ſich in Trockenbeeren verwandeln, indem ihre Hülſen oder Bälge auf— ſpringen, die wäſſerigen Theile verdünſten und die edleren Säfte ſich verdicken. Die Beeren ſchrumpfen dabei zuſammen und erhalten das Anſehn der Cibeben oder großer ſpaniſcher Roſinen. Die große Chemikerin Natur liefert hier ein Produkt, das man in andern Weinländern vergeblich durch Kunſt zu erreichen ſucht. So trocknet man am Rhein die Beeren auf Stroh, um den Strohwein zu erhalten, oder kocht in Spanien einen Theil des Moſtes zu Syrup ein, welcher dem übrigen gepreßten Weine zugeſetzt wird. Aber dieſe Künſteleien entfernen die der Traube eigenthümliche Säure nicht. Da aber nicht die ganze Traube in Trockenbeeren zuſammenſchrumpft, ſondern nach der Vorzüglichkeit des Jahrganges ein größerer oder geringerer Theil, ſo werden, ehe die Traube gekeltert wird, die Trockenbeeren herausgepflückt und in großen Bottichen beſonders aufbewahrt. Wenn dieſe geſammelten Trockenbeeren ſofort der Preſſe übergeben würden, ſo würde man wenig oder keinen Saft erhalten. Man iſt genöthiget, ſie vorher in einen Brei zu verwandeln, wozu man vergeblich Maſchinen anzuwenden verſucht hat. Am zweckmäßigſten erreicht man das Ziel durch Treten mit bloßen Füßen, wobei die Maſſe ſo verarbeitet wird, daß man faſt keine Hülſe in dem Brei mehr vorfindet. So wenig appetitlich nun auch dieſe Arbeit, welche durch Tage⸗ arbeiter verrichtet wird, anzuſchauen iſt, ſo kann man ſich doch mit der Ueberzeugung tröſten, daß bei der ſpäter eintretenden Gährung jeder etwa hinzugekommene Stoff entfernt wird. Durch Zuſatz dieſer Trocken— beermaſſe zu dem übrigen Wein, welcher wie in allen anderen Weinländern gepreßt wird, erzeugt man die verſchiedenen Sorten des Tokaier Weines. Ordinari iſt derjenige Wein, welcher aus den Trauben gepreßt wird, welche ihrer Trockenbeeren beraubt worden ſind. Dieſer Wein iſt der gewöhnliche Tiſchtrunk der Ungarn, und eignet ſich nur in guten Jahren zum Theil zur Ausfuhr. Samerodne iſt derjenige Wein, welchem man gerade ſo viel Trockenbeermaſſe wieder zuſetzt, als man aus ſeinen Trauben genommen hat. Er iſt ſehr gut zur Ausfuhr geeignet, kräftig und aromatiſch, obgleich von geringer Süßigkeit. Muszlaſch kommt in vier Sorten, ein-, zwei-, drei- und vierbuttiger vor, je nachdem eine, zwei, drei oder vier Butten Trockenbeermaſſe einem Faſſe Wein zugeſetzt wurden. Bei Zuſatz von 5 Butten erhält der 255 Wein den Namen Ausbruch. Fünf Butten find die Hälfte eines Faſſes. — Die Miſchung erfolgt in Bot: tigen von 6 bis 10 Faß Inhalt. Nach erfolgter Umrührung beginnt nach wenigen Stunden ſich die Maſſe zu heben und bringt Körner und Hülſen an die Oberfläche, welche eine 6 bis 12 Zoll ſtarke Rinde bilden. Bei wärmerer Atmoſphäre erfolgt dieſe Gährung zeitiger und wird bei Zuſatz von mehr Trockenbeermaſſe ver: zögert, ſo daß ein Zeitunterſchied von 12 bis 48 Stunden erwachſen kann. Nach vollendeter Gährung wird die Maſſe mit Stangen umgerührt, und durch Säcke, die hierzu beſonders gearbeitet ſind und Tretſäcke ge— nannt werden, hindurchgedrückt und zuletzt gepreßt. Die Aufbewahrung erfolgt in Fäſſern, Kufen zu zwei preußiſchen Eimern oder in Antheilen zu einem preußiſchen Eimer. Gewöhnlich werden nur die feinen Weine in Antheilen aufgefüllt. Es iſt noch einer achten Weingattung, welche im Tokaier Gebirge gewonnen wird, zu erwähnen, der man den Namen Eſſenz beigelegt hat. Während die Trockenbeeren in Bottichen aufgeſchichtet liegen, quillt und preßt ſich durch das eigene Gewicht der Beeren ein Saft aus, der dieſe Eſſenz liefert und abgezapft wird, bevor das Treten erfolgt, weil fonft eine Erſchwerung deſſelben ſtattfinden würde. Jeder gewiſſenhafte Wein; Erzeuger vertheilt dieſe Eſſenz, nachdem die Weine mit der getretenen Trockenbeermaſſe verſetzt worden ſind, gleichmäßig in die gefüllten Fäſſer, und giebt den Muszlaſch-Weinen wieder, was ihnen gebührt. Gewiſſenloſe Wein ⸗ Erzeuger ziehen es aber vor, ihre Muszlaſch-Weine zu berauben und durch den Verkauf der Eſſenz allein einen größeren Nutzen zu ziehen. Das Comitat hat zwar den Verkauf der Effenz verboten, da durch denſelben den Käufern der Muszlaſch-Weine ein Betrug zugefügt wird, aber auf heimlichen Wegen werden doch viele Eſſenzen geſammelt und verkauft. Der Vortragende hat häufig bemerkt, daß die Eſſenz den Mänz nern von ihren eigenen Frauen entwendet wird, und dieſe dann einen heimlichen Handel damit treiben. Die Eſſenz iſt für Bruſtkranke und ſchwache Kinder eine Medizin die durch keine andere zu erſetzen iſt, und wird auch von unſern Aerzten mit Glück angewendet. Zu dieſem Behufe muß die Eſſenz aber ein Alter von mindeſtens zehn Jahren erreicht haben, wodurch ſie leider theuer und ſelten wird. Den 8. Februar. Herr Uhrmacher Schade übergab dem Sekretär zum Vortrage ſeine Abhandlung über helikoidiſche Verzahnung und ihre Anwendung auf den Uhrenbau, welche zeither auch im Buchhandel zu haben iſt. Ein äußerſt ruhiger Gang der Uhren und Verminderung der Räderzahl ſind die weſentlichſten Vortheile. Den 22. Februar. Herr Oberlehrer Dr. Sadebeck ſprach über Gasbeleuchtung. Nachdem die Natur der Flammen brennender Körper erklärt und beſonders darauf hingewieſen worden war, daß bei den Flammen unſerer Leuchtmaterialien der Kohlenſtoff, bevor er vollſtändig verbrennt, in den Zuſtand des Weißglühens verſetzt wird und eben dadurch das Leuchten der Flamme verurſacht, wurde darauf aufmerkſam gemacht, daß das ſogenannte Leuchtgas oder ölbildende Gas, welches den Hauptbeſtandtheil des zur Gasbeleuchtung benutzten Gasgemenges bildet, feine ſtarke Leuchtkraft dem großen Gehalte an Kohlenſtoff ver dankt. Nachdem ferner einige geſchichtliche Notizen über die Einführung der Gasbeleuchtung angeknüpft wor— den waren; wurde die Bereitung des ſogenannten Steinkohlengaſes und die Zuſammenſetzung deſſelben beſpro⸗ chen. Es wurde darauf hingewieſen, daß das Gas, wenn es, mit atmoſphäriſcher Luft vermengt, entzündet wird, heftig explodirt, und daß dadurch ſchon Unglücksfälle veranlaßt worden ſind, die aber bei einiger Vorſicht leicht vermieden werden können, indem ſich das Gas, wenn es aus ſchadhaften Röhren ausſtrömt, durch ſeinen eigenthümlichen Geruch bald bemerkbar macht. Es wurden ferner einige Methoden angeführt, wie die Menge des in einem Gasgemenge enthaltenen ölbildenden Gaſes, von welcher die größere oder geringere Leuchtkraft abhängt, geprüft werden könne, daß es aber am zweckmäßigſten ſei, die Leuchtkraft eines Gasgemenges durch Photometer zu beſtimmen. Endlich wurde noch das Rumford'ſche Photometer beſprochen und damit der erſte Vortrag beſchloſſen. 256 Den 8. November wurde in einem zweiten Vortrage zunächft darauf hingewieſen, daß die Einführung der Gasbeleuchtung im Großen nicht eher möglich war, als bis man die Gaſometer zur vorläufigen Aufſamm⸗ lung des entwickelten Gaſes anzuwenden gelernt hatte. Es wurde die Einrichtung dieſer Apparate erklärt und beſonders hervorgehoben, daß durch dieſelben ein gleich ſtarkes Ausſtrömen aus den Brennern und ſomit eine unveränderte Stärke der Flammen bewirkt werde. Hierauf wurde die Konſtruktion der ſogenannten Gaszähler erläutert. Herr Landgerichtsrath Szarbinowski fügte dieſen Betrachtungen eine nähere Angabe des in der hie—⸗ ſigen Gasbeleuchtungs-Anſtalt vorhandenen Gaſometers hinzu, deſſen Durchmeſſer 61 Fuß und Höhe 20 Fuß, im Innern 19½ Fuß iſt. Es wurde nicht aus Mauerwerk aufgeführt, weil ein Durchſickern von Waſſer befürchtet wurde, zufließendes Waſſer zu viel Gas verſchluckt und atmoſphäriſche Luft herbeiführt. Man fer⸗ tigte daſſelbe aus zölligen gußeiſernen offenen viereckigen Kaſten von 3 Fuß Länge und Breite und 1, Fuß Höhe. Um den Boden, welcher ein Polygon bildet, herauszubringen, mußten auch einige andere Geſtalten gewählt werden. Dieſe Kaſten ſind mit den ſchmalen Seiten auf einander geſetzt und an feder Seite mit vier Bolzen verſchraubt. Die Fugen werden durch zwiſchengelegte, in Theer getränkte Gurte dicht erhalten. Am Boden ruhen die zuſammenſtoßenden Fugen auf Filz, um einige Elaſticität zu gewähren. Das Ganze ruht auf Blöcken von Steinen, damit man von allen Seiten auch unter dem Boden Zugang habe, und ſteht in einem maſſiven thurmähnlichen Gebäude. Der im Inneren ſchwebende Kaſten, der eigentliche Gasbehäl— ter, iſt aus geniethetem Eiſenblech, im Inneren gegen zwei Ringe mit 40 Schienen verſtrebt, deren Gewicht 260 Centner. Das Geſammtgewicht deſſelben iſt 600 Centner. Er bewegt ſich in Führungen mit Friktions⸗ rollen, um jede Klemmung zu beſeitigen. Der Waſſerkaſten iſt noch mit ſtarken Reifen gegürtet. Unter den verſchieden eingerichteten Gaszählern hat man dem von Sir Liſar den Vorzug gegeben. Der Vortragende zeigte einige Arten vor und machte die innere Einrichtung durch Auseinanderlegung deutlich. Die Preiſe ſind 21 Thaler, und ſteigen für 50 bis 120 Flammen auf 35 bis 50 Thaler. Am 8. März 1847. Herr Landbaumeiſter Gottgetreu: Ueber Erwärmung der Zimmer mit heißem Waſſer. Die Waſſerheizung beruht auf dem Geſetz, daß, wenn Waſſer in einem Gefäß erwärmt wird, die zuerft erwärmten Theilchen deſſelben ſpezifiſch leichter werden, und daher bei der großen Verſchiebbarkeit der Waſſer⸗ theilchen unter ſich in die Höhe ſteigen, während die kälteren und ſomit ſpezifiſch ſchwereren Theilchen an ihre Stelle treten. Hierdurch entſteht eine kreiſende Bewegung in dem Gefäß, die ſo lange dauern wird, wie ein Temperaturunterſchied in dem Waſſer vorhanden iſt. Iſt das Gefäß von einer ſolchen Geſtalt, daß die er— wärmten Waſſertheile in einem beſonders abgeſchloſſenen Raume ſteigen und die kalten Waſſertheile in einem andern abgeſonderten Arme des Gefäßes herabſinken müſſen, fo nimmt die kreiſende Bewegung eine beſtimm⸗ tere Geſtalt an. Bedingung für die Konſtruktion eines Gefäßes, worin durch Erwärmung eine ſich beſtimmt ausſprechende kreiſende Bewegung erzeugen ſoll, iſt eine röhrenförmige Erweiterung deſſelben nach oben hin, welche, nach unten ſich kehrend, bis faſt auf dem Boden des Gefäßes wieder ausmündet, wie etwa die bei⸗ ſtehende Figur ergiebt; eine ſolche Einrichtung liegt dem Prinzip für die Heißwaſſerheizung zum Grunde. 257 Den erſten Apparat zur Heißwaſſerheitzung ſtellte Gowler in England auf, der als Erfinder darauf ein Patent erhielt; den Apparat ſelbſt nannte er Thermoſyphon (Wärmeheber), und dieſer Name charakteriſirt vollſtändig die Idee, welche dem Apparat zu Grunde lag. Er beſtand aus zwei oben offenen Gefäßen, welche mit einer Röhre dicht über dem Boden beider kommuniziren; in dieſelben ſtellte er eine heberartige Röhre, welche, mit den nöthigen Hähnen verſehen, auf ihrer höchſten Stelle mit Waſſer gefüllt werden konnte, wenn die Gefäße ſelbſt vorher ebenfalls mit Waſſer gefüllt waren, ſo daß die Oberfläche des Waſſers vermittelſt der kommunizirenden Röhre am Boden der Gefäße ins Niveau kam. In der nachſtehenden Figur wird der Apparat anſchaulich werden (die heberartige Röhre iſt mit Waſſer angefüllt zu denken, der Hahn am Einguß⸗ trichter geſchloſſen, die beiden andern Hähne aber geöffnet). 2 Wasserstand , Wird nun das Waſſer in dem Gefäß A erhitzt, fo erfolgt eine Ausdehnung deſſelben und ein Erhöhen des Waſſerſtandes, mithin eine Verkürzung des eintauchenden Heberarmes. Das Waſſer fließt daher aus dem anderen reſpektive länger gewordenen Heberarm nach dem Gefäße B, und bei dem nun geſtörten Gleichge— wichte, als das kältere und ſchwerere Waſſer, durch das untere Kommunikationsrohr in das Gefäß A. Der Kreislauf des Waſſers dauert fo lange, als eine Temperatur-Differenz in beiden Gefäßen vorhanden iſt. Der Erfinder fand durch Verſuche, daß bei einem dreizölligen Durchmeſſer der heberartigen Röhren und bei einer Entfernung der Gefäße von einander von 60 Fuß, der höchſte Punkt des Hebers 20 Fuß über dem Waſſerſpiegel der Gefäße liegen könne, ohne daß der Apparat feine Wirkung verfage. Es lag nahe, ſtatt der heberartig geformten Einſatzröhre, in der Höhe des Waſſerſtandes der beiden Gefäße, eine zweite kommunizirende Röhre anzubringen; das Reſultat, die kreiſende Bewegung des Waſſers bei Erhitzung des einen Gefäßes mußte dieſelbe bleiben; einer ſolchen Vorrichtung hat man ſich zur Erwär— mung von Treibhäuſern bedient, indem man dem einen Gefäß die Form eines Keſſels, dem andern die Form eines Ofens gab, welcher letztere, gleich wie die Verbindungsröhren, erhitzt durch das hineinfließende kochende Waſſer, die zunächſt an ihm befindlichen Luftſchichten erwärmt und ſo lange einen Kreislauf der Luftſchichten in dem zu erwärmenden Raum hervorruft, als in demſelben Ungleichmäßigkeit der Temperatur- Verhältniſſe vorhanden iſt. Die Wirkung dieſes Heitz-Apparates wurde größer, indem man dem Keſſel eine geſchloſſene Form gab, wodurch in demſelben ein höherer Temperaturgrad des Waſſers erreicht und eine ſchnellere Zirku— lation deſſelben befördert wird; das Wärmegefäß blieb oben offen, um die ſich entwickelnden Dämpfe, die den Apparat beim dichten Verſchluß ſprengen könnten, entweichen zu laſſen, zumal dieſelben dem Gedeihen der Pflanzen vortheilhaft ſind. A Während man früher auf dieſe Weiſe eingerichtete Apparate nur für Treibhäuſer benutzte, hat man die Heißwaſſerheitzung in neuerer Zeit auch zur Erwärmung für Wohnräume, namentlich für Gebäude mit mehren Geſchoſſen, angewendet. Die Einrichtung iſt im Prinzipe dieſelbe, wie die zuletzt erwähnte für Treibhäuſer, nur die Form der Gefäße oder der Röhrenleitungen muß der eigenthümlichen Lage der zu heitzenden Räume angepaßt werden. Keſſel- und Röhrenſyſtem ſind die Hauptbeſtandtheile jeder Heißwaſſerheitzung. Die Röhren vertreten, erhitzt durch das ſiedende Waſſer, die Stelle der Oefen. In dem Röhrenſyſtem unterſcheidet man 1) die Steigeröhren, 2) die Wärmeröhren und 3) die Rückleitungsröhren. Die Steigeröhren ſind diejenigen, welche das Waſſer bis in die höchſten Stockwerke hinauf führen; bei ihrem Durchgange durch andere Etagen 33 258 können dieſelben gleichzeitig als Wärmeröhren angeſehen werden; dieſelben müſſen jedesmal in dem Deckel des Keſſels ausmünden; eben ſo können die Rückleitungsröhren, welche das theilweis erkaltete Waſſer wieder dem Keſſel zuführen, ſofern ſie noch Wärme abzuſetzen im Stande ſind, als Wärmeröhren dienen. In dieſem Falle wird der Name Wärmeröhren mit dem der Steige- und Rückleitungsröhren verſchmolzen. Die Rück⸗ leitungsröhren müſſen ſtets an der tiefſten Stelle des Keſſels wieder einmünden. — Haupt-Erforderniſſe in der Konſtruktion einer jeden Waſſerheitzung ſind: 1) Die Füllung des ganzen Apparats bis zur höchſten Stelle mit Waſſer. Zu dieſem Zwecke muß an der höchſten Stelle eine Vorrichtung zum Füllen angebracht werden. 2) Abführung der ſich bildenden Waſſerdämpfe und Geſtattung der Ausdehnung des Waſſers, welche bei der Erwärmung erfolgt, damit der Apparat nicht geſprengt werde. Beides wird erreicht, wenn man da, wo die Füllung des Apparats erfolgt, alſo an der höchſten Stelle, offene Gefäße anbringt, die man Kondenſationsgefäße genannt hat, und in dem Röhrenſyſteme entweder ein ſtetiges Steigen oder ein ſte⸗ tiges Fallen beobachtet. Wechſel im Fallen oder Steigen dürfen, mit Ausnahme an den höchſten, mit offenen Gefäßen verſehenen Stellen, nicht vorkommen, weil ſich die Waſſerdämpfe und die Luft, welche ſich bei höheren Temperaturgraden aus dem Waſſer zu entwickeln pflegen, hier anhäufen, das Waſſer verdrängen und den Zuſammenhang des Waſſers aufheben würden. Die Größe der Kondenfationsge: fäße richtet ſich nach der Ausdehnung, welcher die ganze Waſſermenge des Apparates fähig iſt; ſie muß dieſer proportional fein. Nach Hallſtröm dehnt ſich das Waſſer bei der Südhitze um Y,, feines Vo⸗ lumens aus. 3) Muß die Verbindung der einzelnen Röhren, mit Rückſicht auf die Ausdehnung, die fie durch die Er⸗ wärmung erleiden, waſſerdicht bewirkt werden. Für die Längenausdehnung bringt man am geeignetſten zweckmäßig angebrachte Windungen in der Röhre an, die federartig wirken und die Längenausdehnung unſchädlich machen; Stopfbüchſen ſind weniger praktiſch, weil ſie eine ſtarke Reibung verurſachen, wenn ſie waſſerdicht ſchließen ſollen, und bei großer Länge der Röhren bei dem Erkalten leicht ein Ausweichen der diametralen Längenrichtung und ſomit ein Drängen in der Stopfbüchſe entſteht, welches ſelbſt durch Leitringe um die Röhre nicht ganz beſeitigt wird. 4) Zum Entleeren des ganzen Apparats muß an der tiefſten Stelle des Keſſels oder der Röhren ein Hahn angebracht ſein, um das Waſſer bei eintretenden Reparaturen und zur Sommerszeit ablaſſen zu können. In Betreff des Syſtems, nach welchem die Röhrenleitung angelegt werden kann, möchte man unter⸗ ſcheiden können: a. das einfache oder horizontale Röhrenſyſtem, bei welchem die verſchiedenen Räume deſſelben Stock— werks durch horizontale oder vielmehr durch ſchwach geneigte Wärmeröhren gewärmt werden; b. das Syſtem mit ſchlangenartig gewundenen Röhren, bei dem man die über einander liegenden Räume mehrer Stockwerke mit demſelben Steigewaſſer heitzt, und c. das Ofenſyſtem, welches hinſichts der Zu- und Rückleitung des heißen Waſſers mit dem zweiten Syſteme übereinſtimmt. Das horizontale Röhrenſyſtem wird verhältnißmäßig nur kleine Röhrenoberflächen darbieten, weil in der Regel für die Länge der Wärmeröhren entweder die Länge oder die Tieſe der Stube maaßgebend iſt; auch wird man wegen Anlegung der Wanddurchbrechungen (Thüren und Fenſter) gewöhnlich veranlaßt ſein, die Wärmeröhren, um fie ohne Beſchwerde überſchreiten zu können, unter dem Fußboden anzulegen, wodurch wies derum Luftkanäle verlangt werden, aus denen die Luft, welche die Röhren umgiebt und ſomit erwärmt wird, in die Zimmer gelangt. 5 Während man unter den eben erwähnten Umſtänden mehr oder weniger beſchränkt iſt, den Räumen, die zu heitzen ſind, ein angemeſſenes Wärmequantum zuzuführen, führt das zweite und dritte Syſtem dieſe Män⸗ 259 gel nicht mit ſich. Die gewundenen Wärmeröhren können an einer Stelle unmittelbar im Zimmer (wie bei den Ofenfeuerungen die Stubenöfen) angebracht werden, ohne dem Verkehr hinderlich zu ſein; ſie liegen in einer ſpiralförmigen Windung über einander und man hat es ganz in feiner Gewalt, durch Hinzufügung einer oder mehrerer Windungen die wärmende Oberfläche der Heitzröhren angemeſſen zu vergrößern. Auch in äſthe— tiſcher Hinſicht läßt ſich dies Syſtem mit Vortheil ausbeuten, wenn man, um die Röhren zu verbergen, einen Metallmantel um dieſelben ſtellt, der, in der Form eines Poſtaments oder dergleichen mit Oeffnungen am Bo: den und in der Decke verſehen, den Luftzug um die Röhren verſtärkt und dadurch möglichſt viel Lufttheilchen zur Erwärmung bringt, was ein gleichmäßiges Erwärmen der ganzen Zimmerluft erwarten läßt. Das dritte oder Ofenſyſtem ſcheint daſſelbe zu fein, welches Perkins in den Parlamentsgebäuden zu London angewendet hat; daſſelbe hat man ſich zu denken, als ob ſtatt der ſpiralförmig gewundenen Röhren durch ein einziges großes Gefäß (Ofen), dem durch Leitungsröhren ſtets warmes Waſſer zugeführt wird, die Erwär— mung jedes Zimmers erreicht wird. Inſofern ein ſolches Gefäß bei gleichem Waſſerinhalt eine geringere Oberfläche darbietet, als die Schlangenröhren, kann die Erheitzung nur langſamer von Statten gehen, und dies ſcheint Grund genug zu ſein, weshalb das Syſtem mit gewundenen Röhren vorzuziehen iſt, ſelbſt wenn man davon abſieht, daß bei den Schlangenröhren eine Selbſtregulirung wegen der Längenausdehnung der erwärmten Me— tallröhren ſtattfindet, während bei den anderen beiden Syſtemen Separatvorrichtungen angewendet werden müſſen, um die Folgen der Ausdehnung unſchädlich zu machen. Welches Syſtem in jedem beſonderen Falle anzuwenden ſein wird, muß jedesmal die Eigenthümlichkeit des Bauwerks bedingen; für Gefängniſſe iſt die Heizung mit horizontalen Röhren deshalb angemeſſen, weil die Röhren, verdeckt unter dem Fußboden liegend, gegen muthwilligen Angriff geſchützt ſind, und Gelegenheit geben, die Zirkulation der Luft mit Reinigung derſelben in den einzelnen Gefängnißzellen zu bewirken; für Wohngebäude dagegen würde unter allen Umſtänden die Heizung mit ſchlangenförmig gewundenen Röhren vorzuziehen ſein. In Bezug auf die Ausführung iſt in der Hauptſache Folgendes zu bemerken: Der Keſſel wird nach Art der Dampfkeſſel entweder mit Feuer oder Siederöhren konſtruirt, je nachdem man durch die Höhe des Schornſteins größern oder geringern Zug erlangt; er kann indeß von ſchwächerem Material gearbeitet werden. Die Stärke deſſelben muß dem Drucke des Waſſers, vom höchſten Punkt der Röhrenleitung ab, entſprechend gewählt ſein. Eine Spannung durch Dampfentwickelung iſt in demſelben nicht anzunehmen, wenn die Expanſionsgefäße richtig angelegt worden ſind; deshalb ſind auch alle anderen Vorrichtungen, die beim Dampfkeſſel vorſchriftsmäßig vorhanden fein müſſen, wie z. B. Sicherheits- Ventile, entbehrlich. Die Leitungsröhren hat man bei den wirklichen Aufführungen theils aus Gußeiſen, theils aus Kupfer— blech gefertigt; aus Gußeiſen die ſtärkern, unmittelbar an den Keſſel mündenden. Die Weite der einzelnen Röhren muß in richtigem Verhältniſſe der vorkommenden Abzweigungen ſtehen, damit überall in den Röhren ein gleichmäßiger Strom erzeugt wird; ſie hängt im Uebrigen von der Wärme abſetzenden Oberfläche ab, die ſich nach Größe der Zimmer, Lage derſelben u. ſ. w. richten muß. Im Uebrigen möchten ihre Dimenſionen ziemlich gleichgültig fein, da der Waſſerfluß in denſelben ſich ſelbſt regulirt; feine Röhren werden der Abküh— lung ſtärker unterworfen ſein, dagegen wird der Waſſerzufluß wegen der größeren Temperatur-Differenz des Waſſers im Keſſel und den Röhren ſtärker, ſo daß mehr oder weniger das Produkt aus der Temperatur des Waſſers in den Röhren und der Geſchwindigkeit konſtant bleiben wird. Die Zuſammenſetzung der Röhren erfolgt am beſten durch Flantſchen mit zwiſchengelegtem Blei oder in Oel getränkten Filzplatten; die kleinern Röhren können indeß auch mit Hartloth zuſammengelöthet werden. Wo dieſelben durch Mauern geleitet werden, erhalten fie Blei- Unterlagen, damit fie ſich bei Längenausdeh— nungen nicht durchreiben. 33 * 260 Bei dem Gefängnißgebäude in Brieg iſt ſchon ſeit einem Jahre die Waſſerheitzung (mit horizontalen Röhren) in vollem Gange; die Steigeröhren enthalten im Querſchnitt 15, 10, 8 und 6 Zoll, die Rücklei⸗ tungsröhren 4, 6, 7 und 10 Zoll, je nach Verhältniß der Abzweigungen; die 15- und 10zölligen Röhren ſind hier aus Gußeiſen gefertigt; die größte Höhe der Steigeröhren beträgt circa 40 Fuß; der Keſſel iſt nach Art der Kornwallis'ſchen Keſſel von / Zoll ſtarkem Eiſenblech konſtruirt, 9 Fuß lang und 3 Fuß 6 Zoll im Durchmeſſer; der Feuerraum mit Aſchenfall iſt 2 Fuß 5 Zoll im Durchmeſſer und 2 Fuß 10 Zoll lang; der von demſelben ausgehende Feuerzug, der durch die Mitte des Keſſels geht, elliptiſch, 1 Fuß in der kleinen und 1 Fuß 9 Zoll in der großen Axe weit. Der Quadratfuß des Kupfers, welches zu 4zölligen Röhren verarbeitet iſt, wiegt 1½ Pfund, der Quadratfuß zu den 7- und Szölligen Röhren 1% Pfund. Schließlich muß noch bemerkt werden, daß der Waſſerſtand in dem ganzen Apparate durch Hähne an den Expanſionsgefäßen erkannt werden kann, um zur gehörigen Zeit das durch Verdunſtung verloren gehende Waſſer zu erſetzen. Um die Erzeugung des Pfannenſteines im Keſſel zu vermeiden, pflegt man den Apparat, was nur einmal im Jahre zu geſchehen braucht, mit Regenwaſſer zu füllen. Bei dem Brieger Gefängniſſe koſtet die Erwärmung einer Zelle von 920 Kubikfuß, auf eine Tempera⸗ tur von 13 bis 14 Grad, durchſchnittlich etwas über einen Silbergroſchen. Am 22. März hielt Herr Profeſſor Dr. Duflos einen Vortrag über die beſonders für die Technik wichtigen Mineralbeſtandtheile der Pflanzen, deren Urſprung, Verwendung in der Technik und Werthbeſtimmung. Der Vortragende erläuterte zunächſt, daß unter der Bezeichnung „Mineralbeſtandtheile der Pflanzen“ ausſchließlich die Stoffe zu verſtehen ſeien, welche nach dem Verbrennen der Pflanzen bei Zutritt der Luft in Form von Aſche zurückbleiben; daß zwar die Pflanzenaſche je nach der Art der Pflanze, und je nach der Zur ſammenſetzung des Bodens, auf welchem ſie gewachſen, verſchiedene Gemengtheile enthalte, daß aber dieſe letz⸗ teren jedenfalls aus dem Boden, oder vielmehr aus dem Waſſer, welches den Boden tränkt, abſtammen und keinesweges ihren letzteren Grundlagen nach von den Pflanzen erzeugt würden, wie man wohl früher ange— nommen habe. Als die für die Technik wichtigen Aſchenbeſtandtheile wurden die kohlenſauren alkaliſchen Salze und zwar ganz beſonders das kohlenſaure Kali bezeichnet. Der Vortragende beſprach die Art feines Vorkom⸗ mens im Mineralreiche, die Umſtände, welche ſeinen Uebergang in das Waſſer und daraus wieder in die Pflanzen und endlich in die Pflanzenaſche bedingen. Derſelbe erläuterte hierauf die Darſtellung der Pottaſche aus der Pflanzenaſche, ihre verſchiedenartige Beſchaffenheit und die verſchiedenen, zur Werthbeſtimmung derſel— ben vorgeſchlagenen und in Anwendung gekommenen Verfahrungsweiſen. Die ältere Descroizille ſche und die neuere Freſenius'ſche Prüfungsweiſe wurden durch Verſuche veranſchaulicht. a Schließlich wurden noch die wichtigſten techniſchen Verwendungen des kohlenſauren Kali (Pottaſche) und des kohlenſauren Natrons (Soda) beſprochen. Am 19. April wurden von Herrn Profeſſor Dr. Duflos die verſchiedenen Körper vorgezeigt und bez ſprochen, welche in der Chemie im Allgemeinen mit dem Namen „Alkohole“ bezeichnet werden, und zu denen ganz beſonders der Wein- und Holzgeiſt, das Fuſelöl und das Aethal gehören. Beſonders ausführlich wurden die Entſtehungsarten, die allgemeinen und ſpeciellen Eigenthümlichkeiten der beiden erſteren, und ihre Verwand⸗ lung in Kohlenwaſſerſtoffgas, Aether und Säuren, Eſſig und Ameiſenſäure auseinandergeſetzt. Die Gas-, Aether- und Säurebildung aus dem Wiingeiſte wurde durch Experimente erläutert, die neuen Produkte ſelbſt vorgewieſen und ihre für die Technik wichtigen Eigenſchaften beſprochen. Am 25. Oktober hielt Herr Prof. Dr. Duflos einen Vortrag über den peruaniſchen Vogeldünger (Guano oder Huano), von welchem mehrere im Handel vorkommende Sorten vorgezeigt wurden. Nachdem der Vortragende zunächſt das Vorkommen, die Entſtehung und die Ausbeutung der Guano - Lager beſprochen 261 hatte, ſetzte er die Zuſammenſetzung deſſelben und feiner verſchiedenen Gemengtheile auseinander, und eben fo feine ſich hierauf gründende Anwendung in der Landwirthſchaft. Als ganz beſonders charakteriſtiſche Gemeng⸗ theile des Guano’s wurden die Harnſäure und die Oxalſäure bezeichnet. Die Harnſäure iſt ein urſprünglicher Beſtandtheil der Vögel-Excremente, nicht aber die Kleeſäure, ſondern dieſe iſt nebſt Ammoniak ein Verweſungs⸗ produkt der erſteren. Die Harnſäure hat dadurch einen ganz beſondern Antheil an dem Werthe des Guano als Düngmittel, daß ſie in Folge ihrer außerordentlich ſchweren Löslichkeit und demnächſtige nur ſehr langſam fortſchreitende Verweſung eine langdauernde, ſtetig wirkende Quelle von Ammoniak iſt, bekanntlich die Form, in welcher die Pflanzen den ihnen unerläßlichen Stickſtoff aufnehmen. Je längere Zeit der Guano dem Ver⸗ weſungsproceß unterlegen, und je günſtiger für die Vollendung dieſes letzteren die äußeren Verhältniſſe der Guano - Lager geweſen, deſto geringer ſtellt ſich fein Gehalt an Harnſäure und ſomit bis zu einem gewiſſen Grade auch ſein Düngwerth dar. Der im Handel vorkommende Guano iſt außerdem oft abſichtlich verfälſcht, zuweilen ſogar ein reines Kunſtprodukt. Da nun das eine und das andere ſo ausgeführt werden kann, daß es durch die bloße Anſchauung nicht erkannt wird, ſo geht daraus hervor, daß über den Werth des Guano's nur eine chemiſche Analyſe entſcheiden kann. Dieſe iſt aber theils ſchwierig, theils zeitraubend. Der Vortra— gende hat daher Verſuche angeſtellt, welche zum Zwecke hatten, ein Verfahren auszumitteln, welches in den Stand ſetzt, ſchnell, und auf wenig umſtändliche Weiſe, die Aechtheit und einigermaßen auch annähernd den Werth eines auf dem Wege des Handels bezogenen Guano's zu ermitteln. Als Ergebniß dieſer Verſuche theilte nun Herr Dr. Duflos nachſtehende Prüfungsmethode mit: f Man übergießt in einem Arzneiglaſe 100 Gr. des fraglichen Guano’s mit einem Gemiſch aus 100 Gr. offieineller Salpeterſäure und eben fo viel Waſſer, ſchüttelt die Miſchung 10 bis 15 Minuten hindurch tüchtig unter einander, indem man mit dem Finger die Oeffnung des Glaſes verſchließt, nach jedesmaligem Schütteln aber wieder öffnet, um dem ſich entwickelnden Gaſe einen Ausgang zu geſtatten. Bei ächtem Guano iſt die Gasentwickelung oder das Aufbrauſen unbedeutend, im Gegenfalle iſt es höchſt wahrſcheinlich, daß der Guano mit kohlenſaurem Kalk verfälſcht ſei und man muß noch etwas von der ſalpeterſäurehaltigen Flüſſigkeit zufü— gen. Nach etwa 15 Minuten wird das Ganze mit einer angemeſſenen Menge Waſſer verdünnt und davon auf ein Filtrum gegoſſen. Der Rückſtand im Filtrum wird mit Waſſer ausgeſüßt. Aechter Guano läßt höch⸗ ſtens 10 Procent Rückſtand zurück. Von der ſauren Flüſſigkeit wird nun eine kleine Menge auf einem Pla: tinblech oder in einem Platin- oder Porcellanſchälchen eingetrocknet, und zuletzt, wenn der Rückſtand trocken iſt, die Hitze etwas erhöht. Beim Vorhandenſein von Harnſäure färbt ſich hierbei der Rückſtand gelbroth; beim Uebergießen mit etwas Salmiakgeiſt tritt die rothe Farbe noch viel deutlicher hervor. Stellt ſich weder auf die eine noch auf die andere Art eine ſolche Färbung heraus, fo fehlt die Harnſäure, und der Guano ift entweder völlig verweſt, oder nur ein Kunſtprodukt. Im erſten Falle wird aber um deſto mehr Kleeſäure vor⸗ handen fein. Um dieſes zu ermitteln, verſetzt man die Hälfte der ſauren Löſung tropfenweiſe mit Aetzammo— niak, bis die Flüſſigkeit anfängt, ſich dauernd zu trüben, und ſetzt nun eſſigſaures Ammoniak zu. Nun wird ein reichlicher Niederſchlag entſtehen, welcher durch Zuſatz von Eſſigſäure nicht verſchwindet, wenn Kleeſäure vorhanden iſt. Iſt aber der Niederſchlag in Eſſigſäure löslich, ſo beſteht er nur aus phosphorſaurem Kalk. — Die ſo eben beſchriebene Prüfung wurde von dem Vortragenden ſogleich mit mehreren Proben ächten und unächten Guano’s angeſtellt. b I. Am 2. und 26. Juni. Herr Profeſſor Dr. v. Boguslawski: Ueber ein von ihm erfundenes Univerſalſtativ Behufs aſtronomiſcher Beobachtungen. In der Verſammlung der techniſchen Section am 15. October 1845 (ſ. Ueberſicht der Arbeiten ꝛc. im Jahre 1845, S. 156 bis 158) hatte derſelbe: 1) Ein von Holz gearbeitetes Stativ zu einem Kometenſucher vorgezeigt, welches, nach der von ihm ein Jahr früher aufgefaßten Idee vom Mechanikus Pinzger ausgeführt, die Möglichkeit zeigte, daß ein und 262. daſſelbe Fernrohr, auf dem nämlichen Stative, alfo auch von demſelben Punkte aus, im Stande fein könne: 1) als Mittagsfernrohr, 2) als drehbares Paſſagenrohr, 3) als Theodolit und endlich 4) als Aequatorial hinter einander Dienſte zu leiſten. Dieſe drei oder vier Inſtrumente und ihre Zuſammenwirkung ſind mit Hülfe eines Zeitmeſſers das Haupterforderniß jeder, auch der kleinſten Sternwarte. Erwägt man, daß die Anſchaffung derſelben, werden ſie auch nur von den kleinſten Dimenſionen gewählt, einen ſehr anſehnlichen Koſtenaufwand erfordern, noch mehr aber die Erbauung einer Sternwarte von der Räumlichkeit, daß ſie allen jenen Inſtrumenten die für ihren Gebrauch erforderliche Aufſtellung gewährt, ſo wird man ſehr leicht ſich erklären können, warum, ungeachtet der überall verbreiteten Vorliebe für Aſtronomie, doch ſo äußerſt ſelten Privat-Sternwarten ent⸗ ſtehen, ſondern große Inſtitute der Art faſt nur immer auf Staatskoſten erbaut werden können. Jedes, auch das kleinſte Fernrohr, welches man ohne feſte Auflegung nur höchſt unvollkommen und dabei nur unſicher benutzen kann, wird durch die Hinzufügung des allereinfachſten Stativs in ſeiner Art, wenn es auch nur eine ganz rohe Einſtellung und Bewegungen in horizontalen und ſenkrechten Richtungen geſtattet, ſchon höchſt beträchtlich vertheuert, und erlaubt dann doch noch nicht einmal, auch noch andere Ge— genſtände am Himmel aufzuſuchen, als ſolche, die man ſchon mit bloßen Augen erblicken kann. Während ein Münchener aſtronomiſches Fernrohr der kleinſten Art ohne Stativ etwa 56 Thaler koſtet, erhöht das allereinfachſte Stativ ohne alle feine Bewegung den Preis deſſelben bis zu 114 Thalern, mit feiner Bewegung, die man kaum entbehren kann, noch um 18 Thaler mehr; und doch iſt es damit noch keinesweges zu irgend einer aſtronomiſchen Beobachtung, mit welcher eine Meſſung oder Beſtimmung verbunden iſt, ir⸗ gendwie tauglich, mithin auch weder zu Zeitbeſtimmungen, noch zur Controle einer Uhr. Das Erforderniß der Anfertigung einer parallactiſchen Montirung zu einem erkauften Kometenſucher im Jahre 1843 war Veranlaſſung, die Idee eines Stativs aufzufaſſen und zu realiſiren, welches, durch eine bei⸗ nahe vollſtändige Aequilibrirung in allen feinen möglichſt ſymmetriſchen Theilen, ungemeine Leichtigkeit der Be: wegung, mit höchſt bedeutender Feſtigkeit verbindend, zugleich geſtattet, das Fernrohr, mit ſeiner horizontalen nivellirbaren Axe zum Umlegen, entweder im Meridian als Mittagsfernrohr, oder als drehbares Paſſage-In⸗ ſtrument in jedem andern Azimuth (beſonders im erſten Vertikal), oder aber als Theodolit und Nivellir-In— ſtrument mittelſt Libelle, oder endlich als Aequatorial zu Aufſuchung und Beobachtung jedes teleſkopiſchen Gegenſtandes am Himmel, zu gebrauchen. Die Richtigkeit des Princips hatte bei der Ausführung im Jahre 1844 ſich in dem Grade bewührt, daß Herr Major Baron v. Zobeltitz von dem Entſchluſſe, ſeine damals zu Guſtau neu erbaute Sternwarte lediglich nur mit einem kleinen tragbaren Paſſage-Inſtrumente zu Zeit- und Polhöhen-Beſtimmungen zu verſehen, ganz abging, und dagegen zu einem etwas größern Fernrohre von 27, Fuß Brennweite und 29 Li⸗ nien Oeffnung bei dem Mechanikus Pinzger ein Univerſalſtativ, nach dem hend Principe in Guß⸗ eiſen und Metall auszuführen, beſtellte. Als dies im Herbſte 1845 vollendet war, erhielt Referent die Erlaubniß: 2) Daſſelbe vor feinem Abgange nach Guſtau in der techniſchen Section am 15. October vorzuzei⸗ gen, die Grundidee deſſelben zu erläutern, und zu verheißen, daß über die Leiſtungen ſpäterhin Bericht erſtattet werden würde. Der Beſitzer hat ſeitdem den erfreulichſten Gebrauch von dieſem Inſtrumente gemacht, daſſelbe zu Län⸗ gen- und Breiten-Beſtimmungen benutzt, und überhaupt mancherlei höchſt befriedigende Reſultate deſſelben auf der Sternwarte niedergelegt, zugleich mit dem Auftrage, ſie auch unſerer verehrten Geſellſchaft mitzutheilen, was der Natur der Sache nach bei der geographiſchen Section erfolgen wird. Zugleich zeigte Derſelbe die für uns ſehr erfreuliche Bereitwilligkeit, bei feiner Anweſenheit in Breslau, in der Verſammlung der techniſchen Section am 2. Juni d. J. einen ſummariſchen Bericht über die vielfachen Leiſtungen ſeines Fernrohrs auf dem erwähnten gußeiſernen Univerſalſtativ (eigentlich durch das letztere allein ermöglicht) perſönlich abzuſtatten, was in nachfolgender Weiſe geſchah: 263 II. Bericht über die Anwendung und die Leiſtungen eines Univerſalſtativs, welches aus der kleinen Privat-Sternwarte zu Guſtau bei Groß-Glogau mit einem einzigen Fernrohre von Merz, von- beiläufig 2 ½ Fuß Brennweite und 29 Pariſer Linien Oeffnung, fo weit die optiſche Kraft des letztern es geſtattet, den größten Theil aller Beobachtungen am Himmel ermöglicht, welche bisher nur auf größern Sterns warten, und mit einem Sortiment von mehreren Inſtrumenten ausführbar waren. Das von dem Herrn Director der königlichen Univerſitäts-Sternwarte zu Breslau, Hauptmann v. Bo⸗ guslawski, in der Theorie entworfene und von dem Herrn Mechanikus Pinzger für meine Privat-Stern— warte zu Guſtau bei Glogau practiſch ausgeführte Univerſalſtativ erfüllt mittelſt ſehr leichter Bewegung alle Bedingungen, welche die beobachtende Aſtronomie überhaupt fordert: 1) Die ſchärfſte abſolute Zeitbeſtimmung durch Fundamental- und Polarſtern-Beobachtungen im Me— ridian; 2) Herleitung der Polhöhe durch Sterne in ihren größten öſtlichen und weſtlichen Digreſſionen; 3) Ermittelung der Länge durch Sterne im Parallel des Mondes, Sternbedeckungen, und Jupiterstra⸗ banten-Verfinſterungen; 4) treten nächtlich die Sterne bis zur zehnten Größe (die Sterne erſter und zweiter Größe auch am Tage) nach vorheriger gehöriger Einſtellung immer genau zur richtigen Zeit an dem horizontalen Faden in das Geſichtsfeld, in welcher Lage das Inſtrument ſich auch befinden mag. Zu allen dieſen Beobachtungen iſt es erforderlich, daß das Fernrohr 1) entweder im Meridian ſich auf und ab bewege, wozu es nach der neueſten Einrichtung mit ſeiner horizontalen Axe in die Pfanne der beiden Seitenſtützen gelegt wird, oder daß es 2) der täglichen Bewegung des Geſtirnes in ſeinem Tagebogen folge. Der Cylinder wird zum letztern Zwecke parallel mit der Weltaxe geſtellt, und das Fernrohr mit feiner bis dahin horizontalen Axe in die Pfan⸗ nen des nunmehr mit dem Aequator parallelen Stundenkreiſes gelegt. Auf dieſe Weiſe, als Aequatorial ges ſtellt, behält man den Stern ſtets im Geſichtsfelde, wenn demſelben durch die Mikrometer-Bewegung ge— folgt wird. Endlich 3) iſt es eben ſo leicht, den Cylinder ganz genau in die Vertikalſtellung mit Hülfe der Libelle zu bringen, und in dieſer Stellung alle diejenigen Beobachtungen bequem und ſicher zu machen, welche ſich auf Zenith und Azimuth beziehen, wie z. B. Polhöhenbeſtimmungen. Das Stativ hat bei mir allen dieſen Anforderungen zu meiner großen Befriedigung vollkommen entſprochen. Vier Polhöhenbeſtimmungen harmoniren bis auf wenige Secunden. Die Breite von Guſtau iſt dadurch auf 51“ 38° 57.7“ ermittelt worden. Eben ſo vertrauensvoll darf ich aus Beobachtungen des Mondes und der Sterne in ſeinem Parallel die Länge von Guſtau in nächſter Zeit zu erhalten hoffen. Endlich ſind die Beobachtungen des Neptun und der Veſta mit dem Differenz-Mikrometer von den Beobachtungen anderer Sternwarten in Rectascenſion höchſtens nur um einige Zehntheile von Zeitſecunden, in der Declination nur um einige Bogenſecunden abgewichen, fo daß, wenn ich dieſe kleinen Differenzen auf den Man— gel an Uebung in der Beobachtung ſetze, ich nach meiner vollkommenen Ueberzeugung dieſes Univerfalftativ als ein Geſchenk betrachte, für das die Liebhaber der Aſtronomie dem geehrten Erfinder nicht genug dankbar ſein können. Guſtau, den 2. Juni 1847. v. Zobeltitz, Major a. D. III. Erläuterung einer ſeitdem von Guſtau erhaltenen Zeichnung des dortigen Univerſal⸗ ſtativs, und Andeutungen über die weitere Entwickelung der Idee deſſelben, vom Profeſſor Dr. v. Boguslawski, in der Sections-Verſammlung am 26. Juli. 264 Herr v. Zobeltitz hat, feinem Verſprechen zufolge, nicht allein feine Beobachtungen auf der Guſtauer Sternwarte im Originale eingeſendet (und damit zugleich von feinem Beobachtungsfleiße und feiner Sorgſam⸗ keit das rühmlichſte Zeugniß abgelegt, auch damit fortzufahren verſprochen), ſondern auch eine entworfene Zeichnung des ganzen Inſtrumentes beigefügt, welche in Figur J. a, b und e beſſer als jede Beſchreibung die Idee und die Wirkſamkeit deſſelben veranſchaulicht. Das Fernrohr F (wie erwähnt, von Merz in München) ift als Hauptſache an dem einen Ende einer cylindriſchen Axe II dergeſtalt befeſtigt, daß die optiſche Axe deſſelben in eine genau rechtwinklige Stellung zur Axe II gebracht und dieſe Stellung dann vollkommen fixirt werden kann. An dem andern Ende befindet ſich, ebenfalls ſenkrecht zur Axe ein Kreis C, wie man will: entweder fein getheilt oder blos zur Einſtellung nur beiläufig, wenn man, wie zu Guſtau, den Raum nur durch die Zeit zu meſſen beabſichtigt. Er dient zum Theil auch als Gegengewicht des Fernrohrs auf der andern Seite der Axe, während die vollſtändige Aus— gleichung noch durch Anbringung eines Gewichts, oder, wie zu Guſtau, zu Zeiten auch durch die Anbringung eines leichten Kometenſuchers bewirkt wird. Die Axe lagert parallel mit der Ebene eines anderen, ſcharf oder nur beiläufig getheilten Kreiſes K, welche ſenkrecht zu einer zweiten Stahlaxe A ift, in vom Kreiſe K getragenen Axpfannen P P. Die Axe A ſelbſt erſtreckt ſich durch die Mitte eines, am obern Ende hohlen, am untern Ende bis auf den Raum für die Axe A vollen Cylinders, und ruht mit der untern Spitze auf einer Feder, um ſich auf derſelben leicht drehen zu können. Die Axe A, ſo wie der Cylinder, müſſen nothwendiger Weiſe gerade eben dieſelbe Länge wie das Fernrohr haben, damit die Einſtellung des Fernrohrs auf jeden Punkt des Himmels, und zwar in beiden La— gen der Are A, nicht bloß abfolut möglich, ſondern auch bequem iſt. Durch die Mitte des Cylinders geht ſenkrecht noch eine dritte Are N (in der Mitte durchbohrt, damit die Axe A hindurchgehen kann), welche immer genau horizontal in Axpfannen der Geſtellſtützen ruht. Der Cylinder muß dem Gewichte nach ſo äquilibrirt werden, daß das untere dem oberen Ende mit dem Kreiſe A ſammt der in den Pfannen P auf demſelben ruhenden Axe H mit Fernrohr F und Kreis C mit allem Anhange vollkommen das Gleichgewicht hält. Dann wird der Cylinder, auch in horizontale Lage gebracht, ruhig darin ſchwebend verbleiben, und die Axe N, ſo oft es nöthig wird, in der gewöhnlichen, wie in der umgelegten Lage, in Bezug ſowohl auf ihre Horizontalität, als auf die cylindriſche Form der Zapfen mittelſt einer Libelle L geprüft, und mittelſt der Fußſchrauben regulirt werden können. Hat man das Stativ, deſſen übrige Theile keiner weitern Beſchreibung bedürfen, beiläufig ſo regulirt, daß die Axe N horizontal iſt und der Cylinder ſich um dieſelbe angenähert im Meridiane bewegt, ſo kann man zur ſchärferen Regulirung ſchreiten, indem man den Cylinder ſenkrecht ſtellt, und an den Bogen B feſtklemmt. Die nämliche vorher erwähnte Libelle L, auf die Axe H aufgeſetzt, und beide, Axe wie Libelle, abwechſelnd umgelegt, deutet nunmehr bei Umdrehungen in allen Richtungen um die Axe A alle Correctionen an, welche man eines Theils durch die 3 Schrauben des Fußgeſtells, andern Theils durch die Mikrometerbewegung der Klemme W am Bogen B, ſo wie durch die feinen Correctionsſchrauben an den Lagern P P auszuführen hat, bis die Stellung in dieſer Beziehung probehaltig iſt. Wird dann der Cylinder mit der Axe A in eine ſchräge Lage zum Horizonte, z. B. angenähert parallel zu der der Welt-Axe, gebracht, ſo wird ſich, wenn die Axe H mittelſt Aufſetzung der Libelle genau in die horizontale Lage gebracht worden iſt, durch Beobachtung der Durchgänge eines Circumpolarſterns, und eines andern Sterns entfernt vom Pole bald herausſtellen, ob das Fernrohr ſich wirklich genau in der Ebene des Me— ridians bewegt, oder ob und welcher Azimuthalfehler noch mittelſt der Schlitten U unter den Fußſchrauben corrigirt werden muß. Zum Brrsiht der technischen Sechon. I, 204 2. Moltor del. Serte, . 69 | I | | = U nm Erweiſt ſich dann, bei Einſtehen der Libelle auf der Axe A, die Bewegung des Fernrohrs im Meri- diane, ſo kann auch der Nullpunkt des Kreiſes K regulirt und die Richtung des Meridians für jede der beiden Lagen der Axe II durch entfernte Zeichen fixirt werden. Jedes Aequatorial kann, wie Repſold ſchon vor mehreren Jahren angegeben hat, wenn das Fernrohr ſich um eine Axe zum Umlegen bewegt, auf dieſe Weiſe mittelſt der Libelle zu Meridian-Beobachtungen ge— braucht werden; mithin auch ein Fernrohr auf unſerm Stative in jeder Stellung der Axe A. Dann iſt das ganze Stativ, wenn die Axe A wieder ſenkrecht geſtellt worden iſt, auch bereits in Bezug auf den Meridian orientirt, eben ſo wie der Kreis K in Hinſicht der Beſtimmung ſeines Nullpunkts. Iſt das geſche— hen, ſo ſind die Grade deſſelben die des Azimuths, ſo daß, wenn man es durch eine erforderliche Schärfe und Eintheilung dieſes Kreiſes bezweckt hat, geodätiſche Meſſungen aller Art damit ausgeführt werden können und das Inſtrument im Uebrigen auch als drehbares Paſſage-Inſtrument in jedem Azimuthe gebraucht werden kann. Der Kreis C giebt alsdann, wie man will, entweder Höhe über dem Horizonte oder Abſtand vom Zenith mit einer Schärfe der Beſtimmung an, welche ebenfalls von der Ausführung der Theilung des Kreiſes abhängt, fo daß auch geodätifche Nivellements damit ausgeführt werden können. In kleinen Dimenſionen, alſo portativ, kann es aber auch ohne Weiteres zum gewöhnlichen Nivelle— ment mit der Libelle eingerichtet werden, wenn auf den Kreis C ein Libellenträger, wie die Zeichnung J dar= ſtellt, aufgeſetzt wird. Um endlich das Inſtrument in ein Aequatorial zu verwandeln, wird der Cylinder mit der Axe A nahezu in die Richtung der Weltaxe, das Fernrohr, mittelſt der Libelle auf der Axe A, in die Ebene des Meridians gebracht, und der Durchgang eines Sternes durch die Mitte des Geſichtsfeldes erwartet, deſſen Declination ganz genau bekannt iſt. Stimmt die Ableſung des Kreiſes C genau mit der gedachten Declination ſammt Refraction, fo iſt die Are A in der Richtung der Weltaxe, oder wird in dieſelbe ſogleich gebracht, wenn das Fernrohr unverzüglich auf die richtige Summe der Declination und Refraction, und der Cylinder ohne Säu— men mittelſt der feinen Bewegung der Klemme W fo eingeftellt wird, daß der Stern längs des mit dem Aequator parallelen Durchmeſſers des Geſichtsfeldes austritt. Darauf folgende Sterne werden die Regulirung beſtätigen oder vollenden helfen, worauf dann, wenn die Eintheilung des Kreiſes C nicht fehlerhaft war, jeder Stern während ſeines ganzen Tagebogens ſeine Stel— lung im Geſichtsfelde nach Maaßgabe der jedesmaligen Refraction behaupten wird. Der Azimutalkreis A wird dann zum Stundenkreiſe, der Vertikalkreis C zum Declina= tionskreiſe. Sachverſtändige werden ſogleich in der Zeichnung die Nonien zu dieſen beiden Kreiſen auffin- den, fo wie die Vorrichtungen zu den feinen Bewegungen der beiden Axen H und A. Es iſt allerdings ein beſonderes und ſeltenes Glück für dieſe Idee, daß ſich ſo bald nach ihrer Auffaſ— ſung ein entſchloſſener thatkräftiger Freund dieſer Sache gefunden, und auch die Opfer nicht geſcheut hat, welche die allererſte Ausführung gewöhnlich zu fordern pflegt. Zu einem, wenn auch kleineren Theile ſind ſie allerdings auch von dem ausführenden Mechanikus getragen worden. Beide müſſen in dem vollſtändigen Er⸗ folge ihre eigentliche Belohnung finden. Stativ, Libelle, Mikrometer und die Beigabe eines kleinen Kometenſuchers haben zu Guſtau die Koſten beim Ankauf des Fernrohrs zuſammen etwa noch auf das Dreifache erhöht; allein ſie betragen am Ende doch nur gegen den dritten Theil des Aufwandes, wenn für jede Art der Leiſtung ein eigenes Inſtrument hätte angeſchafft werden ſollen, was diejenigen gewöhnlich nicht bedenken, welche nur auf das gegenwärtige Bedürfniß und nicht darauf ſehen, daß in der Folge nothwendig noch Eins und das Andere ſich daran reiht, wenn die erſte Ein- richtung, als ungenügend, nicht ganz bei Seite geworfen werden ſoll. Das Guſtauer Inſtrument hat dagegen dem Beſitzer ſchon unendlichen Genuß gewährt, und doch noch lange nicht alle Leiſtungen, wozu es befähigt it, ihm dargeboten, noch viel weniger erſchöpft. 34 266 Man kann ſich denken, daß die Idee diefes Stativs immer noch einer weitern Vervollkommnung fähig iſt, und theilweiſe auch bereits erfahren hat. Namentlich ift das Untergeſtell noch zu maſſenhaft und ſchwer⸗ fällig, ja bei einem Reiſe-Inſtrumente ganz unanwendbar, was Alles auch zum Theil vom Cylinder gilt. Endlich iſt die freiſtehende Stellung des Bogens B nicht allein zuweilen ſehr hinderlich, ſondern auch mehr als andere Theile des Stativs Beſchädigungen ausgeſetzt. In der That haben dieſe Theile ſeitdem in der Idee (an einem kleinen Modelle auch bereits durchge⸗ führt) eine totale Umformung, und dadurch eine völlig veränderte Anſicht und Conſtruction erhalten. Alle Theile ſind, unbeſchadet ihrer Feſtigkeit und Standhaftigkeit, ſo eingerichtet, daß ſie leicht ganz auseinander ge⸗ nommen, in einen kleinen Raum verpackt und auf Reiſen ohne große Beſchwerde mitgenommen werden kön⸗ nen. Zugleich iſt noch umfaſſender darauf geſehen worden: 1) daß es von den allerkleinſten Dimenſionen für das winzigſte Fernrohr, ja nur für ein Diopter⸗ lineal; in mäßiger Größe zu Reiſebeobachtungen; und endlich auch für Fernröhre der größten optiſchen Stärke ausgeführt werden kann; 6 i 2) daß es ferner zu jedem beſondern Zwecke, z. B. für den Uhrmacher lediglich zu Mittagsbeobachtungen; für den Feldmeſſer nur als Theodolit oder als Nivellir-Inſtrument; für den Geodäten als Univerſal-Inſtru⸗ ment; für den reiſenden Aſtronomen als tragbares Paſſage-Inſtrument und Aequatorial, und endlich in allen dieſen Eigenſchaften in hoher und höchſter Potenz zu Fundamentalbeobachtungen auf Sternwarten herzuſtellen iſt, und jederzeit fo, daß die Umänderung der einen in die andere Geſtalt ſtets ſchon vorbereitet iſt, und im⸗ mer nur noch mit einem geringen Koſtenaufwande leicht ausgeführt werden kann. Eine der verbeſſerten neuen Einrichtungen iſt auch bereits nachträglich bei dem Guſtauer Stativ in An⸗ wendung gebracht worden, wenn auch nicht ganz in Harmonie mit dem übrigen Ganzen, wie man es ſogleich den ſpäter aufgeſetzten Trägern tut anſieht. Mit ihrer Hülfe und ihren Mgrecs zur Aufnahme der horizon⸗ talen Axe I kann, ſo lange das Stativ als Aequatorial fungirt, das Fernrohr abwechſelnd hinter einander im Meridiane zu Culminations-Beobachtungen und auf dem Aequatorial zu andern Beobachtungen angewen⸗ det werden, während zugleich für das Fernrohr die Meridian-Ebene immer firiet. bleibt. Während in obengedachter Weiſe ein Univerſalſtativ zu allen den genannten, mehr oder minder ſtreng wiſſenſchaftlichen Zwecken geboten wird, und zwar zu Anſchaffungspreiſen, die ſich im Verhältniſſe zu der je⸗ desmaligen Beſtimmung nicht anders als ſehr mäßig herausſtellen können und werden, möchten doch in vielen Fällen die aſtronomiſche Genauigkeit und Schärfe der Reſultate, welche dieſe Einrichtung in allen Fällen ge⸗ währt, dem Dilettanten in der Sternkunde unerheblich erſcheinen, ſo daß er in den meiſten Fällen wohl ſich hinneigen dürfte, ſie der Koſtenerſparung aufzuopfern. : Namentlich wird dieſe auch wohl in den meiften Fällen ohne Weiteres in der Wahl des Stoffes: Holz“) ſtatt Metall zum Stativ, und in der Nichtbeachtung der ganzen oder theilweiſen Aequilibrirung der einzelnen Theile geſucht werden, und durch beides bedingt in Anwendung eines Fernrohrs von nur kleinen Dimenſionen, natürlich mit Reſignation auf irgend eine Schärfe der Zeitbeſtimmung oder anderer aſtronomiſcher Reſultate. Dieſe Anſicht herrſcht auch bei den meiſten vor, welche bisher ſchon durch die Idee des Univerſalſtativs ſich angeregt gefühlt und ſich vorgenommen haben, für ihre Zwecke ebenfalls ein Stativ zu conſtruiren, welches dem Umfange ihrer dermaligen Wünſche mehrfach entſpricht. Wir werden nach einander von mehreren hieſi⸗ gen Freunden der Aſtronomie, Herrn Stadtrath Scholtz, Herrn Major v. Oheimb, Herrn Privatgelehr⸗ ten Lichhorn, Herrn Apotheker Hähne, Ausführungen ihrer Ideen vorgelegt erhalten; fo zuvörderſt in nachfolgender Weiſe die des Herrn Major v. Oheimb, welche derſelbe zugleich durch Beigabe einer Zeichnung erläutert hat, und damit gewiß manchem Beſitzer eines mäßigen Fernrohrs einen willkommenen Dienſt leiſtet. ) Holz allein erweiſt ſich indeß ſtets als im hoͤchſten Grade ungeeignet zu ſolchem Zwecke, weil es fortwährend Riſſe erhaͤlt, ſich leicht wirft, und bei jeder, auch der leiſeſten Erſchuͤtterung noch lange Zeit fortvibrirt. 267 IV. Beſchreibung eines von mir erſonnenen ſehr einfachen und leicht transportablen Theodolit⸗Aequatorial⸗Inſtruments. Dieſes Inſtrument kann nämlich, wie deſſen jedesmalige Anwendung es erfordert, ſehr leicht aus einem Theodolit in ein Aequatorial und umgekehrt verwandelt und demnach zu beiden Zwecken gebraucht werden. Es befteht daſſelbe, wie in der beigegebenen Tafel die Figuren II. a, b u. o zeigen, zunächſt aus einem graduirten Halb⸗ kreiſe a, in deſſen Mittelpunkte ſich eine, um ihre Axe bewegliche Säule von willkürlicher Höhe ſenkrecht er— hebt. Die Tille b, in welcher ſich die Säule bewegt, iſt vermittelſt einer Schraube s an den Halbkreis bez feſtigt. An dieſe Tille kann eine Klemme zu einer Schraube angebracht werden, deren Seitenwände an die Tille anſchließen, und zwar ſo: daß die Schraube in der Mitte frei bleibt. Dieſe Klemme iſt in Fig. II. b beſonders abgebildet, in welcher A AA die Klemme, b die Tille zur Säule und d die Befeſtigungsſchraube, welche den Schraubeſtock mit der Tille zuſammenhält, vorſtellen. Die um ihre Are bewegliche Säule, welche vermittelſt eines Metallzapfens, der mehr oder minder beweglich gemacht werden kann, in der Zille ruht, iſt am untern Ende ce cylindriſch, weiter hinauf p aber prismatiſch. In dem cylindriſchen Theile befinden ſich 12 metallene kleine Schraubenmuttern rings um dieſelbe, die dazu beſtimmt find, einen Zeiger i und auf der Seite gegenüber eine Feder 1 vermittelſt Schrauben h zu befeſtigen. Der Zeiger iſt dazu beſtimmt, die durch die Bewegung der Säule um ihre Axe bezeichneten Grade anzugeben, die Feder dagegen, die feine Bewe— gung ſelbſt vermittelſt der an der Tille angebrachten Schraube g gegen die Feder k zu bewirken. Man kann die Säule um mehr als 30 Grad drehen, bevor es nöthig wird, die Feder in die nächſtfolgende Schrau— benmutter zu verſetzen und zu befeſtigen. Das obere prismatiſche Ende der Säule trägt einen Balken B (der Leichtigkeit wegen vielleicht aus zwei parallelen Schienen beſtehend), der ſenkrecht auf der Säule eine beſtändig horizontale Lage hat. Auf beiden Enden befinden ſich die ſtellbaren Lager zur Aufnahme der hori— zontalen Axe, welche umgelegt werden kann. An das eine Ende dieſer horizontalen Axe iſt ſenkrecht auf die— ſelbe ein Diopterlineal DD zur Regulirung des Niveau's angebracht. An den beiden Enden dieſes Diopter- lineals B befinden ſich in horizontaler Richtung die Lager 11 für das Fernrohr F, welches in dieſelben eingelegt und mittelſt Vorſtecken darin befeſtigt wird. Auf der entgegengeſetzten Seite der Axe iſt an deren Ende eine Kreisſcheibe K befeſtigt, die wieder mit einem graduirten Halbkreiſe e verſehen iſt. In der Mitte des Kreiſes iſt ein Bleiloth L angebracht, das auf dem Nullpunkt ſtehen muß, wenn das entgegenſtehende Diopterlineal wagerecht ſteht. Noch iſt zu bemerken, daß an den beiden Enden des Balkens, zwiſchen welchen ſich die Lager der Axe befinden, zwei metallene Zeiger 2 angebracht ſind, in welchen ſich die erwähnte Kreisſcheibe in jeder der beiden Lagen bewegen kann, und die, wenn das Senkblei auf 0 auf dem Halbkreiſe ſteht, ebenfalls 0 zei⸗ gen muß. An dieſen Zeiger läßt ſich ſehr leicht ein Nonius Behufs genauerer Ermittelung der Grade und Gradtheile anbringen. Eben ſo leicht iſt dieſe Einrichtung an dem untern Zeiger am horizontalen Halbkreiſe zu treffen. Auf dem letzteren (dem Halbkreiſe) iſt noch eine kleine Bouſſole B angebracht. Stellt man nun dies hier beſchriebene und auf ſolche Art zuſammengeſetzte Inſtrument, vermittelſt eines dazu beſtimmten Stativs, oder auch auf irgend einer feſten dazu geeigneten Grundlage ſo auf, daß der untere Halbkreis horizontal zu liegen kommt, ſo erhält man hierdurch den Theodolit, und iſt damit im Stande, das Azimuth und die Höhe nach Maaßgabe der Eintheilnng zu beſtimmen. Wenn das zu ermittelnde Azimuth größer ſein ſollte, als der Halbkreis die Meſſung deſſelben geſtattet, ſo darf man nur den Zeiger, welcher den Winkel angeben fol, auf der entgegengeſetzten Seite anſchrauben, und die hier gefundenen Grade zu 180° addiren, um das Azimuth, was man ſucht, zu erhalten. Die zu ermittelnde Höhe aber erhält man, wenn man das Diopterlineal oder das Fernrohr in die Richtung des zu meſſenden Gegenſtandes bringt, und die Grade an dem vertical ſtehenden Halbkreiſe vom Nullpunkte aus ablieſt, die der Zeiger und das Senkloth anzeigt. Dieſes hier beſchriebene Inſtrument läßt ſich zu vielfachen terreſtriſchen Meſſungen anwenden, 34 * 268 Will man daſſelbe aber zur Beobachtung der Geſtirne und insbeſondere der Beſtimmung der Rect⸗ aſcenſion und Declination derſelben gebrauchen, fo iſt nur nöthig, daſſelbe fo aufzuſtellen, daß die auf dem horizontalen Halbkreiſe ſenkrecht ſtehende, um ihren Mittelpunkt bewegliche Säule in die Richtung der Erd⸗ Axe zu ſtehen komme, wodurch dieſe Säule nunmehr die Welt-Afpe bezeichnet und der Halbkreis den Aequator der Erde vorſtellt. 5 Um dieſen Zweck zu erreichen, iſt es nur erforderlich, daß das Inſtrument unter dem Winkel, gleich der Aequatorialhöhe des Ortes und in der vorhergehend bezeichneten Richtung, aufgeſtellt werde. Hierzu dient ein Prisma mit einem rechten Winkel, deſſen beide andere Winkel der eine ꝙ gleich der Polhöhe des Ortes, der andere 7 demnach nothwendig der Aequatorialhöhe deſſelben gleich fein müſſen. (S. nebenſtehende Zeich- nung Figur II. c.) Auf die ſchräge liegende Fläche des Prisma, und zwar fo, daß der Aequatorialwinkel 7 nach unten zu liegen kommt, wird nun das oben bezeichnete Inſtrument aufgelegt, von den unterhalb der ſchrägen Fläche angebrachten Leiſten und durch ein paar Befeſtigungsſchrauben V feftgehalten. Auch find, wie ſchon erwähnt, an dem Inſtrumente, und zwar an dem unteren Halbkreiſe, ein paar Schrauben zur genaueren Regulirung des Aequatorialwinkels angebracht, welcher ſich aus der Abzählung der Grade, welche das Senkloth, vom Null: punkte gezählt, angiebt, ziemlich genau beſtimmen läßt. Da das betreffende Inſtrument die Umlegung der Axe und demnach eine genaue Controle über ſeine richtige Lage geſtattet, ſo wird die Anwendung einer Waſſer⸗ waage nicht unbedingt nothwendig ſein. Aus der hier beſchriebenen Zuſammenſetzung des Theodolit-Inſtrumentes mit dem auf vorſtehende Art beſchriebenen Prisma ergiebt ſich das Aequatorial-Inſtrument, deſſen Anwendung ich als bekannt vorausſetzen kann. v. Oheimb. Den 6. September. Der Sekretär legte einige ſtylographiſche Verſuche nach Schöler's Verfahren vor, welche ihm durch den Herrn Präſes der Geſellſchaft als ein freundliches Geſchenk des Herrn Geheimen Raths v. Olfers übergeben worden waren. Die vorgelegten Proben verdienten Beifall. Sowohl feine als ſtarke Linien, architektoniſche Zeichnungen und Baumſchlag zeigten ſich in Reinheit und Friſche. Auf einer Platte von ſolchem ſchwarzen Harzgemiſch, daß ein Kratzen mit Radirnadel einen milden, aber ſcharfen, an den Kanten nicht bröckelnden Eindruck hervorbringt, auf der Oberfläche mit Silberpulver einge⸗ rieben, wird die zu fertigende Zeichnung umgekehrt entworfen und mit der Radirnadel ausgearbeitet. In warmen Tagen muß die Platte gegen die warme Hand durch zwiſchengelegtes Papier geſchützt werden. Irr⸗ thümer in der Radirung können nicht ſogleich verbeſſert werden. Nach Beendigung der Radirung wird auf galvaniſchem Wege ein Kupferniederſchlag angefertiget, auf welchem die angefertigte Radirung in erhabener Geſtalt zum Vorſchein kommt. Jeder bei der Radirung begangene Irrthum kann an demſelben mit Leichtig⸗ keit ausgebeſſert werden, indem die falſchen Striche, welche erhaben erſcheinen, weggenommen werden. Nach erfolgter Ausbeſſerung wird auf dieſer Platte auf galvaniſchem Wege eine neue Platte niedergeſchlagen, welche zum Abdrucke geeignet iſt. Die vorgelegten Proben fanden ſo viel Beifall, daß einige Mitglieder der Sektion Zeichnungen und Abdrücke zu liefern verſprachen. Die Proben ſind aber leider bisher noch nicht eingegangen. Die angeführten Harzplatten erhält man durch Zuſammenſchmelzen von einem Theile Kopal, drei Theilen Stearin und drei Theilen Lack, mit Frankfurter Schwarz gemiſcht. Man gießt die Tafeln zwiſchen Kupfer⸗ blech und reibt die Oberfläche, auf welche die Zeichnung kommen ſoll, nach gehöriger Glättung, mit Silber⸗ pulver ein. Den 11. Oktober. Der Sekretär legte der Sektion eine Vorrichtung vor, nach welcher es möglich iſt, Schrauben an der Drehbank von jedem beliebigen Höhengange zu ſchneiden, ohne einer Laufſpindel und paſſen⸗ den Patrone, oder einer Leitſchraube mit erforderlichem Räderwerke zu bedürfen. An den Kopf der Drehbank 269 ift ein meffingnes Futter a von etwa 3 Zoll Länge aufgeſchraubt, welches an feinem Umfange Schraubenge— winde von der ſtärkſten Art, welche man zu machen gedenkt, enthält. An daſſelbe wird der Gegenſtand c, an welchem eine Schraube geſchnitten werden ſoll, mittelſt Holzfutter, Klemmfutter, oder zwiſchen Spitzen mit Mitnehmer befeſtigt. d ſtellt die Spitzdocke der Drehbank dar. An einer zölligen Gußeiſenplatte p, welche fo abgeſchweift iſt, daß der Bewegung des Futters kein Hinderniß entſteht, iſt der ſtählerne Winkel m mittelſt der Schraube v in der Höhe der Spindelaxe befeſtiget. Die Gußeiſenplatte ſelbſt iſt mittelſt des Fußes einer Lünette an den Wangen der Drehbank feſtgehalten, indem ſie mittelſt eines Einſchnittes in die an demſelben befindliche Schraube eingeſchoben und feſtgeſchraubt wird. Der Arm m des Winkels iſt flach vierkantig, der Arm k trapezförmig. An letzterem iſt eine vierkantige meſſingne Hülſe verſchiebbar, in welche ein Gemiſch von drei Theilen Zinn und einem Theile Antimon eingegoſſen worden iſt, nachdem vorher die eine Hälfte der Hülſe im Innern verzinnt worden war. Die nicht verzinnte Hälfte enthält daher den Einguß locker, und es wird möglich, durch die angedeuteten Preßſchräubchen denſelben fo feſt anzudrücken, daß ſtets eine ſichere Füh⸗ rung ohne Schlottern und Wanken entſteht. Auf dieſe Hülſe iſt mit vier Schräubchen ein Plättchen aufge⸗ ſchraubt, an welches ein meſſingner Streifen angelöthet, welcher gegen das Schraubenfutter angedrückt wird und mit dem Gewinde entſprechenden Zähnen verſehen iſt. Auf einem an dieſer Hülſe angelötheten Klötzchen befindet ſich ein cylindriſcher Stift, an welchen ein ſtarkes Stahlblech 2 eingehängt wird, welches in ſeiner Mitte einen gleich breiten ſchmalen Spalt enthält. Eine verſtellbare Hülſe k dient demſelben zur Führung und geſtattet nach Einſtellung eines genau paſſenden Stiftes eine Drehung und Verſchiebung. Zwei an einer Seite zuſammengelöthete Meffingplatten g umfaffen das Blech 2, und tragen die Führungs- oder Schiebe⸗ ſtange n h o, welche von n bis h flach und dann rund iſt, mit drei Schrauben befeſtiget. Der abgeſchrägte Theil mh geht in einer auf m aufgeſchraubten Führung ohne Schlottern, der runde Theil in einer Hülſe der Gußeiſenplatte g, welche nach Umſtänden vor oder hinter der Spitzdocke an den Wangen der Drehbank befe— ſtiget werden kann. Die Schiebeſtange h trägt eine verſtellbare Hülſe o mit Druckſchraube, durch welche auch ein flaches Eiſenſtäbchen r durchgeſchoben und mit Schraube feſtgeſtellt werden kann. An die Stelle, wo an e die verlangte Schraube geſchnitten werden ſoll, wird die Auflage u gerückt, das Stäbchen r darauf vorge ſchoben und feſtgeſtellt, und gegen daſſelbe der Schraubſtahl w oder in deſſen Ermangelung ein Spitzſtahl angelehnt. Bringt man in eines der auf g angedeuteten Löcher 2, 3, 4 u. ſ. w. einen Stift, wel⸗ cher den Spalt des Bleches 2 und den unteren Theil von g ohne Schlottern durchſetzt, fo wird bei einer Drehung der Spindel a der Rechen E fortgeſchoben und eine Drehung des Bleches 2 um eins bewirkt, gleichzeitig aber die Hülſe g und damit die daran befeſtigte Führungsſtange n h o verſchoben und der angelegte paſſende Schraub- oder Spitz-Stahl um eben ſo viel verrückt. Iſt die Ganghöhe der Schraube a, „ Zoll, der zu ſchneidenden Schraube Zoll, die Entfernung des Loches von 5 in g, in welches der Stift eingeſteckt war, etwa 6 Zoll, fo ergiebt ſich die Entfernung x des Loches 1 von 5 aus der Betrachtung, daß : = X: X 5 oder X . Iſt die Ganghöhe der Schraube a, Y, Zoll, die Ganghöhe der zu ſchneidenden Schraube 0 Zoll, fo ift V 5 Sind die Löcher 2, 3, 4 u. ſ. w. in Entfernungen von ganzen Zollen von 5 gebohrt, und ſteckt der Stift in . 15. 3 g in einem Loche, welches von 5 um 3 Zoll entfernt iſt, fo ergiebt ſich x — > 4, Zoll, d. h. die Hülſe k muß fo lange verſchoben werden, bis 1 von 5 um 4 ½1 Zoll entfernt iſt. Hätte man in g ein Loch gewählt, welches 4 Zoll von dem Stifte 5 entfernt geweſen wäre, fo würde x = 5%, Zoll zu neh: men ſein. 270 Um Muttergewinde zu ſchneiden, klemmt man den paſſenden Schraubſtahl, oder in deſſen Ermangelung einen Seitenſpitzſtahl mittelſt der an r befindlichen Flügelſchraube feſt und bringt die Auflage in paſſende Stellung zu ſeiner Unterſtützung. Um eine Schraube von Ganghöhe der Schraube a zu ſchneiden, muß man die Hülſe g mit dem Stifte 5 verbinden, welches durch Aufſchrauben eines paſſenden Bleches leicht ausführ⸗ bar iſt. Iſt die Schraube a richtig, ſo werden auch alle mittelſt dieſer Verrichtung geſchnittenen Schrauben gleiche Güte beſitzen. Die Bewegung des Rades der Drehbank geht nur ſo lange in derſelben Richtung, bis der Rechen k das Ende von a erreicht hat, und muß dann in die umgekehrte verwandelt werden. Soll eine bereits angeſchnittene Schraube weiter fortgeſetzt werden, ſo muß die Hülſe o auf paſſende Weiſe verſchoben werden. Den 22. November. Herr Oberlehrer Dr. Sondhauß hielt einen Vortrag über die Verſuche mit der Centrifugalmaſchine. ! Nach einer kurzen Einleitung über die Centrifugalkraft und einigen Bemerkungen über die Conſtruction der Centrifugalmaſchinen machte der Vortragende mit einem kleinen, aber zweckmäßig conſtruirten Apparate, außer den üblichen bekannten Experimenten, auch einige neue: Bei dem Rotiren einer mit Queckſilber gefüll⸗ ten Glasröhre entſtand durch die Centrifugalkraft in der Mitte der ſich theilenden Queckſilberſäule ein Va⸗ cuum. Der Einfluß der Centrifugalkraft auf die Luft zeigte ſich durch das Tönen eines kleinen Orgelpfeif— chens. Beſonderes Intereſſe erregten die Rotationen von an einem Faden aufgehangenen Körpern. Zu den ſchon bekannten Verſuchen dieſer Art fügte der Vortragende noch folgenden hinzu: Zwei durch einen Faden verbundene Kugeln von verſchiedener Größe werden mittelſt eines zweiten Fadens an die Achſe der Centrifugal⸗ maſchine gehangen und in Rotation verſetzt. Die bewegten Kugeln entfernen ſich ſehr bald von einander, ſpan⸗ nen ihren Faden und beſchreiben, indem ſie ſich wie die Doppelſterne um ihren gemeinſchaftlichen Schwerpunkt drehen, Kreiſe von verſchiedenen Durchmeſſern. - Den 6. December. Herr Profeſſor Dr. Frankenheim hielt einen Vortrag über Polariſation des Lichtes und ſeine Anwendbarkeit in techniſcher Beziehung. Nach einigen Bemerkungen über die innige Verbindung, welche zwiſchen Männern der Wiſſenſchaft und der Technik beſteht, und der raſchen Verbreitung, welche jedes für die Fabrikation brauchbare Reſultat ſelbſt der verwickeltſten Unterſuchungen der Phyſiker und Chemiker in den Werkſtätten findet, wurde die Polariſation des Lichtes erſt an Bergkryſtallen, welche ſenkrecht auf die Axe geſchnitten waren, und dann an Zuckerlöſungen gezeigt und, ſo weit es für den techniſchen Geſichtspunkt nothwendig war, erklärt. Auch ohne die Theorieen der Phyſiker zu kennen, kann man die Veränderungen wahrnehmen und meſſen, welche die Bergkryſtallplatte in dem Lichtſtrahle hervorbringt, der durch Nikol'ſche Prismen oder durch Spiegel von gewiſſer Beſchaffenheit die unter dem Namen der Polariſation bekannte Modifikation erlitten hat. Die Veränderung beſteht in einer Wendung, die entweder rechts oder links iſt. Andere feſte Körper bringen aber keine Veränderung hervor. So iſt es auch beim Zucker. Die verſchiedenen Zuckerarten bringen bald eine Wendung nach rechts, bald eine nach links, bald gar keine hervor. Die Wirkung iſt um ſo ſtärker, je concentrirter die Zuckerlöſung iſt, und man kann daher unter Beobachtung gewiſſer Vorſichtsmaßregeln aus der Wirkung auf das Licht, die man meſſen kann, den Grad der Reinheit der Löſung und des Gehaltes an Rohrzucker erkennen. Verſchie— dene zur Meſſung geeignete Apparate wurden vorgezeigt. Da die zweijährige Etatszeit abgelaufen, ſo legte der Sekretär ſein ihm anvertrautes Amt nieder, ſeinen Dank für das ihm erwieſene Vertrauen ausſprechend. Derſelbe wurde für die neue Etatszeit wieder erwählt. 7. Bericht über die Verhandlungen der Section für Obſt⸗ und Garten: Rultur im Jahre 1847, von Wadbyl, zeitigem Secretair derfelben, Nach mehreren früher in hieſiger Stadt gemachten vergeblichen Verſuchen, einen Verein zur Hebung des Gartenweſens zu begründen, bildete ſich endlich doch im Jahre 1846 ein ſolcher unter den hieſigen Kunſt⸗ gärtnern und Freunden der Gartenkultur, mit dem Namen: „Blumenverein.“ Man erkannte jedoch ſchon nach Jahresfriſt, daß, wenn etwas Erſprießliches erzweckt werden ſollte, die beliebten und ſchon durch den Namen angedeuteten Grenzen zu eng geſteckt waren, und deßhalb fand der Vorſchlag des Herrn Profeſſor Dr. Göppert, zeitigem Präſes der ſchleſiſchen Geſellſchaft, welcher von dem Vorſtande des gedachten Vereins erſucht worden war, ſich an die Spitze deſſelben zu ſtellen: den Verein als eine Section der ſchleſiſchen Geſellſchaft für vaterländiſche Kultur zu conſtituiren, bei den Vereinsmitgliedern allgemeinen Beifall, worauf auch die Realiſirung dieſes Vorſchlages unverzüglich unternommen wurde. Wie dies geſchah, und in welcher Weiſe die neue Section bereits in dem kurzen Zeitraume zu wirken begonnen hat, iſt bereits in dem allgemeinen Berichte (ſ. S. 8) angeführt worden. Die Frage aber, was dieſe Section in der Zukunft bezwecken will, dürfte aus den für dieſelbe beſon⸗ ders entworfenen und von dem Präſidium genehmigten Statuten zu erſehen ſein, weßhalb ſie hier einen Platz finden mögen. Statut der Section für Mbſt- und Garken-Kultur in der ſchleſiſchen Geſellſchaft für vaterländiſche Kultur, auf Grund der Verhandlung der Section vom 18. März 1847 und der Konferenz- Protokolle des Präſidii vom 22. Mai und 29. Uovember 1847, 8 1. Bildung der Section. Die Section für Obſt- und Garten-Kultur bildet ſich: a) aus wirklichen Mitgliedern der ſchleſiſchen Geſellſchaft, und b) aus Mitgliedern, welche dieſer Section allein angehören. Hinſichtlich der erſteren gelten die allgemeinen Statuten der ſchleſiſchen Geſellſchaft; die letzteren werden durch Behändigung eines beſonderen, von der Section ausgehenden Diploms Mitglieder dieſes Vereins, aber nicht Mitglieder der ſchleſiſchen Geſellſchaft. 82. Die Anmeldung zur Aufnahme geſchieht bei dem Präſidium der ſchleſiſchen Geſellſchaft. Von den auf⸗ genommenen außerocdentlichen Mitgliedern der Section wird die Verpflichtung zur Zahlung eines jährlichen Beitrages von 1 Thaler und zur thätigen Wirkſamkeit für die Section übernommen. 83. Aus dieſen jährlichen Beiträgen der außerordentlichen Mitglieder, ſo wie aus der Einnahme bei den Ausſtellungen, wird ein Separatfond der Section begründet. Das Präſidium behält ſich jedoch vor, nach Befund der Umſtände, einen Antheil dieſes Fonds zur Lokalmiethe, Beheizung, Beleuchtung und Remuneration des Dieners in Anſpruch zu nehmen. Auch verſteht es ſich von ſelbſt, daß bei etwaiger Auflöſung der Section der Separatfond, und was daraus angeſchafft worden, der ſchleſiſchen Geſellſchaft als Eigenthum verbleibt. SA, Die Section ift befugt, an beſtimmten Tagen Verſammlungen im Lokale der ſchleſiſchen Geſellſchaft zu halten; die den Gartenbau betreffenden, der ſchleſiſchen Geſellſchaft gehörenden Schriften ſtehen der Section zur Verfügung, und genießt dieſelbe auch die Portofreiheit, als zuſammenhängend mit der naturwiſſenſchaftli⸗ chen Section der ſchleſiſchen Geſellſchaft. 96. Zweck der Section. Der Zweck der Section iſt: Die in unſerm Vaterlande noch der Förderung bedürfende Obſt-, Gemüſe- und Blumen⸗-Kultur zu heben, und zwar durch möglichfte Konzentrirung der auf dieſem Gebiete bereits arbeitenden Kräfte, durch Belebung und Aneiferung der letzteren mittelſt Ausſtellungen, Preisvertheilungen und namentlich mittelſt gegenſeitiger Belehrung in Vorträgen. Deshalb wird die Section: a) jährlich mindeſtens zwei Ausſtellungen von Gartenerzeugniſſen aller Art veranſtalten; b) alle 14 Tage Verſammlungen im Lokale der ſchleſiſchen Geſellſchaft abhalten; c) Sämereien aller Art, vorzüglich von Gemüſen, ferner Pfropfreiſer, Pflanzen und Gehölze an: kaufen und an die Mitglieder zur Anbauung und Berichterſtattung übergeben; d) nach Befund der Umſtände auch Preiſe für die vorzüglichſten Leiſtungen ausſetzen, und e) das Beſtreben auf Erbauung einer ſogenannten Frucht- und Blumenhalle richten. 986. Ausſtellungen. Die für die Ausſtellungen nöthigen Anordnungen wird die Section jedesmal beſonders treffen, immer aber für jede Ausſtellung einen beſondern Ordner beſtellen und ihm einige Mitglieder zur Seite geben. Wenn aber Preiſe zu vertheilen find, fo ernennt die Section durch Wahl ſechs Preisrichter, welche nebſt dem Se⸗ cretair und auch etwaigen Stellvertretern, wenn unter den Preisrichtern ſich ſelbſt Preisbewerber befänden, die Commiſſion bilden, welche ſich unter der Leitung des jedesmaligen Präſes der Geſellſchaft verſammelt. Der Ordner darf jedoch nicht Mitglied dieſer Commiſſion fein, und wird überhaupt für dieſe eine beſondere In⸗ ſtruction gegeben. 8.7 Vertheilung des Angekauften und deſſen Beaufſichtigung. Die nach $ 5 c. angekauften Gegenſtände find, fo lange die Section kein eigenes Grundſtück beſitzt, um ſelbſt Verſuche in der Kultur machen zu können, ſolchen Mitgliedern zu übergeben, denen ſich Gelegenheit hierzu darbietet. Dieſe ſind zur Berichterſtattung über die Erfolge verpflichtet, und müſſen, abgeſehen von Gemüſe und Pfropfreiſern, das Haupt-Exemplar, und bei leichter Vermehrung auch die zwei erſten durch dieſe 273 gewonnenen Exemplare als Eigenthum der Section betrachten, auch fich gefallen laſſen, wenn die Section den Preis der Pflanze beſtimmt, für welchen ſie den Mitgliedern letztere abzulaſſen haben. Bei ſchwierigen Vermehrungen wird die Section jedesmal beſondere Beſtimmungen treffen. Ueber die von der Section gekauften Gegenſtände wird ein von ihr gewählter Inſpector ein genaues Verzeichniß und Controle führen, ſo wie Bericht erſtalten. 88. Beamte der Section. Die Leitung der Section hat ein Secretair; ihm zur Seite ſteht ein zu wählender Protokollführer, der ihn in Abhaltungsfällen vertritt. a . Vorſtehende Beſtimmungen können nach den inneren Bedürfniſſen und Entwickelung der Section eine Abänderung durch Beſchluß und Genehmigung des Präſidii erleiden. Breslau, den 29. November 1847, Das Präſidium der ſchleſiſchen Geſellſchaft für vaterländiſche Kultur. Göppert. Ebers. Bartſch. Dieſem Statut nachzukommen, hat die Section ſich ſehr angelegen ſein laſſen. Ihre Wirkſamkeit rich⸗ tete ſie zunächſt darauf, ſich zu orientiren, mit welchen Kräften ſie in ihren Mitgliedern bereits ausgerüſtet ſei, um zunächſt zu wiſſen, ob ſie vor dem Publikum noch in dieſem Jahre mit einer Ausſtellung auftreten könne. Das Reſultat der hauptſächlich dieſerhalb auf den Beſitzungen mehrerer Mitglieder der Section ver—⸗ anſtalteten Rundſchau war ein günſtiges, welchem gemäß auch gewagt werden konnte, eine Herbſt-Ausſtellung zu veranſtalten. Dieſe fand ſtatt in der Zeit vom 16. bis 22. September in dem freilich ſehr beſchränkten Raume des Glashauſes an der Promenade, welchem noch ein Zelt vorgebaut werden mußte. Wir führen über dieſe erſte Ausſtellung Folgendes an: Beim Eintritte in den Vorbau des Glashauſes fiel das Auge zunächſt auf eine Anzahl Kürbiſſe; es lagen hier zwei große glatte weiße Centner-Kürbiſſe von Herrn Menzel, drei längliche gelb und grün von Herrn Schauer, zwei runde genetzte von Herrn Stadtrath Selbſtherr, zwei runde gewöhnliche Centner-Kürbiſſe vom Taubſtummen-⸗Inſtitute, Warzenkürbiſſe vom Univerſitäts-Secretair Herrn Nadbyl, bunte keulenförmige, geſchwänzte und Flaſchenkürbiſſe, Herkuleskeule, Türkenbund und dergleichen mehr, große Kohlrüben, Paradieſer und Vannak⸗Kopfkohl, chineſiſcher Petſaikohl von Herrn Nadbyl, Mohrrüben, ſchwarzrothe, weiße und rothe in anſehnlicher Größe, Rieſenſchwerdtbohnen von Herrn Oberſt-Lieutenant v. Fabian, große engliſche Patrix— Gurken von Herrn Ed. Monhaupt, lange Schlangengurken von Herrn Oswald in Ohlau, Baſſano-Rothe— rüben, Runkelrüben in allen Farben, Scolymus, Mays in vielen Farben und Sorten, Kartoffel Schalotte, Kaffernkorn, Rieſenſcheibe einer Sonnenblume aus Saamen, der aus der Krimm ſtammt, erzogen 2c, Daran ſchloſſen ſich folgende Collectionsſammlungen: Von Herrn Promenadengärtner Hoffmann aus Salzbrunn, Petunien-Baſtarde; ſehr ſchön davon waren Nr. 39, 1, 2, 21, 43, 15, desgl. eine ſehr große von Herrn Conditor Frommel erzogene. Von Herrn Lieutenant Kerkow hochſtämmige ſchön gezogene Myr— tenarten mit runden Kronen. Eine ſehr gut kultivirte Cactusſammlung, größtentheils verkäuflich, von Herrn Buchhalter Rüdiger in 62 Exemplaren; wir heben davon heraus: Echinocactus coneinnus, Ech. electroa- canthus, Ech. multiplex (befonders groß), Mammillaria conopsea, M. Schiedeana und M. recurva. Herr Kaufmann Hüſer ſchickte 8 Cactus ein, darunter ein Echin. multiplex mit Belaſſung feines Urtypus, umge⸗ ben mit einer neuen Generation. Aus Marienhöfchen war ein Haemanthus tigrinus eingegangen. Von Herrn Secretair Nadbyl ſtand hier eine Collection Glashauspflanzen, darunter die ſchöne Amieia zygomeris, Amphycome arguta und die fi ſchön windende Manetia cordifolia und Aeschynanthus 35 274 Roxburghii. Ausgezeichnet vertreten waren die Georginen, ſowohl von Handelsgärtnern, als Dilettanten ein⸗ gefandt. Bei Herrn Handelsgärtner Pohl's Collectionen gefiel uns Madame Dreſſer, Juſtizrath Werkow, Veſuv, Hanns-Wurſt (feiner Sonderbarkeit wegen), Marchiones of Cornwallie; von den Sämlingen: Herzogin von Sagan, Maria Hoffmann und Agnes. In der Sammlung des Herrn Handelsgärtners Kattner zeichneten ſich aus: Auguſt (Sickmann), Exi⸗ mia, Europa, la belle Blonde, Thereſe Freifrau v. Villaſecca, Lützows Jagd, Teutonia. Die Sammlung des Lehrers Herrn Schindler aus Ober-Struſe bot uns dar: Golden Souverain, Multicolor, Prinz von Coburg, Adolph Dubras, Aline, Stern von Elſterthal, Wunder von Tattendorf. Aus der Collection des Herrn Univerſitäts-Secretairs Nadbyl lagen unter andern vor: Ludwig Pemſel, Beeswing, Gräfin von der Aſſeburg, Oliver Goldſchmidt, Kapitän Warner, la jeune Parisienne. Von Herrn Goldarbeiter Rudolphs Sämlingen zeichneten ſich aus: Rudolphs Freude und Otto Rudolph. Ueberhaupt zeigen uns die Kataloge die größten Schönheiten und die unbegränzteſte Aus, hauptſäch⸗ lich von den allerneueſten Dahlien. Mit Erwähnung eines Bouquets von neueſten Thee-, Remontante- und Burbone-Roſen von Herrn Handelsgärtner Breiter, ſo wie auch eines von ſchönen Federaſtern von Herrn Gärtner Völkel, verlaſſen wir das Zelt. Im Innern des Glashauſes befand ſich das Gros der Ausſtellung, beſtehend aus Sele von Glashauspflanzen und Früchten. Von letzteren waren von Rambour-Aepfeln vorhanden: Pleisner-, Sommer-, großer grüner Prahl⸗ Rambour, rother Sommer-, Herbſt- und Winter-Calville; von den Reinetten: edler Winterborsdorfer, deut⸗ ſcher Peping (neu), graue Herbſt-Carmeliter, Gold-, große grüne engliſche, röthliche, Orleans- und Granat⸗ Reinette. Von den Taubenäpfeln: weißer Winter, rother Winter und Rosmarienäpfel; ferner unter andern: engliſche Goldpomacene, rother und weißer Stettiner, Winterſtreifling, Bohnapfel, Roſen- und Veilchenapfel, rothe und weiße Schafsnaſen und Zwiebelborsdorfer ꝛe. Von Birnen waren viele Winterfrüchte da, und daher noch unanſehnlich. Wir bemerken: Königsge⸗ ſchenk von Neapel, Meißner Liebchensbirnen, Schweizerhoſe und Schweizerbergamotte, runde Herbſtbergamotte, Volkmarſerbirn, Wildling von Montigny, Herrmannsbirn, Non pareil, Bergamotten Non pareil, ſächſiſche Glockenbirne, Lansac de Quintigny, Beurré gris, Beurré blanc, Bon chretien (ausgezeichnet groß), fürſt⸗ liche Tafelbirn, Weinbirn, Craſſanne, Zwiebelbergamotte, Wiener Muskateller, Josephine de France, graue Dechantsbirn ꝛc. Haſelnüſſe waren in ausgezeichneter Größe und Arten von HH. Schauer und Comp. und Herrn Stadt⸗ rath Selbſtherr da. Da die Pflaumenzeit vorüber vor, ſo konnten auch nur wenig vorhanden ſein, doch waren noch große graue Reine Claude, gelbe Mirabelle, gelbe und rothe Eier⸗Pflaumen, weiße und rothe Aprikoſen⸗Pflaumen, blaue Dattelzwetſchen ꝛc. eingeliefert worden. Die Einſender von den Obſtſorten waren: die Herren Breiter, Göldner, Gaſtwirth Menzel, Ed. Mon⸗ haupt, Nadbyl, Pohl, Baron C. v. Richthofen und Schauer, Cafetier Schneider, Schönwälder, Kaufmann Thiel, Urban, Weckwerth in Schalkau, und mehrere andere, die ihre Namen nicht beigelegt haben. Von Melonen waren vorhanden: eine ſehr große flaſchenförmige vom Herrn Gärtner Albrecht, mehrere von Herrn Stadtrath Bülow, Herren Göldner, Kattner, Schauer, eine Angurie von Herrn Renner. Annanas, in ausgezeichneter Größe, vom Herrn Grafen Hoverden auf Hünern eingeſendet. Von den durch die Herren E. Monhaupt, Liebig, Göldner und Schönwälder aus den Glashäuſern ein⸗ gelieferten Wein ſorten waren: Diamant, weißer, gut⸗edel und ſchwarzer welſcher bis zu 1 Pfund 5 Loth die Traube vorhanden. 275 Pfirſichen waren in großer Anzahl repräſentirt: Belle de Vitry, Madeleine rouge und blanche, Eton de Venus eto. Aprikoſen von Herrn Pohl. Ingleichen Erdbeeren und Himbeeren, Hahnbutten, Quitten und Mispeln, Johannisbeeren, beſonders aber Einmachäpfelchen in vielen Sorten und Farben, von Pyrus prunifolia, baccata und cerasifera, Mandeln und große Pferdenüſſe u. ſ. w. Von hier gezogenen Südfrüchten: Feigen, Citrus bergamia, Citronat, Aepfelſinen in ſehr großen Exemplaren und Lacrimae- Christi- Wein. Von neuen Getreideſorten war die nackte Phönir-Gerſte ausgeſtellt. Nach der Angabe des Züchters, Schullehrers Herrn Schindler, über die Vermehrung verhalten ſich 6 Metzen Ausſaat auf Mittelboden zu 15 Scheffeln Ernte, neben ſtarker Strohſchüttung. Eine Collection Kartoffeln in 23 Sorten, vom Herrn Secretair Nadbyl, zeigt, daß auch in unſerer Section für dieſen Artikel Regſamkeit vorhanden iſt. Leider waren auch von dieſen einige, und namentlich die diesjährigen, aus Saamen gezogenen von der Zellenfäule befallen. a Blühende Pflanzen waren im Mittelfelde zwiſchen den beiden Flügeln des Glashauſes, welche das Obſt einnahm: Amaryllis sarniensis, Rochea falcata, Myrtus involutus, Chironien, Aloe, Nandinia dome- stica, Erica mammosa und deren Varietäten, Theeroſen, Lobelien u. ſ. w. Als Schmuckpflanzen befanden ſich in dieſer Gruppe: ſehr breitfronige Citrus japonica myrthifolia» überaus reich mit Früchten beladen; Rhapis flabelliformis, Dracaena ferrea et foliis variegatis, Phoenix, Cyperus alternifolius, Begonien, Pinus palustris, Eucalyptus pulverulenta, Cocculus laurifolius blü⸗ hend, Crinum, Agave gemminiflora, gefüllte Myrten u. ſ. w. N Ferner befanden ſich in den in allen Formen repräſentirten Blumentiſchen des Herrn Korbfabrikanten Meyer die gegenwärtig ſo beliebten Blumen: Brachycome, Achimenes, Cyclamen, Phlox, Petunia, Ci⸗ nerarien, Calceoralien, Stiefmütterchen, Verbenen, Begonia parvifol. und die Arten der Farrnkrautgattungen Adiantum und Lycopodiaceae. Zur Dekoration der Tiſchränder: die ſich ſchlingenden und herabhangenden Crassula .cordata, Tra- descantia zebrina, Senecio scandens, Bousingaultia und Manetia cordifolia, gekrönt mit Pitcairnia punicea. Noch waren blühend vorhanden: eine weiße Camellia; Fuchsia Nymphe, F. Napoleon, F. Prin- cesse Alice, F. Queen Victoria, F. Duchesse of Southerland; Erica ventricosa superba, Er. graci- lis autumnalis; Fuchsia serratifolia, Leschenaultia formosa von Herren Breiter und Pohl, und Thun⸗ bergien von Herrn Salarien⸗Kaſſen⸗Buchhalter Großmann. Hochſtämmige Roſen von den Herren Lieutenant Kerkow, Urban und Breiter, Achimenes pieta und hirsuta, zwei Brugmansia candida, Magnolia gran- diflora blühend, und viele blühende Georginen in Töpfen. Die Hinterwand ſelbſt war von den Herren Pohl, Schauer, Stadtrath Lübbert, Schönwälder und aus dem königl. botaniſchen Garten, ſo wie von der Promenadengärtnerei beſchafft worden. Der Saum, von den Herren Baron v. Richthofen und Schauer, beſtand aus Farrnkräutern: Goeppertia, Pothos, Calladium, Heliconia Phormium, Rhapis, nebſt ſchönen Neuholländer Pflanzen. Eine Auracaria brasiliensis und Pinus palustris waren beſonders bemerkenswerth. Ein Rococotiſch mit vielen niedlichen Töpfchen und Kränzchen, fo wie ein Etagere von Blech, von Herrn Urban, erfreuten ſich des allgemeinen Beifalls. Im Allgemeinen iſt noch zu bemerken, daß der Mangel an Gemüſe recht fühlbar war, und würde demſelben nur dann abgeholfen werden können, wenn die reichen Privaten ſich zuerſt den Culturverſuchen neuer Gemüſeſorten unterzögen, was nur im allgemeinen Intereſſe und Wunſche liegen kann. An dieſen Bericht erlauben wir uns noch ſchließlich die Hoffnung auszuſprechen, daß die Section bei größerer Theilnahme, ausgedehnten Verſuchen in den gegenwärtig repräſentirten Garten-Cultur-Zweigen im kommenden und in den nächſten Jahren in den Stand geſetzt wird, auch eine befriedigendere Ausſtellung dem 35 * 276 N Publikum darzubieten, zumal uns eine größere Räumlichkeit in Ausſicht ſteht. Die großen Schwierigkeiten, welche in den Vorbereitungen zu der diesjährigen Ausſtellung lagen, konnten nur durch die unermüdliche, mit großer Sachkenntniß verbundene Thätigkeit des von der Section mit der Direction des Arrangements beauf- tragten botaniſchen Gärtners Herrn Schauer, und der ihm zur Aſſiſtenz gegebenen Kunſtgärtner, der Herren Pohl jun., Schönwälder jun. und Urban, befiegt werden. Ihnen ſagt daher die Section hiermit öffentlich den verdienteſten Dank. Um die Pflanzenkultur zu heben, beſchloß die Section, zunächſt einen Ankauf von Glashauspflanzen zu machen, und dieſe an ſolche Mitglieder, welche Gelegenheit haben, fie unterzubringen, zur Kultur zu überge⸗ ben. Es find dieſemgemäß auch bereits dergleichen Ankäufe geſchehen, denen im kommenden Frühjahre die von Gemüſeſaamen und Pfropfreiſern folgen werden, um wo möglich ſchon im nächſten Jahre hauptſächlich rückſichtlich des Gemüſes ein Urtheil fällen zu können, was von den neueren Arten für unſer Vaterland an⸗ wendbar ſei oder nicht. Ein von der Section gefaßter Entſchluß, eine ſogenannte Blumen- und Fruchthalle ins Leben zu rufen, konnte, da die Sicherheit des Geſchäfts nach dem jetzt vorliegenden Plane ſich nicht genau ermitteln ließ, noch nicht verwirklicht werden, iſt deßhalb aber keinesweges aufgegeben worden. In dem halben Jahre des Beſtehens der Section ſind nachſtehende Vorträge gehalten worden: Der botaniſche Gärtner, Herr S. Schauer, wählte ſich als Gegenſtand einiger ſeiner Vorträge das Gebiet der Landſchaftsgärtnerei, und ſprach in drei Verſammlungen „über die geographiſche Verbreitung und die Anwendung der Gattungen und Arten aus der Familie der Pomaceae.“ Dieſen Vortrag laſſen wir als Beilage dieſes Berichts folgen. Dann ſtellte Herr Univerſitäts-Secretair Nadbyl in einem Vortrage „über die Hyacinthen-Kultur“ ſeine Erfahrungen zuſammen, und forderte zur Kultivirung dieſer ſchönen und Gewinn bringenden Pflanze auf, da es ein reines Vorurtheil ſei, wenn man glaube, dieſes Zwiebelgewächs ließe ſich in Schleſien mit pekuniärem Vortheile nicht anbauen. Herr Profeſſor Dr. Göppert hielt einen demonſtrativen Vortrag „über die Anatomie und Phyſiologie der Bäume,“ mit beſonderer Beziehung auf Zwecke der Gärtnerei. Herr Profeſſor Dr. Henſchel ſprach in einer Verſammlung „über die beiden Giftbäume Aſiens: den Pohon Upas (Antiaris. Toxicaria Leschen) und den Upas Radja oder Tjetteck (Strychnos Ticute Lesch)“, aus deren Säften die Macaſſaren auf Celébes ihr Pfeilgift bereiten. Durch getrocknete blühende Exemplare von beiden, die er aus Java von Zollinger erhalten, und durch Abbildungen in Blumes Rumphia erläuterte er das Bot eniſche und Naturhiſtoriſche derſelben, erörterte beſonders die in Betreff des Pohon aus: gebreiteten Uebertreibungen und Mährchen, und charakteriſirte die Giftwirkungen beider vergleichend, theils nach den an damit vergifteten Thieren ſich äußernden Symptomen, theils nach den Ergebniſſen der von Blume gemachten Sectionen. Unbeſtritten ſind dieſe Bäume die giftigſten der ſüdaſiatiſchen Pflanzenwelt; der erſtere aus der fo nutzbaren Familie der Feigen- und Brodtfruchtbäume, durch feinen narkotiſch-ſcharfen Milchſaft die Reſpiration und das Herz, der andere aus der Familie der Strychneen, vermöge feines Strychnin in größ— ter Quantität enthaltenden Wurzelſaftes das Rückenmark und Hirn tödtend. In derſelben Verſammlung zeigte der Präſes der vaterländiſchen Geſellſchaft, Herr Prof. Dr. Göppert, die merkwürdig gebildete Topffrucht aus Braſilien von Lecythis Ollaria L. vor, deren mit einem wohlſchlie⸗ 277 ßenden Deckel verfehene, einen Fuß hohe Suamenhülle einem Topfe oder einer Urne ähnlicher fieht, als einer Pflanzenfrucht. Herr S. Schauer hielt einen Vortrag „über eßbare Knollengewächſe.“ In der Einleitung hierzu führte Derſelbe an, wie Hunger und Noth, gepaart mit Neugierde, und Stolz und Ehrgeiz, mit Wißbegierde, den Menſchen die meiſten jetzt gebräuchlichen Gemüſe und Wurzelpflanzen kennen gelehrt habe. Wo der Menſch auch immer das Tageslicht erblickt haben möge, lernte er doch bald die ihn umgebende Natur kennen. Die Früchte wären es wohl zuerſt geweſen, die ihn ernährt hätten, welche in den Tropenländern fo überaus reichlich vor— handen ſeien; anders müßte es jedoch geweſen fein, als ſich der Menſch mehr und mehr in die arktiſchen Zonen be— geben und verbreitet habe, wo kaum einige ſchlechte Fruchtbäume wüchſen und an dieſen überhaupt nur eine Frucht⸗ ernte reife. Von den Vierfüßlern mit Backentaſchen lernte der Menſch wohl zuerſt das Sammeln für den Winter, da er ſah, daß ſich dieſe Thiere Magazine von den mannigfaltigſten Saamen, Früchten und Wurzeln anleg⸗ ten, und von ihnen lernte er wohl auch die Wurzelknollen, welche genießbar ſind, kennen. Welche Wichtigkeit die Knollengewächſe heute auf der ganzen Erde beſäßen, ſei bekannt genug, denn es gebe kaum noch ein Volk, welches gar keine Knollen als Nahrungsmittel beſäße. Die letzten traurigen Jahre hätten es uns wieder recht gezeigt, daß wir ſolcher Gewächſe noch nicht genug beſäßen, um gegen jede Noth geſchützt zu fein. Wenn Refe⸗ rent auch feſt überzeugt fei, daß die Kartoffeln wieder zeitweiſe gut gedeihen werden, fo könne eine Mannigfal- tigkeit der Knollen, zu verſchiedenen Zeiten angebaut und hiervon die periodiſche Ernte abhängig, nur vortheilhaft ſein, und ein gänzliches Fehlſchlagen kaum ſo ſtattfinden, wie es im vorigen Jahre der Fall geweſen wäre. Er glaube, man müſſe um ſo mehr jetzt ſeine ganze Aufmerkſamkeit auf ſolche Wurzelgewächſe richten, welche in magerm Boden ohne viel Dünger gebaut und zu verſchiedenen Zeiten geerntet werden könnten, dabei aber auch als Futterkraut zu benutzen ſeien, je mehr unſere Waldungen hier und da planlos niedergeſtürzt würden und je mehr ſich ſogenanntes Unland geſtaltete. — Je größer, je raſcher die Parzellirungen durch Dismembras tion vor ſich gingen, deſto eher würde es möglich fein, ſolche Flächen dem Gemeinnutzen der Menſchheit wiederzus geben, worauf denn verſchiedene Früchte mit mehr Induſtrie, mit eignen Händen und mit mehr Vortheil für die eigene Haushaltung angebaut werden könnten; da aber die armen Landleute gemeiniglich weniger dächten, weniger in Erfahrung brächten, als große Landwirthe, ſo könne ſich die Section wohl berufen fühlen, den kleinen Leuten mit Rath und That beizuſtehen. So lange der Staat ſeine Domainen nicht ſo vertheilt habe oder vertheilen könne, daß fie ſich in allen Bodenlagen und Klimaten unſeres Landes befänden, um fie als Mufter: wirthſchaften für die umliegenden Landbebauer hinzuſtellen, würden uns die einzelnen landwirthſchaftlichen Aka— demieen wenig nützen; keineswegs wolle Referent hiermit ſagen, daß ſie überflüſſig ſeien oder nichts nützten, wohl wiſſend, was ſie geleiſtet und was ſie noch leiſten können; aber man müſſe auch nicht vergeſſen, daß ein ſtrebſamer Menſch, habe er einmal die Grund-Elemente in ſich aufgenommen, ſich unter allen Umſtänden die Mittel zu verſchaffen wiſſen werde, die ihn zum Ziele führen. 5 Die Natur habe nicht umſonſt viele Pflanzen mit knollen- oder rübenartiger Wurzel verſehen, und es wären in der That keine dergleichen bekannt, deren Wurzeln nicht einen mediziniſchen oder irgend einen uſuel⸗ len Nutzen hätten. Es wurden nun die Pflanzen aufgezählt, deren Wurzelknollen genoſſen werden können; wobei ſtets Vaterland, Vorkommen, geographiſche Verbreitung in dem Kulturzuſtande, Nutzen und Gebrauch bei den ver: ſchiedenen Völkerſchaften fo wie das hiſtoriſch Intereſſante vorgetragen wurde. Die bekannten ſind hier nur genannt, die für unſer Klima aber noch wichtig zu werden ſcheinenden und noch unbekannten Gewächſe führen wir im Auszuge an. Zu den bekannten gehören die Bergerbſe, Orobus tuberosus L. ), die Platt⸗ erbfe, Lathyrus tuberosus L. 2), Dolichos tuberosus L., Phaseolus tuberosus Lour. 3), die Kartoffel, 1) und 2) Scherbius, Mayer et Gaertner, Flora der Wetterau. 3) Plumierus, nov. gen. fasc. 9. p. 214. tab. 220. Solanum tuberosum L. Hiervon die Geſchichte von 1585, der Entdeckung Virginiens, bis auf unſere Zeit. Die Batate oder Camote, Convolvulus Batatas L. (Batatas edulis Choisy, und var. xantorrhizus); “) Tacca pinnatifida etc. L. 2); die Tams oder Dams, auch Igname in der neuen Welt genannt; Dioscorea alata, sativa, deren Wurzel oft 20 Pfund ſchwer wird; D. bulbillifera und oppositifolia L. 3); die Caſſave oder das Maniok, Jatropha (Janipha) Manihot L. ); die Georgine, Dahlia variabilis Desf.; der Erd⸗ apfel, Artiſchok der Amerikaner, Topinambours, Panchä-Ojü der Aſſinibois-Indianer, Helianthus tubero- sus L., Balsamorrhiza (Artrorrhiza) helianthoides Nutt. ö); die Brotwurzel, der Arakatſcha, Arracacia escu- lenta DC. é); die Erdkaſtanie oder Erdnuß, Carum Bulbocastanum Koch., Bunium L 7); die Erdmandel, Cyperus esculentus L. s); die Aron-Arten, Arum esculentum, Tarro oder Kalo, peregrinum, sagitti- folium, macrorrhizon etc. L.“); das Blumenrohr, Canna edulis Ker. Weniger wichtig ſeien nachfolgende: Tropaeolum tuberosum R. et P.; die Pfeilwurzel, Arrow-Arot, Maranta arundinacea; die 8 Oxalis tuberosa; Saumfarrn, Pteris eschlenta und Nelumbium speciosum. Am wichtigſten bleibe in den gemäßigten und kältern Klimaten wohl die Kartoffel; doch dürften unter den vier zunächſt folgenden Pflanzen ſich einige als ſehr beachtenswerthe zeigen, und vielleicht eine oder die andere eine Rolle ſpielen, wie die Batate in den heißen und wärmern Klimaten. Psoralea esculenta Pursh 4%) aus der großen Familie der Schmetterlingsblumen (Papilionaceae); Max Prinz zu Wied ſagt in ſeiner Reiſe hierüber 11): „Die ſogenannte Wild-Turnip der Amerikaner oder Pomme planche der Franzoſen, mit knolliger dicker Wurzel, von der Größe eines Hühnereies, welche von Indianern und Weißen aufgeſucht und gegeffen wird, fanden wir in den Prairien, beſonders auf Hügeln, in dem Landſtrich zwiſchen Leau-qui⸗court bis Fort Pierre am Teton-River.“ Purſh ſagt in feiner Flora von Nord-Amerika: „Dieſe Pflanze liefert die bekannte Bratwurzel (Bread- root) der Indianer, welche denſelben theilweiſe Winterunterhalt abgiebt. Sie ſammeln dieſelbe in großer Menge ein, bewahren dieſelbe an einer trocknen Stelle in ihren Hütten auf, und bereiten ſie zum Genuſſe durch Braten in heißer Aſche zu. Sie zermahlen ſie auch zwiſchen zwei Steinen zu Mehl, bereiten einen Teig und backen über Kohlen Brot daraus.“ Nach Mr, Lewis's Beobachtun— gen ſei dies eine geſunde Speiſe, welche jeder Leibeskonſtitution zuſagt. Nach Purſh wachſe fie an den Miſſouri-Ufern, nach Bradbury 12) in den Prairien bei St. Louis, wenn anders dieſer Reiſende fie nicht mit Psoralea macrorrhiza Fraser = P. cuspidata Pursh verwech⸗ ſelt habe, welche ebenfalls eine große knollenartige, aber äſtige Wurzel beſitzt; doch wird dieſe wohl auch eßbar 1) Forst, pl. escul. Choisy in DC. prdr. P. IX. p. 338. Bumph. Herb. Amb. P. V. p. 367. tab. 130. Sloane, Hist. p. 150. D. F. J. Mürter (Wien 1797) Naturgeschichte der Batate. 2) Forst, I. e. 28. Rumpb, I. c. tab. 112 — 115. 3) Forst, I. e. Rumph, I. c. tab. 180. 120 — 128. 4) Sloane, Hist. tab. 141. f. 1 (radis). 5) Hooker, flor. bor, amer. I. 310. (Sect. II. Arthoriza) Nuttall. Transact. of the Amerie. Phillos. Soc. (New-Ser.) VII. 349 et sdd. Espelatia Nutt. in Jour. Acad. Philad. VII. 39. 6) Biblioth. univers. 1829. Janv. p. 74. Brandes, Archiv des Apoth.-Vereins im nördl. Deutschl. p. 34. . 3. p. 351 — 358. Stockholms Conversations-Blad. 1831. Nr. 89 (16. Dec.). Om Arakatscharoten. Archives de Bot. 1833. 2. Dec. Cinquieme Notice sur les plantes rares cultivees dans le jardin de Geneve, par A. P. et Alph. De Candolle. Geneve, 1833. 4to, 28 p. avec 5 pl. gıav. 7) Neues vollständiges Gartenbuch, mit einer Vorrede von Dr. F. G. Dietrich:“ Ulm 1838. p. 241. 8) Ueber die Erdmandel, Cyperus esculentus, von J. L. Christ, mit 2 Taf. Schweykert, weitere Beob- achtungen über den Anbau etc. des 8 im Taschenbuche für Gartenfreunde, von W. G. Be- cher. Leipz. 1798. p. 278 — 291. 9) Rumph, I. c. tab. 106. 107. 109. 110. 10) F. Pursh, Flora Americae Sept. 1816. p. II. p. 475. t. 22. 11) Max Prinz zu Wied Reise in Nord-Amerika. P. I. p. 321. 12) Bradburys Reise, p. 141. 279 ſein. Es käme nun bei uns ganz allein darauf an, ob dieſe Pflanze viel und guten Saamen reife, da der Anbau derſelben dann ohngefähr wie unſer Klee geſchehen könnte, nur müſſe die Ausſaat etwas breitwürfiger gemacht werden, damit die Knollen Raum genug hätten, um ſich vollkommen auszubilden, welche dann im zweiten Jahre geerntet würden. Die Blätter könnten wahrſcheinlich unſerm Kleefutter gleich benutzt werden. Eine andere, ſchon bekannte Pflanze aus derſelben natürlichen Gruppe ſei Apios tuberosa Moench, oder Glycine Apios L. Längſt ſchon beſäßen wir dieſe ſchöne, zierende Schlingpflanze in unſern Gärten, ohne einen weitern Nutzen davon gezogen zu haben. Sie wächſt in Nord-Amerika an Zäunen, Hecken und Hainen gemein, und beſonders gern in bergigen, hügeligen Gegenden von Penſylvanien bis Carolina, und windet ſich oft bis 30 Fuß an Bäumen hinan. Mar Prinz zu Wied führe in feiner Reiſe hierüber an !): „Der Boden im Walde in der Nähe der drei Bäche (Three-River) war mit Pea-Win bedeckt, einem nützlichen Gewächſe. Dieſe Pflanze iſt rankend, und ihr Laub iſt ein vorzügliches Futter für Pferde und Rindvieh, welches davon fett werden ſoll. Die Wurzel hat einen Knollen von der Größe einer Wallnuß, mit etwas violetter Schale, inwendig weiß, der für Menſchen eine nahrhafte Speife fein fol.” — Sie wuchere ſehr raſch und ſchnell in einem weiten Umkreiſe um die Mutterpflanze, nehme mit ſchlechtem, trockenen Boden vorlieb und halte unſern Winter gut aus. Könne man die Wurzelknollen den Winter über aus Mangel an Platz nicht bergen, fo laſſe man fie bis ins Frühjahr ſtehen, um. fie zu ernten, doch müſſe dies geſchehen, ehe die Vegeta⸗ tion ſich aufs Neue bethätige. Jedenfalls würde ſie des Verſuchs als Viehfutter werth ſein. Da dieſe Pflanze dauernd (perennirend) iſt, fo könnten die Ranken wie bei unſern Felderbſen oder Wicken abgemähet und ver: futtert werden, ohne daß die Knollen dabei leiden, wie man es ja auch bei der Batate unter den Tropen thue. — 8 Die wichtigſten von allen Knollen, welche Herr Schauer einer Unterſuchung unterworfen hat, ſcheinen ihm die beiden folgenden zu ſein. Sie gehören beide in die Familie der Chenopodiaceae, der Melden⸗ oder Spinatkräuter, aus welcher wir ſchon viele Gemüſepflanzen beſitzen. Erſtere iſt die von unſerm berühmten Reiſenden A. v. Humboldt bei Lora in Quito gefundene und beſchriebene Boussingaultia baselloides. 2) Sie wächſt in einer Höhe von 6,360 Fuß und blüht daſelbſt im Auguſt (vergl. die gegebene Abbildung 1. c.). Dieſer große Gebirgsknoten von Lora beſitzt ein ſehr mildes Klima, und es wurde von daher die Chinarinde ſchon vor Jahrhunderten bezogen, ehe man die andern Fundörter kannte. Neuerdings habe fie Dr. Afchen= born auch in Mexico gefunden, einem kältern Klima, und es wurden hiervon getrocknete Exemplare vorgezeigt. Allgemein werde dieſe Schlingpflanze jetzt in unſern Glashäuſern angewendet; man pflanze ſie, um recht ſtarke Knollen zu erzielen, ins Freie an einen warmen, ſonnigen Ort, woſelbſt ſie oft eine Höhe von 15 Fuß er— reiche; gebe man ihr aber keine Stangen, ſo legen ſich die windenden Ranken zur Erde nieder. Die Wur⸗ zelknollen hängen wie die unſerer Georginen zuſammen, die einzelnen Knollen haben aber viele horizontal ab— ſtehende Sproſſenknöllchen mit angedeuteten Schöpfen, und gleichen etwas unſerer Tannenzapfenkartoffel; man ſondere beim Gebrauche dieſe ab und verwahre ſie in trockenem Sande als Satzgut; auch aus Stecklingen könne dieſe Pflanze ſehr leicht vermehrt werden. Die Blätter und jungen Ranken könnten als Spinat oder Futter verwendet werden. Ihre Blüthentrauben röchen außerdem ſehr angenehm. Der Gehalt der Knollen⸗ maſſen ſei 15% 100 Amylum, 85 = 100 Schleim. (Die Kartoffel enthält 18“ 100.) Das Ber: hältniß 15: 18 ſei gewiß ſehr erfreulich. Der Geruch der gebratenen oder geſottenen Knolle gleiche ganz der Kartoffel; beim Zerbrechen eines ſolchen Knollens ziehe ſich der Schleim wie Seidenfäden von einem Kokon aus der Maſſe. — Merkwürdig ſei, daß A. v. Humboldt in dem angeführten Werke uns nichts weiter als die Beſchreibung der obern Pflanze gegeben habe, aber mit dem Knollen und Nutzen nicht bekannt geworden zu ſein ſcheine, was bei folgender der Fall ſei. 1) Max l. c. p. 347. 2) v. Humboldt, Bonpland et Kunth, nov. gen. VII. p. 196. t. 145. 280 Basella tuberosa H. B. et Kunth !) wachſe in ſchattigen, ziemlich kalten Thälern bei Popayan und Poſto, in einer Höhe von 5400 bis 8000 Fuß in Neugranada (dem Gebirgsknoten von Los Paſtos). Die Wurzel davon ſei außerhalb roſenroth, innerhalb weiß, ſchleimig und genießbar. Sie würde auch, wie die Batate, als Aphrodiſiacum angeſehen. Daß dieſe vier Pflanzen in der Kultur keine Schwierigkeit haben wür⸗ den, iſt Referent überzeugt. Zwei davon beſäßen wir bereits, die andern blieben noch zu beſchaffen. — Die Geſellſchaft wird es dankbar anerkennen, wenn Jemand dazu behülflich ſein kann, dieſelben einzuführen, da ſie ſelbſt noch in keinem botaniſchen Garten vorhanden find, Herr Director Wimmer machte der Section Mittheilung von den zahlreichen Baſtardformen von Wei⸗ den, welche neuerdings in Schleſien beobachtet worden ſind, und legte dieſelben in getrockneten Exemplaren vor. Indem derſelbe darauf auſmerkſam machte, daß mehrere Weiden, wenn fie unverſtümmelt bleiben, zu hohen und anſehnlichen Bäumen erwachſen, und bei Parkanlagen, zumal an Ufern, bei der Baumgruppirung beachtet zu werden verdienen, knüpfte er daran die Bemerkung, daß mehrere durch ein ſehr ſchnelles Wachs⸗ thum ausgezeichnete Arten, namentlich die Salix daphnoides, S. acuminata und S. dasyclados n. sp., in den Umgebungen Breslaus gar nicht angetroffen werden und mehr als andere Arten angebaut zu werden ver⸗ dienen. Schließlich erbot ſich derſelbe, den Herren Kultivateurs, welche die neuen Weidenformen zu verviel⸗ fältigen und zu verbreiten geneigt ſein ſollten, Stecklinge davon zu verabfolgen. Der Herr Lehrer Sander zu Jakobswalde überſendete der Section mehrere Exemplare von Aepfel⸗ und Birnenſorten, welche von unter ſeinen Augen aus Kernen gezogenen Bäumen gewonnen waren. Die Section übergab dieſelben dem botaniſchen Gärtner Herrn Schauer zur Klaſſſfirung und Begutachtung, und ſtattete dieſer nachſtehenden Bericht ab: Die der Section für Obſtbau u. ſ. w. überſchickten Früchte des Herrn Lehrers Sander geben uns einen Beweis mehr dafür, daß die Theorie, welche ehemals Herr Profeſſor van Mons aufgeſtellt hatte, nicht haltbar iſt, was übrigens auch ſchon von neuern berühmten Pomologen vielfältig wiederlegt worden iſt. Der⸗ ſelbe behauptete nämlich, man müſſe, um für jedes Klima, ſo wie überhaupt, neue edle Sorten zu erzielen, Saamen einer wilden Frucht, der der wahren natürlichen Art einer Gattung, auslegen, und dann von der gewonnenen Saamenpflanze die Früchte wieder auslegen, und ſo durch mehrere Generationen fort, wodurch endlich nur Gutes erſprießen werde. Gott ſei Dank, daß dieſe Theorie falſch war und wir Beweiſe haben, daß man in einem Zeitraume von fünf Jahren viel Neues und Edles erziehen kann. Obgleich es auch früher nicht an Beweiſen fehlte; denn viele in den Wäldern oder Angern aufgefundene Wildlinge, wie die Stutt⸗ garter Geishirtenbirne, die Hirtenbirne, der Winterdorn u. ſ. w., gehören bis jetzt noch zu unſern beſten Bir— nen. Wenn auch die uns vorliegenden Früchte keinesweges zu den Tafelfrüchten gehören, ſo giebt es doch noch ſchlechtere, die man leider immer noch angebaut findet. Folgende Diagnoſe habe ich für die nachſtehenden Aepfel vorläufig entworfen, ſollte der Beſitzer Willens ſein, dieſelben zu behalten. Der Rambourborſtorfer. Fünfte Klaſſe: Reinetten. Zweite Ordnung: Einfarbige, und dritten Ranges als Wirthſchaftsapfel. Seine Form iſt kugelig, zuweilen etwas hoch ausſehend, von der Größe eines ſehr großen Borsdorfers, dem er auch in Farbe und Zeichnung ſehr gleicht. Der Kelch ſitzt in einer geräumigen, etwas tiefen Ein⸗ ſenkung, welche gewöhnlich mit fünf keulenartigen Rippen oder Falten umgeben iſt, jedoch ziehen ſich dieſe 1) v. Humb. etc. I. c. I. p. 151. 281 nicht über die Frucht hin, ſondern der Bauch iſt vielmehr vollkommen rund; der holzige Stiel iſt kurz, % Zoll lang, am Anſatzpunkte etwas fleiſchig, dick und ſcharfkantig, und ſteht in einer tiefen, mit Roſt ges fütterten Höhle. Die Farbe der glatten Schale iſt in der Zeitigung ein ſchönes Gelb, auf der Sonnenfeite ſchön karminroth verwaſchen, welche Röthe ſich zuweilen über die ganze Frucht verbreitet; über die ganze Frucht zieht ſich mehr oder weniger ein Roſtanflug, bald ſtrahlig, bald fein gezeichnet oder netzförmig, mo= zwiſchen ſich noch größere oder kleinere braune Punkte und kleine Baumflecken befinden. Das Fleiſch iſt ſchön weiß, ſehr locker, faſt ſchaumartig, kurzbrüchig, von einem weinſäuerlichen Rambourgeſchmack. Das Kernhaus iſt ziemlich groß, die Kelchröhre jedoch nicht verwachſen. Die Kammern ſind geſchloſſen und ent— halten wenige dicke eiförmige kurzgeſpitzte Kerne. Um das Kernhaus und im Fleiſche zwiſchen den Kammern befinden ſich ſehr charakteriſtiſche, grüngefärbte Faſern. Seine volle Reife erhält der Apfel im halben No— vember. Die Frucht hält ſich dann nicht mehr. Der Baum wächſt lebhaft und breitet ſeine Krone weit aus. Eine aus dem Kerne eines Borsdorfers von dem Meſſingſchmelzer Linderer in Jakobswalde erzogene Frucht. Wahrſcheinlich iſt fie durch Kreuzung mit dem Pleiſener Sommerrambour, welcher in Schleſien ſehr häufig angepflanzt iſt, entſtanden. Von erſterem beſitzt ſie Geſtalt und Farbe, von letzterem das Fleiſch und den Geſchmack. Einige andere Formen gleichen theils mehr dem glatten Zwiebelborsdorfer, an Geſchmack dem obigen ziemlich gleich; andere gleichen im Geſchmacke mehr dem Herbſt- oder Sommerborsdorfer (dem ſoge— nannten Lehmapfel). Der Apfel iſt aber der fernern Kultur und Verbreitung nicht werth. Der kleine geſtreifte Herbſtſüßapfel. Fünfte Ordnung. Dritter Rang. Kugelförmige Streiflinge. Er iſt von dem gewöhnlichen geſtreiften Herbſtſüßapfel nur durch ſeine geringere Größe verſchieden, und es fallen dieſe Aepfel überhaupt nicht ſelten als Kernfrüchte, wie aus vielen pomologiſchen Werken zu erſehen iſt. Auch dieſen Apfel muß man fallen laſſen. Die eingeſandten großen Aepfel wären, wenn ſie ſich beſſer erhielten, der Kultur werth. Ihr Fleiſch iſt jedoch ganz ſchaumartig mit lockern weiten Zellen, in der Zeitigung faſerig, dabei zuſammenziehend, und der Apfel iſt, wie die meiſten Rambouräpfel, dem Stippichtwerden unterworfen. Man muß ihn daher, um dem jetzigen Prin⸗ zipe in der Pomologie zu folgen, fallen laſſen; denn nur Ausgezeichnetes verdient feſtgehalten, in das Sy: ſtem durch genaue Beſchreibung aufgenommen und verbreitet zu werden. Dieſe Verſuche verdienen übrigens in unſerer Provinz alle Anerkennung. Die große Birnſorte endlich, welche uns vorliegt, iſt mit der Lechasserie in der Beſchreibung bis auf den Geſchmack ſo nahe verwandt, daß ich glauben möchte, ſie ſei eine Kernfrucht derſelben. Dem Geſchmacke und dem grobkörnigen Fleiſche nach gehört fie mehr zu den Ruſſeletten. Ihr Geſchmack iſt ſtreng, zuſammen⸗ ziehend mit wenig Süße. Noch weniger kann die kleinere Birnſorte auf irgend einen Rang Anſpruch machen, welche ſich kaum von der wilden Schneebirne charakteriſiren läßt, woraus man in Oeſterreich Birnmoſt bereitet. Beilage. 36 Weilage Ueber die Gattungen und Arten der Pomaccen, welche bei uns im Freien aushalten, beſonders über deren geographiſche Verbreitung. Die natürliche Familie der Pomaceen intereſſirt den Botaniker, den Pomologen, wie auch den bildenden Gartenkünſtler gleich ſehr. Aus dieſem Grunde gebe ich hier ihre geographiſche Verbreitung in Beziehung auf Pflanzenkultur, mit Beifügung einiger Notizen ihrer zweckmaͤßigſten Vermehrung u. a. m., fo wie die Ans wendung der einzelnen Arten derſelben in Rückſicht auf die Landſchaftsgartnerei— Es iſt einleuchtend, daß das Vaterland, der Standort einer Pflanze und deren Vorkommen allda, ob nämlich einzeln oder geſellig, ob geſchützt oder frei u. ſ. w., ſo wie ferner das Klima des Himmelſtriches, die Erhebung des Landes über dem Meeresſpiegel nothwendig berückſichtiget werden muß, wenn man eine Pflanze kultiviren will, — ja daß ohne genaue Kenntniß der Verhältniſſe und der nöthigen Bedingungen überhaupt nichts Sicheres in der Kultur gethan werden kann. So viel mir bekannt, iſt über dieſe Familie in dieſem Sinne noch keine Zuſammenſtellung vorhanden, und es ſoll mir erfreulich fein, wenn ich der Seetion für Obſtbau und Gartenkultur damit einen Beitrag geliefert habe. Die Gattung Pyrus L., Birnbaum, nimmt in Bezug auf die Pomologie für den Menſchen den erſten Rang ein und ſomit will auch ich mit ihr beginnen. Die Verbreitung der Glieder dieſer Gattung geht über ganz Europa, Oſt-, Weſt-, Nord- und Central: Aſien; fie ſteigen im Himalaya von 8500 Fuß bis zur Gränze des ewigen Schnees; im ſüdweſtlichen Aſien treten noch einige Arten am Sinai auf; Afrika entbehrt dieſer Gattung; in Nordamerika, beſonders aber im großen Flachlande, wachſen einige zur Abtheilung der Aepfel gehörige, gehen aber nicht bis Mexico, welches doch mehrere Arten anderer Gattungen dieſer Familie beſitzt; auch Auſtralien hat keine Spezies davon. Unter allen Arten bleiben jedoch der gemeine Apfel- und Birnbaum für den Menſchen die wichtigſten. Bereits hat fie auch der Menſch ſchon überall heimiſch gemacht, wo fie irgend noch gedeihen konnen, und es iſt hoͤchſt merkwürdig, welche Biegſamkeit eine Pflanze oft durch die fortgeſetzte Kultur annimmt, was man aus Folgendem, das Allgemeine der beiden Arten anlangend, erſehen wird. In Europa ſteigt der Apfel- und Birnbaum in der nördlichen Schweiz in die Alpenregion bis 40505 binan; in Britannien 2,400% der Holzapfel aber noch 100 Fuß höherz in Schweden wächſt der nördlichite Apfelbaum in einem Garten zu Umen unter 639 49° Breite; in Skalleftà unter dem 64 45° Breite; beim Prieſterhofe befinden ſich ebenfalls noch Aepfelbäume, die Früchte tragen, aber nicht mehr reifen; in Norwegen kommt der wilde Apfelbaum auch noch hier und da bis Tutteröe im Stifte Drontheim vor. Die außerſte Graͤnze möchte wohl der 60 nördlicher Breite ſein. Ueberhaupt gedeiht der Apfelbaum am beſten in den gemäßigten Theilen Europa's, und die Güte der Früchte nimmt in den ſüdlichen wie zu ſehr nördlichen Lands ſtrichen bedeutend ab. In Aſien gedeihen beide bei 7500 Fuß auf dem Himalapa ſehr gut und find daſelbſt jetzt faſt wild anzutreffen; beſonders gut wachſen ſie in dem reizenden Thale von Kaſchmir, in einer abſoluten Hohe von 4909 bis 5200 Fuß, woſelbſt fie ordentliche Haine mit andern Obſtarten untermiſcht bilden; das gegen kommen fie im ſüdlichen nepaleſiſchen Thale Khatmandu, der zweiten Region ebenfalls angehörig, der Kürze des Frühlings halber nicht mehr gut fort. In der Buchara wird der Obſtbau in großer Ausdehnung getrieben, auch im ſüdweſtlichen Theile des Hochlandes von Arabien oder Jemen kommt der Apfelbaum als Kulturpflanze vor. Große Sorgfalt verwen⸗ den die Chineſen im nördlichen Ching und Japan auf den Obſtbau. Die Mannigfaltigkeit der Spielarten iſt jedoch im Vergleich zu den unſerigen viel geringer. Am Vorgebirge der guten Hoffnung kommen ſie ebenfalls gut fort. Nord-Amerika treibt ſchon Handel mit feinen Obſtbaͤumen, und bereits find ſchon viele neue gute 9 Spielarten von Aepfeln auf unſern Kontinent herübergebracht worden. Es führt auch viele Aepfel und Bir— nen namentlich nach Südamerika aus und verſorgt den Markt auf Kuba damit, indem dieſe Früchte daſelbſt nicht gedeihen. Bei Caracas dagegen wird der Apfelbaum in einer Region von 4 bis 5000 Fuß über dem Meere noch mit einigem Vortheil erzogen; die Aepfel ſind ſehr klein, trocken, aber ungemein ſüß. Im Thale von Caracas, 2720 Fuß, ſind die größten Aepfel kaum wie eine große Wallnuß und die kleinſten wie eine Haſelnuß. Die Bäume ſelbſt erreichen dort kaum eine Höhe von 8 Fuß und verkümmern nach und nach ganz. Auf dem Tafelrande von Mexico ſind, beſonders in der Tierra templada, in welcher die mittlere Tem— peratur des Jahres ſich auf 18“ bis 20° erhält, die Obſtbaumpflanzungen um die Stadt Xalapa, Tasco und Chilpanzingo berühmt. Selbſt in Auſtralien haben fie durch die Europäer eine neue Heimath gefun— den. Dies das Allgemeine der beiden am meiſten kultivirten Arten. Was nun das Spezielle betrifft, fo eröffne ich die Reihe der Arten nach de Candolle's Eintheilung mit der Section der Birnen. Tribus I. Pyraeneae. Sectio I. Pyrophorae DC. 1) Pyrus communis L., der gemeine wilde Birnbaum, kommt, wie geſagt, faft durch ganz Europa vor, in der Schweiz gern an abſchüſſigen Felſen, Waldrändern und fehlt nirgends in bergigen Gegenden und geht bis zur Gränze der Buche hinauf, im ſüdlichen Rußland an den Flüſſen Bog, Dnieper, Don und der Wolga, hier und da an den Ufern, in Hecken und Hainen, gleichfalls häufig auch im nördlichen und ſüdlichen Vorgebirge des Kaukaſus, woſelbſt er mit dem Apfelbaume in die Alpenthäler hinabſteigt, iſt aber an der Wolga nicht weiter hinab als Dubofka beobachtet worden und ſcheint in den übrigen Regionen faſt unter derſelben Breite bis zum 49“ aufzuhören. Auch ſchon kultivirt, dauert derſelbe kaum nördlicher im Freien aus. (Vergleiche oben Schweden.) Der Birnbaum erreicht oft ein Alter von 100 bis 150 Jahren; bei 100 Jahren, wo ſein Wachsthum gewöhnlich ſeine Endſchaft erreicht hat, wächſt er in günſtigem Standorte bis zu einer Höhe von 80, ja 100 Fuß empor; bei einem Durchmeſſer von 2 bis 3 Fuß wird er dann aber gemeiniglich kernfaul. Das Holz iſt nutzbarer, weit feſter, als von allen kultivirten Birnſorten; gebeizt iſt es dem Mahagoniholz ähnlich. Tiſchler und Drechsler ſchätzen es ſehr. Es giebt einige Spielarten von dieſer im wilden Zuſtande, als: eine glatte, Pyrus communis Achras. Wallr., und eine filzige, P. comm. Pyraster Wallr., oder f tomen- tosa Koch. Ferner eine mit runden und mit kreiſelförmigen Früchten. Der veredelte Birnbaum iſt ſeit den älteſten Zeiten ſchon in Europa angepflanzt und einer der älteſten Bewohner unſerer Gärten; auch in Perſien und Arabien iſt er frühzeitig angebaut worden. Durch dieſe Jahrhunderte hat die Kultur eine außerordentliche Vermannichfaltigung in ſeinen Spielarten hervorgebracht. Aber ſchon den Griechen und Römern waren viele Sorten bekannt. Theophraſt redet öfters von den Birnen, als von einer hochgeachteten Frucht, und bemerkt, daß fie beſonders im Peloponneſus häufig gebaut würden. Plinius zählte ſchon 36 Birnenſorten, von denen viele den Namen ihrer Heimath führten, woraus erſichtlich iſt, daß die Römer den größten Theil derſelben aus Griechenland, Aegypten, Karthago, Syrien, Alexandrien und Numantia erhalten haben. Man erkennt in der Superba des Plinius unſere kleine Muskatellerbirne, in der Lactea die Butterbirne, in der Libralis die Pfundbirne, in der Volema die Apothekerbirne oder die Sommer-Bon- Chrétien. Auch die verſchiedenen Sippen waren den Alten nicht unbekannt, was aus Colu— mella und Plinius erhellt; fo hatten fie Pyra mustea, Moſtbirnen, Pyra erustumina, Schmalzbirnen, Pyra praecocia, frühe kleine Zuckerbirnen, Margarethenbirnen, Pyra mulsa, Chriſtbirnen, Pyra myrapia, Zafel- birnen oder Rouſſeletten, Pyra falerna, Pomeranzenbirnen u. ſ. w. Viele der beſten Sorten kamen zuerſt durch die Römer nach Frankreich, weshalb ſie heute noch den Namen Franzbirnen führen. Viel ſpäter, zu den Zeiten der Kreuzzüge, wurden aus Perſien die Bergamotten nach Europa gebracht. Es iſt anzunehmen, 36 * 284 daß die meiften guten Arten zuerft im Süden Europas durch Kreuzung mit der Quitte entftanden find, wofür unſere bekannte Bon-Chrétien-Birne zu ſprechen ſcheint; denn immer mehr ſtellt es ſich heraus, daß die Vermiſchung des Pollens von anderen verwandten Geſchlechtern merkwürdige Reſultate gewähre, ſelbſt die Birnquitte möchte ein ſolches Produkt ſein. Wenn man auch zugeben muß, daß die äußern Einwirkungen der Erde, des Klimas und der Witterung ſehr bedeutenden Einfluß auf die ſo verſchiedene Entwickelung der Pflan⸗ zen haben, ſo ſehen wir doch unter gleichen Verhältniſſen täglich mehr und mehr Sorten entſtehen, welche theils durch die Befruchtung der Inſekten, theils durch künſtliche Operationen bewirkt worden ſind. Welchen umfang die Obſtbaumzucht heute in manchen Ländern hat und wie viel Tauſende von Sorten wir bis heute gewonnen, iſt bekannt genug. Seiner Früchte wegen iſt der Birnbaum ein Gegenſtand von hoher Wichtigkeit in der Landwirthſchaft in vielen Landſtrichen geworden und verdiente in unſerem Norden noch bei Weitem mehr angebaut zu werden. Was nutzt aber alles Wiſſen ohne Thatkraft; ohne lebendigen Willen verhallt auch der beſte Rath. Auch von unſerer Provinz muß ich dies mit Wehgefühl ſagen, denn die Theilnahme zeigt ſich für unſer Streben ſchwach. : In ökonomiſch-pomologiſcher Hinſicht muß ich mich auf den Hinweis der neueften Werke über die Pomologie beſchränken, welche in neueſter Zeit mit gediegener Gründlichkeit und Schärfe bearbeitet worden iſt, und führe hier namentlich die Werke des van Mons, Dittrich, Poiteau, Liegel, Dochnahl u. a. m., welche ſich darum hochverdient gemacht haben, an. i Der Birnbaum fpielte auch in der Mythologie und Symbolik ſchon in den älteften Zeiten eine Rolle, beſonders bei den Römern und Griechen. Die Früchte waren der Aphrodite gewidmet, und eine Sorte wird von Columella Pyra Venerea oder Venusbirne genannt, wahrſcheinlich dieſelbe, welche Plinius Pyra colorata ihrer ſchönen Farben wegen ſo benannte. Nach einigen Autoren ſoll es unſere rothpunktirte Liebesbirne, A mon Dieu oder Poire d'amour fein; doch dem muß ich widerſprechen, da dieſe Birne, wenigſtens ihren franzöſiſchen Namen, als den ältern, unter Ludwig XIV. erſt erhalten hat, welcher beim Anblicke eines mit dieſer Birne beladenen Baumes A mon Dieu! ausgerufen haben fol, und deſſen Hofgärtner fie alſo bez nannte. Andere leiten dieſen Namen von einer Abtei Mon Dieu ab. Gewiß iſt es aber eine Birne ſpäterer Zeit, in Schleſien iſt ſie allgemein als Tafelbirne bekannt. — Ferner iſt die Birne bei den Alten häufig ein erotiſches Bild. Periklymenes, Sohn des Neleus und der Chloris, verwandelte ſich, als Herkules Pylus bela- gerte, in eine Birne. Piroſus verfertigte aus dem Holze dieſes Baumes das erſte Bild der Juno. In der Landſchaftsgärtnerei kommt der gemeine Birnbaum weniger in Betracht. Er gehörte der Minerva an und kann daher wie die meiſten andern Arten in die Nähe eines ihr geweihten Tempels gruppirt werden. Man kultivirt einige auffallende Spielarten davon, als da ſind: mit weißbunten Blättern, mit buntſtreifigem Holze, mit gefüllter Blüthe, mit buntſtreifigen Früchten (Schweizerhoſe und Schweizerbergamotte), mit blutro⸗ them Fleiſche (Blutbirne). Letztere werden vom Pomologen mehr als Seltenheiten zu erhalten geſucht. Was nun die Fortpflanzung anlangt, fo kann man die Saamen davon verwenden; allein die Wilde linge, vom gemeinen wilden Birnbaume abſtammend, gewähren nicht alle die Vortheile, welche man von den aus edeln Kernſorten erzogenen gewinnt. Die Stämmchen eignen ſich nur für ſchwachwüchſige Sorten oder Zwergbäumchen, ſelten für die, welche kräftiges Holz machen; ferner bildet der veredelte Stamm an der Ope⸗ rationsſtelle einen ſtarken Wulſt, ſo daß der obere Theil des Stammes oft noch einmal ſo ſtark iſt als der untere Theil, auch treibt er gern an ſeiner Baſis viele Sproſſenſtämme aus. Dagegen ſind ſie ausgezeichnet als Unterlage für die wilden wirklichen Arten zu verwenden, indem ſie darauf veredelt ihren Urtypus am beſten behalten. Das Okuliren, Kopuliren und Pfropfen kann man bei der Birne zu jeder Zeit mit Erfolg verrichten, wenn man feine Edelreiſer darnach eingerichtet und vorbereitet hat. 2) Pyrus nivalis Ja c d. fl. austr. 2. t. 107, Schneebirne, wächſt in Oeſterreich an Waldrändern und in Weinbergen. Vielleicht nur Varietät des gewöhnlichen Birnbaumes. Dem Habitus nach kaum von dem vorigen mit filzigen Blättern zu unterſcheiden. Die Frucht zeitigt zu Wintersanfang, ſie wird dann mull 285 oder teig und kann fo genoffen werden; auch bereitet man daraus einen angenehmen Moſt. Wahrſcheinlich iſt P. salvifolia DC., Bot. reg. t. 1482 abgebildet, in Frankreich vorkommend, dieſelbe. Nach de Candolle wird die Frucht daſelbſt zu Birnmoſt oder Wein verwendet. Dieſer Baum eignet ſich beſonders zu Bepflan⸗ zungen an Landſtraßen, indem er kräftig wächſt, und ſeine Birnen, als vom Baume ungenießbar, den Anfech— tungen nicht ſo ausgeſetzt ſind, als andere Birnenſorten; übrigens ſind die Früchte auch größer, als die der gemeinen Holzbirne. ’ 3) Pyrus cuneifolia Gussone, pl. rar. t. 39. Ein auf den Bergen im Peloponnes gemeiner Strauch oder niedriger Baum, mit viel kleinern Blättern, als die des gemeinen Birnbaumes. Die Frucht wird erſt gegeſſen, wenn ſie faul wird. Man hat ihn auch in Sicilien bei Syracus und in Sardinien ge— funden. Von nachſtehender Art, wozu ſie Steudel zieht, unterſcheidet ſich meine Pflanze gut, welche zuverläſſig die ächte iſt. 9 4) Pyrus amygdaliformis VIII., DC. prdr. In Iſtrien und Süd-Frankreich zu Haufe. Ein zwergiger Baum mit bis 2 Zoll ſtarkem Stamme. Er zeichnet ſich durch die ſchmalen langen, nach beiden Seiten zugeſpitzten Blätter und durch die ſehr langen Stiele leicht von andern Arten aus. Die Birnen ſtehen auf kurzen Stielen und enthalten ein grobkörniges, ſteiniges, ungenießbares Fleiſch, in welchem die Saamen innerhalb der Kammern feſt eingeſchloſſen liegen. Als Zierſtrauch dürfte er in jeder Sammlung einen Platz verdienen. 5) Pyrus elaeagnifolia Pal l. nov. act. petrop. VII. p. 355. tab. 10. In Gebirgswaldungen des Kaukaſus und in Taurien. Die Tracht dieſes Birnbaumes iſt ſehr ſteif und etwas ſtruppig, jedoch gewährt derſelbe zur Blüthezeit einen angenehmen Anblick. Er trägt überaus reichlich; die Birnen ſind ungenießbar, enthalten aber eine Menge Kerne, und man kann daraus die beſten Unterſtämme für Topfbäumchen und Py— ramiden erziehen, auch eignen ſie ſich am beſten, um alle übrigen Arten darauf zu veredeln, indem ſie hierauf ihren Charakter am unverändertſten beibehalten. Zu Luſtgebüſchen dürfte er ſich weniger ſchicken, doch ſollte er in keiner Sammlung fehlen. 6) Pyrus Michauxii Bos c., Poir. suppl. 4. 432. Ein ſehr naher Verwandter des vorigen. Sein Vaterland ſoll, nach Perſoon, Perſien ſein; de Candolle giebt Nord-Amerika an, was gewiß unrichtig iſt. Durch die ganzrandigen, etwas welligen Blätter, welche mehr weißfilzig find, als bei der vorigen, fo wie durch die Form der Frucht, von jener leicht zu unterſcheiden. Guimpel und Hayne haben dieſe Art unter P. sinaica fälſchlich abgebildet. Unter P. nivalis Lindl. bot. reg. t. 1484 (non Jacg.) ſcheint fie ebenfalls abgebil⸗ det zu fein, welche ſich von der Jacquin'ſchen Pflanze ſogleich durch die runden Früchte unterſcheidet. Als P. pubens iſt ſie oft in Katalogen aufgeführt. d 7) Pyrus sinaica Thouin. mem. mus. 1. p. 170. tab. 9. Kommt im peträiſchen Gebirge Tor⸗ Sina daſelbſt an ſonnigen Abhängen vor. In Gärten iſt dieſe Pflanze ſehr felten und gemeiniglich mit vor riger verwechſelt, von welcher fie ſich ſogleich durch den zwergigen, niedergedrückten Wuchs unterſcheidet. Ger gen ſtarke Kälte zeigt ſich dieſe Pflanze etwas empfindlich und muß daher an einen geſchützten Ort gepflanzt werden. 5 8) Pyrus eriopleura Reichb. Nach v. Welden wächſt dieſer ſtrauchartige Baum in Dalmatien. Wahrſcheinlich iſt dies P. communis cretica C. Bauh. oder P. parviflora Des f. coroll. 78. t. 58. (2), wofür ihn auch v. Welden hielt. Die Früchte ſind mit ablöslicher Wolle bedeckt. Blätter und Blumen ſehr klein. Noch ſehr ſelten in Gärten und überhaupt wenig bekannt. 9) Pyrus salieifolia L., Pall. fl. ross. 1. t. 9. Guimp. fremd. holz. tab. 125. Eine der ſchönſten Arten aus der Abtheilung der Birnen. Sie bildet einen ſtrauchartigen Baum von 1 bis 1½ Klaf⸗ ter Höhe; der Stamm iſt ſelten dicker als 1½ Zoll Durchmeſſer. Die Aeſte ſind theils gerade, theils ſehr ſchwank und niedergebogen, mit jüngern ſtacheligen Aeſten. Er wächſt vereinzelt in den Einöden und Steppen zwiſchen den Flüſſen Terek und Kuma mit dem Perückenſtrauch auf Hügeln. Güldenſtädt ſah ihn häufig auf dem Vorgebirge des Kaukaſus zwiſchen Oxai und Andreeva, mit Weißdorn und Schlehdorn dichte Hecken bildend; ferner in den ſüdlichen Voralpen zwiſchen den Flüſſen Aragi und Cſani und weſtlich am Cyrus ober⸗ halb Tiflis. In Perſien erſcheint er mit Oleaſter gemiſcht zwiſchen Baku und Kuba. 10) Pyrus Pollveria L. (P. Bollwylleriana DC. prdr.); abgebildet im Bot. Reg. t. 1437. Guimp. holz. t. 76. Lazarolbirne, Hanbuttenbirne. Sie ſoll im Elſaß wachſen, auch in Ungarn ſoll ein Exemplar von dem Botaniker Sadler gefunden worden ſein. Es wäre mir ſehr angenehm, zu erfahren, ob irgend ein wurzelächter Baum vorhanden iſt; beſtimmt hat noch kein Botaniker ein wild wachſendes Exemplar aufgefun⸗ den. Die Lazarolbirne wächſt zu einem ftattlihen Baume, oft bis 35 Fuß hoch bei 1 Fuß Durchmeſſer, und iſt gewöhnlich ſehr tragbar. Die Birnen ſind von der Größe der kleinſten Zuckerbirnen, ſehr mehlig und überaus ſchön orangeroth gefärbt, ſie enthalten aber ſehr wenige vollkommene Kerne, ſo daß ich von einem halben Scheffel Birnen nicht zwanzig keimfähige Saamen erhielt, und auch dieſe haben noch eine ſehr unre— gelmäßige unbeſtimmte Form, was mich in meiner Vermuthung noch mehr beſtärkte, daß es ein Baſtard einer Birne und des Speierlings (Sorbus domestica) ſei. Die mir aus Saamen erwachſenen Pflänzchen gleichen der gemeinen Birne, wie ein Ei dem andern. Nimmt man die Martinſecbirne zum Vergleich, ſo kann man ſie ohne Bedenken als eine Spielart der gemeinen Birne annehmen. Auf den Apfelwildling veredelt, ſtirbt ſie bald ab, dagegen gedeiht ſie ſehr gut auf Birnen oder Weißdorn. Seine Tracht gleicht ſehr der des Mehlbeerbaums (Sorbus Aria) und er eignet ſich ſeiner ſchönen Früchte wegen gut zum Allee- oder Standbaum in Gartenanlagen. 11) Pyrus Bovei Steudel. Syrien ift ſein Vaterland, jedoch noch nicht eingeführt. Seine Blätter ſind ſchmal ablang ſpitz, an der Baſis rundlich, ganz glatt mit langen Stielen; Früchte kugelig - kreiſelförmig, glatt mit ſtarkem langem Stiel. Descaine beſchrieb dieſen Strauch in den Ann. des sciences nat. IV. 359 unter dem Namen P. angustifolia, der aber bereits vergeben war. Ganz unbekannt ſind noch 12) Pyrus badiensis Forsk aus Arabien und 13) Pyrus spinosa Forsk aus Natolien. Sectio II. Malus DC., Aepfelbäume. 14) Pyrus Malus L. Wilder Apfelbaum, gemeiner Holzapfel. — Eine ſpezielle Ueberſicht über die Verbreitung des kultivirten Apfelbaumes habe ich ſchon oben gegeben, ich beſchränke mich daher hier blos auf das Vorkommen des Holzapfels. Wild kommt er jetzt in den gemäßigten und heißen Klimaten allent⸗ halben vor und iſt bis weit gegen den Norden verbreitet, auch gemein in Gehölzen Nordamerikas, wahrfchein- lich aber durch die Vögel daſelbſt verbreitet worden und kaum urſprünglich heimiſch. In der Schweiz iſt er an Felſen häufig, jedoch nur als Strauch; im gemäßigten Rußland und Liefland kommt er hier und da in Wäldern vor, häufiger und ſtärker in den ſüdlichen Theilen des Landes, in Waldungen am Terek in Menge mit der Eiche vermiſcht wachſend. In Sibirien fehlt er ganz und wird auch bis jetzt daſelbſt nicht kultivirt. Berühmt ſind dagegen die Nalivia-Aepfel des ſüdlichen Rußlands. Von dem Holzapfel oder dem Stammvater aller edlen Arten giebt es mehrere Formen: eine kahlblät— terige oder die gewöhnliche, eine filzblätterige, Pyrus Malus tomentosa Koch, oder P. Malus 8 mitis Wallr., und eine Zwergform, P. Malus praecox Pall. fl. ross. p. 22, Malus pumila etc. Tournef., P. Malus paradisiaca L. Sehr häufig wächſt dieſe Form in den ſüdlicheren und wärmeren Theilen Ruß: lands, vorzüglich am Don, der Samara und Wolga, woſelbſt er hier und da, beſonders an den Ufern und auf Hügeln, ſchöne Gebüſche bildet; in nördlicheren Theilen kommt er nicht vor. Der Strauch ſelbſt wird kaum 1 ½ Klafter hoch, macht aber Wurzelausläufer und giebt dadurch dichte Hecken ab. Es giebt ferner Spielarten mit koniſchen, gelben und rothen, auch mit rothbackigen Aepfeln, mit gefüllter Blüthe und bunten Blättern. 287 Die höchſte Höhe des Apfelbaumes ift wohl 40 Fuß; das Alter 100 bis 150 Jahre. Ueber den Nutzen und die Syſtematik des edlen Apfelbaumes verweiſe ich auf Liegel's Lehrbuch der Pomologie, ſo wie auf Diel, Manger, Sickler, Dittrich, Dognahl, Oken u. ſ. w. Die Symbolik des Apfels iſt bei Weitem reicher als die der Birne, und wie ſollte es auch anders ſein können, da die Griechen und ſpäter die Römer, welche zu Plinius Zeit ſchon 29 Arten kannten, dieſelben aus Aegypten, Klein-Aſien und Perſien nach Europa brachten. In Deutſchland kannte man im dreizehnten Jahrhunderte erſt 2 Sorten Tafeläpfel, im 16ten Jahrhunderte A und im 17ten Jahrhunderte 25 Sorten; in unſerer Zeit entſtehen faſt jährlich Hunderte von Sorten. Die Nachrichten der Alten von ſeinen Früchten ſind vielfach verwirrt und vermengt worden; viele Stellen der Autoren können eher auf die Pomeranze oder die Quitte bezogen werden, als auf den Apfel. Es kann nur der Zuſammenhang und Sinn hier entſchei⸗ den, was unter malum jedesmal verſtanden worden iſt, da die Römer jede apfelförmige Frucht fo benannten. Im perſiſchen Mithrasdienſte iſt der Apfel das Symbol der Sonne, daher die Trabanten der Könige Aepfel an ihren Lanzen trugen. Ein Apfel in der Hand des Apollo deutete auf den älteſten Preis in den pythiſchen Spielen, welcher ein Apfel war (Winkelmann). Akontius aus Cea, ſchön, aber arm, ſah bei dem Dianen- feſte auf Delos Cydippen, ein reiches, vornehmes Frauenzimmer, in das er ſich verliebte, aber keine mündliche Erklärung wagend, verbarg er einen Zettel in einem Apfel, den er in Dianens Tempel unvermerkt vor dem Mädchen fallen ließ. Dieſe nahm den Apfel auf, fand die Schrift und las die Worte ab: „Ich ſchwöre bei Dianens Heiligthume, des Akontius Gattin zu ſein.“ Ein Verſprechen, in der Göttin Tempel abgelegt, muß unverbrüchlich gehalten werden, und Akontius erreichte den Zweck feiner Lift (ekr. Philipp Buttmann). Der Apfel der Eris, die goldnen Aepfel der Hesperiden find nur auf Apfelſinen anzuwenden. Bacchus war der Geber des Weines, auch der Schöpfer des Apfels, welchen er der Aphrodite ſchenkte. In der nordiſchen Mythe find Aepfel die Speiſe der Aſen, Iduna ihre Bewohnerin. Der Apfel iſt auch nach altgermaniſcher Vorſtellung das Symbol der Mutterbruſt und der nährenden Liebe. Daher in der Pomologie auch die Be— nennungen der Früchte: „Götterapfel, Venusbruſt.“ Als Reichsapfel mit dem Kreuz das Symbol der Welt— herrſchaft. Nach chriſtlicher Anſicht war es ein Apfel, welcher die erſten Menſchen zum Falle brachte. Oken hält den Apfelbaum ſowohl in botaniſcher Hinſicht als die Totalität aller Blüthentheile, wie auch in Beziehung ſeiner Wichtigkeit auf das Leben, für die vollkommenſte Frucht, und darum den Apfelbaum als den oberſten Baum, der, ſeiner Meinung nach, dem Menſchen im Thierreiche entſpricht. Nach dieſes großen Naturforſchers Meinung könnte die ganze Menſchheit beſtehen, wenn es nichts als Aepfel gäbe, indem fie Getränk und Nahrung zugleich find. Dem ſei, wie ihm wolle, fo ſteht doch feſt, daß der Apfel in der Haus- Oekonomie eine große Rolle ſpielt und daß wir nie zu viel Bäume anpflanzen werden. Wenn ich auch den Holzapfel nicht beſonders zu Parkanlagen empfehlen will, ſo giebt es doch unter den veredelten Sorten welche, die jeden Garten zieren. 15) Pyrus coronaria L., wohlriechender Apfel; abgebildet im Bot. Mag. t. 2009, und im Bot. Reg. t. 651. Er wächſt in Waldungen und in der Nähe von Pflanzungen von Penſylvanien, Virginien bis Ca⸗ rolina. Die Amerikaner nennen dieſen ſchönen Strauch Sweet-scanted Crab tree oder wohlriechender Holz— apfel; er iſt einer unſerer ſchönſten Ziergehölze, der im Frühling durch ſeine Blüthenpracht das Auge wahrhaft erfreut. Veredelt bildet er leicht einen Baum; es iſt dann gut, ihn gleich ſo hoch zu veredeln, als man den Stamm haben will, um eine ſchöne Krone zu gewinnen. Der Apfel davon iſt von der Größe einer Wall— nuß, zehnkantig, ſeladongrün, ſehr ſauer und zuſammenziehend, und enthält 5 bis 6 dicke lichtbraune Kerne, welche im Kernhauſe feſt eingeſchloſſen liegen. Der Fruchtſtiel iſt fehr dünn und lang, wodurch der Apfel ſpäter überhängt. Die Vermehrung geſchieht durch Ausſaat, jedoch wachſen die Pflänzchen nur langſam, oder ſchneller durch Kopulation auf den gemeinen Apfelbaum. 16) Pyrus angustifolia Ai t.; abgebildet im Bot. Reg. t. 1204. Ein etwas zärtlicher, niedriger Strauch mit feinen Aeſten, ſchmalen Blättern und kleinen beerenartigen Früchten, dem vorigen ſonſt in allen 288 Theilen ſehr ähnlich. Er ſtammt aus Carolina. Man vermehrt dieſen Strauch durch Stecklinge unter Glas, oder man veredelt die dünnen Zweigchen durch Einſchiebung hinter die Rinde, und zwar verrichtet man dieſe Operation ſo nahe an der Erde, daß man dieſe Stelle nach dem vollendeten Verwachſungsprozeſſe mit Erde behäufeln kann, um dies Edelreis zur Wurzelbildung zu reizen. Gelingt dies, ſo gewinnt man auf dieſe Weiſe kräftigere Pflanzen, als durch Schnittlinge. In Gärten iſt dieſe Apfelart ſelten und wird unter obigem Namen in Handelsgärten meiſt P. amygdaliformis verkauft. 17) Pyrus baccata L., Beerenapfel; Abbildung: Pall. fl. voss. t. 10. Amm. ruth. t. 31. Ein ſchöner Strauch, der eine weite Verbreitung zu haben ſcheint; in Sibirien iſt er häufig um den Baikal-See und in den Ländern jenſeits des Baikal; am häufigſten an den Flüſſen Ingoda, Acone, Schilka, Argun Dauriens bis zur Angara Irkutsks hinabſteigend; im übrigen Sibirien iſt er nirgends beobachtet worden; in Hochaſien ſteigt er auf dem Himalaya bis 8500 Fuß hinauf; auch in Japan iſt er beobachtet worden. Er liebt überhaupt die Ufer, die Engpäſſe und Schluchten der Flußbette und Bäche. Seine Wurzeln ſchlägt er tief ein und treibt aus denſelben neue Stämme aus, welche die Höhe von 3 bis 4 Fuß erreichen und von der Stärke eines Mannsarmes, ſelten dicker, meiſt verbogen ſind. Die beerenartigen, ſchön rothen Aepfel zie⸗ ren dieſen Strauch ausgezeichnet und er ſollte darum in keinem Garten fehlen. Die Vögel, beſonders Loxia Coccothraustes, ſtellen in Sibirien den Früchten gern nach, daher wohl ſeine weite Verbreitung. Die Saa⸗ men laufen gut auf und die Pflanzen wachſen ſchnell heran. Hochſtämmig veredelt giebt dieſer, ſo wie die ganze Sippe, ſchöne Allee- und Standbäume ab. Unter Pyrus mierocarpa beſchrieb Wendland eine Form; eine zweite mit kantiger Frucht und halb ſo langen Fruchtſtielen habe ich aus Saamen erzogen. 18) Pyrus cerasifera Tausch. Ein ſibiriſcher Baum, wird oft mit vorigem und folgendem ver= wechſelt. Tauſch hat fie aber in der Regensburger botaniſchen Zeitung gut auseinandergeſetzt. Als Syno— nyme gehören hierher: P. baccata Wats. dendr. brit. t. 51., Malus cerasifera Spach., M. prunifolia Desf. (non W.). Von dem Kirſchapfel giebt es mehrere ſehr ſchöne Abarten, beſonders eine mit lichtgelben, wachsartig glänzenden gerippten Aepfelchen, von der Größe einer Herzkirſche mit 2 Zoll langen Stielen; auch eine rothe mit kantiger Frucht, nach Tauſch var. 8 calvilleana. Hierher gehört auch Wenderoth's Pyrus suaveolens, efr. Linnaea V., Littbl. p. 55 beſchrieben. Ferner die wohl als Hauptform geltende, mit Eu: geligen rothen Früchten, welche bald größer, bald kleiner erſcheinen. Charakteriſtiſch ift die Eigenthümlichkeit, daß der Kelch (die Blume der Pomologen) ſich vom Apfel ablöſt (abfällig iſt) und dann der Apfel ganz glatt wie eine Kirſche ausſieht. Die Frucht iſt an beiden Enden eingeſenkt- vertieft. Eingezuckert dienen fie als Schmuck einer gutbeſetzten Tafel. Alle Spielarten ſind eine wahre Zierde unſerer Gärten. 19) Pyrus prunifolia Willd. Nach Willdenow ſoll dieſer Baum in Sibirien wachſen, iſt bis jetzt aber noch nicht wild gefunden worden. Wahrſcheinlich iſt es ein Baſtard des Holzapfels, mit dem Kirſchapfel gekreuzt, oder identiſch mit dem Johannis- oder Paradiesapfel des Pallas. Als Synonyme gehören hierher: Malus Fontanesiana Spach., M. hybrida Desf., P. baccata der Gärten. Man kultivirt jetzt eine Menge Abarten davon, die ſich alle durch ſchöne Form und Farbe auszeichnen. Es giebt Varietäten mit ſcharlach⸗ rothen, geſtreiften, gelben, durchſichtigwerdenden Früchten, mit kurzen und ſehr langen Fruchtſtielen, mit runden und koniſchen, kleinern und größern Aepfeln; die Aepfel ſind von der Größe einer Wallnuß bis zum gewöhn— lichen Borsdorfer. Zu Saumpflanzungen bei Gruppirungen großer Partieen ein herrlicher Baum. Die Saa: menpflanzen dienen als vorzügliche Unterlage zu Topf- oder Zwerg-Obſt, auch treibt der Stamm viele Wur⸗ zelausläufer, wenn er überhaupt wurzelächt iſt. Die Früchte ſind, eingemacht, eine erquickende Speiſe; auch kann man ſie, da der Baum ſehr reichlich trägt, zu Eſſig verwenden. 20) Pyrus spectabilis Alt., Prachtapfel. Abbildung: Bot. Mag. t. 267. Dieſer ausgezeichnet ſchöne Strauch ſtammt aus China und iſt wohl die ſchönſte Art der ganzen Gattung. Ex beſitzt, wie viele chineſiſche Pflanzen, die ſonderbare Eigenſchaft, bald ganz einfache, bald gefüllte Blumen, oder ſolche und ein— fache an einer Pflanze in verſchiedenen Jahrgängen hervorzubringen. Die Farbe der Blumen iſt ein ſchönes 289 Karmin, welches zart ins Roſa vertuſcht iſt. Die Früchte find von der Größe einer Kirſche, mit bleibendem Kelch gekrönt und mit bereifter wolliger Schale. Durch ſein ſchönes ſaftgrünes glänzendes Laub von den andern Arten auch ohne Blüthe leicht zu unterſcheiden. Auf den Johannisapfel veredelt, läßt er ſich im Winter leicht zum Blü— hen antreiben und gewährt denn einen hohen Genuß. Die Saamen laufen auch gut auf, aber die daraus erzogenen Stämmchen blühen erſt ſpät. Gegen ſtrenge Kälte muß er etwas geſchützt werden, beſonders in naſſem Boden. Dieſe Pflanze ſollte in keinem Garten fehlen und iſt mit Recht zu empfehlen. 21) Pyrus astracanica DC., durchſichtiger oder Eisapfel, pomme transparente ou pomme de glace im Handel. In der Gegend von Aſtrachan und in Perſien gebaut. Abgebildet in Duham. t. 38. De Candolle nimmt dieſen Apfel in ſeinem Prodromus als eigene Art auf, die Pomologen dagegen ſind an— derer Meinung, ſie nennen ihn Zikadapfel, Moskowiterapfel, aſtrachaniſcher Sommerapfel, ruſſiſcher Eisapfel u. ſ. w.; es iſt ein früher und guter Sommerapfel, und wahrſcheinlich von Aſtrachan nach Moskau und von da weiter nach Kur- und Liefland gekommen, in welchen Ländern er beſonders in warmen und günſtigen Sommern völlig zikadirt oder durchſichtig wird. Der Apfel iſt mittelgroß, von einem glänzenden, wachsähnli— chen Strohweiß, auf der Sonnenſeite blaßroſa angelaufen. Der Baum wächſt ſehr lebhaft, breitet ſich aus und wird bald und jährlich tragbar; er verdient wegen feiner frühen Reife (oft ſchon zum 12. Juli) als vor⸗ züglicher Sommerapfel häufig angepflanzt zu werden. Als Zwerg auf Johannisſtamm zur Pyramide erzogen, oder als Topfbäumchen, vorzüglich anwendbar. 5 22) Pyrus subeordata Ledebour. En. fl. ross. Wurde neuerlichſt auf der Inſel Sitcha in Ge— birgswaldungen gefunden; jedoch noch ſehr unbekannt und noch nicht lebend in Gärten. 23) Pyrus Sieversii Ledeb. I. c. Wächſt an Felſen in Sibirien, an den Ufern des Fluſſes Uld⸗ ſchar in der ſongariſch-kirgiſiſchen Steppe, woſelbſt ſich lachende Dafen ausbreiten. Der Stamm wird daſelbſt eine, oft bis zwei Klafter hoch, mehrere Stämme aus einer Wurzel hervortreibend. Der Apfel davon iſt ſauer, die Blüthen unbekannt. Pflanzen hiervon beſitze ich, welche ich aus dem Saamen, den ich der gütigen Mittheilung des Herrn Profeſſors Bunge zu Dorpat verdanke, erzogen habe. Sie wachſen freudig auf und gehören ohne Zweifel in die Verwandtſchaft von P. baccata ete. Bis jetzt iſt dieſe Art noch unbekannt in andern Handelsgärten. Sehr nahe mit dem Apfel iſt die Quitte, Cydonia L., verwandt, welche wir hier folgen laſſen wollen. Das Geſchlecht der Quitten gehört Aſien zumeiſt an und erſtreckt ſich bis auf die nördliche Spitze Japans. 1) Cydonia vulgaris Pers. Nees off. Pfl. t. 305. Jacq. fl. austr. t. 342. Der Quittenbaum wächſt häufig in Gehölzen an den Flüſſen Kuma und Terek, beſonders an thonigen humusreichen Stellen mit andern Holzarten gemiſcht. Auch wächſt er an allen nördlichen und ſüdlichen Vorgebirgen des Kaukaſus, aber weniger hoch in den Zwiſchenthälern aufſteigend, als der Birn- und Apfelbaum, weil er die Kälte weniger verträgt; daher dürfte er nach des berühmten Reiſenden Pallas Bericht wohl nicht weiter vorkommen als am Terek, kaum weiter als Tatartup, am Aſan, kaum weiter als Bachtrion, am Aragi, kaum über den Rücken des Ananuer, am Cſani, kaum über Achalgory vorſchreitend. Er erſcheint im Kaukaſus überhaupt von 300 bis 3000 Fuß überm Meere. Ferner wächſt er in Taurien, Griechenland, im Litoral, jetzt auch wild an den ſteinigen Ufern der Donau in Ungarn; in der Schweiz hier und da an Felſen des Kanton Wallis, jedoch ſelten, und bleibt daſelbſt ein unanſehnlicher verworrener Strauch; im Kaukaſus dagegen wird er klafterhoch. Die Römer brachten ihn zuerſt von der Inſel Creta, dem jetzigen Candia, und zwar aus der Stadt Cydon nach Italien, wovon der Name Cydonia ſtammt; ſpäter wurde er von denſelben in das übrige wärmere Europa verbreitet. Die Gartenabarten ſtammen aus ſüdlichern Gegenden, beſonders aus Perſien. Es giebt hiervon einige ausgezeichnete Hauptformen: eine mit kugelförmiger Frucht — Apfelquitte, C. vulgaris mali- formis, und eine mit birnförmiger Frucht, C. vulgaris pyriformis oder C. olbonga Miller. Zu dieſer letz⸗ tern gehört auch noch eine durch klimatiſchen Einfluß hervorgerufene Abänderung mit ſchmackhafterm, zarterm 37 290 Fleiſche; es ift dies C. lusitanica Miller oder portugieſiſche Quitte. Nach den Blättern zu unterſcheiden, hat erſte eiförmige, die zweite länglich-eiförmige, und die dritte verkehrt eiförmige, faſt herzförmige Blätter, auf der Unterfläche mit rother Mittelrippe. Die vielen neueren Varietäten ſind nicht haltbar und beruhen nur auf Kultur und der Veredelungs⸗ unterlage. Am größten und ſchönſten werden die Früchte auf ſolchen Quittenbäumen, welche auf Birnwild⸗ linge veredelt ſind, die einen kräftigen Wuchs zeigen. Aus Saamen erzogen, wird die Quitte nur Strauch, welche eine Menge Austriebe an ihrer Baſis hervorbringt, wodurch man ſie, wie auch durch Stecklinge leicht vermehren kann. Jedoch hat ſich die Quitte als Unterlage, ſo viel auch darüber geſchrieben und nachgeſchrie⸗ ben worden, für Zwergobſt nicht bewährt, indem eines Theiles nicht alle Sorten, ſogar nur wenige, darauf wachſen, viele ſchwächlich bleiben und die gewachſenen im kalten Winter oft erfrieren. Soll der Quittenbaum gut gedeihen und Früchte bringen, ſo pflanze man ihn an ſonnige Abhänge, zwiſchen Steingerölle oder in Mergelboden, Kalkfelſen u. ſ. w., nur nicht in Sand und in Schatten, wo er viel Feuchtigkeit hat, indem er daſelbſt wenig blühet und keine Früchte anſetzt. Der Gebrauch der Quitte in der Küche und Konditorei iſt bekannt genug, weniger der, welchen die Römer davon machten, wodurch dieſer Strauch in der Landſchafts⸗ gärtnerei beſonders intereſſant wird. Der Apfel der Venus war nichts anderes, als unſere Apfelquitte, welche Columella Cydonia chryso- melina nennt, der Liebes- oder Goldapfel der Idyllendichter. Da der Quittenapfel der Venus heilig war, ſo wurde er bei den Griechen ein Geſchenk der Liebe, deſſen Gabe und Annahme bedeutungsvoll war. Auf den Wagen der Venus ſtreute man, wie Athenaeus berichtet, nicht nur Myrten, Veilchen und Roſen, ſondern auch viele Quittenäpfel. Solon verordnete den jungen Eheleuten, eine Quitte vor der erſten Brautnacht zu eſſen, deren Sinn wohl der iſt, einen Vorgeſchmack der Leiden und Freuden der beginnenden Ehe in ihr als Symbolum darzuſtellen, eine Erinnerung des Mißvergnügens und der Fröhlichkeit (nach Winkelmann). An⸗ dere hierher bezogene Stellen der Alten ſcheinen mehr theils auf unſere Apfelſine (Pomeranze), theils auf unſere Calvilleäpfel zu paſſen. Gewiß bezeichneten ſie als Attribut das Glück, die Liebe und die Fruchtbarkeit. In Luſtgebüſchen und an Abhängen wird ſich der Quittenſtrauch ſtets gut präſentiren und kann mit Recht empfohlen werden. 2) Cydonia japonica Pers. C. speciosa Sweet. Pyrus japonica Thbg. Bot. Mag. t. 692. Guimp. fremd. holz. t. 70. Ein aus Japan ſtammender dorniger Strauch, der unfern Gärten zur hohen Zierde gereicht, ſich auch im Winter leicht zum Blühen antreiben läßt. Seine Blätter ſind glänzend grün, im Vaterlande wahrſcheinlich immergrün. Die prächtigen großen Blumen ſind bei der Stammart hoch- oder brennendroth, bei der Spielart apfelroth, auch giebt es eine halbgefüllte Varietät. Die Früchte, welche ſich jedoch nur in warmen Sommern ausbilden, ſind von der Größe eines Stettiner-Apfels, mit ſtumpfen Kanten oder Rippen, welche über die ganze Frucht gehen. Die Schale iſt ſchön grün, glatt, welche im Winter etwas gelb wird, mit vielen Drüſen und Punkten. Das Fleiſch iſt ungenießbar, feſt, zuſammenziehend, und riecht, wie die Schale, etwas nach Quitten. Die Kammern ſind ſehr groß, oft hohl, indem viele Saamenkerne fehl⸗ ſchlagen, oft in ganzen Fächern. Manche Saamenfächer enthalten dagegen bis 20 feſt auf einander liegende, auf beiden Seiten plattgedrückte braune Kerne, welche, bald geſäet, leicht keimen. Auch durch Ableger und Wurzeltriebe läßt ſich dieſer ſchöne Strauch leicht vermehren. Gegen Kälte muß man ihn durch eine trockene Laubdecke ſchützen. 3) Cydonia chinensis Thouin. ann. sc. 19. t. 8 et 9. Pyrus sinensis Lindl. bot. reg t. 905 et 1248. China iſt das Vaterland dieſes ſchönen Quittenſtrauches, von den Holländern 1790 nach Europa gebracht. Da er bis jetzt noch wenig bekannt iſt, ſo gebe ich eine kurze Beſchreibung deſſelben. Er treibt ſeine Aeſte gerade in die Höhe, dieſe von freudigem Wuchſe. Die Blätter ſind umgekehrt eirund, kurz zugeſpitzt, ſteif, 2 bis 3 Zoll lang, oben glänzend dunkelgrün, unten bleichgrün und weichhaarig, am Rande drüſig ges zahnt. Die Blüthen brechen Ende Aprils aus behaarten fuchſigen Knospen hervor. Die Blumen ſelbſt ſind 291 roſafarben und haben einen Veilchengeruch. Die Frucht ift ablang 4 Zoll hoch. Die Kelchabſchnitte ſitzen in einer leichten Einſenkung. Die Schale iſt glatt und eben, gelbgrün; das Fleiſch gelblich, grobkörnig, trocken und von herbem, ſauerem Geſchmack. Die fünf Kammern des Kernhauſes, oft unausgebildet, erhalten jede 30 bis 40 Eichen, oft aber nur 10 davon zu keimfähigen Kernen ausgebildet, die andern ſchlagen fehl. Der Geruch der Frucht iſt angenehm und fein. Als Zierſtrauch ſeiner ſchönen Tracht und Blumen wegen zu empfehlen, doch muß er gegen Kälte geſchützt werden. In Handelsgärten wird er als gelbblühender Quitten— ſtrauch verkauft, iſt überhaupt ſelten in Gärten. 4) Cydonia Samboshia Hamilt. Aus Nepal, iſt noch nicht nach Europa gebracht worden. 5) Cydonia indica Spach. Pyrus indica Wall. pl. asiatic. rar. II. p. 56. tab. 173; gut ab» gebildet: in Gebirgen von Silhet Bengalens. Die Blätter dieſes Strauches ſind eirund herzförmig, unterhalb weißfilzig; die Früchte von der Größe eines Borsdorfers, rund, gelb, von herbem Geſchmack und Quittenge⸗ ruch. Fehlt noch in unſern Sammlungen. Im Allgemeinen folgen die Quittenſträucher den Kalkgebirgszügen und beſonders wachſen fie gern an den ſonnigen Vorſprüngen, doch kommen ſie auch auf Gebirgen der Sandſtein-, Schiefer- und Kohlenformation vor. Die Gattung Sorbus L. ſteht der vorhergehenden ſo nahe, daß die meiſten Botaniker ihre Arten bald zu dieſem, bald zu dem Geſchlechte Pyrus gezogen haben; einige haben auch alle drei Gattungen unter dieſem Namen gefaßt. Im Allgemeinen kann man Lindley's Dispoſition der Pomaceen annehmen, doch möchte ich aus demſelben Grunde die Gattung Sorbus getrennt halten, als es dieſer Botaniker bei den andern gethan hat. Es giebt in der That nicht leicht eine Familie, deren Glieder ſich ſo nahe ſtehen, als in dieſer, aber dennoch charakteriſiren ſich die Arten einer Gattung wieder durch eine große Uebereinſtimmung in ihrem Ty— pus. De Candolle brachte alle Arten dieſes Genus als Sippen zu Pyrus L.; Spach dagegen bildete viele Gattungen daraus und beſchrieb ihre Spezies ſehr gut. Seine Gattungscharaktere ſind jedoch etwas zu ſubtil aufgefaßt und wohl nicht haltbar. Das beſte Kennzeichen außer der Tracht bleibt gewiß die Frucht. Was ferner die große Synonymik in dieſer Gattung betrifft, ſo kommt dieſe leider daher, daß der Eine glaubte, Linné habe dieſe Art bei Begründung ſeines Genus Sorbus vor Augen gehabt, jene aber als Mespilus oder Crataegus, und ſo umgekehrt, daher ſie denn bald hier, bald da untergebracht worden ſind. Was nun ihre Verbreitung anlangt, ſo geht dieſe über ganz Europa bis zum hohen Norden, weniger im Süden, und ſteigt aus den Waldungen der Ebene bis in die Alpen, ſelbſt bis zur Schneegränze hinan; ſie erſtreckt ſich bis auf die griechiſchen Inſeln, geht nach Nord-Aſien weit vor durch das Hochland bis hoch ins Himalayagebirge und tritt in Nord-Amerika noch in einigen Spezies auf, geht aber nicht bis Mexico vor. Die größte Verbreitung hat Sorbus Acuparia L., der Vogelbeerbaum oder Ebereſche, und verdankt dieſe wahrſcheinlich den vielen Zugvögeln, welche feine Früchte auf ihren Wanderungen im Winter begierig aufſu⸗ chen. Als Schmuckbäume und Zierſträucher find fie alle zu empfehlen, da fie jede Pflanzung durch ihre Be— laubung, ihren Blüthenreichthum und Fruchtſchmuck dekoriren. Ihre Vermehrung geſchieht durch Okulation, am beſten auf den gemeinen Weißdorn, ferner ſehr leicht durch Saamen und einige durch Wutzeltheilung. Das Veredeln auf den gemeinen Vogelbeerbaum iſt zu verwerfen, da fie auf dieſem nie ein hohes Alter errei⸗ chen und noch weniger kräftig wachſen. Sectio I. Aria, Mehlbeerbäume. 1) Sorbus Aria Crantz, der Mehlbeerbaum; wächſt in Gebirgswaldungen Europas und ſteigt in Nieder-Oeſterreich in der untern Alpenregion bis 4200 bis 5500 Fuß hinan; in den Schweizer Alpen, auf dem Jura häufig, daſelbſt ein Strauch von 6 bis 10 Fuß; iſt ferner gemein in den Vogeſen; in der Wald⸗ region des Aetna in der Höhe von 3000 bis 6000 Fuß über dem Meere; in Großbrittannien ſchießt er be⸗ ſonders ſchön an Gebirgsbächen auf. In Norwegen erſcheint er hier und da noch auf Tutterö bei Dront— heim unterm 63 % Breitegrad in der obern Gränze der Kiefer und Birke; im Kaukaſus zwiſchen dem 40 37 * 292 und 44 Grad nördl. Breite ſteigt er von 1800 bis zu 3000 Fuß über dem Meeresſpiegel hinauf; wächſt daſelbſt an Felſen der mittleren Alpen an dem Fluſſe Uruh um Sadeloska und faſt überall im Kaukaſus zerſtreut, in der ſorngoriſch-kirgiſiſchen Steppe auf dem Berge Kokbukta; in Rußland ſelbſt dagegen noch nicht aufgefunden. Pyrus edulis Willd. Guimp. fremd. holz. t. 80. Crataegus longifolia Duham arb. tab. 34, gehört, obgleich ausgezeichnete Form, ſicher hierzu. Dieſer Baum hat oft 6 Zoll lange, meiſt ſtumpfe Blät— ter, mit großen Corymben und cylindriſchen großen genießbaren Früchten, welche durch ihre Schwere die Dol— dentrauben überbiegen. Es giebt aber noch mehrere Formen, vielleicht auch ſpezifiſch verſchiedene gute Arten. Hierher gehören: var. & obtusifolia DC. prdr. Pyrus sudetica Tausch, in Mittel-⸗Deutſchland die gez wöhnlichſte Form, kommt allda in hochliegenden Waldungen, in der Flora der Wetterau, beſonders im Herzogthum Naſſau, der Schweiz, auch im Rieſengebirge und vielleicht überall gemiſcht vor; dann ß acuti- folia DC.; dieſe beſitze ich aus Italien; eine dritte iſt 7 glabrata Koch in litt., wächſt ſicher auf den Ber⸗ gen in Gilan Perſiens; ob auch in europäiſchen Floren, iſt mir unbekannt geblieben. — Der Mehlbeerbaum erwächſt zuweilen in Gärten zu einem recht hübſchen Baume. 2) Sorbus graeca Lodd. (Crataegus graeca Spach. Pyrus Aria Sibth. et Sm., nicht Ehrh.) Durch die abgerundeten, faſt abgeſtutzten Blätter und die Form der großen braunen Früchte von voriger un— terſchieden. Er wächſt auf der Inſel Kandia, bleibt allda Strauch, und kommt vielleicht auch auf allen grie⸗ chiſchen Inſeln und deren Bergen vor. 3) Sorbus flabellifolia S. Schauer. (Crataegus flabellifolis Spach. Pyrus edulis Wats. dendr. t. 52, nicht Willd. Crat. corymbosa Desf.) Ein ſchöner Strauch mit fteifen ſtarren Aeſten und weißfilzi⸗ gen, faſt fächerförmig⸗fiederrippigen Blättern und lichtgelben runden Beeren, welche jedoch noch lange grün bleiben, wenn die aller andern Arten ſchon längſt reif und roth gefärbt ſind; ſie enthalten ſelten gute Saa⸗ men. Wächſt in Frankreich; wo? iſt noch nicht genauer angegeben. In unſern Gärten kurſirt er als Sor- bus nivea, iſt aber nicht mit Aria nivea Host zu verwechſeln. g 4) Sorbus lanata Schauer. (Pyrus lanata D. Don.) Kommt in Nepal im nördlichen Gebirgswall des Hymalaya bis 10,000 Fuß hoch vor und bildet daſelbſt einen kleinen Strauch, wie unſer 8. Chamae- mespilus und Aria. Iſt noch nicht eingeführt. 5) Sorbus vestita S. Schauer. (Pyrus vestita Wall. S. nepalensis Lodd.); aus Nepal. Aeh⸗ nelt unſerm Mehlbbeerbaum, die Blätter ſind aber länger und ſpitzer, die Früchte lichtgelb. Dieſer Baum iſt noch ſelten in unſern Sammlungen. 5 6) Sorbus erenata S. Schauer. (Pyrus crenata Royle.) Aus der Alpenregion des nördlichen In⸗ diens, woſelbſt dieſer Strauch bis 8500 Fuß ſteigt, bei einer mittleren Temperatur von 13 Grad R. Abge⸗ bildet in Lindley's Bot. Reg. t. 1655. Fehlt aber noch in deutſchen Gärten. 7) Sorbus variolosa S. Schauer. (Pyrus variolosa Wall. P. Pashia Hamilt.) Aus Nepal. 8) Sorbus Kamunensis S. Schauer. (Pyrus Wall.) Wallich fand dieſe Mehlbeere in Kamaon, der chineſiſchen Tartarei und Nepal. Royle ſagt, daß fie auf Gebirgen zwiſchen dem Ganges und Sübletſch wächſt, nämlich auf der Tuen, Choor und Redarkanta, 9 bis 12,000 Fuß über dem Meeresfpiegel. 9) Sorbus Ursina S. Schauer. (Pyrus Ursina Wall.); aus Nepal. 10) Sorbus betulaefolia S. Schauer. (Pyrus — Bunge); aus Nordchina. Blätter lederartig breit, eirund, ſehr ſpitz, ſcharf ſägezähnig mit ſitzenden Enddolden. Bis jetzt in Gärten unbekannt. 11) Sorbus scandica Fries. Oxelbirne. (Pyrus intermedia Ehrh. Guimp. holz. t. 79. P. alpina Willd. En.) In Voralpen und Alpenthälern wächſt dieſer Strauch, oft ſtarker Baum, gern an felſigen, ſteinigen Orten, nach Gaudin felten auf dem Jura, in Oeſterreich und Steyermark bis 4200 Fuß aufſtei⸗ gend; auch in Schweden und Rußland kommt er vor. In Gärten wird die Oxelbirne gewöhnlich ein ſchöner Baum; ſeine Früchte ſind für die Gattung groß braunroth und enthalten viele Saamenkerne. Durch die rundlappigen Blätter von Sorbus Aria leicht zu unterſcheiden. 295 Seetio II. Torminaria DC., Elzbeerbäume. 12) Sorbus latifolia Pers. (Crataegus dentata Thuill. Pyrus latifolia Lindl. Crataegus lati- fol. Lam.) Der Standort dieſer Pflanze war lange nicht bekannt, bis ihn Koch in feiner fo gründlich bear— beiteten Synopſis angab. Dieſer ſtrauchartige Baum wächſt in Laubholzwaldungen auf der Neudinger Höhe bei Ludwigsthal in Würtemberg. De Candolle giebt ihn auch als in der Nähe von Paris wachſend an. Seine Tracht und Früchte ähneln ſehr dem des gemeinen Elzbeerbaumes, und mag wohl oft mit dieſem oder dem vorigen verwechſelt worden ſein und eine größere Verbreitung haben, als bis jetzt bekannt geworden iſt. Er erhebt ſich in günſtigen Standorten leicht zu einem ſtattlichen Baume. Die Saamenpflanzen bleiben vollkom— men der Mutterpflanze im Charakter treu und iſt zuverläßig eine gute Art. 13) Sorbus torminalis Crantz. Gemeine Elzbeere. Abgebildet: Guimp. holz. t. 80. Jacq. fl. austr. t. 443. Kommt in Gebirgswaldungen Deutſchlands vor, daſelbſt nicht hoch hinaufſteigend und meiſt einzeln; in der Schweiz ziemlich häufig; in den Vogeſen gemein bis 2500 Fuß. Im Kaukaſus zwiſchen dem 40 und 44 Grad nördlicher Breite ſteigt er bis zu 3500 Fuß hinauf, er erſcheint auch hier überall zerſtreut, beſonders in Gehölzen der unteren Bergkette um Duſchet und Achalgory, zwiſchen dem Aragi und Cſani. In Rußland iſt er nach Pallas nicht beobachtet worden. Die Elzbeere kommt ſowohl als Strauch, als auch als ſtarker Baum vor, oft mit einem Stamme von 1 Fuß Durchmeſſer. Seine Blätter find ſiebenlap⸗ pig, dem Ahorn ähnlich, die Früchte eiförmig, braunroth, ſäuerlich ſchmeckend. Das Holz des Baumes iſt ſehr hart, wirft ſich nicht und wird von Tiſchlern und Drechslern ſehr geſchätzt. Dieſer Baum ſollte ſeiner Früchte wegen mehr in Forſten angebaut werden. Die Vermehrung geſchieht am beſten durch Saamen, indem er veredelt meiſt erkrankt. Sectio III. Sorbaria, Ebereſchen. 14) Sorbus hybrida L. (Pyrus pinnatifida Sm., Ehrh.) Abbildung: Fl. dan. t. 501. Wächſt in Gebirgswaldungen und an abſchüſſigen Felſen, in Thüringen, in Schwarzburg-Rudolſtadt, der Schweiz, in Schweden und auf der Inſel Oeland und Gothland; in Norwegen in Menge an der Weſtküſte bis auf die Inſeln Nowanger-Fiord und bis Chriſtiania hinab. Die Blätter dieſes Baumes, oft nur Strauch, ändern mannigfaltig ab: es giebt welche, an denen alle Fiederblättchen vollkommen frei ſind und dann ſehr unſerm Vogelbeerbaum ähneln; Hoſt ſcheint ſie auch mit dieſem in ſeiner Flora austriaca vermengt zu haben; andere dagegen, bei denen viele, ganz beſonders aber die untern oder obern Fiederblättchen verwachſen ſind und dann mehr der Sorbus scandica gleichen; auch die Saamenpflanzen zeigen dieſe Aehnlichkeit, welche noch bei Sorbus spuria vorkommt, frühzeitig. Bei Sorbus hybrida jedoch meiſt vorherrſchend mit ganz freien Fiederblättchen, bei S. spuria dagegen find fie in der Jugend meiſt in eine Blattfläche verwachſen. Seine Früchte gleichen ganz denen des gemeinen Vogelbeerbaumes mit lichtgelben Beeren. Hierzu gehört wohl Sor- bus heterophylla Rehb., welcher Name auch wohl vorzuziehen fein möchte, da es nach meiner Erfahrung kein Baſtard iſt. Wenigſtens kann man an den Hunderten von Saamenpflanzen keine Rückſchreitung zu einer oder der andern Stammart wahrnehmen. 15) Sorbus spuria Pers. (Pyrus spuria DC. prdr. Bot. Reg. tab. 1196. Guimp. et Heyne fremd. holz. t. 81. Sehr reich iſt die Synonymik dieſer Pflanze; ſelbſt noch in neueſter Zeit hat ſie einige Namen mehr bekommen. Um die Nomenklatur in Baumſchulen zu vereinfachen, will ich hier die Synonyme folgen laſſen. Pyrus sorbifolia Watson. Aronia sorbifolia Spach. Sorbus heterophylla Du Roi, nicht Reichb. Mespilus sorbifolia Pers. Pyrus sambucifolia Cham. et Schlecht. P. diversifolia Bong. Pyrus rivularis Dougl. Hook. fl. bor. Amer. t. 68. P. hybrida Moench, Weisenst. t. 6. Wächſt auf der Inſel Sitha an der N.W.Küfte Nord-Amerika's unter dem 57° Breite im Norfolk-Sunde, auf dem Weſtoiwoi 500 Toiſen hoch, woſelbſt die Waldungen bis auf die Spitze reichen, häufig an der Küſte 294 nordwärts an der Mündung des Kolumbiaſtromes, in Kamtſchatka u. ſ. w. Die Blätter der aus Saamen erzogenen Pflanzen zeigen, wie oben geſagt, nur eine regelmäßige Blattfläche und gleichen genau denen des Pyrus arbutifolia L., fo wie fie auch genau auf die Hooker'ſche Abbildung paſſen. P. sambucifolia Cham. dagegen iſt die Form mit ganz freien Blättchen, wie ſie theilweiſe auch bei den in unſern Gärten kultivirten Pflanzen vorkommt. Die braunrothen Beeren enthalten wenige ausgebildete keimfähige Saamen, doch habe ich daraus viele Pflänzchen erzogen mit allen beſchriebenen Blattformen. Es wird dieſe Pflanze in ihrem Vaterlande ein Baum von 15 bis 25 Fuß, deſſen Holz die Eingebornen verwenden, um daraus ihre Keile zum Holzſpalten zu machen; es iſt ſo hart, daß es die feinſte Politur annimmt. Die Früchte werden von den Eingebornen, dem Stamme der Chenook, „Powitch“ genannt und find eine Hauptnahrung derſelben. 16) Sorbus aurieulata Pers. (Pyrus — DC. prdr.) fol in Aegypten wachſen, ſteht dem vorigen zunächſt, fehlt jedoch noch in unſern Gärten und ſcheint überhaupt noch wenig bekannt zu ſein. 17) Sorbus foliolosa S. Schauer. (Pyrus — Wall. pl. asiat. rar. t. 189.) Ein unſerm ge⸗ meinen Vogelbeerbaume ſehr ähnlicher baumartiger Strauch mit acht Fiederpaaren. Iſt in Oſtindien zu Haufe. 18) Sorbus americana Pursh. (S. Aucuparia ß Michx.) Wächſt in Canada und hier und da in den nördlichen Gebirgen zerſtreut. Dieſer Baum unterſcheidet ſich von unſerm Vogelbeerbaume durch ſeine in allen Theilen robuſtere Geſtalt. Eine Form hiervon, 8 mierocarpa Torr. et Gray — nach Purſh Mei: nung eine gute Art — wächſt viel um dem Ontarioſee, auf den höchſten Bergſpitzen und Kämmen von Neu: Jerſey bis Carolina hinab. Watſon bildete fie in feiner Dendr. brit. t. 54 ab. Beide Pflanzen beſitzen wir und bewirken mit dem Vogelbeerbaume gleichen Zweck und Effekt. Beide erwachſen leicht und ſchnell aus Saamen. 19) Sorbus Acuparia Gaert., Ebereſche, Vogelbeerbaum. Abbildung: Hayne holz. 4. t. 45. In Europa bis Sibirien und Nord-Amerika verbreitet, liebt beſonders feuchte Wälder und Haine, ſteigt jedoch auch hoch in die Gebirge und deren Thäler und wird an der Gränze des ewigen Schnees zu einem niedrigen, von den Laſten des Schnees zuſammengedrückten Sträuchchen. Die Eberefhe wächſt häufig auf dem Jura, auf dem Gotthard bis zur Gränze der Fichte; erſcheint ferner in den baierſchen Alpen bis 2700 Fuß; in Finnmarken Norwegens verſchwindet ſie in der obern Gränze der Kiefer und Birke. Er kommt überhaupt durch ganz Rußland und Sibirien bis an die Oſtſee, in nördlichen kalten Gebirgswaldungen ſehr häufig, im Kaukaſus in der Alpenregion bis 5400 Fuß hoch vor, in Kamtſchatka 2700 Fuß, woſelbſt die mittlere Boden⸗ wärme 1½ Grad R. unter dem 57 Grad nördlicher Breite beträgt, auf den umliegenden Inſeln gegen Ame⸗ rika und Japan zu. Auf den Inſeln gegen Amerika zu bleibt er Zwerg oder kleiner Strauch, ſo wie auf den Sandinſeln des Beikalſees, woſelbſt die Stämme auf der Erde hingeſtreckt faſt kriechend liegen, aber in Kamtſchatka am Fluſſe dieſes Namens iſt er noch ziemlich ſtarkwüchſig. Dieſer Baum iſt feines ſchnellen Wuchſes wegen, obgleich nur von mittler Höhe, durch ſein angenehmes Aeußere und durch ſeine prächtigen Doldentrauben, von hollunderartigem Geruche, eine wahre Zierde unſerer Landſtraßen und Gärten und beſon⸗ ders anzuempfehlen, indem eine große Zahl Vögel aus der Abtheilung der Sänger, durch die Menge der In— ſekten, welche ſich auf den Blüthen aufhalten, angelockt werden, fo wie auch feine Früchte eine leckere Lockſpeiſe für die Droſſelarten abgeben. Man pflanzt ihn auch in einigen Gegenden in Menge an, um aus den Früch—⸗ ten Branntwein zu brennen; der Saft derſelben kann wie Zitronenſäure benutzt werden. Es giebt mehrere Abarten: eine Alpenform mit glatten Blättern und Früchten; eine ſtark filzige — S. lanuginosa Kit., mit lichtgelben Früchten, mit bunten und mit ganz ſchmalen linienförmigen Fiederblättchen. 20) Sorbus domestica L., Speierling oder Sperberbaum. Abbildung: Jacg. fl. austr. tab. 447. Guimp. holz. t. 68. Wächſt wild in den Gebirgen Oeſterreichs, im Herzogthume Krain, dem Litoral und England. Wird außerdem am Rhein, in Schwaben, Baiern u. ſ. w. ſeiner Früchte wegen kultivirt, die man, wenn ſie teig werden, ißt. Es giebt zwei Spielarten hiervon, eine mit runden apfelförmigen und eine mit 295 birnförmigen Früchten, welche letztere größer find und allgemein kultivirt werden. Der Baum iſt von langſa⸗ mem Wuchſe, aber als Standbaum oder zu Alleen doch zu empfehlen. Die Vermehrung geſchieht am beſten durch Okulation auf Weißdornunterlage, auf welchem er alt wird. Seetio IV. Pyrenia, Schwarzbirne. 20) Sorbus arbutifolia S. Schauer. (Pyrus — L.) Hiervon giebt es zwei Hauptformen, nach einigen Botanikern zwei entſchieden gute Arten. Erſtere bezeichnen Torrey und Gray in ihrer Flora von Nord- Amerika als & erythrocarpa, mit rothen Früchten und behaarten Blättern, in niedrigen Gehölzen und Süm⸗ pfen von Virginien, Penſylvanien und von Carolina bis Canada, vom Huronen-See bis zum Saskatſchawan und in Neufundland gemein wachſend. Die zweite Form, als 8 melanocarpa, mit ſchwarzen Früchten und großen glatten Blättern, kommt in Gehölzen Canada's, von der Hudſondsbay bis Virginien und auf den hohen Bergen Carolina's vor. Die ſchwarzen Beeren find von der Größe einer Haidelbeere, der fie an Ger ſchmack auch gleichen. Für niedrige Pflanzungen einer der ſchönſten Sträucher. Die Vermehrung geſchieht leicht durch Zertheilung, indem der Strauch ſehr viele Ausläufer treibt; die Saamenpflanzen dagegen wachſen langſam heran. Nachſtehende Synonyme gehören zu dieſen beiden Formen: ; Var. c. Pyrus arbutifolia Willd. Bot. Mag. t. 3668. Crataegus pyrifolia Lam. Mespilus arbutifolia L. M. arbutifolia erythrocarpae Michx. M. pumila Schmidt, arb. t. 88. Aronia pyri- folia Pers. A. donsiflora Spach. Pyrus floribunda Lindl. Bot. Reg. tab. 1006. Pyrus depressa Dougl. Var. 8. Pyrus melanocarpa Willd. Crataegus arbutifolia Lam. Mespilus arbutifolia Schm. arb. t. 86. M. arbutifolia melanocarpa Michx. Aronia melanocarpa Ell. A. glabrescens Spach. A. arbutifolia Pers. Pyrus pubens Lindl. Pyrus grandifolia Dougl. Lindl. Bot. Reg. tab. 1154. Pyrus arbutifol. 6 melanocarpa Torr. et Gray. DC. prdr. Sectio V. Eriolobus DC. 21) Sorbus trilobata Schauer. (Crataegus — Labill. syr. dec. 4. t. 10. Pyrus — DC. prdr.) Am Libanon. Noch nicht in Europa eingeführt. Seetio VI. Chamaemespilus DC., Mispelbirne. 22) Sorbus Chamaemespilus Crantz. (Pyrus — Ehrh.) Abbildung: Jacq. fl. austr. t. 231 et ejusd. Hort. Vindb. t. 243. Guimp. holz. I. t. 70. Kommt an abſchüfſigen, kräuterreichen Felſen, faſt durch die ganzen Alpenzüge Europa's vor. In der Schweiz häufig; dagegen iſt die Form mit unterhalb filzi- gen Blättern daſelbſt ſehr ſelten. Am Aetna ſteigt derſelbe bis 6000 Fuß hinauf, in den Pyrenäen nicht ſelten u. ſ. w. Es iſt ein kleiner, kaum 2 Fuß hoher Strauch und nur zu Alpenanlagen in Gärten zu be⸗ nutzen. Synonyme find: Crataegus Chamaemesp. Jacgq. Mespilus — L. Crataegus humilis Lam. Pyrenia — Clairv. etc. 23) Pyrus florentina Targioni — Tozetti Observazioni botaniche Dee. VI. p. 302. t.5. Lin- nea XI. Litbl. 53. In Toskana wachſend, bleibt noch zweifelhaft. Nach der Beſchreibung ſcheint die Pflanze zu Sorbus und zunächſt zu S. latifolia oder S. Aria edulis zu gehören. 296 Der Gattung Pyrus ſchließt ſich ferner noch folgendes Genus genau an: Aronia Pers. oder Ame- lanchier Moench. DC. Petromeles Jacg. fil. — Die Felſenmispeln find über einen großen Theil Europa's und Nordamerika's verbreitet und nur einige kommen in Hochaſien vor. Die Arten ſelbſt ſind unter ſich ſehr nahe verwandt, fo daß mehrere Botaniker die amerikaniſchen Spezies unter einem Collectivnamen zuſammenzo⸗ gen. Gewiß geſchieht dies mit Unrecht; denn eines Theils zeigt es ſich, daß die aus Saamen erzogenen Pflänzchen dem Typus der Mutterpflanze treu bleiben, wenn es auch nur wenige, jedoch ſcharf unterſcheidende Merkmale find, welche dieſelben charakteriſiren, fo findet dies doch auch bei vielen andern Geſchlechtern ſtatt, und man müßte in jedem Cyclus überhaupt nur eine Urart annehmen, woraus ſich nach allen möglichen Rich— tungen neue Formen entwickeln, dieſe aber heraus zu finden, ſollte wohl ſchwerlich thunlich ſein, ohne den ganzen Kreis der entwickelten und ſich neu geſtalteten Individualitäten vor Augen zu haben. Anderen Theils iſt damit dann auch noch kein größerer Gewinn erlangt, wenn man ſolche Individuen als Formen einer Art bezeichnet und benennt, es würden ſich im Gegentheil die Formen noch weniger im Begriff feſt halten laſſen, ſolche ſich durch wiederholte Ausſaat konſtant zeigende Individuen ſcheinen mir aber mit einem kurzen beſtimm⸗ ten Namen beſſer bezeichnet zu werden. Der Landſchaftsgärtner ſieht auch mehr auf die Tracht einer Pflanze. Ich habe daher um ſo mehr Grund, ſie auch hier auseinander zu halten. 1) Aronia rotundifolia Pers. (Amelanchier vulgaris Moench.) Abbildung: Jacq. fl. austr. tab. 300. Gemeine Felſenmispel, wächſt an felſigen Abhängen der Berge, in Felsſpalten dies- und jenſeits der Alpenkette, in Oeſterreich, Kärnthen bis ins Litoral, in der Schweiz, an beiden Rheinufern bis nach Belgien hinab, in Thüringen, am Aetna von 3000 bis 6000 Fuß hinauf, im Kaukaſus; daſelbſt überall bald einzeln, bald häufiger vorkommend. Es iſt ein Strauch von 4 bis 5 Fuß; durch ſeine in der Jugend weißfilzigen Blätter, ſo wie durch ſeine weißen Doldentrauben von lieblichem Ausſehen. Die Früchte ſind reif: blau oder ſchwärzlich und genießbar. Iſt in Gärten, obgleich einheimiſch, doch noch ſelten, und verdiente daher mehr in Baumſchulen angezogen zu werden. 2) Aronia ovalis Pers. (Amelanchier ovalis DC. prdr.) Abbildung: Schmidt. oest. Baumz. t. 84. Ein ſehr fchöner, oft bis 12 Fuß hoher Strauch mit geraden ſtraffen Aeſten, der durch feinen Blü— thenſchmuck und feinen Fruchtreichthum längſt ein Liebling unſerer Luſtgärten geworden if. Kommt in feiz nem Vaterlande, durch ganz Canada, vom Huronen-See bis zum Saskatſchawan und Makenzie-Fluß in den Felsgebirgen (Rocky-Mountains), ferner in Sümpfen von Neu-Jerſey bis Carolina u. ſ. w. vor. Eine Form hiervon iſt: 6 semiintegrifolia Hooker, deren Blätter nur an der Spitze gezahnt find. — Douglas fand dieſe Form an daß großen Waſſerſchnellen und bei Fort Vancouver, im Staate Columbia und in den höher gelegenen Landſtrichen am Multnomak-Fluſſe. Das Holz dieſer Felſenmispel nennen die Crees⸗ Indianer „Meſſaßquat⸗antick“; ſie verfertigen daraus ihre Pfeile und Pfeifenröhre; es wird von den Ameri— kanern daſelbſt „bois de flEche“ (Pfeilholz) genannt. Die Beeren find bei den Eingebornen und Einwohnern die beſten Früchte in der Gegend, und werden von den Crees unter dem Namen „Meeſaßcootoom-meena“ bes zeichnet und im trockenen und friſchen Zuſtande genoſſen; auch bei uns ſind ſie beſonders für die Vögel eine Lockſpeiſe in Gärten. Um die Namen in Gärten zu berichtigen, mögen hier die Synonyme einen Platz fin- den: Pyrus ovalis Willd. Mespilus canadensis & obovalis Michx. Crataegus spicata Lam. M. Amelanch. Walt. Zu der Abart Amel. ovalis f semiintegra Hook. gehört A. parvifolia Dougl. Es giebt ferner noch einige Varietäten, als da find: Amel. ovalis y subcordata DC. prdr. — Amel. ovalis ö praecox — Pyrus Bartramiana Tausch. Aronia praecox Neumann. — A. ovalis & intermedia = A. canadensis oblongifolia Torr. et Gray. A. ovalis o pumila Nutt. 3) Aronia asiatica Sieb. et Zucc. fl. jap. I. 87. tab. 42. (Amelanchier — Endl.) Blätter eirundz=elliptifch ſpitz, die jüngern wie bei allen Arten unterhalb dicht weißfilzig; die Trauben zuſammengeſetzt. Die Kelche zottig. Blumenblätter linienförmig-ablang. Wächſt in Japan. Es läßt fi) wohl vermuthen, 297 daß dieſer Strauch auch bei uns, wie andere Sträucher dieſes Landes, z. B. Keria, Cydonia japonica etc., unſere Winter aushalten werde. 4) Aronia eretica Pers. (Amel. cretica Lindl.), auf dem Berge Ida zu Haufe, möchte wohl von A. rotundifolia kaum verſchieden fein. Noch unbekannt in Gärten. 5) Aronia alnifolia Nutt. (Amel. canadensis y alnifolia Torr. et Gray,, Amel. florida Lindl. Bot. Reg. t. 1589. Die Blätter dieſes Strauches find gröber gezahnt, von dickerer Conſiſtenz und ſtärker behaart, als die der übrigen; die Blüthen kleiner in einer geraden Aehre. Iſt noch neu in Gärten. 6) Aronia sanguinea Nutt., Lindl. Bot. Reg. t. 1071. Wächſt in Canada, an der Hudſons-Bay, an den Ufern des Columbia, am Huronen-Sce, in den Ebenen am Saskatſchawan und in Neufoundland. Das Holz iſt röthlich, die Früchte unreif roth, dann braun. Die Blätter find im Frühling fuchſig und fein feiden- haarig. In der Tracht ſteht dieſe Art der A. ovalis näher als folgende; die Blüthentrauben aber find locke— rer, die Blumen größer. Iſt in Gärten ſelten wurzelächt zu finden. Die Saamenpflänzchen zeigen ſchon in früheſter Jugend ihren unterſcheidenden Charakter. Synonyme hiervon ſind: Amelanchier sanguinea DC. prdr. Mespilus canadensis y rotundifolia Michx. Pyrus sanguinea Pursh. Am. canadensis oligo- carpa Torr. et Gray. 7) Aronia Botryapium Pers. Schmidt. oestr. Baumz. tab. 84. Wächſt in Wäldern und Hecken durch ganz Canada bis Carolina; häufig in Neufoundland, in den höhern Gegenden Columbias, in Virginien. Von allen Arten erhebt ſich dieſe zum höchſten Strauche und wird öfters baumartig. Um dies durch Kultur ſchneller zu erreichen, veredelt man ſie hoch auf Ebereſchen oder Weißdorn, worauf ſie eine herrliche Krone bildet. Die ſchwanken Aeſtchen beugen ſich, mit Blüthen und Früchten beladen, dann herab und geben dadurch einen erfreulichen Anblick. Von den übrigen Arten iſt dieſe Pflanze leicht durch die ablangen Blätter und die ſchlaffen hängenden Trauben zu unterſcheiden. Als Standbaum frei auf einen Raſenplatz gepflanzt, gereicht er zur hohen Zierde. Synonymik: Amelanchier Botryapium DC. Pyrus Botryapium L. fil. Mespilus canadensis L. M. glabra Nutt. Mss. M. arborea Michx. Arb. Forest. ed. gal. v. 2. p. 70. t. 66. Crataegus ra- cemosa Lam. Amel. grandiflora Dougl. Mss. Pyrus Wangenheimiana Tausch. Amel. canadensis T. et G. Pyrus Botryapium Wangenh. Amer. 90. t. 28. f. 65. Hiermit wäre der erſte Cyclus der birnartigen Pomaceen gefchloffen, welche in unſern Gärten noch im Freien aushalten. Tribus II. Peraphylleae. Peraphyllum Nutt. in Torrey et Gray, flor. of north. amer. 1. 474, iſt noch nicht eingeführt, bis jetzt iſt nur eine Art, P. ramosissimum Nutt., am Oregon gefunden worden. Es iſt ein ſehr äſtiger Strauch mit verbogenen Zweigen und ſchmalen ſpitzen, ſägezähnigen, abfälligen Blättern, welche wechſelſtändig etwas gedrängt an den Spitzen der Zweigchen ſtehen. Die Doldentrauben ſind arm, drei- bis vierblüthig. Zunächſt mit Pterostemon S. Schauer verwandt; beide; zeichnen ſich durch ihre faſt trockene Frucht von den übrigen Pomaceen aus; es findet hier daſſelbe Verhältniß wie bei den Myrtaceae der Abtheilung der Chamaelaucieae mit trockener Frucht, und der Abtheilung der ächten Myrteae mit Fleiſchfrucht ſtatt. Bis jetzt iſt nur eine Art dieſer Gattung aus Mexico bekannt, nämlich Pt. mexicanus S. Schauer, in Linnaea XIX. p. 736, welche Herr Dr. Aſchenborn ohnlängſt in dem Hochlande bei Zimapan auffand. Tribus III. Mespileae. Die Mispelbäume ſind für den Landſchaftsgärtner faſt unentbehrlich, und einige ſind ſogar eine der ſchönſten Zierden unſerer Gärten. Beſonders reich an Arten iſt die Gattung Crataegus, und mannigfaltig in 38 298 Blattform, Tracht und Frucht. Es wäre zu wünſchen, daß ihre Arten in Baumſchulen mehr angezogen würden, als bis jetzt geſchehen iſt. Die Gattung Mespilus L. Lindl. zählt nur zwei Arten, und ihre Verbreitung beſchränkt ſich auf Eu⸗ ropa und einen Theil der angränzenden Länder Aſiens. 1) Mespilus germanica L. Die gemeine Mispel bildet einen mittelhohen Baum mit verbogenem Stamme und dornigen Aeſten. Er wächſt in Süddeutſchland und der Schweiz an Zäunen, Hecken, in Wäl⸗ dern, ſeltener an Felſen; in Taurien, im Kaukaſus ſteigt er von 2400 bis 4140 Fuß hinan, und wächſt allda in Gehölzen an dem Fluſſe Terek und überhaupt durch den ganzen Kaukaſus bis nach Perſien, be— ſonders gern in Hecken längs den Flüſſen Alafan, Aragi, Xani und am Cyr; in Feldern und bergigen Ge⸗ genden ſehr häufig; in Kaſchet, Georgien und Perſien findet man ihn auch in die Gärten verpflanzt und kultivirt. Die wilde Pflanze hat feinere Aeſte, iſt mehr behaart, dornenreicher und in allen Theilen kleiner, als die kultivirte. Abbildungen findet man: Guimp. et H. holz. I. t. 69. Duham. arb. tom. I. pl. 3. Man unterſcheidet folgende Varietäten: & maliformis (Neflier à gros fruit Duh. t. 154) und 8 pyri- formis Sickler. (Neflier sans noyeaux Duham. t. 157), letztere öfter mit ſteinloſer Frucht und iſt allge⸗ mein in Gärten verbreitet. Die Früchte werden erſt im Winter teig und können alsdann genoſſen werden. 2) Mespilus Smithii DC. (M. grandiflora Sm. exot. bot. I. 18. M. lobata Poir. Crat. lo- bata Bosc. Mesp. Loddigesiana Spach. M. stipulacea Desf. Crataegus stipulacea Lodd.) Kommt im Kaukaſus bei der Feſtung Naltſchik vor und ſteigt daſelbſt bis 1500 Fuß hinauf. Dieſe Mispel unter⸗ ſcheidet ſich von voriger ſogleich durch die gelappten Blätter und die kleinern kugeligen Früchte. Beide Arten werden durch Okuliren auf den gemeinen Weißdorn leicht fortgepflanzt. Die Saamen keimen ſehr ſchwer. Crataegus L. Lindl. Die Gattung Crataegus iſt in jeder Hinſicht die reichhaltigſte. Ihre Verbreitung geht faſt über ganz Europa, und ſcheint auf dem Kaukaſus, dem Altai und deſſen Verzweigungen jenſeits ihre Gränze zu finden; tiefer nach Aſien hinein kommen keine wahren Crataegus mehr vor. In Nordamerika dagegen treten ſie in zahlreichen Arten auf, verfolgen meiſt die Flußgebiete, ſteigen jedoch auch hier und da in die Gebirge und gehen über die nordamerikaniſche Cordillere bis Mexico hinauf, woſelbſt noch mehrere Arten vorkommen. Ob in Nordafrika welche vorkommen, iſt noch zweifelhaft. Seetio I. Oxyacanthae, wahre Weißdorne. 1) Crataegus Oxyacantha L. Gemeiner Weißdorn, Hagedorn. Ein 10 bis 30 Fuß hoher Baum oder Strauch, der in Gebüſchen, beſonders an Bergabhängen, in Wäldern, an Wegen, längs den Flußgebieten . und überhaupt an unbewirtheten Gegenden vorkommt und zwar in Europa überall gemein. Er ſteigt im Kaukaſus bis 3600 Fuß hinan und kommt in den umliegenden Landebenen überall vor; auch in Nordamerika und Neu⸗ foundland iſt er gefunden worden, doch iſt vielleicht der Saamen durch die Vögel dahin getragen worden und kaum urſprünglich einheimiſch. Die Fortpflanzung geſchieht durch Saamen, welcher, bald vom Baume ab geſäet, im zweiten Frühlinge erſt aufgeht. Dies bezieht ſich auch auf alle übrige Arten; Ausnahmen davon machen C. nigra, succulenta und sanguinea, deren Saamen ſchon im erſten Frühlinge keimen. Welchen Nutzen dieſer Weißdorn als Un⸗ terlage zur Veredlung aller Pomaceen abgiebt, iſt ſchon öfter berührt worden. Vorzüglich iſt aber noch der Weißdorn als Zaunpflanze zu verwenden. Zu dieſem Zwecke ſäet man die Saamen deſſelben dicht in Reihen, woſelbſt die Hecke dereinſt ſtehen ſoll, und hält den Boden von Unkraut rein. Sind die Pflanzen fingerſtark, ſo ſtutzt man ſie entweder mit der Scheere ein, oder man verflicht die Spitzen in einander, noch dichter aber wird eine ſolche Hecke, wenn man fie nach Art der Engländer behandelt; die Stämmchen werden 1% Fuß 299 über der Erde zur Hälfte durchgeſchnitten, umgebogen und verflochten; dieſe treiben bald wieder ſenkrechte Schoſſe, an welchen daſſelbe Experiment wiederholt wird, bis die Hecke die gewünſchte Höhe erreicht hat, und alsdann undurchdringlich iſt. Hierzu kann man auch C. monogyna, apiifolia und glandulosa gebrauchen, welchem letzteren wegen feiner horribeln Stacheln gar nicht beizukommen iſt. Das Holz des Weißdorns iſt äußerſt hart und zähe, und wird zu Kammrädern, Dreſchflegeln u. ſ. w. geſucht. Es giebt mehrere Varietäten von dieſer Art, wovon die auffälligſte die, mit faſt ganzen Blättern iſt S var. 5 obtusa DC., $ integri- folia Wallr. oder C. oxyacanthoides Thuill.; fie beſitzt ſehr wenig Stacheln und iſt meift einſaamig; außer⸗ dem ändert er mit langen und runden, mit braunen, gelben und rothen Früchten ab. Dieſer Art iſt in vieler Hinſicht folgende ſehr nahe verwandt und von mehren Botanikern auch zuſammengezogen worden. 2) C. monogyna Jacg. fl. austr. t. 192. G. et H. holz. t. 73, der einſaamige Weißdorn, hat mit vorigem ziemlich gleiche Verbreitung, doch ſcheint er in manchen Gegenden vorzuherrſchen. So ſoll er nach Pallas im ſüdlichen Rußland an warmen trockenen Stellen überall häufig vorkommen und ganze Hecken bil⸗ den, beſonders auf Hügeln und an Abhängen der Ufer, ſelten die Höhe von 1½ bis 2 Klafter überſteigen. Auch in Sibirien kommt er noch an ſonnigen Anhöhen, beſonders am Irtiſch und Baical vor. Es giebt hiervon eine große Anzahl Abarten und darunter die ſchönſten Zierſträucher unſerer Parkanlagen. In Bezug auf den Wuchs ändert er ab mit: ſtraffen Aeſten, var. striota DC., oft bis 40 Fuß hoch bei I bis 1, Fuß Durchmeſſer; mit hängenden Aeſten, var. pendula Lodd.; mit verbogenen Aeſten, var. flexuosa Lodd. Die Blätter ändern ab: bunt, var. variegata; geſchlitzt, var. laciniata, und eichenblatt-ähnlich, var. quer- eifolia Lodd. Die Blüthezeit variirt, ſpät und früher blühend, var. serotina et praecox; doch blüht C. monogyna immer 14 Tage ſpäter als C. oxyacantha. Die Farbe und Geſtalt der Blumen betreffend, fo geht dieſe aus Weiß bis zu brennend Roth, und kommt auch weiß-, roſenroth- und feuerroth-gefüllt- blühend vor. Die Früchte erſcheinen ſo mannigfaltig, als die des gemeinen Weißdornes. Da die Saamen gern fehlſchlagen, ſo darf man nur, um zu erfahren, welcher Baum die keimfähigen Saamen trägt, auf den Dickſchnabel, Fringilla coccothraustes, Acht geben, welcher begierig den Saamen, die einen Kern einſchließen, nachgeht, und ſich auf ſolchen Bäumen in ganzen Zügen einfindet. Bei C. nigra und succulenta, deren Beeren früher reifen und immer keimfähige ausgebildete Saamen tragen, muß man den Vögeln zuvorkommen, indem man ſonſt keine Saamen erhält. 3) C. pectinata Bosc. (C. pinnatifida Bunge. Mem. des sociétés de St. Petrbg. C. mono- gyna laciniata? Stev. C. pteridifolia Lodd.) Aus Nordchina und auch im Kaukaſus, bis 4000 Fuß. Dieſer Strauch breitet ſeine horizontal abſtehenden Aeſte weit aus und zeichnet ſich durch ſeine Form und feine zierlich geſchlizten Blätter in Pflanzungen vortheilhaft aus. Da er viel Saamen trägt und leicht keimt, iſt er ſchnell zu vermehren. 4) C. apiifolia Michx. Wächſt in ſumpfigen Waldungen Carolina's und iſt unſerm gemeinen Weiß⸗ dorn nahe verwandt und für dieſen auch von dem Botaniker Walter gehalten worden. Nuttall ſagt, daß man ihn in Nordamerika zu Umfriedungen gebrauche. In Gärten wird eine Abart mit kleineren Blättern kultivirt. 5) C. granatensis Boiss. Elench. ejusd. voy. bot. en Esp. 622. t. 61. Ein Baum von 25 bis 30 Fuß Höhe, oft mannsdick. Die Blätter ſind bald ganz-, bald dreilappig, nach dem Stiele keilförmig zugeſpitzt. Die Früchte find langgeſtielt, etwas eiförmig. Die ganze Tracht ähnelt überhaupt unſerm C. mo- nogyna. Wächſt in Granada. 6) C. subfusca Ledb. in Bullet. de l’acad. de St. Petersb. II. p. 313. Baum oder Strauch mit wehrloſen Aeſten und verkehrt eirunden oder elliptiſchen Blättern, mit ungleich doppelt geſägten Zähnen u. ſ. w. Bei Gor-Somlia im Kaukaſus gefunden. 7) C. atrofusca Steven. Aus dem Kaukasus, nahe bei Helenendorf im Gebüſche wachſend, wird bis jetzt nur im Petersburger botaniſchen Garten kultivirt. 387 300 8) C. nigra W. et Kit. pl. hung. I. t. 61. G. et H. holz. t. 106. Ein Baum oder baumarti⸗ ger Strauch: in Ungarn auf den Donau-Inſeln zwiſchen dem Comitate Syrmien und Bars; in Kroatien und Siebenbürgen vorkommend. Die Früchte des ſchwarzen Haindornes reifen vor allen am früheſten; ſie find weich, mit ſchwarzer Haut und grünem ſaftigem Fleiſche. Die Saamen keimen ſchon im nächſten Früh⸗ jahre. Der Strauch iſt daher leicht zu vermehren, auch ſchlägt der Baum gern aus den Wurzeln aus. Die Blüthen ſind anfangs weiß, färben ſich dann aber röthlich. 9) C. Oliveriana DC. Lindl. Bot. Reg. t. 1910, als C. monogyna var., ſtammt aus Kleinaſien und dem Kaukaſus, daſelbſt neuerdings von dem Reiſenden Hohenacker auf dem nördlichen Vorgebirge Talüſch gegen die Wüſte Mugan zu aufgefunden. Lindley hielt fie für eine Abart oder Baſtard, welcher aus Nord⸗ Amerika herübergekommen ſei, dies iſt jedoch ſicher irrig. Es iſt vielmehr eine gute Art, was die aus Saa⸗ men erzogenen Pflanzen beweiſen. In unſern Gärten kommt er nur veredelt vor und erwächſt gewöhnlich zu einem Bäumchen, beladen zur Blüthe- und Fruchtzeit. Die Blätter gleichen ſehr denen des C. orientalis. Die Früchte find elliptiſch, weich, faftig, ſchwarzbraun, in der Jugend behaart, dann glatt, enthalten aber mes nig keimfähige Saamen. Die Saamenpflanzen wachſen ſehr langſam, und es ſcheint überhaupt ein kleiner Strauch zu ſein. 10) C. melanocarpa MB. (C. platyphyllos Lindl. Bot. Reg. tab. 1874, C. orientalis Bose. Sprgl.) (nee MB. nec Don etc.) C. monogyna nigra Pall. fl. ross. t. XV. Ein Bewohner des ſüd⸗ lichen Rußlands; wächſt beſonders an der Wolga vom 50 Breitegrad bis zum Terek und um die Vorgebirge des Kaukaſus, ſowohl nördlich als ſüdlich, in den Ebenen bis an das kaspiſche Meer, daſelbſt in Hecken überall häufig und meiſt mit C. monogyna gleichmäßig vorkommend. Er bildet daſelbſt ein ſtrauchartiges, ſehr äſtiges Bäumchen, mit abſtehenden Zweigchen und kurzen Stacheln, kommt aber auch ganz wehrlos vor, in letzterer Geſtalt auch in unſern Gärten. Die Beeren ſind erſt gelblich, dann roth und zuletzt ganz ſchwarz, dabei trocken mit fünf Steinen. Die Saamen keimen ſchwer. 11) Crataegus rivularis Nutt., von dem Felſengebirge (Rocky- mountains) Nord- Amerika's. Ein baumartiger Strauch mit langen Dornen und glatten eirunden, eingeſchnittenen, ſägezähnigen Blättern. Früchte ſchwarz. Fehlt noch in unſern Sammlungen. 12) Crataegus Lagenaria Fischer et Meyer in Ind. sem. hort. bot. Petrop . 2 Hohen- ack. Enum. Talüsch. p. 131. In Wäldern und Hainen bei Lenkoran, auf Waldwieſen bei dem Dorfe Rewaru, in der Höhe von 2400 Fuß. Iſt noch ſehr unbekannt. Sectio II. Azarellae, Azaroldorne. 13) Crataegus Azarella Grisebach. Spicileg. fl. Rumel. 1. p. 88. Auf der Inſel Tapor. Ein neuer, jedoch noch wenig bekannter Strauch, mit armdornigen Aeſtchen und weichhaarigen Blüthenſtielen. Die Blätter ſind eiförmig, faſt rund, drei- bis fünftheilig, nach dem Stiele keilförmig glatt, unterhalb kaum be⸗ haart. Die Blattabſchnitte länglich, ſtumpf, mit einem Spitzchen verſehen und wenig Zähnen. Die After⸗ blätter ganz oder gezahnt lanzettlich. Blumen einweibig; Kelchzipfel ablang, ſtumpf, zurückgeſchlagen, glatt. Die jungen Früchte behaart, röthlich. | 14) Crataegus pentagyna Kitaibel. Von diefem Botaniker und fpäter von Sadler in den Wäldern Ungarns gefunden, iſt jedoch immer noch ſelten. Der Baum iſt mittelhoch, dornig, und trägt hochrothe Früchte. Sein Typus gleicht fehr dem des C. orientalis Lindl. 15) Crataegus Azarolus L. Pocock. Crat. t. 85. Andr. bot. rep. t. 579. Azarol-Weißdorn, welſche Mispel; wächſt wild auf buſchigen Hügeln in Krain, im ſüdlichen Tyrol, Italien, der Levante, am Don und in den ſüdlichen Provinzen des Kaukaſus bis an die Gränzen der Türkei, und ſteigt bis beinahe 4000 Fuß hinan. Die Blätter dieſes ſtrauchartigen Baumes ſind weichhaarig, keilförmig, dreiſpaltig, mit grob und wenig gezähnten Einſchnitten. Die Blumenſtiele und Kelche der Doldentrauben ſind, wie die kugel⸗ 301 aunden, ſcharlachrothen Früchte, weichhaarig. Man kultivirt noch folgende Spielarten: mit langer, mit rother und mit gelber Frucht. Die Früchte find für die Gattung groß, in der Reife mehlig und etwas fäuerlich, und werden im ſüdlichen Frankreich und Italien häufig genoſſen. Bei uns kommt dieſer Baum nur an ſehr geſchützten Orten im Freien fort. Es iſt am beſten, ihn an eine warme Mauer zu pflanzen. 16) Crataegus maroccana Pers. C. maura L. C. Aronia Descaines (nec Bose.) Lindl. bot. reg. t. 1855. Von Descaines am Sinai gefunden; ob ſie in Marocco auch vorkommt, bleibt zweifelhaft. Nach Loudon ſoll dieſer Azarolbaum ſchon 1822 in England eingeführt worden ſein und bereits daſelbſt eine Höhe von 20 Fuß erreicht haben; bei uns muß er im Winter überbauet werden. 17) Crataegus Aronia Willd. Bosc. M. Azarolus DC. fl. fr.? (nec L. nec Spach.) C. fissa Lodd. Soll nach Spach in Südfrankreich vorkommen, was ich ſehr bezweifle; ſicher aber hat ihn Schimper an Abhängen des St. Katharinen-Berges 1835 in der Levante geſammelt. Er wird daſelbſt von den Ara⸗ bern „Saurur“ genannt. Es hat dieſer Strauch viel Aehnlichkeit mit den beiden vorhergehenden, die Blätter ſind jedoch weniger behaart, keilförmig, meiſt an der Spitze dreiſpaltig; die Einſchnitte drei- bis vierzähnig; die Aeſte behaart; die Frucht gelb. Hält unſere Winter noch eher aus, als die beiden vorhergehenden Arten; es iſt jedoch gut, ihn geſchützt zu pflanzen und gegen ſtrenge Kälte zu verwahren, da er überhaupt ſelten iſt. 18) Crataegus heterophylla Flügge in Ann. mus. XII. t. 38. Lindl. bot. reg. t. 1847 et t. 1151. In Wäldern des Kaukaſus bei Helenendorf zu Haufe. Die ſpät abfallenden Blätter ſind theils ellip⸗ tiſch und eingeſchnitten-gelappt, theils lanzettförmig, mehr oder weniger dicht geſägt und an der Baſis keilför⸗ mig, übrigens ganz glatt; die Nebenblätter fiederſpaltig; Griffel und die Frucht eirund und ſchön hochroth. Dieſe ſeltene Art hält ſehr gut aus und verdiente mehr verbreitet zu werden; ſie bildet einen wohlgeſtalteten Baum. 19) Crataegus tanacetifolia Pers. Mespilus orientalis MB. Spach. (nec Lindl. nee Bose.) C. odoratissima Hornem. Sm. exot. bot. tab. 85. Lindl. bot. reg. t. 1884. Andr. bot. rep. 590. Auf Hügeln und Anhöhen Siciliens, in Griechenland, Taurien, dem Kaukaſus ꝛc. Die Blätter find einge ſchnitten⸗ fiederſpaltig, langhaarig, mit länglichen Einſchnitten und Zähnen. Die Kelche behaart, fo wie deſſen zurückgeſchlagene Abſchnitte. Die Früchte dieſes ſchönen Strauches ſind genießbar und ſchmackhaft, von einem ſchönen Orangengelb und ziemlich groß, mit 5 Steinen. C. laciniata Ucria DC., Mesp. pinnata und M. Celsiana Dum.- Cours. gehören wohl ohne Zweifel hierzu. 20) Crataegus orientalis Lindl. Bot. Reg. tab. 1852. C. tanacetifolia g glabra Lodd. bot. cab. t. 248. In Taurien zu Haufe. Die Blätter find, wie bei voriger, grau-filzig, langbehaart, aber die Einſchnitte find kürzer, mehr rund, nach dem Stiele mehr breit keilförmig verlaufend; Nebenblätter breit, ein— geſchnitten. Die Früchte kahl, glatt, kugelrund, gelbroth oder korallenfarbig, mit dickem Fleiſche. C. Scha- deriana Ldbr. En. fl. ross. C. sanguinea Schrad. (nicht Pall.) C. orientalis f taurica DC. prdr., gehört zu der Form mit rother Frucht. Ich erzog beide aus Saamen des Petersburger botanifchen Gartens. 21) Crataegus mexicana Mocc. et Séssé. DC. prdr. Bot. Reg. t. 1910. Sweet. Brit. flow. gard. II. Ser. III. t. 300. Ein gegen unſere Kälte empfindlicher Strauch, welcher im Winter gut geſchützt werden muß. Er iſt wehrlos und hat ablange ſägezähnige Blätter. Die Früchte ſind kugelrund, gelb punk⸗ tirt und enthalten fünf Steinſaamen. Die Gebirge Mexico's find fein Vaterland. Seetio III. Crus galli, Hahnenſporndorne. 22) Crataegus Crus galli L. (C. lucida Wangh. C. cerasifera Lodd.) Wangh. am. t. 17. f. 42. Wats. dendr. brit, t. 56. In Wäldern und Hecken und an den Ufern der Flüſſe gemein; von Ga= nada bis Carolina. Ein dorniger, 15 bis 20 Fuß hoher Baum mit kurzgeſtielten, eirund- keilförmigen, glän⸗ zenden Blättern und rothen, weißpunktirten, feſten Früchten. Er iſt eine wahre Zierde unſerer Luſtgärten. Die Vermehrung geſchieht beſſer durch Pfropfen oder Kopulation, als durch Saamen, indem dieſe ſehr ſchwer 0 7 keimen. Man hat noch einige Varietäten davon, als: P ovalifolia Hornem., Lindl. bot. reg. t. 1860, Loud. Arb. Brit. t. 31. C. elliptica Lodd. (nicht Ait.) Blätter breit eirund, kaum keilförmig. 7 py⸗ racanthifolia DC., M. lucida Dum. - Cours., Miller. t. 178. 2. {& splendens DC., Pluck. alm. 46. 1. Hort. Angl. t. 13. f. 2. Die meiſten der letztern Varietäten ſind etwas empfindlich; man thut daher gut, ſie in Schlußpflanzungen zu bringen. 23) Crataegus prunifolia Bose., DC. prdr. (C. prunellifolia DC., Bot. Reg. t. 1868, Mesp. Bosciana Spach. M., badiata Bosc., C. Crus galli prunifolia Lindl., T. et G. Dieſe Art iſt mit der vorigen ſehr nahe verwandt, der Baum iſt aber weniger dornig; Blätter dunkelgrün-mattglänzend; Früchte blaßroth, langgeſtielt, von feſter Conſiſtenz, wodurch ſie ſich von C. elliptica bei der Fruchtreife leicht un⸗ terſcheidet. 5 24) Crataegus Fontanesiana S. Schauer., Mespilus Fontanesiana Spach. in Ann. se. nat. III. 105. M. Crus galli Desf. H. Par. (non L.), M. elliptica G. et H. fremd. holz. t. 144, M. co- rallina Tausch, M. glandulosa Bosc. (non W.), C. Crus galli salicifolia DC. Prdr. Ein faſt immer⸗ grüner Strauch mit ablangen, nach beiden Seiten ſpitzen, glänzenden Blättern und dornigen Aeſten, der gegen unſere ſtrenge Winterkälte empfindlich iſt. Ich erzog meine Pflanzen aus authentiſchem Saamen, ſowohl von Spach als Tauſch, und fand, daß es nicht nur eine gute Spezies iſt, welche aus dem Wirrwarr hervorgezos gen worden iſt, ſondern auch, daß die obigen Synonyme zuſammenfallen. Er gehört wohl den wärmeren Staaten Nordamerika's an. 5 25) Crataegus pubescens Steudl. Mespilus pubescens H. B. et Kth. pl. q. VI. p. 213. tab. 555. (non Wendl.), C. subserrata Bth. pl. Hartwg. 47. Bei der Stadt Mexico, häufiger in Waldungen bei Jalapa. Die Früchte dieſes Baumes ſind gelb mit rothen Flecken, von den Einwohnern „Tecojote“ ges nannt, und werden zum Genuſſe in Mexico eingemacht aufbewahrt Die Blätter und Blüthen gleichen ſehr unſerm C. Crus galli mit ſchmalen Blättern. 26) C. stipulosa Steudl., Mespilus stipulosa H. B. et K. I. c., von den mexicaniſchen Cordille⸗ ren. Auch von dieſem Baume werden die Früchte genoſſen, iſt jedoch noch nicht eingeführt. Nach Herrn de Berghes, von welchem ich Exemplare geſehen habe, wird die Frucht „Tejocote“ genannt. 27) C. arborescens Ell. Sk. 1. 550, Torr. et Gray. Ein wehrloſer Baum mit lanzettförmigen, nach beiden Seiten ſpitz zulaufenden Blättern, welche an der Spitze zuweilen lappig getheilt und grob ſäge— zähnig ſind. Wächſt in Georgien. 28) C. aestivalis T. et Gray. Mespilus aestivalis Walt. C. opaca Hoock. et Arn. C. nudi- flora Nutt. Wächſt in Carolina, Georgien, Florida, Louiſiana und Arkanſas. Noch nicht eingeführt. 29) C. flava Ait. DC. Loud. arb. brit. III. 823. t. 31. Lindl. bot. reg. t. 1939. C. caroli⸗ niana Pers. C. caroliniana apiifolia ete. Trew. et Ehret. pl. rar. t. 17. Mesp. Trewiana Tausch. Regsb. bot. Zeit. 21. p. 716. C. turbinata Pursh. Wächſt an ſandigen, ſchattigen Stellen, von Virgi⸗ nien bis Carolina. Durch die ſtark glänzenden Blätter und ſchön gelben Früchte ein prächtiger, ſtrauchartiger Baum, der jedoch in Gärten ſelten iſt. Im Handel wird dafür meift C. punctata lutea verkauft. 30) C. elliptica Ait. DC. (C. Michauxii Pers. C. glandulosa Michx. (non alior) et var. ß minor T. et G. C. virginiana Lodd., Loud. arb. brit. III. t. 560. C. sputhulata Pursh, Bot. Reg. t. 1890. C. microcarpa Lindl. bot. reg. t. 1846. An überſchwemmten und ausgetrockneten Sümpfen, von Canada bis Carolina. ; 31) C. berberifolia Torr. et Gray. Ein kleiner Strauch mit fpatelsfeilförmigen Blättern, mehr: loſen Aeſten und zwei bis vier Blüthen an den Spitzen der Zweigchen. Früchte ziemlich groß. Wächſt in Louiſiana. 7 32) C. coceinea L., Bot. Mag. t. 3432, Bot. Reg. t. 1957, Wats. dendr, brit. t. 62, Pluck. phyt. t. 46. f. 2. In Wäldern und Hecken Canada's und auf den hohen Bergen Nord-Carolina's. Ein allgemein bekannter Baum, deffen Stamm oft einen Durchmeſſer von %, Fuß in unfern Gärten erlangt. Die Früchte werden von Menſchen und Thieren gern genoſſen, und iſt, da er ſehr gern und viel trägt, für Forſten anzuempfehlen. Torrey giebt davon mehrere Varietäten an, welche in Nord-Amerika vorkommen, auch an Kultur Spielarten fehlt es nicht. Die bemerkenswerthen find: A populifolia T. et Gray. C. populifolia Ell. mit kleinern, länger geſtielten Blättern, y oligandra T. et G. mit armblüthigen Dolden, o indentata Lodd. C. flabellata Bosc. M. odorata Wendl, fil., 8 maxima Lodd. mit ſehr großen ſchmackhaften Früchten. 33) Crataegus glandulosa Ait. Bot. Cab. t. 1612. Wats. dendr. brit. t. 58. Mesp. rotundi- folia Ehrh. Eine Form, die jedoch nur durch die größern Dornen abweicht, iſt 8 macroacantha Lodd. Bot. Reg. t. 1912. Von Torrey mit Unrecht zu voriger gezogen. Es iſt ein äußerſt dorniger gefährlicher Strauch und ſo dicht beäſtet und bewaffnet, daß man kaum die Früchte abnehmen kann; er iſt daher öfter zu Ahas anempfohlen worden. Sein Vaterland find die Alleghanies und das Felſengebirge Nord-Amerika's. Kelche ganz glatt. 34) C. viridis L. DC. (C. coccinea 8 viridis T. et Gr. Mespilus pruinosa Wendl. fil. in bot. Zeit. 6. 2. p. 701. C. spinosissima Hort. C. trilobata Lodd. Bot. Cab. t. 1100. C. flava g lobata Lindl. bot. reg. tab. 1932.) Ein viel verwechſelter Strauch, der im Allgemeinen mit C. coceinea viel Aehnlichkeit hat. Die Blätter find aber dreimal kleiner, meiſt dreilappig, die Früchte grün, etwas bereift, unterm Schnee gelbgrün und noch vollkommen feſt, welche Eigenſchaft nur noch zwei Arten, C. Crus galli und C. prunifolia, haben. Bei allen übrigen werden ſie teig oder weich. Stammt aus Carolina und iſt noch ſelten. 35) C. subvillosa Schrad. (C. affinis et acuminata Wender. Mesp. pubescens Wendl. fil. C. coceinea & mollis T. et G.) Ein raſch wüchſiger ſtrauchartiger Baum mit ſchöner eiförmiger Krone. Die Blätter ſind groß eingeſchnitten und ſehr ſcharf gezahnt und alle Theile reich behaart. Die Früchte ſind eiförmig drüſig, im unreifen Zuſtande ſtark behaart, ſpäter kahl, jedoch der C. coceinea ſehr nahe verwandt. 36) C. tomentosa L. (C. pyrifolia Ait. DC. Loud. arb. brit. t. 31. Lindl. Bot. Reg. t. 1877. C. flava Hook, 2 non alior, Mesp. Calpodendron Ehrh., M. cornifolia Poir., M. leucophleos Moench. In Gebirgswaldungen und an Felſen, an Ufern der Flüſſe, von Penſylvanien bis Carolina vorkommend. — Auch dieſe Art bildet einen ſtrauchartigen Baum mit langen, an beiden Enden ſpitzen, eiförmigen Blättern und gelben zottighaarigen Früchten. Es giebt eine Form davon mit glatten, tieffurchigen Blättern. 37) C. punctata Ait. Jacd. hort, vindb. 1. t 28. Wats. dendr. brit, t. 57. Mesp. cuneifolia Ehrh. C. latifolia DO. Ein Baum mit großen blaßrothen punktirten Früchten. Die Varietät aurea Pursh bildet einen mit weit abſtehenden weißrindigen Aeſten baumartigen Strauch; die Blätter ſind mehr gelappt, deren Fläche furchig gefalten, Afterblätter an den jungen Trieben ſehr groß, Früchte gelb, öfter mit einem Fleiſchwulſt am Stiele verſehen. Durch ſeine eigenthümliche Tracht giebt er dem Baumſchlage in Pflanzungen eine angenehme Abwechſelung im Charakter. Wächſt in Wäldern und Sümpfen Virginiens und Carolina's. 38) C. succulenta Schrad. C. Douglasii Lindl. Bot. Reg. t. 1810. C. sanguinea g Douglasii T. et G. am Oregon. Ein ſtarkdorniger Strauch mit eirunden, keilförmigen Blättern und rothen Trieben. Die Beeren werden nach C. nigra am erſten reif; ſie find dann durchſichtig, ſehr weich und ſüß, und können zu Mus wie die Hahnenbutten eingedickt werden. Die Vögel freſſen ſie gierig auf. Die Saamen keimen ſehr gut und es verdient dieſe Art ſehr verbreitet zu werden. 39) C. sanguinea Pall. fl. ross. t. II. (non W.) C. altaica Lodd., M. purpurea Poir. C. pur- purea Bosc. Wats. dendr. brit, tab. 60 Erſcheint zuerſt auf dem ſüdlichen Gebirgsjoche des Urals um Rhymnick, an den Flüſſen Irtiſch und vorzüglich am Ob, geht durch das ganze mittägliche Sibirien; er fehlt nirgends an den Ufern der hochgelegenen Flüſſe, daſelbſt an gebirgigen ſonnigen Orten, in Hecken u. ſ. w.; 304 kommt aber nicht in Nord-Amerika vor. Torrey zieht die vorige fälſchlich als Spielart hinzu, und obgleich nahe verwandt, zeichnet ſich dieſe doch durch die ſiebenlappigen Blätter, die größern Afterblätter u. ſ. w. gut aus. Die Früchte ſind etwas mehr länglich, meiſt vierſaamig und ſehr ſaftig (bei der vorigen von der Größe einer großen Erbſe); man hat auch eine Spielart mit braungelben Früchten. In ſeinem Vaterlande wird es ein Baum von 12 Fuß. 40) C. parvifolia Ait. Wats. dendr. brit. t. 65. C. uniflora Du Roi. Mespilus flexuosa Poir. M. axillaris Pers. C. tomentosa Michx. Ein kleines Sträuchchen mit hin und her gebogenen Zweigen, ſehr langen Dornen und einzeln ſtehenden Blüthen. Die Blättchen ſind keilförmig und ſtark filzig behaart. Wächſt in ſandigen, ſchattigen Gehölzen von Neu-Jerſey bis Carolina. Al) C. cordata Miller ie. t. 179. Lindl. bot. reg. t. 1151. Wats. dendr. brit. t. 63. M. acerifolia Poir. C. populifolia Walt. C. corallina Desf. M. Phenopyrium Ehrh. Ein ſehr eleganter Baum, von der Tracht einer jungen Birke oder Pappel; er zeichnet ſich vor allen durch Blätter, Blüthe und Früchte vorzüglich aus, daher als Standbaum auf Raſenplätze ſehr zu empfehlen. Er wächſt in Hecken und an abſchüſſigen Felſen von Canada bis Virginien. 5 Sectio IV. Pyracantha, Feuerdorn. 42) C. Pyracantha Pers. Schkuhr. t. 133. Schmidt oest. Baumz. t. 90. Lobel. ic. II. f. J. Pall. fl. ross. I. t. 13. f. 2. Barrl. pl. ie. t. 874. Duham. arb. 2. t. 20. n. 2. Feuerſtrauch, bren⸗ nender Buſch, kommt an Verzäunungen in den Bergen Savoyens, im öſtlichen Ligurien, im tauriſchen Cher- ſones vor, ſteigt im Kaukaſus ziemlich hoch hinan und tritt in einer Form noch im Himalaya auf = Pf cre- nulata Loud. Arb. brit. Mespil. crenulata D. Don. Es iſt ein ſehr äſtiger, immergrüner, dorniger, nie⸗ driger Strauch, der unſere Winter unter Schnee oder ſonſt einer geſchützten Lage gut aushält. Seine Früchte ſind brennend roth und bleiben über Winter hängen, daher der Name. Man vermehrt ihn leicht durch Stecklinge, ſo wie auch durch Saamen. Auch hängt man an die fruchttragenden Aeſtchen Töpfe an, um ſie alsdann als kleine niedliche Bäumchen zur Zierde den Winter über im Zimmer zu halten. Spach zog dieſe Pflanze zur Gattung Cotoneaster, und ſie zeigt ſich hier als Bindeglied zu dieſem Geſchlechte. Die Gattung Cotoneaster Medic., Quittenmispel, hat ſich in den letzten Decennien ſehr vermehrt. Alle Arten ſind dornloſe Sträucher im wärmeren Europa, Aſien, und in dem Hochlande Mexico's zu Hauſe, doch in letzterem nur ein Repräſentant. Faſt alle können als Zierſträucher benutzt werden; die kleinen nepale⸗ ſiſchen ſind aber im Winter zu überbauen, da ſie meiſt immergrüne Sträuchchen bilden. Beſſer iſt es, ſie in Töpfe zu pflanzen und in Frigidarien zu überwintern. Man kennt bis jetzt 19 Arten und dürften wohl noch mehre entdeckt werden. 1) Cotoneaster vulgaris Lindl. Mespilus Cotoneaster L. Schmidt, oest. tab. 89. G. et H. holz. t. 71. C. vulgaris ꝙ erythrocarpa Ledb. Pall. fl. ross. t. 14. fig. sinistra. C. uniflora Bunge in Ledb. fl. at. Ic. t. 269. Gemeine Quittenmispel, Zwergquitte, Steinmispel. Strauch von 3 bis 6 Fuß Höhe, auf ſonnigen Bergabhängen, Hügeln, felſigen, rauhen Gebirgsgegenden bis in die Voralpen durch Europa und das nördliche Aſien. In Britannien iſt nur ein Standort bekannt; ſteigt in den Karpathen hoch hinauf, in Schweden in den weſtlichen Gebirgsgegenden; auf dem Tenne-Berge, auch bei Wiken, gemein im Stifte Apperhan, ſteigt bis in die Gränze der Rothtanne, im Stifte Drontheim, auch bei Sknedalsporten 2181 Fuß über'm Meere und nicht nördlicher als Snaaſen in dieſem Stifte bemerkt worden. In Lappland erſcheint er auf den Inſeln zwiſchen Knäſäkuba und Kandala und am See Imandra; in Gebirgen Süd- und Oſt⸗Rußlands gegen den Kaukaſus und dem Anfange des Uralgebirges; kommt übrigens auf der ganzen Bergkette Sibiriens, der gemäßigten und ſubalpinen Region vor, daſelbſt beſonders an Felſen, ſonnigen Ab⸗ hängen u. ſ. w. Kommt ferner vor: auf dem Altai, dem ganzen Kaukaſus in der Region von 2400 bis 5400 Fuß hinauf, auch in Armenien und Perſien. Die Saamen laufen im nächſten Frühlinge, wenn man ſie im Herbſte gleich in die Erde bringt, gut auf, jedoch wachſen ſie ziemlich langſam. Um Felspartieen in Gärten zu bepflanzen, ſind dieſe Mispeln ſehr geeignet, auch bildet man ſehr zweckmäßig ganze Gruppen aus den verſchiedenen Arten. | 2) Cotoneaster laxiflora Jacq. fil. Bot. Reg. t. 1305. Bot. Mag. t. 3519. C. vulgaris mela- nocarpa Ledb., Amm. stirp. tab. 34. Pall. fl. ross. t. 14. fig. dextra. Mespilus melanocarpa Fisch. Dies ift Mespilus Cotoneaster der meiften Gärten und Floren. Der jüngere verftorbene Baron v. Jacquin hat fie zuerſt erkannt und beſchrieben und kann bei genauer Betrachtung gar nicht mit jener ver- wechſelt werden. Da es eine verwechſelte Pflanze iſt, ſo ſind ihre Standorte in den verſchiedenen Florgebieten noch nicht genau ermittelt; gewiß wächſt ſie in der Flora der Wetterau, im Herzogthum Naſſau; bei Jena, in Defterreich, im ganzen Kaukaſus, bis 6000, Fuß durch ganz Sibirien u. ſ. w. Auch Pallas Pflanze (efr. tab. 14. fig. dextra) gehört hierher, und nach der allgemeinen Beſchreibung ſcheint er auf ſeiner Reiſe auch C. Nummularia dafür gehalten zu haben. Der Strauch wird bis 5 Fuß hoch, ausgebreitet, und trägt an unregelmäßigen Trauben ſchwarze Früchte, durch deren Laſt die Zweige herabgebogen werden. 3) C. tomentosa Lindl. Wats. dendr. brit. t. 55. Mespil. coccinea W. et Kait. pl. hung. t. 256. Guimp. holz. t. 105. M. eriocarpa DC. fl. fr. Kommt auf abſchüſſigen, zertrümmerten Felſen der Gebirge und Voralpen in Oeſterreich, Salzburg, Tyrol, der Schweiz, in Würtemberg, in Schweden, am Felſen des Duttenthales bei Tuttlingen vor. Der Strauch ſieht dem vorigen in der Tracht ähnlich, doch ſind die Aeſte viel robuſter, die Blätter ſtumpfer, weißfilzig; die Früchte roth, filzig u. ſ. w. 4) C. multiflora Bunge in Ledb. fl. alt. II. p. 220. Ic. fl. ross. t. 274. Kommt im Kaukaſus faſt überall von 4800 bis 5400 Fuß vor; im altaiſchen und baikaliſchen Sibirien. Der Strauch ſieht dem C. laxiflora ſehr ähnlich; die Blätter ſind aber unterhalb nur wenig behaart und nicht filzig; die Früchte glatt, roth, zwei- bis dreiſaamig. Fehlt noch in Gärten. 5) C. Fontanesii Spach. Mespilus racemiflora Desf. In Gebirgen Frankrichs zu Haufe, Ein überaus zierlicher Strauch mit Doldentrauben und rothen Früchten. Die eiförmigen, ſehr ſpitzen Blätter, fo wie die aufrechten Doldentrauben, laſſen ihn leicht erkennen. Die Saamen keimen erſt im zweiten Frühling. 6) C. Nummularia Fischer et Meyer Index sem. h. Petrop. (non Lindl.) C. tomentosa C. A. Meyer (nec Lindl.) Aus dem Kaukaſus, woſelbſt er von 3000 bis 5400 Fuß hoch vorkommt. Von dem vorigen Strauche durch die runden Blätter, ſchlanken Zweigchen und ſchwarzbraunen Früchte leicht zu unterſcheiden; auch erſcheinen die Blüthen um 14 Tage früher. 7) C. Lindleyi Steudl. C. nummularia Lindl. (non F. et M.) An den Abhängen des St. Ka⸗ tharinenberges „Dſchebel-Katerin,“ 8168 F. über dem Meere, von Schimper 1835 gefunden. Dies iſt ein Gipfel des Tor⸗Sina oder Sinai-Gebirges, aus Kreide und Sandſtein beſtehend. Ueberhaupt folgen dieſe Pflanzen gern der Kalkformation, und Herr Profeſſor Unger nannte ſie daher kalkſteete. Dieſer niedliche Strauch fehlt noch in unſern Gärten; die Blätter ſind um die Hälfte kleiner, als bei voriger Art. Jedenfalls wird er gegen unſere Winterkälte etwas empfindlich ſein. 8) C. granatensis Boiss. Elench. 71. Voy. bot. en. Esp. tab. 60. Auf dem Gebirgszuge in Granada Spaniens. Ein Strauch von 12 bis 15 Fuß, mit runden oder elliptiſchen Blättern, glatten, birn- förmigen rothen Früchten und vielblüthigen Doldentrauben. Bis jetzt noch nicht eingeführt. 9) C. nevadensis Boissier. Von den höchſten der ſpaniſchen Gebirge, der Sierra Nevada, d. h. Schneegebirge. Fehlt noch in Gärten. 10) C. frigida Wall. Lindl. bot. reg. tab. 1229. Aus den Gebirgen Nepals. Die Blätter ſind eilanzettförmig, abfällig, unterhalb filzig; Blüthendolden vielblüthig. Ein baumartiger Strauch. 39 306 11) Cotoneaster affinis Lindl. Dieſer ausgezeichnete Strauch wurde von Dr. Wallich aus Klein: Nepal eingeführt, woſelbſt er, bei der Stadt Chittong im Gebirge gelegen, wächſt. Es iſt einer der ſtärkſten und höchſten unter ſeinen Verwandten; er treibt ſeine Schoſſe, in Menge dicht nebeneinander ſtehend, bis zu 10 Fuß gerade in die Höhe; dieſe tragen an ihren Seitenzweigchen ziemlich große Doldentrauben und im Herbſte ſchwarzbraune Früchte. In dem ſtrengen Winter 1844 zu 1845 erfroren die Pflanzen bis an die Erde ab, ſchlugen aber aus der Wurzel wieder aus; es iſt daher gut, ihn wenigſtens an der Wurzel zu decken oder ganz geſchützt zu pflanzen. 12) Cotoneaster acutifolia Turcz. Decad. pl. Chin. 11. Zwiſchen Steingerölle in der chineſiſchen Mongolei wachſend. Die Blätter find verkehrt-eirund oder ablang zugeſpitzt; Kelch und Blüthenſtiele filzig; Blüthen 1 bis 2, behaart. Fehlt noch in unſern Sammlungen. 13) C. acuminata Lindl. Transact. XIII. tab. 9. Bot. Cab. tab. 919. Auf den Gebirgen Ne⸗ pals. Dieſer Strauch iſt etwas zart und muß im Winter mit Laub oder Rohr bedeckt werden. Die Blu⸗ men ſtehen einzeln in den Blattachſeln und find unanſehnlich; die Blätter lanzettförmig, ſehr is; die Früchte roth, behaart. Dieſe fünf folgenden nepaliſchen Sträucher halten unſere Winter im Freien nicht gut aus; dagegen ſind ſie durch ihre kleinen lederartigen Blätter, ihre weißen Blüthen und rothen Früchte eine Zierde unſerer Frigidarien. 14) C. obtusa Wall. In den Gebirgen Nepals, der chineſiſchen Tartarei; nach Royle kommen viele dieſer faſt immergrünen Sträucher auf dem Gebirge, zwiſchen dem Sutdletſch und dem Ganges vor. 15) C. microphylla Lindl. Bot. reg. t. 1114. In Nepal. 16) C. buxifolia Wall. Aus Nepal. 17) C. baccillaris Wall. Aus Kamaon im Himalaya. Ein niedlicher Strauch, abgebildet in Lindl. bot. reg. t. 1229. 18) C. rotundifolia Wall. Lindl. bot. reg. t. 1187. Aus Nepal. 19) C. denticulata H. B. et Kunth. 6. 214. t. 556. Im Hochlande Mexico's an Felſen und Ge⸗ röllen. Es iſt dies die einzige Art, welche gezähnte Blätter hat und bis jetzt in Südamerika bekannt iſt; in Nordamerika iſt jedoch noch keine entdeckt worden, und ſie ſcheint alſo ganz iſolirt auf der Andes-Kette zu ſtehen. Außer den hier aufgezählten Gattungen giebt es noch viele in dieſer Familie, deren Repräſentanten aber unſere Winter nicht aushalten und nur als Glashauspflanzen behandelt werden müſſen. Jedoch um eine geo- graphiſche Ueberſicht zu bekommen, will ich dieſelben, ſo viel wie hier thunlich iſt, mit Namen und Vaterland aufzählen. Osteomeles Lindl., mit einer Art von den Sandwich-Inſeln. — Hesperomeles Lindl., die vier bis jetzt bekannten Arten ſind aus Peru, doch dürfte ſich dieſe Gattung noch an Arten vermehren, nach den Reiſeberichten unſeres wackern Landsmannes Hartweg zu urtheilen. — Eriobotrya Lindl.; hiervon iſt auch nur eine Art bekannt, welche in China und Japan zu Hauſe iſt und längſt unſere Winterhäuſer ziert. — Eine reichere Gattung iſt Photinia Lindl. Von den zehn Arten, welche bis jetzt bekannt ſind, kultiviren wir mehrere in unſern Conſervatorien, einige halten ſogar bei einer leichten Ueberbauung gelinde Winter aus. Sie theilen mit voriger und folgender Gattung gleiches Vaterland. — Rhaphiolepis zählt vier Arten. — Chamaemales Lindl. bildet einen Strauch auf Madeira. Stranvesia Lindl. aus Nepal mit einer Art. Faſſen wir nun die Totalität dieſer ſechszehn Gattungen in's Auge, ſo ergiebt ſich uns darin ein Reichthum als Material für den bildenden Gärtner, wie es nicht leicht in einer andern Familie zu finden iſt; auch der Nutzen, welchen die Früchte der Pomaceen geben, ift für einen großen Theil der Bewohner der Erde hoch in Anſchlag zu bringen. Ihre Hauptverbreitung erſtreckt ſich über Europa, ganz Aſien, Nord- und einen Theil Süd Amerikas. Im Ganzen folgen die Pomaceen den Gebirgszügen und den Ufern der Flüſſe und Bäche, welche aus denſelben entſpringen, bis in die Ebenen. So wie nun die europäiſchen Gebirgsketten eine Hauptrichtung von Oſten nach Weſten haben, ſo auch die Aſiens, und ſo wie dieſe beide Erdtheile in ihrer Erhebung über der Meeresfläche viel Aehnlichkeit haben, ſo haben ſie auch in dieſer Familie überall Vertreter. Im Altai, den dauriſchen Alpen, auf der ſibiriſchen Inſel Kamtſchatka, in dem Himalaya-Gebirge, Hinter- und Inner⸗ Aſiens, dem Kaukaſus und Taurus, ſind genau dieſelben Gattungen gefunden, als in den Karpathen, Pirenäen, in den Gebirgszügen der griechiſchen Halbinſel und den niederen Bergreihen Deutſchlands, den Sudeten, dem Erzgebirge, dem Thüringer Walde, dem Harze u. f. w. Die aſiatiſche Halbinſel Arabien und das ſyriſche Gebirgsland bergen mehrere Arten; vielleicht folgen ſie auch noch der Verzweigung des Atlas nach Nord-Afrika, doch iſt dies noch nicht evident erwieſen. In der Neuen-Welt ſind die ſüdlichen Cordilleren zwar auch mit Pomaceen bewohnt, doch treten ſie erſt recht im Hochlande von Mexico auf und verfolgen die nordamerikaniſchen Cordilleren in ihren Verzweigungen, den Rocky⸗ Mountains und den Ketten der Alleghanies, welche zugleich die Waſſerſyſteme des Miſſiſippi, des Mif- ſouri und des St. Lorenzſtromes, der großen canadiſchen Seen, ſo wie die Küſten der Hudſonsbay umfaſſen. Das arktiſche Amerika iſt in Hinſicht des Pflanzenwuchſes auch der arktiſchen Zone Europa's gleich, und wir finden daſelbſt ebenfalls viele Gattungen wieder. Es ſteht zu vermuthen, daß dieſe Familie noch mehr vermehrt werden wird; beſonders dürften in den Alpen China's noch viele Repräſentanten gefunden werden; die wenigen, welche wir aus China und Japan bis jetzt kennen, ſind, meiſt aus den Gärten der Chineſen oder aus denſelben entflohen, in der Nähe der beſuchten Städte gefunden worden. 39 * II. Abtheilung für Statiſtik, Geſchichte, Philologie und Pädagogik. 8 Bericht über die Arbeiten der Sektion für Statiſtik und National: Oekonomie, von Dr. Alexander Schneer, zeitigem Secretär derſelben. Unter allen Wiſſenſchaften iſt es vorzüglich die Statiſtik, die bei uns noch der Förderung bedarf. — Die Kenntniß der thatſächlichen Zuſtände des Landes iſt wenig verbreitet. Der nach allen Seiten hin erleichterte und vermehrte Verkehr bietet die Gelegenheit dazu, jene Lücke eines Wiſſens auszufüllen, welches zu erreichen nur das zuſammenwirkende Streben Vieler ermöglicht. Die Wirklichkeit der Zuſtände in der Provinz Schleſien aufzufaſſen und darzuſtellen, und die Kenntniß von dieſer Wirklichkeit zu berichtigen und zu verallgemeinern, erſchien eine nothwendige Konfequenz der Be- gründung der ſchleſiſchen Geſellſchaft für vaterländiſche Kultur. Die Statiſtik lag von Haufe aus in den Grenzen der Zwecke der Geſellſchaft. Ihre Einführung in die Räume dieſer Geſellſchaft war mit einem rege ren wiſſenſchaftlichen Leben in derſelben geboten. Mit der Statiſtik war zugleich die National-Oekonomie in dieſer Beziehung zu verbinden. Man nennt unſere Zeit die der materiellen Intereſſen, und mit Recht, wenn man unter dieſen ver⸗ ſtehen will, daß unſere Zeit nach der Freiheit ſtrebt, welche auf der Wohlfahrt der Völker begründet ſein ſoll. Bei einer ſolchen Auffaſſung der Dinge erſcheint es unumgänglich, das Studium der Wiſſenſchaft auszubrei⸗ ten, deren Geſetze jene Intereſſen beherrſchen, der National-Oekonomie, welche lehrt, wie jene Intereſſen ſich bilden, mehren und geſtalten. Die allgemeine Bewegung der ſachlichen Güter, welche Alles in Athem erhält, von dem kleinſten Hand— werker und von der armen Spinnerin des Gebirges an, bis zu den himmelanſtrebenden Werkſtätten des Flei⸗ ßes mit ihren dampfenden Keſſeln und Maſchinen, an den Kanälen und Eiſenbahnen, iſt keine Bewegung, welche einem launigen Schickſale unterworfen wäre. — Sie folgt den ewigen Grundgeſetzen der Geſellſchaft, welche ſelbſt zwar unwandelbar ſind, deren Anwendung aber dem Wechſel unterworfen iſt, den Grundgeſetzen, welche in ihrer Reinheit und Wahrheit darzuſtellen, Jahrhunderte verfließen mußten, ehe ihre Kenntniß zum Majorate der Staatsmänner vom Fache werden konnte. Wie wichtig jene Wahrheiten der National-Oekonomie find, zeigt das Beiſpiel von Preußen. Kraus und ſeine Schüler haben Preußens Flor in einer Unglücksperiode wieder hervorgerufen, indem ſie die Grund⸗ ſätze des Mannes zur Anwendung gebracht haben, welcher wegen feiner philanthropiſchen Richtung allen civli— ſirten Völkern angehört. ) E 310 Es iſt zwar richtig, daß es nicht Jedermanns Sache ſein kann, in die National-Oekonomie hinein zu pfuſchen; die Verwickelung der Intereſſen und die Verſchiedenheit der Kräfte, welche bei den ökonomiſchen Beziehungen im Spiele find, find von der Art, wie fie fi in den meiſten Staats: Angelegenheiten überhaupt zeigen. Es würde eben dahin führen, wenn ein Jeder ſich in die National-Oekonomie miſchen wollte, als wenn Jeder in bedenklichen Krankheitsfällen fein eigener Arzt fein wollte. Die National- Oekonomie iſt für die Völker, was die Phyſiologie für den menſchlichen Körper iſt. Aber eben ſo, wie es wünſchenswerth wäre — ſagt ein geiſtreicher Franzoſe — daß Jedermann mit den Regeln der Geſundheitslehre im Allgemeinen bekannt wäre, um über ſich die Herrſchaft zu üben, welche man, außer in ſich, nirgends findet, — eben ſo wünſchenswerth wäre es, daß jeder Kaufmann, Fabrikant, Handwerker und Grundbeſitzer, ſo wie jeder Verwaltungsbeamte, mit den Grundbegriffen der National-Oeko⸗ nomie vertraut wäre. ö f Die National-Oekonomie iſt eine wichtige und leider noch wenig verbreitete Wiſſenſchaft, und wir haben um ſo mehr Verpflichtung, für die Verbreitung ihrer Wahrheiten zu ſorgen, als die Einſicht in dieſelbe die beſte Schutzwehr gegen jene Ausgeburten des Wahns iſt, mit welchen man ſchon öfters verſucht hat, die nie— dere Volksklaſſe zu hintergehen. Die Erkenntniß der Wahrheit, daß die Arbeit, und nur die Arbeit, den Reichthum gewährt, daß bei dem Reichthume des lockenden Metalls es einem ergehen muß, wie jenem un⸗ glücklichen Könige der Fabel, dem ſich Alles in Gold verwandelte, was er anfaßte, die Erkenntniß von der Wahrheit des Reichthums durch und in der Arbeit, ſage ich, iſt das beſte Bollwerk gegen allen Unſinn des Kommunismus, und ſie iſt das beſte Mittel, um den Menſchen mit ſeinem Geſchicke zu befreunden, ſein Brot im Schweiße ſeines Angeſichts zu eſſen. Ich habe die Einführung der Statiſtik in die ſchleſiſche Geſellſchaft ꝛc. als mit einem regeren Leben in der Geſellſchaft nothwendig verbunden bezeichnet. Ein Gleiches wage ich, nach Anführung des Vorſtehenden, auch von der National-Oekonomie zu behaupten. 5 Die Geſellſchaft hat aber dieſes friſchere Leben mit ihrem thatkräftigen, wir können mit Stolz fagen, im In⸗ und Auslande rühmlichſt bekannten, Präſidenten wieder gewonnen. Ich hielt es für die Verpflichtung eines Jeden, welcher der Geſellſchaft angehört, und der in ſich die Kraft fühlt, an feinem Theile Etwas für die Förderung feiner Wiſſenſchaft zu thun, ſich in dieſen feinen Beſtrebungen an die ſo ehrenwerthe Korporation anzuſchließen, welche, ſelbſt mitten in den Drangſalen des Krieges, die Pflege der Studien nicht zu verabſäumen ſtrebte, und welche nunmehr unter ihrem geehrten Führer auch zu bedeutenderen Leiſtungen gelangen muß. Dieſe Motive veranlaßten mich, bei dem Präſidium der Geſellſchaft die Erlaubniß zur Bildung einer Sektion für Statiſtik und National-Oekonomie am 10. Januar 1847 nachzuſuchen. Das Präſidium ertheilte am 15. Januar 1847 ſeine Zuſtimmung hierzu, und in Folge deſſen erließ ich nachſtehende Aufforderung an mehrere Perſonen, die ich zur Theilnahme für geeignet hielt: „Seitdem das materielle Leben eine neue Grundlage geiſtiger Forſchung geworden, hat die Erkenntniß der thatſächlichen Zuſtände und die Wiſſenſchaft von der Entſtehung, Vermehrung und Vertheilung des Reiche thums eine früher nicht geahnte Wichtigkeit erlangt.“ „Bei den Franzoſen und Engländern ſind ſchon ſeit längerer Zeit Statiſtik und National-Oekonomie von wiſſenſchaftlichen Vereinen gehegt und gepflegt worden. Der ihnen eigenen Natur zufolge haben dieſe Disciplinen vorzüglich von Vereinen ihre Förderung zu erfahren, da namentlich die Statiſtik nur durch das Zuſammenwirken Vieler möglich iſt, die National-Oekonomie aber, in mehr als einer Beziehung, von der Statiſtik ihre Begründung entlehnt.“ „Soll die Geſellſchaft für vaterländiſche Kultur ihrer eigentlichen Aufgabe getreu bleiben, die verſchiede⸗ nen Zweige des Wiſſens zu fördern und dieſelben den Nichtgelehrten zugänglich zu machen, fo wird es inner: halb ihrer Beſtimmung liegen, ſich dem Bedürfniſſe der Zeit anzuſchließen und die Statiſtik und National: Oekonomie in den Kreis ihrer Beſtrebungen zu ziehen.“ „Von dieſen Anſichten ausgehend, erlaube ich mir, zur Begründung einer neuen Sektion für Statiſtik und National- Oekonomie in der ſchleſiſchen Geſellſchaft für vaterländiſche Kultur aufzufordern. Ich halte es für angemeſſener, älteren, beſtehenden Inſtituten friſche Keime des Lebens zu erhalten, als dieſe in neue Ge— ſellſchaften zu übertragen und fo die Kräfte zu zerſplitteru. Iſt erſt die Begründung der Sektion erfolgt, fo ſteht zu erwarten, daß viele Befähigte, welche der Geſellſchaft zeither fremd waren, ſich derſelben zuwenden werden; es find wenigſtens ſchon für jenen Fall mehrere Anmeldungen der Art bei mir eingegangen. Uebri— gens hat der verfaſſungsmäßige Vorſtand der Geſellſchaft ſich mit der projektirten Begründung der neuen Sektion einverſtanden erklärt.“ „Zu einer konſtituirenden Verſammlung der Sektion für Statiſtik und National-Oekonomie, ſo wie zur Wahl des Sekretärs, beehre ich mich, hierdurch auf Sonntag, den 24. d. Mts., Vormittags 11 Uhr, im Lokale der ſchleſiſchen Geſellſchaft für vaterländiſche Kultur ganz ergebenſt einzuladen.“ 5 Breslau, den 15. Januar 1847. Dr. Alexander Schneer. Die konſtituirende Verſammlung am 24. Januar c. genehmigte die nachſtehenden Statuten, welche die Beſtätigung des Präſidii am 30. Januar e. erhielten, und wählte den Unterzeichneten zu ihrem Sekretär. Statuten der Sektion für Statiſtik und Uational-Oekonomie. 9 1. Die am 24. Januar 1847 neu gebildete Sektion der ſchleſiſchen Geſellſchaft für vaterländiſche Kultur vereinigt ſich zu gemeinſchaftlichen Unterſuchungen der Statiſtik, insbeſondere der von Schleſien, und zu beleh- renden Vorträgen über Gegenſtände der National-Oekonomie. 92. Die Sektion für Statiſtik und National-Oekonomie iſt an die, unter dem 15. November 1809 und 30. Januar 1816 genehmigte Konſtitution der ſchleſiſchen Geſellſchaft für vaterländiſche Kultur gebunden, zur Erreichung ihrer beſonderen Zwecke aber hält ſie ſich an die nachſtehenden Beſtimmungen. „ Die Sektion wird durch einen Sekretär geleitet, von welchem und an den Alles, was die Sektion be- trifft, erpedirt wird. Zur Bearbeitung des ſtatiſtiſchen Materials ſtehet dem Sekretär eine Anzahl von frei⸗ willigen Mitgliedern zur Seite, von denen die Geſchäfte nach beſtimmten Abgrenzungen und gegenſeitiger Uebereinkunft übernommen werden. 94. Zur Herbeiſchaffung des ſtatiſtiſchen Materials wird die Sektion es verſuchen, ſowohl von den Landes— und Kommunal- Behörden Mittheilungen aus amtlichen Quellen zu erlangen, als auch in der Provinz mög⸗ lichſt viele, zuverläßige Sammler ſtatiſtiſcher Nachrichten zu gewinnen. NER Außer diefem Geſchäfte des Aufſammelns und Verarbeitens der Nachrichten über die ftatiftifchen Ver: hältniſſe der Provinz Schleſien, hat die Sektion noch den Zweck, eine größere Theilnahme für die wiffen: ſchaftliche Behandung der National-Oekonomie anzuregen und richtige Anſichten über Gegenſtände der Volks⸗ wirthſchaft in Vorträgen zu verbreiten. 312 9 6. Die Sektion hat wenigſtens alle Monate eine Sitzung, in welcher die Gegenſtände zum Vortrage kom⸗ men, welche die Sektion betreffen, und in welcher die, § 5 bezeichneten Vorträge zu halten ſind. 9 7. Die weſentlichſten Punkte der Beſprechungen und Vorträge in der Sektions-Verſammlung werden in einem Protokollbuche vermerkt, deſſen Führung dem Sekretär obliegt. Breslau, den 24. Januar 1847. Ita conclusum. Mitglieder der Sektion ſind gegenwärtig die nachſtehend Benannten: Sekretär: Regierungs- Aſſeſſor Dr. Schneer. Bartſch, Bürgermeiſter. Dr. Blümner, praktiſcher Arzt. Credner, Kaufmann. Graf Conrad v. Dyhrn, Gutsbeſitzer. Dr. Ebers, Geheimer Medizinal-Rath. v. Ebertz, Regierungs-Rath. Eichhorn, Regierungs⸗Aſſeſſor. Ewald, Regierungs- Aſſeſſor. Sifcher, Ferdinand, Juſtiz-Kommiſſarius. Frank, Kaufmann und Stadtrath. Friedländer, Kommerzienrath. Dr. Göppert, Profeſſor an der Univerfität. v. Sörtz, Juſtizrath. Hoffmann, Fabriken⸗Kommiſſarius. Hundrich, Ober⸗Landes-Gerichts-Präſident. Jacobi, Ober-Landes-Gerichts-Rath. Idzikowsky, Oberlehrer. Nämp, Rektor. Dr. Kalckſtein, praktiſcher Arzt. Koch, Geheimer Regierungs-Rath. Kraker, Geheimer Kommerzien-Rath. Dr. Fries, Profeſſor an der Univerſität. Dr. Krocker jun., praktiſcher Arzt. Ludwig, Regierungs⸗ Referendar. Baron v. Lüttwitz. v. Maſſow, Regierungs⸗Rath. Menzel, Konſiſtorial-Rath. v. Merckel, Regierungs⸗Rath. C. Milde, Fabrikant und Landtags Abgeordneter. Nowack, Redakteur der ſchleſiſchen Provinzialblätter. Olearius, Regierungs-Referendar. Pohl, Regierungs-Referendar. Schildener, Regierungs-Rath. Schneider, Kaufmann. Sohr, Ober-Regierungs-Rath. Starke, Ober-Landes-Gerichts-Präſident. Dr. Stenzel, Geheimer Archivrath und Profeſſor. Dr. CTülff, praktiſcher Arzt. v. Weigel, Gutsbeſitzer. v. Willich, Regierungs-Rath. Winter, Königl. Rendant. Am 2. März 1847 hielt demnächſt die Sektion ihre erſte Sitzung, und dieſelbe wurde von dem Sekretär derſelben mit dem folgenden Vortrage eröffnet: Ueber Lichte's Handelsſtaat. Johann Gottlieb Fichte hat uns in feinem geſchloſſenen Handelsſtaate, einem Anhange zu feiner Rechtsphiloſophie, das Beiſpiel einer von Deutſchland ausgehenden philoſophiſchen Utopie hingeſtellt. Die Vorrede der erſten Ausgabe iſt am 31. Oktober 1800 geſchrieben; ſie trägt alſo ein ſechs Jahre früheres Datum, als das Berliner Dekret vom 21. November 1806, mit welchem Napoleon den Anfang zu den Verordnungen über die Kontinental-Sperre gemacht hat. Der geſchloſſene Handelsſtaat von Fichte iſt zehn Jahre älter, als das Dekret vom 19. Oktober 1810 aus Fontainebleau, in welchem die Verbrennung und Vernichtung aller engliſchen Waaren angeordnet wurde. 313 Die Fichte'ſche Handelspolitik hat in dieſen Napoleoniſchen Maaßregeln wenigſtens theilweiſe ihre Ver⸗ wirklichung gefunden. Dieſe Handelspolitik iſt nur eine ſchwache Konſequenz der Grundſätze, die wiederum in den letzten Decennien im ſüdlichen Deutſchland ausgebreitet worden ſind. Zum Denkmale für Friedrich Liſt, dem nicht ungeſchickten Vertheidiger jener Prinzipien, wird jetzt überall geſammelt, und die Anerkennung, welche in jener Demonftration zur Feier des Merkantil-Syſtems und des Verfaſſers der internationalen Handelspolitik liegt, dieſe Anerkennung einerſeits, und andererſeits das allgemeine Drängen nach ſocialiſtiſchen Reformen, von welchen unſere Zeit erfüllt iſt, führt uns zur näheren Betrachtung des Werkes, in welchem die verwandten Richtungen bei ihrer äußerſten Grenze angekommen ſind. — Fichte's geſchloſſener Handelsſtaat ſteht in Verbindung mit dem ganzen Syſteme dieſes Philoſophen. Daſſelbe läßt ſich kurz als perſönlicher Idealismus bezeichnen. Realität hat nur das Ich; Alles, was Nicht Ich iſt, iſt Nicht Ichs, d. h. Nichts, Schein, Schatten. Dieſes Nicht-Ich bindet die Schranke, an welcher das Ich ſich entwickelt, und welche das Ich zu überwinden und in ſich aufzunehmen hat. Dies gilt in ſeiner vollen Ausdehnung nur vom abſoluten Ich, nämlich von Gott; das Nicht-Ich Gottes iſt die Welt, und Gott hat die Welt ſich nur e in der Abſicht, die Materialität derſelben endlich ganz in ſeine eigene Idealität aufzuheben. Dieſer perſönliche Idealismus wird durch die abſolute Reihe aller Perſönlichkeiten dargeſtellt; die einzelne Perſönlichkeit oder auch eine abgeſchloſſene Reihe von Perſönlichkeiten, alſo die bürgerliche Geſellſchaft oder ein beſtimmter Staat, kann ſich zu dieſem Idealismus nur annäherungsweiſe verhalten. Die einzelne Perſönlich— keit erreicht dieſen annähernden Idealismus am beſten, wenn ſie ſich eine Art von Selbſtbeſchränkung aufer— legt, d. h. wenn ſie nur das in den Kreis ihrer Herrſchaft zieht, was ſie vollſtändig zu bewältigen vermag. Hiernach wäre die Tendenz des Handelsſtaates von vornherein erklärt. Er ſtellt einen Staat auf, der ſich einzig und allein auf ſich beſchränkt und alle Beziehungen zum Auslande als nicht vorhanden anſieht. Schon durch den Titel des vorliegenden Werkes: „der geſchloſſene Handelsſtaat,“ werden wir an ein anderes, ähnlich benanntes, erinnert, an den „iſolirten Staat von Joh. Heinr. v. Thünen.“ Thünen geht in ſeinem Meiſterwerke: „der iſolirte Staat,“ von mehrfachen Vorausſetzungen aus. „Man denke ſich eine große Stadt, in der Mitte einer fruchtbaren Ebene gelegen, die von keinem ſchiffbaren Fluſſe oder Kanale durchſtrömt wird. Die Ebene ſelbſt beſteht aus einem durchaus gleichen Boden, der überall gleich kulturfähig iſt. In großer Entfernung von der Stadt endiget ſich die Ebene in eine unkultivirte Wildniß, wodurch dieſer Staat von der übrigen Welt gänzlich getrennt wird.“ Thünen nimmt dieſe von der Wirklichkeit abweichenden Vorausſetzungen nicht willkürlich und zwecklos, vielmehr erſcheinen ſie nothwendig, um die Einwirkung einer beſtimmten Potenz zu zeigen, von der wir in der Wirklichkeit nur ein unklares Bild erhalten, weil dieſe Potenz daſelbſt ſtets mit anderen, gleichzeitig wir— kenden Potenzen in Konflikt erſcheint. In dieſem Beſtimmen der Abſcheidung des Auslandes liegt das Ge— meinſame des iſolirten Staates und des geſchloſſenen Handelsſtaates. Der weſentlich verſchiedene Standpunkt beider Werke beruht aber hauptſächlich darin, daß Fichte den Zuſtand als Nothwendigkeit und Schluß ſeiner Ausführung hinſtellt, den Thünen nur als Annahme verlangt, um an dieſem Schatten Beweiſe zu liefern für die richtigſte Benutzung des Bodens und die beſte Einrichtung der Gewerbe, je nach der Entfernung von dem Abſatzorte. An den iſolirten Staat hat Thünen niemals den Anſpruch der Ausführung gemacht. Aeußerlich ver⸗ zichtete zwar Fichte gleichfalls auf jede Ausführung, und er ſagt: „er wolle nur durch Aufſtellung des Ge— ſetzes den rechten Maaßſtab zur Beurtheilung des Gegebenen vorhalten,“ aber es giebt mehr als einen Grund anzunehmen, Fichte habe innerlich ſeinen geſchloſſenen Handelsſtaat nicht für eine Fiktion, ſondern für eine Idee gehalten wiſſen wollen. Abgeſehen von dem Umſtande, daß das Werk dem Staatsminiſter v. Struenſee gewidmet worden, alſo den Behörden auf dieſe Weiſe indirekt zur Berathung und Prüfung empfohlen 40 werden ſollte, fo hat doch namentlich das dritte Buch des „geſchloſſenen Handelsſtaates“ die Aufgabe, die praktiſchen Mittel anzuzeigen, wie jener Schluß des Handelsſtaates zu bewerkſtelligen wäre. Fichte nannte überdies, wie uns ſein Sohn berichtet,“) den „geſchloſſenen Handelsſtaat“ ſein beſtes, durchdachteſtes Werk, und dies ſtimmt in Betracht des vorbezeichneten dritten Buches nicht ganz mit dem Verzichten auf jede Ausführung und mit der Hinweiſung darauf, daß das Allgemeingültige überhaupt nie als ſolches praktiſch ausgeführt, ſondern immer nur beſtimmten Verhältniſſen auf erfinderiſche Weiſe angepaßt werden müſſe. Der geſchloſſene Handelsſtaat beſteht aus drei Büchern und einer Einleitung. Die letztere ſpricht vom Verhältniſſe des Vernunftftaates zu dem wirklichen und des reinen Staatsrechts zur Politik. Das erſte Buch ſagt, was in Anſehung des Handelsverkehrs im Vernunftſtaate Rechtens ſein ſolle. Im zweiten Buche findet ſich die hiſtoriſche Betrachtung der Frage, nämlich eine kritiſche Abhandlung über die Zuſtände des Handelsverkehrs in den wirklichen Staaten. Das dritte Buch aber enthält die Politik, wie die Idee des erſten Buches zu realiſiren ſei. Als die wichtigſten Theile der Schrift erſcheinen uns hier das erſte und dritte Buch. Der geſchloſſene Handelsſtaat iſt heute ſchon ziemlich ungekannt; es wird daher nöthig ſein, das Weſentlichſte aus demſelben hier kurz herauszunehmen. Der Grundgedanke Fichte's iſt der, der Staat habe die Verpflichtung, nicht blos Jeden in dem Beſitz— ſtande durch das Geſetz zu ſchützen, in welchem man ihn findet, ſondern Jeden in den ihm zukommenden Beſitz erſt einzuſetzen. Der durch die Kunſt ſich der Vernunft annähernde Staat ſoll nun Jedem zu dem Seinigen verhelfen. Die Fichte'ſche Theorie vom Eigenthume bildet die Baſis der Entwickelung, es wird alſo jene zuerſt näher darzuſtellen ſein. Die gewöhnliche Irrlehre, ſagt unſer Autor, iſt die, daß man das erſte urſprüngliche Eigenthum in den ausſchließlichen Beſitz einer Sache ſetzt, das Eigenthum ſei aber ein ausſchließendes Recht auf eine beſtimmte freie Thätigkeit. Dieſe ſei zu charakteriſiren: 1) entweder nur durch das Objekt, auf welches ſie geht, z. B. das Recht, in und mit einem gewiſſen Bezirke alles mögliche vorzunehmen, was man irgend wollte, und das ganze übrige menſchliche Geſchlecht an jeder möglichen Modifikation dieſes Bezirks zu verhindern; 2) oder fie iſt zu charakteriſiren durch ſich ſelbſt, durch ihre eigene Form, z. B. das exkluſive Recht auf Betreibung einer Kunſt; 3) oder dieſes ausſchließende Recht auf eine freie Thätigkeit iſt zu beſtimmen durch ihre eigene Form und durch das Objekt, auf welches ſie geht, z. B. das Recht des Ackerbauers, auf dieſem Stücke Acker Getreide zu bauen. Somit findet in dieſer Theorie ein Eigenthum des Bodens gar nicht ſtatt. Die Erde iſt des Herrn, des Menſchen iſt nur das Vermögen, ſie zweckmäßig anzubauen. Dieſes ſo zu beſchreibende Eigenthumsrecht hat ſeinen Rechtsgrund, ſeine verbindliche Kraft lediglich im Vertrage Aller mit Allen. Jeder beſchränkt, da Alle gleich ſind, rechtlich die Freiheit jedes Andern um ſo viel, als dieſer die ſeinige einſchränkt. Welche be⸗ ſtimmte Sphäre der Thätigkeit Jedem ausſchließend verbleiben ſolle, darüber beſtimmt weder die Natur, noch das Rechtsgeſetz, ſondern lediglich die freie Willkür. Es iſt alſo ein Vertrag zu ſchließen. Aber nur gegen die Erlangung feines Antheils, und um dieſen ungeſtört zu erhalten, thut Einer Ver: zicht auf den Antheil aller Uebrigen. Wer Nichts ausſchließend zu eigen bekommen hat, hat auf Nichts Ver⸗ zicht gethan; er iſt in Abſicht des Rechts iſolirt, da er nicht mit gerechtet hat, und behält feinen urſprüngli⸗ chen Rechtsanſpruch. Wofür könnte er doch vernünftiger Weiſe Verzicht gethan haben, was könnte ihn doch vermögen, zu wollen, daß Jeder das Seine behielte, da Er nichts hat? — Nicht nur der Ackerbauer, ſon⸗ dern jeder Einwohner im Staate muß ein ausſchließendes Eigenthum haben. ) Joh. Gottl. Fichte's ſämmtliche Werke, herausgegeben von J. H. Fichte, Iter Band. Berlin 1845, S. XXXVIII. Das ausſchließende Eigenthum des Nicht: Aderbauers beſteht in der Garantie des Staates, daß er ſtets Arbeit und für dieſe den auf ihn kommenden Antheil von den Gütern des Landes erhalten ſolle. Dieſes ſind in Kurzem die Grundzüge der Fichte'ſchen Eigenthumstheorie; aus dieſen Prinzipien heraus iſt ferner der Ausſpruch zu beurtheilen: „Es iſt nicht im Rechte begründet, daß Einer an das Entbehrliche Anſpruch mache, indeß für irgend einen ſeiner Mitbürger das Nothwendige nicht vorhanden iſt, und womit der Erſtere das Entbehrliche und die Gegenſtände des Luxus bezahlt, während das Unentbehrliche dem Andern entzogen bleibt, das iſt gar nicht von Rechtswegen und im Vernunftſtaate das Seinige.“ Hier fällt die Fichte'ſche Lehre mit den Grundſätzen der Kommuniſten, oder, wie ſie ſich in neueſter Zeit in Frankreich nennen, der Materialiſten faſt kongruent zuſammen. Nur ein wenig weiter geht Proudhon, der ſchärſſte Kritiker jener Schule, indem er vom Eigenthume überhaupt fagt: „La propriété c'est le vol,“ während Fichte noch die Bezeichnung des Raubes vorſichtiger gebraucht. Fichte ſpricht von den Nicht- Acker⸗ bauenden und ſagt: „Sie ſind in jeder Rückſicht frei, ſowohl vom Geſetze als dem Rechte entblößt, ohne Regel, wie ohne Garantie, halbe Wilde im Schooße der Geſellſchaft. Bei der völligen Unſicherheit, in welcher ſie ſich befinden, bevortheilen und berauben ſie — zwar nennt man es nicht Raub, ſondern Gewinn — fie bevortheilen und berauben fo lange und fo gut, als fie es können, diejenigen, welche hinwiederum fie be= vortheilen und berauben werden, ſobald ſie die Stärkeren ſind.“ Aber bei aller Konſequenz Fichte's hat ſeine Theorie doch die Inkonſequenz, daß in ſeinem geſchloſſenen Staate überhaupt ein Akt des Privateigenthums ſtattfindet; Plato's Staat hingegen hat den Muth, die Perſon des Privateigenthums ganz zu entkleiden; Gemeinſchaft der Güter der Weiber und Kinder ſteigert im Platoniſchen Staate jenes „Alles für Alle“ bis zu ſeiner ſchärfſten Folge. Fichte aber iſt deshalb nicht ſo konſequent, weil es ſich ihm nur um den moraliſchen Menſchen handelt, daß alle Bürger ihr Auskommen ha= ben ſollen, und Fichte nicht eine abſtrakte Gleichheit unter ihnen einführen will, wie das der plumpe Kommu⸗ nismus beabſichtigt. g Was der Kommunismus durch Gewalt, und der Socialismus durch Organiſationen von Unten erſtrebt, das will Fichte größtentheils auch, aber er will es durch den Staat in ſeiner Geſchloſſenheit realiſiren. Ausgehend vom Eigenthumsrechte, als dem ausſchließenden Rechte auf Handlungen, keinesweges dem Rechte auf Sachen, argumentirt Fichte weiter: Die Sphäre der freien Handlungen wird durch einen Vertrag Aller mit Allen unter die Einzelnen ver⸗ theilt; die Theilung muß daher zuvörderſt ſo gemacht werden, daß Alle dabei beſtehen können. Leben und leben laſſen. Alle ſollen ohngefähr gleich angenehm leben können. Können, ſagt Fichte, nicht müſſen. Es muß nur an Jedem ſelbſt liegen, wenn Einer unangenehm lebt, keinesweges an einem Andern. Die beſtimmte Summe möglicher Thätigkeit und die aus derſelben erfolgende Annehmlichkeit des Lebens ſoll unter die beſtimmte Anzahl von Individuen vertheilt werden. Der Theil, der auf Jeden kommt, iſt das Seinige von Rechtswegen. Die Producenten haben ſich nun zu verbinden, um ſo viel Produkte zu gewinnen, daß nicht nur ſie ſelbſt, ſondern auch die im Staate vorhandenen und ihnen bekannten Künſtler ſich davon ernähren können, ferner, daß die Letzteren Stoff zur Verarbeitung haben. Es iſt hierbei ein Tauſch der Produkte und Fabrikate verabredet, ſo aber, daß man nicht blos tauſchen dürfe, ſondern daß man es müſſe. Damit hierbei nun beiden Ständen nicht Zeit- und Kraft- Verluſt entſtehe, tritt ein dritter Stand in die Mitte, der der Kauf: leute. Derſelbe tritt in den Vertrag mit ein, der nun 1) negativ iſt; keiner will in das andere Geſchäft und Gewerbe eingreifen; und 2) poſitiv dahin: beide Stände verſprechen, die für eigenes Bedürfniß überflüffigen Produkte und Fabrikate an den Kaufmann zu bringen und ihr Bedürfniß von ihm zu entnehmen. Die Pro⸗ ducenten und Künſtler haben Produkte gegen die Fabrikate und umgekehrt ſo abzulaſſen, daß die Künſtler eben ſo angenehm während der Verfertigung des Fabrikates leben können, als die Producenten während der Ge— 40 * 316 winnung des Produktes, und daß dem Kaufmanne ſelbſt fo viele Produkte und Fabrikate übrig bleiben, daß er, während der Beſorgung des Handels, eben fo angenehm leben könne, als der Producent und Künſtler. Die Regierung hat nun auf die Aufrechthaltung dieſer Verträge zu halten. Sie muß demgemäß I) nicht mehr Nicht-Producenten anſtellen, d. h. Künſtler, Kaufleute, Mitglieder der Regierung, Lehrer und Soldaten, als durch die Produkte des Landes ernährt werden können. Dieſe Zahl muß berechnet werden nach der Fruchtbarkeit des Bodens und der Zahl der Producenten. Daher muß 2) die Zahl derer, die ſich den Künſten widmen, nach eben dem Maaßſtabe von Zeit zu Zeit berechnet und jener Berechnung adaequat feſtgehalten werden. 3) Damit möglichſte Vollkommenheit erreicht werde, iſt Jeder durch Kunſtverſtändige zu prüfen. 4) Der in der Nation ſtattfindende Tauſch iſt zu berechnen und hiernach der Handelsſtand auf eine gewiſſe Zahl zu beſchränken. 5) Vom anzuſtellenden Kaufmanne iſt der Nachweis zu verlangen, woher er ſeine Waare ziehen will. Der für beſtimmte Artikel anzuſetzende Kaufmann hat die Verpflichtung, Jedem die ihm angetragene Waare abzukaufen, und Jedem, der ſie von ihm fordert, zu verkaufen. Er hat aber auch das Recht, den Vorrath von Producenten und Künſtlern in Anſpruch zu nehmen, und ſich dabei obrigkeitlicher Hilfe zu bedienen. Weil Produktion und Konſumtion ſo balancirt ſind, kann Nichts angeboten oder begehrt werden, deſſen Abſatz oder Ankauf nicht bald zu bewerkſtelligen wäre. 6) Die Regierung hat nach den obigen Grundſätzen ferner die Preiſe aller Gegenſtände zu beſtimmen und über dieſelben durch Strafe zu halten. Da der Staat über alles dieſes zu wachen hat, und dies nicht kann, wenn irgend eine Perſon auf dieſes Gleichgewicht Einfluß hat, die nicht unter ſeiner Botmäßigkeit ſteht, ſo muß die Möglichkeit eines ſol⸗ chen Einfluſſes abgeſchnitten werden. Aller Verkehr mit den Ausländern iſt den Unterthanen zu verbieten. Bedarf der Staat eines unvermeidlichen Tauſchhandels mit dem Auslande, fo hat den lediglich die Re⸗ gierung, wie den Krieg zu führen; jedem einzelnen Bürger iſt der Handel mit dem Auslande ſchlechthin un: terſagt. Für die Unterhaltung der Beamten, Lehrer und Soldaten, welche ihrerſeits durch Regierung, Lehre und Vertheidigung den übrigen Ständen ein Aequivalent geben, müſſen Abgaben ſtattfinden. Dieſe ſind ein unvermeidlicher Abbruch an dem Wohlſtande Aller, und dieſen Abbruch haben die Beſoldeten mit zu tragen, denn ſie werden nicht nach dem möglichen, ſondern dem wirklichen Wohlſtande der Nation beſoldet. Welcher Weg zu ihrer Aufbringung bei ſolchen Staatseinrichtungen genommen wird, erſcheint im Allgemeinen gleich⸗ gültig, da die Abgabe auf Alle zurückfallen muß. Der Tauſch von Manufakt gegen Rohprodukt, oder, da zur Berechnung alles Werths die Brodtfrucht genommen würde, der Tauſch gegen Brodtfrucht iſt unbequem. Da Geld nur ein Zeichen des Werths iſt, ſo kann vom Staate Alles, was er will, zu Gelde gemacht werden. Es kommt beim Gelde nur darauf an, daß es Jeder wieder ſo wie der Empfänger annehme. Da der Bürger eines geſchloſſenen Handelsſtaats nun wieder mit einem ſolchen Bürger in Verkehr tritt, fo kommt es bei einem ſolchen Landes: gelde, welches nur durch den Willen des Staats etwas repräſentirt, nicht darauf an, ob es im Auslande an⸗ genommen wird. Die Summe dieſer Geldzinſen iſt eben ſo willkürlich. Der Werth aller Waare iſt auf Korn zurückzuführen, hierzu die wirklich in den Handel zu bringende Menge des Korns zu rechnen, ſo erhält man den Werth aller im Umlauf befindlichen Waare, z. B. 1,000,000 Maaß Korn exiſtiren in Werthen im Staat, und es ſind 1,000,000 Stück Geldes gemacht, ſo hat das Maaß Korn einen Preis von 1 Stück Geldes oder 1 Thaler, eine dem Maaß Korn gleich zu achtende Quantität Fleiſch, Obſt zc. ebenfalls 1 Thlr. Die ſo gefundenen Preiſe ſind durch ein Geſetz feſtzuhalten. Die Summe des zirkulirenden Geldes kann, ohne anderwärts Unordnungen zu machen, ohne Aeauicstent, an Familienväter vertheilt werden, fo viel als auf jeden nach ſeinem Antheile kommt. 317 Das Kapitaliſiren ſoll nicht verhindert werden, denn dies gleicht ſich durch die gleichzeitige Verwen⸗ dung anderweitig geſammelter Kapitale wieder aus. N Der Schluß des Handelsſtaates ſoll ausgehen von einer kräftigen Aneignung deſſen, was Gutes und Schönes auf der Erde iſt, inſofern wir es uns zueignen können, deshalb muß eine Beſtimmung des Staates nach ſeinen natürlichen Grenzen ſtattfinden. 8 Hat jeder Staat das, was ihm gebührt, ſo iſt zu Streitigkeiten keine Veranlaſſung und ein dauernder Friede vorhanden. Alles Gold und Silber iſt ſodann außer Umlauf zu bringen und gegen das neue Landesgeld umzuſetzen. Zum Tauſch findet Nöthigung ſtatt. Vorher ſoll mit dem Volke über dieſe Maaßregel gar nicht berathſchlagt werden, denn dies erweckt nur Zweifel und Mißtrauen. Die Regierung hat nun alle ausländiſchen Waaren anzukaufen und von denſelben noch wenige Jahre hindurch eine immer zu vermindernde Einfuhr zu geftatten, um fo das Volk von allen ſolchen Bedürfniſſen zu entwöhnen. Im Auslande ift bekannt zu machen, daß in einer Präkluſiv-Friſt alle ſchwebenden Geſchäfte mit Inländern bei der Regierung anzumelden find; eben fo haben die Inländer Forderungen an Ausländer der Regierung zur Beitreibung zu übertragen. Die Regierung nimmt ſo alles Weltgeld in Gold und Silber in ihre Fonds und tauſcht es gegen Landesgeld ein, und bei den Beziehungen zum Auslande auch umgekehrt. Durch jenes Weltgeld hat ſie die Mittel in der Hand, von den Kräften des Auslandes zu leihen und zu kaufen, was ſie nur brauchen kann. Sie ziehe um jeden Preis große Köpfe in praktiſchem Wiſſen in das Land und bezahle ſie wie keine andere Regierung; ſie verſchaffe ſich auf dieſem Wege die Modelle des Auslandes, namentlich muß ſie aber die Produktion dahin leiten, Surrogate für die Waaren des Auslandes zu erzeugen. Aus dem geſchloſſenen Staate hat nur der Gelehrte und höhere Künſtler zu reiſen. „Der müßigen Neugier und Zerſtreuungsſucht ſoll es nicht länger erlaubt werden, ihre Langeweile durch alle Länder herum zu tragen.“ Denn nur die Wiſſenſchaft und die Kunſt hebt den Unterſchied der Völker auf und gehört dem Men— ſchen, nicht dem Bürger. Durch fie ſollen die Menſchen fortdauernd zuſammenhängen, nachdem die Völker in jeder andern Beziehung von einander zu trennen ſind. Dieſer Zuſammenhang allein iſt feſtzuhalten und durch Akademieen zu befördern. Fichte hat in der Grundlage des Naturrechts nach den Prinzipien der Wiſſenſchaftslehre“) ſchon einige Jahre vor Herausgabe des Handelsſtaates den Grundſatz aufgeſtellt: jeder Bürger müſſe allenthalben, wo es nöthig iſt, ſogleich anerkannt werden können als dieſe oder jene beſtimmte Perſon. Zu dieſem Ende verlangt er, Jeder müſſe immerfort einen Paß bei ſich führen, in welchem ſeine Perſon genau beſchrieben iſt; bei wichtigen Perſonen ſolle ein wohlgetroffenes Portrait im Paſſe befindlich ſein. Wir ſehen hieraus, daß eine ſtrenge polizeiliche Ueberwachung die Abſchneidung des Handelsſtaates vom Auslande bewerkſtelligen ſoll. So viel über den weſentlichen Inhalt der vorliegenden Schrift. Bei der näheren Prüfung ihrer Grundlagen wird es zunächſt darauf ankommen, die eigenthümliche Fichte ſche Eigenthumstheorie in's Auge zu faſſen, von der unſer Autor ſelbſt ſagt, daß, wäre fie falſch, auf welche ſich alle ſeine Behauptungen gründeten, das, was nichts weiter zu ſein begehrt, als eine Folgerung zugleich mit umfallen müſſe. Keine Rechtsgeſtalt iſt vorhanden, ohne ein Subjekt zu haben. Die unmittelbarſte Rechtsgeſtalt und der Anfang des Rechts iſt die Perſon. Das Ich, auf ſich ſelbſt bezogen, bildet die Perſon, ſie iſt der an und für ſich ſeiende Wille. Dem Ich, oder der Perfönlichkeit, ſteht die Welt gegenüber, und in ihr hat der Wille ſich zu realiſi⸗ ren, ſich im Beſonderen feſtzuſetzen. Dieſes Aeußere nennen wir Sache. Der Perſon iſt die Sache entgegen⸗ *) ſammtliche Werke. Berliner Ausgabe. Dritter Band. S. 295, geſetzt. Die Sache ift dasjenige, welches nur Prädikat der Perſon fein kann, und die Sache iſt nur infofern rechtlich vorhanden, als ſie die meinige, deinige, ſeinige iſt. Der Beſitz iſt das erſte Ergreifen der Sache durch die Perſon, und wie überhaupt der Beſitz die Grundlage des Eigenthums bildet, ſo iſt im Anfange alles Er⸗ werbes der Beſitz und das Eigenthum gleich, wenn auch in ſpäteren Stadien der Rechtsentwickelung der Beſitz erſt durch die Anerkennung zum Eigenthume wird. 5 Hegel fagt: Daß Ich etwas in meiner ſelbſt äußeren Gewalt habe, macht den Beſitz aus, fo wie die beſondere Seite, daß Ich etwas aus natürlichem Bedürfniſſe, Triebe und der Willkür zu der Meinigen mache. Die Seite aber, daß Ich als freier Wille mir im Beſitze gegenſtändlich und hiermit auch erſt wirkli⸗ cher Wille bin, macht das Wahrhafte und Rechtliche darin, die Beſtimmung des Eigenthums aus. Da im Eigenthume mir mein Wille als perſönlicher, ſomit als Wille des Einzelnen gegenſtändlich wird, ſo erhält es nothwendig den Charakter des Privateigenthums. Oder wie Hegel's Commentator hinzufügt: „Im Eigenthume iſt der Wille perſönlich, die Perſon aber iſt ein Dieſes: alſo wird das Eigenthum das Perſönliche dieſes Willens. Da ich meinem Willen Daſein durch das Eigenthum gebe, ſo muß das Eigenthum auch die Beſtimmung haben, als dieſe, das Meine zu ſein, und dies iſt die wichtige Lehre vom Privateigenthume.“ 0 Das Eigenthum iſt alſo weſentlich Privateigenthum, und es iſt ferner nicht Recht auf eine freie aus⸗ ſchließende Thätigkeit, vielmehr erſcheint die freie Thätigkeit nur als Mittel der Durchdringung der Sache durch die Perſon. Nach der Konſtatirung des Beſitzes oder Eigenthums erſcheint die Sache als mit mir identificirt, ich habe ſie, wie ich mich ſelbſt habe, ſie iſt Ich geworden, und weil meine Sache Ich geworden, kann ſie mir nicht genommen werden, ohne mich an einem Theile zu verletzen. Indem Fichte das Eigenthum in ſeiner eigenthümlichen Art, das ausſchließende Recht auch eine freie Thätigkeit nennt, ſchwebt ihm lediglich die Rechtsfiktion vor, welche den Bannrechten, exkluſive Zünften und andern Privilegien, zum Grunde liegen. Statt dieſe Quelle des Rechts als uneigentlich und ungeeignet zu bezeichnen, wie dies die meiſten neueren Geſetzgebungen gethan, zwingt er dem ganzen Rechtsverhältniſſe des Eigenthums jene dunkle Rechtsvorausſetzung auf. ö Nur eine ſolche Anſchauung des Eigenthums konnte den aus ihr entwickelten Folgerungen zur Grund⸗ lage dienen; iſt nun dieſe Grundlage, wie zu zeigen verſucht worden, ſelbſt unrichtig, fo erſcheint die Konſe— quenz ungerechtfertigt. Wir könnten ſomit hier unſere Betrachtung ſchließen; aber der geſchloſſene Handels: ſtaat beruht noch auf drei anderen Vorausſetzungen, nämlich den Fichte'ſchen Anſchauungen von der Natur des Kaufes und Tauſches, ſeiner Vorſtellung von der Natur des Geldes und ſeiner Anſicht von dem Verkehre mit dem Auslande überhaupt. Jeder Kauf iſt ein Tauſch. Der Tauſch beruht auf einer Uebereinkunft, bei welcher jeder Theil das, was er fortgiebt, geringer achtet, als das, was er erlangen will, bei dem alſo jeder Theil gewinnt. Wenn nicht Jedem eben der Gegenſtand, den er erhalten will, wichtiger wäre, als der, den er beſitzt und für ent— behrlicher hält, ſo würde er den ſeinigen behalten. Nur aus dieſen Vorausſetzungen heraus kommt der Tauſch zu Stande, der ein freiwilliges Abkommen iſt. An die Stelle des Tauſches von Waare gegen Waare tritt zur allgemeinen Erleichterung der gegen ein überall gültiges Zeichen eines Werths, der gegen Geld. Das weſentliche Moment des Tauſches iſt die freie Entäußerung eines Beſitzes gegen Erwerbung eines andern, beiden wünſchenswertheren, alſo auf dem beiderſeitigen Gewinn beruhend, enthält der Tauſch und Kauf ein nothwendig freies Geſchäft. Der Kauf und Tauſch beruht in der Freiheit des Verkehrs, in der Ungebun— denheit der Dispoſition; dies iſt ein Naturgeſetz, wie die eee der Körper durch die Wärme. Dem Naturgeſetze läßt ſich aber nicht widerſprechen. Wird jene Freiheit weggenommen, deren der Handel zu ſeinem Leben unbedingt bedarf, ſo erſtirbt dies Leben. Eine zwangsweiſe Entäußerung des Eigenthums gegen ein von Andern feſtzuſetzendes Aequivalent läßt ſich für den einzelnen Fall eines vorzüglichen allgemeinen Intereſſes zwar begründen, aber auf einer Expropria⸗ tionsfähigkeit aller beweglichen Güter den Verkehr im Allgemeinen begründen wollen, heißt, die Natur der Dinge nicht kennen, und Fichte beanſprucht Taxen für alle Dinge und die allgemein zu erzwingende Ueber⸗ laſſung von allen Gütern. Was die Natur des Geldes anbelangt, ſo erſcheint ſolche von Fichte einerſeits richtiger aufgefaßt, als ſie das alte Merkantilſyſtem hinſtellte, richtiger, denn Fichte meint nicht, daß Geld an und für ſich Reichthum ſei, ſondern er ſpricht es an als einen Werthmeſſer, als ein Zeichen von Gütern; andererſeits verkennt aber Fichte jene Natur des Geldes gar ſehr, wenn er annimmt, daß Alles willkürlich ohne allgemeine Zuſtimmug zum Gelde zu machen ſei. Geld iſt, was gilt. Das Geltende des Silbers und Goldes beruht ouf einem unter allen Menſchen geſchloſſenen ſtillſchweigenden Uebereinkommen. Das Glänzende dieſer Metalle, ihre Dauer, die faſt zur Unverwüſtlichkeit wird, ihre Brauchbarkeit zum Geſchmeide und Putz, ihre Schwere und Seltenheit, dieſes Alles zuſammen genommen, nächſt der althergebrachten Gewohnheit, haben jenes Ueberein— kommen erhalten und fortgeführt. Eine ſolche Gültigkeit in der Meinung läßt ſich aber nicht erzwingen. In dieſer Beziehung möge ein hiſtoriſches Faktum als Belag dienen, welches ich nach Schlözer's kritiſch hiſtoriſchen Nebenſtunden hier wiedergebe. Mongolen oder Kalmücken haben die Erfindung des Papiergeldes ſchon vor 500 Jahren gemacht, ha— ben ſie noch ungleich höher getrieben, als bisher irgend ein europäiſcher Souverain ſie zu treiben gewagt hat; haben ſie durch ihre Machtvollkommenheit in den Stand geſetzt, Geld zu machen, ſo viel ſie wollten, und ſie brauchten es, um ſich dadurch einem Joche zu entrücken, das bisher auf ihnen lag, ſo lange Geld in den edlen Metallen beſtand, die nur die Natur, nicht ſie produciren konnten. Im letzten Viertel des 13ten Jahr— hunderts wird unter Kublai, dem Eroberer von Sina, Dſchinkis Chans Enkel, dieſe Erfindung gemacht. Seine Aſſignaten mußten bei Todesſtrafe honorirt werden; damit dieſelben ſich nicht von der klingenden Münze trennten und im Kurs fielen, wurde aller Vorrath von klingender Münze abgerufen und völlig außer Kurs geſetzt. Auch ausländiſche Kaufleute durften keine anderen als Papiermünzen in Bezahlung nehmen. Da fie dieſe in ihrem Lande nicht brauchen konnten, fo waren fie genöthigt, für ihre Waaren wieder Landeswaaren einzutauſchen. Wie lange aber dieſes Papiergeld in Sina gedauert, weiß ich nicht, nur ſein Schöpfer Kublai mußte es wieder aufheben. — Kublai's Vetter Keigatu, Kaiſer in Perſien, der, nach gemeiner Art zu reden, im eigentlichen Verſtande es ſo weit gebracht hatte, daß ihm kein Fleiſcher mehr ein Pfund Fleiſch borgte, machte ſeinem Vetter Alles pünktlich nach. Aber Perſer waren keine Siner; ſchon nach zwei Monaten fand der König der Könige für gut, oder nöthig, ſeine vorigen Ukaſe ſelbſt zu widerrufen. Unter den Juen, nach der Vertreibung der Mongolen 1367, wurde es auf's Neue eingeführt, hatte aber auch diesmal keinen Beſtand. Dieſe wirklichen Papiermünzen, die das Verſprechen der Einlöſung durch baares Geld nicht enthielten, die alſo nicht als Repräſentant eines andern Werths-Repräſentanten betrachtet werden können, ſondern jenem Fichte'ſchen Landesgelde ganz gleich geachtet werden müſſen, dieſe Papiermünzen konnten ſich bei einem Enech- tiſchen und einem barbariſchen Volke bei Androhung der Todesſtrafe vor einem halben Jahrtauſende nicht halten! Es iſt wenig Ausſicht dazu, daß ſolche Finanzoperationen in den modernen Staaten der civilifirten Welt einen gaſtlicheren Boden finden möchten. Eben ſo wenig als Kublai und Keigatu Fichte's Ideal-Münze durchzuſetzen vermochten, eben ſo wenig konnte der mächtige Napoleon die, man möchte faſt glauben, nach Fichteſcher Anweiſung verordnete, Kontinen⸗ talſperre bewerkſtelligen. Das mächtige Band des wechſelſeitigen Verkehrs umſchlingt mit unwiderſtehlicher Gewalt die Völker. Alle Intereſſen vereinigen ſich, die Anſtalten zu Schanden werden zu laſſen, welche die Völker von den Völ— kern abſondern ſollen. Die Kontinentalſperre mit aller Tyrannei zur Ausführung gebracht, konnte, trotz der ungeheuren, dafür aufgewendeten Mittel, niemals wirklich erreicht werden. Das Kontinentalſyſtem wurde an ſich ſelbſt zur Lüge, und ein Gewebe von Lug, Trug und Beſtechung knüpfte ſich daran. 320 Frankreich hat dennoch Nutzen davon gezogen, wird man einwenden, die franzöſiſche Induſtrie hat ſich während der Kontinentalſperre grhoben, aber man möchte erwiedern: nicht, weil die Kontinentalſperre ſtatt⸗ fand, ſondern trotz dem, daß ſie eingerichtet wurde. Das Gedeihen wurde nur verurſacht durch jenes Befreien des Handels und Verkehrs von ſeinen früheren Beſchränkungen innerhalb des Kontinents. Die verſchiedenen Staaten Europa's wurden durch Eroberung oder Verträge denſelben Handelsgeſetzen unterworfen, ſie bildeten nur ein großes Volk von Producenten, und niemals hat ihre Thätigkeit und ihre Entwickelung einen höheren Aufſchwung genommen, als unter dem Einfluſſe jener vermehrten Freiheit des Verkehrs und jener Konkurrenz, welche ſie Alle belebte und anſpornte. So möchte ſich alſo gerade das Gegentheil von der Kontinentalſperre hier gegen den Schluß des Handelsſtaates anführen laſſen. Es liegt der Hauptfehler des geſchloſſenen Handelsſtaates, um es kurz zu bezeichnen, darin, daß er nicht von der wirklichen Natur der Dinge ausgeht. — Die Staatswiffenfhaften find zu allernächſt Erfahrungs: wiſſenſchaften, die Erfahrung wird nun genommen aus der Beobachtung der Thatſachen. Es iſt wahr, das Objektive der Thatſache wird uns nur zur Erfahrung durch das Subjektive unſerer Beobachtung und Auffaſ⸗ fung, es iſt aber eben die Aufgabe der Erfahrungswiſſenſchaft, das Subjektive mehr und mehr auszuſcheiden und zu der möglichſt abſoluten Objektivität ſich durchzuarbeiten. Der geſchloſſene Handelsſtaat hat nun un⸗ endlich wenig des objektiv Gültigen, er iſt eine aprioriſtiſche Deduktion, die auf ihrem Wege dahin anlangt, uns die chineſiſchen und japaneſiſchen Zuſtände als Muſterbilder vorzuhalten. Wir hätten zu unſerm Urtheil auch durch die Reduktion gelangen können, weil uns der geſchloſſene Handelsſtaat die Zuſtände von China und Japan, mit Beſchränkung aller Freiheit und tyranniſcher Gewalt durchgeführt, als das Eldorado erſcheinen läßt, kann er nur von falſchen Prämiſſen ausgehen. Der Verkehr der Völker mit einander iſt die älteſte und heilige Schule der Bildung und Geſittung, ihn zu erweitern, zu erleichtern, iſt das Streben der Welt-Entwickelung. Die menſchliche Geſellſchaft wird in ih⸗ ren Thaten und in ihrer Geſchichte von einem höheren, außerhalb der Geſellſchaft vorhandenen Rath gelenkt. Dieſer fortſchreitende Geiſt iſt größer als die Einſicht des Einzelnen. — Jener allgemeine Verkehr der Völker mit einander iſt ſo alt, als die Geſchichte, und trägt ſchon um deshalb ſeine Berechtigung in ſich. Aus die— ſem Verkehr und aus jenen materiellen Intereſſen heraus iſt ein neues geiſtiges Daſein im Erblühen, und es zeigt ſich hier wieder der von höherer Eingebung geleitete Inſtinkt der Geſchichte einſichtiger, als die Urweis⸗ heit unſerer Weiſen. So können wir denn unſere Betrachtungen über den Fichte'ſchen Handelsſtaat nur mit den Worten Schiller's ſchließen, der da ſagt: Einſtweilen, bis den Bau der Welt Philoſophie zuſammen hält, Erhält ſie das Getriebe Durch Hunger und durch Liebe. Ueber die anderweitigen Beſtrebungen der Sektion in Beziehung auf die National-Oekonomie ergeben die nachſtehenden Sitzungs- Protokolle das Nähere. In der Sitzung vom 30. März 1847 der ſtatiſtiſchen Sektion der vaterländiſchen Geſellſchaft hielt der Herr Stadtrath Scholtz einen Vortrag über die bisher angenommenen Prinzipien bei Entwerfung von Handels = Bilanzen. Es iſt bekannt, daß Statiſtiker, um die Handelsverhältniſſe, welche zwiſchen zwei Ländern ſtattfinden, die gegenfeitige Einfuhr und Ausfuhr dieſer Länder vergleichen, und dabei den Grundſatz annehmen, die Han— dels⸗-Bilanz ſei zu Gunſten des Landes, welches mehr Ausfuhr als Einfuhr nachweiſe. Man geht hierbei von der Vorausſetzung aus, daß der Unterſchied durch Baarſchaft ausgeglichen werden und alſo für die größere Ausfuhr das Mehr in baarem Gelde — Gold oder Silber — ins Land kommen müſſe. Obgleich 321 man längſt eingefehen hat, daß Gold und Silber eben nur Waare wie andere Metalle find, wenn fie auch einen höheren Werth haben, und auch überhaupt ſich gegen das angenommene Prinzip weſentliche Zweifel erhoben haben, ſo hat man doch auch in neueſter Zeit aus den entworfenen Handels-Bilanzen Folgerungen gezogen, welche auf die Handelspolitik einen großen Einfluß geübt haben. Es wird daher wohl nicht über— flüßig erſcheinen, dieſen Gegenſtand einer näheren n zu unterwerfen. Es kommen hierbei vorzüglich zwei Fragen in Betrachtung: Erſtens: Iſt die Folgerung, welche man aus dem Unterſchiede der Ein- und Ausfuhr zieht, eine richtige? Zweitens: Sind die Angaben der Zollregiſter und die Beſtimmungen des Werthes der Waaren richtig? Bei Unterſuchung der erſten Frage wird ſich indeß bald zeigen, daß die Annahme, der Unterſchied zwi— ſchen Einfuhr und Ausfuhr werde durch Baarſchaft ausgeglichen, eine ganz irrige iſt. Ein Handel nach dem Auslande würde nicht von Dauer ſein können, wenn nicht für die ausgeführten Waaren ein größerer Werth zurückgebracht würde. Man nehme an, eine Ladung von 100,000 Thaler Werth verkaufe ſich in Amerika für 150,000 Thaler und bringe dieſen Werth zurück, fo wird die Einfuhr um 50,000 Thaler die Ausfuhr über⸗ ſteigen, und der Gewinn würde dennoch vom Statiſtiker als Verluſt angeſehen werden. Verkaufte ſich dage— gen die Ladung mit Schaden, und die Rückladung betrüge nur 50,000 Thaler, fo würde dieß als eine fürs Land günſtige Handels- Bilanz betrachtet werden. Es iſt klar, daß jeder Verluſt zur See die Handels-Bilanz günſtiger ſtellen wird; denn für die ausgeführten Waaren, welche verloren gegangen, wird Nichts eingeführt. Mithin erſcheint dadurch die Ausfuhr immer größer gegen die Einfuhr. Wenn die Waaren auch verfichert ſind, und der Verluſt durch den Aſſuradeur erſetzt wird, ſo bleibt es doch immer ein Verluſt für das Land; denn es iſt gleich, ob der Kaufmann A — oder der Aſſuradeur B— den Schaden trägt. Sind die Waaren im Auslande verſichert, fo wird der Verluſt fürs Land zwar ausgeglichen, allein als ein Gewinn der Handels: Bilanz kann er nie betrachtet werden. Bei Waaren, welche im Lande der Ausfuhr einen verhältnißmäßig geringen Werth haben, aber wegen der darauf liegenden Fracht im Lande der Einfuhr einen höheren Ertrag liefern, wird der Unterſchied zwiſchen Einfuhr und Ausfuhr ſehr bedeutend ſein. Wir wollen als Beiſpiel anführen, daß ein Schiff von Newyork eine Ladung Mehl von 4000 Fäſſern nach Rio de Janeiro bringt, ſo wird zum Preiſe von 5 Dollars ein Werth von 20,000 Dollars aus den vereinigten Staaten ausgeführt. Das Mehl muß ſich in Rio, um Fracht und Gewinn zu decken, wenigſtens zu 9 Dollars Netto-Ertrag verkaufen, und alſo 36,000 Dollars betragen. Nimmt nun das Schiff dafür Zucker und Kaffee als Rückladung ein, ſo werden dieſe 36,000 Dol⸗ lars in den vereinigten Staaten ſchon der Fracht wegen 40,000 Dollars werth ſein. Es ſind alſo für 20,000 Dollars ausgeführt und für 40,000 Dollars eingeführt worden. Niemand wird aber glauben, daß der Unterſchied zwiſchen Einfuhr und Ausfuhr durch baares Geld ausgeglichen worden iſt. Ein ähnliches Verhältniß findet ſtatt, wenn Bretter und Bauholz von Norwegen nach England, oder auch Piepenſtäbe, Schiffsbauholz von Stettin nach Bordeaux geführt werden. Der Werth dieſer Artikel muß in England und Frankreich ein weit höherer ſein, als am Orte der Verſchiffung, und muß daher auch ein größerer Werth dafür zurückgebracht werden. Dieß wird mehr oder weniger mit allen Waaren der Fall ſein, wenn auch bei Artikeln von höherem Werthe der Unterſchied nicht ſo auffallend erſcheint. Am größten wird allemal der Vortheil für ein Land ſein, welches, wie in den hier angeführten Beiſpielen, einen Aktiv-Handel betreibt. Bei dem Mehlhandel nach Rio de Janeiro iſt das Geſchäft für Braſilien ein Paſſiv-Handel. Der Werth der Einfuhr gleicht ſich mit der Ausfuhr aus; denn es wird ohngefähr für ſo viel Zucker und Kaffee eingekauft, als das verkaufte Mehl beträgt. Der Gewinn an Fracht und am Mehl iſt Gewinn für die ver⸗ einigten Staaten. Das angeführte Beiſpiel iſt kein einzelner Fall, ſondern Hunderte von amerikaniſchen Schiffen betreiben dieſen Handel nach Braſilien und den weſtindiſchen Inſeln, ſo wie gegenwärtig auch nach 41 322 England. Alle dieſe Unternehmungen werden eine weit größere Einfuhr als Ausfuhr nachweiſen, und doch ohne Zweifel vortheilhaft für die vereinigten Staaten ſein. Bekanntlich ſenden die Nord- Amerikaner jährlich einige Hundert Schiffe nach der Südſee auf den Wallfiſch- und Robbenfang. Dieſe Schiffe nehmen als Ausfuhr nichts mit, denn die Schiffsproviſion kann nicht als ſolche gerechnet werden. Bei ihrer Rückkehr bringen fie aber reiche Ladungen an Spermati-Oel und Robbenfellen zurück. Es findet daher eine bedeutende Einfuhr, die mehrere Millionen Dollars beträgt, ſtatt. Wenn nun hierdurch die allgemeine Einfuhr ſo verrgrößert wird, daß ſie die Ausfuhr überſteigt, ſo iſt doch unmöglich anzunehmen, daß dieß für die vereinigten Staaten eine ungünſtige Handels- Bilanz ſei, und daß der Unterſchied durch Baarſendungen ausgeglichen werden müſſe. Holland, ſo wie auch einige deutſche Seeſtädte, ſenden Schiffe auf den Wallfiſchfang nach Grönland und in die Nordſee auf den Heeringsfang aus, wodurch gleichfalls die Einfuhr zum Vortheil des Landes, welches dieſe Unternehmungen macht, vermehrt wird, ohne daß eine Ausfuhr ſtattgefunden. Nur in den Ländern, wo Silber und Gold zu den vorzüglichſten Landesprodukten gehören, werden die Einfuhren größtentheils durch Baarſchaften ausgeglichen. Dieß iſt z. B. in Mexico, Peru, Chile und theil- weiſe in Braſilien der Fall. Aber in allen dieſen Ländern ſind Gold und Silber die natürlichen Produkte, wofür ſie andere Bedürfniſſe eintauſchen. Es iſt ganz gleich, ob für eine Million Kupfer und Eiſen aus Schweden, oder eine Million Silber aus Mexico ausgeführt wird. Beides ſind Landesprodukte. Nach den neueſten Berichten hat Rußland aus den kaiſerlichen und aus Privat- Bergwerken im Jahre 1846 über 1722 Pud à 40 Pfund (68,880 Pfund) Gold gewonnen. Dieß iſt ein Werth von beinahe 30 Millionen preußiſche Thaler. Wenn alſo Rußland auch einen Theil ſeiner Einfuhren mit Gold bezahlen müßte, ſo könnte dieß noch nicht als ein Nachtheil fürs Land betrachtet werden. Aus dem Vorhergehenden wird es jedoch ſchon hinlänglich hervorgehen, daß, der Natur des Handels nach, die Einfuhren eines Landes die Aus⸗ fuhren überſteigen müſſen, ohne daß dafür Baarſchaften ausgeführt werden. Der von den Statiſtikern anges nommene Grundſatz muß daher als ein irriger bezeichnet werden. Wenn wir uns zur zweiten Frage wenden, und unterſuchen, ob aus den Zollregiſtern und den nach dieſen entworfenen Handels-Bilanzen ſich der richtige Werth der Ein- und Ausfuhr ermitteln laſſe, fo wer—⸗ den wir finden, daß da, wo kein Schmuggelhandel getrieben wird, ſich wohl die Quantität der Waaren ziem⸗ lich genau, aber deren Werth nur ſehr unbeſtimmt angeben laſſe. Man wird ſehr bald nachweiſen können, daß Handels-Bilanzen, welche den Werth der Einfuhr und Ausfuhr bis auf einen Thaler angeben, doch um mehrere Millionen irrig und ſchwankend ſind. Um den Werth der durch den Zoll gegangenen Waaren zu beſtimmen, kann man drei Wege einſchlagen. Der Werth wird entweder vom Eigner der Waaren, oder vom Zollbeamten beſtimmt, wenn der Zoll vom Werthe erhoben wird, oder der Anfertiger der Handels-Bilanz nimmt die Preiſe der Waaren willkürlich an. Dieß Letztere wird immer der Fall ſein, wenn der Zoll, wie beim deutſchen Zollvereine, nicht vom Werthe, ſondern vom Gewichte oder Maaße erhoben wird. Das Zoll⸗ Amt hat da keine Verpflichtung noch Veranlaſſung, den Werth zu ermitteln. Man wird aber leicht einſehen, daß, wenn der Verfertiger der Handels-Bilanz willkürlich den Preis beſtimmen kann, große Irrungen ſtatt⸗ finden werden. Einige Beiſpiele werden dieß beweiſen. In einer Handels-Bilanz des Zollvereins, von Herrn v. Reden entworfen, wird der Werth der Wolle zu 28 Thaler pro Centner für Ein- und Ausfuhr angenommen. Herr Bierſack nimmt dagegen für die Ein⸗ fuhr 70 Thaler und für die Ausfuhr 80 Thaler an. Die Summen ſtellen ſich alſo folgendermaßen: Einfuhr: 141,788 Centner à 70 Thlr. = 9,925,160 Thlr. a 28 Thlr. = 3,970,064 Thlr. Ausfuhr: 150,729 Centner à 80 Thlr. 12,058,320 Thlr. a 28 Thlr. — 4,220,412 Thlr. Mehr Ausfuhr: 2,133,160 Thlr. 250,348 Thlr. Der angenommene Preis von 28 Thalern ift außer allem Verhältniſſe niedrig; denn ſelbſt die ſchlech⸗ teſte polniſche Wolle, welche auf unſere Märkte kommt, wird noch immer mit 30 bis 40 Thaler bezahlt. Allein obgleich die Preiſe von 70 Thalern für Einfuhr und 80 Thalern für Ausfuhr ſich der Wahrheit mehr nähern, fo geben fie doch noch keinen richtigen Maaßſtab ab, um den Werth des Wollhandels zu beftimmen. Der Preis von 80 Thalern für Ausfuhr kann als der niedrigſte der ausgeführten Wolle angenommen wer: den; denn die feinen Wollſorten gehen vorzüglich nach England, Frankreich und Belgien, und dieſe werden bis 100, 120 und 125 Thaler pro Centner bezahlt. Wenn wir alſo 90 Thaler als einen Durchſchnittspreis für die Ausfuhr annehmen, werden wir uns nicht ſehr von der Wahrheit entfernen. Der Preis für die Einfuhr möchte indeß bei 70 Thalern noch viel zu hoch angenommen ſein; denn, wie oben erwähnt, iſt die aus Polen eingeführte Wolle von geringem Werth, und wahrſcheinlich im Durchſchnitt nicht über 60 Thaler. — Nach diefen Preiſen würde ſich das Verhältniß zwiſchen Einfuhr und Ausfuhr noch um einige Millionen ändern. 150,729 Gentner Ausfuhr a 90 Thlr. = 13,565,610 Thlr. 141,788 Centner Einfuhr à 60 Thlr. = 8,507,280 Thlr. Differenz: 5,058,330 Thlr. Dieſe Berechnung ſoll keinesweges als eine ganz richtige gelten, ſondern ſoll nur zeigen, welche Diffe⸗ renzen bei den willkürlich angenommenen Preiſen entſtehen. Es iſt nicht möglich, ſelbſt aus den Preiskou— rants der Handelsplätze, einen richtigen Durchſchnittspreis für einen Artikel zu beſtimmen. Der Mittelpreis zwiſchen dem höchſten und niedrigſten giebt keinen richtigen Durchſchnittspreis. Es können zu den niedrigſten Preiſen ſehr große Quantitäten, und zu den hohen Preiſen nur ſehr wenig verkauft worden ſein. Bei Be— ſtimmung der Macktpreiſe des Getreides wird oft der Irrthum begangen, daß man nicht auf Preis und Quantität zugleich Rückſicht nimmt. Wenn der Werth der Waaren von den Zollbeamten beſtimmt wird, oder durch feſtſtehende Tarife fixirt iſt, ſo kann ebenfalls keine zuverläßige Handels-Bilanz entworfen werden. Ein Tarif wird vielleicht ein hal— bes Jahrhundert als Norm angenommen, ohne bei Veränderung der Preiſe abgeändert zu werden. In der Regel werden in den Ländern, wo der Zollbeamte oder der Tarif den Werth beſtimmt, die Preiſe der Waaren ſehr hoch angenommen. So nimmt der öſterreichiſche Tarif den Werth der Farbehölzer zu 10% Thlr. pro Centner an. Der Preis in Hamburg war indeß in den letzten Jahren ohngefähr: für Gelbholz 4 Mark Banco 4 Schill. — 2 ½ Preuß. Cour. für Blauholz 5 „ eee e e N; für Rothholz 11 „ Pr Sn am rd. 75 mithin durchſchnittlich kaum ein Drittel des Tarifs. Bei Gelegenheit eines Handelstraktates zwiſchen Spanien und Belgien wurde unter andern erwähnt, daß im ſpaniſchen Tarife ein Dutzend Scheeren, welche in Iſerlohn 2 Fl. Holländiſch koſten, zu 60 Real (7%, Fl.) valuirt find. Wird der Werth der Waaren vom Eigner durch Faktura oder Deklaration angege: ben, ſo wird derſelbe immer bedeutend unter dem wahren Werthe ſein. In den vereinigten Staaten wird faſt von allen Waaren der Zoll dem Werthe nach bezahlt. Die eingeführten Waaren müſſen von Fakturen begleitet ſein, welche am Verſchiffungsorte durch den amerikaniſchen Konſul beglaubigt worden ſind. Wenn die Fakturen auch zum wirklichen Koſtenpreiſe in der Fabrik ausgefertigt ſind, ſo werden ſie doch ſchon einen bedeutend niedrigern Preis angeben, als der Werth der Waaren bei der Landung in den vereinigten Staaten fein wird. Indeß find die Waaren weit niedriger in der Faktura geſtellt, und kann man zum Mindeften einen Unterſchied von 10 Procent annehmen. Dieß macht bei dem großen Handel der vereinigten Staaten eine Differenz von vielen Millionen in der Handels-Bilanz. — Selbſt wo der Zoll unbedeutend iſt, wird der Eigner der Waare durch eine niedrige Angabe an Zoll zu ſparen ſuchen. Zur Zeit, als der Leinwand: 41 * 324 handel in Schleſien in Flor war, zahlte man Y, Procent vom Werth bei der Ausfuhr, und dennoch wurde der Werth fo niedrig wie möglich angegeben. Leinwand, welche 10 Thaler pro Schock koſtete, wurde zu 6 und 7 Thaler angegeben. Wenn alſo die Zollregiſter eine Ausfuhr von 6 oder 7 Millionen angaben, ſo waren in der That für 10 Millionen Leinen ausgeführt worden. Da der Zoll ſo unbedeutend war, ſo waren die Beamten nicht ſtreng, den eigentlichen Werth zu ermitteln. Wenn aus dem Vorhergehenden erſichtlich iſt, wie ſchwierig es iſt, den Werth der Ein- und Ausfuhr eines Landes zu beſtimmen, ſo wird man auch auf große Hinderniſſe ſtoßen, wenn man die Quantitäten der Waaren ermitteln will, die nach dieſem oder jenem Lande ausgeführt worden ſind. England liegt uns zu— nächſt und iſt der Handel mit Deutſchland von großer Bedeutung. Wenn die Zollregiſter in England auch angeben, wie viel Waaren nach Hamburg oder Bremen verſchifft worden ſind, ſo wird man aus denſelben doch nicht erſehen, wie viel davon in die Länder des Zollvereines eingeführt worden ſind. Die Regiſter des Zollvereines werden z. B. die Ausfuhr der Wolle nach Hamburg angeben, werden aber nicht nachweiſen, wie viel von dieſer Wolle nach England oder Frankreich verſchifft worden iſt. Ein großer Theil der Waaren, die Deutſchland von England bezieht, geht über Rotterdam und Antwerpen, und wird daher die Ausfuhr aus England in den dortigen Zollregiſtern als Ausfuhr nach Holland und Belgien erſcheinen. Faſt alle Schiffe, die von London, Liverpool, Glasgow nach der Südſee gehen, werden nach Valparaiſo ausklarirt, weil dieß der erſte Hafen iſt, den die Schiffe in der Südſee berühren; allein der bei weitem größere Theil dieſer Ladungen geht nach Peru und ſelbſt nach den Häfen der Weſtküſte von Mexico, als: Mazatlan, Guaymas u. ſ. w. Es erſcheint daher eine große Ausfuhr nach Chile in den Zollregiſtern. Das Gleiche findet mit amerikaniſchen Schiffen ſtatt, wie auch mit deutſchen Schiffen, die von Bremen und Hamburg nach der Südſee gehen. Die amerikaniſchen Schiffe, welche ihre Ladungen in Chile und Peru verkaufen, nehmen gewöhnlich Dollars und Kupfer von Chile, und gehen damit nach China, wo ſie Thee einkaufen und damit nach Amerika zurückkehren. Es findet daher eine Einfuhr von China ſtatt, wogegen die Bolfregifter keine Ausfuhr dahin nachweiſen. Nach dem angenommenen Principe müßten die vereinigten Staaten den Werth dieſer Einfuhr durch Baarſchaft ausgeglichen haben. Wenn das Schiff auch baares Geld nach China gebracht hat, fo iſt dieß nur der Werth der Ladung, die es in Chile und Peru verkauft, womit es alſo den Thee bezahlt hat. Die Retouren, welche von Chile und Peru nach Europa gemacht werden, beſtehen zum größten Theil aus baarem Gelde (Dollars), Silberbarren und Gold. Da Schiffe von der Weſtküſte gewöhnlich zuletzt Val⸗ paraifo anlaufen und von dieſem Hafen aus die Rückreiſe nach Europa antreten, fo erſcheint die Einfuhr von Chile in den engliſchen Zollregiſteen auch ſehr bedeutend. Engliſche Kriegsſchiffe, welche die baaren Remeſſen zurückbringen, gehen gewöhnlich die ganze Weſtküſte entlang und ſammeln in den Häfen von Peru und Mexico (San Blas-Mazatlan) die Gelder. Wenn ſie nun zuletzt von Valparaiſo nach England gehen, erſcheint die ganze Summe als Einfuhr von Chile. Oft gehen die Schiffe auch noch nach Rio de Janeiro, in welchem Falle dann die Einfuhr als von Braſilien bezeichnet wird. Dieſe Remeſſen nach England ſind indeß nicht allein als Retouren für den engliſchen Handel zu betrachten, denn auch für einen großen Theil des franzö⸗ ſiſchen und deutſchen Handels werden die Retouren nach England gemacht. Dieß iſt beſonders der Fall, wenn ein engliſches Haus Vorſchüſſe auf die Ladungen aus Frankreich oder Deutſchland gemacht hat. Man wird leicht einſehen, daß unter dieſen Verhältniſſen es unmöglich iſt, zu ermitteln, wie viel die einzelnen Länder bei der geſammten Einfuhr und Ausfuhr betheiligt ſind. Es iſt bekannt, daß in Spanien baumwollene Waaren zum Theil ganz verboten, zum Theil mit einem ſo hohen Zoll belegt ſind, daß dadurch der Schmuggelhandel hervorgerufen wird. Nach einer Angabe in öffentlichen Blättern ſchätzte der ſpaniſche Konſul in Bordeaux den Betrag der in Spanien eingeſchmuggelten engliſchen Waaren auf mehr als 20 Millionen Dollars, und den Werth der aus Frankreich eingeführten Kontrebandwaaren auf 34 Millionen Franken. Wir laſſen es dahin geſtellt ſein, ob dieſe Angaben richtig find oder nicht; fo viel iſt aber gewiß, daß dieſer Kontrebandhandel viele Millionen beträgt, und daß weder die Zollregiſter von Frankreich und England, noch Spanien darüber etwas nachweiſen werden. Die von England nach Spanien zum Schmuggelhandel beſtimmten Waaren werden nach Portugal oder Gibraltar aus— klarirt, erſcheinen alſo gar nicht als Ausfuhr nach Spanien; es wird daher dem Statiſtiker ſchwer fallen, das Handelsverhältniß dieſer Länder aus den Zollregiſtern zu ermitteln. Als allgemeines Reſultat der vorſtehenden Bemerkungen können wir nun wohl mit Sicherheit anneh— men, daß das Princip, nach welchem die Handels-Bilanz zum Nachtheil desjenigen Landes ſei, deſſen Einfuhr größer iſt als die Ausfuhr, ein irriges iſt. Die ausgeführten Waaren müſſen am Orte, wo ſie verkauft wer— den, mehr werth ſein, als am Orte der Verſchiffung, und folglich muß dafür mehr zurückgebracht werden. Im entgegengeſetzten Falle würde der Handel nicht von Dauer ſein können. Wir können ferner mit Sicherheit annehmen, daß die entworfenen Handels-Bilanzen und die daraus gezogenen Folgerungen unrichtig ſind, weil ihnen falſche oder doch unſichere Werthbeſtimmungen und unzu— verläßige Zollregiſter zum Grunde gelegt ſind. Zum Schluß wollen wir noch einer Handels- Bilanz erwähnen, von welcher die Statiſtiker fo wenig wie die Zollregiſter Notiz nehmen. Es treten von Zeit zu Zeit Perioden ein, wo in entfernten Ländern ein größerer Begehr nach gewiſſen Waaren ſtattfindet. Die Folge davon iſt ein Steigen der Preiſe und demnach auch größere Zufuhren. Die Spekulation bemächtigt ſich des Marktes und treibt die Preiſe auf die höchſte Spitze. Bald iſt aber der Markt überfüllt, die hohen Preiſe vermindern den Conſumo, und natürlich fallen die Preiſe ſelbſt unter ihr natürliches Niveau. Die Käufer zu den hohen Preiſen können ihre Waaren nur mit großem Verluſte abſetzen, was ſodann große Bankerotte zur Folge hat. Der frühere ſcheinbare Gewinn geht wieder verloren, und dadurch ſtellt ſich wieder ein natürliches Gleichgewicht — eine Handels-Bilanz — her. In den vereinigten Staaten, ſo wie in Rußland, ſind dergleichen Kriſis öfters durch Ueberfüllung des Marktes mit Manufakturwaaren herbeigeführt worden. Der Getreidehandel iſt beſonders großen Schwankun— gen unterworfen, und iſt um ſo gefährlicher für den Spekulanten, weil der Artikel durch langes Lagern dem Verderben ausgeſetzt iſt und durch Speichermiethe viele Koſten verurſacht. Es ſucht daher Jeder bei einem überfüllten Markte die Waare ſo ſchnell als möglich los zu werden, wodurch das Sinken der Preiſe beſchleu— niget und der Verluſt vergrößert wird. In der Verſammlung vom 27. April 1847 erörterte der unterzeichnete Sekretär der Sektion die Frage: „Soll der Staat der übermäßigen Steigerung der Getreidepreiſe vorbeugen?“ Zuvörderſt wurde Verwahrung gegen die etwaigen Einwendungen der ſogenannten Praktiker eingelegt; die theoretiſche Beantwortung ſolcher Fragen ſei überhaupt unnütz; es handle ſich im Leben darum nicht, vom Standpunkte der Wiſſenſchaft die Dinge kalt anzuſehen, ſondern mit einer warmen Theilnahme für das Wohl der Menſchheit Hand anzulegen, um zu thun, was ſich menſchlicherweiſe thun ließe. Gewiß muß man vollkommen damit einverſtanden ſein, daß die Theilnahme der Humanität nie groß genug ſein kann; aber die ächte Liebe zu den Mitbrüdern wird ſich damit nicht begnügen, überhaupt zuzu⸗ greifen, daß denen nicht geſchadet wird, denen geholfen werden ſoll. — Es iſt aber gerade bei ſolchen Fragen, wie die vorliegende, fo leicht, durch eine Einwirkung Schaden, ſtatt Nutzen zu bringen, da ſelbſt unwich⸗ tig ſcheinende Maßregeln oft einen ſchwer wiegenden Erfolg haben, und dieſer Erfolg oft den Gegenſatz der urſprünglichen Anſicht zu Tage fördert. Die ſogenannte Praxis beſchränkt ſich auf den engen Kreis eigener Erfahrung, die Theorie aber zieht auch aus den Erfahrungen Anderer ihren Nutzen und ihre Lehren. Zum Gegenſtande ſelbſt übergehend, wurde darauf hingewieſen, daß ein ſtoßweiſe bald abwechſelnder, bald ſehr hoher, bald ſehr niedriger Preis des Getreides da eintreten muß, wo nur ſo viel Getreide gebauet wird, als das Land ſelbſt braucht. — Dieſem Uebelſtande hat man in Deutſchland in dieſem Jahrhunderte 326 durch Förderung einer erhöhten Produktion mit Erfolg entgegengearbeitet. Der Nutzen der Staats: Magazine läßt ſich in einzelnen Fällen nicht verkennen, indem ein Vorrath für mehrere Monate, beſonders unter Ver⸗ hältniſſen, wie ſie die Schweiz darbietet, allzu großer Theurung vorbauen kann. — Die Magazinirung zeigt ſich aber bei mehreren auf einander folgenden Mißernten durchaus unwirkſam, ſie verhindert eben ſo wenig im Intereſſe der Produzenten die zu niedrigen Preiſe nach einigen guten Ernten, als ſie den gar zu hohen nach ſchlechten Jahren im Intereſſe des Konſumenten vorbeugt. — Wenn aber das erſte ſchlechte Jahr ein tritt, ſo wird zwar die augenblickliche Noth gehoben, jedoch der Getreidepreis wird auch niedriger gehalten, als er nach Beſchaffenheit der Ernte ſein ſollte. Der Landmann hat alſo nicht die nöthige Einnahme, es fehlt ihm an Kräften, ſeinen Acker herzuſtellen, und wenn das Magazin aufgezehrt iſt, ſo entſtehen dieſelben Folgen bei wiederkehrenden ſchlechten Ernten, nur mit dem Unterſchiede, daß dieſe Folgen ſich um drei oder vier Jahre ſpäter, dann aber gerade durch die Konkurrenz der Magazine ereignen. Abgeſehen von dieſen allgemeinen Rückſichten, erſcheint die Sache auch finanziell unthunlich. — Ein Staats-Magazin für einen Jahresbedarf in Preußen würde ſchon den Betrag unſerer Staatsfhuld in An⸗ ſpruch nehmen, Zinſen, Aufbewahrungs- und Aufſichtskoſten, auch Schwand, würden eine ſo ungeheure Aſſe⸗ kuranz-Prämie gegen die Theurung ausmachen, daß, wenn die Theurung lange auf ſich warten ließe, die unerſchwinglichen Ausgaben und Verluſte den Staat zu Grunde richten müßten. Anders iſt es zu beurthei⸗ len, wenn die Regierung aus beſonderen Gründen, z. B. zur Selbſtverpflegung des Heeres, wie in Preußen, Getreide aufſchüttet. Solche Vorräthe, gelegentlich auch zu andern Zwecken benutzt, — namentlich zu wohl—⸗ thätiger Hilfsleiſtung, z. B. vorſchußweiſe Austheilung von Saamengetreide oder Unterſtützung von Armen, — können ſegensreiche Erfolge haben. — Dies aber iſt eine ganz andere Rubrik, als die, um welche es ſich handelt. Dies iſt Armenverpflegung, nicht eine ſtaatswirthſchaftliche Maßregel. In der letzteren Beziehung iſt das Magaziniren in einem, dem Handel und der Zufuhr zugänglichen Lande nicht blos unnütz, ſondern dem finanziellen Intereſſe des Staates entgegen und der Volkswohlfahrt ſchädlich. Eben ſo mußte, bei näherem Eingehen auf des Grafen v. Soden Plan eines ſogenannten Ideal-Ma⸗ gazins, dieſes verworfen werden, auch der Say'ſche Vorſchlag — durch Lieferungs-Verträge mit Handels: Geſellſchaften das ſelbſt gehaltene Magazin zu erſetzen — erſchien nicht zweckmäßig. Es mußte überhaupt das Magaziniren von Seiten der Privaten zu anderen Zwecken, als denen des wirklichen Handels, verworfen werden. Hieran reihte ſich die Beantwortung der Frage: „Soll der Staat, abgeſehen von dem Magazinweſen, nicht auf eine andere Weiſe den Kampf gegen die hohen Getreidepreiſe unternehmen?“ — Es wurde hier ausführlich durch eine Menge hiſtoriſcher Erfahrungen nachgewieſen, wie das Bevormundungs-Syſtem eben ſo wenig im innern Verkehr am Platze iſt, als es in Betreff des auswärtigen Verkehrs nützt. Es wurde nachgewieſen, wie jedes unmittelbare Eingreifen in das Getriebe des Kaufs und Verkaufs nur mit größter Vorſicht geſchehen dürfe, da es ſelbſt für diejenigen gefährlich ſei, zu deren Gunſten es ſtatt⸗ finden ſolle. So ließ z. B. der Magiſtrat von Lyon, während der Hungersnoth, die im Jahre 1775 in verſchiedenen Theilen von Frankreich ausbrach, Getreide auf dem Lande aufkaufen und in der Stadt billiger verkaufen. Der Erfolg der wohlgemeinten Maßregel war kein anderer, als daß die Hungersnoth ſtieg, denn die andern Verkäufer des Getreides blieben von einem Markte fort, auf welchem ihre Waare unter dem Werthe verkauft wurde, und es bewährte ſich der Satz, daß, je nothwendiger eine Waare, deſto weniger zu= träglich ihre Herabſetzung unter die Taxe. Ein Einſchreiten wird nur dann gerechtfertigt ſein, wenn die hohen Preiſe einem Mangel von Konkurrenz zuzuſchreiben ſind; dann aber wird ſich jenes Einſchreiten darauf zu beſchränken haben, die mangelnde Konkurrenz herbeizuführen, was allerdings ſeine Schwierigkeit findet, wenn fehlende oder ſchlechte Kommunikationsmittel den Verkehr und die Konkurrenz erſchweren. Es iſt daher noth- wendige Aufgabe des Staates, dahin zu wirken, nicht blos die leichtere Verbindung ſeiner Beſtandtheile mög⸗ lichſt zu befördern, ſondern auch bei Anſtalten, wie die Eiſenbahnen — bei denen durch die Sache ſelbſt ein Mangel gegeben iſt, — für die größte Billigkeit der Transporte durch niedrige Taxen Sorge zu tragen. — Ferner muß der Staat poſitiv dahin wirken, läſtige Bedingungen, ſonſt vortheilhafter Verträge, los zu wer— den, welche in Zeiten der Noth üble Folgen haben können, z. B. § 3 des Zollvertrages vom Jahre 1838, nach welchem aus polizeilichen Rückſichten die Getreide Ausfuhr aus den einzelnen Zollvereins-Staaten verz boten werden kann. Auch müßten ſolche Beſtimmungen aus den Tarifen entfernt werden, welche Einfuhr— verboten von Lebensmitteln gleich zu achten find, z. B. die Poſition von 2 Thalern für Mühlenfabrikate. Ueberhaupt müßte man dahin trachten, alle Zölle auf Lebensmittel aufzuheben, die doch nur einen finanziellen Zweck haben, und deshalb ungerecht ſind, weil ſie die Abgabe nicht nach der Leiſtungsfähigkeit, ſondern nach Köpfen vertheilen. Am zweckmäßigſten wäre es, die Einwohner des Landes an den Genuß verſchiedener Le— bensmittel zu gewöhnen, und in Theurungsjahren die Einfuhr billiger Tropengewächſe, z. B. der Paradies⸗ feige, zu verſuchen, von der ein Morgen Landes 212,000 Pfund gebe, während er nur 1600 Pfund Ge⸗ treide bringe. Endlich iſt es aber wünſchenswerth, daß die Statiſtik ſich der Sache annehme und ihr dadurch förder— lich werde, den Vorrath und Bedarf jedes Jahres genau zu ermitteln. Hierdurch wird am erſten einer un= begründeten Furcht vor Theurungen vorgebeugt, und dieſe Furcht iſt gewöhnlich der wirkſamſte Hebel zur Steuerung der Preiſe. Es ergab ſich in Summa das Reſultat: 1) der Staat habe ſich jeder direkten Einwirkung, mit ſehr ſeltenen und geringen Ausnahmen, auf die Verhütung übermäßiger Getreidepreiſe zu enthalten, und es könne ihm 2) nur überlaſſen werden, auf unmittelbare Weiſe der Sache dadurch förderlich zu werden, daß er die Hinderniſſe hinwegräumt, welche einer natürlichen Regelung der Verhältniſſe im freien Handel und Verkehr entgegenſtehen; man müſſe ſich aber 3) überhaupt hüten, wie Say ſagt, ſchlechte Geſetze oder ſchlechte Anordnungen zu machen, weil man ſchlechte Witterung gehabt habe. In der Verſammlung vom 8. Juni 1847 der Sektion hielt Herr Profeſſor Kries einen Vortrag: „Ueber das Prinzip und die praktiſche Anwendung der Einkommeuſteuer,“ in folgender Weiſe: Es beſteht ein weſentlicher Unterſchied zwiſchen dem Vorhaben, nur einen Theil des Staatsbedürfniſſes in der Form einer Einkommenſteuer zu erheben, und der Anſicht, daß das Einkommen der zureichende und einzig gerechte Maaßſtab zur Vertheilung der geſammten Staatslaſt ſei. Zu jenem Zweifel hat die Einkommenſteuer in verſchiedenen Ländern gedient: dagegen dieſe Anſicht ſich auf kein Beiſpiel der Erfahrung zu ihrer Begründung beziehen kann. Es iſt vielmehr leicht einzuſehen, daß für unſern gegenwärtigen Zuſtand der Geſellſchaft die Vertheilung der geſammten Staatslaſt unmittelbar auf die Kontribuenten nur lediglich nach dem Maaßſtabe ihres Einkom— mens unaus führbar iſt. In dieſem Falle würden nämlich auch die unteren — minder wohlhabenden — Klaſſen der Geſellſchaft von der Einkommenſteuer keinesweges frei bleiben können; hier aber müßte jeder Ver⸗ ſuch, das wirkliche Rein-Einkommen der Kontribuenten zu ermitteln, bei der großen Zahl derſelben, der unter ihnen noch weit verbreiteten Naturalwirthſchaft, und bei der andererſeits mangelnden Bildung, noth— wendig ſcheitern. Wo aber die Erfahrung in einem klaren Widerſpruche mit den Lehren einer Theorie ſteht, iſt dies ein erheblicher Grund, an der Richtigkeit derſelben zu zweifeln. Auch zeigt ſich der Grundſatz, daß die Steuerlaſt lediglich nach dem Einkommen zu vertheilen ſei, zu— nächſt unſicher, wenn man ihn anwenden will. Es entſteht nämlich die Frage, ob denn auch ſchon ein Einkommen zu beſteuern iſt, welches eben nur hinreicht, das Daſein nothdürftig zu friſten; ob ein höheres Einkommen nach dem gleichen Procentſatze wie das Niedere zu beſteuern iſt, oder nach einem ſteigenden; ob 328 endlich Einkommen von dem gleichen Betrage gleichmäßig zu beſteuern ift, ohne Rückſicht auf die Quelle, woher es ſtammt; ob z. B. aus perſönlichen Leiſtungen oder Eigenthumsrechten. Bei näherer Prüfung ergiebt ſich, daß der Begriff, Einkommen (Rein-Einkommen), auf Beziehun⸗ gen und Vorausſetzungen beruht, welche vernachläßigt werden, wenn man denſelben als Maaßſtab der Steuervertheilung benutzen will. Einkommen wird gedacht mit Beziehung auf Ausgabe; ſoll das Einkommen Maaßſtab der Steuervertheilung werden, ſo kann nur das Einkommen eines gewiſſen Zeitabſchnittes, z. B. eines Jahres, verſtanden werden, und man unterſtellt, daß die Bedürfniſſe dieſes Zeitabſchnittes von den Ein⸗ nahmen deſſelben zu beſtreiten ſein werden. Dieſe Vorausſetzung iſt aber gerade bei der zahlreichſten Einwoh— nerklaſſe — der minder wohlhabenden — irrig, indem z. B. der Arbeiter, wenn er ſich ſein ganzes Leben ſelbſtſtändig und von der Unterſtützung Anderer unabhängig erhalten will, einen Sparpfennig ſammeln muß für Krankheit und Unglücksfälle, ſo wie für ſein Alter u. ſ. w., und ähnlich ein Familienvater zu bedenken hat, daß mit dem Heranwachſen der Kinder die Erziehungskoſten zu ſteigen pflegen, nicht aber auch die Einnahme u. ſ. w. f Hiernach muß jede Vertheilung der Steuer, welche nur auf die Einnahme Rückſicht nimmt, ohne auch die Verhältniſſe der Ausgabe zu beachten, nothwendig ungerecht werden. Auch von einer andern Seite her erweiſt ſich das erwähnte Prinzip als unhaltbar, wenn man nämlich auf die Wirkung der Steuer achtet. Die Laſt, welche dem Steuerpflichtigen durch die Erhebung einer gewiſſen Geldſumme auferlegt wird, kann weſentlich erhöht oder vermindert werden, je nachdem man die Form der Erhebung erwählt. — Die Einkommenſteuer macht die Vorausbeſtimmung der Termine und Raten nothwendig, welche bei Entrichtung der Steuern einzuhalten ſind, und es bleibt hierbei unmöglich, die beſonderen Verhältniſſe der Steuerpflichtigen, welche nicht zu jeder Zeit gleich zahlungsfähig find, zu berückſichtigen. — Die hieraus entſpringende Beläſti⸗ gung iſt um ſo größer, je bedeutender die Steuer im Verhältniſſe zur ganzen Einnahme iſt. Im Gegenſatz hiervon iſt es ein Vorzug anderer Steuerformen, insbeſondere der ſogenannten indirekten, daß ſie dem Steuer⸗ pflichtigen einen gewiſſen Spielraum laſſen, feinen Beitrag nach Maßgabe feiner jedesmaligen Zahlungsfähig- keit zu entrichten. — Ingleichen wird bei Erhebung einer Einkommenſteuer nicht darauf Rückſicht genommen, daß die verſchiedenen Bürger durch ihre Privatthätigkeit nicht gleichmäßig die öffentliche Wohlfahrt fördern, während andere Steuerformen allerdings die Mittel gewähren, innerhalb gewiſſer Grenzen den Genuß zu belaſten und gemeinnützige Unternehmungen zu ermuntern, mindeſtens von Abgaben zu befreien. Endlich iſt beſonders darauf Rückſicht zu nehmen, daß derjenige, welcher eine Steuer zahlt, ſie darum noch nicht allein trägt, wie denn von den beſtehenden Steuerformen faſt durchgängig ausgeſagt werden kann, daß ſie nicht allein, noch auch immer vorzugsweiſe den belaſten, welcher ſie zunächſt entrichtet. — Auf weſſen Schultern die Laſt zuletzt liegen bleibt, hängt von allgemeinen Verkehrsverhältniſſen, ſittlichen und politiſchen Zuſtänden ab, und läßt ſich zwar mit Hilfe der Erfahrung und Beobachtung im vorliegenden Falle einigermaßen beurtheilen, niemals aber mit Sicherheit vorherſehen, geſchweige denn feſtſtellen. Nachdem ſo der Beweis verſucht war, daß die Anſicht, welche in dem Einkommen den zu— reichenden und allein gerechten Maaßſtab der Steuervertheilung findet, nicht haltbar ſei, behielt der Vortragende ſich die Behandlung der zweiten Frage: „Ob und unter welchen Umſtänden die Einkommenſteuer zur Beſchaffung eines Theils der Staatsbedürfniſſe benutzt werden könne?“ für eine ſpätere Verſammlung vor. In der Verſammlung der Sektion vom 23. November 1847 hielt der Sekretär d. S. einen Vor⸗ trag „über Differenzial⸗Zölle.“ 329 In demfelben wurde, von einer Geſchichte des Merkantil-Syſtems ausgehend, deſſen Urſprung bei den Venetianern und deſſen Ausbildung bei den Spaniern nachgewieſen, zugleich das Uebereinſtimmende der Col— bert'ſchen Maaßregel mit jenem Syſteme hervorgehoben. Das Merkantil-Syſtem iſt nirgends fo konſequent und fyftematifh, als in Preußen — von dem Jahre 1764 ab, beinahe ein halbes Jahrhundert lang — durchgeführt worden. — Die traurigen Reſultate deſſelben zeigte der Proteſt des General-Fabriken-, Acciſe- und Zoll-Departements, dem ſich die Berliner Fa: brikanten anſchloſſen, als im Jahre 1807 Eſtève in Berlin die freie Einfuhr franzöſicher Waaren, gegen mäßige Zollabgaben, forderte. Schon 1802 hatte der König von dem Miniſter v. Struenſee ein Memoire über die Zölle verlangt; 1807 erfolgte auf die allgemeine Beſchwerde der Kaufleute: „Die Magazine ſeien leer,“ eine durchgreifende Aenderung des preußiſchen Zolltarifs, mit dem Vorbehalte der gründlichen Reviſion deſſelben nach wiederher— geſtellter Ruhe. Die Regierungs-Inſtruktion von 1808 enthält ſodann ſehr merkwürdige Grundſätze über das Zollwe— ſen, welche in Betreff deſſelben, wie in Beziehung auf alle anderen Reformen der Verwaltung, von der Wiſ— ſenſchaft entlehnt wurden. Die Berathungen des Staatsraths, 1817 und 1818, bei der ſtattgehabten Reviſion des Tarifs, ſtell⸗ ten den Grundſatz des Gouvernements feſt, daß man ſich zu einer gemäßigten Handelsfreiheit hinzuneigen habe, und ſo entſtand das Geſetz vom 26. Auguſt 1818, um welches Grundgeſetz ſich der Zollverein ſchaarte. Dies war in Preußen und auf dem deutſchen Boden vorausgegangen, als Friedrich Liſt mit ſeiner Handelspolitik auftrat, deren Grundzüge ſich ſchon im franzöſiſchen Tarif von 1664 finden. — Durch ihn und ſeine Anhänger ſind die Begriffe von Schutzzöllen wieder gangbar geworden, und mit ihnen wurde die Frage über Differenzial-Zölle von Neuem erhoben. — Der irrige Vorwurf, welcher bei der Verhandlung jener Fragen gegen die herrſchende Schule der National-Oekonomie erhoben wurde, — ſie wolle von einem Schutze der Induſtrie überhaupt nichts wiſſen, — wurde widerlegt. — Eben ſo wurde das Ungerechte des Vorwurfs gegen das geltende Zoll-Syſtem dargethan, indem der Tarif fogar für eine Menge von Artikeln einen Schutz gewähre, deſſen Satz das urſprünglich beabſichtigte Maximum des Zollſatzes — 8 ½ Procent vom Werthe — weit überſchritte. — Uebrigens wurden an dieſer Stelle noch die Beſtimmungen der Kabinets-Ordre vom 20. Juni 1822 und die des belgiſchen Vertrages vom 1. September 1844 näher erwähnt. Auf die, durch die letztgenannten Geſetze angebahnten und eingeführten Differenzial-Zölle eingehend, wurden dieſelben als Zölle definirt, welche auf Schiff oder Ladung, je nach der Nationalität der Schiffe oder dem Urſprunge und Bezuge der Waaren, ungleich aufgelegt werden. Sie begünſtigen entweder die nationale oder gleichgeſtellte Flagge gegenüber der fremden, oder ſie begünſtigen beſtimmte Handelswege. Endlich wurden die verſchiedenen Differenzial-Zoll-Projekte von Friedrich Liſt, von dem königlichen Handelsamte, von dem handelspolitiſchen Teſtament und von Bülow-Cummerow entwickelt, auch daran eine Ueberſicht über die Petition des Fürſten Lichnowsky und des Abgeordneten v. Heyden-Cartlow, bei dem ver— einigten Landtage geknüpft. Eine fernere Behandlung des Gegenſtandes wurde einem weiteren Vortrage vorbehalten. In der Verſammlung der Sektion vom 7. December 1847 ſetzte der Sekretär d. S. ſeinen Vortrag vom 23. v. Mts. „über Differenzial⸗Zölle“ fort. Es wurde eine ausführliche Deduktion pro et contra Differenzial-Zölle gegeben, deren Beweisführung ſich auf eine Menge ſtatiſtiſcher und hiſtoriſcher Thatſachen ſtützte, die nur im Zuſammenhange betrachtet und nur in ſolchem als beweiſend erachtet werden können. Dieſe Deduktion führte zu den Schlüſſen: 42 330 1) daß Differenzial-Zölle als Hebel zur Förderung des Handels und der Schifffahrt im Großen und Ganzen ſich nicht bewährt haben; 2) daß ihrer Einführung bei uns die beſondern und eigenthümlichen Verhältniſſe unſeres Handels und unſerer Schifffahrt entgegen ſtehen; 3) daß endlich unſer Handel und unſere Schifffahrt in einer ſo naturgemäßen Entwickelung begriffen ſind, daß in denſelben überhaupt eine direkte Förderung durch künſtliche und zu Verwickelungen führende Experimente der Finanz-Geſetzgebung nicht räthlich und zweckmäßig erſcheint. Nach Beendigung des Vortrages fand die auf heute anberaumte Wahl des Sekretärs ſtatt, und es wurde durch Stimmenmehrheit der unterzeichnete bisherige Sekretär für die neue Etatszeit wieder gewählt. Anmerk. Dieſe beiden Vorträge ſind abgedruckt in dem Central-Archiv für das Gewerbe-, Handels- und Finanz⸗ Weſen. Erſter Band. Aktenſtücke, betreffend die Differenzial-Zollfrage. Herausgegeben von Alexander Schneer. Jena, bei Frommann, 1848. N Was die Beſtrebungen der Sektion in Beziehung auf die Statiſtik anbelangt, fo hat ſich die Sektion an die verſchiedenen königlichen und Kommunal- Behörden, wie auch an diejenigen Geſellſchaften gewendet, bei welchen eine Ausbeute an ſtatiſtiſchem Material zu erlangen war. Mit dankenswerther Liberalität iſt der Geſellſchaft, beſonders von den königlichen Behörden und den Eiſenbahngeſellſchaften, begegnet worden. Die drei königlichen Regierungen der Provinz haben in den Amts⸗ blättern Bekanntmachungen erlaſſen, in welchen ſie zur Unterſtützung unſerer Beſtrebungen auffordern. Von den königlichen Regierungen ſind der Geſellſchaft alle, bei denſelben aufgeſammelten ſtatiſtiſchen Tabellen bereits mitgetheilt oder doch wenigſtens zugeſagt worden. Das königliche Juſtiz-Miniſterium hat die Obergerichte der Provinz unterm 26. Juni d. J. autoriſirt, die Prozeß- und Unterſuchungs-Tabellen der Sektion mitzutheilen. Das königliche Konſiſtorium hat unterm 19. Mai d. J. in einem Circulare an die Superintendenturen die Förderung der Beſtrebungen der Sektion der Geiſtlichkeit der Provinz empfohlen. Wenn die Sektion für alle dieſe Zeichen freundlicher Unterſtützung ihren Dank hiermit auszuſprechen verpflichtet iſt, ſo kann ſie andererſeits auch nicht unterlaſſen, anzuführen, daß derſelben nicht überall auf gleiche Weiſe entgegegenkommen worden. Namentlich iſt derſelben von einer großen Zahl der Magiſträte der Provinz, an welche ſie ſich am 18. März d. J. gewendet hat, um die jährlichen Kämmerei-Extrakte zu erlangen, nicht einmal eine Antwort bis jetzt zu Theil geworden. Andererſeits haben einzelne Kommunen, namentlich Polkwitz und Herrnſtadt, im übereinſtimmenden Beſchluſſe von Magiſtrat und Stadtverordneten eine Veröffentlichung ihrer Kämmerei— Verhältniſſe ausdrücklich verſagt. — Mittelwalde hat Mittheilungen abgelehnt, weil die Kämmerei— Extrakte von geringem Intereſſe wären, und leider hat auch der Magiſtrat von Görlitz ſich auf eine Stufe mit den vorbenannten Städten geſtellt, mit der Angabe, „daß bei der in vielfacher Hinſicht in der Umge— ſtaltung begriffenen, beſonderen Lage der Kämmerei-Verhältniſſe dem Wunſche der Sektion nicht nachgekom⸗ men werden könne.“ Nachdem die Thüren zu den Sitzungszimmern der Stadtverordneten durch ein königliches Geſetz geöff— net worden, indem der Grundſatz zur Anerkennung gekommen iſt, unter dem Schutze der Oeffentlichkeit kein dauerndes Uebel, ohne Oeffentlichkeit kein dauerndes Wohl, entſpricht ein ſolches Verfahrtn der ſtädtiſchen Behörden dem Bewußtſein der Zeit und der Geſetzgebung von der nothwendigen Entwickelung des kommuna— len Lebens nicht. . Die Sektion iſt mit mehreren Geſellſchaften des In- und Auslandes in Verbindung getreten. Die nachfolgende Bearbeitung einer Statiſtik der ſchleſiſchen Gymnaſien mag eine Probe davon fein, daß die Sektion die Statiſtik nicht auf ein nacktes Zahlenweſen reducirt wiſſen will, ſondern meint, daß es die Aufgabe der Statiſtik ſei, ein wahres Bild des Lebens zu geben. Schneer. Demerkungen über die ſchleſiſchen Gymnafien und Mealſchulen, von Franz Idzikowski. Von der Ueberzeugung ausgehend, daß man in allen Verhältniſſen, in denen man wirken ſoll, das kennen müſſe, was iſt, um es mit dem vergleichen zu können, was geſetzlich und nach dem Stande der be— treffenden Wiſſenſchaft ſein ſollte, ſuchte ich die ſchleſiſchen höheren Unterrichts-Anſtalten, an deren einer ich Mitarbeiter bin, nach allen Seiten hin kennen zu lernen. Ich ſtudirte zu dieſem Zwecke die ſämmtlichen, vom Miniſterium und dem Provinzial-Schulkollegium erlaſſenen Verordnungen und Inſtruktionen, und wendete mich dann, da es unmöglich war, die einzelnen Anſtalten aus eigener Anſchauung kennen zu lernen, zur Durchſicht der öffentlich herausgegebenen Programme. Aus dieſen Studien ging nun eine Arbeit hervor, die ich urſprünglich für eine Gymnaſial-Zeitung beſtimmte, und die darum auch, da das mit Recht Beſtehende als in dieſen Kreiſen hinreichend bekannt vorausgeſetzt werden konnte, nur das umfaßte, was mit den beſtehen— den Verordnungen und einer geſunden Pädagogik unvereinbar ſchien. Wenn ich nun auch, aufgefordert von dem Herausgeber dieſer Blätter, jene Notizen in ein mehr ge— ordnetes Ganze zuſammenſchmolz, ſo iſt dennoch der urſprüngliche Charakter des Aufſatzes vorherrſchend geblie— ben, da ich in der letzten, jeden Menſchen nach ſo vielen Seiten hin in Anſpruch nehmenden Zeit, unmöglich zu einer Vervollſtändigung der Arbeit die nöthige Muße finden konnte. — Vielleicht nimmt der nun konſti— tuirte ſchleſiſche Provinzial-Verein für das höhere Schulweſen Veranlaſſung, eine umfaſſende Arbeit der Art zu liefern. ö Schleſien hat, auf 742 Quadratmeilen und 3,035,871 Einwohner, 25 gelehrte Schul-Anſtalten, unter denen ſich 12 evangeliſche, 8 katholiſche Gymnaſien, I Ritter-Akademie und 4 Realſchulen befinden. Die Ritter⸗Akademie zu Liegnitz, fo wie die Realſchulen zu Breslau und Görlitz, habe ich zu den evangeliſchen Anſtalten gezählt, da ſie nur evangeliſche Lehrer im Lehrer-Kollegium und meiſt nur evangeliſche Schüler zählen, die Realſchule zu Neiße dagegen zu den katholiſchen, da nur ein Lehrer, der in neueſter Zeit auch noch entfernt worden iſt, evangeliſch war und die meiſten Schüler der katholiſchen Konfeſſion angehören. — Die Realſchule zu Görlitz konnte ich nicht überall mit in Betracht ziehen, weil ich nur ein Programm von 1847 bekommen konnte, während ich alle andern Angaben aus den Jahren 1846 und 1845 entnahm. Ein Pros gramm der Landshuter Realſchule iſt noch nicht erſchienen. Die ſtatiſtiſchen Verhältniſſe, die die nun folgende Tabelle enthält, werden zum Theil erſt dann ein größeres Intereſſe gewinnen, wenn auch in andern Provinzen ähnliche Zuſammenſtellungen werden erfolgt ſein, ſind aber auch an ſich zur Beurtheilung der provinziellen Verhältniſſe nicht ohne Werth. 42* Die Anſtalten. VI. V. IV. III. II. I. Geſammtzahl Hilfslehrer Kandidaten der Lehrer t d. Profeſſor od. Prorektortitel 1 Abiturienten Ordentl. Lehrer Geſammtzahl M inw. d. des Kreiſes auf 1 Schüler ännl. E Männliche Einw. 9 N Kr. v. 8— 21 J. * S v — — S auf 1 Schüler Schüler auf 1 Lehrer Wöchentliche Stundenzahl 332 k. Gymnaſ. in Sagan | 29 25 24 22 9 147 2 k. Realſchule in Neiffe | — 630 64 47 37 211 6 3 k. Gymn. iu Leobſchütz [62 33 34 38 | 24 249 8 2 k. Gymnaſ. in Oppeln | 60 57 52 47 39 17 272 11 8 4 k. Gymnaſ. in Glogau] 45 | 588 39 39 65 36 280 14 8 2 k. Gymnaſium in Glatz] 70 67 53] 42 39 30 301 16 8 2 k. Gymnaſ. in Gleiwitz] 76 87 72 65 32 41 373 19 9 2 k. Gymnaſ. in Neiſſe.] 65 76 64 51 82 42 380 19 9 k. Gymn. in Breslau)] 96 97] 80 114 122 69 577 35 12 5 Die 9 kthl. Anſtalten i haben zuſammen .. 501 547 4810 480 486 296 2790 14175 24 ev. Gymnaſ. in Görlitz]! — — 25 24 14 13 75 —: 6 3 ev. Gymn. i. Hirſchberg] — | 285 23 17 16 11 95 1 6 3 R.⸗Akadem. in Liegnitz! — | 12] 26 21 20 20 99 484 ev. Gymn. in Lauban] — 18 22 26 16 14 | 106 8 8 — ev. Gymn. in Glogau] 31 | 560 388 27 | 19 28 | 199 . ev. Gymnaſ. in Oels]! — 44] 51] 49 36 | 19 | 199 S 1 & ev. G. in Schweidnitz | 18 | 54! 44] 36 23 | 27 | 202 9 8 2 ev. Gymnaſ. in Brieg] 58 52 390 35 25 | 20 229 8 9 3 ev. Gymn. in Ratibor | 31 62] 51 50 27 16 237 14 7 4 Fridericianum i. Brest. | 18 18] 53] 73% 46 | 36 244 14 9 4 ev. Gymn. in Liegnitz] 51 | 64 53 42 27 28 265 3 Eliſabeth. in Breslau | 76 63 53 29 25 11 267% 811 3 Magdalen. in Breslau | SI 67 541 1019| 4131 375 10 12 3 Realſchule in Bresl.s) [125 122 121 126 39 | 18 | 551 „ ® Die 14 evgl. Anſtalten haben zuſammen re) 489 670 653 556 384 292 3143 99 177 44 Die 23 Anſtalten haben zuſammen .. . . [990 121711341036 870 588 5933 240 192 68 1a 09 DS [0 ) | SAE F S ei n S 2 — = S = E 333 1) In Sagan iſt erſt in dieſem Jahre die Prima hinzugefügt worden. 2) Hier ſind ſämmtliche Gymnaſien der Stadt mit der Einwohnerzahl verglichen. 3) Wenn die Realſchule in Görlitz auch ſchon 1846 beſtand, und eben ſo, wie 1847, 300 Schüler hatte, dann kommt 1 Schüler auf 80 männliche Einwohner des Görlitzer Kreiſes. 4) Von den im Programm angegebenen 219 Stunden ſind die Fecht-, Reit- und Tanz-Stunden weggelaſſen. Auch bei den übrigen Anſtalten habe ich überall die Turnſtunden in Abzug gebracht. 5) Wo Unter- und Ober-Tertia beſtehen, habe ich die Schülerzahl zuſammengezogen. 6) Das Programm zählt 306 Stunden auf, wobei aber 79 kombinirt ſind. Unter den nun verbleibenden 227 ſind 4 Stunden für's Polniſche, 5 für's Engliſche und 4 für's Hebräiſche. Uebrigens hat, außer den Realſchulen, auch noch das Eatholifhe Gymnaſium in Breslau das Engliſche in den Kreis der Unterrichtsgegenſtände gezogen. 7) Im Programm ſind 238 Stunden angegeben, von denen ich die Stunden in der Septima, die eine Vorbereitungsklaſſe iſt, und die kombinirten Stunden in Abzug gebracht habe. 8) Bei der Realſchule in Breslau, fo wie bei dem katholiſchen Gymnaſium ebendaſelbſt, find die Klaſ— fen (auf der Realſchule nur II. und J. nicht) in je 2 getrennte Abtheilungen gebracht. 9) Bei dieſen Durchſchnittszahlen habe ich die Schülerzahl mit den männlichen Einwohnern überhaupt und dann mit der Anzahl der Knaben und Jünglinge von 8 bis 21 Jahren in dem Kreiſe, in dem ſich die Anſtalt befindet, verglichen. Obgleich wohl ſelten ein Knabe von 8 oder 9 Jahren auf das Gymnaſium kommt, ſo konnte ich dieſe Alters-Klaſſe doch nicht trennen, weil die Bevol- kerungsliſten die Knaben von 8 bis 14 Jahren zuſammenfaſſen. 10) Zwei Anſtalten fehlen in dem Verzeichniſſe, weil ich von der Realſchule in Görlitz nur ein Proz gramm von 1847 (vielleicht iſt ſie erſt 1846 gegründet) und von der Nhe zu Landshut gar kein's erlangen konnte. — Wenn ich es nun auch Jedem überlaſſen könnte, aus dieſen Angaben Reſultate zu ziehen, ſo kann ich doch einige Bemerkungen nicht unterdrücken. Erſtens fällt es auf, daß, während die 8 katholiſchen Gymna⸗ ſien in den untern Klaſſen weniger Schüler haben, als die evangeliſchen, dieſes Verhältniß ſich in den obern Klaſſen umkehrt, eben ſo, daß die katholiſchen Gymnaſien 1846 141 Abiturienten entließen, während auf den evangeliſchen nur 99 abgingen. Man kann, glaube ich, aus der erſtern Angabe ſchließen, daß von den katho— liſchen Einwohnern, der großen Mehrzahl nach, nur dann ein Sohn auf's Gymnaſium geſchickt wird, wenn er für die Univerſität beſtimmt wird, während von den evangeliſchen Gymnaſien eine viel größere Maſſe bereits in Tertia abgeht. — Daß die Anzahl der Schulamts-Kandidaten ferner an den katholiſchen Gymnaſien ge⸗ ringer iſt, als an den evangeliſchen, läßt ſich durch das leichtere Fortkommen und das bequemere Leben der katholiſchen Theologen erklären, zu denen ſich die Meiſten ſchlagen, die zu arm ſind, etwas Anderes zu ſtudi⸗ ren, während die Ueberfüllung bei den evangeliſchen Theologen dieſelbe Kategorie von Studirenden zur Phi⸗ lologie drängt. Indeſſen iſt der ſo ungeheure Unterſchied in der Zahl (6 und 30) auch nicht ſtehend, da ſchon 1847 ſich die Zahl der katholiſchen Kandidaten bedeutend vermehrt hat. Woher es kommen mag, daß auf den 9 katholiſchen Anſtalten nur drei den Profeſſortitel haben, wäh—⸗ rend auf den 14 evangeliſchen 14 ihn führen, zu denen noch 9 Prorektoren und 6 Konrektoren kommen, iſt mir unbekannt, da man bei dem katholiſchen Schul-Rath doch unmöglich ein geringeres Intereſſe für die Lehrer der ihm anvertrauten Anſtalten annehmen darf. . Was nun ferner die Zahlen betrifft, welche das Verhältniß der Schülermenge zu der männlichen Be⸗ völkerung des Kreiſes, in dem das Gymnaſium ſich befindet, ausdrücken, ſo ſteigert ſich deren Bedeutung 334 wenn man die geſammte Schülerzahl mit der geſammten männlichen Bevölkerung der Provinz vergleicht, — Es giebt nämlich in ganz Schleſien 1,472,295 männliche Individuen, und zwar: von 8 bis 14 Jahren 218,792, von 15 bis 16 Jahren 64,656, von 17 bis 19 Jahren 83,551, . von 20 bis 21 Jahren 115,180, von 8 bis 21 Jahren 482,179. Es kommt alſo ein Schüler auf 248 männliche Individuen und auf 81 ſolche, die in einem zum Gymnaſialbeſuch ſich eignenden Alter ſtehen. Vergleicht man dies Reſultat mit den obigen Verhältnißzahlen, bei denen doch die ganze Bevölkerung der Kreiſe ohne Gymnaſien unberückſichtigt geblieben iſt, dann könnte man ſie faſt als Maßſtab des Vertrauens betrachten, deſſen ſich die einzelnen Anſtalten erfreuen, obgleich man auch die geringere Wohlhabenheit einiger Gegenden mit in Anſchlag bringen darf. Betrachtet man die gelehrten Anſtalten nach den Konfeſſionen, ſo kommt eine auf 90,090 evangeliſche Einwohner, bei den Katholiken dagegen erſt eine auf 162,000 katholiſche Einwohner, indem es in Schleſien 1,541,541 Proteſtanten und 1,463,195 Katholiken giebt. Von dieſen 25 höheren Schulanſtalten ſtehen die 8 katholiſchen Gymnaſien, die alle königlich ſind und ihre Zuſchüſſe aus dem für katholiſche Schulzwecke aus Kloſtergütern geſtifteten Haupt-Schul-Fond erhalten, unter dem Provinzial-Schul-Kollegium in Breslau, in welchem ein aus den Gymnaſiallehrern hervorgegange— ner Schulrath die perſönlichen und die den Schul-Organismus betreffenden Angelegenheiten bearbeitet. Die evangeliſchen Gymnaſien dagegen, die meiſt ſtädtiſch ſind und von den Stadtgemeinden erhalten werden, ſtehen zunächſt unter ihrer Patronats-Behörde, welche die durch's Schulgeld nicht aufgebrachten Koſten deckt, das Ernennungsrecht aus den geſetzlich Befähigten hat und an die vom Provinzial⸗Schul⸗Kollegium zunächſt alle Verordnungen gerichtet werden. Auch für dieſe evangelifchen Gymnaſien iſt im Provinzial-Schul-Kollegium ein aus den evangeliſchen Gymnaſiallehrern ernannter Schulrath. Die Realſchulen dagegen find der Regie— rung desjenigen Bezirks untergeordnet, in dem ſie ſich befinden. Wenn da nun nicht, wie dies zufällig in Breslau der Fall iſt, der Schulrath für die Gymnaſien zugleich Regierungsrath iſt, dann kommt es vor, daß ein für das Elemantar-Schulweſen angeſtellter Geiſtliche die Realſchule mit zu leiten bekommt. — Als höchſte Inſtanz für alle dieſe Anſtalten iſt nun das Miniſterium des Kultus angeordnet, indem ſowohl für die evan— geliſchen als für die katholiſchen Anſtalten ein beſonderer Miniſterial-Rath angeſtellt ift. « Den Provinzial-Behörden, faktiſch alſo den verſchiedenen Schulräthen, kommt es nun zu, die von dem Miniſterium und dem Provinzial-Schul-Kollegium erlaſſenen Verordnungen in Ausführung zu bringen und zu überwachen. Da aber dieſe mit ihren laufenden Bureau-Arbeiten vollauf zu thun haben und bei den Anſtalten ſelbſt nur bei den Abiturienten-Examen einen flüchtigen Blick in deren inneres Getriebe thun kön— nen, ſo bleiben viele der vortrefflichen Inſtruktionen und Verordnungen, die jeder Schulmann, wenn er auch ſonſt abweichende Anſichten über die Stellung der Schule zum Staate und über deren Zweck überhaupt hat, mit Freude leſen wird, meiſt nur auf dem Papiere; die Praxis kennt fie manchmal gar nicht. Man hat ſonſt, und nicht mit Unrecht, die Klage gehört, daß in Preußen nach allen Richtungen hin eine gewiſſe Gleichförmigkeit, ja Einförmigkeit erſtrebt und bis in's Einzelne hinein regiert und kontrolirt, daß namentlich auch bei den Gymnaſien ſelbſt Ausdehnung und Methode des Unterrichts von Berlin her allen Provinzen vorgeſchrieben werde. So wahr dies auch iſt, fo möchte ich doch, für Schleſien wenigſtens, wün— ſchen, daß dieſe Klage eine Wahrheit wäre. Für viele Zweige des Staatslebens iſt eine Berückſichtigung ört— licher und hiſtoriſcher Verhältniſſe nöthig und manches Beſſere würde unter gewiſſen Umſtänden nachtheilige Folgen haben. Für den Unterricht und die Erziehung aber iſt der Weg, den die Wiſſenſchaft gefunden, überall anwendbar und das Zweckmäßige überall gleich zweckmäßig. Darum wünſchte ich, daß die Behörde 335 das, was fie fo einſichtsvoll angeordnet, auch in der Ausführung mehr überwachte, das Mögliche erzwänge, und Anderes, was unter den jetzigen Verhältniſſen nicht geſchehen kann, möglich machte. Daß dieſes Noth thue, ſtellt ſich ſelbſt aus den gegenwärtigen Notizen heraus, die nur den öffentlich herausgegebenen Programmen und zwar nur nach einigen wenigen Seiten hin entnommen ſind und die von den an die Perſönlichkeit mancher Lehrer geknüpften Uebelſtänden nichts enthalten können. Die Haupt» Grundlage unſerer jetzigen Gymnaſial⸗ Einrichtungen iſt unſtreitig die kompendiöſe Mini: ſterial-Verfügung vom 24. Oktober 1837, die, in Folge der Lorinſer'ſchen Angriffe erlaſſen, ſehr beſtimmt die Hauptgeſichtspunkte angiebt, nach denen in Zukunft verfahren werden ſoll. Daneben kommen noch in Beracht die Inſtruktion für die Rektoren vom 4. December 1824, die Inſtruktion für die Ordinariate vom 25. Oktober 1824 und die denſelben Gegenſtand betreffende Eirkular-Verfügung vom 24. September 1826, die Verordnungen über die Abiturienten-Prüfungen und eine ganze Reihe weniger wichtiger Reſkripte, die aber weder in Beziehung auf die Lehrerverhältniſſe, noch in Hinſicht auf den Unterrichts-Organismus überall ausgeführt ſind. In Hinſicht auf die Lehrer beſtimmt ſchon § 14 der Inſtruktion für die Rektoren, die Inſtruktion für die Ordinariate wiederholt es, und die Miniſterial-Verfügung von 1837 ſchärft es noch beſonders ein, daß der Direktor nicht nur die Stunden aller ſeiner Lehrer öfter beſuchen, ſondern auch ganz vorzüglich die zur Abhaltung des Probejahres am Gymnaſium vorhandenen Kandidaten beaufſichtigen, leiten und unterſtützen ſolle. Daſſelbe wird in Bezug auf dieſe Kandidaten den Ordinarien zur Pflicht gemacht, damit eine zweck— mäßige Methode allmälig herrſchend werde. Dem Miniſterium ſchien der Punkt ſo wichtig, daß es hinzufügt: „Sollten einzelne Stunden des Lehrers mit denen des Direktors gleichzeitig fallen, dann ſoll er ſich lieber durch einen andern Lehrer vertreten laſſen, als die obige Pflicht verabſäumen.“ — Von dem Allen aber ge— ſchieht nichts, oder fo gut wie nichts, da die auf einigen Gymnaſien üblichen, jährlich zwei bis drei Mal ge⸗ machten Beſuche dem Sinne der Verordnung nicht entſprechen. Dabei indeſſen ſind die Rektoren und Lehrer außer Schuld, und auch die Behörde würde dies durch alle Kontrole nicht erzwingen, da bei dem jetzigen Stande der Lehrkräfte das Miniſterium eine Unmöglichkeit verlangt. Trotz aller ſonſtigen Verſchiedenheiten find ſich nämlich faſt alle 25 höheren Schulanſtalten Schle⸗ ſiens darin gleich, daß die Rektoren und Lehrer unter der Arbeit faſt erliegen. Jeder hat 20 bis 26, manch⸗ mal ſogar noch mehr Stunden in der Woche und dabei eine Menge von Korrekturen. Ich kenne einen, der in I. a. bei circa 40 Schülern, I. b. bei 40 Schülern alle A Wochen einen deutſchen Aufſatz, in II. a. bei 86 Schülern alle 4 Wochen einen lateiniſchen Aufſatz und in derſelben Zeit ein lateiniſches und ein griechi⸗ ſches Ertemporale, im Ganzen alſo monatlich über 600 Arbeiten zu korrigiren hat. Selbſt die Direktoren müſſen, bei ihren unendlich zahlreichen Adminiſtrations-Arbeiten, oft 15 bis 20 Stunden und zahlreiche Kor— rekturen übernehmen, obgleich eine Verordnung exiſtirt, daß der Rektor höchſtens 12 Stunden die Woche geben dürfe. Dazu ſind die Klaſſen auf den meiſten Gymnaſien überfüllt, ſo daß das Unterrichten ſelbſt an— ſtrengt und in Verbindung mit allen übrigen Arbeiten die Lehrer fo erſchöpft, daß bei dem beſten Willen der— ſelben ſich Nachläſſigkeiten einſchleichen, welche die Rektoren, unter denſelben Uebelſtänden leidend, mit Nachſicht ertragen müſſen. So kommt es, daß 1) die Zwiſchenſtunden ungebührlich ausgedehnt werden, um ſich nach mehreren gegebenen Stunden wieder zu erholen; daß 2) die Rektoren und Ordinarien nie die Stunden der Kandidaten und eben ſo wenig erſtere die der Ordinarien beſuchen, da ſie immer gleichzeitig Stunden haben und kein Unbeſchäftigter da iſt, der ſie vertreten könnte; daß ſie ferner 3) in der vierten und fünften Stunde, die ſie an einem Tage geben, die Schüler nur noch das Penſum vorleſen laſſen, weil Erſchöpfung ſelbſt die kräftigſten hindert, noch lebendig ſelbſt vorzutragen; daß 4) ein Lehrer noch ſelten Zeit und Luſt behält, die Schüler in ihren Quartieren zu beſuchen und ſo auch außer der Schule auf ſie einzuwirken; daß endlich 5) die Wenigſten noch im Stande ſind, an ein wiſſenſchaftliches Fortſchreiten zu denken. 336 Diefe Uebelftände werden noch vermehrt dadurch, daß an vielen Gymnaſien nicht einmal die Ordinariate mit ordentlichen Lehrern beſetzt, ſondern oft (wie z. B. auf dem katholiſchen Gymnaſium in Breslau 1847 bei 660 Schülern, 3 Klaſſen) Kandidaten übergeben ſind, die oft unmittelbar nach dem Examen (manchmal ſogar noch vor demſelben) ohne Erfahrung und Uebung und demnach ohne Kontrole und Nachhilfe den Un⸗ terricht ertheilen. Oft iſt dann nun ein junger Kandidat Ordinarius und ein älterer Lehrer giebt in derſelben Klaſſe einige Stunden, ſollte alſo nach der Verordnung von jenem in den Stunden beſucht und kontrolirt werden. Da dies aber überhaupt nicht geſchieht, ſo fällt wenigſtens dieſer Uebelſtand hinweg. Und dennoch hat die Behörde ſelbſt das Inſtitut der Ordinarien als den Hauptpfeiler der jetzigen Gymnaſial-Einrichtung erklärt und als Anerkennung deſſen allen Ordinarien das Prädikat „Oberlehrer“ verliehen. So heißt es wenigſtens in der Miniſterial-Verfügung. Woher es gekommen iſt, daß dieſe Beſtimmung des Miniſters nur auf dem Eliſabetanum in Breslau durchgeführt iſt, iſt mir nicht bekannt geworden. An den übrigen Gym⸗ naſien ſind nur 2 bis 5 ſogenannte Oberlehrerſtellen. Würde die Anzahl der ordentlichen Lehrer ſo weit vermehrt, daß Rektoren und Lehrer Zeit behielten, ſich gegenſeitig in den Stunden zu beſuchen, dann würde dies die beſte Garantie ſein, daß ein immerwährendes Fortſchreiten am Gymnaſium herrſchend bliebe und alle ſonſt gerügten Mängel vor dem Auge dieſer Art von Oeffentlichkeit wegfielen. Ich bin wenigſtens überzeugt, daß es z. B. kein Lehrer wagen würde, in Gegen⸗ wart eines andern Kollegen Geographie in Secunda ſo zu lehren, daß er im geographiſchen Handbuche aus dem Regiſter die Worte (je 50 auf eine Stunde) nachſchlagen, mit den gefundenen Notizen in ein Heft ein— tragen und dann wörtlich auswendig lernen ließe. (Thatſache.) Ueber die Gehaltsverhältniſſe der Lehrer enthalte ich mich jeder Bemerkung, da der Gegenſtand ſchon vielfach beſprochen worden iſt, und füge nur noch hinzu, daß jedes Avancement, jede Gehaltserhöhung nur auf eine ſpezielle, wo möglich mit der Aufzählung der Kinder verbundene und mit dem Hungertode drohende Sup- plik erfolgt, ohne dieſelbe aber ſelbſt der Tüchtigſte nicht befördert werden würde. Ganz auf dieſelbe Weiſe, wie bei den Lehrerverhältniſſen, werden auch bei der Handhabung des eigentli— chen Unterrichts-Organismus alle die früher genannten, meiſt vortrefflichen Verordnungen nutzlos, da ihre Ausführung nicht überwacht wird. Ich habe mich begnügen müſſen, aus der Maſſe des Materials, das hierzu die Programme lieferten, nur Einiges hervorzuheben und es andern zu überlaſſen, auch andere Parthien einer Prüfung zu unterwerfen. Die Miniſterial-Verfügung von 1837 giebt (um mit der Aufnahme der Schüler zu beginnen) genau das Maaß der Kenntniſſe für einen Sertaner an, mit denen er ohne Anſtrengung dem weitern Unterrichte folgen kann. Aber ſo wichtig dies auch iſt, examinirt dennoch kein Gymnaſium die nach Sexta Aufzuneh⸗ menden, und wo keine Vorbereitungsklaſſe bei dem Gymnaſium iſt, arbeiten ſich Schüler und Lehrer in den fruchtloſeſten Bemühungen ab, bis am Ende des Jahres die Verſetzung nach Quinta eine Ausſcheidung der Unreifen herbeiführt. Eben ſo wenig wird bei auswärtigen Schülern darnach gefragt, ob Jemand autoriſirt ſei, die Stelle der Eltern zu vertreten und die Schüler außer der Schule zu beaufſichtigen, was eine Verordnung vom 12. Februar 1825 ausdrücklich beſtimmt. Für den Unterricht ſelbſt beſtimmt die oben erwähnte Miniſterial-Verfügung aus Gründen, die jedem Lehrer einleuchten, daß in den untern Klaſſen jedenfalls das Lateiniſche und Deutſche einem Lehrer über— tragen werden müſſen. Und dennoch hatten 1846 am Magdaleneum in VI. und V. dieſen Unterricht 2 Lehrer, am Fridericianum in VI. 4, in V. 2 Lehrer, am Eliſabetanum in VI. und V. 2 Lehrer, 1847 in VI. ſogar 4 Lehrer, in Schweidnitz 1845 in V. 2 Lehrer, am evangel. Gymnaſium in Glogau 1845 in VI. 4 Lehrer, in V. 2 Lehrer, in Oels 1845 und 1846 in V. 2 L., in Brieg 1845 in VI. 2 L., in V. 3 L., an der Ritter-Akademie in Liegnitz 1845 und 1847 in V. 3 Lehrer, eben ſo am evangel. Gymnaſium in Liegnitz ſowohl in V. als in VI. 337 Eben fo verordnet diefe Verfügung, daß Geſchichte und Geographie immer in der Hand eines Leh— vers fein müſſen, und doch finden wir am Fridericianum 1846 und 1847 für dieſe Gegenſtände in V. 2 Lehrer, eben ſo am evangeliſchen Gymnaſium in Glogau 1845 in IV., auf der Ritter-Akademie in Lieg⸗ nitz regelmäßig durch alle Klaſſen, eben ſo auf dem evangeliſchen Gymnaſium in Liegnitz. — Dies könnte indeſſen noch auf irgend eine Weiſe entſchuldigt werden. Wenn aber in der Vertheilung des Unterrichtsſtoffes ganz willkürlich verfahren wird, ohne auf die Inſtruktionen zu achten, ſo iſt das doch wohl unverzeihlich. Wir beſitzen z. B. über den Geſchichts- und Geographie-Unterricht eine ganz ausgezeichnete Inſtruktion, die, für die Povinz Weſtphalen erlaſſen, unter dem 1. December 1830 auch in Schleſien eingeführt wurde. Ich kann ſie als bekannt vorausſetzen, und erwähne nur die Gymnaſien, die ſich um dieſelbe nicht kümmern. Statt auf der erſten Stufe des geſchichtlichen Unterrichts in Biographien geſchichtliche Einzel-Gemälde den Schülern einzuprägen, hat Oels 1845 in V. preuß. Geſchichte, Hirſchberg in V. alte Geſchichte bis Rom, Lauban in V. Ueberſicht der ganzen Geſchichte, Glatz 1845 in VI. alte Geſchichte bis Auguſt, V. von den Kreuzzügen bis 1815, Sagan 1845 in V. preuß. Geſchichte bis 1765, eben ſo 1846, evangeliſches Gymna⸗ ſium in Liegnitz 1845 in VI. gar keine Geſchichte, in V. allgemeine Weltgeſchichte, eben ſo 1846, Fridericia⸗ num iu Breslau VI. und V. kombinirt ſchleſiſche Geſchichte bis 1740, dann preuß. Geſchichte. Auf der zweiten Stufe, auf der das ganze Gebiet der Geſchichte im Zuſammenhange durchgenommen werden ſoll, mit zu Grundelegung Deutſchlands, hat Hirſchberg 1845 in IV. Mittelalter und neuere Zeit (1 St.), in III. Geſchichte von 1492 bis 1815, 1846 in IV. Mittelalter und III. wieder Mittelalter, Lauban 1845 in IV. allgemeine Geſchichte, dann deutſche Geſch., dann preuß. Geſch. (in 2 St.), in III. Geſch. von den Kreuzzügen bis 1648, Glatz 1846 in IV. Deutſchland bis zu den Hohenſtaufen, in III. Mittelalter, Schweid⸗ nitz 1845 in IV. deutſche und ſchleſiſche Geſch., in III. preuß. Geſch., 1846 eben fo, evangel. Gymn. in Liegnitz 1845 in IV. deutſche Geſch., III. allgem. Geſch. bis 476 n. Chr., kathol. Gymn. in Glogau 1845 in IV. Mittelalter, in III. alte Gefch, bis zu den Kaiſern, 1846 eben fo, evangel. Gymn. in Glogau 1845 in IV. brandenburgiſche und ſchleſ. Geſch., in III. Engländer (sic), Egypter, Perſer, Griechen, Römer bis Auguſt; Görlitz 1845 in IV., III., II., I. überall Mittelalter und neuere Zeit. In ähnlicher Weiſe iſt es auch in Gleiwitz, Brieg, Ratibor und Leobſchütz eingerichtet. Auf der dritten Stufe (in II. und J.) ſoll das ganze Gebiet der Geſchichte nun noch einmal, und zwar ausführlich und wiſſenſchaftlich, behandelt werden. Wir finden aber dieſelben Lücken und Unzweckmäßigkeiten. Oels hat 1845 und 1846 weder in II. noch in I. neuere Geſchichte; Ratibor hat 1845 in II. und J. alte Geſchichte bis zur römiſchen; Görlitz kennt wieder, wie ſchon erwähnt, keine alte Geſchichte. In Brieg fehlt 1845 das Mittelalter, in Glogau (kathol. Gymn.) dagegen kommt das Mittelalter zweimal, die neuere Geſchichte dagegen gar nicht vor. In Neiße 1845 in I. röm. Geſch. und neuere Geſch., 1846 in I. allgem. Geſch. bis Auguſt. Wenn es bei fo mangelhafter Vertheilung des Stoffes dann noch vorkommt, daß ein Lehrer in I. nichts weiter thut, als die Kohlrauſch'ſchen Tabellen auswendig lernen zu laſſen, dann wird man einſehen, daß es mit dem Geſchichts-Unterricht meiſt noch ſehr ſchlecht ſteht. Eben fo ſieht es mit der Vertheilung des geographiſchen Unterrichts aus. In Oppeln kam 1845 in, allen Klaſſen Ueberſicht aller Erdtheile; nur IV. hatte Deutſchland. In Oels ſtand 1845 Amerika viermal, Afrika dreimal, Aſien zweimal und nur einmal in IV. neben den außer- europäiſchen Erdtheilen auch Deutſch— land. Auf der Ritter-Akademie in Liegnitz iſt 1845 in keiner Klaſſe die politiſche Geographie der außer⸗ europäiſchen Erdtheile vorgekommen, von Europa auch nur Deutſchland, eben fo auch 1846. Auf dem kathol. Gymnaſium in Glogau fehlen 1845 und 1846 ebenfalls die außer-europäiſchen Erdtheile. In Gleiwitz iſt 1845 in VI. Ueberſicht des Ganzen, V. Preußen, IV. Deutſchland, III. Europa (1 St.), eben ſo 1846. In Glatz kommt ſowohl 1845, wie 1846 in drei Klaſſen Deutſchland und Preußen vor, Amerika dagegen gar nicht. In Schweidnitz, das ſich ſonſt vortheilhaft dadurch auszeichnet, daß es geographiſche Stunden durch 43 338 alle 6 Kl. hat, finden wir 1846 iu allen Klaffen Europa, 1845 eben fo, nur in II. ift neben Europa noch Aſien erwähnt. Obgleich die Menge ſolcher Notizen noch bedeutend hätte vermehrt werden können, ſo unterlaſſe ich es doch, weil das Angeführte wohl genügen wird, meine obige Behauptung zu rechtfertigen. — Ich wünſchte, daß ein anderer Kollege Zeit gewänne, auch die übrigen Zweige des Gymnaſial- Unterrichts einer ähnlichen Kontrole zu unterwerfen. Ich für meinen Theil begnüge mich, aus dem Gebiete des Sprach-Unterrichts die Verordnung vom 30. December 1828 zu erwähnen, nach welcher in den Gymnaſien nur immer ein Proſaiker und ein Dich⸗ ter gleichzeitig in einer Klaſſe, und Plato und Thucydides gar nicht geleſen werden ſollen. Bei den ſeit 1828 bedeutend herabgeſpannten Forderungen im Griechiſchen bleibt es bemerkenswerth, daß dennoch auf den meiſten Gymnaſien Plato, ſelbſt Plato's Staat und eben fo Thucydides geleſen werden. Die Ritter-Akademie zu Liegnitz hat 1847 ſogar in einem Jahre bei 5 Stunden wöchentlich Sophocles Oedip. Rex, Oedip. Col. Antigone, Theoerit erſte Idylle, Thucydides und die Redner, Plato's Gorgias und daneben in einer Stunde die Woche Ilias 4 B., griechiſche Exercitien und die wichtigſten Abſchnitte der Syntax. Wie das möglich iſt, begreife ich freilich nicht. Dieſelbe Verfügung erklärt: „Kein Direktor ſoll ſich unterfangen, den griechiſchen Unterricht ſchon in Quinta zu beginnen,“ und dennoch hat das Eliſabet-Gymnaſium das Griechiſche ſchon in V. Erwähnenswerth ſcheint mir endlich noch, daß die Miniſterial-Verfügung von 1837 aus Geſundheits⸗ Rückſichten höchſtens 32 Stunden die Woche für eine Klaſſe geſtattet. „Wir machen,“ heißt es in der ber treffenden Stelle, „dem königlichen Provinzial-Schul-Kollegium zur Pflicht, eine Ueberſchreitung dieſer 32 wöchentlichen Stunden in keinem Falle und unter keinerlei Vorwand weiter zu dulden. Dennoch finden wir auf dem Eliſabetanum 1847 in I. und II. 34 Stunden, Fridericianum 1846 in II. 33, IV. Gymnaſial⸗ klaſſe 33, Realklaſſe 35, in II. 35, mit Ausſchluß des Engliſchen und Polniſchen. Ritter⸗Akademie zu Lieg⸗ nis 1845 in III. 36, II. 36, 1. 38, 1846 in I. und II. 38, 1847 in III. 37, II. 36, I. 37, ohne die engliſchen und die zu körperlichen Uebungen beſtimmten Stunden mit zu zählen. Schweidnitz 1845 in I. und II. 33 Stunden, evangel. Gymnaſium in Glogau 1845 in I. und II. 37 St. und III. 36, IV. 34, 1846 eben ſo, in Oppeln 1845 in IV. 34 St., VI. 33 St., 1846 in I., II., VI. 33, in IV. 34 St. — So wird in keinem Falle und unter keinerlei Vorwand geduldet. — f Ohne Zahlen keine beſtimmten Ueberſichten und keine feſten Angaben! Wenige Zahlen aber ſprechen ganze Bände. 339 9. Bericht über die Arbeiten der hiſtoriſchen Sektion im Jahre 1847, Profeſſor Dr. Möpell, zeitigem Secretair derſelben. Von den Seite 9 dieſes Berichtes erwähnten Vorträgen iſt der größere Theil von den Herren Verfaſſern zu anderweitigen Mittheilungen beſtimmt worden, daher wir uns veranlaßt ſehen, uns auf das Folgende zu beſchränken. Beiträge zur neueren Geſchichte Preuſſens. IV. Zur inneren Geſchichte Preußens in den Jahren 1811 — 12. Es iſt zwar niemals ein Geheimniß geweſen, daß die Stein-Hardenbergſche Geſetzgebung der Jahre 1807 bis 1813 gleich in jener Zeit vielfachen Widerſpruch und ſelbſt harte Anfechtung erfuhr; allein von den Schritten, welche gegen ſie, ſo zu ſagen, officiell unternommen wurden, hat man noch immer nur eine ſehr geringe aktenmäßige Kenntniß. Ich theile daher nachſtehend drei Aktenſtücke der Art mit, welche jetzt allerdings kein praktiſches, wohl aber noch immer ein hiſtoriſches Intereſſe haben werden. Das erſte iſt eine Eingabe der ſchleſiſchen Ritterſchaft an den König vom Jahre 1811. Sie iſt vor⸗ nämlich gegen das bekannte Edikt vom 28. Oktober 1810 gerichtet und ward durch eine Deputation, an deren Spitze Graf Dyhrn von Reeſewitz ſtand, faſt in demſelben Moment überreicht, als in Berlin die erſte Ver⸗ ſammlung der National-Repräſentanten eröffnet werden ſollte. Der König gab die Denkſchrift an den Staats⸗ kanzler ab und verwies die Antragſteller an die Berathung und Schlüſſe der National-Repräſentation. Irre ich nicht, ſo iſt dieſe Denkſchrift nicht ohne Einfluß auf die Einführung der Perſonen-, ſpäter Klaſſenſteuer für das platte Land geweſen. (Vergl. Hoffmann Lehre von den Steuern. Berl. 1840. p. 155.) Das zweite Aktenſtück, welches ich mittheile, iſt von den im Jahre 1812 verſammelten National-Re⸗ präſentanten ſelbſt ausgegangen. Es iſt gegen das ſogenannte Gensdarmerie-Edikt vom 30. Juli 1812 ge⸗ richtet, welches bekanntlich unter dieſem merkwürdigen Titel den Verſuch in ſich ſchließt, den ganzen alten Verfaſſungs-Organismus des platten Landes von Grund aus umzugeſtalten. Es kam gleich damals zu kei⸗ 43 * 340 ner durchgreifenden Ausführung. Dann trat der Krieg mit Napoleon dazwiſchen; ſobald jedoch nach dem Feldzuge von 1813 die Regierung neue Schritte zur Ausführung des Edikts that, erwachte auch gleich wieder der Widerſtand gegen daſſelbe und in verſtärktem Maaße. Das dritte Aktenſtück, die Eingabe der National-Repräſentation vom 16. Februar 1814, legt hiefür das unzweideutigſte Zeugniß ab. Profeſſor Dr. Nöpell. 1) Eingabe der ſchleſiſchen Ritterſchaft an den König vom 3. Januar 181. Allerdurchlauchtigſter, Großmächtigſter König, Allergnädigſter König und Herr! Niedergedrückt von der traurigen und drückenden Lage des gemeinſchaftlichen Vaterlandes und inſonder⸗ heit der Provinz Schleſien, aber auch mit dem kindlichſten Vertrauen zu der landes väterlichen Gnade und Fürſorge Ew. Königl. Majeſtät, nahen ſich die getreuen ſchleſiſchen Stände dem Throne, um ihre Noth und Wünſche geziemend vorzutragen und um Abhelfung ihrer ſo gerechten Beſchwerden allerunterthänigſt zu bitten. Der unglückliche Krieg, welcher in den letzten Jahren unſer Vaterland betroffen, noch mehr aber deſſen fo lange dauernde Folgen, haben der Provinz und infonderheit dem Grund-Eigenthümer tiefe Wunden ge⸗ ſchlagen. Schon die Art, die Kriegsſteuer und alle übrige damit verbundene Laſten nur allein nach dem Steuer⸗Cataſtro und der Servis-Anlage zu vertheilen, wälzte deren Laſt allein auf den Grundbeſitzer auf dem platten Lande und in den Städten, welcher kein Mittel hatte, ſich dafür gewiſſermaßen zu entſchädigen, wäh⸗ rend Kapitaliſten, Kaufleute und Handwerker hundert Mittel und Wege fanden, ſich zu bereichern. Das ge⸗ ringe baare Vermögen der zum Theil armen Grundbeſitzer war bald erſchöpft, und nun mußten ſie zur Be⸗ ſtreitung der faſt unerſchwinglichen Ausgaben mit baarem Gelde, wie gefordert war, entweder ihre Pfandbriefe und ſicherſten Hypotheken verſchleudern und mit großem Verluſte umſetzen, oder aber gar Geld borgen, wel⸗ ches der ſicherſte Mann nicht unter 40 bis 50 Procent ſich verſchaffen konnte, indem er Pfandbriefe al pari annehmen und das Kapital in einem halben Jahre in klingendem Kourant zurückzahlen mußte. So fielen ſie immer mehr und mehr in die Hände der Spekulanten, Juden und Wucherer, indem das immer zunehmende Sinken aller Produkte die Einnahmen der Grundbeſitzer faſt auf nichts reducirte, ihnen daher die Rückzahlung der geliehenen Kapitalien ganz unmöglich machte und ſie zwang, immer neue und drückendere Schulden zu kontrahiren. Wie viele würdige Familien ſeufzen unter dieſem Drucke und gehen täglich, ja ſtündlich ihrem gänzlichen Ruin entgegen. Ungeachtet dieſer traurigen Lage, welche durch den nothwendig zunehmenden Geldmangel immer drücken⸗ der wurde, duldeten wir muthig, und waren zu jedem Opfer bereit, welches die Wohlfahrt und Erhaltung des Staats von uns erheiſchte, überzeugt, daß das fo väterlich geſinnte Herz Ew. Königl. Majeſtät ebenmäßig dabei litt, dieſe Opfer von uns zu fordern, und geſtützt auf die Hoffnung künftiger befferer Zeiten, als mit einem Male die Allerhöchſten Edikte vom 28. Oktober v. J. wegen Einführung einer neuen Konſumtions⸗ Steuer und beſonders wegen deren Erhebung nicht nur bei uns, ſondern auch, und zwar vorzüglich bei dem gemeinen Manne, die größte Furcht und die traurigſten Ahnungen hervorbrachte. Dieſe unangenehme Senſation und dieſe allgemein laut werdenden Klagen ſind die Veranlaſſung, daß die getreuen Stände der Provinz Schleſien und deren einzelnen Fürſtenthümer uns beauftragt haben, dieſe Klagen und Beſorgniſſe Ew. Königl. Majeſtät allerunterthänigſt vorzutragen. Die treue Anhänglichkeit, welche Schleſiens Bewohner ſtets gegen ihren Brotherrn bewieſen, die Be— reitwilligkeit, womit ſie ſelbſt unter den drückendſten Verhältniſſen jedes Opfer dargebracht, läßt uns nicht fürchten, hierbei verkannt zu werden. Wir fühlen die traurige Lage unſers Staats, und ſind gern und willig 341 bereit, nach unſern Kräften zur Abhelfung der Noth und zur Regeneration des Staats beizutragen; allein wir ſind auch von den landesväterlichen Geſinnungen Ew. Königl. Majeſtät feſt überzeugt, daß Allerhöchſtdie⸗ ſelben zur Erreichung des Zwecks die leichteſten, einfachſten, wenig drückenden und mit der Erhaltung der Ei- genthumsrechte eines jeden Staatsbürgers verträglichſten Mittel gewiß allen andern vorziehen werden. Geſtützt auf dieſe Ueberzeugung, wagen wir es, zu dem ſpeciellen Vortrage unſerer Beſchwerden und Wünſche mit deſto größerer Freimüthigkeit überzugehen, als uns das reine Bewußtſein belebt, daß nicht Privat⸗ Abſichten, ſondern blos Sorge für das Vaterland und dem Staat unſere Schritte leiten. I. Der erſte Gegenftand unſerer Wünſche und Beſorgniſſe iſt die ausgeſprochene Konſumtions-Steuer, welche im Allgemeinen ſowohl als in ihren einzelnen Theilen des Drückenden ſo Vieles enthält, und dennoch dem Staate bei weitem nicht den ſichern Gewinn darbietet, den man ſich davon wahrſcheinlich verſprochen hat. Mir find weit entfernt, die Vorzüge einer Abgabe zu verkennen, welche jede Klaſſe der Einwohner affi⸗ cirt, und deren ſich keiner durch willkürliche Aufopferungen oder Entſagung entziehen kann; aber es ſei uns die Bemerkung erlaubt, daß dieſe Konſumtions-Steuer, beſonders die Mahlſteuer, die geringere Volksklaſſe, deren meiſtes Nahrungsmittel das Brot iſt, unverhältnißmäßig gegen die höhern Klaſſen zu treffen und daher einer der Hauptanſichten, die Abgaben den Kräften der einzelnen Staatsbürgern anzupaſſen, zu widerſprechen ſcheint. Einen Hauptnachtheil aber für den Staat und die Einwohner finden wir in der Erhebungsart derſel—⸗ ben, durch das unabwendbare Heer von Officianten, welche zur nöthigen Kontrolirung dieſer Intrade noth⸗ wendig wird, und die fo läſtigen Formalitäten, die dabei entarten, welche zu komplicirt find, als daß der ein⸗ fache und nur wenig gebildete Verſtand unſerer gemeinen Klaſſe ſie einzuſehen und zu behalten vermögend wäre, daher dieſelbe ſich beſtändig den Plackereien der Unterofficianten ausgeſetzt ſiehet, und täglich, ja ſtünd⸗ lich Gefahr läuft, gegen die einzelnen Vorſchriften zu verſtoßen und in die ſo harten Strafen zu verfallen. Durch die Zahl der Offizianten werden aber auch offenbar die Erhebungskoſten unendlich vermehrt und dadurch der Ertrag dieſer Abgaben für den Staat anſehnlich verringert; der Unterthan leidet daher, ohne daß dem Staate ein verhältnißmäßiger Nutzen daraus entſpringt. Außerdem giebt auch die Lokalität von Schleſien noch einen beſondern Geſichtspunkt an die Hand. Dieſe Provinz bietet auf eine nicht ſehr beträchtliche Breite eine unverhältnißmäßige, faſt ganz von fremden Staaten umgebene Länge dar. Unter dieſen benachbarten Staaten gränzen wir der Länge nach beſonders mit Polen, deren Hauptproduktion in Korn und Branntwein beſtehet, welche ſie nach ihren Verhältniſſen zu ſo niedrigen Preiſen geben können, daß es uns unmöglich fällt, mit ihnen, beſonders bei den jetzigen neuen Auf: lagen, Preis halten zu können. Bei der Weitläuftigkeit der Gränze aber iſt es unmöglich, dieſe fo zu ber wahren, daß alle und jede Defraudation verhindert werden könnte. Es iſt alſo vorauszuſehen, daß unſer ge⸗ meiner Mann durch die wohlfeilern Preiſe zu Defraudationen veranlaßt werden wird, wodurch natürlich nicht allein die Intraden des Staats unendlichen Ausfall leiden, ſondern auch offenbar die Moralität unſerer Ein⸗ wohner, welche ſo ſchon wirklich nicht in dem hohen Grade exiſtirt, wie Ew. Königl. Majeſtät menſchen⸗ freundliches Herz zu glauben ſcheinet, anſehnlich vermindert werden wird. . Außer diefen allgemeinen Anſichten entftehen in Hinſicht der fpeziellen Gegenſtände, und zwar befonders a) des Mahlſteuer- und ‚ b) des Blaſenzinſes, nachfolgende Bemerkungen: a) Bei der Mahlſteuer finden zuvörderſt die drückenden Förmlichkeiten und die vielen Gelegenheiten, dieſe Geſetze von Seiten des gemeinen Mannes zu übertreten, am meiſten ſtatt, und ſcheinen uns um deſto unanwendbarer, als die ganze Kontrole auf die Rechnungsbücher der Müller und auf die von dem Mahlgaſte aufzuhebende Zettel baſirt iſt, erſtere ſehr vielen Schwierigkeiten unterworfen ſind, da vielleicht zwei Drittheile unſerer Müller in Schleſien gar nicht ſchreiben können, und die letztere bei der Ungewohnheit unſers gemeinen | 342 Mannes, auf dergleichen Zettel einen großen Werth zu ſetzen, und dem Mangel eines Behältniſſes etwas fo ſorgfältig zu verſchließen, ſehr oft Gefahr ausgeſetzt fein werden, verloren zu gehen, wodurch dann aller Nach⸗ weis des geſetzmäßigen Verfahrens wegfällt, und daher alle Augenblicke Verſtöße und Veranlaſſung zu Strafen vorkommen müſſen. Ueberdem drückt dieſe Auflage den Grundbeſitzer auf dem Lande unverhältnißmäßig, da nicht allein Brot ſein Hauptnahrungsmittel, ſondern er auch verbunden iſt, für ſeine Hausgenoſſen und Dienſt⸗ boten dieſe Abgabe zu bezahlen, wogegen der Kapitaliſt, der Wucherer und der Jude in den Städten nur äußerſt ſelten feinem Geſinde Brot giebt, deren überhaupt ungleich weniger bedarf, und ſich auch den Luxus⸗ und andern Steuern durch Einſchränkung entziehen wird. Der Landmann wird überdies öfters in der Lage ſein, dieſe Abgaben zu gewiſſen Zeiten gar nicht ent⸗ richten zu können, da es Zeiten im Jahre giebt, wo er kein baares Geld hat, wo er ſich nur dadurch erhält, daß er ſich das nöthige Getreide von dem Gutsbeſitzer borgt, welches er in natura wieder giebt, die Mahl⸗ ſteuer in Gelde aber zu entrichten, iſt ihm unmöglich. In Oberſchleſien, wenigſtens in einem großen Theile deſſelben, genießt der Bauer das ganze Jahr kein Mehl, ſondern bereitet ſich ſelbſt das wenige gewonnene oder verdiente Getreide zwiſchen zwei Steinen zu einem groben Schroote, wovon er ſodann ſich Kuchen bäckt, die ihm ſtatt des Brotes zur Nahrung dienen. Dieſer würde auch nicht im Stande ſein, das baare Geld zur Mahlſteuer aufzutreiben, und würde es beſtimmt eher auf das Aeußerſte ankommen laſſen, ehe er ſich ſeine Steine nehmen ließe, welche ihm nebenbei auch zur Bereitung ſeines Salzes für ſich dienen, da er ſich nur des Steinſalzes bedient, welches ohnedem nicht klein gemacht werden kann. Ueberdies auch die Lokalität dort in vielen Gegenden, wegen Mangel an Waſſer und durch die großen Wälder gehinderten Luftzuges, die Anlage von Mühlen nicht geſtattet; auch ſind unſere großen Mühlen noch gar nicht auf Grütze und Graupe eingerichtet, und es würde alſo dieſe Art der Berei⸗ tung offenbar für eine geraume Zeit ganz wegfallen müſſen, wenn man alle Handmühlen verbieten wollte; geſchieht dies aber nicht, ſo iſt den Defraudationen der Mahlſteuer gar nicht vorzubeugen. Was die Ver⸗ ſteuerung des Schrootes zum Viehfutter anbetrifft, welches erſtere zur Emporbringung der Viehzucht und Pro- duktion des Maſtviehes unumgänglich nothwendig und nur bei der möglichſten Wohlfeilheit anwendbar iſt, ſo muß die Verſteuerung des Materials dieſer gewiß nicht unwichtigen Branche einen unerſetzlichen Stoß zufügen. Wir können es endlich nicht bergen, daß dieſe Verſteuerung des eigen erbauten Produktes zur eigenen Konſumtion für unſern gemeinen Mann die gehäſſigſte Außenſeite hat und die unglücklichſte Stimmung her⸗ vorbringt, beſonders da außer der Auflage ſelbſt er den Betrügereien der Müller ausgeſetzt bleibt, welchen, trotz beſtimmten Maaß und Gewichtes, nicht vorzubeugen iſt. Noch drückender und bei der Lokalität von Schleſien beſonders unausführbarer iſt b) der Blaſenzins, ſowohl in Hinſicht der angenommenen Prinzipien als der Form der Erhebung. Zuvörderſt iſt der angenommene Satz von reſp. 18 Gr., 14 Gr. und 10 Gr. für den Scheffel Getreide offenbar zu hoch und den jetzigen Getreidepreiſen unangemeſſen, da z. B. der Preis eines Berliner Scheffels Korn auf den meiſten ſchleſiſchen Märkten die Summe von 16 Gr. nicht überſteigt, und daher die Auflage faſt ganz den Preis des rohen Materials erreicht, wodurch denn der letztere, und mithin des daraus zu lie⸗ fernden Produktes, faſt um das alterum tantum erhöhet wird. Sodann aber wird auch dieſe Auflage durch die wegen der Abtreibung der Blaſen angenommene Prin⸗ cipia äußerſt drückend, ja unerſchwingbar. Wenn dieſe Principia, wie wir nicht zweifeln, auf gemachten Ver⸗ ſuchen beruhen, ſo ſind ſolche wahrſcheinlich in großen Fabriken angeſtellt worden, welche aber auf unſere, zum größten Theil nur kleinen Brennereien im Lande nicht paſſen. Der Zweck einer großen Fabrik muß der fein, in der klein möglichſten Zeit das beſt- und größt-mög⸗ lichſte Produkt zu liefern. 3 343 Hierzu müſſen alle Vorrichtungen, alle Kräfte berechnet und die ausgeſuchteſten Materialien benutzt wer⸗ den. Wir wollen daher nicht geradezu leugnen, daß bei der vollkommenſten Beſchaffenheit der Blaſen, der Kühlwerkzeuge bei doppelten Arbeitern, bei der beſtmöglichſten Qualität des Waſſers und der verſchiedenen Ge⸗ treideſorten, welche der große Fabrikant ausprobiren kann, und bei Tag und Nacht fortzuſetzender Arbeit, das angenommene Reſultat geliefert werden könne; allein alle dieſe Vorausſetzungen liegen nicht in der Gewalt des Beſitzers unſerer Landbrauereien und Brennereien. Wie wenige beſitzen die dazu unumgänglich nöthigen ſchottiſchen Blaſen, die gehörigen Kühlſtöcke, und ſich ſolche anzuſchaffen, dazu fehlen jetzt den meiſten die nö⸗ thigen Fonds. Außerdem liegen in der Qualität des Waſſers und des Getreides, worauf der Boden einen ſo großen Einfluß hat, unüberwindliche Hinderniſſe. Endlich, wenn aber auch alle dieſe Schwierigkeiten überwunden werden könnten, tritt hier noch der Hauptumſtand ein, daß faſt auf jedem Gute in Schleſien eine Brauerei und Brennerei exiſtirt, die Umſtände überhaupt eine Exportation des Getränkes bei uns nicht verſtatten, welche überdies durch die hohe Auflage noch mehr erſchwert wird, daher der Abſatz unſerer Brennereien auf den Bedarf der Einwohner unſerer Güter eingeſchränkt iſt, und es uns dadurch unmöglich macht, dieſe Brennereien fabrikenmäßig fortzutreiben, vielmehr wir uns begnügen müſſen, ſolche als ein Mittel zur Verbeſſerung unſers Viehſtandes und dadurch zur Beför⸗ derung der Kultur unſerer Aecker zu betrachten. Wir müſſen alfo den Betrieb der Brennereien nach Größe un— ſerer Wirthſchaft einrichten, und ſolche mit der Möglichkeit des Abſatzes des nebenbei gewonnenen Branntweins vergleichen. Hiernach ſind wir nun aber nicht im Stande, auch nur die Hälfte des Reſultats einer Tag und Nacht fortgehenden Fabrik zu liefern, mithin wird der von uns zu entrichtende Blaſenzins doppelt ſo hoch, und dieſes verändert ſich fortwährend, als eine Brennerei ſich einem fabrikenmäßigen Betriebe nähert oder davon entfernt. Ferner ſcheint uns auch ſelbſt in der Berechnung des dem Edikt beigefügten Tarifs des Bla⸗ ſenzinſes in Hinſicht des Korns und der Gerſte ein kalkulatoriſcher Irrthum obzuwalten, welcher bei allen den Branntwein liefernden Surrogaten, und vorzüglich bei Dampfbrennereien, in eine große Prägravation ausartet, weshalb wir uns der Kürze wegen auf die sub Litt. A. dieſer allerunterthänigſten Vorſtellung bei⸗ gefügten Expoſe beziehen. Ueberdies kommt hier nun noch die Lokalität von Schleſien zur Sprache, welches ſeiner ganzen Länge nach mit Polen gränzt, womit es ſchon vorher, vielweniger aber jetzt, bei dem ſo hohen Impoſt nicht Preis halten kann, weshalb denn auch den Defraudanten aller Art Thür und Thor geöffnet wird, indem die ſämmt⸗ lichen ſo zahlreichen Gränzbewohner ſich beſtimmt ihren Bedarf einſchwärzen werden, wodurch unſer Debit offenbar zu Grunde gehen muß. Wenn nun nach dem Vorgeſagten eines Theils uns die Produktion ſelbſt ſo vertheuert wird, daß wir ſolche nicht mehr mit Nutzen treiben können, und uns durch die unendlichen, gar nicht abzuwendenden Defrau⸗ dationen der Debit des Branntweins ſelbſt verſchränkt wird, ſo werden zuvörderſt die meiſten kleinern Blaſen verſiegelt bleiben, andere an der Gränze nur zum Schein betrieben werden, um deſto ſicherer unter dieſem Vorwande einſchwärzen zu können, ſodann aber auch die größern fabrikmäßigen Brennereien, da ihnen die Produktion ſo ſehr vertheuert wird, nach und nach ſtille ſtehen. Hierdurch wird nun aber nicht allein die damit unzertrennlich verbundene Oekonomie unendlich leiden und ein großer Theil des ſparſam noch exiſtirenden Numerärs aus dem Lande gehen, ſondern auch die aus dieſer Abgabe für den Staat zu hoffende Einnahme ſehr verringert, ſehr unbeſtimmt und ungewiß gemacht. Bei dieſen aufgeſtellten Anſichten glauben wir nicht erſt nöthig zu haben, uns noch weiter auf die einzelnen Schwierigkeiten bei Entſiegelung und Verſiegelung der Blaſen, ſo wie der ganzen Erhebungsart dieſer Abgabe, einlaſſen zu dürfen, ſondern hinreichend das Drückende und Nachtheilige dieſer Verordnung gezeigt zu haben. Da indeſſen der Staat jetzt außerordentlicher Hülfen bedarf, und jeder getreue Unterthan weit davon entfernt iſt, ſich zu weigern, fo viel in feinen Kräften ſteht, dazu beizutragen, fo find wir der allerunterthä⸗ nigſten Meinung: 344 Daß dieſer Zweck am erſten und leichteſten durch eine fixirte, nach verſchiedenen Klaſſen eingetheilte Steuer, welcher jeder Einwohner über 12 Jahre zu unterwerfen, erreicht werden könne, als worauf wir daher allerunterthänigſt antragen. Dieſe Steuer, welche alle die gehäſſige Kontrolirung überflüſſig macht, und wobei die ſo ungeheuren Erhebungskoſten erſpart werden, indem die Einnahme durch die gewöhnlichen, bisher ſchon beſtehenden Behör— den erfolgen kann, hat den doppelten Nutzen, daß ſie eines Theils die Unterthanen weniger drückt, indem ſie mehr den Vermögensumſtänden anpaſſend gemacht werden kann, andern Theils dem Staate ſelbſt eine ſichere Einnahme gewährt, die Defraudation verhindert und wegen der erſparten Adminiſtrationskoſten bei geringern Sätzen doch ein günſtigeres Reſultat darbietet. II. Was die Luxusſteuer anbetrifft, fo fühlen wir das Zweckmäßige einer ſolchen Auflage vollkommen, und fügen uns darin gern Ew. Königl. Majeſtät Befehlen; nur iſt freilich dabei die Schwierigkeit, daß Manches, was bei einzelnen Individuen reiner Luxus iſt, bei andern in Hinſicht ihrer ſtärkeren Familie, oder in ſonſtigem Verhältniſſe Bedürfniß wird. Dieſes veranlaßt uns daher, allerunterthänigſt zu bitten: Bei dieſer Abgabe und deren Erhebung eine ſtrengere Gränzlinie zwiſchen eigentlichem Luxus und wirklichem Bedürfniſſe Allerhöchſt zu beſtimmen. Viel erheblicher und in das Innere der Eigenthumsrechte der Staatsbürger eingreifender iſt aber III. die in dem Allerhöchſten Edikte vom 28. Oktober v. J. enthaltene Erlaubniß zur Anlage neuer Brau- und Brennereien, Mühlen und dergleichen mehr. Die Brau- und Brennereien waren in Schleſien ehemals wirkliche Regalien, welche unſere Vorfahren titulo oneroso von dem damaligen Landesherrn durch Verträge acquirirt haben. Seit dieſer Zeit ſind ſie ſtets als ein integraler Theil der Güter, womit ſie verbunden ſind, angeſehen und in dem Steuer-Kataſter mit angeſchlagen und verſteuert worden. Sie find alfo unſer wirkliches Eigenthum und find mit unſern Gü⸗ tern gemeinſchaftlich, in Hinſicht der Pfandbriefe der Landſchaft und in Hinſicht der übrigen Hypotheken un: ſerer Gläubiger verhaftet. Uns dieſe Gerechtſame nehmen, würde ein Eingriff in unſer Eigenthum ſein, un⸗ ſern Gläubigern einen Theil ihrer Sicherheit rauben, und uns außer Stande ſetzen, unſere Oekonomie durch Vermehrung des Viehſtandes und beſſere Kultur unſerer Aecker weiter zu pouſſiren. Einer ſolchen Entziehung unſerer Gerechtſame involvirt aber offenbar die in dem gedachten Edikte ent⸗ haltene Beſtimmung: daß, wer überhaupt zu Bauanlagen auf einem Grundſtücke geſetzlich berechtigt iſt, es gleichfalls zu Anlagen von Brennereien und Brauereien ſein ſoll; wodurch einem jeden Eigenthümer freiſteht, auf unſerm Fundo und neben unſern Brauereien ähnliche Anlagen zu machen, eine Freiheit, welche Niemanden nutzt, und dem Staate, fo wie uns Eigenthümern, unwieder⸗ bringlich Schaden bringt. 0 Es iſt nicht in Schleſien der Fall, wie vielleicht in andern Provinzen, daß überhaupt nur wenige Brau⸗ und Brennereien exiſtiren, welche daher eine Art von Monopolie ausüben; jedes Dominium in Schleſien hat dieſes Recht und übt es in Gemäßheit ſeines Abſatzes und beſonders in Verhältniß ſeiner Wirthſchaft aus, ſo daß es an Konkurrenz in Hinſicht der Güte und des Preiſes der Waare nicht fehlt. Das Publikum kann alſo hierunter weniger gefährdet werden, als bei der Anlegung mehrerer kleineren, blos auf baaren Gewinn berechneten Brennereien, welche weniger wie größere der Aufſicht des Staates unterworfen ſein können. Da die Gutsbeſitzer dieſe Fabrikation hauptſächlich nur in der Hinſicht, um dadurch ihre Viehzucht und ihren Ackerbau zu kultiviren, und ihre Produkte bei den eriſtirenden fo geringen Preiſen doch zweckmäßig zu benutzen, nicht aber zum baaren Gewinn oder als ein Gewerbe treiben, ſo können ſie ſchon an ſich nicht ſich aller der kleinlichen und nachtheiligen Mittel bedienen, welche die Anlage kleiner Brennereien gebrauchen, um 345 ihren Erwerb zu vermehren. Dieſe können natürlich ihren eigenen Vortheil durch eigenen Betrieb viel beſſer wahrnehmen, ferner alle Vortheile benutzen, die gemeinen Leute durch Kreditiren und dergleichen an ſich locken, fie, die ohnehin ſchon dazu mehr als zu geneigt find, zur Völlerei verleiten, ihnen doppelt anſchreiben, ſich ihrer Erndten im Voraus verſichern und ſie zu Grunde richten. Hierdurch aber würde offenbar die Moralität des Volks verdorben, und die Dominial- Brennereien, die ſich dieſer Mittel nicht bedienen können, ihres Abſatzes beraubt werden, wodurch ſie alſo außer Stande ſein werden, dieſe Fabrikation fortzusetzen, fie müſſen eingehen und dadurch die jetzt zu blühen anfangende Viehzucht, ſo wie die Kultur des Landes darunter leiden. Mit großem Koſtenaufwande ſind die Schaafheerden durch ſpaniſche Stöhre, das Rindvieh durch Tyro⸗ ler und Schweizer Vieh veredelt, die Erzeugniß der nöthigen Futtergewächſe iſt auf eine ſtarke Düngung be: rechnet, welches nur in die Futterung des Viehes ſelbſt durch einen zweckmäßigen und in der Wirthſchaft ſelbſt eingreifenden Betrieb der Brau- und Brennerei durchgeſetzt werden könnte; ſollte es dem Staate wohl gleichgültig fein, wenn dieſe zweckmäßigen Anlagen, wodurch die Einfuhr des fremden Viehes in der Folge vermindert werden dürfte, eingehen, und dadurch die ſo koſtbar gehobene Kultur wieder ſinken muß, oder wenn dem Geundbeſitzer ein fo anſehnlicher Theil feines Eigenthums dadurch entzogen würde? Ueberdies hat Oberſchleſien, entblößt von großen Städten, faſt gar keinen andern Ausweg, ſein Getreide abzuſetzen, als durch den Betrieb ſeiner Brennereien und durch Maſtung. Würden dergleichen nun von an— deren, vielleicht unredlichen Leuten angelegt, fo würde eine Menge Getreide aus dem Auslande, welches fo nahe daran gränzt, eingeſchwärzt werden, dadurch das wenige baare Geld verſchwinden, und, da es alsdann an Abſatz des Getreides fehlen würde, die Kultur ganz ſinken. Es wäre alſo offenbar zum größten Nachtheil des Staats das Vermögen der Gutsbeſitzer geſchmälert, dieſe dadurch außer Stand geſetzt, mehrere Opfer zum Beſten des Staats zu bringen, und nur einzelne we— nige Gewerbetreibende Spekulanten bereichert. Auch unſere Gläubiger verlieren durch dieſe Vernichtung eines nicht geringen Theils unſers Eigenthums nicht allein einen großen Theil ihrer Sicherheit, ſondern es muß auch bei dieſer Unſicherheit der Eigenthumsrechte der National-Kredit ſelbſt ſinken. Die Landſchaft wird ſich genöthigt ſehen, die Taxen der Güter, wobei auf dieſe Branche viel Rückſicht genommen worden, herunter zu ſetzen, mithin einen Theil der bewilligten Pfandbriefe zu kündigen, wodurch dann die Gutsbeſitzer, welche zu dieſer Ablöſung kein Geld haben, offenbar ruinirt werden müſſen. Aus dieſen aufgeſtellten Gründen müſſen wir Ew. Königl. Majeſtät zu unſerer eigenen Selbſterhaltung allerunterthänigſt bitten: die Allerhöchſte Verfügung dahin zu moderiren, daß bei der in Schleſien ſchon hinreichend exiſti— renden Anzahl von Brennereien auf dem platten Lande die Anlegung neuer dergleichen Anlagen nicht zu geſtatten. Da wir übrigens früher ſchon ausgeführt haben, daß dieſe Etabliſſements von uns keinesweges des baaren Gewinnſtes wegen als Gewerbe getrieben werden, vielmehr ſolche als ein integrirender Theil unſerer Oekonomie und hauptſächlich auf Beförderung der Viehzucht und des Ackerbaues abzweckend angeſehen werden müſſen, fo find wir überzeugt, daß Ew. Königl. Majeſtät Intention dahin nicht gehet: daß wir deshalb in die Klaſſe der gewerbetreibenden Perſonen zu rechnen, und außer der für die Brennerei im Kataſtro angeſetzten Steuer noch der neuen Gewerbeſteuer unterworfen ſein ſollen, welche nun an die Stelle der ehemaligen Nahrungsſteuer getreten, wozu wir niemals verpflichtet geweſen. Da indeſſen ſchon mehrere Landräthe in Schleſien und ſelbſt die Regierungen dieſen Satz aufgeſtellt, ſo müſſen wir hierüber um ſo mehr um eine Allerhöchſte Deklaration allerunterthänigſt bitten. 44 346 IV. In Hinſicht der Freiheit, neue Mühlen anzulegen, welchem wir geradezu nicht widerſprechen wollen, müſſen wir aber doch wenigſtens dahin antragen: daß es hierbei bei den bisherigen geſetzlichen Beſtimmungen und der dabei nothwendigen Zuziehung der benachbarten Mühlen-Eigenthümer zu belaffen. Haben Ew. Königl. Majeſtät durch das oben allegirte Edikt auch alle Zwangs- und Banngerech⸗ tigkeiten aufzuheben geruhet. Auch dieſe waren unſer wohlerworbenes Eigenthum, und darauf allein der De— bit unſerer Brau- und Brennereien berechnet. Inſofern gehörten ſelbige mit unter diejenigen Gerechtſame und Rechte, welche Ew. Königl. Majeſtät und Aller höchſtdero glorreiche Vorfahren uns wiederholentlich garan— tirt haben, deren wir uns daher wohl begeben, die uns aber nicht geradezu genommen werden können. Sollen indeſſen auch dieſe Gerechtigkeiten mit der perſönlichen Freiheit der Landbewohner für unverträg— lich geachtet werden, und wir daher darauf freiwillig Verzicht leiſten wollen, ſo ſind wir doch der Ueberzeugung: daß dieſe Aufhebung nicht auf den Krugverlag oder die Verbindlichkeit der auf unſerm Grund und Boden exiſtirenden Krüge, ihr zu verſchenkendes Getränke aus unſern Brau- und Brenne⸗ reien zu entnehmen, auszudehnen. \ Dieſe Verbindlichkeit, welche keinesweges ein Ausfluß des aufgehobenen Unterthänigkeits-Nexus iſt, ruht auf dem Fundo des Krugs, und iſt bei dem Verkaufe des Grundſtücks ausdrücklich als eine Kaufsbedingung feſtgeſetzt worden. Der Krugverlag iſt alſo wirklich ein Realrecht, und entſpringt aus einem gegenſeitigen Vertrage, indem darin zugleich dem Kruge eine Remuneration dagegen verſprochen worden. Da wir nun von Ew. Königl. Majeſtät Gerechtigkeitsliebe nicht erwarten können, daß die Allerhöchſte Intention dahin gegangen: dergleichen vertragsmäßige Realrechte aufzuheben, ſo tragen wir allerunterthänigſt dahin an: die Allerhöchſte Willensmeinung nach obigem Antrage zu deklariren. VI. In dem Edikte vom 28. Oktober v. J. wegen Einführung der neuen Konſumtions- und Luxus⸗ Steuer, Sect. J, § 2, Litt. c, iſt verordnet: daß die landſchaftlichen Kämmerei- und Dominial-Gefälle vom Getränke, Schlachtvieh und Mahl: getreide nicht mehr erhoben werden ſollen, und eben fo disponirt das Edikt vom 2. November v. J. wegen Einführung einer Gewerbeſteuer § 30: Alle bisherigen Abgaben von den Gewerben, inſofern ſie die Berechtigung zum Betriebe derſelben betreffen, als: Konceſſionsgeld, Nahrungsgelder, kataſtrirte Stellen, oder unter welcher Benennung ſie ſonſt vorkommen, ſie mögen alljährlich oder ein Mel für alle Mal an Königl. Kaſſen, Käm⸗ mereien oder an Grundherren entrichtet werden, hören mit Einführung der Gewerbeſteuer auf. Dieſe Verordnungen ſind bei uns in Schleſien ſowohl von den Verpflichteten, als auch von den Re— gierungen unſers Erachtens unrichtig ausgelegt worden; es dürfte daher wohl eine Deklaration nöthig ſein, zu deren Begründung wir Folgendes allerunterthänigſt bemerken: Der von den gewerbetreibenden Perſonen in Schleſien an die Dominia zu entrichtenden Steuern 0 beſonders zweierlei: a) die auf den Mühlen, Brau- und Brennereien haftenden Abgaben, als Mühlenzins und dergl., b) die auf dem platten Lande, beſonders aber im Gebirge, zu entrichtenden Krämer- und Handwerks— Zinſen. a) Die erſteren beſtehen in jährlichen, theils Geld-, theils Natural-Abgaben, welche von den Dominien bei dem ehemaligen Verkaufe oder Vererbpachtung von Mühlen, Brau- und Brennereien, Krügen und dergl. nebſt den dazu gehörigen Grundſtücken und Gerechtigkeiten als ein perpetuirlicher Zins aufgelegt und deshalb das Kaufgeld verhältnißmäßig niedriger beſtimmt worden. Dieſer iſt nun eine wirkliche, auf dem Grundſtücke haftende, das Gewerbe gar nicht betreffende Real-Laſt, welche als ein Theil des Kaufſchillings um ſo mehr I. A anzufehen iſt, als letzterer deshalb niedriger geweſen, auch dagegen die Dominia größtentheils die dazu nöthigen Anlagen, als Wehre und dergleichen, fo wie Grundwerk unterhalten müſſen; daß nun obige geſetzliche Beſtim— mung auf einen ſolchen Zins ſo wenig Anwendung finden kann, als durch die Aufhebung des perſönlichen Dienſtzwanges die auf dem Grundſtück haftenden Dienſte mit aufgehoben worden, liegt wohl klar zu Tage. Da indeſſen beſonders die Müller ſich jetzt ſchon weigern, dergleichen Mühlenzins künftig zu bezahlen, und die oberen Behörden in Schleſien dieſe Meinung ebenfalls anzunehmen ſcheinen, ſo dürfte deshalb eine Allerhöchſte Deklaration um deſto nothwendiger fein. Was nun | b) die eigentlichen Krämer: und Handwerks-Zinſen, die beſonders im Gebirge vorkommen, anbetrifft, ſo ſind ſie in Hinſicht ihres Fundaments darin verſchieden, daß ſie ſich entweder auf Kaufbriefe, oder auf Urbarien und Obſervanzen gründen. Die erſteren, welche daher die Natur einer Real-Laſt annehmen, und Fabriken und dazu beſtimmten Gebäu⸗ den, als Papiermühlen, Schleif- und Mahlmühlen, gegeben werden, kommen offenbar in die Kategorie der ad a bemerkten Zinſen, worauf die geſetzlichen Vorſchriften nicht auszudehnen. In Hinſicht der letzteren, welche ſich auf Urbarien und Obſervanzen gründen und daher nicht geradezu als Grundzinſen anzufihen find, iſt die Sache etwas zweifelhafter. Allein wenn gleich dieſe Abgabe nicht geradezu vom Beſitz gegeben wird, ſo iſt doch der Beſitz eines ländlichen Grundſtücks die nothwendige Bedingung, ohne welche ein ſolcher Krämer oder Handwerker, als z. B. Schmidt, Schneider, Tiſchler, zur Entrichtung eines herrſchaftlichen Handwerks— zinſes nicht verpflichtet werden kann, da ein unangeſeſſener Handwerker nicht dieſen Zins, ſondern nur ein gewiſſes Schutzgeld entrichtet. Es betrifft daher dieſer Zins nicht die Berechtigung zum Betriebe eines Gewerbes, welche überhaupt nicht das Dominium, ſondern allein der Landrath ertheilen kann, ſondern er wird dafür gegeben, daß ein Handwerker zum beſſeren Betriebe ein Grudſtück beſitzt. Ueberhaupt aber ſind durch die Deklaration des Edikts vom 9. Oktober 1807 de dato den 8. April 1809 dieſe Handwerks- und Weberzinſen ausdrücklich von Ew. Königl. Majeſtät beſtätigt worden, und wir können daher nicht anders annehmen, als auch dieſe nach der Intention Ew. Königl. Majeſtät nicht aufgeho— ben ſind, als worüber wir, wegen des oben ſchon gedachten Mißverſtandes, um eine Deklaration allerunterthänigſt bitten. Außer dieſen durch die neueren Geſetze veranlaßten Beſchwerden ſind wir noch genöthigt, Ew. Königl. Majeſtät folgende zwei Gegenſtände vorzutragen. VII. Durch die oben allegirten Deklaratoria vom 8. April 1809 iſt feſtgeſetzt: daß die ſogenannten Einlieger ſtatt der ſonſtigen Zinſen und Naturaldienſte ein ll Schutz⸗ geld entrichten ſollen, ohne daß über die Höhe deſſelben etwas feſtgeſetzt worden. Ueber dieſen Gegenſtand find aber ſchon bis jetzt mehrere Prozeſſe entſtanden, und es ſind in der Zukunft noch viel mehr zu erwarten. Um dieſem und dem damit verbundenen Koſtenaufwande wo möglich vorzubeugen, würde es ſehr nützlich ſein, ein Maximum und Minimum dieſes zu nehmenden Schutzgeldes feſtzuſetzen und dabei zu beſtimmen: daß, im Fall ſich das Dominium und der Einlieger über den Satz nicht vereinigen könnten, der ſich nach den ſonſtigen Dienſten und Abgaben richten muß, der Landrath des Kreiſes dieſen Streit ohne prozeſſualiſche Weitläuftigkeit nach der ihm beiwohnenden Lokalkenntniß entſcheiden folle, Wir ſchlagen zu der Beſtimmung des Minimi oder Mapimi, inſofern Holz- und Hutungs⸗Gerechtigkeit nicht mit in Anſchlag kommen, den Satz von 1 Gulden bis 3 Thaler vor, und überlaſſen dieſe unfere Bitte Ew. Königl. Majeſtät Entſcheidung. VIII. Durch die neuerdings bekannt gewordene Willensmeinung Ew. Königl. Majeftät ſoll die Relui⸗ tion der Dienſte der Landbewohner mehr und mehr befördert werden. So wohlthätig dies auch in ſeinen 44 * SE Wirkungen ift, fo hängt doch dabei faſt Alles, beſonders in Hinſicht der Zweckmäßigkeit derſelben im gegebenen Falle und der dabei feſtzuſetzenden Modalitäten, von der Lokalität eines jeden Ortes ab, welche der Geſetzgeber nicht hinreichend beurtheilen, auch nicht in das ungeheure Detail eingehen kann; wir tragen daher allerunter⸗ thänigſt dahin an: daß, ſo wie die Dienſtleiſtungen an ſich auf ältere Verträge zwiſchen dem Gutsherrn und dem Dienſtpflichtigen gegründet ſind, auch die Aufhebung derſelben blos unter beiderſeitiger Zuſtimmung und mit Rückſicht auf jegliche Orts-Lokalität erfolgen dürfe. Dies ſind nun diejenigen ſpeziellen Klagen und Wünſche, welche wir berufen ſind, Ew. Königl. Majeſtät im Namen der ganzen Provinz vorzutragen, und von denen wir überzeugt ſind, daß Allerhöchſtdieſelben ſie gewiß Allerhöchſtdero Aufmerkſamkeit würdigen werden. Wir wiederholen es, daß wir, von der Noth des Staats überzeugt, gewiß alle die Opfer bringen werden, die in unſern Kräften ſtehen, da ja das Intereſſe des Staats mit dem unſrigen ſo innig verbunden iſt. Nur, Allergnädigſter König und Herr, müſſen wir nicht außer Stand geſetzt werden, dieſe Opfer bringen zu können, und hierzu iſt es nothwendig, daß wir in dem Beſitz unſerer wohlerworbenen Eigenthumsrechte gefchügt werden. Jeder Eingriff in dieſelben raubt uns einen Theil unſers Vermögens, ſchwächt unſern Kredit und führt uns unſerm gänzlichen Ruin ent⸗ gegen. Es iſt nicht zu leugnen, daß dieſes unſer Vermögen nur in andere Hände übergeht; allein kann es dem Staate wohl einerlei ſein, in welche, ob in ſolche, die in der Lage ſind, und durch die Verhältniſſe ſchon genöthigt worden, Alles aufzuopfern, den Staat aufrecht zu erhalten, weil ſie mit ihm ſtehen und fallen, oder in ſolche, die ihr Vermögen den Bedürfniſſen des Staats entziehen, nur von dem Keim ihrer Mitmen⸗ ſchen ſich bereichern, und am Ende ihren größten Gewinn in dem allgemeinen Umſturz finden? Doch Ew. Königl. Majeſtät haben ja ſelbſt in der Reſolution an die Stände des Stolpeſchen Kreiſes vom 28. December v. J. zu äußern geruhet: daß der Wechſel alles Eigenthums und der Uebergang deſſelben in andere Hände keinesweges gleichgültig ſein kann, und mithin können wir des feſten Vertrauens fein, daß Allerhöchſtdieſelben keine, weder mittelbare noch uns mittelbare, Eingriffe verſtatten werden, wodurch der Kredit des Staats unendlich leidet, da nur die Heiligkeit der Eigenthumsrechte denſelben aufrecht erhalten kann. So bereitwillig wir übrigens ferner ſind, zur Abhelfung der jetzigen Noth des Staats alle nur mögliche Opfer zu bringen, ſo können wir doch auch nicht umhin, in unſerm und der ganzen Provinz Namen den dringenden Wunſch zu äußern, daß dieſe von uns verlangten Opfer nicht permanent bleiben, ſondern nach erlangtem Zwecke uns Erleichterungen verſchafft werden, da wir fortdauernd nicht im Stande ſein würden, dieſe Laſten zu tragen. Daß endlich dieſe unſere Opfer nicht allein hinreichen können, um den Staat aus feiner jetzigen drücken⸗ den Lage zu reißen, iſt wohl ſehr in die Augen leuchtend, und Ew. Königl. Majeſtät haben dies auch dadurch ſchon anerkannt, daß Höchſtdieſelben hierzu die Geiſtlichen- und Domainen-Güter mit beſtimmt haben. Da indeſſen an einen augenblicklichen Verkauf derſelben, wenn er nicht in Verſchleuderung ausarten ſoll, an Ein— länder wohl nicht zu denken iſt, weil es eines Theils an baarem Gelde fehlt, andern Theils dadurch das baare Geld noch außer Landes gehen würde, ſo bleibt nichts als der Verkauf an Ausländer oder Verpfändung gegen im Auslande zu negociirende Kapitalien. Beides unterliegt aber in dem jetzigen Augenblicke großen Schwierigkeiten, da durch die große Schulden— laſt unſers Staats, die ſo oft und vielfach erhöheten Abgaben, ſo manche Eingriffe in das Eigenthum, und endlich die jetzige prekäre Exiſtenz aller Staaten, unſer Staats-Kredit geſunken iſt, und daher die Ausländer weder ihr Geld anvertrauen, noch ſich Eigenthum in unſerm Lande verſchaffen mögen. Unſerer unvorgreifli⸗ chen Meinung nach kann dieſem nicht anders abgeholfen werden, als wenn der National-Kredit wieder herge⸗ 349 ſtellt wird. Hierzu aber iſt die möglichfte Sicherung des Eigenthums und Mitwirkung der Nation höchſt nothwendig. Beide Zwecke können aber nur durch eine konſtitutionsmäßige National-Repräſentation erreicht werden, und da Ew. Königl. Majeſtät ſelbſt ſchon hierüber verſchiedentlich öffentlich ſich zu äußern geruhet haben, fo ergreifen wir nochmals die Gelegenheit, um die Realiſirung der uns ſchon längſt verſprochenen National-Repräſentation zu bitten, mit welcher ſodann von Seiten des Staats die weitern Berathſchlagungen wegen Wiederherſtellung des National-Kredits bei der fo großen Schuldenlaſt zu veranftalten fein dürften. Da indeſſen vielleicht die Ausführung unſeres Geſuchs durch die nöthige Einleitung und Vorarbeiten leicht noch einige Zeit verzögert werden könnte, das größte Intereſſe aller Stände aber dabei obwaltet, daß in der Zwiſchenzeit bei den vorwaltenden Veränderungen auf die Lokalität der Provinz Schleſien, welche hier hauptſächlich nicht hinreichend bekannt zu ſein ſcheint, Rückſicht genommen wird, ſo müſſen wir im Vertrauen auf Ew. Königl. Majeſtät für unſere Provinz ſtets gehegte Gnade darauf antragen: daß, bis zur Organiſirung der förmlichen National-Repräſentation unferer Provinz verftattet wird, ſelbſt zu wählende Deputirte hier am Orte zu beſtellen, welche, vom Staate als ſolche aner— kannt, bei allen und jeden Gegenſtänden der Geſetzgebung, welche auf Schleſien Bezug haben, mit ihren Gutachten zu hören ſein dürften. Die Gewährung aller dieſer unſerer Geſuche, welche lediglich das Beſte des Staats überhaupt und un— ſerer Provinz insbeſondere zum Zwecke haben, und die unſers Ermeſſens gewiß nicht die Gränzlinie der dem Throne gebührenden Achtung überſchreiten, hoffen wir von Allerhöchſtdero Gerechtigkeit und Gnade, und er— ſterben in tiefſter Devotion Ew. Königl. Majeſtät. Berlin, den 3. Januar 1811. 2) Bemerkungen der National-Verſammlung über das Edikt vom 30. Juli 1812 wegen Errichtung einer Gens darmerie. In der Einleitung wird als Grund der Verordnung das Uebergewicht, welches einzelne Klaſſen von Staatsbürgern durch ihren vorherrſchenden Einfluß auf die öffentliche Verwaltung aller Art haben, da dieſer gleichmäßig vertheilt ſein ſollte, angeführt: 0 Da dergleichen Bemerkungen unter den Ständen eine nachtheilige Stimmung erregen können, ſo wird der Wunſch gehegt, daß ſie in den künftigen Edikten und Verordnungen ſo viel als möglich vermieden würden. 2) ad Nr. 1. Scheint die Errichtung der Land- und Stadtgerichte, die Aufhebung der Patrimonial: Gerichtsbarkeiten anzudeuten. Jeder Gutsbeſitzer wird der Kriminal-Jurisdiktion gewiß gern freiwillig entſa— gen, und die Vereinigung in ein Kreis-Kriminalgericht für eben ſo zweckmäßig als wünſchenswerth halten. Was aber die Veränderung in der Civilgerichtsbarkeit betrifft, fo wünſcht die Verſammlung die genauefte Prü— fung aller Vortheile und Nachtheile derſelben, weil die Vereinigung mit den Land- und Stadtgerichten viele Schwierigkeiten und Inkonvenienzien beſorgen läßt, die fernerhin nicht ſtattfinden. Ueberhaupt wird gebeten: die Ausführung dieſer Angelegenheit nicht zu ſchnell vor ſich gehen zu laſſen, ſondern den Plan dazu der Vers ſammlung vorher zur Berathung mitzutheilen. Derſelben ſchienen dieſe Bemerkungen ſo weſentlich, daß ſie dieſelben nicht weglaſſen zu müſſen glaubte; indeß ſtimmen einige ihrer Mitglieder, als: die Herren Roſemann, Dehling, Jacob, Schmidt, Leiſt, Rump und Müller, damit nicht überein, ſondern wünſchen, daß die Verſammlung über dieſen Gegenſtand nichts äußere, und über die Geſetzſtelle ganz mit Stillſchweigen hinweggehe. 5 a Uebrigens find an den meilten Orten die Mitglieder des Land- und Stadtgerichts allein von den Städ— ten beſoldet worden, und die letztern haben keine Zuſchüſſe zu ihren Kaſſen erhalten, obgleich durch die Vereini⸗ gung mit dem platten Lande ſich die Arbeiten der Gerichte ſehr vermehrt und die Nothwendigkeit erzeugt haben, das Perſonal auf Koſten der Kämmereikaſſen zu vermehren. Da die Städte durch dieſe Vereinigung nicht leiden können, ſondern es wohl der Billigkeit angemeſſen iſt, daß die durch die Juſtizverwaltung entſtehenden Koften gleichmäßig vertheilt werden, fo wird gebeten, darauf bei der künftigen Einrichtung der Land- und Stadtgerichte gehörige Rückſicht zu nehmen. 3) ad Nr. 2. a. b. Hoffet die Verſammlung, daß in der beſtehenden Patronatsverfaſſung ohne Zus ſtimmung der Patrone nichts geändert werden wird, weil dieſelbe zu den Rechten des Gutsbeſitzers gehört, dem ſie ohne Kränkung derſelben nicht genommen werden kann; allein auch mit dieſer, ſo ſehr in der Billigkeit liegenden Anſicht der Dinge ſtimmen die bereits genannten Herren nicht überein, ſondern haben den Antrag gemacht, daß eine Veränderung erfolgen und der Gutsbeſitzer gegen eine Entſchädigung darein willigen müſſe. Es wird aber von dem übrigen Theile der Verſammlung nicht gezweifelt, daß die Rechte der Gutsbeſitzer hierin erhalten werden. 4) ad Nr. 1. Nach dieſer Beſtimmung ſoll für die Folge das Amt des Kreis-Direktors vom Staate aufgetragen und nicht mehr von der Wahl abhängig gemacht werden. Es ſind der Verſammlung die Gründe, welche dieſe Feſtſetzung herbeigeführt haben, unbekannt; allein fie hält Achtung und Zutrauen des Kreis-Di⸗ rektors durch ſeine Kreis-Eingeſeſſenen für unerläßliche Eigenſchaften, die ihn dieſes Poſtens würdig machen. Er ſtehet mit ihnen in einer fo genauen Verbindung und bedarf ihre Mitwirkung fo häufig, daß jeder Manz gel an Uebereinſtimmung keine andere als nachtheilige Folgen für den Kreis und den Staat hervorbringen muß. Die Kreis- Eingefeffenen ſollen ſehr viele Verpflichtungen übernehmen, deren Läſtigkeit nur durch pers ſönliche Achtung für den Kreis-Direktor vermieden wird, und deshalb hält die Verſammlung die Wahl des Kreis⸗Direktors durch den Kreis für zweckmäßiger, als die Beſtellung durch den Staat, weil auch die Mit— glieder des Kreiſes am beſten Gelegenheit erhalten haben, diejenigen Männer kennen zu lernen, von denen Einem ſie mit vollem Rechte das Vertrauen ſchenken und ihn an ihre Spitze ſtellen können. Die Verſammlung bittet daher, die Wahl des Kreis-Direktors dem Kreiſe zu geſtatten, jedoch dabei das Verfahren ſtattfinden zu laſſen, welches bei der Wahl der Kreis-Deputirten vorgeſchrieben iſt, indem die Kon- kurrenz der bisher davon ausgeſchloſſen geweſenen Stände für eben ſo billig als nothwendig gehalten wird. 5) ad $ 3 und 4. Nach Maaßgabe des Einganges ſoll die gegenwärtige Kreis-Einrichtung nur pro= viſoriſch beſtehen, und, ſobald es die Umſtände verſtatten, eine neue Kreis-Eintheilung vor ſich gehen. Die Verſammlung erlaubt ſich aber hierbei die Bemerkung, daß jede Neuerung im Anfange Schwierigkeiten im Geſchäftsgange, mithin auch einiges Mißvergnügen verurſacht. Erſt nach einiger Zeit gewöhnt ſich der ge— meine Mann an die neuen Behörden. Es ſcheint daher höchſt nothwendig, Neuerungen ſo viel als möglich zu vermeiden, und da, wo ſie nothwendig ſind, auf einmal auszuführen, weil nur Gewohnheit und nähere Kenntniß des Geſchäftsganges den großen Haufen das Beſſere kennen lehren. Es ſchwindet das Vertrauen zu den Behörden, wenn fie öfters organiſirt werden, weil der Staat durch ihre Umformung fie in ihrer frü- heren Geſtalt nicht für nützlich erklärt. Im Allgemeinen macht die Verſammlung daher den Antrag: die etwa nöthigen Reformen ſo viel als möglich auf einmal auszuführen. Was aber in specie die proviſoriſche Kreis-Eintheilung anbetrifft, ſo dürften dadurch manche Koſten für die Einrichtung des Lokals vergeblich angewandt werden, wann die jetzt zu Kreisſtädten gewählten Orte nicht Kteisſtädte bleiben ſollten. Ueberdem würde die Abänderung der Kreiſe eine neue Auseinanderſetzung in Rückſicht der Kreis-Kom⸗ munalkaſſe und der ganzen Kreisverwaltung nothwendig machen. Es wird daher der Wunſch gehegt: die neue Kreis⸗Eintheilung ſofort definitive fo zu organiſiren, als fie für die Folge beſtehen ſoll und deshalb gar keine proviſoriſche Eintheilung zu unternehmen. 6) Abſchnitt 1, § 5. Dieſer Paragraph disponiret, daß den Kreisverbindungen im Allgemeinen die Beſtimmung gegeben werde, daß ſie allen Bedürfniſſen genügen müſſen, welche, ihrer Natur nach, Laſten des Kommunalverhältniſſes ſind, oder vom Staate dafür erklärt werden. Die letztere Feſtſetzung iſt von der bis— herigen Verfaſſung ganz abweichend, und ſtellt Grundſätze auf, die eben ſo neu als nachtheilig ſcheinen. Sicherheit des Privat-Eigenthums und Entfernung jeder Willkür ſind die nothwendigſten Eigenſchaften jeder guten Staatsverfaſſung, und deshalb darf die Verſammlung Gewährung der Bitte hoffen: „in der angekündigten Kommunal-Ordnung alle diejenigen Laſten beſtimmt aufzuführen, welche für die Folge Kommunallaſten ſein ſollen, und dann zu erklären, daß der Staat von dieſem im Edikt geſchehenen Vorbehalt Gebrauch gemacht habe, und für die Folge keine andere neue Laſten ohne Zuſtimmung der Nation für Kommunallaſten erklären wolle.“ Ferner wird eine Modifikation der ſpeciellen Feſtſetzung gewünſcht, weil: 0 ad a Alles, was die Majorität im Kreiſe wünſcht, zur Kreislaſt gemacht, und die Minorität zu ihrem entſchiedenen Ruin fortwährend angezogen werden könne, wobei ad b die Beſtimmung noch hinzugefügt, daß jede Laſt den Kreis treffen ſoll, wobei mehr als drei Ge— meinden intereſſiren, ohne einmal den Fall auszunehmen, wenn der reine Vortheil von drei Gemeinden es erfordert, eine Laſt für Kreislaſt zu erklären. Die Beſtimmung ad e ſcheint der Verſammlung zweifelhaft und Mißdeutungen fähig zu fein, weil fie in vielen Fällen die Kreislaſten zum Vortheil einiger wenigen vermehren würde, die zu deren Tragung allein verpflichtet ſind, indem ſie die Vortheile davon genießen. Da bisher der Staat die Unterhaltung von Kanälen, Brücken und Wegen, im Fall der Unvermögen— heit einzelner Gemeinden, ſelbſt übernahm, ſo wird die Beibehaltung dieſes Grundſatzes als nützlich und zweck— mäßig gewünſcht. 5 Nach der Meinung der Verſammlung müßte dieſer Geſetzſtelle noch hinzugefügt werden: 1) daß der Staat diejenigen Beiträge, welche er bis jetzt zu Kommunalzwecken gegeben, und diejenigen Laſten, die er aus ſeinem Fonds beſtritten hat, auch ferner leiſten und übernehmen werde, und 2) daß dasjenige, was früher einzelne Kommunen und Individuen nach denen ihnen ſpeciell obliegenden Pflichten leiſten mußten, auch ferner ihre Separatlaſt verbleibe. Ohne Zweifel wird dieſer Gegenſtand in der neuen Kommunalordnung noch genauer berückſichtiget wer— den, allein demohnerachtet hält es die Verſammlung für nöthig, hierauf aufmerkſam zu machen, und darauf anzutragen: 3) daß außerdem diejenigen Fälle, in welchen eine bisherige Laſt einer oder mehrer Gemeinden künftig für eine Kreislaſt zu erklären ſei, genau benannt, nur nicht bloß das Bedürfniß einzelner Gemeinden, ſondern Vortheile und Nachtheile des Ganzen nach Recht und Billigkeit und der bisherigen Verfaſſung genau berück— ſichtiget werden. 5 7) § 6. Die Beſchaffung der Bedürfniſſe für die vaterländiſchen und fremden Truppen läßt die Wie⸗ dereinführung der Lieferungen für die vaterländiſchen Truppen und die Wiederaufhebung der Edikte vom 27. und 30. Oktober 1810, in denen ausdrücklich beſtimmt iſt, daß dergleichen Lieferungen künftig aufhören und der Bedarf aus den öffentlichen Einkünften für Geld geſchafft werden ſoll, beſorgen. Es könne nun für ſich zwar gleichgültig ſein, ob die Bedürfniſſe des Staats im Allgemeinen, oder durch die einzelnen Kommunen aufgebracht werden; allein Beſtimmtheit und gleiche Vertheilung der Abgaben ſchienen die unerläßlichen Grund— ſätze zu fein, die jeder wohleingerichtete Staat vor Augen haben muß; und dieſe — dürften durch jene Feſt— 392 ſetzung ganz verloren gehen, weil die Bedürfniſſe für die Truppen im Kreiſe ſich auf keinen beftimmten Etat bringen laſſen, ſondern immer von den zufälligen Umſtänden herbeigeführt werden. Es kann ein Kreis bei dieſer Lage der Dinge ganz erdrückt werden, wenn es die Nothwendigkeit erheiz ſchen ſollte, in ihm eine Menge Truppen zuſammenzuziehen. Ueberhaupt ſcheint auch die Vertheilung der Truppen, ſelbſt in gewöhnlichen Zeiten, nach den Kräften der Kreiſe nicht ſo gleichförmig möglich zu ſein, um einem Kreiſe nicht Urſache zu Beſchwerden zu geben. Die an der Gränze oder an der See belegenen Kreiſe, oder ſolche, in denen eine Feſtung liegt, würden vor den übrigen vorzugsweiſe beläſtiget werden, und deshalb wird der Antrag formirt: die Beſchaffung der Bedürfniſſe für die vaterländiſchen und fremden Truppen nach wie vor ledig— lich für eine Staatslaſt zu erklären und durch ſeine Kaſſen aufbringen zu laſſen. Weshalb 8) ad 7. ſehr gewünſcht wird, den Entwurf über die Verordnung über die Aufbringung derjenigen Bedürfniſſe, welche für die Folge vom Kreiſe getragen werden ſollen, zur Berathung mitgetheilt zu erhalten. 9, ad 8. Scheint die Konkurrenz der Juſtizbehörden in den angezeigten Fällen zwar zweckmäßig, in⸗ deß das Recht des Kreis-Direktors mit der Pflicht des Juſtiz-Direktors in Hinſicht ſeiner übrigen Geſchäfte nicht immer vereinbar zu ſein, weil dieſe häufig von der Art ſind, daß ſie ohne Nachtheile nicht ausgeſetzt werden können, ohne einmal zu erwägen, daß es der Verwaltung, welche beide Behörden ſich gegenſeitig ſchul⸗ dig find, entgegen fein dürfte, daß der Juſtiz- Direktor jedesmal auf augenblickliches Verlangen des Polizei- Direktors in den Seſſionen erſcheinen, und es überdem dem Gutdünken des Kreis-Direktors überlaſſen ſein ſoll, auf ſeinen Rath zu achten oder nicht. Es wird daher anheimgeſtellt: die Feſtſetzung dahin zu modificiren, daß ein für alle Mal ein Mitglied des Gerichts, inſofern es aus mehreren Perſonen beſtehet, ernannt werde, welches den Seſſionen des Polizei-Direktors bei— zuwohnen habe; weil es, beſonders in großen Städten, dem Juſtiz-Direktor unmöglich werden dürfte, ohne Nachtheil für ſei— nen Hauptpoſten, dem Verlangen des Polizei-Direktors zu genügen. 10) ad $ 12. Nach dieſer Feſtſetzung ſollen die ſtädtiſchen Gemeinden durch ihre Stadtverordneten auf 500 Einwohner einen Wahlherrn ꝛc. geſtellen. Man glaubt hierunter die Seelenzahl verſtehen zu müſſen, wenn der Inhalt des Geſetzes verfolgt wird, und deshalb ſcheint der Geſetzgeber mehr auf die kleineren als größern Städte Rückſicht genommen zu haben, weil in Kreiſen, wo eine Stadt von 10 bis 15,000 Ein⸗ wohnern liegt, die Zahl der Wahlherren auf 20 bis 30 ſteigen würde. Kommt nun noch eine doppelte An— zahl aus den beiden andern Ständen hinzu, fo würde die Zahl 60 bis 90 Wahlherren betragen, dahingegen vielleicht in andern Kreiſen, worin eine Stadt von 1000 bis 1500 Einwohnern befindlich iſt, nur 9 Wahl⸗ herren ernannt werden dürften. Um dieſem Mißverhältniſſe abzuhelfen, wird vorgeſchlagen: die Zahl der Wahlherren in jedem Kreiſe zu fixiren, und aus jedem Stande eine gleiche Anzahl ernennen zu laffen. Eben ſo wird dafür gehalten, daß es beſſer wäre, aus dem bäuerlichen Stande diejenigen, welche zum Wahltage in die Kreisſtadt abgeſandt werden, nicht durchs Loos, ſondern durch Wahl unter ſich ernennen zu laſſen, weil vielleicht in jeder Gemeinde nicht immer ein Subjekt vorhanden fein möchte, um dem Wahlge— ſchäfte in der Kreisſtadt mit Erfolg beiwohnen zu können. 11) ad 13. Gemäß § 13 veranlaſſen die Magiſtrate die Wahlen durch die Stadtverordneten, die Schulzen in den Dörfern und die Kreis-Direktoren die aus den Gutsbeſitzern unter ihrem Vorſitz. Dem Kreis-Direktor wird hierdurch über die letztern ein Einfluß zugeſtanden, der in Betreff der beiden andern Stände nicht ſtattfindet, und da es billig iſt, jedem Stande gleiche Rechte und Befugniſſe einzuräu= men, ſo trägt die Verſammlung um ſo mehr darauf an: es den Gutsbeſitzern nachzugeben, ſich unter dem Vorſitze ihrer Kreisälteſten zu dieſem Geſchäfte zu verſammeln, als dieſer Stand vorzugsweiſe bis jetzt das Recht hatte, unter ſeinem eigenen gewählten Vorſitz zuſammen zu kommen. 12) ad 14. Ueberhaupt hält die Verſammlung Freiheit der Wahl und Entfernung jedes Einfluffes für nothwendig, um diejenigen Männer an die Spitze der Geſchäfte zu ſtellen, die das allgemeine Vertrauen beſitzen. Sie findet es daher nicht für gerathen, dem Kreis-Direktor das Recht zu geſtatten, zur Wahl eines Kreis⸗Deputirten drei Kandidaten zu präſentiren. Ohne Zweifel hat der Geſetzgeber die gute Abſicht gehabt, durch die dem Kreis-Direktor nothwendig beiwohnende Kenntniß der brauchbaren Subjekte ſeines Kreiſes, wenn er demſelben ſchon einige Zeit vorgeſtan— den hat, dem Wahlkollegio die Wahl zu erleichtern, und letztere auf geſchickte Männer zu leiten; allein man kann mit Grunde annehmen, daß dieſe Kenntniß auch mehreren Wahlherren beiwohnen wird; wenn dieß aber zuweilen auch nicht der Fall ſein, und hin und wieder bei der Wahl ein brauchbares Subjekt übergangen werden möchte, ſo werden die Nachtheile doch nicht für ſo groß gehalten, als die, welche durch die Kolliſionen entſtehen, die das vom Geſetzgeber dem Kreis-Direktor eingeräumte Präſentationsrecht herbeiführen muß. Hat ſich der Letztere bereits die Achtung feines Kreiſes erworben, fo wird er ohnehin bei jeder Wahl zu Rathe gezogen, und es geſchieht dasjenige aus freiem Entſchluſſe, was ihm das Geſetz jetzt zugeſtehet, ohne daß Ge— legenheit zu Mißverſtändniſſen gegeben wird, welche die nicht berückſichtigte Präſentation durch den Kreis-Di⸗ rektor veranlaſſen kann. 13) ad 15. Aus dieſer Beſtimmung geht es nicht deutlich hervor, ob von den zu erwählenden De— putirten nothwendig aus jedem Stande zwei genommen werden müſſen, oder es nur darauf ankommt, daß für jeden Stand zwei Deputirte zur Wahrnehmung der Rechte ernannt und ſie insgeſammt auch aus einem Stande ſein können. Die Verſammlung hält es der Lage der Sache für angemeſſen, daß aus jedem Stande zwei Deputirte und zwar Grundbeſitzer gewählt werden müſſen, weil durch gegenſeitige Mittheilung der Lokal- und Gewerbe— Kenntniſſe vorzüglich bei Vertheilung der Laſten das Beſte des Kreiſes befördert werden dürfte. Die Der: ſammlung hält die Wahl aus den Grundbeſitzern deshalb für nothwendig, weil dieſe in der Regel ein größe— res Intereſſe für den Ort haben, und außerdem der größte Theil der Abgaben und Laſten auf ſie vertheilt werden muß. 14) ad § 18, 19 und 20. Glaubte die Verſammlung vorausſetzen zu müſſen, daß der Kreis-Direktor nur ſolche Amtsgeſchäfte Kreis-Deputirten und Konvocirten übertragen kann, die er ſelbſt zu verrichten gehalten iſt, und die er nicht durch ſeine gewöhnlichen Gehülfen und Subalternen zu beſeitigen vermag. Es wird gebeten, dieß näher zu determiniren, und die Verſammlung glaubt, aus dieſer Geſetzſtelle vor züglich die Wahl der Kreis-Direktoren rechtfertigen zu können, weil die Kreis-Eingeſeſſenen, nach dem Inhalte derſelben, ſehr viel beſchwerliche Geſchäfte übernehmen müſſen, und Achtung und Zutrauen vorzüglich die Mo⸗ tive ſind, die von ihm gemachten Aufträge mit Eifer und Schnelligkeit auszuführen. Obgleich in Rückſicht der Remuneration dieſer Konvocirten nichts beſtimmt iſt, ſo hält es doch die Ver⸗ ſammlung für nothwendig, daß ihnen dieſelbe Entſchädigung zu geben ſei, welche für die Kreis-Deputirten beſtimmt iſt; allein eben ſo billig iſt es auch, ihnen dieſelbe entweder aus der königlichen Kreiskaſſe oder aus der Kommunalkaſſe zahlen zu laſſen, je nachdem ſie die Aſſiſtenz dem Kreis-Direktor oder der Verwaltung leiſten. 15) ad 21 würde es zweckmäßig ſein, genauer zu beſtimmen, daß binnen 24 Stunden nicht beſondere Arbeitstage berechnet und die Vorſchriften der Juſtiz-Sportultaxe nicht analogiſch angewendet werden. 16) ad 22. Eben ſo proponirt die Verſammlung, dem Juſtitiarius, welcher am Orte des Kreis-Di⸗ rektoriums wohnt, keine befondere Diäten zuzubilligen und den Diäten ſatz nur bei Reiſen gelten zu laſſen. 45 354 17) ad $ 25, 26 und 28. Durch dieſe Verordnung find die geſammten Landräthe abgeſetzt, und ihre Wiederanſtellung wird von dem guten Willen der Regierung abhängig gemacht. Der bisherigen Verfaſſung gemäß konnte gegen feinen Willen kein Offiziant anders, als durch Urtel und Recht von ſeinem Poſten entlaſſen werden. Die Verſammlung glaubt, daß den Landräthen daſſelbe Recht zuſtehen muß, indeß wenn der Staat eine allgemeine Einrichtung trifft, wobei einzelne Sndividua leiden, fo hat er die Verpflichtung, fie angemeſſen zu entſchädigen, und deshalb ſcheint es hart, daß dasjenige Schickſal von Männern, die ſich vielleicht durch eine Reihe von Jahren Verdienſte um ihre Kreiſe erworben haben, ganz von den Regierungen abhängig ges macht wird. Die Verſammlung wünſcht daher, daß den proviſoriſch angeſtellten Kreis-Direktoren diejenigen Rechte verbleiben, welche ſie früher als Landräthe hatten, ohne daß ihre definitive Anſtellung bloß von der Regierung abhängen dürfe. 18) ad $ 27. Dieſer § hebt in gewiſſer Rückſicht das bisher übliche geweſene Examen auf. Es wird zugegeben, daß dieſes nicht immer das Mittel iſt, einen Mann von Fähigkeiten und Kennt⸗ niſſen ganz zu würdigen, aber es iſt nützlich, weil es Perſonen von oberflächlichen und geringen Kenntniſſen öfters zurückhält, diejenigen Mittel anzuwenden, welche ihnen vielleicht zu Gebote ſtehen, ſich einen Poſten zu verſchaffen. b Man zweifelt nicht, daß die Regierungen nur mit Vorſicht ihr Gutachten abgeben werden, allein fie können ſich öfters irren, und in jedem Fall wird durch das Examen die ſchädliche Wirkung der Willkür ent⸗ fernt, die vielleicht hier wieder eintreten möchte. Sollte wirklich, durch das Examen zurückgeſchreckt, ein in praevi erfahrner Mann von der Bewerbung um einen Poſten zurücktreten, ſo ſind die Nachtheile doch weniger groß, als die, welche Exceptionen vom Geſetz nach ſich ziehen. Es wird daher anheim geſtellt, keinem andern einen Kreis-Direktor-Poſten anzuvertrauen, der nicht das Examen als Regierungs- oder Landrath überſtanden hat, jedoch würde eine Ausnahme in Rückſicht derjenigen zu machen ſein, die während des letzten Krieges Landraths-Poſten zur all⸗ gemeinen Zufriedenheit des Kreiſes und der vorgeſetzten Behörde verwaltet haben. 19) ad $ 35. Es läßt ſich gegen die dem Kreis-Direktor eingeräumte Befugniß, in Polizei-Angelegen⸗ heiten zu verfügen, zwar nichts erinnern, weil Einheit und Entfernung aller kollegialiſchen Formen in Polizei⸗ Angelegenheiten für vorzüglich nothwendig gehalten wird, allein es dürfte gefährlich ſein, dem Polizei- und Kreis⸗Direktor die Macht zu verſtatten, neue mit Koſten verknüpfte Anlagen zu machen, weil durch die Laune eines neuerungsſüchtigen Mannes das Wohl und Weh' eines ganzen Kreiſes oder einer Stadt krompromitirt werden könnte. Dieſe Beſorgniß erzeugt den Wunſch: 1) daß es dem Kreis-Direktor im Kreiſe nie ohne Genehmigung der Verwaltungs- Behörde, 2) dem Polizei-Direktor in den Städten nie ohne Einwilligung der Magiſtrate und der Stadtver— ordneten freigegeben werde, dergleichen Anlagen zu bewirken. Ueberhaupt dürfte es wohl ſehr zum Vortheile des Kreiſes gereichen, wenn der Kreis-Direktor ſo viel als möglich in Uebereinſtimmung mit der Kreis-Verwaltung handelte, weil dieſe aus Männern beſteht, die den Kreis genau kennen, und deshalb hält es die Verſammlung für ſehr gut, daß dem Kreis-Direktor die Pflicht auferlegt würde, über alle in Kreis-Angelegenheiten erforder⸗ ten Gutachten, ſie mögen Polizei- oder andere Gegenſtände betreffen, mit der Kreis-Verwaltung zuvörderſt Rückſprache zu nehmen, um ihre Ideen darin mit auszuführen. Es kam auch in der Verſammlung noch zur Erörterung, ob es nicht zweckmäßig wäre, der Kreis⸗ Verwaltung die Befugniß einzuräumen, Beſchwerden über den Kreis-Direktor anzunehmen, und darüber als Sachwalter der ſich meldenden Supplikanten mit ihm Rückſprache zu nehmen, nachher fie aber mit Gründen zu beſcheiden, um unnöthige Beſchwerden bei höhern Behörden zu vermeiden. Die Mehrheit der Verſammlung hielt dieſen Antrag nicht für nöthig, weil ſie annahm, daß das Recht einer jeden Behörde zuſtehe, Beſchwerden und Geſuche aufzunehmen, und ſich Auskunft zu erbitten, mehr aber der Kreis-Verwaltung nicht eingeräumt werden könnte, wenn der Kreis-Direktor nicht in gewiſſer Art der Verwaltung ſubordinirt werden ſollte; allein ein großer Theil der Verſammlung war anderer Meinung und glaubte, daß die Geſchäfte ſehr gewinnen würden, wenn das Recht der Kreis-Verwaltung ausdrücklich ausgeſprochen würde, damit der Kreis-Direktor ihre Rückfragen nicht als unbefugte Einmiſchungen anſehe, ſondern die gewünſchte Auskunft ertheile, um die Supplikaten belehren, oder an die höhere Behörde ver— weiſen zu können. Es wird daher hierüber die nähere Beſtimmung anheimgeſtellt. Da übrigens in den größern Städten die Magiſtrate und ihre einzelnen Deputationen nach Vorſchrift der Städteordnung an der Polizeiverwaltung Theil nehmen und dieſe Einrichtung für zweckmäßig gehalten wird, ſo hegt die Verſammlung den Wunſch, daß es bei der Polizeiverwaltung, ſo wie fie die Städteordnung näher beſtimmt und fie jest beſetzt iſt, in den großen Städten überall das Bewenden behalte. 20) ad $ 36. Was dagegen die mittlern Städte anbetrifft, fo dürfte es ſehr zu ihrem Soulagement gereichen, wenn die Polizeiverwaltung dem Magiſtrat oder dem Bürgermeiſter übertragen würde, und es bei derſelben Einrichtung verbliebe, wie ſie vor Einführung der Städteordnung ſtattfand. Die Geſchäfte würden eben fo gut, als durch einen beſondern Polizei-Direktor verwaltet, bedeutende Koſten aber erſpart. Es wird daher der Antrag gemacht, in den mittlern Städten keine beſondern Polizei-Direktoren anzu⸗ ſetzen, ſondern die Polizeiverwaltung dem Magiſtrate oder dem Burgermeiſter zu demandiren. Sollte es aber der Staat aus gewiſſen Rückſichten für durchaus nothwendig halten, in einzelnen Städten demohnerachtet beſondere Polizei-Direktoren anzuſetzen, ſo wird es ebenſo billig als gerecht ſein, dieſelben aus Kreiskaſſen zu beſolden, weil dadurch das beſondere Intereſſe des Staats, die einzelnen Kommunen nicht leiden können. Ebenſo verlangen die Herrn Repräſentanten der großen Städte, daß ihre den Kreis-Direktoren ganz gleich geſtellte Polizei-Direktoren, ſowie das ganze Polizeiperſonale, aus den Staatskaſſen beſoldet werden möchten, weil ſie ſich ſonſt vor den übrigen mittlern und kleinen Städten und dem platten Lande beläſtiget glauben. Die Verſammlung ſtellt die Würdigung dieſes Antrages dem höhern Ermeſſen anheim. 21) ad $ 39 42. Dieſe Geſetzſtellen ſcheinen die bisher ſtattgefundenen Rechte der Gutsbeſitzer in Hinſicht der Polizeiverwaltung zweifelhaft zu machen, und ſie nur auf gewiſſe Gegenſtändr einzuſchränken, denn es heißt: $ 34. daß der Kreis-Direktor die Lokalpolizei-Angelegenheiten der Dorfgerichte wegen der ländlichen Polizeiverwalung reſpicirt. $ 39, Daß die Domainen-Beamten in Hinſicht der Amtsdörfer, die Gutsbeſitzer wegen ihrer Dorf— ſchaften fortfahren, die Lokalpolizei-Verwaltung der Dorfgerichte zu kontroliren, auch in dringen— den Fällen zu verfügen und zu remediren, in der Regel aber die wahrgenommenen Uebelſtände und Mißbräuche den Kreis-Direktoren zur Abhelfung anzuzeigen und die nöthigen Strafanord— nungen zu extrahiren. $ 40. Daß die Schulzen und Dorfgerichte ſchuldig find, den polizeilichen Anordnungen der Gutsbeſitzer ꝛc., welche ihnen vorgeſetzt ſind, bis auf weitere Beſtimmung des Kreis-Direktors Folge zu leiſten. Es iſt hier keinesweges beſtimmt, daß ſie (die Gutsbeſitzer) in allen Gegenſtänden der Polizeiverwaltung ihre vorgeſetzten Behörden ſein ſollen, und es würde daraus folgen: 1) daß die Dorfgerichte, die von den Kreis-Direktoren eingehenden Vorſchriften, ohne Rückſprache mit den Gutsherrfchiften in Ausübung bringen können. 45 356 2) Daß fie dazu nicht blos in der Gemeine, fondern b in Anſehung des een ſeiner Fa⸗ milie und Hausoffizianten berechtigt ſind. 3) Daß andre nach ihrem Ermeſſen nöthige Polizeianſtalten auch von ihnen getroffen, und nur in dringenden Fällen die Verfügung der Gutsbeſitzer ꝛc. einſtweilig bis zur Beſtimmung des Kreis⸗ Direktors beachtet und befolgt werden dürfen. 4) Daß fie die Gutsherren zur Wahrnehmung der höhern Vorſchriften und ihrer eignen Verord—⸗ nungen in das Schulzengericht vorladen. 5) Denſelben und den Ihrigen Polizeiſtrafen unter 1 Rthlr. auflegen, und von ihnen einziehen können. Indeß ſcheint dieſe Ausdehnung der Schulzengerichte nicht die Abſicht des Geſetzgebers zu ſein, weil von Aufhebung der frühern Gerechtſame nicht die Rede iſt. Nach dieſer wurde der Schulze von der Guts⸗ obrigkeit ernannt und war deren delegirter Polizeibeamter und Vorſteher der Gemeine. (L. R. II. $ 46 sequ.) Er konnte zwar die Polizeiverwaltung ausüben, mußte aber Uebertretungen und „ (daſ. 66 und 69) der Polizeigeſetze dem Gutsherrn anzeigen. Er war in ſeinem Amte ihr unterworfen, konnte nur Strafen mit Vorbehalt der Berufung des Sträflings auf die Gerichtsobrigkeit feſtſetzen, durfte ſich gegen den Gutsherrn, deſſen Familie, Hausoffizian⸗ ten und Geſinde keine Verfügung erlauben, weil dieſer nicht zur Gemeinde gehörte. Der Schulze mußte wenn der Herr am Orte wohnte, ihm jede polizeiliche Anordnung vor der Ausführung anzeigen, und letztere unterlaſſen, wenn ſeine Zuſtimmung verweigert wurde. Der Schulze war nur berechtiget, die unterlaſſene Ausführung dem Landrathe anzuzeigen, gegen den ſich der Gutsbeſitzer ausweiſen mußte. Da die Verſammlung nicht glaubt, daß dem letztern von ſeinen frühern Rechten etwas genommen werden ſoll, fo unterläßt fie es, die Beibehaltung der beſtandenen Verfaſſung durch Gründe weiter zu recht⸗ fertigen, und deshalb bittet ſie nur, die genannten Geſetzſtellen dahin vervollſtändigen zu laſſen: daß dem Gutsherrn und Beamten fernerhin die Ortspolizei verbleibe, die Schulzen- und Dorf— gerichte aber ſolche unter ihrer Anordnung als delegirte der Herrſchaft verwalten. 22) ad $ 45. Setzt die Verſammlung voraus, daß die vom Kreis-Direktor zu bewirkende Repartition der Beiträge zu den Laſten, mit Zuziehung der im § 8. näher bezeichneten Kreisverwaltungs-Behörde, ge⸗ ſchehe, wenn es nicht rathſam ſein würde, ein ſo wichtiges Geſchäft dem Direktor allein zu überlaſſen, und deshalb wird gebeten, näher feſtzuſetzen, daß die Kreis-Direktoren nur dergleichen Laſten mit Zuziehung der im § 8. konſtituirten Be: hörde ertheilen. 23) ad 47. Hier heißt es, daß die Kreiskaſſe, wo es bis jetzt noch nicht geſchehen, als Staatskaſſe behandelt werden ſoll, da in dieſelbe für die Folge ſämmtliche Einnahmen fließen ſollen. Es ſcheint dieſe Dispoſition nothwendig geweſen zu fein, indeß glaubt bie Versammlung nicht, daß der Staat dadurch zu⸗ gleich auf ſämmtliche Summen Anſprüche machen will, welche in dieſelbe entweder als durch laufende Poſten fließen, oder die doch wiederum zum Beſten des Kreiſes oder ſeiner einzelnen Individuen verwandt würden, wobei noch bemerkt wird, daß dieſe letztern Summen beſonders in Schleſien nur vom platten Lande aufge⸗ bracht wurden, daß wenn die Städte in der Folge davon participiren ſollten, fie mit gleichen Beiträgen an⸗ zuziehen ſein würden, um die Abgaben gleichmäßig zu vertheilen; aber eben ſo gerecht und billig iſt es, wiederum den Städten diejenigen Laſten abzunehmen, welche ſie vorzugsweiſe vor dem platten Lande tragen; indeß wird ohne Zweifel darauf in der neuen Kommunal-Ordnung Rückſicht genommen werden. In den Marken z. B. und an einigen Orten, beſtand noch das beſondere Verhältniß, daß die Kreis: kaſſe Kommunalkaſſe war, und die Kreiſe aus derſelben nur ein für allemal fixirte Kontributions-Quanten in die Königl. Kaſſen ablieferten, und die Ueberſchüſſe, welche durch die einzelnen Beiträge entſtanden, aufſam— melten, um daraus Verwendungen zum Vortheil des ganzen Kreiſes zu machen, daher es nicht ſelten geſchah, 357 daß dieſe Ueberſchüſſe ſo bedeutend wurden, wenn die Kommunal-Ausgaben gering waren, daß in einigen Monaten gar keine Kontribution erhoben werdeu durfte, ſondern ſogenannte Spring-Monate bewilliget wur⸗ den, da hingegen in andern, wenn die Kommunal- Ausgaben mehr betrugen, auch einige Monate unter dem Namen der Extra-Monate mehr an Kontribution erhoben werden mußte. Wenn gegenwärtig die Kreiskaſſe von der Kommunalkaſſe getrennt werden ſoll, ſo würde es wohl nöthig ſein, in dieſen Provinzen vor wie nach ſämmtliche Beiträge zur Kommunalkaſſe zu erheben, und von dieſer das Quantum fixum an die Kreiskaſſe zahlen zu laſſen, jedoch die Ueberſchüſſe der Kommunalkaſſe zu belaſſen. Sollte dies aber nicht nachgegeben werden, ſo würde der Kreiskaſſe die Verpflichtung aufzulegen ſein, dasjenige, was nach Berichtigung der bisher vom Kreiſe abgeführten Kontributions-Summen von der Pro— vinzial- und Kreis-Kontribution übrig bleibt, vierteljährlich an die Kommunalkaſſe abzuliefern, weil es unge— gerecht wäre, denjenigen Kreiſen, welche für ihre Kommunalabgaben ſtarke Kontributions-Anlagen gemacht haben, die daher entſtehenden Ueberſchüſſe zu entziehen und zu den Staatskaſſen zu erheben. Da bisher die Kreiskaſſen bedeutende Zuſchüſſe zu den Kommunallaſten leiſteten, ſo hofft die Verſammlung, daß dies auch fernerhin geſchehen und ſie diejenigen Ausgaben auch für die Folge beſtreiten werden, welche ſie vorher be— richtigten. 24) ad $ 48. Läßt ſich die gute Abſicht des Geſetzgebers nicht verkennen, womit er dem Rendanten der Kreiskaſſe die Pflicht auferlegt hat, gegen ein halbes Prozent die Kreiskommunalkaſſe zu verwalten, indeß wird doch anheim geſtellt, ihn zu beſonderer Kautions-Beſtellung anzuhalten, um dadurch das Intereſſe des Kreiſes zu ſichern, und hält es auch die Verſammlung für ſehr gut, der Kreisverwaltung es zu über— laſſen, ſich nach Gefallen einen beſondern Rendanten zu wählen, und für ſeine Remuneration zu ſorgen, weil ſehr viele Fälle eintreten können, welche die Beſtellung eines beſondern Rendanten nothwendig machen; da dieſe Geſetzſtelle eine Begünſtigung für die Kreiseingeſeſſenen enthält, ſo zweifelt die Verſammlung nicht an der Erfüllung des Antrages. Sehr bedenklich aber iſt es, dem Kreisdirektor in dringenden Fällen das Recht zu geſtatten, über die Kreis⸗Kommunalkaſſe zu disponiren. Es iſt nicht abzuſehen, welche Fälle wirklich fo dringend fein können, um nicht wenigſtens einige der Kreisdeputirten zuzuziehen. Die Verſammlung iſt deshalb der Meinung, daß dies Recht dem Kreiſe zum Nachtheile gereichen könne und es daher ganz aufgehoben werden müſſe. Um den Kreisdirektor aber wegen ſeiner Ausgaben nicht in Verlegenheit zu ſetzen, ſo wird proponirt: ihm das Recht, über die Kommunalkaſſe zu disponiren, zwar nicht zu geſtatten, jedoch es der Verwaltung zur Pflicht zu machen, ihm einen kleinen Dispoſitions-Fond zu übergeben, und ſich darüber von Zeit zu Zeit Rechnung legen zu laſſen. 25) ad $ 50. Aus dieſer Dispoſition glaubt man eine Aufhebung der geſammten ſtädtiſchen Rechte folgern zu müſſen. Da die Verfaſſung derſelben an einigen Orten den jetzigen Zeiten nicht anpaſſend ſein mag, ſo ſtellt die Verſammlung anheim: mit Zuziehung der bisherigen Landſtände und Deputirten der beiden andern Stände derjenigen Provinzen, wo die Landſtände ſtattgefunden haben, ihr eine andere Einrichtung geben zu laſſen, weil die Ernennung eines Deputirten durch die Provinzial-Verſammlung nicht hinreichend ſcheint. Die Na: tional-Verſammlung nimmt auf das Edikt vom 27. Oktbr. 1810 Bezug, worin dem Lande und den Pro: vinzen, eine zweckmäßige Nepräfentation verſprochen iſt. Was die Feſtſetzungen der 90 53—59. anbetrifft, fo find in der Verſammlung fo viele Bedenken und Zweifel wegen der den Juſtiz- und andern Behörden abgenommenen Exekutionen entſtanden, daß ſie die reiflichſte Prüfung für beſondere Pflicht hielt. Sie hat dem Juſtizrath Joh annfen den Auftrag gemacht, ſein Gutachten ſchriftlich abzugeben, und dieſes iſt einem beſondern Comité zur Beprüfung übergeben. Es 398 werden beide Gutachten beigelegt, und da die Verſammlung ganz damit einverſtanden ift, fo bittet fie hiedurch das Nähere zu beſtimmen, und den Juſtiz-Behörden, Magiſtrate und Kommunal-Behörden aller Art nach wie vor die Exekution zu belaſſen, weil es dem Wohl des Ganzen entgegen ſein würde, ſie dem Kreis-Direktor zu übertragen. 26) ad 66 und 67. In dieſen Feſtſetzungen ſollen die Gemeinen und Unteroffiziere der Gensd'armerie nicht allein freies Quartier, ſondern auch unentgeldliche Beköſtigung, ſowohl in ihrem Standquartier, als wenn ſie auf Kommando geſchickt ſind, erhalten. Es ſcheint aber eine Entſchädigung durch höheres Gehalt für die Beköſtigung und freies Quartier am Standorte zweckmäßiger zu ſein, 1) weil die freie Beköſtigung und das freie Quartier zu viel Gelegenheit zur gegenſeitigen Be- ſchwerde und Un zufriedenheit giebt und beſonders den Bürger der Stadt ſehr beläſtiget. 2) Weil mehrere Gensd'armen ohne Zweifel verheirathet ſein werden, für welche die freie Beköſtigung nicht die Unterſtützung ſein würde, welche eine Entſchädigung durch baar Geld iſt. Es wird daher proponirt: das freie Quartier nur auf Märſche und die Zeit des Kom⸗ mandos einzuſchränken, die freie Beköſtigung aber ganz aufzuheben, und ihnen in Geſchäften außer dem Standquartier einen angemeſſenen Diätenſatz zu ſubſtituiren, weil hierdurch die un- ſäglichen Plackereien vermieden werden, wozu dergleichen Berechtigungen gewöhnlich führen. Die Entſchädigung für das Quartier und die Beköſtigung am Standorte oder bei Märſchen in all— gemeinen Landes- oder Kreisſachen würden als Theile des Gehalts aus den Kreiskaſſen zu zahlen ſein, weil dadurch die doppelten Rechnungen vermieden und die Kommunalkaſſen weniger beläſtiget werden. 27) ad $ 70 und 71. Hät die Verſammlung es nicht für rathſam, daß dem Kreis-Brigadier die Verwaltung des Kreis-Direktors allein überlaſſen werde, weil ihm in der Regel die Kenntniß des Kreiſes, der Geſchäfte und Geſetze abgehen dürfte, Sie ſtellt daher anheim, im Fall der Abweſenheit des Kreis-Direktors dem Kreis-Brigadier die Ver⸗ waltung der Geſchäfte nur mit Zuziehung des erſten Kreis-Deputirten anzuvertrauen. Uebrigens haben es ſich die ſtändiſchen Herren Repräſentanten der Neumark vorbehalten, über das Edikt noch in Betreff ihrer Provinz auch ein beſonderes Gutachten abzugeben, das ſie einreichen werden. Die Verſammlung unterwirft dieſe geſammten Bemerkungen der höhern Prüfung, und da fie demſelben dem Nationalwohl für angemeſſen hält, ſo zweifelt ſie nicht, daß auf ihre Wünſche und Anträge überall Rückſicht genommen werden wird; aber ſie hält dafür, daß die Ausführung des ganzen Gensd'armerie— Edikts vor Emanirung der Kommunalordnung und aller übrigen der benannten Edikte ſo vielen Schwierig— keiten und Inconvenienzien unterworfen ſein dürfte, daß ſie es dem höhern Ermeſſen anheim ſtellen zu müſſen glaubt, ob nicht bis dahin mit der Ausführung Anſtand zu nehmen und die Emanicung dieſer Edikte und Verordnungen zu beſchleunizen ſei, wobei die Bitte um deren Mittheilung zur Berathung wiederholt wird. Berlin, den 26. September 1812. Die National⸗Nepräſentanten. 359 3) Eingabe der National-Repräſentanten vom 16. Februar 1814. Betreffend das Gensd'armerie-Edikt vom 30. Juli 1812. 1 Hochwohlgeborner Freiherr, Insbeſondere Hochzuverehrender Herr Staatskanzler! Ew. Excellenz werden es hoffentlich nicht mißdeuten, wenn wir, die unterzeichneten Repräſen⸗ tanten, uns in einer Angelegenheit an Hochdieſelben wenden, deren Erörterung wir am liebſten bei jenem Zeitpunkt in Anregung gebracht haben würden, wo die geſammten National-Repräſentanten der königl. aller⸗ höchſten Beſtimmung gemäß die Mittel in Berathung nehmen würden, durch welche den größtentheils zu Grunde gerichteten Grundbeſitzern wieder aufgeholfen werden ſoll: allein es droht dringende Gefahr bei längerem Verzug, und fo ungern wir uns auch entſchloſſen haben, in einem Augenblicke, wo Ew. Excellenz ſich gänzlich den wichtigern Staatsgeſchäften widmen müſſen, Höchſtdieſelben mit dieſem unſerm Anliegen zu behelligen, ſo konnten wir uns doch den ſehr dringenden Aufforderungen unſerer Kommittenten nicht länger entziehen und hoffen durch dieſes von Ew. Excellenz zuverläſſig gebilligte Pflichtgefühl unſere Entſchul⸗ digung zu begründen. Die Angelegenheit, von welcher die Frage iſt, iſt die durch das Gensd'armerie-Edikt vom 30. Juli 1812 promulgirte neue Kreisdirektorial-Einrichtung, welche einem erneuerten Befehle zufolge jetzt in Aus— führung gebracht werden ſoll, und durch die ſchon vorgenommenen Wahlen bereits trittweiſe in Ausführung gebracht iſt, gegen welche und beſonders gegen die Art der Wahlen aber ſchon die vormaligen National-Re⸗ präſentanten ſich veranlaßt gefunden haben, unter dem 26. Septbr. 1812 dringende Vorſtellung zur Kenntniß Ew. Excellenz zu bringen. Wir haben uns mit der Hoffnung geſchmeichelt, daß vor Ausführung dieſer mit unausbleiblich großen Laſten verbundenen neuen Einrichtüng von einer in ſo manchen unſerer bisher beſtandenen Privilegien und Gerechtſamen fo tief eingreifenden Kommunal- Verfaſſung am wenigſten jetzt die Frage ſein würde; wir bauten dieſe Hoffnung auf die feſte Ueberzeugung, daß in den Augenblicken, wo wir nach einer in der Geſchichte der Nation gewiß beifpiellofen Anſtrengung und Hingebung von des Königs Majeſtät ſelbſt zu der Berathung der Mittel berufen find, welche unſerem zerrütteten Wohlſtand wieder auf⸗ helfen ſollen, von neuen, durch keine einzige dringende Veranlaſſung herbeigeführten, unſre ehemalige Verfaſſung weſentlich abändernden Einrichtungen nicht eher die Frage fein kann, als bis wir über die Mittel, welche uns wieder aufhelfen ſollen, wenigſtens gehört, gehört über die nachtheiligen Folgen, welche nach unſerer Ueberzeugung aus dieſer neuen Einrichtung entſtehen müſſen, in einem ruhigen Augenblick ruhig und ohne Uebereilung das zu überlegen im Stande ſind, wofür jetzt der Augenblick am wenigſten geeignet zu ſcheint. Es iſt möglich, daß in unſerer alten ehrwürdigen Verfaffung, unter welcher wir ſo glücklich gelebt haben, manche Verbeſſerung, manche dem Intereſſe Aller angemeſſene Abänderung angebracht werden könne, gern werden wir alle dazu die Hand bieten, wenn dieſes künftig bei näherer Erörterung der vermeintlichen Mängel nothwendig befunden werden ſollte, nur vergönne man uns die nothwendige Erholung, man höre uns, ehe und bevor die neuen Einrichtungen be— ſchloſſen werden, damit ſie ohne Erſchütterung ausgeführt werden können. Wir wiſſen, daß Ew. Excellenz bei allen bereits eingeführten und zum Theil noch unausgeführten Abänderungen im Innern nur das Wohl des Staats und das, unſrige vor Augen gehabt haben, wir leiſten Ew. Excellenz dieſe Gerechtigkeit in vollem Maaße, aber wir leiſten Ew. Excellenz die noch weit ſchmeichelhaftere, daß Sie für Wahrheit empfänglich ſind und daß Sie uns darum achten werden, weil wir den Muth haben, ſie gerade jetzt ehrfurchtsvoll vorzutragen, wo es ſo dringend nöthig iſt, mit großer Sachkenntniß und Vorſicht zu handeln. 5 Unſer gehorſamſtes Anſuchen geht demnach dahin, daß Ew. Excellenz die Gewogenheit haben möge, unſre allerunthänigſte Bitte bei des Königs Majeſtät dahin einzuleiten, daß die Ausführung der neuen Kreisdirektorial-Einrichtung, gegen welche, nämlich fo wie das Edikt fie feftgefest, fih die allgemeine Meinung in den Provinzen laut ausgeſprochen, bis zum allgemeinen Frieden und bis zu jenem Augenblick ausgeſetzt werde, wo die durch die Gnade Sr. Majeſtät und durch das Zutrauen der Nation hierher berufenen National-Repräſentanten im Stande ſein werden, bei Erörterung der zur Berathung vor— gelegten Fragen alles das ehrſurchtsvoll vorzutragen, was unſern künftigen Wohlſtand, unſer Glück und künftige Ruhe begründen kann. Wir haben indeß äußerlich vernommen, daß es die Abſicht Ew. Eycellenz ſei, bei der jetzt zum Theil ſchon ausgeführten Kreisdirektorial⸗Einrichtung, es förderſamſt bei den bereits vorgenommenen Wahlen zu belaſſen, dabei ſolche Vorkehrungen zu treffen, daß daraus für uns keine neuen Laſten, noch Abgaben entſtehen ſollen, für welche Vorſorge wir Ew. Excellenz höchſt verpflichtet ſind; allein wir müſſen denn doch bemerken, daß uns dieſe Maaßregel (welche in die Länge für die dabei angeſtellten Individuen ohne Diäten unausführbar iſt) am wenigſten vor der Hand überflüſſig und inſoweit ſchädlich zu fein ſcheint, als dieſe partielle Maaßregel bei den meiſten nicht unterrichteten Einwohnern der Provinz gewiß die Beſorgniß einer gänzlichen Aus— führung der Kreisdirektorial-Verfaſſung, fo wie fie beſchaffen iſt, mit allen damit verknüpften neuen Kom⸗ munallaſten und Abgaben erregen wird. Dieſe Beſorgniß wird um fo größer, wenn wahrgenommen werden muß, daß das wichtige Landräth—⸗ liche Amt, zu deſſen erſprießlicher Verwaltung der Grundbeſitz und die Kenntniß ländlicher Verhältniſſe und des Charakters des Landmannes im Kreiſe unnachſichtlich erforderlich iſt, in die Hände von Unteroffizianten der Landesregierungen gelegt worden. Es iſt noch ein anderer weſentlicher Umſtand, auf welchen wir Ew. Excellennz aufmerkſam machen müſſen und welchen Hochdieſelben gewiß einer nähern Beherzigung werth halten werden. Bei den jetzt in den Provinzen vorgenommenen Wahlen zur Aſſiſtenz der Kreisdirektoren haben alle Grundbeſitzer ein ſehr großes Intereſſe, und doch ſollen dieſe Wahlen jetzt vorgenommen werden, wo ein großer Theil der Grundbeſitzer ab weſend, und im Dienſt des Vaterlandes abweſend, daran auch nicht den entfernteſten Antheil nehmen kann. Alles ſpricht unſres Erachtens laut für Ausſetzung jener Einrichtung, und wir haben das Vertrauen zu Ew. Excellenz, daß, durch unſre Gründe überzeugt, Sie uns ſelbige bewirken und dadurch unſern hohen Dank, unſre unbegrenzte Hochachtung für Ihre Perſon noch vermehren werden. f Wir nehmen endlich die Freiheit, Ew. Excellenz eine unterthänigſte Vorſtellung an des Königs Majeſtät ſammt Abſchrift derſelben ganz gehorſamſt einzureichen und nach der fehonenden liberalen Art, mit welcher Ew. Excellenz in Ihrem an den Herrn Finanz-Miniſter Freihern von Bülow gerichteten Schreiben Ihre Gefühle für uns ausgeſprochen haben, müſſen wir glauben, daß die Maaßregel, welche unſre Beſchwerden begründet, ohne Vorwiſſen Sr. Majeſtat und ohne die Zuſtimmung Ew. Excellenz eingeleitet iſt, und daß Hochdieſelben keinen Anſtand nehmen werden, ſelbe in unſerm Namen des Königs Majeſtät zu Füßen zu legen und ſelbige mit Ihrem kräftigen Vorworte zu unterftügen, Empfangen Ew. Excellenz die Verſicherung der unbegrenzten Hochachtung, mit welcher die Ehre haben zu ſein Ew. Excellenz Graf Reichenbach. Fürſt v. Hatzſeldt. Kirchſtein. Ziegler. v. Knobelsdorf. v. Bredow. Zittelnann. v. Brandt. Kiſt. v. Reinersdorf. Klotz. v. Richthofen. Roſemann. v. Schönaich. Lange. v. Guaſt. Duſching. Poſelger. v. Zaſtrow. v. Below. Drummer. Dock. Hübner. Müller. Leiſt. Schmidt. Ning. Kriderici. Die Vorſtellung betraf die Ausſchreibung großer Lieferungen. Erfolgte unterm 10. März 1814 aus Chaumont Abhilfe. 361 10, Bericht über die Verhandlungen der philologiſehen Section im Jahre 1847 vom Director und Profeſſor Dr. Schönborn, zeitigem Secretär derſelben. Machdem die Section für Philologie begründet, und die Verfaſſung, welche ſie ſich gegeben hatte, von dem Präſidium beſtätigt worden war, hielt Herr Prof. Dr. Haaſe am 3. April einen Vortrag über den Begriff der claſſiſchen Philologie. Nach einem kurzen Ueberblicke ihrer äußeren Geſchichte wurde auf ihre innere Geſchichte übergegangen und erläutert, was in den verſchiedenen Zeitaltern ſeit Ariſtoteles unter Philologie verſtanden worden iſt. Mit beſonderer Ausführlichkeit wurde der ſeit F. A. Wolf bis in die neueſte Zeit gemachten Verſuche, ihren Begriff zu beſtimmen, gedacht, und eine kurze Beurtheilung derſelben hinzugefügt. Hierauf wurde die claſſiſche Philologie als die Wiſſenſchaft des Alterthums definirt. Der Hauptinhalt ihrer Aufgabe iſt, den Geiſt des Alterthums zu erfaſſen, der als ein einiger und lebendiger alle Erſcheinungen des Alterthums durchdringt, unvergänglich bis auf unſere Zeit fortwirkt und vorzugsweiſe geeignet iſt, dem viel⸗ verſchlungenen und nach allen Seiten ſich in unklaren Zuckungen bethätigenden, aber doch einigen Ringen der neuen Zeit Aufſchluß und verſöhnende Klarheit über ſich ſelbſt und ſein Ziel zu geben. Aus dieſem Begriffe wurden die Aufgaben der einzelnen Theile der Philologie und ihre Anordnung hergeleitet. Dieſer Vortrag iſt ſeitdem erweitert und vervollſtändigt in der Encyelopädie von Erſch und Gruber erfchienen. Am 18. Mai hielt Herr Profeſſor Dr. Wagner folgenden Vortrag über Jau und Einrichtung des griechiſchen und römiſchen Theaters, und erläuterte ihn durch Grundriſſe, Abbildungen und das dem hieſigen königlichen archäologiſchen Muſeum gehörende Modell: Der Begriff YEaroov (theatrum) bezeichnet bei den Alten urſprünglich keinesweges das, was wir darunter verſtehen, d. h. ein für die Aufführung von Dramen beſtimmtes Gebäude, ſondern iſt bei weitem vieldeutiger. So wurden z. B. in Athen auch die Odeen des Perikles und der Regilla mit dieſem Namen belegt; eben fo hatten die Spartaner ihr HErroov aus weißem Marmor für Volksverſammlungen und Chöre, obſchon ihnen das eigentliche Drama eben ſo fremd geblieben iſt, als die Feſtluſt des Dionyſos. Daher findet ſich faſt immer, wenn nicht ſchon der Zuſammenhang klar macht, von welchem Theater die Rede iſt, der Zuſatz To Hecergo Tod Ai ννανονñ, theatrum Bacchi, wenn das zu dramatiſchen Aufführungen beſtimmte 46 362 Gebäude gemeint iſt. Aber auch dann bezeichnet Ye nicht, wie bei uns den ganzen ſowohl für bie Schauſpieler zur Darſtellung, wie für die Zuſchauer beſtimmten, unter einem Dache und in einem Gebäude eingeſchloſſenen Raum, ſondern faft immer nur den für die Zuſchauer beſtimmten Theil; daher Sec bei den beſten Schriftſtellern (vgl. Herod. 6, 21. Plat. Conviv. p. 194. A. Critias p. 108. B. D. Aristoph. Ed. 233 eto. Cic. de Div. I, 28. 59. Hor. Ep. I, 19, 41) in übertragener Weiſe auch in der Bedeu⸗ tung: Zuſchauer, Publikum, gebraucht wird. Wie der Begriff, ſo iſt auch die Sache weſentlich ver— ſchieden. Während bei uns die Bühne und der für die Zuſchauer beſtimmte Platz an Größe ſich entſprechen, und in ein einziges Gebäude zu einem Ganzen verbunden ſind, bilden bei den Alten die Bühne und der Raum für die Zuſchauer zwei getrennte Ganze, die meiſt kaum durch eine Mauer mit einander vereinigt waren; auch war die Größe des für die Zuſchauer beſtimmten Theiles lediglich von der Anzahl der Perſonen abhäns gig, die darin Platz finden ſollten, während die Größe oder richtiger die Breite der Bühne fi) nach dem Dia- meter des Grundkreiſes (wovon nachher) richtete. Außerdem war der Platz für die Zuſchauer unter freiem Himmel, die Bühne dagegen ein ihm gegenüber ſtehendes überdachtes Gebäude, und endlich — was den Un⸗ terſchied zwiſchen unſeren und den alten Theatern noch bedeutender macht — zwiſchen Zuſchauerraum und Bühne war bei den Alten ein nicht unbedeutender Raum, die Orchestra CG νEðR be genannt, der unfern Theatern ganz fehlt; denn in dem, was wir Orcheſter nennen, iſt eine ſchwache Andeutung von jener alten Orchestra nur noch im Namen übrig geblieben. Somit haben wir alſo bei den Theatern der Alten drei verſchiedene Abtheilungen: den Platz für die Zuſchauer oder das eigentliche SS, die Orchestra und das Bühnengebäude (oxmvn, scena), die wir jetzt im Einzelnen architectoniſch und nach ihrer inneren Einrichtung betrachten wollen. Bei der architectoniſchen Beſchreibung müſſen wir von dem ausgehen, was Vitruvius Pollio, der ge: wichtigſte Gewährsmann, hierüber ſagt. Er lehrt (de Architect. V, 7), indem er zuerſt vom römiſchen Theater handelt, Folgendes: „Man ziehe, ſo groß als der Umfang zu ebener Erde werden ſoll, mit dem im Mittelpunkte (o) dieſer Ebene aufgeſtellten Cirkel eine Kreislinie (AGDLBHFMCIEK), und innerhalb derfelben beſchreibe man vier gleichfeitige, gleichweit von einander abſtehende Dreiecke (ABC, DEF, GHI, KLM), welche die äußerſte Kreislinie berühren. Von dieſen Dreiecken bezeichne das, deſſen Seite der Bühne zunächſt iſt (KLM), da, wo fie die Peripherie ſchneidet, die Grenze der Bühnenfront (KM), und von da werde durch den Mittelpunkt (o) eine Parallele (NO) gezogen, welche den Sprechplatz der Vorbühne (pulpi- tum proscenii) von dem Bezirke der Orchestra abſchneidet. Auf dieſe Weiſe wird der Sprechplatz (pulpi⸗ tum) breiter, als bei den Griechen, weil bei den Römern alle Schauſpieler auf der Bühne auftreten, in der Orchestra aber die Sitze für die Senatoren beſtimmt ſind. Die Höhe des Sprechplatzes betrage nicht mehr als 5 Fuß, damit die in der Orchestra ſitzenden Zuſchauer die Bewegungen aller Schauſpieler ſehen können.“ Hierauf folgen eine Menge von Vorſchriften über Anlage der Sitze, Treppen u. ſ. w., auf die wir weiter unten Bezug nehmen werden. Im folgenden Kapitel geht er dann zum griechiſchen Theater über und lehrt über deſſen Anlage Folgendes: „Bei den Theatern der Griechen iſt nicht Alles nach derſelben Weiſe anzu: ordnen, wie bei den Römern. Denn erſtlich, fo wie bei dem römiſchen Theater in dem auf der Ebene (fo groß als der Umfang zu ebner Erde werden ſoll) gezogenen Kreiſe vier Dreiecke gezeichnet werden, berühren hier die Ecken von drei Quadraten (A BOD, EF GH, IKLM) einen ſolchen Umkreis, und da, wo die Seite desjenigen Vierecks, welches der Bühne zunächſt liegt, den Kreis ſchneidet, wird die Grenze der Vorbühne bezeichnet (AB), und dann am äußerſten Ende parallel damit eine Linie (Tangente NO) gezogen, welche die Fronte der Scene beſtimmt. Ferner wird durch den Mittelpunkt (e) der Orchestra wieder eine Linie (PG) parallel mit der Vorbühne gezogen, und da, wo ſie die Peripherie ſchneidet, links und rechts (T und @) wer: den Mittelpunkte gezeichnet. Dann ſetze man den Cirkel in den Mittelpunkt () rechts und öffne ihn bis zum Mittelpunkte (P) links, und ziehe von da eine Kreislinie (8) nach der rechten Seite der Vorbühne (bis fie dieſelbe fchneidet); dann ſtelle man den Cirkel eben fo in den Mittelpunkt am Ende (P) links, öffne 363 ihn bis zum Mittelpunkte (0) rechts und ziehe von da eine Kreislinie (PR) zur linken Seite der Vorbühne (bis ſie dieſelbe ſchneidet). Auf dieſe Weiſe hat durch die Beſchreibung der drei Mittelpunkte das griechische Theater eine weitere Orchestra, eine 1 zurückſtehende Bühne, und einen Sprechplatz, den fie Je nennen, von geringerer Breite.“ Obwohl Vitruvius in den hier gegebenen Vorſchriften, denen noch eine Menge anderer über die einzel— nen Theile des Theaters folgen, mehr den Architecten eine Vorſchrift, wie ſie beim Bau des Theaters verfah— ren ſollen, geben, als die bereits vorhandenen griechiſchen und römiſchen Theater berückſichtigen wollte, fo ſtim— men im Allgemeinen doch die vorhandenen Ueberreſte mit ſeiner Theorie wohl überein, und auch da, wo es nicht der Fall iſt, darf uns das nicht an der Richtigkeit ſeiner Vorſchriften im Allgemeinen zweifeln laſſen. Auch hat Vitruvius ſelbſt nicht in Abrede geſtellt, daß ſeine Theorie, durch Oertlichkeit und andere Umſtände veranlaßt, werde Modificationen erleiden müſſen, indem er am Ende des ſiebenten Kapitels ſagt: „Dieſe Anordnungen und Verhältniſſe können ſich nicht in jedem Theater genau entſprechen, ſondern der Baumeiſter muß beurtheilen, durch welche Verhältniſſe man das gehörige Ebenmaaß erreichen könne und in wie weit auf die Beſchaffenheit des Ortes und die Größe des Baues Rückſicht genommen werden müſſe u. ſ. w.“ Betrachten wir nun neben den Vorſchriften des Vitruvius, auf die wir auch im Folgenden ſtets werden Rückſicht nehmen müſſen, die vorhandenen Ueberreſte griechiſcher und römiſcher Theater, von denen die bedeu— tendſten von J. H. Strack in feinem Werke: „Die altgriechiſchen Theatergebäude, nach ſämmt— lichen bekannten Ueberreſten dargeſtellt auf 9 Tafeln, Potsdam 1843,“ zuſammengeſtellt ſind, und die allerdings nicht ſo reichlich fließenden, als es zu wünſchen wäre, Nachrichten der griechiſchen und latei— niſchen Schriftſteller, ſo ergiebt ſich für die weitere Einrichtung der Theater im Allgemeinen Folgendes. Um den Grundkreis oder, was daſſelbe iſt, um die kreisförmige Orchestra zogen ſich in concentriſchen, immer höher und höher ſich erhebenden Kreiſen die Sitzreihen, wobei als charakteriſtiſcher Unterſchied zwiſchen dem griechiſchen und römiſchen Theater ſich herausſtellt, daß, weil beim römiſchen Theater die Bühne bereits durch den Diameter (NAF O) des Kreiſes abgegrenzt wird, die Sitzreihen bei den Römern nur vollkommene Halbkreiſe bilden konnten, während ſie bei den Griechen einen durch Tangenten verlängerten Halbkreis, oder ein Kreisſtück von 180° bis 260° bildeten. Bei der Anlegung der griechiſchen Theater iſt, wie dies noch die Ueberreſte in Uebereinſtimmung mit Vitruvius lehren, ſtets eine ſolche Oertlichkeit gewählt, welche die Einrich— tung begünſtigt, d. h. ſie ſind meiſt an dem Abhange eines Hügels oder Felſens ganz oder theilweiſe aus dem natürlichen Boden ausgehöhlt. So lehnte ſich z. B. das Theater zu Athen an den Felſen der Akropolis. Bei einem Felſen brauchten die Sitze natürlich nur in Stein ausgehauen zu werden; doch wurden fie zumei- len noch, namentlich wenn die Beſchaffenheit des Steines nicht gut war, mit Marmor belegt. Beſtand da— gegen der Abhang nicht aus Felſen, ſondern aus einer gewöhnlichen Erdart, ſo wurde er nur bis zur noth— wendigen Tiefe ausgegraben und die Sitze dann von Quaderſteinen aufgeführt. Dieſe Einfachheit der Anlage zeigt ſich jedoch nur bei griechiſchen Theatern, während die römiſchen dagegen ſämmtlich auf einer ebnen Fläche, durch Unterſtützung von Gewölben, alſo mit ungleich größeren Schwierigkeiten und Koſten gebaut ſind. Bei der Wahl des Ortes zu einem Theater empfiehlt auch Vitruvius, noch darauf zu ſehen, daß es wohlklingend ausfalle, d. h. daß die Stimme kein Hinderniß finde, ſich klar zu verbreiten, und daß die Geſundheit der Zus ſchauer weder durch den nachtheiligen Einfluß ſchlechter Luft und ſchädlicher Dünſte, noch durch heftige Hitze von der Mittagsſeite her leide, weil die ſo in den Krümmungen eingeſchloſſene Wärme allzuheftig auf die Körper einwirke. Er widerräth es daher ſehr, Theater gegen Mittag anzulegen; es finden ſich aber dennoch gerade nicht wenige gegen Mittag gerichtet, wie unter andern das zu Athen, und es ſcheint ſich, abgeſehen davon, daß die Anlage des Theaters von der Lage des Abhanges oder Felſens, an dem man es errichten wollte, abhängig war, im Allgemeinen die Norm geltend gemacht zu haben, den Zuſchauern eine ſchöne Aus: ſicht zu eröffnen. So konnten z. B. die Athener von ihren Sitzplätzen aus den Hafen überblicken. Die Größe des Zuſchauerraumes ſGecergos) hing von der Oertlichkeit und von der Menge der Zuſchauer ab, 46 * 364 welche darin Platz finden ſollten; fo war das Theater zu Athen auf 40,000, das zu Megalopolis auf 44,000 Menſchen berechnet. Der ganze halbcirkliche hohle Raum, welcher die geſammten Sitzreihen umfaßte, hieß bei den Römern Cavea, daher die Ausdrücke prima oder ima cavea, die erſte oder unterſte Cavea, von dem Theile, wo die Vornehmen ihren Sitz hatten, — media, wo das Volk ſeinen Sitz nahm, — summa oder ultima, wo der gemeine Haufe ſich niederließ, gebraucht zu werden pflegten. Der Halbkreis einer Sitzbank hieß bei den Römern ordo, bei den Griechen Loch %. Die unterſte Reihe hieß bei den Grie⸗ chen zoosdoie oder mo@Tov ſshνννσοσ, weil dort die Archonten, Feldherren und fremden Geſandten ihren Sitz hatten. (Vgl. Aristoph. Ach. 25. Vesp. 90.) Man hüte ſich jedoch, aus der Benennung rer Sviov den Schluß ziehen zu wollen, als ſeien dieſe Sitze von Holz oder mit Holz belegt geweſen, ſondern es ſtammte dieſer Ausdruck noch aus jener Zeit, wo das Theater aus Holz und nur für den augenblicklichen Gebrauch errichtet war. In ganz ähnlicher Weiſe ſagt Ariſtophanes (Thesm. 393) von Leuten, die aus dem Theater kommen, zloıovres Erd Tav i,, nach Haufe kommend von den Brettern, während doch an ein Balkengerüſt ſeit Aeſchylus (Olymp. 70) nicht mehr zu denken war. Die Sitze waren vielmehr im Theater, wie in der Pnyx, von Stein, doch brachten ſich Reichere Polſter oder Teppiche mit, und in den Zeiten des überhandnehmenden Luxus wurde dergleichen auch wohl ſchon vorher auf die Sitze gelegt. Man ſieht übrigens aus den Benennungen zro@rov EvAov, devreoov Evkov, Toirov EvAov, prima cavea, al- tera u. ſ. w., daß die Sitzreihen von unten nach oben gezählt wurden. Bei den Römern befanden ſich, wie Vitruvius ausdrücklich bezeugt, noch Sitze in der Orchestra für die Senatoren. — Nach einer beſtimmten Anzahl von Sitzreihen, die in den verſchiedenen Theatern verſchieden war, folgte ein breiter, um dieſelben herz umlaufender Gang, dıaloue, zuweilen auch zararowwm bei den Griechen, praecinctio bei den Rö⸗ mern genannt, wo, wenn das Theater ſehr voll war, auch noch Zuſchauer ſtehend Platz fanden. (Vergl. die Grundriſſe.) Durch dieſe Gänge (dıefouere, praeeinctiones) wurde der Zuſchauerraum in einzelne Gür⸗ tungen oder Stockwerke (Tce) abgetheilt. Im Theater von Syrakus, wo ſie noch deutlich erhalten find, haben fie eine Breite von 8 Fuß. Zuweilen befanden ſich gar zwei ſolcher diefuuere neben einander, fo daß eines hinter dem andern war, wie in den Theatern zu Patara und Epidaurus. Hinter den oberſten Sitz⸗ reihen bildete dann eine Mauer oder eine Säulenhalle die Umſchließung des Fearoov. Hinter jeder einzelnen praecinctio aber erhebt ſich von der Baſis derſelben eine ſenkrechte Mauer (altitudo praecinctionis genannt) ungefähr von Manneshöhe, über welcher dann die Sitzreihen des höhern Stockwerkes auf einer Baſis ange bracht ſind, die nur um ein Geringes tiefer war, als die Krone dieſer Mauer. Die Anzahl der Gürtungen oder Stockwerke iſt natürlich in den verſchiedenen Theatern je nach der Größe derſelben verfchieden; in den beigefügten Grundriſſen find deren nur zwei. Die Sitzſtufen, 1“ 2“ bis 1 5 hoch und 2“ 5“ bis 37 10“ breit, waren ſo eingerichtet, daß die vordere, breitere Hälfte zum Sitze der Zuſchauer ſelbſt, die hintere, etwas vertiefte für die Füße der höher Sitzenden beſtimmt war. Zuweilen gab es jedoch für die Sitze und für die Füße beſondere Stufen. Die äußerſten Sitzſtufen an den Enden des Zuſchauerraumes nach der Bühne zu (im Grundriß des griechiſchen Theaters EX und KZ, im Grundriß des römiſchen NX und 02) waren durch eine Brüſtungsmauer begrenzt, welche ſchräg oder in Abſätzen der Senkung der Sitze folgte, wie man noch an den Theaterüberreſten zu Epidaurus, Melos, Patara ſieht. Die nach der Bühne zu auslaufenden Enden des Zuſchauerraumes hießen Hörner, zdo@re, cornua. Eine auf der Brüſtung derſelben aufgeführte höhere Mauer, wie fie Einige annehmen, würde einen großen Theil der Zuſchauer am Sehen nach der Bühne hin gänzlich verhindert haben. Die Sitze waren — ſeit welcher Zeit, iſt unbekannt — durch Linien abgetheilt und numerirt, und die aufgefundenen Theaterbillets ſind von Bronze mit erhöhter Schrift oder von Elfenbein und enthalten den Namen des Dichters der aufzuführenden Stücke und die Nummer des Platzes. — Die Halbkreiſe der Sitzreihen wurden nun durch Treppen wiederum in kleinere keilförmige Abſchnitte, welche s s eunei (vergl. im Grundriß des griechiſchen Theaters c, 5, 7 d, s, &, m, im römiſchen a, b, o, d, e, f) hießen, zerlegt. Dieſe Treppen erſcheinen, vom Mittelpunkte der Orchestra aus geſehen, wie 365 Strahlen. Ueber ihre Anzahl ſchreibt Vitruvius vor, daß bei der erſten Gürtung fo viel Treppen und zwar da angelegt werden ſollen, wo im römiſchen Theater die Spitzen der Dreiecke (A, G, D, L, B, H, F), im griechiſchen die Spitzen der Vierecke (E, M, D, H, L, C, G, K) die Peripherie des Grundkreiſes berühren. Dies würde für die erſte Gürtung des griechiſchen Theaters acht, für die erſte des römiſchen ſieben Treppen (in den Grundriſſen durch punktirte Linien angedeutet) geben. In jeder folgenden Gürtung ſollen fie ſich verdoppeln u. ſ. w. Dieſer Vorſchrift entſprechen aber die Ueberreſte im Ganzen wenig; die erſte Gürtung zeigt in den meiſten Theatern eine kleinere, als die von Vitruvius begehrte Anzahl von Treppen, die folgende dagegen oft viel mehr, als die doppelte Anzahl der Treppen in der vorhergehenden Gürtung. In den Gängen (diefwuere, praecinctiones) waren nicht ſelten doppelte, oder, wie im Theater zu Syrakus, gar dreifache Treppen neben einander. — Zu den Sitzen gelangte man entweder durch die in der obern Umſchließungsmauer oder Säulenhalle befindlichen Thüren, deren es eine unbeſtimmte Anzahl gab, indem man von oben nach uns ten ſtieg, oder durch die an den Seiten der Orchestra, zwiſchen dem Hecergov und dem Bühnengebäude bes findlichen Haupteingänge (820000 oder cool, aditus genannt), indem man durch die Orchestra ging und von unten nach oben ſtieg. Außer dieſen Zugängen führten auch noch von Außen Treppen zu den ſoge⸗ nannten Hörnern des Theaters, wie ſie ſich z. B. an den Theatern von Syrakus und Megalopolis noch vorfinden. — Der ganze Zuſchauerraum war, wie bereits angedeutet, unter freiem Himmel; erſt in der ſpä⸗ teſten Zeit und wohl nur bei den Römern ſind Verſuche gemacht worden, denſelben mit Leinwand oder gar mit Tuch (wie dies Lucullus als Aedil gethan haben ſoll) zu überſpannen; erſt in den Kaiſerzeiten, als der Luxus und die Verweichlichung der Römer auch noch mancherlei andere Bequemlichkeiten in die Theater einz führte, ſcheint dies allgemeiner geworden zu ſein. An den Zuſchauerraum ſchließt ſich nun zunächſt, als von ihm eingeſchloſſen, die Orchestra, bei den Griechen lediglich für den Aufenthalt und Gebrauch des Chors beſtimmt, ſobald die Aufführungen drama— tiſcher Natur waren. Sie nimmt da, wo ſie noch erhalten iſt, 7 bis / des ganzen Durchmeſſers vom Zuschauerraum ein, und bildet ein aus demſelben Mittelpunkte, wie die concentriſchen Sitzreihen, befchriebenes reines Kreisſtück; eine aus 3 Mittelpunkten, wie es Vitruvius vorſchreibt, conſtruirte Orchestra hat man bis jetzt noch nicht gefunden. Die Annahme, daß ſie während der Vorſtellung (blos) mit Brettern be— legt worden ſei, iſt irrig; ſie hatte vielmehr ſtets einen gedielten, auf einer Unterlage von Balken befindlichen Bretter- Boden (vgl. Suid. und Etym. Magn. p. 743. v. oxyvn), was ſchon deshalb nothwendig war, da⸗ mit der dadurch unterhalb entſtehende hohle Raum als Reſonanzboden diene, die Stimmen wohl tönen laſſe und verſtärke. Ein Bretterboden war ferner auch des Tanzes wegen nothwendig. Natürlich durfte das Po⸗ dium nicht die Höhe von 5 Fuß, d. i. die halbe Höhe des Sprechplatzes der Bühne, überſchreiten, weil fonft die Choreuten denen, welche zunächſt an der Orchestra ſaßen, die Ausſicht auf die Bühne geſperrt hätten. Es iſt aber wahrſcheinlich, daß das Balkengerüſte mit dem Podium nicht auf der Ebene der Orchestra an⸗ gebracht worden ſei, ſondern daß dieſe dazu etwas vertieft wurde, ſo daß die Bretterlage wieder nur die Höhe der urſprünglichen Ebene hatte. Dieſe Aushöhlung der Orchestra wird auch dadurch noch wahrſcheinlich, daß in der Orchestra (wie Pollux On. IV, 132 ausdrücklich bezeugt) in der Nähe der von den Sißplätzen herab⸗ kommenden Treppen die ſogenannten Charoniſchen Stiegen (Xeowvıoı xAluaxses), über welche die Geiſter aus der Unterwelt herauf kamen, ſich befanden. — In der Orchestra ſtand nun auch die Thymele „(NH“, die ſowohl in Betreff ihrer Form als ihres Standpunktes noch heut den Gegenſtand des Streites unter den Gelehrten bildet. Doch dürfte nach genauer Prüfung der Quellen ziemlich ſicher fein, daß fie ur⸗ ſprünglich der dem Dionyſos geheiligte Feſtaltar war, und in dieſer Form, als Altar, auch in den älteſten Zeiten in der Orchestra ſtand, natürlich auf einer Erhöhung oder einem Unterſatz von mehreren breiten Stu⸗ fen, ſo daß auf dieſen um den Altar gruppirt der Chor ſich aufſtellen konnte. Später aber, da das Drama vom Weſen des Dionyſos ſich immer mehr entfernte, mochte auch der Altar ganz wegfallen, und nur noch der Unterſatz oder das Gerüſte, auf dem er geſtanden, übrig bleiben, der Name Ivuehm aber beibehalten BR 20 * werden, daher Pollux (On. IV, 123) ſchwankt, ob er fie Altar (Baıos) oder Gerüſt CH nennen ſolle. Der weitere Mißbrauch des Wortes Thymele in der ſpäteren Zeit gehört nicht hierher. Was den Punkt anlangt, wo die Thymele ſtand, ſo verlangt im Allgemeinen wohl die architectoniſche Ausbildung des Rau⸗ mes, daß ſie den Mittelpunkt des Grundkreiſes bezeichne, aus welchem die Begrenzung der Orchestra und alle concentriſchen Sitzbänke des Zuſchauerraumes beſchrieben ſind. Weil aber die Orchestra häufig keinen ganz vollkommenen Kreis bildete, ſondern die Bühne davon ein, wenn auch nur kleines, Stück abſchnitt, ſo ſteht die Thymele, die nun ſchon eine nicht ganz kleine, in mehren Stufen ſich erhebende, nach der Bühne hin gerichtete Erhöhung bildet, der Bühne bei weitem näher, als der unterſten Sitzreihe, ſo daß der Chor nicht weit zu den aus der Orchestra auf die Bühne führenden Treppen (von denen nachher) zu gehen hatte, und zwiſchen dem Chor auf der Thymele und den Schauſpielern auf der Bühne kein bedeutender Zwiſchen— raum war, welcher dem Dialoge hätte hinderlich ſein können. — Den Eingang zur Orchestra bildeten die beiden ſchon oben erwähnten Haupteingänge des Theaters, zuaogodor oder s , aditus genannt, welche zur Rechten und Linken zwiſchen dem Zuſchauerraume und dem Bühnengebäude ſich befanden, und an vielen Theatern, wie zu Egeſta, Syrakus, Milet u. ſ. w. noch deutlich zu ſehen ſind, und eine Breite von 18 Fuß haben. Durch dieſe Eingänge hielt der Chor ſeinen Einzug, daher denn der erſte Geſang des Chors ſelbſt in der Regel mit dem Namen zuaoodog belegt wird. Es waren dieſelben aber durchaus nicht, wie vielfach geglaubt worden iſt, geſchloſſene Gänge, wie im römiſchen Theater, und konnten nicht, wie bei dieſem, überbaut oder gar mit Sitzreihen überdeckt werden, weil in dieſem Falle eine Menge Zuſchauer die Decoration der Scenenwand und die Schauſpieler gar nicht geſehen hätte, da das Scenengebäude bei den Griechen zu weit zurücklag, während bei den Römern der Platz, wo die Schauſpieler auftreten, mehr in die Mitte zu lie⸗ gen kommt. Der Eingang zum griechiſchen Theater (welcher zugleich der der Thymele iſt) wurde nur durch ein Paar Pfeiler mit darüber gelegtem Sturze, fo daß ein ziemlich bedeutendes Gewölbe, Schwibbogen Ces oder es genannt) entſtand, gebildet, und konnte mit einem Gitter oder einer feſten Thür verſchloſſen werden. Dieſer Eingang bildete den einzigen architectonifchen Zuſammenhang zwiſchen dem Zuſchauerraume und dem Bühnengebäude. Auf der Thymele ſollen nun noch (nach Schol. Aristoph. Pac. 733, woraus Suid. v. 6aßdoöxoı) die G hq d e oder baßdoyoooı, Beamte, welche für Ruhe und Ordnung im Theater ſorgen ſollten, alſo eine Art Theaterpolizei, geſtanden haben; indeß in dieſer Nachricht (wenn ſie nicht etwa, was gar nicht unwahrſcheinlich iſt, aus den Worten des Dichters zur Erklärung des Ausdruckes cd ohNον gemacht iſt,) mag wohl dem oben berührten Mißbrauche des Wortes Y²⁰ i gemäß Sue gebraucht fein, wo hätte 801 uοννο geſagt werden ſollen; denn daß die Fo oog an der Thymele ſelbſt ihren Platz gehabt haben ſollten, iſt, wenigſtens für die Zeit der Vorſtellung, kaum glaublich. In der Orchestra ſoll ferner nach Vieler Anſicht der Souffleur (5 os, vgl. Plut. polit. praec. 17) feine Stelle gehabt haben, doch ſcheint mir dies, weil er ſonſt gar zu ſehr hätte ſchreien müſſen, wenn er nicht unmittelbar an der Bühne ſtand, wenig wahrſcheinlich, da er viel beſſer auf der Bühne ſelbſt in der Oeffnung einer der drehbaren Seitenwände vor den Paraſkenien Platz finden konnte; überdieß bin ich feſt überzeugt, daß die Griechen während der Blüthezeit des Theaters ſich überhaupt gar keines Souffleurs bedient haben. Endlich erfahren wir aus Suidas (v. ax), daß ein Theil des Theaters usr am Ivusinv, d. i. alſo zwiſchen der Thymele und dem Zuſchauerraume, weil Suidas bei ſeiner Beſchreibung von der Bühne ausgeht, mit einem von der Ringſchule entlehnten Ausdrucke Koniſtra benannt worden ſei und den untern Fußboden (zo xaro Eöapos) ausgefüllt habe. Dieſer Raum unterſchied ſich alſo weſentlich dadurch von der übrigen Or- chestra, daß er in der urſprünglichen Ebene oder in der Vertiefung derſelben, die mit Sand und Staub be— deckt war (daher der Name xoviozon), lag, während die übrige Orchestra, wie wir oben ſahen, gedielt war. Wozu dieſer Raum gedient habe, läßt ſich nur vermuthen, nämlich zur Aufnahme der Muſiker, als deren Anzahl ſich vergrößert hatte. Urſprünglich nämlich gab es nur einen Flötenſpieler, welcher den Geſang des Chors begleitete, denn damals war der Geſang das Vorherrſchende; — ſpäter aber machte ſich die Muſik 367 auf Koften des Geſanges geltend, an die Stelle eines Flötenſpielers traten zwei, dann mehre, und zuletzt gar auch Cithariſten, und es bildete ſich fo der Keim zu dem, was wir jetzt Orcheſter nennen. Dieſe Mu- ſiker aber können nur in jenem abgeſchloſſenen Theile der Orchestra ganz nahe den unterſten Zuſchauern der Bühne gerade gegenüber ihren Sitz gehabt haben, weil der größte Theil der Orchestra für die Bewegungen des Chors frei bleiben mußte. Möglich auch, daß die Konistra mehr bei den Wettkämpfen der Auloden und Citharoden, welche ſpäter ſtatt im Odeon in der Orchestra (vgl. Isid. Orig. XVIII, 47) des Theaters ab- gehalten wurden, als bei der Aufführung von Dramen ihre Anwendung fand, obgleich ich fie für letztere, na— mentlich in der nach-Euripideiſchen Zeit, keineswegs wegläugnen möchte. Es ließe ſich dann z. B. erklären, wie der „Centaur“ (Kevravoog) des Chäremo, der aus epiſchen, lyriſchen und jambiſchen Maaßen beſtand, nicht blos vorgeleſen, ſondern auch auf die Bühne gebracht werden konnte. — In der Orchestra des rö⸗ miſchen Theaters ſaßen, wie ſchon mehre Mal bemerkt, bis zur Bühne hin die Senatoren und andere Vornehme. Wir wenden uns hierauf zur dritten Abtheilung des Theaters, dem Bühnengebäude (axmm, scena) ſelbſt, bei deſſen Beſchreibung wir aber mehr von den ſchriftlichen Ueberlieferungen der Alten, als von den Monumenten ausgehen müſſen, da von Bühnengebäuden ſich am wenigſten Ueberreſte erhalten haben, theils weil ſie in den verſchiedenen Zeiten am häufigſten Veränderungen erlitten haben, theils weil ſie oft nur für den augenblicklichen Gebrauch errichtet waren, theils endlich, weil Vieles an ihnen nur von Holz gebaut war. Es bildet daſſelbe ein vollſtändiges, wenigſtens zweiſtöckiges Gebäude, deſſen Länge nur etwas mehr, als der Durchmeſſer der Orchestra beträgt, ſo daß die Zuſchauer die Ausſicht auf die hinter dem Bühnengebäude liegende Mauer hatten, indem an den Hörnern des Zuſchauerraumes, wie oben bemerkt, keine hohe Mauer aufgeführt werden konnte. Die einzige architectoniſche Verbindung zwiſchen Bühnengebäude und Zuſchauerraum waren die mehrfach erwähnten Eingangsthore (ragodoı), Hinter jenem befand ſich in der Regel in Verbin— dung damit eine Säulenhalle, nach Vitruvius ausdrücklicher Vorſchrift deshalb anzulegen, damit die Zuſchauer bei plötzlich eintretendem Unwetter Schutz fänden. Noch jetzt findet man bei vielen Theatern die Spuren davon. Das Bühnengebäude ſelbſt hat nun zu beiden Seiten nach dem Zuſchauerraume hervortretende Flü— gel, welche Neben-Bühnen räume (ragaoxnvıa) heißen und ihrem Zwecke nach weiter unten betrachtet werden ſollen. Der Ausdruck 97% hat aber bei den Griechen eine doppelte Bedeutung: er bezeichnet nämlich ſowohl im Allgemeinen das ganze Bühnengebäude mit allen ſeinen einzelnen Theilen, als auch im Beſondern den hinteren Theil derſelben, die den Zuſchauern gerade gegenüber liegende Wand (Hintergrund), welche drei für die Schauſpieler beſtimmte Thüren hatte. In dieſer letztern Bedeutung nun ſprechen die Alten von einer Gαπν]⁰ To=yıXn, xον,ͤ und oarvgızy. In der oxyvn Toayızm beſtand die Hinterwand (oxnpn) in einem königlichen Palaſte oder Tempel, mit Säulen und anderem Prunk verziert, nicht ſelten auch mit einem Balkon oder einer Warte (povxzwgrov) auf dem Dache (wie in Aeſchylus Agamemnon) und zu: weilen mit einem Vorhofe (ooIvor, 7ro07rvVAc) verfehen, der mit einem Gitter, das durch eine der mitt⸗ leren Thür des Palaſtes gegenüber liegende Thür (gleichfalls zrooIvo« ο οοονετνν , rroozwwAr genannt) ver ſchloſſen wurde, umgeben war. An dieſer Thüre oder in Ermangelung derſelben an der Mittelthür des Pa— laſtes ſelbſt ſtand der Altar des Arνοο Ayvısdc, und auf der andern Seite ein Tiſch mit Opferkuchen. Durch dieſe Mittelthür, die zuweilen oxnpn im engſten Sinne heißt, treten nur die Könige, Herrſcher oder Herrſcherinnen, überhaupt die Hauptperſonen auf, während die beiden andern Thüren, welche zu den beiden Seitenflügeln des Palaſtes gehören, in denen man ſich die Gaſtwohnungen, Frauen-, Sklavengemächer u. dgl. dachte, für die übrigen Schauſpieler beſtimmt waren. Die oxnv7 zwwıxn zeigte anſtatt eines Palaſtes oder Tempels in der Regel ein Privathaus, häufig gleichfalls mit Balkon, oder Wirthſchaftsgebäude, Schuppen u. dgl., je nach der oft tollen Laune des Dichters. Die 0x7v7 oarvorxn endlich beſtand in einer bergi— gen und waldigen Gegend mit Höhlen, Gewäſſern u. dgl., wie es für den Aufenthalt der Satyre angemeſſen war. Es verſteht ſich von ſelbſt, daß dieſe verſchiedenartigen Gegenſtände und Gegenden durch eine an der 368 Hinterwand angebrachte Decoration hervorgebracht wurden, daher denn auch eine Veränderung oder Verwand— lung der Scene möglich war, obſchon dieſe nicht ſo häufig vorkam, wie bei uns. — Die zu beiden Seiten der Hinterwand Con nach dem Zuſchauerraume vortretenden Flügel hießen, wie oben angedeutet, wao«- oxnvıe, und dienten nebft dem hinter der oi gelegenen Raume, welcher mit dem Namen Hinter⸗ bühnenraum, Örooxnvıov, bezeichnet worden zu fein ſcheint, zum Aufenthalt der Schauspieler, zum Garderobezimmer und zum Aufbewahrungsort für die verſchiedenen Apparate und Maſchinen. Ein jedes der Paraſkenien hatte wieder nach der Skene zu eine Thür, von denen die rechts (wenn man den Standpunkt von der Bühne nach dem Zuſchauerraume zu nimmt) für Perſonen, welche von Außen oder aus der Fremde herkamen, die links für ſolche, welche aus der Heimath kamen, beſtimmt war. So wie im engſten Sinne o zuweilen nur die mittlere Thür bezeichnet, fo heißen egaoxmvıc zuweilen im engſten Sinne dieſe beiden Seitenthüren, bei den Römern itinera versurarum. Dieſer letztere Ausdruck erklärt ſich daraus, daß neben dieſen Thüren dreiſeitige Prismen aufgeſtellt waren, welche bei den Griechen reoiaxzoı, bei den Römern versurae hießen, weil ſie um einen Zapfen drehbar waren. Dieſe waren das bei den Alten, was bei uns die Couliſſen ſind; ſie waren alſo in einer dem Hintergrunde entſprechenden Weiſe bemalt, oder mit einer Decoration behangen, welche eigentlich erſt klar machen ſollte, wo die Handlung vor ſich ging. Jede dieſer Periakten hatte je nach ihren drei Seiten drei verſchiedene Decorationen, die in den älteſten Zeiten, wo man noch nicht ſehr an Verwandlungen und Scenenaufwand dachte, vermuthlich für die drei Gattungen des Drama beſtimmt waren, ſpäter aber wohl öfters in einem einzigen Stücke ſämmtlich ihre Anwendung fanden. In der Drehung dieſer Periakten beruhte nun hauptſächlich die Verwandlung der Bühne, denn die Hinter⸗ wand wurde, wie ſchon angedeutet, nur ſelten und häufig nur theilweiſe verändert. Wurde nun blos eine Periaktos gedreht, ſo deutete dies die Verwandlung eines Punktes der Umgebung an, wie z. B. wenn bei einer Göttererſcheinung die Periaktos Wolken darſtellte; wurden aber beide zugleich gedreht, ſo zeigte dies die Veränderung der Gegend an, wie z. B. in des Aeſchylos Eumeniden, wo Vs. 235 die Handlung vom Ora⸗ kel des Apollo zu Delphi vor den Tempel der Athene zu Athen verlegt wird. In dieſem Falle wurden nur die Periakten gedreht. Doch kannten die Alten außer der Verwandlung der Bühne durch Drehen der Periak— ten (scena versatilis genannt nach Servius) auch die Veränderung durch Wegziehen eines Vorhanges (scena duetilis), und dieſe namentlich mußte beim Hintergrunde in Anwendung kommen, wenn ein Theil vom In⸗ nern des Hauſes dem Anblick dargeboten werden ſollte, was beim Gebrauche gewiſſer Maſchinen, wie des Sue (wovon weiter unten), unzweifelhaft geſchehen mußte. — Im Allgemeinen alſo war, wie man hieraus erſieht, die Scenerie bei den Alten ſehr unvollkommen; dafür brachten ſie aber eine deſto größere Illu— ſion mit, ſo daß ſie uns manchmal wunderbar erſcheinen muß. So ſtellte derſelbe Hintergrund in den Acharnern des Ariſtophanes mit entſprechenden Periakten zuerſt die Pnyx vor, dann nach Drehung der Prismen ländliche Gegend mit dem Hauſe des Dikäopolis, dann nach wiederholter Drehung Athen mit dem Haufe des Euripides, dann wieder das Landgut des Dikäopolis u. ſ. f. Und doch war der ſceniſche Apparat damals bedeutend zu nennen im Vergleiche zu jener Zeit, als Aeſchylos zu lehren begann. Denn ihm wird die Erfindung der Periakten und der meiſten Maſchinen beigelegt (vgl. Cram. Aneed. Gr. Paris. I. p. 19 sg.), während fie im römiſchen Theater Lucullus zwar nicht erfunden, aber doch eingeführt haben fol. — In Rückſicht darauf, daß die Hinterwand mit dem Namen q uni, belegt wurde, hieß der Raum zwiſchen der Hinterwand und den Paraſkenien zgoozmvLov, proscenium, und war beſonders nach vorn mit Säu⸗ len und Statuen geſchmückt. Hier ſtanden die das Gefolge der Fürſten bildenden Perſonen und der Chor, wenn er an der Handlung Theil nahm, wie unter andern in vielen Stücken des Aeſchylus. Er war dann auf der rechten und linken Seite des Proſcenium's aufgeſtellt; denn die Mitte mußte frei bleiben für die weiter vortretenden Schauſpieler. Der vordere Theil des Proſcenium's nun, bis zu welchem die Schauſpieler vortraten, hieß Sprechplatz, 10% ro, bei den Römern pulpitum. Doch war er bei beiden weſentlich verſchieden, indem das Aoyedov gegen feine Länge eine geringe Tiefe hatte, während das pulpitum bei doppelter 369 Breite des Durchmeſſers der Orchestra ſich bis zum Zuſchauerraume ausftredte. Die Höhe des Proſcenium's, die aus den Ueberreſten ſich nicht mehr beſtimmen läßt, beſtimmt Vitruvius im griechiſchen Theater auf 10 bis 12 Fuß, doch mag ſie bei kleinen Theatern gewiß geringer geweſen ſein. Im römiſchen Theater darf ſie nach demſelben Gewährsmann nicht über 5 Fuß betragen, damit die in der Orchestra Sitzenden alle Bewe⸗ gungen der Schauſpieler ſehen können. Dieſer Sprechplatz hatte eine etwas hervorſpringende Lage und ruhte deshalb meiſt auf einem ſteinernen Unterbau, wovon in einigen Theatern noch Spuren übrig ſind; zugleich war er, wenn auch nur um ein Geringes, höher als das übrige Proſcenium und mit Holz belegt, wie dies klar die Pataräiſche Inſchrift beweiſet. Aus dieſem Grunde heißt das Jon auch wohl öxgißes oder öxoißevzes, weil man ohne Zweifel in den Theatern, wo es keinen ſteinernen Unterbau hatte, einen hölzernen anwendete und in der älteſten Zeit gewiß gar nur Holzböcke (daher der Name OxoiBavzes) unterſtellte. Der Zweck war natürlich kein anderer, als der, daß die Schauſpieler beſſer in Augenſchein genommen und gehört werden ſollten. Vom Aoysiov führten an beiden Enden bewegliche Treppen in die Orchestra, über welche der Chor, wenn es ſeine Rolle ſo mit ſich brachte, von der Thymele auf die Bühne heraufſtieg und zu bei⸗ den Seiten des Proſcenium's ſich aufſtellte, wie z. B. in des Aeſchylos „Sieben gegen Theben“ gegen Ende. Das Aoysdov wird meiſt im Gegenſatze zum Proſcenium gefaßt, doch zuweilen auch als Theil deſſel— ben und mit unter demſelben begriffen (Plut. Moral. p. 109. B.). Der Name zroooxyvıov aber hat noch eine von der urſprün glichen ganz verſchiedene Bedeutung, entlehnt von dem nach der oxmvn zu die Grenze zwiſchen Bühne und Proſcenium bildenden Theile, dem Theatervorhange nämlich; denn es findet ſich 700 oxnvıov auch in der Bedeutung Theatergardine, Theatervorhang, wie mehre Stellen der Alten un: zweifelhaft darthun. Dies führt gewiſſermaßen von ſelbſt auf die Vermuthung, welche durch eine Menge von Stellen alter Klaſſiker unterſtützt wird, daß die Bühne ſchon im Alterthume durch einen Vorhang den Augen der Zuſchauer verhüllt geweſen ſei, wenn gleich das Alter deſſelben nicht mehr nachgewieſen werden kann. Für dieſen Vorhang finden ſich bei den Griechen die Ausdrücke neoaneraoue, magansrdaouare, & Aatie, 7000xnvrov, bei den Römern siparium und aulaeum. Dieſe Ausdrücke waren urſprünglich wohl verſchieden, wurden ſpäter aber mit einander ſynonym gebraucht. Legero und siparium näm⸗ lich bezeichnen eigentlich die Gardine, die an einem Seile hinlief und, wenn die Bühne geöffnet werden ſollte, an die Seite gezogen wurde. Sie beſtand auch wohl aus zwei Hälften, von denen die eine nach der rechten, die andere nach der linken Seite weggezogen wurde, daher ſich auch die Pluralform rregamereouere und siparia findet. Für das Bei⸗Seite⸗Ziehen aber ſprechen die Ausdrucksweiſen rageAxeır To ace ders zeoue, complicare siparia. Offenbar iſt dieſe Art von Vorhängen älter, als die, welche die Griechen ei,, die Römer aulaeum nennen. Dieſe nämlich bildet einen mit Gold und Purpur oder mit kunſtrei⸗ chen Figuren durchwebten Prachtteppich; ſo ſtellte z. B. das aulaeum des Theaters zu Rom unter Auguſtus die damals eben von Auguſt unterjochten Britannier vor. Dieſer Vorhang wurde nicht, wie jene, bei Seite gezogen, ſondern bewegte ſich um eine unterhalb des Proſcenium's befindliche Welle, wurde alſo, wenn das Stück anfing, heruntergezogen (aulaeum subducere, sternere), wenn es zu Ende war, in die Höhe gezo⸗ gen (aulaeum tollere, cep). Zuweilen wurde auch bei Veränderung der Scene ein Vorhang vorgezogen, wie ſich aus einer Andeutung des Donatus ſchließen läßt. Sollte der Vorhang fallen oder aufgezogen wer⸗ den, fo wurde dies durch ein vernehmbares Zeichen angedeutet, und zwar bei den Römern durch das scabel- lum oder scabillum, d. i. ein unter den Fußſohlen befeſtigtes Inſtrument, das beim Auftreten ſtets einerlei Ton von ſich gab, wie bei uns der ſogenannte Kukuk der Kinder. Die Griechen hatten in ähnlicher Weiſe hölzerne Sohlen, xooVmeAr, z00U7rava oder x0007reLe, deren man ſich auch zum Taktangeben bediente. — Die Frage, ob das Proſcenium mit unter dem Dache der oxmn und der negaormvıe ſich befunden habe, läßt ſich weder beſtimmt bejahen, noch verneinen, doch iſt es wahrſcheinlicher, daß Erſteres der Fall war, ein⸗ mal, damit nicht die Witterung einen Einfluß auf Bühne und Schauſpieler ausübe, und zweitens, weil doch ein Raum erforderlich war, wo Flugmaſchinen, und namentlich die Maſchinen zoadn und yEoavos, über die 47 370 ich anhangsweiſe weiter unten etwas ſagen werde, fo wie noch einige andere, die von der Seite aus nicht füglich zu leiten waren, aufbewahrt werden konnten. Denn wenn auch die Alten in der Scenerie ziemlich weit zurück waren, ſo fehlte es ihnen doch nicht an Maſchinen, um dieſen Mangel einigermaßen zu erſetzen. Die hauptſächlichſten dieſer Maſchinen find folgende: 1) das Exxvximua (miht Eyaöximue), das, wenn es rückwirkende Kraft erhält, auch 87 = heißt. Durch dieſe Maſchine wurde etwas innerhalb der ax, z. B. etwas im Haufe Befindliches, herangerollt und fo dem Publikum ſichtbar gemacht. Belege für den Gebrauch derſelben ſind bei Ariſtophanes ſehr häufig; ſo wird z. B. Euripides in den Acharnern mittelſt ihrer, die dort vom Dichter geradezu durch das Verbum eule bezeichnet wird, ſichtbar; eben fo Agathon in den Thesmophoriazuſen. Es iſt klar, daß, wenn dieſe Maſchine hinter der eigentlichen q (dem Hintergrunde) etwas ſichtbar machen ſollte, ein Theil von der vor der Hinterwand befindlichen Decora⸗ tion in die Höhe gezogen werden mußte; doch mag fie wohl ſehr häufig angewendet worden fein, um Perſo⸗ nen zu den Seitenthüren heraus hinter den Periakten hervorzurollen. Sie beſtand in einem kleinen, hölzer⸗ nen, auf Rädern laufenden Gerüſte, auf dem, wenn das Innere eines Hauſes dem Auge vorgeführt werden ſollte, die Perſon ſaß, um deren Anblick es ſich handelte; waren aber ein oder mehre Götter (denn vor Er findung des pegma, wovon nachher, diente dieſe Maſchine auch dazu, Götter und Göttinnen auftreten zu laffen,) auf die Bühne zu rollen, was wohl nur von der Seite her, wie angedeutet, geſchah, fo ſtanden dieſe darauf, und die Drehung der Periakten zeigte zugleich Wolken oder ſonſt eine mit der Erſcheinung der Götter in Uebereinſtimmung ſtehende Decoration. — Faſt ganz daſſelbe, wie das ExxvxAnue, wenigſtens dem Zwecke nach, war 2) die 880 0% %,, von jenem nur dadurch unterſchieden, daß fie nicht gerollt wurde, ſondern ge⸗ zogen oder geſtoßen werden mußte. Eine Anwendung davon haben wir unter andern in Ariſtophanes Ritz tern (Vs. 1246), wo Kleon und der Wurſthändler vor Tiſchen mit Speiſen beladen herausgeſchoben werden. Ganz verſchieden davon find 3) und 4) die Maſchinen, welche mit den Namen zo@dn und y&orvog ber legt werden. Koadn, auch eiwonwe und ſehr häufig * SS auch blos umyavn genannt, be⸗ zeichnet urſprünglich den Zweig oder Aft des Feigenbaums, ein Name, der vielleicht deshalb auf die Maſchine übertragen wurde, weil man früher im Freien geſpielt, und die über der improviſirten Bühne ſchwebenden Baumäſte als Anhaltspunkte und Subſtitute für Maſchinen benützt hatte. Die „odo diente dazu, um Per⸗ ſonen in der Höhe oder in der Luft ſchwebend zu zeigen. Sie erſcheint z. B. angewendet bei Euripides, um den Bellerophontes und Perſeus, bei Ariſtophanes unter andern im „Frieden,“ um den Trygaeos auf dem Miſtkäfer in der Luft ſchwebend erſcheinen zu laſſen. Aehnlicher Art war die ydoavos, welche dazu diente, Perſonen aus der Höhe auf die Erde kommen zu laſſen oder umgekehrt von der Erde in die Höhe zu erhe⸗ ben. Man verſteht daher unter ygoavog einen Krahn, an welchem unbemerkt von oben herab ein Seil mit einem Haken heruntergelaſſen wurde. Denn daß ein Haken dabei zu denken ſei, lehrt außer dem Gebrauche und einer Anzahl Stellen auch der Name yEoavos, denn Hals und Schnabel des Kranichs haben eine ha— kenähnliche Geſtalt. Dieſer Haken wurde in einen am Schauſpieler befindlichen Gurt eingehakt und dieſer dadurch in die Höhe gezogen. So kommt z. B. in des Aeſchylos „Seelenabwägung“ (AWvxooraoie) Eos herab, um den Leichnam ihres Sohnes Memnon zu holen. Da ſie ihn natürlich nicht tragen kann, befeſtigt ſie unbemerkt einen Haken an ſeinen Gurt, und während ſie ihn zu tragen ſcheint, wird auch ſie mit ihm durch die Maſchine in die Höhe gezogen. Beide Maſchinen, die *gckoͤn wie die 76e, können nicht wohl angewendet worden ſein, ohne daß das Proſcenium überdacht war. — Eine andere Maſchine war 5) das HeoAoyEsov, dazu beſtimmt, wenn einer der olympiſchen Götter in die Handlung verflochten war, dieſen in feiner. ganzen Majeſtät erſcheinen zu laſſen. Es bildete ein eignes Gerüſt, das nach Wegnahme des obern Theils der Decoration an der Hinterwand den Gott in feiner Herrlichkeit, umgeben von Wolken, Geſtirnen ꝛc., ſichtbar machte. Dieſe Maſchine fand z. B. in des Aeſchylos angeführter „Seelenabwägung,“ einem Stücke, das zum Theil im Olymp ſpielte, Anwendung; hier erſchien Zeus in voller Glorie ſitzend, umgeben von Thetis und Eos, und wog die Seelen ihrer Söhne, Achilleus und Memnon, ab; dieſelbe Maſchine wurde auch ge⸗ 371 wiß in des Ariſtophanes „Frieden“ gebraucht. Mit ihr wurden 6) und 7) häufig verbunden zwei andere Maſchinen, das xegavvooxzoneiov und Poovzeiov, Blitz- und Donn ermaſchine. Erſtere be ſtand in einer in der Höhe angebrachten laternenartigen Drehmaſchine, in welcher Licht brannte. Wurde ſie gedreht, ſo fiel das Licht einen Augenblick auf die Bühne, außerdem aber hinter die Scenenwände. Da am Tage geſpielt wurde, ſo konnte der blitzartige Schein nur dann bemerkt werden, wenn die Maſchine möglichſt weit nach dem Hintergrunde zu angebracht wurde, wo es dunkler war. Auch hieraus läßt ſich ſchließen, daß das 77000x7V109 überdacht war. Der Name xegavvooxoreetov (Blitzwarte) mag wohl daher entſtanden ſein, weil das Licht ſorgſamer Aufſicht bedurfte, damit es nicht Schaden anrichte. Die Donnermaſchine, Boovrerov, auch 7xeLov genannt, befand ſich unterhalb der Bühne, und beſtand aus einem oder mehren keſſelartigen Gefäßen, in welche Steine in Schläuchen oder aus Eimern raſch geſchüttet wurden. — Mit dem Geoοðeon ſcheint auch zuweilen verbunden geweſen zu fein: 8) das Y νντ ee, eine große niſchen— oder blendenartig gemalte Wand, ebenfalls nach Wegnahme der Decoration an der Hinterwand ſichtbar, und zwar in Form eines Halbkreiſes in der Höhe aufgeſtellt. In des Aeſchylos „Seelenabwägung,“ wie in Ari⸗ ſtophanes „Frieden,“ wo Zeus auf dem Seo Yνςα ſaß, ſtellte es gewiß dahinter den übrigen Olymp dar; doch diente es auch, um ferne Gegenſtände in der gehörigen Perſpective erſcheinen zu laſſen, z. B. das Meer, einen Theil der Stadt u. dgl. m. Wenn dieſes yıuxvxdıov das Meer, zuweilen mit darin ſchwimmenden Nereiden u. ſ. w. vorſtellte, war in der Regel damit verbunden: 9) das 62 69, eine große Binde oder ſtreifartige Decoration, welche Wellen darſtellte und hin und her bewegt wurde, um ihr den Schein unruhigen Waſſers zu geben. Doch war die Verbindung dieſer Maſchinen keineswegs nothwendig, ſondern das 6706 cov mochte auch ſehr oft allein vorkommen, wie in den „Fröſchen“ des Ariſtophanes, wo der Scholiaſt lächerlicher Weiſe ſich einbildet, die Fahrt des Dionyſos habe in der Orchestra ſtattgefunden. — Außer die⸗ fen Maſchinen hatte das griechiſche Theater auch Verſenkungen, avazıdouwaere, durch welche man Er: ſcheinungen aus der Tiefe kommen ließ. Zwei davon befanden ſich an der Grenze des Proſcenium's in der Nähe der in die Orchestra führenden Treppen; durch dieſe traten z. B. die Flußgötter auf (zum Unterſchiede von den Meergöttern, welche mittelſt Maſchinen oder durch den linken Seiteneingang erſchienen), eben ſo die Erinnyen bei Aeſchylos. Ob die Römer die Verſenkungen angewendet, iſt ungewiß; einen großen Theil jener Maſchinen aber hatten ſie von den Griechen entlehnt. Doch hatten ſie auch eine, welche von den Griechen nicht gebraucht worden zu ſein ſcheint, das pegma, obſchon der Name griechiſch iſt. Das pegma be deutet ein Aufziehgerüſte, ließ ſich, wie ein Fernrohr, weit auseinander und wieder in ſich zurückſchieben, fiel auch ganz auseinander. Es verdankte ſeine Entſtehung offenbar dem Kriege, indem man bei Belagerungen Thürme verwendete, die klein und unbedeutend erſchienen, plötzlich aber zu mehren Stockwerken aufwuchſen und ſo geſchickt gebaut waren, daß ſie wieder zuſammengelegt und leicht transportirt werden konnten. Auf dieſe pegmata ſetzte man nun Götter, Heroen u. dgl., und als die Römer nur noch an Pantomimen Ge⸗ ſchmack fanden, Cither- und Flötenſpieler. Das Künſtliche bei dieſen Maſchinen beſtand darin, daß fie, wäh: rend fie allmälig bis zur Höhe mehrer Stockwerke emporgewachſen waren, plötzlich mit unglaublicher Geſchwin— digkeit zuſammengelegt wurden oder gar auseinander gingen; dies hieß rapere oder raptare pegma. Mar türlich mußte da für den darauf Sitzenden vorgeſehen werden, damit dieſer nicht dabei zu Grunde ginge, wie dies allerdings nicht ohne Beiſpiel iſt; ja oft wurden Straßenräuber u. dgl. Verbrecher zum Vergnügen des Volks abſichtlich darauf geſetzt, um beim Zuſammenfallen zermalmt zu werden. Das iſt es, was ich über Bau und Einrichtung des griechiſchen und römiſchen Theaters zu ſagen hatte; über Masken und Koſtüme, ſo wie über die äußeren Bedingungen und die Art der Darſtellung, werde ich zu einer andern Zeit ſprechen. 47 * ! 5 Am 29. Juni hielt der Gymnaſial-Oberlehrer Herr Winkler folgenden Vortrag: Kurzer Pericht von den Meſultaten, welche aus den Streitſchriften der Exasmianer und Reuchlinianer über die Schickſale der griechiſchen Nation und ihre Sprache, fo wie über die richtige Ausſprache der helleniſchen Sprache bisher gewonnen find. Als Erasmus in feinem bekannten Dialoge pädagogiſchen Inhalts ein ſcherzender Reformator der grie⸗ chiſchen Ausſprache auftrat, mochte er wohl ſchwerlich ahnen, daß ſolchem Reformationswerke gar bald hohe Bedeutſamkeit würde beigelegt werden. Machte er doch von ſeiner Theorie ſelbſt keinen Gebrauch, ſondern las Reuchliniſch, d. h. wie Reuchlin las und von ſeinen griechiſchen Lehrern das Griechiſche leſen gelernt hatte; ja er lobte die ſchöne und richtige Ausſprache einiger Gelehrten, die ſammt und ſonders neugriechiſch laſen. Gleichwohl reichten einige Seiten jenes Dialogs hin, einer Ausſprache, die bisher allein bekannt war, den Prozeß zu machen. Derartige reformatoriſche Beſtrebungen zeigten ſich beſonders in England, wo vor Allen Checus, Profeſſor in Cambridge, die bisherige oder ſogenannte neugriechiſche Ausſprache als eine verderbte angriff. Gegen ihn ſchrieb der Biſchof Stephanus, zugleich Kanzler der Hochſchule in Cambridge. Wer beide Streitſchriften, welche nebſt mehren andern Abhandlungen ſpäterer Gelehrten über denſelben Stoff in der Ha⸗ verkampſchen Sammlung abgedruckt ſind, aufmerkſam und unbefangen durchlieſt, der muß die Ueberzeugung gewinnen, daß der Profeſſor, ohngeachtet ſeines guten Lateins, ziemlich gar nichts bewies, der Kanzler aber mit ſo vieler Gelehrſamkeit, wie ſie heut zu Tage nicht allen Univerſitäts-Curatoren eigen iſt, und mit ver⸗ ſtändigem Urtheile der Tradition das Wort ſprach. Leider ließ es der Biſchof nicht bei den Spiritualia be⸗ wenden, er übte als Kanzler auch gehäſſige und nutzloſe Polizeigewalt, und nahm die Corporalia zu Hilfe, indem er 1541 die Einführung der Erasmiſchen Neuerung geradezu verbot, und für Uebertretung dieſes Verbo⸗ tes als Strafe feſtſetzte: 1) einem Profeſſor, denn geheime Räthe, Oberlehrer und Schulkollegen gab es damals nicht, Amtsentſetzung; 2) einem Kandidaten Verweigerung jeglichen akademiſchen Grades, ſomit Anſtellungsunfä⸗ higkeit; 3) einem Schüler Verweiſung von der gelehrten Anſtalt. In Deutſchland focht etwas ſpäter Mekerchus für die neue Lehre mit eben ſo vollbackigen als geiſtloſen Redensarten und Behauptungen, worin einige andere Eras⸗ mianer ihm oft genug buchſtäblich nachfolgten. Alles dieſes that der vermeintlich guten Sache gleichwohl gar nicht Abbruch, vielmehr wurde, wie in England, ſo in Frankreich und Deutſchland, die überkommene Ausſprache immer mehr aus den Schulen verdrängt, das Griechiſche nach und nach engliſch, deutſch, franzöſiſch ausge⸗ ſprochen, und jede dieſer Sprechweiſen mit dem Namen Etacismus getauft. Bei dieſer Errungenſchaft war man im Allgemeinen jetzt zufrieden geſtellt, und wenn einzelne Stimmen ſich dagegen vernehmen ließen, ſie wurden nicht gehört; ja ſelbſt neuere Grammatiker, wie Buttmann und Matthiä blieben ihr getreu, und fo gerieth es beinahe in Vergeſſenheit, daß die neugriechiſche Ausſprache eine bedeutende Anciennität für ſich hat, die allgemeiner bekannte Erasmiſche dagegen eine kaum 300jährige Erfindung iſt. Da traten endlich einige Männer, wie Seyffarth, Liscovius und vor Allen Bloch, für die in Deutfchland fo gut wie exilirte Ausſprache auf, und ihre Schriften imponiren gewiß den meiſten Leſern; aber es fand ſich ein Gegner in der Perſon des Henrichſen, welcher in einer ſehr gelehrten Abhandlung zwar die Vertheidigung der Erasmiſchen Theorie ablehnt, aber zu beweiſen ſucht, daß namentlich die von Bloch ſeinem Landsmanne beigebrachten Beweis⸗ gründe für die Reuchliniſche Pronunciation der helleniſchen Sprache nicht haltbar wären. Eben ſo entſcheidet ſich, obwohl nur andeutungsweiſe, gegen die Aechtheit der neugriechiſchen Ausſprache Kreuſer, deſſen mit großer Beleſenheit reich ausgeſtattete Vorleſung in Uebereinſtimmung mit Henrichſen darzuthun ſucht, daß das helle⸗ niſche Volk und deſſen Sprache ſchon vor der chriſtlichen Zeitrechnung abſtarb. Wer dieſe und ähnliche Meinungen über die griechiſche Nation und ihre Sprache gläubig hinnimmt, der wird freilich an einer totalen Depravation der griechiſchen Ausſprache wenig zweifeln, und eine Identität der jetzigen oder ſogenannten neugriechiſchen mit der alten Ausſprache für ganz unmöglich halten. Aber ſind 373 denn die Prämiſſen richtig? Allerdings wird vielfach behauptet, daß mit der Niederlage bei Chäronea die griechiſche Nation für immer ihre Freiheit verlor, durch makedoniſche und römiſche Beſatzungen die Enkel ma⸗ rathoniſcher Kämpfer zu Gräculi herabſanken, und wie von der Tiberſtadt, ſo ſpäter von Konſtantinopel aus griechiſche Nationalität durch das Römerthum verdrängt worden ſei. Gleichwohl ſteht es feſt, daß weder ma: kedoniſche Garniſonen in einigen wenigen Städten von Hellas, noch römiſche Prokonſuln ſo viel Willkür übten, als vordem Sparta's, Athen's und Theben's Hegemonie; der ätoliſche und achäiſche Bund gab noch ziemlich ſtarke Beweiſe von der Lebenskraft der Griechen, und das römiſche Gouvernement handhabte feine exekutive Gewalt in Achaja ſehr ſchonend und behutſam. Griechiſche Nationalität ward nicht ausgerottet, ſie trat vielmehr ſeit dem dritten Jahrhundert in verjüngter Kraft auf, und die Griechen, im ganzen römiſchen Oſten das herrſchende Volk unter Roms Oberhoheit, erſcheinen von jetzt ab als mitbeherrſchender Theil, woher fie auch den Namen Pouαεjͥο annahmen. In den ſchweren Zeiten verwüſtender Völkerkriege bewies wieder die griechiſche Nation nicht geringere Tapferkeit, als 900 Jahre früher gegen die perſiſche Großmacht, ſo daß die Barbaren hier keine feſten Wohnſitze erlangten, und das griechiſche Volk bis in die Regierungsperiode Ju⸗ ſtinians der Hauptſache nach ein unvermiſchtes und ſtreng abgeſchloſſenes Ganze blieb. Dieſe Thatſache räumt ſelbſt Fallmerayer ein, deſſen Meinung von einer ſodann erfolgten Slavo niſirung Griechenlands durch Zinkeiſens Darſtellung der damaligen Zuſtände Griechenlands auf das Vollſtändigſte widerlegt wird. Es waren dieſe Slaven ziemlich gleicher Abſtammung mit den heutigen Bewohnern der Süddonauländer; während dieſe aber hier die Hauptmaſſe der Bevölkerung bildeten, drangen jene, vielleicht von ihren Stammgenoſſen ſelbſt gedrängt, weiter ſüdwärts vor, konnten jedoch wegen zu geringer Streitkräfte nicht Herren des Landes werden, ſondern erhielten in Abhängigkeit von griechiſcher Städteherrſchaft ſchwachbevölkerte Landſtriche zur Bebauung. Sie lebten in Dörfern, wogegen die zahlreichen Städte, welche ſich eines blühenden Handels und Wohlſtandes erfreuten, gewiß von Griechen bewohnt blieben. Nur ſo iſt es erklärlich, daß ſowohl dieſe Slaven ſelbſt, als auch ihre Sprache in ſpätern Jahrhunderten ganz verſchwanden. Hierzu mochte theils die Erweiterung grie— chiſcher Städtemacht beitragen; den Hauptſchlag that jedenfalls die Einwanderung eines ſtarken illyriſchen Volks⸗ ſtammes. Die Albanier festen ſich im 14ten und 15ten Jahrhundert in Hellas feſt, und unter ihnen vers ſchwanden die an Zahl ſchwächeren Slaven. Noch jetzt iſt das albaniſche Volk und ſeine Sprache in Hellas zu finden, doch als ſolches nur auf den Dörfern, in den Städten herrſchten die Griechen, welche ſelbſt unter der Zwingmacht des Halbmondes ſich fortwährend als ein Volk wußten und fühlten, das durch Heldenmuth ſchon jetzt zum Theil ſich ſeine Freiheit errungen hat. Das griechiſche Königreich iſt der ſicherſte Beweis von der Exiſtenz des helleniſchen Volkes bis auf den heutigen Tag, wofern nicht etwa in Ausſicht ſteht, daß auch ein phöniziſches, babyloniſches oder aſſyriſches Reich wieder erſtehen werde, wofern die Wahrſcheinlichkeit nicht vorhanden iſt, daß die Juden lieber einen neuen jüdiſchen Staat bilden wollten, als in den ſchon fertigen Staaten mit Hilfe der Emancipation, nebſt der timokratiſchen Präpotenz, nur noch bureaukratiſche Machtfülle zu erlangen. 8 Was Kreuſer in Uebereinſtimmung mit Henrichſen, nur ausführlicher, über helleniſche Sprache und Bildungsgang der Griechen mittheilt, iſt theils unmöglich, theils unwahrſcheinlich, zum Theil in Hyperbeln ausgedrückt. Derſelbe argumentirt alſo: Die erſte allgemeine griechiſche Schriftſprache, welche mit Unrecht joniſcher oder homeriſcher Dialekt genannt werde, obwohl Jonien die Wiege deſſelben iſt, ſtarb kurze Zeit nach den Perſerkriegen aus, und an ihre Stelle trat die Stadtſprache Athens als allgemeine Schriftſprache, ſeit Alexandros ſogar als Weltſchriftſprache; der Ausdruck attiſcher Dialekt iſt aber wiederum nichtsſagend. Wie nämlich jene, fo iſt auch dieſe zweite Schriftſprache niemals und nirgends Volksſprache geweſen, ja zu Xeno⸗ phons Zeiten ſprach das atheniſche Volk einen von der Schriftſprache verſchiedenen Dialekt, und ſo bedienten ſich andere helleniſche Volksſtämme wieder anderer Mundarten. Bereits im Zeitalter der Ptolemäer begann die Verſchlechterung der attiſchen Schriftſprache, wozu ſpäter die Römer das Ihrige beitrugen, welche in An⸗ erkennung zeitgemäßer Weltbürgerlichkeit ſich dem Griechenthum, aber dem der e e nicht der Gegen⸗ 374 wart zuwendeten. Die attiſche Schriftſprache war ſchon jetzt eine bloße Gelehrtenſprache, alſo eine — todte — nicht bloß in Alexandria, Rom, ſpäter Konſtantinopel, ſondern auch in Hellas. Je ſorgfältiger ſie nun ge⸗ lernt werden mußte, und je mehr ihre allgemeinere Kenntniß eben darum abnahm, deſto mehr erkräftigte ſich die Volksſprache, und bereits im ten Jahrhundert chriſtlicher Zeitrechnung erſcheint fie auch als Bücherſprache. Von da ab wich dieſelbe, je länger, deſto mehr, von der attiſchen Schriftſprache ab, fo daß ſchon im 12ten Jahrhundert zwiſchen dieſen beiden Dialekten ein nicht geringerer Unterſchied iſt, als zwiſchen Italieniſch und Latein. Mit der alten Sprache ſchwand gleichzeitig der Geiſt der Hellenen, Künſte und Wiſſenſchaften ver⸗ kümmerten, Geiſtesnacht lagerte ſich immer mehr über die griechiſche Erde, und der Halbmond war wenig ges eignet, die Finſterniß zu verſcheuchen. So weit Kreuſers Anſichten; als Entgegnung diene Folgendes: Wenn Herodot einzelne Abſchnitte ſeiner an den griechiſch-perſiſchen Krieg angereihten Weltgeſchichte in helleniſchen National-Verſammlungen vorleſen durfte, fo mußte dieſe erſte Bücherſprache noch allgemein ver⸗ ſtändlich, konnte alſo beim Auftreten des Thukydides unmöglich ſchon todt ſein. Darf ferner angenommen werden, daß nicht nur die attiſche Schriftſprache ſelbſt den doriſchen Sikulern bekannt war, wie ſolches die Vorliebe der Syrakuſier für die eurypideiſchen Dramen beweiſt, ſondern auch die im altdoriſchen Dialekt ver⸗ faßten Chorgeſänge von den atheniſchen Zuhörern aller Stände wohl verſtanden wurden, ſo wäre es ein Wun⸗ der, wenn die Sprache der homeriſchen Geſänge damals ſollte auch nur einigermaßen weniger verſtanden wor⸗ den ſein, da unſere Schüler mit nothdürftiger Kenntniß der attiſchen Formenlehre ſich in jenen Dialekt leicht hineinfinden. Die Einführung der attiſchen Mundart als Schriftſprache beruht alſo einzig auf dem politiſchen, wiſſenſchaftlichen und künſtleriſchen Aufſchwunge Athens, und ward dadurch erleichtert, daß gerade die attiſche Sprechweiſe, obwohl dem Jonismus näher ſtehend, als dem Dorismus, dennoch als das vermittelnde Idiom zwiſchen beide trat. Wie aber dieſe attiſche Schriftſprache von der gebildeten Volksſprache Athen's, vielleicht ganz Attika's, ſollte verſchieden geweſen ſein, iſt nicht abzuſehen. Die Sprache der gebildeten Athener ward ja eben Schriftſprache; oder iſt dieſe etwa in einer Sitzung von wenigen linguiſtiſchen diktaturbegabten Groß: geiſtern für dieſen Zweck beſonders zugeſchnitten worden? Mit der attiſchen Schriftſprache gewann auch, ob⸗ ſchon langſamer, die gebildete Umgangsſprache der Athener allgemeinere Verbreitung, mußte aber deshalb man⸗ nigfache Beimiſchung von Einzelheiten aus anderen Dialekten erfahren, ſo wie ſie, ebenfalls der Mode unter⸗ worfen, in verſchiedenen Zeiten und Orten verſchieden manirirt erſchien. Zwar eiferten die Sprachgelehrten viel dagegen, und betrachteten es als eine hochwichtige Aufgabe, ihre Gedanken in die reinſte attiſche Form zu gießen, aber ſie widerſetzten ſich umſonſt; die edelſten Söhne von Hellas bewegten ſich freier und ſcheuten ſich nicht, neue Wörter zu bilden, oder aus der lateiniſchen Sprache zu entlehnen. Liegt aber darin Verderbniß oder Tod der attiſchen Sprache, daß z. B. das Wort olxovıevıxog gebildet, und ein govoͤcto ro nicht ver⸗ ſchmäht wird; analog müßte man annehmen, daß ein nach Rechtsboden umherſchauender Landtag der deutſchen Sprache einen Todtenſchein ausſtelle, weil er Amendements ſtellt, und das Wort naturwüchſig von dem olzovusvıros in Bildungsform nicht ſonderlich verſchieden iſt. Es konnte nun nicht fehlen, daß auch die Mehrzahl der Gelehrten ſich dem Zeitgeiſt der Sprache fügten, und ihn der Schriftſprache aufdrückten, wie dies namentlich ſchon von den Hiſtorikern wahrgenommen wird. Dieſe, bald mehr, bald weniger von der attiſchen Schriftſprache abweichende, ſowohl Umgangs- als Schriftſprache iſt es, was man die neugriechiſche Sprache nennt, deren Anfänge Fauriel ſchon im zweiten chriſtlichen Jahrhunderte findet, und welche Corais als bereits im vierten Jahrhunderte ziemlich fertig annimmt. Wie wenig übrigens dieſe ſogenannte neugrie⸗ chiſche Sprache von der attiſchen mag abgewichen haben, geht daraus hervor, daß die Sophiſten, welche ſich bekanntlich mit der Reinheit des Attizismus brüſteten, alſo ihre Vorträge im attiſchen Dialekt hielten, dennoch vom Volke allgemein verſtanden wurden, wie dies folgende Stelle des Gregorius Naziancenus beweiſt, welcher ausruft: „Alle kleinern Städte, Berge und Ebenen, Häfen und Wege, jede Ecke des Landes, nicht bloß von Attika, ſondern von ganz Griechenland, ſind voll von Menſchen, die ſich dieſes oder jenes Sophiſten anneh⸗ men, und die Einwohner des Landes ſelbſt nehmen Parthei, gleich den jungen Leuten aus der Fremde.“ — » 375 Solch dauerndes Verſtändniß einer Sprachweiſe iſt in der Geſchichte der Sprachen allerdings eine ſeltſame Erſcheinung; aber iſt ſie darum unmöglich? Jedenfalls iſt es ſeltſamer, daß beinahe 1500 Jahre ſpäter die Sprache eines Corais und anderer griechiſchen Gelehrten der Gegenwart ebenfalls nur unbedeutend von der alten Sprachform verſchieden iſt. Zwar wird von Einigen behauptet, daß die Sprache des Corais nicht Volks— ſprache ſei, alſo auch nicht dürfe für die eigentliche neugriechiſche angeſehen werden; aber dieſe Behauptung entbehrt alles genügenden Grundes. Corais und andere Gelehrten ſchreiben für ihre Nation, nicht bloß für einzelne Gelehrte; die Grammatiken der jetzigen gebildeten Umgangs- und Schriftſprache zeigen, daß die jetzige Formenlehre von der attiſchen nicht bedeutend abweicht; du Cange bemerkte ſchon früher, daß die in Volks: predigten gebrauchte Sprache noch immer die alte ſei, obwohl minder rein und nicht ohne Beimiſchung von Wörtern der Vulgärſprache. Dieſe Vulgärſprache iſt allerdings von der allgemeinen Schrift- und gebildeten Umgangsſprache ſehr verſchieden; aber das Daſein jener bedingt doch eben ſo wenig das Nichtdaſein oder den Tod der Schriftſprache, wie das Vorhandenſein vulgärer Dialekte bei den Deutſchen auf den Tod der allge— meinen Bücherſprache ſchließen läßt. Deshalb hat Henrichſen mit feinen Excerpten neugriechiſcher Lieder aus verſchiedenen Jahrhunderten doch nichts weiter bewieſen, als daß die Vulgärſprache in Gedichten ſchon ſeit dem 12ten Jahrhundert angewendet bis auf den heutigen Tag ziemlich dieſelbe iſt. Hiernach ergiebt ſich, daß der zur allgemeinen Schrift- und gebildeten Umgangsſprache erhobene attiſche Dialekt in verſchiedenen Zeiten verſchiedenen Modificationen unterworfen wurde, manche Verunſtaltungen erfuhr, ſogar durch fremdartige Ele— mente entſtellt wurde, aber in neuerer Zeit viel Fremdartiges ausgeſchieden und überhaupt ſich bereits ſo weit geläutert hat, daß dieſe neugriechiſche Sprache von der des Demoſtheniſchen Zeitalters kaum verſchiedener ſein dürfte, als das heutige Deutſch von dem, welches vor 200 Jahren geſchrieben und geſprochen wurde. Eben fo iſt einzuräumen, daß die heutige Vulgärſprache, aus der Vermiſchung der vulgären Landſchafts- und Orts⸗ Dialekte beſtehend, zu ihrer Grundlage den, wie es ſcheint, verbreitetſten äoliſchen Dialekt hat, aber außerdem für corrumpirte lateiniſche und barbariſche Wörter und Wortformen zugänglich wurde. Mag dieſe Vulgär⸗ ſprache ebenfalls ein hohes Alter haben, mag fie zum Theil ſchon in den erſten chriſtlichen Jahrhunderten ge— braucht und in Zeiten bedeutender Abnahme helleniſcher Bildung ſogar hier und da in Schrift angewendet worden ſein, ſie darf gleichwohl nicht als die allgemeine Volksſprache angeſehen werden, ſo wie dieſelbe von den Griechen ſelbſt eine 1 voce Audi ſtets geheißen wird. Was endlich die wiſſenſchaftliche Bildung der Griechen in den ſpäteren chriſtlichen Jahrhunderten anlangt, ſo kann dieſelbe durchaus nicht ſo im Verfall geweſen fein, wie Kreuſer darſtellt, oder es wäre ein wahrhaftes Wunder, wie die Neugriechen bei ihrer An- kunft in Italien mit ſo allgemeiner Begeiſterung daſelbſt aufgenommen werden konnten. Wie paßt zu der Beſchreibung von der im byzantiniſchen Reiche angeblich immer allgemeiner gewordenen Finſterniß und Geiſtes⸗ rohheit der Neugriechen Folgendes bei Kreuſer?: „Dieſe Leute (i. e. die neugriechiſchen Lehrer in Florenz und andern Städten Italiens) ſchnitten noch aus ganzem Holze, die Sammlung der Spähne ſpätern Zeiten überlaſſend — oder — im Ganzen war jene Zeit für die neue geiſtige Braut (1. e. das durch griechiſche Sprachſtudien angeregte wiſſenſchaftliche Streben) begeiſtert, und daraus iſt erklärlich, wie ſo ſchnell die geiſtige Umgeſtaltung Europa's bewirkt werden konnte.“ Ich gehe nun zur Ausſprache über. Während die Erasmianer anfangs die Meinung vorbrachten, daß die alte Ausſprache des Griechiſchen erſt in den ſpätern Zeiten des Mittelalters corrumpirt worden ſei, dieſe Corruption aber auf die geſammte Accentuation, auf die Hälfte der Conſonanten, auf den Vocal 7 und mit Ausnahme des oo auf alle Diphthonge ausdehnten, behaupteten die ſogenannten Reuchlinianer, es habe ſich die alte Ausſprache ziemlich ganz in ihrer Integrität erhalten. Freilich hätte es nun jenen Reformmännern obgelegen, den Beweis für ihre Behauptung beizubringen; aber der Reiz der Neuheit vermochte mehr als jegliche Beweisführung, und die Altgläubigen wurden genöthigt, ihre traditionelle Ausſprache zu rechtfertigen. So gewannen dieſe ein reichhaltiges Material, deſſen Beweiskraft wenigſtens zu ſchwächen ſich die Erasmianer endlich doch gezwungen ſahen. Dieſe Rolle hat mit vielem Geſchick und ſophiſtiſcher Gelehrſamkeit Henrichſen 376 übernommen; gleichwohl ſtellt ſich das bisherige Ergebniß durchaus ungünſtig für die Neuerung, indem eine ſorgfältige Vergleichung deſſen, was beide Parteien bereits vorgebracht haben, die Entſcheidung begünſtigt, daß die ſogenannte neugriechiſche Ausſprache ganz dieſelbe ſei, wie ſie in Demoſthenes' Zeitalter und früher war. Zuvörderſt alſo vom Accent. — Die jetzigen Griechen heben durch Schärfung oder Dehnung gerade dieſelben Silben hervor, welche in den Ausgaben griechiſcher Klaſſiker mit einem Tonzeichen verſehen ſind, und unterſcheiden ſehr genau den acutus 40% 8 vor dem circumflexum in u&AAov. Nichts deſto weniger wurde dieſe Accentuation verbäche tigt, und entweder für eine Erfindung ſehr ſpäter byzantiniſcher Zeiten angeſehen, oder man behauptete, die wahre Bedeutung der Accente ſei verloren gegangen, man müſſe ſich zumeiſt an die Quantität halten, und im Falle der Unmöglichkeit, Quantität mit Accent zu vereinigen, letztern ganz fallen laſſen. Damit ſtimmte ſelbſt in neuerer Zeit Brand vollkommen überein, einige Gelehrte biſſen auf dieſen Zopf an, und edirten Autoren mit Weglaſſung der Accente. Aber dies Verfahren gewann nicht den erwünſchten Beifall; auf das Entſchiedenſte erklärten ſich dagegen Wolf und Hermann, ſpäter Buttmann, ſowie andre Grammatiker. Leider verfochten dieſe Männer eigentlich nur die Schreibung der Accentzeichen, nicht deren Gebrauch in der Aus⸗ ſprache, und ſo wundre man ſich nicht, wenn Repp in ſeinem Verſuche einer Phyſiologie der Sprache alſo zürnt: Fürwahr eine magere Belohnung für eine endloſe auch dem Fleißigſten das Studium dieſer Sprache aufs niederträchtigſte verkümmernde Mühſal. Dieſe eben ſo ſtark ausgedrückte als gerechte Klage iſt jetzt bei weitem weniger zu hören, da die Rückkehr zur accentuirenden Ausſprache immer allgemeiner wird. Die Bes rechtigung, ja die Verpflichtung hiezu liegt auch nahe. Da es eine Anzahl griechiſcher Wörter giebt, deren zwar urſprünglich verwandte aber gleichwohl verſchiedene Bedeutung aus dem Zuſammenhange nicht immer mit Beſtimmtheit zu erkennen iſt, bei denen aber durch Verſchiedenheit der Betonung dem Mißverſtändniß begegnet iſt, ſo kamen Gelehrte vielleicht ſchon früh auf den Gedanken, auch in der Schrift den durch die Ausſprache bemerkbaren Unterſchied darzuſtellen. Das Zeichen hiefür war wohl der ſogenannte acutus, und man diſtinguirte dadurch z. B. zrovmoos und 7097005, uvgror und uvoior. Als nun fpäter die helleniſche Sprache eine Weltſprache wurde, und von Nichtgriechen, die ſie aus Büchern lernen mußten, vielfach mit barbariſcher Betonung geſprochen zu werden pflegte, da wendeten Grammatiker das bereits bekannte Mittel einer rich⸗ tigen Accentuation allgemeiner an, und ſo entſtand das Accentſyſtem, deſſen Hauptinhalt kürzlich folgender iſt. Einfache Hebung oder Schärfung kann auf dem vocalen Theile einer der drei letzten Silben der Wörter ftattfinden, Hebung und Senkung oder die Dehnung als doppeltes Zeitmoment nur auf einer der beiden letzten; der gravis iſt nichts weiter als die Negation der Lauthebung, und bedeutet als Zeichen: dieſes Wort hat an ſich den geſchärften Ton auf ſeiner letzten Silbe, darf aber in der Verbindung darauf folgender Wörter zu Einem Satze nicht betont werden, damit der Satz, deſſen Inhalt ein Gedanke d. h. ein gleich⸗ zeitig und als Einheit Gedachtes iſt, auch in der Ausſprache nicht in mehr Theile zerſplittert werde. Wenn nun dieſe Accentzeichen zur Erhaltung einer richtigen Betonung erfunden wurden, wie Matthiä dies auch anerkennt, indem er in Jahn's Jahrbüchern XIII. p. 383 ſich dahin äußert: „Die Accentuation, der wan⸗ delbarſte und feinſte Theil der Ausſprache, würde wohl ſchwerlich ſo treu und vollkommen erhalten worden ſein, wenn nicht die Alexandriniſchen Grammatiker Zeichen dafür erfunden, und die griechiſchen Grammatiker ihre grammatiſchen Regeln faſt ausſchließlich auf die Lehre von den Accenten beſchränkt hätten,“ ſo iſt es höchſt auffallend, wie er hinzufügen konnte: „Würde aber Demoſthenes wohl die heutige Accentuation der Griechen als die ſeinige anerkannt haben?“ Mindeſtens eben ſo ſonderbar aber origineller iſt die Behauptung Kreuſers: „Die Accenteinrichtung zeigt deutlich, daß das Gefühl der Wurzel verloren ging, wenigſtens die Alexandriner dieſen Verluſt befürchteten.“ Demgemäß hätten die Alexandriniſchen Gelehrten z. B. die Wort⸗ formen Gy ονο, EvIownov, KvIomrror proparoxitonirt, um das Gefühl der Wurzel dem Bewußtſein nicht entſchwinden zu laſſen, aber &vIowrov dvIowrp avIowroıs paroxitonirt, um jenes Bewußtſein ebenfalls zu retten, ebenſo die Form x«Aog oritonirt, um das Wurzelgefühl aufrecht zu erhalten. Auf die 377 Frage endlich, ob denn die Accentzeichen wirklich das bedeuten, was die Neugriechen hineinlegen, hat ſchon Servius voraus geantwortet, welcher an einer Stelle feiner Commentarien zu Virgils Bucolica alfo lehrt: die Wörter Bucolica, Georgica haben bei den Griechen den Ton auf der letzten, bei uns auf der drittletzten Silbe, denn die Betonung der letzten Silbe verbietet die Latinität. Dieſe Bemerkung paßt ganz auf die Verwandtſchaft der lateiniſchen Sprache mit dem äoliſchen Dialekt, der ce, co os accentuirte, niemals die letzte Silbe, was Eustathius bezeugt: AdoAewv Zdıov To Baovroveiv, und in Beziehung auf die la⸗ teiniſche Sprache Athenaeus IX. o Pouadoı zravre vobs Aloksis wımovusvor xal ara Tobs Tovovg zus Soe. Da nun die Betonungsweiſe der jetzigen Griechen eine unzweifelhafte Uebereinſtimmung mit den Accentzeichen hat, indem einige von Henrichſen beigebrachte Ausnahmsfälle, z. B. & ð,, z&uegeıs, vixwv nach feinem eignen Zugeſtändniß nur der romaniſchen d. h. Vulgärſprache angehören, fo darf in Beziehung auf die Accentuation wohl angenommen werden, daß ſie bei den Neugriechen in der all— gemeinen Schrift- und gebildeten Umgangsſprache noch dieſelbe ſei, wie bei den Hellenen. Ueber die Ausſprache der Conſonanten hat Hermann's Urtheil: „Consonantium vim integram ac genuinam usque ad hunc diem Graecia conservavit“ fo günſtig entſchieden, daß nur unbedeutende Be— denken noch obwalten können. Leider aber behauptet ſich in praxi noch immer eine ſehr willkürliche und durch gar nichts gerechtfertigte Ausſprache des 8, 5, d, 9, CL, 0. Während nämlich Erasmus behauptet, 6 ſei dem lateiniſchen und deutſchen b gleich an Laut, räumt Mekerchus ein, die Ableitung des vita von Blog, des vado von Padw, des fascino von Baoxaivo zeuge laut von Verwandtſchaft zwiſchen v, f und 8. Dieſelbe Verwandtſchaft zwiſchen » und 8 und b iſt aber auch in ferveo ferbui, in vorare von hoc. nicht zu verkennen, fie zeigt ſich in der doppelten Schreibart sebum und sevum, fo wie in der Ders wechſelung von b und win den ächt lateiniſchen Wörtern provincia, universus, worin bisweilen b ftatt v geſchrieben iſt. Da ferner auch die Griechen das lateiniſche v oft mit 6 gegeben haben, z. B. Bixrog, Ba- Amoıos, Bedöns, Bog ſchrieben, während Andere das von u nicht verſchiedene » nach Analogie der latei⸗ niſchen Orthographie durch den Diphthong ov ausdrückten, ferner die doppelte Schreibung des königlichen Sängers David nicht auf verſchiedener Ausſprache beruhte und derſelbe weder Dauid noch Dabid hieß, wie die Erasmianer das Aavid und Aaßid leſen müſſen, endlich auf vielen Münzen und Inſchriften des Alter⸗ thums » und 8 verwechſelt werden, wie Liscovius an zahlreichen Beiſpielen zeigt, und Boeckh's Corpus Inscriptionum lehrt, fo ift die Ausſprache der jetzigen Griechen, welche 8 = w ſprechen, wohl zur Genüge gerechtfertigt. Gerade durch dieſen w-Laut des 6 wird es klar, warum die Grammatiker dieſen Conſonant eine media nannten, d. h. einen ſanft aſpirirten Buchſtaben, der in der Mitte zwiſchen i und p fteht, worauf ſchon Martinus aufmerkſam machte, und was Rapp richtig darſtellt mit den Worten: Jedes Ohr wird fagen, wenn p, t, k tenues find, fo find b, d, g (nach deutſcher Ausſprache aufgefaßt) tenuissimae. Uebrigens ſoll nicht geleugnet werden, daß 5 feiner Stellung nach ſich ebenfalls, obwohl ſeltner als das la— lateiniſche b, zur tenuitas oder Hauchloſigkeit hinneigte, und dann ziemlich denſelben Lant wie 7 hatte oder das deutſche b, wofür z. B. die doppelte Schreibung von Kctyorrog und Kavwpog ſpricht, und die Analogie mit 7. Dieſer Buchſtabe, gleichfalls media genannt, hat bei den jetzigen Griechen vor dem s und 1-Laute die Bedeutung des deutſchen j, alſo eine ſchwächere Aſpiration als x; vor den 9 Lauten und vor d lautet es wie das deutſche g. Die Ausſprache des y als j in yiyvouaı und yevos, als g in yauoc, yovsls beweiſ't nicht Verplattung der Pronunciation, ſondern Gleichheit mit der durch die Tradition er— haltenen lateiniſchen Ausſprache, die in gigno, genus den j-Laut, in gallus und guberno den g⸗Laut feſt⸗ hält. Von der Verwandtſchaft dieſes Lautes mit dem des x oder lateiniſchen e zeigt auch die faſt gleiche Form des dritten Buchſtaben im lateiniſchen Alphabet, mit dem G, und jene ältere Form, die ſpäter für den K⸗Laut gebraucht wurde, blieb fogar in den Namen Gajus und Gneus, ſowie in einigen andern Wörtern, was Diomedes mit den Worten: C nova est consonans in cujus locum G solebat apponi, hodieque cum Gajum notamus Caesarem, seribimus C. Caesarem, in Uebereinſtimmung mit Per. Maurus lehrt, 48 378 wo es heißt: C quidem praeponimus — G tamen sonabit illie, quando Gneum euntis. Sollte nicht dem juriſtiſchen Gajus, den die Griechen als Teios kannten, der philologiſche als ein non ens Platz machen? L iſt bei den jetzigen Griechen wo möglich das ſcharfe s oder deutſche ß, alſo vor Vocalen und Spiranten, welche die Schärfung nicht hemmen, z. B. A0, Loss. “ lautet dagegen immer als ein weiches 8, wohl mit Recht, da bei den lakoniſchen und ſikeliſchen Doriern dafür häufig o gebraucht wird, und wie Erasmus richtig bemerkt: vis literae d admixta s elemento temperat asperitatem sibili. Eine Sibi⸗ lirung, wie die jetzige Ausſprache giebt, hatte ö und ! gewiß auch im Alterthume, wie aus dem Uebergange des J und 3 in 0 deutlich erhellt, z. B. zeidw 2osidw, zwersıouaı Sc οjανν, oder auch die dialektiſche Verwechſelung des J mit 6, wovon Ariſthophanes in der Lysistrata Beiſpiele giebt, als zragoeve, d yceocig oe, wobei der Dichter freilich auch die härtere doriſche Ausſprache andeutete. Die Griechen hatten in den älteſten Zeiten, fo wie die Römer behielten, und die Deutſchen noch jetzt haben, fünf einfache Vocalzeichen, die aber nicht, wie Hermann meint, kurz, ſondern aneipites waren. Erſt Simonides ſoll © und 7 eingeführt haben, und zwar wie die Erasmianer glauben, behufs der Quantität. Letzteres iſt aber darum nicht glaublich, weil die quantitativen Unterſchiede erſt eine Folge quantitativer Dif⸗ ferenz ſind. Ein ſolcher Unterſchied der Qualität tritt bei dem O-Laute deulich hervor. Die Römer, welche nach Vorgang der Aeolier nur das urſprungliche O-Zeichen hatten, bewahrten deſſen zwiefache Lautgeltung, fo daß Dio Cassius die antepenultima von custodia mit © use ſchreiben konnte, ohne Beihülfe eines proſodiſchen Compendiums der lateiniſchen Sprache. Bei den Deutſchen wird der individualiſirtere darum lange O-Laut vor dem liquideren oder kurzen Laute ebenfalls in der Ausſprache zum Theil orthographirt unter— ſchieden, wie die Wörter: ob, oben, Bohne, Sonne zeigen. Es iſt daher wohl kaum zu bezweifeln, daß das w leu auch im Alterthume denſelben Laut hatte, welchen die Neugriechen unbeſchadet der Betonung noch immer feſthalten, und von dem o wuuxo0v genau unterſcheiden. Beweis dafür giebt die neu⸗ griechiſche Ausſprache des Wortes &Yοοοατοe. Der Kadmeiſche Conſonant Chet hatte bei den Griechen lange die Bedeutung des von den Römern beibehaltenen H, wie die auf älteren Inſchriften vorkommende Schreibart von HOI, HAI als Artikel-Formen zeigt. In der Folge ward derſelbe, wie Franzius elem. epigr. lehrt, zunächſt in den ioniſchen und doriſchen Staaten, ſpäter in Athen als Vocal-Zeichen und zwar für den langen E-Laut eingeführt, wogegen dem kurzen E-Laut das s e verblieb. Die Verſchiedenheit beider Laute iſt in den Wörtern: lenken, ſehen deutlich zu hören, indem das „e“ in lenken mit ä ziemlich gleichlautet, in „ſehen“ dagegen eine ſolche Hinneigung zum „i“ ift, daß es eher für ein gedämpftes i ges halten werden kann. Die jetzigen Griechen ſprechen ihr 7 wirklich als ein „1“, wogegen die Erasmianer im Drange der Oppoſition und durch Schaafgeblöck beſtärkt, dieſen Vocal lange Zeit als ä ſprachen. Aber ſchon Matthi war damit nicht mehr einverſtanden, und er glaubt genug geſagt zu haben, wenn er erklärt, in Hourenios höre man das 7 etwa als zwei e (Pompee-ios). Etwas mehr räumt Henrichſen ein, indem er ſagt: Es iſt hiſtoriſch gewiß, und von Niemanden anders, als von einzelnen Ultra-Erasmianern geleug⸗ net worden, daß „ fowie c, es im 9. Jahrhundert in Konſtantinopel eben fo ausgeſprochen wurden, als ſie von den Neugriechen ausgeſprochen werden, dagegen meinen die Reuchlinianer, daß dieſes Zugeſtändniß viel zu wenig ſei, und fie haben Recht. Schon in den von Gruterus geſammelten Inſchriften findet ſich z. B. zuudevre, oroarıyov, Zriuoev mit kr ſtatt J geſchrieben, und umgekehrt 7 ſtatt 1 in xeomv; in einer von Franzius mitgetheilten Inſchrift auf den Kaiſer Pertinax iſt die Silbe ti durch 27 ausgedrückt. Gegen dieſe Beweisquelle der Reuchlinianer proſteſtirt zwar Henrichſen, aber ohne genügenden Grund, da othographiſche Fehler auf Gleichlaut der verwechſelten Buchſtaben beruhen, und kommen derartige Fehler auf Münzen und Inſchriften aus verſchiedenen Zeiten und Ländern vor, ſo iſt der Grund davon nicht ein neuer, ſondern der vorige, aber in größerer Ausdehnung an Zeit und Raum. Was anders als Gleich⸗ laut des 7 und sche mag die Urſache fein, daß das mit m gefchriebene griechiſche Wort ev bei Plinius 379 nur mit i gefchrieben vorkommt; worauf gründet ſich die zwiſchen 7 und dre ſchwankende Schreibart römiſcher Eigennamen, in denen i geſchrieben iſt; während Strabo das z der antepenultima in Pompilius mit 7 giebt, wählt Dionys. Halic. und Plutarch zαl̃. Eben fo dient die Bemerkung, daß die Griechen das e longum der Römer niemals mit 8 wılov geben, ſondern ſtets durch 7, wie in 65, weiwons, lovvıwons, Adr, dmvagıov, qi, zum Beweiſe, daß e longum und Jvc gleichlautend waren, aber von & % und dem e breve deutlich unterſchieden, fo wie der abwechſelnde Gebrauch des e longum und i für den Diphthong s“ auf Lautähnlichkeit zwiſchen dieſen beiden Vocalen hindeutet. Alſo iſt das & in Alexandrea wohl nicht viel verſchieden von i in Alexandria, und daſſelbe gilt von Antiochea, Antiochia, ſowie von Darius und Museum, Augias, Augeas, orphanotropheum und orphanotrophium, was die Breslauer ziemlich allgemein verkürzen. Was gewinnt nun Matthiä mit folgendem Wortgeklingel: Wer ſagt: Weil die Griechen das lateiniſche lange e in Eigennamen und andern lateiniſchen Wörtern durchaus 9, und die Römer das „ immer durch ein langes e ausdrücken, fo müſſen beide Vocale auf gleiche Weiſe gelautet haben, ein ſolcher glaube ich, hat eine ſehr ſolide hiſtoriſche Grundlage. Eben durch ſolche in der Vergleichung der griechiſchen und römiſchen Sprache gegebene Data haben ja die Erasmianer von jeher ihre Theorien von der Ausſprache zu unterſtützen geſucht. Eine beſſere Unterſtützung war jedenfalls das durch Pr 87 ausgedrückte Schaafsgeblöck in einem Verſe des Cratinus, und es hat von von jeher als ein entſcheiden— des Moment gegolten, weil die Schaafe auch zu Cratinus Zeit fo wie jetzt bä bä, niemals bi bi geblöckt hatten. Dieſen bedenklichen Einwurf ſuchte ſchon der Neugrieche Georgiades zu neutraliſiren durch die Be⸗ hauptung, daß faſt in allen Sprachen die Thierlaute verſchieden ausgedrückt werden, indem z. B. den Pferdes laut die Hellenen durch xomumeißew, die Römer durch hinnire, die Franzoſen durch hennir und die Deutſchen durch „wiehern“ ausdrücken. Ihm ähnlich ſagt Bloch: Varro de re rustica fand in dem griechiſchen Schöpſenlaute weder ein bä noch ein bi oder w; ſondern ein me, und die lateiniſche Sprache hat für das Blöcken den Namen balatus, nicht baelatus. Dieſe Argumentation iſt jedoch minder beweiſend, dagegen darf gefragt werden, ob denn Cratinus ſchon Are gebrauchte, oder nicht vielmehr das in Athen da— mals noch gebräuchlichere s Wılov. Beweiſender aber iſt aus Aristophanes, als 7 ſchon allgemein im Gebrauch war, eine Stelle für den I-Laut des Jr. Pax. 926—28. Trygäos frägt den Chor, ob er der Hewgie mit einem Stier Bol weihen wolle; dieſer verneint es, weil er durch Bor zum 80% ele vielleicht genöthigt werden könnte. Trygäos frägt weiter, ob vielleicht durch ein Schwein ö; auch das lehnt der Chor ab, weil dadurch dnwie —i. e. Schweinerei des Theagenes entſtehen könnte. Ueber die Bedeutung des Wortes dipFoyyos iſt noch großer Streit. Matthiä erklärt ſich dahin: Wenn zwei Vocale in einem Laute ausgeſprochen werden, fo entſteht ein Diphthong. Aber dazu paßt nicht die Ausſprache von &, 7. @ mit dem ir subseriptum, was die Grammatiker ebenfalls Diphthonge nennen, aber mit dem Zuſatze zur "Eruixgarsıev. Buttmanns Definition: „Alles was in der griechiſchen Schrift durch Vereinigung zweier Vocale zu einer Silbe geſchrieben wird, gilt in der griechiſchen Grammatik für einen Diphthongen,“ dürfte wegen weiterer Faſſung richtiger ſein als die von Bloch gegebene, welche alſo lautet: „Die Grammatiker deuten mit der Benennung dies einen von zwei andern zuſammengeſchmol⸗ zenen Einzellaut an. Es paßt dies nämlich nur auf den Diphthong . Was meinen nun die Alten? Ter. Maurus erklärt: Diphthongos — Graeciae dieunt magistri; quod duae junetae simul — sylla- bam sonant in unam. Es ſcheint ſonach eine Lautverſchmelzung gemeint zu ſein, worauf Henrichſen be— ſteht, und dieſe Annahme begünſtigt Priscianus mit den Worten: Diphthongi autem dicuntur, quod binos phthongos h. e. voces comprehendunt; nam singulae vocales suas voces habent. Dem wider: ſpricht aber, was derſelbe über den Diphthong ei fagt: I quoque apud antiquos post e ponebatur, et ei diphthongum faciebat, quam pro omni i longa scribebant more antiquo Romanorum. Die Mangelhaftigkeit oder Unklarheit aller Definitionen beruht auf der verſchiedenen Lautbeſchaffenheit der Diph⸗ thonge, wie Folgendes zeigen ſoll. Die Ausſprache des lateiniſchen Diphthong ae als ä ift wohl begründet. 48 * 380 Die Bemerkung Varro's de lingua lat.: „In pluribus verbis A ante E alii ponunt; alii non“ zeigt, daß das einfache e ſchon an ſich denſelben Laut hatte, wie der Diphthong, mithin darf man ſich nicht wundern, wenn theils Modiſches erwähnt wird, wie von Servius zu Virgil: aesculus glandifera, licet ab esu habeat derivationem, tamen per ae scribitur, sicut et caelatum, quod est participium, licet a celo, celas sit dietum; theis Willkür wie im ganzen Mittelalter und felbft in neuerer Zeit, fo auch ſchon im Alterthum. Bei Bellermann haben mehrere Grabſteine ae und e bunt durcheinander, z. B. in pacae, mehrfach ſteht que ſtatt quae, Petronie, Rufine carissime, wo ae ſtehen ſollte. Eine Veronenſer Inſchrift giebt Claudiae stratonice uxori, und dieſer Wechſel zwiſchen ae und e muß ſehr alt ſein, da bereits Quintilian davon ſpricht: In jisden (Eigennamen) plurali numero e utebantur, hi Sulle, Galbe. Wenn hiernach der durch Tradition erhaltene Einzellaut des Diphthong ae als richtig angenommen werden kann, ſo muß die Möglichkeit eingeräumt werden, daß auch der griechiſche Diphthong ein einfacher Laut war. Dieſe Möglichkeit wird durch das Zeugniß des Sextus Empirieus zur Gewißheit, welches lautet: Da der Laut von c und st ein pFoyyos H r ν˖,,ẽ‚ eu dis ift, fo werden auch dieſe beiden (von den Grammatikern als Diphthonge angeſehene) Lautbezeichnungen orosyeie Elemente fein. Dieſer einfache Laut iſt aber kein anderer als ä, wofür erſtens das bereits von den Erasmianern anerkannte 1000jährige Be⸗ ſtehen deſſelben bei den ſogenannten Neugriechen ſpricht, zweitens eine alte von Ter. Scaurus erhaltene Sage: Antiqui quoque Graecorum hanc qs syllabam per «e seripsisse traduntnr, drittens eine ſtete Analogie zwiſchen dem ſpäter au geſchriebenen griechiſchen Diphthong und dem lateiniſchen ae. Die Römer ſchreiben den griechiſchen Diphthong a faſt ſtets mit ihrem ae, fo daß Matthi ſelbſt einräumt: Wörter wie Alyvrros, Iroleuctos, Ileigcisbe, wie auch die griechiſche Schreibung des lateiniſchen ae durch au in Kate, nrocirwo die Ausſprache des wu betreffend, find entſchieden gegen die Erasmianer. Die Griechen aber ſchreiben nicht nur das lateiniſche ae mit dem Diphthong cer, ſondern in Codices aus dem 5. und 6. Jahrhundert findet fich dieſelbe Verwechſelung des Diphthong au mit dem s e, wie in der lateiniſchen Sprache, ja fchon auf einer Münze Konftantin des Großen ſteht ze mit s s ſtatt des Diphthong, und zweimal Pusch mit & e ftatt ai. Dies könnte als Beweis bereits eingetretener Depravation er⸗ ſcheinen, aber ſchon eine attiſche Inſchrift aus ſehr alter Zeit giebt "AAxuewvidns, alſo s = c, und fo darf wohl angenommen werden, daß der Diphthong c ehedem as nichts anders bedeutet, als den ſchon im & , enthaltenen und durch « fixirten, alſo gedehnten ä-Laut, der jedoch ebenfalls eine flüchtigere Pronun⸗ ciation zuläßt, wie ſie bei einem deutſchen Diphthongen rein unmöglich iſt. Die älteren attiſchen und ionifhen Inſchriften geben vorzugsweiſe das s Wılov, wofür fpäter der Diphthong ss oftmals gebraucht wird. Nach Ol. 80. tritt der Gebrauch des Diphthongen deutlicher hervor, doch fo, daß daſſelbe Wort in einer Inſchrift noch 2 %%, in einer andern den Diphthong hat, ja es ift nichts Seltenes, daß eine und dieſelbe Inſchrift daſſelbe Wort, hier s WıAov, dort den Diphthongen giebt. Nach Ol. 94. findet man je weiter herab, deſto häufiger die nachmals beſtimmtere Schreibung des Diph- thongen, und feit Ol. 158, artete deſſen Anwendung in eine mißbräuchliche aus. Belege dazu geben die von Salmaſius, Gruterus, Böckh, Franz und Roß veröffentlichten Inſchriften, deren Reſultat dieſes ift: das s wıÄov in ſeiner Dehnung, fo wie das 7c longum hatte mit dem Diphthong eu gleichen Laut. Die lateiniſche Sprache auf einfachere Orthographie angewieſen, ahmte gleichwohl auch hierin das Griechenthum nach, der Diphthong ei ward gleichfalls zur Mode, die aber allmälig wieder abkam. So nun erklärt es ſich, warum bei den Griechen gleichzeitig neben 7681s die einfache Schreibart res, 2dsı neben S806, re und 2088, ſpäter abuſiviſch der Diphthong z. B. in zeug, oeνE,,L⁵ H vorkommt, und das lateiniſche i longum bei Eigennamen großentheils diphthongirt ausgedrückt ward, z. B. in ’Avzwweivog, Zapeivos, Actretvog. Eben fo erklärlich iſt es aber auch, warum Plautus „Captivei“ ſchrieb, warum für i longum in Stamm und Endung vieler Wörter der Diphthong begegnet, z. B. castreis, quei, nisei, 381 deicerent, inceideretis und vielen andern Wörtern, deren eine große Anzahl Schneider's Elementargramma⸗ tik angiebt. War hiernach der lateiniſche Diphthong nichts anderes, als das Zeichen des langen J-Lautes, fo konnten römiſche Sprachgelehrte langweilige Unterſuchungen darüber anſtellen, wann das einfache i oder der Diphthong zu ſchreiben ſei; Velius Longus und Quintilian durften ſich gegen den Gebrauch des Diphthongen erklären und ihn ein frigidum und supervacaneum nennen, und es iſt nicht zu verwundern, daß man zur urſprünglichen Simplicität der Orthographie zurückkehrte, was Priscian mit den Worten anzeigt: Ei diph- thongo nunc non utimur, sed loco ejus € vel i productas ponimus. Dies zuſammengenommen, bleibt kaum zu zweifeln übrig, daß die jetzigen Griechen den Diphthong s' richtig ausſprechen, indem fie in rel ein i plenum hören laſſen — polies oder polihs, im vernehmbaren Unterſchiede von dem i exile in 77618. Es wäre alſo der griechiſche Diphthong zu daſſelbe, was der deutſche durch ie oder ih bezeichnete Ilaut iſt. Der Vorzug der Erasmiſchen Ausſprache, daß fie die Laute deutlich unterſcheide, iſt ein ſehr proble⸗ matiſcher, da fie au und et, eben fo ou und sv nicht unterſcheidet, wobei die Reuchliniſche gerade ſehr deutlich diſtinguirt. Die Erasmianer ſprechen alſo e — oi aus, wofür jedoch kein einziger Beweisgrund aufzufinden iſt, während der neugriechiſche Laut i ſich als ziemlich alt erweiſt. Wenn Sextus Empiricus die Diphthonge cel, el, ov Einzellaute nennt und hinzufügt: * av s Ömoias pvoewc, fo gehört zunächſt wohl der Diphthong os hierher, ſowohl aus orthographiſcher als quantitativer Rückſicht. Hiermit ſtimmt auch der Laut des lateiniſchen oe überein, der ebenfalls ein einfacher iſt, was ſchon Quintilian andeutet: Oe scribendum esse, non proferendum, omnes edocent. Als ein nicht unweſentliches Moment darf gelten, daß der Ac⸗ cent, wie er überhaupt auf den vocalen Theil der Silbe, ſo bei den Diphthongen auf den weſentlichen Laut⸗ theil tritt, mithin, wenn er auf dem Zaz« ſtehen ſoll, der Ilaut das Weſen des Diphthongen or ausmacht, was nach Erasmiſcher Sprachweiſe nicht der Fall iſt. Für den Ilaut des os ſprechen ausreichende Zeugniſſe. Schon eine Münze des Jul. Cäſar hat in oiwviozng ftatt ou ein bloßes Ic; vier Münzen aus dem zwei⸗ ten chriſtlichen Jahrhundert geben Oοονανο mit os ſtatt 87; eine Inſchrift des Herodes Atticus enthält das Wort ,, nach alter Orthographie mit II und am Ende E, ſtatt des v % s aber or, und umge⸗ kehrt hat eine Grabſchrift bei Bellermann in der bekannten Warnungsformel umzıs @voign ftatt des o/ in avoiyo den Vocal v Wılov, Beweis genug, daß ſchon damals or und v e gleichlauteten. Die lateiniſche Plural⸗Endung i, welche wohl daſſelbe iſt, wie die griechiſche Endung 04, läßt auf ein hohes Alter des Ilautes von 0% ſchließen, und zwiſchen dem Artikel ok und dem lateiniſchen hi war ſchwerlich phonetiſche Verſchieden⸗ heit. Gleichwohl fol nicht geleugnet werden, daß “ in der genaueren attiſchen Ausſprache nicht ein reines 1 war, wie jetzt bei den Griechen, ſondern ein durch o modifizirtes; widrigenfalls wäre die Contraction von «os in & nicht gerechtfertigt. Aber die Hinneigung zur exilitas oder tenuitas, welche bei den Römern zeitig 7 wahrgenommen wird, war bei der griechiſchen Volksmaſſe gewiß ebenfalls ſchon frühzeitig eingetreten. Wie glänzend die erſten Erasmianer ihre Theorie vertheidigten, davon giebt die Beſchreibung von dem Laute des Diphthongen ov ein Beiſpiel ab. Mekerchus ſagt: ov diphthongus profertur ut u vocalis, id est ov. Igitur u Latina, seriptura simplex, sono conjuncta est, quare diphthongus potius quam vocalis censenda videtur. Der Mann hörte gewiß auch das Gras wachſen; doch genug von ihm. Be⸗ kanntlich wurde in der älteren Zeit das o e zur Bezeichnung auch des U-Lautes gebraucht, wie die älteſten Inſchriften mehr als zur Genüge beweiſen; eben fo mochte auch v WıAo» zum Ausdruck des U-Lau⸗ tes verbraucht werden, wofür zwar keine griechiſche Inſchrift, aber die römiſche Orthographie ſpricht. Da aber o Uu ſchon den kurzen O⸗-Laut, v e den Ue-Laut hatte, fo wurde der U⸗Laut durch Zuſam⸗ menſt llung derjenigen beiden Vocalzeichen fixirt, welche bisher ein jeder ſchon allein dieſe Geltung mitgehabt hatten. Gleichzeitig war man darauf bedacht geweſen, auch den Ue-Laut orthographiſch feſter zus beſtimmen, und fo fügte man dem v 6 nach Analogie früher beſprochener Diphthonge ein Zr bei. Da aber die diphthongiſche Schreibung des U-Lautes allgemeinern Eingang fand, fo blieb für v ıyıAov nur noch der Ue- Laut, 382 und der Diphthong vu behielt eine feſte Stellung nur noch in der weiblichen Participal-Endung des activen Perfektes. Os ift alfo ein einfacher Laut, und es iſt recht ſchön, daß Henrichſen ſagt: Ueber den Diphthong findet kein Streit ſtatt. Es bleiben alſo nur die beiden Diphthonge ev und ev übrig. Die Erasmiſche Be⸗ hauptung, daß die Diphthonge av, ev nicht aw, ew lauten könnten, weil dann ov analog ow heißen müßte, wird zwar noch ziemlich feſtgehalten, iſt aber nichts deſto weniger von Gehalt. Denn wenn Mekerchus ſagt, daß av nicht aw, ſondern au laute, weil v nicht w, ſondern das galliſche v ſei, und ſodann ein Diphthong nicht aus Vocal und Conſonant beſtehen könne, fo bedenkt er nicht, daß av nicht au lauten könne, da v nicht u iſt, ſondern etwa aü, und eben fo sv etwa eü zu ſprechen wäre. Man bleibt aber bei der herge- brachten praxis, obſchon es auffallen muß, daß in der neugriechiſchen Ausſprache auch nicht die mindeſte Spur von jenem au- und eu- Laute ſich entdecken läßt; zweitens ohngeachtet der vielen orthographiſchen Fehler in Inſchriften dennoch niemals eine nach Erasmiſcher Ausſprache leicht mögliche Verwechſelung zwiſchen ev und 0% vorkommt, dagegen drittens zahlreiche Beweiſe für die Laute aw und ew in der lateiniſchen Sprache ge— funden werden, und viertens beſtimmte Zeugniſſe für die Reuchliniſche Ausſprache nicht fehlen. In dem äoliſchen Dialekt hatte ſich ein Conſonant erhalten, der von ſeiner Form Digamma genannt wird, und weil er gerade bei den Aeoliern längere Zeit im Gebrauch blieb, äoliſches Digamma heißt. Die lateiniſche Sprache, aus dem äoliſchen Dialekt hervorgegangen, hat dieſen Conſonanten in ihrem Alphabet bewahrt; es iſt dies kein anderer, als der Buchſtabe F. Sowohl die Geſtalt deſſelben ſpricht dafür, als auch die Beſchreibung, welche Marius Victorinus von dem Laute des lateiniſchen F giebt; fie lautet: F literam imum labium supremis dentibus imprimentes, reflexa ad palati fastigium lingua, leni spiramine proferemus. Hatten nun die Griechen für das lateiniſche F den Conſonant Y, wie Priscianus lehrt: Graecae literae ꝙ locum apud nos F obtinet, fo iſt in beiden Sprachen der Gammalaut erhalten, und als Conſonant in Laut und Form erhalten, z. B. in pvyn fuga, yvo fui. Dieſer ſtarre conſonantiſche Laut erweichte ſich aber vielfach, und ging in 6 über, deſſen Laut dem F, oder, wie Gieſe ſagt, dem Digamma bekanntlich ſehr nahe kommt. Auch die lateiniſche Sprache nahm mitunter, wie die Wörter sebum und nablium (Harfe), ſtatt der Form sevum und naulium, beweiſen, und Priscian ausdrücklich anzeigt: Apud nos quaque est invenire, quod pro v consonante b ponitur. Dieſer Conſonant v endlich iſt es, welcher bei noch größerer Erweichung in der lateiniſchen Sprache an die Stelle des Digamma trat, was ebenfalls Priscianus lehrt: Aeoles quoque solent inter duas vocales ejusdem dietionis digamma ponere, quos in multis nos sequimur, & Hug ovis, Ac flog Davus, & Foy ovum. Als Grund zur Subſtitution des Buchſtabens », der gleichwie das Digamma für einen einfachen Conſonanten galt, führt derſelbe Grammatiker an: quod cogna- tione soni videbatur affinis esse digammo ea litera. Lag nun dieſen Vertauſchungen des F mit b und v griechiſche Orthographie zum Grunde, fo iſt kein Zweifel, daß ſowohl 5 als v v ebenfalls die Stelle des Digamma vertreten und zwar mit dem in der lateiniſchen Sprache erhaltenen Laute, of. Jus und As. Feſt ſteht es aber, daß v s als conſonantiſcher Vocal in Arorkevs, Baoıhevw, in vedg na- vis, in xAovooueı zu betrachten iſt, wie Thierſch richtig bemerkt. Der kariſche Feigenhändler, deſſen Cicero de divinat. II. 40 erwähnt, bot feine Waare mit dem Worte Kavveas aus, und er muß daſſelbe gerade fo wie die jetzigen Griechen geſprochen haben, wenn die Soldaten des Craſſus eine Warnung cav(e)neas gehört haben ſollen. Daß der Mann barbariſch geſprochen habe, davon ſagt Cicero gar nichts, und die Erasmiſchen Interpretationen dieſer Stelle find durchweg fo gut wie nichtsſagend. Da nun die jetzigen Griechen s” und av als ſolche Diphthonge ſprechen, in denen & und s den Vocal v als Conſonant nach ſich hat, oder, wie Plutarch ſagt: ovupmwovdvzı xomraı, fo iſt es jedenfalls wahrſcheinlicher, daß die Griechen ununterbrochen bis auf die Gegenwart ſo geſprochen haben, als mit Thierſch anzunehmen: In den folgenden Jahrhunderten — unbekannt, wann — hat ſich die urſprüngliche Ausſprache allgemein geltend gemacht, und die Doppellaute au und eu ſind als ſolche jetzt aus der Rede der Griechen verſchwunden. Die Griechen, behaupte ich, haben nichts von den Erasmiſchen Lauttheorien in ihrer Ausſprache gehabt, und wie bei ihnen im Ganzen noch die 383 alte Sprache lebt, ſo iſt beſonders die alte Ausſprache unverfälſcht von Geſchlecht zu Geſchlecht bis auf die jetzige Zeit als koſtbares und unveräußerliches Erbe bewahrt und erhalten worden. Der Director und Profeſſor Herr Dr. Fickert ſprach am 31. Auguſt „über den Styl des Philoſo— phen Seneca,“ und erörterte zunächſt die bisher aufgeſtellten Anſichten, indem er die Reſultate der eigenen Unterſuchungen ſpäterer Mittheilung vorbehielt. Die Möglichkeit ſolcher Unterſuchungen beruht darauf, daß jeder der alten Schriftſteller einen eigenthümlichen Styl hat, ſo daß man ein längeres Stück leicht erkennen kann, während unſer heutiger Schulunterricht eine gewiſſe Gleichartigkeit der Schreibart bei den Meiſten bewirkt. | Ueber den Styl des Seneca ſchrieb zuerſt Henricus Stephanus 1586 in einer Reihe von Briefen an Dalecampius. Seine Unterſuchungen, deren Hauptinhalt mitgetheilt wurde, find ſehr verdienſtvoll und zuver— läßig, wenn auch gegen die Anordnung viel zu ſagen iſt. Bei der Abfaſſung dieſer Briefe iſt gewiß auch eine Polemik gegen Muret beabſichtigt, der ſich über die Verdienſte des Erasmus um Seneca geringſchätzig geäußert hatte. Gronov's Bemerkungen ſind ſehr allgemein, Lipſius hat nur für die ſachliche Erklärung etwas gethan, Ruhkopf iſt mehr auf die Sprache eingegangen; Feßler bereitete eine Ausgabe vor; feine Collecta⸗ neen, ſo wie die von Fiſcher und Bauer, ſind in den Händen des Vortragenden. Gerlach's Vortrag auf der Philologen-Verſammlung im Jahre 1839 zeugt von geringer Kenntniß des Seneca. Die von ihm und Anderen gegen den Charakter des Philoſophen gemachten Ausſtellungen ſind ſchon von Herder und auch neuerdings wieder widerlegt. Gerlach's Urtheil über den Styl im rhetoriſchen Sinne iſt viel zu hart. Viel richtiger bezeichnete ſchon Cäſar Caligula die Schriften Seneca's wegen ihrer unzuſam— menhängenden Schreibart als arena sine calce; eben fo Francois Charpentier in der erſten Hälfte des 17ten Jahrhunderts. Seneca ſchreibt oft abgeriſſen, in kurzen Sentenzen, aber an vielen andern Stellen auch periodiſch und wirklich die Gedanken entwickelnd. Manches iſt ganz beſonders ſchön dargeſtellt, z. B. das über den Selbſtmord Geſagte in de tranquillitate, über die Planeten in den quaestiones naturales. Eine beſondere Gewandtheit hat er im Erzählen kleiner Anekdoten. Dr. Böhmer hat in dem Programme des Gymnaſiums zu Oels vom Jahre 1840 das Urtheil des Quinctilian durch ein anderes des Plutarch zu widerlegen geſucht; allein beide Urtheile können ganz wohl neben einander beſtehen. Die Hauptabſicht jener Abhandlung aber iſt, zu beweiſen, daß Seneca auch auf den Schu— len zu leſen ſei; ſie bekämpft daher manche Anklagen von Hand und Anderen gegen den Styl jenes Schrift— ſtellers. Böhmer's Angaben über Wörter, welche Seneca zuerſt gebraucht, ſind indeß ſehr unzuverläßig, wie durch eine Reihe von Beiſpielen dargethan wurde. Um den Zweck ſolcher Unterſuchungen zu erreichen, iſt der Schriftſteller in rhetoriſcher, grammatiſcher und lexicaliſcher Hinſicht zu durchforſchen, und dabei immer fein Verhältniß zu den Vorgängern, den Zeitge— noſſen und den Nachfolgern zu ermitteln; es muß ſo viel als möglich nachgewieſen werden, was er von Frü— heren angenommen, was er mit ſeinen Zeitgenoſſen gemein hat, und was ſeine Nachfolger von ihm ſich zu eigen gemacht. Beſonders wichtig und reich an Ausbeute würde eine ſolche Durchmuſterung Seneca's in ſynonymiſcher Hinſicht ſein. Auch in lexicaliſcher Hinſicht iſt viel zu bemerken; in grammatiſcher Hinſicht würde ſich wenig Neues finden. In der Verſammlung am 14. September wurde die Möglichkeit, Räthlichkeit und die etwaige Einrich⸗ tung einer Parallelgrammatik beſprochen. Nachdem die weſentlichſten der bisherigen Vorſchläge und Verhand⸗ lungen über die Einrichtung von Parallelgrammatiken, namentlich und zunächſt der griechiſchen, lateiniſchen und deutſchen Sprache kurz erwähnt worden waren, einigten ſich die Anſichten der Anweſenden im Weſentli⸗ chen dahin, daß der Vorſchlag für jetzt ſchon deshalb ganz unausführbar ſei, weil wir noch viel zu wenig mit den Geſetzen und dem Weſen der einzelnen Sprachen bekannt ſind. Daher würden bei einem ſolchen Verſuche eine Menge von Willkürlichkeiten ganz unvermeidlich fein, und durch denſelben wohl nur Oberflächlichkeit der Betrachtung, nicht aber eine genauere Kenntniß der Sprachen befördert werden. Aber auch für die Zukunft iſt nicht viel zu hoffen, da mit Ausnahme der ganz nah verwandten Spra⸗ chen die meiſten anderen ſich durchaus eigenthümlich entwickelt haben. Man kann daher nicht hoffen, die Bildung verſchiedener Sprachen nach demſelben Schema, vorausgeſetzt daß dieſes ſpeciell und nicht nur ganz allgemein fein ſoll, auf eine einfache und natürliche Weiſe darzuſtellen und ihre Geſetze zu veranſchaulichen. Eine Menge Ausnahmen würden unvermeidlich ſein, und daher würden ſolche Sprachlehren das Erlernen die⸗ ſer Sprachen viel mehr erſchweren als erleichtern. Dies beweiſen auch die bisher gemachten Verſuche und Vorſchläge, ſich an das von Becker für die deutſche Grammatik aufgeſtellte Syſtem anzuſchließen. Natürlich ſoll damit nicht beſtritten werden, daß beim Sprachunterrichte gleiche Terminologie, gleiche Begriffsbeſtimmun⸗ gen und Erklärungen u. dergl. höchſt wünſchenswerth und förderlich und nicht ſchwer zu erreichen ſind, aber das giebt noch lange keine Parallelgrammatik. Am 19. Oktober hielt Herr Profeſſor Dr. Haaſe einen Vortrag „über die den Römern eigenthümliche ſatyriſche Poeſie“, deſſen Hauptinhalt folgender war: Die ſpäteren Römer verachteten die nationalen Anfänge ihrer Litteratur mit Unrecht als roh und barbariſch, und vergaßen dieſelben nach und nach ſo ſehr, daß es ſchwer iſt, aus ihren kärglichen und oft falſchen Mittheilungen darüber die erwünſchte Einſicht zu gewinnen. Sicher ſcheint, daß die älteſten Saturae dramatiſcher Art, derbe, auf das Volk berechnete extemporirte Farcen ohne Einheit und künſtleriſche Form waren, wie ſie noch heut in Italien und in anderen Ländern vorkom⸗ men. Dieſe liebgewoanenen Beluſtigungen wollte ſich die Menge auch dann nicht nehmen laſſen, als die römiſche Litteratur durch die griechiſche umgeſtaltet wurde. Auch die Schriftſteller pflegten dieſe Volkspoeſie, ohne in dieſer Zeit an dem Hergebrachten Etwas zu ändern. Als aber die Dramen dem griechiſchen Vorbilde folgten, wurde in den Satyren die dramatiſche Form aufgegeben, wenn ſie auch noch oft dialogiſch blieben. Gewiß aber wurde die Form zierlicher. Da weder ihr Inhalt, noch ihre Form feſtbeſtimmt waren, ſo konnte Alles, was den Dichter angenehm oder unangenehm berührte, ihm zu einem ſolchen Gedichte Veranlaſſung geben; daher die große Verſchieden⸗ artigkeit des Inhalts und der Form in den Fragmenten des Ennius, Lucilius und Varro. Dieſe Unbeſtimmt⸗ heit paßte recht gut zum römiſchen Charakter, ſie hätte zum griechiſchen gar nicht gepaßt. Weſentlich aber und ganz im Charakter der praktiſchen Römer der Republik iſt die überall zu erkennende ernſtliche Rückſicht auf das Leben; ſie wollen Eindrücke des wirklichen Lebens ſchildern und auf das Leben wirken. Auch von Varro gilt dies; trotz ſeiner Gelehrſamkeit will er in den Satyren wie in ſeinen andern Schriften auf das Leben Einfluß gewinnen, nützliche Kenntniſſe verbreiten, die Philoſophie populariſiren, die politiſche Moral mehren, und dazu bedient er ſich der herkömmlichen Form. a Als jedoch unter Auguſtus die Theilnahme am politiſchen Leben unbequem und ſelbſt gefährlich wurde, als es weiſe erſchien, die Ideale aufzugeben und bei dem möglichen Realen ſtehen zu bleiben, da konnten viele Seiten des Lebens nicht mehr Gegenſtand der Poeſie werden; der Inhalt war viel beſchränkter, wenn auch die Beziehung auf das Leben nicht ganz aufgegeben werden konnte. Um ſo größerer Werth wurde in aller Poeſie jener Zeit auf eine ſchöne Form gelegt. Dieſen Uebergang hat Horatius in ſeinen Satyren in edler Weiſe gemacht und dargeſtellt. Er gab dieſen Gedichten eine neue künſtleriſche Form; doch erinnert an die alte Satyre das trotz der großen Kunſt Volksmäßige und die dramatiſche Lebendigkeit. Dieſe Richtung ver⸗ folgten Perſius und Andere; Petronius, Seneca, Marcianus Capella hingegen bemühten ſich, die altrepublika⸗ niſche Satyre fortzuführen. Verwandt mit der ſatyriſchen Poeſie find die ſogenannten Streitgedichte, in denen zwei Streitende ge⸗ gen einander auftreten; nicht ſelten kommt ein Dritter als Obmann dazu. Dieſe Gattung iſt gewöhnlich ſcherzhaft behandelt worden; doch finden ſich auch ernſte Dichtungen dieſer Art genug. Es wurden zum 385 Schluß die noch vorhandenen Gedichte von Ennius bis tief in das Mittelalter hinab, in welchem dieſe Dicht: weiſe bei mehreren Völkern ſehr beliebt war, namhaft gemacht. Am 16. November ſprach Herr Profeſſor Dr. Friedlieb „über das bei Schweinſchied in den Vogeſen gefundene römiſche Mithras-Denkmal.“ Er theilte zuerſt den Aufſatz mit, welchen er darüber in den Jahr— büchern des Vereins von Alterthumsfreunden im Rheinlande, Heft 4, Seite 94 ff., hat erſcheinen laſſen, und vervollſtändigte und berichtigte denſelben nach wiederholter eigener Beſichtigung des Denkmals durch weitere ausführliche Mittheilungen über die damit in Verbindung ſtehende Höhle und über die einzelnen Theile und Felder des Monuments, von welchem er eine eigenhändige Federzeichnung vorlegte. Hieran knüpfte er Ver: muthungen über den urſprünglichen Zuſtand deſſelben, und bemerkte, daß nach Creuzer die Verwechſelung eines Mithras-Denkmals mit einer Darſtellung des St. Georg, wofür auch das Schweinſchieder Monument vom Volke gehalten wird, ſonſt noch öfter vorkomme; er fügte aus Briefen entnommene Nachrichten über andere Reſte des Alterthums in derfelben Gegend hinzu. Herr Oberlehrer Dr. Zaſtra wies am 30. November in ſeinem Vortrage „über die Hiketiden des Euripides“ zuerſt auf den Urſprung der politiſchen Beziehungen in ſo vielen Dramen alter und neuer Zeit hin. Unter den alten tragiſchen Dichtern ſcheint hierin keiner weiter gegangen zu ſein, als Euripides, der ſich nicht mit allgemeinen Hindeutungen begnügt, ſondern ſehr beſtimmt einzelne Verhältniſſe Athens berückſichtigt. Beſonders reich an ſolchen Beziehungen iſt das ganz politiſche Stück „die Hiketiden.“ Nachdem der Inhalt genauer angegeben war, erörterte der Vortragende die Zeit der Aufführung, die Tendenz der Tragödie und die Frage, inwiefern in ihr das Geſetz der Einheit der Handlung beachtet ſei. Die Verhältniſſe zwiſchen Athen, Theben und Argos, wie ſie in dieſem Trauerſpiel geſchildert werden, ſtimmen ſo auffallend mit einzelnen ge⸗ ſchichtlichen Verhältniſſen in den Jahren 424 bis 421 v. Chr. überein, daß die Entſtehung und Aufführung des Drama mit größter Wahrſcheinlichkeit in das Jahr 421 geſetzt werden kann, wie Böckh zuerſt geſagt und Hermann aus metriſchen Gründen beſtätiget hat. Auch die Abſicht des Dichters iſt kaum zu verkennen; er wollte Athen verherrlichen und zugleich ſeine Mitbürger zur Abſchließung eines Bündniſſes mit Argos bewegen. Dies wurde im Einzelnen nachgewieſen. Vielleicht hat er das Stück auf die Veranlaſſung des Alcibiades auf die Bühne gebracht. Als Haupthandlung iſt die Beſtattung der gefallenen Fürſten zu betrachten. Um ſie zu bewirken, kommt Adraſtos nach Athen, und auf die Gewährung ſeiner Bitte folgt das Bündniß mit Argos, welches die Göttin Athene fo warm empfiehlt. Von dieſem Standpunkte aus findet faſt Alles eine hinläng⸗ liche Erklärung. Euadne, deren Tod von Schlegel und Geppert getadelt worden iſt, iſt die Repräſentantin der übrigen Gattinnen; ihre Weihung iſt daher die höchſte Ehre der Todten, obwohl ihr Eintritt nicht motivirt iſt. Um die Zeit auszufüllen, wie Geppert will, bedurfte es der Epiſode nicht, da die Leichenfeierlichkeiten ſehr lange dauerten. Eher laſſen ſich gegen das Auftreten des Iphis, der ſich um den Sohn gar nicht bekümmert, Ausſtellungen machen. Die Erſcheinung der Athene aber war nothwendig, um die Hauptabſicht des Dichters, das Bündniß mit Argos, durch die warme Empfehlung der Göttin zu erreichen. — Herr Prof. Dr. Wagner erwähnte noch, daß Moschion eine Tragödie ganz ähnlichen Inhalts geſchrieben und in ihr oft mehrere Verſe hinter einander aus dem Euripideiſchen Stücke entlehnt habe. Am 14. December gab Herr Director Dr. Wiſſowa „Beiträge zu einer Geſchichte des zweiten nach: chriſtlichen Jahrhunderts aus den Schriften des Lucian.“ Die Anſichten eines Zeitalters aus den gleichzeitigen Schriftſtellern zu erkennen, iſt oft nicht leicht, zumal im Alterthum. Um ſo wichtiger iſt Lucian, der die Zeit des zweiten Jahrhunderts nach Chriſti Geburt auf das Lebendigſte ſchildert, wenn auch dieſe Schilderungen einer Zeit, in welcher in Griechenland und Rom Alles, Sitte, Philoſophie, Religion, gleich entartet und Un⸗ glaube und Aberglaube gleich mächtig waren, oft ein ſehr unerfreuſiches Bild geben. Seine Schriften enthal⸗ ten viele Nachrichten und Andeutungen über feine Lebensverhältniſſe und feinen Bildungsgang. Die Bild: 49 386 hauerei gab er bald auf wegen der Strenge ſeines Lehrmeiſters, und beſchloß, ſich den Wiſſenſchaften zu wid⸗ men, doch ſcheint er keine gründliche Bildung beſeſſen zu haben, wenigſtens nicht in der Mathematik und Na⸗ turgeſchichte, vielleicht auch nicht in der Geſchichte; aber er beſaß eine ſtaunenswerthe Beleſenheit in den alten griechiſchen Dichtern; auch die lateiniſche Litteratur kannte er. In der Kunſtrede, die damals, etwa wie jetzt das muſikaliſche Virtuoſenthum, ein Mittel zum Unterhalt war, übertraf er alle Zeitgenoſſen. Eine Zeitlang beſchäftigte er ſich auch mit praktiſcher Philoſophie mit merklicher Vorliebe für Epikur. In feinem ſpäteren Leben benutzte er wieder die Redekunſt als Erwerbsmittel, wie es ſcheint, nach dem Tode des Marcus Anto—⸗ nius, unter welchem er wahrſcheinlich ein Amt in Aegypten gehabt hat. Ueber die Zeit ſeines Todes wiſſen wir nichts Zuverläßiges. Hierauf erörterte der Vortragende ſein Verhältniß zu dem Glauben, dem Unglauben und dem Aberglau⸗ ben ſeiner Zeit nach den einzelnen Werken. Daß er das Chriſtenthum gekannt, iſt nicht zu bezweifeln, wenn auch nicht überall in ſeinen Werken Anſpielungen auf daſſelbe geſucht und gefunden werden müſſen. Gewiß aber war er auch kein geheimer Chriſt, wie Manche annehmen, vielmehr ein entſchiedener Gegner; aber er urtheilt über daſſelbe viel milder, als Tacitus, und viel milder, als er über den alten Götterglauben urtheilt, welchen er oft abſichtlich und ſehr bitter verfpottet, fo daß man ſieht, wie wenig Befriedigung ihm die Volks⸗ religion gewährte. Freilich konnte er ſolche Angriffe nur wagen, wenn er bei der Mehrzahl ſeiner Leſer gleiche Anſichten vorausſetzen durfte. Neben dieſem allgemeinen Unglauben war damals, wie im 18ten Jahrhundert, der Aberglaube und Wunderglaube nicht minder mächtig. Wie ſehr Lucian auch dieſe verfolgt habe, wurde durch genaueres Eingehen auf ſeine Schrift über Alexander aus Abonitichos, den Caglioſtro jener Zeit, gezeigt. Die ausgeſprochenen Anſichten wurden überall durch Stellen aus Lucian's Schriften belegt. Der Secretär der Section legte am 28. September das eben erſchienene ſechste Heft der von dem Hofrath Ternite herausgegebenen Wandgemälde aus Pompeji und Herculanum vor, und theilte am 2. No⸗ vember den gegenwärtigen Stand der Anſichten über den Urſprung und die Herkunft der gemalten griechiſchen Vaſen nach einem Auffage des Profeſſor Dr. Oſann in dem erſten Hefte der Denkſchriften der Geſellſchaft für Wiſſenſchaft und Kunſt in Gießen mit. — Die meiſten der gehaltenen Vorträge gaben zu weiterer Erör⸗ terung Veranlaſſung. Auf den Antrag des Herrn Profeſſor Dr. Haaſe wurde ſchon im Sommer 1847 beſchloſſen, wie in anderen Provinzen, ſo auch in Schleſien, jährlich eine oder zwei Verſammlungen der Philologen zu gegenſeiti⸗ ger Anregung einzuleiten, und dazu vorläufig ein Tag der Oſter- oder der Pfingſtwoche in Vorſchlag gebracht. Die Zeitverhältniſſe haben die Ausführung dieſes Planes bisher verhindert. PFF 387 11. Bericht über die Verhandlungen in der pädagogiſchen Section im Jahre 1847, vom Seminar- Oberlehrer Chr. G. Scholz, zeitigem Secretär derſelben. 1) Die diesjährigen Vorträge in der pädagogiſchen Sektion begannen mit einem „Berichte“, welchen Herr Direktor Dr. Kletke über die Verſammlung der Realſchulmänner, die ſich Ende September vorigen Jahres zu Mainz zur „Beſprechung aller das deutſche Real- und höhere Bürgerſchulweſen betreffenden An- gelegenheiten“ vereinigt hatte, lieferte. Die Mainzer Verſammlung beſtand aus 132 Pädagogen und Schulfreunden, von denen 125 aus zwölf verſchiedenen deutſchen Staaten herbeigekommen waren; drei hatte Holland, zwei Frankreich, einen die Schweiz und einen Schweden geſendet. Am 30. September wurde die Verſammlung eröffnet und zum Prä⸗ ſidenten derſelben der Schul-Inſpektor Röder aus Hanau gewählt. Es fanden überhaupt vier Sitzungen ſtatt. Vorträge waren nicht angemeldet. Der Direktor Dr. Kletke brachte die Frage: „Wie viel Jahres⸗ kurſe und Klaſſenſtufen ſind nothwendig, um das wünſchenswerthe Ziel der höheren Bürgerſchule zu erreichen?“ in Vorſchlag, und beantwortete dieſelbe nach dem Wunſche der Verſammelten. „In der geiſtigen Entwicke⸗ lung des Knaben,“ ſagte er, „ſeien vor Allem zwei Hauptabſchnitte zu unterſcheiden und daher auch in der Schulbildung zu berückſichtigen: das zehnte Lebensjahr und die Zeit der Konfirmation, d. i. das vollendete 14te oder 15te Jahr. Die Bildungsſtufe vor dem 10ten Jahre, von dem ſchulpflichtigen Alter an, könne als allgemeine elementare Vorſchule bezeichnet werden, nicht als ſolle dieſelbe eine geſon— derte Anſtalt bilden, ſondern in dem Sinne, daß die auf jener Stufe zu gewinnende Vorbildung eine ge⸗ meinſame, gleichartige ſei für jegliche, die Bildung des Knaben vom 10ten Jahre an weiterführende Lehran⸗ ſtalt, möge dieſe eine Volks-, eine Bürger-, eine Real- oder Gelehrten-Schule heißen. Auf den künftigen Beruf ſei in dieſem Alter noch nirgends Rückſicht zu nehmen; außer Erwerbung der nothwendigen Fertigkei⸗ ten des Leſens, Schreibens und Rechnens und der dieſem Alter angemeſſenen Religions- und geographiſchen Kenntniſſe, feien hauptſächlich die ſchlummernden Geiſteskräfte des Kindes zu wecken, naturgemäß zu entwickeln und allſeitig zu üben, fremde Sprachen noch nicht zu lehren. Ein zwei⸗, beſſer dreijähriger Kurſus ſei hin⸗ reichend und wenigſtens zwei Klaſſenſtufen nöthig. Die nach dem 10ten Jahre beginnende Bürgerbildung müſſe zwar bis zu ihrem Abſchluſſe auf der Schule den allgemeinen Charakter bewahren; aber es ſei zu un⸗ terſcheiden die mit der Konfirmation ſchon abſchließende Schulbildung des künftigen Bürgers und die 49 * 388 über diefen Zeitpunkt hinausgehende höhere allgemeine Schulbildung des Bürgers; dieſe fei von jener zwar nicht ſpezifiſch, doch graduell verſchieden, ſei umfangreicher und wiſſenſchaftlicher. In jeder Anſtalt übrigens, ſie ſchließe ab mit der Konfirmation (Volks- und Bürgerſchule) oder führe die allgemeine Bildung weiter (höhere Bürgerſchule), ſeien wiederum für das Alter von 10 bis 14 oder 15 Jahren zwei Entwickelungsſtufen des Geiſtes zu unterſcheiden. In dem Alter von 10 bis 12 Jahren nämlich walte noch das ſinnliche Auffaſſungsvermögen und das Gedächtniß vor; nach dem 17ten Jahre erſt entwickele ſich mehr das Abſtraktions vermögen und die Phantaſie; daher ſei der Unter— richt auf jener Altersſtufe fortgeſetzt formal bildend, doch mehr anſchaulich und praktiſch, vom 12ten bis zum 15ten Jahre aber mehr ſyſtematiſch und wiſſenſchaftlich zu ertheilen. Auch die Volksſchule (niedere Bür⸗ gerſchule) habe dieſe beiden Entwickelungsſtufen zu beachten, ſolle deshalb über ihre, die allgemeine elementare Vorſchule repräſentirenden Klaſſen wo möglich nicht eine, ſondern zwei Oberklaſſen, zuſammen mit zwei⸗ jährigem Kurſus bis zur Konfirmation ſtellen; von Sprachen ſei nur die Mutterſprache obligat zu lehren. Eine Schule, welche nach der Konfirmation ihre Schüler zwar unmittelbar in's bürgerliche Leben entlaſſe, aber vom 10ten Jahre an bis dahin einen drei- bis vierjährigen Kurſus in wenigſtens drei, beſſer in vier Klaſſenſtufen herausbilde, ſei eine eigentliche Bürgerſchule, eine Mittel-Bürgerſchule, eine drei- oder vier⸗ klaſſige Realſchule, und habe von Sprachen zwar hauptſächlich die deutſche, von ihrer unterſten Realklaſſe an aber auch fremde Sprachen (die lateiniſche und franzöſiſche) obligat zu lehren und in ihrer obern Stufe (das er bis 15te Jahr) den ſprachlichen, mathematiſchen, naturwiſſenſchaftlichen, hiſtoriſchen Unterricht wiſſen— ſchaftlicher zu behandeln und der Bildung ihrer Schüler einen gewiſſen Abſchluß zu geben. — Die höhere Bürgerſchule endlich ſei nicht die Fortſetzung der Mittel- Bürgerſchule, ſondern ſtehe mit dieſer und der Volksſchule auf dem gemeinſamen Fundamente der elementaren Vorſchule und erweitere ihre allgemeine Bil- dung vom 10ten Lebensjahre an bis zum Jünglingsalter, dem vollendeten 17ten oder 18ten Jahre, in einem ſechsjährigen Kurſus, ſei alſo eine wenigſtens fünf-, beſſer eine ſechsklaſſige Realſchule. Sie ſei jedoch noch keine Berufs- oder höhere Gewerbeſchule, wenn ſie gleich auch zu Befriedigung der ge⸗ ſteigerten Induſtrie der mathematiſch-naturwiſſenſchaftlich techniſchen Fächern einen beſondern Werth beizu⸗ meſſen, dieſelben aber nicht zur Hauptſache zu macken habe, vielmehr ſie unterordnen müſſe dem Hauptzwecke der allgemeinen Bildung, welche, um den Bürger auch für Staat und Kirche zu erziehen, eine ſprach⸗ liche, hiſtoriſche und ſittlich-religibſe fein müſſe. Dies ſei das Ziel der höhern Bürgerſchule, dem angehenden Bürger im Jünglingsalter nicht blos eine erweiterte wiſſenſchaftliche Vorbildung für feinen Beruf, ſondern zugleich auch eine höhere intellektuelle, ſtaatliche und kirchliche Ausbildung zu geben.“ Mit dieſen Anſichten ſtimmten im Weſentlichen die übrigen Redner des Tages überein. Einige Mit⸗ glieder, unter Andern Direktor Dr. Vogel in Leipzig und Direktor Dr. Looff in Gotha, nahmen Veran: laſſung, die Organiſation der Bürger- und Realſchulen ihres Orts und Landes darzuſtellen. Die hervorgetre⸗ tene große Verſchiedenheit der Vorſtellungen und Begriffe von dieſen Bildungsanſtalten bewog den Vorſitzen⸗ den, Schul-Inſpektor Röder, die Aufſtellung einer Realſchule in der Idee als normale Realſchule in Vorſchlag zu bringen, der vielen Beifall fand. Es wurde eine ſechsklaſſige Realſchule angenommen und ge⸗ fragt: 1) Welche Fächer ſind weſentlich? 2) Welche bezügliche Stellung ſollen dieſe Fächer ſowol zur Idee der Realſchule als unter einander haben? und 3) Welches ſind die Stufen und Lehrgänge dieſer Fächer in der Realſchule? Die erſte Frage kam nur zur Berathung. Der Vorſitzende bezeichnete als weſentliche Fächer: Religion, die deutſche, franzöſiſche und engliſche Sprache und Literatur, allgemeine Länder- und Staatenkunde mit Hervorhebung des Volksthümlichen, Mathematik und praktiſches Rechnen, Nu: turbeſchreibung, Phyſik und Chemie, freies Hand- und techniſches Zeichnen, Schönſchreiben und Geſang (J. — Nur über die fremden Sprachen entſpann ſich eine Diskuſſion. Der Präſident ver⸗ neinte die Frage, ob weſentlich zwei Sprachen zu lehren ſeien? Andere bejaheten dieſelbe. Die Abſtimmung ergab, daß das Franzöſiſche und Engliſche als weſentliche Fächer zu bezeichnen ſeien. Aus der Idee der 389 Realſchule folge, nach der Behauptung des Garniſonpredigers König aus Mainz, die Ausſchließung des Latein. Das fand Widerſpruch. Direktor Dr. Kletke ſprach die Beſorgniß aus, daß durch gänzliche Aus⸗ ſchließung des Lateins aus der Realſchule ſchon nach einem Menſchenalter zwiſchen dem Bürger- und dem Gelehrten-Stande eine Scheidewand wieder aufgerichtet ſein werde, welche auch einſt vorhanden geweſen, als die Gymnaſien nur für die gelehrten Stände da waren, aber zum Glück in dem Maße geſunken wäre, als auch die bürgerlichen Stände ſich die Gymnaſial-Bildung in einem höheren Grade angerignet hätten. Man entgegnete: die Kluft werde verſchwinden, wenn die gelehrten Stände fi auch der modernen Bildungsmittel bemächtigten. Direktor Louis aus Heidelberg ſtimmte für das Latein, nicht, weil die Nothwendigkeit des Lateinlernens aus der Idee der Realſchule folge, ſondern weil es zur Zeit für den Bürger noch nützlich ſei, damit er den Beamten verſtehen könne; auch ſtecke unſere Literatur noch im romaniſchen Gewande. Es würde ferner die Realſchule dann ihre Lehrer immer nur der Gelehrtenſchule entnehmen können. — Profeſſor Dielitz bemerkte, es müſſe die künftige Beſtimmung derer, welche hauptſächlich in der Prima der Realſchule gebildet würden, berückſichtigt werden, und für dieſe ſei das Latein unentbehrlich. — Die nun von Dr. Looff gefaßte Frage: Iſt die lateiniſche Sprache ein nothwendiges Bildungsmittel für die Realſchule, wie wir ſie erſtreben? wurde bei der Abſtimmung faſt einſtimmig verneint. — Die Technologie als beſondere Wiſſenſchaft und die Pſychologie als beſondern Lehrgegenſtand in den Realſchulen zu betreiben, fand theil- weiſen Widerſpruch, weil beide inhärirende Theile anderer Lehrfächer ſind, und „die Kunſt zu üben ſei, den Lehrplan zu vereinfachen.“ Für das Turnen ſprach der Oberſtudienrath Dr. Kapff aus Stuttgart. Eine der ergiebigſten und intereſſanteſten Beſprechungen betraf den deutſchen Sprachunterricht in Realſchulen. Herr Schul-Inſpektor Röder ſagte unter Anderem: „Im deutſchen Unterricht muß das Gemüth vorzugsweiſe gebildet werden! Auf der unterſten Stufe ſoll man den Knaben an bekannten Stoffen in mündlicher und ſchriftlicher Darſtellung üben. Der Schüler ſoll ſich klar werden, ſich klar aus— ſprechen und ſoll klar ſchreiben lernen. Nicht alle Schüler muß man über einen Leiſten ſchlagen. Die Ge: wöhnung iſt das Wichtigſte. Eine ſyſtematiſche Sprachlehre gehört noch nicht in die untere Klaſſe; doch muß auf einer gewiſſen Stufe die Sprache ſelbſt Objekt der Betrachtung werden; ein Irrthum aber iſt es, zu glauben, die Stylbildung komme mit der Satzlehre; dadurch lernet kein Knabe ſchreiben.“ — Direktor Dr. Ledebur bemerkte: „Bei jedem Leſeſtücke, auch ſchon in den unterſten Klaſſen, ſolle man ſagen, woher es ſtamme; dadurch werde auch Pietät befördert. In den mittleren Klaſſen müſſe die Lektüre mehr Zuſam⸗ menhang gewinnen; in den oberen Klaſſen zeichne man hervorragende Perſönlichkeiten recht genau und leite die Schüler zum Selbſtſtudium ſolcher Charaktere an, gebe ihnen aber nicht die Quellen in der mittelhoch- deutſchen Sprache, ſondern in guten Uebertragungen in die Hände. Die Uebungen in mündlicher und ſchrift⸗ licher Darſtellung knüpfe man an die Lektüre an. In den deutſchen Arbeiten der obern Klaſſen ſei es beſſer, wenig zu korrigiren u. ſ. f.“ — Direktor Dr. Kletke machte darauf aufmerkſam, wie, für die Schüler der obern Klaſſen insbeſondere, aus der Lektüre der deutſchen Klaſſiker ein unerſchöpflicher Reichthum von Ideen zu gewinnen ſei. Durch die lyriſch-didaktiſchen Gedichte Schiller's würden bei den gereifteren Schülern ſittliche und religiöſe Gefühle beſſer geweckt und genährt, als durch moraliſirendes Predigen. Man ſolle weit mehr dieſen vaterländiſchen Reichthum, dieſe Fülle der tiefſten Ideen und edelſten Gefühle zur Bil, dung des Geiſtes und Herzens, wenn gleich nicht ohne Vorſicht, benutzen. Die Charaktere in den Dramen und epiſchen Werken Göthe's und Schiller's, wie in „Iphigenia“, in „Herrmann und Dorothea“, böten für die Pſychologie die trefflichſten Seelengemälde als Beispiele dar. Auch werde der äſthetiſche Sinn in den Realſchulen weit mehr geweckt und den Schülern durch das Leſen eines ganzen Werkes in kürzerer Zeit ein weit größerer Kunſtgenuß gewährt, als das ſelbſt in den Gymnaſien durch das Leſen von Bruch— ſtücken aus den Alten oder bei der jahrelang fortgeſetzten Lektüre eines einzigen Werkes möglich ſei.“ — Herr Oberſtudienrath Kapff machte unter Vielem folgende Bemerkungen: Auf der untern Stufe iſt Leſen, Me⸗ moriren, Deklamiren die Hauptſache. Das Turnen hilft zur Lebendigkeit. Die Knaben ſollen ſich zu Hauſe 390 mmer laut präpariren! — Man lehre die Kinder ſehen! Die deutſchen Klaſſiker fol man nicht fo gram⸗ matiſch zergliedern, wie die Alten; die Poeſie geht verloren. Die Wiſſenſchaften müſſen praktiſch werden. — Die Gründlichkeit und Wärme, mit welcher die Gegenſtände vielſeitig behandelt wurden, die lebendige Theil⸗ nahme und die geſpannte Aufmerkſamkeit, welche man den Rednern widmete, zeigte, welche Wichtigkeit ihnen beigelegt wurde. Ueber vieles Andere kann hier nicht referirt werden. 2) Dem Berichte über die Fröbel'ſche Erziehungsanſtalt bei Zürich, den Herr Canditat. philos. R. Saske lieferte, ſchickte derſelbe einige Nachrichten über die Herren Karl Fröbel, Vorſteher, und Karl Ludolph, Oberlehrer der Anſtalt, voran. Beides find Deutſche, und zwar Heſſen, die veranlaßt oder genö⸗ thigt waren, ihr Vatecland zu verlaſſen, um ihre Erziehungs-Ideen in der Schweiz in Ausführung bringen zu können. Im Auguſt 1845 eröffnete Fröbel ſeine Anſtalt, bei der er ſich zum Zweck geſetzt hatte, die beſten Mittel und Einrichtungen in Anwendung zu bringen, um die Kinder zu freien Menſchen zu bilden. „Mög⸗ lichſt vollkommene Ausbildung der eigenen Perſönlichkeit“, ſagt Fröbel, „möglichſt ungehinderter geſelliger Ver⸗ kehr und möslichſte Hingabe für die Geſellſchaft — das find die Bedingungen eines freien menſchlichen Le bens.“ Mit der Bildung für das Leben in der Geſellſchaft, wie es freien Menſchen zukommt, haben ſich Pädagogen und Schulmänner weniger befaßt, als mit der „allſeitigen“ Ausbildung der Fähigkeiten in der Perſon jedes Einzelnen. Die neue Erziehungsanſtalt ſollte zu leiſten verſuchen, was die fortgefchrittenen Be— dürfniſſe unſerer Zeit fordern. Was die Erziehungskunſt in dieſer Hinſicht zu thun hat, beſteht kurz darin, daß ſie die Schüler einer Anſtalt oder die Schuljugend eines Ortes zu einer Art von demokratiſchem Staat verbindet, und durch die Formen deſſelben für das öffentliche Leben in Staat und Geſellſchaft ſich ſelbſt ge— genſeitig erziehen läßt. Erſt dann bekommt der Erzieher die rechten Mittel in die Hände, um bei der Jugend auf die Ausbildung des Willens und Charakters, auf die Uebung in jeder männlichen Tugend mit Erfolg zu wirken. Das Turnen mit Waffenübungen, Spielen, Reiſe, Arbeiten im Freien u. ſ. w. muß allerdings eine Hauptrolle dabei ſpielen. Die Einrichtung, daß die beſten Schüler in die Berathung über Straffälle von der Schulpflege zugezogen werden, ſteht noch ſehr vereinzelt da. Die Zöglinge der Fröbel'ſchen Anſtalt werden nach dem Alter und den Unterrichtsklaſſen in Abtheilungen gereiht. Die Altersgrenzen find ungefähr: Für die erſte Abtheilung das Gte und gte, für die zweite das gte und 12te, für die dritte das 12te und 15te Jahr; ältere Schüler bilden die Ate oberſte Abtheilung. Jede Abtheilung wählt ſich ſelbſt aus ihrer Mitte ihre Aufſeher, und zwar verſchiedene für verſchiedene Zwecke: 1) Aufſeher für die Unterrichtszeit, 2) Aufſeher für Turnen, Waffenübungen, Körperarbeiten, Spiele und Spaziergänge, 3) Aufſeher für den geſelligen Verkehr; ferner auch ein Gericht, welches bei Streitigkeiten und ſtrafbaren Fällen ſein Schuldig oder Nichtſchuldig auszuſprechen hat, etwa in Form der Schwurgerichte. Je nach Bedürfniß können die Gewählten einer höhern Abtheilung auch in einer niedern ein Amt ausüben. Schulgeſetze und Anordnungen für Spiele und Arbeiten, Strafbeſtimmungen u. ſ. w. werden unter Mit⸗ wirkung der Zöglinge feſtgeſtellt oder abgeändert. Jede Woche findet eine allgemeine Verſammlung ſtatt, an welcher über Vorfälle berichtet, die nöthigen Verfügungen getroffen, auch allfällige Beſchwerden gegen die Vorgeſetzten, wie auch gegen Lehrer und die An— ſtalt vorgebracht werden können. Die Entſcheidung über die letzteren ſind erſt in einer Lehrerverſammlung zu verhandeln. Wie weit die Zöglinge gezwungen ſind, an den wöchentlichen Verſammlungen zugegen zu ſein, muß die Erfahrung je nach Umſtänden beſtimmen. Auch die Verhältniſſe zu andern Schulanſtalten werden auf ähnliche Weiſe geordnet. Jede unnöthige Beaufſichtigung der Zöglinge durch die Lehrer wird vermieden; die Zöglinge ſollen, ſo weit es nur immer ausreichend iſt, ſich ſelbſt beaufſichtigen, und nur von Mißgriffen und Uebertreibungen abgehalten werden. Dagegen nehmen Lehrer Theil an allen gemeinſchaftlichen Arbeiten, Spielen u. ſ. w. und bieten bei Privatgeſchäften hülfreiche Hand. 391 Dieſes ift ein kurzer Abriß der Einrichtungen, durch welche die Anſtalt ihre Zöglinge nicht nur zu un— terrichten, ſondern auch praktiſch, und namentlich für das öffentliche Leben zu erziehen ſucht. Sie bietet den jungen Leuten die beſte, die einzige ihrer Natur entſprechende Gelegenheit dar, ſich durch, Muth, Klugheit, Selbſtbeherrſchung und Beherrſchung Anderer wetteifernd auszuzeichnen; ſich zu üben im öffentlichen Reden, ihren Sinn für Recht und Geſetzlichkeit zu ſchärfen, ſich an das Gehorchen, aber auch an das Befehlen zu gewöhnen — kurz, Politik und Moral zu erleben, ehe ſie dieſelben als Wiſſenſchaften erlernen. Von den wohlthätigſten Folgen für die Ausbildung der Sittlichkeit iſt die Oeffentlichkeit, welche dem ganzen Jugendleben gegeben wird. Keine Handlungsweiſe der ältern Zöglinge, auch wenn ſie ſich viel ſelbſt überlaſſen ſind, kann auf die Dauer verborgen bleiben. Die Erfahrung hat es vielfach gezeigt, daß nur junge Leute dahin gebracht werden, einander ſelbſt zu beaufſichtigen, fie eher in übertriebene Strenge, als in unge⸗ bürliche Nachſicht verfallen. Zugleich wird aber die bei der Jugend mit Recht verhaßte Angeberei beſeitigt, indem der Ankläger vor allen Schülern ſeine Ausſage bezeugen muß. Fröbel hat ſich die Aufgabe geſtellt, in feiner Anſtalt durch Unterricht fo viel zu leiſten, wie die öffent⸗ lichen Schulen, dabei aber die Mängel der letztern zu vermeiden. Erſtlich ſoll in ihr die klaſſiſche ge— lehrte Bildung fo mit der modernen wiſſenſchaftlichen verbunden werden, daß auf der feinen Seite die Schüler, welche im 14ten oder 15ten Jahre eine entſchieden techniſche Richtung einſchlagen, ſei fie mehr wiſ— ſenſchaftlich oder rein praktiſch, mit dem Leben des klaſſiſchen Alterthums ſo weit bekannt gemacht worden ſind, als es eine humane Bildung in dieſem Alter erfordert; und daß auf der andern Seite diejenigen, welche ſich mit der Beiſtimmung ihrer Eltern für einen gelehrten Beruf vorbereiten wollen, in die moderne, mehr auf die mathematiſch-phyſiſchen Wiſſenſchaften und die neueren Sprachen ſich ſtützende Bildung im Weſentlichen eben fo weit eingeführt find, wie jene. Bis zum löten Jahre ſollen für Alle die Sprachen und die ſoge— nannten Realien gleich berückſichtigt werden. Zur Erreichung dieſes Zweckes wird der Unterricht im Engliſchen im Sten, des Franzöſiſchen im 10ten, des Lateiniſchen im 12ten Jahre mit allen Schülern begonnen. Der allgemeine grammatikaliſche Unterricht wird ſyſtematiſch auf alle Sprachen vertheilt, ſo daß für den deutſchen Sprachunterricht eine vorzugsweiſe Betrachtung der Begriffe und Dinge ſelbſt übrig bleibt. Vom 6ten bis zum 12ten Jahre werden den Kindern zuerſt Mährchen, dann Sagen, dann charakteriſtiſche Thatſachen von geſchichtlichen Perſonen des Alterthums, zuletzt die Hauptbegebenheiten vornehmlich der alten Geſchichte in lebendiger Schilderung nach dieſer Folge erzählt, dabei zu verſchiedenen ſprachlichen Uebungen benutzt. Für den Unterricht werden die Schüler in 5 bis 6 Klaſſen getheilt, von welchen jede in zwei Abtheilun⸗ gen zerfällt. Die erſte Klaffe je für Schüler vom Gten bis Sten, die zweite Klaſſe vom Sten bis 10ten, die dritte Klaſſe vom 10ten bis 12ten Jahre berechnet; jede dieſer Klaſſen hat einen Hauptlehrer. Der Unterricht der übrigen Klaſſen aber wird von Fachlehrern gegeben. Jeden Morgen zwiſchen 5 und 7 Uhr iſt eine Arbeits- ſtunde, in welcher die Schüler ſich unter Aufſicht eines Lehrers auf den folgenden Unterricht vorbereiten. In der Fröbel'ſchen Anſtalt iſt für den Sprachunterricht die Regel befolgt, die Kraft der Schüler von 2 zu 2 Jahren möglichſt auf eine Sprache zu konzentriren, indem das Erlernen fremder Sprachen in dieſem Alter hauptſächlich auf Uebung und Gedächtniß beruht. Es find daher für jede neu begonnene Sprache wö— chentlich 6 Stunden auf 2 Jahre feſtgeſetzt; dann vermindert ſich die Zahl erſt auf 4, im Engliſchen, nach 2 Jahren auf 2, ſpäter verändert ſich das Verhältniß je nach Bedürfniß. Das Engliſche liegt den deutſchen Schülern am nächſten, darum folgt es zuerſt auf das Deutſche; zugleich bereitet es auf das Franzöſiſche vor. — Durch dieſen Unterricht in den neuen Sprachen ſind die Schüler befähigt worden, mit weit ſchnellerem Erfolge zur Erlernung der alten Sprachen überzugehen, als wenn mit dieſen zuerſt und, wie es gewöhnlich geſchieht, zu früh begonnen wird. Herr R. Saske theilte noch die Grundſätze mit, nach welchen die übrigen Unterrichts-Disciplinen be⸗ handelt werden. Es ging daraus hervor, daß man auch hier nach dem Worte unſers Novalis: „Alles muß in einander greifen, Eines durch das Andere reifen,“ verfährt. Ganz Neues trat uns nicht entgegen. Der Bericht veranlaßte eine recht lebhafte Debatte über einzelne Punkte, namentlich über das Verhältniß der Lehrer zu den Schülern. Die Anweſenden ſchienen darin einverſtanden, daß auf dem Fröbel'ſchen Wege weder unter den Zöglingen ein heuchleriſches Weſen, noch unter den Lehrern Lauheit oder Parteilichkeit Platz greifen werde, daß aber auch der Geiſt der jungen Leute eine Richtung nehmen könne, die ſich mit ihren ſpä— tern Verhältniſſen im bürgerlichen Leben nicht vertrage. In Deutſchland wenigſtens darf jener Richtung noch nicht (1847) Vorſchub geleiſtet werden, aus Gründen, die hier nicht weiter auseinandergeſetzt werden können. Dagegen erhielt die Einrichtung, nach welcher das Erlernen der fremden Sprachen — eine nach der ans dern — ſtattfindet, die Zuſtimmung der Section. — 3) In einer der Verſammlungen der pädagogiſchen Section theilte Herr Stadtrath, Oberſt- Lieutenant v. Hülſen in einer Abhandlung ſeine auf dem Wege vieljähriger Erfahrung gewonnenen Anſichten über „Schul-Disciplin“ mit, und veranlaßte dadurch eine lebhafte und intereſſante Beſprechung. Es wurde zuerſt die Frage erledigt: „Ob die Schul-Disciplin nothwendig ſei?“ (Ja); dann in Erwägung gezogen: „Was die bisherige Schul-Disciplin für Erfolge gehabt habe?“ (Nicht befriedigende), und endlich ermittelt: „Ob die jetzige SchuleDisciplin den heutigen Anforderungen zur friſchen, freien, frommen und frohen Entwickelung der Menſchheit genüge?“ (Nein). — Daß das Gedeihen der Schulen größtentheils von der in denſelben herrſchenden Disciplin abhängt, wodurch zugleich ihre Nothwendigkeit ausgeſprochen wird, unterliegt gar keinem Zweifel. Gute Schule und gute Disciplin, ſchlechte Schule und ſchlechte Disciplin können eben fo wenig ge⸗ trennt, als gute Schule und ſchlechte Disciplin, oder ſchlechte Schule und gute Disciplin vereinigt gedacht werden. Das Wirken eines Lehrers, deſſen Disciplin nichts taugt, iſt — ſei er ein auch noch ſo gründlich und vielfeitig gebildeter Mann — daher nicht nur gleich Null, ſondern ſogar unter Null, alſo ein ver derbliches. Nicht alle Lehrer ſind im Beſitz der unſchätzbaren Gabe, eine erfolgreiche Disciplin zu führen; nicht jeder verſteht es oder hat nicht den Grad von Willensſtärke, ſich dieſe unentbehrliche Kunſt anzueignen. Woher ſonſt die Erſcheinungen in der Schulwelt, daß ein Lehrer über ſeine Schüler die bitterſten Klagen führt, mit denen ſeine Mitarbeiter ganz zufrieden ſind; daß ein Lehrer mit Scheltworten auf ſeine Schüler losfährt, während ſeine Kollegen blos durch Blicke und Mienen Ordnung und Ruhe unter denſelben herſtellen; daß ein Lehrer zur Anwendung von Zuchtmitteln ſeine Zuflucht nimmt, an die ein anderer nicht zu denken nöthig hat. Gute Disciplin hat einen höhern Werth, als das Einpfropfen vieler Kenntniſſe; dieſe blähen die Schüler auf, jene aber gewöhnt ſie zur Beſcheidenheit, zum Gehorſam, zur Ergebenheit u. ſ. w. Sollte nicht an dem hervortretenden Egoismus der Jugend in unſerer Zeit, an der Sucht derſelben, mit ihrer ungereiften Denkkraft und Anſchauungsweiſe über Zuſtände und Verhältniſſe, über Staat, Kirche, Verfaſſung, Geſetzgebung, Freiheit u. ſ. w. zu urtheilen und abzuurtheilen, auch unſere Schul-Disciplin einen bedeutenden Theil der Schuld tragen? Dies dürfte im Allgemeinen nicht der Fall ſein. Die Schule nährt nicht den Widerſpruchsgeiſt der Schüler, ſondern bekämpft mit Ernſt dieſen von der häuslichen Erziehung gehegten und gepflegten Schulfeind; fie pflanzt nicht in die Gemüther den Egoismus, ſondern jätet fleißig und ſorgfältig an dem wuchernden Unkraute des Dünkels; ſie ſchleift den Verſtand der Schüler nicht, damit dieſelben Kritik über Zuſtände üben, die über dem geiſtigen Horizonte derſelben liegen, ſondern weiſt bei jeder Gelegen— heit die jugendliche Verſtiegenheit, zu welcher das ſociale Leben außerhalb der Schule verleitet, in ihre Schran- ken und auf die rechte Stufe. — Die Schule hat ihre ſchwere Noth mit der Bekämpfung der Erziehungs⸗ fehler, welche das Haus in ſo reichlichem Maße begeht. Dazu kommt, daß die häusliche Erziehung nicht mit der Schul: Erziehung Hand in Hand geht; jene ſteht dieſer oft feindfelig gegenüber und reißt nicht ſelten nie— der, was dieſe aufzubauen ſich bemüht. Liſt, Verſchlagenheit, Lüge und Bosheit nehmen bei den Schülern mehr und mehr überhand und machen die Herſtellung eines gemüthlichen Schullebens, beſonders bei ſolchen Lehrern unmöglich, deren Klaſſen an Ueberfüllung leiden, und bei denen ſelbſt wenig von jener Kunſt und Weisheit, die man Lehrkunſt und Lehrerweisheit nennt, anzutreffen iſt, die weder durch die Wahl des 393 Bildungsſtoffes, noch durch die Anwendung einer geiſt- und herzbefriedigenden Lehrform ihrer Schüler zu discipliniren verſtehen, die den Ausbrüchen von Muthwillen, Ungezogenheiten u. dgl. nur die Furcht vor dem Bakel ſteuern zu können meinen, die nicht Erkenntniſſe zu entwickeln, ſondern nur Kenntniſſe einzu: bläuen vermögen, die durch ihre Anforderungen die Kenntniß der Schüler ertödten, und die ſich durch man— cherlei lächerliche Eigenthümlichkeiten und Schwachheiten, welche dem Adlerblicke der Jugend nicht entgehen, zum Gegenſtande des jugendlichen Witzes und Spottes machen.“) Indeß gehören ſolche Lehrer in unſern Tagen, Gott Lob, nur zu den immer ſeltener vorkommenden Ausnahmen. Unbeſtritten aber bleibt es, daß, ſoll es mit der Schulerziehung beſſer werden, die Erziehung im Haufe eine andere, d. h. eine beſſere werden und fein muß. Die Schul-Disciplin iſt durch die Disciplin im Haufe oder in den Familien bedingt. Es giebt noch zu viel unerzogene Eltern, ihre Anzahl vermindert ſich auch nicht. Aus der Ungezogen= heit unſerer Jugend läßt ſich ein ziemlich richtiger Rückſchluß auf die Unerzogenheit vieler Eltern ma— chen. Eine gute Hauszucht dokumentirt ſich augenblicklich an den Schülern. Die Schule ſtraft in den Fehlern der Kinder eigentlich die Verſchuldung der Eltern und begeht inſofern eine Ungerechtigkeit; aber es bleibt ihr nichts anderes übrig, ſie hat dieſe nicht zu vertreten, da es nicht in ihrer Macht liegt, die Eltern zu Verantwortung in Betreff der Verſündigung an ihren Kindern zu ziehen. Die Klage der Schüler über die Strenge des Lehrers verwandelt ſich im gereifteren Alter in Lob und Dank, ſofern nur nicht Leiden— ſchaftlichkeit die Strafen diktirte. Wo dieſe aber vorwaltete, da hat die Jugend ein gutes Gedächtniß für alle Zeiten, da vermag ſelbſt Gott nicht, den Lehrer vor dem Ach und Weh ſeiner Schüler über ſeine maßloſe Strenge zu bewahren und zu ſchützen. Mit Schmerz erfüllt es aber das treue, gefühlvolle Elternherz, wenn ſich Bitterkeit und Haß gegen den Lehrer in dem Herzen des Kindes feſtſetzt und in Worten kundgiebt. Glücklich das Kind, deſſen Eltern in ſolchen Fällen vermittelnd und verſöhnend auf ſein Herz einwirken. — Eltern und Lehrer! wiſſet, daß „Dankbarkeit eine Frucht iſt, die nur in der warmen Zone der Liebe gedeiht!“ — 4) Ferner hielt Herr Oberſtlieutenant, Stadtrath v. Hülſen, einen Vortrag „über die wirkſamſte Verbindung der Schule mit dem Leben.“ — Nachdem derſelbe die Unzulänglichkeit der gegenwärtigen Schul-Organiſation dargethan und nachgewieſen hatte, daß bisher die Betheiligung des Volkes am Schul— weſen nur äußerſt gering geweſen ſei, daß ſich ſogar häufig eine Abneigung in den niederen Volksklaſſen gegen die Schule kundgegeben habe; daß den Lehrern ſelbſt durch ihre Stellung, welche fie nur zu Schul beamte— ten und zu Vollſtreckern der Befehle und Anordnungen der Schulbehörden mache, die Erreichung des ihnen geſteckten Zieles erſchwert werde; daß die laxen Grundſätze, welche im Volke in Betreff der Sittenlehre gäng und gäbe ſind, den leidigen Beweis davon liefern, daß jene geheiligten Lehren nicht in Fleiſch und Blut ge— drungen, ſondern nur auf der Oberfläche des Herzens geblieben ſind; daß unſere Jugend in dem Alter, wo die Leidenſchaften ſich entwickeln und der Sittlichkeit gefährlich werden, am meiſten der Verführung durch Wort und That ihrer Umgebung preisgegeben iſt u. ſ. w., nachdem nämlich der Vortragende dies und manches Andere in ſcharfen Zeichnungen vorgeführt hatte: ging er zur Mittheilung der Vorſchläge zur Abhülfe der gegenwärtigen Umſtände und zur Herſtellung einer wirkſameren, d. h. erfolgreichen „Verbindung der Schule mit dem Leben“ über. Wir müſſen uns hier auf kurze Andeutungen der in größerer Ausdehnung gegebenen Vorſchläge beſchränken. — Für jede Volksſchule ſoll nämlich eine aus 6 bis 8 Familienvätern, aus dem Pre— diger und Schullehrer zuſammengeſetzte Schulen-Deputation errichtet werden, welche die Aufgabe hat, darüber ) Die Jugend, die einen Adlerblick für verſteckte innere Erbärmlichkeit, für kriechende Charaktere, für zweideutige Frömmler, für alles aufgeblaſene Mittelmäßige hat, erträgt das Schuljoch nur dann ohne Murren, wenn ein wahr⸗ haft edel herrſchender Geiſt durch die ganze Verfaſſung ſtrömt. (Die Grenzboten, 6ter Jahrgang. Nr. 5. S. 207.) 50 zu wachen, daß die Schulgefeße von Seiten der Eltern beobachtet werden, mit denfelben regelmäßig in beſon⸗ dern Zuſammenberufungen über Schul- und Erziehungszwecke und über die Mittel zur Erreichung derſelben belehrend, ermahnend und anregend zu ſprechen, ihnen (den Eltern) auch das Recht, in den Angelegenheiten der Kinder mitſprechen zu dürfen, einräumen, und ſo die Eltern zu Pädagogen heranzuziehen. Die Mitglieder dieſer Schulen-Deputation ſollen aber auch die Erziehung der Kinder außerhalb der Schule, alſo in der Fa— milie, einer liebevollen Kontrole und ihre fürſorgliche Wirkſamkeit auch auf die Zeit nach erfolgter Konfirma⸗ tion ausdehnen, ſollen ferner berechtigt ſein, Vermächtniſſe für arme Kinder zu erwirken, und an die würdig⸗ ſten derſelben beim Uebergange in andere Lebenskreiſe, bei der Wahl einer Berufsart Unterſtützungen zu ver— abreichen. Aber auch die Schullehrer müſſen in ihrem Auskommen ſo auskömmlich geſtellt werden, daß ſie nicht nöthig haben, durch anſtrengendes Privatiſiren ihre Kräfte der Kinder-Seelſorge außer den Schulſtunden zu entziehen ꝛc. Es wurde zwar eingewendet, daß Mehreres von dieſen Vorſchlägen ſchon beſtehe, und daß man in einer Kommune wohl ſelten fo viel Familienväter finden werde, die zu einer fo umfaſſenden pädago⸗ giſchen Wirkſamkeit die erforderlichen Eigenſchaften beſitzen und Zeit dazu gewinnen werden; doch gab man zu, daß die gegenwärtigen Verhältniſſe eine zeitgemäße Umgeſtaltung der Schul-Organiſation erheiſchen. Die Kinder einer Familie gehören nicht blos dieſer an, ſie müſſen als künftige Mitglieder nicht nur der Kommune, ſondern auch des Staates ſchon in der Kindheit angeſehen werden. Sind daher die Eltern weder befähigt, noch bemittelt genug, ihren Kindern eine zeitgemäße Erziehung zu geben, ſo liegt dieſe heilige Pflicht den Kommunen und dem Staate ob. Schließlich wurde der Wunſch ausgeſprochen, daß der „vereinigte Landtag“ dieſe Angelegenheit, die Er- ziehung des Volks zur Sittlichkeit, in den Kreis ſeiner Berathungen zu ziehen, für würdig erachten möchte. 5) Der Sekretär der pädagogiſchen Sektion theilte einen aus der neuen theologiſchen Zeitſchrift von Joh. Pletz entlehnten, von Le op. Chimani verfaßten „Bericht über das Volksſchulweſen unter der Re— gierung der Kaiſerin Maria Thereſia“ mit. Wo damals eine Schule beſtand, war der Schullehrer mehr Küſter und Kirchendiener als Kinderlehrer. Bei der Aufnahme eines Lehrers ſah man mehr auf feine Taug⸗ lichkeit zum Kirchendienſte, als auf Lehrfähigkeit. Der Lehrer wurde in jener Zeit als ein Diener der Herr— ſchaft, des Pfarrers und der Gemeinde angeſehen und immer nur auf ein Jahr in Dienſt genommen; nach Verlauf deſſelben mußte er um neue Beſtätigung im Dienſte für das kommende Jahr bitten, damit er immer im Gehorſam und in der Unterthänigkeit erhalten werde und nicht vergeſſe, daß er ein Diener der Wahlherren ſei. Wählte der Pfarrer den Lehrer, fo gaben oft neben den Schulkenntniſſen größere Erfahrenheit in der Landwirthſchaft, Geſchmeidigkeit und meiſtens die Kenntniß des Meßnerdienſtes den Ausſchlag. Die Aufnahme durch die Gemeinde konnte ſich der Kandidat leicht durch einen Eimer Wein erkaufen. Tiefe Unterwürfigkeit gegen jene, welche auf ſeine Exiſtenz Einfluß hatten, erleichterte ihm den Genuß ſeiner Einkünfte, deren Bezug oft mit den kränkendſten Erniedrigungen verbunden war. Nur an wenigen Orten beſtanden die Einkünfte in einem eigenen feſtgeſetzten Gehalte; den größten Theil ſeiner Lebensbedürfniſſe mußte er ſich durch Sammlun⸗ gen zuſammen zu bringen ſuchen. Er mußte mit ſeinem Weibe oder ſeinen Kindern von Haus zu Haus gehen, um Kornfrüchte, Brot, Würſte, geräuchertes Fleiſch, Eier, Butter, Moſt, Flachs, Hanf u. ſ. w. zu ſammeln. Der Meßnerdienſt trug auch noch manches Andere ein, beſonders war die Räucherung der Häuſer vor Weihnachten und dem Dreikönigsfeſte eine reiche Quelle für den Schullehrer. Bei Hochzeiten und Kirch: weihfeſten machte er Tanzmuſik; nebenbei war er Bauer, Mayer, Schuſter, Schneider, Barbier, Schwein⸗ ſchlächter u. ſ. w., oder er erhielt eine Schenke; ſein Weib ſuchte als Hebamme oder Köchin bei Hochzeiten und Schmauſereien etwas zu verdienen. — In manchen Dörfern wurde in der nämlichen Stube, wo die Familie des Lehrers wohnte, wo Schenke gehalten wurde, wo die Hennen und Gänſe brüteten und die Ferkel grunzten, auch Schule gehalten, und der Lehrer ſchenkte oft ſeinen Gäſten in der nämlichen Zeit Wein ein, in welcher er die Lektion von Kindern aufſagen ließ. Von einem Lehrplan war damals kaum die Rede, noch 395 weniger von einem Zuſammenunterricht. Einige Fertigkeit im Lefen, Schreiben und Rechnen war eine große Seltenheit. Wer ſie beſaß, galt für gelehrt. — Durch eine Kommiſſion, welche Maria Thereſia am 26. Mai 1770 zuſammenrief, ſollte eine allgemeine Reform des Schulweſens entworfen werden. Mitglied dieſer Kom: miſſion war auch der Probſt Felbiger aus Sagan, der durch ſeine Tabellar-Methode in großem Rufe ſtand. Es wurden die Lehrgegenſtände und die Methode feſtgeſetzt, Schulbücher verfaßt und ein Methodenbuch herausgegeben. Eine Normal-Schulbuch-Handlung wurde eröffnet. Am 6. December 1774 erſchien die neue Schulordnung. Drei Arten von Volksſchulen: Normal-, Haupt- und Trivialſchulen, traten in's Leben. Jede Provinz erhielt eine Schulkommiſſion, beſtehend aus zwei oder drei Räthen der Landesſtelle, einem Be: vollmächtigten des Ordinariats, einem Sekretär und dem Direktor der Normalſchule. Die neue Schulordnung fand nicht ſo willige Aufnahme bei den Pfarrern, weil ihnen dadurch eine bedeutende Mehrarbeit auferlegt wurde. Nur durch die Anwendung entſchiedener Maßregeln konnte die Abſicht der Regierung erreicht werden. Noch übler ſtand es mit den Lehrern, denen es an Vorkenntniſſen und gutem Willen fehlte; ſie handelten abſichtlich der neuen Schulordnung entgegen. Selbſt die Güterbeſitzer, Herrſchaftsbeamten und Landleute zeig— ten Abneigung gegen den neuen Schulplan und waren dem Gedeihen hinderlich. Der Kaiſer Joſeph II. ſuchte das von feiner kaiſerlichen Mutter begonnene Werk der Schulverbeſſerung feſter zu begründen und zu vollen— den. Die erſte Sorge der Joſephiniſchen Schuleinrichtung war die zweckmäßige Bildung der Lehrer und die Heranbildung des jungen Clerus zu gründlichen Katecheten. Ein neuer Geiſt kam in die Schulverwaltung. Alles wurde anders und beſſer. Später bildete ſich aber unter den Lehrern ein Oppoſitionsgeiſt gegen die Pfarrer, Gemeinde und Ortsobrigkeit aus. Die Schuld lag in der Schulverfaſſung ſelbſt, wie Chimani be— hauptet. Unter der Regierung Franz J. ſuchte man den Mängeln und Gebrechen der Joſephiniſchen Schul— einrichtung abzuhelfen und die Lehrer wieder mehr der Kirche zuzuführen. So entſtand die jetzt allgemein ein— geführte Verfaſſung der Volksſchulen. 6) Ferner theilte der Sekretär der Sektion eine Abhandlung aus dem zweiten Hefte der neuen „päda— gogiſchen Monatsſchrift“ von Löw und Körner mit. Sie betraf das Thema: „Die Schule als Staats: anſtalt.“ Der Verfaſſer widerlegt zunächſt die Bedenklichkeiten, welche anderwärts über den Vorſchlag, die Schule mit dem Staate aufs Engſte zu verbinden, zur Sprache gekommen ſind. Einige, heißt es, werden es für ganz ungehörig erachten, die Einſiedelei der Schule in's lärmende Staatsleben hineinzubauen; Andere werden alsdann eine Beeinträchtigung des Schulweſens, eine Verſchärfung der Bureaukratie fürchten, in deren Folge ſich neben der Landeskirche auch eine Landesſchule erheben, oder eine Umformirung der Schule wie die der Kirche eintreten werde. Eine Aenderung der Stellung der Schule zu den Staatsbehörden kann man nicht direkt von der Schule ſelbſt erwarten, ſondern von der Bildung und Tüchtigkeit der Staatsbürger. Wenn das Volk fähig und reif iſt, die ſtarre Form der Bureaukratie abzuſtreifen, fo wird es eben dadurch die Schu: len von dem etwaigen nachtheiligen Einfluſſe eines vielſeitigen Regierungsſyſtems befreien. Es iſt nicht die Aufgabe der Schule, Staatsreformen hervorzurufen, ſich gegen den Staat und das Volksleben abzuſchließen, ſondern Thür und Herzen ſoll ſie dem Staatsleben öffnen und ſich zu dieſer Centralſonne hinwenden, wie die Sonnenroſe, ihr liebendes Auge zu ſtillen, inbrünſtiger Sehnſucht der Sonne zukehret. Der Staat ift die allgemeine Vernunft, wie ſie ſich in beſtimmter Geſtalt verwirklicht; er iſt der ſittliche Geiſt eines Volkes, der Leib dieſes Volksgeiſtes ſelbſt; denn Alles, was ein Volk in ſich trägt, ſeine Erkenntniß, ſeine Bildung, ſein Wiſſen und Wollen, das geſtaltet ſich zu einem ſichtbaren Organismus im Staate. Die Wahrheit der Sitt— lichkeit, die Verwirklichung des Guten und das dadurch erreichte Wohl Aller ſind der Zweck des Staates. Der Staat ſtützt ſich auf Volksbildung, muß daher deren Leitung übernehmen, und zwar ſchon deshalb, weil er wahrhaft geiſtiges Leben, eine ſich verwirklichende Gedankenwelt iſt, aber ſich doch nur in der Gedanken⸗ welt des Volkes verwirklichen kann. Sonach iſt eine höher entwickelte Volksbildung ein Fortſchreiten des Staates zu ſeiner Verwirklichung. Die Schule iſt die Mutter der Staatsbürger, ſie ſoll den Geiſt der Sitt— 50 * 396 lichkeit erwecken und nähren, ſoll die Jugend zu Menſchen erheben, fie für die Göttlichkeit der Gefege und des Menſchen empfänglich machen. Indem fie den Samen der Humanität, der chriſtlichen Tugend der Men⸗ ſchenliebe in alle Herzen ausſtreuet, hebt ſie den Pöbel auf; indem ſie ihn den Gebrauch ſeiner Vernunft lehrt, ihn zum Selbſtbewußtſein führt, macht ſie ihn fähig, an dem Geiſterreiche des Staates u. ſ. w. Theil zu nehmen und ſich zum Ideal der Menſchheit zu erheben. Die Geſellſchaft begeht einen großen Irrthum, wenn fie Sittlichkeit und Bildung verlangt, ohne dafür zu ſorgen, daß alle Glieder der Geſellſchaft dazu erzo⸗ gen werden. Der Staat verlangt von Armen, von Beſitzloſen Erziehung und Sittlichkeit, und doch macht er ihnen deren Erwerbung unmöglich. Der Unterricht in der Schule muß frei gegeben, kein Schulgeld darf durch Lehrer erhoben werden. Eine Schulſteuer iſt aufzuerlegen. „Unterricht“, ſagt ſchon Spittler, „iſt ein allgemeines Bedürfniß, zu deſſen Koſten Alles gleich beiträgt.“ Die Lehranſtalten von der ABC-Schule bis zur Univerſität beaufſichtigen und leiten Eine Behörde. Eine Ermunterung und Fortſetzung des Unter⸗ richts über das Ate Jahr hinaus iſt nothwendig. Die Kleinkinderbewahranftalten, Sonntags- und Abend: ſchulen, Geſellenvereine u. ſ. w. find die Wegweiſer und das neue Gebiet der Volksbildung und Volkserzie⸗ hung. — Die Volksſchullehrer müſſen zu Volksbildnern und Volkserziehern befähigt werden. Dieſe Forderung ſetzt aber eine eigene Bildung voraus, eine Kenntniß des Lebens, die man nur in größern Städten erhalten kann, ſo daß die Seminare nur in dieſen einen fruchtbaren Boden finden, trotz der Verirrungen und der Verſuchungen, denen der junge Mann ausgeſetzt iſt. — Die Sektion war nicht durchweg mit dem Verfaſſer einverftanden. Die Schule ſoll weder reine Staatsanſtalt, noch reine Kommunal-Anſtalt fein. Staat und Kommunen müſſen Hand in Hand mit einander gehen. Das Gemeinſame muß auch gemeinſchaftlich betrieben werden. Der Grundſatz: „Alles für das Volk, nichts durch das Volk“, findet jetzt keine Anerken⸗ nung mehr. 8 7) Ueber die „Geſchichte des Stockes, als Straf- oder Zuchtmittel“, trug der Sekretär eine Abs handlung aus den Papieren eines alten Peſtalozzianers, des nunmehr verſtorbenen Seminar-Oberlehrers und Inſpektors Dr. Krüger in Bunzlau, vor. Die ernſte Sache wurde humoriſtiſch dargeſtellt und war nach Form und Inhalt geeignet, nicht wenig zur Erheiterung der Anweſenden beizutragen. Da die Abhandlung ſowol in der „Schleſiſchen Schullehrer-Zeitung“, als auch in beſondern Abdrücken (im Verlage von P. Th. Scholz) erſchienen iſt, ſo bedarf es hier eines ausführlicheren Referates darüber nicht. Wir bemerken nur, daß von der Verſammlung der Mißbrauch des Stockes als Straf- und Zuchtmittel zwar verworfen, daß aber auch die Nothwendigkeit der rechten Anwendung deſſelben in unſern Schulen anerkannt wurde. 8) Daſſelbe gilt von der Abhandlung über die „Schul-Emaneipation“ von dem Seminar: Die rektor Zahn in Mörs, die in der pädagogiſchen Zeitſchrift: „Schul-Chronik“ (Jahrg. 1847) enthalten iſt. Der Verfaſſer hat dieſen in neuerer Zeit vielſeitig angefochtenen und verfochtenen Gegenſtand von einem freien Standpunkte aus behandelt, und zwar in ſehr geiſtreicher Weiſe, freilich nicht im Sinne des M niſteriums Eichhorn. Der Verfaſſer ſoll dieſer Abhandlung wegen ein ernſtes Mißbilligungs-Votum von dem Herrn Miniſter erhalten haben. Bei den Lehrern dagegen hat der Verfaſſer ſehr eingehoben, denn ſie erkennen die Unparteilichkeit, mit welcher das Schul-Emancipationsſtreben der Lehrer als gerechtfertigt nachgewieſen ift. Es werden den Gegnern derſelben ernſte Wahrheiten vorgehalten, dabei aber wird auch eine gewiſſe Partei der Emancipations-Fieunde ſcharf getadelt. — „Es iſt“, ſagt Zahn, „das der Emancipations-Frage zu Grunde liegende Weſen noch nicht überall klar zur Erkenntniß gekommen, und darum noch nicht in's Leben eingeführt; und ſo lange dies nicht geſchehen, bleiben die Verkläger am Verklagen und müſſen daran bleiben, unbeſchadet des ernſten Worts: „Wehe dem, durch den Aergerniß kommt.“ Und wie ſehr hat ſich doch auch die Emancipatjons-Frage feit einem Jahrhundert etwa verklärt! Sie ſcheint alle Stadien durchlaufen zu ha⸗ ben und kehrt jetzt allgemein der Strom, der manchmal brauſend über die Ufer trat, in das geregelte Bette zurück, in das ihn der 1779 wohl zuerſt beginnende Berliner Schulmann Gedicke ſchonend und bedächtig 397 hineinlenken wollte, indem er gegen die „gewöhnliche“ Subordination der Schulen unter die Aufficht der Geiſtlichen ſprach und es für zweckmäßig hielt, „wenn Schulmann unter Schulmann ſtände und zu dieſem Behuf die Schul-Inſpektion in Diöceſen vertheilt und dem tüchtigſten Schullehrer die Aufſicht über einen Diſtrikt übertragen würde.“ Und auf dieſem Standpunkte ſteht auch 1845 noch der ehemals baierſche, jetzt würtembergſche Schulmann Rektor Roth, der als ein Hauptbedürfniß für gedeihliches Wirken in der Schule verlangt: „Gefühl der Selbſtſtändigkeit und zur Empfindung der Selbſtſtändigkeit Gewiß— heit der Rechte.“ — Das iſt es, was Lehrer der Gelehrten- wie der Volksſchulen verlangen und verlan— gen werden, bis ſie es erlangen; und dafür redeten König Ludwig von Frankreich (Rede am 5. Febr. 1838), fo gut wie Schleiermacher, der Theolog Girchenrechtliche Unterſuchungen, S. 154). Für dieſe Selbſt— ſtändigkeit muß Raum ſein, ſowohl nach dem Staate, wie nach der Kirche hin. Nur ſuche man ſie nicht mit Verletzung der heiligen Bande, die ein jedes Menſchenkind an geiſtliches wie weltliches Regiment knüpfen, die da in gegenwärtiger Haushaltung Gottes nicht ſollen unter einander gemenget werden. „Mengt man's, fo wird nichts d'raus.“ — Aber die Mengerei, die Begriffsverwirrung iſt noch groß und daher viel Unheil. Viele wackere Lehrer können ihre Stellung nicht finden; und ſie können ſie nicht finden, weil man ſie ihnen nicht anweiſen kann. Giebt doch ſelbſt Harniſch als einen Grund an, daß er zur Kirche übergegangen — vielmehr den ſchwarzen Rock angezogen, denn Kirchendiener war er auch als Seminar-Direktor — weil er keine rechte Stellung gehabt. — „Wenn das am grünen Holze geſchieht, was ſoll's mit dem dürren werden?“ — „Es giebt“, heißt es weiter, „treue Anhänger des bibliſchen Chriſtenthums nicht wenige unter den Volksſchullehrern, mehr wohl, als man hier und da denkt, und dennoch iſt ein unverſöhnter Zwieſpalt in ihrem Innern mit ihrer gegenwärtigen Stellung in der Kirche. Man verſteckt allerdings ſeine innerſte Abgeneigtheit gegen das Wort vom Kreuze, uns beim rechten Namen zu nennen, hier und da hinter hohle Redensarten, z. B. daß man unterſcheide zwiſchen Chriſtenthum und Kirche, und weiß weder, was Chriſtenthum noch Kirche iſt. Aber man hüte ſich doch, die verſchiedenen Richtungen der Oppoſition in einen Topf zu werfen; denn ſicher wäre es unrecht, wenn man aus der Oppoſition gegen die jetzige kirchliche Stellung der Lehrer über— haupt gleich auf eine geheime Oppoſition gegen den Herrn und ſein vollſtändiges Wort ſchließen wollte. Es ſitzt die Sache anders, und die allgemeine Verbreitung ſollte ſchon zu ſorgfältigerer Erwägung der Sache auffordern. Denn allgemein iſt ſicher Verſtimmung und Mißmuth; und die Allgemeinheit des Unbehagens in einem verbreiteten Stande muß alſo wohl einen tiefen Grund haben. Und wie tief es ſitzt, läßt ſich auch aus der auffallenden Erſcheinung ſchließen, daß Lehrer, die es ſonſt treu meinen in der Nachfolge Chriſti, wohl gar vom entſchiedenen Bekennkniß ihres Glaubens laſſen, wenn's an dieſen Punkt kommt, und dann Zeitrich— tungen huldigen, deren Verderben bringendes Princip nicht unſchwer zu erkennen fein ſollte. Wer von Ber: beſſerung der Gehälter für den Lehrſtand ſpricht, von Emancipation, unter der ſich dann Jeder denkt, was er will; wer die Schäden der Geiſtlichkeit gehörig aufdeckt, der wird mit dem Prädikat „Lehrer-Herz“ be= ehrt, dem gilt Sang und Klang und Zweckeſſen, da ſpringt mächtig die poetiſche Ader und man ruft mitten unter dem begeiſterten Haufen: Groß iſt die Diana der Epheſer! — Da verträgt man gern die Narren; da verträgt man Knechtung und allerlei Unbill, ja, Angeſichtsſtreiche. 2. Kor. 11, 19. 20.“ „Das iſt, wenn man will, ein pfychologiſches Räthſel. Man ſollte ſagen, es wäre leicht zu löſen; aber es iſt nicht ſo. Und doch wäre zu wünſchen, daß Alle, die zu Leitern der Volksſchule berufen ſind, dies Räthſel zu löſen trachteten; es läge in der Löſung ein Heil für die chriſtliche Volksbildung. Denn leider fehlt doch auf beiden Seiten der hier zu vereinigenden Gegenſätze gar zu häufig eingehende Unterſuchung. Man kommt mit Vorurtheilen aneinander und geht mit Bitterkeit auseinander. — Wer iſt Schuld? — Schuld auf beiden Seiten! — Denn Schuld tragen doch offenbar auch die bisherigen Leiter des Volksſchul— weſens, Kirchen- wie Staatsdiener. Sie find im Ganzen doch noch im Beſitzſtande und ſollten als die Stär— keren, das ſind immer die Beſitzenden, mehr entgegen kommen, eingehen in das eigentliche Sachverhältniß. Man hält aber mehr feſt, was die Schule und deren Lehrer bisher waren, als daß man darnach fragt, was ſie einſt werden könnten.“ — 0 9) Aus der Beantwortung der Frage des Herrn Rektor Kämp: „Können Schulen auch Ver— dummungs- und Verbildungsanſtalten werden?“ theilen wir Folgendes mit: „Der Schule iſt die Aufgabe geſtellt, durch Unterricht den Geiſt ihrer Zöglinge zu bilden, zu wecken die ſchlummernden Anlagen, zu üben die noch ſchwachen Kräfte, damit der Schüler ausgerüſtet mit Fertigkei⸗ ten und Kenntniſſen eintreten könne in das gewerbliche Leben oder vorbereitet werden für einen höheren Beruf. Gebieteriſch verlangt das Leben jetzt Manches, was früher nur ſeltenes Beſitzthum gewiſſer Stände war, von Allen. Gab es im Mittelalter ſelbſt Geiſtliche, die nur nothdürftig leſen und ſchreiben konnten, ſo kann jetzt der Bauer, der Dienſtbote kaum ihrer entrathen, und der Mangel daran wird ihm täglich zu ſeinem Schmerz und Schaden fühlbar. Die Forderungen mehren ſich von Tage zu Tage. Daraus erwächſt für die Lehrer ſelbſt eine immer umfangreichere und darum ſchwerer zu löſende Aufgabe, und fie müſſen in aller Weiſe dar: auf bedacht ſein, durch Methode zu einem auf den früher betretenen Wegen unerreichbaren Ziele zu gelan⸗ gen. Das Gedächtniß, wie treu und zäh es auch ſonſt ſein mag, bietet für den bleibenden Beſitz einmal erlangter Kenntniſſe nur eine geringe Gewähr. Vielen Schülern fehlt auch die Empfänglichkeit für bleibende Eindrücke, für Gegenſtände des Unterrichts. Die Wahrnehmung führt den Lehrer dahin, daß er vor allem Andern darnach ſtrebe, den Schülern zumal auf den unterſten Stufen eine lebendige Theilnahme einzuflößen oder ſie in ihnen zu erwecken. An ſich iſt bloße Uebung ihrer geiſtigen Kräfte den Kindern nicht zuwider, ſie zeigen vielmehr auch hierin oft eine Ausdauer und Beharrlichkeit, die in Erſtaunen ſetzt, doch immer nur dann, wenn fie erſt dafür eingenommen und gewonnen und erwärmt find. Das beweiſet ſich z. B. im Kopfrechnen, wenn es in den Händen eines geſchickten Lehrers liegt. Die Lebendigkeit des Lehrers ift natürlich die erſte und unerläßliche Bedingung hierzu. Unmöglich kann der Schüler einen Gegenſtand mit Luſt und Liebe betreiben, wenn der Lehrer ſelbſt in behaglicher Ruhe oder gar mit entſchiedenem Mißmuth und Unwillen an ſein Tagewerk geht. Wir bieten eine vielleicht recht gute Nahrung, was nützt es aber, wenn durchaus keinerlei Verlangen, kein Bedürfniß dazu da iſt. Daher iſt der Widerwille gegen ſolche auf— genöthigte Koſt ganz natürlich und darum entſchuldbar, und an den Lehrer muß durchaus die Forderung ge— ſtellt werden, Mittel und Wege aufzufinden, eine früher nicht vorhandene Empfänglichkeit für ſeinen Unterricht zu wecken.“ „Ein den Lehrer mehr oder weniger anhaftender Fehler beſteht darin, daß ſie ſich in eine gewiſſe Me⸗ thode verfahren, und darin beharren, blos weil es ſo herkömmlich iſt und Vater und Großvater ſich wohl dabei befunden haben, ohne zu bedenken, daß die Zeiten, die Menſchen ſich ändern, wie wir ſelbſt, und die veränderten Umſtände ein anderes Verfahren gebieten. Diefe Verwöhnung iſt überall ſchlimm, in der Schule aber vorzugsweiſe häufig, aber auch vorzugsweiſe gefährlich und verderblich. Die Lehrer täuſchen ſich und leben in einer faſt unerklärbaren Unkenntniß ihrer ſelbſt, wenn wir ihre perſönlichen Eigenheiten oft mit zur Methode rechnen und manche garſtige Angewöhnung kaum ahnen. Hierzu gehören gewiſſe ſtehende Redens⸗ arten, Vergleichungen und Scheltworte, hierzu gehört ſelbſt das bei Manchem unzählig oft wiederkehrende Schnupfen und ſich Räuſpern. Zwar wird ein Lehrer, der Thatkraft und Anſehn beſitzt, auch trotz ſolcher Uebelſtände vielleicht eine geraume Zeit durch leidliche Leiſtungen und Schauſtellungen bei den Prüfungen ſich und Andere täuſchen; allein unvermerkt erſtarrt er in ſeiner Weiſe, da ſelten eine rathende und warnende Freundesſtimme ihn zeitig genug aufmerkſam macht, und ſein Unterricht artet bald in einen Mechanismus aus, der geiſttödtend, d. h. verdummend iſt. Uebung iſt beim Lernen unerläßlich, denn ſchon das Sprichwort ſagt: Uebung macht den Meiſter; aber wenn die armen Schüler, ſie mögen wollen oder nicht, ſich in die hergebrachte Ordnung fügen, wenige Sätze ſtundenlang bis zum höchſten Ueberdruß leſen, einen Buchſtaben, ein Wort, eine Zeile ſtundenlang ſchreiben, wie widerwärtig es ihnen auch iſt, Hunderte von Rechenaufgaben in jeder Rechnungsart löfen, fo fragen wir billig, was wird gewonnen durch alle dieſe maßloſe Zeitvergeu— dung? Nicht einmal genügende mechaniſche Fertigkeit, noch weniger geiſtige Kraft.“ „Es iſt eine jetzt täglich wiederkehrende Erſcheinung, daß in den Rechnungen unſerer Handwerker deutſche leichte Wörter bis zur Unverſtändlichkeit verunſtaltet werden. Woher dieſe Erſcheinung? Weil viele Lehrer das richtige Schreiben blos auf dem Wege der Uebung erreichen zu können glauben, unbekümmert, ob die Schüler ſich irgend eines Grundes bewußt werden. Solche Anſicht richtet ſich ſelbſt, ſie iſt geiſttödtend; es bleibt nach ſolchem Unterrichte nur der verdummte gedankenloſe Menſch übrig. Zu dieſer Geiſtestödtung ges hören auch die ſogenannten Strafarbeiten, vermittelſt deren manche Lehrer den Schüler durch zehn-, zwanzig⸗ und mehrmaliges richtiges Abſchreiben eines falſch geſchriebenen Wortes, einer nicht gelernten Aufgabe zwingen wollen, das Richtige, das Verſäumte auf rein mechaniſchem Wege ſich einzuprägen und zur Gewohnheit zu machen. Leider zeigt ſich, vielleicht zum Theil als eine traurige Folge der Rückſicht auf die Prüfungen, in gar manchen Schulen das Streben vorwiegend, dem Gedächtniſſe der Schüler einen möglichſt großen Vor⸗ rath von Kenntniſſen beizubringen. Aus allen Fächern des Elementar-Wiſſens, d. h. den Elementen der verſchiedenſten Wiſſenſchaften, Künſte und Gewerbe, ſucht man den Schülern das Unentbehrlichſte — wie man ſagt — einzuprägen und Auswendiglernen anzueignen, ohne daß er dadurch zu einem Inwendiglernen gelangt. Es wird blos für die Prüfung gelernt, ob davon viel oder wenig für das Leben bleibt, darauf ſcheint man keine Rückſicht zu nehmen. Unſere jungen Schüler ſollen ja tüchtige Grammatiker, fertige Rechner, gewandte Styliſten, in Geſchichte und Geographie bewandert, mit der Naturgeſchichte und Phyſik gehörig bekannt, in der Religion zu Haufe fein. Das iſt ein Jammer! Darum thut es Noth, die Maſſe des mit dem Ge: dächtniſſe Aufzunehmenden außerordentlich zu beſchränken, in dieſer Beſchränkung aber auf ein den innern Zuſammenhang erfaſſendes Verſtändniß zu dringen. Geſchichte und Geographie, für welche jeder Menſch durch ſeine natürliche Neugier ſo empfänglich iſt, wird in ungeſchickten Händen zu einem dürren Gerippe von Namen und Zahlen und ſchreckt, wie dieſes die Lebenden, beſonders die fröhliche Jugend zurück. Eben ſo wird durch Religionsunterricht den Kindern die Religion ſelbſt oft gründlich verleidet; das Kind nahet mit Sehnſucht dieſem Unterrichte, allein ſtatt des lebendigen und belebenden Wortes wird es mit Bibelſprüchen und Liederverſen überfüttert, durch die ſechs ihm größtentheils ganz unverſtändlichen Hauptſtücke des Katechis⸗ mus gemartert und mit trockenen, Herz und Geiſt austrocknenden Katecheſen gelangweilet. Und wir wundern uns, daß trotz ſolchen Unterrichts in der Religion ſo wenig Religioſität zu finden ſei? — Traurig genug, daß es noch Schulen giebt, und es giebt deren wirklich und nicht blos im Auslande, deren Nutzen zum wenigſten ſehr fraglich iſt, und die durch Bequemlichkeit oder Pedanterei der Lehrer, durch längſt unbrauchbar gewordene Lehrweiſen, durch konſequentes Unterdrücken jeder geiſtigen Thätigkeit und Gewöhnung an Stillſitzen, an ge— dankenloſes Schreiben, Zeichnen u. ſ. w. weit eher Verdummungsanſtalten, als Bildungsanſtalten genannt zu werden verdienen.“ — 10) Ueber das Thema: „Von den verſchiedenen Temperamenten und deren Berückſichtigung bei der Bildung und Erziehung der Jugend,“ hielt Herr Geppert, Inhaber eines Privat-Erziehungs- und Unter: richts-Inſtituts, einen längeren Vortrag, aus dem wir Folgendes dieſem Berichte übergeben: Temperament heißt zu deutſch: Gemüthsart, und iſt mit den Begriffen Naturell und Charakter verwandt. Um im Bilde zu reden, fo gleicht das Naturell dem Keime oder dem Kindesalter, das Tempera⸗ ment der Blüthe oder dem Jünglingsalter, der Charakter der Frucht oder dem Mannesalter. Worin das Temperament feinen Grund hat, ob in der Beſchaffenheit des Nervenſyſtems oder des Blutſyſtems, das mö— gen die Phyſiologen erforſchen und uns dann mittheilen. Man unterſcheidet vier Haupt-Temperamente, nämlich: 1) das ſanguiniſche (leicht bewegliche, weiche, ſanfte), 2) das choleriſche (lebhafte), 3) das phlegmatiſche (feſte) und A) das melandyoiifche (tiefe, innige) Temperament. Ob Temperamente ganz verändert und umgewandelt werden können, dürfte, da fie von phyſiſchen Be— dingungen abhängen, zu bezweifeln ſein. Es iſt indeſſen doch von hoher Wichtigkeit und von großem Werthe, die Hauptverſchiedenheiten der Temperamente, oder gleichſam das ausgemalte Bild eines Jeden kennen zu ler⸗ nen, um ſich und andere Menſchen gleichſam wie in einem Spiegel zu erblicken, Menſchen, mit denen man umgehen muß, behandeln zu lernen und feine eigenen Handlungen nicht gänzlich den Antrieben des Tempera— ments zu überlaſſen, und endlich ſich nicht unter jedem Sanguiniker ein Genie, unter jedem Melancholiker einen Kopfhänger, unter jedem Phlegmatiker einen Klotz, unter jedem Choleriker einen Brauſekopf vorzuſtellen, die alle ſchon am Ergreifen des Glaſes beim Trinken, oder beim Gehen auf der Gaffe u. ſ. w. zu erkennen ſeien. Es iſt für den Erzieher bei der Pflege ſeiner Zöglinge von großer Wichtigkeit, daß er auf die verſchie— denen Temperamente Rückſicht nehme; denn: die Kinder müſſen nach ihrer Individualität behandelt werden; die einzelnen Aeußerungen des Charakters, überhaupt der ſittliche Werth und Unwerth find nach dem Tempe⸗ rament des Kindes zu beurtheilen; Fleiß und Unfleiß, die Fortſchritte im Lernen u. ſ. w. ſind nur nach dem Temperament des Zöglings zu beſtimmen; bei der Leitung einzelner Triebe und Neigungen, bei der Heilung der Fehler, bei Anwendung von Strafen und Belohnungen, bei Aufmunterungen, Warnungen, Verweiſungen u. ſ. w., u. ſ. w., iſt auf die vorherrſchende Gemüthsart des Kindes durchaus Rückſicht zu nehmen. Das Studium der Temperamente iſt darum für Lehrer und Erzieher von der größten Wichtigkeit, und kann darum nicht dringend genug anempfohlen werden. Der Verfaſſer behandelt nun jedes der vier Haupt-Temperamente ziemlich ausführlich. Wie dies ge— ſchieht, iſt aus der folgenden wörtlichen Mittheilung der Darſtellung des ſanguiniſchen Temperamentes zu erſehen: a) Bei Erwachſenen. Dieſes Temperament hat ein Uebergewicht des Gefühls und viel Empfänglichkeit, d. h. es ſteht jedem Eindrucke offen; aber eben deshalb kommt nicht jedes Gefühl zur bleibenden und tief ergreifenden Empfindung, weil eins das andere bald wieder verdrängt. Eben ſo wird zwar das Begehrungsvermögen ſchnell und oft erregt, allein es kommt auch hier nicht zu anhaltender Thatkraft, weil ein neues Objekt ſtets wieder eine neue Begierde erregt, ehe noch das vorige, wenn es anhaltende Thätigkeit verlangt, erreicht iſt. Der Sanguiniker iſt daher in ſeinen Gefühlen ſehr lebhaft; er iſt leicht zu rühren, aber dieſe Rührung geht ſelten in Handlung über, wenn fie nicht im erſten Moment benutzt worden. Sein Leben iſt voller Entſchlüſſe, von denen Weni⸗ ges durch eigene Energie der Thatkraft zur Ausführung kommt. Er iſt gelehrig, vergißt aber leicht das Ge⸗ lernte wieder; gutmüthig, dienſtfertig, frohſinnig, ein guter Geſellſchafter. Er verſpricht leicht, doch kann man ſich auf ſein Verſprechen nicht verlaſſen, weil er es bold wieder vergißt, und weil er oft nicht nachgedacht hat, ob er im Stande ſein wird, ſein Verſprechen zu halten. Er iſt leicht zu überreden, aber meiſtens behält derjenige Recht, welcher zuletzt mit ihm ſprach. Hat er gefehlt, ſo ſieht er es bald ein, bereuet es auch ſehr, doch iſt anhaltendes Grämen darüber ſeine Sache nicht. Geſchäfte ſind ihm nicht zuwider, wenn ſie leicht und bald zu vollenden ſind. Anhaltender, anſtrengender Arbeit iſt er nicht gewachſen, lieber iſt ihm raſtloſe, abwechſelnde, ſpielende Thätigkeit. Dieß Temperament iſt die Anlage zur Liebenswürdigkeit und zum Edelmuthe, aber auch zur Sinnlichkeit und zum Leichtſinn, welche beide von Stufe zu Stufe den Menſchen zu den groß: ten Verirrungen führen können. Aufforderung genug für jeden Menſchen, auf feiner Hut zu fein. (Elli.) b) Bei Kindern. Es giebt ſich dieſes Temperament in den erſten Jahren der Kindheit dadurch zu erkennen: Das Kind ſieht ruhig, wenn auch nicht zu lange, nach einem Gegenſtande hin, merkt auf das Gehörte, wendet ſich aber leicht wieder auf einen andern Gegenſtand. Ein ſolches Kind iſt bereit zum Gehorchen, zum Geben, zum Weinen wie zum Lächeln, zur Freude wie zur Betrübniß; dieſes Alles aber geſchieht weder mit beſonderer 401 Heftigkeit, noch für die Dauer. Es giebt ſich leicht hin, fühlt ſich aber nicht lange behaglich, und langt wie— der nach der Mutter oder der Wärterin. Bei der Liebe zur Veränderung iſt es für jeden Eindruck empfäng⸗ lich, der aber bald wieder verlöſcht. So bis zu den Schuljahren heranwachſend, wird dieſes fein Tempera—⸗ ment, je nachdem die Erziehung im älterlichen Hauſe beſchaffen war, unter mannigfaltigen Schattirungen ſich ausbilden. In der Schule wird es dem Lehrer durch ſeine Gutmüthigkeit, Willigkeit und Folgſamkeit Freude, aber durch Flatterhaftigkeit, Faſelei, Leichtſinn, Mangel an Ausdauer, tändelhaftes Weſen, Spielerei und Zer⸗ ſtreuung Verdruß machen. In Beibringung der Kenntniſſe, welche Nachdenken oder ausdauernde Geduld erfordern, wird es dem Lehrer viele Mühe koſten. N Dieſes Alles deutet, neben der Geſundheit des Körpers, auf Regſamkeit der innern Kraft und verſpricht Fähigkeit und Bildſamkeit. Bildung. a) Im älterlichen Hauſe. Wenn die Aeltern, namentlich die Mutter, die ja die eigentliche Erzieherin des Kindes, fein wachender Engel ſein ſoll, das ſanguiniſche Temperament an ihrem Pflegling erkennt; dann iſt es an der Zeit, daß ſie alles Schnellwechſelnde vermeidet, Sinn und Denkkraft aber bei Einem Gegenſtande ſo lange als möglich feſt— hält, wenig darauf achtet, wenn ein Spielgeräth weggeworfen wird, höchſtens werde es ihm wiedergegeben; wird es aber wiederholt verſchmäht, dann werde ihm Nichts gereicht. Und weint vielleicht das Kind, dann frage man wenig darnach; will man ihm etwas Anderes darreichen, fo mag es geſchehen, aber nicht bald, erſt nach einiger Zeit. Mit der Erfüllung ſeiner Wünſche werde gezögert, und wird es ungeduldig, dann achte man nicht darauf, frage vielmehr: „Kannſt du warten?“ Erfolgt ein „Nein!“ dann werde ihm entgeg— net: „So mußt du's lernen!“ ein „Ja!“ nun, ſo warte! Sollte ein Kind Etwas zu Stande bringen wollen, das ihm ſchwer fällt, ſo helfe man ihm nicht bald, ermuntere es vielmehr, ſeine Kräfte anzuſtrengen; bemerkt man aber, daß ſeine Kräfte nicht hinreichen, dann komme man ihm in Betreff deſſen zu Hilfe, was ſeine Kräfte überſteigt, damit es vor Muthloſigkeit bewahrt werde. Man geſtatte nie, ein angefangenes Werk unvollendet zu laſſen. Zwiſchenfriſten zu geben, oder mit ſich kapituliren laſſen, würde ihm den feligen Augenblick berauben, in welchem es im Bewußtſein eigener Kraft anwendung ſagen könnte: „Ich bin fertig!“ Fremden, zerſtreuenden Eindrücken räume man keine Gewalt ein, betrachte den ſtörenden Gegenſtand vielmehr als etwas Unwichtiges; und ſollte der kleine Flattergeiſt der Zerſtreuung dennoch nicht widerſtehen können, ſo laſſe man eine Pauſe eintreten, lege gleichgiltige Gedanken oder Fragen ihm über den Gegenſtand vor, ſo daß endlich gegen denſelben eine Gleichgiltigkeit im Kinde erreicht werde. 8 Siebe das Kind ein Verſprechen, fo darf ihm die Erfüllung deſſelben niemals erlaſſen werden; gut ift es, ſelten ihm ein Verſprechen abzunöthigen. Bei oftmaligen Erinnerungen kann leicht zu viel gethan wer— den; um dieß zu vermeiden, bemühe man ſich, das Kind ſich ſelbſt erinnern. Weil ein Kind mit ſanguiniſchem Temperamente leicht der Verführung nachgiebt, ſo iſt es vor ſolchen Umgebungen zu bewahren, die es auf Abwege verleiten können. Hat das Kind gefehlt, und fühlt es Reue, dann baue man nicht zu viel darauf, jedoch fern von Miß— trauen; damit aber ein dauernder Entſchluß in ihm begründet werde, ſo ſuche man bei Gelegenheit jenes Gefühl in ihm wieder hervorzurufen. Seiner Anlage zum Leichtſinn gebe man das nöthige Gegengewicht; man zeige ihm die Folgen ſeiner Handlungen und weiſe es auf die ernſte Seite des Lebens hin. 5) In der Schule. Daß dieſe Regeln auch für die Schule ihre Geltung finden, verſteht ſich von ſelbſt; jedoch iſt deren Anwendung der großen Kinderzahl halber ſchwer. Wenn es die Möglichkeit geſtattete, fo würden eigene, ab— 5 51 402 geſonderte Sitze in Schulen für ſolche Naturen von erſprießlichen Folgen fein. Da dieſes aber nicht angeht, fo ift das Gerathenſte, fie unter den Kindern fo zu vertheilen, daß fie ihre Plätze zwiſchen Kindern von me⸗ lancholiſchen oder auch von phlegmatiſchen Temperamenten erhalten. Sind ſolche Kinder aber durch häusliche Erziehung vorbereitet, dann dürfte, um die Schulordnung nicht zu verletzen, dieſe Rückſicht wegfallen. Bei dem unruhigen, plauderhaften Weſen ſolcher Kinder, ihren Spielereien und Faſeleien, thut der Lehrer wohl, weder Böſes zu finden, noch weniger boshafte Abſichten vorausſetzen zu wollen; und weil bei ſolchen Naturen in der Regel eine gewiſſe Gutmüthigkeit vorwaltet, ſo iſt vielmehr dieſes Alles als Solches darzuſtellen, was in der Schule nicht geduldet werden kann. Erinnerungen, mitunter ein kräftig ertönendes „Ruhig!“ oder „Still!“ wird meiſtens hinreichen. Bei Lehrgegenſtänden, namentlich bei ſolchen, welche Anſtrengung erfordern, muß der Lehrer ſolche Kin— der beſonders im Auge halten; denn ſie ſind gewöhnlich denkfaul, laſſen lieber Andere für ſich denken, ſtecken ſich gern hinter die Thätigen und Rüſtigen, um ſich der Unachtſamkeit und der Zerſtreuung hingeben zu kön⸗ nen; laſſen endlich Andere für ſich arbeiten, ſich die Antworten einflüſtern, überhaupt von Andern aushelfen. Um mit den aufgegebenen Arbeiten bald fertig zu werden, arbeiten ſie gewöhnlich flüchtig, oberflächlich und leichtweg, machen Fehler gegen die bekannteſten Regeln, und bringen Nichts als Sudeleien zum Vorſchein. Solche flüchtige Arbeiten dulde der Lehrer nie, zumal, wenn die Arbeit nicht die Kräfte der Kinder (was niemals fein fol) überſtieg. In ſolchen Fällen muß die Arbeit noch ein Mal, jedoch zur Zufriedenheit, ges macht werden. Bei dieſen Naturen iſt es gerade von außerordentlicher Wichtigkeit, gleich von Anfang an auf Pünkt⸗ lichkeit, Vollſtändigkeit und Ausdauer zu dringen. Nachſicht des Lehrers würde, bei ſpäter eintretender größe⸗ rer Strenge, für Ungerechtigkeit — die überhaupt immer zu vermeiden iſt — angeſehen werden. Wichtig iſt es, daß der Lehrer bei ſolchen Kindern überall die Gründe ihres Verfahrens und Handelns bewußt werden läßt, weil ſie ſich den augenblicklichen Eindrücken des Gefühls zu leicht hingeben, und es iſt darum nothwendig, ihren Gefühlen und Beſtrebungen in feſten Grundſätzen das völlige Gegengewicht entgegen zu ſtellen. Durch Grundſätze ſollen fie der Reizbarkeit, Empfindlichkeit, Ueberredung, Verführung begegnen, die Willigkeit, den Gehorſam, die Liebe, die Hingebung, den Glauben, die Hoffnung, die Gefälligkeit ꝛc. leiten und regeln lernen. Zu Schmeicheleien geneigt, wollen ſie ſich gern beliebt machen, daher ihre Angebereien. Hierauf muß der Lehrer nicht viel achten; aber Liebe und Anerkennung zeige er überall den wahren Vorzügen, der ſittli— chen Kraft. Thränen, ſowol über fremden als über eigenen Schmerz, ſind bei ihnen eine wohlfeile Waare. Man achte Beides wenig; ſie ſind ſchnell ziehende Segler der Lüfte, die bald dem lachenden Sonnenſchein Platz machen. Freigebig, ſchätzen ſie nur das, was ihnen für den Augenblick Vergnügen macht oder Bedürfniß iſt. Von liſtigen Kindern laſſen ſie ſich leicht etwas ablocken, ja betrügen. Dieſem zufolge lehre man ſie Geld und Sachen nach ihrem Werthe ſchätzen, und dulde es in der Schule nie, Etwas zum Vorſchein zu bringen, was als nothwendig nicht gebraucht wird. Dadurch wird der Lüſternheit, der Uebervortheilung, überhaupt der Kaupelei begegnet. Faſſen wir dieſes Alles zuſammen, ſo hat Schule und Haus bei dieſen Kindern vorzüglich Ausdauer, Ueberlegung, Beſonnenheit und Ruhe zu erſtreben. „Ueber die Grundloſigkeit eines Haupteinwurfs gegen die Leſemethode Jacotot's“ hielt Herr Karl Seltzſam einen Vortrag. Der Verfaſſer ſagt: 403 „Die Vorwürfe, welche man dieſer Methode macht, ſind folgende: 1) Dieſe Methode eigne ſich vor— läufig noch nicht zur allgemeinen Verbreitung, weil bei ihr unumgänglich nothwendig erſcheine ein regelmäßiger Schulbeſuch und ein ſtets gleichzeitiger Eintritt der Anfänger; beides ſeien unter den jetzigen Umſtänden noch fromme Wünſche. 2) Bei geringer Schülerzahl ſei die Anwendung der Methode wohl möglich; in ſehr zahl— reichen Schulklaſſen könne ſie keine Anwendung finden. 3) Kinder aus den gebildeten Ständen könnten wohl nach ihr geführt werden, für Schulen der niedern Klaſſen ſei fie nicht am rechten Orte. 4) Sie ſei zu an⸗ ſtrengend für den Lehrer und untergrabe ſeine Geſundheit. 5) Sie nehme die Thätigkeit des Lehrers bei der untern Abtheilung zu ſehr in Anſpruch und führe deshalb zur Vernachläſſigung der älteren Schüler. — Die Grundloſigkeit dieſer Einwürfe hat Herr K. Seltzſam in ſeiner Brochüre: „Der Geiſt der Jacotot'ſchen Methode in Beziehung auf den erſten Leſeunterricht“ nachgewieſen. Man hat dem erſten Leſe- und Schreib: Unterricht nach Jacotot zum Vorwurf gemacht, daß er nicht die methodiſchen Regeln: „Vom Leichtern zum Schwerern, vom Einfachen zum Zuſammengeſetzten,“ befolge; daß er nicht ſtufenmäßig fortſchreite und ihm die an andern Methoden ſo gerühmte Lückenloſigkeit und methodiſche Anordnung oder planmäßige Gliederung des Lehrſtoffes gänzlich fehle. Noch vor Kurzem wurde dieſe Methode von einem Pädagogen unnatürlich genannt, und doch giebt Ebenderſelbe zu, daß ſie wie die Natur, wie das Leben auf die Schüler einwirke, aber eben darum eine Unmethode ſei, die die Schule habe, in einer ganz andern Weiſe auf dieſelben einzu— wirken. Ein ſchöneres Zeugniß kann der Jacotot'ſchen Methode nicht gegeben werden, als das iſt, daß ſie wie die Natur, wie das Leben die Schüler beim Unterricht leite. Es iſt wahr, die angeblichen pſychologiſchen, lückenloſen Reihen der Uebungen, wie ſie z. B. in den erſten Leſebüchern gewöhnlich aufgeſtellt ſind, und die man lange Zeit für naturgemäß erklärte, ſind in Jacotot's Methode nicht zu finden. Der Unterricht im Leſen nach Jacotot lehnt ſich an einen Normalſtoff an; die planmäßige Gliederung beſteht in dem Zer— legen dieſes Lehrſtoffs in feine einzelnen Sätze, im lautrichtigen Nachſprechen derſelben, im Auffaſſen der Wort⸗ bilder dieſer Sätze, im Zerlegen der Wörter in ihre Sylben und Laute, im Kennenlernen der Lautzeichen und im Zuſammenfaſſen dieſer Laute wieder zu Wörtern. Obgleich bei einer ſolchen Behandlung des Lehrſtoffes die erſten Verſuche ſogleich weit genügendere Reſultate als früher bei den Schülern zeigten, ſo hat man dieſe Lehrweiſe dennoch eine Unmethode genannt, weil das Syſtem und die natürlichen Reihen fehlen, und weil die Sätze und Wörter in der Reihenfolge behandelt werden, wie ſie eben der Normalſtoff giebt. Könnte denn aber eine Unmethode gute Früchte tragen? — Wirft man einen unparteiiſchen Blick in die erſten Leſe— bücher, welche für die ſynthetiſche Leſemethode bearbeitet find, und wo das wiſſenſchaftliche Syſtem, wie die natürlichen Reihen den Gang der einzelnen Uebungen beſtimmen, ſo wird man bald finden, daß man in ihnen das ſo gerühmte Aufſteigen vom Leichtern zum Schwerern, vom Einfachen zum Zuſammengeſetzten, am aller— wenigſten findet. Abgeſehen davon, daß ſie alle mit dem Abſtrakten beginnen und erſt ſpäter zum Konkreten übergehen, ſind die Uebungen der Art, daß das Schwere und Zuſammengeſetzte ſehr oft dem Leichten und Ein— fachen vorangeht. Erſcheinen etwa dem Kinde die Sylben: „alkſ — alkſt, elkſt, ulkſt, ampfſ — ampfſt, ämpfſt, impfſt, ampfſt“ — nicht weit zuſammengeſetzter und ſchwieriger, als die ſpäteren Sätze: „der Tiſch iſt von Holz — der Topf iſt neu — das Tuch iſt fein?“ — Wollte nun Jemand in der oben angegebenen plan— mäßigen Gliederung des Lehrſtoffes beim Leſeunterricht nach Jacotot dennoch nicht die Stufinfolge vom Leich— tern zum Schwereren herausfinden, ſo bliebe immer noch ein Weg übrig, welchen man einſchlagen könnte, ohne ſich von der leitenden Idee der Jacotot'ſchen Methode zu entfernen. Jacotot will ja ſelbſt, daß man ſich an den Buchſtaben ſeiner Methode nicht anklammere. Herr Seltzſam gab hier Andeutungen, von denen er aber ſelbſt geſtand, daß ſie von ſeinen Kollegen nicht gut geheißen würden. Jacotot nennt ſeine Lehrweiſe Naturmethode, weil ſie nicht mit Syſtemen beginnt; er ſagt: „Man muß ſich (beim Anfange des Unterrichts) vor den Syſtemen hüten, das iſt mein Syſtem. Nun aber macht Ihr Syſteme, folglich muß man ſich vor Euch hüten.“ Es iſt befremdend, daß man ſich gerade beim erſten Leſeunterricht, ſo zu ſagen, ſo feſt in den einmal betretenen Weg hineingerannt hat, und in ihm nur die einzig richtige, methodiſche 51 * 404 Anordnung gefunden zu haben glaubt, während man doch in den meiſten übrigen Unterrichtsgegenſtänden ſchon längſt andere Bahnen verfolgt und dennoch dieſen nicht den Vorwurf der Planloſigkeit und Unordnung gemacht hat.“ — Herr Seltzſam wies an einigen Unterrichtsfächern nach, wie bei der Behandlung derſelben man in neueſter Zeit mehr oder weniger nach Jacotot'ſchen Prinzipien verfährt, z. B. im Religions-, Sprach-, Rechnen- und Naturgeſchichts-Unterricht. Selbſt im Geſangunterricht find glückliche Verſuche in der Methode gemacht worden. — Den Vorwurf der Unnatürlichkeit, der Oberflächlichkeit, des Mechanismus, der Ordnungsloſigkeit verdiene alſo die Jacotot'ſche Methode nicht. Wer Gründliches über die Widerlegung jener Vorwürfe leſen will, der ſetze ſich von der jüngſt im Druck erſchienenen Schrift: „Beiträge zur Würdigung der Jacotot'ſchen Methode, von K. Seltz ſam“ (Breslau, bei Georg Philipp Aderholz, 1848, 5 Sgr.) in Kenntniß. Die Mittheilungen des Herrn Rektor Dr. Reiche betreffen die „Anſtalten für Erziehung und Unter⸗ richt der Taubſtummen in Deutſchland.“ Der Herr Verfaſſer hatte dieſelben einem Berichte entlehnt, welche in der Darmſtädter „Allgemeinen Schulzeitung“ enthalten iſt. Wir bedauern, wegen Abweſenheit des Herrn Verfaſſers, zu einer Zeit, wo uns das Manuſcript zum Druck abgefordert wird, das Material zum Berichte von dem Herrn Verfaſſer nicht erhalten, und deshalb nicht mit genügender Ausführlichkeit Mittheilungen geben zu können. Wem die Sache von Intereſſe iſt, der wolle das Original in der erwähnten Schulzeitung vom Jahre 1846 und 1847 nachl ſen. IT zu Seite 302. Römisches Theater nach Vitruvius. | Bühne. | Griechisches Theater nach Vitruvius. re 700 1 Schuß ea 8 ; N50 97 . 1 je te t Ark LE 1 hit, 5 1 11 171 u na * Er In hal f. Allgemeiner Bericht uͤber die Arbeiten und Veraͤnderungen der Geſellſchaft im Jahre 1847. S. 3 Gedrängte Ueberſicht der Arbeiten der einzelnen Seetionen. I. Abtheilung für Maturwiſſenſchaften. II. Abtheilung für Statiſtik, Geſchichte, A. Naturwiſſenſchaften an und für ſich. Philologie und Pädagogik. 1) Die naturwiſſenſchaftliche Section .. S. 4 9) Die hiſtoriſche Sectiaguů dw S. 9 2) Die entomologiſche Sectinn n — 5 | 10) Die Section fir Statiſtik und National⸗ 3) Die botaniſche Secti “nns. — 5 Son mie f 10 4) Die Section für allgemeine Erdkunde. — 6 | 11) Die Section für Philologie. II 2055 12) Die paͤdagogiſche Sectiiahun Ss — 11 . Sen Natur wiſſenſchaften. 13) Die Section fuͤr Kunſt und Alterthum — 12 e e a S. 6 | 14) Die muſikaliſche Section — 13 6) Die oͤkonomiſche Section .....- — 7 | 15) Das Praͤſidium der Geſellſchaft .. — 15 7) Die Section für GartenbaLNQ ru — 8 8) Die techniſche Secttiun sss — 8 i RK LE er e e Ve Selerel.r. — 117 Entwurf zu dem Einnahmen- und Ausgaben-Etat der allgemeinen Kaffe für die Jahre 1848 — 49 — 18 Status der Mitglieder der GeſellſchaftꝙD dns. — 20 Zuwachs der Bibliotheken und Muſeeuu¶˖ndsdsss. ä — 24 Berichte über die Thätigkeit der einzelnen Seetionen. I. Abtheilung für Naturwiſſenſchaften. A. Naturwiſſenſchaften an und fuͤr ſich. 1) Naturwiſſenſchaftliche Section ....... S. 27 a) Phyſik (Vorträge und Mittheilungen der Herren Gebauer, Marbach und Sond hau, — 27 b) Chemie (die Herren Beinert, v. Bogus⸗ b lawski, Duflos, Fiſcher, Gebauer, Krocker, Schneider und Struve) ... — 29 e) Mineralogie (die Herren Goͤppert, Hammer, Kenngott, Krauſe, Rend— ſchmidt, Scholtz und v. Strantz) — 50 d) Petrefaktenkunde (die Herren Goͤppert, v. Meyer und Mentzel — 59 e) Pflanzenkunde (die Herren Goͤppert, Kelch, Purkinje, Schramm u. Spatzier) — 77 f) Zoologie (Herr M. v. Uechtritz) .... — 79 g) Anatomie und Phyſiologie (die Herren Levy und Purkinjeᷣꝛ S. 81 h) Miscellaneen (die Herren Guͤnsburg, Neugebauer und Purkinje — 83 2) Entomologiſche Sectihn n. — 101 A. Allgemeines (Vortraͤge und Mit⸗ theilungen der Herren Klopſch und Seide); ener — 101 B. Beſonderes a. Inſekten. I. Coleoptera (die Herren Kelch, Letzner und Schilling 7. — — 101 II. Orthoptera (Herr Scholtz: — 105 III. Hymenoptera (die Herren Schilling, Scholtz und Schummel -....... — 105 Schleſiens Blattwespen (Hr. Scholtz) — 106 IV. Neuroptera (Herr Schneider. — 111 V. Hemiptera (die Herren Schneider und Scham; ]ĩ?ĩ?? S. 115 VI. Diptera (Herr Scholtz . . . e 115 VII. Lepidoptera (die Herren Klopſch und Schl) 8 — 115 b. Arachniden (Herr Seidel) .. — 115 Einige Beobachtungen an Spinnen — 115 3) Botaniſche Sectiunun nnn — 121 Beitraͤge zur Lehre von der Bildung der Pflanzenzelle (Herr Koͤrber) — 121 Ueber die Hybriditaͤt der Weiden (Herr Wimmer) — 124 Ueber die Zuſammenſetzung der weib- lichen Bluͤthe und die Stellung der Narben bei den Weiden (Herr SEUHUTO) Nahen Blele telelsld tele. — 131 Demonftration an lebenden Pflanzen unter d. Mikroſkop (Hr Goͤppert) — 133 Mittheilungen uͤber ſeltene ſchleſiſche Pflanzen (Herr Siegert — 133 Ueber die Vegetation des Rummels⸗ berges (Herr Sadebeck ).. — 134 Ueber die pflanzenaͤhnlichen Einſchluͤſſe in den Chalcedonen, beſonders uͤber die Dendriten (Herr Goͤppert) — 135 Ueber den rothen Farbeſtoff in den Ceratophylleen (Herr Goͤppert) — 147 Ueberſicht der botaniſchen, insbefon- dere der Flechten-Sammlungen (Herr Goͤppert -..22.2..00.. — 148 Ueber einige wichtige biologiſche und morphologiſche Verhaͤltniſſe der Weiden (Herr Wimmer) — 155 Materialien zur Pflanzen-Geographie (Herr v. Uechtritzᷣ — 169 4) Geographiſche Sectihun ss — 175 1. Topographie und Ethnographie (Vorträge und Mittheilungen der Herren v. Bogus⸗ lawski jun., v. Hochberg und Scholtz) — 175 II. Phyſiſche Geographie u. Geognoſie (Herr auff, N — 194 III. Meteorologie, Klimatologie und Hypſo⸗ metrie (die Herren v. Boguslawski sen. und Sade? .S. 195 B. Angewandte Naturwiſſenſchaften. 5) Mediciniſche Section (Vortraͤge und Mit⸗ theilungen der Herren Barkow, Beinert, Borkheim, Buͤrkner, Burchard sen., Ebers, Figulus, Goͤppert, Graͤtzer, Groſſer, Guͤns⸗ burg, Hodann, Koſchate, Krauß, Krocker s., Kuh, Lehr, Levy, Luͤdicke, Nagel, Neu: gebauer, Seidel und Zemplinn) — 219 6) Techniſche Section (Vorträge und Mit⸗ theilungen der Herren v Boguslawski s., Duflos, Frankenheim, Gebauer, Gottge— treu, Kopiſch, v. Oheimb, Sadebeck, Schade, Selbſtherr, Szarbinowski u. Sondhaus) — 253 7) Section fuͤr Obſt- und Garten-Kultur. (Statut, Herbſtausſtellung, Vortraͤge und Mittheilungen der Herren Goͤppert, Hen— ſchel, Nadbyl, Sander, Schauer und Wimmr :: ne — 271 Beilage über die Gattungen und Arten der ieee 00 0 0000 00H DREH — 282 II. Abtheilung für Statiſtk, Geſchichte, Philologie und Paͤdagogik. 8) Sektion für Statiſtik und National: Oekonomie (Statuten, Vortraͤge u. Mit⸗ theilungen der Herren Idzikowski, Kries, Schneer und Scholtz S. 309 9) Hiſtoriſche Section (Beitraͤge zur innern Geſchichte Preußens, von Herrn Roͤpell) — 339 10) Philologiſche Section (Vortraͤge u. Mit⸗ theilungen der Herren Fickert, Friedlieb, Haaſe, Schoͤnborn, Wagner, Winkler, Wiſſowa und Zaſtrayõ ort: — 361 11) Paͤdagogiſche Section (Vortraͤge u. Mit⸗ theilungen der Herren Geppert, v Huͤlſen, Kaͤmp, Kletke, Saske, Karl Seltzſam, Scholz und Zahn) Reſultate meteorologiſcher Beobachtungen der Sektion fuͤr die Sudetenkunde vom J. 1845. Alphabetiſches Hamen- Berzeichniß der Berfaffer der in dieſem Iabres- Berichte abgedruckten Beiträge. Herr Profeffor Dr. Barkow, S. 6. 219, 224. 225. | Herr Oberlehrer Kelch in Ratibor, S. 101, 232. 245. — Privat-Docent Dr. Phil. Kenngott, S. 4. 50. Buͤrgermeiſter Bartſch, S. 3. Dr. Phil. Baumgart, S. 13. Dr. Phil. Beilſchmied, S. 131. Dr. Phil. Beinert in Charlottenbrunn, S. 4. 5. 36. 246. Prof. Dr. Phil. v. Boguslawski, S. 4. 6. 9. 36. 175. 205. 214. 261. Dr. Phil. v. Boguslawski in Mexico, S. 6. 186. Hofrath Dr. Med. Borkheim, S. 237. Prof. Dr. Phil. Braniß, S. 4. Hofrath Dr. Med. Burchard, S. 233. Dr. Med. Buͤrkner, S. 219. Profeſſor Dr. Ph. Duflos, S. 4. 9. 38. 49. 260. Geh. Medicinalrath Dr. Ebers, S. 3. 12. 222. 224. 232. Hauptmann Farthmann, auf Klein-Schwein bei Glogau, S. 4. Direktor Prof. Dr. Fickert, S. 11. 283. Profeſſor Dr. Med. Fiſcher, S. 4. 30. 38. Major v. Flotow in Hirſchberg, S. 6. Profeſſor Dr. Phil. Frankenheim, S. 9. 270. Profeſſor Dr. Theol. Friedlieb, S. 11. 385. Director Gebauer, S. 4. 8. 27. 46. 253. 268. Lehrer Geppert, S. 11. 399. Profeſſor Dr. Med. Goͤppert, S. 4. 6. 8. 27. 68. 79. 133. 135. 147. 148. 173. 236. 276. Dr. Med. Graͤtzer, S. 222. Geh. Hofrath Prof. Dr. Phil. Gravenhorſt, S. 5. 101. 105. Privat-Docent Dr. Med. Groſſer, S. 227, Hoſpitalarzt Dr. Guͤnsburg, S. 5. 85. 225. 236, 239. Prof. Dr. Phil. Guhrauer, S. 4. 9. 10. Prof. Dr. Phil. Haaſe, S. 11. Stollenſteiger Hammer in Zabrze, S. 4. 54. Prof. Dr. Med. Henſchel, S. 8. 276. v. Hochberg, auf Mukrau, S. 192. Stadt- und Hoſpital⸗Wundarzt Hodann, S. 234. 243. Stadtrath und Oberſtlieutenant v. Huͤlſen, S. 11. 392. 393. Prof. Dr. Phil. Jacobi, S. 10. Apotheker Jaͤckel in Liegnitz, S. 4. Mechanikus Ilgmann, S. 27. Profeſſor Dr. Phil. Kahlert, S. 4. 12. Rektor Kaͤmp, S. 11. 398. Direktor Dr. Phil. Kletke, S. 387. Gymnaſiallehrer Klopſch, S. 101. 115. Gymnaſiallehrer Dr. Phil. Koͤrber, S. 5. 173. Dr. Med. Koſchate, S. 222. Apotheker Krauſe, S. 4. 130. Dr. Med. Krauß, S. 237. Prof. Dr. Phil. Kries, S. 9. 327. Sanitaͤtsrath Dr. Krocker, S. 224. Dr. Phil. Krocker, S. 29. Prof. Dr. Med. Kuh, S. 224. 230. 245. Dr. Med. Lehr, S. 230. Elementarlehrer Letzner, S 101. Dr. Med. Levy, S. 5. 81. 231. Kaufmann G. Liebich, S. 15. Seminarlehrer Loͤſchke, S. 10. Dr. Med. Luͤdicke, S. 235. Dr. Phil. Marbach, S. 4. 27. Ober⸗Huͤtten-Inſpector Menzel in Koͤnigshuͤtte, S. 4. 59, Conſiſtorſal⸗ u. Schulrath Menzel, S. 4 9. 10. H. v. Meyer in Frankfurt a. M., S. 4. Muſik⸗ Director Moſewius, S. 13. Apotheker Muͤller, S. 4. Univerſitaͤts⸗Sekretaͤr Nadbyl, S. 4. 8. 271. 276. Dr. Med. Nagel, S. 245. Dr. Med. Neugebauer, S. 83. 226. 239. Apotheker Neumann in Wuͤnſchelburg, S. 170. v. Oheimb, S. 267. Apotheker Oswald in Oels, S. 5. Cand. Med. Paſſow, S. 170. Paſtor Pauli in Zibelle, S. 170. . Profeſſor Dr. Med. Purkinje, S. 4. 77. 82. 87. Rector und Prof. Dr. Phil. Reiche, S. 11. 404. Rektor und Seminar- Oberlehrer Rendſchmidt, S. 4. 52. Profeſſor Dr. Phil. Roͤpell, S. 9. 10. 339. Gymnaſial-Kollege Dr. Phil. Sadebeck, S. 6. 9. 134. 206. 255. Lehrer Sander in Jacobswalde, S. 280. Cand. Phil. Saske, S. 11. 390. Uhrmacher Schade, S. 9. 255. S. Schauer, botaniſcher Gaͤrtner, S. 8 276. 277. Profeſſor Schilling, S. 104. 105. Regierungs-Aſſeſſor Dr. Schneer, S. 10. 309. 312. 325. 328. Herr Dr. Phil. Schneider, S. 4. 48. 111, Direktor Prof. Dr. Phil. Schönborn, S. 11. 361, Stadtrath S. F. Scholtz, S. 4. 6. 15. 53. 175. 320. Dr. Med. H. Scholtz, S. 105. 106. 115. Seminar-Oberlehrer Scholz, S. 4. 11. 394 395. 396. Dr. Med. Seidel, S. 229. Apotheker Seidel, S. 101. 115. Stadtrath Selbſtherr, S. 9. 253. Lehrer Karl Seltzſam, S. 402. Muſik⸗ Direktor Siegert, S. 6. 133. Gymnaſial- Oberlehrer Dr. Phil. Sondhaus, S. 4. 9. 29. 270. Apotheker Spatzier in Jaͤgerndorf, S. 4. 78. Landgerichtsrath Szarbinowski, S. 9. 256. Geh. Archivrath Prof. Dr. Phil. Stenzel, S. 4. Herr Oberſtlieutenant a. D. Dr. Phil. F. v. Strantz, S. 4. 10. 13. 56. 194. Apotheker Struve in Goͤrlitz, S. 4. Max v. Uechtritz, S. 6. 79. 104. 169. Prof. Dr. Phil. Wagner, S. 11. 361. Geh. Hofrath Prof. Dr. Phil. Weber, S. 7. Kammergerichts-Aſſeſſor Wichura in Berlin, S. 5. 131. Direktor und Prof. Wimmer, S. 5. 121. 124. 155. 170. 280. Gymnaſial⸗Oberlehrer Dr. Phil. Winkler, S. 11. 372. Direktor Prof. Dr. Phil. Wiſſowa, S. 11. 385. Gymnaſial-Oberlehrer Dr. Phil. Zaſtra, S. 11. 385. b Geh. Hofrath Dr. Med. Zemplin, S. 224. Pharmazeut Zoͤlffel, S. 6. Reſultate von dem Vereine für die Sudetenkunde jetzt geographiſchen Section der Schleſiſchen Geſellſchaft für vaterländiſche Cultur 6 im Jahre 1845 ausgeführten meteorologiſchen Beobachtungen zu atmoſphäriſchen, klimatologiſehen und hypſometriſchen Zwecken von Dr. von Boguslawski, z. Z. Secretair der geographiſchen Section. (Als Anhang zum Jahresberichte der Schleſiſchen Geſellſchaft von 1847.) 1. Station Natibor. 4 M. 48 S. öſtlich, 0 45/5 ſüdlich von Breslau. Beobachter: Oberlehrer Fülle. Summen der auf 0%. reducirten Barometerſtände und der Temperatur-Beobachtungen der freien Luft im Schatten, nach den täglich dreimaligen Beobachtungen um 7 U. Morgens, 12 U. Nachmittags und 9 U. Abends. 1845 Anzahl der Beobachtungen Summen der Barometerſtände Summen der Thermometerſtände Monat 7 u. 12 u. 9 u. Summa u. 12 u. 9 u. Summa] Tu. 12 u. 9 u. Summa Januar 30 31 20 87 936.78 965. 80] 792.15) 2694.73 — 45.4 “ 102.3 — 17.80 39.1 Februar. 27 27 Sa 777.52 782.16 666.40 2226.08] 197.3. — 20.00 162.6 — 379.9 März 28 30 27 85 820.40 895.59) 814.18 2530.17 — 149.07 100.6 — 114.1 162.5 April 30 30 25 85 886.62 867.39 749.99 2504.00 [ 122.8) 393.6 + 138.0 654.4 Mai 31 29 29 89 841.43 784.77 785.78 2411.98] 264.44 439.2] 258.3 961.9 Juni 28 28 27 83 833.76] 828.49] 798.36 2460.61] 374.5 594.4 357.8 1326.7 Sui! 29 28 30 87 874.93] 840.28 898.35 2613.56 392.9 603.4 397.6] 1393.9 Auguft... 30 239 27 86 894.810 863.300 808.65 2566.76| 343.3 553.11 303.9) 1200.3 September 30 27 25 82 920.88 827.31 762.77 2510.96] 250.7| 441.8 216.5 909.0 October 23 21 22 66 730.85 668.85] 700.66| 2100.36 + 126.3 214.4 140.2 480.9 November December. 29 30 25 84 834. 18 835.68 708.92| 2378.78|— 3.3|+ 82.4|+ 3.9)+ 83.0 Jahres⸗S. 315 310 286 911 9352. 16 9159.62] 8486.21 26997.99] 1479.90 3505.2] 1521.7 6506.8 Gleichzeitige Gegenbeobachtungen auf der Sternwarte zu Breslau. 58 M. 48 S. öſtlich von Paris, unter 517“ nördl. Breite und 453.62 Par. Fuß über dem Spiegel der Oſtſee. 1845 Barometerſtände Thermometerſtände Naben Summen zu Breslau Mittel Summen zu Breslau Mittel Monat en —. N 7 u. | 12 u. 9 u. Snmma Breslau Ratibor. ] 7 u. 12 u. 9 u. Summa | Breslau | Ratibor. Januar 980.58 1017.21 840.75 2838.54] 32.627 30.974— 28.7 E 23.8 — 10.5 — 15.4 — 0.18 + 0.45 Februar 824.94] 835.180 705.35 2365.47] 30.720] 28.910 193.3 — 127.6 133.9 454.5 5.91 — 4.93 März 885.49 956.20] 869.38] 2711.07] 31.894] 29.767 — 163.8 — 66.9 — 115.8 — 346.8 — 4.08 — 1.91 April .... 942.64) 943.41 785.56 2671.61] 31.431) 29.459|-+ 156.6, + 276.4|+ 164.2 597.2I+ 7.02 + 7.70 Mai..... 938.25 872.96] 870.510 2681.72] 30.132) 27.101 247.8 331.3 252.5 831.6j+ 9.34 + 10.81 Juni 91597] 916.29 878.34 2710.60] 32.658 29.646 351.8 451.2 381.6 1184.67 14.27 + 15.98 Juli 956.87 915.24] 974.09] 2846.20] 32.715 30.041] 400.5 491.5 452.9, 1344.90 / 15.46| + 16.02 Auguſt 960.34] 931.93) 865.72] 2757.99] 32.069 29.846 353.9 462.5 354.90 1171.3] + 13.62 + 13.96 September 974.85 878.79 808.81 2662.45] 32.469 30.621 248.6 339.9 243.9 832.47 10. 15 + 11.09 en: 771.135) 708.81) 740.38 2220.32) 33.641 31.824 140.5 175.9 153.3 469.74+ 7.12)+ 7.29 ovember December. 878.32] 891.710 752.29 2522.32] 30.027] 28.319], 22.3 . 49.4 7 20.0 91.7] 1.09|+ 0.99 Jahres⸗S. 10029. 38 9867.73 9091.18 28988.29] 31.820 29.636] 1536.2 2407.4 1763. 1 5706.7] 7 6.267 7.14 Mittel um 7 U. 3 8 5 31.839| 29.689 & 9 8 + 4.88, 4.69 — 5 12 u. 8 8 31.831 29.547 \ 5 5 ; aa — 0 : 9 Uu. 8 31.787 29.672 8 5 8 + 6.17 + 5.32 Bezeichn. 5 5 5 2 B 0 b L l Anmerk.: Die Barometerftände in Par, Linien, nach Abzug von 300 L. vom einzelnen; die Thermometerſtände nach Réaumur. SSS Y — r — . —-— — nn — — 4 2. Station Kreuzburg. 4 M. 40 S. öſtlich, 0° 8“ ſüdlich von Breslau, 157.98 Par. Fuß höher. Beobachter: Nathsherr Lehmann d. ä. Summen der auf 0 R. reducirten Barometerſtände und der Temperatur-Beobachtungen der freien Luft im Schatten, nach den täglich dreimaligen Beobachtungen um 6 U. Morgens, 2 U. Nachmittags und 10 U. Abends. 1845 Anzahl der Beobachtungen Summen der Barometerſtände [Summen der Thermometerſtände Monat 6 u. 2 u. | 10 u. Summa 6 u. | 2 u. | 10 u. Summa 6 u. 2 u. 10 u. Summa Januar 31 31 31 93 953.75 953.83 955.30 2862.88 — 15.1 . 51.4 — 5.3 31.0 28 28 28 84 793.36 799.58 797.33 2390.27| 193.7 — 100.4 172. 1 — 466.2 31 31 31 93 922.99| 925.19] 918.45 2766.63I— 163.5 — 23.8 — 141.6/— 328.9 30 30 30 90 881.07] 877.16 874.89| 2633.12|+ 107.0 + 298.9 + 162.8|-+ 568.7 31 31 31 93 865.47 867.48 865.19 2598.14 242.6) 393.0 252.3 887.9 30 30 30 90 906.30] 903.35 898.85] 2708.50 390.3 527.7 388.4 1306.4 31 31 31 93 938.34] 935.05 933.02) 2806.41] 427.1 569.7 440.7 1437.5 31 31 31 93 918.26 916.96 916.43 2751.65] 345.9“ 509.60 367.1 1222.6 30 30 30 90 907.52) 903.77 902.39 2713.68] 230.80 398.2 263.3 892.3 31 31 31 93 947.68 945.86 948.75 2842.29] 177.0) 292.3 203.3 672.6 November 30 30 30 90 912.710 912.24 910.11 2735.06 94.44 193.8 116.1 404.3 December. 31 31 31 93 863.00] 856.65 854.95 2574.60|+ 23.3|+ 52.10% 18.9|+ 94.3 Jahres⸗S. 365 365 365 1095 10810. 45 10797. 12 10775. 6632383. 23] 1666.1 3162.5 1893.9 6722.5 Gleichzeitige Gegenbeobachtungen auf der Sternwarte zu Breslau. 58 M. 48 S. öſtlich vou Paris, unter 51 9 7°’ nördl. Breite und 453.62 Par. Fuß über dem Spiegel der Oſtſee. 1845 Barometerſtände Thermometerſtände Summen zu Breslau Mittel Summen zu Breslau Mittel Monat JJ ß 51 6 u. | 2 u. | 10 u. | Summa | Breslau Kreuzb. 6 u. | 2 U. 10 u. Summa Breslau | Kreuzb. Januar . 1017.50 1016.64 1015.25 3049.39] 32.789 30.783 — 32.5 . 36.9 — 10.3 — 5.9 0.63 + 0.33 Februar. 850. 100 861.36] 853.66] 2565.12] 30.537 28.455 196.3 — 115.4 149.2 460.9 5.49 — 5.55 März... 984.90 987.41 993.74 2966.05] 31.893 29.749 — 189.0 — 47.7 — 139.3 — 376.0 — 4.04 — 3.53 April 938.75 938.77 938.22 2815.74] 31.286] 29.257 ½ 137.4 + 300.7 7 188.7 + 626.8|+ 6.96. 6.32 Mai 929.23 931.91] 932.28 2793.42] 30.037 27.937 233.6 379.1 272.1 884.8 9.51 9.55 Juni 978.57] 975.49 975.45 2929.51] 32.550 30.094 357.5 530,4 412.0 1299.9 14.44 14.52 Jul? 1012.61 1007.02 1009. 15 3028.78] 32.568 30.176 409.0 569.0 468.6 1446.6 15.55 15.46 Auguſt 993.66 986.46 990.95] 2971.07] 31.947 29.587 339.1 552.4 398.2 1289.7 13.87 13.15 September 977.17 969.810 971.34 2918.32] 32.426 30.152 246.0 386.5 284.3 916.8 10.19 9.92 October . | 1018.22) 1014.79 1021.68 3054.69] 32.8460 30.562 188.6 285.5 220.7 694.8 7.47 7.23 November 976.72 972.93 977.78] 2927.43] 32.527 30.389 97.5 203.9 121.4 422.8 4.70 4.49 December. 931.08] 920.30 923.18 2774.56 29.834 27.684 24.3 . 33.0 + 33.6 110.9 1.19 1.01 Jahres⸗S. 11608. 51011582. 89 11602. 680 34794.08] 31.776 29.574] 1615.2 3134.3 2100.8 6850.3 6.26 6.14 Mittel um [6 u. x ; ; 31.804 29.614 ; ö 2 2 4.42 4.55 — : au : : 31.734 29.581 8 5 5 - 8.59 8.66 — { ! 10 u. : 31.788 29.522 : : } 4 5.76 5.18 Bezeichn. 8 5 ä 4 B bo A 8 8 2 L 18 Ta — << 6 . T...... 1845 Monat 6 u. Januar 31 Februar 28 März 31 April 30 Mai 31 Juni 30 Jul; 31 Auguſt. 31 September 30 October . 31 November 30 December . 30 Jahres⸗S. 364 12 u. | 9 u. 31 31 28 28 31 31 30 30 31 31 30 30 31 31 31 31 30 30 31 31 30 30 31 31 365 365 3. Anzahl der Beobachtungen Summa 1094 5 Station Oppeln. 3 M. 39 S. öſtlich, 0 3015 ſüdlich von Breslau, 4.98 Par. Fuß höher. Beobachter: Apotheker Koch. Summen der auf DIR. reducirten Barometerſtände und der Temperatur-Beobachtungen der freien Luft im Schatten, nach den täglich dreimaligen Beobachtungen um 6 U. Morgens, 12 U. Mittags und 9 U. Abends. Summen der Barometerſtände 6 U. 1013.45 856.16 999.32 947.13 929.60 978.57 1016.07 988.59 978.00 1020.83 986.10 902.25 1161607 Summen der Thermometerſtände Gleichzeitige Gegenbeobachtungen auf der Sternwarte zu Breslau. 58 M. 48 S. öſtlich von Paris, unter 517“ nördl. Breite und 453.62 Par. Fuß über dem Spiegel der Oſtſee. Thermometerſtände Barometerſtände 12 u. 9 U. Summa 6 u. 12 U. 9 u. Summa 1004.68 1008.43 3026.56 — 40.4 , 64.9 — 5.27 19.3 855.76 864.67 2576.59] 196.4 89.5 156.8 — 442.7 995.85) 1003.07 2998.24 — 179.3 7 57.6 — 118.4 — 240.1 939.390 945.63 2832.15 127.3 378.5 177.3 7 683.1 927.46 930.53] 2787.59] 232.4 498.9 289.2 1020.5 972.00 979.38 2929.95] 357.60 693.90 450.0] 1501.5 998.01 1004.00 3018.08] 421.2 725.5 479.1] 1625.8 983.010 986.11 2957.71 350.0 654.5 416.0 1420.5 975.90 975.30 2929.20] 246.0 434.0 276.0 956.0 1018.97 1023.00 3062.80 170.6] 373.2] 216.3 760.1 984.00 973.80 2943.90 94.5) 232.4 113.6 440.5 930.22 921.260 2753.73, 10 90 + 93.7 + 28.7 133.3 1158525 11615. 18 34816.50 1594.4 4117.60 2165.8 7877.8 1845 Summen zu Breslau Mittel Summen zu Breslau Mittel Monat ö = 333 6 U. | 12 u. | 9 U. Summa | Breslau | Oppeln 6 U. 12 u. Gau | Summa | Breslau | Oppeln Januar . | 1017.50| 1017.21 1013.52 3048.23] 32.777 32.544 — 32.5|+ 23.8 — 10,1 — 18.8)— 0.20 + 0.21 Februar 850. 10 860.00 855.11 2565.21 30.538 30.674 196.3 — 127.0 154.3 477.6 — 5.69 — 5.27 März 984.90] 990.62] 993.510 2969.03] 31 925 32.239 — 189.0 — 74.7 134.8 398.5 4.29 — 2.58 April 938.75 943.41 937.45 2819.61] 31.329 31.4680 137.4 ½ 276.4 + 200.0 + 613.5 6.82 1.58 Mai 929.23 933.77 932.80 2795.80 30.062] 29.974 233.6 359.9 271.6 865.1 + 9.30 10.97 Juni 978.57 983.19] 970.47 2932.23] 32.580 32.555 357.5 493.0 420.0 1270.5 14.12 16.68 Tide 1012.61) 1010.66 1003.71 3026.98] 32.548] 32.452 409.0 541.5 473.5 1424.0 15.31 17.48 Auguſt 993.66] 992.34 989.97 2975.97] 31.999 31.803 339.1 495.1 409.1) 1243.3 13.37 15.27 September 977.17 975.12] 973.30] 2925.59] 32.506] 32.547 246.0 377.4 290.9 914.3 10.16 10.62 October . 1018.22 1019.83 1021.46 3059.515 32.898] 32.933 188.6 283.5 222.7 694.8 7.47 8.17 November 976.72] 978.16) 977.61 2932.49] 32.583 32.710 97.5 187.8 122.7 408.0 4.53 4.89 December. 901.69| 926.64 921.53| 2749.86] 29.890] 29.932 19.3 + 54.21) 34.7 4 108.2]+ 1.16/+ 1.43 Jahres⸗S. 111579.12'11630.95|11590.44|34800.51] 31.810 31.825] 1610.2 2890.9| 2146.0 6647.1 6.08 + 7.20 Mittel um 6 U. B 5 8 31.8110 31.912 8 8 0 5 4.42 4.38 — 2 12 u. 8 31.866 31.740 7.92 11.28 — 9 u. 31.754 31.822 + 5.884 5.93 Bezeichn. & B° b L 1 — .. ͤö”nxů ¶ . ⁵ —ꝛ] ̃˙L—ͤ—m —ññ——— —— 2 6 4. Station Leobſchütz. 3 M. 9 S. öſtlich, 09 55° ſüdlich von Breslau, 593.64 Par. Fuß höher. Beobachter: Profeſſor Schramm. Summen der auf 0“ R. reducirten Barometerſtände und der Temperatur-Beobachtungen der freien Luft im Schatten, nach den täglich dreimaligen Beobachtungen um 6 U. Morgens, 2 U. Nachmittags und 9 U. Abends. 1845 Anzahl der Beobachtungen Summen der Barometerſtände Summen der Thermometerſtände | Monat 6 u. 2 u. | 9 u. Summa 6 u. 2 u. 9 u. Summa 6 u. 2 u. | 9 u. Summa Januar 31 30 29 90 743.06 744.35 696.01 2183.42 — 6.7 f 47.3 f 1.4, 42.0 Februar. 28 28 28 84 610.05] 613.93 614.02 1838.00 — 176.8 — 98.0 — 144.8 — 419.6 März 31 31 31 93 718.710 717.10 715.85 2151.66 — 159.4 — 23.5 — 110.0 — 292.9 April 30 30 30 90 675.19 668 72] 679.98] 2023.89 7 111.8 + 297.2 7 178.107 587.1 Mai 31 31 31 93 652.78 653.96 657.60 1964.34] 216.5 384.1] 270.2] 870.8 Juni 30 30 30 90 685.26 680.29] 678.58] 2044.13 341.4 525.4 408.4 1275.2 Juli 31 31 31 93 695.56] 693.58 697.60] 2086.74| 381.9 543.8 432.0 1357.7 Auguſt 22 22 a 65 468.31 467.54] 446.99| 1382.84] 241.3 357.5 261.3| 860.1 September 19 19 19 57 435.11] 435.75 435.41 1306.27] 161.6 233.0 178.6] 573.2 October 31 31 31 93 737.93 735.34 737.82 2211.09] 176.4 295.11 224.4 695.9 November 30 30 30 90 715.410 708.42 713.42 2137.25] 106.3 200.2) 123.3 429.8 December. 24 24 23 71 548.63) 543.93 524.63 1617.19|+ 20.0 + 49.1l+ 17.5|+ 86.6 Jahres. S. 338 337 334 1009 | 7686.00 7662.91 7597. 91022946. 82] 1414.3 2811.2 1840.4 6065.9 Gleichzeitige Gegenbeobachtungen auf der Sternwarte zu Breslau. 58 M. 48 S. öſtlich von Paris, unter 51997“ nördl. Breite und 453.62 Par. Fuß über dem Spiegel der Oſtſee. 1845 Barometerſtände Thermometerſtände A V ̃7⅛mu1ũ ⁰ Fe en ————— — Summen zu Breslau Mittel Summen zu Breslau Mittel Monat 77 tt ũ ẽ ; ðò d . 1. TE 6 U. 2 U. 9 u. Summa | Breslau Leobſchütz] 6 U. | 2 u. | 9 u. | Summa | Breslau |teonfsäe 22. a a u dd ͥ d a Januar . | 1017.50) 982.90 965. 10 2965.50] 32.950 24.260 — 32.5 . 35.9 — 10.1 — 6.7 — 0.07 + 0.47 Februar 850. 100 861.36 855.11 2566.57] 30.554 21.881 — 196.3 — 115.4 — 154.3 — 466.0 5.55 — 4.99 März 984.90 987.410 993.510 2965.82] 31.891 23.1360 — 189.0 — 47.7 — 134.8 — 371.5— 4.00 — 3.15 April 938.75 938.77 937.45 2814.97] 31.277 22.488 +½ 137.4 / 300.7 200.0 638.1 7.09 6.52 Mai 929.23 931.910 932.80 2793.94] 30.042] 21.122 233.6 379.1 271.6 884.3 9.51 9.36 Juni 978.57 975.49 974.05 2928.11] 32.535 22.712 357.5 530.4 420.0 1307.9 14.53 14.17 Sl... 1012.61 1007.02 1008.89| 3028.52] 32.565 22.438 409.0 569.0 473.5 1451.5 15.60 14.60 Auguſt 682.73 679.510 647.360 2009.60 30 917 21.275 246.5 391.2 278.0 915.7 14.08 13.23 September | 605.55 602.33 605.29 1813.17 31.810 22.917 164.7 239.8 185.1 589.6 10.34 10.06 October . 1018.22 1014.79 1021.46 3054.47] 32.844] 23.775 188.6 2855 222.7 696.8 7.49 7.48 November 976.72 972.93 977 61 2927.26] 32.525 23.747 97.5 203.9 122.7 424.1 4.71 4.77 December. 750.12) 742.08 709.34 2201.54] 31.007] 22.777 T 21.7 7 39.1 +7 25.5 86.3 1.2107 1.22 Jahres⸗S. 10745. 0010696. 50 10627. 9732069. 47] 31.783 22.742] 1438.7] 2811.5 1899.9 6150.1, 6.09 + 6.01 Mittel um] 6 u. 5 5 5 31.790 22.739 I ? N i 4.23 4.19 — 5 2 U . 8 31.740 22.738 8 8 5 J 8.34 8.34 — 8 0 9 u f 31.820] 22.748 2 8 3 6 + 5.69 + 5.52 Bezeichn. 8 8 . 2 Bo 5 0 2 . 8 5 L 1 7 5. Station Löwen. 1 M. 13 S. öſtlich, 0 25° ſüdlich von Breslau, 34.82 Par. Fuß höher. Beobachter: Apotheker Büttner. Summen der auf 0. reducirten Barometerſtände und der Temperatur-Beobachtungen der freien Luft im Schatten, nach den täglich dreimaligen Beobachtungen um 6 U. Morgens, 2 U. Nachmittags und 10 U. Abends. 1) ng 0 d * 1845 Anzahl der Beobachtungen Summen der Barometerſtände Summen der Thermometerſtände 8 | ! Monat 6 u. 2 u. 10 u. Summa 6 u. | 2 u. | 10 u. Summa 6u. 2 u. 10 u. Summa Januar 31 31 31 93 | 1003.66) 1002.05 1006.66 3012.37 — 19.10% 66.8 — 4.3 43.4 Februar 28 28 28 54 840.53) 845.97 847.49| 2533.99] 189.1 — 90.5) 160.7 — 440.3 März 29 28 29 86 918.66] 888.11] 922.36 2729. 130 — 184.0 — 23.7 — 138.4 — 346.1 April .... 30 30 30 90 928.49] 921.76) 925.15) 2775.40j+ 119.7)+ 319.8 + 178.0 617.5 Mai 31 31 31 93 914.06] 912.64] 916.79] 2743.49 233.0 397.3 266.9 897.2 Juni 28 29 38 85 890.62] 915.73 885.25| 2691.60] 324.10 532.9 379.9 1236.9 De g 31 30 31 92 982.42] 968.84] 980.87 2932.13 402.3 571.6 444.8 1418.7 Auguft ... 31 31 31 93 967.42 9062.60 966.65 2896.67] 327.9 540.3 379.4 1247.6 September 30 30 30 90 958.42] 953.22 955.30 2866.94 224.7 424.3 281.9 930.9 October Sin 31 31 93 | 1000.04) 997.97 1004.91 3002.92] 178.60 317.7 216.9] 713.2 November 30 30 30 90 961.58 958.48] 963. 12 2883.18] 101.5 222.5 126.9 450.9 December. 31 31¹ 31 93 915.52 907.330 910.160 2733.01|+ 37.4|+ 37.4|+ 36.7 145.7 Jahres⸗S. 361 360 361 1082 |11281.42/11234.70/11284.71/33800.83| 1557.0| 3350.6) 1908.0) 6815.6 Gleichzeitige Gegenbeobachtungen auf der Sternwarte zu Breslau. 58 M. 48 S. öſtlich von Paris, unter 517“ nördl. Breite und 453.62 Par. Fuß über dem Spiegel der Oſtſee. 1845 Barometerſtände Thermometerſtände Summen zu Breslau Mittel Summen zu Breslau Mittel Monat F777 c N N Eee nn 6 Uu. | 2 u. | 10 u, | Summa | Breslau Löwen. 6 Uu. 2 u. | 10 u. | Summa | Breslau | Löwen Sanuar .. | 1017.50) 1016.64| 1015.25 3049.39] 32.789| 32.391 — 32.5 + 36.9 — 10.3) — 5.9|— 0.63 + 0.47 Februar 850. 10 861.36 853.66 2565.12] 30.537 30.167 196.3 — 115.4 149.2) — 460.9— 5.49 — 5.24 März 928.44 900.02] 938.64] 2767.10] 32.176 31.734 — 192.4 — 58.5 — 143.5 — 394.4 — 4.59 — 4.08 April. 938.75 938.77 938.22 2815,74] 31.286] 30.8380 + 137.4 ½ 300.7 + 188.7 + 626.8 + 6.96|+ 6.86 Mai 929.23 91.91) 932.28] 2793.42] 30.037 29.500 233.6 379.1 272.1 884.8 9.51 9.65 Juni. 912.82 942.43 909.15 2764.40 32.522 31.666] 332.7 511.51 384.1] 1228.34 14.45 14.55 Juld 1012.61 973.88 1009.15) 2995.64] 32.561 31.871 409.0 556.8 468.6 1434.4 15.59 15.41 Auguſt 993.66 986.46 990.95] 2971.07] 31.947 31.147 339.1 552.4 398.2 1289.7 13.87 13.41 September [977.17 969.81 971.34 2918.32. 32.426 31.855 246.0 386.5 284.3 916.8 10.19 10.34 October .. 1018.22 1014.79 1021.68 3054.69] 32.8460 32.290 188.6 285.5 220.7 694.8 7.47 7.67 November 976.72] 972.93] 977.78 2927.43] 32.527 32.035 97.5 203.9 121.4 422.8 4.70 5.01 December. | 931.08 920.30] 923.18) 2774.56] 29.834 29.387] 24.30 53.00 33.67 110.9 1.19 1.57 Jahres⸗S. 11486. 3011429. 3011481. 2834396. 88 31.790 31.239] 1587.0] 3092.4 2068.7 6748. 1, 6.24 . 6.29 6 8 9 5 : 0 4 Mittel um Bü 0 31.818] 31.250 40 4.40 — 5 2 u. 8 5 31.748 31.208 2 8 8 8 8.59 8.61 — 2 5 . . 31.804| 31.259 ö 8 8 a + 5.73)+ 5.28 Bezeichn. 2 ; E a B o b 2 ; i 2 L 1 1845 Monat 6 u. 2 u. 10 u. Januar 31 31 31 en 28 28 28 März 31 31 31 April 30 30 30 Mai 31 31 31 Jum 30 30 30 Juli 31 31 31 Auguſt 31 31 31 September 30 30 30 October 31 31 31 November 30 30 30 December. 31 31 31 Jahres⸗S. 365 365 365 6. Anzahl der Beobachtungen Summa 1095 Station Neiſſe. 1 M. 12 ©. öſtlich, 0° 38. ſüdlich von Breslau, 119.33 Par. Fuß höher. Beobachter: Director Petzeld. Summen der auf 0 R. reducirten Barometerſtände und der Temperatur-Beobachtungen der freien Luft im Schatten, nach den täglich dreimaligen Beobachtungen um 6 U. Morgens, 2 U. Nachmittags und 10 U. Abends. Summen der Barometerſtände 6 U. 959.51 799.82 930.18 882.15 869.70 913.35 941.05 927.96 912.26 959.63 919.92 879.08 10894 .J61 2 u. 956.47 807.77 932.20 878.91 869.86 907.08 10876.14 10 u. 953.68 804.30 936.07 880.25 869.73 909.18 937.76 10890.05 Summen der Thermometerſtände Summa 6 uU. 2 u. 10 u. Summa 2869.66] — 12.0 62.57 10.0 60.5 2411.89] 178.5 — 71.5 — 142.0 — 392.0 2798.45 — 159.0 10.5 — 104.0 — 273.5 2641.29 + 156.0 + 339.0 224.0 719.0 2609.29] 271.5 423.0 320.0] 1014.5 2729.61 384.5 572.5 452.0 1409.0 2814.10] 433.0 603.5 495.5 1532.0 2778.26] 372.0 564.5 430.0] 1366.5 2747.94] 284.6 445.44 335.5 1065.5 2879.92] 238.20 350.0 276.5 864.7 2757.90] 183.0 278.7] 222.5 684.2 2622.49 7 92.5 . 130.0 104.0 326.5 32660. 80] 2065.8] 3687.1] 2624.0 8376.9 Gleichzeitige Gegenbeobachtungen auf der Sternwarte zu Breslau. 58 M. 48 S. öſtlich vou Paris, unter 51 9 7 nördl. Breite und 453.62 Par. Fuß über dem Spiegel der Oſtſee. Barometerſtände Thermometerſtände 1845 5 Summen zu Breslau Mittel Summen zu Breslau Mittel Monat 85 2 U. 10 u. | Summa | Breslau | Neiſſe 6 U. 2 U. 10 u. Summa | Breslau Neiſſe Januar. 1017.50 1016.64 1015.25 3049.39] 32.789] 30.857 — 32.5 . 36.9 — 10.3 — 5.9 — 0.63 + 0.65 Se 850.10 861.36| 853.66) 2565.12] 30.537 28.713 196.3) — 115.4 149.2 460.9 5.49 — 4.67 März 984.90 987.41 993.74 2966.05] 31.893] 30.009 — 189.0 — 47.7 — 139.3 — 376.0 - 4.04 — 2.94 April 938.75 938.77 938.22 2815.74] 31.286 209. 348 137.4 % 300.7 + 188.7 + 626.8 6.96 7.99 Mai 929.23 931.91) 932.28 2793.42] 30.037 28.046 233.6 379.1 272.1 884.8 9.51 10.91 Juni 978.57 975.49 975.45 2929.51] 32.550 30.329 357.5 530.4 412.0) 1299.9 14.44 15.65 | Jul,; 1012.61 1007.02 1009. 15 3028.78] 32.568 30.259 409.0 569.0 468.6 1446.6 15.55 16.47 Auguſt . 993.66 986.46 990.95 2971.07] 31.947 29.874 339.1 552.4] 398.2 1289.7 13.87 14.69 September | 977.17 969.81 971.34 2918.32] 32.426 30.533 246.0 386.5 284.3 994 8 10.19 11.84 0 October . 1018.22 1014.79 1021.68 3054.69] 32.846 30.967 188.6 285.5 220.7 694.8 1 70 9.30 November 976.72 972.93 977.78 2927.43] 32.527 30.643 97.5 203.9 121.4 422.8 4.70 7.60 December. 931.08) 920.30 923.18 2774,56 29.834| 28.199|]+ 24.3)+ 53.0|+ 33.6 110.9[+ 1.19|+ 3.51 Jahres⸗S. 111608.51/11582.89|11602.68|34794.08) 31.776 29.828] 1615.2 3134.3 2100.8 65850.3|+ 6.26|+ 7.65 Mittel um 6 U. . 8 0 31.804 29.848 0 . 0 4.42 5.66 — f 2 U. . 31.734 29.797 8.59 10.10 — 9 10 u. 31.788 29.836 + 5.76 + 7.19 Bezeichn. Ä B o ho L 1: 9 7. Station Habelſehwerdt. 1 M. 25 S. weſtlich, 0 50“ ſüdlich von Breslau, 670.44 Par. Fuß höher. Beobachter: Rector Marſchner. Summen der auf 0 R. reducirten Barometerſtände und der Temperatur-Beobachtungen der freien Luft im Schatten, nach den täglich dreimaligen Beobachtungen um 7 U. Morgens, 3 U. Nachmittags und 9 U. Abends. Summen der Thermometerſtände Anzahl der Beobachtungen Summen der Barometerſtände 1845 Monat 7 u. 3 u. | 9 u. Summa 7 u. 3 u. | 9 u. | Summa| Tu. | 3 u. | 9 u. Summa Januar 31 31 28 90 737.49 735.82] 659.74 2133.05 — 35.0 + 9.11— 17.4 — 43.3 26 27 25 78 565.76] 589.60] 547.27 1702.63) — 219.0 — 130.2 — 193.6 542.8 27 20 28 81 610.06] 571.61 637.340 1819.011— 192.1 — 51.6 — 142.8 — 386.5 29 25 22 76 689.82) 586.65 529.36] 1805.83 + 381.6 + 448.9 + 283.7 1114.2 13 13 14 40 305.02) 299.81 324.48 929.31 153.8 214.7 170.2 538.7 28 24 28 80 675.75 561.29] 666.12 1903.16 206.5 285.1 250.6 742.2 27 23 20 70 645. 70 549.95 456.54 1652.19 139.8 194.8 134.6 469.2 November 26 23 23 72 615.45 539.23 549.91] 1704.591+ 79.0 100.9 + 81.6 +7 261.5 December. 28 23 28 79 604.10 474.10) 590.07] 1668.27 — 15.107 11.9 — 3.2— 6.4 Jahres. S. 235 215 216 666 5449.15) 4908.06 4960.83|15318.04 499.5 1083.6 563.7 2146.8 Gleichzeitige Gegenbeobachtungen auf der Sternwarte zu Breslau. 58 M. 48 S. öſtlich von Paris, unter 51%“ nördl. Breite und 453.62 Par. Fuß über dem Spiegel der Oſtſee. Thermometerſtände Barometerſtände 1845 Summen zu Breslau Mittel Summen zu Breslau Mittel Monat i 55 ee 92 2 | 3 u. 9 u. Summa | Breslau Habelſch.] 7 u. 3 u. 9 u. | Summa | Breslau abelſc. Januar 1015.71) 1012.17 943.25 2971.13] 33.012 23.700 — 28.7 + 33.8 — 12.7 — 7.6(— 0.08 — 0.48 Februar 796.29 829.43) 773.68 2399.40] 30.762 21.829 — 188.3 — 107.7 — 154.2 — 450.2 — 5.77 — 6.96 März 858.57] 823.87] 895.59] 2578.03] 31.828 22.457 — 166.7 — 54.3 — 128.1 — 349.1— 4.31 4.77 April \ Mai Juni Süß 956.09] 813.62 716.93 2486.64] 32.719 23.7617 405.2 ½ 477.3 + 333.6 1216.17 16.00/+ 14.66 Auguſt 422.19 418.22] 449.28 1289.69] 32.242 23.233 280.8 236.4 203.3 720.5 18.01 13.47 September] 910.23 775.19 910.47 2595.89] 32.448 23.789 231.0 308.7 276.9 816.6 10.21 9.28 October 888.55 756.62] 645.67 2290.84] 32.726 23.603 168.0 212.9 155.2 536.1 7.66 6.70 November 854.48 749.07] 756.26 2359.81] 32.775 23.675 85.6 136.7 91.7 314.0 4.36 7 3.63 December. 868.07] 672.18 832.11 2372.36] 30.0300 21.117 + 20.5 35.8 + 22.3)+ 78.6 0.99 — 0.08 Jahres⸗S 7570. 14 6850.37 6923.24 2134379] 32.088 23.000 807.44 1279.6 788.0 2875.0[+ 4.32 + 3.23 Mittel um] 7 u. 0 = 5 32.214] 23.188 B 8 0 0 3.43 2.13 — 8 3 Uu. 5 31.862 22.828 5.95 5.04 — 8 9 u, 32.052 22.967 3.657 2.61 Bezeichn. : B° b° L 1 10 S. Station Neurode. 2 M. 11 S. weſtlich, 0 35° ſüdlich von Breslau, (786) Par. Fuß höher. Beobachter: Apotheker Lauterbach. Summen der auf 0% R. reducirten Barometerſtände und der Temperatur⸗Beobachtungen der freien Luft im Schatten, nach den täglich dreimaligen Beobachtungen um 9 U. Morgens, 2 U. Nachmittags und 10 U. Abends. 1845 Anzahl der Beobachtungen Summen der Barometerſtände Summen der Thermometerſtände Monat 9 u. 2 u. | 10 u. Summa 9 u. | 2 u. 10 u. Summa 9 u. 2 u. 10 u. Summa Januar 31 31 31 93 642.75 643.00 644.89 1930.64] — 61.7 — 21.8 — 57.5 — 141.0 Februar 28 28 28 84 588.39 585.37 583.88 1757.64]— 219.8 — 136.3 — 199.3 — 555.4 März 31 31 (31 93 670.03 669.29] 670.68) 2010.00 — 159.3 — 79.1 — 161.0 — 399.4 Abri! 30 30 30 90 631.65 629.71) 632.10) 1893.46 138.67 212.5 / 104.3 455.4 Mai l 31 31 93 640.96) 639.28) 643.75 1923.99] 245.6 343.0 237.0 835.6 Su. 30 30 30 90 654.57 652.86 656.22 1963.65 388.0] 518.0) 339.0] 1245.0 JN 31 30 20 90 689.07 661.08 647.08 1997.23] 458.44 518.7 362.3 1339.4 Auguſt. 25 25 23 73 537.77 534.17 492.80 1564.74] 297.6 396.1] 251.2 946.9 September 27 27 27 81¹ 604.10 601.48 605.07 1810.65] 242.3 324.9 173.4 740.6 October 23 23 23 69 506.16] 507.24] 509.17 1522.57 151.4 201.6 112.3 465.3 November 23 23 23 69 524.26 521.92 522.17 1568.35[+ 77.6 100.8 + 68.1 / 246.5 December. 25 24 24 73 540.72 520.49| 517.34 1578.55— 17.7 . 9.0 — 4.6— 13.3 Jahres⸗S. 335 333 330 998 7230.43 7165.89 7125.15 21521.47] 1541.0 2387.4 1227.2 5155.6 Gleichzeitige Gegenbeobachtungen auf der Sternwarte zu Breslau. 58 M. 48 ©, öſtlich von Paris, unter 519 7° nördl. Breite und 453.62 Par. Fuß über dem Spiegel der Oſtſee. 1845 Barometerſtände Thermometerſtände Summen zu Breslau Mittel Summen zu Breslau Mittel Monat 5 e 9 u. | 2 u. 10 u. Summa | Breslau Neurode [9 u. 2 u. | 10 u. | Summa | Breslau | Neurode Januar .. 1019.07 1016.64 1015.25 3050.96] 32.806 20.760 — 21.4 , 36.9 — 10.3 — 5.27 0.06 — 1.52 Februar 857.360 861.360 853.66 2572.38] 30.624 20.924 — 178.8 — 115.4 — 149.2 — 443.4 — 5.28 — 6.61 März 993.81] 987.41 993.51 2974.73] 31.9860 21.613 — 138.9 — 47.7 — 134.8 — 321.4] — 3.46 — 4.30 i 945.43 938.77 937.45 2821.65] 31.352 21.0387 207.6 + 300.7 + 200.0 + 708.314 7.87 + 5.06 Mai 933.70] 931.910 932.80] 2798.11] 30.090] 20.688 289.2 375.1 271.6 935.9 10. 06 8.88 Jun 982.05] 975.49] 974.05] 2931.59] 32.573 21.818 434.8 517.0 420.0 1371.8 15.24 13.83 Jul,, 1012.73 973.94] 946-33| 2933.00] 32.589 22.191 491.7 543.6 441.7 1477.0 16.41 14.88 Auguft... 788.76 782.02 723.81 2294.59] 31.433 21.435 348.2 419.1 281.44 1048.7 14.36 12.97 September 893.68 883.27 883.24 2660.19] 32.850 22.354 276.2 341.3 248.1 865.6 10.69 9.14 October . 741.89 738.08] 746.84 2226.81] 32.273 22.066 183.8 221.3 172.9 578.0 8.38 6.74 November 742.62 733.37 732.52 2208.51] 32.007] 22.729 100.9 173.5 111.0 385.4 5.58 + 3.57 December. 754.50 708.20 705.59 2168.29] 29.703) 21.624|+ 17.7)+ 34.8 + 27.00 79.5|+ 1.09 0.18 Jahres⸗S. 10665. 60 10530. 46 10445.05 31641. 11] 31.705 21.555] 2011.0 2800.2] 1879.4 6690.6 6.70 + 5.17 Mittel um 9 u. . 8 8 31.8380 21.5544 : : 8 6.00 4.60 — 0 2 U. 0 5 31.623 21.519 8.40 7.170 — 8 5 10 u. 8 31.652] 21.591 . 3 2 8 5.69 3.72 Bezeichn. 5 2 5 8 B 0 bo 8 A 9 . L L. 11 9. Station Prausnitz. 0 M. 20 S. weſtlich, 0 15“ nördlich von Breslau, Höhe über Breslau noch unbekannt. . Beobachter: Lehrer Raabe. Summen der auf 0%. reducirten Barometerſtände und der Temperatur-Beobachtungen der freien Luft im Schatten, nach den täglich dreimaligen Beobachtungen um 6 U. Morgens, 2 U. Nachmittags und 10 U. Abends. 1845 Anzahl der Beobachtungen Summen der Barometerſtände | Summen der Thermometerſtände Monat 6 u. 2 u. | 10 u. Summa 6 u. 2 u. 10 u. Summa 6 u. 2 u. | 10 u. | Summa Januar Februar März 0 April 30 30 30 90 970.920 969.57 972.930 2913.42 / 167.2 313.2 151.4 4 631.8 Mai..... 30 30 30 90 929.97 930.15 927.27| 2787.39] 292.7 365.2 237.0 894.9 Juni 30 30 30 90 999.60 996.30 995.94 2991.84] 438.0 550.2 370.4| 1358.6 Juli 20 2 29 86 966.59| 932.57 960.86 2860.32] 478.6 542.8 401.2 1422.6 Auguft... 28 27 25 80 908.04] 891.71 815.85 2615.60] 372.4 473.3 293.1 1138.8 September 29 29 29 87 978.43 971.84 973.41) 2923.68] 280.0 391.6 254.31 925.9 October 31 31 31 93 1052.51 1053.16 1056.32 3161.99“ 189.2) 292.9) 196.9“ 679.0 November 20 20 20 84 980.43 875.00] 981.79 2837.22 93.7 171.8 108.9 374.4 December. 27 20 27 80 846.48 806.13 842.32 2494.93 10.1)+ 49.8 + 24.7 84.6 Jahres⸗S. 263 257 260 780 8633.27 8426.43 8526.69 25586.39] 2321.9 3150.8] 2037.9 7510.6 Gleichzeitige Gegenbeobachtungen auf der Sternwarte zu Breslau. 58 M. 48 S. öſtlich von Paris, unter 517“ nördl. Breite und 453.62 Par. Fuß über dem Spiegel der Oſtſee. 1845 Barometerſtände Thermometerſtände Summen zu Breslau Mittel Summen zu Breslau Mittel Monat ine 6 U. 2 U. | 10 u. Summa Breslau | Prausnitz] 6 u. | 2 U. 10 u. Summa Breslau | Peausnis Januar Februar März April 938.75 938.77 938.22 2815.74] 31.286 32.371 7 137.4 + 300.7|+ 188.8 + 626.8 + 6.960 + 7.02 Ma 896.288 899.71] 899.65 2695.64] 29.951 30.971 216.8 366.9 264.5 848.2 9.42 9.94 Juni 978.57 975.49 975.45 2929.51] 32.550) 33.243 357.5 530.4 412.0 1299.9 14.44 15.09 Juli 949. 10 910.96] 944.11 2804.17 32.606 33.259 385.2 515.4 438.2 1338.8 15.57 16.54 Auguſt 899.800 862.53 796.68] 2559.01 31.988] 32.695 305.9 485.0 320.4] 1111.3 13.89 14.23 September [947.06] 940.84 943.68 2831.58] 32.547 33.605 237.5 367.5 270.3 875.3 10.06 10.67 October . 1018.22 1014.79| 1021.68 3054.69] 32.846) 34.000 188.6 285.5 220.7 694.8 7.47 7.30 November 946.50 844.05 947.16 2737.71] 32.592 33.776 91.5 179.9 115.9 387.3 4.61 4.46 December. 820.23] 778:63| 811.80 2410.66] 30.133 31.187)+ 23.1)+ 44.10, 34.1 / 101.3|+ 1.27 + 1.06 Jahres⸗S. 8394.51 8165.77 8278.43 2483871] 31.845 32.803] 1943.5 3075.4 2264.8 7283.7 + 9-34|+ 9.63 Mittel um 6 u. 5 ö 2 31.918 32.826 9 2 R 5 + 7.39 8.83 — : 2 U. a 5 31.773 32.788 > ; : . 11.96) 12.26 — i 10 u. 8 31.840 32.795 N \ E 3 8.70 + 7.83 Bezeichn. 5 B bo L 1 12 10. Station Landeshut. 3 M. 37 S. weſtlich, 0° 20“ ſüdlich von Breslau, (948) Par. Fuß höher. Beobachter: Lehrer Wende. a Summen der auf 0 R. reducirten Barometerſtände und der Temperatur-Beobachtungen der freien Luft im Schatten, nach den täglich dreimaligen Beobachtungen um 7 U. Morgens, 1 U. Nachmittags und 10 U. Abends. 2ſ0f0//pfp0ꝓæꝓ w D 8 1845 Anzahl der Beobachtungen Summen der Barometerſtände | Summen der Thermometerſtände Monat 7 U. 1 u. | 10 u. Summa 7Uu. 1 u. | 10 u. Summa 7 u. 1 u. | 10 u. | Summa Januar. 31 31 31 93 633.95 626.20] 641.08] 1901.23— 58.9 30.4. — 52.7 — 81.2 28 27 28 83 498.96) 484.65 501.76 1485.37 — 226.8 — 124.2 — 263.2 614.2 31 31 31 93 595.510 590.86 596.13) 1782.50 — 213.9 — 46.5 — 186.0 — 446.4 30 30 30 90 589.00] 595.82 592. 10 1776.92|+ 93.004 266. ß + 102.3|+ 461.9 31 31 31 93 553.35 550.87 561.72 1665.94] 220.1) 334. 195.3 750.2 30 30 30 90 613.80 611.40 615.90 1841.10] 342.0 486. 0 300.0 1128.0 20 20 20 60 424.20 419.80 424.00 1268.00 298.0 350.0 238.0 886.0 30 30 30 90 617.100 612.30) 614.40 1843.80 219.0 345.0 213.0 777.0 30 28 28 86 614.70 573.16 570.08 1757.944 147.0 210.0 147.90 504.9 November 30 29 30 89 607.50) 580.29 604.20) 1791.99 69.0 138.0 + 72.0 / 279.0 December. 31 31 31 93 542.19 537.23 540.02 1619.44 — 27.97 12.4 — 3.1 — 18.6 Jahres. S. 322 318 320 960 6290.26 6182.58) 6261.39 18734.23]4 860.6 2002.5 763.5 3626.6 Gleichzeitige Gegenbeobachtungen auf der Sternwarte zu Breslau. 58 M. 48 S. öſtlich von Paris, unter 51% 7’ nördl. Breite und 453.62 Par. Fuß über dem Spiegel der Oſtſee. 1845 Barometerſtände Thermometerſtände Summen zu Breslau Mittel Summen zu Breslau Mittel ; 2 28 Vera > Fa 7 U. | 1 u. 10 u. | Summa | Breslau andesh. N 7 U. | 1 u. 10 u. Summa Breslau | Landesh. 1 Januar .. | 1015.71) 1016.92 1015.25 3047.88] 32.773 20.443|— 28.7 — 9.3|— 10.3 — 48.3|— 0.52 — 0.87 Februar 852.49 829.83 853.66] 2535 98] 30.554 17.896 — 194.9 — 123.0 — 149.2 467. 1— 5.63 — 7.40 März 989.30] 989.010 993.74] 2972.05 31.958 19.167 — 178.0 — 47.8 — 139.3 365.1 3.93 4.80 April 942.64 941.09 938.22] 2821.95 31.355 19.745 / 156.6 288.5 + 188.7 + 633.8 + 7.04 , 5.13 Mai 938.25 932.84] 932.28 2803.37] 30.144] 17.913 247.8 369.5 272.1 889.44 9.56 8.07 SINER... 981.76] 979.34| 975.45 2936.55] 32.628 20.457 379.2 511.7 412.0 1302.9 14.48 12.53 Jul 666.44 658.31) 659.08 1983.83] 33.230 21.133 280.0 354.8 305.9 940.7 15.67 14.77 Auguſt . September [974.85 972.46] 971.34 2918.65] 32.429 20.487 248.6 382.0 284.3 914.9 10.16 8.63 October 987.02 922.19 916.57 2825.78] 32.857 20.441 179.2 241.2 195.9 616.3 7.16 5.88 November 976.68 944.86 977.78 2899.32] 32.577 20.135 98.4 189.3 121.4 409.1 4.60 3.14 December. 929.84 923.47 923.18 2776.49] 29.855 17.413|-F 25.3)+ 53.6)+ 33.6 112.5. 1.21)— 0.20 Jahres⸗S. 10254.98 10110.32|10156.55|30521.85| 31.794) 19.515] 1213.5 2210.5 1515.1 4939-1[+ 5.14|+ 3.78 Mittel um 7 U. > 31.847| 19.535 Ö 0 0 0 3.77 2.68 — 0 1 u. . : 31.793 19.442 { B 0 4 6.95 6.30 — 0 10 u. 0 31.739 19.567 9 > 5 5 4.74 2.39 Bezeichn. 0 8 5 2 B b° 5 8 . 8 L shall! 13 11. Station Kupferberg. 4 M. 19 S. weſtlich, 0° 15“ ſüdlich von Breslau, 1157.16 Par. Fuß höher. Beobachter: Apotheker Chauſſy. Summen der auf 0 R. reducirten Barometerſtände und der Temperatur-Beobachtungen der freien Luft im Schatten, nach den täglich dreimaligen Beobachtungen um 7 U. Morgens, 2 U. Nachmittags und 9 U. Abends. Anzahl der Beobachtungen Summen der Barometerſtände Summen der Thermometerſtände 1845 Monat I U 2 u. | 9 u. Summa | 7 u. | 3a, 9 u. |Summa| 7 u. 2 u. 9 u. Summa Januar 29 30 29 88 500.83] 522.00 504.60] 1527.43 — 65.6 ET 9.0 — 52.0 — 108.6 Februar 27 27 28 82 409. 86 410.13] 427.00) 1246.99 — 216.3 — 104.6 — 203.1 — 524.0 März 31 29 31 91 509.64] 460.52 483.91! 1454.07|— 184.7 6.7 140.5 331.9 April 30 28 30 88 517.20 462.56 491.40 1471. 1607 121.97 258.8 + 139.2 7 519.9 Maß 31 31 31 93 479.57 475.23 478.02 1432.82 221.8 326.3 226.0 774.1 Juni 29 28 30 87 517.65 498.68 530.70 1547.03 340.1 451.8 358.0 1149.9 Juli! 31 31 31 93 551.49 538.78 550.87 1641.14 396.7 525.0 406.7 1328.4 Auguſt 30 30 31 91 511.50 510.00] 532.58 1554.08 311.7 454.3 349.5 1115.5 September 30 30 30 90 530. 10 523.50 525.90 1579.50 230.7 3538 258.0 842.5 October 31 31 31 93 556.45 552.11) 549.01] 1657.57 170.7 259.7 190.0 620.4 November 29 28 30 87 504.310 483.84 519.60] 1507.75 + 96.7 154.5 96.7 347.9 December. 30 30 31 91 447.60] 441.90 459.42] 1348.92— 2.6 +T 13.5 E 15.3 + 26.2 Jahres⸗S 358 352 363 1074 6036.20 5879.25 6053.01 17968. 46] 1421.1] 2695.4 1643.8. 5760.3 Gleichzeitige Gegenbeobachtungen auf der Sternwarte zu Breslau. 58 M. 48 S. öſtlich von Paris, unter 5107’ nördl. Breite und 453.62 Par. Fuß über dem Spiegel der Oſtſee. 1845 Barometerſtände Thermometerſtände Summen zu Breslau Mittel Summen zu Breslau Mittel Monat PR f 7 U. DEU | 9 u. Summa | Breslau | Kupferb, | 7 U. | DA, | 9 u. | Summa | Breslau Kupferb. Januar 952.58 981.09 946.03] 2879.70] 32.724 17.357] — 25.4 f 39.9 — 7.3 7 7.27 0.08 — 1.24 Februar 822. 86 830.510 855.11 2508.48] 30.591 15.207 — 194.4 110.2 154.3 458.9I— 5.59 — 6.39 März 989.30 917.16 993.51) 2899.97] 31.868) 15.979 — 178.0|— 39.9|— 134.8 — 352.7|— 3.87 — 3.65 April 942.64 882.92 937.45 2763.01] 31.397 16.7180 + 156.6 + 284.9 +½ 200.0 — 641.5 + 7.29|+ 5.90 Mai 938.25 931.910 932.80 2802.96] 30.139] 15.407 247.8 379.1 271.607 898.5 9.66 8.32 Suni 951.04 914.23) 970.47 2835.74] 32.5950 17.782 367.4 492.2 420.0 1279.6 14.71 13.22 a 8888 1018.11 1007.02 1008.89 3034.02] 32.624 17.647 430.4 569.0 473.5 1472.9 15.84 14.28 uguſt 960.71 957.71 989.91 2908.33] 31.960] 17.078 358.5 539.1 409.1) 1306.7 14.36 12.26 September] 974.85 969.81] 973.30 2917.96] 32.422 17.550 248.6 386.5 290.9 926.0 10.29 9.36 October 1017.05 1014.79 1021.46) 3053.30] 32.832] 18.038 192.8 285.5 222.7 701.0 7.54 6.67 November 946.04] 911.29 977.610 2834.94] 32.586 17.330 93.6 185.0 122.7 401.3 4.61 4.00 December. 904.22 889.39] 921.53] 2715.14] 29.177 14.823[+ 23.9 . 51.2)+ 34.7 / 109.8 + 1.210 + 0.29 a Jahres⸗S. |11417.65|11207.83)11528.07|34153.55| 31.800 16.730| 1721.80 3062.3 2148.8 6932.97 6.46 5.36 Mittel um 7 U. B 8 0 31.892] 16.861 5 0 2 4.81 3.97 — 9 2 U. 0 0 31.750] 16.655 8.67 7.63 — 8 9 u. ; 31.758] 16.675 5.92 4.86 Bezeichn. : B o b° L 1 14 12. Station Zittau. 8 M. 36 S. weſtlich, 0 13 ſüdlich von Breslau, 321.52 Par. Fuß höher. Beobachter: Hauptmann Dreverhoff. Summen der auf 0% R. reducirten Barometerſtände, und der Temperatur-Beobachtungen im Nordſchatten auf Réaumur's Eintheilung reducirt, nach den täglich dreimal. Beobachtungen um 9 U. Morg., 12 U. Mitt., 3 U. Nachm. und 9 U. Abends. — —— — . ———— 1845 Barometerſtände Thermometerſtände Summen i Summen Monat Summa | Mittel Summa | Mittel 9. | am. an. 9 u. 9 u. 12 u. | 3 u. | 9 u. Januar 873 89 871.100 851.88 871.22 3468.09] 27.968 — 6.510 ½ 31.62|+ 29.76 7 1.860 56.73 +. 0.46 Februar 732.76 737.80 733.04 738.921 2942.52 26.273 —196.84 140.28 —125.72 188.44 651.28 — 5.81 März 850.64 850.02 841.96 846.611 3389.23 27.232 — 139.50 — 52.70 — 43.40 — 130.20 365.80 — 2.95 April 808.20 803.40 797.70 80610 3215.40] 26.795 271.20 7359.40 7356.40 241.20 171228. 20 + 10.23 Mai 802.280 800.11] 796.39] 802.59 3201.3 25.8171 362.08 416.95 429.66 338.83 1547.52 12.48 Jun.. 845.40 840.60] 832.80 839. 10] 3357.90 27.982] 547.20 613.20 642.300 508.501 2311.20 19.26 Juli 874.82 868.93] 864.90 869.241 3477.89] 28.048] 597.37 669.290 696.88 560.79 2524.33 20.36 Auguft... 851.88 847.23 842.27 849. 40 3390.78] 27.345] 516.77 596.75 613.18] 486.39 2213.09] 17.85 September | 848. 10 844.20 838.20 841.20 3371.70] 28.098] 382.20 450.00) 473.40 366.00 1671.60 13.97 October . 889.70 887.84] 883.19 892.80 3553.53 28658] 279.62 335.42 344.41 270.01] 122.46 9.91 November [840.90 837.30 831.00 841.50 3350.70 27.922] 161.40 202.50 205.20] 155.40] 724.50 6.04 December. 797.010 789.26 783.68 794.84 3164.79 25.523 ½ 27.90 / 61.38 / 62.00 + 53.94 7205.22 . 1.66 Jahres⸗S. 110015.58| 9977.79 9897.01, 99935239883. 90 In 5318 2802.89 3543.53 3684.07 2664.28 12694. 77 8.69 Mittel um 27.440 27.336] 27.115 27.379 7.68 9.71 10.19 7.30 1 Gleichzeitige Gegenbeobachtungen auf der Sternwarte zu Breslau. 58 M. 48 S. öſtlich von Paris, unter 51° 7° nördl. Breite und 453.62 Par. Fuß über dem Spiegel der Oſtſee. 1845 Barometerſtände Thermometerſtände Summen Summen Monat ; Summa | Mittel IT Summa Mittel 6 u. 1 u. 3 u, 9 U, „%% | | ei | Yon Sanuar .. 1019.07 1017.21 1012.17| 1013.52] 4061.97 32.758I— 21.4 , 23.8 + 33.8 — 10.10% %.1+ 0.21 Februar.. 857.36 860.00 858.90] 855.110 3431.37 30.637. — 178.8 — 127.0 — 107.2 — 154.30 567.3 — 5.07 März... 993.810 990.62 986.35 993.51] 3964.29 31.970 — 138.9 — 74.7 — 48.0 — 134.80 — 396.4 — 3.20 Abril. . 945.43 943.41 935.06 937.450 3761.35 31.3450 / 207.60 276.4 311,1 200.00 995.1 f 8.29 Mai 933.70 933.77 926.77 932.801 3727.04 30.057] 289.2] 359.9 365.6 271.6] 1286.3 10.38 Zuni .... 982.05 983.19 970.47 674.05 3909.76 32.581] 434.8] 493.01 523.4 420.0] 1871.20 15.59 Juli 1012.73 1010.66 1003.71) 1008.89] 4035.99 32.540 491.7] 541.5 573.7 473.5 2080.4 16.78 Auguft... | 995.42] 992.34 988.97 989.91] 3966.64] 31.990 426.5 495,10 516.2) 409.10 1846.9] 14.89 September | 980.04] 975.12 970.14 973.30 3898.60 32.4880 310.11 377.44 391.5 290.9] 1369.90 11,42 October . 1022.02 1019.83 1015.56 1021. 46 4078.87 32.8944 229.5 283.5 285.8 222.71 1021.50 8.24 November 983.02] 978.16 975.32 977.61 3914.11 32.618 121.3 187.8 189.0 122.7 620.8 5.17 December. 935.38 926.64 919.64 921.530 3703.19 29.8657 25.3 . 54.2 53.0 34.7 167.2) 1.35 Jahres⸗S. 1166003 1163095 11563.06 11599. 1446453.18 31.824] 2196.9] 2890.9 3087.9 21460 10321.7 8.32 Mittel um 31.863 31.866] 31.680 31.778 B ⁰ 6.02 7.92 8.46 5.88 L 15 II. Höhenunterſchiede in Par. Fuß aus den Beobachtungsmitteln. 1. Ratibor und Breslau. 2. Kreuzburg und Breslau. 1845 ahl 400 | Höhen Abweich. ] Anzahl 400 | Höhen: Abweich. der 955 75 + Unterſch. |v.Sahres- der 92 u + Unterſch. v. Jahres⸗ Monat Beobacht. (8% bey (Bebe) (L ) Par. F. | Mittel, Beobacht. (B bo) (Bebe) (L+ D | Par, F. Mittel. Januar. 87 331.800 0.827 400.27 122.72 + 45.19 93 331.786 + 1.003] 399.70] 148.62 + 20.28 Februar 77 329.815 0.905] 390. 16 131.68 + 34.23 84 329.496 1.041] 388.96“ 151•15 +½ 17.75 März 85 330,830] 1.064] 394.010 159.50 + 8.41 93 330.821] 1.072] 392.43 156.41 7 12.49 BTL nn. 85 330.445 0.986] 414.72 152.18) + 15.73 90| 330.271 1.015 413.25| 153.51/+ 10.39 Mai 89 328.616] 1.516) 420.15) 236.22 — 68.31 93 328.987 1.050] 419.06 164.51 7 4.39 Jun 83 331.152 1.506] 430.25 240.67 — 72.76 90 331.322 1.228] 428.96 195.56 — 26.66 Jau 87 331.378 1.337 431.48 214.13 — 46.22 930 331.372 1.1960 431.01] 191.35 — 22.45 Auguft ... 86 330.957 1.1120 427.580 176.70 — 8.79 93 330.767 1.1800 427.02] 187.37 — 18.47 September 82 331.545 0.924| 421.24 144.40 + 23.51 90 331.289 1.137 420.11] 177.35 — 8.45 October .. 66 332.732 9.909] 414.41] 139.26 + 28.65 93 331.704 1.142 414.70 175.61 — 6.71 November 90 331.458 1.069] 409.19] 162.33 5.57 December. 84 329.173 0.854] 402.08] 128.31 +7 39.60 930 328.759 1.075] 402.20] 161.77 L 7.13 1845 911 330.728 1.092) 413.40 167.91 1095| 330.675 1.101] 412.40 168.90 7 U. 315 330.7644 1.075 409.57 163.73 . 4.08 6 u. 365 303.709), 1.095) 408.97 166.55 2.35 12 u. 310 330.689 1.142 419.08] 178.02 — 10.11 2 u. 365 330.658 1.076 417.25 167.00 1.90 9 U. 286 330.729 1.058] 411.49 161.91 + 6.0010 u. 365 330.655 1.133 410.94 173.20 — 4.30 3. Oppeln und Breslau. 4. Leobſchütz und Breslau. 1845 Anzahl 400 Höhen: Abweich. ] Anzahl 400 Höhen: Abweich. der 22 un — Unterſch. v. Jahres⸗ der YA * — Unterſch. v. Jahres⸗ Monat Beobacht. (B bey (Bebe (L b Par. F. | Mittel, Beobacht. (Be boy (Bebe) (L b Par. F. Mittel. Januar 93 332.660 + 0.117 400.01 17.30 — 18.37 90 328.605 + 4.345 400.40 651.22 +½ 48.86 Februar 84 330.606 — 0.068] 389.04 — 9.84 7 8.77 84 326.218 4.336] 389.46 636.73 + 63.35 März 93 332.082 — 0.157] 393.13 — 22.86 21.79 93 327.513 4.378] 392.85 645.93 + 54.15 April. 90 331.398 — 0.069 414.40 — 10.86 + 9.79 90 326.883 4.394 413.61 683.87 + 16.21 Mai 93 330.018 + 0.044 420.40 6.89 — 7.96 93 325.582 4.460 418.87 705.77 — 5.69 Juni 90 332.568 + 0.012 430.80 1.91 — 2.98 90 327.623 4.912] 42870 790.58 — 90.50 SUR =. 93 392.500 0.048] 432.79|+ 7.68 — 8.75 93| 327.501 5.064| 430.20 818.20/—118.12 Auguft ... 93 331.901 7 0.098 428.64 + 15.57 — 16.64 65 326.096 4.821] 427.31 777.05 — 76.97 September 90 332.527 — 0.021) 420.78 — 3.27 + 2.20 57 327.663 4.447 420.40] 701.81 — 1.81 October . 93 332.916 — 0.018 415.64 — 2.76 1.69 93 328.309 4.535 414.97 705.05 — 4.97 November 90 332.646 — 0.063 409.42 9.54 . 8.47 90 328.136 4.389 409.48] 673.69 + 26.39 December. 92 329.911 — 0.021] 402.59 — 3.15 + 2.08 71 326.892 4.115 402.43] 623.11 7 76.97 1845 1094 331.818 — 0.008] 413.28 — 1.07 1009| 327.263 4.520 412. 10 700.08 6 u. 364 331.861 — 0.050] 408.80 — 7.57 + 6.506 u. 338 327.264 4.526 408.42 694.77 7 5.31 12 u. 365 331.803 + 0.063] 419.20 . 9.79 — 10.8602 u. 337 327.239 4.501) 416.68 705.00 — 4.92 9 u. 365 331.788 — 0.034 411.81 — 5.19 4.129 u. 334 327.284 4.536 411.210 701.00 — 0.92 5. Löwen und Breslau. 16 6. Neiſſe und Breslau. 1845 Anzahl 400 | Höhen: Abweich.] Anzahl 400 Höhen- Abweich. der 5 Y, + Unterſch. v. Jahres- der u 15 + Unterſch. v. Jahres⸗ Monat Beobacht. (Bor po) (BO be) (L ) Par. F. Mittel. Beobacht. (5% bo) (B b) (L+D Par. F. Mittel. Januar 93 332.590 + 0. 1990 399.84 7 30.60 + 11.49 93 331.823 + 0.966] 400.02 143.24 . 6.66 Februar 84 330.352 0.185 389.27 26.81 +7 15.28 84 329.625 0.912] 389.84. 132.67 + 17.23 März 86 331.952 0.224 391.38 32.48 + 9.61 93 330.951 0.942] 393.02 137.60 + 12.30 April 90 321.112 0.174 413.82 26.75 + 15.34 90 330.317 0.969] 414,95 149.73 0.17 Maler. er. 93 329.769 0.268 419.16 41.90 + 0.19 93 329.042 0.995 420.42 156.37 — 6.47 Juni 85 332.094 0.428 429.00 63.01] — 25.92 90 331.439 1.1110 430.09| 177.33)— 27.43 Jul; 92 332.216 0.345 431.00 55.05 — 12.96 93| 331.414 1.154| 432.02] 185.03) — 35.13 Auguft... 93 331.547 0.400) 427.28 63.40 — 21.31 93 330.910 1.037 428.46! 159.88 — 9.98 September 90 332.140 0.286] 420.53 44.54 — 2.45 90 331.479 0.947 422.03 148.30 + 1.60 October .. 93 332.568 0.278] 415.15 42.68 — 0.59 93 331.907 0.939) 416.77 145.03 4.87 November 90 332.281 0.246 409.71 37.31|+ 4.78 90 331.585 0.942] 412.30 144.07|+ 5.83 December. 93 329.610 0.224| 402.76 33.37|+ 8.72 93| 329.016 0.818] 404. 70 123.76|+ 26.14 1845 1082 331.515 0.275 412.53 42.09 1095| 330.802 0.974| 413.910 149.90 6 u. 361 331.534 0.284 408.80 43.07 — 0.98 6 u. 365 330.826 0.978) 410.08“ 150.05 — 0.15 2 U. 360 331.478 0.270 417.20 41.80 + 0.29 2 u. 365 330.766 0.968] 418.69“ 150.71 — 0.81 10 u. 361 331.532 0.272 411.01 41.50 + 0.5810 u. 365 330.812 0.976] 412.95 149.86 + 0.04 7. Habelſchwerdt und Breslau. S. Neurode und Breslau. 1845 Anzahl 400 Höhen: Abweich. | Anzahl 400 Höhen- Abweich. der 2% 92 + Unterſch. v. Jahres- der U A + Unterſch. v. Jahres⸗ Monat Beobacht. (Bobo) (B=) (L+ Par. F. | Mittel, Beobacht. (Bebe) (Bebe) (L+ 1) | Par. F. | Mittel. Januar 90 328.356 + 4.656 399.44 696.67 — 4.25 93 326.783 + 6.023 398.54 903.50 — 116.36 Februar 78 326.295 4.467 387.27 652.11 ½ 40.31 84 325.774 4.850] 388.110 710.71 ½ 76.43 März 81 327.142 4.686 390.92] 688.75 — 3.67 930 326.799 5.187 392.24] 765.75 + 21.39 April 8 90 326.195 5.157 412.93 802.23 — 15.09 Mar 930 325.389 4.701] 418.94 755.35 ½ 31.79 Juni 90 327.195 5.378] 429.07] 867.46 — 80.32 Sul. 76 323.255 4.464| 430.66| 720.38 — 27.96 90| 327.390 5.199| 431.29| 842.03 — 54.89 Auguſt 40 327.738 4.504 431.48 729.36 — 36.94 730 326-434 4.999] 427.33 818.01 — 30.87 September 80 328.118 4.330 419.49 680.910 / 11.51 810 327.602 5.248] 419.83] 827.24 — 40.10 October 70 328.164 4.562] 414.36 708.52 — 16.10 69 327.169 5.104] 415.12] 794.91 — 7.77 November 72 328.225 4.550 407.99 695.66 — 3.24 69 327.368 4.639 409.15) 713.13 / 74.01 December. | - 79 325.573 4.457 400.91] 675.06 +½ 17.36 73 325.663 4.0390 400.91) 609.710 +½ 77.43 1845 666 327.524 4.524 407.55 692.42 928 326.630 5.075 411.87 787.14 7 U. 235 327.701 4.513 405.56] 686.99 f 5.431 Yu. 335 326.696 5.142] 410.60] 794.91 — 7.77 3 U. 215 327.345 4.517 410:99| 697.56|— 5.14] 2 u. 333| 326.571 5.052] 415.57 790.75 — 3.61 9 u. 216 327.509 4.543 406.26) 693.15 — 0.73/10 u. 330| 326.622 5.030] 409.410 775.517 11.63 9. Prausnitz und Breslau. 10. Landeshut und Breslau. 1845 Anzahl 400 Höhen⸗ Abweich. ] Anzahl 400 Höhen: Abweich. der 72 12 + Unterſch. v. Jahres⸗ der In 65 + Unterſch. v. Jahres⸗ Monat Beobacht. (Bor b ( Bobo) (L+D Par. F. | Mittel, Beobacht. (Ber be) (5% b) (Lg) Par. F. Mittel. | Januar. 930 326.608 + 6.165 398.61 4925.45 + 22.90 Februar g 83 324.225 6.329 386.97 929.15 + 19.20 März 930 325.562 6.396] 391.27 945.82 + 2.53 April 90 331.828 — 0.542 413.98 — 83.17 +. 8.89 90 325.550 5.785 412.17 900.98 + 47.37 Mai 90 330.461 0.510 419.36 79.59 + 5.31 93 324.028 6.116 417.63 969.58 — 21.23 Juni 90 332.896 0.346) 429.53 54.9L| — 19.37 90| 326.542 6.0860 427.01) 978.90 — 30.55 Juli 86 332.932 0.326 432.11 52.064 — 22.24 60 327.181 6.049 430.44] 978.85 — 30.50 Auguſt 80 332.341 0.353 425.12 55.930 — 18.35 September 87 333.076 0.529 420.73 82.19 7.91 90 326.458 5.971] 418.79] 941.95 + 6.40 October . 93 333.423 0.577 414.77 88.297 14.01 86 326.649 6.208] 413.04) 965.55 — 17.20 November 84 333.184 0.592] 409.07 89.407 15.12 89 326.351 6.226] 407.74 956.70 — 8.35 December. 80 330.660 0.527 402.33 78.87 + 4.49 93 323.634 6.221 401.06 948.15 7 0.20 1845 780 | 332.324) 0.479 418.97 74.28 960 325.6544 6.140 408.92 948.35 6 u. 263 | 332.372) 0.454 416.22 69.93 — 4.35 7 u. 322 325.6910 6.156 406.45 944.95 + 3.40 2 257 332.280 0.507] 424.22) 79.61 + 5.33] u. 318 325.618] 6.175 413.25 963.95 — 15.60 10 u. 260 332.318] 0.478] 416.533 73.69 — 0.59 10 u. 320 325.653 6.086 407.13 935.88 + 12.47 ö | l 11. Kupferberg und Breslau. 12. Zittau und Breslau. 18915 Anzahl 400 Höhen⸗ Abweich.] Anzahl 400 Höhen: Abweich. der 77 Ih + Unterſch. v. Jahres⸗ der un 995 + Unterfch. v. Jahres⸗ Monat Beobacht. (Bo - bo (Be ben (U. 1) Par. F. Mittel. [Beobacht. (B op) (B bo (u+ 1) Par. F. Mittel. * Januar 88 325.040 7.684] 398.84 1159.75 17.32 124 330.363 + 2.395 400.47 357.10 — 6.45 Februar 82 322.899 7.692] 388.02 1136.90) 40.17 112 328.455 2.182 389.12 317.96 + 32.69 März 91 323.923 7.945 392.48 1184.10 — 7.03 124 329.651] 2.319 393.85 340. 80 + 9.85 April ss 324.057 7.340 413,19 1151.20 25.87 120 329.0700 2.275 418.52 355.90— 5.25 Mai 93 322.773 7.366 417.98 1173.30 3.77 124 327.937 2.120 422.86 336.24 14.41 Juni 87 325.188 7.407] 427.93 1198.90 — 21.83 120 330.281] 2.300 434.85 372.47 — 21.82 Juli 9 325.135 7.489 430.12 1218.60 — 41.53 124 330.2980 2.251 437.14 366.44 — 15.79 Auguſt 91 324.519 7.441) 426.62 1203.20 — 26.13 124 329.668] 2.322 432.74 374.90 — 24.25 September 90 324.986 7.436 419.65 1181.10 — 4.03 120 330.293] 2.195 425.39 339.817 10.84 October 93 325.435 7.397) 414.21 1160.82 16.25 124 330.776 3.118 418.15 329.34 21.31 November 87 324.958 7.628 408.61 1179.80 — 2.73 120 330.270 2.348 411.210 359.58 — 8.93 December . 91 322.0000 7.177 401.50| 1100.80 76.27 124 327.694) 2.171 403.010 328.41 + 22.24 1845 1074 324.265 7.535 411.82 1177.07 1460| 329.571] 2.253 417.010 350.65 . 358 324.376 7.516 408.78 1165.10 ½ 11.97 9 u. 365 329.651 2.212 413.70 341.45 . 9.20 2 353 324.202 7.548 416.30 1192.20 — 15.1312 u. 365 329.601] 2.265 417.63) 353.00 — 2.35 9 u. 363 324.211 7.547 410.78 1176.15 f 0.92] 3 U. 365 329.3980 2.282 418.65 356.75 — 6.10 9 u. 365 329.5788 2.200 413.18 339.23 11.42 Stationen Höhen⸗ Unterſch. aus den Haupt⸗ Jahres- Mitteln. Höhe über der Oſtſee. Stärkſte Abweichungen der Höhen-Unter⸗ 18 Prüfung der aus den Haupt-Jahresmitteln berechneten Höhen-Unterſchiede in Pariſer Fuß zwiſchen den Stationen und Breslau, nach der Methode der kleinſten Quadrate durch Vergleichung mit den Reſultaten aus den Monats- und Stunden-Mitteln. ſchiede aus den ſpeziellen Mitteln davon Sa bei der größten Höhe Monat oder Stunde bei der kleinſten Höhe Monat oder Stunde der Abweich.⸗ Quadrate bei dem Haupt⸗Reſultate Gewicht noch verbleibende Zweifel mittlere wahr⸗ bei den ſpeziellen Reſultaten Zweifel Malle Grenze | ſcheinliche ſcheinliche 1. Vergleichung des Haupt ⸗Reſultats mit denen aus den Monatsmitteln. Ratibor Kreuzburg + 167.91 + 168.90 1.07 + 700.08 + 42.09 +149.90 +692.42 +787.14 — 74.28 -++948.35 +1177.07 +350.65 621.53| + 72.76 622.52 26.66 452.55 18.37 1153.70 115.12 495.71 25.92 603.52 35.13 1146.04 36.94 1240.76) 116.36 379.34 22.24 1401.97 30.55 1630.79 41.53 804.27, + 24.25 Juni Juni Januar Juli Juni Juli Auguſt Januar Juli Juni Juli Auguſt 68.31 20.28 21.79 76.97 15.34 26.14 40.31 177.43 15.12 47.37 40.17 Mai Januar März December April December Februar December Novembr. April Februar 32.69 Februar 17079. 36 2763.75 1973.22 56881.64 2092.36 3364.09 4506.31 69168.63 1822.39 5964.19 6635.50 3901.95 0.00354 0.02601 0.03649 0.00126 0.03441 0.02140 0.00899 0.00104 0.02222 0.01014 0.01086 0.01845 4.738 8.013 1.748 2.955 1.477 2.497 7.929] 13.406 1.520 2.570 1.928 3.260 2.976 5.031 8.759 14.810 1.892 3.199 2.801 4.735 2.701 4.566 2.076 3.511 26.577 30.399 10.236 11.645 8.649 9.840 46.440 52.834 8.906] 10.132 12.293 13.848 15.092] 17.491 51.300 58.363 9.610) 11.136 15.705 17.963 15.849 18.027 12.163 13.838 2. Vergleichung des Haupt⸗Reſultats mit denen aus den Jahresmitteln der Beobachtungs⸗ Stunden. Ratibor . 167.91 621.53 10.1112 u. M. — 6.009 u. A. 154. 86 0.02906 1.655 2.7980 4.846 6.180 Kreuzburg 168.90 622.52 4.30 10 U. A. 2.356 U. Ma. 27.62 0.16290 0.699 1.182 2.046 2.620 Oppeln. — 1.07 452.55 7.57 6 u. Mg. 9.79012 u. M. 177.60 0.025344 1.772) 2.996 5.189 6.618 Leobſchütz. 700.08 1153.70) 4.92 2 U. NM. 5.31 6 u. Mg. 53.25 0.08450 0.9700 1.640 2.842 3.648 Löwen .. 42.09 495.71 0.9806 u. M. 0.58 10 U. A. 1.38 3.260800 0.197] 0.332 0.457) 0.583 Neiſſe. ... 149.90 603.52 0.812 U. NM. 0.0410 u. A. 0.68! 6.61760 0.109] 0.155) 0.3210 0.409 Habelſchw. 692.42 1146044 5.14 3 u. NM. 5.43 7 u. Mg. 56.44 0 07973] 0.9909 1.689 2.925 3.730 Neurode . 4787. 14 1240. 76 7.77 9 u. Mg. 11.63 10 Uu. 4. 208.660 0.02156“ 1.921] 3.240 5.625 7.174 Prausnitz. — 74.28 379.24 4.35 6 U. Mg. 5.33 2. NM. 4768 0.094380 0.918“ 1.552 2.689] 3.429 Landeshut. 948.35 1401.97 15.601 Uu. M. 12.47 10. u. A. 410.42] 0.01097 2.693 4.554] 7.879 10.051 Kupferbg. [1177.07 1630.79 15.132 u. NM. 11.97 7 u. M. 573.04 0.00785 3.183 5.382 9.322) 11.889 Zittau .. 4530.65] 804.27 2.35 12 u. M. 114209 U. A. 257.79 0.031033 1.601] 24.707 5.414] 6.705 Beobachtungen des Vereins für die Serſchel'ſchen Termine im nördlichen Deutſchland im Jahre 1845. 20 Beobachtete Veränderungen des auf 0“ R. reducirten Barometerſtandes vom Minimum aus in Pariſer Linien. Am Termine Sir John Herſchels zur Zeit des Frühlings-Aequinoctiums 1845 von März 19 Morgens 6 Uhr | \ bis März 20 Abends 6 Uhr. Anmerk. Bei den Angaben der Mittel und der Minima find, wie bei den Stations-Beobachtungen, noch 300 Linien überall hinzuzufügen. Stationen | Kreuzb. Leobſch. | Neiſſe Löwen Oels Breslau Habelſch. Landesh. Kupferb. Hirſchbg. Mer.⸗Unt.] 4m7 E | 3nl E | IM2E | IM2E 003 E 0 Ina W | AnO W | An3 W | 5ma W. 24 St. M. 26.24 19.84 26.34 27.74 — 28.67 19.40 16.08 13.46 20.38 Minimum | 23.94 16.53 24.03 25.73 25.47 26.48 16.90 13.82 11.24 18.18 22 ³o˙ mA ⁵]²» ʒ x mmm p d . . Morg. 6] 0.91* 1.56 0.75* | .0.57* 0.94* 1.09* 0.40* 0.14 0.04 0.02 7 0.77 0.80 0.67 0.43 0.83 0.36 0.25 0.07 0.00- 0.06 81 0.58 1.60* 0.60 0.30, 0.78 0.21 0.00- 0.02 0.09 0.04 91 0.32 0.78 0,40 0.16 0.46 0.17 0.22- 0.12 0.00- 10) 0.00 0.00- 0.40 0.10 0.60 0.11 0.36 0.29* 0.15 0.06 111 0.00- 0.09 0.02 0.05 0.00- 0.31 0.14 0.21 0.11 Mitt. 12 0.00 0.31 0.25 0.02 0.01 [ 0.64 0.00 0.22 0.07 11 0.00 0.41 0.00. 0.00: 0.30 0.08 0.55 0.09 0.43 | 0.10 24 0.10 0.06 0.02 0.44 0.52 0.07 0.23 0.21 0.39 0.14 31 0.14 0.68 0.41 0.20 0.59 0.11 0.32 0.18 0.52 0.21 44 0.24 1.20 0.58 0.26 0.55 0.18 0.44 0.40 0.52 0.36 51 0.54 1.41 0.88 0.51 0.00 0.42 0.77 0.91 0.71 0.48 Abend 61 0.95 2.14 1.00 0.86 0.54 0.81 1.26 1.13 0.85 0.87 71 1.20 2.28 1.55 1.25 0.78 1.11 1.57 1.33 1.31 1.16 81 1.41 2.63 1.75 1.58 0.62 1.13 1.73 1.62 1.67 1.44 91 1.73 2.79 2.01 1.82 0.76 1.47 1.92 1.94 1.81 1.74 10] 2.13 2.92 2.17 2.06 1.21 1.80 2.09 2.08 1.84 1.92 111 2.42 3.15 3.45 2.51 1.87 2.03 2.30 2.27 1.91 2.11 Nacht 12] 2.53 3.74 3.57 2.57 2.11 2.05 2.49 2.45 2.09 2.39 11 2.85 3.63 3.82 2.69 2.26 2.77 2.76 2.42 2.52 21 2.86 3.63 3.97 2.88 2.46 2.92 3.06 2.60 2.67 31 3.09 3.86 3.17: 3.26 2.90 3.12 3.07 2.76 2.85 41 3.39 4.13 3.37 3.40 3.97 3.35 3.16 2.98 2.99 5 3.50 4.71 3.52 3.55 3.07 3.45 3.25 3.18 3.07 Morg. 6] 3.73 4.86 3.39 3.81 3.31 3.20 3.72 3.51 3.42 3.40 71 4.21 5.09 3.93 4.20 3.44 3.69 3.88 3.97 3.61 3.63 81 4.27 5.20 4.32 4.47 3.61 3.75 4.33 4.23 3.79 3.87 91 4.47 5. 48 4.50 4.61 3.80 4.31 4.27 4.27 3.95 4.15 10J 4.71“ 5.60 4.57 4.61 3.92 4.27 4.29 4.20 4.07 4.19 111 4.70 5.76 4.50 4.72 4.10 4.28 4.54 4.26 4.20 4.20 Mitt. 12 4.92 5.72 4.83 4.82 4.18 4.45 4.58 4.61 4.36 4.27 11 4.96 5.52 4.45 4.96 4.48 4.52 4,84* 4.50 4.46 4.43 21 4.98 77228 4.87 4.96 4.33 4.61 4.82 4.52 4.46 4.48 3] 5.01 5.77 4.92 4.98 4.45 4.71 4.79 4.53 4.48 4.47 44 4.96 5.83 4.85 4.99 4.55 4.71 4.68 4.56 4.52 4.54 51 5.00 5.86 5.00 5.07 4.57 4.72 4.78 4.70 4:56 4.56 Abend 6 5.13* 6.26 5.25* 5.40* 4.55 4.92* 4.77 5.03 * 4.98 4.82 * 21 Beobachtete Veränderungen des auf 0“ R. reducirten Barometerſtandes vom Minimum aus in Pariſer Linien. Am Termine Sir John Herſchels zur Zeit des Frühlings-Aequinoctiums 1845 von März 19 Morgens 6 Uhr bis März 20 Abends 6 Uhr. Stationen ] Görlitz Forſt e Bodenb. Jena | Harburg | Marburg | Osnab. | Emden Aachen Mer.⸗Unt.] Sm3 w | 9m3 w | 10m1 W | 11m3 W 21 w 28 W 3300 W 360 w | 39m3 W. 43n9 w 24 St. M.] 26.32 33.48 33.83 29.34 29.00 34.93 25.20 32.47 33.38 29.32 Minimum | 24.30 31.60 30.88 26.61 26.59 33.03 22.80 30.95 32.36 27.02 — ͤ— — — — . ͤ—— — — —-¼-— ——˙ —— Morg. 61 0.38“ 0.00 0.00 0.11 0.00. 0.15 0.15 0.00 0.00 0.26 71 0.28 0.02 0.50 0.00- 0.04 0.19 0.00- 0.00 0.34 0.00- 81 0.15 0.22 1.89 0.39 0.22 0.24 0.12 0.15 0.16 0.31 91 0.23 0.25* 1.89 0.37 0.21 9.30* 0.17 0.11 0.28 0.31 101 0.07 0.25 1.86 0.33 0.32 0.03 0.24 0.11 0.46 0.44 111 0.37 0.20 1.86 0.42 0.40 0.03 0.45 0.08 0.64 0.50 Mitt. 121 0.14 0.05 1.86 0.40 0.41 0.00: 0.58 0.08 0.44 0.84 11 0.00 0.00 1.86 0.51 0.34 0.07 0.43 0.08 0.45 1.02 2 0.16 0.00- 1.86 0.50 0.44 0.11 0.48 0.21 0.30 1.15 31 0.24 0.28 1.86 0.60 0.59 0.07 0.69 0.41 0.41 1.24 44 0.37 0.37 1.84 0.73 0.84 0.13 1.02 0.58 0.23 1.28 51 0.75 0.55 1.86 1.15 1.03 0.24 1.16 0.65 0.37 1.55 Abend 6] 0.87 0.75 2.00 1.47 1.36 0.48 1.46 0.91 0.40 1.77 71 0.88 0.83 2.10 1.72 1.62 0.66 1.79 0.98 0.60 1.86 81 1.61 1.10 2.29 2.08 1.91 0.89 2.18 1.14 0.70 1.60 91 1.83 1.27 2.49 2.48 2.18 1.02* 2.37 1.34 0.90 1.73 10) 1.75 1.87 2.69 2.68 2.51 0.98 2.10 1.34 0.75 1.64 111 2.02 1.54 2.89 3.18 2.66 0.96 2.51 1.34 1.06 1.95 Nacht 12] 2.23 2.11 2.99 3.29 2.81 0.91 2.63 1.34 0.86 2.22 11 2.39 2.25 3.09 3.28 2.93 0.91 2.55 1.41 1.03 2.39 2J 2.63 2.30 3.09 3.58 3.07 0.84 2.62 1.41 0:89 2.53 31 2.74 2.40 3.09 3.79 3.09 0.75 2.96 1.51 1.16 2.70 44 2.95 2.55 3.39 3.89 3.17 0.65- 3.03 1.88 1.63 2.88 51 3.01 2.50 3.59 3.89 3.23 0.76 2.97 1.92 1.36 2.88 Morg. 61 3.27 2.60 3.89 3.89 3.32 0.94 3.26 2.24 1.56 3.16 71 3.57 3.10 4.09 4.48 3.50 1.20 3.38 2.53 1.66 3.15 8 3.66 3.43 4.29 4.56 3.60 1.63 3.53 2.67 1.82 3.55 91 3.68 3.70 4.32 4.38 3.74 1.97 3.95 3.10 1.86 3.81 100 3.86 3.76 4.38 4.51 3.89 2.17 4.07 2.87 1.96 4.12 111 3.96 3.78 4.68 4.53 4.03 2.20 4.15 3.04 2.12 4.17 Mttt. 12 4.13 3.80 4.64 4.76 4.11 2.20* 4.10 3.00 1.96 4.17 11 4.09 3.77 4.38 4.66 4.24 2.08 4.40 3.14 2.26 4.17 2J 4.12 3.75 4.42 4.65 4.34 2.01 4.45 3.20 2.16 4.61 34 4.15 3.95 4.52 4.69 4.43 1.89 4.57 3.04 2-49 4.74 41 4.21 3.95 4.62 4.91 4.46 1.87 4.69 3.24 2.46 4.79 5 4.34 4.03 4.82 5.12 4.62 1.82 4.88 3.44 2.86 4.79 61 4.56* 4.20* 5.12* 5.94* 4.81* 1.85 4.92* 3.67* 2.86* 4.83* ” Beobachtete Veränderungen der Temperatur der freien Luft im Schatten in Graden nach Réaumur vom Minimum aus. Am Termine Sir John Herſchels zur Zeit des Frühlings-Aequinoctiums 1845 von März 19 Morgens 6 Uhr bis März 20 Abends 6 Uhr. — + [e 0) * — = an + F @nrnman MmMosam Sosso>o naowunn © Kt Ih Go ee) Se S nOondan and SS Soo=-no SSS m Sa I a x } 1 3 02 8 S SUD S nomona e eee amoonmnm moonon S SSS © Er + Nee N SO See AAS Nee Ammmso SSN SSS © = — 5 Il ES D * * S S ca Donoxn Se eee neee eren Sommmn SSA D © 5 Se r e Aae MTmocoso SSS AH ssonn® a Ss ES — * * 0 — mo mo N - dees SSS οο e NS A © e S ese ei SSS SSE He es m S * 85 1 — a * * 8 Ss 2 = Sodoso »or-mna S DNN S S A SKS 1m 2 S S le] Senn ed D o N ED zu Di zu —— 22 — — 2 SS S mm c cd od od a a I * * 2 2 = ron BD-RDOH Swocs00S©0 « e »nmemonn © 65 > | 5 socan HERD A © SSS n © — * * 8 2 IAA Deer Dea ede SSS Sn © — > an de ede r Termmmos SSG Ne ede m = a | | — * * ge u — ** & S |» » -manan n Se Alter e SSN mnnnna a Saas = A * * — 2 z ai oo DNMWWAD MUDONS VDENDSESO main Ombomo n e © S 225 am Socsorrm amadlm=- oceo0909509 e 3 ® * * — 22 nn ard d ed 1 W 1 1b 10h 17 D D e i Ae e e SSS Sed i nnonno San m > a 9 Sorman A SSS SSS SSS Ae — 8 L b ä— A DOM mann © = 2 8 8 ODE ac e eee See l on = E ze 2 85 - . — * + + 5 2 + 2 e 5 * 2 = 8 * = S 2 Se © = > Ss — 5 — c 8 8 8 = & 2 S 23 7 Beobachtete Veränderungen der Temperatur der freien Luft im Schatten in Graden nach Réaumur vom Minimum aus. Aequinoctiums 1845 von März 19 Morgens 6 Uhr bis März 20 Abends 6 Uhr. Am Termine Sir John Herſchels zur Zeit des Frühlings Aachen 20“ 8 — 1.90 — 6.4 Emden 1537 N — 2.23 — 4.6 69° N — 3.01 — 6.1 6.1: 87 8 — 4.73 — 7.0 Harburg Marburg Osnab. 141’ N — 2.97 — 5.6 Jena 117 8 — 3.40 — 5.2 Bodenb. Frankfurt a. O. 7 N 75’ N — 2.08 — 4.4 — 3.25 — 5.2 9.3° 3.9: 5.8: Forſt Görlitz Stationen 370 N — 2.74 — 5.3 27 N Breit.⸗Unt. — 3.26 — 5.8 24 St. M. Minimum 9.2: FF 3.8 · 4.0: 4.0 4.3 24 Beobachtete Veränderungen des auf 0 R. reducirten Barometerſtandes vom Minimum aus in Pariſer Linien. Am Termine Sir John Herſchels zur Zeit des Sommer-Solſtitiums 1845 vom Juni 20 Morgens 6 Uhr bis Juni 21 Abends 6 Uhr. Stationen | Kreuzb. | Leobſch.] Neiffe | Löwen Breslau Prausn. Landesh. Görlitz Forſt SEE Bodenb,) Jena | Marb. Osnbr. Aachen Mer.⸗Unt.] Am7 E 301 E Im E | Im2E 0 O0m3W AO W | Sm3 W 9m3 w IO IW IIS w | 2179 W. 3300 W 360 W | 43m9 W 24 St. M. 30.21 22.15 30.31 31.58 32.69 20.91 | 29.95 | 37.05 | 32.03 | 32.69 | 32.58 | 28.72 | 36.52 | 32.56 Minimum | 29.72 21.57 29.67 30.92 31.96 32.71 | 19.71 | 28.92 | 35.85 | 30.74 | 31.45 | 31.39 | 28.09: | 35.64 | 31.27 Morg. 65 0.13 0.21 0.00 0.19 0.07 0.00 0.00 0. 00: 0.00: 0.95“ 0.05 0.00 0.14 0.00 0.85 21. 71 0.21 0.17 0.03 0.22 0.24 0.06 0.06 0.04 0.15 0.91 0.00“ 0.19 0.00: | 0.50 0.85 81 9.29 0.24 0.05 0.25 0.21 0.50“ 0.12 0.26 0.55 0.91 0.05 0.25 0.12 0.54 0.89 91 0.35* 0.22 0.01 0.19- 0.18 0.20 0.14 0.25 0.30 0.91 0.13 0.33 0.28 0.55 0.98 10) 0.24 0.34 0.05 0.19 0.27 0.00.) 0.22 0.21 0.30 0.87 0.14 0.49 0.43 0.60 0.98 111 0.02 0.44 * 0.04 0.23* 0.23 0.34 0.38 0.28 0.35 0.84 0.55 0.67 0.54 0.60 1.11* Mitt, 12 0.00 0.31 0.05 0.2¹ 0.41: 0.08 0.38 0.37 0.41 0.22 0.65 0.70 0.27 0.57 0.98 11 0.07 0.31 0.07 0.17 0.23 0.28 0.34 0.34 0.26 0.01 0.74 0.76 0.19:| 0.57 0.98 21 0.10 0.13 0.12 0.07 0.11 0.06. 0.41 0.31 0.35 0.00:| 0.74*| 0.84*| 0.48 0.70*| 0.89 34 0.00 0.13 0.17 0.03 0.00: 0.06 0.58 0.28 0.43 0.34 0.65 0.78 0.45 0.70 0.89 44 0.01 0.13 0.22 0.05 0.02 0.20 0.56 0.40 0.35 0.34 0.64 0.70 0.36 0.64 0.89 5 0.02 0.04 0.27 0.06 0.02 0.04 0.54 0.45 0.50 0.47 0.54 0.70 0.34 0.60 1.02. Abend 6] 0.02 0.00 0.31 0.00 0.02 0.09 1.02 0.43 0.58 0.67 0 76 0.73 0.53 0.59 1.07 71 0.22 0.05 0.35 0.10 0.07 0.18 1.06 0.50 0.55 0.67 0.87 0.75 0.54 0.64 1.11 81 0.42 0.26 0.37 0.27 0.30 0.37 1.08 0.57 0.75 0.67 1.08 0.95 0.73 0.77 1.20 91 0.52 0.50 0.42 0.62 0.35 0.36 1.14 1.01 0.99 0.91 1.27 1.16 0.71 0.84 1.38 10) 0.54 0.79 0.47 0.61 0.56 0.44 1.04 1.04 1.15 1.11 1.18 1.10 0.78 1.04 1.38 111 0.52 0.79 0.52 0.61 0.67 0.51 1.04 1.10 1.24 1.11 1.37 1.21 0.90 1.17 1 42 Nacht 12] 0.54“ 0.79 0.57 0.70 0.75 1.62 1.30 1.30 1.39 1.37 1.24 0.70 1.27“ 1.51 11 0.47: 0.63 0.78 0.76 1.62 1.26 1.44 1.59 1.47 1.26 0.66 1.07 1.47 21 0.49 0.69 0.78 0.84 1.66 1.32 1.51 1.59 1.37 1.23 0.65 1.07 1.38 31 0.49 0.78 0.79 0.78 0.89 1.66 1.32 1.45 1.59 1.37 1.22 0.59 1.07 1.42 44 0.59 1.03* 0.85 0.80 1.03 0.63 1.62 1.38 1.53 1.69 1.47 1.26 0.76 0.61 1.42 51 0.69 0.99 0.85 0.88 1.05 0.60 1.62 1.39 1.60 | 1.69 | 1.59 1.32 0.60 | 0.71 1.42 Morg. 61 0.69 0 93: 0.94 0.96 1.02 0.62 1.74 1.55 1.68 2.18 1.70 1.44 0.68 0.69 1.42 71 0.78 1.17 1.04 1.14 1.18 1.28 1.44 1.55 1.96 2.18 1.61 1.56 0.68 1.10 1.42 81 0.88 1.12 1.11 1.30 1.36 1.17 1.62 1.54 1.94 2.18 1.71 1.69 0.70 1.15 1.51 91 1.09 1.13 1.21 1.37 1.35 1.17 1.64 1.76 2.02 2.48*| 1.81 1.74 0.86 1.16 1.65* 101 1.17 0.9 1.29 1.44 1.54 1.67 1.68 1.74 2.05%) 2.44 1.93%) . 1.78 0.80 1.07 1.56 111 1.23* 1.11 1.36 1.50 1.55* 0.87“ 1.90*| 1.88*| 1.99 2.41 1.92 1.84*| 0.85 1.07 1.51 Mitt, 12 1.21 1.36* 1:44* 1.52* 1.53 0.48 1.80 1.81 1.88 1.91 1.92 1.76 0.80 0.98 1.29 11 0.90 1.10 1.35 1.49 1.46 1.25 1.64 1.76 1.80 1.91 1.82 1.64 | 0.73 0.83 1.20 21 0.88 1.12 1.26 1.32 1.31 1.25 1.72 1.76 1.59 1.91 1.71 1.44 0.69 0.64 0.76 3] 0.68 1.10 1.06 1.15 1.08 1.30 1.74 1.70 1.47 1.91 1.82 1.36 0.37 0.47 0.76 4J 0.60 0. 80 1.01 1.13 1.03 1.10 1.80 1.55 1.54 1.51 1.72 1.20 0.36 0.37 0.63 51 0.60 1.04* 0.96 1.10 1.06 1.65“ 1.54 1.36 1.35 1.31 1.63 1.00 0.25 0.09 0.23 Abend 6] 0.71 0.92 0. 96 1.00: 0.96 0.94 1.66 1.41:| 1.285:|) 1.31 1.43:| 0.78] 0.15 0.02:| 0.00- 21 Abends . Juni i 20 Morgens 6 Uhr b i vom Sun 5 1845 ” 6 Uhr. Solſtitium Beobachtete Veränderungen der Temperatur der freien Luft im Schatten in Graden nach Réaumur vom Minimum aus. Am Termine Sir John Herſchels zur Zeit des Sommer (>) . S 8 1 0 SSS ar amo- SD ® S — = ee e ee eee n SSS SSS SU AA 8 nn 1 * = * * Sn = S 0 S SSS mnorsam D = 1 e S NN INA D r a D S S S S N SSS e S 2222 S I == — 2 —— a... — a ++ — 25 . sin | SO @ SS Seeed 0 00 A S Sonson q An See ee h m 8 8 = SSA e e e e nee en nee Se S 8 D ++ = % : 2m | = S e S S n en SSD Onmono nonnmaan S SS SS — Sun 2 Sees es es es es es eg e AARN-S SS SSS MN A = FETTE 8 = : 5 > e ed h Sed * „„ S es e e e n e A SSS SS SSS SSS S SSS rer 8 = B E F SD SSS 0 S & . 0 S 0 0 D „ e SS e 0 2 5 „len o e S Dann Se Bram e S S S SSS n e e e a | on F 7 a ea „8 Smroocn “Amooen S A SS ed etanno S = S 1 2 — — = ano S SS 20 1 K e e — 2 288 S SSS = 50 0 N 8 F 7 * 2% | an Sen a A e 1 00 0 80 A 288 e ede e Sed D 88 — e 1 S S e S Ses e SSS Ae e 427 E RS 3 2 3m * © S SD 5 0 S 5 SSD u SSS soonna ο e Ac es ec ed e eg e e DS e SS SSS SSS SM AD SS SSS l 7 S 2 = 0 an D SS SaSe oa SAN Sasonn 0 sn = is S SS SSS Sed SS SSA SSS — . + = S 3% — — 0 N ee D S S e ee S A IO m = = — SA S CCS SA e SS S SSS == Aces ese S a ++ a 1 S Se NA e Nee 25 0 U = e eg en . 0 e 1 = Sc e See SAID SS SSS SS es AAN Nee d S SSS a 1 5 8 4. 4 e u 88 S SSS Snoono onocoo SSS SS SSS SSS neonon D S S SSS ies Ae SS nHHaan A SSS SS es e N a 2 © ++ = >) . er . = u Ten} S SSD DD 05 00 0 S A D DN D N D SSD S . D © = 8 2 — Sman-o 8 = S D mn SAN es Ned e m 8 — a an nm 5 ca = 1 © S D od Sean nanano S SSD SA nr man — u . . — — 8 A S 8 0 0 u ed es S es e SSS — = + N 8 2 555 Sa S 3 1 22 . r eee 2 es 2 = — = = 58 1 > 2 — 8 8 S 2 Y = — = = = — = = - 2 De — = > S S a5 15 5 S & 5 2 26 Beobachtete Veränderungen des auf 0“ R. reducirten Barometerſtandes vom Minimum aus in Pariſer Linien. Am Termine Sir John Herſchels zur Zeit des Herbſt-Aequinoctiums 1845 von September 22 Morgens 6 Uhr bis September 23 Abends 6 Uhr. Stationen | Kreuzb. Leobſchütz Neiffe Löwen Dels Breslau Habelſch. Prausnitz Landesh. Kupferb. Mer.⸗Unt. | Am7 E 31 E Im2 E | Im2 E | 0m3 W 0 1m4W Omg W AO W | Am3w 24 St. M.] 31.59 — 31.87 32.99 32.69 | 33.41 | 24.81 34.56 | 21.80 18.99 Minimum | 30.52 | 23.50 30.57 | 31.99 | 31.72 32.41 23.53 33.19 | 20.16 | 17.72 Morg. 6] 0.20 0.00- 0.00- 0.10 0.32 0.3% 0.40 0.18 0.09 71 0. 00. 0.00 0.04 0.00 0.41⸗ 0.05 0.00 0.38 0.00. 0.06 81 0.10 0.14 0.08 0.00 0.37 . 0.06 0.10 0.42 0.14 0 03 91 0.16 0.14 0.46* 0.12 0.36 0.23 0.26 0.38 0.18 | 0.00- 10 0.25 0.22* 0.36 0.16 0.28 0.17 0.36* 0.43 0.30 0.00 111 0.25* 0.07 0.42 0.18* 0.17 0.18 0.31 5.45* 0.36 0.00 Mitt. 12 0.25 0.09 0.40 0.14 0.24 0.06 0.28 0.39 0.402 0.00 11 0.16 0.13 0.38- 0.12 0.21 0.13 0.21- 0.42 0.22- 0.21 2J 0.16 0.16 0.38 0.10 0.25 0.00- 0.25 0.03- 0.26 0.25 31 0.16 0.06 0.48 0.08 0.00 0.00 0.45 0.19 0.40 0.33 Al 0.38 0.18 0.53 0.08 0.16 0.04 0.39 0.43 1.06 0.45 51 0.40 0.19 0.55 0.14 0.23 0.24 0.67 0.78* 1.20 0.56 Abend 61 0.42 0.36 0.64 0.30 0.31 0.28 0.75 0.00 1.30 0.75 71 0.52 152% 0.96 0.44 0.27 0.66 0.92 0.80 1.38 0.79 81 0.70 0.60 0.96 0.60 0.28 0.90 1.30 0.99 1.82 1.10 91 0.82 0.54 0.96 0.69 0.41 0.94 1.35 1.36 1.52 1.17 10] 1.03 0.78 1.06 0.82 0.54 1.18 1.30 1.21 1.64 1.25 111 1.02 1.01 1.16 0.96 0.73 1.21 1.51 1.31 1.64 1.37 Nacht 12] 1.02 1.04 1.31 1.11 0.85 1.25 1.53 1.41 1.66 1.47 11 1.2 1.46 1.20 1.04 1.31 1.45 1.57 1.68 1.61 21 1.42 1.50 1.26 1.39 1.38 1.60 1.56 2.02 1.69 3 1.52 1.08 1.53 1.31 1.59 1.49 1.42 1.92 2.02 1.73 4J 1.53 1.12 1.56 1.38 1.74 1.58 1.63 1.94 2.10 1.75 5 1.43 1.42 1.66 1.50 2.00* 1.78 1.57 1.90 2.28 1.81 More. 61 1.55 1.63 1.76 1.62 1.28 1.90 1.85 2.24 2.58* 1.81 71 1.71 2.07* 1.96 1.69 1.79 1.99 1.82 2.00 2.44 1.87 8 1.69 2.07 1.96 1.79 1.80 2.07 1.95 2.18 2.44 1.87 91 2.15 2.04 2.26 1.88 1.79 2.17 1.93 2.22 2.44 1.99 * 10J 2.23 1.99 2.41* 1.95 1.78 2.24 2.04* 2.71* 2.44 1.97 111 2.19 1.70 2.41 1.97* 1.93 2.19 1.82 2.47 2.46 1.92 Mitt, 12] 2.20 1.52 2.38 1.93 1.86 2.18 1.78 2.09 2.18 1.80 11 1.90 1.48 2.38 1.82 1.88 2.04 1.63 2.06 2.12 1.88 2 1.62 1.51 1.88 1.61 1.64 1.90 1.60 1.93 2.08 1.47 3 1.32 1.24- 1.63 1.51 1.58 1.86 1.71 1.86 2.08 1.47 44 1.34 1.53 1.63 1.48 1.59 1.71 1.51 1.88 2.02 1.47 5 1.36 1.43 1.42 1.47 1.70 1.43 1.87 1.92 1.50 Abend 61 1.26 2.20 1.38 1.37: 1.59 1.48- 1.53 1.76 2.28 1.50 ö 27 Beobachtete Veränderungen des auf 0“ R. reducirten Barometerſtandes vom Minimum aus in Pariſer Linien. Am Termine Sir John Herſchels zur Zeit des Herbſt-Aequinoctiums 1845 von September 22 Morgens 6 Uhr bis September 23 Abends 6 Uhr. Stationen | Görlitz Forſt 9 Bodenb. Jena | Harburg | Marburg | Osnab. Emden Aachen Mer.⸗Unt.] Sm3 W. mg w | 10m1 W | 11m3 W | 21m9 W282 W | 33m0 W | 36m0 w | 39m3 W. 43 9 W 24 St. M.] 30.90 | 37.57 | 34.13 33.58 | 32.39 | 36.25 | 28.16 | 35.17 | 36.65 31.14 Minimum | 29.65 | 36.05 | 32.47 | 32.28 | 30.67 34.47 | 26.15 32.06 | 33.12 | 28.08 Morg. 6] 0.12 0.00 0.75 0.00 0.00 0.00 0.06 0.00 0.00 0.00 71 0.11 0.04 0.75 0.00 0.10 0.11 0.12 0.07 0.10 0.67 81 0.00 0.09 0.72 0.20 0.20 0.26 0.17 0.13 0.06 0.67 9 0.09 0.06 0.48 0.19 0.28 0.37 0.00- 0.13 0.08 1.02 10| 0.28 0.25 0.20 0.29 0.30 0.49* 0.52 0.32 0.17 1.24 111 0.29 0.25 0.00- 0.38 0.40 0.43 0.50 0.80 0.17 1.47 Mitt. 12 0.57* 0.27 0.00 0.382 0.40 0. 41 0.71 0.91 0.62 2.04 11 0.54 0.25 0.40 0.37 0.40 0.82 0.88 1.15 1.06 2.22 2] 0.35 0.25 0.40 0.26 0.49 0.83 0.89 1.36 1.31 2.26 31 0.33 0.39 0.40 0.26- 0.54 1.01 1.08 1.63 1.41 2.53 44 0.50 0.50 0.40 0.35 0.64 1.33 1.28 1.98 2.06 2.26 5 0.52 0.55 0.40 0.45 0.94 1.69 1.40 2.29 2.31 2.57 Abend 6 0.73 0.75 0.40 0.56 1.24 2.03 1.57 2.63 2.76 2.84 71 0.76 0.97 0. 94 0.78 1.52 2.17 1.82 2.95 3.16 3.19 8 0.86 1.09 1.24 1.08 1.70 2.53 1.93 2.95 3.26 3.46 91 0.90 1.25 1.24 1.18 1.88 2.51 2.35 3.32 3.37 3.50 10| 1.05 1.58 1.74 1.18 1.89 2.66 2.43 3.26 3.92 3.46 111 1.26 1.65 1.94 1.28 2.02 2.93 2.42 3.29 4.09 3.55 Nacht 12] 1.41 1.85 2.07 1.48 2.15 2.81 2.41 3.42 4.10 3.42 11 1.41 1.95 2.07 1.77 2.28 3.27 2.62* 3.59 4.85 3.46 21 1.56 1.96 2.25 1.87 2.42 3.20 2.47 3.69 4.13 3.49* 31 1.66 2.07 2.25 1.88 2.40 3.19 2.40 3.59 4.24 3.46 4| 1.76 2.10 2.25 1.90 2.29 3.19 2.51 3.59 4.24 3.46 5 1.86 2.17 2.25 1.90 2.25 3.21 2.44 3.61 4.47 3.46 Morg. 6| 1.82 2.26 2.55 1.90 2.32 3.21 2.48 3.61 4.62 3.42 71 2.02 2.25 2.71 2.20* 2.36 3.42 2.38 3.62 4.85 3.28 8] 2.08* 2.36 2.71* 2.00 2.37* 3.62 2.23 3.64 4.85 2.93 9] 1.98 2.45* 2.67 2.20 227 3.755 2.39 3.64* 5.05 DRM 10) 2.02 2.28 2.40 2.08 2.18 3.72 2.23 3.64 5.05 2.84- 111 2.00 2.25 2.20 1.96 1 99 3.61 2.17 3.44 5.02 3.06 Mitt. 121 1.75 2.13 2.08 1.76 1.94 3.61 2.11 3.34 5.01 3.06 11 1.65 1.80 1.66 1.77 1.67 3.58 1.96 3.34 5.01 3.11 2| 1.67 1.80 1.66 1.47 1.47 3.36 1.94 3.56 5.04 3.33 31 1.34 1.58 1.46 1.25 1.39 3.20 1.85 3.56 5.04 3.50 4| 1.32 1.45 1.40 1.15 1.48 3.38 1.74 3.76 5.25 3.50 5 1.28 1.35 1.40. 1.14 1.36 3.37 2.06 3.96 5.95 3.68 Abend 61 1.20 1.42 1.40 0.95 1.44 3.54 2.09 4.49* 6.17% 3.775 Us Beobachtete Veränderungen der Temperatur der freien Luft im Schatten in Graden nach Réaumur vom Minimum aus. Am Termine Sir John Herſchels zur Zeit des Herbſt-Aequinoctiums 1845 von September 22 Morgens 6 Uhr bis September 20 Abends 6 Uhr. cb ond id ud i 0 5.0 6.9 5.9 se Non 5.5 — 2 2 22 3.8 5.4 Ss > 2 ud Snnooo 2 — le 6) TenNndD%o Sm kart S i . = D S S -oa-oon 2 2 2 od end d D = S 8 en * 4 2 — = 88 SS e 38 — ed ed — — — a . = eS ıo 2 ed 55 1 D 0 A Sa ee et 2 — u e A 8 — zZ - S. E ar = (=>) . 2 2 — x o S100 5 S en N = — — 85 ++ >) ea 05 S A De = es eine Da na | . 5 + 30 a 2 — SS NA 8 2 N S a a 1 . 2 S N SSS SSS > a 28 5 0 A N 00 ar 4 2 5 00 S S 8 e n A A SD 2 * & + 3 = . 25 > 225 e 0 S 0 0 Se a D e 2 . 5 : B — 82 8 2 A E -- ES 3 = 8 u 8 & TEE = 8 8 — So = (Or 85 6.8 29 Beobachtete Veränderungen der Temperatur der freien Luft im Schatten in Graden nach Réaumur vom Minimum aus. Am Termine Sir John Herſchels zur Zeit des Herbſt-Aequinoctiums 1845 von September 22 Morgens 6 Uhr bis September 23 Abends 6 Uhr. =) * B * SE ne > ace e D D D Sam mn S SOAD SSN A SS © S enen eee 232333 ] SI TISTDICHÄEFT> 8 8 8 8 e e ed ed N i A Sd SS SSS SSS SS r 2 2 = * 2 * E Mn D = De n S SMD H DD e N ere -Hrönen » 8 882 0 Ae A des es es ed od ed d N e S SSS SSS SSE eie S Fe „ — * * 8 ea ce) IRB ERFZILIITIIDTZFIISDAINISSFIIIIS STOFF NS S 8 2 FD Hamadai S-ocss Sc-kmna Air m al ++ 2 o E * * 5 ** 5 + A od e S Se OSS Se San vomnno DN m „ 10. S0 U ee ee e eee SS Seins SGS SS m 5 +4 8 2 a — 2 * 3 8 © S NA e Hakan S LY SNS SDS SS + = = = r S Se Sid Dann SSS es Ses e ANN a 34 4 D — 2 s 5 SSA Derne MSS Se AS Nees SS es m S 82 «x 0 A c SS SS S ee Ne SSS SAS SSS © 50 - = 2 - Ir Ar 23 22 . 2 * 2 „ e S = S Se SNS S eee eee S re r . 2 8 F nnd MTHmoss Ssesa-s Sraonoos © a ++ 3 = 1 8 5 2 S S 0 N ο e A De S S SD SN = Er ea ed e d DANDNNDDD YO eee SAS Ae A @ „So um 8 Se 45 * * * = 2 Eee See SN Sn Anmonn m 8 An N SD SS S SCS iS Sasse Area © 8 885 — Se --..,— — — 2 — Far EL . 2 „ A KDosoHn HOHDHH eee See cmanmn + = N er en ne nn Ne ern . Se 8 5 8 8 2 — So u 8 as AHEAD D eg ce e e S e SSA . ar 5 De S- FAND OrnDcoOm Nmanın orDa_rm -ansn © 85 a = = > RISSE 8 a Sei — 5 = 8 4 u 8 5 * 2 + 2 N = = E = 8 25 8 — 5 1 EN 2 — 8 2 2 . (0) A AR R 3 & 5 5 8 30 Beobachtete Veränderungen des auf 0e R. reducirten Barometerſtandes vom Minimum aus in Pariſer Linien. Am Termine Sir John Herſchels zur Zeit des N 1845 von December 22 Morgens 6 Uhr bis December 23 ends 6 Uhr. Habel⸗ Frankf. Stationen | Leobſch.] Neiſſe Löwen] Oels Breslau, ſchwerdt Lndesh. Kpferb. Görlitz. Forſt | a/O. Bodnb. Jena Harb. Marb. Emden Aachen Mer.⸗Unt. | Zug E | Im2E | Im2E Om E 0 Ind W am W. Ams W |8m3 Y gms M. 10 W. Ilm w 220 w 28 W 330 W. 36 W 44 W 24 St. M. 23.08 25.74 22.83 | 24.72 | 16.13 12.46 9.54 21.79 28.12 27.50 24.07 21.91 26.12 17.38 24.78 20.46 Minimum 19.73 | 21.48 | 20.48 | 21.60 | 12.28 | 8.50 | 6.48 18.44 25.05 24.85 20.39 18.41 23.32 13.84 22.52 17.62 Morg. 6 5.72 5-38 6.62 5.72 6.45 | 6.63 | 6.16 | 6.46 | 6.95 | 6.56 | 7.43 8.29 8.28 | 8.91 | 9.21 | 9.62 Mi 5.85 5.36 6.81 5.88 5.92 | 6.65 | 6.23 | 6.50 | 6.95 | 6.56 | 7.66 | 8.33. 8.30 9.24 | 9.08 | 9.71 8 5.95 5.37 7.533 5.89 6.40 6.74 | 6.29 | 6.63 | 6.82 | 6.52 7.78 8.28 8.21 | 9.34 | 9.28 9.75 9 6.22“ 5.50 7.04 6.06*| 6.54 | 6.75*| 6.33 | 6.64 | 6.92 | 6.52 | 7.69 | 8.32 8.15 | 9.40 | 9.28 | 9.75 10 6.14 5.54*| 6.56 5.93 6.47 | 6.59 | 6.38*| 6.72*| 6.75 | 6.48 | 7.67 | 8.34 | 8.12 | 9.53*| 9.28 | 9.62 11 6.10 5.52 6.55 5.88 6.88 6.58 | 6.33 | 6.66 | 6.50 | 6.78 | 7.37 8.38 [7.80 | 9.43 9.51 9.35 Mitt. 12 5.80 5.34 6.44 5.78 6.71 | 6.16 | 6.20 | 6.25 | 6.35 6.84 7.07 | 8.21 | 7.70 | 9.33 | 9.51 | 8.87 1 5.77 5.21 6.15 5.49 6.33 | 6.13 | 6.01 | 6.24 | 5.95 | 6.41 | 7.07 | 7.97 | 7.28 | 8.87 | 7.08 | 8.38 2 5.62 5.09 6.98 5.43 6.27 | 6.09 | 5.89 | 6.18 | 7.57 | 5.48 | 6.78 | 7.72 | 6.96 | 8.51 | 6.78 | 7.63 3 5.74 5.06 6.98 5:49 6.11 | 5.89 | 5.73 | 6.26 | 7.69*| 5.48 | 6.88 | 7.59 | 6.58 | 7.98 | 5.98 | 6.92 4 5.74 5.07 6.98 5.31 6.22 | 5.77 | 5:58 | 5.70 | 5.75 | 5.26 | 6.48 | 7.34 | 6.35 | 7.63 | 5.15 | 6.30 5 5.52 4.96 | 6.87 5.21 6.27 | 5.65 | 5.43 | 5.71 | 5.73 | 5.26 | 6.49 | 7.22 | 5.83 | 7.15 | 3.92 | 5.50 Abend 6 5.15 4.78 5.75 4.96 6.18 | 5.52 | 5.13 | 5.67 | 5.15 4.86 6.18 | 6.71. 5.39 6.43 | 3.34 | 4.52 7 5.15 4.62 5.15 4.84 6.00 | 5.50 | 4.90 | 5.41 | 5.09 | 4.76 | 5.89 | 6.17 | 4.67 | 6.11 | 2.51 | 3.77 8 5.02 4.62 4.96 4.68 5-96 | 5.18 | 4.73 | 4.97 4.73 | 3.19 | 5.60 | 5.48 | 3.90 | 5.12 | 1.79 | 3.24 9 5.05 4.37 4.74 4.44 5.58 | 4.86 | 4.49 | 4.79 | 4.35 | 3.02 | 5.19 | 4.98 | 3.36 | 4.34 | 1.20 | 2.66 10 4.87 4.05 5.18 3.94 4.83 | 4.62 | 3.91 | 4.46 | 3.90 | 2.62 | 4.59 | 4.29 | 2.48 | 3.97 | 0.53 | 2.08 11 4.37 3.65 5.08 3.92 4.63 | 4.40 | 3.62 | 3.87 | 3.48 | 2.12 | 4.09 | 3.65 | 1.89 | 3.10 | 0.47 | 1.69 Nacht 12 3.87 3.47 4˙42 3.16 4.23 | 3.92 | 3.12 | 3.35 | 3.01 | 2.12 | 3.59 2.80 1.49 | 2.19 | 0.37 | 1.20 1 3.37 3.04 3.91 2.92 3.85 | 3.34 | 2.72 | 2.88 | 2.35 | 1.92 | 2.59 | 2.20 | 1.09 1.80 | 0.37 | 0.89 2 2.82 2.71 3.55 2.46 3.48 | 2.82 | 2.31 | 2.15 1.88 | 1.92 | 2.39 | 1.59 | 0.84 | 1.35 | 0.27 | 0.40 3 2.37 2.29 2.98 2.16 3.09 | 2.36 | 1.91 1:59 1.39 | 1.86 | 1.69 1.08 0.53 | 0.59 | 0.37 | 0.09 4 2.04 1.92 2.86 1.68 2.21 | 1.96 | 1.60 | 1.30 | 1.09 | 1.86 | 1.40 | 0.79 | 0.25 | 0.49 | 0.17 | 0.00- 5 1.49 1.53 2.68 1.51 1.73 | 1.46. | 0.98 | 1.09 | 0.50 | 1.80 | 1.00 | 0.54 | 0.00-| 0.20 | 0.07 | 0.00 Morg. 6 1.07 1.19 1.93 1.06 1.72 | 1.12 | 0.76 | 0.90 | 0.14 | 0.24 | 0.60 | 0.30 | 0.12 | 0.13 | 0.10 | 0.04 7 1.00 0.82 1.70 0.86 1.22 | 0.90 | 0.52 | 0.50 0.00 | 0.00 | 0.50 | 0.07 | 0.24 | 0.00- 0.00: 0.31 8 0.90 0.69 1.47 0.74 0.91 | 0.60 | 0.62 | 0.48 | 0.20 | 0.00 | 0.49 | 0.00: 0.30 | 0.28 | 0.45 | 0.62 9 0.52 0.58 1.35 0.78 0.85 | 0.40 | 0.18 | 0.34 | 0.20 | 0.00: | 0.30 | 0.01 | 0.36 | 1.48 | 0.58 | 0.71 10 0.40 0.47 0.53 0.49 0.74 | 0.28 | 0.10 | 0.11 | 0.15 | 0.00 | 0.10 0.07 | 1.09 | 0.43 | 1.15 | 1.09 11 0.30 | 0.35 0.00 0.33 0.68 0.00: 0.00:| 0.13 | 0.10 | 0.00 | 0.00: | 0.23 | 1.31 | 1.24 | 1.96 | 1.55 Mitt, 12 0.05 0.13 0.60 0.12 0.00:| 0.20 | 0.14 | 0.07 | 0.22 | 0.14 | 0.09 | 0.40 | 1.45 | 1.30 | 2.29 | 2.08 1 0.00:| 0.03 0.64 0.00:| 0.17 0.22 0.09 | 0.00-| 0.29 | 0.14 | 0.19 | 0.75 1.91 | 1.56 | 2.72 | 2.44 2 0.07 0.00 0.55 0.10 | 0.33 | 0.66 | 0.20 | 0.12 | 0.26 | 0.48 | 0.59 | 1.16 | 2.55 | 2.25 | 2.97 | 2.75 3 0.12 0.06 0.84 0.46 0.27 | 0.67 | 0.38 | 0.19 | 0.75 | 0.72 | 0.99 1.65 | 3.08 | 2.59 | 4.48 | 3.33 4 0.17 0.33 1.52 0.61 0.61 | 0.95 | 0.63 | 0.69 | 1.37 | 0.86 | 1.39 | 2.10 | 3.94 | 2.56 | 4.05 | 3.72 5 0.49 0.55 1.54 0.93 0.94 | 1.67*| 0.97 | 1.21 | 1.67*| 0.66 | 1.49 | 2.54 | 4.56 3.39 | 4.50 | 4.30* Abend 6 0.92*| 0.89*| 1.60*| 1.14*| 2.46*| 1.46 | 1.47*| 1.35*| 1.65 | 1.06*| 2.19*| 3.04*| 4.967 3.90*| 5.63*| 4.22 Aachen 2078 —0.2 0.0 31 * D — 22 SS SSS 00 9 eaanne S S > “Armen 428 SS SSS SSS SS SSS —————— a eonmnno AAA 27 1.010 70.50 Ss 1353“ N —0.9 Marb. Emden 82 —0 Harb. 141’! N —0.2 Jena 1178 SD SSD .-aaacn AAA SO ASA SSS D SS UN .52|-+1.40| +0 Bodnb. ./ O. —0.3 |+0.7 |+0.6 Frankf. D = SS SS SS SSS S SSS S SS an == 2 es o e SSD DN ed e S Se A ede S 10 SSS SAS e A a —— 8 228 SS SSS S SSS Sec ec e e G — = 2 eaTrana non 9 8 2 25 * S SSS SSS SSS SSS — 4 2 —— — D DD SN OS ed 1 S S2 — —— 8 d od N 0 = A S SNN a esssse Scsecss S 22 Area — ee SSS Le 2 00 SS SS SS SS SSS 22 22 SSS SSS e ANNA S SS Sormss SS 22 2 28 — odo od ed e D — 57 1.5071 370 N 75/0 N Forſt —0.1 .10|+1 —1.5 SSD DA SSS SEN . S e SSS SS 85 0 e D S S 22 2 » — 2 = — 22 —— 0 n S SSS SSS SSS * ss — 2 —— zen een ern ne mo AA er eg Ne S Ann 1 1578 2“/ N — 4.0 00 C = 10 S 0 S Ananas .101—1.76| +0 Abends 6 Uhr. Solſtitiums 1845 von December 22 Morgens 6 Uhr bis December 23 50/8 Lndesh. Kpferb. Görli —4.0 62 —2 50/8 — 3.3 Sronen SSS S SD Ae ee * — 22 S0 N S 0 See e A ed e 0 Beobachtete Veränderungen Breslau Hbelſch. — 1.3 5 N Oels — 3.4 Löwen 257 8 10 Neiſſe + 1.12 + 0.56 — 1.37 — 0.30 — 1 — 1.0 * = ed 2 2 — 8 S Sc SS S = SE NICH S 00 G G . 108 10 Ned == — 88 SSS ee eg NN N aan d amson Sccdsss . 25 e * 0 . n 0 O70 SA an S SN SSS Ennoan See 70 O5 105 100 10 e SSS e e N e es ed og en e * . Donna nS A ed od ed S S = = esd es ed ed e * = = AA ο˙ SSS ed S2 2 2 2 Se SS = e S S S e 085 od e ec oc S 1.6 2.0 SN SSS S Se e e e Sudan" oSno-+a See S S S = D D N= a e 8 SS SSS SSS A= — 0 88 der Temperatur der freien Luft im Schatten in Graden nach Reaumur vom Minimum aus. Leobſch. 1 0 inimum Am Termine Sir John Herſchels zur Zeit des Winter 24 St. M. Stationen M 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 Abend SSS S S SSS — SSS © a 117° höher Emden Feuchtes | Trocknes Therm. Trocknes höher . * . . DD r r eee ernennen 2 28 — soooo9 SSS SSS SS SSS SSS S288 S Pr Seu D d d SSD SSS SO SA πνν S 2228 oc) nn cod n N aasızıaa AGA = ed ed e A D = SSS 2222 = ++ | DE Er ER Te ER Fer TI EEE — ß . * . SAS S AAA AA 0 = 22 SAD 5 S DS a S SS SSS 9990909095 SS SSS SSS SSS SSS SSS © Marburg Feuchtes Therm. Trocknes höher 200 d d ed aaamıanm t Y D Du no ASS SS es: . 88 ĩ —TTTVVTTWTTWVTWFWWWWdGd&Gʒ?!!!!!!!!!!!:! F e . © ei DNA SS 88e ed ed AAN . e S Frankfurt a/ O. Feuchtes Therm. 32 höher Hirſchberg Therm. bis März 20 Abends 6 Uhr. Feuchtes Trocknes höher Trocknes | Pſychrometer⸗Verhältniſſe. Breslau Feuchtes Therm. höher c D N S N SD e SSS SS YK S ce O aa SAD a A od end od od N aaaaaıa anna Hu c e ον e in ad id d ed 22 a een ren hun Pen I ae * 8 * -onDnnM span on . unsern a SSS AM SSS SSS SSS Scoocsad SS 5 SSO SSS S = SSD SS SSS SS SO SD man a 0 SsSs>5S959 SSS SSS SSS SSS 2 2 S , = ed N asaaaın ah = d d 00 el a — . ͤ ͤ—ʒmAVQ—ñẽ— wwümůqq — q u— * — * 8 mäzen eee e eee eee 2 SSS A 22828 = Seele 0 8 =) Oels Feuchtes Trocknes Therm. Am Termine Sir John Herſchels zur Zeit des Frühlings-Aequinoctiums 1845 von März 19 Morgens 6 Uhr Stationen 24 St. M. Minimum SSS u SS ic) Nacht 12 33 Piychrometer-Berbältnifie. Am Termine Sir John Herſchels zur Zeit des Frühlings-Aequinoctiums 1845 von März 19 Morgens 6 Uhr bis März 20 Abends 6 Uhr. Stationen Jen a Harburg Aachen Dunſt⸗ | Dunft: Thau⸗Dunſt⸗ Dunſt⸗ | Shau: | Dunft: Dunſt⸗ Thau⸗ fättigung | fpannung | punkt Nfättigung |fpannung | punkt |fättigung ſpannung punkt 24 St. M. 0.82 1.45 — 6.0 0.91 1.57 — 5.2 0.80 1.33 17 Mimimum 0.0 | 1.30 — 7.4 0.76 1.28 |— 8.1 0.67 0.95 |— 9.6 nn Te nn a ee Tr nn Morg. 6| -0.2=| 0.17 1.6 0.15 0.02 0.2 0.14 0.08 0.9 7 0.27 0.18«[ 1.7 0.17 0.04 0.5 0.07 0.00 0.0 8 0.24 0.17 1.6 0.17 0.07 0.8 0.08 0.04 0.4 9 0.18 0.14 1.3 0.20 0.12 1.4 0.07 0.09 1.1 10 0.20 0.20 2.15 0.22 0.21 2.4 0.04 0.08 1.0 11 0.17 0.23 1.9 0.18 0.18 2.0 0.11 0.28 2.9 Mitt. 12 0.08 0.03 0.3 0.12 0.17 1.9 0.04 0.23 2.4 1 0.08 0.14 1.3 0.10 0.19 2.1 0.00:| 0.22 2.2 2 0.07 0.11 1.1 0.10 0.18 2.0 0.01 0.31 3.0 3 0.11 0.16 1.5 0.14 0.22« 2.5“ 0.09 0.44 4.2 4 0.21 0.31 2.8 0.12 0.19 2.1 0.09 0.45 4.3 5 0.20 0.32“ 2.98 0.10 0.13 1.6 0.14 0.57 5.1 Abend 6 0.21 0.23 2.1 0.14 0.16 1.8 0.14 0.56 5.2 7 0.22 0.17 1.6 0.15 0.15 1.9 0.14 0.56 5.2 8 0.25 0.21 2.0 0.11 0.05 0.6 0.11 0.54 4.9 9 0.27 0.18 1.7 0.17 0.00-| 0.0 0.10 0.56 5.1 10 0-26 0.07 0.7 0.17 0.00 0.0 0.14 0.65 5.7 11 0.25 0.07 0.7 0.17 0.10 1.1 0.19 0.81 6.8* Nacht 12 0.22 0.03 0.3 0.18 0.15 1.7 0.20 0.87* 6.6 1 0.24 0.01 0.1 0.18 0.24 2577 0.20 0.74 6.4 2 0.23 0.00 0.0. 0.20 0.28 3.1 0.18 0.62 5.5 3 0.29 0.08 0.8 0.22 0.35 5 0.20 0.52 4.9 4 0.29 0.08 0.8 0.22“ 0.43 4.4 0.17 0.48] 4.5 5 0˙2⁰ 0.06 0.6 0.22 0.51 5.1 0.21 0.63 5.6 Morg. 6 0.26 0.07 0.7 0.20 0.57, 5.6“ 0.25, 0.61 5.4 7 0.24 0.09 0.9 0.18 0.52 5.2 0.18 0.54 4.9 8 0.22 0.16 1.5 0.16. 0.47 4.8 0.19 0.72 6.3 9 0.21 0.26 2.4 0.17 0.51 5.1 0.13 0.75 6.7 10 0.27 0.26 2.4 0.07 0.44 4.6 0.08 0.77 6.6 11 0.23 0.28 2.6 0.00 0.41] 4.3 0.05 0.69 6.0 Mitt. 12 0.21 0.34“ 3.1* 0.07 0.68 6.6 0.01 0.74 6.3 1 0.18 0.34 3.1 0.10 0.62 6.0 0.07“ 0.74 6.3 2 0.09 0.24 2.2 0.09 0.57 5.7 0.03 0.82 6.9 3 0.04 0.23 2.1 0.10 0.68 6.5 0.17 1.02“ 8.1 4 0.00 0.2 1.2 0.13 0.85 7.9“ 0.16 0.89 7.3 5 0.05 0.15 1.4 0.10 0.61 6.0 0.15 0.99 7.9 Abend 6 0.11 0.20 1.9 0.17 0.17 6.5 0.09 0.63 6.2 34 Pſychrometer⸗Verhältniſſe. Am Termine Sir John Herſchels zur Zeit des Sommer-Solſtitiums 1845 vom Juni 19 Morgens 6 Uhr bis Juni 20 Abends 6 Uhr. Stationen! Breslau [Frankf. a/ O.] Marburg Osnabrück Emden Jen a A a chen Verhltnſſe Feucht. Trockn.] Feucht. Trockn. Feucht. Trockn.][Feucht. Trockn.] Feucht. Trockn.] Dunſt⸗ | Dunfte Temper. | Dunft: Dunſt⸗ | Zemper. Therm. höher Therm. höher [Therm. höher [Therm. höher [Therm] höher |fättigung | ſpannung d. Thaup. | fättigung | fpannung d. Thaup. 24 St. M. 0.86 |-+ 5.05 [10.5 0.81 5.21 10.3 Minimum 0.73 4.24 |+ 8.2 0.67 4.48 + 8.4 Morg. 5 +10.8| 2.8 [412.6 3.2 [ 9.8 0.9 [14.8 0.9 10.5 1.0 0.18 0.87 2.5 0.22 0.44 1.1 12.00 2.2 13.0) 4.0 10.0 0.2 15.3 0.1 11.4| 1.4 0.17 0.80 2.3 0.22 0.72 1.9 8 11.4 3.9 13.2 4.4 9.8 0.2] 14.0 3.4 11.7 1.7 0.17 0.77 2.2 0.18 0.94 2.4 9 11.80 4.1 13.8 5.0 10.2 0.4 13.7 3.7 12.4 1.6 0.16 0.74 2.1 0.14 1.14 2.8 10] 12.60 4.4 13.80 6.0 10.9) 1.7 14.4| 4.2 12.60 2.5 0.14 0.73 2.1 0.07 0.84 2.1 111 13.4| 6.0 13.4| 6.8 11.1) 2.2 14.8 4.5 15.7 1.8 0.13 0.78 2.3 0.03 0.86 2.2 Mitt, 12 13.4| 6.6 14.0 7.0 12.2] 2.6%J) 15.1) 6.1] 13.4| 2.9 0.16 0.90 2.6 0.00: 0.62 1.6 11 13.60 6.6 14.2 7.0% 11.60 2.5 15.44 5.6 13.3 3.0 0.17 1.01 2.9 0.05 1.02 2.6 2J 13.60 6.8 14.4 7.0 11.7 0.7 15.5 5.7 13.44 3.9* 0.14 1.02 2.9 0.04 1.14 2.8 31 15.2) 7.4*1 15.4| 5.2 11.5 1.4 14.9| 5.3 13.00 3.1 0.12 1.13 3.2 0.05 1.30* 3.2* 41 15.0 6.0 14.4| 4.6 11.8) 1.9 14.7| 5.2 13.10 2.9 0.12 1.17 3.3 0.01 0.61 1.5 5 15.0) 6.7 14.6) 4.0 11.80 1.5 14.80 5.1 13.00 2.7 0.14 1.25* 3.5 0.07 1.04 2.6 Abend 61 17.0 3.4 15.00 3.2 11.30 0.9 14.6] 4.8 12.80 2.6 0.13 1.22 3.4 0.10 0.89 2.3 71 14.2 6.0 15.1) 2.6 11.4| 0.9] 15.0 3.2 12.5 2.3 0.11 1.22 3.4 0.07 0.61 1.6 8] 14.00 5.0 14.30 3.4 11.80 0.6 12.9 3.4 11.7 1.8 0.15 1.32 3.6 0.16 0.97 2.5 91 14.0) 3.2] 13.6) 2.4 11.60 1.0 12.0 2.6 12.3) 1.5 0.18 1.46 4.0* 0.11 0.92 2.4 1059 13.0 4.2 13.4 2.0 11.60 1.0 11.4| 2.1 11.1) 1.2 0.15 1.23 3.4 0.22 1.01 2.6 111 12.0) 5.0] 12.80 1.0.5 11.8) 0.8°J 10.80 1.7 10.5 1.3 0.12 0.99 2.8 0.19 0.55 1.4 Nacht 12] 12.1) 4.1 12.6) 1.1 11.6) 0.6 10.7) 1.3 10.3) 1.4 0.14 1.06 3.0 0.21 0.28 1.2 11 12.0) 4.0 11.80 1.8 11.7| 0.5:| 10.3) 1.1 10.1 1.2 0.11 0.80 2.3 0.23 0.35 0.9 2 11.00 3.0 11.60 1.7 10.3) 0.8 10.0) 1.1 10.1) 0.7 0.16 1.09 3.1 0.23 0.39 1.0 3] 11.2 3.4 10.8 2.0 10.00 1.4 9.4 1.0 10.7 0.2 0.19 * 1.11 3.1 0.22 0.16 0.4 44 12.0 1.3 10.00 2.2 10.2 1.2* 9.30 0.9] 10.7 0.2 0.18 0.36 2.2 0.22 0.00: 0.0- 5 11.9| 1.3] 10.2 2.0 10.0) 1.0 10.30 1.3 11.5 0.7 0.15 0.35 1.1 0.26 0.26 0.7 Morg. 61 10.60 2.2 10.0) 2.3 10.0) 0.9 11.4| 1.3 11.5 0.5 0.17 0.34 1.0 0.27 0.53 1.4 7| 11.0) 2.2 10.00 2.4 9.8 0.3 12.6 1.9 10.2 0.9 0.12 0.00» 0.0: 0.28%) 0.9 2.5 8 10.4| 2.6 10.3| 2.7 10 00 0.6 13.0) 2.8 11.4 1.0 0.13 0.14 0.4 0.17 1 24 3.1 91 10.80 2.8 10.6 3.2 10.7 0.3: 13.6) 3.6 10.60 1.7 0.13 0.24 0.7 0.10 0.99 2.5 10| 11.2 3.3 11.00 3.6 11.4 0.9 13.9 4.7 10.7 2.4 0.08 0.08 0.3 0.10 0.95 2.5 111 11.7 2.7 11.20 3.8 11.5 1.6 15.6 5.0 12.4 2.6 0.06 0.08 0.3 0.05 0.83 2.1 Mitt. 121 11.8 3.6 11.4 4.0 12.6 2.3 15.5 5.6 11.1) 3.7“ 0.04 0.32 1.0 0.08 1.47 3.5 11 12.0 4.1 11.00 5.6 12.9 2.6 15.1] 6.3 10.5 3.2 0.00 0.33 1.0 0.04 1.35 3.3 2J 12.7 4.3 11.00 6.0 13.8 2.8 15.10 6.5 10.20 3.1 0.00 0.62 1.9 0.01 1.42 3.5 3 13.0 4.3 11.2] 6.2% 13.2) 2.6 15.4 6.7 10.2 3.0 0.02 0.90 2.6 0.01 1.21 3.0 44 12.60 4.5 11.60 6.0 13.4 2.8 15.9 7.0 10.5) 2.6 0.02 0.83 1.4 0.10 1.64*| 3.9* 5 119 4.5 12.0 5.8 13.4 2.5 15.8 6.3 10.0] 2.6 0.04 0.99 2.8 0.05 1.44 3.4 Abend 6112.00 5.8 [711.4 6.0 13.2) 2.3 16.0 4.7 10.2] 2.3 0.05 1.03 2.9 0.07 1.34 3.3 35 Lv 56˙0 68˙%0 8 res df 0 9e iron ro- Sal eo | ss is 91149 87 86 0 | 68°0 [8 |x=0€°E | 2E°0 | SL 9˙8 6 ˙0 601 II 181 0 98 EV SIT OS s el IS 04 70 148 0 6˙9 ste le 0 | E77 os 11 1 II 180 vs 04 s’ır | S’E sel IV 87 16°0 92 0 8˙9 01s iso ee 88 1 ˙0 5 II 491 Gel | 50 78 res LIT -er feel JE ve 61T 1680 04 LL’E | CEO ITS 16 9 0 Ce! 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Haupt⸗Zuſammenſtellung aller Höhen ⸗Unterſchiede in Pariſer Fuß vom Barometer⸗Niveau der Breslauer Univerſitäts⸗Sternwarte, (geodätiſch ermittelt, 453.6 Par. Fuß über dem Spiegel der Oſtſee bei Swinemünde), welche nach Beſſels Theorie aus gleichzeitigen, dem Umfange nach aber ſehr verſchiedenen Reihen aus im Jahre 1845 angeſtellten Barometer- und Thermometer -Jeobachtungen der zu dieſem Zweck in einen Verein zuſammengetretenen Stationen berechnet worden ſind. 10 38 Berechnete Höhen: lnterfchiede der Stationen von der Station bek. Höhe ü. d. See = Brest, 166.15 144.1 + 5.0 593.6 119.3 + 34.8 |+ 62.5 Ratibor 619.7 Kreuzbrg. 597.7 458.6 Qppeln Leobſchütz Neiſſe Löwen 1047.2 572.9 | 488.4 Breslau Prausnitz Habelſch. 379.3 Neurode 1239.9 Landesh. 1124.0 1402.0 — 74.3 7670.4 4786.3 7948.4 I. Aus den Mitteln 24ſtündiger, von Stunde zu Stunde ununterbrochen fortgeſetzter Beobachtungen an den Terminen Sir John Herſchels im Jahre 1845. I. z. Zeit d. Frühlings⸗ Aequinoct. +148.95 +658.12|+171.25|-+ 67.79 +691.05 +944.60 II. z. Zeit d. Sommer⸗ Solſtit, +199.31 +857.45|+191.60|+ 72.24 +956.82 III. z. Zeit des Herbſt⸗ Aequinoct. + 143.25 + 121.22 + 33.03 + 56.66 — 89.68 682.59 + 925.12 IV. z. Zeit d. Winter⸗ Solſtit. 4124.81 + 77.20 143.00 +657.33 +941.00 II. Aus den monatlichen Mitteln mehrmals des Tages angeftellter Beobachtungen. Angabe der Beob.⸗St. 7. 12. 9. 6. 2. 10. 6. 12. 9. 6. 2. 9. 6. 2. 10. 6. 2. 10. 6. 2. 10.7. 3. 9.9. 2. 10.7. 1. 10. Januar . 122.72 4148.62 + 17.30 4651.22 4143.24 + 30.60 +696.67|-+903.50| 4925.45 Februar 131.680 151.15 — 9.84) 636.73 132.67 26.81 652.11 710.71] 929.15 März 159.50 156.41/— 22.86 645.93 137.60 32.48 688.75 765.75 945.82 April 152.18 158.51 — 10.86| 683.87 149.73 26.75 83 17 802.23 900.98 Mai 236.22 164.51 7 6.89 705.77 156.37 41.90 79.59 755.35 969.58 Junk. 240. 76 159.56 . 1.910 790.58 177.73] 68.01 54.91 867.46 978.90 Juli. 214.13 191.35 . 7.68] 818. 20 185.030 55.05 52.04] 720.38 842.03) 978-85 Auguſt 176.70 187.37 + 15.57 777.05 159.88 63.40 55.93 729.36 818.01 September | 144.40 177.35 — 3.27 701.810 148.30 44.54 82.190 680.91 827.24 941.95 October 139.260 175˙61— 2.76 705.05 145.03 42.68 88.29 708.52 794.91 965.55 November 162.33 — 9.54 673.69 144.07 37.31 89.40 695.66 713.13 956.70 December. 128.3116177 — 3.15 4623.114123. 760+ 33.37 — 78.87 +675.06 609.7107948. 15 III. Aus den Jahresmitteln einzelner Beobachtungs-Stunden. 6u. Mrg. +166.55)— 7.57 4694.77 4150.05 + 43.07 + 69.93 au 109873 +686.99 +944.95 7 +794.91 12 „Mitt. 178.02 + 9.79 7 +963.95 nn +167.00 +705.00|+150.71|+ 41.80 + 79.61 +79%0.75 an +697.57 9 „ Abd. |+161.91 — 5.194.701. 00 +693.15 „ „ +173.20 +139.86|+ 41.50 + 73.69 +775.51|-+935.88 in Breslau, aus den Beobachtungen des Jahres 1845. Kupferbg. Hirſchbrg. Görlitz] Zittau Forſt Frnkf. a/ O. Bodenb. Jena | Harburg | Marburg Osnabrck.] Emden Aachen 1610.7 1099.5 | 641.4 | 775.1 113.4 421.4 | 503.0 54.1 | 746.4 | 262.0 | 102.2 532.9 +1157.1 |+645.9 |+187.8 |+321.5 |—340.2 — 32.2 |+ 49.4 |—399.5 4292.8 |—191.6 |—351.4 | + 79.3 I. Aus den Mitteln 24ſtündiger, von Stunde zu Stunde ununterbrochen fortgeſetzter Beobachtungen an den Terminen Sir John Herſchels im Jahre 1845. 11141. 900 7616.95 7173.42 351.55 — 278.70 — 49.360 — 24.24 — 456. 22 256. 18 —277.96| — 337.36 — 47.90 * + 202.11 346.42 7 52.80 — 0.00 + 7.93 + 316.50 — 305.53 + 10.33 +1155.13 +198.42 313.68 — 56.37 — 12.53 + 79.78|—220.77|+411.48| —138.01|—251.32| +135.58 +1171.43 +222.10 —257.03|— 205.80 |-+ 50.20 4224.53 —105.57 —561·65 +315.25 II. Aus den monatlichen Mitteln mehrmals des Tages angeſtellter Beobachtungen. | 7.2.9. 9.12.3.9 +1159.75 +357.10 1136.90 317.96 1184.10 340.80 1151.20 355.90 1173.30 336.24 1198.90 372.47 1218.60 336.44 1203.20 374.90 1181.10 339.81 1160.82 329.34 1179.80 359.58 +1100.80 328.41 III. Aus den Jahresmitteln einzelner Beobachtungs-Stunden. 1116510 | +341.45 1353.01 +1192.20 +356.75 +1176.15 +339.23 2 SS nn VVV ³·ð—wOq mm. ꝛ˙ w. ñ ¾ p x ̃ v1... Stationen [Ratibor | Kreuzb. | Oppeln Leobſchütz] Neiſſe bet. Höhe ü. d. See = Brest. 166.1 144.1 +E 5.0 7593.6 7119.3 |+ 34.8 |+ 62.5 619.7 597.7 | 458.6 Löwen 1047.2 572.9 488.4 Oels Breslau Prausnitz 516.1 453.6 379.3 — 74.3 Habelſch. Neurode Landesht. 1124.0 1239.9 1042.0 +670.4 7786.3 4948.0 IV. Aus den Mitteln der Herſchel'ſchen Termins-Beobachtungen im Jahre 1845. Anzahl der Beobacht. 72 48 96 96 48 24 72 96 Höhenunt. +163.34 +707.78!-+152.22|+ 62.52, 4 99.83 — 89.68 +676.99 +941.88 V. Aus den Hauptmitteln aller Beobachtungen des Jahres 1845. Anzahl der 7. 12. 9. 6. 2. 10. 6. 12. 9.6. 2. 9. 6. 2. 10. 6. 2. 10. 6. 2. 10.7. 3. 9. 9. 2. 10.7. 1. 10. Beobacht. 911 | 1095 | 1094 1009 | 1095 | 1082 780 666 998 960 Höhenunt. 167.91 168.90 1.07|-+700.08|+149.90| + 42.09 — 74.28| +692.42|+787.14| +948.35 VI. Aus den Hauptmitteln einiger Jahre hintereinander, bei Gleichzeitigkeit der Beobachtungen. 1324 4167.23 25 191.89 26 199.75 27 155.70 28 149.36 29 120.93 30 170.66 31 154.27 32 100. 19 33 100.94 34 98.10 35 112.84 36 109.46 37 91.90 38 171.08 39 130.68 40 146.32 41 179.39 42 163.42 + 16.19|+555.41|-+115.91 +659.95 43 155.15 — 5.06 600.26| 112.59 + 38. 65 673.18 44 7166.15 157.98 . 3.81 4625.26 129. 48 . 34.82 60. 4 678.20 972.82 45 167.910 168.90 — 1.07 4700.08 149.900 42.09 99.85 + 74.280 7692.42 787.14 . 948.85 VII. Aus den Generalmitteln der vorſtehenden Jahresreihen. 22jähr. v. 1324-44 +145.68 gjähr. v. 1837-45 Ajähr. v. 1842-45 + 3.47|+620.25)-+126.97 +675.94 Zjähr. v 1843-45 + 74.95 2jähr. v. 1844-45 | +167.03 + 38.45 +960.58 Ijähr. 45 — 74.28 +787.14 SS nn nn nn u nn ——T————— ———k— ͤ ——g— — u 03 Kupferbg. Hirſchbg. Görlitz Zittau Forſt Frukf.a/ O] Bodenb. Jena | Harburg Marburg Emden | Dönabr, Aachen 1610.7 | 109.5 | 640.9 775.1 113.4 421.4 503.0 54.1 | 746.4 | 102.2 | 262.0 | 532.9 1157.1 |+645.9 |+187.3 |+321.5 |—340.2 — 32.2 |+ 49.4 —399.5 |+292.8 —351.4 |—191.6 | + 79.3 IV. Aus den Mitteln der Herfhelfhen Termins-Beobachtungen im Jahre 1845. 72 24 96 96 96 96 92 72 96 72 72 96 +1156.08| +616.95| +199.01 317.17 122.02 — 2.92 72.00 —260.99|-+105.63)-+240.71|—240.97| +103.31 V. Aus den Hauptmitieln aller Beobachtungen des Jahres 1845. 1.2. 95 9.12.3. 9 1074 1460 » +1177.07 +350.65 VI. Aus den Hauptmitteln einiger Jahre hintereinander, bei Gleichzeitigkeit der Beobachtungen. + 327.38 321.98 329.93 294.38 335.70 +1153.97 +194.70 | 313.88 —50.44 |+ 44.30 +169.2h —155.9| + 2.75 1142.67 +640.72| 176.64 320.77 — 335. 8 13.94 | 47.65 344.%|—368.3h| 209.86) 105. 15 1174.85 651.1 192.21 | 328.17| 344.6% 32.20 | 56.4n|399.5n| 365. 1 334.65 209.18] 130.25 +1177.07| 4616.957199. 01% +350.65| —317. 26 —122.0 |— 2.925 + 72.0 - 261.0%| —105.6h|—240.75|—204.9%| 4103.36 VII. Aus den Generalmitteln der vorſtehenden Jahresreihen. + 324.76 11162. 14 + 190.64 + 24.9 — 55. 1h + 246.6 — 203. 9b + 85.36 +636..2h — 332. 55 — 314.50 — 330.2 —122.0h 42 Anhang. Mittlere Monats- und Jahres-Temperaturen nach Réaumur der meteorologiſchen und hypſometriſchen Beobachtungs-Stationen des Sudeten-Vereins aus den Beobachtungen der Jahre 1842 bis 1845. Landeshut Ort Kupferberg Leo b ſſch ü tz Seehöhe 1615.7 P. F. 1402.2 P. F. 1073.0 P. F. Polhöhe 500 53° 50 47° 50° 1% en Jahr 1842 1843 1844 1845 Mittel | 1842 1843 1844 1845 Mittel 1842 1843 1844 1845 Mittel Januar Ha — 1.29 —1.530 — 1.95 — 3.57 — 0.75 — 2.0900 — 5.28 — 0.83 — 3.02 |+ 0.36 — 2.192 Februar + 1.46 6.48 — 2.510 + 2.20 3.21 7.33| 2.780|— 1.48 |+ 3.93 |— 2.53 |— 5.09 |— 1.292 März 0.44 — 3.811.655 — 0.12 — 0.36 — 4.60 1.6937 2.04 0.71 |+ 1.08 — 3.08 |+ 0.187 M 4.89 + 5.49 45. 190 + 5.37 + 5.00 / 5.27 75.213 4.07 6.34 6.46 + 6.58 5.862 Mai r 6.76 8.06] 7.4100 9.30 8.22 8.25 7.81 8.395 8.86 10.23 9.40 9.497 Jun; 9.88 12.56 11.220] 10.97] 10.46) 11.90 12.81 11.535 13.05 12.29 13.24 14.16 13.185 Ii gogs 11.43 14.10 12.765] 12.52 13.210 10.53] 14.33] 12.647 13.62 12.07 14.56 13.417 Auguſt 12.17 9.410 10.790 13.65 10.93 12.290 14.02 12.34 13.180 September 7.69 9.17 8.430 8.32 9.32 8.58 8.740 9.06 9.060 October .. 5.43 6.53 5.980 + 4.55 6.02 6.25 5.93] 5.687 5.25 6.89 7.64 7.41 6.797 November 2.23 3.70 2.965 — 0.28 2.43 +½ 2.64 3.10 71.972 0.20 2.22 + 3.31 |+ 4.37 |+ 2.525 December. + 1.22 + 0.23 +0.7251+ 0.84)+ 1.05 — 5.30 — 0.26/—0.917|+ 1.25 |+ 1.85 — 4.90 — 0.600 Mittel + 5.15 + 4.81 4.980 + 4.73|+ 5.74|+ 4.36|+ 4.80 +4:9071+ 5.61 / 6.58 |+ 5.42 |+ 5.07 |+ 5.670 „FFT ee ee ee — — — — na ———— Ort G la tz Zittau G ö url i tz Seehöhe 959.9 P. F. 778.3 P. F. 644. 2 P. F. Polhöhe 50° 267 50° 54 510 9 Jahr 1842 1843 1844 1845 Mittel | 1842 1843 1844 1845 | Mittel 1842 1843 1844 1845 Mittel Januar — 1 38. 323 2.305 — 4.72 — 0.42 — 1.97 + 0.04 1.767 — 4.40 — 0.47 — 2.18 — 2.350 Februar + 3 76 — 2.27 +0.745|— 1.28 ½ 2.99| 1.84 — 5.93 —1.593— 1.28 |+ 2.35 — 1.58 — 0.170 März 0.830 + 0.36 0.595 +7 2.37 1.59 / 0.40 — 2.28] 40.693 0.96 |+ 0.37 + 0.665 April ....I— 3.90 6.11 5.92 5.310 4.15 7.56 6.76/+ 9.40) 9.290|+ 4.37 6.65 5.505 Mai... 11.48 8.53 9.79 9.933] 11.88 8.810 10.83 11.07| 10.647 8.88 8.880 Juni.. 13.31| 11.65] 12.10 12.353] 13.14 11.81] 13.22 18.02 14.047] 12.42 12.06 12.08 12.187 Juli... . 13.82 13.29 11.70 12-9671 13.600 13.21) 11.39 17.67 13.967] 13.09 13.72 11.50 12.770 Auguft...| 16.16 13.71 11.75 13.873] 17.20 14.05 11.690 16.00 14.710] 16.65 14.43 11.64 14.240 September] 11.18 8.51 9.81 9,833] 11.50 10.12) 11.200 12.63 11.362] 11.15 9.77 11.01 10.643 October .. 4.92 6.27 7.10 6.097 + 5.43 6.19 7.97 9.16 7.187 4.94 6.66 7.12 6.240 November 0.25 2.85 + 3.75 12.283 — 0.21] 3.067 3.144 3.112.775] 0.42 3.36 + 3.49 2.423 December. 0.95|+ 1.40 — 4.76 —0.803]-- 1.210 +/ 1.01 — 4.56 / 1.01|—0.082]+ 1.36 |+ 2.21 |— 3.39 + 0.060 Mittel [ 6.22 + 6.29) 6.51 +6.340|-+ 6. 19 6.75 + 5.69 + 7.66 6.072 5.85 / 6.71 |+ 5.44 + 6.003 086˙0 +| 60 + 081°0+ 68 ˙ 1 + 9% gte S1 +l2as°0o— m ı + ser rs + Oro =I Rau OS 28 5 01.7 1er ele se (oro feIL es- se 67 ˙ 5 920 — aqua O88 e 1899 |srz 0 122.9 orig ri Ioas E62 fei ffe'g +] 22g0nG 092°01 [91 01 zer O1 ri 0 186 986 (7611 e506 11 88-01 Sg 9s 11 0 S1 aequesde OF FI | Ivrı glg rl |PS’eL [ELITE 61e c 41 00 91 6:81 Lei 2041 1-41 [ ame ore: 5g 91 0 FO 51 ol 1 [6211 err rer ere |e9° 21 seele. ss Fi .und 06181 61˙1 Oele 90 FI O1 e 16e ei Eero: 0 91 9-1 Lt pi-ei . und 060°8 60˙8 69001 |er 6 64˙6 [EIG 06˙ IT jerr’or SO 11 608 si: 11 811 ws 026°, +| 0. + 686 8 10 +6 |e6°9 807 e004 Igs‘z +leoz |[6e's zur ad 9010 86˙8 — 50 ii 081 7809 0 Le: Ge e660 29 . Man Elgg s: 166 li 00-1 geg e [9e + \ez°ı -. abnages 4105 00˙0 |ET’E —|89°0 —98˙7 [19810 + |92°8 ser — 928 - wwnuvs e 8781 FSI Er8l 0052 +| 08. + glg gr 's +|c6°9 epi +1788°94 pr: +|90°9 884 e' +] rung SI | eines ersı | vrer ers | rer aan | ersı pers | ersı SSt agvd 166 0 ole 9 98 008 209 FU w ee Lech s 6ʃ Lech gegr. ech ler 2699228 mu | nr er a u g n va cb n v1 2 4 u 1 c 4 C 320 gegn | FE9 + 659 + e Re a; 0 088 ˙1— | er I +61˙7 — 1151. e ne aan EIN re ae er ae que eos 7+ 06 5 Ir + LL 6b 1 sr Aces fell 40L˙8 88 5 898 e 680 ae que 086 1+. 694 18˙8 886 S8 6 fer 09 1s föerlig ge s ig is aeg e16°014 | er OL 011 908 II 86 IT IE ir |26°6 99 11 fees O1 FO Or oi 816 12511 Jaagwagdeo oLT E14 6s el sel 66: FI LS. I el err ele feli mi see fe. rr sg. 91 . nen OI gi | IP °CL 060 PI Lig 68e 661 [19 81 fell el greg geil For |eeer | ung 089 vı+ | 5. VIE’EL sel fore erer |ES’oL fers ei cori 6e SL corel | uns 0086 + | 08°6 CF OI 90 II Fr -o 868 fes I ZI oi \02°6 6 ro 91˙8 fler fee ws 0904 + |90°2 + 1199 61˙8 +99 ig esp lrges 189 ess 1669 6˙8 nad 088˙8— 28 — 112°0-+192° -er + 01 8L’5 +|698°0+\eg°8 [peo 4881 055 +1: Anis 098°4— | 954 — 989069 — ITT e' gl 80 11 —|10°5 — 8dr +|16°0 - a0na92% 00 O 057 ˙ + Tee 1880 461 180 —|16°7 — e491 980 + se’ - |75°0 -er - anus dns Ersı az) erst epa I 1a | ersı | ren | ersı | zrsı | mı@ | ersı | vrsı | ersı | sl agvs e 008 9 180 00% ‚68 008 LING Lech 0567 ech 9089 3 ‘6 9'059 2499288 u s nd 1 3 26 bang ens a NG 8 sid SST dave 190 uaBungpvgaagg ug sn SWR -UNAND seg vauoyvyS = sbungpvgang; ue eech aun mene ee anunvoze pu ueanzvaeckue - geagvs qun =370UONK de a Buvgug Zuſammenſtellung der (meiſt vierjährigen) Mittel der mittleren Monats- oder Jahres-Temperaturen von 12 Stationen des Sudeten- Vereins. Ort Kupferbg.| Landesh. | Leobfhüs | Glatz Zittau Görlitz Kreuzbg. | Neiffe Löwen Oppeln | Breslau Prausnitz Seehöhe 1615.7 | 1420.0 | 1073.0 959.9 778.3 644.2 620.6 580.6 492.0 457.1 453.6 379.3 Polhöhe [50° 53/50 47/50 12,050 26“¼050 54.0 51% 50 59..0|50° 287/550 42/6059 364,5] 51° 7.0 [810 22/0 Januar .. — 1.530 — 2.090 — 2.192 — 2.305 — 1.767 — 2.350 — 1.675 — 1.532 + 0.400 — 1.867 — 2.077 Februar 2.510 2.780 — 1.292 ½ 0.745 — 1.593 — 0.170 — 1.082 — 0.685 — 5.260 — 1.400 — 1.512 März — 1.655 — 1.693 + 0.187 0.595 + 0.693 + 0.665 + 0. 265 4 0.717 - 3.850| 0.605 — 0.175 April + 5.190 + 5.213 5.862 5.310 9.290 5.505 5.647 6.517 + 7.060 7.005 + 5.982 + 7.220 Mai 7.410 8.395 9.497 9.933] 10.647 8.880] 10.177 10.442 9.800] 10.445 10.062 8.090 Juni 11.220 11.535 13.185 12.353 14.047 12.187 13.342] 13.510 14.650 15.042 13. 120 15.190 Juli 12.765 12.647 13.417 12.967 13.967 12.770 13.772 14.090 15.410 15.217 14.040 16.540 Auguſt 10.790] 12.290 13.180] 13.873 14.710 14.240 14.172 14.492 13.170 16.005 14.575 14.410 September 8.430 8.740 9.060 9.833 11.362] 10.643] 10.392] 11.265 10.915] 11.902 10.432] 10.760 October 5.980 5.687 6.797 6.097 7.187 6.240 6.742 7.982 7.980 7.147 6.687 7.320 November 2.965 + 1.972 ½ 2.525 ½ 2.283 . 2.775 2.423 2.707 2.757 7 4.505 +½ 2.712 2.770) -+ 4.350 December. 0.725 — 0.917 — 0.600 — 0.803 — 0.082 + 0.060 0. 145 + 1.277 — 1.380 — 0.227 + 0.180) + 0.920 Im Jahre |+ 4.980 4.907 + 5.670 + 6.340 + 6.072 6.003 + 6.217 / 6.725 6.315 +½ 6.882 + 6.175 + 7.200 et — 5 N 8 — 74 v EB nar