Ueberſicht der Arbeiten und Veränderungen der Schleſiſchen Geſellſchaft für vaterländiſche Kultur im Jahre 1848. Zur Renntnißnahme für ſämmtliche einheimiſche und wirkliche auswärtige Berren Mitglieder der Geſellſchaft. Oy Breslau 1849. Gedruckt bei Graß, Barth und Comp. 1 * ante 5 5 2 en? 5 2 A = PERS HE = 3 - 1 : 2 * 1 > — 3 * 1 7 — U 1 = 7 5 Er 8 2 N 2 ger * 2 2 fr x 7 3 ; mi 7 5 E u NT = R A a? F 3, Hs 1 *. rare innen ee Allgemeiner Mericht über die Verhältniſſe und die Wirkſamkeit der Geſellſchaft im Jahre 1848, abgeſtattet in der allgemeinen Sitzung den 22" December ej. vom Profeſſor Dr. Kaßlert, zweitem General-Secretair der Geſellſchaft. H. H. Das Jahr, auf welches wir heute zurückblicken, iſt für die Geſchichte des geſammten deutſchen Vaterlandes und daher auch für unſere Provinz von ſo entſchiedener Bedeutung geweſen, daß auch unſere Geſellſchaft davon mehrfach berührt werden mußte. Das ertheilte Recht der freien Affociation rief eine große Zahl von Vereinen hervor, welche ſich mit den drängenden Tagesfragen, meiſtens politiſchen Inhalts, beſchäftigten, und, wie dies bei dem Charakter der neuen politiſchen Epoche, in welche wir getreten ſind, unvermeidlich war, dieſe Fragen in entgegengeſetztem Sinne entſchieden, folglich oft feindlich einander gegenüber ſtanden. Die Konſti⸗ tution unſerer Geſellſchaft nun ſchließt bekanntlich, der Zeit, worin ſie ihr einſt ertheilt wurde, gemäß, Politik und Religion von ihrer Wirkſamkeit bis jetzt noch aus. Inwiefern vielleicht eine Erweiterung dieſer Verfaſſung bei der Staatsbehörde nachzuſuchen fein dürfte, dies wird erſt, wenn die in Jahresfriſt ablaufende Etatszeit vorüber iſt, entſchieden werden können; zunächſt hielten die gegenwärtig von Ihnen eingeſetzten Beamten der Geſellſchaft es für ihre Pflicht, darauf bedacht zu ſein, daß die bisher ſo lange mit Erfolg gepflegten Zweige ihrer Wirkſamkeit unter den heftigen, der Wiſſenſchaft und Kunſt feindlichen Stürmen der Gegenwart nicht verkümmerten. Dies iſt nun auch gelungen; wenn auch beſonders manche Abtheilungen den Einfluß der dauernden, alle Gemüther erfüllenden Unruhe an ihrer verringerten Thätigkeit und Theilnahme wahrzunehmen hatten. — 5 Im Laufe des Jahres haben, außer der heutigen, neun allgemeine Verſammlungen ſtattgefunden, worin folgende Vorträge gehalten wurden: f Am 14. Januar Herr Seminarlehrer Löſchke: „Ueber die Erwerbung des Terrains der ehemaligen Feſtungswerke Breslau's.“ 5 Am 28. Januar Herr geheimer Medicinalraih Dr. Ebers: „Nekrolog der 1847 verſtorbenen Ges ſellſchafts- Mitglieder.“ 1 * 4 Den 11. Februar Herr Profeffor Dr. Ambroſch: „Ueber die Bauwerke der älteſten Völker des Mittelalters.“ Den 25. Februar Profeſſor Dr. Kahlert: „Ueber die von dem Miniſter v. Carmer 1772 geſtiftete ſchleſiſch-patriotiſche Geſellſchaft.“ f Den 31. März Herr Profeſſor Dr. Guhrauer: „Mittheilungen aus dem Leben der Pfalzgräfin Eliſabeth, Aebtiſſin von Herford.“ Den 28. April Herr Konſiſtorialrath Menzel: „Ueber die ſtaatsrechtlichen Grundzüge des preußi⸗ ſchen Landrechts.“ Den 30. Auguſt fand eine außerordentliche allgemeine Verſam mlung zum Ehrengedächtniſſe des ver- ewigten Berzelius, welcher der Geſellſchaft als Ehrenmitglied angehört hatte, ſtatt. Herr Prof. Dr. Duflos hielt hierin einen Vortrag über Berzelius hohes Verdienſt um die Wiſſenſchaft. Den 27. Oktober Herr Konſiſtorialrath Menzel: „Ueber die innern Zuſtände Preußens in den erſten Regierungsjahren Friedrich Wilhelms III.“ Den 23. November Derſelbe: „Fortſetzung und Beſchluß des vorigen Vortrags.“ Den 22. Dezember der Referent General-Sekretär: „Jahresbericht über die inneren und äußeren Verhältniſſe der Geſellſchaft, ſo wie über die Thätigkeit der einzelnen Sektionen.“ Der Präſes der Geſell— ſchaft, Herr Profeſſor Dr. Göppert: „Ueber die eingegangenen Preisſchriften, zur Beantwortung einer der drei in der allgemeinen Sitzung den 26. Februar 1847 veröffentlichten Preisfragen, die eine möglichſt prak— tiſche, den Verhältniſſen Schleſiens angemeſſene Anweiſung zur Obſtbaumzucht zum Gegenſtande hatte.“ Wir erlauben uns, ehe wir den Bericht über die einzelnen Sektionen mittheilen, zunächſt über dieſelben zu berichten. Das Präſidium hatte nach dem Eingange der Preisſchriften eine Kommiſſion ernannt, der es aufgegeben ward, über Ertheilung oder Verweigerung des Preiſes zu entſcheiden. Sie beſtand aus dem Sekretär der botaniſchen Sektion Herrn Direktor Wimmer, dem Sekretär der ökonomiſchen Sektion Herrn Grafen v. Hoverden, dem Sekretär der pädagogiſchen Sektion Herrn Oberlehrer Scholz, dem Sekretär der Sektion für Obſt- und Gartenkultur Herrn Nadbyl, und zwei Mitgliedern der letzteren, den praktiſchen Gärtnern Herren Schauer und Straßhauſen, unter dem Vorſitze des zeitigen Präſes der Geſellſchaft. Nach mehrmaligen Berathungen einigte ſie ſich zu folgendem Gutachten: Kommiſſions⸗ Gutachten uͤber die beiden, als Beantwortung der von der ſchleſiſchen Geſellſchaft fuͤr vaterlaͤndiſche Kultur geſtellten Preisfrage: „Eine den neuen Fortſchritten der Wiſſenſchaft entſprechende, allgemein faßliche und moͤglichſt praktiſche Anweiſung zur Obſtbaumzucht, mit beſonderer Beruͤckſich— tigung der klimatiſchen und oͤrtlichen Verhaͤltniſſe Schleſiens,“ eingegangenen Schriften; Nr. 1. d. d. Bruͤnn, mit der Aufſchrift: „Von einem Veteranen im Dienſte Pomonens;F“ Nr. 2. d. d. Berlin, mit dem Motto: „Der Baum, den wir gezogen und gepflegt mit eignen Haͤnden, „Er iſt uns lieb und wird als Dank uns reichen Segen ſpenden.“ Erſtattet von dem Referenten, Herrn Direktor Wimmer, und durch Unterſchrift anerkannt von ſaͤmmtlichen Mitgliedern der Kommiſſion. Die Kommiſſion anerkennt im Allgemeinen, daß ſich in den beiden eingegangenen Schriften eine hinreichende Kenntniß von der Obſtbaumzucht kundgiebt, und daß die Verfaſſer derſelben beide aus Erfahrung ſprechen, daß auch namentlich die Schrift Nr. 1 ſich zum großen Theile als den Ausdruck eigener und felbft- ſtaͤndiger Erfahrung darſtellt, daß ferner beide Schriften mit Sorgfalt und Fleiß abgefaßt find und kein we— ſentlicher Abſchnitt in denſelben vermißt werden duͤrfte, ; daß alſo beide Schriften immerhin als brauchbare Anweiſungen zur Obſtbaumzucht zu betrachten feien. Dagegen urtheilt die Kommiſſion, daß: 3) in der Schrift Nr. 1 die Darſtellung zu breit und theilweiſe verworren, und bei vorwiegend prak— tiſcher Tendenz die theoretiſche Grundlage dem jetzigen Stande der Wiſſenſchaft nicht entſprechend ſei, wie dies die durchaus unzulaͤngliche Einleitung bekunde. Neben vielem Brauchbaren und Rich— tigen ſei darin manches Veraltete, und der Abſchnitt uͤber die Krankheiten und Feinde der Obſtbaͤume ſei bei aller Ausfuͤhrlichkeit dennoch nicht ausreichend. Endlich ſei der Verfaſſer, indem er z. B. die Kultur der Feige mit aufgenommen, mit den klimatiſchen und oͤrtlichen Verhaͤltniſſen Schleſiens offenbar gar nicht bekannt, indem deren nur einigemal beilaͤufig und muthmaßlicher Weiſe gedacht, die klimatiſche Beſchaffenheit Schleſiens und der Theile deſſelben aber weder erwaͤhnt, noch angege— ben ſei, welche Modifikationen der Kultur dadurch bedingt und welche Obſtſorten uͤberhaupt fuͤr die Provinz und fuͤr die verſchiedenen Gegenden insbeſondere geeignet und empfehlenswerth ſeien; b) die Schrift Nr. 2 den Charakter der populären und praktiſchen Darſtellung nicht durchaus inne— halte und daher nicht geeignet erſcheine, bei den kleineren Grundbeſitzern das Intereſſe fuͤr die Obſt— baumzucht zu wecken und zu befoͤrdern. Manche der darin aufgeſtellten Lehren und Vorſchriften ſeien zum wenigſten ſehr problematiſch. Der Abſchnitt uͤber die Krankheiten und Feinde der Obſt— baͤume ſei ebenfalls nicht ausreichend, und in Bezug auf dieſen werde als Einleitung eine kurze und faßliche Entwickelungsgeſchichte der Bäume. vermißt Ueber die verſchiedenen Bodenarten und die Beziehung des Klima's zur Obſtbaumzucht ſei zu wenig geſagt, der oͤrtlichen und klimatiſchen Ver— haͤltniſſe Schleſiens aber, mit denen der Verfaſſer ganz unbekannt zu ſein ſcheine, gar nicht gedacht; ein Mangel, welchem das am Schluſſe befindliche tabellariſche Verzeichniß der Obſtſorten keinesweges abhelfe. Dieſe Tabelle ſei gerade um ihrer Vollſtaͤndigkeit willen unbrauchbar, weil man, um dar— aus eine geeignete Wahl zu treffen, ſchon Pomologe ſein muͤſſe, und der angehende Obſtbaumzuͤchter ſich gerade hier, wo er des Raths ſo ſehr bedarf, verlaſſen und vor zeitraubenden und koſtſpieligen Verſuchen nicht bewahrt ſehe. In Erwaͤgung alſo, daß 1) die beiden eingegangenen Schriften in der Form und Darſtellungsweiſe dem vorgeſchriebenen Zwecke nicht durchaus entſprechen; 2) in denſelben die in der Aufgabe vorgeſchriebene Beruͤckſichtigung der klimatiſchen und oͤrtlichen Verhaͤltniſſe Schleſiens vermißt wird, und da 3) dieſelben ſich auch außerdem nicht als das Ergebniß neuer und folgenreicher Beobachtungen, noch in Bezug auf Anordnung und Form als eigenthuͤmlich darſtellen, ſondern mit den ſchon vorhan— denen Anweiſungen zur Obſtbaumzucht mehr oder weniger in Uebereinſtimmung ſtehen, glaubt die Kommiſſion einſtimmig, keine der beiden eingegangenen Schriften als eine genügende Löſung der Preis aufgabe bezeichnen und zu Prämiirung empfehlen zur können. Breslau, den 12. Dezember 1848. Göppert. Graf Hoverden. Nadbyl. Schauer. Scholz. Straßhauſen. Wimmer. Unter dieſen Umſtänden fühlte ſich bei der Wichtigkeit des Gegenſtandes das Präſidium in einer am 22. Dezember abgehaltenen Konferenz veranlaßt, die Preisfrage zu wiederholen. Dieſelbe lautet alſo überein— ſtimmend mit der bereits im Jahresberichte 1846 mitgetheilten Faſſung: Eine den neueren Fortſchritten der Wiſſenſchaft entſprechende allgemein faßliche und möglichſt praktiſche Anweiſung zur Obſtbaumzucht, mit beſonderer eee der klimatiſchen und örtlichen Verhältniſſe Schleſiens. Die in jeder Hinſicht zum Obſtbau höchſt geeignete Provinz Schleſien bezieht einen großen Theil ihres Obſtbedarfes aus dem Auslande, weil man bei uns dieſem wichtigen und bei zweckmäßigem Betriebe doch auch überaus einträglichen Zweige der Oekonomie größtentheils aus Unkenntniß nicht die nöthige Sorgfalt widmet. 6 Um dieſem Uebelſtande abzuhelfen, wünſcht das Präſidium, in der Ueberzeugung, daß faft jeder kleine Grund: beſitzer ſich damit beſchäftigen kann, eben die Abfaſſung einer ſolchen allgemein verſtändlichen oder wahrhaft populären Schrift in möglichſt gedrängter und doch klarer Sprache, wobei das Gewiſſe von dem Unſicheren ſtreng zu ſcheiden und die wiſſenſchaftlichen Forſchungen der neueſten Zeit mit dem für die praktiſche Anwen— dung Erforderlichen in Einklang zu bringen ſind. Als anderweitig nicht blos für dieſe, ſondern für alle demnächſt noch zu veröffentlichenden Preisaufgaben gültigen Bedingungen ſind noch zu beachten: 1) Keine Antwort kann angenommen werden, welche von dem Verfaſſer eigenhändig geſchrieben iſt, weil hieraus nur zu leicht auf die Perſon deſſelben geſchloſſen werden kann. N 2) Die einzureichenden Beantwortungen müſſen in deutſcher Sprache abgefaßt, deutlich geſchrieben und von einem verſiegelten Zettel begleitet ſein, der innerhalb den Namen des Verfaſſers enthält, außerhalb mit einem Motto verſehen iſt. Als Einſendungstermin für Preisfragen überhaupt gilt ſtets der erſte Auguſt. Später eingeſchickte werden uneröffnet alsbald zurückgegeben. Näher wird der erſte Auguſt 1851 beſtimmt. 3) Als Preisrichter fungiren die Mitglieder des Präſidiums, die ſich natürlich hierdurch von der Kon— kurrenz ausſchließen, aber ſich auch verpflichten, erſt nach Einziehung eines Gutachtens einer von ihnen ernann— ten Kommiſſion von Sachverſtändigen über Ertheilung oder Verweigerung des Preiſes zu entſcheiden. 4) Der Ehrenpreis der Geſellſchaft beträgt für entſprechende Beantwortung außer der ſilbernen Medaille derſelben noch 20 Friedrichsd'or. Er wird preiswürdigen Abhandlungen ertheilt nach Eröffnung der Zettel an dem jedesmaligen Stiftungstage der Geſellſchaft, alſo den 17. Dezember 1851, an welchem Tage auch künftig nur die neuen Preisfragen geſtellt werden ſollen. 5) Das Eigenthumsrecht bleibt dem Verfaſſer der gekrönten Abhandlung, jedoch iſt ſie innerhalb Jah— resfriſt dem Druck zu übergeben, widrigenfalls das Manuſkript Eigenthum der Geſellſchaft wird. Das mo— tivirte Gutachten des Präſidiums wird bei erfolgter Publikation dem Werke vorgedruckt. Breslau, den 22. Dezember 1848. Das Präſidium der ſchleſiſchen Geſellſchaft für vaterländiſche Kultur. Göppert. Ebers. Bartſch. Kahlert. G. Liebich. Was nun die 5 der einzelnen Sektionen unſerer Geſellſchaft betift, fo folgt hier deren ge: drängte Ueberſicht: J. Abtheilung für Naturwiſſenſchaften. A. Haturwiſſenſchaften an und für fich: 1. Die naturwiſſenſchaftliche Sektion, unter dem Sekretariat des Herrn Profeſſor Dr. Göppert, hielt im vergangenen Jahre 17 Sitzungen, in welcher verſchiedene einzelne Vorträge und Mittheilungen vorkamen, die die Sektion folgenden Herren verdankt: Aus dem Gebiete der Phyſik und phyſiſchen Geographie: Herr Apotheker Jäckel zu Liegnitz, Herr Dr. Marbach, Herr Dr. Med. Middeldorpf, Herr Prof. Dr. Pohl, Herr Dr. Sond hauß. Aus der Chemie: Herr Dr. Med. Baumert, Herr Dr. Phil. Delbrück, Herr Prof. Dr. Du: flos, Herr Prof. Dr. Fiſcher, Herr Dr. Phil. Schneider. Aus der Mineralogie, Geognoſie und Petrefaktenkunde: Herr Privat-Docent Dr. Phil. Kenngott, Herr Dr. Phil. Sadebeck, Herr Bergmeiſter Zobel in Reichenſtein, und der Sekretär der. Sektion, Herr Landſchaftsſyndikus v. Stephany zu Görlitz. 7 Aus der Phyſiologie und Anatomie: Herr Dr. Med. v. Frantzius und Herr Apotheker Lehmann in Creutzburg. Unſere mineralogiſchen Sammlungen wurden insbeſondere vermehrt durch ein 3 / Pfund ſchweres Me: teoreiſen von Seeläsgen, vom Herrn Dr. Phil. Schneider, wie denn überhaupt durch Tauſch und Geſchenke mehrere Exemplare erworben wurden, ſo daß ſich gegenwärtig die Zahl derſelben auf neun beläuft, die in einem unſerer Zimmer aufgeſtellt ſind. Anderweitige Mineralien empfing die Geſellſchaft von dem Herrn Dr. Phil. Sadebeck, Herrn Gutspächter Thuniger in Wirſchkowitz, Herrn Lehrer Wiehle in Steine bei Jordans— mühl, Herrn Gaftwirıy Herzig in Goldberg und Herrn Bergmeiſter Zobel in Reichenſtein. Durch Ueberſendung von Werken und Abhandlungen erfreuten die Sektion die Herren Un verricht in Jauer, Profeſſor Dr. Hauſer in Olmütz, Apotheker Spatzier in Jägerndorf, Dr. Med. Bann erth in Landeck, Dr. Cohn hierſelbſt, Dr. Med. Günsburg, Privatdocent Dr. Körber, Apotheker Polek jun. in Neiſſe und Dr. Zeuſchner in Krakau. Die bereits beſtehenden Verbindungen mit den verſchiedenen Akademieen und Geſellſchaften des In- und Auslandes wurden unterhalten und neue angeknüpft: mit der Geſellſchaft des Ackerbaues und der Linnäiſchen Geſellſchaft zu Lyon, dem zoologiſch-mineralogiſchen Verein zu Regensburg, der ſchweizeriſchen Geſellſchaft für Naturwiſſenſchaften, der Geſellſchaft nützlicher Forſchungen in Trier, der Geſellſchaft der Freunde der Natur— wiſſenſchaften in Wien, — die ſämmtlich durch Ueberſendung ihrer Verhandlungen uns ihre Theilnahme zu erkennen gaben. 2. Die entomologiſche Sektion, (Sekretär: Herr Geh. Hofrath Dr. Gravenhorſt) hat in dieſem Jahre ein und zwanzig Sitzungen gehalten, in denen aus faſt allen Ordnungen der In— ſekten, nur mit Ausnahme der Netzflügler und der Halbdeckflügler, längere oder kürzere Vorträge gehalten wurden. Am meiſten beſchäftigten die Käfer und die Schmetterlinge, und aus beiden Ordnungen wurde man— ches Neue zur Kenntniß gebracht. Auch die Ordnung der Spinnenthiere fand jetzt zum erſten Male in dem Herrn Apotheker Seidel einen fleißigen Beobachter und Referenten. Die Zahl der Mitglieder wurde in dieſem Jahre durch den Zutritt des Herrn Dr. Wocke um eins vermehrt. Hingegen haben fie aber auch den Verluſt eines der älteſten und thätigſten Mitglieder der Sek— tion, des Herrn Privatlehrers Schummel, welcher ihnen durch den Tod entriſſen wurde, zu beklagen. 3 Die botaniſche Sektion (Sekretär: Herr Direktor Dr. Wimmer) hat im Jahre 1848, im Januar, Februar, März, Oktober, November und Dezember, im Ganzen ſieben Verſammlungen gehalten. In der erſten, in Gemeinſchaft mit der Sektion für Gartenbau und Obſtkultur abgehaltenen, Verſamm⸗ lung hielt Herr Profeſſor Dr. Göppert einen ausführlichen Vortrag über die baumartigen Farrn. In der zweiten legte, im Auftrage des Herrn Profeſſor Dr. Henſchel, der Sekretär der Sektion ein Exemplar der Raflesia Patma vor, und erläuterte die Demonſtration durch die Abbildungen in Blume's Ja⸗ vaniſcher Flora. Derſelbe legte eine Sammlung getrockneter Weiden aus Schweden und Lappland von An— derſon in Upfala vor und fügte die nöthigen Erläuterungen hinzu. In der dritten las Herr Gymnaſiallehrer Dr. Körber einen ſchon anderweitig gehaltenen Vortrag: „Die Uebergangsſtadien von der empiriſchen zur philoſophiſchen Naturforſchung.“ — Der Sekretär zeigte Ecklouſche Cap⸗ pflanzen vor, welche Herr Profeffor Dr. Henſchel zur Anſicht gegeben hatte. In der vierten berichtete Herr Muſikdirektor Siegert über die im laufenden Jahre von ihm näher beobachteten ſeltneren ſchleſiſchen Pflanzen, namentlich Cirsium - Formen, 5 8 In der fünften berichtete der Sekretär an die Sektion über ein höchſt werthvolles Geſchenk, welches der Herr Sanitätsrath Krocker der Geſellſchaft mit dem Herbarium ſeines Vaters, des berühmten ſchleſiſchen Floriſten, gemacht hat. — Derſelbe legte der Sektion die in dieſem Jahre beobachteten neuen Arten und For— men der ſchleſiſchen Flora mit den nöthigen Erläuterungen vor, und Herr Wundarzt Knebel machte einige Mittheilungen gleichen Inhalts. In der ſechsten gab Herr Gymnaſiallehrer Dr. Körber eine Ueberſicht der Kryptogamen-Flora des Kurortes Marienbad in Böhmen. — Der Sekretär legte eine von Herrn Pharmazeuten Schuchardt in Görlitz eingefandte Sammlung trockner Pflanzen aus der Gegend von Görlitz vor. In der ſiebenten gab Herr Pharmazeut Krauſe eine Ueberſicht der ſchleſiſchen Cirsſum-Arten und Baſtarde, und der Sekretär eine desgleichen über die Gruppe der ſchleſiſchen Carices caespitosae. — Der⸗ ſelbe legte ein der Bibliothek der Geſellſchaft beſtimmtes Manufkript des Herrn v. Uechtritz vor: Fundörter ſchleſiſcher Laubmooſe. i 4. Die geographiſche Sektion (Sekretär: Herr Profeſſor Dr. v. Boguslawski) war mit Ausſichten zu einer bedeutend weiteren Entfaltung ihrer Wirkſamkeit in das Jahr 1848 getreten. Sie hatte am 19. Januar mit einem Berichte aus Mexico begonnen, und mit Verhandlungen über merkwürdige meteorologiſche und telluriſch-magnetiſche Erſcheinungen, woran der Anfang des Jahres beſonders reich geweſen war; als in Süden und Weſten unſers Welttheils großartige politiſche Stürme ſich erhoben, welche, den phyſiſchen Tornado's in Gang und Wirkung nur allzuähnlich, auch unſere Verhältniſſe ſehr bald erreichten. Alle Mittheilungen von einheimiſchen Mitgliedern verſtummten, wie um ſo mehr die von auswär— tigen. Nur die ruhige und beſonnene Thätigkeit der meteorologiſchen, klimatologiſchen und hypſometriſchen Beobachter blieb faſt durchgängig ungeſtört von dem Treiben der Zeit, wie die eingeſandten Reſultate in ihrer Zuſammenſtellung bekunden werden. Ja, es ſtand auch in der jüngſten Zeit dem Vereine unſerer Stationen der Abſchluß einer noch näheren Verbindung, von noch nicht abzuſehenden Folgen, mit denen des königlichen ſtatiſtiſchen Bureau's in Berlin bevor, als der verdiente Dirigent jener Stationen, Herr Dr. Mahlmann, welcher erſt in dieſen Tagen zu jenem Behufe hier in unſerer Stadt angelangt war, am 9. Dezember durch den tödtlichen Ausgang eines alten organiſchen Magenübels, welchen die freundſchaftlich ſorgſamſte ärztliche Kunſt und Pflege nicht mehr abzuwenden vermochte, den Wiſſenſchaften und ſeinem hoffnungreichen Wirkungs⸗ kreiſe entriſſen wurde. Auch die geographiſche Sektion bleibt von dieſem Verluſte nicht unberührt, auf welche Weiſe und wie weit, wird fich erſt mit Beginn des neuen Jahres überſehen laſſen, und füglich noch nicht in der Verſamm⸗ lung ihrer hieſigen Mitglieder, mit welcher ſie noch das ſcheidende Jahr zu ſchließen gedenkt. B. Angewandte Maturwiſſenſchaften. 5. Die medizinische Sektion (Sekretär: Herr Dr. Krauß) hat im Jahre 1848 zwölf ordentliche und eine außerordentliche Verſammlung gehalten. Ihre Thätigkeit iſt von den Bewegungen der Zeit nicht unberührt geblieben. Schon in der Sitzung des Januars hatte Herr Profeſſor Dr. Göppert es für zweckdienlich erachtet, eine Berathung über die Mittel zu veranlaſſen, um mit den in der Provinz beſtehenden ärztlichen Vereinen, wie mit den Medizinalperſonen Schleſiens, der Grafſchaft Glatz und der preußiſchen Oberlauſitz, in nähere Verbindung zu treten. Im Februar ſtattete der Sekretär bereits günſtigen Bericht über die in dieſer Angelegenheit begonnene Korreſpondenz ab, legte den Entwurf eines Planes zur Ausführung der beregten Verbindung vor, welcher allgemeine, abwechſelnd in den größern Pro— 9 vinzialſtädten zu wiederholende Verſammlungen aller Standesgenoſſen als das am meiſten den Zweck fördernde Mittel aufſtellte, und von der Abtheilung genehmigt wurde. Wiewohl Zeit und Ort für eine diesjährige Zuſammenkunft ſchon beſtimmt worden, ſo entſchied ſich doch die übereinſtimmende Anſicht der im März ver— ſammelten Mitglieder der Sektion in Berückſichtigung der inzwiſchen eingetretenen politiſchen Ereigniſſe, ſo wie der fortdauernden Typhus-Epidemie in Oberſchleſien, dahin, die Ausführung dieſes Planes zu vertagen. Bald aber gaben mehrfach wiederholte Wünſche von Neuem Veranlaſſung, dieſen Gegenſtand, und zwar nach einer den veränderten Zeitverhältniffen entſprechenden Richtung hin, in Betracht zu ziehen, wozu am 26. Mai eine außerordentliche Verſammlung anberaumt wurde. In derſelben entſchied man ſich dahin, daß eine gemeinſchaftliche Berathung über die beſtehenden Medizinalverhältniſſe zeitgemäß, vor Berufung einer allge— meinen Verſammlung jedoch nothwendig ſei, die Vorlage der zu berathenden Gegenſtände einer Kommiſſion zur Ausarbeitung zu übertragen. In der nächſten Juni-Sitzung wurden ſieben Mitglieder der Sektion zur Bil— dung dieſer Kommiſſion und eben ſo viele Stellvertreter gewählt, als Baſis für die Ausarbeitung der Vorlage aber die Darſtellung der ärztlichen Verhältniſſe: 1) zum Staate und zur Kommune, 2) zum Publikum, 3) zur Geſetzgebung, 4) zum Armenweſen vorgezeichnet. Nachdem die Kommiſſion ihre Anſichten in einer gedruckten Denkſchrift der Verſammlung am 7. Juli vorgelegt, wurde der Beſchluß gefaßt, eine allgemeine Zuſammenkunft ſchleſiſcher Aerzte und Wundärzte in Breslau zur weitern Berathung über Reformbeſtrebungen im geſammten Medizinalweſen zu veranlaſſen. Mit dem Beginn der Thätigkeit derſelben betrachtete die Kom— miſſion ihren Auftrag als erfüllt, und die weitere direkte Verfolgung dieſer Richtung ging von der medizini— ſchen Sektion der ſchleſiſchen Geſellſchaft auf eine in der allgemeinen Verſammlung erwählte neue Kommiſ— ſion über. An den ſpezielleren Leiſtungen der Abtheilung in rein wiſſenſchaftlicher wie praktiſcher Beziehung bethei— ligten ſich die Herren Profeſſor Dr. Barkow, Dr. Neugebauer, Hoſpitalarzt Dr. Günsburg und Ho— ſpital-⸗Wundarzt Hodann durch Vorzeigung und Erläuterung höchſt intereſſanter pathologiſch-anatomiſcher Präparate, ſo wie durch lehrreiche Vorträge die Herren Dr. Neugebauer: über Anwendung des Chloro— forms; Dr. Grötzner: über Beſeitigung eines Carcinom's ohne blutige Operation; Dr. Landsberg: über die Wirkung des Bleizuckers als inneres Heilmittel; geheime Medizinalrath Dr. Ebers: über Wahrnehmun— gen an den Grenzen der Sinnenwelt und des Traumlebens; Privatdocent Dr. Seidel: über mediziniſchen Aberglauben; Hofrath Dr. Weidner: über Abdominal-Phthiſis und Typhus als Maſernfolge; Dr. Krocker jun.: über den oberſchleſiſchen Typhus; Dr. Lüdicke: über Milchverſetzungen; Dr. Neugebauer, Dr. Levy und Dr. Günsburg: über die epidemiſche Cholera; Profeſſor Dr. Göppert: Mittheilungen über Vergiftung mit Bitterſüß und Mutterkorn; Hofrath Dr. Burchard: über künſtliche Anäſtheſirung der Gebärenden. 6. Die ökonomiſche Sektion (Sekretär: Herr General-Landſchafts-Repräſentant Graf v. Hoverden) hat im abgelaufenen Jahre die vorgeſchriebenen neun Sitzungen gehalten. Der zahlreiche Beſuch der erſten Verſammlungen wurde durch die Stürme der Zeit unterbrochen, und der warme Eifer der Mitglieder erkaltete vor ihrem eiſigen Hauche. Unter dieſen Bedingungen darf es nicht befremden, wenn die Arbeiten der Sektion weniger umfangreich geweſen ſind, als ſich ſonſt erwarten ließ. Die Thätigkeit der Sektion wurde zuvörderſt von den zahlreichen Mittheilungen und Anfragen des könig— lichen Landes-Oekonomie-Kollegii und des hieſigen landwirthſchaftlichen Central-Kollegii in Anſpruch genom— men. Die Kartoffelkrankheit war dabei ſtark vertreten. Von den auswärtigen Vereinen gingen die neueſten Hefte ihrer Schriften und Verhandlungen ein. Sie empfingen dagegen die Gefammt=Ueberficht der Arbeiten und Verhandlungen der Geſellſchaft. Ueber die ein: 2 10 gehenden Schriften, welche in den Sitzungen vorgelegt wurden, gaben die Mitglieder oder der Sekretär, wenn ſie allgemein Intereſſantes enthielten, ihre Referate ſchriftlich ab. Ausländiſche Sämereien wurden zu Probeverſuchen vertheilt. Die Reſultate ſollen ihrer Zeit mitgetheilt werden. Herr Profeſſor Dr. Duflos hatte die Gewogenheit, der Sektion einen durch Experimente erläuterten Vortrag: „Ueber das Vorkommen und den Urſprung des Stickſtoffes in den Pflanzen, die ſtickſtoffhaltigen Düngmittel im Allgemeinen und im Guano insbeſondere,“ zu halten. An Maſchinen wurde blos eine Siedemaſchine durch Herrn Dr. Stolle aufgeſtellt. Gegenſtände beſonderen ſchriftlichen Vortrages waren, ihrer Reihefolge nach: . 1) Welche Gründe laſſen ſich für die heftigen Fluktuationen, welche wir im Geldwerthe der ſchleſ. Landgüter binnen den letzten 30 Jahren wahrgenommen haben, aufführen und nachweiſen? Vom Sekretär. 2) Aphoriſtiſche Gedanken über Kredittaxen. Vom Sekretär. 3) Die Kartoffelkrankheit in ihren Haupturſachen, nebſt Angabe der einfachſten Mittel zu deren wei— teren Verhütung. Von Leopold Martin aus Bunzlau. 4) Referat an das Landes-Oekonomie-Kollegium über Ermäßigung mehrerer Eingangszölle. Vom Sekretär. { 5) Ueber die Syphilis oder Beſchälkrankheit der Pferde. Vom geheimen Medizinalrath Dr. Ebers. 6) Kurzes Gutachten in der Arbeiterfrage. Vom Sekretär. 7) Beantwortung mehrerer Fragen des volkswirthſchaftlichen Ausſchuſſes zu Frankfurt a. M. in Bezug auf die Entwerfung eines allgemeinen deutſchen Zolltarifs. Vom Sekretär. 8) Zuſammenſtellung der Kurſe der ſchleſiſchen Pfandbriefe vom Jahre 1780 bis zur Gegenwart. Von Demſelben. 8 7. Die Sektion für Obſt⸗ und Gartenkultur (Sekretär: Herr Univerſitätsſekretär Nadbyl) beſchließt mit dem Jahre 1848 das zweite ihres Beſtehens. Im Laufe deſſelben hat fie nicht allein den im erſten Jahre eingeſchlagenen Weg verfolgt, ſondern auch in andern, für ihr Wirken Erfolg verſprechende Bah— nen einzulenken ſich bemüht. j 1) Die politifhe Bewegung dieſes Jahres ift vorerft an ihr nicht ſpurlos vorübergegangen. So wie nämlich die verſchiedenen Gewerbe und die an dieſelben gränzenden Künſte durch Vereinigung die Beſeitigung der in Folge der Gewerbefreiheit eingeriſſenen Mißſtände anzuſtreben begonnen haben, ſo fühlten auch die Gartenkünſtler bald, daß es auch unter ihnen viel zu verbeſſern gäbe, namentlich was die Ausbildung zur Gartenkunſt anbetrifft. Es wurden daher von den zur Sektion gehörenden Kunſt- und Handelsgärtnern Be— rathungen über dieſe Zeitforderung gepflogen, deren Reſultat man in einem Programm zuſammenfaßte. Bald zeigte es ſich, daß die Kunſt- und Handelsgärtner in der Provinz daſſelbe Bedürfniß fühlten. Die Sektion ſuchte nun deren Intereſſe mit dem der hieſigen Gärtner zu verſchmelzen, und ſo entſtanden im Laufe des vergangenen Sommers zwei Gärtnervereine, der erſte zu Jauer-Liegnitz und der zweite zu Neumarkt, deren Mitglieder zugleich Mitglieder unſerer Sektion geworden ſind und das von ihr entworfene Programm zu dem ihrigen gemacht haben. Aber nicht allein in Schleſien regte ſich der Geiſt des Fortſchrittes in dem Gärtnerfache, ſondern auch in dem übrigen Deutſchland, in Folge deſſen eine Aufforderung zu einer Verſammlung deutſcher Gärtner nach Weimar erging. Der Sekretär der Sektion begab ſich dorthin und vertrat daſelbſt die Sektion. Aus unſerm Programm, ſo wie den Arbeiten der thüringſchen, baierſchen und der Gärtner in Berlin, ging ein, die ge— ſammte Gärtnerſchaft von Deutſchland umfaſſendes Programm hervor, nach welchem in Zukunft die Gärtner 1 von ganz Deutſchland eine Korporation bilden ſollen. Das wichtige Werk iſt jedoch noch nicht vollendet, weshalb nicht mehr, als eben vorläufig geſchehen iſt, mitgetheilt werden kann. 2) Die Sektion hat ferner ſchon in dieſem Jahre auf den Gemüſebau und die Obſtkultur einzuwirken verſucht. Die Mittel derſelben waren anfänglich zwar nicht bedeutend, wurden jedoch am Schluſſe des vori— gen Jahres durch die Munifizenz eines ihrer Mitglieder, des Herrn Grafen v. Reichenbach-Bruſtawe, welcher der Sektion 100 Thaler zum Geſchenke machte, anſehnlichſt vermehrt, wodurch es möglich wurde, nicht allein eine Sammlung exotiſcher Gewächſe, ſondern auch hauptſächlich Sämereien von Gemüſen und Pfropf— reiſern anzukaufen. Die Sämereien wurden an 26 und die Pfropfreiſer an 19 Mitglieder vertheilt. Es liegen der Sektion auch bereits von einem großen Theile der Empfänger Berichte über die gemachten Erfah— rungen vor, worüber der Hauptbericht das Nähere enthalten wird. — Auf Ankauf von Pflanzen, Sämereien und Pfropfreiſer hat die Sektion 101 Thlr. 13 Sgr. bisher verwendet. 3) Bei dem Ankaufe der genannten Gegenſtände ſtellte ſich das Bedürfniß nach einem Grundſtücke, wo die Sektion die nöthigen Verſuche ſelbſt veranſtalten könnte, in den Vordergrund. Von dem Beſitze eines Grundſtücks erſchien ſogar die Fortdauer der Sektion, wenn man die praktiſche Seite ihrer Wirkſamkeit ins Auge faßt, abhängig. Den Ankauf eines Grundſtücks erlaubten aber die Mittel nicht, weshalb der Sekretär der Sektion die Propoſition ſtellte: N Die Sektion möge die Behörden der Stadt erſuchen, ihr die Promenadenverwaltung nebſt den für dieſelbe beſtimmten Fonds zu überlaffen. Dieſer Vorſchlag wurde nicht allein von der Sektion, ſondern auch von dem Präſidium unſerer Geſellſchaft als zweckmäßig anerkannt. Letzteres ſetzte ſich mit den Behörden der Stadt, mit der Verſammlung der Stadt: verordneten und dem Magiſtrat, in Verbindung, welche auf dieſe Vorſchläge eingingen, ſo daß gegenwärtig ſchon die Beſtimmungen des gegenſeitigen Vertrages näher berathen werden, durch welche vom 1. Jan. 1849 ab die Promenadenverwaltung mit einer etatsmäßigen Summe von 2500 Thalern der Sektion übergeben wurde. 4) Die Sektion veranſtaltete in dieſem Jahre zwei Haupt-Ausſtellungen, und zwar eine im Frühjahre und eine im Herbſte, in dem Lokale des Wintergartens. Eine dritte, kleinere Ausſtellung, in dem Glashauſe an der Ziegelbaſtion, traf in die Zeit des Wollmarktes. Ueber dieſe Ausſtellungen wird der Hauptbericht das Weitere enthalten; hier genüge nur die Bemerkung, daß die Sektion zu den Koſten derſelben eine bedeutende Summe zuſchießen mußte, wozu der Grund wohl in den unruhigen Zeitverhältniſſen liegen mochte. So viel über die Wirkſamkeit der Sektion nach Außen. Hinſichtlich der inneren Thätigkeit iſt vorerſt anzuführen, daß Seitens der Sektion ein Leſeverein begründet wurde, für welchen fie die beſten deutſchen Gar: tenzeitungen und Journale, ſo wie das von Louis v. Houtte zu Gent herausgegebene Journal: Flore des serres et des jardins de ' Europe, angeſchafft hat. Demnächſt hat die Sektion ihre Verſammlungen, ſo viel es anging, regelmäßig abgehalten, und zwar neunzehn, in denen Folgendes verhandelt wurde: 1) Den 11. Januar 1848: Vortrag des Sekretärs der Sektion „über neue Erzeugniſſe in der auslän⸗ diſchen Flora.“ 2) Den 25. Januar: Demonſtrativer Vortrag des Herrn Profeſſor Dr. Göppert „über baumartige Farrnkräuter.“ 3) Den 15. Februar: Vortrag des Sekretärs der Sektion „über neue Pflanzen.“ . 4) Den 29. Februar: Vortrag des Landſchaftsgärtners, Herrn Straßhauſen, „über die Anzucht von Gemüſeſämereien.“ 5) Den 14. März: Vortrag des botaniſchen Gärtners, Herrn Schauer, „über Mythologie und Sym⸗ bolik der Pflanzenkunde in Bezug auf höhere Gartenkunſt.“ 6) Den 28. März: „Mittheilungen des Sekretärs und Berathung über die Ausſtellung.“ g 2 * 7) Den 18. April, im Lokale des Wintergartens: „Berathung über die Hebung der Gartenkunſt und die Ausbildung der Gärtner.“ 8) Den 16. Mai: Bericht des Sekretärs über die Ausſtellung, und Vortragdes Herrn Straßhauſen „über das Verſetzen großer Bäume.“ 9) Den 28. Juni: Vortrag des Herrn Straß hauſen „über das wegen der künftigen Ausbildung der Gärtner entworfene Statut.“ 10) Den 20. Juli: Berathung deſſelben Gegenſtandes. 11) Den 9. Auguſt: Vortrag des Herrn Schauer „über das Vorkommen der Kartoffelkrankheit in den SOger Jahren des vorigen Jahrhunderts. 12) Den 23. Auguſt: Mittheilung des Sekretärs der Sektion „über den Erfolg des Anbaues ausge— theilter Sämereien aus den eingegangenen Berichten.“ 5 13) Den 6. September: Vortrag des Herrn Schauer, „wie dem Obſtbaue in Schleſien gründlich auf— geholfen werden könnte.“ 14) Den 27. September: Vortrag deſſelben „über die Entwickelungsgeſchichte und Vermehrungsmethode der Farrnkräuter.“ 15) Den 11. Oktober: Beſprechung eingegangener Berichte „über den Anbau von Gemüſen.“ 16) Den 18. Oktober: Mittheilung des Sekretärs der Sektion „über die angeregte Vereinigung ſämmt— licher Gärtner Deutſchlands.“ 17) Den 1. November: Berathung und gegenſeitige Mittheilung „über den Einfluß der Witterung dieſes Jahres auf die Kulturpflanzen.“ a 18) Den 22. November: Erledigung einer Anfrage des Liegnitz-Jauerſchen Gärtnervereins und Mitthei— lung eingegangener Berichte „über vertheilte Sämereien.“ 19) Den 23. Dezember: Vortrag des Herrn Schauer „über die hieſigen Promenaden und deren zu erzielende Verſchönerungen.“ 8. In der techniſchen Sektion (Sekretär: Herr Direktor Gebauer) wurden zehn Verſammlungen und zwölf Vorträge im Jahre 1848 gehalten. 1) Den 10. Januar: Herr Kaufmann C. G. Kopiſch „über einige wichtige Produkte aus Gutta Percha.“ Direktor Gebauer „über Telegraphie.“ 2) Den 24. Januar: Herr Prof. Dr. Duflos „über Gegenſtände aus der techniſchen Chemie.“ 3) Den 7. Februar: Herr Dr. Stolle „eine technologiſche Rundſchau.“ 4) Den 21. Februar: Herr Profeſſor Dr. Purkinje „Mittheilung einer neuen Maſſe zu plaſtiſchen Arbeiten.“ Herr Dr. Phil. Sadebeck „über Konſtruktion und Gebrauch der Theodoliten.“ 5) Den 6. März: Herr Prof. Dr. Duflos „über Gegenſtände aus der techniſchen Chemie.“ Fortſ. 6) Den 3. April: Herr Dr. Stolle „Mittheilung der Reſultate der neuen ſächſiſchen Gemeinde: Backöfen.“ a 7) Den 24. Juli: Direktor Gebauer „über Einrichtung und Wirkung der Feuerſpritzen in Bezug auf eine noch neue und eigenthümliche Konſtruktion einer von dem Mechanikus Herrn Ilgmann verfertigten und in der Sitzung vorzuweiſenden, mit Saugrohr verſehenen Spritze.“ 8) Den 23. Oktober: Herr Dr. Phil. Schwarz „über die Silberbeſtimmung auf naſſem Wege.“ 9) Den 6. November: Derſelbe: „Verſuche mit einer neuen Aetzmethode auf Kupfer und Stahl.“ 10) Den 4. Dezember: Herr Dr. Med. Baumert „über einige Beſtandtheile des Fleiſches und deren Verwendung als Nahrungsmittel.“ 13 II. Abtheilung für Geſchichte, Statiſtik, Philologie, Pädagogik, Kunſt und Muſik. 9. Die hiſtoriſche Sektion hat unter dem Sekretariat des Herrn Prof. Dr. Röpell fi) IImal verſammelt; folgende Vorträge wurden gehalten: { 1) Den 6. Januar: Herr Konſiſtorialrath Menzel „über die erſten Regierungsjahre Friedrich Wil: helms II.“ 2) Den 27. Januar: Herr Dr. Phil. Reimann „das Wiederaufleben der wiſſenſchaftlichen Bildung unter Karl dem Großen.“ 3) Den 3. Februar: Herr Dr. Jur. Förſter „über die politiſche Doktrin des Mittelalters.“ 4) Den 17. Februar: Herr Prof. Dr. Röpell „das politiſche Teſtament des Kardinals Richelieu.“ 5) Den 2. März: Herr Dr. Phil. Cauer „die Freiheit der Dittmarſchen und ihr Untergang.“ 6) Den 9. März: Herr Graf C. v. Dyhrn „Bericht des Miniſters Hoym an Friedrich II.“ 7) Den 13. April: Herr Dr. Jur. Förſter „über die politiſche Doktrin des Mittelalters.“ Fortſ. 8) Den 26. Oktober: Herr Prof. Dr. Guhrauer „über Klopſtock vom Standpunkt unſerer Zeit.“ 9) Den 9. November: Herr Konſiſtorialrath Menzel: „Geſchichte des Wöllnerſchen Miniſteriums unter Friedrich Wilhelm II. nach dem Erlaſſe des Religions-Ediktes.“ 10) Den 30. November: Herr Prof. Dr. Röpell: „Das türkiſche Reich und die europäiſchen Mächte; vom Frieden zu Adrianopel bis zum Vertrage von Unkar-Skeleſſi (1820 bis 33).“ 11) Den 14. Dezember: Herr Dr. Phil. Cauer: „Ueber Kaiſer Julian den Abtrünnigen und ſein Zeitalter.“ 5 N 8 10. Die Sektion für Statiſtik iſt in ihrer erſt 1847 begonnenen Thätigkeit durch die Ereigniſſe des Jahres 1848 weſentlich gehemmt wor— den. Namentlich hat der Umſtand hierzu beigetragen, daß der zeitige Sekretär derſelben, Herr Aſſeſſor Dr. Schneer, durch ſeine Kommiſſionsreiſe in die vom Typhus ergriffenen Kreiſe Oberſchleſiens in vorigem Winter, ſpäter aber durch ſeine Verpflichtung als Deputirter bei der Frankfurter Nationalverſammlung von Breslau entfernt gehalten wurde. Referent iſt gegenwärtig auch außer Stande, Näheres über die von dem Herrn Sekretär der Sektion eingeleiteten ſtatiſtiſchen Korreſpondenzen mitzutheilen. Hoffentlich wird in künf— tigem Jahre die ſtatiſtiſche Sektion ihre Thätigkeit um ſo erfolgreicher fortſetzen. 11. Die Sektion für Philologie (Sekretär: Herr Direkor Dr. Schönborn) hat im Jahre 1848 ſich ſechs Mal verſammelt. Am 1 Iten und am 25ſten Januar ſprach Herr Profeſſor Dr. Ambroſch „über die Topographie Roms,“ und theilte die Ergebniſſe der bisherigen Unterſuchungen über das Marsfeld, die ſieben Hügel, die Mauern und Thore und über das Forum Romanum während der Re— publik mit. Herr Oberlehrer Dr. Lilie ſprach in zwei Vorträgen, am Sten und am 22ſten Februar, „über Homeriſche Anſchauungsweiſe,“ und verbreitete ſich namentlich über die Vorſtellungen von der Gottheit, vom Daſein, von der Ehe und von der Familie. Herr Profeſſor Dr. Wagner hielt am 31. Oktober einen Vor— trag „über den Urſprung der dramatiſchen Poeſie bei den Griechen.“ Am 28. November gab Herr Dr. Kopiſch eine Ueberſicht „über die bisherigen Verſuche, den Pindar zu überſetzen,“ theilte eine neue metriſche Ueberſetzung der neueſten Olympiſchen Ode mit, und gab Erläuterungen zu dem Gedichte. N Theils Erkrankungen derjenigen, welche ſich zu Vorträgen erboten hatten, theils die ungünſtigen Zeit: verhältniſſe haben die Sektion verhindert, ſich öfter zu verſammeln. 14 12. Die pädagogiſche Sektion (Sekretär: Herr Oberlehrer Scholz) konnte in Folge der unruhigen Zeit nur acht Verſammlungen abhalten. In der erſten Verſammlung beantwortete Herr Rektor Dr. Reiche die Frage: „Iſt die Emancipation der Volksſchule von der Kirche, d. h. von der Geiſtlichkeit, ausführbar, und würde dieſelbe, wenn ſie es wäre, heilbringend ſein?“ — In der zweiten hielt Herr Rektor Kämp einen Vortrag über Zweck und Behandlung der Geſchichte in höhern Lehranſtalten. — In der dritten machte Herr Saske, Cand. phil., Mittheilungen über das Schulweſen in Polen. — In der vierten theilte Herr Rektor Dr. Reiche denkwürdige Züge aus dem Charakter und ſtark bewegten Leben des als Direktor des Taubſtummen-Inſtituts in Schleswig im Jahre 1827 geſtorbenen G. V. Pfingſten mit. — In der fünften ſprach Herr Oberlehrer Knie über die Unterweiſung des taubſtummen im 7ten Jahre erblindeten Ed. Meiſter, bis zur Beibringung der Laut⸗ ſprache. — In den folgenden drei Verſammlungen veranlaßte der Sekretär der Sektion Beſprechungen über einige pädagogiſche Zeitfragen, indem er Dieſterweg's Urtheil über den konfeſſionellen Religionsunterricht, Für⸗ bringer's Programm über die Volksſchule als Volksanſtalt und deſſen Anſichten über die Aufhebung des klö— ſterlichen Zuſammenwohnens der Seminarzöglinge, fo wie Kruſe's Gedanken über die beantragte Freiheit des Unterrichts zum Vortrage brachte. 13. Die muſikaliſche Sektion (Sekretär: Herr Muſik- Direktor Moſewius) hat ſich im laufenden Jahre zwölfmal verſammelt. Die erſte Sitzung, am 24. Januar, wie die zweite, am 15. Februar, wurde zum Vortrage von: Janßens Grundregeln des Gregorianiſchen Kirchengeſanges von Herrn Dr. Baumgart benutzt; das Werk enthielt den zum Theil auf hiſtoriſcher Grundlage entworfenen Unterricht zum Geſange der Gregorianiſchen Kirchenmelodieen für die Jetztzeit, und giebt Erklärung über die Benennung und Bedeutung der einzelnen Geſänge für die katholiſche Kirche. f ’ In der dritten Verſammlung, den 4. April, trug der Sekretär der Sektion einen Aufſatz über das Oratorium „Elias“ von Mendelsſohn vor, enthaltend eine Analyſe des Werkes, mit Bezugnahme auf mehrere, von auswärts hierher gedrungene Urtheile und Widerlegung dagegen aufgeſtellter tadelnder Bemerkungen, zugleich in einer Epiſode eine kurze Abhandlung über die charakteriſtiſche Verwendung der Poſaunen von Sei- ten der klaſſiſchen älteren Komponiſten im Gegenſatze zu denen unſerer Tage. Zur Oſtermeſſe a. c. erſchien ein Werk des Mitſtifters unſerer Sektion, des Herrn 1 Ober⸗ Tribunalraths v. Winterfeld, welches eine muſikaliſche Zeitfrage behandelt: „Ueber die Wiederherſtellung des Rhythmus in dem evangeliſchen Kirchengeſange und Einrichtung des Gemeinde- und Chor-Geſanges in der Kirche.“ Der Sekretär fand dadurch Veranlaſſung, die Sektion zur Kenntnißnahme dieſes Werkes, und durch die Zeitungen diejenigen Herren Prediger, Kantoren, Organiſten und Lehrer, welche ſich für den Gegenſtand intereſſirten, zu näherer Beſprechung ſeines Inhaltes mit den Mitgliedern der Sektion einzuladen. Dieſem Gegenſtande wurde die vierte Sitzung, am 30. Mai, die fünfte, am 20. Juni, die ſechste, am 27. Juni, die ſiebente, am 4. Juli, die achte, am 11. Juli, und die neunte Sitzung, am 18. Juli, gewidmet. Unterm 14. Juli war ein Miniſterial-Erlaß, die Organiſation des Muſik-Unterrichts im preußiſchen Staate betreffend, erſchienen. In Folge der darin enthaltenen Aufforderung an die Sachverſtändigen, ihre Anſichten darüber einem hohen Miniſterium mittheilen zu wollen, beſchloß die Sektion, zu ihrer nächſten Sitzung eine Anzahl von Tonkünſtlern und Lehrern der Muſik einzuladen, mit ihnen gemeinſchaftlich den Ge⸗ 15 genftand zu berathen, und die Nefultate derſelben in der Form von Vorſchlägen durch eine Denkſchrift von Seiten der muſikaliſchen Sektion der vaterländiſchen Geſellſchaft für Schleſien zu überreichen. Dem voran— gegangenen Beiſpiele der Lehrer der Univerſität „der Gymnaſien u. ſ. w. folgend, wurden die Muſik- und Geſanglehrer an den hieſigen Gymnaſien, Schulen, dem Seminar, den Privat-Anſtalten, wie die bekannteſten hieſigen Privat-Muſiklehrer, zu der Verſammlung eingeladen. Dieſe zehnte Sitzung fand am 21. Juli ſtatt. Es wurde beſchloſſen, nur die Prinzipe der Organiſation des Unterrichts in Betracht zu ziehen, deren Anwendung aber ohne weitere ſpezielle Vorſchläge dem Staate anheim zu ſtellen. — Dem zu Folge vertheilt ſich der Unterricht in der Muſik für den Muſiker von Beruf einerſeits, andererſeits als Volksbildungsmittel. — Für jenen erſcheint die Errichtung einer Central-Anſtalt, eines Konſervatoriums, in der Hauptſtadt des Landes erforderlich. Als die geeignetſten Anſtalten, für die Muſik als Volksbildungsmittel zu wirken, wurden die Schulen erkannt; als geeignetes Fach der Muſik der Geſangunterricht. — Seine Gliederung müſſe mit den übrigen Aufgaben der Lehranſtalten Hand in Hand gehen, der Unterricht, ſolle er ein gedeihlicher werden, mit in den Lektionsplan und in die ordentlichen Schulſtunden hineingezogen, die Lehrer als gleichberechtigte mit den übrigen Lehrern der Anſtalten geſtellt werden. — So tritt dann die Aufgabe des Unterrichtes für die Volksſchule, für die Bürgerſchule, für die Realſchule und das Gymnaſium, wie für die Univerſität, ihrem allgemeinen Bildungszwecke analog, heraus. Es wird anheimgegeben, beide Richtungen, die der Ausbildung für den Beruf und der allgemeinen Bildung, in einem Provinzial-Inſtitute, als Ausgangspunkt des geſamm— ten Unterrichtes zu verbinden, aus welchem die Befähigteren und Berufenen ihre vollendetere Bildung in der Central-Anſtalt des Staates finden können. — Mit der Redaktion dieſer Beſchlüſſe, in Form einer Denk— ſchrift, wurde Herr Dr. Baumgart beauftragt. In der eilften Sitzung, am 24. Juli, wurde in der Verſammlung den am 21. Juli zur Berathung eingeladenen Muſikern dieſe von Herrn Dr. Baumgart redigirte Denkſchrift von demſelben vorgeleſen, mit großem Beifalle aufgenommen und genehmigt. Sie iſt am 28. Juli, mit den Unterſchriften der Berathenden verſehen, an ein hohes Miniſterium abgeſendet, und ſpäter neben den Denkſchriften des Central-Vereines und des Muſiker⸗Vereines zu Berlin in der Berliner muſikaliſchen Zeitung, von Bock redigirt, abgedruckt worden. Schließlich benutzte der Sekretär der Sektion den günſtigen Augenblick zur Aufforderung an die zahl— reiche Verſammlung, ſich künftighin in der Sektion der vaterländiſchen Geſellſchaft enger zuſammen zu ſtellen, und lud, geſtützt auf die Statuten der Sektion, die Herren Künſtler ein, den Sitzungen der Sektion beiwoh— nen zu wollen, und an ihren Berathungen im Intereſſe der Kunſt und zu ihrem Gedeihen in der Provinz thätigen Antheil zu nehmen. Der Antrag wurde vielſeitig genehmigt und mit Wärme eine fortdauernde Theilnahme an den Beſtrebungen der Sektion zugeſagt. Die zwölfte Sitzung fand am 31. Oktober ſtatt. Herr Dr. Baumgart hielt einen Vortrag: „Ueber Marx's Reorganiſation des Muſikweſens.“ — Dieſe Eingabe an das Miniſterium war in die Berliner muſikaliſche Zeitung aufgenommen und ſpäter von der Verlagshandlung der Zeitung (Bote und Bock) beſonders abgedruckt und vertheilt worden. Der Vortrag unterwarf die Marxſche Schrift in allen einzelnen Theilen einer ſorgfältigen Kritik. Es wurden Widerſprüche und Undeutlichkeiten nachgewieſen, und vor Allem, daß nicht Organiſation, ſondern Centraliſation des Muſikweſens in der Hauptſtadt der Zweck der Denkſchrift ſei. — Im Ganzen ergiebt ſich aus allen einzelnen Vorſchlägen und Anordnungen, daß ſie der erlangten Freiheit unangemeſſen ſind, da die Provinzen neben der Centraliſation gar nicht vertreten und durchaus in Abhängigkeit von dem zu errichtenden Konſervatorium der Hauptſtadt geſtellt werden. Ben. 14. Das Präſidium der Geſellſchaft hat ſich, da es ebenſowohl als die einzelnen Sektionen durch die Zeitverhältniſſe oft Behinderung erfuhr, in dieſem Jahre nur ſechsmal verſammelt. Die durch Typhus-Epidemie im vorigen Winter in Oberſchleſien herbeigeführte Noth beſtimmte zu dem Entſchluß, zum Beſten jener Nothleidenden Seitens der Geſellſchaft ein Werk unter dem Titel: „Beiträge zur Natur- und Geſchichtskunde Schleſiens“ auf Subſcription herauszugeben. Obgleich auf die erlaffene Anz kündigung ſich eine nicht unbedeutende Anzahl von Subſeribenten aus allen Kreiſen Schleſiens meldeten, fo mußte dieſes Unternehmen, nachdem die Revolution des März die öffentliche Theilnahme an literariſchen Dingen völlig gehemmt hatte, dennoch aufgegeben werden. Für die Zwecke der techniſchen Sektion ſind auch 1848 von Einem hohen Finanzminiſterio 100 Thaler beigetragen worden. Die Säle der Geſellſchaft ſind zu öffentlichen Zwecken vielfach bewilligt worden. Der hieſige Ge— werbeverein veranſtaltete in Folge ſeiner miethsweiſe erworbenen Berechtigung im Mai und Juni darin eine Gewerbe-Ausſtellung. Außerdem fanden Verſammlungen vieler gemeinnütziger Vereine zu Berathungen ſtatt, denen das Präſidium im allgemeinen Intereſſe dieſe Verſtattung ſchuldig zu fein glaubte. Solche Ver: ſammlungen haben gehalten: 1. Der Verein für Geſchichte und Alterthum Schleſiens. 2. Central-Verein für mediziniſche Reform. 3. Deſſen Breslauer Zweigverein. 4. Verein für phyſiologiſche Medizin. 5. Der landwirthſchaftliche ſchleſiſche Centralverein. 6. Die Schullehrer. 7. Die Altlutheriſche Synode. 8. Der Kuhnſche Frauenverein. 9. Der Frauenverein zur Speiſung der Hausarmen. 10. Verein des Auguſtenho— ſpitals. 11. Verein zur Prämienvertheilung an weibliche Dienſtboten. 12. Ein Verein zur Beförderung des Wohles der Arbeiter. Alle dieſe Vereine haben in dieſem Jahre bei uns zuſammen 92 Sitzungen gehalten. Die Bibliothek verwaltung der Geſellſchaft erfuhr in ihrem Perſonale eine Veränderung. Im Februar ſtarb nämlich der zeitherige Bibliothekar Profeſſor Pr. Jacobi, und im November der ſeit 34 Jahren an— geſtellte Cuſtos derfelben, Herr Lehrer Schummel. Das Amt des Vibliothekars übernahm einſtweilen Pro— feſſor Kahlert, und als Cuſtos für die Bibliothek wie für die naturhiſtoriſchen Sammlungen wurde Herr Lehrer Letzner unter den früher für dieſes Amt giltigen Bedingungen für die laufende Etatszeit angeſtellt. Die Bibliothek hat ſich um 365 Nummern vermehrt, worüber nachfolgender Spezialbericht Näheres, insbe— ſondere die Namen der Geſchenkgeber, mittheilt. Da im Jahre 1848 die flüchtige Literatur täglicher Mauer— anſchläge in Breslau politiſche Bedeutung gewann, ſo wurde es für Pflicht gehalten, dieſelben ſo viel als möglich zu ſammeln, um damit künftigen Geſchichtsſchreibern ein ſonſt gewiß ſchwer zu beſchaffendes Material zu liefern. Die Anzahl der von uns ſolchergeſtalt e Plakate aller politiſchen Farben beläuft ſich auf 543 Stück. Zuwachs der Bibliotheken und Muſeen. Die Bibliotheken haben im Jahre 1848 einen Zuwachs von 365 Nummern erhalten, wovon 221 der ſchle⸗ ſiſchen, 144 aber der allgemeinen Bibliothek angehören. Die Namen der Behörden, Inſtitute, Vereine und einzel— nen Herren, denen ſie dieſen Zuwachs verdanken, ſind mit beigefuͤgter Zahl der von ihnen geſchenkten Buͤcher folgende: A. Dei der ſchleſiſchen Bibliothek. a. Von Behörden, Inſtituten, Vereinen u. ſ. w. Der Gewerbeverein zu Breslau 3, der Magiſtrat der Stadt Breslau 2, die ſchleſ. Blinden-unterrichtsanſtalt zu Breslau 1, der ſchleſ. Pharmazeuten-Verein zu Breslau 1, die koͤnigl. Univerfität zu Breslau 54, das Direkto— 17 rium der Wilhelmsbahn 1, der Gewerbe- und Garten-Verein zu Grünberg 1, der landwirthſchaftl. Verein zu Lieg— nitz 1, die koͤnigl. Flachsbauſchule zu Nikolſtadt 1, der Magiſtrat zu Nimptſch 1, der landwirthſchaftl. Verein zu Oels 1, der landwirthſchaftl. Verein zu Ratibor 1, die Geſellſchaft des Reichenbacher Muſeums 1, die oͤkonomiſch⸗ patriotiſche Societaͤt der Fuͤrſtenthuͤmer Schweidnitz 195 Jauer 1, der landwirthſchaftl. Seite für nn 1, der ſchleſ. Verein für Pferderennen und Pferdezucht 1 Nr. b. Von einzelnen Seſchenkgebern. Hr. Bade- und Brunnen-Arzt Bannerth in Landeck 1, Hr. Senior Berndt 43, Hr. Graf v. Bethufy, Major und Direktor der koͤnigl. Ritter-Akademie in Liegnitz, 1, Hr. Geh. Medizinalrath Dr. Ebers 4, Hr. Anti⸗ quar Ernſt 1, Hr. Lehrer Geppert 1, Hr. Prof. Dr. Göppert 5, Hr. Prof. Dr. Kahlert 1, Hr. Rektor Kämp 1, Hr. Dr. Med. Keller in Nieder⸗Langenau 1, Hr. Kaufmann Kopiſch 1, Hr. Direktor und Hauptmann a. D. ‚Köhler in Liegnitz 1, Hr. Muſik⸗Direktor Moſewius 1, Hr. Litterat Nowack 1, Hr. Kand. Oelsner 54, Hr. Direktor Prof. Petzeld in Neiße 1, Hr. Buchhändler Schletter 1, Hr. Prof. Schramm in Leobſchuͤtz 1, Hr. Par⸗ tikulier Stett 11, ein Ungenannter 6, ER Direktor Prof, Dr. Wimmer 1, Hr. Superintendent und Past. prim. Wolff in Gruͤnberg 1 Nr. Gekauft wurden 10 Nummern. An Abbildungen wurde geſchenkt das Portrait des verſtorbenen Bibliothekars Herrn Lehrer E. Schummel (Originalzeichnung) durch Herrn Kaſtellan Glanz. B. Bei der allgemeinen Bibliothek. a. Von Behörden, Inſtituten, Vereinen u. ſ. w. Der großherzoglich badenſche landwirthſchaftliche Verein 1, der hiſtoriſche Verein von und fuͤr Baiern 2, die königlich baierſche Akademie der Wiſſenſchaften 3, der landwirthſchaftliche Verein in Baiern 1, der baltiſche Verein zur Foͤrderung der Landwirthſchaft 1, der hiſtoriſche Verein zu Bamberg 1, die koͤniglich preußiſche Aka— demie der Wiſſenſchaften zu Berlin 1, die naturforſchende Geſellſchaft in Bern 1, die kaiſerlich koͤnigl. patrio— tiſch-oͤkonomiſche Geſellſchaft im Koͤnigreiche Böhmen 2, der landwirthſchaftliche Provinzial-Verein für die Mark Brandenburg und Niederlauſitz 1, die naturforſchende Geſellſchaft in Danzig 1, der Verein fuͤr deutſche Statiſtik 1, die koͤnigl. Akademie gemeinnuͤtziger Wiſſenſchaften zu Erfurt 1, der hiſtoriſche Verein fuͤr Ober-Franken 1, die phyſikaliſche Geſellſchaft in Genf 1, die Nathuſius'ſche Gewerbe- Anſtalt zu Alt-Haldensleben 1, der landwirhſchaftl. Provinzialverein zu Hannover 1, die beiden hiſtoriſchen Vereine des Großherzogthums und Churfuͤrſtenthums Heſſen 1, der hiſtoriſche Verein fuͤr das Großherzogthum Heſſen 1, der landwirthſchaftl. Verein fuͤr Chur-Heſſen 1, die Ober- Heſſiſche Geſellſchaft für Natur- und Heilkunde 1, der hiſtoriſche Verein für Krain 1, die Oberlauſitzſche Ge— ſellſchaft der Wiſſenſchaften 1, der landwirthſchaftl. Verein in Lithauen J, die britiſche Geſellſchaft für die Fort— ſchritte der Wiſſenſchaften zu London 1, die koͤnigl. Geſellſchaft des Ackerbaues zu Lyon 1, die Linnee’fche Societaͤt zu Lyon 1, der landwirthſchaftl. Hauptverein zu Marienwerder 1, der Verein weſtpreußiſcher Landwirthe zu Marien— werder 1, der meklenburger patriotiſche Verein 3, die Eaif, ruſſ. Societaͤt der Naturwiſſenſchaften zu Moskau 1, das Bureau des Journals für Landwirthe zu Paris 1, die kaiſ. Akademie der Wiſſenſchaften zu Petersburg 2, die kaiſ. freie oͤkonomiſche Geſellſchaft zu Petersburg 1, der Gartenbauverein für Neupommern 1, der naturwiſſenſchaftl. Verein zu Poſen 1, der landwirthſchaftl. Verein fuͤr Rheinpreußen 1, der Verein zur Befoͤrderung des Gartenbaues in den koͤnigl. preuß. Staaten 1, der hiſtoriſche Verein für die Ober-Pfalz zu Regensburg 1, der zoologiſch-mine— ralogiſche Verein zu Regensburg 1, der hiſtoriſche Verein fuͤr Nieder-Sachſen 2, der ſtatiſtiſche Verein des König— reiches Sachſen 1, die koͤnigl. ſchleswig-holſtein-lauenburg'ſche Geſellſchaft für die Sammlung und Erhaltung vater: laͤndiſcher Alterthuͤmer 1, die ſchleswig-holſtein-lauenburg'ſche Geſellſchaft für vaterlaͤndiſche Geſchichte 2, die ſchwei⸗ zeriſche Geſellſchaft der Naturwiſſenſchaften A, der provinzial-landwirthſchaftliche Verein für den Landdroſtei-Bezirk Stade 1, der entomologiſche Verein zu Stettin 1, das ſtatiſtiſch-topographiſche Bureau in Stuttgart 1, die Ge— ſellſchaft nuͤtzlicher Forſchungen in Trier 1, die k. k. landwirthſchaftl. Geſellſchaft von Tyrol und Vorarlberg 1, die Geſellſchaft der Freunde der Naturwiſſenſchaften in Wien 1, die k. k. Landwirthſchafts-Geſellſchaft zu Wien 1, der koͤnigl. wuͤrtembergiſche landwirthſchaftliche Verein 1 Nr. Die allgemeine Bibliothek verdankt daher ihre Vermehrung an Schriften gelehrter Ge⸗ ſellſchaften ꝛe. in dieſem Jahre 43 deutſchen, 3 ſchweizeriſchen, 3 franzöſiſchen, 1 engliſchen und 3 ruſſiſchen, zuſammen 33 verſchiedenen Geſellſchaften. 3 18 b. Von einzelnen Seſchenkgebern. Hr. Sanitaͤtsrath und Kreisphyſikus Dr. Brefeld in Hamm 2, Hr. Dr. Phil. J. Cohn 1, Hr. 3. Cuthill in Camberwell bei London 1, Hr. Dr. Med., Bibliothekar ꝛc. Daremberg in Paris 1, Hr. Geh. Medizinalrath Dr. Ebers 2, Hr. Gutsbeſitzer Farthmann 1, Hr. Dr. Med. Fleckles in Karlsbad 1, Hr. Lehrer Geppert 1, Hr. Prof. Dr. Güppert 8, Hr. Dr. Med. Günsburg 1, Hr. Prof. Dr. Häſer in Jena 1, Hr. W. Haidinger in Wien 2, Hr. Prof. Dr. Hanfer in Olmuͤtz 1, Hr. Dr. Med. Heine in Petersburg 1, Hr. Kammerherr und General-Landſchafts-Repraͤſentant Graf v. Hoverden 2, Hr. Ober-Landes-Gerichts-Praͤſident und geheimer Ober: Juſtiz-Rath Hundrich 1, Hr. Dr. Kaliſch in Berlin 1, Hr. C. G. Ropiſch 1, Hr. v. Koſchützki 1, Hr. Privat-Docent Gymnaſiallehrer Dr. Körber 1, Hr. Landes-Oekonomie-Rath Dr. v. Lengerke 1, Hr. Dr. Med. Mauthner in Wien 3, Hr. Ollerdiſſen und Kralmann 1, Hr. Kand. Oelsner 8, Hr. Prof. Dr. Plie- ninger in Stuttgart 1, Hr. Apotheker Poleck jun. in Neiße 1, Hr. Dr. Med. Posner in Steinau a, d. O. 2, Hr. Uhrmacher Schade 1, Hr. Dr. Phil. Schneider 3, Hr. Apotheker Seidel 2, Hr. Dr. Sommer in Franzens⸗ bad 1, Hr. Partikulier Stett 1, ein Ungenannter 4, Hr. Lehrer Unverricht 1, Hr. Dr. Meitenweber in Prag 3, Hr. Profeſſor Zejßner in Krakau 1 Nr. Gekauft wurden fuͤr dieſe Bibliothek 14 Nummern. An Abbildungen wurde geſchenkt eine Sammlung von verſchiedenen Wappen vom Hrn, Kandidaten Oelsner. An die Sammlungen der Geſellſchaft gingen als Geſchenke ein: 1) Von Herrn Sanitaͤtsrath Krocker das Geſammt-Herbarium feines Vaters, des im Jahre 1822 verftorbenen Geh. Medizinalrathes Dr. Krocker, Ber: faſſers der Flora silesiaca (beſonders wichtig für unſere einheimiſche Flora), 2) Ein Herbarium der ſuͤdafrikani⸗ ſchen außertropiſchen Flora von Hrn. J. F. Drége in Hamburg. 3) Eine Anzahl ſchleſ. Mineralien von Hrn. Gymnaſiallehrer Dr. Fadebech. 4) Ein Stüd von dem verwitterten Granite, welcher mit Vortheil zum Düngen des Ackers benutzt worden, vom Hrn. Syndikus v. Stephany in Goͤrlitz. 5) Verſchiedene Formen niederſchleſiſcher Geſchiebe, insbeſondere Granit, aus der Gegend von Wirſchkowitz, von Hrn. Gutspaͤchter Thuniger. 6) Sieben Stuͤck Foſſilien aus der Umgebung des Kieſelſchiebers der Steiner Berge, von dem Hrn. Lehrer Wiehle in Stein bei Jordansmuͤhl. 7) Ein zuſammengeſchmolzenes Convolut Porcellan aus den Truͤmmern des Hamburger Brandes von Hrn. Gaſtwirth Herzig in Goldberg. 8) Ein Bruchſtuͤck eines alten Waffenſtuͤckes, wahrſcheinlich aus heidni— ſchen Gräbern, gefunden zu Wirſchkowitz, von Hrn. Gutspaͤchter Thuniger. 9) Eine Denkmuͤnze auf die 50jaͤhrige Stiftungsfeier des meklenburger patriotiſchen Vereines, von dieſem Vereine. Das von der Geſellſchaft angelegte Album, welches die eigenhändigen Einzeichnungen der Mitglieder zu bewahren den Zweck hat, iſt, obgleich die Blätter längſt an dieſelben ausgetheilt worden ſind, bis jetzt erſt von 71 Perſonen bedacht worden. Möchten Alle ſich der kleinen Mühe der kurzen Einzeichnung ihrer Lebens— nachrichten unterziehen, da für die Zukunft eine ſolche Sammlung bleibenden urkundlichen Werth hat. Was die Kaſſenverhältniſſe der Geſellſchaft anbelangt, ſo laſſen wir hier den von dem Herrn Kaſſirer gelieferten Bericht im Original folgen: f Indem ich die Ehre habe, über die Verwaltung der Kaſſe in dieſem Jahre und die gegenwärtige Lage derſelben hiermit Bericht zu erſtatten, muß ich die Bemerkung vorausſchicken, daß die zweite Hälfte der Jah⸗ reseinnahmen in Wirklichkeit erſt nach einigen Wochen zur Erhebung kommen kann, eben ſo manche Ausga— ben erſt dann liquidirt werden, ſo daß die heut anzuführenden Beträge nur annähernd richtig ſein, und nicht durchweg genau mit den in definitiver Jahresrechnung vorkommenden Zahlen übereinſtimmen können. So viel iſt aber gegenwärtig ſchon erſichtlich, daß leider in dieſem Jahre die Ausgaben nicht von den gewöhnlichen Einnahmen gedeckt, und erſtere die letzteren um 180 bis 190 Thaler überſteigen werden, obwohl die für eine Preisſchrift etatirte Prämie von 100 Thalern Gold diesmal nicht zur Ertheilung gekommen iſt, wogegen aber die Koſten für die Herausgabe des letzten Jahresberichtes, welche nur mit 500 Thalern veran: ſchlagt waren, über 800 Thaler betragen. 19 Die gewöhnlichen Ausgaben der allgemeinen Kaffe werden ſich damit auf etwa 2470 Thaler belaufen, dagegen die Einnahmen nur etwa 2300 Thaler ergeben. Gedeckt wird dieſes Deficit dadurch, daß bei der Auflöſung des Separatfonds der früher beſtehenden Kunſtſektion ein Beſtand von 164 Thlrn. 25 Sgr. 11 Pf. in Courant, nebſt einem Seehandlungs-Prämienſchein von 50 Thalern an jene Kaffe übergegangen ift. Außergewöhnlich find durch dieſe Kaffe gegangen und zum Theil ſchon in vorjähriger Rechnung in Anſatz gebracht diejenigen Poſten, welche die im Winter von 1847 bis 1848 veranſtalteten öffentlichen Vorträge durch die Profeſſoren Herren Dr. v. Boguslawski, Purkinje und Braniß veranlaßten. An Eintrittsgeldern ſind dabei eingegangen: in Summa 533 Thlr. — Sgr. — Pf. dagegen betrugen die Ausgaben 479 - 24 ⸗ 10 ⸗ fo daß der Geſellſchaftskaſſe ein Ueberſchuß von.. 53 Thlr. 5 Sgr. 2 Pf. verblieb. Die Vorleſung des Herrn Profeſſor Dr. Purkinje zu Gunſten der Nothleidenden in Oberſchleſien hat noch eine beſondere Einnahme von „ e 172 Ihle, 25 Sgr. Pf. geliefert, die, nach Abzug baar verlegter Koſten von » n 10 Thlr. 4 Sgr. 9 Pf. mit 162 Thlr. 20 Sgr. 3 Pf. dem betreffenden Unterſtützungs-Comité eingehändigt worden iſt. Dem Separatfond der techniſchen Sektion iſt in dieſem Jahre von Seiten des königlichen Miniſteriums für Handel und Gewerbe, dem derzeit ein verehrtes Mitglied unſerer Geſellſchaft vorſtand, ein Beitrag von 100 Thalern zu Theil geworden. ! Die im vorigen Jahre geftiftete Sektion für Obſt- und Gartenkultur hat in dieſem Jahre, einſchließlich eines Beſtandes aus voriger Jahresrechnung von 73 Thlen. 17 Sgr. 2 Pf., eine Einnahme von 423 Thlen. 14 Sgr. 8 Pf. gehabt, wozu die beſondern Mitglieder der Sektion 161 Thlr., in Jahresbeiträgen à 1 Thlr. und ½ Thlr. pro Perſon, beiſteuerten. 5 Die Ausgaben betrugen 438 Thlr. 25 Sgr., und überſtiegen ſonach jene Einnahmen, wozu die in pe⸗ kuniärer Hinſicht ſehr ungünſtigen Erfolge der im Frühjahre und Herbſt veranſtalteten Ausſtellungen beſonders Veranlaſſung waren, da die Eintrittsgelder nur einen Geſammtbetrag von ... 146 Thlr. 7 Sgr. 6 Pf. ergaben, dagegen die Koſten, incluſive der betreffenden Zeitungsanzeigen, ſich auf 181 Thlr. 8 Sgr. 2 Pf. beliefen. Am Schluſſe des Jahres dürfte das Geſammtvermögen der Geſellſchaft 4550 Thaler in Effekten und ohngefähr 250 Thaler in Courant betragen, und davon 4616 Thaler der allgemeinen Kaſſe und 184 Thaler der techniſchen Sektion gehören, dagegen der Separatfond der Sektion für Obſt- und Gartenkultur einen Vorſchuß von 15 Thlr. 11 Sgr. der allgemeinen Kaſſe ſchulden. Breslau, den 20. Dezember 1848. G. Liebich, z. 3. Kaſſirer. 3: 20 In dem Status der Mitglieder unſerer Geſellſchaft haben folgende Veränderungen ſtattgefunden: Zwölf wirkliche einheimiſche Mitglieder ſind der Geſellſchaft beigetreten, als: A. Die wirklichen einheimiſchen Mitglieder: 1) Herr Dr. Med. Baumert. „ Aleris Baron v. Buddenbrock, auf Wabnitz. 3) = Dr. Med. Delbrück. 4) Dr. Med. v. Frantzius. 5) = Hauptmann v. Gordon. 6) Geheimer Regierungsrath Goſſow. 7) = Dr. Phil. Kopiſch. 8) = Dr. Med. Middeldorpf. 9) = Cand. Phil. Saske. 10) = Dr. Med. Scharn. 11) = Dr. Phil. Schwarz. 12) = Stadte und Hoſpital-Wundarzt Sonnabend. B. Als auswärtiges Mitglied: Herr L. Lewis, Dr. und Profeſſor der k. k. Ingenieur-Akademie in Wien. C. Als Ehrenmitglied wurde aufgenommen: Herr Maximilian v. Uechtritz- Sohland. D. Zu Eorrefpondirenden Mitgliedern wurden ernannt: 1) Herr Dr. Phil. Dunker iu Kaſſel. 2) Leo Lesguerreur in Neufchatel. 3) = Dr. Med. Münter in Berlin. Durch den Tod verlor die Geſellſchaft ſiebzehn Mitglieder, nämlich: A. Wirkliche einheimiſche Mitglieder: 1) Herrn Stadtrath Ziller. 2) Se. Durchlaucht Prinz Biron von Curland. 3) Herrn Profeſſor Dr. Phil. Jacobi, Bibliothekar der Geſellſchaft. 4) = Geheimen Kommerzienrath Oelsner. 5) Lehrer Schummel, Cuſtos der Bibliothek. 6) Geheimen Hofrath Dr. Phil. Weber. B. Wirkliche auswärtige Mitglieder: 1) Herrn Kanzler Leſſing in Polniſch-Wartenberg. 2 Se. Durchlaucht Fürſt Felix von Lichnowski, auf Krzizanowitz. 21 C. Ehrenmitglieder: 1) Herrn Profeſſor Dr. Med. Baron v. Berzelius in Stockholm. 2) Se. Excellenz Herrn General-Feldmarſchall Graf v. Jieten in Warmbrunn. 3) Herrn Obriſt und General-Kriegskommiſſair Abrahamſon in Odenſe. D. Korreſpondirende Mitglieder: 1) Herrn, Dr. Phil. Beilfhmied in Herrnſtadt. 2) = Kommerzien- und Stadtrath Degen in Königsberg. 3) = Dr. Jur. und Landes-Advokat Kalina v. Jäthenſtein in Prag. 4) = Dr. Phil. Mahlmann in Berlin. 5) = Geheimen Regierungs-Medizinalrath Dr. Ollenroth in Bromberg. 6) = Profeffor Dr. Phil. Schauer in Greifswald. Das Stiftungsfeſt der Geſellſchaft wird im Anfange des künftigen Jahres gefeiert werden. Möge der politiſche Zuſtand unſers Vaterlandes im neuen Jahre ihrem Flor günſtig ſein, und ihren Unternehmungen immer größere Erweiterung geſtatten! —— 99 . .. — ae 3701 ar safe f rg“ eg Ali Bei * 1 e er e 1 e 8 r e. ages al [0.2 dad dt Bst 2. ae ee be ede ber E S e e 4 rasen » Men 22 757700 In] * a dl ji And r a sah 9705 A N PR 3 5 — . . .. —0— ũ .ũ. . . .’i. ᷑ ͤſfK t [Ü[LU ä ũ. . ui—. ——.:'..:0.ñlͤ᷑...ͤ w:v3u——... nee un Soll einkommen. Baar. Nach dem wirk— Nach dem Etat! lichen Beſtande n der Effekten und für 1848 — 49. der Mitglieder. , en, | RR Se. 3 —..—.— —— | | 43 i eo | 1372 | 1404 EN 12 51 — ia 150. 150 > 180 i Kaſſen⸗Abſchluß für das Jahr 1848. Allgemeine Kaſſe. Beſtand aus dem vorigen Jahre: | in Breslau-Freib. 4% Prioritäts-Obligationen 800 Thlr. in Niederſchleſiſch-Märk. 5% „ „ 3600 - in Seehandlungs-Prämien- Scheinen 100 - 4500 Da ee N 8 — in Defekten aus der Rechnung von 188jʒ14 - — Einnahmen. In Reſten: rückſtändige Beiträge (in gleicher Höhe verblieben). Zinſen von Effekten von 800 Thlr. Breslau-Freib. Obligationen a 4% ... 32 Thlr. von 3600 Thlr. Niederſchleſiſch-Märk. desgl. a 5% ... 180 = | Halbjährige Beiträge von einheimiſchen Mitgliedern: für Termin Johann 227 a 3 Thl. 681 Thlr. „ Weihnachten 220 % 3 Thlr.. 660 =: 1 (63 Thlr. in Rückſtand verblieben.) Halbjährige Beiträge von auswärtigen Mitgliedern: ar een eben e ,,,, 156 Thlr. e eee ee e , nee. 150 =: | ein extraordinairer Jahresbeitrag... ee (8 Thlr. in Rückſtand verblieben.) Eintrittsgebühren: von 12 neuen Mitgliedern a 3 Thl iP w IR Miethe von dem ſchleſiſchen Kunftvereine ...-......... = Miethe von dem Gewerbevereine. Beitrag der Sektion für Garten-Kultur zur Salarirung des Kaſtellan Glanz 1 ra Außergewöhnliche Einnahmen: erſtattete Beheizungs- und Beleuchtungs-Koſten: von dem Vereine für Geſchichte und Alterthum... don dent Vereine der Nerzztt e — von der SynodalsBerfammlung --.- .....:.. a = für verkaufte drei Jahrgänge der Jahresberichte UU: — für in dieſem Jahre verkaufte Eintrittskarten zu den Vorleſungen der Profeſſoren DD. v. Boguslawski, Purkinje und Braniß . (Einnahmen in 1847 berechnet: 478 Thlr. | [22 1848 „ 55 2 zuſammen 533 Thlr.) f für verkaufte Eintrittskarten zu der Vorleſung des Prof. Dr. Purkinje zum Beſten der Leidenden in den Kreiſen Pleß und Rybnik Uebertrag des Kaſſenbeſtandes der aufgelöſten Kunſt-Sektion: in einem Seehandlungs-Prämien-Schein und baar ....... „ If Effekten. Ausgaben. eingekommen. Baar. Iſt verausgabt. Nach dem Etat Baar. ür 184849. g Allgemeine Kaſſe. Ae . Ausgaben. , FVV — AU 363 4 4 dona dem Weatekten. f — 8x0 — — — Ü 6 oral Neujahrsgeſchene em aten 8 — 15 N r yd y z 300 — | — 8 | — I Dem Haushälter JVC — 83 — — — — , en een V0 — 55 26 4 r ⁵ÿ/ꝓꝓghfſ ee Re — 50 | 23 | 10 2 11 Unterhaltung der Mobilens . —- 1 | 22 | — | = nnn — 16 288 15 — [ Schreib materialien er eee — IK | ene ens, —= 109 28 — %%% /// y ee 801 | 28 1 Büchner een 8 — , pot Proc und en 8 1 33 11 3 e ee en == 24 16 9 12 | — ] Dem Sternwarten-Diener für meteorologiſche Beobachtungen ..... ... — 12 — — eee ene iss 8 —e 16 1 6 3 | — | — ZUR Bu Cntomologuiche Sektion... ee. ⁰ʒ en ee = ig ien, EN RE — 146 25 75 118 — [Prämie für Preisſchriften: 100 Thlr. Gold und die ſilberne Medaille. 37: — — — 36ͤ Eu eee eee , ve a ee C 50 b — 2496 2 1 23 an Außergewöhnliche Ausgaben. Honorar dem Profeſſor Dr. Purkinje für feine Vorleſungen ...... 5° 100 | — Koften für Apparate und Zeichnungen zu denſelbennnn ur...» == , e 3 215 — Hono ar dem Profeſſor Dr. Braniß für deſſen Vorleſungen ...... — 100 — 7 5 Allgemeine Koſten bei ſämmtlichen öffentlichen Vorleſungen im Winter 2 %% 88 1847 1848 für Beleuchtung, Bedienung und Inſerate ... Fr 00 zT 2 — (Ausgaben in 1847 berechnet: 155 Thlr. 16 Sgr. — Pf. 75 „ 1848 5 32 Ss - 10 ⸗ * 55 — — . zuſammen 479 Thlr. 24 Sgr. 10 Pf.) Koſten bei der Vorleſung des Profeſſor Dr. Purkinje zum Beſten der Leidenden in den Kreiſen Pleß und Ryb ni. = 10 4 9 Zahlung an das Komite zur Milderung des Nothſtandes in Oberſchleſien “ — 162 203 Vorſchuß an die Sektion für Garten- und Obſt-Kultu n. = 10 ’ — 172 25 — e , 4550 17 25 6 164 25 11 G. Liebich, z. 3. Kaſſirer der Geſellſchaft. Kaſſen⸗Abſchluß für das Jahr 1848. Iſt eingekommen. Iſt verausgabt. Effekten. Baar. Effekten. Baar. , 3 ME e., Pa. M, , Sr Pa — —ẽ —— Separat⸗Fond der techniſchen Sektion. Separat- Fond der techniſchen Sektion. Beſtand aus dem vorigen Jahre „„ — 143 77 eee e, d 9 6 — | 24.025, |, — Beitrag von dem königlichen Miniſterium für Handel, Gewerbe und öffentliche Arbeiten .... = VDE r e ↄ ↄ W ¶ d ke — N a ne ,, r 2 — | 1 22 9 Dem Kupferdrucker für Verſuche mit einem neuen Aetzverfahren beim Kupferſtich .... ... — 39 12 — // T En A — — 10 — n ee, ß nr — 2 Beſtand verblieb 183 27 6 e 5 Separat: Fond der Kunſt⸗Sektion. Separat⸗Fond der Kunſt⸗Sektion. Beſtand aus dem vorigen Jahre: Für drei Hefte: Trachten des chriſtlichen Mittelalters „ r 1) Ein Seehandlungs⸗Prämien⸗ Schein Nr. 12621ůůu· • U ˙ UP 50 Uebertrag des Beſtandes auf die allgemeine Kaffe bei Auflöſung der Sektion ............-- 50 164 25 | 11 rr RESET SENSE PENROR RE IRRE Ei — 178 25 11 „ rer Te 50 e eil l — — Separat⸗Fond der Sektion für Obſt⸗ und Garten-Kultur. | Separat- Fond der Sektion für Obſt⸗ und Garten: Kultur. Beſtand aus dem vorigen Jahre l ee — 2738 107 2 [Poſt⸗ Prokura bei Einziehung der Beiträge von auswärtigen Mitgliedern — AO Beiträge von den Mitgliedern der Sektion pro a. c. 138 A 1 Thlr. 138 Thlr. Reiſekoſten der Deputationen nach Jauer und Weimar 7 . = 29 — — BU ee ee... 25 Thlr. — 165 | — [ Für Pflanzen, Pfropffeiſer und Sämereiennl „66 — 59 | 13 — Eintrittsgelder bei den Ausſtellungen: Koſten der Ausſtellungen: im Frühjahr ü ii ernennen — 108 = 5 im Frühjahre a. e. 97 Thlr. 25 Sgr. — Pf. a. 5 im Herbſte ran eee Han. ep eee — 59 15 5 im Herbſte a. c. 48 Thlr. 12 Sgr. 6 Pf. ee 146 Mi 6 Jeitungs⸗Inſerate J ee, ee ar eee eee 5 RN 0 2 Beitrag der allgemeinen Kaffe zur Anſchaffung von Zeitſchriften . — U) | — — ee ß a 8 i 5 N a i g 8 f g i N N | ' f g j ger: 2 14 6 Beiträge von den Mitgliedern des Leſezirkelnnssss een = 26 | — — [Dem Kolporteur J doo it. — 30 — — HUB aus der e ee N Ne MOHN en 10 — || Druekoften E22... Din . MA nee. 2 29 lea Ropialien: . Es t en BR ARE — 4 3 6 Kleine Koſt!t 0) if mhꝶf em ER — Us = 5 Ei Beitrag der Sektion zur Salarirung des Kaſtellan Glänn '“ — 16 — — 438 25 8 — 438 | 25 8 G. Liebich, z. 3. Kaſſirer der Geſellſchaft. 1 Abtheilung für Maturwiſſenſchaften. A. Naturwiſſenſchaften an und für ſich. 1. Bericht über die Thätigkeit der allgemeinen naturwiſſenſehaftlichen Sektion der ſehleſiſehen Geſellſchaft im Jahre 1848 von H. M. Göppert, zeitigem Sekretär derſelben. Die naturwiſſenſchaftliche Sektion hielt im vergangenen Jahre 17 Sitzungen, in welchen aus verſchiedenen Zweigen der Naturwiſſenſchaften folgende einzelne Vorträge und Mittheilungen vorkamen: Chemie. Am 8. Juli ſprach Herr Dr. Med. et Chir. Baumert: Ueber den Buſammenhang der Alkohole mit den fetten Säuren. Mit dem Namen „Alkohole“ belegt der Chemiker eine Klaſſe von Verbindungen, welche ihrem chemi— ſchen Charakter nach dem Weingeiſte verwandt ſind. Solche Körper ſind: der Holzgeiſt, das Fuſelöl, das Aceton und muthmaßlich noch viele andere, deren hieher gehörende Eigenſchaften wir noch nicht erkannt haben. Dieſe von Berzelius mit dem Namen der „Halide“ bezeichnete Klaſſe iſt in der neueſten Zeit durch ihre intereſſanten Beziehungen zu den fetten Säuren ein Gegenſtand wiederholter Forſchungen geworden, und die bereits erreichten Reſultate werden zu einer Vereinfachung unſerer Hypotheſen über die organiſchen Radikale führen. Nach einer weitern Ausführung der verſchiedenen Analogieen, welche alle in dieſe Klaſſe gehörenden Sub⸗ ſtanzen zuſammen verbinden (zu denen die chemiſche Zuſammenſetzung, die Siedepunktsverhältniſſe, das Ver⸗ halten gegen verſchiedene chemiſche Agentien gerechnet werden müſſen), ging der Vortragende zu einer kurzen 24 Ueberſicht der die fetten Säuren charakteriſirenden Eigenſchaften über, um daran die Beziehungen knüpfen zu können, welche ſich zwiſchen beiden Klaſſen von Verbindungen aufſtellen laſſen. Die Zerſetzungsweiſe, welcher gewiſſe unorganiſche und organiſche Ammoniakſalze bei der trocknen Deſtil— lation unterliegen, die durch das Austreten von reſp. 2 und 4 Aequivalenten Waſſer erzeugten neuen Verbin— dungen führten zu den von Frankland und Kolbe, Dumas und Andern entdeckten ſogenannten Nitrilen oder organiſchen Cyaniden. 5 Es wurde der Zuſammenhang, welcher zwiſchen dieſen organiſchen Cyaniden und den fetten Säuren einerſeits und mit den Haliden andererſeits herrſcht, genauer entwickelt, und die Schlüſſe, welche ſich für die Konſtitution der fetten Säuren daraus unmittelbar ergeben, gezogen. Die fetten Säuren müſſen nach den vorausgeſchickten Thatſachen als gepaarte Säuren betrachtet werden, und zwar als gepaarte Oxalſäuren, deren Paarlinge von den Aetherradikalen theils bekannter, theils noch unbekannter Alkohole gebildet werden. Dieſe Betrachtungsweiſe führt zu einer einfachen Erklärung, nicht nur hinſichtlich der Bildung der organiſchen Cpa— nide, ſondern auch bezüglich ihrer Rückbildung in die entſprechenden Ammoniakſalze. Eine weitere Entdeckung Kolbe's, einige dieſer mit der Oxalſäure gepaarten, bisher hypothetiſchen, Radikale durch den galvaniſchen Strom wirklich abzuſcheiden, erhebt dieſe Anſchauungsweiſe über das Niveau gewöhnlicher Hypotheſen. Schließlich wurde noch darauf hingewieſen, welchen weſentlichen Einfluß die eben erörterten Anſichten auf die Vorſtellungen haben müſſen, welche ſich bisher über die organiſchen Radikale geltend gemacht haben. Am 19. Juli. Herr Dr. Phil. Delbrück: Ueber Ifomerie und einige iſomere Verbindungen. Schon ſeit längerer Zeit kannte man die Eigenſchaft einiger Elemente und Verbindungen, ohne Verän⸗ derung der Zuſammenſetzung verſchiedene chemiſche und phyſikaliſche Eigenſchaften zu zeigen. Man wußte, daß der Kohlenſtoff als Graphit, Diamant oder Kohle auftritt, daß eben fo der Schwefel, die Phosphorfäure und mehrere andere Verbindungen in verſchiedenen Modifikationen vorkommen; man ſuchte die Urſache dieſer ein— zelnen Erſcheinungen durch Aufſtellung verſchiedener Hypotheſen zu ergründen, aber erſt Berzelius faßte ſie alle zuſammen und ſuchte die gemeinſamen Beziehungen zu entdecken. Er ſpricht von Allotropie bei den Elementen, von Iſomerie bei den Verbindungen, ſo daß iſomere Verbindungen ſolche ſind, die bei gleicher Zuſammenſetzung verſchiedene Eigenſchaften haben, im Gegenſatze zu dem von Mitſcherlich aufge ſtelten Iſomorphismus, wo bei verſchiedener Zuſammenſetzung ähnliche Eigenſchaften, das heißt, gleiche Kryſtallform, ſich findet. Mit dem Namen iſt nun allerdings noch keine Erklärung gegeben, und da es ein unumſtößliches Geſetz iſt: ohne Urſache keine Wirkung, ſo iſt die Frage nach der Urſache der verſchiedenen Geſtalten, unter denen die iſomeren Körper erſcheinen, immer noch zu löſen. Es kann natürlich nur durch genaue Unterſuchungen der hierher gehörigen Stoffe gelingen, der Löſung dieſer Frage näher zu kommen, und deshalb wird eine jede derſelben dazu beitragen, eher zum Ziele zu gelan— gen. Ehe wir zu einer weiteren Beſprechung des Gegenſtandes ſchreiten, wollen wir eine iſomere Verbindung betrachten, die in vieler Beziehung als eigenthümlich daſteht. Das Cyan erſcheint, wenn es aus ſeinen Verbindungen frei wird, als ein farbloſes Gas, aber es giebt eine Verbindung von ganz gleicher Zuſammenſetzung, die in Geſtalt einer amorphen braunen Maſſe zurück⸗ bleibt, wenn man z. B. Cyanqueckſilber glüht, und welche man Paracyan genannt hat. Es iſt dies das einzige Beiſpiel einer Iſomerie bei verſchiedenen Aggregatzuſtänden. Es iſt hier nicht der Zweck, alle aufge— fundenen Eigenſchaften dieſer Verbindung anzuführen, ſondern wir wollen nur diejenigen betrachten, welche geeignet erſcheinen, einen Aufſchluß über die Natur der Iſomerie zu geben. Schon früher hatte man beobachtet, daß bei der Zerſetzung des Cyanſilbers, nachdem einige Zeit lang Hitze auf daſſelbe eingewirkt hat, ſich eine Feuererſcheinung zeigt, die von einer heftigen Gasentwickelung 25 begleitet iſt; nachher findet ſich, daß die eine Hälfte des in dem Cyanſilber enthaltenen Cyans gasförmig ent— wichen, die andere Hälfte im feſten Zuſtande zurückgeblieben iſt. Thaulow behauptete, daß das aus dem Cyanſilber durch Erhitzung frei werdende Cyan verſchiedene Eigenſchaften vor dem auf andere Weiſe darge— ſtellten Cyan zeige, und hielt es deshalb für eine dritte iſomeriſche Modifikation; verſchiedene Verſuche haben mir indeß gezeigt, daß dem nicht fo iſt. Bei dem Erhitzen des Cyanquedfilbers findet eine ähnliche Feuer— erſcheinung und ein plötzliches Entweichen des Cyans nicht ſtatt, auch iſt die relative Menge des zurückbleiben⸗ den Paracyans je nach der angewendeten Temperatur eine ſehr verſchiedene. Dieſe letztere Erſcheinung brachte mich auf den Gedanken, daß vielleicht bei lang anhaltender, ſehr hoher Temperatur das Paracyan wieder verflüchtigt werden könnte, und in der That zeigte der Verſuch, daß ſich daſſelbe in dem Luftſtrom eines indifferenten Gaſes vollſtändig durch Anwendung einer ſehr ſtarken Hitze wieder verflüchtigen läßt. Eben fo verwandelt es ſich ſchon bei niederer Temperatur, wenn man Chlorgas darüber leitet, in Chlorcyan. Dieſe beiden letzten Thatſachen beweiſen, daß wir es hier nicht etwa mit einer polymeren Modifikation des Cyans zu thun haben, ſo daß die phyſikaliſche Verſchiedenheit in einer andern Anordnung der Atome ihren Grund hätte, ſondern daß wir uns nach andern Urſachen dafür umſehen müſſen. Die vorher erwähnte Feuererſcheinung bei der Zerſetzung giebt uns dabei einen Anhalt, indem ſie uns darauf hinleitet, daß die Wärme eine weſentliche Rolle bei der Umwandlung des Cyans in Paracyan fpiele. Das Cyan und Paracyan liefert nicht das einzige Beiſpiel, daß die Wärme ihren Einfluß bei der Iſo⸗ merie geltend mache. Der Schwefel erſcheint in drei allotropiſchen Zuſtänden, je nachdem er bei niederer Temperatur oder durch Schmelzen kryſtalliſirt oder im geſchmolzenen Zuſtande ſehr ſchnell abgekühlt wird. Die drei Modifikationen, in denen der Phosphor erhalten werden kann, unterſcheiden ſich unter Anderem auch dadurch, daß ſie bei ganz verſchiedenen Temperaturen ſchmelzbar ſind. Mehrere Verbindungen, z. B. Kieſel⸗ ſäure, Thonerde, Chromoxyd, Titanſäure, Tantalſäure, tellurige Säure, gehen in die iſomere Modifikation über durch Anwendung einer hohen Temperatur. Ein ähnliches Erglühen, wie wir es bei dem Cyanſilber erwähnt haben, findet bei dem Uebergange aus dem einen Zuſtand in den andern auch ſtatt bei dem Gadolinit, Chromoryd, Tantalſäure, Titanſäure, die alle unmittelbar nach dem Erglühen, ohne Veränderung der Zuſammenſetzung, veränderte chemiſche Eigenſchaften zeigen. Graham hat bereits, mit Bezug auf dieſe zuletzt angeführten Erſcheinungen, die Vermuthung ausge⸗ ſprochen, daß der Grund ihrer Veränderung in der geringeren oder größeren Menge der in ihnen enthaltenen latenten Wärme zu ſuchen ſei. Die oben erwähnten Eigenſchaften des Paracyans und die Art ſeines Ent⸗ ſtehens ſcheinen mir einen neuen Beweis für die Richtigkeit dieſer Anſicht abzugeben. Daß die Wärme wirklich im Stande iſt, durch ihre Verbindung mit den Körpern, ſie in Bezug auf ihre phyſikaliſchen Eigenſchaften weſentlich zu verändern, ſehen wir bei der Veränderung der Aggregatzuſtände. Niemand wird leugnen, daß die Verwandlung des Eiſes in Waſſer und des Waſſers in Waſſerdampf ihren alleinigen Grund in der Verbindung deſſelben mit der Wärme hat, daß nur durch die Aufnahme latenter Wärme feſte Metalle in flüſſige umgewandelt werden. Wenn wir ein Salz in Waſſer löſen, alſo ſeine phyſikaliſchen Eigenſchaften ändern, ſo geſchieht dies gleichfalls durch eine Wärmeaufnahme, wie wir aus der Erkältung des Löſungsmittels, dem dieſe Wärme entzogen wird, erſehen. Bei einer plötzlich eintretenden Kıy- ſtalliſation wird die gebundene Wärme wieder frei. Ein ähnliches Verhältniß ſcheint ſich bei mehreren iſome⸗ riſchen Verbindungen zu zeigen, nur mit dem Unterſchiede, daß im erſteren Falle die latente Wärme nur in eine ſehr lockere Verbindung mit den Körpern tritt, und dieſelbe ſofort wieder aufhebt, wenn die Umgebungen abgekühlt werden, im letzteren Falle aber dieſe Vereinigung eine innigere iſt, die nur unter beſonderen Um: ſtänden eingegangen und wieder aufgehoben werden kann. Wenn wir das Cyan und Paracyan als Beiſpiel für dieſe Anſicht anführen, ſo würde das Cyan alſo eine größere Menge latenter Wärme enthalten, als das Paracyan und darin die Urſache ihrer Verſchiedenheit zu ſuchen fein, Wenn das Cyanſilber erhitzt wird, ſo 4 26 müffen wir annehmen, daß in dem Augenblicke, wo das Cyan durch die zugeführte Wärme veranlaßt wird, ſeine Verbindung aufzuheben, ein Theil deſſelben als Gas entweicht, der andere Theil aber einen Theil ſeiner latenten Wärme abgiebt, wodurch die Feuererſcheinung entſteht, und nun im feſten Zuſtande zurückbleibt als ſogenanntes Paracyan. Dieſes Paracyan geht nun allerdings nicht, wie das Eis, ſogleich bei Zuführung von Wärme in den flüſſigen und gasförmigen Zuſtand über, ſondern es überſpringt den flüſſigen Zuſtand ganz und geht ſogleich, aber erſt in ſehr hoher Temperatur, eine ſolche Verbindung mit der Wärme ein, daß es als Gas beſtehen kann. Das Gas ſelbſt hat man bis jetzt durch Abkühlung nicht wieder in Paracyan ver— wandeln können; wenn dies gelänge, ſo wäre der vollſtändige Beweis der Richtigkeit dieſer Anſicht geliefert. Iſt einmal bewieſen worden, daß die Wärme wirklich im Stande iſt, durch das Eingehen ſolcher kon— ſtanten Verbindungen ſo weſentliche Veränderungen hervorzubringen, ſo würde Nichts im Wege ſtehen, alle Erſcheinungen der Iſomerie als durch die Einflüſſe der Wärme hervorgerufen zu betrachten. Es ſei hier noch angedeutet, daß den Beziehungen der Körper zur Wärme in der Chemie bis jetzt zu wenig Aufmerkſamkeit geſchenkt iſt, daß eine weitere Verfolgung derſelben wichtige Reſultate haben würde. Wenn ein Körper verbrennt, das heißt, eine Verbindung mit Sauerſtoff eingeht, fo wird Wärme ent- wickelt, die doch offenbar nichts weiter iſt, als die latente Wärme, welche der Sauerſtoff gasförmig enthielt, und welche frei wird, wenn derſelbe ſich mit andern Elementen verbindet. Wenn Quedfilber durch eine Ver⸗ brennung in Queckſilberoryd übergegangen iſt, ſo kann durch eine hohe Temperatur dieſe Verbindung wieder gelöſt werden, indem dem Sauerſtoff ſo viel Wärme zugeführt wird, als er bedarf, um gasförmig zu werden. Bei jeder chemiſchen Verbindung wird Wärme entwickelt; zu jeder Aufhebung einer ſolchen muß Wärme an: gewendet werden; ungezwungen erklärt ſich dieſe Erſcheinung durch die Annahme des Freiwerdens und Wie⸗ deraufnehmens der latenten Wärme. Ueber die Mengen von Wärme, welche die einzelnen Elemente und Verbindungen abgeben, wenn ſie Verbindungen eingehen und welche fie aufnehmen, wenn dieſelben gelöſt werden, und ob dieſe in einer Bezie⸗ hung ſtehen zu den Aequivalentgewichten und zur ſpezifiſchen Wärme, ſind bis jetzt nähere Unterſuchungen noch nicht angeſtellt worden, und die großen Schwierigkeiten, die ſich darbieten, wenn es ſich darum handelt, Wärme: quantitäten genau zu beſtimmen, dürften vielleicht noch für längere Zeit günſtige Erfolge verhindern. Dieſe kurzen Andeutungen mögen hinreichen, zu zeigen, eine wie wichtige und nach unſerer Anſicht noch nicht genug berückſichtigte Rolle die Wärme in der Theorie der chemiſchen Verbindungen ſpielt. Am 8. November. Herr Profeſſor Dr. Duflos: Weber einige in der letzten Zeit intereſſant gewordene Kohlenſtoffverbindungen, nämlich den Aether, das Chloroform und den feſten Chlorkohlenſtoff. Zunächſt bezeichnete der Vortragende das Stärkemehl als das weſentlichſte Urmaterial zu allen dieſen Produkten, beſprach die verſchiedenen Arten deſſelben, welche auch in natura vorgelegt wurden, und erörterte ganz beſonders ausführlich deſſen Umwand—⸗ lung in Gummi, Zucker und Weingeiſt; ging dann zur Umwandlung des letzteren in Eſſigſäure, unter dem Einfluſſe des atmoſphäriſchen Sauerſtoffs, in Aether und ölbildendes Gas, unter dem Einfluſſe der konzentrir⸗ ten Schwefelſäure, über. Dieſe einzelnen Produkte wurden vorgezeigt und ihre ſpezifiſchen Eigenthümlichkeiten durch Verſuche demonſtrirt, auch die Art der Anwendung des Aethers als Unempfindlichkeit hervorrufendes Mittel beſprochen, mit Vorzeigung der hierzu benutzten Apparate. Darauf beſchrieb der Vortragende die Ein—⸗ wirkung des Chlors auf den Weingeiſt und die Produkte derſelben, unter welchen in neuerer Zeit das Chloro— form oder Formyltrichlorid, d. h. die der Formylſäure entſprechende Chlorverbindung deſſelben Radikals, eben⸗ falls als Unempfindlichkeit hervorrufendes Mittel Wichtigkeit erlangt und in dieſer Beziehung den Aether ver: drängt hat. Bei gleichſchnell eintretendem Erfolge hat nämlich das Chloroform vor dem Aether den wichtigen Vorzug, daß es nicht entzündlich iſt. Der Vortragende erwähnte, daß unter allen von ihm befolgten Berei— tungsweiſen die der Herren Huraut und Larocque (Erdmann's Journal XXXXIII. S. 396) die beften Reſultate geliefert habe. Darauf wurde noch das Oel des ölbildenden Gaſes dargeſtellt, der neuerdings als ſpezifiſches Mittel gegen Cholera empfohlene feſte Chlorkohlenſtoff (Sesquichloretum Carbonii) vorgezeigt, und deſſen Bereitung mittelſt des Oeles des ölbildenden Gaſes, des Aethers und des Chloroforms beſchrieben, welche letztere beſonders dadurch ſich empfiehlt, daß man dabei des Sonnenlichtes nicht bedarf und darin beſteht, daß man durch ein mit loſen Stücken von Manganhyperoxyd angefülltes und bis über 200 Grad erhitztes Por? zellanrohr Chloroform dampfförmig einſtrömen läßt, während am entgegengeſetzten Ende eine ſehr ſtark abge— kühlte tubulirte Vorlage applicirt iſt. In dieſer letzteren kondenſirt ſich feſter Chlorkohlenſtoff und etwas Waſſer; durch das in dem Tubus angebrachte Rohr deſtillirt das unverändert gebliebene Chloroform in ein zweites Gefäß über. Am 26. Dezember theilte Herr Profeſſor Dr. Duflos noch über die Reſultate, welche die von ihm im Auftrage des königlichen Ober-Präſidii unternommenen Entgoldungsverſuche der Reichenſteiner Arſenikabbrände geliefert, Nachfolgendes mit: I. Qualitative Prüfung. Um zu ermitteln, in welchem Zuſtande chemiſcher Verbindung Eifen und Arſenik in den Abbränden ſich befinden, wurden folgende Verſuche angeſtellt: a) 50 Gran davon wurden durch heiße Digeſtion in reiner Salzſäure gelöſt, die Löſung wurde mit Waſſer verdünnt und filtrirt und das Filtrat portionweiſe mit gelbem und rothem Blutlaugenſalz geprüft. Beide Reagentien gaben ſehr reichliche blaue Niederſchläge. Das Eiſen war folglich darin als Oryd und Oxydul enthalten. b) Andere 50 Gran wurden mit einer Auflöſung von reinem Kali gekocht. Ein Theil von der filtrirten Abkochung wurde mit Salpeterſäure genau neutraliſirt und darauf aufgelöſtes ſalpeterſaures Silberoryd zugefügt; es entſtand ein reichlicher ziegelrother Niederſchlag. Ein anderer Theil wurde mit Salzſäure überſätigt und die Löſung mit einigen Tropfen aufgelöſten Goldchlorids verſetzt; — nach 24 Stunden hatte keine Veränderung ſtattgefunden. Es war das Arſenik folglich nur als Arſenſäure darin enthalten. II. Quantitative Beſtimmung des Goldgehaltes. a) 15 Pfund von den Abbränden wurden in einer Flaſche von ſtarkem Glaſe mit eben ſo viel Waſſer über— goſſen, ſo daß ungefähr ein Viertheil von dem inneren Raume der Flaſche leer blieb. Der Inhalt der Flaſche wurde mit Chlorgas vollſtändig angeſchwängert und dieſelbe mit einem Glaspfropfen ſehr gut verſchloſſen. Die alſo beſchickte Flaſche wurde nun umgelegt und über einer mit einem Tuche bedeckten langen Tafel zwei Stunden lang hin und her gekollert. Nach dieſer Zeit wurde die Flaſche aufgerichtet, der Inhalt abſetzen gelaſſen und darauf die Flüſſigkeit mittelſt eines Hebers in eine andere Flaſche abge— laſſen und mit dem Rückſtande daſſelbe Manöver noch zweimal wiederholt. Endlich wurde der Bodenſatz in drei koniſche gradwandige Trichter vertheilt, welche auf Glascylinder aufgeſtellt und deren untere Oeff— nungen mit kleinem Kiesgerölle und Kiesſand loſe verſchloſſen waren. In dieſen Trichtern wurde der Rückſtand noch durch zweimaliges Uebergießen mit Chlorwaſſer ausgeſüßt. Die geſammten abgeklärten und vereinigten Flüſſigkeiten, welche ſtark nach Chlor rochen, wurden in einer Porcellanſchale im Sandbade bis auf ungefähr ein halbes Pfund Rückſtand eingeengt; dieſer Rüd- ſtand wurde abermals mit Chlorgas angeſchwängert und von dem abgelagerten Salze l(arſen- und ſchwe— felſaurer Kalk) abfiltrirt und das Filtrat endlich, welches eine ſchön goldgelbe Farbe beſaß, nachdem alles freie Chlor durch Erwärmen ausgetrieben war, mit einer Auflöſung von arſeniger Säure verſetzt. Nach 24 Stunden wurde die klare Flüſſigkeit von dem abgelagerten Gold abgegoſſen, letzteres zu wiederholten Malen durch Uebergießen mit heißem deſtillirten Waſſer und Wiederabgießen ausgeſüßt, zuletzt in etwas Königswaſſer gelöſt, die Löſung in ein tarirtes Porcellanſchälchen gegoſſen, eingedampft und das Schälchen 4 * 28 endlich bis zum Glühen erhitzt. Das Schälchen, worauf fich das reducirte Gold befand, wurde nun von Neuem gewogen. Die Gewichtszunahme betrug 1%, Gran. Die ausgeſüßten Rückſtände, welche noch ſehr viel Eifenorydul enthielten, wurden abermals in faſt ähnlicher Weiſe mit Chlorwaſſer behandelt. Aus den gewonnenen Flüſſigkeiten konnte nur noch ſehr nahe / Gran Gold abgeſchieden werden. Die ge— ſammte Goldausbeute hatte ſomit für 15 Pfund Abbrände 1,5 Gr. betragen. Dies giebt für den Gent: ner à 110 Pf. 10 Gr. oder ½ Loth Gold. Die Rückſtände waren noch eiſenoxydulhaltig. b) Derſelbe Verſuch wurde nochmals mit einer neuen Portion von den Abbränden ganz in derſelben Weiſe wiederholt. Die Goldausbeute betrug für diesmal nur 176 Gran. Doch war die Flaſche bei dem letzten Ausſüßen zerbrochen und das betreffende Ausſüßwaſſer verloren gegangen. Derſelbe Verſuch wurde abermals in folgender Weiſe wiederholt: 15 Pfund von den Abbränden wurden in dieſelben oben erwähnten drei koniſchen Trichter, deren un- tere Röhre mit kleinem Kiesgerölle und Kiesſand verſchloſſen war, vertheilt. Der erſtere Trichter wurde hierauf mit Chlorwaſſer vollgefüllt und mit einer Glasſcheibe bedeckt. Als die Flüſſigkeit abzutropfen begann, wurde der Trichter mit Chlorwaſſer wieder vollgefüllt. Die abgefloſſene Flüſſigkeit wurde von Neuem mit Chlorgas angeſchwängert und auf den zweiten Trichter gegoſſen, während der erſtere wieder mit Chlorwaſſer gefüllt wurde. Die von dem zweiten Trichter abgefloſſene Flüſſigkeit wurde nach aber- maliger Anſchwängerung mit Chlor auf den dritten Trichter gebracht, während der zweite mit dem zwei— ten Abfluß des erſteren, worin Chlorgas von Neuem eingeleitet worden war, abermals gefüllt wurde. Der erſtere wurde hierauf zum dritten Male mit Chlorwaſſer gefüllt u. ſ. f. Nachdem der Inhalt aller drei Trichter auf ſolche Weiſe dreimal mit Chlorwaſſer ausgezogen worden war, wurden die ſämmtlichen gegen 16 Pfund betragenden Flüſſigkeiten in einem offenen Gefäße hingeſtellt, bis der Chlorgeruch verſchwunden war, darauf mit einer Auflöſung von arſeniger Säure in Salzſäure verſetzt und durch zwei Tage hinge— ſtellt. Nach Verlauf dieſer Zeit wurde die Flüſſigkeit bis auf einen geringen Rückſtand (q) abgelaſſen und in einer Porcellanſchale verdunſtet. Der ungefähr ½ Pfund betragende Rückſtand erſchien nicht gelb gefärbt, und gab auch bei Zuſatz von aufgelöſtem Zinnchlorür keinen Goldgehalt zu erkennen. Der in dem Rückſtande e enthaltene Niederſchlag wurde durch wiederholtes Uebergießen mit Waſſer, Abfesen- laſſen und Abgießen ausgeſüßt, darauf mit reinem Chlorwaſſer aufgenommen. Die gelbe Löſung wurde ſorgfältig verdunſtet, zuletzt in einem tarirten kleinen Schälchen eingetrocknet und geglüht. Die Gewichts⸗ zunahme des Schälchens betrug genau wieder 1°, Gran. d) Derſelbe Verſuch wurde nochmals wiederholt, jedoch mit der Abänderung, daß, anſtatt Chlorwaſſer zum Auslaugen anzuwenden, eine klare Auflöſung von 1 Theil Chlorkalk in 50 Theilen Waſſer, zu welcher Salzſäure bis zur ſauren Reaktion zugeſetzt worden war, zu gleichem Zwecke benutzt wurde. Die Gold— ausbeute differirte nur unbedeutend von der vorhergehenden. Auflöſungen von Kochſalz allein, eben ſo von Kochſalz und Chlorkalk, hatten keinen Erfolg. 8 Auf die Angabe des Fürſten Bagration (Erdmanns Journ. Bd. XXXI, 367) fußend, wurden andere 15 Pfund von den Abbränden, wie im Vorhergehenden, mit einer ſehr verdünnten Auflöſung von gelbem Blutlaugenſalz ausgelaugt. Die Auslaugeflüſſigkeit wurde mit etwas hydratiſchem Schwefeleiſen digerirt, in der Abſicht, das etwa entſtandene Cyangoldkalium in Schwefelgold und Cyaneifenkalium zu verwandeln. Der Niederſchlag wurde geſammelt, mit Waſſer assgeſißk, im Filter getrocknet und ver⸗ brannt. Die Aſche enthielt kein Gold. Gleich erfolglos fiel der Verſuch aus, als gleichzeitig Chlorkalklöſung und gelbes Blutlaugenſalz an— gewandt wurde. Liebig'ſches Cyankalium wurde nicht verſucht, nicht ſowohl wegen des hohen Preiſes, ſondern weil der bedeutende Gehalt der Abbrände an Eiſenoxydul, welches mit dem Cyankalium Blut⸗ laugenſalz bilden würde, ſchon a priori nur einen ungünſtigen Erfolg erwarten ließ. C — 29 III. Wahl der Gefäße. Nachdem, wie im Vorhergehenden angegeben, übereinſtimmend mit den in Freiberg, auf der Friedrichshütte und in Patſchkau von dem Apotheker Cöſter angeſtellten Verſuchen, feſt⸗ geſtellt war, daß Goldgehalt aus den Abbränden durch wäſſeriges Chlor ſich ausziehen laſſe, ſich auch ferner herausgeſtellt hatte, daß, anſtatt reinen Chlorwaſſers, auch eine mit Salzſäure verſetzte Chlorkalklöſung benutzt werden konnte, war noch die Frage zu entſcheiden übrig, ob ausſchließlich nur Gefäße aus Glas oder auch ſolche aus irdenem Gut, aus Holz allein oder aus im Innern mit Blei überzogenem Holz angewandt werden könnten. Zu dieſem Ende wurden in einem eichenen Faſſe, welches vorgängig mit einer Auflöſung von ſchwe— felſaurem Eifenoryd getränkt und darauf mit Kalkmilch ausgelaugt worden war, 15 Pfund von den Abbrän⸗ den mit 30 Pfund einer mit Salzſäure verſetzten verdünnten Chlorkalklöſung übergoſſen, das Faß darauf feſt verſpundet und vier Stunden lang um feine Axe gerollt. Darauf wurde die Flüſſigkeit in einen glaſirten Topf abgelaſſen, der Rückſtand nochmals mit 15 Pfund derſelben Miſchung ausgeſüßt und die vereinigten Flüſſigkeiten nach geſchehener Klärung in der oben angegebenen Weiſe auf Gold geprüft. Der gefundene Gold— gehalt betrug aber kaum Y, Gr. Der Verſuch mit einem im Innern mit Blei überzogenen hölzernen Ger fäße wurde nicht erſt angeftellt, da hinreichend bewieſen iſt, daß metalliſches Blei das Gold aus feinen Löſun— gen reducirt und niederſchlägt. Anſcheinend ſehr zufrieden ſtellend fiel dagegen der Verſuch aus, welcher mit Anwendung von irdenen koniſchen Zuckerhuttöpfen angeſtellt wurde. In ſolchen Töpfen, welche ganz in derſelben Weiſe, wie die oben erwähnten Trichter, angewendet werden können, können 50 Pfund Abbrände auf einmal in Arbeit genommen werden. Der Preis eines ſolchen Topfes beträgt 20 Sgr., doch müßten dieſelben mit gut paſſenden Deckeln verſehen fein, und zwar ebenfalls von derſelben irdenen Maſſe oder von Holz und unterhalb mit einem Harz⸗ cement überzogen. In einem ſolchen Topfe wurden hier 25 Pfund behandelt, doch konnte die abſolute Gold— ausbeute nicht feſtgeſtellt werden, weil durch Verſehen ein Theil der Auslaugeflüſſigkeit weggegoſſen worden war. Jedenfalls ſtellte ſich heraus, daß die Verdrängungsmethode zur Ausziehung des Goldes ausreicht, wie ſchon die obigen, in Trichtern angeſtellten Verſuche und eben fo ſchon früher Herr Cöſter in Patſchkau nach— gewieſen haben, und die ohnedem im Großen kaum ausführbare Rollmethode entbehrlich macht. Mit welchem Erfolg die ſalzſäurehaltige Chlorkalklöſung durch einen Zuſatz von fein gepulvertem Braun⸗ ſtein zu den Abbränden und nachheriges Auslaugen der Miſchung mit ſtark verdünnter Salzſäure ſich vielleicht dürfte erſetzen laſſen, iſt zur Zeit noch nicht ermittelt worden. Auffallend iſt der geringe Goldgehalt, welcher ſich bei allen vorher beſchriebenen Verſuchen, wo eine quantitative Beſtimmung ſtattfand, ſich herausgeſtellt hat, und nicht 4 Loth pro Centner überſteigt. Der⸗ ſelbe weicht zwar wenig von den in Tarnowitz in ähnlicher Weiſe gewonnenen Reſultaten ab, aber bedeutend von dem des Herrn Cöſter zu Patſchkau, welcher in mehreren Verſuchen zwiſchen / und , Loth Gold pro Centner von den Abbränden erhielt. Die Uebereinſtimmung der Reſultate in den oben beſchriebenen ver⸗ ſchiedenen Verſuchen läßt jedoch kaum einen Zweifel gegen die Richtigkeit derſelben aufkommen. Es wäre daher wohl möglich, daß die Abbrände von verſchiedenen Lagerungsſtätten ungleich in ihrem Goldgehalt wären und daß das Gold darin ſich auch zum Theil noch im unaufgeſchloſſenen Zuſtande, d. h. in dem urfprüngli- chen, durch Chlor nicht auflösbaren Verbindungszuſtande ſich befände. Für Letzteres ſprechen beſonders die auf der Friedrichshütte unternommenen Entgoldungsverſuche auf trockenem Wege. Herr Profeffor Dr. Fiſcher hielt folgende Vorträge: 1) Am 26. Januar: Fortſetzung und Schluß der Unterſuchung über die Blättchen in dem Braunauer Meteoreiſen; eine Abhandlung, die des Zuſammenhanges wegen bereits in den Bericht für das Jahr 1847 aufgenommen worden iſt. Dann: 2) Am 26. Oktober: Zur chemiſchen Wirkung des Lichts. 3) Am 26. Dezember: Ueber ſalpetrichtſaure Salze. 2) Am 26, Oktober: Bur chemiſchen Wirkung des Lichts. So wie die drei Haloide: Chlor, Brom und Jod, ein ziemlich gleiches Verhalten zu den verſchiedenen einfachen und zuſammengeſetzten Körpern zeigen, ſo auch im Allgemeinen ihre Verbindungen mit Waſſerſtoff; doch unterſcheidet ſich die Chlorwaſſerſtoffſäure darin weſentlich von den andern beiden Waſſerſtoffſäuren, daß ſie durch Einwirkung der atmoſphäriſchen Luft nicht zerſetzt und das Chlor daraus nicht frei gemacht werden kann, was bei den andern beiden der Fall iſt, indem ſie, der Luft ausgeſetzt, mehr oder weniger Haloid ab— ſcheiden. Als ich daher vor einer großen Reihe von Jahren wahrgenommen hatte, daß eine Flaſche, worin eine geringe Menge Salzſäure war, beim Oeffnen einen ſtarken Geruch nach Chlor verbreitete, ſo glaubte ich den Grund davon in dem zufälligen Hineinfallen eines ſalpeterſauren Salzes oder Vermiſchen mit Salpeter: ſäure annehmen zu müſſen. Im Sommer 1847 nahm ich aber daſſelbe wahr, ohne daß eine ſolche Verun— reinigung ſtattfinden konnte. Indem ich die Umſtände beobachtete, unter welchen dieſer Erfolg ſtattgefunden, fand ich, daß es genau dieſelben ſind, unter welchen auch damals dieſe Erſcheinung erfolgt iſt. Ich hatte nehmlich die Salzſäure aus der Flaſche bis auf eine geringe Menge verbraucht, die Flaſche ſtand am Fenſter und wurde den größten Theil des Tages von der Sonne beſchienen. Ich mußte daher vermuthen, daß die Zerſetzung der Salzſäure vermittelſt der atmoſphäriſchen Luft durch die Mitwirkung des Sonnenlichtes bewirkt wird, eine Vermuthung, die ſich durch das Experiment vollkommen beſtätigt hat. Wird nehmlich eine Flaſche mit einer geringen Menge vollkommen reiner Salzſäure, dieſemnach mit viel atmoſphäriſcher Luft, verſchloſſen der Einwirkung des Sonnenlichtes ausgeſetzt, ſo zeigt die Säure nach einiger Zeit ſowohl durch den Geruch, als durch die chemiſche Reaktion einen Chlorgehalt. Die zur deutlichen Wahrnehmung des freien Chlors erfor— derliche Zeit hängt von der Intenſität des Lichtes, folglich auch von der Dicke des Glaſes ab, ſo daß bei den gewöhnlichen Flaſchen, und wenn ſie nur wenige Stunden des Tages von der Sonne beſchienen werden, der deutliche Erfolg erſt nach Verlauf von 3 bis 4 Wochen wahrzunehmen iſt. Weit ſchneller erfolgt die Wir— kung in dünnen Röhren. | Wenn hingegen der Salzſäure ein Körper dargereicht wird, der eine ſtarke Anziehung zum Chlor hat, und ſich, mit demſelben verbunden, in der Flüſſigkeit auflöſt, ſo kann nach weit kürzerer Zeit die bewirkte Auflöſung wahrgenommen werden. Dieſes iſt namentlich mit dem Golde der Fall. Wird ein Goldblättchen in die Salzſäure gethan, ſo zeigt ſich ſchon nach wenigen Stunden durch die Reaktion des Zinnchlorürs die gebildete Goldauflöſung, nach längerer Einwirkung des Lichts ſelbſt durch die gelbe Farbe, welche die Salzſäure angenommen hat. Daß die Salzſäure beim Erwärmen, natürlich bei Luftzutritt, Goldblättchen auflöſt, hat ſchon Prouſt angegeben; wenn demnach hier wieder, wie bei fo vielen andern Erſcheinungen, die Wirkung des Lichts gleich der der Wärme iſt, ſo iſt hingegen die Wirkung auf bloße Salzſäure nur dem Lichte eigen und nicht durch Wärme hervorzubringen, d. h. die Zerſetzung der Salzſäure durch die Anziehung des Sauer— ſtoffs der Amoſphäre zum Waſſerſtoff kann nur durch Mitwirkung des Sonnenlichts, aber nicht durch Wärme hervorgebracht werden. Beim Zuſatz von Gold hingegen wirkt neben dieſer Verwandtſchaft des Sauerſtoffs zum Waſſerſtoff noch die des Goldes zum Chlor, und die Zerſetzung der Salzſäure erfolgt ſowohl durch das Son— nenlicht, als durch Wärme. Ja, bei andern Metallen, welche die Salzſäure an und für ſich nicht zerſetzen, 31 findet die Auflöſung derſelben unterm Zutritt der Luft ohne alle Mitwirkung des Lichts oder der Wärme ſtatt, wie ich es ſelbſt von Silber und Palladium dargethan habe. 3) Am 26. Dezember: 1600 Weber die ſalpetrichtſauren Salze. Erſter Artikel. Darſtellung und qualitatives Verhalten. Als ich im Jahre 1830 mit der Unterſuchung dieſer Salze mich beſchäftigte, und eine vorläufige Notiz darüber in Poggend. Annalen, Bd. 21, S. 160, mittheilte, hatte ich nach der Anſicht aller meiner Vorgänger dieſe Salze als Stickorydverbindungen bezeichnet. Bald darauf wurden fie jedoch von Mitſcherlich in ſei— nem Lehrbuch der Chemie vom Jahr 1831 als ſalpetrichtſaure Salze erkannt. Aus Verdruß über meinen Irrthum, und daß ich nicht darauf aufmerkſam gemacht worden bin, habe ich von der ſchon vorgerückten Ar— beit nichts weiter bekannt gemacht. Indem ich mich aber bei Gelegenheit der neulichen Unterſuchung des Braunauer Meteoreiſens an das zu jener Zeit dargeſtellte Kobaltſalz erinnerte, worauf ich das Verfahren ge⸗ gründet, Kobalt von Nickel zu ſcheiden (Poggend. Annal. Bd. 73, S. 477), entſchloß ich mich, die Unterſu— chung dieſer Salze von Neuem vorzunehmen, deren Ergebniſſe ich um ſo mehr mittheilen zu dürfen glaube, als, ſo viel mir bekannt, ſeit jener Zeit nichts Erhebliches über dieſe intereſſante Gattung von Salzen bekannt geworen iſt. 1) Salpetrichtſaures Kali. Wie bekannt, wird dieſes Salz aus dem ſalpeterſauren durch Glühen dargeſtellt; aber das geglühte Salz enthält zugleich ſalpeterſaures und freies Kali, wie ſtark oder ſchwach auch das Glühen war, nur wird im erſten Falle die Menge des ſalpeterſauren geringer, als im letzten, dagegen das freie Kali mehr im erſten, als im letzten Falle mit dem ſalpetrichtſauren Kali verbunden ſein. Um es nun rein darzuſtellen, habe ich fol— gendes Verfahren angewandt. Die ſtark geglühte Salzmaſſe wurde in einer hinreichenden Menge kochenden Waſſers gelöſt, die Flüſſigkeit nach 24 Stunden von dem herauskryſtalliſirten Salpeter abgegoſſen, das in derſelben enthaltene freie Kali mit ſehr verdünnter Eſſigſäure — deſtillirtem Eſſig — neutraliſirt, in eine Flaſche gegoſſen, und das doppelte Volum, 90 Procent, Weingeiſt zugeſetzt und damit geſchüttelt. Nach einie gen Stunden ruhigen Stehens hatte ſich auf dem Boden der Flaſche kryſtalliſirter Salpeter, über dieſem eine gelbliche ölige Flüſſigkeit, und über dieſer eine farbloſe wäßrige abgeſchieden. Dieſe letzte enthält das eſſigſaure Kali in wäßrigem Weingeiſt, die erſte das ſalpetrichtſaure Kali in Waſſer gelöſt. (Die Anziehung dieſes Sal— zes zum Waſſer iſt ſo ſtark, daß der Weingeiſt von der angegebenen Concentration es nur bis zu einem be— ſtimmten Verhältniß zu entziehen vermag.) Unter einer Glocke zugleich mit Schwefelſäure geſtellt, kryſtallſirt das Salz aus der gelblichen Auflöſung in undeutlichen kubiſchen (2) Kryſtallen, die ſchnell an der Luft zerfließen. Das erhaltene Salz iſt jedoch nicht ganz rein, ſondern enthält etwas eſſigſaures Kali, ſo wie die obere Schicht der Flüſſigkeit, die weingeiſtige Löſung des eſſigſauern Salzes, mehr oder weniger ſalpetrichtſaures enthält, was von der Concentration der Salzlöſung und des Weingeiſtes und dem Verhältniß, in welchem der letztere zu— geſetzt wird, abhängt. Um es ganz rein zu erhalten, wird die Auflöſung des geglühten Salpeters, nachdem das ſalpeterſaure Salz beim Erkalten der concentrirten heißen Auflöſung herauskryſtalliſirt iſt, mit verdünnter Salpeterſäure — 1 Theil Säure von 1,2 ſpecifiſchem Gewicht mit 8 Theilen Waſſer — neutraliſirt, wobei freilich ein nicht unbedeutender Theil des ſalpetrichtſauren Kalis zerſetzt wird. (Jeder Tropfen dieſer verdünnten Säure entwickelt von Anfang an, alſo bei viel cauſtiſchen und kohlenſauern Kalis, ſalpetrige Säure.) Die Flüſſigkeit wird dann zur Trockne verdampft, und der Rückſtand entweder mit 90procentigem Weingeiſt be⸗ handelt, der nun das ſalpetrigſaure Kali auflöſt, oder der feuchten Luft in einem Trichter mit enger Oeffnung ausgeſetzt wird, wobei das ſalpetrichtſaure Salz die Feuchtigkeit anzieht und herunterfließt. 32 Das trockne Salz iſt weiß, die Auflöſung gelblich, welches auch bei den folgenden alkaliſchen und alka— liſch-erdigen Salzen der Fall iſt, im Weingeiſt unlöslich; es wird daher durch eine gehörige Menge waſſer— freien Weingeiſtes aus der concentrirt wäßrigen gefällt. 2) Das Natronſalz. Die Darſtellung durch Glühen des ſalpeterſauren Salzes. Die Zerſetzung iſt hier leichter als beim fals peterſauren Kali. Die geglühte Maſſe enthält daher bei gleichem Hitzegrad mehr ſalpetrichtſaures Salz, als beim Glühen des Salpeters, zugleich aber auch mehr freie Baſe. Die Reinigung geſchieht ebenfalls wie beim Kaliſalz, d. h. das geglühte Salz wird in Waſſer gelöſt, die Flüſſigkeit von dem herauskryſtalliſirten ſalpeterſauren Natron abgegoſſen, das kauſtiſche und kohlenſaure Natron mit verdünnter Eſſigſäure neutraliſirt und mit Weingeiſt vermiſcht; aber dadurch wird das Salz noch nicht ganz rein erhalten. Durch den Weingeiſt nämlich wird zwar der größte Theil des ſalpeterſauren und eſſigſau⸗ ren Natrons als kryſtalliniſches Pulver abgeſchieden, aber die darüber ſtehende Flüſſigkeit — hier bildet ſich nur eine — enthält mit dem ſalpetrichtſauren Natron zugleich eine geringe Menge ſalpeterſaures und eſſigſau—⸗ res. Um das Salz rein zu erhalten, muß die weingeiſtige Löſung zur Trockne verdampft und einige Tage lang der Luft ausgeſetzt werden. Das ſalpetrichtſaure Salz zerfließt dann durch die angezogene Feuchtigkeit der Luft, und wird von dem ſalpeterſauren und eſſigſauren abgegoſſen. Ueber Schwefelſäure getrocknet, ſtellt ſich das Salz kryſtalliniſch dar. Wie angegeben, zerfließt es zwar ebenfalls an der Luft, aber weit langfa= mer als das Kaliſalz, von dem es ſich beſonders durch die Auflöslichkeit im Weingeiſt unterſcheidet. 3) Das Jarptſalz. Zur Reindarſtellung aus dem geglühten ſalpeterſauren Salz wird die freie Baryterde aus der Auflöſung der geglühten Salzmaſſe durch hineingeleitete Kohlenſäure abgeſchieden, das Filtrat zur Trockne abgedampft, in der geringſten Menge Waſſer gelöſt und die doppelte Menge Weingeiſt zugeſetzt, wodurch der größte Theil des ſalpeterſauren Salzes abgeſchieden wird. Die geringe Menge dieſes Salzes, welche noch mit dem ſalpetricht— ſauren in dem wäßrigen Weingeiſt geblieben, kryſtalliſirt aus der Auflöſung beim gelinden Verdampfen. Dieſes Salz kryſtalliſirt in zwei Formen: als ſehr feine Nadeln — ſechsſeitige reguläre Prismen — und als kurze dicke Säulen des iſokliniſchen zwei- und zweigliedrigen Syſtems, rhombiſche Prismen von 71°, Grad mit der Baſis.“) Es iſt vollkommen luftbeſtändig, im Waſſer leicht auflöslich und auch im Weingeiſt von der angegebenen Concentration. 4) Pas Strontianſalz. Die Reindarſtellung aus dem durchs Glühen zerſetzten ſalpeterſauren Salz wird ganz ſo wie beim Ba— rytſalz bewirkt, nur muß hier die weingeiſtige Löſung weit mehr verdampft werden, um alles ſalpeterſaure Salz abzuſcheiden. Das Salz kryſtalliſirt in feinen Nadeln, die fächerartig auseinandergehen, es sie die Feuchtigkeit aus der Luft an und zerfließt ſehr langſam in feuchter Luft, in trockner hingegen wird es nur feucht, ohne zu zerfließen. Daher es, in einem flachen Gefäße der Luft ausgeſetzt, nach dem hygroſkopiſchen Zuſtande derſelben bald zerfloſſen bald kryſtalliſirt erſcheint. Was auch, wie bekannt, bei einigen andern Salzen der Fall iſt. 5) Pas Kalkſalz. Dieſes wird zwar ebenfalls aus dem geglühten ſalpeterſauren erhalten, aber die Reindarſtellung iſt dabei ſo ſchwierig, daß ich zur Darſtellung deſſelben das Verfahren angewandt habe, durch welches die folgenden ) Die naͤhere Beſtimmung der Kryſtalliſation dieſes Salzes, ſo wie die von 8, 9, 10 und 11, habe ich der Guͤte des Herrn Profeſſor Dr. Frankenheim zu verdanken. 9} Salze allein dargeftellt werden können, nämlich durch Anwendung des ſalpetrichtſauren Silberoxyds. Zu diefem Ende wurde das Silberſalz in ſiedendem Waſſer aufgelöſt und die Löſung mit einem Ueberſchuß von Kalk— waſſer vermiſcht. Die Flüſſigkeit von dem abgeſchiedenen Silberoxyd abgegoſſen, enthält die ſalpetrichtſaure Kalkerde, aber zugleich auch, ungeachtet des im Ueberſchuß angewandten Kalkwaſſers, noch etwas Silberſalz — weil die gebildete ſalpetrichtſaure Kalkerde, wie die andern alkaliſchen und alkaliſch-erdigen Salze, eine große Neigung hat, mit dem Silberſalz ein Doppelſalz zu bilden. — Durch Schwefelwaſſerſtoffgas wird daher das Silber, ſo wie durch Kohlenſäure die überſchüſſige Kalkerde aus der Flüſſigkeit abgeſchieden und das Filtrat bei gelinder Wärme verdampft. Dieſes Salz kryſtalliſirt prismatiſch, zerfließt an der Luft und iſt in wäſſerigem Weingeiſt ſehr leicht-, in waſſerfreiem aber, wie alle anderen, un- löslich. 6) Das Ammoniahkſatz. Wie ſchon beim vorigen Salz angegeben, kann dieſes, wie alle folgenden ſalpetrichtſauren Salze, nicht durch Zerſetzung des ſalpeterſauren erhalten werden. Am leichteſten iſt es aus dem ſalpetrichtſauren Sil— beroryd durch Zuſammenreiben mit einer geſättigten Chlorammoniumlöſung zu bereiten, wobei das Chlorammo— nium in etwas geringerer Menge angewandt wird, als zur Zerſetzung alles Silberſalzes erforderlich iſt; die geringe Menge Silberſalz, welche die Auflöſung etwa noch enthält, wird durch Schwefelwaſſerſtoff gefällt, und aus dem Filtrat, der Selbſtverdunſtung überlaſſen, kryſtalliſirt das Salz. Es bildet nadelförmige Kryſtalle, iſt luftbeſtändig, im Waſſer leicht löslich und ſehr leicht ſchon bei gelinder Wärme zerſetzbar. 7) Das Magneſtaſalz. Wird leicht durch Kochen der ſalpetrichtſauren Silberlöſung mit kauſtiſcher Magneſia erhalten, wobei die von dem ausgeſchiedenen Silberoryd und der überſchüſſigen Magneſia abgegoffene Flüſſigkeit ebenfalls mit Schwefelwaſſerſtoff zu behandeln iſt, um das noch aufgelöſte Silber zu fällen. Um das Salz aus der Auflö— ſung im feſten Zuſtand zu erhalten, darf hier eben ſo wenig, wie bei der vorhergehenden, Wärme angewandt werden, ſondern es kann dies nur unter einer Glocke durch Schwefelſäure bewirkt werden. Man erhält es dann als eine blättrige Salzmaſſe, welche an der Luft berfließt, beim Erwärmen leicht zerſetzt wird und in waſſerfreiem Weingeiſt unlöslich iſt. 8) Das Silberfalz. So wenig wie die letzten zwei Salze, kann auch dieſes aus der ſalpeterſauren Verbindung durch Zer— ſetzung vermittelſt der Hitze vortheilhaft dargeſtellt werden. Dagegen iſt es leicht zu erhalten durchs Vermiſchen der ſalpeterſauren Silberorydlöfung mit der Auflöſung der angegebenen ſalpetrichtſauren Alkalien oder alkaliſchen Er: den. Es fällt dabei als haarförmiges Pulver nieder, und kann durch Ausſüßen mit geringen Mengen kalten Waſſers von der Mutterlauge befreit werden. Es iſt als haarförmiges Pulver faſt ganz weiß, nimmt aber in deutlichen Kryſtallen eine gelbe Farbe an, und zwar eine um ſo höhere, je größer die Kryſtalle. Die Form derſelben iſt lange Faſern, Prismen von 59 Grad mit ſchiefer Endfläche, wahrſcheinlich trikliniſch. (Schöne, mehrere Zoll lange Nadeln kann man erhalten, wenn man die Auflöſung dieſes Salzes, bei erhöhter Temperatur bereitet, der Selbſtverdunſtung beim Ausſchuß des Lichts überläßt.) In Waſſer bei gewöhnlicher Temperatur iſt es ſchwer, in 300 Theilen, beim Siedpunkt ziemlich leicht auflöslich, im Weingeiſt unlöslich. Dem Lichte ausgeſetzt oder in Berührung mit organiſchen Körpern, z. B. auf Papier gelegt, wird es auf der Oberfläche metalliſch. Durch dieſe Schwerauflöslichkeit in kaltem und Leichtlöslichkeit in heißem Waſſer iſt dieſes Salz leicht zu reinigen, wenn es auch durch unreines ſalpetricht⸗ ſaures Kali dargeſtellt worden iſt. Andere Metallſalze werden am leichteſten aus dieſem Silberſalz dargeſtellt, indem die Metalle, welche das Silber auf naſſem Wege zu reduciren vermögen, auf die Auflöſung dieſes Salzes einwirken. Doch mer: 5 34 den dabei nur die ſalpetrichtſauren Salze des Zinks, Kadmiums, Bleis, Kupfers und Kobalts gebildet. Zinn, Mismuth, Queckſilber“) und Spießglanz bewirken zwar die Reduktion des Silbers, ohne jedoch ein ſolches Salz zu bilden, und Eiſen und Nickel bewirken nicht einmal die Reduktion. Die Eigenſchaften dieſer gebil- deten Metallſalze ſind bei der geringen Menge, in welcher ſie dargeſtellt worden ſind, nicht näher unterſucht worden. Im Allgemeinen jedoch kann angegeben werden, daß ſie kryſtalliſirbar, luftbeſtändig, leicht löslich und ſchon bei gelinder Wärme leicht zerſetzbar ſind. Das Kupfer- und Bleiſalz gehen ſchon beim Selbſt⸗ verdunſten in baſiſche Salze über. Das Kupfer- und Kobaltſalz iſt gefärbt, erſtes grün, das zweite roth, die andern find farblos. Das baſiſche Kupfer ſalz, welches ſich beim Verdunſten der grünen Auflöſung des neutralen Salzes abſcheidet, bildet ſchöne glänzende blaue Blättchen, die unlöslich ſind. Intereſſanter, als dieſe einfachen Metallſalze, find die Doppelſalze, welche einige mit dem ſalpetrichtſau— ren Kali bilden, wie dieſes ſchon in jener Notiz, a. a. O. S. 161, erwähnt worden iſt. Zu den näher unterſuchten gehören: 9) Das ſalpetrichtſaure Silberorydkali. Es wird ſehr leicht dargeſtellt, wenn zu der Auflöſung des ſalpeterſauren Silberoxyds die des ſalpe— trichtſauren Kalis in Ueberſchuß geſetzt wird. Je nachdem die Auflöſungen concentrirt ſind, findet entweder kein Niederſchlag von dem gebildeten ſalpetrichtſauren Silberoryd ſtatt, oder wenn er anfangs erfolgte, wird er ſpäter durch einen Zuſatz von ſalpetrichtſaurem Kali wieder aufgelöſt. Sind beide Auflöſungen ſehr geſät— tigt, fo erfolgt die Kryſtalliſation des Doppelſalzes unmittelbar beim Vermiſchen; war dieſes nicht der Fall, ſo erfolgt ſie beim Selbſtverdunſten der Flüſſigkeit, die natürlich unter einer Glocke durch Schwefelſäure ſehr be— ſchleunigt wird; auch kann ſie durch Wärme, aber nur bis böchſtens 30 bis 40 Grad, unterſtützt werden. Es kryſtalliſirt a) in rhombiſchen Tafeln von etwa 50 Grad mit der geraden Abſtumpfung der ſpitzen Ecken und mehrerer anderer Randflächen, die theils horizontale Prismen, theils rhombiſche Oktaeder find. In einem der Prismen iſt die Neigung 53 Grad. b) In Kryſtallen derſelben Art, aber von anderer Ausbildung, indem das Prisma von 53 Gr, vorherrſcht. Es hat eine gelbliche Farbe, iſt luftbeſtändig, erleidet ſchon bei gelinder Wärme eine ſchwache Zerſetzung, indem es in Silber- und Kaliſalz zerfällt; ſtärker erhitzt, wird das Silberſalz zerſetzt, wobei ſich ſalpetrichte Säure entwickelt und metalliſches Silber zurückbleibt, zugleich mit dem unzerſetzt gebliebenen Kaliſalz. Bei Einwirkung des Waſſers findet daſſelbe wie bei der Wärme ſtatt; es wird nämlich in die beiden Salze zerſetzt, aus welchen es beſteht, wobei das Waſſer das Kaliſalz auflöſt, das Silberſalz hingegen bis auf eine ſehr geringe Menge ungelöſt läßt. Daher verliert das Salz beim Uebergießen mit Waſſer ſeine Durchſichtigkeit und Kryſtalliſation. Daher endlich kann dieſes Salz auch nicht gebildet werden, wenn die Auflöſung des ſalpeterſauren Silberorxyds oder des ſalpetrichtſauren Kalis ſehr verdünnt an⸗ gewandt wird. Aehnliche Doppelſalze bildet das Silberſalz mit den andern ſalpetrichtſauren alkaliſchen und alkaliſch— erdigen Salzen, namentlich mit dem Natron-, Ammoniak- und Baryt-Salz. 10) Salpetrichtſaures Palladiumorydulkali. Dieſes wird eben fo wie das Silberſalz durch das Vermiſchen der Auflöſung des falpeterfauren Oxyduls oder Chlorürs mit der des ſalpetrichtſauren Kalis leicht erhalten. Sind die Auflöſungen concentrirt, fo fällt obgleich das gebildete Doppelſalz als ein, wenig gelbgefärbtes, weißes kryſtalliniſches Pulver nieder; bei ver— *) Wahrend das Queckſilber bei der mittleren Temperatur mit der Aufloͤſung des Silberſalzes eben nur die Reduktion des Silbers bewirkt, findet die Bildung des ſalpetrichtſauren Queckſilbers zugleich ſtatt, wenn es mit dem ſalpetrichtſauren Silber und Waſſer gekocht wird. Das Queckſilberſalz ſondert ſich beim Erkalten der Auflöfung in gelben, nicht deutlichen Kryſtallen ab, welche im Waſſer unlöslich, aber, entgegengeſetzt allen anderen ſalpetrichtſauren Salzen, einfachen wie zuſammengeſetzten, in Salpeterſaͤure unzerſetzt aufloͤslich ſind. 35 dünnten Auflöſungen hingegen oder aus der Mutterlauge des gefällten erhält man es erſt beim Verdunſten in ſchönen gelben Kryſtallen, was auch der Fall iſt, wenn das beim Vermiſchen der concentrirten Auflöſungen gefällte in Waſſer gelöſt und unter Mitwirkung von gelinder Wärme verdampft wird. Es kryſtalliſirt in drei Formen: a) in Prismen von 61½ Gr. mit mehreren ſchiefen Flächen und augitartigen Zuſpitzungen, und b) in rhombiſchen Tafeln des trikliniſchen Syſtems mit mehreren Randflächen. o) Die bei einem Verſuche neben dem erhaltenen ſchönen rothen Kryſtalle find ſechsſeitige Prismen von nicht 60 Gr. — vermuthlich aus dem iſokliniſchen, rhombiſchen Syſtem — mit mehreren Endflächen. Die Kryſtalle b und ec find luftbeſtändig, die a verwittern an der Luft und werden undurchſichtig. Es iſt ziemlich leicht in Waſſer löslich, und wird beim Erhitzen eben ſo wie das Silberſalz zerſetzt, d. h. das Palladium wird reducirt, ſalpetrichte Säure entwickelt und das ſalpetrichtſaure Kali bleibt unverändert. 11) Salpetrichtſaures Bleiorpdkalt. Darſtellung wie die vorigen durch Vermiſchen einer Bleiſalzlöſung mit ſalpetrichtſaurem Kali und Ver— dampfen. Es kryſtalliſirt in ſechsſeitigen Prismen, dem monokliniſchen Syſtem angehörig, mit dreierlei Flä— chen und ſchief aufgeſetzten Endflächen. Es hat eine ſchöne orangegelbe Farbe, und iſt leicht im Waſſer auflöslich. 12) Salpetrichtſaures Nickelorydkali. Dieſes bildet ſehr ſchöne kleine Oktaeder von bräunlichrother Farbe, iſt im Waſſer ziemlich leicht und mit grüner Farbe auflöslich, aus welcher Auflöſung es ſich wieder mit derſelben rothbraunen Farbe und Kry— ſtalliſation darſtellt. Die Darſtellung wird leicht bewirkt, wenn beide Auflöſungen des Nickels und des ſalpe— trichtſauren Kalis concentrirt und mit Ueberſchuß des letzteren angewandt werden. Das Doppelſalz fällt als braunes kryſtalliniſches Pulver, zum Theil auch in vollkommenen Kryſtallen nieder. Die Flüſſigkeit wird nach einigen Stunden von dem Niederſchlag abgegoſſen, dieſer in Waſſer gelöſt und aus der ſchönen grünen Auf— löſung, der Selbſtverdunſtung überlaſſen, ſchießt das Salz in den angegebenen rothbraunen Kryſtallen an. Die ſalzſaure Nickelauflöſung iſt aus dem Grunde der ſalpeterſauren vorzuziehen, weil bei jener neben dem Doppelſalz Chlorkalium, ein leicht lösliches, bei dieſer hingegen Salpeter, ein etwas ſchwerer lösliches Salz, gebildet wird; während alſo jenes beim Ausſcheiden des Doppelſalzes aufgelöſt bleibt, wird dieſes zum Theil mit herauskryſtalliſiren. Die Reinigung des Doppelſalzes durch wiederholtes Umkryſtalliſiren iſt daher weit leichter bei jener als bei dieſer Auflöſung. Daß, wenn die Nickellöſung kobalthaltig ift,*) zugleich mit dem Doppelſalz des Nickels das des Kobalts niederfallen wird, verſteht ſich eben ſo von ſelbſt, wie daß beim Wiederauflöſen des Niederſchlages das letztere ungelöſt bleiben wird. 13) Salpetrichtſaures Kobaltorydkali. Dieſes wird von allen am leichteſten und ſchnellſten dargeſtellt, indem es ſich unmittelbar beim Ver— miſchen einer Kobaltlöſung mit ſalpetrichtſaurem Kali abſcheidet. Es bildet ein gelbes unkryſtalliniſches Pulver, iſt in kaltem Waſſer ganz unlöslich, erleidet beim Erhitzen dieſelbe Zerſetzung wie die vorigen, nur mit dem Unterſchiede, daß der Rückſtand neben ſalpetrichtſaurem Kali das Superoxyd von Kobalt enthält. Das ſalpetrichtſaure Kali iſt daher nicht nur ein ſicheres und empfindliches Reagens für Kobalt, indem es in einer Auflöſung von 4000 Kobalt fofort und in einer von 500 nach wenigen Stunden dieſen gelben ) Alles Nickel oder Nickeloxyd, welches ich bis jetzt unterſucht habe, auch das von Luhme in Berlin erhaltene, welches als „chemiſch reines Nickel von Woͤhler“ bezeichnet iſt, enthaͤlt Kobalt. 5 * 36 Niederſchlag bewirkt, fondern es eignet ſich auch, wie eingangs erwähnt worden ift, zur Scheidung des Kobalts von Nickel, und wohl von allen andern Metallen, mit denen es in einer Auflöſung enthalten iſt, da dieſe Metalle mit der ſalpetrichten Säure entweder keine oder eine leichtlösliche Verbindung bilden. Dazu kommt noch, daß dieſes Kobaltſalz, auch von Säuren und Ammoniak bei mittlerer Temperatur kaum angegriffen, aufgelöſt wird, wodurch, wenn, um die letzten Spuren Kobalt abzuſcheiden, das Filtrat von dem Niederſchlag zur Trockne verdampft worden iſt, die in dem Rückſtand enthaltenen fremden Metalloxyde, Nickeloryd u. ſ. w. leicht davon getrennt werden können. Jedenfalls verdient es wohl einer näheren Prüfung, ob dieſes Verfah— ren, um Kobalt von Nickel zu trennen, nicht den bisherigen, ſehr komplicirten und weitläufigen an die Seite geſetzt, oder gar vorgezogen zu werden verdiene. Bei Anwendung des ſalpetrichtſauren Kali's zur Scheidung des Kobalts von Nickel und zur qualitati⸗ ven Beſtimmung des erſteren iſt Folgendes zu beobachten: a) Auch hier müſſen die Auflöſungen beider Salze concentrirt ſein und die des ſalpetrichtſauren Kali's im Ueberſchuſſe angewandt werden; dabei iſt es aber weſentlich, daß die Kobaltlöſung freie Säure hat, wodurch freilich um fo viel mehr ſalpetrichtſaures Kali damit vermiſcht werden muß.“) b) Das Abgießen der Flüſſigkeit von dem Niederſchlage darf erſt nach 24 Stunden vorgenommen wer— den, weil ein Theil des Doppelſalzes ſich erſt ſpäter bildet und abſetzt. c) Hat der Niederſchlag eine reine gelbe Farbe, ſo iſt das Doppelſalz, aufs Filter gebracht und mit kaltem Waſſer ausgeſüßt, rein, hat er hingegen eine grünliche oder braune Färbung, von Kupfer, Nickel oder Eiſengehalt herrührend, fo muß er, bevor er aufs Filter gebracht wird, mit Waſſer, wel chem etwas Salzſäure zugeſetzt worden iſt, digerirt werden. d) Die abgegoſſene Flüſſigkeit mit dem Ausſüßwaſſer muß bis auf eine geringe Menge verdampft, wenn fie nicht vorherrſchend Säure enthält, mit etwas Salzſäure vermiſcht und von Neuem mit der Auf: löſung des ſalpetrichtſauren Kali's verſetzt werden, um, wenn noch Kobalt aufgelöſt geblieben, es zu fällen. Außer der Leichtigkeit gewährt dieſes Verfahren noch den Vortheil, daß unmittelbar aus dem Gewicht des erhaltenen Produkts dieſes Doppelſalzes, da es ganz konſtant iſt, das des Kobalts, eben ſo wie aus dem Kaliumplatinchlorid der Gehalt an Kalium u. m. a. berechnet werden kann. Phyſik und Meteorologie. Herr Dr. Phil. Marbach hielt folgende Vorträge: 1) Am 12. Januar 1848: Ueber Plücker's Entdeckungen, betreffend die Wirkungen des Magnetismus anf Kryſtalle. Ein Turmalin, der ſeine größte Ausdehnung in der Richtung der kryſtallographiſchen und der damit zuſammenfallenden optiſchen Axe beſaß, wurde von den Polen eines kräftigen Elektromagneten wegen ſeiner ferromagnetiſchen Maſſe ſtark angezogen, aber in der Entfernung von ½ bis %, Zoll von der magnetiſchen ) Es bedarf jedoch dazu kein reines Salz, da, wie leicht einzuſehen, weder die Gegenwart von ſalpeterſaurem, noch auch von kohlenſaurem Kali — bei freier Saͤure der Kobaltloͤſung — von nachtheiligem Einfluſſe ſein kann. Nur darf das Salz keine Kieſelſaͤure oder Thonerde enthalten, welche mit dem Kobaltſalz niederfallen wuͤrden. Daher das Gluͤhen des Salpeters zur Darftellung des ſalpetrichtſauren Kali's nicht in einem irde— nen, ſondern in einem ſilbernen oder eiſernen Tiegel vorgenommen werden muß. 37 Linie abgeſtoßen, indem in dieſer Entfernung die von Plücker entdeckte Wirkung die ferromagnetiſche über— wand. Ein Salpeterkryſtall wurde umgekehrt wegen ſeiner diamagnetiſchen Maſſe abgeſtoßen, in einiger Ent— fernung von den Polen aber ſcheinbar angezogen, indem die Abſtoßung der optiſchen Axen des Kryſtalls, welche in der kürzeren Dimenſion des Kryſtalls lagen, die diamagnetiſche Wirkung auf die Salpetermaſſe überwand. Ein kreisförmiges Glimmerblatt, welches in ſeiner Ebene horizontal ſchwingen konnte und, zwiſchen beide Pole gehängt, weder ferromagnetiſch, noch diamagnetiſch bewegt werden konnte, wurde durch den Magnetismus fo gedreht, daß die Ebene der optiſchen Axen abgeſtoßen wurde, woraus folgt, daß die Wirkung gegen dieſe Axen und nicht gegen die kryſtallographiſche Axe gerichtet war, welche mit der optiſchen Mittellinie und der verti— kalen Drehungsaxe zuſammenfiel. Verſuche mit einem Turmaline, zwiſchen den Polen eines großen Stahl⸗ magneten, zeigten deutlich dieſelben Erfolge. 2) Am 9. Februar: Ueber die ferneren Entdeckungen auf dem Gebiete des Magnetismus und Diamagnetismus. Die Abſtoßung, welche ein Magnet gegen die optiſchen Axen der nicht teſſeralen Kryſtalle äußert, wurde mit Hülfe des im vorigen Jahresberichte S. 27 beſchriebenen Elektromagneten am Turmalin, Glimmer, Sal— peter recht deutlich nachgewieſen. Es wurde gezeigt, wie in einer etwas größeren Entfernung jene Abſtoßung des Turmalin und Glimmer der ferromagnetiſchen Anziehung unterliegt, und wie auch mit Hülfe eines ſtarken Stahlmagnetes, mittelſt zugeſpitzter Ankerſtücke, jene Erſcheinungen beobachtet werden können. — Nebenbei zeigte Herr Dr. Marbach die ſchönen Farbenringe, welche Eisplatten im polariſirten Lichte hervorbringen. Herr Dr. Med. et Chir. Middeldorpf, am 19. Juli: Ueber die ſchiefe Beleuchtung mikrofkopifcher Objekte. Ehe das mikroſkopiſche Licht zum Auge des Beobachters gelangt, hat es die Gläſer, den mehr oder minder undurchſichtigen Gegenſtand, die engen Oeffnungen des Tubus und die Blendungen zu paſſiren, außer: dem wird es durch die Vergrößerung auf eine ausgedehntere Fläche vertheilt oder gelangt reflektirt ſchief in das Auge. Dies zuſammen ſind die Gründe, warum es in ſeiner Intenſität gemindert, durch künſtliche Mit— tel, Hohlſpiegel, Sammellinſen u. ſ. w. konzentrirt und verſtärkt werden muß. Es bildet der Beleuchtungs— Apparat einen der wichtigſten Theile des Mikroſkops, und ſeine größere oder geringere Vollkommenheit iſt eines der einflußreicheren Momente für die Brauchbarkeit des Inſtrumentes. Wir übergehen hier die einzelnen Apparate für die grade Beleuchtung und ihre Technik, und wenden uns nur zu der zweiten Art der Erhellung mikroſkopiſcher Objekte, zur ſchiefen Beleuchtung (Eclairage oblique). Grade Beleuchtung iſt diejenige, wo Lichtſtrahlen zur Tubusaxe parallel in's Auge fallen, wo alſo bei der jetzigen Einrichtung der Mikroſkope 1 den horizontalliegenden Gegenſtand rechtwinklig ſchneidende Strahlen hindurchgehn. Schiefe Beleuchtung nennt man diejenige, wo die in's Auge gelangenden Lichtſtrahlen die Axe des Mi- kroſkopes ſchneiden. Dieſe Strahlen können entweder durch den Gegenſtand hindurchgegangen fein, — Be: leuchtung von unten, — oder es kann auf den Gegenſtand auffallendes Licht von dieſem reflektirt in's Auge gelangen, — Beleuchtung von oben —. Die grade Beleuchtung kann alfo nur von unten kommen und giebt die für die gegebenen Verhältniſſe größte Lichtſtärke. Die ſchiefe kann von oben und von unten kom⸗ 38 men und vermindert die Lichtſtärke. Es ſei a bee d ein Lichtbündel, fo nimmt das Auge e auf der kleinen Fläche a b dieſelbe Menge Licht wahr, wie das Auge k auf die Fläche g h vertheilt ſieht, g h wird daher minder intenſiv und zwar ſchief beleuchtet, a b hingegen iſt grade beleuchtet. Für gewiſſe Fälle iſt jedoch dem Beobachter die geminderte Lichtſtärke und die ſeitlich einfallenden Strahlen willkommen, da ſie ihm die ſtereo— metriſche Anſchauung des Gegenſtandes, d. h. die Erfaſſung ſeiner Aus— dehnung in die drei Raumdimenſionen, erleichtern. Während nämlich ſonſt das den Gegenſtand ringsumſtrahlende Licht ſeine Abſchattirung ver— hindert, macht der ſeitlich einfallende Strahl einen deutlichen Schatten nach der Dimenſion der Breite hin und geſtattet fo die Ausdehnung des Gegenſtandes in die Tiefe zu beurtheilen. Die Abſchattirung iſt nämlich eines der Hauptmittel, um uns der Körperlichkeit des Objektes deutlich bewußt zu werden, da der als Fläche in Projektion geſehene, ganz grade durch ein hinreichend großes Lichtbündel be— leuchtete Körper keine Schatten werfen, alſo keine Dimenſion in die Tiefe zeigen kann, ſomit ſich körperlos darſtellt. Bei kleinen Objekten, Kryſtallen, Blut- oder Lymphkörperchen, iſt es aber unumgänglich nothwen— dig, bei ihrer zarten Durchſichtigkeit und Kleinheit ihre Erhabenheiten und Vertiefungen, ihre Seitenflächen, mit einem Worte, ihre Ausdehnungen in die Tiefe zu ken— e ‘ ‘7 | nen, um ihre Figur zu beurtheilen, und dies erreichen wir . durch die ſchiefe Beleuchtung, wo die Länge, Dunkelheit, 1 , KA Form des Schattens uns Aufſchlüſſe geben. Es ſoll z. B 4 entſchieden werden, ob das Blutkörperchen die Geſtalt wie in a hat, oder die wie in b; geſetzt, daß von r und s das Licht einfällt. Hat es die Geſtalt wie in a, iſt es alſo napfför⸗ mig ausgehöhlt, fo wird ſich e und e hell, f und d be: ſchattet zeigen; hat es die Geſtalt wie in b, fo wird in g und h Licht und in i und k Schatten ſein. Ohne die ſchiefe Beleuchtung könnten wir die Frage, ſo lange wir den Gegenſtand flach von oben ſehen, nicht ent— 2 ſcheiden, da er ſich immer als zwei konzentriſche Ringe zeigen würde. — Amici erreichte die ſchiefe Beleuchtung durch Seitwärtsſtellung des Spiegels. Es ſei a b die Axe des Tubus, ce d der Objekttiſch, g h der Beleuchtungsſpiegel, fo wird der Axenſtrahl des Lichtkegels g fh e die verlängerte Mikroſkopaxe, 1 die Sehaxe ai, unter dem Winkel f e a fchneiden. el Auf eine andere Art erreichen wir die ſchiefe Beleuchtung, indem wir durch die Blendung einen Theil des graden Lichtkegels abſchneiden. Es ſei a b die Tubusaxe, c d der Objekttiſch, ik der Spiegel, der den Lichtkegel ie k reflektirt, fo wird, wenn ich den Schieber g k in den Lichtkegel verſchiebe, g fh K abgeſchnitten, und nur das ſchief einfallende Strahlenbündel s w g h i auf den Gegen⸗ ſtand geworfen. Eine dritte Art der ſchiefen Beleuchtung, die uns zugleich aufs Bequemſte geſtattet, die Schattirung nach allen Seiten hin zu bewirken, iſt die mittelſt des Prisma's. 39 Es ſei a c 1 g ein Glasprisma, K m der grade einfallende Strahl, fo wird er, ſtatt nach h k zu gehen, dem Einfallsloth ki genähert, da er aus dem Dünneren ins Dichtere übergeht; er geht alſo nach Kk b, dort wird er, vom Ein— fallsloth bad entfernt, ſtatt nach be zu gehen, nach bf fallen. Werden die Flächen gl und a c konvex geſchliffen, fo entſteht eine Lichtverſtärkung Alſo ift der urſprünglich grade Strahl k m ſchief geworden und ſchneidet die Sehare. Es iſt einleuchtend, daß es noch um Vieles erſprießlicher iſt, nach allen Seiten hin die Schatten werfen zu können, weil wir auf dieſe Art, z. B. bei einem Kryſtall, alle ſeine Flächen beleuchten und beſchatten können, mit Ausnahme derer, auf der im Augenblicke unſere Sehaxe ſenkrecht ſteht. Man fest dieſes Prisma in die Oeffnung des Objekttiſches. Auf dieſe Weiſe kann man es jeden Augenblick entfernen, und, es um die Axe drehend, den Schatten nach allen Seiten hinwerfen, ſomit den Gegenſtand, um ſo zu ſagen, mit dem Lichte umgehen. MM Am Elarften ſehen wir diefe Vortheile bei einer Navicula ein, welche mit den feinſten Parallelfurchen, die in vier Richtungen ſich unter Winkeln von 45° ſchneiden, gerippt iſt. Die ſtärkſte Vergrößerung giebt uns bei gradem Lichte keine Ahnung davon, bis das ſchiefe Licht die Tiefe und Höhe der Furchen als Schatten und Licht zeigt, und das Prisma nach jeder Drehung von 45° uns eine andere Furchenrichtung und zwar diejenige immer am ſchärfſten erkennen läßt, auf die der ſchiefe Strahl rechtwinklig einfällt. Herr Profeſſor Dr. Pohl zeigte und erläuterte in zweien, am 24. Mai und 20. Dezember gehaltenen, Vorträgen: Verſchiedene Arten der Darſtellung des von Ampere zum Fundament ſeiner elektro- dynamiſchen Theorie beſtimmten Erfolges. Dieſer letztere beſteht bekanntlich darin, daß zwei hinlänglich bewegliche, parallel gerichtete Theile des geſchloſſenen Kreiſes der galvaniſchen Kette ſich, wie es gewöhnlich ausgedrückt zu werden pflegt, einander an— ziehen oder abſtoßen, je nachdem ſie von dem elektriſchen Strome in gleichem oder entgegengeſetzten Sinne durchfloſſen werden. 8 Es wurde in Bezug auf dieſen Ausdruck zuerſt erwähnt, daß die Bewegung in keinem der beiden Fälle eine eigentliche Anziehung oder Abſtoßung zu nennen ſei, weil dieſe nur eintritt, ſofern jeder von beiden Theilen bloß unipolar auf den andern einwirkt. Hier hingegen, wo der Magnetismus in der Form der Circularpola— rität, d. h. in jedem Theil von jedem einzelnen Punkte aus bipolariſch wirkt, iſt der Erfolg von der Art, daß man ihn nicht ausſchließlich als eine bloß einſeitige Anziehung oder Abſtoßung bezeichnen kann, ſondern er muß als das Reſultat beider gleichzeitig ſtattfindender Wirkungen betrachtet werden. Vermöge der Cirkular— polarität beſtimmen ſich beide auf einander wirkende Theile zu einer auf ihrer normalen Verbindungslinie erfol— genden Bewegung, die lediglich in Folge der jedesmaligen Polaritätsrichtung, keinesweges in Folge der ſpeci— fiſchen Verſchiedenheit der Polarität ſelbſt, beim Anfange der Bewegung von beiden Seiten aus entweder nach der Mitte jener Linie hin oder von ihr abwärts gerichtet iſt. Im Weſentlichen iſt alſo das Verhalten beider Theile in beiden Fällen ſeinem Charakter nach ein und daſſelbe, und nur die Richtung, nach welcher die Be— wegung vor ſich geht, iſt verſchieden, fo daß der Erfolg in dem einen oder andern Falle nicht als eine Anzie⸗ hung oder Abſtoßung, ſondern nur als eine mit gegenſeitiger Annäherung oder Entfernung beider Theile ver— bundene Bewegung derſelben bezeichnet werden darf. 40 Es knüpfte ſich hieran zugleich die Bemerkung, inſofern es nicht die Elektrizität, welche allein dem Zuſtande der Kette vor der Schließung derſelben angehört, und der bloß hypothetiſche elektriſche Strom, ſon— dern thatſächlich der Magnetismus iſt, welcher hier als der weſenrliche Gehalt der Erſcheinungen auftritt, daß der in Rede ſtehende Erfolg keinesweges geeignet ſei, als Fundamentalerfolg der elektromagnetiſchen Phänome— nologie zu gelten, da er vermöge der magnetiſch bipolaren Wechſelwirkungen beider Theile ungleich komplizirter iſt, als ein ſolcher Erfolg, bei welchem, wie in dem Oerſted'ſchen Fundamentalverſuch, nur ein gewöhnlicher Magnet mit einzelnen Polen auf den in allen Punkten bipolaren Schließungsdrath der Kette einwirkt. Nach dieſer kurzen Vorbemerkung wurde zur Erörterung der Apparate und zur Darſtellung der damit vorzunehmenden Verſuche geſchritten. In dem erſten Vortrage wurde der beabſichtigte Erfolg in der Weiſe bewerkſtelligt, daß eine Kupfer: nadel, die mit ihren umgebogenen Enden in zwei parallele, mit Queckſilber gefüllte, gradlinige horizontale Rin— nen tauchte, deren Abſtand der Länge der Nadel gleich kam, den einen beweglichen Theil bildete, während ein auf geeigneter Unterlage vorſchiebbarer, aus einem langen, mehrfach gewundenen Kupferſtreifen gebildeter Mul⸗ tiplikator den andern, auf jenen einwirkenden und demſelben beliebig nahe zu bringenden Theil des geſchloſſe— nen Kreiſes der Kette ausmachte. Beide Theile waren dergeſtalt, jeder für ſich, mit einem Gyrotrop, und unter einander verbunden, daß in jedem von ihnen einzeln die transverſal-magnetiſche Polaritätsrichtung (nach Ampere die longitudinal gedachte Richtung des ſogenannten elektriſchen Stroms) beliebig beſtimmt werden konnte, und die auf dem Queckſilber ſchwimmende Nadel wurde ſonach, je nachdem der eine oder der andere der beiden Gyrotropenbügel oder auch beide zugleich umgelegt wurden, der Regel gemäß mit Lebhaftigkeit theils nach dem, ihr parallel gerichteten Multiplikator hin, theils von ihm abwärts bewegt, theils wurde ſie be— ſtimmt, eine feſte Stellung in der Nähe oder Entfernung gegen denſelben einzunehmen. In dem zweiten Vortrage wurden zwei andere, dem beabſichtigten Zwecke entſprechende Apparate mit den dazu gehörigen Verſuchsreihen vorgezeigt und erörtert. An dem einen dieſer Apparate beſtanden die beiden beweglichen Theile aus vierſeitigen Multiplikatoren von dünnem beſponnenen Kupferdrath, und lagen mit den amalgamirten Drathenden, welche an jedem Multiplikator die Verlängerung einer Seite des Vierecks bildeten, auf einer gabelförmigen Kupferſchiene, welche an der Biegung und in der Mitte eines jeden ihrer horizontal gerichteten Schenkel durchſchnitten war. Die ſo gebildeten vier Stücke dieſer Unterlage waren unter einander und mit den beiden darauf liegenden, parallel herabhängenden Multiplikatoren durch Leitungsdräthe nebſt zwei Gyrotropen dergeſtalt verbunden und dem geſchloſſenen Kreiſe der Kette eingefügt, daß man mit Leichtigkeit die Polaritätsrichtung in jedem einzelnen Multiplikator beliebig ändern und damit bewerkſtelligen konnte, daß die Multiplikatoren durch ihre Wechſelwirkung auf einander aus der vertikalen Lage getrieben, und daß ſie, indem die unteren Seiten ſich entweder näherten oder auseinander wichen, in Lagen gebracht wurden, bei welchen die abwärts gerichteten Seiten unter Winkeln über 90“ gegen einander geneigt waren, während ſie bei unge— ſchloſſener Kette ſenkrecht und parallel beiſammen herabhingen. An dem anderen Apparate war der bewegliche Haupttheil ein aus beſponnenem Kupferdrath gebildetes, an Kokonfäden in einer Vertikalebene herabhängendes, rechtwinkliges Viereck, das um ſeine vertikale Mittellinie leicht drehbar, aber ſo gewunden war, daß der Erdmagnetismus, wenn die Kette durch dieſes Drathviereck ge— ſchloſſen wurde, keine Bewegung daran hervorzubringen vermochte. Auf jeder Seite dieſes Theils befand ſich ein vertikal ſtehender, aus einem Streifen Kupferblech gebildeter rechtwinkliger Rahmen, der um ſeine vertikale Mittellinie gedreht werden konnte, ſo daß die eine oder die andere ſeiner beiden Vertikalſeiten der Vorderſeite des hängenden Drathviereckes bis auf einen Abſtand von zwei Zollen nahe gebracht wurde. An der unteren horizontalen Seite waren die beiden Kupferrahmen durchſchnitten, und durch jeden von ihnen, ſo wie durch das an den Kokonfäden hängende Drathviereck war die Kette, zugleich mittelſt zweier Gyrotropen, dergeſtalt geſchloſſen, daß die Verbindung in jeder Lage, die den Kupferrahmen durch ihre Drehung gegeben wurde und die das hängende Drathviereck durch ſeine Bewegung einnahm, nicht aufgehoben wurde, ſondern ungeſtört 41 a fortbeftand, während man die magnetiſche Polaritätsrichtung in jedem un Theile durch die Gyrotropen beliebig und augenblicklich zu beſtimmen vermochte. Vor der Schließung der Kette wurde nun der eine Kupferrahmen mit Fer Ebene derjenigen des hän— genden Drathviereckes parallel geſtellt, der andere Rahmen dagegen wurde ſo gedreht, daß ſeine Ebene ſenkrecht gegen die Ebene des Drathviereckes gerichtet und die eine Vertikalſeite des Rahmens in einer Entfernung von zwei Zollen der Vorderſeite des Drathviereckes genähert war. Bei der Schließung der Kette fand ſodann die Annäherung oder Entfernung zwiſchen den beiden letztgenannten Seiten ſtatt, indem die Vorderſeite des Drath— viereckes ſcheinbar von der gegen daſſelbe gerichteten Seite des Kupferrahmens der Regel gemäß angezogen oder abgeſtoßen wurde, je nach der durch die Gyrotropen in den auf einander wirkenden Theilen beſtimmten Polaritätsrichtung. Wenn dagegen derſelbe Kupferrahmen, bei der nehmlichen Polaritätsrichtung, um 180° gedreht wurde, ſo daß er nun mit der andern, bisher entfernt gehaltenen Vertikalſeite auf die Vorderſeite des Drathviereckes einwirkte, ſo war der Erfolg dem eben vorher ſtattgefundenen entgegengeſetzt, wegen der in den beiden Seiten des Rahmens nothwendig auch entgegengeſetzten Polaritätsrichtung. Wurden aber beide Ku— pferrahmen zugleich, ein jeder mit einer von ſeinen beiden Vertikalſeiten gegen die Vorderſeite des Drathvier— eckes gerichtet und die Kette geſchloſſen, ſo konnte man nach Willkür, theils durch das Umlegen der Gyrotro— penbügel, theils durch die Drehung des einen von beiden Kupferrahmen um 180% bewirken, entweder daß der Erfolg von beiden Seiten aus entgegengeſetzt ausfiel, ſo daß, während das Drathviereck mit ſeiner Vorderſeite von dem einen Kupferrahmen ſcheinbar abgeſtoßen wurde, es ſich dem andern mit der nehmlichen Seite näherte und alſo ſcheinbar von ihm angezogen wurde, oder auch, daß eine und dieſelbe Wirkung von beiden Seiten her ſtattfand, indem die Vorderſeite des Drathviereckes von der einen wie von der andern Seite der beiden Kupferrahmen ſcheinbar angezogen oder auch abgeſtoßen wurde, wobei jenes im letzteren Falle ſo lange hin und her oscillirte, bis es in der Mitte zwiſchen den beiden Rahmen zum Stillſtand gelangte. Herr Dr. Sondhauß, am 14. Oktober: Ueber die Vibrationen von Luftſäulen. Nachdem derſelbe ſich über den Unterſchied zwiſchen ſtehenden und fortſchreitenden Schwingungen aus: geſprochen, erklärte er die verſchiedenen Schwingungsarten der Luft in offnen und gedeckten Pfeifen, und ließ darauf eine durch Experimente erläuterte Erörterung über die Entſtehung und Modifikation des Tones in Zungen⸗ und Labialpfeifen folgen. Unter Anderem zeigte er, daß eine um ihre Are ſehr raſch rotirende La— bialpfeife tönt. Zuletzt theilte der Vortragende noch eine Notiz über die Entſtehung von eigenthümlichen Tönen mit, welche hörbar werden, wenn man einen Luftſtrom von entſprechender Stärke durch eine Schraubenmutter ſtreichen läßt. Dieſe Muttern, mit einem Gewinde von verſchiedener Stärke verſehen, haben eine Oeffnung von 2 bis 6 Millimetres Durchmeſſer und ſind theils in Meſſing, theils in Eiſen geſchnitten. Man kittet dieſelben auf einen durchbohrten Pfropfen, um den kleinen Apparat auf das Rohr des Blaſetiſches zu ſetzen. Bei Anwendung von weiten Oeffnungen iſt es zweckmäßig, in dieſelben einen runden Kern einzuſetzen. — Man kann den Apparat auch ſo einrichten, daß man in eine glatte, d. h. mit keinem Gewinde verſehene Oeffnung einen Kern einſetzt, in welchem ein Gewinde eingeſchnitten iſt. — Je weiter die Oeffnung iſt, deſto ſchwächer iſt der zur Erzeugung der Töne erforderliche Luftſtrom. Bei engen Oeffnungen hört man gewöhnlich nur einen oder zwei ſehr hohe Töne, bei weiteren folgen oft drei bis vier Töne bei allmälig zu- oder abneh- mendem Luftdrucke ſcharf getrennt auf einander, und zwar ſo, daß dem ſtärkeren Luftdrucke ein höherer Ton entſpricht. Noch andere Töne und zwar tiefere entſtehen, wenn man bei noch ſchwächerem Luftſtrome über die Oeffnung der Schraubenmutter eine ſcharfe Schneide oder ein mit einer eben ſo großen oder etwas größe⸗ ren runden Oeffnung verſehenes Blech hält. 6 42 Intereſſante Töne entftehen auch, wenn man einem Luftſtrome, der durch eine in einem Bleche ange— brachte Oeffnung gegangen iſt, eine zweite, eben fo große oder größere Oeffnung entgegenhält. Die Höhe der Töne hängt von der Stärke des Luftſtromes, von der Größe und der gegenſeitigen Entfernung beider Oeff— nungen ab. Der Apparat iſt ſehr einfach. Auf einen durchbohrten Kork wird ein dünnes Blech gekittet, in welches ein Loch von 2 bis 8 Millimetres Weite gebohrt iſt; ein eben ſolches Blech hält man, wenn der Kork auf das Rohr des Blaſetiſches geſetzt iſt, mit den Fingern ſo darüber, daß die beiden Oeffnungen ſenkrecht über einander zu ſtehen kommen. Nähert man das bewegliche Blech allmälig dem andern, oder verſtärkt bei derſelben Stellung allmälig den Luftdruck, ſo hört man 4 bis 5 höhere Töne fcharf getrennt auf einander folgen. Legt man zwiſchen die beiden Bleche einen Korkring von weiterer Oeffnung, ſo wird die Höhe der Töne verändert, ihre Aufeinanderfolge bleibt aber dieſelbe. Verbindet man die beiden Bleche feſt mit einander, ſo kann man den Apparat, der dann mit dem ſogenannten Vogelruf übereinſtimmt, bequem mit dem Munde anblaſen. Daß man dieſes Inſtrument nicht ferner zu den Labialpfeifen rechnen darf, wie Savart und Pelliſov gethan haben, möchte aus dem Erwähnten ſchon genügend hervorgehen. Herr Dr. Sond hauß hofft nach weiteren Verſuchen über dieſe Töne noch genauere Auskunft geben zu können. In der Verſammlung am 23. Februar trug Herr Dr. Phil. W. G. Schneider, unter Voraus⸗ ſchickung einiger näheren Notizen über die Auffindung, eine genaue Beſchreibung des Aeußern und Innern der bei Seeläsgen gefundenen, 218 Pfund ſchweren Meteoreiſenmaſſe mit, und legte zur Erläuterung ſeines Vortrages eine Reihe inſtruktiver, die Eigenthümlichkeiten der Maſſe ſehr ausgezeichnet zeigender Exem— plare vor. Das Seeläsgener Meteoreiſen unterſcheidet ſich weſentlich von dem Braunauer durch die zahlrei— chen feinen Sprünge, welche die Maſſe durchziehen, ſo wie durch die große Menge der Einſchlüſſe von Schwe— felkies, welcher theils in kleinen Parthieen (und dadurch dem Eiſen einen ſchwachgelblichen Schimmer verlei— hend), theils in mittelgroßen und ſehr großen Kernen bis zu 3½“ Länge und 1½“ Dicke, meiſt dunkler Färbung, ſowohl an der äußern Rinde, als mitten in der Maſſe, und durch dicke Adern unter ſich verbun— den auftritt. Merkwürdig iſt noch bei dieſem Meteoreiſen eine ſchlackenartige, zackenförmige Bildung von Bruchflächen, beſonders an Stellen zunächſt der Rinde, und wo ſich dort die tiefſten Gruben befinden. Der Bruch iſt feinkörnig, nach Strukturrichtungen, von denen ſich in der Regel nur eine vorfindet, ausgezeichnet großblättrig und faſt zinnweiß; nur einmal gelang es, zufällig zwei unter rechten Winkeln ſich ſchneidende Strukturflächen zu gewinnen, welche einen ſäulenförmig verlängerten Würfel darſtellen. Auf gut polirten Flächen dieſes Meteoreiſens entſtehen durch Aetzen mit Salpeterſäure keine Widmannſtädtiſchen Figuren, fon: dern nur zunächſt den oben erwähnten feinen Sprüngen entſprechende geſchlängelte Furchen, und eine ſehr körnige Oberfläche, nur von einzelnen kurzen zerſtreuten Linien nach einer Richtung durchzogen. Da die Seeiäsgener Maſſe wohl ein paar Jahrhunderte in feuchter Erde gelegen haben mag, fo war die äußere Rinde meiſt ſehr dick mit Eifenorydhydrat überzogen, und durch Riſſe ſcheint die Feuchtigkeit auch ſtellenweiſe ins Innere gedrungen, eine Zerſetzung des Schwefelkieſes, und ſomit die Entſtehung jener oben— erwähnten ſchlackenartigen und zadigen Bruchtheilung veranlaßt zu haben. Nach der von Herrn Profeſſor Dr. Duflos angeſtellten Analyſe ergaben ſich folgende Beſtandtheile: Die quantitative chemiſche Zerlegung des Meteoreiſens von Seeläsgen hat, als Beſtandtheile deſſelben, ergeben: Eiſen , 00.000 Transport 96,654 Nickel, 8 F 0,104 Kobalt 043 D 9 | Mangan. . 0,912 Schreiberſit ... 0,834 * Latus 96,654 Summa 98,749 — Der in dieſem Meteoreiſen in großer Menge eingewachſene Körper beſteht zum größten Theile aus Sch wefeleiſen, entwickelt daher mit Chlorwaſſerſtoff reichlich Schwefelwaſſerſtoff, hinterläßt aber dabei, außer einigen metalliſchglänzenden Blättchen und kleinen Partikelchen von Graphit, eine nicht unbedeutende Menge eines leicht abſchlemmbaren blauen, ſtark abfärbenden Rückſtandes, welcher in den ſtärkſten Säuren unlöslich iſt, auch vor dem Löthrohre vom Borax und Salpeter nicht aufgenommen wird, wohl aber von Soda, unter ſtarkem Schäumen und Funkenſprühen. Wird etwas davon mit Borax geſchmolzen und zu der ſchwarzen Perle etwas Salpeter zugeſetzt, ſo färbt ſich die Perle grün; das Erſtere deutet auf Kieſel (Silicium), das Letztere auf Chrom. Ausführlicher über dieſe intereſſante Maſſe berichteten die Herren DDr. Duflos und Schneider in Poggend. Annal. der Phyſik und Chemie, 1848, Nr. 5, S. 37 — 61; wie wir auch noch an dieſem Orte der eigenen Schrift erwähnen, die unſer korreſpondirendes Mitglied, Herr Apotheker Dr. Phil. Beinert zu Char⸗ lottenbrunn, über den Braunauer Meteoriten ſo eben veröffentlicht: „Der Meteorit von Braunau am 14. Juli 1847. Aktenmäßige Darſtellung, Beſchreibung und Analyſe, nebſt Anſichten über die Natur der Meteoriten. Nebſt einem Situationsplan und drei Tafeln Abbildungen. Breslau, in Kommiſſion bei E. Trewendt, 1848.“ Der in der Geſchichte der Meteoriten faſt einzige Fall wird hier genau beſchrieben, wodurch ſich in der That der Verfaſſer ein bleibendes Verdienſt und dauerndes Andenken in dieſem intereſſanten Gebiete unſers Wiſſens erworben hat. Der Sekretär der Sektion berichtete über den am 31. Januar 1848 hieſigen Ortes, wie in ganz Schleſien, beobachteten Meteorſtaubfall, der ſich auch auf ganz Nieder-Oeſterreich erſtreckt hatte, nach den von Ehrenberg ihm hierüber gewordenen Mittheilungen, dem er dergleichen überſendet hatte. Es ſind (Bericht über die Sitzung der Geſellſchaft naturforſchender Freunde zu Berlin vom 18. April) auf einer meh: rere Tauſend Quadratmeilen betragenden Fläche von Glogau und Spremberg, von Muskau bis Preßburg, Wien und Salzburg, mit und ohne Sturmwind, aus Südoſt bis Südweſt, nach Schätzung aus örtlicher Meſſung, Hunderttauſende von Centnern eines überall mit bis 67 Arten kleinen, dem bloßen Auge unſichtba⸗ ren, meiſt kieſelſchaaligen Organismen gleichartig erfüllten Staubes auf die Schneedecke des gefrornen Bodens abgelagert worden. Näheres über dieſen grauröthlichen Staub, deſſen Beſtandtheile mehrere weſentliche Charaktere mit dem Paſſatſtaube des atlantiſchen Meeres nach Ehrenberg gemein haben, enthalten die Monatsberichte des Jah— res 1848 der Akademie zu Berlin und Wien. — Einſendungen aus der Provinz verdanken wir Herrn v. Böhm zu Ober-Cunern bei Wohlau; eine chemiſche Analyſe des bei Breslau gefallenen dem ſtädti⸗ ſchen Hoſpital-Apotheker Herrn Müller, nach welchem in 100 Gran 80,45 Kieſelerde, 8,10 Thonerde, 1,18 Kalkerde, 0,10 Talkerde, 3,05 etwas manganhaltiges Eiſenoryd und 7,00 organiſche Beſtandtheile und Feuchtigkeit enthalten waren. Unſer korreſpondirendes Mitglied, Herr Apotheker Oswald in Oels, lieferte noch einen Bericht über eine wahrſcheinlich meteoriſche Maſſe von höchſt eigenthümlicher Beſchaffenheit, die die Aufmerkſamkeit der Naturforſcher im höchſten Grade verdient Im November des Jahres 1847 erhielt ich in einer Familien-Korreſpondenz die Nachricht, daß auf dem Gute Mauſchwitz ein leuchtendes Meteor gefallen und von dem Beſitzer, dem Herrn v. Sydow, auf— bewahrt worden ſein ſollte. — Ich war natürlich ſehr begierig, das Nähere über dieſe Maſſe zu erfahren und wo möglich etwas von der Subſtanz zu erhalten. Mit ſehr vieler Bereitwilligkeit wurde meinen Wünſchen entſprochen; ich gelangte bald nicht allein in Beſitz von ein paar Stückchen der Maſſe, ſondern erhielt auch noch folgende Notiz: 6 * 44 Am 18. Oktober 1847 Abends bald nach 8 Uhr ſah Herr v. Sydow auf dem Dominialgehöfte zu Mauſchwitz eine leuchtende Maſſe herabfallen. Er ging ſogleich auf den Fleck zu und fand eine galertartige Maſſe auf der Erde liegen, die er aufhob und in ſein Zimmer trug. — Nach mehreren Tagen; trocknete die Maſſe ein, ſchrumpfte zuſammen, riß an dem Rande ein und ſprang dann in fünf Theile, wovon ich den einen Theil (108 Gran ſchwer) durch die Güte des Herrn v. Sydow erhalten habe. Die Maſſe ſieht einem bräunlichen Gummi arabicum ſehr ähnlich, hat einen flachmuſchlichen Bruch von Glasglanz, die Oberfläche iſt trübe. Im Waſſer quillt die Maſſe auf, ohne dabei ſelbſt ſehr aufgelöſt zu werden; die aufgequollene Maſſe läßt ſich wie eine feſte Gallert leicht ſchneiden, trocknet raſch wieder ein, ohne ſich umzuändern; feucht erhalten, ſchimmelt ſie leicht. — Specifiſches Gewicht: 1,400. Die chemiſche Prüfung gab folgende Reſultate: Schwefelwaſſerſtoff und Schwefelwaſſerſtoff- Ammonium, ohne alle Reaktion, desgleichen Lakmus, Geor⸗ ginen= und Curcuma-Papier. Es find alſo weder freie Säuren, noch Alkalien, und eben ſo wenig Metalle vorhanden. Ohne Reſultat war ebenfalls die Probe auf Salze. — Im Glaskölbchen erhitzt, verkohlt die Maſſe raſch, bläht ſich dabei ſtark auf, unter Entwickelung der gewöhnlichen Produkte der trocknen Deſtilla⸗ tion, ſtickſtofffreier Vegetabilien. — Die Kohle verbrennt im offenen Kölbchen oder Glasrohre ſehr leicht und hinterläßt nur eine Spur von Kieſelſkelett. Salpeterſäure verwandelt die Maſſe in Kleeſäure. — Aus dieſen Verſuchen läßt ſich alſo folgern, daß die Maſſe aus Kohlenſtoff, Waſſerſtoff und Sauerſtoff beſteht. Eine Elementar-Analyſe habe ich damit noch nicht unternommen. — Infuſorien waren in der aufge⸗ quellten Maſſe und der Auflöſung nicht zu entdecken. — (Die Unterſuchung wurde vom Herrn Profeſſor Dr. Göppert angeſtellt.) Bei Gelegenheit dieſer Prüfung wurde die Vermuthung ausgeſprochen, daß dieſe Maſſe wohl nicht me⸗ teoriſchen Urſprungs fein dürfte, vielleicht aber Magenſchleim von Vögeln, wie ſolcher ſchon anderwärts (in Thüringen) beobachtet worden iſt, und welcher ebenfalls leuchtend geweſen ſein ſoll. Ich weiß nicht, ob ſol— cher Magenſchleim der Vögel einer chemiſchen Unterſuchung unterworfen worden iſt, und welche Reſultate die Unterſuchung ergeben hat, möchte indeß doch eher glauben, daß eine Analogie dieſer Stoffe nicht ſtatthaben dürfte, indem der Magenſchleim der Vögel wohl kaum ohne ſalzige Beſtandtheile ſein dürfte, welche der Mauſchwitzer Maſſe fehlen. — Phosphor oder phosphorige Säure habe ich ebenfalls nicht finden können. Es muß alſo noch ſpäteren Beobachtungen vorbehalten bleiben, über die Natur dieſer Maſſe Aufſchluß zu geben. Ich habe übrigens nachträglich erfahren, daß in Mauſchwitz öfters dergleichen Maſſen niedergefallen und gefunden worden ſind, weshalb ich auch hoffe, in Beſitz einer größern Quantität zu gelangen, um eine quan⸗ titative Unterſuchung und Elementar-Analyſe anzuſtellen. ö N Mineralogie, Geognoſie und Petrefaktenkunde. Herr Privat-Docent Dr. Kenngott, am 20. Juni 1848; Weber die richtige Auffaſſung und Behandlung der Kryſtallologie. Durch die fortgeſetzten vielſeitigen Unterſuchungen über die Eigenſchaften der Kryſtalle, ſowohl und zu— nächſt derjenigen, welche in das Gebiet des ſogenannten Mineralreiches gehören und gewöhnlich ausſchließlich natürliche Kryſtalle genannt werden, als auch derjenigen, welche unter der Einwirkung des Menſchen entſtehen und im Gegenſatz zu jenen den Beinamen „künſtliche“ führen, hat die erlangte Kenntniß derſelben eine andere als die bisher gewöhnliche Auffaſſung nothwendig gemacht. Es iſt nämlich eine neue Wiſſenſchaft entſtanden, oder fie iſt vielmehr noch in ihrem Entſtehen begriffen, die Kryſtalllehre oder die Kryſtallologie. Der Urſprung dieſer Wiſſenſchaft liegt in der Mineralogie, und ihre erften Anfänge bildeten die Kry—⸗ ſtallographie und andere kleine, die Kryſtalle betreffenden Unterabtheilungen der Mineralogie, welche unter eige— nen, auf ihren Inhalt bezüglichen Namen, wie Kryſtallometrie, Kryſtallonomie, Kryſtallotomie, Kryſtallogenie bekannt ſind, und deren Ausbildung durch die vorgeſchriebenen Grenzen der Mineralogie beſtimmt wurde. Befreit aus der bisherigen untergeordneten Stellung, welche die Kryſtalllehre in ihrem Urſprunge einnahm, fo lange ihr Inhalt nur theilweiſe einer wiſſenſchaftlichen Behandlung gewürdigt wurde, ergiebt ſie ſich als eine ſelbſtſtändige Wiſſenſchaft von einem Umfange und Inhalte, deſſen Grenzen bis jetzt noch nicht erforſcht ſind und ihrer Ausdehnung wegen noch nicht beſtimmt werden können. Die bisherige Stellung der einzelnen, die Kryſtalle betreffenden Disciplinen, wenn man ihnen überhaupt ſchon dieſen Namen im Bereich der Mineralogie geben kann, iſt auch der Grund, warum ſogar jetzt noch der Kryſtallologie fo viele Schwierigkeiten entgegengeſetzt werden und ihr ſelbſtſtändiges Auftreten als nicht noth— wendig betrachtet wird. Denn einerſeits wurde bis jetzt die Lehre von den Kryſtallen nur als ein integrirender Theil der Mineralogie angeſehen und gelehrt, und wenn auch Manches von nicht mineraliſchen Kryſtallen mitten einfließen mußte, ſo waren doch die mineraliſchen Kryſtalle die Hauptſache, welche überhaupt die Kry— ſtallographie und die anderen angeführten Abtheilungen nothwendig machten und als der wahre Inhalt derſel— ben angeſehen wurden; für die anderen, die künſtlichen Kryſtalle und für noch andere von unbeſtimmter Stel— lung erlaubte man Einiges aus der Mineralogie zu entlehnen. So lange dieſe Anſicht über Kryſtalle über— haupt und insbeſondere über die nicht mineraliſchen Kryſtalle herrſcht, und dieſelben nur der Mineralogie we— gen, als der alleinigen Wiſſenſchaft von den unorganiſchen natürlichen Körpern, berückſichtigt werden, ſo lange wird freilich die Kryſtallologie als unſelbſtſtändig, wenn nicht ſogar als unnöthig, betrachtet und behandelt. An— dererſeits wird der Begriff und die Stellung der Kryſtallologie zur Mineralogie falſch aufgefaßt und dadurch von vornherein der Argwohn erregt, als ſollte durch ſie die Mineralogie als Wiſſenſchaft beeinträchtigt werden, was doch durchaus gar nicht der Fall iſt, indem die letztere in ihrem Inhalte unverkürzt bleibt und für ſie die Kryſtallologie nur dann dieſelbe Rolle ſpielt, wie die Phyſik und Chemie, aus welchem neuen gegenfeitigen Ver: hältniſſe für die Mineralogie noch mannigfacher Nutzen hervorgeht, welcher bis jetzt noch nicht daraus gezogen werden konnte. i Bei der bisherigen gewöhnten Betrachtungsweiſe konnte es daher auch nicht fehlen, daß die Verſuche, welche in der neueſten Zeit gemacht worden find, die Kryſtalle in einem weiteren Umfange, als es die Mine— ralogie geſtattet, oder, mit anderen Worten, in ihrem wahren Umfange wiſſenſchaftlich zu behandeln, nicht den gewünſchten Erfolg hatten, und daß die Kryſtallologie oder Kryſtalllehre in ihrer wahren Bedeutung als eine für ſich beſtehende Wiſſenſchaft noch nicht feſtgeſtellt angenommen worden iſt. Die gewünſchte und durchaus nothwendige Aufnahme kann aber keinesweges ausbleiben, wenn man nur erſt vollſtändig überzeugt ſein wird, um was es ſich eigentlich in der Kryſtallologie handelt, und welche großen Erfolge für die geſammte Natur— wiſſenſchaft gerade aus dieſem Theile hervorgehen können und ſicher auch bald werden. Dazu gehört aber nothwendigerweiſe eine ſelbſtſtändige, durch keine Nebenrückſichten getrübte Anſchauung der Kryſtalle, als der natürlichen unorganiſchen individuellen Körper, wobei man aber die unorganiſche Natur nicht bloß im Mineralreiche zu ſuchen oder die Mineralien nicht allein als unorganiſche Naturprodukte anzu⸗ ſehen hat. Wenn von Naturwiſſenſchaften und in ihnen, ſo wie auch anderwärts von natürlichen Körpern die Rede iſt, welche letztere den Gegenſtand der Naturwiſſenſchaften ausmachen, ſo pflegt man die Begriffsbeſtimmung derſelben gewöhnlich als bekannt vorauszuſetzen, oder mit wenigen Worten abzufertigen, weil man es für etwas ganz Natürliches hält, bereits ſchon zu wiſſen, welche Körper natürliche ſind. Man ſpricht viel von natürli— chen und künſtlichen Körpern, von Natur- und Kunſtprodukten, man betreibt Naturwiſſenſchaften in den ver— ſchiedenſten Graden der Ausdehnung, ohne ſich ſelbſt erſt weiter Rechenſchaft abgelegt zu haben, welche Körper natürliche genannt werden müſſen, oder worin man den Unterſchied zwiſchen Natur- und Kunſtprodukten zu 46 ſuchen habe, weil man die vorgefchriebene Grenze vor ſich hat und damit zufrieden iſt. Die Gewohnheit, mit ſolchen Worten von Kindheit an ſich auszudrücken, bevor man die wahre Bedeutung aufgefaßt hat, und die eigenthümliche Anſicht des Menſchen, daß von da an das Gebiet des Natürlichen beſchränkt werde und die Benennung „künſtlich“ angewandt werden könne, wo er mit feiner Wirkſamkeit beginne, haben endlich dahin geführt, daß man ſo leicht über die Beſtimmung des Begriffes hinweggeht, und gerade da, wo es ſich darum handelt, ſie als bekannt vorausſetzt. Für gewöhnlich kommt es freilich nicht darauf an, darüber nachzudenken, wodurch man die Körper als natürliche und künſtliche unterſcheide, weil die eigene Anſchauung täglich lehrt, daß die Thiere, Pflanzen und Geſteine “) auf und in unſerer Erde nicht von den Menſchen gemacht werden und daher natürliche Körper genannt werden müſſen. Für dieſe drei Arten natürlicher Körper, welche ſehr bald als von der menſchlichen Kunſt unabhängige aufgefaßt werden konnten und im Gegenſatz zu dieſer benannt wurden, bilde— ten ſich drei Zweige der geſammten Naturwiſſenſchaft: die Lehre von den Thieren (die Zoologie), die Lehre von den Pflanzen (die Phytologie oder Botanik) und die Lehre von den Geſteinen (die Mi— neralogie). Es war auch keine ſchwierige Aufgabe, dieſe drei Arten im Bereich unſerer Erde befindlicher Kör— per als ſolche zu erkennen, welche ohne die bildende und ſchaffende Thätigkeit des Menſchen entſtanden ſind oder entſtehen, ſelbſt wenn auch dieſelbe fördernd und hindernd einwirken kann, und man mußte ſie mit einem gemeinſamen Beiworte bezeichnen, welches den Gegenſatz zu dem ausdrücken ſollte, was der Menſch bildet. Durch dieſe allerdings richtige Auffaſſung und Benennung war aber keinesweges für alle Körper, welche im Bereich unſerer Erde exiſtiren und entſtehen, die Grenze feſtgeſtellt, nach welcher es außer den Thieren, Pflanzen und Geſteinen keine natürlichen Körper mehr gäbe, oder die Anſicht beſtätigt, daß erſt durch den Menſchen der Unterſchied zwiſchen natürlichen und künſtlichen Körpern hervorgegangen wäre. Wenn auch der Menſch zu ſeinem eigenen Zwecke und Verſtändniß dieſen Unterſchied machte oder vielmehr wahrnahm und ausſprach, ſo würde es auch ohne ihn ſchon natürliche und künſtliche Körper gegeben haben und noch fort— dauernd geben. Man darf ſich hier nur aller derjenigen Dinge erinnern, welche durch die Thätigkeit der Thiere dargeſtellt werden und auf den Namen Kunſtprodukte mit dem vollſten Rechte Anſpruch machen können. Der Unterſchied zwiſchen natürlichen und künſtlichen Körpern iſt faktiſch vorhanden und der Menſch hat ihn in Bezug auf ſich wahrgenommen, weshalb er am Ende ſeine Einwirkung zum entſcheidenden Merkmale ange— nommen hat, als gäbe es durch ihn nur künſtliche und ohne ihn nur natürliche Körper. Eine ſolche Annahme aber iſt unrichtig und würde für die Naturwiſſenſchaften ſehr unangenehme Folgen haben, wenn ſie überall maßgebend wäre und als maßgebend angenommen würde. Wie viele Körper entſtehen nicht unter dem Ein— fluſſe des Menſchen, welche trotzdem natürliche genannt werden müſſen, und bei denen es zum Theil, nämlich bei Pflanzen und Thieren, Niemandem einfällt, das Beiwort „künſtlich“ vorzuſetzen. Es hängt bekanntlich die Entſtehung, das Wachsthum, ſogar die Geſtalt und andere weſentliche Eigenſchaften ſo vieler Thiere und Pflanzen von dem Willen, der Thätigkeit und Einwirkung des Menſchen ab, und doch nennt Niemand die— ſelben künſtliche, wie es bei einer anderen Art von Körpern geſchieht, wenn auch gar nicht zu verkennen iſt, daß die Kunſt des Menſchen ſo viel an ihnen bewirkt hat. Was würde der Zoologe dazu ſagen, wenn alle Haus: und Zuchtthiere künſtliche Thiere, was der Botaniker, wenn alle Treibhaus-, Garten- und Feldpflanzen künſtliche Pflanzen genannt werden ſollten? Selbſt jeder der Wiſſenſchaften Unkundige würde eine ſolche Benennung für widerſinnig halten, wenn er auch einſieht, daß ein Unterſchied zwiſchen den genannten Thieren und den wilden, zwiſchen den genannten Pflanzen und den wildwachſenden zu machen iſt, und den Unterſchied ſehr bald zu ) Es kenn dieſer Ausdruck nach Belieben anſtatt des ſonſt g: wohnlichen „Mineralien“ gebraucht werden, weil er ganz Daſſelbe bezeichnet und im Ganzen genommen noch allgemein verſtaͤndlicher iſt, ohne zu befuͤrchten, daß das Gebiet der darunter begriffenen Koͤrper zu eng aufgefaßt werde; im Gegentheil 10 es oft Mae ſie als gleichbedeutend gleichmaͤßig zu gebrauchen. finden wiſſen. Um wie viel richtiger müſſen dann nicht die urtheilen, welche die Natur ſtudiren und ihre Erſcheinungen aller Art auf das Genaueſte zu erforſchen bemüht ſind? Sollten dieſe gerade an den Körpern das Natürliche ſo wenig ſicher beſtimmen können, daß, wenn es Körper betrifft, welche weniger Jedem klar und offenbar vorliegen, auch ſie die Entſcheidung nicht ſo leicht finden, wie bei den Thieren und Pflanzen? Wenn nun auch freilich nicht diejenigen Körper, welche man insgeſammt Geſteine oder Mineralien nennt, unter dem Einfluſſe des Menſchen entſtehen, und man bei ihnen durch eine von vornherein geſteckte Grenze gar nicht in Zweifel ſein kann, ob ſie natürliche ſind oder nicht, ſo geht doch gerade von ihnen zu— nächſt ein Widerſpruch über künſtliche und natürliche Körper aus. Durch die wiſſenſchaftliche Behandlung nämlich der Mineralien wurden alle Zuſtände derſelben den genaueſten Forſchungen unterworfen, und ſomit auch, wie ſchon oben angedeutet, die Kryſtalle derſelben in ihrer wahren Bedeutung als unorganiſche natürliche individuelle Körper aufgefaßt, ſo daß alſo die Mineralien als die unorganiſchen Naturprodukte unſerer Erde als individuelle und nicht individuelle geſchieden werden konnten. Durch die Unterſuchung aber der minerali— ſchen Kryſtalle mußte man auch zu der Anſicht gelangen, daß dieſelben mit anderen, welche ſich nicht im Inneren der Erde gebildet hatten, ſondern in Folge beſtimmter wiſſenſchaftlicher oder anderer Zwecke entſtanden waren, und ſogar, wenn man die dazu nöthigen Bedingungen erfüllte, nach Willkür entſtehen konnten, alſo überhaupt mit nicht mineraliſchen in manchen Verhältniſſen übereinſtimmten, weshalb dieſelben dazu ver— wandt wurden, um die Natur jener genauer zu erforſchen und dadurch um ſo mehr zu der Ueberzeugung führ— ten, daß ſie in allen Eigenſchaften als Kryſtalle mit jenen übereinſtimmen. Trotz dieſer Uebereinſtimmung nannte man ſie doch künſtliche Kryſtalle im Gegenſatz zu den mineraliſchen, den allein für natürliche ge— haltenen, und gönnte ihnen keinen Raum in den Wiſſenſchaften der natürlichen Körper, außer in ſo weit, daß ſie für die Kryſtallographie der Mineralogie als belehrende Beiſpiele dienten und in der Chemie ihrer Subſtanz wegen betrachtet wurden. Der Grund dieſer Anſicht und Hintanſetzung war, daß dieſe Kryſtalle nicht zu den Mineralien gerechnet werden konnten, und daß man nach der alten Gewohnheit, die natürlichen Körper in organiſche (die Thiere und Pflanzen) und in unorganiſche (die Mineralien) einzutheilen, oder um— gekehrt, das Gebiet der natürlichen Körper durch die drei genannten Arten zu begrenzen, nur drei Naturreiche hatte, weshalb man keine anderen natürlichen Körper aufkommen laſſen konnte, welche nicht in eines der drei bekannten Reiche paßten. Ohnehin machte ja ſchon die Mineralogie Schwierigkeiten genug, indem man ſich nicht mehr über ihren Begriff und Inhalt einigen konnte. Bei einem ſo unhaltbaren Grunde, welcher die nicht mineraliſchen Kryſtalle aus dem Gebiete der natür— lichen Körper weiſt, kann man durchaus nicht beharren; es iſt vielmehr Sache der fortſchreitenden Wiſſenſchaft, auch hier von einer alten Gewohnheit abzugehen, ebenſo wie man von den ſonſt üblichen vier Elementen ab— gegangen iſt, nachdem man eingeſehen hatte, daß nicht die Länge der Zeit eine irrthümliche Anſicht wahr macht. Es iſt dieſes Abweichen von dem alten Wege auch um ſo leichter, weil die Mineralogie weiter nicht geſtört wird, indem die Kryſtallologie fie nicht beſchränkt und für fit fo ſelbſtſtändig behandelt werden kann, wie die Zoologie und Botanik. Die einzige Beeinträchtigung der Mineralogie wäre etwa die, daß ſie in der Ein- und Vertheilung der einzelnen Disciplinen der Naturwiſſenſchaft eine andere, als die bisherige Stellung einnehmen muß und ſich die Kryſtallologie nicht unterordnen darf. Es könnten ſich demnach einerſeits die Mineralogen nicht mehr der Selbſtſtändigkeit dieſer Wiſſenſchaft entgegenſtellen, weil es ſich nicht um eine Verkürzung der Mineralogie als einer ſelbſtſtändigen Wiſſenſchaft handelt, andererſeits bedarf es auch nicht der Kenntniß der Mineralogie, um durch fie erſt zur Kryſtallologie geführt zu werden. Der letztere Punkt iſt beſonders wichtig, weil dadurch der Glaube beſeitigt wird, man müſſe vorerſt Mineraloge werden, um Kryſtallologie ſtudiren zu können, und man könne die letztere nicht ohne die erſtere verſtehen. Im Gegentheil wird die Kryſtallologie der, Mineralogie weit größere Vortheile bereiten, als das einſeitige Studium der mineraliſchen Kryſtalle im Bereich der Mineral⸗Kryſtallographie. Könnte fie außerdem vor ihrer Entwickelung einen den Schwierigkeiten ihrer Behandlung entſprechenden Nutzen darbieten, ſo würde ſie freilich Jedermann nothwendiger erſcheinen. Doch 48 davon kann man vor der Hand abfehen, da auch andere Wiſſenſchaften einen ähnlichen Anfang hatten und dennoch ihre Anerkennung fanden. Der Erfolg zeigte ſpäter, daß ſie nicht umſonſt gehegt wurden. Um nun die richtige Auffaſſung der Kryſtallologie in der oben angegebenen Bedeutung zu bewirken, woraus ſich ihre nothwendige Stellung als einer ſelbſtſtändigen Wiſſenſchaft und ihr Verhältniß zur Minera— logie ergeben wird, ſo iſt zuvörderſt der Begriff natürlicher Körper etwas näher zu erörtern, um darnach zu entſcheiden, ob die nicht mineraliſchen Kryſtalle künſtliche, oder ob ſie als natürliche Körper mit den minerali— ſchen zu vereinen und gemeinſchaftlich in einer eigenen Wiſſenſchaft nach allen ihren Verhältniſſen zu behan— deln ſind. Um zu erklären, was man eigentlich unter einem natürlichen Körper oder überhaupt unter dem Beiworte „natürlich“ zu verſtehen habe, muß man zunächſt auf den Urſprung des Wortes zurückgehen. Das Beiwort „natürlich“, ſo wie das ihm zu Grunde liegende Hauptwort „Natur“ ſind nicht deutſchen Urſprunges, ſon— dern Natur iſt eine Verkürzung des lateiniſchen natura, wovon das Beiwort naturalis, natürlich, herkommt. Beide Worte haben ſowohl im Lateiniſchen, als auch bei uns mannigfache, zum Theil in beiden Sprachen übereinſtimmende, zum Theil auch abweichende Bedeutungen; darin jedoch ſtimmen ſie überein, daß ſie den Begriff ausdrücken, welchen fie wirklich haben ſollen, nämlich daß fie uns das ausdrücken, was die nach un— ſeren Begriffen natürlichen Körper als ſolche ſogleich erkennen läßt, nämlich die Art ihres Daſeins. Naturalis und natura ſind von natus, dem Mittelworte des Zeitwortes nascor, entſtehen, abgeleitet, und dieſes Entſte— hen, richtig aufgefaßt, zeigt uns die natürlichen Körper als natürliche. Man könnte ganz kurz ſagen: corpora naturalia sunt ea, quae nata non facta sunt (natürliche Körper find diejenigen, welche entftanden, nicht gemacht find), und hätte bei richtiger Auffaſſung des Gegen— ſatzes das klarſte Bild, ohne erſt nöthig zu haben, zum näheren Verſtändniſſe „von ſelbſt oder durch ſich ſelbſt entſtanden“ zu ſagen. Da man aber im Sprachgebrauche bei der hier erforderlichen Bedeutung der Worte nicht ſtehen geblieben iſt, ſondern auch Körper, die wirklich facta, d. i. gemachte find, nata, d. i. entſtandene und umgekehrt benennt, wie es gerade einzelne ähnliche Verhältniſſe und die erſte Anſchauung hervorrufen, ſo iſt die gegebene Erklärung, trotz ihrer Richtigkeit, zu kurz und nur für diejenigen eigentlich verſtändlich und ausreichend, welche es ſchon wiſſen, um was es ſich handelt. Weder das lateiniſche Zeitwort nascor, noch das griechiſche u, noch das deutſche „werden oder entſtehen“, find für dieſe eine und beſtimmte Bedeutung allein im Gebrauch, welche zur Benennung der in Rede ſtehenden Körper dient. Wie ſchon oben erwähnt, umfaßte man die Thiere, Pflanzen und Geſteine mit einem gemeinſchaftlichen Namen, weil ſie ſämmtlich für den Menſchen ſolche ſind, welche er nicht macht. Kann nun auch der Menſch auf die Thiere und Pflanzen während ihrer ganzen Lebensdauer und ſelbſt ſchon im Voraus mannigfach einwirken und Vieles durch ſeine Einſicht in die Verhältniſſe derſelben hervorrufen, was meiſt ohne ihn, bisweilen vielleicht auch nicht, hervor— gehen könnte, ſo bleiben ſie doch immer entſtandene oder natürliche Körper, an denen man nur unter gewiſſen Umſtänden die Hand und den Verſtand des Menſchen an ihren Wirkungen wahrnehmen kann. Sie ſind von ihrem erſten Urſprunge an natürliche Körper und werden als ſolche während ihrer ganzen Dauer betrachtet, wobei freilich ihre Individualität und ihre Lebensäußerungen zu der richtigen Auffaſſung am meiſten beitragen. Für die Geſteine oder Mineralien mußte die Beſtimmung der Natürlichkeit um ſo leichter ſein, weil die örtlichen Verhältniſſe dabei beſonders den Ausſchlag geben konnten und den Beweis leicht an die Hand gaben, daß ſie nicht Produkte menſchlicher Kunſt genannt werden dürften, jedoch iſt bei ihnen eine beſtimmte Grenze geſetzt, bis zu welcher dieſelben als Naturprodukte angeſehen werden können. Die Geſteine nämlich, welche die natürlichen Zuſammenſetzungs- oder Beſtandtheile des Erdkörpers als eines Ganzen, alſo in völliger Unab— hängigkeit vom Menſchen, bilden und als ſolche ſich durch die Sinne, vorzüglich durch das Geſicht wahrnehmen und unterſcheiden laſſen, können bei gleicher Beſchaffenheit der Subſtanz in verſchiedenen Formenverhältniſſen auftreten, und entweder individuelle Gebilde, das ſind Kryſtalle, oder Maſſen von beſtimmter und unbeſtimmter Form darſtellen. Als Kryſtalle haben ſie, entfernt von ihrem urſprünglichen Orte, dem ſogenannten Fundorte, ihre natürliche Geftalt, und find daher als natürliche Körper nicht zu verkennen, fo lange man noch weiß, daß ſie wirklich Mineralien ſind und man die bisherige Anſicht theilt. Die Mineralmaſſen dagegen müſſen, wenn ſie von zu großer Ausdehnung ſind, zum Zweck der Erkenntniß getrennt und getheilt werden, wodurch ſie dann eine in Beziehung auf Größe, Anſchaulichkeit und dergleichen beſtimmte Geſtalt erhalten, welche keine natürliche, ſondern eine von Menſchen hervorgebrachte oder gemachte iſt. In dieſem Falle nennt man jedoch die Mineralmaſſen in einer für den Zweck der Erkenntniß gegebenen Form nicht Kunſtprodukte, weil ihre Ge⸗ ſtalt eine gemachte iſt, wenigſtens iſt jede ſolche Benennung mit Recht zurückzuweiſen, wodurch alle Format⸗ ſtücke der Mineralienſammlungen zu Kunſtprodukten würden. Das Mineral, z. B. ein Stück Kreide, iſt ein natürlicher Körper, gleichviel, ob man daſſelbe als Gebirgstheil ſieht, oder ob man ein fauſtgroßes Stück los ſchlägt und in den Mineralienſchrank legt; denn die für dieſen Zweck nothwendige und ohne Anſpruch auf Kunſt gegebene Form macht weder das Mineral wegen dieſer gegebenen Form zu einem Kunſtprodukte, noch verändert dieſelbe die Eigenſchaften, welche das Mineral beſitzt und behufs feiner Erkenntniß wahrgenommen werden ſollen. Erſt dann, wenn man dem Mineral eine beſtimmte Form giebt, welche für einen anderen Zweck nothwendig iſt, oder welche die Geſtalt eines anderen Körpers darſtellen ſoll, wird es der gegebenen Form wegen zum Kunſtprodukt, gleichviel, ob die Form wirklich eine künſtleriſche iſt oder nicht. In dieſem Sinne iſt der rechtwinklig prismatiſch zugeſchnittene Kreideſtift, eine Alabaſtervaſe oder eine Marmorſtatue ein Kunſtprodukt, weil da dem Mineral eine beſtimmte Form für einen beſondern Zweck gegeben worden iſt und das Mineral als ſolches gar nicht in Betracht kommt. Sind nun die Thiere, Pflanzen und Mineralien, gleichviel, welche der verſchiedenen Definitionen man für letztere richtig hält, jedoch mit der angedeuteten Beſchränkung, in der nat natürliche Körper, ſo iſt damit noch nicht ausgemacht, daß es außer ihnen keine natürlichen Körper mehr auf unſerer Erde gäbe. Nennt man nämlich, um den Begriff allgemein verſtändlicher auszudrücken, natürliche Körper diejenigen, welche durch eigene, in den Subſtanzen liegende Kräfte entſtanden ſind, und im Beſitz einer eigenthümlichen Geſtalt auch dieſe durch dieſelben Kräfte während ihres Entſtehens und ihrer Eriftenz erlangt haben, fo muß man auch die bis jetzt ſogenannten künſtlichen Kryſtalle zu den natürlichen Körpern rechnen. Dieſe nämlich ſtimmen mit den mineraliſchen in allen Eigenſchaften, welche den Keyftallen zukommen, überein, und müſſen als völlig gleichartige Körper auch wiſſenſchaftlich gleichgeſtellt werden. Hierzu kommen dann noch diejenigen Kryſtalle, welche weder zu den Mineralien gehören, noch unter dem Einfluſſe des Menſchen entſtehen, wie z. B. diejenigen, welche in organiſchen Körpern vorgefunden wer— den. Alle ſind unter einander als natürliche unorganiſche Individuen einander gleich, nur der Ort des Vor⸗ kommens oder die Urſache der Entſtehung ſind verſchieden, wie es ja bei Thieren und Pflanzen in gleicher Weiſe der Fall iſt. Sollte vielleicht der angegebene Begriff für natürliche Körper nicht umfaſſend genug erſcheinen, ſo wird der Fehler nicht für die Betrachtung der zu unſerer Erde gehörigen Körper nachtheilig ſein, auf die wir doch zunächſt Rückſicht zu nehmen haben und aus deren Eigenſchaften wir eigentlich nur zu dem Begriffe kommen können. An jedem Körper aber, mag er nun ein natürlicher oder künſtlicher ſein, iſt die Subſtanz und die { Geſtalt zu unterſcheiden. Die Subſtanz, Materie oder Maſſe ift das Erſte, ohne welches der Körper nicht exiſtiren kann, und es muß demnach zunächſt die Subſtanz eines natürlich zu nennenden Körpers durch die den vorhandenen Subſtanzen eigenthümlichen Kräfte (die ſogenannten Naturkräfte) entſtanden ſein, gleichviel, ob wir einen Körper nur ſeiner Subſtanz wegen betrachten oder auch noch die Geſtalt deſſelben berückſichtigen. Für den letzteren Fall iſt die Geſtalt als eine eigenthümliche oder zufällige zu unterſcheiden. Die eigenthümliche Geſtalt eines Körpers iſt diejenige zu nennen, welche gleichzeitig mit und durch die in ihm enthaltene Sub⸗ ſtanz entſtanden iſt, mithin alſo ein wahres Eigenthum der Subſtanzen in den Körpern oder der Körper ſelbſt iſt. Die zufälligen Geſtalten, wozu auch die beabſichtigten als gleichfalls für die Körper zufällige gehören, ent⸗ ſtehen entweder durch außer den betreffenden Körpern liegende Subſtanzen und ſind inſofern auch noch natür⸗ 7 50 liche Geſtalten, welche ſich aber von den eigenthümlichen weſentlich unterſcheiden, oder ſie werden den Körpern gegeben und ſind als ſolche gemachte. Werden dergleichen Geſtalten bei der Benennung des Körpers beachtet, ſo entſcheiden ſie, ob man den Körper einen natürlichen oder künſtlichen zu nennen habe. Iſt endlich die Subſtanz eines Körpers eine künſtliche, ſo waltet über ſeine Auffaſſung kein Zweifel ob. Wenn man auch bisweilen, durch die tägliche Gewohnheit nachläßiger gemacht, mit den Ausdrücken „gemacht“ und „entſtanden“ nicht ſo genau verfährt, ſo wird man bei der Beſtimmung um ſo genauer auf die Bedeutung zu achten haben, und bei der Einfachheit derſelben wird es wohl nicht ſchwer ſein, die natürli— chen Körper von den künſtlichen zu unterſcheiden. Der Einfluß des Menſchen auf die Körper iſt ſehr groß und wird durch das fortgeſetzte Studium der Naturwiſſenſchaften vermehrt, ſo daß er am Ende alle Bedingun— gen kennen lernt, unter welchen die natürlichen Körper entſtehen und daher auch auf die Entſtehung einwirken kann. Hieraus geht dann der Schein hervor, als ſei wirklich der Menſch der Schöpfer mancher Dinge, für welche er füglich auch die Benennung „künſtlich“ zu gebrauchen ſich berechtigt ſcheint. Diefe Täuſchung, fo nahe fie auch liegt, kann nur in der oberflächlichen Betrachtung ihre Entſchuldigung finden, in der Wiſſenſchaft aber, wo wir etwas Beſtimmtes haben oder zu erlangen ſtreben, muß ſie durchaus beſeitigt werden, und ſollte ſelbſt ihre Entfernung manche Unbequemlichkeit und Schwierigkeit zur Folge haben, und früheren, ſelbſt den eigenen Ausſprüchen entgegentreten. Die Entwickelung der Naturwiſſenſchaften hat dies oft ſchon nöthig ge— macht, da es eine ſchwere Aufgabe iſt, die natürlichen Körper in allen ihren Verhältniſſen zu erkennen und richtig zu beurtheilen. Unterſcheidet man alſo einmal, wie oben geſagt, alle auf und in unſerer Erde befindlichen Körper als natürliche und künſtliche, ſo bilden die erſteren das Gebiet der Naturwiſſenſchaft, welches auch nach Willkür über die Grenzen unſerer Erde ausgedehnt werden kann. In der geſammten Naturwiſſenſchaft, der Naturlehre im weiteſten Sinne, werden nach den verſchiedenen Verhältniſſen der natürlichen Körper einzelne Theile feſtge— ſtellt, welche als eigene Wiſſenſchaften unter beſtimmten Namen einen beſtimmten Kreis ihrer Ausdehnung has ben. Da es nicht der Zweck dieſer kurzen Abhandlung iſt, eine Eintheilung und ſyſtematiſche Ueberſicht der geſammten Naturlehre und aller ihrer Theile zu geben, ſondern nur die Kryſtallologie als einen Theil derſelben in ihrem Umfange und Inhalt in Kürze darzuſtellen, ſo können nur diejenigen Theile außer ihr erwähnt wer⸗ den, welche ſich mit ihr zuſammenſtellen laſſen. Hiernach läßt ſich Folgendes feſtſtellen: Die natürlichen Körper unſerer Erde werden als individuelle und nicht individuelle unterſchieden. Dieſe für einen Theil der natürlichen Körper fo gebräuchliche Benennung iſt, trotz ihrer Nebenbedeutun⸗ gen, an und für ſich ſelbſt leicht erklärlich, wenn man auf die Grundbedeutung des Wortes zurückgeht. Man nennt nämlich individuelle Körper oder Individuen (corpora individua, untheilbare Körper) diejenigen, welche durch Theilung oder durch Trennung einzelner Theile dem ihnen beigelegten Begriffe nicht mehr entſprechen und denſelben dadurch verlieren. Der deutſche Name für individuelle Körper „Einzeldinge“ wird in größerer Ausdehnung gebraucht, fo daß er nicht immer dem im Bereich der Naturwiſſenſchaften nöthigen Begriffe ent: ſpricht, weshalb man ihn lieber ganz weglaſſen kann, da ohnehin die einmal eingeführten fremden Wörter all⸗ gemein verſtändlich und ſehr verbreitet im Gebrauch ſind. Man muß aber auch nicht die Bedeutung des Wortes individuus, untheilbar, ſo wörtlich nehmen, als wäre damit ausgedrückt, daß der individuelle Körper überhaupt nicht getheilt werden könne, in welchem Sinne man das Individuum mit dem Atom (von dem griechiſchen 67, untheilbar) verwechſeln könnte. Das Individuum oder der individuelle Körper kann ge- theilt werden, darf es aber nicht; ſeine einzelnen Theile können, aber dürfen nicht getrennt werden, während das Atom nicht getheilt werden kann. Das Individuum hört durch die Theilung auf, das zu ſein, was es iſt, nämlich ein beſtimmtes Ganzes, welches man beſtimmt benannte und welches durch einen nur ihm eigenen Begriff beſtimmt wurde; nach der Theilung oder nach der Trennung einzelner Theile kann man es zwar noch 51 das nennen, was es war, aber es iſt verletzt, verſtümmelt, zerſtückt. Das Atom dagegen iſt nach der mögli— chen Theilung das nicht geweſen, was es ſein ſollte, ſondern man hatte es fälſchlich ſo benannt, da die Atome nicht getheilt werden können und es nach dem angenommenen Begriffe derſelben keine getheilten Atome giebt. Was die Trennung einzelner Theile an Individuen betrifft, ſo muß man darin nicht zu weit gehen und glau— ben, daß jedes einzelne Theilchen den Begriff erhalte oder vernichte, wenn es an dem Individuum bleibt oder davon getrennt wird, dies wäre eine unnöthige Kleinigkeitskrämerei, die auf die Sache ſelbſt keinen Einfluß hat und die Beſtimmung der Begriffe nicht erleichtert; vielmehr wird Jeder einſehen, daß hier nur von ſol— chen Theilen die Rede ſein kann, welche durch den Begriff umfaßt werden, und demnach durch ihr Daſein oder durch ihre Entfernung den Begriff ſelbſt wieder beſtimmen und verändern. Die individuellen natürlichen Körper oder die natürlichen Individuen laſſen ſich als organiſche und unorganiſche unterſcheiden, je nachdem fie mit Orgänen ver— ſehen ſind oder nicht. Organe (doyavov, Werkzeug) find unterſcheidbare Theile oder Glieder der darnach benannten Indivi— duen, welche ſowohl gegenſeitig, als auch zu dem Ganzen in einer beſtimmten erkennbaren und zu beſtimmen⸗ den Mittels- und Zweckbeziehung ſtehen, oder, mit andern Worten, ein ſolches Verhältniß unter einander und zum Ganzen erkennen laſſen, daß ſie als Mittel zur Erfüllung eines beſtimmten Zweckes betrachtet werden können. Die Beſchaffenheit dieſer Theile läßt ſich nicht allgemein beſtimmen, ſo wenig wie hier der Ort ſein dürfte, das gegenſeitige Verhältniß auseinander zu ſetzen, welches eben ſo mannigfaltig iſt, wie die Organe ſelbſt. Sind ſie vorhanden, ſo iſt ihre Exiſtenz leicht nachzuweiſen, da ſie als unterſchiedene und unterſcheid— bare Theile wahrnehmbar ſein müſſen und von ihnen zunächſt gerade die Beſtimmung der organiſchen Körper als individueller abhängig iſt. Die organiſchen individuellen natürlichen Körper ſind die Thiere und Pflanzen. Da es nicht hierher gehört, zu entſcheiden, ob die Eintheilung der organiſchen individuellen natürlichen Körper in Thiere und Pflanzen ausreichend iſt, und ob man vielleicht mehr Arten anzunehmen habe, ſo wollen wir dieſe gewöhnliche Theilung beibehalten, weil ſie noch nicht als falſch erwieſen iſt. Die beiden darauf bezüglichen Wiſſenſchaften ſind die Zoologie und Phytologie. Die unorganiſchen individuellen natürlichen Körper ſind die Kryſtalle. Der Name Kryſtall, für welchen kein deutſches Wort vorhanden iſt, um daſſelbe oder etwas dieſem Aehnliches richtig zu bezeichnen, iſt nur eine Abkürzung des griechiſchen xgVoradosg oder zoVoraAhog (zu⸗ ſammengeſetzt aus dem Subſtantivum 20 xgvos, die Kälte, und dem Zeitwort oreAAw, zum Stehen brins gen, feſt machen), welches Wort urſprünglich bei den Griechen das Eis, als durch Kälte feſtgewordenes Waſ— ſer, ganz richtig bezeichnete. Später wurde, wie es ſcheint, um Platons Zeit, dieſe Benennung auf den waſſerhellen kryſtalliſirten edlen Glasquarz übertragen, weil man entweder der Anſicht war, daß derſelbe bei ſehr hoher Kälte gefrornes Waſſer ſei, welches nicht mehr flüſſig werden könne, oder weil er mit dem Eiſe ſo große Aehnlichkeit im Ausſehen hat, und verblieb für denſelben ohne weitere Berückſichtigung des Urſprunges. Da nun aber auch wieder die Individuen des Mineralreiches, worunter auch die des erwähnten Quarzes ge— hören, mit dieſem, dem Kryſtall oder Bergkryſtall, in vieler Beziehung übereinſtimmend gefunden wurden, ſo ſah man von der urſprünglichen Bedeutung ganz ab und nannte alle Individuen der Mineralien Kryſtalle, fogar bevor man fie für Individuen hielt. Von den Mineralien endlich iſt dieſer Name auf alle unorgani— ſchen individuellen Körper unſerer Erde, wo immer auch im Bereiche derſelben ſie angetroffen werden mögen, ohne Beſchränkung auszudehnen. Der Name ſelbſt, obgleich für uns fremd, iſt auch ganz paſſend, und was bei ſeiner Bildung der Zufall that, konnte die Wiſſenſchaft nicht beſſer erfinden, da wir wohl kaum bis jetzt ein Wort haben oder 7 * 52 bilden könnten, welches ſo kurz und richtig dieſe Individuen bezeichnete, wie es ſogar nicht einmal bei den organiſchen Individuen der Fall iſt. Die Entſtehung des Eiſes nämlich iſt in dieſer Beziehung übereinſtim— mend mit der der übrigen Kryſtalle (da man das Eis als kryſtalliſirtes Waſſer anzuſehen hat), indem alle Subſtanzen, welche kryſtalliſiren, in einem flüffigen, gleichviel, ob tropfbaren oder dampfförmigen Zuſtande ſein müſſen, ſo wie das Waſſer als fließendes oder als Waſſerdampf, und eine Temperaturveränderung überhaupt in Bezug auf einen höheren Wärmegrad als Erkältung oder Kälte aufgefaßt werden kann. Es kann demnach auch mit Recht das Wort, was bei dem einen Stoffe richtig gewählt iſt, auf alle übrigen unter gleichen Ver: hältniſſen angewandt werden, und wir müſſen den Griechen Dank wiſſen, daß ſie den Bergkryſtall auch Eis nannten und ihr Ausdruck für letzteres ein bezeichnender war. Der Begriff der Individualität iſt freilich darin nicht ausgedrückt, jedoch vermiſſen wir dies leicht, da es nicht zu verlangen iſt, daß eine Benennung Alles durch ihren Wortlaut umfaſſe. Man kann daher ohne Bedenken dieſes Wort beibehalten und es in der oben angegebenen Ausdehnung gebrauchen, ohne durch das fremde Wort zu der Anſicht verleitet zu werden, als hätte man es mit uns fernliegenden Objekten zu thun. Die Kryſtalle find für uns von gleicher Wichtigkeit, wie die Thiere und Pflanzen, ſie ſtehen uns nicht allein in der Wiſſenſchaft ſo nahe als im Leben, ſondern es ift auch die Aufgabe der Wiſſenſchaft, uns mit ihnen eben ſo vertraut zu machen, wie mit den Thieren und Pflanzen. Die Wiſſenſchaft, welche als ein Theil der geſammten Naturlehre die Kryſtalle als die auf unferer Erde exiſtirenden unorganiſchen individuellen natürlichen Körper umfaßt, iſt die Kryſtallologie oder Kryſtall— lehre. 8 Das Gebiet derſelben iſt genau beſtimmt, wie das der Zoologie und Phytologie, denen ſie auch wegen der Gleichartigkeit der inbegriffenen Körper koordinirt werden muß und mit denen ſie in der ganzen Behand— lungsweiſe der betreffenden Körper manches Uebereinſtimmende haben wird, da alle drei Wiſſenſchaften natür— liche Individuen zu ihrem Gegenſtande haben. Wie nun ſchließlich die Kryſtalle in der Kryſtallologie wiſſen⸗ ſchaftlich behandelt, wie ihre Eigenſchaften und ſie ſelbſt betrachtet werden müſſen, kann hier nicht ausführlich erörtert werden, ſondern es möge, um die in Frage zu ſtellenden Punkte anzudeuten, ein Ueberblick der einzel⸗ nen Abtheilungen genügen, welche in der Kryſtallologie aufzuſtellen ſind, inſoweit die gegenwärtige Kenntniß ausreicht, darüber zu beſtimmen. ’ Die geſammte Kryſtallologie zerfällt in zwei Haupttheile, einen allgemeinen und einen befonderen, oder in die allgemeine Kryſtallologie und in die ſpecielle Kryſtallologie! Die allgemeine Kryſtallologie umfaßt alle Eigenſchaften der Kryſtalle, wie ſie ſich in ihrer Verſchiedenheit und Verſchiedenartigkeit darſtellen und erkennen laſſen, die ſpecielle dagegen lehrt die Kryſtalle in ihrer natürlichen Gleichartigkeit und Verſchie⸗ denheit und als die unterſchiedenen Glieder eines großen Ganzen, eines Naturreiches, kennen. Nach der dreifachen Verſchiedenheit der Eigenſchaften zerfällt die allgemeine Kryſtallologie in drei Theile, in die Kryſtallomorphie, Kryſtallophyſik und Kryſtallochemie, von denen die erſtere alle Ges ſtaltseigenſchaften, die zweite alle phyſikaliſchen Verhältniſſe und die dritte alle chemiſchen umfaßt. Die Kryſtallomorphie bildet zwei beſondere Theile, die Morphographie und die Morphologie, je nachdem man die Geſtalten betrachtet, wie ſie als ſolche räumlich exiſtiren und zu unſerer Anſchauung gelan⸗ gen, oder wie ſich dieſelben zeitlich bilden. Die räumliche Geſtalt, wie ſie der Morphographie anheimfällt, iſt eine doppelte, eine äußere und innere, ſo daß wir nach dieſem Unterſchiede die Kryſtallographie und Keyſtallotomie als zwei Unterabtheilun— gen der Morphographie hervorgehen ſehen. Die Kryſtallographie wird außerdem noch als reine und ange- wandte Kryſtallographie unterſchieden. In der reinen Kryſtallographie *) wird die äußere Geſtalt der *) Hiermit beginnt die wiſſenſchaftliche Darſtellung der geſammten Kryſtallologie, wie des Vortragenden Lehrbuch der reinen Kryſtallographie zeigt. 53 Kryſtalle, wie ſie dem Begriffe nach als eine ideale beſchaffen ſein ſoll, betrachtet, ſo daß in ihr die Geſtalts⸗ verhältniſſe nach außen ſo dargeſtellt werden, wie ſie bei der vollkommenen Ausbildung ſein müßten. In der angewandten Kryſtallographie dagegen wird die Geſtalt betrachtet, wie ſie an den Kryſtallen in der Natur vor— kommt, und die Mittel angegeben, wie die natürlichen Geſtaltsverhältniſſe den idealen der reinen Kryſtallographie in den verſchiedenſten Abſtufungen entſprechend nach jenen beſtimmt werden können. Zu der letzteren gehören die ſchon bekannte Kryſtallometrie und Kryſtallonomie. Die Morphologie zerfällt nach den Zeitver— hältniſſen in drei Theile, in die Kryſtallogenie, Biologie und Metamorphie der Kryſtalle, in deren erſterem entwickelt wird, wie die Kryſtalle zu der eigenthümlichen Geſtalt gelangen, oder, mit anderen Worten, wie ſie entſtehen; im zweiten Theile, wie und wodurch ſie in ihrer Individualität erhalten werden, und im dritten, wie ſie in derſelben ſich verändern und endlich aufhören zu ſein. Die Unterabtheilungen der Kryſtallophyſik und Kryſtallochemie find abhängig von denen der Phyſik und Chemie, welche hier als Hülfswiſſenſchaften herangezogen werden; in der ausführlichen Darſtellung jedoch werden ſie beſſer benützt werden, wenn man die phyſikaliſchen Eigenſchaften, ſo wie die chemiſche Beſchaffenheit der Kryſtalle als ſolcher als beſtimmend für den Gang der Darſtellung wählt. Die ſpecielle Kryſtallologie endlich ſtellt zuerſt in der Syſtematik die Prinzipien auf, nach welchen die Kryſtalle als Species mit den erforderlichen Unterabtheilungen aufgefaßt werden, und wie dieſe in Gattungen, Ordnungen, Familien und Klaſſen zu vertheilen find, wobei aber nicht einzelne Eigenſchaften als Eintheilungs— grund gelten, ſondern wo die Kryſtalle als Naturprodukte oder natürliche Körper nach der Geſammtheit ihrer Eigenſchaften verglichen werden, da dieſelben in dem engſten Zuſammenhange ſtehen, und demnach die chemi— ſchen, phyſiſchen und Geſtalts-Eigenſchaften mit gleichem Rechte dazu dienen werden, die aufgeſtellten Species einander bei-, unter- und überzuordnen. In der Diagnoſtik werden dann die nach dem natürlichen Sy— ſteme geordneten Species der Kryſtalle ausführlich beſchrieben. Die angewandte Kryſtallologie und die Geſchichte der geſammten Wiſſenſchaft wird die Zeit näher herausſtellen, und das, was über beide, namentlich über die erſtere, in Bezug auf Mineralogie, Geologie und Chemie, ſchon jetzt geſagt werden kann, läßt ſich nicht hier in einigen Worten zuſammenfaſſen, ſondern muß einer ſpäteren Gelegenheit vorbehalten bleiben. Herr Dr. Phil. Sadebeck, am 22. November: Ueber oryktognoſtiſche Verhältniſſe der Umgegend von Strehlen. Da die allgemeinen geographiſchen und geognoſtiſchen Verhältniſſe der Strehlener Berge von dem Re— ferenten ſchon früher (Bericht vom J. 1846, S. 189) beſprochen worden ſind, ſo wird hier bloß das Wich— tigſte von dem mitgetheilt, was über die dort vorkommenden Geſteine im Beſondern bemerkt wurde. 1. Granit. Faſt durchgehends feinkörnig, ſehr feſt und von grauer Farbe. Grobkörnig findet er ſich in der Gegend von Reumen und auf dem Töppendorfer Berge, minder feſt, bis locker an einigen Stellen, wo er zu Tage kommt, z. B. in den Hügeln ſüdöſtlich von Strehlen. Den feſteſten liefern die Steinbrüche auf dem weſtlich von Strehlen gelegenen Galgenberge. 2. Gneus. Die Beſtandtheile ſind ganz ſo wie die des Granit beſchaffen, der Feldſpath weiß oder gelblich, der Quarz waſſerhell bis rauchgrau, und der Glimmer tombackbraun bis ſchwarz. Er findet ſich meiſt an den höhern Punkten, z. B. auf dem Ruhmsberge und a. a. O. 3. Glimmerſchiefer. Bald herrſcht der Glimmer vor, wie auf dem Kalinkenberge, bald der Quarz, an der ſüdlichen Verzweigung dieſes Berges. Auf dem Töppendorfer Berge zeigt er ein grauwackenartiges Ausſehen. Hier und auf dem Kalinkenberge enthält er Granaten und Turmaline eingeſchloſſen. 4. Dioritſchiefer. Kommt, den Granit durchſetzend, auf dem Berge von Mehltheuer an der Streh— lener Straße zu Tage und enthält kleine Albitkörner in großer Menge. 54 5. Kalk. Nur in untergeordneten Lagern, als Urkalk, theils grobkörnig im Kuhberge, am Oſthange des Ruhmsberges, theils feinkörnig bei Siebenhuben. Die Prieborner Marmorbrüche ſind von der hier in Rede ſtehenden Gebirgsgruppe durch das Thal des Kryhnwaſſers getrennt und gehören in den niedrigen Land— rücken, welcher die Waſſerſcheide zwiſchen den Zuflüſſen der Neiſſe und Ohlau bildet. Der Prieborner Mar— mor und der Kalk vom Kuhberge ſind übrigens einander ſo ähnlich, daß man einen ehemaligen Zuſammen— hang annehmen möchte, zumal da die Entfernung der beiden Lager bloß / Meile beträgt. 6. Quarz. Ebenfalls nur in untergeordneten Lagern, z. B. bei Krummendorf als Sandſtein und Quarzſchiefer, ſüdlich vom Kalinkenberge als Quarzfels, und an mehreren Orten in großen Geſchieben, z. B. auf dem Ochſenberge bei Strehlen und auf den Bergen bei Ober- Podiebrad und Töppendorf. Dieſe Geſchiebe beſtehen aus dichten, undurchſichtigen Maſſen von milchweißer Farbe, mit röthlichen Adern durchzogen, und enthalten, wie man beim Zerſchlagen findet, im Innern kleine Klüfte mit Bergkryſtallen. Der zuerſt genannte Sandſtein von Krummendorf enthält auf dem Kryſtallberge mandelförmige Gebilde eingeſchloſſen, bekannt unter dem Namen Mandel- oder Dattelquarz, welche 1, bis 1½ Zoll lang und 1 bis 3 Linien dick, theils grau: lichweiß, theils gelblich, und, wie man ſich durch Zerſchlagen überzeugen kann, Konglomerate von kleinen, durchſichtigen und kryſtalliſirten Quarzkörnern ſind. Ein ähnliches Vorkommen des Quarzes iſt bisher ſonſt nirgends beobachtet worden. Im Innern des Kryſtallberges in einer Tiefe von 7— 8 Lachter finden ſich in weit fortlaufenden Klüften ſchöne Bergkryſtalle, welche ihrer Reinheit wegen in früheren Zeiten ausgegraben wurden. Man hat jedoch ſeit längerer Zeit die Arbeit aufgegeben, weil ſie zu gefahrvoll und dabei wenig einträglich war. Der Quarzfels in den ſüdlichen Verzweigungen des Kalinkenberges zeichnet ſich durch große Feſtigkeit und deutlich rhomboedriſche Abſonderung aus, iſt auf den Abſonderungsflächen mit Glimmerblättchen bedeckt und enthält auch hier und da Turmaline. a 7. Graphit. Dieſes bei Sacrau, am weſtlichen Abhange des Leichnamsberges vorkommende Foffil ift in einer Abhandlung des Herrn Bergmeiſters Zobel in Reichenſtein gründlich betrachtet worden, auf welche hier hingewieſen wird. Es enthält neſterweiſe Porzellanerde und Pinguit. Herr Bergmeiſter Zobel in Reichenſtein, unſer korreſpondirendes Mitglied, hatte die Güte, zwei von geognoftifhen Karten und Grubenriſſen begleitete Abhandlungen einzuſchicken, die am 8. November vorgetragen wurden, von denen hier auszügliche Mittheilungen folgen: 1) Ueber das Vorkommen von Graphit in Schleſien und der Grafſchaft Glatz, insbeſondere aber des zu Sacrau, im Münſterberger Kreiſe. So mannigfaltig auch die Produkte des Mineralreiches ſind, welche in den Provinzen des preußiſchen Staats durch den Bergbau zu Tage gefördert werden, und ſo wenig auch das Vorkommen von Graphit in den Gebirgen Niederſchleſiens und der Grafſchaft Glatz zu den Seltenheiten gehört, iſt doch bis zum Jahre 1843, in welchem die „Glückauf-Grube“ bei Sac rau, Herrſchaft Schönjohnsdorf im Münſterberger Kreiſe, zur Aufnahme kam, das bezeichnete Mineral, mit Ausnahme einzelner, erfolglos gebliebener Verſuche, noch nirgends Gegenſtand bergmänniſcher Gewinnung geweſen, ſo daß die genannte Graphitgrube ſelbſt bis heute noch die einzige im preußiſchen Staate iſt, welche als ſolche beliehen und im Betriebe ſich befindet. Weit mehr, als durch die oben angedeutete iſolirte Stellung, erweckt aber das Sacrauer Graphit-Vor— kommen durch das Eigenthümliche ſeiner Lagerungsverhältniſſe ein hohes Intereſſe, welches noch beſonders da— durch geſteigert wird, daß deſſen anomale Ablagerung durch die Erhebung plutoniſcher Gebirgsmaſſen bedingt zu ſein ſcheint. Es ſoll in dieſem Aufſatze verſucht werden, von dieſem in geognoſtiſcher und bergmänniſcher Beziehung ſehr intereſſanten Vorkommen ein möglichſt getreues Bild zu entwerfen, nachdem zuvor eine gedrängte Dar— 55 ſtellung darüber vorausgeſchickt worden, in welcher Art und Form, und unter welchen Lagerungsverhältniſſen der Graphit im Allgemeinen, ſo wie insbeſondere auf andern Punkten Niederſchleſiens und in der Grafſchaft Glatz vorzukommen pflegt. Nach den Angaben des Herrn Profeſſor Glocker (deſſen Handbuch der Minera— logie, 2te und 3te Ausgabe, von 1831 und reſp. 1839) findet ſich der Graphit meiſtens als untergeordnete Lager im Gneus, Glimmer und Thonſchiefer, auch häufig mit Quarz eine eigenthümliche Gebirgsart — den Graphitſchiefer — bildend; ferner: ‚ eingefprengt im Granit und körnigen Urkalkſtein, gang- und neſterartig im Grünſtein-Porphyr zu Borrowdale in Cumberland (nach v. Oeynhauſen und v. Dechen, Karſten's Archiv für Mineralogie u. ſ. w. 2ter Bd. 2tes Heft), ſeltener lager- oder flötzweiſe im Steinkohlengebirge, wie dies bei Cumnock in Aysſhire der Fall fein fol. Der erſteren Art des Vorkommens, nämlich als untergeordnete Lager im Gneus und Glimmerſchiefer, iſt dasjenige, welches in Niederſchleſien und der Grafſchaft Glatz, ſo wie in dem benachbarten Mähren und Böhmen, am häufigſten und, ſo viel dem Verfaſſer bekannt, bis jetzt ausſchließlich beobachtet worden iſt. Daſſelbe ſoll daher hier auch nur allein in Betracht gezogen werden. Auf der böhmiſchen Herrſchaft Swojanow, unweit Pollitzka, im ſüdlichen Theile des Chrudimer Kreiſes, werden in dem ſogenannten Schreckenwalde ſeit langer Zeit dergleichen im Glimmerſchiefer aufſetzende Graphit— lager durch mehrere Gruben mit anſehnlichem Vortheil bebauet; ein Gleiches findet in Mähren auf der Herr— ſchaft Goldenſtein zwiſchen der Stadt dieſes Namens und Altſtadt ſtatt, woſelbſt auf einem 4 bis 5 Fuß mächtigen, dem dortigen Glimmerſchiefer untergeordneten und mit großer Regelmäßigkeit im Streichen, wie im Einfallen unter 25 bis 30 Grad gegen Nordweſt — aushaltenden Graphitlager, ein ſehr einträglicher Bau geführt wird. Hier, wie zu Swojonow, iſt es hauptſächlich ſchuppiger Graphit, welcher auf den aufgeſchloſſenen La- gern einbricht; doch ſoll nach C. Hartmann am letztgenannten Fundorte auch ſolcher in blätterigem und kryſtalliſirtem Zuſtande gefunden ſein. In ganz gleichem Lagerungsverhältniſſe, aber wegen beigemiſchter fremder Beſtandtheile ꝛc. in nicht bau— würdiger Eigenſchaft, tritt der Graphit im Gneus und Glimmerſchiefergebirge Niederſchleſtens und der Graf— ſchaft Glatz auf, wo bis jetzt drei dem Gneusgebirge Niederſchleſiens untergeordnete Lagerſtätten zeither aufgedeckt und bergmänniſch unterſucht wurden, und zwar: 1) auf der langen Brache öſtlich bei Tannhauſen; 2) bei dem Dorfe Neugericht, unweit der zu dieſem Dorfe gehörigen Niedermühle, und 3) zu Bärsdorf auf den Grundſtücken der dortigen Scholtiſei, Fee im Waldenburger Kreiſe gelegen. Weit häufiger, als im Gneus, tritt der Graphit im Gebiete des Glimmerſchiefers Niederſchle⸗ ſiens und der Grafſchaft Glatz in untergeordneten Lagern auf. Die hierher gehörigen Vorkommen, die uns durch eigene Beobachtung bekannt geworden, ſind: 1) im Schlackenthale bei Reichenſtein; 2) im Schloßpark von Weißwaſſer, eine Viertelſtunde öſtlich von Reichenſtein; 3) in dem Thale zwiſchen Petrikau und Silbitz, eine halbe Meile öſtlich von Nimptſch; 4) zu Weißwaſſer im Habelſchwerter Kreiſe; 5) bei Konradswalde in demſelben Kreiſe; 6) bei Biebersdorf, Seitenberg und zwiſchen Schreckendorf und Winkelsdorf in demſelben Kreiſe; 7) bei Roſenthal im genannten Kreiſe, und 8) oberhalb Kleſſengrund auf mehreren Punkten des nördlichen und öſtlichen Gehänges des Glätzer Schneegebirges. [= pP} Das Sraphitvorkommen auf der Glückaufgrube zu Sarran. Wie bereits im Eingange angedeutet worden, zeigt das Graphitvorkommen zu Sacrau ein anomales Lagerungsverhältniß, welches unzweifelhaft durch die Erhebung plutoniſcher Gebirgsmaſſen bedingt zu ſein ſcheint. Zu näherer Entwickelung und Begründung dieſer Anſicht iſt es nothwendig, über den geognoſtiſchen Charakter der dortigen Gegend eine kurze Ueberſicht vorauszuſchicken. Das Dorf Sacrau, auf deſſen Territorio, und zwar ganz in der Nähe der auf der Nordſeite gelegenen Wohnungen, die Glückaufgrube eröffnet iſt, liegt in einem flachen, gegen Weſt und Süd offenen Thale, wel— ches ſich aus der Richtung von Weſt nach Oſt erſtreckt und ſich dann weiterhin als eine enge Waldſchlucht bis nach dem Dorfe Dobriſchau fortzieht. In Nord und Oſt wird das Dorf Sacrau durch einen bedeutenden Höhenzug bez renzt, von welchem der durch die obengedachte Waldſchlucht getrennte nördliche Theil mit dem Namen „Leichnamsberg“ bezeichnet wird, und der ſüdliche mit dem Namen „Kalinkeberg“. An den erſteren, den Leichnamsberg, ſchließt ſich in der Richtung gegen Oſten der durch ſeine ſchöne Fernſicht berühmte und mit einem Belvedere gekrönte Ruhmsberg an, während die Fortſetzung des Kalinkeberges gegen Südoſt die Höhenzüge bildet, an deren öſtlichem Fuße die Dörfer Heinzendorf und Deutſch-Neudorf liegen und ſo von dem weiten Ohlauthale getrennt werden. Die geſammte vorerwähnte Gebirgsgruppe, die auch den Kolektiv— Namen „Strehlener Berge“ führt, beſteht vorherrſchend aus Gneus und Glimmerſchiefer, deren beiderſeitige Grenzen ſich nur im Allgemeinen dadurch andeuten laſſen, daß der Gneus in der Regel die niederen, der Glimmerſchiefer die höheren Niveaux einnimmt. So weit die bisherigen Beobachtungen reichen, ſchließt dieſes Gneus- und Glimmerſchiefergebirge nur einige untergeordnete Lager von Urkalkſtein und Quarz ein. Erſtere, die Kalkſteinlager, kommen bei Reimen, Deutſch-Neudorf, am ſüdlichen Gebirge des Ruhmsberges und nördlich bei Prieborn vor, wogegen ein ſehr mächtiges Quarzlager zwiſchen Prieborn und Schönbrunn und mit dieſem wahrſcheinlich im Zuſammenhange bei Krummendorf auftritt, das am letztern Orte früher recht ſchöne Druſen von Bergkryſtall und deshalb noch zu Anfange des jetzigen Jahrhunderts zu dahin abzweckenden Gräbereien Veranlaſſung gab. Mitten im Gebiete des fraglichen Gneus- und Glimmerſchiefergebirges tauchen aus demſelben einzelne inſulariſche Maſſen von gemeinem, grobkörnigen Granit auf, wie z. B. rechts an dem Fahrwege von Reimen nach Heinzendorf, in der Nähe des Kalkofens zu Deutſch-Neudorf und in dem Steinbruche, welcher zunächſt des letztgenannten Dorfes auf deſſen Nordweſtſeite eröffnet worden iſt. Das Granitvorkommen zwiſchen Reimen und Heinzendorf bietet wegen Mangel an Entblößungspunkten auf den Grenzen mit dem daſſelbe umgebenden Gneus nur wenig Intereſſe dar; anders iſt es dagegen mit den Granitmaſſen auf den beiden andern bezeichneten Maſſen, die um ſo mehr Beachtung verdienen, als die damit verbundenen Erſcheinungen, wie die Zertrümmerung des Gneuſes an den betreffenden Berührungspunk⸗ ten, unzweifelhaft auf eine gewaltſame Durchbrechung des daſigen Gneusgebirges hindeuten, wodurch gewiſſer— maßen die Baſis feſtgeſtellt wird, auf welche wir unſere Anſicht über die regenerirte Ablagerung des Graphits bei Sacrau, zu der wir jetzt zurückkommen, begründet haben. Die flachhügelige Ebene, welche ſich vom weſtlichen Fuße des Kalinkeberges und dem ſüdlichen des Leich— namberges gegen Weſten und Süden ausdehnt und auf welcher die beiden Dörfer Sacrau und Schönjohns— dorf belegen ſind, wird, ſoweit ihr Inneres bis jetzt durch Brunnen, Schurf- und Bohrlöcher aufgeſchloſſen worden iſt, von Diluvialmaſſen gebildet, die zunächſt der Oberfläche (unter der Dammerde), von dem weſtli— chen Fuße des Kalinkeberges bis etwas über die Mitte des Dorfes Sacrau hinab, aus einem buntfarbigen, größtentheils aber braunroth gefärbten zähen glimmerreichen Letten, mit eingemengtem Gneusgruß, Porzellan— Erde und erdigen Brauneiſenſteinnieren, weiter hinab gegen Weſten nach Schönjohnsdorf zu aber aus einem ſehr waſſerreichen Sand mit zahlreichen und öfters großen Geſchieben von Hornſtein und gemeinem ſchiefrigen Quarz beſteht. In einigen Bohrlöchern, am weſtlichen Ende des Dorfes Sacrau, mit welchen es gelang, 57 jene 4 bis 7 Lachter mächtige Sand- und Geſchiebemaſſe zu durchſinken, erreicht man wieder den buntfarbi⸗ gen glimmerreichen Letten, nebſt ſchwachen Lagen von Graphit, woraus alſo hervorgeht, daß das Lettengebirge ſich gegen Weſten einſenkt, und durch die Sand- und Geröllemaſſen erſt ſpäter überdeckt worden iſt. Das hier bezeichnete Lettengebirge iſt es nun, welches die auf der Glückaufgrube bebaute Graphit-Lagerſtätte ein⸗ ſchließt. Ihr Ausgehendes fand man im nördlichen Straßengraben des Dorffahrweges, und zwar circa 30 Lachter weſtlich des nächſten Wohngebäudes unterhalb dem Sacrauer Kretſcham, von wo das Graphitlager mit der Verfolgung durch Bohrlöcher aber nur circa 24 Lachter lang gegen Norden und circa 5 Lachter ger gen Süden im Streichen fortſetzend vorgefunden wurde. Zunächſt dem Fundpunkte am Straßengraben geht ſein Hauptſtreichen gegen Nordoſt in Stunde h. 3,4; in 5 Lachtern nordöſtlicher Entfernung vom Fundpunkte wendet ſich daſſelbe aber in Stunde 12,6 herum, hält in dieſer Richtung mit einer Verflachung unter 15 bis 18 Grad gegen Weſt circa 14 Lachter lang aus und fällt dann unter verſchiedenen Neigungswinkeln plötzlich gegen Norden und Weſten ein, während es in der Richtung gegen Oſten ſich völlig verliert. In ganz ähnlicher Weiſe verhält ſich das Lager in feiner Fort— ſetzung gegen Südweſt, wohin es ebenfalls unter 15 bis 18 Grad einſchließt und mit ſeinem Ausgehenden nicht weiter zu Tage kommt. In dem Felde von der Dorfſtraße bis zu dem Punkte, wo das Streichen ſich in ein Einfallen gegen Norden verändert, d. i. in der Erſtreckung von 19 Lachter von dem zuerſt bezeichneten Punkte in Nordoſt und Nord, zeigte das Graphitlager, deſſen Mächtigkeit hier zwiſchen 6 und 12 Fuß wechſelte, bis zu 3 Lachter flacher Teufe noch eine ziemliche Regelmäßigkeit in ſeiner Ablagerung; an allen übrigen Entblößungspunkten aber durch unterirdiſche Grubenbaue und Aufdeck-Arbeit kommt der Graphit, häufig von Porzellanerde und einem apfel grünen erdigen Foſſil begleitet, welches viel Aehnlichkeit mit Pimelith hat, von dem Hrn. Prof. Glocker aber für waſſerhaltiges Eiſenoxydſilikat erkannt worden iſt, nur neſterweiſe, oder in einzelnen, bald höher, bald tiefer liegenden, mehr und weniger geneigten Lagen (Schichten) vor, deren Fallrichtung von dem zunächſt am Ausgehenden erkundigten Hauptfallen ſehr oft weſentlich abweicht. Der beigelegte Grubenriß und die auf demſelben beigefügten, nach verſchiedenen Durchſchnittslinien ent— worfenen Profile liefern von der verworrenen Ablagerung des dortigen Graphits ein ſehr deutliches Bild, als dies durch eine Beſchreibung möglich iſt. Auf dieſe rißlichen Darſtellungen Bezug nehmend, welche die Sek— tion bedauert, hier nicht beigeben zu können, gründet nun der geehrte Herr Verfaſſer folgende erläuternde Angaben: Der bisherige Abbau des Graphitlagers ſeit dem Monat Mai 1843 iſt da, wo die Höhe des Deckge⸗ birges nicht über 3 Lachter betrug, durch Aufdeckarbeit, ſonſt aber durch irdiſche (Unter-) Grubenbaue mittelſt der zwei ſaigern Schachte, des Richard⸗ und Hilfs⸗Schachts, bewerkſtelligt worden, von denen der erſtere auf dem nördlichen Abſchneidungspunkte des Lagers, und der letztere auf der öſtlichen Grenze deſſelben oder im Liegenden abgeſunken iſt. Der Richard-Schacht, 7, Lachter tief, ſteht, mit Ausnahme eines in 2 Lagen getrennten Mittels, von ſehr unreinem und deshalb für unbauwürdig erkanntem Graphit durchgehends im Lettengebirge (rothen) an, welches nach einem aus ſeiner Sohle noch 3 Lachter tief niedergeſtoßenen Bohrloch auch bis dahin noch fort— ſetzt, und bei 1 ½ Lachter unter der Schachtsſohle ein 12 Zoll ſtarkes Graphittrumm einſchließt. Im Hilfs⸗ Schacht, der 5% Lachter ſaigere Teufe hat, könnte, vermöge feiner Stellung, am äußerſten Ausgehenden nur das im Liegenden des Graphitlagers vorkommende Gebirge durchteuft werden. Daſſelbe beſteht bis zu 3% Lach⸗ ter Teufe aus Lettengebirge, welches ſich von dem im Hängenden und dem mittelſt des Richards-Schachts Durchbrochenen nur dadurch unterſcheidet, daß es merklich ſändiger iſt. Weiter herab nimmt dieſe Eigenſchaft zu, und mit 5 Lachter Schachtsteufe wurde die feſte Unterlage, der nachſtehende Gneus erreicht, in dem der 9% Lachter tiefe Waſſerſumpf abgeſunken iſt. 8 58 Zunächſt dem Ausgehenden bis zu 3 Lachter faigerer Teufe verhielt ſich das Graphitlager in jeder Bes ziehung am böflichften; mit Ausnahme der in ſehr dünnen Schichten beigemengten Porzellanerde, war der Graphit faſt ganz frei von allen anderen fremdartigen Beimengungen, hatte im anſtehenden Stoße — alfo im feuchten Zuſtande — eine blauſchwarze (eiſenſchwarze), im trockenen eine dunkel-ſtahlgraue Farbe, fühlte ſich bei ſtarker Abfärbung fettig an, und zeigte dann an den Berührungspunkten einen ziemlich ſtarken Metall- glanz. Hier, wie an den andern Stellen ſeines Vorkommens zu Sacrau, hat der Graphit meiſtens ein ſein— ſchiefriges Gefüge, das aber einen ſo ſchwachen Zuſammenhang beſitzt, daß es durch einen leichten Druck zwi— ſchen den Fingern zerſtört und in eine zähige erdige Maſſe, gleich dem Letten, verwandelt werden kann. Da, wo die früher bezeichnete, einigermaßen regelmäßige Ablagerung aufhört und das Vorkommen des Graphits ein neſter- oder lagenweiſes wird, iſt derfelbe durch beigemengten Letten- und Gneusgruß, mit gerin— gen Ausnahmen, ſehr ſtark verunreinigt, und kann faſt nirgends als Walzgraphit, nämlich als ſolcher gebraucht werden, der ohne weitere Aufbereitung als deſſen Zerkleinen durch Walzen und Sieben zum Verkauf geeignet iſt. Vielmehr hat die ſpätere Förderung und ſo bis heute faſt durchgehends zu der Sorte des Waſchgraphits geſtürzt werden müſſen, welche zuvor auf liegenden Heerden mit negativem Gefälle geſchlämmt und ſo von den circa 3, Theil betragenden fremdartigen Theilen gereinigt werden muß, wobei die fremdartigen Gemeng⸗ theile vermöge ihres größern ſpezifiſchen Gewichts auf dem Heerde liegen bleiben, während der leichtere Graphit durch das ruhig und gleichmäßig zufließende Waſſer in die dem Heerde vorgelegten Mehlgerinne fortgeführt und abgeſetzt wird. Werfen wir einen prüfenden Blick auf die bier beſchriebene und in den oben angeführten Riſſen bildlich dargeſtellte, höchſt unregelmäßige Ablagerung des Sacrauer Graphits, auf deſſen Einlagerung in das mit fei⸗ nem Gneusgruß, Porzellanerde und Eifenoryd gemengte Lettengebirge, und halten dieſes Verhalten mit der Thatſache zuſammen, daß die reinſten und mächtigſten Graphitlager zunächſt am Ausgehenden, alſo zu oberſt abgeſetzt ſind, ſo wird man unwillkürlich zu der unzweifelhaft erſcheinenden Schlußfolge hingeführt, wie man hier nicht die urſprüngliche Lagerſtätte, ſondern eine regenerirte vor ſich hat, wo bei der Ablagerung der Graphit in Folge ſeines im Vergleich mit den ihn umgebenden erdigen Gebirgsmaſſen geringern ſpezifiſchen Gewichts zuletzt und daher zunächſt an der Oberfläche am reinſten und mächtigſten ſich niederſchlagen mußte, wenn der zerſtörte Theil der urſprünglichen Lagerſtätte, wie wir mit Grund vorausſetzen zu müſſen glauben, durch Waſſer aufgelöſt und von ſeiner erſten Fundſtätte fortgeführt worden iſt. Aus welcher Richtung die Strömung gekommen und in welcher Gegend daher die urſprüngliche Lager— ſtätte zu ſuchen ſein möchte — darüber giebt die Fortſetzung des die regenerirte Graphitablagerung einſchließen— den Lettengebirges jedenfalls den ſicherſten Wegweiſer ab. Mit den der Aufnahme der Glückaufgrube voran— gehenden Bohrarbeiten iſt das mehrerwähnte Lettengebirge, vom Fundſchachte ab, in einer Breite von circa 10 bis 30 Lachter S praeter propter 300 Lachter in der Richtung gegen Südoſt, d. i. bis an den Fuß des Kalinkeberges, da, wo der Forſt aufhört, in einem Niveau erbohrt worden, welches 143 Fuß ſaiger über dem des Fundſchachts gelegen iſt. Allem Vermuthen nach ſchließt das Forſtterrain des Kalinkeberges, deſſen Unterlage nach Analogie eini— ger entblößten Punkte hauptſächlich aus Gneus beſteht, die urſprüngliche Graphitlagerſtätte ein; bei dem theils verraſ'ten, oder mit Unter- und Oberholz beſtandenen Terrain hat es indeß noch nicht gelingen wollen, den Punkt aufzufinden, wo der Gneus durch den Granit unterbrochen und das wahrſcheinlich im erſtern vorkom— mende Graphitlager abgeriſſen und zerſtört worden iſt. Die Erreichung dieſes Zweckes wird deshalb nur durch geeignete Schurfarbeiten ermöglicht werden, wozu ſich die Gewerkſchaft der Glückaufgrube auch ſchon bereit erklärt hat, bis jetzt aber durch das Zurlickbleiben des Graphit-Debits verhindert worden iſt. 59 2) Ueber die Draunkohlen- Ablagerung im Felde der Francisca- und Helene- Grube bei Popelwitz und Wilſchkowitz im Mimptſcher Kreiſe. So weit dem Verfaſſer die in Schleſien, in der preußiſchen Provinz Niederſachſen, Thüringen, ſo wie im Königreiche Böhmen, durch Bergbau aufgeſchloſſenen Braunkohlen-Ablagerungen bekannt geworden ſind, bilden dieſe zum Theil mehr oder weniger regelmäßige Flötzzüge mit anſehnlicher Erſtreichung zu Felde, welches Verhalten insbeſondere den älteren, zu den unteren Schichten der Molaſſe gehörigen Braunkohlenlagern in Böhmen eigenthümlich iſt, zum Theil flache, in der Regel ungeſchloſſene Mulden oder Boden mit ſchichten— weiſer Lagerung und ſeltener finden ſich ſolche in einzelnen fachförmigen Maſſen abgeſetzt. Die Braunkohlenablagerung aus der Francisca-Grube bei Popelwitz und aus der in deren Fortſtreichen gegen Nord gelegenen Helena-Grube bei Wilſchkowitz im Nimptſcher Kreiſe zeigt dagegen von den oben be> zeichneten eine ſo abweichende Lagerungsweiſe, daß ſolche in der That als ein anomales Vorkommen betrachtet werden muß und dieſerhalb wohl allgemeiner bekannt zu werden verdient. Das Terrain, auf welchem ſich die benannten Gruben gelagert haben, gehört zu den Feldmarken der Dörfer Jordansmühl, Popelwitz und Wilſchkowitz, wird von dieſen drei Dörfern in Weſt, Oſt und Nord ein— geſchloſſen und bildet auf ſeiner Oberfläche eine gegen Nord und Süd gegen einander flach abgedachte Ebene, in deren Mitte der Lohefluß, hier in Südweſt nach Nordoſt fließend, ſein flachufriges Flußbette in ſandigen Diluvialmaſſen ſich eingegraben hat. In geognoſtiſcher Beziehung bietet der vorbegrenzte Diſtrikt nur wenig Intereſſe dar; denn unter einer ſchwachen Decke von Dammerde treten überall ſandige Diluvialmaſſen hervor, die vorherrſchend aus feinem Quarzſand mit eingeſchloſſenen einzelnen Geſchieben plutoniſchen und metamorphiſchen Gebirgsarten, oder aus gröbern, meiſtens völlig abgerundeten Kieſeln beſtehen. Nur erſt, wenn wir den bezeichneten Diſtrikt des in Rede ſtehenden Braunkohlenvorkommens überſchrei— ten, finden wir an den circa ½ Meile von Wilſchkowitz gegen Nordoſt entfernten Steiner Bergen das nächſt anſtehende Geſtein, einen feinſchiefrigen Kieſelſchiefer, der durch die bekannten Einſchlüſſe von Kalait und Hyalith, die häufig in ihm vorkommen, eine gewiſſe Berühmtheit erlangt hat. In entgegengeſetzter Rich— tung, nämlich in Südweſt, und zwar circa 1, Meile von Jordansmühl und circa 3 Meile von Wilſchko— witz in gedachter Richtung entfernt, iſt es der Johnsberg bei Ober-Johnsdorf, welcher als der äußerſte Aus: läufer des Zobtengebirges in Südoſt mit ſeinen, aus gemeinem Serpentin und Gabbro beſtehenden Geſteins⸗ maſſen inſulariſch aus dem ihm ringsum umgebenden Diluvialgebirge emporſteigt. Weiterhin wird Letzteres, und zwar in Nordoſt durch das Zobtengebirge, in Südweſt und Süd durch den Gneus bei Heidersdorf und Wilkau, und in Südoſt durch den Granit der Strehlener Berge zum Theil begrenzt, während derſelbe in der Richtung gegen Nord und Nordoſt noch weit jenſeits der Steiner Berge bis ins Oderthal und darüber hinaus fortſetzt. Nach dieſem kurzen Abriſſe von dem geognoſtiſchen Charakter der Umgegend kehren wir zum Diſtrikte des Braunkohlenvorkommens zurück. Der Lauf des Lohefluſſes zwiſchen Jordansmühl und Biſchkowitz ſcheidet zugleich die Felder der mehr— genannten Gruben in der Art, daß dasjenige der Francisca-Grube auf deſſen Südſeite und das der Helena⸗ Grube auf der Nordſeite oder auf deſſen linken Ufer gelegen iſt. Beide Gruben ſind auf ein und dieſelbe Lagerſtätte fundirt, und wenn auch ein unmittelbarer Zuſammenhang der letzteren nicht nachzuweiſen, ja ſelbſt allem Anſcheine nach jetzt nicht mehr beſteht, ſo wird jene Annahme doch durch das ganz gleichartige Verhal⸗ ten in beiden Grubenfeldern, wie dies aus Folgendem näher erſichtlich werden dürfte, faſt bis zur Evidenz be⸗ ſtätiget. Der ſüdlichſte Punkt, auf welchem die fragliche Braunkohlenablagerung im Felde der Franciscagrube mittelſt Bohrlöcher und ſpäter durch Röſchenbetrieb entblößt worden iſt, befindet ſich in 520 Lachter ſüdliche Entfernung von dem Lohefluß und zwar in der Nähe der Jordansmühler-Popelwitzer Grenze, da, wo dieſe 8 * 60 aus der Richtung in Süd ſich ſcharf gegen Oſten wendet. Von hier ab ift das Braunkohlenlager in fait gleichbleibender Streichung h. 10 bis h. 11 des Gruben-Kompaſſes mit einigen Unterbrechungen, deren wei— terhin näher gedacht werden ſoll, bis in die Nähe des Dorfes Wilſchkowitz, bis auf eine Längen-Erſtreckung, von 1320 Lachter oder (a Lachter 6% pro Fuß) auf 8800 Fuß verfolgt, während feine größte Breitenans⸗ dehnung in der auf der Francisca-Grube etablirten Aufdeckarbeit (Tagbau), ſo wie im Felde der dortigen Stellwäſche nur 13 ½ Lachter, und im Felde der Helena-Grube ſelbſt noch weniger, und zwar nämlich nur 6 bis 9 Lachter zunächſt der Oberfläche erreicht. Nach der Tiefe hin nimmt das Kohlenlager ferner und zwar ſehr raſch ab, indem das Nebengebirge auf beiden Seiten, alſo auf der Oſt- und Weſtgrenze, unter einem Winkel von 52 bis 60 Grad gegen die Mitte des Kohlenlagers einfällt und ſo letzteres im Querſchnitt als eine keil- oder trichterförmige Ausfüllung erſcheinen läßt, deren ſenkrechte Höhe nach den Reſultaten der bishe— rigen Aufſchlüſſe zwiſchen 6 und 10 Lachter — 40 und 66%, Fuß abwechſelt. Das Nebengebirge, welches das Kohlenlager in ſeiner Breiten-Erſtreckung begrenzt, mithin nach der vorbeſchriebenen Lagerungsform demſelben auf beiden Seiten zur Unterlage dient, beſteht aus einem zähen, blauen Töpferthon, der nur in nächſter Berührung mit der Kohle eine ſchwarz- oder ſchmutzigbraune Farbe annimmt. Die Mächtigkeit dieſes Thons iſt zwar bis jetzt noch nicht genau ermittelt, doch läßt ſich aus dem Ergebniß der in deſſen Liegenden abgeſunkenen Bohrlöcher mit ziemlicher Gewißheit der Schluß ziehen, daß dieſelbe 3 Lachter kaum überſteigen dürfte. Das Dachgebirge, unmittelbar über dem Kohlenlager, iſt überall ein blaugrauer oder ſchmutzigbrauner ſändiger Letten von 3 bis 5 Fuß Stärke, über welchem ſodann bis zur Dammerde der Tagesoberfläche ein feinkörniger, ſehr waſſerreicher Quarzſand mit einzeln vorkommenden Ge— ſchieben von Hornſtein, Serpentin und kryſtalliniſchen Geſteinen folgt. Die Höhe des Dachgebirges, mit Ein— ſchluß jener, niemals fehlenden ſandigen Lattererde, iſt auf jedem Entblößungspunke eine verſchiedene; dieſelbe verhält ſich zwiſchen 4 und 26 Fuß, wobei die ſchwächſte Ueberlagerung auf dem Fundſchachte der Helena— Grube, und die ſtärkſte, zu 26 Fuß, kaum 9 Lachter — 60 Fuß von dem bezeichneten Fundſchachte entfernt, mittelſt eines Bohrloches ermittelt worden iſt. Im Bereiche der im Felde der Francisca-Grube etablirten Aufdeckarbeit beſitzt das Dachgebirge eine Höhe von 12 bis 15 Fuß, welche in dem größeren Theile des ge— nannten Grubenfeldes ziemlich konſtant bleibt, und nur auf einigen Punkten, den am weiteſten gegen Süd gelegenen, bis auf 21 Fuß hinaufſteigt. N 8 Wie wir bereits früher angedeutet haben, wird das Kohlenlager in ſeiner Längen-Erſtreckung von 1320 Lachtern auf mehreren Stellen unterbrochen; wenigſtens hat man mit allen in den fraglichen Feldes— theilen bis 4 Lachter niedergeſtoßenen Bohrlöchern nur grobkörnigen, nachfälligen Kies, nirgends aber eine Spur von Kohle oder deren Begleiter, den plaſtiſchen Thon, angetroffen, woraus wohl mit Grund der Schluß ge— zogen werden darf, daß das früher unzweifelhaft im Zuſammenhange geſtandene Kohlenlager auf jene Stellen durch ſpätere Fluthen weggeführt, und der Raum, den urſprünglich die Lagerſtätte mit ſeiner Decke einnahm, durch jenen grobkörnigen Kies wieder ausgefüllt wurde. Dieſe Annahme wird außerdem noch dadurch beſtätigt, daß jener grobkörnige Kies, aus faſt völlig abgerundeten Quarzkieſeln beſtehend, von dem wirklichen Dachge— birge des Kohlenlagers — dem feinen Quarzſand — ſehr weſentlich verſchieden iſt, und eben dadurch das Gepräge einer ſpäteren Ablagerung an ſich trägt. In dem Felde der Helena-Grube hat das Vorkommen jenes grobkörnigen Kieſes bisher ein ſicheres Anzeichen für das Vorhandenſein des Kohlenlagers abgegeben; im Allgemeinen gilt dies zwar auch für die Unterbrechungen des Kohlenlagers im Felde der Francisca-Grube, doch ſcheinen bei deren Entſtehung wieder Verhältniſſe wie dort ſtattgefunden zu haben, da mit der zur Aufſchließung des ſüdlichſten Kohlenfeldes aus Nord gegen Süden 80 Lachter offen und 88%, Lachter unterirdiſch bis zur Kohle herangetriebenen Stollenröſche jener grobkörnige Kies nur an einigen Stellen angetroffen, ſonſt aber der das Dachgebirge bildende feine, waſſerreiche Quarzſand mit einzelnen ſchwachen, darin eingeſchloſſenen Letten⸗ ſchichten durchfahren wurde. Dieſe abweichende Erſcheinung, in Verbindung mit dem entgegengeſetzten Ein: fallen der Kohle an dem Unterſuchungspunkte der Röſche, nämlich unter 75 Grad gegen Nordoſt, während 61 daſſelbe nach der beim Tagebau erkundigten Lagerung nach Südoſt einfallen ſollte, könnte zwar zu der Vers muthung führen, daß das Kohlenlager noch unter der Röſchenſohle fortſetze und nur durch eine ſpätere Stockung (Verwurf) ein tieferes Niveau eingenommen habe; die Reſultate mehrerer, unter der Röſchenſohle niedergeſtoßenen Bohrlöcher ſprechen indeß keinesweges dafür. Der mehrerwähnten Unterbrechungen im Streichen der Lagerſtätte kennt man bis jetzt deren vier, die | wir hier in Verbindung mit der liegbaren Erſtreckung der dadurch abgetheilten 5 Kohlenfelder, und zwar aus Süd gegen Nord verfolgend, näher bezeichnen wollen. Es beträgt: Die Längen-Erſtreckung des Kohlenlagers: Die Längen⸗Erſtreckung der darauf folgenden Unterbrechung: Das erſte oder ſüdlichſte Kohlenfeld .. .. 43 Lachter. 140 Lachter. eite „ eee eee ee, 246 „ ritt ” 17 5 2 129 „ „ vierte 15 A 0 27730 1 440 „ „ane , 15 5 eee, 365°. 9559, Die Feldeslängen, in denen das Kohlenlager fehlt, überſteigt ſchon dasjenige, in welchem daſſelbe erbohrt und ſonſt aufgeſchloſſen wurde, faſt um das Dreifache, und wenn auch, wie zu vermuthen, das Kohlenfeld sub Nr. 3 in der Richtung gegen Süden oder nach der Lohe, wohin es wegen des niedrigen und ſumpfigen Terrains nicht mit Bohrlöchern verfolgt ward, noch weiter und bis zum Fluſſe fortſetzen ſollte, ſo bleibt den— noch die Summe der letztern die der erſtern bei weitem überwiegend. Die hier beigefügten, der Sektion ebenfalls vorgelegten Situations-, Grund- und Profil-Riſſe, aus zwei Blatt beſtehend, dienten dazu, das vorbeſchriebene Lagerungsverhältniß dieſes Braunkohlenvorkommens klarer vor Augen zu ſtellen, So abweichend nun auch das beſchriebene Lagerungsverhältniß erſcheint, ſo wenig zeigt ſich dagegen die mineralogiſche Beſchaffenheit der Kohle von den andern Braunkohlenlagern Schleſiens verſchieden. Auf beiden mehrgenannten Gruben beſteht die Kohle, ihrer Hauptmaſſe nach, aus erdiger Braunkohle von gelblich oder ſchwärzlichbrauner Farbe, in welcher häufig 6 bis 12 Zoll und darüber ſtarke, in der Regel plattgedrückte und zerbrochene Stämme bituminöſen Holzes eingeſchloſſen ſind. Ueber das quantitative Verhältniß der bituminöſen Holzreſte zu dem der erdigen Braunkohle fehlt es bis jetzt noch an einer genauen Ermittelung; annäherungsweiſe wird das fragliche Verhältniß aber durch den Procentfall der Stückkohlen, die vorzugsweiſe aus Holzſtamm-Fragmenten beſtehen, feſtgeſtellt. Bei dem Tage⸗ baue, der hierbei den ſicherſten Anhalt giebt, betrug jener Prozentfall — 28,5, wonach alſo das Verhältniß der Maſſe der bituminöſen Holzſtämme zu dem der erdigen Braunkohle wie 28,5 zu 71,5 fallen würde. Nach den Unterſuchungen des durch ſeine Flora der Vorwelt rühmlichſt bekannten Botanikers Herrn Profeſſor Dr. Göppert zu Breslau gehören jene baumförmigen Stämme hauptſächlich zu den vorweltlichen Koniferen, und zwar ſowohl zu denen der Gruppe der Abietineen, wie der Cupreſſineen und Taxineen. Unter erſteren zeichnet ſich beſonders eine Art durch die enorme Dichtigkeit, Schwere und Holzreichthum aus, ſo daß ſie gleich den ſchwerſten Dikotyledonenhölzern im Waſſer zu Boden ſinkt, und durch ihr Vorherrſchen, nebſt dem fo häufigen, ebenfalls ſehr dichten Taxusholz, am meiſten zu der als Brennmaterial fo vortrefflichen Braunkohle dieſer Grube beiträgt. Die Cupreſſineen gehören mehr den leichteren Holzarten dieſer Gruppen an, ſind aber hier nur ſehr wenig vertreten. Schließlich muß ich noch eines, in meinem Beſitz befindlichen Stückes Bernſtein erwähnen, welches von braungelber Farbe iſt und in einem mit Sand ausgefüllten, vom Dachgebirge bis tief in das Kohlenlager nie⸗ Be. derſitzenden Kluft (Spalte) aufgefunden wurde. Nach der vorangegebenen Art feines Vorkommens dürfte jedoch dieſes Bernſteinſtück nicht als Einſchluß des Kohlenlagers, ſondern als ein ſolcher der Diluvialmaſſe des Dach— gebirges zu betrachten ſein, und dies zwar um ſo mehr, als weder hier noch in andern Braunkohlen— lagern Schleſiens bis jetzt eine Spur von Bernſtein entdeckt worden ift. *) Am 21. Dezember 1848, bei einer zur Jahresfeier der entomologiſchen Sektion gehaltenen gemeinfchaft: lichen Verſammlung, hielt der Sekretär der Sektion, Profeſſor Dr. Göppert, einen demonſtrativen Vortrag über die foffilen Koniferen, verglichen mit denen der Zetztwelt. Wenn bei der Bearbeitung der foſſilen Koniferen ſtets die lebende Flora im Auge zu behalten und fie überall auf die letztere zu gründen iſt, ſo dürfte es wohl nicht unzweckmäßig erſcheinen, eine gedrängte verglei— chende Ueberſicht der Eigenthümlichkeiten beider zu liefern, durch welche es ſich klar herausſtellt, wodurch ſie ſich etwa von einander unterſcheiden. Sie umfaßt folgende zwei Abſchnitte: 1) die Verbreitungsverhält— niſſe, und 2) die Organographie. f 1) Allgemeine Verbreitung der foſſilen Koniferen. Die Verbreitungsſphäre der lebenden Koniferen erſtreckt ſich über die ganze bekannte Oberfläche unſerer Erde, folgt jedoch den ſchon auch bei andern Pflanzenfamilien der gegenwärtigen Flora ermittelten Geſetzen, inſofern nämlich zwar wohl einzelne Arten in ſehr vielen, weit von einander entfernten Ländern wachſen, dies Vorkommen jedoch nach Höhenverhältniſſen und nach Zonen große Beſchränkung erleidet, ſo daß gewiſſe Gat— tungen ſelbſt nur in einzelnen Ländern und Zonen der Erde angetroffen werden. Indem wir nun die foſſilen Koniferen der verſchiedenen, bis jetzt ermittelten Vegetationsperioden ähnli— chen Betrachtungen unterwerfen, erſcheint es von ſelbſt klar, daß die Höhenverhältniſſe ausgeſchloſſen bleiben müſſen, die ſich in den verſchiedenen Bildungsperioden der Erde nicht beſtimmen laſſen. a) Verbreitung in den einzelnen Formationen und Ländern der Erde. Wenn es nun mehr als wahrſcheinlich erſcheint, daß in jener fernen Periode, wo zuerſt auf unſerer Erde das organiſche Leben erwachte, alſo zur Zeit der Uebergangs- und Steinkohlen-Flora, eine mehr gleichmäßige Temperatur über die ganze Erde verbreitet war, wie ſich dies insbeſondere aus der bekannten gleichförmigen Beſchaffenheit der Steinkohlenflora in den bis jetzt entdeckten Lagern derſelben überzeugend her— ausſtellt, ſo folgt ſchon von ſelbſt hieraus, daß auch wohl ſchwerlich die Koniferen eine Ausnahme hiervon machen werden. In der That haben die bisherigen, freilich noch großer Ausdehnung fähigen Beobachtungen zu keinem anderen Reſultate geführt, wie ſich aus der verwandten Beſchaffenheit der bis jetzt aus den engli— ſchen, franzöſiſchen, belgiſchen, ſchottiſchen, böhmiſchen, ſchleſiſchen, ſächſiſchen, rheiniſchen, ruſſiſchen, nordaſiati— ſchen (Altai), nordamerikaniſchen (Neu-Braunſchweig, Neu-Schottland) und neu-holländiſchen Kohlenlagern entdeckten Koniferen entſchieden ergiebt, die faſt alle nur einigen Gattungen, ähnlich Araucaria, Dammara und Pinus, die nordamerikaniſchen und neuholländiſchen nur der letztern Gattung, alſo der erſten Gruppe der „) Bereits im Jahre 1845 (vergl. Jahresbericht der ſchleſ. Geſellſchaft für das J. 1845, S. 138) habe ich es als Reſultat meiner Beobachtungen über das Vorkommen von Bernſtein in Schleſien ausgeſprochen: Daß der Bernſtein hier nirgends in feiner urſprünglichen Lagerſtätte ſich befindet, daß der Grund und Boden, auf welchem die Bernftein liefernden Wälder einft vegetirten, wohl höchſt wahrſcheinlich in einem Theile des heutigen Bettes der Oſtſee zu ſuchen ſei und er nur in unſern hieſigen Gegenden durch gewaltige Revolutionen angeſchwemmt wurde; und ich freue mich, daß dieſe von Mehreren bezweifelte Be: hauptung nun auch durch die Erfahrungen unſeres ausgezeichneten Geognoſten neue Beſtaͤtigung erhaͤlt. 63 Koniferen: den Abietineen, angehören, von welchen Araucaria und Dammara in den genannten Fundorten heut nicht mehr vorkommen, ſondern nur in der tropiſchen und ſubtropiſchen Zone der ſüdlichen Erdhälfte angetroffen werden.“) i Mit den vorigen vereint, treten nun in dem Zechſtein, wozu wir auch die deutſche Kupferſchie— ferformation rechnen, die Cupreſſineen, mit der ihnen eigenthümlichen Gattung Ullmannia, hinzu. Im Muſchelkalk beobachteten Hartig und ich bisher nur Pinus -ähnliche Arten. Der bunte Sandftein, auch noch andere Cupreſſineen enthaltend, zeichnet ſich durch einige, bis jetzt wenigſtens nur in der foſſilen Flora beobachtete Gattungen: Voltzia, Albertia und Füchselia, aus. Im Keuper ſehen wir außer Pinus und Araucaria (Araucarites Keuperianus G.) zuerſt Zarineen (nach Hartig unter den bekannten Coburger verſteinerten Hölzern), in der Lias- und Jura- Formation außer Araucarien, in der letztern Pinus, Cu: preſſineen (Thuja, Taxodium ähnlich), ähnlich in der Wealden-Formation mit Cupressus - ähnlichen Formen. ; Mannigfaltiger geftaltet ſich die Koniferenflora in der Grünfandformation oder der vereinigten Kreideformation, Cunninghamia, Dammara, desgleichen noch Araucarien in Chili nach Rob. Brown kommen hinzu, und faſt aller jetztweltlichen Gattungen Repräſentanten, ſo wie Vermehrung durch die Gruppe der Gnetaceen, finden wir in der Braunkohlenformation, die, wie ſchon erwähnt, Schichten verſchiede— nen Alters umfaßt, und mit dem Namen Molasse vielleicht am paſſendſten zu bezeichnen ſein wird. Die erſtgenannten Formationen, als pflanzenhaltig, ſind, mit Ausnahme der Steinkohlenfor— mation, überhaupt in einem bis jetzt im Ganzen nur kleinen Theil der Erde beobachtet worden, wie die Kupferſchieferformation in Deutſchland, im europäiſchen und aſiatiſchen Rußland; der Muſchelkalk in Deutſchland und Frankreich; der bunte Sandſtein in Deutſchland, Frankreich und Italien (Voltzia brevifolia, nach Catullo in den venetianer Alpen); der Keuper in Deutſchland, Frankreich und England, in denſelben Ländern, ſo wie in Dageſtan; die Juraformation in Deutſchland, Frankreich, Schottland, Eng— land, Ungarn, Polen, europäiſchen Rußland; der Quaderſandſtein in Deutſchland, Böhmen, Iſtrien, Un— garn, Dalmatien, Bannat, Siebenbürgen, Frankreich, England, Italien, Polen, Rußland; in Afrika: Aegypten, Nubien; in Aſien: Syrien und bei Pondichery; ſo wie auch an mehreren Punkten der Vereinigten Staaten und Texas in Nordamerika, ſo wie den Antillen, Chili, Buenos-Ayres und dem Stromgebiet des La Plata in Südamerika. Die Braunkohlenformation, als bereits genannter Fundort foſſiler Koniferen, umfaßt dagegen faſt die ganze bekannte Erde, nämlich, außer ſämmtlichen Ländern Europa's, mit den dazu gehörenden größeren Inſeln von Island bis Sieilien, Norwegen, Schweden, England, Schottland, Irland, Frankreich, Belgien, Holland, Schweiz, Deutſchland, Ungarn, Mähren, Böhmen, Iſtrien, Kroatien, Bannat, Siebenbür— gen, Dalmatien, Bosnien, Italien, das geſammte Polen, europäiſche Rußland und Türkei, Griechenland (nur über Portugal und Spanien fehlen mir Angaben, gewiß aber dort nicht Lager bituminöſer Koniferenhölzer); in Afrika: Algier, Aegypten, Choa, Vorgebirge der guten Hoffnung; in Aſien, in Sibirien (am Fluß Boga— nida 71 Grad nördlicher Breite, am Taymurfluß 75 Grad nördlicher Breite, in Kamtſchatka, in der Kirgiſen— ſteppe, Syrien, Oſtindien, auf Java; in Auſtralien an der Oſtküſte von Neu-Holland, auf Van-Diemens⸗ und Kerguelensland; in Nordamerika auf der Halbinſel Sitcha, in den Vereinigten Staaten (Arkanſas, Ohio, Penſylvanien, Maſſack uſets, Miſſouri, Virginien, Maryland), in Texas; in Südamerika, in Gujana, Chili. Im Allgemeinen herrſchen auch in der Braunkohlenformation die Cupreſſineen vor; Araucarien fehlen auch nicht, die vereint mit koloſſalen Ahornen, Palmen, die man nun ſchon an mehreren Punkten in der Braunkohlenformation der Schweiz, des Rheins, bei Bonn, zu Voigtſtedt in Preußiſch-Sachſen, Muskau in der Nieder-Lauſitz gefunden, vollkommen ausreichen, der Geſammt-Vegetation ein der an denſelben Lokalitäten ) Die Koniferen der im Bergkalk liegenden Steinkohlen gehören in Schottland zu Araucaria (Araucarites Withami G.), im europäifchen Rußland, fo wie in Sibirien, zu Pinites. 64 gegenwärtig vorhandenen fremdartiges, faſt ſubtropiſches Ausſehen, ähnlich dem in den ſüdlichen Provinzen der Vereinigten Staaten, zu verleihen. Wenn wir aber erwägen, daß wir unſere ganze, etwa erſt ſeit 6 Jahren durch Bowerbank's, Hartig's, Unger's und meine Unterſuchungen begründete Kenntniß dieſer Flora nur einigen weniger genauer erforſchten Punkten Deutſchlands und Englands verdanken, ſo geht, wenn wir damit die zahlloſen, oben angeführten Fundorte vergleichen, daraus klar hervor, welcher unendlichen Erweiterung dieſer Zweig der Wiſſenſchaft noch fähig iſt. Aus einer tabellariſchen, die Verbreitungsverhältniſſe in den einzelnen Formationen beſonders berückſichti⸗ genden Ueberſicht ſämmtlicher foſſilen Koniferen, deren Zahl gegenwärtig 212 beträgt, ergeben ſich in dieſer Hinſicht folgende allgemeine Reſultate: 1) Die raſche Vermehrung der Koniferen in den jüngeren Formationen, den älteren gegenüber; denn der Uebergangsformation gehören nur 2, der Steinkohlenformation 9, dem Roth: liegenden 1, dem Zechſtein und bunten Sandſtein je 7, dem Keuper 6, dem Lias 8, dem Jura 11, der Wealdenformation 3, der Kreideformation dagegen ſchon 16 und der Braunkohlenformation, eine gegen die übrigen Formationen unverhältnißmäßig große Menge, 130, an, während die übrigen alle zuſammen nur 70 zählen. Die meiſten find in Europa gefunden worden, natürlich aus keinem an⸗ dern Grunde, als weil man hier am meiſten danach forſchte; 2 in Amerika, 3 in Aſien, 2 in Neu⸗ Holland und nur eine in Afrika. 2) Daß mit der Annäherung der vorweltlichen Floren an die der Gegenwart, welche, wie eben erwähnt, bei der der Braunkohlenformation am größten iſt, mit der Zahl und Mannigfaltigkeit der Gattungen und Arten auch die Verbreitung und Aus- dehnung der Familien in den verſchiedenen Zonen der Erde zunimmt. Unter den Gruppen der Koniferen ſelbſt kommen die Abietineen in allen Formationen vor, die Araucarien unter ihnen gehen jedoch von der der Steinkohlenformation nur bis zur Keuperbildung. Auch die Cupreſſineen fehlen faſt nirgends und erſtrecken ſich ſelbſt bis in die Steinkohlenformation, wenn die von mir als neu erkannte Gattung Calycocarpus (Calyc. thujoides) wirklich dahin gehört. Die Zarineen zeigen, wenigſtens nach meinen Beobachtungen (Hr. Hartig ſpricht zwar ſogar von Taxineen in der Steinkohlenformation), die beſchränkteſte Verbreitung, indem ich ſie bis jetzt nur innerhalb der Tertiärformation antraf. Ob nun aber die foſſilen Koniferen der jüngeren Formation, insbeſondere der Braunkohlenformation der wärmeren Zonen unſerer Erde, mit denen unſerer Gegenden auf ähnliche Weiſe übereinſtimmen werden, wie dies bei den Koni⸗ feren der Steinkohlenformation der Fall iſt, oder ob hier andere Gattungen auftreten, kann ich, in Ermange— lung diesfallſiger ſicherer Beobachtungen, weder bejahen noch verneinen, möchte mich aber eher für das Letztere erklären, da entſchieden wohl zur Zeit der jüngeren Vegetationsperioden eine unſern gegenwärtigen klimatiſchen Verhältniſſen ähnliche Vertheilung der Klimaten und ſomit auch größere örtliche Verſchiedenheiten in der Ve— getation ſtattfanden. 3) Endlich ergiebt ſich noch aus dieſer Zuſammenſtellung, daß nicht eine einzige Art in zwei ver⸗ ſchiedenen Formationen zugleich vorkommt, und auch nur eine einzige Art, Pinites Pu— milio, wenigſtens nach Maßgabe der zum Vergleich vorliegenden Zapfen und blattloſen Zweige mit einer jetztweltlichen, Pinus Pumilio, völlige Uebereinſtimmung zeigt. b) Verbreitung einzelner Arten. Aus den ſo eben angegebenen Gründen kann dieſe Unterſuchung nur zu ſehr ungenügenden Reſultaten führen und ſich auch faſt nur auf die Gattungen beſchränken. In der Steinkohlenformation ſind alſo, wie ſchon oben erwähnt, die Gattungen Araucarites und Pinites in Europa, Aſien und Nordamerika verbreitet; Voltzia- Arten (V. brevifolia) finden wir in Frankreich, Deutſchland und N.-Italien; weniger Uebereinſtim⸗ 65 mung zeigen die Quaderſandſteinfloren fo nahe liegender Länder, wie Böhmen und Schleſien, indem bis jetzt nach Corda im böhmiſchen Quaderſandſtein noch keine einzige mit den im ſchleſiſchen Quader von mir beſchrie⸗ benen Pflanzenreſten identiſche Form beobachtet worden iſt; dagegen theilen ſich beide Länder in die Damma- rites-Arten, in Böhmen D. albens Presl, in Schleſien D. erassipes Göpp. Mit der ſächſiſchen Quader⸗ fandfteinformation theilt Böhmen auf ähnliche Art Cunninghamites, C. elegans und C. planifolius Endl in Böhmen, C. Oxycedrus in Sachſen. Beide Länder haben aber Geinitzia cretacea mit einander gemein. Mit der Annäherung des Charakters der Flora an die Jetztwelt findet auch hierin ein den Verhält⸗ niffen der letzteren verwandtes Verhalten ſtatt, wie ganz unverkennbar die Braunkohlenflora verſchiedener Länder und Gegenden lehrt, ein ſo dürftiges Material auch gegenwärtig noch immer vorliegt. Die unter dem Na⸗ men Suturbrand bekannten foſſilen Hölzer enthalten auch Cupreſſineen, eben ſo die foſſilen zu Sedanka in Kamtſchatka von Erman entdeckten Hölzer, die aus der Kirgiſenſteppe, welche mir Schrenk mittheilte, die aus allen Punkten Deutſchlands, wo, wie in Braunſchweig, Heſſen, Preußiſch-Sachſen, Rheinpreußen, Sach⸗ ſen, Baden (Oeningen), Preußen, Mark Brandenburg, Poſen, Schleſien, Böhmen, Steyermark, Kroatien, die Braunkohle unterſucht wurde. Als am weiteſten verbreitet wurde bis jetzt Pinites Protolarix erkannt, der an allen der genann- ten Orte Deutſchlands, fo wie auch in Ungarn und Siebenbürgen, vorkommt. Ihm am nächſten ſteht Ta- xites Ayckii G., in allen Braunkohlenlagern Schleſiens, der Mark Brandenburg, Preußiſch-⸗Sachſens (Niet⸗ leben bei Halle, Wörſchen, Gramſchütz, Roßbach, Teuditz, Tollwitz, Voigtſtedt), in Rheinpreußen, in Heſſen⸗ brück unfern Laubach in der Wetterau, in der Ober- und Nieder⸗Lauſitz, in Redlau bei Danzig, im Sam: lande in Preußen und Oſtrolenka in Polen; Pinites Hoedlianus in Steyermark, Galizien, Oeſterreich und Böhmen; Taxites priscus in Sicilien bei Palermo, bei Mitylene auf Lesbos und in Ungarn; Taxodites europaeus auf der Inſel Iliodroma Griechenlands, in Böhmen, Steyermark; T. oeningensis in Steyer⸗ mark, Kärnthen und Oeningen; Callitrites Brongniartii Endl. zu Radoboi in Kroatien, zu Häring in Ty⸗ rol, bei Paris, zu Armiſſan bei Narbonne und im Gyps bei Aix in der Provence; Libocedrites salicor- nioides in der Tertiärformation zu Radoboi in Kroatien und der Braunkohlenformation bei Bonn; Wid- dringtonites Ungeri Endl. in mehreren Lokalitäten Steyermarks und Böhmens. Die hier genannten Arten erſcheinen freilich nicht ſo weit verbreitet, wie viele Arten der jetztweltlichen Koniferen, doch aber kann man aus dieſen Beiſpielen mehr als hinreichend entnehmen, daß auch in dieſer Ber ziehung in der Flora der Vorwelt ähnliche Geſetze obwalteten. c) Geſelliges Vorkommen (Vertretung einzelner Arten durch andere). Viele Arten der jetztweltlichen Koniferen zeichnen ſich bekanntlich durch geſelliges, Wälder bildendes Wachs⸗ thum aus. Mehrere Verhältniſſe laſſen ſchließen, daß dies wenigſtens bei den Koniferen der Braunkohlenfor⸗ mation ſich ähnlich verhielt, worauf ich (v. Mohl und v. Schl. bot. Ztg. 1848, S. 164) zuerſt aufmerkſam machte. Ich fand, daß in Schleſien die Zahl der Arten, die etwa höchſtens 15 bis 16 beträgt, nach Maß⸗ gabe der ungeheuren Maſſe von Braunkohlen, deren Bildung ſie bewirkten, ſehr gering iſt. Um dies in La⸗ gern auch für einzelne Arten nachzuweiſen, ſchlug ich vor, ſo viele Exemplare von verſchiedenen Stämmen oder Bruchſtücken bituminöſen Holzes, als ſich nur irgend vorfinden, zu ſammeln und demnächſt zu unterſuchen. Es ergebe ſich hieraus das Ueberwiegen der einen oder der andern Art, und wenn man auch, gewiß nicht mit Unrecht, bemerken wollte, daß ſich unter denſelben vielleicht oft Bruchſtückchen von ein und demſelben Baume finden ſollten, ſo werde die öftere Wiederholung dieſes, freilich ſehr mühſamen Verfahrens doch ein der Wahr⸗ heit ſich annäherndes Refultat liefern. So fand ich z. B. unter 90 einzelnen, von mir an verſchiedenen Or⸗ ten der Aufdeckarbeit der Laaſaner Braunkohlengrube in Schleſien geſammelten Hölzern 51 Stück Pinites Protolarix, 21 Taxites, 18 Cupressinoxylon leptotichum. In den Gruben von Strieſe bei Prausnitz herrſcht Taxites ponderosus m. entſchieden vor, eben ſo in der Franciscagrube zu Popelwitz bei Nimptſch, 9 66 Pinites ponderos. m. in ſämmtlichen Braunkohlenlagern bei Patſchkau, Grünberg in Schlefien, Radmeritz bei Görlitz, Muskau und Lauban in der Niederlaufis. Unterſucht wurden von Radmeritz 10, von Muskau 30, von Grünberg 80 Exemplare. Es geht alſo hieraus, wie ich glaube, überzeugend hervor, daß auch jenes den jetztweltlichen Koniferen ſo eigenthümliche geſellige Wachsthum bei den foſſilen Koniferen ſtattfand, ja ſogar bei Gruppen derſelben, den Cupreſſineen und Taxineen, die in unſern gemäßigten deutſchen Klimaten nicht mehr wälderbildend erſcheinen, und die Zahl der wälderbildenden Cupreſſineen und Zarineen faſt größer zu fein ſcheint, als in der Jetztwelt. Die eben angeführten Beobachtungen führen, meiner Meinung nach, auch noch zu andern Reſultaten. Da nämlich die in den eben genannten ſchleſiſchen und lauſitzſchen Braunkohlenlagern befindlichen Pflanzen, ſollten ſie ſich auch wirklich nicht mehr auf dem urſprünglichen Wachsthumsorte befinden, doch von einander gewiß getrennt vegetirten, aber nicht fern von einander ſich befanden (Laaſan, das ſich von den übrigen ſchleſiſchen Braunkohlenlagern durch ſeine Zuſammenſetzung ſo ſehr auszeichnet, liegt von Popelwitz bei Nimptſch nur 5 Meilen, von Strieſe 12 Meilen, Popelwitz überwiegend aus Taxites ponderosus zuſammengeſetzt von dem von Patſchkau, welches Cupressinoxylon vorzugsweiſe enthält, 6 Meilen), ſo ergiebt ſich hieraus, wie mir es ſcheint, ganz unzweifelhaft, daß in der Vorwelt an verſchiedenen Orten, wie wir es auch gegenwärtig noch bei Koniferenwäldern ſehen, bald die eine, bald die andere Art vorherrſchte und ſo die Wälderbildung vermittelte. So viel, glaube ich, aber nicht mehr aus den bisherigen Beobachtungen über die Verbreitungsverhält— niſſe der vorweltlichen Koniferen ſchließen zu können. 2) Organographie der foſſilen und lebenden Koniferen. a Wurzel. Wenn man in unſerer Zeit ziemlich allgemein annimmt, daß die Pflanzen, welche viele Steinkohlenlager bilden, an Ort und Stelle jene Veränderungen erlitten, die ſie uns heut als Steinkohle erſcheinen laſſen, ſo ſprechen die geognoſtiſchen Verhältniſſe der Braunkohlenformation mehr dafür, daß die in ihnen enthaltenen Pflanzen, durch gewaltige Ueberſchwemmungen entwurzelt, mehr oder minder weit von dem urſprünglichen Standorte geführt und dort von den Erd- und Steinſchichten bedeckt wurden, unter welchen wir ſie antreffen. War die Entfernung, in welcher die Ablagerung erfolgte, auch noch ſo gering, ſo konnten unter ſolchen Um— ſtänden insbeſondere die Bäume unmöglich noch in aufrechter Lage erhalten werden, wie denn auch in der That die Lage derſelben in den Braunkohlenlagern meiſt der Richtung entſpricht, von woher die Strömung erfolgte; daher erſcheint es auch leicht begreiflich, warum wir ſo ſelten noch mit Wurzeln verſehene Stämme, ſondern dieſelben mehr oder minder zerbrochen oder in einzelnen Stücken mit den Stämmen zugleich antreffen. Dieſe immerhin ſeltenen Wurzelbruchſtücke kommen den Wurzeln unſerer Koniferen ſehr nah; denn eine eigent= liche Pfahlwurzel ſcheinen die vorweltlichen Koniferen eben ſo wenig, wie die jetztweltlichen beſeſſen zu haben, wiewohl ich gern bekenne, daß meine Beobachtungen hierüber noch als lückenhaft anzuſehen ſind. Sie zeichnen ſich oft durch die an vielen Punkten des Stammes vorhandenen, ganz unregelmäßigen rundlichen Hervorra: gungen oder abgebrochene kleinere Wurzeläſte oder Faſern aus, die auch häufig, ganz auf dieſelbe Weiſe, wie bei den jetztweltlichen Koniferen, wenn ſie noch zu Lebzeiten des Baumes abgebrochen wurden, überwallt, d. h. von neuen Holzlagen überwachſen erſcheinen. In dieſen Wülſten findet man dann die abgeſtorbenen Aeſte. Daß daſſelbe auch bei Stämmen mit Aeſten vorkommt, verſteht ſich von ſelbſt, wie fußdicke, vor uns liegende, zum Theil überwallte Aeſte von foſſilen Stämmen entſchieden beweiſen. 67 b. Stamm Jener Abſchnitt bei den lebenden Koniferen“) handelte von der Beſchaffenheit des äußern Stammes und der Kronenbildung, der Lebensdauer, Höhe und Umfang und den Strukturverhältniſſen. Nur die letzteren können hier einer ausführlicheren Vergleichung unterworfen werden, die erſteren nur einer relativen und lückenhaften. Da wir noch niemals einen in allen Theilen vollſtändig erhaltenen Stamm im foſſilen Zuſtande zu ſehen Gelegenheit hatten, vermögen wir auch über das Verhältniß der Stamm- und Kronenbildung, über die Höhe nichts anzuführen, und auch über die Lebensdauer und den Umfang nur aus Bruchſtücken zu urtheilen. Den dickſten und umfangreichſten, zu den Koniferen gehörenden, verſteinten Stamm, der jemals entdeckt worden iſt, von 4 bis 5 Fuß Durchmeſſer, mit zahlreichen Wurzeln verſehen, ſo daß die Stücke zuſammen an 100 Centner wogen, fand man zu Hilbersdorf bei Chemnitz. Er wird im königlichen Naturalienkabinette zu Dresden noch gegenwärtig aufbewahrt. Ein in einem Kohlenſandſteinbruche bei Waldenburg in Schleſien im Jahre 1803 entdeckter Stamm (Araucarites Brandlingii) war damals an 30 Fuß lang, iſt jedoch gegen⸗ wärtig durch Vergrößerung des Steinbruchs allmälig ſehr verkleinert worden, ſo daß er vor etwa 10 Jahren nur noch 12 Fuß lang und 3 bis 4 Fuß an der Baſis dick war, an der er ſich deutlich in zwei mächtige Fortſätze, offenbar Wurzeln, theilte, eine Pfahlwurzel alſo nicht vorhanden geweſen zu ſein ſcheint. Eine große Anzahl Stämme in drei einzelnen Parthieen, im Ganzen zwölf, befinden ſich im Kohlenſandſtein des Buchen— berges bei Neurode in der Grafſchaft Glatz. Ihre Dicke überſteigt durchſchnittlich nicht 2 bis 3 Fuß; über ihre Länge läßt ſich nicht urtheilen, da ſie nur etwa 2 bis 3 Fuß aus dem Kohlenſandſteine hervorragen und entſchieden ſich in der Tiefe noch fortfegen. Von den von Witham beſchriebenen und abgebildeten Stämmen (Araucarites Brandlingii G.) in einem Kohlenſandſteinbruche zu Craigleith bei Edinburgh maß der eine bei 3 F. Durchmeſſer an der Baſis und 36 F. in der Länge; ein anderer war 5 F. dick und 47 F. lang, und konnte, wie Witham mit Recht aus der allmäligen Verringerung des Umfangs im Bereiche ſeiner Läng ſchließt, einſt wohl 100 F. lang geweſen ſein. In der neueſten Zeit beſchrieb und bildete Germar im fünften Heft, T. 21, ſeines Werkes über die Verſt. des Steinkohlengeb. von Wettin und Löbejun einen noch mit den Wurzeln verſehenen, in einem Kohlenſandſteinbruche bei Wettin aufrechten, offenbar noch auf feinem urfprüng- lichen Standorte befindlichen Stamm ab, deſſen hier etwas ausführlicher zu erwähnen iſt, da bis jetzt wenig⸗ ſtens, was die Wurzeln betrifft, er als der beſterhaltene zu betrachten iſt. Er hat jetzt noch eine Höhe von 12 Fuß, oberhalb einen Durchmeſſer von etwa 3 Fuß, an der Baſis 4 Fuß. Die Rinde iſt theilweiſe noch erhalten, aber ſtrukturlos, nicht aber einzelne Theile des Stammes, die den Bau unſerer Araucarien zeigen, ähnlich Araucarites Brandlingii G. Jahresringe laſſen ſich aus der konzentriſchen Ablöſung vermuthen, Aeſte fehlen, dagegen gehen am Fuße des Baumes in ziemlich gleichem Niveau nach allen Richtungen, jedoch ohne beſtimmte Regel und in verſchiedener Erſtreckung, ziemlich viele (8 — 10) Wurzeln von verſchiedener Dicke, aber ohne Wurzeläſte ab, die bis zu 6 F. Länge in allmälig abnehmender Dicke ſich verfolgen ließen. Eine Pfahl⸗ wurzel wurde nicht bemerkt. In demſelben Steinbruche wurden noch die Fragmente von drei anderen, aber ungleich ſchwächeren Stämmen wahrgenommen. Die Aehnlichkeit der Wurzelbildung des größeren Stammes mit den auch der Pfahlwurzel entbehrenden Koniferen der Jetztwelt iſt nicht zu verkennen. In dem berühmten verſteinerten Walde bei Cairo ſollen einzelne Stämme von 70 bis 120 Fuß, ſelbſt bis 140 F. Länge ſich befinden, von denen aber nur der geringere Theil, ſo viel wir wiſſen, zu den Koniferen gehört. Jahresringe fehlen den im Uebergangsgebirge vorkommenden Koniferen meiſt bei den bis jetzt in der alten Steinkohlenformation oder dem alten rothen Sandſtein entdeckten Stämmen, insbeſondere, wenn ſie zu Araucarites gehören, mit Ausnahme des Araucarites Tchicatcheffianus G. aus dem Altai, wo fie faft gar nicht und auch bei den zu Pinites zu rechnenden nur ſehr undeutlich zu erkennen ſind; entſchiedener treten ſie ) Ich bemerke, daß dieſe Abhandlung aus einem größeren, von mir verfaßten Werke über die Koniferen entlehnt iſt. 9 * 68 auf in einer mir vorliegenden, von Eichwald im Kohlenkalk Rußlands entdeckten Art, fehlen dagegen wieder bei denen aus dem Kupferſandſtein, und ganz unzweifelhaft finden ſie ſich in allen ſpäteren Formationen, wie im Muſchelkalk, Lias, Keuper, Jura, Grünſand und Kreideformation, wo fie in verſchiedenen Breiten abwech⸗ ſelnd von den Jahresringen der jetztweltlichen Koniferen keine Abweichung zeigen. Ueberwiegend enge Jahres⸗ ringe haben dagegen die Hölzer der Braunkohlenformation, insbeſondere die Cupreſſineen, welche ſogar noch die in der Jetztwelt ſonſt mit fo engen Jahresringen verſehenen Taxineen übertreffen, wie ich zuerſt nachgewieſen habe. Bei runden Stämmen mancher Arten kommen auf den Raum einer Linie 15 bis 20 Jahresringe. Die größte an einem foſſilen Stamme bisher überhaupt beobachtete Zahl von Jahresringen, 700, führte ich von einem Pinites Protolarix an, die auf einem immerhin kleinen Raume von 12 Zoll im Breiten- und 16 Zoll im Längendurchmeſſer vorhanden ſind. Abweichungen kommen jedoch auch in dieſen Verhältniſſen vor, da ein anderer, faſt runder Stamm derſelben Art auf 16 Zoll Durchmeſſer nur 400 erkennen ließ. Nur auf hohen Gebirgen, nach meinen Beobachtungen, und im hohen Norden, nach Martins, findet bei jetztweltlichen Koniferen ein ähnliches Verhältniß ſtatt, worin alſo, ſo wie in der undeutlichen Beſchaffenheit oder dem Fehlen der Jahresringe, wie ſie den Koniferen der alten Kohlenformation eigen iſt, ſich ein allerdings bemerkenswerther Unterſchied der foſſilen von den lebenden Koniferen herausſtellt. Was nun die Strukturverhältniſſe des Stammes betrifft, ſo habe ich durch eine große Zahl von ſpäter zu veröffentlichenden Zeichnungen die mir bekannten Modifikationen der lebenden Koniferen feſtzuſtellen verſucht, für die ſämmtlich Analoga bei den foſſilen nachgewieſen werden können, mit Ausnahme der Gnetaceen, von denen ich bisher noch keine Stämme, ſondern nur einzelne Zweige mit Fruktifikationsorganen, eingeſchloſſen im Bernſtein, beobachtete, welche eine nähere Unterſuchung ihrer Strukturverhältniſſe nicht geſtatteten. Auffallend erſcheint nur, daß, ungeachtet der großen Zahl von Zapfen, die zur wahren Pinus-Form im Richard- und Link ſchen Sinne gehören (die Abtheilungen Cembra, Strobus, Pseudostrobus, Taeda, Pinaster, Pinea), bis jetzt ſo wenig Hölzer mit der dieſer Abtheilung entſprechenden und bekanntlich durch die ungleichartigen Markſtrahlen ſo charakteriſtiſchen Struktur gefunden worden ſind, ein Verhältniß, worauf hier aufmerkſam ge⸗ macht werden muß, weil es der Aufklärung noch bedarf. Als eine nicht unwichtige Differenz find jedoch hier noch anzuführen jene der Treppengefäßform ſich nä⸗ hernden Holzzellen bei der von mir im Wet ergangsgebirge entdeckten Gattung, Protopitys, für welche, wie überhaupt für Koniferen ohne Jahresringe, wie ſchon erwähnt, in der jetztweltlichen Flora kein Analogon bis jetzt gefunden worden iſt. e. Knospen. Ueber die Beſchaffenheit der Knospen bei foſſilen Koniferen fehlen mir zur geit noch Beobachtungen, jedoch werden ſie ſchon nachfolgen, wenn man noch häufiger, als dies bis jetzt geſchehen iſt, nach jüngeren Zweigen derſelben in der Braunkohlenformation geforſcht haben wird. Bei manchen der jetztweltlichen Arten, wie nach van Hall (Fror. und Schleid. Not. No. 143, Aug. 1848, S. 170), bei Larix und Salisburia, bleiben ſie oft jahrelang deutlich ſichtbar in einem rudimentären Zuſtande, ehe ſie neue Sproſſen treiben; und warum ſollte dies bei den vorweltlichen Arten ſich anders verhalten? ae, Die verſchiedenen Blattformen, welche bei den lebenden Koniferen vorkommen, ſowohl einzelne nadelför⸗ mige, wie zu 2, 3, 5 vereinigte, ſind, mit Ausnahme der büſchelförmigen, im foſſilen Zuſtande ebenfalls von mir beobachtet worden, ſo wie ich auch hinſichtlich ihrer Nerven, Randes, Struktur, wenn es die Erhaltung geſtattete, insbeſondere auch eine ähnliche Stellung der Stomatien nachgewieſen habe. Für verbreiterte Blät⸗ ter, wie bei Dammara, mit parallelen Nerven, und Gingko, mit fächerförmigen Nerven, fand man noch nicht ein Analogon, es bietet ſich jedoch ein dergleichen in den breit- eiförmig elliptiſchen, zartnervigen Blättern der der foſſilen Flora eigenthümlichen Gattung Albertia dar. Auch doppelt geſtellte Blätter, wie bei der jetzt⸗ 69 weltlichen Cryptomeria und Araucaria, ſehen wir bei Voltzia, desgleichen ferner ee ſo wie vier⸗ bis ſiebenfach ſpiralige Stellungen, letztere beſonders bei Ullmannia. e. Blüthen der Koniferen. Die wenigen, bis jetzt beobachteten Blüthen foſſiler Koniferen (Juniperites, Libocedrites, Thuites, Voltzia, Piceites, Pinites, Albertia), fo wie der Bau ihrer Organe, wie z. B. die Beſchaffenheit des Pi- nus ähnlichen Pollen, entſpricht ganz den jetztweltlichen Koniferen und auch der der Gattungen Voltzia und Albertia, als der foſſilen Flora eigenthümlichen Formen, weicht nicht von dem allgemeinen Bildungstypus der Familie überhaupt ab. (Vergleiche meine Beobachtungen über die im Bernſtein enthaltenen organiſchen Reſte, e die daſelbſt beſchriebenen und abgebildeten Blüthenorgane.) f. Frucht. Im Ganzen kennen wir, nach Maßgabe des geringen Alters dieſer Forſchungen, eine große Zahl derfel- ben. Freilich fehlen noch für viele jetztweltliche Koniferen die analogen Formen; dagegen beſitzen wir viele foffile, die auf einen noch größeren Reichthum von Gattungen ſchließen laſſen. Für die Cupressineae: Actinostrobus, Frenela, Callitris, Libocedrus, Thuja, Cupressus, Chamaecyparis, Taxodium; für die Abietineae: Abies, Picea, Larix, Cedrus, die Abtheilungen Cembroides, Stroboides, Taedaeformis und Pinastriformis der Gattung Pinus; ferner für Araucaria, Dammara, Cunninghamia ſind die entſpre⸗ chenden Fruchtformen vorhanden; es werden nur vermißt die für Glyptostrobus, Cryptomeria, Thujopsis, Juniperus (deren männliche Kätzchen aber nachgewieſen find) unter den Cupreſſineen, wofür aber nicht weniger als ſechs neue, auf die Fruchtform gegründete Gattungen eintreten, nämlich: Geinitzia, Voltzia, Passalostro- bus, Solenostrobus, Hybothya und Ullmannia; für die Abietineen fehlen nur Repräſentanten für Arthro- taxis, Sequoia und Sciadopitys, aber 5 neue Gattungen kommen ebenfalls hinzu, wie: Stenonia, Stein- hauera, Albertia, Fuechselia und Palissya. Die Fruchtformen von Podocarpus, der Taxineen (Taxus, Cephalotaxus und Torreya) und Gnetaceen (Gnetum und Ephedra) fehlen dagegen zur Zeit noch gänz— lich, nur von Ephedra ſind wenigſtens weibliche Blüthen bekannt. 3) Schluß. Wenn wir von dem von mir früher aufgeſtellten Grundſatze ausgehen, daß die einzelnen Floren der verſchiedenen Formationen mit der der Jetztwelt nur ein und dieſelbe Flora bilden, in welcher bald die eine fehlende Form durch eine andere vertreten werde, alle aber zuſammen ein großes inniges Ganze bildeten, und nun unterſuchen, wie ſich etwa die Koniferen, welchen ſtets eine ſo große Rolle in allen Bildungsperioden der Erde zugetheilt war, verhalten, ſo läßt ſich nicht läugnen, daß, wenn wir die bis jetzt nur eben bekannten foſſilen Formen mit denen der Jetztwelt zuſammenſtellen, der Familienbegriff an Mannigfaltigkeit ſehr viel ge⸗ winnt. Die intereſſanteſte Form bleibt in dieſer Hinſicht unſtreitig unſer Protopitys Bucheanus aus dem Uebergangsgebirge mit ſo querbreiten und ſtets in einer Reihe ſtehenden Tüpfeln, daß man ſie unbedingt für Treppengefäße halten würde, wenn ſie ſich eben nicht bloß auf zwei Wänden der Proſenchymzellen parallel den Markſtrahlen befänden, alſo doch wieder anderweitig mit den Koniferen ſehr übereinſtimmten. Die Treppen⸗ gefäßform iſt aber die überwiegende bei allen Pflanzen jener Periode, wie bei den Farrn, den Sigillarien, Stigmarien, Lycopodiaceen, Cycadeen, ja, nach meinen neueren Beobachtungen, ſelbſt bei den Calamiten. Daher die bildende Natur nicht umhinkonnte, die mit ihnen zugleich vorkommenden Koniferen wenigſtens mit einer Andeutung derſelben zu verſehen, zugleich aber auch mit einer andern Eigenthümlichkeit auszuſtatten, dem Fehlen der konzentriſchen Anordnung der Holzzellen, welches in anderer Beziehung hinſichtlich des Klima's jener Vegetationsperiode von großem Intereſſe iſt, da man hieraus auf ein fortwährendes, durch keinen Wechſel der klimatiſchen Einflüſſe behindertes Wachsthum, alſo auf das Vorhandenſein einer ſehr hohen, wahrhaft tropiſchen, gleichmäßig verbreiteten Temperatur, um ſo mehr zu ſchließen ſich berech— 70 tigt halten darf, als die ganze übrige Beſchaffenheit der geſammten, bis jetzt mit den Steinkohlen entdeckten Vegetation noch mehr den tropiſchen Charakter als unſere Koniferen an ſich trägt. Je mehr ſich die Tem— peratur in den darauf folgenden, bis jetzt als ſelbſtſtändig erkannten Erdperioden verminderte, alſo ein größerer Wechſel der Jahreszeiten, verbunden mit immer ſchärferer Scheidung der Zonen, eintrat, um deſto deutlicher erſcheinen jene konzentriſchen Kreiſe, die höchſt wahrſcheinlich auch damals ſchon als jährlich ſich bildende La— gen, alſo als Jahresringe, anzuſehen waren, und um ſo mehr traten auch Verſchiedenheiten zwiſchen den ein— zelnen Floren verſchiedener Gegenden hervor, während dies in der Steinkohlenperiode nicht der Fall war. Die Früchte der bis jetzt in den älteren Formationen entdeckten Koniferen find uns zur Zeit noch un: bekannt, welche uns gewiß über ihre wahre Stellung einſt erwünſchte Aufſchlüſſe geben, und ſie, ſollte ich mich nicht irren, vielleicht noch näher den Lycopodiaceen ſtellen werden, als ſie eigentlich ihnen gegenwärtig verwandt erſcheinen. Am wichtigſten find in dieſer Beziehung die beiden fo wohl erhaltenen foſſilen Gattun- gen Voltzia und Albertia geworden, indem die erſtere offenbar eine Lücke ergänzt, welche unter den jetzt weltlichen Cupreſſineen zwiſchen dieſen und den Abietineen ſtattfindet, indem ſie insbeſondere ſehr ſchön auf die Araucarien hinweiſt, und die Gattung Albertia unter den Abietineen, welche die Kluft, die zwiſchen Pinus und Dammara vorhanden iſt, auch einigermaßen ausgleicht. Aehnliche Bemerkungen ließen ſich vielleicht noch über die eine oder die andere der von uns erwähnten Gattungen machen, welche wir aber, da ſie zum Theil wenigſtens noch auf zu unvollſtändig bekannte Exemplare gegründet werden müßten, vorläufig fallen laſſen wollen. Herr Dr. Wilhelm Dunker in Kaſſel, unſer korreſpondirendes Mitglied, ſandte uns folgende briefliche an den Sekretär der Sektion gerichtete Nachricht: Weber die von ihm unterſuchten, vom Herrn Ober-Hütten-Inſpektor Mentzel zu Bö⸗ nigshütte in dem oberſchleſiſchen Muſchelkalk entdeckten Mollusken. Schon längſt wollte ich Ihnen, Ihrem Wunſche gemäß, eine vorläufige Ueberſicht der im oberſchleſiſchen Muſchelkalk vorkommenden Mollusken nach der vom Herrn Ober-Hütten-Inſpektor Mentzel zu Königshütte mir gütigſt anvertrauten Sammlung überſenden, wie eine ſolche Herr Herm. v. Meyer von den in dieſer Bildung bislang gefundenen Sauriern, Fiſchen, Cruftaceen und Echinodermen in „den Arbeiten der ſchleſ. Ge: ſellſchaft für vaterl. Kultur 1847, S. 37%, bereits gegeben hat; allein mehre früher begonnene Arbeiten und mannichfaltige Verhinderungen ließen mich leider erſt vor Kurzem zur Unterſuchung jener Verſteinerungen kom⸗ men, deren Hauptreſultat ich Ihnen hier mittheile. Die ausführlichere Beſchreibung der neuen Arten, unter denen ſich auch einige befinden, die mir Herr Aſſeſſor Fr. Hausmann zu Joſephshütte bei Stolberg am Harz gütigſt zuſandte, wird, mit Abbildungen erläutert, die nächſte Lieferung der Palaeontographica bringen, die ich mit Herrn Herm. v. Meyer herausgebe. Die bis jetzt gefundenen Mollusken ſind folgende: Von Brachiopoden. 1) Lingula tenuissima Bronn., auf gelblichem Bitterkalkmergel von Chorzow bei Königshütte. Die vorliegenden Exemplare zeichnen ſich vor denen anderer Lokalitäten durch ihre außerordentliche Kleinheit — die größten derſelben meſſen kaum 3 ½ Linie in der Länge — und ihren beinahe elliptiſchen Umriß aus. 2) Terebratula vulgaris Schl. Die gewöhnliche Form aus den oberſten Schichten von Rybna. Ein Exemplar aus dem Sohlengeſtein der Fried richsgrube zu Tarnowitz hat einen dem Kreisrunden genäherten Um: riß. Dieſe Varietät beſitze ich auch aus dem unteren Muſchelkalk von Göttingen. 3) Terebratula angusta Schl. Eine kleine ſeltene Art aus dem Sohlengeſtein der Friedrichsgrube, dem einzigen bis jetzt bekannten Fundorte. In L. v. Buch's Werk über Terebrateln S. 114 ausführlich beſchrieben. 71 4) Terebratula trigonella Schl., ebenfalls aus dem Sohlengeſtein der Friedrichsgrube, fo wie aus Böhm's Steinbruche bei Tarnowitz. Dieſe ſehr ausgezeichnete Form iſt beſonders merkwürdig durch ihr ſpäteres Auftreten im Juragebirge. 5) Terebratula Mentzelii v. Buch. Dieſe Terebratel, eine der früheren Entdeckungen des Herrn Ober⸗Hütten⸗Inſpektors Mentzel, hat ſich bis jetzt nur in Böhm's Steinbruche gefunden. Sie iſt im Jahrb. für Min. 1843 S. 253 vom Herrn v. Buch ausführlich beſchrieben und Tab. II. A. Fig. I. a. b. abgebildet worden. Uebrigens variirt dieſelbe ſehr in ihren Dimenſionen, wie in der Zahl der Rippen. 6) Terebratula decurtata Girard. Dieſe zierliche Form, welche Girard im Jahrb. f. Min. 1843 S. 474 befchrieben und Tab. II. B. Fig. 4 abgebildet, ähnelt ſehr der Ter. cuneata Dalm, Sie ſtammt vom Mikulſchützer Steinbruche aus der über dem Dolomit lagernden Kalkſchicht. Die von Girard befchriebe- nen Exemplare rühren aus dem italieniſchen Muſchelkalke von Bovigliana her, der neben einigen Muſcheln, die überall im Muſchelkalke angetroffen werden, auch die Ter. trigonella enthält und mit dem e Muſchelkalkgebilde überhaupt ſehr übereinſtimmen ſoll. 7) Spirifer rostratus v. Buch. Mehre Exemplare aus Böhm's Steinbruche bei Tarnowitz, hie und da verkieſelt und mit Kieſelreifchen bedeckt. 8) Spirifer fragilis Schl. (Delthyris flabelliformis Zenker“, aus den oberſten Kalkſchichten von Rybna und aus Böhm's Steinbruche. Auch bei Würzburg im mittleren Muſchelkalk ziemlich häufig; ſehr ſelten in den unteren Schichten bei Herberhauſen unfern Göttingen. 9) Orbicula Silesiaca sp. n. Das einzige vorliegende Exemplar von Chorzow, welches an gewiſſe dünnſchalige Patellen erinnert, wie z. B. P. pellucida L., auch einigen Capulus- Arten ähnelt, unterſcheidet ſich vom Patellites discoides Schl., der auch eine Orbicula zu ſein ſcheint, durch ſeinen elliptiſchen Umriß und die Lage des Wirbels, welcher mehr vom Rande abſteht. Von Pelecypoden oder Conchiferen. 10) Anomia tenuis (Ostrea ?) sp. n. Zwei konvexe, unregelmäßig gerundete, ſehr dünne Schalen aus Böhm's Steinbruche. Dieſe kleine Muſchel könnte auch zu Ostrea gehören, doch ſpricht ihr Habitus mehr für Anomia. 11) Ostrea difformis Goldf. Mehre Fragmente von Lariſchhof und aus Böhm's Steinbruche werden dieſer Species angehören. (Nicht zu verwechſeln mit Ostrea deformis Lam.) 12) Ostrea spondyloides Schl. Auch von dieſer Art iſt nur ein unvollſtändiger Abdruck von Rybna vorhanden. 13) Spondylus comtus Goldf. Eine kleine, ziemlich ſtark gewölbte Schale von Tarnowitz. 14) Pecten reticulatus Brongn. Aus dem oberſten Kalk von Rybna und aus Böhm's Steinbruche bei Tarnowitz; nur Fragmente, die jedoch an der Skulptur die Art leicht erkennen laſſen. 15) Pecten inaequistriatus Münster. Mehre kleine Exemplare von Chorzow bei Königshütte und von Petersdorf bei Gleiwitz. Eine, zumal im unteren Muſchelkalk, ſehr verbreitete Art. 16) Pecten tenuistriatus Münster. Nur eine unvollkommene Schale dieſer ſehr feltenen Art, deren ſpitzwinkelige, zum Theil zickzackförmige Stellung linienartiger Rippchen höchſt eigenthümlich iſt. Dieſe Art iſt außerdem nur von Baireuth bekannt. | 17) Pecten diseites (Pleuronectiles) Schl. Mehre im Umriß ziemlich variirende Schalen aus den oberen Schichten von Lariſchhof, Rybna, Böhm's Steinbruch und Petersdorf. 18) Lima striata (Chamites) Schl., von Chorzow, Petersdorf und einigen andern Lokalitäten. Sehr variabel hinſichtlich der Anzahl und Beſchaffenheit der Rippen. — Eines der vorliegenden Exemplare zeichnet ſich durch ſehr flache, faſt glatte Rippen und ſchmale Zwiſchenfurchen aus, und könnte als beſondere Species vielleicht getrennt werden. Ein anderes Fragment aus Böhm's Steinbruche deutet durch häufige hohe und ſchmale Rippen auf eine zweite neue Art. 72 19) Lima lineata Schl. Nur eine unvollſtändige kleine Schale aus dem Sohlenſteine der Friedrichs⸗ grube liegt vor. 20) Lima costata Münster. Eine kleine Schale von Tarnowitz, die mit der Abbildung bei Goldfuß Petr. II. Tab. C. Fig. 2, die geringere Größe abgerechnet, ſehr genau übereinſtimmt. 21) Lima concinna sp. n. Eine eigenthümliche, ſchief eiförmige, beinahe elliptiſche Schale ohne Rip⸗ pen, nur mit ſehr zarten konzentriſchen Reifchen bedeckt; von Chorzow. 22) Avicula Bronni Alb., mit feineren Reifchen von Chorzow und ſtärkeren Rippen von Groß Strehlitz, die letzteren verkieſelt. Es fragt ſich, ob die mit feinen Reifchen bedeckten, deren Umriß auch ab— weicht, nicht einer beſonderen Art angehören, wenigſtens möchte ich es von dem in Schlotheim's Nachtr. Tab. XXXVII. Fig. 2 abgebildeten Mytulites costatus, der zu obiger Species gewöhnlich citirt wird, glauben. 23) Avicula Albertii Münst. Goldf. Petr. II. S. 127, Tab. CXVI. Fig. 9. Bruchſtücke kleiner Individuen von Königshütte. Dieſe Art gehört wahrſcheinlich der Muſchel an, welche ich (Programm der höheren Gewerbſch. Kaſſel 1845, S. 9) als Typus einer beſonderen Gattung unter dem Namen Goniodus triangularis beſchrieb, der in der Schloßbildung mit Hyria Lam. einerſeits und mit Pterinea Goldf. ande⸗ rerſeits viele Analogie hat. Pterinea ſoll immer gleichklappig ſein, dieſe Muſchel iſt dagegen auffallend un⸗ gleichſchalig, wie die Aviculae. 24) Avicula socialis (Mytulites) Schl. Dieſe, zumal im oberen Mufchelkalke, fo außerordentlich häufige Conchylie, die ganze Schichten bilden hilft, iſt nur in kleinen Exemplaren von Chorzow und aus Böhm's Steinbruche vorhanden; man überzeugt ſich auch hier, wie ſehr dieſelbe variirt. Uebrigens iſt dieſe Muſchel nach der Bildung des Schloſſes, wovon John im Jahrb. für Mineral. 1845, S. 142, eine Be⸗ ſchreibung gegeben, weder eine Avicula, noch auch eine Gervilleia, wofür fie Quenſtedt hält. Sie dürfte, jener Beſchreibung und der beigefügten Zeichnung zufolge, einem beſonderen Genus angehören. 25) Mytilus vetustus Goldf. Von dieſer Muſchel iſt nur eine kleine rechte Schale von Tarnowitz vorhanden. 26) Modiola Gastrochaena sp. n. Dieſe zierliche Muſchel, welche im Habitus ſehr an Spengler's Gattung Gastrochaena erinnert, ſtammt aus Tarnowitz. Die Maſſe, in welcher ſich dieſelbe befindet, ift hornſteinartig. — Vom Herrn Aſſeſſor Fr. Hausmann zu Joſephshütte bei 55 0 am Harz gütigſt mit⸗ getheilt. Vielleicht zu Myoconcha Sow. gehörig. 27) (2) Cucullaea ventricosa sp. n. Ein Steinkern, ebenfalls vom Herrn Aſſeſſor Hausmann, im grauen Hornſtein des Muſchelkalks bei Tarnowitz gefunden. Der Form nach dürfte derſelbe von einer Cu- cullaea herrühren, doch könnte er auch von einem anderen Genus abſtammen. 28) Arca Hausmanni sp. n. Eine ziemlich flache Art, der Arca barbata L. zunächſt verwandt. Vom Herrn Hausmann mit der vorhergehenden im Hornſtein entdeckt. 29) Arca triasina Ferd. Römer. Mit der vorigen, nur als Steinkern vorhanden, der einem Exem— plare mit Schale und deutlichem Schloß, welches Herr Dr. Römer im Muſchelkalk bei Willebadeſſen unfern Driburg entdeckte, vollkommen entſpricht. 30) Nucula Goldfussi Alberti. Goldf. Petr. II. S. 152, Tab. CXXIV. Fig. 13, Steinkerne von Chorzow in unendlicher Menge, eine 1 Fuß mächtige Geſteinsbank anfüllend, damit zugleich eine andere, noch näher zu beſtimmende Art, vielleicht Nucula gregaria Münster. Goldf. I. c. Fig. 12. 31) Myophoria elegans sp. n. von Tarnowitz. Dieſe Art wird von Goldfuß zu Schlotheim's Tri- gonellites curvirostris citirt, welcher indeſſen ſicher als Varietät der Myophoria vulgaris zu betrachten iſt. Die kleine Muſchel erinnert ſehr an Lyriodon costatus (Trigonia) Lam. Sie findet ſich auch im unteren Muſchelkalk bei Kaſſel und kommt in mehren Varietäten vor. 32) Myophoria vulgaris (Trigonellites) Schl. Die Sammlung des Hrn. Mentzel enthält nur ein ſehr kleines Exemplar dieſer im obern Muſchelkalk vieler Gegenden fo häufigen Muſchel, welches von Chorzow ſtammt. 75 33) Pleuromya subrotunda sp. n. Ein Steinkern von Königshütte, der ſich von den übrigen foge: nannten Myaciten des Muſchelkalks durch ſeine gerundete Form auszeichnet. Protopodeu. 34) Dentalium laeve Schl. Dies Conchyl, welches namentlich den unteren Muſchelkalk bezeichnet und, ſo viel bekannt, im oberſchleſiſchen Muſchelkalk noch nicht gefunden war, iſt nun auch vor einiger Zeit von Herrn Mentzel in der Gegend der Königshütte nachgewieſen worden. Gaſteropoden. 35) Natica, ebenfalls erſt vor Kurzem aufgefunden. Ueber die Art vermag ich noch nichts zu beſtim⸗ men, da mir dieſelbe noch nicht zugekommen iſt; vielleicht Natica Gaillardoti Lefroy. 36) Turbinites dubius v. Münster. Die hierher gehörigen Steinkerne ſind bekanntlich in mehre Genera gebracht worden, und es hält auch in der That ſehr ſchwer, ihnen mit einiger Wahrſcheinlichkeit die richtige Stelle im Syſteme anzuweiſen. Zu Melania, wofür fie Quenſtedt hält, gehören ſie ſicher nicht; die ächten Melanien ſind Süßwaſſerſchnecken und haben auch meiſt eine verſchiedene Form. Weit eher möchte ich ſie mit Geinitz von Eulima Risso ableiten, wenigſtens kommen ſie derſelben im Habitus weit näher, wie auch dem Geſchlecht Chemnitzia, welches vielleicht nicht weſentlich von Eulima verſchieden iſt. Es liegen mehre der ſogenannten Turbiniten und Turritelliten, zum Theil kleine Arten, die an gewiſſe glatte Riſſoen erinnern, von Chorzow, aus Böhm's Steinbruch, von Rudy Pickar bei Tarnowitz u. ſ. w. vor, wovon das nächſte Heft der Palaeontographica eine genaue Abbildung enthalten wird. 37) Buccinites gregarius Schl. Aus dem Steinbruche von Chorzow bei Königshütte, ganz ähnliche Kerne wie im Muſchelkalk bei Kaſſel, Göttingen u. ſ. w., deſſen untere Schichten fie vorzugsweiſe charakteri⸗ ſiren. Uebrigens erkennt man unter den kleinen Schnecken, die man gewöhnlich mit obigem Namen belegt, mehre Arten, die ſogar verſchiedenen Gattungen angehören; es befinden ſich darunter Turbo, Litorina und (2) Eulima. Allen fehlt ein für Buccinum weſentliches Merkmal, der Kanal. Auch dieſe 4 bis 5 Arten ſollen in den Palaeontographica erörtert werden. 38) Trochus Hausmanni. Goldf. Petr. III. S. 52. Tab. CLXXIX. Fig. 12. Ein kleines Exem⸗ plar aus dem Mikulſchützer Steinbruch. Hierher gehört auch als niedergedrückte Varietät die Schnecke, welche Goldfuß unter dem Namen Turbo Hausmanni aufführt. Petref. III. S. 93. Tab. CXCIII. Fig. 4. Cephalopoden. 39) Nautilus bidorsatus Schl. Nachtr. Tab. XXXI. Fig. 2. Ein Exemplar vom Opatowitzer, auf Dolomit liegenden Kalkſtein. 40) Ceratites nodosus (Ammonites) Schl. Aus demſelben Kalkſtein. Beide ſind bis jetzt, nach der Mittheilung des Herrn Mentzel, bei Königshütte noch nicht gefunden worden. — Außer dieſen Cephalopoden iſt noch zu bemerken: 41) Rhyncholithus, wahrſcheinlich zu Hirundo gehörig, von Rybna, 42) Conchorhynchus, ein Fragment von Lagiewnik, vielleicht von avirostris abſtammend; beide von Herrn v. Meyer unterſucht. 43) Loligo Mentzeli sp. n. Dieſer neue Fund des Herrn Ober-Hütten-⸗Inſpektors Mentzel iſt von ganz beſonderem Intereſſe, da dieſe Art die erſte Cephalopoden-Schulpe iſt, welche die Trias darbietet. Auch iſt ſchließlich noch ein Cyathophyllum aus dem Mikulſchützer Steinbruche zu erwähnen, welches ich triasinum genannt habe; das merkwürdige Stück von (2) Ottmuth unfern Krappitz in Oberſchleſien, wel⸗ ches ich Ihrer Güte verdanke, läßt eine zweite Art vermuthen. Nach dieſer Ueberſicht wäre die Zahl der im oberſchleſiſchen Muſchelkalke bislang gefundenen Mollusken⸗ Arten, wenn wir auch unter den einſtweilen noch ſogenannten Turbiniten und Bucciniten 8 bis 10 Species 10 74 annehmen und einige andere noch nicht näher zu beſtimmende Schalenreſte hinzuzählen, nicht beträchtlich; denn ſie würde ſich auf etwa 54 bis 56 belaufen; indeſſen ſteht zu erwarten, daß bei dem Intereſſe, welches Herr Mentzel an den organiſchen Ueberreſten des Muſchelkalkes ſeiner Umgebung nimmt, mit der Zeit noch mancher intereſſante Fund gemacht wird. Wenn auch die Molluskenfauna des oberſchleſiſchen Muſchelkalkes nicht ſehr reich ſich darſtellt, und gegen die von Herrn Herm. v. Meyer unterſuchten Saurier, Fiſche, Cruſtaceen, Echinodermen, namentlich Crinoideen, die derſelbe geliefert hat, weit zurückſteht, ſo finden wir doch auch un— ter den Conchylien mehre höchſt intereſſante und zum Theil neue Formen. Dahin gehört namentlich Tere- bratula angusta, Ter. trigonella, merkwürdig zugleich wegen ihres noch ſpäteren Auftretens im Juragebirge; Ter. Mentzelii, bis jetzt einzig und allein in Böhm's Steinbruche gefunden; Ter. decurtata, von Girard auch aus einer dem ſchleſiſchen Muſchelkalk analogen Bildung Italiens mitgebracht; Spirifer rostratus, Spir. fragilis bis jetzt nur an wenigen Lokalitäten gefunden, und Orbicula Silesiaca; ferner der ſeltene Pecten tenuistriatus, Lima costata und concinna, Modiola Gastrochaena (2), Cucullaea ventriosa, Arca Hausmanni und triasina, die beiden erſten, bis jetzt im Muſchelkalk gefundenen Arten dieſes Geſchlechtes, einige neue (2) Eulima- und Natica-Arten, die nur von wenigen Lokalitäten bekannten Rhyncholithen und beſonders Loligo Mentzeli. Auch verdienen die beiden Cyathophyllen noch beſondere Aufmerkſamkeit. Es fragt ſich nun, welcher Abtheilung des Muſchelkalkes die oberſchleſiſchen Schichten angehören, welche nach den Unterſuchungen des Herrn Ober-Hütten-Inſpektors Mentzel aus einem Sohlengeſtein, dolomitiſchen Kalkſtein und dem Dach oder dem ſogenannten Opatowitzer Kalkſtein beſtehen. Die meiſten der vorliegenden Muſcheln ſtammen aus dem Dachgeſtein; weniger reich erſcheint der Sohlenſtein, und am ärmſten iſt die dolo⸗ mitiſche Zwiſchenſchicht, die ſich dagegen durch ihren Metallgehalt — Bleiglanz, Galmei, Eiſenſtein — aus⸗ zeichnet. Auch in anderen Gegenden pflegen die dolomitiſchen Maſſen des Muſchelkalkes arm an organiſchen Ueberreſten zu ſein, und es gehört überhaupt zu den gewöhnlichen Erſcheinungen, daß die dolomitiſchen Geſteine auch aus anderen Gebirgsformationen ſo ſelten Verſteinerungen einſchließen. Nach den vorliegenden Mollusken allein iſt es ſchwierig, das relative Alter der Schichten zu beſtimmen, denen ſie entnommen ſind, da die mehr— ſten derſelben faft in allen Schichten der Muſchelkalkformation angetroffen werden. Berückſichtigen wir in⸗ deſſen, daß Ceratiten und Nautilen, ſo häufig im mittleren und oberen Muſchelkalk anderer Gegenden, in den unteren Schichten des oberſchleſiſchen Muſchelkalks noch nie und in dem auf Dolomit liegenden ſogenannten Opatowitzer Kalkſtein nur ſpärlich gefunden find, dagegen die unter Buccinites gregarius begriffenen kleinen Schneckchen, fo wie Nucula Goldfussi, die faſt überall in Norddeutſchland den Wellenkalk bezeichnen, zu Chorzow bei Königshütte ſchichtweiſe in unendlicher Menge angetroffen werden, ferner daß, wie im Wellenkalk von Kaſſel und anderen Gegenden, von Avicula socialis meiſtentheils nur die kleinere Form auftritt, die Myophoria elegans ebenfalls hauptſächlich die unteren Partieen — wenigſtens in den meiſten Gegenden Heſſens, wo der Muſchelkalk ſehr entwickelt iſt — bezeichnet; fo dürfte um fo mehr die Vermuthung gerecht⸗ fertigt ſein, daß der oberſchleſiſche Muſchelkalk hauptſächlich der unteren Schichtenfolge angehöre, als nach der Mittheilung des Herrn Ober-Hütten-Inſpektors Mentzel eine entſchiedene Wellenform in den Kalkmaſſen und jene wulſtigen ſchlangenähnlichen und hufeiſenförmigen Konkretionen gar nicht ſelten ſind und das Sohlengeſtein unmittelbar dem bunten Sandſteingebilde aufgelagert iſt. Dazu kommt noch, daß Enerinites liliiformis, in dem mittleren und oberen Muſchelkalk anderer Gegenden ſo allgemein verbreitet und meiſt in unendlicher Menge angehäuft, dagegen in den unteren Gliedern der Formation nur höchſt ſelten, außer einigen Säulen⸗ und Wurzelſtücken aus Böhm's Steinbruch und von Chorzow (vgl. Ueberſ. der Arb. d. ſchleſ. Gef. ꝛc. 1847, S. 66) in Oberſchleſien nicht weiter gefunden iſt, dagegen durch mehre andere Arten, unter denen un pen⸗ tagonale Stielglieder, ähnlich wie im Kaſſeler Wellenkalk, vertreten wird. Wenn gleich Muſchelverſteinerungen zur Altersbeſtimmung der Formationsglieder im Allgemeinen ſich beſſer eignen, als andere Thierreſte, ſo hoffe ich doch, daß Herr v. Meyer durch Unterſuchung der Saurier, 75 Fiſche u. ſ. w. zu demſelben Reſultate rückſichtlich der Schichtenfolge Ihres intereffanten, in fo mancher Be— ziehung eigenthümlichen Muſchelkalkgebildes gelangen wird. Phyſikaliſche Geographie. Unſer korreſpondirendes Mitglied, Herr Apotheker Jäckel in Liegnitz, lieferte einige Bemerkungen über die Seen der Umgegend von Liegnitz, 5 der Sekretär der Sektion am 17. Auguſt mittheilte. Die Gegend um Liegnitz enthält viele Teiche, wovon mehrere Seen genannt werden; dahin gehören die zwei nordweſtlich von der Stadt gelegenen, der Jakobsdorfer und der Seedorfer See, welche in muldenförmi— gen Vertiefungen, zwiſchen den Dörfern Arnsdorf, Jakobsdorf, Fellendorf und Boberau liegen. Der Jakobs— dorfer See ſteht mit dem Fellendorfer Waſſer in Verbindung, welches ins Schwarzwaſſer, und mit dieſem hinter Liegnitz in die Katzbach fällt. — Weſtlich von Liegnitz befinden ſich ähnliche Seen. Der Spittelndor— fer, eine halbe Meile von Parchwitz, welcher ſich durch einen Bach in die Katzbach ausmündet, ferner der bedeutend größere Koiſchwitzer See, eine Meile von Liegnitz entfernt, welcher ebenfalls einen Bach aufnimmt, der aus drei kleineren, von den Dörfern Greibnig, Tentſchel und Klemmerwitz herkommenden Bächen gebildet wird, welcher nach ſeinem Austritte aus dem See ſpäter in die Weidelache fällt. Ganz anders verhält es ſich mit dem Jeſchkendorfer und Kunitzer See, welche beide in einer kleinen Vertiefung eines erhöhten Plateaus liegen, und welche weder durch einen Bach Zufluß noch Abfluß haben; ſelbſt bei längerem Regenwetter ſteigen dieſe beiden Seen nicht bedeutend, ſondern behalten ihr Niveau. Die ganze Gegend gehört dem aufgeſchwemmten Lande an; erſt eine Meile ſüdlich finden ſich Geſteine, und zwar hinter Wahlſtatt, Nikolſtadt, Liebenau und Tſchierskau mehrere Arten Baſalt, bei Mertſchütz Granit, und bei Jenkau und Gränowitz Thonſchiefer, welche Geſteine ſämmtlich zu Bauten benutzt werden. Die Gegend um dieſe Seen bietet nur Sand, Lehm und Adererde, ſelten einige Geſchiebe, wovon die mitunter vorkommenden Kieſelgeſchiebe das Eigenthümliche haben, daß viele von ihnen bei ſonſt völlig ovaler Form oben deulich drei— ſeitig ſind und unten einen erhöhten Rand haben, ſo daß ſie unten zweiflächig erſcheinen. Selbſt im Kunitzer See kommen dergleichen Geſchiebe vor. Der Landmann behauptet, der Kunitzer und Koiſchwitzer See hätten unterirdiſchen Zuſammenhang, und ſtützt ſich auf die Sage, daß gezeichnete Fiſche, welche in den einen See geſetzt worden, in dem andern wieder zum Vorſchein gekommen ſein ſollen. Indeſſen bietet der Kunitzer See einige Merkwürdigkeiten, welche ich nicht unerwähnt laſſen kann. Er ſowohl wie der Jeſchkendorfer See haben eine an verſchiedenen Stellen ſehr ungleiche Tiefe, bei dem letzteren wechſelt dieſelbe von 36 bis 70 Fuß. Die tiefſte Stelle des Sees iſt im nordöſtlichen Theile deſſelben, und fand ich dieſelbe, welche man auf 18 Fuß angab, durch Nachmeſſen beſtätigt. Der gänzliche Flächenraum des Sees, welcher kürzlich gemeſſen wurde, beträgt 560 Morgen, derjenige der Inſel 6 Morgen. Die Inſel ſelbſt iſt wohl das Intereſſanteſte des ganzen Sees, denn ſie iſt im Mai und Juni der Aufenthalt und Brüteplatz von unzählbaren Möven, während in dem, dieſelbe umgebenden Schilfe noch Enten und Taucher brüten. Bei der Niedrigkeit der Inſel, denn ſie ragt kaum 1½ Fuß über das Waſſer des Sees, iſt ſie vom Ufer aus kaum ſichtbar, nur einige Saalweiden und Erlen ragen über das Rohr hervor. Auf einigen Karten iſt ſüdlich von derſelben eine zweite Inſel angegeben, doch iſt jetzt keine zu ſehen, und ein früherer Zeichner entweder durch eine Sandbank oder durch Schilf getäuſcht worden. Wegen der unzähligen Menge von Mövenneſtern iſt der Beſuch der Inſel im Mai und Juni unterſagt, da die Möveneier der Be— 10 * 76 figer von Kunitz ſammeln läßt und verſendet; es liegen aber auch die Eier fo dicht, und Neſt an Neft fo nahe bei einander, daß man nur mit Vorſicht gehen kann, ohne welche zu zertreten. Manchen Tag ſollen 1700 Stück geſammelt werden; ob aber wirklich alle Jahre 14,000 Schock geſammelt werden, kann ich nicht bewahrheiten, es iſt mir aber erzählt worden. Ganz eigenthümlich iſt der Lärm, welchen die große Anzahl von Möven im Frühjahre auf der Inſel macht. Eine Viertelmeile entfernt hörbar, klingt er wie das Blöken von vielen Schaafheerden. Das Sammeln der Eier iſt übrigens nicht ſo leicht, da die Möven fortwährend dem Sammler ins Geſicht fliegen. Als ich am 8. Auguſt die Inſel beſuchte, waren ſeine Bewohner ſchon abgezogen und die Inſel ganz leer. Zwar flogen einige Möven in der Nähe derſelben ab und zu, doch war kein Neſt mehr von Jungen bewohnt. Auf dem See ſelbſt ſchwammen noch viele Waſſerhühner (Fulica atra), welche dort nicht ſo furchtſam ſind, wie auf andern Teichen, ſondern ſogar bis ans Ufer der Seegaſſe kommen. Außer wilden Enten und Kibitzen, welche vielfach herumflogen, bemerkte ich auch mehrere Haubentaucher (Podiceps cristatus), welche, obgleich etwas ſcheuer als die Waſſerhühner, ſich doch ſo weit näherten, ehe ſie tauchten, daß ſie ganz gut erkennbar und von Enten zu unterſcheiden waren. Außer der Menge Möven kommen ſehr vielerlei Vögel an den Ufern vor, nur habe ich ſie nicht alle genau erkannt, da ſie entweder tauchen oder fortfliegen, und ich nicht Jäger bin. Außer Gänſen und Enten kommen Kibitzen, Rohrdommeln, auch noch andere Arten Waſſerhühner vor, ſogar manches Jahr ein Schwan, welcher ſich aber nicht lange aufhält. Von den Möven fcheinen mehrere Arten zur Brütezeit anweſend zu ſein. Der größte Theil ſind Lachmöven (Larus ridibundus), doch glaube ch die Larus marinus, nebſt canescens auch bemerkt zu haben, desgleichen Sterna fissipes.*) Die Möven ſelbſt fliegen häufig nach der Katzbach, auch bis nach dem Jakobsdorfer See, wo ſie alsdann Abends wieder nach der Inſel im Kunitzerſee zurückfliegen. Was die Ufer des Sees betrifft, ſo ſind dieſelben, da ſie ſehr flach ſind, nicht an Naturſchönheiten reich. Ein Maler würde von keiner Seite Stoff zu Skizzen finden. An den Häuſern der Seegaſſe wachſen dieſelben Pflanzen, die in allen Dörfern zu finden ſind; an den Ufern einige Polygonum- Arten, Bidens tri- partita, Inula pulicaria, Rannnculus sceleratus. — Die Inſel ſelbſt ſtrotzte von Pflanzenwuchs (während des wenigen Regens wegen die Umgegend des Sees jetzt ſehr vertrocknet iſt); man ſieht, wie die Menge Guano gewirkt hat; kaum waren die Neſter mehr zu erkennen, ſo war Alles wieder mit Pflanzen bewachſen: Caltha palustris in Menge; auch unter den übrigen Gewächſen nichts Seltenes; es blühten Urtica dioica, Sium angustifolium, Aira cespitosa, Phleum pratense, Phalaris arundinacea, Lysimachia vulgaris, Carduus acanthoides, Lythrum Salicaria und Phragmites communes, welches Letztere dem Beſitzer Viel einbringt. Von Bäumen fand ich nur Alnus glutinosa, Rhamus Frangula und Salix caprea. Auffallend war es, weder Cicuta virosa, noch eine Iris Pseudacorus zu finden. Unter den den ganzen Boden bedeckenden Pflan— zen lag viel, größtentheils durch den Regen ausgewaſchener Guano, in welchem noch viele Rückgratswirbel von kleinen Fiſchen kenntlich waren. An Fiſchen iſt der Kunitzer See nicht arm. Er enthält: Cyprinus carpio nebſt Rex carpionum, Cyprinus Brama, Gobio carallus, Dobula, erythrophthalmus und rutilus, Perca cernua und fluviatilis, Esox lucio, Silurus glanis, Muraena anguilla, Cobitis fossilis und taenia. Auch ſoll Cyprinus albur- nus vorkommen. * Nach Angabe eines Fiſchers, welcher ſchon viele Jahre Pachter des Sees iſt, kommt Sterna hirundo und fissipes, fo wie Rallus pusillus ebenfalls häufig vor. 77 Zoologie, Phyſiologie und Anatomie. Herr Dr. Med. et Chir. v. Frantzius, am 22. November 1848: Ueber den Generationswechſel. Vom naturphiloſophiſchen Standpunkte aus betrachtet, haben wir in dem von Steenſtrupp, als eine neue, bei vielen niederen Thieren verbreitete Art der Fortpflanzung nachgewieſenen Generationswechſel einen neuen und kräftigen Belag für den allgemeinen Satz, daß die Fähigkeit zur Erhaltung des Geſchlechts zu der der Erhaltung des Individuums in einem umgekehrten Verhältniſſe ſtehe. Die Erhaltung des Individuums iſt abhängig von der Vollkommenheit des Geſammtorganismus. Durch dieſe iſt das Individuum im Stande, ſowohl ſich ſelbſt die Mittel zu ſeiner Erhaltung zu beſchaffen, als auch den Mangel derſelben leichter zu ertragen und äußern Feinden und Schädlichkeiten zu widerſtehen. Wir ſehen, daß alle in dieſer Weiſe voll: kommen organiſirten Thiere verhältnißmäßig ſelten und in geringer Anzahl eine neue Brut erzeugen. Je we— niger aber ein Thier im Stande iſt, ſeinen Feinden und den äußern Schädlichkeiten zu widerſtehen, je leichter es dem gänzlichen Mangel an Unterhaltungsmitteln ausgeſetzt iſt, deſto öfter und zahlreicher findet die Erzeu— gung einer neuen Nachkommenſchaft ſtatt. Den Grad der Vollkommenheit eines Thieres in dieſer letzteren Beziehung werden wir alſo nach einem einfachen numeriſchen Verhältniſſe ſchätzen, indem wir die Anzahl der Eikeime als Maßſtab zu Grunde legen. Es laſſen ſich nicht blos in den einzelnen Thierklaſſen ſelbſt zahlreiche Beiſpiele hierfür anführen, ſondern ein in dieſer Beziehung angeſtellter Vergleich der verſchiedenen Thierklaſſen unter einander wird die Sache aufs Evidenteſte nachweiſen. Wenn wir nun bisher, wie geſagt, die Anzahl der Eikeime als Maßſtab für die größere oder geringere Fähigkeit eines Thieres zur Fortpflanzung des Geſchlechtes annahmen, und jener Satz dadurch ſeine Richtigkeit erhielt, ſo muß jenes Verhältniß noch bei weitem greller hervortreten, nachdem wir jetzt durch die Kenntniß des Generationswechſels wiſſen, daß jeder Eikeim ſich während ſeiner Entwickelung mehrfach vervielfältigen kann, wodurch jenes einfache numeriſche Verhältniß bedeutend komplizirter wird. Denn der in ſeinen Haupt— punkten ſo oft unrichtig aufgefaßte Generationswechſel beſteht gerade darin, daß nicht, wie man es bisher kannte, ein Ei ſich zu einem Individuum heranbildet, ſondern daß die Eier vieler Thiere die Fähigkeit be— ſitzen, ſich zu mehreren Individuen vervielfältigen zu können, die wiederum einer nochmaligen Vervielfältigung unterliegen können, ehe ſie die Vollkommenheit des Mutterorganismus erreicht haben. Dem Zwecke dieſes Berichtes iſt es nicht entſprechend, die bekannten, hierher bezüglichen Beiſpiele zu wiederholen und ausführlich darzuſtellen. Es wurden die von Steenſtrupp ſelbſt und die zeither von Andern bekannt gemachten Fälle von Generationswechſel mit mö,lichfter Vollſtändigkeit“) und genauer Kritik vorgeführt und durch Zeichnungen erläutert. Die jüngſt von v. Siebold erſchienene Unterſuchung ) über die Fortpflanzung der Pſyche liefert uns ein Beiſpiel, wie vorſichtig man bei der Erklärung verwickelter und dunkler Erſcheinungen in der Natur zu Werke gehen muß, und wie ſehr man ſich vor voreiligen und einſeitigen Erklärungsweiſen zu hüten habe. Auf genaue anatomiſche Unterſuchungen der Geſchlechtswerke der Weibchen von Pfyche geſtützt, weiſt v. Sie— bold die Anſicht zurück, daß dieſer Schmetterling ſich durch Generationswechſel fortpflanzen könne. Demnach bleibt das einzige, bis jetzt bekannte Beiſpiel in der Klaffe der Inſekten Aphis, bei der dieſe Art der Fort: pflanzung ebenfalls durch v. Siebold nachgewieſen wurde. ) Als eine neue, hierher gehörige Beobachtung konnte ich anführen, daß auch bei Cephea Wagneri, einer zur Familie der Rhizoſtomen gehörigen Qualle, deren befruchtete Eier ich, bis zur Entwickelung eines achtarmigen Polypen, im Herbſte 1847 in Trieſt verfolgen konnte, die Entwickelungsverhaͤltniſſe bis zu dem genannten Studium genau mit der Entwickelung der Eier von Medusa aurita uͤbereinſtimmen. *) S. Zeitſchrift für wiſſenſchaftliche Zoologie, von v. Siebold und Koͤlliker. Leipzig 1848, S. 93. 78 Herr Hoſpitalarzt Dr. Günsburg, am 29. März 1848: Ueber die erſten Formen der Entwickelung thieriſcher Gewebe. Der den Umfang dieſes Berichtes überſchreitende Vortrag wird nur in folgenden Schlußſätzen ange: deutet: 1) Die pathologiſche Zelle folgt der Entwickelung der normalen Zelle. Die erſten Anlagen der Zellbil⸗ dung zeigen ſich in Agglomeration von Elementarkörnchen in dem flüſſigen Blaſteme. Darnach entwickelt ſich die kuglige Hülle, während die enthaltenen Körnchen ſchwinden; erſt allmälig wird die Kerngeſtaltung. Dem entſpricht die Theilung des Dotters, die Bildung von Kernkugeln darin, die Ausbildung der Hülle bei Andrang von neuem Bildeſtoffe während des Uebertritts in die Gebärmutter bei Entwickelung der normalen Zelle. Die Scheidung in organifche und anorganiſche Neubildungen gibt keinen Anhalt für die Lehre von der Entwicke⸗ lung. Ueber den Zeitpunkt, in welchem die Bildung von Kern und Kernkörperchen beendet iſt, herrſcht ein Zwieſpalt der Meinungen. Die Beobachtung ergibt ſelten die direkte Umhüllung der Elementarkörnchen durch Kernhülle; im Gegentheile erkennt man das fertige Kernbläschen ohne enthaltene Körperchen. Demnach iſt es wahrſcheinlich, daß die Elementarkörnchen ſelbſt den Bildeſtoff des Kernes ausmachen, und theilweiſe ſpäter wieder als Körperchen, Kerninhalt, d. i. als Elemente der Regeneration, hervortreten. 2) Das Bildungs material der pathologiſchen Zelle, das Blutſerum, iſt dem Urſtoffe jeder norma⸗ len Zeugung in der chemiſchen Zuſammenſetzung analog. Außer den Abweichungen, welche durch die Mi- ſchungsverſchiedenheiten des Blutſerums auf die Entwickelung der pathologiſchen Zelle einwirken, beſtimmt der Mutterboden entweder völlig gleiche Bildung — Iſomorphismus — oder die nothwendige Anlage zur Entwickelung identiſcher Gewebe, trotz aller Differenz der Primitivformen, analoge Bildung. Gleiche Ab: hängigkeit erkennt man in der Nutrition, der Fortentwickelung normaler Gewebe. 3) Die Fortzeugung der pathologiſchen Zelle erfolgt durch Theilung der Mutterzelle oder Endo- geneſe. Analog der Fortbildung normaler Zellen durch Theilung, die von Kölliker und Reichert befchrie- ben wurde, hat der Vortragende mit Bräuer im Jahre 1843 das gleiche Geſetz für die pathologiſche Zelle nachgewieſen (Meletemata circa evolutionem ac formas cicatricum Vratislav. 1843. pag. 31). Zuerſt tritt Spaltung oder radienförmige Zerklüftung des Kerns ein. Von den Kernbläschen erſtreckt ſich die Fur— chung auf die Zellenwand; nach tieferer Einſchnürung der Zellabſchnitte entſteht die Theilung. — Die Endo— geneſe durch Anbildung von Kernen oder Einſchachtelung von neuen Zellen gehört ſchon der früheren Beob⸗ achtung an. Nach Zerfallen der Mutterzelle oder Elimination der Neugebilde geht die Neuzeugung den felbft- ſtändigen Gang. So weit die Uebereinſtimmung in der Zellbildung zwiſchen normaler und pathologiſcher Zelle. Diefel- ben Parallelen ſind zwiſchen dem weiteren Wachsthume normaler und pathologiſcher Zellen zu ziehen in der Erhebung zu verſchiedenen Geweben. Der Vortragende erlaubt ſich, in Betreff der weiteren Ausführung, auf den dreizehnten Abſchnitt ſeiner pathologiſchen Gewebelehre, Vol. II (Leipzig, Brockhaus 1848): „Grundzüge einer pathologiſchen Hiſtogeneſe und Kernumwandlung der Gewebe“, als der weſentlichen Grundlage ſeiner Mittheilungen, zu verweiſen. 19 Herr Stud. Medic. Czermak trug am 7. März 1849 in der naturwiſſenſchaftlichen Sektion die nachſtehende Abhandlung vor, welche wir, ſeinem Wunſche zufolge, noch dem eben im Drucke befindlichen Be— richte des vorigen Jahres einreihen: Weber die Spermatozolden von Salamandra atra. Ein Beitrag zur Kenntniß der feſten Formbeſtandtheile im Samen der Molche, von Johann N. Czermak. Der Same aller bisher genau unterſuchten Molche enthält eine ungeheure Anzahl fadenförmiger Sper— matozoiden, an welchen ein eigenthümliches Flimmerphänomen zu bemerken iſt. Die Vermuthung liegt nahe, daß dieſe höchſt auffallende Eigenſchaft wohl den Spermatozoiden ſämmtlicher Thiere dieſer Zunft als cha— rakteriſtiſches Merkmal zukommen möge. Da nur die ſpeziellſten Unterſuchungen Gewißheit über dieſen Punkt geben können und überdieß die Anſichten über das Flimmerphänomen getheilt ſind: ſo ſtehe ich nicht an, nach— folgende Bemerkungen über die noch nicht genau gekannten Samenfäden von Salamandra atra und über das Weſen dieſer Art des Flimmerphänomens zu veröffentlichen. Ich verdanke der großen Güte meines Oheims, Profeſſor Dr. Joſ. Jul. Czermak zu Wien, mehrere Exemplare des erwähnten, höchſt intereſſanten und nur wenigen Beobachtern zugänglichen Thieres, wodurch mir im September 1848 die Gelegenheit geboten wurde, vorliegende Unterſuchungen zu veranſtalten. I. Von der äußeren Geſtalt der Spermatozolden. Die Spermatozoiden des ſchwarzen Erdmolches ſind dünn, lang und in zwei ungleiche — in vielfacher Beziehung ſehr verſchiedene — Hälften getheilt. Die eine dieſer Hälften iſt dicker und kürzer, ziemlich ſteif, gerade geſtreckt oder leicht gekrümmt; die andere dünner, länger, in mannigfachen Kurven gebogen und mit einem eigenthümlichen acceſſoriſchen Gebilde verſehen. Ich will nur, der Kürze wegen, ohne mit folgenden Bezeichnungen irgend eine Deutung zu verbinden, die erſtere den Kopf, die letztere den Schwanz nennen. Der Kopf (Tab, I, Fig. 1, 2, 3... mn) iſt im Mittel 0,003475 W. 3. lang und an der Verbin⸗ dungsſtelle mit dem Schwanze 0,00015 W. 3. dick; gegen fein freies Ende verjüngt er ſich nach und nach 3 bis 4“ 10,000 kleines Knöpfchen trägt, oder aber mit kaum ſichtbarer Spitze endigt. (Tab. I, Fig. 1 — Fig. 5, ms). Ru: dolph Wagner !) hat bei Salamandra maculata, Dujardin 2) — obwohl weniger Eonftant, — bei Triton palmipes ein ähnliches Knötchen beobachtet und beſchrieben; ich kann fein ungemein häufiges Vorkommen an den Samenfäden von Salamandra maculata und von mehreren Tritonen beſtätigen. Der Schwanz beſteht aus einem Hauptfaden und einem acceſſoriſchen Gebilde. Der Hauptfaden hat im Mittel eine Länge von 0,0054 W. 3.; feine Dicke iſt an drei verſchiedenen Stellen verſchieden, und zwar beginnt fein (0,0002 “ langes) Kopfende (Tab. I. Fig. I. no), eben ſo dick, wie die Baſis des Kopfes ſelbſt, — von der es durch einen leicht zu überſehenden Querſtrich nur undeutlich abgegrenzt wird, — ver— ſchmälert ſich dann etwas und geht durch einen plötzlichen Abſatz in das viel dünnere, aber über zwei Drittel der ganzen Schwanzlänge betragende zweite oder Mittelſtück über (Tab. I. Fig. 1. op), welches wiederum durch eine jähe Verjüngung mit dem dünnſten ſtumpf auslaufenden dritten oder Endſtücke (Tab. I. Fig. I. pr) zuſammenhängt. Das kurze Kopfende des Hauptfadens tritt durch die ſpäter zu erwähnenden Berſtungen des Kopfes in ſeiner faſt birnförmigen Geſtalt frei und deutlich hervor. und läuft ziemlich plötzlich in ein ungemein feines langes) Stielchen aus, welches faſt immer ein 1) Rud. Wagner, Abhandl. d. math. phyſ. Klaſſe der k. bater'fhen Akademie der Wiſſenſchaften. Band I. (1831 bis 1836.) 2) Dujardin, Ann. d. sc. nat. Serie 2. Tom. X. p. 21. 80 Das acceſſoriſche Gebilde iſt eine überaus dünne, glashelle, 0,0003“ und darüber hohe Mem— bran, die von dem Punkte 0 Fig. 1, 2, 3 .. . an, ſich zu erheben beginnt und ſenkrecht auf der Mittellinie der Rückenſeite des Hauptfadens mit einem Rande feſtſitzt, während der andere, etwas verdickte Rand (Fig. I. XX. yy, tt . . 2) in einer Wellenlinie hin und her gebogen frei in die Flüſſigkeit abſteht. Am ſtumpfen Ende des Hauptfadens nimmt die Höhe der Membran wieder ſo ab, daß der verdickte Rand daſſelbe unter einem ſpitzen Winkel berührt und als ein zarter Ausläufer von 0,0005“ frei überragt (Fig. 1 bei r, rz). Die Länge der ganzen Spermatozoiden ift ſomit = 0,009375“ W. Z. Alle eben beſchriebenen Formenverhältniſſe fand ich an den etwas größeren Samenfäden von salamandra maculata in gleicher Weiſe. Wegen der großen Durchſichtigkeit der Membran, welche man nur unter den günſtigſten Umſtänden (bei gehöriger Dämpfung des Lichtes) an dem Schatten ihrer ſehr regelmäßigen Faltungen erkennen kann, erſcheint der verdickte Rand wie ein freier, wellenförmig gekrümmter Faden. Die ausführliche Darlegung der Gründe, welche die Exiſtenz dieſer Membran außer Zweifel ſetzen, werde ich weiter unten (von den Bewegun⸗ gen der Samenfäden, A.) mittheilen; hier will ich nur bemerken, daß ſchon Pouchet !) das fragliche Gebilde an den Samenfäden von Triton cristatus richtig erkannt und übereinſtim mend mit der hier gegebenen Dar— ſtellung befchrieben hat. Dieſe Uebereinſtimmung ſcheint mir — da ich erſt nach Vollendung meiner Unter: ſuchungen Pouchet's Arbeit kennen lernte — für die Richtigkeit der Auffaſſung der erwähnten Verhältniſſe zu ſprechen. Die bezügliche Stelle in Pouchet's Aufſatz lautet: „Jai vu que ces zoospermes sont surmontés, en arriere par une membräne extremement fine, qui est une véritable nageoire de la hauteur de 0,005 de mill. Cette nageoire offre un bord libre d'une étendue plus considérable que celui par lequel elle adhere au corps; aussi il en resulte, que ce bord forme des replis tres amples, qui lui donnent l’apparence des collerettes a fraise que Pon portait aut XV. siècle, mais dont les plis sont beaucoups plus läches.“ II. Vom inneren Baue der Spermatozoiden. Der Kopf iſt ein einfacher, lang geſtreckter Schlauch, angefüllt mit einem, das Licht ſtark brechenden Inhalt. Von dieſer Anordnung überzeugt man ſich mit größter Klarheit: 1) bei den nicht ſelten vorkom— menden Berſtungen des Kopfes, welche von der Baſis gegen das freie Ende hin bis excluſive zu dem Stiel— chen mit dem Knopfe geſchehen, indem ſich dann die Bruchränder zurückſchlagen, ſo, daß die Schlauchhaut in ihrer ganzen Breite überſehen werden kann. Der Inhalt, welcher der Schlauchhaut gleichmäßig adhärirt, trocknet jammt dieſer häufig dem Objektgläschen fo feſt an, daß die Contouren der Baſis des Kopfes faſt ganz verſchwinden und nur einen, das Licht ſtark brechenden Fleck hinterlaſſen, der erſt gegen das Stielchen hin wieder feſtere Umriſſe gewinnt. Das Stielchen ſcheint durch dieſe Vorgänge, eben fo wie der Schwanz, feine Elaſtizität eingebüßt zu haben; es findet ſich öfters ſtark gekrümmt (Tab. I, Fig. 7, b, e, ms.). 2) Wenn zufällig der Schwanz abgeriſſen iſt, wo dann der Inhalt an der Rißſtelle als ein fettartiges Tröpfchen hervorquillt; es gelingt daſelbſt leicht das lumen des Schlauchs zu ſehen (Tab. I, Fig. 8, C bei i, D bei i und J). Der Hauptfaden des Schwanzes berſtet nie und ſcheint ſolid zu ſein; ſein vorderes Ende wird durch die Berſtungen des Kopfes, wie bereits erwähnt, deutlicher ſichtbar (Fig. 7, a bei no). Von der allgemeinen äußeren Umhüllungshaut. Der Hauptfaden des Schwanzes und der Kopf werden durch eine zarte, ſtrukturloſe und durchſichtige Haut allenthalben umkleidet. Dieſe Haut liegt den völlig reifen Samenfäden vollkommen eng an und bildet nur am Rücken des Schwanzfadens eine ſenkrecht ſtehende Duplikatur — die acceſſoriſche Membran.?) Ob noch irgend ein anderer Beſtandtheil die acceſſoriſche 1) Pouchet, Compt. rend. hebd. Vol. XX. 1845. p. 1341. 2) Pouchet folgert, ohne die gleich zu erwaͤhnenden blaſigen Erhebungen, wie es ſcheint, zu kennen, aus der Exiſtenz der acceſſoriſchen Membran ſelbſt, das Vorhandenſein einer Umhuͤllungshaut — als morphologiſche Nothwendigkeit. Theorie positive de Povulation spontanée .. ete. — par F. A. Pouchet. Paris 1847. 81 Membran zuſammenſetzen helfe, kann ich nicht entſcheiden; es muß dies ſpätern Unterſuchungen über die Ent⸗ wickelungsweiſe dieſer Samenfäden überlaſſen bleiben. So viel iſt gewiß, daß eine allgemeine äußere Umhül⸗ lungshaut vorhanden iſt; denn in den früheren Entwickelungsſtadien, alſo an den Samenfäden des Hodenſa⸗ mens, findet ſich dieſelbe, beſonders nach Zuſatz von Waſſer, an der Bauchſeite des Kopfes und Schwanzes in Form von Blaſen durch Flüſſigkeit abgehoben. Solcher Blaſen kommen ſehr häufig mehrere und zwar an den verſchiedenſten Stellen vor, ausgenommen die Strecken von m bis s, n bis o und er bis 2 in Fig. 1, 2,3... Tab. I, zum Beweiſe, daß zwiſchen den genannten Punkten die Umhüllungshaut früh feſt anwachſe. Die innerhalb dieſer Blaſen verlaufenden Theile des Kopfes und Schwanzes beſitzen ſcharfe und beſtimmte Konturen. Iſt die Verdünnung des Samens bedeutend, ſo werden die Blaſen kugelig und dehnen ſich wachſend über größere Körperſtrecken aus. Auf dieſe Weiſe geſchieht es z. B., daß der Kopf durch die immer zunehmende blaſige Erhebung gekrümmt und zuſammengebogen wird, und endlich ſpiralig gewunden mit dem Rücken an die innere Oberfläche einer großen Blaſe befeſtigt und von ihr ganz eingeſchloſſen erſcheint (Tab. I, Fig. 8, A, B, C, D, E, G. —) Der Umſtand, daß ſich die ſchlauchförmig ausgedehnte Umhüllungshaut durch Imbibition in eine große kugelige Blaſe verwandeln laſſe, giebt einen bedeutungsvollen Wink über ihre Entſtehungsweiſe, indem ſie in den angeführten Vorgängen offenbar die durchlaufenen Entwickelungsſtadien bis zur urſprünglichen Kugelgeſtalt nur wieder herabſteigt. Sollte ſie etwa die durch das Wachsthum des Samenfadens ausgedehnte Membran jener Kerne ſein, in welchen Kölliker die Samenfäden ſich entwickeln ſah? — Uebrigens ſcheinen mir die beſchriebenen blaſenförmigen Erhebungen jenen räthſelhaften Anſchwellungen, die Kölliker !) an den unreifen Samenfäden ſo vieler Thiere beobachtet hat, zu entſprechen. Von Außen nach Innen vorgehend, findet man ſomit den Kopf: 1) aus der Umhüllungshaut, 2) der Schlauchhaut, 3) dem Inhalte; und den Schwanz: 1) aus der Umhüllungshaut, 2) dem ſoliden (2 Haupt: faden zuſammengeſetzt. (Tab. I, Fig. 9, Fig. 10.) III. Von den Bewegungen der Samenfäden. ) Die Spermatozoiden kommen im Hodenſamen: 1) einzeln und frei ſuspendirt vor; 2) durch zufällige Aneinanderreihung in größeren welligen oder verfilzten Maſſen vereinigt, und 3) auf einem kugeligen granu— löſen Körper, wie die Blüthen der Syngeneſiſten auf dem Blüthenboden, mit den Köpfen feſtſitzend und wie die Radien einer imaginären Kugel angeordnet. Dieſe letzte Art des Vorkommens unreifer Samenfäden fand Kölliker s) bekanntlich im Samen vieler Thiere. Im Vas deferens finden fie ſich meiſt iſolirt und frei beweglich. Die Bewegungen der ganzen Samenfäden werden durch dieſe zufälligen Arten des Vorkommens natürlich verſchiedentlich gehindert und mobdifizirt. Ich werde zuerſt die Bewegungen der acceſſoriſchen Membran, ſodann die des Kopfes und des Schwan— zes, und endlich die aus dieſen beiden Momenten reſultirenden Arten der Ortsveränderung der ganzen Sa— menfäden beſchreiben. A. Die acceſſoriſche Membran bewegt ſich in fortſchreitenden Undulationen. Ihre Bewegungen ber ſtehen ſomit, wie es im Begriff der fortſchreitenden Wellenbewegung liegt, eigentlich darin, daß die einzelnen Syſteme der, in einer ſenkrechten Linie über einander liegenden Punkte des Randes und der Membran Pen- delſchwingungen von rechts nach links machen, jedoch die, vertikal auf der Anheftungslinie der Membran ſtehende Ebene — (in Tab. I. Fig. 10 als Linie A B.) —, welche die ganzen Undulationen der Länge nach 1) Koͤlliker: Die Bildung der Samenfaͤden in Blaͤschen ... ꝛc. Neuenburg 1846, 2) Das in dieſem Abſchnitt Mitgetheilte gilt im 5 70 von den Samenfaͤden der Salamander ſowohl, als der Tritonen. 3) Koͤlliker a, a. O. 11 82 in zwei kongruente Hälften theilt, in verſchiedenen, auf einander folgenden Zeitmomenten paſſiren. (Vgl. die Erklärung der Abldg. Tab. II.) Man kann ſich zum beſſern Verſtändniß des Geſagten die acceſſoriſche Membran wie durch Verwach— ſung einer gradlinigen Reihe von Flimmerhaaren, welche nacheinander pendelartig ſchwingen, entſtanden denken. Das ſcheinbare Fortſchreiten der Undulationen geſchieht in der Richtung von Vorn nach Hinten, gegen das freie Schwanzende. Die Wellenlinie, in welcher der verdickte Rand ſich fortſchreitend hin und her biegt, verläuft in einer gekrümmten Fläche, deren Krümmungshalbweſſer gleich iſt der Höhe der acceſſoriſchen Membran; wie ſich bei einiger Ueberlegung und genauerer Betrachtung des idealen Querſchnittes des Schwanzes ergiebt (Fig. 10, Tab. I.). Dieſer letztere, auch von Pouchet überſehene Umſtand iſt der Schlüſſel zur richtigen Deutung der ver— ſchiedenen Formen, unter welchen das Flimmerphänomen auftritt (vgl. Erklär. der Abldg. Tab. 2). Die Samen⸗ fäden bieten ſich nämlich durch ihre vielfachen Krümmungen und Biegungen dem Auge von allen möglichen Seiten zur Beobachtung dar, fo zwar, daß gewöhnlich an einem und demſelben Samenfaden die Undulatio= nen der Membran aus ganz verſchiedenen Geſichtspunkten zu gleicher Zeit zu ſehen ſind. Hält man aber die oben gegebene Auffaſſung dieſer Bewegungen, ſo wie das über die Geſtalt der Membran Mitgetheilte feſt, ſo wird es unſchwer ſein, ſich für jedes relative Lagerungsverhältniß des Samenfadens gegen den Beobachter die durch dieſe beſtimmten Umſtände nothwendig bedingten Verkürzungen und ſcheinbaren Geſtaltveränderungen der Undulationen der Membran zu erklären und ſelbſt im Voraus zu ſkizziren. Auf dem Papiere kann man die Projektion der Krümmungslinie des verdickten Randes für die verſchie— denſten Geſichtspunkte leicht konſtruiren (ſ. Tab. 2); im Mikroſkop dagegen tritt der die Auffaſſung erſchwe— rende Umſtand ein, daß nur die im Fokus gelegenen Punkte des Objektes deutlich, die übrigen, in Zerſtreuungs— kreiſen verſchwimmend, undeutlich oder gar nicht zu erkennen ſind; doch wird es auch hier öfter gelingen, durch raſches Vergrößern und Verkleinern der Fokaldiſtanz eine vollſtändige Anſchauung zu erhalten. Es wäre zwecklos und viel zu ermüdend, hier ausführlicher auf die Menge der einzelnen Erſcheinungen bei den verſchiedenen Lagen der Samenfäden einzugehen; nur jener ſpeziellen Fälle ſoll noch Erwähnung ger ſchehen, durch deren einſeitiges Feſthalten die bisher über das Flimmerphänomen an den Samenfäden der Salamander und Tritonen aufgeſtellten Hypotheſen hervorgerufen wurden, um dieſe letzteren zu erklären und zu berichtigen. Bei einer totalen Seitenanſicht, beſonders, wenn die Membran raſch undulirt, müſſen die im Fokus lie⸗ genden Theile des verdickten Randes als kleine Pünktchen erſcheinen, welche, durch beſtimmte Zwiſchenräume von einander getrennt, in konſtanter Entfernung von der konvexen Seite des gekrümmten Schwanzes von Vorn nach Hinten laufen (Tab. I. Fig. 6). Die Pünktchen find begreiflicher Weiſe mit Zerſtreuungskreiſen umge⸗ ben, welche alternirend gleiche Geſtalten haben. Auf dieſe Art präſentirt ſich das Flimmerphänomen wohl am häufigſten. Spallanzani!) und Mayer?) wurden durch ſolche Bilder getäuſcht, wenn fie von ruderför— migen Härchen und laufenden Flimmerkügelchen ſprachen. Eine ganz andere Anſchauung erhält man, wenn man ſenkrecht auf den Rücken des Schwanzes von oben herabſieht; es liegt dann der Schwanz in der Mitte, während rechts die Wellenthäler und links die Wellenberge des undulirenden Randes hervorragen (Tab. II, Fig. 3 und Tab. I, Fig. 1, ttt, Fig. 2, w.. t). Wegen der ſchon erwähnten Durchſichtigkeit der Membran könnte man hier den Rand mit einem freien, ſpi— ralig um den Schwanz laufenden Faden verwechſeln (wie Siebold, Wagner und Dujardin wirklich gethan haben), wenn nicht die Ueberkreuzungsſtellen bei tt t Fig. 1 bei jedweder Fokaldiſtanz unter einander denſel⸗ ben größern oder geringern Grad der Deutlichkeit zeigten, was doch unmöglich der Fall ſein könnte, wenn der 1) Spallanzani: Opusculi di fisica animale. Modena 1776. V. II. p. 26. 2) Mayer: Froriep. N. Bd. L. p. 165. 1836. 83 verdickte Rand in der That einmal vor und einmal hinter dem Schwanze auf ſeiner Spiraltour herumliefe und dieſen kreuzte. Bei Dujardin 1) ſelbſt findet ſich folgende Stelle: „M. de Siebold qui tout d’abord a adopté I hypothèse de l' enroulement en spirale, dit bien qu' avec un fort grossissement on ne voit pas en meme temps au foyer les deux cötes opposés de la spire ce qui ne laisserait aucun doute sur sa vraie disposition; mais je le dois dire que je n’ai pü bien saisir ce charactère.“ — Um ſich mit völliger Evidenz zu überzeugen, daß man es hier mit keiner ſpiraligen Umwickelung des Schwan— zes durch einen freien Faden, mag dieſer nun als das lange dünne Ende des rücklaufenden Schwanzes ſelbſt (Siebold, 2) Wagner)), oder als ein ſelbſtſtändiger, von der Vereinigungsſtelle des Kopfes und Schwanzes entſpringender Spiralfaden (Dujardin *)) angeſehen werden, zu thun habe, erwäge man folgenden Umſtand: Bei einer gewiſſen ſeitlichen Lage des Samenfadens kann man nämlich den verdickten Rand als regelmäßige Mellenlinie in einiger Entfernung neben dem Schwanze feiner ganzen Länge nach verlaufen und unduliren ſehen, ohne daß er auch nur ein einziges Mal denſelben überkrenzte (Tab. I, Fig. 4). Eine theilweiſe ſolche Surtapofition läßt ſich an der konvexen Seite jeder plötzlichen Umbiegungsſtelle des Samenfadens leicht erkennen (Tab. I, Fig. 2 w). Auch hat Dujardin ?) dergleichen ſelbſt geſehen, er beſchwichtigt aber feine ihm über den freien Spital: faden aufſteigenden Zweifel durch folgende Betrachtung: „Cependant ou peut à la rigueur supposer qu'en raison de son (nämlich des freien Spiralfadens) mouvement ondulatoire plus vivement agité sur un point il se trouve momentanement un peu deroulé sur un autre point.“ Es iſt ſomit klar, daß der verdickte Rand nicht in einer Spiraltour um, ſondern in einer Wellenlinie neben dem Schwanze verlaufe. Hier ſcheint der paſſendſte Ort, die Gründe, welche für die Exiſtenz einer acceſſoriſchen Membran in der beſchriebenen Geſtalt ſprechen, näher auszuführen: 1) Der verdickte Wand der Membran, oder — wie ich ihn vorläufig nennen will — der freie undu= lirende Faden, verläuft parallel mit und neben dem Hauptfaden des Schwanzes. 2) Er folgt in geringer Entfernung von der konveren Seite des gekrümmten Hauptfadens genau allen Einrollungen deſſelben, ohne ſich über eine gewiſſe Diſtanz zu entfernen. 3) Endlich kann man bei gehöriger Dämpfung des Lichtes, beſonders an Krümmungsſtellen des Schwan- zes, wie in Tab. I, Fig. 3, zarte Schatten in agelnägen Entfernungen von einander zwiſchen ſeiner kon- veren Seite und dem freien Faden entdecken. Erwägt man dieſe drei Punkte, fo bleiben nur drei Wege übrig, um fie zuſammenzureimen: 1) Ent⸗ weder muß man eine hypothetiſche Anziehungskraft zwiſchen dem freien Faden und dem Schwanze annehmen, wobei jedoch der dritte Punkt unerklärt bliebe, oder 2) den freien Faden für den verdickten Rand einer glas— hellen, auf dem Rücken des Schwanzes ſitzenden Membran halten, welche denſelben, wie das Meſenterium den Darm an die hintere Bauchwand, an den Hauptfaden des Schwanzes befeſtigt. 3) Endlich könnte auch hier mit Wagner 6) die Anſicht geltend gemacht werden, daß das Flimmerorgan aus einer Reihe koordinirt oſcili— render Flimmerhärchen beſtehe, die den Schein eines Fadens und einer Membran erzeugen. Daß von den drei Erklärungsweiſen die zweite unbedingt den Vorzug verdiene, iſt meine feſte Ueberzeugung. a 2) Fror. N. Bd. II. p. 281. Nr. 40. 1837. 3) cd. 4. D. ind. D. a a 6) a. a. O. Wagner's frühere, von ihm ſelbſt aufgegebene Anſicht. Die Flimmerhaare müßten in einer ge: raden Linie, auf dem Ruͤcken des Schwanzes ſtehend, gedacht werden, nicht aber, wie Wagner meinte, in einer gezogenen Spirale! 11 * 84 Die Schnelligkeit der Undulationen iſt nicht immer dieſelbe, fie wächſt und verringert ſich; daſſelbe gilt auch von ihrer Breite. Stellenweiſe hören die Schwingungen der Membran ganz auf, während fie an an- dern Punkten fortdauern. Vor dem gänzlichen Stillſtand der Bewegung geſchehen ſie ruckweiſe. B. Die langſamen und faſt unmerklich erfolgenden Bewegungen des Kopfes und Schwanzes beſtehen darin, daß dieſe Körpertheile beſtimmte Krümmungslinien annehmen und dieſe eine Zeitlang ſtarr beibehalten. 1) So krümmen ſich die freien Samenfäden gewöhnlich in Form einer Spirallinie, welche man auf einem Kegel verzeichnen kann, alſo völlig in der Art, wie der Gang eines Schneckenhauſes um den Modiolus auf gewunden iſt. Die Projektion dieſer Kurve in der Längsare iſt eine ebene Schneckenlinie (Fig. 1 A, Fig. 2 A, Tab. I), in der Queraxe eine Wellenlinie von immer wachſender Breite. Die Windungen find bald wei— ter, bald enger, es ſind deren meiſt eine und eine halbe. 2) Oft ſchlägt ſich der Kopf nach rückwärts, wäh⸗ rend der Schwanz ein Segment eines Kreiſes darſtellt (Fig. 4). 3) In Fig. 3 und Fig. 5, Tab. I, ſind noch andere, häufig vorkommende Einrollungen des Schwanzes dargeſtellt. Die acceſſoriſche Membran ſitzt immer auf der konvexen Seite der Krümmungen. C. Die Ortsveränderungen der ganzen Samenfäden reſultiren aus den in A und B hervorgehobenen Momenten; beide Momente bedingen in gleichem Maße die Möglichkeit und Art der Bewegungen. Die regelmäßigen Undulationen der accefforifchen Membran find das Treibende; in ihnen liegt die eigentliſche mo⸗ toriſche Kraft; die ſtarren Krümmungslinien des Schwanzes und Kopfes hingegen ſind der fixe Angriffs- und Stüßpunkt der treibenden Schwingungen der Membran; fie beſtimmen, ob und inwieweit fi die Wirkungen der Undulationen aufheben oder nicht, ſie geben die Richtung der Lokomotionen an. Man ſieht leicht, wie weſentlich dieſer letztere, bisher noch nicht genug gewürdigte Umſtand ſei, und welche große Rolle bei den allgemeinen Ortsveränderungen der Samenfäden ſomit die Kurven des Kopfes und Schwanzes ſpielen. Die Darſtellung einiger ſpeziellen Fälle wird den Typus dieſer Bewegungen klar machen und die Rich— tigkeit meiner Auffaſſung erweiſen. 1) Ein frei im Samen ſuspendirter Samenfaden hat ſich in einer Spirale von der unter B. 1. be⸗ ſchriebenen Form gekrümmt und behält dieſe Geſtalt eine Zeitlang fort. Wenn nun die acceſſoriſche Mem⸗ bran, welche auf der konvexen Rückenfläche des Schwanzes feſtſitzt, in der erklärten Weiſe in raſche, von Vorn nach Hinten fortſchreitende Undulationen geräth, ſo muß nothwendig der Samenfaden um die imaginäre Axe feiner Kurve herumgewälzt werden, und zwar in der den fortſchreitenden Undulationen entgegengeſetzten Rich tung (Fig. 1 bei A). In der That bohrt ſich der Samenfaden, auf dieſe Art rotirend, durch die Flüſſigkeit gleichſam weiter, und iſt im Stande, ſeinen Ort zu verändern und ziemlich raſch aus dem Geſichtsfelde zu verſchwinden. Sind die Windungen der Spirale nicht breit (Fig. 1 B, Tab. I), ſo ſieht es faſt aus, als ob der Samenfaden in ſchlängelnder Bewegung einherſchwömme; doch iſt dies keinesweges der Fall, wie man deutlich bei raſcher Veränderung der Fokaldiſtanz erkennt. Wenn daher R. Wagner !) von einer ſolchen ſchlängelnden Bewegung der Samenfäden der Salamander und Tritonen ſpricht, ſo mag dies hiermit ſeine Erklärung und Berichtigung finden. 2) Hat der Schwanz eines Samenfadens die Krümmung eines Kreisſegments angenommen, während der Kopf zurückgeſchlagen iſt, wie in Figur 4, ſo iſt die Art und Richtung der Ortsveränderung eine ganz andere, als im Falle 1. An den Undulationen der Membranen hat ſich zwar nichts geändert, ſie pflanzen ſich von Vorn nach Hinten fort, wie im erſten Falle; doch da die Krümmungslinie des Schwanzes ein Kreisſeg— ment geworden iſt, die Undulationen ſomit in einer Ebene wirken, ſo ſchwimmt der Samenfaden in einem weiten Kreiſe umher, ohne aus dem Geſichtsfelde des Mikroſkops herauszukommen. In dieſem ſpeziellen Falle iſt noch die ſteuernde Wirkung des nach Hinten abſtehenden Kopfes zu berückſichtigen. 1) Lehrbuch der Phyſiologie. Fe. 3) Iſt der Samenfaden vielfach zuſammengebogen, fo daß ſich die Wirkungen der Undulationen auf: heben, ſo bleibt derſelbe ruhig liegen, bis auf das freie Schwanz-Ende, welches, ſo lange die Schwingungen dauern, in zitternder Bewegung erhalten wird. Betrachtet man eine Partie Samen aus den Hoden, ſo findet man häufig die Samenfäden ganz ruhig neben einander liegend; erſt ſpäter (beſonders nach Verdünnung mit Waſſer) beginnt hie und da und endlich überall Bewegung. Liegen die Samenfäden in großen Maſſen beiſammen, wie oben erwähnt, ſo beobachtet man entweder ein unregelmäßiges Gewimmel oder gleichmäßige wellige Biegungen, wie an einem vom Winde bewegten Getreidefelde; zu gleicher Zeit fallen bei gehöriger Aufmerkſamkeit unter ſich parallele, ſenkrecht auf der Längsaxe des Spermatozoiden ſtehende Schattenſtreifen in die Augen, welche ſchnell hinter einander herz laufen, — fie rühren von den gleichmäßigen Krümmungen der verdickten Ränder der undulirenden Membra⸗ nen her. Im Samen aus dem Vas deferens herrſcht immer die lebhafteſte Bewegung. Erklärung der beigegebenen Abbildungen. Tab. I. Fig. 1. B. Ein Samenfaden aus dem Vas deferens von Salamandra atra. mn der Kopf, ms das Stielchen, bei m das Knöpfchen. n o das breite Kopfende des Hauptfadens des Schwanzes, o p das Mittelſtück, p r das dünne Endſtück deſſelben. xx, y y, Ww, tt, vv der verdickte Rand der undulirenden Membran. Da der Schwanz in einer Spirale gebogen iſt und die Membran auf ſeiner konvexen Seite ſitzt, fo erſcheint der Rand bei yy neben, bei xx unter, bei ww neben, bei tt über, endlich bei v v wieder neben dem Schwanze. 12 der freie Ausläufer des verdickten Randes. | Fig. I. A. Projektion der Krümmungslinie des Samenfadens bei B. Das freie Kopfende m, das Schwanzende 2. Die beiden Pfeile zeigen die Richtung der durch die fortſchreitenden Undulationen der Mem— bran bewirkten Rotation des gekrümmten Samenfadens um feine im Punkte m projicirte ideale Axe an. In den übrigen Figuren bezeichnen dieſelben Buchſtaben dieſelben Gegenſtände, wie in den eben erklär— ten Abbildungen. Fig. 2. A. Projektion der viel weiteren Spiralwindung des Samenfadens bei Fig. 2. B. Die Pfeile haben dieſelbe Bedeutung, wie in Fig. 1. A. Fig. 2. B. Ein Samenfaden aus dem Hodenſamen. Bei d, die blafige Erhebung der Umhüllungs— haut, welche, da man den Samenfaden nicht total von der Seite ſieht, am 5 Seitenrande des Kopfes mit einem ſchmalen Segmente hervorſieht. Fig. 3. Ein Samenfaden aus den Hoden. Bei d und d', die blaſigen Elnbcngen der Umhüllungs⸗ haut. Die Pfeile zeigen die Richtung der fortſchreitenden Undulationen der Membran an. Der Schwanz bildet in ſeiner hintern Hälfte eine Schlinge; zwiſchen ihm und dem verdickten Rande der Membran bemerkt man zarte Schattenſtreifen, welche von den regelmäßigen Faltungen der letztern herrühren. Fig. 4. Ein Samenfaden aus dem Vas deferens, deſſen Kopf nach rückwärts geſchlagen if. Da ſich der Schwanz faſt völlig von der Seite präfentirt, fo ſieht man den verdickten Rand in Form einer Wel— lenlinie ſeiner ganzen Länge nach neben dem Schwanze verlaufen. 8 Fig. 5. Der Schwanz des Samenfadens bildet eine doppelte Schlinge. Am Kopf findet ſich die Um: hüllungshaut an zwei Stellen (d und e) abgehoben. Das Stielchen läuft bei m in eine zarte Spitze aus, ohne ein Knötchen zu tragen. Fig. 8 Der Samenfaden präſentirt ſich in totaler Seitenanſicht. Die im Fokus liegenden Stücke des verdickten Randes erſcheinen ſomit als Punkte, die, alternirend, mit gleichgeſtalteten Zerſtreuungskreiſen umgeben ſind. 86 Fig. 7. Geborſtene Köpfe. Man überſieht die ganze Breite der Schlauchhaut, welche letztere geborſten und auf das Objektgläschen zurückgeſchlagen iſt. Das Stielchen m s (bei b und c) findet ſich gekrümmt. Das Schwanzende des geborftenen Kopfes (b und c) iſt angetrocknet und hat feine ſcharfen Konturen verloren. h h (bei b) die angetrockneten Falten der acceſſoriſchen Membran. Bei no ift das nun frei ſichtbare Kopf: Ende des Schwanzes dargeſtellt. Fig. 8. A, C und E, ſtellen das Wachſen der blaſigen Erhebungen der Umhüllungshaut in verſchiede— nen Stadien vor. Es gelingt oft an einem und demſelben Samenfaden, dieſe Abhebung der Umhüllungshaut von Stufe zu Stufe zu verfolgen. In A ſieht man die Blaſe vom Rücken aus, in B von der Seite. Das hintere Kopfende iſt durch das Anſchwellen der Blaſe, wie ein Bogen durch die angeſpannte Sehne, gekrümmt. In E und G beginnt die Lostrennung der Umhüllungshaut vom freien Kopfende; es iſt ebenfalls ſtark gekrümmt. In C und D iſt die Umhüllungshaut ſchon völlig zu einer großen Blaſe ausgedehnt, an deren innerer Fläche der Samenfaden (S) ſpiralig zuſammengebogen mit dem Rücken feſthaftet. Der Schwanz iſt abgeriſſen; an der Rißſtelle tritt der Inhalt (i) als ölartiges Tröpfchen heraus. In D bei I ſieht man durch den durchſichtigen Inhalt hindurch das kleine Lumen des Kopfſchlauches. Fig. 9. Idealer Querſchnitt des Kopfes, um den innern Bau deſſelben zu veranſchaulichen. a) Um: hüllungshaut, b) Schlauchhaut, c) Inhalt. Fig. 10. Idealer Querſchnitt des Schwanzes. a) Die Umhüllungshaut, h) die acceſſoriſche Mem⸗ bran als Duplikatur derſelben; bei d der Querſchnitt des verdickten Randes; b) der ſolide (2) Hauptfaden. AB ift die auf die Bildfläche projizirte, ſenkrecht auf der Anheftungslinie der Membran ſtehende Ebene. Bei d, d', d“ . . . . ds iſt der Stand des Durchſchnittes des verdickten Randes in verſchiedenen Zeitmomenten ſeiner Pendelſchwingungen dargeſtellt. Ergänzt man ſich in der Vorſtellung das gegebene Bild, ſo ſieht man leicht ein, daß ſich der verdickte Rand, als Ganzes betrachtet, in einer doppelt gekrümmten Linie hin und her biege, weil mit der Abweichung des Punktes d von der Vertikalen A B zugleich eine Entfernung von der Horizon— talen A“ B“ verbunden iſt. Der Punkt d' liegt ſowohl von A B, als von A“ B’ (ſowie der Punkt d) am weiteſten entfernt. Tab. II. Die idealen Skizzen der Tab. II. ſind entworfen worden theils, um den Typus der Bewegungen der acceſſoriſchen Membran anſchaulicher zu machen, theils, um wenigſtens einige jener ſonderbaren Geſtalten, die durch perſpektiviſche Verkürzung der Membran entſtehen, aufzuzeigen. 6 Fig. 1. Idealer Querſchnitt. Der Kreisbogen a b iſt der Weg, welchen der in der Bild- oder Quer— ſchnitts-Ebene gelegene Punkt des verdickten Randes bei ſeinen Schwingungen zu durchlaufen hat. Man kann auch ſagen, a b ſei die Projektion der doppelten Wellenlinie des Randes, und a bee die Projektion der ganzen acceſſoriſchen Membran auf die Querſchnittsebene. Fig. 3 ſtellt jene Kurve dar, welche durch die Projektion des Randes auf die Ebene adb in Fig. I, Tab. II. entſteht. Es iſt eine Anſicht des Samenfadens von oben. Man ſieht, daß die Wellenberge des Randes auf der einen, die Wellenthäler auf der andern Seite der Medianlinie oder des Schwanzes liegen. In Fig. 2, welche den Samenfaden von der Seite oder, was daſſelbe iſt, in der Projektion auf die Ebene e dc, Fig. 1, Tab. II. darſtellt, find die hinter der Bildfläche liegenden Theile des gekrümmten Randes punktirt, die vor derſelben liegenden durch volle Linien markirt. Die hier entworfene zweite Krüm— mungslinie des Randes beſitzt genau noch einmal ſo viel Wellenthäler und Wellenberge, als die erſte in Fig. 3, Tab. II. dargeſtellte. Fig. 4, 5 und 6 ſtellen einige jener ſcheinbaren Geſtaltveränderungen der Krümmungslinie des Randes dar, welche bei einer gewiſſen Neigung des Samenfadens gegen den Beobachter entſtehen. Fig. 6 iſt die Projektion der acceſſoriſchen Membran eines unter 32“ gegen die Bildflͤche geneigten Samenfadens (ſ. Fig. 3, Tab. II. A B). „ In Fig. 4 beträgt die Neigung 45° (vergl. Fig. 3, B CO). In Fig. 5 dagegen 60 (Fig. 3, CD). Unter dem Mikroſkope wird man zwar nie ſolche Bilder im Ganzen zu ſehen bekommen, da die einzelnen Punkte des Randes in verſchiedenen Ebenen und alſo nicht alle im Fokus liegen; wohl werden aber Bruchſtücke dieſer komplizirten Linien momentan im Fokus erſcheinen. Durch dieſen Umſtand wird die Auf— faſſung genannter Verhältniſſe erſchwert. So wie Fig. 10, Tab. I. den Stand des Querſchnittes des verdickten Randes in verſchiedenen Zeit— momenten feiner Pendelſchwingungen darſtellt, ebenſo veranſchaulicht Fig. 7, Tab. II. den Stand der ganzen Krümmungslinie des Randes zu verſchiedenen Zeitmomenten und zwar bei der Anſicht von Oben. Im erſten Zeitmomente t = o (Fig. 7) befindet fi der Punkt & in der Medianlinie, wenn der Punkt 6 ſchon ½, der Punkt 7 J, d %, einer Pendelſchwingung durchlaufen hat. Der Punkt & befindet fi in demſelben Verhältniſſe wie k. Der Punkt y ſteht zwar ebenfalls in der Medianlinie, iſt aber im Be— griff, nach Links abzuweichen, während &“ nach Rechts tendirt. Im nächſten Zeitmomente iſt die Stellung aller Punkte verändert (vergl. die punktirte Linie mit der Bezeichnung t S ). Es iſt dies der Stand der Punkte im erſten Viertel der Dauer einer Schwingung. Verfolgt man die dünne Linie mit der Bezeichnung t —= , fo erfährt man den Stand der Punkte während der halben Schwingungsdauer. Die Linie mit der Bezeichnung t —= % zeigt die Stellung der Punkte nach Verlauf von %, der Zeit, welche zu einer Schwingung benöthigt wird. Die Linie t S! fällt mit der Linie t — o zuſammen, d. h. nach Zurücklegung einer Schwingung ſtehen alle Punkte ſo, wie ſie vor Beginn der Bewe— gung ſtanden. Geſchieht dieſe Verſtellung der Punkte ſtetig hinter einander, ſo hat es den Anſchein, wie wenn die ganze Linie in der Richtung, welche der Pfeil anzeigt, ſchlängelnd fortkröche. Herr Oberlehrer Türkheim, unſer auswärtiges Mitglied in Schweidnitz, ſandte ein rundes Konkrement von 4 Zoll Durchmeſſer ein, welches in dem Magen eines Pferdes gefunden worden war. Die konzentriſche Ablagerung der größtentheils aus phosphorſaurer Ammoniak-Magneſia beſtehenden Maſſe war um einen pr. Silbergroſchen erfolgt, der in der Mitte vorhanden war. Herr Rathsherr Apotheker Lehmann in Kreuzburg, unſer auswärtiges Mitglied, berichtete über einen in der Stober bei Kreuzburg gefangenen grünen Hecht, dergleichen ſchon früher einmal von Endler und Scholtz in deren Naturfreund, Bd. 10, S. 183, in Schleſien beobachtet und abgebildet worden iſt. Der walzenförmige Körper verdünnte ſich plötzlich zum Schwanzende mittelſt einer Kurve von kleinem Durchmeſſer. Das Maul war mehr aufwärts gebogen, als bei den gewöhnlichen Fiſchen dieſer Gattung, der größte Theil des Körpers von grasgrüner, Bauch und Schwanzfloſſen von gelbgrüner Farbe, doch fehlte der röthlichgraue Ring am Kiemendeckel, welcher in der im Naturfreunde vorhandenen Abbildung übrigens angegeben iſt, die ſonſt ganz übereinſtimmt. Die grüne Färbung durchzog auch das Fleiſch im Innern, doch nicht ſo rein und lebhaft, wie von außen, dagegen die Zunge ein ſehr lebhaftes Grün zeigte. Nach dem Kochen in Salzwaſſer verlor ſich die grüne Färbung, deren Urſache der Sekretär der Sektion wohl in einem krankhaften Zuſtande ſuchen möchte, wofür auch die in beiden Beobachtungen erwähnte Abweichung von der regelmäßigen Form zu ſprechen ſcheint. —— — cn Er a aa t Eid 9 5 {A A } * 75 ash, BR 0 u ee Kö ! a 2 . L e e ee ® b ee, an ya Ir I a due nens Bra 4 ae et e Wen e vE and en ee 5 ann n es e d — er den Ne ee | er Bor = Kr ar mh ars 70 Hater ls OR 0 n J r N . e en 4 hi son * 5 „„ a e e e e OR det n we deinen ins end 3 Abet, 8 ere A Ka 90150 ** muß i > 777 ae v datt ee ee Fer a h 10 ar 4 ee 1 e e e Tab. II. Ansicht von der Seite. EIER die Pr eldflache ‚genegt umter 60. Grad. F 18. 5. FTF ET Hes ce, unter IR. Grad. —— — — en ee AR, 5 6 SZ 1 DIS 1 R 8 / AR, 3 S . 0 Joh.N Czermak del. 2, Bericht über die Arbeiten der entomologiſchen Sektion im Jahre 1848, Profeſſor Gravenhorſt, zeitigem Sekretär derſelben. Die Sektion hat in dieſem Jahre ein und zwanzig Sitzungen gehalten, in denen über folgende Gegenſtände geſprochen oder Vorträge gehalten wurden: 1. Allgemeines. Der Sekretär der Sektion hielt einen ausführlichen Vortrag über die Anomalien in der Fortpflanzungs- und Entwickelungs-Geſchichte der Gelenk füßler (Insecta L.) In allen Abtheilungen des Thierreichs, beſonders in denen, welche eine große Anzahl von Arten und Gattungen umfaſſen, giebt es Uebergänge und Anomalien, welche mehr oder weniger von denjenigen Formen und Eigenſchaften abweichen, die man als Erkennungs- und Unterſcheidungs-Merkmale für jene Abtheilungen aufgeſtellt hat. Vorzüglich bietet die Klaſſe der Gelenk füßler ſehr viele Belege für dieſen Ausſpruch dar. Wir wollen einige derſelben, beſonders ſolche, die ſich auf die Vermehrung und Entwickelung dieſer Thiere beziehen, genauer betrachten: Dasjenige Merkmal, welches die Thiere dieſer Klaſſe von den übrigen Fehlwirbelthieren unterſcheiden ſoll, beſteht in gegliederten Bewegungsorganen, welche ihnen, wenigſtens ſobald fie ihren vollkomme— nen Zuſtand, da fie fortpflanzungsfähig find, erreicht haben, zukommen. Aber ſchon hier ſtoßen wir auf Ab- weichungen, denn die meiſten Rankenfüßler haben gerade im erwachſenen fortpflanzungsfähigen Zuſtande keine, oder doch nur verkümmerte Beine, und ſitzen feſt angewachſen, faſt ohne Bewegung, während ſie in der früheſten Jugend mit gegliederten Schwimmbeinen verſehen ſind und munter im Waſſer umherrudern. Auch haben die Jungen Augen, welche aber, ſobald jene ſich feſtſetzen, allmälig verſchwinden. Da es jedoch noch nicht allgemein definitiv entſchieden iſt, ob die Rankenfüßler auch wirklich zu den Gelenkfüßlern, und nicht vielmehr zu den Weichthieren gehören, indem ſie mit einem fleiſchigen Mantel verſehen ſind und meiſt für Androgynen (ſich ſelbſt befruchtende Zwitter) gehalten werden, ſo wollen wir auf ſie, um unſern Ausſpruch zu unterſtützen, weniger Gewicht legen. Es finden ſich aber ſelbſt in der Unterklaſſe der eigentlichen Inſekter 12 . einige Thiere, die in ihrem vollkommenen Zuſtande ohne alle Spur von Beinen ſind, nämlich die Weibchen der Sackträgermotten und der Fächerflügler; wenigſtens hat man es ſo bei einigen Arten derſelben gefunden. Die Gelenkfüßler ſind getrennten Geſchlechts, wovon indeß in allen drei Unterklaſſen dieſer Thiere Ausnahmen vorzukommen ſcheinen; denn a) unter den Vielfüßlern werden, nach der ältern Anſicht, die aber neuerlich wieder beſtritten wird, die Rankenfüßler und manche Kiemenwürmer für Zwitter gehal— ten. So glaubt man auch zum Theil, manche Kiemenfüßlerarten, von denen man bis jetzt nur Indi— viduen mit Eierſtöcken gefunden hat, wohin ſelbſt die Borſtenſchwänzer gehören, für Zwitter halten zu müſſen; und wenn Bertholds Anſicht, daß die rothen Beutel an den Beinwurzeln der Borſtenſchwänzer, welche Andere als Kiemen betrachten, männliche Geſchlechtsorgane wären, ſich beſtätigen ſollte, ſo würde man dieſe Thiere für Androgynen halten müſſen. b) Unter den Spinnenthieren werden von Dujardin manche Milben als Zwitter bezeichnet, z. B. Oribates, Penthaleus, Bdella, welche an der Unterſeite zwei Oeffnungen haben, von denen die vordere die männliche, die hintere die weibliche ſeyn fol. c) Aber auch unter den Inſekten ſoll es Zwitterarten geben, z. B. nach Hartig unter den Gallweſpen, da von mehrern Arten derſelben im— mer nur Individuen mit weiblichen Geſchlechtstheilen ſich zeigen. — In allen ſolchen Fällen wäre es indeß möglich, daß doch auch Männchen exiſtirten, welche nur, wegen bedeutender Verſchiedenheit in der Geſtalt des Körpers oder einzelner Theile, in der Größe, Zeichnung u. ſ. w. noch nicht als Männchen jener Weibchen erkannt worden wären. — Daß hier nicht ſolche Zwitter in Betracht kommen, die als Mißgeburten, wie un— ter den Inſekten, ſo in allen Thierklaſſen, vereinzelt entſtehen, brauche ich wol kaum zu erinnern. An ſolchen Zwittern ſind ſehr ſelten männliche und weibliche Geſchlechtstheile gleichmäßig ausgebildet; doch wird ein Fall von ſolch einem Zwitter des Kieferſpinners (Bombyx pini) erzählt, deſſen männlicher Theil den weiblichen vollkommen befruchtet haben ſoll, ſo daß die nachher von dem letztern gelegten Eier auskrochen. Der Geburt geht eine Begattung und Befruchtung vorher, welche aber nur von Thieren in ih— rem vollkommen ausgewachſenen Zuſtande vollzogen werden kann, obgleich behauptet wird, daß manche Geradflügler und Wanzen auch ſchon in ihren frühern Zuſtänden, als Larven, ſich zuweilen begatten ſollen, was doch wol noch einer genauern Beſtätigung zu bedürfen ſcheint. Auch bei manchen Spinnenthieren und Vielfüßlern ſcheint zuweilen eine frühere Begattung ſtatt zu finden. — Bei den Inſekten geſchieht die Ber gattung nur einmal, worauf das Männchen bald ſtirbt, das Weibchen aber erſt, nachdem es geboren hat. Es werden indeß Beiſpiele von Inſekten, namentlich von dem Seidenſpinner (Bombyx mori) angeführt, deren Männchen ſich mehreremale hintereinander mit verſchiedenen Weibchen begattet haben ſollen. Auch von man: chen Blattläuſen wird daſſelbe behauptet; und von den Waſſerjungfern will man geſehen haben, daß der Be— fruchtungsakt zuweilen mehrmals mit demſelben Weibchen wiederholt wird. Chionea araneoides, ein flügel- loſer Zweiflügler aus der Familie der Schnaken, ſchon dadurch merkwürdig, daß ſie nur im ſtrengen Winter und nur bei Nachtzeit erſcheint und thätig iſt und ſich auf dem Schnee begattet, bietet auch noch die Ano— malie dar, daß, bei dem Begattungsgeſchäfte, das Weibchen die Initiative ergreift und ſich oft mit mehreren Männchen hintereinander begattet. Indeß wäre es wol möglich, daß bei ſolchen Beobachtungen eine Täuſchung ſtattgefunden haben könnte, indem man bei mehrern Inſekten, unter andern ſehr oft bei unſerer gemeinen Stubenfliege, ſich davon überzeugen kann, daß das Männchen nicht ſelten das Weibchen beſteigt, ohne ſich mit demſelben zu begatten. Vielfüßler und Spinnenthiere begatten ſich wahrſcheinlich mehr als einmal, zum Theil mehrere Jahre hindurch. Bei Cyclops wird die Begattung öfters von demſelben Paare mehrmals wiederholt. Auch von einigen Milben (Diplodontus) weiß man, daß fie ſich mehr als einmal begatten; und das Zeckenmännchen vollzieht dieſen Akt mit mehrern Weibchen nach einander. — Bei ſolchen Gelenkfüßlern, welche doppelte Geſchlechtsöffnungen haben, z. B. bei den Kiemenwürmern, kommt es zuweilen vor, daß ſich ein Weibchen mit zwei Männchen zugleich begattet. Aber auch von dem Weibchen der Zygaena achilleae beobachtete man ein paarmal, daß es ſich mit zwei Männchen zugleich begattete; und das Weibchen der Zuckmücke (Chironomus occultans) wird ebenfalls zuweilen mit zwei oder gar drei Männchen zugleich in Begattung angetroffen. Bei den Falterweibchen wäre dies daraus erklärlich, daß ſie zwei Ge— ſchlechtsöffnungen haben ſollen. — Es werden mehre Beiſpiele erzählt, daß Männchen und Weibchen zweier verſchiedenen Arten ſich begattet haben; doch mag es wol häufig der Fall ſeyn, beſonders wenn die Begattung zwiſchen zwei ſehr verſchiedenen Arten ſtattgefunden haben ſoll, daß die vermeintliche Begattung gar nicht eine wirkliche geweſen iſt. Warum aber ſollten ſich nicht Männchen und Weibchen von zwei fehr nahe verwandten Arten mit einander fruchtbar begatten und Baſtarde erzeugen können? Nicht ſelten aber legen manche Inſekten Eier auch ohne vorhergegangene Befruchtung; jedoch entwickeln ſolche Eier ſich nicht weiter und ſchlüpfen nicht aus, eben weil ſie nicht befruchtet ſind. Es kom— men indeß Erſcheinungen vor, aus denen man zu ſchließen berechtigt iſt, daß entweder auch ohne Begattung und Befruchtung Junge geboren werden, oder daß eine Begattung fruchtbar auf mehrere Generationen hinter einander einwirke. Dieſes iſt namentlich bei mehren Arten von Waſſerflöhen (Daphnia) und Blattläuſen der Fall, von denen im Frühjahr nur Weibchen zum Vorſchein kommen, welche wieder nur Weibchen hervorbrin⸗ gen, die abermals nur Weibchen gebären, und ſo fort bis zu der ſiebenten und zehnten Generation, ohne daß während dieſer ganzen Periode Männchen erſcheinen. Erſt im Herbſte, mit der letzten Generation, kommen auch Männchen hervor, welche ſich mit den Weibchen begatten, worauf letztere Eier legen, aus denen wieder nur Weibchen kommen; und dieſe ſind nun eben diejenigen Weibchen, welche zuerſt im Frühjahr erſcheinen, um den eben erzählten Cyclus der Vermehrung wieder zu beginnen. Es fol ſogar Arten von Blattläuſen geben, unter denen niemals Männchen entſtehen, ſondern immer nur lebendig gebärende Weibchen. Auch von manchen andern Inſekten ſollen fruchtbare Eier ohne Befruchtung gelegt ſeyn. Bourſiers ſah ein Weibchen des Bombyx mori, welches von ſeinem Ausſchlüpfen an beſtändig iſolirt gehalten war, nachdem es über zwei Stunden lang im Sonnenſchein geſeſſen hatte, fruchtbare Eier legen, und ſchloß hieraus, daß in dieſem Falle das Weibchen durch den Sonnenſchein befruchtet worden ſei. Aehnliche Erſcheinungen werden von mehreren andern Nachtfalterweibchen angeführt. Auch bei manchen Spinnen ſoll eine Befruchtung auf mehrere Gene— rationen wirken. Die Befruchtung ſelbſt geſchieht in der Regel ſo, daß der Same entweder mittelſt der Ruthe in die weibliche Geſchlechtsöffnung u. ſ. w. geleitet wird, oder daß er, ohne Ruthe, aber doch unmittelbar aus der männlichen Oeffnung in die weibliche gelangt. Bei den Waſſerflöhen, deren weibliche Oeffnung unter der Schale, auf dem Rücken ſich befindet, wohin die männliche Ruthe nicht gelangen kann, geſchieht die Befruch— tung wahrſcheinlich ſo, daß das Männchen den Samen unter die Schale ſpritzt. Bei Cyclops giebt, nach v. Siebold, das Männchen, bei der Begattung, einen mit Samen gefüllten Schlauch von ſich und befeſtigt denſelben neben der weiblichen Oeffnung; der Same dringt nachher aus dem Schlauche hervor und wird von der weiblichen Oeffnung aufgenommen. Wir wollen jetzt nur noch etwas bei ein Paar länger bekannten und lange mißgedeuteten, hieher gehö— rigen Anomalien verweilen, die die Waſſerjungfern und Spinnen betreffen. An den Männchen vieler Arten der letzteren nämlich iſt das Endglied der Vordertaſter mehr oder weniger angeſchwollen und hat eine Höhlung, welche ſich öffnen und ſchließen kann und bewegliche Organe enthält, unter denen ein längerer Stiel früher für die männliche Ruthe gehalten wurde, weil das Männchen, bei der Begattung, dieſen Theil in die weibliche Oeffnung bringt, und in dieſer Verbindung eine Zeitlang verharret. Treviranus, welcher, bei der anatomiſchen Unterſuchung dieſer Organe, keine Verbindung jenes Taſtergliedes mit den innern ſamenführenden Organen finden konnte, ſondern vielmehr ſah, daß letztere an derſelben Stelle, wo bei dem Weibchen die zwei weiblichen Oeffnungen liegen, ebenfalls in zwei Oeffnungen ausmünden, glaubte nun, daß jenes Einſenken der männlichen Taſter in die weiblichen Oeffnungen nur ein Reizmittel fei, und daß, nach der Anwendung deſſel⸗ ben, die eigentliche Befruchtung durch Aufdrücken der männlichen Oeffnungen auf die weiblichen vermittelt werde. Allein in den neueſten Zeiten iſt man zu der Anſicht gelangt, daß das Männchen, wenn es ſich zur 12 * — 92 Begattung anſchickt, vorher die Höhlungen der Taſterenden, indem es ſie auf ſeine Geſchlechtsöffnungen drückt, mit Samen anfüllt, und dieſen dann, durch Einſenken der Taſterenden in die weiblichen Oeffnungen, in dieſe ergieße. — Was die Waſſerjungfern betrifft, fo ſieht man ſolche nicht ſelten zur Begattungszeit paar= weiſe ſo umherfliegen, daß das Männchen, mit dem zangenförmigen Organe am Ende des Hinterleibes, das Weibchen im Nacken ergriffen hat. Man hielt dies früher für eigentliche Begattung, indem man glaubte, daß am Weibchen die Geſchlechtsöffnung im Nacken liege. Später, als man gewahr wurde, daß das Weibchen, in der eben beſchriebenen Verbindung mit dem Männchen, endlich ſeinen Hinterleib ſo krümmte, daß das Ende deſſelben mit einer Vertiefung in Berührung trat, die ſich unterwärts an der Baſis des Hinterleibes des Männchens in einer Erhöhung findet, glaubte man, daß die weibliche Oeffnung, wie gewöhnlich, am Ende des Hinterleibes, die männliche aber in jener Vertiefung liege, und daß in dem eben erzählten Akt die eigent⸗ liche Befruchtung vollzogen werde. Bei genauer Unterſuchung ſtellte es ſich indeß heraus, daß die männlichen Samengänge nicht in jene Vertiefung ausmündeten, ſondern, wie gewöhnlich, am Ende des Hinterleibes. Nun meinte man, daß alles Vorhergehende nur ein Vorſpiel der eigentlichen Befruchtung ſei, welche erſt dann, wenn das Männchen das Weibchen wieder losgelaſſen habe, auf die gewöhnliche Weiſe, aber ſo ſchnell voll— zogen werde, daß man ſie kaum bemerke. Zuletzt wurde die Anſicht ausgeſprochen, daß das Männchen, vor dem Angriffe auf das Weibchen, die beſchriebene Vertiefung, indem es das Ende des Hinterleibes in dieſelbe einbrächte, mit Samen fülle, welcher dann, wenn das Weibchen das Ende ſeines Hinterleibes auf jene Vertie— fung drücke, in die weibliche Oeffnung gelange. — Manche frühere Angaben ähnlicher Anomalien, z. B. daß die Fühler der Männchen von Cyelops zugleich Ruthen wären; daß die Zecken (Ixodes) durch den Rüſſel ſich befruchteten und Eier legten u. ſ. w., haben in Täuſchungen ihren Grund gehabt. Noch einer Anomalie müſſen wir hier gedenken, daß nämlich bei den geſellſchaftlich lebenden Arten der Honigbienen, Weſpen und Ameiſen, außer den eigentlichen Männchen und Weibchen, noch ſogenannte Zwitter oder Arbeiter leben, welche ſich in der Regel nicht begatten, ſondern für Erhaltung des Neſtes, der Eier und der Jungen zu ſorgen haben, während Männchen und Weibchen ſich um gar nichts beküm⸗ mern, ſondern blos da find, um ſich zu begatten und Eier hervorzubringen. Noch auffallender iſt ein ähnli: ches Verhältniß unter den geſellſchaftlich lebenden Termiten, denn auch hier kümmern Männchen und Weib— chen ſich weder um Wohnung und Nahrung, noch um Unterbringung und Erhaltung der Eier, ſondern alle dieſe Beſchäftigungen liegen den erwachſenen Larven ob, von denen auch noch die jungen Larven mit Nah— rung verſorgt werden, bis dieſe ſelbſt mitarbeiten können, wo dann die ältern Larven in den vollkommenen Zuſtand übergehen und ſich begatten. ö Die bei weitem meiſten Gelenkfüßler legen Eier, aus denen dann ſpäter die Jungen hervorbrechen. Nur bei ſehr wenigen, z. B. bei Skorpionen, Fledermausfliegen, Schmeisfliegen, einigen Schnellfliegen, Fächer— flüglern, und periodiſch auch bei Blattläuſen, wie wir kurz zuvor geſehen haben, entwickeln ſich die Eier ſchon in den Eierleitern oder in der Bärmutter, bei den Fächerflüglern (ſ. weiter hinten) in der Leibeshöhle, zu lebenden Jungen, welche dann erſt durch die weibliche Oeffnung hervorkommen. Etwas anders iſt es bei den Waſſerflöhen, die zwar auch als Thiere aufgeführt find, welche periodiſch lebende Junge hervorbrin— gen; allein die Eier kommen bei ihnen nicht in den innern weiblichen Geſchlechtsorganen aus, ſondern wer— den, durch die weibliche Geſchlechtsöffnung, zwiſchen der Schale und dem Rücken der Mutter abgeſetzt, wo ſie verbleiben, bis die Jungen auskommen, die dann, durch einen zwiſchen der Schale und dem Hinterende der Mutter befindliche Oeffnung, ausgeſtoßen werden. Waſſerflöhe und Blattläuſe legen aber zum Theil im Herbſt Eier, ſogenannte Wintereier, welche überwintern, und aus denen dann erſt im Frühjahr Junge hervorkommen. Man hat wol gemeint, daß dieſe ſogenannten Wintereier keine eigentlichen Eier ſeien, ſondern Hüllen, in denen ſchon die Jungen eingeſchloſſen ſich befänden, um gegen die Winterkälte geſchützt zu ſeyn; Newport hat aber, durch feine Beobachtungen an Aphis rosae, beſtätigt, daß fie wirkliche Eier find. — Noch merkwürdiger ab⸗ 93 weichend ift die Entwickelung der Eier und Jungen der Spinnfliegen (Hippobosca), wovon in der Folge die Rede ſeyn wird. Die Jungen, mögen ſie nun aus gelegten oder in der Mutter verbleibenden Eiern hervorkommen, ſind von den ausgewachſenen Eltern mehr oder weniger verſchieden. Sie wachſen und verändern ſich allmälig durch mehrere Häutungen, bis ſie, mit der letzten Häutung, in den vollkommenen Zuſtand treten; wovon indeß die Krebſe, inſofern ſie ſich auch noch im ausgewachſenen Zuſtande regelmäßig periodiſch häuten, und die Larven der Buſchhornfliegen, die ſich gar nicht häuten, eine Ausnahme machen. — In ihren frühern Zuſtänden, als Junge, werden die Gelenkfüßler im Allgemeinen Larven genannt, und wenn dieſe, bei der vorletzten Häutung, mit einer härtern Haut bekleidet werden und ſich nicht mehr fortbewegen, auch keine Nahrung zu ſich nehmen können, ſo heißen ſie, in dieſem Zuſtande, Puppen, aus denen dann das vollkommene Thier, nachdem es ſich allmälig in ihnen ausgebildet hat, hervorbricht. Eine ſolche Werwand— lung nennt man eine vollſtändige; dahingegen die, wo die Larve unmittelbar durch ihre letzte Häutung, ohne Puppe zu werden, zum vollkommenen Thiere wird, unvollſtändig heißt. Letztere findet in der Regel bei ſolchen Gelenkfüßlern ſtatt, wo die Larven, in Hinſicht der Geſtalt des Körpers und deſſen Theile, wie auch in Hinſicht der ganzen Lebensweiſe, mit dem vollkommenen Thier viele Aehnlichkeit haben, nur mit der Ausnahme, daß, bei geflügelten Inſekten, die Larven ohne Flügel ſind. Hieher gehören ein Theil der Viel— füßler, die Spinnenthiere, und unter den Inſekten die Halbdeckflügler und Geradflügler. Eine vollſtändige Verwandlung hingegen tritt bei ſolchen ein, wo die Larven von den vollkommenen Thieren, ſowohl in der Geſtalt des Körpers und der Beſchaffenheit der einzelnen Theile und Gliedmaßen deſſelben, als auch in der ganzen Lebensweiſe, bedeutend verſchieden ſind; ſo ein Theil der Vielfüßler und, unter den Inſekten, die Zwei— flügler, Falter, Hautflügler und Käfer. Aus der Ordnung der Netzflügler gehören z. B. die Ameiſenlöwen und Florfliegen hieher. Bei vielen andern Netzflüglern, z. B. bei Waſſerjungfern und Perljungfern, findet ein Mittelzuſtand ſtatt, indem die Larven, bei der vorletzten Häutung, längere Flügelanſätze (Flügelſcheiden) bekommen, ſich ruhig anſetzen, nicht mehr freſſen, aber noch mit Beinen verſehen ſind und gehen kön— nen. In dieſem Zuſtande heißen fie Nymphen; und dieſe Art der Verwandlung wird halbvollſtändig genannt. Das in dem vorhergehenden Abſatze Vorgetragene gilt als Regel für die dabei angeführten Gruppen der Gelenkfüßler. Allein es giebt auch manche Anomalien und Abweichungen von der Regel, unter denen wir folgende herausheben: 1) Unter den Spinnenthieren findet bei einigen Gattungen von Waffeımilben (Hydrachna) eine vollſtändige Verwandlung ſtatt. 2) Unter den Halbdeckflüglern giebt es Arten aus der Gattung der Cochenillen, deren Männchen eine vollſtändige, die Weibchen hingegen eine unvollſtändige Ver— wandlung beſtehen, und etwas Aehnliches findet vielleicht bei den Fächerflüglern ſtatt (ſ. Nr. 6). 3) Unter den Faltern ſoll es ſich ſchon ereignet haben (bei dem Seidenſpinner, Bombyx mori), daß unmittelbar aus der Raupe (ohne Puppenzuſtand) der vollkommene Falter hervorgekommen ſei, alſo eine unvollſtändige Verwandlung ſtattgefunden habe; indeß erlaube ich mir, an der Richtigkeit dieſer Beobachtung zu zweifeln und vielmehr zu vermuthen, daß, in dieſem Falle, wahrſcheinlich die Raupe, als ſie ſich verpuppte, nicht im Stande geweſen ſei, ihre Larvenhaut abzuftreifen, welche nun über der Puppe haften blieb, fo daß ein un— kundiger und oberflächlicher Beobachter allenfalls glauben konnte, hier noch die Raupe ſelbſt vor Augen zu haben. 4) Eine Ausnahme von der Regel, daß nur vollkommene Inſekten, die ſich nicht weiter häuten und verpuppen, geflügelt ſind, ſtellen einige Perljungfern dar, welche, nachdem ſie ſchon vollſtändige Flügel bekommen haben und umhergeflogen ſind, ſich noch einmal vollſtändig häuten. 5) Nach Newport's Beobach— tung haben die Larven der Maiwürmer (Oelkäfer) in ihren früheſten Zuſtänden ſechs Beine, kriechen in Blumen, wo ſie ſich an Hautflügler hängen und ſo in die Neſter derſelben verſetzt werden. Hier verzehren fie den vorhandenen Vorrath, ſollen dann nach und nach Fühler und Beine verlieren und zu einer fußlofen = Made werden, welche fich zuletzt in der Erde verpuppe. Mit dieſer Verwandlungsgeſchichte hat 6) die der Fächerflügler, wie fie v. Siebold erzählt, ſehr viele Aehnlichkeit, fo daß man faſt auf den Gedanken kom— men möchte, hier ſei eine Vermiſchung und Verwechſelung in der Naturgeſchichte zweier ſehr verſchiedener In⸗ ſektenarten eingetreten. Daß die Larven dieſer ſonderbaren Inſekten in dem Hinterleibe mancher weſpenartigen Hautflügler lebten und ſich in demſelben verpuppten, wußte man ſchon; v. Siebold aber iſt in ihre Naturge⸗ ſchichte tiefer eingedrungen und berichtet darüber Folgendes: Die vollkommenen Weibchen haben weder Beine, noch Flügel, noch Augen, und bleiben beſtändig im Leibe der Hautflügler, bringen lebende ſechsbeinige Larven zur Welt, welche äußerlich am Hinterleibe des Inſekts, in welchem die Mutter wohnt, leben und von da gele— gentlich an andere Hautflügler ſich begeben, in deren Hinterleib fie ſich dann einbohren und daſelbſt nach eini— ger Zeit in eine träge fußloſe Made ſich verwandeln. Das Weibchen hat inwendig einen beſondern Kanal, der ſich vorn über dem Munde in einem Querſpalt öffnet, mit der Hinterleibshöhle aber durch drei bis fünf von ihm ausgehende Röhren in Verbindung ſteht. Eierſtöcke ſind ihrer zwei vorhanden. Die reifen Eier fallen in die Leibeshöhle, wo ſie auskommen; die Larven kriechen dann durch die erwähnten Röhren in den Kanal (Brutkanal) und ſpäter aus demſelben durch die Vorderöffnung über dem Munde hervor. Die Begat— tung geſchieht wahrſcheinlich durch dieſe Oeffnung (hinten iſt gar keine Oeffnung), indem das Männchen fein Hinterleibsende durch die Segmente des von dem Weibchen bewohnten Hautflüglers hindurchſchiebt. 7) Merk⸗ würdig iſt noch die Entwickelungsgeſchichte der Spinnfliegen. Früher wurde von ihnen erzählt, daß das Weibchen jedesmal nur ein Ei lege, welches faſt ſchon ſo groß wie die Mutter ſelbſt ſei, und aus welchem gleich unmittelbar das vollkommene geflügelte Inſekt hervorkomme. Später wurde dieſes vermeintliche Ei als die Puppe erkannt und die Anſicht ausgeſprochen, daß die Eier ſchon im Mutterleibe auskämen, ſo jedoch, daß in der Bärmutter jedesmal nur ein Ei ſich entwickle, die Larve aber fo lange in derſelben verbliebe, bis die Zeit ihrer Verpuppung gekommen ſei, wo ſie dann geboren würde und während der Geburt ſelbſt ſich verpuppe. Neuerlich hat nun Dufour Folgendes hierüber bekannt gemacht: Das Weibchen habe zwei Eier— ſtöcke, in denen ſich aber niemals Eier entwickeln, ſondern in jedem derſelben entſtehe eine Blaſe, welche ſchon im Eierſtocke ſelbſt ohngefähr die Geſtalt der Puppe habe; dieſer Embryo gelange dann durch den Eiergang in die Bärmutter, die ſich, wie jener wächſt, nach und nach ungemein ausdehne; der Embryo ſelbſt hänge durch eine Nabelſchnur mit der Bärmutter zuſammen, die aber zuletzt reiße, wo dann der Fötus in der Bärmutter frei ſei; an dem Fötus laſſe ſich jedoch nicht die geringſte Spur von Organen, weder von äußern noch von innern, entdecken; wenn er reif ſei, werde er geboren und heiße dann Puppe. Es werden hier alſo weder Eier noch Larven gebildet, ſondern nach der Befruchtung entſteht ſogleich die Puppe; und doch exiſtirt hier dieſelbe Fettdrüſe an den innern weiblichen Geſchlechtstheilen, von welcher man bei den übri— gen Inſekten meint, daß ſie den Stoff zur Eihülle liefere. Vorausgeſetzt nun, daß es mit der Darſtellung Dufour's in allen Punkten ſeine Richtigkeit habe, ſo ſcheint mir die ältere Anſicht, die Puppen der Spinn⸗ fliegen für Eier zu halten, nicht ganz unrichtig zu ſeyn. Dieſe ſogenannte Puppe iſt ein Körper, welcher darin, daß er weder Mund noch After hat, keine eigentliche Locomotivität zeigt, und keine vollkommen ausge— bildete äußere Organe beſitzt, ſowohl mit dem Ei, als mit der Puppe übereinſtimmt; mit der Puppe allein darin, daß er bei ſeiner Geburt ſchon die Größe der Mutter hat, und daß das Inſekt gleich in vollſtändiger Größe und Ausbildung aus ihm hervorbricht; mit dem Ei allein aber, ſo lange in dieſem die Entwickelung des Embryo noch nicht begonnen hat, darin, daß keine Spur innerer Organe aufzufinden iſt, und daß er, von ſeinem Entſtehen im Eierſtock an, bis zu ſeiner Geburt, wenig anders als durch zunehmende Größe ver: ändert wird. Daher ſollte ich meinen, daß man dieſen Körper als ein Mittelding zwiſchen Ei und Puppe betrachten könne. In Bezug auf dasjenige, was ich einige Zeilen vorher von der relativen Größe der Eier überhaupt angeführt habe, muß ich noch bemerken, daß dieſelbe doch auch ſehr verſchieden in der Klaſſe der Gelenkfüßler iſt. Unter den Milben kommen Arten vor, deren Eier ſchon ein Fünftel und ſelbſt ein Drittel der Größe der Mutter haben; namentlich ſoll die Krätzmilbe des Pferdes nur ein großes Ei hervorbringen, 95 aus Im ein Junges kommt, welches in Geſtalt und Beinen mit der vollkommenen Milbe übereinftimmt und nach drei bis vier Tagen erwachſen ift. | 2 Hufer. | Herr Rektor Rendſchmidt hielt einen Vortrag über die Arten der Gattung Carabus, nach feiner Sammlung (48 Arten), und zeigte dieſelben vor. — Derſelbe eben fo über die Gattung Hister (27 Arten), denen Herr Lehrer Letzner noch zehn andere ſchleſiſche Arten, welche in der Rendſchmidtſchen Sammlung fehlten, hinzufügte, unter denen ſich ein Paar jetzt zum erſten Male in Schleſien angetroffene (H. marginatus Erichson und H. neglectus Germ.) und zwei unbeſtimmte Arten auszeichnen. — Ueberhaupt hat beſonders Herr Lehrer Letzner in dieſem Gebiete eine große Thätigkeit gezeigt und in mehren Verſammlungen der Sek⸗ tion vielfältige Mittheilungen über Käfer gemacht. Die hauptſächlichſten Ergebniſſe ſeiner koleopterologiſchen Exkurſionen, Beobachtungen und Studien ſind in Folgendem veröffentlicht: 1) Herr Lehrer Letzner zeigte vor: 1) Crioceris (Calomierus Dillwyn) Spartii E. H., von Herrn Dr. Scholtz in der Nähe von Kun— zendorf bei Schweidnitz im Juli vorigen Jahres an einem Bergabhange, wo Calluna vulgaris und Genista tinctoria wuchſen, gekäſchert, in 5 Erempl. — 2) Ptinus subpillosus St., aus einigen im vorigen Jahre in Scheitnig bei Breslau von geſunden Bäumen von ihm geſammelten, nur an ihrer äußern Fläche zerfreſſenen Eichenrinden ausgekrochen, in 1 Exempl. Beide find neu für Schleſiens Fauna. — 3) Paederus ruficol- lis F. — 4) Saperda tremulae F. — 5) Magdalinus violaceus L., alle drei, ſelten in Schleſien, im vorigen Sommer von Herrn Dr. Scholtz in der Nähe von Breslau gefangen. — 6) Magdalinus phleg- maticus Hbst., ſelten, von mir bei Waldenburg gefangen. 7) Anthoxia aurulenta Fabr., von Dr. Scholtz bei Höfchen gefangen. 2) Herr Lehrer Letzner ſetzte feine Mittheilungen über die im vorigen a zu Apen bei Uſtron in den Beskiden von ihm geſammelten Käfer fort. Unter den von demſelben am Tut gefangenen Waſſerkäfern befand ſich auch ein Thier, welches in die Gattung Agabus gehört, und wohl eine neue Art ſein dürfte. Es iſt einſtweilen unter dem Namen Agabus Kotschyi in die Sammlung eingereiht worden, bis es gelingen wird, daſſelbe in mehreren Exemplaren aufzutreiben und eine genauere Beſchreibung nach denſelben zu entwerfen. Es ſteht in der Mitte zwiſchen A. guttatus St. (der an demſelben Orte gefangen wurde) und dem im entomologiſchen Bericht für 1843 von Herrn Letzner beſchriebenen A. silesiacus, ſowohl in Hinſicht auf die Form, als auf die Größe (4 Lin.). Die Flügeldecken ſind, obwohl ſanft gewölbt, doch niedergedrückt, ſo daß, wie bei den eben erwähnten beiden Arten, unfern des Außenrandes hinter der Mitte eine hervorſtehende Kante gebildet wird, wodurch allein ſchon das Thier von A. chalconatus und andern ihm auf den erſten Blick verwandt ſcheinenden Arten geſchieden wird. Die Punktreihen wie bei A. silesiacus, die Punkte jedoch tiefer und weniger in einer Linie liegend. Die ſehr unregelmäßige Reihe an der Naht reicht von der Spitze ebenfalls nur bis in die Mitte und beſteht aus ent— fernter liegenden Punkten. Ein Hauptkennzeichen des in Rede ſtehenden Thieres liegt jedoch darin, daß die nesförmigen Runzeln, womit auch hier Flügeldecken, Thorax und Kopf überzogen, viel weitläuftiger, alſo die Maſchen viel größer ſind, als bei den verwandten, ja allen andern mir aus dieſer Gattung bekannten Arten. Das gelbliche Tröpfchen hinter der Mitte der Decken iſt ſehr verloſchen und an der erwähnten Kante derſelben nach hinten ſehr in die Länge gedehnt. Der Glanz der Oberſeite iſt nur mäßig, bei Weitem weniger ſtark, als bei A. silesiacus. Die Füße find ſchwarz, Tarſen röthlich wie die Fühler, Lefze und Taſter; das End⸗ glied der Maxillar-Taſter dunkler. 96 Aus der Familie der Brachelytern hob Herr L. als feltenere Arten hervor: © Paederus limnophilus Märk., neu für Schleſien, in 5 Exempl. an der Weichſel bei Uſtron gefangen. 2 Exemplare gehören zur Var. b, bei welcher die Spitze der Schienbeine röthlich ſind. Paederus ruficollis F., mit dem vorigen, in 8 Exemplaren, von denen bei 6 das erſte und zweite Fühlerglied unten roth gefärbt iſt. Demzufolge würde dies die Hauptform ſein. Tachinus elongatus Gyl., Xantholinus tricolor Fab., Lathrobium scabricolle Er., in 3 Ex., Othius pilicornis Payk. Var. b, Lesteua bicolor F., 1 Exemplar, bei welchem aber Fühler, Taſter und Beine faſt ſchwarz, und nur die Tarſen und Wurzeln der Schenkel bräunlich ſind; Anthophagus armiger Gr. und alpinus F. Aus der Gattung Stenus machte Herr L. vorläufig auf ein Thier aufmerkſam, das wahrſcheinlich eine noch unbeſchriebene Art ſein dürfte. Das Nähere hierüber behält er ſich einer ſpäteren Mittheilung vor. — Ebenſo hat er aus der Gattung Parnus in Geſellſchaft des P. auriculatus Kug. zwei Arten gefangen, welche er aber nach den hieſigen Hülfsmitteln zu beſtimmen außer Stande iſt. Ferner hebt Herr Letzner hervor: 4 Cantharis violacea Payk., C. rufescens (1 Ex., welches mit dem im entomologiſchen Bericht für 1846 von ihm unter dieſem Namen beſchriebenen vollſtändig übereinſtimmt), C. assimilis Payk., 3 Exempl., wovon eines der von Gyllenhal beſchriebenen Var. e. angehört. Zwei andere Exemplare, welche ebenfalls zu derſelben gehören, wurden ihm vom Herrn Oberlehrer Kelch als C. fulvipennis Germ. zugeſchickt. Da die Beſchreibung Germar's nicht dagegen ſtreitet, alſo wohl anzunehmen iſt, daß er dieſes Thier wirklich gemeint habe, fo wird künftig die C. fulvipennis aus der Zahl der ſelbſtſtändigen Arten ausſcheiden müſſen. Byrrhus ornatus Pz., Var. glabratus Heer, 5 Ex.; Aphodius terrestris F., 2 Ex. auf der Ba⸗ rania; Haltica rufipes L., auf dem Zul auf Orobus vernus; H. mercurialis F., am Malinow äußerſt häufig; H. rubi F., auf Rubus idaeus am kleinen Oſtry ſehr häufig; H. graminis Pz., nicht ſelten, 21 Ex. — Chrysomela Dahlii Kn., Chr. rufa Duft. (2); Phaedon carniolicum Meg.; Ph. pyritosum Oliv.; Ph. cochleariae F. Außerdem fing Herr L. noch in mehreren Exemplaren ein zur Gattung Phaedon gehöriges Thier, wel: ches er von Göttingen als Phaedon egenus Ziegl. erhielt, das aber nicht mit der Gyllenhalſchen Befchrei- bung übereinſtimmt, daher er es zweckmäßig findet, einige Bemerkungen dazu zu machen. Bei dem von ihm gefangenen Thiere ſind die Vorderecken des Thorax ſpitz (ſpitzer als bei Ph. cochleariae), die Seiten faſt gerade, in der Mitte kaum merklich gerundet, hinten nicht einwärts geſchwungen, Hinterecken nicht vorſprin— gend, Schulter nicht vortretend und neben derſelben keine Grube, wie bei Ph. cochleariae; doch iſt der Ste und böte Punktſtreif (von der Naht aus gerechnet) an der Baſis der Deckſchilde, wo fie ſich einander etwas nähern, tiefer eingedrückt, jedoch nicht bei allen Exemplaren gleich ſtark. Bei einigen, wo dies ſtärker der Fall iſt, entſteht dadurch ein ſanftes, ſehr flaches Grübchen, das alsdann die Schulter unbedeutend mehr hervor— tretend erſcheinen läßt. In dieſem Falle beginnt der 7te Punktſtreif nicht ganz an der Baſis. Die Punkt- reihen ſind bald feiner, bald ſtärker eingedrückt; bisweilen liegen ſie in tieferen Furchen, wie dies ſtets mit der erſten Reihe an der Nath von der Mitte an der Fall iſt. Zwiſchenräume fein punktirt, viel feiner, als bei Ph. cochleariae, bei manchen Exemplaren kaum wahrnehmbar. Der breite Zwiſchenraum zwiſchen dem 8ten Punktſtreif und dem Seitenrande iſt von einer, im Ganzen noch unregelmäßigeren Punktreihe, als bei Ph. cochleariae, ausgefüllt. Die Fühler ſind ſchwarz, das erſte Glied bisweilen unten röthlich. Unterſeite ſchwarz, metalliſch glänzend, weitläuftig tief punktirt. — Die Farbe der Oberſeite variire ſehr. Die Hauptart iſt bläu⸗ lich grün, von der Farbe des Ph. cochleariae. Andere Exemplare ſind a) grünlich erzfarben; b) grün; c) dunkelblau; d) violett; e) ſchwärzlich-erzfarben und f) mehrfarbig, am Rande grün, dann blau, gegen die Mitte violett glänzend. Auch der Umriß ändert ab; manche Er. find mehr rund, manche mehr länglich. Von Herrn Dr. Waltl in Paſſau erhielt Herr L. daſſelbe Thier aus den baierſchen Alpen, und zwar die grüne Varietät, als Ph. smaragdinus Waltl. Den von demſelben ihm zugeſandten Ph. sabulicolus Heer kann er, trotz vielfachen Betrachtens, nur für die Varietät d und e des in Rede ſtehenden Thieres halten. In ſeiner Sammlung ſteckt daffelbe als Phaedon galeopsis (welcher Name der bleibende ſein wird, bin ich zu beur⸗ theilen außer Stande), weil er es vor mehreren Jahren ſchon im Geſenke auf Galeopsis pubescens oder ladanum in Geſellſchaft des Ph. carniolicus Meg. gefangen hatte. Auch an der Barania fing er das Thier auf derſelben Futterpflanze. Er beſitzt von demſelben gegenwärtig 56 Exemplare. 3) Derſelbe theilte mit, daß ihm aus Larven, welche er Ende Februar d. J. in dem fauligen Holze einer Eiche bei Marienau geſammelt hatte, im Laufe des Sommers folgende Käfer in mehreren Exemplaren ausgekrochen waren: Dorcatoma chrysomelina Meg. und D. rubens E. H., Anobium cinnamomeum St., Trogosita caraboides F. (von der er auch die Puppe vorzeigte), Mycetophagus multipunctatus F. und variabilis Hellw. Alle dieſe Thiere hatte er im Juni und Juli an jener Eiche ſelbſt auch im ausgebildeten Zuſtande gefangen, am häufigſten unter allen Mycet. variabilis, von welchem er 90 Ex. in folgenden, zum Theil bisher noch nicht beobachteten Varietäten vorlegte: a) Flügeldecken ſchwarz, eine breite, in der Mitte abgekürzte Binde an der Baſis der Deckſchilde, ein Punkt in der Mitte derſelben am Außenrande, eine ſchmale, innen abgekürzte Binde hinter der Mitte und ein Punkt unfern der Spitze röthlich-gelb. Es iſt dies Varietät b des Gyl. und der Mycet. piceus Payk. und Pz. — b) Ein quadratiſcher Fleck an der Schulter, an deſſen hinterer innerer Ecke ein zweiter, ſehr kleiner, röthlich gelb; alles Uebrige wie bei a, nur iſt die hintere Binde ſchmaler und mehr bogig. Es iſt dies die Varietät k des Gyl. — c) Wie b, aber der Prothorax heller, alſo roſtfarben. Es iſt dies die Varietät c Gyl. und Myc. lunaris Fab. — d) Wie b oder a, aber auch die Flügeldecken roſtfarben. Myc. brunneus Pz. Es find die hierher gehörigen Thiere unlängſt ausgekrochene Exemplare. — e) Wie a, aber der Punkt am Rande der Deckſchilde zwifchen den beiden Binden fehlt. War rietät a des Gyl., Myc. piceus Fab. — f) Wie e oder a, aber die hintere Binde erſcheint in drei Punkte aufgelöſt. Var. h des Gyl. — g) Wie f, aber von der hintern Binde find nur noch zwei Punkte vorhan— den. — h) Wie k, aber von der hintern Binde nur noch ein Punkt übrig, und zwar bald der äußere, bald der innere. — i) Ein Fleck an der Schulter und oft ein Punkt am Rande in der Mitte der Decken, ſowie ein Punkt unfern der Spitze röthlichgelb. Die hintere Binde iſt alfo ganz erloſchen. — ) Die hintere Binde und auch das Fleckchen an der Spitze der Deckſchilde erloſchen, oft auch der Randpunkt in der Mitte. Es bleibt alſo nur noch ein kleiner, viereckiger, gelblicher Schulterfleck übrig. Alle dieſe Varietäten bilden fort: während Uebergänge zu einander, indem ſehr oft die beiden Flügeldecken nicht gleichmäßig gezeichnet ſind. 4) Derſelbe zeigte ein Pärchen von Meloe variegatus Danov. vor, welches er in Copula gefangen hatte. Die beiden Thiere befanden ſich während derſelben auf ihren Füßen am Erdboden, Anus gegen Anus (wie die Falter) gekehrt, wobei ſich beide, ohne ſich zu trennen, fortbewegten. Das Männchen folgte dabei im Ganzen dem größern und ſtärkern Weibchen. In eine Schachtel gebracht, ſetzten ſie auch hier noch einige Zeit ihre Verbindung fort. 5) Derſelbe zeigte, als Ausbeute einer Exkurſion in die Grafſchaft Glatz Ende Juli d. I., als beſon— ders beachtenswerth vor: Carabus nodulosus F. (im Wölfelsgrunde in einem faulen Fichtenſtamme noch lebend gefangen, was darum bemerkenswerth iſt, weil das Thier in den Hundstagen ſonſt nie mehr angetroffen wird); Car. irregularis F. (ebendafelbft in einem fauligen Fich ten ſtamme); Cryptocephalus pini L. (bei Neißbach; ſelten in Schleſien); Nebria Jokischii Duft. und Pteroloma Forssirömii Gyl. (beide an der Reinerzer Weiſtritz unweit Grunwald); Colymbetes bistriatus Bergstr. 5 Ex. (ſelten in Schleſien); Agabus guttatus St., A. bipunctatus Lin., Ilibius angustior Gyl., Hydroporus alternans Grav., H. obscurus St., Hydrobius punctato- striatus Letzn. (f. den Jahresbericht der ſchleſ. Geſellſchaft für 1840), (ſämmtlich in den Tümpeln auf den Seefeldern gefangen); Bembidium tricolor F., fuscicorne Dej., fasciolatum Duft., prasinum Duft., decorum Pz. und tibiale Meg. (ſämmtlich in dem Bette der Erlitz oder Adler in dem 13 98 über eine Meile langen Dorfe Marienthal; die erſten drei bis jetzt nur als im öſterreichiſchen Schleſien lebend bekannt); Harpalus rufipalpis St., Chlaenius Schrankii Duft. (bei Cudowa). 6) Derſelbe machte ferner über die, in den letzten Tagen des Septembers d. J., von ihm im Rieſen⸗ gebirge gefangenen Käfer folgende Mittheilungen: Den 27. bis 30. September d. J. hatte er einen Ausflug auf das Rieſengebirge unternommen, und dabei die Grenzbauden, die Koppe, den Koppenplan, Brückenberg und die Schneegruben berührt. Unter den wenigen Inſekten, die er des zum Theil ſehr häßlichen Wetters wegen fing, waren: Cxyptophagus scanicus Lin. und Cr. setulosus Er., beide an den Fenſtern einer der be— ſuchteſten Grenzbauden (bei Hübner); erſterer in 17 Exempl., letzterer neu für Schleſiens Fauna. Catops ehrysomeloides Pz. in 2 Ex., ebendaſelbſt. — Bostrichus chalcographus Lin., an der ſchwarzen Koppe, auf dem Koppenplane und in den Schneegruben in den Aeſten des Knieholzes (Pinus pumilio), die er bis zu den Spitzen bewohnt. Herr L. ſahe an allen genannten Orten viele durch ihn ganz oder theilweiſe getödtete Gruppen, die meiſten in den Schneegruben, fand aber nur Larven und todte Ex. in den Gängen, und zwar Männchen und Weibchen. Aus den mitgenommenen Zweigen kroch Anfang Dezember ein Weibchen aus. Die Sterngänge waren an den dünnen Zweigen nicht deutlich zu erkennen. Bis jetzt iſt das Vorkommen deſſelben im Knieholze noch nirgends beobachtet worden. — Pterostichus metallicus F. in Brückenberg, herumlaufend. — Carabus Linnaei Mgl., C. sylvestris Hellw. Var. nivosus, Pterostichus cordatus Letzn. und Chrysomela intricata Germ., in faulen Baumſtämmen unterhalb der Schneegruben. — Aphodius tessu- latus Pz., bei den Korallenſteinen, im Fluge gefangen; neu für Schleſiens Fauna. — Anthophagus alpi- nus F., an der ſchwarzen Koppe. 2) Derſelbe zeigte ferner, als neu für Schleſiens Fauna, vor: 1) Aphodius stietieus Pz., in 3 Ex. von ihm an Webern des Geſenkes gefangen. — 2) Cryptocephalus Wasastjernii . von ihm in den Hundstagen d. J. auf den Seefeldern von Betula alba gekäſchert. 8) Derſelbe machte einige Mittheilungen über das Dorf Birnbäumel bei Sulau (in einer ſandigen Ebene, mitten in einem ſehr großen Kieferwalde gelegen) und die reiche Käferfauna deſſelben, und zeigte als Belag für die letztere folgende, zum Theil ſehr ſeltene Käfer vor: 1) Carabus glabratus St., häufig (eigents lich aber ein Gebirgsbewohner). — 2) Carabus catenulatus F., in Schleſien ſonſt nur in der Gegend von Ratibor gefunden; bei Birnbäumel nicht ſelten, beſonders im zeitigen Frühjahre unter Moos. Aus dieſem Jahre beſitzt er 8 Ex. — 3) Car. arvensis St., nicht ſelten; 5 Ex. Iſt in der Ebene ſonſt ſelten und eigentlich ein Bewohner der höhern Gebirgskämme, wie des Altvaters, Schneeberges, Rieſenkammes u. ſ. w. — 4) Car. hortensis F., 2 Ex.; in Schleſien ſelten. — Außerdem kommen bei Birnbäumel noch vor: Car. Linnaei Meg., granulatus III., cancellatus III., violaceus L., gemmatus F., cyaneus F., convexus F. und nitens F., alſo faft ſämmtliche Carabus-Arten Schleſiens. — 5) Cychrus rostratus F., in der Ebene ſelten in Schleſien. — 6) Elater (Athous) rufus Fab., ſehr ſelten in Schleſien. — 7) Elater (Diacanthus) cruciatus Lin., ebenfalls felten. — 8) Geotrupes (Ceratophyus) Typhoeus Lin., in Schle: ſien ſelten, bei Birnbäumel jedoch häufig. Herr L. beſitzt von da 18 Männchen und 14 Weibchen von ver— ſchiedener Größe und Ausbildung, namentlich der Hörner bei den erſteren. — 9) Buprestis berolinensis. 9) Derſelbe zeigte ferner mehrere Käfer vor, welche aus Larven ausgekommen waren, die in meiſt gif— tigen Arzeneiſtoffen gelebt hatten. Die letzteren waren ihm durch die Güte des Herrn Apothekers Seidel mitgetheilt worden. Es nährten ſich nach den dabei gemachten Mittheilungen: Dermestes pellio L. von den Blättern der Cicuta virosa und von Secale cornutum, das durch denſelben ganz zerſtört wurde; Pti— nus latro F. und Anobium paniceum L. von rad. Belladonnae. Eine Krauſe mit Extr. Stramonii war bis auf den Grund durchwühlt und zerfreſſen von Anobium paniceum. Es fanden ſich in ihr 120 Exempl. und mehrere Larven von dieſem Thiere vor, welches der Größe nach von ½ bis 1% Linie variirte. Auch ein Weibchen von Ptinus fur L. hatte in dieſem ſo ſehr giftigen Stoffe gewohnt. 99 In Stücken von rad. Jalappae, welche direkt aus Bordeaux angekommen war, und ihm ebenfalls von Heren Apotheker Seidel mitgetheilt wurde, fanden ſich lebend Trogosita caraboides F. und ein Bostrichus, welcher ihm neu zu ſein ſcheint, daher er ihm den Namen Bostrichus Jalappae beilegt. Er ift ganz von dem Umriſſe und Baue des B. bicolor Hh. Der Kopf ift ſchwarz, über dem Munde runzlich punktirt; die Stirn glatt, gewölbt. Der Prothorax vorn bis gegen die Mitte hin mit ent— fernt geſtellten, nicht in Reihen geordneten Hökerchen beſetzt, daher, von der Seite geſehen, in der Mitte am höchſten. Die hintere, niedriger erſcheinende Hälfte iſt undeutlich punktirt und (wie die vordere zwiſchen den Hökern) mit kurzen, nach hinten gerichteten Borſten beſetzt. Die Deckſchilde, welche an ihrer Baſis dem Thorax entlang einen ziemlich ſcharfen Rand zeigen, ſind mit zarten Quer-Runzeln bedeckt. Die Punktreihen ſind ſehr undeutlich, beſonders auf der vorderen Hälfte der Decken. Dieſe ſind außerdem mit 9 Borſtenreihen be— ſetzt, welche aber, namentlich an den Seiten, erſt in der Mitte derſelben beginnen. Sie beſtehen aus ziemlich weit von einander entfernten, ſtarken, ſteifen Borſten, zwiſchen denen noch andere, kürzere und etwas dünnere außer der Reihe ſtehen. Die ziemlich ſtark abſchüſſige Stelle an der Spitze der Flügeldecken iſt ohne beſondern Eindruck, zeigt aber die Borſtenreihen am deutlichſten. Auch die Unterſeite iſt mit nach hinten gerichteten Borſten beſetzt. Die Farbe iſt Braun bis ins Schwärzliche; bei den Füßen Hellbraun. Größe kaum ° Lin. — Herr L. beſitzt 4 Exemplare dieſes Thieres. 3. Geradflüg ler. Herr Dr. Wocke hatte mehre Exemplare des Gryllus migratorius, um die Mitte Auguſts, auf dem Kamme des Rieſengebirges gefangen, und gegen Ende Septembers war dieſes Inſekt noch immer häufig in Schleſien. Il. Hautflügler. Herr Privatlehrer Schummel hielt einen Vortrag über die von ihm um Breslau angetroffenen Arten von Trypoxylon (zwei Arten) und von Rhopalum (zwei Arten) und zeigte dieſelben vor. Herr Profeſſor Schilling hielt einen ausführlichen Vortrag über die einſam lebenden Bienen Schleſiens, und zeigte dieſelben von. Das Weſentliche feines Vortrages lautet im Auszuge: Die ſogenannten Einſiedlerbienen, welche in der Provinz Schleſien von mir x geſammelt wurden. Die mit einem Wehrſtachel bewaffneten Hautflügler (Hymenoptern) theilen ſich in zwei Horden: 1) Raubhymenoptern (Hymenoptera rapacia); dieſelben nähren ſich und ihre Brut meiſt von animaliſchen Stof— fen; fie bilden die Linneifchen Gattungen: Sphex, Vespa, Formica und Mutilla. 2) Blumenhymenoptern (Anthophila); dieſelben nähren ſich und ihre Brut von Blumenſtaub (Pollen) und von Honig, welchen ſie vermittelft ihrer Zunge aus den Nektarien der Blumen ziehen. Die Blumenhymenoptern unterſcheiden ſich von den Raubhymenoptern durch ihre Unterlippe, welche in eine Art Rüſſel oder Zunge verlängert iſt, und durch die Geſtalt ihrer Hinterbeine, deren Schienen nebſt erſtem Fußgliede (primo trasorum anticulo) erweitert, gleichſam breitgedrückt und an den Rändern mit Borſtenhaaren beſetzt ſind, ſo daß dieſelben eine Art Korb bilden, worin ſie den geſammelten Blumenſtaub in ihr Neſt eintragen. Die Blumenhymenoptern theilen ſich in zwei Stämme: Erſtens ſolche mit kurzer, im Stande der Ruhe gerade oder an der Spitze aufwärts gekrümmte Junges dieſer Stamm führt den Namen Scheinbienen (Andrenetae), und es iſt davon bereits im Jahresbericht 1839 ein Namensverzeichniß von mir mitgetheilt worden. Zweitens ſolche, deren Zunge verhältnißmäßig weit länger, linien- oder borſtenförmig, und im Stande der Ruhe einwärts gekrümmt iſt. Dieſer zweite Stamm enthält die eigentlichen Bienen (Apiariae). Dieſe find in Hinſicht ihrer Lebensart: a) Einſam lebende oder fo- genannte Einſiedlerbienen, b) geſellige Bienen. Die Weibchen der Einſiedlerbienen bauen ihr Neſt blos zur Aufbe— 13 * 100 wahrung ihrer Brut, ohne felbft darin zu wohnen; fie füllen daffelbe mit einem Brei von Blumenſtaub und Honig, legen auf dieſen Brei in jedes Neſt Ein Ei, verſchließen dann die Oeffnung des Neſtes, fliegen davon und überlaſſen der Natur die weitere Sorge für ihre Brut. Die aus dem Ei ſchlüpfende Larve findet in ih— rer verſchloſſenen Zelle ſo viel Nahrungsſtoff vorräthig, als ſie bis zu ihrem vollendeten Wachsthum bedarf, um in den Nymphenzuſtand überzugehen. Nur die Weibchen der Einſiedlerbienen ſind mit einem Stachel verſehen, womit ſie ſich gegen ihre Feinde vertheidigen. — Die Einſiedlerbienen, eben ſo wie die übrigen Hymenoptern, werden nach der Anzahl und Beſchaffenheit der Zellen, welche durch den Verlauf der Flügelnerven gebildet wer— den, am leichteſten und zuverläßigſten geordnet. Um ſich von dem Nervenverlauf und den dadurch entſtande— nen Zellen eine deutliche Vorſtellung zu machen, halte man einen Vorderflügel einer gewöhnlichen Honigbiene gegen das Licht und betrachte ihn durch eine Vergrößerungslinſe; man wird ſo an dem Vorderrande des Flü— gels eine langgeſtreckte ſchmale Zelle bemerken; dieſe heißt Randzelle (Cellula marginalis). An die Baſis derſelben ſchließen ſich drei unter derſelben gelegene Zellen an, dieſe heißen Unter-Randzellen (Cellulae submarginales). Es giebt aber auch Bienen, die nur 2 Unter-Randzellen haben. Aus der Mitte deſſelben Flügels ſteigen zwei Nerven aufwärts, die ſich an die Baſis der zweiten oder dritten Unter-Randzelle an- ſchließen, oder, wie man zu ſagen pflegt, von derſelben aufgenommen werden. — Mit Berückſichtigung der genannten Flügelzellen habe ich die von mir geſammelten Einſiedlerbienen in folgende neun Nummern getheilt, deren jede Eine oder mehrere Gattungen von Bienen in ſich begreift. Erſte Abtheilung. Eine Randzelle und zwei Unter⸗Nandzellen. Nr. I. Die zweite Unter-Randzelle iſt nach oben verſchmälert; fie nimmt die beiden, von der Mitte aufſteigenden Nerven auf; den erſten Nerv dicht hinter dem Anfange, den zweiten vor dem Ende der Baſis. Dazu gehören die Gattungen: Erſte Gattung: Bärenbiene (Dasypoda Fab.) Die Fühler kurz, nach Außen verdickt, fait keulenför⸗ mig; die Kinnbacken vorſtehend, in eine oder zwei Spitzen auslaufend. Die Schienen des Weibchens, nebft dem erſten Fußgliede der Hinterbeine langzottig. — Zu dieſer Gattung gehören die Arten: a) Die Kinnbacken mit einfacher Spitze. Gemeine Bärenbiene (Dasypoda ursina), Apis ursina Kirby. — Schwarze Bärenbiene (Dasyp. atra), Trachusa atra Panz. — Geſpornte Bärenbiene (Dasyp. lobata) Fab., Andrena lobata Panz. b) Die Kinnbacken zweiſpitzig. Gegürtete Bärenbiene (Dasyp. suceincta), Andrena suceineta Panz. — Huflattich⸗Biene (Dasyp. farfarisequa), Fab. Panz.; ift das dem Weibchen ſehr unähnliche Männchen von Dasypoda suceincta. — Federfüßige Bärenbiene (Dasipoda plumipes) Fab., Panz. Zweite Gattung: Scheerenbiene Gelege Latr.). Die Kinnbacken ſtark vortretend, bogig, am Ende zweizähnig. Beide Kinnbacken kreuzen ſich, gleichſam wie eine Scheere. Der Körper lang geſtreckt, ſchmal, cylindriſch. Fühler faſt keulenförmig. Die verſchiedenen Arten von Glockenblumen (Campanula) find der ges wöhnliche Aufenthalt dieſer Bienengattung. Arten ſind: Große Scheerenbiene (Ch. maxillosa), Hylaeus maxillosus Panz., Fab. — Blumenſchläſer⸗Biene (Ch. florisomnis), Hylaeus florisomnis Panz. Fab., iſt das Männchen der vorigen Art. — Stammbiene (Ch. truncorum), Hylaeus truncorum Panz. — Glockenbiene (Ch. campanulae). Um Vieles kleiner, als die vorigen Arten. Dritte Gattung: Mauer biene (Osmia Latr.). Die Kinn backen am Ende breit, gezähnt. Der Hin- terleib des Weibchens auf der Unterſeite mit dichten Bürſtenhaaren — ſogenannter Staubbürſte — beſetzt. Die 101 zu dieſer Gattung gehörigen Arten bereiten aus Sand, Erde und Schleim, welchen ſie aus ihrem Munde beimiſchen, ſteinharte Zellen für ihre Brut. Arten ſind: l Zweihornbiene (Os. bicornis). Apis bicornis Lin., Anthophora bicornis Fab. — Rothe Biene (Os. rufa Lin.) iſt das Männchen von Os. bicornis, und unterſcheidet ſich von dem Weibchen durch ſeine ver⸗ ſchmälerte Körpergeſtalt, durch die längern Fühler, durch den Mangel der beiden Hörner und durch die fuchs— rothen Franzen, womit die Segmente des Hinterleibes beſetzt ſind. — Die rothbauchige Mauerbiene (Os. ful- viventris), Apis fulviventr. Fab. Panz. — Die rußfarbige Mauerbiene (Os. fuliginosa), Apis fulig. Panz. — Blauſchillernde Mauerbiene (Os. caerulescens Lin.) Hinterleib auf der Unterſeite mit ſchwarzen Bürſten— haaren. — Schwarzblaue Mauerbiene (Os. atrocaerulea Mihi), unterſcheidet ſich von der vorigen Art durch die rothen Bürſtenhaare auf der Unterfeite des Hinterleibes. — Schwarzgelbe Mauerbiene (Os. xanthomelana Kirby). — Zweifarbige Mauerbiene (Os. bicolor), Anthophora bicolor Fab. — Gelblippige Mauerbiene (Os. labiata), Macropis labiata Panz. — Hakenbiene (Os. adunca), Apis adunca Panz. Vierte Gattung: Kegelbiene (Coelioxys Latr.) Hinterleib des Weibchens ſpitz, kegelförmig; des Männchens am Ende abgeſtutzt, mit Dornen beſetzt. Die bei uns einheimiſche Art iſt die gemeine Kegelbiene (Coel. conica Fab.); das Männchen derſelben wurde früher für eine beſondere Art gehalten und Coel. qua- dridentata genannt. — Die Kegelbiene gehört zu den paraſitiſchen Bienen, welche keine Bürſtenhaare zum Einſammeln des Blumenſtaubes haben, und daher ihre Eier in die Neſter anderer Bienen legen. Fünfte Gattung: Langhornbiene (Eucera Fab.) Die Fühler des Männchens von der Länge des Körpers; die Fühler des Weibchens kurz, faſt keulenförmig. Arten ſind: | Gemeine Langhornbiene (Eu. longicornis Fab. Panz.) Das Weibchen ift dem Männchen ſehr un— ähnlich und führt den Namen geſtreifte Langhornbiene (Eu. strigosa). — Die Zungenbiene (Eu. linguaria Fab. Panz.) Das Weibchen derſelben führt den Namen Eu. tuberculata, und wurde früher für eine beſon— dere Art gehalten. — Die Fühlhornbiene hat ebenfalls ſo lange Fühler, als der Körper, gehört aber, da ſie drei Unter⸗Randzellen hat, in die zweite Abtheilung dieſer ſyſtematiſchen Ueberſicht. Nr. II. Die zweite Unter⸗Randzelle nimmt auf ihrer Baſis den erſten aufſteigenden Nerv auf; der zweite Nerv trifft auf den Endpunkt der Baſis. Fünfte Gattung: Blattſchneiderbiene (Megachile Latr.). Oberlippe groß, viel länger als breit, ein längliches Viereck bildend. Die Kinnbacken groß, vorgeſtreckt, gezähnt. Der Kopf dick, das Bruſtſtück kurz. — Den Namen Blattſchneiderbiene führt dieſe Gattung deshalb, weil mehrere Arten derſelben, vermittelſt ihrer gezähnten Kinnbacken, aus den Blättern und Blumen verſchiedener Pflanzen Stücke oder Lappen (Cen- tunculos) ausſchneiden, und daraus auf eine ſehr kunſtvolle Weiſe ihre Zellen verfertigen. Arten ſind: Die Tapezierbiene (M. papaveris Panz.). Dieſelbe gräbt eine 6 bis 7 Zoll tiefe Röhre in die Erde; dann ſchneidet fie aus den Blumenblättern des wilden Mohns dreieckige Lappen, trägt diefe.ben im Fluge nach ihrer Erdhöhle und breitet inwendig an den Wänden der Höhle die ſchönen, rothen Blätter gleichſam als Ta⸗ peten aus, trägt in dieſes tapezirte Gemach Blumenſtaub und Honig, miſcht beide zu einem Brei, legt ein Ei darauf, verſchließt die Oeffnung der Höhle, und überläßt dann der Natur die weitere Sorge für ihre Brut. — Centuncular⸗ oder Lappenbiene (M. centuncularis Fab. Panz.); fie ſchneidet Lappen aus den Blättern des Roſenſtrauchs, fügt mehrere dieſer Lappen, auf eine ſehr kunſtvolle Weiſe, in eine fingerhutähnliche Kapſel oder Zelle zuſammen, als Wohnung für ihre Brut; hierauf fügt ſie an die erſte Zelle eine 2te, Zte, 4te und ſofort 8 bis 9 Zellen. Die in jeder Zelle aus dem Ei kommende Larve reicht mit dem Proviant, welches ihre ſorg⸗ fältige Mutter herbeigeholt hat, bis zu ihrer Verpuppung aus. — Roſtrothe Blattſchneiderbiene (M. eircum- eineta Kirby). — Harzbiene (M. resinana Mihi). Weibchen 5“ lang, 2“ breit, ſchwarz, hellbraun-haa— rig; Fühler faſt keulenförmig; Bruſtſtück mit rothbraunen kurzen Haaren bedeckt; Flügel rußfarbig; Schenkel faſt keulenförmig; Hinterleib an der Baſis abgeſtutzt, am Ende ſtumpf- kegelförmig, an den Rändern der Seg⸗ mente mit braunen Haaren gewimpert; auf der Unterſeite mit weißgrauen Bürſtenhaaren. Ich fand dieſe — Biene in mehreren Exemplaren am ſogenannten Fuchsberge bei Schwoitſch (Breslauer Kreiſes) mit ihrem Ne— ſterbau beſchäftgt, wie fie mit ihrem ſtarken Gebiß rundliche Lappen aus den Blättern der Espe ausſchnitt und ſie im Fluge nach ihrer Höhle trug. Bald bemerkte ich, daß ſie von Zeit zu Zeit hervorkam, nach einer nahen Kiefer flog, mit ihrem Gebiß Harz faßte und nach ihrer Höhle trug. Beim Nachgraben fand ich ſechs an einander gereihte fingerhutähnliche Kapſeln, deren einzelne Theile mit Harz zuſammengekittet waren. Da ich nirgends eine Beſchreibung von dieſer Biene fand, ſo gab ich ihr den Namen Harzbiene wegen der Art ihres Neſterbaues. — Schartenbiene (M. serratulae Panz.). Haaſenfußbiene (M. lagopoda), Apis lagopoda Panz. Fab. — Knopfbiene (M. capitularis Mihi); der M. lagop. ähnlich, aber viel kleiner uud das letzte Fühlerglied knopfförmig. — Silberbiene (M. argentata Panz.) Nr. III. Die zweite Unter-Randzelle nimmt auf ihrer Baſis den erſten aufſteigenden Nerv auf; der zweite Nerv fällt ein wenig außerhalb der Baſis, hinter den Endpunkt derſelben. Sechste Gattung: Kugelbiene (Anthidium). Hinterleib faſt kugelförmig, einwärts gekrümmt, an der Baſis abgeſtutzt; Fühler kurz, faſt keulenförmig. Hinterleibsende des Männchens mit Dornen beſetzt. — Arten ſind: . Gemeine Kugelbiene (Anth. manicatum), Apis manicata Lin. Dieſe Biene legt in hohlen Baum: ſtämmen ihr Neſt an, und benutzt dazu die Wolle, welche ſie von verſchiedenen Pflanzen, beſonders von Sta— chys lanata, mit ihrem ſcharfen Gebiß abnagt; von dieſer Wolle bereitet ſie längliche Zellen. — Gezeichnete Siebente Gattung: Glattbiene (Stelis). Kinnbacken breit, dreizähnig. Der Hinterleib cylindriſch, am Ende einwärts gekrümmt. Die bei uns vorkommende Art iſt: : Punktirte Glattbiene (Stelis punctatissima Panz.). Zweite Abtheilung. Eine Randzelle und drei Unter ⸗Nandzellen. Nr. IV. Die drei Unter-Randzellen find faſt von gleicher Größe; die dritte iſt nach Außen konvex; die zweite nimmt auf der Mitte ihrer Baſis den erſten aufſteigenden Nerv auf; die dritte nimmt den zweiten Nerv vor dem Ende der Baſis auf. 5 Achte Gattung: Kunſtbiene (Lasius Jurine), Die Oberlippe iſt ſtark vortretend und bildet einen Höker. Das letzte Segment des Hinterleibes endigt ſich bei dem Weibchen in eine hornartige, zmeifpaltige Spitze, ſo wie das erſte Fußglied der Hinterbeine mit einem pinſelförmigen Haarbüſchel. Die als einheimiſch bekannte Art iſt: Maurer-Kunſtbiene (L. murarius), Xylocopa muraria Fab. Das Weibchen ſchwarz; Schienen nebſt erſtem Fußgliede der Hinterbeine mit gelbrothen Bürſtenhaaren beſetzt. Das Männchen, welches Panzer unter dem Namen Apis pilipes aufſtellt, iſt an Farbe dem Weibchen ganz unähnlich; es iſt gelbbraun be— haart, nur das Hinterleibsende iſt ſchwarzhaarig. Den künſtlichen Neſterbau dieſer Biene hat zuerſt Reaumur Ins. VI, Tab. 7 und 8 abgebildet und eine genaue Beſchreibung beigefügt. Das Weibchen legt an Mauern und zwar an ſolchen Stellen, welche dem Sonnenſchein ausgeſetzt ſind, ihren künſtlichen Bau an. Erſt holt ſie mit ihrem zangenförmigen Gebiß Sand und Erde herbei, befeuchtet ſie mit Schleim aus ihrem Munde, und bildet ſo eine Art Mörtel, woraus ſie ihre länglichrunden Zellen verfertigt, ſie mit Blumenſtaub und Honig anfüllt und in jede Zelle Ein Ei legt. Solche Zellen, etwa 7 bis 8 an der Zahl, übermauert ſie dann in ein gemeinſchaftliches Gewölbe, welches die Größe und Geſtalt eines, der Länge nach durchſchnittenen halben Hühnereies hat. Nach Vollendung dieſes Baues fliegt ſie davon, um nicht mehr an denſelben Ort zurückzukehren, ſondern, an gelegenem Orte, einen ähnlichen Bau aufzuführen. Nr. V. Unterſcheidet fih von Nr. IV. dadurch, daß die dritte Unter-Randzelle nicht innerhalb ihrer Baſis, ſondern auf dem Endpunkte derſelben den zweiten aufſteigenden Nerv aufnimmt. Neunte Gattung: Schenkelbiene (Megilla Fab.) Durch die verdickten Schenkel und durch die Nr. V. genannte Einfügung des zweiten aufſteigenden Nerven von der vorigen Gattung unterſchieden. — Arten ſind: a Gemeine Schenkelbiene (Meg. femorata Panz.). — Vierfleckige Schenkelbiene (Meg. quadrimaculata Panz.) — Zbweifleckige Schenkelbiene (Meg. bimaculata Panz.); iſt das Weibchen von Meg. quadrim. — Gerundete Schenkelbiene (Meg. rotundata Panz.) — Dornhecken-Schenkelbiene (Meg. dumetorum Panz.) — Sommer Schenkelbiene (Meg. aestivalis Panz.) — Weißbauchige Schenkelbiene (Meg. albiventris Panzer.) Nr. VI. Die zweite Unter-Randzelle klein, faſt viereckig, nimmt am Ende ihrer Baſis den erſten aufſteigenden Nerv auf; die dritte Unter-Randzelle, nach oben verſchmälert, am Ende mit einem einwärtsge— henden ſtumpfen Winkel, nimmt den zweiten Nerv in der Mitte ihrer Baſis auf. Zehnte Gattung: Schmuckbiene (Nomada Fab.) Körper glatt, glänzend ſchwarz, mit gelber, oft auch mit roſtrother Farbe geſchäckt. Hinterleib länglich oval. Das erſte Segment deſſelben an der Baſis mit einer tiefen Längsfurche; das Schildchen meiſt mit zwei bunten Höckern. Die Lippe, oft das ganze Ge— ſicht des Männchens mit ſilberweißen Barthaaren beſetzt. Das letzte Hinterleibsſegment des Männchens hat die Geſtalt eines Triangels; beim Weibchen iſt das Ende des Hinterleibes abgeſtutzt, borſtig. — Die Schmuck— bienen ſind paraſitiſche Inſekten; ſie ſchleichen ſich in die Neſter der andern Bienen, ſetzen dort ihre Eier ab und ſorgen ſo für ihre Nachkommenſchaft auf Koſten der weniger glänzenden, aber arbeitſamen Bienen. — Arten ſind: Geſchnürte Schmuckbiene (N. succincta Panz.) — Sechsbandirte Schmuckbiene (N. sexfasciata Panz.) — Jakobs-⸗Schmuckbiene (N. Jacobaeae Panz.) — Herumſchweifende Schmuckbiene (N. vaga Panz.) — Dunkelfarbige Schmuckbiene (N. furva Panz.) — Rothhorn-Schmuckbiene (N. ruficornis Panz.) Geſchminkte Schmuckbiene (N. fucata Panz.) — Rothlinie-Schmuckbiene (N. lineola Panz.) — Gelbe Schmuckbiene (N. flava Panz.) — Bunte Schmuckbiene (N. varia Panz.) — Gegürtete Schmuckbiene (N. zonata Panz.) — Seiten⸗Schmuckbiene (N. lateralis Panz.) — Deutſche Schmuckbiene (N. germanica Fanz.) — Weiß⸗ geſchäckte Schmuckbiene (N. Roberjeotiana Panz.) — Zweifleckige Schmuckbiene (N. bimaculata Mihi). Das Weibchen nur 2 bis 2, Linie lang; Kopf und Bruſtſtück ſchwarz; Lippe, Unterſeite und Spitze der Fühler, Flügelſchüppchen, zwei Höcker des Schildchens und Beine rothbraun. An der Hinterſeite des Bruſtſtückes zwei ſchneeweiße Haarflecke. Hinterleib hochgewölbt, pechbraun, glänzend, mit einer braunrothen, meiſt unter— brochenen, oft verloſchenen Binde. — Braune Schmuckbiene (N. brunnea Mihi). Das Männchen 3 ½ bis 4 Linien lang. Kopf und Bruſtſtück ſchwarz, fein grauhaarig; Lippe gelb, mit ſilberweißem Barte; Fühler, Flügelſchüppchen, zwei Höcker des Schildchens und Beine gelbroth; Flügel an der Spitze verdunkelt mit einem helleren Flecke. Hinterleib rothbraun mit ſchwarzer Baſis und drei gelben Binden; die erſte breit unterbro— chen; die vier folgenden meiſt ganz, ſehr ſchmal. Das Weibchen mit rother Lippe; die Binden ſind in ihrer Mitte meiſt verloſchen. Nr. VII. Von den drei Unter-Randzellen iſt die erſte länglich viereckig; die zweite klein rundlich, nach oben ſpitz zulaufend; die dritte größer, nach Außen bauchig. Die zweite nimmt den erſten, die dritte den zweiten aufſteigenden Nerv auf. Elfte Gattung: Kukuksbiene (Crocisa Latr.) Schienen der Hinterbeine mit langen Dornen beſetzt; Hinterleib herzförmig, am Ende zugeſpitzt. Gehört, fo wie die Kegelbiene und Schmuckbiene, wegen ihrer Le— bensweiſe zu den paraſitiſchen Inſekten. Zweidornige Kukuksbiene (Cr. scutellaris Panz.) — Punkticte Schmuckbiene (Cr. punctata Panz.) er Zwölfte Gattung: Kreuzbiene (Epeolus). Die Kreuzbienen haben große Aehnlichkeit mit den Schmuckbienen (Nomada); aber ſie unterſcheiden ſich durch ihre breitere Körpergeſtalt und durch ihren Hin— terleib, welcher nicht, wie bei den Schmuckbienen, oval, ſondern an der Baſis abgeſtutzt iſt. Der deutſche Name Kreuzbiene iſt dieſer Gattung deshalb beigelegt worden, weil die weiße Zeichnung auf der ſchwarzen Grundfarbe des Hinterleibes bei den bis jetzt bekannten Arten eine Art Kreuz vorſtellt. Die ſcheckige Kreuzbiene (Ep. variegatus Panz.) — Schummels Kreuzbiene (Ep. Schummelü Mihi). Doppelt ſo groß als die ſcheckige Kreuzbiene. Bruſtſtück ſchwarz; Vorderrand deſſelben mit einem gelben, erhabenen Saume; Schildchen mit zwei rothen Höckern, die beiderſeits von einem kurzen, kaum be= merkbaren, ſchwarzen Dorn begränzt ſind. Beine roth; Hinterleib an der Baſis abgeſtutzt, kurz, nicht viel länger als breit. Auf dem erſten Hinterleibsſegmente eine, in der Mitte unterbrochene weiße Binde; auf dem zweiten Segmente eine ähnliche. Hierauf folgen zwei, dicht an einander gränzende, abgekürzte, in der Mitte wenig unterbrochene weiße Binden. Ende des Hinterleibes ſchwarz. Anmerkung. Dieſe ſeltene, höchſt ausgezeichnete und, ſo viel mir bekannt iſt, noch nicht beſchriebene oder abgebildete Biene, welche ich auf dem Kreuzberge bei Striegau fand, habe ich dem Andenken des um die Pflanzen- und Inſektenkunde von Schleſien höchſt verdienten Lehrers der Naturwiſſenſchaften, meinem verewig— ten Freunde, Herrn Emil Schummel, hochachtungsvoll gewidmet. Nr. VIII. Die zweite Unter- Randzelle ift klein, länglich viereckig und nimmt zwiſchen der Mitte und dem Endpunkte ihrer Baſis den erſten aufſteigenden Nerv auf. Die dritte Unter-Randzelle iſt größer, nach Oben ſtark verſchmälert und nimmt hinter der Mitte ihrer Baſis den zweiten aufſteigenden Nerv auf. Dreizehnte Gattung: Spiralbiene (Systropha Latr.) Die Fühler des Männchens an der Spitze ſpiralförmig eingerollt. Die einzig bekannte Art (Systrop ha spiralis) dieſer Gattung fand ich am ſogenann⸗ ten ſchwarzen Berge bei Charlottenbrunn. Das Weibchen iſt mir unbekannt. Nr. IX. Von den drei Unter-Randzellen iſt die erſte irregulär, die zweite dreieckig, die dritte größer, und nimmt auf dem Anfangspunkte ihrer Baſis den erſten und faſt in der Mitte derſelben den zweiten auf- ſteigenden Nerv auf. Vierzehnte Gattung: Holzſchneiderbiene (Xylocopa). Die Fühler fadenförmig, mit target Schafte. Die Kinnbacken auf der obern Seite gefurcht. Körper groß, hat große Aehnlichkeit mit den Hummelbienen, von denen ſie ſich jedoch durch ihre einſame Lebensweiſe unterſcheidet. Violette Holzſchneiderbiene (Xyl. violacea Fab. Panz.) Unter den einheimiſchen Einſiedlerbienen bei weitem die größte. Sie niſtet in Holzſtämmen, Balken, Pfeilern u. dgl., wo ſie mit ihrem ſcharfen Gebiß eine Röhre von 12 bis 15 Zoll Länge und ½ Zoll im Durchmeſſer nagt. Dieſe Röhre iſt ſo eingerichtet, daß ſie an beiden Enden eine Oeffnung hat. Nun verſchließt ſie das eine Ende mit einem Boden von ab— genagten Holzſpähnen, legt auf die innere Seite deſſelben Ein Ei nebſt Honigbrei, und macht darauf einen zweiten Deckel von Holzſpähnen, ſo daß das Ei, nebſt dem dazu gehörigen Mundvorrathe, in eine Zelle ein— geſchloſſen iſt. Auf dieſer Zelle errichtet fie eine te, 3te, Ate und fo weiter 6 bis 7 Zellen, welche fie, eine nach der andern, verſchließt. Da während der Arbeit mehrere Tage vergehen, ſo kommt natürlich das zuerſt gelegte Ei früher aus, und die Larve derſelben bildet ſich zuerſt zur vollkommenen Holzſchneiderbiene aus; dieſe zernagt nun den nach Außen gerichteten Boden und verläßt ihre Zelle. Die zweite Biene, welche ſich zunächſt nach dieſer ausbildet, zernagt den innern Boden der erſten Zelle, gelangt durch dieſe Oeffnung aus der zweiten Zelle in die erſte u. ſ. w. Alle folgende, ſpäter auskommende Bienen beobachten daſſelbe Verfahren, 0 daß die letzte derſelben durch alle 6 bis 8 leerſtehende Zellen ihren Durchgang nimmt. 5, Falte Herr Richter hielt einen Vortrag über die Fundörter mehrer ſchleſiſcher Falter. — Herr Gymna⸗ ſiallehrer Klopſch hielt zwei Vorträge über die in ſeiner Sammlung befindlichen ſchleſiſchen Arten der Sphin— 105 giden (fünf Gattungen mit 27 Arten, unter denen auch Sphinx nerii) und der Pyraliden (10 Gattungen mit 35 Arten). Auch zeigte derſelbe an, daß er noch am 7. Oktober d. J. die Hipparchia Egeria auf der hieſigen Promenade angetroffen habe. — Herr Dr. Wocke hielt Vorträge über die in feiner Samm— lung befindlichen Arten der Gattungen Lithocolletis (26 Arten) und Eudorea Curtis (8 Arten) mit Vorzeigung derſelben; eben ſo über mehre Falter (32 Arten) des hohen Rieſengebirges. Auch zeigte derſelbe mehre merkwürdige Abarten verſchiedener Falter und eine fünfflüglige Monſtroſität des Hepialus hectus vor. Beiträge zur Kenntniß der Lithocolletis - Arten. Das genus Lithocolletis iſt in neuerer Zeit von Zeller in der Linnaea entomologica, Band I, pag. 166 bis 261, ausführlich und gründlichſt bearbeitet worden. Indem ich dieſen Aufſatz als bekannt vor: ausſetze, will ich hier nur wenige, ſich größtentheils auf Verbreitung und Erſcheinungszeit beziehende Beobach— tungen mittheilen, die ich ſowohl hier, als auch vorzüglich während meines Aufenthalts zu Paris, im Winter 1846 — 47 an ſchleſiſchen und nicht-ſchleſiſchen Arten zu machen Gelegenheit hatte. Das Sammeln der ausgebildeten Inſekten hat ſeine großen Schwierigkeiten, indem man theils die ſehr verſteckt an der Unterſeite der Blätter oder in den Spalten der Baumrinde ſitzenden Thierchen nur ſchwer und in geringer Anzahl findet, theils fie beim Fangen und Auffpießen leicht beſchädigt, und endlich die glück— lich aufgeſpießten Exemplare bei der Rückkehr von der Exkurſion gewöhnlich vertrocknet findet und beim Auf: weichen wieder wegen der großen Zartheit der Flügel und beſonders der Franzen der größte Theil verdirbt. Aus dieſen Gründen erſcheint es am paſſendſten, die Falter lebend einzufangen und erſt zu Hauſe zu tödten, um ſie dann ſogleich ſpannen zu können. Ich bediene mich hierzu einer 5 bis 6 Zoll hohen und 2 Zoll im Querdurchmeſſer weiten Blechbüchſe, deren Deckel an ſeiner Decke durchbrochen und mit einem Korkſtöpſel ver— ſehen iſt, durch welchen eine, wieder mit einem Pfröpfchen verſchloſſene Federſpuhle hindurchgeht; den Boden der Büchſe bildet ein ſehr feines Drathgitter. Der Gebrauch dieſes Inſtruments iſt ſehr einfach; man berührt mit der geöffneten Federſpuhle das Thierchen, um es hineinlaufen zu laſſen, was es auch in der Regel mit der größten Schnelligkeit thut; ſelten nur bedarf es noch eines leichten Anblaſens, um die Motte vollends hindurchzutreiben. Auf dieſe Weiſe kann man in einer Büchſe gegen hundert Exemplare beherbergen, ohne ihre Beſchädigung befürchten zu dürfen, da ſie, ſobald der innere Raum des Gefäßes in der Taſche finſter geworden iſt, ſich ruhig an der Wand feſtſetzen; nur darf man nicht noch größere Arten, z. B. Gracilarien, hinzuſperren, welche durch ihre Lebhaftigkeit die ganze Geſellſchaft in Aufruhr bringen, und dieſe ſowohl, als ſich ſelbſt durch Umherflattern beſchädigen würden. Am leichteſten und beſten erhält man aber die Lithocolletiden durch die Zucht. Das Einſammeln der Puppen oder erwachſenen Raupen bietet keine Schwierigkeit dar, da die Blätter, in denen fie leben, ſich ent— weder durch hellere Flecke, oder einen Kniff in ihrer Mitte oder einen eigenthümlichen Randumſchlag auszeich⸗ nen und bei nur einiger Uebung leicht erkannt werden. Zudem trifft man, wenn einmal eine Lithocolletis- Raupen beherbergende Pflanze gefunden iſt, ſtets an ihr eine große Anzahl beſetzter Blätter an. Ich pflege beim Einſammeln, des geringeren Volumens wegen, ſogleich mit einer kleinen Scheere die Raupenwohnungen aus dem Blatte herauszuſchneiden. Dabei muß man ſich jedoch ſehr hüten, die Blatt-Epidermis aufzureißen, weil die einmal aus ihrer Wohnung herausgekommene Raupe ſich nicht mehr verpuppt, ſondern vertrocknet. In letzterem Umſtande findet auch die genaue Unterſuchung der Raupe ihre größte Schwierigkeit, da man nie beſtimmt wiſſen kann, welcher Spezies das beobachtete Exemplar angehörte, vorzüglich, wenn es von einer Pflanze entnommen wurde, an welcher mehrere Arten leben, z. B. von der Eiche. Ich gehe nun die einzelnen Arten nach der von Zeller beliebten Anordnung durch, mit Uebergehung der mir im Freien noch nicht vorgekommenen: 14 106 2 A. Geſchwänzte Arten. L. Roboris Zell. Iſt um Breslau ſehr häufig von Mitte April bis Ende Mai, zum zweiten Male den ganzen Juli bis in den Auguſt. Auch im Vorgebirge bei Freiburg und Salzbrunn. Sie lebt vorzugs- weiſe an niederen Eichenſträuchern. Um Paris iſt die Art nicht ſehr häufig; ich erzog unter gegen 8000 von dort mitgebrachten Eichenpuppen nur etwa 30 Exemplare. L. Saportella Dup. Um Breslau ſehr ſelten (nur ein Exemplar bei Pöpelwitz den 6. Mai 1847), häufiger bei Berlin. Die Raupe lebt an Quercus robur und pedunculata, im Süden auch auf Q. pu- bescens (Paris, gegen 100 Exemplare). L. Amyotella Dup. Bei Breslau nicht felten an Eichſtämmen, in Geſellſchaft von quercifoliella. Ich habe von ihr, wie von der vorigen, bisher nur die erſte Generation gefunden. Um Paris nicht häufig. (30 Exemplare.) L. Distentella F. R. Von dieſer Art erzog ich aus Pariſer Raupen gegen 350 Stück. Sie lebt dort ausſchließlich auf quercus pubescens. Mehrmals traf ich zwei Raupen in Geſellſchaft lebend, ohne daß ihre Wohnung durch die Vereinigung zweier benachbarter entſtanden zu ſein ſchien. Die Flugzeit fällt im Freien wohl in den Mai; meine Exemplare erſchienen im warmen Zimmer von Ende Februar bis Mitte April. L. Parisiella nov. sp. Alis anterioribus caudulatis nitidis aureis, lineis disci duabus longitudinalibus ex basi fuscis apicibus conjunctis, strigulis costae 4 niveis, dorsi duabus fuscis, puncto ante marginem lilacinum atro, caudula pallida, antice fusco-marginata. — Var. b. Strigula dorsi prima obsoleta. Von ihren nächſten Verwandten seitulella und ilicifoliella unterſcheidet ſie fi durch den Mangel der weißen Farbe an den Innenrandſtrichen, fo wie durch die Farbe des Schwänzchens, welches bei erſterer außer: dem eine andere Richtung hat; von den entfernteren quereifoliella und Messaniella durch das Vorhanden⸗ ſein des Schwänzchens, durch den ſchrägen erſten Vorderrandſtrich, welcher ſich als weiße, unten braungeſäumte Linie bis zur Baſis fortſetzt, und durch nur zwei Innenrandſtriche, welche niemals weißbegrenzt ſind. Größe wie quercifoliella und wie dieſe wechſelnd. Stirn und Taſter ſchneeweiß. Schopfhaare gelb— lich, bei ſtarker Vergrößerung mit braunen Spitzen. Rückenſchild gelb. Fühler gelblich, ſehr fein blaßbraun ge⸗ ringelt. Hinterleib grau mit gelblicher Spitze, beim Weibchen mit weißer. Beine des Männchens gelblich⸗ weiß, des Weibchens glänzend ſchneeweiß. Die Spitzen der Fußglieder beim Männchen deutlich, beim Weib: chen kaum merklich bräunlich. Vorderflügel glänzend goldgelb, gegen die Baſis bläſſer. Ziemlich in der Mitte der Baſis entſpringen zwei braune Län,slinien, die eine Strecke weit parallel laufen und ſich an der Spitze des zweiten Vorderrandſtrichelchens zu einer feinen Spitze vereinigen; der Raum zwiſchen ihnen iſt kaum etwas heller als die Grundfarbe. Der erſte Vorderrandſtrich entſteht am Ende des erſten Flügeldrittels aus einer an der Baſis entſpringenden und am Vorderrande ſich hinziehenden weißen Linie, er iſt ſehr ſchräg nach hinten gerichtet und endet in einer feinen Spitze am Ende des zweiten Vorderrandſtriches, wo er ſich nicht ſelten mit der Spitze der Längslinien verbindet; er iſt weiß, nach außen mit feiner, nach innen mit ſtärkerer brauner Einfaſſung, welche ſich an der Vorderrandlinie bis in die Baſis fortſetzt. Ihm gegenüber bemerke ich nur bei der Minderzahl meiner Exemplare ein kurzes, ſchiefes, undeutliches Innenrandſtrichelchen. Der zweite Vor— derrandſtrich iſt dreieckig, rein weiß, einwärts fein braun gerandet, welcher Rand ſich noch etwas weiter nach hinten fortſetzt, und nahe an den Spitzen des erſten und dritten Vorderrand-, des zweiten Innenrandſtriches und der zwei Längslinien endigt. Sein Gegenſtrich am Innenrande iſt ſehr ſchief nach hinten gerichtet und beſteht aus einer feinen braunen Linie, ohne alles Weiß, welche bei den meiſten Exemplaren dicht über dem Innenrande anfängt, dieſen alſo nicht berührt. Die beiden letzten Vorderrandſtrichelchen find fein, hakenför— mig, rein weiß, einwärts braun gerandet. Die Franzenhaare des Schwänzchens ſind hellgelb glänzend mit braunen Spitzen, durch welche eine braune Linie gebildet wird. Hinter dem letzten Vorderrandhäkchen beginnt die ſcharfe ſchwarzbraune Hinterrandlinie, welche beiderſeits ſchmal muſchelfarbig gerandet iſt. In der Flügel⸗ 107 ſpitze liegt ein ſchwarzer runder Augenpunkt. Die Hinterrandfranzen find weißlichgrau, glänzend. Die Unter: ſeite iſt ſeidenglänzend braungrau, in gewiſſer Richtung weißbläulich ſchimmernd; der Punkt der Flügelſpitze ſcheint verloſchen durch. Vorderrandfranzen hellgelb; auf ihnen liegen vor dem Schwänzchen zwei weißliche, ſchief nach vorn gerichtete Strichelchen, welche einwärts graubraun gerandet ſind. Der Vorderrand des Schwänzchens iſt braun. Die Hinterrandfranzen ſind weißgrau, an der Baſis hellgelb. Die Hinterflügel zeigen ſich auf beiden Seiten hellgrau, ſeidenglänzend, gegen die Spitze gelblich, beim Weibchen heller; die Franzen gelblichgrau. Von dieſer Art erzog ich über 250 Exemplare aus Raupen, die ich im bois de Boulogne bei Paris im Herbſt 1846 gefammelt hatte. Die Schmetterlinge erſchienen im kalten Zimmer von Ende März bis Ende Mai des folgenden Jahres. L. Delitella F. R. Lebt auch auf Eichen, und fand ſich unter den Pariſer Puppen als die häufigſte Art (gegen 400 Exemplare). B. Ungeſchwänzte Arten. a. Mit einer Baſallinie der Vorderflügel. L. Rajella Lin. Dieſe bei Wien von Ende April bis Mitte Mai ſehr häufige Art (gegen 30 Ex. von dort) ſcheint in Schleſien nur an wenigen Orten vorzukommen. Ich fand ſie bis jetzt nur einmal in der Gegend von Freiburg in einem Gehölz von alnus glutinosa Anfang Mai 1847. L. Insignitella Zell. Zwei Exemplare aus Schleſien; das eine im Salzgrund gefangen im Juni 47, das zweite aus einer bei Liſſa im Herbſt gefundenen Birkenraupe. L. Lautella v. Heyden. Dieſe Art hat zwar den Baſalſtrich der vorigen und ſolgenden Arten, ſteht aber in nächſter Verwandtſchaft mit Kleemannella und Ulminella, denen fie auch in der Verpuppungsweiſe der Raupe gleicht. Sie ſcheint weniger ſelten, als unbeachtet zu ſein. Ich erzog 25 Stück aus Pariſer Ei— chenraupen im Frühjahr 47; viel früher, im Jahre 1842, hatte ich ſchon ein einzelnes Männchen Anfang Auguſt auf der Wilhelmshöhe bei Salzbrunn gefangen, und im Mai 1847 traf ich ein Exemplar im Os— witzer Walde. L. Pomifoliella Tischer. Iſt in unſern Obſtgärten ſehr häufig. Sie erſcheint von Mitte April bis Ende Mai, dann zum zweiten Mal von Ende Juli bis in den September. Ich habe die Raupe auf Aepfels, Birn⸗, Pflaumen- und Kirſchbäumen, auf Schlehen und Weißdorn gefunden. L. Pomonella Zell. Dieſe traf ich an Buche, Weißbuche, Schlehe und Weißdorn. Die an Weiß: buche minirenden hatten die Eigenthümlichkeit, daß ſie ihre Wohnung unmittelbar unter der Epidermis des Blattes angelegt hatten, während die Raupen anderer Arten und die auf anderen Bäumen lebenden derſelben Art ſtets dicht über der Hypodermis wohnen; auch die Puppen jener Carpinus-Exemplare drängten ſich beim Auskriechen auf der Oberſeite des Blattes hervor. — Ich fand die Spezies bei Breslau (beide Generationen), bei Wien (im April an fagus), bei Paris (ebenfalls an fagus), überall häufig. Ein erzogenes Männchen meiner Sammlung zeichnet ſich dadurch aus, daß bei ihm die drei hinteren Vorderrandſtrichelchen auf beiden Vorderflügeln zu einem langen weißen Fleck vereinigt ſind. L. Salictella Zell. Die Raupe minirt in den Blättern der verſchiedenen, an Flußufern wachſenden Weidenarten. Bei Breslau häufig an der Oder. Man findet die Puppe im Juli und dann wieder im Spätherbſt. Die erſte Generation ſcheint häufiger zu ſein, als die zweite, ſie fliegt oft ſchon Anfang April, wo man den Schmetterling von den blühenden Weidenſträuchern oft in Menge abklopft. L. Ulmifoliella Hübn. Iſt unter den auf Birke lebenden Arten in Schleſien die häufigſte, ſowohl in der Ebene, als im Vorgebirge; ſie ſteigt mit ihrer Futterpflanze bis über 2000 Fuß hinauf (Hochſtein, Seefelder). - 14 * 108 L. Cavella Zell. Ein einziges Weibchen erzog ich aus einer von Paris mitgebrachten Ulmenraupe. Hier konnte ich die von Zeller bei Glogau beobachtete Art noch nicht auffinden. L. Fraxinella Mann. Mann giebt die Eſche als Nahrungspflanze der Raupe an; ich fand ſie im Herbſt ziemlich zahlreich bei Breslau an salix cinerea, und ſchon Ende November erſchienen die erſten Exem— plare im geheizten Zimmer. L. Quereifoliella F. R. Iſt bei Breslau nächſt Pomonella die häufigſte Art. Sie findet ſich hier überall, wo Eichen wachſen, ſowohl im Gebüſch, als an Bäumen, an welchen ſie aber die Blätter der niedrig— ſten Zweige vorzieht. Oft trifft man viele Raupen in einem Blatte minirend; einmal habe ich deren bis 20 gezählt. Auch bei Paris iſt ſie gemein; ich erzog aus Puppen von dort über 300 Exemplare. L. Messaniella Zell. Von dieſer von Zeller in Sizilien entdeckten, ſpäter auch von Mann in Toskana angetroffenen Art fing ich ein friſches Männchen im Boulogner Wäldchen bei Paris am 20. Sep⸗ tember 1846 an einem Eichſtamme. L. Betulae Zell. Fand ich bis jetzt bloß bei Salzbrunn im Mai 1847. L. Alniella Tischer. Die Raupe iſt ſowohl um Breslau, als auch im Vorgebirge ſehr häufig an Erle, oft 10 bis 20 an einem Blatte, wo fie in der Regel dicht an der Mittelrippe wohnt. Sie findet ſich aber auch, wiewohl ſelten, an Linde und Haſel. f L. Heegeriella Zell. Dieſe nicht ſeltene, aber mit der folgenden wohl oft verwechſelte Art fliegt bei Breslau im Mai, und zum zweiten Male im Auguſt an Eichen, in deren Blättern auch die Raupe minitt: Ein Exemplar fing ich bei Freiburg und eins erzog ich aus einer Pariſer Eichenpuppe. b. Ohne Baſallinie der Vorderflügel. L. Cramerella Fab. Sehr gemein bei Breslau an Eichen, gleichzeitig mit querecifoliella. Die zweite Generation iſt meiſt auffallend klein, mit ſehr feinen, oft nur mit der Lupe erkennbaren Zeichnungen. Auch um Paris (über 100 erzogene Exemplare). L. Acerifoliella F. R. Lebt bei Breslau häufig an acer campestre, im Gebirge an acer pseudo- platanus; an erſterem minirt ſie, wie ſchon F. R. angiebt, nahe am Blattrand, den ſie dadurch umbiegt, an letzterem, der ſteifblättriger iſt, mehr in der Mitte des Blattes. L. Emberizaepennella Bouché. Nicht ſelten um Breslau in Gärten an den verſchiedenen kultivirten Lonicera-Arten; auch an der fogenannten Schneebeere symphora racemosa fand ich die Raupe zahlreich. Flugzeit: Mai und Auguſt. L. Kleemannella Fabr. Sehr ſelten in Schleſien. Ich fand fie bisher erſt einmal im Mai 1847 im Salzgrunde an Erle. L. Ulminella Zell. Bei Breslau und Paris nicht ſelten an Ulmen. Dieſe und die beiden vorge— nannten Arten, ſo wie auch die nächſt verwandte Lautella und wahrſcheinlich auch Froelichiella Z., ver⸗ puppen ſich nicht, wie die übrigen, in einem leichten, an dem Boden der Wohnung feſt anhängenden Ge— ſpinnſt, welches die Puppe durchſcheinen läßt, ſondern machen ſich ein längliches, papierartiges, feſtes Gehäuſe, das ziemlich loſe unter der Blatthaut liegt und mit dem Tönnchen eines Ichneumon die größte Aehnlichkeit hat. Eben dieſer Aehnlichkeit wegen habe ich früher die genannten Arten niemals erzogen, weil ich die aufs gefundenen Puppen immer von Ichneumonen beſetzt glaubte, bis mich endlich das ſtete Auffinden dieſer Tönn— chen veranlaßte, fie genauer zu unterſuchen, wo ich dann als ihren Inhalt die gefunden Püppchen antraf. L. Heydenii Zell. Lebt nach v. Heyden an Lonicera Caprifolium. Ich fand den Schmetterling bei Paris in einem Eichenwäldchen, deſſen Untergrund vielfach den genannten Strauch ug, nicht eben ſelten von Mitte September bis Mitte Oktober. L. Agilella Zell. Die Raupe iſt in der Umgebung Breslau's oft ziemlich häufig an Ulmen im Sep— tember, der Schmetterling daraus von Ende September bis zum nächſten Frühjahr; eine zweite oder vielmehr erſte Generation habe ich noch nicht angetroffen. 109 L. Pastorella Heyden. Häufig um Breslau an Weiden, befonders salix alba, und zwar vorzugs⸗ weiſe an Bäumen, weniger am Geſträuch der Flußufer. Fliegt Ende Juli und zum zweiten Mal von Mitte 2 September bis in den Oktober; einzelne Exemplare überwintern und fliegen dann noch bis Ende April. L. Tremulae Zell. Um Breslau und im Vorgebirge (Salzgrund, Warmbrunn, Schreiberhau) nicht ſelten. Ihre Flugzeit iſt zu Ende Juni bis Ende Juli, dann wieder im September bis zum nächſten Frühjahre. L. Populifoliella Tr. Hat mit der vorigen dieſelbe Erſcheinungszeit. Um Breslau häufig an popu— lus nigra und pyramidalis. 6. Zweiflügler. Herr Dr. Scholtz hielt einen ausführlichen Vortrag über die erſten Stände der Zweiflügler, und einen zweiten über Blattminirer aus dieſer Ordnung (6 Arten aus 4 Gattungen), unter denen eine wahr— ſcheinlich neue Art Anthomya betae genannt wurde. — Herr Lehrer Schummel berichtete über eine unge: heure Menge des Chironomus virescens Meig., welche ſich, zu Anfang Septembers, an der Ober: fläche der Lampen in der Mohren- und Kränzelmarkts-Apotheke gezeigt hatte. 7. Spin nenthiere. Herr Apotheker Seidel hielt zwei Vorträge über die ſchleſiſchen Arten aus den Familien der Epei- rides (6 Gattungen mit 23 Arten) und der Theridides (7 Gattungen mit 24 Arten). Arachniden. Epeirides, Nadfpinnen, Epeira arundinacea Koch. An feuchten Stellen, ſehr häufig. „ diadema K. In vielen Varietäten, ſehr häufig. „ lutea K. Auf Geſträuch im Scheitniger Park. „ Dumetorum K. Auf Hecken, ſehr häufig. „ Schreibersii K. Bei Marienau. „ pulchra K. Am Sattelwalde. „ umbratica K. An hölzernen Gartenhäuſern, häufig. „ Bohemica K. Altwaſſer, auf Laubholz feuchter Wieſen. „„ Ppramidata K. Im Scheitniger Park. Nur im Frühjahr und Herbſt find die ausgewachſe— nen Exemplare zu finden, im Sommer bewohnen ſie die Gipfel der Bäume, von denen ſie ſich gegen den Winter immer tiefer herunter ziehen. Zuletzt ſpinnen ſie ſich zwiſchen Blät— ter (der Quercus pedunculata) nahe an der Erde ein. Sie laſſen ſich am beſten in rekti—⸗ ficirtem Terpentinöl aufbewahren. „ quadrata K. Sie wechſelt ſo wie die vorhergehende ihren Aufenthaltsort und hält ſich auch in rektificirtem Terpentinöl am beſten. | „ dromedaria K. Marienau. Ob die in der Beſchreibung jetzt folgende neu iſt, will ich, da ich nur ein Exemplar beſitze, nicht mit Beſtimmtheit ausſprechen. Der Augenſtellung nach gehört ſie zu: Argyopes Koch. Länge des Weibchens 3% Die ganze Spinne iſt ſchön roſtfarben, dicht mit lan: gen Haaren beſetzt, faſt zottig. Hinterleib mit ſehr großen Höckern, die durch eine kammartige Erhöhung ver— bunden ſind. Zwiſchen dieſem Kamme und der Anheftung befinden ſich über einander zwei weiße Flecke. Die ſchwarze blattartige Zeichnung, welche drei helle roſtfarbene Flecke einſchließt, iſt weiß eingefaßt und ziehen ſich 110 von derfelben nach den Seiten vier feine weiße Strichelchen, zwiſchen denen ſich noch einzelne weiße Punkte befinden. Ich fing fie an einer der höchſten Stellen der Gottesberger Berge an einem dürren Nadelholzaſte in geringer Entfernung von der Erde. 5 Atea (neu?) Füße lang und dünn, hell roſtfarben mit dunkeln Ringen. Freßzangen von gleicher Farbe, Haken im durchſcheinenden Lichte feuerroth. Vorderleib hell roſtfarben mit ſehr tiefer Rückengrube. Hinterleib herzförmig, hellroth bräunlich, netzartig geadert mit ziemlich großen, ſpitzen Höckern. Zunächſt der Anheftung beginnt eine aus weißlichen Längsflecken beſtehende Zeichnung, die bis in die Blattfigur reicht; letztere iſt ſehr ſchmal und matt. Die ganze Spinne iſt ſehr ſchlank, ſelbſt der Hinterleib der trächtigen Weibchen mehr lang als breit. Auf Laubholz feuchter Wieſen in einer Bergſchlucht bei Altwaſſer. Miranda K. cucurbitina Koch. Sehr häufig. ceropegia K. Am Heßberge und der Wilhelmshöhe auf Geſträuch. (neu?) Länge des Männchens 1½““, des Weibchens bis 2. Füße kurz und ziemlich ſtark, gelbröthlich. Vorderleib verhältnißmäßig klein von derſelben Farbe, Hinterleib läng⸗ lichrund, hellgelb braun, bei jungen Spinnen ganz weiß. Blattzeichnung ſehr matt, oft kaum ſichtbar hellgelb bräunlich angelegt. In derſelben zwei in einander ſteckende, mehr— fach gablich getheilte ſchwarze Gabelſtriche. In Gebirgsgegenden. (squamosa 2) Länge des Weibchens 1, des Männchens 3%, — Vorderleib klein, eben ſo wie die Füße grünröthlich gefärbt; Hinterleib länglich eiförmig, platt, orangenartig, ohne Zeichnung, ganz mit weißen, roth eingefaßten Schuppen bedeckt, die nach den Spinn⸗ warzen zu endlich ganz roth werden. Die meiſten Exemplare zeigen zwiſchen dem Roth noch einen grünen Schimmer. An der Stelle der blattartigen Zeichnung befinden ſich auf jeder Seite fünf ſchwarze Punkte, deren Größe nach den Spinnwarzen zu zunimmt. Altwaſſer und an den Heßbergen. Tetragnatua Koch. 5 = extensa K. In vielen Varietäten. Er gilba K. Schwoitſch. 0 obtusa K. Schwoitſch. Singa Koch. 5 conica K. Scheitnig. 35 hamata K. Scheitnig. Zilla Koch. 63 albimacula K. Fürſtens⸗Garten. 9 calophylla K. Fürſtens⸗Garten. 15 montana K. Kaufung. 5 riticulata K. Fürſtens⸗ Garten. Myturas paradoxus Koch. Auf Nadelholz. Gottesberger Berge. 27 27 * Theridides, Webeſpinnen. Meta cellulana Koch. An trocknen dunkeln Orten. — M. fusca K. An feuchten dunkeln Orten. — M. muraria K. An der alten Burg in Fürſtenſtein. Eucharia pipunctata Koch. An Brettwänden. — E. corollata K. Häufig in Kräuterkäſten. — E. castanea K. An Fenſtern im Freien ſtehender Häuſer. Theridium lunatum Koch. In vielen Varietäten, überall an Bäumen und Hecken häufig. Ther. saxatile K. An Mauern und Felſen. — T. tepidariorum K. Nur in Treibhäuſern und daher wahrſchein⸗ 111 lich durch ausländiſche Pflanzen eingeführt. — T. sisiphum K. Kaufung auf Hagebutten. — T. irrora- tum K. An Brettwänden. — T. varians K. Auf Sträuchern bei Oswitz und in Treibhäuſern. Steatoda redimita Koch. In verſchiedenen Varietäten bei Kanth. — T. picta K. Häufig. Pachignata Degeerii K. Häufig. — P. Listeri K. Häufig. Obgleich beide häufig auf den her: umfliegenden ſogenannten Sommerfäden angetroffen werden, ſo kann ich ſie doch nicht für die Urheber derſel— ben halten. Dieſe vom Winde aufgetriebenen Fäden bleiben oft an Geſträuch hängen, werden da von den Spinnen beſtiegen und oft mit denſelben fortgeführt. Auch ergiebt die mikroſkopiſche Betrachtung des Ge— webes nicht das Geſpinnſt eines Theridiums, fondern das der Lycosa- Arten. Linyphia resupina Koch. In mehreren Varietäten an feuchten Orten auf Geſträuch, Sumpfgräſern und Holzwerk. — L. bimaculata K. Auf niedrigem Geſträuch bei Kanth. — L. phrygiana K. Auf Ge- ſträuch an der hieſigen Promenade. — L. circumflexa K. Auf Pflanzen bei Kanth. — L. terricola K. Kaufung. — L. marginata K. Zwiſchen Ketſchdorf und Kaufung auf Hagebutten. Dictina benigna Koch. Häufig in Gärten. Während des Winters verbirgt ſie ſich unter der ge— borſtenem Rinde der Bäume und wird daſelbſt in Geſellſchaft mehrerer Thomisus-Arten gefunden. In Bezug auf eine Bemerkung, welche Koch in feinem Werke über die Arachniden bei Amaurobius elaustrarius und A. ferox macht, muß ich hinzufügen, daß fi A. claustrarius zwar am häufigſten im Freien unter Steinen vorfindet, daß ich jedoch auch zwei Exemplare dieſer Spinne in dem Keller des Hauſes, in welchem ich wohne, gefunden habe. Da ſich gleichzeitig und zwar häufiger A. ferox daſelbſt vorfindet, fo iſt eine Verwechſelung beider nicht gut möglich. Die von mir über die leichteſte und zweckmäßigſte Art der Aufbewahrung der Spinnen fortgeſetzten Verſuche ergaben, daß das Trocknen über Kohlenfeuer wohl das Beſte ſein dürfte, wenn es nicht ſo ſehr zeitraubend wäre und nur zu leicht, bei aller Uebung, Exemplare verun— glückten, was bei ſeltenen namentlich ſehr unangenehm iſt. Einige halten ſich in verdünntem Weingeiſt, der davon einen Ameiſengeruch bekommt, ſehr gut, andere beſſer in rektificirtem Terpentinbl. Sublimatauflöſung erhält zwar ebenfalls mehreren Spinnen Farbe und Geſtalt unverändert, jedoch nur den größeren; eben fo verhält ſich eine Auflöſung des kohlenſauren Kali's in Waſſer. Die in der neueſten Zeit zur Aufbewahrung, anatomiſcher Präparate angegebene Methode, hierzu eine Auflöſung von Alaun anzuwenden, der zuerſt etwas Salpeter zugeſetzt worden iſt, habe ich erſt gegen den Winter zu verſuchen Gelegenheit gehabt, zu welcher Zeit mir nur noch wenig lebende Spinnen zu Gebote ſtanden. In der Auflöſung des Alauns mit Salpeter bil— den ſich bei Gegenwart organiſcher Subſtanzen in wenig Tagen ſo große Maſſen von Schimmel, daß die An— wendung derſelben zum Aufbewahren von Spinnen unmöglich wird; dagegen halten ſich dieſelben in bloßer Alaunauflöſung gut, nur ſcheint der Alaun eine Volumenvergrößerung der koagulirenden Beſtandtheile in ſolchem Grade zu veranlaſſen, daß alle Exemplare (ſämmtlich der Gattung Epeira angehörend) entweder aufplatzten, oder wenigſtens am After ein Austreten des Koagulums zeigten. Weitere Verſuche, namentlich mit zartge— färbten Spinnen, können über die Anwendbarkeit der Alaunauflöſung erſt genauere Auskunft geben. Jeden— falls iſt für alle Spinnen nicht eine gleichmäßige Aufbewahrungsmethode anwendbar, ſondern Verſuche müſſen erſt ergeben, ob bei der einen oder andern dies oder jenes Medium oder das Austrocknen vorzuziehen iſt. Die Zahl der Mitglieder unſerer Sektion wurde, in dieſem Jahre, durch den Beitritt des Herrn Dr. Wocke um eines vermehrt. Dagegen haben wir aber auch den Verluſt eines der älteſten und thätigſten Mitglieder, des Herrn Privatlehrers Schummel, welcher uns durch den Tod entriſſen wurde, zu beklagen. — — — N en 2 eh A eee e eee, — ank Der oa u were. ee u ann A re u . 15 u. „ndr N ab g rt R. 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Er begleitete dieſen Vortrag durch Demonſtration von dergleichen Farrnſtämmen aus verſchiedenen Gegenden der tropiſchen A und getrockneten Wedelſtöcken aus ſeiner Samm⸗ lung, ſo wie durch Abbildungen. In der zweiten legte der Sekretär der Sektion im Auftrage des Herrn Profeſſor Dr. Henſchel ein Exemplar der ſeltnen Rafflesia Patma aus Java vor, beſtehend in einer Cissus-Wurzel mit zwei kleineren und in einer beſonderen größeren Blumenknospe, welche derſelbe zur Demonſtration demſelben freundlichſt über- geben hatte. Die Struktur dieſer Pflanze wurde durch die in Blume's Flora Javae enthaltenen Abbildun⸗ gen erläutert. Derſelbe legte eine Anzahl ſeltner nordiſcher Weiden in inſtruktiven Exemplaren vor, welche er der Güte des Herrn N. J. Anderſon, Botanices Docens an der Univerſität zu Upfala, verdankt, namentlich der S. glauca, S. lanata, S. Lapponum, S. phylieifolia, S. livida, S. fusca (SS. versifolia Wahlenb.), S. Myrsinites, S. polaris und dreier Baſtarde der S. glauca, und ſetzte deren Charaktere auseinander. Zu⸗ gleich legte er Anderſon's Salices Lapponiae vor und empfahl dieſe ausgezeichnete Bearbeitung und Beſchrei— bung der nordiſchen Weiden der Aufmerkſamkeit. In der dritten las Herr Gymnaſiallehrer und Privatdocent' an der Univerſität, Dr. Körber, einen früher ſchon anderweitig gehaltenen Vortrag vor: „Die Uebergangsſtadien von der empiriſchen zur philoſophi⸗ ſchen Naturforſchung.“ Der Sekretär legte ein Faszikel Ecklon'ſcher Kap-Pflanzen vor, welches Herr Profeſſor Dr. Henſchel zur Anſicht gütigſt mitgetheilt hatte. ö 15 114 In der vierten legte Herr Muſikdirektor Siegert die in dieſem Jahre auf feinen Exkurſionen beob— achteten intereſſanteren Pflanzenarten, insbeſondere eine Reihe größtentheils hybrider Cirsſium-Formen, unter welchen ſich in großer Mannigfaltigkeit C. canum-oleraceum (C. tataricum Fl. Sil.) befand, vor, außerdem aber ein C. oleraceum-heterophyllum von Hartmannsdorf bei Landeshut auch in mehreren Formen, und ein C. lanceolatum-palustre, welches ganz neu, die als beſonders bemerkenswerth erſchienen. In der fünften machte der Sekretär der Sektion, im Auftrage des Präſidiums, die erfreuliche Mit— theilung, daß der Sanitätsrath Herr Dr. Krocker der Geſellſchaft das Herbarium ſeines Vaters, des als ſchleſiſcher Floriſt rühmlichſt bekannten Medizinalrath Dr. Krocker, als Geſchenk übermacht habe. Der Sekretär ſprach über die im Jahre 1848 beobachteten neuen Arten, Formen und Baſtarde der ſchleſiſchen Flora, und Herr Wundarzt Knebel machte einige Mittheilungen gleichen Inhalts. In der ſechsten hielt Herr Dr. Körber einen Vortrag über die Kryptogamen-Flora der Umgegend von Marienbad in Böhmen, und legte die Exemplare der intereſſanteren Arten zur Anſicht vor. Der Sekretär legte eine durch den Präſes der Geſellſchaft, Herrn Profeſſor Dr. Göppert, ihm über⸗ gebene Sammlung getrockneter Pflanzen aus der Gegend von Görlitz, nebſt Verzeichniß vor, welche Herr Pharmazeut Schuchardt der Geſellſchaft als Geſchenk überſendet hatte. In der ſiebenten hielt Herr Pharmazeut Krauſe einen Vortrag über die ſchleſiſchen Arten der Sippe Cirsium, und legte einige andere Neuigkeiten aus der ſchleſiſchen Flora vor. Der Sekretär las einen Aufſatz: „Reviſion der Gruppe der Carex acuta und C. caespitosa.“ Derſelbe zeigt der Sektion an, daß Herr v. Uechtritz der Bibliothek der Geſellſchaft ein Manufkript: „Fundörter ſchleſiſcher Laubmooſe,“ von ihm felbft ausgearbeitet, übereignet habe, und legte daſſelbe vor. Derſelbe legte der Sektion die ſehr ſorgfältig und gründlich gearbeitete handſchriftliche „Flora von Parch— witz“ vor, welche Herr Kantor Poſtel in Parchwitz, unterſtützt durch Herrn Lehrer Gerhardt in Kunitz bei Liegnitz, ausgearbeitet und der Geſellſchaftsbibliothek verehrt hatte. Aus dieſen Verhandlungen folgen hier nachſtehende vollſtändigere Mittheilungen: 1. Flora von Parchwitz. Erſter Abſchnitt. Ueberſicht der örtlichen Verhältniſſe. $ 1. Begrenzung des Gebiets der Flora von Parchwitz. Parchwitz liegt im Kreiſe und Regierungsbezirke Liegnitz, größtentheils am rechten Ufer der Katzbach, eine Stunde vor deren Mündung in die Oder. Nehmen wir für die Umgegend des Städtchens in Bezie⸗ hung auf die botaniſchen Verhältniſſe einen Halbmeſſer von etwa zwei Meilen an, ſo erſtreckt ſich dieſelbe im Weſten bis in die Nähe von Liegnitz (Dörfer in dieſer Richtung ſind: Heidau, Heinersdorf, Fiſcherende, Kunitz, Groß- und Altbeckern, Pohlſchildern, Bienowitz, Panthen, Hummel, Langenwaldau); im Nordwe⸗ ſten beinahe bis Lüben (Leſchwitz, Merſchwitz, Herrndorf, Gugelwitz, Mühlrädlitz mit der Iſcherei, Dittersbach und Herzogswaldau, Schwarzau, Oſſig, Petſchkendorf, Groß- und Kleinreichen, Fauljoppe, Kaltwaſſer, Krumm⸗ linde, Schönborn, Buchwäldchen); im Nordoſten bis Steinau (Jürtſch, Lampersdorf, Bielwieſe, Porſchwitz, Neudorf, Ranſen); im Oſten bis jenſeits Leubus (Altläſt, Rogau, Praukau, Gleinau, Regnitz, Maltſch); im Südoſten nach Neumarkt (Koitz, Maſerwitz, Rauße); und im Süden nach Jauer hin (Möttig, Dahme, 115 Wangten, Spittelndorf, Jeſchkendorf, Seifersdorf, Petersdorf, Rosnig, Großwandriß, Mertſchütz u. ſ. w.) — doch iſt bis jetzt nur die nähere Umgebung von Parchwitz, etwa eine Meile im Halbmeffer, ſorgfältig erforſcht, während darüber hinaus nur einzelne Punkte mehr oder weniger genau durchſucht werden konnten. Unter den letzteren zeichnet ſich die Gegend um Kunitz und Panthen bei Liegnitz aus, deren ungemein reiche Aus— beute dem raſtloſen Eifer des Lehrers Gerhard zu Kunitz zu danken iſt. § 2. Geſtaltung der Oberfläche. Die Oberfläche des Gebietes iſt in Beziehung auf Ebenen, Erhebungen und Vertiefungen ſehr einför= mig, indem ſie größtentheils eine Tiefebene, etwa 300 Fuß über dem Spiegel der Oſtſee, bildet und nirgends einen Punkt von namhafter Höhe enthält. Gegen Süden und Norden von Parchwitz iſt das Land eine halbe Stunde weit völlg eben, im Oſten eine Stunde weit (bis an die Oder); im Weſten hingegen erhebt ſich unmittelbar vor dem Städtchen, am rechten Ufer der Katzbach beginnend (Faſanenbuſch), eine niedrige, von Norden nach Süden ſtreichende Hügelkette, der Schäferberg und die Kühberge. Im Norden der Parch— witzer Niederungen ziehen mäßige Höhen, der Katzbach faſt parallel, von Oft nach Weſt, die als Leſch witzer, Pohlſchilderner und Panthner Hügel zu bezeichnen ſind. Ebenſo wird die Niederung im Süden und Südweſten durch die Möttiger und Jeſchkendorfer Hügel unterbrochen. Im Oſten erhebt ſich das jenſeitige Ufer der Oder ſofort zu ziemlich bedeutenden Sandhügeln, das Städtel und das Kloſter Leubus tragend. § 3. Gewäſſer. a) Fließende. Nächſt der zum Theil die Oſtgrenze des Gebietes bildenden Oder iſt der Hauptfluß deſſelben die von Liegnitz herabkommende Katzbach, bei gewöhnlichem Waſſerſtande ein kleines Flüßchen, durch Thau und Re— genfluthen aber zu Zeiten zum reißenden Strome anſchwellend. Ihr Grund iſt theils ſchlammig, theils ſan⸗ dig, die Ufer ſind flach und meiſt durch Dämme geſchützt; ihnen entlang ziehen ſich fruchtbare Wieſen hin, zuweilen durch Laubgehölze unterbrochen. Zwei Stunden oberhalb Parchwitz, unweit Kunitz, nimmt ſie die kleine Weidelache auf. Eine halbe Stunde vor Parchwitz entſendet die Katzbach einen ſchwachen Seitens arm, das Böberle, durch Leſchwitz zur Oder. Der Hauptarm theilt ſich in der Nähe von Parchwitz in drei Aeſte, von denen ſich zwei, der Mühlgraben und die alte Bach, nachdem fie die Schloßinſel gebildet ha⸗ ben, an der Berliner Straße vor dem Glogauer Thore wieder vereinigen, während der dritte, der Neugras ben, erſt ſpäter dazu tritt. Endlich ergießt ſich die Katzbach, ſchräg über vom Städtel Leubus, nachdem ſie den Landgraben aufgenommen hat, bei dem Kohlhauſe in die Oder. Nicht weit davon mündet auch der Leiſebach (Leupzig, Läuſebuck). b) Stehende. 1. Seen. ) Die Seegruppe in der Nähe von Liegnitz: der Kunfger See, mit einer von Tauſenden von Möven und Tauchern zum Brüͤteplatz benutzten, aber nicht durch Pflanzenreichthum ausgezeich⸗ neten Inſel; der Jeſchkendorfer und der Koiſchwitzer See. 6) Der Jürtſcher See, zieht ſich lang und ſchmal, reich an Pflanzen und Schwimmbruch, von Jürtſch nach Lampersdorf. 5) Der Leſchwitzer See, klein und unbedeutend, in dürren Jahren ganz austrocknend, liegt am ſüdlichen Abhange der Leſchwitzer Hügel. 2. Teiche, befinden ſich hie und da im Gebiet, z. B. im Süden von Parchwitz, bei Kleinreichen ꝛc. 3. Lachen und Tümpel, ſind beſonders der Katzbach entlang zu finden, desgleichen am linken Ufer der Oder (alte Oder). Bemerkenswerth iſt die ſchwarze Lache bei Parchwitz, welche mit der Katzbach in Verbindung ſteht. 15 * 116 c) Brüche und Moore. Torfmoore befinden ſich in verſchiedenen Theilen des Gebiets, z. B. in der Nähe von Kleinreichen und Petſchkendorf. Die wichtigſten aber für den Botaniker ſind die bei Kunitz, nämlich: der Kuhbruch im Norden, der Elſebruch im Oſten, mit Abfluß zum Jeſchkendorfer See, der Krummteich mit der Freiheit im Süden; vor Allen aber: die Tſchoke im Weſten vor dem Dorfe. 8 Bruchgegenden, zum Theil mit Erlen bewachſen, und ſumpfige Wieſen bieten ſich unter andern dar: bei Möttig (die Lorze), am Fuße der Leſchwitzer Hügel, bei Herrndorf, Bienowitz, Panthen u. ſ. w. § 4. Beſchaffenheit des Bodens. Der Boden des Gebiets iſt theils völlig ſandig, namentlich im Norden und Nordoſten von Parchwitz (bei Leſchwitz und Jürtſch), theils ſandiger Humus, theils guter Weizenboden, letzterer beſonders um Kunitz. Felſiger Grund iſt nirgends vorhanden, da auch die Hügel nur aus Sand und Schwemmland beſtehen. Die Kühberge enthalten Thonlager, der Schäferberg iſt reich an Verſteinerungen. Fruchtbare Wieſen liegen befon- ders an der Katzbach; am merkwürdigſten ſind die Peiſtwieſen bei Panthen. § 5. Allgemeine Ueberſicht der Vegetation. 1) Lecker und Zrachen. Der größte Theil des Bodens in unſerm Gebiete iſt Ackerland. Außer den allgemein verbreiteten Pflan⸗ zen enthalten die Aecker und Brachen an den in der ſpeciellen Nachweiſung bezeichneten Standorten: Scandix Pecten Veneris, Falcaria Rivini, Nigella arvensis, Papaver dubium, Camelina sativa, dentata, Sinapis alba, Hypericum humifusum, Anagallis coerulea (ſehr ſelten), Senecio vernalis (einmal bei Kunitz), Ranunculus sardous, Adonis aestivalis, Isatis tinctoria (um Kunitz verwildernd), Silene no- etiflora, Montia minor (naſſe Aecker bei Leſchwitzy, Polycnemum arvense, Saxifraga tridactylites, Rosa gallica, Potentilla norvegica, Aphanes arvensis, Lathyrus tuberosus, Euphorbia Esula, exigua, Sherardia arvensis, Valerianella Auricula, Morisonii, Hypochoeris glabra, Gnaphalium luteo- album Centaurea Scabiosa, Anchusa arvensis, Melampyrum arvense, Odontites verna, Antirrhinum Oron- tium, Linnaria Elatine, minor, arvensis, Stachys germanica, annua, recta, palustris, Centunculus minimus, Ornithogalum nutans (Heinersdorf), umbellatum, Gagea stenopetala, arvensis, Allium are- narium, Muscari comosum (Leubus), Juncus capitatus, Lolium arvense etc. Die ſandigen Felder insbeſondere erzeugen: Silene Otites, Teesdalia nudicaulis, Alyssum calycinum, Radiola Millegrana, Plantago arenaria, Cerastium semidecandrum, Spergula pentandra, IIlecrebrum verticillatum (Möttig), Scleranthus an- nuus, perennis, Sedum reflexum, Astragalus arenarius (Hummel), Ornithopus perpusillus, Arnoseris minima, Veronica verna, Calamintha Acinos, Corynephorus canescens, Festuca Pseudo- Myurus, Digitaria filiformis etc. 8 i Auf thonigem Boden wächſt: Tussilago Farfara (beſonders bei Petſchkendorf), und in den Thongru⸗ ben bei Parchwitz: Lonicera Periclymenum, Salix aurita, cinereo-viminalis, Myosotis caespitosa etc. 2) Wälder. a. Laubwälder. In ihnen fehlt Fagus sylvatica faſt ganz; Fraxinus excelsior und Alnus incana ſind ſehr ſelten; Betula pubescens kommt zerſtreut vor. Die bemerkenswertheſten Laubwälder ſind: 117 1) Der Oderwald, meift aus Quercus pedunculata beftehend, zum Theil ſehr gelichtet. Er ent: hält unweit des Fuchsberges bei Rogau Cardamine Waatien unweit des Kohlhauſes Stellaria viscida und Equisetum pratense. 2) Der Raudebuſch, öſtlich von Parchwitz, am rechten Ufer der Katzbach, aus Quercus pedunculata beſtehend, enthält unter Anderm Allium ursinum, Circaea lutetiana, Viola sylvestris und mirabilis, Pa- ris quadrifolia, Smilacina bifolia, Anemone nemorosa, ranunculoides, und den merkwürdigen Baſtard nemoroso-ranunculoides. In einem Vorgehölz wächſt häufig Hypericum hirsutum, 1 itiHarümg etc., und ein naher im Weſten des Buſches liegender Tümpel hegt Potamogeton obtusifolius, Scirpus radicans und Stratiotes aloides. 3) Der Faſanenbuſch, im Weſten von Parchwitz, am rechten Ufer der Katzbach, größtentheils aus niederem Geſträuch von Quercus, Acer, Ulmus, Carpinus, Alnus glutinosa, Betula, Cornus sanguinea, Crataegus, Viburnum, Rhamnus, Corylus, Euonymus europaeus etc. beſtehend, enthält zahlreich Gera- nium sylvaticum, welches anderwärts nicht unter 1300 Fuß Höhe gefunden wird, auch iſt er der einzige Standort des Gebiets für Chrysanthemum corymbosum, und einer der wenigen Fundörter von Sanicula europaea. Außerdem finden ſich daſelbſt: Primula officinalis, Ranunculus lanuginosus, Astrantia major, Dianthus Armeria, Hepatica triloba, Hedera Helix, Arabis Gerardi, Viola mirabilis, Hypericum hir- sutum, Stellaria Holostea, Pimpinella magna, Laserpitium prutenicum, Trifolium agrarium, medium, alpestre, Lathyrus vernus, Galium boreale, sylvaticum, Valeriana offieinalis, Hieracium boreale, Phy- teuma spicatum, Campanula persicifolia, Myosotis sylvatica, Galeobdolon luteum, Asarum europaeum, Listera ovata, Neottia Nidus Avis, Luzula pilosa (albida?), Carex digitata, 5 pallescens, sylvatica, Festuca heterophylla etc. 4) Die weiter weſtlich an der Katzbach aufwärts gelegenen Laubgebüſche (Harniſchwinkel und Sat— tel) enthalten: Leucojum vernum zu Millionen, Corydalis fabacea, Epipactis latifolia, Gentiana Pneu- monanthe, Senecio barbaraeifolius, Silene nutans, Peucedanum Cervaria und Oreoselinum, Laserpi- tium prutenicum, Potentilla recta, rupestris, Vicia cassubica, Lathyrus niger, Scorzonera humilis, Hieracium praealtum, Cuscuta Epithymum, Mellitis Melissophyllum, Gladiolus imbricatus, Iris sibirica, Allium ursinum, Brachypodium sylvaticum, pinnatum, Milium effusum, Senecio nemo- rensis etc. 5) Die Gehölze zwiſchen Krummlinde und Fauljoppe enthalten die im Gebiet feltene Prunus Padus, Ribes rubrum, nigrum, Epipactis latifolia, Salix fragili-pentandra, Verbascum phlomoides. 6) Der Waſſerforſt bei Kaltwaſſer, faſt alle einheimiſchen Waldbäume enthaltend, aber noch nicht genü⸗ gend durchſucht, bietet dar: Fagus sylvatica, Asperula odorata, beide nur hier im Gebiet, Hypericum montanum. g 7) In den feuchten Gebüſchen um Langenwaldau wächſt Daphne Mezereum und Valeriana sam- bucifolia, auch angeblich die ſonſt im Gebiet fehlende Trientalis europaea. 8) Die Parkanlagen bei Pohlſchildern hegen Cardamine Impatiens, Ribes nigrum, Phoenicopus muralis. 9) Im Beerwalde bei Rosnig fand ich Gladiolus communis neben imbricatus, und die im Gebiet ſonſt noch nicht gefundene Campanula Cervicaria. 10) Zwiſchen Heidau und Jeſchkendorf: Hieracium rigidum Hartm., häufig. 11) Die Laubwälder bei Leubus am rechten Oderufer enthalten: Cardamine Impatiens, und angeblich Cypripedium Calceolus. 12) Die Peiſtgebüſche bei Panthen mit ihrer reichen Vegetation ſiehe unten. 118 b. Nadelwälder Die Nadelwälder, faft nur aus Pinus sylvestris beſtehend, ſelten Abies excelsa und Larix, höchſt ſelten Abies pectinata (2) darbietend, vielfach mit Juniperus gemiſcht, bedecken die Leſchwitzer Hügel, auf denen die niederſchleſiſche Haide, doch noch häufig unterbrochen, beginnt, und finden ſich außerdem häufig in geringerem Umfange. Sie enthalten bei Pohlſchildern und weiter nach Lüben hin bei Mühlrädlitz und Kalt⸗ waſſer Anthericum ramosum, bei Kaltwaffer und Jürtſch Scabiosa columbaria (blau) und suaveolens, bei der zu Pohlſchildern gehörigen Buſchmühle Goodyera repens und Stachys recta, hie und da Oxalis Aceto- sella, bei Leſchwitz Thesium Linophyllum und mehrere Arten von Pyrola, darunter uniflora und umbel- lata, Thalictrum minus, bei Panthen Silene chlorantha, Gnaphalium sylvaticum, Monotropa, Saro- thamnus vulgaris (Kaltwaſſer, Langenwaldau) (2), Carlina vulgaris, acaulis (Langenwaldau), Cytisus ni- gricans (Leſchwitz, Möttig, Jeſchkendorf), Vaccinium Myrtillus und Vitis idaea etc. Die Leſchwitzer Hügel insbeſondere: Sedum reflexum, Seseli annuum, Cnidium venosum, Thysselinum palustre, Peucedanum Oreoselinum und Cervaria, Anthyllis vulneraria, Rubus idaeus, Fragaria elatior, Potentilla verna, alba, nemoralis, Trifolium alpestre, fragiferum, Scorzonera hu- milis, Intybus praemorsus, Hieracium collinum, murorum etc., Antennaria dioica, Pyrola uniflora, umbellata, rotundifolia, secunda, Veronica officinalis, verna, spicata, Triglochin palustre, Orchis Morio, maculata, latifolia, Juncus supinus, squarrosus etc., Scirpus lacustris, sylvaticus, Drosera rotundifolia, Helianthemum vulgare, Prunella grandiflora, Carex elongata, stricta, pilulifera, ericeto- rum, praecox, panicea, glauca, pallescens, flava, Avena caryophyllea, Nardus stricta, — Equisetum sylvaticum, Pteris aquilina, Aspidium spinulosum, Filix Femina, Thelypteris, Lycopodium clavatum, complanatum etc. 3) Grasplätze. Die Wieſen enthalten theils auf ihrer Fläche, theils in den Geſträuchen an ihren Rändern unter Anderm: Cynanchum Vincetoxicum (vorzüglich in der Nähe der Oder), Stellaria Friesiana (einmal ge⸗ funden), Veronica longifolia, Achillea Ptarmica, Prunella grandiflora, Cirsium oleraceum (nicht überall), und dahin gehörige Baſtarde: Helianthemum vulgare, Iris sibirica, Eriphorum latifolium, und faſt noch häufiger angustifolium, Trollius europaeus, Arabis Gerardi und hirsuta, Viola palustris, persicifolia, pratensis, Parnassia palustris, Linum catharticum, Geranium pratense, palustre, Dianthus superbus, Sagina nodosa, Berula angustifolia, Pastinaca sativa, Epilobium hirsutum, parviflorum, Comarum palustre, Sanguisorba officinalis, Melilotus officinalis, Trifolium hybridum, montanum, fragiferum, Lathyrus sylvestris, Succisa pratensis, Crepis paludosa, Petasites officinalis (Krummlinde, Gugelwitz, Bienowitz), Gentiana Amarella (Iſcherei), Salvia pratensis (nicht überall), Scrophularia nodosa, Mentha sylvestris, Orchis Morio, latifolia etc. (ſiehe Peiſt), Allium acutangulum; — bei Herrndorf Tofieldia calyculata etc. — Ueber die reichen Peiſtwieſen bei Panthen ſiehe unten. Eine Trift an der Oder unweit des Kohlhauſes zeichnet ſich durch Stellaria viscida und Equisetum pratense aus. i In Grasgärten blühen: Tulipa sylvestris, Alchemilla vulgaris, Ornithogalum nutans (Parch⸗ witz und Heinersdorf), Aquilegia. Die Dämme, zum Theil mit Gehölz bewachſen, tragen: Barbaraea stricta, vulgaris, Viola hirta, odorata, Malva Alcea, Geranium dissectum, columbinum, Phleum Boehmeri, Cucubalus baccifer, Chaerophyllum aromaticum, Corydalis fabacea, cava, Adoxa, Rosa canina, tomentosa, Agrimonia, Campanula glomerata, patula, rotundifolia, Tulipa sylvestris, Spiraea filipendula, Trifolium medium, Vieia lathyroides, Galium verum, Carduus crispus, Gagea lutea, minima, Allium oleraceum, Festuca gigantea etc. Auf den Kirchhöfen wächſt oft und blüht zuweilen Sempervivum teetorum. 119 4) Straßenränder. Lepidium ruderale, Farsetia incana, Rosa rubiginosa, Potentilla Güntheri, inclinata (Kunitz), argentea, verna, Ononis hircina (procurrens), spinosa, Cichorium Intybus, Chondrilla juncea, Cir- sium lanceolatum, Carduus acanthoides, Verbascum Blattaria, Orchis sambueina (Großbeckern), Morio, latifolia etc. l n 5) Dörfer und Borſtüdte. Malva borealis, sylvestris, rotundifolia, Geranium molle, divaricatum (Praukau), Saponaria, Portulaca oleracea (Altläſt), Amarantus Blitum, retroflexus, alle Chenopodia außer ficifolium und Bo- trys, alle Atriplex, Lythrum, Hyssopifolium, Potentilla supina und recta, Euphorbia, Helioscopia, platyphyllos ete., Bryonia alba, Lamium album (Langenwaldau), Dipsacus sylvestris, Lactuca Scariola, Verbena officinalis, Leonurus Cardiaca, Chaeturus Marrubiastrum, Nepeta Cataria, Marrubium vul- gare, Onopordon Acanthium, Xanthium strumarium, Campanula Rapunculus (Kunitz), Asperugo pro- cumbens, Datura Stramonium, Aristolochia Clematitis, Verbascum Blattaria ete. Auf und an Mauern: Sedum album (Mertſchütz), Echinospermum Lappula (Mertſchütz), Asple- nium Ruta muraria (Leubus, Kunitz), Asplenium Trichomanes (Leubus). 6) Gewäſſer, Sümpfe, Moore, Brüche. a. Flüſſe. Die Odergegend enthält: Eryngium planum, Oenothera biennis, Euphorbia lucida, Cuscuta monogyna, Dianthus prolifer, Orobanche coerulea (Leubus), Bromus inermis etc. Die Katzbach zeigt hie und da Batrachium fluitans, und an den Ufern Oenothera biennis, Spi- raea Ulmaria, fo wie einen reichen Wuchs von Salix-Arten, beſonders viminalis, cinerea, purpurea, amygdalina, doch auch nicht ſelten rubra, hippophaifolia und verſchiedene Baſtardformen. Die Weidelache bietet dar: Leersia oryzoides, Nasturtium amphibium, Butomus, und an den Ufern: Barbaraea strieta, vulgaris, Epilobium tetragonum. Ihr Unterlauf wird am rechten Ufer von einem äußerſt fruchtbaren Damme bis zur Mündung begleitet. An demſelben wachſen z. B.: Gagea minima, Picris, Corydalis cava, fabacea, Brachypodium pinnatum, sylvaticum etc. An der Leiſebach wachſen viele Carices, Acorus Calamus, Valeriana officinalis etc. In Gräben: Myosotis palustris, caespitosa, Gratiola officinalis, Rumex Hydrolapathum, Po- lygonum minus, Sium latifolium, Berula angustifolia, Hottonia palustris, Carex disticha, vulpina etc., Baldingera arundinacea etc. Kr b. Seen. Der Kunitzer See, 400 Morgen groß, deſſen Ufer im N. und W. ſandig und flach, im O. zum Theil ſandig, hoch und unfruchtbar, im S. erhaben, lehmig und zum Theil ſumpfig ſind. An den ſandigen Ufern wachſen: Chenopodium rubrum, Cineraria palustris, Seirpus Tabernaemontani, Cyperus fu- scus. Am Oſtufer: Limnochloe pauciflora, Scirpus maritimus. Am Südufer: Carex teretiuscula, disticha, fulva. — Der See ſelbſt iſt in der Nähe der Ufer mit einer, ſogar die Kahnfahrt erſchwerenden Menge von Potamogeton crispus, Myriophyllum spicatum und Polygonum amphibium aquaticum erfüllt; das Oſt⸗ und Südufer bedecken Phragmites und Seirpus lacustris. Auf der im ſüdlichen Theile des Sees gelegenen Inſel iſt höchſtens Atriplex latifolia zu erwähnen. — (Gerhard.) Der Koiſchwitzer See. Sein Gebiet iſt von dem des Vorigen durch einen unbedeutenden Höhenzug geſchieden. Am dankbarſten iſt das ſüdliche Ufer mit Limnochloe pauciflora, Cyperus flavus et fuscus, Carex panicea, elongata, disticha, Trifolium fragiferum, Ophioglossum, Aspidium eristatum, spinu- losum. Im See ſelbſt wächſt der im Gebiet nur hier vorkommende Potamogeton perfoliatus. In der Nähe der Ufer überzieht den See Nymphaea alba und Nuphar luteum. — (Gerhard.) 120 Der Jeſchkendorfer See iſt wenig ergiebig. An feinen Ufern wächſt häufig Cicuta virosa. Der Jürtſcher See, reich an Schwimmbruch, iſt bedeckt mit Nymphaea und Nuphar, Potamo- geton natans; hier allein iſt Salvinia natans, und zwar häufig, zu finden. An den Ufern wächſt: Carex Pseudo- Cyperus, paludosa, strieta etc. etc., Cicuta virosa, Ranunculus Lingua, Stellaria glauca, Menyanthes trifoliata, Geranium sanguineum, Scabiosa suaveolens, Pulmonaria angustifolia, Melam- pyrum cristatum etc. Der Leſchwitzer See iſt mit Carex stricta erfüllt. In feiner Nähe: Viola palustris, persici- folia, Montia, minor etc. 8 c. Teiche. Sie enthalten häufig: Carex stricta etc., Polygonum amphibium, Sagittaria, Taraxacum pa- lustre etc. d. Lachen. In ihnen findet man: Potamogeton natans, rufescens, lucens, crispus, compressus, obtusifo- lius, pectinatus; Stratiotes aloides, Zanichellia palustris (Hummel), Hydrocharis, Hottonia, Nuphar luteum, Sparganium simplex, ramosum, Utricularia vulgaris, alle Arten von Lemna, Myriophyllum spicatum et verticillatum, Ceratophyllum demersum, Batrachium aquatile et divaricatum, Oenanthe fistulosa (Steinau), Callitriche; — und an den Rändern: Heleocharis vulgaris, uniglumis, acicularis, Peplis Portula, Isoetes, Armoracia amphibia, Euphorbia palustris, Bidens tripartita, cernua, Gna- phalium uliginosum, Teucrium Scordium (Bienowitz), Alisma Plantago, Butomus, Scirpus radicans, Typha latifolia et angustifolia, Carex vesicaria, riparia, paludosa etc., Alopecurus fulvus et ge- niculatus, Glyceria spectabilis, Equisetum limosum, palustre etc. d. Erlichte, Brüche, Sümpfe, Moore. Sie hegen: Calla palustris (Langenwaldau), Lathraea squamaria (Leubus), Impatiens Noli tan- gere, Cardamine amara, Viola Riviniana, Stellaria uliginosa, Chrysosplenium alternifolium, Thysse- linum palustre, Geum rivale, Eupatorium cannabinum, Mentha Pulegium, Lamium maculatum, Or- chis maculata, Asplenium spinulosum, cristatum, Thelypteris etc. Am merkwürdigſten iſt: Die Tſchocke bei Kunitz, Dieſer RR bildet die Weſtgrenze von Kunitz, und heißt in feinem, dem Dorfe zunächſt liegenden Theile die Vordertſchocke. Ein ganz mit Torferde erfüllter Graben führt von hier in die Hintertſchocke, fließt aber zum Kretſchambruch und durch dieſen zur Weidelache ab. Auf allen Seiten von Feldern wie mit einem Damme umgeben, hat die Tſchocke eine faſt ganz iſolirte Lage, und iſt dem Einfluſſe der Winde wenig ausgeſetzt, daher ſich in ihr die Vegetation in einer ſeltenen Fülle zeigt. Die Torfwieſengewächſe bilden die überwiegende Anzahl der hier vorkommenden Species, und die vielen mit Waſſer angefüllten, durch ſchmale, ſchwankende Dämmchen getrennten Torfſtiche zeigen faſt alle gewöhnlichen und mehrere der ſeltenſten Torf— waſſerpflanzen auf einem verhältnißmäßig kleinen Raume zuſammengedrängt. Als Beleg hierfür folgt nunmehr eine Ueberſicht der 1847 und 1848 beobachteten Arten: Ranunculus Flammula, Lingua, auri- comus, acris, polyanthemos, repens, Sardous, sceleratus; Batrachium aquatile, Ficaria ranunc., Anemone nemor., Thalictrum ang., Caltha pal., Polygala vulg. et comosa, Cardamine prat., Draba verna, Sisymbrium Thalian., Alliaria off., Erysimum cheir., Neslia pan., Sinapis arv., Viola canina, tricolor, Drosera rot., Parnassia pal., Hypericum perf., Malva Alcea, Oxalis stricta, Linum eath., Geranium pusillum, Robert., Dianthus Armeria, carthus., deltoid., Silene infl., Cucubalus bacc., Lychnis flos Cue., vespert., Arenaria trinerv., serpyll., Stellaria med., glauca, gram., Cerastium vulg., arvense, Sagina proc., nodosa; Chenopodium alb., Bon. Henr.; Sedum acre, sexang., Saxi- 121 fraga gran., Hydrocotyle vulg., Cicuta vir., Aegopodium Podagr., Carum Carvi, Pimpinella Sax., Sium lat., Oenanthe Phell., Silaus, Selinum, Angelica, Thysselinum, Heracleum, Daucus, Torilis, Chaerophyllum temulum. Myriophyllum spic., vertie., Callistriche, Lythrum Salic., Epilobium parv., palustre; Potentilla Ans., rept., Comarum, Geum riv., Agrimonia, Sanguis orba, Spiraea Ulm., filip., Ononis hirc., Medicago sativa, lupul., Melilotus vulg.; Trifolium prat., arv., hybr., procumb., filif.; Lotus major, Vicia Cracca, sep., sat., Lathyrus prat., Rhamnus Frang., Euphorbia Cypar., Galium ulig., bor., verum, Moll., pal., Valeriana dioica, offic., Dipsacus sylv., Knautia, Suceisa, Lap. sana, Oporina, Leontodon hast., Picris, Hypochoeris radic., Taraxacum offic. & et f, Sonchus oler., asp., Crepis bien., vir., tect., Hieracium Pil., Auric., coll, umb.; Eupatorium, Bellis, Erigeron can., acr., Bidens trip., auch y; Inula brit., Gnaphalium ulig., luteo- alb.; Tanacetum, Achillea Millef., Ptarm., Anthemis Cotula, Matricaria, Chrysanthemum Leuc., Senecio vulg., Cirsium pal., Centaurea Jac., Campanula rot., pat., Vaccinium Oxycoccos, Pyrola rotund., Menyanthes trif., Cuscuta Epithym., Echium, Lithospermum arvens., Myosotis pal., interm., versic., stricta, Symphytum off., Solanum Dulc., Veronica Cham., serp., heder., Pedicularis sylv., Melampyrum nem., Alectorolophus min., Odontiles vern., Euphrasia off., Linaria vulg., Scrophularia nod., Mentha aquatica cap. hirs. et vert. hirs., arvensis legitima; Lycopus, Thymus Serp., Clinopodium, Gle- choma, Lamium ampl., purp., Galeopsis Tetr., Betonica, Leonurus, Scutellaria gal., Prunella vulg., Ajuga rept., Utrieularia minor, vulg.; Lysimachia thyrs., vulg., Hottonia, Armeria, Plantago med., lanc., Rumex marit., prat., Hydrol., crisp., Acetosa. Polygonum Bistorta, amph., lap., Pers., avic., Alnus glut., Salix purp., ein., aur., repens 650; Lemna tris., pol., min., Potamoge- ton rufescens, nat., compressus q 5, obtus.; Hydrocharis, Alisma Plant., Sagittaria, Triglochin pal., Typha lat., ang., Sparganium natans, ram., simp., Acorus, Listera ovata, Orchis lat., Morio; Iris Ps.-Ac., Juncus off., congl., sylv., art., sup., bulb., buf., Luzula camp., Cyperus flavescens, Scirpus lac., sylv., Heleocharis pal., unig., Limnochloe paueiflora, Rhynchospora alba, Eriophorum gracile, lat., ang, Carex disticha, vulp., mur., panichl., briz. 6, lep., stell., elong., strict., vulg., acut., tom., praec., panicea, flav., Pseudo-Cyperus amp., ves., rip.“ hirt., filiformis und evoluta? Alopecurus prat., Phleum prat., Agrostis vulg., stolon., can., Calamagrostis lanceolata, Epig., Holcus lan., Aira caesp., Avena pub., Koeleria crist., Trio- don, Phragmites, Molinia, Glyceria spect., fluit., Briza, Poa an., triv., prat., Dactylis; Festuca dur., rubr., prat.; Bromus moll., Cynosurus, Lolium per., Anthoxanthum; — Equisetum pal., lim., Aspi- dium Thelypt., Ophioglossum; — einige Charae. — (Gerhard.) Der Krummteich bei Kunitz weiſet unter Anderm auf: Viola persicif. «ß, Batrachium divar., Primula off., Teucrium Scordium. 7) Die Umgebung von Panthen. (Mannigfaltige Verhältniſſe des Bodens.) Drei Viertelſtunden nordweſtlich von Kunitz liegt jenfeit der Weidelache und Katzbach an der Südabda⸗ chung der bis hierher ſich fortſetzenden Leſchwitzer Hügel das Dorf Panthen, deſſen Umgebungen für den Botaniker ſehr ergiebig find. Fette Katzbachwieſen, quellige Gebüſche, Sumpferlichte, trockene, lichte Gebüſche, ſandige Kieferwälder und fruchtbare Waldwieſen erzeugen eine Mannigfaltigkeit der vegetabiliſchen Produkte, wie fie wohl auf gleich großem Raume nicht häufig zu finden iſt. Die Ufer der Katzbach ziert Salix hippophai- folia; in und am alten Bache wachſen faſt alle Formen von Mentha aquatica, und arvensis, Callitriche verna und beſonders häufig stagnalis, Atriplex nitens und Hieracium Nestleri. 16 122 Zu den quelligen Gebüſchen gehört der im Weſten das Dorf berührende Mittelbuſch, mit Serophu- laria aquatica et nodosa, Stellaria uliginosa, nemorum, Cirsium oleraceo- palustre, Cardamine amara, Carex remota, sylvatica. — Ein Sumpf, das verlorene Waſſer, hegt: Aspidium cristatum, Thelypt., spinul., Fil. fem., ſo wie Betula pubescens. Unmittelbar darüber erhebt ſich ein trockener vo gel mit Vicia cass., Melampyrum crist., Thesium Linophyllum. An der nördlichen Abdachung dieſes Hügels breitet ſich eine, an Yflanzeneichtgun alle bisher genannten Orte übertreffende Waldwieſe, | die Peiſtwieſe, aus, deren oberer und weſtlicher Saum von den zum Theil trockenen, zum Theil feuchten Peiſtgebüſchen umgeben iſt. Dieſe und die eben genannte Wieſe ſind ein Sammelplatz der Pflanzen der höheren Ebene und zum Theil des Vorgebirges, und ſchon darum für unſere Specialform wichtig, als hier die Familie der Orchi⸗ deen am zahlreichſten vertreten if. — 1848 wurden beobachtet: Ranunculus Flamm., Ling., auric., acr., polyanth., rep., Sard., Ficaria, Anemone nem. et ranunc., Hepatica, Thalictrum aquilegifo- lium, min., sylvaticum, angust., Caltha, Trollius, Polygala vulg., com., Thlapsi arv., Capsella, Raphanus Raph., Draba, Arabis hirs., Cardamine prat., amar., Helianthemum vulg., Viola hirta, an., Riv., sylv., tric., Drosera rot., Parnassia, Impatiens, Hypericum tetr., hum., perf., quadr., Malva Alcea, Oxalis Acet., Linum cath., Geranium pal., pus., diss., Rob., Erodium, Dianthus Arm., Carth., delt., Silene nut., infl., Cucubalus, Viscaria, Lychnis fl. C., vesp., Arenaria trin., serp., Stellaria med., Holost., gram., Malachium, Cerastium vulg., semid., arv., Holosteum umb., Sagina proc., nod., Scleranthus per., Sedum Tel., acr., sex., refl., Saxifraga gran., Hydrocotyle, Sanicula, Astrantia, Cicuta, Aegopodium, Carum, Pimpinella sax., magn., Berula, Sium, Oenanthe Phell., Se- seli ann., Cnidium, Silaus, Selinum, Angelica, Peucedanum Cerv., Oreos., Thysselinum, Heracleum Sphond., Laserpitium prat., Daucus, Torilis, Anthriscus sylv., Chaerophyllum arom., Hedera, Cor- nus sang., Lythrum Sal.; Epilobium pal., Oenothera, Crataegus ox., Pyrus comm., Sorbus Aucup., Rubus saxatilis, Fragaria vesc., coll., Potentilla nem., Torm., arg., opac., Comarum, Geum urb., riv., Agrimonia, Alchemilla vulg., Sanguisorba, Spiraea Ulm., filip., Prunus Pad., spin., Ge- nista tinet., germ., Ononis hirc., Anthyllis, Medicago falc., lup., Melilotus vulg., Trifolium prat., alp., mont., rep., hybr., proc., filif., Lotus corn., maj., Coronilla, Vicia Cracca, sep., sat., lathyr., Lathyrus prat., sylv., vern., Rhamnus cath., Frang., Euphorbia Cyp., exig., Mercurialis peren- nis, Eunonymus eur., Viburnum Op., Galium vernum, Apar., ulig., pal., bor., verum, Moll., Valeriana dioica, off., Valerianella olit., Knautia, Succisa, Scabiosa columb. g, Oporina, Leontodon, Picris, Scorzonera hum., Hypochoeris rad., Taraxacum, Crepis bien., Hieracium Pil., Aur., praealt. coll., mur., sylv. «ßy, bor., umb., Eupatorium, Bellis, Erigeron canad., acre, Solidago, Inula salic.,’ brit., Gnaphalium sylv., lut.-alb., Antennaria, Elychrysum, Tanacetum, Achillea Ptarm., Mill., Chry- santhemum Leuc., Arnica montana, Cirsium ol., pal., oleraceo -palustre, arvense, Carlina vulg., Serratula, Centaurea Jac., Phyteuma spic., Jasione, Campanula rot., pat., pers., Trach., glom., Vaccinium Myrt., Vit. id., Calluna, Pyrola minor, rot., sec., Erythraea Cent., pulch., Convol- volus rep., Cuscuta Epith., Pulmonaria off., Myosotis pal., sparsifl., Symphytum off., Solanum Dule., Veronica scut., Anag., Becc., Cham., off., spic., Pedicularis sylv., Melampyrum nem. prat., Alectorolophus min., Euphrasia off., Scrophularia nod., Mentha Pul., Lycopus, Thymus Serp., an- gust., Melittis Mel., Lamium mac., Galeobdolon, Stachys sylv., pal., Betonica, Scutellaria gal., Prunella vulg., Ajuga rept., gen., Lysimachia vulg., Numm., Primula elatior, off., Armeria, Plantago med., lanc., Rumex congl., obt., crisp., Hydrol., Acet., Acetosella, Polygonum Bi- 123 storta, lap., Pers., Hydrop., min., avic., Conv., dum., Thesium Linoph., Asarum, Humulus, Be- tula alb., Alnus glut., Pinus sylv., Juniperus comm., Alisma Pl., Triglochin pal, Sturmia Loe- selii, Orchis ust., cor., Mor., mac., lat., ang, Gymnadenia con., Platanthera bif., Neot- tia, Listera ovat., Epipactis pal., Gladiolus imbr., Iris Ps.-Ac., sib., Leucoion, Polygonatum anceps, mult., Convallaria, Smilacina, Paris, Lilium Martagon, Antheri cum ram., Gagea lut., Allium ol., Juncus sylv., art., Luzula pit., camp., mult., Scirpus sylv., Heleocharis pal., Rhyn- chospora alb., Eriphorum lat., ang., Carex pulicaris panicul., Buxb., pilulif., toment., montana, praec., dig., panicea, flav., hirt., Alopecurus prat., genic., ful., Pheum, prat., Boehm., Calama- grostis sylvat., Epig., Holcus lan., moll., Avena caryoph., Triodon, Melica nut., Molinia, Gly- ceria aqu., Briza med., Poa prat., nem., Dactylis, Festuca gig., arund., Bromus inerm., Brachy- podium pinn., sylv., Agropyrum rep., Nardus, Baldingera, Anthoxanthum. — Equisetum hye- male, pal., Pteris aq., Aspidium spin., Thel., Fil. fem. Ophioglossum, Lycopodium clavatum. Der übrige Theil des Höhenzuges enthält unter Anderem Dianthus prolif., Silene chlorantha, Poterium, Astragalus aren., Ornithopus perp., Ledum palustre, Avena flexuosa. Das Dorf Panthen enthält: Amaranthus retrof., Potentilla sup., Portulaca oler. In den Laubgebüſchen ſüdweſtlich von Panthen, durch welche der Weg nach Altbeckern führt: Hype— ricum mont., Orobus niger und häufig Festuca heterophylla. „Vorſtehender ſorgfältiger Bericht iſt von Gerhard verfaßt.“ 16 * 124 $ 6. Vergleichung der Flora von Parchwitz mit der Flora von Schlefien. S S $ S S & 8 ®$| 2 5 $ — 282 m 2 . 2 ZN Familien. 8 S 5 || Familien. 8 5 8 || Familien. 8 S 3 || Familien. | S = 8 8 8 8 88 5. S8 & Halorrh. 5 3 || Apocyn. 1 0 || Butom. 1 1 1 Lythrar. 3 3 || Gentian, 14 5 || Juncag. 3 1 Ranunc. 48 | 30 || Onagr. 15 8 || Convolv. 6 6 || Thyph. 5 5 Resed. 2 0 || Tamarisc. 1 0 || Borag. 24 | 18 || Aroid. 3 2 Polygal. 4 2 || Pomac. 7 4 || Solan. 5 2 Orchid. 35 15 Fumar. 6 3 || Rosae. 5 4. || Serophul. 66 | 41 || Irid. 8 4 Papav. 4 4 || Dryad. 37 | 27 || Labiat. 49 | 37 || Amaryll. 3 3 Crucif. 50 | 29 || Sanguisorb. 5 4 || Verben. 1 1 || Smilac. 8 6 Cistin. 1 1 || Spiraeae. 4 2 || Lentib. 4 2 || Liliac. 21 | 14 Violar. 16 | 10 || Amygdal. 3 2 || Primul, 15 9 || Colch. 3 1 Droser. 4 2 || Papilion. 67 | 44 || Plumbag. 1 | 1 || June. 22 | 14 Acer. 3 3 || Rhamn. 2 2 || Plantag. 6 4 || Cyperae. 178 } 52 Balsamin. 1 1 || Empetr. 1 0 Gramin. 71 Elatin. 3 0 || Euphorb. 14 9 V. Hyperic. 6 6 || Celastr. 2 1 || Polygon. 20117 | | Tiliac. 2 2 || Staphyl. 1 0 || Thymel. 2 1 || Summa 1304859 Malvac. 5 4 || Loranth. 1 1 || Santal. 3 1 Oxal. 2 2 || Grossular. 4 2 || Aristoloch. 1 1 [Hierzu ange: Lin. 2 2 Cannab. 1 1 baute: 105 Geran. 13.11 III. Urtic. 3 2 Silen, 23 | 17 || Cucurb. 1 1 || Ulm. 2 2 Und: Alsin. 25 | 17 || Viburn. 4 2 || Cupulif. 5 5 Caprifol. 4 1 || Betul. 5 4 || Callitriche a II. Rubiac. 18 | 10 || Saliein. 28 | 14 stagnal. 1 Paronch. 8 5 || Valerian. 7 6 || Conif. 9 5 Portulac. 2 1 || Dipsac. 8 5 || Nymph, 3 2 | Sceleranth. 2 2 || Composit. 141 | 91 || Ceratoph. 2 1 965 Amarant. 2 2 || Ambros. 1 1 VI Ferner: Chenop. 16 | 13 || Campan. 16 | 10 i Crassul. 12 5 || Ericin. 17 | 11 || Lemn. 4 4 || Cryptogamae 18 Saxifr. 11 3 Najad. 1 0 aa Lee Umbell. 51 | 35 IV. Potamog. 11 9 Adox. 1 1 || Olein. 1 1 || Hydroch. 2 2 Totalſumme he 983 Araliac. 2 2 || Asclepiad. 1 1 || Alism, 2 2 | | Die Flora von Parchwitz enthält folgende im Gebiet von Breslau nicht angegebene Arten: Cardamine impatiens. Silene chlorantha. Clematitis. Illecebrum verticillatum. Scandix Pecten Veneris. Potentilla verna. Poterium Sanguisorba. Cytisus nigricans. Ononis Spinosa. Scabiosa suaveolens. Chrysanthemum corymbosum. Carlina acaulis. Echinospermum Lappula. Orobanche coerulea. Primula elatior. Sturmia Loeselii. Gladiolus communis. Leucojum vernum, Eriphorum gracile. Carex filiformis. Avena flexuosa. Festuca heterophylla. Geranium sylvaticum, Batrachium fluitans. Stellaria Friesiana. Aristolochia 125 2. Neuigkeiten der ſchleſiſchen Flora vom Jahre 1848. Vorgetragen in der ſchleſiſchen Geſellſchaft am 2. No vember 1848, 1. Potentilla Fragariastrum. Dieſe Art ſcheint überhaupt nur zerſtreut vorzukommen, häufiger wohl im weſtlichen Deutſchland. Sie wurde in dieſem Jahre im Monat Mai von Herrn Wundarzt Felder im Oelſer Kreis in der Richtung nach Militſch in einem feuchten Birkengehölz zwiſchen den Dörfern Lückerwitz und Schlottau zum erſten Male in Schleſien gefunden. 2. Carex tricostata Fries. Gehört unter die von Fries neuerlich aus der Gruppe der C. caespitosa unterſchiedenen Arten, und zeichnet ſich ſchon im Aeußern von den anderen, namentlich den Formen der C. vulgaris, hinreichend aus. Sie hat eine ſchlaffere Haltung, entfernte Aehrchen, die ziemlich aufrecht ſtehen und feſtſitzend find, die un⸗ terſte Bractee viel länger als die Aehre; der Aehrchen weibliche 2 bis 3, männliche 1 bis 2; die Früchte haben 3 deutliche riefige Nerven. An unſeren Exemplaren ſind die männlichen Aehrchen öfter an der Spitze weiblich; die Farbe iſt mehr grün, dagegen an dem Exemplare von Fries etwas feegrün. Herr Muſikdirek⸗ tor Siegert fand dieſe Art auf einer feuchten Wieſe bei Neu⸗Scheitnig; in meiner Sammlung fand ich ein vor zwei Jahren bei Roſenthal geſammeltes Exemplar derſelben Art, welche hiermit ein neuer Zuwachs der ſchleſiſchen Flora iſt. 3. Anemone nemorosa- ranunculoides. Dieſen bisher unbekannten Baſtard fand Herr Kantor Poſtel zu Parchwitz in der Nähe der Stadt in einem Gebüſch (Faſanengarten) truppweiſe zwiſchen den beiden Stammarten. Die Blüthen waren ſchwefelgelb. 4. Epilobium hirsutum - parviflorum ? So ſcheint ein von dem verſtorbenen Dr. Beilſchmied um Kadlewe bei Herrnſtadt gefundenes, als Epilobium grandiflorum floribus minoribus bezeichnetes Epilobium bezeichnet werden zu müſſen. Der Habitus iſt der des E. hirsutum, ebenſo die Farbe der Korolle, welche um die Hälfte kleiner, aber doch noch größer iſt, als an E. parviflorum. 5. Epilobium nutans Schmidt. Dieſe Form findet ſich an den quelligen Stellen der Gebirge, namentlich auch des Rieſengebirges, geſell— ſchaftlich mit E. alpinum und E. origanifolium, und iſt vorzüglich Veranlaſſung geweſen, daß wir das E. alpinum für eine Form des E. palustre anſahen, ein Irrthum, den wir ſchon ſeit längerer Zeit als ſolchen erkannt und verbeſſert haben. Wir hielten nämlich das vorliegende für eine Gebirgsform des E. palustre. Doch hat uns längere Beobachtung gezeigt, daß man auch dieſe Form für eine beſondere, dem Gebirge eigen⸗ thümliche Art anerkennen muß. Sie unterſcheidet ſich von E. palustre, mit dem ſie allein verglichen werden kann, durch oben nickenden Stängel, der ſtets einfach und höchſtens ½ Fuß hoch iſt; die Blätter find lan⸗ zettlich (nicht lineal⸗ lanzettlich, wie bei E. palustre), faſt ganzrandig, oder mit entfernten, ſehr ſeichten Zah: nen, wie bei E. palustre, etwas ſaftig; die Blumenblätter ſatt purpurroth, ein wenig größer, als an E. pa- lustre. — Breitblättrige Formen dieſer Art kommen mit ſchmalblättrigen des E. origanifolium ſehr überein. — Uebrigens ſcheint dieſe Art nicht das E. nutans Schmidt Fl. Boen. zu fein, nach deſſen Beſchreibung dieſer Name vielmehr einer Varietät des E. alpinum oder E. origanifolium anzugehören ſcheint. — Wäre dieſe Art noch durchaus unbefchrieben, fo würde ich fie E. scaturiginum nennen. 6. Epilobium origanifolium, microphyllum. Elbwieſe im Rieſengebirge. 126 7. Epilobium virgatum Fries. — Von dieſer Art habe ich drei neue Standorte anzufü ühren; Alben⸗ dorf bei Adersbach, von mir, Hohwalder Berg bei Schmiedeberg, vom Apotheker Janſen, und Galgenberg bei Strehlen, vom Apotheker Zölffel gefunden. — Die früher bekannten Standorte find: Zobtenberg, So⸗ phienau bei Tannhauſen, Schmiedeberg, Karlsbrunn. — Uebrigens iſt es mir nicht unwahrſcheinlich, daß das E. obscurum Schreber dieſe Art bezeichnet, doch mag es beſſer ſein, den Fries'ſchen Namen beizubehalten. 8. Allium Victorialis. — Schneegruben im Rieſengrunde; neuer Fundort. 9. Utricularia minor. — In einem Teichgraben zwiſchen Warmbrunn und Giersdorf vom Paſtor Standfuß in Schreibershau gefunden. — Vierter Standort. 10. Lathyrus macrorrhizus. — Leichnamsberg bei Strehlen vom Apotheker Zölffel gefunden. il. Hieracium rupestre All. — Apotheker Janſen hat dieſe Art an drei neuen Stellen im Rieſen⸗ gebirge gefunden: in der Melzergrube, am Kiesberge und am kleinen Teiche. Die Exemplare vom letzten Standorte zeichnen ſich durch verlängerte und ſchmälere Blätter aus. an 12. Campanula latifolia. — Um Ober⸗ Schmiedeberg vom Apotheker Janſen mitgetheilt. 13. Corylus Avellana. — Lehrer Un verricht theilte vor drei Jahren Exemplare von zwei Formen aus den Wäldern um Myslowitz mit. Die eine hat rundliche Früchte mit etwa 7 bis 4, der Frucht errei⸗ chenden Becherhülle; die andere längliche Nüſſe, die faſt ganz von der Becherhülle umſchloſſen ſind. Ob dieß Arten oder Varietäten ſind, wäre nur durch Beobachtung der ganzen lebenden Pflanze zu entſcheiden. Nach den Autoren ſollen die Früchte der Corylus-Arten veränderlich ſein; doch fragt es ſich, ob man genau beobachtet hat. g 14. Cirsium rivulare-oleraceum. — Zwei Exemplare von Dr. Paſſow bei Gränzendorf an der ho: hen Menſe geſammelt. Das eine ſteht dem C. oleraceum ſehr nahe. 15. Carex cyperoides. — Huſſinetz bei Strehlen, vom Apotheker Zölffel mitgetheilt. 16. Eriophorum gracile. — Am Kunitzer See vom Lehrer Gerhard in Kunitz gefunden. 17. Montia minor. — Um Herrnſtadt von Beilſchmied geſammelt. 18. Triglochin maritimum. — Um Tſchirnau bei Guhrau von Beilſchmied geſammelt, wo es zuerſt in Schleſien von Starke gefunden war. 19. Salix aurita, amentis coactaneis. — Von vielen Weiden werden einzelne Sträucher 1 an welchen die Kätzchen mit den Blättern zugleich ſich entwickeln. Dergleichen Kätzchen erſcheinen dann immer länger geſtielt. d 20. Omphalodes scorpioides. — Am langen Berge bei Donnerau von Schummel gefammelt. 21. Potentilla verna L. — Um Parchwitz bei Poſtel an mehreren Stellen geſammelt, während daſelbſt nach deſſen Angabe P. cinerea gar nicht oder nur höchſt ſelten angetroffen wird. 22. Salix pentandra, männlich, amentis brevibus ovali-oblongis. — Eine feltenere Abänderung in Brüchen bei Klein-Tſchanſch. N 23. S. Caprea-viminalis. Dieſe Form ſtellt das vollſtändige Mittel beider Arten in Blättern und Blüthen dar und unterſcheidet ſich von den anderen Formen der S. acuminata, welche ebenfalls hierher ge⸗ hört, durch die lockere Bekleidung der unteren Blattfläche, welche bei jener ſchlichter und angedrückt-ſeiden⸗ artig iſt, und nur an den Endblättern der ſtarken Sommertriebe in einen dichten, matten, aber weißen Filz übergeht. 24. Salix .. . männlich. Wahrſcheinlich iſt vorliegender Blüthenzweig, welchen mir Paſtor Kotſchy aus Uſtron ſandte, das Männchen der S. aurita- incana. 25. Gentiana german., calycis laciniis inaequalibus. Vom Apotheker Zölffel bei Kupferberg geſammelt. — Man könnte dieſe Form für einen Baſtard von G. germanica und G. campestris halten; da jedoch die Kelchzähne an G. germanica auch etwas ungleich ſind, ſo ließe ſich wohl annehmen, daß dieſe Ungleichheit 127 auch etwas weiter gehen könne, und es ſcheint oe ſicherer, vorläufig jene Form noch für eine Varietät gelten zu laſſen. 26. Salix einerea-viminalis. Um Groß⸗Maſſelwitz bei Breslau. — Diefe Form kündigt ſich als eine ſehr deutliche Mittelbildung an; ſie weicht von den früheren, von uns beobachteten bei Karlowitz und Kanth ab und ſcheint die andere Kreuzung dieſer beiden Arten zu ſein. 27. S. aurita- purpurea. a) Foliis obverse-lanceolatis demum glabris. Roſenthal bei Breslau. — Dieſe Form hat ganz kahle Blätter und ſteht der 8. purpurea ſehr nahe. b) Mascula. Hiervon hat Apotheker Krauſe bei Klein-Tſchanſch zwei männliche Sträucher entdeckt. * 28. S. silesiaca- purpurea. a) Germinibus cano-subsericeis, stylo brevissimo, foliis oblongo-lanceolatis. Marienthal im Rieſengebirge unter der Brettmühle. b) Germinibus pubescentibus viridulis, stylo mediocri, foliis oblongis. Marienthal bei der Brettmühle. c) Germinibus sericeis canis vel albicantibus, stylo mediocri, foliis lato-lanceolatis subtus puberulis. Vitriolwerk bei Schreibershau. d) Germinibus glabris viridibus, stylo brevi, foliis lato-lanceolatis. An der Brücke bei der Brettmühle bei Marienthal. 29. S. aurita-silesiaca. a) lulis parvis laxiusculis, germinibus E vel glabrescentibus, stylo brevi, foliis ob- ovatis brevi cuneatis subtus pubescentibus. Bei den Kochelhäuſern. b) Iulis longis laxis, germinibus tomentoso- canis, stylo brevissimo, stigmatibus divergenti- bus, foliis ovali-oblongis subtus pubescentibus. Marienthal bei der Glasſchleife. c) Iulis cylindricis basi laxis, germinibus glabris viridibus, stylo brevi, stigmatibus discre- tis, foliis obverse-lanceolatis. Unter der alten ſchleſiſchen Baude. Mittheilungen über die ſchleſiſchen Arten der Sippe Cirsium, Vorgetragen in der ſchleſiſchen Geſellſchaft am 2. November 1848 Die Flora von Schleſien führt gegenwärtig zehn echte Arten der Gattung Cirsium auf, von denen ſieben Arten der Ebene und dem Vorgebirge, eine dem oberſchleſiſchen Gebiete, eine dem Teſchenſchen und eine dem Vor- und Hochgebirge ausſchließlich angehören. Die meiſten Arten lieben einen feuchten, fetten, ſchwarzen und moorigen Wieſenboden, und erſcheinen entweder artenweiſe iſolirt, oder mehrere Arten geſellſchaftlich vereint, daher man in letzterem Falle nur ſelten hybride Formen unter ihnen vermiſſen wird, dagegen in erſterem ver— geblich darnach ſucht, ein Grund, weshalb man dieſe Formen nicht als Varietäten betrachten darf. Auf Wieſen der Ebene erſcheinen am häufigſten C. oleraceum, canum und palustre in Geſellſchaft, zu denen ſich auch bisweilen rivulare und ſeltener noch acaule geſellt. Cirsium lanceolatum und arvense wachſen meiſt auf unbebautem Boden, als: an Wegen, auf Hu⸗ tungen und auf Brachen, arvense oft als ein läſtiges Unkraut unter der Saat. Zu den auf Wieſen wachſenden Arten geſellt ſich im Vorgebirge noch C. heterophyllum, welches mit rivulare bis ins Hochgebirge aufſteigt, auch oleraceum ſteigt bisweilen bis an die Hochgebirgsgrenze. 128 Cirsium pannonicum Gaud., nur um Dirſchel bei Leobſchütz, gehört auch der Vorgebirgsflora an, eben ſo C. eriophorum an der Jablunkaer Schanze bei Teſchen; beide Arten habe ich an Ort und Stelle noch nicht beobachtet. Von hybriden Arten können wir 12 anführen, von denen bereits 7 in Koch's Synopsis An⸗ hang, zwei anderweitig und drei noch unbeſchrieben ſind. Als neuer Zuwachs für die ſchleſiſche Flora lege ich nachſtehend ſechs Formen vor: *) 1) Cirsium lanceolato-palustre Naegeli. Nägeli giebt nur einen Fundort bei Zürch an. Herr Direktor Wimmer beſitzt ein Exemplar aus der Gegend von Ohlau. 2) Cirsium palustri-rivulare Naegeli. Cirsium subalpinum Gaudin. Vorliegendes Exemplar iſt mit Nägeli's Beſchreibung ſo übereinſtimmend, als hätte er daſſelbe zur Beſchreibung benutzt. Man erkennt ingden Blättern ganz unzweifelhaft das palustre, dagegen in den Blüthenköpfen das rivulare heraus, nur halten fie zwiſchen beiden Eltern an Größe die Mitte. Vom Herrn Apotheker Lohmeier bei Neiſſe aufge funden und mir mitgetheilt. Nach Nägeli nur im Sihlthal. 3) C. palustri-oleraceum Naegeli. C. hybridum Koch. Zuerſt von Wimmer bei Lehmwaſſer bei Charlottenbrunn, nächſtdem auch im Schleſierthale, bei Neiſſe und Fürſtenſtein aber immer in vereinzelten Exemplaren aufgefunden. a 4) C. cano-oleraceum Rchb. C. tataricum W. et Grab. Fl. sil. Dieſer Baſtard gehört zu den bei uns am verbreitetſten und häufigſt vorkommenden. In den verſchiedenſten Abſtufungen ſich bald der einen, bald der andern Art nähernd, ſelbſt die Variation der echten Arten repräſentirend, findet man ihn um Höfchen, außerdem bei Hundsfeld, Koberwitz, Schmolz, Jordansmühle, Oppeln, Leobſchütz, Dirſchel und Cudowa. Fer⸗ ner in Böhmen, Mähren und Sachſen. 5) C. rivulari-heterophyllum Naegeli. C. pauciflorum Koch. Von dieſem Baſtarde habe ich ein einziges Exemplar im Jahre 1847 unter dem Peterſtein im Geſenke entdeckt, aber leider vernachläßigt, es aufzulegen. — Nach Angelis am Rottenmannertauern und nach Hoſt am Bürgerſee. 6) C. rivulari-oleraceum Decand. C. praemorsum Michl. C. semipectinatum Rchb. Von Grabowsky in Karlsbrunn im Geſenke zuerſt aufgefunden, ſpäter von mir bei Frankenſtein und Neiſſe und Siegert bei Landshut. Ob das von Kabath bei Gleiwitz gefundene Exemplar hierher gehört, erſcheint mir nach der Beſchreibung etwas zweifelhaft. — Schweiz, Oberbaiern und Oberſchwaben. 7) C. oleraceo-heterophyllum Naegeli. C. affine Tausch. C. semipectinatum Schleicher. Dieſer ausgezeichnete Baſtard iſt von uns zuerſt am Hochwalder Berge in 2 Exemplaren, und von Siegert in der Landeshuter Gegend zahlreicher beobachtet worden. — In der Schweiz, im Rheinwalde, Böhmen und im ſächſiſchen Gebirge nach Reichb. 8) C. cano-palustre, Wimmer's Fl. Nachtr. pag. 470. Von Wichura auf Wieſen bei Liſſa ent⸗ deckt. Ein zweiter Standort bei Sadewitz bei Oels. 9) C. oleraceo-lanceolatum. Jahresbericht der ſchleſiſchen Geſellſchaft, 1845, pag. 58. — Vorlie⸗ gendes Exemplar weicht von denen bei Sadewitz geſammelten durch einen ſtärker gefurchten und etwas ſpin⸗ nenwebenartig bekleideten Stengel ab, deſſen obere Aeſte 2 bis 3 Blüthenköpfe tragen. Die Blätter minder tief geſpalten, am Grunde gelappt, etwas herablaufend. Die Blüthenköpfe auffallend kleiner. Vom Cand. med. Schumann aus der Reichenbacher Gegend mitgetheilt. 10) C. lanceolato-arvense. Vorliegender Seitenaſt eines größeren Stockes, durch Herrn Direktor Siegert mitgetheilt, ſcheint mir faft unzweifelhaft benannter Baſtard zu fein. Der rispige Blüthenſtand, fo wie die cylindriſchen Blüthenköpfe, deuten auf C. arvense, jedoch die merkliche Größe derſelben weicht von dieſen ab. Die Theilung der Blätter und die auf der Oberfläche hin und wieder erſcheinenden, wiewohl nur ſehr kleinen Dornen verrathen C. lanceolatum. ) Mit einem bezeichnete find neu. 129 *11) C. cano-rivulare. Der Stengel bis 17% Fuß hoch, oben ſtark ſpinnenwebenhaarig, bis oben beblättert, mit 3 Blüthenköpfen, von denen der untere langgeſtielt iſt. Die untern Blätter buchtig-gezähnt, dornig-gewimpert, die obern ei- lanzettlich dornig-gewimpert, den Stengel halb umfaffend, Die Blüthenköpfe eiförmig, die Kelchblättchen eilanzettlich, mit einem braungefärbten kleinen weichen Dorne endigend. Die Kon: ſiſtenz und Form der Blätter, der gewimperte Rand zeigt unzweifelhaft auf canum einerſeits hin, die breite, ſtengelumfaſſende Baſis derſelben andererſeits auf rivulare. Der gedrängte Blüthenſtand des rivulare iſt hier durch canum aufgelöſt; die Geſtalt der Köpfe und die Färbung der Schuppen gehört dem rivulare an. — Dieſe Form iſt von Herrn Siegert unter den Eltern bei Seifersdorf bei Ohlau aufgefunden worden. 12) C. cano-acaule. Die Wurzelfaſern hin und wieder etwas verdickt. Der Stengel 1 Fuß hoch, einige Zoll über dem Grunde mit einem blüthentragenden Aſte, bis zur Mitte ſparſam beblättert und ſchwach wollig bekleidet. Die Blätter buchtig-fiederſpaltig, etwas grau, die Fiedern meiſt dreiſpaltig, ſtark dornig-ge⸗ wimpert. Der Blüthenkopf eiförmig. Die Kelchblätter eiförmig, in eine kurze Spitze verlaufend, mit braunem Rückennerv. Dieſer evidente Baſtard wurde bei Schmolz von Herrn Siegert in Geſellſchaft der Eltern entdeckt. Dort finden ſich auch caulescirende Formen von acaule vor, die ſich aber ſtets durch ſtärker be— dornte Blätter und ſtets cylindriſche Blüthenköpfe von jenem auszeichnen, auch find fie in der Regel nicht fo hochſtengelig. Beiträge zur ſehleſiſechen Flora. 1) Verbascum nigro-Lychnitis Schiede. Verbascum Schottianum Schrader. Hierzu paſſen nach der Koch'ſchen Beſchreibung, mit geringen Abweichungen, zwei Formen verſchiedener Standorte. Die erſte Form, ein mehrſtengeliger Stock, in dieſem Jahre von mir bei Karlowitz aufgefunden, zeigte entſchieden die Mitte beider Arten. Der lockere traubige Blüthenſtand, deren Blüthenbüſchel bis über die Mitte deſſelben mit langen, ei zlanzettlichen Deckblättern geſtützt find, die pulverig-filzige Bekleidung der Kelche und Blüthenſtiele prägen das V. Lychnitis deutlich aus. Die Blumen aber haben die zitronengelbe Farbe und die violette Wolle der Staubfäden von nigrum angenommen. Der untere Theil der Pflanze ſieht mehr der V. nigrum ähnlich. Die untern Stengelblätter geſtielt, wie bei nigrum, aber in denſelben etwas herablaufend, nicht aber, wie bei Lychnitis, bis an den Grund verſchmälert; auch verliert ſich der Filz bis auf eine ge— ringe Spur. Die zweite Form, in Biſchwitz an der Weide unter den Eltern von mir ebenfalls in dieſem Jahre ent— deckt, ſteht dem nigrum näher, und möchte in Vermuthung ziehen, daß V. orientale M. v. B. dieſe Form iſt. Koch's Diagnoſe und ſeine weitere Beſchreibung paßt durchaus bis auf die kaum den Kelch überragenden Blüthenſtiele; bei vorliegender Form ſind ſie meiſt doppelt ſo lang. Der lockere Blüthenſtand, die noch merk— liche pulverige Bekleidung der Kelche und Blüthenſtiele, ſo wie die ſich in den Blattſtiel merklich verſchmäler— ten Blätter, geben Lychnitis kund; dagegen die langgeſtielten, ſchwach herzförmigen Blätter und die violette Wolle der Staubgefäße prägen hier vollkommen die Abſtammung von V. nigrum aus. — Beide Formen ſind in Oeſterreich beobachtet worden. hr 2) Thesium pratense Ehrh. Dieſen neuen Bürger der ſchleſiſchen Flora fand ich auf dem Hoh— walder Berge zwiſchen Landeshut und Schmiedeberg. Dieſe Art ſteht in ihren Merkmalen dem Th. alpinum viel näher, als dem Th. montanum. Die im Zickzack gebogene Spindel und nicht einſeitswendige, ſondern nach allen Richtungen ergoſſene Rispentraube unterſcheidet ſich von alpinum weſentlich, von montanum aber durch eine ſpindelförmige Wurzel, die einen dichten Raſen von Stengeln treibt, bei montanum dagegen mehr— köpfig und meiſt ſproſſentreibend iſt. Das verblüthe röhrige Perigon iſt, wie bei alpinum, meiſt viel länger als die Nuß, bei montanum dagegen erreicht es kaum den dritten Theil der Länge. . 17 150 i 3) Geranium sibiricum L. Eine dem Geran. divaricatum ſehr ähnliche Art, die fich jedoch leicht durch die einblüthigen Blüthenſtiele, fpige Blattzipfel, nicht runzliche Klappen und fein punktirte Saamen un: terſcheidet; bei divaricatum ſind nämlich die Klappen querrunzlich und die Saamen glatt. Ferner durch rückwärts gerichtete Behaarung und die bleich roſenrothen Blüthen. Dieſe ſeltene Art iſt in Deutſchland zuerft bei Bruchſal im Badenſchen von Dr. Schmidt in Karlsruh entdeckt und neuerdings vom Kand. Schumann bei Reichenbach zahlreich aufgefunden worden. Ob als wirklich einheimiſch zu betrachten, wird vielfach in Zweifel gezogen. 4) Eine intereſſante Metamorphose der Blüthen an Platanthera bifolia wurde vom Herrn Direktor Siegert in einem Exemplare bei Zobten aufgefunden. Die Blätter des innern und äußern Perigons ſind unter ſich faſt konform. Der Sporn fehlt gänzlich, das Labellum iſt verkürzt, die Stellung der Blätter gleiche förmig ausgebreitet, wodurch die Blumenhülle eine regelmäßige Geſtalt erhält. 5) Populus canescens Smith. Fand ich in dieſem Jahre mehrere Bäume bei Maſſelwitz, und über⸗ zeugte mich bei näherer Unterſuchung, daß dieſe Art für eine Baſtardform von Pop. alba und tremula zu betrachten ſei, mithin aus der Reihe der echten Arten zu ſtreichen und mit dem Namen Pop. alba- tremula zu belegen. Die Blätter der ſaftigen Triebe find faſt rundlich- eiförmig, eckig-gezähnt, bisweilen faſt dreilap⸗ pig, unterſeits ſo wie die Aeſtchen grau-filzig. Die Blätter, welche aus den vor- oder mehrjährigen Aeſten entſpringen, ſind eiförmig ausgeſchweift-gezähnt, unterſeits graugrün, gleich den Aeſtchen völlig kahl; auch ſind die Blattſtiele bei dieſen faſt um das Doppelte länger als bei jenen, wodurch auch die Beweglichkeit bei ge— ringem Luftzuge, wie es bei Pop. tremula der Fall iſt, hervorgebracht wird. Die Schuppen der weiblichen Blüthen halten ebenfalls genau die Mitte beider Arten; von alba unterſcheiden ſie ſich durch tiefere Einſchnitte an der Spitze, indem ſie bei alba nur gekerbt ſind, auch der Rand iſt beim Baſtarde ſtärker gewimpert. Bei tremula ſind die Schuppen fingerförmig getheilt und ſtark wollig-gewimpert. Die Narbenbildung konnte ich an getrockneten Exemplaren nicht mehr genau erkennen und bleibt dieſe einer fernern Unterſuchung übrig, jedoch ihre Farbe weiſet die Hybridität entſchieden nach, indem fie bei alba gelblich-grün, bei tremula intenſiv pur: purroth, dagegen beim Baſtarde heller purpurroth erſcheint. Im Allgemeinen ſteht der Baſtard in ſeiner Tracht mehr der alba genähert, und wollte man, wie ſchon geſchehen, ihn für eine Varietät derſelben halten, ſo würden die Farbe der Narben und die etwas dickern, ſtärker bekleideten, der tremula ähnlichen Kätzchen dagegen ſprechen. 6) Luzula albida D. C. In der Ebene um Liſſa. Bisher nur im Vorgebirge beobachtet. 7) Ononis spinosa L. Im Münſterbergiſchen bei Schlaufe. 8) Anagallis arvensis florib. carneis, petalis fimbriatis. Koberwitz. 9) Stachys arvensis L. Auf Aeckern bei Liſſa, ſeit Schummel zum erſtenmal wieder aufgefunden. 10) Avena flexuosa M. et Koch. Um Muckerau bei Liſſa häufig. 11) Asplenium Breynii Roth. A. germanicum Weis. Von den Strehlener und Striegauer Bergen: 151 4, Bericht über die Wirkſamkeit und die gewonnenen Nefultate der Section für allgemeine Erdkunde im Jahre 1848, von P. H. J. v. Doguslawski, zeitigem Sekretär derſelben. Die Section für allgemeine Erdkunde hat im J. 1848 nur zu zwei Sitzungen ſich verſammelt; einmal zu Anfang des Jahres, und ein Mal gegen Ende deſſelben. Dazwiſchen lagen Zeiten, in denen hier am Orte ausſchließlich politiſche Intereſſen vorwalteten. Nur die Beobachter an den verſchiedenen Stationen haben ſich in ihrer Thätigkeit wenig ſtören laſſen, und auch die Correſpondenten der Section haben nicht aufgehört, ſie mit ſchätzbaren Mittheilungen zu beſchenken. Dazu gehörten: I. In Bezug auf Ethnographie und Topographie: 1. Die Schilderung der Bevölkerungen Oberſchleſtens, von Herrn v. Wrochem auf Radſchau bei Gnadenfeld. Wenn auch unzweifelhaft die aus dem Oſten nach Weſten ziehenden Germanen in Schleſien gehauſt, ſo haben jene Stämme dennoch keine bleibenden Sitze innebehalten, und die jetzt vorfindliche deutſche Bevöl— kerung dürfte ihre Niederlaſſung erſt aus viel ſpäterer Zeit datiren. Nimmt man an, daß die erſten Urſtämme unmittelbar den fallenden Gewäſſern des in ſeine jetzigen Ufer zurückweichenden Meeres folgten, ſo wäre aller⸗ dings die Hypotheſe am wahrſcheinlichſten, daß die Bevölkerung aus dem Südoſt, dem Laufe der Gebirgshöhen fol: gend, zuerſt die Sudeten und das Rieſengebirge bewohnte, wo ſie ihren Lebensunterhalt mit Jagd und Fiſcherei am nahen Seegeſtade ſich verſchafften. In dieſem Falle dürften die jetzigen deutſchen Gebirgsbewohner wohl Reſte jener Stämme ſein, und Letztere hätten in ferner Vergangenheit noch von den Gipfeln der Schneekoppe, des Zobten (Slenza), Anna⸗ bergs (Slawenca) u. ſ. w. das ganze flache Land Schleſiens von den Fluthen der Oſtſee bedeckt geſehen. Sofern man ſich aber zu der Meinung neigt, daß die erſte Bevölkerung ſich zuerſt an den Flußufern anſiedelte, ſo geſchah dies offenbar weit ſpäter; denn alsdann mußte bereits alles flache Land trocken und für 17 * 5 132 Jagd und Feldbau zugänglich ſein. Wenn auch in dieſem Falle zweifelhaft iſt, ob Germanen oder Slaven die erſten Anſiedler Oberſchleſiens waren, ſo iſt doch der reine Urſtamm der gegenwärtigen Bevölkerung ſlaviſchen Urſprungs geweſen, wie in der That die geſchichtlichen Traditionen den Stamm der Ligier, der an der Oder und deſſen rechten Seite ſeine Wohnſitze gehabt haben ſoll, als den Hauptſtamm bezeichnen. Ge— genwärtig verſchwimmen die Grenzen immer mehr, in denen ſich die ſlaviſche Bevölkerung von der jetzt eben— falls anſäſſigen germaniſchen ſcheidet, fo daß ſich ihre geographiſchen Marken nicht ſcharf abgrenzend angeben laſſen; dennoch läßt ſich, mit geringen Abweichungen, folgender Grenzzug bezeichnen: Das ganze rechte Oderufer bis an die polniſche Grenze gehört dem flaviſchen Stamme noch an, in welchem ſich aber charakteriſtiſch einzelne Unterabtheilungen unterſcheiden laſſen, worauf wir ſpäter zurückkom— men werden. Im Süden bildet das Kuhländchen von Mähren die Grenze, und im Weſten, alſo im eigentlichen Schleſien, beginnt dieſelbe ſüdlich- an der Troppauer Grenze, in der Herrſchaft Kuchelna, zieht ſich dann nach Norden über Zauditz (Czudzice), Groß-Peterwitz, Stolzmütz (Stary most), Bauerwitz (Baworow), Dobrosla⸗ witz, Caſimir, die Herrſchaft Ober-Glogau, Laßwitz, Schlogwitz, Zülz, Chrzelitz, Friedland, Falkenberg, Tilo⸗ witz, bis nahe an Löwen, Schurgaſt, längs der Oder bis in die Nähe von Brieg, von wo ſie bald mehr, bald weniger vom rechten Oderufer zurückweicht, bald ſogar, aber nur vereinzelt, die Oder auf die linke Seite überſchreitet, aber dennoch bis in die Nähe von Neumark auf der öftlichen Seite der Oder ſich, bedeutend vor: herrſchend, nach dieſem Fluſſe hinneigt, von da ab immer mehr öſtlich nach dem Großherzogthum Poſen zurück— zieht und die Herrſchaft Polniſch-Wartenberg vereinzelt unter den deutſchen Elementen liegen läßt, rechts aber auch größere deutſche Strecken vorher ſchon umſchließt. Am reinſten dürfte der oberſchleſiſche Urſtamm noch unter den, häufig „Waſſerpolaken“ genannten Bewohnern der Oderniederungen zu finden ſein, deſſen charakteriſtiſche Kennzeichen ſich längs der, in dieſelbe fließenden Flüſſe und Bäche des öſtlichen und weſtlichen Landes bald mehr, bald weniger wiederfinden, nach dem Oſten aber mehr in den polniſchen, nach Süden in den mähriſchen, nach Weſten in den germaniſchen Charakter verſchwimmen. Es iſt hierbei erwähnenswerth, daß die Verſchiedenheit ſich vielfach, durch oft kaum zu beſchreibende Merkmale, in Geſicht, Körperbau, Sprache und Charakter, ausſpricht; am auffallendſten aber ſich dem deutſchen Element gegenüber auszeichnet, wo ſogar die von den verſchiedenen Stämmen erzogenen Hausthiere, als die Pferde und das Rindvieh, ſich durch Körperbau und Eigenſchaften unterſcheiden. Als einzelne Stämme, jedoch dem flavifchen Hauptſtamme angehörig, find die Bewohner der Kreiſe Oppeln, Kreuzburg, Roſenberg, Lublinitz, Groß-Strehlitz, Koſel, Toſt, Gleiwitz, Rybnik und Ratibor (meift kenntlich durch das Vorherrſchen der dunkelblauen Farbe in ihren langen Oberkleidern) anzuſehen, welche jedoch nach dem Oſten immer mehr mit polniſchen Einwanderern vermiſcht ſind, ſo daß der eigentlich polniſche Cha— rakter bald mehr, bald weniger vorherrſcht. Es iſt im Allgemeinen ein wohlgewachſener, kräftiger Men— ſchenſchlag. Der Tarnowitzer, Beuthener Kreis, ſo wie ein großer Theil des Pleßner, hat die Mehrzahl ſeines Volks— ſtammes aus der Woiwodſchaft Krakau, unter deſſen Biſchof ſie noch in der jüngſten Zeit ſtanden. Erſt ſeit einiger Zeit verſchwand Kontusz und Zupan aus ihrer Bekleidung, in welcher jene beiden Stücke, gewöhnlich dunkelblau, ſelten aber dunkelgrün, mit Roth paßpellirt, und eine hohe ſchwarze Pelzmütze, hinten mit bunten Bändern verziert, die wichtigſten Beſtandtheile waren. Den ſüdöſtlichen Theil des Pleßner Kreiſes bewohnt ein aus dem Teſchner Kreiſe eingewanderter Stamm, der ſich im Teſchner Gebirge noch „Jazigen“ nennt. 5 So wie die oben erwähnten Krakuſen durch ihren breiten, unterſetzten Körperbau, zeichnen ſich dieſe Jazigen durch ſchöne, hohe Männergeſtalten, mit ernſt-klugen Geſichtszügen aus, zu welchen ihre eng anlie— gende maleriſche Volkstracht von dunkelblauem oder weißem Tuch nebſt Czyzmen (ungriſchen Stiefeln) ſehr gut paßt, ſo wie auch ihre ziemlich ſtattliche Körperhaltung in die Augen fällt. 133 Unter ihnen befinden fich viele galiziſche Abkömmlinge, mit breitern Figuren und etwas mehr tartarifcher Geſichtsbildung. Dieſer Stamm wird öſtlich durch die Weichſel begrenzt, die andern, kaum kenntlichen Gren— zen dürften ſich, ſüdlich bei Ruztau anfangend, über Jaſtrzemb, Pohlom, Gogelau, Borin, Baranowitz, Sußetz, Studzinietz, Sandau (Pioſſek), Zwiklitz und Grzawa bis an die Weichſel hinziehn. Am Eintritte der Oder nach Schleſien bei Oderberg nimmt die linken Ufer ein mähriſcher Volksſtamm ein, der äußern Bildung nach mit den Urſtämmen verwandt, unterſchieden jedoch durch den mähriſch-böhmi— ſchen Dialekt und die mehr vorherrſchende hellblaue Farbe in ihrer Bekleidung, welche am linken Oderufer bis in die Nähe von Koſel öfter erſcheint, aber näher nach den deutſchen Ortſchaften immer mehr ſich mit Grau vermengt und in andere Farben übergeht. Die kennbaren Grenzen des mähriſchen Stammes find öſtlich: die Oder; ſüdlich: die öſterreichiſch-ſchle— ſiſche Grenze, und weſtlich: Zabrey bei Beneſchau, Bolatitz, Kuchelna, Kranowitz; nördlich: Bojanow und Binkowitz. Von da an, am linken Oderufer, ſteht immer mehr weſtlich das Slaventhum im zunehmenden Kampfe mit dem Deutſchthum und bietet wenig in die Augen Fallendes; wogegen die Bewohner der Oderniederungen beſonders durch die grau wollenen Decken auffallen, deren ſich die ärmere Klaſſe als Mäntel bedient. Durch alle Adern dieſer Bevölkerung iſt jedoch der Germanismus durchgedrungen, ſo daß faſt alle Staatsdiener und viele Privatbeamte und Handwerker deutſchen Urſprungs ſind; doch finden ſich unter ihnen auch einzelne deutſche Stämme in geſchloſſenen Gemeinden, von denen, unter mehreren, etwa folgende erwähnenswerth erſcheinen: 1) Die Tarnowitzer, aus dem Erzgebirge hereingezogenen Bergleute, welche meiſt zerſtreut in den dorti— gen Bergwerks-Diſtrikten wohnen und den Keim der Induſtrie hinbrachten; meiſtentheils entfchloffene, fleißige und gutmüthige Leute, mit Körpern ſo feſt als das Erz, das ſie bearbeiten, und eben ſo ächt und bieder an Gemüth. Die Beamten ſind faſt alle Schleſier, doch von deutſcher Abkunſt. 2) Schönau und Zernitz bei Gleiwitz. Die Bewohner find eingewanderte niederländiſche Proteſtanten, welche hier jedoch wieder zum Katholizismus zurücktraten. 3) Kolonie Anhalt bei Pleß, eine deutſche, reformirte Kolonie, welche Friedrich der Große im vorigen Jahrhundert, auf ihr Verlangen, durch ein Kommando Huſaren aus Mähren holen ließ. 4) Gnadenfeld bei Koſel, eine Herrnhuter Kolonie (in Oberſchleſien rühmlich bekannt durch ihren regen Gewerbfleiß und geſchickte Handwerker), im vorigen Jahrhundert angelegt. 5) Koſtenthal, in der Nähe von obigem Orte, durch meißener Einwanderer bewohnt. 6) Die deutſchen, urſprünglich von Webern und Spinnern des proteſtantiſchen Glaubens angelegten Kolonien bei Loslau. Am reinſten hat ſich der Urſtamm unter der ärmeren Bevölkerung des flachen Landes, und demnächſt unter der Einwohnerſchaft der kleinen Landſtädte erhalten. Die adligen Familien deſſelben find jedoch faſt alle verarmt, und entweder in die geringern Volksklaſſen, (wie manche Namen errathen laſſen), oder in die Familien des ſpätern Adels übergegangen. Der gegenwärtige Adel iſt zwar zum Theil auch ſchon ſeit 2 bis 300 Jahren in Oberſchleſien anſäßig, beſteht aber aus Fa— milien, welche theils aus Polen; dem größeren Theile nach aber aus Mähren und Böhmen, und zwar nach den meiſten Familien-Sagen zur Wahrung ihrer Glaubensfreiheit, überſiedelt ſind. Ein Theil iſt deutſchen Urſprungs. N Mit Einſchluß der jetzt deutſchredenden Eingebornen, dürften %, der Bewohner Oberſchleſiens dem ſla— viſchen und Y, dem deutſchen Stamme angehören. Von erſteren / aber vielleicht 42 von den Jazigen und / von den Mähren abſtammen. Die andern Abſtammungen und ihre Grenzen laſſen ſich ſelbſt an— nähernd nicht angeben. 134 Man kann ziemlich allgemein annehmen, daß alle flavifchen Oberſchleſier katholiſch, die unter ihnen zer— ſtreut wohnenden Deutſchen aber meiſt dem proteſtantiſchen Glauben zugethan find. Nur in den ſüdlichen Kreiſen kommen unter den Slaven hierin mehr Ausnahmen vor, indem ſich unter ihnen mehr Lutheraner fin— den, und dieſe ſogar in Gollaſſowitz, Pleßner Kreiſes, eine eigene Kirche haben. Wenn ſich auch noch mehrere proteſtantiſche Kirchen, und namentlich faſt in allen Städten Oberſchleſiens, finden, ſo bilden die Deutſchen den Hauptbeſtandtheil ihrer Gemeinden, und man hört gewöhnlich nur Deutſch darin predigen. Der ſlaviſche Oberſchleſier beſitzt eine merkwürdig ſchnelle Faſſungsgabe, iſt gutmüthig, gefällig, genüg— ſam, aber verſchlagen; ja, wenn man ihm je Dummheit oder Unbeholfenheit vorwirft, ſo liegt die Urſache mehrentheils darin, daß man nicht den Weg fand, ſich ihm verſtändlich zu machen, oder daß es ſeiner Ver— ſchlagenheit mehr zuſagte, ſich ſo anzuſtellen; wogegen er ſich gern über die Unbeholfenheit ſeiner deutſchen Nachbarn luſtig macht. Die Anhänglichkeit, welche der flavifche Oberſchleſier ſonſt an feinen Gutsherrn hatte, iſt jetzt ganz auf die Perſon des Königs übertragen, deſſen bloßes Gebot im Stande iſt, bei ihm ſelbſt den Einfluß der hoch in Anſehn ſtehenden Geiſtlichkeit zu ſchwächen. Um eins ihrer Familienglieder in dieſen Stand zu bringen, ent⸗ zieht ſich jede Familie gern einen großen Theil der wenigen, ihnen bekannten Bedürfniſſe, und ſobald daſſelbe die erſten Weihen erhalten hat, werden ihm ehrfurchtsvoll von Eltern und Großeltern, Oheimen, Muhmen und Geſchwiſtern die Hände geküßt, und in Reden und Anſprachen nie mehr anders, als in der Mehrzahl ſeiner gedacht. 8 Allgemein allen dieſen Slaven iſt ein großes Mißtrauen gegen jeden Deutſchen eigen, und dies iſt der Grund, weshalb der Germanismus unter ihnen ſo geringe Fortſchritte macht, obgleich ein großer Theil der jüngeren männlichen Bevölkerung auf Schulen und im Militärdienſte Deutſch verſtehen und ſprechen gelernt hat, jedoch zu Hauſe eben ſo ſchnell wieder vergißt. Nur von Weſten und Norden her ſchreitet das Deutſchthum, zwar ſehr langſam und gewiſſermaßen jeden Fuß Breite erkämpfend, aber ſicher, gegen das Slaventhum wie gegen eine kompakte Maſſe vor, und zeichnet ſich dieſer Fortſchritt entſchieden als ein großer Vortheil ſowohl für das Deutſchthum ſelbſt, noch mehr aber für die ihm zufallenden Slaven und die Menſchheit aus. Der oberſchleſiſch-ſlaviſche Stamm zeigt einen vorwaltenden Hang zur Trägheit, Branntweintrunk, Stehlen und allgemeiner Indolenz. Obgleich ihre Körper ausdauernde Kraft, bei ſelbſt dürftigen Lebensmitteln, und große Abhärtung haben, auch bei den Hüttenwerken ihre Anſtelligkeit, Kraft und Thätigkeit gerühmt wird, ſo ſcheuen ſie zwar bei allen Vorkommenheiten des Le— bens nie die größte Anſtrengung, wohl aber ihre Dauer wegen angeborner Flüchtigkeit; nur die Noth— wendigkeit ſetzt ſie in dauernde Thätigkeit, und dieſe tritt ſelten genug ein, da ſie wenige Bedürfniſſe kennen, und wenig Neigung zeigen, ſich mehrere anzueignen. Sie ſtreben ſelten weiter, als nur dem Mangel abzu— helfen; iſt dies geſchehen, ſo ſuchen ſehr Viele Genuß im ſtarken Trunke; gelingt es aber nicht, ſo wird der Troſt auf gleiche Weiſe geſucht, und in wenigen Stunden Dasjenige durchgebracht, wovon die darbende Fa— milie mehrere Tage lang hätte leben können. Mit ihrem Eigenthume gehen ſie oft nachläßig um, oder ſind wenigſtens ſelten bemüht, daſſelbe durch anſtrengenden Fleiß anſehnlich zu vermehren, weshalb ſie wenig Achtung gegen fremdes Eigenthum zeigen, obwohl meiſt nur wirkliches Bedürfniß ſie zum Stehlen verleitet, dieſes Bedürfniß aber ſelten endet. Nach traditioneller Gewohnheit aus der Erbunterthänigkeit her, verlaſſen ſie ſich gewöhnlich zur Zeit der Noth auf die Hülfe ihrer Gutsherrſchaften oder der Behörden, und gehen alsdann betteln oder ſtehlen, ſtatt vorher dem Eintritt des Mangels vorzuſehn. In dieſer Hinſicht ſcheint die humane preußiſche Geſetzgebung einen großen Theil von ihnen unvorbereitet überraſcht zu haben, ſo daß ſie ihr noch jetzt nicht gleichen Schritt halten kön— nen; denn all ihr Wünſchen und Streben nach Glück endigt in dem Gipfelpunkte: der Befreiung von der Nothwendigkeit zu arbeiten. Nur um letzterer überhoben zu ſein, bemühen ſie ſich, die Mittel dazu ſich zu verſchaffen, und knüpfen daran oft wunderliche Anſprüche an Geſetzgeber und Richter. Hierbei iſt 135 jedoch wohl zu bemerken, daß nur von der ungebildeten, rohen Maſſe hier die Rede iſt, wogegen bei dem ge— bildeten Oberſchleſier dieſe Untugenden wegfallen, dagegen die guten Eigenſchaften des Stammes immer mehr überwiegen, und ihn Talente, Freimüthigkeit, Gemüthlichkeit und einſichtsvolle Thätigkeit auszeichnen. Die erwähnten ſchlechten Eigenſchaften der ſlaviſchen Bevölkerung nehmen immer mehr zu, jemehr ſich dieſe, von der Oder entfernend, mit dem Stamme Polens miſcht; obgleich der Oberſchleſier für Polen keine Sympathie, ſogar eher Abneigung zeigt, weil er von dorther ſtets nur Beunruhigungen erlitten, und oft noch, bis in nicht lange vergangene Zeiten, Grenzverletzungen und Zueignung der Früchte benachbarter n durch die Polen Veranlaſſungen zu blutigen Raufereien geweſen ſind. Durch Annäherung und Miſchung mit den mähriſchen und deutſchen Stämmen nehmen die genannten ſchlechten Eigenſchaften, von der Oder anfangend, nach Weſten hin immer mehr ab; denn hier zeigt ſich der Sltlave nüchterner, fleißig, unverdroſſen, zuverläßig, anſtellig und dienſtwillig; weshalb man ſogar in den, mit der deutſchen Bevölkerung grenzenden Ortſchaften, als Arbeiter und Geſinde, oft den Slaven dem Deutſchen, namentlich wegen obiger Eigenſchaften, und größerer Geduld und Sorgfalt bei Behandlung der Hausthiere, vorzieht. Aus demſelben Grunde findet man, daß dieſe Leute ihren, freilich hier weit dankbareren Boden ſorgfältiger und fleißiger bearbeiten, ihr Eigenthum mehr zuſammenhalten und bei derſelben Genügſamkeit weit wohlhabender ſind. | Die flavifhe Sprache Oberſchleſiens iſt polniſch, mit einigen untermengten deutfchen Worten und Pro: vinzialismen,*) fie wird aber breit und mehr ziſchend ausgeſprochen, während der Nationalpole mehr lispelt, ſeine Reden meiſt mit einer kurz abgeſtoßenen Anfangsſilbe beginnt und bei der Dauer der Rede nach den Affekten feine Stimme vielfach modulirt. Viele Conſonanten, namentlich das , verlieren in der Ausſprache des Oberſchleſiers an der Weichheit, weil ſie mit härterer, faſt polternder Modulation geſprochen zu werden pflegen, wodurch die angenehme einſchmeichelnde Weichheit des polniſchen Dialekts verloren geht, was die Polen unverzeihlich finden. Der Pole redet ſelbſt Perſonen, die er mit Achtung überhäuft, in der einfachen Zahl, aber mit morgen— ländiſcher Häufung von Titulaturen an; z. B.: prosze pana dobrodzieja, wielmoznego, najjasniejszego, aby uczynik etc. lich bitte den hochmächtigſten, erlauchteſten Herrn Wohlthäter, zu thun ꝛc.), während der Oberſchleſier in gleichem Falle die Mehrzahl gebraucht, aber die Titulationen zum großen Theil wegläßt und ſich fo ausdrückt: prosze pana jegomsocia, aby uczynili etc. (ich bitte den gnädigen Herrn, daß fie thun möchten ꝛc.), und während der Pole ſeinem Vorgeſetzten unter tiefer Verbeugung, mit einem Arme die Knie umarmend, mit dem andern die Kopfbedeckung vor die Füße legt, begnügt ſich der Oberſchleſier mit einfachem Handkuß als Beweis ſeiner Achtung. Als unterſcheidendes Kennzeichen zwiſchen beiden dient auch die petuli— rende Lebhaftigkeit des Polen, welche bei dem Oberſchleſier ruhiger und ſchwerfälliger wird. Noch iſt erwähnenswerth, daß im ſüdlichen Oberſchleſien unter der flaviſchen Bevölkerung ſich viele Weber, oft in ganzen Niederlaſſungen, befinden, welche aber im Sommer als Maurer, Zimmerleute oder Tage— löhner in Arbeit gehn, und oft zu dieſem Zwecke tief nach Ruſſiſch-Polen und ins innere Oeſterreich wars dern, wo ſie als fleißige, ruhige und anſtellige Leute gern geſehen werden. Nachdem ſie Einiges verdient, kehren ſie zur Erntezeit zurück, und weben oder ſpinnen den Winter durch, bis ſie das Frühjahr wieder her— vorruft, um neuen Erwerb zu ſuchen, welche Gewohnheit ihnen aber auch die Noth der Zeit bedeutend erleichtert hat. *) welche letztere ſehr häufig gerade ächt altpolniſche Ausdrucke find, die hier in der Abgeſchloſſenheit ſich conſervirt haben, waͤhrend die neuere polniſche Schriftſprache Ausdrucke dafür aus dem Deutſchen entlehnt hat. d. Secr. 156 Den von den vorher angegebenen Grenzen weſtlich gelegenen Theil Oberſchleſiens, beſtehend aus den Kreiſen Leobſchütz, eines Theils von Neuſtadt und Neiſſe, hat gegenwärtig die deutſche Bevölkerung inne, und zeichnet ſich in jeder Art vortheilhaft von den flavifchen Gegenden des rechten Oderufers aus. Sorgfältig kultivirte Getreidefelder und Gärten prangen in üppiger Tragbarkeit; die enggebauten Dörfer enthalten wohl verſehene geräumige, oft luxuriöſe Bauerhöfe, zeigen in allen Theilen zweckmäßige Wirthſchaftss Anordnungen und Sorgfalt, ſind von wohlbekleideten und geſättigten Menſchen bewohnt, und wimmeln überall von kräftig gebauten und wohlgenährten Hausthieren, denen gegenüber die winzigen, halbverhungerten Pferde und magern Rinder der jenſeitigen Slaven eine ſehr klägliche Rolle ſpielen. Die Bewohner ſind fleißiger, nüchterner und in der Landwirthſchaft einſichtsvoller und unternehmender, aber auch egoiſtiſcher, weniger gutmüthig und gefällig, als der flavifche Nachbar, denn die ſchnelle Auffaſſungs⸗ gabe des Letzteren wird hier durch gründliches, reifliches Nachdenken und Ausdauer erſetzt. Die größere Liebe für ſein Eigenthum hat auch mehr Achtung vor dem fremden zu Wege gebracht, und deshalb kam hier die Ablöſung der Frohndienſte meiſt leicht und ſchnell zur Zufriedenheit der Verpflichteten und Berechtigten zu Stande, da die Entſchädigungen für die abgelöſten Dienſte entſprechend waren und leicht aufgebracht wurden, während in den ſlaviſchen Gegenden dies Geſchäft viele Schwierigkeiten erlitt, und zuletzt gewöhnlich beide Theile in ihren Erwartungen unbefriedigt ließ. Der Deutſche hat andere, ja ausgedehntere Begriffe von Freiheit, weshalb die Ablöſung von den bisherigen Frohndienſten für ihn einen andern, reellern Werth, für den Slaven hatte. Auch dieſe jetzt von Deutſchen bewohnten Diſtrikte waren früher von dem ſtaviſchen Urſtamme bewohnt; die deutſche Bevölkerung wurde aber in den Leobſchützer und Theil Neuſtädter Kreis durch die Ritter des deutſchen und malteſer Ordens aus Mähren und Oeſterreich; in den andern Theil des Neuſtädter und in den Neiſſer Kreis durch die Biſchöfe aus Niederſchleſien, Sachſen und Mainz hereingezogen, und mit ihren Dör— fern zu deutſchem Rechte angelegt. Sowohl vermöge dieſer Vortheile über die ſlaviſchen Kmeten und Unter⸗ thanen, fo wie durch das phyſiſche und moraliſche Uebergewicht der Deutſchen, vermiſchte ſich jene flavifche Bevölkerung mit ihnen, und ging, von der deutſchen aufgenommen, in ihr bis auf die letzten Spuren unter, um jetzt vereint dieſelbe Art von friedlichem Vernichtungskampf gegen ihre öſtlichen Stammgenoſſen fortzuführen. 2. Mericaniſche Zuſtände, geſchildert in Briefen von Herrn Dr. B. von Voguslawski in Mexico. a. Erſter Kampf der nordamerikaniſchen Truppen unter General Scott in der Umgegend von Mexico am 19. und 20. Auguſt 1847. Mexico, den 25. Auguſt 1847. Die zweite Eroberung Mexico's iſt beinahe vollendet, die Nordamerikaner lagern ſchon vor den Thoren der alten Azteken-Stadt, und vielleicht wird bald die Sternenfahne auf dem Palaſt der Montezumna's wehen; es liegt nur noch an ihrem Willen, an ihrem Können iſt nicht mehr zu zweifeln — das haben ſie am 19. und 20. d. M. den Mexicanern glänzend gezeigt! Warum ſie das Ende, welches faſt von Allen ſehnlich erwartet wird, nicht herbeiführen, weiß ich nicht — mir thut es leid, daß ich jetzt nur eine Geſchichte ohne Ende erzählen kann. — Doch nun zur Sache. Ich glaube, in meinem letzten Briefe, d. d. 28. Juni, erwähnt zu haben, in welche peinliche, ja uner— trägliche Lage das lange, unthätige Verweilen der Amerikaner in Puebla die Hauptſtadt verſetzt hatte indem über ihrem Nacken fortwährend das Schwert des Damocles hing. Dieſe traurige Situation dauerte noch den ganzen Monat Juli hindurch, ſo daß man ſchon anfing, die Erwartung aufzugeben, die Yankees noch vor 157 Ende der Regenzeit (d. i. Mitte October) hier zu ſehen. Dieſelbe war nämlich dies Jahr Ende Juni und Anfang Juli mit einer ſolchen Heftigkeit aufgetreten, daß alle Wege binnen Kurzem ganz grund- und boden⸗ los geworden waren, und, hätte ſie ſo bis in dieſen Monat fortgedauert, Fortſchaffung von Geſchützen und Munitionswagen rein unmöglich geweſen wäre. Dazu kam noch, daß General Scott nicht Mannſchaft genug hatte, um den Marſch gegen die volkreiche Hauptſtadt zu unternehmen, und man nicht erwarten konnte, daß man es wagen würde, neue Truppen an der Küſte auszuſetzen, da grade dies Jahr das Vomito prieto (prieto kohlſchwarz, gelbe Fieber) daſelbſt in ungewöhnlicher Heftigkeit wüthete. Endlich war bei dem amerikaniſchen Heere der Geldmangel ſo bedeutend, daß man in Puebla Geld zu 1% täglich aufgenommen haben ſoll. Daß Goldſendungen von Vera-Cruz nach Puebla ungehindert ankommen würden, durfte man nicht leicht erwarten, vielmehr, daß die zahlreichen Guerrillas, die in dieſer Gegend hauſten, doch bei einer ſo gewinnverheißenden Gelegenheit nach Möglichkeit Muth, Tapferkeit und Gewandtheit aufbieten würden. Alle dieſe nicht unwahr⸗ ſcheinlichen Gründe machten es ziemlich wahrſcheinlich, daß die letzte Entſcheidung noch einige Zeit, wenigſtens bis Mitte October, würde hinausgeſchoben werden, ja man fing ſchon an, mit dieſem Gedanken ſich vertraut zu machen — als Alles plötzlich ganz anders kam. Ganz gegen alles Erwarten hörten im letzten Drittel des Juli die Regengüſſe völlig auf, und es trat anhaltend eine ſo trockene Zeit ein, wie man ſich in dieſem Theile des Jahres ſeit Langem nicht erinnern will, ſo daß zu Anfang dieſes Monats die Wege ſchon wieder in vollkommen paſſirbarem Zuſtande waren. Wohl nicht mit Unrecht mag man dieſen abnormen Witterungszuſtand, nach den heftigſten Regengüſſen das plötzliche Eintreten einer vollkommenen Dürre, mit dem ziemlich heftigen Erdbeben, das wir am 5. d. M. verſpürt haben, in Verbindung bringen. Wir ſaßen jenes Abends ganz gemüthlich beiſammen, als plötzlich ein Jeder nach ſeinem Kopfe fühlte, den andern erſtaunt anſah, ſich feſter auf ſeinen Stuhl drückte, bis endlich Alle wie aus einem Munde ausriefen: Das iſt ein Erdbeben! von ihren Sitzen aufſpringen, aber doch nicht gut aufrecht ſtehen können, ohne ſich an einem Tiſche oder einem Stuhle feſtzuhalten, als wenn man ſich auf einem Schiffe befände, das vor Anker liegt und von den ſpielenden Wellen hin und her geſchaukelt wird. — Um uns keinen Zweifel zu laſſen, ſprang noch die eine Stubenthüre auf, die Lithophanien klappten an die Fenſter, die Glockenſchnur ſchwankte hin und her, und die Vigas, d. i. die durch die Decke gezogenen Balken, knarrten. Nach 1½ Minute erſt beruhigte ſich Alles, und auch wir wagten es wieder, uns niederzuſetzen, erſtaunt über die Bläſſe, die wir auf jedem Geſichte wahrnahmen, und konnten erſt jetzt über das nachdenken, was wir ſo eben erlebt hatten. Es ſtellte ſich nach unſerer aller Wahrnehmung heraus, daß es ein Temblor, d. h. eine wellenförmige Erſchütterung des Erdbodens (mit kurzen ſchnellen Schwankungen) in der Richtung von Südoſt nach Nordweſt geweſen ſei, und um 8 Uhr 15 Minuten etwa 80 Secunden gedauert habe. — Wunderbar und übertrieben mag Euch vielleicht die Beſchreibung von unſerm allerſeitigen Schrecken und Uebel⸗ befinden erſcheinen, aber ſie iſt es in der That nicht, und wer noch kein Erdbeben erlebt hat, kann ſich von dem merkwürdigen Seelen und Körperzuſtande, in welchem man ſich da befindet, keine Vorſtellung machen. Ein Jeder hatte eine Art Schwindel empfunden, wollte es aber nicht ſagen, da er in einem augenblicklichen Uebelbefinden den Grund ſuchte; doch fühlte auch Jeder dabei etwas Fremdartiges mit ſich vorgehen, wie ſonſt noch niemals, ſo daß wir Alle übereinſtimmten, ſo etwas noch nie empfunden zu haben. Nun, nach dieſer Erfahrung iſt es mir erſt recht begreiflich, wie hier ſo viele Menſchen ſeit jenem großen Erdbeben im! 5 Be vor nichts mehr Angſt haben, als vor einem ER und jenes als das it einem deutſchen Herrn plaudernd die Straße de las Damas hinunter, da ſammte Volk auf die Kniee fällt; ich ſehe mich um, ob denn irgendwo das Aller⸗ ankomme, höre aber nichts von der bekannten Klingel, die daſſelbe ankündigt, und 18 ſehe ich, daß heiligſte (La N 138 fo frage ich: „Que es?“ „Tiembla, Senor!“ (es bebt), „No! — Si, si, por Dios,“ und fo wurde eilends eine ganze Litanei Gebete hergeſagt. Ich verſpürte nichts, gar nichts; aber doch überzeugte ich mich, daß dieſe Leute ganz richtig gefühlt hatten, als ich in einer benachbarten tienda (Laden) die Lampenſchnur hin und her ſchwanken ſah. Beſtätigung erhielt ich noch vollends durch einen Brief deſſelben Datums aus einem Orte, 20 leguas von hier, worin der Schreiber mitten in einem Worte aufhört, und dann angiebt, ein ſtarkes Erdbeben habe ihn im Schreiben geſtört. Ich hatte oben erwähnt, daß die Regenzeit plötzlich ganz aufgehört hatte und dadurch die Wege wieder vollkommen gut geworden waren, dies Hinderniß alſo für einen Marſch nach hier durch die Natur beſeitigt ward. Eben ſo trat auch plötzlich eine günſtigere Wendung in dem Geſundheitszuſtande an der Küſte ein, und es konnten ohne alle Gefahr Truppen ans Land geſetzt werden, die in drei verſchiedenen Abtheilungen ankamen, und ſich etwa 1500 Mann, jede mit einem Convoi von gegen 100 Wagen, welche Munition, Le⸗ bensmittel, alle mögliche Kriegsbedürfniſſe, vor allem aber auch Geld enthielten, nach Puebla heranbewegten. Wer dieſen Weg von Vera-Cruz nach Puebla kennt, und wie er faſt unbefahrbar an einigen Stellen iſt; wie viel ſteile Höhen, wie viele Hohlwege, ja Schluchten zu paſſiren ſind, wo ſchon eine kleine Truppe ein großes Heer, wie viel leichter einen Convoi von der Länge einer halben Meile, der ſchon beim Fallen einiger Zugthiere ſtockt, aufhalten kann, da er obenein nur von 1500 Mann gedeckt iſt — der kann es wahrlich nicht begreifen, wie jene Convois ohne allen erheblichen Verluſt in Puebla ankamen — wenn er noch keinen Bes griff hat von mexicaniſcher Feigheit, die freilich Alles übertrifft, was man bis jetzt in dieſer Art kennt. Alſo jene Guerrilleros, von denen man zuverſichtlich die Rettung des Vaterlandes erwartete, welche aber nur zum Wohle des Vaterlandes die verlaſſenen Bauern und einzelne pueblos (Dörfer) brandſchatzen, wehrloſe Reiſende, unter dem Vorwande, ſie ſeien verdächtig, als heimliche Freunde der Yankees ausplündern, und die wunder⸗ barſten Heldenthaten ausführen, wenn ſie im Verhältniß wie 10 zu 1 den Feinden gegenüberſtehen, und dieſe nicht etwa in geſchloſſenen Gliedern ankommen, ſondern ihnen ſchon, als Verirrte, mit dem Vorſatz entgegen⸗ treten, ſich als Gefangene zu ergeben, um auf die kannibaliſchſte Weiſe ermordet zu werden! — dieſe tapfern Söhne des Vaterlandes konnten ſelbſt nicht durch die lockende Ausſicht auf reichen Geldgewinn vermocht wer— den, Thaten auszuführen, die dem Vaterlande wahren Nutzen gebracht haben würden, die aber freilich etwas Muth und Entſchloſſenheit erheiſchten und vielleicht Einigen das Leben gekoſtet hätten. Der Aufruf des Gou⸗ vernements: „Esfuerzo, guerrilleros, esfuerzo, 3 Millionen ſind zu gewinnen, Euer ſind ſie — und das Vaterland iſt gerettet!“ — blieb ohne alle Wirkung. Ohne nur irgend einen erheblichen Verluſt erlitten zu haben, nur durch das ſchlechte Wetter aufgehal— ten, kamen nach und nach alle 3 Convois in Puebla an — und Scott hatte nun Alles, was er brauchte, ö um gegen die Hauptſtadt aufzubrechen: Mannſchaft, Geld, Kriegsbedarf und gute Wege. So konnte man wohl Anfang dieſes Monats den Gerüchten von dem Marſche der Amerikaner gegen Mexico Glauben ſchenken, um fo mehr, da die neuerdings von Wafhington aus zum fünften Male gemachten Friedensvorſchläge wieder hier kein Gehör gefunden hatten, indem darin weder der Präſident St. Anna, noch der Congreß die Initiative ergreifen wollten. Nach der unglücklichen Schlacht bei Cerrogordo, wo durch Scott binnen 2 Stunden die ganze mexicaniſche Armee auseinander geſprengt worden war, hatte der Congreß am 20. April dem damaligen Presidentesustituto Anaya außerordentliche Vollmachten gegeben, mit der einzi⸗ gen Bedingung: „de no tratar la paz“ (nicht über den Frieden zu unterhandeln). Als nun St. Anna im Mai nach der Hauptſtadt zurückkehrte und wieder die Präſidentur übernahm, wurde gleich die vom Congreß verbeſſerte Conſtitution von 1824 als die nun wieder geltende promulgirt, nach welcher der Präſident die Befugniß hat, den Frieden zu unterhandeln und abzuſchließen, dem ( Congreß jedoch die Ratification zukommt. Anfang v. M. lud nun eine Note des Minifters Buchanan das hieſige Gouver⸗ nement ein, doch wenigſtens die Friedensbedingungen zu hören, denn der mehrmals wiederholte Ausſpruch St. Anna's: „man könne fo lange nicht von Frieden ſprechen, als noch ein amerikaniſcher Soldat auf 139 mexicaniſchem Boden weile und die Flotten die Häfen blokirten (mientras un soldado americano pisa el suelo mexicano y la escuadra de los Estades Unides bloquea los puertos de la Repüblica),“ fei zwar recht ſchön und eines Helden würdig, aber nichts weniger als practiſch, ja unausführbar, und heiße nichts anderes, als einen ewigen Krieg verlangen. Das Beiſpiel der Vereinigten Staaten ſelbſt beim Frieden von Gent zeige am beſten, daß eine Nation, auch ohne ihrer Ehre etwas zu vergeben, Frieden machen könne, wäh— rend feindliche Heere Theile ihres Landes noch inne haben u. ſ. w. St. Anna ſchien dieſen Gründen nicht ganz unzugänglich, doch wollte er wegen jener erwähnten beſchränkenden Bedingung bei den facultades ex- traordinarias nicht ohne den Congreß vorgehen; dieſer aber hatte ſich ſtillſchweigend aufgelöſt. Endlich werden doch mit vieler Mühe ſo viel Mitglieder zuſammengebracht, gerade um einen vollgültigen Beſchluß faſſen zu können, und dieſe antworteten St. Anna, es ſei gar nicht Sache des Congreſſes, darüber zu ent— ſcheiden, ob Friedensbedingungen zu hören ſeien, das komme nach der Conſtitution von 1824 allein dem Prä- ſidenten zu. St. Anna erkannte recht gut, daß dieſe Antwort nur gegeben war, um alle Verantwortlichkeit auf ihn zu wälzen, und darum replicirte er ganz richtig: „wäre er der nach der Conſtitution von 1824 ge— wählte Präſident, dann wäre er gar nicht in Zweifel über ſein Recht, die Friedensbedingungen anzuhören; aber, als ein durch dieſen außerordentlichen Congreß gewählter Präſident, habe er nur die Befugniſſe, die dieſer ihm gegeben, und da ihm, den Frieden zu unterhandeln, ausdrücklich entzogen ſei, fo könne er nur dann in Frie⸗ densunterhandlungen eingehen, wenn der Congreß entweder jene beſchränkende Bedingung bei der facultades extraordinarias aufhebe, oder ihm ausdrücklich alle Befugniſſe des Präſidenten von 1824 ertheile.“ Keines von Beiden geſchah; der Congreß ging wieder, ohne irgend eine beſtimmte Antwort gegeben zu haben, aus— einander, und der amerikaniſche Friedens-Commiſſär Triſt blieb ohne alle Antwort, ſo daß Scott nun ge— nöthigt war, zur Erzwingung des Friedens gegen die Hauptſtadt der Republik aufzubrechen. Am 9. Auguſt Mittags 2 Uhr ertönte von der großen Plaza der verhängnißvolle Kanonenſchuß, der den Bewohnern von Mexico das Heranrücken des Feindes von Puebla her ankündigte. Der Schrecken, der ſich da auf den Geſichtern Aller malte, hätte nicht können größer ſein, wenn die erſte feindliche Kugel in die Stadt geflogen wäre. Im erſten Augenblicke ſtanden Alle auf der Straße wie verſteinert ſtill, dann eilte Jeder unter Schmerzensausrufungen oder Verwünſchungen der ſchändlichen Eindringlinge oder Verhöhnung dieſer wahnſinnigen Abenteurer in ſein Haus. Im Nu waren alle Läden geſchloſſen, die Miethwagen von den Plätzen verſchwunden und eine Stunde ſpäter herrſchte eine wahre Grabesſtille in der ganzen Stadt, nur unterbrochen durch den dumpfen Trommelwirbel der wegmarſchirenden Soldaten und das Geraſſel der ſchwer— bepackten Reiſewagen, die noch in aller Eile ängſtliche Familien aus der bedrohten Stadt wegführten. Die einzigen Orte, wo noch Leute und Maſſen ſich fanden, waren die Verkaufsläden von Lebensmitteln, da Jeder eilte, ſich für die befürchtete Belagerung mit dem Nöthigſten zu verſehen. Gegen 4 Uhr Nachmittags zog St. Anna mit den in den letzten Wochen vortrefflich neu equipirten und aufgefütterten Truppen aus, an welche ſich auch aus freiem Entſchluſſe die Nationalgarde (vorzüglich zu nennen die Bataillone Victoria und Hidalgo, beſtehend aus den angeſehenſten Leuten der Stadt) angeſchloſſen hatte, begleitet von den lauteſten Segenswünſchen und ſchmerzlichen Klagen der Zurückbleibenden. Man würde Unrecht thun, wollte man nicht den Enthuſiasmus rühmend anerkennen, der ſich an jenem Tage gezeigt hat, und ich, der ich wahrhaftig kein Lobredner der Mexicaner, am wenigſten aber ihrer Helden- thaten bin, habe die feſte Ueberzeugung, daß, wären ſie noch an dieſem Tage auf die Amerikaner geſtoßen, dieſe ſicherlich einen ſehr ſchwierigen Stand gehabt hätten — und daß St. Anna darin diesmal den größten Fehler begangen hat, daß er dieſen Enthuſiasmus gar nicht benutzt und ſich nur gar zu ſehr auf ſeine Befeſti⸗ gungen verlaſſen hat. Man hatte in der That in aller Eile, nach mexicaniſchen Begriffen unüberſteiglich und uneinnehmbar (inaccessible y imposible à tomar) [außer unzähligen trincheras (Tranſcheen, Erdſchanzen) in der Alameda, auf dem Paſeo, faſt vor allen Thoren, ſelbſt auf Maisfeldern], drei Punkte um die Stadt befeſtigt, bei denen 18 * 140 die Feinde nothwendig vorbei mußten, nämlich im Norden der Stadt: das Kloſter Guadalupe, auf einem klei⸗ nen Berge; im Oſten der Stadt: Penon, einen einzeln ſtehenden Berg, rechts von dem Wege nach Puebla, 3 Leguas von Mexico, als einen durch die Natur ſelbſt ſehr feſten Punkt; endlich Mexicalcingo im Südoſten der Stadt, nicht weit vom See Chalco, welcher den Eingang nach dem Gebirge im Süden vor Mexico ſperrt. Auf deſſen Vorbergen zieht ſich ein Weg über St. Auguſtin und St. Angel nach Tacubaya, einem reizend gelegenen Städtchen am Fuße des Berges vom Schloß Chapultepec, das vom Südweſt aus die ganze Stadt beherrſcht. Dieſe ganze Linie war nun mit circa 30,000 Mann und 80 Stück Geſchützen beſetzt, wo⸗ gegen natürlich die 12,000 Mann und 40 Geſchütze, mit denen Scott gegen Mexico zog, zu Nichts ver⸗ ſchwanden. Dem Charakter der Mexicaner war darum nichts mehr gemäß, als daß man ſich vor Uebermuth kaum mehr zu laſſen wußte, ſchon im ſüßeſten Siegestaumel ſchwelgte, ſich in Verhöhnung der Feinde erging und die größte Ehre und Freude darin ſuchte, dieſelben ſo feig und erbärmlich als möglich darzuſtellen. So heißt es z. B. ſelbſt im offiziellen Journal: „Der Feind iſt unbeſonnen und verwegen genug, mit einer Hand voll Leute ſich heran zu wagen. Man verſichert, es ſeien nur 12,000 Mann; es werden eben ſo viele Opfer ſein, die ihr Grab in den ſchönen Ebenen von Tenochtitlan ſuchen. Wären ihrer aber auch dreimal ſo viel, ihr Loos wäre daſſelbe!“ — Scott ſehen ſie ſchon im Geiſte in Feſſeln geſchlagen — St. Anna auf den Knieen um Frieden bittend — zur Revanche dafür, daß Scott den Plan habe, die heilige Jungfrau von Guadelupe wegzunehmen und nebſt St. Anna in den Vereinigten Staaten für Geld ſehen zu laſſen! — Ja, St. Anna ſelbſt in feinem Manifeſt, in welchem er noch vor feinem Abgange, im Fall des unausbleibli⸗ chen Sieges, der Nation die glänzendſten Verſprechungen macht, als: b a) Verbindung aller ſpaniſchen Republiken in einen Staatenbund Jagen die Annexations- Prinzipien der Vereinigten Staaten; b) Aufhebung aller Prohibitionen und der Binnenzölle; Milderung des 2975 c) die Indier aus ihrem Nichts herauszuheben, zu bilden, von Laſten zu befreien; d) Förderung des Unterrichts, der Bildung, Prämiiren nützlicher Erfindungen; e) Förderung der Coloniſation; 1) Reorganiſation des Heeres; g) Steuerung der Empleomania (Aemterſucht); h) Gründung einer National-Bank von hundert Millionen Piaſter, — in dieſem Manifeſte ſelbſt ſpricht St. Anna nicht anders von den Feinden, als von „einer Horde von Waldräubern (horda de forayidos), einer Patrouille von Bettlern und Böfewichtern, einer ſchmutzigen und brutalen Race“ — und dem Ausdrucke: „ſie werden mit ihrem Blute die Flecken abwaſchen, die fie in un⸗ ſern Städten, auf unſern Gefilden durch ihre unreinen Tritte zurückgelaſſen haben!“ Nicht zu erwähnen der gewöhnlichen Titel: „cobardes & infames invasores“ (feige und niederträchtige Eindringlinge). — Dieſer Uebermuth, dieſe Selbſtüberſchätzung, ſo lächerlich ſie auch iſt, trägt doch auch zum großen Theil die ee des Unglückes, welches dieſes ſchöne Land drückt — fo auch jetzt wieder in dieſem Falle. Nach der Meinung der Mexicaner konnten die Amerikaner keinen andern Weg kommen, als auf der großen Straße von Puebla, die bekanntlich über einen Bergrücken von 1000 Fuß Höhe führt. Da nun, wo dieſe ſich herunter mündend in die Ebene von Tenochtitlan tritt, liegt, von hier aus auf der rechten Seite, der Penon viejo, welcher, da ſich auf der andern Seite der See von Texcoco hinzieht, den Eingang nach Mexico beherrſcht. Hierhin war nun der Kern der Truppen, nebſt der Nationalgarde unter St. Anna, aus⸗ gezogen, in dem feſten Bewußtſein, hier, an dieſem unüberwindlichen Fels, vertheidigt durch die unüberwind⸗ lichſte Tapferkeit, angeführt von dem unbeſiegten Helden, würden die Amerikaner ſich ihren Uebermuth brechen. Den linken Flügel, am Ufer des Texcoco-Sees, deckte General Valencia mit feinen eben aus dem Norden angekommenen Truppen, und der rechte lehnte ſich auf das Fort bei Mexicalcingo, unter dem Befehle des 141 tapfern Generals Bravo. So ſchien man nun gegen jegliche Bewegung hinlänglich gedeckt, und erwartete mit brennender Ungeduld die Ankunft des Feindes. Dieſer war in drei Diviſionen, unter den Generalen Worth, Turggs, Quittman, und in vier Abtheilungen, an vier verſchiedenen Tagen aufgebrochen. — Warum nun St. Anna nicht wenigſtens den Verſuch gemacht hat, gleich die erſte Diviſion, wie ſie von den Hochgebirgen in die Ebene trat (zwiſchen Penon und dem Hochgebirge find noch etwa 3 Leguas Ebene), anzu: greifen, was dieſem mindeſtens erhebliche Verluſte zugezogen hätte, für St. Anna aber ſelbſt im ſchlimmſten Falle nichts gefährdet war, da er ja hinter ſich die feſte Stellung des Penon hatte — daß er dies nicht ges than, ſondern nach und nach alle drei Diviſionen in die Ebene hat hinabſteigen laſſen, ohne auch nur einen Schuß zu thun — das iſt wirklich unbegreiflich und nur möglich bei mexicaniſchem Uebermuthe, der da ſagt: „Laßt ſie nur erſt alle herunter kommen, dann wollen wir ſie ſämmtlich durch unſere Uebermacht erdrücken, damit auch kein einziger übrig bleibe, die Nachricht nach Vera-Cruz zu bringen. Würden ſie einzeln ange— griffen und beſiegt, dann würden die übrigen Feiglinge fliehen und man könnte dann nicht alle vernichten!“ Gewiß, alſo ganz gegen ihr Erwarten unangefochten, langten ſämmtliche drei amerikaniſche Diviſionen Rin der Ebene an, und nun hoffte man von Tag zu Tag, daß fie die mexicaniſchen Linien angreifen würden. Allein die Feiglinge thaten dies nicht; dagegen hatten ſie — was freilich gegen alle Berechnung war — ſich links gewandt, waren / Legua vom Fort Mericaleingo, gedeckt durch eine kleine Höhe und darum von den Mexicanern nicht bemerkt, vorbeigegangen nach Chalio, wo ſie alle Kähne embargirten, auf denen ſie dann über den Kanal ſetzten, und am 16. d. M. in St. Augustin de las Cuevas, einem Städtchen, 5 Leguas von der Hauptſtadt, anlangten. Von hier aus nun ſtand ihnen der Marſch nach der Hauptſtadt ziemlich offen, da die Südſeite derſelben (auf der St. Auguſtin liegt) nur durch zwei unbedeutende Forts bei St. Angel, St. Antonio⸗Churubusco, vertheidigt war. Hatte man bis dahin die Amerikaner ſchon etwas im Nachtheile geglaubt, da mit nur 12,000 Mann eine Stadt von 150,000 Einwohnern anzugreifen, die vertheidigt wird durch ein Heer von 30,000 Mann hinter durch Natur guten Befeſtigungen, doch eine gewaltige Verwegenheit ſchien — ſo mußte die Stadt wieder anfangen, für die Mexicaner beſorgt zu werden, weil es den Amerikanern gelungen war, anſtatt zum Kampf beſtimmt zu werden, ſich jetzt ſelbſt das Schlachtfeld auswählen zu können, und ſie durch ihre Märſche die beiden feſteſten Forts der Mexicaner unnütz gemacht hatten. Auf die Nachricht von der Ankunft der Amerikaner in St. Auguſtin verließen ſogkich faſt alle mexica⸗ niſchen Truppen den Penon und warfen ſich nach St. Antonio ꝛc., welches in Eile noch ſtärker befeſtigt wurde. Jetzt nun glaubte man auch ſchon wieder die Amerikaner ohne Rettung verloren, da ſie von vorn durch die Uebermacht der mexicaniſchen Truppen bedrückt ſeien, der rechte Flügel aber durch General Alvarez abgeſchnitten ſchien, und der Weg nach Süd und Weſt durch unüberſteigliche Gebirge und Barranken (tiefe Gebirgsſchluchten) unmöglich ſei. Ja, am 18. Auguſt ſagte mir noch ein Mexicaner ganz gutmüthig: „Die armen Barbaren ſind verloren, ſie müſſen ſich alle ergeben!“ So waren nun ſeit jenem erſten Kanonenſchuſſe, der die Stadt allarmirt hatte, ſchon 10 Tage ver⸗ gangen, ehe nur eine Kugel zwiſchen den beiden feindlichen Heeren gewechſelt worden war, — da wurden wir plötzlich den 19. Auguſt um 3 Uhr Nachmittags durch ferne, ſich oft wiederholende Kanonenſchüſſe aufmerkſam gemacht und auf die Azotea (das Plattdach) gerufen. Sehr bald erkannten wir, daß von einem Punkte der Vorhöhen, die ſich im Süden der Stadt von St. Auguſtin nach Tacubaga hinziehen, in der Nähe der Dör— fer Contreras und Tiſſapam, ein anhaltendes Batteriefeuer unterhalten wurde gegen eine Heeresabtheilung, die von Oſten her in der Schlucht ſich hinzog und nur ſehr ſpärlich das Feuer erwiederte. Durch die verſchiedene Färbung des Pulverdampfes, indem ſich der dicke, weißlichgraue des ſchlechten mexicaniſchen Pulvers von dem leichten blauen des vorzüglichen amerikaniſchen unterſchied, ward es uns bald möglich, zu erkennen, daß das heftige Batteriefeuer von der lomä (Bergabhang) her von den Mexicanern ausging, die eine beſondere Paffion haben, wüthend zu ſchießen, fo lange der Feind noch außerhalb der Schußweite iſt. Dies dauerte nun bis 142 zum Einbruche der Nacht fort, während dem heftigen Schießen der Mericaner von Seiten der Amerikaner immer nur mit wenigen Schüſſen geantwortet wurde, ohne daß man auf einer der beiden Seiten irgend eine weſentliche Aenderung bemerken konnte. Der Verlauf der Dinge, die wir ſo aus der Ferne beobachtet hatten, war folgender geweſen: Am Morgen des 19. Auguſt hatte ſich eine amerikaniſche Diviſion von 2500 Mann mit 4 Stück leich⸗ ten, auf Pferden transportirbaren Geſchützes, unter Befehl des Generals Worth, von St. Auguſtin aus in weſtlicher Richtung in Bewegung geſetzt, um durch Wegnahme des Dorfes St. Angel den Weg nach St. Antonio zu bahnen. Obgleich das Terrain, auf dem dieſer Marſch unternommen werden mußte, nichts weni⸗ ger als günſtig für die Fortbewegung von Heeresmaſſen war, da dieſer Bergabhang, Pedrégal genannt, aus zerklüfteten Lavamaſſen und Gerölle beſteht, bedeckt mit ſtachlichen Cactus und bevölkert von Klapperſchlangen, und daher von den Mexicanern für unpaſſirbar gehalten wurde: ſtellte ſich dennoch, für den Fall, daß die Pankees ihn doch paſſirten, General Valencia mit 8000 Mann und 25 Stück Geſchütz auf einer Anhöhe auf (die ſich jenſeits einer tiefen Barranke über dem Pedregal erhebt und auf der dann eine Landſtraße hinab nach St. Angel führt), um doch jedenfalls den Uebergang über die Barranke ſtreitig zu machen. Dies glaubte er dadurch am erſten zu erreichen, daß er, ſobald er nur in der weiteſten Entfernung Yankees wahrnahm, fortwährend ſeine Geſchütze ſpielen ließ, deren Kugeln natürlich nicht einen Amerikaner trafen. Dieſe ließen ſich aber durchaus nicht abweiſen, ſondern bewerkſtelligten mit unglaublicher Geſchicklichkeit den Marſch über den für unpaſſirbar gehaltenen Pedregal, fo daß fie ſich bis gegen Abend geſchickt in die Barranke hinein- avancirt hatten, über welche die mexicaniſchen Kugeln, ohne zu ſchaden, hinwegflogen. Die nun eintretende regnigte Nacht, die Valencia anwandte, einen glänzenden Siegesbericht abzufaſſen, Beförderungen zu decre— tiren und ein Trinkgelage zu halten, benutzten die Yankees, die Schlucht hinauf zu gehen und den Mexicanern ſich in die rechte Flanke zu werfen. Während am andern Morgen früh 6% Uhr der eine Theil der Mexi— caner an der Barranke beſchäftigt wird, dringen andere amerikaniſche Bataillone von jener Seite her mit ge— fälltem Bajonette auf die Batterien vor, nehmen die erſten und richten fie gegen die Mexicaner. Zu gleicher Zeit wird auch von den andern der Uebergang über die Barranke forcirt, und binnen einer halben Stunde iſt das mexicaniſche Heer in die wildeſte Flucht geſchlagen; voran Valencia mit ſeiner Cavallerie. Alles Geſchütz und 1500 Gefangene, darunter 2 Generale, fallen in die Hände der Sieger, denen nun der Marſch nach St. Angel ungehindert offen ſteht. Während dieſe ſiegreiche Diviſion ſich von St. Angel aus gegen St. Antonio, wo die Se un: ter St. Anna ſtand, in Bewegung feste, rückte auch Scott von der andern Seite von St. Auguſtin über Cuantla heran, um vereint St. Anna anzugreifen. Da das Terrain überall von Gräben durchſchnitten war, ließ man das Geſchütz zurück, und wagte es wieder, die feindlichen Linien mit dem Bajonette anzugreifen. Zehn Minuten reichten hin, um St. Antonio mit all ſeinem Geſchütz zu nehmen, da St. Anna noch vor dem Angriffe fi) nach Churubusco eee hatte und die zurückgelaſſenen Truppen nicht verfehlten, ſeinem Beiſpiele zu folgen. In Churubusco fanden die Amerikaner einen etwas lebhafteren Widerſtand, beſonders durch die aus amerikaniſchen Deſerteuren gebildete Fremden-Legion, die bis auf den letzten Mann den Uebergang über die Brücke vertheidigte. Allein nach einem halbſtündigen Kampfe hatten ſie auch dieſes letzte mexicaniſche Fort genommen, abermals durch einen kräftigen Bajonettangriff. In eiligſter Flucht zog ſich der Reſt der Truppen in die Stadt zurück, bis an die Thore von den amerikaniſchen Dragonern verfolgt, wobei ſie doch noch ſo glücklich waren, zu Zwanzig einen amerikaniſchen Officier, der mit dem Pferde ſtürzte und ſich als Gefangener ergab, mit Lanzenſtichen zu ermorden und in den Koth zu treten! — Es iſt dies wirklich ein Tag des Ruhms für die Amerikaner, ein Tag der Schmach für die Mexicaner geweſen. 9000 Mann Amerikaner (denn 3000 Mann Reſerve ſind gar nicht im Gefecht geweſen) haben 25,000 Mann aus ihren feſten Poſitionen gejagt, ohne Geſchütz 45 Stück genommen, 4000 Mann, einſchließlich 13 Generale, gefangen. Nichts ſteht 143 mehr ihnen entgegen, hier ihren Einzug zu halten; denn die 10— 12,000 Mann, die St. Anna von 30, 000 Mann noch bei ſich hat, haben alle Luft zum Kampfe mit Yankees verloren. Doch hat Scott ſich begnügt, nur die ganze Umgegend (auch Tacubaga) zu beſetzen, und hat nun einen Waffenſtillſtand geſchloſſen um über den Frieden zu unterhandeln, wozu St. Anna ſich doch jetzt bereit zeigt. Ueber die weiteren Folgen wage ich noch kein Urtheil. Nachſchrift am 28. Auguſt. Nur ſo viel noch in Eile, daß jetzt hier eine große Aufregung ee St. Anna herrſcht und man ihn der Verrätherei beſchuldigt. — Ich glaube nicht an lange Dauer des Waffenſtillſtandes. II. Für phyſiſche Geographie und Geognoſie. 1. Orographiſche und hydrographiſche Studien. Vom Herrn Dr. Fr. v. Strantz, königlichen Oberſtlieutenant. Wenn es den Militairſchulen theilweiſe zum Vorwurfe gereicht, die Naturwiſſenſchaften zu ignoriren, ſo trifft dies nicht minder die Gymnaſien und Realſchulen in Bezug auf die Terrainkunde. Ob zwar die letztere mehr ein Gegenſtand des Militairs iſt, ſo dürfte ein Leitfaden darüber nicht blos dem Reiſenden und Ge⸗ birgswanderer, ſondern auch ſelbſt dem Land- und Forſtwirthe, dem Wegebaumeiſter und Andern wohl von entſchiedenem Nutzen ſein. Wir wollen uns hier vorzüglich nur auf einen Punkt derſelben, auf die eee beſchränken, welche ſich aus dem Waſſerzuge ergeben, einem Gegenſtande, den Referent in „Berghaus Annalen der Erd— kunde,“ Breslauer Verlag, ausführlich behandelt hat. Eine Anwendung davon gilt hier den oro-hydrogra— phiſchen Wandkarten der Schulen, in Bezug auf das, was ſie nothdürftig zu ihrer Erklärung noch bedürfen, namentlich, was den Waſſerzug betrifft. Es ergeben ſich hierbei folgende Regeln, wie darauf zu erkennen fei: ob das Land gebirgig oder eben iſt, und was weiter daraus zu folgern iſt: 1) Wenn Nebenflüſſe unter einem ſpitzen Winkel ihrer Hauptrichtung nach in den größeren Fluß ſich einmünden, iſt auf ein ebenes, und umgekehrt bei einem rechten oder wohl gar ſtumpfen Winkel iſt auf ein mehr oder weniger gebirgiges Terrain zu ſchließen. 2) Aus den Flußkrümmungen ergiebt ſich: Wendet ſich der Fluß, von ſeiner Hauptrichtung abgehend rechts, ſo iſt ſein linkes, und umgekehrt links, ſein rechtes Ufer oder der Thalrand höher. Bei großer Wen— dung hat man anzunehmen, daß ein Höhenzug oder Gebirge dem Fluſſe entgegentritt. 3) Was die Waſſerſcheiden anbelangt, fo zeugen dieſe, nach ihrer größeren oder geringeren Breite, von Hochebenen, Höhenzügen oder Gebirgsrücken. Gewöhnlich werden letztere, wie ſchon Zeune bemerkt, wie umherlaufende Raupen gezeichnet, ſeltener noch die Ausläufer durch kleine Vorſprünge angedeutet, weil ein Mehreres die Karten überladen und vertheuern würde. Dies alles ſind Gegenſtände, welche zwar von den Kartographen nicht überſehen, ſonſt aber in den Recenſionen gewöhnlich vermißt werden. Was man unter Hoch-, Mittel- und Tiefland begreift, kann nur durch abſolute Höhenangabe auf den Wandkarten ausgeſprochen und dieſen Zahlen noch Buchſtaben als Bezeichnung beigefügt werden; z. B. B Berge, HE Hochebene, K Gebirgskamm, P Paßhöhe, Q Quelle oder Fluß⸗Urſprung, F Gebirgsfuß (worunter man Punkte des Austrittes der Flüſſe aus dem Gebirge oder Orte, welche ſolches begränzen, verſteht); endlich N Fluß ⸗Niveau, namentlich da, wo die Nebenflüſſe ſich einmünden, oder Wohnorte, die an den Fluß ſich lehnen. 144 Man wird allerdings fragen: Woher dieſe Größenangaben zu entnehmen fein möchten? Ref. glaubt für dieſen Punkt bereits nothdürftig geſorgt zu haben, und verweiſet auf ſeine Abhandlungen „über die dyna⸗ miſche Geſtaltung des Hoch- und Tieflandes“ in Berghaus Annalen, wo außer oben genannten Gegenſtänden noch ein Mehreres: die Geſtaltung in Bezug auf das Geſtein der Gebirge, die Flußgebiete, Flußlänge, Ge fälle, Breite, Tiefe und Geſchwindigkeit derſelben, angegeben iſt, welche füglich als Randbemerkungen noch bei⸗ gefügt werden können. Zu dieſer mühſamen Arbeit würde ich mich kaum verſtanden haben, wäre es nicht meine Abſicht gewe⸗ ſen, einen Verſuch zur Darſtellung einer Charakteriſtik des Hoch- und Tieflandes und der ſtrömenden Gewäſſer zu wagen. Demzufolge verweiſe ich auf meine Abhandlungen in vorgenannter Zeitſchrift: Hertha, Bd. IX, (1828); ferner Berghaus Annalen Bd. II (1830); Bd. IV (1831); Bd. VII (1832); Bd. IX (1834); Bd. XI (1835); ſodann dritte Reihe: Bd. 1 (1836); Bd. VII (1838 und 1839); Bd. XI (1841). Es ſind dieſe Abhandlungen, welche einige 20 Druckbogen gr. 8 betragen, was das beabſichtigte Syſtem betrifft, noch nirgends beſprochen worden, obgleich dieſelben bereits ſich des Beifalls eines vollkommen compe⸗ tenten Richters zu erfreuen gehabt haben, der ſelbige für einen wahrhaft nützlichen Beitrag zur Vervollkomm— nung der Terrainlehre erkannt hat; ja ſelbſt auch zu einer Geſammtausgabe rieth. Da dieſe ſich jedoch nicht bewerkſtelligen ließ, ſo wurden wenigſtens meine orographiſchen und hydrographiſchen Tabellen zur Darſtellung einer Charakteriſtik des Hoch- und Tieflandes und der Flüſſe (Bresl. bei Graß, Barth und Comp. 1835 und 1836) veröffentlicht, die allerdings nur als ein Auszug anzuſehen und auch, wie jene ee e der Approbation des Herrn A. v. Humboldt ſich rühmen dürfen. Referent iſt erbötig, einem Jeden, oder einer Geſellſchaft, welche die Veröffentlichung jener Abhandlun⸗ gen bezwecken, die desfallſigen Abdrücke ohne Honorar zu überlaſſen, und noch einige Manuſkripte als Nach⸗ trag dieſen beizufügen. III. Meteorologie, Klimatologie und Hypſometrie. 1. Ueber die von der Section ausgegangenen und geleiteten meteorologiſchen ꝛc. Beobachtungen, vom Secretair der Section. Von den im Jahresberichte von 1847 angeführten 13 Stationen, welche durch Barometer- und Ther⸗ mometer- Beobachtungen u. ſ. w. für dieſe Zwecke thätig find, hat der vorwiegend größere Theil dafür fortge⸗ wirkt; nur Glatz, Landeshut und die nach Petranowitz bei Wohlau von Prausnitz übergeſiedelte Station haben für 1848 noch keine ihrer Beobachtungen eingeſandt, und auch noch nicht die Urſache davon aufgeklärt, was alſo noch zu erwarten ſteht. Dagegen dürfen wir die Station Görlitz mit ihren ausgezeichnet ſorgſamen und genauen Beobachtun⸗— gen fortwährend zu unſerm Vereine zählen. Nur im Jahre 1847 waren uns keine Beobachtungen von dort zugegangen. 5 Görlitz wirkt, wie Ratibor und Breslau, mit in dem großen Stationen-Netze des ſtatiſtiſchen Bureau's in Berlin, welches bereits ſeit Jahr und Tag angefangen hat, den ganzen preußiſchen Staat zu überziehen. Leider hat dieſes neue großartige Inſtitut am 9. December 1848 ſeinen erfahrungs- und kenntnißreichen erſten Dirigenten, Dr. Mahlmann, durch einen unerwartet ſchnellen Tod in der Blüthe ſeiner Jahre und ſeines Wirkens verloren. Eine größere Reiſe zu dem Zwecke, die unter A. von Humboldt's Au— ſpicien gewählten und gegründeten Stationen theils zum erſten Male zu revidiren, theils immer vollſtändiger einzurichten, hatte ihn vor ſeiner Rückkehr nach Berlin zuletzt nach Breslau geführt, um wo möglich einen noch 145 engeren Anſchluß unſeres Stationenkreiſes mit dem viel größeren Netze der feinigen zum Vortheile für die Meteorologie und Klimatologie zu Stande zu bringen. f Hier ereilte der Tod dieſen um die Wiſſenſchaft hochverdienten Mann, gerade in dem Momente, als er den erſten Schritt zu dieſem Zwecke unternahm. Zahlreiche Werke folgen ihm nach und ſichern ihm die Ach— tung ſeiner wiſſenſchaftlichen Genoſſen. Dieſer beklagenswerthe Zwiſchenfall hat natürlich für den Augenblick jede Aenderung, in der bisherigen Weiſe zu wirken, für unſern Beobachtungsverein durchaus nicht räthlich gemacht. Die Beobachtungen des Vereins vom Jahre 1846 ſind inzwiſchen zur Bearbeitung gekommen, ſo daß die Reſultate, wie gewöhnlich, als Nachtrag zum Jahresberichte beigegeben werden können, und auch die in Kürze nöthigen Erläuterungen erhalten werden. Da die Beobachtungen der meteorologiſchen Cooperationstermine von dem J. 1846 an an die Zeit der magnetiſchen verlegt ſind, und ſpäterhin mit denen der magnetiſchen Stationen zur Zuſammenſtellung und Bear— beitung gelangen werden, ſo hört nunmehr ihre Stelle bei den Beobachtungen des Sudetenvereins auf, um ſpäterhin einer viel größeren Anzahl von Stationen ſich überſichtlich anzureihen. f Im Laufe des Jahres 1849 wird wohl die größere Zahl der cooperirenden Stationen eingehen, weil ſonſt das Material ſpäterhin nicht zu bewältigen ſein würde. V. Mathematiſche Geographie und Kosmographie. Beobachtungen im Jahre 1848 zu dieſem Zwecke in Schleſten, vom Secretair der Section. A. Beobachtungen zu geographiſchen Längenbeſtimmungen. a. Beobachtungen der Culmination des Mondes und der Sterne in ſeinem Parallel im Jahre 1848. 1. Zu Breslau am Paſſage⸗Inſtrument von Dolland, von 3 / Fuß Brennweite, 2% Zoll Oeffnung. Fiortl. Nr. 1848. Mondrand. Brest. Sternzeit. Anz. d. Fäden. Mondſterne. Fundamentalſterne. Beobachter. h m 8 915 Jan. 16 1 noch nicht reducirt. 3 0 0 G. v. Bogusl. 916 35 20100 8619038.” 6,66 3 4 2 Günther. 917 26 II 13 24 53.01 1 2 1 G. v. B. 918 7 AU 14 12 15.59 25 0 1 Günther. 919 29 II (ds 51 26.56) 2 3 1 G. v. B. 920 Febr. 11 1 noch nicht reducirt. 3 0 0 G. v. B. 921 13967 5 13 25.05 3 2 1 Günther. 922 11 1 6 12 22.27 2 3 1 G. v. B. 923 15 1 7 10 10.29 3 4 3 Günther. 924 s 6, 14.62 3 2 5 G. v. B. 925 März 13 1 6 52 50.12 2 2 3 Günther. 926 16 1 9 34 40.24 3 0 2 Günther. 927 18 1 11 12 50.69 3 0 1 Günther. 928 April 13 I 10 9 10.83 2 1 2 G. v. B. 929 10 IE EN 31 35.86 2 3 2 u. Günther. 930 1 e eee 22.06 2 3 4 Günther. 19 Fortl. Nr. 1848. Mondrand. Bresl. Sternzeit. Anz. d. Fäden. Mondſterne. Fundamentalſterne. 931 932 933 934 935 936 937 938 939 940 941 942 943 944 945 946 947 948 949 950 951 952 953 954 955 956 957 958 959 960 961 962 963 964 965 April Mai Juni Aug. Sept. Dcthr, Nov. Decbr. 18 22 11 12 13 14 15 16 11 12 13 16 17 18 9 11 13 14 16 rei SO OD I OO DINO an SI I. II — — — — —̃ — —— — —h— — —U—ꝛ— — — — — — — — — — — — uh— — — —— je I. II 146 h m 8 14 7 41.48 noch nicht reducirt. 10 42 5.78 noch nicht reducirt. noch nicht reducirt. noch nicht reducirt. 13 50 6.91 14 37 56.96 13 33 50.81 14 21 16.66 15 9 5418 17 46 23.45 noch nicht reducirt. 19 36 48.67 noch nicht reducirt. 18 50 45.94 20 42 58.84 noch nicht reducirt. 23 33 46.78 17 32 46.32 18 26 10.97 19 20 50.85 21 12 39.02 0 5 43.33 noch nicht reducirt. 21 41 (8.28) 22 33 49.16 noch nicht reducirt. 22 10 56.82 noch nicht reducirt. 22 44 11.25 noch nicht reducirt. noch nicht reducirt. 1 28 41.00 noch nicht reducirt. 3.2 m C O 1 > O O ei 0 — > d S Damm ee u mananT e e e nm 3. 3 W c O c O S S es 1 = e D O Sd d e , OSDyy WU Um SU em Wo W . eee FEED DV = ADD u. Beobachter. Günther. G. v. B. Günther. G. v. B. G. v. B. G. v. B. Günther. Günther. Günther. Günther. Günther. Günther. G. v. B. Günther. G. v. B. Günther. Günther. G. v. B. Günther. Günther. Günther. Günther. Günther. Günther. G. v. B. Günther. Günther. G. v. B. Günther. G. v. B. Günther. G. v. B. G. v. B. Günther. G. v. Bogusl. Anmerk. Bei der Sorgfalt, mit welcher auf der Breslauer Sternwarte fortwährend über Sicherheit und Schärfe der Zeitbeſtimmung gewacht wird, iſt die bloße Angabe der beobachteten Rectascenſion des Mon⸗ des für den oben angegebenen Zweck ſchon ausreichend; ſo daß hier, durch den Mangel an Raum geboten, die daneben beobachteten Culminationszeiten der Sterne fortgelaſſen werden konnten, aber nachträglich für den Gebrauch Jedem gern mitgetheilt werden. v. B. 147 2. Zu Guſtau an dem als Paſſage-Inſtrument fungirenden Fernrohre von Frauenhofer, von 2 Fuß Brennweite und 32maliger Vergroͤßerung mit drei Faͤden, von Herrn Major v. Zobeltitz beobachtet. Anzahl d. Fäden. Fortl. Nr. 1848. 1 Juni 12 2 November 2 3 5 1. Auf der Univerſitäts-Sternwarte zu Breslau nach mittlerer Zeit derſelben. L. Nr. 1848. 371 Jan. 25 372 29 373 Febr. 9 374 9 7 9 375 13 37 15 „ 15 15 15 377 März16 „ 16 378 April 7 „ 7 379 7 1 7 380 7 381 20 1 20 382 Mai 6 „ 6 383 6 Guſtauer Sternzeit. h 14 14 14 14 14 19 20 20 21 21 22 22 22 m 4 10 21 42 48 8 51.24 57.04 26.27 31.20 34.59 51.13 30.05 13.20 40.91 15.81 6.57 38.67 43.58 Mond und Sterne. * Virginis. 4 Virginis. Mondrand J. % Librae. & Librae. Mondrand l. 62 Capricorni. p Capricorni. o Capricorni ı Aquarii. Mondrand J. o Aquarii. 4 Aquarii. b. Beobachtete Sternbedeckungen vom Monde im Jahre 1848, Mittl. Zeit. h m 12 2 16 31 26 27 27 50 49 49 49 27 27 30 30 10 13 10 13 10 34 14 59 14 59 9 12 9 12 9 40 AS Do 49.56 47.80 39.18 45.73 53.16 7.55 56.88 56.94 57.67 19.95 20.03 29.95 30.85 24.83 25.39 5.69 31.06 31.35 8.98 8.99 42.76 Phaſen. Austr. Austr. Eintr. Eintr. Eintr. Eintr. Eintr. Eintr. Eintr. Eintr. Eintr. Eintr. Eintr. Eintr. Eintr. Eintr. Austr. Austr. Eintr. Eintr. Eintr. dunkeln Mondrande. Werth d. Beobachtung. Fernr. Vergr. Beobacht. Sterne. Größe. (143) Virg. 6—7 460 Libr. 4—5 XVIII. Ur. 9 (123) Piscium. 6 (123) Piscium. 6 111 Tauri. 6 54 7 Gem. 4—5 54 7% Gem. 4—5 54 1 Gem. 4—5 14 o Leonis. 4 14 o Leonis. 4 XXIII. Ur. 7—8 XXIII. Ur. 7—8 XXIV. Ur. 8 XXIV. Ur. 8 XXV. Ur. 8—9 460 Libr. 4—5 460% Libr. 4—5 XXXVI. Ur. 8 XXXVI. Ur. 8 XXXVII. Ur. 8 plötzlich, gut. ſehr ſchön, ganz genau. nur muthmaßlich. anſcheinend gut. nebl. Luft, ziemlich gut. unter Wolken. plötzlich, ſehr gut. plötzlich, ſehr gut. plötzlich, ſehr gut. ſehr gut. gut, plötzlich. plötzlich, ſehr gut. plötzlich, ſehr gut. ziemlich gut. plötzlich, ſehr gut. ſehr zweifelhaft. ſehr gut. ſehr gut. ſehr gut. ſehr gut. ſehr genau. e d e e eee 72 72 72 64 72 64 64 60 Größtentheils Phaſen am Günther. G. v. Bog. G. v. B. G. G. Sadebeck. v. B. 85 * S5 8 S8 * 8 S 5 5 + 148 L. Nr. 1848. Mittl. Zeit. Phaſen. Sterne. Größe. Werth. d. Beobachtung. Fernr. Vergr. Beob h m 8 8 h 383 Mai 6 9 40 42.79 Eintr. XXXVO.Ur. 8 ſehr genau. 1 4% 162 v. B 384 6 10 10 28.71 Eintr. XXXVIII. Ur. 9 nicht zu verbürgen. 44, 162 v. B. 385 7 9 29 22.41 Eintr. XLI. Ur. 9—10 ſehr ſchwach. 4½ 162 v. B 386 7 9 39 48.60 Eintr. XLII. Ur. 8 plötzlich, gut. 4 64 G. 5 7 9 39 48.85 Eintr. XLII. Ur. 8 ſcheinbar gut. 47% 162 % 387 7 10 10 36.12 Eintr. XLII. Ur. 9 anſcheinend ziemlich gut. 4½ 162 v. B 388 7 11 11 59.43 Eintr. XLIII b. 8 plötzlich, gut. 4%½ 152, v. B. F 7 11 12 137 Eintr. XLIII b. 8 ganz unſicher. 4 64 G. 389 7 11 31 29.78 Eintr. 68 k Geminor. 5 gut. 4 64 G. 1 7 11 31 30.85 Eintr. 68 k Geminor. 5 plötzlich, ſehr gut. 4½ 162 v. B 390 8 10 57 42.86 Eintr. XLV. Ur. 8 nicht zu verbürgen wegen d neblicher Luft. 4 64 G. 391 9 10 13 28.84 Eintr. (35) Leonis. 7 ſehr gut. 4 64 G. 95 9 10 13 29.26 Eintr. (35) Leonis. 7 verſchwand plötzlich, ſehr 149 gute Beobachtung. 4½ 213 , B. 392 11 13 20 22.09 Eintr. 58 d Leonis. 5 unſicher und g. Wolken. 4 64 G. 393 Juni 13 11 35 27.94 Eintr. 30 0? Librae. 6 ziemlich gut. 4 64 G. B 13 11 35 28.44 Eintr. 30 0? Librae. 6 dem Anfcheine nach gut. AU 72 v. B 394 Sept. 15 16 20 37.61 Austr. 65 51 Ceti. 5 gut. 4% 72 G. 395 20 13 5 28.54 Austr. LII. Ur. 7 plötzlich, ſehr gut. 4½ 72 G. 396 Nov. 19 17 56 47.58 Austr. LVII. Ur. 7 plötzlich, ſehr gut. 4% 7 © 397 22 18 3 40.52 Austr. 98 x Virginis. 4 ſehr genau. 4% e & 398 Dec. 3 5 91713 Eintr. 734 Aequarii. 4 ſehr gut. 4 64 G. 1 3 5 9 18.06 Eintr. 73 4 Aequarii. 4 ſehr gut. 4% 022 % 3 5 24 19.92 Austr. 73 A Aequarii. 4 gut. 4 64 G. 15 3 5 24 37.57 Austr. 73 A Aequarii. 4 etwas ungew. am hell. Rnd. A, 72 v. B. 399 3 6 8 28.69 Eintr. 78 Aequari. 6 ſehr genau. 4 64 G. 75 3 6 8 28.92 Eintr. 78 Aequari. 6 ſehr präciſe. N 1% 400 4 7 3 12.08 Eintr. 20 u Pisc. 5—6 plötzlich, gute Beobacht. 4% 72 v. B. % 4 7 3 12.15 Eintr. 20 n Pisc. 5-6 ſehr gut. 4 64 G. 2. Auf der Sternwarte zu Guſtau, beobachtet von Herrn Major v. Zobeltitz an dem 2½ füßigen Frauenhofer mit 32maliger Vergrößerung nach dortiger mittlerer Zeit. 1848. Mittl. Zeit. Phaſe. Stern. Größe. h m 8 b Februar 15 7 43 34.18 Eintritt. A Geminorum. 4—5 Mai 6 9 6 5763 Eintritt. XXXVI. Ur. 8 7 9 35 15.42 Eintritt. XLII. Ur. 8 + + * + + 149 Jupiters Trabanten-Verfinſterungen. 1. Beobachtet auf der Univerſitäts-Sternwarte zu Breslau nach mittlerer Breslauer Zeit. Vergr. L. Nr. 1848. 170 Jan. 26 171 Febr. 14 1 14 172 14 173 März 31 174 April 4 175 9 176 16 177 27 178 Mai 2 179 8 180 9 181 25 182 Octbr. 30 30 „ 183 Novbr. 19 184 Decbr. 11 185 [22 186 12 12 28 0. Mittl. Zeit. Trabant. Phaſe. Fernr. h m 8 8 46 45.37 II Austr. 4% eee e e een, AT, 8 16 4.59 IV Austr. 4 11 43 52.50 1 Austr. 4½ 12 13 35.46 I Austr. 4% 11 3 30.91 IV Eintr. 4 8 38 16.65 I Austr. 4 10 33 47.55 1 Austr. Al, 9 31 25.15 III Austr. 4 8 53 37.72 1 Austr. 4 10 29 51.42 II Austr. 4 10 49 5.28 I Austr. 4 9 8 52.95 1 Austr. 4 13 44 54.47 III Eintr. 4% 17 16 32.10 III Austr. 4 18 30 30.28 II Eintr. 4% 17 13 58.04 IV Eintr. 3% 13 31 57.10 III Eintr. 4 17 4 54.85 III Austr. 4 11 12 15.84 IV Eintr. 4 63 63 64 63 63 64 64 72 64 64 64 64 64 64 64 72 46 64 64 216 Kritik. Beobacht. gut. G. v. B. gut. Günther. gut. Sadebeck. Schleiergewölk. Günther. wegen leichter Gew. viel⸗ leicht etwas zu ſpüt. Günther. gut. Günther. gut, Streifen deutlich. Günther. wohl etwas zu ſpät, weil kurz vorher eine Wolke über A gezogen war. G. v. B. gut. Günther. leichtes Gewölk. Günther. ſehr gut. Günther. ſehr gut. Günther. gut, trotz des Gewölks. Günther. deutlich. G. v. B. gut. Günther. ſehr gut, Streifen deutl. Günther. gut. Günther. gut. Günther. Wolken. Günther. ziemlich gut. G. v. B. B. Beobachtungen der jüngſt entdeckten teleſkopiſchen Planeten und des am 26. October von Dr. Peterſen in Altona entdeckten Kometen, auf den zwei“) ſchleſiſchen Sternwarten. a. Beobachtungen der Flora am Differenz Mikrometer. Mittlere Zeit. 1848. Januar 6 Februar 4 9 14 15 März 27 April ) Es ſtehen deren bald noch mehrere in Ausſicht. 28 29 2 O O S Se SS SS OS DD 7 III S S S2 S SSS S 0.0 34.6 34.6 34.6 34.6 Breslau Nee app. AR. app. Decl. Mikr. Durchg. Beobacht. III 8 0 „ 7 9 49.94 +16 15 46 DM. 3 Günther. 9 42.22 16 20 29.5 DM. 4 G. 15 36.10 18 24 32.0 DM. 2 . 15 35.69 18 24 30.0 DM. 2 . 16 16.78 18 30 33.3 DM. 4 B. 16 58.74 18 36 50.1 DM. 5 9B. 20 55.92 19 8 03 DM. 3 DD. 25 35.48 19 39 15 DM. 4 v. B. 30 55.31 20 9 299 DM. 1. 9 32 4.14 20 15 27.6 DM. 7 B. 34 40.40 23 30 20.4 DM. 3 v. B. 36 29.20 3 33 21.7 DM. 3 9B. 38 18.89 23 36 16.7 DM. 70 9B 45 42.90 23 47 9.2 DM. 4 v. B. 1848. Januar 7 30 Februar 4 9 b. Mittlere Zeit. Y O D e 8 0.0 0.0 0.0 0.0 Breslau h 22 23 23 23 20 10 22 33 8 0 22.02 — 5 456 — 1 4,05 — 0 15.00 — 1 app. Decl. Beobachtungen der Iris am Differenz: Mikrometer. app. AR. III Mikr. Durchg. DM. 2 DM. 3 DM. 3 DM. 2 Beobacht. v. B. Günther. G. G. c. Beobachtungen des Neptun am Differenz: Mikrometer, am Heliometer und am Paſſage-Inſtrument. Sind mehrere Beobachtungen an demſelben Tage von dem nämlichen Beobachter, mithin zu verſchiedener Zeit, gemacht Juli 23 25 26 28 Auguſt 2 Septbr. A888 um 0 14 14 13 13 13 13 13 12 12 12 11 11 11 11 50 11 11 11 11 11 11 11 11 11 11 11 11 11 11 10 10 10 10 10 10 worden, ſo ſtehen ſie hier auf denſelben Zeitmoment reducirt. 25.6 22.6 22.6 19.8 12.5 8.1 1.1 55.5 40.9 37.4 25.2 21.2 20.6 19.0 19.0 19.0 16.8 16.0 7.0 7.0 6.6 5.4 5.4 2.9 2.9 2.3 1.1 1.1 0.3 59.1 59.1 50.9 46.0 46.0 44.7 Breslau Guſtau Breslau Guſtau Breslau Guſtau Breslau Guſtau Breslau 22 22 22 22 22 22 22 22 22 22 22 16 16 16 16 16 15 15 15 14 14 13 13 13 13 13 13 13 13 12 12 12 12 12 12 12 12 12 12 12 12 12 11 11 11 11 57.44 — 11 46.02 11 41.84 11 30.85 11 3.03 11 46.34 11 22.90 11 9.05 11 21.62 11 14.02 11 37.10 11 24.90 11 24.90 11 18.20 11 18.47 11 19.00 12.24 11 12.87 11 42.21 11 41.64 42.10 11 36.37 11 35.97 29.39 11 29.77 29.85 11 23.41 11 24.01 23.66 11 17.57 11 17.67 48.81 11 31.47 11 31.70 26.20 — 11 22 23 24 25 28 29 32 32 37 38 42 43 43 43 43 44 44 47 47 47 48 49.0 DM. 3 51.6 DM. 1 28.6 DM. 2 25.1 DM. 3 6.1 DM. 4 55.9 DM. 3 3.0 DM. 1 11.6 Hel. 2 59.1 Hel. 2 43.5 Hel. 4 16.7 DM. 2 17.3 Hel. 2 20.0 DM. 3 56.6 Hel. 4 57.2 DM. 3 Paſſ. Inſtr. III F. 30.1 DM. 3 32.8 DM. 6 25.1 DM. 3 Paſſ. Inſtr. III. 27.8 DM. 5 58.4 DM. 4 Paſſ. Inſtr. III. 35.5 DM. 4 Paſſ. Inſtr. II. 32.6 DM. 4 14.8 DM. 3 Paſſ. Inſtr. III. 15.5 DM. 4 48.3 DM. 3 Paſſ. Inſtr. III. 38.6 DM. 2 14.8 DM. 2 Paſſ. Inſtr. II. 50.2 DM. 2 S S S SSS SS S SSS eR> + > + 1848. Septbr. 17 19 22 22 22 23 23 23 October 1 Novbr. Decbr. Decbr. October 30 28 Mittlere Zeit. h 15 15 B [>11 — DD os wm e e M wo 1 SI — O — o9o09 18 18 151 app. AR. app. Decl. Mikr. Durchg. 8 h m 8 6 h ip 43.9 Guſtau 22 11 25.73 — 11 54 32.5 DM. 5 40.7 22 11 14.93 11 55 36.6 DM. 4 37.7 Breslau 22 10 58.71 11 57 12.1 DM. 3 37.7 22 10 58.57 Paſſ. Inſtr. III. 36.9 Guſtau 22 10 59.13 Ie . 6 36.5 Breslau 22 10 53.35 n e . 3 36.5 21 10 53.35 Paſſ. Inſtr. III. 36.0 Guſtau 22 10 53.24 11 57 38.2 DM. 4 34.9 22 10 47.97 11 57 58.5 DM. 2 31.1 Breslau 22 10 23.44 12 0 17.4 DM. 3 30.8 Guſtau 22 10 23.72 12 0 26.9 DM. 3 30.4 Breslau 22 10 14.43 e d. 3 29.7 Guſtau 22 10 13.89 s DM: 4 43.8 Breslau 22 8 57.55 12 7 54.3 DM. 4 58.4 Guſtau 22 8 44.16 12 9 14.3 DM. 5 22.3 22 14173 12 9 8.8 DM. 2 33.2 22 8 44.81 12 8 56.0 DM. 2 38.7 22 8 46.20 12 8 44.1 DM. 2 59.3 Breslau 22 9 44.57 12 3 6.3 DM. 3 26.0 22 11 6.01 — 11 55 209 DM. 3 d. Beobachtungen der Metis am Differenz Mikrometer. 5.5 Breslau 14 43 33.09 — 12 0 13.5 DM. 4 9.1 14 42 33.76 11 57 50.4 DM. 7 16.1 14 41 35.06 11 55 30,5 DM. 5 9,2 14 29 4.40 11 29 29.6 DM. 5 58.4 14 28 18.08 11 28 20.8 DM. 5 59.4 14 26 7.11 — 11 25 21.8 DM. 5 e. Beobachtungen der Hebe am Differenz-Mikrometer. 0.0 Breslau 5 56 59.01 — A 26 48.7 DM. 2 0.0 5 55 57.65 4 34 24.4 DM. 5 0.0 5 55 1.52 — 4 41 55.1 DM. 3 f. Beobachtungen des Enckeſchen Kometen am Differenz: Mikrometer. 0.0 Breslau 12 25 23.89 23 37 20.2 DM. 2 12.6 12 40 42.56 + 19 22 41.6 DM. 4 Beobacht. + SS SS 20 8 S8 S8 S588 se ‘ « 90 wm 0 . SS 2 8 5 2 $+ 1848. 152 Beobachtungen des Kometen vom 26. October 1848, entdeckt von Dr. Peterſen in Altona, am October 30 Novbr. Decbr. 1 Mittlere Zeit. h m SSS SS 95 9 oe oe ee earee * 0.0 0.0 0.0 0.0 0.0 0.0 0.0 0.0 0.0 0.0 0.0 0.0 0.0 0.0 0.0 0.0 0.0 0.0 0.0 0.0 0.0 0.0 0.0 0.0 Differenz-Mikrometer. h Breslau 18 18 18 19 20 20 20 20 20 20 20 20 21 21 21 21 21 21 22 22 22 22 22 22 app. m 35 44 AR. 8 44.18 + 54.50 12.11 29.29 34.28 4.16 26.11 50.03 49.41 33.13 51.37 43.22 57.77 7.42 51.21 5 7.98 52.12 4.64 25.16 + 0.94 — 22.63 23.82 25.63 — app. Decl. 61 59 58 57 43 42 Al 40 —— 9 — 7 WG 50 32 52.7 59.0 46.7 45.6 12.0 43.0 8.2 32.0 33.0 39.0 33.8 14.0 8.2 58.4 33.2 12.1 27.6 35.0 15.6 18.0 26.2 34.7 24.9 3.6 Mikr. Durchg. DM. DM. DM. DM. DM. DM. DM. DM. DM. DM. DM. DM. DM. DM. DM. DM. DM. DM. DM. DM. DM. DM. DM. DM. 4 D d n N D u S — e er ee 37 SI O8 > OT Beobacht. => RR + * = + SS 5 8 5 5 BER + * N N N d A + + gs S 8 + + S 8 2 8 + 8 « 7 S + + S + B. Angewandte Naturwiſſenſchaften. 5. Jahres- Bericht der mediein i ſ chen Section, von Dr. Krauß, zeitigem Sekretär derſelben. Sitzung vom 7. Januar 1848. Herr Profeſſor Dr. Göppert eröffnete dieſelbe mit einem Vortrage, die Mittel betreffend, um eine nähere Verbindung zwiſchen der mediciſchen Section einerſeits, und den geſammten Medicinal-Perſonen Schleſiens, namentlich den ärztlichen Vereinen der Provinz, andererſeits, einzuleiten. Die hierüber ſtattfindende Discuſſion führte zu dem Beſchluſſe: eine allgemeine Zuſammenkunft der ſchleſiſchen Medicinal-Perſonen, zunächſt in Schweidnitz, zu veranlaſſen, und es wurde der Secretair beauftragt, einen Plan dafür auszuarbeiten und der Section vorzulegen. Hierauf legte Herr Dr. Neugebauer ein anatomiſches Präparat vor, beſtehend in der Epidermis der Hände und Füße eines während der Geburt geſtorbenen Kindes. Die Epidermis, ohne Zeichen der Verweſung am ganzen Körper von der Cutis getrennt, war von den Händen im Ganzen, in Geſtalt von Handſchuhen, abgeſtreift, und ließ ſich in gleicher Weiſe auch von den Füßen abziehen. — Demnächſt beſchrieb Derſelbe einen Fall von Epiſiorrhaphie, wobei man vergeblich verſucht hatte, die Patientin durch zwei Gaben von Chloroform (zu 15 Tropfen) zu anäſtheſiren. Sitzung vom 4. Februar. Der Secretair machte ſpecielle Vorſchläge in Betreff der am 7. Januar beſchloſſenen Zuſammenkunft der Aerzte Schleſiens. Zwar wurde ſpäter wegen der inzwiſchen eingetretenen politiſchen Wirren hiervon vor⸗ läufig abzuſtehen beſchloſſen; doch nahm ſchließlich die Section, von mehreren Seiten hierzu angeregt, aufs Neue, und zwar in einer erweiterten, durch die Berückſichtigung der beginnenden Neugeſtaltung des Staates modificirten Weiſe, dieſen Plan wieder auf. (Siehe das Protokoll der Sitzungen vom 26. Mai sq.) Herr Dr. Grötzner beſchrieb einen Fall von Beſeitigung eines Bruſtkrebſes ohne Operation bei einer 45 Jahr alten unverheiratheten ſchwächlichen Frau. Mutter und Schweſter derſelben waren phthiſiſch geſtor⸗ 20 154 ben. Ihre Menſtruation war regelmäßig. Es hatte fih in der linken Bruſtdrüſe, vermeintlich in Folge wiederholt erlittenen Druckes, eine Verhärtung gebildet, welche (1844) die Größe einer Wallnuß hatte, wenig ſchmerzte und über welcher die Haut gefund war. Nachdem ſich zu wiederholten Malen darin ein entzündli— cher Zuſtand ausgebildet hatte, und unter gleichzeitiger allgemeiner Störung der Ernährung des Körpers, wuchs die Geſchwulſt dergeſtalt, daß ſie zu Anfang des Jahres 1846 die Größe eines Hühnereies erreichte. Eine neu entſtandene Entzündung wurde zu dieſer Zeit durch Blutegel und Cataplasmen beſeitiget, dann ferrum carb. mit Extr. Calendul. und rheum, und, nachdem das allgemeine Befinden ſich gebeſſert hatte, das Kalium jodat. in Anwendung gebracht, von welchem Mittel die Kranke innerhalb 25 Tagen 225 Gran ver: brauchte. Metalliſcher Geſchmack, Trockenheit des Schlundes, Anſchwellung der Speicheldrüſen u. ſ. w. verhin— derten jetzt den weiteren Gebrauch des Mittels. Der scirrhus war weicher, mehr elaſtiſch geworden, wuchs nun aber, trotz der Anwendung von Conium mit Natr. carb., aufs Neue, entzündete ſich und brach endlich auf. Herr Dr. G. griff unter dieſen Umſtänden wieder zum Kalium jod., zerſtörte die ſehr verdünnten Hautdecken durch Chlorzink, und erhielt ſo ein großes offenes Geſchwür, aus welchem, nach abwechſelnder Ap— plication von Bals. peruv., Tinct. Op. croc., Aq. empyreum., und, wo ſich verdächtige Wucherungen zeig⸗ ten, von Creoſot und Lindenkohle, unter Abſonderung eines guten Eiters, große Maſſen des Krebſes ſich los— löſten. Zugleich wurde innerlich China, Eiſen, Extr. Conii, Dulcam. und Calend. gereicht und die noch höckerigen Stellen der Bruſt mit Ol. Hyosc. und Extr. Conii gerieben. Der Erfolg war ein günſtiger. Der Schmerz und die Geſchwulſt der Achſeldrüſen ſchwanden, das Allgemeinbefinden beſſerte ſich, und die endlich vernarbte Wunde bot das Anſehen dar, als ſei nach kunſtgerechter Amputation der Bruſt die Heilung durch Eiterung gelungen. Da entwickelte ſich im Anfange des Jahres 1847 ein Zehrfieber mit Huſten und Durch⸗ fall, welchem die Kranke im April erlag. Herr Dr. Landsberg begann einen Vortrag über den innern Gebrauch des Bleies, konnte jedoch we⸗ gen Mangels an Zeit nur deſſen erſten, hiſtoriſchen, Theil beenden. Die Kenntniß des Bleies als Metall findet ſich ſchon in der heiligen Schrift. Wenn jedoch Manche bei Hippokrates eine Kenntniß der Bleikrankheit gefunden haben wollen, ſo beruht dies auf einem Irrthume, veranlaßt durch eine, wahrſcheinlich korrumpirte Stelle in den Epidemieen. Nichts deſto weniger kannten die hippokratiſchen Aerzte die adſtringirende Wirkung des Bleies, und bedienten ſich des geriebenen, mit Holzaſche oder Schwefel verbundenen, oder auch des flüſſigen Bleies gegen äußere Schäden. Seine torifhe Wirkung ſcheint zuerſt von Nicander beſchrieben, während Dioskorides ſchon zwei verſchiedene Präparate deſſelben angiebt, deren eines durch einen Edulcerationsprozeß, das andere durch Verbindung mit Schwefel oder Blei⸗ weiß gewonnen ward. Celſus kannte zwar mehrere Bleipräparate, wie auch ein Gegengift nach Vergiftung mit Cerussa, wendete jedoch das Blei eben ſo wenig innerlich an, als dies Galen that. Die Behauptung von Tanquerel des Planches: daß Aretäus die Bleikolik beſchreibe, iſt irrig. Auch bei Cälius Au— relianus und Alexander v. Tralles findet ſich keine Spur einer Kenntniß der Wirkung des Bleies, wohl aber bei den Arabern. Aetius ſagt fogar, daß ſich die Bleivergiftung am Zahnfleiſche erkennen laſſe, ein Diagnoſtikum, worauf ſich in neuerer Zeit die Franzoſen ſo viel zu Gute gethan haben. Rhaſes beſchreibt die Bleikolik, und empfiehlt gegen dieſelbe Brech- und Purgirmittel; noch deutlicher Haly-Abbas, und am deutlichſten Avicenna. Alle verbieten den innerlichen Gebrauch des Bleies. Trotzdem war ſchon den Rö— mern: Cato, Plinius, Columella, die Verſetzung des Weines mit Bleimitteln, das Auskochen deſſelben in Bleigefäßen, um ſeinen Geſchmack zu verbeſſern und die ſaure Gährung zu verhindern, bekannt, und wurde als unſchuldig betrachtet. Baſilius Valentinus (im 15ten Jahrhunderte) verordnete zuerſt das Blei zum innerlichen Gebrauch, und Paracelſus führte es in die eigentliche Medicin ein, doch gelang es dem Mittel, welches auch als Hauptbeſtandtheil des berüchtigten Succeſſionspulvers bekannt war, nicht, ſich das Bürgerrecht in der Medicin zu verſchaffen, bis im Anfange des 18ten Jahrhunderts Lange und Ettmüller daſſelbe El näher kennen lehrten und die Indikationen dafür feftftelten. Ettmüller erklärt es in feinen adſtringirenden Wir⸗ kungen den Mineralſäuren analog, empfiehlt es aber ſchon gegen Schwindſucht, und hat eine Tra. antiphthi- sica e Sacch. sat. c. Vitr. Martis, ferner ein faſt wie jetzt bereitetes Sacch. sat., das er gegen Hypochondrie, Melancholie, Entzündungen, Eryſipel, Scorbut, ja gegen Ruhr empfiehlt. Gleichwohl faßte das Blei erſt in der neueſten Zeit in der Materia medica feften Fuß, und noch Saxtorph wendete es nur zu gr. 7, einige Male täglich gegen Krämpfe u. dergl. an. Eben ſo gab es Kramp gegen krampfhafte Schlingbeſchwerden. Jahn hat nie einen Verſuch damit gewagt, obgleich er von einem Empiriker Wunderdinge damit verrichten ſah. In allgemeineren Gebrauch, vorzüglich gegen eitrige Lungenſucht, kam es endlich durch Hildenbrandt, Wohlfarth, Starke, Amelung, Kopp, und zwar immer in flüſſiger Form. Fouquier, Lenz, Oſiander und Horn endlich dürften die Erſten fein, die kühner größere Doſen, und zwar in Pillen- und Pulverform, mit oder ohne Opium, verſchrieben und den Wirkungskreis des Mittels vergrößerten. Wie es nun mit neuen Mitteln zu gehen pflegt, wurde es bald nöthig, dieſen Wirkungskreis wieder zu beſchränken. Spiritus empfahl es gegen Dothienenteritis, Seidlitz gegen Ileotyphus, Osborne zu ein paar Granen p. d. gegen chroniſche Magenentzündung mit beginnender Entartung; Adams gegen Lungenblutung, Sal— gues gegen Hypertrophie des Herzens, ja Fagermann und Norwick wollten eine Waſſerſcheu mit großen Gaben Lig. Plumbi subacitat. geheilt haben. Sitzung vom 8. März 1848. Herr Geh. Medicinalrath Dr. Ebers hielt einen 8 über: „Wahrnehmungen an den Gränzen der Sinnenwelt und im Gebiete des Traumlebens.“ Derſelbe lenkte zunächſt die Aufmerkſamkeit auf Erſchei⸗ nungen, welche die Unmittelbarkeit der menſchlichen Seele, oder, beſſer: unſers Geiſtes, und ſeine Freiheit vom Körper darthun; auf die Erſcheinungen, die ſich bei dem Somnambulismus, dem Magnetismus, der reinen Mondſucht, wo alles ſinnliche Leben in den Hintergrund getreten, gleichſam ausgeſchloſſen erſcheint, ergeben; auf die Wiederkehr des Verſtandes im Augenblicke des Sterbens bei Gemüthskranken, ſelbſt bei Blödſinnigen, faſt unter das Thier hinabgeſunkenen, bei welchen nicht ſelten im letzten Augenblicke Heiterkeit, Selbſtbewußt⸗ ſein, die Reue, bei Andern eine wahrhaft prophetiſche Klarheit und Zuverſicht hervorbricht. Ja, man ſah dies ſelbſt bei einer Dementia, die aus Marasmus hervorging. Aber nicht allein in Folge künſtlicher Anregungen, oder in den Augenblicken, wo ſich die Seele von der körperlichen Hülle befreit fühlt, auch in Zuſtänden des gewöhnlichen Lebens zeigen ſich Erſcheinungen, die ſich vom körperlichen Daſein gleichſam ablöſen, und in ein anderes Reich, als das dieſer Welt, gehören: augenblickliche Extaſen und Viſionen, die ſich oft merkwürdiger Weiſe gar nicht wichtigen, ſondern ganz alltäglichen Verhältniſſen zuwenden, wie dies auch bei den magnetiſch oder natürlich Somnambulen der Fall iſt, wie z. B. eine dem Vortragenden ſehr nahe ſtehende Dame ſehr oft die ihr an einem Tage bevorſtehenden Beſuche vorherſagte. Herr Geh. Rath Ebers ging hierauf zu einigen Beiſpielen eigenthümlicher, zum Theil ſelbſt erlebter, Täuſchungen über, die auf einem objectiven Grunde beruhten. Es waren folgende: 1) In einem großen Gebäude wurde der Schall der Schritte eines Herumgehenden mittelſt der Kamine nach andern Theilen deſſel— ben Gebäudes in der Art fortgeleitet, daß der Hörer dieſelben in verſchiedenen Entfernungen, oft in der größ— ten Nähe, zu vernehmen glaubte. Dies ſetzte die Einwohner um ſo mehr in Beſtürzung, als der Schall an einzelnen Stellen von einer Luftbewegung begleitet war, welche die Flamme des daſelbſt brennenden Feuers in Bewegung ſetzte, und bei ohnehin aufgeregter Einbildungskraft bei dem Beobachter das Gefühl erregte, als werde er angefaßt. — 2) Der Vortragende wurde in Bauzen, wo er bei ſeinem Bruder wohnte, in einer Nacht durch das Gefühl eines Windſtoßes erweckt, der ſich mehrmals, und zwar jedesmal ſtärker, und mit Sturmgeheul verbunden, wiederholte und durch mehrere Minuten anhielt. Dabei waren alle Fenſter, Thüren u. dgl. feſt verſchloſſen, die Gardinen bewegten ſich nicht, und Referent war bei vollem Bewußtſein, erfuhr auch erſt am nächſten Tage, daß man ſolche Erſcheinungen in dieſem Theile des Hauſes ſchon oft wahrge— 20 * nommen habe. Er ſelbſt, wie auch einer feiner Bekannten, erlebten fpäter an anderen Orten Aehnliches, und er würde dieſe Erſcheinung als eine ſubjective Gefühls-Hallucination betrachten, wären nicht gerade dieſe Stö- rungen höchſt ſelten, und wären ſie nicht meiſtens mit ſehr großen Leiden und Verſtimmungen des peripheri⸗ ſchen Nervenſyſtems und des Rückenmarkes, ja noch mehr mit Hallucinationen des Gemeingefühls verbunden, und lehrte nicht die Erfahrung, daß das geſtörte Gemeingefühl faſt ausſchließlich als Wahnſinn erſcheint. Es muß jedoch hier hervorgehoben werden, wie häufig die ſogenannten Geſpenſtergeſchichten in Täuſchun⸗ gen begründet ſind, die wir durch Gehör und Gefühl zugleich empfangen. Dieſes Zuſammentreffen läßt ſich dadurch erklären, daß auch andere Theile, als das Ohr, die mit der Fortpflanzung des Schalles verbundenen Luftwellen empfinden, und ſo an der Wahrnehmung der Töne Antheil haben, wie wir ja von bekannten Mu⸗ ſikern, z. B. Beethoven, Naumann u. A. wiſſen, daß fie, obwohl taub, doch für jeden Mißton äußerſt em⸗ pfindlich waren. Zu den Erſcheinungen, die wir ſo gern in das Gebiet unbekannter Beziehungen zu dem menſchlichen Geiſte, in das Geiſterreich verſetzen möchten, während ſie doch dem materiellen Leben zunächſt angehören, ſind diejenigen zu zählen, welche aus krampfhaften, im Nervenſyſtem begründeten Urſachen, noch mehr wohl aus im Blute entſtehenden Veränderungen, oder aus auf den Kreislauf einwirkenden Schädlichkeiten herzuleiten ſind. Hierher gehören einige Beobachtungen von Somnambulismus, ſowohl ſolchem, der ſich ſelbſtſtändig in dem Individuum entwickelt hat, als der durch Magnetismus hervorgerufen worden iſt. Vergeblich hat man ge⸗ glaubt, auf dieſem Wege das Weſen unſers Geiſtes näher kennen zu lernen. Wer könnte läugnen, daß ſich nicht auch in den Beobachtungen Magnetiſirter Erſcheinungen finden, die uns die Ahnung eines Weſens in uns gäben, welches dem Körperleben nicht angehört. Aber hierfür haben wir viel ſtärkere Beweiſe, und die Philoſophie aller Zeiten hat über dieſe Verhältniſſe ein weit helleres Licht verbreitet. Denn abgeſehen von den abſichtlichen Täuſchungen der Magnetiſeure und Magnetiſirten kommt hier noch der Umſtand in Betracht, daß die Magnetiſirten durch die Manipulationen in einen Zuſtand verſetzt werden, der ſie ihrer moraliſchen Freiheit beraubt. Sie ſind nicht im Stande, das Geſetz der Wahrheit zu erfüllen, ſie ſind in die phyſiſche Nothwen— digkeit gebracht, ſich der Gewalt eines Andern zu beugen; ja dieſe Gewalt, phyſiſch über das 1 Leben gewonnen, pflanzt ſich auf das Seelenleben oder, beſſer, auf das moraliſche Sein fort. Der Vortragende ſah ein an Krämpfen leidendes Mädchen, welches, magnetiſirt, bald fomnambul wurde, Angaben über ihre Krankheit und die dagegen zu ergreifenden Mittel machte, in einen Zuſtand von Katalepfis gerieth, und in dieſem die unglaublichſten Proben aushielt, ſpäter aber geſtand, daß Alles Betrug geweſen ſei. — Ein anderes intereſſantes Faktum ereignete ſich in dem Aller-Heiligen-Hoſpital zu Breslau. Es wurden 18, in einem Saale befindliche weibliche Kranke, nach mancherlei pſychiſchen Eindrücken, worunter eine ver meintliche Geiſtererſcheinung das Wichtigſte war, nach einander von Krämpfen befallen. Nach vergeblicher Anwendung mancher anderer Mittel wurden Alle innerhalb 24 Stunden durch thieriſchen Magnetismus ges heilt. — Beſonders wichtig erſcheinen aber folgende Fälle: Ein Mädchen litt, in Folge des Verſchluckens einer Nadel, die jedoch durch ein Brechmittel wieder entfernt worden war, an Magenentzündung, und nach deren Heilung an heftigen Konvulſionen. Magnetismus beſeitigte jeden einzelnen Anfall ſchnell. Sie ward bald hellſehend, beſchrieb ihre Krankheit u. ſ. w. Eines Tages vermißte ſie nach einem Krampfanfall einen Ohrring, und war durch mehrere Wochen wegen dieſes Verluſtes nicht zu beruhigen. Nun frug man ſie im Zuftande des Hellſehensß: Wo der Ring ſei? Sie gab die Stelle im Haufe an, wo derſelbe liege, und in der That fand man ihn ſogleich. Es war dies ein oft beſuchter und nichts weniger als verborgener Platz, und es war nicht zu glauben, daß der Ring dort lange gelegen habe, ohne geſehen zu werden. Man fragte deshalb die Kranke während des nächſten magnetiſchen Schlafes: Wer den Ring dahin gelegt habe? worauf ſie einen im Hauſe beſchäftigten Mann nannte. Auf die Frage: Warum ſie dies nicht eher geſagt habe? erwiederte fie: Sie haben mich nicht eher gefragt. Eine ſehr charakteriſtiſche Antwort, da Magnetifirte faſt nur auf beſtimmte Fragen antworten, und ſich nie deſſen erinnern, was ſie im magnetiſchen Schlafe geſagt 157 haben. In der That äußerte fie auch, obgleich übrigens von ſehr heftiger Gemüthsart, im machen Zuſtande nie einen Verdacht, daß Jemand den Ring entwendet habe, wußte auch nicht, wo er gefunden worden ſei. Alle Umſtände ſprachen dafür, daß zwiſchen ihr und dem Angeklagten, der auch ſein Vergehen ſogleich geſtand, weder unmittelbar, noch mittelbar eine Verabredung ſtattgefunden habe. Antonie B., 15 Jahr alt, wurde nach einer in Folge eines heftigen Schreckens erlittenen Unterdrückung ihrer Menſtruation von Veitstanz in einem ungewöhnlich hohen Grade befallen. Sie war von kräftiger Kon- ſtitution, ſchlecht erzogen, konnte kaum leſen, war roh und gemein, aber gutmüthig. Nach mehreren vergebli⸗ chen Heilverſuchen wurde der Magnetismus angewendet. Sie verfiel bald in magnetiſchen Schlaf, und die Krämpfe hörten auf. Am neunten Tage traten Kriſen ein, und als an dieſem Tage leider der Magnetiſeur durch Krankheit verhindert war, zu wirken, ein heftiger Krampfanfall. Nach dem 18ten Tage trat die höchſte Clairvoyance ein, von da an nahm die Wirkung ab; am 27ſten Tage wurde die Kur geſchloſſen und die Kranke war geneſen. — Folgendes waren die wichtigſten Reſultate: Der Rapport zwiſchen der Patientin und dem Magnetiſeur war gleich am erſten Tage gegeben. Er beherrſchte ſie völlig, ſie antwortete nur ihm. Am neunten Tage begann ſie zu ſprechen, und, wie dies oft geſchieht, ſprach ſie ihre Gedanken gleichſam als Ein— gebungen eines Dritten: ihres verſtorbenen Vaters, aus. Die Einwirkungen der Metalle wurden an ihr viel— fach erprobt. Eiſen und Kupfer erregten ſogleich Zucken, Gold und Zink beruhigten daſſelbe. Als man in die eine Hand eine Zinkplatte, in die andere eine Kupferplatte legte, und die Kette mit einem Kupferdrathe ſchloß, entſtanden furchtbare Zuckungen. Galvaniſirtes Waſſer ſpie ſie aus, magnetiſirtes trank ſie gern. In der Höhe der Kriſen ſah ſie innerlich Licht und Feuer. Die Schärfe der Sinne war ſehr geſteigert. Manche Perſonen, beſonders korpulente, waren ihr ſehr unangenehm, auch wenn ſie verſteckt waren. Die Aufnahme der Gegenſtände durch die Peripherie des Körpers und die Verpflanzung der ſinnlichen Eindrücke war ſehr bes deutend, ſo daß ſie an Uhren, die an irgend einen Körpertheil gehalten wurden, jedesmal die Zeit, auf welche ſie geſtellt waren, erkannte, und wenn auch die Verſuche: Geſchriebenes oder Gedrucktes auf die Herzgrube zu legen und leſen zu laſſen, mißriethen, ſo iſt doch zu bemerken, daß ſie erſt in der Zeit gemacht wurden, wo der Schlaf nicht mehr feſt war. In den erſten 6 Tagen war ſie ganz ſtill, dann ſprach ſie in ihrer gemeinen Art und von ihren ge— wöhnlichen Erlebniſſen. Später wurde ihre Sprache eine andere, gleichſam die Bücherſprache der Gebetbücher, aus denen fie ganze Stellen emphatiſch deklamirte. Eben ſo recitirte fie eine Klopſtock'ſche Ode mit ergreifen— der Begeiſterung, während ſie im wachen Zuſtande nicht vermochte, ſie ohne Anſtoß zu leſen, noch weniger zu verſtehen. Von nun an ſprach ſie immer nur durch den Mund ihres verſtorbenen Vaters, mit welchem ſie lange Geſpräche führte. Sie ſagte: ſie ſehe den Vater nicht mit leiblichen Augen, ſondern mit denen des Geiſtes; ſie unterſcheide genau die Leiden ihres Körpers und die ihrer Seele; es ſeien dieſe nicht zu beſchrei— ben, ihr Krampf aber entſpringe von den Spitzen der Finger und Zehen, ſetze ſich bis zum Herzen fort, verliere aber immer mehr an Gewalt. Ihr Blut ſei anders, als das anderer Perſonen u. |. w. Näherten ſich ihr Perſonen, mit denen ſie nicht in Rapport ſtand, ſo fiel ſie aus dem höchſten Pathos der Rede in die abſolute Gemeinheit. Am 21ſten Tage der Kur hatte das Hellſehen den höchſten Grad erreicht. Der Magne— tiſeur wollte nun ſehen, ob ſie ſeine Gedanken errathe, und ſchrieb Etwas auf einen Zettel. Dann frug er fie; Ob ſie eine Frage, die er ſich denke, beantworten wolle? Sie ſagte: „Nein.“ — Er: Frage doch deis nen Vater darum! — Antwort: „A. (der Name des Magnetiſeurs) weiß es ja ohnehin.“ — Frage: Was denn? — Antwort: „Daß ich ihm gut bin.“ (Die aufgezeichnete Frage bezog ſich in der That hierauf.) — Frage: A. wünſcht Etwas von dir; willſt du es ihm ſchenken? — Antwort: „Was denn?“ — Fr.: Errathe es! — Antwort: „Meine Ohrringe? Nein!“ — Auch dies war richtig. Am 22ſten Tage mißglückte das Erwecken; ſie ſchlief fort, und der magnetiſche Schlaf ſchien in einen ſoporöſen übergegangen zu ſein. Von dieſem Tage an wurde ſie ſtill und erwachte von ſelbſt. Die Einwirkung wurde ſchwächer, man brach die Kur ab und die Patientin blieb geſund. Später ſtarb fie an einer andern Krankheit im Hoſpital, und ver: ſicherte noch im Sterben: Obwohl fie nicht wiſſe, was damals mit ihr vorgenommen worden fei, fo könne ſie doch betheuern, daß eine Unwahrheit oder Betrug nicht obgewaltet habe. Sitzung vom 7. April. Herr Dr. Seidel ſprach „über mediciniſchen Aberglauben.“ Wir heben aus dieſem Vortrage Folgen⸗ des hervor: Bei Bekämpfung des mediciniſchen Aberglaubens ſei man vorſichtig. Wenn es bei unſerer noch mangelhaften Kenntniß der chemiſchen Beſtandtheile der angewendeten Mittel und der Wirkungsart derfelben auf den Organismus ohnehin ſchon ſchwierig iſt, einem Stoffe a priori jede Möglichkeit einer heilenden Wir⸗ kung abzuſprechen, ſo kommt hier auch noch die Frage hinzu: Welchen Antheil an der unbeſtrittenen Heilkraft einzelner Mittel der Glaube des Kranken habe? Es kann daher in einzelnen Fällen eben ſo unklug als grau— ſam ſein, dieſen Glauben zerſtören zu wollen. Ueberdies ſind viele hierher gehörende Proceduren ganz unſchäd— lich, z. B. die Anwendung des März-Schneewaſſers, des deſtillirten Waſſers von Galanthus riv. als Cos⸗ meticum, das Waſchen der Sommerſproſſen mit Froſchlaich, oder mit Waſſer, worin viele Fröſche geweſen ſind, beſonders in dem Augenblicke, wo man die erſte wiederkehrende Schwalbe ſieht; das Verſchneiden der Nägel am Freitage, der Haare bei zunehmendem Monde, das Meſſen der Kranken. Sehr zahlreich ſind die gegen Wechſelfieber gebräuchlichen Volksmittel; z. B. man giebt bei drei auf einander folgenden Paroxysmen dem Kranken jedesmal ein Stück Brotrinde. Das erſte hat einen Einſchnitt und iſt mit dem Worte: Rabi beſchrieben; das zweite mit zwei Einſchnitten und dem Worte: Habi; das dritte mit drei Einſchnitten und dem Worte: Gabi; oder man reicht eine bittere Mandel, worauf die Anfangsbuchſtaben des Namens des Kranken ſtehen; oder man windet an jedem von drei fieberfreien Tagen einen Faden Wolle in beſtimmter Richtung um einen Baum; oder der Kranke verſchluckt 1 — 3 (geweihte) Palmen (Kätzchen von Salix aqua- tica), oder er trinkt ein Glas Rothwein, worin ein rohes Ei gelegen (weinſaurer Kalk?). — Gichtkranke ſollen an drei auf einander folgenden Morgen vor Sonnenaufgang einen Fliederbaum umfaſſen und ſagen: Flieder! ich habe die Gicht, du haſt ſie nicht. Nimm mir ſie ab, ſo habe ich ſie auch nicht. — Um Hernien bei Kindern zu heilen, ſoll man ſie mit einer eiſernen Zinke berühren, dieſe in Leinwand wickeln, einſtecken und ſchweigend fortgehen; oder einen feinen eiſernen Ring um den Bruch legen, ihn eine Stunde lang liegen laſſen, dann in weiße Leinwand wickeln, und an einen kühlen Ort, geſichert vor Sonnenlicht, Staub und Zugluft, legen. Dies beginnt mit Eintritt des Vollmondes, und wird jeden dritten Tag, im Ganzen dreimal, wiederholt; oder man ſoll zerſtoßenes Bruchkraut (Herniaria glabra) auflegen. — Rad. Paeoniae, im Juli bei abnehmendem Monde Mittags um 12 Uhr gegraben und am Halſe getragen, gilt als Antepilepticum; ein Halsband von sem. Paeoniae als Schutzmittel gegen Krämpfe bei Kindern, wie auch die Zahnperlen (von Elensklau, Elfenbein u. dgl.) als Hülsfmittel für das Zahnen. — Muttermäler der Kinder wäſcht man gleich nach der Geburt mit Blut aus der Nabelſchnur, oder beſtreicht ſie mit dem Finger einer Leiche eines Kindes von weniger als einem Jahre. Warzen vertreibt man bei abnehmendem Monde durch Rollen derſelben zwiſchen den Fingern, oder durch kreuzweiſes Drücken mit einem Strohhalm oder Faden und Vergraben des letzteren unter einer Traufe. — Strumpfbänder von Aalhaut heben Krämpfe (durch die Zuſammenſchnürung?). — Beim Schluchzen der Kinder ſoll man raſch neunmal auf Stirn und Wangen blaſen. — Als Heilmittel des Kropfes rühmt man das Beſtreichen deſſelben mit einer noch nicht erkalteten Hand einer Leiche andern Ge— ſchlechts. — Um die Trunkſucht zu heben, laſſe man einen Laubfroſch ohne Wiſſen des Trinkers in dem Getränk ſterben und reiche ihm dann daſſelbe. — Gegen Waſſerſucht hilft Carduus nutans; oder man binde das Pulver von einer in verſchloſſenem Gefäße im heißen Ofen gedorrten Kröte auf die Nierengegend des Kranken, und gebe gr. 20 — 30 dieſes Pulvers in weißem Weine innerlich. Solches Pulver, in Säckchen gefüllt und auf Nacken und rechtes Handgelenk gelegt, hebt die Epilepſie. — Beſtreicht man den Kupferaus⸗ ſchlag mit Baumöl, worin lebende Kröten geſotten worden ſind, ſo entſteht Anſchwellung der Haut und hierauf Heilung. — 20 — 30 Gr. gepulverter Fiſchgräten (beſonders vom Hecht oder Kabliau) ſollen die Epilepſie 159 heilen. — Diagnoſe der Schwangerfchaft: Man ftellt in ein reines kupfernes Gefäß mit dem Urine der frag: lichen Perſon einen wohl polirten eiſernen Stift über Nacht hin. Iſt die Perſon ſchwanger, ſo zeigen ſich an dem Stifte rothbraune Flecken, wenn nicht, ſo erſcheint er ſchwarz und roſtig. — Speck, auf die Fußſohle eines ſchwer Kranken gebunden und dann einem Hunde vorgeworfen, dient, wenn es dieſer verſchmäht, als Zeichen des zu erwartenden Todes. Zu gleichem Zwecke legt man friſches Lamium album in den Urin des Kranken. Iſt es nach 24 Stunden noch friſch, ſo wird der Kranke geneſen, iſt es faul, ſo ſtirbt er. — Zur Beförderung der Wehen giebt man Waſſer, worin Eier geſotten worden, oder etwas von dem Urine des Er— zeugers! — Die Wurzel oder Rinde des Stammes von Sambucus nigra, aufwärts abgeſchabt, macht Erbre⸗ chen, nach abwärts geſchabt, Purgiren. — Das Kraut von Artemisia vulg., von der Erde nach aufwärts abgeſchnitten, hemmt zu reichliche menses, nach abwärts geſchnitten, befördert es dieſelben. — 6 bis 7 Körner von Piper nigrum, kurz vor Eintritt der Menſtruation genommen, verzögern ſie ohne Nachtheil. — Um Ertrunkene wieder zu beleben, peitſcht man ſie mit Neſſeln oder Binſen. (Gewiß kein Aberglauben.) — Blöde Augen beſtreiche man oft mit Waſſer, worin ein Staarmännchen ſich gebadet hat, — bösartige Geſchwüre mit friſchgepreßtem Safte von Carduus tomentosus, ebenſo Krätze und Aphthen der Kinder. — Beachtenswerth ſcheint bei Krämpfen das Aufbinden friſch geſchlachteter Tauben; oder man bringe zu mehreren Malen eine junge Taube an den gereinigten After des Kranken. Sie bekommt Zuckungen und ſtirbt. — Gegen Stock— ſchnupfen rühmt man das Riechen an Theer und Nieſepulver von Roßkaſtanienſaamen. Sitzung vom 5. Mai. Herr Hofrath Dr. Weidner machte Mittheilungen über kürzlich beobachtete Fälle von Maſern, und beſonders über deren Ausgang in Abdominaltyphus; Herr Dr. Krocker jun. über den Verlauf des exanthe— matiſchen Typhus bei einigen hieſigen Aerzten, welche aus Oberſchleſien, wo eben der Typhus 1 erkrankt zurückgekehrt waren. Eine am 26. Mai abgehaltene außerordentliche Sitzung, wie auch die ordentliche vom 2. Juni, war der Berathung über die, von Mehreren beantragte, Berufung einer Zuſammenkunft ſchleſiſcher Aerzte behufs einer Beſprechung der Angelegenheiten des ärztlichen Standes gewidmet. Die Section beſchloß: einen Kongreß der Aerzte und Wundärzte Schleſiens zu berufen, um die neue Geſtaltung der Medicinalverhältniſſe zu bera— then, zunächſt aber eine Kommiſſion zu erwählen, welche darauf bezügliche Vorlagen für den Kongreß bearbei— ten ſolle. Dieſe Kommiſſion, beſtehend aus den Doktoren Borchardt, Ebers, Göppert, Günsburg, Krauß, Krocker jun. und Nagel, legte die Ergebniſſe ihrer Arbeit der Section am 7. Juli in einer „Denkſchrift über die Reform der mediciniſchen Geſetzgebung Preußens“ vor, und wurde von derſelben beauf— tragt: die Einleitungen zur Berufung eines auf den 16. Juli anzuberaumenden Kongreſſes ſchleſiſcher Aerzte und Wundärzte zu treffen. Sitzung vom 4. Auguſt. Herr Dr. Lüdicke theilte die Geſchichte zweier Kranker mit. 1) Frau N., 30 Jahr alt, früher geſund, wurde nach einer regelmäßigen Schwangerſchaft glücklich entbunden, doch ſtarb das Kind ſchon nach einigen Wochen, und die reichliche Milchſecretion ceſſirte wenige Tage darauf, ohne daß ſogleich Beſchwerden aufgetre— ten wären. Da die Menſtruation jedoch ſeitdem nicht wiederkehrte, ſo hielt man Schmerzen in der Beckengegend, die ſich einige Monate ſpäter von Zeit zu Zeit einſtellten, für Vorboten derſelben, und ſuchte durch Fußbäder u. dergl. deren Eintritt zu befördern, jedoch umſonſt. Vergebens ſuchte Patientin den Rath mehrerer Aerzte nach, und wurde von dieſen nach einander antiphlogiſtiſch, ſpäter mit krampfſtillenden Mitteln, mit Laugen— und Kräuterbädern behandelt, auch von einem hieſigen Geburtshelfer unterſucht, ohne daß dieſer eine Abnor— mität in den Genitalien hätte finden können. Mittlerweile ſteigerten ſich die Schmerzen immer mehr und machten der Kranken jede anhaltende Bewegung unmöglich. Der nun hinzugerufene Herr Dr. Lüdicke fand ſie Se... ſehr mager und ſchwach. Ihr Schlaf war unruhig, der Appetit gering, der Stuhl träg, der Urin hell, der Puls ſchwach, veränderlich, doch immer nahe an hundert Schlägen in der Minute machend. Der Unterleib war weich, nirgends beim Drucke ſchmerzend, doch nach der Verſicherung der Kranken im Hypogaſtrium ſtär⸗ ker angeſchwollen, als früher. Im Schooße hatte fie das Gefühl von Fülle, doch war keine Senkung des Uterus, wie auch kein Schleimabgang wahrnehmbar. Nachdem die Kranke durch 14 Tage täglich viermal eine Viertelſtunde lang die Dämpfe von heißem Kamillenaufguß an die Geſchlechtstheile geleitet hatte, gingen nach einer zwölf Stunden währenden heftigen Steigerung des Leibſchmerzes, und mit dem Gefühle eines „Knalles“ im Leibe, auf ein Mal drei Pfunde einer ſyrupsdicken übelriechenden Flüſſigkeit, von der Farbe der Milch-Chokolade, durch die Scheide ab. Die Kranke genas hierauf vollſtändig, und gebar nach einem Jahre ein geſundes Kind. 2) Madame H., 28 Jahr alt, geſund, wurde zum zweiten Male entbunden. Das Kind hatte bei der Geburt ſchon Caries des rechten Ellenbogens, ſtarb auch ſchon am nächſten Tage. Die Brüſte der Wöchnerin enthielten wenig Milch, deren Abſonderung nach einigen Tagen gänzlich aufhörte. Nach 14tägigem Wohlbe⸗ finden traten Leibſchmerzen ein, die ſich, ohne zu ermittelnde Veranlaſſung, periodiſch wiederholten, eine große Heftigkeit erreichten, und nicht eher aufhörten, als bis die Kranke am 28ſten Tage nach plötzlicher heftiger Nöthigung zum Stuhlgange etwa eine Obertaſſe einer Flüſſigkeit, welche guter Sahne glich, entleert hatte. Von dieſem Augenblicke an genas fie. Herr Hoſpital-Wundarzt Hodann legte, unter Beifügung der Krankengeſchichte, folgende anatomiſche Präparate vor: 1) Einen innerhalb der Kapſel gebrochenen Schenkelhals. Eine Frau von 59 Jahren, ſchwach und ſchlecht genährt, brach am 25. Januar 1848 bei einem Falle von der Treppe den rechten Schenkelhals. Bei der großen Unleidlichkeit der Kranken, welche überdies noch von einer Lungenentzündung befallen wurde, mußte man ſich begnügen, die halbgebogenen Schenkel an einander zu binden. Vier Wochen, nachdem ſie den Bruch erlitten hatte, ſtarb die Kranke. Während der letzten Lebenstage war ſie im Stande get ſen das Bein ohne bedeutenden Schmerz etwas zu heben. Leichenbefund: Der Bruch ging innerhalb der Kapſel mitten Hai den Schenkelhals, das ligam. teres war unverſehrt, das Gelenk frei von blutiger oder gelatinöſer Flüſſigkeit. Das untere Bruchſtück war etwas reſorbirt, der Schenkelkopf mit dem femur durch einen feſten, nicht reichlichen Callus in der Art vereinigt, daß ſein Längendurchmeſſer mit dem des Schenkelknochens einen ſpitzeren Winkel bildete, als bei normaler Stellung. Der Fuß würde alfo eine Drehung nach innen erlitten haben. Bemerkenswerth iſt es, wie ſchnell hier, trotz der ſchwächlichen Konſtitution, des gleichzeitigen Vorhandenſeins einer Lungenentzündung und des unruhigen Verhaltens der Kranken, die Callus-Bildung geſchah. 2) Bruch des Collum humeri. — Ein Mann von 75 Jahren fiel vom Stuhle und brach den Ober— Arm. Zwei Monate fpäter ſtarb er. Die Unterſuchung zeigte, daß der Bruch dicht am Gelenkkopfe ſtattge⸗ funden und die Heilung noch ſehr wenig Fortſchritte gemacht hatte. Die Gelenkkapſel war mit einer blutig gelatindfen Maſſe gefüllt, aber wenig ausgedehnt. Die Bruchenden waren durch eine knorplige Kapſel ſo bes feftiget, daß zwiſchen ihnen ein Raum von ½ Zoll Länge geblieben war. Die Kapſel wurde von den vers dickten Lappen der abgeriſſenen Beinhaut gebildet, und war ſo feſt, daß man den Knochen aus ihr heraus⸗ nehmen konnte. Da, wo die losgelöſte Beinhaut ſich wieder an den Knochen anheftete, befand ſich zwiſchen ihr und dem Knochen eine poröſe Callus-Maſſe, welche von da an, ſich allmälig verdünnend, in die knorplige Kapſel überging. Dieſe Kapſel zeigte unter dem Mikroskop das fibröfe Bindegewebe der Beinhaut mit neuge— bildeten Knorpelzellen, in welchen ſchon einzelne oſſificirende Punkte erſchienen, und iſt nichts anderes, als der neuerdings oft geläugnete proviſoriſche Callus, wie ihn Hr. H. oft ſah, und der vielleicht bei ſolchen Brüchen, wo keine Lappen der Beinhaut losgelöſt find, fehlen mag, auch ſpäter aufgeſaugt wird, und deshalb an Prä⸗ 161 paraten nicht immer nachzuweiſen iſt. Das Beſtreben zur definitiven Vereinigung zeigte ſich in dem vorlie— genden Falle an beiden Bruchſtücken, indem ein feiner Kranz von Kalkablagerungen ſich im Innern des Röhr— knochens und an den Beinhautreſten des Gelenkkopfes zeigte. 3) Eben ſolche Kalkablagerungen zeigten ſich bei einer alten Frau, welche 3 Monate, nachdem ſie eine fractura intertrochanterica erlitten hatte, geſtorben war. Die Bruchſtelle war unvereinigt, von eitrigem Erfudat umgeben, die Bruchflächen der Caries nahe, doch fanden ſich an beiden 5 Reſte des pro⸗ viſoriſchen Callus mit beginnender Kalkablagerung. 4) Herr H. legte den Schädel einer 62jährigen Frau vor, welche in Folge von Syphilis durch ſechs Jahre an Caries des Schädels gelitten hatte. Der Knochen iſt doppelt ſo ſchwer als ſonſt; die obere und untere Kortikalſubſtanz zeigt Furchen, gleich Maulwurfsgängen, welche ſie durchbrechen und am Stirnbeine den Schädel in feiner ganzen Dicke durchbohren. Die Diploe iſt verſchwunden und Dfteofelerofe vorhanden, auf der innern Fläche des Knochens iſt das villöſe und papulöſe Oſtrophyt (Rokitansky) ſichtbar. Herr H. vermuthet, daß die Patientin früher rhachitiſch geweſen ſei, und behält ſich weitere Mittheilungen über den Uebergang rhachitiſcher Schädelleiden in Oſteoporoſe und ſpäter in Oſteoſcleroſe vor. 5) Ein Mann von 78 Jahren litt an einem großen Skrotalbruche und einer Varicocile der linken Seite. Der Bruch ließ ſich leicht reponiren, trat jedoch, auch bei horizontaler Lage, ſogleich wieder hervor. Da die Anlegung eines Bruchbandes ſogleich heftigen Schmerz im Bauche und Erbrechen erregte, ſo konnte Patient nur ein Suspenſorium tragen. Die Section zeigte Folgendes: Die Bruchpforte war ſehr weit; eine 4 Zoll lange Schlinge desjenigen Theiles des Colon, welcher 15 Zoll vom Coecum entfernt iſt, lag vor, und die fie bildenden Schenkel waren nicht nur mit einander, ſondern auch durch einen ſtrangartigen Netz Anhang, welcher hinter der varicocele lag und daher im Leben nicht fühlbar war, mit dem Boden des Bruch- ſackes verwachſen. Daher entſtand der Schmerz nach der Repoſition und das beſtändige Wiederhervortreten des Bruches. 6) Wilhelmine W., 38 Jahr alt, gracil, war bis zum 19ten Jahre, wo ihre Menſtruation unregel⸗ mäßig wurde, geſund, und gebar im 22ſten Jahre ein Kind, deſſen Geburt ihr eine Hernie zugezogen haben ſoll. Am Gaumen hatte ſie eine Narbe, welche von einer mechaniſchen Verletzung herrühren ſollte; doch waren Gründe vorhanden, dieſelbe für die Folge eines ſyphilitiſchen Geſchwüres zu halten. Durch viele Jahre litt ſie an einem Geſchwüre am Unterſchenkel, ſeit deſſen Ausbruch die Menſes ganz aufgehört hatten, und welches ſie oft nöthigte, die Pflege des Hoſpitales in Anſpruch zu nehmen. Im Dezember 1847 ſchloß ſich daſſelbe. Am 4. März 1848 ſpürte ſie plötzlich Unvermögen zu gehen, und Einſchlafen des rechten Fußes. Indem ſie das Bein rieb, bemerkte ſie eine bläuliche Färbung der Zehen, welche ſich ſchnell bis zum Knöchel ausbreitete und mit leichter Geſchwulſt verbunden war. Am 4. Mai kam ſie in das Hoſpital. Die Haut⸗ decken wurden dunkler, ſchrumpften ein und erhielten beim Gebrauche der Aq. empyreumat. das Ausſehen, als ſeien ſie gegerbt. Die Farbe wurde ſchwärzlich, und es trat heftiger Schmerz mit Fieber ein. Endlich bildete ſich eine Demarkationslinie und in dieſer ſtarke Eiterung. Die Schmerzen ließen nach, aber der Ober— ſchenkel wurde immer mehr ödematös. Der Fuß war atrophiſch, munificirt, die untern zwei Drittheile des Unterſchenkels zuſammengeſchrumpft, kalt, die Haut braunſchwarz, und wenn man ſie in einer Falte erhob, ſo blieb dieſe ſtehen. Oberhalb der Demarkationslinie war die Haut ſehr empfindlich. An der Wade erſtreckte ſich die Abgränzung bis auf den Knochen. Patientin hatte zwar in den Zehen das Gefühl der Integrität, konnte aber den Fuß nicht bewegen. Am 18. Juni wurden die blosliegenden Knochen durchſägt, und am 7. Juli ſtarb ſie unter den Erſcheinungen des Zehrfiebers. Section: Große Abmagerung; weiße Leber; kein Herzfehler, keine Verirdung der Gefäße, überhaupt keine Störung, welche die Urſache des Leidens abgeben könnte. Die Gefäße ſind am Stumpfe etwa 1 Zoll weit obliterirt, und ihre Enden, wie die der Nerven, kolbig angeſchwollen. 21 162 Die Dunkelheit der urſächlichen Verhältniſſe, wie auch der plötzliche Eintritt und das ſchnelle Fortſchrei— ten eines der Gangraena senilis gleichenden Uebels in dem kräftigen Alter der Patientin, erſcheinen hier ſehr bemerkenswerth. Herr H. glaubt, einer durch früheren Mißbrauch von Merkurialien und ſpäter durch die kummervollen Verhältniſſe der Kranken herbeigeführten allgemeinen Verſchlechterung der Konſtitution, vielleicht in Verbindung mit der plötzlichen Heilung des habituellen Geſchwüres, die Schutd beimeſſen zu müſſen. Es folgte hierauf ein Vortrag des Herrn Dr. Günsburg „über die epidemiſchen, kroupöſen und blen— norrhoiſchen Krankheiten in Breslau während des Monats Auguſt 1848.“ Der Vortragende beſpricht im Allgemeinen die bräuchliche Auffaſſung, durch welche die ſich ablöſenden Epidemieen, fo wie die periodiſche jährliche Wiederkehr krankhafter Entwickelung auf den nominellen Gemein: platz: genius epidemicus etc., zuſammengewürfelt find. Die Auffaſſung geſetzlicher Beziehungen zwiſchen den atmoſphäriſchen und kosmiſchen Bewegungen einerſeits und dem menſchlichen Körper andererſeits wird nicht durch ontologiſche Wortbezeichnung gefördert. Statt der allgemeinen Phraſen über den Eindruck der meteoro— logiſchen Ereigniſſe iſt es nothwendig, daß, gleich den Aſtronomen, ſich die Aerzte der verſchiedenen Länder ver— binden, und, geſtützt auf rein objektive Beobachtung, den Eindruck der meßbaren allgemeinen Agentien auf die verſchiedenen Syſteme des menſchlichen Körpers ermitteln. Die Kontinuität verſchiedener Gewebe erleichtert dieſe Studien; die gleichen normalen und pathologiſchen Funktionen der kontinuirlich verbundenen Gewebe— ſchichten verſchiedener Organe des Körpers geſtatten eine Verallgemeinerung der zu erhebenden Fragen. So wäre beiſpielsweiſe zu unterſuchen: welche Einwirkung hat ein hoher Feuchtigkeitsgrad der Atmoſphäre bei wechſelndem Luftdrucke und mittlerer Temperatur auf die menſchliche Schleimhaut? Durch ſorgfältige Umſicht in der Geſchichte der Epidemieen, durch eine gemeinſchaftlich gepflogene, weit- verzweigte Beobachtung würde die Löſung derartiger Probleme gefördert; die Lehre von vielen epidemiſchen Krankheiten aus ihrem mythiſchen Dunkel erlöſt werden. Der engere Gegenſtand des heutigen Vortrages iſt die Frage: Inwieweit die analogen Bedingungen der hygrometriſchen, barometriſchen und thermometriſchen Zahlen bei gleicher Ortslage mit dem von der aſiatiſchen Cholera heimgeſuchten Berlin eine entſprechende krankhafte Entwickelung auf den Schleimhaut⸗Ausbreitungen hervorzubringen im Stande ſeien? Der Vortragende ſchildert nunmehr zuerſt die leichteren Fälle von Darmkroup und Enteroblennorrhoee, welche im allgemeinen Krankenhauſe während dieſer Epoche behandelt wurden. Darmkroup kam zu Darmty— phus und Darmtuberkel häufig hinzu. Der typhöſe Prozeß iſt durch die mannigfaltigen Anomalien der Ent— wickelung als im Erlöſchen begriffen anzuſehen, um einer anderen Epidemie Raum zu geben. Von den in dieſem Zeitraume vorgekommenen Sektionen wurde der Darmkroup (Enterodiphtheritis) in einem Verhält⸗ niſſe der Häufigkeit von 1: 3 beobachtet. Darauf zeigt der Vortragende 10 Darmkanäle vor, um die verſchiedenen Entwickelungsgrade des diph- theritiſchen Prozeſſes, ſeine Kombination mit Typhus und Tuberkuloſe zu erläutern. Derſelbe knüpft daran in weiterer Ausführung etwa folgende Säge: 1) Die erſte Entwickelung des jetzt epidemiſchen Darmkroups erſchien in ſtarker Schwellung der Falten im obern Theile des Dünndarmes. Die ſchiefergraue Tinktion im Umfang der einfachen Darmkapſeln erwies einen daſelbſt vorher vorhandenen, größeren Blutreichthum. 2) In weiterem Fortſchritte geſellte ſich zur Schwellung der Falten eine Injektion, geſteigert bis zur dunkel-braunrothen Färbung. Das ſubmuköſe Gewebe wurde von einem aus völlig entwickelten Exſudatzellen zuſammengeſetzten Neugebilde durchlagert. g 3) Die Epithelialſchicht wird an einzelnen umgrenzten Stellen, Phlyktänen ähnlich, abgelöſt; — oder um einzelne Zellenkonvolute erfolgt eine Infiltration, die der Schleimhaut ein ſammetähnliches Anſehen giebt; — oder die Schleimhaut verſchorft zu ausgedehnten, braunen Schorfen, nach deren Ausfall die innere Darm: 163 ſchicht große Geſchwürsflächen mit inſelförmigen Schleimhautreſten darbietet. Die letztere Form der Geſchwürs— bildung war am feltenften, fie ſteht den Produkten der epidemiſchen Dyſenterie am nächſten. 4) Die Kombination des Enterotyphus mit Kroup zeigte ſich in der ungewöhnlich häufigen, hämorrha— giſchen Infiltration in die Ränder der typhöſen Geſchwüre, in der Neigung zur diffuſen Infiltration der Schleimhaut, dem Emporſchwellen der einzelnen Kapſeln in den Peyerſchen Plaques; endlich aber in der ge— gliederten Entwickelung der kroupöſen Produkte (auflagerndes Exſudat, oberflächliche Abſchorfung) auf dem ſekundären Infiltrat im Umfang typhöſer Geſchwüre bei Fällen von lentescirendem Typhus. 5) Die Kombination mit Darmtuberkel beſtand vorzugsweiſe in der Ausbildung des Darmkroups auf einfachen und Peyerſchen Kapſeln bei tuberkulöſen Darmgeſchwüren im Umfang, und in Bildung phlyktänöſer Geſchwüre auf den Schleimhautinſeln inmitten umfangreicher zuſammengefloſſener Darn * Endlich kam Darmkroup allein mit erweichtem Lungentuberkel vor. E Derſelbe ſprach hierauf: „Ueber die Reproduktion und Neubildung der Knoche halb der Gelenkhäute.“ In der Debatte ſich betheiligend bei der Demonſtration des Hoſpital-Wundarztes Herrn Hodann über die Kollusbildung bei Schenkelhalsbrüchen theilt Herr Dr. Günsburg Folgendes mit: Die vom Vortragenden in ſeiner pathologiſchen Gewebelehre (Vol. II. p. 50) geſchilderte Kallusbildung bei ſchiefen Brüchen, die Bildung von fibröſen Kapſeln um die dislocirten Bruchenden wird auf folgende Art innerhalb der Gelenkhäute modifizirt. Die fibröſe Kapſel hat in Folge von mangelhafter Neubildung von Gefäßen ſelten das innere Anwachſen der völlig ausfüllenden Schicht von Faſermembranen zur Folge. Im Gegentheil findet man an der die ſchiefen Bruchenden umſchließenden Kapſel an verſchiedenen Stellen die Auf: lagerung von elaſtiſcher Faſer ungleich vertheilt. In der Wandung findet man ferner nach längerer Dauer folgende Ausgänge der Entwickelung: 1) Die Kapſelmembran bildet zwiſchen den am weiteſten abſtehenden Enden der getrennten Bruchſtücke ein ſtraffes Faſerband, zuſammengeſetzt aus fibröſen Faſern, und an einzelnen, faſt knorpelharten Stellen von verkalkten Maſſen amorpher Erdſalze durchſetzt. 2) Daſſelbe Band iſt an einzelnen Stellen von lamellöſem oder ſtalaktitiſchem Oſteophyt durchſetzt. 3) Die Bruchſtücke ſind durch Verwachſung der Kapſel mit den Gelenkhäuten zu den letzteren in einem ſchiefen Winkel gehalten. An dieſer nun verdickten Gelenkhaut, an der innern Auskleidung der Gelenkhöhle, an der Außenfläche der Knochenbruchſtücke, jedoch entfernt von der Bruchſtelle an Stellen, die dem Anſatz der neuen Kapſel entſprechen, findet man Oſteophyten. 5 An ſolchen Oſteophyten bemerkte ich ausnahmsweiſe eine, der von Köſtlin angegebenen, entſprechende Entwickelung. Innerhalb eines röhrigen veräſtelten Schlauchs, welcher der Form von Knochenkanälchen ent— ſprach, befanden ſich Zellen von der Form der Knorpelzellen von ovalerer Geſtalt mit centralen rundlichen Kernen. Jedoch lagen zwiſchen dieſen die großen, ſpäterhin auf der Oberfläche gefalteten Blaſen, welche bei der phyſiologiſchen Entwickelung des Knochens beobachtet werden. Schließlich vergleicht der Vortragende dieſe abnorme Kallusbildung mit der Bildung falſcher Gelenke, und bezieht ſich auf die Demonſtration zweier Präparate. bei ei Frakturen inner⸗ Sitzung vom 1. September. Herr Dr. Neugebauer zeigte folgende anatomiſche Präparate vor: 1) den Schädel eines 25jährigen Menſchen, an welchem neue Schneidezähne hervorwuchſen; 2) das os parietale eines neugebornen Kindes, an welchem ſich ſogleich nach der ohne Kunſthülfe beendeten Geburt eine Fiſſur vorfand. - Derfelbe gab eine Skizze der epidemiſchen Cholera, mit Berückſichtigung der Anſichten älterer und neuerer Schriftſteller über unſere einheimiſche Cholera und deren Verhältniß zu der aſiatiſchen. 5 21 * 164 Herr Profeffor Dr. Barkow zeigte die in den Differtationen der Herren Doktoren Dedek (de foetu in utero post tempus legitimum remanente, Vratisl. 1848) und Pietrusky (de ossificatione tuni- carum vaginalium testis, Vratisl. 1848) beſchriebenen und abgebildeten Präparate, ſo wie auch die Schädel eines Peruaners und eines Schleſiers, mit an denſelben wahrzunehmenden, wie er glaubt, künſtlichen Bildun— f gen; endlich einige andere mit geſchwundenen Suturen u. dgl. Sitzung vom 6. Oktober. Nachdem Herr Geh. Rath Dr. Ebers den am 8. März begonnenen Vortrag über Wahrnehmungen an den Gränzen der Sinnenwelt fortgeſetzt hatte (über welche Fortſetzung ſchon oben, in Zuſammenhang mit dem Referate über den erſten Theil des Vortrages, berichtet worden iſt), theilte Herr Dr. Levy ſeine in Berlin kürzlich gemachten Beobachtungen über die Cholera mit. Der Vortragende war im Auftrage des Magiſtrats zur Beobachtung der diesjährigen Cholera-Epidemie in Berlin, und berichtet aus eigener Anſchauung. Nach einer kurzen Einleitung über die Entſtehungsweiſe der Epidemie daſelbſt, woraus hervorzuheben iſt, daß der erſte Fall ſchon am 30. Juli — einen Schiffer auf dem Schiffbauerdamme betreffend und in ſechs Stunden tödtlich endend — zur Beobachtung kam, die Epidemie aber erſt am 14. Auguſt der obrigkeitlichen Anerkennung ſich erfreute, wird die diesjährige Form als die ausgebildet a ſphyktiſche oder paralytiſche be— zeichnet, und zur detaillirten Beſchreibung des Vorläufer- und Inkubations-Stadiums, wie der eigentlichen Aſphyxie, übergegangen. Es geht daraus hervor, daß Durchfälle das Hauptſymptom der Vorläufer bilden und die Cholera beim Beginn der Reiswaſſerſtühle als ausgebildet zu betrachten ſei. Dieſe ſind immer in hohem Grade eiweißhaltig, enthalten Natron-Albuminat und Epithelialfetzen und reagiren alkaliſch. Beim Uebergange dieſes lenteriſchen) Stadiums in die Aſphyrie iſt Pulsloſigkeit (im Widerſpruch mit frühern Beobachtungen, namentlich in Breslau) das erſte und häufigſte Symptom. Die Sektion der im aſphyktiſchen Stadium Getorbenen giebt folgende Reſultate: Die Leichenſtarre iſt ausgezeichnet ſtark; äußere Bedeckungen ſchlaff, welk, mit zahlreichen violetten Todtenflecken beſäet, Augen halbgeſchloſſen wie im Leben. Knochen des Schädelgewölbes blutreich, zwi— ſchen den Hirnhäuten bisweilen wäßrige Ausſchwitzung; Hirnſubſtanz derb, unverändert, in den Ventrikeln bisweilen vermehrtes serum. In den Häuten des Hirns und Rückenmarks venöfe Blutüberfüllung. Im Rückenmarke (welches übrigens viel zu ſelten geöffnet wird) nichts Abnormes, während frühere Beob— achter ſtarke Blutüberfüllung in den Wirbelknochen und erweichte Stellen im Rückenmark geſehen haben. Im Kehlkopf manchmal beginnende Kehldeckel-Waſſerſucht, nichts Charakteriſtiſches; am Lungenfell ſtellenweis eiweißige Ausſchwitzung; manchmal Oedem, interlobuläres emphysem in den Lungen, nicht ſelten pneu- monie. Im Herzbeutel wenig eiweißhaltiges serum, auf dem Visceralblatte kleine Ekchymoſen. Herz: muskel in exquiſitem rigor mortis, kontrahirt, ſchmutzigroth; rechte Kammer ſtark ausgedehnt, von dunklem Blut, viel ſpeckhäutige Gerinnſel enthaltend, die ſich weit in die Gefäße hinein fortſetzten; die Speck— haut von weißlichem eiterähnlichen Anſehen, was ſich aber nur als Folge des großen Gehaltes an farbloſen Blutkörperchen erweiſt. Das Blut waſſerarm, dunkel, dickflüſſig, zerfällt in einen flüſſigern und einen halb— geronnenen, klumpigen Theil, am beſten mit Haidelbeerſuppe verglichen. Die rothen Blutkörperchen unverän— dert. Blutſerum reagirt alkaliſch. Luftblaſen, früher beſchrieben, ſind dies Jahr nicht gefunden worden. Das Blut füllt überall nur die Venen an, Kapillaren und Arterien ſind leer. Nach Eröffnung der Bauchhöhle fällt die ſtarke Ausdehnung des Dünndarms bei auffallender Kon— traktion des Dickdarmes in die Augen. Auf dem Peritonäal-Ueberzuge der Därme iſt eine klebrige, eiweißige, ſauer reagirende Ausſchwitzung, welche, in der Hand gerieben, das Gefühl der Verſeifbarkeit giebt. Dünndarm violett geröthet, Magen und Dickdarm blaß. Magen ſtark ausgedehnt, mit blutreicher, gelockerter 165 Schleimhaut, namentlich gegen den pylorus hin, manchmal zahlreiche Ekchymoſen. Am duodemum um: fangreiche Ablöſungen des Epithels, venöſe Blutüberfüllung, Schwellung der Zotten, zuweilen Vergrößerung der ſolitären Drüſen, ſeltner der Brunnerſchen, die Zotten mit feinkörnigem Fett infiltrirt. Im Dünndarm die Venen ſtark angefüllt, mitunter ausgezeichnet varikös; die Peierſchen plaques wenig geſchwollen, dagegen die ſolitären Drüſen durch den ganzen Darm ſtark geſchwollen, am meiſten im Wurmfortſatz, wäh: rend die Zotten am ſtärkſten im Krummdarm entwickelt ſind. Die Schleimhaut des ganzen Darmkanals ſucculent, bietet das Bild der diphtheritiſchen Entzündung in großer Ausdehnung. Sie hat eine inſelförmige Geſtalt, meiſt auf der Dickdarmſchleimhaut (wie bei der Ruhr). Als Darminhalt findet man (auch bei der mythiſchen cholera sicca) die bekannten Choleramaſſen. Die Gekrösdrüſen vergrößert, an der Peripherie markig infiltrirt. Leber blaß und ſchlaff, Texturveränderungen nur zufällig. Gallenblaſe ſtrotzend von dunkelgrüner Galle, welche in den ſtets wegſamen Gallen gängen hellgelb wird. Milz bietet durchaus nichts Konſtantes. Pancreas normal. In den Harnwegen, na— mentlich Nierenkelchen und Harnblaſe, oft friſcher Katarrh mit ſtarker Epithelabſonderung. Nieren zeigen Blutüberfüllung auch nur in den Venen (mikroſkopiſch nachgewieſen) und find von den Nierenwärzchen aus verändert, ſo daß zuerſt hyperaemie der Papillen da war, die an der Pyramide heraufrückte, während die zuerſt veränderten Stellen erblaßten und ein weißliches, mehr homogenes Anſehen gewannen. Das Mikroskop zeigte dann ein dunkles, anfangs körniges, ſpäter bröckliches Erfudat in den Harnkanälchen. Harnblaſe kontrahirt und harnleer. In den weiblichen Geſchlechtstheilen meiſt auch diphtheritis ausgebildet. Am Eierſtocke oft friſch geplatzte Bläschen. Hierbei wird bemerkt, daß bei den von der Cholera befallenen Frauen meiſt die Menſtruation erſcheint, Blutungen auch bei nicht mehr menſtruirten eintreten und Schwangere zu abortiren pflegen. Bei Beſchreibung des Reaktionsſtadiums und des nachfolgenden Choleratyphoids wird auf das Un— zulängliche dieſer Bezeichnung hingewieſen und das Typhoid theils als Symptom der großen Erſchöpfung einer unvollkommenen Ausgleichung des Kreislaufs, theils als fortdauerndes Darmleiden (durch Sektionen oft dargethan) bezeichnet, und ſein faſt konſtantes Erſcheinen in der diesjährigen Epidemie hervorgehoben. In Betrachtung der Kriſen und der Rekonvalescenz iſt namentlich beachtenswerth, daß der Harn lange Zeit hindurch eiweißhaltig bleibt und Brigthſche Krankheit mit folgendem Hydrops eine häufige Nach— krankheit bildet. Das Cholera-Exanthem, meiſt auf Geſicht und Bruſt zuerſt erſcheinend, zeigt ſich bald als ek- zema, essera, urticaria, bald als morbilli, und gleicht in letzterer Form auf ein Haar dem Exanthem, wel— ches der Verfaſſer bei der oberſchleſiſchen Typhus-Epidemie ſehr häufig beobachtete, hat dieſelbe kleienartige Abſchuppung in der Regel nach 4 Tagen, iſt übrigens auf den Gang der Krankheit eben ſo ohne merklichen Einfluß, wie jenes. Bezüglich der Prognoſe wird die Lethalität der blutigen Stühle (Romberg) durch die diesjährigen Berliner Erfahrungen entſchieden widerlegt. Plötzliches Aufhören des Erbrechens oder auch der Stühle, unter Fortdauer der übrigen Erſcheinungen, verkündigt den nahen Tod (durch Nervenlähmung); dies gilt natürlich auch von der ſogenannten cholera sicca, der aber wohl ſtets Durchfall vorhergegangen iſt. Fälle von kalter naffer, matſcher Haut (Froſchhaut) haben in der Regel tödtlich geendet; eben fo gilt ein zweimaliges Befallenwerden für tödtlich. Die ätiologiſchen Momente der Cholera find durchaus noch nicht mit nur einiger Beſtimmtheit zu bezeichnen. Die zuerſt befallenen Individuen in Berlin waren meiſt Schiffer, auch zeigten die am Waſſer gele⸗ genen Stadttheile überhaupt ſich vorzugsweiſe heimgeſucht. Der Genuß von Fiſchen aber, in Berlin ſehr allgemein, erwies ſich nicht nachtheilig. Es wird ausgeführt, wie unſicher und widerſprechend die Beob— achtungen über Temperatur, Luftkonſtitution u. ſ. w. ſeien, ſo daß daraus noch kein Reſultat gezogen werden könne, und auf die Wahrſcheinlichkeit vorwiegend telluriſchen Einfluſſes hingewieſen. Eben ſo hält Verf. 166 den Kontagioſitätſtreit für noch nicht entſchieden, wiewohl die ärztliche Welt Berlins überwiegend gegen die Kontagiofität iſt. Für die Praxis iſt der Streit wohl nicht fruchtbringend, da Niemand Abſper⸗ rungsmaßregeln das Wort mehr reden wird. Keine Altersklaſſe wird von der Cholera verſchont, ſelbſt der Fötus nicht (Troſchel). Das Weſen der Cholera wird neuerdings vielfach in einem primären, lokalen Darmleiden geſucht; durch das Darmleiden ſoll eine Lähmung des sympathicus und namentlich der Herz— und Hautnerven herbeigeführt werden, und die Eindickung des Blutes theils von der geſtörten Cirkulation, theils von der ihm entzogenen Flüſſigkeit abhängen. Bei tieferem Eingehen zeigt dieſe Annahme zur Erklä— rung des Symptomenkomplexes ſich keinesweges als genügend, namentlich ſind auch die diphtheritiſchen Ent— zündungen aus einem Lokal-Darmleiden nicht zu erklären, vielmehr hängen dieſe insgemein von fauliger Ver— giftung (ähnlich wie z. B. Hoſpitalbrand) ab und beweiſen für ein Allgemeinleiden. Das erſte zur Beob— achtung kommende Symptom iſt auch erſtens nicht immer der Ausgangspunkt der Krankheit (fo iſt ja bei jedem Durchfall nach Erkältung die geſtörte Hautthätigkeit der Krankheitsanfang), und zweitens iſt Durchfall bei Weitem nicht immer das erſte Symptom, häufig erſcheint zuerſt Hautkrampf, Wadenkrämpfe. Dem Verfaſſer iſt die Cholera vielmehr eine primäre, peripheriſche Nervenkrankheit, in deren Folge ſekundäre Blut-Dekompoſition u. ſ. w., und zwar urſprünglich Lähmung der Hautnerven. Das Dar: niederliegen der Hautthätigkeit iſt in der Cholera-Epidemie ein ſehr allgemeines Symptom. Die krankmachende Potenz afficirt zuerſt die Hautnerven, und bewirkt hier entweder ſofort Lähmung (antagoniſtiſch vermehrte Darmſekretion) oder in niederem Grade Hautkrampf, der bis zum heftigſten Schüttelfroſte geſteigert ſich dar⸗ ſtellt; gelingt es, hier bald ergiebigen Schweiß hervorzurufen, was gar nicht ſelten iſt, ſo geht die Krankheit binnen wenigen Stunden abortiv zu Grunde. Solche Fälle kann man namentlich in Häuſern, wo bereits mehrere Cholerafälle vorangegangen, vielfach beobachten. Nach Annahme einer Hautnervenlähmung als Ausgangspunkt der Cholera iſt der ganze Symptomenkomplex in ſeiner Aufeinanderfolge nach dem Verf. mit Leichtigkeit zu erklären. Von der Choleratherapie hat der Verfaſſer nicht große Erfolge in Berlin geſehen, fo verſchieden, zum Theil entgegengeſetzt auch die Behandlungsweiſe in den einzelnen Hoſpitälern war, fo Vieles auch verſucht wurde. Einathmungen von Chloroform (Troſchel) bewirkten höchſtens Linderung der neuralgiſchen Beſchwerden; die radix sumbul hatte keinen Erfolg; ſchädlich ſchien tannin zu wirken. Der carbo trichloratus (Troſchel) hat ſeinen anfänglich großen Ruf in der Hand anderer Beobachter auch einbüßen müſſen, wiewohl er eines der kräftigſten und wirkſamſten Reizmittel genannt werden muß. Er hat oft hinterher reichliche örtliche und allgemeine Blutentziehungen nöthig gemacht. Das Woronesh'ſche Elixir hat Verf. nicht anwenden ſehen. In der Behandlung mit acid. pyrolignosum und mineraliſchen Säuren ſchien Burtz ziemlich allein zu ſtehen. Das Brechmittel (Schütz) iſt bald wieder verlaffen worden, weil es bei vorhandenem Brechen erfolglos war und bei Aufhören deſſelben es nicht wieder hervorzurufen vermochte; die Kaltwaſſerkur (Schütz-Parow), kon— ſequent durchgeführt, ſcheint faſt die beſten Erfolge geliefert zu haben. Sehr gerühmt und erfolgreich war das extract. nucis vomiose spirituos. im enteriſchen Stadium und gegen zurückbleibende Durchfälle. Der An— wendung des Kamphors iſt Verf. in Berlin ſelten begegnet, und bedauert, von dem Gebrauche der tinetura cerealis camphorata, die ihm beim oberſchleſiſchen Typhus große Dienſte geleiſtet, nichts gehört zu haben. Rademacher's Anhänger haben mit Eifer ſein Tabakswaſſer angewandt, doch ſcheint dies den Erwartungen nicht entſprochen zu haben. Der Verfaſſer bemerkt hierbei, daß Rademacher ſelbſt nie eine Cholera-Epidemie geſehen habe, und hält ſich überzeugt, daß er ſelbſt, wenn er die aſphyktiſche Cholera geſehen, das Tabakswaſſer nicht gegeben haben würde, da dieſe auf ihrem Höhepunkte das ſei, was Rademacher das Sterben ſelbſt nennt, und wobei er zu großen Doſen Schwefeläther ſeine Zuflucht zu nehmen pflegt. (Wegen vorgerückter Zeit konnte der Vortrag nicht ganz beendet werden. Doch theilt Verfaſſer als nachträgliche Notiz mit und wünſcht dieſe hier einzuſchalten: In der ab,elaufenen hieſigen Epidemie hat er, nachdem er vom Gebrauche des Kamphors und der Lobkowitzſchen Tinktur zurückgekommen, im aſphyktiſchen 167 Stadium innerlich große Doſen von Schwefeläther: 20 Tropfen viertelſtündlich bis zweiſtündlich pur oder mit mixtura oleoso - balsamica, äußerlich fortwährend Einreibungen über die ganze Haut mit einer Miſchung aus gleichen Theilen spiritus sinapeos und spiritus Dzondi, angewandt; rühmt deren Erfolge und hat nament⸗ lich danach nicht oft und nur unbedeutendes typhoid entſtehen ſehen. Im Choleradurchfall iſt ihm die tinctura nucum vomicarum das ſouveräne Mittel geweſen, die er bereits gegen die im vorigen Sommer ſehr verbreitet geweſenen Ruhren mit dem beſten Erfolge und ausſchließlich angewandt hatte.) Herr Dr. L. Neugebauer theilte einen „Fall von Fibroid der äußeren weiblichen Geſchlechtstheile“ mit. — Es iſt in der neueſten Zeit bekanntlich unter dem Namen Elephantiaſis der äußeren weiblichen Geſchlechtstheile eine eigene Form von krankhafter Wucherung dieſer Organe aufgeſtellt worden, welche ſich dadurch charakteriſirt, daß ſie vorzüglich in der Gegend der vorderen Scham-Kommiſſur ihren Sitz hat, ſich langſam entwickelt, aber eine mehr oder minder bedeutende Größe erreicht, daß ſie in ihrem äußeren Anſe— hen eine große Aehnlichkeit mit der durch die Elephantiasis Graecorum geſetzten Hautwucherung darbietet, dabei aber ihrem Weſen nach gutartiger Natur iſt und ohne Gefahr erſtirpirt werden kann. Die Zahl der hierher ſchlagenden Beobachtungen iſt vorläufig noch ſehr gering, indem bis jetzt erſt drei Fälle dieſer Art in der Literatur als unzweifelhaft feſtgeſtellt worden find; es find dies der Fall, den Dr. Tallrich in Perpignan behandelte (ſ. Delpech: Chirurgie clinique de Montpellier. Tom. II. Montpell. 1828. 4.); vgl. F. L. Meißner: Ueber die Krankheiten der Schamlefzen, in der Gemeinſamen deutſchen Zeitſchrift für Geburtskunde, herausg. von Buſch, Mende, Ritgen. Bd. V, Weimar 1830. 8. S. (181 — 208) 207208, der Fall, den W. Birrel in England (f. The Edinburgh medical and surgical Journal, 1825, April; vgl. Meißner a. a. O. S. 208) beobachtete, und als dritter derjenige, den C. L. Heer hier in Breslau geſehen und in ſeiner Inaugural⸗Diſſertation: De Elephantiasi Graecorum et Arabum. Vratisl. 1842. pag. 25, c. 2, tab. I. Ato maj., pag. 20 — 23, tab. I, beſchrieben und abgebildet hat. Wenn ſonſt in der chirurgiſchen Kaſuiſtik von Geſchwülſten und krankhaften Vergrößerungen der äußern weiblichen Geſchlechtstheile die Rede iſt, ſo erweiſen ſich dieſelben bei näherer Nachforſchung meiſt nur als Degenerationen anderweitiger Art oder ſelbſt nur als einfache Hyportrophieen, und nur der von Pauli in Landau in v. Siebold's Journal, Bd. XVII, St. 2 (vgl. Neue Zeitſchrift für Geburtskunde von Buſch u. ſ. w., Bd. IX, Berl. 1840, 8. S. 463) bekannt gemachte Fall von Entartung der äußern Geſchlechtstheile einer Frau dürfte noch, als vierter, hierher zu rech— nen ſein, zumal er zu viel Uebereinſtimmendes mit dem in Rede ſtehenden Zuſtande darbietet, als daß man nicht verſucht ſein ſollte, zu ſchließen, Pauli habe es nicht mit bloßer lipomatöſer, wie er dies ſelbſt glaubt, ſondern mit der in Rede ſtehenden Entartung der Nymphen zu thun gehabt. Wie dem aber ſei, immer bleibt die Zahl der vorläufig bekannten Beobachtungen über dieſer merkwürdigen Krankheit eine zu geringe, als daß ſich jetzt ſchon daraus beſtimmte Folgerungen über die eigentliche Natur derſelben, namentlich aber auch darüber, ob ihr auch in der That der Name Elephantiaſis gebühre, ableiten ließen. Wenn es aber deshalb wünſchenswerth erſcheinen muß, daß ſich die Zahl der vorhandenen Erfahrungen und Unterſuchungen darüber möglichſt mehren möchte, ſo iſt der folgende, gegenwärtig in der hieſigen geburtshülflichen Klinik beobachtete Fall um ſo wichtiger, als er geeignet ſcheint, die oben angeregte Frage einigermaßen ihrer Löſung entgegen zu führen Roſina L. geb. S., eine Frau aus dem Arbeiterſtande, 47 Jahre alt, von mittelmäßigem Wuchſe, nicht unkräftig gebaut, dunkelbrünett, ſeit ihrem 19ten Lebensjahre regelmäßig menſtruirt, hat von ihrem 22ſten Jahre ab ſechs Mai, das letzte Mal im 39ſten Jahre, leicht und glücklich geboren. Sie will ſich bis zur letzten Niederkunft ſtets eines befriedigenden Wohlſeins erfreut, namentlich aber nie an irgend einer Krankheit der Geſchlechtsſpyäre gelitten haben. Bei der gedachten Niederkunft ſelbſt wurde fie von der fie pflegenden Heb— amme auf ein paar kleine Auswüchſe an der äußeren Scham aufmerkſam gemacht. Sie ließ dieſelben jedoch, da ſie weder ſchmerzten, noch ihr ſonſt eine Unbequemlichkeit verurſachten, gänzlich unberückſichtigt. Nach und 168 nach vergrößerte ſich aber dieſe Geſchwulſt und erreichte endlich, unter gleichzeitiger Abnahme des ſchon früher ſchwachen Gel örs, fo wie auch des Geſichts, einen fo bedeutenden Umfang, daß fie nicht nur durch ihre Schwere und die damit zuſammenhängende ſchmerzhafte Zerrung der Theile in hohem Grade beläſtigt, ſondern ſelbſt am Gehen behindert wurde. So vertraute ſie ſich demgemäß am 15. Auguſt dieſes Jahres der geburts— hülflichen Klinik hieſelbſt an. Die Erſcheinungen, die ſie nunmehr darbot, waren folgende: Der Körper etwas mager, die Haut na— türlich gefärbt, die Verdauung normal, das Nervenleben desgleichen, mit Ausnahme des bedeutend geſchwächten Gehörſinnes, die Cornea beider Augen mit Pannus vasculosus behaftet, dagegen die Funktion des Opticus ſelbſt, wie man ſich überzeugen konnte, nicht getrübt. Das Uebel in der Schooßgegend ſtellte ſich in Geſtalt einer aus zwei Abtheilungen, einer größeren vorderen, wiederum zweigelappten, und einer kleineren hinteren, be= ſtehenden, frei zwiſchen den Schenkeln herabhangenden, kolbenförmigen Geſchwulſt von der Größe faſt zweier Mannsfäuſte dar, welche bei einer Länge von etwa 5 Zollen in ihrem dickſten Theile einen Querumfang von 12 Zollen hatte und mittelſt eines über 1 Zoll dicken Stieles an dem Arcus pubis und dem vorderen und rechten Rande des Scheiden-Einganges befeſtigt war. Der Stiel der Geſchwulſt, der gegen 2 Zoll lang und an ſeiner von dem Scheiden-Eingange abgewandten Seite mit natürlicher Cutis, an der ihr zugewandten, aber mit einem dünnen, roſafarbigen Häutchen überzogen war, zeigte durchgehends eine gleichförmige Oberfläche, die nur an der roſafarbigen Stelle von einer eiternden Längsfurche unterbrochen wurde. Die Oberfläche des eigentlichen Körpers der Geſchwulſt aber, welcher durchweg mit einem dünnen, aber feſten Oberhäutchen beklei— det war, war ſehr unregelmäßig geſtaltet, und beſtand, mit Ausnahme der Oberflächen, welche die einzelnen größeren Abtheilungen der Geſchwulſt einander zukehrten und welche ebenfalls platt waren, aus einer großen Menge von pflaſterförmig an einander gereihten halbkugeligen, kugeligen und anderweitig geformten, hanfkorn⸗ bis bohnen- und nußgroßen Erhabenheiten, die eine ſchmutzigbraune, etwas ins Violette ſpielende Färbung zeig— ten, an einzelnen Stellen jedoch, wo ſie, als jüngerer Nachwuchs, häufchenweiſe kleiner erſchienen, auch hellroſa gefärbt waren. Die Geſchwulſt, an und für ſich bei ruhigem Verhalten keine Schmerzen verurſachend, ſchmerzte, wenn ſie gedrückt wurde, und fühlte ſich feſt und elaſtiſch und gleichſam fettig an, war dabei aber doch an ihrer Oberfläche, abgeſehen von der gedachten eiternden Stelle am Stiele, durchgehends, ſelbſt in den Zwiſchen— räumen zwiſchen den Lappen und Globoſitäten, trocken. Trotzdem verbreitete fie einen höchſt unangenehmen, penetranten Geruch um ſich, der einigermaßen mit dem Geruche von verdorbenem Schweizerkäſe verglichen werden konnte. Die genauere Unterſuchung machte es wahrſcheinlich, daß die Geſchwulſt vorzüglich aus dem degenerirten Kitzler beſtand, und daß zugleich die Vorhaut deſſelben und die ganze rechte kleine Schamlefze in ihre Bildung aufgegangen war. Die Beſchaffenheit der übrigen äußeren, ſo wie der inneren Geſchlechtstheile bot dabei nichts Abnormes dar, nur war die rechte große Schamlefze in Folge des Druckes, den die überhaupt mehr der rechten Seite angehörende Geſchwulſt auf ſie von vorn her ausübte, etwas nach hinten und außen gedrängt. Die Ab- und Ausſonderungen des Harns verhielten ſich normal, eben ſo wurde das Menſtruations— geſchäft von der Kranken als ungeſtört angegeben. ö Bei dieſem Krankheitsbefunde konnte die Diagnoſe eben ſo wenig auf Fungus, wie auf kondylomatöſe Wucherung geſtellt werden, mit welchen Zuſtänden die vorliegende Krankheit, oberflächlich betrachtet, einige Aehnlichkeit zu haben ſchien. Denn wenn das faſt blumenkohlartige Ausſehen und die elaſtiſche Beſchaffenheit der Geſchwulſt für erſteren ſprachen, ſo mußte jeder in dieſer Beziehung geſchöpfte Verdacht fallen, wenn man erwog, daß ſie einer ſo langen Zeit zu ihrer Entwickelung bedurft hatte, daß ſie an und für ſich nicht ſchmerzte, daß ſie durchweg mit einer, wenn auch epitelartig verdünnten Oberhaut bekleidet, und nirgends, außer an der gedachten Stelle am Stiele, in Verſchwärung begriffen war, noch auch blutete, und daß ſich endlich die Kranke im Allgemeinen ziemlich wohl fühlte, während doch ein mehre Jahre beſtandener Fungus bereits den größten Kräfteverfall hätte herbeiführen müſſen. Wenn hingegen ihre Oertlichkeit und ihr eigenthümlicher übler Geruch die Annahme eines ſyphilitiſchen Sekundärleidens begünſtigten, ſo ſtritt gegen dieſelbe die gänzliche Abweſenheit * 169 aller Erſcheinungen, welche fonft auf Vorhandenſein oder Vorhandengeweſenſein ſyphilitiſcher Affektion hätten ſchließen laſſen, ſo wie auch die Verſicherung der in dieſer Beziehung durchaus offenherzigen Kranken, daß ſie nie etwas dieſer Art erlitten habe. Dagegen ſtand nichts im Wege, den Zuſtand als identiſch mit dem von den oben citirten Schriftſtellern als Elephantiaſis der äußeren Geſchlechtstheile behandelten aufzufaſſen, wobei jedoch ein großer Zweifel darüber ſich erhob, ob man dieſen Zuſtand überhaupt der Elephantiaſis beizuzählen berechtigt, oder ob er nicht vielmehr für eine Gewebsentartung eigenthümlicher, von der Elephantiaſis abweichender Art zu erklären ſei, da der bei ihm ſtattfindende gänzliche Mangel der für die mehr entwickelten Leproſen charakteriſtiſchen ge— ſchuppten, riſſigen, ſchrundigen oder borkenartigen, immer aber rauhen Beſchaffenheit der Haut an der afficirten Stelle, der wenigſtens in dieſem Falle am Tage lag, durchaus gegen elephantiaſiſche Entartung ſpricht. Es wurde nun die Ausrottung der Geſchwulſt, und zwar mittelſt des Schnittes, beſchloſſen; um jedoch für den Fall etwanigen Vorhandenſeins einer allgemeinen Dyskraſie, die dem Uebel möglicherweiſe dennoch zu Grunde liegen konnte, ſicher zu gehn, ſo wurde der Operation ſelbſt eine mehrwöchentliche Jodkali-Kur vor— aufgeſchickt, während deren Dauer zugleich durch wiederholtes Einblaſen eines aus gr. 3 rothem Queckſilber— Präcipitat mit 2 Unzen Zucker bereiteten Pulvers in die Augen der Pannus in Angriff genommen wurde. Am 29. September endlich, bis wohin ſich das Augenübel um ein Bedeutendes gebeſſert, das Uebel an den Geſchlechtstheilen jedoch in nichts verändert hatte, wurde zur Operation geſchritten. Ihre Ausführung, in ihrem Haupttheile von dem Direktor der Anſtalt, Herrn Medicinalrath Betſchler, ſelbſt beſorgt, geſchah ohne alle Schwierigkeit. Es wurden um den Stiel der Geſchwulſt zwei, mittelſt einer ſtarken Nadel durch ihn hindurchgeführte Ligaturen angelegt und feſt zuſammengezogen, um dadurch der nach dem Schnitt zu befürch— tenden Blutung im Voraus vorzubeugen, darauf aber vor der unterbundenen Stelle um den Stiel herum ein Schnitt durch die oberflächlichen Schichten deſſelben geführt, und nachdem fo der mittlere Theil deſſelben, wel- cher ſich in Geſtalt einer ſehr feſten, knorpelartigen Maſſe darſtellte, zu Tage getreten war, dieſer vorſichtig durchſchnitten. Nach der ſo bereiteten Abtragung der Geſchwulſt zog ſich der knorpelige Centralſtrang des Stieles, der aus den entarteten kavernöſen Körpern des Kitzlers zu beſtehen ſchien, wider Erwarten, trotz der feſt zuſammengezogenen Ligaturen, tief unter den Schooßbogen zurück, ſo daß jene theilweiſe abfielen und die Wunde eine tief trichterförmige Geſtalt gewann. Die aus der Wunde erfolgende Blutung war ziemlich hef— tig, ſtand jedoch, nachdem mehrere ſpritzende Arterien durch Unterbindung, die ſich in dieſem Falle wegen der trichterförmigen Geſtalt, die die Wunde angenommen hatte, etwas ſchwierig ausführen ließ, zum Schweigen gebracht worden waren. Schließlich wurde Behufs der Einleitung der Heilung per secundam intentionem ein einfacher Scharpie- Verband angelegt. 24 Stunden nach der Operation trat eine heftige parenchymatöſe Blutung aus der Wunde ein; ſie wurde indeſſen durch ſchleunige Applikation des Liquor Ferri muriatici oxydati ſchnell und gründlich beſeitigt. Seitdem iſt die Heilung der Wunde im beſten Gange, und der Zuſtand der Operirten ein ſolcher, wie er unter ſolchen Umſtänden nur gewünſcht werden kann. Die Sektion der abgenommenen Geſchwulſt, deren Gewicht ziemlich 12 Unzen betrug, erwies dieſelbe als Fibroid. Die Maffe deſſelben wurde, abgeſehen von dem ſie äußerlich bekleidenden, ſchwer ablösbaren, ſchmutzigbraunen Oberhäutchen, von einem weißen, ziemlich feſten, faſerigen Gewebe gebildet, welches von meh— ren größeren und kleineren Gefäßzweigen in verſchiedenen Richtungen durchkreuzt wurde. Die Faſern verbreis teten ſich von der Baſis der Geſchwulſt aus, wo ſie als Fortſetzung des knorpeligen Centralſtranges des Stie⸗ les auftraten, ſtrahlenförmig in die einzelnen Lappen, vorzüglich aber in den hinteren hinein, in welchem letz— teren ſie überhaupt am deutlichſten zu Geſicht traten. Nach der Peripherie hin war die Faſerung weniger deutlich zu erkennen, und es ging hier das Faſergewebe in eine mehr gleichartige Maſſe nn welche zugleich etwas weicher erſchien, als die centrale. 22 170 Der überwiegend ſtrahlig-faſerige Bau des hinteren Lappens der Geſchwulſt, welcher, wie bemerkt wor⸗ den, mehr dem linken Theile derſelben angehörte, ſchien dafür zu ſprechen, daß derſelbe vorzüglich aus der Klitoris hervorgegangen ſein mochte, während hingegen der größere vordere und mehr rechte Lappen mehr der Vorhaut und der rechten kleinen Schamlefze zu entſprechen ſchien. Immer aber war in dem centralen ſtrah— ligen Faſergewebe der Geſchwulſt überhaupt ein deutlicher Fingerzeig dafür gegeben, daß man ſich die Bildung derſelben mehr durch eine Degeneration der inneren Gewebsſchichten der dabei intereſſirten Organe, als etwa des Hautüberzuges derſelben zu erklären hatte. Dies aber eben iſt es, was, meiner Anſicht nach, gegen die Heranziehung des Namens Elephantiaſis für dieſen Zuſtand ſtreitet, da ja dieſe bekanntlich in einer Der generation gerade der Haut und insbeſondere des Coriumtheils derſelben beſteht. Ich glaube demgemäß, daß man dieſen Namen für die in Rede ſtehende Degeneration gänzlich fallen laſſen muß, und daß man beſſer thut, ſie einfach als Fibroid der äußeren weiblichen Geſchlechts— theile, in unſerem Falle aber der Klitoris-Vorhaut und rechten Nymphe zu bezeichnen. Eine umſtändlichere Beſchreibung des beſprochenen Falles iſt von dem mit der Pflege der betreffenden Perſon beauftragt geweſenen Kliniciſten, Herrn Pfennigkaufer, in der von demſelben zu verfaſſenden Inau⸗ gural=Differtation zu erwarten. Sitzung vom 3. November. Herr Profeſſor Dr. Göppert trug einen Bericht des Herrn Dr. Plätf 15 in Sprottau vor, betref⸗ fend zwei Fälle von Vergiftung durch stipit. Dulcamarae und secale cornutum. Ein Mann von 40 Jahren, welcher ſich eines Thees von stipit. Dulcam. als Mittels gegen Huſten zu bedienen pflegte, genoß im Laufe eines Vormittags 3 bis 4 Quart einer ſolchen, von etwa einer Metze stip. Dulc. bereiteten Abkochung. Des Abends wurde er plötzlich von einem Gefühle von Summen in den Gliedern, von Schmerzen in den Knieen und Ellenbogen, Trockenheit im Schlunde und einer Lähmung der Zunge befallen. Dies ſteigerte ſich im Verlaufe von 3 Stunden ſo weit, daß er ſeine Extremitäten und Zunge kaum gebrauchen konnte. Dabei war der Kopf frei, das Bewußtſein ungeſtört, der Puls ruhig, aber klein und härtlich, das Athmen regelmäßig, die Haut kühl, weder Uebelkeit noch Durchfall vorhanden. Hr. Dr. P., von der Anſicht ausgehend, daß ſeit dem Genuſſe des Thees eine zu lange Zeit verſtrichen ſei, als daß Brech—⸗ mittel noch angezeigt ſein ſollten, wandte flüchtige Reizmittel und zwar zuerſt den Kamphor an, worauf die Beſchwerden ſich bald minderten und endlich verſchwanden. Am 12. Oktober 1841 wurde Hr. Dr. P. zu einer Frau gerufen, welche nebſt ihren 3 Kindern zwei Tage vorher erkrankt war. Sie hatten ſeit 5 Tagen Brot genoſſen, welches von einem ſehr reichlich mit Mutterkorn vermiſchten Korn bereitet worden war, auch dergleichen Korn als Surrogat des Kaffees benutzt. Die Mutter, 40 Jahr alt, klagte über Eingenommenheit des Kopfes, Druck im Magen, wenig Appetit, Durch— fall, fühlte ſich jedoch nicht ſo leidend, daß ſie das Bett gehütet hätte. Die älteſte Tochter, 18 J. alt, klagte über heftiges Brennen in den Händen und Füßen, beſonders in den Fingern und Zehen, welche ſtark gebogen und ſteif waren. Dieſes Brennen ließ nach, wenn man die Finger und Zehen ſtreckte. Die Lippen waren zurückgezogen, ſo daß ſie die Zähne nicht bedeckten, die Zunge war weiß belegt, feucht, die Haut trocken, etwas kühl; der Puls machte 90 Schläge, war klein. Dabei war Patientin ſehr unruhig, klagte über großen Durſt, wenig Appetit, der Unterleib war weich, der Stuhl regelmäßig, der Urin blaß. Sie ſtarb am nächſten Tage unter heftigen Krämpfen. — Die zweite Tochter, 7 Jahr alt, hatte dieſelben Beſchwerden in den Extremitä⸗ ten, doch traten ſie nur periodiſch ein; dabei hatte ſie guten Appetit, aber etwas Durchfall. — Das dritte Kind endlich, ein 4jähriger Knabe, klagte nur über Durchfall. Hr. Dr. P. gab Allen zuerſt ein Brechmittel, dann eine Kamphor-Emulſion, und verlangte von den entfernt auf dem Lande wohnenden Kranken baldige Nachricht, erhielt ſie aber erſt am 6. November, und zwar, wie folgt: 171 — Die Mutter hatte bis vor wenigen Tagen an „Starrkrampf“ gelitten, und klagte noch jetzt über große Angſt, Appetitloſigkeit und Durchfall. Nach Gebrauch eines Inf. rad. Valer. und Ipecac. mit Ammon. hydrochlor., und ſpäter des Extr. nuc. vom. verloren ſich dieſe Erſcheinungen, nur behielt Patientin die Empfindung, als wenn fie beim Gehen nicht die Erde berühre (Anäſtheſie der Nerven der Fußſohles). — Die zweite Tochter war geſund, doch war der Gebrauch der Beine noch erſchwert. Der Ajährige Knabe hatte erſt gegen Ende des Oktober durch mehrere Tage Starrkrämpfe bekommen, und klagte noch über große Stei⸗ figkeit der Beine, fo daß er oft fiel, ein Uebel, das ſich nach dem Gebrauche aromatiſcher Bäder verlor. Herr Dr. Günsburg theilte ſeine theils in Berlin, theils ſeit dem 17. Oktober hierorts gemachten, die Cholera betreffenden, Beobachtungen in einem Vortrage mit, hinſichtlich deſſen Inhaltes wir auf die ſeit⸗ dem erſchienene Schrift des Herrn Dr. Günsburg: „Mittheilungen über die gegenwärtige Epidemie der aſiatiſchen Cholera,“ verweiſen. Sitzung vom 1. Dezember. Herr Dr. Neugebauer beſchrieb einen Fall von ungewöhnlicher Länge der Nabelſchnur, welcher kürz⸗ lich hierſelbſt beobachtet worden iſt. P. T., 40 Jahr alt, wurde rechtzeitig und glücklich entbunden. Die Nabelſchnur ſtürzte, zahlreiche Windungen, doch keine Knoten bildend, dem Kinde nach, letzteres ſechsmal, am Halſe, Rumpf und Oberſchenkel, umſchlingend. Leider maß man die Nabelſchnur erſt nach der Durchfchneiz dung, und fand fie, mit Einrechnung des am Kinde zurückgebliebenen Stückes, 3 (ſchleſ.) Ellen lang. Herr Dr. Neugebauer erhielt ſie erſt, nachdem ſie 24 Stunden in Weingeiſt gelegen, mithin eine bedeutende Einſchrumpfung erlitten hatte. Dennoch maß auch jetzt noch der an der placenta ſitzende Theil 61%, Zoll, und rechnet man die Länge des am Kinde ſitzen gebliebenen Stückes zu 6 Zoll, ſo ergiebt ſich für das Ganze eine Länge von 67 ¼ Zoll (ſchleſ.) oder 1,635 Metre. Der Bau der Nabelſchnur bot übrigens nichts Abwei⸗ chendes dar, nur war ſie etwas dünn, und beide Nabelarterien waren nahe an ihrem Eintritte in die placenta durch eine ſtarke Anaſtomoſe mit einander verbunden. Es iſt dies die längſte, bis jetzt beſchriebene Nabelſchnur. Buſch ſah unter 2077 Fällen nur 4 Na⸗ belſchnuren, welche die Länge von 40 — 46 Zoll hatten; J. E. Oſiander bezeichnet eine von ihm beobach—⸗ tete, 2 Ellen lange, als eine Seltenheit. Noch ſeltener ſah man fie mehr als 50 Zoll lang; fo J. v. Sie⸗ bold eine 52 Zoll meſſende, Michaelis eine von 53 Zoll, Baudelocque von 57 Zoll, welches Maaß auch in der Prager Entbindungsanſtalt unter 12,329 Fällen einmal beobachtet wurde. Endlich beſchreibt Michaelis eine Nabelſchnur von 60 Zoll, während Beiſpiele größerer Länge bis jetzt nirgends erwähnt worden ſind. Herr Profeſſor Dr. Barkow legte einige pathologiſch-anatomiſche Präparate vor, und zwar: 1) das einer während der Geburt geborſtenen Vagina; ein zweites, welches die Bildung der Zellſtoffkapſeln zeigt, durch welche fremde, von außen eingedrungene Körper (im vorliegenden Falle waren es Schrotkörner) iſolirt und unſchädlich gemacht werden; 3) ein sarcoma cysticum, welches bei einer 48jährigen Frau ſich gebildet hatte, fauſtgroß und 8 Unzen ſchwer war. Anfänglich innerhalb der rechten Schamlefze entſtanden, hatte es ſich nach und nach im Laufe von 2 Jahren ſo weit hinabgeſenkt, daß es an einem dünnen, fadenartigen Stiele bis faſt zum Knie hinabhing, und leicht von Herrn Wundarzt Neumann in Meffersdorf durch die Ligatur ent⸗ fernt werden konnte. 4) Eine durch Herrn Wundarzt Goliſch in Roſenberg eingeſandte Mißbildung zweier Finger der rechten Hand eines 4jährigen Kindes, und zwar des dritten und vierten Fingers, welche völlig vers ſchmolzen und deshalb durch Exartikulation entfernt worden waren. Auch die Mittelhandknochen beider waren zu einem dicken Knochen vereiniget. 5) An der Leiche eines Menſchen, welcher früher eine Pleuritis dia- phragmatica der rechten Seite überſtanden, und als Folge davon ein ſtarkes plaſtiſches Exſudat zwiſchen Lunge und Zwerchfell behalten hatte, bildete das letztere an der entſprechenden Stelle eine ſtarke Falte, welche | 22 * 172 ſich in die Leber eingeſenkt und in dieſer eine tiefe Rinne gebildet hatte. Drei ähnliche Falten des Zwerch—⸗ felles und daher entſtandene Furchen an der Leber bemerkte man bei einer zweiten Leiche. Hier war die Fal⸗ tenbildung eine Folge der, durch ſtarken hydrops sacei pleurae dextrae bewirkten Erſchlaffung des Zwerch— felles. Es ſcheint, daß ſolche Falten durch Druck auf die Leber in ähnlicher Weiſe wirken, wie Geſchwülſte, welche in der Nähe von Knochen liegen, auf dieſe. Herr Hofrath Dr. Burchard theilte mehrere Fälle von Anäſtheſirung Gebärender durch Chloroform mit. 1) Bei einer erethiſchen enervirten 23jährigen Erſtgebärenden wurde zu Ende des mit heftigen Schmer⸗ zen verbundenen erſten Geburtsabſchnittes die Einathmung des Chloroforms angewendet. Die Gebärende ſchlief ein, das Antlitz war roth, der Athem leicht, der Puls ſank von 85 auf 72. Die Wehen dauerten fort, und blieben, auch nachdem die Frau nach Verlauf einer Stunde wieder zu ſich gekommen war, ganz ſchmerzlos. Die Blutungen waren mäßig, das Kind geſund. — 2) Eine 24jährige Erſtgebärende empfand von dem Ver— ſuche der Wendung und darauf folgender Extraktion durch die Zange Nichts. Jede austreibende Muskelthä⸗ tigkeit hatte aufgehört. — 3) Bei einer 25jährigen Zweitgebärenden wurde wegen ſehr großer Schmerzhaftig⸗ keit der Wehen das Chloroform angewendet. Sie wurde ſchläfrig und empfindungslos, behielt aber ihr Be⸗ wußtſein. Mit der vierten ſchmerzloſen Wehe, wobei auch die Bauchpreſſe thätig war, wurde das Kind ge boren. — 4) Bei einer 27jährigen Erſtgebärenden wurde während der durch Chloroform herbeigeführten Nar? koſe Wendung und Extraktion des Kindes vorgenommen. Die Frau empfand keine Schmerzen, ſchien zu träumen; die periodiſchen ſowohl als die permanenten Wehen waren ſehr kräftig, die Nachgeburt folgte raſch, begleitet von einer ſtarken, doch nicht lange dauernden Blutung. Das Kind war ſcheintodt, erholte ſich, ſchlief aber in den erſten 5 Tagen auffallend viel und ſanft. — 5) Eine 23jährige Erſtgebärende wurde während der Chloroform-Narkoſe mittelſt der Zange ſchmerzlos entbunden. Hier fehlte jede austreibende, willkürliche ſowohl als unwillkürliche, Kraft, der Körper hatte alle Haltung verloren, die Beine ſchlotterten, und die Er: traktion wurde dadurch merklich erſchwert. Auch fand nach der Geburt eine nur ſehr langſame Kontraktion des Uterus und daher einige Blutung ſtatt. Das Kind war apoplektiſch, wurde zwar bald belebt, ſchlief jedoch in den erſten Tagen auffallend viel. Es ergeben ſich hieraus folgende Reſultate: 1) Die unwillkürlichen Muskeln bleiben bei der Narkoti⸗ ſirung durch Chloroform thätig. 2) Die Zuſammenziehung der Gebärmutter iſt eine doppelte: eine permanente und eine periodiſche; die erſtere iſt auch im fünften Zeitraume der Geburt durchgreifend im empfindungsloſen Zuſtande. 3) Die periodiſchen Zuſammenziehungen erfolgen ſeltener, die permanenten ſind überwiegend. 4) Ob die Bauchpreſſe, auf Reflexion beruhend, aufhöre oder fortwirke, hängt von dem Grade der Anäſtheſirung ab. 5) Der Einfluß auf das Kind iſt nicht abzuleugnen. 173 6. Mittheilungen aus Den Arbeiten der öbkonomiſehen Section, General-Landſchafts-Repräſentanten Grafen Hoverden, zeitigem Secretair derſelben. I. Die Kurſe der ſchleſiſchen Pfandbriefe vom Jatzre 1789 bis zum Jahre 1848. Zuſammengeſtellt von dem Secretair der Section. Für die innere Geſchichte Schleſiens iſt eine Geſchichte der ſchleſiſchen General-Landſchaft, jenes von König Friedrich II. in weiſer Erkenntniß der Forderungen ſeiner Zeit, wie der Nothwendigkeit, den Kredit in der von ihm in Beſitz genommenen Provinz Schleſien neu zu beleben, begründeten Inſtitutes, ein unbeſtrittenes Be- dürfniß. Gleichwohl ſind bei deſſen Befriedigung mancherlei Schwierigkeiten zu überwinden. Beiträge dazu durch Auszüge aus den Akten des Inſtitutes zu liefern, war der Unterzeichnete in mehren Verſammlungen der Section bemüht. Denn bei den heftigen Schwankungen des Preiſes, welche die Erzeugniſſe des Land— baues während der Verwickelung politiſcher Verhältniſſe erfahren haben, iſt der Landwirth genöthigt worden, in den Kreis ſeiner Betrachtung auch Gegenſtände zu ziehen, welche einem ganz andern Gebiete der Staats— wiſſenſchaften, als dem der National-Oekonomie, angehören. Der Werth feiner Arbeit hängt nicht mehr allein von deren Güte ab. Die Scala des dem Produkte zugeſtandenen Werthes im Laufe der Geſchichte zu beachten, liegt ihm daher nahe. Wenn nun wohl nach dem Werthe ländlicher Grundſtücke ſich eine ſolche Scala aufſtellen ließe, ſo ſcheint dieſelbe dennoch zweifelhafter und weniger zuverläſſig, als die Scala des Kre— dits, welchen die auf den Grundſtücken pfandweiſe haftenden zinsbaren Forderungen im öffentlichen Verkehr erhalten haben. Dies ſind die Beweggründe, welche Unterzeichneten zur Zuſammenſtellung nachfolgender Tabelle veranlaßten. Sie liefert wenigſtens ein Material, worin ſich die Hauptereigniſſe ſelbſt unſerer politiſchen Geſchichte ſeit der erſten franzöſiſchen Revolution merkwürdig genug abſpiegeln. Gr. Hoverden. 174 5 = 8 5 S 85 5 e 5 5 — ö emerfungen 1780 104 104 1781| 104 104 1044 1044 a 1782| 104 104 104 1025 1783 1025 1036 1784| 102 1025 |10: | 5 1785 0 10 45 92 10 Einkaufspreiſe nach amtlichen Aktenſtücken. 1786 1031 1035 103% 1787| 104 1042 1788| 104 105 1045 1789| 106 10535 1055 1790 106: 1023 1023 1033 104 1054 [1065 1053 1063 1065 | Aus den Provinzialblättern. 1791| 1062|107 1065 1053 1054 106 1065 1063 105 1053 1053 1792| 106351065 1063 1063 106 106 1065 1065 1063 1063 1063 1793| 10651035 1035 103. 103 1031 1033 1032 1035 1033 1035] Sämmtiche Kurſe beziehen ſich auf Apoints 1794| 10331035 103. 1035 1032 a 1000 Rthlr 1795| 10431043 1045 1043 104 1033 1045 104: ; 1790 105 1045 1043 1045 |105 1055 105: 1052 105 [1052 | See gründen ſich auf die am Anfange jeden 1797| 106 106: |106 1063 1043 \1053 1055 1055 1053 105 104 Senke 1798 105 [105° 1033 1033 1034 104 104 1035 103 102 wee deen en 1799| 1023102 101 | 992 1005 100 100 100 100? 993 99 | 995 [ Pfandbriefe waren oft 2 bis 3 Pro Gent 1800| 1005101 1014 1014 101g 101 102 103 101% 1015 [1012 101] höher notirt. 1801| 102351025 102 102 1014 1025 103 1025 102 103 1802| 10351033 1043 104 1043 1043 1043 10535 1053 106 1053 1803| 1063 1053 1053 1064 1072 1075 1075 107g 1074 1804| 1074 10s 108“ 108 1075 106 1071 10771053 106 1055 1054 1805| 1075106 106 1052 1053 1043 106 106k 1055 103 1045 104 1806| 1055 105% 1053 1054 1055 1053 106 105 1052 105 107 2. Belagerung Breslau's. 1807| 995 89“ 833 895 904 865 945 921 | 895 | 872 80 | 831 1809 5 9 85 15 5 = 18 795 0 805 855 86 Aus der ſchleſiſchen Zeitung, welche den 5 2 4 3 3 5 | 88 t 23ſten Juli 1808 1810] 50. 873 | 86 5e 80° 77 79 787 | sı | sız 83 78 ae we a 811] 79° 79783 | 782 | 721 6s | 672 694 | 693 | 70: | 703 693 1812 6s:| 68: | 67% 60 | 602 | 602 5565 ss: | 60: 65 675 685 1813| 67 66: 62 662 | 614 625 644 | 66% | 66x 77 1814] 77 825 853 | sız 85 853 885 91 955 94 934 933 175 2796 16 206 06 | #26 | „06 | 128 | = 31 ! S S. = = 3 2 = 3 2 = = SS * a 7 = = ea 2 * D 8 5 II. Ueber die Belchälkrankheit der Pferde, von J. J. H. Ebers, K. Geh. Medizinalrathe. Die Beſchälkrankheit der Pferde hat bekanntlich eine Kabinets-Ordre vom 22. September 1840 veran⸗ laßt, die eine Anzahl von Vorſchriften feſtſtellt, nach welchen bei Bedeckung der Stuten von Hengſten, und ſolcher Stuten, welche notoriſch an der Krankheit gelitten haben, verfahren werden muß. Nach dieſer Verord— nung ſoll ein mit dieſer Krankheit befallenes Pferd, ſelbſt nach ſeiner Heilung und wenn daſſelbe innerhalb der drei letzten Jahre an dem Uebel gelitten hat, nicht zum Begattungsakte zugelaſſen werden. Man iſt ſogar ſo weit gegangen, daß jedes verdächtige Pferd, welches innerhalb der drei letzten Jahre an dem Uebel gelitten, ſofort der polizeilichen Landesbehörde angezeigt werden muß, und mit einem Brandzeichen am Halſe, B K, und mit der Zahl desjenigen Jahres, in welchem das Thier an der Krankheit gelitten hat, bezeichnet werden ſoll; es dürfen ſolche Pferde, ausgenommen kaſtrirte Hengſte, während der drei erſten Jahre nach geheilter Krankheit nicht über die Gränzen des landräthlichen Kreiſes, in welchem ſie erkrankt waren, verkauft und weg— geführt werden. Innerhalb des Kreiſes muß der Wechſel des Aufenthaltes jedes Mal der Behörde angezeigt werden. — Sobald ein landräthlicher Kreis, als von der Beſchälkrankheit inficirt, erklärt oder ſelbſt als bedro— het angezeigt wird, und hierüber eine öffentliche Bekanntmachung erlaſſen worden iſt, dürfen, vom Tage der Bekanntmachung an, auch anſcheinend geſunde Pferde, zum Begattungsakte nicht zugelaſſen werden, außer daß ein beſonderes, bei Hengſten nicht über 14 Tage und bei Stuten nicht über 4 Tage altes thierärztliches Ge⸗ ſundheits-Atteſt vorgezeigt wird. Auf die Uebertretung dieſer Vorſchriften ſind nicht unbedeutende polizeiliche und Geldſtrafen verhängt. Hieraus ergiebt ſich, abgeſehen von der innern Nothwendigkeit für Unterdrückung der Krankheit, daß durch dieſes Edikt der Vermehrung der Pferde und deren Wechſelverkehr in Handel und Wandel große Schwierigkeiten und Hemmniſſe in den Weg gelegt worden ſind. Bekanntlich zerfällt die Krankheit, welche immer mit dem Begattungsakte in Zuſammenhang ſtehet, oder ſtehen ſoll, in zwei weſentlich von einander verſchiedene Krankheitsarten, nämlich in eine allgemeine Krank— heit, in welcher das Uebel ſich im ganzen Organismus ausbildet und auf die Geſchlechtsſphäre übergeht, und das iſt bei Hengſten faſt ausſchließlich der Fall, und in eine lokale, wo ſich das Uebel in der Geſchlechts⸗ ſphäre ſelbſt ausbildet und das allgemeine Leiden erzeugt; es iſt das der Fall bei den Stuten und den von dieſen örtlich inficirten Hengſten. Wallachen und Fohlen ſind dem Uebel nicht unterworfen. Es werden etwa 20 Jahre her ſein, daß man auf dieſe Krankheit aufmerkſam geworden iſt, und wenn ſie auch ganz gewiß ſchon vorhanden war, ſo hat doch vorzugsweiſe die veredelte Pferdezucht Gelegenheit dar- geboten, ſie in nähere Beobachtung zu bringen. Läugnen kann man indeß auch nicht, daß gerade das veredelte Pferd und das mit die ſem in Begattungsakt gebrachte Landpferd mehr, ja vorzugsweiſe der Beſchälkrankheit anheim fiel, als die unedlen Pferde-Ragen. Richtig iſt, daß die ſogenannten Hengſtreiter zu ihrer Verbrei⸗ tung beitrugen, was aber darin gegründet iſt, daß dieſe nomodiſirenden Beſchäler den Anſteckungsſtoff irgendwo aufnahmen und forttrugen; — es iſt mir nicht bekannt geworden, daß unedle Hengſte urſprünglich von dem Uebel ergriffen wurden. Hieraus ſind zwei Folgerungen zu ziehen, einmal, daß die Beſchälkrankheit zu denje⸗ nigen Krankheiten gehören möge, welche vorzugsweiſe, wenn nicht ausſchließlich, den edlen Thierragen ange⸗ hört, in denen das Nervenleben, und durch dieſes das Blutleben, eine entwickeltere Bedeutung erlangt haben — und dann, was ich indeſſen nur als Vermuthung hinſtelle: daß die Polygamie, der vielfache Gebrauch der edlen Hengſte, wodurch Hirn und Nervenleben vorzugsweiſe in Anſpruch genommen wurden, einen nicht un: weſentlichen Antheil an der Krankheit hat, d. h. an der urſprünglichen Krankheit, welche als eine das Rücken⸗ 177 mark und die aus dieſem hervorgehenden Nerven betreffende verläuft, und fpäter erſt und in ihrer Höhe Er: ſcheinungen der Blutentmiſchung und ſekundärer Leiden der Genitalien zeigt. Es iſt keinesweges auch zu überſehen, daß atmoſphäriſche und andere noch in Dunkel gehüllte Umſtände zu der epidemiſchen Ver— breitung der Krankheit weſentlich beitragen. Bei Stuten, und, wie es ſcheint, erwieſen nur bei bedeckten, zeigt ſich, auch ohne daß man an den Hengſten, welche ſie bedeckt hatten, die Krankheit ſchon wahrnahm, die Krankheit zumeiſt. An dieſer erſten Thatſache, der nämlich: daß nur bedeckte Stuten erkrankten, ſind doch einige Zweifel, zumeiſt durch die Beob achtungen in Schleſien aufgekommen, wie ſich aus den Berichten mehrerer ſchleſiſcher Thierärzte, die von Herthaufen zuſammengeſtellt worden find, entnehmen läßt. Richtig iſt, daß in einem gewiſſen Bereiche immer mehrere Stuten zugleich erkrankten, woraus anzunehmen: daß der kontagiöſe Stoff, auch durch ander— weitige Verpflanzung, z. B. durch das Nebeneinanderſtehen der Thiere in den Ställen, und durch die mit der Pflege geſunder und kranker Thiere zugleich beauftragten Perſonen, ſich verbreiten kann. Es wird alſo immer nothwendig ſein, wo irgend der Verdacht des Uebels ſich zeigt, die kranken Thiere von den geſunden ſorgfältig abzuſondern. Auch iſt dem Pferdebeſitzer zu rathen: da, wo ſich auch nur ein Verdacht von Krankheit in der Geſchlechtsſphäre, der Stuten zumal, zeigt, auch wenn die Beſchälkrankheit noch nicht ausgeſprochen wäre, das erkrankte Thier abzuſondern und beſonderer Pflege zu übergeben. Es iſt nicht meine Abſicht, an dieſer Stelle in eine genaue Beſchreibung des Uebels einzugehen, eine Sache, die für die Thierarzneikunde gehört. Folgendes iſt aber zu bemerken, um das Uebel zu erkennen. Aufmerkſam muß man ſein, wenn, zumal nach Deckung einer Stute, ſich eine anhaltende Niedergeſchla— genheit an derſelben zeigt, nicht jene, mehrentheils bald vorübergehende, die ſich zuweilen freilich mehr von dem aufmerkſamen Beobachter wahrnehmen läßt, wenn das Thier empfangen hat. Hält eine ſolche Veränderung an, dann muß man nicht verſäumen, alsbald die Geſchlechtstheile zu unterſuchen, an denen ſich zuerſt faſt ſchmerz— loſe Geſchwülſte zeigen, welche nach und nach in bösartige Geſchwürsformen mit Abſonderung eines ſpecifiſchen jaugichten Schleims übergehen, den After und die Umgegend in Mitleidenſchaft ziehen und einen gerinnbaren Stoff abſetzen, der bernſteinartig antrocknet. Nachdem dieſe örtlichen Zufälle längere Zeit angedauert, zuerſt, ohne einen beſondern Einfluß auf das Gemeinbefinden zu äußern, erzeugen ſie nach und nach ein allgemeines Leiden, und offenbar eine nachtheilige und gefährliche Einwirkung auf das Rückenmark und zumal das kleine Gehirn; Spinal-Irritationen, Exſudate in der Rückenmarkhöhle, und dann auf das Blutleben, offenbar chemiſche Zerſetzungsproceſſe, welche die Sektions-Reſultate dargelegt haben. Das ganze Drüſen- und lym— phatiſche Syſtem wird ergriffen, es zeigen ſich Zufälle, dem Rotz und Wurm ähnlich; es bildet ſich eine Art typhöſes Fieber aus, Zuckungen ſtellen ſich ein und allgemeine Lähmung endiget das Leben. Aus dieſem Umriſſe des Krankſeins wird man entnehmen, daß, entwickelt ſich die Beſchälkrankheit einmal in epidemiſcher Weiſe, man ſie keinesweges als aus rein örtlichen Urſachen hervorgegangen betrachten kann, ſondern, wie ſchon angedeutet iſt, ſein Augenmerk nunmehr auf ein allgemein entwickeltes Kontagium richten und hiergegen die ſtrengſten Abſonderungsmaßregeln anwenden muß. Da auf der Höhe der Krankheit wohl die Heilkunde keine ausreichenden Mittel zur Herſtellung beſitzt, ſo iſt die Tödtung der kranken Thiere anzu— rathen. Sobald die Krankheit durch Anſteckung — ich ſpreche zunächſt von der örtlichen Uebertragung durch den Coitus — auf den Hengſt übergegangen iſt, verläuft dieſelbe faſt ganz ſo, wie bei den Stuten. Anders aber, wenn ſie ſich bei Hengſten urſprünglich entwickelt. Es iſt nämlich nochmals zu bemerken, daß man an Hengſten, welche erkrankte Stuten bedeckt hatten, vielfach keine Geſchwürsformen oder andere äußere krankhafte Erſcheinungen am Schlauche wahrnahm. Die Erkrankung der Hengſte nimmt einen ganz andern Verlauf. Das Allgemeinleiden zeigt ſich zuerſt, das örtliche zuletzt. Die feurigſten Hengſte verlieren nach und nach das Temperament, ſie platten, wie man ſagt, am Hintertheile ab und werden kreuzſchwach und lahm, ſie fangen an, auf einem und dem andern Fuße zu lahmen, ziehen bald den einen, bald den andern Fuß an, das Rückgrad krümmt ſich oder beugt ſich konver ein, Lähmung entwickelt ſich nach und nach, ſelbſt an Ohren 23 178 und Lippen, fie werden haarlos, und nun erſt kommen die lokalen Geſchwürsformen zum Vorſchein, welche ganz das Weſen und den Verlauf haben, wie bei den Stuten. Hieraus iſt wohl zu entnehmen, angenom— men, daß das Uebel ein aus dem Beſchälen hervorgegangenes iſt, daß das Nervenleben und das Zeugungsver— mögen der Hengſte ſchon erkrankt ſein mußte, wenn ſie die Stuten belegten, wenn auch die Entſtehung des Uebels, durch Geſchwürsbildungen bei letzteren, den Stuten nämlich, ganz offenbar eine Abweichung von Sn: fektionen ähnlicher Art darbietet, z. B. der ſyphilitiſchen bei den Menſchen. Indeſſen mache ich doch auf eine Analogie aufmerkſam. Wir wiſſen, daß, wenn der Beiſchlaf von vielen Männern, die nicht ſyphilitiſch waren, bei einem und demſelben Individuo ausgeübt wurde, das Weib auch völlig geſund war und blieb, vielfach einer oder mehrere der Männer Schleimfluß, Tripper, auch wohl Geſchwüre davon trugen. Auch weiß man, daß ſich in den Harems der Türken unter den Weibern bösartige Schleimflüſſe ausbilden. Im erſten Falle zeigen ſich die Nachtheile der Polyandrie, im andern der Polygamie. Gewöhnlich kommt man im erſten Falle der Krankheit bald entgegen und ihr Verlauf wird aufgehalten. In den Harems gehen aber viele Weiber an Rückenmarkskrankheiten und Schleimflüſſen zu Grunde. Die Beſchälkrankheit hat vielfache Unterſuchungen veranlaßt. Hertwig im Magazin für die geſammte Thierheilkunde, 1842, S. 209, und Harthaufen in ſeiner Schrift: Die veneriſche Krankheit der Pferde, Breslau 1739, enthielten bis daher wohl das Weſentlichſte. Beide können aber nicht umhin, zu bemerken, daß ſich noch manches Räthſelhafte in der Sache ſelbſt befinde. Ganz offenbar reicht einerſeits die Eingangs erwähnte Kabinets-Ordre nicht zu Beſeitigung und Beſchränkung der Krankheit aus, wenn die⸗ ſelbe eine kontagiöſe Verbreitung erlangen und ſich aus dem örtlichen ein allgemeines Uebel hervorbilden ſollte. Andererſeits ginge ſie, inwiefern das Uebel ſich auf reine Oertlichkeit beſchränken ſollte, in den angeordneten Maßregeln zu weit. Es bedürften ſonach die Vorſchriften um ſo mehr einiger Modifikationen auf die eine oder die andere Weiſe. Seit dem Jahre 1842 hat ſich die Beſchälkrankheit im preußiſchen Staate nur ſelten und nur im Poſenſchen bösartig gezeigt, mehrfach aber ganz gutartig, wie ſie auch ſchon von Hertwig am angeführten Orte in letzterer Beziehung beſchrieben wurde, und nur in letzter Zeit — Magazin 1847, Ztes Quartalheft, S. 373 u. f. — von ihm nach neuen Unterſuchungen und Erfahrungen dargeſtellt worden iſt. Nach dieſen Unterſuchungen zeigte ſich die Beſchälkrankheit an den Hengſten als eine milde und mit geringen allgemeinen Zufällen begleitete, örtliche Geſchwürskrankheit an dem Schlauche, mehrfach auch in allge— mein verbreiteten puſtulöſen Exanthemen; welche Krankheit Purgirmitteln (Crotonöl mit Seife zu Pillen gemacht) und der Anwendung örtlicher Mittel (Betupfen der Geſchwüre mit ſalpeterſaurem Silber- und Queckſilber— waſſer) weicht. Eben fo verlief die Krankheit bei den durch die Hengſte inficirten Stuten leicht und gutartig, und es unterlag keinem Bedenken, ſie nach einigen Wochen wieder bedecken zu laſſen. Hertwig kam zu dem Reſultate, welches er mit Sicherheit auszuſprechen meint: 1) daß die gutartige Beſchälkrankheit im We⸗ ſentlichen als ein eigenthümliches, den Pocken einigermaßen ähnliches Exanthem betrachtet werden könne; 2) daß die Beſchälkrankheit zwar einen anſteckenden Charakter beſitze, dennoch ein von der bösartigen Natur jener Krankheit verſchiedenes Uebel ſei. Daß der Vergleich mit einer Pockenform nicht ganz paſſend iſt, hat Hertwig wohl erkannt, daher er auch die Bezeichnung Geſchwür anwendet. Die Milde der Krankheit und ſelbſt ihre Verſchiedenheit von der ſchon angeführten bösartigern Beſchälkrankheit kann man immer nachgeben, wenn auch nicht überſehen werden darf, daß irgend ein benachtheiligender epidemiſcher Einfluß eine große Veränderung hervorzubringen im Stande ſein wird. 5 Was aber die Kontagioſität des Uebels anbelangt, ſo hat ſich klar herausgeſtellt, daß die meiſten der von den ſchon erkrankten Hengſten bedeckten Stuten der Infektion unterlagen. Die Erſcheinungen der An— ſteckung zeigten ſich in der Mehrzahl der Fälle innerhalb einer Zeit von 5 bis 10 Tagen, vor 5 Tagen nie— mals, wohl aber in einigen Fällen nach 10 Tagen. 179 Die Selbſtentwickelung der Krankheit, ſowohl bei Hengſten und vorzugsweiſe bei dieſen, als auch bei Stuten, iſt von Hertwig mehrfältig beobachtet worden, und hiervon ſind von ihm mehrere Beweiſe vorge— bracht worden. Was aber dieſer primären Selbſtentwickelung zu Grunde lag, iſt nicht klar geworden, und die Vermuthungen, daß die milde Form der Beſchälkrankheit in äußern atmoſphäriſchen Einflüſſen, wie etwa die Maul⸗ und Klauenſeuche, begründet ſei, und daß innere Dyskraſien daran Antheil haben möchten, find nur ſehr bedingt, keinesweges aber als die eigentliche innere Urſache anzunehmen. Die Krankheit — einerlei, ob in der milden oder bösartigern Form — zeigt ſich offenbar in ganz ihr eigenthümlichen Erſcheinungen und iſt an einen phyſiologiſchen Akt, den der Begattung, geknüpft, entſpringt aus demſelben in den meiſten Fällen unmittelbar, in den ſeltenern mittelbar durch kontagiöſe Ueberpflanzung. Daß ſich mit der Beſchälkrankheit Rotz und Wurm verbinden können, iſt nicht abzuweiſen, und da dieſe in einem bösartigen Leiden des Drüſen— ſyſtems und der Schleimhautgewebe, mit Mitleidenſchaft der Knochen, gegründet ſind, die endliche Entwickelung der bösartigen Beſchälkrankheit auf jene Gewebe gleichfalls eine mächtige Einwirkung ausübt, ſo kommen wohl auf der Spitze der Krankheit Erſcheinungen zum Vorſchein, ähnlich jenen, ohne daß ſie es weſentlich ſind. Hertwig hat eine Anzahl von Verſuchen veröffentlicht, durch welche er rotzige Stuten von geſunden Hengſten und geſunde Stuten von rotzigen Hengſten, unter nothwendigen Kautelen-Bedeckungen des Kopfes, belegen ließ, und es zeigte ſich weder eine Spur der Rotz- und Wurmkrankheit, noch von der bösartigen Beſchälkrankheit. Kann man nun auch dieſe Verſuche und Beobachtungen nur als negative betrachten — was auch Hertwig ſelbſt bemerkt, ſo geht doch ſo viel aus denſelben hervor, daß Rotz- und Wurm- und Beſchälkrankheit zwei ganz von einander verſchiedene Krankheiten ſind. Zudem bemerken wir, Hertwig beiſtimmend, nochmals, daß das Edikt vom 22. September 1840 einer nothwendigen Deklaration bedarf, und nur das feſtzuhalten ſei, daß ein krankes Thier wenigſtens 3 bis A Wochen nach feiner völligen Heilung vom Begattungsakte zurückzuhalten fein wird. Es wird wahrſcheinlich noch den hochgeehrten Herren wichtig fein, über die mögliche Heilbarkeit der Krankheit einige Andeutungen zu erhalten; ich erlaube mir, das Wichtigere hier anzugeben, um ſo mehr, als außer in den Abhandlungen von Hertwig und den in dieſen geſammelten Berichten und außer in Haxthau— ſens Schrift, ſich ſelbſt in den größern Werken über Thierheilkunde, über die Krankheit ſelbſt und über deren Heilung wenig, ich möchte ſagen, gar nichts befindet; ſo z. B. findet ſich in Baumeiſters umfaſſendem Werke, dem „Handbuch der landwirthſchaftlichen Thierkunde und Thierzucht, Zter Theil, Iſte Abtheilung, von Duttenhofer,“ die Krankheit gar nicht erwähnt, und in „Wagenfelder's Encyklopädie der geſammten Thierheilkunde für Landwirthe“ iſt derſelben nur unvollkommen gedacht. Was nun zuerſt diejenige leichte Beſchälkrankheit betrifft, deren beſonders Hertwig gedenkt und deſſen Erfahrungen wir ſo eben beſprochen, ſo ſcheint eine ſtrenge Diät und eben ſo ſtrenge Reinlichkeit des Thieres und der befallenen Geſchlechtstheile die erſte Bedingung zur Heilung zu ſein; wobei ſich ganz von ſelbſt ver— ſteht, daß die Kranken von den Gefunden geſondert werden müſſen. Nächſtdem werden weiche Getränke, ſpar⸗ ſames Futter und abführende Mittel ſo lange anzuwenden ſein, als das Uebel noch Entzündlichkeit und Rei— zung verräth. Es wird gerathen, die Abführungen aus Pillen des Croton-Oeles, Seite und Eibiſch— wurzelpulver zu verordnen. Daß man keine Salze zum Abführen in ſolchen kontagiöſen Krankheiten mit Ger ſchwürsbildungen geben ſoll, hat Manches für ſich. In dieſem Falle, wo doch ein tieferes Ergriffenſein des lymphatiſchen (Drüſen-) Syſtems und Mitleidenſchaft des Rückenmarks und Nervenſyſtems ſelbſt da nicht ganz abzuweiſen iſt, wo die Krankheit mild auſtritt, wird man ſtets gut thun, keine Salze zu geben. Was die örtliche Behandlung anbelangt, ſo iſt bereits angeführt worden, daß man die Geſchwüre mit Höllenſtein betupfen ſoll, um ihren Grund rein zu machen und das dem Schanker ähnliche Geſchwür zu reinigen und in eine einfache Form umzuwandeln. Das Auswaſchen mit gelbem Merkurialwaſſer (Ag. phagedaenica) iſt auch mit Nutzen angewendet worden. Ich habe ein paar Landſtuten, welche zu der Zeit, als die Beſchälkrankheit in Schleſien herrſchte, und die von Landgeſtüthengſten (die offenbar geſund waren) belegt wurden, aber un⸗ 23 * 180 fruchtbar blieben, an der leichten und örtlichen Krankheit litten, felbft beſeſſen. Ich fonderte fie ab, gab ihnen leichtes Futter und ſonſt keine Arzenei. Die Taſche ſonderte häufigen und bösartigen Schleim in Menge aus und hin und her zeigten ſich Eroſionen. Hiergegen habe ich nichts, als die konzentrirteſten Kamillen-Abko— chungen, zuletzt die von Eichenrinde angewandt, und — wie Hertwig auch anführt — in 4 Wochen waren fie geſund. Es ſcheint mir aber ein Fehler, in Krankheiten, wie die Beſchälkrankheit, eine ſtreng entziehende Diät zu lange andauern zu laſſen, und ſobald ſich die Eiterungsperiode der Geſchwüre vollkommen entwickelt hat, wird man die Diät der Thiere verbeſſern müſſen. Ganz anders ſtellt ſich aber die Sache in der bösartigen Krankheit, gewiſſermaßen der Beſchälſeuche, da, wie bei der urſprünglichen der Hengſte, dieſelbe nicht vom Oertlichen ausgeht, ſondern vom Allgemeinen, offenbar vom Rückenmarke und Nervenſyſteme, und wo ſich die furchtbaren örtlichen Erſcheinungen nicht allein und ſpäter an den Geſchlechtsorganen, ſondern auch unter der Form des Wurms äußern, einer bösartigen Knotenkrankheit. Ich muß hierbei nochmals in Frage ſtellen: Ob der wahre Rotz ſich mit der Beſchälkrank— heit verbindet? Daß hier noch manches Dunkel obwaltet, iſt nicht zu überſehen. Wenn wir aber nicht läug— nen dürfen — was auch Haxthauſen feſthält — daß die Beſchälkrankheit mit Syphilis viele Aehnlichkeit, namentlich in den örtlichen Erſcheinungen, zeigt, ſo darf man auch daran kaum zweifeln, daß, wie bei letzterer, ſich auch Geſchwürsformen im Rachen und den knöchernen Gebilden des Gaumens und der Naſe, im Siebbeine bilden können. — Damit iſt aber immer noch nicht dargethan, daß Beſchälkrankheit und Rotz — wahrer Rotz — in einander übergehen, oder gar identiſch ſein könnten. Von Vorn herein muß bei der urſprünglichen Beſchälkrankheit der Hengſte Rückenmark und Nervenſyſtem ins Auge gefaßt werden. Im An⸗ fang wird gerathen: Aufgüſſe von Holunderblüthen und Baldrian — ich ſetze hinzu, von Arnica-Blüthen — zu geben und dieſen den Salmiak zuzuſetzen; ſpäter den in Oel gelöſten Kamphor; die Aufgüſſe Eön- nen konzentrirt ſein. Den Kamphor giebt man täglich etwa zwei- oder dreimal zu 10 Gran. Hierzu trete Reinlichkeit, Frottiren des kranken Thieres über den ganzen Körper, und namentlich den Rücken, mit Strohwiſchen; mäßiges Futter, namentlich Rauchfutter; das beſte Heu, Mehl- und Kleien: tränke lauwarm. Dieſen kann man auch Steinſalz hinzuſetzen. In dieſen Fällen möge man von Vorn herein und recht namentlich bei Stuten, wo ſich das Uebel wohl immer zuerſt an den Geſchlechtstheilen äußert, die Aufmerkſamkeit auf das örtliche Uebel wenden, bei Hengſten Einſpritzungen über dem Schlauch, bei Stuten in der Scheidentaſche machen. Hierzu kann man ſich vielerlei Kräuterarten bedienen, von denen ich keinen eine ſpecifiſche Wirkung beimeſſen will. Man räth Salbei, Kamillen, Holunder als Aufguß und mit Leinſaamenſchleim gemiſcht, fpäter die Abkochungen der Eichen- oder Weidenrinde. — Da die Doſenlehre bei den Thieren noch eine ſchwache Partie der Veterinär-Wiſſenſchaft iſt — wie nur zu bekannt — ſo möge als Andeutung dienen, daß man von den genannten Ingredienzen von jedem 3 Loth nehmen ſoll und, gebrüht, wie die Blüthen, gekocht, wie die Rinden, etwa 3 Quart übrig behält, von welchen 6 Unzen ½ Quart je zu einer Einſpritzung bei Stuten, weniger bei Hengſten anzuwenden ſind. Der Landwirth wird mit dieſem Verfahren und dieſen Mitteln, fo lange das Uebel im Entſtehen iſt, oder ſich in ſeiner erſten Periode befindet, völlig ausreichen und ſeine Thiere wahrſcheinlich heilen, wenn er aufmerkſam iſt und unter obwaltenden Epidemieen fleißig feinen Stall revidirt. Der Thierarzt geht freilich weiter, und wendet, wenn die Krankheit in ein höheres Stadium getreten, noch viele Mittel an. Ich rathe dann: ſich deſſen Rath zu bedienen, um fo mehr, als dann die landespolizeilichen Maßregeln einſchreiten wer- den. Meinerſeits geſtehe ich, daß die Krankheit in ihrer höhern Ausbildung wohl ſchwerlich geheilt werden dürfte; ich füge hinzu, daß die hierzu vorgeſchlagenen Mittel und Methoden noch einer ſtrengen Sichtung und noch ſtrengeren Kritik bedürfen, und glaube mit dem Wunſche ſchließen zu dürfen, daß Niemand von Ihnen die praktiſche Erfahrung dieſes noch keinesweges genau gekannten Uebels in ſeinem Stalle zu machen Gelegen— heit finden möge. 181 7. Bericht über die Verhandlungen der Sektion für Obſt⸗ und Garten⸗Kultur | im Jahre 1848, von Mad by l, zeitigem Sekretär derſelb en. Der allgemeine Bericht, S. 10 u. f., enthält einen Hauptumriß „über die Wirkſamkeit der Sektion für Obſt⸗ und Garten-Kultur.“ Wenn jetzt auf die Darſtellung dieſes Wirkens näher eingegangen werden ſoll, ſo muß zunächſt Einiges darüber geſagt werden, welchen Einfluß die Ereigniſſe des Jahres auf die Gärtnerei geübt haben. Die in Folge der politiſchen Ereigniſſe eingetretene Stockung im Geſchäftsverkehr rief auch bei der Kunft- und Handels-Gärtnerei einen unendlich großen Schaden hervor, den die Gärtner lange Zeit nicht verſchmerzen werden. Viele gemachte Beſtellungen wurden zurückgenommen und wenig neue gemacht. Jeder beſchränkte ſich beim Einkaufe auf die allernöthigſten Bedürfniſſe. Dazu kam noch, daß die Produkte in ihren Preiſen bis auf ein ſeit langer Zeit nicht dageweſenes Minimum herabſanken und ſomit den Mißmuth der Produzen— ten auf den höchſten Punkt ſteigerten. Wenn aber die Exiſtenz bedroht wird, ſo ſieht man ſich auch nach der Urſache dieſes Zuſtandes um, und da konnte es jedem einſichtsvollen Gärtner, dem ſein Fach lieb iſt, nicht entgehen, daß neben den hoffent— lich vorübergehenden Zeitereigniſſen ein Krebsſchaden in dem Gärtnerfache ſelbſt liege, welchen einerſeits die bis— herige Geſetzgebung in ihrer unbedingten Freiheit der Gewerbe groß gezogen hatte, namentlich durch den Hauſir— und Höcker⸗Handel, andererſeits aber durch die mangelhafte Erziehung und Bildung vieler Gärtner das Perſonal dieſes Kunſt- und Erwerbszweiges ſelbſt veranlaßt hatte. Die Frage nun, wie dieſen beiden Hauptübeln abgeholfen werden könnte, beſchäftigte die Sektion in vielen Sitzungen. Man kam darüber überein, daß einmal eine angemeſſene Beſchränkung der unbedingten Handels- und Gewerbsfreiheit und dann die Ueberwachung des Gärtner-Perſonals vom Lehrling aufwärts die Heilmittel ſein könnten, die ein geſunderes Leben in die Gärtnerei hineinbringen würden. Ein hierauf bezüglicher Entwurf von Statuten für einen zu bildenden Gärtnerverein, welchen der Land— ſchaftsgärtner Herr Straßhauſen vorgelegt hatte, diente den Berathungen zur Grundlage; es ſtellte ſich aber bald heraus, daß es nicht nöthig ſei, einen beſondern Verein zu dieſem Zwecke neu zu begründen, ſondern daß man auf der in der Sektion bereits vorhandenen Vereinigung weiter fortbauen könne, um ſo ein großes Ganze durch ganz Schleſien zu erzielen. Deßhalb erlitt denn auch in den abgehaltenen Konferenzen der ein— gebrachte Entwurf eine Modifikation. Der Sekretär der Sektion bearbeitete eine neue Vorlage, legte dieſe 182 einer gewählten Kommiſſion vor, welche, außer ihm, aus den Herren Breiter, Eduard Monhaupt, S. Schauer, Straßhauſen und Urban beſtand, und brachte dieſen Gegenſtand auch in einer, bei Gele— genheit der Frühjahrs-Ausſtellung am 18. April abgehaltenen Gärtner-Verſammlung zur Berathung. Da inzwiſchen auch in Jauer und Liegnitz mehrere Kunſt- und Handelsgärtner ſich zu demſelben Zwecke vereinigt und dieſe eine Gärtner-Verſammlung nach Jauer ausgeſchrieben hatten, ſo wurde von der Sektion beſchloſſen, daß der Sekretär und einige Mitglieder dahin reiſen und wo möglich eine Uebereinſtimmung im Vorwärtsſchreiten erzielen möchten. Der Erfolg dieſer Reife war ein günſtiger; denn nicht allein, daß ſämmt— liche Mitglieder dieſes Vereins der Sektion als Mitglieder beitraten, es ſchloß ſich außerdem auch die von der Jauerſchen Verſammlung gewählte Kommiſſion, beſtehend aus den Kunſtgärtnern: Herren Walter zu Wahl— ſtatt, Eyßenhardt zu Liegnitz und Hauke zu Jauer, dem Programm der Sektion an. Dieſes Programm aber lautet: 1) „Es ſoll dahin gewirkt werden, daß ſich die Gärtner Schleſiens zu einer Korporation behufs He⸗ bung der Gartenkunſt auf den ihr gebührenden Standpunkt vereinigen. Dem Beiſpiele der Liegnitz-Jauer⸗ ſchen Zweigvereine gemäß mögen ſich daher ähnliche Vereine in der Provinz bilden, und mit der Sektion für Obſt⸗ und Garten-Kultur in der Art zuſammentreten, daß die Mitglieder dieſer Vereine zugleich Mitglieder der Sektion ſind. 2) Die Hauptzwecke der Vereinigung ſind: f a. geregelte Heranbildung der Gärtner, namentlich alſo Feſthalten an der Beſtimmung, daß es in Zukunft keinen ungeprüften Gärtner giebt; b. Einwirken der Vereine auf die moraliſche Führung der Gärtner; c. möglichſtes Neutraliſiren der Eingriffe von Privaten in das Fach der Gärtner; d. gegenfeitige Unterftügung in der Noth. 5 3) Die Bildung der Gärtner ſoll in nachſtehender Art ſtattfinden: a. Lehrlinge dürfen vor vollendetem 14ten Lebensjahre nicht angenommen werden, und müſſen die⸗ ſelben in einer Prüfung nachweiſen, daß ſie orthographiſch zu ſchreiben, gut zu rechnen verſtehen, und in der lateiniſchen Sprache die Vorkenntniſſe eines Tertianers haben, und überhaupt ftreb- ſame junge Leute ſind. Während der Lehre, deren Zeit auf 3 Jahre mindeſtens feſtgeſetzt wird, ſollen fie ſich neben ihrem Fache hauptſächlich botaniſche Kenntniſſe, namentlich auch Kenntniffe in den Realwiſſenſchaften erwerben. b. Lehrlinge darf Niemand annehmen, der nicht ſelbſt geprüfter Gärtner iſt. Die Zahl der Lehr— linge für eine Gärtnerei wird in beſtimmte Grenzen gebracht, fo daß in großen Gärtnereien höch— ſtens 3 Lehrlinge gleichzeitig ſeien; in kleinern Gärtnereien aber, wo weniger als 3 Gehülfen ge— halten werden, die Zahl der Gehülfen incl. des Lehrherrn für die Zahl der zu haltenden Lehrlinge maaßgebend ſein ſoll. e. Ungeprüfte Gehülfen dürfen in keiner Gärtnerei angenommen werden. Die Prüfung ſelbſt aber muß wenigſtens genügend ausgefallen und in derſelben nachgewieſen ſein: 1) Kenntniſſe in der Bodenkunde; 2) ” im Baue des Gemüſes und der Handelsgewächſe; 3) 5 in der Obſtbaum- und Weinzucht; 4 7 in der Botanik; 5) , in der Behandlung der Hauspflanzen; 6) * im Zeichnen und Vermeſſen von Grundſtücken, ſo wie im Anfertigen von Ge: ſchäftsbriefen und Rechnungen; 7 5 in der lateiniſchen und wo möglich auch in der franzöſſſchen Sprache. 183 d. Die Anordnung der Prüfungen in Schlefien geht von der Sektion für Obſt- und Gartenkultur in der ſchleſiſchen Geſellſchaft für vaterländiſche Kultur zu Breslau aus, welche auch die Lehrbriefe ausfertigt. Zu den Prüfungen ſelbſt aber werden in Schleſien vier Kommiſſionen, jede von fünf Mitgliedern, beſtellt; eine für Breslau und die Umgegend, welche von der Sektion ꝛc. ausgeht; eine für Oberſchleſien; eine für Niederſchleſien, und eine für die Grafſchaft Glatz und die an— grenzenden Kreiſe. Die letzteren drei Kommiſſionen wählen alle zwei Jahre die Gärtner der eins zelnen Diſtrikte. Die Meldungen zur Prüfung erfolgen bei dem Vorſitzenden der betreffenden Kommiſſion, welcher die letztere ſowohl, als auch die Sektion zu Breslau, davon in Kenntniß ſetzt. Alle Jahre werden zwei Termine zu Prüfungen angeſetzt. Das Protokoll über den Aus— fall der Prüfung mit dem beſtimmten Antrage, ob für den Examinanden der Lehrbrief ausgefertigt werden ſoll, iſt der Sektion einzuſenden. Wer in der Prüfung nicht beſteht, dem beſtimmt die Kommiſſion die Friſt, nach deren Verlauf er ſich wieder zur Prüfung melden kann. Die Koſten der Prüfungen ſollen ſo gering als möglich ſein. e. In dem Lehrbriefe muß dem Gehülfen ausdrücklich, nach Maaßgabe der beſtandenen Prüfung, eine beſtimmte Zeit, mindeſtens zwei Jahre, angegeben werden, in welcher er durch Reiſen eine weitere Ausbildung ſich erwerben ſoll, bevor er als ſelbſtſtändiger Gärtner fungiren darf. Es wird dem Gehälfen dann freigeſtellt, nach der Zurückkunft von den Reiſen, ſich nochmals der Sektion zu präſentiren, und, auf Grund der mitgebrachten Atteſte, ſich ein Empfehlungsſchreiben zu erbitten. f. Die gegenwärtigen, nicht geprüften Gehülfen werden hoffentlich ſich auch beeifern, von der Sek— tion Empfehlungsſchreiben auf Grund ihrer Kenntniſſe zu erlangen, oder das Examen noch nachzuholen. | 4) Zur Hebung der Moralität des Gärtner-Perſonals gehört das Streben: Vertrauen und Achtung bei Anderen zu erwerben. Dies kann nur durch die größte Gewiſſenhaftigkeit im Geſchäft erreicht werden. Daher muß Jeder für Alles, was er aus ſeinem Geſchäft verabfolgt, unbedingte Garantie leiſten. Eben ſo muß Jeder bei Gegenſtänden, die nicht direkt aus ſeinem Geſchäft hervorgehen, den Ort der Herſtammung angeben. Die Kontrolle darüber, daß dieſe Gewiſſenhaftigkeit überall geübt werde, übernehmen die Gärtner gegenſeitig, und beſtellen ſich als Inſtanz, wo Beſchwerden übers Entgegenhandeln angebracht werden müſſen, ein Ehrengericht, deſſen Statut ſpäter entworfen werden ſoll. Bei dieſem Ehrengericht werden auch Anzeigen über etwaigen unmoraliſchen Lebenswandel der Gärtner gemacht. 5) Die Korporation wird es ſich angelegen ſein laſſen, zunächſt durch Petitionen dahin zu wirken, daß die Uebergriffe der Privaten in das Gärtnerfach möglichſt neutraliſirt werden, desgleichen, daß die dem Staate und ſomit auch dem Volke gehörenden botaniſchen Inſtitute der freien wiſſenſchaftlichen Benutzung, namentlich der Gärtner vom Fach, geſtellt werden. 6) Ein Inſtitut zur gegenfeitigen Unterſtützung der Gärtner ſoll ins Leben treten, ſobald ſich die Kor poration organiſirt haben wird, da ſich jetzt die Grenzen eines ſolchen Inſtituts durchaus noch nicht beſtim⸗ men laſſen.“ Inzwiſchen hatte ſich auch ein Gärtnerverein in der Art, wie der Liegnitz-Jauerſche, zu Neumarkt kon⸗ ſtituirt und war dem Programme beigetreten. Bald darauf erſchien in der allgemeinen Thüring'ſchen Gartenzeitung eine Aufforderung zu einer Ver⸗ ſammlung ſämmtlicher deutſchen Gärtner in Weimar. Dahin überbrachte der Sekretär der Sektion die hier zu Stande gebrachten Vorarbeiten, welche auch den darauf gefaßten Beſchlüſſen theilweiſe zu Grunde gelegt wurden, wie es die in der 39ſten Nummer der allgemeinen Thüring'ſchen Gartenzeitung vom Jahre 1848 enthaltene Bekanntmachung darthut. 184 Dieſe Bekanntmachung enthielt einen Aufruf an die deutfchen Gärtner zum Beitritt, und rief natürli— cher Weiſe auch Kritiken hervor. Durch letztere ſtellten ſich mehrere gewichtige Gründe heraus, die der ange— bahnten Vereinigung hindernd in den Weg traten. Die Einen erklärten ſich, in Betrachtung der höheren Gärt— nerei als einer Kunſt, offen gegen jede Einzwängung derſelben in beſtimmte Innungsgrenzen, und überließen es den Handelsgärtnern, in wie weit ſie ſich der neuen Gewerbeordnung unterwerfen wollen. Die Andern hegten das Mißtrauen, daß die beabſichtigte Reform lediglich im Intereſſe der Handelsgärtner betrieben würde, wobei die Privatgärtner jedenfalls, namentlich aber die Dienſtgärtner, ihre Subſiſtenz bedroht fühlen, zumal ihre Brotherren und mit dieſen ſie ſelbſt in der Verwerthung ihrer Erzeugniſſe beſchränkt werden ſollen. So entwickelte ſich eine Meinungsverſchiedenheit über dieſes Projekt, und obgleich viele unſerer Sektions— mitglieder, und eben ſo die Mitglieder des Gärtnervereins zu Neumarkt, ſich mit dem Beſchluſſe von Weimar reſp. Erfurt einverſtanden erklärten, verweigerten andere dieſe Beiſtimmung, namentlich aber der Jauer-Lieg⸗ nitzſche Gärtnerverein. Seitdem iſt dieſe Angelegenheit ins Stocken gerathen, hoffentlich dürfte ſich jedoch eine Brücke herſtellen laſſen, durch welche die Meinungsverſchiedenheit zu verbinden ſein wird. Jedenfalls ſollte aber die Tendenz, gemeinſchaftlich auf die künftige Gärtnerbildung hinzuarbeiten, auch auf jedem anderen Wege zu verwirklichen geſucht werden. Auf dem praktiſchen Gebiete wirkte die Sektion in dem zweiten Jahre ihres Beſtehens namentlich durch die Ankäufe von exotiſchen Gewächſen, Gemüſeſämereien und Pfropfreiſern, ſo wie durch Veranſtaltung von Ausſtellungen, wie im allgemeinen Berichte bereits angedeutet worden iſt. I. Dem Ankaufe exotiſcher Pflanzen lag hauptſächlich neben dem Zwecke ihrer Verbreitung auch die Abſicht zu Grunde, durch dieſelben die Ausſtellungen zu ſchmücken. Die Auswahl wurde durch eine Kommiſſion getroffen, und die Lieferung erfolgte durch die Kunſt- und Handelsgärtner Liebig zu Dresden und Jänicke zu Berlin. Da die Sektion kein Glashaus beſitzt, um dieſe Pflanzen unterzubringen, ſo wurden ſie nach § 7 der beſonderen Statuten der Sektion an diejenigen Mitglieder durch das Loos zugetheilt, welche Gelegenheit zur Verpflegung hatten, und die Aufſicht über ſie erhielt der zu dieſem Zwecke gewählte Inſpektor in der Perſon des Herrn Straß hauſen. Jedenfalls wird es den Mitgliedern angenehm ſein, dieſe Pflanzen kennen zu lernen, deßhalb ſie hier in ſyſtematiſcher Ordnung namentlich aufgeführt werden ſollen: Ordo Thymeleae A. Br. 1) Pimelia spectabilis Lindl. Nov. Holl. Ordo Wyoporineae R. Br. 1) Stenochilus lucidus Lemair Nov. Holl. Ordo Borragineae Juss. 1) Nordmannia cordifolia Fischer? Ordo Ericaceae R. Br. 1) Erica formosa Thunb. (E. grandinosa Lodd.) C. b. spei. 2) E. decora Andr. (E. spira- lis Lodd.) C. b. spei. 3) E. coccinea Berg. g echiiflora Andr. C. b. spei. 4) E. cerinthoides L. 5 major. C. b. spei. 5) E. Blandfordiana Andr. C. b. spei. 6) E. ventricosa Thunb. 8 brevi- flora. C. b. spei. 7) E. ventricosa Thunb. y albiflora. C. b. spei. 8) E. exsurgens $ hybrida Andlr. C. b. spei. 9) E. vestita Thumb. f elegans (E. pinifolia Aut.) C. b. spei. 10) E. Bonplandiana Andr. (planta hybrida) C. b. spei. II) E. rubida Lodd. (E. rubercalyx Andr.) pl. hyb. 12) E. cy- lindrica Andr. (E. ambigua Wendl.) pl. hyb. 185 Ordo Rhodoraceae R. Br. 1) Rhododendron (Azalea) ledifolium DC. princeps Hort. 2) Rhod. (Azal.) ledifol. purpureum superbum H. 3) Rhod. (Azal) ledifol. album striatum H. 4) Rhod. (Azal.) ledifol. ornatum H. 5) Rhod. (Azal.) ledifol. cuprea elegans H. 6) Rhod. (Azal.) ledifol. exquisitum H. 7) Rhod. (Azal.) ledifol. Napoleon H. 8) Rhod. (Azal.) ledifol. Baron Hügel H. 9) Rhod. (Azal.) ledifol. Pluto Hort. 10) Rhod. (Azal.) ledifol. Juno H. 11) Rhod. (Azal.) ledifol. Rosetta H. 12) Rhod. (Azal.) ledi- folium Königin Maria Hort. Ordo Epacridea R. Br. 1) Epacris onosmaeflora Cunningh. Nov. Holl. 2) Epacris longiflora Cav. (grandiflora Sm.) splendens Hort. 3) Epac. microphylla R. Br. Nov. Holl. 4) Epac. impressa Labill. g albiflora Hort. 5) Epac. impressa Labill. superba H. 6) Epac. impressa Labill. resplendens H. 7) Epac. impressa Labill. diaphana H. 8) Epac. impressa Labill. refulgens H. 9) Epac. impressa Labill. Colossus H. 10) Epac. impressa L. amabilis H. II) Epacris nivea DC. 5 grandiflora. 12) Ly- sinema pungens R. Br. (Epacris rosea Lodd.) Nov. Holl. Ordo Diosmeae Juss. 1) Boronia anemonaefolia Cunningh. Nov. Holl. Ordo Myrtaceae Juss- ) Babingtonia Caphorosmae Lindl.! (Baeckea Camphorosmae Endl.) Nov. Holl. Ordo Papilionaceae R. Br. 1) Aotus ferruginea Labill. Nov. Holl. 2) Pontania Celsiana Lemaire (Brachysema platypte- rum Hort.) Nov. Holl. 3) Burtonia minor 8 sessilifolia DC. Nov. Holl. 4) Chorizema ovatum H. Hügel. 5) Chorizema Danielsianum H. Hügel. 6) Choriz. varium Benth. lancifolium. 7) Cho- rizema angustifolium Bent. (Dillwynia glyeinifolia Sm.) Nov. Holl. 8) Daviesia latifolia E. Br. Nov. Holl. 9) Daviesia speciosa Hort. . 10) Daviesia flexuosa Benth.? (Spadostylis flexilis Hort.) 11) Gompholobium polymorphum E. Br. f splendens Nov. Holl. 12) Mirbelia dilatata E. Br. Nov. Holl. 13) Podolobium scandens DC. (Mirbelia Baxteri Bot. Reg.) Nov. Holl. 14) Podolob. heterophyllum Cunningh. Nov. Holl. 15) Podolobium chorozemaefolium Hort.? 16) Physalobium carinatum Benth. Nov. Holl. 17) Platylobium Murrayanum Hort. Van Diemen. 18) Pultenaea ca- pitellata Sieb. Nov. Holl. 19) Pultenaea thymifolia Sieb. Nov. Holl. 20) Oxylobium cuneatum Benth. Nov. Holl. 21) Lalage tenuifolia Hort.” Nov. Holl. 22) Scottia dentata R. Br. (S. trapezi- formis Hort.) Nov. Holl. 23) Hardenbergia ovata Benth. Nov. Holl. 24) Zichya coccinea Benth. Nov. Holl. 25) Zichya Hügelii Benth. Nov. Holl. 26) Zichya argentea Hort. Nov. Holl. 27) Zi- chya gnaphaloides Hort. Nov. Holl. 28) Zichya inophylla Benth. 6 floribunda Nov. Holl. 29) Zi- chya tricolor Bot. Mag. Nov. Holl. 30) Zichya villosa Lindl. Nov. Holl. Ordo Mimoseae R. Br. 1) Acacia abietina Willd. (A. pinifolia Hort.) Nov. Holl. 2) Acacia strigosa Link. $ major (A. ciliata Ait.) Nov. Holl. 3) Acacia physodes H. Hügel. Nov. Holl. 4) Acacia pubescens Ait. Nov. Holl. 5) Acacia nigricans Ait. (rutaefolia Link.) Nov. Holl. 6) Acacia vestita E. Br. Nov. Holl. 7) Acacia balsamea Hort.? 8) Acacia diptera Lindl. d latior. Nov. Holl. 9) Acacia pul- chella R. Br. $ hirsuta (A. hirsuta Hort.) Nov. Holl. II. Die Gemüſeſämereien wurden von den Kunſt- und Handelsgärtnern Karl Appelius und Moſch⸗ kowitz & Siegling zu Erfurt bezogen und an 26 Mitglieder vertheilt. Die Empfänger hatten die Ver⸗ 24 186 pflichtung übernommen, über die gewonnenen Reſultate Bericht zu erſtatten, um auf dieſem Wege zu erfah— ren, was gut und was ſchlecht, was namentlich in den verſchiedenen Preisverzeichniſſen mit Recht gelobt und was bloße trügeriſche Aufſchneiderei ſei. Leider ſind jedoch nicht ſämmtliche Empfänger ihrer Verpflichtung zur Berichterſtattung nachgekommen. Die eingegangenen Berichte find aber deſſen ungeachtet von ſolchem In— tereſſe, daß es als Pflicht erſcheint, die in denſelben niedergelegten Erfahrungen zur öffentlichen Kenntniß zu bringen. — Im Allgemeinen muß Folgendes vorausgeſchickt werden: Bei den Kopfkohlarten iſt die Zeit des Anbaues von großer Wichtigkeit. Man kann nach und nach eine Frühſorte in eine ſpäte eben dadurch in der Kultur umwandeln. Darauf wirkt die Feuchtigkeit des Bo— dens mächtig ein; im trocknen hochgelegenen Lande, zumal wenn daſſelbe der Sonne exponirt, werden ſich die Kohlpflanzen eher zu Köpfen bilden, dieſelben aber kleiner bleiben; im tiefen feuchten Boden dagegen größer, flacher und ſpäter ſich zu Köpfen formen. Der Sommerkohl bleibt immer der empfehlenswerthere, ſo wie zu Salat der bunte mit blauen oder rothen Adern. Von Weißkohl iſt der Straßburger, Erfurter und Leipziger der ſchönſte. Jeder Kohl verlangt einen lockern, geilen, ſogenannten fetten Boden, der in guter Düngung zu erhalten iſt. In dieſem Boden wachſen beſonders die großen Kohlarten ſehr freudig; die kleineren nehmen eher mit geringerm Boden vorlieb. Eine beſondere Rückſicht erfordert die Ausſaat. Die Miſtbeete dürfen nicht mehr warm, die Erde nicht zu geil ſein; die Saamen nicht zu dicht aufgeſtreuet werden; damit die jungen Pflanzen ſich kräftig beſtocken können, müſſen dieſelben, ſobald als nur immer thunlich, an die Luft gewöhnt werden. wenn man die Saamen nicht gleich im Freien ausſtreuet. Das Behacken und Behäufeln iſt ebenfalls von großem Einfluß. Die kleinen Kopfkohlarten haben im Allgemeinen ein zarteres Blattgewebe, und ſind in Haus- oder Küchengärten wohl anzubauen; ſo z. B. das Zuckerhutkraut u. a. m. Bei den Salatarten iſt beſonders darauf zu achten, ob eine oder die andere Sorte bei warmer Witte— rung ſchnell in Stengel ſchießt, daher mehr als Frühſorte, oder ob dieſelbe gegen Kälte nicht empfindlich und deßhalb beſſer als Spätſorte tief im Herbſte anzubauen ſei. Viele Salatarten haben in neuerer Zeit von den Verkäufern neue Provinzial-Namen beigelegt bekommen, oder man hat einen fremden Namen vorgezogen, wie bei unſerm alten guten Steinkopfſalat, den man jetzt immer als Bron-Geel's, die holländiſche Bezeichnung, aufgeführt findet. Man kann die Sorten ziemlich auf die Hälfte reduciren, ohne der Küche den mindeſten Nachtheil zu verurſachen. N Bei Hülſenfrüchten trägt Boden, Düngerart, und ſelbſt das Waſſer zum Begießen, ſehr viel zum Ge⸗ ſchmacke der Früchte bei. Erbſen ſollte man nie auf friſchgedüngtem Boden bauen. 5 A. Kohl⸗ Arten. 1) Weiß und Rothkraut. a. Vanack. Die Berichte über dieſe Krautart lauten verſchieden. Auf dem gut gedüngten, fetten Kräuterboden des Erbſaß Herrn Jäniſch hierſelbſt hat er ſich zu feſten Köpfen nicht gebildet, wogegen nach dem Berichte des Paſtor Herrn Bobertag zu Groß-Laßwitz er ſich früher als der gewöhnliche Kopfkohl ſchloß. Bei dem Sekretär der Sektion machte er im eingeſchloſſenen Garten ſehr hohe, viel Platz einnehmende Stauden, die kleine, aber feſte Köpfe enthielten. Ein großer Theil ſchloß ſich gar nicht und mußte weggewor— fen werden. Fernere Verſuche werden ergeben, ob Lage und Boden beſonders darauf influiren. Der Anſchein ſpricht für jetzt mehr gegen als für die Einführung dieſer Kopfkohlart. b. Griechiſches Centnerkraut. Darüber lauten die Berichte günſtig. Der Kopf bildet ſich früh aus, wird ſehr groß und feſt. Das Charakteriſtiſche iſt bei dieſem Weißkraute, daß die Köpfe flach bleiben und daß die den Kopf einſchließenden äußeren Blätter verhältnißmäßig nicht zu viel Raum wegnehmen. Der Geſchmack iſt, nach der Prüfung des Sekretärs der Sektion, vorzüglich, und hält ſich dieſe Krautſorte im ge— 187 fäuerten Zuftande ſehr gut und lange. Wenn ſpätere, dem entgegen lautende Berichte nicht eingehen ſollten, ſo müßte auf Verbreitung dieſes Weißkrautes beſonders gerückſichtigt werden. c. Von den Frühkraut⸗-Sorten waren der Baccalaner-, Wellington-, Peacocks-, früher Zwerg⸗, Emperor-Kopfkohl angebaut. Unter dieſen ſcheint ſich das Wellington-Frühkraut noch am beſten bewährt zu haben, da über das ſonſt als gut ausgegebene Baccalaner- Kraut verſchiedene, theil- weiſe ganz ungünſtige Reſultate gemeldet worden find. Am wenigſten dürfte ſich das Peacocks-Zwergkraut zur allgemeinen Verbreitung eignen, weil es ſich ſehr kurze Zeit hält und bald aufſpringt. Es iſt von Geſchmack zarter, als das Weißkraut. Die Köpfe ſind kegelförmig. d. Von den Rothkraut-Sorten ſind nach den vorliegenden Berichten der Erfurter blutrothe und der holländ iſche blutrothe Kopfkohl empfehlenswerth, beſonders für rauhe Lagen. Das frühe rothe Erfurter Kraut iſt namentlich für Gebirgsgegenden nicht genug zu empfehlen. 2) Welſchkraut oder Wirſing. a. Hiervon ſteht oben an Chou-Marcelin-Wirfing, der fich auf dem Breslauer Kräuteracker ganz vorzüglich bewährt hat. Eben fo gedeiht er in Gärten. Die von dem Erbſaß Jäniſch und dem Se: kretär der Sektion zur Herbſt-Ausſtellung gebrachten Exemplare beweiſen dieſe Behauptung. Dieſe Art iſt nicht ſo kraus wie der kapiſche, aber ſehr feſt und ſchön im Geſchmack. Sie wird für den Markt eine gute Acquiſition ſein, ſobald ſie nur, was zu wünſchen iſt, mehr allgemein geworden ſein wird. Dieſe Sorte hält namentlich viel Kälte aus. b. Großer, ſpäter, grüner plattköpfiger Drumhead-Wirſing. Dieſe Art bildet ſehr große Stauden, artet jedoch ſehr ſtark in der Weiſe aus, daß eine Pflanze ein anderes Ausſehen hat, als die an⸗ dere; denn die Blätter ſind bald glatt, wie beim Weißkohl, bald wellenförmig oder kraus, wie Wirſing, bald weißgrün, bald licht- oder ſchwarzgrün. Sie wächſt ſehr raſch, ſchließt ſich aber ſpät, macht dann aber feſte Köpfe und ſcheint ſich für den Winter gut zu halten. Der Umſtand, daß man die untern Blätter öfter weg⸗ nehmen und verfüttern kann, giebt dieſem Wirſing noch außerdem einen Werth. Die zur Ausſtellung ge brachten Exemplare waren ſehr ſchön. c. Kapiſcher Wirſing, bleibt klein, iſt ſehr feſt mit feinen krauſen Blättern. Er wird im Kochen bald weich, ohne auseinander zu fallen, und iſt von feinem Geſchmacke. 3) Broccoli. Der Anbau deſſelben mißglückte in dieſem, wie auch in früheren Jahren. Obſchon die Pflanzen ſehr groß geworden waren, bildete derſelbe doch keine Blüthen, ſogenannte Käſe. — Alle Berichte ſtimmen hiermit überein. 4) Sprofienfohl. Die eingegangenen Berichte theilen nichts über den Erfolg des Anbaues mit. Dieſe Kohlart verdient mehr Beachtung, als ihr in Schleſien bis jetzt geſchenkt worden. Der Anbau iſt im Allgemeinen wie bei dem Kraut; der Sproſſenkohl nimmt es aber nicht übel, wenn man ihn auch unter Bäume pflanzt, weßhalb er manchem ſchattigen Platze einen Ertrag abnöthigen könnte. Dieſe Kohlart liefert ſehr lange ein ſchmackhaftes, dem Wirſing ähnliches Gemüſe, da man von der Zeit, wo ſich die Roſen an der Seite des Strunkes und in den Blattwinkeln zu bilden beginnen, dieſelben durch den ganzen Winter hindurch zum Kochen benutzen kann. Die Kohlart iſt zu wenig bekannt, und Viele, die ſie gebaut Ran, wußten nicht, daß man eben nur die Röschen zu benutzen habe. 5) Braun- oder Krauskohl. Die Sektion hatte eine neue Art, „weißgefleckter Winterkohl,“ verſchrieben. — Die Berichte ſtimmen darin überein, daß nur ſehr wenig Pflanzen weißgefleckt waren, die bei weitem meiſten waren hellgrün. Die erſteren ſind eine große Zierde des Gartens, ſo daß man ſie auch ganz gut als Dekorationspflanzen in die 24? 188 Glashäuſer aufſtellen könnte. Unter den grüngebliebenen gab es verſchiedene Varietäten, von denen eine im: mer mehr als die andere kraus war. Dieſe Kohlart muß daher ſehr ergiebig ſein, wo ſie den Winter im Freien aushält. Die von dem Sekretär der Sektion gemachten Erfahrungen ſprechen dafür, daß in Schleſien der Anbau an wenig Orten gelingen dürfte; denn er war noch nie ſo glücklich, auch nur eine Staude im Freien durchzuwintern. 6) Rohlrabi oder Gberrübe. Es waren die zwei neuen Arten: die artiſchokenblättrige und die roſenrothe, verſchrieben worden. Als die artiſchokenblättrige Oberrübe etwa vor 5 Jahren aufkam, ſchien ſie viel zu verſprechen. Der Sekretär der Sektion baut ſie ſeit jener Zeit an; er hat aber die Erfahrung gemacht, daß ſie von Jahr zu Jahr ſchlechter geworden; denn in der früheren Zeit gab es wenige oder gar keine Strünke, während in den letzten Jahren deren ſehr viele ſich vorfanden. Damit ſtimmen auch die eingegangenen Berichte überein. Für den Markt iſt dieſe Oberrübe nicht, da dem Nichtkenner die Blätter ſo erſcheinen, als wären ſie von den Raupen angefreſſen. Die zweite Art, d. i. die roſenrothe, hat an einigen Stellen ſich ſehr empfohlen, an andern nicht. Die Verſuche werden damit ſortzuſetzen fein. Ein Berichterſtatter rühmt namentlich ihren feinen Geſchmack, indem ſowohl die Rübe, als das Blatt ſchier zerfließen ſoll. 7) Selbe runde Rohlrübe oder Erdkohlrabi. Dieſe iſt nicht genug anzuempfehlen; ſie liefert zwar nicht ſo große Knollen, als die weiße, iſt aber im Geſchmacke viel ſchöner und hat im gekochten Zuſtande ein angenehmes Ausſehen. B. Salat: Arten. a. Das Jahr 1848 war in Schleſien für den Salatbau nicht günſtig. Viele Arten, die ſonſt ſich ſchon bewährt haben, kamen nicht zum Schließen, ſondern ſchoſſen bald in Stängel. So find über den Fo— rellen-Salat durchweg ungünſtige Berichte eingegangen, eben ſo über den Dennesbull-Salat. — Da— gegen hat ſich bewährt: Belle garde, lactuca dicephalas- (Doppelkopf, was wohl nur feine Größe bezeichnen ſoll, denn Doppelköpfe haben ſich ſelten gezeigt), Drumhead-, Champagner-, aſiatiſcher großer gelber und Bron-geel-Salat. Der letztere, ſo wie der frühe Eierſalat werden als die beſten zum Treiben bezeichnet, wogegen über den Trapue- Salat (laitue trapue), den die Preisverzeichniſſe als den beſten Treibſalat aufführen, berichtet wird, daß er hiezu ſich nicht eigne, da er unter Glas ſich ſpät oder gar nicht ſchließe und außerordentlich große Blätter treibe. Der Kunſtgärtner Herr Brückner in Bohrau hat in Be— zug hierauf die Erfahrung gemacht, daß er unter Glas ſehr ſchön wird, wenn man ihm keine Unterwärme giebt, ihn alſo in kalten Käſten erzieht. Der Kunſtgärtner Herr Kliem hat davon viel Saamen geliefert, welcher vertheilt werden wird. Am Rhein wird dieſer Salat im Winter in Käſtchen ausgeſäet und mit Sand überdeckt. Sobald die Blättchen 2 Zoll hoch ſind, werden ſie dicht über der Erde abgeſchnitten und als Salat zubereitet. Man nennt ihn des! alb Lattich oder Blättelſalat und kann ſich mit dieſem Salat durch den ganzen Winter verſehen, wenn man ihn von 8 zu 8 Tagen in angegebener Weiſe ausſäet und dicht unter die Fenſter ſtellt, damit die Pflanzen nicht faulen. a | b. Die Sektion hatte auch neapolitaniſchen Kohl-Salat-Saamen vertheilt. Dieſer Salat fand wenig Anklang, was theilweiſe daran liegen mochte, daß ſeine Zubereitung nicht bekannt iſt. Er wird wie Spinat gekocht und zubereitet, und ſchmeckt, mit Setzeiern belegt, ganz angenehm. Für den Handel iſt er nicht, da— gegen dürfte er in den Privatgärten doch brauchbar erſcheinen. Eben fo hat der Bind ſalat, namentlich der römiſche weiße, nicht angeſprochen. Auch dieſe Art muß gekocht und mit einer Mehlſauce wie Mangold oder andere Gemüſearten zubereitet werden. 189 c. Ueber den Endivienfalat liegt nur ein Bericht vor, woraus gefchloffen werden muß, daß dieſer Salat, der im Herbſt am Rhein u. ſ. w. ſehr viel gegeſſen wird, bei den Kultivateurs keinen Anklang gefun⸗ den hat. Wahrſcheinlich iſt die Kulturmethode nicht hinreichend bekannt. Man ſäet nämlich den Saamen im Mai und Juni ins freie Land aus, verſetzt ſpäter die Pflanzen einen Fuß auseinander in ein gut zubereitetes und gedüngtes Beet und hält ſie genügend feucht. Sobald ſie ſo weit herangewachſen, daß ſie ſich oberhalb zuſammenbinden laſſen, werden ſie gebleicht, d. h. bei trockener Witterung mit Baſt einige Zoll von oben locker zuſammengebunden. Durch dieſe Operation werden die inneren Blätter ſchön gelb. Die Endivien werden für den Winter in der Art aufbewahrt, daß man ſie an luftigen froſtfreien Orten, nachdem fie an den Wurzeln an Schnüren aneinandergereiht worden, aufhängt. C. Zwiebeln. Von den neueren Zwiebelarten ſcheint ſich die blaßrothe Kopfzwiebel und die gelblichrothe Birnzwiebel hauptſächlich zu empfehlen, da fie dauerhaft und von gutem Geſchmack find. Auch die hollän— diſche ſilberweiße Zwiebel dauert lange. Die übrigen neu eingeführten, namentlich die Rieſenzwiebel, die Madeirazwiebel, Corne de boeuf, müſſen noch näher geprüft werden. Die Nocera-Zwiebel iſt eine kleine weiße Zwiebel, die ſchon Ende Juli reift. Sie iſt zum Einlegen in Eſſig ſehr geeignet und brauchbar. D. Radieschen und Rettige. Die holländiſchen roſenrothen runden und die gelben runden Radieschen werden in den Berichten ſehr gelobt. Die letzteren ſind in der That auch ſehr weich und zart, ſie werden auf dem Markte aber eben ſo wenig als die weißen gekauft, weil man ſich einbildet, daß die Radieschen immer roth ſein müſſen. Es herrſchen auf den Marktplätzen noch unglaublich viel Vorurtheile, und hält es ſchwer, gegen dieſe etwas Neues und Gutes in Schwung zu bringen. Dies gilt nicht blos von den Radieschen. — Der ſchlangen— förmige Rettig von Mans wird in einem Berichte ſehr gelobt. E. Gurken und Kürbiſſe. a. Die Sektion hatte einige von den in den Preisverzeichniſſen als vorzüglich angeprieſenen Gurken— arten verſchrieben. Nach den vorliegenden Berichten können dieſelben nur beſonderen Liebhabern und Gut— ſchmeckern empfohlen werden, wogegen fie für den Markt größtentheils nicht brauchbar find. Sie verintereſſi⸗ ren den Boden nicht, da ſie einmal ſpärlich tragen, dann aber auch nur die erſten Früchte als vorzüglich bezeichnet werden können, während die ſpätern meiſt krüppelhaft wachſen. Dies gilt hauptſächlich von: Victory of England, Victory of Bath, Cuthberts Culney Hatsch, Superb white spine, neue Patrix und bra⸗ ſilianiſche Königsgurke. Dagegen erſchien die neue Gurke: Preis von Erfurt, als ſehr empfehlenswerth. Sie trägt viel reichlicher und ſehr große hellgrüne Früchte von vorzüglichem Geſchmack. Die Traubengurke trägt reichlich und ſehr früh, hält bis zum ſpäten Herbſte aus, hat aber ſehr kleine Früchte, die von gutem Geſchmack ſind. Für den größeren Anbau wird wohl die lange grüne Schlangengurke noch lange Zeit die ertragreichſte bleiben. b. Kürbisarten. Für die Kultivirung von Kürbiſſen intereſſiren ſich hauptſächlich: Herr Obriftlieute- nant v. Fabian hierſelbſt und Herr Brückner in Bohrau. Der Letztere hat eine große Sammlung, aber leider ohne Bezeichnung der Sorten, dem Sekretär der Sektion übergeben, der an Liebhaber davon gern abgiebt. F. Hülſenfrüchte. 1) Erbſen. Von den verſchriebenen Erbſenſorten ſcheint ſich nach den Berichten vorzüglich die Cor- maks- Prince-Albert-Erbſe bewährt zu haben. Sie iſt ſehr früh tragend, hat mittelgroße volle Hülſen und wird jedenfalls auf dem Markte gern gekauft werden. Die Empereur- Kneifelerbſe ſoll zwar früher als die erſtere tragen, die eingegangenen Berichte ſprechen ſich dafür aber nicht aus. Sie wird 4 Fuß hoch und trägt ſchöne ſtarke Hülſen. 190 Die Princess-Olga-Kneifelerbfe hat kleine Hülſen mit vielen Körnern, die fehr 15 ſind. Sie wird 4 Fuß hoch. Sehr hoch, bis 7 Fuß, wächſt dle Vietoria-Erbfe, und hat ſehr große, wenig Körner enthaltende Hülſen, daher der Ertrag ein geringer iſt, während dem Geſchmacke nach dieſe Erbſe oben an ſtehen dürfte. Die Queen-of-Dwarfs-Erbfe wird einen halben Fuß hoch. Ueber die Ernte fagen die Berichte nichts Beſtimmtes. Die neue Rieſen-Zucker-Erbſe hat ſich als gut bewährt und wird als ertragreich und empfehlens— werth bezeichnet. Eben ſo die Knights-Marrow-Erbſe. Von dieſen Sorten dürften die beiden erſtgenannten den Kräuterei-Beſitzern anzuempfehlen fein, da es. dieſen hauptſächlich um Früherbſen zu thun iſt; denn ſpätere Arten haben auf dem Markte, wenn ſie auch noch ſo gut wären, keinen Werth. Dagegen würden die übrigen Arten den Privaten zu empfehlen ſein, da fie lange Zeit hindurch ein angenehmes Gemüſe liefern. 2) Bohnen. a. Stangenbohnen. Von den Stangenbohnen find in den Berichten als empfehlens— werth hervorgehoben: Die neue lange, breite, weiße Schlacht-Schwertbohne, welche ſich 14 — 16 Fuß hoch rankt und 12 — 16 Zoll lange Hülſen hat. Die letzteren find ſehr fleiſchig und wohlſchmeckend; fie haben ſich aber in dieſem Jahrgange, wie faſt alle Bohnenarten, nicht lange weich erhalten, wurden vielmehr in Folge der großen Wärme bald hart. — Die frühe Wachs-Schwertſtangenbohne, iſt reichtragend und die gelbe fleiſchige Hülſe ein feines Gemüſe. Daſſelbe gilt von der Wachsbrechbohne mit ſchwarzem Korn, die ſehr hohe Stangen braucht. Sie iſt eine der beſten Bohnen, und muß zum Verbrauchen genommen werden, ſo— bald die Hülſe anfängt, dunkelgelb zu werden, da fie viel am Geſchmacke verliert, wenn man fie früher ab nimmt. Im Kochen wird ſie ſehr ſchnell weich. — Eine der früheſten Stangenbohnen iſt die Blaſenzucker— brechbohne, ſehr ergiebig, mit fleiſchigen wohlſchmeckenden Hülſen. Weniger empfohlen find: Die neue ungariſche Wachsbohne und die franzöſiſche Stangen- bohne. Bei letzterer iſt die Hülſe weniger fleiſchig, und die Sehnen in der Suppe gekocht, theilt diefer einen Farbeſtoff mit. b. Buſchbohnen. Von dieſen wird die weiße Schwertbuſchbohne als eine der beſten und trag— barſten gerühmt, die der Verbreitung werth ſei. — Die neueſte Erfurter Spargelbuſchbohne liefert ſehr ſchöne, fleiſchige und wohlſchmeckende Hülſen; da dieſelben jedoch weißlichgrün ſind und deßhalb das Ausſehen haben, als ſeien ſie ſchon alt, ſo finden ſie keinen ſonderlichen Beifall. — Die weiße Pariſer Buſchbohne iſt zum Grünkochen nicht zu empfehlen; dagegen iſt die Bohne ſehr gut und ertragreich. — Von der chineſiſchen Buſchbohne iſt ebenfalls die Hülſe nicht zum Kochen, die Bohnen aber in Suppen und als Gemüſe vorzüglich. Der Ertrag iſt ebenfalls ſehr reich. G. Rüben. Es wurde die weiße runde Mairübe, die früheſte weiße Schneeballrübe und die Rübe von Freneus e verfchrieben, über die insgeſammt ſehr verſchieden lautende Berichte eingegangen find. Es ſcheint meiſt nicht die richtige Zeit der Ausſaat inne gehalten worden zu ſein, denn die beiden erſten müſſen ſo zeitig als möglich, die letzte aber erſt im Juli ausgeſäet werden. Die Rübe von Freneuse iſt in der That zu loben, da ſie bei uns die Teltower Rübe ganz erſetzt. Sie hat Aehnlichkeit mit der Steckrübe, iſt aber weißer, ſchlanker und nicht ſo groß, ſchmeckt auch mehr ausgewachſen beſſer, als klein. Wenn ſie im Juli ausgeſäet wird, ſo iſt ſie im Oktober reif. | ö Eine andere, nicht genug zu empfehlende, Rübe iſt die Rübe von Baffano, eine Einmach— rübe, welche viel zarter und angenehmer ſchmeckt, als die ſonſt zum Einmachen verwendete rothe Rübe. Sie 191 gedeiht in jedem Boden. Man muß ſie aber nicht ganz auswachſen laſſen, ſie vielmehr ſchon ausheben, wenn ſie 2 bis 3 Zoll im Durchmeſſer hat. Sie läßt ſich im Keller gut durchwintern. Von den Mohrrüben ſcheint nach den Berichten die Altringham-Mohrrübe empfohlen werden zu können. Für die Küche ſcheint jedoch von allen Sorten die kurze holländiſche Karotte die beſte zu ſein. Die krauſe (dreifach gekerbte) Peterfilie iſt ſehr ſchön, und verdient ſchon deßhalb Dabritung, weil fie nicht leicht mit dem Schirling verwechſelt werden kann. H. Küchenkräuter. Hier ſind noch zu erwähnen die Artiſchoke und Cardy. — Die engliſche große Artiſchoke (Cynara Sco- iymus) ging ſchon im erſten Sommer in Blüthenſtengel, machte viele und große Blumenköpfe mit dicken, fleiſchigen, vorzüglich ſchmackhaften Blumenböden und Schuppen. Die Pflanzen erreichten eine Höhe von 5 Fuß. — Die ſpaniſche Cardy (Cynara cardunculus) machte außerordentlich große Blätter mit dicken und breiten Blattſtielen und Rippen, an den Rändern mit kurzen Stacheln verſehen. Sie waren auf magerem Boden gebaut, wurden öfters behackt und behäufelt, auch reichlich gegoſſen; namentlich haben ſie einen Guß mit Jauche oder aufgelöſtem Dünger gern. Es ſind außer den aufgeführten Gemüſe-Arten noch von einigen anderen die Saamen ausgetheilt wor— den, es fehlen aber die Berichte über die Reſultate des Anbaues. Damit für die Zukunft in die Berichte alles aufgenommen werde, was zu wiſſen nöthig iſt, ſo dürfte die am Ende dieſes Berichtes beigefügte Tabelle als Grundlage benutzt werden können, die wir daher für die Zukunft zu beachten bitten. III. Obſtſorten. — Die Sektion hat noch kein Grundſtück, um eine Baumſchule zu begründen. Sie hat daher zur Einführung und Verbreitung von guten Obſtſorten es für jetzt als zweckmäßig erachtet, Pfropf⸗ reiſer anzukaufen und in die verſchiedenen Theile Schleſiens auszugeben, wodurch ſie ſpäter namentlich über die lokale Anwendbarkeit der verſchiedenen Obſtſorten ſchöne Reſultate zu erlangen hofft, ſobald, wie zu erwar— ten ſteht, die Empfänger mit den zu machenden Beobachtungen und Berichten gewiſſenhaft zu Werke gehen. Von den verſchiedenen Obſtſorten find in dieſem Jahre in Pfropfreiſern an 19 Mitglieder vertheilt wor— den: 60 Sorten Birnen, 60 Sorten Aepfel, 30 Sorten Pflaumen, 30 Sorten Kirſchen, 15 Sorten Pfirſiche und Aprikoſen. Es liegen aber nur wenig Berichte darüber vor, was davon gewachſen iſt und was nicht. Die Aprikoſen und Pfirſiche ſcheinen überall mißglückt zu ſein. Da es von weniger Intereſſe iſt, zu wiſſen, welche Sorten angeſchafft ſind, als zu erfahren, wo dieſel— ben bepeits angewachſen und ſomit vorhanden ſind, ſo erſchien es für nöthig, diejenigen Orte zu nennen, wo Letzteres der Fall iſt. Es ſind gewachſen: 1) Bei Herrn Kaufmann Müller zu Breslau: Aepfel. Calville blanche d'hiver, weißer Wintercalwil, I. Rang. Courtpendu gris, grauer Kurz⸗ ſtiel, II. Rang. Birnen. Rousselet de Rheims, Ruſſelet von ins J. Rang. Cuisse Madame la grosse, großer Frauenſchenkel. Sparbirne, I. Rang. Pflaumen. Deröll's Mirabelle. Mirabelle jaune, gelbe Mirabelle, I. Rang. Grosse Damas blanche, große weiße Damaszenerpflaume, II. Rang. Prune royale, Königspflaume, I. Rang. Perdrigon rouge, rother Perdrigon, J. Rang. 2) Bei Herrn Kunſtgärtner Brückner in Bohrau, Aepfel. Edler Winterborsdorfer, Borsdörfer, I. Rang. Zwiebelborsdorfer, Borsdörfer ognoniforme, IJ. Rang. Courtpendu blanc, weißer Kurzſtiel. Calville rouge d'automne, rother Herbſtealwil, II. Rang. 192 Birnen. Bergamotte de Päques, Oſterbergamotte, Winterbergamotte, II. Rang. Poire for- tunee, Fortunee, Glücksbirne, I. Rang. Poire d'oignon, Epine rose d'été, große Zwiebelbirne, Sommerroſenbirne, II. Rang. Orange musquée, Muskateller-Pomeranzenbirne, II. Rang. Kirſchen. Montmorency à longue queue, langſtielige Montmorency, I. Rang. 3) Bei Herrn Kunſtgärtner Kliem zu Schwentnig. Aepfel. Peppin d'hiver d' Angleterre, engliſcher Winter-Goldpepin, I. Rang. Gräfenſteiner Apfel, II. Rang. Reinette d' Angleterre la grosse, große engliſche Reinette, II. Rang. Heller Winter: Stettiner, II. Rang. Gewürzapfel, neu. Pomme carrée ou d' Alente, Alantapfel, III. Rang. Eisapfel, Pomme de glace, Glasapfel, II. Rang. Geſtreifte Sternreinette? Birnen. Diel's Butterbirne, Beurre du Diel, I. Rang, neu. Glockenbirne, ſächſiſche, III. Rang. Graue runde Winter⸗Bergamotte, Bergamotte grise d'hiver, II. Rang. Große Winterbirne?. Zitronen⸗ birne (Sierenzer). Pfalzbirne?. Parisbirne?. 4) Bei Herrn Pfarrer Heyder in Powitzko. Aepfel. Große Sternreinette?. Reinette de Breda, Reinette von Breda, I. Rang. Diel's Rei⸗ nette, I. Rang. Birnen. Parisbirne?. Große Winterbirne?. Schweizerhoſe, Verte longue Suisse, II. Rang. Beurre Duquesne. Gute Louiſe, Bonne Louise, II. Rang. Diel's Butterbirne, I. Rang. Engliſche Winterbutter⸗ birne, Beurré d' Angleterre d'hiver, I. Rang. Graue runde Winterbergamotte, II. Rang. Franzöſiſche Muskatellerbirne, I. Rang. 5) Bei Herrn Paſtor Bobertag in Groß -Läswitz. Aepfel. Reinette caractere, Charakter- Reinette, II. Rang. RKeinette d' Angleterre la grosse, große engliſche Reinette, II. Rang. Pomme de Riviere, Apfel von Riviere, der geſchätzteſte aus der Charente. Reinette d' Espagne, ſpaniſche Reinette, I. Rang. 8 Birnen. Poire d’oignon, große Zwiebelbirne, II. Rang. Poire Orange musqude, Muskateller⸗ Pomeranzenbirne, II. Rang. Bergamotte Crasanne, Winter-Craſanne, I. Rang. Rousselet d' hiver, Winter⸗-Rouſſelet. 6) Bei Herrn Landſchaftsgärtner Schauer im Freiherrn v. Richthofenſchen Garten zu Breslau. Aepfel. Reinette de Gomond. Courtpendu blanc, weißer Kurzſtiel. Courtpendu gris, le gros, großer grauer Kurzſtiel. Reinette d’orde de Christ, Chriſt-Goldreinette. Pomme de Riviere de la @harent, der geſchätzteſte aus der Charante. Marguérite, Margaretha-Apfel, rother Jakobs-Apfel. Gloria Mundi, Monſtow's Pepping, I. Rang. Pomme Boutigné, Boutigne-Apfel. Reinette blanche, weiße portugieſiſche Reinette. Gros Faros. Petit Apis, kleiner Apis-Apfel. Reinette Safran, Safran-Reinette. Reinette de Ferette, Pfirdter Reinette. Rother Roſtocker, rother Stettiner, III. Rang. Muscat turc, türkiſcher Muskateller Apfel. Birnen. Messire Jean, vergoldete Junkerhansbirne, III. Rang. Poire de Malthe, Maltheſerbirne. Passe Colmar, hochfeine Colmar, I. Rang. Verte longue panachée, culotte Suisse, lange grün=bunte Herbſt⸗Saftbirne, Schweizerhoſe, II. Rang. Virgouleuse, I. Rang. Poire d'amour, Liebesbirne, III. Rang. Poire fortunde, Glücksbirne, I. Rang. Charbonière, Kohlenbrennerbirne. Martin sec, trockene Martins⸗ birne, III. Rang (für die Küche). Poire sans peau, zartſchalige Sommerbirne, II. Rang. Belle et bonne, Schöne und Gute, I. Rang. Russelet de Rheims, Ruſſelet von Rheims, I. Rang. Marquise, Markgra⸗ fenbirne, II. Rang. Bezy d’Hery, Kümmelbirne. Beurré gris superieur, graue Butterbirne, die vor— nehmſte, I. Rang. Epine d'été ou royale musquée, ſchmelzende Muskatellerbirne, III. Rang. & dürfte iii erſcheinen, hier bald einen n Vortrag des Landſchaftsgärtners u S. Schauer folgen zu laſſen, der ſich darüber verbreitet: „Wie dem Obſtbaue in Schleſien gründlich aufgeholfen werden könne?“ und welchen er in der Sektions-Verſammlung am 6. September hielt. Er lautet: „Den Zweck der Sektion verfolgend, mußte ich bei Annäherung unſerer zweiten Fruchtausſtellung noth: wendig auf die Frage kommen: „Wie dem Obſtbaue in Schleſien gründlich aufgeholfen werden könne?“ — Bekannt iſt es, nicht allein uns, ſondern auch allen, die je Schleſien durchreiſten, daß von einem Obſtbaue hier zu Lande kaum die Rede ſein kann. Dieſen aber zu heben, zu fördern, fühlte die Geſellſchaft für vater⸗ ländiſche Kultur ſich berufen. Unter ihrem Schirme bildete ſich unſere Sektion, deren innerer ſpezieller Beruf es iſt, auf dieſem Felde die Hauptkräfte zu verwenden, weil der Obſtbau den größten, allgemeinſten Nutzen gewährt, derſelbe aber, gegen den Gemüſebau verglichen, noch ſehr im Argen liegt. Den erſten Schritt, wel⸗ chen das Präſidium der vaterländiſchen Geſellſchaft zur Hebung dieſes Zweiges that, war der, eine Preisfrage zu ſtellen, des Inhaltes: „Eine den neuern Fortſchritten der Wiſſenſchaft entſprechende, allgemein faßliche und moöglichſt praktiſche Anweiſung zur Obſtbaumzucht, mit beſonderer Berückſichtigung der Elimatifchen und örtli- chen Verhältniſſe Schleſiens.“ Wie verlautet, ſind bereits zwei Arbeiten, dabei aber keine aus Schleſien, ein— gegangen. Es wäre zu wünſchen, daß ſie die Fragen glücklich beantwortet und die Aufgabe vollkommen gelöſt hätten. Wenn auch die erſten drei Theile der Aufgabe nicht ſchwer zu löſen ſind, ſo möchte doch der vierte nicht ſo gar leicht zu treffen ſein; denn es gehört Viel dazu, die klimatiſchen und örtlichen Verhältniſſe Schle— ſiens genau zu kennen und darnach beſtimmen zu wollen, dieſe oder jene Obſtart, dieſe oder jene Sorte werde daſelbſt mit Vortheil anzubauen ſein. Auffallen muß es, daß gerade aus unſerer Sektion ſich ſcheinbar Niemand für dieſe Preisaufgabe intereſſire, und der Preis, wie ſo oft geſchieht, nach dem Auslande oder doch in andere Provinzen wandert. Doch dem iſt nicht ſo, ich habe die Aufgabe bald erfaßt und daran noch an— dere geknüpft, auch die Wege in ſtarken Umriſſen angegeben, wie ich glaubte, daß das Ziel noch ſicherer erreicht werden könnte, und machte damals in der Allgemeinen Oderzeitung (Nr. 62. 1847) folgende Propoſitionen: „„Iſt es denn nicht möglich, eine Muſterbaumſchule in der Umgegend Breslau's auf Aktien zu gründen, und zwar, ihrer innern Beſchaffenheit nach, gleich der Baumſchule in Hohenheim in Würtemberg, oder der Grätzer in Inner: Steiermark? Kein Privatmann kann darin für ſich allein, auch bei der größten Liebe zur Sache, fo viel Segensreiches wirken, als ein derartiges Inſtitut. Man müßte vor Allem in einer ſolchen Anſtalt Mutterſtämme derjenigen Obſtſorten anpflanzen, die für den Oekonomen und den Landmann ſich am beſten eignen. Durch Abgabe der Edelreiſer ſolcher geprüften Bäume müßte ſich das Inſtitut gemeinnützig zu machen ſuchen. Nach und nach würden ſich die Sorten verbreiten, durch die Anſicht der Früchte und durch das Bekanntwerden mit der zweckmäßigſten Benutzung derſelben würden ſich die Vorurtheile am erſten beſiegen laſſen. Sind dann in hinreichender Zahl dergleichen Obſtbäume ausgepflanzt, dann wäre ſchon der Grund gelegt, die Obſtzucht zur Beſchäftigung der Landbewohner zu machen. Man beginne dann mit der Zubereitung des Ciders (Obſtwein), des Moſtes, man errichte in den Dörfern Trockenöfen, um Pflaumen, Kirſchen, Birnen und Aepfel abzubacken, und beſchäftige dabei die ſchwachen und gebrechlichen Menſchen, ſo wie die Kinder in ihren freien Stunden, welche dieſen Dienſt vollkommen verſehen können. Man verſchaffe dann dem getrock— neten Obſte Abſatz im Großen und erhebe es zum Handelsartikel für Schleſien, wie es in unſern Nachbar— ſtaaten der Fall iſt. Der Landmann hätte dann im Winter zu ſeinen Kartoffeln Latwerge (Mus), billiges Obſt und einen geſunden Trank. Man lege ferner in den Dörfern Gemeindebaumſchulen an und laſſe dieſelben unter Aufſicht der Leh⸗ rer oder Geiſtlichen von den Schulkindern bearbeiten, wenn dieſe auch nur zwei Nachmittage in der Woche verwendet werden können. Die Kinder werden dadurch Liebe zur Sache bekommen, den Baum und ſeine mühſame Erziehung von Jugend auf kennen lernen und dadurch der Baumfrevel zuerſt aufhören. Die Edel— 25 194 reiſer für ſolche Baumſchulen müßten aus der Normalfchule bezogen werden. Außer dem Bedarf der Bäume zur Bepflanzung der Gemeindeplätze und Wege könnte man die etwa noch abgebebaren Bäumchen als Preis an die Eltern vertheilen, deren Kinder ſich in der Veredelung und Kultur der Baumzucht am meiſten auszeich⸗ neten, oder ſollten jene kein Land beſitzen, den Erlös ihnen zukommen laſſen. Dies hätte den Vortheil, daß die Eltern ihre Kinder zu dieſer Kultur aufmuntern würden. Die übrigen Einkünfte könnten theils an die Gemeindekaſſe zur Deckung der Koſten der Baumſchule, theils als Gratifikationen an die Lehrer gegeben wer— den. Wo aber eine ſolche Schule wegen obwaltender Schwierigkeiten nicht angelegt werden kann, da müßten die zu pflanzenden Bäume aus der Centralbaumſchule um billigen Preis verabfolgt werden. Eine unter dieſen Umſtänden aufgewachſene Generation würde es mit Leichtigkeit ſo weit bringen, daß an den Hütten, die ſich jetzt immer mehr in Häuſer verwandeln, Weinreben und Pfirſichbäume freudig grünten und dieſe reichlich ihre Pfleger lohnen würden. Man müßte ſich freilich bei dem Weine und der Pfirſich nur auf einige Früh: ſorten beſchränken, denn daß dieſe daſelbſt gezogen werden können, unterliegt keinem Zweifel. Daß auf dieſem Wege eher ein Ziel in dieſem Zweige erreicht werden kann, als auf jedem andern, iſt meine unmaßgebliche Meinung. Aber nur eine Geſellſchaft, wie die ſchleſiſche für vaterländiſche Kultur, vereint mit der Regierung und den reichen Gutsbeſitzern und Gartenfreunden unſerer Provinz, werden eine ſo ſchwie— rige Aufgabe, als dieſe, löſen können. Bei alle dem muß dennoch der Chef eines ſolchen Inſtituts mit ganzer Seele und voller Energie für die Sache erfüllt ſein und darin wirken, ſonſt würde auch die größte Munificenz Nichts wirken. . Dies war es nun im Weſentlichen, was ich über einen Gegenſtand von der höchſten Wichtigkeit für die Wohlfahrt unſerer Provinz in dieſem Zweige der Kultur in Anregung bringen wollte. Ich bilde mir nicht ein, etwas Neues gefagt zu haben; denn auf dieſe Art eingerichtete Schulen beſitzt Hannover, Naſſau, Wür— temberg, Sachſen, Steiermark u. ſ. w., die ich zum Theil genau kenne, und die dem Zwecke vollkommen entſprechen.““ Es exiſtiren bereits ſo vorzügliche Schriften und zwar in gedrängt abgefaßter Kürze, daß man nur das Geſagte wiederholen kann, und es lediglich nur an der Ausführung liegt, um ein ſolches Ziel ſicher zu erreichen. Wenn ich hier einige dieſer vorzüglichen Schriften anführen ſoll, ſo ſind es folgende: „Der Fruchtge— winn beim Obſtbau über das Doppelte erhöht, von Hempel, 1847.“ „Neues pomologiſches Syſtem, von Dachnahl, 1847. 8.“ „Kurze, aus Erfahrung gezogene Anweiſung zum vortheilhaften Anbau der Frucht bäume auf öffentlichen und Gemeindeplätzen, von einem Prediger, 1789,“ welches Schriftchen nur neu um: gearbeitet werden darf. „Die Erziehung der Obſtbäume ꝛc., von Walker, 1847.“ „Die Lehre von der Obſt— baumzucht, von Lucas, 1844.“ Obſtbaumzucht, von Bädekers, 1846.“ „Anweiſung, mit welchen Sorten verſchiedene Obſtbaum-Anlagen beſetzt werden ſollen, von Dr. G. Liegel, Salzburg 1842. 8.“ „Der Obſt— baumfreund, von Ferdinand Rubens, Stuttgart 1846.“ „Der kleine Obſtzüchter oder gründliche Belehrung in der Obſtbaumzucht, von Joh. Metzger, Frankf. a. M. 1847. (Neue Ausgabe.)“ „Immerwährender Obſtbau— Kalender, von Ferd. Rubens, Solingen 1848.“ „Obſtbaukunde, von dem Vereine zur Beförderung des Obſtbaues in der Oberlauſitz, Dresden und Leipzig, 1847.“ Wenn ich oben geſagt habe, es könnte den Schein haben, als ob gerade unſere Sektion, als doch mit der vaterländiſchen Geſellſchaft verbunden, ſich am wenigſten für die Löſung der Preisfrage intereſſirt habe, ſo iſt dies doch keinesweges der Fall. Die Sektion hat einen andern Weg eingeſchlagen, und gewiß einen guten und zugleich praktiſchen. Wird ihr Wunſch erfüllt, daß ſich beſonders die Geiſtlichen und Lehrer auf dem Lande eifrig dafür bethätigen mögen, und der Fond erlaubt es, in der Zukunft mehr Edelreiſer nach unſerer getroffenen Wahl zu verbreiten, ſo iſt ſchon ein großer Schritt gethan. Nach einigen Jahren dürfen wir dann Berichten entgegenſehen, die uns zuverläſſig ſagen, in dieſem Theile der Provinz und unter ſolchen Situationen und Umſtänden iſt dies eine vortreffliche Frucht, jene eine ſchlechte oder ungenügende geworden. Hiervon hängen 195 unfere fpäteren Anempfehlungen ab. Wenn wir nun dies Eine mit Gewißheit und Zuverſicht thun können, ſo fehlt uns nur noch ein Katechismus, um die Laien zu unterrichten, wie man den Obſtbaum vom Saamen⸗ kerne aus bis zu feiner Tragbarkeit erzieht, und ferner noch die Theilnahme der Kreisbehörden. Den Kate: chismus können wir in Kürze in der Sektion ausarbeiten, bis auf die Wahl der Obſtſorten, die wir nur muthmaßlich beſtimmen können; obgleich ich nicht ermangelt habe, von dem berühmten und erfahrenen Pomo⸗ logen, meinem Landsmanne, Herrn Gartendirektor Johann Metzger zu Heidelberg, alle die nachfolgenden Obſtſorten, welche derſelbe für rauhe Gegenden anempfohlen, kommen zu laſſen und dieſelben zu verbreiten, wofür dem edlen Freunde hier meinen beſten Dank! Vielleicht iſt es Manchem willkommen, dieſe Obſtarten hier beiläufig genannt zu finden. Aepfel zu Straßen bäumen. Luikenapfel!; Gemeiner Mätapfel; Braungeſtreifter Mätapfel; Brauner Mätapfel!; Rothbackiger Mät⸗ apfel; Grüne Schaafnaſe; Winterſtreifling!; Großer rheiniſcher Bohnapfel!; Kleiner rheiniſcher Bohnapfel. Rother Stettiner!. Birnen zu Straßen bäumen. Pfaffenbirne; Bratbirne; Rumelterbirne; Betzelsbirne; Frankfurter Bire; Hauſener Birne; Rok⸗ keneier Birne; Rattenſchwanz; Grüne Moſtbirne; Bogenäckerin; Harigelsbirne; Wolfsbirne; Brühlbirne; Senfbirne: Brandbirne; Weinbirne; Langſtielerin; Palmiſchbirne; Plattbirne; Wildling von Einſiedel. Der gelbe Löwenkopf. Die Gallusbirne. Die Träublinsbirne. Zwetſchen zu Straßen bäumen, jedoch nur an Kommunikationswegen, Feldwegen. — Gemeine Zwetſche, große Zwetſche, italieniſche Zwetſche (ausnahmsweiſe). An guten Kirſchſorten hat unſer Markt keinen Mangel, und dürfen die ſchlechten Sorten nur fallen gelaſſen werden. Da voranſtehend genannte Obſtſorten nicht in allen pomologiſchen Syſtemen beſchrieben zu finden ſind, ſo verweiſe ich hier auf das ſehr gründliche Gartenbuch, oder Anleitung zur Erziehung aller Küchengewächſe, Obſtbäume und Zierpflanzen, von Joh. Metzger, Frankf. a. M. 1844, woſelbſt dieſe provinzialen Namen ge⸗ braucht ſind und eine ausführliche Beſchreibung des Baumes und der Frucht gegeben iſt. Was nun die Theilnahme der Behörden betrifft, ſo wird ſich dieſe allein finden. Geld dürfen wir von daher nicht erwarten, aber erwarten, daß unſer Rath, der ſich dann auf Erfahrungen baſirt, angenommen werde. — Um nun zu einem Katechismus zu gelangen, habe ich folgende Fragen, nach der Entwickelungsfolge einer Pflanze, aufgeſtellt, welche kurz, beſtimmt, faßlich und praktiſch beantwortet werden können und in welche ſich die Herren Mitglieder theilen können; es ſteht, wie natürlich, Jedem frei, alle oder einzelne Fragen zu beantworten. Nach Eingang der verſchiedenen Anſichten, werden alle Antworten hier von einem Ausſchuſſe der Sektion geprüft, die angenommenen zuſammengeſtellt, und dieſer ſolcher Geſtalt gewonnene Katechismus nach eingeholter Genehmigung des Präſidii in hinreichender Zahl gedruckt und durch die Sektion verbreitet. Eintheilung des Katechismus für Obſtbau, oder kurze, auf Erfahrung gegründete Anweiſung zum vor- theilhaften Anbau der Obſtbäume auf öffentlichen und Gemeindeplätzen, Landſtraßen, Kommunikations- wegen, Landgärten u. ſ.w., zum Gebrauche für Lehrer, Landleute, Straßenbau-Beamte, Kreisämter u. ſ. w., von der Sektion für Obſtbau und Gartenkultur u. ſ. w. Vorwort. 1) Einleitung, 2) alphabetiſches Verzeichniß und Erklärungen der in der Obſtlehre allgemein angenom⸗ menen terminologiſchen (bezeichnenden, beſtimmenden) Ausdrücke, 3) Entwickelung des Baumes. 25 * 1) 2) 3) 4) 5) 6) 7) 8) 9) 10) 11) 12) 13) 14) 15) 16) 17) 18) 19) 20) 21) 22) 196 Erſter Abfhnite Wie gewinnt man am leichteften die Aepfel-, Birnen» und Duitten= Kerne? Wie die Kirſch-, Pflau⸗ men= und Pfirſich-Steine? Von welchen Sorten eignen ſich die Kerne, Steine am beſten zur Erziehung von Wildlingen? Wie und wann müſſen die Saamen ausgeſäet werden? Wie werden die Saamenbeete zubereitet, wie muß der Boden dazu beſchaffen ſein und wie werden ſie ferner behandelt? Zweiter Abſchnitt. Wie handelt man die Wildlingspflanzen im erſten, zweiten, dritten und vierten Jahre, um ſie als Zwerg- oder Hoch-Stämme zu erziehen? Dritter Abſchnitt⸗ Welche Veredlungsarten giebt es, die ſich als allgemein bewährt gefunden haben, und bei welchen Obſtarten wird die eine oder andere Manier mit Vortheil angewandt? Wie bereitet man gutes Baumwachs und Baumkitt? Wie werden die Bänder zubereitet? und welche Stoffe werden mit Vortheil dazu verwendet? Wie viel Mal kann man eine und dieſelbe Obſtart im Jahre veredeln, und welcher Veredlungsweiſe bedient man ſich in den vier Jahreszeiten bei dem Kern- und Steinobſt am beſten? Wann ſind die Verbände zu lockern oder ganz zu entfernen? Vierter Abſchnitt. Wie wird das nunmehr veredelte Obſtſtämmchen ferner behandelt? Fünfter Abſchnitt. Wie müſſen die Bäume beſchaffen ſein, die man zum Auspflanzen wählt? Wie wird ein ſolcher Standbaum zur Verpflanzung zubereitet und wie pflanzt man ihn ein? Was gehört zur Wartung ſolcher ausgepflanzten Bäume in den erſten Jahren? Darf man zwiſchen den Bäumen, reſp. auf den Baumſtücken, Futterkräuter ſäen, und welche Arten ſind dabei zu empfehlen? Sechster Abſchnitt. Welches ſind die für unſer Klima ſich am beſten eignenden Sorten, und in welchen Giant der Provinz Schleſien und der Grafſchaft Glatz ſind dieſe Sorten anzupflanzen? Wie und zu was verwerthet und verwendet man die verſchiedenen Früchte am beſten und vortheil— hafteſten? 8 ö Siebenter Abſchnitt. Wie werden die verſchiedenen Fruchtarten am beſten und längſten aufbewahrt? a Achter Abſchnitt. Welche Thiere bringen den Obſtbäumen und deren Früchte Nachtheil, und wie vertilgt man ſie? Fi Krankheiten find die Obſtbäume unterworfen, und welche ſind die eee n . Neunter Abſchnitt. Wie kann eine Landgemeinde noch pekuniären Gewinn aus ihrer Baumſchule erziehen? Zehnter Abſchnitt. Wie kann eine polizeiliche Aufſicht zum a der Bäume am beſten ohne Koſten gehandhabt werden? — 197 Werden diefe Fragen alle gründlich beantwortet und durch unfere auswärtigen Mitglieder zur Ausfüh- rung gebracht, dann wird es mit unſerm Obſtbau beſſer werden. Die Luſt und Liebe dafür wird erwachen, die Ausführung wird Nachahmung finden und wird ſich zuletzt ſelbſt fortbilden. Zu dieſem Endziel möchte es gerathen ſein, daß die Sektion ſich an den Lehrerverein mit der dringenden Bitte wende, derſelbe möchte ſich an uns anſchließen und unſere Abſicht nach Kräften unterſtüzen. In und um die Stadt werden wir in dieſem Zweige nie von Bedeutung wirken können, denn eines Theils zerſtört die Bauluſt die oft mühſam angelegten Pflanzungen, andern Theils möchte jeder ſelbſt ſein Lehrmeiſter ſein. Man kauft meiſt nach ſchönen Namen, oder man pflanzt Kraut und Rüben untereinander, ſo: daß wenn man man einen Obſtgarten betritt, man ſich oft in einen Urwald verſetzt glaubt. Ich habe Ihnen hier mit wahrem Vergnügen meine Anſichten und Erfahrungen mitgetheilt. Prüfen Sie ſie, meine verehrten Herren, und ſind ſie gut, ſo laſſen Sie dieſelben ins Leben treten, und es wird dies mein ſchönſter Lohn ſein.“ IV. Was die Ausſtellungen anlangt, ſo fühlte ſich die Sektion trotz der politiſch-bewegten Zeit ge— drungen, Ausſtellungen zu veranſtalten, inſoweit und ſo gut dies gerade thunlich war, um zu zeigen, daß ſie jederzeit es verſteht, ihre friedliche Kunſt und Wiſſenſchaft fortzupflegen, oder doch wenigſtens auf ihrem einmal erlangten Standpunkt zu erhalten. Leider empfand ſie, daß der Sinn für ſolche edle Beſtrebungen nicht mit ihr gleich getheilt wurde, denn der Beſuch war nicht ſo reich ausgefallen, daß die Sektion dabei auf ihre Koſten gekommen wäre. Nach gefaßtem Beſchluſſe wurde zur Frühjahrsausſtellung der Saal des ehe— maligen Kroll'ſchen Wintergartens beſtimmt. Dieſelbe wurde am 14. April eröffnet. — Das Rechteck des Saales war nach der Fronte der Fenſter zu in einen großen Halbzirkel abarrangirt, den Hintergrund dieſes bildeten die dem Eigenthümer des Wintergartens gehörigen Orangenbäume, dann eine Menge hochſtämmiger, ſchönkroniger Roſenbäumchen, von Rosa Thea carnea, lutescens, Remontante, Dijon, muscosa, cristata, rubra etc. von Herrn Schauer, hohen Myrtaceen; dazwiſchen prangten die hochſtämmigen indiſchen Azaleen von Herren Breiter, Pohl und Schauer, ferner die ſchönſten Varietäten und Baſtarde von Rh. arboreum mit R. purpureum und Russelianum, von Herrn Schauer aus Saamen erzogen, andere bekanntere Varietäten von Herren Univerſitäts-Sekretär Nadbyl und Pohl. Vor Allem leuchtete eine Camellia japonica Leeana superba mit ihren feurigen, regelmäßigen Blumen heraus, von Herrn Nadbyl, dann eine 10 Fuß lange Guirlande von Rosa Banksiae R. Br. fl. luteo mit vielen hundert Blumenbouquetts von Herrn Schauer erzogen, R. arboreum atrosanguineum, ſehr ſchöne nordamerika— niſche und pontiſche Azaleen, viele Billbergien, Brugmannsia bicolor, mächtige Paeonia Mutan etec.; die Mitte des Saales entlang waren eine Menge Blumentiſche von Herren Breiter, Pohl, Nadbyl, Nitſchke, Kattner, Göldner, Berger, Roth aufgeſtellt, worauf prächtige Hyazinthen, Neuholländer und Kap⸗Pflanzen, pontiſche Azaleen u. dgl. m. ſtanden. Ueberhaupt war der Saal gut ausſtaffirt. Die Herren Univerſitäts-Sekretär Nadbyl und Kaufm. F. Nitſchke hatten eine ſchöne Kollektion von ohngefähr 200 der vorzüglichſten und neueſten Arten Harlemer Hyazinthen eingeſchickt. Von Herrn Handelsgärtner Breiter eine prächtige Sammlung Calceolarien, ein Tiſch mit prächtigen Cinerarien, einer mit niedrigen Camellien und blühenden Orangen, Azalea indica cuprea elegans, ex- quisita, elata fl. pleno, Mazeppa, Rh. arboreum expansum, Azalea pontica beau carmin, ma- jestueuse, Nobliana, Magnet, Albion, Queen Victoria, Nero, calendulacea Adonis, etc. Leschen- aultia formosa R. Br., Acacia hastulata Cunningh., micrantha O. et D., armata R. Br., strigosa Lk. 6 major, nigricans Alt., diffusa Ker. verticillata W., alle ſehr ſchön gezogen, vollblühend und in reicher Anzahl. 8 | Von Herrn Handelsgärtner Pohl: Ulex europaeus L. fl. pleno, Chorozema varium Benth., rhombeum E. Br., ovatum Lindl., varium ß rotundifolium, Goodia lotifolia Salisb., Pultenaea thymifolia Sieb., Coronilla glauca L., Clianthus puniceus Soland. Cytisus chrysobotrys Fischer (racemosus Marnock), Siphocampylus biserratus Alph. De., Rhod. ponticum Pohlianum Schauer u. a. m. Rhododendron nepalense Reichenbachianum, Brugmannsia bicolor Pers., Indigofera australis L., Erica gracilis Andr. Callistemon lanceolatus De. 8 semperflorens, Deutzia mitis Bartl., Stenochilus maculatus Ker. Herr Univerfitäts: Sekretär Nadbyl fendete Polygala ligularis Ker., venulosa O. et D., attenuata O. et D., cordifolia Thunb., borboniaefolia Durch., Lachenalia tricolor Thunb., luteola Jaeg., Pit- tosporum Tobira Ait., undulatum Andr., Siphocampylus biserratus A. De., Pimelea spectabilis Lindl., Chorozema ilicifolium Labill., Aotus ferruginea Labill., Platylobium triangulare E. Br., Sparaxis tricolor Ker. u. n. v. a. Rhododendron arboreum Cunninghami, coccineum, einnamomeum Wall. 8 album, Camellia Leeana superba. Herr Schauer gab Schaueria calicotricha N. ab E. ſehr reich und ſchön blühend. Aeschinanthus ramosissimus Wall., grandiflorus Spreng. Erica colorans Andr., Leeana Alt., perlucida Andr., ni- grita L., Epacris campanulata Lodd. f alba, grandiflora Smith., impressa Labill. nivea De., varia- bilis Lodd., Ledum latifolium Lam. Azalea pontica luteo-alba, pont. glauca, pont. globosa alba, pont. luteo-ocellata, calendulacea et calend. crocea, speciosa coccinea, nudiflora luteo-incar- nata, nudifl. rosea, nudifl. rhodosiphon, viscosa etc. Azalea indica Prinz Albert in einem herr⸗ lichen Exemplar, phoenicea, Danielsiana, princeps, ledifolia ete. Rhododendron arboreum variett. pictum, amoenum, purum, paucipunctatum, amabile, flavo-punctatum, ignescens, unduliflorum, pur- pureo-einereum, roseo-purpureum, atrosanguineum, erubescens, Russelianum, tigrinum, maculatum, cuculatum, pallescens etc. Zichya inophylla Denth., floribunda Benth., Hardenbergia ovata Zenth.. monophylla Bentli., Comptoniana Denth. Herr Urban hatte einen Rococo-Tiſch arrangiert, welcher viel Beifall fand. Noch waren von Herren Kattner, Berger, Krauſpe und Roth viele ſchöne Pflanzen vor— handen, wir bemerkten Billbergia zebrina Lindl., clavata Lindl., pyramidalis Lindl. Magnolia fu- scata Andr. Cytisus purpureus L. in Hochſtämmchen. Fuchsia serratifolia R. et P. Convolvulus Cneorum L. Phlox nivalis Sweet., subulata L., setacea L., Azalea indica formosa, striata, ca- ryophyllacea, Petunien, Roſen, Verbenen, Cinerarien, Cereus speciosissimus Jenkinsoni. Eine Cactus-Sammlung von Herrn Rüdiger. Von Herren Nees von Eſenbeck Amaryllis Sweetii Herb. g versicolor, Wulfenia carinthiaca Jaeg. Phlox reptans Micha. Allium triquetrum L. N 0 Von Gemüſe waren vorhanden Radieschen in verſchiedenen Farben, getriebene Kartoffeln, Getreide— Arten, Citronen von ausgezeichneter Größe, getriebene Bohnen, Gurken. Viele der neuen Pflanzen ſind Eigenthum der Sektion. Es fehlte nicht an ausgezeichnet gezogenen und gut kultivirten Pflanzen, und man kann ſagen, daß die Hrn. Handelsgärtner es nicht an gutem Willen und Thatkraft fehlen laſſen, um das Publikum für die Schönheiten in der Pflanzenwelt empfänglich zu machen. Wir konnten bei der großen Anzahl von Pflanzen unmöglich Alles notiren, obſchon jedes Einzelne zum Ganzen beigetragen hatte; es möge daher genügen, wenn geſagt wird, daß Jeder in ſeiner Art das Seine gethan hat und daß die Sektion allen den Herren, welche auch zu dieſer Ausſtellung beigeſteuert haben, zum innigſten Danke verpflichtet iſt. Die Herbſtausſtellung brachte nicht minder reich ihre Schätze, und die Sektion ſah mit Freude diesmal mehr Obſt und Gemüſe als im vorigen Jahre. Es war zur Ausſtellung eine Flügelkolonnade des Wintergartens gewählt worden; die Wand am Ende dieſes Raumes beſteht aus einem großen Spiegel und vor demſelben iſt eine Statue aus Gyps aufgeſtellt; dieſe dekorirte Herr Inſtitituts-Gärtner Stoll 199 mit Neuholländerpflanzen und Farrnkräuter aus dem Kgl. bot. Garten angemeſſen aus, wodurch der Hinter: grund ein freundliches point de vue gewann; vor dieſer Partie befanden ſich ein Naturtiſch, mit aus Moos und Blumen in Moſaik gearbeiteter Platte, dann links und rechts eine Vaſe und ein Blumenkorb mit Bou⸗ quetts aus gleicher Arbeit beſtehend, Tiſch und Korb von Herrn Sternitzky, die Vaſen von Herrn Ploſel gearbeitet; ingleichen eine Schlangenmelone auf mit Moſaikarbeit verziertem Ruheteppich, beſtehend aus Calluna vulgaris und Moos. Die eine Seite nach der Glaswand zu, von dem botaniſchen Gärtner H. Schauer geordnet, war mit Dekorationspflanzen von Herrn Schauer und Herrn Nadbyl ſo ausgeſtattet, daß der Schlagſchatten gebrochen auf die davor ausgelegten Früchte fiel, welche hier und da durch einige ſchöngeformte verzettelte Pflanzen unterbrochen waren, an deren Fuße ſich die Mais-, Bohnen- und Kürbis⸗ arten anlehnten. Das Obſt war gut vertreten, und man ſah ausgezeichnete Weintrauben, Aepfel und Birnen ꝛc., welche wir am Schluſſe ſo viel, wie möglich, namentlich aufführen wollen. Die Hinterwand vis à vis der Glaswand, war mit den Kollektionspflanzen der Herren Breiter, Pohl, Urban, Göldner und Roth ausgeſtattet, und zwar waren die Pflanzen meiſt verkäuflich. Herr Breiter gab eine Thetratheca verticillata Pant. (Tremandra —). Erica cubica L. Bowieana Lodd., vestita Thbg., mammosa L., cerinthoides L., ventricosa Thunb. Crowea saligna Sm. Leschenaultia Lawrenceana (L. arcuata De Vriese). Baronia viminea hort., Impatiens platy- petala Lindl. Babingtonia Camphorosmae Lindl. (Baeckea Camphorosmae Endl.) Rosa Thea gigantesque, Dombeya spectabilis, Fuchsia serratifolia E. et P., eylindracea Lindl. Von Varie⸗ täten Fuchsia Beauty of Dalston, Great Brittania, Esmeralda, leucantha, delicatissima, Dr. Jepson, Jepson, Mistresse Millbank, Lord Hill, Empresse, Climax etc. Herr Pohl lieferte Gloxinia speciosa roseo- alba, Youngei, Cartoni, Teichleri, rubra nova, Handleyana, Fuchsia Esmeralda, Duchesse of Southerland, Scaramouche, Napoleon, Medora Bianca, von Herrn Hofgärtner Schwedler erzogen. F. serratifolia R. et P. u. a. m. Isotoma lon- giflora De. Microsperma bartonioides Walpers (Eucnide bartonioides Zuce.), ſehr ſchöne kräftige violette Heliotropium peruvianum und grandiflorum, Beloperone nodosa N. ab E., Abutilon striatum Dichs. Viola odorata caulescens fl. pl. (bekannt als V. arborea). Pentstemon gentianoides fl. albo, Acacia oleifolia Cunningh., Cuphea miniata BDenth., platycentra Bentſi., Torenia asiatica L., sca- bra R. Br., Achimenes- Arten, Roſen, befonders ſchöne bengaliſche, Punica nana L. fl. pl. Begonia Martiana Li., Chironien, Petunien, Pentstemon gentianoides, Clausii. Herr Roth, Cyclamen latifolium Smith., hederaefolium Alt., persicum Mill., Rochea falcata De. u. a. m. Herr v. Wallenberg in Höfchen, Haemanthus tigrinus Jucq. Herr Göldner, ſchöne Pensées, Hydrangea japonica Stebold. u. v. a. Herr Graf Hoverden auf Hühnern überſchickte mehrere rieſige Celosia cristata. Herr v. Roſenberg auf Pudiſch überſchickte ein ſeltenes Exemplar von Cussonia spicata Thunb. Beim Eintritt in dieſe Kolonnade präſentirte ſich uns auf Moosteppich das Gemüſe und Wurzelwerk, ausgeſtattet mit Canna-, Sorghum-, Mais-, Cardon- und Artiſchocken- Pflanzen. Da die Herbſtausſtellung mehr Gemüſe- und Obſtausſtellung fein fol, fo wollen wir uns hier etwas genauer uwfehen. Herr Handelsgärtner Brückner aus Markt-Bohrau brachte ein Sortiment Kartoffeln von 94 Va⸗ rietäten, ſo wie auch ein Sortiment Cerealien von 59 Spielarten. Herr Landſchaftsgärtner Straßhauſen: Buſchbohnen aus Canada; ie pariſer Buſchbohne; chineſiſche Buſchbohnen; Knight's Marrow's Kneifelerbſe; nonpareil-Erbſe; frühe Prinz Albert-Kneifelerbſe; allerfrüheſte Emperor⸗Kneifelerbſe; purpurrothe engliſche Buſchbohne; große Windſor-Buſchbohne, alle in Samen enthülſ't. Herr Graf Reichenbach: Wachsbohnen; Spargelbohnen; große Zuckerbohnen; Schlachtfchwerdt— 200 bohnen; frühe Wachsſchwerdtbohnen; bunte Schwerdtbohne; Blaſen-Zucker-Brech-Bohne; Victoria-Knei⸗ felerbſe; Rieſenerbſe, ebenfalls alle in Samen; Maiskolben in allen Farben und Größen. 0 Herr Erbſaß Jeniſch aus Neudorf lieferte Kohlarten, welche ſich vor allen durch ihre großen Köpfe und Schönheit auszeichneten; Centner-Weißkraut; weißgerippter Krauskohl; Chou frise (feingekrauſ'ter Winterkohl); Cho Marcelin- Wirſing. a Herr Univerſitäts-Sekretär Nadbyl: neue purpurrothe Wiener Glaskohlrabi, Drumhead- Wirfing, Wellingtonkraut, Baſſano⸗Rotherübe; von Gurken Curthil black spine Cacumber, John Hous; Snow’s hybrid new withe spine, neue engliſche weiße Schlangengurke; Queen Victoria; Queen of Bath; Preis von Erfurt. ro Herr Handelsgärtner Pohl: weiße non plus ultra Gurke; John Hous, engliſche non plus ultra; Patrik Gurke; neue purpurrothe Wiener Glas-Kohlrabi. Herr Kaufmann Müller: grüner Winter-Krauskohl, auf dem Dominium Laniſch erzogen. Herr Gutsbeſitzer Mens auf Schottwitz: Kaiſer-Gurke, die größte in der Ausſtellung; Altringham— Mohrrüben; ſehr große Futtermohrrüben. Herr Kfm. J. Monhaupt: neue rothe Wiener Teller-Runkelrübe; engliſche weiße Mohrrübe; ſchwediſche. Herr Handelsgärtner Brückner: Victoria of Engl.-Gurke; Schneeball-Waſſerrüben; ſchwediſche Rübe (Rutabuga, Chou-Tounep.), neue engliſche Steckrübe, neue gelbe Erdrübe, engliſche Rieſen-Erdrübe, Waſſerrübe, Runkelrüben ꝛc., rothe Mohrrüben. Herr Oberſt-Lieutenant v. Fabian: ſcharlachrother Rettig; Ochſenhornrettig; Zuckerhutrettig; Baſſano— Rüben; ruſſiſche Schalotte; Birnzwiebel; Nocera-Zwiebel u, v. a. 82 Herr Schauer: Drumhead- Wirſing, Wellingtonkraut; weiße braſilianiſche Gurke, Queen Victoria- Gurke, Baſellſpinat, Bouſſingaultia-Knollen, Cardon, ſchwarzes und rothes Kaffernkorn, Javaner und anderer Endivienſalat. N Herr Kunſtgärtner Sternitzky: Blutzwiebeln, holländiſche runde harte; Madeira- und holländiſche ſilberweiße Zwiebel. em Herr Kunſtgärtner EG. Monhaupt: Maiskolben in mehreren Farben. Herr Kunſtgärtner Krauspe: Palmkohl in Töpfen. Herr Gaſtwirth Menzel: neue engliſche weiße Schlangengurke. Herr Graf Praſchma: eine Schlangen-Melone. Herr Hofgärtner Schwedler: eine Wintermelone. Kürbiſſe waren von den kleinſten Birn- bis zu den größten Centnerkürbiſſen in allen Formen und Farben reichlich vertreten; beſonders ſchön war ein Mützenkürbis in Form eines Quadrats mit Bund, Melonenkürbis, niedlich gefärbte Birnkürbiſſe. Geliefert hatten die Herren Mens, Burgund, Brückner, E. Mohnhaupt, Menzel, Krauspe, Kliem, Groche, beſonders viele ſchöne Herr Oberſt-Lieutenant von Fabian. Georginen in ſchönſter Auswahl waren von den Herren Pohl, Nadbyl, Kattner und Straßhauſen vorhanden. a Schöne neue gepreßte Thonwaaren aus der Handlung Lerſch und Komp.; Melonen, vorzügliche Weinſorten von Herrn Held u. m. a. Aepfel und Birnen, beſonders viele von Herrn Kliem und Herrn Hüſer ꝛc., weniger Pflaumen und Pfirſiche, welche ſchon paſſirt hatten. Es iſt unmöglich, letztere alle namentlich aufzuführen, da die Kürze der Zeit die Reviſion der Nomenclatur der Früchte nicht zuließ, unter welcher aber, wie bekannt, viel Wirrwar herrſcht. Im Ganzen war die Ausſtellung eine erfreuliche. 201 V. Vorträge. Außer den bereits in den bisherigen Inhalt des Berichts hineingezogenen Vor⸗ trägen — vergl. Allgem. Ber. Nr. 7. 8. 9. 10. 12. 13. 15. 16. 18. — hat: 1) der Sekretär der Sektion in zwei Vorträgen die neueſten Erzeugniſſe der ausländiſchen Garten⸗Flora beſprochen. Er war bemüht, aus der unzählbaren Menge neuer Pflanzen und Hybriden nur jene Florblumen hervorzuſuchen, die für den Blumiſten einen Werth haben. Unter den neueingeführten Sträuchern empfahl er namentlich: 1) die Spiraea prunifolia fl. pl. Sieb. et Zuecar., welche bereits für einen geringen Preis zu haben iſt. Dieſen Strauch hat Herr v. Sieboldt in den Japaniſchen Gärten gefunden und nach Europa geſendet. Er vermuthet, daß er im nördlichen China oder auf Corea einheimiſch ſei. Dieſe Spiraea erlangt in Japan eine Höhe von 9 Fuß. Wenn ſie, wie verſichert wird, bei uns den Winter im Freien aushalten ſollte, ſo würde ihr Werth bedeutend ſteigen. 2) Die Weigelia rosea Lindl., einen aus China eingeführten Strauch, aus der Familie der Capri- foliaceae, der ebenfalls unſern Winter im Freien aushalten ſoll. 3) Die Forsythia viridissima Lindl., aus der Familie der Oleaceae. Dieſer Strauch bildet einen ſtarkbelaubten Buſch, blüht zeitig im Frühjahr und verbreitet einen balſamiſchen Geruch. Er ſtammt eben: falls aus China und ſoll ſich bei uns acclimatiſiren laſſen. Unter den Stauden macht er aufmerkſam auf die Anemone Japonica Sieb., die Alstremoeria chi- lensis, die Phlox- Arten (namentlich Phlox Rodigasi) und die Pentstemon- Arten (Pentst. Gordoni Hook.). — Desgleichen verbreitete er fich über Neuheiten für die warmen und kalten Gewächshäuſer, die ſämmt⸗ lich hier aufzuführen, zu weit führen dürfte. Unter den von auswärts eingegangenen und vom Sekretär mitgetheilten Berichten dürfte der von dem Kantor und erſten Lehrer an der evangel. Stadtſchule zu Ratibor, Herrn C. Thomas, über „feine Erfahrungen in der Caeteen⸗Kultur“ von großem Intereſſe, namentlich für die Liebhaber dieſer Pflanzengattung ſein, weshalb derſelbe hier ein— gerückt werden mag. Er lautet: „Seit Jahren beſchäftige ich mich in meinen Mußeſtunden mit der Kultur einiger Cacteen, insbeſondere ſolcher, die ſich durch Größe und Schönheit der Blumen auszeichnen. Von Jahr zu Jahr ſteigerte ſich meine Vorliebe für dieſe Gattung von Gewächſen, und angeregt durch die Cacteenkunde von Förſter, wandte ich mich insbeſondere der künſtlichen Befruchtung und damit zugleich auch der Erzeugung von Hybriden zu. Meinen erſten derartigen Verſuch machte ich im Sommer 1844. Ich ſäte reinen, unvermiſchten Samen von Cer. speciosissimus DC. und beſitze nun davon vierjährige, kräftige Pflanzen, die in dieſem Sommer gewiß ihre Blüthen entfalten werden. Merkwürdiger Weiſe ſind dieſe aus Samen erzogenen Pflanzen in ihrem Wuchs auffallend von Cer. specios. verſchieden. Die Aeſte find entweder dreiflüglig oder flach, oder fie find unten dreiflüglig und gehen nach oben in die gewöhnliche Blattform über. Die Areolen ſind klein und wie bei Cereus phyllanthoides DC. ſparſam mit dünnen, biegſamen Stacheln beſetzt. Im Sommer 1845 befruchtete ich Cer. speciosissimus mit Cer. grandiflorus Mill. Die Frucht erlangte Ende März 1846 ihre Reife, enthielt aber, da fie ſehr klein war, nur etwa 50 Samen, welche ich ſofort ausſäte. Schon nach 11 Tagen keimten 3 Samen, ja das eine Korn hatte ſchon in der Frucht einen langen Keim getrieben. Nun aber trat in der Keimung ein Stillſtand ein, indem ſich erſt vom Juni bis Ende November, bei einer Temperatur von 15 — 20 Grad Reaumur und hinreichen— der Feuchtigkeit einige 20 Pflänzchen entwickelten. Die Farbe der ſich aus dem Wurzelſtocke bildenden Stämmchen, war theils gelb, theils hellgrün. Die Pflanzen der erſten Art, deren Stämmchen an Cer. triangularis var. picta erinnern, vegetirten kümmerlich, oder gingen ganz ein; oder es entwickelten ſich nach langem Kampfe an der Baſis des gelben Stämmchens grüne Aeſte; es blieben indeß auch dieſe Pflanzen im 26 Wuchſe gegen die folgenden ſehr zurück. Die Pflanzen mit grünen Stämmchen hingegen wuchſen freudig fort, ſelbſt einige von denen, die erſt im November keimten, und die größten haben jetzt eine Höhe von etwa % Fuß erreicht. N Dieſe Hybride unterſcheidet ſich ſchon in ihrem Wuchſe weſentlich von Cer. specios. Die Aeſte find ſchlank, vierkantig, die Seiten wenig oder gar nicht vertieft, ähnlich den vierkantigen Aeſten des Cer. nyeti- callus Lk, oder fie find fünf- bis ſechskantig und ähneln fo dem Cer. grandiflorus. Dreikantige Aeſte kommen nicht vor. a Außerdem beſitze ich noch einjährige Hybriden, erzeugt auf Cer. specios. durch Befruchtung mit Cer. phyllanthoides, fo wie andere, welche durch das gerade umgekehrte Verfahren auf Cer. phyllanth. erzeugt wurden, worüber ſich indeß jetzt noch wenig ſagen läßt. ö Ferner gelang es mir 1847 endlich nach langen, vergeblichen Verſuchen, eine Frucht auf Cer. grandi- florus Mill. durch Kreuzung mit Cer. specios. zu erzielen. Das Gelingen dieſes Verſuches war mir um ſo erfreulicher, da ich weiß, daß die nachtblühenden Cereen ſehr ſchwer Früchte anſetzen. Ich beſitze nämlich 4 Expl. von Cer. grandifl., welche feit einer Reihe von Jahren mich jährlich mit 6 — 10 Blüthen erfreuten, indeß waren bisher, wie geſagt, alle Befruchtungsverſuche ohne Erfolg geblieben. Endlich kam ich auf den Gedanken, ob der Grund des Mißlingens derartiger Verſuche vielleicht in dem Umſtande zu ſuchen ſein dürfte, daß dieſe Art, ſowie überhaupt faſt alle nachtblühenden Cer., das ganze Jahr hindurch hinter Glas gehalten und ſo der unmittelbaren Einwirkung der Luft entzogen ſind. Daher nahm ich einen der Stöcke und ſetzte ihn der freien Luft aus, ſo oft die Temperatur derſelben wenigſtens 14 Grad Reaumur betrug. Die andern 3 Stöcke hingegen behielt ich, da fie fich auch, ihrer Größe wegen, ſchwer trasnportiren laſſen, in der Stube. Dieſe letztern nun blühten, wie frühere Jahre, zwar reichlich, aber ſie ſetzten keine Früchte an, obgleich die Be⸗ fruchtung zur geeigneten Zeit vorgenommen worden war; dagegen erreichte ich an demjenigen Stocke, den ich auf die angegebene Art behandelt, meine Abſicht. Förſter ſcheint die Frucht von C. grandiflorus noch nicht zu kennen, denn er ſagt in ſeinem Handbuche der Cacteenkunde (Seite 414): „Die Frucht ſoll länglicheiförmig, ſchön roth, von der Größe einer mäßigen Ananas und ſehr wohlſchmeckend fein.” Mit dieſer Angabe ſtimmen nun meine gemachten Erfahrungen nicht überein. Die von mir erzogene Frucht iſt nicht größer, als die des Cer. specios. und nicht roth, ſondern gelblichweiß. In den erſten 3 Monaten ihrer Entwickelung war ſie grün und mit beerenartigen Höckern verſehen, an deren Grunde eine grüne, ver— längerte Schuppe befindlich war. Nach dieſer Zeit erweiterte ſich die Fucht immermehr, die beerenartigen Höcker verſchwanden und die Frucht wurde glatt. Von jener Zeit an veränderte ſich auch die grüne Farbe, indem dieſe allmälig ins Gelblichweiße überging. Auch die Schuppen vertrockneten theilweiſe. Dieſe ſchon nach 3 Monaten erfolgende Färbung der Frucht ließ mich vermuthen, daß dieſelbe / Jahr zu ihrer Reife bedürfen würde, welche Vermuthung ſich auch beſtätigt hat. Den 23. Februar 1848, alſo nach ungefähr 7 Monaten, nahm ich die Frucht, welche nun ungefähr das Ausſehen einer teigen Birne hatte, ab. Aeußer— lich war kein Geruch wahrzunehmen, aber das Fleiſch derſelben hatte einen ſtarken, fremdartigen Geruch. Den Geſchmack fand ich eben nicht ausgezeichnet. Die ſehr zahlreichen Samen ſind ſchwarz und ähneln auch in der Form dem Samen des Cer. spec., nur find fie etwas kleiner. Die vollkommene Reife der Frucht be— weiſ't der Umſtand, daß ſich in derſelben zehn lebhaft grüne Pflänzchen vorfanden, deren Cotyledonen voll- ſtändig entwickelt waren. Dieſe Pflänzchen gingen aber, obgleich ich ſie in humusreiche, hinreichend mit Sand vermiſchte, leichte Nadelerde verſetzte, ſämmtlich ein. Den übrigen Samen ſäte ich ſofort aus und die Kei- mung begann bei einigen ſchon am zweiten und dritten Tage, ſo daß nach 11 Tagen ſich bereits mehr als 50 Pflänzchen entwickelt hatten, die nun freudig fortwachſen. Noch habe ich im Februar d. J. Samen ausgeſät, den ich auf Cer. specios. durch Befruchtung mit Cer. flagelliformis, und andern, den ich durch Befruchtung mit einem gelbblühenden Echinocactus erhielt. Letztere auch auf Cer. spec. erzeugte Frucht, war auffallend klein, nicht viel größer, als eine Haſelnuß, 203 enthielt aber dennoch 20, wie es ſchien reife, Samen. Beide Arten find der Erde anvertraut; fie keimen aber noch nicht. — Wenn ich nun dieſe meine Erfahrungen Einer Wohllöblichen Sektion für Gartenkultur mittheile, fo leitet mich dabei der Gedanke, daß doch vielleicht die eine oder die andere Notiz über den be- regten Gegenſtand auch in weitern Kreiſen nicht ganz ohne Intereſſe ſein dürfte. Noch füge ich hinzu, daß ich gern bereit ſein werde, über den weitern Erfolg meiner in das Gebiet der eee einſchlagenden Verſuche ferner zu berichten, wenn es gewünſcht wird.“ 2) Profeſſor Dr. Göppert hielt einen Vortrag über baumartige Farrnkräuter, in welchem ihre äußere Form, Struktur, Vorkommen näher erörtert und das Ganze ſowohl durch Vorzeigen von Abbildungen, wie von Farrnſtämmen, deren der Vortragende 12 verſchiedene Arten aus Peru, Braſilien, Java und Kolumbien beſitzt, näher erläutert wurde. a 3) Der Landſchaftsgärtner, Herr Straßhauſen, hielt einen Vortrag über die Anzucht von Gemüſe⸗ ſämereien, in welchem er darauf aufmerkſam machte, wie weit wir in Schleſien in dieſem Kulturzweige zu⸗ rück ſind, und welche Geldſummen wir theils an das Ausland, theils an andere Provinzen ausgeben, die wir bei nur einiger Anwendung von Fleiß und Aufmerkſamkeit auf Erziehung von Samen uns erhalten könnten. Er gab eine praktiſche, auf Erfahrung begründete Anweiſung über das Erziehen, Reinigen und Aufbewahren des Samens von Gemüſen, ſo wie darüber, wie die zum Samentragen beſtimmten Stauden von Gemüſen zu überwintern ſeien, wobei er namentlich auf das Ueberwintern im Freien, mit der nöthigen Bedeckung bei eingetretenem ſtrengen Froſte, aufmerkſam machte. 4) Von den Vorträgen des Hrn. S. Schauer dürfte hier noch der am 23. Dez gehaltene „über die hieſigen Promenaden und deren zu erzielende Verſchönernngen“ deßhalb in ſeiner Ausführlichkeit einen Platz finden, weil er einmal von beſonderem Intereſſe für die Bewohner unſerer Stadt iſt, dann aber auch ein Bild darüber entwirft, was die künftige Promenaden-Verwaltung zu leiſten haben wird. Die Verwaltung übernimmt nämlich vom 1. Januar 1849 auf 10 Jahre eine beſondere Promenaden⸗ Deputation. Dieſe beſteht nach dem zwiſchen den ſtädtiſchen Behörden und dem Präſidium der ſchleſiſchen Geſellſchaft für vaterl. Kultur getroffenen Abkommen aus einem Mitgliede des Magiſtrats, drei Stadtver⸗ ordneten einer- und andererſeits aus dem Präſes der vaterl. Geſellſchaft, dem jedesmaligen Sekretär der Sektion für Obſt⸗ und Gartenkultur und einem von der letzteren zu wählenden Mitgliede. Es wird hiernach die im allgem. Bericht S. 11 angedeutete ſelbſtſtändige Verwaltung der Promenade Seitens der Sektion für Obft- und Gartenkultur nicht eintreten. Die weitere Organiſirung in dieſer Angelegenheit geht z. 3. noch vor ſich, und wird der nächſte Jahresbericht darüber Auskunft geben. Der Vortrag des Herrn ee lautete nun folgendermaßen: „Es ift der Sektion für Obſtbau und Gartenkultur der ſchleſiſchen Geſellſchaft für vaterländiſche Kultur gelungen, durch das liberale und freundliche Entgegenkommen von Seiten der Vertreter der Stadt reſp. deren Behörde, die Aufgabe, welche ſich dieſe Sektion geſtellt hat, auch an unſerer Promenade in Erfüllung zu bringen, indem ihr vom J. 1849 ab die Mitverwaltung bereitwilligſt eingeräumt worden iſt. Dem Den: kenden wirft ſich bald die Frage auf: Was will die Sektion dafür thun? und was läßt ſich nach den Regeln der Gartenkunſt noch thun, um dieſen Schritt der Stadtbehörde den Bewohnern gegenüber zu rechtfertigen? Wenn es eine ausgemachte Thatſache iſt, daß alle Privatinſtitute mit mehr Liebe und Luſt, mit mehr Energie und Ausdauer zur Erreichung der vorgeſteckten Tendenz von Geſellſchaften verwaltet werden, ſo ſcheint es, als laſſe ſich darüber Nichts mehr ſagen; denn die einmal allgemein gewonnene Ueberzeugung habe auch hier das leitende Motiv abgegeben; allein ich glaube, es iſt in der Jetztzeit ſogar nothwendig geworden und es wird ſich in der Zukunft immer mehr herausſtellen, a gerade große Städte die Aufgabe- übernehmen müffen, 26 * für Kunſt und Wiſſenſchaft und allgemeine Bildung zu forgen. Je mehr nun eine Stadtbehörde die Inter—⸗ eſſenten aus den Bewohnern einer Stadt zuſammenſchaart und an der Verwaltung ſolcher Inſtitute betheiligt, deſto ſicherer iſt ſie, ihre Zwecke erfüllt zu ſehen. Wir ſehen dies an unſerm Taubſtummen-Inſtitut, Blin⸗ den-Inſtitut ꝛc. ganz deutlich; ſoll ich aber noch großartigere Inſtitute anführen, fo nehme man die Muſeen der Senkenberg'ſchen Geſellſchaft zu Frankfurt am Main, die daſige Bibliothek, die Muſeen zu Hamburg ze. als Beiſpiele. Nichts wirkt mächtiger auf das Gemüth, auf das Gefühl, als die Natur in ihren Erſcheinungen, es müßte denn daſſelbe ganz erſtorben ſein, was der Menſch ſchon bei ſeiner Geburt rein mitbringt. Schon längſt wurde es gefühlt, daß die Naturgeſchichte zu wenig gelehrt werde; das Gefühl dafür iſt lebendig ge— worden, und beſonders für die Pflanzenkunde; überall ſieht man jetzt die fröhliche Jugend mit ihren Bota— niſirbüchſen munter die Fluren durchſtreifen, dabei ſich den Körper erkräftigen, den Geiſt erheben, erheitern und ſtärken, und es iſt offenbar, daß, wo das reine Gefühl für Naturſchönheiten Eingang gefunden hat, ſelten ſich ein Heerd von Unlauterkeiten aufſchlagen wird. Die erſte Frage: „was will die Sektion mit der Promenade thun?“ wird ſich nun ſchon leichter beant— worten laſſen. N Iſt der Knabe ins Jünglings- oder Mannesalter getreten, wo ihn ernſtere Geſchäfte ſeines Lebensberufes abhalten, in die Weite zu gehen, um ſich in freier Natur zu erquicken, wird er bald das Bedürfniß fühlen, ſich einen ſolchen Erholungsort in der Nähe zu ſuchen, um ſich zu ergehen und den Geiſt zu kräftigen. Dieſe Erholungsörter find vor allen die innerhalb oder außerhalb der Stadt gelegenen Promenaden. Je an: muthiger, je äſthetiſcher, je wiſſenſchaftlicher die Anordnung in deren Anlagen iſt, deſto befriedigender iſt ſie für das Bedürfniß nach allen Seiten. Den Mann, der ſich in ſeiner Jugend in der einheimiſchen Flora umgeſehen hat, werden die Pflanzentypen anderer Welttheile und Klimate bald anziehen und er wird ſich von der Phyſiognomie derſelben ein lebendiges Bild entwerfen können. Es iſt dies um ſo wünſchenswerther, da durch die große Bauwuth, unſere Privatgärten ſo ſehr geſchwunden ſind, und das Vermögen, große Luſt— gärten zu unterhalten, nur noch Wenige beſitzen. Der Aeſthetiker, der Bildner wird ſich an den ſchönen Regeln der Kunſt und deren Ausfluß, das iſt deren harmoniſchen Anordnungen, und Reinheit erfreuen, der Wanderer ſich behaglich unter den Gewölben der Alleen befinden, der Blumenfreund ſich an der Mannig— faltigkeit der Farben und Formen der Blüthen erfreuen. Alle Anforderungen laſſen ſich zwar in einem ſo beſchränkten, bedingten Raume nicht glücklich vereinen, es iſt aber ſchon viel geſchehen, wenn man das aus— führt, was ſich überhaupt thun läßt, und dies wird dieſe Deputation ſich angelegen ſein laſſen. Hieran knüpft ſich die Frage: was läßt ſich bei dem gegebenen Raume unſerer Promenade in dieſer Hinſicht nach den Regeln der Gartenkunſt noch thun, ohne daß dieſelbe den Charakter einer Promenade ver—⸗ liert? Um dies gründlich zu beantworten, müſſen wir die einzelnen Theile derſelben, deren Situation und Fernſichten, in einzelne Rahmen ziehen, und fangen hiermit bei der Ziegelbaſtion an. Das kleine umfriedete Gärtchen am Fuße der Ziegelbaſtion wäre in ein nettes Blumengärtchen umzu⸗ wandeln, worin alle feinere, ſchönere Roſenſorten, theils hochſtämmig, theils ſtrauchartig gezogen, auf die Ra: batten und beſondere Beete zu placiren wären; die feinern Sommergewächſe, deren wir jetzt ſo viele ſchöne und neue beſitzen, bedürfen meiſt freien Zutritt von Luft und Licht. Solche Plätze ſind aber in den übrigen Theilen der Promenade nicht viel vorhanden und zu wenig gegen Angriffe geſchützt; jene könnten daher größten theils nur hier mit Vortheil gepflegt und zu einer Vollkommenheit in ihrer Entwickelung gebracht werden. Es wären ferner ſämmtiche Vermehrungskäſten hier aufzuſtellen: an die Lehne aber könnten die meiſten Alpen⸗Pflanzen angebracht werden, da durch wenig Nachhilfe beſchattete oder der Sonne exponirte Stellen gebildet werden können. Für die Ausſchmückung des Glashauſes beſitzt die Sektion bereits das nöthige Ma— terial, indem ſie ſchon eine bedeutende Anzahl der neueſten und ſchönſten exotiſchen Pflanzen angeſchafft und an die Mitglieder vertheilt hat, welche ſich nunmehr in dieſem Glashauſe konzentriren werden. Die Baſtion 205 gewährt von ihrem Plateau aus eine prächtige Aus⸗ und Anſicht auf den nordöſtlichen und ſüdlichen Theil der Stadt, das ganze Gelände des Oderufers bis nach Grüneiche ic. Dieſe freie Stelle würde unſtreitig noch angenehmer ſein, wenn einige hochſtämmige Berg-Ahorn oder Birken an dem Rande herumgepflanzt würden, damit das Auge von oben beſchattet würde, ſo aber iſt dieſer Ort nur des Abends oder Morgens früh im Sommer angenehm. Eine großartige Pergula hier anzubringen, möchte zu rathen ſein. Die übrigen Partieen daſelbſt ſind jetzt leider von anſtändigen Perſonen kaum zu beſuchen; um dies abzuändern, müßten einige Gruppen raſirt oder verkleinert werden, namentlich nach Nordweſt; denn das Licht verſcheucht das Wild. Die Raſenplätze ließen ſich da noch recht gut mit Blumenpartieen dekoriren. Die Baumſchule am Ziegelplatz iſt für die Promenade unentbehrlich; es können jedoch darin mehr ſchöne Gehölze angezogen mwer- den, als bis jetzt geſchehen iſt, wozu die Mutterexemplare bereits von der Deputation angeſchafft worden ſind. Das Arboretum dürfte in einigen Jahren wohl ſchon das reichhaltigſte der ganzen Provinz ſein. Die eingefriedete Raſenpartie am Abhange der Ziegelbaſtion vor dem Glashauſe wird durch die gewaltige Hecke faſt erdrückt, und man muß ſich bis an die Brüſtung begeben, um die ſchwerbeſtabten, alten Pelargonien zu ſehen. Leichte etageres mit hängenden und windenden Pflanzen werden ſich hier gut machen, einige Quarzfelsſtücke mit kriechenden Zierpflanzen, als Meſembryanthema, Verbenen, Cymbalaria dazwiſchen, ſowie einige Feuerdorn (Crataegus Pyracantha), Cydonia speciosa, Pyrus spectabilis, vollblühende Zwergman⸗ deln ꝛc. werden hier nicht unpaſſend angebracht fein; überhaupt ift dieſer Platz der Sonne ausgeſetzt und ge ſchützt, was für viele Pflanzen höchſt vortheilhaft iſt. Dieſer Platz würde ſich neben dem Glashauſe und dem Ziergärtchen am beſten im Rococo- oder Renaiſſanceſtyl mit Moſaik und der größten Nettigkeit machen. Es iſt hier auf den reizenden, gefälligen Charakter abgeſehen, der vorzüglich durch Mannigfaltigkeit und Anmuth erreicht wird. Die Schicklichkeit dieſes Charakters liegt hier außer Zweifel, da die ganze Umgebung durch regelmäßige Form der Gebäude, durch eingefriedete, regelmäßige Figuren umgrenzt iſt, ſich daher auch die ganze Anlage als Produkt der Kunſt zeigen muß. Ich muß nothwendig vorausſchicken, daß der Charakter eines ſymmetriſchen Kunſtgartens überhaupt nur mit Vortheil bei Verſchönerung unſrer Promenaden anzu— wenden iſt. Die Lehnen um die Baſtion, wo jetzt zügellos der Bocksdorn (Lycium europaeum) wuchert, könnten meiſt mit Crataegus-, Philadelphus-, Rhamnus- und Cotoneaster-Arten und den ſchönen pim— pinellblättrigen Roſen beflanzt werden, welche, da fie meiſt an Abhängen wachſen, ihr Gezweig leicht herab— hängen und einen lieblichen Anblick gewähren. Ich meine hier die Lehne vom Plateau rechts bis ans Glashaus. Wir ſetzen nun unſern Spaziergang nach dem Ohlauer Thore zu fort. Hier hätten wir vorerſt zu bemerken, daß ſämmtliche Alleebäume von Haus aus zu nahe gepflanzt worden find, daher die Bäume ihre Krone nicht naturgemäß entwickeln können und viele deswegen ſchon kränkeln, auch iſt es nicht gut, vielerlei Bäume untereinander zu pflanzen, deren Entwickelung eine ſehr verſchiedene iſt, wie dies auf der Promenade der Fall iſt. Die umfriedete Gruppe der Ueberfähre gegenüber iſt zu klein, als daß man im Voraus einen Entwurf geben ſollte; beſſer würden ſich ſolche Plätze für Denkmale großer Männer oder Begebenheiten eignen, da ſie als ein point de vue am Ende der Alleen einen prächtigen Anblick geben und ſich leicht geſchmack— voll umgeben laſſen. Die Partieen vor dem Humanitätsgarten laſſen viel zu wünſchen übrig; der Platz iſt wahrhaft kleinlich geworden. Man hätte weit beſſer gethan, einen Hauptweg durch das Dreieck zu legen und eine ſchöne Gehölzpartie an das Ufer zu werfen, da der Stadtgraben hier am wenigſten eine ſchöne Anſicht gewährt, auch die Ausſichten nicht beſonders ſind; die übrige Fläche müßte ſo licht und blumenreich gehalten werden, als möglich. Die zu reichlich verzettelten Bäume, ſowie die höchſt ſteife Lebensbaumgruppe daſelbſt ſind wahrhaft lächerlich. An die projektirte Baumgruppe ließen ſich mit Vortheil Ruheplätze anbringen, um das Ganze zu überſehen. Die Strauchpartien, welche die Mauer der Ketzerkunſt decken, 1 verdichtet werden; die Gruppe davor iſt nicht gut zu verändern. Wir eilen nun durch die Allee bis zur Taſchenbaſtion, hier gilt es, die ganze Umſicht des Gartenkünſtlers zu entfalten. Wir beginnen mit dem großen Rondel, überſchattet mit rieſigen Acer dasycarpum, unter deren weitausgeladenem Geäſte ſich Alles erfreut. Dieſes Hemicyelium kann nicht verletzt werden, und iſt der Tummelplatz der Jugend; es wird daher ſtets ſchwer ſein, dieſe Partie dicht zu machen. Gerathener und zweckmäßiger möchte es daher fein, die ſtarken Bäume frei zu ſtellen, da⸗ gegen die dahinter gelegene konforme Partie abzuändern und den Gang hinter der Baſtion herum zu maskiren, ſo wie auch die tiefen Grüfte. Die Nadelholz-Partie iſt gänzlich verunglückt, da ihre fernere Entwickelung bei der Pflanzung nicht berechnet worden iſt, wenngleich hier ein dichtes Ahah unentbehrlich iſt. Die zwei Polſter vor den Kaſematten wären zu ſchleifen und in eine mit Zierſträuchern bepflanzte Gruppe umzuwan⸗ deln. Es kommt hier beſonders auf die Wahl der Gehölze und deren Pflanzung an. Wir beſteigen nun die Taſchenbaſtion; was von den Lehnen der Ziegelbaſtion geſagt worden iſt, gilt auch hier. Der Weg muß auf dieſer Seite gedeckt bleiben, ohne beengt zu werden und dies erreicht man leicht durch Bepflanzung der Lehne und der Böſchung. Auf dem Plateau angelangt, eröffnet ſich uns ringsum ein Panorama der Stadt und Vorſtädte, wie es nur noch wenige Promenaden anderer ehemaliger Feſtungsſtädte aufzuweiſen haben. Leider iſt der ehedem ſichtbar geweſene Hintergrund, beſtehend aus der ganzen Kette des Zobten- und Eulen— gebirges, dem Schneeberg ꝛc., großentheils durch die Häuſerreihe verdeckt oder verkürzt worden; durch ein Belvedere würde ſich dieſe Ausſicht wieder gewinnen laſſen. Vor allem wäre hier der Rand der Platte des Kegels mit Feſtons aller Art und Veranden auszuſtatten, dabei jede einzelne Scenerie in einen Rahmen zu faſſen; die Total⸗Anſicht aber in einen Brennpunkt zu konzentriren. Auf dieſer Platte befinden ſich recht ſchön gebildete Bäume von anſehnlicher Stärke, welche namentlich in dem Centrum freizuſtellen wären. Die künſtlichen Barrieren daſelbſt find abſcheulich, und wenn es nicht möglich erſcheint, ſchöne Gehölz-Gruppen daſelbſt zu erhalten, ſo ſcheint es mir weit beſſer, dieſe Partie als Ambulade zu halten. Es laſſen ſich aber auch recht nette Raſenteppiche hier bilden, mit leicht ſich durchſchlängelnden Wegen. Sollte es zu erreichen ſein, ein ſchönes Belvedere zu bauen, fo könnte die nächſte Umgebung leicht im italieniſchen Charakter gehalten werden. Es wären als Staffirung Canna, Mays, Sorghum und Rieinus zu gruppiren; Kürbisarten, Weingewinde, Geisblattarten ꝛc. ꝛc. an leichtem Gegittter und Trägern herumranken zu laſſen. Die Fläche iſt überhaupt nicht klein und die Aufgabe für den Bildner nicht ſchwer zu löſen, da die Environs ſtets den Ausſchlag geben werden. Die Anlage muß hier einen feierlichen, hehren Charakter tragen; ſie muß nicht beleidigend erſcheinen, überall muß dem Auge freier Weg gebahnt ſein. Was die terraſſenartig gebildete Böſchung nach der Nord— ſeite hinab anlangt, ſo ſcheint mir dies der einzige Ort zu ſein, wo die Geſellſchaft ihre Schattenpflanzen und Alpenbewohner mit Vortheil bauen könne. Es iſt dieſes Gärtchen umfriedet und abgeſchloſſen, kann auch an dieſer Seite der Abdachung, ohne den Charakter der Baſtion zu beeinträchtigen, für ſich beſtehen. Viele kleine Gehölze, welche ihrer Zartheit und ihrem zwergigten Wuchſe nach in keiner Pflanzung fortkommen, können hier noch an einem Abhange angebracht werden; überhaupt wäre dieſer Platz für die wiſſenſchaftlichen Verſuche der Sektion zu reſerviren Gehen wir nun auf der andern Seite hinab, ſo be— merken wir, daß dieſe Seite freigehalten iſt, den Weg auf einer Seite mit einer Liguſterhecke begrenzt, die Lehnſeite aber theilweiſe mit Geſtrüppe bekleidet, was von da ab um den ganzen Fuß der Baſtion zu regeln wäre. So ſchön dieſe Höhenſicht iſt, ſo anmuthig könnte die Partie am Ufer des Waſſers ſein, nach welchem 2 Wege aus der Allee hinabführen und endlich an der Pfennigbrücke ausmänden. Die Pflanzungen an dieſen Böſchungen find ſehr zerſtört, doch find einige ſchöne Bäume darunter. Das Ufer des Teiches iſt zu natürlich gehalten; denn Hopfen, Neſſeln und anderes Unkräutig wuchert luſtig hier durcheinander; aus dieſem Allen ragen ſtarre Kopfweiden mit ihren Meduſenhäuptern hervor. Sollte das Gouvernement es zu— geben, daß hier und da durch Anſchüttung Buchten gebildet werden könnten, fo könnte man mit dem reichen und mannigfaltigen Weidengeſchlechte hier glücklich operiren. Als Staffirung wäre Calamus, Phragmites, Thypha, Iris-Arten, Tussilago, Heracleum- Arten zu pflanzen, welche einen grotesken Charakter ge: währen. 207 Wir ſtehen an der Brücke und überfehen nun die Rudimente einer alten Gehölzpartie, welche den ehe— maligen Pleasureground des Graf Henckelſchen Palais ergänzte. Es giebt nicht leicht etwas Abſtrakteres, als dieſe Pflanzungen, hier eine ſteife Lindenmaſſe, palliſadenartig nebeneinander, durchgängig geſtutzt, dort ein Weg in unbeſtimmter Richtung; kein Zuſammenhang, keine Idee iſt daraus erſichtlich. Da die Taſchen— ſtraße eine Allee beſitzt, die neue Brücke ebenfalls mit Kugelakacien umgeben iſt, ſo konnte leicht links und rechts eine derartige Baumlinie gepflanzt werden, um der Sache einen Einklang zu geben; der Fuß der Baſtion aber auf dieſer Seite von neuem gedeckt und die der Straße zunächſt gelegene Pflanzung durch niedere Zier— gehölze geordnet werden. Denn was nützt das ofte Nachpflanzen, wenn man nicht ſolche Sträucher wählt, die von Haus aus als Unterholz in Waldungen vorkommen; ſie kommen ja doch nicht fort; dies kann viel— fältig auf unſerer Promenade nachgewieſen werden. Die beiden Flügelterraſſen der neuen Brücke wären mit einigen Klumpen, beſtehend aus Heracleum und Artiſchoken, zu dekoriren und zwar in der Mitte der Kurve. Zunächſt kommen wir nun an die Ecke am Zwinger. Es läßt ſich nicht läugnen, daß dies noch einer der gelungen— ſten Plätze in der Anlage iſt, jedoch wäre ſofort die neu gepflanzte Thuja-Gruppe zu entfernen, die hier nichts zu ſuchen hat. Die zerſtörten Hecken wären auszubeſſern. Die exotiſchen Glashauspflanzen haben an der Ecke des Zwingergartens einen ſchlechten Standort und wären anderweitig günſtiger aufzuſtellen. Die Stelle aber, welche von den beiden Schenkeln der Allee eingeſchloſſen wird, woſelbſt ſich jetzt eine kreisförmige Gruppe befindet, im Sommer mit Hortenſien beſetzt, wäre zu einem Monumente ganz geeignet und würde hier, von Bäumen umgeben, grandios erſcheinen. Die Anlagen an der Schweidnitzer Thor-Wacht bergen mehrere ſeltene Bäume und ſind im Allgemeinen gut arrangirt, bis auf die höchſt ſteife Zuſammenſtellung der Fliederbäume, da mehr Pfähle als Bäume zu ſtehen ſcheinen. Einzeln vertheilt würden ſich dieſe Bäume überall gut ausnehmen, und laſſen ſich dieſelben auch ſehr leicht mit Ballen verpflanzen. Die Alleen vom Schweid— nitzer- bis ans Nikolaithor find nicht gut unterhalten, aber kräftig wüchſig. Beim Eliſabethinerkloſter befindet ſich noch ein Blumenkorb mit ſchönem Flieder und einigen Blumenbeeten; erſterer iſt etwas verwildert. Es muß hier noch bemerkt werden, daß die zuſammengeſetzte Kommiſſion für die richtige Nomenclatur und Etiquettirung Sorge tragen wird. Die Birken um die äußere Promenade mögen manchem Bewohner da— ſelbſt läſtig ſein; es läßt ſich aber nicht leugnen, daß ſie eine angenehme Unterbrechung im Vorder- und Mittelgrund, je nach der Stellung des Beſchauers in dem Geſammtbilde geben. Wenn ich auch nicht ab— ſolut alle beibehalten wiſſen will, ſo kann ich doch der Meinung nicht beipflichten, dieſelben als charakterlos zu bezeichnen und ſie gänzlich zu entfernen. Die moderne Bauart hat im Allgemeinen eine große Monotonie, iſt bei geraden Straßen geradezu geiſttödtend. Wären es andre Bäume, dann wäre ich eher zu beſtimmen; allein die Birke iſt außer der Buche und Eiche einer unſerer erſten pittoresken Bäume, durch fein jungfräu— lich Kleid überflügelt er im Frühling alle in deren Grün. Es verſteht ſich von ſelbſt; daß der Lichteffekt auf die Tinten des Baumſchlages, ſowie die ihrer Belaubung bei den Pflanzungen in genau erwogenen Betracht gezogen wird, worin man ſo große Auswahl hat. Es wird hier nicht am unrechten Orte fein, wenn ich noch einiges zur allgemeinen Annehmlichkeit ſage. Schon längſt iſt das Bedürfniß gefühlt worden, ein Lokal zu beſitzen, worin die verkäuflichen, blühen— den Pflanzen aufgeſtellt werden können. Ein ſolches Gebäude würde unſtreitig an der Promenade ſeinen wahren Platz finden; es ließe ſich damit zugleich eine Konditorei, eine Frucht- und Leſehalle vereinen und zwar in dem Gefreierſchen Lokale zunächſt der Taſchenbaſtion, indem ich nicht zweifle, daß ſich ein ſolches Etabliſſe— ment hinlänglich rentiren werde. Ferner ein Podium für Militär-Konzerte, wie dies in Frankfurt a. M., in Mainz und andern Orten von den Gouvernements ſo volksfreundlich veranſtaltet wird, was ſich durch eine Anfrage auch hier ermitteln ließe. Es giebt ferner wohl nicht einen paſſendern Ort, das Andenken verdienter Männer einer Stadt zu feiern, als daß man ihnen an ſolchen volksbeſuchten Orten, wie die Boulevards ſind, Denkmale in Bruſtbildern aus Bronze ſetzt. Ein Theil der gefällten Baumſtämme könnte ferner ganz zweckmäßig zu einer Art Cottage als Retirade verwendet werden, die als Bequemlichkeit hinter die Taſchen⸗ 208 Baſtion zu verlegen wäre. Ueber die übrigen Plätze vor den Stadtthoren und dem Theile der Promenade von der Univerſität bis an die Goldbrücke will ich ſchweigen. Faſſen wir nun die ſämmtlichen Arbeiten zuſammen, ſo ergiebt ſich bald, daß dieſe Veränderungen, falls ſie ins Leben treten ſollten, nur gradatim ausgeführt werden können, indem wir nicht wie Orpheus Bäume und Berge verſetzen können, aber nichtsdeſtoweniger von vorn herein ein Generalplan nothwendig iſt. Bei Entwurf meines Planes folgte ich dem Ausſpruche unſres großen Schillers, d. d. h.: „„Die Gartenkunſt hat ſich durch ein übertriebenes Beſtreben nach Ungezwungenheit, Mannigfaltigkeit von einer ſchönen Einfalt entfernt und allen Regeln entzogen, begünſtigt von dem weichlichen Charakter der Zeit, der vor aller Beſtimmtheit der Formen flieht, und es unendlich bequemer findet, die Gegenſtände nach ſeinen Einfällen zu modeln, als ſich nach ihnen zu richten.““ Möchten dieſe Worte bei Ihnen eine freundliche Aufnahme finden und mir die Freude zu Theil werden, daß auch ich einen Stein zu dem Ausbau dieſes Werkes beigetragen habe. Möge die Planzung gedeihen, das Samenkorn, welches wir im Schoße dieſer Sektion geſteckt, zum ſtattlichen Baum erwachſen, damit ſich unſre Nachkommen noch an unſern Arbeiten erfreuen können.“ 209 * UoNvaayg) 0X gun 1200 aq usbungaeutegz a a%q ue npquyʒ * öde ow gavgbunz ⸗loaeqng ang | Son. 91 97% aa an! 95 5 Und Gaasz | gaagg | TS 0% un go “WG ul go = ST Daa "wmaupg-alnung uayıadr3ön? mg ayyuyusymg au -Ig@ an) UNS 299 uoa 299 Bunmamnyg 299 Hiugabad) ga aaqn pro gonvqup, ea, - anuleg gog a0 mE ud u v6 u nue — = har] ES N Su “a a G 2 2 222 2 2 — + S Be natsdunppiayuz) 27 a tg ür c A ee 106 Pe denn E BR i e e - “ e + OR en hör S. Bericht über die Vorträge der teehniſehen Sektion im Jahre 1848, von Direktor Gebauer, - zeitigem Sekretär derſelben. Am 10. Januar legte Herr Kaufmann C. G. Kopiſch mehrere Produkte aus Gutta percha vor. Es waren darunter breite und ſchmale Treibriemen, Radſchnüre und Schuhſohlen, welche dicht und glatt gearbeitet waren und ein ſchönes Ausſehen beſaßen. Auch theilte der Vortragende die Preiſe mit, für welche dieſe Gegenſtände bei Karl Lehmus, Brüderſtraße Nr. 3 in Berlin, zu beziehen ſind. Der laufende Fuß eines Riemens von 4“ Breite und 6“ Dicke koſtet 14½ Sgr. Er erklärte ſich bereit, Beſtellungen übernehmen zu wollen. Der Mechanikus, Herr Ilgmann, wies eine von ihm gefertigte Radſchnur vor und zeigte die leichte Art ihrer Zuſammenfügung durch mäßige Erwärmung und Zuſammendrückung der Enden. Der Sekretär der Sektion trug eine hiſtoriſche Darſtellung der Telegraphie in allgemeinen Grundzügen vor, und ſuchte die Wirkungsweiſe der jetzt üblichen elektromagnetiſchen Telegraphen durch Zeichnung anſchau— lich zu machen. Die Hauptarten der Telegraphen gründen ſich auf die ſchnelle Fortpflanzung des Lichtes und der Elektri⸗ zität. Man unterſcheidet ſie daher in optiſche und elektriſche Telegraphen. Zu Zeiten bedient man ſich auch wohl der Fortpflanzung des Schalles, um gewiſſe Ereigniſſe auf große Entfernung durch das Abfeuern von in paſſenden Abſtänden aufgeſtellten Kanonen mitzutheilen. Schon in ſehr früher Zeit gab man durch Signal: feuer von gewiſſen Vorfällen Kunde. Aber erſt zur Zeit der erſten Revolution in Frankreich kam der mit einigen Abänderungen noch übliche optiſche Telegraph von Chappe, welcher die Vorſchläge von Linguet benutzte, zur Anwendung im Großen. Auf einem ſenkrechten Balken iſt ein Querbalken drehbar, an deſſen Enden kürzere Balken mit Leichtigkeit in verſchiedene Stellungen zu bringen ſind. Durch die mannigfache Lage dieſer Balken, welche in Entfernungen von 2 bis 3 Meilen mittelſt Fernröhren erkennbar ſind, laſſen ſich Begriffe und Buchſtaben nach ſtattgefundener Uebereinkunft mittheilen. Bei Nacht ſuchte man durch Laternen die Stellung der Telegraphenarme kenntlich zu machen. Die Vorſchläge von Treutler, durch paſſende Stellung von Spiegeln in den Telegraphenarmen das zur Erleuchtung verwendete Licht zu reflektiren, dürften wahrſcheinlich in neueſter Zeit Anerkennung gefunden haben, wenn nicht durch die Anwendung der Elektrizität eine gänzliche Veränderung des Telegraphenweſens herbeigeführt worden wäre. Nach dem verſchiedenen Standpunkte der phyſikaliſchen Wiſſenſchaften waren die Vorſchläge zur Benutzung der elektriſchen Kräfte mehr oder weniger unpraktiſch, bis durch Gauß, Steinheil, Wheatſtone und Morſe allmälig die gegenwärtige Einrich- 27” 212 tung ins Leben gerufen wurde. Man bedient ſich hiezu der galvanifchen Elektrizität, welche man durch Anwendung einer der Entfernung der Orte, zwiſchen welchen telegraphirt werden ſoll, anpaſſenden Zahl Da— niell ſcher Zinkkupferketten, mit Schwefelſäure und Kupfervitriol durch Lederſchläuche getrennt, hervorbringt. Befindet ſich die Batterie an dem Orte A, ſo geht ein Leitungsdraht von dem Zink, entweder auf hölzernen iſolirenden Stangen in der Luft, oder in Gutta percha-Röhren, welche ebenfalls den Draht iſo— liren, unter dem Erdboden bis zu dem Orte B, an welchem Zeichen gegeben werden ſollen, und endiget da— ſelbſt in einer in feuchten Boden gegrabenen Kupferplatte von 9 bis 15 Quadratfuß. Von dem Kupferpol der in A angewendeten galvaniſchen Säule geht ebenfalls ein kurzer Draht bis zu einer in der Nähe in den feuchten Boden gelegten Kupferplatte, von der Größe der an dem anderen entfernten Orte B eingegrabenen. Der elektriſche Strom geht hiebei von dem Zink der Batterie durch den Draht in den Erdboden bei B und durch den Erdboden, welcher ebenfalls ein Leiter iſt, nach dem Orte A zurück, bis zum Kupferpol. Schaltet man in B in den Leitungsdraht einen Elektromagneten, ſo daß der Leitungsdraht die Schenkel des eiſernen Hufeiſens in hinreichender Zahl umkreiſet, fo wird derſelbe bei jedesmaliger Schließung der Kette in A magne= tiſch werden und einen paſſenden Anker aus geringer Entfernung anziehen, welcher bei Unterbrechung des Stromes wieder abfällt oder durch eine leichte Feder abgezogen werden kann. Bringt man mit dem Anker einen paſſenden Hebel in Verbindung, welcher in ein gezähntes Rädchen eingreift, ſo wird bei jeder An— ziehung deſſelben ein Zahn des Rädchens weiter geſchoben werden können. Befeſtiget man an der Axe des Rädchens einen Zeiger über einer Scheibe, auf welcher die Buchſtaben des Alphabets verzeichnet ſind, ſo läßt ſich der Zeiger nach einer paſſenden Zahl von Unterbrechungen des elektriſchen Stromes auf jeden beliebigen Buchſtaben ſtellen, und verbleibt auf demſelben, bis er durch neue Unterbrechungen des Stromes weiter gerückt wird. Um die Unterbrechungen des Stromes mit Schnelligkeit und Sicherheit zu bewerkſtelligen, befindet ſich in Ain den Leitungsdraht eingeſchaltet ein Blitzrädchen, eine meſſigne Scheibe, in deſſen Umfang ſo viel Plättchen von Elfenbein eingelegt ſind, als Buchſtaben mehr zwei vorhanden. Gegen dieſes Rädchen drückt eine Feder, welche einen Theil des Leitungsdrahtes bildet. Mit der Axe des Rädchens iſt der andere Theil des Leitungs⸗ drahtes und ein Zeiger verbunden, welcher über einer Scheibe, auf welcher die Buchſtaben des Alphabets ver— zeichnet ſind, bewegt werden kann. Dreht man den Zeiger ſo, daß die Feder auf ein Elfenbeinblättchen kommt, ſo iſt der elektriſche Strom unterbrochen; gelangt die Feder aber auf Meſſing, ſo iſt die Kette wieder geſchloſſen, der Anker in B wird angezogen und ſchiebt auf der Zeigerplatte den Zeiger um einen Zahn des Rädchens weiter. Das Oeffnen und Schließen der Kette kann in ſchneller Folge ſtattfinden, wodurch die Möglichkeit des ſchnellen Signaliſirens der einzelnen Buchſtaben gewährt wird. Damit aber auch von B nach A ſignaliſirt werden kann, iſt in B ein Zeichengebungsapparat und in A ein Elektromagnet mit Zeigerapparat in den Leitungsdraht eingeſchaltet. Es iſt kein Hinderniß vorhanden, auch mehrere dergleichen Apparate in Zwiſchenorten in den Leitungsdraht einzuſchalten. Läßt man den Hebel, welcher durch den Anker des Elektromagneten bei der Schließung der Kette in Bewegung geſetzt wird, ſtatt auf die Zähne eines Rades, mit einer Spitze gegen einen Streifen Papier wirken, welcher über eine Rolle mittelſt eines Uhrwerks gezogen wird, ſo entſtehen Eindrücke in Geſtalt von kurzen oder langen Linien, je nachdem man die Kette kürzere oder längere Zeit geſchloſſen läßt, deren Kom— bination bis zu vier die Dacſtellung der Buchſtaben des Alphabets und der Ziffern geftattet. Um die Schlie: ßung mit Sicherheit vornehmen zu köunen, iſt der eine Theil des Leitungsdrahtes mit einem Stifte verbun— den, gegen welchen ein federnder Hebel, mit welchem der andere Theil des Drahtes vereinigt iſt, gedrückt werden kann, um die Schließung der Kette längere oder kürzere Zeit dauern zu laſſen. Um den Beobachter an dem entfernten Punkte B aufmerkſam zu machen, daß die Mittheilung einer De— peſche erfolgen ſoll, wird entweder durch den Abfall des Ankers am Elektromagneten, welcher durch die Oeff— nung der Kette in A ſogleich erfolgt, ein kleiner Uhrweckerapparat in Thätigkeit geſetzt, oder es iſt zu dieſem 215 er En ar Di he b Behufe auch wohl ein kleiner Elektromagnet befonders in den Leitungsdraht eingeſchaltet, durch deſſen Anker bei ſeinem Abfallen dieſelbe Wirkung hervorgebracht wird. In der am 24. Januar abgehaltenen Sitzung ſprach Herr Profeſſor Dr. Düflos über mehrere tech— niſch⸗wichtige chemiſche Verbindungen des Stickſtoffes. Derſelbe erörterte zunächſt die charakteriſtiſchen Eigen: thümlichkeiten des Stickſtoffes, deſſen Vorkommen in der Atmoſpähre, den Pflanzen und Thieren, und die ver— ſchiedenen Methoden, deren ſich die Chemiker zu deſſen Nachweiſung und quantitativen Beſtimmung bedienen, und ging dann zu näherer Beſchreibung der verſchiedenen Formänderungen über, welche der in den zuletzt ge— nannten Körpern enthaltene Stickſtoff erfährt, wenn dieſe der Zerſtörung durch Verweſung und durch trockene Deſtillation bei Abweſenheit und bei Vorhandenſein alkaliſcher Subſtanzen anheimfallen. Es wurde die Bil— dung von Stickſtoff⸗Waſſerſtoff lãüummonium), von Stickſtoff-Sauerſtoff (Salpeterſäure), von Stickſtoff-Koh⸗ lenſtoff (Cyan), und die mannigfalttigen Beziehungen dieſer Verbindungen zur Technik erläutert und durch Vorlagen der betreffenden Körper, wie auch durch zahlreiche Experimente veranſchaulicht. Schließlich berichtete der Vortragende noch ausführlich über die in neuerer Zeit von Poßoz und Boiffiere im großen Maaß— ſtabe ausgeführte Darſtellung von Cyan-Eiſen-Calium (Blutlaugenſalz) und von kohlenſaurem Ammonium auf Koſten des atmoſpäriſchen Stickſtoffs, welche wie in chemiſcher Hinſicht, fo auch für viele Indußſriezweige (Färberei, naſſe Vergoldung und Verſilberung, Agrikultur u. ſ. w.) in gleichem Maaße von höchſtem In: tereſſe iſt. Am 7. Februar hielt Herr Dr. Stolle unter der Bezeichnung: „Technologiſche Rundſchau“ einen Vortrag, worin derſelbe vorerſt unter Vorzeigung einiger neuer Kunſterzeugniſſe aus Gutta percha, deren Eleganz und Dauerhaftigkeit Anerkennung verdienen, auf die zunehmende Wichtigkeit dieſes Stoffes das Augenmerk der Verſammlung richtete, und auf die Nothwendigkeit, durch ſtarke Preſſung (namentlich für Treibriemen, Schuhfohlen u. ſ. w.) dem Fabrikat die größtmögliche Dichtigkeit zu geben, aufmerkſam machte, zugleich aber auch den hohen Aufſchwung, welchen dieſer neue Gewerbszweig im öſterreichiſchen Nachbarſtaate nimmt, durch Kundgebung des dort ſeit ohngefähr 8 Monaten eingeführten Quantums von circa 30,000 Pfd. roher Gutta percha andeutete. Demnächſt gab Dr. Stolle einige praktiſche Erläuterungen über den Betrieb des elektromagnetiſchen Telegraphen nach dem Syſtem des Prof. Morſe in Nordamerika und theilte noch einiges über deſſen Anwendung zu Nothſignalen bei Feuersbrünſten in großen und ausgedehnten Städten, wie Newyork, mit. Auf den Vorſchlag des Apothekers Batilliat zu Macon hinſichtlich der Verwerthung der Wein⸗Deſtillations-Rückſtände Bezug nehmend, theilte der Vortragende dann feine Erfahrungen zur zweckmäßigſten Benützung der Weinhefe mit, aus der ſich im Großen nicht nur eine vorzügliche Pottaſche, ſondern nebſt gutem Leuchtgas auch eine vortreffliche Kupferdruckerſchwärze und Anſtrichfarbe in bedeutenden Quan⸗ titäten fabriziren läßt. Auf die neueſten Verſuche zur Auffindung paſſender Surrogate für die Kartoffeln zur Branntweinerzeugung übergehend, wies der Vortragende die Nützlichkeit der wilden oder Roßkaſtanien nach, deren praktiſcher Werth auch zur Maſtung der Thiere noch in Böhmen ſich jüngſt herausgeſtellt hat und pries zu gleichen Zwecken namentlich die nicht genug anzuerkennenden koſtbaren Eigenſchaften des Mais, oder türkiſchen Weizens, an welchen Vortrag ſich eine Debatte über die in Schleſien klimatiſche Zuläſſigkeit eines erweiterten Anbaues dieſer nützlichen Pflanze anſchloß, welche Herr Dr. Stolle in Rückſicht auf die ſorgfältige Weiſe, mit welcher die Vorfehung diefe Frucht mit allen Schutzmitteln umgeben und ihr die höchſte vegetabiliſche Nahrungskraft zugetheilt hat, als ein „Schooßkind der Natur“ bezeichnen zu müſſen glaubte. Herr Graf von Reichenbach-Bruſtawe nahm thätigen Antheil an dieſer allgemeinen Unter— redurg und unterſtützte Herrn Dr. Stolle's auf größere Verbreitung des Maisbaues hinzielenden Wünſche durch die Mitheilung der durch ihn während 20 Jahren in Schleſien genommenen praktiſchen Reſultate, welche die Möglichkeit einer ausgedehnten Maiskultur in unſerer Provinz außer allen Zweifel ſetzen. 214 Am 21. Februar hielt Herr Oberlehrrr Dr. Sadebeck einen Vortrag über den Theodoliten. Derſelbe bemerkte zuerſt, daß das Wort Theodolit die Anwendung dieſes Inſtrumentes nicht gehörig bezeichne, indem es, aus den griechiſchen Wörtern Ferouaı und oͤo lx os gebildet, ein Inſtrument bezeichne, mit welchem man in die Ferne ſehen könne und alſo nicht ausdrücke, daß daſſelbe zu Winkelmeſſungen diene. Darauf ging er zu der Einrichtung, Korrektion und Benützung der Theodoliten über und erläuterte das Geſagte an zwei Inſtru— menten, von denen das eine, Eigenthum der hieſigen Sternwarte, ein ſogenanntes portatives Paſſagen-In— ſtrument, von Utzſchneider in München, das andere, vorzüglich zu terreſtriſchen Beobachtungen beſtimmte, von Nöſſelt und Staritz hierſelbſt verfertiget war. Es wurde dabei hervorgehoben, daß das letztere der erſte in Breslau gebaute Theodolit wäre. Herr Profeſſor Purkinje machte die Mittheilung einer neuen plaſtiſchen Maſſe, welche gegenwärtig häufig in Wien, Berlin und auch hier zu Galanterie-Arbeiten und zu Verzierungen von Möbeln angewendet wird. Die Ingredienzien dazu beſtehen aus geſiebter Schlemmkreide und dicker Leimlöſung, in dem Verhält⸗ niſſe von 5 zu 1 trockner Leim). Nachdem die Kreide mit der Leimlöſung zu einem Teige verarbeitet wor— den, bringt man eine angemeſſene Menge venetianiſchen Terpentins dazu, wodurch die Brüchigkeit des Teiges aufgehoben wird. Um das Kleben an den Händen während der Verarbeitung des Teiges mit dem venetiani— ſchen Terpentin zu verhindern, ſetzt man von Zeit zu Zeit eine geringe Quantität von Leinöl hinzu. Man kann auch der Maſſe beliebige Farben geben, die man gleich beim Kneten beimiſchen kann. Sie läßt ſich in Formen drücken und zur Darſtellung von Basreliefs und andern Geſtalten, z. B. Thieren, verwenden. Man kann ſie auch aus freier Hand bearbeiten und Modelle davon verfertigen, wobei die Hände mit Leinöl befeuch— tet werden müſſen; auch muß die Maſſe während der Arbeit warm gehalten werden. Wenn fie dann aus: kühlt und trocknet, was in einigen Stunden erfolgt, wird ſie ſteinhart und kann dann wieder zum Abdruck neuer Formen dienen. Referent zeigte ein aus dieſer Maſſe im größeren Maßſtabe dargeſtelltes Labyrinth des des menſchlichen Gehörwerkzeuges. Am 6. März gab Herr Profeſſor Dr. Duflos einen ausführlichen Ueberblick der für die Technik wich⸗ tigen chemiſchen Verhältniſſe der Alkalimetalle (Kalium und Natrium). Es wurde zuerſt die Bedeutung, welche in der Chemie dem Namen Alkali beigelegt wird, und die Art der chemiſchen Wirkſamkeit, worauf beſonders die große Wichtigkeit dieſer Stoffe für die chemiſche, wie für die induſtrielle Technik ſich gründet, erörtert und durch Experimente veranſchaulicht. Der Vortragende legte dann die betreffenden Metalle ſelbſt vor, zeigte ihr Verhalten zum Waſſer bei Luftzutritt und bei Luftabſchluß, beſchrieb die verſchiedenen Arten ihres Vorkom— mens in der Natur, die Gewinnung derſelben aus den reſpektiven kohlenſauren Salzen, und beſonders aus— führlich die Darſtellung dieſer letztern im Großen in Form von Pottaſche und Soda. Die Werthbeſtimmung der Pottaſche und Soda mittelſt der alkalinatriſchen Probe, und eben ſo auch nach der Methode von Freſe— nius und Will, wurden erläutert und ſogleich experimentell ausgeführt. Den 24. Juli erörterte der Sekretär der Sektion die Einrichtung und Wirkungsweiſe der Feuerſpritzen. Bei ſonſtiger zweckmäßiger Konſtruktion einer Spritze iſt die Beſchaffenheit des Kolbens der weſentlichſte Um: ſtand, von dem die Dauerhaftigkeit der Stiefel und das jederzeitige Anſprechen unter allen Witterungsverhält— niſſen abhängig iſt. Die Scheibenkolben, aus übereinander gelegten Leder- oder Filzſcheiben, leiſten, ſo lange ſie neu ſind, gute Dienſte, aber gehen ſchwer. Nach längerem Gebrauche ſchleifen ſich die Ringe ab, trocknen ſtark zuſammen und weitern mit Hilfe des oft ſandigen Waſſers, welches zum Löſchen nicht ſelten verwendet werden muß, die Stiefel aus. Die Folge iſt, daß Spritzen dieſer Art, auch wenn ſie nach jedesmaligem Ge⸗ brauche die erforderliche Reinigung und Fettung erfahren, immer ſchlechter werden, und mindeſtens dann län— gere Zeit bedürfen, ehe ſie nach Aufquellung des Leders oder des Filzes Dienſte zu leiſten vermögen. 215 Viel größere Vorzüge beſitzen die Manchetten= Kolben, Ihre Reibung iſt geringer, und das durch fie veranlaßte Ausſchleifen der Stiefel ohne erheblichen Nachtheil. Aber auch bei dieſer Art Kolben hat das Aus— trocknen und Zuſammenſchrumpfen des Leders den Nachtheil, daß im Anfange des Wiedergebrauchs die Thä— tigkeit der Spritze erſt nach und nach in geregelten Gang gebracht werden kann, als das Leder durch Anſau— gung von Waſſer ſeine Steifigkeit verliert. Dieſer Uebelſtand macht ſich insbeſondere bei ſolchen Spritzen gel— tend, welche das erforderliche Waſſer aus einer Tiefe zu ſaugen haben, wie dies bei den ſogenannten Trans— porteuren der Fall iſt. Dieſe Verzögerung der Waſſerzuführung zu anderen Spritzen in der Nähe des Feuers, welche dadurch oftmals veranlaßt wird, iſt Urſache eines erheblichen Schadens, welchen inzwiſchen das Feuer in den bedrohten Gebäuden anrichtet. Beide Arten von Kolben haben den Uebelſtand gemein, daß ſie wäh— rend des Winters in dem Stiefel eingefrieren, wenn nicht die äußerſte Vorſicht beim Austrocknen nach ſtatt— gefundenem Gebrauche getroffen wird, und auch Veranlaſſung zur Oxydirung des Stiefels geben. Der Vor— tragende zeigte eine von dem Mechanikus Herrn Ilgmann gefertigte Spritze vor, welche nach Belieben das erforderliche Waſſer aus einer Tiefe hebt, oder aus dem Waſſerkaſten, in den man es gebracht, entnimmt und durch zwei Röhren oder Schläuche entſendet. Der Kolben dieſer Spritze iſt ein hohler Metalleylinder, Die Liederung beſteht aus einem gefetteten Wergſtrang, am oberen Ende des Stiefels mittelſt eines Druckringes befeſtiget und luftdicht gegen den Cylinder gedrückt. Durch dieſe einfache und treffliche Vorrichtung ſind die erwähnten Schwierigkeiten vollſtändig beſeitiget. Sollte ſelbſt bei vorkommender Vernachläſſigung ein Zufrieren der Ventile ſtattgefunden haben, fo dürfte der Einguß einiger Quart warmen Waſſers in den offenen Cylin— der, welcher als Kolben dient, zur Beſeitigung dieſes Uebelſtandes hinreichend ſein. Auch das Saugrohr zeich— net ſich vor den üblichen dadurch aus, daß es, aus dicker Gutta percha beſtehend, der Metallſpirale, welche durch Oxydirung leidet und den Lederüberzug verdirbt, entbehrt. Nach den angeſtellten Proben lieferte dieſe Spritze, welche zwei Stiefel und einen Windkeſſel beſitzt, in zwei Schläuchen in der Minute zehn Kubikfuß Waſſer, welches aus einer Tiefe von 19 Fuß gezogen wurde, ſobald fie mit acht Mann ohne Anſtrengung bedient wurde. Aus dem Waſſerkaſten ſpritzte fie dieſelbe Quan⸗ tität in gleicher Zeit durch ein Spritzrohr auf eine Höhe von 70 Fuß, wobei die Anſtrengung derſelben Druck— mannſchaft jedoch erheblicher ſein mußte. Die Kolben hatten dabei 6 Zoll und das Spritzrohr einen halben Zoll im Durchmeſſer. Am 23. Oktober hielt Herr Dr. Schwarz einen Vortrag über die Silberbeſtimmung auf naſſem Wege. Das Silber wird häufig, legirt mit Kupfer, zu Münzen und Geräthen angewendet. Es iſt von In— tereſſe, in dieſen Legirungen den Silbergehalt quantitativ beſtimmen zu können. Die bis jetzt gebräuchlichſten Methoden der Probirnadeln, der Kupellation ꝛc. find mehr oder minder un- genau. Das gewöhnliche Verfahren der Chemiker, das zu unterſuchende Metall in Salpeterſäure aufzulöſen, und das durch Chlorwaſſerſtoffſäure oder Chlormetalle gefällte Chlorſilber zu wägen, iſt, obwohl genau, doch zeitraubend. Compendiöſer und ſchneller zum Ziele führend iſt es, ſtatt das gefällte Produkt (Cl. Ag.) zu wiegen, die zum Fällen gerade nöthige Menge Kochſalz (Cl. Na.) zu beſtimmen, oder vielmehr eine Löſung deſſelben von bekanntem Gehalte abzumeſſen, wie Gay-Lüſſac gelehrt hat. Die Operation wird dadurch leicht und einfach, daß das Chlorſilber die Eigenſchaft hat, durch Schütteln ſich zuſammenzuballen und eine klare Flüſſig⸗ keit zu laſſen. Man verſchafft ſich zuerſt eine Normallöſung von Kochſalz, von der 100 C. C. oder Gr. ge: rade genügen, um 1 Gr. reines Silber zu fällen. Dies geſchieht entweder, indem man eine beftimmte Menge“) ) 0,543 Gr. Cl. Na. in 100 C. C. Waſſer. 216 reines Kochſalz in einem beſtimmten Volumen Waſſers auflöft, oder indem man eine möglichſt ſtarke Löſung von unreinem Kochſalz macht, deren Chlorgehalt beſtimmt und darnach berechnet, wie viel Waſſer zugeſetzt werden muß; und zuletzt durch einige Proben mit reinem Silber *) die Richtigkeit der Normallöſung prüft. Die Normallöſung wird in großen Reſervoirs aus Glas oder Blech aufbewahrt. Man hat nun einen ziem⸗ lich komplizirten Apparat, um eine Pipette a Pecoulement mit dieſer Salzlöſung genau fällen zu können. (f. denſelben in Gay-Lüſſac's Werk „über die Silberbeſtimmung auf naſſem Wege,“ überſetzt von J. Liebig.) Indeſſen kann jede richtig graduirte Pipette dazu dienen. Es iſt nöthig, vorher ungefähr den Gehalt der zu unterſuchenden Legirung an Silber entweder durch den Strich oder die Kupellation zu kennen, um die Operation raſch und bei dem erſten Verſuch abſolut rich⸗ tig vorzunehmen. Man löſt fo viel Legirung, und zwar von den verſchiedenſten Theilen der Maſſe genommen, als ungefähr 1 Grad reines Silber enthalten würde, in einer Flaſche mit gut eingeriebenem Glaspfropfen in Salpeterſäure durch Erwärmen im Waſſerbade auf, verjagt die gebildeten ſalpetrigen Dämpfe mittelſt eines Blasbalgs aus der Flaſche, und bringt nun 100 C. C. der Normalkochſalzlöſung hinzu. Die Flüſſigkeit trübt ſich, und durch kräftiges Schütteln mit der Hand oder einer Schüttelmaſchine (ſ. G.-L.) fest ſich das Chlor: ſilber als käſiger Niederſchlag vollſtändig ab. Zu der darüber ſtehenden klaren Flüſſigkeit ſetzt man nun 1 C. C. einer Zehntel-Kochſalzlöſung hinzu, die man bereitet, indem man 100 C. C. der Normalkochſalzlöſung zu einer Litre mit reinem Waſſer verdünnt. Erfolgt hierbei eine Trübung von neu ausgeſchiedenem Chlor— ſilber, ſo zeigt dies an, daß noch Silber vorhanden iſt, daß alſo die abgewogene Menge der Legirung mehr als 1 Gr. reines Silber, und zwar 1,001 Gr. enthält. Man ſchüttelt und wiederholt die Operation ſo lange, bis keine Trübung mehr erfolgt. Jeder C. C., der eine Trübung hervorbrachte, zählt hier 0,001 Gr. Ag., ausgenommen der letzte, da man annehmen kann, daß dann ſchon ein Theil des Cl. Na. nicht mehr nöthig iſt. Dieſer zählt hier 0,0005 Gr. Ag. Erfolgt ſchon auf den Zuſatz des erſten Kubikcentimeters der Zehntellö— ſung kein Niederſchlag, ſo iſt das ein Zeichen, daß wenigſtens nicht mehr als 1,000 Gr. Ag. vorhanden iſt. Alsdann bedarf man einer Zehntel-Silberlöſung, die durch Auflöſen von 1 Gr. reinen Silbers in Salpeter- ſäure und Verdünnen zu 1,000 C. C. bereitet wird. 1 C. C. entſpricht 0,001 Gr. Ag. und auch 1 C. C. der Zehntel-Kochſalzlöſung. Man zerſtört alſo den überflüſſig zugeſetzten C. C. der letzteren durch 1 C. C. Zehn⸗ tel⸗Silberlöſung, ſchüttelt und fährt mit dieſer Operation ſo lange fort, bis keine Fällung mehr erfolgt. Die Berechnung iſt dann ganz wie oben, nur müſſen die Milligramme Silber von 1,000 Gr. abgezogen werden. Die Berechnung auf Procente iſt dann ſehr einfach. Von andern, in den Silberlegirungen vorkommenden Metallen wird das Gold in kleiner Menge ver— nachläſſigt, in größerer Menge durch Filtration beſeitigt. Blei macht dieſe Methode, wenn nicht unmögslich, doch wenigſtens ſehr ſchwierig, und es wird dann die Kupellation vorgezogen. Auch Queckſilber, das, ſelten zwar, vorkommt, hinderte durch ſeine Eigenthümlichkeit, als ſalpeterſaures Oxyd, ſelbſt dem Chlorſilber einen Theil des Chlors zu entziehen, und dabei die Flüſſigkeit fo milchig zu ma: chen, daß ſie ſelbſt nach langem Schütteln ſich nicht klärte, die Operation ſo lange, bis Levol fand, daß durch Zuſatz von eſſigſaurem Ammoniak, auf eine freilich nur ungenügend erklärte Art, dieſe Schwierigkeit zu umgehen ſei. Am 6. November ſprach Herr Dr. Schwarz „über eine neue, von ihm und R. Böhme aufgefun— dene Aetzmethode für Kupfer und Stahl.“ Die Aetzflüſſigkeit der Kupferſtecher iſt bis jetzt meiſt Salpeterſäure mit mannigfachen Zuſätzen geweſen, um die nachtheiligen Wirkungen derſelben zu beſeitigen, weͤlche vorzugs— weiſe in der Entwickelung von Gasblaſen ihren Grund haben und Veranlaſſung zu einer ſchartigen und un— terfreſſenen Zeichnung geben. Die Erfinder glaubten daher, die Haloide mit Vortheil in Anwendung nehmen *) Durch Schmelzen von ausgewaſchenem Chlorſilber mit Kalk und Kohle. 217 u zu können, da ſich dieſelben direkt mit den Metallen verbinden, ohne eine Ausſcheidung einer Luftart zu vers anlaſſen. Für Kupfer brachten ſie eine ſchwache Salzſäure mit chlorſaurem Kali verſetzt, etwa zwei Theile chlorſaures Kali auf zehn Theile Salzſäure, mit zwanzig Theilen Waſſer verdünnt; für Eiſen und Stahl Sod: kalium, in welchem Jod gelöſt, etwa zwei Theile Jod in fünf Theilen Jodkalium und vierzig Theilen Waſſer in Vorſchlag. Es wurden mit dieſen Flüſſigkeiten Proben auf Kupfer und Stahl vorgenommen, welche ſehr befriedigend ausfielen. Die gemachten Abdrücke zeigten die erforderliche Schärfe und Kraft. Iſt die Jod⸗ löſung erſchöpft, ſo kann ſie, um aus dem gebildeten Jodeiſen das Jod auszuſcheiden, mit Pottaſche verſetzt und filtrirt werden. Durch Zuſatz von Chlor kann wieder ein Theil Jod frei gemacht werden. Herr Profeſſor Dr. Duflos ſchlug Bromwaſſer zur Aetzung auf Kupfer vor. Am 4. December hielt Herr Dr. Baumert „über einige Beſtandtheile des Fleiſches und deſſen Ver— wendung als Nahrungsmittel“ einen Vortrag. Es wurde zunächſt darauf hingewieſen, wie es den Naturwiſſenſchaften erſt in der neuern Zeit gelungen iſt, eine wiſſenſchaftliche Verſtändigung über den Begriff der Nahrungsmittel herbeizuführen. Der Grund für dieſe Erſcheinung muß in der Schwierigkeit ſolcher Unterſuchungen geſucht werden, die uns auf ein noch wenig gekanntes Feld, auf die Prinzipien der Ernährung, zurückleiten. Andererſeits iſt die Technik der Nahrungs⸗ mittel einſach und wegen ihres allgemeinen, in das Leben greifenden, Intereſſes ſtets mit Eifer betrieben worden. In dem verfloſſenen Jahre ſind unſere Kenntniſſe der Fleiſchbeſtandtheile durch eine Arbeit J. Liebigs erweitert worden, die auch vom praktiſchen Standpunkte aus für die Zubereitung des Fleiſches wichtig erſcheint. Nach einem kurzen Abriſſe der anatomiſchen Struktur der Muskeln wurden die einzelnen Beſtandtheile derſelben ihren chemiſchen Eigenſchaften nach genauer betrachtet und daran die verſchiedenen Zubereitungsarten des Fleiſches, ſoweit dieſelben eine Aenderung in feinem chemiſchen Beſtande nach ſich ziehen, angereiht. Be⸗ ſonders wurden die Veränderungen, welche das Fleiſch durch das Kochen, Dämpfen, Braten und Einpökeln erleidet, hervorgehoben. Aus dem Zweck, welchen man bei dieſen verſchiedenen Operationen vor Augen hat, ergaben ſich die Regeln, welche unter Anleitung der chemiſchen Erfahrung zu beobachten ſind. Es folgte hieraus zum Beiſpiel, daß man das entgegengeſetzte Verfahren einſchlagen muß, je nachdem man Fleiſchbrühe oder ein ſaftiges Fleiſch erzielen will. Die ernährende Wirkung der Fleiſchbrühe machte ein genaueres Ein— gehen nicht nur in die Zuſammenſetzung derſelben nöthig, es wurden auch die Anſichten und die in dieſer Richtung angeſtellten Experimente einer Kritik unterworfen. Das Kreatin, fo wie die übrigen intereffanten - Beſtandtheile der Fleiſchflüſſigkeit, wurden vorgelegt und das Wichtigſte über ihr chemiſches Verhalten beige— fügt. Schließlich wurde die Uebereinſtimmung hervorgehoben, welche zwiſchen dem Fleiſche verſchiedener Thiere beſteht. Herr Graf v. Reichenbach-Bruſtave hob hervor, daß es ſehr wünſchenswerth ſcheine, daß der Verbrauch des Pferdefleiſches auch am hieſigen Orte in Aufnahme komme, um insbeſondere dem ärmeren Theile der Bevölkerung ein wohlfeiles nahrhaftes Nahrungsmittel zu gewähren, und erklärte ſich bereit, hun— dert Thaler zu zahlen, wenn ein vollkommen eingerichteter Fleiſchverkauf dieſer Art zu Stande komme. Es wurden auch in dieſem Jahre, wie früher, die wichtigeren gewerblichen Zeitſchriften gehalten und den Mitgliedern zur Kenntnißnahme zugeſendet. —— . — 28 an Ke e de e yo e e delle u RT ae — 1 ame 5 t e e i wessen nr ug fdr beat —— ee ER BE LTE Sfr PB: nm ne se d ar ee aN N ee A N e eee lde men Finn at bier eee ee e wee RE ra deb Rehe i fr HD e Ye enetemgfas M e e un en ek 1 * ss ge 1 ee we 8 oh a eee enen 40 Ee ag Mee en 12 AR on ler ders e RE | nz yes. SEIEN € 1 . f IR 20 m 0 er vor * N 2 MAN Ken 0 Pr — 0 — i Fa e ce ana N ag a ee — BR nr “a are, Wc re en een weer ene. Abit Ne cer a e e ee a RR 2 ent N ee N. en rät . sing T mae 1 or . eee nie | * Lr. n eee | „ee, 2 eo. FR a 635 eee ee e ei e RR * we Me ee 5 eres re En ee 4 iN ere ee ne deu — nr no an em ana ee 4 nr sn er ee: rz ner mai a A am Mae W i N — —.— Bine — m Bee Eee | Re a Wie, ae eher eee ia 5 45 e An meh wee wee d dme w nen ee ug ge e re ee Wr: 740 3 Balz PR EN w. hat it a7 Ä a A; en n 219 II.. Abtheilung für Geſchichte, Statiſtik, Philologie und Pädagogik. 9. Die hiſtoriſehe Sektion. (Sekretär Profeſſor Dr. Rö pell.) Von den im abgelaufenen Jahre in den allgemeinen Verſammlungen, wie in den Sitzungen der Sektion gehaltenen hiſtoriſchen Vorträgen wurde uns folgender zur Veröffentlichung übergeben: Die patriotiſche Geſellſchaft in Schleſien. (1772—1791.) Von Dr. Auguſt Kahlert. So allgemein bekannt und geachtet die Wirkſamkeit der feit 1803 beſtehenden Schleſiſchen Geſellſchaſt für vaterländiſche Kultur iſt, ſo unvollſtändig ſind die vorhandenen gedruckten Nachrichten über den Lebenslauf der patriotiſchen Geſellſchaft Schleſiens im vorigen Jahrhunderte, eines nach Bedeutung, Beſchaffenheit und Schickſal freilich von jener verſchiedenen Vereins, der aber doch als Vorläufer des erſtgenannten zu betrachten iſt. v. Klöber, Kauſch, Schummel haben in ihren Schriften jene Geſellſchaft flüchtig erwähnt; weit beſtimmteren Bericht über ſie hat C. A. Menzel in ſeiner Geſchichte Schleſiens gegeben; eine zuſammen— hängende Darſtellung ihres Verlaufes iſt aber nur dann möglich, wenn, was hier verſucht werden ſoll, die ungedruckten Verhandlungen des engeren Ausſchuſſes der ſchleſiſchen Generallandſchaft, deren Einſicht mir freundlichſt geſtattet wurde, zu Rathe gezogen werden; denn in dieſen liegen die Entſcheidungen über die Schickſale jener in Verbindung mit dem ſchleſiſchen Kredit-Inſtitute entſtandenen patriotiſchen Geſellſchaft. Der Wohlſtand Schlefiens war nach dem ſiebenjährigen Kriege ungemein tief geſunken, und bedurfte kräf— tiger Aufhülfe. Der in der Provinz regierende Miniſter, Graf v. Schlaberndorf, ein Mann der eiſernen Strenge, verfuhr nichtsdeſtoweniger ſchonungslos gegen die täglich mehr verarmenden Beſitzer von Landgütern. Zwiſchen ihm und der ſchleſiſchen Ritterſchaft entſtand hierdurch eine heftige Spannung, ja, Feindſeligkeit, die ſo weit wuchs, daß ſie Friedrich dem Großen nicht entgehen konnte, und endlich die Abſetzung des in Ungnade verfallenen Miniſters herbeifül rte, worauf unmittelbar dieſer ſtarb (1769). Dies iſt der Zeitpunkt, womit ein neuer Zuſtand des Landes begann. Das Mittel insbeſondere, welches denſelben herbeiführte, war das ſchleſiſche Kredit-Inſtitut, gewöhnlich die Landſchaft genannt, eine Anſtalt, wodurch der König den Dank des ſchleſiſchen Adels ſich erwarb, während die Anſtalt ſelbſt bald gerade eben ſo viel Tadel als Billigung erfuhr. Ohne hier auf eine Prüfung einer 28 * ſtaatswirthſchaftlichen Maaßregel, welche der gewerbtreibende Stand als einfeitige Begünſtigung des adligen Grundbeſitzers angriff, einzugehen, iſt nur der Name des tiefblickenden Begründers, nämlich des ſchleſiſchen Juſtizminiſters v. Carmer, ſogleich hier zu erwähnen, da wir in gegenwärtiger Darſtellung mehrfach auf ihn Bezug zu nehmen haben. Seit 1768 in Schleſien angeſtellt, betrieb er mit großem Nachdruck die Ausfüh⸗ rung jener von ihm als heilſam erkannten, übrigens ſchon früher von dem Berliner Kaufmann Bühring vorgeſchlagenen Maaßregel, die im Juli 1770 durch ein Patent des Königs ins Leben trat. Carmer hatte ſich überzeugt, daß mit der unbiegſamen Härte und Strenge in Vollſtreckung des königlichen Willens, die Schlaberndorf an den Tag gelegt hatte, die Aufgabe des ächten Staatsmannes keinesweges gelöſet ſei. Die nationalen Kräfte eines Landes zu heben, zu entfalten, ſchien ihm das Rächſte und Wichtigſte; die Schätze des ſchleſiſchen Bodens kannten deſſen Bewohner zu wenig, um durch Austauſch die Schätze des Auslandes zu erwerben. Die Landwirthſchaft, und mit ihr die Pflege aller derſelben dienenden Wiſſenſchaften, faßte da⸗ her v. Carmer zugleich mit der Begründung jener obenerwähnten Anſtalt ins Auge, und war auf Mittel be⸗ dacht, der geſammten Kultur des Landes aufzuhelfen. Daß Liebe zum alten Herkommen, Gedankenloſigkeit, auch wohl Eigenſinn wichtigen Reſultaten der Wiſſenſchaft den Eingang in Schleſien lange verwehrt hatten, wer mußte es mehr beklagen, als der Stifter einer Anſtalt, die allein darauf berechnet war, daß die für Mil⸗ lionen verpfändeten ſchleſiſchen Landgüter im innern und wahren Werthe ſich verbeſſerten, und fo den Gläubi— gern, den ſogenannten Pfandbriefsbefigern, immer größere Sicherheit gewährten. Zu dieſem Ende ſtiftete Carmer unmittelbar nach jener Anſtalt eine Geſellſchaft, die den Namen: „Patriotiſche Geſellſchaft in Schle⸗ ſien“ erhielt, und als ihren großen Zweck „Verbreitung allgemeiner Wohlfahrt“ angab. Als der erſte Generallandtag im Juni 1770 zu Breslau abgehalten wurde, regte er zuerſt dieſe Idee an, die er am erſten März 1771 in einem Rundſchreiben an ſämmtliche Landſtände genauer ausführte, und zugleich bemerkte, daß der König bereits ſeinen beſonderen Schutz zugeſagt habe. In dieſem merkwürdigen Aktenſtücke heißt es: „Es ſind zwar Gegenden in Schleſien, wo der Ackerbau, die Viehzucht und andere zur Landwirthſchaft gehörige Beſchäftigungen mit eben ſo vieler Einſicht als gutem Erfolge betrieben werden, allein der größte Theil des Landes iſt von den beſonderen Vortheilen geſchickter Oekonomen noch nicht unterrichtet, und es iſt ein Mittel nöthig, den Gebrauch derſelben allgemeiner zu machen.“ Ferner wird auf die Noth- wendigkeit, „den Getreidehandel zu heben, hingewieſen, da viele Gutsbeſitzer bei vollen Scheuern blos wegen Mangel an Anwehr kein Geld zu den nöthigſten Ausgaben erreichen könnten; folglich ſei die Handelswiſſen⸗ ſchaft zu betreiben, und eine Verbindung zwiſchen dem Grundbeſitzer und dem Kaufmanne eingeleitet worden. Endlich gehöre die Pflege der Induſtrie im weiteſten Sinne dazu, und ſomit wird als dreifacher Zweck der Geſellſchaft die Verbeſſerung des Ackerbaues, der Fabriken und des Handels mit dem Auslande feſtgeſtellt.“ Alle Kreis- und Fürſtenthumsverſammlungen des Landes wurden zur Berathung dieſes Vorſchlages genöthigt; am 25. Februar 1772 endlich trat das Ergebniß derſelben in einer jetzt höchſt ſeltenen Druckſchrift ans Licht, die den Titel führt: „Statuten der unter Allergnädigſten Königl. Genehmigung von der Schleſiſchen Land⸗ ſchaft zur Aufnahme des Nahrungsſtandes errichteten Patriotiſchen Societät.“ Dieſelbe zerfällt in zwei Theile, deren erſter den Endzweck, deren zweiter die innere Einrichtung der Geſellſchaft in 166 ſehr umſtänd⸗ lich abgefaßten Paragraphen darlegt. Als Zweck wird angegeben: die Beförderung des geſammten Nahrungs— ſtandes des Landes, insbeſondere die Aufnahme und Verbeſſerung der Landwirthſchaft, der Fabriken, der Künſte und des Handels. Praktiſche Erfahrung ſollte vor Allem gefragt, die Theorie nur aushülfsweiſe zu Rathe gezogen werden. Die Gränzen waren ungemein ausgedehnt, denn ausdrücklich war auch Verbeſſerung der Schulen des Landes als Zweig der Thätigkeit genannt. Was die innere Einrichtung anging, ſo beſtimmt der Anfang des zweiten Theils, daß die Societät ſich über alle Stände und durch das ganze Land erſtrecken ſolle. Sie hat ordentliche, Ehren- und aſſociirte Mitglieder. Eng mit der Landſchaft verbunden, beſteht ſie aus der Hauptſocietät in Breslau, und Kreis- und Fürſtenthumsſocietäten, die aber alle nur ein Ganzes bil⸗ den. Den Präſidenten ſetzt der König unmittelbar ein, und zwar iſt er mit dem General: Landſchaftspräſi⸗ denten ein und dieſelbe Perſon. Die Mitglieder theiten ſich in drei Klaſſen: a) der Landwirthſchaft, b) des Handlungs⸗ und Fabrikweſens, e) der damit verbundenen Wiſſenſchaften, die zwar ſich nie getrennt verfams meln, aber in den drei Landſchafts-Repräſentanten ihre Vorſitzenden haben, von denen der älteſte auch den Präſidenten vertreten darf. Eigenſchaften eines ordentlichen Mitgliedes müſſen fein: beſondere Kenntniß und Geſchicklichkeit, untadelhafter Charakter, ächter Patriotismus; Wohnſitz in Breslau iſt nicht erforderlich, die Anzahl unbegränzt, doch ſoll die erſte Klaſſe wenigſtens ſechs Landwirthe aus dem Adel, drei aus dem Buͤr⸗ gerſtande, zwei Forſtbeamte zählen. Die zweite Klaſſe: ſechs Kaufleute und drei Fabrikkundige. Die dritte, eigentlich wiſſenſchaftliche Klaſſe: ſechs Gelehrte. Das Vorſchlagsrecht zur Aufnahme hat allein der Präſident, die Entſcheidung geſchieht im engeren Ausſchuſſe der Landſchaft durch Stimmenmehrheit. Jedes ordentliche Mitglied verpflichtet ſich, ſeine praktiſch erworbenen Erfahrungen und Kenntniſſe der Geſellſchaft mitzutheilen, ſeinen Mitbürgern damit zu helfen, Aufträge des Präſidenten auszuführen, und insbeſondere noch durch ſchrift⸗ lichen Revers ſogar zur Verſchwiegenheit über mündliche Beſchlüſſe der Geſellſchaft. Dieſelbe hat in den Per⸗ ſonen der beiden Landſchaftsſyndici ihre ſteten Secretaire, die bei den Verſammlungen die Protokolle führen, Aufſicht über die Akten und die anzulegende Kunſt- und Naturalienſammlung führen. Ordentliche Verſamm⸗ lungen finden jeden Monat am erſten Freitage und Sonnabend ſtatt, die außerordentlichen während des Moll markts. Die ordentlichen Mitglieder müſſen erſcheinen, oder durch Krankheit oder dringende Amtspflicht ent⸗ ſchuldigt ſein. In der Verſammlung findet Rangordnung inſofern ſtatt, als eine Bank für den Adel, und Königliche Räthe, oder fonft in adligen Bedienungen ſtehende Perſonen, eine Bank für bürgerliche Honoratio— ren, eine für Handwerker und Landleute beſtimmt bleibt. Die eingehenden ſchriftlichen Aufſätze werden nun von den Mitgliedern, denen der Präſident ſie zugeſchrieben hat, vorgeleſen. Die Geſellſchaft wird Vorſchläge prüfen, Verſuche anſtellen, auch ihre Arbeiten im Druck bekannt machen. Die Kreisgeſellſchaften ſollen ihre Erfahrungen und Arbeiten regelmäßig der Centralgeſellſchaft mittheilen; ihre Mitglieder haben jenen Revers ebenfalls zu unterſchreiben. Wer ſich beſonders thätig für die Gemeinzwecke erweiſet, wird durch Ehrenbezeu⸗ gungen oder in ſonſt welcher, für ſeine perſönlichen Umſtände ſchicklichen Weiſe belohnt werden; der Säumige wird nach Beſchluſſe des engeren Ausſchuſſes geſtrichen. Unterzeichnet iſt das Statut: v. Carmer, qua Com- missarius regius, v. Czettritz und Neuhaus, v. Schmettau, v. Mutius, v. Kalkreuth, v. Lariſch, v. Görne, v. Sandretzky, v. Nikiſch, v. Lieres, v. Rothkirch, v. Frobel, v. Korkwitz, v. Seherr. — Ein Auszug aus dieſem Statut wurde am 29. September deſſelben Jahres unter dem Titel: „Umſtändliche Nachricht von der ſchleſiſch-patriotiſchen Geſellſchaft“ dem Buchhandel übergeben, und zugleich eine von derſelben herauszugebende Zeitſchrift: „Oekonomiſche Nachrichten“ angekündigt. „Wir laden“, hieß es, „jeden ächten Patrioten ein, ſeine gemeinnützig erachteten Vorſchläge, Nachrichten von glücklichen Verſuchen, Erinnerungen und Erfahrungen aller Art, die auf das allgemeine Beſte Bezug haben können, uns mitzutheilen. Ungeübte Feder ſoll kein Hinderniß ſein.“ Seitdem nannte man in Schleſien die Mitglieder der neuen Geſellſchaft ſchlechthin „die Patrioten.“ Prüft man nun jene Statuten im Ganzen und Einzelnen, ſo ſieht man leicht, daß ſie aus der edelſten Abſicht entſproſſen waren. Bildung, Aufklärung ſollte verbreitet werden. Die Geſellſchaft ſollte ein Werkzeug in der Hand der Regierung ſein, und doch hatte ſie eine Repräſentativ-Verfaſſung. Einzelnes iſt auffallend, z. B. der Revers, wodurch jedes Mitglied ſich zur Verſchwiegenheit über die Beſchlüſſe verpflichten mußte. Dies hat etwas Geheimnißvolles, das Manchen ſtutzig machen konnte. Das ganze Statut iſt ſonſt umſichtig und vorſorglich eingerichtet. Wer war der Verfaſſer? Dieſe Frage läßt ſich jetzt aus den obenerwähnten landſchaftlichen Akten zum Erſtenmale beantworten. Ein in dem ſchleſiſchen Erziehungsweſen jener Zeit ein— flußreicher katholiſcher Geiſtlicher, der Abt und Prälat Johann Ignatz v. Felbiger, aus Glogau gebürtig, war bereits vom Miniſter Schlaberndorf angewandt worden, um die katholiſchen Schulen Schleſiens umzuge⸗ ſtalten und zu verbeſſern. Unter angenommenem Namen war er in Berlin geweſen (1754), hatte die Ans terrichtsmethode an der dortigen Heckerſchen Realſchule ſtudirt, und dann in Sagan ein Stift, eine Pflanz— 222 ſchule für Schulkandidaten errichtet. Außerdem trieb er mit großem Eifer Aſtronomie, Phyſik und Mathe: matik. Als nun Carmer am 18. Februar 1772 den landſchaftlichen Ausſchuß verſammelte, um das Statut der patriotiſchen Geſellſchaft zu berathen, war, — ſo beſagt das Protokoll, — Felbiger anweſend, und las beachtenswerthe Vorſchläge vor, wovon man Gebrauch zu machen beſchloß. — Daß das junge Inſtitut ſofort heftige Gegner in Schleſien gefunden, geht aus einer Rede hervor, welche Carmer am 11. Februar 1773 an den Ausſchuß gehalten, und die in dem Protokolle dieſes Tages zum Theil enthalten iſt; er ſagt: „Ich kann nicht bergen, daß mir die Nachricht von ganz falſchen Beurtheilungen dieſes fo heilſamen Inſtitutes ſehr em: pfindlich gefallen, noch mehr aber die dabei gemachte Entdeckung der unpatriotiſchen Denkungsart verſchiedener unſerer Mitſtände mich ſchmerzten. Ich kann nur Mangel einer hinreichenden Erkenntniß von den Abſichten des Instituti vermuthen. Bitte alſo die Herren Delegatos (ſo hießen die Ausſchußmitglieder), ihre Herren Mitſtände zu disponiren, daß ſie ſich näher informiren. Wir werden keinen Menſchen zwingen, ſich mit uns zur Beförderung des gemeinen Wohls unſerer Mitbürger zu vereinigen. Wir werden Alle mit Verachtung anſehn, die zu ihren Handlungen keinen andern Grund, als ihr Privatintereſſe kennen, oder ihre Talente nur für Gold zu verkaufen pflegen. Und alſo werden wir dem Lande durch unſere Zuſammenkünfte auch keine Unkoſten verurſachen. Unſere Belohnung wird das edle Vergnügen ſein, welches das Bewußtſein guter Hand— lungen gewährt, und die Nachwelt wird diejenigen ihrer Mitbürger, die zur Beförderung des allgemeinen Be— ſten mitgewirkt, mit Verehrung nennen.“ Der Nachdruck, womit Carmer hier redet, verräth die Größe des Widerſtandes, den er gefunden hatte. Seine patriotiſche Geſellſchaft mußte dieſelben Feinde haben, welche ihre Mutter, die ſchleſiſche Landſchaft, fand, und deren gab es Anfangs eine mächtige Zahl, wie noch viele Brochuren uns verrathen; man ſah nämlich darin zunächſt eine Maaßregel, um dem verarmten Adel aufzuhelfen, und zwar eine ſolche, die allen übrigen Ständen zum entſchiedenen Nachtheile gereiche, indem dem Gewerb- und Handelsſtande bedeutende Geldſummen entzogen, und die Preiſe aller Lebensbedürfniſſe dadurch in die Höhe geſchraubt würden. Ferner war bei der königlichen Ernennung der Mitglieder der patriotiſchen Geſellſchaft hier und da die Eitelkeit verletzt worden. Die ganze Maaßregel war zu großartig, als daß ſie bei dem beſchränkten Geſichtskreiſe und der ängſtlichen Rückſichtsnehmerei in einem Lande, wo noch Viele einander ins Ohr raunten: „zu Kaiſerszeiten ſei doch dies und das beſſer geweſen,“ nicht hätte falſch beurtheilt werden ſollen. Am 25. Februar 1773 fand nun endlich die erſte allgemeine Sitzung der neuen Geſellſchaft in dem Landſchaftshauſe zu Breslau ſtatt. Sie währte von 9 Uhr Vormittags bis 12 und wurde Nachmittags 3 Uhr noch fortgeſetzt. Carmer ſelbſt führte den Vorſitz, und ſtellte den ſchon erwähnten Prälaten v. Felbiger der Geſellſchaft vor, mit dem Bemerken, derſelbe werde ihn bei Abhaltungen vertreten, und ſei daher mit dem Titel eines Direktors der Geſellſchaft beliehen. Dieſe Würde nun hat Felbiger nur kurze Zeit bekleidet, denn wenige Monate ſpäter ſandte ihn der König auf den Wunſch der Kaiſerin nach Wien, um in deren Staaten gleichfalls das katholiſche Schulweſen umzugeſtalten. Später iſt er bei Friedrich in Ungnade gefallen und nicht mehr in ſein Vaterland zurückgekehrt, ſondern im Auslande (1788) geſtorben. Den Vorſitz in den ſpäteren Verſammlungen führten abwechſelnd die üb.igen dirigirenden Mitglieder der Geſellſchaft, worunter der Graf Heinrich Gottfried v. Matuſchka (geboren zu Jauer 1734, geſtorben zu Breslau 1779) vorzüglich glänzt. Seine großen Verdienſte um einheimiſche Naturwiſſenſchaft hat Göppert (Schleſ. Prov.-Blätter, S. 324 ff.) geſchildert. Aſtronomie, Phyſik und Botanik trieb er mit wirklicher Begeiſterung. Seine Flora silesiaca gehörte, nach Göpperts Urtheile, ihrer Zeit zu den vorzüglichſten derartigen Arbeiten. Es iſt keine Frage, daß Matuſchka's ſchneller Tod dem Gedeihen der Geſellſchaft ſehr nachtheilig geweſen iſt. Mit dem Jahre 1773 begann nun auch deren nach Außen gerichtete Wirkſamkeit, nämlich die Herausgabe einer Zeitſchrift: „Oeko— nomiſche Nachrichten“ benannt, die bei W. G. Korn, in 4., zwölf Jahre lang, in den letzten fünf Jahren unter dem Titel: „Neue ökonomiſche Nachrichten“ zuerſt wöchentlich, ſpäter in Heften, ſauber ausgeſtattet erſchienen iſt. Sie gehört zu den merkwürdigen literariſchen Erſcheinungen Schleſiens, und enthält Vieles, das in einer landwirthſchaftlichen Zeitung nicht geſucht werden ſollte. Urſache davon war die weit ausgedehnte, auf etwas ſchwärmeriſche Hoffnungen gegründete Verfaſſung der Geſellſchaft. Die Zeitſchrift ſcheint, wie ſich aus Akten ergiebt, anfangs ſtark abgeſetzt worden zu ſein, wenigſtens iſt bei vielen andern Ausgaben auf die mit den „Oekonomiſchen Nachrichten“ zu erzielende Einnahme gerechnet. Der Inhalt beſteht anfangs nur aus kleineren Mittheilungen über allerhand landwirthſchaftliche Erfahrungen, Gemüſe-, Hopfen-, Flachs- und Weinbau, Viehzucht u. ſ. w. Doch werden auch andere Gebiete, z. B. die Krankengeſchichte Breslau's, ferner die daſigen Witterungsbeobachtungen berührt. Obgleich kein Name genannt wird, ſo erkennt man hier ſogleich Morgenbeſſer und den gelehrten Rektor Scheibel. Ueber andere Mitarbeiter enthält Streit's „gelehrtes Schleſien“ (1774) manche Auskunft. Daraus nur entnimmt man auch, daß die erſten drei Jahrgänge von dem Landſchaftsſyndikus Tſchiener, der früher Land-Prediger geweſen war, und ſpäter auch wieder zu die— ſem Berufe zurückkehrte, redigirt worden ſind. Die Sitzungen der Geſellſchaft fanden in den erſten Jahren ziemlich regelmäßig ſtatt, wie die der Zeitſchrift beigegebenen Protokolle beweiſen, und zwar wurde jedesmal durch beſondere Zuſchriften jedes einzelne Mitglied eingeladen. Ein noch vorhandenes Verzeichniß ihrer damali— gen Mitglieder nennt im Ganzen 56 Perſonen. Ehrenmitglieder 6 (die oberſten königlichen Civilbeamten in Breslau). Ordentliche Mitglieder, in drei Klaſſen geordnet: a) in der landwirthſchaftlichen 20; b) in der Manufaktur⸗ und Handelsklaſſe 8; c) in der gelehrten 22, zuſammen alſo 50. Die Aufſätze in der Zeitſchrift ſind nur mit Anfangsbuchſtaben unterzeichnet, oft fehlen auch dieſe. Erſt drei Jahre ſpäter hat man dieſe Scheu vor dem Hervortreten des Namens in die Oeffentlichkeit abgelegt. Die meiſten Schriftſteller laſſen ſich aber errathen, oder auch feſtſtellen. a Unter den wenigen Gelehrten, die mit thätigem Fleiße für die Geſellſchaft wirkten, iſt neben Scheibel der Profeſſor Zeplichal (geboren in Mähren 1738) zu nennen, der des Königs beſonderes Vertrauen genoß. Wenige Monate nach Eröffnung der Geſellſchaft kam nämlich der König behufs des Manövers nach Schleſien, und erfuhr (Auguſt 1773) in Goldſchmiede bei Breslau die Aufhebung des Jeſuitenordens durch Klemens XIV. Sogleich ließ er den ihm durch ein algebraiſches Werk bekannten Profeſſor der Mathematik an der Jeſuiten— Akademie in Breslau, Anton Zeplichal, hinauskommen, und eröffnete ihm, daß, nachdem die Jeſuiten überall verfolgt würden, er ſie in ſeinen Staaten dulden werde. Er hoffe durch ſie Verbeſſerung der Schulen zu erreichen. Carmer wurde Kurator der Breslauer Univerſität, und Zeplichal mußte ein neues katholiſches Schul— reglement entwerfen, das Ende 1774 erſchien. Dieſe Verhältniſſe ſind in Wiſſowa's Programm des katholi— ſchen Gymnaſiums 1845 näher entwickelt. Es iſt bekannt, daß, als Pabſt Pius VI. kaum zwei Jahre nach der Aufhebung des Jeſuitenordens dieſen wieder einſetzte, der König wieder das Gegentheil von Rom that, den Orden der Form nach aufhob, und in ein königliches Schulen-Inſtitut verwandelte. Zeplichal wurde deſſen Oberhaupt und hieß königlicher Schulen-Direktor. Daß die Proteſtanten die Mitglieder dieſes Inſtituts auch ferner ſchlechthin „die Jeſuiten“ nannten, iſt natürlich, und da Zeplichal von Carmer auch mit der Direktion der wiſſenſchaftlichen Klaſſe in der patriotiſchen Geſellſchaft beehrt wurde, fo mögen die proteſtantiſchen Ge— lehrten Breslau's dieſe mit einigem Mißtrauen betrachtet haben. Kloſe z. B. in ſeiner trefflichen Zeitſchrift „Neue literariſche Unterhaltungen“ (Breslau 1774, 1775) erwähnt ſie gar nicht. Dieſes Mißtrauen in der Gelehrtenwelt dauerte noch lange. Zehn Jahre ſpäter begannen Nicolai und die Bieſterſche Berliner Monat— ſchrift ihre Warnungen vor den Jeſuiten, und warfen dem Philoſophen Gar ve, der, wie wir ſehen werden, der patriotiſchen Geſellſchaft ſich ſpäter anſchloß, vor, daß er die Jeſuiten begünſtige, wogegen dieſer ſich in einer eigenen ſtarken Schrift nachdrücklich vertheidigt, aber zugleich den wiſſenſchaftlichen Sinn vieler Diener des Ordens in Schutz genommen hat. Wir kehren zu unſerer patriotiſchen Geſellſchaft zurück. Der große Juriſt Suarez, der Erbauer des Brandenburger Thores Langhans, der berühmte Arzt Tralles ſtehen im Mitgliedsverzeichniſſe, haben ſich aber für die Zeitſchrift nicht bemüht. Die Oekonomen waren fleißiger, als die Gelehrten und Kaufleute. 224 Noch ehe das erſte Jahr zu Ende ging, konnte aus allen ſchleſiſchen Kreiſen von Fortſchritten der Ge: ſellſchaft berichtet werden. Es hatten ſich ſogenannte Kreisſocietäten gebildet, zu Glogau, Sagan, Oels, Frei⸗ ſtadt, Liegnitz, Neiſſe, Glatz und Pleß, und ſandten Beiträge ein, die nun Syndikus Tſchiener, ſtyliſtiſch verbeſſert, für die Zeitſchrift brauchbar machen mußte. Am wenigſten ſcheint die Klaſſe für Handel und Ge werbe geleiſtet zu haben. Bei der Jahresverſammlung des Landſchaftsausſchuſſes im Februar 1774 trat ein Mitglied der erſten Klaſſe, v. Rohr auf Neudorf im Oelsniſchen, der, früher Offizier, als ſolcher ſchon viel geſchrieben hatte, auf, dankte in einer, noch in Handſchrift vorhandenen eleganten Rede dem Miniſter für die Beharrlichkeit, womit er die nun ein Jahr beſtehende Geſellſchaft geſchützt habe. Er nennt Carmers Syſtem eine Quelle, die ſich in wohlthätigen Bächen über Schleſien ergießen werde, und fährt dann alſo fort: „Ew. Exzellenz haben unvermeidlichen Aufwand, Verkürzung der Lebenskräfte durch die ſteten Bemühungen, die Pfeile der Mißgunſt ſtumpf zu machen, als Lohn geerntet für Dero wohlthätige Erfindung. Alles dies feuert heute unſere Dankbegier an“ u. ſ. w. — Man verſehlte jetzt auch nicht, das in den Statuten bezeichnete Recht, Ehrenmitglieder zu ernennen, zu benutzen. Verſchiedene Gelehrte Berlins, Göttingens u. ſ. w. erhielten dieſe Auszeichnung, in Schleſien nur der Miniſter v. Hoym. Auch zu Preisaufgaben ſchritt man, anfangs nur über kleine ökonomiſche Fragen; ſechs bis zwölf Dukaten wurden ausgeſetzt. Aber gerade auf dieſem Ge: biete trat Rivalität der einzelnen Klaſſen hervor, die ganz widerſprechende Maaßregeln hervorrief. Am 3. De⸗ zember 1774 wurde auf Zeplichals Veranlaſſung eine ſolche, die gar nicht zu den Zwecken der Geſellſchaft paßt, geſtellt: „eine allgemeine Theorie der deutſchen Dicht- und Redekunſt und äſthetiſchen Grundſätze wurde verlangt,“ Preis: 15 Friedrichsd'ors. Die Aufgabe wird auch im Protokoll jenes Tages dadurch entſchuldigt, daß auf Sr. Majeſtät Veranlaſſung die Jeſuiten auf Verbeſſerung ihrer Schulen bedacht wären, und dabei hätten fie den Mangel eines ſolchen Lehrbuchs bemerkt. Wer den Preis bekommen hat, geht nirgends herz vor. Zeplichal ſelbſt hat (1790) eine „Aeſthetik“ herausgegeben, wie er denn über die verſchiedenſten Wiſſen⸗ ſchaften Handbücher geſchrieben hat. Der dritte Jahrgang der „Oekonomiſchen Nachrichten“ enthält bereits viele Klagen über Säumigkeit der Mitglieder, namentlich der auswärtigen. Manche Mittheilung iſt gewiß noch jetzt beachtenswerth, z. B. über den Erdſtoß, der am 24. Januar 1775 zu Breslau ſtattgefunden; Scheibel's Zuſammenſtellung der Tauf⸗ und Sterbeliſten Breslau's ſeit 220 Jahren, die er bis 1735 aus Kundmann's „Seltenheiten“ abdruckte, von da an aber handſchriftlichen Quellen entnahm. Die ſtatiſtiſche Nachricht iſt noch jetzt für Sa⸗ nitätspolizei wichtig, auch von Hahn neuerlich benutzt wurden. Auffallen muß es, daß die Zeitſchrift (im gten Stücke) ſelbſt eine ſehr vorſichtig, faſt diplomatiſch gehaltene Beſprechung des neuen Schulreglements brachte, worin es heißt: „Das Reglement kann den wohlthätigſten Einfluß üben, ob es ihn aber haben werde, müſſe von der Beobachtung abhängen.“ Der Verfaſſer (wie wir bereits wiſſen, Zeplichal) wird ohne Weiteres ein Genie genannt. Man ſieht, die Eitelkeit und der Einfluß der Koterie wirkte in der Literatur damals nicht weniger einflußreich als jetzt. Die nun vollendeten erſten drei Jahrgänge wurden dem Könige eingefandt, der in fol— gender Kabinetsordre dankte: „Se. Majeſtät danken der von höchſtderoſelben approbirten ökon. Geſellſchaft in Schleſien hiermit gnädigſt, für die überſandten drei Bände ihrer Ausarbeitungen, und wollen derſelben ferner Einſicht und Beurtheilung der Auswahl der Materie zu ihren Berathſchlagungen ganz und gar überlaſſen, zumal dieſe drei Bände hinreichend darthun, wie dieſelbe dero höchſte Abſichten dabei zu erfüllen äußerſt be: fliſſen iſt. Potsdam, 6. März 1776. Friedrich.“ — Weniger als der König war aber Carmer mit ſeinem Lieblingskinde zufrieden. Faſt in jedem Protokolle finden wir ſeine Klage über Nachläſſigkeit und den Mangel an Vaterlandsliebe. Er griff noch einmal entſchieden ein, indem er dem Syndikus Tſchiener den erbetenen Abſchied bewilligte, und ſich im Auslande nach einem tüchtigen, ſeinen Zwecken entſprechenden Gelehrten um⸗ ſah. Er wandte ſich an den Freiherrn v. Hohenthal in Dresden, der ihm einen Magiſter Börner (ge boren 1745 zu Merſeburg), in Liefland Hofmeiſter, früher in Leipzig, dringend empfahl, und berief ſofort den 225 Vorgeſchlagenen als Landſchaftsſyndikus und Secretair der ökonomiſchen Geſellſchaft, ſtellte ihn im Februar 1776 dem Ausſchuſſe vor, und hörte ſeine Antrittsvorleſung: „über die Möglichkeit, die Politik zur Wiſſen⸗ ſchaft zu erheben,“ mit an. Vom vierten bis zwölften Bande hat nun Börner, der uns ſein Leben in der Zeitſchrift ſelbſt erzählt hat, woraus Schummel (im Breslauer Almanach 1800) einen Auszug geliefert, die „Oekonomiſchen Nachrichten“ redigirt. Aus den Akten geht hervor, daß man ihm ſein Amt beneidete. Es findet ſich in Verhandlungen des Ausſchuſſes die ſpöttiſche Aeußerung, daß man wohl nicht erſt nöthig gehabt hätte, einige hundert Meilen weit einen Beamten für ſchweres Geld zu verſchreiben. Der Ausländer galt damals dem Schleſier leicht nur für Einen, der da komme, um ihm das Brod zu ſchmälern und zu ver— theuern. Die Abſicht Carmers, die etwas ſchläfrige patriotiſche Geſellſchaft zu größerer Thätigkeit anzuſpornen, wurde auch theilweiſe erreicht, denn Börner, obgleich, wie es ſcheint, ein Sonderling, unternahm ſogleich Vie— lerlei, und betrieb es eifrig. Da Graf Matuſchka die Botanik, Zeplichal Mineralogie Schleſiens trieb, fo legte er ſich auf Zoologie. Mit einem Gehülfen durchzog er zunächſt die Wochenmärkte Breslau's und ſuchte nach Muſter-Exemplaren von Fiſchen, die er, zum heftigen Aergerniß anderer Käufer, zu hohen Preiſen er— warb; auch Vögel und Vierfüßler wurden mit Eifer geſammelt und ausgeſtopft, ſo daß er ein damals merk— würdig befundenes zoologiſches Kabinet zuſammenbrachte; nach acht Jahren verkaufte er es an die patriotiſche Geſellſchaft, nachdem deren Direktoren es höchſt günſtig beurtheilt hatten. (Protokoll vom 28. Febr. 1784.) Der Kaufpreis iſt nicht bekannt. Zu gewiſſen Tagen war es den Mitgliedern und andern Liebhabern zur Beſchauung geöffnet, und bildete nebſt einer Modellſammlung und Bibliothek ein wichtiges Beſitzthum der Geſellſchaft. Auch als Schriftſteller war Börner fleißig; da unter ſeiner Redaktion die Beiträge mit dem Namen der Verfaſſer verſehen wurden, ſo gewinnt man, von 1776 an, eine Ueberſicht über die Arbeitskräfte der Zeitſchrift, und Börners Namen begegnet man ſehr häufig. Sein Rundſchreiben an alle Mitglieder vom 3. Januar 1778 iſt eben ſo umſichtig, als nachdrücklich abgefaßt. Er erzählt darin von allen landwirthſchaft— lichen Geſellſchaften Europa's, die ſeit der irländiſchen (1736), als der erſten, bis zur ſchleſiſchen geſtiftet wor— den, und erweckt größeren Eifer. In beſonderm Lichte erſcheint derſelbe, als der Prinz von Preußen in dem folgenden Jahre nach Breslau kam. Die Sitzung der Geſellſchaft vom 8. Mai 1779 war ein Glanzpunkt ihres Lebens. Das Protokoll giebt folgende Vorträge an: 1) Experimentirte Graf Matuſchka mit ent⸗ zündbarer Luft und dem Elektrophor. 2) Las Zeplichal über ſchleſiſchen Bergbau. 3) Scheibel: Ge: danken vom Luxus. 4) Landſchaftsſyndikus Ordelin über Bevölkerungsliſten. 5) Börner über die Bil— dung des Kameraliſten und Financiers. 6) Rendant Herzberg (dev fleißigſte Mitarbeiter für das Fach der Technik und Mechanik) über eine neu konſtruirte Waage und eine Rechenmaſchine. Man ernannte am Schluſſe der Sitzung den gelehrten Achard in Berlin zum Ehrenmitgliede. Der Prinz lobte die nützliche Thätigkeit der Geſellſchaft ungemein. Nicht minder that dies der Finanzminiſter v. Heinitz, der die ſchle⸗ ſiſchen Bergwerke bereiſt hatte, und an Carmers Seite den 16. Oktober einer Sitzung beiwohnte. Zwei Ereigniſſe aber, die einander ſchnell folgten, ſchadeten dem weiteren Gedeihen der Geſellſchaft, welche, fo zu fagen, ihren Blüthepunkt erreicht hatte. Wenige Wochen nach jener Sitzung ſtarb Graf Ma: tuſchka, der Verdienſtvolle; bald nachher ernannte der König den Minifter Carmer zum Großkanzler feines Reichs. Den provinziellen Wirkungskreis vertauſchte er mit einem höheren, der ihm Gelegenheit gab, in der Geſchichte preußiſcher Geſetzgebung ſich unſterblich zu machen. Nicht ohne Schmerz verließ er Schleſien. In der landſchaftlichen Berathung vom 30. Mai 1780 übertrug er das Präſidium der von ihm geſtifteten pa= triotiſchen Geſellſchaft, auf Grund königlicher Kabinetsordre vom 25. März d. J., auf ſeinen von den Mit⸗ gliedern erwählten Nachfolger, den Miniſter v. Hoym, der ſeit 8 Jahren bereits Ehrenmitglied geweſen war. Außerdem beantragte er, dem Syndikus Börner für alle ſeine Mühwaltungen einen feſten Jahrgehalt von 200 Thalern zu zahlen, gewiß vorausſehend, daß der von ihm berufene Beamte nach ſeinem Abgange einen zweifelhaften Stand haben werde. Sofort gewann auch Manches neue Geſtalt. Der Ste Jahrgang der Zeitz ſchrift trat mit dem Titel: „Neue Nachrichten“ (1780) auf, und meldete in einem pomphaft geſchriebenen 29 226 Vorworte des Redakteurs die von Hoym angeordneten Veränderungen. Sie beziehen ſich meiſtens auf Aeußer⸗ lichkeiten. Alle Beiträge ſollen künftig nicht mehr an den Miniſter, ſondern an den Generalſecretair gerichtet werden, zweimal im Jahre ſollen öffentliche Sitzungen ftattfinden, denen auch Nichtmitglieder der Geſellſchaft beis wohnen können. Jedes ordentliche Mitglied iſt verpflichtet, jährlich eine Abhandlung einzuſchicken. Die Naturalien⸗ ſammlung und Bibliothek wird der Freigebigkeit empfohlen. Endlich ſoll künftig zu den Verſammlungen nicht mehr durch Schreiben, ſondern ein für allemal durch Ertheilung des Mitgliedsdiploms eingeladen werden. Die Zeitſchrift erſchien nun in Vierteljahrsheften, und gab nun ungetrennte größere Abhandlungen, fo daß fie ganz das Anſehn eines akademiſchen Werkes gewann. Beſondere Aufmerkſamkeit wandte Börner einem von Ma⸗ tuſchka eingeleiteten und ſeit ſieben Jahren von der Geſellſchaft betriebenen Unternehmen zu, deſſen bisher noch nicht Erwähnung geſchehen iſt. Innerhalb der Feſtungswerke der Stadt an einer Kaſematte, hinter der Salvatorkirche, wo jetzt ein freier, bis an die Tauenzienſtraße ſich ziehender Platz liegt, hatte man mit Be⸗ willigung des Stadt-Kommandanten einen Platz zur Begründung eines ökonomiſch-botaniſchen Gartens ſich verſchafft. Der Boden war ſcharfer Sand, deſſen Kultur nur langſame Fortſchritte machte. Die Geld-Un⸗ terſtützung, welche die Landſchaft dieſen Zwecken bewilligte, war ſparſam; binnen acht Jahren hatte fie der Societät (Protokoll vom 8. März 1780) nur 745 Thaler hergegeben, und künftig ſollte Börner für ſeine Beſoldung von jährlich 200 Thalern auch den Garten kultiviren. In der Zeitſchrift beſchreibt er nun den— ſelben aufs Weitläufigſte. Dieſe Abhandlung gewährt ein deutliches Bild von den großen Anſtrengungen, die damals die Wenigen, welche ihre Zeitgenoſſen in naturwiſſenſchaftlichen Kenntniſſen übertrafen, anwandten. Ungeachtet der Boden ſchlecht war, und ein Gewächshaus fehlte, zeigte der Garten doch im Juli 1780 nicht weniger als 514 verſchiedene Pflanzen auf, die nach allen 24 Klaſſen des Linné, die letzte ausgenommen, geordnet waren, und deren Verzeichniß jene Abhandlung enthält. Der Kupferſtecher Strachowsky in Bres⸗ lau lieferte eine Abbildung des Gartens, die, ſo ſchlecht ſie iſt, doch wenigſtens jetzt, wo die Zeit jenen Stadt⸗ theil ganz umgewandelt hat, feine einſtige Exiſtenz beweiſet. Die Anpflanzung wurde nur von Wenigen da- mals gewürdigt. Man ſpottete in Breslau durch fünfzehn Jahre darüber. Börners Maßregeln waren prak— tiſcher, als die Matuſchka's. Er wollte namentlich die ökonomiſche Botanik, nicht die allgemeine, durch dieſe dürftigen Experimente zu befördern ſuchen, und kann bei keiner Gelegenheit feinen Mißmuth über die Gleich⸗ giltigkeit der Schleſier gegen neue praktiſche Erfahrungen zurückhalten. Nach Matuſchka's Tode und Carmers Abgang war zwar der Direktor der Schulenverwaltung, v. Mützſchefahl, der ſelbſt viele Abhandlungen in der Zeitſchrift geliefert hat, der beſondere Gönner ſeiner Studien, aber man ſieht das Häuflein der Mitarbeiter immer mehr zuſammenſchwinden. Die Klaſſe für Handel und Fabriken leiſtet gar nichts mehr, die wiſſen⸗ ſchaftliche, außer den Wetterbeobachtungen Scheibel's, ſehr wenig. Die praktiſch⸗ökonomiſchen Aufſätze bilden den Hauptinhalt der Jahrgänge 1781 — 1784. Zuletzt nimmt das ganze Werk noch einmal einen höheren Aufſchwung durch drei Vorleſungen, welche der Philoſoph Garve, den man, wie es ſcheint, erſt ſpät für die Geſellſchaft zu intereſſiren gewußt hat, in drei ihrer Sitzungen hielt. Sie handeln von dem „Charakter der Bauern und deren Verhältniß zur Regierung.“ Dieſe zwar ſchön, aber nur allzubreit gehaltenen Abhandlun⸗ gen zeigen neben vieler Menſchenkenntuiß doch des Verfaſſers geringe Fähigkeit, den Philoſophen dem zu ſchil⸗ dernden Gegenſtande aufzuopfern; Naivetät war Garve's Sache nicht, und dieſe war bei dieſer Aufgabe nö— thiger, als jene kalte Glätte, die ſeinen Styl überall charakteriſirt. Seine Erfahrungen ſtammten von dem jährlichen Sommeraufenthalte in Charlottenbrunn, und den Gütern ſeines Freundes Pazensky her. Von dem geſunden, derben Naturell des Bauern hatte der alles Rohe haſſende feine Denker bei jenen gelegentlichen Beobachtungen kein lebhaftes Bild gewinnen können. Die Nachweiſung, wie ungenügend die Volksſchulen beſchaffen wären, war im Ganzen das Zeitgemäßeſte. Das unbegränzte Anſehn, das Garve in Schleſien ge⸗ noß, verlieh aber auch jener Arbeit eine gewiſſe Weihe, und ſo geſchah es, daß der Miniſter v. Hoym ſelbſt unmittelbar an jene Vorträge einen eigenen anſchloß „über die Pflicht der Grundherrſchaft, ihrerſeits den Bil⸗ dungszuſtand der Bauern zu fördern.“ Dieſe Abhandlung beſchließt den zwölften und letzten Jahrgang der 227 Zeitſchrift, und iſt, fo viel bekannt, die einzige gedruckte literariſche Arbeit eines Mannes, der Vicekönig von Schleſien hieß, und durch 36 Jahre eben ſo oft getadelt, als gerühmt worden iſt. Als Denkmal der Anſicht, welche die oberſten Beamten Friedrichs von der Staatsverwaltung hatten, iſt der Aufſatz noch jetzt ſehr merk— würdig. Er verlangt, daß der Unterthan mit Einſicht in den Zweck des Staatsverbandes nicht blindlings gehorche, und ſucht den Grund für die häufige Noth des Bauern in der Gleichgiltigkeit, womit derſelbe, „ohne Zeit und Geld zu balanciren,“ in den Tag hineinlebe. Manches darin iſt noch heute, wo, Dank ſei es den Geſetzen von 1807 — 1811, ein neuer Zuſtand herbeigeführt iſt, vollkommen wahr, das a muß natürlich veraltet erfcheinen. Mit dem Jahrgange 1784 wurden die „Oekonomiſchen Nachrichten“ beſchloſſen; der Grund geht zwar aus den Akten nicht hervor, iſt aber leicht errathbar, wenn man weiß, daß mit 1785 zwei thätige, von Hoym unmittelbar begünſtigte Verwaltungsbeamte, Streit und Zimmermann, eine neue Monatsſchrift: „Schle— ſiſche Provinzialblätter,“ herausgaben, die bekanntlich noch fortbeſteht. Die Arbeitskräfte der Provinz wandten ſich dem neuen Unternehmen zu; der Umſtand, daß Streit alle geſchichtlichen und ſtatiſtiſchen Thatſachen des Landes unmittelbar aus dem Bureau des Miniſters erhielt, verſchaffte ihm außerordentlichen Abſatz. Die ſchleſiſch-patriotiſche Geſellſchaft vegetirte noch ſechs Jahre fort, und wurde von Börner, deſſen Geſchäfte durch die Beendigung der Zeitſchrift ſehr verringert waren, noch zu einem wiſſenſchaftlichen Unternehmen veranlaßt. Schon früher hatte er den Miniſter bewogen, die von Matuſchka und auch von Felbiger gemachten Vorſchläge zu einem Naturkalender, d. h. einer Sammlung von Beobachtungen über die Wirkung der Witterung auf die Landwirthſchaft, der patriotiſchen Geſellſchaft aufs Neue zu empfehlen. Göppert hat in dem Aufſatze „über Matuſchka's Verdienſte“ auch dieſen Plan deſſelben als originell und noch jetzt nachahmenswerth be— zeichnet. Börner gab ausführlich in der Zeitſchrift (1784) ſeine Gedanken über den Nutzen der Ausführung, ein gedrucktes Schema wurde allen Mitgliedern der Geſellſchaft übergeben, vielfach benutzt, und danach der „Oekonomiſche Kalender“ ſelbſt redigirt, der 1786 ausgegeben wurde, jetzt aber ſelten geworden iſt. In dieſem Jahre bereits läßt Schummel (Brest. Almanach S. 69) die Geſellſchaft ſich auflöſen, was, wie ſehr viele ſeiner Nachrichten, unrichtig iſt, da aus den Landſchaftsakten vielmehr ſich ergiebt, daß ſie noch fünf Jahre länger beſtanden hat. So lange iſt in der jedesmaligen Februar- Verhandlung der Landſchaft noch immer von der Geſellſchaft die Rede, jedoch allerdings mit entſchiedener Gleichgiltigkeit. Man bewilligt halbgezwungen die jährliche Unterſtützung von 200 Thalern, und läßt Börner mit feinen Experimenten gewäh— ren. Die Sitzungen ſcheinen ſeltner geworden zu ſein. In den Schleſiſchen Provinzialblättern (1788) findet ſich noch eine Vorleſung Garve's: „Ueber die Lage Schleſiens in verſchiedenen Zeiträumen,“ eine der farb: loſeſten und ſchwächſten Abhandlungen des geſchätzten Philoſophen, abgedruckt. Wenn Etwas ſich überlebt hat, kann eine Kleinigkeit es zerſtören; und ſo gab den letzten Grund zur gänzlichen Auflöſung der erſchlafften Ge⸗ ſellſchaft endlich unerwartet der obenerwähnte botaniſche Garten in den Feſtungswerken. Derſelbe nämlich war dem Feſtungsgouverneur, dem greiſen Grafen Tauenzien, ein Aergerniß. Er verlangte deſſen Heraus— gabe, und nahm ihn endlich wenige Monate vor ſeinem (im März 1791) erfolgten Tode mit Gewalt weg. Dergleichen Schritte der Militairbehörde geſchahen damals nicht ſelten. Wäre die Geſellſchaft noch thatkräftig geweſen, wie zu Carmers Zeit, ſo würde Hoym, der mit dem kommandirenden General der Provinz, dem Prinzen von Hohenlohe, ſehr gut ſtand, wohl den Garten aus Tauenziens Händen gerettet haben. Aber es machte ſich wohl Niemand mehr aus ſeinem Beſitze etwas. Ueber dieſe von Menzel (Geſchichte Schleſiens, II. S. 630) berührte Begebenheit beobachten übrigens die Akten des landſchaftlichen Ausſchuſſes ein tiefes Stillſchweigen; die ſchleſiſchen Memoirenſchreiber jener Zeit äußern ſich über die Auflöſung der Geſellſchaft etwas geheimnißvoll. Schummel ſagt a. a. O.: „Es iſt hier nicht der Ort zu Klagen über dieſe befremdliche Phänomene.“ Die geſchriebenen Verhandlungen mögen wahrſcheinlich nach Berlin geſandt worden ſein. Ge⸗ nug, die patriotiſche Geſellſchaft ging für immer auseinander. Ein Protokoll über dieſe Auflöſung iſt nicht mehr vorhanden, nur eines vom 16. Juni 1791, welches uns von der Verfügung der Landſchaft über das 29 * 228 noch übrige Eigenthum der Geſellſchaft unzweifelhafte Kenntniß verſchafft. Wir haben oben bemerkt, daß fie eine Bibliothek beſaß, und 1784 dem Syndikus Börner ein gerühmtes Naturalienkabinett und eine Modell⸗ ſammlung, man weiß nicht, für welchen Preis, abgekauft, und zu beſtimmten Zeiten dem Beſuche geöffnet hatte. Es geſchah daher der Antrag, dieſe Sammlungen nunmehr der Ritterakademie zu Liegnitz zu ſchenken, damit die Jugend des ſchleſiſchen Adels daſelbſt ſich daraus belehren könne. Alle Deputirte waren dafür, Liegnitz Wohlau allein wollte die Sammlungen nur überweiſen, nicht wirklich ſchenken, weil ſie doch von dem Gelde der Landſchaft angekauft worden. Der Kurator der Ritterakademie, Herr v. Leſtwitz, nahm das Geſchenk mit Dank an, und bat, daß man Sachverſtändige beauftrage, die in dem Generallandſchaftshauſe zu Breslau aufgeſtellten Sammlungen zu verpacken und nebſt einem Verzeichniſſe nach Liegnitz zu ſenden, wo ſie denn auch noch heute ſich befinden. Zuletzt kommt nun in jener Verhandlung das Schickſal des Beamten der Geſellſchaft, Börner, zur Sprache. Er war nur ihr Secretair geweſen, ſein Titel: „Landſchaftsſyndi⸗ kus,“ war, wie Schummel a. a. O. ſagt, eben nur ein Titel. Die Deputirten beſchloſſen, obgleich nach Ver— ſchenkung des Muſeums und Verluſt des Gartens gar nicht abzuſehen ſei, was er noch für Geſchäfte habe, ihn für ſeinen Gehalt „bei den Geſchäften der Landſchaft (wahrſcheinlich bei halbjähriger Abſtempelung der Pfandbriefe) zu employiren.“ Schummel erzählt, daß er dann viele literariſche Arbeiten vorgenommen. Seine vielen Schriften ſtehen bei Meuſel. Seine letzten: „Syſtem der Witterungslehre,“ „die Lehre von den Elementen,“ „ökonomiſche Botanik,“ ſcheinen ungedruckt geblieben zu ſein. Was die Kreisſocietäten, gleichſam die Zweige des Breslau'ſchen Stammes, betrifft, ſo haben ſie an— fangs faſt in allen ſchleſiſchen Kreiſen beſtanden, ſind aber faſt in jedem Bande der Zeitſchrift Gegenſtand der Klage und des Vorwurfs. Als endlich die Hauptſocietät ſich auflöſte, erklärte ein Zweigverein, der Schweidnitz— Jauerſche, ſeine ſelbſtſtändige Fortdauer, und dieſer beſteht noch jetzt, giebt auch jährlich ſeine Verhandlungen im Druck heraus. Ueber ſeine früheren Arbeiten giebt ein Buch Nachricht: „L. F. E. Fiſcher's: Annalen aller Verhandlungen und Arbeiten der ökonomiſch-patriotiſchen Societät des Fürſtenthums Schweidnitz, 1785 bis 1804. Jauer 1810.“ In Breslau nun beſtand von 1791 an durch zwölf Jahre zum Bedauern Vieler keine, der bisher be— ſchriebenen ähnliche Geſellſchaft, bis 1803 die „zur Beförderung der Naturkunde und Induſtrie“ ſich bildete, welche noch jetzt unter dem Namen „Schleſiſche Geſellſchaft für vaterländiſche Kultur“ blüht. Dieſe unter: ſcheidet ſich von der alten patriotiſchen Societät insbeſondere dadurch, daß fie keinesweges eine Regierungs⸗ maaßregel, ſondern ein freier Verein iſt. Carmers edle Abſicht würde, wenn ſein Plan weniger bureaukratiſch ausgeſehen hätte, von den Schleſiern wohl mehr gefördert worden ſein. Dennoch iſt in einem kurzen Zeit— raume nicht wenig geleiſtet worden, die „Oekonomiſchen Nachrichten“ bleiben immer ein werthvolles Zeugniß des damaligen Bildungszuſtandes, wenn auch heutige Naturforſcher und Landwirthe die dort niedergelegten Erfahrungen nur zum Theile noch brauchbar finden dürften. A. Kahlert. FTT 229 11. Ueberſicht über die Verhandlungen der Sektion für Philologie im Jahre 1848, Direktor und Profeſſor Dr. Schönborn, z. Z. Sekretär der Sektion. Die Thätigkeit der Sektion iſt in dem Jahre 1848 beſchränkter geweſen, als im Jahre 1847. Die Zeit⸗ verhältniſſe hinderten die Verſammlungen im April und Mai; im März, Juni und Juli wurden diejenigen Mitglieder, welche ſich zu den Vorträgen bereit erklärt hatten, durch Krankheit oder durch andere zufällige Ur— ſachen verhindert, ihr Verſprechen zu halten. Es haben daher in dem ganzen Jahre nur ſechs Verſammlun— gen ſtattgefunden. Am 11. und am 25. Januar ſprach Herr Profeſſor Dr. Ambroſch über die neueſten Ergebniſſe der römiſchen Topographie. Er ſprach zunächſt von den verſchiedenen Standpunkten, von welchen man hierbei ſeit dem Wiederaufleben der Wiſſenſchaften im fünfzehnten Jahrhunderte ausgegangen iſt, bis man in der neueren Zeit und zumal in der neueſten zu viel gewiſſeren Reſultaten namentlich über die Lage des Forums gekommen iſt, auf denen ſich mit viel größerer Sicherheit weiter bauen läßt. Hierauf wurde zuerſt die natür— liche Lage Roms und die natürliche Beſchaffenheit feines Bodens und die dadurch ſcharf geſonderten Räume der alten Stadt beſchrieben, und dann die Verhältniſſe des Marsfeldes, die Lage und Richtung der ſieben Hügel und ihrer Theile und der zwiſchen und an ihnen gelegenen Thäler und Ebenen und ihr Zuſammenhang unter einander geſchildert. Ein großer nach den Angaben des Vortragenden auf Grund des Beckerſchen Pla— nes gezeichneter Plan half dies Alles zur Anſchauung zu bringen. Es folgte die Betrachtung der örtlichen Verhältniſſe des rechten Tiberufers, d. h. des vatikaniſchen Gebietes, des Janikulums und der regio trans- tiberina überhaupt, worauf zur Darſtellung der eigentlichen Stadt übergegangen wurde. Der chronologiſchen Entwickelung gemäß wurde zuerſt das uns aus Tacitus größtentheils bekannte Po- moerium der älteſten Stadt und die Thore derſelben beſprochen; hieran ſchloß ſich die Nachweiſung, wie ſich die Stadt allmälig über die dem Palatium benachbarten Höhen und Tiefen ausgedehnt (Pagus Sucusanus, Carinae, Septimontium, Caelius), die Betrachtung der von den Sabinern beſetzten Hügel und die Dar— ſtellung der Verhältniſſe, welche zwiſchen den Bewohnern der Doppelſtadt, den Römern und Quiriten, im: räumlicher Beziehung eintraten. Darauf wurde die von der Beſchaffenheit des Bodens bedingte Befeſtigung des Königs Servius, der koloſſale Wall, die Mauerzüge und die wichtigſten Thore und deren Verhältniß zu den Hauptſtraßen des alten Latiums erörtert. Die hierdurch vorbereitete Unterſuchung über die hiſtoriſch be⸗ deutſamſten Stätten des innern Roms begann mit der Nachweiſung einiger für die Topographie beſonders 2 wichtigen Straßen und Gebiete (sacra via, nova via, Argiletum, Lautumiae), worauf zur Darſtellung der Lage, Richtung, Ausdehnung und Begrenzung des römiſchen Forums im weiteſten Sinne des Wortes fortgeſchritten wurde. Dieſes von den Alten häufig nur mit dem Namen Forum bezeichnete Gebiet umfaßte zwei nicht nur religiös-politiſch, ſondern auch örtlich geſchiedene Räume: das Comitium und das Forum im eigentlichen Sinne, von denen jenes die Stätten älteſter Religion, Staatsverwaltung und Rechtspflege ent— hielt, während die Entſtehung des eigentlichen Forums erſt durch die großen hydrauliſchen Bauwerke des älte— ren Tarquinius möglich wurde. Es wurden ſodann ſowohl jene für Religion, Staatsverwaltung und Ge— richtsweſen beftimmten Räume des Comitiums (regia, aedes Vestae, curia Hostilia, tribunal, rostra), als auch die Beſchaffenheit der älteſten Anlagen im eigentlichen Forum genauer betrachtet. Dieſes ältefte Fo— rum, ein auf beiden Längenſeiten von Hallen und Laden eingeſchloſſener Raum, war urſprünglich nichts An— deres, als ein Marktplatz im gewöhnlichen Sinne des Wortes, und blieb es ſo lange, bis mit der ſelbſtſtän— digen Entwickelung der Plebs auch dieſes Gebiet eine überwiegend politiſche Bedeutung gewann. Die räum⸗ liche Geſtaltung, welche Comitium und Forum im Laufe von Jahrhunderten erhielten, war nothwendig bedingt durch die religiös-politiſche Entwickelung der Republik und des Kaiſerreiches, und das Forum bot mithin zu verſchiedenen Zeiten ein ſehr verſchiedenes Bild dar. Beſonders wurde mit dem Beginn der Anlagen von Baſiliken (569 d. St.) die frühere Einfachheit des Forums ſehr verändert, bis endlich ſeit dem Zeitalter des Cäſar und Auguſtus, ganz entſprechend dem politiſchen Umſchwunge jener Zeiten, der ganze Raum des Comi— tiums und Forums ein völlig anderes Anſehen gewann. Von dieſen Geſtaltungen wurden nun die der erſten Periode ausführlicher behandelt (vicus Jugarius, vicus Tuscus, aedes Castoris); die Betrachtung der Anlage der Baſiliken und der Bauten des kaiſerlichen Roms blieb ſpäteren Vorträgen aufbehalten. Am 8. und 22. Februar wies Herr Oberlehrer Dr. Lilie nach einem einleitenden Berichte über das, was bis auf die neueſte Zeit für die Darſtellung Homeriſcher Anſchauungsweiſe geſchehen iſt, in den Schick— ſalsmächten der Ilias und Odyſſee den Grundgedanken einer allgemein gültigen Nothwendigkeit und einer Ge: ſetzgebung nach, welche als das Reſultat abſtrakten Denkens ſich erweiſt, indem fie allem Sein nur die Be: grenzung und das feſte Maaß beſtimmt, ohne an irgend einer organiſchen Entwickelung ſich zu betheiligen. Die Mächte der Entwickelung des Weltganzen ſind die Götter, deren höchſte Potenz Zeus Mittelpunkt einer Vorſtellungsgruppe iſt, welche die Reſultate des den Erſcheinungen zugewendeten Denkens enthält. In dem Verhältniß des Menſchen zum Schickſal herrſcht die Furcht, in dem zwiſchen dem Menſchen und den Göttern die Liebe, welche im frommen Ritus ſich entfaltet. Wiſſen, Wollen und Können der Götter wurde als Er— gebniß des idealiſirenden menſchlichen Denkens dargeſtellt. Dies iſt aber über quantitative Beſtimmungen göttlichen Vorzuges nicht hinausgekommen; was das Qualitative betrifft, ſo ſinkt es zur Sphäre des Sterbli⸗ chen, zum Theil unter dieſelbe herab, ſo weit nämlich die Innigkeit des Ritus, als Umgang des Sterblichen mit dem Gott, zur gedankenloſen Vertraulichkeit ausartet. Eine Naturſeite des Gottes wurde zwar anerkannt, aber deſſelben wahre Stärke im Sittlichen und Intellektuellen gefunden. Darauf wurden die Vorſtellungen vom Daſein entwickelt. Dies erſchien als untrennbare Vereinigung von Geiſt und Leib. Was nicht Leib hat, iſt auch nicht; daher beſteht die Unſterblichkeit der Seelen in der Unterwelt in beſtändigem Sein, welches mit einem Schattenleibe umkleidet iſt, deſſen Exiſtenz ſich an den oberweltlichen Leib anſchließt. Iſt dieſer nicht zu finden oder nicht zu beſtatten, ſo iſt auch kein unterweltliches Daſein. Die Unſterblichkeit des Nach⸗ ruhms erſcheint als ein veredeltes Analogon dieſes unterweltlichen Daſeins. Eine abſolute Ewigkeit iſt nur dem Schickſal zugeſchrieben, da ſelbſt die Götter eine Abſtammung in der Zeit haben. Hier wurden, weil nach Homeriſcher Anſchauung das Gewicht des Ehe-Inſtituts auf die Fortpflanzung des väterlichen Daſeins fällt, die Vorſtellungen angeknüpft, welche auf Ehe und Familie ſich beziehen. Jene erſcheint nach ihrer Ent⸗ ſtehung als An- und Verkauf, das Recht der Gatten als Eigenthumsrecht ohne höhere, ſittliche Verbindlich⸗ keit, in der Familie iſt der legitime Sohn bevorrechtet gegen Mutter und Schweſter. Das Weib erlangt erſt 231 dadurch, daß ſie Mutter wird, eine Bedeutung innerhalb der Familie. Soweit wurde die Darſtellung Home⸗ riſcher Anſchauungsweiſe mitgetheilt. — Dieſe Vorträge ſind ſeitdem vervollſtändigt abgedruckt worden in der Zeitſchrift für das Gymnaſialweſen von Heydemann und Mützell. 1849. März bis Juni. Am 31. Oktober ſprach Herr Profeſſor Dr. Wagner „über den Urſprung der dramatiſchen Poeſie bei den Griechen,“ und entwickelte dabei beſonders folgende Anſichten: Nach Ariſtoteles ſind Tragödie und Ko— mödie von dem Kultus des Dionyſos, d. h. jene von den dazu gehörenden Dithyramben, dieſe von den Phal— losliedern ausgegangen. Dionyſos war urſprünglich ein fröhlicher Weingott; als ſolcher war er in Griechen— land längſt einheimiſch, ehe durch die Verbindung mit dem Orient die Idee des tragiſchen Dionyſos hinzu— trat. Jenem älteren Gotte war der Dithyrambos gewidmet, er gehörte zu der Feſtfeier. Mit der Ausbildung des Kultus wurde auch der Dithyrambos kunſtmäßiger, während die Jobakchen die kunſtloſen Volksgeſänge bezeichneten. Der Chor war im Kreiſe um den Altar aufgeſtellt (zUxAıoı X0008) und repräſentirte theils die feiernde Volksmenge, theils die mythiſchen Begleiter des Gottes, die Satyrn. An der Spitze fand ein S ceg- xos, ein Vorſänger, der in den älteren Zeiten wohl allein die Geſchichte und die Thaten des Gottes fang. Urſprünglich that dies wohl der Dichter ſelbſt. Dazu bewegte ſich der Chor orcheſtiſch, und unterbrach den Geſang durch Hymnen. Dieſer ältere Dithyrambos bewegte ſich in trochäiſchem Maaße unter der Begleitung phrygiſcher Flöten. So haben wir ihn uns bei Jonern und Aolern zu denken. Die ernſten Dorer gaben der Dionyſosfeier eine ernſtere Geſtaltung; ſie hatten einen Männerchor, denn Arion führte in Korinth erſt den Satyrchor ein. Bald webte man dem Dionyſos fremde Mythen ein. Zuerſt ſoll Epigenes dies durchgreifend gethan und des Gottes gar nicht gedacht haben; daher man ihm zurief: oddEv mo05 cov Arovvoov. Dieſe Geſänge hießen zgayıxoi v, weil fie zum Widderopfer des Dio⸗ nyſos geſungen wurden; das war die A ,G zoaywdia, die ſogenannte lyriſche Tragödie oder eigentlich doriſche Dithyramben. Ihnen fehlten Masken, alles Satyrhafte, die Flöten. Gegenüber ſtand die & sqlee, die heitere Feſtfeier auf den Dörfern, deren Erfindung die Dorer ſich zuſchrieben. Eine neue Periode begann mit Arion. Zu dem alten Männerchore brachte er die fröhlichen Satyrn, er vereinigte joniſche und doriſche Weiſe. Ob er das Satyrhafte vor oder nach den Chorgeſängen eingefloch— ten, bleibt zweifelhaft. Die Geſänge geſtaltete er künſtlicher, auch gab er ihnen die antiſtrophiſche Form; aber fie blieben diegematiſch; er ſelbſt fang als SS νο . Je mehr dieſe ernſtere Auffaſſung des Dionyſos ſich im ſechsten Jahrhunderte verbreitete, um ſo mehr fand in allen Theilen Griechenlands dieſe Vereinigung beider Formen Beifall. Daher iſt es auch zu erklären, daß der doriſche Dialekt überall in den Chören aufgenom- men wurde. So blieb dem Theſpis nur ein kleiner Schritt zu thun. Er änderte den Dithyrambos des Arion nur inſofern, daß er aus dem Vorſänger einen Schauſpieler machte und ihn in Wechſelrede mit dem Chore treten ließ. Die Satyrn ſchied er wahrſcheinlich ganz aus, ſo daß ſie vorher oder nachher auftraten, bis Pratinas das Satyrdrama erfand, gewiß aber nicht, wie man allgemein glaubt, weil das Volk es gemißbilligt, daß die Dichter dem Dionyſos fremde Stoffe genommen. Vielmehr war das Satyrdrama ein genialer Einfall des Pratinas, dem die bisherige loſe Verbindung der Satyrn mit der Tragödie mißfiel. Er ließ die Satyrn allein auftreten, und that daſſelbe mit ihnen, was Theſpis mit dem Männerchor gethan, indem er ſie mit dem in einen Schauſpieler verwandelten S8 in Wechſelreden treten ließ. Die Komödie hängt mit den Phallosliedern zufammen. Der Phallos wurde als Symbol der Frucht: barkeit bei den ce mit einem Geſange umhergetragen; das Feſt wurde beſonders auf dem Lande gefeiert. Ein Bild von den Phallosliedern giebt eine Stelle in den Acharnern des Ariſtophanes. Zuerſt mochte der Vorſänger und der Chor unvorbereitet Ausfälle nach der Abſingung der Phalloslieder gemacht haben; hieraus entſtand ein Dialog, und als der Vorſänger zum Schauſpieler wurde, bildete ſich die Komödie. Wann und wo dies geſchehen, iſt ſchwer zu ſagen. Manches führt auf die Dorer hin; Ariſtoteles nennt Megara, wahr: 252 ſcheinlich das Doriſche, als die Geburtsftätte, deſſen Einwohner als ſatyriſch und ſarkaſtiſch, wenn auch nicht als fein bekannt waren. Dieſe Umbildung des Phallosliedes in die Komödie fand wahrſcheinlich nach des Theagenes Vertreibung, alſo um Olympiade 43 oder 44 ſtatt. Künſtlichere Geſtaltung ſcheint fie zuerſt in dem ſiciliſchen Megara, eigentlich in Hybla erhalten zu haben, wohin des Epicharmos Eltern überſiedelten; er war wahrſcheinlich der Begründer dieſer Komödie. Am 28. November theilte Herr Dr. Kopiſch eine metriſche Ueberſetzung von Pindar's 9ter Olympiſcher Ode mit, nachdem er eine Ueberſicht über die Ueberſetzungen des Pindar vorangeſchickt hatte. Außer einer Stelle bei Horatius und einer anderen bei Ovidius findet ſich darüber nichts bei den Alten. Erſt Melan— thon gab eine für ſeine Zeit gute lateiniſche Ueberſetzung, der andere folgten. Franzoſen und Italiäner halten es für ſehr ſchwer, dieſen Dichter, deſſen Studium ihnen überhaupt unfruchtbar erſcheint, in ihre Sprachen zu übertragen. Erſt die Deutſchen haben ihn würdigen lernen und ihn vielfach zu überſetzen verſucht. Gute metriſche Ueberſetzungen ſind erſt ſeit den Feſtſtellungen Böckh's möglich, und ihr Gelingen wird immer von der Gunſt glücklicher Stunden abhängig bleiben. Nachdem die verſchiedenen Verſuche erwähnt waren, ging der Vortragende auf das von ihm erwählte Gedicht über. Wann dieſe Ode gedichtet worden, iſt nicht zu ermitteln. Sie ſcheint in Opus, welches kaum eine kleine Tagereiſe von Theben entfernt war, in Pindar's Gegenwart geſungen zu ſein. Hierauf wurde zuerſt eine proſaiſche Ueberſetzung gegeben und durch Erläute— rungen gerechtfertiget, und zum Schluſſe eine Ueberſetzung in den Rhythmen des Originals mitgetheilt. —— . ——— 233 12. Mittheilungen aus den in der pädagogiſchen Sektion gehaltenen Vorträgen, dem Seminar: Oberlehrer Scholz, zeitigem Sekretair derſelben. Die Reihe der diesjährigen Vorträge in der pädagogifchen Sektion begann (am 21. Januar) mit der Beant⸗ wortung der Frage: „Iſt die Auflöſung des Verbandes der Volksſchule mit der Kirche, oder, mit andern Worten: iſt die Emancipation der Volksſchullehrer von der Aufſicht der Kirche ausführbar, und würde dieſelbe, falls ſie es wäre, heilbringend ſein?“ — Der Vortragende, Herr Rektor und Profeſſor Dr. Reiche, hatte bereits in einem früheren Vortrage (1846) den hiſtoriſchen Nachweis geliefert, daß die Abhängigkeit der Schule von der Kirche ſich auf naturgemäße Weiſe entwickelt habe, und zog nunmehr den Einfluß, welchen die Er— weiterung und Vervollkommnung des Schulweſens auf die Stellung der Schule zur Kirche gehabt habe und welche Veränderungen in dem Verhältniſſe der Beamten der Schule zu denen der Kirche dadurch bewirkt wor— den ſeien, in Erwägung. Die Gymnaſien und Lyceen waren eine Frucht der Wiederauflebung der Wiſſen⸗ ſchaften, und eben dieſe gab auch die Veranlaſſung zur Entſtehung vieler Stadtſchulen, welche ſich nach und nach zu lateiniſchen Schulen erhoben. Die Landſchulen dagegen ſind ausſchließlich eine Schöpfung der Kirche; die Lehrer traten als Kirchenbeamtete in unmittelbare Abhängigkeit von den Geiſtlichen. Nur die Lehrer der Winkelſchulen waren emancipirte Schulleute, um die man ſich wenig oder gar nicht kümmerte. Die Aufſicht über die Stadtſchulen in kleinen Städten, deren Lehrer meiſtens, ſo zu ſagen, „verdorbene Theologen“ waren, mußte darum der Ortsgeiſtlichkeit übertragen werden, weil damals magiſtratualiſche Beamtete nicht die nöthi- gen Einſichten und Kenntniſſe beſaßen und für die Schulen kein rechtes Intereſſe zeigten. Inſofern die Rek— toren, Profeſſoren und Kollegen der Gymnaſien und Lyceen gewöhnlich Theologen oder Geiſtliche waren, ſtan— den dieſe Bildungsanſtalten ebenfalls unter dem Einfluſſe der Kirche. Die Veränderung in den Univerſitäts— ſtudien blieb nicht ohne Einfluß auf Stellung und Einrichtung der Gymnaſien und Lyceen. Mit dem Auf⸗ ſchwunge der Philologie und Philoſophie, der Mathematik und der Naturwiſſenſchaften fing der Verband zwiſchen Gymnaſien und der Kirche an, ein immer lockerer zu werden, bis ſich dieſe Anſtalten gänzlich von der Kirche dadurch emancipirten, daß bei der Anſtellung der Gymnaſiallehrer das Studium der Theologie nicht mehr zur Bedingung gemacht wurde. Die Gelehrten, welche ſich dem Lehrſtande für Schule und Kirche wid— men wollten, ſonderten ſich von nun an in Prediger und Schulmänner. Daſſelbe Verhältniß iſt auf die in neuerer Zeit gegründeten „höheren Bürgerſchulen,“ auf die Bau- und Militärſchulen übertragen worden, — fie find, wenn auch nicht von der Kirche, fo doch von der Aufſicht der Geiſtlichen, emancipirte Bildungs an⸗ 30 254 ftalten, die unter dem königlichen Provinzial: Schulfollegium, einer neuen Schulbehörde, ſtehen. Anders ver: hält es ſich mit der Aufſicht über die Volksſchule, die ein weſentlicher Theil von der Kirche, als dem in die Erſcheinung getretenen Gottesreiche, iſt, und in welcher die Anlagen des Kindes nicht bloß die zur Ver— ſtändigkeit und Vernünftigkeit, ſondern auch ja in vorzüglichem Grade, die zur Religioſität und Frömmigkeit, gebildet werden ſollen. Herr Rektor Dr. R. ſprach kräftige Worte über die Beſtimmung und Aufgabe der Volksſchule und deren Beaufſichtigung und Leitung. Nachdem er die Pflichten der Reviſoren der Volksſchule klar auseinandergeſetzt, beantwortete er die Frage: wem das Reviſorat am natürlichſten obliege? dahin, daß Niemand dazu geeigneter wäre, als die Geiſtlichen, ſetzte auch die Gründe dafür auseinander, und gab eine Schilderung von einem geiſtlichen Reviſor, wie er ſich denſelben denke und wie derſelbe ſein müſſe, nämlich nicht ein einſeitig gebildeter und eingebildeter Theologe, ſondern ein chriſtlich geſinnter, tüchtiger Pädagoge, und ein ächter und wahrer Volks-, Lehrer- und Kinderfreund, der Hand in Hand mit dem Lehrer gehe, den er als ſeinen treueſten Mitarbeiter im Weinberge des Herrn, am Bau des Gottesreiches, betrachte, der frei ſei von geiſtlichem Hochmuth und Pfaffenſtolze. Wo ein richtiges Verhältniß zwiſchen Geiſtlichen und Lehrern beſteht, wo von keiner Seite der Egoismus ſich geltend macht, da verſtummen die Wünſche nach Emancipa— tion. Aber es müſſen von beiden Seiten Opfer der Selbſtverläugnung gebracht werden. Lehrer- und Revifor: Mißverhältniſſe entſtehen nur da, wo die pädagogiſche Tüchtigkeit der Reviſoren nicht gleichen Schritt mit der der Lehrer gehalten hat. — Vor der pädagogiſchen Intelligenz des Reviſors beugt ſich der Lehrer, ſelbſt der tüchtigſte. — Zuletzt wurden die Nachtheile, welche durch die Befreiung der Volksſchule von der Leitung und Aufſicht der Geiſtlichen entſtehen würden, zur Sprache gebracht und der Wunſch ausgeſprochen, daß Rechte und Pflichten Beider, der Reviſoren und Lehrer, zu Beider Zufriedenheit und zum Segen der Volksſchulbil— dung feſtgeſtellt werden möchten. Aus dem Vortrage des Herrn Rektor Kämp „über Geſchichte“ übergeben wir folgenden Auszug dem Jahresberichte. „Schon von den älteſten Zeiten an hat man das Studium der Geſchichte als wichtig, als ein vor— zügliches Bildungsmittel angeſehen, getrieben und auf alle Weiſe empfohlen. Die Zwecke, die man dabei im Auge hatte, waren freilich oft ſehr verſchiedener Art, oft höchſt einſeitig, wie fie z. B. der römiſche Rechts: kundige, der Prieſter, der Dichter brauchte, wo ſie nur als Material, oder als Nachweiſung des Urſprungs beſtehender gottesdienſtlicher oder geſetzlicher Einrichtungen angeſehen wurde, wie ſie dem geſchäftsloſen Reichen allenfalls als eine Unterhaltung in müßigen Stunden, nach Art unſerer Romane, dem Schulgelehrten als ſchmückendes Aushängeſchild ſeiner, der lebendigen Lebensanſchauung entbehrenden Weisheit diente. Von erha— benerem Standpunkte betrachtet ſie ſchon Livius, der in ſeiner Vorrede Anſichten über das Studium der Geſchichte und den Zweck ſeiner Hiſtorien aufſtellt, welche die höchſte Anerkennung und Beherzigung noch heut verdienen. „„Darauf,““ ſagt' er, „„richte mir ein Jeder ſeine Aufmerkſamkeit, wie das Leben, wie die Sitten geweſen, durch welche Männer und durch welche Kräfte im Kriege und Frieden die Herrſchaft erlangt und vergrößert worden; dann verfolge er mit ſeinem Geiſte die bei dem allmäligen Verfalle der Zucht anfangs gleichſam als Mangel an Thätigkeit hervortretende Weiſe des Volks, wie dann die Sitten mehr und mehr ſanken, dann jählings dem Verderben zueilten, bis man zu unſerer Zeit gekommen iſt, wo wir weder unſere Laſter, noch die Heilmittel derſelben ertragen können. Der hauptſächlichſte Nutzen und Ertrag des geſchichtli— chen Studiums beſteht aber darin, daß man hervorragende Männer jedes Charakters auf einem weitſichtbaren Schauplatze ihrer Thaten handeln ſieht, ſo daß man in den Stand geſetzt wird, von hier zu entnehmen, was für den Einzelnen, wie für die Geſammtheit Nutzen bringen kann, wenn man es nachahmt, und das zu erken— nen, was, weil es ſchändlich in feinem Beginn, wie in feinen Folgen, vermieden werden muß.““ So weit Livius. — Fragen wir nun, welchen Zweck wir bei unſerer Beſchäftigung mit der Geſchichte vor Augen haben 235 ſollen, ſo müſſen wir zuvörderſt bedenken, daß nach den verſchiedenen Standpunkten derer, welche die Geſchichte ſtudiren, auch der Zweck ein verſchiedener ſein müſſe, und da wir nun in den Schulen dieſelbe als ein allgemeines Bildungs- und Erziehungsmittel der Jugend au genommen ſehen, das für Alle und unter allen Umſtänden daſſelbe bleiben ſoll, ſo werden wir, mit Beziehung auf das früher Geſagte, die Forderungen, die wir zu erfüllen ſuchen müſſen, leicht auffinden können. Für's Erſte ſoll die Geſchichte uns ein wahres Bild des Lebens geben, nicht nur wahr in den That— ſachen, in Namen, Zahlen, Orten, ſondern vorzüglich ſoll dieſe Wahrheit erſtrebt werden in Darſtellung der Sitten, Denk- und Handlungsart der vorgeführten Perſonen und Völker. Um dies zu können, muß man und kann man ſich nicht begnügen mit dem oft durch Parteiſucht entſtellten Bilde, das gleichzeitige Schriftſteller, die nicht ſelten ſich ganz widerſprechen, uns in ihren Werken gezeichnet haben, während über Andere die Quellen höchſt lückenhaft und unzureichend ſind. Was ein Jeder iſt, iſt er nicht bloß in ſeiner Zeit, in ſeinem Lande, ſeinem Volke, ſondern auch eben ſo durch alles Dieſes. Wenn z. B. Sokrates nicht in Athen, ſondern in Rom geboren wäre, ſo würde er unter ganz andern Umgebungen und Einflüſſen auch ein ganz Anderer geworden ſein, als er war, und ſchwerlich würden wir in dem Römer Sokrates den uns durch ſeine Schüler bekannten, von ſeinen Zeitgenoſſen meiſt verkannten und nur von wenigen ausgezeichneten Männern bewunderten Sokrates wieder erkennen. Ja, wäre er nur 50 Jahre früher oder ſpäter geboren, ſo hätten gewiß auch die Zeitumſtände und Verhältniſſe einen ganz anderen Mann aus ihm erzogen. Daher ſpiegelt ſich im Leben jedes Einzelnen das Leben des ganzen Volkes, ſo wie der Zeit, der er angehört, und die Lebensbeſchreibung eines ausgezeichneten Mannes kann nur von dem treu und wahr gegeben werden, wel— cher nicht bloß dieſes Mannes Erlebniſſe genau beobachtet hat, ſondern auch eine genaue Kenntniß von allen Umgebungen deſſelben und Allem, was auf denſelben fördernd oder hemmend einfloß, befißt. Daher kann derjenige noch keinesweges ſich als Geſchichtskundigen ausgeben, der eine noch ſo große Menge von Namen und Daten ſeinem Gedächtniſſe eingeprägt hat, eben ſo wenig, als wir bloß durch Auswendiglernen eines voll— ſtändigen Wörterbuchs der lateiniſchen Sprache, wenn dies möglich wäre, uns zu wahren Kennern dieſer Sprache zu machen vermöchten; oder im Stande wären, lateiniſch zu ſprechen. Und darum iſt nächſt der Wahrheit der innere Zuſammenhang des Lebens und der Geſchichte der Völker, wie einzelner ausgezeich- neter Männer, ein unerlaßliches Erforderniß. Nur durch dieſe Wahrheit und den innern Zuſammenhang der Begebenheiten werden wir ferner in den Stand geſetzt, ein gerechtes Urtheil uns zu bilden. Und hier iſt es an der Zeit, aufmerkſam zu machen, wie oft ſich die Nachwelt durch gedankenloſes Nachbeten gehörter einſeitiger Urtheile, öfter noch durch vor— ſchnelles Abſprechen nach dem äußern Scheine und dem Eindrucke, den ein Ereigniß auf uns machte, zu uns verzeihlicher Ungerechtigkeit verleiten läßt, und wenn irgend Jemand, ſo fällt der junge Mann am erſten in dieſen Fehler. So iſt durch vorgefaßte Meinung Gregor der Siebente Jahrhunderte lang mißhandelt worden, man ſah nur in ihm den herrſchſüchtigen, ſtolzen Pfaffen, während der beſonnene Geſchichtsforſcher ihn, je länger er ihn betrachtet, deſto mehr bewundert und ihn zu bewundern ſich gezwungen ſieht. Aber das iſt freilich nicht Sache eines Jeden, und nicht gering ſind die Forderungen, welche an einen tüchtigen Geſchichts— forſcher geſtellt werden. Eine tiefe Menſchenkenntniß, geſtützt auf pſychologiſche Grundlage, muß man zunächſt bei ihm vorausſetzen. Wem das Treiben der menſchlichen Seele unbekannt iſt, wer nicht Neigungen, Fähig— keiten, Leidenſchaften, Stimmungen und Verirrungen zu durchſchauen und in Anſchlag zu bringen verſteht, kann vielleicht in vielen andern Fächern Großes leiſten, aber bei aller Gelehrſamkeit iſt er unfähig, über irgend einen Menſchen, folglich auch über eine geſchichtliche Perſon, ein ſachgemäßes, unparteiiſches, billiges Urtheil zu fällen. Sollen wir aber durch das Studium der Geſchichte wahrhaft befähigt werden, aus der Vergangenheit für Gegenwart und Zukunft ſowohl im kleinen Kreiſe, als für den geſammten Staat, etwas Erſprießliches zu entnehmen, ſo können wir dies nur durch eigene Urtheilsfähigkeit. Haben wir dieſe erworben, ſo können wir freilich noch oft in den Fall kommen, zu irren, aber wer dann irrt, iſt auch fähig, ſeine eigenen Irrthümer 30 * einzufehen und, daraus Vortheil ziehend, fie künftig zu vermeiden. — Daß aber das Studium der Geſchichte einer genauen Länderkenntniß, einer ſichern Zeitrechnung, des Verſtändniſſes der Sprache nicht entbehren könne, ſieht Jeder ein und darf daher hier nicht erſt erörtert werden; ſie ſind noth wendig und unerlaßlich, aber ſie ſind nur Mittel zum Zwecke. Wer aber nun im Beſitze einer hinlänglichen Menge geſchichtlicher, Epoche machender Daten, mit ges nauer Einſicht in den Zuſammenhang der Begebenheiten, in ihren Urſachen und Folgen, ausgerüſtet mit tiefer Menſchenkenntniß und ohne vorgefaßte Meinung fähig und bereit, ein gerechtes Urtheil über Männer und Völker ſich zu bilden, ſich die Geſchichte der Vorzeit vergegenwärtigt, ſich zurückruft, wie unter allen Völkern und zu allen Zeiten Großes, Herrliches ſich geſtaltete, das dann im Laufe der Begebenheiten innern oder äußern Feinden unterlag und zu Grunde ging: den wird eine tiefe Schwermuth ergreifen bei dem Gedanken, daß alles Menſchliche hinfällig iſt, und was wir auch erzielen oder ſchon erſtrebt haben, einſt auch untergehen werde, wenn vielleicht wilde Horden aus Norden oder Oſten ſich heranwälzen und unſerm Staatenleben und geiſtigen Wirken ein Ende ſetzen, wie Griechenlands und Roms Größe unterging, oder daß auch ohne dieſen Andrang äußerer Feinde eine Zeit kommen werde, wo wir von unſerer eigenen, vielleicht errungenen Hohheit dem Laſter in die Arme uns werfen und Sinnenluſt Leib und Seele entnervt und allgemeine Rohheit wieder einbrechen wird. Niederſchlagend und entmuthigend iſt dieſer Gedanke allerdings; aber gerade die Geſchichte in ihrer höchſten Stufe, mit der Religion und Philoſophie eng verſchwiſtert, bietet uns hier reichen Troſt. „„Laß untergehn die wandelnden Geſtalten, die bunt an unſerm Geiſt vorüberziehn; am innern Leben, Freund, laß ſich die Hoffnung halten, wir bleiben, die Geſtalten fliehn!““ So ſingt Tiedge in ſeiner Urania, und was er in Betreff der Seele des einzelnen Menſchen ſo ſchön ſingt, wird durch die Geſchichte als wahr beſtätigt für die ganze Menſchheit. Das Große, was Indien und Aegypten, Paläſtina, Phönizien, Perſien, was Griechen und Römer errungen hatten, was nicht dem Alltagsleben angehörte, ſondern als die leitende Idee des Volkslebens und ſeiner Geſittung gelten kann, iſt nicht untergegangen; es lebt noch unter uns, in uns und trägt feine Früchte. Mochten immerhin rohe deutſche Horden über den römiſchen Staatenkoloß herz fallen und Vieles und Herrliches zertrümmern, das römiſche Recht hat den Kampf beſtanden und iſt noch heut die Grundlage aller neuern Geſetzgebungen. Mochte auch ein Mummius roh und plump ſich in Ko- rinth zeigen und die größten Kunſtſchätze nur als eine ſtattliche Ausſchmückung ſeines Triumphes in Rom betrachten: was Griechenland Herrlichſtes hervorgebracht hat, die Erzeugniſſe ſeines Geiſtes, konnte keines Er— oberers Eiſenhand vernichten; jetzt noch, nach zwei Jahrtauſenden, erkennt die Nachwelt bewundernd Griechen— lands Größe. Wohl klagen wir Deutſchen über Mangel an Volksthümlichkeit, wie ſie Griechenland und Rom und in neueſter Zeit noch viele Völker vor uns voraus hatten und haben; aber welches Volk beſaß ſie in höherem Grade, als Juden und Lacedämonier und jetzt die Chineſen? Und werden wir darum verſucht, ſie als die glücklichſten zu preiſen? Die Raupe muß ſterben, ehe der Schmetterling ſich frei in die Lüfte erheben kann. Auch das Men— ſchengeſchlecht bildet ein einiges Ganzes, das ſeine Kindheit durchleben und ſich ſtufenweiſe zu höherer Ausbil— dung emporarbeiten mußte. In dieſem Leben des Menſchengeſchlechts iſt freilich ein Jahrhundert oft nur gleich einem einzigen Tage in dem Leben des Einzelnen. Das Ganze wird erhalten, das Einzelne vergeht. Wie die Natur verſchwenderiſch iſt in ihren Gaben und tauſendfach Samen verſtreut, wo nur wenige Körner einer weitern naturgemäßen Entwickelung entgegengehen, ſo können wir freilich nicht überall uns die Frage beantworten: warum dieſe und jene Erſcheinung erfolglos vorübergehen mußte oder vorüberzugehen ſchien? aber das große Ganze ſchreitet unabläſſig fort zu höheren Berufen, und das beweiſt die Geſchichte und das iſt der Troſt, den ſie bietet, wenn das Auge auf den Gräbern der Vorwelt ſich mit Thränen füllt, wie einſt des Scipio's auf den Trümmern von Karthago. „Seid heilig, denn ich, der Herr, bin heilig,“ dürfte wohl als das höchſte Endziel der Menſchheit angeſehen werden. Wohl ſind wir davon noch unendlich weit entfernt, aber bei der Betrachtung unſers jetzigen Lebens und deſſen, was nicht nur einzelne Völker, ſondern alle gebil⸗ deten Völker in ihrer gegenfeitigen Einwirkung auf einander erſtreben, werden wir finden, daß wir einen gro: ßen Fortſchritt gemacht haben. Was Theodorich der Große in ſeinen Briefen und Botſchaften an die ihm verwandten Könige des chriſtlichen Europa's ausſprach, was er hoffte und bezweckte, Einigkeit der chriſtlichen Völker, ſetzte zwar er nicht durch, und blutige Kriege haben ſeitdem vierzehn Jahrhunderte in den Gegenden getobt, auf welche ſich damals ſein Einfluß erſtreckte; aber der heilige Bund, welcher 1813 geſchloſſen wurde, vereinigte, wenigſtens in ſeiner erſten Idee, eine größere Fürſtenzahl, als damals, und deren Unterthanen zu gegenſeitigem Wohlwollen und hält achtunggebietend Anderer Schwert in der Scheide. Die Wahrheit, für welche Johann Huß den Feuertod ſtarb, ging ein Jahrhundert ſpäter ſiegreich aus dem Kampfe hervor, und wenn auch der verheerende dreißigjährige Krieg Europa's Völker blutig entzweite und die Felder mit dem Blute der Erſchlagenen gedüngt wurden, Tauſende als Opfer wilden Religionshaſſes fielen, doch ward Duldung end— lich erſtritten, und jetzt leben die damals Getrennten meiſt brüderlich bei und neben einander. Ja, das un— glückliche, ſchändlich verfolgte und zertretene Volk der Juden, welches alle Grade der Herabwürdigung erfahren und ſich groß im Dulden bewieſen hat, genießt jetzt Menſchen- und Bürgerrechte, und nicht mehr ſind ihm die Mitrel und Wege, ſich in ſeiner bisher verwahrloſten Bildung nachzuarbeiten, benommen und verſchloſſen. So wird hie und da noch gekämpft um Güter, deren wir durch die Fürſorge einer liebenden Regierung oder auch durch die Noth gezwungen, ſie zu erkämpfen, uns ſchon lange erfreuen. Die Erfindungen der neuen und neueſten Zeit bringen die Völker auch geiſtig einander näher, und wenn wir auch nicht in ſchwärmeriſchen Hoffnungen glauben, es werde bald die Zeit kommen, wo auf der ganzen Erde Eine Heerde und Ein Hirte ſein wird, ſo können wir doch nicht in Abrede ſtellen, daß nicht nur die einzelnen Stände einander näher gekommen ſind, ſondern daß ein allgemeineres Wohlwollen, Billigkeits- und Rechtsgefühl ſich geltend gemacht hat, als dies in früheren Zeiten jemals der Fall geweſen iſt. Nicht unpaſſend dürften wir dieſes Gefühl, das ſich auch in der kräftigen Unterdrückung des ſchändlichen Sklavenhandels bethätigt, mit dem Namen Huma- nität bezeichnen, und wohl uns, wenn wir dieſe immer allgemeiner werden ſehen und uns ſelbſt in unſern engern Kreiſen derſelben immer mehr befleißigen. Wohl uns, wenn das Beiſpiel des zu früh verſtorbenen George Canning allgemeine Nachahmung findet, und der durch Eigennutz hervorgerufene und durch Selbſt— ſucht unterhaltene feindliche Dämon, welcher einzelne Menſchen, wie Familien, ganze Stände und Völker haß- erfüllt einander gegenüberſtellt, endlich verſchwindet. Das Ganze muß das Einzelne verſöhnen. Der Einzelne wird viele und große Opfer bringen müſſen, aber nicht ſowohl wirkliches, mit Recht beſeſſenes Ei— genthum, als vielmehr mit uns aufgewachſene und verjährte Vorurtheile. So muß endlich, und mögen noch Jahrhunderte darüber enteilen, allgemeine Bruderliebe die Selbſtſucht auf Erden verbannen und ein Gottes— reich entſtehen, wie es Chriſtus gewollt und die weiſeſten und edelſten Männer des Alterthums geahnet und, fo weit es in ihren Kräften lag, erſtrebt haben. — Nicht Rückſchritte macht alſo die Bildung des Men- ſchengeſchlechts, ſie geht unter allen bald fördernden, bald ſcheinbar, oder wirklich hemmenden Erſcheinungen ihrem erhabenen Ziele unaufhaltſam entgegen. Dies iſt das Endergebniß des geſchichtlichen Studiums, dies der uns daraus erwachſende Troſt unter dem Drucke der Zeit und den heiligen Uebeln des Lebens; der Geiſt wird aufwärts gezogen, und der Glaube an eine unſichtbare heilige Weltregierung erwacht und befeſtigt ſich immer mehr und mit ihm das köſtlichſte aller Güter: Seelenruhe, Zufriedenheit und gläubige Zuverſicht.“ Ueber das Schulweſen in Polen berichtete Hr. Kandidat Sascke in mündlichem Vortrage. Der weſentlichſte Inhalt war folgender: „Die Darſtellung beruhte auf dem bekannteſten Werke von Kollontaj, Kitowitſch und Sniadezki. Es wurde auseinandergeſetzt, wie Polen um die Mitte des vorigen Jahrhunderts in ſeinem Innern kräftige Maaßregeln zu einer Reorganiſation des geſammten Staatslebens ergriff, und daß dabei auch das Schulleben mit inbegriffen war. Von Staats wegen geſchah eigentlich ſehr wenig; denn die Behörde, welche eigentlich 238 einfchreiten mußte, bedurfte ſelbſt einer gänzlichen Regenerirung. Dies war die Univerfität. Sie felbft war noch gerade auf demſelben Standpunkte, wo ſie 200 Jahre früher ſtehen geblieben war, und ſie hatte mäch— tige Beweggründe, ſich zu keiner Bewegung hinreißen zu laſſen, welche ſie vor dem Lande und vor Rom kom— promittiren könnte. Dazu hatte ſie einen gefährlichen und ſtets wachſamen Gegner an den Jeſuiten, welche unter dem Anſehen der Univerſität litten. Die Urſachen zu ſolcher Aengſtlichkeit aber waren die äußerſt drückende Lage der in ihren Finanzen zerrütteten Anſtalt und die Prozeſſe derſelben gegen die Jeſuiten wegen der Univerſität in Lemberg, dann wegen der Kanoniſation des Johann Kant und des Biſchofs von Krakau Soltyk, über welche alle viele Jahre bei den höchſten Behörden im Lande und in Rom verhandelt wurde. Die Umgeſtaltung der Univerſität ward endlich von H. Kollontaj im Auftrage der Unterrichtskommiſſion unternommen. Damit hing zwar auch die Reorganiſirung der unter der Univerſität ſtehenden gelehrten Schul— Anſtalten zuſammen, aber dieſe waren längſt nicht mehr die beliebteſten Schulen im Lande.“ „Dieſes waren nämlich die Schulen der Jeſuiten und Piariſten. Von den Letzteren ging eigentlich die Umgeſtaltung des Schulweſens in Polen, und zwar von einem derſelben, v. Stanislaus Konarski, aus, der von Benedikt XIV. eine Breve zur Reformation der Piariſten erhielt und daſſelbe mit vielem Glück durch: führte. Er begann mit dem Unterricht der Novizen. Dieſe mußten erſt tüchtig in der Landesſprache und im Franzöſiſchen vorgebildet werden, ehe ſie zum Latein kamen, und neben dem wurden auch die ſogenannten Realien, auch Geſchichte, Geographie und Mathematik Unterrichtsgegenſtände. Den Unterricht, den die Novizen gehabt hatten, trugen dieſe in die adligen Konvikte über. Daß Konarski dem Adel durch die Errichtung derſelben ſchmeichelte, dürfte darin ſeine Entſchuldigung finden, daß er für ſeine Pläne mächtiger Gönner gegen den bald auftauchenden Neid der Jeſuiten bedurfte. Dann wurde die Eintheilung der polniſchen Schulen nach dem Klaſſenziele und dem Stande der Schüler, als: Adel, Direktoren, dienende Schüler und Kalefakto— ren, und den Schulwürden, als die des Imperators, des Auditors, des Cenſors, charakteriſirt, und zuletzt die Einrichtungen der Schuldisciplin mit der Nota linguae und mit der Gerichtsbarkeit der Schüler gewürdigt. Die Disciplin war auf der einen Seite barbariſch hart, und auf der andern Seite zu locker, ſo daß Exceſſe, wie der in Krakau, wo Schüler ein Zeughaus ſtürmten und die Sicherheit der Stadt gefährdeten, oder in Warſchau, wo ſie einen zum Tode geführten Verbrecher gewaltſam der Gerechtigkeit entriſſen, möglich waren.“ „Was bezweckt die Volksſchule als Volksanſtalt?“ Bericht des Herrn Direktor Fürbringer zu Bunzlau. In der Sitzung der pädagogiſchen Sektion im Oktober brachte der Sekretär derſelben, Seminar-Ober—⸗ lehrer Scholz, das Programm, welches der königliche Waiſenhaus- und Seminar-Direktor Herr Fürbrin— ger zu Bunzlau zur diesjährigen Feier des 15. Oktobers verfaßt und herausgegeben, zum Vortrag und zur Beſprechung. — Schon in dem Programm vom vorigen Jahre hatte der Verfaſſer gleichſam in prophetiſcher Weiſe einen für unſere Zeit ſehr wichtigen Beitrag zur Würdigung der deutſchen „National-Erziehung“ ge— liefert, auf den er in der Einleitung hinweiſt. F. ſtimmt freudig in die Loſung mit ein: „die Volksſchule ſoll Volksanſtalt“ werden, d. h. eine Anſtalt, in welcher die Jugend nach Leib, Seele und Geiſt für die Aneignung, Bewahrung und Fortbildung der Vorzüge und Kräfte unferes Volkes in religiös -ſittlicher und bürgerlich-politiſcher Beziehung, alſo volksthümlich, gebildet und erzogen werde; es iſt ſein ernſtlicher Wunſch, daß vor Allem die Frage der Volksbildung und Volkserziehung zur Entſcheidung komme, daß die Schule, in welcher die Jugend zum Volke erzogen und herangebildet wird, eine „freie Volksſchule“ werde, frei von allen Hemmungen, Mängeln und Gebrechen. Die Vorzüge und Kräfte unſeres Volkes be— ſtehen: in feinem echriſtlichen Glauben, in feinen Volkstugenden, in feiner Sprache, in ſei— enr Wiſſenſchaft, in feinem Kunſtfleiße, in feiner Befähigung für politiſche Reife (in feir ner Verfaſſung). Verräther am Volke iſt, wer eines von dieſen verachtet. Der Volksſchullehrer aber iſt es 239 zunächſt, der ſie, in ſich ſelbſt zur weitern Ausbildung tragend, in der Volksſchule pflegen ſoll! Aber damit er es könne, bedarf es mancher Veränderungen in der äußern Stellung der Volksſchule als Volksanſtalt, be— darf es vor Allem des Hinwegräumens in den Gemeinſchaften, mit welchen die Volksſchule in der innig— ſten Verbindung ſteht. Auf dieſen Gegenſtand geht der Verfaſſer näher ein, indem er folgende drei Behaup— tungen in Erwägung zieht: 1) die Schule als Volksanſtalt vermittelt den Uebergang vom Familienleben zum Volksleben, 2) ſie bildet und pflegt das religiös-kirchliche Leben des Volkes, und 3) ſie bereitet die Jugend für das bürgerliche und politiſche Volksleben vor. Die Schule baut ſich aus dem Hauſe auf. Die Verbindung zwiſchen beiden Gemeinſchaften iſt na— türlich und eng. Die Schule darf nicht allein Hülfsanſtalt des Hauſes, ſondern muß mehr ſein, weil das Kind mehr als ein Glied der Familie iſt. Es gehört nicht bloß dem Hauſe an, ſondern auch dem Volke, und ſoll ſich ſelbſt allmälig als ein Glied des Volkes erkennen; es darf dem Familienleben nicht entzogen, muß aber auch allmälig dem Volksleben zugeführt und mit ihm befreundet werden; das Band, welches das Kind mit dem häuslichen Leben verbindet, darf man nie zerreißen. Aber eben ſo wenig iſt das Kind dem Volksleben zu entziehen, eben ſo wenig darf das Band zerriſſen werden, welches das Kind von Geburt an mit ſeinem Volke verkettet; eben ſo wenig darf das Kind, als einem beſtimmten Stande, einer beſtimmten Klaſſe des Volkes angehörig und von Kindern anderer Stände und Klaſſen des Volkes geſchieden, erzogen und unterrichtet werden. In erſter Hinſicht entbehrt das Kind die Nährung und Pflege zarter und inniger Gefühle, in zweiter Hinſicht das kräftige Bewußtſein ſeines innigen Zuſammenhanges mit einem Volke, dem es angehört, unter welchem es leben, für welches es wirken und, wo es gefordert wird, Opfer bringen ſoll. Die Aufgabe der Volksſchule iſt daher zunächſt, das Kind in eine größere Gemeinſchaft, als das Haus iſt, aufzunehmen, ihm in angemeſſenerer und umfaſſenderer Weiſe die nöthigen Mittel zur Erwerbung und Aneig— nung der Volksgüter zu gewähren, und dadurch den allmäligen Uebergang vom Familienleben zum Volksleben zu vermitteln. Durch dieſe Vermittelung wird die Volksſchule zur Volksanſtalt. — Die Sektion fand ſich in dieſen Behauptungen mit dem Herrn Verfaſſer einverſtanden. In dem zweiten Theile der Abhandlung, wo der Herr Verfaſſer anführt, daß „die Volksſchule das religiös-ſittliche Leben des Volkes bildet und pflegt,“ wird die zweite Gemeinſchaft — die Kirche — mit welcher die Schule zeither in Verbindung ſtand, dargeſtellt. Auf dieſem Gebiete bewegt ſich der Herr Verfaſſer nicht ohne tiefen Schmerz, der erregt wird, theils durch die hier und dort ſichtbar verderb— lichen Beſtrebungen, mitten unter der gegenwärtigen politiſchen Aufregung Verachtung gegen jedes kirchliche Inſtitut zu nähren, theils durch das traurige Schauſpiel von Zerriſſenheit und Zwietracht der Kirche des Evangeliums, theils durch die Wahrnehmung, daß Bosheit und Unverſtand die Beſtrebungen der Volksſchul— lehrer mit jenem anarchiſchen Gelüſte haben vereinerleien können. Der Verfaſſer ſetzt die größten Hoffnungen auf die deutſche Volksſchule, aus der ſich die Gemeinde des Herrn — die Kirche — herausbauen wird. Das Mittel zur Pflege des religibſen Elementes der Volksbildung findet der Verfaſſer nicht ausſchließend in der zeither beſtandenen verfaſſungsmäßigen Aufſicht der Kirche über die Schule, wie ſie zeither den Geiſtlichen als Schul⸗Reviſoren und Schul-Inſpektoren zuſtand, auch felbft nicht einmal in der ſtrengen Feſthaltung des konfeſſionellen Charakters des Unterrichts im Chriſtenthume, ſchon deshalb nicht, weil er ſich eben fo gut Fälle denken kann, in welchen Beides den nachtheiligen Einfluß auf die wahre chriſtliche Volksbildung äußert, auf die Bildung des verſchiedenen Konfeſſionen angehörenden Volkes, das ſich um der Konfeſſion willen nicht haſſen, ſondern da ſich wieder in Liebe einen ſoll, wo der Glaube trennen will. Und eben deshalb fürchtet er auch nicht, daß die Trennung der Schule von der Kirche faktiſch ausgeſprochen ſei, wenn dem Geiſtlichen das Schulreviſorat abgenommen wird, und der konfeſſionelle Unterricht im Chriſtenthume ſeine markirte Schärfe verliert. Denn in erſterer Beziehung würde dann behauptet werden, daß der Geiſtliche allein die Kirche ſei, und der Lehrer allein die Volksſchule; in letzterer Beziehung aber würde man die Volksſchule allein 240 als Hülfsanſtalt der Kirche anſehen, was fie doch in der That allein nicht iſt; und die Jugend würde nicht ſowohl für die Schätzung ihrer Kirche, als vielmehr für den Parteihaß empfänglich werden, der nun gerade lange genug eine Schmach für ein Brudervolk geweſen iſt, und da eine falſche Union gemacht hat, wo ſie eine wahre hätte werden ſollen. Nein, das Mittel zur Geltendmachung des religiöſen Elementes der Volksbildung und dadurch zur innigen Verbindung der Schule mit der Kirche iſt die auf dem Gebiete der Volksſchule neu erwachte lautere Liebe zur evangeliſchen Wahrheit, iſt das Leben im Worte Gottes, iſt die Treue, mit welcher man die Jugend für die ſittliche Kraft des Chriſtenthums empfänglich macht, fo wie fie ſich für die Lebendigkeit und Freudigkeit, in welcher ſie ſich nicht bloß als ein Glied des Volkes, ſondern auch als ein Glied an dem, der das Haupt iſt, Chriſtus, ſieht. — Was der Verfaſſer im dritten Theil der Abhandlung in Bezug darauf, daß „die Schule als Volks— anſtalt die Jugend für das bürgerliche und politiſche Volksleben vorbereitet,“ ſagt, verdient ſtreng erwogen zu werden. Die Schule ſoll und muß als Volksanſtalt dem Verfalle des bürgerlichen Lebens vorbeugen, und zwar dadurch, daß ſie die kräftigſten Mittel anwendet, die Volksjugend vor ihrem Eintritte in das bürgerliche Leben an Arbeit und Zucht zu gewöhnen. Die engere Gemeinſchaft, das Haus, muß ſich der weiteren und umfaſſenderen Gemeinſchaft, der Volksſchule, in allen den zur Gewöhnung des Kindes, an Arbeit, Zucht und Ordnung, getroffenen Einrichtungen unterwerfen. Der Aufenthalt des Kindes in der Volks— ſchule, fo wie der Unterricht, muß eine den Grundſätzen volksthümlicher Erziehung und der wirklichen Vorbe— reitung für das bürgerliche Leben angemeſſene Erweiterung erhalten. Auch in Bezug auf körperliche Arbeit hat die Volksſchule den Schüler in Anſpruch zu nehmen, ſie ſoll auch die verſchiedenen Beſchäftigungen des künftigen Bürgers in das Bereich ihrer Thätigkeit ziehen, den geſammten Schulkurſus zwiſchen geiſtigen und mechaniſchen, und dann den müden Geiſt und Leib wiederum erfriſchenden Beſchäftigungen, zwiſchen Lernen, Handarbeiten und Spielen theilen, damit das Kind dem verderblichen Müſſiggehen, Nichtsthun und Umher— ſchweifen entriſſen werde, und die Arbeit, die Thätigkeit als eigentliches Lebensprinzip betrachten und ihr auch wirklich leben lerne. Endlich ſoll die Volksſchule das Kind in das politiſche Leben des Volkes hinüber— führen, in das Verfaſſungsleben, dadurch, daß es außer dem Unterrichte im Chriſtenthume ſchon in der Schule an Geſetz, Zucht und Ordnung gewöhnt, die Heiligkeit und Unverletzlichkeit der Geſetze und Verträge tief empfinden, die bürgerliche Zucht und Ordnung hochſchätzen, Gehorſam und Treue üben und die ganze Größe des Verbrechens kennen lerne, die heiligen Bande zu zerreißen, welche den einzelnen Bürger an das Geſetz und an die Obrigkeit knüpfen, welche daſſelbe ſchützen und geltend machen ſoll. So wird die Schule das ſein, was ihr Name ſagt, ſie wird Volksanſtalt ſein. Dieſe Forderung des Herrn Verfaſſers an die Volksſchule veranlaßte eine ſehr lebhafte Debatte unter den anweſenden Mitgliedern der Verſammlung. Von einer Seite her wurde es ſcharf getadelt, daß die Kin- der außer den gewöhnlichen Schulſtunden noch unter beſonderer Aufſicht von Lehrern arbeiten ſollten; einmal werde dadurch der Schule zu viel aufgebürdet, dann werde die Jugend der geringen Freiheit, die ihr durch die Anſprüche, welche die Eltern an ihre Kinder in Betreff der häuslichen Beſchäftigungen und Beſorgungen ma— chen, etwa übrig bleibt, vollends beraubt. Ja, man beſtritt die Ausführbarkeit dieſer Forderung, wenn das ganze Schulleben nicht in ein Inſtitutsleben, das die freie Entwickelung des Geiſtes und Charakters der Jugend beeinträchtigt und verkümmert, umgeſchaffen werden ſoll. Andererſeits wurde dagegen bemerkt, daß doch bei dem Mangel an pädagogifcher Einſicht der Eltern in den niedern Ständen Mittel und Wege gefun— den werden möchten, wodurch die Jugend außer den Schulſtunden dem Unverftande und der Rathloſigkeit der Eltern, die ihre Kinder nicht zweckmäßig zu beſchäftigen wüßten, entzogen würde. Die größeren Anforderun— gen, welche das neue Staatsleben an jeden künftigen Staatsbürger macht, erheiſcht eine größere Sorgfalt in der Volkserziehung aller Stände, die in der tüchtigeren, umfaſſenderen Jugenderziehung ihren Grund habe. Wie groß der Mangel eines befriedigenden Einfluſſes der häuslichen Erziehung auf die Jugend ſei, das iſt in der neuen Zeit in ſehr betrübender Weiſe hervorgetreten. So darf es, meinte man, nicht bleiben. * * 241 Aber was gethan und wie es ausgeführt werden könne: das fei eine noch zu löſende Aufgabe. Auch die politiſche Bildung der Schuljugend gehört zu den zeitgemäßen Forderungen. Ohne Umgeſtaltung des ganzen Gemeindelebens und Schulweſens aber — ſo wurde behauptet — wird jene gute Abſicht von Seiten der Volksſchule nicht zur Ausführung gebracht werden können; die Beibringung der unentbehrlichen Elementar— Kenntniſſe und Fertigkeiten mache, bei der Ueberfüllung der Schulklaſſen und ohne Verlängerung der Schulzeit über das vierzehnte Jahr hinaus, es unmöglich, unſere Jugend in die Verfaſſungskunde einzuführen. — Manche der Behauptungen fanden Widerlegung, gegen Manches aber ließ ſich nichts einwenden; erledigt konnte die-Beſprechung eines fo wichtigen Gegenſtandes, der zu den Tagesfragen gehört, nicht werden. Aus der Mittheilung des Herrn Oberlehrers Knie „über einige blinde Taubſtumme,“ deren Unterweiſung gelungen iſt, übergeben wir dem Jahresberichte Folgendes: Herr Hirzel, Direktor des Aſyls für Blinde zu Lauſanne, hörte von einem jungen Menſchen, Jakob Eduard Meyſtre, der 1826 den 25. November in der Gemeinde Thierrens geboren, durch die Menſchen— blattern im 11ten Monate ſeines Lebens ſein Gehör und dadurch auch die Sprache verloren hatte, und der, ſieben Jahre alt, durch einen unglücklichen Schrootſchuß von einem ſeiner Verwandten und Geſpielen auch feiner Sehkraft beraubt wurde. Hirzel beſuchte den, in der Nähe von Lauſanne bei feiner Mutter woh— nenden Meyſtre, und überzeugte ſich, durch die Deutlichkeit ſeiner Gebehrdenſprache, von der geiſtigen Befähi— gung des Jünglings. Das Komitee der Blindenanſtalt nahm denſelben, da die Gemeinde ihre chriſtliche Bei— hülfe verweigerte, großmüthig auf, 1845 den 10. Juni. Meyſtre war 18 ½ Jahr alt. Der zu Boſton in der Blindenanſtalt für Neu-England gelungene Verſuch des ſcharfſinnigen Dr. Julius Hove, ein blindes, zugleich taubſtummes Mädchen, Laura Bridgemann, mit Hülfe erhöhter Schrift zum Verſtändniß der Sprache zu bringen, ermuthigte Herrn Hirzel zu dem nämlichen Verſuche bei Eduard Meyſtre. H. gab dem M. zuerſt eine Feile, und ließ ihn den Namen, den er mit erhöhten Buchſtaben zuſammengeſetzt hatte, beta— ſten, auch dieſe Buchſtaben auseinandernehmen und wieder zuſammenſetzen. Hierbei machte er ihm bemerklich, daß es auf die Folge der Buchſtaben ankomme. In der vierten Stunde ſetzte er ihm das Wort: Säge, und zeigte ihm eine ſolche, wobei M. freudeſtrahlend begriff, das Wort ſei ein Zeichen für die Sache (bei der Bridgemann geſchahen die erſten Verſuche mit Aepfeln, Birnen, Löffeln, Meſſern und Gabeln, auch zuerſt nur mit den Anfangsbuchſtaben, einzeln und auf die Gegenſtände befeſtiget). Meyſtre faßte bald die Ordnung im Setzkaſten und übte die Zuſammenſtellung von Wörtern. Die reißenden Fortſchritte, die Meyſtre, wel— cher täglich nur eine oder zwei Lehrſtunden erhielt, und außerdem auch Unterricht im Drechſeln hatte, wäh— rend weniger Wochen machte, bewogen ſeinen Lehrer zum Verſuche, ihm auch die Lautſprache beizubringen. Er legte Meyſtre's eine Hand auf ſeine Bruſt, die andere an ſeinen Hals, während er ſelbſt den Laut a ausſprach. Er ließ den Taubſtummen das Aushauchen der Luft fühlen und veranlaßte ihn zur Nachahmung; ſie gelang mit den Lauten a und o. Bei den andern ermüdete der Zögling, der den Zweck nicht begriff, und nur durch das Verſprechen von Zigarren, die er gerne rauchte, zur Fortſetzung der Uebung bewogen werden konnte. Hirzel fand nun das Sprachgeſetz, daß die Vokale zwei Reihen bilden, deren Grundlaute a und o find. Wird bei der Ausſprache des a die Zunge gehoben, fo entſteht à (ai), mehr gehoben, e, noch mehr, iH; daſſelbe geſchieht in der Reihe, die mit o anfängt, dann zum u (ou), zum 6 (ue) und zum ü (u) über: gehend. Jetzt kam es darauf an, eine fühlbare Verſinnlichung dieſes Geſetzes zu finden (wie es die Stellung der Lippen für den ſehenden Taubſtummen iſt). Hirzel nahm vier kleine Säulen für die a-Reihe, jede mit dem Buchſtaben bezeichnet, und von der Dicke der nöthigen Mundöffnung, um ſie dem Zöglinge zwiſchen die Zähne zu ſchieben. Für die 0-Reihe wählte er paſſend vier Ringe, deren Durchmeſſer der Lippenöffnung entſpricht. Der Verſuch gelang. Meyſtre freute ſich, beim Taſten des erhöhten a und o die Form der Säule und des Ringes wiederzufinden, konnte aber die andern Vokale lange nicht ohne Hülfsmittel bei freier „ 31 242 Mundſtellung ausſprechen. Doch deutete ihm der Lehrer an, daß er für e zuerſt die Mundſtellung des * dann Nr. 3 bilden müſſe; eben ſo für ü, daß er o in der Stellung 4 zu bilden habe. Dieſe Uebungen erforderten mühevolle Ausdauer. Als aber Meyſtre das Wort Freund, welches der Vorname eines Mitzöglings war, ausſprechen gelernt hatte, und Freund jedesmal zu ihm kam, wenn er es laut ausſprach, begriff Meyſtre bald, daß man durch die Sprache in die Ferne verkehren könne, und war nun unermüdlich, alle Namen der Mitzöglinge laut auszuſprechen, eben ſo alle Wörter, die er erhöht ge— druckt las. 5 Die Konfenanten hatten weit weniger Mühe, als die Vokale gemacht. Es war dies das Ergebniß von dreimonatlichem Unterricht. Hirzel beſchloß, ſeinen Schüler jetzt zu Redensarten, und bei ſeinem gereiften Geiſte ſchnell zu abſtrakten Sätzen, mit Uebergehung der grammatiſchen Kleinigkeiten, zu führen, um ſo ſei— nem Verſtande neue Nahrung zu bieten. Er vermied anfangs die Verbindung des Subjektes mit einem Beſchaffenheitsworte, welches auch auf das Prädikat bezogen werden kann; zum Beiſpiel: die Kugel iſt rund, wählte dagegen: „Freund hören, Zähne beißen, der Maurer macht die Mauer, der Bäcker bäckt das Brot,“ um fo die Wortkenntniß zu begründen. Nun ging er zu den Redetheilen über, den Verhältniß, den Fürwörtern, den Adverbien und zuletzt zu den Bindewörtern. Die Wahl der Beiſpiele bewies ſich hierbei als ſehr wichtig. Um mit dem Subjekt durch das Hülfs⸗ verbum iſt ein Beſchaffenheitswort zu verbinden, was neue, aber bald beſiegte Schwierigkeiten machte, wählte Herr Hirzel den Satz: „Eduard iſt blind,“ und ſchrieb anfangs iſtblind als ein Wort. Bald trat an diefe. Stelle: „Ich bin blind, ich bin taubſtumm“ u. ſ. w. Nach achtzehn Monaten fing er ſelbſt an, Sätze zu konſtruiren, und zeigte hier bei der Wortbildung neuen Scharfſinn. So ſagte er ſtatt Eeriver (ſchreiben), plumier (federn), und von mensonge bildete er mensonger. Die moralifchen Fehler, die er ſelbſt hatte, boten neue Gelegenheit zur Entwickelung age Begriffe, wie ſeiner Sittlichkeit, und jede Strafe wirkte tief und nachhaltend beſſernd. Bei dem Beſuche eines Kirchhofes zeigte es ſich, daß er (wahrſcheinlich durch ſeine Mutter) die Vor⸗ ſtellungen vom Tode, Auferſtehen und in den Himmel gehen, ſchon habe. Das Denken erſcheint ihm als größter Vorzug des Menſchen, das Träumen als der Anfang deſſelben. Bei den Abendgebeten und Händefalten ſeiner Kameraden lachte er anfangs; als ſie ihm aber durch Zeichen ſprache ſagten, fie ſprächen mit einem Weſen, das hoch über ihnen wäre, fragte er, ob fie ſehr laut ſchreien müßten, um vernommen zu werden? Beſondere Ehrfurcht hegte er ſtets gegen die Sonne. Bei der Frage: Wer das Getreide wachſen laſſe? nannte er ſie, und als er erfuhr, Gott ſei das We— fen, das auch die Sonne und Alles in der Welt gemacht habe, zeigte er die größte Ehrfurcht gegen diefes. Weſen, und betete hierauf jeden Abend mit ſeinen Kameraden in den einfach rührenden Worten: „Ich denke an Gott!“ Ihm die Wahrheiten des Evangeliums und die Beſtimmungen unſers Daſeins kennen zu leh⸗ ren, iſt ſeitdem das Ziel, welches Meyſtre's denkender Lehrer mit feinem. fo merkwürdig begabten Schüler erſtrebt, um ſo den Triumph ſeines didaktiſch-pädagogiſchen Verſuches zu vollenden. x Die noch ſchwerere Aufgabe, ein von Geburt aus blindes und taubſtummes und von feinen Eltern bis zur Thierheit vernachläſſigtes Mädchen zum Bewußtſein ihrer Menſchheit zu wecken, iſt der Preis, nach wel⸗ chem der edle Hirzel jetzt ringt. Möge ihm der Ehienkranz des Gelingens, wie bei Eduard Meyſtre, zu Theil werden. | 243 Die Thätigkeit der pädagogiſchen Sektion im Jahre 1848 iſt nicht nach dem geringen Umfange dieſes Berichtes zu bemeſſen. Ueber zwei Sitzungen liefern wir keinen Bericht, ſo intereſſant dieſelben auch geweſen find. Wir bemerken nur, daß in der einen dieſer Sitzungen über die „Unterrichtsfreiheit und ihre nachtheili— gen Folgen im Gebiete der Volksſchulen“ ein Vortrag gehalten und eine Debatte geführt wurde. Die Dar— ſtellung des Schulweſens in Belgien nach dieſem Prinzipe zeigte, daß ein Drittel der dortigen Jugend gar keinen Unterricht genießt, daß daſelbſt keine Einheit im ganzen Unterrichtsweſen vorhanden und an keine na— tionale Erziehung des Volkes zu denken iſt. Es giebt in Belgien, außer den höhern Schulen, Kommunal—, Korporations-, Privat- und Winkelſchulen aller Art. Die letzteren ſtehen unter keiner Kontrole. Die Schule, welche das ſchönſte Aushängeſchild hat, die lockendſten Anpreiſungen zu machen verſteht, erhält den meiſten Zuſpruch. Belgien hat ſeit achtzehn Jahren in der Volksbildung einen Rückſchritt gemacht, und es verdankt ſeine innere Ruhe mehr ſeinem Wohlſtande, als ſeiner Volksbildung. Das dortige ausgedehnte Pri— vatſchulweſen befördert den verderblichen Abſonderungsgeiſt, und die Ständeunterſchiede treten ſchon ganz früh hervor. Es liegt auf der flachen Hand, daß die belgiſche Unterrichtsfreiheit, wenn ſolche bei uns eben— falls ſtattfinden ſollte, das Unterrichts- und Erziehungsweſen zu einem handwerksmäßigen, gewinnſüchtigen Treiben herabwürdigen würde, daß dann neben unſern Gymnaſien die alten lateiniſchen Schulen, neben den Bürgerſchulen ähnliche Privat-Inſtitute und auf dem Gebiete der Volksſchule Heck- und Winkelſchulen aller Art wieder entſtehen würden. Das wäre ein Fortſchritt im Rückſchritt der kläglichſten Art. Lieber behalten wir, was wir haben. Unſer Schulweſen iſt wahrlich nicht fo ſchlecht, daß wir das Verderbliche anderer Länder und Staaten nachäffen dürften. In einer der erwähnten Sitzungen wurde über den „konfeſſionellen Religionsunterricht“ mit Lebhaftig— keit debattirt. Da jedoch die Debatte zu keinem beſtimmten Reſultate führte, ſo mögen und können wir darüber dieſem Berichte nichts übergeben. Schließlich dürfen wir nicht unerwähnt laſſen, daß die Sitzungen in dieſem Jahre ungemein ſpärlich beſucht worden ſind. Die Flügel der Pädagogik ſcheinen durch die politiſchen Stürme der Neuzeit gelitten zu haben und gelähmt worden zu ſein. Möchten ſie bald wieder zur Erkräftigung gelangen! — 31 * Verbeſſerungen. Seite 83, vierte Zeile von unten, lies ſtatt: „3) a. a. O.“: „3) Lehrbuch der Phyſiologie.“ Und Seite 84, vierte Zeile von oben: „und oft unmerklich erfolgenden“ ſtatt: „faſt unmerklich erfolgenden.“ Fi ai. n ha l k. Allgemeiner Bericht über die Arbeiten und Veränderungen der Geſellſchaft im Jahre 1848, ...... S. 3 Gedrängte Ueberſicht der Arbeiten der einzelnen Seetionen. I. Abtheilung für Vaturwiſſenſchaften. A. Naturwiſſenſchaften an und für ſich. 1) Die naturwiſſenſchaftliche Section .... S. 2) Die entomologiſche Sectioh, — 3) Die botaniſche SectiiuA — A) Die geographiſche Sectio — B. Angewandte Naturwiſſenſchaften. 5) Die mediciniſche Secttia nnn S. 8 6) Die oͤkonomiſche Sectiinunoss — 9 7) Die Section fuͤr Obſt- und Gartenkultur — 10 8) Die techniſche Sectiiu s — 12 e Zuwachs der Bibliotheken und Muſ ess Kaſſen⸗Abſchluß für das Jahr 18a Status der Mitglieder der Geſellſchafůt II. Abtheilung für Geſchichte, Statiſtik, Philologie, Pädagogik, Kunſt und Muſik. Berichte über die Thätigkeit der einzelnen Seetionen. 1. Abtheilung für Naturwiſſenſchaften. A. Naturwiſſenſchaften an und fuͤr ſich. 1) Naturwiſſenſchaftliche Section ....... S. 23 a) Chemie (die Herren Baumert, Delbruͤck, Duflos und Fiſcher));-;„s — 23 b) Phyſik und Meteorologie (die Herren Duflos, Goͤppert, Marbach, Middel: dorpf, Oswald, Pohl, Schneider und F v — 36 c) Mineralogie, Geognoſie und Petre— faktenkunde (die Herren Dunker, Goͤppert, Kenngott, Sadebeck und )))) ͤ AAA — 44 d) Phyſikaliſche Geographie (Herr Apo⸗ cherer at. 0 — 75 e) Zoologie, Phyſiologie und Anatomie - (die Herren Czermak, v. Frantzius, Guͤnsburg, Lehmann und Tuͤrkheim) — 77 9) Die hiſtoriſche Sectiu nn S. 13 10) Die Section für Statiſſtildͤdaasa — 13 11) Die Section für Philologie ........ — 13 12) Die paͤdagogiſche Sectinnn .. — 14 13) Die muſikaliſche Sectiiununun s — 14 14) Das Praͤſidium der Geſellſchaft — 16 bay Aa en een By esse — 16 oo 00020000 „„ „„6 „ 2 6 „„ vor Tr vor Dr Dar vor Tor var Dur Dar vor vr vr ee — 18 EEE ee ET ee Sie RED SÜN Ur OREA nee ehe — 20 2) Entomologiſche Sectiu nns S. 89 A. Allgemeines (Herr Profeſſor Gra- o eerere nierere oe — B. Beſonderes. a. Inſekten. I. Coleoptera (die Herren Letzner und Reidſchmfee n, — 95 II. Orthoptera (Herr Dr. Wocke — 99 III. Hymenoptera (die Herren Schilling Aud Schumm — IV. Lepidoptera (die Herren Klopſch, Rich⸗ ker und Wok ĩ — 104 V. Diptera (die Herren Scholtz und Schum⸗ rr — 109 b. Arachniden (Herr Seidel) .. — 109 3) Botaniſche Sectiiaiguaggng ss — 113 Ueber die baumartigen Farrn (Herr Profeſſor Dr. Goͤppert S. 113 Ueber Rafflesia Patma (Herr Profeſſor Dr. Penh! — 113 Ueber ſeltene nordiſche Weiden (Herr Direktor Wimmer): — 113 Die Uebergangs-Stadien von der em— piriſchen zur philoſophiſchen Na- turforſchung (Herr Dr. Koͤrber) — 113 Ueber eine Reihe hybrider Eirſium— Formen (Herr Muſikdir. Siegert) — 114 Ueber die im Jahre 1848 beobachte— ten neuen Arten, Formen und Baſtarde der ſchleſiſchen Flora (die Herren Knebel und Wimmer) — 125 Ueber die Kryptogamen-Flora der Um⸗ gegend von Marienbad (Herr Dr: örber hee Has Ueber die ſchleſiſchen Arten der Sippe Cirsium (Hr. Pharmazeut Krauſe) — 127 Reviſion der Gruppe Carex acuta und C. caespitosa (Hr. Dir. Wimmer) — 114 Fundoͤrter ſchleſiſcher Laubmooſe (Hr. — 114 echte 8 — 114 Flora von Parchwitz (die Herren Po— tel ud Gerhard! — 114 4) Geographiſche Sectiiinn s — 131 I. Ethnographie und Topographie (die Her: ren B. v. Boguslawski u. v. Wrochem) — 131 II. Phyſiſche Geographie u. Geognoſie (Herr ff 2 te aaa an elle. »Arcans — 143 III. Meteorologie, Klimatologie und Hypſo⸗ metrie (Herr v. Boguslawski ) — 144 IV. Mathematiſche Geographie und Kosmo— graphie (Herr v. Boguslaws ki — 145 B. Angewandte Naturwiſſenſchaften. 5) Mediciniſche Section (Vortraͤge und Mit— 6) theilungen der Herren Barkow, Borchardt, Burchard, Ebers, Goͤppert, Groͤtzner, Guͤnsburg, Hodann, Krauß, Krocker, Landsberg, Levy, Luͤdicke, Nagel, Neu— gebauer, Plaͤtſchke, Seidel und Weidner) S. 153 Oekonomiſche Sectiiugnn — 173 Die Kurſe der ſchleſiſchen Pfandbriefe von 1780 — 1848 (Herr Graf v. Ho: verd enn inrngbfle re ge — 173 Ueber die Beſchaͤlkrankheit der Pferde (Herr 7) 8 — II. 9 — 11) — 12) Geh. Medizinalrath Ebersss ) Section fuͤr Obſt- und Garten-Kultur — 181 (Wirkſamkeit der Section, Fruͤhjahrs⸗ und Herbſtausſtellung, Vortraͤge und Mit⸗ theilungen der Herren Goͤppert, Nadbyl, Schauer, Straßhauſen und Thomas) — 181 Techniſche Section (Vortraͤge und Mit⸗ theilungen der Herren Baumert, Duflos, Gebauer, Kopiſch, Purkinje, Graf Rei: chenbach, Sadebeck, Schwarz und Stolle) — 211 Abtheilung fuͤr Geſchichte, Statiſtik, Philologie und Pädagogik. Hiſtoriſche Section (die patriotiſche Ge— ſellſchaft in Schleſien, von Herrn Dr. Kahlert) 2825. eee e e e Philologiſche Section (die Herren Am⸗ broſch, Kopiſch, Lilie und Wagner) .. — 229 Paͤdagogiſche Section (Vortraͤge u. Mit⸗ theilungen der Herren Kaͤmp, Knie, Reiche, Sascke und Scholz) — 233 247 Alphabetiſches Hamen-Berzeichnißg der Berfaffer der in dieſem Iahres- Berichte abgedruckten Beiträge, Herr Profeſſor Dr. Ambroſch, S 4. 229. — — Profeſſor Dr. Barkow, S. 164. 171. Dr. Baumert, S. 23. 217. Dr. Phil. Baumgart, S. 14. 15. Prof. Dr. v. Boguslawski, S. 8. 144. Dr B. v. Boguslawski in Mexico, S. 136, Dr. Med. Borchardt, S. 159. Hofrath Dr. Med. Burchard, S. 172. Stud. Med. Czermak, S. 79. Dr. Phil. Delbruͤck, S. 24. Profeſſor Dr. Phil. Duflos, S. 4. 10. 26. 42. 213, 214. Dr. W. Dunker in Kaſſel, S. 70. Geh. Medicinalrath Dr. Ebers, S. 3. 155. 159. 164. 176. Profeſſor Dr. Fiſcher, S. 30. Dr. v. Frantzius, S. 77. Director Gebauer, S. 12. 211. 214. Profeſſor Dr. Med. Goͤppert, S. 4. 6. 43. 62. 113. 153. 159. 203. Geh. Hofr. Prof. Dr. Phil. Gravenhorſt, S. 7. 89. Dr. Med. Groͤtzner, S. 153. Prof. Dr. Phil. Guhrauer, S. 4. Hoſpitalarzt Dr. Guͤnsturg, S. 78. 159. 162. 171. Prof. Dr. Med. Henſchel, S. 7. 113. Gaſtwirth Hertzig in Goldberg, S. 7. Stadt- und Hoſpital-Wundarzt Hodann, S. 160. General-Landſchafts-Repraͤſentant Graf v. Ho⸗ verden, S. 9. 173. Apotheker Jaͤckel in Liegnitz, S. 75. Mechanikus Ilgmann, S. 211. Profeſſor Dr. Phil. Kahlert, S. 3. 219. Rektor Kaͤmp, S 234 Privat⸗Docent Dr. Phil. Kenngott, S. 44, Gymnaſiallehrer Klopſch, S. 104. Wundarzt Knebel, S. 114. Oberlehrer Knie, S 241. Dr. Kopiſch, S. 232. Kaufmann C. G. Kopiſch, S. 211. Gymnaſiallehrer und Privat: Docent Dr. Phil, Koͤrber, S. 113. 114. Apotheker Krauſe, S. 127. Herr Dr. Med. Krauß, S. 8. 153. 159. — Dr. Krocker jun., S. 159. Dr. Landsberg, S. 154. Apotheker Lehmann in Kreuzburg, S. 87. Lehrer Letzner, S. 95. Dr. Med. Levy, S. 164. Kaufmann G. Liebich, S. 19. Oberlehrer Dr. Lilie, S. 230. Seminarlehrer Loͤſchke, S. 3. Dr. Med. Luͤdicke, S. 159. Dr. Phil. Marbach, S. 36. Conſiſtorial- und Schulrath Menzel, S. 4. Dr. Middeldorpf, S. 37. Muſik⸗ Director Moſewius, S. 14, Univerſitaͤts-Sekretair Nadbyl, S. 181. 201. Dr. Med. Nagel, S. 159. Dr. Med. Neugebauer, S. 153. 163. 167. 171. Apotheker Oswald in Oels, S. 43. Dr. Plaͤtſchke in Sprottau, S. 170. Profeſſor Dr. Pohl, S. 39. Kantor Poſtel in Parchwitz, S. 114. Profeſſor Dr. Med. Purkinje, S. 214. Rector und Prof. Dr. Phil. Reiche, S. 233. Graf v. Reichenbach-Bruſtave, S. 213. 217. Rektor und Seminar- Oberlehrer Rendſchmidt, S 95. Sekretair Richter, S. 104. Profeffor Dr. Phil. Röpell, S. 13. Gymnaſial-Kollege Dr. Phil. Sadebeck, S. 7. 53. 214. Cand. Phil. Sascke, S. 237. Landſchaftsgaͤrtner Schauer, S. 11. 12. 193. 203. Profeſſor Schilling, S. 99. 10. 11. Dr. Phil. Schneider, S. 42. Dr. Med. Scholtz, S. 109. Seminar-Oberlehrer Scholz, S. 14. 238 Direktor Prof. Dr. Phil. Shoͤnborn, S. 13. Privatlehrer Schummel, S. 99. 109. Dr. Schwarz, S. 215. 216. Apotheker Seidel, S. 109. Herr Dr. Med. Seidel, S. 158. 248 Muſik⸗ Direktor Siegert, S. 114. De Gymnaſial- Oberlehrer Dr. Phil. Sondhauß, — S. 41. — Landſchafts-Syndikus v. Stephauy in Goͤrlitz, — S. 6. ‚al Dr. Stolle, S. 10. 213. Oberſtlieutenant a. D. Dr. Phil. F. v. Strantz, — S. 143. — Landſchaftsgaͤrtner Straßhauſen, S. 12. 203. — Gutspaͤchter Thuniger in Wirſchkowitz, S. 7. Herr Oberlehrer Tuͤrkheim in Schweidnitz, S. 87. Max v. Uechtritz, S. 114. Prof. Dr. Phil. Wagner, S. 231. Hofrath Dr. Med. Weidner, S. 159. Lehrer Wiehle in Steine, S. 7. Direktor und Prof. Dr. Wimmer, S. 7. 113. 114. 125. Dr. Wocke, S. 99. 105. v. Wrochem, S. 131. Bergmeiſter Zobel in Reichenſtein, S. 7. 54.