ISIEU Library of the Museum OF COMPARATIVE ZOÖLOGY, AT HARVARD COLLEGE, CAMBRIDGR, MASS, Dounded by private subscription, in 1861. 920 29.9.9, V.v.v2% DR. L. pE KONINCK’S LIBRARY. No. &: Zwei und dreissigster Jahres-Bericht der Schleffchen Gefellfchaft für vaterländifche Kultur. — 12220202 Enthält: Arbeiten und Veränderungen der Gesellschaft im Jahre 1854. — "Breslau, Druck von Graß, Barth und Comp. (W. Friedrich.) ‘ VRLRREL y Mn u; EN! RE aueh wi , zu h. ” 5 ul nl " A m . r Fu: v. : Er > “ L Er > - ” re Fo a DEP; DR; Br ugiye h au” pr von T . : j u. R E > Pa & E A E“ er f BE - % ul. L AUF _ ö TFA Er EEE Re 2 e y2 Far ur 2 a‘ a 2 2 Ppä e2 er Ro I En uch + E Be Cal je ee 2 ..< ? er ler a TR | 5 Pr : % % . - _ Bu 5 ur} In ft v ir W * ar 52 en j u Allgemeiner Bericht e über die Verhältnisse und die Wirksamkeit der Gesellschaft im Jahre 1854, abgestattet in der allgemeinen Versammlung den 29. December 1854 vom Bürgermeifter Bartich, z. Z. General-Secretair der Gesellschaft. N. H. D. eben so lebhafte als vielseitige Theilnahme, welche der schlesischen Gesellschaft für vaterländische Kultur bei Gelegenheit ihrer 50jährigen Jubelfeier am 17. December v. J. bewiesen wurde, erweckte in uns die Hoffnung, daß diese Theilnahme nicht nur vorübergehend der Feier allein gelten, sondern auch auf die Erweiterung und Kräftigung unseres Vereines selbst, mit der Verbreitung der Kenntniß von den . bisherigen Leistungen und Bestrebungen desselben, einen nachhaltigen günstigen Einfluß üben werde. Diese Hoffnung hat sich während des nunmehr zu Ende gehenden Verwaltungsjahres in sehr erfreulicher Weise verwirklicht; unsere Gesellschaft hat 111 neue, und zwar 67 einheimische und 44 auswärlige, wirkliche Mitglieder gewonnen; der Verkehr mit auswärtigen, gleiche oder verwandte Zwecke verfolgen- den Gesellschaften hat sich erweitert und unsere meisten Sectionen haben unter steigender Theilnahme eine größere Thätigkeit entwickelt. In der deliberativen allgemeinen Versammlung wurden zu Mitgliedern des Präsidiums für die neue Etats-Periode der Jahre 185%, gewählt die Herren: | Professor Dr. Göppert, Director Gebauer, Prof. Dr. Röpell, Prof. Dr. Kahlert, Geh. Archiv-Rath Prof. Dr. Stenzel, Kaufmann G. Liebich, Geh. Medicinalrath Dr. Ebers, Bürgermeister Bartsch, Prof. Dr. Henschel, Geh. Reg.-Rath und Gen.-Landschafts-Syndi- cus v. Görtz, General-Landschafts-Repräsentant Graf Hoverden, Consist.-Rath Menzel, Director Dr. Schönborn, Geh. Hofrath Dr. Gravenhorst und Minister a. D. und Kauf- mann C. Milde. | Das Präsidium hat den Herrn Professor Dr. Göppert zum Vorsitzenden und den Geh. Medicinal- rath Dr. Ebers zu dessen Stellvertreter einstimmig wieder gewählt, auch das General-Secretariat dem 4 1* 4 Berichterstatter und dem Herrn Prof. Dr. Kahlert, das Amt des Kassirers aber dem Herrn Kaufmann Liebich wieder übertragen. Leider raubte uns bald darauf ein plötzlicher Tod eines der ausgezeichnetsten und thätigsten Mit- glieder in dem um die Wissenschaft der Geschichte und namentlich um die urkundliche Geschichte Schle- siens hoch und bleibend verdienten Kgl. Geh. Archivrathe Prof. Dr. Stenzel. An seine Stelle wurde von der Gesellschaft der Kgl. Ober-Regierungsrath Herr Sohr zum Mitgliede des Präsidiums gewählt. Von ihren Mitgliedern verlor die Gesellschaft ferner durch den Tod den Prof. Dr. Guhrauer, welcher sich auch in unserer Mitte, besonders auf dem Gebiete der Literaturgeschichte, ein dankbares Andenken gegründet hat; — ferner den General v. Aschoff, früher Commandant von Breslau, den Landrath a. D. Grafen Königsdorff, den Land- und Stadtgerichtsrath Göppert zu Wohlau, den General-Landschafts- Repräsentanten Grafen Pückler; den wirklichen Staatsrath Dr. med. Fischer zu Petersburg, Ehren- mitglied der Gesellschaft; den Apotheker Osswald zu Oels, viel verdient um die mineralogischen und paläontologischen Verhältnisse unserer Provinz, und den Augustiner-Chorherrn in St. Florian bei Linz Schmidberger. Zu correspondirenden Mitgliedern wurden ernannt die Herren: Pfarrer Görlich zu Strehlen, Prof. Dr. Balling zu Prag, Ober-Stadt-Physicus Dr. Wei- tenweber zu Prag, Dr. phil. Schuchart z. Z. in Dresden, Privat-Docent Dr. Prings- heim in Berlin, Dr. Carl Fritsch zu Wien, k. k. Reichsgeologe Prof. Dr. Constantin v. Ettingshausen ebendaselbst, Lehrer Gerhard zu Liegnitz, Cantor Postel zu Parch- witz, Conrector Dr. Schmidt zu Schweidnitz, Dr. J. Buhse, Secretair des naturh. Vereins zu Riga, Prof. Dr. Fürnrohr zu Regensburg, Dr. Ehrlich, Custos des k. k. Museums zu Linz, Dr. Reisseck, Custos des k. k. Herbarii zu Wien, Ober-Stabs- und Regim.-Arzt Dr. Trusen zu Neisse, Brigadier und Obrist v. Gansauge zu Cöln, Prof. Dr. Kirch- hof zu Heidelberg, Garten-Inspector Lucas zu Hohenheim, Superintendent Oberdieck zu Jeinsen bei Hannover und Pastor Carl Kotschy zu Uströn bei Teschen. t Zu Ehrenmitgliedern hat das Präsidium ernannt: 1) Herrn Geh. Rath Prof. Dr. Leonhard zu Heidelberg; * 2) Herrn Geh. Hofrath Prof. Dr. Hausmann zu Göttingen; 5 3) Herrn Dr. Flügel, General-Consul der vereinigten Staaten zu Leipzig, und 4) Herrn Hofrath und Prof. Dr. Bunsen zu Heidelberg. Es ist eine neue Section für praktische Rechtswissenschaft gegründet worden, welche unter dem Secretariat des Herrn Geh. Justizraths Prof. Dr. Gaupp ihre Arbeiten in ersprießlicher Weise mit reger Thätigkeit begonnen hat. Die Section für Obst- und Gartenbau sah sich in Folge der Ueberschwemmung, von welcher Schlesien betroffen wurde, leider außer Stande, ihre Ausstellung im Herbste zu veranstalten, und insbesondere die Summe von 50 Thlr. noch in diesem Jahre bestimmungsmäßig zu verwenden, welche, wie hier dankend hervorzuheben ist, der geehrte landwirthschaftliche Central-Verein zu Prämien wieder überwiesen hat. Die städtischen Behörden Breslau’s haben unserer Gesellschaft eine jährliche Beihülfe von fünf- zig Thalern geneigtest bewilligt. Ausser dieser bedeutenden Zuwendung haben wir viele Bereicherungen unsrer Museen durch Geschenke dankbar zu erwähnen: namentlich die von Herrn Geh. Sanitätsrathe Dr. Krocker bereits am Jubelfeste übereignete und nunmehr vervollständigte Flora Silesiaca Krockeri, — das kostbare pomologische Werk in 4 Folio-Bänden von Poiteau (ein Geschenk unserer Obst- und Gartenbau-Section), und das Herbarium — eines der größten bekannten Herbarien — von Herrn Prof. b) Dr. Henschel, welches derselbe unserer Gesellschaft mit dem Vorbehalte geschenkt hat, es, so lange er lebe, fortgesetzt zu vermehren. Dieses durch eignes Sammeln, Tausch und Kauf erworbene, an 50,000 Species enthaltende Herbarium gehört zu den werthvollsten Acquisitionen, die der Gesellschaft jemals zugekommen sind, ein wahrer wissenschaftlicher Schatz, nur zu vergleichen mit den kostbaren Handschriftsammlungen großer Bibliotheken. Die Ober-Lausitzsche Gesellschaft für Wissenschaften zu Görlitz ist zu ihrer 75jährigen Jubelfeier von dem Präsidium beglückwünscht worden. Die Aufstellung unserer in dem vorjährigen Berichte bezeichneten Gemälde in der Galerie des schlesischen Kunst-Vereins im hiesigen Ständehause ist mit Genehmigung der Gesellschaft erfolgt. Auch für das gegenwärtige Winterhalbjahr hat das Präsidium, und zwar zur Unterstützung der durch die Wasserfluthen Verunglückten, eine Reihe öffentlicher Vorträge veranstaltet, deren Abhaltung die Herren: Se. Magnificenz der Rector der Universität Professor Dr. Braniß, Prof. Dr. Ambrosch, Dr. med. Heller, Privat-Docent Dr. Scharenberg, Prof. Dr. Frankenheim, Director Prof. Dr. Wissowa, Prorector Dr. Marbach, Stadtrath, Privat-Docent Dr. Eberty, die Privat-Docenten Dr. phil. Cohn, Dr. phil. Cauer und Dr. med. Neumann, Geh. Justizrath Prof. Dr. Gaupp, Dr. med. Günsburg hierselbst, Apotheker Dr. phil. Poleck in Neisse und Prof. Dr. Röpell hierselbst mit dankenswerther Bereitwilligkeit übernommen haben. Seit dem Stiftungsfeste haben, außer der heutigen, 9 allgemeine Versammlungen stattge- funden. In diesen wurden folgende Vorträge gehalten: am 23. December pr. — zugleich deliberative Versammlung — nach Abstattung des Jahres- berichts pro 1853, vom Geh. Archivrathe Prof. Dr. Stenzel: — sein letzter Vortrag — „über die älteste schlesische, bisher unbekannte Chronik über die Gründung des Klosters Heinrichau‘‘; im Januar c. von Herrn Consistorialrathe Menzel ‚über das in den schlesischen Erbfürstenthümern - und von den schlesischen Fürsten geübte jus reformandi“; am 10. Februar von Herrn Geh. Justizrathe Prof. Dr. Gaupp ‚‚über die eigenthümliche Beschaf- fenheit des deutschen Volksthums in den Stammländern der preußischen Monarchie“; am 24. Februar von Herrn Prof. Dr. Röpell „über das griechische Project Catharina’s II.“; am 17. März von Herrn Ober-Regierungsrathe Sohr ‚über die Erfahrungen der Vergangenheit in Bezug auf die vertragsmäßige Sicherstellung der Rechte der den Glauben des Regenten nicht bekennenden Unterthanen“; am 31. März von Herrn Oberlehrer Dr. Tagmann ‚zur Geschichte der Breslauer Kaufmann- schaft, insbesondere der Reichskramer-Societät“; im April von Herrn Dr. phil. A. Geisler aus Brieg ‚,‚über die Geographie und Weltstellung Rußlands“ ; im October von Herrn Consistorialrathe Menzel „über die Staalstheorieen der griechischen Den- ker und deren Ausgangspunkt in den macedonisch-griechischen Monarchieen“; und im November von Herrn Ober-Stabs-Arzte Dr. Trusen aus Neisse „über Leichenverbrennung, als die geeignetste Art der Todtenbestattung.““ — — Ueber die Thätigkeit der einzelnen Sectionen haben die betreffenden Herren Secretaire Fol- _ gendes berichtet: ” 6 Die naturwissenschaftliche Seetion (Secretaire: Herr Professor Dr. Göppert und Herr Dr. Cohn) hielt in dem nun bald verfiossenen Jahre 16 Sitzungen, in denen über folgende Gegenstände von den Herren Mitzliedera verhandelt wurde: Ueber Chemie von Herra Prof. Dr. Löwig und Herrn Prof. Dr. Krocker in Proskau. Physik Herr Prorector Dr. Marbach und Herr Prof. Dr. Sadebeck. Physikalische Geographie und Eihnographie Herr Professor Dr. Sadebeck, Herr Geh. Regierungsraih und Gen.-Landsch.-Repräsenitant Baron v. Wechmar, Herr Lothar Becker und Herr Pastor Schade in Saaber. . Oryktognosie, Geognosie und Petrefaktenkunde Herr Geh. Bergrath Krug v. Nidda, Herr Privat-Docent Dr. Scharenberg und der Secretair der Section Göppert. Zoologie und Physielegie beider organischen Reiche Herr Staatsrath Prof. Dr. Reichert, Herr Privat-Docent Dr. med. Aubert und die Secretaire der Section. Die botanische Section (Secretair: Herr Director Dr. Wimmer) hat im Jahre 1854 fünf Versammlungen gehalten, in welchen folgende Vorträge gehalten wurden: Herr Privat-Docent Dr. Cohn: Ueber das Drehen der Bäume und Algologische Beobachtungen. Herr Präses Prof. Dr. Göppert: Ueber die neuen Erwerbungen und den jetzigen Pflanzen - Status des hiesigen K. botanischen Gartens. Herr Stadtrichter Wichura: Ueber zwei von ihm unterschiedene neue Pflanzenarten der schlesi- schen Flora und’ einige Entwickelungs-Beobachtungen. Herr Dr. Milde: Ueber die auf verschiedenen Exkursionen beobachteten kryptogamischen Gewächse. Herr Musikäireetor Siegert: Ueber die Formen der schlesischen alpinen ZHieracia und andere schlesische Pflanzen. :- Der Secretair: Ueber einige neue und seltene Arten der schlesischen Flora. - Die entomologische Section (Secretair: Herr Geh. Rath Prof. Dr. Gravenhorst) hat sich im Jahre 1854 zu zwölf Sitzungen versammelt, in welchen Vorträge und Mittheilungen über Thiere aus der Ordnung der Coleoptera, Hymenoptera, Neuroptera, Lepidoptera, Hemipiera und Di- piera gehalten wurden, und zwar von den Herren Lehrer Letzner, Kaufmann Neustädt, Oberforst- meister v. Pannewitz,. Dr. Schneider, Dr. Wocke und Sind. Czech. Das Nähere wird der aus- Ihr Süftungsfest feierte die Section in hergebrachier Weise am 22. Dezember. Die meteorologische Section. (Secreiair: Herr Professor Dr. Galle.) Den bereits im vorigen Jahre im Wesentlichen beendigten Berechnungen der schles. meteorelogischen Beobachtungen sind in diesem Jahre von den Herren Günther und Baron v. Rothkirch für die 7 Stationen Leobschütz und Neisse noch einige (aus ‚nachträglich erhalienen Beobachtungen eninommene ) Ergänzungen hinzugefügt worden. Die beabsichtigte Veröffentlichung der Rechnungs-Ergebnisse ist von Seiten des K. meieerologischen Instituis in Berlin übernommen worden, so daß der Beginn des Druckes in der ersten Hälfte des nächsien Jahres in Aussichi sieht. Mit dem Verkaufe der meieorologischen Instrumente wurde forigefahren, und sind in diesem Jahre 2 Barometer und ein Thermomeier verkauft worden. Die Section versammelte sich einmal in diesem Jahre am 22. November, wo der Secretair über den gegenwärligen Stand der obigen Angelegenheiten berichtete und speciell über die Ergebnisse aus den 62jährigen meieorologischen Beobachtungen zu Breslau eine ausführlichere Mittheilung machte, wel- cher zugleich die in diesem Jahre (1854) gemachten Bestimmungen über die magneüsche Declination und Inclination in Breslau hinzugefügt wurden. Die medicinische Section (Seeretair: Herr Dr. A. Krocker) versammelie sich in dem Jahre 1854 zwölfmal, und setzte ihre Arbeiten in gewohnter Weise fort. Die Herren: Medicinalraih Professor Dr. Barkow, Hofrath Dr. Burchard, Sanitätsraih Dr. Gräizer, Dr. Günsburg, Dr. Heller, Hospital-Wundarzt Hodann, Prof. Dr. Middeldorpf, Dr. Reymanı, Dr. Rühble und Dr. Seidel hatten die Güte, diese Seetion durch Vorträge, über welche in dem spe- ciellen Theile berichtet werden soll, zu erfreuen. Die ökonomische Section. (Seeretair: Herr Geh. Regierungsrath Freiherr v. Wechmar.) In dem abgelaufenen Jahre sind von dieser Section zwei Sitzungen gehalten worden. Die Theil- nahme daran bleibt eine nur schwache aus dem schen früher angeführten Grunde, daß die zahlreichen jeizt existirenden landwirihschaftlichen Kreisvereine ihr die Mitglieder entzogen haben, se daß der be- ireffende Schwerpunkt, welcher vormals für Schlesien in der ökonomischen Section der Gesellschaft für vaterländische Kultur lag, nunmehr in jenen Vereinen veriheilt erscheint, mit welchen die Section Be- ziehungen und Wechselwirkungen zu unterhalten hat. Selbstverständlich werden an dieser Stelle vor- zugsweise die bedeutenderen ökonomischen Zeitfragen in’s Auge gefaßt und im engeren Kreise denkender Männer geprüft. Als eine solche ist auch das Thema: „.die eier Theuerung, ihre Ursachen und Vorbeugungsmitiel“ betrachtet und darüber verhandelt worden. Mit dem Landes-Oekonomie-Cellegium, dem schlesischen landwirthschaftlichen Centralverein und vie- len auswärtigen Interessenien fand eine lebhafte Correspondenz siait; auch befand sich die Seciion in ununterbrochener Kenntniß von den ökonomischen Verhältnissen des In- und Auslandes durch die ihr mitgetheilten Zeit- und Denkschriften, welche gesammelt und der Bibliothek überwiesen worden sind. Die Section für Obst- und Gartenbau (Seeretair: Herr Director Dr. Wimmer) hat im Laufe des Jahres 1854 zwölf Versammlungen gehalten und eine Frühjahrs- Ausstellung ver- anstaltet. 8 S Die Herbst-Ausstellung wurde wegen ungünstiger Zeit- und Witterungsverhältnisse ausgesetzt. Vorträge wurden gehalten: von Herrn Inspector Neumann: über die Kultur und Benutzung der Erdmandel; von Herrn Ed. Monhaupt: über Lupinus varius als Kaffeesurrogat; von Herrn Präses Dr. Göppert: über das Pfropfen von Rosen auf Eichen; { von Herrn Erbsaß Bloch: über die Resultate seines Gemüsebau’s im Jahre 1853; von Herrn Turnlehrer Rödelius: über die Traubenkrankheit; von Herrn Director Dr. Fickert: über Entstehung und Fortpflanzung der Kernobstsorten; von dem Secretair: über Kartoffelkrankheit. Auch wurden die eingesandten Schriftstücke der Herren Kunstgärtner Schlegel in Grafenort, Ru- stikalbesitzer Block in Staude bei Pleß, v. Rosenberg-Lipinski in Gutwohne, Pastor Cochlo- vius in Schönwalde u. a. vorgelesen int! erörtert. Außerdem daß in den Versammlungen verschiedene andere Angelegenheiten der Section verhandelt wurden, ist noch zu erwähnen, daß dieselbe im Frühjahre an eine namhafte Anzahl ihrer Mitglieder theils hier, theils in der Provinz Reiser edler Obstsorten und Gemüse-Sämereien vertheilt und für die Bibliothek der Gesellschaft einige werthvolle Werke angekauft hat. Die technische Section. (Secretair: Herr Director Gebauer.) In dieser Section wurden folgende Vorträge gehalten: Am 13. Februar 1554. Von Herrn Mechanikus Steinmetz: über eine von ihm angefertigte Längen- theil-Maschine. Am 27. Februar. Von Herrn Dr. Schwarz: über die Bestandtheile eines Stückes einer Hohofen-Sau, in welcher Titanwürfel vorhanden waren; über Bleiglanz aus Altenberg bei Schönau, welcher erhebliche Mengen Cadmium enthält; über Rohzucker aus Rüben, aus einer Fabrik in Galli- zien, der 32 pCt. Salpeter enthielt. x Am 13. und 28. März und am 10. April. Von Herrn Professor Dr. Duflos: über die verschiedenen Arten des Gährungsprocesses und die daraus entstehenden Produkte. Am 4. und 18. December. Von Herrn Kaufmann Dr. Cohn über Cemente und deren Verwendung. Die historische Section (Secretair: Herr Professor Dr. Röpell) hat sich im Laufe des Jahres 1854 zehnmal versammelt, und wurden folgende Vorträge gehalten:' 1) Am 12. Januar der Secretair: über die Idee des Organismus in der Geschichte. 2) Am 26. Januar Herr Privat-Docent Dr. phil. Cauer: über die Cosmographie des Sebastian Mün- ster (1544). 3) Am 9. Februar der Secretair: Zur Geschichte der Tee chiriaen 4) Am 2. März Herr Dr. Grünhagen: über Thomas Plater, seine Erlebnisse als fahrender Schüler . und seinen Aufenthalt in Breslau um’s Jahr 1515. 5) Am 30. März Herr Dr. phil. Ludwig Oelsner: über Roth’s Geschichte des Beneficialwesens und ihre Bedeutung für die deutsche Verfassungs-Geschichte. 9 6) Am 27. April der Secretair: über die Entwickelung der ständischen Verhältnisse in Preußen bis zum Abfall des Landes vom Orden. 7) Am 19. October Herr Dr. phil. Reimann: Die Verheirathung des Prinzen Wilhelm von Oranien mit Anna von Sachsen. 8) Am 2. November Herr Dr. Paur: Römisch-deutsche Zustände im Jahre 1604. Mittheilungen aus r einer Handschrift von diesem Jahre. 9) Am 16. November Herr Consistorial- und Schulrath Menzel: über die kirchlichen Zustände in den Fürstenthümern Liegnitz und Brieg unter den letzten drei piastischen Herzogen. 10) Am 30. November der Secretair: Die Politik Friedrichs II. während des ersten schles. Krieges. Die philologische Section. (Secretair: Herr Professor Dr. Wagner.) In der philologischen Section sind im Jahre 1854 folgende 7 Vorträge gehalten worden: 1) Am 17. Januar sprach Herr Prorector Dr. Lilie über die Theogonie des Hesiodos, insbesondere über den Charakter der Gäa, welche den Mittelpunkt dieses Gedichts bildet. 2) Am 14. Februar setzte der Genannte den erwähnten Vortrag fort und brachte ihn zu Ende. 3) Am 14. März sprach Herr Saske über die von Bielowski neu aufgefundeneu Fragmente des Geschichtschreibers Trogus Pompejus. 4) Am 23. Mai sprach Herr Professor Dr. Ambrosch über das Priesterthum der Flamines bei den Römern. 5) Am 18. Juli setzie der Genannte diesen Vortrag fort. 6) Am 21. November sprach Herr Privat-Docent Dr. Suckow über das vierte Buch der Platonischen Gesetze. 7) Am 19. December sprach Herr Gymnasiallehrer Palm über das Leben und den schriftstellerischen Charakter des Andr. Gryphius. Die pädagogische Section (Secretair: Herr Oberlehrer Scholz) hat im Jahre 1854 zehn Versammlungen gehalten, in denen Folgendes zum Vortrage ei zur Bespre- chung kam. Herr Hauptlehrer Otto lieferte eine Lebensskizze zur Erinnerung an den verstorbenen Senior Berndt. Herr Candidat der Philologie Saske gab eine Uebersicht von den Dem onaaradeen Männern aus der Zeit der Wiederherstellung der Wissenschaften in Deutschland. Herr Referendar Mehrländer führte die Prädikat-Kürzungen der Stenographie nach Gabelsber- ger vor. Herr Oberst-Lieutenant v. Hülsen theilte Charakteristisches aus der Jugend-Bildungszeit des ver- storbenen Generals v. Radowitz mit. Herr Privat-Docent Pastor Dr. Suckow lieferte in zwei Versammlungen einen Bericht und eigene Bemerkungen über die drei neuen Regulative für das Schulwesen, und der Secretair der Section, Seminar-Oberlehrer Scholz behandelte in fünf Versammlungen folgende Themata: 2 10 1) ein Blick in das nordamerikanische Schulwesen; 2) über die in Breslau zu errichtenden Mittelschulen; 3) die Regeneration der unteren Volksklassen durch Vermittelung der höheren nach der Schrift einer Dame von Stande; . 4) die Pädagogik der Bibel und biblische Pädagogik, und 5) ein Stück aus der Pädagogik unserer Zeit, betreffend den Wechsel der Prinzipien auf dem Ge- biete der Pädagogik und die empfohlenen liturgischen Schulandachten. Die meisten dieser Versammlungen wurden zahlreich besucht, weniger jedoch von den Mitgliedern der Section als von anderen Freunden des Schulwesens. | Die musikalische Section (Seeretair: Herr Musikdirector Dr. Mosewius) hat sich im verwichenen Jahre zweimal versammelt und zwar: F am 7. März zur Wahl eines Secretairs für die laufende Etatszeit, welche von den anwesenden zwölf Mitgliedern wieder auf den oben Genannten fiel. Derselbe leitete die Sitzung durch den Vortrag des ersten Abschnittes einer kritischen Skizze aus der musikalischen Gegenwart von Hinrichs ein: „‚Ueber Richard Wagner und die neuere Musik,“ und schloß mit dem ganz ergebensten Danke für seine von ihm mit der freudigen Erwartung angenommenen Wahl, sich von den mun wieder zahlreichen Mit- gliedern durch Vorträge freundlichst unterstützt zu sehen. Die Versammlung bestimmte, sich einstweilen quartaliter nur einmal zu versammeln, und der Secretair übernahm die Hälfte der dazu erforderlichen Vorträge. — 1 Die zweite Versammlung fand am 7. November statt, in welcher der Secretair zwei eigene Auf- sätze vorirug. Erstens: „Ueber die Stellung des Orchester-Directors bei öffentlichen Aufführungen‘; es wurde nachzuweisen versucht, daß dessen Aufgabe nur gelöst werden könne, wenn er sowohl das Ganze über- sehen, als von jedem Einzelnen der Mitwirkenden in's Auge gefaßt werden könne. Jedenfalls müsse er eine Stellung einnehmen, welche ihm es gestatte, sein Antlitz jedem Theile des Orchesters zuzuwenden. Zweitens: „Ueber Mozarts Oper: Idomeneus, und deren erneute Aufführung auf dem Hoftheater zu Dresden“, welcher der Secretair im Laufe des diesjährigen Sommers beigewohnt hatte. Die juristische Section. (Secretair: Herr Geh. Justizrath Prof. Dr. Gaupp.) Am 1. Februar ist die Bildung einer juristischen Section der Schlesischen Gesellschaft für vater- ländische Cultur erfolgt und der oben Genannte zum Secretair derselben erwählt worden. Die Section hat dann sehr bald ihre Thätigkeit begonnen, und in den nunmehr gehaltenen Sitzungen haben folgende Mitglieder über die näher bezeichneten Gegenstände Vorträge gehalten: 1) Sitzung vom 15. Februar. Der Secretair: Ueber die Hauptmomente der Geschichte des deutschen Rechts in Schlesien. 2) Sitzung vom 1. März. Herr Ober-Staatsanwalt Fuchs: Wie weit und aus welchen Gründen erlöschen a) hypothekarische Darlehnsforderungen, 5) Reallasten, ce) der Auszug oder Altentheil bei der öffentlichen nothwendigen Subhastation eines Grundstücks? il 3) Sitzung vom 15. März. Der Secretair: Ueber die wahre Bedeutung der Reception eines fremden Rechts. 4) Sitzung vom 29. März. Herr Rechts-Anwalt Fischer: Ueber die Copulationen bei dem Schmied von Greina-Green. 5) Sitzung vom 12. April. Herr Dr. Bobertag: Ueber das Verhältniß der Kirche zum Staate. 6) Sitzung vom 3. Mai. Herr Kreisgerichtsrath Klingberg: Praktische Erläuterungen zu der neuen preußischen Strafgeseizgebung vom Diebstahle. 7) Sitzung vom 17. Mai. Fortsetzung und Vollendung des von dem Herrn Kreisgerichtsrath Kling- _ berg über die preußische Strafgesetzgebung vom Diebstahl gehaltenen Vorirages. — Daran schloß ‘sich ein Vortrag des Herrn Gen.-Landschafts-Syndikus Hübner: Ueber die Stellung des $& 15 der Hypotheken-Novelle vom 24. Mai 1853 im Systeme des Hypothekenrechts. 8) Sitzung vom 1. November. Herr Staditgerichtsrath Nitschke: Ueber die vermögensrechtlichen Verhältnisse der Eheleute, und die Nachtheile, welche aus der Gütergemeinschaft für diesel- ben entspringen. «9) Sitzung vom 15. November. Herr Kreisgerichtsrath Klingberg: Ueber das Compromiß. 10) Sitzung vom 29. November. Der Secretair: Ueber die Exclusivität der großen Geseizbücher der neueren Zeit, und über den verschiedenen Umfang dieser Exelusivität. 11) Sitzung vom 20. December. Herr General-Landschafts-Syndikus Hübner: Ueber das auf die Nutzungen der Sache eingeschränkte Pfandrecht. Der Etat der Gesellschaft ist für die Jahre 1854/55 auf 2143 Thir. in Einnahme und Ausgabe festgestellt worden. Bericht über die Verwaltung der Kasse i. J. 1854. Für die zweijährige Periode, welche mit dem laufenden Jahre begonnen Hat, ist, wie es die Con- stitution der Gesellschaft vorschreibt, seiner Zeit ein neuer Etat entworfen und von dem Präsidium ge- nehmigt worden. In demselben sind sämmtliche Einnahme- und Ausgabe-Titel unter dem Rubro „All- gemeine Kasse‘ zusammengestellt, so daß außerdem nur der Fond der Section für Obst- und Garien- Kultur eine gesonderte Kassenverwaltung behalten hat. Die Einnahmen des eben genannten Separat-Fonds haben sich auch in diesem Jahre vermehrt. Die Beitritts-Aufforderungen nach der Provinz hatten so günstigen Erfolg, daß die Jahresbeiträge der Sections- Mitglieder zu einem Thaler bis zur Höhe von 375 Thlr. sich steigerten. Hierzu kamen noch die Zu- schüsse der Theilnehmer an dem Journal-Lesezirkel mit 41 Thir. 10 Sgr.; ferner eine Zuwendung des landwirthschaftllichen Central-Vereines der Provinz von 50 Thir., und Zinsen von in diesem Jahre erwor- benen 300 Thir. Effekten, wonach sich die gesammte Jahres-Einnahme auf die Summe von 473 Thlr. 2 Sgr. 6 Pf. beläuft. Die Ausgaben der Section betrugen bis dato 398 Thlr. 11 Sgr. 5 Pf.; sie wurden dadurch ver- größert, daß die im Frühjahre veranstaltete Ausstellung nicht nur keinen Ueberschuß gewährte, sondern noch einen Kostenzuschuß von 44 Thir. 11 Sgr. 8 Pf. erforderte. 3 2* 12 Von dem aus dem vorigen Jahre verbliebenen Kassenbestande sind nach dem Beschlusse der Section 300 Thlr. in 4Y, procentiger preußischer Anleihe von 1850 zum Course von 95", Procent angekauft und diese bei der städtischen Instituten-Hauptkasse niedergelegt worden. Mit Einschluß dieser 300 Thlr. An Effekten verbleibt dem Separatfond der Section gegenwärtig ein Saldo von 412 Thlr. 17 Sgr. - Für die Allgemeine Kasse waren nach dem Etat die Einnahmen auf 2143 Thir., und eben so hoch die Ausgaben veranschlagt, beide aber haben einen höheren Betrag erreicht. Zur Erhöhung der Einnahmen hat vorzüglich beigetragen, daß aus der Provinz, auf die von der Section für Obst- und Gartenbau erlassenen Aufforderungen, auch zur Theilnahme an der Gesellschaft als wirkliche Mitglieder zahlreiche Anmeldungen eingingen, und in Folge dessen die beiden Einnahme- Titel „Eintrittsgebühren von neuen Mitgliedern‘ und „‚Jahresbeiträge von auswärtigen Mitgliedern“ we- sentlich höhere Beträge lieferten, als die im Etat angenommenen. Nächstdem ging der unter den Effekten befindliche Seehandlungs-Prämienschein im Nominalbetrage von 50 Thlr., der bei der Verloosung mit 100 Thlr. gezogen worden, mit letzterer Summe baar zur Kasse ein. Die Steigerung der Ausgaben über die im Etat veranschlagten ni = wurde hauptsächlich veranlaßt: - durch die höheren Druckkosten, die, auf 360 Thlr. nur geschätzt, über 600 Thlr. erforfkiiten; durch die Anschaffung von silbernen Medaillen, zur Vertheilung als Prämien durch die Garten- bau-Section bestimmt, im Kostenwerthe von 42 Thlr.; und durch den finanziell sehr ungünstigen Ausfall der im Winter 1853/54 veranstalteten öffentlichen Vorlesungen, die einen Kostenaufwand von 227 Thlr. 17 Sgr. nöthig machten, während der Verkauf der Eintrittskarten nur einen Erlös von 129 Thlr. brachte. Als Saldo dürfte in der Allgemeinen Kasse bei dem Schlusse der Kassenrechnung, so weit jetzt ein vorläufiger Abschluß dies zu bestimmen erlaubt, ein Betrag von 4700 Thlr., einschließlich 4100 Thlr. in zinstragenden Effekten, verbleiben, die genauer festgestellten Zahlen aber der definilive Kassen-Abschluß, ur den gedruckten Jahresberichten beigefügt wird, enthalten. Der Saldo der Jahresrechnung von 1853 betrug 4613 Thlr. 21 Sgr. 1 Pf., inclusive” 4150 Thlr. in Effekten. Die im gegenwärtigen Winter veranstalteten öffentlichen Vorlesungen, zum Besten der durch Ueber- schwemmung in Noth gerathenen Landsleute, haben bisher eine Brutto-Einnahme von 461 Thlr. gewährt; nach Abzug der erst später festzustellenden Kosten dürfte eine Summe von circa 380 Thlr. zu jenem wohlthätigen Zwecke zu verwenden bleiben. Breslau, den 27. December 1854. (. Liebich, z. Z. Kassirer der Gesellschaft. ‘ Bibliotheken und Museen. | In dem abgelaufenen Jahre haben die Bibliotheken einen Zuwachs von 946 Nummern mit 1286 Bän- den erhalten, von denen 625 Nummern mit 955 Bänden der allgemeinen, 321 Nummern mit 331 Bänden, Heften oder Heftchen der schlesischen Bibliothek zugefallen sind. An Gesellschafts-Schriften verdanken dieselben dieses Jahr ihre Vermehrung außer 11 schlesischen 71 deutschen, 2 siebenbürgischen, 1 kroa- Hussen- Abschluss für das Jahr 18514. el eßasel als Al 11 4 Soil einkommen, Th —LL————— Bear ie N Ausgaben st eingekommen, Nach Nach de dem Etat Bnklichen Zahl ea elanyldlah Ist verausgabt, 5 = 4 St Al ® K Eifekte B für 1554 SE ] e]e ; g m eKkten, aar. an = Sa e ine Kasse. 1854-55. Allgemeine Kasse. Effekten, Baar. Egon E Im Einnahmen. HE ME Im Pa\\\ RE Ir A BER 178 | — 1773| — Zinsen von Effekten: east r —E von 2400 Thlr. Niederschl.-Märk. Prior.-Oblig. 600, | Miethena........2..... 2a ana Ser. a AY pro anno...ueeneennnnen 96 Thir. — Ser Ss | — Honorar dem Präfekten........ BER Er SE zZ een von 900 Thlr. Niedelschles -Märk. dergl. Ser. IV. 15 | — | Neujahrsgeschenk dem Kastellan 0.0... = 2 = BON ARDTOANTTORE ER ee Ay 33001. (=Gehali, demselbensal. neun “2 3 Ei von 800 Thlr. Bresl.-Schweidn.-Freibg. Priorit.- 30 | — | Unterstützung an die verwiitwete Kasiellan Glänz Be, = an = Obligat. a 4%, pro amno........ceeeeee- 32 u.» 173 Bar 20 Demi Hlaushälten nl Fee; en = 2 7 1365 | — drıses | — Halb ahetge Beitnase von.eihheimischen Segen == Se 50 SER JAN EITEN FR. 1 es _ 52 24 L für Termin Johanni 226 a 3 Thlr BR on RER 678 Thlr. [979] ke = Beleuchtung ODE VIOVENO CONTI CLONNTOLOOOG DOD ION I ORODPE LAD OBERE = 57 7 5 3 | == Unterhaltung der Mobilien ............ 5 » » Weihnachten 227 a 3 Mr... OSU a RRRE ER DER EB übe | 5 ee zäh ng hnswtsionnense 75 7|15 ee ee 9) | =- Feuerversicherungs-Prämie Se RE An L (6 Thlr. in Rückstand verblieben.) SDR Se Schibpiatenalemn. ee 7 Se 245 | — | 4085 | — | Halbjährige Beiträge von auswärtigen Mitgliedern: | Bor Re zeiimesbAmnoncenl.. ee AR Er fin Tennin Johanni LÜD2Ea STH anne 204 Thlr. 3690| — Brnakkoften | ee a a 7 | | De. SlNleihnachten@l02 a2 Uhlee en 204 „, 108 60: | —# |-Buchbinder-Arbeiten va... = a s Dr 179° Eintrittsgebühren: ET Tue | 45 | — | Post-Procura und nn riesen mer = “ 18 2 2 vonrase Nhteliedennk as ohne .eeesnenenndeite nee meneeeen & 199 | 8 S0A = \. Mleige Ausgabeutn nee te uenasuenee == 2a| 2 en —_ 1597| — Beitrag zur Miethe von dem Schlesischen Kunsivereine = 150 | 1 12 | — ! Dem Sternwarten- Diener für meteorologische Beobachtungen ... — 12 = — 1850 ı — Beitrag zur Miethe von dem Gewerbevereine ........ er 1s0 | — AU | == |, Natußwissenschaßliche Section. „...........zen. us unse — 25 1 2143 | — ) 324105 | — 590° 202 3 2 EintonoloeisthrewSer ur en e — 15 | 19 Ze Be? 9 ae Be ahene rückständige Belrire Are RR en = u 5 = nn — Bibliothek GONTOAGUSOUNDHEONIO GONUIDATOH OO NAOHULAOOHRCENONAAIORHBG SOLO DE — 95 15 (22 Thlr. in kai veriiäheh _ Belmischen Se chiong. Ku ee 54 | 10 A nee Einnthnen: 2369 =, EunvgihergesehenegPällen ne _ 105 7 . Beitrag d. Redaktion d. Schlesischen Zeitung 10 Thlr. — Sgr. — Pf. 21455 — =: 2219 | 2219 m Restituirte Beheizungs- und Beleuchtungs- TON oe a Aue rsSyöhnlüchezAnsp@beent Für aboesetzte Jahresberichte... Bl ,; a ae ee a » Ausgeloosten und durch Zahlung von 100 Thlr. eingelösten See- | ee » handlungs-Prämien- Schein Ser. 1263 Nr. 126261 im No- | or rloosten dA LODN. Seroeenen » minalbetrage ee erde 50 | Seehandl.-Prämien-Schein Ser. 1963 Honorare und Restbetrag der Kosten für die öffentlichen Vor- | | S 126261 im Nominalbetrage von lesungen im Winter MSIHNA N en RAR. ann. ai 201 | 26 USERS ee 100 a — | Für verkaufte Eintrittskarten zu den wissen- & z x | a onen, in, Wibler 1833,54 elion je | An Vorlesungen im Winter 32 rn im Jahre 1853... 25 Thlr. 20 Sgr. 6 Pf. a et 26, r En P: 901 5 3 im Jahres 1804...2017 7,26 ,.,.82, ür Eintrittskarten zu den Vorlesungen p ; zus 5 Thlr Sor. 2 Pf im Winter I sind eingegangen | Be 1 2 I se: 1: Thir. ne Sgr. | Bestand am Schlusse dieses Jahres: i BY. » ED in Prioritäts-Obligationen der Breslau-Schweidnitz-Freibur- BE U 129 Thlr. — Sgr.) ger Eisenbahn a 4%, pro anno........... 800 Thlr. stand aus dem vorigen Jahre: in dergl. der Niederschlesisch-Märkischen Eisen- In en der Breslau- Schweidhitz- bahn, Serie l. a 4%, pro ANNO... none 2,400 , se a Eisenbahn 4 4%, pro anno .......... S00 Thlı in dergl. derselben Bahn Sen IV. 5%, pro anno 900 „, 4100 n derel. der Niederschlesisch-Märkischen Eisenbahn a a D 2,100 LEE. ARE RR... Bes REBeR — 642 | 21 » IV Ea000 oa n 1150 32 In 1 a = hr 1150 an, Baara.a...e 2 Au ORnDL BED «ar an ron 465 | 21 1 4150 | 3063 | 26 | 4 HMussen- Abschluss für das Jahr 1851. Ist eingekommen, | ! ist veransgabt, Eilekten. Baar. Effekten. Baar. BE KE Sm Pa CZ 73 F . | e . | Separat-F'ond der technischen Section. | Separat-F'ond der technischen Section. | | Aus der allgemeinen Kasse........ AR a EEE or — 54 | 10 9 Bürztec tausch SRMENSCHRIILEN a == 35 Loge | BüchBindarareilsBe a ee en ee Re EEE = D 6 | Dem Colporteur: .f....ursh@tlatr. nososimis Aasa.n ur..%, Era are. —_ 121 —-| — | | Aeitungs=Inserate #... glg. e.2222... A en Man — 4161| 3 —— 54 | 10 be) = 54 | 10 9 ———EmaTu || (WE GUSENEE || (HEGE Gm | BENFICA GEREERDrESTBErED | en ID Gm | um Separat-Foond der Section für Obst- und Gartenkultur. Separät-F'ond der Section für Obst- und Gartenkultur. BEStAnDrauszdem@ToTiBen. JDIREHENN ee sense en san nen ehe «na Tanrhe =» 9 —| 5 Post-Procura für Einziehung der Beiträge von auswärtigen Mitgliedern und Porto-Auslagen z= le “ . 9 a Beitrag von dem landwirthschaftlichen Central-Vereine der Provinz... Rz er 2 DA EEE Hin Journalesund@botanısele SVlenkez N — 112 — Beiträge von den Mitgliedern der Section pro. a. & 2... un... nennen BE a7 _ Rir“Buchbinderarheiten #44... .......02..... LES HUN TERURSERETE SEIRRERER _ 5 2| 6 3 — || Beiträge von 61 Mitgliedern des Journal-Lesezirkels pro a. c........ 40 Thir. 20 Sgr. Dem Colgorteurn. se Wat Mia nenne ARE TRTBER. MR... — 28 | Rest-Beitrag von 1 Mitgliede desselben aus 1853.......2.........2...... — rn Ortes ie a1,ı10| —_ Für Gemüse, Sämereien und Edelreiser,...... ee a ee ee. E= sy3n m280, 2 a EEE ame Rur>Drucksachen 8.00. Te een — 83 SI — Aa ale Sc prsubisöhe Dinteihe? van TES0....2. 2... 20 2 nn 300 =. > Kurz Cireukürenundg Expeditionskosten.e sen 2. euer ee een ehe era nen scan: = 38. |. — 9 Zinsen; von 300, Tılc) preußischer Auleihe won. 1850, bis 1. October, ’% Jahr...un.... = 6| 2 6 Kaufmann Müller, Zuschuß bei der Frühjahrsausstellung .............- U N eerean 4 “ — 44 | 11 5 Dr} 93 Copjallen E.. 2... a es ee klare rennen lee REN ef = Sr 29 | Fineine Nolzerne Geldkasse me an. ee susln tar BD ee ea een see — 2, — | — | Zeitungs-Inseraler Ban... - an nannte En N a DaB Lee ea neieenray: = g | 23 6 Für angekaufte S00 Thlr. 44%, preuß. Anleihe von 1850 a 951, %, und Zinsen ..... —_ 291 4| 6 Bestand bleiben in 4%, % preußischer Anleihe von 1850.....................- rn 2, er EG 800 I — u DaaE nat ren An aaa nrgnere — 12| 1727| — 300 802 2ı 1 3500 | 802 2 | 11 15 tischen, 6 russischen, 1 schwedischen, 1 dänischen, 1 englischen, 2 niederländischen, 2 belgischen und 5 schweizerischen, in Summa 92 außerschlesischen Gesellschaften. — Die Namen der Behörden, Insti- tute, Vereine und einzelnen Herren, von denen sie in dem Jahre 1854 freundlichst bedacht wurden, sind mit beigefügter Zahl der von ihnen geschenkten Bücher folgende: A. Bei der schlesischen Bibliothek. a. Von Behörden, Instituten, Vereinen etc. Das Curatorium der Commerzienrath Fränkelschen Stiftungen in Breslau 1, das k. Friedrichs-Gymna- sium 1, der Central-Verein zum Schutz der Thiere in Breslau 1, der Gewerbe-Verein in Breslau 3, der schles. Kunstverein in Breslau 1, der schles. Verein für Pferdezucht und Pferderennen in Breslau 2, der Verein für schles. Insektenkunde in Breslau 1, die Handelskammer in Breslau 1, die höhere Bürgerschule I. in Breslau 1, die höhere Bürgerschule zum h. Geist in Breslau 1, die k. Universität in Breslau 29 (Dis- sertationen, Verzeichnisse etc.), das ev. Gymnasium zu Gr. _Glogau 1, das ev. Gymnasium zu Görlitz 3, der Gewerbe- und Garten-Verein in Grünberg 1, das ev. Gymnasium . in Hirschberg 1, die ökonomisch- patriotische Societät der Fürstenthümer Schweidnitz und Jauer zu Jauer 1, die Stadt- und höhere Bür- gerschule in Landeshut 1, die k. Ritter-Akademie in Liegnitz 1, der landwirthschaftliche Verein in Lieg- nitz 1, die philomatische' Gesellschaft in Neisse 1, die Realschule in Neisse 1, der landwirthschaftliche Verein im Kreise Oels 1, der ökonomisch-patriotische Verein in Oels 1, die höhere Bürgerschule in Oh- lau 1, das Directorium der Wilhelmsbahn zu Ratibor 1, die Freimaurer-Loge in Ratibor 1, das kath. Gymnasium zu Sagan 1 Nummer. b. Von einzelnen Geschenkgebern. Herr Stadtrath, Syndikus Anders 8, Herr Lithograph Aßmann 1, Herr Geh. Medicinalrath Dr. Ebers 18 (Brochuren, Programme etc.), Herr Oekonomierath J. G. Elsner 1, Herr Prof. Dr. Göppert 16 kleine Nummern, Herr Pfarrer Görlich in Strehlen 1, Herr Lector Dr. Gröger 1, Herr Geh. Hofrath Professor Dr. Hausmann in Göttingen 1, Herr Superintendent und Schulen-Inspector Past. prim. Heinrich 1, Herr Fabriken-Commissar Hofmann 2 (in 6 Heften), Herr Kammerherr und General-Landschafts-Repräsentant Graf v. Hoverden 1, Herr Gymnasial-Oberlehrer A. Kastner in Neisse 2, Herr Partikulier J. E, Kieß- ling 15 kleine Nummern, Herr Gutsbesitzer v. Koschützki in Gr.-Wilkowitz 1, Herr Dr. med. Krause 1, Herr Zeitungs-Redakteur K. Krause 50 (Brochuren, Programme ete.), Herr Geh. Sanitätsrath Dr. Kro- cker 1, Herr Dr. Krocker 1, Herr Hauptlehrer D. Letzuer 3, Herr Pastor Letzner 1, Kustos K. Letz- ner 8, Herr Apotheker Lohmeyer in Neisse 4, Herr Translateur J. Lompa in Lubschau 8, Herr Pfarrer D. Matzke in Wangten, Kreis Liegnitz, 1, Herr Kaufmann Müller 1, Herr Dr. L. Oelsner 2, Herr Literat Th. Oelsner 6, Herr Partikulier E. Opitz 7, Herr Prof. Dr. Schneider 1, 'Herr'Dr. Tagmann 1, Herr Buchdruckerei-Besitzer C. A. Voigt in Bunzlau 1, Herr Woitschützki 1, Herr Superintendent u. Past. prim. 0. Wolff in Grünberg 1 Nummer. Gekauft wurden aus dem Nachlasse des Senior Berndt 2 Vol. kleine Druckschriften über das schles. Turnwesen und 5l kleine Nummern verschiedenen Inhalts. — Eingetauscht wurden 41 Nummern in 50 Bänden. B. Bei der allgemeinen Bibliothek. .a. Von Behörden, Instituten, Vereinen etc. Der Verein für südslavische Geschichte und Alterthümer zu Agram 2, die pomologische Gesellschaft zu Altenburg 1, die Acad&mie roy. des sciences zu Amsterdam 2, der naturforschende Verein in Bam- berg 1, die naturforschende Gesellschaft in Basel 1, die deutsche geologische Gesellschaft in Berlin 1, der landwirthschaftliche Provinzial-Verein für die Mark Brandenburg und Nieder-Lausitz zu Berlin und Frankfurt a. O. 1, der Verein zur Beförderung des Gartenbaues in den preuß. Staaten zu Berlin 1, der 14 Verein zur Beförderung des Gewerbfleißes in Preußen zu Berlin 1, die naturforschende Gesellschaft in Bern 1, der naturhistorische Verein der preuß. Rheinlande und Westphalens zu Bonn 1, der Verein der Freunde der Naturgeschichte in Mecklenburg zu Neu-Brandenburg 1, die k. k. leopold.-earolinische Akademie der Na- turforscher zu Breslau 2, die k. k. mährisch-schles. Gesellschaft des Ackerbaues, der Natur- u. Landes- kunde zu Brünn 3, d. k. belgische Akademie der Wissenschaften in Brüssel 6, die Philosophical-Society in Cambridge 1, die k. Landwirthschafis-Gesellschaft für das Königreich Hannover zu Celle 1, der Gar- tenbau-Verein zu Darmstadt 2, der historische Verein für das Großherzogthum Hessen zu Darmstadt 2, der naturhistorische Verein für das Großherzogthum Hessen zu Darmstadt 1, der Verein für Erdkunde und verwandte Wissenschaften zu Darmstadt 1, das statistische Bureau des k. sächs. Ministeriums des Innern zu Dresden 1, der Gewerbe-Verein in Dresden 2, die Gesellschaft für Natur- und Heilkunde in Dresden 2, die naturforschende Gesellschaft zu Emden 2, die Akademie gemeinnütziger Wissenschaften in Erfurt 2, der physikalische Verein zu Frankfurt a. M. 1, die senkenbergische naturforschende Gesell- schaft zu Frankfurt a. M. 1, der landwirthschaftliche Central-Verein zu Frankfurt a. ©. 1, die Gesell- schaft für Beförderung der Naturwissenschaften zu Freiburg im Breisgau 1, die oberhessische Gesellschaft für Natur- und Heilkunde in Gießen 1, die k. Gesellschaft der Wissenschaften in Göttingen 1, der mecklenburgische patriotische Verein zu Güstrow 2, der landwirthschaftliche Verein für Litthauen zu Gumbianen 1, die Societe de Physique et d’Histoire naturelle in Genf 1, der historische Verein für Steiermark zu Graz 2, die oberlausitzische Gesellschaft der Wissenschaften zu Görlitz 1, der Gartenbau- Verein für Neu-Vor-Pommern und Rügen zu Greifswalde 1, die Gesellschaft für pommersche Geschichte und Alterthumskunde zu Greifswalde ], der naturwissenschaftliche Verein für Sachsen und Thüringen zu Halle 1, die wetterauische Gesellschaft für die gesammte Naturkunde zu Hanau 1, die holländische Ge- sellschaft der Wissenschaflen zu Harlem 1, der siebenbürgische - Verein für Naturwissenschaften zu Herr- mannstadi 1, der Verein für siebenbürgische Landeskunde zu Herrmannstadt 3, der Verein für thüringi- sche Geschichte und Alterihumskunde zu Jena 3, die großherzoglich baden’sche Centralstelle für die Landwirihschaft zu Karlsruh 2, die Geschichts- und Alterthums-Vereine zu Kassel, Darmstadt, Frankfurt, Mainz und Wiesbaden 1, der landwirthschaftliche Verein für Rheinpreußen zu Koblenz 1, die k. dänische Geselischaft der Wissenschaften zu Kopenhagen 1, die Centralstelle der landwirthschaftlichen Vereine des Regierungsbezirks Königsberg zu Königsberg 1, der historische Verein für Krain zu Laibach 1, die k. sächsische Gesellschaft der Wissenschaften zu Leipzig 9 (in 21 Bänden), die medizinische Gesellschaft in Leipzig 3, die naturforschende Gesellschaft in Leipzig 1, die Societe roy. des sciences zu Lüttich 3 (in 10 Bänden), der Verein für Naturkunde in Mannheim 1, der Verein wesipreußischer Landwirthe zu Narienwerder 1, die landwirthschaftl. Central-Vereine zu Marienwerder und Danzig 1, die k. Gesellschaft der Wissenschaften in Moskau 1], der historische Verein ron und für Ober-Baiera zu München 2, der landwirthsch. Verein in Baiern zu München 2, die k. baiersche Akademie der Wissenschaften zu Mün- chen 1, der landwirthschaftl. Hauptverein für Westfaien zu Münster 1, der Verein für Geschichte und Alterthumskunde Westfalens za Münster I, das germanische Museum zu Nürnberg 2, die k. Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg 1, die k. freie ökonomische Gesellschaft zu St. Petersburg 1, die russisch-kaiserl. mineralogische Gesellschaft zu St. Petersburg 1, der naturwissenschaftliche Verein der baierschen Pfalz: Polichia 1. die k. böhmische Gesellschaft der Wissenschaften zu Prag 1, die k. k. patriotisch-ökonom. Gesellschaft im Königreiche Böhmen zu Prag 3, der zoologisch-mineralogische Verein zu Regensburg 1, der naturforschende Verein zu Riga 2, die Gesellschaft für Geschichte und Alterikums- kunde der russischen Ostsee-Provinzen zu Riga 1, die schweizerische naturforschende Gesellschaft 1, der Verein für mecklenburgische Geschichte und Alterthumskunde zu Schwerin 1, der provinzial-landwirth- schaftliche Verein für den Landdrostei-Bezirk Stade 1, der entomologische Verein zu Stettin I, die k. Akademie der Wissenschaften zu Stockholm 1, das stalistisch-topographische Bureau zu Stuttgart 1, der naturwissenschaftl. Verein zu Stuttgart I, die k. würtembergische Centräfstelle für Landwirthschaft zu Stuttgart 1, die Gesellschaft nützlicher Forschungen -in Trier 1, der zuologisch-botanische Verein in Wien 1, die k. Akademie der Wissenschaften in Wien 9 (in 16 Bänden), die k. k. geologische Reichs- Anstalt in Wien ], der historische Verein für Nassau zu Wiesbaden 1, der polytechnische Verein zu Würzburg 1, die physikalisch-medizinische Gesellschaft zu Würzburg 2, die naturforschende Gesellschaft zu Zürich 1 Nummer. 15 b. Von einzelnen Geschenkgebern. Hr. Dr. Freih. von und zu Aufseß in Nürnberg 1, Hr. Bibliothekar Professor K. Balling in Prag 1, Hr. Med.-Rath Dir. Prof. Dr. Barkow 2, Hr. Herrmann Baron v. Beaufort in Gabitz 1, Frau Sanitätsräthin Dr. Berendt in Danzig 1, Hr. Regierungsrath Dr. C. J. Bergius I, Hr. Freih. v. Biedenfeld in Weimar 1, „Hr. Dr. J. Bierbaum in Dorsten 1, Hr. Regierungs- und Medicinalrath Dr. Brefeld 1. Hr. Apotheker Chr. Brittinger in Steyer 1, Hr. Privat-Docent Dr. F. Cohn 4, Hr. Kaufmann Dr. J. Cohn 1, Hr. Ober- Hof-Buchdrucker Decker in Berlin 17 (in 23 Bänden), Hr. H. 6. Ehrentraut, großherzog]l. oldenburgischer Hofrath, in Hannover 1, Hr. K. Ehrlich, Kustos am vaterländ. Museum, in Linz 2, Hr. Dr. Erlenmeyer in Bendorf bei Koblenz 1, Hr. Dr. Eulenburg, Director des Instituts für schwed. Heilgymnastik, zu Ber- lin 1, Hr. Major a. D. Fils 1, Hr. Brunnenarzt Dr. R. Flechsig zu Elster 3, Hr. Prof. Dr. Fürurohr zu Regensburg 3, Hr. Dr. A. Garcke 1, Hr. Institutsvorsteher Dr. phil. A. Geisler in Brieg 1, Hr. Prof. Dr. Göppert 20, Hr. Ritter Fr. v. Hauer, k. k. Bergrath in Wien 3, Hr. Prof. Dr. Heyfelder, Direktor des Universitäts-Krankenhauses und der chirurg. Klinik in Erlangen 1, Hr. General der Infanterie a. D. Freih. Hiller v. Gärtringen auf Thiemendorf 1, Hr. Dr. med. E. Homolle in Paris 1, Hr. Dr. A. Kenn- gott, Kustos-Adjunet am k. k. Hof-Mineralien-Kabinet in Wien 3, Hr. Partikulier J. E. Kießling $, Hr. Premier-Lieutenant a. D. und Geometer E. v. knobelsdorf 1, Hr. Gutsbesitzer v. Koschützki in Groß-Wilkowitz 1, Hr. Dr. med. Krause 143 (in 160 Bänden), Hr. Redacteur K. Krause 7, Hr. Prof. Dr. F. Tr. Kützing zu Nordhausen 1, Hr. Prof. Dr. med. J. G. Kurr zu Siutigart 3, Hr. Director der Staats-Archive Lancizolle zu Berlin 1, der z. Kustos K. Letzner 3, Hr. Director Prof. Dr. Loew in Mese- ritz 2, Hr. Apotheker Lohmeyer in Neisse 58 (in 73 Bänden), Herr Translateur J. Lompa in Lub- schau 13, Hr. Prof. J. Manger, k. Bau-Inspector und Lehrer an dem k. Gewerbe-Institute zu Berlin 2, Herr Buchhändler Jos. Max 1 kleine Nummer, Hr. Kaufmann E. H. Müller 18, Hr. Seminar-Lehrer Na- gel in Peiskretscham 2 (in 13 Bänden), Hr. Justizrath Neigebauer 1, Hr. Kreisphysicus Dr. A. C. Neu- mann in Berlin 1, Hr. Dr. Neumann, Secretair der oberlaus. Gesellschaft der Wissenschaften in Görlitz 1, Hr. Dr. L. Oelsner 1, Hr. Literat Th. Oelsner 13, Hr. Dr. med. J. Paul 1, Hr. Privat-Docent Dr. Prings- heim zu Berlin 1, Hr. Rentamtmann K. Preusker zu Großenhain 1, Hr. Stadtraih Pulvermacher 1 in 22 Bänden), Hr. Prof. Dr. Purkinje in Prag 1, Hr. Dr. L. Rabenhorst in Dresden 1, Hr. Freih. F. W. v. Reden 1, Hr. Prof. Dr. Rotter, Abt des Benedictiner-Klosters in Braunau 1, Hr. Goldarbeiter A. Ru- dolph 1, Hr. Dr. med. Samostz 1, Hr. Privat-Docent Dr. Scharenberg 1, Hr. Graf Stanislaus v. Schla- berndorf auf Stolz 1, Hr. Dr. J. Seegen in Wien 1, Hr. Redacteur A. Skofitz in Wien 1, Hr. Prof. J. Sm. Steenstrup in Kopenhagen 1, Hr. Hauptlehrer Stütze I, Hr. Dr. Tagmann 2, Hr. Dr. med. J.P. Trusen in Neisse I, Hr Buchdruckerei-Besitzer C. A. Voigt in Bunzlau 2, Hr. Ober-Stadt-Physikus Dr. Wei- tenweber, Secretair der k. böhmischen Ges. der Wissenschaften zu Prag 1, Hr. Director Prof. Dr. Wim- mer 3, Hr. Prof. C. Zeisczner in Krakau 1, Hr. Dr. Zimmermann in Hamburg 1 Nummer. Gekauft wurden S2 Nummern mit 252 Bänden. Eingetauscht wurden 21 Nummern mit 21 Bänden. An die Sammlungen der Gesellschaft gingen an Geschenken ein: Von Herrn Prof. Dr. Göppert: 1) St. Maria, Versuch im Farbendruck von Höfel in Wiener-Neustadt aus dem J. 1551; 2) die sie- bente Plage in Aegypten, Elfenbeinschnitt von Höfel aus dem J. 1852; 3) Ecce homo! Polytypen- Stich von Höfel aus dem J. 1852. — Von Herrn Seminar-Lehrer Nagel in Peiskretscham: 1) Eine Wandkarte von Schlesien; 2) eine ebensolche von Posen; 3) eine Ansicht des Klosters der Ursuli- nerinnen in Breslau, Lithographie; 4) die Erde nach den neusten Quellen von Nagel, ein Blatt, die Planigloben darstellend (einziger Abdruck). — Von Herrn Literaten Th. Oelsner: 1) 3 abnorm gebildete welsche Nüsse; 2) 7 abnorme Hühner-Eier aus Breslau; 3) einige Stückchen Sgrafitto aus Liegaitz; 4) ein Stück verkieseltes Holz von den Feldern von Rosniontau -bei Groß-Strehlitz; 5) Portrait des Prof. A. W. Kephalides, Oelgemälde. — Von Herrn Partikulier E. Opitz: 4 Blätter mit alten Schreib- künsteleien, die Portraits Luthers, Katharina von Bora’s, Franz Ludwigs, Bischofs von Breslau, und Karls XII. von Schweden darstellend. — Von Herrn Hausbesitzer Steit: Zwei Portraits (Fr. v. Restorff und Otto v. Pirch darstellend), Lithographie. K. Letzner, z. Z. Kusios. $; 12 vu, | "ai: art e 2 iR AN Rd in I. er. ht Heard B Mt Be AR. 1 Ba rc et A ar bare Br al ulamnlam j ao are ‚ eine nam, ur } pi cu. ‚ee SON TRIER Er nie u j ben ah «bh PER ri ar. Yun >r A: Re tt ee n jean Pe f 2 IE 77720 7 28; Wise äh Akte dv! bi agerpksken Imeii, rat ee . 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Annalen 1853 Nr. 9 diese Krystallisation beschrieben und bemerkt, daß dieselbe nach seinem Wissen das erste bekannte Beispiel einer Combination von geneigtflächigen und parallelflächigen hemiedrischen Formen des tesseralen Systems sei; derselbe erwähnt aber daselbst nicht, daß eine derartige Combination einen Gegensatz der symmetrischen Gleichheit oder von Links und Rechts darbiete. Der Vortragende wurde zur Auffindung dieses Gegensatzes durch das optische Ver- halten des Salzes geführt. Wenn man in den Flächen eines Pentagondodecaeders auf den Grundkanten Perpendikel errichtet, und diese durch Pfeile, auf jene Kanten hin gerichtet, bezeichnet, — so bestim- men je drei dieser Pfeile, welche um dieselbe rhomboedrische Ecke des Pentagondodecaeders liegen, eine Drehungsrichtung. Diese Drehung ist an denjenigen vier rhomboedrischen Ecken dieselbe, welche durch das Auftreten eines Tetraeders zugleich abgestumpft werden, an den anderen vier Ecken die ent- gegengesetzte; dem entsprechend bieten zwei Combinationen von Pyritoeder und Tetraeder den Gegensatz von Rechts und Links dar, wenn die letzteren Flächen in diesen Combinationen verschiedenartige rhomboe- drische Ecken abstumpfen, und es kann in Rücksicht auf die angeführten Pfeile eine solche Combination eine rechte oder eine linke genannt werden. Bei dem erwähnten Salze treten außer diesen hemiedri- schen Formen auch Würfel- und Granatoederflächen auf; die Combinationskanten einer Würfelfläche zei- gen ebenso einen Gegensatz der Drehung. Ein Krystall nun, welcher die oben bezeichnete rechte Com- bination zeigt, dreht die Polarisationsebene des Lichtes rechts, eine linke Combination dreht jene Ebene 3 1S links. Nach allen Richtungen hin im Krystall ist die Drehung bei gleichen Längen des vom Lichte durchlaufenen Weges gleich; dieselbe ist dieser, Länge proportional, für verschiedene Farben der ent- sprechenden Wirkung einer Zuckerlösung proportional. Auflösungen des Salzes haben diese optische Wirkung nicht. Wenn das Gesichtsfeld des Polarisations-Instrumentes verdunkelt, durch das Einschieben des Kry- stalls dann erhellt ist, und der Analyseur des Instruments nach der Beschaffenheit des Krystalls rechts oder links gedreht wird, bis die teinte passage erreicht ist, so beträgt diese Drehung 3%, Grad für jeden Millimeter Dicke des Krystalls. Es ist diese Wirkung ohngefähr 6, geringer, als bei Bergkrystall, und 14 grösser, als bei Terpentinöl. Bisher ist Bergkrystall der einzige Krystall gewesen, von welchem die Circularpolarisation bekannt war, Den 14. Mai demonstrirte Derselbe: Die Erscheinungen der Polarisation unter dem Mikroskop. Chemie. Herr Professor Dr. Löwig am 11. October: Ueber die Verbindung der organischen Stoffe mit Metallen. Physikalische Geographie und Reiseberichte. Der zweite Secretair der Section, Privat-Docent Dr. F. Cohn, den 9. Februar: Ueber die Entwickelung der Vegetation in den Jahren 1852 und 1853. Ein Theil dieses Referats ist bereits im vorjährigen Berichte veröffentlicht worden; die ausführlichere Bearbeitung der Beobachtungen über Entwickelung der Vegetation im Jahre 1853 wird am Schluß des gegenwärtigen Berichtes abgedruckt werden. Herr Professor Dr. Sadebeck am 8. März: Ueber die Seehöhe des Thonlagers von Canth. In Begleitung des nunmehr in Amerika weilenden Dr. v. Frantzius hatte sich der Vortragende im Juni 1852 nach Canth begeben, um die Seehöhe des Schosnitzer Thonlagers, - welches durch die von Herrn Prof. Dr. Göppert in neuester Zeit untersuchten vorweltlichen Pflanzenüberreste Berühmtheit er- langt hat, trigonometrisch zu bestimmen. Es wurde auf der Eisenbahn, vom Canther Bahnhofe aus nach Breslau hin, eine Standlinie von 235 Ruthen Länge gewählt und durch Winkelmessungen an den End-, punkten derselben die gegenseitige Lage folgender Punkte bestimmt: 1) Rathsthurm von Canth, 2) Thurm der katholischen Kirche ebendaselbst, 3) Kirchthurm von Schosnitz. Diese 3 Punkte wur- den am Thonlager mit einem Theodoliten beobachtet, wodurch der Ort desselben festgelegt wurde. Hier und auf dem Bahnhofe war die Zenithdistanz des katholischen Kirchthurms in Canth beobachtet worden, woraus sich durch Rechnung der Höhenunterschied des Thonlagers und des Bahnhofs 45.9 P. F. ergeben hatte. 19 Der Bahnhof liegt 88.2 P. F. über dem Breslauer Unterpegel der Oder (Angabe des Herrn Ober- Ingenieur Cochius), und die Seehöhe des Pegels beträgt 341.9 P. F. (Angabe des trigonometrischen Oder-Nivellements); folglich ergiebt sich für den Canther Bahnhof die Seehöhe von 430.1 P. F. und für das Thonlager (oberes Niveau) 476.0 P. F. gefunden worden. Für den Kirchthurm in Canth ist als Seenöhe 570.7 P. F. Außerdem ist dieselbe noch für einen festen Punkt in der Nähe des Thonlagers, nämlich für die Thürschwelle der Amtmanns-Wohnung bei der Ziegelei, bestimmt worden; sie beträgt 456.4 P. F. Der erste Secretair der Section, Geheimer Medicinalrath Professor Dr. Göppert, am 7. Juli: Ueber die Seefelder in der Grafschaft Glatz und die Torfbildung auf denselben. Die Seefelder liegen zwischen Kaiserswalde und Reinerz ungefähr in 2604’ Seehöhe (Hallmann und Seeliger) in einem Thale, über welches sieh die hohe Mense bis zu 3323’ Seehöhe erhebt. Ein Graben von 419 Ruthen Länge, 8,’ Breite und 6‘ Tiefe, den der Forstmeister Rhedanz bald nach der preußischen Besitznahme, um aus den Forsten Holz nach der Weistritz zu lößen, ziehen ließ, theilt dieses etwa 353 Morgen und 165 Quadratruthen große Thal in 2 Theile, davon der größere der Reinerzer, der kleinere der Nesselgrunder Antheil genannt wird. Dieser Graben durchschneidet die See- felder in der Richtung von NO. nach SW., fällt dann gegen den Rand des Gebirgsplateau’s in eine tiefe Schlucht, die sich bis zur Reinerzer Weistritz erstreckt, zu deren Verstärkung also die Gewässer der See- felder auch beitragen. An dem nördlichen Rande der Seefelder in einer Seehöhe von 2313‘ entspringt die Erlitz oder die wilde Adler, welche das hoch über dem Meere gelegene Thal von Kaiserswalde, Langenbrück, durchfließt und bei Königingrätz in die Elbe fällt. Auf den Seefeldern, welche offenbar einst einen tiefen, zusammenhängenden Sumpf bildeten, sind jetzt nach Anlegung jenes größeren und mehrerer kleineren Abzugsgräben, die theils das Wasser in die Erlitz, theils in die Weistritz leiten, nur noch 8 Seen oder Tümpel, meistentheils von beträchtlicher Tiefe, übrig. Zwischen diesen Tümpeln ist der Boden meist fest genug, um sicher darauf stehen zu können; auf anderen Punkten ist er ziemlich elastisch, so daß man ohne die geringste Mühe sich senken oder heben kann. Aeltere Angaben schlagen diese Torf- schicht nur auf 6° Mächtigkeit, aber wohl viel zu gering, an. Sie beträgt, wie man aus dem in der neuesten Zeit sehr vertieften Abzugsgraben entnehmen und aus der bald zu erwähnenden Tiefe der oben genannten Seen. schließen kann, hier und da mindestens 20°, ja vielleicht tin der Mitte der Seefelder noch mehr. Im Jahre 1790 soll ein Wäldbrand die auf den Seefeldern selbst noch befindliche Baum- vegetation vernichtet haben, jedoch muß, wenn er wirklich stattgefunden hat, die Entfernung der ver- brannten Stöcke sehr sorgfältig geschehen sein, da man nirgends eine Spur von verbranntem Holze oder verbrannten Stöcken sieht. Die gegenwärtig auf denselben hier und da vorkommenden Birken und Sumpfkiefern erscheinen, wie freilich nicht geleugnet werden kann, von keinem höheren Alter als etwa 40 — 50 Jahre. Wenn man ja geneigt sein wollte, die Seefelder für eine ebene Fläche zu halten, so würde man sich sehr irren. Im Gegentheil sieht man deutlich, daß sie sich gegen die Mitte hin allmälig erhöhen und hier ungefähr in der.Mitte wieder eine sattelförmige lache Vertiefung haben, in welcher sich unfern von einander noch 2 Wasserbehälter, sogenannte Seen, finden. Ob diese konvexe Beschaffenheit nur etwa durch die Beschaffenheit der Unterlage oder vielmehr durch das bei Hochmooren, wohin ich diese Torflager rechne, gewöhnliche Wachsthum oder Bildung des Torfes selbst verursacht wird, kann ich mit Bestimmtheit nicht angeben, möchte mich aber eher für das Letztere entscheiden, da der ganze Moor höchst wahrscheinlich in einer flachen Mulde eines schieferigen Gesteines liegt, welches man früher 3* 20 zum Thonschiefer, jetzt nach Beyrich zum Pläner rechnet. An dem Austritt des Rhedanz-Grabens sieht man deutlich, wie die Gesteins-Schicht nach dem Grabenrand sich erhöht, so daß sie schon nach einer kurzen Strecke allein den Rand des Grabens bildet. Die Einwirkung des Moors auf die Schich- tung des Lagergesteins läßt sich hier sehr gut beobachten, indem es ungefähr 4—6‘ unter demselben in eine gleichförmig thonige Masse verwandelt erscheint, dann aber wieder die schichtenförmige Abson- derung desselben hervortritt. Offenbar erleichtert dieser für das Wasser völlig undurchdringliche Unter- grund die Bildung des Moors, obschon freilich auch mehrere anderweitige Erfahrungen und Beobachtun- gen, unter andern namentlich die von Grisebach (in seiner ausgezeichneten Schrift über die Bildung des Torfs in den Emsmooren) zeigen, daß, wenn einmal Torf- oder Moorlager gebildet sind, diese selbst dann, wenn sie von Wasser durchdrungen sind, ein weiteres Austreten desselben nicht gestatten, und so zur Erhaltung größerer Wasserflächen mitten im Moor, die wie im Emsmoor sogar höher als die übrigen Flächen desselben liegen, wesentlich beitragen. Diese, wie es scheint, dort sehr bedeutenden Wasserrevoirs, Maare genannt, enthalten, wie Grisebach ausdrücklich bemerkt, keine Vegetation und werden daher niemals durch Torf ausgefüllt, während in den bei uns noch vorhandenen, oben bereits erwähnten Wasserbehältern fortdauernd noch Torfbildung stattfindet, wodurch die Ausfüllung derselben in kürzerer oder längerer Zeit mit Bestimmtheit zu erwarten steht. Gegenwärtig liefern sie ein überaus anschauliches Bild jener merkwürdigen Metamorphose, die ich hier von rein botanischem Standpunkte aus näher zu schildern versuchen will, wie ich sie bereits im August 1849 in Begleitung meiner jünge- ren Freunde, der Herren Dr. Cohn und Dr. Milde, zu beobachten Gelegenheit hatte. Der Umfang des größeren, in der Mitte noch gänzlich vegetationsleeren, aber von allen Seiten mit einem 4—6’ breiten Ringe von bald zu nennenden Torfpflanzen eingefaßten, länglich runden Wasserbehälters beträgt 420°. Es hatte bei meiner Anwesenheit am 13. August des gedachten Jahres einige Tage nicht geregnet, das Wasser war sehr klar, so daß man in 5-6’ Tiefe einzelne eingesunkene Sumpfmoosreste noch deutlich zu erkennen vermochte. Die Tiefe dieses Wasserbehälters betrug 24‘, obschon kein fester, sondern nur ein schlammiger Grund erreicht wurde; bei dem zweiten, viel kleineren, an 142° im Umfange messen- den elliptisch geformten, nicht weit von dem ersteren befindlichen Teiche fanden wir in 30° Tiefe noch keinen Grund, wobei zu bemerken ist, daß die Tiefe unmittelbar am Ufer beginnt. Leider standen uns andere.Mittel, dieselbe näher zu ermessen, nicht zu Gebote. Jene also ziemlich 4-6‘ breite, offen- bar fortdauernd von allen Seiten dem Mittelpunkt zuwachsende Einfassung bestand nur allein aus Carex limosa, Scheuchzeria palustris und Sphagnum euspidatum ß. plumosum N. ab E. et Hornsch., wel- ches fast überall den äußersten Rand bildete, während Sphagnum capillifolium. Ehrh. und compactum Brid. mehr nach Innen wuchsen. ‘Von Algen fand ich nur an einer Stelle an.den Wurzeln von Scheuch- zeria ein Batrochospermum und eine Draparnaldia, die eine spangrüne, die andere lichtgrüne zierlich verästelte, schlüpfrige Gallertbäumchen bildend, von anderweitigen Phanerogamen nur hie und da ein Pflänzchen von Drosera longifolia. Der durch die 5—6‘ langen Wurzeln der Carex und Schleuchzeria gebildete Rand war schon so dicht, daß man an einzelnen Stellen ihn zu betreten vermochte, ohne in das hier etwa schon in 3— 4’ Tiefe darunter befindliche Wasser zu gerathen. Ueberall sitzen an den Fasern zersetzte Pflanzentheile, vorzugsweise Blattreste der Sphagnum-Arten; die letzteren selbst kann man vorsichtig oft in 6° Länge aus dem See entnehmen. Der untere Theil der Stengel ist nicht nur von den Blättern, sondern auch von der äußern Rindenschicht entblößt, so daß nur die aus verlänger- ten Zellen bestehende Mittelachse, die der. Verwesung längere Zeit widersteht, noch vorhanden ist, wäh- rend oben das Moos in 5—6’ Länge in trefflicher Vegetation begriffen erscheint. In zarten weißlichen Flocken sieht man die Blattreste in den kleinen Seen oder Teichen herumschwimmen. Wenn nur ir- gend eine Stelle des Randes noch mehr konsolidirt ist, wie man ganz besonders deutlich an dem 2ten, - 21 eben bereits erwähnten Teiche sieht, so finden sich auch gleich andere Pflanzen ein, wie hier zuerst Carex leucoglochin, pulicaris mit dem gewöhnlich röthlich gefärbten Sphaynum compactum, Sphagnum squarrosum, Mnium palustre, sehr selten Splachnum ampullaceum, Webera nutans et longiseta, Dro- sera rotundifolia, an welche sich Eriophorum cespitosum schließt; sie bilden kleine rundliche Erhö- hungen mitten in der tiefmoorigen Umgebung, die immer höher werden, wenn sich hierzu noch Vacei- nium uliginosum, Oxycoccus, Andromeda polifolia und Erica vulgaris gesellen. Jene Erhöhungen verbinden sich endlich zu ziemlich gleichmäßigen Flächen, in welchem Falle dann nun auch die übrige, jedoch an Arten durchaus nicht reiche oder mannigfaltige Vegetation Platz’ greift, die hier aus Cenomyce rangiferina und pyxidata, Polytrichum commune und P. juniperinum, Hypnum Schreberi, H. splendens, Dicranum cerviculatum, Schraderi, scoparium, Equisetum sylvalicum, Aspidium Thelypteris, Carex stellulata, Calamagrostis sylvatica, Aira flexuosa, Rumex acetosa, Vaccinium Vitis Idaea und V. Myr- iyllus, Melampyrum sylvaticum, Sagina procumbens, Cirsium palustre, Tussilago Petasites, Ra- nunculus repens, Epilobium palustre und montanum besteht; es ist dies eine im Verhältniß der großen Fläche sehr geringe Zahl von Arten, zu denen sich noch mehr oder minder verkrüppelte, fast immer strauchartige Formen der Betula pubescens, die in Schlesien allein hier heimische Betula nana und die oft knieholzartig gewachsene, hie und da aber auch stammartige Pinus uliginosa Neum. gesellen. Ein ganz verwandtes Vorkommen, nämlich die Bildung kleinerer, Maulwurfshaufen ähnlicher Hügel, beschreibt auch Grisebach. Sie werden dort Bulten genannt und hauptsächlich unter Vermit- telung der Erica-Arten gebildet, während bei uns Carex leucoglochin und Eriophorum cespitosum den ersten Anstoß hierzu liefern, obschon ihre größere Erhebung vorzugsweise durch die oben genannten Sträucher, insbesondere durch Erica vulgaris bewerkstelligt wird. Auch dort finden sich diese Haufen mitten im fast unzugänglichen Moore, in dem man wie bei uns über die Knöchel oder auch bis zum Knie einsinkt. Durch das Zusammenrücken jener Erhöhungen oder Bulten gewinnt das Moor das Anse- hen einer Haide, während die ursprünglichen Torf bildenden Pflanzen durch die neue Vegetation und den Mangel an hinreichender Feuchtigkeit verschwinden. Während also bei dem oben beschriebenen Wasser- behälter vorzugsweise nur die erst erwähnten Pflanzen, die Sphagnum-Arten, die Carex limosa und Scheuchzeria palustris als Torf bildende und Torfbildung vermittelnde Pflanzen auftreten, tritt bei einem dritten, etwa 420° im Umfange haltenden kleinen See zu den genannten noch Carex ampullacea hinzu, die auf der ganzen Fläche in einzelnen Büschen zerstreut vorkommt. Ihre weitkriechenden Wurzelver- zweigungen bilden ein nicht minder dichtes Flechtwerk, ganz geeignet, zur Basis der anderwärtig im Was- ser abgeschiedenen Pflanzenreste oder Pflanzentheile zu dienen. Die anatomische Untersuchung der von diesen so verschiedenen Punkten eninommenen Torfreste bestätigt die hier angegebene Bildungsweise. Der Schlamm im Grunde jener Teiche, welchen ich aus 24° Tiefe entnahm, und der, beiläufig be- merkt, in solcher Menge dort vorhanden ist, daß durch leichtes Umrühren alsbald die ganze, früher klare Wassermasse getrübt und bräunlich gefärbt wird, läßt bei mikroskopischer Untersuchung alle die Be- standtheile bemerken, welche zu seiner Bildung beitragen. Man erkennt deutlich: 1) vor Allem als die Hauptmasse die Blattreste der Sphagnum-Arten, die, durch ihre spiralige Streifung und große runde Löcher charakterisirt, sehr leicht sich wiederfinden lassen; 2) Reste der Mittelaxe der Sphagnum-Arten; 3) die rundlichen dreieckigen Sporen der Sphagnum-Arten in großer Menge, mehr oder minder zerstört, zuweilen aber noch, wie es scheint, mit vollständigem Inhalte, besonders an den Stellen des Torfes, die weißlich gefärbt sind und dort ganz aus Sphagnum-Blättern gebildet werden; 4) einzelne Bacillarien-Reste; 22 5) Zellen der Oberhaut der Carex-Arten und der Scheuchzeria, kenntlich durch die wellenförmig gewundenen Wandungen der sehr verlängerten Zellen. Durch Vergleich mit den lebenden Pflanzen kann man die der letzteren Pflanze durch die schmälere Beschaffenheit der Zellen von den breiteren der er- steren vielleicht einigermaßen unterscheiden; 6) Samen von Carex limosa und leucoglochin; 7) einzelne Bündel wahrer Spiralgefäße, vermischt mit Parenchymgewebe aus Fanamehan locker zusammenhängenden Zellen, wie sie der Stengel jener Pflanzen, insbesondere um die Knoten, zu enthal- ten pflegt; 8) braune Fasern, einzeln oder zusammenhängend, aus den Scheiden von Write cespitosum ; 9) Zellen mit kegelförmigen Auswüchsen auf der äußeren Seite, wie sie die Oberhaut von Pinus uliginosa zeigt; 10) prosenchymatöse getäfelte Zellen von den letzteren Coniferen in Menge, die auch wohl von Pinus und Picea stammen können, welche beide in großer Ausdehnung die Ränder der Seefelder begrenzen; 11) einzelne Holzzellen von Dikotyledonen-Hölzern, wohl von den oben genannten Sträuchern, die sich freilich nicht näher bestimmen lassen. Eine ähnliche Zusammensetzung zeigen nun SE die tiefsten Lagen des Moores, wie die am Rhedanz-Graben, wo sie, wie oben schon erwähnt, unmittelbar auf dem Grundgebirge, dem Pläner, ruhen. Je näher nach der Oberfläche, aber auch häufig in der Mitte, finden sich zahlreiche Wurzelreste, die der oben genannten Erica und den Vaceinien angehören und gewöhnlich noch wohl erhalten vor- kommen. Zuweilen fehlt die Holzsubstanz, so daß nur der plattgedrückte Rindenzylinder angetroffen wird. Indem nun also, wie aus der obigen Schilderung hervorgeht, insbesondere durch Vermittelung der Sphagnum-Arten, die Bildung des Torfes in offenem freien Wasser stattfindet, so sind sie es auch wie- der, welche auch andere, namentlich die oben genannten, schon auf trockenerem Boden wachsenden Pflan- zen in den Bereich der Torfbildung ziehen, wie es eben der in diesen Gegenden wechselnde Zustand der Feuchtigkeit bedingt. Sie überwuchern dieselben, tödten dadurch allmälig anfänglich ihre Wurzeln, später sie selbst. Auf diese Weise, wie durch Ueberschwemmungen oder überhaupt Niveau-Verände- rungen, gelangen auch Stämme von größeren Waldbäumen, wie Pinus- und Betula-Arten, in die Torf- lager, wie wir sie hier auch beobachten, und vergrößern. so zufällig die brennbare Masse derselben. Die Sphagnum-Arten sind so, vermengt mit diesen und anderen zufällig hereingelangten vegetabilischen Resten, immer höher aufgewachsen, wozu sie ihre ungemein merkwürdige Fähigkeit, eine große Menge Wasser zu verschlucken und an ihren obersten Flächen wieder von sich zu geben, ganz beson- ders geschickt macht. Ein 1 Gr. schwerer und 8 langer lufttrockener Zweig von Sphagnum aculifo- folium, in Wasser gesetzt, wog nach 3 Stunden 15 Gran, ein 2 Gr. schwerer Zweig von Sphagnum latifolium gar A5 Gran. Jener hatte also das löfache, dieser das 22fache seines Gewichtes Wasser aufgenommen, daher auch die schwammartige Beschaffenheit eines Rasens von Sphagnum und die Möglichkeit, daß Torfbildung durch dieselben an abhängigen Stellen wie abschüssigen Felsen stattfinden kann, (Vergl. Lesquereux, Untersuchungen über die Torfmoore. Berlin 1847, S. 229.) Wenn man eine der oben er- wähnten Erhöhungen mit dem Spaten durchsticht und so vorsichtig mehrere Fuss tief in den Moor gräbt, sieht man ganz deutlich, wie der Grad der Erhaltung der vegetabilischen Reste von oben nach unten abnimmt, wie sich dieselben schon in der Tiefe von 3—4 Fuß in einem Zustande befinden, in welchem man fast nur mit Hülfe des Mikroskopes noch im Stande ist, die Pflanzen zu erkennen, von denen sie abstammten. 23 Wenn man die Untersuchung auf diese Weise veranstaltet und genau die eigentlich Torf bildenden Gewächse von den secundären trennt, deren Erscheinen eigentlich das Ende der Torfbildung anzeigt, wird man im Stande sein, näheren Aufschluß über diese der Jetztwelt angehörenden Lager von Brenn- stoff zu erhalten. Interessant ist, daß Grisebach auf dem großen Bourtanger Moor, welches einen Flä- chenraum von 25 [DJMeilen umfasst, auch nur äußerst wenig Pflanzen als eigentlich Torf bildende zu bezeichnen vermochte, außer den Sphagnum-Arten ebenfalls Cyperaceen, wie wir, aber andere Arten, nämlich Zriophorum vaginatum und Seirpus caespitosus, so wie 2 dykotyledonische Holzgewächse, Erica tetralix und vulgaris. Die Zahl der übrigen auf jener großen Fläche beobachteten Arten ist der unsrigen fast gleich; sie beträgt ohngefähr nur 33 Arten. Persönliche Verhältnisse, deren Auseinandersetzung nicht hieher gehört, veranlaßten mich, diese be- reits im September 1849 niedergeschriebenen Beobachtungen erst jetzt zu veröffentlichen. Inzwischen erschien Otto Sendtner’s Musterbuch für Beobachtungen lokaler Vegetationsverhältnisse (die Vegeta- tionsverhältnisse Südbayerns), durch dessen Publikation nicht nur die K. Bayersche Akademie sich um die Wissenschaft an und für sich, sondern um die Landeskultur von Bayern überhaupt ein großes Verdienst erworben hat, welches gewiß vom nachhaltigsten segensreichsten Einflusse sein wird. Wir finden in dem- selben auch unter andern umfangsreiche Beschreibungen der dortigen Torflagerungen und Erörterungen über die Bildung derselben, welche mit den oben erwähnten Beobachtungen von Lesquereux, Grisebach und den meinigen übereinstimmen. Nichtsdestoweniger entschloß ich mich, die meinigen nicht bei Seite zu legen, weil doch einige durch die Verschiedenheit der Vegetation bedingte Abweichungen in unserer Lo- kalität stattfinden und es auch fast der einzige Torfmoor Schlesiens ist, in welchem noch fortdauernd Torf- bildung beobachtet werden kann. In der Ebene findet sich hiezu fast keine Gelegenheit mehr, da das unum- gänglich nothwendige Wasser meistens fehlt und daher die ursprünglich Torf bildende Vegetation längst ver- schwunden ist und der Torf liebenden, den sogenannten Pflanzen des torfigen Bodens, Platz gemacht hat. Herr Lothar Becker sprach am 13. December: Ueber die Grotten von Ajenta, Dohltabad und Garli. Der Beschreibung der Grottentempel ward eine Einleitung vorausgesandt, in welcher des Sinnes für Naturschönheit bei den Hindu gedacht ward, welcher besonders diejenigen Orte zum Sitz eines Tem- pels wählt, die durch die Großartigkeit der Umgebung den Geist zu höherer Andacht erheben. Nach- dem man den heiligen Ganga und das Sandsteingebirge verlassen, welches im Norden das Bergland (Trappformtion) umsäumt, betritt man ein einförmiges, mehr oder minder ebenes Tafelland (von Malwa) und erblickt erst am Südrande desselben, wo es steil in das Nerbuddthal (Nemaurthal) hinabfällt, Natur- schönheiten, wie zu Mhau und Ungkao Mendatta, dem berühmten Wallfahrtsorte. Nach Ueberschreitung des Sat-pura-Berglands zwischen Nerbudd und Godaveri folgte der Voriragende der Agra-Bombaystraße bis Sirepur und schlug von hier in südöstlicher Richtung auf Feldwegen, wo oft Schwierigkeiten der Beher- bergung entgegentraten, den Weg nach Ajenta ein, wo er nach 4), Tagereisen (zu Perdapur) am Weih- nachtsabende 1852 anlangte. , Stunde davon liegen.die Grotten, Irula genannt, in die Basaltwand einer tiefen und engen Schlucht gehauen. Es sind ihrer 16—17 größere, in deren größter das Gerüst sich befand, welches Capitain Giles errichtet, der im Auftrage der englischen Regierung die Fresko’s ab- zeichnete. — Die Behauptung Jam. Edw. Alexander’s, daß alle Gemälde hell fleischroth gemalt 24 seien, ward widerlegt; es wurden in den Fresken zahlreiche‘ gelbe und dunkelbraun schwarze Gesichter bemerkt, ferner unter den. Sculpturen nicht die Nelumbiumblätter, sondern Nymphaea Lotus; — hierbei wurde auf das Unpassende hingewiesen, den Siva auf einem Nelumbium schwimmen zu lassen, da Blätter und Blumen dieser Pflanzen sich, mit höchst seltener Ausnahme, über das Wasser erheben. Der Vor- tragende erkannte außerdem die Blume von Tagetes patula, dessen Vorkommen in Indien, falls wirklich, wie man annimmt, diese Pflanze in der alten Welt nicht heimisch ist, einen Beweis giebt von der unmittelbaren Verbindung der Bevölkerung Indiens oder Asiens im Allgemeinen mit Amerika vor un- denklichen Zeiten. Er glaubte außerdem die Blume von Oleander, Nicotiana Tabacum und Nelumbium unter den Fresko’s erkannt zu haben, mußte aber in Ungewißheit bleiben in Folge der Höhe derselben. Zwiefacher Styl ist in diesen Grotten unverkennbar: einmal stellt der Tempel eine gewölbte Kirche dar, die auffallend den christlichen Kirchen gleicht, wo der ‚„Chattah“ die Stelle des Altars vertritt, dem gegenüber oft ein Chor sich befindet, alles Bildwerk vermißt man; in anderen Fällen: eine ungewölbte Halle mit mehreren Reihen von Säulen, mit zahlreichen Darstellungen aus der indischen Mythologie und oft mit Fresko’s geschmückt. Ungemein häufig finden sich die Bilder mit einer Bogenlinie, ganz dem Heiligenschein christlicher Bilder entsprechend. In einer der unvollendeten Grotten konnte man die Aus- hauungsweise beobachten; man meißelte Quer- und Längenfurchen, so daß tragbare Würfel abgelöst wurden, die später in die Schlucht gestürzt und aus dieser entfernt wurden. Nach 3 Tagereisen er- reichte der Vortragende Dohltabads Grotten oder Ilura (Ellora) in der Nähe von Rohdja, welches an der Südwestbiegung desselben Berglandes im: Norden der Godaveri-Ebene liegt, 1 Stunde von Dohltabad, unfern Aurinngabad; er fand große Uebereinstimmung dieser Grotten mit denen zu Ajenta, kirchenähn- liche Tempel, wie Grotten voll mythologischer Darstellungen, doch bemerkte er fast gar keine Malerei und nur 8—9 Grotten; die Hauptgrotte der Kailasa überragt Alles, was Jehir oder Ajenta besitzen. Nach längerer Reise durch die baumarme Godaveri-Ebene bestieg der Vortragende am Neujahrstage 1853 das Dekan, wo er in der Nähe von Ahmed-Nagger zwei riesige Baobabs (Adansonia digitata) be- merkte, begrüsste in dem Dorfe Logau vor Puna 2 Kokospalmen als die ersten Zeugen der Beendigung seiner indischen Reise und der Nähe des Meeres, besuchfe die reiche Braminenstadt Puna, nicht fern von welcher die Grotte von Garli oder Garla, Jehir genannt, am Wege nach Bombay liegt. Ein hoher Vor- sprung, in welchem die Grotte Jehir ausgehauen ist, verbirgt sie zugleich dem Blick des Reisenden, der von Puna oder Bombay kommt, — es ist nur ein größerer Tempel vorhanden, die übrigen sind kaum der Erwähnung werth, und zum Theil wegen Uebergang des harten Felsens (Basalt) in Mandelgestein unvollendet geblieben. Ein verfallener Sivatempel befindet sich vor dem Portale der Grotte, das eine riesige Säule von mehr als 24° Höhe und 8° Dicke besitzt, in welcher eine kurze Inschrift eingehauen ist, in der das griechische 9 in die Augen springt. — Das Innere der Grotte stellt eine Kirche vor mit „Chattah‘“, vierseitigen Säulen und keinem Bildwerk, als Kapitälern mit Elephantenköpfen. Wie fast alle anderen kirchenähnlichen Grotten hat sie in Folge der massiven Bauart die Zerstörung überlebt; die Arme der Portugiesen drangen nicht bis hierher vor, denen man vorwirft, selbst Felsstücke zur Zer- trümmerung der Grotte auf Elephante und Salsette in Anwendung gebracht zu haben, um die Entstehung gewisser Ansichten über den Ursprung des Christenthums für immer unmöglich zu machen. Hier erhielt 3 der Vortragende die Versicherung von Britten, daß für den, der Garli gesehen, Elephante keinen Reiz mehr haben könne; deßhalb, wie veranlaßt durch BAER: Verhältnisse; gab er den Besuch von Elephante und Salseite auf. Am 20. December gab Derselbe eine Schilderung von seiner Reise in die blauen Berge Neuhollands. Einleitend wurde erwähnt, daß Neuholland seit Flinders von allen Britten mit dem Namen Australia benannt wird, daß dasselbe seit undenklichen Zeiten den Malayen unter dem Namen Marega bekannt ge- wesen, die alljährlich mit Hülfe des West-Monsun die nördliche Küste des Landes wegen des Fanges der Trepang (zweier Arten Holothuria, ein Leckerbissen der Chinesen) besuchen; im brittischen Museum findet sich eine Karte vom Jahre 1542, welche das Land Gross-Java nennt. Die Lage im trockenen Himmelsstriche, die massige Form, der Mangel an hohen Gebirgen bedingt die Trockenheit, den dürren Pflanzenwuchs, die niedere Bildungsstufe der Eingeborenen. Nur so weit der Einfluss der See reicht, trifft man Vegetation von einiger Fülle an; nur da erheben sich ausgedehntere dichte Eucalyptenwälder oder breiten sich grüne Wiesen des Kängurugrases, Anthisteria australica, aus. Weiter landein ist Baumwuchs nur auf die Berge beschränkt, wird jedoch weiterhin immer magerer. Jenseits des Morra, (i.. N.) trägt das Land den Wüsten-Charakter; ausgedehnte Striche desselben sind mit Mesembrianthe- mum aequilaterale bedeckt, analog dem südlichen Afrika. Die mittlere jährliche Temperatur von Mel- bourne ist bis jetzt zwischen 6°—13%,° R. gefunden; sie wird jedoch an den Küsten um Weihnachten (um die Mitte des Sommers) in Folge des nahenden Polareises weit geringer als wenige Meilen landein zu derselben Zeit. Die ersten Höhen, die man in der Richtung nach Western Port betritt, sind die Dandenong-Höhen, wo versteinerte Zähne von Pflanzenfressern und phosphoreseirende Blätterpilze sich finden. — Darauf ward der Urwald geschildert, welcher an der Südseite des Gebirgsstockes im Norden der Baß-Straße sich hinzieht. Der Vortragende fand nirgends in Neuholland, obgleich er einen Strich von der Grösse Deutschlands kennen lernte, diesen üppigen und dichten Wuchs wieder. Der berüchtigte Waldbrand vom 6. Februar 1851 (am black thursday) hatte einen großen Theil des Waldes verkohlt, und nur die Farnbaumschluchten waren außer seinem Bereiche geblieben, die im Urwalde der Mo& lie- gen (31, Tagereise von Melbourne). Der erhebende ‚Eindruck, den sie machten, ist dem der blumigen Alpenwiesen und der verschlungenen Wälder der Tropen zur Seite zu stellen. Das Auftreten des Gra- nits bedingt eine besondere Vegetation, auch eine etwas üppigere; zumal sind es Mesmet (Eucalyptus piperita), wie auf den höheren Bergen Mountain ash, bastard gum, Snowy gum, black buded gum (alles Eucalyptus-Arten), welche hier die Waldung bilden, die von größerer Frische zeugt, als die Waldungen der ebenen Striche, wie die der Excalyptus robusta (mit Faserrinde), der bux (Eucalyptus?). Die Zwerg-Flora erscheint besonders am Strande, und zwar Banksia und Casuarina, selten (ein Zu- calyptus) auf isolirten Kuppen der Gebirge. Die savannenähnlichen Flächen der Thompson- und- Glen- gerri-Niederung besitzen für den nordischen Botaniker hohes Interesse, indem eine große Zahl ihrer Pflanzen wenig verschieden von nordischen Arten ist, so Nelkenwurz (Geum urbanum), Froschlöffel (Alisma plantago), Rohrkolben (Typha angustifolia), Schilf (Phragnites communis und. australica), Binsen (Heleocharis palustris), Isolepis setacea, Juncus communis u. s. w. Der Jarn (von den Britten Mitehele genannt) und der Nicholson River wurde überschritten, ehe man die Fainting Range erreicht, die steil emporsteigt. Durch Tonggeo gelangt man in das schöne Kesselthal Omeo, mit einem See in der Mitte; ein ausgestorbener Vulkan befindet sich an seinem Rande, dessen Thätigkeit noch nicht lange erloschen zu sein scheint, da die Eingebornen ihn zu besteigen vermeiden, wie es mit Mount Elephant in Bonenjon der Fall ist. Von hier aus wurde der Weg nach dem Dschibbo-Gebirge in der Nähe der Midda-Midda in Gesellschaft mehrer Eingeborenen eingeschlagen. Die Kuppen der blauen Berge waren noch mit Schnee bedeckt und dadurch die Wanderung eine höchst mühselige für den Reisenden und seine 4 Begleiter. Nach l4tägiger Reise durch die Wildniss, wo kein Weg leiten konnte, gelangte derselbe an den Gravels-Creek, wo die ersten Ansiedelungen beginnen, und folgte seinem Laufe, bis er in den Morra mündet. Auch hier verursachte die Ueberschwemmung mancherlei Verzögerung, doch wurde Alburg an der Straße zwischen Sydney und Melbourne glücklich erreicht. Nach mißlicher Ueberfahrt über den ge- schwollenen Morra stieß der Vortragende auf keine Schwierigkeiten bis Melbourne, hatte jedoch auch nicht mehr den Genuß der romantischen Natur in den ausgedehnten einförmigen Eucalypten-Wäldern, welche die Fläche bis Seymour am Goulburn füllen. Die Vorhöhen der granitischen Berge bei Seymour tragen auf ihren Kuppen zu Ende der Regenzeit eine 2—3monatliche nordische Zwerg-Flora, unter der Aphanes arvensis höchst gemein ist und besonders die feuchten Granitplatten bedeckt. Tiefer hinab steigt diese Zwerg-Flora nicht, dagegen finden sich viele nordische mehrjährige Gattungen, auch Arten, ‘zerstreut unter den Eucalypten-Wäldern, tragen jedoch nichts bei zu dem Gesammt-Ausdruck, welchen die Flora besitzt. Der Golburn hat bei Seymour die Größe des Bobers. Kilmore bezeichnet die Mitte der Ent- fernung zwischen Melbourne und Seymour; es besitzt keine Lage, welche seiner Entwickelung zu einer großen Stadt besonders günstig wäre. Darauf folgte der Vortragende dem Laufe der Plenty von ihren Quellarmen an bis Heidelberg, oberhalb dessen sie in die Jarra-Jarra mündet. Heidelberg ist ein an- sehnlicher Ort, dessen Gründer, ein Britte, den Namen wählte wegen der Aehnlichkeit, die er zwischen dieser Stelle und Heidelberg in Deutschland zu finden meinte. Geognosie und Petrefaktenkunde. Herr Geheimer Bergrath Krug v. Nidda den 9. Februar: Ueber das Vorkommen von Graptolithenschiefer in der Schlesischen Grauwacke. Um die Formationen entfernterer Gegenden zu parallelisiren, ist es von Wichtigkeit, einzelne Schich- ten aufzusuchen und festzustellen, welche in ihrem petrefaktologischen und mineralogischen Charakter so konstant sind, daß sie als Horizonte dienen können, um die darüber und darunter liegenden Schichten in die entsprechenden Formationssysteme einzureihen. Eine solche Schichtengruppe bildet der Clyme- nien- und Goniatitenkalk, welcher, wie N. Hinard in seiner Mittheilung an Professor Bronn (Neues Jahr- buch von v. Leonhard und Bronn, 1849, S. 450) bemerkt, nicht, wie man bisher glauben mußte, ein nur sporadisch vorkommendes Gestein des Uebergangs-Gebirges, sondern eine bestimmte und durch ganz Europa verbreitete Schicht ist. Im Belgisch-Rheinischen Uebergangs-Gebirge ist dieser Kalkstein mit seinen eigenthümlichen Cephalopoden als eine ununterbrochene Schicht auf viele Meilen Erstreckung ver- folgt und in Westphalen unter dem Namen Kramenzelstein bekannt, dessen Zusammensetzung aus einzel- nen, durch Thonschieferblätter eingehüllte Kalknieren so auffallend ist, daß er mit einem anderen Kalk- steine gar nicht verwechselt werden kann. Die ihm eigenthümlichen Merkmale sind durch die ‚bunten Farben vermehrt, welche diesen Kalkstein sowohl als auch den ihn begleitenden Thonschiefer auszeich- nen. Letzterer pflegt ungemein häufige Einschlüsse von Cypridinen, welche Sandberger veranlaßt haben, ihn Cypridinen-Schiefer zu nennen, zu führen. Außer dem Belgisch-Rheinischen Gebirge ist dieser Kalkstein im Erz- und Fichtelgebirge, in Corn- wallis und in den Pyrenäen zu Hause, und ist in Schlesien von Leopold v. Buch in dem Kalkberge bei Ebersdorf erkannt worden, dessen Aufsatz über Clymenien und Gonialiten in Schlesien diesem Vorkommen die ihm gebührende Wichtigkeit vindicirt hat. Außerdem ist das Vorkommen von Clymenien in der Grauwacke des Leobsehützer Gesenkes von Herrn Professor Göppert ziemlich zuverlässig nachgewiesen, 27 der in seinem wichtigen Werke über die fossile Flora des Uebergangs-Gebirges Seite 71 mehrerer berg- männischer Versuchs-Arbeiten erwähnt, welche zur Aufsuchung von Steinkohlen bei Unter-Paulsdorf in Oesterreichisch-Schlesien unweit der Grenze von Preussisch-Schlesien und im Kreise Leobschütz vergeb- lich gemacht worden sind, wozu schwarz gefärbter anthrazitischer Schiefer die Veranlassung gegeben. In grösserer Tiefe sollen die durchsunkenen Schichten sehr kalkhaltig geworden und in ihnen zahlreiche _ Calamiten mit anthrazitischem Anflug und auch Ammoniten gefunden sein. Einer der letztern, von Herrn Göppert gefunden und der Sammlung der Ober-Berghauptmannschaft übersandt, schien ihm zu Clymenia undulata zu gehören. Als Bestätigung dieses neuen Vorkommens von Clymenienkalk führt Herr Göppert das Vorkommen von Goniatiten bei Troppau, %, Stunden von Schönstein, an, dessen Hörner und v. Hauer in den Sitzungsberichten der Wiener Akademie, Jahrg. 1850, S. 171, Erwähnung thun. In der Grauwacken-Partie zwischen Freiburg, Altwasser und Landeshut kommt bei Adelsbach ein rother Kalkstein vor, worauf früher eine Kalkgewinnung stattgefunden hat, der aber jetzt wenig zugänglich ist. Ich vermuthe sehr, dass dieser Kalk dem Clymenienkalk zugehört, und erlaube mir die Auf- merksamkeit darauf zu richten. Diese Kalkschicht liegt in einer Schichten-Gruppe, welche das Hangende des Kunzendorfer Kalksteines und das Liegende des unzweifelhaften Kohlenkalkes von Altwasser bildet. ' Ueber das Alter des Kunzendorfer Kalkes bestehen noch Zweifel; Beyrich glaubt ihn. mit der ganzen Schichten-Gruppe, welche zwischen ihm und dem Altwasser-Kohlenkalk liegt, zu dem älteren Kohlen- gebirge zu rechnen, obgleich er nicht verkennt, daß die Versteinerungen des Kunzendorfer Kalkes einen weit älteren Charakter als die von Altwasser haben. Hauptsächlich der Umstand, daß zwischen Alt- wasser und Kunzendorf die mannigfaltigen Glieder, welche am Rhein den älteren devonischen Kalk vom Kohlenkalk trennen, fehlen, veranlaßt bei Herrn Beyrich das Bedenken, den Kunzendorfer Kalk mit dem älteren devonischen Kalk zu parallelisiren, ein Bedenken, was völlig beseitigt sein würde, wenn meine Vermuthung sich bestätigen sollte, daß der Adelsbacher Kalkstein dem rheinisch-westphälischen Kra- menzelstein entspreche. Dann könnte kein weiterer Zweifel sein, daß der Kunzendorfer Kalkstein dem älteren Eifeler Kalk entspricht. Der rheinisch-westphälische Kramenzelstein, wie der schlesische Clymenienkalk ist das jüngste Glied des devonischen Schichten-Systems; unter ihm liegen die älteren devonischen Gruppen, über ihm folgen unmittelbar die ältesten Glieder der Steinkohlen-Formation. Außer der geognostischen Wichtigkeit des Kramenzelsteines ist sein technischer Werth hervorzu- heben. Die reineren Abänderungen des Kramenzel-Kalksteins liefern nämlich vortreflliche bunte Marmore, von denen ich hier die großen Säulen im neuen Museum zu Berlin anführe. Sie sind von Bareges in den westlichen Pyrenäen und führen die deutlichen Versteinerungen, wie der Kramenzelstein von Westphalen. Dieselben Marmor-Varietäten, Griotti, verte campane, aus denen die Säulen des Berliner Museums be- stehen, treien in gleicher Schönheit bei Mecklinghausen unfern Olpe auf und sind gegenwärtig Gegen- sland einer umfangreichen Gewinnung und Verarbreitung, die 'einen großen technischen Werth verspre-, chen. Die Blöcke, die hier gewonnen werden, sind von so kolossaler Größe, daß daraus noch größere "Säulen angefertigt werden könnten, als diejenigen des Berliner Museums, die leider aus fremden Län- dern bezogen wurden, da man das inländische Vorkommen noch nicht kannte. Diese technische Wichtigkeit wird der schlesische Kramenzelstein nun schwerlich erlangen, da sein Vorkommen immerhin ein sehr unbedeutendes ist; wohl aber ist er in wissenschaftlicher Hinsicht von gleichem Werth, weil er zuerst den Horizont geliefert hat, nach dem man sich in dem schlesischen Grauwacken-Gebirge zu orientiren vermag. 4* \ 28 Wenn es auch noch zweifelhaft sein mag, ob ältere Glieder der devonischen Formation in Schle- sien vertreten sind, so hat doch der Ebersdorfer Clymenienkalk wesentlich die über ihm liegenden Schichten aufgeklärt. Beyrich hat in geringer Höhe über ihm Kohlenkalk aufgefunden, und nachgewie- sen, daß sein Vorkommen das einer Mulde sei, deren Gegenflügel durch den langen Kohlenkalkzug von Neudorf bis Silberberg dargestellt wird. Die Grauwacken und Thonschiefer innerhalb dieser Mulde, die dem Kohlenkalke aufliegen, können nunmehr nur dem Kohlengebirge angehören und zwar denjenigen Schichten entsprechen, welche in Westphalen als flötzleerer Sandstein bezeichnet werden. Soweit als die Muldenbildung durch den Kohlenkalksteinzug von Neudorf bis Silberberg auf dem einen Flügel und durch das Vorkommen von Kohlenkalk bei Ebersdorf und Rothwaltersdorf auf dem andern Flügel nach- gewiesen ist, kann über das Verhältniß kein Zweifel sein; aber Herr Beyrich geht weiter und glaubt in seinem Aufsatze über das sogenannte südliche oder Glätzer Uebergangs-Gebirge (Zeitschrift der deut- schen geologischen Gesellschaft, I. Bd.) die ganze Masse der Grauwacke und des Schiefers zwischen Silberberg, Wartha und Glatz dem flötzleeren Sandstein 'parallelisiren zu können. Dem steht nun entgegen, daß gerade in dieser Masse, der man ein so jugendliches Alter zuschrei- ben zu müssen glaubte, Anzeigen sich finden, die ganz unzweifelhaft auf ein weit höheres Alter einzel- ner der Schichten schließen lassen, auf ein Alter, welches zu dem silurischen herabreicht. Bis jetzt hat man in Schlesien kein Petrefakt gefunden, welches entschieden auf silurisches Alter hinwiese; es ist sogar, wie oben erwähnt, bezweifelt worden, ob die älteren devonischen Schichten ver- treten sein dürften. Wenn ich nun auf das Vorkommen von Graptolithen aufmerksam mache, so glaube ich, daß man dieser kurzen Notiz Interesse schenken werde. Im Jahre 1837 wurde im Thale von Herzogswalde bei Silberberg ein vermeintliches Vorkommen von Steinkohlen, für welches die Grundbesitzer einen anthrazitischen Kieselschiefer hielten, mit einigen Schürfen untersucht, zu deren Besichtigung ich im Herbste desselben Jahres mich dahin begab. Ich fand dort die schwarzen Schiefer, auf deren Schichtungsflächen unzählige Graptolithen sich zeigten; ich rieth den Grundbesitzern die Fortsetzung der Versuchsarbeiten ab und berichtete unter Uebermachung eines der Schieferstücke an das schlesische Ober-Bergamt. Die Sache hatte damals, wo die Trennung der Uebergangsformation in das silurische und devoni- sche System noch nicht erfolgt war, kein wesentliches Interesse und war vergessen, bis ich vor Kurzem bei Durchsicht der hiesigen Ober-Bergamts-Sammlung das eingereichte Stück Graptolithen-Schiefer wie- der auffand. Herr Dr. Scharenberg, dem ich das Stück vorgelegt, erkennt Graptolithus priodus. Die Grapto- lithen sind blos den silurischen Schichten eigen und reichen nicht bis in die devonischen hinauf. Somit wäre ein Vorkommen von silurischen Schichten in dem südlichen oder Glätzer Uebergangs-Gebirge nach- gewiesen. | . Ich vermag heute nicht die Stellung anzugeben, welche der Graptolithen-Schiefer bei Herzogswalde einnehmen mag, ich muß mich vielmehr auf diese kurze Notiz heschränken, indem ich mir vorbehalte, die Gegend einer näheren Untersuchung zu unterwerfen, sobald es die Jahreszeit nur gestattet. Derselbe den 5. April: 'Veber das oberschlesische Steinkohlenbecken. Das Grundgebirge der oberschlesischen Steinkohlen-Formation besteht bei Hultschin, wo allein die Auflagerung derselben zu beobachten ist, aus Schichten, welche seither die Bezeichnung von Grauwacke 29 erhielten, sehr wahrscheinlich aber als die untersten Glieder der Steinkohlen-Formation selbst anzusehen sind, in welchen bauwürdige Flötze von Steinkohlen nicht vorzukommen pflegen, und die in Westphalen unter der Bezeichnung flötzleerer Sandstein bekannt sind. Von Hultschin erstreckt sich das Grundgebirge über Troppau und Leobschütz, verschwindet lad unter weit verbreiteten Tertiär- und Diluvial-Bildungen, tritt aber auf der rechten Oderseite noch zwei- mal in inselförmigen Hervorragungen bei Leschnitz und Tost hervor. Endlich kennt man bei Krzeszowice im Krakau’schen das Hervortreten von entschiedenem Kohlen- kalkstein, an den sich unmittelbar Steinkohlen führende Schichten ohne Zwischenmittel von flötzleerem Sandstein anlegen. | Diese Hervorhebungen der untersten Glieder der Steinkohlen-Formation bezeichnen den Rand eines "Beckens, dessen Fortsetzung nach Süden sich nicht verfolgen läßt, da hier die Ketten des Tatra-Gebir- ‚ges und der Karpathen sich vorlegen, welche aus tertiären Kreide- und Jura-Formationen zusammenge- setzt sind. . Obgleich außer Hultschin und Krzeszowice, den beiden entgegengesetzten Endpunkten des Beckens, nirgends an den Rändern desselben mit den älteren Gliedern der Steinkohlen-Formation die Steinkohlen führenden Schichten selbst sich hervorheben, so kann doch kein Zweifel darüber bestehen, daß die letz- teren, als die jüngeren Glieder der Steinkohlen-Formation, das Innere des Beckens ausfüllen. Und in der That tritt das Steinkohlen führende Gebirge hier an vielen Punkten in. größeren und kleineren Flächen zu Tage, über welche ein sehr wichtiger Bergbau sich verbreitet hat. Die Längenausdehnung des Beckens von Tost bis Pleß beträgt 8 geographische Meilen, seine Breite von Hultschin bis Krzeszowice gegen 12 Meilen, sein Flächenraum gegen 100 Quadratmeilen. Hiervon liegen ungefähr 80 Q.-M. im Preußischen, die übrigen 20 Q.-M. im Gebiet des Königreiches Polen und des vormaligen Freistaates Krakau. Nur einen sehr kleinen Flächenraum nimmt das Steinkohlen- Gebirge in dem angrenzenden Oesterreichisch-Schlesien und Mähren ein, welches die Fortsetzung des Hulischiner Steinkohlen-Gebirges ist. Innerhalb derjenigen 80 Q.-M., welche das große Becken auf preußischem Gebiete einnimmt, ist das Steinkohlen führende Gebirge in nachstehenden Flächen entweder unmittelbar zu Tage heraustretend, oder unter einer schwachen Bedeckung von Schichten des bunten Sandsteins, des Muschelkalks, sowie der Tertiär- und Diluvialmassen liegend, unter welcher der Bergbau die Steinkohlenflötze verfolgt hat, bekannt: 1) Die ausgebreitetste und an Steinkohlen reichste Fläche erstreckt sich von Zabrze bis Dziezko- witz jenseits Myslowitz; sie enthält einen Flächenraum von 5,28 Q.-M. 2) Die in der Ausdehnung und in bergbaulicher Hinsicht nächstwichtige Fläche erstreckt sich von Czerwionkau bis über Nikolai hinaus; ihr Flächenraum beträgt 2,06 Q.-M. 3) Demnächst folgt die Steinkohlen-Gebirgsfläche bei Rybnik und Pschow mit einem Flächen- raum von 0,75 Q.-M. 4) Dann die Steinkohlen-Gebirgspartie bei Hultschin mit 0,15 Q.-M. 5) Ferner das Steinkohlen-Gebirge bei Koslowagura mit 0,15 Q.-M., und 6) die Steinkohlen-Gebirgspartieen bei Chelm und Lendzin mit 0,12 Q.-M. Die Summe dieser Flächenräume beträgt 8,51 Q.-M., mithin etwas mehr als der zehnte Theil des gesammten Flächenraums, den das große Becken im preußischen Gebiete einnimmt. Es bedarf kaum der Erwähnung, daß obige 8,51 Q.-M. mit dem von Jahr zu Jahr sich ausbrei- tenden Bergbau, der schon jetzt in Gegenden betrieben wird, wo man noch vor wenigen Jahren die Möglichkeit desselben in Zweifel zog, sich erweitern werden. 30 Daß sehr umfassende Gebiete der Entwickelung des Steinkohlen-Bergbaues noch offen stehen, ist aus der Vergleichung des’ gegenwärtig vom Steinkohlen-Bergbau eingenommenen Flächenraumes mit dem zehnfachen Flächenraume des großen Beckens zu entnehmen, in dessen Tiefe die Verbreitung des Stein- kohlen führenden Gebirges mit sehr vieler Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist. Außerhalb des Beckens ist das Auffinden von Steinkohlen kaum zu erwarten, und die Bohrversuche, die in neuester Zeit bei Gogolin an der oberschlesischen Eisenbahn gemacht worden sind, haben zu einer Entdeckung nicht geführt, indem sie unmittelbar unter den Schichten des bunten Sandsteins die Grauwacke oder den flötzleeren Sandstein angetroffen haben. Die jüngeren Formationen, welche das Steinkohlen-Gebirge bedecken, sind, wie oben bemerkt, das . Diluvium, die Tertiär-Formation, der Muschelkalk und der bunte Sandstein. Ob Schichten der Jura- Formation in dem Becken liegen, ist zweifelhaft, denn die Thone mit eingeschlossenen Lagern von Ei- sensteinen, welche zwischen Ratibor, Rybnik und Gleiwitz ausgebreitet liegen und auf der vortrefflichen von Carnallschen geognostischen Karte von Oberschlesien als zur Jura-Formation gehörig bezeichnet sind, dürften wahrscheinlich der weit verbreiteten oberschlesischen Tertiär-Formation angehören. Der Diluvial-Sand mit erratischen Blöcken findet sich fast an allen Punkten Oberschlesiens; er breitet sich in den Ebenen, die aus dem Oder- und Weichselthale sanft aufsteigen, aus, und erreicht Höhen des oberschlesischen Plateau’s, welche nahe an 1000 Fuss über der Meeresfläche liegen. Die Mächtigkeit des Diluviums, welches vielfältig vom oberschlesischen Bergbau durchsunken ist, mag selten 50 Fuß übersteigen; es bietet dem Bergbau außer in den Fällen, wo es sehr wasserreich ist, keine anderen Hindernisse dar, als daß es die Lagerstätten bedeckt und dadysch deren Aufsuchung und Verfolgung erschwert, Die oberschlesische Tertiär-Bildung, aus mächtigen Thon- und Mergelmassen zusammengesetzt, welche an mehreren Punkten untergeordnete Kalkstein- und Gipsmassen führen, nimmt den größten Theil des oberschlesischen Beckens ein. Aus ihr ragen die oben bezeichneten Steinkohlen-Gebirgspartieen und der Muschelkalk hervor, welcher bei Nikolai und bei Berun in isolirten Partieen auf der von Carnallschen Karte verzeichnet ist und der nördlich von Gleiwitz und Beuthen über einen weiten Flächenraum sich ausbreitet. In die Thäler des Steinkohlen-Gebirges und "des Muschelkalks greift das Tertiär-Gebirge ein, und steht in innigem merkwürdigen Auapenenhengn mit vielen der reichen Erz-Ablagerungen im Bereiche des oberschlesischen Muschelkalkes. . Die Identität des oberschlesischen Tertiär-Gebirges mit dem Steinsalz führenden Thon und Gyps von Wieliezka ist durch eine Reihe von animalischen und vegetabilischen Versteinerungen nachgewiesen wor- den, welche letztere Herr Professor Göppert untersucht hat. Diese Identität berechtigt zu der Hoffnung, daß im oberschlesischen Becken Steinsalz oder siede- würdige Salzsohlen aufgefunden werden können, und daß dadurch zu den zahlreichen nutzbaren Mineralien, in welchen Oberschlesiens Reichthum begründet ist, noch ein sehr wichtiges hinzutreten werde. : Zur Aufsuchung von Steinsalz wurden vor einer längeren Reihe von Jahren bei Gorzitz an der Olsa für fiskalische Rechnung Bohrversuche ausgeführt, womit man eine Tiefe von 506 Fuß unter der Oberfläche erreichte, ohne andere Schichten als dieselben Thon- und Mergelschichten, welehe über Tage anstehen, zu treffen. Die Versuche führten zu keiner Entdeckung. In den Jahren 1839 und 1840 wurden bei Solze unweit Neü-Berun für Tal des durch seine großartigen bergbaulichen Unternehmungen berühmten v. Winkler Bohrversuche nach Steinsalz ausgeführt, womit eine Tiefe von 618 Fuß erreicht wurde. | 3 Man traf schwache Salzquellen und mehrere Kohlenflötze, von denen die unteren für Steinkohlen- flötze angesehen wurden. Da in dem Steinkohlengebirge die Aufsuchung von Steinsalz vergeblich ge- - wesen sein würde, sö wurde die -weitere Vertiefung des Bohrloches aufgegeben, was sehr zu bedauern ist, da die vermeintlichen Steinkohlen wohl nichts Anderes als Braunkohlen waren und das Bohrloch die Tertiär-Schichten noch nicht durchsunken hatte, wie aus den Bruchstücken von Austernschalen, Echiniten- stacheln und Polythalamien, welche in den Bohrproben sich zahlreich fanden, zu schliessen ist. Andere Bohrversuche, womit bei Chudow und bei Gleiwitz der Tertiär-Gips unter einer Bedeckung von Thon ‚getroffen, bedürfen keiner näheren Erwähnung, da sie bei weitem nicht so tief niedergebracht worden sind, als die oben erwähnten Bohrlöcher. Letztere beweisen, daß das oberschlesische Tertiär-Gebirge eine sehr ansehnliche Mächtigkeit errei- chen mag, und lehren, dass man bei der Auswahl von Punkten, wo man mit bergmännischen Versuchen die Steinkohlen zu erreichen beabsichtigt, nicht allzuweit von den Rändern des Tertiär-Gebirges sich entfernen darf, wenn man nicht sehr bedeutende Tiefe gewärtigen will. Der bunte Sandstein Oberschlesiens ist durch rothe Thonschichten und schwache Sandstein- schichten repräsentirt, welche an den Rändern des Muschelkalkes unter demselben zum Vorschein zu _ kommen pflegen. Diese Formation erreicht nirgends in Oberschlesien eine Mächtigkeit, welche mehr als 50 Fuss betragen mag; sie bietet dem vorschreitenden Steinkohlen-Bergbau kein wesentliches Hinderniß dar. Die Lagerung der Muschelkalk-Formation auf dem Steinkohlen-Gebirge verdient die auf- merksamste Betrachtung, weil die Steinkohlen-Flötze unter dem Muschelkalk ohne allzu große Schwierig- keiten aufzusuchen und zu verfolgen, also neue Flächen dem Steinkohlen-Bergbau zu gewinnen sind, und weil im Gebiete des Muschelkalkes die reichen Lagerstätten von Galmei und Eisenerzen aufsetzen, deren Bergbaupunkte in engste Verbindung mit dem Steinkohlen-Bergbau gebracht werden können. Es ist von großer ökonomischer Wichtigkeit für die Darstellung der Metalle, wenn die Erze und die Steinkohlen nahe aneinander gelegen sind und die Transportkosten erspart werden können. Dieses Vortheils erfreuen sich die großartigen Eisenhüttenwerke Schottlands; und auch in Oberschlesien wird es erreicht werden können, daß aus einem und demselben Schachte Steinkohlen, Eisenerze und Kalk- steine, die Materialien der Roheisen-Erzeugung, oder Steinkohlen und Galmei, die Materialien der Zink- Erzeugung, gefördert werden. Von Zabrze bis Siemianowitz haben die Steinkohlen-Flötze, welche sich unter den nördlich vorlie- genden Muschelkalkstein einsenken, ein nördliches Einfallen, und es war bei diesem Lagerungsverhältniß unausbleiblich, -daß der Steinkohlen-Bergbau bei Verfolgung der Flötze unter den Muschelkalk gelan- gen werde. Zuerst ist dies auf Florentinegrube bei Lagiewnik geschehen. In neuerer Zeit sind weitere Schritte geschehen, indem die mächtigen Flötze der Königin Louisengrube zwischen Zabrze, Mikulschütz und Bisku- pitz unter Muschelkalk-Bedeckung mit Bohrlöchern aufgefunden worden sind, und zur bergbaulichen Vor- richtung der Grube Ludwigs-Glück zwischen Zabrze und Mikulschütz Schächte abgeteuft wurden. Zwischen Königshütte und Beuthen werden gegenwärtig sehr zahlreiche Bohrversuche nach Stein- kohlen ausgeführt, welche im Muschelkalk angesetzt. sind und zum Theil bereits einen günstigen Erfolg erlangt haben, zum Theil darauf wohl rechnen können. Bei Siemianowitz sind mit dem günstigsten Erfolge Bohrlöcher durch den Muschelkalk in die dar- unter liegenden mächtigen Steinkohlen-Flötze, die hier nach dem geognostischen Verhalten als die Fort- setzung der Flötze von Fanny- und Eugeniens-Glück-Grube zu erwarten waren, niedergebracht worden. Der Steinkohlen-Bergbau wird voraussichtlich längs der angegebenen Linie nach Norden. immer weiter vorschreiten, und dabei den Eisenerz-Lagerstätten bei Beuthen und den höchst bedeutenden Gal- 32 mei-Lagerstätten zwischen Beuthen und Miechowitz sich nähern; er wird aber an der großen dolomiti- schen Mulden-Ausfüllung, die von Bendzin in Polen sich Br Beuthen und Miechowilz AORNgDS. eine Grenze finden. Die Schwierigkeiten, welche die bezeichnete Dolomit-Mulde aut Bergbau entgegensetzt, bestehen in den großen Wasserzuflüssen, welche die offenen Klüfte des Dolomites aus weiter Ferne zuführen, und bei dem Galmei-Bergbau, obgleich dieser blos an den Rändern der ua geführt wird, schon höchst ansehnliche Kräfte erfordern. . Aber jenseits der Dolomit-Mulde eröffnet sich wieder ein weites Gebiet für den hohlen bau, der hier den glücklichsten und reichsten Erfolg verspricht, da hier auch zugleich das Gebiet der reichhaltigsten Eisenerz-Lagerstätten ist. Es kann gar kein Zweifel bestehen, daß das Steinkohlen-Gebirge die Unterlage des Muschelkalkes ist, und wenn man berücksichtigt, daß die große Steinkohlen-Gebirgspartie von Oberschlesien im König- reiche Polen ihre Fortsetzung hat, wo ein breiter Arm über Bendzin und Rogosznik bis Koslowagura sich erstreckt, der den Muschelkalk und die darin liegende Mulden-Ausfüllung von Dolomit umschliesst, und daß bei Koslowagura auf preußischem Gebiet das Steinkohlen-Gebirge mit einem bauwürdigen Flötze in dem Thale des Brinitzeflusses auftritt, über welchen sich das Muschelkalk-Plateau von Deutsch-Piekar, Radzionkau, Naklo, Trockeuberg und Tarnowitz mit seiner westlichen Fortsetzung über Repten und Gur- nicki erhebt, so gewinnt man die Ueberzeugung, daß unter diesem Plateau das Steinkohlen-Gebirge ausgebreitet liegen muß. Daß aber darin Steinkohlen-Flötze aufsetzen werden, ist in hohem Grade wahrscheinlich, da überall das oberschlesische Steinkohlen-Gebirge so reich an Steinkohlen-Flötzen ist, daß an allen Punkten, wo es bis jetzt aufgefunden, auch bauwürdige Steinkohlen-Flötze in ihm angetroffen sind. Es läßt sich ferner mit einem hohen Grade von Wahrscheinlichkeit annehmen, daß die Steinkohlen- Gebirgsschichten unter dem Muschelkalk ein flaches Fallen haben werden; denn mit Ausnahme der Gru- ben bei Hultschin, wo die Flötze ein sehr steiles Einfallen zeigen, und mit Ausnahme der liegenden Flötze der Königin Louisen-Grube bei Zabrze, welche ein Fallen bis zu 30° zeigen, ist an allen ande- ren Punkten Oberschlesiens selten ein Fallen beobachtet worden, welches 15° übersteigt. Auf der ganzen Linie von Zabrze bis Siemianowitz fallen die Flötze unter flachen Winkeln, die nicht 10° erreichen, unter den Muschelkalk ein, und das Flötz der Carls-Glück-Grube bei Koslowagura zeigt ebenfalls ein sehr flaches Einfallen gegen Osten. Wenn auf dem Plateau zwischen Trockenberg und Tarnowitz ein Bohrloch durch den Muschelkalk hindurchgebracht wird, so ist bei dem muthmasslichen flachen Fallen der Schichten des Steinkohlen- Gebirges und bei dem Reichthum desselben an mächtigen und bauwürdigen Flötzen ein glücklicher Er- folg mit einem so hohen Grad von Wahrscheinlichkeit, wie bei irgend einer auf rationellen Grün- den basirten bergmännischen Aufsuchungs- Arbeit zu erwarten. Ehe man sich zu einem Bohrver- such auf dem Muschelkalk-Plateau von Tarnowitz entschließt, wird man die Frage erheben, welche Mächtigkeit der Muschelkalk und der bunte Sandstein haben mögen. Daß letzterem kaum eine größere Mächtigkeit als 50 Fuss zuzuschreiben sein dürfte, ist bereits oben erwähnt. Die oberschlesische Muschelkalk-Formation besteht aus 3 Gliedern, dem sogenannten opatowitzer Kalkstein als dem obersten Gliede, dem Dolomit, und dem sogenannten Sohlenkalk, als dem unter- sten Gliede. Die Mächtigkeit des opatowitzer Kalksteins ist nicht belangreich und mag schwerlich 50 Fuß errei- chen. Die größte Mächtigkeit des Dolomites ist zwischen Scharley und Beuthen nahe auf 400 Fuß ermittelt worden. 33 Indessen kommt es bei der Frage, in welcher Mächtigkeit der Muschelkalk zu durchbohren sein dürfte, um das unterliegende Steinkohlengebirge zu erreichen, weder auf die Mächtigkeit des opatowitzer Kalkes, noch auf die des Dolomites an, die man nicht zu durchbohren braucht. Denn der opatowitzer Kalkstein hat nur eine sehr beschränkte Ausdehnung, und der Dolomit wird bei der Auswahl eines An- satzpunktes für das zu stoßende Bohrloch vermieden werden müssen, weil in ihm die Bohrarbeiten nicht gut von statten gehen werden, und weil ein Bohrloch, welches im Dolomit angesetzt wird, vor- aussichtlich um die Mächtigkeit desselben tiefer wird, als ein Bohrloch, welches in den Schichten des Sohlenkalkes angesesetzt ist. Pusch giebt in seiner geognostischen Beschreibung von Polen die Mächtigkeit der Muschelkalk-For- mation im Durchschnitt zu 200 bis AUO Fuß und die Mächtigkeit des Sohlenkalkes allein höchstens zu 250 Fuß an, und gelangt zu diesen Zahlen, indem er die Höhen des Muschelkalkes über den mittleren Höhen der Steinkohlen-Formation entwickelt. Unter andern ist am Dorotheenberge bei Groiec, dessen Fuß aus Steinkohlen-Gebirge und dessen Spitze aus Dolomit besteht, die Mächtigkeit der Muschelkalk-Formation zu 205 Fuß zuverlässig ermit- telt. Eine ebenso zuverlässige Ermittelung ist hinsichtlich der Mächtigkeit der Kalk-Formation zwischen Deutsch-Piekar und Radzionkau möglich, wo diese auf der Steinkohlen- Formation von Koslowagura aufliegt. Letztere hat eine Meereshöhe von 870 Fuß, während die Kalkberge bis zu 1068 Fuß emporsteigen. Hieraus ergiebt sich eine Mächtigkeit von 198 Fuß. Eine Bestätigung dieser geringen Mächtigkeit hat ein Bohrloch gegeben, welches vor mehreren Jah- ren zur Aufsuchung von Galmei ganz in der Nähe von Radzionkau gestoßen worden und bis in die Schichten des Steinkohlen-Gebirges niedergebracht ist. Als ein beachtenswerthes Indicium, welches auf das Vorhandensein von Steinkohlen-Flötzen und auf eine geringe Mächtigkeit der Kalk-Formation hinweist, kann die Erscheinung von Kohlenwasserstoff angesehen werden, welcher sich vor mehreren Jahren in einer der Galmei-Gruben bei Gurnieki entwik- kelte und zur Bildung von schlagenden Wettern- Veranlassung gab. Die Erklärung des Ursprungs dieses Gases aus Steinkohlen-Flötzen, welche unter dem Muschelkalke an dieser Stelle liegen mögen, hat viel Wahrscheinliches für sich. Der Umstand, daß es in den Klüften des Kalksteines bis in die Baue der Galmei-Gruben, welche auf der Oberfläche des Sohlenkalkes geführt werden, emporzudringen vermochte, läßt auf eine sehr ge- ringe Mächtigkeit des Kalksteins schließen. Demnach ist die Bemerkung von Pusch, daß der Sohlenkalk ungeachtet seiner großen Verbreitung doch bestimmt nur geringe Mächtigkeit besitze, welche weniger gekannt sei, oder für größer gehalten werde, als sie ist, weil der Sohlenkalk als ein erzleeres Gestein bergmännisch fast nirgends durchteuft wurde, vollkommen begründet. - Der tiefe Hauptschlüssel-Stollen, der in Zabrze angesetzt ist und bis in die Nähe von Königshütte das Steinkohlen-Gebirge auf eine Länge von 1', Meilen durchfahren hat, hat eine große Zahl von Flötzen aufgeschlossen, die vermöge mannigfaltiger Mulden- und Sattelbildungen mehrmals durchfahren sind. Die Aufschlüsse genügen, um die Identität der meisten Flötze selbst an sehr weit von einander ge- legenen Punkten festzustellen. Dieselben Aufschlüsse haben auch die Mächtigkeit der Sandstein- und Schieferthon-Schichten ermittelt, welche die einzelnen bauwürdigen Flötze von einander trennen. Das mächtigste Nötzleere Mittel ist das zwischen dem Einsiedel- und Georg-Flötz der Königin Louisen-Grube, welches ungefähr 80 Lachter beträgt. 5 34 Aber auch dieses Mittel, welches größtentheils aus Sandstein besteht, ist nicht ganz flötzleer zu nennen, da in ilım noch zwei Steinkohlenflötze von je 50 und 60 Zoli Mächtigkeit aufseizen, deren streichende Erstreckung und Aushalten nicht genügend bekannt ist. Alle übrigen Zwischenmittel zwischen den bauwürdigen Flötzen Oberschlesiens, sowohl in der größ- ten Steinkohlen-Partie zwischen Zabrze und Myslowitz, wie in den kleineren Partieen von Nikolai, Ryb- nik und Hultschin, haben eine weit geringere Mächtigkeit. Es ist mit Wahrscheinlichkeit anzunehmen, daß das Verhältniß in der Schichtenwechsel-Lagerung von Sandstein, Schieferthon und Steinkohlen- Flötzen unter der Kalksteinbedeckung bei Tarnowitz ein ähnliches sei, und daß, da die Schichtenneigung, wie bereits oben angegeben, wahrscheinlich hier eine sehr flache sein mag, ein Bohrloch, welches den Muschelkalk und den bunten Sandstein durchdrungen hat, von da ab höchstens eine Tiefe von SO Lach- ter bis zur Erreichung eines bauwürdigen Flötzes erlangen wird. Zu dieser Tiefe kommt noch die Mächtigkeit der Muschelkalk- und bunten Sandstein-Formation, welche nicht größer als 30 Lachter an- zunehmen ist; mithin wird eine Gesammttiefe von 110 Lachter ausreichen, um auf dem Kalk-Plateau von Tarnowitz bauwürdige Steinkohlen-Flötze mit demjenigen Grade von Wahrscheinlichkeit aufzusuchen, auf den solche Versuche überhaupt Ansprüche machen dürfen. Glücklichenfalls kann aber ein günstiges Re- sultat in weit geringerer Tiefe erlangt werden. Faßt man die Ergebnisse dieser Betrachtungen zusammen, so öigfen sich als sehr wahrscheinlich: daß man unter dem Plateau von Tarnowitz in einer mäßigen Tiefe, die einen lohnenden Bergbau gestattet, flach gelagerte Steinkohlen-Flötze zu erwarten hat, deren Angriff von sehr großer national-ökonomischer Wichtigkeit sein wird, weil dadurch die Vereinigung der Ge- winnung von Steinkohlen, Eisenerzen und Kalksteinen, den Materialien der Eisenerzeugung, in ein und derselben Lokalität bewirkt wird. Es dürfte wenige Punkte in Oberschlesien geben, wo bergmännische Versuche auf Steinkohlen mit größerer Aussicht auf einen glücklichen Erfolg auszuführen sind, als auf dem tarnowitzer Plateau; Ver- suche, welche zu den verdienstvollsten Unternehmungen gezählt werden müssen, da sie geeignet sind, nicht nur den Bereich des Steinkohlen-Bergbaues auszudehnen, sondern hauptsächlich auch für die oberschlesische Roheisen-Produktion eine Grundlage zu schaffen, welche sie von Schutzzöllen unabhän- gig macht. Herr Privat-Docent Dr. Scharenberg den 19. Juli: Ueber fossile Knochen aus der Galmeigrube bei Scharlei in Oberschlesien. Das Vorkommen von Säugethierresten in den oberen Schichten der Tertiärformation gehört in Schle- sien mehr als in anderen Lokalitäten zu den Seltenheiten. Vor einiger Zeit hat Herr Dr. Hensel in der schlesischen Gesellschaft eine sehr vollständige Uebersicht aller bisher in unserer Provinz bekannt gewordenen Fundstätten fossiler Knochen gegeben; an diese schließt sich ein neues Vorkommen in der bekannten Galmei-Grube zu Scharlei. Ueber den Schichten, welche dort den Galmei enthalten, sollen sich früher Conchylien gefunden haben, welche der Tertiärzeit angehören, und durch die jetzt gefunde- nen Knochenreste wird der Beweis geführt werden können, daß daselbst auch diluviale Schichten vor- kommen; es gewinnen dadurch diese Knochen ein doppeltes Interesse. Von den noch bestimmbaren Knochenstücken liegt zunächst ein zerbrochener Schulterknochen vor, der nach sorgfältiger Vergleichung ganz unzweifelhaft dem Mammuth (Elephas primigenius Blumen- 35 bach) angehört; es ist das linke Schulterblatt, wie man aus der Biegung des mittleren Fortsatzes ohne Schwierigkeit erkennt. Elephantenreste haben sich übrigens schon früher in Oberschlesien gefunden. Das zweite Stück ist ein kleines, bereits stark verwittertes Horn. Die Biegung desselben stimmt ganz genau mit der des Horns von Bos primigenius überein; es ist nämlich etwas stärker gekrümmt als beim Bos priscus. Daß dies Hern keinem ausgewachsenen Thiere, sondern einem Kalbe angehört hat, geht aus dem Umstande hervor, daß die Basis desselben noch nicht vollständig in den Nähten mit dem Schädel verwachsen gewesen ist, sonst könnte dasselbe nicht so glatt mit der Naht sich vom Knochen getrennt haben. Da übrigens Bos primigenius die größte Aehnlichkeit mit Dos taurus hat, den man als den Stammvater unser europäischen Rinder ansieht, so würde das vorliegende Horn recht gut von einer noch lebenden Art abstammen können, und nur der Umstand, daß es mit dem eben erwähnten Mammuthkno- chen zusammen gefunden wurde, laßt auf den Dos primigenius schließen. Drittens liegen noch eine Anzahl von Knochen des Eguus adamiticus (Schlotheim) vor, die, wie es scheint, alle demselben Individuum angehört haben, und zwar der rechte Beckenknochen mit dem oberen Theil des rechten Oberschenkels eine Tibia ganz vollständig, und die linke untere Kinnlade. An dieser letzteren zeigt sich in dem mehr kompakten Knochenbau eine Abweichung von der jetzt lebenden Pferdeart, die Zähne mit dem Schmelzblech sind stark und sehr wohl erhalten. Das Thier war etwa 6 Jahre alt, als es umkam, und Stute. Ersteres ergiebt sich aus der Beschaffenheit der äuße- ren Schneidezähne, das letztere aus der nur rudimentairen Anlage des Hakenzahns. — So viel bis jetzt bekannt geworden, haben sich von fossilen Pferden bis jetzt in Schlesien nur vereinzelte Zähne im Diluvium vorgefunden. Schließlich zeigte der Vortragende eine neue Art von Graptolithen vor, die derselbe bei Her- zogswalde gefunden. Sie unterscheidet sich von allen bisher bekannten Species dieser interessanten Fossilien in so auffallender Weise, daß sie ein neues Licht auf die Natur dieser Thiere wirft. An einem spiral gewundenen Hauptstamme, der in regelmäßiger Entfernung Zellen trägt, entspringen in gleichen Zwischenräumen Nebenaxen, die gleichfalls gekrümmt sind und wie die Hauptaxe auf der einen Seite mit Zellen besetzt sind. Solcher Nebenaxen zeigt das Exemplar fünf. Derselbe sprach am 22. Februar: Ueber den Granit des Riesengebirges. Der erste Secretair der Section Geheimer Medicinalrath, Prof. Dr. Göppert am 22. Februar: Ueber das Kalklager zu Paschwitz bei Canth. Im August des vorigen Jahres theilte demselben der dortige Gutsbesitzer, Herr Rumland, einige auf seinem Felde in unbedeutender Tiefe gefundene Steine mit; sie wurden für Kalktuff erkannt, dessen größere Ausdehnung daselbst vermuthet wurde. Weitere Nachforschungen bestätigten diese Voraus- setzung, indem das Lager in der That auf einem Flächenraum von 6 Morgen in wechselnder Tiefe unter der Dammerde (von 1—16 Fuß) und verschiedener Mächtigkeit von 3—8 Fuß verbreitet und für den Besitzer bei seiner großen und mannigfaltigen Verwendbarkeit (zum Bauen, Brennen, Dünger zur Kultur von Gebirgspflanzen in Gärten und Parkanlagen) daher von bedeutender Wichtigkeit erscheint. Es ent- hält eine große Menge von Süßwassereonchylien, deren Bestimmung noch zu erwarten ist, wie auch hin 5 * BR | ‘und wieder, jedoch stets nur undeutliche Blatt-Abdrücke, welche von jetztweltlichen Bäumen (Strauch- Ahorn, Erlen) stammen. Die Bildung dieses Lagers, welches sich in einem kleinen, flachen, zum Fluss- gebiete der Weistritz gehörenden Seitenthale befindet, muß sehr früh, als dieser jetzt kleine Strom einst sein ganzes Flußthal ausfüllte, stattgefunden haben. Kalk-Ablagerungen, welche zu seiner Entstehung hätten Veranlassung geben können, sucht man jetzt in der Umgegend vergebens, wie denn auch die ganze Configuration der Gegend die Anwesenheit eines Lagers, wie das beschrie- bene, nicht erwarten ließ. Da dergleichen aber wirklich auch an vielen anderen Orten vorkom- men können, so ‚empfiehlt der Vortragende bei der großen technischen Wichtigkeit dieses Naturprodukts als Hülfsmittel zur Entdeckung desselben: den Quellen und Brunnen Beachtung zu schenken, aus deren inkrustirender, kohlensauren Kalk absetzender Eigenschaft man mit Sicherheit auf Anwesenheit von Kalk in der Tiefe, sei es nun in der Form des Tuffes oder anderweiliger Süßwasserkalke, Mergel u. dgl., zu . schließen berechtiget ist. — In Schlesien ist übrigens, so viel bekannt, Kalktuff in dieser Ausdehnung bis jetzt noch nicht gefunden worden, und er reiht sich daher den übrigen Kalkarten an, welche bei uns in großer Mannigfaltigkeit in nicht weniger als 14 Nuancen vorkommen: nämlich als krystallisinischer versteinerungsleerer Kalk, silurischer Geschiebe-, Goniatiten-, Devonischer, Kohlenkalk, Kalkschiefer des rothen Sandsteines, Zechstein-, Muschel-, Jura-, Kreide-, Pläner-, Foraminiferenkalk, Kalk der Braunkohlen-Formation, Mergel oder Süßwasserkalk. Derselbe den 8. März: Ueber die sogenannten Frankenberger, Ilmenauer und Mansfelder Kornähren, welche sämmtlich nicht zu den Fucoiden, sondern zu den Cupressineen gehören, so wie über die Flora des Kupferschiefergebirges oder der Permischen Formation überhaupt. Vor zwei Jahren versuchte ich es, eine Zusammenstellung der Pflanzenreste zu liefern, welche ich in den ältesten Lagen der geschichteten Gebirge, in dem sogenannten Uebergangsgebirge, beob- achtet hatte. Bis zum Jahr 1846 kannte man nur etwa 14 dahin gehörende Arten; eine um diese Zeit vorläufig von mir gegebene Uebersicht umfaßte schon 60 Arten, die oben erwähnte Abhand- lung 143. Diese größere Zahl: der Arten und ihre größtentheils treffliche Erhaltung gestattet, ei- nige Resultate zu ziehen, wie sie der Geologe von dem beschreibenden Naturforscher in dieser Hinsicht zu wünschen, wenn nicht zu fordern berechtigt ist. Landpflanzen fehlen in den ältesten oder silurischen Schichten; Seepflanzen, und zwar Fucoiden, erscheinen als Anfänge der Vegetation; die Land- pflanzen selbst beginnen in der devonischen Schicht mit den bekannten Familien und Gattungen der Stein- kohlenflora, jedoch hier und da, wie z. B. die Protopitys der Koniferen in urtypischer Form; sie wer- den -in den jüngeren Schichten endlich immer zahlreicher, wie im Kohlenkalk, den Posidonomyenschiefer der jüngeren Grauwacke Schlesiens und des Harzes, welche von vielen Geologen mit dem Millstone grit der englischen Kohlenformation parallelisirt wird. Fukoiden fehlen in diesem letzteren gänzlich; Equise- ten, namentlich Calamiten, Farn, insbesondere die Gruppe der Neuropteriden und Sphenopteriden herr- schen vor. Nur eine Art haben diese Schichten mit der älteren des Kohlenkalkes gemein, mehrere dagegen, im Verhältniß aber doch nur wenige, nämlich nur 5, mit der wahren Steinkoblenformation. Die Flora der Steinkohlenperiode beschäftigt mich noch anhaltend, jedoch hält es schwer, wegen des immerfort zuströmenden Materials und der nothwendigen Sichtung desselben zu einem festen Abschluß 37 zu gelangen; eher erschien dies möglich mit der enger begrenzten Flora der Permischen Gebilde oder des Kupferschiefergebirges, dem Endpunkte der paläozoischen Schichten, welche Arbeit mich auch schon seit längerer Zeit beschäftigte. Sie ist jetzt beendigt und soll, begleitet von 18 lithographirten Tafeln, in den Verhandlungen der Leopoldinischen Akademie erscheinen. Es möge mir gestattet sein, einige all- gemeine Resultate aus derselben hier folgen zu lassen: Die Zahl der Arten der gesammten Permischen Flora beläuft sich gegenwärtig auf 215 (man kannte bisher nur etwa 140), die sich auf folgende Familien vertheilen: Algae 2 Arten, Palmae 3 Arten, Equisetaceae 3 Arten, Stigmaria 1 Art, Calamites 11 Arten, Sigillariae 2 Arten, Filices 116 Arten, Asterophyllites 9 Arten, Pachypteris 5 Arten, Gattungen Annulariae 3 Arten, Aphlebia 2 Arten, | unbestimmter Cycadeae 7 Arten, Steirophyllum Eichw. 1 Art,\ Verwandischaft. Walchieae 6 Arten, Lycopodiaceae 12 Arten, Cupressineae 9 Arten, Gramineae 1 Art, Abietineae 9 Arten, Noeggerathia 5 Arten, Früchte 6 Arten, die vielleicht zu einer oder der anderen der aufgeführten Arten gehören. Nach ihrem geographischen Vorkommen vertheilen sich die obigen 213 Arten folgendermaßen: n Bussland . . 2.2.68 „Böhmen: . snawwdr.a 168; 5 Kgr.' Sachsen .. „u... 58, usSchlesien wu var „us Jam, shakleichri.snun ui: 22, „ Preuß.-Sachsen . . . 10, », Kurfürstenthum Hessen . 10, breihligingenn. «. iu w ante lin, elätnoweru sw 3 1a. anna „Englandesänäuiegbir. 1. Die meisten eigenthümlichen Arten zählt Russland: 61, die anderen Länder folgen hierin in nach- stehender Ordnung: Bachben.s a anf un 5,3 Böhmen. ı 1. »W.047 .0937, Erankreich au. jeraär sah add Schlesien; zy > aystufr in as ©, Kurfürstenthum Hessen . 4 Preuß.-Sachsen . 2... 04 j Thüringen . EEE Viele Arten, wie man schon aus dieser Uebersicht entnehmen kann, haben eine weite Verbreitung, so daß sie als wahre Leitpflanzen dienen können, wozu sich diejenigen ganz insbesondere eignen, die, wie z. B. die Walchieen und der Calamites yigas, ein sehr auffallendes Aeußere besitzen. Im Allgemeinen repräsentirt diese Uebersicht den größten Theil der Pflanzenfamilien, welche wir auch in der Steinkohlen-Formation bis jetzt beobachtet haben. Jedoch fehlt es auch nicht an Eigen- ’ ’ thümlichkeiten, ganz abgesehen von dem Zahlenverhältniß der einzelnen Gattungen, worauf ich freilich hier weniger Werth legen möchte, da jeder neue Fundort hierin Veränderungen zuwege bringen. kann. Die Algen, welche man früher dieser Formation so freigebig zutheilte, unter andern in den sogenannten Mannsfelder, IImenauer und Frankenberger Kornähren, werden größtentheils vermißt, indem diese letzte- ren wegen der fast überall entdeckten Früchte und anderweitig zu bestimmenden Vegetationstheile ganz unzweifelhaft zu den Cupressineen zu bringen waren. Die Cupressineen treten hier zuerst in der Flora der Vorwelt auf, ebenso die Walchieen, welche gewissermaßen die Lycopodiaceen mit den Coniferen verbinden. Die Lycopodiaceen selbst werden nur durch eine im Ganzen sehr geringe Zahl von Arten repräsentirt, die bei genauerer Bestimmung (denn gerade hier standen mir nur wenige Originale zu Ge- bote) sich noch mehr verringern dürften. Zur Vermehrung der Farn tragen die in dieser Formation so besonders häufigen Stämme aus allen Gruppen derselben, insbesondere die Psaronien, wesentlich bei. Von den Sigillarien, die in der Steinkohlen-Formation in solcher Menge vorhanden sind, daß ihnen fast überall der größte Antheil an der Masse der Kohle Iusginakiishen werden muß, vermochte ich nur 2 Ar- ten nachzuweisen. Mit der Uebergangs-Flora und auch nur mit den jüngsten Schichten desselben fheilt unsere Flora nur 2 Arten (Neuropteris Loschii Brong. und Knoria imbricata Sternb.), 26 dagegen mit der Stein- kohlen-Formation. Merkwürdig erscheint der schroffe Abschnitt nach den jüngeren Formationen hin, mit denen sie wahrscheinlich gar keine Art gemein hat, indem die diesfallsig angegebenen Vorkommnisse in der Permischen Formation Rußlands selbst nach der neuesten sehr verdienstlichen Arbeit von C. v. Merk- lin noch sehr der Bestätigung bedürfen und sich vorläufig nur auf 4 reduciren lassen, wovon 3 im Keuper (Eguiselites columnaris Sternb., Calamites arenaceus Brong., Pecopteris concinna) und eine im Oolith (Pachypteris lanceolata Brong.) vorkommen. Die Lycopodiaceen, Nöggerathien, Stigmarien, Sigillarien, Asterophylliten, Annularien und Walchieen ireten in unserer Formation zum letztenmal auf, woraus sich die abgeschlossene Beschaffenheit der Flora der sogenannten paläozoischen Periode recht augenscheinlich ergiebt, und zugleich auch die früher schon ausgesprochene Behauptung, daß die Flora in dieser langen Periode dennoch keine we- sentliche Veränderung erlitten habe, neue Bestätigung erhält. Physiologie. Herr Staatsrath Professor Dr. Reichert am 26. Januar: Ueber die allgemeinen Vorstellungen, von welchen die Embryologen älterer und neuerer Zeit bei Auffassung und Beurtheilung der Entwickelung eines organischen Geschöpfes sich haben leiten lassen. In der Einleitung wies der Vortragende zuerst darauf hin, daß die Trennung der Empirie und Spe- kulation auch im Bereiche der Naturwissenschaften eine mehr künstliche sei, daß beide vielmehr aus einer und derselben Quelle fließen, und daß nur die Mischung aus den Elementen gewissen Variationen nnterliege. Vor Allem aber sei diese Ansicht bei der Entwickelungsgeschichte geltend zu machen. Sie habe die Aufgabe, den gesetzlichen Gang der Veränderungen von dem befruchteten Eie bis zür Ausbil- dung des vollkommen entwickelten Geschöpfes darzulegen. Bei diesem zeitlichen Ablauf von Verände- rungen sei man in jedem Momente in die Nothwendigkeit versetzt, den Blick vor- und rückwärts zu Sn _ wenden und oft genug aus selbst weit auseinander gelegenen Zuständen auf die Veränderungen in den Zwischengliedern zu schließen. Bevor der Vortragende sodann zu seiner eigentlichen Aufgabe überging, beantwortete er zunächst die beiden Fragen: auf welchem Wege haben sich die allgemeinen Vorstellun- gen und Ideen von der Entwickelung eines organischen Geschöpfes hervorgebildet, und inwiefern war man zu der Annahme berechtigt, daß dieselben, unerachtet der verschiedenen Formen organischer Schö- pfungen, gleichwohl im Wesentlichen überall Giltigkeit hätten? In letzterer Beziehung ergab sich, daß, da man gewöhnlich aus den Endgliedern der Entwickelungsreihe, aus dem Keim und namentlich aus dem Verhalten des entwickelten Geschöpfes auf den allgemeinen Vorgang der Entwickelung schloß, obige Annahme durchaus begründet sei, indem bei’ allen Geschöpfen eine große Uebereinstimmung in dem Grundwesen dieser End- glieder sich zeige. — Die Geschichte der allgemeinen Vorstellungen über die Entwickelung eines orga- nischen Geschöpfes wurde in drei Zeiträume eingetheilt. Der erste Zeitraum umfaßte die älteste Zeit bis auf Harvey. Die wichtigsten Vertreter dieser Periode sind Aristoteles, Galen, Fabricius ab Aqua- pendente und Harvey. Man betrachtete den entwickelten Organismus als einen sehr kunstreich zusam- mengesetzten Körper und stellte sich dem entsprechend die Entwickelung wie die Fabrikation eines Kunstwerkes vor; während der Entwickelung würde der Organismus zweckmäßig aus ‘seinen Organen und Bestandtheilen zusammengesetzt. Man bezog sich hierbei auf den Bau eines Schiffes, eines Hauses, auf die Bildhauerkunst, auf die Malerei, auf die Verfertigung irdener Gefäße. Harvey unterschied zwei Weisen der Entwickelung: die Metamorphose bei niederen Thieren und die Epigenesis bei den Wirbelthieren. Bei der ersteren werde das gesammte Bildungsmaterial, wie bei der Bildhauerei, auf einmal zuerst abgetheilt und dann das Abgetheilte in die Organe und Glieder geformt. Bei der Epi- genesis bilde sich aus dem Bildungsmateriale zuerst eine Grundlage (Blut), und mit Hilfe derselben werde dann ein Theil nach dem andern unter gleichzeitiger Verarbeitung des Stoffes, wie beim Verfertigen von irdenen Gefäßen, herangebildet. — In dem zweiten Zeitraume legen Malpighi, Swammerdam und Leeu- wenhoek die Grundlage zur Einschachtelungstheorie, der zu Folge die Entwickelung nur in einer Vergrößerung der in dem Keime bereits vorgebildeten Organismen bestehen sollte; die Neubildung wurde sowohl bei der Zeugung als bei der Entwickelung gänzlich 'geleugnet, — Der letzte Zeitraum beginnt mit C. F. Wolff, der zugleich die Einschachtelungs-Theorie durch seine ‚Beobachtungen wider- legte. In diese Zeit fällt die schärfere Auffassung des entwickelten Organismus als eines systematisch zusammengesetzten Körpers, in welchem Haupt- oder Primitiv-Organe und diesen untergeordnete Bestand- theile, je nach der Gliederung des Systems, gegeben seien. Die Aufgabe der Entwickelung sei es, ent- sprechend der systematischen Gliederung die Bestandtheile des Organismus hervorzubilden. Dies geschehe nicht durch Zusammensetzung der Theile, sondern auf die Weise, daß das Bildungsmaterial sich zuerst in die Primitiv-Organe sondere oder differenzire, und daß dann in den Anlagen dieser Pri- mitiv-Organe die Sonderung für die untergeordneten Bestandtheile analytisch weiter vorschreite. In disem Sinne hätten in neuerer Zeit besonders K, E. v. Bär und spätere Embryologen die Entwickelungs- Geschichte der Wirbelthiere bearbeitet, obschon es leider auch gegenwärtig nicht an embryologischen Arbeiten fehle, welche entweder gar keinen bestimmten Leitstern bei Auffassung der Entwickelung eines organischen Geschöpfes hätten, oder in denen sich ein starker Beigeschmack der älteren künstlich-me- chanischen Ansicht verriethe. — Schließlich wies der Vortragende darauf hin, daß in den letzten Jahren besonders die Vorstellung von dem Einfluss der Zeugungsakte auf die Bildungs- und Entwickelungs- Geschichte eines organischen Geschöpfes sich die Bahn zu brechen beginne. Ueberall, wo Entwicke- lungsprozesse vorliegen, finden sich auch Zeugungsakte im Ganzen wie in den einzelnen Theilen in steter Begleitung, und man habe sich bereits zur Genüge überzeugt, daß die organische Formenwelt ihren typischen Ausdruck grade dem Eingreifen von Zeugungsakten während der Bildung verdanke. Durch 40 Vermittelung von Zeugungsakten werden Aggregationsformen, durch den Sonderungs- oder Diffe- renzirungsprozeß werden die in der Gliederung eines Organismus gegebenen Haupt- und untergeordneten Organe produzirt. -Es werde die Aufgabe der nächsten Zukunft sein, sowohl die Unterschiede‘ der bei- den Bildungsprozesse auseinanderzuhalten, als auch das gesetzliche Zusammengreifen bei der Bildung und Entwickelung eines ‘organischen Geschöpfes genauer zu studiren. Herr Privat-Docent Dr. med. Aubert am 29. März: Ueber die künstliche Befruchtung und Erziehung der Fische. Die künstliche Befruchtung der Fischeier, welche schon vor 160 Jahren von dem Grafen v. Gol- stein und dem preußischen Major Jacobi zur Erzeugung der wohlschmeckenden Forellen benutzt wurde, hat in neuerer Zeit durch die Bemühungen der Engländer, insbesondere aber der Franzosen, eit allgemeines Interesse gefunden. Es ist ein zweckmäßiges Mittel zur Hervorbringung einer stickstoffrei- chen, nahrhaften Substanz, und die Mühe und Kosten, welche die künstliche Befruchtung erfordert, sind " äußerst gering gegenüber dem dadurch zu erzielenden Gewinn. Zur Zeit des Laichens, welche für die verschiedenen Fischarten sehr verschieden ist, und zum Theil auch von der Witterung abhängt, werden die Eier in dem Leibe der Fische so lose, daß ein geringer Druck auf den Bauch eines Weibchens hinreicht, um dieselben aus der Cloake austreten zu machen. Lassen sie sich nicht leicht herausdrücken, so ist dies ein Zeichen, daß sie noch nicht reif, und zu dem Versuche unbrauchbar sind. Läßt man die reifen Eier in ein Gefäß mit Flußwasser fallen und drückt darüber ein Männchen auf den Bauch, so wird auch dessen weißliche Samenflüssigkeit in einem Strahle darüber spritzen, und rührt man beides durcheinander, so ist die künstliche Befruchtung vollendet. Nun bedürfen aber die Eier zur weitern Entwickelung frisches Wasser, welches sie von allen Seiten bespülen kann. Hat man über fließendes Wasser, einen Bach, oder auch nur über einen Teich zu dis- poniren, so kann man entweder nach dem Vorgange von Jacobi eine siebartig durchlöcherte Blechbüchse oder einen mit Sieben versehenen Holzkasten anwenden,* oder man kann nach der Angabe von Coste einen Korb von Weidenruthen mit engen Maschen flechten lassen, dessen Boden gleichfalls ein Sieb oder ein Weidenruthengeflecht ist. In diese Behältnisse legt man die befruchteten Eier nach 15—20 Minuten so, daß sich dieselben nicht gar zu nahe liegen, etwa nur lose berühren; sie dürfen aber nicht über einander liegen, weil sie dann sehr leicht verderben. Sind sie über den Boden verbreitet, so. taucht man das Gefäß etwa so tief unter Wasser, daß die Eier von nur 2—5 Linien ‘Wasser bedeckt sind. Die Entwickelung geht nun vor sich, und man sieht nach einigen Tagen, bei den Forellen aber erst nach einigen Wochen, in dem ziemlich klaren Eie zwei schwarze Pünktchen: die Augen. Es kommt aber fast immer vor, daß einige Eier verderben, und dies erkennt man sogleich an ihrer weißgelben Farbe und Undurchsichtigkeit. Es ist nöthig dieselben zu entfernen, was man mittelst eines Pinsels oder Löffels leicht ausführen kann. Ich gebe deswegen dem Costeschen Apparate den Vorzug, weil derselbe unbedeckt ist und man deshalb sogleich die verdorbenen Eier erkennt. Bleiben diese Eier liegen, so stecken sie leicht die gesunden mit an, so daß dann leicht alle Eier zu Grunde gehen können. Hat man kein fließendes Wasser, in dem sich ein solcher Apparat anbringen läßt, so muß man für künstliche Erneuerung des Wassers sorgen. Coste hat hierzu einen sehr einfachen und zweckmäßigen Apparat angegeben, den Herr Staatsrath Dr. Reichert für das physiologische Institut in Breslau hat aus- “führen lassen; es besteht aus mehreren terrassenförmig angeordneten Zinkkästen, die 3 Linien von der Oberfläche einen Falz haben, auf den ein Sieb gelegt wird. Die Kästen haben ferner eine kleine Tülle, R 41 welche dazu bestimmt ist, das Wasser in den zunächst darunter befindlichen Kasten strömen zu lassen. Läßt man nun in den obersten Kasten einen Strahl von der Dicke einer Rabenfeder fallen, so wird da- durch in dem obersten Kasten stets Strömung vorhanden sein; vermittelst der Tüllen wird aber das . überschüssige ‘Wasser stets in den nächsten Kasten abfließen und so auch in diesem Strömung hervor- bringen. Diesen Kasten kann man in der Stube stehen lassen, wo dann die Beaufsichtigung am leich- testen ist. | Nach einiger Zeit durchbrechen nun die Fischchen ihre Eihüllen. Sie sind dann so durchsichtig, daß man nur die beiden schwarzen Punkte zuerst erkennt und allmälig erst ein dahinter befindliches Fischchen mit einer Blase am Bauche bemerkt. Dies ist die Dotterblase, der Ueberrest des Ei-Inhaltes, ein für uns sehr wichtiges Organ. Die Thierchen bewegen sich nämlich jetzt nur sehr unvollkommen, sie können noch nichts verschlucken und sind völlig hülfllos. Durch die Dotterblase beziehen sie aber ihre Nahrung in der nächsten Zeit, welche für die Hechte und Bärsche etwa 3 Wochen, für die Forel- len gegen 2 Monate währt. Man braucht ihnen also noch kein Futter zu geben, ja man darf es sogar nicht, da dasselbe fault und so Veranlassung zum Absterben der Brut wird. Allmälig fangen die Fisch- chen an, Bewegungen zu machen, die immer kühner werden; sie bekommen eine Rückenflosse, die aller- dings fast unendlich zart ist, es entwickeln sich dann die Brust-, dann die Bauchflossen, und das Fisch- chen ist jetzt fast fortwährend in Bewegung. Nun ist es zweckmäßig, den Korb etwas tiefer unter die Wasseroberfläche zu senken, damit die Fische mehr Raum zu ihren Bewegungen haben, oder sie aus dem Costeschen Brutapparat in ein größeres Gefäß zu bringen. — Für letzteres Unternehmen ist durch- aus nothwendig, für eine ganz gleichmäßige Temperatur der Gefäße zu sorgen; ein nur wenig wärme- res oder kälteres Wasser tödtet die Thierchen augenblicklich; ein gekrümmter Schwanz ist dann bald ein sicheres Anzeichen des erfolgten Todes. Man muß daher den neuen Wasserbehälter einige Tage in demselben Raume, in dem sich der Brutapparat befand, stehen lassen. Man bemerkt nun, daß die Fisch- chen hin und wieder an die Oberfläche des Wassers schwimmen und Luft schnappen; man bemerkt auch eine glänzende Perle zwischen den Augen und der Dotterblase, die jetzt schon etwas flacher ge- worden ist: es ist dies die Schwimmblase; nun ist der Fisch schon ziemlich lebhaft und frei in seinen Bewegungen. | Die Dotterblase ist der Nahrungsbehälter. Ist sie verschwunden, so bedarf das Thierchen der Nah- hrung. Bemerkt man also nach einigen Tagen, daß der Bauch nicht mehr so hervorsteht, so ist es Zeit, Nahrung in den Behälter zu geben. Unter den mancherlei Vorschlägen zu Nahrungsmaterial scheint mir der Costesche der beste: man reibe gekochtes Fleisch in einem Mörser -zu einem feinen Brei und schütte dasselbe in den Behälter. Durch das Kochen wird das leichte Faulen des Fleisches gehemmt, und die kleinen Fleischpartikelchen, die man durch leises Umrühren in die Höhe bringen kann, sind den Fischen ein leckerer Bissen. | - Diese Fütterung ist wohl in den ersten Tagen leicht durchzuführen; es entsteht nun aber bald die vom ökonomischen Standpunkt aus schwierige Frage: womit kann man die jungen Fischchen am wohl- feilsten weiter ernähren? oder eigentlich: womit muß man sie füttern, damit der Ertrag an Fleisch größer ist, als die Kosten der Fütterung? Im natürlichen Zustande verzehren die Fische theils Vegetabilien, wie z. B. die Karpfen, theils und zwar größtentheils verzehren sie einander, der Stärkere den Schwä- cheren. Mit Rücksicht hierauf hat man denn vorgeschlagen, besondere Fütterungsteiche anzulegen, d. h. einen jüngeren Jahrgang von Fischen zur Ernährung der älteren zu opfern. Man würde dann zu Nah- rungsfischen solche wählen, welche sich von Vegetabilien ernähren, die sie in jedem Teiche in hinlängli- cher Menge vorfinden. Außerdem ernähren sich aber die Fische auch von dem Laich verschiedener Thiere, Froschlaich und Kaulquappen, Schneckenlaich u. s. w.; ferner von Wasserinsekten oder den im 6 42 Wasser lebenden Insektenlarven und anderen kleineren Wasserthieren, den kleinen Krebsen Cyelops und Daphnia u. s. w. Es würde nach alledem wohl das praktisch Einfachste sein, die Fische nur eine Zeit lang abge- sperrt zu halten, bis sie die Größe erreicht haben, daß sie für ihre Nächsten eine erkleckliche Quantität Nahrungsstoff bieten, und sie dann in einen großen allgemeinen Teich oder Bach zu geben, in dem man pflanzen- und fleischfressende Fische gemeinschaftlich hält. Der hierdurch zu erzielende Nutzen wird der sein: 1) Daß man das Fressen des frischen Laichs hindert, indem hier eine verhältnißmäßig geringe Nahrungsmenge ein großes Deficit in der Menge der sich entwickelnden Fische giebt. 2) Daß man weniger gute Fische absichtlich opfert, um statt dessen wohlschmeckende Fische zu ziehen. 3) Daß man durch reichliche Fütterung in der ersten Zeit das Wachsthum der Fische außer- ordentlich befördert, also in kürzerer Zeit mehr Fleisch produzirt, als dies auf dem natürli- chen Wege der Fall ist. Es ergeben sich hieraus nun folgende ‚praktische Regeln für die Erziehung und Fütterung der Fische: 1) Aus dem Brutapparat bringe man die Fische schon, bevor sie anfangen zu fressen, in einen größeren Behälter, etwa einen Fischkasten in einem Teiche, oder einen abgeleiteten und ver- gitterten kleinen Bach von 80 — 100 Quadratfuss für 5000 — 6000 Fische und gebe ihnen täglich 3—4mal %—1 Pfund Fleisch. Das wohlfeilste würde wohl Pferdefleisch sein. Man wird ihnen mit der Zeit mehr Nahrung geben müssen, auch einen größeren Behälter überlassen. 2) Haben sie eine gewisse Größe erreicht, so bringe man sie in einen größeren Teich, in wel- chem sie jüngere Fische, Froschlarven oder Froschlaich etc. finden. Man kann ihnen auch hier unbrauchbare Speiseüberreste zur Nahrung geben. 3) Nach vielleicht Jahresfrist bringe man sie in den allgemeinen Teich, in dem man pflanzen- und fleischfressende Fische zugleich halten muß. Um diese ganze Einrichtung nicht als ein bloßes Phantasiestück erscheinen zu lassen, muß ich an- führen, daß die beiden Fischer Gelim und Remy in la Bresse, in den Vogesen, durch ein ähnliches Verfahren in 3 Jahren eine sehr große Menge von Lachsforellen (Traite saumonee) gezogen haben, die dann das Gewicht von 2%, Pfund hatten und ein ergiebiger Handelsartikel für sie waren. Auch in Hüningen verfährt man auf diese Art. Was ich hier nur andeutungsweise ausführen konnte, findet man sehr faßlich und klar auseinander- gesetzt in: Coste, Instructions pratiques sur la Pisciculture. Paris 1853. (Preis 12, Sgr.): Dasselbe ist deutsch bearbeitet unter dem Titel: Coste, die Fischzucht. 1854. (Preis 15 Sgr.) Ferner ist ein für dieses Verfahren und den Fischfang überhaupt empfehlenswerthes Werk: Boceius, die Fluß-, Bach- und Teichfischerei. Weimar 1851. (Preis 10 Sgr.) Für die Forellen insbesondere würden freilich alle diese Bemühungen im Großen fruchtlos sein, wenn der gewöhnlichen Art, wie dieser feine, wohlschmeckende Fisch vergeudet wird, nicht Einhalt gelhan wird. Wenn Fische von Fingerlänge und wenigen Loth Gewicht gefangen und gegessen werden, so werden sich immer nur sehr wenige retten können, die zu einer bedeutenderen Größe heranwachsen. Es muß auf diese Weise der fischreichste Bach in kurzer Zeit entvölkert werden, und die künstliche Be- fruchtung wird nur geringe Resultate erzielen. Diesem Mißbrauche müßte daher vor, allen Dingen ge- 43 steuert werden, ebenso wie man durch die künstliche Befruchtung das Verschlingen des entwickelungs- ‚fähigen Laiches zu verhindern sucht. Einem Forstmann würde es unsinnig erscheinen, seine Stube mit einer jungen Eichenschonung zu heizen; einem Fischliebhaber ist es ebenso entsetzlich, eine gesottene Forellenschonung auf dem Tische zu sehen. Es wird zu dieser Darstellung noch die Bemerkung beigefügt, daß, wenn auch der männliche Fisch, ohne daß dies mit Verletzung erfolgt ist, bereits 3—4 Tage todt, und derselbe noch frisch ist, dessen Milch noch zur Befruchtung der Eier mit ziemlichem Gelingen benutzt werden kann; selbst hinsichtlich der weiblichen Fische ist dies ziemlich derselbe Fall, da sie auch, nach Stägigem Absterben, noch be- fruchtungsfähige Eier liefern; doch ist bei letzteren der Erfolg etwas minder sicher, als bei dem männli- chen Fische. (Verhandlungen des Schlesischen Forstvereins 1854.) Derselbe sprach am 25. Oktober: Ueber de Entwickelungsgeschichte der Spermatozoiden. Derselbe legte am 25. November eine Schrift des Herrn Prof. Dr. v. Siebold vor, welche über die Umwandlung der Finnen oder Blasenwürmer in Bandwürmer handelt, und gab dabei eine Skizze des Stan- des dieser sowohl in naturwissenschaftlicher, als auch in sanitätspolizeilicher und ökonomischer Beziehung wichtigen Angelegenheit. Eine Darstellung der hier stattfindenden Prozesse zu geben, ist indeß nicht möglich, ohne zugleich auf vielerlei, zum Theil nicht ganz einfache, Naturerscheinungen einzugehen. Beides wird jedem, der sich für diesen Gegenstand interessirt, aus der sehr klaren, faßlichen und ge- diegenen Beschreibung des Herrn Prof. v. Siebold völlig deutlich werden. Der erste Secretair der Section, Prof. Dr. Göppert, zeigte am 9 Februar Erbsen vor, in denen der Erbsenkäfer, Bruchus pisi, sich entwickelt hatte, und zwar so massenhaft, daß der Ertrag dieser Frucht sehr beeinträchtigt ward. Der zweite Secretair der Section, Privat-Docent Dr. Cohn, am 15. November: Ueber Pilze als Ursache von Thierkrankheiten. 4 Wenn bei den meisten Krankheiten der Pflanzen, namentlich den in neuerer Zeit so verheerenden epidemischen, Pilze als Begleiter und höchst wahrscheinlich auch als erste Veranlassung erkannt worden sind, so ist in den analogen Krankheitszuständen der Thiere ein solcher Einfluß in der Regel nicht nach- weisbar. Doch fehlt es nicht an Pilzformen, die ausschließlich auf Thieren vegetiren und zum Theil ver- derblichen Einfluß auf sie ausüben. Ein durch infusorienartig bewegliche Sporen sich fortpflanzender Schimmel (Achlya prolifera), der sich in der Regel auf kleinen im Wasser ertrunkenen Thieren, Schnecken, Spinnen, Fliegen und andern In- sekten, doch auch auf todten Fröschen und Fischen entwickelt, soll nach Hannover contagiös wirken und namentlich schwächliche Frösche und Molche fortraffen; auch verhindert er die Fischeier an ihrer Entwickelung. Eine Reihe von Pilzen finden sich auf todten Raupen, Puppen und vollkommenen Insek- ten, namentlich solchen, die sich in die Erde vergraben; von den hierher gehörigen Formen sind die Isarien und Stilba den eigentlichen Schimmeln verwandt, während die Sphärien (Cordiceps, Kentro- sporium) zu den Kernpilzen gehören und mit ihrem Wurzelgewebe (Mycelium) den Leib des Insekts ausfüllen, bis der fruchttragende Theil als ein keulenförmiger Körper aus dem Nacken hervorbricht. 6* 44 Bei unseren deutschen Arten ist dieser Körper etwa 1” lang (Sphaeria militaris), während eine chine- sische ($. sinensis), unter dem Namen Aiao-tsao-ton-schong, als Heilmittel hochgeschätzt, eine Länge von etwa 2” und eine neuseeländische (S. Robertsü) sogar 6—8” erreicht. Man glaubte früher in diesen auf Raupen wurzelnden Pilzen eine Verwandlung eines Thieres in eine Pflanze zu beobachten ; daher der Name der chinesischen Sphaeria, welcher Sommerraupe - Winterpflanze bedeutet, und der einer amerikanischen Art ($. sobolifera), die als vegetahle fly, _mouche vegetante einst großes Aufsehen erregte. Nach einer Vermuthung von Tulasne sind die Isarien vielleicht nur die Spermogo- nienform (die männlichen Pflanzen) von parasitischen Sphärien. Wahrscheinlich entwickeln sich diese Pilze in den lebenden Insekten und tödten dieselben endlich. Auch bei höheren Thieren, namentlich bei Menschen, sind sehr einfache Pilze beobachtet. Bei ver- schiedenen Krankheiten der Epidermoidalgewebe, Haare und Nägel scheinen Fadenpilze (Achorion, Mi- crosporon, Trichophyton ete.) die Ursache zu sein; eine andere Gattung (Mycoderma, Oidium) findet man bei den sogenannten Schwämmchen des Mundes; im Darmkanal sind stets Pilze (Sarcina, Torula) vorhan- den. Einen tödtlichen Einfluß hat man bei Pilzen, die in der Luftröhre von Vögeln sich entwickelt (Aspergillus), gefunden. Von der größten Bedeutung ist nicht nur für die Wissenschaft, sondern auch für die Industrie des südlichen Frankreichs und Italiens ein Schimmel (Botrytis Bassiana) geworden, welcher sich in den Seidenraupen entwickelt und unter ihnen furchtbare Verheerungen anrichtet. Wie seit 1835 durch Bassi, Balsamo, Audouin und Montagne nachgewiesen, ist dieser Pilz die Ursache einer eigenthümlichen Krankheit, der Muscardine, Caleino (d. h. Verkalkung), in Folge deren die Raupen in wenig Tagen steif werden, vertrocknen ‚und sich mit einem weißen kalkähulichen Ueberzug bedecken. In dem Fett- körper der Raupen entwickelt sich das Mycelium des Schimmels und verzehrt dann die Eingeweide; erst nach dem Tode durchbricht er die Haut und bildet die zahllosen sehr kleinen Sporen, die wieder auf anderen Raupen dieselbe Krankheit hervorrufen. Da sie contagiös ist, so tödtet sie meist alle Raupen in einer Anstalt, oft in einer ganzen Gegend. Man kann die Muscardine künstlich durch Inoculiren des weißen Ueberzugs (der Sporen) in gesunden Seidenraupen, selbst in Puppen und Schmeiterlingen,, so wie auf anderen Insekten erzeugen. Die Muscardine befällt ohne Zweifel ganz von selbst auch andere Schmetterlinge als die Bombyx ori, und ist auch bei uns durchaus keine seltene Erscheinung. Ich citire zum Beweise dafür eine Beobachtung des Herrn Assmann, welche in dem „fünften Berichte des schlesischen Tausch- vereins für Schmetterlinge 1844“ abgedruckt ist.-- Dieser tüchtige Entomologe fand unter zahlreichen Raupen der Bombyx (Euprepia) aulica, die er kultivirte, etwa 10 Stück, welche schimmelten. „Die Raupen, welche von dieser Krankheit befallen werden, schwellen zuerst zu einer ungewöhnlichen Dicke auf; alsdann zeigt sich der Schimmel in Gestalt eines weißen feinen Staubes auf der-Haut, wächst dann innerhalb weniger Stunden bis über die Borsten hinweg, oder diesen wenigstens gleich, so daß dieselben nur als kleine schwarze Pünktchen erscheinen. Bricht man die Raupe auseinander — sie werden näm- lich durch den Schimmel ganz steif und hart — so findet man sie auch inwendig ganz mit derselben Substanz ausgefüllt. Selbst Puppen sind von diesem Schimmel nicht befreit, nur daß derselbe sich nicht so nach außen verbreitet.“ Aehnliche Beobachtungen sind mir auch von anderen Raupen und Puppen durch hiesige Entomologen mitgetheilt worden; bisweilen sterben über 80 pCt. der Raupen am Schimmel. Sehr verwandt mit der Muscardine scheint eine Krankheit der gemeinen Stubenfliege: sie veranlaßt jene -allbekannte, eigenthümliche Todesart dieser Thierchen im Herbste, die zuerst von Goethe beschrieben und von Nees v. Esenbeck genauer untersucht wurde, in Folge deren der Leib derselben stark aufschwillt, zwischen den Segmenten des Hinterleibes von (meist 3) weißen Gürteln durchbohrt 45 wird und sich mit einem weissen Staubhofe umgiebt, der wohl 1” im Durchmesser besitzt. Ich habe diese bisher ganz vernachlässigte Erscheinung im vergangenen Herbste einer sörgfältigen Untersuchung _ unterworfen, die mir sehr merkwürdige Resultate geliefert hat; da ich dieselben in dem nächstens er- scheinenden Vol. XXV. P. I. der Nova Acta Acad. C. L. C. nat. cur. ausführlicher beschrieben habe, so begnüge ich mich, auf diese Abhandlung verweisend, hier mit einer kurzen Zusammenstellung der Hauptergebnisse. Ich bemerke nur, daß die oben- erwähnte Todesart der Fliegen die Folge einer epidemischen Krankheit ist, welche durch die Entwickelung eines parasitischen Pilzes charakterisirt ist; dieser letztere ist eben so ausgezeichnet durch seine Gestalt als durch seine Entwickelung und gehört einer neuen Gattung und Art an. Ich schicke die Resultate meiner Beobachtungen in 20 Sätzen voraus und schliesse daran die Diagnose des neuen Pilzes. 1) Im Herbste werden die gemeinen Stubenfliegen von einer tödtlichen Krankheit befallen, welche epidemisch auftritt und im Laufe des Winters (Anfang December) wieder verschwindet. 2) Diese Krankheit ist charakterisirt durch die Entwickelung eines mikroskopischen Pilzes, von mir Empusa muscae genannt, in der Leibeshöhle der Fliegen; der Tod der Thiere wird durch die Ve- getation dieses Pilzes herbeigeführt. 3) Die Krankheit macht sich äußerlich zuerst durch eine gewisse Trägheit in den Bewegungen der Fliegen bemerklich; in diesem Stadium vermehrt sich die zwischen den Eingeweiden befindliche Flüssigkeit (das Blut) in hohem Grade und erhält durch unzählige Fetttröpfchen ein milchähnliches Aussehen. 4) In dem Blute treten zahllose, sehr kleine, freie Zellchen auf, mit einer sehr zarten, anfänglich noch nicht optisch unterscheidbaren Membran und körnigem Inhalt. 5) Diese Zellchen wachsen rasch zu einer bedeutenden Größe und behalten bei gleichförmiger Ernährung die ursprüngliche Kugel- oder Eiform bei; in der Regel aber nehmen sie in Folge ungleicher Ernährung, die vielleicht durch die Strömung des Blutes bedingt wird, die Gestalt kürzerer oder längerer Schläuche an. 6) Die Kugeln und Schläuche verhalten sich gegen Wasser und andere Reagentien ganz wie junge, durch freie Zellbildung entstandene Zellen, indem sie darin stark aufschwellen, und auch die längsten Schläuche bald Kugelgestalt annehmen, während der Inhalt gerinnt und große Oeltro- pfen ausscheidet; die Membran löst sich anfangs gänzlich im Wasser; ältere Zellen platzen blos an ei- nem Ende, durch das der Inhalt herausfließt. 7) Ein Paar Stunden vor dem Tode hört die freiwillige Bewegung der Fliegen auf; der Hinterleib wird durch die vermehrte Blutflüssigkeit und durch die zahllosen in ihr frei schwimmenden, inzwischen bedeutend herangewachsenen Pilzzellen stark ausgedehnt. 8) Die Zellen haben um diese Zeit sämmtlich Eiform angenommen, wahrscheinlich in Folge gleich- förmiger Ernährung, welche mit dem Stocken der Bluteirculation eintrat. An einem, seltner an zwei Punkten dieser Zellen bilden sich blindsackartige Fortsätze, die sich wurzelähnlich verlängern, durchein- anderwirren und -verästeln. So sind sie zu vielen Tausenden um die Eingeweide herumgelagert, ohne in dieselben einzudringen; doch zeigen sich schon in diesen, namentlich aber in den allmälig resorbirten Fettzellen Spuren davon, daß der Inhalt dieser Gewebe zur Ernährung der parasitischen Pilze verwen- det worden. 9) Nach dem Tode zeigt der Körper der Fliege eigenthümliche Verkrümmungen und Streckungen ‘der Beine, Flügel und des Hinterleibes; der Rüssel ist ausgestreckt und an der Wand fesigesaugt; mit 'Hülfe desselben und der ausgespreizten Beine bleiben die todten Thiere an den Wänden hängen, als ob ‚sie noch lebten; ihr Körper ist ausgetrocknet und in hohem Grade brüchig. 46 10) Die Blutflüssigkeit, sowie die Eingeweide, werden allmälig von den parasitischen Empusen aufgezehrt, bei denen sich das Wurzelende immer mehr verlängert, das entgegengesetzte Ende dagegen keulenförmig auswächst. In Folge dieser Entwickelung schwillt der Hinterleib der Fliegen immer mehr auf und die Schienen der Segmente weichen auseinander. | 11) 8—10 Stunden nach dem Tode wird die die Segmente verbindende zarte Membran von den keulenförmigen Spitzen der Empusazellen durchbohrt; diese werden dadurch auch an der Außenseite als weiße, allmälig immer mehr heraustretende Gürtel sichtbar. 12) Das keulenförmige, nach außen gedrungene Ende der Pilzzellen wächst rasch empor, gliedert sich nach unten (innen) von dem Wurzelende durch eine Scheidewand ab, so daß der Pilz jetzt aus zwei Zellen, einer Wurzel- und einer Stielzelle, besteht. 13) Die Stielzelle wächst an der Spitze in einen kurzen, cylindrischen Fortsatz aus, welcher bald blasenförmig aufschwillt, von dem nachströmenden Plasma ausgefüllt und nach unten durch eine Scheide- wand abgeschnürt wird. Auf diese Weise bildet sich die Spore, welche bald eine glockenförmige Ge- stalt annimmt. Daher ist Empusa in seinem vollendetsten Stadium ein dreizelliger Pilz. 14) Durch den von der Stielzelle ausgeübten Druck wird die Spore elastisch bis zu einer Ent- ’fernung von etwa 1’ weggeschleudert. Die Sporen bilden einen weißen Staubhof um die todte Fliege und kleben an ihren Flügeln und Beinen fest. 15) ‚Häufig findet man die Sporen von weiten Blasen umschlossen und mit Hülfe derselben zu Häufchen zusammengeklebt; die Entstehung dieser Blasen ist noch nicht sicher erforscht. 16) Es ist noch nicht gelungen, die Keimung der Sporen zu bewirken, weder im Wasser, noch in feuchter Luft, noch durch äußeres Anheften, noch durch künstliche Einführung in’s Innere lebendi- ger Fliegen. 17) Legt man eine an der Krankheit gestorbene, mit Empusasporen bedeekte Fliege in feuchte Luft, so entwickeln sich auf ihr Pilze, aber solche, die —n mit Empusa in keinem genetischen Zu- sammenhange stehen (Penieillium). 18) Es läßt sich daher gegenwärtig ein Einfluss der Empusasporen auf das Erscheinen dieses Pilzes und der Krankheit bei den Fliegen in keiner Weise darthun, während das Auftreten, die chemische und optische Beschaffenheit der zahllosen freien Zellen in der Blutflüssigkeit, der Mangel eines eigentli- chen, sich ausbreitenden Mycelium, überhaupt die ganze Entwickelungsgeschichte für die Entstehung der Empusazellen durch freie Zellbildung in dem krankhaft veränderten Blute zu sprechen scheint. 19) Die Krankheit der Fliegen findet, soweit bisher bekannt, ihr einziges Analogon in der, bei den Seidenraupen epidemisch auftretenden Muscardine, die der Entwickelung eines ganz verschiedenen Pilzes, der Botrylis Bassiana, zugeschrieben wird. 20) Ein genaueres Urtheil über das Verhältniß der beiden Krankheiten zu einander ist jedoch nicht möglich, so lange die Muscardine nicht einer neuen gründlichen Untersuchung unterworfen ist, da einige Beobachtungen es zweifelhaft machen, ob wirklich die Botrytis Bassiana oder vielleicht ein mit Empusa muscae verwandter Pilz die Hauptrolle bei dieser Krankheit spielt. Außer Göthe und Nees v. ’Esenbeck hat nur noch Dumeril eine kurze Notiz über die Fliegenkrank- heit bekannt gemacht und dieselbe einem Schimmel zugeschrieben, den Berkeley als Sporendonema Muscae Fries bestimmt hat. Letzteres, das Dahlbom auf todten Fliegen fand, soll dem Sporendonema sebi sehr ähnlich, aber floceis simplieibus in caespitulos sublobatos albos conglutinatis charakterisirt sein. Die fruchtbaren Fäden sollen mit kugligen, reihenweise geordneten Sporen erfüllt, die unfruchtba- ren länger, gekrümmt und viel schlanker sein (Fries Syst. mycol. III. p. 435.) Obwohl die Beschrei- bung des äußeren Ansehens von Sporendonema Muscae Fries nicht ganz mit unserem Schimmel über- einstimmt, so halte ich doch beide für identischh Doch ist offenbar unsere Form kein Sporendo- nema, da sich die Sporen an der Spitze der Fäden mit Sporen einzeln abschnüren, und es mag die betreffende Angabe von Fries auf einer Verwechslung von Oeltropfen in den Fäden beruhen, die auch sonst schon, namentlich bei Entophyten, vorgekommen ist. Eben so wenig ist unser Pilz eine /saria, die nach Meyen die Fliegen tödten soll (Wiegmanns Archiv 1837 II.); auch mit Achlya ist er trotz des gleichen Wohn- orts nicht näher verwandt. Da ich auch sonst keine Gattung kenne, in welche der Pilz der Fliege ge- stellt werden könnte, so habe ich aus ihm eine neue Gattung gemacht, der ich den Namen Empusa gegeben; die Species bezeichne ich als Empusa muscae. Das Auftreten der jungen Empusen im Blute der Fliegen scheint mit allen bisher bekannten Ent- wicklungsweisen parasitischer Pilze innerhalb anderer Organismen im Widerspruch, da man niemals die eigentlichen Empusasporen im Innern erblickt, ein Eindringen derselben zu Millionen in die völlig ge- schlossene Bauchhöhle vor der Keimung auch kaum denkbar ist, der Eintritt eines auf der Außen- seite entwickelten Myceliums nach innen hier unzweifelhaft nicht vor sich geht und überdies die jungen Empusen in auffallendster Weise den Charakter junger, frei gebildeter, in statu nascenti beobachteter Zellen an sich tragen. Wenn wir daher unsere gegenwärtige Kenntniß der Dinge allein berücksichtigen wollten, so dürften wir nicht anstehen, das Erscheinen der Empusen von einer freien Zellbildung aus dem krankhaft veränderten Fliegenblute abzuleiten. Da jedoch eine solche Schlußfolgerung, so eng sie sich auch an die beobachteten Thatsachen anschließt, immer etwas Widerstrebendes hat, so möge man vor- läufig sich an die Hypothese halten, daß bei der Entwicklung der Empusen ein ähnlicher Proceß ob- walte, wie ihn neuerdings Tulasne für den Weizenbrand (Tilletia Caries) nachgewiesen hat. Die Sporen dieses Brandpilzes gehen nämlich beim Keimen nicht direkt in ein Mycelium über, welches etwa in einem Weizenfruchtknoten sich ausbreitend daselbst ‚wieder Sporen gleicher Art trüge, sondern es verlängern sich die Sporen zuerst in einen sehr kurzen Keimschlauch, der sofort 8S—12, paarweise copulirte, spin- delförmige Sporidien (secundäre Sporen) erzeugt; diese bilden selbst wieder noch tertiäre kuglige Spo- ridien, und erst diese letzteren mögen den Cyclus abschließen und. zur Entstehung der eigentlichen Brandpilze Veranlassung geben. Herr Amtmann Julius Kühn in Groß-Krausche, ein durch seine höchst gründlichen und glücklichen Untersuchungen in diesem Gebiete ausgezeichneter Forscher, hatte die Güte, mir Präparate dieses merkwürdigen Entwicklungsganges zur Ansicht mitzutheilen, den er selbständig in vollständiger Uebereinstimmung mit Tulasne beobachtet hatte, ehe noch die Untersuchungen dieses letz- teren veröffentlicht waren; es ist seiidem durch Aussaat der Tilletiasporen auch mir gelungen, diesen Vorgang vollständig zu verfolgen. Möglicherweise könnten auch bei Empusa wenige Sporen an der Außenseite der Fliege keimen und sich in sehr kurze Schläuche verlängern, die, in die Bauchhöhle ge- langend, daselbst eine große Menge secundärer Sporidien erzeugten; diese letzteren würden, den echten Sporen ganz unähnlich, scheinbar frei gebildeten Zellen gleichen und in die eigentlichen Empusapilze auswach- sen. Doch muß ich nochmals wiederholen, daß von allen diesen hier hypothetisch vorausgesetzten Ent- wicklungsstufen sich bisher noch nicht das Geringste hat beobachten lassen. 48 Ich gebe schließlich die Diagnose der neuen Gattung: Empusa*) Entophyta, e tribus conslans cellulis, quarım infima in insecti eujusdam alvo evoluta, mycelii instar tortuosa, parce ramificata superne prolongatur in mediam, extrorsum demum erumpentem, quae_ sti- pilis vel basidii instar spora simplici, elastice tandem protrusa coronatur. Es gehört diese Gattung unter die Acmosporacei Bonorden in die Nähe von Ayalopus, Oidium, Acrosporium und unterscheidet sich von diesen Gattungen durch die vegetative Entwicklung, namentlich durch den in drei Zellen abgeschlossenen Bau, sowie durch das elastische Abwerfen der einfachen Spo- ren; diese Merkmale nähern Empusa an Pilobolus und die Mucorinen, welche sich eigentlich nur da- durch unterscheiden, daß sich bei diesen viele Sporen in einer Mutterzelle entwickeln, bei Empusa da- gegen nur eine. Auch mit den Hefepilzen (Proiomycetes) bietet Empusa wesentliche Berührungspunkte und unterscheidet sich insbesondere dadurch, daß bei dem Hefepilz eine und dieselbe Zelle zugleich Thallus und Basidium ist, bei Empusa dagegen diese beiden Organe auf zwei Zellen (Waurzel- und Stielzelle) vertheilt sind. Mit Dotrytis Bassiana hat sie nicht die geringste Verwandtschaft trotz der Aehnlichkeit der durch beide Pilze veranlaßten Krankheit und Todesphänomene. Die Charakteristik der einzigen bisher bekannten Art von Empusa gebe ich so: Empusa Muscaen. s. cellula myceliformi "so," lata, sursum in elaviformem ,,0'" latam excurrente, spora campanuliformi "00": In muscae domesticae morbo quodam letali abdominis inflati cavitatem explet, apieibus cellula- rum claviformium post muscae mortem segmentorum membranas perforantibus, demum sporiferis, an- nulos semicirculares molles albos componentibus. Herr Amtmann Julius Kühn übersandte der Section: Beobachtungen über das Erkranken der .Kulturgewächse im Jahre 1854. Das Jahr 1854 bot bei seinem eigenthümlichen Witterungsverlaufe interessante Vergleiche über die größere oder geringere Einwirkung desselben auf die verschiedenen Pflanzenkrankheiten dar. Im Allge- meinen dürfte die Ansicht, daß die Witterungsverhältnisse nicht die eigentliche Ursache des Erkrankens der Gewächse sind, neue Bestätigung gefunden haben, wenn sich auch nicht verkennen läßt, daß sie einen größeren oder geringeren Einfluß auf die Verbreitung der Krankheitsformen ausüben. Bei den wildwachsenden Pflanzen machte sich Anfang April ein häufiges Befallensein der Anemone nemorosa in solcher Weise bemerkbar, daß die sonstige Schönheit der Anemonenflor sehr beeinträch- tigt wurde, da oft ganze Gruppen befallen waren und gar nicht oder nur kümmerlich zur Blüthe ge- langten. Der das Befallen veranlassende Pilz befiel Stengel, Blätter, Blüthenknospen und auch schon entfaltete Blumenblätter in Gestalt rundlicher oder eiförmiger, violetter Pusteln. Die Färbung derselben rührt von der aufgetriebenen Oberhaut her, unter der sich die gekrümmten, fusidiumartigen Sporen in Menge vorfinden. a) Empusa, Name eines Plagegeists der griechischen Mythologie, der, dem modernen Vampyr ähnlich, den Lebenden das Blut aussaugen sollte; sie wurde in den verschiedensten Gestalten, unter andern auch als Brumm- fliege gedacht. \ 49 Bei den Kulturpflanzen zeigte sich: N 1) bei dem Halmgetreide weder der Rost noch der Brand in ungewöhnlicher Menge. Letzte- rer fand sich da, wo der Same mit Kupfervitriol behandelt war, wie in früheren Jahren, durchaus nicht vor. Von der sicheren Wirksamkeit ‚dieses Schutzmittels gab das Feld eines kleineren Grundbesitzers hierorts den schlagendsten Beweis. Auf demselben hatte der mit Kupfervitriol eingequellte Samen zu drei Beeten nicht gereicht; es wurden dieselben mit in Kalkmilch gebeiztem Samen besäet. Auf diesen drei Beeten zeigte sich nun, scharf mit der Beetfurche abschneidend, % des Weizens brandig, während auf dem übrigen Theil des Feldes auch nicht eine Brandähre aufzufinden war. — Häufiger als sonst war in ‚diesem Jahre das Mutterkorn des Roggens. 2) Die Oelfrüchte wurden auch in diesem Jahre von dem Sporidesmium exitiosum Kühn in litt. an mehreren Orten der Umgegend befallen. Hierorts zeigte der Pilz sich schon Ende Mai auf den Blättern des Winterrapses, doch in geringerer Menge. Er bildet auf denselben rundliche, braune, sich allmälig vergrößernde Flecken. Auf den Stengeln und Schoten fand er sich Mitte Juni ein, verbreitete sich anfangs langsam, wurde aber gegen Ende‘ Juni und Anfang Juli an einzelnen, namentlich an höher gelegenen Stellen so häufig, daß er hier die Ernte an Qualität und Quantität wesentlich verringerte. Das Erkranken der Schoten giebt sich durch kleine, braunschwarze Flecke kund, die sich etwas ver- grössern, dann aber in ihrer Ausbreitung innehalten, während das Zellgewebe um sie herum nach und nach mißfarbig wird und eintrocknet, ohne eine gleiche Färbung anzunehmen. Die mikroskopische Un- tersuchung ergiebt, daß das Schwarzwerden in den Oberhautzellen und zwar zuerst in der Umgebung einer Spaltöffnung beginnt, dann aber auch nach innen und seitlich einen größeren Theil des Zellgewe- bes erfaßt. Es scheint alsbald einzutreten, wenn ein Keimfaden der auf der Oberfläche meist leicht nachweisbaren keimenden Spore durch die Spaltöffnungen eindringt. In dem frühesten Zustande bemerkt man den Zelleninhalt getrübt und die Chlorophylikörnchen mißfarbig. Bald aber wird die Zellwand selbst gebräunt, derbhäutig, undurchsichtig und gegen alle Reagentien unempfindlich, selbst concentrirte Schwefelsäure zerstört sie nur langsam. Das Mycelium breitet sich nun mehr und mehr aus; sobald es aber zur Bildung der gegliederten Hyphen gelangt, welche sich zur Fruchtschicht vereinigen, findet eine Bräunung der Zellen nicht mehr statt. Die Zellwand bleibt dann unverändert, selbst wenn Myceliumfä- den in's Innere der Zelle eindringen, was man nicht selten beobachten kann, wie sie denn auch alle Zelllagen durchziehen und so auch bis zu den Samen vordringen. Die Bildung der Fruchtschicht findet unter der Epidermis statt und mit ihrem Fortschreiten wird die letztere mehr oder weniger zerstört. Die weitere Entwickelung bis zur Sporenbildung werde ich in einer besonderen Schrift darstellen. — Es ist merkwürdig, daß die Myceliumfäden in den ersten Stadien ihrer Entwickelung die Eigenschaft haben, den Zellstoff völlig umzuwandeln, so daß weder Chlorzinkjodlösung noch Jodtinktur mit Schwefelsäure irgend eine Reaction auf die gebräunte Zellwand ausüben. Es dürfte dieser Umstand den Landwirth rechtferti- gen, wenn er eine derarlig befallene Pflanze ‚‚vergiftet‘“ nennt. Denn während die spätere Entwickelung des Pilzes sich mehr in der Form eines parasitischen, auf Kosten des Zellinhaltes vegetirenden Verhaltens zeigt, so daß der Zellstoff als solcher durch obige Reagentien nachweisbar bleibt, selbst wenn die Zelle mit Myceliumfäden durchzogen ist, — bewirkt das erste Eindringen und Ausbreiten der Keimfäden eine völlige chemische Veränderung, die wohl einer Vergiftung vergleichbar ist. — Das in seinem Zusam- menhange mehr oder weniger gelöste, seines Inhaltes zum Theil beraubte Zellgewebe der Schote schrumpft bei eintretendem trockenen Wetter zusammen, wodurch ein Aufspringen der Schote und Verstreuen des Samens veranlaßt wird, selbst wenn diese, wie nicht selten, noch völlig grün sind. Man erkennt dann die befallenen Stellen schon von weiten an den weiß leuchtenden Scheidewänden der aufgesprungenen Scho- ten. Tritt das Befallen vor völliger Ausbildung der Samen ein, so werden diese ebenfalls vom Mycelium 2 0 durchdrungen. Sie erscheinen dann schimmlich, bleiben klein und schrumpfen beim Trocknen zu kleinen unscheinbaren Körnchen zusammen. Tritt das Befallen spät ein, so kommt der Same zur völligen Reife, geht aber beim Schneiden und der weiteren Behandlung des Erntens durch das leichte Aufspringen der Schoten verloren. Hier läßt sich durch eine Erntemethode vielem Schaden vorbeugen, bei der der Raps gleich grün in 8—10 Fuß hohe Schober, mit den Rispen nach innen, gesetzt wird. Er kommt in den- selben zum gleichmäßigen Nachreifen, kann deshalb- zeitiger geschnitten werden, bleibt ohne Nachtheil 12—14 Tage selbst bei vielem Regen in Schobern stehen und kann ohne Verlust geerntet werden, in- dem man beim Aufladen die Schober auf ein am Leiterbaum befestigtes Tuch stürzt. Das Rapsstroh und die Schalen erhalten dabei in Folge des Abtrocknens im Schatten eine grünliche Färbung und geben ein vorireffliches Schaffutter. Nur wenn der befallene Raps in ganz grünem Zustande geschnitten wird, in welchem die Samen sich noch leicht in zwei Hälften zerreiben lassen, findet ein Fortschreiten der Pilz- bildung statt, in Folge deren die Schalen mißfarbig werden, ohne daß die Samen dadurch leiden, sie reifen vielmehr auch hier gleichmäßig nach. In solchen Fällen bemerkt man an den Sporen oft eine kugelige Ausweitung einzelner Sporidien, wie sie sich auch bei sehr anhaltend nassem Wetter auf den befallenen Schoten des noch nicht geschnittenen Rapses zeigt. Feuchte warme Witterung mit ab- wechselndem Sonnenschein begünstigt die Verbreitung des ‚Pilzes außerordentlich. Er gelangt dann in wenigen Tagen zu großer Verbreitung, wie man denn selbst bei künstlicher Zucht im Zimmer den Pilz innerhalb 3Y, Tag zur Sporenbildung bringen kann. Da der Raps zur Zeit_der nahenden Reife meist dachförmig gelagert ist, so ist immer die obere Seite der Schoten zuerst und am meisten befallen. — Das Sporidesmium ezxitiosum befällt auch den Hederich. Auf einem in der Nähe des Rapsfeldes ge- legenen Maisstücke, das wegen anderweitig dringender Arbeiten nicht vom Hederich gesäubert werden konnte, wurde derselbe in dem Grade befallen, daß der Pilz ganz gelegen als Jäter auftrat. — Wie frü- her war auch in diesem Jahre der Sommerrübsen von dem Pilze befallen. 3) Die Kartoffeln erkrankten in größerer Allgemeinheit Ende Juli und Anfang August. Merk- würdiger Weise wurde jedoch die Bermuda-Kartoffel von der Peronospora infestans schon am 2. Juni befallen, und zwar so rapid, daß in wenigen Tagen der größte Theil der Stöcke abstarb, während da- neben stehende Kartoffeln anderer Sorten noch mehrere Wochen unangefochten blieben. Im vergangenen Jahre blieb die Bermuda-Kartoffel hierorts ganz von der Krankheit verschont. — Ein angestellter Ver- such ergab, daß weder das Abtrocknen der Samenkartoffeln auf Juftigen Böden, noch das künstliche Abwelken auf der Malzdarre bei 30° R. sich als ein Schutzmittel gegen die Krankheit. auswies. Die Kartoffeln der Versuchsstreifen zeigten, wie der übrige Theil des Gewendes, ein gleiches Verhältniß des Erkrankens, nämlich zu %, der Ernte. 4) In Betreff der Runkelrüben erlaube ich mir auf frühere Mittheilungen über die Erkrankungs- formen derselben Bezug zu nehmen. — Das Erkranken der Herzblätter, sonst schon Anfang Septembers auftretend, fand in diesem Jahre fast gar nicht statt, indem ich nur ein Exemplar auf den hiesigen Do- minialäckern aufzufinden vermochte, bei dem die Herzblättchen durch ein Erysche befallen waren. Da- gegen schien der. in anderen Jahren ebenfalls, doch weniger häufig bemerkte Pilz, welcher die äuße- ren Blätter-der Rüben zuerst befällt, durch die nasse Witterung dieses Sommers in seiner Entwickelung sehr begünstigt zu werden. Er fand sich sehr zahlreich ein und bewirkte dadurch ein so häufiges Ab- sterben der äußeren Blätter, daß er in ähnlicher Weise die Entwickelung der Rübe beeinträchtigte, wie ein unverständiges Abblatten. Er bildet anfangs eiwas erhabene, röthliche Flecke, die sich mehr oder weniger in kreisrunder Form abgrenzen und endlich eine weißgraue, von einem schmäleren dunkleren und einem breiteren rothgefärbten Rand umgebene Scheibe bilden, auf welcher man bei vorgeschritiener Entwiekelung schon mit bloßem Auge schwarze Pünktehen bemerkt, die sich unter dem Mikroskop als 5l hervorbrechende Sporenhäufchen ausweisen. — Die der Kartoffelkrankheit analoge reine Zellenfäule der Runkelrübe, welche sich durch mißfarbige, allmälig braunschwarz werdende, mehr und mehr sich aus- breitende Flecke, zumeist am Kopf der Rübe, kundgiebt, bemerkte ich in diesem Jahre gar nicht. — Dagegen fanden sich in den nässeren Theilen des ungedrainten Feldes durch Helminthosporium rhizo- ctonum Rbh. in litt. erkrankte Runkelrüben, ohne daß jedoch durch dieselben ein erheblicher Verlust erwachsen wäre. 5). Es ist interessant, daß in diesem Jahre die Möhren dieselben Krankheitsformen zeigten, wie sie an den Runkelrüben hierorts beobachtet wurden. Speciellere Mittheilungen hierüber behalte ich mir vor, später mitzutheilen. 6) Die Pflaumenbäume, und insbesondere die edleren Sorten, z. B. die Eierpflaumen, litten in diesem Jahre an einer Pflaumenfäule, in deren Folge der Ernteertrag manches. viel versprechenden Baumes fast auf nichts redueirt werde. Sie bekamen braunschwarze Flecke, die durch ihre Ausbreitung die Verderbniß der ganzen Frucht herbeiführten, wenn auch das Fleisch derselben noch ganz fest und grün war. Es boten die mit faulenden Früchten beladenen Bäume einen traurigen Anblick dar. Oft klebten 5, 6, ja 10, 12 Pflaumen zu einem Pack zusammen, dicht bedeckt mit Torula fructigena Pers. Ich mag nicht entscheiden, inwieweit dieser sonst wohl nur secundair als Begleiter der Fäulniss saftiger Früchte auftretende Pilz, begünstigt durch die nasse Witterung, Veranlasser der Pflaumenfäule gewesen ist; doch habe ich auch in den ersten Anfängen der Flecke sein Mycelium dicht unter der Epidermis gefunden und es in den sich vergrößernden Flecken nach allen seinen Entwickelungsstadien bis zur Sporenbildung verfolgen können. 7) Der Wein ist in hiesigem Garten noch in keinem Jahre erkrankt; dagegen trat die Trauben- krankheit im vorigen Jahre in dem dicht an hiesigen Ort anliegenden Gnadenberg das erste Mal auf, und zwar sehr verderblich, so daß der Ertrag der befallenen Stöcke gänzlich vernichtet ward. Merkwürdiger Weise blieb aber der Wein an einzelnen Häusern ganz verschont. Von 3 in einer Straße liegenden Häusern mit Weinspalieren, die nur durch kleine Gärtchen getrennt sind, war der Wein an zweien völlig befallen, während derselbe am dritten Hause zur vollen Reife und ohne eine Spur von Krankheit gedieh. In diesem Jahre kehrte die Krankheit auch in Gnadenberg nicht wieder, dagegen verursachte sie großen Schaden in dem Schloßgarten des nur 1 Stunde von hier entfernten Nieder-Thomaswaldau. 8) Die Septoria Mori des Maulbeerbaumes bemerkte ich zuerst am 3. Juli in den Plantagen des Waisenhauses zu Bunzlau. Herr Oberlehrer Herkt daselbst hat sie jedoch schon im Juni beob- achtet, während sie in anderen Jahren erst Mitte August auftrat. Die Verbreitung des Pilzes war jedoch anfangs keine sehr bedeutende, so daß die Fütterung der Raupen nicht benachtheiligt wurde; im August fand sie jedoch in großer Allgemeinheit statt, so daß ganze Plantagen fast völlig entlaubt wurden. Am besten hielt sich der Loubaum, obgleich er auch nicht verschont blieb. In Groß-Krausche und Gnaden- berg blieben die vorhandenen Sämlinge von der Maulbeerkrankheit verschont. 52 Anhang Herr Geheimer Regierungsrath Freiherr v. Wechmar am 28. November: Ueber die Technik der Bewohner Schlesiens im Alterthum. Die Sammlungen unserer wissenschaftlichen Institute und vieler Privatpersonen sind angefüllt mit Thongefäßen und Geräthen, welche sich an zahlreichen Orten unter der Erdoberfläche vergraben vorfan- den und wie solche auch noch jetzt nicht selten aufgefunden werden. Diese alterthümlichen Gegen- stände geben Zeugniß davon, daß unsere vaterländische Provinz Schlesien schon lange vorher, ehe die Geschichte ihrer erwähnt, keine menschenleere Wildniß gewesen ist. Aus der Aehnlichkeit der aufge- fundenen Gefäße und Geräthschaften, ohne Unterschied der Fundorte, und daraus, daß sie überall aus Opfer- und Begräbnißstätten entnommen zu sein scheinen, läßt sich auf einen über das ganze Land ver- breiteten gleichartigen Volksstamm mit demselben religiösen Kultus schließen, und nächstdem werden wir dadurch in den Stand gesetzt, einigermaßen über den Kulturzustand dieses Volksstammes zu urtheilen, insoweit seine uns vor die Augen gelegte Technik dazu Gelegenheit giebt. Diese Alterthümer sind ein Thema, welches seiner Zeit von hochgeachteten, längst dahingeschiedenen Mitgliedern unserer schlesi- schen Gesellschaft für vaterländische Kultur, einem Worbs, Büsching und Kruse, mit größtem Fleiße bearbeitet worden ist, späterhin aber hinter Forschungen anderer Art, deren Resultate gesicherter er- schienen, zurückstand. In der That haben sich die gelehrten Historiker jetzt zum Theil von den Unter- suchungen des höheren Alterthums zurückgezogen; denn Tausende alter Urnen, an einem Orte gefunden, sind am Ende doch nichts als Kuriositäten, wenn man ihren Anblick nicht mit den Völkern, denen sie angehörten, und ihren Sitten in Verbindung ‚zu bringen vermag — und dies ist nur selten möglich. Dem stummen Nachlaß unserer Vorfahren ein sprechendes Zeugniß über ihr Dasein abzulocken, um sie chronologisch und eihnologisch einzureihen in die Gliederung der Geschichte, war aber gewiß ein sehr verdienstliches Streben jener schlesischen Männer, denen hiermit von uns ein Dank dafür in ihr Grab nachgerufen werde! | Es würde nicht unternommen werden, auf jenes Thema wieder zurückzugehen, wenn nicht ein glücklicher- Fund dazu Veranlassung gäbe, der Gegenstände zur Anschauung bringt, welche in Bezug auf die Technik unserer schlesischen Altvorderen ein besonderes Interesse hervorrufen, und nach dem zu urthei- len, was bisher in Schriften darüber mitgetheilt worden ist, in dieser Art noch nicht vorgekommen zu sein scheinen. Vor einigen Jahren ließ ich auf meinem Gute Zedlitz, welches 1 Meile westlich von Steinau a. 0. liegt, am Waldrande einen neuen Graben aufwerfen. Dieser durchschnitt eine kiessandige Erhöhung, und hier kam ein Topf zum Vorschein, welchen die Grabenarbeiter eben herausgeworfen-hatten und sei- nen Inhalt umherstreuten, als ich zufällig hinzukam und glücklicherweise sammeln konnte, was nicht schon verschüttet war; sonst würde schwerlich etwas davon gerettet worden sein. Die Form dieses Topfes und die Masse, woraus er gebildet, deuten auf das gleiche Zeitalter der bekannten Todtenurnen und Opferschaalen, mit denen er aber sonst nichts gemein hat; denn man erkennt in ihm wohl eher ein Stück gewöhnlichen Hausraths, vielleicht ein Kochgeschirr, wie sich unsere Altvorderen dessen bedient haben mögen. (Fig. 1.) Fundorte jener Kultusgegenstände sind zwar in der Gegend häufig, aber nicht in unmit- telbarer Nähe, und dieser Topf scheint daher von seinem Besitzer absichtlich an jener einsamen Stelle verborgen worden zu sein. Wer und was war nun aber dieser Mann? Allem Vermuthen nach ein 53 Techniker ersten Ranges unter seinem Volke, ein Geschmeidearbeiter, dessen geschickte Hand das dehn- bare Kupfer in zierliche Formen trieb und sich in Ermangelung schneidender Werkzeuge von Stahl und Eisen sehr sinnreicher Mittel dazu bediente. Der Inhalt des Topfes führt uns gewissermaßen ein in die Werkstätte dieses Künstlers. Ein meiselartiges Instrument nimmt zunächst unsere Aufmerksamkeit in Anspruch, dessen eine Seite mit scharfer Schneide versehen ist, die andere wahrscheinlich zum Glätten und Plätten gedient haben mag. Es ist zwar zerbrochen, — vielleicht absichtlich von dem Besitzer selbst, um dem etwaigen Fin- der den Gebrauch desselben unmöglich zu machen. So bricht aber nur ein spröderes Metall als Kupfer, und dieses Instrument ist daher, seinem Zwecke entsprechend, der Härte forderte, von Bronce, einer Zusammensetzung von Kupfer und Zinn; in welchem Verhältnisse, könnte nur chemische Untersuchung feststellen. (Fig. 2.) Ferner sehen wir eine Anzahl fertiger Armringe, kleinere und größere, elastisch und daher dem Arme sich anschmiegend. Sie sind einerseits zu einer Platte, mit zierlichen Strichen versehen, ausge- trieben, andrerseits verlaufen sie sich in einen gerundeten Draht mit einer Spitze. (Fig. 4.) Zahlreicher sind aber unfertige, sichtlich noch in der Arbeit befindliche solche Armringe vorhan- den, desgleichen mehreres rohere, jedoch schon bearbeitete Material, auch zusammengewundene Drähte und dergleichen. Diese Armringe und das sämmtliche übrige Material dürfte aber wohl als reines feines Kupfer erkannt werden, denn nur dieses läßt sich in der Art austreiben und dehnen, wie wir es hier sehen. Das ganze Verfahren des Künstlers stellt sich uns deutlich vor die Augen. Er nahm ein riemenförmig geschnittenes Stückchen Kupfer von der Stärke einer Linie, wand dieses um ein cylindri- sches Stäbchen und Irieb es auf diesem durch Hämmern (muthmaßlich mit einem dazu geeigneten Steine) einerseits in eine Platte, andrerseits in die Form eines dünnen Drahtes, mit geschmackvoller Verjüngung der Dimensionen. Dann gab er dem Gegenstande mit Hilfe des oben erwähnten Instruments die erfor- derliche Politur, putzte es zurecht, verzierte die platte Seite mit fein gezeichneten Einschnilten, und, so vollkommen hergerichtet, zog er es von dem Stäbchen ab. Es war dann eine Spirale, die er nur aus- einanderzuwinden brauchte, um einen kreisförmigen federkräftigen Armring (oder Spange) zu haben, wie sie sich uns in den fertig vorhandenen darstellen. Alle diese Operationen scheinen ohne Mitwirkung des Feuers gemacht worden zu sein, auch würde sich bei diesem Funde doch eine Spur von Eisen zeigen, wenn bei der Arbeit davon irgend ein Gebrauch gemacht worden wäre... (Fig. 3.) Ferner fand sich in dem Gefäße eine spatelförmige Kupferplatte, auf welcher feine regel- mäßig getriebene Verzierungen eingeschnitten sind; welchen Zweck sie halte, ist schwer zu errathen. Leider ist sie beim Ausgraben etwas defekt geworden. (Fig. 6.) Endlich aber wird dieser Fund noch merkwürdig durch zwei Stückchen rothfarbigen Bern- steins von eigenthümlichem Schnitt und zum Anreihen durchbohrt, welche mithin zu einem Schmuck- gehänge (Halsbande) gehört haben. (Fig. 8.) Vermuthlich befanden sich deren noch mehrere in dem Gefäße, welche aber beim unvorsichtigen Ausgraben verschültet wurden, was sehr zu beklagen wäre, da derglei- chen als Schmuck, bearbeiteter Bernstein bisher noch nicht gefunden worden ist, wie Büsching und Kruse, so wie auch der Dr. Mathias Kalina in seinem Buche über Böhmische Alterthümer, ausdrücklich bemer- ken und versichern. Stücke unbearbeiteten Bernsteins sind in Schlesien allerdings ausgegraben wor- den; ein solches im Jahre 1817 zu Klein-Weigelsdorf, 1, Meilen östlich von Breslau, bei Gelegenheit der Räumung eines Armes der Weyda (das Grenzwasser genannt), 3", Loth schwer, unter einem Ei- chenstrauche, welcher gerodet werden mußte. Ob es durch Vermittelung der Natur oder des Menschen dorthin gelangte, muß dahingestellt bleiben. | 54 Unstreitig gewähren die hier beschriebenen und vorgezeigten Gegenstände ein besonderes Interesse, Sie lenken den Gedanken auf den ungekannten Volksstamm, von dem sie herrühren, bei'dem man eines- iheils Bildung, anderntheils Rohheit vorauszusetzen sich veranlaßt findet. Letztere würde darauf zu be- ruhen scheinen, daß sich ‚aus der vorchristlichen Zeit Schlesiens nirgends eine Spur von Schriftzeichen nachweisen läßt. Im höheren Norden, in Skandinavien, finden sich doch Ueberreste der Runenschrift. Hatten jene alten Landeinsassen feste Wohnsitze, so muß es auffallen, daß ihre baulichen Ueberreste verschwunden sind, wenigstens sucht man sie vergebens in der Nähe der Begräbnißstätten, deren meh- rere einen großen Raum einnehmen und Tausende von Urnen enthalten. Mangelte es ihnen etwa neben ihren anderen Kunstfertigkeiten am Bausinn? Betrachtet man dagegen diese Urnen und vielartig gestal- teten Gefäße, so läßt sich ihnen das Gefällige der Formen nicht absprechen. Wir wollen sie im Ver- gleich mit Mustern hellenischer Antike geschmackvoll gearbeitet und verziert nennen. Unverkennbar ist dies ein Zeichen von höher entwickelter Volksbildung. Sogar der hier zum Vorschein gekommene gemeine Topf ist nicht ohne Zeichen des Sinnes für das Schöne gemacht. Sehr bemerkenswerth ist ferner, daß auch dieses einfache Gefäß nicht aus der freien Menschenhand hervorgegangen ist, was noch viel weni- ger bei den vielgestaltigen, mitunter in beträchtlicher Größe vorhandenen Urnen der Fall sein kann, die von einer schmäleren Basis sich in der Mitte ausweiten, dann in eine engere Halsmündung zusammenge- zogen sind und meistens oben einen mit sanfter Krümmung nach Außen übergebogenen Rand haben. Nur mit der Drehscheibe, dem Instrumente unserer heutigen Thonarbeiter, konnten derartige Ge- fäße aus der weichen Masse geformt werden. Dieses Instrument war mithin auch schon im Besitz unserer schlesischen Altvorderen. Ob sie es sich selbst erfunden halten, muß dahingestellt bleiben; wahrscheinlicher ist es ihnen bei dem Hin- und Herwogen der Völker in grauer Vorzeit zugekommen; denn die Technik aller bekannten Völker des Alterthums in Asien, Afrika und Europa war erweislich mit dem Gebrauch der Töpferdrehscheibe vertraut. Die Thonmasse, aus welcher das betreffende Gefäß geformt ist, hat das Merkwürdige, ‚daß sie mit einer Menge auf der Oberfläche deutlich sichtbar schimmernder Glimmertheilchen vermischt ist. Dem plastischen Thone sind sie in der Natur völlig fremd, und in dem etwa darunter zu mischenden feinen Sande sind derartige Glimmerbestandtheile auch nicht vorhanden; .es ist daher fraglich, wie oder in wel- cher Absicht Glimmer der Thonmasse unseres Gefäßes beigegeben wurde. In der Nähe des Fundortes ist verwitterter Glimmerschiefer nicht vorhanden. Eine auffallende Erscheinung, die sich auch bei diesem Funde wiederholt hat, ist, bezüglich der metallenen Gegenstände, das Vermissen des Eisens oder Stahls. Hier ist Kupfer und Bronce, und man kann daher nicht zweifeln, daß die hiesigen Techniker jenes Zeitalters mit der Schmelzung der Metalle umzugeben verstanden. Wie mögen sie aber in den Besitz dieser Metalle gekommen sein? Kannten sie schon die jetzigen Fundorte derselben in ihren Bergen? Und würden sie im Stande gewesen sein, diese Metalle bergmännisch zu fördern, ohne Hilfe von Stahl und Eisen? Man muß dies bezweifeln und vermag nur zu muthmaßen, daß sie im Verkehr mit anderen Völkern zu den ihnen brauchbaren Metallen gelangten. War dies der Fall: warum bezogen sie von dorther nicht auch das so viel nützli- chere Eisen? Es sind dies in der That schwer zu lösende Fragen. Die anderweit gefundenen, aus jenem Zeitalter herrührenden klingenförmigen Messer und Sicheln (sogenannte Abhäutemesser) sind immer von Kupfer oder Bronce, und das Wenige, was man elwa von eisernen Gegenständen gefunden hat, ge- hörte ziemlich entschieden nicht ihnen an, sondern es deutet auf die Züge der Römer, welche, die Völ- ker weithin bekriegend, beispielsweise von dem festen Punkte Celmantia bei Comorn an der Donau durch das Waaglhal nach Schlesien gelangten, oder sich auf Handelswegen dem Viadrus und der Vistula ent- lang bis in die Bernsteinländer an den Küsten der Ostsee leiten ließen. Findet 'man Ueberreste von - BR) ‚eisernen Waffen neben schlesischen Alterthümern, so sind ‘dies evident nicht die alt-landüblichen, son- dern sie sind römischen oder späteren Ursprungs; jene waren Streithämmer oder Kolben von Stein oder Bronce. Das Eisen ist allerdings schwieriger aus seinen natürlichen Verbindungen zu lösen, als manche an- dere Metalle, z. B. das Kupfer, und es konnte deshalb im Alterthume verhältnißmäßig nur wenig verar- beitet werden. Daß und wie unsere schlesischen Altvorderen sich bei ihren technischen Arbeiten ohne Eisen zu behelfen wußten, lehren die uns hier vorliegenden Proben ihres Verfahrens. Eine andere Frage ist aber die: ob sie ohne Eisen das Land zu kultiviren im Stande waren? In dem Klima unseres Him- melsstrichs scheint dies sehr zweifelhaft. Vieles deutet darauf hin, daß sie keine festen Wohnsitze hat- ten und ein Nomaden- und Jägerleben führten, wobei es ihnen an animalischer Nahrung nicht fehlen konnte. Aber einem daran gewöhnten Gaumen genügten wohl auch die vegetabilischen Lebensmittel, welche die Waldungen darboten, Eicheln, Bucheckern und andere wilde Früchte. Tausendjährige Eichen, Birnen- und Aepfelbäume standen wohl, wo der Boden ihnen zusagte, überall vertheilt auf grünem Rasen oder in geschlossenem Waldwuchse, und das Landschaftsbild jener Zeit mit der Staffage lagernder Volks- stämme, ihrer Viehheerden und des zahlreichen Wildes aller Art läßt sich romantisch genug ausmalen. — Nach Tacitus waren unsere alten Vorfahren Lygier, von dem großen Stamme der Sueven — Deutsche; aber unser zu früh dahingeschiedener Stenzel hält sie mit größerer Wahrscheinlichkeit für angehörig dem großen slavischen Volksstamme, der sich östlich bis nach Asien hin ausbreitete. Jene Spuren der Römerzüge und Handelsreisen durch das Land hinter dem Korkonossischen Gebirge (Korkonosch heißt auch noch jetzt slavisch das Riesengebirge) datiren aus dem ersten Jahrhundert nach Christus. Merk- zeichen daraus hervorgegangener höherer Kultur des Landes sind nicht aufzufinden. Sie sind aber das einzige Streiflicht, welches die Geschichte einmal über unsere Gegenden hinziehen ließ. Wie die Zeit zuvor, so liegen die Jahrhunderte nachher in tiefes Dunkel gehüllt; es beginnt erst mit dem 10. Jahr- hunderte, welches dem Lande das Christenthum brachte, sich allmälig zu lösen. Ob nun der Eigenthümer des Gefäßes und dessen Inhalts, welcher mir Gelegenheit gegeben hat, einen Blick auf die Technik unserer dunklen Vorfahren zu werfen, ein deutscher oder slavischer Mann war, ob und wie lange er vor oder nach dem ersten Jahre unserer neuen Zeitrechnung lebte, — diese Fragen werden wohl unbeantwortet bleiben müssen. Erfreulich wird. es uns aber immerhin sein, wenn wir Spuren alter Kultur in unserer Heimath entdecken, deren eigentliche Geschichte eine so jugendliche ist, und gern werden wir den vorgezeigten hier besprochenen Fund einen wissenschaftlichen Schatz nennen und anerkennen, daß der Verfertiger jener jetzt mit edlem Rost hedeckten Geschmeide seinem Volke mehr als ein gewöhnlicher Handwerker, daß er demselben ein Künstler war. Erklärung der Tafel. Die in vorstehender Abhandlung beschriebenen Gegenstände sind in natürlicher Größe abgebildet, mit Ausnahme der Urne, die in ', ihrer Größe dargestellt ist. Fig. 1. Die Urne. Fig. 2. Der Meisel, in der Mitte durchgebrochen. Fig. 3. Eine Reihenfolge von Kupferdrähten, welche die allmälige Bearbeitung derselben zu den Armringen anschaulich macht. a) ein kleines Stück viereckigen, riesenförmigen Drahtes; b) dünnerer Draht, eng gewunden: c) stärkerer Draht, weiter gewunden; d) e) der- selbe theilweise bandförmig) ausgeschlagen; f) die breiteren Partieen am Rande mit 3—5 56 parallelen Linien verziert; g) sehr breit geschlagener und sehr weit gewundener Draht, ohne parallele Liuien; h) ein bandförmiges Stück mit Parallellinien verziert. Fig. 4. Zwei fertige Armringe: a) ein größerer, b) ein kleinerer. Fig. 5. Zwei dünne Röhren, a) glatt, b) verziert, anscheinend aus einem Ringe gebildet. Fig. 6. Die spatelförmige Kupferplatte, Fig. 7. Ein kegelförmiger Knopf von Kupfer. Fig. 8. Die beiden durchbohrten Bernsteinstücke. Herr Pastor Schade in Saabor sandte nachstehende Mittheilung ein, welche am 13. December zum Vortrage kam: Ueber zwei im Torfmoore bei Saabor aufgefundene, wahrscheinlich aus vorchristlicher Zeit stammende Kähne. Vor mehreren Monaten wurden im Torfmoore bei Saabor in einer Tiefe von 3 Fuß zwei Kähne gefunden, von denen der kleinere, 12 Fuß lang, von den Torfgräbern zertrümmert, der größere aber, 23 Fuß lang, ziemlich unversehrt herausgefördert ward. Er ist insofern ein interessanter Fund, als er die Annahme bestärkt, daß die dortige Gegend nicht blos überhaupt lange schon in vorchristlicher Zeit bewohnt gewesen sei, sondern daß auch die ganze Niederung in der nächsten Nähe, welche jetzt treff- liche Torf- und Mergelkalklager enthält, auch zur Gewinnung von Gras und Cerealien auf das Vortheil- hafteste benutzt wird, ehedem einen großen See gebildet haben müsse, auf und in welchem Jagd und . Fischerei betrieben worden, — denn dafür spricht namentlich auch der Umstand, daß in dem Moore einzelne, zu diesem Behufe dienende Geräthschaften und Werkzeuge, ferner einzelne Knochen und Ge- weihe von Rothhirschen, Schaalen von Schildkröten u. m. a. gefunden worden sind, Was nun den in Rede stehenden Kahn anlangt, so ist er schon seiner Form wegen bene Diese hat nämlich eine auffallende Aehnlichkeit mit den Canots der 'Eskimos, so wie er auch einiger- maßen an die Kähne erinnert, die man heute noch im Spreewalde sieht. Unser Kahn besteht aus einem einzigen Baumstamme, dessen Holzart sich zwar nicht mehr mit Bestimimtheit erkennen läßt, doch aber der Eiche am nächsten zu kommen scheint. Da das Ganze sehr ausgelaugt ist, so ist es auch sehr leicht. Die sogenannte Kaffe des Kahns ist 20 Zoll lang; dann fängt der innere Aushieb an, der bis 94, Fuß beträgt und auf welchem eine Erhöhung von 7, Zoll geblieben ist. — Diese angegebene Länge bildet den halben Baumstamm; die andere Hälfte ist ebenso konstruirt. — Die eigentliche Tiefe des Kahns beträgt etwas über 8 Zoll, die Breite in der Mitte 2 Fuß, und die Stärke in der Mitte ist jetzt noch 2 Zoll, nach den Seiten hin schwächer. Der Kahn ist nicht zum Stehen, sondern zum Sitzen eingerichtet. In ihm befand sich eine noch gut erhaltene Urne (Topf ohne Henkel), ganz von der Masse und Form, wie sie in hiesiger Gegend vielfach als sogenannte heidnische Todtenurnen gefunden werden; doch trägt er keine Spuren im Innern, die etwa auf seine Verwendung zum Kochen schließen ließen, wahrscheinlich wurden in ihm nur flüssige Speisen oder Getränke für die Fischer aufbewahrt. Auch lagen im Kahne selbst außer einem Stückchen von einem Ruder noch einige angebrannte von Holz, welches noch einen außerordentlich frischen, schönen Glanz hat und vielleicht zum Leuchten in der Nacht gedient ha- ben mag. Der Kahn steht gegenwärtig in einem Zimmer des obersten Stockwerkes des Schlosses zu Saabor. Eine Zeichnung desselben wurde mitgetheilt. Vielleicht findet er bald einen geeigneteren Standort, wo er der atmosphärischen Luft weniger ausgesetzt ist und das Aufblättern und Entrollen der dichten Holz- EL ISESSHFBIERILNFTALKITTAUTATIZUTEFERTFFUTITVETTEREN UILLSERE ze HHITIABEARBDELILIRFSERBIRBTSCÄNRIERISTSHRFELSEMGAN [T7] Li FIFTTEIELFIIITEN Y Assmearere £e- 97 schichten, und somit das allmälige Zerfallen und Auflösen dieses interessanten Fundes nicht mehr. in dem Maaße wie bisher beschleunigt wird. Der erste Secretair der Section Geheimer Medicinalrath, Professor Dr. Göppert am 25. October: Ueber die Versammlung der Naturforscher in Göttingen, Derselbe berichtete über die Einrichtungen derselben, die anerkennungswerthe Thätigkeit der Herren Geschäftsführer, Prof. DD. Baum und Listing, die eben so wie die Stadt Göttingen es sich höchst an- gelegen sein ließen, nicht blos allen billigen Wünschen zu genügen, sondern ihnen sogar zuvorzukom- men. Wenn ihnen dies nicht nach allen Seiten hin gelungen sein sollte, wie hie und da in öffentlichen Blättern verlautete, so mögen sie sich mit der Unmöglichkeit trösten, den nur zu vielseitigen Wünschen von mehr als 500 Personen entsprechen zu können; denn bis zu dieser Zahl hatte sich die Versammlung erhoben. Wer von wahrem wissenschaftlichen Interesse beseelt nicht in äußerem Prunke, sondern in aufrichtigem, herzlichem Entgegenkommen und in der Gelegenheit zu belehrendem Verkehr mit Wissen- schafts-Genossen den eigentlichen Kern dieser Versammlungen überhaupt zu suchen gewohnt ist, wird gewiß nicht ohne Befriedigung die durch großartige literarische Erinnerungen der Vergangenheit und ‘Gegenwart jedem Deutschen liebe Universitätsstadt verlassen haben, wie denn auch Referent nur mit Dank sich an die ihm daselbst von allen Seiten zu Theil gewordene freundliche Aufnahme zu erinnern vermag. Die literarische Thätigkeit der Versammlung concentrirte sich vorzugsweise in den für die ver- schiedenen Zweige der Naturwissenschaft und der Mediein bestimmten Sectionen. Einzelnes aus densel- ben wurde hervorgehoben und ganz besonders bei den geologischen und botanischen verweilt, deren letzteren Versammlungen Referent vorzugsweise beiwohnte. Die Göttinger Special-Collegen, die Herren Prof. DD. Sartorius, v. Waltershausen, Bartling, Direktor des botanischen Gartens, Grisebach, Lantzius Beninga, Wiggers, ließen es sich angelegen sein, Allen auf das Freundlichste entgegenzu- kommen, und mit ganz besonderem Lobe wurde des botanischen Gartens gedacht, der an Landpflanzen seines- gleichen sucht, so wie auch hinsichtlich der Genauigkeit der Bestimmungen keinen Rivalen zu scheuen hat. Auf dem Rückwege besuchte Referent wieder, wie auch früher schon oft, die prächtigen Anlagen zu Herrnhausen, die ihre jetzige Gestalt dem verstorbenen König von Hannover verdanken. Ausgezeich- net durch eine Sammlung von Palmen und Pandaneen, die reichste des Continents, von Cycadeen, von Neuholländern und anderen Repräsentanten fremder Zonen, erfreuen sich diese Anlagen des ganz beson- deren Glückes, nun schon in der dritten Generation in den Wendland’s gleich treffliche Cultivateure wie Botaniker zu besitzen. Schließlich legte der Vortragende noch die Fortsetzung eines Werkes vor, an dessen Bearbeitung er selbst sich früher betheiligt hatte, nämlich: Die im Bernstein befindlichen organischen Reste der Vor- welt, gesammelt und in Verbindung mit Mehreren herausgegeben von Dr. G. C. Berendt. I. Bd. II. Abth. Berlin, C. Nicolai. 1854. Es enthält auf 124 Folioseiten und 17 Tafeln in demselben Formate die im Bernstein befindlichen Crustaceen, Myriapoden, Arachniden und Apteren der Vorwelt, bearbeitet von C. L. Koch, kgl. baierschem Forstrath in Regensburg, und Dr. G. C. Berendt, kgl. preußischem Sani- tätsrath in Danzig. Die im Jahre 1846 erschienene erste Abtheilung betraf die von Dr. Berendt und von mir bearbeiteten Pflanzenreste. Wenn es schon sehr schwierig ist, die noch lebenden Arten der genannten Insektenklassen zu bestimmen und zu beschreiben, so ist dies bei den selteneren, ringsum von einer nicht ganz durchsichtigen Masse umgebenen, öfters noch verstümmelten Thieren der Vorwelt natür- lich noch weit mehr der Fall, und es war daher ein höchst verdienstvolles, die Wissenschaft wesentlich 8 98 förderndes Unternehmen des leider zu früh verstorbenen Autors und Herausgebers, diese Schätze der Natur einem größeren Kreise von Freunden derselben zu erschließen. Er sowohl als seine Familie ha- ben das Erscheinen des Werkes nur durch namhafte Opfer ermöglicht, und einer durch Liebe zur Wis- senschaft, wie durch Sachkenntniss gleich ausgezeichneten Dame des Hauses verdanken wir insbeson- dere die Fortsetzung desselben. Um die Herausgabe wie auch um die Redaction des Textes hat sich der höchst kompetente Verfasser der Vorrede, Herr Oberlehrer A. Menge, wesentliche Verdienste erworben. Mögen diese wenigen Andeutungen genügen, alle Naturkundigen und Naturfreunde auf dieses aus- gezeichnete, einzig in seiner Art dastehende Werk aufmerksam zu machen. 59 Bericht über die Verhandlungen der botanischen Section im Jahre 1854, F'r. Wimmer, zeitigem Secretair derselben. \ D. botanische Section hat im Jahre 1854 vier Versammlungen gehalten, in welchen folgende Gegen- stände zur Verhandlung gekommen sind. In der ersten am 26. October hielt Herr Privat-Docent Dr. Cohn einen Vortrag über das Drehen der Bäume, und erläuterte Derselbe die seltne, neuerdings nach der Ueberschwemmung beobachtete Alge Sphaeroplea annulina und die Entdeckungen Thuret’s über geschlechtliche Differenz und stattfindende Befruchtung der Sporen durch Spermatozoen bei einigen Fucus-Arten. In der zweiten am 9. November legte der Secretair die von der Section für Obst- und Gartenbau angekaufte Pomologie Frangaise von Poiteau zur Ansicht vor. — Herr Präses, Geheimerath Professor Dr. Göppert hielt einen Vortrag über die in den letzten Jahren gemachten Erwerbungen und gegen- wärtige Gestalt und Umfang des hiesigen königlichen botanischen Gartens. — Herr Stadtrichter Wichura legte zwei von ihm unterschiedene Arten aus der schlesischen Flora: Cerastium longirostre und Dian- thus Wimmeri, vor und erläuterte deren. Unterschiede von den verwandten Arten ©, vulgatum (triviale Lk.) und D. superbus. Derselbe gab ferner einige Notizen über Wurzel-Parasitismus der Euphrasien, die Entwickelung von Polygonum Bistorta, die Umsetzung der Blattwirtel an Valeriana sambucifolia, Adventiv-Knospen an Linaria-Arten und die Keimblätter von Erodium cicutarium. In der dritten am 23. November legte Herr Geheimerath Göppert Exemplare von Usnea longis- sima und einige naturhistorische nordamerikanische Werke vor. — Herr Dr. Milde trug Bemerkungen über schlesische Kryptogamen, als Resultate seiner diesjährigen Exkursionen, vor. In der vierten am 14. December legte Herr Musikdirector Siegert eine Reihe von Hieracium- Formen vor, wie er dieselben auf seinen diesjährigen Exkursionen in das Riesengebirge beobachtet hatte, und erwähnte einiger neuer Fundorte schlesischer Pflanzen. — Der Secretair erläuterte einige selinere schlesische Pflanzen und berichtete über die von auswärts eingegangenen Mittheilungen über schlesische Pflanzen von den Herren: Bartsch in Ohlau, Gerhardt in Liegnitz, Hilse in Strehlen, Kelch in Ra- übor, Mielke in Groß-Glogau und Postel in Parchwitz. g* [4 60 Herr Geheimer Medicinalrath, Professor Dr. Göppert: Der botanische Garten der Universität Breslau oder die botanischen Unterrichtsmittel der- selben, insbesondere vom pharmaceutisch-medicinischen Standpunkt. Es läßt sich nicht läugnen, daß die trefflichen Anstalten, durch welche fast überall das Studium der Chemie sehr erleichtert wird, auch die Studirenden veranlassen, ihr vorzugsweise Fleiß und Aufmerk- samkeit zu widmen. So erfreulich dies an und für sich auch ist, darf es doch nicht zu einer geringe- ren Berücksichtigung der anderen naturwissenschaftlichen Disciplinen führen, weswegen es mir nothwendig erscheint, daß auch sie sich bestreben, auf ähnliche Weise den Wünschen der Zeit entgegenzukommen. Die botanischen Gärten lassen in dieser Hinsicht vielleicht Mahches zu wünschen übrig. Man findet in ihnen oft nicht, was man gerade erwarten sollte, wie z. B. die wichtigsten technischen und medieini- schen Gewächse. Sie sind allerdings nicht zu leicht zu beschaffen, würden aber bei dem gegenwärtig so sehr. erleichterten Weltverkehr mit geringeren Schwierigkeiten zu erlangen sein, wenn häufigere Nach- frage nach ihnen stattfände. Von diesen und ähnlichen Gesichtspunkten geleitet, fühlte ich mich veran- laßt, hier die Gesichtspunkte anzudeuten, die mich. bei einigen Einrichtungen in dem hiesigen botanischen Garten leiteten. | Die botanischen Gärten haben meiner Meinung nach nicht nur die Kenntniß der verschiedensten Pflanzenarten zu fördern, sondern auch Einrichtungen zu treffen, durch welche man sich eine anschau- liche Uebersicht von den mannigfaltigsten Pflanzenformen der Erde zu verschaffen vermag. In ersterer Hinsicht habe ich mich seit der definitiven Uebernahme des Directorats des hiesigen botanischen Gartens (seit 2 Jahren) unablässig bestrebt, bei dem beschränkten Raum und Mitteln desselben, vorzugsweise Reprä- sentanten der Pflanzenfamilien zu sammeln, so wie auch diejenigen Arten zu erlangen, welche in medi- einisch-pharmaceutischer, technischer oder anderweitiger Hinsicht von Bedeutung erscheinen. Laut einem in dieser Zeit ebenfalls angefertigten wissenschaftlichen Kataloge sind von den bis jetzt bekannten 300 Familien etwa 28 noch nicht vertreten, und unter der Gesammtzahl der Arten, die ich ohngefähr auf 11,000 anschlage, befinden sich wohl an 1500, an welche sich irgend ein Interesse nach jener Rich- tung hin knüpft. Von den officinellen Pflanzen, welche die neueste Ausgabe der preußischen Pharmakopöe auf- führt, fehlen noch 22 Arten, von denen freilich der bei weitem größte Theil noch nie in einem euro- päischen Garten gesehen wurde. Unser Arboretum zählt an 1300 Arten und Formen von Bäumen und Sträuchern (der 20 Morgen große Raum des, Gartens gestattet noch viele Erweiterung). 2500 peremi- rende Gewächse werden kultivirt und 8—900 einjährige jeden Sommer ausgesäet. Die Alpenllora, ex- .elusive zahlreicher, sehr gut gedeihender Laub- und Lebermoose, ist durch 250 Arten vertreten. Die Gewächse wärmerer Klimate werden in verschiedenen, der Natur derselben entsprechend eingerichteten _ Gewächshäusern kultivirt, die vorläufig noch ausreichend sind. Nur ein kleines Vermehrungshaus er- scheint wünschenswerth, das ich wohl hoffen darf, von der Munificenz unseres Hohen Ministeriums zu erhalten, welches bereits durch den vor 2 Jahren erfolgten sehr kostspieligen Umbau des großen warmen Hauses, so wie durch wiederholte extraordinaire Unterstützungen auf höchst dankenswürdige Weise ge- zeigt hat, welches große Interesse es dem Aufblühen unsres Institutes widmet. Der Samentausch-Ver- kehr mit anderen Gärten wird lebhaft unterhalten. Im vorigen Jahre (1853) wurden 520) Prisen abge- geben, in diesem Jahre (1854) 6500; von einzelnen Gärten 3— 400 verlangt. Um dem zweiten oben angedeuteten Zwecke botanischer Gärten zu genügen oder anschauliche Uebersichten der mannigfaltigsten Pflanzenformen der Erdoberfläche zu verschaffen, bedarf es Aufstellungen von Gruppen lebender Pflanzen. 61 Je reicher ein Garten ausgestattet ist, um desto eher wird er auch im Stande‘ sein, dieser Anforderung zu genügen, die eigentlich nichts weiter bezwecken kann, als unseres unsterblichen Humboldt’s Ideen über Physiognomik der Gewächse praktisch darzustellen. Auch ist es wohl nothwendig, dergleichen Aufstellungen im Freien zu bewirken, da Gewächshäuser nur selten Raum genug bieten, um recht Vielen Anschauung zu gewähren. Ungeachtet der mannigfalti- gen damit verknüpften Schwierigkeiten habe ich es, bei freilich nur in’ beschränktem Grade vorhandenem Materiai, dennoch unternommen, Einrichtungen dieser Art in’s Leben zu rufen, welche als erste Versuche dieser Art freilich nur zu gegründete Ansprüche auf nachsichtige Beurtheilung zu machen haben, dennoch aber wohl verdienten, auch anderswo Nachahmung zu finden. Zunächst sind 66 Gruppirungen dieser Art in den verschiedenen Theilen des Gartens eingerichtet worden, über welche eine am Eingange des Gartens befestigte Tafel näheren Aufschluß ertheilt, während bei jeder einzelnen Gruppe sich noch eine kleine Tafel befindet, auf der auch noch die Hauptgattungen der Aufstellung mit verzeichnet sind. 44 beziehen sich auf die sämmtlichen Haupt-Pflanzenformen der Erde, 22 andere auf Pflanzenformen einzelner Länder und Zonen in ihrer Gesammtheit. Unter den ersteren sehen wir Moose, Flechten, Farnkräuter der gemäßigten Zone beider Hemisphären, gepflanzt auf und um einen fossilen Baumstamm (Pinites Pro- tolarix m.) von 27‘ Umfang aus dem Braunkohlenlager zu Laasan (ein in seiner Art einziges Stück) *); ferner. ‚tropische Farn, Aroideen, Orchideen, Schlingpflanzen, baumartige Lilien, Gräser verschiedener Zonen inclusive baumarliger, Bananen oder Pisanggewächse, Amomeen, Cannaceen, Ananasgewächse, Agaven, Palmen, Ericeenformen der verschiedensten Gegenden der Erde, Nadelhölzer der nördlichen und südlichen Halbkugel, Cykadeen, Myrtenartige Gewächse als Hauptvegetationsform der temperirten und subtropischen Zone Neuhollands , Cactusformen und andere fleischige Gewächse aus den Familien der Crassulaceoe, Aizoideae und Aloineen, Laubhölzer aller Zonen mit abfallendem und mit perennirendem Laube, so wie mit gefiederten Blättern, akazien- und mimosenartige Gewächse etc. Zur Uebersicht der Pflanzenformen der einzelnen Länder und Zonen in ihrer Gesammtheit dienen Zusammenstellungen von Vegetationsformen der arktischen und subarktischen Zone, der Alpen beider Hemisphären, des südlichen Europa’s, Laubhölzer des nördlichen Amerika’s, China’s und Japan’s, Vegetationsformen Chili’s, der Ca- narischen Inseln, des Vorgebirges der guten Hoffnung, Australiens etc., welche alle noch vielfache Er- weiterungen erfahren können. Den medicinisch und technisch wichtigen, im Freien ausdauernden Pflanzen ist ein eignes Feld gewidmet, ebenso denjenigen, welche sich in der kälteren Jahreszeit in unseren Gewächshäusern und: nur zeitweilig, zum Theil zum erstenmal im Freien befinden; unter letzteren die Mutterpflanzen des Tragant, Indigo, Kampfer, Aloe, arabischen und elastischen Gummi’s, der Baumwolle, Sarseparille; Cardamomen, der Bataten, Jalappa, Meerzwiebel, des Zimmt, Kaffee’s, Zuckerrohr, Sternanis, Pistacien, Euphorbium, Pfefferarten etc. In dem Innern des großen Warmhauses sind alle Pflanzenfor- men der Tropen ohngefähr so zusammengestellt, wie sie in den dortigen Urwäldern etwa vorkommen, wobei auch zugleich auf die charakteristischen Formen der Tropen der alten und neuen Welt die mög- lichste Rücksicht genommen ward. Auf der Etiquette einer jeden Pflanze ist außer dem Namen noch *) In der Nähe befinden sich auch noch andere zur Erläuterung der Braunkohlenformation bestimmte Exem- plare. Zur Illustration der Steinkohlenformation dient eine andere, ihrer Vollendung entgegengehende Partie, welche einen senkrechten, 14 Fuss hohen und 50 Fuss breiten Durchschnitt des Steinkohlengebirges darstellt, mit den Sand- stein-, Schieferthon- und Kohlenschichten und den darin vorkommenden Pflanzen in grossen instruktiven Exemplaren. Auf den die Hebungs- und Senkungsverhältnisse dieser Schichten vermittelnden Porphyr-, Basalt- und Granit-Kegeln werden Alpenpflanzen kultivirt. Ich werde später diesen ersten Versuch der Einführung der Paläontologie in unse- ren Gärten durch eine Abbildung näher zu erläutern suchen. 62 das Vaterland und die Familie, so wie die etwaige technische oder medicinische Anwendung vermerkt, wie auch bei den im Freien kultivirten nach natürlichen Familien angeordneten Gewächsen jede Familie durch eine eigne Tafel noch besonders bezeichnet erscheint. Wenn auch nun alie diese Einrichtungen darauf berechnet sind, zur Anschaulichkeit des Unterrichts beizutragen, so lassen sie doch in vielfacher Hinsicht noch mancherlei zu wünschen übrig. Eine nicht geringe Zahl dieser Gewächse, und eben viele der interessantesten, erreichen in unseren Gewächshäusern stets nur einen niederen Grad von Ausbildung, der sich nur selten bis zur Blüthen- oder gar Fruchtbildung versteigt, oder sind auch nur in so gerin- ger Menge vorhanden, daß sie zu physiologischen und anatomischen Untersuchungen nicht verwendet werden können. Sammlungen von Stämmen, Blättern und Früchten, sowohl in normalem wie in ab- normem, resp. pathologischem Zustande können dazu beitragen, diese Lücke auszufüllen. Seit Jahren war ich bemüht, dergleichen zusammenzubringen. Seitens des Ministeriums ist mir zur Aufstellung dieser Sammlungen zur Bildung eines botanischen Museums ein hierzu höchst geeignetes Lokal, das ehema- lige chemische Auditorium der Universität, überwiesen worden. Sie enthalten in allen Gegenden der Erde gesammelte Pflanzen oder solche Theile derselben, welche sich wegen ihres Umfangs von den gewöhnlichen Herbarien nicht aufnehmen lassen, wie Stämme, große Blätter, Blüthen und Früchte, zwar zunächst aus allen Ländern Europa’s, aus dem Caucasus, Sibirien, Central-Asien (gesammelt von Schrenk, Gebel, Middendorff), aus Nepal, vom Himalaya (Robert Hooker), aus Ostindien (Becker, Jacqueminot), China und Japan (v. Sie- bold), Molukken, Java, Sumatra (Blume, Reinwardt, Junghuhn), Australien, Neu-Seeland, Vandiemensland, Nord-Afrika, und zwar aus Aegypten und Algier, aus Guinea, Abyssinien, dem Vorgebirge der guten Hofl- nung, Mosambique, Grönland, Vereinigte Staaten (Prinz Maximilian von Neuwied), Texas, Mexiko (Aschenborn, Burchard), Central-Amerika, Venezuela, Honduras, Carakkas (Wagner, Carsten und Andere), Surinam, Guyana, Brasilien (Martius, Gaudichaud, G. St. Hilaire, Prinz Maximilian von Neuwied), Chili, Peru und Californien. Die einzelnen Abtheilungen des Museums sind folgende: 1) Stämme. oder ganze Pflanzen, 2) Blätter, 3) Früchte und Samen, 4) pathologische und phy- siologische Produkte des Pflanzenreiches. hr 1. Stämme oder ganze Pflanzen. Stämme oder ganze Pflanzen, entweder in größeren Stämmen, wie die der Monokotyledonen, wenn die Rinde besondere Merkmale darbietet, oder durchweg in Querschnitten (nicht etwa in Form von klei- nen, aber zierlich zugeschnittenen Segmenten, wie man sie oft noch in manchen akademischen Samm- lungen sieht, sondern bis zu 12—15‘ Umfag nnd mehr als 300 jährigen Alters), sowie oft auch von ein und derselben Art aus verschiedenen Klimaten und Höhen, und zwar fast aus allen Pflanzenfamilien, welche überhaupt holzartige Gewächse enthalten, deren Zahl etwa auf 180 anzuschlagen ist. Abgesehen ‚ von allen in medicinischer, pharmaceutischer oder technischer Hinsicht wichtigen Stämmen und Hölzern, die sämmtlich vorhanden sind, sei es erlaubt, nur einige der seltneren anzuführen. Aus den Familien der riesigen Parasiten Java’s die von mir beschriebenen und abgebildeten Balanophoreen, zahlreiche Protea- ceen vom Cap und Australien, Myrtaceen, insbesondere Eucalypteen (E. robusta, gigantea ete.). Aus der Familie der Anonaceae Asimina triloba (Illinois, Maxim. Prinz v. Neuwied), Uvaria odorata Lam. (aus dem botanischen Garten zu Kalkutta), die verschiedenen Lianen oder Schlingsträucher Brasiliens gesammelt von Martius, Gaudichaud), der Humboldt’sche Handbaum aus Mexico (Cheirostemon plalanoi- des), der Gummiguttibaum, 3 Arten desselben, Cissus scariosa Bl., die Mutterpflanze der größten Blume der Erde, der Rafflesia, die Hippocratea indica Willd., leica indica W. et Arn., viele Banksien, Caulo- tretus, Terminalien, Compositen, wie Stliftia chrysantha, Rubiaceen (Canthium floribundum), Sapoteen, Krähenaugenbaum (Strychnos nuz vomica), sowie die berüchtigten javanischen Giftbäume, Strychmos 65 Tieute und Antiaris toxicaria, Euphorbia canariensis, der interessante Milch- oder Kuhbaum (Ga- lactodendron utile Humb.), die.Pfeffersträucher, die neuseeländischen Casuarineen, Zapfenbäume oder Coniferen aus allen bekannten Fundorten, an 400 Exemplare (unter andern Libocedrus chilensis, Dam- mara australis, die japanischen und die. des Himalaya, die Araucarien), Cykadeen, 4—5’ hohe Stämme vom Cap, die seltene Cycas circinnalis von 2° Durchmesser mit 10— 15konzentrischen Kreisen, Orchi- deen aus Central-Amerika und Rio Janeiro, die seltene Aavenala madagascariensis aus Java, baum- artige Juncineen (Juncus serratus Th.), Haemodoraceae (WVellosia candida), Strelitzia augusta in 3 hohen Stämmen, Knollenstämme von Tamus elephantipes, viele baumartige Liliaceen, Dracaeneen, die neuseeländischen Grasbäume (Xanthorrhoea hastilis und arborea), Pandaneen, Carludovica, Palmen an 40 Arten, unter ihnen die Attalea funifera, Licuala peltata Roxb., Metroxylon Rumphiü, Livistona rotundifolia in Querschnitten von 1—1',‘ Durchmesser, 4’ hohe und 1’ dicke Bambusröhre aus Su- matra, und eine überaus reiche Sammlung baumartiger Farnstämme bis zu 10° Höhe, an 30 Stück aus den gesammten Tropen der alten und neuen Welt. 2, Blätter, An 50 Blätter verschiedener Palmen und Cykadeen bis zu 10’ Länge. 3. Früchte und Samen. Sie bilden vielleicht einen der werthvollsten Theile meiner Sammlung, da sie nicht blos alle in medicinischer, pharmaceutischer und technischer Hinsicht wichtigen Früchte und Samen der verschieden- sten Gegenden der Erde enthält, sondern auch diejenigen vorhanden sind, welche in physiologischer oder physiographischer Hinsicht für den Unterricht von Wichtigkeit erscheinen. Viele von ihnen werden im Weingeist aufbewahrt. Nur einige will ich namentlich anführen: die Brotfrucht Australiens, die des Af- fenbrotbaumes vom Senegal, die Früchte der Pandaneen, eine ganze 1%,’ lange Fruchttraube von Pan- danus fürcatus aus Java; Früchte von Aavenala, Urania, Nipa, Palmen allein an 70 Arten, unter ih- nen die Areca-Frucht, auch die jetzt seltene und kostbare Maledivische Nuß (Zodoicea Sechellarum), die größte Frucht der Erde, die Mangos- und Mangostamm-Frucht, viele andere Obstarten der Tropen (Diospyros, Annoneen, Persea, [Avogado-Frucht], Sapoteen, Spondias, Passifloren, Guajava-Arten), die Cakaofrucht, die Surinam’sche Clusia grandiflora, Muskatennuß-Frucht, Baumwollen-Arten, Seifenfrüchte, die so seltene brasilianische Topffrucht (Leeythis ollaria), welche eher einer Urne oder einem Kunst- produkte, als einer Frucht gleicht, die Frucht der so giftigen Strychnos Ignatia von den Philippinen, an 70 verschiedene Zapfen- oder Coniferenfrüchte (Cedern, Cr yptomeria, Araucarien etc.), Cycadeen, unter ihnen die Macrozamia Preissü etc. 4, Pathologische Produkte und physiologische Präparate, Diese ebenfalls sehr zahlreiche Abtheilung umfaßt alle Veränderungen, welche Gewächse, insbeson- dere baumartige, durch zufällige äußere Einflüsse, Beschädigungen oder Einwirkungen von Insekten er- leiden, Verwachsungen, Einschlüsse zum Theil in Exemplaren von großen Dimensionen, so wie auch die Originale zu den von mir in verschiedenen Abhandlungen und Schriften beschriebenen und abgebildeten Verhältnissen dieser Art, insbesondere in Beziehung auf die Coniferen. Aehnliche Abweichungen 'nor- malen Wachsthums krautartiger Pflanzen werden im Weingeist. aufbewahrt. Zu den werthvollsten Exem- plaren dieser auch für den Forstmann und Techniker überhaupt vielleicht nicht uninteressanten Abtheilung gehört unter andern ein Buchenklotz mit einer Jahreszahl 1809, über welche bis zum Jahre 1841 oder zur Zeit der Fällung des Stammes in der That sich 31 konzentrische Holzkreise, also wahre Jahresringe, abgelagert hatten, u. dgl. 64 Die größten in diesen Bereich gehörenden Exemplare, wie Maser-Knollen, Bildungen, Ueberwallun- gen, Verwachsungen ganzer großer Stämme, Luftwurzelbildungen der Coniferen, ein Wachsthumsverhält- niß ähnlich dem der Jriartea exorrhiza und anderer Palmen der Tropen, zu umfangsvoll, um in dem immerhin beschränkten Raume eines Saales Platz zu haben, sind im Freien‘ in einer eignen Partie vereint im botanischen Garten aufgestellt, welche unter dem Namen der physiologischen Partie so eingerichtet ist, daß man sich mit Leichtigkeit über alle mit unbewalfnetem Auge erkennbaren Wiachsihnmenenihlieiage unserer Bäume eine Uebersicht zu verschaffen vermag. s Im Uebrigen ist die obige Sammlung so eingerichtet, daß man sich leicht orientiren kann, indem sieh die kleineren Gegenstände in Glasschränken, zur Zeit 5, befinden, die größeren auf Repositorien oder an der Wand befestigt wurden, wobei, so gut es anging und die beschränkten Mittel eines Privatmannes es gestatteten, auch auf ästhetische Verhältnisse Rücksicht genommen wurde, so daß das Ganze wohl keinen unangenehmen Eindiuck macht. Herr Dr. Milde hielt im Winter 1854 folgenden Vortrag: Meine Aufmerksamkeit war in dem verflossenen Sommer hauptsächlich den Cryplogamen zugewen- - det, und es ist mir gelungen, manches für die schlesische Flora Interessante aufzufinden, was ich mir Ihnen hiermit mitzutheilen erlaube. Die Exkursionen, welche ich in der Mitte des März und am Anfange des April nach Karlowitz und Lissa machte, lieferten nur geringe Ausbeute. Von ersterem Standorte ist bemerkenswerth Polytrichum nanum und commune, und auf einer von Rasen entblößten Stelle, in deren Nähe sich auf einer schwimmenden Wiese Chiloscyphus polyanthus und Aneura pinguis fand, bemerkte ich in Gesellschaft der Tetraspora gelatinosa den niedlichen Didymodon homomallus mit rei- fen Kapseln; an einer andern Stelle in der Nähe fand sich Blasia pusilla und blühender Tussilago far- fara. Leider ist die Aneura an bezeichnetem Standorte sehr selten und steril; an der zuerst von mir beobachteten Lokalität hinter Lilienthal, ‚wo sie im ersten Frühlinge ungemein schön und reichlich frucli- fieirend vorkam, ist sie, wie ihre Begleiter, das Bryum pseudotriquetrum und B. carneum, in Folge der Urbarmachung dieses Platzes völlig verschwunden. "Um so größer war meine Freude, als ich am 4. April diese ziemlich seltne Pflanze mit ganz ausgebildeten Früchten in einem Ausstiche auf Lehm bein dem Dorfe Neukirch wiederfand; überall war Angstroemia varia ungemein häufig, seltner G@ymnostomum pyriforme. In dem Wäldchen rechts von der Chaussee, welches sich bis Lissa hinzieht, fand ich Dux- baumia aphylla ungemein häufig; man konnte sie zu Hunderten sammeln, darunter ein ungewöhnlich großes, fast 1” langes Exemplar. In ihrer Gesellschaft fand sich sehr häufig Sarcoscyphus Funki, ‚kleine, schwärzliche Polster bildend, Polytrichum urnigerum, juniperinum, commune, piliferum, We- bera nutans, in der Nähe Aulacomnium palustre mit Früchten. Auf den Lissaer Wiesen war in dieser Zeit, am 9. April, noch Alles todt, Viola hirta und Anemone 'nemorosa blühten äußerst selten, an Gra- benrändern stand Fissidens adiantoides, aber steril; fructifieirend fand ich ihn hinter Lissa in pracht- vollen Exemplaren in Gesellschaft von Aypnum stellatum und Calypogeia Trichomanes, Hypnum mollu- scum und Angstroenia varia, welche letztere überhaupt in Schlesien sehr gemein zu sein scheint. In der Nähe der Schäferei stand wieder Buxbaumia aphylla, Aulacomnium androgynum, Tetraphis pellu- cida, Hyymum denticulatum und ungemein üppig fructificirend die Pellia epiphylla. Am 15. April besuchte ich die Gegend von Mahlen und Skarsine. Schon vor .dem ‚Goi stand überall auf feuchtem, lehmigem Boden Angstroemia varia und Barbula unguiculata, im Mahlner Walde überall an geeigneten Stellen Buxbaumia aphylla, Dieranum spurium und montanum und andere schon 65 genannte Arten. Gegen Zedlitz hin finden sich überaus sterile und trostlose Stellen, die nur von Ce- traria islandica, Cladonia rangiferina, Ceratodon purpureus, Polytrichum piliferum, Calluna und Ve- ronica offieinalis überzogen werden; an feuchteren Stellen findet sich Polytrichum commune. In den Schluchten westlich von Zedlitz fand sich ungemein häufig Mniun serratum, stellare und euspidatum, oft in der engsten Gesellschaft bei einander; das erstere machte sich sogleich kenntlich durch seinen spitz geschnäbelten Deckel, außerdem Webera ceruda, Bartramia crispa, Plagiochila asple* nioides mit zahllosen, noch unentwickelten Kapseln, Fissidens bryoides, Hypnum velutinum, Asplenium Trichomanes und .Polypodium vulgare, beide ungemein häufig und prachtvoll fructifieirend; obgleich diese Wedel den Winter überdauert hatten, so waren sie doch noch ganz lebenskräftig und grün. An diesem Tage beobachtete ich auch für dieses Jahr die ersten Stengel von Egwisetum arvense, welches sich seit mehrjährigen Beobachtungen stets um diese Zeit einfindet, wenn nicht, wie im vorigen Jahre, die Witterung gar zu ungünstig ist. Am 18. April besuchte ich die Gegend um Katholisch-Hammer. Der Wald in der Nähe dieses Dorfes ist ungemein reich an Lycopodien. Ich beobachtete hier L. Chamaecyparissus, L. complanatum ungemein häufig, annotinum, elavatunm und Selago sehr groß, Pellia epiphylla und Trichocolea To- mentella, Jungermannia lanceolata waren schon hier sehr häufig; an Gräben stand Mnium undulatum, punctatum und hornum. In dem Buchenwalde bei Deutsch-Hammer fand ich außer den schon früher erwähnten Pflanzen besonders schön und reichlich fructificirend die Trichocolea Tomentella, in ihrer Gesellschaft gleichfalls mit Kapseln und Antheridien: Fegatella conica. Auf dem Wege nach Birnbäumel fand ich sehr zahlreich Anemone patens, vernalis und den Bastard patens-vernalis; überall stand hier sehr häufig Lycopodium complanatum und Dieranum spurium, aus- nahmsweise mit vielen Früchten. In der Nähe von Sulau steht dicht am Wege gar nicht selten Lyco- podium Chamaecyparissus, im Walde an feuchten Grabenrändern Angstroemia heteromalla und in der sogenannten Luge: Fontinalis antipyrelica. Erwähnen muß ich hierbei, daß in diesem Jahre in dieser Gegend, und zwar bei Deutsch-Hammer, sowohl Botrychium Lunaria als matricarioides gefunden worden ist; beide sehr sparsam. Die großen Ferien brachte ich diesen Sommer in Reinerz zu und hatte hier Gelegenheit, die Flora dieser interessanten Gegend noch weiter kennen zu lernen. Bei einem Besuche des ganz nahe liegen- den Dörfchens Roms beobachtete ich ungemein häufig Salvia verticillata, am Fuße des nächsten Hügels Geranium columbinum, oben auf demselben mehrfach Orchis ustulata in herrlichster Blüthenpracht, Cirsium acaule mit der Form caulescens überall gemein, auf dem Gipfel Gentiana yermanica und «i- liata häufig, aber noch in Knospen. Auf dem benachbarten Hummel sammelte ich auch dieses Jahr Buzxbaumia indusiata, aber viel häufiger; sehr sparsam Carex maxima, Botrychium Lunaria und Coelo- glossum viride ziemlich häufig; ungemein verbreitet ist dagegen auf allen Wiesen Arnica montana, Gla- diolusv imbricatus, Orchis maculata, Glyceria plicata und fluitans. Am Fuße des Ratschen blühte prachtvoll Gymmadenia conopsea und Sedum villosum. Auf dem Gipfel und an den Lehnen dieses Berges ist Botrychium Lunaria ungemein verbreitet; ich fand sogar zu meiner großen Freude 3 Exem- plare des seltnen Botrychium matricariaefolium Al. Br. und zwar in engster Gesellschaft mit ZLunaria. Diese seltne Art, welche nach Al. Brauns Ansicht eine gute Art, nach der von Roeper aber nur eine Form von Lunaria ist, hat man bisher mit Sicherheit außer um Reinerz, wo ich sie zuerst 1849 in der Nähe des Hummels in einem ausgezeichneten Exemplare vorfand, auch noch auf dem Prudelberge bei Stonsdorf und auf einem sterilen Hügel vor Frankenstein, gleichfalls mit Zunaria beobachtet, Ein merkwürdiges Exemplar von B. Lunaria fand ich unter den Tausenden am Ratschenberge, welches nämlich statt eines fructificirenden Wedels einen zweiten sterilen trug, der nur mit wenigen Sporangien 9 66 besetzt war. Eine zweite Monstrosität von B. Lunaria besitze ich aus dem Riesengebirge. Sie trägt einen Fruchtwedel und 2 sterile, die aber an den Stielen miteinander verwachsen sind. In der Nähe des Ratschen ist ein Laubwald links von der Straße, in welchem eine Menge verfaulter Baumstrünke sich befinden, die ungemein zahlreich mit Buxbaumia indusiata besetzt waren. Diese seltne Pflanze, von der ich im vorigen Jahre mit Mühe einige Exemplare zusammenbrachte, fand sich überhaupt in diesem Jahre überall um Reinerz an den geeigneten Orten ungemein zahlreich vor, und es scheinen die häufigen Regengüsse ihre Entwickelung vorzüglich begünstigt zu haben; einmal fand ich im Grunewalder Thale an einem einzigen Stamme über 100 Exemplare. Von Buzxbaumia aphylla und foliosa fand ich nir- gends eine Spur. Ich beobachtete jene Art außerdem bei Kaiserswalde und auf dem Glätzer Schneeberge. Am Fuße des Ratschen vorbei führt ein herrlicher Weg bis zu dem freundlichen, von Hügeln ringsum eingeschlossenen Dorfe Hallatsch, eine Stunde von Cudowa; als Seltenheit habe ich von hier zu erwähnen das Orthotrichum Sturmü, Dicranum subulatum und Distichium capillaceum, welches erstere sich in herrlichen Exemplaren auf einem Felsen vorfand; von dem verwandten cupulatum unter- . scheidet es sich leicht durch die dicht behaarte Mütze, und von dem ganz ähnlichen rupestre durch das doppelte Peristom. Ich erlaube mir bei dieser Gelegenheit, eine Uebersicht der bisher in Schlesien mit Sicherheit beobachteten Orthotrichen beizufügen, welche zeigt, daß wir jetzt schon den allergrößten Theil aller deutschen besitzen, und von den fehlenden werden gewiß die meisten noch aufgefunden . werden. Orthotrichum Ludwigii, nicht selten um Reinerz, auch bei Mahlen und im Gesenke. . crispum, sehr gemein. . erispulum, ‚weniger häufig. } . coarctatum, scheint am seltensten zu sein; ich fand es bei Reinerz und bei Karlsbrunn im Gesenke. . Hutschinsiae, sehr schöne Exemplare fand ich auf Felsen bei Gorkau am Fuße des Zobten. . obtusifolium. Diese nicht ganz gemeine Art ist um Breslau häufig an alten Weiden, aber sparsam fructifieirend, stets leicht kenntlich durch die niedrigen blaugrünen Rasen. . pumilum, überall gemein. fallax, Lissaer Chaussee an Pappeln. . patens, ebendort. . stramineum, seltner; Lissaer Eisasbin und Reinerz. affine, gemein. . speciosum, gar nicht selten, besonders im Trebnitzischen und im Gesenke. . striatum, Lissaer Chausee, häufig auf dem Zobten etc. . Lyellii. Diese in Deutschland sonst seltne Art ist in Schlesien gar nicht selten und kommt be- besonders reichlich fructifieirend auf dem Zobten vor; im sterilen Zustande ist sie leicht kennt- lich durch die eigenthümlichen Zellenwucherungen der Blätter, die sie noch mit dem Orth. phyllantkum theilt und welche von Hooker und Taylor als Conferva Orthotrichi beschrieben wurden. Bei manchen Stengeln nimmt diese Wucherung so überhand, daß die Blätter fast ganz aufgezehrt werden und die Stengel ganz braunroth erscheinen. . diaphanum, häufig an Pappeln. . anomalım, nicht selten auf Steinen, in der Ebene, z. B. bei Scheitnig, und im Gebirge. . cupulatum, seltner als das vorhergehende, im Riesengebirge. . Sturmii, bei Hallatsch, bei Cudowa und auf dem Petersteine. . nigritum, von v. Flotow im Riesengebirge gefunden. SO0o SO99909959 9 SOSOOO 67 Alle genannten Arten habe ich mit Ausnahme von cupulatum und nigritum selbst gesammelt. Um Cudowa sah ich mich vergeblich nach Equisetum variegalum um, welches, wie aus einem fructifieirenden Exemplare in dessen Herbarium hervorgeht, von v. Uechtritz auf sumpfigen Wiesen da- selbst gesammelt worden ist. Ueberhaupt hat sich in diesem Sommer in Betreff! der Equiseten wenig Neues ergeben. Nur Folgendes will ich hervorheben. Bei Masselwitz beobachtete ich in diesem Früh- jahre noch viel häufiger als früher, wie an sehr zahlreichen Exemplaren von E. pratense und arvense die Aeste nicht unterhalb, sondern schon innerhalb der Scheiden sich entwickelten und diese letzteren bei ihrem Durchbrechen in einzelne Blättchen zerspalteten. Nimmt man nun hinzu, daß die Scheiden der Equiseten in ihrer Entwickelung sich ganz wie äehte Blätter verhalten, so, glaube ich, reicht die normal-abweichende Stellung der Aeste nicht hin, um ihre Blatt-Natur sogleich in Frage zu stellen. Das E. campestre Schultz, die bekannte Form von arvense, beobachtete ich auch dieses Jahr an meh- reren neuen Standorten, aber stets vereinzelt auftretend, und diese in Deutschland sonst sehr seltne Pflanze scheint daher nur zu oft übersehen oder verwechselt zu werden. Jetzt endlich bin ich auch im Stande, über das in der letzten Zeit von Fries in seinem ‚‚Herbarium normale‘ herausgegebene Equisetum littorale Kühlewein zu berichten. Herr Dr. Sturm und Prof. Schnitzlein hatten die Freundlichkeit, mir, wie sie es schon früher gethan, die betreffenden Lieferungen des ‚‚Herbarium normale‘ zuzuschicken. Auf den er- sten Blick erkannte ich in dem sehr vollständigen Exemplare, welches Dr. Kühlewein am Finnischen Meerbusen gesammelt hatte, unser Z. inundatum Lasch. Bei einer genaueren Untersuchung zeigte sich eine Uebereinstimmung selbst bis in’s Kleinste, welche sich bis auf die Sporen und Sporangien erstreckte, indem letztere ohne Spiralfasern und erstere abortirt und ohne Schleuderer waren. Das Exemplar stellte übrigens eine Form dar, welche, wie dies bei der einen Varietäten-Reihe von inundatum der Fall ist, an E. arvense erinnert, während andere Individuen oft täuschend dem E. limosum ähneln. Das Eqwi- selum inundalum scheint übrigens auch in Schlesien nicht gar selten zu sein. Ich fand es bis jetzt: bei Karlowitz an mehreren Stellen, bei Grüneiche, bei Tzschirne, bei Sandberg, bei Auras am Oderufer und am Brandschützer See daselbst; zu den bekannten Standorten kommt nun noch der von Danzig hinzu, wo es Herr Dr. Klinsmann sammelte und von dort als unbestimmt an Herrn Apotheker Buek schickte, in dessen Herbarium ich es ohne Namen vorfand. Auch diese Exemplare zeigten alle Eigenthümlich- keiten des E. inundatum. Nach dieser Abschweifung kehre ich zur Flora von Reinerz zurück. Bei einem Besuche der Seefelder fand ich mehrere interessante Sachen. In den etwas feuchten Wäldern vorher war dieses Jahr, überall aber nur auf faulen Baumstämmen, Buxbaumia indusiata, an Felsen ungemein schön die Jungermannia albicans, auf der Erde Dryum capillare und caespiticium, Mnium stellare c. fr., an Felsen Angstroemia pellucida und Anacalypia rubella, an Ahorn Orthroti- chum stramineum, an Buchen außer den schon früher genannten Moosen Leskea subtilis, sehr leicht kenntlich und von Aypnum serpens zu unterscheiden durch die aufrechte Kapsel. Dieses Moos scheint überhaupt unsere schlesischen Gebirgswälder zu charakterisiren, denn ich fand es auf dem Zobten, Gl. Schneeberge und Altvater. Um Ustron vertritt ihre Stelle Anacamptodon splachnoides, den ich hier vergeblich suchte. Auf den Seefeldern selbst war dieses Jahr ungemein häufig das schöne Splachnum ampullaceum, welches voriges Jahr fast ganz fehlte und nur Antheridien tragend beobachtet wurde; in Sphagnum ni- stend fand ich das seline Dicranum Schraderi, leicht kenntlich und von Dieranum undulatum und spurium zu unterscheiden schon durch die fast aufrechte Frucht; daneben fand sich auch eine schöne Form von Webera nutans mit sehr langen Fruchtstielen. Auf dem Wege nach Kaiserswalde ist gar nicht selten die Goodyera repens, und bei diesem Dorfe selbst auf dem unzähligen Fels-Gerölle beson- 9% 68 ders häufig Weissia erispula und Grimmia heterosticha. In dem herrlichen Hammerthale fand ich gleich an der ersten Brücke in einer Erdhöhle in Gesellschaft des Bryum erudum in unendlicher Menge die niedliche Schistostega osmundacea mit zahllosen Früchten, wobei ich das eigenthümliche Leuchten ih- res Vorkeimes zu beobachten Gelegenheit hatte. Der Glätzer Schneeberg, den ich von hier aus. be- suchte, bot nur wenig Ausbeute. Es wäre nur zu erwähnen: Dicranum polycarpum, ungemein häufig an Felsen bis an den Gipfel, Bartramia ithyphylla und Halleri, Metzgeria furcata und pubescens, Di cranum. faleatum, Hypnum alopecurum, alle.in der Nähe des Wölfelfalles; auf dem Gipfel überraschte mich das Vorkommen von JAypnum uncinatum und Angstroemia heteromalla; auf der östreichischen Seite war Grimmia microcarpa ungemein häufig, seltner Angstroemia subulata. Auf dem Wege nach Schreekendorf fand ich als Seltenheit die Madotheca‘ platyphylla mit Früchten, und am Fuße des Schneeberges, auf einem trockenen Grasflecken, dicht am Wege, Botrychium matricarioides Willd. Dieser Fund war mir äußerst willkommen, weil ich schon längst gewünscht hatte, diese Pflanze mehr- fach zu untersuchen, um über einige streitige und ungewisse Punkte in Bezug auf Zahl und Anheftung der Wedel in’s Klare zu kommen. In der letzten Zeit noch hat Herr Dr. Klinsmann aus Danzig, wo diese Pflanze nicht selten zu sein scheint, über: dieselbe geschrieben und gefunden, daß dasselbe nur einen sterilen Wedel besitze, welcher an seiner Basis scheidenförmig in das Rhizom verlaufe, nur. aus- nahmsweise kämen deren zwei vor; er behauptet ferner, daß es nie, wie Koch angiebt, mit zwei We- deln vorkomme, von denen der eine dem Fruchtstengel angewachsen sei. Ich bin im Stande, hierüber vollkommen Aufschluß zu geben. Es finden sich nämlich folgende Modificationen vor. Erstens erscheint diese Species, wie Ophioglossum, zuweilen ohne fructifieirenden Wedel, nur mit. einem sterilen Wedel, wie ich es unter den Glätzer Exemplaren und an einem von Deutsch-Hammer fand, und dann ist eniwe- der die Anlage zu dem fructificirenden verkümmert oder überhaupt nicht vorhanden. Dann finden sich Exemplare mit einem sterilen und einem fructificirenden Wedel, von denen der erstere, ‚wie es Klinsmann angiebt, seheidenförmig in das Rhizom verläuft. Exemplare dieser Form besitze ich aus Danzig durch Herrn Dr. Klinsmann; ja es kommen sogar Formen mit 2 gegensländigen sterilen Wedeln vor, die beide scheidenförmig in das Rhizom verlaufen. Drittens finden sich Formen mit einem sterilen und einem fructificirenden Wedel, von denen ersterer ganz entschieden dem letzteren und zwar zuweilen ziemlich hoch angewachsen ist, so die Exemplare aus Ohlau, vom Glätzer Schneeberge, von Memel, und ein fast 1’ langes von einem unbekann- ten Standorte; bei einem Exemplare entspringen aus einem Rhizome sogar zwei Paare solcher Stengel; doch besitzen diese Exemplare zum Theil die Eigenthümlichkeit, daß sie. Ueberreste des sterilen. Wedels oder denselben vollständig noch vom vorigen Jahre tragen, der dann deutlich scheidenförmig in das Rhi- zom. verläuft. Viertens finden sich Exemplare mit 2 sterilen und einem fructifieirenden Wedel, von denen die bei- den. ersten ganz zweifellos in demselben Jahre entstanden sind; der eine ist dem fertilen Stengel ange- wachsen, der andere umgiebt ihn scheidenförmig am Grunde und ist dem ersten gegenübergestellt. Fünftens finden sich Individuen mit 3 sterilen und 1 fructifieirenden Wedel. In der Mitte stehen 1 steriler und 1 fertiler am Grunde verwachsene Wedel, links und rechts je 1 scheidenförmig verlau- fender steriler Stengel; doch zeigt der eine von diesen letzteren durch sein gelbliches Ansehen, daß er dem vorangegangenen Jahre angehört; er trägt zudem noch den Rest eines fructificirenden Stengels, der mit ihm verwachsen ist.. Endlich kommt noch ein sechster Fall vor, wo 1 steriler und 2 fructificirende Wedel vorhanden sind, welche letztere beide hintereinander in kleinen Entfernungen voneinander mit dem sterilen Wedel verwachsen sind; alle 3 Wedel gehören demselben Jahre, das zeigt ihre frische, grüne Farbe, und die - 69 Sporangien der fructifieirenden Wedel sind noch geschlossen. Dem sterilen Wedel steht gegenüber der Rest des sterilen vom vorigen Jahre, der jedoch deutlich scheidenförmig in das Rhizom verläuft. Aus diesen verschiedenen Modificationen, die sich nach genauer Prüfung der einzelnen Exemplare herausge- stellt haben, geht hervor, daß fast alle nur möglichen Formen in der Wirklichkeit existiren. Ebenso schwankend ist die Fiederung bei dieser Pflanze. Die beiden untersten Fiedern sind nämlich bald zwei- fach, bald dreifach gefiedert und bei 1 Exemplare ist noch’ eine Fiederspaltung außerdem vorhanden, die Anzahl der Fiederpaare schwankt zwischen 2 und 6; das einfachste Exemplar besitzt 2 Paar Fiedern und ist am Grunde zweifach geliedert. Hierbei erlaube ich mir, eines für die deutsche Flora neuen Botrychiums zu gedenken, welches zuerst von Herrn Dr. Klinsmann in der botanischen Zeitung bekannt gemacht wurde. Es erinnert mehr an Lunaria als matricarioides, vorzüglich durch die Spitze des sterilen Wedels, die nicht, wie bei ma- tricarioides von einem regelmäßigen eiförmigen Fiederchen gebildet wird, sondern, wie bei Lunaria, schwach gerandet, mehr oder weniger gespalten ist. Die Fiederchen dagegen unterscheiden sich auffallend von der NMondsichel des Lunaria, indem derselben bei dem neuen B. Kannenbergii die untere Hälfte fehlt, die obere Häfte ist mehr ausgebildet und steigt schief aufwärts; dazu kommt, daß bei einzelnen Exemplaren die beiden grundständigen Fieder auf der oberen Hälfte fiederspaltig sind mit breiten Lappen. Der sterile Wedel ist dem fructificirenden etwas angewachsen. Der einzige bis jetzt bekannte Standort ist Memel, wo es schon. 1823 von Kannenberg gesammelt worden ist. Es ist daselbst äußerst selten. Noch gegen Ende des September besuchte ich den Zobten. Auf den Brachäckern vor Gorkau beobachtete ich ziemlich selten Angstroenia rufescens und neben der gemeinen Ziccia glauca auch cilata; auf den Mauern der Dörfer fand ich Darbula rigida und in Gesellschaft von fructificirendem Bryum argenteum die schöne Poitia intermedia. Im Gorkauer Grunde ist das Diphyscium foliosum ungemein häufig, und in seiner Gesellschaft gleichfalls zahlreich die niedliche Pohlia elongata und viele andere gemeine Moose. Am Rande eines Teiches stand ungemein häufig in Gemeinschaft mit Blasia pusilla Angstroemia rufescens. An Bäumen beobachtete ich Leskea subtilis, Orthotrichum Lyellü, aus- nahmsweise reichlich fruetificirend, und viele andere schon früher genannte Moose und Lycopodien. Von A. filix mas fand ich eine Form, die Schkuhr als erosum unterschieden und von mir auch an A. eri- statum. beobachtet worden ist. 4A. lobatum scheint auf dem Zobten sehr selten zu sein; ich bemerkte einen einzigen Stock. Auf Felsen ist ungemein verbreitet Grimmia heterosticha und Schistidium cilia- tum, dagegen sehr selten Dicranum polycarpum. Auf dem Gipfel des Zobten beobachtete ich Syntri- chia ruralis und subulata, Anacalypta rubella und Distichium capillaceum, beide sehr schön, ebenso Hypnum uncinatum, Grimmia apocarpa, Bartramia ithyphylla und Encalypta ceiliata in einer Erdhöhle; daselbst standen auch einige Exemplare der Gentiana pyramidalis, die ich sonst nicht +mehr vorfand. Im Silsterwitzer: Thale fand ich auf einem Felsen das ziemlich seltne Dieranum longifolium; mit Hypnum stellatum ist ein» großer Theil des Silsterwitzer -Thales förmlich ausgepolstert, ebenso ungewöhnlich reich- lich fructificirend und mit Antheridien Zeucobryum vulgare;, Dieranum undulatum war an einer Stelle sehr üppig fructificirend vorhanden, an einer anderen Stelle mit einzelnen Seten, und erinnerte an Schraderi; Hypnum: Schreberi stand an einer Stelle gegen seine Natur an einem Plätzchen sehr reich mit Kapseln; auf trocknem, weichem Boden fand sich Hymenostomum mierostomum. Auf dem westli- chen Abhange des Geiersberges fand: ich dieses Jahr zum ersten Male das ächte Asplenium Adiantum nigrum, zwar sehr schön und fructificirend, aber sehr sparsam. Schon im Jahre 1852 fand ich ein ganz ausgezeichnetes Exemplar eines Asplenii auf demi südwestlichsten Theile des Geiersberges, wel- ehes mit keiner bekannten Art recht stimmte. Auffallend war der starke Silberglanz der Fiederchen und die breit-dreieckige Gestalt des Wedels nicht nur am Grunde, sondern auch noch höher hinauf mit drei- 70 facher Fiederung. Rabenhorst stellte es nahe dem Asplenium acutum Bory, ebenso Al. Braun, nach welchem das A. obtusum Kit ihm noch näher stehen soll. Die Stammform, welche sich durch eiförmig- längliche Wedel und eine geringere Fiederung auszeichnet, ist außer auf dem Geiersberge mit Sicherheit noch auf der Landskrone bei Görlitz und vor Frankenstein gefünden worden. An das A. Adiantum nigrum schließt sich eng an, nicht als eigene Species, sondern als eine durch die serpentinische Unter- lage bedingt auftretende Subspecies, das Aspl. Serpentinum Presl, welches wieder als solche einen ei- genen Formenkreis beschreibt. Es unterscheidet sich dieselbe von Adiantum nigrum leicht und be- stimmt durch die an der Spitze gestutzten Fiederblättchen, die bei ersterem stets eiförmig sind. Einzelne dieser Formen, deren ich als besonders hervortretend 3 unterschieden habe, sind zuweilen von einem ganz abweichenden Habitus. Die Fiederung ist bisweilen an den beiden grundständigen Fiedern vierfach. Daß aber das A. Serpentinum in der That zu A. Adiantum nigrum gehört, das zeigen Uebergänge, die sich oft an demselben Rhizome neben dem ausgeprägten A. Serpentinum finden. Die Fiederblättchen runden sich nämlich an den Ecken ab und nehmen so allmälig die eiförmige Gestalt der Grundform an. Das A. Serpentinum findet sich außerdem auch vor Frankenstein. Als eine zweite Subspecies, deren Auftreten aber nicht durch die Unterlage, sondern von der südlicheren Lage der Gegenden bedingt wird, ist das A. acutum Bory, welches sich dem A. Adiantum nigrum noch näher anschließt als Serpenti- num, zu betrachten. Die Unterschiede von Adiantum nigrum sind so gering, daß sie für eine beson- dere Art nicht zu halten ist. Sie ist bekanntlich vorzüglich dem Süden Europa’s eigen. Noch im Anfange des Oktober stellte ich eine Exkursion in das mährische Gesenke an, welche vom prachtvollsten Wetter begünstigt wurde. Von Ziegenhals ging ich zunächst nach Zuckmantel. Dicht am Wege beobachtete ich an einer Stelle den Baeomyces roseus, welcher mehrere Fuß im Quadrate ausschließlich mit seinem Thallus die Erde überzog, nichts Anderes aufkommen ließ und sich durch seine zahllosen rosenrothen, pilzähnlichen Apothecien schon von Weitem bemerkbar machte. Ebenso sah ich sehr zahlreich an einer feuchten Stelle in Gesellschaft des Anthoceros laevis die Angstroemia rufescens, welche in Schlesien weit seltener als varia zu sein scheint, welche letztere mit Barbula unguiculala in zahlloser Menge die Brachfelder hinter Zuckmantel bedeckt. Ausnahmsweise an trockenen Stellen fand ich hier auch Aypnum aduncum, welches durch diesen Standort einen etwas fremdartigen Habitus er- hielt. An festen, trockenen Stellen fand ich nur spärlich fructificirend, dagegen in prachtvollen, sterilen, goldglänzenden Rasen das seltne Bryum marginatum. Auf einer Gartenmauer bei Zuckmantel beobach- tete ich eine Form der Burbula muralis mit ausnehmend langen Haaren. An gemauerten Brückenge- ländern hinter dieser Stadt ist nicht selten Bryum cernuum, und an einer Brücke, durch welche ein Bergbach rauschend hindurchfließt, fand ich in den Steinritzen in prachtvollen Rasen Bryum pallens. In dem wenige Schritte entfernten Walde fand sich dicht am Bache in herrlichen Rasen die prachtvolle Hookeria lucens in unendlicher Menge vor, aber nur sehr sparsam fructifieirend; auf einem Felsen sam- melte ich in der Nähe Anystroemia pellueida, auf Erde Mnium hornum. An Dorfmauern beobachtete ich Barbula fallax, Pottia intermedia und in ausnehmend schönen Exemplaren Asplenium Trichomanes und Asplenium septentrionale. Von Würbenthal ging ich am andern Morgen nach Karlsbrunn. Auf dem Wege beobachtete ich an Buchen ungemein häufig Leskea subtilis mit Mnium stellare, auf Stei- nen: Agpnum plumosum; auf dem Wege von Karlsbrunn direkt nach dem Kessel beobachtete ich un- gemein häufig Dieranum montanum mit Frucht, welches, wie D. congestum, ungemein häufig überall am und auf dem Altvater vorkommt; am Wege stand nicht selten Didymodon homomallus. In einem Kieferwalde, ohngefähr ', Stunde vor dem Kessel, beobachtete ich ungemein häufig das Aspidium dila- tatum, welches sich ähnlich zu spinulosum verhält, wie A. aculeatum zu lobatum. Auch seine.Ver- breitung ist eine ganz eigenthümliche; es ist vorzüglich Hochgebirgspflanze und tritt z. B. außerdem im Altvatergebirge am schönsten auf an der Barania bei Ustron, auch auf dem Gl. Schneeberge fehlt es nicht; selbst im Trebnitzer Kreise sammelte ich es in dem großen Buchenwalde bei Deutsch-Hammer. Das Asp. spinulosum isi vorzugsweise Torf- und Sumpfpflanze der Ebene. Diese Art, in recht ausge- prägten Exemplaren dem dilatatum gegenübergestellt, scheint weit von demselben verschieden, und beide machen den Eindruck guter Arten. An Quellen ganz in der Nähe des Kessels stand in Gesellschaft von reichlich fruktificirendem Mnium palustre sehr häufig Aypnum stramineum, aber stets steril, ebenso Hypnum ruscifolium. An anderen Quellen näher am Kessel und im Kessel beobachtete ich meist in Gesellschaft von Bariramia fontana Hypnum commutatum und mehrere andere Hypna, z. B.: !ycopo- dioides, molle, so wie Bryum Duvalü, Br. pseudotriquetrum. An den Felswänden des Kessels fand ich Weissia acuta und W. dentieulata, Bartramia Oederi, B. ithyphylla, B. Halleriana, Distichium capillaceum und Dicranum polycarpum beide sehr häufig, seltner Desmatodon latifolius; Barbula tor- tuosa, Weissia rupestris, Zygodon lapponicus, Didymodon glaucescens, Grimmia apocarpa, und sehr schön fructifieirend Preissia commutata, Hypnum pulchellum; an Farrn beobachtete ich ungemein häufig Aspidium Lonchitis und lobatum, Asplenium viride und Trichomanes, und an einer steilen Felswand Woodsia hyperborea, ziemlich zahlreich, neu für diesen Theil des Gebirges. Am Petersteine sammelte ich Aypnum rugosum, Orthotrichum Sturmii, Encalypta ciliata, Barbula mucronifolia, Neckera crispa, Desmatodon latifolius: Um die Schweizerei herum ist sehr häufig Bartramia fontana, Ceratodon purpureus, Funaria hygrometrica, Bryum argenteum, Polytrichum alpinum; am Wege nach dem Gipfel Catharinea hercy- nica; auf dem Wege von der Schweizerei nach Freiwalde beobachtete ich ungemein häufig Dieranum congestum und D. montanum ec. fr., am Fuße des Altvaters auf einzelnen Felsen Grimmia ovata. Herr Privat-Docent Dr. Ferdinand Cohn hielt einen Vortrag: Ueber die Drehung der Baumstämme. Als ich im Jahre 1853 die Einwirkungen des Blitzes auf die Bäume genauer untersuchte, drängte sich mir die Ueberzeugung auf, daß die häufig angezeigten, schraubenförmig sich um die Stämme win- denden Spuren dieses Meteors nicht, wie man gewöhnlich annahm, die Bahn desselben bezeichnen, son- dern von einer eigenthümlichen spiraligen Struktur in den Fasern des Holzes und der Rinde ihren Ur- sprung haben. Es mußte mir daher auch die Thatsache zur Gewißheit werden, daß eine solche schrau- benförmige Anordnung der Fasern sich bei einer viel größeren Zahl von Bäumen zeige, als man in älteren botanischen Schriften verzeichnet fand... Mir waren früher nur diejenigen Stämme als gedreht bekannt gewe- sen, die Herr Wichura in seiner Abhandlung: „Ueber schraubenförmig gewundene Baumstämme“‘ (Jahres- bericht der schles. Gesellsch. f. vaterl. Kultur 1551, p. 78) aufgeführt und zum Theil zuerst als solche beobachtet hatte: nämlich die Roßkastanie und die Birke nach rechts, die Pyramidenpappel und die jun- gen Kiefern nach links, die alten Kiefern eben so oft nach rechts als nach links gewunden. Schrauben- förmige Blitzspuren, die demnach eine ähnliche Struktur des Holzes bekundeten, konnte ich von den Lärchenstämmchen, Tannen, Pappeln, Eschen, Rüstern, Eichen und Erlen (hier nach rechts gewunden) anführen. Hierdurch aufmerksam gemacht, gelang es mir leicht, die Spuren dieser Drehung auch an unverletzten Bäumen theils in Vorsprüngen, theils in Spalten und Rissen der Rinde oder des Holzes aus- gesprochen zu sehen. Ich gelangte aus meinen Beobachtungen zu dem Schlusse, daß bei den mei- sten, wo nicht bei allen unseren Waldbäumen die Holzfasern nicht senkrecht, parallel der Achse, 12 sondern in einer: mehr oder ‚minder steilen Spirale verlaufen, die nach dem Alter des Baumes’ sich ein- oder mehrmal um den Baum windet. (Ueber die Einwirkungen des Blitzes auf Bäume; Jubelschrift der schlesischen Gesellschaft, 1854, p. 280). Zwar finde sich die Drehung bei vielen Arten nicht an allen Stämmen; der Steigungswinkel der Spirale erscheine nicht konstant, sondern, wie mitunter auch die Richtung, von äußeren Wachsthumsverhältnissen abhängig; wir bemerken in der Regel die Drehung eines Stammes nur dann, wenn sie so steil ist, daß sie mehrmal um die Achse desselben verläuft, oder wenn äußere Hervorragungen dieselbe marquiren. Da diese ganze Frage dem Gegenstande meiner der- maligen Untersuchungen fern lag, so beschränkte ich‘ mich auf die Anführung einiger der eclatantesten Fälle schraubenförmiger Windung, wie ich sie bei den Eichen (meist nach links), bei den edlen Kasta- nien (ebenfalls nach links), bei den Rüstern (nach rechts), bei den Hainbuchen und dem Feldahorn (eben so oft nach rechts als nach links) beobachtete; eine genauere Betrachtung dieser Verhältnisse behielt ich mir für eine spätere Gelegenheit auf. (l. c. p. 280.) Seitdem ist von Herrn Professor A. Braun in Berlin eine Abhandlung über denselben Gegenstand erschienen, welche dieses Verhältniß in gründlichster und scharfsinnigster Weise erschöpfend behandelt. (Ueber den schiefen Verlauf der Holzfaser und die dadurch bedingte Drehung der Stämme. Monatsbe- richt der Berliner Akademie, Aug. 1854.) Braun, dessen Untersuchungen schon seit Jahren der Er- forschung spiraler Bildung im Pflanzenreich zugewendet waren, hat nun auch über die spirale Richtung der Holzfasern eine überaus reichhaltige Menge von Beobachtungen zusammengestellt. Interessant ist, daß sich dieselben auch auf Nord-Amerika erstrecken, von woher ihm durch Dr. Engelmann in St. Louis eine Liste solcher Aufzeichnungen mitgetheilt worden. Das Resultat dieser Untersuchungen ist die vollständige Bestätigung des von mir ausgesprochenen Satzes, daß bei den meisten Bäumen eine Drehung des Stammes mehr oder minder deutlich vorhanden sei. Die Abhandlung von Braun erläutert zunächst, daß diese Drehung sich von dem Winden der Schlingpflanzen darum unterscheide, weil bei letzteren sämmtliche Gewebe des Stengels, bei den gedrehten Bäumen dagegen nur der Holzkörper und die Bastschicht an der Drehung Theil nähme, während die Borke nicht davon berührt sei; sodann weist er nach, daß die Spirale, welche die Holzfasern der Stämme in ihrer Aneinanderordnung zeigen, nicht ınit derjenigen zusammenhänge, welche die Blätter verfolgen, daß sie also zu dem ursprünglichen spiralen Aufbau des’ Sprosses in keiner Beziehung stehe. Daß’ der Grad der Drehung bei verschiedenen Exem- plaren derselben Art sehr verschieden und oft äußerst: schwach und unmerklich sei, bestätigt Braun ebenfalls; der stärkste beobachtete Drehungswinkel (der Winkel, den der Faserverlauf mit der Senkrech- ten bildet) betrage 45° (bei dem Granatbaum); bei der Birke erreiche er nur 3—4°. Auch daß die Richtung bei vielen Arten nicht konstant sei, während sie bei anderen niemals variirt, wird speziell be- lest; bei der Kiefer wird die Linksdrehung im Alter schwächer und setzt endlich, wie Wichura zuerst beobachtete, in die entgegengesetzte um. Durch eine Hypothese sucht Braun zu erklären, wie die ursprünglich senkrechte Richtung der Holzzellen sich allmälig in eine schiefe umwandle; er findet den ersten Zeitpunkt dieser Veränderung schon in dem cambialen Zustande der Holzfasern, wo diese nämlich als kurze senkrechte Zellreihen mit horizontalen Scheidewänden auftreten. Indem jedoch die Holzzellen das Bestreben der Ausdehnung noch beibehalten, während bereits das Internodium, in dem sie sich befin- den, sich nicht mehr verlängert, so sind dieselben genöthigt, sich ineinander einzuschieben; dies ge- schieht, indem die horizontale Richtung der Scheidewände in eine schiefe übergeht. Dadurch entstehen neben den senkrechten auch schiefe Zellreihen, die immer deutlicher hervortreten, je mehr die Zellen sich beim gegenseitigen Ausweichen ineinanderkeilen; geschieht das Ausweichen bei allen Zellen nach derselben Richtung, so werden endlich die senkrechten Reihen ganz unwegsam und nur die schiefen machen sich bei der oberflächlichen Betrachtung und in der Spaltung bemerkbar. Der entwickelungs- 73 % geschichtliche Beweis für diese sinnreiche Hypothese ist jedoch sehr schwer zu führen, und es scheint, als ob neben diesem Verhältnisse noch andere unbekannte bei der spiraligen Anordnung der Holzfasern in Geltung seien. Die Untersuchungen Braun’s erstrecken sich auf 111 Arten, von denen fast genau die Hälfte nach rechts, die andere nach links sich dreht. Berücksichtigt man jedoch nur die Bäume der nördlichen He- misphäre, und übergeht auch diejenigen, die minder sicher ermittelt sind oder die ihre Richtung verändern, so erhält. die Drehung nach rechts ein bedeutendes Uebergewicht (34 nach rechts, 15 nach links) *). Dasselbe Gesetz gilt auch von den Schlingpflanzen, von denen die nördliche Hemisphäre mehr rechts- als linkswindende besitzt. Wo im Laufe der Entwickelung die Richtung wechselt, setzt sie stets von links in rechts über, so bei der Kiefer, der Tanne, der Fichte, der Linde, dem Sorbus Amelanchier, wohl auch bei der Roß- kastanie; nur die Pyramidenpappel spaltet in der Jugend nach rechts, im Alter ist sie links gewunden. Arten derselben Gattung, Gattungen derselben Familie sind gleichgedreht, die Cupressineen nach rechts (Linne), die Abietineen (anfänglich) links, die Salicineen links, die Amentaceen rechts (mit Ausnahme der Kastanien), die Leptospermeen und Drupaceen links, die Leguminosen rechts (mit Ausnahme von Cercis Siliquastrum). Bei den Pomaceen scheinen beide Richtungen gleich häufig; sonderbar ist, daß für die amerikanischen Arten meistens die entgegengesetzte Drehungsrichtung angegeben wird, als für die verwandten europäischen. Unter den rechts gewundenen Bäumen habe ich außer den schon eitirien noch den Lebensbaum, den Wachholder*, die Hainbuchen*, Erlen, Birken, Eichen*, Maulbeerbäume, Flieder, Hollunder*, Trompetenbaum, Tulpenbaum, Roßkastanie, Sumach*, Spitzahorn, Myrte, Granatbaum, Apfelbaum*, Birn- baum*, Vogelkirsche*, Robinie*, Johannisbrotbaum, Goldregen; unter den links gewundenen ‘die edle Kastanie**, die italienische Pappel, die Weiden**, den Oelbaum, Schneeball, Weinstock**, Negundo, Erdbeerbaum, die neuholländischen Myrten, Fuchsien, Hagedorn, Kirsche, Pflaumen und Cercis; bei den Buchen, canadischen und Schwarzpappeln*, Espen*, Silberpappeln, Nußbäumen, Platanen, Bergahorn**, Ulmen**, Eschen*, Epheu, Berberize, Orange*, Gölterbaum, Pfirsich, Gleditschie sind die Stämme in der Regel ganz gerade gewachsen; doch kommen bei den mit * bezeichneten auch rechts- und bei den mit ** auch linksgewundene Stämme vor. - Durch diese reichhaltigen Untersuchungen von Braun ist die Lehre von der Drehung der Baum- stämme in weit vollständigerer Weise begründet worden, als ich selbst es vermocht hätte, und ich be- ‚schränke mich daher darauf, einige wenige Fälle aufzunehmen, welche sich als Nachtrag den Braunschen Untersuchungen anschließen. Sie beziehen sich auf ein paar Gattungen der Pomaceen und Amygdaleen; unter diesen führt bereits Braun den Crataegus Oxyacantha als links gewunden auf; an der Breslauer Promenade findet sich jedoch ein Exemplar, dessen Rinde so dicht von parallelen Linien durchzogen ist, daß es von einer der stärksten Drehungen zeuget, welche ich überhaupt je bemerkt habe; der Winkel ) A. Braun befolgt in seiner Abhandlung für Bezeichnung der Richtung dieselbe Methode, welche von De Can- dolle, Dutrochet, Palm, Mohl, Meyen, Naumann, Link, Nees v. Esenbeck angewendet wird, wonach man sich in die Achse der Spirale Anöhakn denken hat; die Angabe ist natürlich entgegengesetzt dem Sprachgebrauch von Linne, den auch Wichura befolgte und den ich selbst in meiner Abhandlung angewendet habe, wonach der Beobachter sich vor die Spirale stellt und nach sich selbst das Aufsteigen bestimmt. Letztere Methode bezeichnet allerdings nicht die wirkliche Richtung der Spirale in Bezug auf die Pflanze, ist jedoch dieselbe, mach welcher der Mechaniker die Dre- hung einer Schraube etc. angiebt. So sehr diesse „Sprachverwirrung“ zu bedauern, so habe ich doch, um nicht in meiner eigenen Bezeichnungsweise zu wechseln, die Linnesche Methode beibehalten. Es versteht sich von selbst, dass, wenn ich eine Pflanze nach rechts gewunden bezeichne, dieselbe nach Braun links gedreht ist. 10 74 mag wohl 30° betragen, die Richtung ist nach links. Nach derselben Richtung und eben so stark ist ein Baum von Crataegus coccinea gedreht. Nicht weit davon steht ein Baum von Prunus Padus, der sehr stark nach rechts gewunden ist, während Braun an der Traubenkirsche weder bei der Spaltung, noch von außen eine Drehung wahrnehmen konnte. Während ich den Birnbaum in Uebereinstimmung mit Braun siets stark rechts gedreht finde (fast so stark als die Roßkastanie), beobachtete ich in einer Allee von Aepfelbäumen fast gleich viel nach rechts und links gewunden. Zu den Beobachtungen Brauns über Drehung der Ahornbäume füge ich Acer tataricum hinzu, von dem auf der Promenade sich mehrere Stämme finden, TOTEN wie Sprünge der Rinde zeigen, nach rechts gedreht. Die Eichen halte ich in meiner ersten Notiz als ‚fast immer nach links gewunden‘“ bezeichnet; Braun macht mir daraus einen Vorwurf, da sie vielmehr meist rechts gedreht seien. Es liegt jedoch meiner Angabe keine Verwechslung zu Grunde, da mir wirklich in dem Eichenwalde, in welchem ich zuerst meine Beobachtungen machte, die Anzahl der links gewundenen Stämme größer schien, als die der rechts gedrehten; ob dies zufällig gewesen, vermag ich nicht zu bestimmen, da ich noch nicht Ge- legenheit hatte, jenen Wald (den Oderwald bei Ohlau) wieder zu besuchen; daß es jedenfalls auch links gedrehte Eichen giebt, bestätigt Braun selbst, indem er eine solche vom Bellevuegarten in Berlin eitirt. Ebenso stimmt Fechner mit meiner Bemerkung überein, daß die Zahl der links und rechts gedrehten Stämme von Carpinus Betulus sich ziemlich gleich bleibe; nach Alexander Braun dagegen wäre die Rechtsdrehung bei weitem häufiger. Endlich erwähne ich noch, daß ich auf der Breslauer Promenade einen Stamm von Syringa chinensis, die nach Braun keine Drehung erkennen läßt, mit einer sehr feinrissigen Rinde bedeckt finde, die eine schraubenförmige Struktur nach rechts, und zwar unter einem ebenso starken Steigungswinkel bekundet, wie sie Braun und ich selbst beim gemeinen Flieder an- ‚getroffen (20—30°). In der Nähe stehen mehrere Robinien, Zdhus byphina, so wie am Wasser Populus nigra, die stark nach rechts, einige Stämme von Salix fragilis und Ulmus campestris, die nach links gedreht sind. Schließlich möchte ich noch gegen die Braunsche Unterscheidung der gedrehten Baumstämme von den sich windenden Schlingpflanzen einwenden, daß allerdings in den meisten Fällen an der Drehung der Stämme nur Holz und Bast, nicht aber die Rindenhaut und das Rindenparenchym theilnehmen; den- noch ist auch dies letztere der Fall, wo bereits von Außen an den feinen Sprüngen der Rinde sich die Drehung marquirt, z. B. bei Syringa, Crataegus, Acer Pseudoplatanus ete.; hier besitzen offenbar alle Gewebe des Stammes eine schiefe Anordnung (ob auch das Mark und die centralen Gefäßbündel, muß ich freilich dahingestellt sein lassen). Wo regelmäßige Schwielen in der- ganzen Länge des Stammes um diesen sich winden, wie bei der Roßkastanie und dem Birnbaum, da scheint ein solcher Baum in der That als eine sehr weit ausgezogene Spirale mit sich berührenden Wendungen betrachtet werden zu können. Herr Stadtrichter Wichura hat von den in der Versammlung vom 9. November gemachten Mit- theilungen vermischten Inhalts folgenden Auszug gegeben: l) Cerastium longirostre n. sp. und Dianthus Wimmerin. sp. Beide der schlesi- schen Flora angehörige Pflanzen sind bisher als Gebirgsformen, die erstere von Cerast. triviale Link, die letztere von Dianthus superbus L. angesehen worden. Sie unterscheiden sich davon jedoch durch wesentliche, bei der Kultur in der Ebene völlig unverändert bleibende Merkmale, so daß es passend schien, sie als selbstständige Arten hinzustellen. Die nachfolgenden Diagnosen setzen die Beschreibung der älteren Arten als bekannt voraus, und enthalten nur die Merkmale, ,ifi welchen sich diese von den neuen Arten unterscheiden. a) Cerastium triviale Link pilis foliorum subadpressis, rigidis, brevibus, pedicellis fru- etiferis calyce duplo triplove longioribus, petalis calycem subaequantibus vel paulo supe- rantlibus, capsula calyce subduplo longiore, eyma multiflora. Blüht von Anfang-bis Ende des Sommers. Die letzten im Spätherbst sich entwickelnden Knospen pflegen zu überwintern und im nächsten Frühjahr mit dem ersten Erwachen der Vegetation aufzublühen. Ueber die Lebensdauer der Pflanze fehlen vorläufig noch eigene Beobachtungen. Nach Koch (Mertens und Koch, Röhlings Deutschlands Flora, Band 3, S. 337) soll sie im zweiten oder dritten Sommer ab- sterben. Ich säete sie aus im Frühjahr 1854 und schon im Herbste desselben Jahres brachte sie .die ersten Blüthen. b) Cerastium longirostre n. sp. pilis foliorum ereclis, mollibus, numerosis, longioribus, pedicellis petalisque calyce subduplo longioribus, capsula calyce subtriplo longiore — quasi in rostrum producta, — unde nomen — cyma 3—5 flora, caulibus sterilibus numero- 'sis perennans. Nähert sich in den: angegebenen Merkmalen, sowie in den niedrigeren Blüthenstengeln dem Cera- strum alpinum L., von dem es jedoch durch die schmalen, bis über die Hälfte eingeschnittenen Blüthen- blätter und die eiförmigen, nie rundlichen Blätter der unfruchtbaren Stengel weit abweicht. Mit den al- pinen Formen des Cerastium triviale — var. alpinum Koch, var. alpestre Lindl. — ist es ebenfalls nicht zu verwechseln, da sich diese von der Hauptform nicht wesentlich entfernen. Auf dem Gipfel des Petersteins im Gesenke gegen 4000‘ hoch häufig. Von Krause auch auf dem Gipfel des Altvaters .beobachtet. Scheint dem Riesengebirge zu fehlen, auf dessen höchste Kämme da- gegen Cerast. triviale emporsteigt. Blüht hier in der Ebene cultivirt schon im Mai und zwar vor Cer. triviale, wenn man von den überwinterten Blüthenstengeln desselben absieht. Im Gebirge blüht es im Juli. Die Zeit, welche die Pflanze braucht, um vom Keimen des Samens bis zur Blüthe zu gelan- gen, beträgt 1—1Y, Jahr. Als eine Eigenthümlichkeit ist noch die gelbgrünliche, in’s Graue ziehende Färbung zu erwähnen, welche die Pflanze getrocknet annimmt. c) Dianthus superbus L. caule florifero subarcuato-flexuoso, foliorum vertieillis A—7 supremis ramos floriferos gerentibus, ramis floriferis subdivaricatis, floribus pallidis. — Auf sumpfigen Wiesen der Ebene und des Vorgebirges Ende August bis in den September hinein blühend. d) Dianthus Wimmeri n. sp. Caule erecio, foliorum verticillis 2—B3 supremis ramos floriferos gerentibus, ramis floriferis arrectis, floribus dilute violaceo-rubellis, Diantho su- perbo major, omnibus partibus robustior. Im Kessel des Gesenkes, am Schneeberge in der- Grafschaft Glatz und im Teufelsgärtchen des Rie- sengebirges. Höchst wahrscheinlich auch in den Alpen, aber mit Dianthus superbus verwechselt. So beständig die angegebenen, im Wesentlichen bereits in der Flora von Schlesien (Wimmers Flora, Breslau 1844, S. 64) hervorgehobenen Unterscheidungsmerkmale auch sind, so würde ich doch auf Grund ihrer. allein vielleicht nicht gewagt haben, die Pflanze als neue Species und zwar unter dem Na- men meines hochverehrten Lehrers, des Herrn Director Dr. Wimmer, in die botanische Literatur ein- zuführen, wenn nicht in der ganz auseinander liegenden Blüthezeit beider Pflanzen noch ein neuer auf- fallender Unterschied hinzugetreten wäre. Während Dianthus superbus, wie erwähnt, Ende August seine ersten Blüthen entwickelt, beginnt die Blüthezeit des Dianthus Wimmeri, der bedeutenden Erhebung seines natürlichen Standorts ungeachtet, schon im Juli, und im September, wo jener sich eben in voller Blüthe befindet, hat dieser bereits reife Kapseln. Noch mehr aber tritt dieser Unterschied hervor, wenn Dianthus Wimmeri in der Ebene cultivirt wird, wo-er schon Anfang Juni, also um 2% Monat früher, 10 * 76 s als Dianthus superbus zu blühen beginnt. Daß übrigens Linn& unter seinem Dianthus superbus die spät blühende Pflanze der Ebene verstanden hat, und der neue Name also mit Recht der Gebirgspflanze beigelegt wurde, geht aus der Flora lapponica hervor, worin der Verfasser erwähnt, daß er auf seiner Rückreise von Lappland, welche spät im Herbste erfolgte, in Finland den Dianthus superbus häufig ge- funden habe. 2) Euphrasia strieta Host. Ich habe diese Pflanze in einen Napf gesäet und zum Blühen und Fruchttragen gebracht, obwohl andere Pflanzen oder deren Wurzeln in dem Napfe durchaus nicht vorhanden waren. Die Vermuthung von Decaisne, daß alle Rhinanthaceen Wurzelparasiten seier, fin- det also auf diese Pflanze und wahrscheinlich auf alle ihr nahe verwandten Gatlungsgenossen keine An- wendung. 3) Polygonum Bistorta L. Die Stiele der Keimblätter sind vom Ursprung an bis zur Spreite in eine Röhre verwachsen, welche bisweilen über einen Zoll lang wird. Der Stengel ist von verschwin- dender Kleinheit, so daß die Röhre der Keimblätter unmittelbar auf der einfachen Wurzel aufzusitzen scheint. Sobald die Entwicklung der Plumula beginnt, zeigt sich, wenige Tage nach dem Keimen schon äußerlich wahrnehmbar, am Grunde der Röhre eine Anschwellung, die sich nach Hinwegnahme der Röhre als ein kugelförmiger glatter Körper darstellt, auf dessen Spitze das erste, durch die Röhre der Keimblätter mit seinem Stiele hindurchwachsende Blatt der Plumula inserirt ist. Diese Anschwellung ist der Anfang des Rhizoms. Nach wenig Wochen durchbricht sie seitlich die Röhre der Keimblätter, und das zweite Blatt der Plumula bahnt sich durch diese Oeffnung einen Weg in’s Freie. In derselben Richtung wächst das Rhizom, an seiner Spitze immer neue Blätter entwickelnd, seitlich weiter, und am. Ende des Sommers hat es unter günstigen Verhältnissen etwa %, Zoll Länge erreicht. In seiner Gestalt gleicht es alsdann einem mit dem breiteren Ende nach Unten gekehrten Füllhorn, auf dessen nach Oben gerichteter schma- len Seite sich eine tiefe Rinne befindet, welche die ehemalige Lage der nach Oben zu wachsenden, eng an das Rhizom an- und gleichsam in dasselbe hineingedrückten Blattstiele bezeichnet. Beobachtungen über die weitere Entwicklung bleiben vorbehalten. 4) Valeriana sambueifolia Mikan. Aus Samen gezogen entwickelt die Pflanze im ersten Sommer in zweizählig alternirender Ordnung an einem gestauchten Axentheile eine ganze Anzahl erst ein- facher, dann immer mehr eingeschnittener und endlich vollkommen fiederspaltig getheilter Laubblätter, denen im Herbste mehrere die Entwicklung schließende schuppenartige Niederblätter folgen. - Im zweiten Sommer verlängert sich sodann die Axe zu einem mit zweizähligen alternirenden Wirteln besetzten Blü- thenstengel. Fi Ein Punkt, auf welchen ich bei dieser eigenthümlichen Entwicklung zuvörderst aufmerksam machen will, ist die Art und Weise, in welcher die zweireihige Blattstellung der ersten Vegetations- periode in die Wirtelstellung der zweiten übergeht. “Dieser Uebergang wird im Bereiche der schuppen- artigen Niederblätter durch 2 Blattschuppen vermittelt, die von der Stellung der vorangegangenen Schup- pen dadurch abweichen, daß ihr gegenseitiger Abstand weniger als der halbe Umfang des Stengels beträgt. Auf sie folgt dann ‘der erste Blattwirtel, dem sich die nunmehr beginnende, zunächst ebenfalls durch Schuppenblätter eingeleitete Wirtelstellung des Blüthenstengels in unmittelbarer Folgeordnung anschließt. Bemerkenswerth erschien mir demnächst aber auch die unsymmetrische Lage des Systems der ge- kreuzten Wirtel im Vergleich zu den beiden diametralen Reihen der vorangegangenen Blattstellung. Das gegenseitige Verhältniß der beiden Blattstellungs-Systeme wäre dann ein regelmäßiges zu nennen, wenn die Ebene, welche man durch die beiden diametralen Blattreihen gelegt denken kann, entweder mit einem der nachfolgenden Wirtel zusammenträfe, oder die beiden Kreuzungswinkel der Wirtel, durch welche sie hindurchgeht, halbirte. Keine dieser beiden Voraussetzungen trifft indeß bei unserer Pflanze zu. Die 77 Ebene der diametralen Blattreihen bildet vielmehr mit dem ersten Wirtel der Schuppenblätter einen Winkel, der kleiner als ein halber rechter ist, und da die Kreuzungswinkel der Wirtel selbst rechte Winkel sind, so werden sie auf diese Weise durch die Ebene der diametralen Blattreihen ungleich getheilt. So erhal- ten wir, wenn wir die Axe des ersten Jahres mit ihrer im ‘zweiten Jahre eintretenden Verlängerung zusammenfassen, ein bezüglich der Blattstellung unregelmäßiges Ganzes, welches nach keiner irgend möglichen Richtung hin in zwei congruente oder auch nur ähnliche Hälften zerlegt werden kann. Bei den Stolonen, durch welche die Pflanze perennirt, beginnt die Entwicklung ebenfalls mit zwei- - zeiliger Blattstellung, die im zweiten Sommer der wirtelförmigen Platz macht. Der Uebergang von der zweizeiligen Blattstellung zur wirtelständigen erfolgt hier in der nämlichen Weise wie an der Centralaxe; auch ist das gegenseitige Verhältniß beider Blattstellungs-Systeme dasselbe wie dort. Ausnahmsweise kommt es aber vor, daß die Stolonen schon im ersten Jahre blühen, und in diesem Falle setzt sich die zweizeilige Blattstellung bis unmittelbar unter den Blüthenstand fort. 5) Die Keimblätter unserer einheimischen Geranien sind so wie die von Erodium cicutarium L’Herit. im Samen nach einer bestimmten Richtung zusammengefaltet. Die nebenstehende Figur giebt den Horizontaldurchschnitt dieser Faltung, wie er sich von Oben gesehen darstellt, wobei man also die Basis der Keimblätter unter, ihre Spitzen aber über der Fläche des Papieres sich zu (D denken hat. Wie in der Figur angegeben, ist es nun die rechte Hälfte jedes Blattes, welche die linke, in eine Falte umgebogene Hälfte des andern Blattes einhüllt, und dieses Gesetz hat eine so unwandelbare Geltung, daß mir, zahlreicher Beobachtungen ungeachtet, der umgekehrte Fail doch nie vorgekommen ist. Wir haben also hier im Kreise der Keimblätter eine ähnliche Gesetzmäßig- keit in der Richtung der seitlichen Einrollung, wie sie später in der aestivatio contorta auf einer höhern Stufe der Entwicklung so häufig vorzukommen pflegt. Wie aber bei den gerollten Blüthen als Folge ihrer Knospenlage sich nicht selten eine ungleichseitige Ausbildung der Blüthenblätter bemerklich macht, so ist in ähnlicher Weise bei den am Grunde herzförmig gelappten Keimblättern der Geranien der Lap- pen an der Basis der rechten Hälfte des Keimblattes — von dessen Unterseite aus beurtheilt — alle- mal etwas länger und überhaupt mehr ausgebildet, als der durch die Einhüllung in seiner Entwicklung gehemmte Lappen an der Basis der linken Hälfte. Die in Schlesien wild wachsenden Geranien, über welche vn sich die Untersuchung leider nicht erstrecken konnte, stimmen in der angegebenen Beziehung sowohl untereinander als mit Erodium cicu- larium vollständig überein. Dagegen findet in der sonstigen Gestalt der Keimblätter beider Gattungen ein bemerkenswerther Unterschied statt. Die Keimblätter der Geranien sind meist breiter als lang, am obern Rande breit abgestumpft oder seicht 'ausgerandet und an den Seitenwänden glatt, ohne irgend eine Spur von Zähnen oder Buchten. Die Keimblätter von Erodium eicutarium hingegen sind fast doppelt so lang als breit, von einer stark gelappten Basis in eine stumpfliche Spitze allmälig zulaufend und an den Rändern etwas unter der Mitte des Blatts zu beiden Seiten mit einer tief eingeschnittenen Bucht versehen. Möglich, daß dieser Unterschied durch sämmtliche Species beider Gattungen hindurchgeht und zur nähern Begründung und Feststellung des Gattungscharakters zu benutzen ist. ER Be a BR" a eu un he ur RE De ei 2 EEE EIER NG a EEE es a u ee et Da = - . vr En 2 4 Fo EEE ea. 2 er a | vu ar PER or ge. sehe ER Keen der acer rn een rn Sr ar Be; ar. rue; Pe PEEPFeE u nis “= N aa a 2 en PU ON GER WEN Ä Eh a ER ER \ re a gun ee er > ‚ EEE TEEN a 7 Ze Bon Zu ae Ze a BEP IE 0 08 A he nn . a BE RE ra wi OERRLNN > Be: wo, „ wir mare en ; Ming b y re Kap j eh Ban 9 later! oc “- 4 13 Au » 3 dasdteitt ee ‚und vol erhal ale jene 2 A Zohan 22 * ring gi et wald mn Hansen. u Rh ba DARENDE VE ESEHONBE 2 SL Bere malen. sr = 7 PER? nal 7 ME WIE. 2 a ee Erz Se EEE Be een 2 aa: a EN Se SE ee 2 er en RE KR une ne Sa DE v Aa 4 2 2 ‘ a he er a EL \ zn hmigs Er ea TE a y S a Der = ee na Fe 2 Inu Ar nie he R Baer Ai BE DR Fe je a Ye dig fer % en: u. e j . P UN SEEN we Gar, oe ER! 5 le ynbiuk iA ar h ee "ZZ ” ARE “ w Di . 4 er m Men: 2 WET Ken hä ar hen w Me 79 Bericht über die Thätigkeit der entomologischen Section im Jahre 1854, Gravenhorst, zeitigem Secretair derselben. h, den 12 Sitzungen der entomologischen Section i. J. 1854 wurden folgende Vorträge gehalten: I. Coleoptera Herr Hauptlehrer Letzner hielt folgenden Vortrag über: Bruchus pisi Lin. Durch die Güte des Herrn Geh. Med.-Rathes, Prof. Dr. Göppert (einige Wochen später durch Herrn Privat-Docenten Dr. F. Cohn und auch von andern Seiten) erhielt ich im Januar d. J. eine kleine Quantität Erbsen, welche von Bruchus pisi L. bewohnt waren. Ich erlaube mir über dieses Thier Nachstehendes mitzutheilen, zumal das, was P. Kalm in der Beschreibung seiner 1748—50 in Nord- Amerika gemachten Reise (deutsch: Leipzig 1754) Bd. 2. S. 316 über dessen Naturgeschichte mittheilt, sich nach Degeer (Ins. V. 350—81) nur auf das Allgemeinste beschränken muß. Die Larve ist verhältnißmäßig kurz und dick, etwa 2, Lin. lang und 1, Lin. breit, gleichmäßig weiß (selbst die Luftlöcher sind durch keine abweichende Färbung- angedeutet), mit braunem Munde, unbehaart. Kopf klein, mit einer blaßgelblichen Hornschale bedeckt, die eine feine, vertiefte Längs- linie zeigt. Oberlippe schmal, ausgerandet; Kinnbacken kurz, sehr dick, an der Spitze dunkelbraun. Taster zweigliedrig, das erste Glied dick und sehr kurz, das zweite etwas dünner und wenig länger, verhält- nißmäßig immer noch sehr dick; die dicken, langen Stämme, auf denen sie stehen, sind mit nach innen gerichteten, kurzen Borsten besetzt. An ihrer Innenseite, und zwar auf dem untern Theile, stehen zwei lange, an einander liegende, dicke Dornenhaare, welche schräg nach oben und innen gerichtet sind. Die Fühler sind nur durch eine sanfte Erhöhung an der Basis der.Kinnbacken angedeutet. Beine fehlen; Fußwülste klein, mit einigen kurzen Härchen besetzt. — Sie ist mit zahlreichen Querrunzeln versehen und befindet sich stets in gekrümmter Lage. m. s0 Die Puppe ist wenig mehr als 2 Linien lang und I, Linie breit, cylindrisch, dick, weiß, ohne Behaarung und ohne besondere Auszeichnungen. Thorax hinten mit einer tiefen Längsfurche, welche sich auf dem Hinterrücken hinter dem sehr deutlichen Scutellum fortsetzt, aber auf den 7 (incl. der großen Afterdecke) sehr deutlich von einander geschiedenen Hinterleibs-Segmenten nicht mehr zu erken- nen ist. Kopf sehr deutlich vom Thorax getrennt, an seiner Basis verschmälert. Fühler vor den Au- gen eingesetzt und zwischen Thorax und den vordersten Beinen nach außen gekrümmt, so daß sie un- fern der Knie der Mittelbeine enden. Die vordern 4 Beine wie gewöhnlich frei, auf den Decken liegend, die Tarsen (namentlich der Mittelfüße) weit von einander entfernt, so daß man das Brustbein zwischen ihnen sehen kann. Die Hintertarsen liegen am nächsten bei einander, sind von der Schiene an nach innen gekrümmt, und berühren sich auf ihrer hintern Hälfte. Die nach außen gekehrte concave Seite wird von der Spitze der Flügel eingenommen, welche daselbst an die Hintertarsen genau anschließen. Die Flügeldecken sind ein Stück kürzer und mehr abgerundet als die Flügel, und zeigen sehr deutliche - Längsfurchen. An ihrer Naht ragen die Knie der Hinterbeine wenig unter ihnen hervor. Der Hinterleib reicht nur mit dem letzten Segmente über die der Hintertarsen hinaus; seine Spitze ist abgerun- det, ohne Auszeichnung. Ist die Larve ausgewachsen, so bereitet sie sich in dem Innern der Erbse, indem sie das gelbliche Wurmmehl zu einer ziemlich festen Masse zusammenkittet, ein eliptisches Gehäuse, durch welches sie sich auf der einen Seite von dem noch übrigen, lockeren Wurmmehle absondert. Ist die Höhlung der Erbse zu weit gewesen, so seizt sie dieses Gehäuse auch an den Seiten fort, ist diese aber von der gerade erforderlichen Weite, so schließt sie dasselbe gegen’ die Mitte unmerklich an die feste Masse der Erbse an, und nur nach dem andern Ende hin setzt sie, allmälig ein Wenig an Dicke zunehmend, wieder an die Wände der Höhlung etwas Wurmmehl an, welches sich zuletzt an die Oberhaut der Erbse, die über der Höhlung unberührt geblieben ist, fest anschließt. Nun verpuppt sie sich, den Kopf nach dem nur durch diese Oberhaut verschlossenen Ende der Höhlung zugekehrt, welche. letztere die Puppe fast vollkommen ausfüllt. Der Käfer erst (nicht die Larve) nagt nach seinem Auskommen rings um die Höhlung die Oberhaut der Erbse durch und stößt den kreisförmigen Deckel ohne Mühe hinweg, sobald er seine Wiege verlassen will. Dies geschieht indeß nicht so bald, da er eines Theils, wie alle Käfer, die sich an versteckten, dunklen Orten aufhalten, lange Zeit braucht, ehe er vollkommen erhärtet ist, andern Theils, auch vollkommen ausgefärbt und erhärtet, seine Wohnung doch nur in dem Falle verläßt, daß die zu seiner Fortpflanzung nöthigen und derselben günstigen Verhältnisse eingetreten sind. — Da die weiße Oberhaut der Erbse durchscheinend ist, so hat der erwähnte Deckel wegen der darunter lie- genden dunklen Höhlung nicht die gelblich-weiße Färbung der Erbse, sondern ein schwach in’s Grünliche ziehendes Aussehen, wodurch er auch dem flüchtigen Beobachter in die Augen fällt. Die von dem in Rede stehenden Thiere ‘bewohnten Erbsen können daran daher von Jedem mit leichter Mühe erkannt werden, sobald die Larve die Höhlung bis an die Oberhaut vorgetrieben hat. Freilich wird dies nicht lange vor ihrer Verpuppung der Fall sein. — Die Erbsen, worin Käfer vorhanden sind, welche ihre Wohnung binnen Kurzem verlassen wollen, erkennt man sofort an der auf einer mehr oder weniger lan- gen Strecke durchgenagten Peripherie des Deckels. — Das Flugloch liegt meist unfern der Anheftungs- Stelle der Erbse an ihre Hülse (Schote), jedoch bald näher, bald etwas entfernter, so daß es den Keim derselben bald hier, bald dort durchschneidet, bald nur in seiner Nähe zu Tage tritt. Dies geschieht jedoch so, daß es immer beide Hälften der Erbse beschädigt. Niemals habe ich gesehen, daß das Flugloch allein auf der einen der beiden Erbsenhälften, auch nur in ganz geringer Entfernung von der platten Durchschnittsfläche zum Vorschein gekommen wäre. Zuweilen ist das Flugloch jedoch auch auf der der Anheftungsstelle oder dem Keime der Erbse gerade entgegengesetzten Seite. Bei den meisten en Erbsen läßt sich auch an einer kleinen Tuberkel der Ort wahrnehmen, wo die junge Larve in die Frucht eingedrungen ist. Derselbe liegt meist auf der dem Flugloche entgegengesetzten Seite. — Die Höhlung, welche die Larve in die Erbse gemacht hat, geht vom Flugloche aus oft durch das Centrum derselben (eine cylindrisehe Röhre bildend) bis nahe zu dem entgegengesetzten Punkte der Peripherie. Ist die Erbse groß, und die Larve dem Flugloche nicht gerade entgegengesetzt eingedrungen, so bleibt öfters noch bis gegen 1, der Erbse am Ende der Aushöhlung unversehrt. Ist die Erbse kleiner, hat also die die cylindrische Röhre ausfüllende Erbsenmasse zur Ernährung der Larve nicht ausgereicht, so ist die Höhlung nicht eylindrisch, sondern mehr einer Hohlkugel sich annähernd, mehr oder weniger unregel- mäßig. Oefters dringt die Höhlung vom Flugloche aus nicht senkrecht, sondern schräg in die Erbse vor, und nimmt dann nur die eine Seite derselben ein. Erbsen, bei denen das Flugloch und die innere Höhlung den Keim nicht verletzt hat, haben theilweise ihre Keimkraft nicht verloren, können also im Nothfalle als Same noch wohl benutzt werden, und entwickeln sich sogar schneller als gesunde Erbsen. Nicht tief (etwa ',) mit Erde bedeckt, durchbrechen die jungen Keime schon nach 3 Tagen den Bo- den. Leider ist jedoch die Zahl der keimenden (Y,—Y,) eine zu geringe. Von den Erbsen, bei denen das Flugloch den Keim durchbohrt hatte, war mir auch nicht Eine aufgegangen. In dem geheizten Zimmer verließ der Käfer seine Wohnung am Fenster zum Theil bereits im Ja- nuar und Februar und lief mit vieler Beweglichkeit und Possirlichkeit umher, welche sich in der‘ Nähe des warmen Ofens, wie natürlich, zu der größten Flüchtigkeit und zum schnellen Fluge steigerte. Doch fanden sich auch schon zu dieser Zeit todte Larven (in verschiedenen Größen) und Puppen vor, ohne daß man eine Ursache davon zu entdecken vermochte. Lebende Larven waren nur noch sehr selten und alsdann schon vollkommen ausgewachsen vorhanden; lebende Puppen dagegen gab es von verschie- denem Alter. Fortwährend kamen seit der genannten Zeit Käfer zum Vorschein, die letzten (jedoch nur wenige) im Juli. Im Ganzen sammelte ich gegen 1006 Stück des vollkommenen Insekts; es haben jedoch nicht alle Exemplare die Erbse verlassen, sondern sind, weil die Umstände für ihre Fortpflanzung un- günstig waren, in ihrer Wohnung gestorben, ohne durch Durchnagung des oben erwähnten, ihre Höh- lung verschließenden Deckels auch nur den Versuch gemacht zu haben, ins Freie zu gelangen. Noch in dem laufenden Jahre (1855) habe ich eine Menge solcher Erbsen, welche vollkommen ausgebildete, aber todte Käfer beherbergen. Die Behauptung Degeer’s, daß ausgekrochene Käfer wieder in die Erbse zurückkehrten, um sie vollends auszufressen, muß ich stark bezweifeln; ich habe davon niemals etwas wahrgenommen. — Bei dem Säen der Erbsen im Frühlinge müssen in jedem Falle eine große Zahl aus- gebildeter Käfer (wahrscheinlich auch Puppen) mit den Erbsen in die Erde kommen, da bis zu dieser Zeit in den Scheuern und Schüttböden des kühlen Wetters wegen nur wenige ihren Aufenthaltsort be- reits verlassen haben können. Ob sie nun die im Acker vergrabene Erbse noch verlassen und im Bo- den (oder wo sonst?) warten, bis sie das Geschäft des Eierlegens an der verblüht habenden Pflanze beginnen können, oder ob sie sämmtlich zu Grunde gehen, und das neue Geschlecht nur von den bereits vor der Saat, oder von den nicht zur Aussaat bestimmten Vorräthen aus den Erbsen hervorgekrochenen Käfern fortgepflanzt werde, ist bis jetzt noch nicht ermittelt. Nach Degeer sagt Kalm, daß die Larve in der Erbse nicht nur den ganzen Winter, sondern auch noch einen Theil des folgenden Sommers in der Erbse bleibe, und allmälig die innere Substanz bis auf die Hülse aufzehre, sich dann verwandle und ‚durchbohre, um aufs Neue Eier zu legen; nach unseren Erfahrungen kann dies unmöglich richtig sein. — In Schlesien ist das Thier sehr selten, würde auch in der gewöhnlich angebauten Erbse nicht leben kön- nen, da diese viel zu klein für dasselbe ist. Die Erbsen, woraus ich dasselbe erzog, waren aus Oberschle- sien (zum Theil auf dem Handelswege) nach Breslau gekommen; sie waren sehr schön und groß, etwa von der Größe der sogenannten Zuckererbsen (3 %—4 Linien im Durchmesser haltend), aber von gelb- 11 s2 lich weißer Färbung. Nach einem mir freundlichst mitgetheilten Berichte des Herrn Oberlehrer Kelch in Ratibor (Beilage zum oberschlesischen Anzeiger 1854 Nr. 8) waren von dem Käfer bewohnte Erbsen aus dem Oesterreichischen nach Ratibor auf den Markt gebracht worden, und von da wahrscheinlich auch nach Breslau gelangt. Die zahlreichen Klagen über die Werthlosigkeit der erwähnten Früchte veranlaßten die Polizei-Behörde in Ratibor einzuschreiten und den Verkauf solcher Erbsen zu verbieten. Wie sich bei den angestellten Ermittelungen ergab, soll man schon seit vielen Jahren in einem ausge- dehnten Distrikte von Ungarisch-Hradisch bis Leipnik und Weißkirchen (sämmtlich in der Markgrafschaft Mähren gelegen) Erbsen erbauen, in welchen der Käfer in Menge vorhanden ist. Daß diesen Orten, nach den von Herrn O.-L. Kelch und von mir untersuchten Erbsen zu schließen, in nicht zu langer Zeit das Loos Pensylvaniens (wo man, wie Kalm berichtet, den Erbsenbau des zu häufig gewordenen Käfers halber ganz aufgeben mußte) bevorstehe, wenn nicht Mittel zur Ausroltung des verwüstenden Thieres getroffen werden sollten, liegt auf der Hand. — Nach Kelch’s Angabe stellte sich die Zahl der gesunden zu den vom Thiere bewohnten Erbsen wie 2:7, bei denen, welche mir zu Gebote standen, wie 1:5; doch kann ich natürlich keine Garantie dafür übernehmen, daß sie in dieser Beschaffenheit wirklich auf dem Markte zum Kaufe ausgestellt worden waren. Daß eine Zahl der angefressenen Erbsen wie oben gesagt immer noch zur Saat benutzt werden können, macht den Schaden nur um ein Geringes kleiner. — Schlesien hat gegenwärtig wohl noch nichts von dem Thiere zu fürchten, so lange man nicht die eingeführten Erbsen zur Saat benutzt, da, wie bereits gesagt, die bei uns gewöhnlich angebaute, Erbsensorte viel zu kleine Früchte hat, als daß sie ihm zur Wohnung und hinreichenden Nahrung dienen könnte. Am meisten dürften die Oekonomen aufmerksam zu sein Ursache haben, welche die so gen. Zuckererbse anbauen. — Mittel zur Vertilgung können am umfassendsten eigentlich nur von Denjenigen angegeben werden, welche das Thier lebend nach seinem Auskriechen aus der Erbse bis zum Eierlegen zu beobachten Gelegenheit haben; doch glaube ich, daß ein Trocknen der. Erbsen in mäßiger Wärme bald nach der Ernte (vielleicht schon ein Aufbewahren in einem vollkommen trockenen, schwach ge- heizten Zimmer) hinreichen würde, die Larven, welche zu dieser Zeit allein, und zwar meist noch in- zartem Alter, vorhanden sein können, sämmtlich zu lödten. Herr Hauptlehrer K. Letzner machte ferner folgende Mittheilungen über: Anthrenus musaeorum Lin. (verbasci St.) und A. celaviger Er. An den, Wänden eines Zimmers fand ich vor längerer Zeit öfters Anthrenus-Larven kriechend, meistentheils fast halb erwachsen. Ich sammelte mehrere davon und erzog sie durch Tuch oder andere wollene Stoffe, todte Insecten, Schrenzpappe etc., eine jede abgesondert in einer Pappschachtel. Es kamen daraus die beiden vorstehend genannten Arten zum Vorschein, welche also, wie Erichsen angiebt, wirklich an gleichen Orten untereinander leben. Nachstehend erlaube ich mir zu dem, was Sturm und Erichson über diese Thiere veröffentlicht haben, einige Berichtigungen und Ergänzungen zuzufügen. — Die Abbildung der Larve von A. musaeorum (verbasci) ist bei Sturm nicht richtig. Der vordere Theil derselben ist zu sehr verschmälert. Der Thorax ist zu kurz und zu schmal; die braune, lederarlige Schiene, welche ihn bis fast zu seinem Hinterrande bedeckt, ist (von vorn nach hin- ten betrachtet) breiter oder richtiger ausgedrückt: länger, als die auf dem Meso- und: Metathorax, und fast mehr als noch ein Mal so lang als die auf jedem der Hinterleibssegmente. Die Beine stehen in der 3 Sturmschen Abbildung zu nahe aneinander und viel zu weit nach vorn; die Hinterbeine legen sich stets nach hinten und kommen seitlich fast in der Mitte des Körpers zum Vorschein. Die Zahl der Leibes- ringe ist ebenfalls unrichlig. Hinter den: Metathorax kommen nämlich noch 4 Hinterleibsringe, welche wie die Mittel- und Hinterbrust auf den lederartigen Schienen mit steifen, aufwärts stehenden, nach hin- ten gekrümmten Borstenhaaren beseizt sind. Diese Haare besitzen zwar auch noch die folgenden Seg- mente, aber das 5., 6. und 7. (nicht der 9. bis 11., wie es in der Beschreibung heißt, oder der 11. und 12. Ring, wie die Abbildung A zeigt) haben außerdem noch auf jeder Seite das so merkwürdige, strahlenartig ausbreitbare, zahlreiche Haarbüschel. Dasselbe "entspringt dicht am Hinterrande der leder- artigen Schiene (welche etwas breiter als bei den vorhergehenden 4 Segmenten ist), und zwar jedesmal an ihrem Ende. An den 7. Bauchring schließt sich das Aftersegment, welches mit einem Büschel lan- ger, dünnerer Haare (7”—15) geschmückt ist, die sich mehr oder weniger deutlich in 2 Hälften gruppi- ren, weshalb sie Degeer für 2 Büschel halten konnte. — Das Aufrichten und fächerartige Ausbreiten der 3 Haarbüschel auf jeder Seite gewährt einen ebenso überraschenden als schönen Anblick, doch ist das Thier nicht immer dazu zu bewegen. Ein Aufrichten des Haarbüschels am Aftersegmente habe ich nie beobachtet, aber wohl ein Schütteln oder Zittern desselben. In der Regel hebt das Thier dabei ein Wenig den Hinterleib, vielleicht daß dies zu obiger Angabe die Veranlassung gewesen ist. — Die Haar- büschel auf dem 5.— 7. Hinterleibs-Segmente erscheinen erst unter sehr starker Vergrößerung als ge- gliedert. In der That kann man etwas Zierlicheres sobald nicht wieder erblicken, als diese Haare unter dem Mikroskope. Die Abbildung bei Sturm Taf. 37 D ist viel zu plump, als daß sie eine Verglei- chung mit der Wirklichkeit aushalten könnte, und die von Degeer (IV. Taf. 8, Fig. 5) gegebene ver- dient bei Weitem den Vorzug. Jedes einzelne Haar besteht aus sehr vielen dünnen und äußerst zar- ten, an ihrer Basis durchscheinenden Gliedern, welche an dem untern Ende um ein Unbedeutendes schmaler als vorn und ein Wenig länger als breit sind. Wegen des weißlich durchscheinenden Theiles erscheinen diese Glieder wie locker an einander gefügte Perlchen, was dem Haare das Luftige und Zier- liche giebt, wodurch es das Auge erfreut. Gegen die Spitze des ganzen Haares verdicken sich diese Glieder sehr allmälig eio Wenig, und an das letzte und dickste Glied, welches oben in eine äußerst dünne, kaum wahrnehmbare, ‚plötzlich verschmälerte, lange Spitze vorgezogen ist, schließt sich das lange, fast drei Mal so dicke, kegelförmige Endglied, das etwas länger, nicht so spitz und an den Längsseiten nicht so gerade (also in der Mitte etwas nach einwärts' geschwungen) ist, als es Sturm sub D abbildet. Auch hier ist die Degeer’sche Abbildung bei Weilem besser. Daß dasselbe keine Wiederhaken hat, sondern an der Basis abgerundet ist, hat schon Erichson erwähnt. — Die ge- krümmten, abstehenden Haare, welche den Kopf und alle Segmente der Larve zieren, bestehen ebenfalls aus Gliedern, welches weder Degeer und Sturm, noch Erichson beobachtet haben muß. Degeer hat auch hier das Verdienst, unter Fig. 6 wenigstens eine der Wahrheit sich annähernde Abbildung ge- geben zu haben, von der die beiden andern Autoren indeß keine weitere Notiz nahmen. Diese Glieder sind an der Basis elwas schmaler als lang (viel breiter als die der vorstehend beschriebenen, strahlen- förmig ausbreitbaren Haare), und haben an ihrer etwas dickeren Spitze mehrere, ein Wenig schräg nach außen und vorn stehende, kurze Borstenhaare, so daß das ganze Haar von oben gesehen jederseits wie mit einer Reihe kurzer mehr oder weniger anliegender Grannen besetzt erscheint. Die letzten Glieder des Haares werden allmälig ein Wenig schmaler; das Endglied ist zugespitzt, nicht länger als die vor- hergehenden. Der Anblick dieser Haare zeigt durchaus nicht das Schlanke und Zierliche der Büschel- haare, sondern vielmehr etwas Robustes, Rauhes. — Eine ähnliche Bildung haben auch die langen Haare am Ende des Hinterleibes (was ebenfalls keiner der angeführten Autoren erwähnt), nur sind die einzel- nen Glieder weniger robust und raulı und im der Nähe der Einfügung dieser Haare an den Körper kaum 11* sr noch gegrannt. Das Endglied ist weniger spitz als bei den auf allen Segmenten des Körpers sich fin- denden Haaren, und bei manchen Individuen plötzlich RE nachdem die vorhergehenden Glieder sich ein Wenig mehr in die Breite ausgedehnt hatten. Die Puppe, welche wie Sturm abbildet in der Larvenhaut liegen bleibt, ist auf dem von dieser nicht bedeckten Theile der Rückenseite bis zum Kopfe dicht mit langen, rostfarbigen Härchen besetzt, welche ebenfalls gegliedert sind, wie die auf allen Segmenten sich findenden abstehenden Haare der Larven, natürlich aber aus kleineren, zarteren Gliedern bestehen. Kopf und’ Decken sind mit sehr kur- zen, dichten, weißen Haaren besetzt. An der Spitze des Hinterleibs stehen mehrere längere Härchen. Die Deckschilde, welche Sturm als gefurcht darstellt, während sie bei Degeer wie in der Natur glatt sind, liegen auch an der Spitze noch weit von einander; die darunter hervorkommenden Flügel berühren sich jedoch an der Spitze und verdecken die Hinterbeine. Die Puppe ist mit ihrer Spitze an die Lar- venhaut befestigt, wodurch ihr das Auskriechen erleichtert wird. Der Käfer scharrt die leere Puppen- hülle hinter sich, mehr oder weniger durch den Riß der Larvenhaut hindurch, und bleibt in dem vorde- ren Theile der letztern wochenlang unbeweglich sitzen, ehe er das ihn schützende Obdach verläßt. .Nach der gewöhnlichen Annahme häuten sich die Käferlarven 4 Mal bis zu ihrer Verpuppung; nach meiner Erfahrung müssen es die Anthrenus-Larven (wenigstens unter gewissen Umständen) mehr als 4 Mal thun. Eine bereits halb erwachsene Larve häutete sich in ihrem Behältnisse Ende Juli, den 26. August und 27. September des J. 1853, und das 4. Mal am 6. April 1854. Eine andere Larve, welche fast ebenfalls bereits halb erwachsen von mir eingefangen wurde, häutete sich im Juni und De- zember 1852, im Februar, Mai und August 1853, überwinterte theilweise als Puppe und erschien am 2. Mai 1854 als Käfer (A. elaviger). Mit Recht kann man daraus, wie aus der Größe der abgestreif- ten Häute schließen (es war in der angegebenen Zeit nur wenig gewachsen), daß das Thier während der ganzen Dauer seines Larvenlebens wenigstens 8 Mal die Haut abgestreift haben muß. Ebenso scheint noch nirgends beobachtet worden zu sein, daß diese Thiere in manchen Fällen wenigstens eine so lange Verwandlungsperiode (bei dem zuletzt genannten Individuum über 2 Jahre) durchlaufen. Sollte die Ge- fangenschaft (vielleicht die große Trockenheit in der Mitte der warmen Stube) einen Einfluß darauf aus- üben und die Entwickelung verzögern? — Eigenthümlich ist es, daß zwischen je zwei der Zahl nach entsprechenden Häutungen fast bei jedem der von mir beobachteten Individuen ein anderer Zeitraum (4—16 Wochen) liegt, und die letzte Häutung bald in den August oder September, bald auch in den Oktober oder Dezember fällt. Die Larve von A. claviger scheint außer der geringeren Größe, etwas Srackeincn Gestalt und hellbrauneren Färbung sich nicht von der des A. musaeorum zu unterscheiden. Die Puppe von A. ela- viger zeigt einen etwas spitzeren Anus und viel feingliedrigere Haare auf dem Rücken, weshalb deren Gliederung nur bei stärkerer Vergrößerung als bei A. musaeorum wahrgenommen werden kann. Die Beobachtungen über diese Thiere sind noch lange nicht als geschlossen zu betrachten.‘ Möch- ten vorstehende Mittheilungen zu weiteren Forschungen über den. mit so wenig Mühe zu erziehenden Käfer anregen! Derselbe hielt ferner einen Vortrag über die Stände des g Carabus sylvestris Fab. Bei meiner diesjährigen Excursion auf das Riesengebirge (vom 25. Juli bis 5. August) gelang es mir auf dem Kamme (hohes Rad, Sturmhaube, Silberlehne ete.) mehrmals Larve und Puppe des ©. syl- s5 vestris F. aufzufinden; ich erlaube_mir die Beschreibung beider mitzutheilen, da die Verwandlung dieses Thieres bis jetzt noch nicht beobachtet worden ist. Die Larve ist 10—11 Lin. lang, 2. Lin. breit, ganz schwarz, glänzend, von der Gestalt der Larve des C. auronitens.(Heer. observ. ent.), auf dem Rücken mit einer über alle Segmente gehenden einge- drückten Längslinie. — Kopf auf der Mitte zwischen der Basis der Fühler mit einer sanften Erhöhung, welche durch einen jederseits vom Scheitel zur Basis der Kinnbacken hinlaufenden Längseindruck her- vorgebracht wird. Diese Erhöhung hat auf ihrer Mitte einen sanften Eindruck, der sich zuweilen bis an den Vorderrand der Oberlippe fortsetzt. — Kinnbacken gekrümmt, spitz, am Grunde mit einem langen gekrümmten Zahne. — Oberlippe durch eine meist sehr deutliche Querlinie vom Kopfe getrennt, vorn mit einem erhabenen Rande und einem in der Mitte weit vorspringenden, breiten, zweispitzigen Zahne. - — Aeußerer Kinnladen-Taster braun, viergliedrig, nicht so schlank als bei Heer’s Abbildung der von C. auronitens, das 1. Glied das kürzeste und dickste, das 3. wenig länger als das 1., das 2. wie- derum ein Wenig länger als das 3., alle 3 an der äußersten Spitze am dicksten, an der Basis ein Wenig dünner (also verkehrt kegelförmig, nicht wie bei ©. auronitens), das 2. und 3. wenig dünner als das 1. Das 4. Glied ist ein Wenig länger als das 2. und von elliptischer Bildung, also in der Mitte am dick- sten, an der Spitze ein Wenig abgestutzt. Innerer Kinnladen-Taster zweigliedrig, dünner als der äußere, das 1. Glied verkehrt kegelförmig, das 2. elliptisch, dieses ein Wenig länger als das erste. — Lippen- Taster zweigliedrig, dicker als das 1. Glied der äußern Kinnladen-Taster; das erste Glied ist kürzer als das 2., verkehrt kegelförmig, an der Spitze an der Innenseite mit einer kurzen Borste. Das 2. ist nach der Spitze hin noch mehr verdickt als das 1., ein Wenig flach gedrückt und an der Spitze ein Wenig schräg abgestutzt, daselbst dem kleinen Durchmesser nach etwas eingedrückt, so daß es (von vorn gesehen) 2 sanfte, rundliche Spitzehen auf der Endfläche zu haben scheint. — Zunge mit einer kurzen, nach vorn gerichteten Borste auf der Mitte. — Antennen verhältnißmäßig dick, 4gliedrig, das 1. Glied kurz, das 2. das längste und wie das nur wenig kürzere 3. verkehrt kegelförmig, mit sehr stark verdickter Spitze; das 4. kaum länger als das 1., aber viel dünner, schmal elliptisch. Es ist an seiner Spitze mit 2—3 Borsten besetzt, während das 3. Glied an seiner Spitze mehrere trägt. — Au- gen wie bei ©. auronitens jederseits 6, auf einer augenförmigen Erhöhung stehend. — Prothorax- etwas mehr gewölbt und länger als die ührigen Segmente, an den Seiten wie diese mit einem erhabe- nen Rändchen versehen. Die 9 Hinterleibsringe zeigen wie bei C. depressus (Heer. observ. ent.) nach hinten gerichtete, spitzwinkelige Hinterecken, doch ist das 9. (After-) Segment nicht so plötzlich ver- schmälert wie bei ©. depressus, sondern schließt sich sanft abnehmend an das vorhergehende an wie bei €. auronitens. Es trägt 2 sanft nach oben gebogene, mit kleinen erhabenen Wärzchen und einigen langen Borsten bedeckte Dornen, deren jeder etwa in der Mitte auf der Oberseite zwei kurze Dörnchen zeigt.- Der Anus steht röhrenförmig nach unten und ist namentlich auf der Unterseite mit zahlreichen, bräunlichen Borsten besetzt. — Beine braun oder schwärzlich, wie bei EC. auronitens. Die Puppe ist 7 Lin. lang, weiß, glatt, ähnlich der Heer’schen Abbildung der Puppe von €. auronitens. Kopf stark herabgebogen, an der Basis verengt, an den Augen und der Fühler-Basis am breitesten, mit stark ausgeprägten Kinnbacken und Oberlippe, die äußern Kinnladen-Taster lang auf die Beine hingestreckt. Die Beine sind alle 6 sichtbar; die Kniee der vorderen beiden liegen nahe an einander (näher als bei ©. auronitens) zu beiden Seiten der Fühlerbasis, und ihre Tarsen berühren paar- weise einander auf der Mitte des Bauches. Die Kniee der Hinterfüße liegen viel weiter nach hinten, nahe an den Seiten des ersten Abdominal-Ringes; ihre Schenkel sind verdeckt, die Schienen und Tar- sen jedoch wahrnehmbar. Die letzteren ragen mit ihrem Endgliede und seinen 2 Klauen über die Puppe hinaus. — Die Flügeldecken sind sehr schmal und klein, liegen zwischen den beiden hintersten Ss6 Fußpaaren, bedecken die hintersten Schenkel und legen sich an deren Schienen bis gegen 2%, ihrer Länge hin. Auf den Deckschilden ruhen die unter den Mittelschienen hingehenden Fühler, welche eben- soweit wie das Ende der Vorder-Tarsen nach hinten reichen. — Auf der Rückenseite bemerkt man, wie bei EC. auronitens, sehr deutlich alle Segmente; der Thorax erscheint wegen seiner bedeutenden Beugung nach vorn bedeutend kürzer als er ist, und die Kniee der Hinterbeine treten viel weniger seit- lich vor als bei jenem. Auf dem 2. bis 6. Hinterleibsringe nimmt man eine seitlich vorspringende, stumpfe Tuberkel wahr, und von dieser nach innen, durch eine bedeutende Längsvertiefung gelrennt, eine zweite, welche den Anfang des Rückensegmentes andeutet. Diese Tuberkeln sind sämmtlich mit mäßig langen, bräunlichen Härchen besetzt. Ebensolche Härchen zeigt das 1. bis 5. Hinterleibssegment auf der Mitte seiner ganzen Breite nach; das 8. und 9. nur an den Seiten. Diese Härchen reiben sich je- doch sehr leicht ab, und erscheinen dann als feine, schwärzliche, die Oberfläche etwas rauh machende Pünktchen. Das 9. Segment hat auf der Oberseite an seinem Ende 2 weil von einander stehende, ziemlich lange, nach hinten gerichtete, dünne, spitze Dornen und auf der Unterseite beim Weibchen (beim Männchen sind sie undeutlich) zwei nach unten gerichtete, eiwas kürzere, 3—4 Mal so dicke, stumpfe, kegelförmige Spitzen. Diese letzteren lassen die Spitze des Hinterleibes fast erscheinen wie bei C. au- ronitens, sind jedoch länger, als die Abbildung bei Heer (Il. 1) sie von diesem darstellt. Die Larve hatte sich unter einem der Erde genau anschiießenden, festliegenden Steine eine elwa 2—2%, Zoll lange Höhlung geschaffen, welche an ihrem Kopfende meist etwas breiter (1 Zoll) als an der demselben entgengesetzten Seite war, und in deren Mitte die Puppe, von der Larvenhaut meist etwas entfernt, bald auf dem Rücken, bald auf dem Bauche lag. Die Larvenhaut war zusammengekrümmt, so daß Mund und Anus einander berührten, sonst aber ganz vollkommen und fest, so daß Augen, Palpen und Fühler gänzlich unversehrt waren. Nur die 3 Brustringe derselben waren auf dem Rücken der Länge nach gespalten, und der Kopf zeigte auf seiner hintern Hälfte einen gabelspaltigen Riß. Mehrere Larven lagen todt in ihrer Höhlung und zeigten auf der Bauchseite (von der Mittelbrust bis zum Anus) 15—25 dicht neben einander aus dem Leibe herausstehende, 2 regelmäßige Reihen bildende, weiße, etwa 11,—2 Lin. lange, elliptische Körperchen. Es waren, wie sich unter der Lupe ergab, Puppen eines Ichneumons, von denen mir in Breslau 3 Stück ausgekrochen sind. — Die Larven kamen lebend nur noch sehr selten vor,-dagegen fand ich mehrfach Exemplare, welche vor Kurzem erst in den Pup- penzustand übergegangen sein konnten. Der Käfer kam mir, trotz meines Suchens an verschiedenen Orten, in dem oben angegebenen Zeitraume nur in einem einzigen, verkümmerten Exemplare zu Gesicht. Von den Puppen, welche ich in einer Schachtel mitnahm, kroch mir in Krummhübel am 5. August ein Exemplar aus, welches anfänglich ganz weiß war, bald aber auf der Oberseite einen dunklen, bläulichen Schimmer zeigte, und sich zur Normalform (mit bronzebraunen Decken) ausfärbte; ich brachte -es lebend mit nach Breslau. — In früheren Jahren war Ende Juli auf dem Kamme stets der Käfer schon in großer Anzahl vorhanden; das Regenweiter hatte also die Entwickelung der Thierwelt dieses Jahr um wenig- stens ‚14 Tage aufgehalten. Herr Hauptlehrer K. Letzner zeigte ein wahrscheinlich aus Ungarn stammendes Exemplar des Carabus Sacheri Zaw. vor, das ein merkwürdig gebildetes, monströses Fühlhorn besaß, und theilte fol- gende Beschreibung des letztern mit: Monströses Fühlhorn eines Garabus Sacheri Zaw. Als ich vor einiger Zeit mehrere, durch Tausch erworbene, außerschlesische Laufkäfer meiner Samm- lung aufgeweicht halte, um die unter den Thorax geschlagenen Antennen hervor zu ziehen, bemerkte s7 ich zu meiner Ueberraschung, daß das eine Exemplar des genannten Carabus an dem rechten Fühlhorne folgende interessante, monströse Bildung zeigte. Die ersten 6 Glieder waren normal, das 7. nur auf seiner ersten Hälfte. In der Mitte, und zwar auf der Unterseite desselben, entspringt nämlich ein achtes Glied, welches kaum- länger ist als die letzte Hälfte des 7., dagegen eine viel geringere Dicke als das 6. oder die Basis des 7. hat. An dieses kleinere 8. schließen sich noch 3 an Länge und Dicke ein Wenig abnehmende Glieder an, so daß diese letzten vier Glieder nicht länger als zwei normalmäßig ge- bildete sind, während ihre Dicke etwa so stark als die des letzten (11.) Gliedes des normalmäßig ge- bildeten Fühlhornes ist. — Die obere, dünnere Hälfte des 7. Gliedes ist an seiner Spitze etwas verdickt. An sein Ende schließt sich ein 8., und an dieses ein 9., 10. und 11. an Dicke fast normalmäßiges, an Länge aber hinter der gewöhnlichen Ausdehnung zurückbleibendes Glied. Diese 4 Glieder sind jedes etwas länger, als die bereits beschriebenen 4 Endglieder, so daß 3 von ihnen den 4 letzteren an Länge gleichkommen dürften. Daher reicht das letzte Glied dieser nur unbedeutend über das Ende des 2. Glie- des jener hinaus. Mit dem linken, normalen Fühler verglichen, sind diese eben beschriebenen 4 Glieder so lang, als das 8,, 9. und 10. Glied des linken Fühlhorns, und bilden den Hauptfaden der rechten Antenne, sowohl hinsichtlich ihrer Lage, als hinsichtlich ihrer Dicke und Länge. — An das schon 2 Mal erwähnte 7. Glied des Fühlhornes (dessen oberes Ende etwas verdickt und dessen Länge ein Wenig größer ist als die des 7. Gliedes an dem linken Fühler) schließt sich ganz nahe an der Spitze, jedoch auf der Außenseite, ein an Dicke seinen Nachbaren nicht nachstehendes, aber nur sehr kurzes Glied an, an dessen Spitze ein zweites nicht längeres, aber viel dünneres Glied steht. Beide kurzen Glieder würden zusammen kaum die Länge des 8. Gliedes der zweiten Reihe von 4 Gliedern erreichen, und dürften darin dem 5., normalmäßig gebildeten Gliede genau entsprechen. — Demnach wäre das in Rede stehende Fühlhorn von dem 7. Gliede an ein dreifaches. Zwei’ Theile desselben würden vom Wurzel- gliede an gezählt jeder 11gliedrig, der dritte Igliedrig sein. Herr Letzner hielt ferner einen Vortrag über einige Bewohner und Beschädiger des Knieholzes (Pinus pumilio), welcher folgender Maßen lautete: Bei meinem Ötägigen Aufenthalte auf dem Kamme des Riesengebirges in der letzten Woche des Juli d. J. hatte ich meine Aufmerksamkeit auch den Bewohnern und.Beschädigern des Knieholzes zugewen- det, Das Ergebniß meiner Bemühungen besteht in Folgendem: Unter den Rinden alter, ganz oder fast ganz abgestorbener Knieholz-Stöcke von mehr als ', Fuß Durchmesser sammelte ich in der Nähe des Elbfalles und der Pudelbaude, sowie an dem hohen Rade und der großen Sturmhaube in zahlreichen Exemplaren Bostrichus typographus L., jedoch stets in etwa nur 1%, Lin. langen Exemplaren. — An einem ebensolchen Stocke erbeutete ich ein Exemplar von Callidium dilatatun Payk., weshalb ich glaube, daß dieses ganz gewiß ebenfalls ein Bewohner desselben ist. — In den Zweigen kränkelnder Stöcke von etwa der Dicke eines kleinen Fingers bis 1’, Zoll Durchmesser beobachtete ich am S0. und 31. Juli (zwei schönen, sonnigen Tagen) an vielen Stellen auf dem Kamme, am hohen Rade, der kleinen und großen Sturmhaube, dem Silberkamme ete, (also 4U00—4400 Fuß über dem Meere) Bo- - strichus bidens Fab., welcher eben beschäftigt war, von der Rammelkammer aus seine Gänge anzulegen. Einige derselben hatten bereits die Länge von etwa 3—6 Linien erreicht, und bestätigten die Ansicht, daß das Thier zuerst die nach oben gehenden Gänge anlege, Zu gleicher Zeit fanden sich jedoch auch noch ziemlich ausgewachsene Larven vor, die jeden Falles (wie es bei diesen Thieren stets vorkommt) L ss überwintert haben mußten. Da das Thier auch kaum merklich kranke und noch nicht alte Stöcke be- wohnte, so muß es auch für das Knieholz wenigstens als merklich schädlich betrachtet werden. Die von ihm bewohnten Stöcke ließen sich öfters schon von Weitem daran erkennen, daß die Nadeln unfern der Spitze jedes Zweiges allmälig eine röthliche Färbung anzunehmen begannen, welche, weiter abwärts zunehmend, nach und nach in den Farbenton der vollkommen abgestorbenen, dürren Nadeln überging. — Aus den nach Breslau mitgenommenen Zweigen krochen mir im August und der ersten Hälfte des Sep- tember etwa 15 Exemplare dieses Käfers aus. Ein Exemplar kam am 3. Juni des laufenden Jahres 1855 zum Vorschein. Als einen andern, fast noch bedeutenderen Feind des Knieholzes lernte ich ferner kennen Pissodes abietis Ratz., P, (Curculio) pini Lin., welchen ich vom 25. bis 30. Juli in sehr großer Menge auf den nach dem Elbfall- und Pudelgraben sich senkenden Abhängen des hohen Rades beobachtete, wo er mehrere Stöcke von Pinus pumilio be- reits ganz getödtet hatte. In der Regel waren die untersten, dicksten Theile dieser Stöcke von Bostri- chus typographus, die oberen, 2 Zoll bis 4 Lin. im Durchmesser haltenden, von dem in Rede stehenden Thiere bewohnt. Meist befand sich dasselbe noch im Larvenzustande, und vielleicht erst , mußte vor wenig Tagen in den Puppenzustand übergegangen sein. Käfer waren noch gar nicht sichtbar; ich er- mittelte daher auch erst die Species, der Larve und Puppe zugehörten, in Breslau, wo aus den mitge- nommenen Knieholzstücken von Mitte August bis in den September hinein nach und nach der Käfer ziemlich vereinzelt zum Vorschein kam. Der letzte kroch am 22. September aus. Ich erhielt auf diese Weise allmälig 15 Exemplare, nachdem einige, welche 6 Stunden, und einige, welche über Nacht in Spiritus gelegen hatten, aber wieder lebendig geworden waren, sich absentirt hatten. Alle Exemplare sind verhältnißmäßig klein (ohne Rüssel 2%, Lin.), aber sämmtlich gleich groß. Die rostgelben Schup- penhaare sind sparsamer, selbst in den bindenarligen Flecken, und die Grundfarbe des ganzen Käfers ein helleres Rothbraun, als: bei den Exemplaren aus der Ebene.-— Als ich Ende November die mitgenom- menen Knieholzstücke untersuchte, fand ich noch einige Larven dieses Thieres, welche eben im Begriff waren, aus den Holznagseln ihre Wiegen für die Verpuppung zu fertigen. Bedenkt man, daß dies bei Thieren geschah, welche in einer warmen Stube und in verhältnißmäßig trockenem Holze (Beides sonst die. Verwandlung beschleunigende Factoren) gelebt hatten, so muß man über eine solche Verspätung mit Recht erstaunen; eine Verspätung aber konnte es nur sein, da ich eine Begattung der in Breslau aus- gekrochenen Käfer nicht beobachtet habe, ich auch jedes Mal die ausgekrochenen Stücke nach ihrem Erscheinen sogleich tödtete, von ihnen also eine neue Generation. nicht ausgehen konnte. Ich glaube daher, daß die durch die Gefangenschaft herbeigeführten, ungünstigen (von den Verhältnissen im Freien so sehr abweichenden) Umstände die Ursachen dieser Verzögerung sind, wie dies oben bereits in Be- ziehung auf Anthrenus claviger ausgesprochen worden ist. ‚Dem von Ratzeburg in seinen Forstinsekten Gesagten kann ich nur zufügen, daß das Thier also nicht so»selten ist, als es scheint, und dem Knieholze wohl sehr schädlich werden kann. Ganz gewiß hätte ich Tausende von Larven und Puppen sammeln können, denn dieselben lebten in den meisten Ae- sten äußerst dicht beisammen, wie Ratzeburg bei P. notatus erwähnt. In einem 4 Zoll langen, ohne Rinde 3 Linien im Durchmesser haltenden Aestchen, welches ich der Section vorzulegen die Ehre hatte, befanden sich die Puppenhöhlen von 5 Käfern. Dieselben stimmen, wie Ratzeburg vermuthet, ganz mit der Taf. VI. Fig. 4 gegebenen Abbildung überein, da sie zum Theil ins Holz, zum Theil in die Rinde 1} sI gearbeitet, auf der Rindenseite mit zusammengekitteten Holzspänen verschlossen sind, und bald senkrecht, bald schräg in den Ast hineingehen. Die unregelmäßigen, mehr als 3 Zoll langen Larvengänge sind auf dem Holze nicht zu erkennen. Dieselben sind mit einem groben, braunen Wurmmehle gefüllt und durchschneiden öfters einander, folgen aber im Ganzen der Längenausdehnung des Astes, und zuweilen mit nur geringen Abweichungen. | Da Larve und Puppe von Entomologen bis jetzt noch nicht beobachtet worden sind, so füge ich eine kurze Beschreibung derselben bei. Die Larve ist 3—4 Lin. lang, weiß, glatt, auf dem Kopfe in der Nähe des Mundes, den Seiten des Thorax und Abdomens mit einzelnen, auf dem Aftersegmente mit mehreren kurzen Härchen besetzt. Auch die sanft vortretenden Fußwülste sind ‘auf ihrer Höhe mit einigen Börstchen versehen. Kopf mit blaßgelbem Hornschilde bedeckt, welches durch eine Gabellinie, wie Ratzeburg bei P. Herciniae abbildet, auf der Stirn getheilt wird; Mund braun. Vorderrand des Thorax von der blaßgelben Färbung des Kopfes; hintere Hälfte mit einer tief eingedrückten Mittellinie. — Puppe 2°, Lin. lang, glatt, unbehaart, der bei Ratzeburg von Pissodes piceae abgebildeten am ähn- lichsten, von der sie sich durch Folgendes unterscheidet: 1) Das 1. Glied der Fühler reicht nicht so nahe an die Augen, und es bleibt also zwischen dem Knie der Fühler ‘und den Augen ein größeres Stück des Rüssels frei. 2) Die Flügel ragen mit ihrer Spitze etwas weniger unter den Decken vor als bei A. piceae. 3) Die hintersten Tarsen. überragen noch die Spitze der Flügel. 4) Die dornarlige Spitze auf jeder Seite am Ende des hinten breiten Abdomens ist gerade nach hinten (in der Richtung der Längsaxe der Puppe) stehend, von der Mitte ab bis zur Spitze sanft nach außen gebogen und röth- lich gefärbt. Bei den in Ratzeburgs Forstinsekten abgebildeten Puppen der verwandten Arten ist dieser Dorn nach innen ‚gekrümmt. 5) Auf der Mitte der Stirn stehen 2 kurze, unten dicke Spitzchen. Zwei ebensolche, unbedeutend weiter. von einander stehende, an dem Vorderrande des Thorax. An jeder Seite des Halsschildes, unfern des Hinterrandes, bemerkt man drei ähnliche, jedoch etwas kleinere, etwas nach vorn geneigte, in einer Reihe nach vorn zu stehende Dörnchen. Auf dem Rücken befinden sich auf je- der Seite jedes Segmentes drei sehr kleine, röthliche Dörnchen, welche von vorn nach hinten regel- - mäßige Reihen bilden. Herr Hauptlchrer Letzner berichtete ferner über Chilocorus renipustulatus Scrib. und bipustulatus Lin. Das über beide Thiere von mir in der Denkschrift zum öVjährigen Bestehen der schles. Gesellschaft S. 216 und 17 Gesagte habe ich schon dieses Jahr zu bestätigen Gelegenheit gehabt. Im Juli dessel- ben fing ich nämlich an dem Lattenzaune des hiesigen Kirchhofes von 11000 Jungfrauen 8 Larven die- ser Thiere. Da sie sich nur unter den etwa 30 jährigen Linden fanden, welche den Kirchhof dem Zaune entlang zieren, so ist wohl sicher anzunehmen, daß dieser Baum der Aufenthaltsort derselben sei. Die meisten hatten sich bereits (den Kopf senkrecht ‚oder wenig schräg nach unten) mit dem Anus befestigt, doch war nur bei 2 Exemplaren erst die Puppe zum Vorschein gekommen. Unter ihnen fanden sich 3 Exemplare, bei welchen der 1. Hinterleibsring ganz und der Metathorax am Hinterrande weißlich ge- färbt waren, gerade so, wie es in der erwähnten Denkschrift von mir bereits beschrieben worden. Meine Vermuthung wurde durch das Auskriechen der Käfer zur Gewißheit; aus sämmtlichen 3 Exemplaren kam Chilocorus bipustulatus L. zum Vorschein, welchen ich, sammt den Larven- und Puppenhüllen den ver- - ehrten Herren zur Ansicht vorlege. — Beide Arten kamen also wieder in Gesellschaft vor, und der er- wähnte Farbenunterschied scheint demnach das einzige scheidende Merkmal der Larven beider zu sein. 12 90 Herr Lehrer K. Letzner zeigte ferner vor: 1) Carabus nemoralis Ill. in einem Exemplare, wel- _ ches derselbe Ende Mai d. J. am schwarzen Berge bei Charlottenbrunn gefangen hatte. Das Thier ist in Schlesien äußerst selten. — 2) Ein Exemplar der in Schlesien, namentlich aber bei Breslau, ebenfalls sehr seltenen Chrysomela lamina F., welches Herr Kaufmann Neustädt im Mai d. J. in dem hiesigen Volksgarten gefangen und ihm überlassen hatte. — 3) Ein Exemplar von Lieinus depressus Payk., An- chomenus lugens Duft., Amara strenua Zim. und Ophonus sabulicola Panz., welche derselbe sämmilich während der großen Ueberschwemmung im September d. J. an den die alte Oder begleitenden Dämmen gefangen hatte. Die letzten beiden sind bei Breslau bisher noch nie beobachtet worden. — 4) Larven, Puppen und Käfer: von Dorcatoma flavicornis F. und chrysomelina St., welche er auch diesen Früh- ling aus moderndem Eichenholze, worin sie in Gesellschaft leben, in Menge erzogen halte. Herr Oberforstmeister v. Pannewitz zeigte ein etwa %, Zoll dickes, von der Rinde befreites Fichtenstämmchen vor, welches seiner ganzen Länge nach an seiner Oberfläche von ziemlich breiten, etwa 1 Linie tiefen, verschieden gewundenen Gängen durchfureht war. Von ihnen aus gingen 2 Bohrlöcher schräg, eines ziemlich senkrecht in das Innere. Die Frage, welchem Thiere der vorliegende Fraß zu- zuschreiben sei, konnte nicht mit Sicherheit beantwortet werden, doch wurde es für wahrscheinlich ge- halten, daß es Larven einer Bupestris gewesen seien. Herr Dr. Wocke zeigte eine Lina vigintipunctata Scop. vor, welche er im April d. J. an den Kätzchen einer Salix cinerea bei Karlowitz gefunden hatte. Das Thier ist in Schlesien sehr selten, und wurde von ihm der Sammlung des Herrn Letzner freundlichst überlassen. WM. Lepidoptera. Herr Kaufmann A. Neustädt hielt einen Vortrag über die Spinner-Familie Notodontidae. Als schlesisch und in seiner Sammlung vorhanden wurden vorgezeigt: Gattung Harpyia: 1) vinula L.; 2) erminea H.; 3) bifida H.; 4) furcula L.; 5) bieuspis B., sehr selten, bei Glogau. Gattung Stauropus: fagi L. (bei Kranst). Gattung Aypocampa: Milhauseri F., sehr selten, bei Scheitnig u unweit Breslau. Gattung Notodonta: 1) dictaeoides H., ziemlich häufig bei Breslau, Landeshut, Glogau etc.; 2) dictaea L., über ganz Schlesien verbreitet; 3) Ziezac L., gemein; 4) dromedarius L., allenthal- ben; 5) tritophus SV., häufig; 6) torva O., selten bei Münsterberg, Fürstenstein etc.; 7) tremula SV., ziemlich häufig; 8) rufßcornis Hufn. (chaonia SV.), nicht häufig, bei Kranst, Ottmachau, in der Strachate bei Breslau etc.; 9) guerna SV. überall; 10) dodonaea SV., häufig durch ganz Schlesien; 11) dicolora, sehr selten, bei Kranst unweit Breslau und Beneschau in Oberschlesien; 12) argentina, selten und bis jetzt nur im Salzgrunde. Gattung Plilophora: plumigera SV., ziemlich häufig, bei Selzbrunie, Beneachäiı eic. Gattung Ptilodontis: palpina L., gemein. Gattung Lophopteryz: 1) carmelita E., sehr selten, und bis jetzt nur auf den Seefeldern bei Rein- erz; 2) camelina L., überall; 3) cueullina SV., ein Exemplar bei Landeshut. 91 Gattung Drynobia: velitaris Kn., ziemlich häufig. Gattung Glyphidia: erenata, bis jetzt nur an der Hundsfelder Chaussee unweit Breslau. Gattung Phalera: bucephala L., häufig. Gattung Clostera: 1) reclusa F., häufig; 2) anachoreta F., gemein; 93) curtula Lin., sehr häufig; 4) anastomosis L., einzeln. Derselbe hielt ferner einen Vortrag über die im österreichischen Theile des Fürstenthums Neiße im Monat Juli vorkommenden Falter-Arten, welche er bei seinem vierwöchentlichen Aufenthalte in Grä- fenberg beobachtet hatte. Darunter befanden sich, als in Schlesien außerordentlich selten: Noctua coeno- ‚bita H., in einem Exemplare bei Gräfenberg, und N. speciosa H., in einem Exemplare am Altvater gefangen. Das Nähere siehe in der Zeitschrift für Ableinelogie, herausgegeben von dem Vereine für schlesische Insektenkunde, Jahrg. 1855. Herr Dr. phil. W. G. Schneider hielt einen Vortrag über die Familie der Lithosidae, hiermit die im vorigen Jahre begonnene Auseinandersetzung dieser Familie beschließend, und zeigte folgende Gattungen und Arten, wie früher mit Einschluß auch der nicht in Schlesien vorkommenden, vor. V, Lithosia Fabr. Von schlankem Körperbau; Vorderflügel schmal und lang, fast gleichbreit, ohne Anhangszelle, mit 12 Rippen; Hinterflügel halbkreisförmig, in der Ruhe etwas um den Leib gerollt; Rippe 5 fehlt. Hinterleib kaum die Hinterflügel überragend. Kopf klein, Palpen sehr kurz; Fühler aus länglich viereckigen, deutlich abgesetzten, gewimperten Gliedern bestehend. Von den 18 bekannten europäischen Arten sind bis jetzt 11 in Schlesien gefunden worden. I. Vorderflügel ohne Punkte. A. Allgemeine Färbung lebhaft dottergelb. 1) L. unita W. V. Nur im südlichen Europa, bis Wien vorkommend. 2) L. palleola Hübn. (gilveola Ochs.), der vorigen ähnlich, aber blaß lehmgelb gefärbt; in Schlesien, aber selten. - 3) L. pallifrons Zell., mit oben graulichem Leibe und gelbem Kopf und Hinterleibsspitze. Von Herrn Prof. Zeller bei Glogau entdeckt, findet sich jedoch auch an einzelnen Orten der Umgegend von Breslau. 4) L. aureola Hübn. Um Breslau (z. B. Oswitz) häufig, im Mai und Juni. 5) Z. lutarella Lin. (luteola W. V.). Ueberall verbreitet, auch in Schlesien häufig, im Juni und Juli. 6) ZL. cereola Hübn. Selten, in Deutschland und auch in Lappland, 7) L. flavociliata Lederer. Im J. 1852 im Altai entdeckt. B. Nur der Vorderrand der Vorderflügel und die Fransen gelb. 8) L. complana Linne. In Schlesien überall häufig; im Juli. 9) L. plumbeola Hübn. In einigen Gegenden Deutschlands, 10) Z. morosina Keferst. In der Türkei. 11) L. arideola Hering, wurde vor wenigen oh von Herrn Professor Zeller auch bei Glogau gefunden. C. Lehmgelbe Arten, nur die Fransen dottergelb; Vorderflügel gegen Wurzel kai Spitze gelblich. 12) Z. helveola Hübn., wozu nach Schreiner’s Beobachtung (siehe Stett. ent. Zeitung, Jahrg. 1852) als Weibchen die Z. depressa Esp. gehört; in dem Vorgebirge Schlesiens, Salzgrund u. s. w. 12 * 92 D. Grau gefärbte Arten; Vorderrand der Vorderflügel ganz schmal gelblich. 13) Z. griseola Hübn. In Schlesien, wenig verbreitet und nicht häufig. 14) L. caniola Hübn. In Croatien, Italien und Frankreich. ll. Vorderflügel mit schwarzem Mittelpunkt und einer Punktreihe dahinter. 15) L. muscerda Hufn. Findet sich um Breslau, bei Pöpelwitz u. a. O. im Juli und August. VI. Gnophria Steph. Von der Gattung Lithosia nur durch Vorhandensein der Anhangszelle der Vorderflügel und der Rippe 5 der Hinterflügel verschieden. Die einzige Art ist: 1) G@. rubricollis Linne. In Schlesien, nur im Gebirge; im Salzgrunde, bei Reinerz u. a. ©. VII. Oeonistis Hübn. Von der vorigen Gattung nur durch Fehlen von Rippe 5 der Hinterflügel - verschieden. Mit einer Art: ® 1) O. quadra Linne. In Schlesien sehr verbreitet, in der Ebene wie im Gebirge, und sehr häufig. Derselbe begann eine Auseinandersetzung der in Schlesien einheimischen Gattungen und Arten der großen Lepidopteren-Familie Geometridae und leitete dieselbe durch eine kurze Angabe des Cha- rakters dieser Familie und durch Angabe der neuesten Eintheilungsversuche derselben ein. Herrich-Schäffer stellte in seiner ‚„‚Systemat. Bearbeitung der Schmetterlinge Europa’s“ folgende charakteristischen Merkmale, von denen ich hier nur die hauptsächlichsten anführe, für die Familie Geo- metridae auf: Fühler borstenförmig; Flügel ungetheilt, die vorderen mit einer, die hinteren höchstens mit zwei freien Innenrandsrippen; die hinteren Flügel mit einer Haftborste; 2 Palpen; Nebenaugen feh- len. — Raupen mit nur 2, seltener A Bauchfüßen; Afterfüße immer vorhanden; leben frei. Was die systematische Stellung der Geometridae betrifft, so stellt sie Herrich-Schäffer zunächst den Bomby- ciden, welche Ansicht neuerdings auch von Gu&n&e getheilt wird, und zwar auf gute Gründe gestützt; am besten dürften sich die Geometridae den Gattungen Saturnia und Platypteryx anreihen. Herrich-Schäffer theilt die ganze Familie zur keichteren Uebersicht in 2 große Gruppen, nämlich: 1) Phytometridae, diejenigen Geometriden umfassend, bei welchen Rippe 8 der Hinterflügel aus dem Vorderrand der Mittelzelle entspringt und Rippe 5 derselben fehlt oder viel schwächer ist als die übrigen. 2) Dendrometridae, solche Geometriden enthaltend, bei welchen Rippe 8 der Hinterflügel aus der Flügelwurzel entspringt und Rippe 5 stets vorhanden “und von gleicher Stärke mit den übrigen. ist. So einfach und übersichtlich dieses Schema zu sein scheint, so wenig gewährt es dagegen Einsicht in die natürliche Verwandtschaft der Gattungen, welche vielmehr oft sehr zerrissen und weit auseinander gehalten wird. Lederer versuchte mit theilweiser Benutzung der von Herrich-Schäffer gegebenen Gruppen- Charaktere eine andere, besser präcisirte übersichtliche Gruppeneintheilung durch gründliche Untersuchung der Flügeladern bei allen Gattungen zu Stande zu bringen, wodurch eine mehr ansprechende und den Verwandtschaftsverhältnissen der Gattungen besser entsprechende Reihung der einzelnen Glieder erreicht wurde; die etwaigen Mängel auch dieses Versuches werden sich. erst durch erneuerte sorgfältige Prü- fungen des Werthes und der Stichhaltigkeit der aufgestellten Charaktere herausstellen. Ich benutze für vorliegenden Zweck die Lederer’sche Gruppentheilung und gebe hier eine Ueber- sicht derselben. 95 Lederer theilt die Geometridae in folgende 4 Gruppen: I. Vorderflügel ohne Anhangszelle; Hinterflügel mit gleich starker Rippe 5 und frei aus der Wurzel gehender Rippe 8; Rippe 5 liegt näher an 6, als an 4. II. Vorderflügel mit Anhangszelle; Hinterflügel wie bei Gruppe I. II. Vorderflügel ohne Anhangszelle; Rippe 8 der Hinterflügel entspringt aus der Wurzel; Rippe 5 ist schwächer als die andern, oder fehlt. | IV. Vorderfligel mit Anhangszelle; Rippe 5 der Hinterfligel gleich stark mit den übrigen; Rippe 8 entspringt aus dem Vorderrande der Mittelzelle. Die I. Gruppe umfaßt in übersichtlicher Zusammenstellung nach Lederer folgende Gattungen: 1) Hinterbeine bei Männchen und Weibchen mit 2 Paar Spornen; Fühler des Männchens gekämmit. a) Männliche Fühler über halbe Vorderrandslänge . . » 2 2 2... Pseudoterpna. b) Männliche Fühler unter halber Vorderrandslänge . . . » 2 2.2... Geometra Phorodesma Jodis. 2) Männchen hat nur End-, das Weibchen Mittel- und Endspornen an den Hinterbei- nen; Fühler des Männchens nur gewimpert . . . . Nemoria. 3) Männchen und Weibchen haben nur Endspornen an en Binterheipen; Answiliche . Fühler kammzähnig. a) Hinterflügel ganzrandig . . . ELTERN AT a eroslis: b) Hinterflügel zwischen Rippe 4 ki 6 ausgenat Br ee een: l) Pseudoterpna Herr.-Sch. Vorderflügel Ge mit vortretender Spitze; Hinterflügel ‚schmal, am Innenrand etwas eckig; Palpen kurz, am Kopfe aufsteigend. Fühler des Männchens mit sehr kurzen, etwas gekeulten Kammzähnen, an der Spitze mehr sägezähnig, endlich ganz einfach; bei dem Weibchen einfach, borstenförmig. Färbung der Arten staubig grün oder grau, mit 2 welligen Querlinien in der Mitte und einer am Saume. Arten von mittlerer Größe. Von den 4 bekannten europäischen Arten ist nur eine bis jetzt als schlesisch bekannt: l) P. pruinata Hufn. (cythisaria S. V.) Findet sich nicht selten um Breslau, bei Lissa, Os- witz, ‘Bruschewitz etc., überhaupt da, wo viel Genista und Spartium wächst, worauf die Raupe lebt. 2) Geometra Boisd. sens. str. (Linne). Flügel breiter und runder; Paipen vorwärts gerichtet; Fühler bei dem Männchen bis ans Ende stark mit kurzen, gekeulten Kammzähnen besetzt, bei dem Weib- chen schwach sägezähnig oder kurz kammzähnig. Arten schön grün gefärbt, mit Querlinien auf den Flügeln. Beide europäische Arten finden sich auch in Schlesien, von der zweiten ist jedoch das Vorkommen noch nicht sicher verbürgt. 1) @. papilionaria Linne, Große Art; um Breslau im Frühjahr in Birken- und Erlengehölz, aber nicht häufig. 2) @. vernaria S. V., soll nach der Angabe eines Berichtes des schlesischen Tauschvereins, welcher mir nicht zu Gesicht gekommen, in Schlesien vorkommen. 3) Phorodesma Boisd. Männchen von schlankem, Weibchen von plumpem Körperbau; Vor- derflügel gestreckt, 'mit ‚scharfer Spitze; Hinterflügel länger als breit, am Innenwinkel nicht gerundet. 94 Palpen vorwarts gestreckt, kurz. Fühler des Männchens mit langen, dünnen Kammzähnen besetzt, an der Spitze sägezähnig; die des Weibchens sägezähnig. Von den 4 EEE Arten ist nur eine sicher als in Schlesien einheimisch bekannt, nämlich: 1) Ph. pustulata Hufn. (bajwaria S. V.) Findet sich einzeln in den Eichenwäldern der Ebene; um Breslau bei Oswitz, Schwoitsch etc. P. smaragdaria Fabr. soll angeblich auch in Schlesien gefunden li sein, was wohl auf einer Verwechselung der Arten beruhen mag. 4) Eucrostis Hübn. Rippe 3 und 4, 6 und 7 der Hinterflügel gestielt; Hinterbeine bei Männ- chen und Weibchen nur mit. Endspornen. Von den 5 europäischen Arten ist bis jetzt noch keine in Schlesien gefunden worden; als ein Re- präsentant der Gattung wurde die schöne, in Dalmatien und Spanien einheimische E. indigenata vorgezeigt. 5) Nemoria Hübn. Adernverlauf wie bei Euerostis; Hinterflügel auf Rippe 4 eckig vorsprin- gend. Fühler des Männchens nur kurz und dicht gewimpert; Hinterbeine des Männchens mit langen, dicken, flach gedrückten Schienen, und diese nur mit Endspornen besetzt; das Weibchen hat ie und Endspornen. Arten von miltlerer Größe und blaugrüner Färbung. Von 6 europäischen Arten finden sich nur folgende 2 in Schlesien: l) N. viridata Linne. Bei ee im Frühjahr in Kieferwäldern, von Professor Zeller gefunden. 2) fimbriata Hufn. (aestivaria Hübn,) Um Breslau überall in Wäldern, nicht sen; die Raupe lebt auf verschiedenen Pflanzen. i . 6) Thalera Hübn. Die Hinterflügel zeigen zwischen Rippe 4 und 6 einen Ausschnitt; Fühler bei dem Männchen und Weibchen kammzähnig. Hinterbeine mit Endspornen besetzt. | Diese Gattung enthält nur eine Art: 1) T. ihymiaria Linne (bupleuraria S. V.). Findet sich auf trockenen Sandplätzen, im hohen Sommer bei Sonnenschein liegend; bei Schwoitsch, Paschkerwilz, in der .Trebnitzer Gegend. 7). Jodis Hübn. Hinterflügel auf Rippe 4 schwach eckig; Rippe 3 und 4, 6 und 7 gestielt; Palpen sehr schwach; Hinterbeine bei Männchen und Weibchen mit 2 Paar Spornen;, Fühler bei dem Männchen bis zu %, der Länge mit langen ruthenartigen Kämmen besetzt, dann nackt. Arten von klei- ner, schlanker Statur und blasser Färbung. Die 2 europäischen Arten finden sich auch in Schlesien. 1) 7. putataria Linne. In der Ebene ziemlich verbreitet, im Frühjahr in Gebüschen. 2) I. lactearia Linne (aeruginaria S. V.). Findet sich im Mai und Juni im Vorgebirge und im höheren Gebirge an Stellen, wo Vaccinium Myrtillus wächst‘ - (Die Fortsetzung folgt im nächsten Jahresberichte.) Herr Dr. Wocke berichtete am 11. Oktober über die von ihm im vergangenen Sommer gefange- nen seltenen, oder für Schlesien neuen Arten Folgendes: Melitaea Athalia Var. Pyronia Hb. Ein einzelnes, frisch ausgekrochenes Männchen traf ich bei Lissa am 31. Mai. Auf der Oberseite sind alle dunklen Zeichnungen sehr tief schwarzbraun, auf den 95 Vorderflügeln fehlt nur die dunkle Mittelbinde. Die Hinterflügel sind ganz schwarzbraun mit nur einer Reihe braungelber Flecken. Bei einem zweiten Exemplar, einem Weibe, das am 9. Juli im Vorgebirge gefangen wurde, ist die Färbung viel heller. Oben auf den Vorderfligeln ist nur die vorletzte schwarzbraune Querbinde vorhan- den, alle übrigen Zeichnungen fehlen mit Ausnahme der Makeln in der Mittelzelle. Die braungrauen Hinterflügel zeigen außer einer braungelben Binde noch einen solchen Fleck gegen die Wurzel zu. Auf ‘der Unterseite stimmen beide Stücke mit BERAHEN überein und zeigen die bei Pyronia gewöhnlichen Abweichungen. Apatura Iris. Von dieser Art sammelte ich am 5. und 6. Juni in der Gegend von -Freiburg 17 Raupen, von welchen, wie gewöhnlich, ein großer Theil gestochen war. Ich erzog 4 Männchen und 7 Weibchen, darunter 2 Abänderungen, welche einen Uebergang zur Var. Jole bilden. Das eine Stück, ein Männchen, zeigt oben auf den Vorderfligeln weniger weiße Flecke als gewöhnlich, und zwar fehlen die hinter der Mitte am Innenrande übereinander gelegenen, gewöhnlich zu einer halben Querbinde verbundenen gänzlich, dann der oberste von den drei etwas hinter der Vorderrandmitte befindlichen Flecken. Die vorhandenen sind viel kleiner als sonst. Auf den Hinterflügeln fehlt die weiße Binde, als Andeutung derselben sind nur zwischen den Rippen 2, 3 und 4 zwei kleine Flecke vorhanden. Auf der Unterseite ist die Hinterflügelbinde zwar vorhanden, aber besonders in der Mitte sehr verschmälert, nicht rein weiß, sondern bläulich bestäubt, und die Rippen sind dick dunkelbraun beschuppt. Die zweite Varietät, ein Weib, gleicht auf der Oberseite der Vorderflügel der -vorigen, führt aber am Innenrande zwischen Rippe 1 und 2 zwei kleine weißgraue Fleckchen. Die Hinterflügelbinde ist verschmälert, ihre Vorderrandhälfte stark durch schwarze Schuppen verdunkelt und von sehr dick schwarz ° bestäubten Rippen durchschnitten. Die Unterseite ist wie gewöhnlich. Diese beiden Stücke beweisen, daß die bisher bei uns noch nicht beobachtete Jole doch wohl auch wird in Schlesien vorkommen können. Psyche atra Freyer. Von dieser seltenen Art erhielt ich durch die Güte des Herrn Pastor Stand- fuss in Schreiberhau drei dort auf Calluna gefundene Puppen, die am 15. und 16. Mai drei schöne Männer lieferten. Gastropacha ilieifolia Lin. Seit langer Zeit nicht in Schlesien beobachtet, Ich fand Anfang Juli eine Anzahl Raupen im Vorgebirge auf Heidelbeerkraut ziemlich erwachsen. Die Verpuppung hatte An- fang August statt. Laelia Coenobita Hb. Eine Raupe am Sattelwald bei Freiburg den A. September; die Verpuppung zu Ende des Monats. Diese Art scheint im ganzen schlesischen Gebirge verbreitet, sowohl im Vorge- birge (Zobten, Reinerz) als auch im Hochgebirge (Schreiberhau). Immer ist sie vereinzelt. Meist lebt sie in hohem Fichtenwalde auf niedrigen Sträuchern oder den untersten Aesten der Bäume — von hohen Aesten habe ich noch keine geklopft —; sie sitzt stets auf der Oberseite eines Aestchens und fällt da durch ihre bunte Färbung leicht in die Augen. Diphtera Ludifca Lin. war als Raupe diesen Herbst gar nicht selten in der ersten Hälfte des September. Sie ist wie die vorige durch das ganze Gebirge verbreitet, so weit ihre Futterpflanze, die Eberesche, wächst. Wie Coenobita sitzt sie auf der Oberseite der Blätter, aber nicht an den nie- deren Zweigen, sondern auf der höchsten Spitze der Bäume oder Sträucher; unter Steinen an der Wurzel der Bäume habe ich bisher vergeblich nach ihr gesucht. Plusia Ain Hb. Ein schönes Männchen fand ich frisch ausgekrochen den 25. Juni am Sattel auf einem Nesselblatt. - Erasiria venustula Hb. Diese in Schlesien überaus seltene Eule fand ich in einem einzelnen fri- schen weiblichen Exemplar bei Lissa auf einem sandigen Fahrwege im Birkengehölz am 18. Juni. 96 Herminia tarsiplumalis Hb. kommt im schlesischen Vorgebirge an mehreren Stellen vor, z.B. bei Nimptsch (Standfuss!). Ich fand sie Anfang Juli dieses Jahres nicht selten in der Gegend von Schweidnitz auf einem mit niedrigem Eichengesträuch und reichlich mit Calluna bewachsenen Granithügel. Acidalia deversaria HS. fing ich zahlreich an gleichem Orte mit der vorigen, wo ich sie aus dem Eichengebüsch klopfte; außerdem aber auch ein Exemplar bei Lissa den 17. Juli. Acid. holosericata Dup., noch nicht als schlesisch bekannt, flog an derselben Stelle mit deversaria sehr häufig im Grase. Ac. osseata kam mir dort nicht vor. | Sthanelia hippocastanata Hb. Viele Exemplare, zum Theil schon verflogen, fing ich den 23. Juli bei Sponsberg unweit Trebnitz auf einer stark mit Calluna bewachsenen Anhöhe. Lobophora sertata Hb.: fand ich diesen Herbst wieder an der im vorigen Berichte angezeigten Stelle am Sattel am 4. September, diesmal nur Männchen. i ‚ Botys sanguinalis Lin. wurde bisher nur vom Prof. Zeller bei Glogau wel ich entdeckte ihn in der Trebnitzer Gegend am 14. und 23. Juni auf einer dürren mit Aira canescens und Rumex acetosella bewachsenen Stelle in mehreren Fxemplaren. Larentia miata Lin., coraciata Tr., flog von Mitte bis Ende September in Fichten- und Tannen- sehölz bei Schreiberhau und weiter hinauf bis an die Baumgrenze gar nicht selten; ich fing nach und nach über 60 Exemplare, darunter nur 6 Weiber. Bei keinem einzigen zeigte sich ein Uebergang zu siterata, weder durch geringere Flügelbreite, noch durch beginnende rostfarbene Bestäubung. Da ich außerdem in demselben Walde bei Schreiberhau, wo ich die meisten Stücke gefangen, auch 3 mas und 1 fem. von siterata antraf, die von den Exemplaren der Ebene gar nicht abweichen, so möchte ich wohl der Ansicht Derer beitreten, die miata als eigene Art und nicht als Varietät von siterata betrachten. Eudorea Oertzeniella HS. (Tineides Tab. 14 Fig. 97). Neu für Schlesien. Ein Männchen im Scheitniger Park bei Breslau den 7. Juli am Stamm einer Eiche, schon ziemlich verflogen; ein gutes Weibchen den 13. August bei Pöpelwitz. Letzteres’fing ich am späten Abend zugleich mit Chilo for- ficellus auf einer sumpfigen Wiesenstelle im Fluge. Beide Exemplare stimmen so ziemlich mit HS. Fi- gur, nur zeigen sie zwischen den schwarzen Saumpunkten und den Franzen nicht die dort so scharf begrenzte hellbraune Saumlinie, sondern vor den an ihrer Basis graubraunen Franzen eine sehr feine hellgraue Linie. Außerdem sind die Flügelrippen der Vorderflügel von deren Mitte ab deutlich braun bestäubt. f Eudorea Zelleri (Mus. Schneider) n. sp. Major, alis ant. albidis griseo-pulvereis, annulis ma- culaque reniformi luteis nigrocinetis, striga posteriore in medio arcuata. Am nächsten verwandt mit perplexella und ambigualis, von ersterer leicht durch den Mangel der zimmtbraunen Bestäubung zu unterscheiden, von ambigualis verschieden durch beträchtlichere Größe, hellere Färbung, Mangel des dunklen Fleckes in der Mitte der Saumpunkte der Vorderflügel. Größe wenig unter perplexella, stets größer als die größten ambigualis. Gestalt der letzteren, nur tritt die Spitze der Vorderflügel mehr vor als bei dieser, wodurch unter der Spitze der Saum etwas eingedrückt erscheint. Kopf und Oberseite der Taster weiß. Rüssel weiß beschuppt. Fühler weißlich, nach der Spitze zu bräunlich, braun geringelt. Rücken aschgrau. Beine weiß, Vorder- und Mittelbeine auf der Lichtseite aschgrau. Füße an der Basis der Glieder grau geringelt, beim Männchen dunkler, beim Weibchen oft kaum merklich. Hinterleib weißlich aschgrau mit fast weißem Afterbusch. Die Vorderflügel sind weißlich, mehr oder weniger bläulich aschgrau bestäubt, im Ganzen aber schwächer als bei ambigualis. Die Zeichnungen sind genau wie bei dieser Art, doch blasser, nur die Ringmakel und der darunter befindliche Strich — oft ein in die Länge gezogener Ring — und das Mer- 97 kerzeichen sind schwarz. Niemals findet sich zwischen letzterem und dem Ringe eine Spur eines Ver- bindungsstriches. Die Ausfüllung der Makeln ist schmutzig hellgelb. Die hintere Querlinie ist in der Regel sehr scharfzackig mit ganz denselben, etwas veränderlichen Krümmungen wie bei ambigualis. Die Schattenflecke hinter ihr verbinden sich nur selten sehr undeutlich. Die Saumpunkte sind tief schwarz, nach dem Innenwinkel zu schwächer; vor ihnen ist der Raum stets einfarbig weißlich, ohne den bei amd. vorhandenen Schattenfleck in der Mitte, ebenso fehlt: hier der den Schattenfleck des Innen- winkels bei amd. ein- oder durchschneidende Strich der Grundfarbe. Die Franzen sind gelblichweiß mit einer hellbraunen Punktreihe an ihrer Basis. Hinterflügel aschgrau, gegen den Saum dunkler; meist zeigt sich eine ziemlich undeutliche, weißliche Bogenlinie vor demselben, als eine Fortsetzung der hin- teren Querlinie der Vorderflügel, welche in ihrer Mitte einen schwachen Bogen nach Außen macht. Franzen gelblich mit bräunlicher Theilungslinie. Die Unterseite ist verhältnißmäßig dunkler als bei amb., sonst" gleich gezeichnet. / | Diese Art scheint nur wenig beachtet oder auf kleine Bezirke beschräukt, dabei aber weit verbrei- tet zu sein. Zwei Exemplare, von Mann in Croatien gefangen, stecken unter obigem Namen,- den zu verändern ich keine Veranlassung habe, in Herrn Dr. Schneider’s Sammlung; ein schönes Weib fing ich bei Ischl am 7. Juli 1846 an einem Felsen, und am 20. Juli dieses Jahres fand ich in einem klei- nen Kiefernwäldchen auf einer sandigen Anhöhe unweit Breslau eine große Anzahl meist verflogener Exemplare in beiden Geschlechtern; sie saßen Iheils an den Stämmen, und manchmal 10 an einem Baume, theils auf dem mit Moos bedeckten Boden, waren aber äußerst scheu, so daß es mir Mühe ge- nug machte, 3 brauchbare Männchen und 8 dergleichen Weibchen zusammenzubringen. Pempelia faecella Ti. Diese bisher nur von Zeller bei Glogau gefundene Art erbeutete ich im vergangenen Sommer an mehreren Orten der Ebene und des Trebnitzer Hügellandes im Juli. Sie war aber überall einzeln und hielt sich nur an Kiefern auf. Homoeosoma tetricella SV. In einer sandigen, dürren Gegend bei Breslau war diese bisher nur einzeln gefundene Art am 10. Mai häufig an niedrigen verkrüppelten Kiefersträuchern. Teras maccana Tr. Noch nicht als Schlesier bekannt. Auf einer Exkursion, die ich mit meinem Freunde, Herrn Pastor Standfuß in Schreiberhau, am 28. September von dort nach dem am Westende des eigentlichen Riesengebirges etwa 2800 Fuß hoch gelegenen Thorfelsen machte, um dort die Reste heidnischer Opferstätten aufzusuchen, fanden wir in nächster Nähe der Felsgruppe auf Heidelbeerkraut diesen schönen Wickler in vielfachen Abänderungen. Es war nebelichtes, kaltes Wetter, als wir die ersten Exemplare schöpften, und wir mühten uns lange erfolglos, die Thiere durch den Qualm ‚unserer Zigarren aus den Vaceinium-Büschen aufzujagen; später schien die Sonne ein wenig und lockte die Fal- ter zum Fluge, von dem sie dann bei wieder beginnendem Nebel sich lieber an den Felsen, als in den, ihnen wohl noch zu narkotisch duftenden Futterpflanzen einen Ruheplatz suchten und hier leichter als zuvor unsere Beute wurden. An derselben Stelle fand ich auch einige Männer von Chimatobia bru- mata, welche in der, Ebene erst 4 Wochen später erschien. ‚Lozotaenia decretana Tr. Von diesem um Breslau noch nicht gefundenen seltenen Wickler klopfte ich zugleich mit Penıp. faecella wenige Exemplare von Kiefern bei Sponsberg den 23. Juli. Semasia jaceana Schlaeger. Um Breslau auf trockenen Wiesen, um Centaurea jacea oft häufig im Juli. Sie ist noch nicht als schlesisch aufgeführt worden, weil man sie wohl immer für Varietät von hohenwartiana gehalten hat. Es ist übrigens auch eine so veränderliche Art, daß ich die Grenzlinie zwischen ihr und hohenwartiana einer- und ibiceana HS. andrerseits noch nicht zu ziehen weiß und mir daher genauerg Angaben über sie noch vorbehalten muß. - 13 Grapholitha fünbrıana Wood. HS. Neu für. Schlesien. Drei Exemplare, 2 mas und 1 /em., fing ich, je eins in drei Jahren, in einem unweit Breslau, hart an der Oder gelegenen und steten Ueber- schwemmungen ausgesetzten Walde an Aspenstämmen um die Mitte des April. Ich vermuthe den Wohnort der Raupe auf diesen Bäumen, in deren Zweigen sie vielleicht gleich der von corollana lebt. Ypsolophus sabinellus Boisd. Ist auch in der Breslauer Gegend heimisch. Bei Lissa klopfte ich Ende Juli und Anfang August mehrere Exemplare aus Juniperus. Graeilaria quadruplella Zeller lebt wie phasianipennella an Polygonum hydropiper. Ich zog unter vielen dieser gemeinen Art auch ein Exemplar jener seltenen, ein zweites scheuchte ich gleichfalls in Gesellschaft von phas. am 8. Oktober bei Lissa aus niedergetrelener Calluna. Lithocolletis connexella et Kleemannella, die mir früher noch nicht um Breslau vorgekommen wa- ren, haben sich nun auch vorgefunden, erstere ziemlich selten als Raupe in den Blättern der Weiden der Oderufer im Spätherbst; letztere fing ich am 3. Mai bei Lissa in einem Erlenwäldchen, wo sie am frühen Morgen gar nicht selten im Sonnenschein flatterte. Cemiostoma laburnella HS. Tin. Tab. 109 fig. 876. Noch nicht als schlesisch bekannt. Der spartifoliella äußerst ähnlich, aber kleiner, das Weiß noch reiner, sehr glänzend, der gelbe Vorderrand- strich zunächst der Mitte ist kürzer und schärfer schwarz begrenzt. In der Umgegend von Breslau ist spartif. bisher noch nicht vorgekommen, sondern nur laburnella, und diese an vielen Orten; bei Oswitz, wo zwar auch Spartium wächst, fand ich sie nicht an dieser Pflanze, sondern in weiter Entfernung davon; ebenso bei Schwoitsch, Lissa, im Salzgrunde, am Zobten, wo überall Spartium fehlt, dafür aber Genista tinctoria reichlich wächst. Auch ihre Flugzeit ist eine andere als bei spartifol.; während diese nach Zeller Ende Mai und den Juni hindurch fliegt, erscheint laburnella zweimal im Jahre, zu Ende April bis Mitte Mai und dann wieder Ende August und Anfang September. Sie ist nicht häufig und fliegt freiwillig nur nach Sonnenuntergang. Vielleicht gehört das von Zeller am Probsthainer Spitzberge ge- fangene Exemplar (Zinnaea III. p. 275) zu dieser Art und nicht zur spartifoliella, Herr Dr. Wocke hielt ferner einen Vortrag über das Tortriciden-Genus Cochylis Tr., und zeigte folgende, in seiner Sammlung befindliche Arten desselben vor: 1) decimana S.V., im Gebirge, selten. 2) tesserana S. V., um Breslau, selten. 3) rutilana H., im Iser- und Trebnitzer Gebirge. 4) zebrana H., bei Paschkerwitz, selten. 5) Baumanniana F., in der Ebene und im Gebirge. 6) triangulana Tr. 7) Kindermanniana Tr. 8) Smeathnanniana Tr. 9) rubigana Tr., um Breslau im Mai und August. 10) Tischerana Tr., sehr verbreitet. 11) elongana Z., um Glogau im Juni. 12) rubellana H., auf Sumpfwiesen in der Umgegend von Breslau. 13) epilinana Z., auf Artemisia. 14) rupicola Curt., sel- en. - 15) Mussehliana Tr., auf Sumpfwiesen im Mai und August. 16) Manniana F.v.R., auf Sumpf- wiesen mehr im Gebirge. 17) amianthana H., sehr wahrscheinlich in Schlesien. 18) limbatana H. S., nur in den Alpen. 19) dubitana H., in der Ebene und im Vorgebirge im Mai und Juli. 20) poste- rana Hffg., im Mai und August um Disteln. 21) pallidana H. S. 22) ambiguana Fröhl., um Breslau im Mai und Juni an Birken. 23) roserana Fröhl., bei Fürstenstein im Mai. 24) sanguisorbana H., auf Sumpfwiesen in der Ebene und im Gebirge. 25) eruentana Fröhl., überall im Juli und August auf Calluna vulgaris. ; - Herr Cand. phil. Czech, welcher der Section als Gast beiwohnte, zeigte die in Spiritus aufbe- wahrte Raupe von Cossus aesculi L. vor, welche er in Oberschlesien aus einem aus der Monhanplischen Baumschule in Breslau stammenden Birnstämmchen "aufgefunden hatte. Ir. Diptera. Herr Hauptlehrer K. Letzner hielt einen Vortrag über Thereva subfasciata Schum., welche_derselbe aus einer 12—15 Lin. langen, in der Mitte %, Lin. dicken, wurmförmigen, fußlosen, steifen, glatten, nach beiden Enden gleichmäßig zugespitzten, weißlichen Larve erzogen hatte. Dieselbe bestand aus Kopf, 19 Segmenten und dem Anus, von. denen der letztere, wie der mit brauner Hornschale bedeckte Kopf kleiner, kürzer und namentlich schmaler als die Segmente waren. Diese Larve lebte in dem weichen, trocken-fauligen Holze einer alten Eiche, und bewegte sich mit ihrem in Schlangenlinien gebogenen, aber steifen (an die Larve von TZ'enebrio molitor erinnernden) Körper ziemlich schnell vor- ‚und rückwärts durch die Spalten und Höhlungen desseiben. Sie wurde in einer mit fauligem Ei- chenholze gefüllten Schachtel von Anfang Juni bis in den August im Zimmer erhalten, in wel- chem Monate sie sich verpuppte. — Die Puppe ist 5 Linien lang, vorn wenig mehr als 1 Linie breit, langgestreckt, cylindrisch, hinten sanft verengt, weißlich. Mund und Augen sind deutlich.zu erkennen; über den letztern, seitlich nach rechts und links abstehend, auch die Fühlerscheiden, welche in einen kurzen, bräunlichen Dorn endigen. Die ersten 2 Brustringe sind nicht deutlich getrennt, aber wie der 3. durch ein röthliches, nach hinten gekrümmtes Dörnchen an jeder Seite ausgezeichnet. Die Hinter- leibssegmente sind auf der Rückenseite wie der Metathorax am Hinterrande ‚mit steifen Borstenhaaren gewimpert, und auf jeder Seite (den Dörnchen auf der Brust in der Richtung entsprechend) etwas vor dem Hinterrande mit 3—6 steifen, anliegenden Borstenhaaren besetzt, vor deren Insertion das als ein brauner Punkt erscheinende Luftloch (wenig vor der Mitte jedes Segmentes) liegt. Die Spitze ist mit der zusammengeschrumpften Larvenhaut bedeckt. Die Flügel reichen nur bis an den Hinterrand des Metathorax, und lassen an ihrer Spitze so viel Raum, daß die Tarsen der Vorderbeine deutlich sichtbar sind, deren Spitze nicht ganz das Ende der Flügelscheiden erreicht, Nur Wenig hinter diesen erschei- nen die Tarsen der Mittelbeine, und wieder nur Wenig hinter diesen, aber nicht mehr dicht neben einan- der liegend, die der Hinterfüße, welche die Flügelscheiden nur wenig überragen. Herr Dr. phil. W. G. Schneider hielt einen Vortrag über die Dipteren-Gattung Tabanus Linne, Meig., und zeigte sämmtliche von ihm in Schlesien gefundene Arten dieser Gattung vor. Zeller hat in Oken’s Isis, Jahrg, 1842, eine gute Eintheilung der Arten zur Uebersicht gegeben, welche hier zu Grunde gelegt werden mag. A. Arten mit kahlen Augen in beiden Geschlechtern. 1) Tab. sudeticus Zell. Soll synonym sein mit 7. spodopterus Wiedem., doch will die Meigen’sche Beschreibung nicht genau auf die Zeller'sche Art passen, weshalb ich es vorläufig vorziehe, die ' sichere Zeller’sche Benennung beizubehalten. Findet sich nur im Vorgebirge, z. B. auf dem Sat- telwalde und im höheren Gebirge bei Reinerz, auf den Seefeldern, im Juli. Schummel hat diese Art als 7. bovinus Linne bestimmt und die folgende als Varietät zu dieser gezogen. 15 * 2) Tab. .bovinus Linne, Ueberall gemein. 3) Tab. autumnalis Linne. Um Breslau im Juni nichtiselten. 4) Tab. n. sp.? dem T. autumnalis ähnlich, aber kleiner, zwischen diesem und dem folgenden 7‘. cor- diger stehend. Da mir kein ausreichendes Material zur Vergleichung zu Gebote steht, so wage ich auch nicht, das einzeln vorliegende, von Herrn Dr. Wocke in Lissa gefundene weibliche Exemplar ohne Weiteres als neue Species anzusprechen, und behalte mir eine weitere Besprechung vor. 5) Tab. cordiger Wiedem. Diese Art ist bis jetzt nur in der Gegend von Reichenbach, Franken- stein und Wartha gefunden worden. | 6) Tab. bromius Linne. Ueberall gemein, in zahlreichen Varietäten. 7) Tab. flavicans Zeller. Ich führe den Zeller’schen Namen als den sicheren an; wahrscheinlich ist dieser synonym mit 7. glaucopis Meig.; Meigen’s Beschreibung der Augenbinden ist mangelhaft, im Uebrigen aber auf Zeller’s Art passend. Diese Art.habe ich bis jetzt nur, und zwar nur das Weibchen, am MORE und auf dem Zobten gefunden. B. Fr beiden Geschlechtern behaart (Therioplectes Zeller). a. Vorderzinken der Gabelader ohne Fortsatz. 8) Tab. austriacus Fabr. (micans Meig.). Nur im Gebirge, Salzgrund, Reinerz, Schreiberhau. 9) Tab. auripilus Meig. mit dem vorigen an gleichen Orten. 10) Tab. borealis Fabr. Der einzige mir bekannte Fundort sind die Seefelder bei relireni Männchen sah ich noch nicht; die von Zetterstedt beschriebene Grundform ohne“ rothe Hinterleibsflecke scheint in Schlesien nicht vorzukommen. 11) Tab. tropieus Linne. Sehr verbreitet und gemein, in mannigfachen Varietäten. 12) Tab. luridus Meig. Bei Lissa im Mai und Juni. 13) Tab. alpinus Schrank sg > Meig.) in der Ebene und im Bot doch weniger häufig als der folgende. 14) Tab. rustieus Linne. Sehr verbreitet und häufig. 15) Tab. plebejus Fallen. Findet sich hauptsächlich auf den Torfmooren der Seefelder, des Riesenge- birges und Gesenkes, ist jedoch von Zeller auch auf Torfmooren der Ebene bei Frankfurt a. O. ‚gefunden worden. iv. Hymenopteri Herr Haupilehrer Letzner machte folgende Mittheilung über Tenthredo punctulata Kl. Auf meiner diesjährigen Exkursion über das Riesengebirge fielen mir an den Rändern des = Teiches (etwa 4000 F. über dem Meere) mehrere Sträucher von Salix limosa auf, deren Blätter arg verwüstet waren. Durch sorgfältiges Käschern erhielt ich eine Menge fast ausgewachsener grünlicher Larven einer Blattwespe, und einige vollkommen entwickelte Exemplare der vorstehend genannten Spe- cies. Aus einer der ersten entwickelte sich noch während meiner Reise ebenfalls ein Exemplar der Tenthredo punctulata (welches vorzuzeigen ich mir erlaube), so daß also außer allem Zweifel steht, daß dieses Thier als Verwüster der genannten Weidenart zu betrachten ist. Die meisten übrigen mitgenom- 101 menen Exemplare der Larve gingen wegen Futtermangel zu Grunde, da sie die ihnen im Thale gebotene Salix silesiaca und aurita als Nahrungsmittel verschmähten. Herr Cand. phil. Czech zeigte eine Galle von Cynips longiventris Hart. an einem Eichenblatte vor. % v. Neuroptera. Herr Hauptlehrer Letzner berichtete Folgendes über Palingenia virgo P. Den 15. August d. J. bemerkte ich kurz vor Sonnenuntergang, wie die schon in frühern Jahren an demselben Orte von mir beobachtete eben genannte, weiße Ephemere längs der Universität aus der ziemlich stark angeschwollenen Oder (selbst in der Mitte des tiefen Bettes) emportauchte, nach dem Lande zuflog und sich alsbald an den Geländern der Brücke und Promenade nochmals häutete. Als ich etwa 2 Stunden später bei vollkommener Dunkelheit die Oderbrücken wieder passirte, zog eine ziemlich bedeutende Anzahl von Spaziergängern meine Aufmerksamkeit auf sich, welche an der Promenade, am Anfange der kurzen Brücke sich voll Verwunderung um eine Gaslaterne gruppirt hatten. Sie sahen dem Spiel der erwähnten Ephemeride (von ihnen Cholera-Fliege genannt) zu, welche von dem hellen Lichte angezogen zu Hunderten, gleich dichten Schneeflocken, dasselbe umkreisete und selbst durch die schma- len Ritzen hineindringend daselbst ihren Tod fand. Auch eine Laterne in der Mitte der Brücke bot dasselbe Schauspiel. In solcher Menge ist das Thier bei Breslau noch nie beobachtet worden. In dem hiesigen Universitäts-Museum steckt dasselbe unter dem Namen Palingenia horaria Fab. (virgo?). sid ala ER onäese ih an ; 220. il PER Me > Er BU \. antenne Hal EEE: ee in er th A a ie ur Den ae ser. Bere? R Ausb en. # u Re Kern dr ER 4 . s a: N a r ehr 7 one 1 rg | 0 BL iragagen wohsere P WR N A fe ah ara Fe Rn an RR . ER , TEM 4 „a dont 3 ‚ A Dot an aön Er ARM ' RN ann zehn SR EREY I RL hr u rn, 25 6 zox- Ar jenen Be ot Face weh wait x an Be N Mh Khensinore hr A aa DS ER cr 2. 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Mittlere Temperatur (R.) der einzelnen Monate und mittlere tägliche Variation derselben in den einzelnen Monaten: Jan. Febr. März Aprii Mai Juni Juli Aug. Sept. Okt. Nov. Dec. T. —2978 —0%95 -+1°%27 6%04 10%45 13°%05 14°34 14°%08 10%86 6%94 +2,39 —09,83 Var. 2,4 3,2 42 57 60 5,4 5,7 59 5,8 4,7 2,8 1,9 Mittlere Temperatur in Breslau aus 64 Jahren: | + 69,24, demnach etwa 1° kälter als in dem nördlicher gelegenen Berlin. Mittlere tägliche Variation der Wärme: 4°%49. Das kälteste Jahr ist 1829, wo die mittlere Temperatur nur + 39,46 betrug, besonders wegen des Monates December, welches der kälteste aller December und Wintermonate überhaupt war, und des- sen mittlere Temperatur sich — — 10%09 ergab. Das wärmste Jahr ist 1797 (m. T. + 7%88) und nächstdem 1834 (+ 7982). Letzteres Jahr enthält den wärmsten aller Sommermonate, indem im Juli 1834 die m. Temperatur + 18%08 war. Aus den 12 Monatsmitten hat Herr Günther für die mittlere Tagestemperatur folgende periodische Reihe hergeleitet: T. = + 6%24 + 8%51 sin (x + 266° 55) + 0923 sin (ax + 280°6).... 104 wo die Winkel x von der Mitte des ersten Monates, dem 15. Januar, an zu zählen sind. Die mittlere jährliche Variation der m. Tagestemperatur beträgt demnach etwa 17°. Man kann aus dieser Formel die einem jeden einzelnen Tage zukommende m. Temperatur berechnen, und es hat sich unter andern er- - geben, daß die sogenannten kalten Tage vom 11—13. Mai für Breslau nicht vorhanden sind, sondern daß die Temperatur durchschnittlich auch an diesen Tagen ihren regelmäßigen, der Jahreszeit entspre- chenden Verlauf hat. — Innerhalb eines jeden Monates kommen Schwankungen der m. Tageswärme von durchschnittlich 160 vor, 8° über dem Mittel und 8° unter demselben, welche Schwankungen in allen Monaten nahezu denselben Umfang haben. Es-ist daher-unter den Sommermonaten der Mai (mit einer Mittel-Temperatur von + 10945) in jedem Jahre einem Sinken der Temperatur bis etwa 0° ausgesetzt, doch ist dies dem Obigen gemäß nicht an bestimmte Tage gebunden, sondern scheint mit dem früheren oder späteren Schmelzen des Schnee’s im Norden in Beziehung zu stehen. — Wechsel der m. Tages- temperatur zwischen + und — ergeben sich für Breslau durchschnittlich in jedem Jahre 21; die mei- sten (36) im Jahre 1825, die wenigsten (9) im Jahre 1823. — Frosttage (an denen das Thermometer unter 0° sank) jährlich 91, der 4te Theil des Jahres; die meisten Frosttage (154) waren 1829, die wenigsten (37) 1824. — Der erste Frost tritt in Breslau durchschnittlich ein am 31. October, der letzte Frost am 12. April. Indessen fiel im J. 1826 der erste Frost schon auf den 22. September, dagegen 1824 erst auf den 17. December. Der letzte Frost fiel 1848 auf den 10. März, 1825 und 1826 auf den 16. Mai. — Bei Zählung der Tage, an denen sich die Temperatur auf Stufen von 5° zu 5° hielt, ergaben sich durchschnittlich: unter — 10° jährlich 5 Tage zwischen — 10° und — 5° „ 15 „ ” u: DEP? 0 5580 2) 0%, 23 SE DR ” re 2 RD ) +10° „ +1° „ 97, „ +1° , + 20° '» 34 „ über + 20° „ 1, Die meisten Wintertage mit strenger Kälte unter — 10° enthielt das Jahr 1829, nämlich 28 Tage: Die meisten warmen Sommertage über 15° enthielten 1797 (69), 1811 (74) und 1834 (86), mit guten Weinernten zusammenfallend.. — Die größte in den Beobachtungsstunden wahrgenommene Kälte von — 22%5 fand statt: 1829 Jan. 22 und 1830 Jan. 29; die größte Wärme 1842 Juli 5 + 30%2 und 1841 Juli 18 + 2908; mithin eine Gesammt-Schwankung von 52°%7. Ob jene Minima die geringsten vorgekommenen Kältegrade angeben, läßt sich insofern nicht bestimmt nachweisen, als Extremen-Ther- __mometer erst in neuerer Zeit angewandt worden sind und an einem solchen im Laufe des gegenwärligen Jahres 1855 allerdings (am Morgen des 11. Februar) — 24°%,6 beobachtet worden ist. U. Das Barometer ist zwar ebenfalls seit 1791 beobachtet worden, jedoch bis 1824 ohne An- gabe der Temperatur des Quecksilbers. Zur Bestimmung der mittleren Barometerstände und der Maxima und Minima sind daher nur die Beobachtungen von 1825 ab benutzt. Alle Beobachtungen sind auf die gegenwärtige Aufstellung des Barometers bezogen in 453,62 Par. Fuß über der Meeresfläche. — Mo- natliche Mittel aus 30 Jahren: Jan. Febr. März April Mai Juni Juli -Aug. Sept. Oct. Nov. Dee. 332,57 31,92 31,82 31,16 31,56 31,57 31,71 31,834 32,25 32,19 31,85 32,70. Jahresmittel: 331,94, in Par, Linien und für 0° Temperatur des Quecksilbers. Für niedriger gelegene 105 Orte in Breslau kann in runder Zahl der mittlere Barometerstand zu 333 Linien angenommen werden. Minimum 1854 Nov. 29: 318,69; Maximum 1828 Jan. 18: 342,41; gesammte Schwankung nahe 2 Zoll. II. Der Dunstdruck hat sich aus a im Mittel aus den Jahren 1832 bis 1854 wie folgt ergeben. Jan. Febr. März April Mai Juni Juli Aug Sept. . Oct. Nov. Dec. Lobau 1937. 2,02 3407 230° A7G" 278 3,99. °75,19 2,28 1,82, Jahresmittel: 3,03 Par. Linien. IV. Die mittlere Windesrichtung nach der Lambertschen Formel mit Rücksicht auf die In- tensitäten berechnet ergiebt sich aus der 64 jährigen Beobachtungsreihe in folgender Weise: Jan. Febr. März April Mai Juni Juli Aug. Sept. Oct. Nov. Dec. BON. Zap 80 BLEI 55 77,0 0777 0.124629... „209,,,.299, im Mittel für das Jahr: 79° (WSW.), welche Azimute von Süd (0°) durch West (90°) nach Nord (180°) herum gezählt sind. — Unter 160 Windbeobachtungen wehte durchschnittlich: S. SW. W. NW. N. NO. 0. so. 8 18 23 16 5 8 9 13 mal. Die mittlere Intensität war (wenn man 4 Grade der Stärke von O0 bis 4 unterscheidet) nahe = 1. V. Das Quantum der Niederschläge betrug, in Par. Linien ausgedrückt, durchschnittlich: Jan. Febr. März April Mai Juni Juli Aug. Sept. Oct. Nov. Dec. 811 6,50 8,40 11,06 14,81 23,857 20,61 17,49 14,70 10,85 9,93 10,00. Jahressumme: 156,33 Linien — 13,03 Zolle. — Im August 1854 betrugen die Niederschläge 7,84 Zolle; vom 18. zum 19. August in einem Tage 1,46 Z., am 21. Aug. 1,20 Zolle; mithin in 2 Tagen kurz vor der dadurch bewirkten Ueberschwemmung Y, der Jahressumme. — Das absolute Quantum aller dieser Niederschlagsmessungen ist zu gering, indem der Regenmesser 100 Fuß über dem Boden sich befindet. Erst seit dem Herbst 1854 ist ein neuer Regenmesser in dem Hofraume des Universitäts- gebäudes aufgestellt, und die bisherigen Smonatlichen Beobachtungen von October bis Mai haben Rn aus dem oberen Regenmesser 129,97, aus dem unteren Regenmesser 163,40, so daß die Angaben des ersteren etwa um Y, zu klein sind. Doch ist für die genauere Ermittelung dieser Verhältnißzahl eine längere Beobachtungsreihe als die bisherige erforderlich. VI. Die Beobachtungen der Himmelsansicht haben für Breslau durchschnittlich ergeben: 79 heitere, 104 gemischte und 184 trübe Tage. VII. Ferner sind durchschnittlich in jedem Jahre 41 Tage mit Nebel, 85 mit Regen, 28 mit Schnee verzeichnet. i VII. Tage mit Gewittern jährlich 14. Die magnetischen Constanten betreffend, so waren neuere und genauere Angaben darüber weder für Breslau, noch, wie es scheint, für andere Orte Schlesiens vorhanden, so daß namentlich den mit Bezug auf geometrische Aufnahmen eingehenden Anfragen schon seit mehreren Jahren nur durch Interpolationen aus den Tafeln von Gauß und Weber genügt werden konnte. Auch besaß die Stern- warte keine zu genaueren Bestimmungen der absoluten Declination und Inclination geeigneten Instrumente. Die Beobachtungen wurden daher mit Instrumenten des physikalischen Cabinets ausgeführt, einem Decli- 14 106 natorium nach Prony und einem Inclinatorium nach Gamb ey, welche Herr Prof. Frankenheim für diesen Zweck zu leihen die Güte hatte. Die für die Bestimmung der Declination erforderlichen Azimute wurden mittels eines kleinen Theodoliten von Utzschneider und Liebherr gemessen und unter dem Aufstellungspunkte auf dem Hofraume des Universitätsgebäudes ein kleiner Sandstein mit einem markirten Punkt eingelassen, wodurch dann bei allen: Beobachtungen der Aufstellungsort immer genau wiedergefunden werden konnte. Die astronomischen Azimute wurden durch Beobachtungen der Sonne am 13. und 14. August Morgens be- stimmt und dadurch eine Anzahl terrestrischer Azimute theils innerhalb, theils außerhalb des Hofraumes festgelegt. Die magnetische Declination wurde beobachtet am 14. August Nachmittags und Vormittags, sodann Aug. 30., Sept. 1. und Sept. 4. Allein alle diese Beobachtungen mußten verworfen werden, indem der Eollimationsfehler des an dem Declinatorium befindlichen Fernrohrs für klein und unveränder- lich gehalten worden war, welche Voraussetzungen sich später als irrig erwiesen. Erst nach Ermittelung - eines Verfahrens, um die Instrumentalfehler zu eliminiren, stellten sich die Resultate gut übereinstimmend heraus. Zu größerer Vervielfältigung der Beobachtungen wurden die einzelnen Einstellungen auch von Herrn Günther wiederholt und für die Declination folgende Resultate gefunden: 1854 Galle Günther September 7.. 22h 12° 37: 23” 120 37° 37“ 8. 22 12 43 54 ia, 25..5 Mm ve 127.42 m 12, Mi 32 11.923 12 35 934 273. 1. Es kam nur noch auf eine Prüfung an, ob nicht vorhandene Eisenmassen in den gegen 30 Fuß entfern- ten Mauern der Universität und der Kirche einen Einfluss auf die Messungen gehabt haben könnten, und ob nicht in Folge dessen auch der Hofraum, gleich dem magnetischen Cabinet, für absolute Bestimmun- gen ungeeignet sei. Zu diesem Behufe wurde am 11, September eine Beobachtung auf einem Stand- punkte auf der Promenade nahe am Ufer der Oder (dem chemischen Laboratorium gegenüber) gemacht, nachdem Tages vorher ein Sonnen-Azimut daselbst genommen worden war. Hier fand sich jedoch ganz übereinstimmend: September 11. 21% 120 37° 24 120° 37° 17%. Endlich wurde auch der Standpunkt auf dem Hofraume der Universität selbst verändert und gefunden: September 12. 31," 12° Al’ 57" 120 40’ 36”, mithin sämmtliche Resultate in dem Raume der täglichen Variationen mit einander übereinstimmend. Nimmt man demgemäß aus allen 6 Bestimmungen das Mittel, so findet sich die westliche Abweichung der Magnetnadel zu Breslau: E 1854 September 11. 12° 39 50" ib ar © 2 ‘im Mittel: 129° 39 42". Noch möge erwähnt werden, daß die Nadel des angewandten Instrumentes prismatisch, 16 Zoll lang, und mit einem mit einer Achatplatte ausgelegten Hütchen über einer Spitze aufgehängt ist. ° Durch Ab- lesung der beiden Enden der Nadel wurde der Fehler wegen der nicht genau centrischen Aufhängung im Mittelpunkte der Theilung eliminirt, und durch jedesmalige Umwendung der Nadel in ihrer Fassung der Fehler wegen des Nicht-Zusammenfallens der magnetischen Axe mit der Axe der Figur. Die Bestimmungen der Inclination sind als minder befriedigend zu bezeichnen und sind mit einer erheblichen Unsicherheit behaftet: einestheils, indem die dabei angewandten Nadeln kleine Rosiflecke an 107 den Axen hatten (welche, ohne die Beobachtungen noch länger zu verschieben, nicht genügend entfernt werden konnten), anderntheils dadurch, daß der Schwerpunkt der Nadeln nicht so nahe mit dem Mittel- punkte der Figur zusammengebracht werden konnte, daß die Verschiedenheit der Ablesung in den ver- schiedenen Lagen der Nadel die wünschenswerthe Kleinheit gehabt hätte. Die Ebene der Theilung wurde bei den Beobachtungen in der gewöhnlichen Weise in den magnetischen Meridian gebracht. und beide Enden der Nadel, bei Theilung Ost und Theilung. West, abgelesen, sodann umgelegt und umge- strichen, für welche letztere Operation ebenfalls Magnetstäbe des physikalischen Cabinets angewandt wur- den. Als Resultate ergaben sich für die Inclination folgende Werthe: August 15. August 3l. Nadel 1. 65° 86° 64° 50 Nadel H. 65 18 66 4 Nadel Ill. 65 2 65 20 Mittel 656 18 u 5) Mittel aus beiden Tagen: 65° 2%. In Betreff der horizontalen Intensität des Erdmagnetismus wurde 1854 im Mai von Herrn Prof. Kirchhoff (gegenwärtig in Heidelberg) eine Bestimmung gemacht, die derselbe jedoch nur als eine ganz rohe Annäherung bezeichnete, und nach der von Gauß in der Antensitas vis magneticae an- genommenen Einheit 2,01 gefunden. Inzwischen stimmt diese Zahl mit der aus dem ‚Atlas des Erd- magnelismus von Gauß und Weber“ interpolirten 2,0304 nahezu überein, welche letztere jedoch auf das Jahr 1830 sich bezieht. { - Interpolirt man in ähnlicher Weise aus den nach der Gaußischen Theorie berechneten Tabellen in dem Atlas des Erdmagnetismus die Declination, so findet man für 1830... 16° 35%, wovon indeß 30 58° abzuziehen sind, wenn man aus den neueren Bestimmungen der Declination in Berlin, Prag, Oll- mütz, Senftenberg und Chlumetz*) den Fehler der Tafeln herleitet und das Resultat auf 1854 reducirt. Letzteres wird alsdann 12° 37°, bis auf wenige Minuten mit der obigen Breslauer Beobachtung überein- stimmend. — Die Inclination ergiebt sich aus der Gaußischen Theorie zu 65° 2. Nimmt man den Feh- ler dieser Theorie in Breslau gleich dem in Berlin an, so wird die Inclination für 1836 ..... 66° 24°; und mit einer jährlichen Abnahme von 3,5 (wie in Berlin)**) wird für 1854,7 die Inclination 65° 1%, oder mit einer Abnahme von %,5 (nach Lamont) 65° 37’, beide Zahlen nur mäßig von der oben an- gegebenen Beobachtung abweichend. Die neu erschienenen trefflichen Karten des Erdmagnetismus für Deutschland von Lamont ergeben für Breslau: die Declination . . . »...10 44, die Inclination -.. - 2... .66° .14, die horizontale Intensität . . . 1,87. Die Declination dieser Karten ist daher sowohl mit der obigen Beobachtung als auch mit der Gaußischen Theorie vollständig in Uebereinstimmung. Sehr abweichend sind dagegen die Inclination und die Intensität. In Bezug auf letztere scheinen die Lamontschen Karten unbedingt den Vorzug zu ver- dienen, da auch Beobachtungen von Erman und von Keilhau, die in den Jahren 1825—27 in Breslau ") Kreil, magnetische und geogr. Ortsbestimmungen im österreichischen Kaiserstaate für 1848. "”) Vergl. Berliner astron. Jahrbuch 1839, 14 * 108 angestellt wurden, die Zahlen 1,87 und 1,88 ergeben haben. Für dieselbe Zeit wurde von Erman auch die Inclination zu 68° 4° bestimmt, oder (mit einer jährlichen Abnahme von 2,5) für 1854,7 ... . 66° 47’, ebenfalls besser mit den Karten als mit den oben gegebenen Beobachtungen übereinkommend. Es wird daher eine wiederholte genauere Untersuchung dieser beiden Elemente erforderlich sein, um zu entscheiden, ob dieselben (was bis jetzt nicht wahrscheinlich ist). lokalen Anomalien unterworfen sind. Noch möge in Beziehung auf die Declination erwähnt werden, daß eine ga von v. Bogus- lawski vom Juli 1841 zu 150 40’ sich aufgezeichnet findet, demnach. für 1854,7.... 130 52°; wahr- scheinlich nur eine approximative Bestimmung, die um 1° zu groß zu sein scheint. — Einige Beobach- tungen von Herrn Prof. Sadebeck im Jahre 1853, mit einem in halbe Grade getheilten Instrumente angestellt, ergaben 13° 10’, welches sich den oben angegebenen Bestimmungen in befriedigender Weise anschließt, so daß dieselben für das in praktischer Beziehung wichtigste Element, die Declination, eine für jetzt hinreichende Sicherheit darbieten dürften. Allgemeine Uebersicht der meteorologifchen Beobachtungen anf der Königl. Univerfitäts-Sternwarte zu Breslau im Jahre 1854. (Höhe des Barometers 453,62 Pariser Fuss über dem Ostseespiegel bei Swinemünde.) I. Barometerstand, II. Temperatur II. Feuch- | IV. Wolkenbildung 1854 reducirt auf 0° R. in der Luft in Graden tigkeit und Pariser Linien nach R. der Luft*) Niederschläge © © Su m = f — © “= o R E: a 1} © = En © Te Monat 3l3|: = 5 E R- s| | 38 247 ER 222% E nen. sı2 äl2°| || 3 Sl 3-| 3 KBEsl|aF Jarlse|e [3232 = = =) = 4] = =} = En = mA P BET m en EEE eg EOS Sr Son III. DE Eme EEE TnEn 4 DE mr m Sn HS Drama Sam m an mm En mn m m mem on Januar ...... 27|339,54| 5|323,46\331,99[31| + 6,1115|— 6,0|— 1,18| 1,65 | 090 | 6| 6 | 19 | 15,9 Februar... .114338,92!18 1323 25!33130| 7|+ 75 13-122 099] ı6a |os6 | 3 lm [13 | 106 ‚ März .......| 21341,30|26|326,42|334,82]10|+ 9,0 8|— 4,3)+ 1,80 1,ss os | 3/w|ı8 7,58 April ...... 13|340,35|23324,52 332,95 [21| +17,8/32|— 1,41+ 5,58] 1,99 | 062 [14 | 10 | 6 | 1147 Free: 20 333,62| 5/326,10 330,99] 5|+20,4| 1) + 4,61 +11,62| 3,72 | 070 [eo || 9| 22365 ee 221334,40| 3|326,28|331,03[20|+23,0| 7|+ 4,41+1230| 4,52 | 0,78 | 2/10 | ı8 | 46,45 a 231335,43| 8|326,68|331,93[25|+24,8|30\+ 9,2 +15,14 | 5,08 | o,7ı | 6 | 15 | 10 |, 25,26 August...... 28 33521| 2|327,71[332,34| 2|+21,6la8!+ 82\+1324| 497 | 01 | s | ı3 | 10 | 9407 September ..| 3|338,21|25\329,59|333,98f17|+19,4127| + 3,2]+10,34 | 3,2 | 0,76 |14 | 13 | 3 6,68 October ....|28|340,52|21 [326,27 332,53] 7|+18,2131— 1,01 + 75] 305 joa [2 | ıı | 8| 219 November...| 2|337,63|29|318,69|329,61| 1\+ 7,4211 — 6,5/+ 0,46] 1,90 | 089 | a | 5 | 21 | 1460. December ...29)336,97|23|321,36 1329,75l15|+ 6,4129— 3,11+ 1,31 | 188 | 083 | ı | 9 | 21 | 15,96 N .e Io, so 18 09331, | |+24#] -22]+ ve 3,01 | 0,79 83 1126 1156 | 203,23 e) Minimum der Denn April 13 0,22; Minimum des Dunstdruckes 047 Febr. 13, Maximum Juni 19 745. 109 V, Herrschende Winde. Januar: Südost und Süd wechselnd mit NW. und W. Februar: Den ganzen Monat vorherrschend NW., nächstdem W., SW.,'N. ziemlich häufig beobachtet, Ost und Süd gar nicht oder vereinzelt. März: Im ersten und letzten Drittheile ausschließlich westliche, im zweiten dagegen entschieden östliche. April: Zu Anfang und Ende des Monats Nord oder West, vom 14. his 22. südliche oder östliche Richtungen vorherrschend. Mai: Im ersten Drittheile Nord-, im zweiten Südwind, im letzten ah wechselnde Windesrichtung. Juni: Den ganzen Monat hindurch oft veränderte Windesrichtung, im Allgemeinen jedoch südliche und westliche Winde vorherrschend. Juli: Im ersten Drittheile meist südliche Richtung, dann vorherrschende Nord- und Nordwest-Winde. August: Obzwar die Windesrichtung den Monat hindurch meist veränderlich war, zeigten sich im Ganzen West, Nordwest und Südwest als vorherrschende Richtungen. September: Vom 1. bis 4. Nord, vom 13. bis 17. Süd, ebenso die letzten Tage, sonst fast aus- schließlich W. und NW. October: Ziemlich den ganzen Monat hindurch waren südliche Richtungen fast ausschließlich vor- herrschend. November: Im ersten Drittheile SW. und W., im zweiten NW. und W., zuletzt Süd vorherrschend. NO. und O0. nur ausnahmsweise er December: Den ganzen Monat hindurch südliche und westliche an vorherrschend. VI. Witterungs-Charakter. Januar: Meist trüber, ziemlich schnee- und regenreicher Monat, mit häufigen Morgen-Nebeln; gelinde Temperatur, welche öfteren, aber nicht bedeutenden Schwankungen ausgesetzt war. Am Ende entschiedenes Thauweltter. Februar: Beinahe immer trübe, viel Schnee, welcher jedoch immer bald wieder schmolz, selten Ne- bel. Mäßig kalte Temperatur, in der ersten Woche sogar recht warm. Unaufhörliches Schwan- ken des Barometers. März: Vorherrschend bedeckter Himmel mit öfteren ne Schnee- und Graupel-Schauern, meist unfreundliche und oft stürmische Witterung, am Anfange und zu Ende ziemlich warm, doch im Ganzen viele Frosttage. Sehr hoher Barometerstand. April: In den ersten 2 Drittheilen anhaltend heiter, sehr trocken und oft warm, im letzten Drittel da- gegen, nach vorangegangenem Gewitter, Regen und Schnee, recht veränderliche Witterung bis zu Ende mit mehreren Regen-Schauern und Graupel-Fällen. Mai: Vorherrschend heitere, angenehme, dem Wachsen der Feldfrüchte besonders gedeihliche Witte- rung mit dem erforderlichen Regen. Auch einige, jedoch rasch vorüberziehende Gewitter. Die Temperatur zeigte vom 5. zum 6. einen auffallenden Sprung. Das Barometer sehr ruhig. Juni: Trüber, sehr regenreicher Sommermonat mit einmaligem Nebel und mehreren Gewittern. Im ersten Drittheile kühl, dann der Jahreszeit angemessene Wärme, wiewohl mit vielen Wechseln. Barometer fast immer ruhig. Juli: Die erste Hälfte meist trübe und regenreich, dann anhaltend heiteres, sehr günstiges Erntewetter mit mehreren recht heißen Tagen. Einmal Nebel und einige Gewitter. August: Die erste Hälfte des Monats ziemlich angenehm und warm, obzwar viel Regen, vom 18. ab aber so unerhört viel Regen, daß in ganz Schlesien große Ueberschwemmung eintrat und großen Schaden anrichtete; bis zu Ende kühl. Wenig Nebel, dagegen mehrere Gewitter. September: Heiter und sehr trocken den ganzen Monat hindurch. In der ersten Hälfte oft sommer- lich warm, in der zweiten kühler, namentlich in den Morgenstunden. Barometer durchge- hend hoch. | October: Mit Ausnahme mehrerer Regentage sehr heiterer und angenehmer Herbstmonat. Gegen Ende die ersten Nachtfröste mit starkem Reifniederschlage. Große Schwankungen ‚im Barome- ter- und Thermometer-Stande. Häufige Morgen-Nebel. November: Fast den ganzen Monat hindurch trübe. Häufige Nebel. Eben so oft Regen und Schnee; merkwürdig war der Schneesturm am 13. Die Temperatur im ersten Drittheile mild, dann ziemlich empfindliche Kälte, zuletzt wieder milder, aber unbeständig. Heftige Barometer-Schwan- kungen mit einem selten wahrgenommenen Minimum. December: Trüber, außerordentlich gelinder Wintermonat mit sehr zahlreichen sp erkee Nie- derschlägen. Mehrere heftige Stürme, und am 31. ein Blitz und Donnerschlag aus NW., be- gleitet von Schloßenwetter. Barometer den ganzen Monat hindurch heftig schwankend. — 5 9 m 111 Bericht i über “ die Thätigkeit der medizinischen Section im Jahre 1854, von Dr. Krocker jun., zeitigem Secretair derselben. Sitzung vom 13. Januar 1854. D. in jüngster Zeit immer zunehmende Häufigkeit der Asphyxie durch Kohlendunst veranlaßte Herrn Dr. Reymann, einen dahin gehörigen, von ihm beobachteten Fall mitzutheilen. Er betraf 3 weibliche Dienstboten, deren 2 in einem Zimmer schliefen, dessen Fenster nur durch Läden, also unvollkommen, geschlossen waren, während die Thüre der anstoßenden Küche offenstand. In letzterer befand sich ein mit Kohlen geheizter, mit schlechtem Zug versehener Ofen, dessen Klappe nicht geschlossen war. Ein drittes Dienstmädchen schlief in der Küche auf einem Tische, mithin ziemlich hoch über dem Fußboden. Alle waren um 10 Uhr schlafen gegangen, doch bemerkte die zuletzt genannte schon nach etwa einer Viertelstunde, daß eine der beiden andern Erbrechen habe, stand ‘auf, um ihr zu helfen, fiel aber sogleich ohne Bewußtsein zu Boden. Alle drei wurden so erst frih um 7 Uhr gefunden. Herr Dr. Reymann sah sie früh um 9 Uhr. Das Gesicht war bei Allen bleich, kalt, verfallen, die Augen lagen tief, wa- ren glanzlos, von blauen Ringen umgeben, die Nase spitz, der Körper kalt und bleich, die Glieder sehr beweglich, Puls und Herzstoß nicht wahrnehmbar, das Stethoskop ließ noch undeutliche Herzbewegun- gen erkennen, doch waren die Töne sehr schwach. Kein Athmungsgeräusch. Trismus. Die Therapie bestand in kalten Uebergießungen und Bespritzungen, die von Zeit zu Zeit wiederholt wurden, während in den Pausen der Körper in Decken eingehüllt und mit Flanellstücken, die aromatisch durchräuchert worden waren, so wie mit Bürsten, auf welche man Salmiakgeist gegossen, gerieben wurde. Nach drei Stunden wich die Asphyxie, während jedoch zwei genasen, bekam die Jüngste, welche schon vor dem Unfalle Bronchial-Catarrh gehabt hatte, am dritten Tage eine croupöse Bronchitis und starb nach " drei Tagen. i Im Allgemeinen sprach sich der Vortragende gegen das Einblasen wie Auspumpen von Luft aus den Lungen, so wie gegen den Aderlaß, außer bei deutlich congestivem Zustande, und gegen die An- wendung innerer Medicamente, welche nur in die Luftröhre zu fließen pflegen, aus, und empfahl nur, bei wiederkehrendem Schlingvermögen ein Brechmittel. zu reichen. 1m Sitzung vom 10. Februar 1854. Herr Hofrath Dr. Burchard zeigte ein schmales Becken vor, welches einen ähnlichen, wenn gleich nicht so hohen Grad der Difformität zeigt, als das von Robert beschriebene. Es hatte einer Frau von 40 Jahren angehört, welche zweimal mittelst der Zange entbunden worden war, einmal abortirt hatte _ und 1831 an der Cholera starb. Sie war von mehr als mittlerer Größe und regelmäßiger Gestalt. Die Knochenmasse des Beckens ist dicht, fest, schwer, die Darmbeine sind nicht durchscheinend, die Wirbel stark, die Kreuz-Darmbein-Verbindung ist theilweise verknöchert, in der symphysis ossium pubis finden sich Andeutungen von Ossification; die Kreuzbeinflügel sind verkürzt, der limbus des Darmbeines eben- falls verkümmert. Dem Anscheine nach war Entzündung und Erweichung der Knochen dagewesen. _ Nach B.’s Ansicht kann sowohl das Nägele’sche schräg verengte, als Robert’s schmales Becken ‚mit oder ohne .Synostosis der Synchondrosis sacro-iliaca stattfinden, was insofern praktisch wichtig sein würde, als in dem letzteren Falle das Becken sich bei der Geburt erweitern könnte. Ueberhaupt veran- lassen beide Beckenformen folgende Fragen: 1) Ist es möglich, daß ein Knochenkern ganz fehlt? und wenn dies der Fall ist: warum verschmilzt das Darmbein mit dem Kreuzbein zu einer zusammenhängen- den Masse? — 2) Ist es möglich, daß diese Verschmelzung die Folge einer durch ‚Entzündung bewirk- ten Zerstörung des Knorpelüberzuges sei? — 3) Kann eine fehlerhafte Muskeleinwirkung die Ursache des schräg verengten und des schmalen Beckens sein? — B. hält die erstere, von Nägele angenommene Ursache: das Fehlen eines Knochenkerns, für weit unwahrscheinlicher, als daß eine Entzündung die Difformität bewirkt habe. Es giebt aber auch schräg verengte Becken, bei denen eine solche Entste- hungsart nicht nachweislich ist, und hier ist es wahrscheinlich, daß eine fehlerhafte Muskelthätigkeit auf das Becken eingewirkt habe. Sitzung vom 10. März 1854. Vortrag des Herrn Dr. Heller: \ Ueber die oberschlesische Typhus-Epidemie im Jahre 1848. Ich werde mich bei der Schilderung der Epidemie, unter Benutzung der darüber erschienenen Ab- handlung der im Plesser Kreise stationirt gewesenen Aerzte und der Arbeiten von Virchow, Stich und Dümler, vorzüglich an das halten, was ich während meines Aufenthaltes in Pleß, wo ich durch drei Monate als Lazareth- und Bezirksarzt wirkte, in der Stadt und im Kreise persönlich wahrgenommen habe, wo der Typhus am frühesten und heftigsten zum Ausbruch kam, ünd von wo er sich später auf die anderen Kreise Oberschlesiens verbreitete. | Der Kreis Pleß bildet die südöstlichste Spitze von Deutschland, umfaßte 1847 69000 Einwohner auf einem Flächenraume von 19%, Quadratmeilen, ist südöstlich begrenzt von der Weichsel und Przemza, nördlich vom Beuthener, westlich vom Tost-Gleiwitzer und Rybniker Kreise. Den 25. Theil seiner Bo- denfläche nehmen Teiche und Seeen ein, von denen indeß schon zu jener Zeit ein Theil trocken gelegt worden war. Gleichwohl ist der Wasserreichthum der Gegend, welcher durch häufige atmosphärische Niederschläge noch vermehrt wird, immer noch sehr bedeutend. Dazu kommt ein undurchlässiger, letti- ger Boden, welcher bewirkt, daß alles Wasser an der Oberfläche verdunsten muß, so daß im Frühjahre und Herbst ungeheure und fast undurchdringliche Nebel an der Tagesordnung sind, wovon ich mich bei den täglichen Landbesuchen oft genug zu überzeugen Gelegenheit hatte. In jenen Jahreszeiten werden 113 deshalb auch die Wege bodenlos und man fährt im eigentlichsten Sinne des Wortes bis an die Achsen im Schlamme, ja mehrere Male lief mir derselbe durch die Flechten in den Wagen. Mit dieser großen Feuchtigkeit der Atmosphäre verbinden sich kalte Winde, welche von den, den Süden und Osten des Horizonts begrenzenden Beskiden her die Ebene bestreichen und einen sehr schnel- len Wechsel der Temperatur bedingen. Die Bewohner des Landes gehören dem slavischen Stamme an. Man findet unter ihnen kräftige und wohlgebaute Gestalten mit meist recht hübschem Gesicht und schönem Profil, blendend weißen Zäh- nen, blondem Haar, blauen Augen und weißer Haut, obwohl viele dieser Vorzüge, wegen der unter der Landbevölkerung in einem ekelerregenden Grade herrschenden Unsauberkeit nur selten ein Mal völlig. an’s Tageslicht treten. ? Das Costüm der Männer besteht meist in einer rohen Leinwandhose, die über den Hüften durch einen Ledergürtel festgehalten wird, und einem eben solchen, auf der Brust offnen Hemd, einem runden Filzhut und einem groben wollnen Mantel oder einem Schafpelz, der im Winter gegen die Kälte, im Sommer gegen die Hitze getragen wird._ Der Anzug der Frauen besteht aus einem bis an die Herzgrube reichenden Hemd und einem gro- ben Rocke mit sehr schmalem Leibchen und Achselbändern, so daß die nur vom Hemd bedeckten Brüste freirüber das Mieder hervorragen und in keiner Weise eingezwängt sind. Den Kopfputz bildet ein buntes Tuch, mitunter ist er von ganz abenteuerlicher Form. Die Mädchen tragen ihr meistentheils sehr schö- nes, langes Haar in einen einzigen, über den Rücken herabhängenden Zopf geflochten, welcher zum Zei- chen, daß sie noch Jungfrauen und unverlobt sind, mit einer rothen Schleife geschmückt wird. War ein Mädchen so unglücklich, seine Jungfrauschaft zu verlieren, so hat es sein Recht auf die rothe Schleife eingebüßt. n Eben so wenig Sorgfalt, als man auf die Reinigung des Körpers verwendet, widmet man auch der Leibwäsche, und vor Allem sind die Wohnungen über alle Beschreibung elend und schmutzig. Die Häu- ser bestehen meist aus übereinander gelegten Baumstämmen, deren Fugen mit Lehm verklebt sind. Ein in der Regel sehr kleines und niedriges Zimmer ohne Dielung, dessen Raum durch einen unförmlichen Ofen und eine Handmühle noch beschränkt wird, dient der ganzen Familie zum Aufenthalt, beherbergt aber gewöhnlich noch eine Kuh, ein Kalb oder ein Schwein, die Hühner oder Gänse ungerechnet. Von diesem Zimmer aus führt eine Fallthür in den Keller, von wo aus der modrige Geruch keimender oder faulender Kartoffeln sich beständig in’s Zimmer verbreitet und mit den dort herrschenden Gerüchen eine Misehung bildet, die auch der unempfindlichsten Nase endlich unerträglich wird. Die Lebensweise des oberschlesischen Bauers ist eine sehr einfache. Seine Kost besteht fast aus- schließlich aus Kartoffeln und Kraut. An das Gedeihen oder Nichtgedeihen dieser beiden Nahrungsmittel, aber vorzüglich des ersteren, ist demnach das Wohl oder Wehe der gesammten Bevölkerung geknüpft. Speck gilt als ein Leckerbissen, den man sich nur an Festtagen anthut. Nach unserer Art gebackenes Brot bildet zwar eine Lieblingsspeise, kommt aber nicht für gewöhnlich auf den Tisch, dagegen findet man überall ein dem Commißbrot ähnliches Gebäck aus Gerste oder Roggen, der im Hause auf der Handmühle geschroten und ohne Weiteres verbacken wird. Was die geistige Bildung des oberschlesischen Landmannes anbelangt, so läßt die vorstehende Schil- derung, die zwar ganz naturgetreu, aber lange nicht erschöpfend ist, wohl schon schließen, daß sie eine sehr geringe sein muß. Schreiben und lesen können selbst von jungen Leuten nur wenige, von älteren nur ausnahmsweise einmal Jemand. Letztere pflegen in der Regel ihr Alter nicht einmal zu wissen, und hinsichtlich der Namen herrscht in Folge der Gewohnheit, sich bald des Taufnamens des Einzelnen, oft noch in Verbindung mit dem seines Vaters, bald des Namens seines Wohnsitzes, bald eines willkürlich 15 114 gewählten Zunamens zu bedienen, eine grenzenlose Verwirrung. Alles dieses spricht hinlänglich für die sehr niedrige Bildungsstufe des Oberschlesiers, obwohl er ganz sicher einen reichen Schatz von Anlagen und viele Bildungsfähigkeit besitzt. Die bekannte Arbeitsscheu des Oberschlesiers verräth sich schon in der niängeiha Bodenkultur und der Beschaffenheit der einzelnen Wirthschaften. Es ist daher natürlich, daß unter solchen Verhält- nissen für etwaige schlechte Jahre nichts gespart werden kann, und daß nach mehrjährigen Mißernten die Noth in Oberschlesien eine so unverhältnißmäßige Höhe erreichte. Ueber die allgemein bekannte Liebe der Bevölkerung zum Branntwein will ich nicht sprechen. Die Mäßigkeitsvereine haben die furchtbare Trunksucht etwas gemindert, ganz auszurotten wird sie wohl nie- mals sein. Ich hielt es für unumgänglich nöthig, mich über die eben vorgetragenen Verhältnisse etwas weit- läufiger zu verbreiten, ehe ich zu meinem eigentlichen Thema, der Beschreibung der Typhus-Epidemie, selbst komme; denn es muß ohne Kenntniß dieser Verhältnisse jedem verständigen Menschen völlig un- begreiflich erscheinen, wie es möglich war, daß in unsern Zeiten, in unserer Provinz, ein so furchtbares Ereigniß, wie die Typhus-Epidemie war, eine so enorme Verbreitung erlangen und solche entsetzliche Verheerungen anrichten konnte, wie sie es gethan hat. Ueber die Entstehung des Typhus sind mannigfache Conjecturen aufgestellt worden. Die Einen be- haupten, er sei in Oberschlesien endemisch und habe sich zu jener Zeit zur Epidemie gestaltet. Es ist allerdings bekannt und leicht begreiflich, daß Oberschlesien in Folge seiner eigenthümlichen geologischen, ’ klimatischen und Kulturverhältnisse stets der Schauplatz vieler stationärer Krankheiten gewesen ist, daß rheumatische, katarrhalische, entzündliche Affectionen jeder Art, Wechselfieber, Wassersucht, Ruhr, Haut- krankheiten und auch Typhus häufig vorkommen; daraus allein wird aber die ungeheure Ausdehnung der damaligen Typhus-Epidemie nie genügend erklärt werden können. Es scheint deshalb die von Andern aufgestellte Meinung richtiger zu sein, daß der Typhus aus Galizien, wo er besonders im Wadowizer Comitate 80,000 Menschenleben hingerafft haben soll, in den benachbarten Plesser Kreis eingeschleppt und, begünstigt durch die allgemein herrschende Krankheitsconstitution und die Entkräftung der Bevöl- kerung durch den Hunger, durch Ansteckung weiter verbreitet worden sei. Ich halte diese Ansicht des- halb für die richtige, weil eine Uebertragung des Typhus auf Personen erwiesen ist, die, wären sie nicht mit Typhuskranken in Berührung getreten, ganz unzweifelhaft davon verschont geblieben wären, z. B. die aus weiter Ferne nach Oberschlesien gekommenen und dort erkrankten Aerzte. Auch waren die Fälle sehr häufig, wo vorher anscheinend ganz gesunde Personen, nachdem sie die Wohnung von am Typhus Gestorbenen -bezogen oder deren Kleider in Gebrauch genommen hatten, auffallend rasch erkrankten, während dieselben Häuser später, nachdem sie sorgsam gelüftet, gereinigt, gedielt, geweißt und mit Chlor durchräuchert worden waren, ohne Nachtheil wieder bewohnt wurden, obwohl die Epidemie noch nicht erloschen war. Es ist also hier eine Ansteckung gar nicht abzuleugnen, wenn man auch freilich nichts über die Natur des Ansteckungsstoffes, auch nicht, an welchen Gegenständen oder an welcher Stelle derselben er haftete, weiß. Schon im Jahre 1847 starben im Plesser Kreise 5000 Personen mehr als sonst, worunter nach dem Berichte des Landraths 600 Erhungerte waren, wozu später noch circa 400 traten. Die Epidemie begann daselbst schon im Juli des genannten Jahres und zeigte sich im September und October im Rybniker und Ratiborer Kreise in größter Ausdehnung, während sie im Januar, Februar und März 1848 sich noch über die Kreise Gleiwitz, Beuthen, Lublinitz, Groß-Strehlitz, Rosenberg, Kosel, Leobschütz verbreitete, wohin sie augenscheinlich durch Ansteckung gelangte. Daß aber die Epidemie eine so un- geheure Ausdehnung erreichte, lag in der durch die allgemein herrschende Noth erzeugten Widerstands- losigkeit gegen die Erkrankung überhaupt und in dem Mangel an Aerzten und zweckmäßigen sanitäts- polizeilichen Maßregeln. Anfang Februar 1848 wurden bereits einzelne Aerzte nach den bedrohten Kreisen gesandt, da die- selben aber nicht ausreichten, so folgten ihnen nach geschehenem öffentlichen Aufrufe eine große Menge anderer aus allen Theilen der Monarchie, selbst aus dem Auslande. Im Plesser Kreise waren 43 der- selben thätig. Die vorhandene Krankenzahl belief sich auf circa 4000. Den einzelnen Aerzten wurde durch den Landrath in Verbindung mit dem Kreisphysikus ein Bezirk überwiesen und, gleichviel, ob in Stadt oder Dorf, möglichst in der Mitte des Bezirks der Wohnsitz bestimmt. Die Aerzte waren ver- pflichtet, täglich ihren Bezirk zu besuchen. Ich selbst hatte meinen Wohnsitz in der Stadt Pleß, weil ich daselbst einem größeren Lazareih und zwei Kinderbewahranstalten als Arzt vorstand; meinen Bezirk bildeten die Ortschaften Altdorf, Polnisch- und Deutsch-Weichsel, eine und zwei Meilen von Pleß, spä- ter Czwiklitz und Rudoltowitz. Die Zahl der beständig in meiner Behandlung befindlichen Kranken schwankte zwischen 130 und 180; als ich meine Rückreise antrat, war mein Krankenbestand circa 150. Worte können die Gefühle nicht schildern, die man bei dem Anblicke des alle Begriffe übersteigenden Elends empfand, und die öffentlichen Berichte, *so schauerlich sie waren, schilderten lange nicht die Hälfte dessen, was in Wirklichkeit vorhanden war. Ich werde den das Mitleid aufs Höchste erregenden Ausdruck der durch Hunger und Entbehrungen jeder Art ausgemergelten Gesichter selbst der Gesunden nie vergessen, und wie fand man erst die Kranken! In ihren Viehställen ähnlichen niedrigen, dunklen, mit Pestgestank erfüllten Wohnungen lagen auf verfaultem Stroh mitunter 6, 8 bis 14 Personen jedes Alters und Geschlechts, Gesunde, Kranke und Leichen bunt durcheinander, um die sich in der Blüthezeit der Epidemie Niemand kümmerte. Es war aber bei den Meisten zu jener Zeit jedes menschliche Gefühl erstorben, denn der Hunger und die Verzweiflung trieb jeden an, blos für sich zu sorgen. Die Fa- milienbande waren oft ganz zerrissen, mindestens sehr gelockert. Der Mann verließ die Frau, diese den Mann, Eltern die Kinder und umgekehrt. Ich bin Zeuge gewesen, wie die nächsten Angehörigen die Erkrankten oft rücksichtslos liegen ließen und ihnen in der gräßlichen Fieberhitze, während sie vom brennendsten Durst gefoltert wurden, nicht einmal einen Trunk Wassers reichten, oder die in furibunden Delirien Tobenden ganz einfach mit einem derben Strick an die Bett- oder Thürpfosten festbanden und sich dann ruhig entfernten, so daß dieselben ohne zufällige Dazwischenkunft Anderer verschmachtet wä- ren. So wie die Geseize der Humanität waren auch die obrigkeitlichen Verordnungen außer Kraft ge- treten. Jeder half sich, so gut er konnte. Starb Jemand, so geschah es oft genug, daß man die Leiche ihrer Lumpen entkleidete und sie in der Nacht über die Kirchhofsmauer warf. Mochte sich mit der Beerdigung befassen, wer da wollte! — Dies wurde allerdings anders, als der geregelte ärztliche Dienst begann. Schon vorher wurde in Folge der aus allen Theilen Deutschlands eingegangenen reichlichen Beiträge für die Ernährung und Be- kleidung der unglücklichen Bevölkerung gesorgt. Die ungeheure Zahl der Hilfsbedürftigen (ungefähr der dritte Theil der ganzen Bevölkerung) gestattete anfänglich nur die Vertheilung von Salz und 1%, Pfund Mehl pro Tag und Kopf, später jedoch, als die Unterstützung des Staates hinzutrat, auch von Brot, Wein, Reis, Fleisch, Kartoffeln und Kleidern. Auf jedem Dorfe war ein der polnischen Sprache mächti- ger Soldat stationirt, der mit Beihülfe des Schulzen die polizeiliche Ordnung wieder herstellte und auf- recht erhielt. Derselbe diente ferner dem Arzte als Dolmetscher und war verpflichtet, allen Anordnungen desselben nachzukommen. Jeder Erkrankungsfall mußte diesem Soldaten gemeldet werden, der nun den Arzt davon in Kenntniß setzte und ihn bei den Visiten von Haus zu Haus begleitete, auch dafür zu sor- gen hatte, daß der Schmutz aus den Höfen und Häusern entfernt, die Zimmer gelüftet, wo es sich ir- gend thun ließ, die Wände geweißt, die Gestorbenen gemeldet und vorschriftsmäßig beerdigt wurden. 15 * 116 Derselbe vertheilte die Lebensmittel, überwachte den Gebrauch der Medikamente und war überhaupt mit der Ausübung der Polizeigewalt in ihrer weitesten Ausdehnung beauftragt. Nach harten Kämpfen und mitunter erst nach der Anwendung von Zwangsmaßregeln gelang es endlich, Licht in dieses Chaos zu bringen und die in thierische Stumpfsinnigkeit versunkene Bevölkerung die wohlgemeinten und von den ‚besten Erfolgen begleiteten Anordnungen würdigen und ihrerseits unterstützen zu sehen. Der ärztliche Dienst war bei der schlechten Beschaffenheit der Wege und den großen Entfernun- gen ein sehr schwerer und ungemein erschöpfender. Die Kranken lagen auf der bloßen Erde, auf-und - unter den Betten, auf den Ofenbänken und Oefen. Am liebsten wählten sich Viele die Böden und Ställe, denn diese waren immer noch geräumiger und freundlicher als viele Zimmer. Auf einem Dorfe meines Bezirks fand ich in einem Kuhstalle 12 Kranke in einer Reihe dicht hinter den Kühen liegend, die ihnen jeden Augenblick mit ihren Excrementen die Füße besudelten. Natürlich wurden so schleunig, als es sich thun ließ, in geeigneten Häusern Lazarethe eingerichtet, für welche die erforderlichen Utensilien auf Requisition des Arzies von den Unterstützungs-Comite’s sofort reichlich verabfolgt wurden. Allein in der ersten Zeit ließen sich die Leute nur mit Gewalt bewegen, von den Lazarethen Gebrauch zu ma- chen, weil sie der Ansicht waren, daß sie darin unbedingt sterben müßten; erst als sie sich vom Ge- gentheil überzeugt hatten, hörte ihr Widerstand dagegen auf. Die Krankenvisiten waren im höchsten Grade anstrengend und zeitraubend. Wer die Bauart polnischer Dörfer kennt, wird wissen, daß die Häuser nieht dicht bei einander stehen, und daß ein Dorf von 1000 Einwohnern eine halbe Meile und darüber lang ist, die oft in weiter Entfernung an irgend einem Waldessaum- liegenden dazu -gehörigen kleinen Hütten nicht gerechnet. Enter 4—6 Stunden waren die Krankenvisiten nicht zu beendigen. Nach ihnen aber begann die Anfertigung und Vertheilung der Medikamente. Es begreift sich, daß die. Apotheken dieses Geschäft für die ungeheure Zahl der Kranken nicht übernehmen konnten, wenn selbst nicht der Kostenpunkt auch hätte in Betracht gezogen werden müssen. Jeder Arzt schickte demnach dem Apotheker eine Liste derjenigen Medikamente ein, die er hauptsächlich brauchte. Hiervon hatte man in jedem Dorfe ein Depot, das jederzeit ergänzt wurde, und aus welchem man die erforderlichen Arzneien verabfolgte. Man hat beim Ausbruche der Epidemie in den öffentlichen Blättern vielfach gefabelt, daß der ober- schlesische Bauer die Medikamente scheue und nur für"religiöse Hilfe Sinn habe. Dies ist aber ganz entschieden unwahr, und die Kranken verschmähten nicht nur die Medikamente nicht, sondern sie baten selbst flehentlich darum, weil sie sich sehr bald überzeugten, daß sie ihnen gut thaten. Allerdings ist der Medikamentengebrauch bei den oberschlesischen Bauern, der Kosten wegen, nicht sehr verbreitet, sie behelfen sich deshalb lieber mit Hausmitteln ihrer eignen Composition, worunter als ‘Brechmittel Milch mit Schnaps, als Mittel gegen Alles Schnaps mit Pfeffer eine ausgezeichnete Rolle spielt; allein auch der Stupideste überzeugte sich bald, daß unsere Mittel bessere Wirkung thaten, als die seinigen, und noch obendrein umsonst zu haben waren. Wegen der Unbekanntschaft des gemeinen Oberschlesiers mit Arz- neimittel-Wirkungen und seiner Geneigtheit, statt einzelner Dosen die ganze Quantität auf einmal zu neh- men, bedurfte es von Seiten der Aerzte der ernstlichsten und genausten Instructionen; und doch kamen mitunter Mißverständnisse vor, obwohl ich weder gehört, noch erlebt habe, daß sie jemals ernstliche Folgen gehabt hätten. Wir pflegten den Typhus-Reconvalescenten einen Thee zu verordnen, bestehend aus Aad. Valerianae, Flor. Arnicae und Fol. Menthae pip. Eines Tages trat ich in eine Hülle, um einige Typhus-Reconvalescenten zu besuchen. Ich fand diese und die übrigen Bewohner bei Tische, sämmtlich aus einer Schüssel suppend, die mit einer Flüssigkeit von unbestimmter Farbe gefüllt war, in welcher Schwarzbrotbrocken und verschiedene Blätter umherschwammen. Bei näherer Besichtigung er- gab es sich, daß die ganze Familie sich eine Suppe aus obigem Thee bereitet, Brot hineingebrockt hatte 117 und, um das Gericht consistenter zu machen, es mit Wurzeln, Blüthen und Blättern verzehrie, in der Ueberzeugung, daß Das, was dem Kranken so wohl thue, auch dem Gesunden nicht schaden könne. Außer dem Typhus fanden sich Krankheiten anderer Art in reicher Fülle vor. Es waren dies vor- züglich Wechselfieber, die zuweilen in Typhus übergingen, Ruhren, Keuchhusten, Masern, Wassersucht, auch Weichselzopf und ganz besonders häufig Krätze. Man kann den Verlauf des Typhus in vier Stadien eintheilen, obwohl dieselben nicht scharf von ein- ander abgegrenzt waren. Das erste Stadium, das der Vorboten, wurde beim Landmann selten beobachtet, weil dieser bei leichteren Krankheits-Symptomen den Arzt nicht zu rufen pflegt, Da, wo sich die Gelegenheit bot, beobachtete man leichte Uebelkeiten, verringerten Appetit, Kopfschmerzen und vorzüglich ein Gefühl von Mattigkeit. Ich selbst kann den Tag meiner eignen Erkrankung mit der größten Genauigkeit angeben, deutete aber die mir von jener Zeit ab wahrnehmbaren Empfindungen auf etwas ganz Anderes als Ty- phus. Eines Tages war ich wegen Mangels einer Fuhre genöthigt, zu Fuß nach dem zwei Meilen von Pleß entfernten Deutsch-Weichsel zu gehen. Dort besorgte ich durch mehrere Stunden die ärztlichen Geschäfte und kehrte äußerst erschöpft spät Abends nach Pless zurück. Von da an empfand ich ein Gefühl großer Müdigkeit, aß weniger wie sonst und fühlte einen beständigen Schmerz in beiden Fußge- lenken, so wie leichtes Ziehen in den Gliedern, als ob ich mich etwas erkältet hätte. Dieses leichte Unwohlsein hielt mich von der Erfüllung meiner Berufspflichten nicht im Mindesten ab, auch achtete ich nicht sonderlich darauf und schrieb es der ungewohnten Fußpartie zu, obwohl ich mich wunderte, daß es so lange anhielt. Präeise acht Tage darauf wachte ich um Mitternacht schwer krank auf, während ich mich anscheinend gesund zu Bett begeben, ja den vorhergegangenen Nachmittag noch eine Land- partie zu Wagen gemacht und mit Appetit Abendbrot gegessen hatte. Ich fühlte einen heftigen, reißen- den Schmerz in allen Gelenken des Körpers, dabei eine außerordentliche Schwäche, Benommenheit des Kopfes und Brechneigung, und bemerkte am folgenden Morgen, daß meine Zunge einen starken, schmutzig gelben Belag halte. Es hatte sonach der her in das zweite Stadium, das des Wachsthums, stattgefunden, der sich bei den Meisten durch einen starken Schüttelfrost ankündigte, wovon ich auch nicht verschont blieb. Die Rücksicht auf die Menge der Kranken und die Schwierigkeit der Vertretung bewog mich, das Bett, obwohl später wie gewöhnlich, zu verlassen und aufs Land zu fahren; ich mußte indeß nach kurzer Zeit wieder umkehren. Abends ging ich in Gesellschaft, war aber völlig appetitlos, sehr bleich und zusammengefallen, so daß ich die Aufmerksamkeit Aller auf mich zog, und fröstelte beständig. Dies veranlaßte mich, sehr bald wieder nach Hause zu gehen; unterwegs aber bekam ich einen so heftigen Schüttelfrost, daß mir die Zähne klapperten und ich Mühe hatte, mich aufrecht zu erhalten. Nur mit größter Anstrengung gelang es mir, mein Zimmer zu erreichen. Die dem Froste folgenden Erscheinungen des zweiten Stadiums waren starke Hitze, die sich bis- weilen zum Calor mordax steigerte, Eingenommenheit, Schwere, Schmerzen desKopfs, Schwindel, Ohrensau- sen, woraus zuletzt Schwerhörigkeit wurde, taumelnder Gang, eigenthümliche Veränderung des Blicks und des ganzen Gesichtsausdrucks, Schlaflosigkeit und allgemeines Schwächegefühl. Zugleich fanden sich bei sehr vielen Kranken sogenannte Muskelschmerzen ein. Mir waren dieselben außerordentlich qualvoll und machten mir fast jede Bewegung zur unerträglichen Pein. Die Gehirnerscheinungen des zweiten Stadiums waren in den meisten Fällen mäßig. Die Kranken lagen ruhig und theilnahmslos an dem, was um sie vorging, in ihren Betten, oder wälzten sich wie von schweren Träumen geängstigt und sprachen vor sich hin. Die Unruhe trat meistens des Nachts ein. Mitunter steigerte sich dieselbe bis zu furi- bunden Delirien. Ich habe nicht wahrgenommen, daß starke, vollsaftiige Personen gerade von furibunden, 118 schwache, phlegmatische von blanden Delirien ergriffen wurden, erinnere mich dagegen sehr wohl, daß nicht selten das Umgekehrte stattfand. Eine hierauf bezügliche, allgemein giltige Regel läßt sich dem- nach wohl nicht aufstellen. r Ebenfalls im zweiten Stadium und zwar innerhalb des 4. bis 7. Tages trat bei mir, wie bei den meisten Kranken, ein Hautausschlag hervor, der in der Form kleiner, linsengroßer rother Flecke, welche unter dem Fingerdrucke verschwanden, Gesicht, Brust, Bauch und Extremitäten bedeckte, die Roseola typhosa, welcher der Krankheit den Namen 7yphus exanthemalicus verschaffte. Es steht nicht fest, ob dieses Exanthem ein pathognomonisches Symptom .des Typhus war, denn es wurden auch viele Fälle ohne dasselbe beobachtet; auch wurde eine größere Gefährlichkeit der Krankheit durch dasselbe keines- wegs bedingt, wenn es im Anfange des zweiten Stadiums erschien, während sein Auftreten im späteren Verlaufe der Krankheit meistens den tödtlichen Ausgang derselben vorherverkündigte. Gewöhnlich in der Reconvalescenz erfolgte eine Abschuppung, die aber auch sehr oft der Beobachtung entging. Der Puls in diesem Zeitraume variirte zwischen 90 und 120 Schlägen, die Darmausleerungen waren retar- dirt, die Zunge wurde trocken. Aeußerst qualvoll war für fast alle Kranke der durch Nichts stillbare Durst und die anhaltende Schlaflosigkeit bei dem Gefühle außerordentlicher Müdigkeit. Auf der Höhe der Krankheit erfolgte entweder der Tod, oder es brach sich die Gewalt derselben i in dem nun beginnenden dritten Stadium. Gewöhnlich in dieses fällt eine Erscheinung, die ihrer Merkwür- digkeit wegen verdient, hervorgehoben zu werden. Es ist das Gefühl des Doppeltseins. Es ist dieses Symptom nicht allzuofi beobachtet worden, ich habe es aber an mir ganz deutlich wahrgenom- men. Es war mir stets, als ob ich mit einem zweiten Ich. zusammengewachsen wäre. Um dieses nun . nicht in seiner Ruhe zu stören, blieb ich meist lange Zeit trotz der größten Schmerzen auf einer Seite liegen, bis ich, durch diese gezwungen, mich wendete und dabei gewahr wurde, daß ich nur einmal vorhanden war. Es dauerte indeß niemals lange, so war die nämliche Erscheinung wieder da. Dies wiederholte sich durch mehrere Tage. Im weitern Verlaufe des dritten Stadiums wurde die Haut feucht, ebenso die Zunge, der Durst ließ nach, es stellte sich Schlaf ein, der Puls sank, und es erfolgte in vielen Fällen Nasenbluten, wodurch die Schwere und Benommenheit des Kopfes zusehends gemindert wurde. In anderen Fällen zog sich die Krankheit in die Länge und tödtete durch Erschöpfung und Nachkrankheiten, besonders Wassersucht.- Der Uebergang ins vierte Stadium erfolgte allmälig. In ihm nahmen die Funktionen des Körpers wieder die normale Beschaffenheit an, allein jetzt erst fühlten die Kranken an einer unglaublich großen Schwäche und fortdauernden Schmerzhaftigkeit der Muskeln, wie sehr sie die Krankheit mitgenom- men hatte. Als die Epidemie ihr Ende erreicht hatte, war Oberschlesien um 50,000 Einwohner ärmer und um 10,000 Waisen reicher. An Die Behandlung. konnte bei der Unkenntniß von dem Wesen des typhösen Prozesses nur eine symptomatische sein. Im Anfange der Krankheit wurden von mir und den meisten meiner Kollegen we- gen der fast immer vorhandenen Sordes gastricae mit gutem Frfolge Brechmittel gereicht, indeß kann ich für meine Person mich keines einzigen Falles erinnern, wo hierdurch die Krankheit auch nur in ihrer Entwicklung verzögert worden, geschweige abortiv zu Grunde gegangen wäre. Ebensowenig bewährten sich die zu diesem Zwecke gleichfalls versuchten größeren Gaben Chinin. Letztere waren oft nicht ein- mal im Stande, Wechselfieber an ihrem Uebergange in Typhus zu hindern, wie mich mehrere Fälle belehrt haben. , Gewöhnlich war in den ersten Stadien der Krankheit Verstopfung anhand Zur Beseitigung der- selben wurden da, wo gleichzeitig ein erhöhter Blutandrang nach dem Kopfe stattfand, einige Dosen 119 Calomel von gr. ijj—v mit günstigem Erfolge gereicht, jedoch mußte man sich außerordentlich in Acht nehmen, daß nicht zu reichliche Ausleerungen oder anhaltende Diarrhöen erfolgten, denn in solchen Fällen trat meistens sehr bald allgemeiner Collapsus und der Tod ein, oder es gelang nur mit großer Schwierigkeit, den Kranken zu retten. In der Mehrzahl der Fälle waren deshalb Klystiere zur Beförde- rung des Stuhls das geeignetste Mittel. War der Kopf sehr eingenommen, das Gesicht stark geröthet, Delirien vorhanden, so wurden kalte Umschläge angewandt, bei höheren Graden von Delirium oder Sopor Sturzbäder gegeben. Blutentziehungen, selbst locale, durften nur mit der größten Vorsicht und nur sehr mäßig vorgenommen werden, widrigenfalls schleuniger Kräfteverfall und der Tod die unausbleibliche Folge waren. Zum inneren Gebrauch bediente ich mich mit gutem Erfolge der Mineralsäuren im Ge- tränke, wodurch allein der wüthende Durst, der die Kranken unaufhörlich quälte, einigermaßen zu be- seitigen war und das Fieber gemäßigt wurde. Da, wo die Säuren nicht vertragen wurden, und in Fällen, wo das Gehirn sehr eingenommen war, zeigte sich Chlorwasser von ausgezeichnetem Nutzen, wie ich durch die an mir selbst gemachten Erfahrungen bestätigen kann. Selbstverständlich mußte dieses jedoch unterbleiben bei entzündlicher Reizung der Respirationsorgane und starkem Husten, oder es konnte nur sehr verhüllt gegeben werden. Zeigte die Krankheit im weitern Verlauf Neigung zu Crisen durch die Haut, so war ein /nfusum Valerianae c. Lig. Ammonii acet., so wie Essigwaschungen und später lau- warme Bäder das Zweckentsprechendste. Die Diät bestand in Darreichung dünner, schleimiger Wasser- suppen, die erst im dritten Stadium mit nahrhafterer Kost vertauscht wurde. Parotidengeschwülste sah ich im dritten Stadium mehrere Male, habe aber nie gefunden, daß durch sie die Krankheit wesentlich verschlimmert wurde. Es gelang mir in allen Fällen, sie durch Cataplasmen so zu erweichen, daß sie, nach erfolgter Oeffnung mittelst des Messers, ohne weitere üble Folgen heilten. Von weit größerer Bedeutung war die Complication mit Laryngitis oder -Bronchitis. Diese erfor- derte meist die Application einiger Blutegel längs des Kehlkopfs oder der: Luftröhre und entschied sich durch Auswurf zäher, globuloser Schleimmassen, die nicht selten blutig gefärbt waren. Demulcirende Mittel, nach Beseitigung der Entzündungssymptome ein Infus. Senegae c. Lig. Ammonii anis., nebenbei zur Erweichung der croupösen Schleimmassen und Erleichterung des Auswurfs ein Gurgelwasser aus Infus. Specier. ad gargarisma, waren die Verordnungen, die sich hierbei als zweckmäßig bewährten. Bei Complication des Typhus mit Pneumonia duplex, die ich zweimal sah, gelang es mir nicht, die Kranken zu retten, und ich bin nicht abgeneigt, einen großen Theil der Schuld auf Rechnung des an- gewandten, wenn auch mäßigen, Aderlasses zu seizen. Zwar minderten sich hierauf die Schmerzen, die Respiration wurde freier, der kleine und schnelle Puls langsamer und voller, der Husten mäßigte sich; allein schon wenige Stunden darauf verfielen die Kranken in ihren früheren Zustand, die Schmerzen und die Athmungsnoth steigerten sich und unter den Erscheinungen der Lungenlähmung erfolgte rasch der Tod. War die Macht der Krankheit gebrochen und der Patient in das Stadium der Reconvalescenz ge- treten, so gehörte große Achtsamkeit dazu, um einem Rückfalle zu entgehen. Eine geringe Erkältung, ein leichter Diätfehler, eine etwas heftige Gemüthsbewegung war genügend, um ein Recidiv hervorzuru- fen. Zur Förderung der Genesung empfahl sich ein nervenstärkender Thee, bestehend aus Rad. Vale- rianae, Flor. Arnicae und Fol. Menthae pip., später, bei gehobener Verdauung, die Chinin-Präparate, auch die Tinet. ferri acet. Unter dem mäßigen, aber öfteren Genusse von Fleischkost und einiger Gläser alten Rheinweins täglich des Vormittags (Abends bekam Wein den Reconvalescenten nicht) wurden die Kräfte am rasche sten wieder herbeigeführt, obwohl ies mitunter dennoch viele Monate dauerte, ehe die frühere Kraft und das Gefühl des Wohlseins wiederkehrte. 120 Den 5. Mai 1854 hielt Herr Privat-Docent Dr. Seidel folgenden Vortrag: Die ersten Heilversuche erforderten Heilmittel, und von der einfachsten rohesten Empirie erwuchs die Heilmittellehre zu dem gegenwärtigen, sehr großen, kaum übersehbaren Umfange, dessen Gebiet noch sehr viele mangelhaft erforschte, ja dunkle Stellen zeigt. — Die größten Heilkünstler haben für die ex- tensive Bereicherung der Jamatologie verhältnißmäßig am wenigsten geihan, — wir verdanken dem Instinkte, dem Zufall, alchymistischen Experimenten und der Analogie’ hierin sehr vie. Von dem guten Willen des Kranken ist für die Bereicherung eines solchen Wissens gleichfalls wenig zu hoffen. Er will gesund werden, gleichviel ob das rettende Mittel vom Arzte wissenschaftlich, d. h. aus wohl er- kannten und erwogenen Gründen, oder ohne diese bei ihm angewendet worden. Allöopathen, Homöo- pathen, ‘Hydropathen, die der spottende Witz auch Windmüller, Pulvermüller, Wassermüller nennt, gelten ihm im Nothfalle gleichviel, sofern sie ihm nicht Pathen des Todes werden; er will genesen und apa- thisch leben. | Ab initio medicina paucarum herbarum seientia fuit (Celsus); doch setzt er weislich hinzu: morbi non eloquentia, sed. remediis curantur (Celsus libr. I. Praefatio.). Mehr fordert schon Galen phar- makologische Kenntnisse vom Arzte: Medieus omnium stirpium, si fieri potest, peritiam habeat, con- sulo: sin minus, plurium saltem, quibus frequenter utimur (de Antidotis libr. I. e. 5.). — Abgesehen von den medizinischen Kenntnissen der Chinesen, deren Geschichte mit der Fluthsage, 2350 vor Chr., mit dem Kaiser Yao beginnt, und mit der biblischen Zeitrechnung fast genau überein- stimmt, — und mit Ausschluß der pharmakologischen Andeutungen in den Indischen Schriften, ist über den Arzneivorrath der alten Hebräer — fast ausschließlich vegetabilischen Ursprungs — nicht eben viel zu sagen. Die erste Nachricht von Aerzten (?Anatomen) findet sich 1 Mos. c. 50. v. 2. (d. h. 1672 J. v. Chr.): Joseph befahl seinen Dienern, welche Aerzte waren, seines Vaters (Israel) Leiche einzubalsamiren. Einer der ältesten hierher gehörigen Arzneistoffe ist die Myrrhe (2 Mos. c. 30. v. 23. — Hohe Lied c. 3. v. 6. — Celsus Ill. c. 16. gegen Intermittens, c. 21. gegen Wassersucht) = ouvova Hipp., Diosc., Myrrha des Celsus; die Sorte in Körnern wurde ora@xzng genannt (2 Mos. c. 30. v. 34.). Die Myrrhe rechnete Moses unter die aromatischen Stolfe, und verordnete sie als Räucherwerk bei dem Kultus seines Volkes. Gleiche Anwendung machte man vom Olibanum oder Thus (2 Mos. ce. 30. v. 84. — 3 Mos. c. 24. v. 7. — Hohe Lied c. 3. v. 6.) oder Aıßevos Hipp. u. Diose., Thus des Celsus (III. 27. V. 3.) Plin. XI. 14. Der durch Reibung der Stücke untereinander gebildete Staub hieß wevvn Hipp. und wurde gegen pustulöse Ausschläge benutzt. Plin. XII. 14. micas concussu elisas mannam vocamus. Myrrha liguida (? Myrrhenöl)-als Parfum gebraucht, Esther 2, 12. zu kostbaren Salben (Plinius XI. 25.). - Man gab Jesus auf Golgatha Wein mit Myrrhen gemischt, aber er trank ihn nicht (Evang. Marcus 15, 23.). Damals wurde wohl nur der sogenannte Weihrauch gebraucht (aus dem östl. Arabien und vom Libanus); besser ist jedoch der ostindische und abyssinische. Der amerikanische kommt von der Weihrauch-Ceder, Cupressus thurifera Kunth, in Mexiko’s Gebirgs- wäldern, oder wie Dierbach angiebt, von Trixis nereifolia Bonpl. Olibanum nostras, indigenum ,-syl- vestre, vulgare sind bekanntlich nur die aus‘ Ameisenhaufen gesammelten, reinen Harzkörner von Pinus Abies L. Eben solche Anwendung hatte Galbanum (Chelbenah der Bibel, 2 Mos. c. 30, v. 34.) xaAßevn Hipp., Diosc. — Celsus III. 20. V. 3., später auch wohl Metopium genannt. Der Geruch des verbrannten Galbanum dürfte Wenige von uns ansprechen. Cinnamomum acutum, bei Moses Kinnamon (2 B. c. 30. v. 23 u. 24), x@egn Herodot (ll. 86.), arabisch noch jetzt kerfe, das xıvvauov später xıvva&umuov der Griechen, von Celsus bald Cinnamum (II. 21.), bald Cinnamomum (V. 4.) genannt, von C. Bauhin Canella zeylanica, erst be- kannter und verbreiteter in Europa nach Vasco de Gama’s zweiter Fahrt nach Ostindien um d. Kap d. g. H. — Kam in den frühen Zeiten durch phönizische Kaufleute nach Palästina (1 Mos. c. 37. v. 25.) zugleich mit Myrrhen und Balsam von Gilead. — Nach Herodot kam das Wort Kinnamon aus Phönizien nach Griechenland, ebensowohl das hebräische Kinnemon oder Kanam. In Ostindien hieß der Zimmt chinesisches Holz (Dar Chinie); auch in Europa wurde er eine Zeit lang so genannt... Ehedem wurden die ungeschälten Aeste in Europa verkauft, daher der Name Cassia lignea. Moses verordnete den Zimmt als Räucherwerk bei dem Cultus und bereitete das heilige Salböl (2. B. c. 30. v. 23—25.) aus Myrrhen, Zimmt, Calamus, Kasia und Baumöl. — Auch im Hohen Liede, c. 4, in den Sprüchen Salo- mons ec: 7. v. 17 kommt Zimmt vor, sowie in Ezechiel c. 27. v. 19. die‘ Kasia. Kasia wird aufge- führt in 2 Mos. c. 30. v. 24; es dürfte wohl nicht zu erweisen sein, ob darunter die ungeschälten Aeste des ächten Zimmibaums oder unsere Cassia einnamomea verstanden wurden (bekanntlich eine ge- ringere Drogue als der ächte zeylanische Zimmt). Der ‚Kalmus (Calanius) = süßes Rohr, aber nicht Saecharum officinarum, denn Moses (2. B. ec. 30. v. 23.) nennt die Drogue aromalisch; ist auch gewiß nicht identisch mit Zimmt, denn Moses führt (l. ec.) den Calamus als besonderen Stoff auf; bei Jesaias c. 43. v. 24. steht aromatisches Rohr, ebenso bei Jeremias c. 6. v. 20. — Der Calamus aromaticus europäischer Officinen (= Acorus Cala- mus L. = Acorus aromalicus Lam.) ist sicher nicht gemeint, der Calamus aromaticus der alten ägyp- tischen und arabischen Aerzte unbekannt. Der Calamus der europäischen Apotheken bis ins 16. Jahr- hundert stammte von einer kleineren Varietät des Acorus Calamus L., welche, in Ostindien heimisch, rad. Calami veri s. amari genannt wurde. Ob der xa@4auog wvoswıxog Hipp. der biblische Kalmus gewesen, ist ungewiß; wahrscheinlich war der &x«@00» Diose. unser Kalmus, wohl nicht der Wurzel- stock von Iris Pseudaeorus L. — Den biblischen Calamus sucht Guibourt in den Stengeln der Gen- tiana Chirayta Roxb. — Dierbach widerspricht, denn diese stipites Chiraytae — in Ostindien viel ge- braucht, auch in dem Edinburger Dispensatorium offieinell aufgenommen, bei uns selten zu haben — sind ein vortrefliches tonicum amarum, allein sie sind nicht gewürzhaft. — Nach P£reira ist der xaA«- wos &owuerıxog Dioscorides = der Kalmus der Bibel und soll von Andropogon Calamus aromaticus (eine neue Species) abstammen, wächst in Ostindien und liefert das sogenannte Grasöl, welches zuweilen nach Europa eingeführt wird. Das von den Hippokratikern gebrauchte Oleum Sirae, Syro, de Syro, Schoenanthi — röthlich, von melissen- und citronenähnlichem Geruche — soll durch Infusion des An- dropogon Schoenanthus mit Olivenöl bereitet worden sein. — Datteln und Mandeln schickte Jakob an den Pharao (1 Mos. c. 43. v. 11.). Linsen (1 Mos. c. 25. v. 34) kosteten dem Esau das Recht der Erstgeburt. Moses entbitterte eine Wasserquelle (2 Mos. c. 15. v. 25.) durch hineingeworfenes Holz (nach Burkhardt von Nerium. Oleander, oder durch die Beeren von Peganum retusum Forsk. Als Beispiele von Trunkenheit führt Trusen an 1 Mos. c. 43. v. 34.; allein es heißt wohl, daß die Brüder Josephs eine tüchtige Mahlzeit einnahmen, nicht aber, daß sie berauscht wurden; dagegen war Noah betrunken (1 Mos. c. 9. v. 21.), auch Lot (1 Mos. c. 19. v. 33—-35.), und in diesem Zustande wurden seine beiden Töchter von ihm schwanger. Safran, x00x0s und x00x0v Hipp. und Diosc. — Crocum Cels. II. 21. V. 5. Crocum Cilicium Cels. V. 23, 2. — Plin. XXI. 17 und 81 (erocum —= die Drogue, Crocus — die Pflanze); arabisch: Safuran, später Panacea vegetabilis, anima pulmonum, Crocus autumnalis, von Jahn das Opium der Weiber urid Kinder genannt, doch ohne die’ stopfenden Eigenschaften des Opium. Kam im 14. Jahrh. aus Kleinasien in das südlichere Europa — wird schon im Homer aufgeführt, dann im Hohen Liede 16 122 (4, 14.), und gleichfalls als Räucherwerk angewendet. Plinius (XII. 2. XXI. 81.) führt schon ein ungtum crocinum (crocomagma) auf. - Wermuth, Absinthium, erwähnt 5 Mos. 29, 18. Jeremias 9, 15. Amos 6, 12. ' Isop, douwrrog Diosc. Hyssopum Cels. I. 3. U. 21. IV. 4, 2. (1 Kön. 4, 33.). Salomon sprach von Bäumen, von der Ceder auf Libanon, bis zum Ysop, der auf der Mauer wächst; aber schon Moses (libr. 2. e. 12. v. 22.) läßt die Thüren der Israeliten mit Blut besprengen mittelst Büscheln von Ysop (nach Dierbach — Thymbra spicata L.) Nach Dierbach war der Ysop der Israeliten — Thymbra spicata L., der Hyssopus der alten griech. und röm. Aerzte = Origanum Onites L., der Hyssopus der neueren Griechen = Satureja Juliana L. = Micromeria Juliana Bentham; in Süd-Europa heimisch. i Auch in den Psalmen wird des Ysops erwähnt. Sandelholz, als Räucherwerk, Algummim (2 Chron. e. 2. v. 8.); aber nur zu verstehen von Santa- lum rubrum (jetat Caliaturholz), von Pterocarpus santalinus L. fil. und von Pier. indieus W. — von, besonders im frischen Zustande, starkem, angenehmen Geruche und harzig-adstringirendem Geschmacke; noch jetzt Luxusartikel im Oriente. Da jedoch das rothe Sandelholz auf dem Libanon nicht vorkommt, König Hyram von Tyrus dem Salomon demnach solches nicht konnte schlagen lassen, scheint Algummim wohl ein anderes Vegetabil gewesen zu sein. Aloe, im Hohen Liede 4, 14.; Evang. Joh. c. 19. v. 39. (zum Einbalsamiren); &4on Hipp. — Succus Aloes Celsus I. 3. V. 1. Plin. XXVI. 5., später anima ventriculi genannt; sehr verschieden, je nach der Stammpflanze und Art der Bereitung, scheint in den ältesten Zeiten als indische Sorte an- gewendet, abstammend von Aloe perfoliata Loureiro. Ladarum, arabisch Laden, Axdavev Hipp., Diosc. — Cels. I. 21. V. 26, 32. Plin. XXVI. 30., auch später Labdanum genannt, der vertroeknete harzig-gummige Saft, tropfenweise aus den jungen Zweigen und Blättern mehrer Cistusarten fließend, an der Luft erhärtend; — soll unter den Droguen gewesen sein, welche von Ismaelitischen Kaufleuten nach Aegypten geführt wurden (1 Mos. c. 37. v. 25.), und unter den Geschenken, die Jakob an Pharao schickte (1 Mos. ec. 43 v. 11.)? — Balsamum Gileadense, meccaense verum, aeyyptiacum, de Mecca, de Jericho, de Judaea; Bak- o«@wov Hipp., Diosc. — Opobalsamum verum Cels. II. 21. V. 23, 3., abstammend von Balsamoden- dron Gileadense Kıh. (Amyrideae R. Br. a. Burseraceae Kth.), erwähnt in 1 Mos. ce. 37. v. 25. und ibid. ec. 43. v. 11.; von jeher ungemein geschätzt und sehr theuer — das Quentchen der besten (von selbst ausfließenden) Sorte kostet in Mecca selbst: 2 Thlr.; eine geringere Sorte wird aus Einschnitten in den Stamm, oder — noch schlechter — durch Auskoehen der Aeste — gewonnen; — diente als Räucherung — zu Parfums — zu heilenden Salben (Jeremias 8, 22.; 46, 11.; 51, 8.). Die Zweige _ des strauchartigen Baumes heißen im Handel bekanntlich Xylobalsamum (Cels. V. 18, 7.), die erbsen- großen, eiförmigen, glatten, braunen Steinfrüchte aber Carpobalsamum (Semen Balsami = Cels. V. 23.1.). Narde. Mehre Arzneikörper führten diesen Namen. 1) Nardus indica, vagdos ivdırn oder yayyırns Diosc. — Nardus indicus Celsus II. 21. IV. 20, 1. V. 23, 2. — Nardum indicum Plini s. Nardi spica et folia = vaodov orayvs s. vagdooreyvs (XU. 26. XI. 2.) = Spica indica; später Nardus antiquorum, ächte Narde; wahre indische Spicanard; Evang. Marc. 14. 3. — Evang. Joh. 12, 3. — Bei uns nicht mehr im Handel, aber in Asien seit alten Zeiten viel gebraucht; bei den Griechen und Römern ein großer Luxusartikel nach Plinius (XI. 26.), aber oft verfälscht (XIII. 2.). Der Wirkung nach der unseres Baldrians analog, lieferte die Nardenwurzel das im Oriente von jeher, besonders unter 123 den Kaisern in Rom sehr theure Nardenöl (infusum) zu Salben (ungtum nardinum s. foliatum), wie. des- sen auch in der Bibel (s. 0.) gedacht wird. Auch wurde Narde oft anderen Compositionen zugesetzt (Plin. XXUI. 51. = nuclei palmarum eremati.... calliblephara faciunt, addito nardo), und Plin. XXVIN. 77.: admizto propter fastidium nardo; auch finden wir bei Plin. XV. 16.: pyra nardina (nach Narden riechende Birnen). \ a Die 1—3” 1., spindelig-walzenförmige, bis höchstens fingersdicke Wurzel (rAizoma) mit nach unten zahlreichen (abgeschnittenen) Wurzelfasern gleicht, durch die weichen, faserigen, braunröthlichen Reste der Blatistiele am oberen Theile bedeckt, einem borstigen Schweife (daher Spica). Der Geruch stark, angenehm aromatisch; Geschmack gewürzhaft, bitter, etwas scharf (etwa wie Cardamomen und Ingwer). Die chemischen Hauptbestandtheile: bitterer Extractstoff und äther. Oel, welches von einer Somnam- bule in Rußland als besonders wirksam gegen Cholera empfohlen worden. Abstammung von: 1) Valeriana Jatamansi Jones und Roxb. = V. Spica Vahl = Patrinia Jatamansi Don = Nardostachys Jatamansi DC., eine perennirende, 4—12 Zoll hohe Pflanze auf den höchsten Gebirgen von Nepal, Ceylon, Java. 2) Nardostachys grandiflora DC., eine ähnliche Pflanze, auf dem Himalaya, hat eine etwas stärkere Wurzel, noch weit angenehmeren Geruch. . 3) Die Valeriana Wallichii DC. in Nepal, der vorigen ähnlich, auch wohl darunter gemengt, riecht viel stärker, aber unangenehmer. Eine radix Nardi indicae spuriae, im asialischen Handel vorkommend, bestimmte Martius als die von Andropogon Nardus L. Nardus s. Spica celtica, alpina, vagdog xehrıxn Diose. I. 7. (2) Nardus Syriacus Cels. V. 23. l et 3. = Nardum gallicum Plin. XII. 26 et 27. = in nostro orbe mazxime laudatum Syriacum, mox Gallieum, tertio loco Creticum (quod aliqui agrium vocant, alii Phu). Diese celtische, römi- sche Narde, bei den alien Römern als Riechmittel in großem Ansehen, auch gewiß arzneilich wirksamer als unser Baldrian, wird therapeutisch dennoch kaum angewendet, geht noch jetzt über Triest nach dem Orient, selbst Ostindien (zu Salben verwendet), auch nach Afrika (zu Bädern und Räucherungen benutzt). Sie riecht und schmeckt wie Valeriana officinalis, aber stärker und durchdringender, dabei minder unangenehm. Abstammung: von Valeriana celtica L. = V. saxatilis Villars; vegelirt auf den Alpen der Schweiz, Tyrols, von Krain, Piemont. Nardum -Syriacum Plinii (XII. 26.) soll die knollige, schwärzliche Wurzel von Valeriana asari- folia Dufresne sein, auf der Insel Candia wie Nardus celtica benutzt. Nardus montana, vorgdog ögeıyn Diosc. — jetzt nur noch Volksmittel, stammt von: Valeriana tuberosa L., perennirend in Süd-Europa; oder auch ebenso gebraucht: Valeriana italica Lam., Ita- lien, Kreta. Nardus We sylvestris ist unser Asarum Be L., Haselwurz, französisch (!) Cabaret genannt. Von Kümmel (Cuminum Oyminum L. = xvumwov aisıorııxov Hipp., Theoph., Diosc., ächter, langer, scharfer, ägyptischer, römischer, Mutter-, Kreuz-Kümmel — unrichtig römischer Anis genannt), 1%, F. — Juni, Juli. — Aethiopien, Elke Griechenland, angebaut in Süd-Europa, besonders in Italien und Malta; von widerlich scharfem Geruch und Geschmack, — ist die Rede bei Jesaias c. 28. v. 25-27. — Mentha kommt vor bei Ev. Matth. c. 23. v. 23. 16* 124 Raute (Ruta graveolens L. = R. hortensis Lam. = zuyyavov Hipp. und Theophr. = znyavov xnreevrov Diosc., quia orreoue ranyvvusı compingit, s. concrescere,facit; später dvrn, Ruta), wird erwähnt bei Ev. Lucas c. 11. v. 42. Salvia cum ruta, faciunt tibi pocula tula (Schola Salernitana). Senf (Sinapis nigra L. — verev Hipp. — owerv Diose. — Sinapi Cels. II. 21.; unser: Sina- pis nigra, Eruca nigra, gemeiner schwarzer, französischer Senf), ist der Senf der Bibel (Ev. Luc. XI. v. 19.), mit denselben Worten lautend bei Matth. ec. 13. v. 31. und Marcus c. 4. v. 3l1., da die Pflanze in Palästina 10—12 Fuß hoch wird und die Vögel wohl in den Zweigen nisten können; nicht aber, wie Einige wollten, PAytolacca zu verstehen, welche in jenem Lande nicht, wohl aber in Nord-Amerika heimisch: ist. Der Oelbaum und seine ‚Früchte (Oliven) waren den südlichen Ländern seit den ältesten Zeiten wichtig und gleichsam heilig. Man unterschied den kultivirten Oelbaum —= 2iaı@ nuso« Diosc., von dem man zu Plinius Zeiten (XU, 1. XV. 3.) schon 12 Abarten hatte, und den dornigen, wild wachsenden — Oleaster = aygıs- Jcıe Diosc. Mit dem fetten Oele der Früchte —= 24cıov, Oliven-, Baumöl, verband man den Begriff des Näh- renden, Geschmeidigen, Heilenden; man erprobte es in neuesten Zeiten selbst gegen heftigen Wellen- schlag und Brandung. Moses verordnete es zum heiligen Salböle (2 Mos. c. 30. v. 23.); als Heilmittel bei Wunden, Geschwüren und Hautleiden führt es Jesaias auf (c. 1. v. 6.), ebenso Marcus c. 6. v. 13. — mit Oel und Wein verband der Samaritaner den Verwundeten (Lucas c. 10. v. 34.). Auch die alten Griechen und Römer bedienten sich häufig des äußeren. Oelgebrauchs zu Einreibun- gen, Infusionen ins Ohr... und innerlich. Selbst die Oeldruse, Oelhefen, Amurca (Cels. V. 28, 16.; VI. 18, 2.; Plin. XV. 3, 8; XXIII. 3.), d. h. der in den Oelfässern sich ausscheidende Bodensatz (Schleim mit Unreinigkeiten), eiräte benutzt. Man wußte bereits vor Plinius Zeiten, daß das aus unreifen Oliven gepreßte, grädiches Oel (Oleum omphacinum) dem aus völlig reifen Früchten vorzuziehen sei (Plin. XXIII. 4.). Nur ein animalisches Heilmittel finden wir in der Bibel angegeben (Tobias 6, 8. — 11, 11—13.), nämlich die Galle (Fischgalle), die Tobias zur Beseitigung der Blindheit seines Vaters (? Leucoma) an- wendete, wie Democritus später die Galle der Hyäne zu gleichem Zwecke empfahl, noch jetzt das Leberfett von Gadus Lota L., Aalquappe, unter dem Namen Oleum hepatis mustelae flwiatilis ge- braucht wird. Bekanntlich brauchten Volk und Aerzte (außer fel terrae — Centaurium minus, die nicht hier- her gehört) Aal-, Igel-, Bocks-, Schaf-, Schlangengalle (1831 von Dr. Georg von Marikovski zu Rosenau in Ungarn gegen Epilepsie empfohlen), hauptsächlich die Ochsengalle; statt dieses sehr widrig zu nehmenden Stoffes wurde in der neuesten Zeit: Natrum bilicum s. choleinicum in Anwendung gezo- gen, ja als ein constanter Bestandtheil im normalen Blute nachgewiesen. — Es ist ungewiß, ob das Dudaim der Bibel (1 Mos. c. 30. v. 14—16.), welches Ruben auf dem Felde gefunden und seiner Mutter Lea brachte, von dieser aber an Rachel für eine Nacht mit Jakob über- lassen wurde, — wie Einige meinen, Cucumis Dudaim L., die persische Gurke, wegen ihrer angenehm riechenden, aber geschmacklosen Früchte im Orient häufig kultivirt, gewesen sei (?) — oder eine Or- chis (also Salep), wie J. J. Virey (Bulletin de Pharmacie 1813 p. 193) behauptete — oder — wie man gewöhnlich annimmt, die Alraunwurzel, Atropa Mandragora L. (Solanaceae). ‘Sie hieß (Pythago- ras) &vIowrrouoggyos, ebenso bei Theophrast (hist. plant. WI. 2.); bei Hippokrates und Diose. (IV, 76. VI. 16.), der schon a) uavdgeyogas agosvos und b) w. ImAvg angiebt, uevdoaryogus (7 uavdge, 125 Stall, Hürde, Einschließung, weil sie bei Ställen und Höhlen besonders wachsen soll); bei den Griechen hieß sie auch Kirkaia (dl) (Circaea, von der Zauberin Circe). Im Hohen Liede (c. 7. v. 14.) wird von dem angenehmen Geruche der Alraun in den Weinbergen gesprochen (Alraun hat aber einen widri- gen, betäubenden Geruch); — Mandragorae mala führt Celsus auf (II. 18. V. 25, 2.) Die Botaniker haben: 1) Atropa Mandragora L. = Mandragora officinalis Mill. = M. acaulis Gärtn. = M. ver- nalis Bertoloni; nach Landerer noch jetzt in Griechenland (so auch im übrigen Süd-Europa) ‚ziemlich häufig vorkommend, ebenso in Palästina; dies ist die Mandragora mas — u. &b- Öevog Diosc. . 2) Mandragora autumnalis Bertoloni = M. foemina —= u. Inkvs Diosc. Die Wurzel von beiden — spindelig-rübenförmig, fleischig, dick, grauweißlich, meist 2 — 3spaltig (seltener einfach), innen roth — hat eine sehr ähnliche Wirkung wie Belladonna, wurde von den älte- sten Zeiten her zu Liebestränken und als sopiens gebraucht, dient auch jetzt noch in Palästina als Mittel gegen Sterilität, und in-Griechenland als Amulet, um Gegenliebe zu erwecken (Ovid. de arte amandi libr. II. v. 105.). Die Wurzel, in Form einer menschlichen Figur geschnitten (= Alraunmännchen, Galgen-, Erdmännchen, auch Gold- oder Heckemännchen), sollte ein kräftiges Zaubermittel sein und wurde wohl bis 50—60 Thlr. verkauft. Auch der Jeanne d’Arc wurde Schuld gegeben, mit Alraun- männchen Zauberei getrieben zu haben. Die Mandragora hat (=: Belladonna) bedeutenden Einfluß auf die Augen, die Drüsen und den Uterus, erregt, wie Delladonna, in großen Gaben Wuth. | Hippokrates gab kleine Gaben Mandragora gegen Convulsionen, fürchtete aber größere Dosen. Dioscorides lehrte sie ausdrücklich als schmerzverhütendes Mittel brauchen. Als eigentliches Anaesthe- sieum war M. den Alten bekannt. Dioscorides lehrt: das auf ', eingekochte decoctum vinosum radi- eis, geklärt und aufbewahrt, davon einen Becher (? Cyathus = 3iß) voll, um zu schlafen oder einen heftigen Schmerz zu verhindern, oder vor der Cauterisation oder Amputation, um das Verfahren schmerzlos zu machen. — Oder man macht ein Infusum vinosum von der Wurzelrinde; 3 Becher davon, einem Kranken vor der Operation gegeben, machen ihn so betäubt, daß er keinen Schmerz empfindet. — Von einer andern Art Mandragora, Morion genannt, uwg10v, To (uwor«, Stumpfheit, Verrücktheit), eine Drachme von der Wurzel, mit was immer gegessen, bringt gänzlichen Verlust der Empfindung und durch 3—4 Stunden gänzliche Betäubung. — Plinius (XXV. c. 94.) sagt: bibitur (seil. extractum baccarum vel radiecis) et contra serpentes et ante sectiones punclionesque, ne sentiantur. — ' Bartholomaeus (Proprietates rerum libr. XVII. c. 10, herausgeg. 1482 und 1488) führt an: Die Rinde der Mandragora, mit Wein infundirt, giebt man Kranken, die einer Amputation unterworfen wer- den sollen, damit sie in Schlaf verfallen und den Schmerz nicht fühlen. Murray (Apparatus med. 1. p. 365.): adhibita igitur (radix Mandragorae) in pervigilüs pro- tractioribus et gravioribus Re: tum et quando encheiresis quaedam chirurgica dolorifica esset subeunda. Sylvestre (annuaire de therapeutique, de matiere medicale pour 1850 par Biunkipiiah p- 9.) brachte dieses Anaesthesicum der Alten wieder in Erinnerung. Die wilden Coloquinten, welche bei einer Hungersnoth von den Dienern des Propheten Elisäus vom Felde gesammelt und: auf Geheiß dieses zur Speise gekocht worden (2 König. c. 4. v. 39.) riefen bei denen, die davon gegessen, die tödtlichsten Empfindungen hervor — mors in olla; der Mann Gottes setzte Mehl »zu, und man fand die Speise nun gut. — 126 Ob das Vegetabil die Fracht gewesen von: Momordica Elaterium L. — Ecbolus offieinalis Malte Spritz-, Drei von der das Bla: terium bereitet worden, oder von Cucumis. Colocynthis L., die offieinelle Coloquinte, dürfte kaum zu ermitteln sein. Beide sind sicher nicht nach unserem u; und ohne des Propheten Kochkunst un- . genießbar. Auch wächst in der Levante Cucumis prophelarum L., so inent) weil man glaubte, daß der Prophet Elisa ihr bitteres Mark durch Zusatz von Mehl genießbar gemacht habe. Nebenbei sei es erlaubt, zu erinnern, daß die Lunatiei, oeAmvıazoı (Matth. c. 17. v.15.).. . nicht Mondsüchtige, sondern Epileptische waren (indem die Krankheit sich oft nach den Mondphasen richtet), wie die Erzählung selbst ergiebt. — Elias weckte einen Todten auf durch Incubation (1 König. e. 17. v. 2. ), ebenso Elisa durch In- halation und Mesmerismus (? sternutatoria), 2 König. e. 4. v. 33. Wenn wir der Sage trauen wollen, so ist bei den Griechen die methodische Anwendung des Aelle- borus niger = E)hsßooosg weis Hipp. und Diosc. IV. c. 151. = ueiaurodıov, wahre ächte Niese- wurz der Alten (= der Helleborismus), uralt. Dieses angewendete Mittel (= Helleborus orientalis Tournef. = H. offeinalis Sibthorp., Be im Oriente, besonders am Fuße des Olympus und zu Anticyra gedeihend; — wirksamer als Hell. viridis L. und unser Hell. niger L.) — wurde von Melampus 1398 vor Chr. (= 2784 d. W.) den wahnsinnigen Töchtern des Praetus (Praetidae furentes) mit gutem Erfolge gegeben. Anticyreus soll diese Kraft des Hell. an weidenden Ziegen entdeckt und dadurch den rasenden Herakles geheilt haben (Plin. XXV. 21.). Die Alten gaben den Hell. gegen tief eingewurzelte Reproduktionskrankheiten (Gemüthsstörungen, Epi- lepsie, Hysterie, Folgen der Apoplexie, Arthritis, Quartana und Wassersucht ....) beharrlicher und drei- ster, als wir, und scheinen damit viel erreicht zu haben, wenn die Ursachen der Krankheit Stockungen in den Abdominal-Organen mit großer Torpidität waren. Als zu Hippokrates Zeiten und später solche drastische Mittel nur noch von der Gnidischen Schule angewendet wurden, verlor sich auch der intensive Gebrauch der Niesewurz. Wenn unser Hell. niger jetzi.weniger zu leisten scheint, so liegt dies wohl mehr in der unzulänglichen Dosirung, in der Wahl der Pflanze vom unrichtigen Standorte, im Alter der verlegenen Waare, als in der Unterlassung einer formellen Einsammlung (Melamp. nigrum religiosius colligitur), Plin. XXV. 21. Derselbe berichtet (l. c.), daß der Tribun Drusus auf der Insel Antieyra von der Epilepsie befreit worden sei, und daß das Mittel daselbst — sehr zweckmäßig — mit Sesa- moides genommen werde. — Auch hatten die Griechen schon früh ein Yinum helleboratum (Plin. XIV. 19, 5.) und Mel helleboratum. Als um das Jahr 1180 v.. Chr. (Troja fiel 1184) von den 5 Söhnen des Aeskulap (Machaon, Po- dalirius, Janiskos, Alexanor, Aratos) nur die beiden ersten bei der Belagerung von Troja im griechischen Heere .wundärztliche Dienste leisteten, Salben, Tränke, Umschläge meist aus Vegetabilien bereiteten, machte auch Podalirius daselbst Venaesectionen, aber wohl nicht als Erfinder dieser Operation, obgleich die beständigen Handgefechte der feindlichen Parteien Gelegenheit genug geben mußten, zu sehen, wie Blutgefäße, verletzt, wieder heilen, und daß unter vielen Umständen ein Blutverlust zur Herstellung der Verwundeten und Kranken beitrug. Homer sagt nicht, welchen militärischen Rang jene beiden Heil- künstler eingenommen hatten; unsere Entomologen feiern ihre Namen in 2 Tagschmetterlingen , ü nach Linne unter die Ritter (Equites) gehören. — Das Silphion der Griechen = Laserpitium der Römer, bezeichnete auch zugleich die Pflanze, von . welcher das oslyıov xzvgevaıxov Hipp., Diosc. — ömrog oıAyıov, succus Cyrenaicus antiquorum, oder 127 Laser foetidum, oder suecus Laseris vel Laserpitii, — abstammte (Plin. V. 5.). Silphion war ein im Alterthum sehr geschätztes, wichtiges, theures, anfangs mit Silber aufgewogenes Arzneimittel (ad pondus argentei denarii pensum Plin. XIX. 15.), und wurde, mit Unrecht, von Einigen für Benzo@ gehalten. — Die Hippokratiker brauchten außer dem Schleimharze auch die Stengel und Früchte (Samen) der Sil- phionpflanze. Die beste und ursprüngliche Sorte war die, welche aus der Provinz Cyrene kam (Plin. XIX. 15. XVI. 61) = a) Siülphium cyrenaicum. Etwa 20 Meilen von der Meeresküste nach dem Innern des Landes, um Cyrene und Berenice, wuchs die Pflanze. Wie Plinius berichtet, war sie jedoch schon lange vor seiner Zeit von den Vieh- heerden abgeweidet; zu seiner Zeit wurde noch ein einziges Exemplar aufgefunden und der Seltenheit wegen an den Kaiser Nero gesendet. — Nach Plinius war die Wurzel stark und dick, der Stengel stockartig mit Knoten (Internodien), die Blätter (maspetum genannt) denen von Apium ähnlich, der Same blattartig (semen foliaceum), die Blätter abfallend (decidua). Das Vieh suchte die Pflanze begierig als Futter auf, die Menschen aßen den Stengel gekocht, gebraten, geschmort; das Vieh führte von der Pflanze ab, auch auf den Menschen wirkte sie reizend, auflösend. Das ächte Silphium = succus Silphü s. Laserpitii war nach Plinius (XIX. 16.) rothbraun, im Bruche weiß (dum ce candidum intus), etwas durchscheinend und löste sich im Wasser oder im Speichel. „Sprengel hält für die Stammpflanze: ? Zaserpitium gummiferum Desf. Dierbach meint: Silphium sei = Asa foetida. (?) Nach Viviani ist die Mutterpflanze: Thapsia garganica L. = Jarcoıe Hipp. = Thapsia Silphium Viviani = Thapsia garganica var. Silphium DC. Garganisches Böskraut, falscher Turpith. V. 2. D. Umbelliferae J. C) Thapsieae. 4. — 3 F. hoch — blüht Juni, Juli — auf sandigen, trockenen Stellen, am besten auf sonnigen Hügeln. Heimath: Nord-Afrika, früher in der Gegend von Cyrene, jetzt noch in Algier, wird von den Arabern Donnisa genannt und ist als Purgans bei ihnen noch sehr im Gebrauche (Buchner’s Repert. Bd. 46. H. 1.). Die Wurzel ist lang, dick, möhrenartig, außen grau, in- nen weiß, und bittermilchend; ähnelt im Aussehen und in der Wirkung der ächten Turpithwurzel; der Same (Frucht) %4” 1. und halb so breit. Anmerkung. Das Silphium der Geschichtschreiber Alexanders des Großen kann — nach Royle — wohl das tibethanische Futterkraut: Prangos pabularium, sein. — Zu Plinius Zeiten (XXI. 48.) kam das meiste Silphium aus Syrien, schlechter als das Parthische, besser als das Medische. b) Silphium Medieum, oulyıov undıxev Diosc. Schon lange vor Plinius kam nach Rom nur Laser aus Persien, Medien, Armenien (Plin. XIX. 15.). Es wurde in diesen Ländern zwar reichlich gewonnen, war aber in der Qualität geringer als das Cyre- nische und überdieß oft verfälscht durch Sagapenum und zerstossene Bohnen. Unter den Consuln C. Valerius und M. Herennius wurden auf Staatskosten 30 Pfund Zaserpitium nach Rom gebracht. Caesar, als Dictator, brachte MD Pfund nach Rom. Der Saft wurde gewonnen aus der Wurzel und dann Rhizias genannt, — oder aus dem Stengel und dann Caulias genannt (schlechter und leicht faulend, noch dazu oft durch Zusatz von Kleie (furfur) verfälscht.) Die Wurzelrinde der Pflanze wird schwarz, der Same goldgelb angegeben. ' Abstammung vielleicht von: TZhapsia Asclepium L., Iarpıe Diosc., schmalblättriges Böskraut (Plin. XIX. 3. — XXI. 23.). 2. 2-3 F. — Juni, Juli; — im Orient und südlichen Europa. Der 128 Stengel kahl, einfach, nur mit einigen Blattscheiden besetzt. Die Wurzel möhrenförmig, dick, fleischig, außen runzlig geringelt und bräunlich, innen weiß, voll scharfer Milch; als Purgirmittel‘' gebraucht, in größerer Gabe leicht zu heftig wirkend; — gegen Hautkrankheiten, und in Spanien als Einreibung gegen Rheumatalgien noch üblich. Die Wurzeln aller anderen Arten 7Thapsia von ähnlicher Form haben einen drastischen Milchsaft, und wurden in alten Zeiten als Abführmittel bemutzt. Dies gilt denn auch von: Thapsia foetida L., stinkendes Böskraut. 2. 4—6 F. hoch, — im südlichen Europa, beson- ders Spanien, vorkommend. Der Stengel ist zottig, riecht sehr widrig; die Wurzel ist wie die von rg gargeisile und villosa L. Thapsia villosa L., zottiges Böskraut. U. 3—4 Fuß hoch, im südlichsten Europa und Nord- Afrika. Die Wurzel, wie angegeben, mit scharfem Milchsafte. — In den Apotheken Süd-Europa’s wird sie wie Radix Turpethi gegeben, und ist daselbst noch n gegen Flechten gebräuchlich. Im Ganzen genommen war Silphium ein Sehteitnhärz} wie Asa foelida, abstammend von einer Um- bellate, wie Asa, — als ausleerendes Mittel angewendet, wie unsere Asa nicht verwendet wird, welche letztere in der Materia medica späterer Zeit die Stelle jener Substanz eingenommen hat. Aerztliche Anwendung des Silphium oder Laser. Nach Celsus (III. 16.) prodest in vetere quarlana, (IV. 2. 3.) — in resolulione linguae, — (IV. 3.) bei episthotonus; — (IV. 4, 4.) = bei tussis sicca; — (IV. 12.) = bei passio coeliaca; — (V. 27, 13.) = Antidot gegen Cicuta; — (V. 27, 8.) = bei ictus Chersydri; — (V. 27, 16.) = si sanguifuga epota; — (VI. 14.) = wvae inflammatio; — (VI. 14.) = als Gargarisma; (VI. 4.) — bei Ophiasis (eine Art der Alopezia) quidam resinam terebinthinam cum Thapsia inducunt; — (V. 18, 24.) — als Zusatz zu zertheilenden Umschlägen nach Quetschungen. Plinius spricht über die Anwendung des Silphium ausführlicher, als über andere Arzneistoffe: XIX. 43. — Cardui (Artischoke) condiuntur aceto, melle diluto, addita laseris radice et cumini, ne quis dies sine carduo sit. — XX. 17. = Siser erraticum ... stomachum ezxcitat, ex aceto laserpitiato sumtum aut ex pipere, und XX. öl. ist wieder von Pe laserpitiatum die Rede, — wo auch Laserpitium gegen Carbunculus aufgestrichen wird. — XXVII 81. = Aircorum carnes virus non resipere (nicht so übelriechend), sö panem hordeaceum eo die, quo interficiantur, ederint, laserve dilutum biberint. — XXI. 48. = folia (Silphü) ad purgandas vulvas et pellendos emortuos partus; decoquuntur in vino albo et odorato ut bibatur mensura acetabuli. Radix prodest arterüs ewasperatis (tussi siccae .. .) et colleclionibus sanguinis iüllinitur. Sed in eibis concoquitur aegre; inflationes facit et ructus etc. Am ausführlichsten aber XXI. 49. = Laser e Silphio profluit, inter eximia naturae dona nu- meratum, plurimis compositionibus inseritur. Nun folgt eine vielfache innere und äußere Anwendung des Silphium. Eines der ältesten griechischen Arzneimittel ist die Meerzwiebel, schon von Pythagoras (+ 500 J. vor Chr.) arzneilich gebraucht; wenigstens spricht Plinius (XIX. 30.) von einer Abhandlung (volumen) desselben über deren Arzneikräfte, und führt ihre von Pythagoras gerühmten Wirkungen auf (XX. 39.); — bemerkt zugleich, daß Pythagoras eine an der Thürschwelle des Hauses aufgehängte Meerzwiebel für eine Abwehr gegen das Eindringen von Giften gehalten habe; — ein Wahn, der sich noch bei unserem Landvolke bis in die neuesten Zeiten wiederfindet, indem — in Ermangelung der Meerzwiebel — eine 129 gemeine weiße Zwiebel (Allium Cepa L.) an den Stallthüren aufgehängt oder unter der Schwelle ‚der Viehställe angebracht wurde. Der mit Pythagoras fast gleichzeitig lebende Philosoph Epimenides aus Kreta scheint die Seilla sehr häufig angewendet zu haben, denn sie hieß später die Epimenidische Zwiebel (Plin. XIX. 30.). Dieser Epimenides wurde, nach Plinius (VII, 49.), 157 Jahre alt, verschlief aber 57 Jahre in einer Höhle auf Kreta (Plin. VII. 53.). — Die Siebenschläfer (Mus Marınola L.) verbringen doch nur Monate auf diese Weise, die heiligen Siebenschläfer in Kleinasien — nach der Legende — sogar 400 Jahre. — Das zwiebelarlige Gewächs, welches oft an Fenstern gezogen wird — ist — obwohl gewöhnlich Meerzwiebel genannt — Ornithogalum caudatum L.. — enthält nach Hünefeld’s Untersuchung kein Seillitin — aber, neben sehr reichlichem Schleime, einen scharfen flüchtigen Stoff, Gummi, Calcaria ci- trica, Chlorkalium, einen grünen harzigen Farbestofl, ..... und dient recht gut zu kühlenden Umschlägen (Wärmeentziehung). — Die ächte Drogue — Seilla maritima L. (mit Recht ihres Standortes wegen so genannt) = Orni thogalum maritimum Tournef., Lam., Brot. —= Stellaris Scilla Mönch = Urginea maritima Steinheil, — unrichlig Sqwilla genannt, auch wohl Paneratium verum, ist die oxı4A& Hipp., Theophr., Diosc., ‚Celsus (IH. 21.) — immer bei den Aerzten in hoher Achtung geblieben, und wirkt, nach den neuesten Beobachtungen, eben so entschieden auf Milzverkleinerung, wie Chinin. Die Formen ihrer Präparation — von dem Ecelegma Seillae Hippocratis und dem Theriak, bis auf den heutigen Tag — sind man- nigfach, aber es ist unnöthig, sie aufzuzählen. Eben so, wie bei uns die Scilla, wird angewendet: in Ostiodien und auf den Molucken: Pancratium zeylanicum L. (bulbus 11," in Nord-Amerika: Paneratium rotatum Ker. — Hymenocallis rotata Herb. am Kap: Haemanthus coccineus L. (bulbus —5'; auf Bergen am Kap.) Dagegen dient der Saft von Haemanthus toxicarius Ait. = Amaryllis disticha L. = Brunsvigia toxicaria Ker. am Kap den Hottentotten zum Vergiften der Jagdpfeile. Nepenthes (vn-mevdns [ec] adjectiv. ohne Leid, Trauer = Kummer verscheuchend, Odyss. IV. 221. — seil. pgaguexov), ein ägyptisches Zauber- oder Arzneimittel, welches, im Weine genommen, für den Tag jeden Kummer, Gram verscheucht; — es soll nach Einigen Aba recens. Cannabis oder Haschisch sein, seit uralten Zeiten in Aegypten und Ostindien als Erheiterungsmittel gekannt und angewendet (in- nerlich oder geraucht), roh mit Mandeln und Zueker gegessen und Sauerhonig nachgetrunken, — nach Anderen aber Opium mit Wein, welche letztere Mischung jedoch weniger angenehme Empfindungen er- zeugen soll. ® In Constantine (Algier) dient jetzt Haschisch oft, um — bis zu 24 Stunden Dauer — einen heite- ren Rausch zu erzeugen. Doch auch Opium, seit uralten Zeiten, zuerst in Aegypten bekannt (Odyss. Khaps. IV. 220. 227. 230. 303. 305.), wurde als sommiferum mit Wein genommen. Plinius erwähnt des Nepenthes an 2 Stellen (XXV. c. 5.): herbas certe Aegyplias a regis uxore traditas suae Helenae plurimas narrat (Homerus) ac nobile illud nepenthes, oblivionem tristitiae ve- niamque adferens, et ab Helena utique ommibus mortalibus propinandum; — und XXI. ce. 91. = attribuunt (Helenae) et hilaritalis effectum eidem potae in vino, eumque quem habuerit nepenthes ülud praedicatum ab Homero, quo tristitia omnis aboleatur. Schon vor Hippokrates Zeit benutzte man ärztlich den rispenblüthigen Kellerhals = zvnoreor s. #vewgog Hipp. = Ivusdaua Diosc. — Thymelaea Plin. (XI. 35.) = Daphne Gridium L. = D. paniculata Lam. — Thymelaea Gnidhun Allione, indem man die Beeren desselben — zrıdsiog xoxxos Theophr. IX. 22. = Coceum Gnidium Cels. V. 5. = Grana Gnidia Plin. (XUL. 35.) s.Semina Coe- 17 130 cognidia — zu mehren Stücken als Purgans verschlucken ließ (xaruroros, ov zum Verschlucken be- stimmt). Dadurch kam man auf die Pillenform (catapotia) und nannte den Aliecinus communis L. offi- einell: Cataputia major, sowie die Euphorbia Lathyris L. wegen ähnlicher Anwendung ihrer Samen: Cataputia minor. Besonders die Gnidische Schule bediente sich obigen leicht gefährlichen Mittels, so- wie in Rußland noch jetzt die Beeren von D. Mezereum L. zu 6—8 Stück als Drasticum bei atoni- schem Hydrops, oder als Abortivum mit Branniwein genommen werden. In Norwegen dienen sie wegen ihrer Schärfe zum Schminken. Die Arzneimittel des Hippocrates — etwa 60—70 inelusive Diaetelica — waren: A. Mineralia: Alumen — Bolus — Cala — Natr. carb. — N. muriatie. — Cuprum scorialtum — derugo — Ferrum sulphurieum — Plumbum oxydat. — Cerussa. B. Vegetabilia: a) furinosa: Tritieum — ? Sorghum (Milium) — Lens. b) nmuweilaginosa: Linum — Tussilago — Foenum graecum. ec) duleia: Dactyli — Ficus (caricae). d) ncida: Acetum — uvae immaturae — mala — sorba. e) adstringentia: Myrtus — Rosa — Rubia — Gallae. f) acria: Allium — Asphodelus — Bryonia — Cepa — Euphorbium — Scammonium — Seilla — Elaterium. g) narcotica: Croeus — Papaver — (Opium) — Mandragora. h) aromatica: Anacyclus valentinus — Anisum — Alhamanta cretica L. — Coriandrum — Cuminum — Hyssopus — Origanum creticum — Piper. i) resinosa: Ebenus — Galbanum — Myrrha — Panakes (Opopanax) — Pix — Silphium — Olibanum — Isatis. k) oleosa: Amygdalae — (Cera) — Juglans — Oleum Olivarum — (Ova) — Pineae — Sesamum. )) albuminosa: Asparagus — Citrullus — Ficus (succus) — Melo — Nelumbium — Rapha- nus — Cucumis — Brassica oleracea. | GC. Animalia: Cantharides — Cera — Lac asininum, vaccinum — Oxygala — Lana succida — Ova — Castoreum — Polypus. Arzneikunst bei den Römern. Hat auch die neueste Zeit nicht eben dazu beigetragen, das Ansehen der Heilkunst zu erhöhen und den Ruf der Aerzte zu steigern, so wurde doch letzteren kaum je ein schmachvolleres Lied gesungen, als wir es im 29. Buche der Aistor. naturalis Plinü lesen. Ließe nicht Plinius die schlimmsten seiner Behauptungen — klüglicherweise — von Cato, als Warnung vor den griechischen Aerzten, seinem Sohne Marcus sagen, wäre immer das, was er für seine eigene Ansicht und Meinung ausgiebt, noch schlimm genug, ihn injuriarum zu belangen, wenn — er noch lebte und die Verjährung nicht längst eingetreten wäre. Cato sagt seinem Sohne: die Arzneikunst sei von den Griechen zu den Römern ge- kommen, von letzteren aber, mit seltenen Ausnahmen, trotz des großen Gewinnes nicht ausgeübt wor- den, und die wenigen seiner Nation, die sich damit befaßt, wären gleichsam als Ueberläufer zu betrach- ten und bedienten sich des ausländischen Idioms aus ganz besonderer Klugheit, weil — setzt er hinzu — die Menschen, was ihr Leben und ihre Gesundheit angeht, um so gläubiger seien, je weniger sie verstehen oder begreifen könnten. Er behauptet ferner, die griechischen Aerzte, oder die gräcisirenden römischen Aerzte, wären verschworen, die von ihnen als Barbaren betrachteten Römer zu verderben. Er macht ihnen den Vorwurf der Habsucht, die nur durch Nebenbuhler (also durch Concurrenz) gemin- 131 dert werden könne, — der Wollust, — der eigenen Unmäßigkeit und Völlerei, gegenüber den streng- sten Vorschriften für ihre Kranken, — der Bemäntelung ihrer Einfalt mit dem Gebrauche des warmen Wassers, — der Erbschleicherei. — Ihre Prahlsucht bei Ausübung der Kunst und ihre ungeheure Auf- schneiderei in der Wissenschaft lägen offenbar am Tage (Ostentatio artis — eine Ars fallendi komines — et portentosa scientiae venditatio manifesta est). Cato giebt ihnen ferner Schuld, daß sie die Sitten der Römer verdürben, und zwar, außer vielem Andern, durch die heißen Bäder (Öalineae ardentes), durch welche die Speisen im Leibe zu kochen sie beredeten, so daß keiner, ohne schwächer zu werden, solche Bäder verlasse, ja daß die gehorsam- sten und fügsamsten Kranken deshalb frühzeitig zu Grabe getragen würden. Sie rathen uns — fährt der finstere Sittenrichter fort — Arzneien von der Asche und dem Neste des Phoenix....; das heiße doch der Menschen spolten, indem sie Heilmittel angeben, die alle tausend Jahre Ein Mal zu haben sind. — So weit Cato (+ 605 urb. condit.). Ja nach Varro soll Hippokrates den Tempel des Aesculap angezündet haben, nachdem er erst die Votivtafeln darin copirt, um die aufbewahrten Erfahrungen als die seinigen später ausgeben und so die klinische Arzneikunst begründen zu können (horribile dietuw! — Plin. XXIX. c. 2.) — Aber auch Plinius (libr. 29. c. 8.) selbst spricht viel von dem (wohl zu merken, nur damaligen!) Kampfe der Aerzte und ärztlichen Sekten pro pace et pane. Der böse Mann verdenkt es den (wieder- holt sei es gesagt, damaligen) Aerzten, daß sie den Kranken das Leben erhalten, — nicht allein honoris, sondern auch aryenti causa, um — sie ferner besteuern zu können. Unverkennbar spricht der Neid aus ihm, wenn er über die großen Belohnungen herzieht, welche die Aerzte damals forderten. So soll Charmis aus Massilia für die Kur eines Kranken aus der Provinz 10,000 Gulden sich ausbedungen ha- ben. Er beschuldigt die Aerzte, daß sie statt Cinnabaris indiea (Sanguis Draconis) giftiges Minium verabreichten; die Zues morum habe man der Medizin zu danken (cap. 8.); den Theriak nennt er eine compositio luxuriae, — das Antidot des Mithridates sei mit lächerlicher Subtilität aus 54 Ingredienzen (Polypharmakasterei) zusammengemischt. — Von dem Erscheinen der Aerzte, namentlich des Thessalus, unter dem Volke heißt es (cap. 5.): nullius histrionum equarumque trigarii comilalior egressus in publico erat. Aber nicht allein die Aerzte, sondern auch die Fürsten werden getadelt, weil sie durch unmäßige Belohnung die Ansprüche jener über Gebühr steigerten. — Erasistratus (der Tochtersohn des Aristoteles und Schüler des Chrysippus), Plin. libr. 29. c. 3., erhielt für die Herstellung des Königs Antiochus von dessen Sohn Ptolemäus 100 Talente (750,000 Thlr.). Unter einer solchen Last von Dankbarkeit hat kein Arzt neuerer Zeit seufzen dürfen! — Die Aerzte der Kaiser (archiatri) hatten ein bestimmtes Ge- halt von jährlich etwa 8000 Thlr. — y Sterlinius rechnete es sich zum großen Verdienste, mit etwa 16,000 Thlr. jährlich als Leibarzt sich zu begnügen, da er bei unbeschränkter Praxis in der Stadt wenigstens 20,000 eingenommen haben würde. — Crinas aus Massilia hinterließ 500,000 Gulden, nachdem er erst die Mauern seiner Vaterstadt und anderer Städte mit fast nicht geringerer Summe halte aufbauen lassen. — Hierbei gedenkt Plinius (cap. 5.) jener kläglichen Zänkereien der Aerzte in Hinsicht ihrer Meinungen über Kranke, wobei keiner mit dem andern gleichen Urtheils sei, damit es nicht das Ansehen habe, als trete einer zur Ansicht des andern über. Daher die Grabschrift an der Appischen Straße: turba se medicorum perüsse. Täglich wird die Heilmethode verändert — fährt Plinius (}. ce.) mit offenbarer Uebertreibung fort —, durch jeden Hauch eines griechischen. Genie’s werden wir umgedreht. Wer zu reden versteht, wird so bald der Lei- ter unseres Lebens und bestimmt über unseren Tod. Als ob nicht Tausende von Völkern ohne Aerzte, wenn auch nicht ohne Arzneien, lebten! (Also bei allgemeiner Pfuschereil) — So eignete sich das rö- 17 * 132 mische Volk — nach 600 Jahren, nicht eben träge, fremde Künste an, auch die Arzneikunst, verwarf sie aber, nachdem es sie kennen gelernt. Im Jahre 535 urb. cond. kam, als erster Arzt, aus dem Peloponnesus, Archagatus, der Sohn des Lysanias, nach Rom, erhielt das Bürgerrecht und auf Kosten des öffentlichen Schatzes ein Locale an der Acilischen Straße, heilte Wunden und war gesucht; bald aber brannte und schnitt er soviel, daß man ihm den Beinamen Carnifex gab. — Prodikus, aus Selymbria gebürtig, führte das hohe ärztliche Sostrum und die iatroliptische Methode ein; in der neuen Zeit von Berenger wieder empfohlen. Hierher gehört auch die Einreibung von Arz- neimitteln auf die Haut mittelst Speichel, von Chiarenti 1797 vorgeschlagen und von Brera 1799 Ana- tripsologie genannt. — Acron aus Agrigent (Girgenti) stiftete die Sekte der Empiriker; Herophilus verwarf alle Schulen und beschrieb den Puls nach musikalischem Rhythmus, je nach dem Lebensalter (in musicos pedes venarum pulsum descripsit per aetatum gradus). — Auch diese Theorie wurde aufgegeben, weil — wie Plinius sagt — necesse erat, in ea literas seire (XXIX. 5.) Die Lehre des Asklepiades, anfangs von seinem Schü- ler Themison befolgt, wurde nach dem Tode des ersten von diesem abgeändert, und wieder umgeändert von Antonius Musa, der den Kaiser Augustus durch kalte Bäder von großer Lebensgefahr befreit hatte und fortan die balnea frigida als Diaeleticun empfahl. Thessalus delebat cuncta majorum placita, rabie quadam in onmmis aevi medicos perorans; nach seiner Meinung -sei es unnütz, die Ursache der Krankheiten zu erforschen und die Krisen zu beachien; auf sein Grabmal an der Via Appia ließ er: !aroovızns setzen (Plin. XXIX. 5.). Crinas aus Massilia erlangte nach ihm großen Ruhm; er verordnete mit großer Vorsicht und Reli- giosität, nach der Bewegung der Gestirne und mathematischer Berechnung (ex ephemeride mathematica) den Kranken die geeigneten Speisen und beobachtete dabei noch die passenden Stunden. Ihn verdrängte, sowie den Thessalus, ein anderer aus Massilia nach Rom gekommener Arzt, Charmis, der auf eine neue Art die Heilkunst übte und die Kranken auch während der strengen Winterszeit kalt baden ließ (frigida etiam hibernis algoribus lavari persuasit, Plin. XXIX. 5.). Er verdammte nicht nur die früheren Aerzte und Arzneien, sondern auch die warmen Bäder (also wie die modernen Hydropathen & la Prießnitz). — Videbamus (fährt Plinius spottend fort) senes consulares usque in ostenlationem rigentes (Belege dazu bieten unsere Wasserheilanstalten auch). Hälten sich die guten Erfolge durchweg bewährt, würde man nicht nöthig gehabt haben, die Kuren durch kaltes Wasser als etwas Besonderes in unserer Zeit anzustaunen. Oft genug schon ist das kalte Wasser in die Reihe der sogenannten Universalmittel getreten, und sollte immer und allgemein hülfreich erscheinen, wollte es aber eben nicht. Nachdem man die Kartoffel lange genug gegessen, kam man endlich auf den Wunsch, sie auch zu trinken. Folge davon war oft Delirium tremens. Schon in jener Zeit ging man wieder zur Anwendung des warmen Wassers über; der Apostel An- dreas soll in Rußland die Schwitzbäder schon vorgefunden haben. Diese heilten auch bei uns — vor einigen Decennien — die meisten Krankheiten und noch einige andere; man fand kein Ende und Ziel, sie zu loben und zu empfehlen; — und jelzt? Häufiger als je werden in unseren Tagen die Heilquellen von Kranken besucht, ungerechnet die große Zahl der Gesunden, die zu ihnen oder vielmehr in specie zum grünen Tische eilen, pour corriger leur fortune. Wir wissen Alle, daß die guten Erfolge bei Kranken eben so sehr der Geschäftslosigkeit, der täglichen Bewegung, der reinen Luft, der anregenden Umgebung zuzuschreiben sind, als der Quelle selbst, denn: qui curat non curatur. 133 Plinius, im 31. Buche, führt eine Menge merkwürdiger Wässer auf, denen der Aberglaube damali- ger Zeit ganz unglaubliche Heilkräfte beilegte. Bei uns findet sich von solchem Glauben hier und da nur noch ein leichter Anflug. | Er erzählt: wer aus dem Clitorischen See trinkt, soll Ekel vor dem Weine bekommen (cap. 13.). Gelänge es doch, bei uns ein Wasser zu entdecken, welches auf gleiche Weise Abscheu vor fernerem Branntweingenusse beibrächte! Der Finder müßte eine Prämie erhalten, wenigstens so groß, als das Jahrgeld der römischen Leibärzte, oder ein immerwährendes Privilegium, geltend für den Umfang der Erde innerhalb der beiden Pole. Plinius (cap. 11.) spricht ferner von einem Wasser, welches Vergessenheit, und von einem andern, welches ein gutes Gedächtniß macht. Ersteres wäre Unglücklichen, letzteres schlimmen Schuldnern de meliori zu empfehlen. — Der aphrodisische Fluß (cap. 7.) machte, wie er erzählt, unfruchtbar; — auch dieser würde unter Umständen nicht unbesucht bleiben; — ferner: ein Wasser, welches blond, und eins, welches brünett macht, die Haare schwarz färbt (würde den schädlichen poudre de Chine unnö- ihig machen); — ferner ein Wasser, welches den Abortus verhindert, cap. 7., (würde sich einer leidli- chen Frequenz erfreuen); — der thespische Brunnen (cap. 7.) sichert den Weibern die Conception; eben dies bewirkt der Fluss Elatum in Arkadien. — Eine Quelle zu Sinuessa in Campanien (cap. 4.) beseitigte den Wahnwitz der Männer und die Unfruchtbarkeit der Frauen. Wer denkt hier nicht unwill- kürlich an die von Haus zu Bocklet gegen Sterilität empfohlene aufsteigende Douche, an Landeck’s fruchtbares Bänkchen und an die Buhenquelle eines deutschen Brunnenortes? und an das sarkastische Epigramm: „Diese Quelle ist die beste; was das Wasser nicht thut, das thun die Gäste.“ In der Sitzung vom 7. April hielt Herr Professor Dr. Middeldorpf einen von Experimenten be- gleiteteten Vortrag über Galvanokaustik, Die seitdem durch den Vortragenden erfolgte Veröffentlichung seiner Schrift über diesen Gegenstand macht eine speziellere Mittheilung desselben an dieser Stelle unnöthig. Sitzung vom 9. Juni 1854. Herr Hofrath Dr. Burchard gab einen Summarischen Bericht über die Gebär-Anstalt des Königl. Hebammen-Instituts i. J. 1855. Der Bestand am 31. December 1852 war: an Wöchnerinnen 20, an Wochenkindern 20. Aufgenommen wurden i. J. 1853: Schwangere, zum Zweck der diagnostischen Uebungen 126; we- gen drohender Frühgeburt 2; Gebärende 277; Wochenkinder von diesen Gebärenden 276, worunter sich einmal Zwillinge und 2 Molengeburten befinden; Unschwangere mit verschiedenen Krankheiten 41; des- gleichen, welche wegen zweifelhafter Schwangerschaft observirt wurden, 32; und 1 im Stadigraben er- trunkenes Kind. ‘ Die Gesammtzahl der zum klinischen Unterricht benutzten Individuen ist also 795. Bis auf den Bestand von 1 Schwangern, 13 Wöchnerinnen und 10 Wochenkindern waren bis zum 31. December 1853 sämmtliche oben bezeichnete Individuen wieder entlassen. Von der Gesammtzahl dieser Leidenden wurden jedoch nur 277 Gebärende in der Gebär-Anstalt stabil aufgenommen und mit ihren Wochenkindern gepflegt; die übrigen wurden poliklinisch behandelt und verursachten dem Hebammen-Institut nicht die geringsten Kosten. 154 Ein großer Theil von den ersteren war krank. Viele hatten sich bei schlechter Witterung obdach- los umhergetrieben, mehrere bereits auf freier Straße geboren; auf den meisten lastete der Ausdruck des Elends, der Verzweiflung! Ein Unglück, welches von der Staatsbehörde nicht mit Gleichgültigkeit angesehen werden kann. - Daher ist es begreiflich, daß von 277 im Laufe des Jahres 1853 eingebrachten, gebärenden Per- sonen nur 221 regelmäßige und 56 regelwidrige Geburten beobachtet wurden. Wie unglücklich wäre das Menschengeschlecht, wenn die fünfte Geburt regelwidrig wäre! Aber der Andrang war so groß, daß wir nicht die Hälfte der Hülfesuchenden aufnehmen konnten, sondern dem Unterrichts-Bedürfnisse einerseits, wie dem Etat andrerseits anpassend, die Aufnahme fol- gendermaßen vertheilten: im Januar . 5, im Febner, ‚27, u Wr W - N N ee ° Te A # u, ei ET. ° Ian: Aainabnn - >", 2. Me u im September. . . . . 22, im October. . 2.2... 2%, im November . . . . . 19, im December . “ 2. Davon waren aus Breslau 43, aus der Provinz Schlesien 225, im Ausland gebürtig 9; ferner: un- verehelicht 241, verehelicht 29, verwittwet 6. Unter den Unverehelichten befanden sich zwei Ungenannte. Des evangelischen Glaubens waren 160, des katholischen 116, des jüdischen 1. Dem Alter nach waren darunter zwischen 15—20 Jahren 10, zwischen 20—25 Jahren 92, zwi- schen 25—830 J. S6, zwischen 30-—35 J. 31, zwischen 35—40 J. 6, zwischen 40—45 J. 3. Ferner waren Erstgebärende 144, Zweitgebärende 95, Drittgebärende 22, Viertgebärende 2, Fünft- gebärende-2, Sechstgebärende 2, Siebentgebärende 5, Achtgebärende 1, Neuntgebärende 1, Zehntgebä- rende 2, Funfzehntgebärende 1. Unter den Geburten selbst erfolgten Einlinge 274mal, Zwillinge lmal, Molen 2 mal. Es haben sich demnach 276 Kinder zur Geburt am Beckeneingange gestellt. Nach Beschaffenheit der austreibenden Kräfte, der von ihnen zu überwindenden Hindernisse und des Geburtsmechanismus, welcher dabei nolhwendig erfolgen muß, haben wir bei Behandlung der Geburten hinsichtlich des Verhaltens der Leibesfrucht und ihrer Nebentheile, und zwar sowohl im Wassergeburts- Abschnitt, wie auch insbesondere im Kindesgeburts-Abschnitt und im Nachgeburts-Abschnitt, für Natur- und Kunsthülfe ein reiches Feld der Beobachtung und der Technik gehabt. Um diese Gelegenheit für den Unterricht nicht nur, sondern auch für Kunst und Wissenschaft nach allen Richtungen auszubeuten, habe ich für jeden einzelnen Fall besondere Tabellen zum klinischen Ge- burts- und Wochenbelt-Bericht anfertigen und ausführen lassen. — Hinsichtlich der Hülfeleistungen bei der Geburt befolgte die Schule einige, ihr originell angehörige Grundsätze, die zum Theil meinen Vorgängern angehören und von mir beibehalten und weiter entwickelt worden sind. Hierher gehört die Lehre von der Nachgeburts-Behandlung, dem Abnabeln des Kindes, die Behandiung des Nabelrestes, die Wiederbelebung scheintodter Kinder und die Behandlung der Wöch- 135 nerin. Ich bin der Ueberzeugung, daß hiervon die geringere Sterblichkeit der Wochenkinder abhängig ist, une daß die Weiterverbreitung der Grundsätze unserer Schule segensreich auf das Menschengeschlecht einwirken wird. Es ist Grundsatz, die geburtshülflichen Operationen, nach Smellies ursprünglicher Idee, mit kleinen Instrumenten zu verrichten, weil dadurch Mutter und Kind bei weitem mehr geschont werden. Die Per- foration wird nie an lebenden Früchten vollzogen. — Veher die regelmässigen Geburten. Bei näherem Betracht der erfolgten 221 regelmäßigen Geburten waren die Mütter im Allgemeinen gesund, die austreibenden Kräfte normal, das Becken so wie die weichen Geburtswege enthielten keine das Gleichgewicht störenden Hindernisse; die regelmäßig und proportionirt gebildeten Leibesfrüchte sammt ihren Nebentheilen verhielten sich in Absicht der Lage und Stellung bei der Geburt normal, und die Absolvirung der einzelnen Geburts-Abschnitte verbrauchte nach Unterschied der Mehrgebärenden und Erstgebärenden die mittlere Zeit. Sie ereigneten sich sämmtlich am rechtzeitigen Ende der Schwanger- schaft, und wurden durch die alleinigen Kräfte der Natur ohne Nachtheil für Mutter und Kind begonnen und vollendet. Von den Wöchnerinnen erkrankten jedoch: am weißen Wochenfriesel 2, an Bauchfell-Entzündung 8, an rheumalischem Fieber 1, an Brustfell-Entzündung 3, an weißer Schenkelgeschwulst 2, an Durchfall und Ruhr 3, an Gebärmutterblutung 2; an Brustwassersucht lit 1, an hysterischen Krämpfen 1. Außerdem kamen, wie gewöhnlich bei Mehrgebärenden, Nachwehen, und bei denen, welche zum ersten Mal geboren hatten, Milchfieber vor. Auch ereignete sich Entzündung der Brüste und Brustwar- zen in mehreren Fällen, wobei das Stillungsgeschäft, besonders bei Erstgebärenden, verhindert wurde. Sämmtliche Wöchneriunen verließen aber gesund die Anstalt. Unter den Wochenkindern dieser Wöchnerinnen ereignete sich: Trismus lmal, /cterus 2mal, Augen- entzündung Amal, Leberentzündung Imal, die Schädelblutgeschwulst 2mal, Friesel Imal, Wundsein Imal. Daran sind gestorben: an Trismus 1, an Hepatitis 1, an Icterus 1. Von 221 neugebornen Kindern haben 219 die Anstalt gesund verlassen. Ueher die regelwidrigen Geburten. Am rechtzeitigen Ende der Schwangerschaft ereigneten sich 31 regelwidrige Geburten. I. Von Seiten der Mütter waren als hauptsächliche Ursachen der Regelwidrigkeiten anerkannt: A. Regelwidrige Wehen, dystocia dysdymamica, und zwar dystocia rheunalica 2, dyst. a febre nervosa 1, dyst. a suffocalione ), dyst. a phthisi pulm. 1. B. Regelwidriges Becken und straffe Weichtheile: dystocia a pelei parlialiter justo angusliore 2, d. a pelvi rhachit. ], d. a pelvi simpl. justo angusliore 4. 1. Von Seiten der Leibesfrüchte und Nebentheile: d. a morbo infanlis 1, d. a mortuo infante 3, d. a monstro 3, d. a mole infantis 4, d. a situ perverso 6, d. a. funieulo prolapso 1, d. ab insertione praeternat. 1. Hl. Von Seiten der Zeit rechnen wir hierher die vorzeitigen Geburten, welche 24 mal vorkamen. A. Es wurden frühzeitige Geburten beobachtet: (partus preematnrus) 1) wegen Krankheit des mülterlichen Körpers: dystoeia rheumat. 11mal, d. ex animi pathemate 2mal, d. e syphi- lide 2mal, d. e debilitate univers. Imal, d. e swffocatione Imal; 2) wegen krankhäfter Zustände der Leibesfrüchte: dystoeia a funieuli striclura 3, d. ex hydrope universali 1. 136 B. Die unzeitige Geburt (partus immaturus): dystocia a strictura funiculi 1. C. Die Fehlgeburt: abortus molaris 1. Diese regelwidrigen Geburten wurden nicht alle durch die alleinigen Kräfte der Natur vollendet, und nur ein Theil der Kinder war am Leben. Bei diesen Geburten wurden zur Welt befördert: durch die Natur (bei therapeutischer Unterstützung) 19, durch alleinige Manualextraktion bei vorausgehendem untern Ende des kindlichen Körpers 8, durch Unterstützung mittelst der Zange 1, durch die Wendung auf den Kopf 1, durch die Wendung auf die Füße und Herausbeförderung mit den Händen 1, durch die Geburtszange bei vorausgegangenem Kopf 7, bei nachfolgendem Kopf 1. Außerdem war der Eihautstich 6mal, die Lösung der Molen 2mal, die Abschlingung der Nabelschnur 14mal vorgekommen. Das Lagerverhältniß der Früchte zur Geburt war folgendes: I. bei 221 regelmäßigen Geburten war die erste Scheitellage 163mal, die zweite 52mal, die dritte Ömal, die vierte Imal; I. bei 56 regelwidrigen Geburten, und zwar bei Scheitellagen die erste S cheitellage 32 mal, die zweite 9mal, die dritte Imal, unbeobachtet 2mal; Steißlagen: die erste 2mal, die zweite 5mal, die dritte lmal, die vierte lmal; Schieflagen: Schulterlage, erste Unterart lmal, un- beobachtet bei Mola 2mal. Als regelwidrige Stellung wurde beobachtet: die Hand neben dem Kopf 3mal, die Füße neben dem Steiß Amal, Vorfall der Nabelschnur 1mal. Der Befund der Kinder so wie ihrer Nebentheile ist weiterhin dargethan worden. Unter 276 Früchten waren Scheitellagen: (1) 195, (2) 61, (3) 6, (4) 1, unbeobachtet 2, zusammen 265 Kopflagen, ferner 9 Steißlagen und 1 Schieflage. Nach den regelwidrigen Geburten erkrankten 12 Wöchnerinnen: an fyphus puerperal. 1, an peri- tonitis 1, an febris rheumat. 1, an phlebitis eruris 1, an miliaria ruber 1, an miliaria alba 1, an metrorrhagia 1, an dysenteria 1, an phthisis 1. Von den dabei lebend geborenen Kindern erkrankten 8: an Blausucht 1, an Krämpfen 4, an Schlag- fluß 2, an Gelbsucht 1. Was endlich die Lebensverhältnisse der Mütter und der Kinder bei den regelwidrigen Geburten an- belangt, so starben: 1) bei den rechtzeitigen regelwidrigen Geburten: vor der Geburt 3 Kinder, wäh- rend der Geburt 2 Kinder, nach der Geburt 8 Kinder, und 18 Kinder wurden lebend entlassen. 2) Bei den vorzeitigen regelwidrigen Geburten kamen verwesete Kinder zur Welt 7, nach der Geburt starben 5, gesund entlassen wurden 10, Molen 2. 3) Von den Müttern starben: an Lungenschwindsucht 1, an Venenentzündung der Schenkel 1, am Nervenfieber 1, in Folge von Erstickung 1. 4) Drei Mißgeburten wurden beobachtet: ein Kind mit fehlender vorderer Beckenwand, halber Blase und halbem Glied — ist gesund. Ein Kind mit Hemicephalus, lebte nur Y/, Stunde. Ein Kind mit mehreren äußeren, kleineren Mißbildungen, verschied nach 7 Stunden, woraus hervorging, daß auch die Höhlenorgane verbildet wa- ren. (Verwachsung der Zunge mit Wangen und Lippe, Verbildung der Unterkiefer, 6 Finger an beiden Händen, Klumpfüße [valgi], verschlossener After.) Von den unschwangeren Individuen waren wegen Ermittelung von falscher Schwangerschaft, wegen Untersuchung und Diagnose angenommen 32, wegen Vorfall der Gebärmutter 16, wegen Vorfall der Scheide 7, wegen Vorwärtsbeugung der Gebärmutter 1, wegen Rückwärtsbeugung der Gebärmutter 1, wegen Umstülpung der Gebärmuiter 1, wegen Gebärmutterpolyp 1, wegen Hernien 4, wegen Blut- schwamm der Gebärmutter 3, wegen Polyp der Harnröhre 2, wegen Verwachsung der Muttermunds- lippe mit der Scheidewand 1, wegen Feigwarzen 1, wegen Blasenscheidenfistel 2, und 1 ertrunkenes Kind, welches, jedoch nach den mit ihm angestellten Rettungsversuchen wieder belebt worden ist. 137 Sitzung vom 7. Juli 1854. Herr Privat-Docent Dr. Rühle hielt einen Vortrag: Ueber Lungencollapsus. Unter den Ursachen, welche das Lungenparenchym luftleer machen, mithin die Respirationsfläche verkleinern, Dyspnoe erregen und abnorme physikalische Erscheinungen hervorbringen, sind die Infiltra- tionen des Parenchyms durch flüssige oder geronnene Substanzen und die Compression von außen durch Flüssigkeiten oder Gase, welche sich innerhalb oder außerhalb der Thoraxhöhle befinden, die häufigsten. Außerdem kann die Anhäufung des Blutes in größeren Abschnitten des Capillargefäßsystems, bei ander- weitig begünstigenden Umständen, bei unvollkommner Action gewisser Respirationsmuskeln, lange an- dauernder unveränderter Lage des Kranken, ein Verdrängen der Luft aus den Lungenbläschen zur Folge haben und einen luftleeren, aber hyperämischen Zustand des Parenchyms herbeiführen, den Louis und Rokitansky ,„Splenisation‘‘ nennen. Es giebt indeß noch eine Bedingung, welche das Lungenparenchym seines Luftgehaltes gänzlich be- rauben kann, und dies ist die Contractilität des Parenchyms selbst. In seinen „Beiträgen zur experimentellen Pathologie und Physiologie“, I. Heft 1846, beschreibt Traube in dem Kapitel „über Atelectase‘‘ Experimente an Kaninchen, denen er die eine Pleurahöhle öffnete, dieselbe einige Stunden hindurch in freier Communikation mit der atmosphärischen Luft erhielt und dadurch den betreffenden Lungenflügel luftleer machte. Dieser luftleere Zustand hatte alle Charaktere des fötalen Lungenparenchyms und also desjenigen, welches bei Neugebornen von Jörg mit dem Namen der Atelctase belegt worden ist. Die Lunge war von geringerem Volumen, als die andere, gesunde, die erst nach dem Tode beim Eröffnen der Pleurahöhle sich zusammengezogen hatte; sie war braun- roth mit einem Stich in’s Bläuliche, derb und zäh, ihre Schnittfläche glatt, braunroth und trocken, die mikroskopische Untersuchung ließ keine fremdartigen Elemente auffinden; durch Aufbla- sen wurde der so veränderte Lungenflügel vollständig dem andern, gesunden gleich, und unterschied sich von ihm auch nicht durch eine tiefere Färbung. Es war also das Lungenparenchym einfach seines Luftgehaltes beraubt, ohne daß an die Stelle der Luft etwas Anderes getreten wäre, und es mußte dies der Effekt davon sein, daß der Lungenflügel, von keiner dilatirenden Kraft mehr gehindert, einzig und allein seiner Contractilität überlassen worden war. Ich habe damals die Ehre gehabt, Herrn Dr. Traube bei seinen Experimenten zu assistiren, und darf vieleicht hinzufügen, daß derselbe eben diesen ateletactischen Zustand des Parenchyms auch dadurch hervorrief, daß er einen luftdicht schließenden Pfropf in einen Bronchus schob und hierdurch das Ein- dringen der Luft bei der Inspiration in das dem verstopften Bronchus angehörende Parenchym völlig verhinderte. In kurzer Zeit gerieth der vom verstopften Bronchus sonst mit Luft versorgte Abschnitt des Parenchyms in denselben Zustand der Luftleerheit mit Verminderung des Volumens, der oben beschrie- ben wurde. Auf welche Weise in diesem letzteren Falle die Luft verschwindet, ist experimentell weiter nicht untersucht worden. Einfache Verengerung des Kehlkopfes, der Luftröhre oder eines Bronchus brachte Emphysem, also gerade den entgegengesetzten Zustand des Lungenparenchyms hervor. Es wurde ferner schon damals an den Lungen, sowohl Erwachsener als Kinder, die Identität ‚mit jenen künstlich erzeugten luftleeren Zuständen von Traube nachgewiesen. ‘Es wird am natürlichsten sein, anzunehmen, daß überall da, wo die contractilen Kräfte des Lungenparenchyms über die dilatirenden der Respirationsmuskeln das Uebergewicht erlangen ‚und 15 138 einige Zeit behaupten, sich ein dem oben beschriebenen gleicher, Zustand entwickeln muß, und da der Ausdruck ‚‚Atelectase‘“ das Verharren des Parenchyms im fötalen Zustande bezeichnet, hier aber von einem solchen nicht die Rede ist, so hat man den Ausdruck „Lungencollapsus“ dafür substituirt. i Daß dieser Zustand des Collapsus sich nicht immer in seiner höchsten Ausbildung vorfindet, daß auch ein hyperämisches, ein mit etwas Serum getränktes, vielleicht auch ein mit geringen Mengen noch flüssigen, entzündlichen Exsudates infiltrirtes Parenchym cöllabiren könne, dürfte keine widersinnige An- nahme sein. Was das Vorkommen des. Collapsus anlangt, so findet man 2 der oben gegebenen Erklärung seines Entstehens gemäß, hauptsächlich da, wo der Zutritt. der Luft von einem Abschnitt des Lungen- parenchyms vollständig abgeschnitten ist, also bei Verstopfung mit sehr zähem Bronchialschleim, crou- pösem Exsudat, oder von oben her durch die Inspiration herabgeführter fremder Körper, oder wo ein- zelne Partieen des Thorax längere Zeit hindurch nur unvollkommen ausgedehnt wurden, bei partiellen Lähmungen der Inspirationsmuskeln, bei tief darniederliegenden Muskelkräften überhaupt, endlich da, wo beide Bedingungen zusammenwirken. Das Letzte ist der häufigste Fall, und daher die Bronchitis der Kin- der und die heftigeren Formen der Bronchialcatarrhe bei Typhösen die meiste Gelegenheit geben, den Collapsus der Lunge zu beobachten. — Doch dürfte auch in chronischen Zuständen der Collapsus eine Rolle spielen, und namentlich scheint die Erklärung, daß der luftleere, schlaffe Raum, welchen man die Bronchiectasen umgeben sieht, in Folge der Compression. durch den ausgedehnten Bronchus entstanden sei, unwahrscheinlich; denn die Bronchiectase entsteht gewiß in den seltensten Fällen durch einen auf die Bronchialwände von innen her stattfindenden Druck, z. B. durch angesammeltes Secret, vielmehr durch die Inspirations- — also dilatirende, Kräfte. Man sieht aber die kleinen, von den Ectasien abge- henden Aestchen meist durch zähes Secret verstopft oder obliterirt; in Folge hiervon entwickelt sich Collapsus der nächsten Parenchymschicht, und dieser vermehrt die Ectasie. Die Diagnose des Collapsus bei Lebzeiten wird sich hauptsächlich gründen auf Abnahme der Re- spirationsgeräusche an der befallenen Stelle, in deren Umgebung gegentheils verschärftes, vesiculäres Athmen gehört wird, denn es muß sich in der Nachbarschaft des Gollapsus zur Raumausfüllung ein vi- cariirendes Emphysem bilden. Gleichzeitig mit der Abnahme des Alhmungsgeräusches verliert der Per- kussionsschall an Fülle; er wird oft etwas tympanitlisch, höher als an den benachbarten Stellen und endlich leer. Dabei kann, namentlich wenn der Collapsus an den vorderen, oberen Partieen vorkommt, die be- fallene Stelle äußerlich durch Einsinken des Thorax kenntlich. werden, wie ich solche Fälle gesehen habe. Es fehlte hierbei der Schmerz und die Veränderung des Auswurfes, die bei Infiltrat und pleuri- tischem Exsudat vorhanden sind. Vom acuten, pneumonischen Infiltrat läßt sich der Collapsus auch ‘dadurch unterscheiden, daß er begreiflich weder bei seinem Entstehen, noch bei seinem Vergehen Cre- pitation darbietet; vom pleuritischen Exsudat, daß nicht nur keine Zeichen für die Raumerweiterung der gedämpften Partie, sondern eher der Raumverengerung vorhanden sind. — Zuweilen und namentlich im Typhus bei constanter Rückenlage und tiefem Sopor, in Folge dessen der Reiz zum Husten und In- spiriren nur unvollkommen empfunden wird und der Schleim der Schwere nach in die hinteren Partieen sich senkt, welche durch die schwachen Inspirationskräfte nicht mehr genügend dilatirt werden, bildet sich ein umfänglicher Collapsus in diesen Theilen sehr rasch aus, und eine Verwechselung mit lnfiltrat kann verzeihlich werden; es können consonirende Erscheinungen sich mit der Dämpfung verbinden und bei fehlender Expectoration der einzige Anhalt, den die Beschaffenheit der Sputa geben würde, verlo- ren gehen. 139 » Nieht! zu verwundern ist es, daß der Collapsus nicht selten. rasch wieder schwindet, daß eine Däm- pfung und mangelndes Respirationsgeräusch, namentlich an den vorderen Parlieen, am folgenden. Tage sehon durch normalen Schall und vesiculäres Athmen ersetzt sein kann; die Diagnose findet: dann hierin eine Bestätigung. Ob sich aus länger hesichenilbrs Collapsus andere Zustände entwickeln, läßt sich nicht mit Be- stimmtheit angeben; daß in chronischen Fällen eine endliche Verödung des Parenehyms daraus: entstehen könne, ist wahrscheinlich. ’ Da der Collapsus so oft und in seiner größten Ausdehnung bei..Individuen Bealcofanaln denen. eine reichliche Sauerstoffzufuhr nöthig ist, die Respirationsfläche aber durch den, Collapsus immer mehr ver- kleinert: wird, so dürfte für die Therapie die Sorge für Verhütung. oder. Beseitigung dieses Zustandes eine wichtige sein. «Die. Lungen müssen häufig, namentlich im ‚Typhus, untersucht, werden, bei. reichlichen Rasselgeräu- Eh für die ‚Expectoration gesorgt, ein zu tiefer Sopor, wo, möglich verringert:und die Rückenlage des Kranken oft gegen eine Seitenlage vertauscht werden, damit der Schleim nicht nach einer und’ derselben Richtung fortwährend herabfließend die Bronchien verstopfe. Die ‚Patienten müssen wiederholt zu ergie- bigen Athemzügen, zum Husten aufgefordert werden, wozu auch häufiges Darreichen von Getränk zu- weilen hilfreich: ist. Sitzung vom 4. August 1854. Vortrag des Hospital-Wundarztes Herrn Hodann: Ueber den Harnsäure-Infarkt in den Nieren neugeborener Kinder. f Seit einer Reihe von Jahren beschäftige ich mich ınit.den Sektionen neugeborener, zu früh geborener oder kurze. Zeit nach der Geburt gestorbener Kinder, und habe ‚die Ergebnisse derselben größtentheils nur im In- ‚teresse der forensischen Medizin zu verwerthen beschlossen. Die Hyperämie und Extravasate des Hirns und seiner Häute, die Knochenverletzungen durch den Verlauf der Geburt oder die Applikation der Zange, Alles, was auf die Lungenprobe. bezüglich und überhaupt auf die Todesursache vor, während ‚oder bald nach der Geburt von Einfluß sein konnte, wurde, der, genauesten Erwägung unterzogen. — Die Sektio- nen betrafen größtentheils Kinderleichen, wo ich-über die Schwangerschaft der Mütter, den Verlauf der Geburt, das. Verhalten des Kindes nach derselben genaue Kenntniß erlangte, und wurden ganz in Form gerichtlicher Sektionen ‚unternommen, ebenso protokollirt und die Einwände, welche man in neuerer Zeit ‚oft. gegen die gerichtlichen gutachtlichen Endschlüsse erhob, genau erwogen. ‚Bei. den mikroskopischen und chemischen Arbeiten habe ich mich, mit einer ‚Art Skeptizismus, nicht ‚auf mich. selbst verlassen, sondern ließ mich,..nachdem ich sie unternommen, gern durch compe- tente Kollegen controliren, welche ich, dieselben Untersuchungen an denselben Objekten vorzunehmen, bat. Meinem,.Hospital-Kollegen Herrn Privat-Docenten Dr. Rühle, dem Herrn Hospital-Apotheker Mül- ler,:Herrn Professor Baumert und Herrn Candidaten ‚der Medizin Valentiner, sage ich hiermit den ergebensten Dank für. die. Bereitwilligkeit, mit welcher der Erstere in Bezug auf mikroskopische, die „Letzteren in Bezug: auf ‚chemische Untersuchungen ‚mich freundlichst unterstützten. Aus dem ziemlich reichen Material, welches mir seit einer Zeit von 7 bis 8 Jahren ‚auf diese Weise erwuchs und welches ich zum Zweck einer größeren gerichtlich-medizinischen Arbeit noch zu vermeh- 29% 140 ren gedenke, habe ich vorerst einen Bruchtheil genauer ins Auge zu fassen beschlossen, und betrachte die nachfolgenden Zeilen eigentlich nur als eine Bitte an die verehrten Kollegen, dem näher besproche- nen Gegenstande ebenfalls ihre Aufmerksamkeit zuzuwenden und genauere Untersuchungen darüber anzu- stellen. Diese Bitte ergeht auch vornehmlich an die Kollegen, welche sich bisher nicht speziell mit Mikroskopie und Chemie beschäftigten, da die chemische Prozedur bei der erwähnten Arbeit eine sehr einfache, an jedem Orte ohne Kosten leicht ausführbare ist. In Bezug auf das zuletzt Ausgespröchene möge man daher entschuldigen, wenn ich bei Beschreibung der chemischen und mikroskopischen Unter- suchung allgemein Bekanntes genauer Re als es dem ‘Chemiker und en: vom Fache gegenüber nöthig gewesen wäre. Hast il Was nun den Harnsäure-Infarkt in den Nieren neugeborener Kinder betrifft, so kin es mir zu- _ nächst nöthig, das Litterarisch-Historische vorauszuschicken, um darzuthun, wie weit sich bisher die Mei- nungen über diesen Vorgang gestalteten und sichteten, und wie die Akten über diesen Gegenstand durch- aus nicht als geschlossen betrachtet werden BaREN sondern das bis jetzt Erforschte immer mehr zu ferneren Untersuchungen auffordert. In Deutschland wurde der Nieren-Infarkt (so will ich die Erscheinung der Kiel wegen von jexzt ab nennen) zuerst von Dr. Cleß jun. in Stuttgart (Mediz. Correspondenz-Blatt des Würtembergischen ärztlichen Vereins, 11. Bd. 1841, S. 114) zur Sprache gebracht. Er sah ihn zuerst bei den in den Jahren 1837 bis 1838 im Pariser Findelhause gemachten Sektionen, beschreibt die Erscheinung und vermuthet: ‚‚daß das genannte Pulver ein Niederschlag sei, der sich aus dem Urin noch in den Harn- kanälchen selbst an ihrer Ausmündung bilde und durch das nachrückende Fluidum in die Blase ausge- spült werde.“ Er bringt die Erscheinung mit der Gelbsucht der Neugeborenen in Verbindung, und zitirt eine Stelle aus Billard’s Handbuch der Krankheiten der Neugeborenen, wo derselbe der gelben Fär- bung flüchtig Erwähnung thut. Jetzt war der erste. Anstoß gegeben, und bald erfolgten Mittheilungen und Beobachtungen von ver- schiedenen Seiten. In der österreichischen medizinischen Wochenschrift (Jahrgang 1842) erklärte Engel in einer zwar nur sehr kurzen Notiz, aber ganz bestimmt: daß sich diese Körnchen (Urinsedimente) in fast allen Kin- derleichen nach den verschiedensten Krankheiten, ja sogar nach gewaltsam erlittenem Tode vorfänden und völlig zum Normalzustande gehörten. Im Archiv für physiologische Heilkunde 1842, drittes Heft Seite 576, bespricht Schloßberger in Stuttgart diesen Gegenstand genauer. Nachdem er das Ver- dienst von Cleß, die Frage angeregt zu haben, hervorgehoben hat, kommt auch er auf Billard zu- rück, welcher die Erscheinung als eine Färbung des Serums erklärt, welches sich zwischen die Fibern der substantia medullaris ergießt (?). Diese Färbung hänge mit der, die Gelbsucht veranlassenden Ur- sache zusammen, könne aber nicht als krankhafte Veränderung des Nierengewebes gelten. Ferner er- wähnt Schloßberger, daß Bertin, Rayer (sie sagen: die Harngefäße werden zuweilen durch Harn- säure-Salze sichtbar) und Valleix der vorliegenden Erscheinung in flüchtigen Bemerkungen gedenken; ebenso, daß sie Dr. Charcelay nach 16 vorgenommenen Sektionen gut beschreibt und sie auf die Bright’sche Nieren-Degeneration Neugeborener bezieht, und daß Rokitansky ihrer erwähnt, indem er (Bd. 3. S. 433) sagt: Die Bildung von kalkulösen Harnkonkretionen in den Harnkanälchen, welche sich als zarle, in die Nierensubstanz eingestreute Krystallkörnchen, bestehend aus Harnsäure, kundgiebt etec. Hierauf liefert Schloßberger, nachdem er die Erscheinung beschrieben, eine Statistik seiner gesam- melten Fälle, beschreibt die Krankheiten, an denen die Kinder gestorben sind, und begründet seine An- sichten, worauf ich später zurückkomme. Virchow lieferte nun in den „,‚Verhandlungen der Gesell- schaft für Geburtskunde in Berlin, 1847,“ 2. Jahrgang, S. 170, eine größere‘ Arbeit über diesen 141 ‘Gegenstand, "und nachdem er"die Erscheinung selbst beschrieben und die Schloßberger’sche Ab- handlung im Auszuge mitgetheilt hat, meint er, daß, wenn‘ man diesen Thatsachen folgte, man annehmen . müsse, daß bei allen in einer" gewissen Zeit gestorbenen Neugeborenen eine Anfüllung der Harnkanälchen ‘mit harnsaurem ‘Gries stattfinde, woraus sich dann der allerdings hypothetische Schluß herleiten ließe, daß diese Anfüllung in einer gewissen Lebenszeit ‘physiologisch sein möchte. Wäre dieser Schluß richtig, sagt er weiter, so folgten daraus drei wichtige Dinge: 1) Für die ‘Physiologie die Kenntniß eines, der normalen Lebensentwickelung zukommenden Vor- ganges, der für die Theorie von der Harnsekretion und von dem Ursprunge der Harnbestand- ""theile überhaupt neue Anknüpfungspunkte 'zu geben verspreche. 2) Für die Therapie die Kenntniß "einer für die Gesundheit des Kindes wichtigen und nothwen- digen Abscheidung, deren Störung vielleicht öfter, als man es wissen konnte, vorkommen möchte. ı ei 3) Für die forensische Medizin die Kenntniß eines Zustandes der Nieren, der mit großer Be- stimmtheit ein Kriterium gäbe, daß das Kind gelebt habe und in der Zeit zwischen dem 2ten und etwa dem 19ten Tage gestorben sein müsse. Nachdem Virchow seine 17 Leichenuntersuchungen mitgetheilt, verzichtet er auf die Angabe der Krankheiten, an denen die betreffenden Kinder starben, weil seine Zahlenverhältnisse mit denen Schloß- bergers übereinstimmen und daher der Nieren-Infarkt entweder physiologisch oder jeder Krankheit der Neugeborenen überhaupt eigen sein müsse, neigt sich der ersteren Annahme zu und geht dann zur Be- schreibung einer kranken Niere über, in welcher durch Verstopfung der Harnkanälchen mit harnsauren Salzen durch Stauung des Urins in der Nähe der Malpighischen Körper ein Aydrops renalis entstanden war, und kommt zu folgenden vorläufigen Schlüssen: 1) Der Harnsäure-Infarkt der Nieren besteht in einer Anfüllung der Harnkanälchen mit krystalli- nischen, harnsauren Salzen, welche sich zunächst auf die Epitelialzellen niederschlagen. 2) Vom Ende des zweiten Tages des Kindeslebens an findet eine sehr starke Harnsäure-Ab- scheidung statt, deren Resultat die Anfüllung der Harnkanälchen mit harnsaurem Gries ist. Diese Anfüllung wird nach dem Ende der dritten Woche nicht mehr gesehen. 3) Eine solche Abscheidung findet sich auch ausnahmsweise im Fötus, und giebt hier Veranlas- sung zum Aydrops renalis ohne Obliteration des Harnleiters. 4) Dieser Aydrops renalis, wenn er auch nicht immer die Geburt erschwert, macht doch in jedem Falle das Leben des Kindes unmöglich durch Beschränkung der Brusthöhle. 5) Der Harnsäure-Infarkt ist beim Fötus bisher nur mit gleichzeitiger Veränderung der Nieren- substanz gesehen worden, beweist also noch nicht, daß die Injektion ohne Veränderung der Substanz ein trügerisches forensisches Zeichen wäre. 6) In zweifelhaften forensischer Fällen kann der Infarkt entscheiden, daß das Kind länger als zweimal 24 Stunden geathmet hat, da der harnsaure Gries bei ziemlich vorgerückter Fäul- niß sichtbar bleibt. Nach einer sehr ausführlichen Betrachtung des Vorganges und Erwägung der bei der Geburt des -Kindes influirenden Verhältnisse erklärt sich Virchow für den physiologischen Charakter des Infarktes und schließt seine Arbeit mit folgenden ‘Worten: ‚Nachdem das neugeborne Kind diejenigen Funktio- nen, welche ihm bis dahin durch die Thätigkeit des mütterlichen Organismus erspart wurden, selbst über- nommen hat, nachdem es durch autonomische Thätigkeit (Respiration, Digestion, Wärmeerzeugung) den zur Erhaltung’und Entwickelung seines Leibes nöthigen mechanisch-chemischen Wechsel der Stoffe zu reguliren’ begonnen hat, treten große Revolutionen in der Constitution des Blutes auf, welche sich als 142 E Te — massenhafte Zerstörungen von Blutbestandtheilen darstellen. Als die sinnlich wahrnehmbaren Resultate der Veränderung des Blutplasma’s erscheint uns der Niederschlag von Harnsalzen, besonders von harn- saurem Ammoniak in die Harnkanälchen, während den physiologischen Ausdruck der Wandlung der Blut- körperchen die Gelbsucht darstellt. Die Niederschläge von Harnsalzen, deren Ausscheidung eine ebenso reichliche als plötzliche ist, leiten sich gegen das Ende des zweiten Lebenstages unter ‚ausgedehnter Hyperämie der Nieren ein, welche häufig Austretungen von Blutserum und Blut in Substanz mit ‚sich führen. Wie lange diese Ausscheidungen dauern, darüber läßt sich bis jetzt nichts Genaues feststellen. Die Niederschläge bleiben verschiedene Zeit in den Harnkanälchen liegen.‘ Hierauf fordert Virchow zur eifrigen Weiterforschung besonders an Ichaalee Kindern auf, hebt die Bedeutung des Infarktes für die forensische Medizin hervor und fügt noch alaomdea im therapeutischen Interesse an: „Was die Therapie angeht, so wird es sich in den Fällen, wo die Ausstoßung des harnsauren Grieses aus den Harnkanälchen sich verzögern sollte und daraus krankhafte Erscheinungen resultirten, einfach darum handeln, eine alkalische Constitution des Harns herzustellen, um eine Lösung des Grieses schon in den Harnkanälchen zu erzielen. Den Harn können wir aber bekanntlich auf zweierlei Weise umändern: einmal durch direkte Darreichung kaustischer oder kohlensaurer Alkalien, und zweitens durch ‚die Anwendung pflanzensaurer Salze, welche sich innerhalb der Blutbahn in kohlensaure umsetzen. Die Anwendung der ersteren Mittel in der Kinderpraxis ist nicht neu; die Wirksamkeit der Maguesia, des ‚kohlensauren Natrons, der alkalischen Milch etc., so wie in der anderen Reihe die Bedeutung des essig- sauren Kali’s konstruirt sich so auf eine viel rationellere Weise, als durch die Annahme einer Säure- bildung in den ersten Wegen.“ , In Schleiden’s und Froriep’s Notizen etc. (Januar 1849, Nr. 171, S. 263) liefert v. Heßling in Jena eine genaue mikroskopische Beschreibung des Harnsäure-Infarktes nebst kurzen Bemerkungen über seine Natur und Bedeutung. Professor E. Martin in Jena lieferte nun zunächst (Jenaische Annalen für Physiologie und Medizin U. Bd., I. Heft, Seite 126, 1850) eine größere Abhandlung über unseren Gegenstand. Er erwähnt, daß er schon seit dem Jahre 1832 dem Harnsäure-Infarkt seine Aufmerksamkeit schenke und bereits 1837 Maxime Vernois den Gries als acidum urieum bezeichnete, geht dann die Arbeiten von Virchow, Cleß, Engel, Schloßberger und v. Heßling durch, zu seinen Erfahrungen über, und kommt zu folgenden Schlußfolgerungen: 1) Bei der großen Mehrzahl der Todtgebornen fehlt der Harnsäure-Infarkt der Nieren. — Diese Regel erleidet jedoch Ausnahmen, indem in einzelnen, wenn auch seltenen Fällen jene Ab- lagerung von harnsaurem Ammoniak auch bei Kindern angetroffen wird, welche unter der Geburt gestorben sind. Das Leben des Kindes nach der Geburt ‚darf aus der Gegenwart des Harnsäure-Infarktes für jetzt nicht gefolgert werden. 2) Man findet den Harnsäure-Infarkt regelmäßig zwischen dem zweiten‘ und eilften Tage, bis- weilen auch schon früher (185 Stunden nach der Geburt), sehr selten später als eben an- gegeben. 3) Obgleich der Harnsäure-Infarkt nach dem Vorhergehenden zu den physiologischen Iches- erscheinungen zu zählen ist, so dürfte doch die Frage nahe liegen, ob derselbe nicht z. B. durch längeren Bestand zu mancherlei Krankheiten der Nieren Anlaß geben könne. 4) Daß der physiologische Harnsäure-Infarkt der Neugeborenen mit den Umwandiungen, welchen der Lebensprozeß des Fötus bei seinem Austritt aus dem Mutterleibe unterworfen ist, in -in- n'gem Zusammenhange steht, ist nach den vorstehenden Thatsachen höchst wahrscheinlich, 143 H ‘ jedoch dürfte er. keinesfalls ausschließlich durch die veränderte Respiralion, Digestion und Ser: Wärmeentwickelung- herbeigeführt werden, da. derselbe sich bisweilen, wenn auch nur aus- nahmsweise, bereits beim Fötus oder bei dem unter der Geburt oder bald nach derselben (15 Stunden) abgestorbenen Kinde findet, daß an eine Ablagerung in Folge der durch die Geburt eintretenden Umwandelungen kaum gedacht werden kann. - 05 5) Als eine mit dem Harnsäure-Infarkt ohne Zweifel nahe verwandte pathologische Erscheinung muß das karminrothe Pulver gelten, weiches manchmal auf den durchnäßten Windeln zu dem Glauben Veranlassung gab, daß die Kinder Blut entleerten. Unterdeß hatte Schloßberger im Katharinen-Hospital zu Stuttgart seine Beobachtungen fortge- seizt und veröffentlichte das Resultat derselben im Archiv für physiologische Heilkunde (Jahrg. 9. 1850, $S. 545), indem 247 Sektionen sein Material waren. Aus den hieraus gewonnenen stalistischen Resultaten zieht er folgende Schlußfolgerungen: l) Die Niereninjektion mit harnsauren Salzen fand sich nie in Kinderleichen, wenn die Kinder nicht geathmet halten. Die praktische Seite dieser Thatsache springt für die gerichtliche Medizin in die Augen. 2) Aus dem Fehlen des Infarkts kann nicht geschlossen werden, daß das Kind nichi gelebt hälte. = 3) Da der Termia des letzten Auftretens des Infarkts kein bestimmter ist, so kann durchaus nicht gefolgert werden, daß ein Kind an diesem oder jenem Tage gestorben sei, wo man den Iufarkt in dieser oder jener Beschaffenheit vorfand. Nachdem Schloeßberger sich noch mit dem Auftreten des Infarkts den verschiedenen Tagen nach und mit den Krankheiten beschäftiget, an welchen die betreffenden Kinder starben, ist er über die An- nahme, daß die Erscheinung eine rein physiologische sei, noch zweifelhaft, und erklärt die Frage hier- über als noch unentschieden, besonders da der Infarkt bei den Lebendgeborenen zu 2 Drittheilen fehle. Schließlich erwähnt er noch der Martin’schen Arbeit, und gestützt auf die große Anzahl seiner Beobachtungen läßt er den Martin'schen einen Fall, wo das Kind bald nach der Geburt starb, vorläufig als Ausnahme von der Regel gelten. Im Jahre 1853 erschienen Elsässer’s „‚‚Untersuchungen über die Veränderungen im Körper der Neugeborenen etc.‘“, und erklärt er darin Seite 76: „In den vielen Sektionen Todtgeborener, die in dem nun 25jährigen Bestehen des Katharinen-Ho- spitals gemacht wurden, kam die gelbe Injektiion der Nierenkanälchen nie vor. Bei Kindern, welche atlhmeten, wurde sie häufig gefunden und zwar vom ersten Tage ab. — Wo also, bei sonst normalen Nieren, diese Injeklion gefunden wird, kann man fast mit absoluter Gewißheit sagen, daß das Kind ge- lebt hat, aber nicht umgekehrt.‘ In den ‚„‚Annalen des Charit@-Krankenhauses etc.‘ IV. Jahrg. 2. Heft, 1853, liefert Meckel eine Arbeit: ,‚Ueber die Eiterung beim Abfallen des Nabelstranges‘‘, und führt dabei 7 Krankengeschichten auf; 5 dieser Kinder zeigten den Harngries, eins, wenn ich nicht irre, in der Cortikalsubstanz der Nieren. Weber, Professor der pathologischen Anatomie in Kiel, sagt in seinen 1854 erschienenen: „Bei- trägen zur pathologischen Anatomie der Neugeborenen‘ über den vorliegenden Gegenstand: „Schließlich habe ich noch in forensischer Beziehung zu bemerken, daß der so viel besprochene ‚Gries in den Harnkanälchen der Neugeborenen nicht als ein Zeichen stattgehabten Athımens verwerthet werden darf. Wenn auch sehr häufg nach kurzer Lebensdauer der Neugeborenen Gries in den Harn- kanälchen angetroffen wird, so ist dies einestheils nicht ohne Ausnahme der Fall, und andrerseils, was noch wichtiger ist: man findet bei Kindern, die während der Geburt abstarben, wenn auch selten, doch in einzelnen Fällen, in den Harnkanälchen der Pyramiden Gries angesammelt.‘ 144 Kreis-Physikus Dr. Hoogeweg in Gumbinnen theilt in Casper’s Vierteljahrschrift, ‘VII. Bd. 1. Hft. 1855, Seite 33, einen Fall mit, wo ein während der Geburt verstorbenes Kind den Harnsäure-Infarkt zeigte, und stellt die Bedeutung desselben für die gerichtliche Medizin folgendermaßen fest: ]) Der Harnsäure-Infarkt, für sich allein, berechtigt nicht zu der Annahme, daß das Kind nach der Geburt geathmet habe. 2) Mit anderen Zeichen zusammen, welche das Leben des Kindes wahrscheinlich machen, unter- stützt er diese Annahme. 3) Bei Zeichen, welche das Leben des Kindes nach der Geburt uinhlirsäheilich machen, ver- ringert er diese Unwahrscheinlichkeit. Dies ist die Litteratur des Harnsäure-Infarkts, und wir sehen, daß sich gewiegte Kräfte mit Eifer damit beschäftigten. Es wird, hoffe ich, dem Leser klar geworden sein, wie die Meinungen miteinander- oder auseinandergehen, und komme ich nun zur Verwerthung meines eigenen Materials und der dabei angestellten Untersuchungen. Meine Beobachtungen basiren sich auf 76 unternommene Sektionen von Kinderleichen, deren Nieren der genauesten Untersuchung unterworfen wurden. Der Harnsäure-Infarkt ist mit dem bloßen Auge leicht zu erkennen. Wenn man die Niere von ihrer gewölbten Seite aus nach dem Nierenbecken zu einschneidet und die getrennten beiden Hälften so aus- einander legt, daß sie durch das Becken noch zusammenhängen, so trifft der Schnitt (den man in mög- lichst gradem und scharfem Zuge führt), eine Masse Pyramiden von der Cortikalsubstanz aus bis durch ihre Papillen hindurch. Steht nun der Infarkt, wenn ich mich so ausdrücken darf, in seiner höchsten Blüthe, so sind sämmtliche Kanälchen der Pyramiden von der Spitze der Papillen an bis dicht an die Cortikalsubstanz mit ihm gefüllt. T ‘Schon die Zierlichkeit der Erscheinung lohnt es, daß man jede Kinder-Niere untersuche. Die Farbe ist in der Regel eine intensiv-chromgelbe, in seltneren Fällen bräunlich, bräunlich-röthlich oder strohgelb. Ist der Infarkt im Entstehen ‘oder im Verschwinden, so sitzt er den Papillen näher und er- streckt sich von hier aus 1 bis 1%, Linie nach der Cortikalsubstanz zu. Oft sind nur beim Termin seines ersten Beginns oder dem letzten Termin seines Verschwindens Andeutungen vorhanden, welche ich nur etwa so beschreiben kann, als hätte man mit einer feinen Nadel, deren Spitze in Chromgelb getaucht worden-wäre, einige seichte Stiche in die Ausführungsgänge der Papillen gemacht. Der beginnende und verschwindende Infarkt ist ganz gut zu unterscheiden, besonders wenn man eine Loupe zur Hand hat; doch genügt das bloße Auge ebenfalls. Beim beginnenden Infarkt ist die Spitze des Ausführungskanälchens gefüllt, die Kelche und das Nie- renbecken sind leer und zeigen keine Spur der Färbung in der in ihnen enthaltenen Flüssigkeit. Beim auf seiner höchsten Höhe bestehenden Infarkt sind nicht allein die Harnkanälchen, so lange sie grade nebeneinanderliegen, sondern auch dort gefüllt, wo ihr mehr wellenförmiger Verlauf die Grenze zwi- schen Cortikal- und Medullar-Substanz andeutet. In den Kelchen und im Nierenbecken finden sich schon einzelne, wie Cleß sehr rich bemerkt, pollenartige Körner von chromgelber Farbe vor. — Beim verschwindenden Infarkt ist die Erscheinung dieselbe wie beim entstehenden, nur enthalten Kelche und Nierenbecken, Urether und selbst die Blase, ja der vordere Umfang der Vorhaut bei Knaben die ausge- schiedenen Stoffe in geringerem oder höherem Maße. Beim beginnenden, am Ausgang ‘der 'Papillen sitzenden Infarkt bemerkt man hinter ihm in dem Harnkanälchen in der Flüssigkeit suspendirt die festen Theilchen, beim verschwindenden ist diese Flüssigkeit zwischen Papille‘und Cortikalsubstanz' in der Re- gel leer. Das Pulver tritt beim Druck auf die Nierenwärzchen aus und füllt die’Kelche. — Da 'beim Schnitt unzählige Kanälchen frei werden und das Pulver ausstreuen, so streiche man sanft mit dem’ Mes- - 145 ser über die Schnittläche und lasse eben so sanft eiwas Wasser über dieselbe gehen; es werden sich dann die oben angegebenen Unterscheidungsmerkmale wahrnehmen lassen, besonders da immer einige nicht durchschnittene Kelche durch ihre feine Haut die ausgetretenen Stoffe wahrnehmen lassen. Ich glaube, die Farbe des Infarkts ist immer eine chromgelbe, die dunkleren und weniger hervorstechenden Modifikationen entstehen nur durch die beginnende Zersetzung, und ist die Farbenverschiedenheit davon abhängig, ob man die Sektion früher oder später unternehmen kanı:. Die Cortikalsubstanz der Niere ist im Verhältniß zu den mehr blassen Pyramiden in der Regel hy- perämisch, besonders beim beginnenden und dem auf seiner Höhe stehenden Infarkt. Oft ist Cortikal- und Medullar-Substanz durch einen feinen wellenförmigen, dunkel-karminrothen Strich getheilt, wie man etwa die einzelnen Länder auf der Landkarte durch Farben trennt. Mikroskopisch lassen sich, wena auch in geringerem Grade, die Elemente bis in die Cortikalsubstauz hinein nachweisen, doch mag dies wohl nur die Uebergangsstellen der hier geschlängelten Harnkanälchen betreffen. — v. Heßling und Meckel haben diese Erscheinung beobachtet; ich selbst sah es nur einmal und glaube, daß auch die erwähnten beiden Forscher nur die Grenzscheide zwischen Cortikal- und Pyramidal-Substanz und nicht das mehr aus Malpighischen Körperchen bestehende Substrat meinen. Unter dem Mikroskop läßt sich nun Folgendes erkennen: Zunächst Convolüte dunkler Massen, welche bei Zusatz von Wasser erst getheilt werden müssen, Je nachdem man den Druck des Deckgläschens vermehrt, treten dann die gesonderten Elemente deut- licher hervor. Es sind bräunlich gelbe, unregelmäßig rundliche, höckerige, manchmal eckige Klünp- chen, welche, zerdrückt, amorphe Körner, dem harnsauren Ammoniak ähnlich, enthalten. Convolute vom Epithel der Schläuche enthalten sie, die Epithele selbst sind von diesen Körperchen umgeben, um wel- che sie sich fest anzusetzen scheinen. Manchmal kam mir ihre Färbung violett vor; vielleicht aber hatte diese Färbung in irgend welchen aufgelösten Bestandtheilen des Blutes (wie auch Virchow be- merkt) ihren Grund. Die Schläuche der Nierenkanälchen sind oft ganz vollgepfropft davon und lassen sie unter dem Mikroskop austreten. Harnsäure-Krystalle in reiner (Fass- oder Rhomben-) Form sah ich nur zweimal. Die freien Epithelzellen der Harnkanälchen scheinen auch manchmal mit den beschriebenen Köruern angefüllt zu sein, oder die letzteren sitzen den ersteren ganz fest auf. Diese Körperchen sind unregel- mäßig, eckig, manchmal am Rande, manchmal im Centrum scheinbar durchscheinend und dann heller in’s Braune schillernd. In Betreff des Mikrochemischen ist zu bemerken, daß sich die beschriebenen Kör- perchen (deren Durchmesser v. Heßling auf 0,0004—0,0015 angiebt) sich in Salpetersäure sehr schnell, bei Zusatz von kaustischem Kali etwas langsamer lösen. Die Schläuche und Epithele werden dann frei, und manchmal bilden sich bei dem letzgenannten Zusatz bei längerem Stehen Krystallformen von harnsaurem Kali, und wenn man dann vorsichtig Essigsäure zugiebt, kommen manchmal sehr schnell rhombenförmige Harnsäure-Krystalle zum Vorschein. v. Heßling beschreibt noch Zellen, welche, sich spindelförmig zuspitzend, an ihrer Spitze ein Bläschen vortreten lassen, welches, wie das Innere der Zellen, mit den Körnchen angefüllt ist. Ich habe einige Mal ähnliche Elemente gesehen, kann aber von ihrer Deutlichkeit und constantem Vorkommen nicht genau Rechenschaft geben. Ueber das chemische Verhalten dieses Stoffes gab zuerst Schlioßberger näheren Aufschluß. Wasser und Weingeist lösen das Pulver nicht auf; heißes Wasser scheint etwas aufzulösen (weil nach Schloßberger vielleicht manchmal die Säure als Ammoniaksaiz vorkommt). Kaustische Alkalien lösen es leicht auf, indem die einzelnen Theile vom Rande aus einschmelzen. Bringt man etwas von der Masse auf ein Porzellanschälchen und setzt beim Erhitzen Salpetersäure zu, so entwickelt sich unter leichtem 19 146 Aufbrausen (Kohlensäure und Stlickgas) eine schöne rothe Farbe. Dieses Erscheinen des Murexid’s setzt es außer Zweifel, daß der Haupibestandtheil Harnsäure ist. Im Platinlöffel geglüht blieb auch mir, wo mir etwas mehr Material zu Gebote stand, etwas Asche zurück, ein Beweis, daß der Infarkt auch feuerfeste Bestandtheile besitzt. Da die den Infarkt bildende Masse nach dem mikroskopischen und mikrochemischen Befunde zum größten Theil aus harnsauren Salzen besteht, so ist auf chemischem Wege nur die Harnsäure nachzu- weisen, um den Infarkt als solchen chemisch festzustellen. Man sammle also einige dieser Conkremente, bringe sie auf einer Porzellanschaale mit einem Tro- pfen destillirten Wassers ins Sieden, setze, wenn es beinahe zur Trockne eingedampft ist, einen Tropfen Salpetersäure und dann einen Tropfen kohlensaure Ammoniumlösung zu, so wird sich bald eine purpur- oder karminrothe Färbung des Rückstandes zeigen (die sogenannte Murexidprobe). Ich habe mehrfach versucht, aus ganzen Nieren, welche den Infarkt enthielten, durch Zerschneiden und Auswässern und fernere chemische Prozeduren die Harnsäure darzustellen; es gelang manchmal, je- doch noch öfter hatte dies Verfahren (auch von Herrn Hospital-Apotheker Müller vorgenommen) ein negatives Resultat, und will ich daher, die mehrfachen anderen chemischen Versuche übergehend, das kürzeste und sicherste Verfahren anführen, um die chemische Probe auf den mikroskopischen Befund zu gewinnen. Vorher muß ich noch erwähnen, wie lange der Infarkt (was schon Virchow anführt) der Verderbniß widersteht. Ich ließ Nieren, aufgeschnitten, wie sie waren, an der freien Luft faulen, und nach 45 Tagen, wo die Masse noch breiig war, waren die Injektionen, aber viel dunkler gefärbt, noch sichtbar. Später konnte ich die Körnchen mit bloßem Auge noch ganz gut erkennen, nachdem die Masse unter zeitweiligem Zusatz von Wasser drei Monate gefault hatte. Die faule Substanz liegt dann in der Regel zu Boden, die gelben oder braunen Körnchen liegen wie feines Pulver auf ihrer Oberfläche. Gestützt auf diese Experimente ließ ich nun die Nieren trocknen, und kam so auf die bequemste und sicherste Methode, den Harn-Infarkt chemisch zu bestätigen, und empfehle sie zu den ferneren Un- tersuchungen. Hat man die Niere, wie oben beschrieben, eingeschnitten und sich mit dem bloßen Auge und allen- falls der Loupe von dem Vorhandensein des Infarkts überzeugt, so lasse man sie, entweder in der Sonne oder bei Ofenwärme, trocknen. Sie schrumpft bald, besonders wenn man sie auf eine Glasscheibe legt, zu einer dunkelbraunen Haut zusammen. Die Pyramiden sind nur noch schwach als rundliche Erhaben- heiten zu erkennen, aber der Infarkt liegt so deutlich wie am Sektionstage vor uns; die Strahlen geben die Lage der zusammengetrockneten Harnröhrchen an, sie sind jetzt nicht mehr gelb, sondern heben sich von der dunkelbraunen Grundmasse als blutroth-gelbliche Streifchen ab. So präparirt hält sich das Ob- jekt Jahre lang. Man macht nun mit einem feinen Messerchen einige Striche, am besten quer durch die Pyramide in schabender Art, und läßt die abgeschabten Partikelchen, vielleicht in der Masse von Yo bis ’, Gran, auf den kleinen Porzellandeckel fallen, befeuchtet dieselbe mit einigen Tropfen destil- lirten Wassers und läßt das Ganze über einer kleinen Spiritäsflamme kochen. Mit dem Messerchen oder der Nadel entfernt man die ausgekochten Abschabsel, setzt der Flüssigkeit etwas Salpetersäure zu, läßt es aufwallen und einen Tropfen Salmiakgeist darauf fallen, wodurch sich augenblicklich die (purpur- oder karminrothe) Murexidfarbe entwickelt. Zu diesem Experiment braucht man also, außer der getrockneten Niere, ein Spirituslämpchen, ein Fläschchen mit destillittem Wasser, eins mit Salpetersäure und eins mit Salmiakgeist, um auch die kleinste Spur der Harnsäure zu ermitteln. Es wird gut sein, wenn jeder Beobachter, auch wenn er nicht Chemiker von Fach ist, diese che- mische Probe auf das Infarkt-Exempel macht, weil bei Untersuchung mit bloßem Auge vielleicht eine 147 Täuschung vorkommen könnte und vielleicht nicht Jeder, der dieser Erscheinung Interesse schenkt und selbst forschen will, Mikroskopiker ist. Es finden sich manchmal in den Nieren der Neugeborenen im Verlauf der Harnkanälchen, ganz in derselben Form, wie sich der Infarkt zeigt, gelbliche Streifen, welche, besonders wenn man (im Winter) die Sektionen bei Lampenlicht vornehmen muß, wohl zu Verwechslungen Anlaß geben können. Viel- leicht bezieht sich auf ein solches Ereigniß die von Cleß und Schloßberger angezogene Stelle bei Billard: „/l est une alteration de couleur fort remarquable, et qui s’observe chez les enfants icteri- ques; on voit s’etendre en rayonnant, du sommet a la base du mamelon, des stries d’un jaune ecla- tant, qui sont dues sans doule a la coloration de la serosite, qui se trouve entre les fibres de la substance mamelonnee.“ Vielleicht hat Billard den Harnsäure-Infarkt vor sich gehabt und geglaubt, daß das, was in den Harnkanälchen lag, zwischen ihnen läge; vielleicht hatte er die Nieren eines stark ikterisch gefärbten Kindes vor sich, wo sich oft bis ins Innere der Organe hinein die Färbung doku- mentirt; vielleicht aber war es auch die Erscheinung, welche ich .meine. Als ich sie das erste Mal sah, war es die Leiche eines Kindes, welches schon einige Tage vor der Geburt abgestorben war. Ich erlaube mir, den Fall im Auszuge mitzutheilen, weil der Befund in anderer Beziehung interessant erscheint. Sekt. 46. B. F., Dienstmädchen, 20 Jahre alt, nach einigen schweren Krankheiten (Typhus, Cho- lera) im 17. Jahre menstruirt, glaubt den 24. Juni conzipirt zu haben; im November 1855 will sie Kindesbewegungen gespürt haben. Seit dem 24. Januar 1854 war diese Bewegung nicht mehr zu fühlen und stellten sich wiederholte Schüttelfröste ein. Der Tod des Kindes konnte wohl durch folgende Um- stände bedingt sein. Die F. wurde nämlich im Juni wegen sekundärer Syphilis (Condylomata lata) im Hospitale aufgenommen und brauchte, da sie sich der Schwangerschaft noch nicht bewußt war oder sie verheimlichte, die Dzondi’sche Kur. Im November wurde sie wiederum syphilitisch erkrankt aufgenom- men und bei der vorgeschrittenen Schwangerschaft einstweilen mit Medikamenten verschont. Am 4. Fe- bruar 1854, Nachts 1 Uhr, wurde nach vorangegangener achtstündiger Geburtsarbeit ein todtes, mit dem Kopf vorangehendes Kind geboren. Der Blutverlust war mäßig, die Nachgeburt folgte bald nach; Nabelschnur dick, 20 Zoll lang; ihre Gefäße stark gedreht; Placenta normal. Sektion am 5. Februar 1854. Die äußere Besichtigung zeigte ein schon etwas faules, sehr mageres und dürftiges, wohl auch etwas zu früh geborenes Kind männlichen Geschlechts. In der Bauchhöhle die Nabelgefäße wegsam, die Lage der Eingeweide regelmäßig und etwa Y, EBßlöffel blutig-röthliche Flüssigkeit. Magen zusammengefallen und leer. Dünndarm und Dickdarm blutig-röthlich infiltrirt; in ersterem blutiger Schleim, in letzterem sehr viel Moeconium. Das Colon transversum enthält unter der Peritoneal-Platte gruppenweise Ablagerung orange-gefärbter körniger Mas- sen; ähnliche, jedoch weniger massenhafte Ablagerungen befinden sich auf den Schlingen des Dünndar- mes und in den dünnen Platten des Netzes und Gekröses. Die Leber, mäßig groß, erweicht; Ductus venosus und Lebervene wegsam; die Gallenblase mäßig mit dunkler, grünlicher, blutiger Galle gefüllt. Ihr zur Seite ein orangenfarbiges Infiltrat unter dem Peritonealüberzuge; ebenso auf der weiteren unteren Fläche der Leber und der oberen Fläche der Milz. Pankreas normal, Nebennieren mäßig groß; die Nieren, weich, gelappt, mäßig blutreich, boten ganz die Erscheinung des harnsauren Infarktes dar. Genitalien normal, die Hoden im Skrotum; in der Harnblase 2 Theelöffel röthlichen Urins. In der Brusthöhle nichts Normwidriges, die Lungen haben nicht geathmet. Die Organe der Kopf- höhle blutreich. Ich mußte die Sektion, dringender Geschäfte wegen, bei Lampenlicht machen. Ein Infarkt mit Vertheilung harnsaurer Salze auf die anderen Eingeweide frappirte mich sehr, und obgleich mir der jetzt verstorbene Sekundair-Arzt der geburtshülflichen Klinik, Herr Dr. Heinke, einen ganz ähnlichen 19* [3 148 Erfund mitgetheilt hatte, wo auch er die Vertheilung harnsaurer Salze im Unterleibe gesehen zu haben glaubte, so war ich doch überzeugt, daß hier irgend etwas Anderes zum Grunde lag. Die Nacht ging beinahe hin mit der Prüfung der vorgefundenen Flüssigkeiten. Der Urin war neutral; in dem durch Abdampfung gewonnenen sehr geringen Rückstande war durch die Murexid-Probe keine Harnsäure zu entdecken. Ein Umstand, welchen ich übersah, hätte mich wohl von meinen Zweifeln befreien können. Es waren nämlich weder in den Kelchen, noch im Nierenbecken, noch in der Blase die feinen gelben, staubartigen Körnchen vorhanden, welche man sonst immer bei so ausgebildetem Infarkt findet. Der nächste Tag klärte durch .die mikroskopische Untersuchung Alles auf. Die den Harnsäure-Infarkt simu- lirenden Elemente, welche unter dem Peritoneal-Ueberzuge der beschriebenen Unterleibsorgane lagen, bestanden aus einfachen Fasern und deutlichen Pigmentzellen, ähnlich denen, wie sie auf der Choreoidea vorkommen, nur heller gefärbt. Ich schrieb damals in mein Journal: ,‚Will man auf ihren Ursprung zurückgehen, so muß man annehmen, daß noch bei Lebenszeiten der Frucht (blutige) Ergüsse stattfan- den, welche, aufgesaugt, die Pigmentbildung zurückließen.‘“ Mein Hospital-Kollege, Herr Dr. Cohn, welchem ich einige Darmstücke zur mikroskopischeu Untersuchung übergab, fällte ganz dasselbe Urtheil. Und so war es auch, wie mich spätere Erfahrungen überzeugten. Was die Nieren betraf, so boten sie ganz den Anblick des Infarktes dar; selbst bei Tage sahen die Strahlen strohgelb aus, doch sassen die Pigment-Streifen weniger in den Kanälchen, als zwischen denselben. Ich schreibe diese Erscheinung mehr einem Bluterguß als vorangegangen Entzündungs-Exsudaten zu. Wo man also durch den bloßen Anblick nicht ganz sicher ist, mache man die chemische Analyse (Murexid-Probe) oder bediene sich des Mikroskopes. Auch fehlen in solchen Fällen die vereinzelten freigewordenen Körnchen. Virchow macht auf solche Vorkommnisse aufmerksam. In seltenen Fällen, sagt er, mögen Blutungen, durch Zir- kulations-Störungen veranlaßt, vor der Geburt eintreten; es finden sich dann in Blase und Nierensubstanz bräunliche, rothbraune und gelbe Klumpen mit ‘ganz undeutlichen Blutkörperchen. Diese Extravasate können zu Verwechselungen mit dem Infarkt Anlaß geben. Er glaubt, daß sie in die Höhlen der Harnkanälchen geschehen und dann Veränderungen eingehen, welche sie zu röthlich-gelben Streifen ma- chen. Das Mikroskop zeige dann die klumpigen röthlich-gelben Elemente, und daß sie bei Kalizusatz sich nicht lösen, spricht deutlich für ihre andere Natur. Sie können mit dem Infarkt zugleich vorkom- men. Vielleicht gehört auch hierher der Umstand, daß &chloßberger unter dem Mikroskop bei Zu- satz von kalter Salpetersäure eine grüne Färbung (welche er dem Biliphaein zuschreibt) sah, und mir manchmal einige mit dem Infarkt vorkommende Elemente eine violeite Färbung zeigten. Diese täuschen- den Pigmente habe ich, außer in dem eben beschriebenen Falle, noch einige Male gesehen, und kann: sie jetzt, da ich sie einmal kenne, schon mit bloßem Auge unterscheiden. Bei der mikroskopischen Untersuchung glaube ich später auch wahrgenommen zu haben, daß diese Elemente mehr zwischen als in den Harnkanälchen sitzen. Nach Beschreibung des Infarktes, wie er sich dem Auge, dem Mikroskop und der chemischen Ana- Iyse gegenüber verhält, komme ich zur Statistik desselben und schicke den allgemeinen statistischen Ver- hältnissen die von mir ins Besondere gefundenen voraus. Es sind 76 Fälle, wo auf den Infarkt besondere Rücksicht genommen wurde. Unter diesen 76 Fällen waren 31 todigeborene Kinder in verschiedenem Grade der Reife, jedoch alle nahe dem normalen Geburtstermin. Von diesen 31 Kindern zeigte kein einziges den Infarkt. Hier- her gehört auch die oben genauer beschriebene Sektion, wo die täuschenden Pigmente vorkamen. Bald nach der Geburt starben 21 Kinder; es waren solche, die, lebensschwach oder scheintodt geboren, nicht mehr zum Athmen gebracht werden konnten oder in den ersten 6 Stunden nach der Geburt starben. . 149 Auch diese 21 Kinder zeigten den Infarkt nicht, so daß er also bei 52 todtgeborenen ‘oder bald nach der Geburt gestorbenen fehlte. Bis zum zweiten Tage, also 24 Stunden, hatten gelebt 11 Kinder; von diesen zeigten 2 den In- farkt, also zu 19%. Vom 2. bis zum 8. Tage waren gestorben 5, alle 5 hatten Nierengries. Vom 8. bis zum 14. Tage hatten 4 gelebt; auch diese A Kinder zeigten den Infarkt. Zwischen dem 14. und 21. Tage starb 1 ohne Infarkt; zwischen dem 30. und 60. Tage starben 3 Kinder, davon 2 mit Infarkt. Der erste Termin seines Erscheinens war 15 Stunden nach der Geburt, der letzte den 60. Tag nach derselben. Am konstantesten fand er sich also zwischen dem 2. und 14. Tage, nämlich bei 9 in diesem Zeitraum verstorbenen Kindern 9 Mal, indem sie alle die Erscheinung der Injektion darboten. Ziehen wir von der Gesammtzahl 76 die 52 Fälle der todtgeborenen oder bald nach der Geburt gestorbenen Kinder, welche den Infarkt nicht hatten, ab, so bleiben 24 Fälle, wo die Kinder vom 2. bis zum 60. Tage gelebt hatten, und von diesen boten 13 die Erscheinungen des Infarktes dar, also zur Hälfte und im Verhältniß zu 55%. Ich lasse, der besseren Uebersicht wegen, umstehende Tabelle folgen, nach der Erscheinungszeit und den Beobachtern geordnet. Es sind nur die genau konstatirten Fälle darin aufgenommen und jene, wo die Termine etc. fehlen, fortgelassen. 150 nm Todtge- Während |Bald nach| Bis zum |Vom 2. bis|Vom 8. bis|V. 14. bis|V. 21. bis|V. 30. bis Zahl Erster u. letzter Ter- der Geburt|der Geburt| 2. Tage | 8. Tage | 14. Tage | 21. Tage | 30. Tage | 60. Tage-| der Sek- | min des Erscheinens horen gestorben gest. gest. gest. gest. gest. gest. gest. tionen des Infarkts. art LT nn — — — — — — — — — —, — i 1 ol + re amzolpe P* 5 E» 3 mit Inf.| 1 mit Inf.| 1 mit Inf. wi PR 16 Vom 3. bis 20 Tage. nf. 4, dav. 1 dav. i i Martin 18 ve \ y nv en Ink 5, Ar 4 } R 2 ohne 37 Bald nach der Geburt 1850. mit Inf. mit Inf. Inf. bis zum 12. Tage. h 39, dav. 667, dav. 30/40, dav.13)33, dav. 8|13, dav. 6 Schlossberger = ohne Pr g gi Av Pr en ir gu Yon E-ib EB 1550. mit Inf. mit Inf. mit Inf. mit Inf. mit Inf. Meckel 7, dav. 5 7 Vom 2. bis etwa 1853. 7 mit Inf. x g 10. Tage. Hoogeweg ; D #° 1 mit Inf. R- . = en . ” 1 Während der Geburt. 1855. Hodann 31 2: 21 ohne |11, dav. 2 1 ohne 3, dav. 2 3 5 mit Inf.| 4 mit Inf. A j 76 V . bis 60. - 1855. ; Inf. mit Inf. u Inf. mit Inf. ev ab De nn Th mm To 1 in Summa ® ohne | 1 mit Inf.|25, dav. 1/51, dav. 9/89, dav.50150, dav.22|35, dav. 9/14, dav. 6| 6, dav. 3 378 Während der Geburt mit Inf.| mit Inf.| mit Inf.) mit Inf.| mit Inf.| mit Inf.| mit Inf. bis zum 60. Tage. = ;=;,; Te —— ee =, ke —— — — — — —— — — — — — — — % Hiezu kommen noch die von Schloßberger im Jahre 1842 mitgetheilten 49 Fälle, welche er, ohne ganauere Zeitbestim- mung, in zwei Theile theilt, in Sektionen von Todtgeborenen oder 18 Stunden nach der Geburt Gestorbenen und solchen, welche länger als 18 Stunden gelebt haben. Sie folgen hier nach: Schlossberger 1342. mn ne Be Dr ee re ur Tr mo en em es se Ta na er er SE ee m nm en en m er on nr ern 14, dav. 6| 6, dav. 3 Total-Summa 196, davon 11 mit Infarkt. 211, davon 99 mit Infarkt. u = 427 mit Inf. mit Inf. u Er BE Su EEE EEE GR En ES n- TI O WERE 7 CEST WERE ET ERREGER BEESSE PER?" 7- SER Se IC SC EEE EEE EEE EEE SEE EREET SR WERTE, 37730 TOTEN TORE BBRSN SC DN TEE BESTOES OBER PFOST SB NEN UBER TS SCHERE BO NET SE 12 ohne Infarkt. 37, davon 18 mit Infarkt. a ” 49 Vom 2. bis 24. Tage. 151 Zu dieser Tabelle habe ich noch zu bemerken, daß die Zeitbestimmungen von Virchow, Martin, Hoogeweg und mir ganz genau sind; daß ich aus Schloßberger’s im Jahre 1850 gelieferter Ta- belle, wo die Sektionen der Zeit nach geordnet sind, nicht 247, sondern nur 241 Fälle herausfinde, daher die geringere Zahl annehme, und daß ich Meckel’s 7 Fälle in die Zeit vom 2. bis 8. Tage ge- setzt habe, weil sie nur solche Kinder betreffen, bei welchen der Nabelstrang abgefallen war, und mir die Meckelsche Arbeit im Augenblicke nicht zur Hand ist. Aus dieser Tabelle geht nun hervor (wenn wir die im Jahre 1842 von Schloßberger mitge- theilten 12 Fälle erster Rubrik in gleiche Theile theilen und 6 Fälle den todtgeborenen, 6 aber den bald nach der Geburt gestorbenen Kindern zutheilen, und ebenso mit den 37 Fällen zweiter Rubrik verfahren, indem wir 18 davon in die Zeit vom 2. bis 14. Tage, 19 in die Zeit vom 14. bis 60. Tage setzen), daß: 1) von 113 todtgeborenen Kindern kein einziges den Infarkt zeigte; 2) daß ein Kind, während der Geburt gestorben (Hoogeweg), ihn darbot; 3) daß von 31 bald nach der Geburt gestorbenen eins (Martin) ihn wahrnehmen ließ, also im Verhältniß zu 4%,; daß ferner 4) von öl im Verlauf des ersten Tages gestorbenen Kindern 9, also zu 18%, die Erschei- nung, und 5) von 157 zwischen dem 2. und 14. Tage gestorbenen Kindern 81 derselben, also im Verh. zu 52%,, sie darboten, und daß dies endlich 6) von 74 Kindern, welche vom 14. bis 60. Tage starben, 27 Mal, also zu 37%,, der Fall war. Die Gesammizahl aller Sektionen beträgt 427. Lassen wir das von Hoogeweg erwähnte Kind, welches während der Geburt abstarb, für sich allein gelten, so kommen auf 144 todtgeborene und bald nach der Geburt gestorbene Kinder eins (Martin), welches die Erscheinung des Infarktes, also im Verhältniß von 23%, darbot, und auf 282 vom 1. bis 60. Tage gestorbene 117, also im Verhältniß von 42%. Von 157 vom 2. bis 14. Tage gestorbenen Kindern hatten 81 den Harnsäure-Infarkt, also im Verhältniß von 52%, während nach meinen statistischen Beobachtungen aus 76 Fällen sich das Ver- hältniß von 100%, herausstellt, da alle 9 in dieser Zeit gestorbene Kinder den Infarkt zeigten. Das von Hoogeweg erwähnte Kind starb während der Geburt, das von Martin erwähnte bald nach derselben; dann finden wir den Infarkt von 18 Stunden nach dem Tode an, und während Schloßber- - ger’s Sektionen bis jetzt als letzten Termin des Erscheinens den 31. Tag darbieten, hat sich derselbe bei meinen Sektionen am 47., ja sogar noch am 60. Tage herausgestellt, und theile ich deshalb diese beiden Fälle im Auszuge mit. Sektion Nr. 50. Am 17. Februar 1853 starb das am 2. Januar geborene Kind der unverehe- lichten C. S. ohne Zuziehung eines Arztes. Die Untersuchung wurde nach polizeilicher Anzeige gegen die Mutter eingeleitet. Sie gab an, das Kind sei von Geburt schwach gewesen, jedoch habe sie es, da sie beabsichtigte, als Amme zu gehen, regelmäßig gestill. In den letzten Tagen seines Lebens habe sie nichts Besonderes an dem Kinde bemerkt; es sei plötzlich gestorben. Am 22. Februar wurde die gerichtliche Sektion gemacht. Der Leichnam ist sehr abgemagert, mit Woll- (sogenannten Hunger-) Haaren hier und da verse- hen. Die Hautfarbe ist bleich, die Haut faltig, die Nägel bläulich. Kopfdecken dünn, blutarm; Knochenhaut blaß. Die Schädeldecke schwer von der harten Hirnhaut zu lösen, die Knochen normal, stark entwickelt, blutarm. Zwischen Schädeldecke und harter Hirnhaut kein Erguß; die letztere bläulich marmorirt, Der obere Längenblutleiter enthält eine geringe Menge dunklen geronnenen Blutes. Zwischen den Hirnhäuten keine freie Flüssigkeit. Die Gefäße an der Ober- 152 fläche des Gehirns sind dendritisch auf weißem Gruude venös gefüllt. Hirnmasse erweicht, blutreich; die Ventrikel leer, die Plexus blaßröthlich. Das kleine Hirn ist blutreich, die Sinus reichlich mit dunk- lem flüssigen Blute gefüllt. Im rechten Brustfellsacke ein Eßlöffel klarer gelblicher Flüssigkeit ohne Flocken; die Lungen frei, blauröthlich marmorirt; elastisch, etwas emphysematisch; sie enthalten dunkles schäumiges Blut. Die Thymus bedeckt den oberen Theil des Herzbeutels; der letztere enthält 1 Thee- löffel klarer gelblicher Flüssigkeit. Die Vorhöfe des Herzens sind ausgedehnt, die Kranzgefäße stark gefüllt. Die obere und untere Hohlvene, das ganze rechte Herz, so wie die Lungenarterie enthalten eine reichliche Menge dunkles halbgeronnenes Blut ohne Faserstoffgerinsel. Die linke Herzkammer ist leer, der Vorhof aber mit einem dunklen Blutpfropf gefüllt. In der aufsteigenden Aorta dunkles, halb- geronnenes Blut. Die Muskulatur des Herzens blaßröthlich, weich; das eirunde Loch beinahe, der Botal- lische Gang gänzlich geschlossen. Schilddrüse blutreich und klein. Kehlkopf und Luftröhre mit blasser Schleimhaut enthält etwas röthlichen Schleim. Schlundkopf und Speiseröhre blaß und leer. Die größe- ren venösen Gefäße des Halses sind reichlich mit dunklem flüssigen Blute gefüllt; der Brustmilch- gang normal. In der Bauchhöhle keine freie Flüssigkeit; Lage der Eingeweide regelmäßig; die Nabelgefäße 1 Zoll lang nach innen obliterirt, der übrige Theil im Lumen verengt, die Nabelvene enthält noch etwas flüssiges Blut. Die normale Leber ist braunblau und sehr blutreich; die schlaffe Gallenblase enthält eine geringe Menge röthlichbraune (blutige) Galle. Bauchspeicheldrüse normal; ebenso die Milz. Die Nieren von vollkommen normalem Gewebe, sehr blutreich, enthalten in den Enden der Harnkanälchen sparsame Harnsäure-Infarkte. Das gelbe Pulver ist schon größtentheils in die Kelche und das Nierenbecken aus- gespült; die Blase enthält einen halben Eßlöffel klaren Urins, in welchem eine geringe Menge eines flockigen, gelbröthlichen Niederschlages vorhanden ist. Der schlaffe Magen enthält gelblichen Schleim von schwach säuerlichem Geruch. Der blasse Dünndarm ist im oberen Theil von Luft ausgedehnt, im unteren Theil zusammengefallen. Das Gekröse fettarm, die Drüsen durchweg geschwellt und verhärtet. Im oberen Theil des Dickdarmes Luft, im unteren einige wenige schmutzig gelbliche Aussck.eidungstoffe, seine Schleimhaut schmutzig weißgelblich gefärbt. In der unteren Hohlvene reichlich dunkles, flüssi- ges Blut. . Die mikroskopische Untersuchung zeigte das Nierengewebe normal, nur hyperämisch, die Injectionen als Harnsäure-Infarkte, die Gallenflüssigkeit zerfallende Blutkörperchen enthaltend. Die chemische Analyse wies sowohl in den Infarkten, wie auch im Urin die Harnsäure durch die Murexidprobe deutlich nach. Sektion Nr. 70. Paul M., am 6. August 1854 geboren, starb, ohne an Urinbeschwerden gelit- ten zu haben, am 5. Oktober an einer Lungenentzündung. Im Kopfe fand sich nichts Krankhaftes vor. In der linken Brusthöhle ein bedeutendes pleuritisches Exsudat. Harnleiter und Harnblase waren leer, aber in beiden Nieren ein dem Verschwinden naher In- tarkt, so daß nur einzelne Papillen an ihren Ausgangsöffaungen kleine Strahlen davon zeigten. In den Nierenkelchen und im Nierenbecken feine staubartige, aber auch bis Hirsekorn große strohgelbe Körnchen. Die Tubularsubstanz ist weißlich, die Cortikalsubstanz röthlich gefärbt. In der Tubularsubstanz sind die Kanälchen theilweise ihres Epithels beraubt, in der Cortikalsubstanz einzelne derselven theilweise fettig, theilweise mit Schlauchelementen verstopft. Beide Nieren wurden, nachdem der Harnsäure-Infarkt durch die Murexidprobe und mikroskopische Un- fersuchung festgestellt war, in einem Glasgefäß vom 5. bis 31. Oktober der Fäulniß überlassen und dieses Experiment bis zum 22. Januar 1855 fortgesetzt, wo die Masse noch schlammig war. Durch 153 Ausklauben mit einer feinen Pinzette und Ausschlemmen der faulen Masse gewann ich eine etwa 5 Gran betragende Menge dieses Pulvers, welches zu einer etwas genaueren Untersuchung benutzt wurde. Ein Theil der gelben Conkremente zeigte, mit Salpetersäure erhitzt, eine sehr deutliche Gasent- wickelung, wahrscheinlich von Kohlensäure herrührend.. Der Abdampfungsrückstand gab mit kohlensaurer Ammoniumlösung und auch mit Lig. ammonü caust. eine sehr intensiv purpurrothe Färbung. Unter dem Deckgläschen, mit Salzsäure versetzt, schieden sich wohl charakterisirte mikroskopische Harnsäure-Kry- stalle aus. Ein Theil der Conkremente verbrannte im Platinlöffel ziemlich schnell mit bläulichem Rauche unter hörbarem Knistern, und hinterließ einen, etwa den 30. Theil der verbrannten Substanz betragenden Rückstand. Derselbe war weißgelblich und vollkommen ausgeglühte Asche, vielleicht von unverbrennli- chen Basen herrührend. Was pathologische Erfunde, welche sich gleichzeitig mit dem Infarkt in den kleinen Leichen vor- fanden, anbeiangt, so waren sie, je nach den Krankheiten, an denen die Kinder gestorben waren, der verschiedensten Art. Schloßberger giebt die Erscheinungen im Allgemeinen als solche an, welche im Leben durch tiefe Intestinalstörung, Säure- und Soorbildung, tiefes Sinken aller oder sehr vieler Le- bensäußerungen bedingen, und geht dann die einzelnen Organe durch. Was mir, nach meinen Proto- kollen, das Constanteste zu sein scheint, ist Folgendes, wobei ich mich in einigen wenigen Punkten mit Schloßberger im Widerspruche befinde: 1) Ein in allen Theilen des Hirns hervortretender Blutreichthum; in manchen Fällen leichte blu- tige Ergüsse, und dies manchmal da am meisten ausgeprägt, wo die äußere Erscheinung der Leiche die ausgesprochenste Atrophie darbot, was auch Schloßberger fand. 2) In der Brust ebenfalls großer Blutreichthum, welcher sich durch starke Fülle der Kranz- gefäße und Atrien, manchmal in den strotzenden Lungen durch die sogenannten Ekchymosen, welche sich auf Herzbeutel und Herz erstreckten, dokumentirte. 3) In der Gallenblase in der Regel eine röthlich gefärbte Galle (Schloßberger fand eher das Gegentheil), in der die zerfallenen Blutkörperchen nachweisbar waren. 4) Die Nieren in der Regel von normalem Gewebe, immer blutreich, die Cortikalsubstanz stets dunkler gefärbt als die (allerdings auch blutreiche) Tubularsubstanz. Oelterer, wie ich schon früher erwähnte, beide Substanzen durch einen ziemlich scharfen, dunkler blutigrothen feinen Strich geschieden. Schloßberger fand die Nieren in der Regel anämisch, sehr selten hyperämisirt, und schien es ihm, als wenn die Congestion des Organs den Infarkt ausschlösse. Doch bemerkt er später, daß es ihm einige Mal schien, als seien die Papillen mit Blutge- rinseln verstopft, und öfters fand er die Cortikalsubstanz congestionirt. Diese Erscheinungen variiren jedoch mit dem beginnenden, blühenden und verschwindenden Infarkt deutlich. Beim beginnenden Infarkt ist die ganze Nierensubstanz blutreich, die Cortikalsubstanz aber in höherem Grade. Bei der auf ihrer Höhe stehenden Erscheinung bleibt der Blutreichthum in der Rinden- substanz, während er sich in der Tubularsubstanz verringert; beim verschwindenden Infarkt ist die Con- gestion der Rindensubstanz ebenfalls vermindert, die Tubularsubstanz eher blaß. Was die Krankheiten betrifft, an welchen die Kinder, welche den Infarkt zeigten, starben, waren es nach meinen Sektionsergebnissen folgende. Eins derselben starb an Krämpfen, 7 an Schwächezustän- den, bedingt durch wirkliche Lebensschwäche, durch vorgeschrittene Atrophie, durch theilweise Atelek- tase der Lungen, 3 an Trismus, 1 an Apoplexie und 1 an Pneumonie; keines an Ikterus. An eben- denselben Krankheiten (mit Ausnahme des Trismus) waren aber auch viele der secirten andern Kinder ge- storben, welche den Infarkt nicht zeigten, und ich kann keiner bestimmten Krankheit Schuld geben, den Infarkt veranlaßt zu haben oder mit ihm auch nur in näherer Verbindung zu stehen, denn er müßte sich 20 154 dann immer: vorfinden und nicht bald fehlen, bald dabei vorhauden sein. Auch Schloßberger legt sich die Frage vor, warum: der Infarkt bei verschiedenen: Krankheiten gefunden wird und unter densel- ben Umständen fehlt, und glaubt, daß sich dieser Einwurf gegen den pathologischen Charakter der Er- scheinung nur durch individuelle und zufällige Verhältnisse, durch eine mehr vorgeschrittene Kenntniß und bessere Nomenklatur der Krankheiten des Fötus und des neugeborenen Kindes schwächen lassen wird Aus den entwickelten Gründen sehe ich von einer Aufzählung der Krankheiten ab, wie sie einige der diesen Gegenstand behandelnden Autoren lieferten, und bemerke nur, daß auch Se bei allen seinen an Tetanus (es waren fünf) gestorbenen, wie ich bei allen drei von mir secirten, an diesem Leiden zu Grunde gegangenen Kindern den Infarkt fand; daß Charcelay denselben. mit der Nephritis albuminosa konstant erklärte, und daß in Bezug darauf, daß er vielfach mit dem sogenannten Ikterus in Verbindung gebracht wurde, unter den von mir secirten, den Infarkt darbietenden Kindern keins diesen Zustand darbot, wohl aber dies ia hohem Grade bei einem derselben der Fall war, was keinen Infarkt_ zeigte. Nur:den Zusammenhang mit einem kunnkheftnn Zustand, der Urolithiasis, können wir. nicht läugnen, weil dieselbe, wenn sie im ersten kindlichen Alter auftritt, gewiß mit dem pathologisch. gewordenen In- farkt in Verbindung steht und durch ihn verursacht wird. Auf diesen Punkt komme ich später zurück. Um die Hauptfrage: ob der Harnsäure-Infarkt eine physiologische oder pathologische Erscheinung sei, näher würdigen zu können, ist es nöthig, vorher auf die Beantwortung anderer Fragen Rücksicht zu nehmen, welche uns vielleicht dem Ziele näher bringen. Hierher gehören zuerst die beiden. Fragen: Wo bildet sich der Harnsäure-Infarkt und warum wird er gerade in den Kanälchen gefunden? Er kann sich nur da bilden, wo überhaupt -die Bildung des Urins vor sich geht, und scheint es mir nöthig, auf: die Bildung des, normalen Harns hierbei zuerst Rücksicht zu nehmen und die Organe der Nieren genauer zu betrachten, wo. er wahrscheinlich seinen Ursprung findet. Die Niere besteht aus etwa. 8 bis 15 sogenannten Malpighi’schen Pyramiden, welche mit ihren Pa- pillen in die Kelche hineinragen. Jede Papille hat etwa 200 bis 500 Oeffnungen, welche die Aus- gangspunkte von ebensoviel graden Harnkanälchen sind, die grade nebeneinander, getrennt durch wenige Zwischensubstanz, gehen (Tubuli recti). Diese spalten sich ein jedes in etwa 10 etwas kleinere Harn- kanälehen, die sogenannten Ferreinschen Pyramiden. Die Harnkanälchen nehmen jetzt einen geschlän- gelten Verlauf (Tubuli corticales), bilden hier den Uebergang zur Rindensubstanz, und enden ein jedes in einem, von einer Kapsel gebildeten und von einem Knäul der feinsten Gefäße umsponnenen blasigen Ende, dem sogenannten Malpighi’schen Körperchen, welche zu circa 2 Millionen den Hauptbestandtheil der Rindensubstanz bilden. Jeder Bündel der Harnkanälchen ist, von den sogenannten Ferrein’schen Pyramiden anfangend, von Malpighi’schen Körperchen umgeben. Diese. Körperchen bestehen also aus der (Müller- schen) Kapsel, aus einem Knäul von Gefäßen, welche vielleicht durch eine Bindesubstanz vereinigt sind und wahre Wundernetze bilden. Die graden Harnkanälchen sind nach Kölliker weiter als die in den sogenannten Ferrein’schen Pyramiden enthaltenen, und die gewundenen nehmen wiederum ein etwas größeres Lumen an. Die Harnkanälchen der Neugeborenen sollen nach Huschke weiter, nach Harting 3mal enger sein, als beim Erwachsenen. Die Harnkanälchen selbst bestehen aus einer strukturlosen Membran, welche mit einem Amine aus- gekleidet ist, das aus Zellen besteht, die wiederum feine Körnchen enthalten. Diese: Epithelialzellen, vor allem die der Cortikalsubstanz, enthalten häufig Fetttropfen in bedeuten- der Menge und scheinen dann vergrößert. Neben dem Fett erscheinen auch Pigmentkörnchen (vielleicht von Harnfarbestoff), diese auch in den graden Kanälchen, während die im Lumen derselben so. häufig „Beer. vorkommenden Conkretionen von harnsauren Salzen und Kalksalzen bei Wirbelthieren noch nicht mit Sicherheit in den Zellen selbst nachgewiesen sind. Kölliker giebt als abnormen Inhalt der Harnkanälchen an: 1) Blut, am häufigsten in den Anhängen der gewundenen Kanälchen (vielleicht bildet dasselbe den von mir beschriebenen feinen blutrothen Strich zwischen Rinden- und Marksubstanz). 2) Faserstoff in eylindrischen, dem Lumen der Kanälchen entsprechenden Massen, und 3) Conkretionen in den Bellinischen Röhrchen, beim Erwachsenen vorzüglich aus kohlensaurem und phosphorsaurem Kalk bestehend (Kalkinfarkt), bei Neugeborenen aus harnsauren Salzen (Harnsäureinfarkt), welche den Pyramiden eine prächtige goldgelbe Farbe ertheilen. Nachdem wir in Kürze den mikroskopischen Bau des Harn-Betts recapitulirt, wie er zur Zeit er- forscht ist, kommen wir zur Erwähnung der Ansichten der neuesten Forscher über die Bildung des Harns. Bowmann glaubt, daß in den Malpighi’schen Körperchen nur das Wasser, die anderen Bestand- theile des Harns dagegen in den gewundenen Kanälchen gebildet werden; Ludwig und Valentin sind der Ansicht, daß schon in den Malp. Körperchen der Harn bereitet werde, weichen jedoch wieder sehr dadurch ab, daß Ludwig den Harn als sehr diluirt, Valentin ihn als sehr conzentrirt bezeichnet. Die Harnkanälchen sollen durch ihre Funktion nach Ludwig Wasser resorbiren und den Harn verdicken, nach Valentin ihn durch Wasserausscheidung verdünnen. Wir sehen, wie diese Theorieen auseinandergehen. Kölliker spricht seine Ansicht dahin aus: daß bei den mangelhaften Kenntnissen der endosmotischen Verhältnisse der Membranen und der Beschaffen- heit des Blutdruckes in den verschiedenen Regionen der Nierengefäße sich eine ausreichende Erklärung der Harnsekretion noch nicht geben lasse, -und man sich als Anhaltpunkte für künftige Theorieen be- gnügen lassen müsse, Folgendes anzunehmen: l) Die Harnsekretion geschieht nicht durch eine einfache Filtration des Blutdruckes, weil die aus dem Blute in den Harn übergehenden Substanzen sich in letzterem in ganz anderen Ver- hältnissen als in jenem wiederfinden, und weil gewisse Bestandtheile des Blutes (Protein- Substanzen und Fette) normal gar nicht mit austreten, welcher letztere Umstand um so eigen- thümlicher ist, da die genannten Stoffe sich in den Epithelien vorfinden und, wie es scheint, hier von den Epithelialzellen festgehalten werden. 2) Bei der Harnsekretion können unmöglich nur die Malp. Körperchen betheiligt sein, vielmehr müssen, nach Analogie dessen, was wir von Flüssigkeitsaustausch der thierischen Membranen wissen, auch die Harnkanälchen bei derselben eine Rolle spielen. Es scheint also, daß in den Malp. Körperchen ein diluirter Harn gebildet wird, daß in den nament- lich gewundenen Kanälchen (ihr größerer Blutreichthum sichert ihnen eine höhere Bedeutung als den graden [Bellini’schen] Röhrchen) eine Wechselwirkung der aus den Malpighi’sch Körperchen kommenden Flüssigkeit mit dem Blute stattfinde und hier der Harn fertig werde. In den gewundenen Kanälchen treten wahrscheinlich sehr wesentliche Bestandtheile, z. B. der größere Theil des Harnstoffes, zu, und scheint es, daß in den gewundenen Kanälchen (in Betracht der häufigen Entartung ihres Epithels) ge- wisse Substanzen des Harns, z. B. der Harnfarbestoff, bereitet werden. Diese Anbahnungen zu einer Theorie der Harnbereitung vorausgeschickt (leider sind sie für unseren Zweck noch sehr mangelhaft), wissen wir, daß die Urinbereitung des Fötus im Mutterleibe ziemlich früh beginnt, daß er in den Nieren gebildet, durch die Uretheren in die Blase geführt und, wenn er sich dort stark angesammelt hat, auch ohne Respiration (die man früher zur Entleerung der Blase unerläßlich hielt) in das Fruchtwasser entleert wird. Denn Bischoff hat es wohl ziemlich fest erwiesen, daß die 20* 156 Allantoisblase vorwaltend zur Leitung der fötalen Gefäße auf das Chorion dient und die Aufbewahrung des Harns in derselben nur dem ersten fötalen Leben angehört, weil sie beim menschlichen Fötus früh genug untergeht. Daß der Fötus den Harn unausgesetzt, wohl aber in geringerer Quantität als beim Re- spirationsleben, secernirt und ihn auszuleeren trachtet, geht aus pathologischen Erscheinungen hervor, wo z. B. Harnröhre oder Urether geschlossen den Urin im Nierenbecken zurückhalten. Moreau beschreibt in der Gaz. med. Nr. 30 die Geburt eines wassersüchtigen Kindes, bei welchem, damit es geboren werden konnte, zuerst der Leib, dann die Harnblase angestochen werden mußte. Die letztere enthielt eine ungeheure Menge Urin; die Harnröhre war undurchbohrt. — Depaul trug am 25. Februar 1850 der Akademie einen ganz analogen Fall vor, wo er zu gleicher Operation schreiten mußte. Er schließt hierbei: „daß die Urinsekretion beim Fötus sehr zeitlich beginne, daß der Urin durch die Contraktion der Blase ausgeschieden wird, daß die Amnios-Höhle sein letztes Behältniß wird, daß eine der Haupt- quellen der Amniosflüssigkeit der unaufhörlich excernirte Urin des Fötus sei,‘ und verspricht dies in Ue- bereinstimmung mit Regnault durch chemische Analysen und durch physiologische und pathologische Beobachtungen zu beweisen. Diese Beweise dürfen wir nicht erst abwarten, da Fromherz und Gu- gert schon längst Harnstoff im Fruchtwasser fanden, und wenn er auch späteren Forschern verloren ging, es Woehler wiederum und schon im Jahre 1846 gelang, den Harnstoff aus dem Fruchtwasser auszuscheiden, und zwar ohne irgend fremde Beimischung anderer Stoffe zu dem letzteren, da ihm v. Siebold eine stark vorgetriebene Blase der Eihüllen, einer Gebärenden abgebunden, noch warm überlieferte. | Eine Analyse des Fötus-Urins hat Prout geliefert. Er bestand aus Eiweiß, Harnsäure, einer dem Allantoin ähnliche Substanz mit deutlichen Spuren von Harnstoff und Tripelphosphaten. Rayer und Gibourt fanden den Urin der Säuglinge farblos, wasserhell, neutral, ohne Harngeruch und ohne entschiedenen Niederschlag von salpetersaurem Harnstoff. Virchow fand in allen Fällen des Fötus-Urins saure Reaktion, einmal 34,04 feste Bestandtheile auf 1000; in allen Fällen Eiweiß, einmal röthliche Sedimente aus harnsaurem Ammoniak. Der Fötus- Urin zeichnete sich also nach ihm durch Ueberschuß von Harnsäure, geringe Quantitäten Harnstoff, in der Regel durch Eiweißgehalt aus, welches seiner Meinung nach durch Blutungen vermehrt wird. Die Frage: warum der Gries schon in den Harnkanälchen und grade dort abgelagert werde? ist besonders erwogen worden. Schloßberger hält sie für die ersten harnableitenden Organe, und glaubt, der Urin lasse sein Sediment fallen vielleicht durch das constringirende Erkalten der Papillen (bei der be- einträchtigten Wärme-Entwickelung nach der Geburt), vielleicht durch einen Krampfzustand derselben, vielleicht durch Verstopfung mit Coagulum bei vorangegangener entzündlicher Reizung. — Das Sekret wird zum Auswurfsstoff und erliegt den chemisch physikalischen Gesetzen. Hoogeweg a. a. O. weist in der von ihm gegebenen Uebersicht auch darauf hin, wie gerechtfer- liget es war, auf jene Bedingungen hierbei Rücksicht zu nehmen, wie sie Scherer (Annalen der Che- mie und Pharmazie 1842. Bd. 2. Heft 2. S. 171.) hinstellt, unter welchen sowohl der gelassene Harn, wie der in der Blase enthaltene Urin, seine harnsauren Salze ausscheidet. Er sieht den farbigen Ex- traktivstoff des Harns als die Substanz an, welche größere Mengen harnsauren Natrons aufgelöst enthält und von deren Umwandlung die Ausscheidung dieses Salzes abhängig ist. Ein Gährungsprozeß außer- halb der Blase mit Veränderung seines Extraktivstoffes, wobei der Harnblasenschleim als Ferment zu betrachten ist, bedingt außerhalb die Sedimentirung des Urins; dieselben Gährungsprozesse gehen inner- halb der Harnblase, bedingt durch krankhaft abgesonderten Schleim, vor und geben Anlaß zur Steinbildung. Auch von Meckel (Annalen des Charit6-Krankenhauses, 4. Jahrg. Heft 2. S. 253.) ist diese Frage so aufgefaßt worden, der (bis dahin) den Harnsäure-Infarkt nur bei nicht gesunden Kindern sah, und als 157 lokale Bedingung für die Ausscheidung harnsaurer Salze die jedesmalige Anwesenheit einer katarrhalisch- entzündlichen Erkrankung der Nieren des Neugeborenen betrachtet, durch welche eine Umwandelung des durchfließenden Urins erzeugt wird, welche eine Sedimentirung innerhalb der Nieren zur Folge haben muß. Auch Virchow betrachtet die graden Harnkanälchen mehr als harnleitende Organe und den cortikalen oder peripherischen Theil der Niere, welcher die gewundenen Kanälchen und die Malpighi’schen Körper- chen enthält, als allein absondernden Theil. Er führt die Gefäßanordnung für seine Meinung an, indem die Pyramiden fast nur größere, sich einfach verzweigende Gefäße enthalten, während sie in der Corti- kalsubstanz das eigentliche Capillarnetz und die Malpighi’schen Knäulchen bilden. Nach dem bisher Erforschten und nach den bei meinen Sektionen gemachten (mikroskopischen) Erfahrungen kann ich nur annehmen, daß der Infarkt in den gewundenen Harnkanälchen gebildet und zuerst in den graden Harnkanälchen aufbewahrt wird, um von hier weiter entleert zu werden. Ob er durch Zersetzung des fertigen Urines (Sedimentirung) entsteht, oder ob er, aus den Gefäßen abgeschie- den, der in den Malpighi’schen Körperchen gebildeten diluirten Harnflüssigkeit nur beigemischt wird, soll später noch in Betracht gezogen werden. Nachdem wir, immer noch mit Uebergehung der Frage, warum und unter welchen Umständen der Infarkt sich bilde, ihn bis zu seiner Existenz in den graden und dem Anfange der gewundenen Kanäl- chen verfolgt haben, liegt zunächst die Berücksichtigung zweier Punkte ob: wie er fortgeschaflt wird und wenn dies geschieht. Virchow berührt zuerst in seiner Abhandlung die erste der beiden Fragen; glaubt, daß die Fort- bewegung eine mechanische, durch die nachrückende Flüssigkeit bewirkte sei, da er schon nach dem neunten Tage nach der Geburt den Urin trübe, mit ausgeschiedenen Cylindern, gemischt mit harnsaurem Ammoniak und den Auswurfsstoffen der Nieren, in der Blase fand. Heßling macht zuerst auf eine (für ihn physiologische) Erscheinung aufmerksam, welche in Fran- ken einer jeden Hebamme bekannt ist, nämlich auf goldgelbe, bisweilen röthliche, wie Blut aussehende Flecke in den Windeln. Sein eigenes Töchterchen, welches gallige Ausleerungen hatte, bot am dritten Tage nach der Geburt diese Erscheinung dar, und die bräunlichen Flecken in den Windeln bestanden aus Harnsäure-Krystallen, harnsauren Salzen nebst vielen abgestoßenen Epithelialzellen und Kernen. Martin verfolgt diesen Umstand genauer und in seinen Sektionsberichten findet sich der erste Be- weis-Fall, weshalb ich denselben im Auszuge mittheile. Ein am 28. Juli 1845 geborenes, anscheinend ausgetragenes Knäbchen, dessen Haut schon nach 12 Stunden gelb wurde, das sich mangelhaft nährte, eine oberflächliche Respiration wahrnehmen ließ, schied schon am 2. August in auflallender Weise mit gleichzeitigem Erblassen der gelben Hautfärbung die gel- ben körnigen Massen mit dem Urin aus. Am 3. August sondert sich der Nabelschnurrest ab, am 4. Au- gust erscheint ein unterer Schneidezahn, welcher sich am nächsten Morgen schon wieder abstößt, und in den Windeln zeigen sich viele, mit dem Urin abgegangene gelbe Körnchen. Der Tod erfolgte 11 Tage nach der Geburt. — Bei der Sektion wurde das Hirn erweicht, die Lungen theilweis atelektatisch, die Umgebung der Vena portarum und umbilicalis und vieler Gelenke entzündet und vereitert gefunden. Die normal gebildeten Nieren erschienen in ihrer Substanz mürbe, auf der Schnittfläche blaßroth, hier und da mißfarbig; in den Harnkanälchen war nichts von jenen gelben körnigen Massen enthalten. Martin erklärt sich für den pathologischen Charakter des gefärbten Urins und fand bei der mi- kroskopischen Untersuchung des beim Trocknen erblassenden Pulvers: cylindrische, aus amorphen harn- sauren Ammoniak- und Epithelialzellen bestehende Säulchen, welchen auch hier und da rhombo&drische Harnsäurekrystalle beigemengt waren. Er hat bei Kindern, welche den gefärbten Urin ließen, Unruhe, Schreien, mangelhaftes Saugen, träge Ausleerungen von zähem Koth, bei Knaben excorürte Harnröhren- 158 mündung, bei Mädchen Abgang von Schleim aus der Scheide bemerkt, und fand Bäder, Syr. Rhei mit Magnesia vortheilhaft für diese Zustände. Er beobachtete diesen Abgang auch bei einem 3 bis 4 Monat alten Knaben, welcher an Darmkatarrh, Kopfausschlag und Dysurie litt, und glaubt, daß auch hierher die blutgefleckten Windeln der Mädchen gehören und vielleicht Anlaß zu dem Vorhandensein einer Men- struation der Neugeborenen geben. Was meine Beobachtungen betrifft, so habe ich diesem Umstande die größte Aufmerksamkeit ge- schenkt und vielfache Untersuchungen darüber angestellt. Schon die Sektionen machten mich aufmerk- sam, daß der Infarkt durch die Kelche in das Nierenbecken, von hier durch die Uretheren in die Blase und von hier nach außen befördert würde, denn die genannten Ableitungswege waren beim beginnenden Infarkt leer und füllten sich der Reihe nach von der Niere bis zur Blase bei dem ausgebildeten Infarkt, indem die größte Summe des ausgeschiedenen Stolfes nach unten rückte, so daß ich ihn, wenn er aus den Nieren schon gänzlich verschwunden war, noch in den Uretheren oder der Blase (wie im eben er- wähnten Martin’schen Fall) fand und ihn, wenn er in der Blase beinahe verschwunden war, bis in die Harnröhre verfolgen konnte. In einem Falle saßen bei einem 14 Tage alten Knaben, welcher an Trismus starb, die chromgelben Massen als inkrustirter Ring um das Präputium und ließen sich, da sie ziemlich zahlreich vorhanden waren, mikroskopisch und chemisch bestätigen. Stellten sich diese Vorgänge klar und deutlich an der Leiche dar, so war der Ausscheidungs-Akt schwieriger beim lebenden Kinde zu verfolgen. Es ist beinahe unmöglich, von eben geborenen oder in der ersten Lebensperiode verharren- den Kindern Urin zu erhalten, ohne daß er mit anderen Stoffen verunreinigt ist, da die Fälle selten ein- treten, daß ein Kind in den ersten Lebenswochen katheterisirt werden muß, und es blieb mir nichts Anderes übrig, als meine Zuflucht zu einer anderen Methode zu nehmen. Ich ließ mir eine reichliche Anzahl Windeln von feiner weißer Leinwand anfertigen und mit der laufenden Nummer von 1 bis 12 zeichnen. Immer 12 Stück derselben bekamen ein und dieselbe römische Nummer. Dem neugeborenen Kinde wurde nun die Windel I. 1. so an die Genitalien gelegt, daß der Urin hineinlaufen mußte; sie wurde durch andere Leinwand von der gewöhnlichen darübergeschlagenen Windel möglichst getrennt, so daß die Darmausleerungen gewöhnlich nur die leiztere trafen. So wirkte die gezeichnete Windel ge- wissermaßen als Filtrum für den gelassenen Urin und bieb den ersten Lebenstag liegen, bis das Kind einmal dieselbe ordentlich mit Urin durchfeuchtet halte, worauf sie getrocknet wurde. Den 2. Tag folgte Windel I. 2. und so fort bis I. 12., wo dann mit Windel I. 1. wieder begonnen wurde und die 1 die Nummer 13 bedeutete. Bei den anderen Kindern wurden die WindelnNI. oder Ill. etc. angewendet. Schon im hiesigen Hebammen-Institute, dessen Direktor, Herrn Hofrath Dr. Burchard, ich nicht genug für seine freundliche Unterstützung danken kann, da er mir nicht nur erlaubte, bei den von ihm ange- stellten Kinderseklionen gegenwärtig zu sein, sondern mir dieselben auch immer anmelden ließ, blieben die Resultate nicht aus, doch dehnte ich meine Untersuchungen bald auf die neugeborenen Kinder mir befreundeter Familien aus, da die Kinder im Hebammen-Institut dasselbe, wenn sie gesund sind, am ach- ten Lebenstage verlassen. Die Versuchsreihen, wo die Prozedur nicht ordentlich vorgenommen zu sein schien, wurden ausgeschlossen und nur die sicheren benutzt. Alle Windeln, wo sich irgend eine Färbung zeigte, wurden mikroskopisch untersucht, und so entstand eine Tabelle, welche ziemlich sichere Anhalts- punkte gewährte, q Blutrothe und karminrothe Flecke habe ich nie beobachtet, wohl aber eine röthliche, mehr eine bräunliche und am meisten eine strohgelbe Färbung. Bei den meisten Nuancen konnte ich immer die harnsauren Salze mikroskopisch auffinden, wenn ich den gefärbten Rand eine Zeit lang mit destillirtem Wasser in großen Uhrgläsern weichen ließ, und in zwei Fällen, wo die Färbung sehr reichlich war, 159 reagirte sogar der aus der Flüssigkeit gewonnene, sehr geringe Rückstand deutlich, wenn auch schwach, bei der Murexidprobe. Es sind 33 Fälle, wo ich theils selbst die Windeln täglich applizirte, theils mich dieser Arbeit als gewissenhaft vorgenommen überzeugt halten durfte. Der gefärbte, mit harnsauren Salzen geschwängerte Urinabgang begann unter 30 Kindern bei einem Kinde zwischen dem ]. und 2. Tage, bei 5 Kindern zwischen dem 2. und 8., bei 4 Kindern zwischen dem 8. und 14., bei je einem zwischen dem 14. und 21. und 21. bis 30. Tage. Bei zwei Kindern wurde mir von den darauf aufmerksam gemachten Müt- tern der Anfang der Erscheinung nachträglich gemeldet, so daß ich sie noch konstatiren konnte, und zwar trat bei einem die Färbung am 39., bei einem am 40. und bei meinem eigenen Söhnchen am 35. Tage ein. Die Färbung war durchschnittlich anfänglich schwach, später intensiver und verlor sich im Zeitraum von etwa 5 bis 6 Tagen; nur einmal war sie massenhaft und in 3 Tagen beendet. Der Urin reagirte dabei stets sauer; vor und nach der Erscheinung in der Regel neutral, selten schwach sauer, und färbte dann die Windel nicht im Geringsten. Viele der Kinder waren ganz gesund, einige kränklich, zwei sehr krank, so daß irgend ein Uebelbefinden auf die Färbung des Urins nicht zu influi- ren, sie aber auch nicht auszuschließen schien. Bemerkenswerth erscheint es mir, daß bei 33 Beobachtungen die Mehrzahl der Erscheinung zwischen dem 2. und 14. Tage nach der Geburt, nämlich 9mal vorkam, welche dem Vorkommen des Infarkts nach de. vorstehend gelieferten Tabelle entspricht. Daß die Färbung nicht bei allen den Kindern gefunden wurde, bei denen das Experiment vorgenommen, kann ich mir nur daraus erklären, daß 11 derselben schon am 8. Tage der Beobachtung entrückt wurden und daß die Färbung bei den anderen erst nach dem 90. Tage eintrat, mit welchem die Beobachtungen geschlossen wurden. Vielleicht geht der Infarkt unter noch nicht ermittelten Umständen auch manchmal dem bloßen Auge unmerklich ab, indem seine Ausscheidung in sehr geringen Mischungsverhältnissen vor sich geht. , Nach dem Resultat der Sektionen, wie. nach dem der oben beschriebenen Untersuchungen (welche ich noch fortsetze), läßt sich für jetzt also der Zeitpunkt, wenn die Ausscheidung des Infarktes. beendet wird, noch nicht bestimmen. Nach den gelieferten Thatsachen fällt sein erstes Erscheinen außerhalb des lebenden Körpers zwischen den }. und 2., sein letztes Erscheinen zwischen den 30. und 40. Tag; ein ganz ähnliches Resultat lieferten die Sektionsprotokolle. Es läßt sich aber annehmen, daß er am häu- figsten zwischen dem 2. und 14. Tage ausgeschieden wird. Es ist auch die Frage berührt worden: ,‚ob der Infarkt vielleicht ein kadaverisches Produkt des Todeskampfes sein könnte?“ Vorausgesetzt, es wäre so, so müßte er bei allen Sektionen neugeborener oder sehr jung gestor- bener Kinder vorgefunden werden, oder man müßte nur bei einzelnen eine solche physiologische oder pathologische Beschaffenheit des Urines annehmen, welche ihn beim Tode bedingte, eine Annahme, welche uns immer zu einem näheren Eingehen auf diesen Umstand: veranlassen würde. Doch glaube ich wohl, daß jetzt diese Frage mit Bestimmtheit dahin zu beantworten ist, daß der Infarkt kein Leichenprodukt sein könne, da er bei der Sektion als beginnend und verschwindend beobachtet wurde und eine Reihe Versuche vorliegt, die sein Ausscheiden im Leben gewiß machen. Wir kommen nun, nachdem das Vorausgeschickte gewissermaßen das Material zu genauerer Erwä- gung bildet, zu der wichtigsten Frage, ob der Infarkt ein physiologischer Akt ist und welche Umstände seine Existenz begründen, und rekapituliren in der Kürze die Ansichten Derer, welche sich mit dieser Frage spezieller beschäftigten. Schloßberger faßt vorzüglich zwei Umstände in’s Auge: einmal den relativen oder absoluten Ueberschuß an Harnsäure und harnsauren Salzen und dann die geringe Energie des Wärme-Erzeugungs- Prozesses bei den Neugeborenen. Er macht darauf aufmerksam, daß bei vielen Thieren eine gewisse Urolithiasis normal sei (bei Vögeln, Schlangen ete., welche größtentheils festen, aus Harnsäure beste- henden Urin secerniren), und wenn man auch keine Consequenz hieraus auf den Fötus ziehe, so habe man doch sehr häufig bei kleinen Kindern harnsaure Steine beobachtet. Er beklagt den Mangel genauer Harnanalysen dieses Alters und bemerkt, daß er den Urin der Kinder im Allgemeinen reich an Harn- säure fand. Er glaubt diese Diathese im frühesten Alter in den bei Neugeborenen so häufigen intensi- ven Intestinalstörungen suchen zu müssen, die auch bei Erwachsenen (Lithiasis, Gicht ete.) ein Kausal- moment dazu abzugeben scheinen. Er fand den Infarkt vorzüglich bei Kindern, welche an tiefen gastri- schen Störungen (Soor, Diarrhoe, Erbrechen coagulirter Milch, Intertrigo) litten, und rechnet den Ikterus ebenfalls hierher, der ja so häufig mit dem Infarkt zusammenfalle. Er macht darauf aufmerksam, wie tief die Temperatur bei den Neugeborenen sinke, eine Erscheinung, welche Magendie, Charcelay, Valleix und in Bezug auf entzündliche Krankheiten Trousseau schon anführten, und darauf, daß bei tiefen Intestinalstörungen Respiration und Cirkulation mächtig leiden, die Temperatur dadurch herabgesetzt werde, und daß beim Tetanus, mit dem der Infarkt häufig zusammenfalle, halbasphyktische Paroxismen das Sinken der Temperatur durch bleiche Gesichtsfarbe andeuteten. Da er nun den Infarkt in der Regel unter den angegebenen Umständen im Verhältniß zur Gesammtzahl in geringen Prozenten und nie bei Neugeborenen fand, so erklärt er sich in seiner ersten Arbeit mehr für den pathologischen Charakter, läßt es aber in seiner zweiten Arbeit (1850) zweifelhaft, ob er pathologischer oder physiologischer Natur sei, mit größerer Neigung zu ersterer Annahme. Virchow spricht sich entschieden für den physiologischen Charakter des Infarkts aus; seine An- sicht ist schon Eingangs theilweis mitgetheilt worden. Als Ursache der Infarkt-Bildung betrachtet er die drei großen Funktionen, welche nach der Geburt des Kindes eintreten: Respiration, Digestion, Wärme- erzeugung, Funktionen, bei denen Organe erst thätig werden, welche bis dahin ruhig lagen, indem andere ihrer Rückbildung entgegengehen. Für große Revolutionen, welche im Blute vorgehen, scheinen ihm zwei Dinge zu sprechen: der Harnsäure-Infarkt und die sogenannte Gelbsucht, welche er (wie Bre- schet schon andeutet) für physiologisch hält und sich die gelbe Färbung aus zu Grunde gegangenen Blutkörperchen erklärt. Ihm sind der Harnstoff, die Hippursäure, das harnsaure Ammoniak Trümmer von vernichtetem Eiweiß, Faserstoff u. s. w.; er nennt das harnsaure Ammoniak eine Frühgeburt des Harn- stoffes. Er macht darauf aufmerksam, daß ähnliche massenhafte Ausscheidungen in den Urinwegen bei Erwachsenen vorkommen, aber eben nur bei großen Revolutionen, z. B. im Wechselfieber und nach Entzündungen. v. Heßling erklärt sich für den physiologischen Charakter des Infarktes, ebenso Martin, der als Beweis dafür die regelmäßig während der ersten Lebenswochen, bald früher, bald später auftretende Ausscheidung des hell- oder dunkelgelben Pulvers anführt. Ihm sind zwei Vorgänge besonders bemer- kenswerth, einmal die ungewöhnlich solide Form, in welcher das harnsaure Salz ausgeschieden wird, dann die auffallende Menge desselben. Er glaubt, daß die Anhäufung der Epithelialzellen in den Harn- kanälchen, welche sich, wie bei allen bald nach der Geburt auftretenden Sekretionen, massenhaft erzeu- gen, die Ausscheidung der harnsauren Salze in solider Form durch die Verzögerung des Abflusses be- günstige, stimmt Virchow bei, indem er die Umwandlung, welche das Blutplasma gleich nach der Geburt erfahren muß, als die gewöhnlichste und vorzüglichste Quelle der Harnsäure-Abscheidung hält, und erklärt sich auch dafür, daß die gelbe Färbung (sogenannte Gelbsucht) etwas in der Physiologie Begründetes habe und wahrscheinlich auf einem Zerfallen der Blutkügelchen beruhe, eine Ansicht, auf welche auch Piper (Die Kinderpraxis. Göttingen 1831.) hinweist, indem er auf die Färbung ins Gelbe nach Sugillationen aufmerksam macht. 161 Nach jahrelanger Beschäftigung mit dem vorliegenden Gegenstande kann ich mich ebenfalls nur für den physiologischen Charakter dieser Ausscheidung erklären. Wäre sie eine pathologische, so müßte man sie, wie schon bemerkt, bei gewissen Krankheiten constant finden, nicht bei dieser und jener vor- handen, bald bei derselben fehlend. Der Umstand, daß man den Infarkt anfänglich als pathologisches Produkt betrachtete, ging wohl daraus hervor, daß eben gesunde Kinder nicht sterben und nur an Krank- heiten zu Grunde gegangene zur Sektion kamen. Engel erklärte bald anfänglich, daß er zum Nor- malzustande gehöre und auch hei Kindern vorkomme, welche eines gewaltsamen Todes starben. Es ist sehr zu bedauern, daß er sich nicht ausführlicher darüber aussprach, da seine so bestimmte Notiz aus reicher Erfahrung zu resultiren schien. Träte die Ausscheidung als physiologischer Akt zu einer be- stimmten Zeit nach der Geburt ein und würde sie zu bestimmter Zeit beendet, so läge die Beantwortung der Frage leichter, so aber trifft man den Infarkt nur gelegentlich, wenn der Tod grade in seine Exi- stenz fällt. Da wir ihn aber als entstehend, bestehend und verschwindend finden, da wir, wenn auch mit großer Mühe, das Abgehen der harnsauren Salze bei lebenden gesunden Kindern verfolgen konnten, so wird er als physiologisch gelten müssen, bis das Gegentheil schlagend bewiesen ist. Wollen wir die Frage zu beantworten suchen, warum und unter welchen Umständen er sich bilde, so können wir natürlich nur auf die Bildung des Urins, auf seinen Ursprung aus dem Blute, auf die Be- schaffenheit des Organes und seiner Theile, wo er sich ausscheidet, zurückgehen. Es liegt kein Fall vor, wo man den Infarkt bei vor der eintretenden Geburtsarbeit gestorbenen Kindern gefunden hätte, Von 107 todigeborenen Kindern zeigte ihn kein einziges. Ein Kind (Hoogeweg) starb während, eins (Martin) bald nach der Geburt, wo man ihn fand; wir können also nur annehmen, daß er sich unter einer Anzahl von 427 Fällen bei Todtgeborenen nie, zweimal bei während der Geburt Gestorbenen fand. Ich will diese beiden Fälle nicht Ausnahmen nennen, denn auch die geringste Ausnahme muß ihren Grund haben. Der Beginn des vorliegenden Aktes muß also im Beginn der Geburt, d. h. der Ge- buristhätigkeit liegen, und hier, glaube ich, haben wir auch den Ursprung desselben zu suchen. Ich vermuthe, daß mit dem Eintritt der Geburtsarbeit der erste und wichtigste Moment zur Bildung des Infarkts gegeben wird und zwar durch den ungeheuren Andrang des Blutes nach den inneren Organen. Betrachten: wir, bei normaler Schwangerschaft und bei Ausschluß jeder Krankheit der Mutter und des Kindes, das Leben des letzteren vor der Geburt und die merkwürdigen Phasen, welche dasselbe bei dem Uebergange vom Wasser- und Nachtleben zum Luft- und Lichtleben durchkämpfen muß, vorzüglich von dem Zeitpunkt an, wo seine Organe schon gebildet sind, wo die Mutter seine Bewegung fühlt. Mit dem Kopfe nach unten, umgeben von einem tropfbar-füssigen Medium, mit zusammengedrückten Extre- mitäten bewegt es dieselben wahrscheinlich nur durch Reize von außen oder durch solche, welche von der Mutter ausgehen, veranlaßt. Das Hirn ruht, die Lungen ruhen, größtentheils nur genährt von der Bronchialarterie; der Stoffwechsel geht sparsam vor sich in diesem von der Multer abhängigen beschränk- ten Haushalt. Die Epithele des Darmkanals stoßen sich ab und mischen sich höchstens mit wenig im Fruchtwasser umherschwimmenden :Wollhaar, welches der Fötus von Zeit zu Zeit mechanisch niederschluckt. Die Galle wird hellgelb abgesondert und tritt allmälig zum Darminhalt, um so das sogenannte Kindspech bilden zu helfen, welches nicht ausgeschieden wird. Der Urin sondert sich langsam ab, arm an festen Be- standtheilen, reich an Eiweiß, ein Minimum von Harnstoff enthaltend. Sobald die Blase soweit gefüllt ist, daß sich ihre Muskelfasern spannen, ziehen sich diese zusammen und entleeren den Urin in das Fruchtwasser. Das Blut kommt von der Mutter, geht zur Mutter zurück, bei seinem Durchgange nur so viel absetzend, als zur Ausbildung der Organe, zur Uebung ihrer Absonderung nöthig ist. 21 162 Nun tritt der merkwürdige physiologische Akt ein, welcher immer wieder unser Staunen erregt. Der Uterus kontrahirt sich, das Kind wird jetzt schon beengt und nach unten gepreßt, doch noch vom Fruchtwasser geschützt. Bald hört dieser Schutz auf, die Wandungen des Uterus legen sich an die zar- ten Glieder und umfassen sie mit einer Kraft, die noch nicht berechnet ist, die nur zuweilen der Ge- burtshelfer bei Wendungen nach den Sugillationen seines Armes abschätzt. Jetzt bereitet sich die Lö- sung der Plazenta vor, die Blutbahn zwischen Mutter und Kind wird gehemmt, unterbrochen, der Zufluß ist wahrscheinlich stärker als der Abfluß, das Blut drängt sich nach den inneren Organen; die Gefäße des Hirns strotzen, die Brust wird oft so gefüllt, daß die Capillaren der Pleuren, des Herzbeutels, des Ueberzuges des Herzens platzen und die sogenannten Ecchymosen bilden; oft treten die Blutkügelchen in die Galle und geben ihr den so häufig beobachteten röthlichen Schimmer; wo die Kopfschwarte die- sem Druck nicht unterliegt, bildet sich die Kopfgeschwulst. Auch zu den Nieren dringt der gestaute Strom und überfluthet diese Organe, besonders die Rindensubstanz derselben, oft bis zum Extravasat. Jedes Organ, welches zur Absonderung bestimmt ist, wird zu einer neuen veränderten, selbstständigen Thätigkeit geboren. Wahrscheinlich schon jetzt beginnt das Blut eine andere chemische Funktion in den Malpighi’schen Körperchen und den gewundenen Harnkanälchen zu entwickeln, es beginnt, durch den ungewohnten Andrang gezwungen, vom Rückweg zur Mutter abgesperrt, die festeren Bestandtheile zu produziren und unter ihnen, auf Kosten des Eiweiß, die harnsauren Salze zuerst, als die Vorläufer des Harnstoffs. Diese Thätigkeit wächst möglicher Weise in einem Grade, welcher die normale Sättigung übersteigt, und ausnahmsweise kann wohl der Urin, sobald er in die graden Harnkanälchen, die ersten ableitenden Or- gane, eingetreten ist, schon während des Geburtsaktes die harnsauren Salze fallen lassen, besonders wenn er ein für das Kind sehr anstrengender ist, Beide Kinder, bei denen sie so früh gefunden wur- den, hatten unter schwerer Geburtsarbeit zu leiden. Vielleicht tritt aber dieser seltene Fall (denn viele Kinder, welche sehr schwer geboren wurden, zeigen den Infarkt nicht) durch andere noch unerforschte Umstände. veranlaßt so früh ein. In der Regel scheidet sich der Infarkt erst später ab, vom zweiten Tage an, am häufigsten zwischen dem 2. und 14. Tage, und jetzt ireten so wichtige Aenderungen ein, welche, nach der eben entwickelten Vorbereitung dazu, diesen physiologisch-chemischen Akt aus- nehmend begünstigen. Das Sinken der Temperatur des das Kind umgebenden Mediums, der Umstand, daß es die bisher durch die Mutter mitgetheilte Wärme selbst entwickeln muß, die Lungenthätigkeit, der durch die Verdauung bewirkte Stoffwechsel sind es, welche mächtig einwirken. Meconium, Galle, Epi- Ihele werden massenhaft ausgeschieden und jetzt auch in der Regel die harnsauren Salze gebildet, welche sich vielleicht auf die Epithele gewissermaßen abfiltriren und niederschlagen. Sie werden dann, aus- nahmsweise massenhaft, in kurzer, in der Regel nach und nach in längerer Zeit mit dem nachrückenden Urin aus dem Körper entfernt. Diese Theorie, welche sich größtentheils auf die Derer stützt, welche sich mit demselben Gegenstande beschäftigen, läßt sich wohl nur in den gegebenen Grenzen aufstellen. Meine Annahme, daß der erste Anfang des Infarkts und der Haupthebel seiner Bildung in dem durch die Geburtsarbeit veranlaßten Blutandrange, in der ersten Hyperämie der urinbereitenden Organe liegt, würde nur dann umgestoßen sein, wenn später der Infarkt bei Kindern gefunden würde, welche durch den Kaiserschnitt bei plötzlich gestorbenen Müttern gewonnen zur Untertuchung kämen, also vor überstandener Geburt dem mütterlichen Körper entnommen wären. Unter meinen angestellten Sektionen befinden sich zwei solche Fälle, wo nach dem plötzlich erfolgten Tode der Mütter dieser gesetzliche Akt vorgenom- men werden mußte; beide waren beinahe ausgetragen und zeigten keine Spur von Infarkt. Ist derselbe nach Allem, was wir von ihm erforschten, ein physiologisches Erzeugniß, so kann er durch Umstände, welche seine Ausscheidung aus den ableitenden Organen, wozu ich die graden Harn- 165 kanälchen zähle, oder durch massenhafte, anomal fortdauernde Ausscheidung, zum pathologischen Ereig- niß werden, indem er die Urolithiasis erzeugt. Hier schließe ich für jetzt, als zu weit führend, alle Fälle aus, welche auf einem Erkranken der Nieren im Mutterleibe beruhen und der Fötus-Pathologie angehören, und halte mich nur an die Erfah- rungen, wo sich der gehemmte Infarkt als Ursache der beginnenden Steinbildung darstellt und die Pa- thologen besonders aus einem unzweifelhaften, später mitzutheilenden Falle vielleicht einen Anhaltspunkt für das Entstehen des Steinleidens auch’ bei Erwachsenen finden werden. Martin a. a. O. macht darauf aufmerksam, wie häufig das Auftreten von Harnsteinen bei Kindern ist, so zwar, daß die Hälfte aller Steinkranken unter 14 Jahren steht. In einer seiner früheren Arbeiten (Martin, De lithogenesi praesertim urinaria. Jenae 1833. S. 75.) sind die Beobachtungen tabellarisch geordnet, und es zeigt sich, daß bei Kindern unter 4 Jahren ausschließlich Harnsteine aus harnsaurem Ammoniak vorkommen, während sie nach dem 10. Jahre verhältnißmäßig selten gefunden werden. Auch Prout behauptet (Medico-chirurgical Transactions. London. Vol. X. p. 389.), daß das harnsaure Ammoniak allein bei Kindern ganze Harnsteine bilde, und Martin ist ein Zusammenhang der Steinbildung im frühen Alter mit dem Harnsäure-Infarkt sehr wahrscheinlich. Er führt folgenden Fall an: Ein 6 Monat altes, von der Mutterbrust seit einigen Wochen entwöhntes Mädchen litt einige Tage an Schnupfen, mit dessen Verschwinden Durchfall und Hitze auftrat. Zwei Tage später Verfallensein, gebrochene Augen, kurzes Aihmen, große Unruhe, den nächsten Tag völliger Collapsus und Abends unter lautem Röcheln erfolgt der Tod. Bei der Sektion fanden sich, ohne daß Blutentziehungen gemacht wor- den waren, auffallende Blutleere der Lunge, des Herzens und der Därme, in den Lungen viel schaumiges Serum. An den normal gestalteten Nieren sprang der Unterschied zwischen Cortikal- und Pyramidal- Substanz sehr in die Augen. In beiden Nierenbecken war eine körnige, gelbliche Masse vorhanden, welche wie Inkrustationen stellenweis die Papillen bedeckte. Diese Conkremente bestanden nach Dr. För- sters Untersuchung ungefähr zur Hälfte aus vertrockneter organischer Substanz und zur andern Hälfte aus harnsaurem Ammonium. Was ich hierher Gehöriges selbst gesehen und erfahren, will ich in Kürze mittheilen. Am 18. Juni 1850 operirte ich einen siebenjährigen Knaben, welcher von frühester Jugend auf an Urinbeschwerden litt, durch den Seitensteinschnilt; der ovalrunde, 212 Gran schwere Stein bestand beinahe ganz aus harn- saurem Ammoniak und war von hellbräunlicher Farbe. Den 10. März 1851 operirte ich einen 6", Jahr alten Knaben, welcher ebenfalls in frühester Jugend schon mit Urinbeschwerden zu kämpfen katte, auch durch den Seitensteinschnitt. Vier Monate vor der Operation entleerte er ein bohnengroßes Nierenstein- chen, welches beinahe ganz aus Cystin bestand und dessen eine Hälfte ich später Herrn Professor Stae- deler überlassen habe. Der bei der Operation gewonnene Stein wog 268,75 Gran und bestand nach Müller’s Analyse aus: er Be tee 5, BIETET AA RE Pr Freie Harnsäure oder Harnsäure von unzersetzt harnsaurem Ammoniak. . « » + 0,250. ge ee '.: - - Phosphorsaure Ammoniak-Magnesia mit Spuren phosphorsauren Kalkes. . » . + 0,750. 9,930. Der Knabe, jetzt gesund und blühend, entleert ohne Beschwerde noch heut manchmal cystinhaltigen Urin. Wir sehen, daß das harnsaure Ammoniak in beiden Fällen eine bedeutende Rolle spielte. Waren dies Beispiele aus dem vorgerückten Kindesalter, so komme ich zu zwei anderen, wo die pathologische 21* 164 ; Thätigkeit bald nach der Geburt begann und sich bei dem letzteren derselben die Bildung des vollkom- menen Steines aus dem harnsauren Infarkt Schritt für Schritt verfolgen läßt. Das erste der beiden Kin-: der wurde 8 Tage alt und starb, nachdem es bis zum fünften Lebenstage vollkommen wohl war, an Trismus. Mit Uebergehung des übrigen Sektionsbefundes führe ich nur hierher Bezügliches an. Beide Nieren groß, blutreich, die Papillen verstrichen und verfettet, die Kelche und das Nierenbecken erwei- tert; in beiden eine milchweiße eiweißähnliche Flüssigkeit mit orangegelben Körnchen zahlreich gemischt. Dieselben verstopfen die Mündungen der graden Kanälchen. Die Uretheren und die in ihrer Schleim- haut wie im Peritonealüberzuge hyperämische Harnblase enthalten dieselbe weißliche, mit gelbem Pulver gemischte urinöse Flüssigkeit. Diese bestand aus Schleim- und Eiterkörperchen, strukturlosen Membran- fetzen, zerfallenen Blutkügelchen, Epithel der Schläuche, theils leer, theils strukturlose Massen enthal- tend, welche hier und da rundliche, gelbbräunliche Körner erkennen lassen, welche das harnsaure Natron darstellen. Beim mikrochemischen Verfahren scheiden sich deutliche harnsaure Salzkrystalle aus. Das zweite Kind, dessen Krankengeschichte ich auszugsweise im Jahre 1849 in der medizinischen Sektion der vaterländischen Gesellschaft mittheilte, war 2 Jahre 2 Monate alt, als es in meine Behand- lung kam. Vom dritten Tage seines Lebens an litt es an beschwertem Harnlassen; in der Regel färble der Urin die Windeln ziegelroth. Diese Beschwerden nahmen auf eine Schrecken erregende Weise zu; nach und nach wurden (immer etwa zu 2 und 5 kurz hintereinander) 27 kleine, erbsen- bis kleine Boh- nen große Steinchen unter den schrecklichsten Schmerzen entleert. Sie waren weißlich, anfangs weich, später an der Luft erhärtend. Ich traf das Kind abgezehrt, lentescirend, von Erbrechen gequält. Der Leib war nicht aufgetrieben, die Blasengegend voll und immer hart, so daß man den taubeneigroßen, in ihr enthaltenen Stein schon äußerlich über der Schaamfuge fühlte. Der Stuhl ist schleimig, der tropfen- weis unter Vorfall des Mastdarms und lautem Wimmern entleerte röthliche Urin enthält harnsaures Am- moniak, phosphorsaure Ammoniakmagnesia (Tripelphosphate), Exsudatzellen Cylinderepithel und Epithel der Schläuche. Die linke Niere ist bei Druck schmerzhaft, die Applikation des Katheters unmöglich, weil er bald hinter der pars membranacea auf den Stein stößt, dessen Größe die Operation unmöglich macht. Druck auf die Blasengegend erleichterte das Urinlassen, lauwarme Bäder und mit Roisdorfer Brunnen gemischte Milch verschafften dem Kinde zeitweise Ruhe. Es erlag seinen Leiden am 12. Fe- bruar 1849. — Der Kopf wurde bei der von den Aeltern gewünschten Sektion nicht geöffnet, die Brustorgane waren normal, ebenso die etwas blutarmen, innerhalb des Bauchfelles gelegenen Organe. Linke Niere normal gelagert, ohne Fetthülle, um ein Drittheil ihres gewöhnlichem Umfanges vergrößert; der Peritoneal-Ueberzug löst sich leicht; unter ihm Eitersedimente und plastische Gewebe. Cortikal- substanz blaßgelb, aufgelockert, mit einzelnen capillär-apoplektischen und Eiter-Herden; Tubular-Sub- stanz sehr blaß, die Kanälchen fast verwischt, mit weißlich gelbem Pulver gefüllt, die ziemlich unver- sehrten Papillen mit weißlichem Exsudat bedeckt. Der Urether, um ein Drittheil des Normalen länger, darmartig gewunden, bis zur Stärke eines Zeigefingers ausgedehnt, läßt durch seine glasarligen Wände weißliches Exsudat durchschimmern, Am „in welchem, wie auch in den Nierenkelchen und im Becken, erbsen- bis bohnengroße gal- „lertarlige Klümpchen von der Gestalt der abgegangenen Steinchen schwimmen, deren einige „sich schon teigig-sandig anfühlen.“* Zwischen Löschpapier ihrer Flüssigkeit beraubt, lassen sie sich platt drücken und haben ganz das Aussehen von des Farbestoffes beraubtem Blutfaserstoff. Der Urether sackt sich vor der Blase ab und mündet in diese rabenfederdick, Die rechte Niere liegt im kleinen Becken, ihre Arterie entspringt aus der Art. iliaca dextra; der Urether ist um zwei Diittheile der normalen Länge verkürzt und. mündet auf normale Art in die Blase. Niere und Urether zeigen nur leise Andeutungen der im: Nachbarorgane 165 gefundenen pathologischen Veränderungen. Die Blase, deren Submucosa verdickt ist, ragt 1%, Zoll über die Symphyse hinauf und ist von einem, in seinen äußeren Schichten noch weichen Steine völlig ausge- füllt. Bei der mikroskopischen Untersuchung zeigten sich in der Corlikalsubstanz der linken Niere Ex- sudatzellen, Uebergang derselben in Eiterzellen, zu Exsudatfasern verlängerte Kerne, zerstörtes Binde- gewebe und Gefäßneubildung. Die Tubularsubstanz enthält zerstörte Cylinderkanälchen mit vielen Ex- sudat- und Eiterzellen, Epithel der Harnkanälchen mit anliegenden Kernen, dazwischen Tripelphosphate und harnsaure Ammoniakkörper. Die Blasenschleimhaut wider Erwarten wenig zerstört. Die gallertartigen Massen in den Nierenkelchen und dem Urether bestehen aus Schleim, einzelnen Exsudatfäden und größ- tentheils aus den beschriebenen Salzen. Der große Stein wog 28,80 Gran und bestand nach der von Herrn Hospital-Apotkeker Müller und mir vorgenommenen Analyse zu 64 Theilen aus phosphorsaurer Ammoniak-Magnesia und zu 36 Theilen aus harnsaurem Ammoniak und Blasenschleim. Die Präparate von dieser Sektion befinden sich noch in meinen Händen. Diese Thatsachen setzen es wohl außer Zweifel, wohin die krankhaft gehemmte Ausscheidung des Infarktes führt, geben zugleich ein klares Bild der Lithogenese vom Harnkanälchen an bis zum fertigen Stein und dürften für den Kliniker nicht ohne Interesse bleiben. Daß sich neben dem harnsauren Am- moniak Kalksalze bilden, ist, wie Virchow sich ausspricht, wohl erklärlich aus der chemischen Ver- wandtschaft mit Allantoin, Harnstoff, Harn- und Oxalsäure. Mögen die Therapeuten die Mittel finden, die gehemmte Ausscheidung des Infarktes zu befördern und in die normale Thätigkeit hinüberzuführen, um die aufalhmende Generation von den oben beschriebenen Leiden zu befreien, und alle Mühe derjenigen, welche diesem Gegenstande Aufmerksamkeit schenkten, wäre belohnt. Ich glaube, daß im Anfange des Leidens, außer den von Virchow und Martin vorgeschlagenen Mitteln, vorzüglich laue Bäder und vor- sichtige Mischung der gereichten Milch mit Salzbrunn-, Roisdorfer- und Spaa-Wasser nützlich sein dürften. Die Frage, ob der Harnsäure-Infarkt ein Unterstützungs- oder Ersatzmittel der Lungenprobe in der forensischen Medizin werden dürfte, muß nach dem Vorliegenden noch als eine offene betrachtet werden. Sie wurde zuerst von Virchow angeregt, von Schloßberger und Elsaeßer unterstützt, vorzüglich von Martin bekämpft. Lägen die beiden Beobachtungen von Martin und Hoogeweg nicht vor, so hälten wir im Infarkt allerdings ein ganz sicheres Zeichen von der stattgefundenen Respiration, ein Zei- chen dafür selbst dann, wo der übrige Körper schon der Fäulniß verfallen ist, wo die Lungen und an- dern Körpertheile fehlen; denn die Nieren erhalten sich, auch beim Benagen freiliegender Kinderleichen durch Thiere, in ihrer geschützten Lage, nahe der Wirbelsäule, bedeckt vom Bauchfell, länger als an- dere Organe, und der Infarkt ist nach Monaten noch in der faulen, nach Jahren noch in der getrockne- ten Niere zu erkennen, so daß er selbst bei mumificirten Leichen von Nutzen sein könnte. Ich glaube, man darf die vorliegende Frage noch nicht unbedingt verneinen; vielleicht hat bei fer- nerer, allseitigerer Beschäftigung mit dem Infarkt derselbe auch hier noch eine Zukunft. Als der Physikus Schreyer zu Zeitz im Jahre 1683 zuerst zu gerichtlichen Zwecken die Lungen aufs Wasser legte, ahnten er und seine Zeitgenossen gewiß nicht, daß dieses Verfahren immer mehr vervollkommt, zum sichersten Anhaltspunkte für die Beweiskraft des stattgehabten Lebens dienen würde, so daß die Lungenprobe nach beinahe 200 Jahren noch immer ihren Zweck erfüllt und erfüllen wird, denn grade die neuesten Fortschritte in der medizinischen Wissenschaft sind geeignet, sie von ihren etwaigen Mängeln zu befreien und fester und sicherer hinzustellen, eine Annahme, zu deren Verwirkli- chung ich andern Orts beitragen zu können hoffe. Als ferner vor vielen Jahren (ich glaube im ersten Hefte von Henke’s Zeitschrift) Remer der Aeltere einen gerichtlichen Fall bekannt machte, wo bei einem Kinde, bei welchem der Nabel schon verheilt war, welches also geathmet haben mußte, bei der 166 . Lungenprobe die Lungen vollständig zu Boden sanken, ein Fall, welcher zu vielen Deutungen Anlaß gab, so wurde durch diesen einen Fall die Lungenprobe doch nicht umgestoßen, und man sah ihn zuletzt als eine seltene Ausnahme an. Später tauchten einige ähnliche Beobachtungen auf, und ich selbst habe in zwei Fällen bei Kindern, welche vor ihrem Tode, vielen Zeugen vernehmlich, laut schrieen und sichtlich athmeten, die Lungen zu Boden sinken sehen, und glaube diese seltenen Vorgänge aus pathologischen Veränderungen deuten zu können, ohne im Geringsten an der Beweiskraft der Lungenprobe rütteln zu dürfen. Die zwei Fälle, wo sich der Infarkt kurz nach der Geburt zeigte, bei einem Kinde, welches gar nicht, bei dem anderen, welches nur wenig geathmet hatte, stehen, wenn wir einen Blick auf unsere Tabelle werfen, als so seltene da, daß man sie hier wohl, wie damals den Remer’schen Fall, Aus- nahmen nennen dürfte. Der von Martin beschriebene Fall betraf ein Kind, welches durch Eindringen von Meconium in die Luftwege starb und nur einige Male respirirte, der Hoogeweg’sche Fall ein Kind, dessen Herz- schlag %, Stunden vor der Geburt aufhörte, nachdem die Geburtsarbeit 33", Stunden gedauert halte. Bei beiden Kindern strotzten die inneren Organe von Blut, und es mochten bei beiden vielleicht jene unbekannten, von mir früher berührten Verhältnisse eingewirkt haben, unter denen ausnahmsweise bei der vorangegangenen ersten Hyperämie der Nieren der Infarkt schon während der Geburt sich ausschied, eine Annahme, welche wohl nicht zu gewagt sein dürfte, da wir wissen, wie zauberhaft schnell gewisse Stoffe, z. B. das Jod, beim lebenden Menschen aus dem Blute in den Urin übergehen und wie schnell der letztere überhaupt abgesondert und ausgeschieden wird, so daß es wohl möglich ist, daß sich wäh- rend längerer Geburtsarbeit der Infarkt bilden, ja selbst sich theilweise in das Nierenbecken und die anderen Absonderungsorgane ausscheiden kann, wie es in den beschriebenen beiden Fällen stattfand. Es ist möglich, daß jene seltenen Fötalkrankheiten, die wir als intrauterinale Steinbildungen betrach- ten müssen, durch ähnlichen hyperämischen Andrang im Uterus nach den Nieren des Fötus bedingt wer- den, aber sie unterscheiden sich von dem physiologischen Infarkt durch die dabei stattfindende Entar- tung des Nierengewehes, und kranke Organe haben nie Anhaltspunkte für physiologische Erscheinungen in foro abgegeben. Der physiologische Infarkt ist aber bisher bei keinem Kinde gefunden worden, wel- ches vor der Geburtsarbeit zu Grunde ging. Fernere so dankenswerthe Mittheilungen, wie die von Hoogeweg gelieferte, müssen zur Lösung dieser Frage beitragen. Auf die Entscheidung, wie lange das Kind geathmet habe, zu welcher Zeit nach der Geburt es gestorben sei, hat der Infarkt in gericht- lichen Fällen keine Bedeutung, ebensowenig kann sein Nichtvorhandensein als Beweismiltel dafür gelten, daß das Kind nicht geathmet hätte. Die anderen Beweise des statigehablen Athmens werden natürlich immer den Vorrang behalten. Würde der Infarkt gefunden bei Lungen, welche nicht geathmet haben, so würde man ihn als seltene Ausnahme erwähnen, und über das Nichtgeathmethaben des Kindes würde kein Zweifel sein; findet man ihn bei Lungen, welche das staltgehabte Atıımen darthun, so wird er das- selbe noch wahrscheinlicher machen; findet man ihn bei faulen oder fehlenden Lungen, hätte man nur nach einzelnen Körpertheilen und unter ihnen den Nieren allein ein Urtheil abzugeben, so wird er bei sonst gesundem Gewebe derselben die Annahme unterstützen, daß das Kind geathmet, und die Annahme, daß das Kind während der Geburt gelebt habe, wahrscheinlich machen. Weiter dürfen wir jetzt die Grenzen der forensischen Bedeutung des Infarkts nicht ziehen, aber wir dürfen diese Bedeutung auch nicht gänzlich fallen lassen, bis weitere Erfahrungen: gemacht sind. Es würden sich daher in Bezug auf die physiologische, pathologische und forensische Bedeutung des Harnsäure-Infarkts nach dem bis jetzt über denselben Bekanntgewordenen folgende Resullate ergeben: 1) Der Infarkt ist eine bei der Leiche, wie beim lebenden Kinde dem bloßen Auge und der sorgfältigen Beobachtung zugängliche Erscheinung und wird durch das Mikroskop und die chemische Untersuchung außer Zweifel gesetzt. 2) Sein Auftreten und Verschwinden fällt in die Zeit von 18 Stunden bis zum 60. Tage nach der Geburt. Ausnahmsweise wurde er (unter 427 Fällen) zweimal als wahrscheinlich wäh- rend der Geburt ausgeschieden beobachtet. 3) Er bildet sich wahrscheinlich in den ersten harnbereitenden Organen, den Malpighi’schen Kör- perchen und dem Anfang der gewundenen Harnkanälchen, und fällt in den graden Harn- kanälchen, als den ersten harnableitenden Organen, nieder. 4) Er wird von hier durch die harnableitenden Organe in einer Zeit von 2 bis 6 Tagen mit dem Urin ausgeschieden. 5) Er ist ein physiologisches Ereigniß, und das erste verursachende Moment ist wahrscheinlich die erste bei der Geburtsarbeit durch mächtigen Blutandrang bedingte Hyperämie der Nieren. Die Veränderungen, welche später nach der Geburt im Kinde vorgehen (Respiration, Wärme- erzeugung, Digestion), bringen ihn zum Austrag; ausnahmsweise kann er schon unter noch unbekannten Verhältnissen während der Geburt niederfallen. 6) Er kann, wenn seine Absonderung zu mächtig ist oder er krankhaft zurückgehalten wird, pathologisch werden und giebt dann Veranlassung zur Urolithiasis der Kinder. Diesem Unglück kann vielleicht durch zweckmäßige therapeutische und diätetische. Behand- lung gesteuert oder vorgebeugt werden. 8) In forensischen Fällen ist sein Nichtvorhandensein kein Beweismittel, daß das Kind nicht geathmet habe, sein Vorhandensein kein Anhaltspunkt dafür, daß das Kind in einer bestimm- ten Zeit kurz nach der Geburt gestorben sei, sondern höchstens dafür, daß der Tod zwischen dem 1. und 60. Tage nach der Geburt eintrat. 9) Wird er bei Lungen, welche sich bei der Lungenprobe als solche ausweisen, die nicht ge- athmet haben, ausnahmsweise gefunden, so steht seine Bedeutung der der Lungenprobe nach; wird er bei Lungen, welche sich als solche darstellen, die geathmet haben, gefunden, so unterstützt er die Lungenprobe. 10) Sind die Lungen faul, fehlen sie, oder sollte nur nach den allein aufgefundenen Nieren ein Urtheil gefällt werden, so unterstützt das Vorhandensein des Infarkts die Annahme, daß das Kind geathmet habe, und macht es jedenfalls wahrscheinlich, daß das Kind während der Ge- burt noch lebte. Schließlich wiederhole ich die Bitte, dem vorliegenden Gegenstande fernere Aufmerksamkeit zu schenken, und erlaube mir die Wege anzudeuten, welche ich ebenfalls zu diesem Zwecke einzuschlagen gedenke. Außer den fortgesetzten Beobachtungen über die Ausscheidung des Infarkts bei lebenden Kin- dern würden besonders jene Sektionen von Interesse sein, welche Kinder betreffen, die anerkannt vor be- gonnener Geburtsarbeit der Mutter starben, und besonders solche, welche durch den Kaiserschnitt nach dem plötzlich erfolgten Tode der Mutter zu Tage gefördert werden mußten, um der Lösung der Frage näher zu kommen, ob sich der Infarkt vor der begonnenen Geburtsarbeit physiologisch erzeugen könne. Eine große Aufmerksamkeit ist den Urinanalysen zuzuwenden. Ich habe eine große Anzahl dersel- ben, aber bis jetzt wegen Mangel größerer Quantitäten immer nur qualitativ unternommen, und den Fö- tus-Urin höchst selten sauer reagirend, oft ganz ohne Harnstoff, oder, bei etwas größerem Material, sehr arm an Harnstoff gefunden. Der Urin solcher Kinder, deren Nieren entweder den Infarkt bei der Sektion zeigten oder ihn in der ersten Lebenszeit ausschieden, reagirte immer stark sauer, zeigte sich aber ebenfalls arm an Harnstoff, sehr reich an flüssigen Bestandtheilen und an ausgeschiedenen Epithelen. 7 u 168 War die Ausscheidung des Infarktes vorüber, so reagirte der Urin oft nur schwach sauer, oft gar nicht mehr sauer, und es schien mir, als nehme der Gehalt an Harnstoff zu. Da mir quantitative Analysen zur Zeit noch fehlen und meine Ergebnisse den schon früher gesammelten in einzelnen Punkten wider- sprechen, so habe ich sie bei der vorliegenden Arbeit noch nicht in die Wagschale legen wollen; ich hege aber die Hoffnung, daß, sobald eine große Anzahl quantitativer Urin-Analysen vorliegen wird, welche den Urin des ungeborenen Kindes und den des geborenen betreffen, die Infraktfrage bedeutend gefördert werden wird, ja es ist wohl möglich, daß wir bei Vergleich der chemischen Beschaffenheit des Urins vor und nach der Geburt des Kindes (also vor und nach dem Athmen) ein Hülfsmittel für die forensische Medizin gewinnen. Ein dritter Punkt, welcher uns noch Aufschluß geben könnte, sind Versuche an Thieren. Ich habe diesen Weg eingeschlagen und den Infarkt bei Hunden, Katzen und Kaninchen, die ich jedoch nur spar- sam untersuchte, bis jetzt nicht gefunden. Unter den Hausthieren neigt sich unter allen das Schwein am meisten zur Steinbildung, und zwar zur Absonderung von harnsauren Salzen und Tripelphosphaten. Dem Herrn Hospital-Apotheker Müller wurde die Harnblase eines noch jungen Schweines übergeben, welche gänzlich von einem rosarothen Brei angefüllt war. Nach Trocknung desselben ergab sich das Pulver, an acht Unzen, beinahe ganz aus harnsauren Salzen bestehend. Durch die Güte meines Freundes, des Herrn Kreiswundarzt Müller in Schönberg, besitze ich seit einigen Tagen einen Taubenei-großen Stein, aus conzentrischen weißen und braunen Lagen bestehend, der den Tripelphos- phatsteinen des Menschen sehr ähnlich sieht und ebenfalls aus der Blase eines jungen Schweines stammt, aber noch nicht analysirt ist. Bei drei Ferkeln von einem Wurfe im Alter von 14 bis 21 Ta- gen, welche von einem Hunde erbissen wurden, fand ich bei allen in den Nieren selbst und dem Nie- renbecken ein rosarothes Pulver, welches sehr reich an Harnsäure war. Obgleich ich mich damals noch nicht mit dem Harnsäure-Infarkt beschäftigte und die mikroskopische Untersuchung unterließ, so zweifle ich nicht daran, daß ich ein physiologisches Ereigniß vor mir hatte, da es drei zugleich gebo- rene Thiere darboten., Bei einigen 20 Ferkeln, welche nach Tödtung der Mütter todt aus der Tracht genommen wurden und die ich zu Versuchen über die Lufikapazität fötaler Lungen benutzte, fand ich den Infarkt nicht. Die Fortsetzung der Untersuchung an Ferkeln, welche gelebt hatten, scheiterte am Kostenpunkt, da diese jungen Thiere hier ziemlich theuer sind; da ınan aber auf Alles denken muß, so bitte ich diejenigen Herren Kollegen, welche in Gegenden wohnen, wo das Gericht der sogenannten Spanferkel Mode ist, den Nieren der frisch geschlachteten jungen Thiere ihre Aufmerksamkeit zu schen- ken. Finden wir erst eine Thiergattung auf, welche die Absonderung des harnsauren Grieses physiolo- gisch darbietet, so ist ein großes Feld zur Weiterforschung geboten, was um so wünschenswerther wäre, als man, wenn man sich auch noch so eng den Thatsachen anschließt, hier unwillkürlich auf das Feld der Theorie und an den Rand der Hypothese gedrängt wird. Auf der beigegebenen Tafel ist unter Fig. 1 eine frisch aufgeschnittene Niere dargestellt, welche den Harnsäure-Infarkt in hohem Grade zeigte; unter Fig. 2 dieselbe Niere in eingetrocknetem Zustande, wo sich der Infarkt ebenfalls noch deutlich darstellt. Fig. 3 stellt die Färbung auf der Porzellanplatte dar, welche sich bei der sogenannten Murexidprobe entwickelt. Fig. 4 enthält die mikroskopische Darstellung von Harnsäurekrystallen (oben), von Schlauchepithel der Nierenkanälchen (unten), von harn- saurem Ammoniak (links) und von harnsaurem Natron (rechts) in etwa 200 maliger Vergrößerung. 169 Sitzung vom 13. Oktober 1854. Herr Dr. Günsburg behandelt. die Pathogenie der Lungentuberkulose, indem er zuerst die Be- trachtung der Tuberkulose überhaupt als selbstständigen Krankheitsprozesses rechifertigt und die entgegen- gesetzten Ansichten einer ausführlichen Kritik unterwirft. Der anatomischen Vertheilung nach sind zu unterscheiden: 1) die disseminirten Tuberkelkörner, 2) das tuberkulöse Infiltrat (gelber Tuberkel); der interstitielle Tuberkel existirt nicht. Indem der Vortragende alsdann auf die Genesis des Lungentuber- kels übergeht, widerlegt er zuvörderst die Hypothese einer a priori gesetzten tuberkulösen Dyskrasie; erörtert Andral’s Theorie von der Entstehung des Tuberkels durch kapillare Extravasate, — die Campbell’s von der angebornen Enge der Kapillaren und dadurch erleichterten Verstopfung einzel- ner Gefäßprovinzen durch unentwickelte Formbestandtheile des Blutes, — die Henle’s, welche den Lun- gentuberkel für nekrotisches Lungen-Epithel ansieht. — Die Erweichung des Lungentuberkels ist weder progressive noch regressive Metamorphose, sondern sie ist abhängig von der in jedem Gewebe fort- dauernden Exosmosirung normaler Ernährungsstoffe aus dem Blute der Kapillaren, die begreiflich nach Dauer und Umfang des Tuberkelabsatzes in immer verdünnterem Maße zuströme. Die Bildung der Kavernen aus Bronchiektasen und Usur des Lungengewebes ward alsdann ausgeführt, die verschiedenen Theorien derselben verglichen. Von anderen Ausgängen des Lungentuberkels ward die Verödung, Ver- kreidung und Entstehung der Lungenfisteln dargestellt. Die ätiologischen Bedingungen des Lungentuber- kels ergeben in Betreff des Alters, daß er bis zu dem Säuglingsalter hinabreicht, mit der ersten Zah- nung weiter um sich greift, in den Pubertätsjahren von 15—16 Jahren bei Männern. am häufigsten und nach einer Deklivität zwischen 30— 40 Jahren in beiden Geschlechtern am mächtigsten ist. Klima, Jahreszeiten, Körpergestalt, Lebensberuf wurden ausführlich in Zahlen gewürdigt. Die vollständige Ver- öffentlichung des Vortrags stellt der Vortragende in einer demnächst herauszugebenden Schrift in Aussicht; Sitzung vom 3. November 1854. Herr Sanitätsrath Dr. Grätzer hielt Deber die öffentliche Armen-Krankenpflege Breslau’s im Jahre 1853 folgenden Vortrag. Ihnen gegenüber, meine Herren, denen der Bericht unserer Gesellschaft vom vorigen Jahre vor- liegt, wird es keiner Entschuldigung bedürfen, daß ich mich auf ein Minimum von Bemerkungen zu den Thatsachen und Zahlen beschränke, welche ich Ihnen: hier über die öffentliche Armenpflege der Stadt Breslau im Jahre 1853 mitzutheilen im Begriff bin. Ich habe mit meinem letzten Berichte ein Resume *) über die Ergebnisse verbunden, welches sich heute kaum anders gestaltet hat, und im Hinweis darauf werde ich nicht nöthig haben, schon Gesagtes zu wiederholen. Dem von mir in früheren Jahren angenommenen Darstellungsmodus folgend, beginne ich mit der Mittheilung der Ergebnisse in den Krankenhäusern der Stadt. *) Einunddreissigster Jahresbericht der schlesischen Gesellschaft für vaterländische Kultur. — Enthält Arbeiten und Veränderungen der Gesellschaft im Jahre 1853. S. 215 u. £. 22 170 4) Im Allerheiligen- ne wurden im Jahre 1853 verpflegt: | Aeußere Kranke . . . . . 1455, Innere Kranke. -. . . . . 3465, zusammen 4900, von das daselbst verstarben 514, so daß sich das Mortalitätsverhältniß auf 1: gyısı,.: stell. Hier- bei ist in Anschlag zu bringen, daß in diesem Jahre ungewöhnlich viele, nämlich 64 Individuen, in den ersten 24 Stunden nach ihrer Aufnahme ins Hospital verschieden sind. Außer den 4900 Individuen empfingen sogenannte „‚ambulante‘“ Kranke in den Verbandstunden 423 meist chirurgische Hilfe und Arznei. Nach dem Verwaltungsberichte des Hospitals wurden im Durch- schnitt täglich 364%, Kranke verpflegt, von denen ah durchschnittlich 27), Tage im Hause zuge- bracht hatte. Das Hospital hatte eine Jahresgesammtausgabe für seine Krankenpflege von 41,117 Thlr. 11 Sgr., so daß der Kranke täglich 9 Sgr. 3% Pf. und für die Dauer seiner Verpflegungszeit 8 Talr. 11 Sgr. 8%, Pf. kostete. Diese Mehrausgabe in beiden Positionen findet in den erhöhten DETRIRRTOREEN. genügende Erklärung. 2) Das Barmherzigen Brüder-Hospital lan 2326, also 533 stabile Kranke mehr, als im vorigen Jahre, an welcher Mehrzahl die Wech- selfieberepidemie in und um Breslau mit 650 Individuen parlieipirte. Es starben 80, mithin war die Mortalität 1:29%,,. Außer diesen erhielten 3581 Personen unentgeltlich ärztliche Behandlung und in den meisten Fällen wurde ihnen auch die nöthige Arznei unentgeltlich verabfolgl. Zu chirurgischen Verbänden kamen 3482 Personen, und Zahnoperationen wurden 10,934 ausgeführt. Jeder in der Anstalt verpflegte Kranke verweilte durchschnittlich 28'57%,,,, Tage, im Hospital und auf jeden Tag kamen im Durchschnitt 91 Kranke. 3) Das Elisabethinerinnen-Hospital verpflegte 1390 Kranke, von denen 91 starben, mithin Mortalität 1:15%Y,,. Es waren im Durchschnitt 89 Kranke täglich vorhanden und jede Kranke verweilte 232% ,., Tage in der Anstalt. Ab- und zu- gehende Kranke erhielten 617 daselbst ärztliche Hilfe und Arznei. 4) Die Filiale des Elisabethinerinnen-Hospitals (Domstraße Nr. 8.) verpflegte vom 2. Juli 1853 ab 72 weibliche Kranke, von denen 3 starben, so daß die Mortalität 1:24 beträgt. Außerdem erhielten daselbst noch 65 ab- und zugehende Kranke ärztlichen Rath und Arznei ohne Enigelt. 5) Das Diakonissen-Krankenhaus Bethanien nahm im Jahre 1853 auf | 359 weibliche Kranke, hiervon starben 14, mithin Mortalität 1:231%,,. 6) Das Augusten-Hospital für Kinder (jetzt Matthiasstraße Nr. 75.) verpflegte 104 kranke Kinder, von denen 15 starben. Das Mortalitätsverhältniß ist demnach 1:9'%,, Der Kranke kostete nur 8 Thlr. 9 Sgr. 7 Pf., mithin hat sich die Ausgabe auch gegen voriges Jahr bedeutend verringert. 171 7) Das israelitische Fränkelsche Hospital verpflegte 183 Kranke, wovon 16 starben. Mortalitätsverhältniß 1:11 ,. i 8) Das Königliche Hebammen-Institut. In demselben fündern ‚Aufnahme außer dem von. 1852 übernommenen Bestand von "Wächnerienem. nn A ne Ra Bee eh = 20 Behwangers ce ee 188 Bmaoungare. , 1. 0 a ee a ee al Kranke Schwangere . . a Aa a Ba ai N ee N Krankes Kind (im Skidrhisn antiken), a a Ag Baur" En = 7 re | Gebärende . . . de. + 277 Kinder wurden geboren (döfänter 10 "Todte, 2 Molen, 1 Zwillinge)-. . . 276 795 Es starben: 1) von den Erwachsenen . . . » . 2.0. at, 2) von Kindern: a) Wochenkinder na b) den rechtzeitigen eerhen Geburten. eu Fr vor dee Geburt a, nach der Geburt . 8, c) den vorzeitigen regelwidrigen Geburten kamen verwesete Kinder zur Welt 2 nach der Geburt starben 5, 32, so daß sich das Mortalitätsverhältniß auf 1:24?7,, stellte. | 9) Die Gefangenen-Kranken-Anstalten und zwar insbesondere: a) das auf dem Barbarakirchhofe gelegene. Krankenhaus für Polizeigefangene er . 753, wovon als. genesen entlassen wurden ı . «; F . 398, vor beendeter Kur in das Allerheiligen-Hospital kraisloäht; . 291, gestorben us 15, und als Bestand verblichfen. RUND . 51. Das Mortalitätsverhältniß stellte sich y3 3044. b) Die Königl. Gefangenen-Kranken-Anstalt im neuen Stadtgerichts-Gebäude zählte 1852 Erkrankte. © » 2. . 1862, von ihnen starben . . . 5l, also Mortalität 1: 26°, . c) Die Filial-Gefangenen-Krankenanstalt im ehemaligen Inquisitortat hatte 1853 erkrankte Individuen . . 808, | von denen . . BER ALS starben, so daß die Mortalität sich auf 1:16'%, stellte, | 10) Die chirurgische Klinik nahm: während des Jahres 1853 98 Kranke auf; hievon starben 6. Das Mortalitätsverhältniß war also 1: 16%. 22 * 172 44) Die geburtshilfliche, Klinik verpflegte im Jahre 1853: | Kranke Unschwangere . . 22, davon starben . 3, Kranke Schwangere . . . 5, R » Gebärende . . . -. „. . 235 2 DE 5 7 Kranke Wöchnerinnen . . 4, r guu SBCH, Kinder- wurden geboren... 138, 5° 9: . 20, imeuıem. ir Ve en Mithin Mortalitätsverhältniß ur H%.4. 12) Die Heilanstalt für Augenkranke behandelte in ihrem Ohlauerstraße Nr. 47 gelegenen. Lokale stabile Augenkranke 61. Soweit die Nachrichten über die stabilen Armen-Heilanstalten während des letzten Ps Nicht minder umfangreich war die Wirksamkeit der __Hausarmen-Krankenpflege. Die erste Stelle. nimmt; hier ein: 1) Die Krankenpflege durch die Bezirks-Armenärzte: -—Es-sind durch diese behandelt worden 10,973, gestorben sind 79. Mithin Mortalität 1: 13°6%,,,. Der kommunale Verwaltungsbericht .ergiebt, .daß ‘der einzelne ‘Kranke nicht mehr als 20 Sgr. 176), o973 Pf. kostete, indem für Medikamente 2. 2 220002 8 lee 5 18984 Thlns 142. Sgr. 6 Pf. an: Honorar für Aerzte ; 2 5 rar an Honorar für Wundärzte . 2 2 2 2 .20020.'875 E= — für Bruchbänder, Bandagen etc. . . . 2... ..180 _ für Kiystiere an: Praueh-., Yoga Motiv Ders elD ig für Wannenbäder . . . + Hliste_ Einiläihrarei 5 _ für a a s. nee 1 ha 37 58, für Brunnen und Molken . EN ER 7 FOR: SERRORIEN Tanne: zusammen 7445 Thlr. 9 Sgr. 6 Pf. verausgabt worden. Die Steigerung der Krankenzahl hat nicht mehr als 425 betragen und entspricht durchaus dem Verhältnisse des Wachsthums der Bevölkerung. Das Ergebniß ist als ein um so günstigeres anzusehen, als die Masernepidemie im verflossenen Jahre zahlreiche Opfer namentlich unter der Kinderwelt forderte. Obwohl diese Masernepidemie einen großen Antheil an der Mortalität hatte, so war die letzte doch im Allgemeinen keine größere als in anderen Jahren, und wurde hier in der Hausarmen-Krankenpflege spe- ziell aufgewogen durch die geringe Mortalität: resp. fast deren Mangel unter (den ‚Wechselfieber-Kranken. 173 Br un '2) Die Tharoult-Blacha’sche Fundation verpflegte 1980 Kranke; von diesen starben 41. . Mortalitätsverhältniß 1: 48%, - 3) Das Haus-Armen-Medizinal-Institut behandelte 487 ‚Kranke, von denen 28.starben. Mortalität 1: 171. 4). Die israelitische Hausarmen-Krankenpflege umfaßte 1163 Personen, von denen 59. gestorben. Mortalität 1: 19%%,,. 5) Das €. D. Kuh’sche Hausarmen-Kranken-Institut verpflegte 232 Personen, von denen 12 gestorben. Mortalitätsverhältaiß 1: 19%. 6) Die medizinische Poliklinik. Sie behandelte 563 Kranke, von denen 33 starben. Mortalität 1: 17%. 7) Die chirurgische Poliklinik verpflegte 1580 Personen. 8) Die geburtshilfliche Poliklinik behandelte 784 Individuen, 40 kranke Unschwangere. Davon starben . LE ai.kranke Schwangere... ... 1. 0. .nde erkenne 26 kranke Wöchnerinnen . . . : 2202.41 251- Gebifsndasizyilenl. OS. nadesiibäta Idsia. anbd; 263 neugeborne Kinder -. . » -» > 2.2.2..97 167 kranke Kinder k 39, 784 103. Mortalitäts-Verhältniß 1: 7°% g5- 9) Der schlesische Verein zur Heilung armer Augenkranker behandelte ambulatorische Kranke 820, von denen allein 711 Individuen unserer Stadt angehörten. 10) Privat-Vereine. Unter ihnen die bedeutendsten; a) Ber Sterbe- und Krankheits-Kassenverein zur Eintracht, Derselbe zählte am Ende vorigen Jahres 1959 Mitglieder, von denen - durch den Vereins-Arzt Dr. Springer 506 Kranke behandelt wurden. Von diesen sind genesen 484 und 22 gestorben. Mortalität 1: 23. b) Der Gesundheits-Pflege-Verein. Ihm gehören 940 Mitglieder mit 3672 Personen an. Von diesen erkrankten 2955 (und zwar 832 Männer, 939. Frauen und 1184 Kinder), von denen 74 gestorben sind. Mortalität wie 1:39%%,. Eine genügende Erklärung für dieses im Vergleich mit dem Totalergebniß in der Stadt unverhältniß- mäßig günstige Mortalitätsverhältniß ist damit gegeben, daß die Mitglieder dieses Vereins die ärztliche Hilfe bei der geringfügigsten Veranlassung in Anspruch nehmen. Dadurch wird die Krankenzahl höher gesteigert als in anderen Kreisen der Mittelstands-Bevölkerung unter denselben Verhältnissen geschieht, . 174 und darum ist auch der durchschnittliche Kostenpreis für den Kranken ein ganz er nie- driger, nämlich pro Kopf 22 Sgr, 1 Pf. für Arzt und Arznei. , Stell man diese Zahlenergebnisse zusammen und fügt die aus anderen Fehr fingien, sowie die ambulanten Kranken in dem Allerheiligen-, israelitischen, Elisabethinerinnen- und Barmherzigen- Hospitale hinzu, so ist leicht ersichtlich, wie durch die Zunahme derselben auch diejenigen gewachsen sind, die ohne das Bestehen dieser Einrichtungen der Kommune als arme Kranke anheimgefallen wären. Man kann die Zahl dieser, wenn gleichwohl die Einwohnerzahl Breslau’s zuverlässig auch im Ichiton Jahre um 4000 Köpfe gewachsen ist, arbiträr ganz gering auf 2000 veranschlagen. Hiernach ergiebt sich als Gesammt-Uebersicht der in den 23 Instituten im Jahre 1853 verpflegten Kranken nnd Gestorbenen. a) In den städtischen Instituten. SZ Im Allerheiligen-Hospitatale . . . ae 4900 514 In der Communal - Hausarınen - Krankenpflege durch die 14 Berker TER, 10973 793 EN 15873 | 1307 b) In den nicht städtischen 20 Instituten. Im Barmherzigen Brüder-Hospital. . . . ... . 2326 80 Im Elisabethinerinnen-Hospitl. . » » 2.0. 1462 94 Im Augusten-Kinder-Hospitll . . » » 2... 104 15 Im Fränkel’schen israelitischen Hospital . . . . . 183 16 Im Diakonissen-Krankenhaus Bethanien . .-. . . 350 14 Im Hebammen-Institu . . . A re. 795 32 In der Gerahgeneh Krähkicheletate TE ER 753 13 Im Gefängniß-Lazareth. . usa f.Iarıl. (ar. . 1665 66 In der chirurgischen Klinik*) . . . . . .Iy® 98 6 In der geburtshilflichen Klinik. . . : 2. 2.2. 295 26 In der Augenheil-Anstalt . . . . 61 — Im Tharoult-Blacha’schen Eonsiriki- Korkkenritiiet: 1980 Aal Im Hausarmen-Medizinal-Institut . . 2. 2.2.2.2. 487 | 28 In der jüdischen Hausarmen-Krankenpflege . . . . 1163 59 Im C. D. Kuh’schen Hausarmen-Kranken-Institut . . 232 12 In der medizinischen Poliklinik . . . . 2... 563 33 In der chirurgischen Poliklinik. . . . . . 1980 _ Latus A 13106 | 535 u) Die n medizinische Klinik ist a mit dem Hospitale zu Allerheiligen vereinigt und ihre Krankenzahl daher. dort mit eingerechnet. mi IZENEIT "Kranke | Gestorben P Transport 13106 535 In der geburtshilflichen Poliklinik. ... . » 784 103 In dem schlesischen Verein für arme Ah ö 1520 — InaenPrivätvereinen 5 Sı97. 70 sl oh. N 2% 2000 _ Zusammen 15873 | 1307 ‚ Mit Hinzurechnung der obigen 17710 | 638 Totalsumme | 33583 | 1945 Das Mortalitätsverhältniß war in den städtischen Instituten wie 1: 1218°% ,,7, in den nicht städtischen 1::20%%, ,,; im Ganzen 1 :17%6% 45: Leider läßt sich an diese Zahlennotizen kein gleich erfreulicher Bericht über das Wachsthum und die Veränderungen unserer Krankeninstitute knüpfen, wie sich solcher im vorigen Jahre herausstellte. Einige Fortschritte zum Bessern sind indessen auch in diesem Jahre gemacht worden. Vor Allem ist einem eclatanten Bedürfnisse, dessen Vorhandensein ich in meinem vorjährigen Berichte zur Genüge con- statirte, wenigstens zum Theil entsprochen worden. Sehr fühlbar nämlich war der Mangel eines Kran- keninstituts für die entlegene jenseitige Oder- und Sandvorstadt, um so fühlbarer, als die Bevölkerung dieser Stadttheile die ärmste ist. Die Abhilfe ist vom Elisabethinerinnenkloster gekommen, welches neben seiner in der Antonienstraße gelegenen Krankenanstalt eine Filiale auf der kleinen Domstraße Nr. 8 am 8. Juli errichtet hat. und zwar in dem alten chirurgischen Klinikum, welches bei aller Unzulänglichkeit für seine frühere Bestimmung nun für den gegenwärtigen Zweck sehr passend ist. Das Grundstück wurde vom Convent mit Geldern erkauft, die von Privaten hiezu fundirt waren; die innere Einrichtung (sechs fundirte Betten) und die Krankenpflege sind genau so, wie in der Mutteranstalt. Auch ist die Obe- rin des Klosters hier die Vorsteherin, gleich wie die Medikamente von diesem bezogen werden. Als Arzt und Wundarzt der Anstalt fungirt Herr Dr. Lange, ehemaliger Secundärarzt der chirur- gischen Klinik. Da diese Filialanstalt hauptsächlich darauf berechnet ist, Kranke der Stadttheile und nahe gelegenen Dörfer am rechten Oderufer aufzunehmen, so erfüllt sie für unsere Stadt eine lange vernachlässigte Pflicht, und das Institut ist mit warmer Anerkennung seiner segensreichen Bestimmung zu begrüßen. Schon aus demselben Motiv ist die stattgefundene Verlegung des Augusten-Hospitals von der Teich- straße nach Matthiasstraße Nr. 75, also gleichfalls in den bedürftigen Theil der Stadt, gut zu heißen. Die Anstalt, deren Bettenzahl 22 beträgt und in welcher Herr Dr. Paul, Privat-Docent, die ärztliche Obsorge übernommen hat, besitzt leider noch nicht die zulänglichen Mittel, um ihre segensreiche Wirk- samkeit weit ausdehnen zu können. Sie vermag, wie vortrefflich geleitet bei ihrer sehr zweckmäßigen Einrichtung sie auch ist, noch nicht einmal alle vorhandenen Betten stets belegt zu erhalten, und doch thäte ‚es wahrhaft dringend Noth, daß die Zahl selbst dieser noch sehr ansehnlich vermehrt würde, um dem vorhandenen Bedürfniß auch nur annähernd entsprechen zu können. Wäre es, wenn nicht, durch Aufbringung von Mitteln auf privatem Wege, durch kommunale Unterstützung möglich, für das Augusten- Hospital mindestens die Einrichtung einer Dispensir- und ärztlichen Sprechstunde herbeizuführen, so ge- schähe vielen. armen Familien eine wahre Wohlthat. Bei dem vorhandenen gänzlichen Mangel an Kin- derkranken-Anstalten in Breslau, während fast in allen großen Städten der civilisirten Staaten viele „Krippen“ bestehen, sollte hier ernstlich auf Erweiterung des seinem Zwecke sehr entsprechend dienst- baren Augusten-Hospitals Bedacht genommen werden. Im Uebrigen ist bezüglich der Veränderungen im Hospitalwesen hiesiger Stadt während des abge- laufenen Jahres nur noch zu erwähnen, daß die Räume der neuen Königlichen Gefangenen-Kranken- Anstalt sich nicht nur, wie bereits erwähnt wurde, als unzweckmäßig, sondern auch als unzureichend erwiesen haben. Daher wurde auch in dem Gefängnißgebäude auf der Schweidnitzer Straße (im soge- nannten alten Inquisitoriat) ein Filialkrankenhaus für die männlichen zuchthausgefangenen Kranken einge- richtet. Dasselbe entbehrt indessen aller freien Luft und richtigen Ventilation und ist daher für seinen Zweck noch ungeeigneter als das Mutterkrankenhaus, eine Behauptung, welche die dort sehr heftig auf- gewretene Scorbutepidemie in schon allzu traurig evidenter Weise bestätigt hat. Durch die Verlegung der Criminalgefangenen-Krankenanstalt nach dem neuen Gefängnißhause und der resp. Kranken darin verblieben in der von der Kommune besorgten Kasematten-Gefangenen-Kran- kenanstalt auf dem Barbarakirchhofe nur noch die kranken Polizei- und Arbeitshausgefangenen, deren Versorgung und Verpflegung durch das Allerheiligen-Hospital die städtischen Behörden sowohl wegen der Nähe desselben, als auch weil die Kranken in letzterem noch nach ihrer Haft bis zur Beendigung der Krankheit behandelt werden, untergeordnet haben, so daß jetzt die städtische it nn nee Krankenanstalt mit dem Allerheiligen-Hospitale ganz und gar vereinigt ist. Auch die städtische Hausarmen-Krankenpflege erfuhr im letzten Jahre nur wenige Verände- rungen. Die wesentlichste bezog sich auf Ersparnisse in der Medikation. Man hatte nach dem Vorgange anderer Kommunen Anfangs den Gedanken, eine Art lokaler Armen-Pharmakopöe einzuführen, nach wel- cher die städtischen Bezirks-Armerärzte ordiniren sollten; man ließ jedoch diesen Plan fallen und be- gnügte sich damit, für die Armenärzte gewisse Grundsätze und Regeln behufs einer billigeren Receptur aufzustellen und deren Befolgung anzuempfehlen, Diese Anleitung ist in Folgendem enthalten, Anleitung zur Kostenersparniss beim Verordnen der Arzneien in Folge des $ 27 der Dienst-Instruktion ‘für die Armenärzie Breslau’s Die jährlich steigende Zahl der Armen und Armenkranken macht die größtmöglichste Sparsamkeit in der Medikation für die Kommune nöthig. Wir haben zu den Herren Armenärzten zwar das 'Ver- trauen, daß sie an und für sich schon zur Erreichung dieses Zweckes hinwirken werden, weisen die- selben zugleich aber an, beim Verordnen der Arzneien für Armenkranke die folgenden Andeutungen zu berücksichtigen. $ 1. Arzneien sind den Armenkranken überhaupt nur, wo sie nothwendig sind, zu verordnen. Das Verschreiben sehr großer Quantitäten auf einmal und der öftere Wechsel der Arzneien ist thunlichst zu vermeiden. $ 2. Den theuren Medikamenten und theuren Medizinal-Formeln sind, so weit es das Wohl des Kranken irgend erlaubt, wohlfeile zu substituiren. $ 3. Es ist die größtmöglichste Einfachheit in der Medikation anzustreben. Allzusehr zusammen- gesetzte Formeln müssen vermieden, alle überflüssigen Zusätze weggelassen werden, 177 $ 4. Die Herren Armenärzte werden sich, um diesen Grundsätzen gemäß im konkreten Falle zu handeln, die genaueste Kenntniß der Arzneitaxe anzueignen haben. $ 5. Die Herren Armenärzte werden ferner auf einige, bei der Arznei-Verordnung für Kranke bisher nicht immer beachtete Spezialien aufmerksam gemacht. $ 6. Pulver in größeren Mengen und Pillen sind, statt in Schachteln, soweit diese nicht durch Papierbeutel ersetzt werden können, in grauen Kruken zu verordnen, J) weil die Kruken billiger sind, 2) weil sie, wenn die Armen-Kranken sie bei Reiterationen oder neuen Verordnungen zurück- bringen — worauf streng zu halten ist — beim Taxiren der Rezepte abgerechnet werden, was aber bei Schachteln nicht der Fall ist. $ 7. Infusionen und Dekokte, so weit sie nicht durch Verabreichung von Spezies ersetzt werden können, sind im Allgemeinen nur bis zu sechs Unzen incl., Emulsionen und Auflösungen nur bis zu acht Unzen incl. zu verordnen. $ 8. Infusionen sind weit billiger als Dekokte, und denselben daher, wo kein besonderer Zweck für's Dekokt vorliegt, vorzuziehen. $ 9. Zu Kataplasmen, Fomenten und manchen Dekokten sind nur die Ingredienzen zu verschrei- ben, so z. B. statt des Bleiwassers: Bleiessig, der im Hause des Kranken gemischt werden kann, ebenso Gerstenschleim. $ 10. Pulver sind, wo es sich um eine genaue Bestimmung der einzelnen Gabe handelt, zu divi- diren, sonst aber nicht besonders zu dispensiren, sondern in größeren Quantitäten und vom Kranken selbst abzutheilen, ebenso Spezies. $ 11. Zum Bestreuen der Pillen ist statt der noch häufig in Anwendung kommenden Cassia cin- namomea etc., pulvis radicis Althaeae, pulvis radicis Glycyrrhizae oder sem. Lycopodii zu wählen. $ 12. Der Gebrauch der destillirten Pflanzenwässer ist möglichst einzuschränken. $ 13. Die theueren Syrupe sind zu vermeiden; Syrupus simplex und communis werden für die meisten Fälle ausreichen. $ 14. Die Form des Extrakts muß möglichst vermieden werden. $ 15. Von den fetten Oelen ist das theuere Oleum Amygdalarum durch Oleum Olivarum, Pa- paveris, Lini zu ersetzen. $ 16. Der Gebrauch des Chinioideum und der Tinetura Chinioidei wird zur besonderen Berück- sichtigung statt des iheueren Chinin anempfohlen. Von den Chinin-Präparaten ist Chinium sulphuricum billiger als Chinium hydrochloratum. $ 17. Der Gebrauch der Blutegel ist möglichst einzuschränken. Sie können häufig durch Schröpf- köpfe ersetzt werden. $ 18. Die Mineralbrunnen sind aus der Anstalt Struve und Soltmann entnehmen zu lassen, indem diese uns gegenüber sich bereit erklärt haben, die Preise nach den Engros-Preisen zu berechnen. Es ist jedoch darauf zu halten, daß die Brunnenflaschen stets zurückgeliefert werden, Breslau, den 6. April 1853. Die Armen-Direktion. Die letzten Medikamenten-Rechnungen und Revisionen erweisen, daß diese Maßregel nicht ganz ohne günstigen Erfolg geblieben ist. 23 178 Im Anschluß an diesen Bericht habe ich ‚Ihnen, meine Herren, zur: Darlegung der statistischen Er- gebnisse des abgelaufenen Jahres in Bezug auf Bevölkerungs-, Gesundheits- und Sterblichkeits-Statistik. der Stadt Breslau nur noch einige Bemerkungen vorzutragen. Es wurden im Jahre'1853 hier geboren 4561, gestorben sind 4984, mithin sind 423 mehr gestorben’ als geboren wurden, eine anomale Erscheinung, wie. sie wiederum seit’dem Cholerajahre 1849 hier nicht wahrgenommen wurde. Der Grund hiefür kann zum Theil in der großen Sterblichkeit der masernkranken Kinder im ersten Quarlale' des Jahres gefunden werden, wo diese Epidemie viele Opfer dahinraffie. Im Ganzen starben 836 Kinder bis zum Alter von 6 Jahren; hiervon an’ Masern 264, darunter in der kommunalen Hausarmen-Krankenpflege 72 von 1599 an Masern Erkrankten, welche unter 4102 in der ganzen Stadt zur Kenntniß’ gekommenen Masern-Er- krankungsfällen vorhanden waren. ‘Von anderen Ausschlägen kam der Scharlach nur sporadisch vor; am stärksten war die Wechselfieber-Epi- demie, die jedoch, weil sie keine unmittelbar nachtheiligen Folgen zeigte, auf die Mortalität ohne Einfluß blieb. Um wenigstens einen annähernden Begriff von ihrem bedeutenden Umfange zu geben, sei bemerkt, daß sie im zweiten Quartale und zwar vorzugsweise im Hinterdom-Bezirke begann und ihre Höhe im dritten Quartale erreichte, hier jedoch sich eben so am linken Oderufer in der Ohlauer Vorstadt verbreitete. Sie ergriff im zweiten Quartale von 2338 Hausarmen-Kranken 273, von 2511 im dritten Quartale 529 und im vierten von 2022 Kranken 304 Individuen, also mehr als 33 Prozent von den in diesen, zu- nächst der Oder gelegenen Stadttheilen erkrankten Armen; eine Wechselfieber-Epidemie, wie sie hier seit 1829 und 1830 nicht bemerkt worden ist. Glücklicherweise war sie für die Cholera von keinem irgend- wie bemerkbaren Einfluß, wenigstens nicht als deren Vorläufer. Zwar war die Cholera im Jahre 1853 leider ziemlich heftig hier aufgetreten, doch nur im ersten Quartale, wo sie, nachdem sie am 18. De- zember 1852 begonnen, bis zum 1. Januar 12 Individuen ergriffen hatte, nach dem Neujahr der Art wuchs, daß sie bis nach Ostern (28. April 1853) 615 Kranke mit 378 Todten zählte. Hievon sind in der Cholera-Krankenanstalt (Friedrichs-Kasematte) aufgenommen worden 215, von denen 105 starben. Welchen Antheil die Cholera außerdem an der Hausarmen-Krankenpflege darbot, geht aus den armen- ärztlichen Listen hervor. Nach diesen kamen unter 5000 Erkrankten 167 Cholerakranke mit 59 Sterbe- fällen vor. Am häufigsten wurde sie im sechsten Medizinat-Bezirke (Johannis-, Ketzerberg-), besonders im Graben- und Bernhardiner-Bezirke), und im zehnten (Schweidnitzer Vorstadt), hier mit 25 Kranken, von denen 11 starben, dort mit A6, von denen 16 starben, wahrgenommen, am wenigsten dagegen in der Oder-Vorstadt. Als die Cholera im vorjährigen Sommer in Berlin ziemlich heftig ausbrach und hier die Wechselfieber-Epidemie auf ihrer Höhe stand, hatte man nicht mit Unrecht Befürchtungen für ihren Ausbruch in Breslau, der glücklicherweise, wie schon bemerkt ist, ausblieb. Was die Mortalität anlangt, so ist die Gesammt-Mortalität Breslau’s im Verhältniß zur Einwohner- zahl darum nicht genau festzustellen, weil. die letztere in Ermangelung einer stattgehabten ‚Zählung nicht zu. ermittela ist. Nimmt man indeß an, daß nach den Erfahrungen der. letzten drei Jahre die Ein- wohnerzahl auch im Jahre 1853, wie in den vorhergehenden, um 3,7 Prozent. gestiegen ist, so würde sie sich auf 1:24, also noch schlechter als 1852, stellen. Nicht so gestiegen als sonst ist die Zahl der Armenkranken, lich nicht im Verhältniß zur gestiegenen Einwohnerzahl. Von Seiten der Stadt sind nur 278 mehr, und zwar im Allerheiligen-Ho- spital. 147. weniger, und: 425 mehr in der Hausarmen-Krankenpflege behandelt worden, von den übrigen Instituten 1205. Im Ganzen hat sich also in dieser Beziehung kein unbefriedigendes Resultat heraus- gestelll. Nicht minder günstig ist dasselbe hinsichtlich des Mortalitätsverhältnisses in der Armen-Kran- kenpflege, da es sich auf 1:17 stellte, dagegen im Vorjahre 1:14 betrug. Auch ganz speziell für 179 die städtischen Institute ist sie niedriger geworden, indem sie 1:12 betrug und im Vorjahre 1:11, woran vorzugsweise die geringe Mortalität des Allerheiligen-Hospitals participirte. Die Gestorbenen in der Armen-Krankenpflege (1948) in Verhältniß gesetzt zur Gesammt-Mortalität der Stadt (4948), ergiebt 39, was günstiger ist als in den letzten beiden Vorjahren, wo dieser Antheil 41,5 und 40,4 betrug. Immerhin zeigt er, daß in Breslau je der dritte Todte ein in der stationären öffentlichen Krankenpflege Gestorbener war und in den Krankenhäusern allein mehr als der fünfte (59% ,,), ein Verhältniß, das freilich nur im Vergleich zu dem Ergebniß der vorangegangenen Jahre als ein we- nigstens einigermaßen günstiges angesehen werden darf. Sitzung vom 1. December 1854. Herr Medizinalraih Professor Dr. Barkow legte mehre anatomische Präparate vor. 1) Die untere Hälfte des Schädels einer 50jährigen Frau, welche während des Lebens die Er- scheinungen der Fragilitas vitrea ossium in hohem Grade dargeboten hatte. Die Diploe sowohl als die äußere und innere Tafel des Knochens, besonders die letztere, zeigen Schwund der Art, daß sie stellen- weise Lücken darbieten, welche nur durch Membranen geschlossen sind. An der Basis so wie am auf- steigenden Aste des Unterkiefers zeigt der Knochen viele kleine runde scharfrandige Löcher, welche die Tabula vitrea durchdringen und ihr ein wurmstichiges Ansehen geben. 2) Herz einer 32jährigen Frau, die an Cyanosis cardiaca congenita gelitten hatte. Patientin, eine Nätherin, hatte stets Dispnoe beim Gehen, befand sich aber nur durch 5 Tage vor ihrem plötzlich erfolgenden Tode in ärztlicher Behandlung. Sie war wohl genährt, gut gewachsen, die letzten Phalan- gen der Finger aber waren kolbig. Durch die Percussion wurde eine Volumenszunahme des Herzens constatirt, während die Auscultation überall, besonders aber links vom Sternum an der Aten Rippe, ein continuirliches Blasebalggeräusch sowohl während der Systole als Diastole wahrnehmen ließ. Das Herz bot eine bedeutende Hypertrophie mit Verdickung der Wände, besonders derer des rechten Ventrikels, dar, so wie eine Perforation des Sepli ventriculorum unterhalb des Ursprunges der Aorta von 5 Linien Durchmesser. Ductus Botalli und Foramen ovale waren geschlossen, jedoch ungewöhnlicher Weise eine Sienosis orificii arteriae pulmon. nicht vorhanden, wohl aber eine Stenosis aortae am Bogen der- selben, und von da anfangend eine Verminderung des Durchmessers der ganzen Aorta thoracica. Die Arterienklappen waren gesund. Der Blutlauf durch die Lungen war demnach nicht direct gehindert. 8) Ein dem Anscheine nach fast ausgetragenes Kind mit zwei vollständigen Köpfen auf einem Rumpfe. Der Rückgrath war bis gegen die Lumbargegend hin doppelt, das Sternum aber einfach, und außer zwei vollkommen entwickelten Ober-Extremitäten die Andeutung einer dritten zwischen beiden Hälsen vorhanden. Die genauere Untersuchung wurde vorbehalten, dagegen angeführt, daß die Geburt innerhalb 14 Stunden ziemlich leicht, und zwar in der Art staltgefunden habe, daß sich zuerst der rechtseitige Kopf in der ersten Scheitellage zur Geburt gestellt habe und bis zur Schulter geboren wor- den sei. Hierauf erfolgte ein Stillstand, demnächst die Entwickelung des Rumpfes bis zum Steiß, und darauf erst die des linkseitigen Kopfes. 25* nal lo Beh Be N 237 22 2 er die aa | 17 Ber - ne a Ro a -- RR an zz m. Kızas ea nahe A % 54 ern a ZT ee x Beh salantenn Shaun ayiaht. alt. udn nah aan Aa £ yELPFT en a et win en. NUSMAER IE em: be Hehe keandane an darab nen. 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(Handschriftlich eingesandt und vom Secretair vorgetragen.) 2) Von Herrn Inspector Neumann: Ueber Kultur und Benutzung der Erdmandel. 3) Von Herrn Kunstgärtner Frickinger: Ueber Kultur verschiedener Topfpflanzen. 4) Von Herrn Erbsaß Bloch: Ueber die Resultate des Anbaues der von der Section erhaltenen Gemüse-Sämereien. (Schon im vorigen Berichte erwähnt.) 5) Von Herrn Turnlehrer Rödelius: Ueber die Traubenkrankheit. 6) Von Herrn Rustikalbesitzer Block zu Staude bei Pleß: Ueber Obstbau in Oberschlesien. (Eingesandt und vom Secretair vorgetragen.) 7) Von Herrn Kunstgärtner Frickinger: Ueber die Kultur von Cissus discolor. 8) Von Herrn Inspector Neumann: Ueber Kultur und Nutzbarkeit der Knollen von Lathyrus tuberosus. 9) Vom Secretair: Betrachtungen eines Laien über die Kartoffelkrankheit. 10) Von H. Pastor Cochlovius zu Schönwald bei Kreuzburg: Ueber den Stand der Obstbaumzucht in der Kreuzburger Gegend nebst Verzeichniß der in der Baumschule desselben vom Jahre 1828—1854 kultivirten Obstsorten. (Eingesandt, vorgetragen und beantwortet durch Herrn Dr. Fickert.) .11) Von Herrn Director Dr. Fickert: Ueber Entstehung und Fortpflanzung der edlen Obstarten, besonders des Kernobstes. Nächstdem ist Folgendes aus den Verhandlungen und Vorkommnissen der Section als das Wich- tigste hervorzuheben: Der Versuch, diejenigen Freunde des Obst-, Garten- und Gemüsebaues, welche sich in der Provinz zerstreut befinden, mit der Section zu verbinden, ist von einem sehr günstigen Erfolge gewesen, und die 182° | Section muß es dankbar erkennen, daß sich ihr so viele nützliche und thätige Kräfte bereitwillig ange- schlossen haben und ihr dadurch Gelegenheit geworden ist, nach außen wirksamer zu werden und in einem regeren Verkehre ihre Zwecke je länger je mehr zu fördern. Wenn bei den Ausstellungen, na- mentlich denen des Frühjahrs, mehr das ästhetische und blumistische Interesse hervortritt, so betraf der Verkehr der Section mit ihren auswärtigen Mitgliedern hauptsächlich die praktische Seite, die Obst- und Gemüse-Zucht. Für jetzt ließ sich in dieser Hinsicht noch nichts Anderes wirken, als daß Edel- reiser von Obstsorten und Sämereien von Gemüsen aus guter Quelle bezogen und an die Mitglieder in der Provinz vertheilt wurden, weshalb! eine Aufförderung durch’ die Zeitungen erging, daß diejenigen, welche dergleichen zu haben wünschten, sich rechtzeitig melden sollten, wobei sie sich verpflichteten, über die Resultate des Anbaues seiner Zeit der Section Bericht zu erstatten. Die Edelreiser wurden von. dem «Garlen —— ee Viertens hat es einerseits die Gewinnsucht, andererseits die wohlbegründete Maxime, jeden Stoff ‚möglichst auszubeuten, dahin gebracht, daß man zur Kartoffelaussaat nicht mehr die ganzen Kartoffeln, sondern die ausgeschnittenen Augen verwandte. Wer möchte es auch einem sparsamen Landwirth ver- denken, wenn er aus den Augen ebenfalls Kartoffelpflanzen erziehen und den übrigbleibenden stärkemehl- haltigen Theil zur Nahrung für seine Wirthschaft oder für seine Brennerei verwenden kann, daß er nur die Augen legt. Freilich ist es problematisch, ob der jetzt der Saat entzogene Theil des Stärkemehls, welches im Augenblick zur Nahrung dient oder zu Spiritus wird, nicht der nächsten Ernte größere Prozente entzieht. Denn es ist kaum zu bezweifeln, daß die Pflanze, welche aus dem ausgeschnittenen Auge erwächst, schwächer ist und schwieriger gedeiht als diejenige, welche aus einer ganzen Knolle sproßt, deren Vorrath an denjenigen Stoffen, welche den Hauptinhalt der sich bildenden Zellen ausma- chen, der sich entwickelnden Pflanze zu Gute kommen und die Kraft derselben vom ersten Beginne ihres Wachsthums erhöhen muß. Selbst der ansehnliche Antheil von Wasser in der Kartoffelknolle ist dem keimenden Sproß förderlich. Es ist der naturgemäße Weg, daß die Kartoffelpflanze aus der Knolle ‚erwächst: nehmen wir die in der Knolle gegebenen Stoffe hinweg, so entziehen wir der entstehenden Pflanze einen Theil der Stoffe, welche ihr bei der natürlichen Fortpflanzung zu Statten kamen. Daß diese Stoffe verbraucht werden, sieht man an den Kartoffeln, welche außerhalb des Bodens keimen: in- dem der Trieb heranwächst, wird die Knolle welk und verkleinert sich bis zur Austrocknung, worauf der Trieb welkt und abzusterben beginnt. In gleicher Weise vertrocknen die Kotyledonarblätter der Bohne, indem das junge Pflänzchen die in ihnen angehäuften Stoffe für sich verwendet. | Endlich mag auch die Art, wie man die Kartoffeln über den Winter aufbewahrte, mit der Zeit sorgloser geworden sein: denn je leichter eine Frucht gedeiht, je größer die gewonnenen Massen sind, desto weniger genau wird es mit ihr genommen. Irren wir nicht, so wurden früher zur Einwinterung der Kartoffeln steis Gruben von etwa sechs Fuß Tiefe gegraben, bis wohin die atmosphärischen Ein- flüsse, namentlich die Wirkungen des Frostes, nicht eindringen. Diese Vorsicht wird jetzt wenigstens nicht überall beobachtet, und die Aufbewahrung der Kartoffeln über Winter mag wohl an vielen Orten nicht mehr mit der früheren Gewissenhaftigkeit geschehen. Fassen wir die soeben angeführten ursächlichen Momente zusammen, so kann es nicht zweifelhaft sein, daß daraus eine Verschlechterung dieser Frucht sich ergeben mußte. Die Reife der Kartoffeln ist verfrüht worden, und in Folge dessen sind die blühenden und beerentragenden Kartoffelfelder bei uns verschwunden, Die Sorten sind außerordentlich vermehrt und dadurch die Pflanzen geschwächt worden, Die Erziehung aus den ausgeschnittenen Augen hat die Generationen geschwächt. Die minder sorgfältige Aufbewahrung während des Winters hat denselben Erfolg gehabt. Es ist nicht abzuleugnen, daß man Alles geihan hat, um die Kraft dieser Pflanzen zu verringern und sie für alle nachtheiligen Einflüsse empfänglicher zu machen. Wie im Thierreich, so ist auch im Pflanzenreich das Individuum um so empfänglicher für äußere Agentien, je schwächer es ist, je geringer die Kraft des Widerstandes ist gegen die ihm nicht adaequa- ten Verhältnisse der Außenwelt. Ganz besonders gilt dies von den Kulturpflanzen, wovon in den Hand- büchern über die Obstbaumzucht das Kapitel über die Krankheiten der Obstbäume einen schlagenden Beweis liefert. Abgesehen davon, daß die Pflanze unter ein anderes Klima und in einen anderen Boden versetzt ist, muß in ihr durch die Behandlung, welche an einer bestimmten Stelle, hier in der Wurzel- knolle, dort in der Frucht, die Anhäufung derjenigen Stoffe anstrebt und bewirkt, wodurch sie uns zur Speise zu dienen geschickt wird, eine Veränderung ihrer natürlichen Beschaffenheit erfolgen und die Pflanze dadurch unfähiger gemacht werden, ungünstigen Einflüssen zu widerstehen, oder wie dies die Praxis nennt: sie muß verweichlicht werden. Vorausgesetzt nun, daß die Beobachtung richtig ist, welche 201 von vielen Seiten ausgesprochen worden ist, daß bis dahin ganz gesunde Kartoffelfelder im Verlaufe von 24 Stunden durch welkes und gleichsam verbranntes Laub den eintretenden Beginn der Krankheit nach einer plötzlichen Wilterungsveränderung anzeigten, wie sie im Juli und August häufig eintreten, indem auf brennende Sonnenhilze ein kalter Regenguß und plötzliche Abkühlung erfolgt; wenn die Verknüpfung dieses plötzlichen Wechsels mit dem Beginn der Krankheit begründet ist: so ist es sehr glaublich, daß die Verfrühung der Kartoflelsaaten in dieser Hinsicht nachtheilig gewesen ist. Trafen diese Witterungs- wechsel die Pflanze, als sie noch jünger und in der Kraft des Wachsthums war, wie dies ehedem der Fall gewesen sein muß, so vermochte sie, damals im raschesten Stoffwechsel und in der lebhaftesten Entwickelung begriffen, eher diese Nachtheile zu überwinden. Jetzt, wo sie der Blüthe nahe oder schon im Blühen begriffen, gleichsam still steht im Wachsthum, wirken die jähen Temperaturwechsel auf das Laub zerstörend und damit auf die fernere Entwickelung der Pflanze verderblich. Denn mit der Zerstö- rung des Blattes, überhaupt der grünen Theile, muß die Bildung der Knolle, welche jetzt stattfindet, gestört und gehemmt werden. Dies ist ein Erfahrungssatz: Obstbäume, die durch einen Unfall der Blät- ter beraubt werden, liefern verhältnißmäßig kleine und unvollkommene Früchte. Wir schließen hieraus, die Kartoffelpflanze ist verweichlicht worden, indem ihre Vegetationsperiode verrückt, indem die Kartof- felernte verfrüht worden ist. Geben wir also die Pflanze ihrer angemessenen Jahreszeit wieder. Ob es begründet ist, was manche Landwirthe behaupten, daß diejenigen Getreidefelder, zu deren Besäung nur reifenahe oder nothreife Körner verwandt wurden, dem Rost und Brand vorzugsweise aus- gesetzt sind, mag dahingestellt sein. Das aber ist wohl unzweifelhaft, daß kräukliche Individuen am häufigsten Pilzbildungen aufzuweisen haben. Krankende Birnbäume sind am dichtesten mit der Roestelia cancellata besetzt, und fast immer die widernatürlich strauchartigen, wenn der Hauptstamm abgehauen war, auch von der wilden Holzbirne. Strauchartige Exemplare von naturgemäß baumartigen Gewächsen sind am häufigsten mit Uredo und ähnlichen Pilzbildungen beladen. Theoretisch ließe es sich vielleicht rechtfertigen; zu sagen, daß diese Pilze als wahre Endophyten ihren Ursprung aus der krankhaften Pflanze haben. Wäre es nicht denkbar, daß der Zellinhalt bei mangelnder Thätigkeit und stockendem Stoffwech- sel sich in Uredo-Zellen umbildet? Aber halten wir uns, ohne diesen schlüpfrigen Boden zu betreten, an die Erscheinung. Die Kartoffelkrankeit ist von Pilzbildung begleitet. Wenn diese Pilze nur aus Spo- ren entstehen können, weil „omne vivum ex ovo“, die wir uns in unermeßlicher Menge überall vorhan- den vorstellen müssen, so ist gewiß die kranke oder weichliche Pflanze ein empfänglicherer Boden für dieselben als die gesunde. Wo die eigene Kraft der Ernährung und des Stoffwechsels gehemmt ist, da ist ein geeigneter Boden für den Parasiten. Sobald also der Vegetationsprozeß der Kartoffelknolle da- durch gehindert ist, daß die oberen grünen Pflanzentheile, mit denen ihre Ausbildung in Wechselwirkung steht, zerstört worden sind: ist es erklärlich, daß in ihnen Pilzbildung beginnt, sei es nun, daß diese Aftervegeltation ohne Sporen aus der Pflanze selbst hervorsprieße, sei es, daß sie aus den dahin ge- langten Sporen sich entwickle. In beiden Fällen wird es richtig sein, anzunehmen, daß die Keimung und Entwickelung des Pilzes nicht erfolgen könne, wenn sie nicht ein krankhafter Zustand der Pflanze möglich mache. Die normal vegelirende Pflanze würde der Pilzspore keinen Boden zu ihrer Entwicke- lung gewähren: die Erfahrung zeigt uns, daß alle Pilzentwickelung ein Begleiter der Verwesung orga- nischer Substanzen ist. Aus den hier vorgeiragenen Erwägungen glauben wir darauf hinweisen zu dürfen, daß weder die im Uebrigen äußerst wichtigen Untersuchungen über die die Kartoffelkrankheit begleitenden Pilze, noch die mancherlei angegebenen Methoden, die Krankheit zu verhüten, soweit sie die Behandlung der geern- teten Knollen betreffen, zur Beschränkung oder Beseitigung der Krankheit etwas beitragen werden. Wir glauben vielmehr, wenn überhaupt derselben noch Einhalt geihan werden kann, und wenn nicht irgend 26 ein Gebot der Natur, deren Zusammenhang mit den Entwickelungsstufen der Menschheit nicht verkannt werden darf, uns den Gebrauch dieses Nahrungsmittels gänzlich versagt, indem sie uns dasselbe entzieht, daß nur die Rückkehr zu der alten und einfachen Behandlung dieser Pflanze Abhülfe gewähren kann. Wenn also die Erhaltung der Kartoffeln entweder überhaupt oder wenigstens für die nächste Zeit wünschenswerth ist, so möchten folgende Punkte zu beachten und darauf die Versuche zu richten sein. Erstens möge man die Kartoffel-Aussaat später beginnen, damit die ganze Vegetalionsperiode wie- der in die früher beobachtete Zeit des Jahres falle, damit die Pflanze ihren vollständigen Lebenszyklus regelmäßig durchlaufen, vollständig abblühen. und ihre Früchte. wenigstens ansetzen könne. Dann läßt sich erwarten, daß auch die Knollenentwickelung normal und im gehörigen Maaße vor sich gehen werde. ' Die auf solche Weise gegen jetzt verspäteten Ernten. dürften dann um eben so viel bessere und rei- chere sein. Zweitens verlasse man das ganz falsche Ersparungssystem, ‘nur die ausgeschnittenen Augen zu le- gen: man lege gute und ganze Kartoffeln. Dieser übel angebrachten Sparsamkeit ist gewiß ein großer Antheil an der Verschlechterung dieser Frucht zuzuschreiben, und wir können nicht dringend. genug darauf verweisen, daß man aus den ihrer natürlichen Nahrungshülle und ihres Stoffe-Depots ‚beraubten Keimen kräftige und gesunde Pflanzen nicht zu erwarten hat. Eine einfache Berechnung ‚muß. erweisen, daß es weit sparsamer ist, ganze Kartoffeln zu legen und aus ihnen eine gute Ernte zu erzielen, als durch die ausgeschnittenen Augen auf Jahre hinaus die Generationen zu schwächen. und dadurch. den widrigen Einflüssen zugänglicher zu machen. Drittens beschränke man die Vermehrung der Sorten und kehre zu den wenigen früher gangbar gewesenen zurück. Die Sorge, diese zu ermitteln, anzuempfehlen und wieder zu verbreiten, wird theils ‚den staatlichen Instituten, denen dies zukommt, theils Vereinen, theils auch 'einzelnen sich dafür interes- sirenden Anbauern anheimfallen. Jedenfalls wird es gerathener sein, bei wenigen aus früherer Zeit bewährten Sorten zu verbleiben, als die zahllosen Spielarten fortzupflanzen oder gar noch zu vermeh- ren, da es notorisch ist, daß durch dieselben das Gedeihen dieser Frucht auf keine Weise befördert worden ist. ’ Wir sind weit davon enifernt, zu behaupten, daß die von uns angeführten die einzigen und wirk- lichen. Ursachen der Kartoffelkrankheit sind, noch auch daß dieselbe durch die so eben empfohlenen Maaßregeln zuverlässig gemindert und vermieden werden wird. Möglich, daß diese Krankheit aus noch tiefer liegenden und allgemeineren Ursachen entsprungen ist, als daß sie durch Kulturmethode gehoben werden könnte. In jedem Falle aber, wenn die Kartoffel erhalten zu werden verdient, wird es sich des Versuches lohnen, ob nicht die angedeuteten Vorsichtsmaaßregeln zu einem befriedigenden Resultate führen können. Uns sind sie wichtig genug erschienen, um die Aufmerksamkeit auf dieselben zu lenken. “Für jetzt aber, um diesen Punkt nochmals mit einigen Worten zu berühren, möchte die, fernere Erhaltung der Kartoffel noch wünschenswerth ‚sein: alle bisher vorgeschlagenen Surrogate haben sich als ganz unzureichend erwiesen. Ein besonderer Vorzug der Kartoffel. als Nahrungsmittel ist ‚es, daß sie geeignet ist, in den allermannigfaltigsten Gestalten und Zubereitungsweisen zur Nahrung zu dienen, eine Eigenschaft, ‚die weder irgend ein anderes ihrer Surrogate, noch auch die von Herrn Moleschott empfohlenen ‚Hülsenfrüchte, besitzen. 203 Herr Turnlehrer Rödelius hielt am 29. März 1854 einen Vortrag: Ueber die Traubenkrankheit. Es giebt wohl nicht eins unserer Garten-Journale, welches im Laufe jüngster Zeit nicht einen oder mehrere längere oder kürzere Artikel gebracht hätte über die Weinkrankheit oder Weinstockskrankheit, Reben- oder Traubenkrankheit, über den Weinpilz, Weinschimmel oder Weinmehlthau, auch Weinpest. Mit allen diesen Namen bezeichnet man ein und dieselbe Krankheit, welche in neuester Zeit sich fast in allen europäischen Ländern so sehr verbreitet hat, daß sie, ein Schrecken der Winzer und Wein- bergsbesitzer, zu Besorgnissen der Staatsmänner in Weinländern und zu ernsten Forschungen der Bota- niker Veranlassung gegeben hat. In Frankreich, Italien, Griechenland, Oesterreich, Portugal, wo die Krankheit die frohe Aussicht der fleißigen Winzer auf eine gesegnete Ernte mit einem Schlage vernich- tete, vergleichbar der Kartoffelkrankheit in ihrem Erscheinen und eben so verheerend als jene, haben die Regierungen den Zusammentrilt zu Commissionen von gelehrten und sinnig-praktischen Männern ver- anlaßt zur Untersuchung der Krankheit und Auffindung von Mitteln gegen dieselbe. Auch sind bereits ‚namhafte Preise (in Frankreich 1 Million Frank) für Mittel ausgesetzt, —.Die hieraus schon ersichtliche allgemeine Wichtigkeit des Gegenstandes veranlaßt mich jedoch nicht allein, die Traubenkrankheit zum Gegenstand eines Vortrages zu machen, vielmehr ist es der Umstand, daß die Krankheit im vorigen Sommer angefangen hat, sich auch hier zu zeigen, und wahrscheinlich, . wenn der diesmal nachhaltigere Winter nicht seine Macht zum Vortheil unserer Spaliere geltend gemacht hat, im nahenden Frühjahre schon. wieder, und dann in größerer Ausdehnung, erscheinen wird. Meine Absicht ist es, den verehrten Anwesenden meine Erfahrungen nebst den gesammelten Lesefrüchten mitzutheilen. Als Quellen dürften folgende Schriften anzuführen sein: 1) The Gardeners Chronicle, dessen Mittheilungen, da es die ersten Nachrichten brachte, mit Zusätzen übergingen in französische, belgische, italienische und. schweizer Journale. Seit 1552 brachten Nachrichten: 2) Neuberts Magazin, Nov. 1853, pag. 313 ff. Aufsatz von Wendland in Herrnhausen. 3) Die Frauendorfer Blätter. (Notizen.) 4) Die Allgemeine Gartenzeitung von Otto und Dietrich. 5) Die Verhandlungen des Vereins zur Beförderung des Gartenbaues in den Königl. Preuß. Staaten. 1852. Lief. 42 und 43. 6) Berliner Allgemeine Gartenzeitung. ‘ 7) Die Hamburger Gartenzeitung. 1853. Heft 10. 8) Die Gartenflora von Regel. April 1853. 9) Die Leipziger Illustrirte, 1.. Oktober 1853, mit Abbildungen, als Anhängerin der Partei, die eine allgemeine Erkrankung des Weinstocks annimmt. 10) Die Botanische Zeitung in ‚Aufsätzen, von v. Mohl. 1852, Nr. 1 und 2, und 1853, Nr..33, mit Zeichnungen. Letztere ist die bedeutendste Autorität. Besondere Brochuren sind: 11) Nachriehten über die Mittel'gegen die 'Traubenkrankheit,'von L. R. v. Heufler. Wien 1858. 12)' Die Traubenkrankheit, von Jos. Dorner!‘ Pesth 1853. Eine empfehlenswerthe Schrift. 26* 204 „Worin besteht, oder wie zeigt sich denn nun die Krankheit?“ Die Beantwortung dieser Frage möchte nicht allein von demjenigen zuvörderst gewünscht werden, dem die Krankheit noch unbekannt ist, sondern sie ist auch für den Kenner, wenn sie namentlich mit Hülfe des Mikroskopes gegeben wird, von Wiehtigkeit und großem Interesse. Die Krankheit erscheint dem bloßen Auge als ein weißer, mehlartiger Ueberzug, welcher, je nach dem Grade der Krankheit, an einzelnen Stellen der Reben, Blätter, Trauben oder über alle grünen Theile des Weinstockes verbreitet, in schwachem Anfluge oder stärkerer Decke sich zeigt. Als ich im vorigen Jahre, Ende Juli und Anfang August, an einem meiner Weinstöcke die Krank- heit, von der mir bis dahin nichts bekannt war, bemerkte, glaubte ich Anfangs, es rühre die Bestaubung der Blätter und Zweige von dem abgefallenen Blüthenstaube eines sehr stark in Blüthe sich daneben befindenden Kletterkürbis her. Binnen wenigen Tagen hatte aber die Bestaubung der Blätter und Trau- ben so sehr überhand genommen, daß ich, Uebles fürchtend, zu einer genauen Besichtigung schritt. Da bemerkte ich denn, daß die jüngeren Theile der Reben ebenfalls mit einem, jedoch schwachen weißlichen Gewebe überzogen waren, und daß die am stärksten angegriffenen braune Flecken zeig- ten, ähnlich denjenigen, wie sie Fintelmann unter dem Namen Schwindpocken im Anhange zu „‚Kechts Weinbau‘ beschrieben hat. Die Wahrnehmung, daß an fast allen kranken Reben die Krankheit in der damaligen obern Hälfte der Jahrestriebe, also wenige Internodien über der letzten obersten Traube ihren An- griffspunkt an den braunen Stellen genommen und von da aus abwärts auf die Traubenstiele und Beercn und aufwärts auf die jüngsten Blätter und Gabeln gestiegen war, veranlaßte mich zu der Ansicht, daß ich es hier mit einer Doppelkrankheit zu thun habe, welche in Schwindpocken und Schimmelbildung bestehe. Alle Besichtigungen ergaben, daß nirgends das alte Holz angegriffen war, sondern die Krank- heit nur auf den noch nicht verholzten, also auf den mit einer noch belebten Epidermis überzoge- nen Theilen der Reben anzutreffen war, womit auch alle mikroskopischen Untersuchungen übereinstim- men. Mohl sagt: auf der noch grün gefärbten Rinde der diesjährigen Zweige sind die Stellen, an welchen die Pilzvegetation begonnen hat, noch ehe der Pilz für das bloße Auge sichtbar ist, an einer schwachen Trübung ihrer grünen Farbe erkennbar. An einzelnen, am meisten angegriffenen Stellen nimmt die Rinde einen etwas dunkleren Ton an, welche Stellen sich bei weiterer Ausbildung des Uebels vergrößern und ihre Farbe in Folge des Absterbens der oberflächlich gelegenen Zellen allmälig in cho- koladenbraun verwandeln. Die Erscheinungen, welche die Blätter darbieten, sind eigentlich die in die Augen springendsten, obwohl dieselben nur dann erst die braun gefärbten Stellen bekommen, wenn die Krankheit den höchsten Grad erreicht hat. Diese braunen, anfangs nur wie schwacher Rost aussehenden Stellen sah ich, wenn das Blatt lange die Krankheit ertragen mußte, in große trockene Flecken übergehen, wodurch dasselbe endlich seine Spannkraft verlor und mehr oder weniger abgestorben erschien. Ueberhaupt nehmen, bei stark vorgeschrittener Krankheit, alle Theile, die sich im Laufe des Sommers entwickelt haben, einen solchen Ueberzug von Mehl (bei anderweitigen Symptomen) an, daß man schon auf 20 Schritte weit die befallenen Reben als krank erkennt. Die Kämme oder Trauben- und Beerenstiele scheinen das beste Reservoir für den Schimmel dar- zubieten. Zwischen ihnen fand ich im Schutze der Beeren gegen Wind und Regen meistens eine nicht selten interessante Cumulation von Schimmel. Wie ovale Perlchen oder Pilzköpfehen aufeinanderge- thürmt hatte sich an ihnen der Schimmel angehängt. Die Beeren zeigen sich ebenfalls nach dem Grade der Krankheit in” gleicher Weise überzogen, wie die anderen Theile der Pflanze, nur gewähren sie, um derenwillen doch der Stock gezogen wird, bei zeitig eingetretener und stärker vorgeschrittenen Krankheit den traurigsten Anblick. Befällt die Krank- 205 heit roth- oder blaufarkige Trauben vor dem Anfang ihrer Färbung, so bleiben sie gewöhnlich ganz grün, und man erwartet bei diesen, wie bei den weißen, vergebens ihre Reife. Viele von ihnen sieht man nicht mehr im Wachsthume zunehmen, viele zerplatzt und die Samen in ihnen frei liegen. Auf der Haut der Beere zeigen sich gleiche Flecken wie auf der Epidermis der Reben. Indem ich jetzt auf die Erscheinungen komme, welche die mikroskopischen Untersuchungen darlegen, muß ich bemerken, daß ich mich auf die Mittheilungen des Herrn Professor v. Mohl als einer in diesem Fache allgemein anerkannten Autorität stütze. Ist man schon durch die Beobachtungen mit unbewaffnetem Auge zu dem Glauben gelangt, daß man auf den kranken Theilen des Weinstockes ein pilzartiges Gebilde vor sich habe, so macht das Mi- kroskop diese Ansicht zur vollkommenen Gewißheit. An solchen Stellen, an welchen die Pilzvegetation erst begonnen hat (gleichviel ob auf der Rebe oder Beere), besteht der Pilz aus wenigen äußerst zar- ten (nur durch eine gute Lupe sichtbaren), den Spinnfäden ähnlichen Fasern, welche auf der. Oberfläche der Epidermis, sich genau an dieselbe anschmiegend, in fiederförmiger Verästelung weiter kriechen. (Fig. 1.) Indem nun die Aeste sich auf ähnliche Weise wiederholt verzweigen, entsteht durch Kreu- zung dieser Verästelung das Aussehen eines Netzes, welches in kurzer Zeit durch das Uebereinander- laufen der Fäden jede Regelmäßigkeit verliert. (Fig. 2.) Mohl fand bei sehr starker Vergrößerung in den Fäden die Neigung, sich nicht blos an ihrer Unterlage, sondern auch an den Kreuzungsstellen an- einander anzuschmiegen. (Fig. 3.) Unter diesen Fäden des Myceliums bleibt Anfangs die Epidermis unverändert grün, bald aber stellen sich kleine braune Flecken, die Anfänge der bereits erwähnten, ein. Untersucht man diese Flecken, sagt Mohl weiter, genauer, so erkennt man, daß die Pilzfäden einem jeden braunen Flecken entsprechend auf ihrer unteren Seite eine unregelmäßig gestaltete gelappte Aus- stülpung zeigen (Fig. 4 von oben, Fig. 5 von der Seite), mittelst deren sie an der Epidermis festsitzen. Eine Entartung der Epidermiszellen geht an dieser Stelle vor sich, und es entstehen auf den Beeren kleine Knötchen, welche mit bloßen Augen als die bereits erwähnten Rostfleckchen wahrgenommen wer- den, und auf der Rinde der Zweige die ebenfalls erwähnten großen braunen Flecken. Dr. Zanardini in Venedig ist der erste Entdecker dieser Haftorgane, da er schon am 19. Juli 1851 dieselben unter dem Namen der Fulkra erwähnte. Diese Entdeckung ist für die Theorie der Krankheit, so wie die erlangte Gewißheit, daß die braunen Stellen stets Folge der Haftorgane sind, von vorzüglicher Wichtigkeit, wie sich später noch zeigen wird. An den älteren, in der Mitte der Pilzflecke gelegenen Theilen der Fäden beginnen schon sehr früh die fruchtbaren Verästelungen auf der oberen Seite der Fäden hervorzusprossen und senkrecht, jedoch nicht ganz gradlinig, in die Höhe zu wachsen. Diese aufrechten Fäden zeigen im Gegensatz zu den kriechenden eine sehr deutliche Gliederung. Sie gehen aus einer ziemlich cylindrischen Gestalt (Fig. 7.) bald in die keulenförmige (Fig. 8.) über, wobei sich in ihren oberen Gliedern und vorzugsweise in der Endzelle das Protoplasma in größerer Menge ausbildet. Später schwillt die Endzelle eiförmig an (Fig. 9.), es bildet sich in ihr eine größere oder geringere Menge von Vacuolen (Fig. 10.), und endlich gliedert sie sich vollständig ab. (Fig. 11.) Solcher eiförmigen Schläuche finden sich oft 2—3 übereinander an der Spitze eines jeden aufrecht stehenden Fadens. Die Größe und Form dieser abfallenden Schläuche hat Mohl ebenfalls verschieden gefunden. (Fig. 12.) Zu diesen allgemeinen mikroskopischen Ergebnissen bezüglich der aufgestellten Frage muß ich noch einige besondere erwähnen. 206 Mohl sagt in seinem zweiten Aufsalze: ‚An den Zweigen beginnt das Auftreten des Pilzes regel- mäßig an den untersten Internodien.“ Gegen diese Wahrnehmung muß ich an das bereits von mir angeführte lokale Auftreten der Krankheit erinnern. : Wer dieselbe in seinen Spalieren noch nicht hatte, und mit Besorgniß, um einer etwaigen Ansteckung gleich im Entstehen entgegentreten‘zu können, seine Weinpflanzung aufmerksam oft mustert, der wird, wenn zumal die Zweige schon bis zur Entwickelung der Traubenblüthe getrieben haben, sein Augenmerk nicht auf die unteren Enden der Jahrestriebe zu richten haben, sondern auf diejenigen Theile, die ich bereits bezeichnet‘ habe, ' Mohl hat in: seinem ersten Aufsatze 1852 die Angriffsstellen der entstehenden Krankheit nicht angeführt, und übersehen, daß er im darauf folgenden Jahre seine Beobachtungen an Weinstöcken anstellte, die vom vorigen Jahre her die Keime des Pilzes an dem Holze behalten hatten, aus welchem die neuen Reben hervorwuchsen. in diesem Falle werden natürlich die mikroskopischen Pilzfäden von der Basis des Zweiges an aufwärts steigen, denn mit der Jahresentwickelung des Weinstockes erwacht auch die seines an ihm haftenden Parasiten. Ferner sagt Mohl, auf der oberen Seite der Blätter habe er keine Haltorgane ausgebildet gefun- den, daher auch diese Theile des Weinstocks nicht. die braunen Flecken zeigten. Gegen Letzteres muß ich die bereits von mir angeführte Erscheinung der Blätter geltend machen, so wie auch Wendland in Herrnhausen die Integrität der Blätter in Abrede stellt. Auf den Ovarien verbreitet sich der Pilz häufig von den Blüthenstielen aus, welche schon vor dem -Aufblühen (wenn die Krankheit zeitig da ist) von demselben überzogen waren, indem die Fäden des Myceliums' kurze Zeit- nach dem ‘Abfallen der Corolla über das Nectarium weiter kriechen und die Beeren von ihrer Basis aus überspinnen. Nicht allein derjenige, dem es um eine richtige Diagnose zu thun ist, forscht — nach den äußeren Zeichen der: Krankheit — auch genau nach den Wirkungen derselben, sondern auch der Pflanzer und Pfleger von Reben fragt vor Allem: „Was ist von dieser Pilzbildung zu befürchten?“ Denn darin stimmen sämmtliche Beobachtungen überein, daß die Krankheit stets mit dem Vorhandensein: eines Pilzes in Verbindung steht. - Indem ich jetzt zur Beantwortung dieser Frage übergehe, erlaube ich mir, an die bereits beschriebenen Flecken und Haftorgane zu erinnern. — Die ersteren als’ kranke Stellen anzusehen, wird wohl Jeder geneigt sein; daß dieselben’aber von den Haftorganen des Pilzes herrühren, darf hier nicht ungesagt bleiben. Beweis dafür ist, daß dergleichen Flecken‘ 1) immer nur unter den Haftorganen gefunden werden, und 2) daß Mohl das Entstehen dieser Flecken stets nur nach der Bil- dung der Haftorgane fand. Es unterliegt keinem Zweifel, daß diese Haftorgane die Angriffsstellen sind, von denen aus der parasitische Pilz seinen schädlichen Einfluß ausübt, indem von diesen Punkten aus die Epidermis erkrankt, was das Verderben der äußeren Rindenschicht nach sich zieht. ' Zur Erklärung dieser Thatsache sagt Visiani, er habe gefunden, daß die Haftorgane nach Art der Wurzeln in das Gewebe der Epidermis eindringen; wogegen Mohl, wie Amici, die Epidermis vollkommen unverletzt fanden. ‘Mir scheint .der Pilz durch Sauggefäße in den Haftorganen (die sich wie die Fußlappen der Schnecke oder gleich den Sauggefäßen der Laubfrösche an der Rinde anlegen) seine Nahrung aus der oberen Zellenschicht junger und noch saftiger Theile des Weinstocks zu entnehmen, ‘daher die Erkran- kung nur in der Entmischung der Säfte (wodurch Farbenänderung) und in dem Absterben so angegriffe- ner Zellen besteht, während an den Reben die tiefer liegende Rindenschicht, so wie das Holz, voll- kommen gesund bleiben und deßhalb durch die Krankheit die Weinreben selbst keinen erheblichen Schaden erleiden, indem die äußere Rindenschicht doch naturgemäß im Laufe des Herbstes und Winters vertrocknet.' Mit'Letzterem stimmen auch die Mohl’schen und alle in Italien gemachten Beobachtungen überein. Es ist dort, wie in Botzen, nicht der geringste Unterschied zwischen solchen Weinreben 'zu 207 finden, welche noch. nie an der Krankheit. gelitten haben, und solchen, die schon ein- oder zweimal befallen waren; ja es zeigte sich an ihnen die Vegetation so schön, als man sie irgend sehen kann. _ An meinen Reben auf hiesigem Turnplatze, die sehr. ergriffen waren, sehe ich ebenfalls nicht den gering-- sten Unterschied gegen frühere Jahre. Der Nachricht, daß in Madeira’ die Reben in Folge der Krankheit abgestorben seien (wie sie die Hamburger Gartenzeitung 1853, Heft 11, brachte), begegnet Mohl damit, daß er sagt, es sei wohl denkbar, daß der Angriff des Pilzes eine so starke Erkrankung hervorgebracht habe, daß die Pflanze darüber zu Grunde ging; vielleicht hielt man aber auch nur vorschnell die Reben für verloren. Hier- über läßt sich natürlich in der Entfernung nicht urtheilen. Ich füge hinzu, daß, obwohl Mohl sagt, die Blätter würden wesentlich nicht durch die Krankheit heeinträchtigt, die Erscheinungen, wie ich sie an denselben bereits beschrieben und in der vorjährigen Herbst-Ausstelllung gezeigt habe, eine so große Störung in der physiologischen Funktion derselben hervorbringen dürften, daß bei vielen derartig zugerichteten Blättern die Gesundheit des Stockes wohl nicht unerschüttert bleiben möchte. Besäßen die Blätter an ihrer unteren weichen Seite nicht eine so starke Behaarung, wodurch dem Parasiten der Angriff erschwert wird, so würde das Wachsthum derselben, welches selbst unter einem dichten Ueber- zuge des Pilzes noch ungestört erscheint, leichter gestört werden. Ganz anders als es gewöhnlich mit den Reben und Blättern der Fall ist, verhält es sich mit den Früchten. Auch hier leidet, wie bereits im. Allgemeinen angeführt, unter dem Angriff des Pilzes nur die äußere Zellenschicht, aber die äußere erkrankte und nicht mehr dehnbare Haut kann der Ausdehnung des ungestört fortwachsenden Fruchtfleisches nicht folgen, und es erfolgt, was ich bereits unter den Er- scheinungen angeführt: das saftige Parenchym zersprengt die äußere Hülle. Diese oft in mehrere Stücke aufgesprungenen Beeren bleiben zwar an den Stielen sitzen, aber bilden sich nicht fort. Werden. in ihrer Entwickelung bereits weit vorgeschrittene Beeren ergriffen, so ‚ist auf der harten. Epidermis . die Entwickelung des Pilzes; zu schwach, um die Ausbildung derselben zu: hindern, und die Beeren reifen, auch wenn ihre Stiele dicht überzogen sind, aber der Geschmack derselben ist und bleibt fade und säuerlich. Zwischen beiden extremen Fällen giebt es natürlich mehrere Mittelstufen, auf welchen: die Beeren zwar nicht aufspringen, aber in: ihrem. Wachsthume zurückbleiben, nicht zur normalen Reife gelangen können und für die Benutzung. verloren sind. — Bevor ich 'zu einer dritten wichtigen Frage übergehe, will ich noch, da ich soeben des-Geschmacks erwähnte, welchen kranke Trauben haben, ein paar Worte über die Wirkung des Genusses der- selben einschalten. Die Zteforme, agricole hat, eine Reihe von Beispielen. aus französischen Tagesblättern aufgestellt, nach: welchen kranke Trauben schädlich wirken, indem ihr. Genuß Kolik und Erbrechen her- vorgerufen. haben: soll, wogegen Mohl ‘sagt: ‚es wurden ihm in- Lausanne ‚ganz bestimmt gegentheilige Erfahrungen mündlich mitgetheilt,. ‚und meint, die Wahrscheinlichkeit. spreche: für das Letztere, weil ge- wiß, seit so lange die Weinkrankheit in Frankreich zu Hause, eine große Anzahl von Erkrankungen sicher sich hätte fesstellen lassen, wenn dem so wäre. Auch ich habe experimentirend mehrere Male so viele kranke Beeren gegessen, als ich nur vermochte, wie auch die Kinder des Turnplatzwächters, und gefunden, daß Mohl’s Vermuthung richtig ist. Sind Kolikfälle und Erbrechen vorgekommen, so sind sie als eine natürliche Folge der faden Säure, welche die Beeren immer haben, anzusehen. — Ehe ich nun. zur ‚Angabe von Mitteln gegen diese böse Krankheit komme; glaube ich nicht Unrecht zu thun,; wenn ich mir erlaube, erst. die Frage zu ‚beantworten: „Wie'kommt der Weinstock zu dieser Krankheit?‘ weil dieselbe von’ großem Einfluß auf die Beurtheilung und Wahl der Mittel ist. 208 In Beantwortung aller bisher fraglichen Punkte sind sämmtliche Beobachter entweder miteinander oder friedlich nebeneinander gegangen; die Beantwortung dieser Frage hat sämmtliche Naturforscher in zwei Parteien gespalten, so daß sich Mohl dahin äußert, es werde dieser Streitpunkt von gewisser Seite mit mehr Leidenschaft verhandelt, als sich gezieme. Es handelt sich nämlich hier zunächst darum, ob die Weinrebe selbst erkrankt und der Pilz Folge dieser Krankheit ist, oder ob umgekehrt die Rebe an und für sich gesund ist und die Krankheit lediglich Folge des vom Pilz auf die Rebe ausgeübten Einflusses ist und durch den Pilz von einer auf die andere Rebe übertragen wird. Die Mehrzahl und zugleich die bedeutendsten Botaniker, die der Krankheit besondere Aufmerksam- keit widmeten, waren Anfangs, und unter ihnen Amici noch gegenwärtig, der ersteren Ansicht. Mohl gehört zu denen, welche die letztere Ansicht vertreten, und sagt daher: „Wäre der Pilz ein entophyti- scher, würde seiner Entstehung eine sichtlich nachweisbare Umänderung des Zelleninhaltes vorausgehen; würde er aus dem Innern der Pflanze auf ihre Oberfläche hervorbrechen, so wäre er Folge einer Er- krankung des Weinstocks. Von allem diesen findet aber gerade das Gegentheil statt. Von einer Er- krankung der Rebe, welche der Erscheinung des Pilzes vorausgeht, ist keine Spur aufzufinden. Ich setze hinzu, daß meine Stöcke, welche die Krankheit ergriff, sich in der schönsten Vegetation befanden und das Uebel fast wie mit einem Schlage erschien.‘ „Wäre,“ fährt Mohl fort, ‚„‚der Pilz Folge einer Erkrankung, so würde durch Entfernung des zu- erst erkrankten Schößlings aus einem Spalier der weiteren Verbreitung des Uebels nicht begegnet, ebenso durch Waschung der Pilz nicht unterdrückt worden sein. Es geht ferner aus Berichten hervor, daß in Murano die durch zu große Feuchtigkeit leidenden gelbblätterigen Stöcke mehrfach verschont blieben, während die gesunden erkrankten und wiederum die erkrankten im folgenden Jahre gänzlich verschont blieben. Ja, es ist fast nach dem bisher Gesagten unwahrscheinlich, daß die Weinrebe an einer allge- meinen Erkrankung leidet. Außerdem spricht auch nicht eine positive Thatsache für diese Ansicht. Diese Reflexionen, so wie die Erklärung des Präsidenten der Ackerbaugesellschaft zu Florenz, Marchese Cosimo Ridolfi, in einer am 1. August 1852 abgehaltenen Versammlung für die Erkran- kung des Stockes durch den Pilzangriffl, und die der Commission des k. k. Instituts der Wissenschaften zu Venedig, worunter Visiani und Zanardini, welche sich im Commissionsbericht (Padua 23. August 1852) für Ridolfi’s und Mohl’s Ansicht erklärten, desgleichen die der k. k. Landwirthschaftsgesellschaft zu Görz (3. August 1853), haben die Annahme, der Pilz sei Folge einer Erkrankung des Weinstocks, immer mehr verdrängt. j Mit dieser Darlegung ist aber keinesweges eine befriedigende Antwort auf die Frage, welche die- sem Theile meines Vortrages vorangestellt ist, gegeben, vielmehr wird man erst recht fragen: wie kommt der Weinstock mit einem Male zu diesem verheerenden Pilze, wenn in ihm selbst nicht durch irgend eine Krankheit die Bedingungen zur Entstehung des Pilzes gegeben sind? Darauf eingehend sei es mir nun vergönnt, zunächst eine kurze Geschichte der Verbreitung der Weinkrankheit zu geben. Der Gärtner Tucker in Margathe (Grafschaft Kent in England) hatte die erste Veranlassung 1845, in seinen Weintreibereien die Krankheit mit Besorgniß zu beobachten und, da sie sich von dort auf die Weinstöcke im Freien ausdehnte, die ersten schriftlichen Nachrichten in den Gartenzeitschriften zu ge- ben; daher der Name Oidium Tuckeri für den Pilz. Von hier verbreitete sich die Krankheit, sagt Mohl, Schritt für Schritt in Frankreich; 1848 brach sie zu Versailles, 1849 bei Paris, 1851 im süd- lichen Frankreich aus; zugleich durch ganz Italien und im Herbst 1851 nach Tyrol und fast durch die 209 ganze Schweiz, in Deutschland isolirt in Baden, bei Salem, Würtemberg bis Stuttgart ete., 1853 in Wien und Ofen. — ‘ 1853 schreibt die Hamburger Gartenzeitung im 11lten Hefte: Fast alle Weindistrikte vom Rhein bis Madeira sind von dieser Krankheit aufs Aergste befallen, und in diesem Augenblicke sind es na- mentlich die reichen Distrikte von Portugal an den Ufern des Duero und Unter- und Ober-Corgo, wel- che gleiches Geschick mit Madeira theilen. ö ‘Die Krankheit hat aber nicht blos ihren Weg von England nach dem Festlande Europa’s genommen, sondern ist auch nach Amerika übergesiedelt, wo. sie noch günstigeres Klima gefunden zu haben scheint. Ein Gartenjournal brachte die Nachricht, es habe ein Amerikaner Weinbauer aus den Weingegenden des Rheins und aus anderen Gegenden kommen lassen, welche ihm bekannte Weinsorten mitbrachten, indem sie sich, vom Klima und Boden begünstigt, gute Ernten von ihnen versprachen; allein in Zeit von drei Jahren wären ihre sämmtlichen Weinstöcke von Mehlthau zerstört worden, so daß sie sich auf den An- bau der weniger guten amerikanischen Sorten beschränken müßten. Dabei ist die Bemerkung gemacht: es sei eigenthümlich, daß die Weinpest von Europa nach Amerika ihren Weg genommen habe, während dagegen nach Morren’s Meinung der Botrytis infestans der Kartoffelkrankheit von Amerika nach Eu- ropa kam, — Ob der Weinpilz eine neue Erscheinung sei, oder ob dieses Uebel schon früher einmal sich ge- zeigt habe, darüber weiß man nur, daß De Candolle, der Sohn, eine ähnliche im Jahre 1834 beob- achlete Affection der Trauben erwähnt, die sich im nächstfolgenden Jahre nicht wieder zeigte. Zur selben Zeit hat, wie Leveill&e berichtet, ein zweiter Genfer Botaniker von einer Schimmelbildung gesprochen, die in den am Leman-See gelegenen Weingärten große Verwüstungen angerichtet haben soll. (Annales de la soe. imper. d’horticullure de Paris et centrale de France, XLIV. Nr. de Mars 1853, pag. 132.) Sollte die Krankheit auch früher ig und dort sich gezeigt haben, so scheint es doch nur in sol- chem Grade der Fall gewesen zu sein, daß sie die Aufmerksamkeit der Weinbergsbesitzer nicht sehr auf sich zog, auch der mit ihr verbundene Pilz den Botanikern unbekannt blieb, also das Uebel eigentlich jedenfalls der neueren und neuesten Zeit anzugehören scheint. Zu dem vorliegenden Zwecke ist es nicht hinreichend, zu wissen, in welchen Ländern und unter welchen Himmelsstrichen der Pilz aufgetreten ist, sondern wir haben auch vorzüglich darauf zu achten, an welche Lokale die Krankheit bei ihrem Weltumgange in den verschiedenen Ländern immer zuerst gebunden war. Es ist schon erwähnt worden, daß sie bei ihrem ersten Auftreten in England aus den Treibereien ins Freie gelangte, und alle Berichte stimmen dahin überein, daß sie überall, ehe sie in den freien Weinanlagen sich zeigte, sich erst in den Treibhäusern, Kästen und geschützten Spalieren einheimisch machte. So in Frankreich, wo immer erst die Spaliere nach den Treibereien mehr litten, als die Wein- berge. In der Schweiz, sagt Mohl, erreichte die Krankheit an solchen Spalieren den höchsten Grad, welche unter den weit vorspringenden Dächern der Schweizerhäuser standen und durch dieselben vor dem Regen geschützt waren. Ganz dasselbe war auch bei meinen Weinanlagen der Fall, denn unter dem 4 Fuß vorspringenden Dache der Turnhalle hatte sich an der südlichen Seite derselben die Krankheit in den nach rauhen und nassen eintretenden sehr heißen Tagen, wie in einem Treibhause, geschützt von allen Seiten, auf eine erschreckende Weise fesigeseizt, während die freien Spaliere noch ‘nicht erkrankten. Wenn Mohl in seinem zweiten Aufsatze sagt: zwischen dem Auftreten der Krankheit an einem bestimmten Orte und zwischen der physikalischen Beschaffenheit des letztern, der geognostischen Unterlage, der Trockenheit 27 210 und Feuchtigkeit des Standortes, seiner Exposition gegen die Himmelsgegend u. s. w. läßt sich keine bestimmte Beziehung auffinden; — größere Verschiedenheiten in der Lage lassen sich nicht denken, als zwischen den Weingärten von Murano auf durchaus feuchtem, von Seewasser durchzogenem Boden, wie desgleichen zwischen den in der Ebene bei Bozen liegenden, durch Gräben häufig bewässerten Reben- reihen, und zwischen den an den trockenen mittäglichen Abhängen der steilen Berge bei Bozen sich etwa 1000 Fuß hinaufziehenden Weinbergen, und dennoch waren an diesen verschiedenen Orten gleich- mäßig stellenweise die Weinreben von der Krankheit verschont, stellenweise bis zur völligen Vernich- tung der Ernte erkrankt. Wenn also Mohl hiemit seine im ersten Aufsatze ausgesprochene Ansicht rücksichtlich begünstigender Umstände für Verbreitung der Krankheit aufgegeben zu haben scheint, so stimme ich in Rücksicht der Ausdehnung des Uebels in ein- und derselben Gegend ganz damit überein, muß aber in Betracht der sprungweisen Verbreitung oder des Uebergehens der Krankheit aus einer Gegend in die andere an der Ansicht festhalten, daß die ersten Erscheinungen des Uebels stets an Verhältnisse ge- bunden sind, die dem bereits erwähnten ersten Auftreten ähnlich sind, und daß nach einmaliger Einschlep- pung und Festsetzung der Krankheitskeime in einer Weinanlage oder Gegend die Verbreitung in der von Mohl angeführten Weise fortgehen mag. Mohl sagt selbst in seinem zweiten Aufsatze: ‚‚das Einzige, was für eine Prädisposition einzelner Reben für die Krankheit angeführt werden könnte, ist der auch in Italien vielfach beobachtete Umstand, daß gewisse Rebensorten mehr als andere ergriffen werden.“ Man hat derartige Sorten namhaft gemacht, allein ich will hier kein Namenverzeichniß geben, sondern nur einen Grundsatz aussprechen: Am meisten werden solche Rebsorten vom Pilz ergriffen, welche eine wei- che Schaale der Beeren besitzen, oder für unser Klima besser gesagt: alle spät reifenden Sorten, welche sehr ins Holz wachsen, sind dem Angriffe des Pilzes mehr ausgesetzt. Befinden sich einmal die vom Winde getragenen Pilzsporen in der Nähe, so werden auch gewiß die weicheren Theile einer, sei es durch künstliche Wärme oder durch Dung oder durch natürliche Anlage des Stockes getriebenen Rebe befal- len. Krankheit, die das Wachsthum zurückhält, wird den Stock eher vor dem Pilz bewahren, als sich mit dem Pilz verbinden. Der Umstand, daß nur auf weichem Holze eine Entwickelung und Fortwuche- rung des Pilzes möglich ist, mag auch Ursache sein, daß man bis jetzt noch nicht auf amerikanischem und dem sogenannten wilden Wein (Ampelopsis quinquefolia), wenn letzterer auch zwischen erkrankten Reben stand, die Krankheit haften sah, daher man auch die Frage aufwarf, ob das Oidium Tuckeri weder auf anderem als auf edlem europäischen Wein, noch überhaupt auf irgend anderen Pflanzen vor- komme? Mohl hat bis jetzt den Weinpilz auf keinem anderen Gewächse entdecken können und hält ihn für eine eigene Species, die nur auf den Reben gedeiht. In meinem Garten jedoch waren die vorjährig anhaltenden Windstille im August Veranlassung, daß sich, wie die mikroskopischen Untersuchungen ergaben, Oi- dium Tuckeri auf den Spitzen zweier kleiner, zwischen Weinstöcken aufgepflanzter Pfirsichbäume ange- siedelt hatte. — Diese Bäumchen bekamen nämlich in Folge der rauhen Witterung die Kräuselkrankheit an ihren Spitzen, und derselbe Umstand, der dem Pilze einen günstigen Boden auf den Pfirsichen berei- tete, verhinderte, indem er die Weinrebenenden und Blätter tagelang heftig bewegte und dem Wachs- thume der Reben entgegenwirkte, das Umsichgreifen der Krankheit an den Stöcken dieser Westseite der Turnhalle. Nach Eintritt ruhiger Tage zeigte sich hier stets eine größere Verbreitung. Was die Fruktifikation des Pilzes, wovon seine Vermehrung und Erhaltung abhängt, betrifft, so fand Amieci im Oktober 1851, daß sich einzelne der eiförmigen Schläuche des Oidium Tuckeri vergrößerten, gelb färbten, eine zellige Struktur annahmen und in ihrem Innern Hunderte von äußerst kleinen, eiförmigen, etwas gekrümmten, an beiden Enden mit einem kleinen Nucleus versehenen Sporen entwickelten. Diese höchstens Y/ 499‘ lasigen Sporen sind, aus den geplatzten Schläuchen ausgeschüttet, natürlich ein Spiel des leisesten Luftzuges und für die Weiterverbreitung so höchst ergiebig. Dieselbe wird noch erstaunlicher durch die Entdeckung Dorner’s erhöht. Derselbe fand, daß der Pilz zweier- lei Vermehrungsorgane besitze, und sagt zu Ende seiner Brochüre: Außer den Sporen erzeugen sich zur Vermehrung des Pilzes aus dessen Myceliumfäden eine große Menge äußerst kleiner Brutzellen (Gem- ‚men — Gonidien), die massenweise abfallen und sogleich keimen. Sie tragen das Meiste zur achnolien Verbreitung bei. — Bis jetzt ist es noch nicht de hingen, die Ueberwinterung des Pilzes oder seiner Samen zu entdek- ‘ken, wiewohl die Vermuthung nahe liegt, sie geschehe in der Rinde oder an den Augen des Stockes. Gonthier auf Montrouge entdeckte 1851 schon sehr zeitig die mikroskopischen Fäden des Schim- mels auf den treibenden Knospen dicht am vorjährigen Holze. — Wenn es mir vergönnt ist, über das: „Woher?“ bei dieser Krankheit meine Ansicht mitzuthei- len, so möchte ich mich dahin aussprechen: der Weinpilz ist ein Erzeugniß der Gartenkunst, wenn auch ein nicht gewolltes. Jedermann weiß, wie oft aus den Treib- und Gewächshäusern Blattläuse, Moose und Flechten, die dort entstanden und gediehen, übergetragen wurden in die freien Räume des Gartens. Ebenso ist namentlich die neueste Zeit reich an künstlichen und natürlichen Hybriden und Ba- starden. Die Gartenkunst hat absichtlich und zufällig Gewächse an Bodenarten und Klimate gewöhnt, in denen sie sonst nicht gedeihen wollten. Ist es nun so unwahrscheinlich oder unnatürlich, daß aus den verschiedenen Oidienarten eine Gattung sich bildete, die zu ernähren der in englischen Treibkästen und in englischen Composten durch englische Gartenkunst gelriebene Weinstock sich vorzüglich eignete? So auf der zarten Epidermis eines Treibhaus-Weinstockes aufgewachsen, gewöhnte sich der Pilz nach und nach (auch) an härtere Kost und erduldete endlich Wind und Wetter. Hiermit möchte ich eigentlich meinen Vortrag, den anzuhören Sie so geneigt waren, schließen, da wahrscheinlich die für die Sitzung bestimmte Zeit fast abgelaufen sein mag, allein ich möchte mich nicht gern dem Vorwurf aussetzen, meine Arbeit. unvollendet gelassen zu haben, indem ich Ihre Erwartung auf Angabe von Mitteln zur Abwendung der Krankheit nicht erfüllte. Ich werde mir daher erlauben, einige derselben, wie sie in vielen Journalen angegeben wurden, zu nennen, muß aber bemerken, daß eine weitere Auseinandersetzung und Beurtheilung dieser Mittel Gegenstand eines besonderen Vortrags sein müßte, um vollständig zu sein. In Kürze erwähne ich also, daß die Mittel gegen die in Rede stehende Krankheit einzutheilen wären in solche, welche nach Ausbruch der Krankheit zur Anwendung zu bringen seien, und in solche, welche derselben vorbeugen. Die präservativen oder verhütenden werden dann wiederum zweierlei sein: 1) die Empfänglichkeit ‚der Rebe für den Ansteckungsstoff vermindernde, und 2) den Ansteckungsstoff zerstörende. Zu denjenigen, welche die Empfänglichkeit der Rebe vermindern, gehören, wie sich aus dem bis- her Gesagten ergiebt, alle, welche eine zu starke Treibkraft der Rebe verhindern, als: gänzliches Unter- lassen des Beschneidens, Blutungen durch den zeitigen Frühjahrsschnitt, den Wurzelschnitt und Aderkaß durch Stechen in den Stamm; sodann noch Vermeidung allzu starker Düngung u. dgl. Zur Tödtung des noch schlummernd an den Reben haftenden Ansteckungsstoffes dienen Waschun- gen der Reben mit Schwefelleberwasser, Kalkmilch, Lauge, Alaun-, Seifen-, Kampferwasser und Mistjauche. Zur Verhinderung oder Unterdrückung der bereits ausgebrochenen Krankheit: das Abschneiden er- krankter Theile, Waschungen oder Bespritzungen mit reinem Wasser und den eben genannten Flüssig- keiten, so wie Bestreuung mit Schwefelblüthe, Asche, Kalkstaub und Gipsmehl. 27 * 212 Re 0 ep te 1) Lauge von Holzasche. Bouche, Königl. Garten-Inspektor, machte die Lauge so stark, daß, wenn man die Finger eintauchte, sie sogleich sehr glatt wurden und nach etwa 5— 10 Minu- ten sich sogar die obere Schicht der Haut abschälte. (Von Nietner nachgemacht und gut ge- funden. Die Lauge schadet nicht den jüngsten Trieben, die Holzasche vertreibt Moose und Kryptogamen.) 2) Schwefelwasser. Lello in Sanssouci fand als richtige Mischung 2 Loth Schwefelleber auf 10 Quart Wasser (1 Gießkanne). Das Mittel ist billig, 1 Pfund kostet 5 Sgr. 3) Mistjauche frisch aus dem Rinderstall und zur Hälfte Wasser; zeigt Erfolg binnen 24 Stunden. 4) Wasser mit Schwefelblüthe (= Kali) zu mischen geschieht durch Peitschung mit Ruthen. 5) Der Bestaubung mit Schwefelkali muß eine Bespritzung des Weinstocks mit Wasser vorangehen. — Das annehmbarste Mittel wäre mir das Schwefelleberwasser oder die Lauge von Holzasche. Derselbe hielı am 31. Januar 1855 einen Vortrag: Ueber die Erfolge von einigen gegen die Traubenkrankheit angewendeten Mitteln. Wenn ich in Folgendem einen Bericht über die Erfolge von einigen gegen die Traubenkrankheit - angewendeten Mitteln zu geben gedenke, so muß ich zuvörderst erwähnen, daß zu diesem Bericht ein am 5. August vorigen Jahres mir übersendetes freundliches Schreiben des Vorstandes unserer Section mich gewissermaßen verpflichtet, da ein diesem Schreiben beigelegtes, vom Landwirthschaftlichen Cen- tralverein der Sektion zugesendetes gedrucktes Schriftstück zwei Mittel gegen die Traubenkrankheit em- pfiehlt, über deren Erfolge Mittheilungen gewünscht werden. Unserem verehrten Herrn Secretair es überlassend, in welcher Weise der Weiterbericht hiervon dem Landwirthschaftlichen Verein gegeben werde, indem ich ihm dieses Scriptum zur Disposition zu stellen sehr gern bereit bin, werde ich mich in Folgendem auf einen mageren Bericht, abgethan in wenigen Worten, aus nahe liegenden Gründen nicht allein beschränken. — Meinen am 29. März 1854 gehaltenen ausführlichen Vortrag über die Weinkrankheit schloß ich mit der Angabe von Mitteln, die hier und da angewendet worden waren, gab aber keine Kritik dersel- ben, weil ich keins von ihnen an meinen erkrankten Stöcken erprobt hatte. Mein Verhalten, daß ich die Krankheit ungehindert um sich greifen ließ, um ihren Entwickelungsgang genau zu beobachten und ihre verheerende Macht kennen zu lernen, bitte ich nicht zu übersehen; denn wenn ich Ihnen mittheile, daß an allen Spalierstöcken der Turnhalle, welche der Pilz im Herbste 1853 überzogen halte, nicht nur keine einzige Traube (es waren deren mehre 100) genießbar wurde, sondern auch alle diese Stöcke, welche noch unter dem Weinpilz bis zum gewöhnlichen Wachsthums-Abschluß vegetirt hatten, im Früh- jahre 1854 bis auf das alte Holz zu Grunde gegangen sind, und nur aus diesem in Wasserschossen sich verjüngten, so wird es einleuchtend, wie wichlig es auch für uns ist, ein sicheres Mittel gegen den verheerenden Feind einer so Zur ad Frucht zu kennen. In meinem erwähnten Vortrage hatte ich die Hoffnung ausgesprochen, daß der ziemlich keißlehige Winter seine Macht gegen die Fortpflanzungs-Organe des Oidium Tuckeri geltend machen werde, und ich hatte mich darin nicht ganz getäuscht, denn ohne eine künstliche Vorkehrung an den bezeichneten Spalieren getroffen zu haben, zeigte sich im Frühjahr und Sommer keine Spur von Weinpilz, wohl aber hatte dieser im vorhergehenden Jahre die gehörige Verholzung und Reife der Reben und Augen, ob- wohl diese reif und unverletzt schienen, wahrscheinlich verhindert, denn anders als auf diese . Weise weiß ich mir, nach einem im Ganzen sehr mäßigen Winter, das Ausbleiben der Knospen im Frühjahr und das gänzliche Verdorren der Tragreben nicht zu erklären. (In diesem Sinne ist auch wohl die von Mohl bezweifelte Nachricht vom Absterben der Reben in Madeira zu verstehen.) Meiner Beobachtung des ungestörten Fortganges der Krankheit hatte ich also schon wenigstens zwei Traubenernten mehrerer köstlicher Weinsorten zum Opfer gebracht, daher ich, bekannt genug mit dem ungebetenen Gaste, natürlich jetzt, wenn auch grundsätzlich noch kein präservatives, doch sogleich irgend ein Vertilgungsmittel anzuwenden gedachte, sobald sich der wohlbekannte Feind irgendwo ent- decken ließe. Fast täglich beobachtete ich meine Weinanlagen, aber weder an den im vorhergehenden Jahre befallenen, noch an den gesunden und im fröhlichen Wachsthum Trauben ansetzenden Stöcken konnte ich das Entsprießen des Pilzgebildes aus seinem Winteraufenthalte entdecken; es mußte also je- der Keim erstorben sein, sonst hätte ich, wie von Mohl, an den untersten Internodien der jungen Triebe bald die Myceliumfäden wahrnehmen müssen. Indeß sollten diese Entdeckungswanderungen nicht den ganzen Sommer hindurch erfolglos bleiben. Zwei Tage nach Empfang des Einganges erwähnten Schreibens, also am 7, August, entdeckte ich an einem von den vorjährig erkrankten Stöcken mehrere Hundert Fuß entfernten und durch ein Gebäude getrennten freistehenden Spaliere mittäglicher Position plötzlich auf einer Traube des großen blauen Ungarweins die Krankheit so ausgebildet, daß es keines Vergrößerungsglases dazu bedurfte. Die Traube hing dem Erdboden sehr nalı, so daß sie, da alle übri- gen Trauben und Theile des Stockes in lachender Ueppigkeit prangten, einige Tage meiner Aufmerksam- keit entgangen war, und die hierher getragenen Sporen mußten sich (so meine ich, gelreu dem Satze: Omne vivum ex ovo) so außerordentlich schnell entwickelt haben, daß mehrere Internodien von der Traube aufwärts an der ihr zugehörigen Rebe überzogen waren. Von der Traube abwärts war nichts an der Rebe zu entdecken, daher die Vermuthung einer Ansteckung von fern her. Da ich früher schon für die Anwendung von Schwefelleber-Wasser nach Sello in Sanssouci und für den Gebrauch der Lauge aus Holzasche vor allen anderen Mitteln mich erklärt hatte, war die Wahl nach Eingang des vorerwähnten Schreibens schwer. So ließ ich einige Tage hingehen, während wel- cher Zeit ein paar bei einem hiesigen Weinzüchter ebenfalls erkrankte Stöcke die Verabredung veran- laßten, daß von ihm die flüssigen Mittel angewendet, die trockenen in ihren Wirkungen von mir erprobt werden sollten. — Nach 7 Tagen hatte der Pilz an meinem erkrankten Weinstocke so über- hand genommen, daß nicht nur einige andere Trauben vom Mycelium überzogen erschienen, die Epi- dermis der Rebe mehrere Fuß aufwärts fast ganz schwarz geworden und viele Beeren der zuerst be- fallenen Traube schon aufgesprungen waren, sondern auch an einem nicht weit davon stehenden anderen Weinstocke bedeutende Spuren der Krankheit sich zeigten. Da die Krankheit also an den befallenen Theilen in ein solches Stadium getreten war, daß sich ganz sicher voraussehen ließ, es würde an dem jungen Stocke auch nicht eine Beere von den 24 großen schönen, wenn auch bis dato noch ganz ge- sunden Trauben zur Reife kommen, so beschloß ich, die von dem Landwirthschaftlichen Verein vorge- schlagene Schwefelung vorzunehmen. Genannter Verein sagt, es könne dazu sowohl die Schwefelblume, wie der gewöhnliche Stangenschwefel in gepülvertem Zustande angewendet werden. Da nun schon 1848 der englische Gärtner Kyle die Schwefelblüthe mit vollkommen gutem Erfolge anwendete, wie im Jahre 1849 der Arzt Marie zu Ecouen, desgleichen 1850 der Obergärtner Hardy in Versailles und der Garteninspector Gonthier in Montrouge; ferner die unfehlbar gute Wirkung der Schwefelblume durch die von Herrn v. Heufler auf Veranlassung des ehemaligen k. k. Ministerii für Landeskultur und Berg- wesen angestellten Versuche festgestellt scheint, so wählte ich zur Anwendung gewöhnlichen Schwefel. (Hier von Hutstein.) 214 Die Bestäubung mit Schwefel „soll mittelst eines besonders dazu eingerichteten Blasebalgs 'gesche- hen, dessen Einrichtung jedoch nicht mitgetheilt: ist,‘“ die Ihnen in dieser Zeichnung: vorzulegen ich jedoch nicht unterlassen kann, da ich sie nach Heuflers Schrift, welche wohl nicht allzu verbreitet 'sein dürfte, im vergrößerten Maßstabe anfertigte, und wodurch die Erfindung des bereits genannten Herrn Gonthier deutlich genug gegeben sein möchte, wenn ich hinzufüge, daß auf einen gewöhnlichen Hand- blasebalg mit etwas langem, stark konischem Rohre eine verschließbare Blechbüchse mit Siebboden zur Aufnahme des Schwefels aufgelöthet und außerdem ein kleiner Hammer zum Erschüttern für’s Durch- fallen des Schwefels angebracht ist. Einen zweiten Apparat von Herrn Gaff&e entnahm ich mit dieser Zeichnung dem Dinglerschen polytechnischen Journale (siehe Anhang). Er ist complieirter, doch im Wesentlichen jenem gleich, wenn auch verbessert. Außerdem scheint mir der Versuch, welchen Herr v. Heufler anstellte, um zu ermitteln, ob die Bestäubung mit trockner Schwefelblüthe oder die Bespritzung der Stöcke mit Schwefelblüthenwasser besser sei, der Mittheilung werth. Er sagt: „Am 20. Juli 1852 legte ich in ein gläsernes, im Zimmer stehendes und durch Papierdeckel gegen Staub geschütztes Gefäß A ganz gesunde hiesige Weintrauben“ (die Krankheit existirte nicht in jener Gegend) ‚und mischte darunter von der Traubenkrankheit befal- lene Beeren aus Corfu, that aber kein Gegenmittel gegen Ansteckung hinzu. In ein zweites Gefäß B legte ich ein gleiches Traubengemisch mit trockener Schwefelblüthe. Das dritte Gefäß C erhielt eben- fals gesunde und kranke Beeren, aber mit Schwefelblüthenwasser benetzte.‘ „Am 1. August zeigten im Gefäß A die gesunden Trauben Spuren. von Schimmel, welcher der gleiche war, wie jener, mit welchem die Trauben von Corfu behaftet waren. In B und C zeigten die hiesigen gesunden Trauben keine Spur von Schimmel; jedoch waren in C einzelne Beeren hiesiger Trau- ben braun geworden und ihr Inneres hatte angefangen zu faulen.“ „Am 10. August war in A die Verschimmelung hiesiger Trauben stark vorgeschritten, und es hatte sich außer Weinpilz noch andere Schimmelbildung entwickelt. Die Trauben des Gefäßes C hatten auch angefangen, sich mit verschiedenen nicht zur Traubenkrankheit gehörigen Schimmeln zu überziehen; die Trauben im Gefäß B hingegen waren fast so frisch geblieben, wie am ersten Tage, und zeigten von Schimmel keine Spur, während der Schimmel der Trauben aus Corfu sammt den Beeren selbst zu ver- trocknen angefangen hatte.“ „Heut am 21. August sind in A die Trauben stark ausgetrocknet und die Schimmelbildung fast zurückgegangen. In C sind die Trauben mit verschiedenartigen und für das bewaffnete Auge sehr präch- tigen Schimmeln überwuchert. Die Beeren der Trauben des Gefäßes B sind noch immer frisch und ganz schimmelfrei und die Corfubeeren ganz vertrocknet.‘“‘ — „Hiernach scheint die Bestäubungs-Methode mit trockner Schwefelblume die vorzüglichere, erfordert jedoch gewisse Vorsichten und Bedingungen, um einen guten Erfolg zu erzielen: 1) Das Mittel muß angewendet werden, sobald die Krankheit sich zeigt. Je später man es versucht, desto unsicherer ist der Erfolg. 2) Die Bestäubung mit Schwefelblüthe muß ohne Verzug der Bespritzung mit allem Wasser folgen. | 3) Die Luft muß windstill sein, sonst hängt sich der feine Staub nicht an die Reben, sondern wird verweht. .4) Das Wetter soll warm und sonnig sein. 5) Das Schwefelblüthenpulver muß ganz trocken sein.“ — Die beiden ersten Nummern dieser „Vorsichten und Bedingungen“ ließ ich unbeachtet, und von den drei vom Landwirthschaftlichen Verein vorgeschlagenen Schwefelungen habe ich bei der vorgerückten 215 Jahreszeit nur die als dritte vorgeschlagene Schwefelung ausgeführt, da die erste zur Zeit, wenn die jungen Triebe einige Zoll erreicht haben, und die zweite bald nach der Blüthe hätte geschehen sollen. » Am 14. August, als an einem ziemlich windstillen und meist sonnigen Tage, nahm ich zwischen 1 und 2 Uhr Mittags eine Quantität Schwefelpulver*), schüttete es, da ich keinen Blasbalg hatte, in ein trichter- oder dütenförmiges Küchensieb und suchte damit, ohne vorherige Bespritzung des stark erkrank- ten Weinstocks, sämmtliche Trauben, Blätter und Reben desselben durch leises Schütteln des Siebes zu bestauben, was auch ohne große Schwierigkeit gelang. Das anfängliche Anfeuchten der Stöcke vor dem Bestauben haben die Gärtner in Thomery auch bald unterlassen, da die Trauben und Blätter davon Flecken behielten, und die trockene Schwefelung sich ebenso gut erwies. Am 18. August trat der mehrere Tage anhaltende Regen ein, in Folge dessen am 22. das Hoch- wasser alle meine Gartenanlagen so überfluthete, daß ich an Thätigkeit in denselben nicht denken konnte. Zu dem geschwefelten, wie zu dem andern erkrankten Weinstock konnte ich erst wieder in den ersten Tagen des September gelangen, obwohl das Wasser an dieser Stelle nur 1 Fuß hoch gestanden hatte. Da ergab sich denn, daß fast keine Spur von der Krankheit an dem geschwefelten Stocke zu bemerken war; selbst an den tief hängenden, unter Wasser gekommenen kranken Trauben hatte der Schwefel in den paar Tagen vor seiner Abschwemmung seine vollste Wirkung geäußert. Nur an den befallen ge- wesenen Reben sah man die bekannten Flecken; die kranken Trauben dagegen hatten sich von den mehreren bereits aufgesprungenen Beeren fast ganz gereinigt; die noch unversehrt gebliebenen Beeren hatten so zugenommen, daß sie den andern gesunden an Volumen fast gleich kamen, und alle Blätter des Stockes waren ohne Flecken und schön grün. Am benachbarten Stocke dagegen hatte die Krankheit an den unteren vom Hochwasser überspülten, wie an mehreren oberen Trauben und Reben sehr bedeutende Fortschritte gemacht. Die Schwefelung nahm ich sogleich auch bei ihm vor, und das Resultat war eben so glänzend, wie an dem ersten; die zu stark erkankten Beeren trockneten bald aus den Trauben aus, wie die Corfubeeren im Glase B des Herrn v. Heufler, und ich hatte die Freude, nach so ungünstigen Umständen doch sämmtliche Trauben beider Stöcke dieser spät reifenden Sorte vollkommen reif zu ernten und sie von reinem und gewürzigen Geschmack zu finden. Ja, das gelbe Schwefelpulver, welches stellenweise bis zur Ernte auf einzelnem Beeren haften geblieben war, erhöhete den schönen Anblick der dunkeln, blauen, großen, übri- gens sehr sauberen Trauben. Dazu kommt noch, daß ein ängstliches Beseitigen des Schwefels aus Furcht vor Nachtheil beim Genuß nicht nöthig, weil Schwefel durchaus nicht schädlich ist. Sodann machte ‘ich noch eine andere, nicht unangenehme Entdeckung, daß nämlich in den geschwefelten Trauben kein Ohrwurm anzutreffen war. Als ich nach der Schwefelung des zweiten Stockes einen Besuch bei meinem Verbündeten machte, hatte derselbe das vom Apotheker Delorme zu St. Dizier empfohlene und mit Erfolg versuchte zu- sammengesetzte Mittel nicht in Anwendung gebracht, wohl aber Lauge aus Holzasche und Seifwasser. Ueber jenes zweite vom Landwirthschaftlichen Verein angerathene Mittel kann ich daher nicht berichten, wohl aber muß ich bekennen, daß die Lauge und das Seifwasser in ihren Wi:kvngen der Schwefelung nicht gleichgekommen sind. Die damit bespritzten Stöcke sahen unsauber aus, und wenn auch der Krank- heit damit Einhalt gethan wurde und die Trauben nach und nach heranreiften, so hatten diese doch ein kümmerliches und wenig appetitliches Ansehen. Die überraschend gute Wirkung des Schwefels läßt denselben nach dem Gesagten nicht allein als ein Mittel gegen die Krankheit nach dem Ausbruch derselben erscheinen, sondern es muß derselbe auch, *) Mit noch nicht 1 Pfund Schwefelpulver (3 Sgr.) habe ich 2 Stöcke ganz vollkommen bestäubt. eN 216 wie er es jä An meinen Weinstöcken in Rücksicht der gesunden Theile 'gethan, ein die ee verhütendes, weil den Ansteckungsstoff zerstörendes Mittel sein. Da mich die hier mitgetheilten fortgesetzten Beobachtüngen der Krankheit veranlaßten, einzelnes in meinem ersten Vortrage über die Weinkrankheit Gesagtes zu erwähnen, erlaube ich mir noch hinzüzu- fügen, daß das Oidium des Weinstocks gegen Mohl’s und Anderer Wahrnehmung (daß es nämlich als Oidium Tuckeri nur allein auf unserem Wein sich finde) im letztvergangenen Sommer abermals, wie vordem, an meinen Spalieren auf den gekräuselten Enden einiger Pfirsichbäumehen sich angesiedelt habe, ' und daß es, meiner Vermuthung über die Entstehung der Weinkrankheit gemäß, diesmal schon weitere Fortschritte auf dem Pfirsichholze gemacht hat, so daß ich die Ueberzeugung habe, es werde (wie. die Frauendörfer Blätter vom 1. Juni 1854, Nr. 21, pag. 168 melden: daß das Oidium nicht nur auf den Weinstöcken, sondern in Frankreich merkwürdiger Weise auch seit einigen Tagen in den jungen Weiß- dornhecken sich zeige) bald auch ein Oidium des Pfirsichbaums geben, wenn nicht ein Naturereigniß dem verheerenden Umsichgreifen derartiger Kryptogamen sich entgegenstellt. Anhang. (Aus Dinglers Polytechnischem Journal 1854, Band CXXXIV, Heft 4.) Der Apparat des Herrn Gaffee unterscheidet sich von den früheren Vorrichtungen sowohl durch die gesammte Combination, als auch durch folgende Eigenthümlichkeiten: 1) durch den Verschluß der Oeffnung, durch welche die Schwefelblumen eingefüllt werden, mittelst eines Scharnierdeckels, der mit einem elastischen, sich luftdicht anlegenden Boden versehen ist; 2) durch Anbringung eines sogenannten Pilzes oder Kegels im Innern der Büchse und der Füllöffnung gegenüber, welcher als kreisrunde, geneigte Ebene zur erleichterten Ausbreitung des Schwefelpulvers in der Büchse dient; 3) durch Anbringung von auf die hohe Kante gestellten Blättchen, welche zum Vertheilen der Schwefelmasse dienen; 4) durch die Gabelung der Leitung des Blasebalgs am Eintritt der Büchse, um die Zerstreuung des Schwefels in der Leitung des Blasebalgs zu verhindern, wenn man letzteren in senk- rechter oder geneigter Richtung handhabt. Die Büchse 5 ist länglich viereckig mit cylindrischen Enden — hier im Längendurchschnitt ägam stellt und an dem Blasebalg a so angebracht, daß die Verbindung von a mit 5 durch die Düse e be- wirkt wird, der gegenüber ein langer Schnabel e angebracht ist, welcher auch, wenn es erforderlich ist, mit einer Brause versehen wird, um das Schwefelpulver besser auf den Weinstöcken verbreiten zu kön- nen. Die Düse e gehört der Büchse selbst an und verzweigt sich mit ihr durch eine senkrechte Lei- tung d. An der ganzen inneren Oberfläche der Büchse und bis 15 Millimeter vom Boden entfernt ist ein metallener Siebboden f angebracht und bildet einen Scheider, der die Büchse 5 in 2 Abtheilungen theilt; dieselbe Drahtgaze welche am Rande fest gelöthet ist, erhebt sich auf.die ganze Höhe der Büchse und ist auch am Ende der Oeffnung der gabelförmigen Düse c, d fest gelöthet. Ueber der Drahtgaze f ist ein aus Blättchen bestehender Rahmen g angebracht; diese Blättchen stehen auf der hohen Kante und dienen zum Vertheilen der in der Büchse & eingeschlossenen Schwefelblumen. Oben ist die Büchse durch den fest gelötheten Deckel % verschlossen; an demselben sind die Bänder © angelöthet, welche den Pilz j festhalten; letzterer hat die Form eines doppelten umgekehrten Kegels, um den Dienst einer kreisförmigen geneigten Ebene zu leisten. Wenn man die Schwefelblumen durch die Oeffnung 7, deren 217 Deckel m man alsdann abnimmt, einfüllt, so gleitet die Substanz auf dem Kegel j hinab und vertheilt sich in der Büchse, ohne an einem Punkte sich anzuhäufen. Auf diese Weise gewähren der Kegel und die Blättichen g den Vortheil, das Schwefelpulver zu vertheilen und ein Ausblasen als Staubregen zu erleichtern. Die Füllöffnung Z! kann mittelst eines Dek- kels m verschlossen werden, welcher durch ein Scharnier mit dem Rande der Büchse verbunden ist; er ist im Innern mit einem Stück Leder oder Kautschuck n versehen, gegen welches eine Feder p drückt, um einen luftdichten Schluß des Deckels zu bewirken, so daß während der Wirkung des Blasebalgs kein Schwefelpulver oben austreten und verloren gehen kann. Man kann mit einem solchen Apparat die Schwefelung des Weinstocks in allen Stellungen sehr leicht bewirken. Die Gartenbau-Gesellschaft von Melun und Fontainebleau empfahl diesen sinnreichen Apparat zur allgemeinen Anwendung. 28 218 Verzeichjniss der in der Bibliothek der Schlesischen Gesellschaft für vaterländische Kultur vorhandenen, auf Obst-, Gemüse- und Gartenbau bezüglichen Bücher, Zeitschriften und Broschüren. Amalie ***, Die Gartenfreundin. Ein Handbuch für Blumengärtnerei. 2. Aufl. Glogau 1817. Ankündigung über die zu vertheilenden Edelreiser der K. K. Mährisch-Schlesischen Gesellschaft zur Beförderung des Ackerbaues, der Natur- und Landeskunde. Brünn 1836. Anleitung, kurze, zur Erziehung und Pflege des Maulbeerbaumes und zum Seidenbau. Herausgeg. von dem Vorstande des Vereins zur Beförderung des ir ie in der Mark Brandenburg. Berlin 1851, und 2. Ausgabe, Berlin 1854. Annales de la societe royale d’agriculture et de botanique de Gand, redige par Ch. Morren. Gand 1845 bis 1849. Tom. 1 bis 5. Anweisung, gründliche, Hyacinthen und andere beliebte Zwiebelgewächse im Winter auf mancherlei Art zu treiben. Glogau und Lissa 1826. — kurze, für Landleute zur Erziehung gesunder und fruchttragender Obstbäume. Hannover 1830. Archiv des Garten- und Blumenbau-Vereins für Hamburg, Altona und deren Umgegend pro 18593. Barnes, James, Briefe über Gärtnerei. Aus dem Englischen. Berlin 1846. Bayer, C. G., Anweisung zum Obstbau und zur Benutzung des Obstes. Hannover 1836. Belgique horlicole, La, Journal des Jardins. Redig& par Ch. Morren. Tom. 1 bis 3. 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Kösb unind - gernork, vera ra, Dr 7 57 (hat Ep Die wrldaoh bus erramankl. daimamiminlk; 2 di; nl Mn: RB antnase.- sie he ul ob. enieaned yraintehnune 2.2 TVriewı . ‚age . a, . here Ma ie seit f- te Bepine dar ab a; en hs ine een ee ui are nah Pen: | be Did War alle re wer a Br utrei. ekh, F sandabink nn Haar yet Mh 2 Fade ar Ares ER Ai aa (tina, ver Bi aH R Bauart Hana re. - en IP ve ; er er h M ed Ws »,5' oT PATER EE abrlieistitd ah gunmzisahraß ir Fer es ae ubdl. seriafh + ai k NN 225 Bericht über die Thätigkeit der historischen Section im Jahre 1854, von Dr. Röpell, zeitigem Secretair derselben. Herr Dr. Tagmann hielt folgenden Vortrag: Zur Geschichte der Reichkramer-Societät in Breslau. Jahrhunderte lang haben in Breslau 2 verschiedene kaufmännische Corporationen neben einander existirt, nämlich: 1) die eigentliche Kaufmannsgilde oder, wie sie sich auf ihrem Siegel nennt, das Collegium mercatorum; 2) die Societät der Reichkramer. Zu der eigentlichen Kaufmannsgilde gehörte vor Allem das Tuchhaus-Collegium, welches aus denjenigen bestand, die eine von den 40 Tuchkammern unter dem Tuchhause hatten, dessen Stelle jetzt die Häuser der Elisabethstraße einnehmen. Später, seit dem Anfang des 18. Jahrh., konnten 100 Mitglieder der Kauf- mannsgilde auch eine Einzelungs-Gerechtigkeit erwerben. — Die Reichkramer-Societät, vorzugsweise zur Einzelung berechtigt, bildete die zweite Classe des hiesigen Handelsstandes, und ihre Mitglieder sind keineswegs zu verwechseln mit den Partkrämern, mit denen sie oft von Unkundigen zusammengeworfen werden. Diese gehörten nämlich, wie die Leinwandreißer, Heringer, Sälzer, Wollekrämer, Krambäudler und andere, zu der niederen Classe von Handeltreibenden und haben ihren Namen davon, daß sie die- jenigen Waaren, mit denen auch Reichkramer und Kaufleute handelten, nur per partes, zu kleinen Theil- chen verkaufen durften, was meist in öffentlichen Buden am Ringe geschah, deren ja noch jetzt eine Anzahl vorhanden sind. In meinem jetzigen Vortrage will ich mir nun erlauben über die Reichkramer- Societät etwas Näheres mitzutheilen, . soviel mir bis jetzt im Laufe meiner Studien über unsere Provin- zialgeschichte zu erforschen möglich gewesen; die Quellen, aus denen diese Nachrichten fließen, sind fast allein Urkunden und Aktenstücke, welche sich in hiesiger Stadt oder in Fürstenstein befinden. t). Allerdings wird sich das Bild, welches ich vor Ihnen aufzurollen gedenke, noch sehr vervollständigen ') Wo ich keine Quelle anführe, sind die Angaben stets aus ungedruckten Aktenstücken entlehnt, lassen, besonders da ich hoffen darf, das Archiv der Reichkramer selbst, dessen Existenz mir vor Kur- zem erst bekannt geworden ist, benutzen zu können; indeß dürfte auch die immerhin jetzt noch sehr mangelhafte Zusammenstellung des Wichtigsten aus ihrer Geschichte bei Manchem vielleicht einiges In- teresse zu erregen im Stande sein, da gerade über die Handelsverhältnisse Breslau’s im Vergleich mit den politischen, kirchlichen und andern Angelegenheiten das Wenigste in den Chroniken und Geschichts- werken unserer Stadt enthalten ist. Daß ich aber auf den Wunsch unsers Herrn Präsidenten, über schle- sische Handelsverhältnisse einen Vortrag zu halten, gerade die Societät der Reichkramer gewählt habe, geschah einestheils darum, weil diese von sehr Wenigen näher gekannt ist, obgleich sie über 5 und ein halbes Jahrhundert bestanden und erst den Einflüssen der Neuzeit hat weichen müssen; weil ferner ihre Geschichte abgeschlossen, also ein Ganzes ist, die Societät aber in der That eine gewisse Bedeutung gehabt hat. Allerdings sind es keine weltbewegenden Fragen, ‘welche, hier, zur Sprache kömmen, da überhaupt nur selten eine Provinzialgeschichte darauf Anspruch machen kann; gleichwohl bilden auch sie ein Blatt in dem Buch der Geschichte, welche ja erst aus einer unendlichen Menge von Einzelheiten sich zu einem wahrheitsgetreuen Bilde gestalten kann, indem auch das Kleinste, scheinbar Unwichtigste ein gewisses Licht auf das Ganze zu werfen geeignet ist. Und sind es nicht gerade die Zustände, die in einer Provinzialgeschichte uns gewöhnlich am meisten interessiren, insofern ja unsere gegenwärtigen Verhältnisse aus ihnen hervorgegangen sind, ja zum Theil noch auf ihnen beruhen? In jener Beziehung aber giebt die Geschichte der Reichkramer-Societät uns auch manchen Aufschluß. — In diesem Sinne also bitte ich die nachfolgenden (nur auf geschehene Aufforderung dem Druck ne Mittheilun- gen aufzufassen, für die ich Ihre freundliche Nachsicht in Anspruch nehme. Die älteste Nachricht über die Reichkrame datirt vom 10. Juni des Jahres 1266, wo a Heinrich III. in Uebereinstimmung mit seinem Bruder Wladislaw zwei Breslauer Bürgern: Reinhold von Striegau und Heinrich von Banz und, ‘deren. rechtmäßigen Nachkommen zum erblichen Besitzthum 47‘, Reichkram verkauft, mit der Erlaubniß,, sie wieder zu. verkaufen, wegzuschenken, oder zu be-. halten und in ihrem Nutzen zu verwenden, sowie mit dem Versprechen, die Anzahl der Krame nicht zu vermehren, noch sie an einen andern Ort zu verlegen. Von jedem derselben bekamen sie jährlich 5 Vierdung Zins, d. i. nach unserm Gelde 11%, Thlr.; die polnische'Mark galt nämlich damals 9'/, Thlr. ") Hieraus ist klar, daß im J. 1266 in Breslau. bereits 47 ',, ‘oder, da der halbe immer für einen ganzen gerechnet wurde, 48 Reichkrame bestanden; denn. nicht von der Gründung derselben ist, die Rede, son-, dern nur von ihrem Verkaufe an 2 Bürger, welche fortan statt des Herzogs..die Zinsen zogen. Ueber Ursprung und Bedeutung des Namens Reichkramer sind‘ verschiedene Meinungen . auf- gestellt worden, von denen wol die schlechteste die sein‘dürfte, wonach: Reichkramer entstanden’ sei aus Reihkramer, weil sie nämlich .ihre: Krame alle in einer langen Reihe‘ beisammen hatten; Andere schließen aus dem Namen, daß ihnen der Handel im deutschen Reiche gestattet gewesen sei... Am rich-' tigsten scheinen mir denselben diejenigen zu erklären, welche sagen, daß: die ältesten Kramer, welche sich in Breslau bald nach dessen Erbauung niederließen, ‘aus dem Reiche gekommen seien; dies stimmt nämlich mit den übrigen Verhältnissen zusammen, da ja besonders im 13. Jahrhundert sich die 'Germa- nisirung Schlesiens durch deutsche Einwanderer vollzog, Breslau aber nach der Verwüstung durch die Mongolen im J. 1242 mit deutschem Recht, 1261 mit Magdeburger: Recht: begabt‘ wurde, in ‘welchem !) Klose, documentirte Geschichte von Breslau ], p. 50. Vergl. meine Abhandlung: „Ueber das Münzwesen Schlesiens bis zum Anfang des 14. Jahrh.“ in der Zeitschr. des Vereins für Geschichte u. Alterth. Schles.’s von 1855, Heft 1, besonders Abschn. 9: ‚Ueber den Werth der poln: Mark.“ 225 letzteren ausdrücklich jedem Fremden, der aus einem andern Lande oder aus einer andern Stadt kam, um sich wohnhaft niederzulassen, das erste Jahr Freiheit von allen Abgaben gewährt wurde, welche Bestim- mung i. J. 1272 wiederholt wurde. Möglich wäre es allerdings auch, daß die Reichkramer durch die Silbe „Reich‘“ ihren höhern Rang bezeichnen wollten, wie denn z. B. das Weißgerbermittel nach dem Kretsch- merschen Manuscript p. 107 aus dem Anfang des 18. Jahrhunderts das besondere Ansehen hatte, daß es nächst dem zu Wien das Hauptmittel im ganzen römischen Reiche war. Wie dem aber auch sei, mit Recht glaube ich nach dem bisher Gesagten den alten Namen: ‚‚Reichkramer‘ statt des erst in neue- rer Zeit aufgekommenen: ‚Reichkrämer‘‘ anwenden zu dürfen, da sie sich wesentlich von den eigentlichen Krämern oder Bäudlern unterscheiden und der Name: ‚‚Reichkramer‘‘ mir erst dann in: „„Reichkrämer‘‘ ver- wandelt zu sein scheint, als die Eifersucht der Kaufleute ersten Ranges sie herabzudrücken sich bemühte; heißen ja doch noch jetzt in Leipzig viele Kaufleute ersten Ranges, z. B. Banquiers, ebenfalls Kramer. Was die Lage und Beschaffenheit der Reichkrame anbetrifft, so befanden sich dieselben zwischen dem Tuchhause und den Leinwandbauden, da, wo der jetzige Eisenkram ist; und daß sie schon von Anfang an dort waren, beweist jenes Versprechen des Herzogs Heinrich III. in der Verkaufsurkunde vom Jahre 1266, sie nicht an einen andern Ort zu verlegen. Die einzelnen Krame folgten der laufenden Nummer nach hinter einander erst auf der einen Seite und dann weiter auf der andern Seite zurück, so daß die letzten, No. 47 und der halbe, den ersten gegenüber lagen; und zwar befand sich No. 1 links am Eingange vom Kränzelmarkt aus, vor dem jetzigen Geschäft von C. F. Jaeschke, welche Familie schon seit dem Jahre 1735 ihr heutiges Lokal, einen früheren Reichkram, inne hat: Noch jetzt kann man auf einzelnen alten Thüren die früheren Nummern finden, sowie auch noch hier und da hölzerne Figuren, welche die einzelnen Reichkrame als Unterscheidungsmerkmale und Kennzeichen für ihre Kunden hatten, z.B. 2 rothe Füchse (bei Jaeschke), oder ein Adler, zu sehen sind. Auf beiden Seiten zog sich über den Kramen, die durch herabfallende Läden geschlossen wurden, ein an der gerade- aufgehenden Mauer angebrachtes Schleppdach hin. Die innere Räumlichkeit der einzelnen Krame war bei der großen Zahl derselben in einem so kleinen Raume natürlich sehr beschränkt, so daß man sich heut zu Tage, wo wir ganz andere Anforderungen machen, kaum vorstellen kann, wie es möglich ge- wesen ist, daß ein nicht unbedeutendes Handlungsgeschäft darin betrieben werden konnte. Kretschmer im Anfange des 18. Jahrhunderts sagt ausdrücklich in seinem Manuseript p. 75, daß nur etliche unter ihnen seien, die Wohnungen haben. So mußte denn jeder Raum bestmöglichst benutzt werden, und besonders lagen die Böden über den Kramen voll Waaren, woraus es sich auch erklärt, wenn Pol im 4. Bande seiner Jahrbücher p. 133 anführt, es sei den 20. August 1587 unter den Reichkramen ein Boden eingedrückt worden. Ebendaher kommt es, daß nach Abkommen mit den Besitzern der hinten- anstoßenden Häuser in einzelnen Kramen Wände durchbrochen wurden, um noch ein Stübchen oder eine Kammer: zu gewinnen, wovon wir ein Beispiel finden in einem Kaufkontrakt des Jahres 1727, in wel- chem es ausdrücklich heißt: „‚sammt dem daran befindlichen und durch eine Mittelwand von des Hoffmann’s Reichkrame abgesonderten Stübchen‘, und in einem zweiten vom Jahre 1776, wo desselben Stübchens wieder Erwähnung geschieht; daher kommt es ferner, daß derjenige Reichkramer, welcher sein Geschäft ausdehnen wollte, noch einen oder mehrere Krame, am liebsten natürlich in der nächsten Nachbarschaft, ankaufte, wie z. B: in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts Gregor Mentzel 2, Daniel Wurster 5, im Anfang des 18. Jahrhunderts Gottfried Springer und nach ihm die Familie Jaeschke 2 Reichkrame besaßen, zum Theil auch mit den allmälig darüber gebauten Häusern. Daraus wird es klar, wenn auch jetzt in mehreren Grundstücken des Eisenkrams der Fall vorkommt, daß es in ein und demselben Hause verschiedene Besitzer ‚giebt; indem, einzelne. Räumlichkeiten zum Nachbarhause gehören, sowie wenn nicht zu allen Zeiten die Zahl der Reichkramer 48, sondern: geringer war, z. B. 38, wie sie Klose aus dem 29 226 Jahre 1499 (4. Bd. p. 267) angiebt.!) Die beiden Eingänge gegen Morgen und Abend durch ge- mauerte Thore, wie auch die an dem Durchgange gegen Mittag und Mitternacht wurden, wie noch jetzt, durch hölzerne Thore geschlossen, und mehrere Hunde dienten als Wächter; wie man aber außerdem das Lokal verwahrte, davon giebt ein altes Schloß Zeugniß, welches in der ebenfalls unter dem Eisen- kram befindlichen Handlung von Gustav Kroh schon oft die Verwunderung erregt hat. Das gemauerte Thor gegen das Friedrichsdenkmal wurde 1804 (2%) eingerissen, und statt der pyramidenförmigen Ver- zierung, welche sich über demselben befunden hatte, wurde jetzt eine bogenförmige gemacht, mitten über das Thor aber in ein Blind vom Maler Hecker die Gerechtigkeit gemalt, die noch heut zu sehen: ist, allerdings aber schon sehr gelitten hat. Das Thor gegen die andere Seite des Ringes wurde bloß ab- geweißt. Die Kosten trugen einige Mitglieder der Reichkramer-Societät.?) Von hölzernen Thoren ist nach mündlichen Mittheilungen das gegen Morgen befindliche, welches 1746 den 17. Juni errichtet wurde, im Jahre 1351 durch ein neues ersetzt worden. ?) Geöffnet wurden die Thore von Ostern bis Michaelis um 7 Uhr, von Michaelis bis Allerheiligen um halb 8, von Allerheiligen bis Ostern um 8 Uhr, ge- schlossen dagegen frühestens um 4, spätestens um 6 Uhr (um 4 Uhr von Martini bis Mariä Reinigung, um 6 Uhr vom Georgentag bis Bartholomäus), indem je nach der Tageslänge eine halbe Stunde zuge- setzt oder abgebrochen wurde. Außerdem wurde am Weihnachts heiligen Abend um 2 Uhr Nachmit- mittags geschlossen, an den 3 Oster-, Pfingst- und Weihnachtsfeiertagen aber, sowie am Neujahrstage,; Charfreitage und Himmelfahrtstage, an den Buß- und Sonntagen wurde gar nicht geöffne. Da die Schließung der Thore für die Bewohner der Häuser in dieser Gegend allerdings manche Unbequemlich- keit hat, so ist im Jahre 1849 der Antrag gestellt worden, eine offene Straße durch den Eisenkram zu machen, doch ist es beim Alten geblieben, da eine Aenderung mannigfache Schwierigkeiten hat; wer weiß indeß, wie lange noch diese Ueberreste der alten Reichkrame sich erhalten werden? Darum will ich auch noch auf eine Merkwürdigkeit aufmerksam machen, an der gewiß sehr Viele vorübergehen, ohne sie zu beachten: dies ist eine eiserne Elle von 22 Zoll Länge, die in der Ecke des jetzigen Zie- pulischen Hauses, rechts am Eingange vom Kränzelmarkt aus, an einer Mauersäule befestigt ist und jedenfalls die Bestimmung hatte, daß man nach geschehenem Einkauf sich nachmessen konnte, um die Verkäufer zu richtigem Maße anzuhalten. In den ältesten Zeiten hatten also sämmtliche Reichkramer ihre Krame an demselben Orte; die Beschränktheit des Raums und die ungünstige Lage bewirkten jedoch allmälig, daß von einzelnen Reichkramern das Geschäftslokal verlegt wurde, und so heißt es schon in der Reichkramer-Ordnung vom 12. November 1668 ausdrücklich: ‚Obgleich aus der Fundation und den Ordnungen der Reichkra- mer-Zunft zu ersehen, daß sie ihre Waaren unter den 47!, Reichkramen vereinzeln sollten, so wird doch aus erheblichen Ursachen nachgesehen, daß ein und der andre Reichkramer, wie von etlicher Zeit her geschehen, -also ferner in Häusern und Gewölben der Stadt die Kramerwaaren einzelweise verkaufen und ‚dadurch ihr Bestes und ihren Nutzen suchen mögen.“ So mag es gekommen sein, daß von den 48 Reichkramern in dem alten Raume nur wenige zurückblieben, und zwar diejenigen, welche !) Die schles. Instantien-Notiz vom J. 1781 giebt 4 Aelteste, 39 andere Mitglieder und 6 handlungtreibende Wittwen, Zöllner im J, 1791 in seinen Briefen, Th. 1 S. 133 auch 4 Aelteste, 40 andere Mitglieder und 5 hand- lungtreibende Wittwen an, beide also im Ganzen 49 Mitglieder, was sich vielleicht dadurch erklärt, dass bei einem der Reichkrame 2 Mitglieder betheiligt waren, indem jedes einen halben besass. ?2) Diarium von Paritius, $. 25. °) Die Fürstensteiner Acten fol. 155 geben für die Errichtung eines Thores d. d. 1820 d. 17. Juni an die Summe: 77 Thlr. 21 Sgr. 6 Pf. Vielleicht ist damit das hölzerne Thor gegen Abend gemeint. 227 sich hauptsächlich auf den Eisenhandel gelegt halten, so daß aus den ehemaligen Reichkramen der Eisen- kram geworden ist. Gegenwärtig sind nur einige Eisenhandlungen noch hier, soviel ich weiß: 5, von denen jede eine Anzahl der früheren Reichkrame inne hat. Daher konnte im Jahre 1791 Zöllner in seinen Briefen über Schlesien, Th. 1. S. 133 sagen: „Ein Reichkrämer heißt hier (nämlich in Breslau) ohngefähr eben das, was wir einen Eisenkrämer nennen, nur daß jener auch Specerei- und Material- waaren vereinzeln darf. Ursprünglich ist die Gerechtigkeit des Reichkrams bloß an bestimmte Gewölbe, ohnweit dem Rathhause, geknüpft gewesen; wer aber auch jetzt ein solches Gewölbe und mit demselben das Privilegium erkauft, treibt doch seinen Handel gewöhnlich in andern Gegenden der Stadt, weil diese ‘Gewölbe keine vortheilhafte Lage haben.‘ Von den Einkünften eines solchen kleinen Krames am Rathhause wird man sich einen Begriff ma- chen können, wenn man bedenkt, daß das gleich anfangs gegebene Versprechen, die Zahl der Krame nicht zu vermehren, sowie das im Jahre 1272 der Stadt Breslau ertheilte Meilenrecht, wonach im Um- kreise einer Meile kein Kram angelegt werden durfte, ihrem Gewerbe Schutz gewährte; wenn man ferner die Höhe der Kaufsumme betrachtet, für welche in verschiedenen Zeiten die Reichkrame veräußert wur- den. Es haben mir eine große Zahl Verkaufsurkunden aus dem 17. und 18. Jahrhundert vorgelegen, und aus diesen ergiebt sich, daß im Jahre 1684 ein Reichkram mit 500 Thlr. Schles. in den J. 1727 und 1728 ein Kram sammt dem darüber gebauten Hause mit 1500 Thlr. Schles., oder, was dasselbe ist, 1200 Rihlr., und 6 Ducaten Schlüsselgeld, 1735 nur mit 9UO Rthlr. “und 4 Ducaten Schlüsselgeld, und ebenso 1776 mit 900 Rthlr. schwer Courant, 1800 aber von der eignen Wittwe des früheren Besitzers wieder mit 1200 Rthlr. verkauft worden ist. Ein anderer Kram mit Gebäude wurde 1723 in gerichtli- cher Subhastation für 920 Thlr. Schles. erstanden, aber schon 1727 für 1500 Thlr. wiederverkauft, und 1746 brachte er sogar 1700 Thlr. Schles. und in demselben Jahre der Kram allein 300 Thlr. Schles., 1776 das Haus allein 1360 Thlr. schwer Courant. Im Jahre 1777 ward der Kram N. 18 mit 550 Thlrn., N. 47 mit 600 und N. 38 mit 650 Thirn. verkauf. Wenn nun auch die mehr oder weniger günstigen Zeitverhältnisse auf den Werth der Krame Einfluß äußerten, so geht doch aus den obigen Angaben, die ohnehin nach dem höheren Geldwerih früherer Jahrhunderte beurtheilt werden müssen, soviel hervor, daß die Reichkrame mit der Zeit im Preise sehr gestiegen sind, da der ursprüngliche Werth nur auf 1162, Thlr. angeschlagen werden kann, indem ein jährlicher Zins von 5 Vierdung oder 11% Thlr. bei dem damals gewöhnlichen Zinsfuß von 10 p. C. ein Capital von 116% Thlr. giebt. Daß die Besitzer dieser kleinen Räume ihr gutes Auskommen halten, zeigen ferner einige Urkunden, welche besagen, daß im 18. Jahrhundert ein Reichkramer, welcher laut andern Zeugnissen aus einem Dorfe-bei Lissa gebür- tig war und durch den Guisherrn erst von der Erbunterthänigkeit losgesprochen wurde, nach einem SV jährigen Geschäftsleben bei seinem Tode, obwohl er noch 2 Söhne hatte, seiner Tochter allein ein Vermögen von mehr als 3500 Thalern hinterlassen konnte. Später aber werde ich noch Beispiele von weit bedeutenderer Wohlhabenheit anführen müssen. Schon oben ist in der Ordnung vom Jahre 1668 der Reichkramer-Zunft gedacht worden; gestat- ten Sie mir nun, daß ich über die Innungsverhältnisse der Reichkramer Ihnen jetzt einige Mittheilungen mache, soweit meine Quellen mir das Material dazu bieten. Freilich sind es nur Aeußerlichkeiten, da über das innere Getriebe durch sie kein Aufschluß geboten wird. Was zuvörderst den Ursprung der Innung anlangt, so ist es mir unzweifelhaft, daß die Reichkramer gleich von dem Zeitpunkte an, wo durch Herzog Heinrich IV. den Breslauer Bürgern die Bildung von Innungen erlaubt wurde, also vom Jahre 1273 an, eine solche gebildet haben; haben wir ja doch gesehen, daß die 47', Reichkrame schon 7 Jahr vorher verkauft wurden, also noch früher bestanden. Daß aber gerade die Reichkramer, die ohnedies durch den örtlichen Zusammenhang ihrer Gewölbe an einander gewiesen waren, von der Bewilligung 29* 228 keinen Gebrauch gemacht haben sollten, ist bei der Neigung jener Jahrhunderte zu’ Verbindungen nicht anzunehmen. Dem dürfte auch nicht entgegen sein, daß Klose (Band II, 2. p. 414) bei Aufzählung der Zechen v. J. 1389—1451 die Reichkramer gar nicht anführt, während sie 1499 zugleich mit den Kauf- leuten den übrigen Innungen vorangestellt werden. An ersterer Stelle werden nämlich nur die eigentlichen Handwerker genannt, über welche sich schon früher die Reichkramer mit ‘den Kaufleuten 'erhoben hat- ten, wie wir auch daraus sehen, daß sie statt Innung oder Zunft den Namen Societät annehmen. Es wird also auf sie anwendbar sein, was für alle Innungen galt: daß nämlich der Eintritt in dieselbe nicht mehr, als 3 Vierdung, d. i. 7 Thlr., kosten durfte, und daß von diesen 1 Vierdung oder ‘2 Thlr. 10 Sgr. zum Nutzen der Innung, die beiden andern mit allen andern Beiträgen zum Bau‘ der Brücken und Straßen bei und außer der Stadt und zu andern Bedürfnissen derselben verbraucht wurden. ') An der Spitze jeder Innung standen die Aeltesten, deren 2 oder 4, zuletzt bei den Reichkramern in Bres- lau der Ersparniß halber, da sie besoldet wurden, nur 1 war, welcher 60 Thaler erhielt. Sie wurden vom Rathe gewählt und schworen diesem, auf rechtmäßigen Betrieb des Gewerbes zu halten. ?) Alle Mitglieder jeder Innung setzten vereinigt in der Morgensprache, welche nach Kretzschmers Manu- seript alle Montage stattfand, die Ordnungen fest, welche für das Gewerbe gelten sollten, und bespra- chen sich, wie iheuer sie die Waaren verkaufen, hingegen die Victualien einkaufen wollten; gegen die Uebertreter wurden Strafen bestimmt oder gewillkürt. Doch mußten alle Gesetze und Strafen vom Rath bewilligt werden; auch pflegten die Fürsten die Ordnungen jeder Innung zu bestätigen. Während in Breslau und Schweidnitz von den gewillkürten Strafgeldern der Handwerker 2 Drititheile an den Rath, ein Dritttheil an die Innung kam, erhielt nach Stenzel in seiner Urkundensammlung zur Gründung der Städte p. 250: bei den Reichkramern in jenen Städten der Rath die eine Hälfte, die andere die Innung. Ob die Reichkramer bei den Störungen, ?) welche die Innungen zweimal erfuhren, mitbetroffen wurden, ist 'mir bis jetzt zweifelhaft. In Folge des Aufruhrs im Jahre 1418 wurde nämlich vom Kaiser Sigismund den Handwer- kern die Brüderschaft und alle Morgensprache untersagt, so daß nur 6 Personen zusammenkommen durf- ten, um wegen Handwerks-Sachen mit einander zu verhandeln, doch in dem Jahre darauf wurden auf vielfaches Bitten den Zechen ihre Zusammenkünfte wieder erlaubt, aber unter der Bedingung, daß jeder Zeche ein Beisitzer durch den Rath zugeordnet würde. Auch gab Sigismund 1420 den Breslauischen Zünften und Zechen die erste Handwerksordnung, welche Kaiser Albrecht 1439 bestätigte. Zum zwei- ten Mal aufgehoben wurden die Zünfte 1556 durch Ferdinand I., wie es durch Karl V.ınach dem schmal- kaldischen Kriege im römischen Reiche geschehen war. Der Magistrat nahm sich ‘derselben aber so eifrig an, daß sie 1558 wieder bestätigt wurden; nur sollten ihre Beisitzer vereidet werden und die Morgensprache eingestellt bleiben. Ihre Zusammenkünfte hatten die Reichkramer in der sogenannten Amtsstube, die sich im Eisenkram befand, und zwar, ‘wie ich durch mündliche Erkundigung erfahren, da, wo jetzt das neu erbaute Haus Nr. 2 steht. Die darin befindlichen Utensilien wurden bei der Auf- lösung mit 64 Thlr. 14 Sgr. verkauft, worunter eine eiserne Geldkasse allein 36 Thlr. brachte. *) Wie !) In Schweidnitz beitrug das Eintrittsgeld bei den Reichkramern im 14. Jahrhundert nach Stenzel (Urkunden- sammlung zur Gründung der Städte p. 250 nur einen Vierdung. 2) Aus dem Jahre 1499 nennt Klose als Aelteste Ambros. Neuhoff und Lorenz Weidener; andere sind Benedict Scholz und Martin Schzwalme 1513, Gregor Mentzel 1675, Georg Güldener 1705—7, Goitfried Springer 1712, Abrah. Polenius 1716, Brüsse 1717, Adam Kühn 1726, der Oberältester genannt wurde, Joh. Heinr. Jäschke 1765, Nehler 1787, Gottfr. Willert um 1800, €. Ferd. Heinrici bis 1812, endlich Litzmann, der letzte. 8) Kretschm. fol. 70 ff. 4) Fürstensteiner Acten fol. 13. 61. 110. 137. andre Innungen, so hatten die Reichkramer auch ihre eigene Spritze, nämlich eine große metallene Rohrspritze, welche sammt dem zu ihrer Unterhaltung ausgeworfenen Capital von 100 Thlr. bei der Auf- lösung an die Commune überlassen- wurde. Das Spritzenhaus war für 67 Thlr. 19 Sgr. 5 Pf. verkauft worden. '). Im Dienste der Innung standen 2 Boten, ?), von welchen jeder nur 24 Thlr. jährlich aus der Kasse erhielt, die aber außerdem ihr gutes Auskommen hatten, da sie als Arbeiter im Eisenkram von den einzelnen Krambesitzern beschäftigt wurden. Von den beiden letzten: Urban und Haase, ist der zweite, der den Titel Reichkramer-Meister führte, erst vor etwa 15 Jahren gestorben. Für Rechtsfälle hatte die Innung einen Consulenten, der jährlich 12 Thlr. bekam; zuletzt war es der Justiz-Com- missar Gritzner.?) Daß aber die Reichkramer-Innung ein nicht gar unbedeutendes Archiv hatten, kann man daraus schließen, daß für die Revision desselben im J. 1818 Professor Friedrich 50 Thlr. erhielt. — Eine besondere Erwähnung verdient die Kapelle, welche die Reichkramer bis zum Jahre 1530 in der Elisabeth-Kirche hatten, umsomehr , da keine einzige Chronik etwas davon sagt.) In einem Schrei- ben des Reichkramers Rahner an den Grafen von Hochberg auf Fürstenstein vom 20. December 1821 heißt es, daß 1 Obergeistlicher und 5 andere an dieser Kapelle angestelli gewesen seien, welche von der Innung salarirt wurden, daß aber in Folge des Baues der Elisabeth-Kirche die Reichkramer statt derselben das sogenannte Reichkramer-Chor in dieser Kirche als Aequivalent dafür erhielten. Allerdings war den 24. Februar 1529 die mit 402 Centnern Blei und 79 Centnern Kupfer bedeckte Spitze des Elisabeth-Thurms eingestürzt, und es ist wol möglich, daß bei dem nun nöthig gewordenen Bau die Reichkramer-Kapelle zu existiren aufhörte. Vielleicht auch trug der Umstand, daß die Elisabeth-Kirche 1525 den 5. April protestantisch geworden war, das Seinige zu der Veränderung bei. Wie dem aber auch sei, soviel steht aus alten Urkunden fest, daß 1530 den 2. April eine große Menge Geräthe aus der Reichkramer-Kapelle, wie sie bereits in Registern von 1494 und 1512 angegeben werden, als: ein silberner Christophorus, übergoldete Kelche, Kreuze u. s. w., golddurchwirkte, sammtne und andre Or- nate, Vorhänge u. dgl., messingene und zinnerne Altarleuchter, Becken, Sprengfässer und Anderes dem Rathe übergeben wurden. Bei der Auflösung fanden sich jedoch eine Anzahl Gegenstände aus jener Zeit noch auf der Amtsstube vor; über diese wurde nun in folgender Weise verfügt. Drei Altarleuch- ter, 2 messingene und 1 zinnerner, empfing der Pastor Schepp zu XI/M. Jungfrauen, 9 Meßbücher die Rhedigersche Bibliothek, verschiedene Kunstsachen in Holz Professor Büsching, 6 gute Leichentücher der Commercien-Rath und Kirchenvorsteher von St. Elisabet: Neustädter mit der Bedingung, daß die noch lebenden Reichkramer von denselben unentgeltlich Gebrauch machen könnten; die vorhandenen heili- gen Gebeine, welche in einem gläsernen Kästchen und in einigen mit Sammt oder Plüsch vernähten hölzernen Schüsseln aufbewahrt wurden, sollten anfänglich in aller Stille in der Gruft zu St. Elisabeth beigesetzt werden, wurden aber, da Senior Hagen für die Eröffnung der Gruft eine polizeiliche Erlaub- niß verlangte, dem Grafen Hochberg, der sie zur Aufbewahrung in seiner Burgkapelle wünschte, über- sandt. Was endlich das Chor der Reichkramer anlangt, so wurde bestimmt, daß es den noch lebenden Societäts-Mitgliedern gegen die Verpflichtung, dasselbe in baulichem Stande zu erhalten, unter Admini- stration des Rahner auf Lebenszeit verbleiben, dann aber der Kirche anheimfallen sollte. Nachdem wir ‘nun gesehen haben, daß die Reichkramer in der Elisabeth-Kirche ein eigenes Chor besaßen, wird es auch klar sein, warum der Reichkramer Joh. Gottfr. Gerlach 106 Thaler gab zur Verzierung der Chor- gestühle mit Gemälden aus der biblischen Geschichte. 5) !) Fürstensteiner Acten fol. 13. 34. 61. 98. ®2) u. ®) Fürstensteiner Acten fol. 13. a) Fürstensteiner Acten fol. 13. 60. 79. 98. 108. 127—129. °) Zimmerm., Beschreibung der Stadt Breslau p. 189. 230 Wenn es in alten Zeiten galt, die Stadi gegen den Feind zu vertheidigen, blieben die Reichkramer ihrerseits nicht zurück, sondern stellten sich dem Feinde mit eigner Gefahr entgegen; dies beweisen die Waffen,') welche als ehrwürdige Denkmäler bei der Innung sich erhalten haben bis zu ihrer Auf- lösung; erst dann wurden sie dem Grafen Hochberg für seine Rüstkammer auf Fürstenstein den 20. Mai 1820 angeboten, von dem sie mit Dank in einem Schreiben vom 8. Juni 1520 angenommen wurden und unter dem Namen des Gebers aufbewahrt werden. Es sind dies 6 Stück Streitäxte, 1 Hellebarde, 1 aufgespanntes Schwert und 1 dergleichen ohne Scheide, 3 große Schilder von Holz, 3 Bogen, sowie mehrere von Rost belegte, aber zusammen passende Harnischtheile, als Kappen, Brüste, Arme, Beine und Hände; endlich 6 Stück Feldleuchter. Hinzugefügt wurden noch: ein großes Bild auf Leinwand, 2 Bücher und 1 Urne mit 2 Henkeln. Die Stellung, welche die Reichkramer in dem Gemeindeleben einnahmen, giebt uns den Beweis, daß dieselben zu den angeseheneren ÜClassen der Bürger gehörten. Schon oben habe ich angeführt, daß Klose im J. 1499 bei Aufzählung der Innungen die Reichkramer gleich hinter den Kaufleuten vor allen andern Zünften nennt, und Klose sagt ausdrücklich, daß sie dem Range nach geordnet seien. Und diese Stellung behaupteten sie fortwährend, so daß sie um 1700 unter eirca 70 eigentlichen Innungen nach Kretschmer S. 70—73 den ersten Platz einnahmen, während z. B. die Heringer und Sälzer die 32., die Partkrämer die 4l., die Leinwandreißer die 58., die Wollekrämer die 66., die Krambäudler endlich die 72. Zunft bildeten; daher konnten sie es im J. 1704 sogar wagen, ein gewisses Vorrecht vor den übrigen Zünften für sich in Anspruch zu nehmen.?) In früheier Zeit war nämlich die Bürgerschaft, unter welchem Namen die Geschlechter, Gelehrten und Kaufleute begriffen wurden, entgegengesetzt den Zünften und Zechen, welche nicht Bürger, sondern Mitbürger genannt wurden. Nun war es Sitte, den Bürgereid alle Jahre nach der Rathswahl zu erneuen, und zu diesem Behufe mußten von Freitag bis Montag Vormittag die Kaufmannschaft und alle Zünfte und Zechen in gewisser Ordnung vor den Rath- mannen erscheinen, um von dem Befehlshaber den Eid und von dem Präsidenten gewisse Artikel, sowie die Aeltesten jeder Zunft vorlesen zu hören. Die nach der Kaufmannschaft Kommenden wurden alle namentlich von dem Secretair aus dem Bürgerbuche bald, nachdem sie eingetreten, abgelesen. Dies hieß die Huldigung. Die Reichkramer verlangten nun, daß sie nicht mehr, wie bisher, mit der 2. und 3. Zunft, den Kürschnern und Goldschmieden, zugleich bei der Huldigung vortreten dürften, sondern fortan mit den Kaufleuten vorgelassen würden. Zwar wurde ihnen dies abgeschlagen, höchst wahr- scheinlich in Folge der Eifersucht der Kaufleute, die ihre bevorrechtete Stellung nicht mit solchen thei- len mochten, die bisher unter ihnen gestanden hatten; gleichwohl ersieht man aus dem, was ihnen be- willigt wurde, daß ihr Anspruch nicht ganz ungerechifertigt war; es wurde nämlich bestimmt, daß sie in Zukunft zwar hinter den Kaufleuten, aber vor den übrigen Innungen ganz allein vortreten sollten. Und in der That gaben die mancherlei Berechtigungen, die sie allmälig in dem Gemeindeleben sich erworben hatten, ihnen eine gewisse höhere Stellung. So gehören die Reichkramer zu denjenigen 4 Zünften, welche von alten Zeiten her rathsfähig waren, indem bereits 1475 der König Matthias ihnen dieses Recht bestätigte; es waren dies außer ihnen die Kretschmer, Tuchmacher und Fleischhacker ?). Aus einer jeden der 4 Zünfte saß nur Einer mit im Rath, und zwar befanden sich 2 dieser Zunfi-Raths- herren unter den Rathmannen, 2 unter den Schöppen. In dem von Stenzel herausgegebenen letzten :) ef. Rahner’s Schreiben an den Magistrat vom 12. März 1819. Fürst. Act. fol. 79; ferner ebendas. fol. 109 und 131. 2) Kretschm. Ms. fol. 39. 43. ®?) Kretschm. Ms. fol. 3. 231 Bande Klose’s p. 400 ist erwähnt: „‚Johann Gerischer, Reichkramer-Schöppe, ein Mann, dessen Herz keine Sorge, noch Traurigkeit gekannt, der nie in Zorn gerathen, unbedachtsam, ein Liebhaber des Weins und angenehmer Gesellschafter, starb am Tage Elisabeth (d. i. 19. Novbr.) 1476.“ Die mir zu- gänglichen Quellen führen aus den Reichkramern als Rathsherren auf die schon genannten Aeltesten Abraham Polenius 1716, Gottfr. Springer 1723, Adam Kühn 1726 und Hickert. Die Innung besaß auch einige gut gemalte und in guten Rahmen befindliche Portraits von denjenigen Räthen und Aeltesten, welche im Magistrat gesessen haben; sie sind bei der Auflösung in ihrem Chor zu St. Elisabeth auf- gehängt worden. Nach dem Gesagten erscheint es nicht unwahrscheinlich, wenn Gomolke im 3. Bande, S. 106, bei Aufzählung der Bürgermeister von Breslau (von 1287—1731) einen Reichkramer Hans Jahner als solchen im J. 1441 nennt. Der jedesmalige Reichkramer-Rathsherr führte im Anfang des 18. Jahrhunderts, und zwar, wie Kretschmer fol. 23 sagt, von hundert Jahren her, beständig nebst noch Einem aus den Schöppen das Wageamt. Ebenso hatte die Reichkramer-Innung das Recht, aus ihrer Mitte einen der Vorsteher zu wählen für das Zuchthaus, welches 1668 in dem sogenannten langen Gange bei dem jetzigen, 1789 errichteten Armenhause erbaut wurde, und welchem 2 Directoren aus dem Rath, die Kaufmanns-Aeltesten als Inspectoren und 10 Vorsteher, nämlich 4 Kaufleute und 6 aus bestimmten Zünften, vorgesetzt waren. ') Endlich stand unter der Administration der Reichkramer- Aeltesten das Hospital zu St. Hiob, welches nach Kretschmer fol. 362 vormals morbo Gallico ge- widmet war und daher wol um das Jahr 1500 erbaut wurde, da nach Pol II, p. 166 im Jahre 1496 „die schreckliche und unerhörte Krankheit, die Franzosen genannt, oder die flechtende indianische Seuche in die Schlesien zum ersten Mal eingeschlichen und vermerkt worden,‘ und auch nach der Haunold- schen Chronik in diesem Jahre ein großes Sterben zu Breslau war. Es lag im Hofraume des Kranken- hospitals zu Allerheiligen gegen den St. Barbarakirchhof und war ein besonderes Gebäude und eine eigene Stiftung, vielleicht der Reichkramer selbst; 1635 wurde es an das Allerheiligen-Hospital abge- treten und darüber ein Vergleich geschlossen, in welchem sich jedenfalls die Reichkramer zu dem bis in unser Jahrhundert gezahlten Legate von 128 Thlr. 1 Sgr. -3 Pf. verpflichteten, 1821—23 aber ward es umgebaut. Noch 1847 (9. Juni) kam bei der Communal-Steuer-Deputation ein für das Reich- kramer-Mittel als Verwalter des Hospitals zu St. Hiob auf dem Grundstück Neumarkt Nr. 40 eingetra- gener Zins zur Sprache. Besonders aber mögen es die commerciellen Verhältnisse der Reichkramer gewesen sein, deren allmälige Ausdehnung sie den eigentlichen Kaufleuten näher geführt hatte. Erlauben Sie mir also, daß ich auf diese jetzt etwas specieller eingehe. Die ältesten Nachrichten, welche ich darüber bis jetzt kenne, sind enthalten in Stenzel’s Geschichte Schlesiens Bd. 1. p. 312. Danach durften fremde Kaufleute in Breslau an Markttagen Waaren nicht unter einem Pfunde verkaufen. Arme Krämer sollten wöchentlich 3 Mal hinter den Kramen feil haben dürfen. Jeder Kürschner durfte Schönwerk, d. h. feines Pelzwerk, und Wachs kaufen. — Etwas bes- sere Auskunft giebt der ebendaselbst angeführte Spruch der Breslauer Rathmänner, und Bürger vom Jahre 13527, welchen dieselben auf Beschwerde der Kramer gaben. Demgemäß sollte ein Bürger, welcher Kramerei, d. h. Kramwaaren, brachte, diese in seinem Hause verkaufen, aber nicht ausschneiden dürfen. Für sich und sein Gesinde zur Kost oder Bekleidung konnte der Bürger Kramerei kaufen, wo er wollte. Kaufte er aber Kramerei von einem Gaste oder Fremden und verkaufte sie im Einzelnen zum Vortheil des Gastes, so wurde er mit 2 Mark, d. i. nach heutigem Gelde, da die Mark damals durchschnittlich nur 7%, Thlr. !) Kretschmer’s Ms. fol. 364, womit zu vergleichen ist Zimmermann a. a. O., $. 286. 232 galt, mit 15", Thlr. ‚bestraft; hatte er sie zu seinem Nutzen Be so durfte er sie wieder verkau- fen, doch nicht vereinzelt unter 2 Mark. ' 2) Der Gast durfte Seife, Alaun, Kümmel und Lakritzen in Säcken nicht einzeln, sondern nur sack- weise verkaufen, ebenso Oel nur im Ganzen, Reis und Mandeln nur centnerweise, Kramerei und Specerei, oder Gut, das man nach der Elle schneidet, nicht unter. 2 Mark und nur in seiner Herberge. Diese Bestimmungen beweisen, wie ich glaube, ganz deutlich, daß sie den Kramern in Betreff des Detailhan- dels Schutz gewähren sollten sowohl gegenüber den Bürgern, d. h. den einheimischen Kaufleuten, welche nur zum Engroshandel berechtigt waren, gleichwohl aber auch mit der Einzelung sich befaßt hatten, als gegenüber den Gästen oder fremden Kaufleuten. In dem Spruche der Rathmänner heißt es dann weiler: „In Jahrmärkten sollten in den Kramen die Hinterthüren zugemacht sein.‘ Dieser Satz scheint mir hinzugefügt zu sein, um andererseits auch den Kaufleuten zu ihrem Recht zu verhelfen, da die Kramer die Waaren, welche sie vereinzelten, von hiesigen Kaufleuten entnehmen, nicht: von fremden Kaufleuten beziehen sollten, es aber gerade an Jahrmärkten oft vorkommen mochte, daß Reichkramer von fremden Kaufleuten Waaren kauften und sie heimlich durch die Hinterthüren in ihren Kram bringen ließen. 3) Den’armen Krämern !) endlich wurde gestaltet, 3 Tage auf dem alten und 3 Tage auf dem neuen Markte zu stehen, außer an Sonn- und heiligen Tagen, an denen sie vor der Kirche stehen durf- ten, während ihnen in der Woche dies nicht erlaubt war. Die Kramer selbst aber wurden verpflichtet, Alles, was an Läden und Kramen zu bauen war, mit Ziegeln oder Lehm zu bauen und mit Ziegeln zu decken. Auch sollte jeder Kramer einen ganzen oder einen halben Kram haben, und nicht darunter. Etwa 100 Jahre später, 1420 Dienstag nach vocem Iucunditatis (4. Mai) begnadigte Kaiser Si- gismund die Reichkramer-Innung speciell, sowohl mit seidenen, als mit Specerei-Waaren und Materialien und im Allgemeinen mit allen Kramwaaren handeln und sie vereinzeln zu dürfen, was ihnen durch Abe brecht 1439 Freitag vor Invocavit (29. Februar) bestätigt wurde. ?) Als die commerziellen Verhältnisse in Folge der Entdeckungen zur See und der gehobenen Indu- strie sich vielfach änderten und zum Theil eine Erweiterung erfuhren, wurde eine neue Reichkra- mer-Ordnung den 12. November 1668 von den Breslauer Rathmännern zur Regelung der seit längerer Zeit wieder sehr streitigen Verhältnisse zwischen der Kaufmannschaft und den Reichkramern gegeben. In dieser wurden folgende Bestimmungen getroffen, durch’ welche wir ein helleres Licht über die beider- seitigen Rechte erhalten: 1) Sollte es bei dem Unterschiede zwischen der Kaufmannschaft, welche von undenklicher Zeit her in einem besonderen Collegium begriffen sei, und den Reichkramern, welche unter den Corporibus Tribuum als eine Zunft bestanden, sowie bei ihren von einander verschiedenen Functionen auch ferner verbleiben. Kein Reichkramer sollte also befugt sein, mit Tuch, Röthe, Unschlitt, Juchten und Rauch- werk, mit Wolle, Fisch- und Fettwaaren, mit Honig, Garn,'roher und gebleichter Leinwand, sowie mit Züchen und einigen anderen Waaren, die Kaufmannschaft, d. h. Kaufmannswaaren sind, zu handeln. Ebenso sollte kein Reichkramer süße oder andere Sortiments-Weine zum Summenverkauf, d. h. zum Verkauf im Ganzen, oder auch zum Ausschank einbringen lassen. Weil ferner das Ordiniren von Wech- seln ‚für Fremde und die Verwaltung von Commissionen und Factoreien eigentlich zur Kaufmannschaft gehört, so wurde den Reichkramern verboten, sich dergleichen anzumaßen und für Fremde von hier aus 'Waaren zu versenden oder eingeführte Waaren anzunehmen und in Commission zu verwenden, wie !) Da hier mehrmals von armen Krämern die Rede ist, so könnte man fast auf den Gedanken kommen, als sei Reichkramer der Gegensatz davon, entstanden aus: reiche Kramer. 2) Kretschmer’s Ms. fol. 75. 233 auch mit Fremden an einem Geschäft zu participiren und Compagnie-Handlung zu unterhalten. Doch sollte es den Reichkramern unbenommen sein, solche Waaren, die sie zu vereinzeln. berechtigt seien; von fremden Orten für sich einzuführen, wenn sie dieselben von hiesiger Kaufmannschaft nicht entnehmen wollten; nur sollte sich nicht einer hinter den andern verstecken und solche eingeführte Waaren im Ganzen zu verkaufen sich anmaßen. | 2) Zwar seien in alten Ordnungen den Reichkramern besondere Vorrechte an Elle und Gewicht vor der Kaufmannschaft eingeräumt worden in Bezug auf die Verschneidung goldenen und seidenen Ge= wandes, den Verkauf goldener und seidener Borten, sowie des Sammet, Damast, Tobies, Atlas, Zindels, Kartecken und der Seide, auch andrer dergleichen ganz- und halbseidener Waaren; da aber seit nicht wenigen Jahren die Reichkramer diese Waaren nicht geführt hätten, manche Arten gar nicht mehr im Gebrauch, dagegen andere neuere Arten aufgekommen wären, welche von denjenigen Kaufleuten, die hier Seidenhandlung trieben, nebst anderen, niemals den Reichkramern zum alleinigen Verkauf gestattet gewesenen Waaren eingeführt worden wären und nach der in Seidenhandlungen üblichen Weise mit Elle, Gewicht u. s. w. verkauft würden, eine Abstellung dieser Einrichtung aber großen Schaden für das: Kais. und Kgl. hohe landesfürstliche und Jas städtische Interesse, sowie ein schädliches Monopol nach sich ziehen würde, so sei jenen Kaufleuten auch ferner der Verkauf ihrer Waaren nach der in Seidenhand- lungen üblichen Gewohnheit zu gestatten, ebenso der paarweise Verkauf von feineren Sorten Strümpfen, die in England, Hamburg und anderen fremden Orten verfertigt würden; auch sollten die der Seiden- handlung verwandten kaufmännischen Geschäfte, wie theilweise bisher geschehen, sich auch ferner der Thüren in ihre Gewölbe und Läden gegen Markt und Straßen in und außerhalb der Straßen bedienen können. 3) Da 3 Jahre vorher, 1665 den 22. Juni, zwischen ‚der gesammten Kaufmannschaft,‘“ worin vielleicht die Reichkramer eingeschlossen sind, und dem Mittel der Partkrämer ein Vergleich ge- troffen worden war, so wurde die Beobachtung der darin enthaltenen Bestimmungen den Kaufleuten eingeschärft. : 4) Ueber dies hinaus sollte kein Kaufmann sich unterstehen, durch Waarenvereinzelung den alten Vorrechten der Reichkramer in Bezug auf ganze und halbe Centner, ganze und halbe Steine oder Pfunde, sowie auch auf Geldwerth bei gewissen Arten verschiedener Waaren Eintrag zu thun. Dem- nach sollte kein Kaufmann vereinzeln geschmiedet oder Schien-Eisen unter 1 Centner; Sensen oder Siedeschneiden nicht unter 1 Decher; Messing, Blei, Stahl, Zinn, Alaun, Weinstein, Venetianische Seife, Baumöl, Wachs und Kümmel nicht unter 1 Stein; Zucker, Reis, Mandeln, Feigen, Rosinen oder Wein- beeren und Anis nicht unter 1 halben Stein; Pfeffer und Ingwer nicht unter 6 Pfunden, Galgand, Cube- ben, Paris-Körner und andere gekörnte Sachen nicht unter 1 Pfunde. — In Betreff der feineren Spe- cereiwaaren, obschon es mit ihnen jetzt eine ganz andere Bewandtniß hatte, als vor 100, 200 und mehr Jahren, sollte doch der Kaufmann von Safran nicht unter Y, Pfund, von Muscatblüthe und Muscat- nüssen, wie auch Negeln, d. i. Nelken, Zimmetrinden und Zittwer nicht unter , Pfund auf einmal ver- kaufen; ferner von den theueren Farbewaaren den Firnbock (Fernambuk) und Blauholz nicht unter 1 Stein, Grünspan nicht unter Y, Stein, Indigo und Bergblau nicht unter 4, Stein, Zinober und Cocei- nella (Cochenille) nicht unter 1 Pfund; von den sogenannten groben Waaren aber Kreide und Kupfer- wasser, sowie Schwefel, Glätte und Rubrin nicht unter 1 Centner; dann von den Fischwaaren die sogenannten Bremer oder andere Bricken nicht unter ', Fässel. Weil endlich es fast unmöglich sei, Alles genau zu specifieiren, so sollte im Uebrigen die Kaufmannschaft nicht befugt sein, von anderen Waaren Etwas unter dem Werthe von 3 Flor. Rheinisch zu verkaufen, womit die Reichkramer zu ein- 30 234 zeln und darunter zu verkaufen berechtigt wären, während dem Kaufmann es zustehe, darüber auf ein- mal zu verkaufen. 5) Da Fälle vorgekommen, daß Kaufleute mit Reichkramern oder anderen Krämern sieh in Com- pagnie-Handlung eingelassen und dadurch schädliche Confusion herbeigeführt, so sollte dergleichen hin- fort nicht gestattet, sondern ganz abgestellt sein; wenn aber ein Kaufmann Einzelung zu treiben, wie die Reichkramer-Zunft, oder ein Reichkramer gleich einem Kaufmann zu handeln wünschen sollte, so sollte jener bei der Reichkramer-Zunft Recht gewinnen, d. h. sich aufnehmen lassen, dieser aber bei u. Kaufmannschaft Handlungsrecht suchen. 6) Durch diese Ordnung sollte jedoch Niemand, der sonst irgend ein besonderes Recht für sich, sein Haus und Erbe oder auf andere Weise erlangt hätte und beweisen. könnte, darin beeinträch- trächtigt werden, sondern Alles, was durch dieselbe nicht berührt worden sei, solle unverändert nach den früheren Ordnungen der Reichkramer-Zunft bleiben und gelassen werden. Diese Ordnung giebt uns also ein ganz klares Bild von den Rechten sowohl der Kaufleute, als der Reichkramer, wie sie in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts galten, und ich hoffe, Sie werden daraus die Ueberzeugung gewonnen haben, daß die Reichkramer mit sehr vielen unserer jetzigen Kauf- leute auf gleicher Stufe standen. Der gleichzeitige Marperger sagt: „Bei den Reichkramern blüht meist der Specereihandel, wiewohl sie en gros und en detail auch mit anderen Waaren considerable Handlun- gen treiben.“ Daß die Reichkramer auch von dem Rechte, Waaren, die sie vereinzeln durften, aus der Ferne her zu beziehen, Gebrauch machten, sehen wir z. B. aus dem Atteste, welches 1685 den 18. Fe- bruar von den Platzmeistern bei der Kais. Kgl. Niederlage wegen falsch gepackter Bricken dem Bürger und Reichkramer Erasmus Dittrich Becker ertheilt worden ist. Dieser hatte nämlich aus Danzig von Benedict Hänrichsdorf 6 ganze und 4 halbe Fässel Bricken empfangen, als er aber davon verkaufte, beim Aufschlagen wahrgenommen, daß dieselben 6 Finger hoch ledig, desgleichen auch ganz falsch gelegt seien, indem immer in der andern Lage 2, auch 3 über’s Kreuz und mit den Rücken unterwärts, dann aber wieder eine volle Schicht darüber gelegt sei; und zwar waren alle Fässel so befunden worden. Becker ersuchte nun die Niederlags-Aeltesten um ein Attest, welches sie ihm von Amitswegen ertheilten, indem zugleich festgesetzt wurde, solches Gut, das nicht recht gebraten und gepackt sei, HR betrüglich be- funden würde, ohne alle Tutenhiääigung ganz zu confisciren. Durch obige Ordnung wurde aber keineswegs aller Streit mit Kaufleuten, der, wie wir gese- hen haben, schon um 1300 begonnen hatte, aufgehoben, sondern die Kaufleute mischten sich in die den Reichkramern zustehende Einzelung, diese machten zum Theil Engros-Geschäfte und suchten sich Man- chem zu entziehen. Wie schon 1616 den 2. August die Reichkramer wegen der Wagemeister Be- ‚schwerde geführt hatten, so wurde 1670 vom Rathe eine Commission zwischen der Kaufmannschaft und dem Reichkramer-Mittel angeordnet; da dieselbe aber bis nach Ablauf des bevorstehenden Jahrmarkts aufgeschoben wurde, so ersuchte die Kaufmannschaft unterm 21. Juni den Rath, zu verfügen, daß der in früheren Jahrmärkten bei der Wage löblich- gethanen Ordnung ferner gehörig nachgelebt und dem Reichkramer-Mittel in Bezug auf die Abwägung dessen, was zu ihrer Kramerei gehörig sei, nicht nach- gegeben werden möge. Ebenso zeigten die Wagemeister dem Magistrat 1673 (in einem den 15. April präsentirten Schreiben) an, daß das Wagegeld umgangen worden sei; daß gestern bei Gottfried Adam mit George Opitze’s Erben Kauf- und Verkauf von 2 Kästchen Taback und 1 Ballen Gallas geschehen, die sie einander zugewogen, und daß die Kramknechte auch diese abgenommen und den Reichkramern ins Haus geführt hätten. Alle Jahrmärkte protestirten die Reichkramer beim Magistrat wegen der Jahr- -markts-Freiheit, und es entstand endlich 1681 ein Prozeß zwischen beiden Parteien, welcher 27 Jahre, bis 1708, dauerte und mit schweren Kosten nicht allein vor dem hiesigen Magistrat, sondern auch am 235 kaiserlichen Hofe geführt würde. ) Der Zweck desselben war hauptsächlich der, daß der Engros-Han- del von der Einzelung getrennt sein sollte und genau specificirt würde, was zur Handlung al grosso gehöre; falls aber ein Kaufmann oder Reichkramer beide zugleich treiben wollte, so sollte es jedem von beiden gestattet sein, dem andern Theile beizutreten. Die Reichkramer beriefen sich auf ihre alten Pri- vilegien, die ihnen bis 1000 und mehr Thaler gekostet, glaubten daher befugt zu sein, denen, welche ein solches onus nicht getragen, den Einzelverkauf zu verwehren, und schlugen als Modification vor, daß im Engros-Handel überhaupt nicht unter 1 schweren Stein verkauft würde, also gegen die Ordnung von 1668; die Kaufleute dagegen glaubten sich ihrerseits, da auch sie Bürger seien, ihre Lasten trügen und sich ehrlich nähren wollten, ebenso zur Einzelung berechtigt, welche sich bei theuren Waaren, als: Safran und Gewürze, nicht umgehen lasse, weil es nicht Jedermann’s Sache sei, dergleichen Waaren zu ganzen Steinen zu kaufen. Auch wendeten sie die veränderten Zeiten und Handelsverhältnisse, so wie die Vergrößerung Breslau’s ein und verlangten eventualiter den Großhandel für sich allein. Obgleich nun verschiedene kaiserliche Resolutionen hierüber ergingen, so 1693 den 10. Januar, 1694 den 1. Fe- bruar, 1698 den 10. Januar, 1706 den 6. August, und alle Versuche gemacht wurden, einen billigen Vergleich zu Stande zu bringen, so konnten doch die streitenden Parteien nicht vereinigt werden, bis end- lich der Kaiser auf gethanen Vorschlag und gegen Zahlung von 40,000 Gulden durch die Kaufmannschaft ein gegenüber den Reichkramer-Gerechtigkeiten befreites Collegium mercatorum von 100 Per- sonen errichtete, deren jede befugt sein sollte, zugleich al grosso und al minuto zu handeln, wobei jedoch den Reichkramern in $ 5 des Privilegiums vorbehalten wurde, für 25 Thlr. bei dem Collegium mercatorum einzuwerben, d. h. bei den Kaufmanns-Aeltesten sich recipiren zu lassen, wenn sie neben der Einzelung auch al grosso zu handeln oder die Waaren aus der ersten Hand zu verschreiben und einzuführen, Commissionen zu übernehmen, Wechsel zu schließen, Garnhandel zu treiben, also der Groß- kaufmannschaft in Allem an Ehren, Würden und Handelsfreiheit in Aus- und Einfuhr u. s. w. gleich zu sein wünschten. Dieses Privilegium wurde der Kaufmannschaft den 5. Mai 1708 ertheilt, und den 11. April desselben Jahres wurde die Einigung mit der Kaufmannschaft vollzogen. Als Norm für die- jenigen Reichkramer, welche allein auf ihren Kramen handelten, galt, damit sie den Großhändlern in ihrem Engros-Handel nicht zu nahe träten, die bereits am 10. Januar 1698 entworfene, dann den 30. April 1699 moderirte und endlich den 5. März 1708 festgesetzte Kaufmannstabelle. Damit war der Proceß entschieden, allerdings mit Verletzung der alten Privilegien der Reichkramer, denen die Einzelung allein zustand, welches Recht sich die Kaufmannschaft jetzt für mehr als doppelt so viele Kaufleute, wie überhaupt Reichkramer waren, durch Geld erwirkte. Gleichwohl ist zur Entschul- digung des Schritts anzuführen, daß bei der gewachsenen Einwohnerzahl Breslau’s die wenigen Einze- lungsgeschäfte der Reichkramer nicht mehr hinreichten, um so weniger, als nicht jeder Reichkramer mit allen Kaufmannswaaren handelte, sondern einzelne sich einem besonderen Zweige zugewendet hatten, wie wir oben gesehen, eine Aenderung also im Interesse der Stadt selbst lag; wo aber das Ganze berück- sichtigt werden muß, da muß der Vortheil des Einzelnen unbeachtet bleiben. In dem vorliegenden Falle blieb jedoch selbst bei der so vermehrten Zahl der Einzelungsläden den Reichkramern immer noch ein hinreichendes Auskommen, wie wir schon oben gesehen haben und bald noch mehr sehen werden. Ueberhaupt war das Privilegium der Reichkramer eine lästige Fessel für den Handel der Stadt, und diese mußte im Interesse desselben gebrochen werden, wenn auch allerdings zunächst das Interesse der einzelnen Kaufleute damit verflochten war. Wie sehr man die durch die Zünfte der freien Entwickelung !) Kretschm, Ms. fol. 76. 30 * 236 des Gewerbes sich entgegenstellenden Hemmnisse als lästig erkannte, davon giebt eine, vielleicht in Folge dieses, Processes, auf Kaiserl. Befehl von dem Königl. Oberamte 1699 an den Magistrat gethane Anfrage Zeugniß: ob und wie die Zünfte abzuschaffen seien, oder wenigstens, wie derjenige, welcher ein Ge- werbe. etc. betreiben wolle, nicht durch sie gehindert werden könnte. Doch stattete damals der Magi- strat den 14. Juli ein weitläufiges Gutachten darüber ab, daß es mit den Zünften im bisherigen Stande zu, lassen sei. So dauerten die Zünfte und also auch die Reichkramer-Innung fort, bis sie im Anfang unsers Jahrhunderts mit dem Eintritt der Gewerbefreiheit aufgelöst wurden. Ein Schritt, das Nachthei- lige ‚derselben auszugleichen, war jene Entscheidung des Prozesses; freilich war auch sie nur ein neues Privilegium, das mit der Gewerbefreiheit ebenfalls schwinden mußte. Um ihre Auslage von 40,000 Fl. Rheinisch, zu welchen noch 10,000 Fl. Rheinisch Kosten kamen, wieder zu erlangen, setzte die Kauf- mannschaft fest, daß jeder Kaufmann, der eine solche Einzelungsgerechtigkeit für sich und seine Erben erwerben wolle, 500 Flor. Rhein. in die Kaufmannskasse zu erlegen habe; die Uebergabe erfolgte ge- sichtlich. Sämmtlichen Reichkramern war schon vorher eine Standeserhöhung zu Theil geworden, indem ihnen durch kaiserliches Rescript vom 29. Juli 1707 statt des früheren Titels: ‚„‚Ehrbar“, wel- chen sie mit den Zünften gemein hatten, fortan der Titel: ‚‚Ehrenfest“, welchen die Kaufleute führten und bisher. nur ihre Aeltesten erhalten hatten, beigelegt wurde; auch befahl der Kaiser, daß dieselben, gleichwie die Kaufleute, durch einen Ausreuter beschickt werden mußten, daß ferner diejenigen von ih- nen, welche sich bei der Kaufmannschaft recipiren ließen, obgleich sie keine Aelteste, sondern nur Jüngste waren, bei ihrem und der ihrigen Begräbnisse das große Geläute erhalten sollten. Hiermit hängt nun eben zusammen, daß den Reichkramern auch bereits 1704 bei der Huldigung hinter den Kaufleuten ganz allein vorzutreten versiattet wurde. Den Sinn dieser Rangerhöhung wird man nur dann richtig verstehen, wenn man bedenkt, wie peinlich man in jenen Zeiten auf dergleichen Aeußerlichkeiten hielt. So heißt im J. 1727 ein Schwarzfärber ‚‚ehrbar und kunstreich‘, ein Reichkramer, der als solcher den Titel ,„‚ehrenfest“ gehabt hatte, verlor diesen wieder, nachdem er 1725 Buchhalter beim hiesigen Keller- amte geworden war, und hieß fortan wieder „ehrbar“. Die wohlthätigen Folgen jenes Einzelungsprivilegiums zeigen sich bald in der Zahl der Vermehrung der Kaufleute; denn während es im J. 1690 außer den 48 Reichkramen nur 163 Kauf- leute gegeben hatte, war nach kaum 100 Jahren die Zahl derselben um fast das Doppelte gewachsen: im J. 1787 gab es nämlich 173 Großhändler und 100 zugleich zur Einzelung berechtigte Kaufleute, zusammen also 273, neben den Reichkramern. ') Dazu hatten die Kaufmanns-Aeltesten selbst das Ihrige beigetragen, indem der gleichzeitige Marperger, welcher durch persönlichen Umgang mit den Spitzen der Kaufmannschaft die Verhältnisse genau kannte, erzählt, daß den jungen Anfängern, welche nicht im Stande waren, auf einmal 500 Flor. Rhein. für das Einzelungs-Privilegium zu erlegen, gestattet wurde, wenn; sie:nur das Einkaufsgeld in die Kaufmannschaft zahlten, jährlich 30 Flor. auf Abschlag zu zahlen; anderntheils mußten selbst die in Breslau seßhaft gewordenen Ausländer, als; Italiener und Franzosen, sich dem kaiserlichen Spruch unterwerfen und ein Privilegium lösen, wenn sie anders ihre offenen Lä- den behalten wollten. Obwohl nun dessenungeachtet, wie Marperger sagt, noch viel Einzelung geschah, so waren doch beide Theile jetzt ruhig, da ihre Rechte aufs Neue festgestellt waren. ‚Nach der. Eroberung Schlesiens durch die Preußen ließen sich die Reichkramer ihre Privilegien, die sie in einem ‚Auszuge zusammengefaßt hatien, durch Friedrich den Großen bestätigen, was !) Nösselt, Breslau. 1825, p. 356. 237 den 10. April 1744 geschah. Auf ihr Gesuch vom 29. Novbr. 1746 wurde dann den 4. August 1747 von dem ‚Rath der Stadt diese. Bestätigungsurkunde publicirt. Da sie im Wesentlichen das schon Be- kannte von 1708 enthält, so gebe ich nur den Theil derselben, wo die Aufzählung ihrer Rechte be- ginnt, weil hierin manches Neue enthalten ist, was theilweise mir aus den von Sigismund ertheilten Privilegien entnommen zu sein scheint, das ich oben nur angeführt habe, da ich es nicht habe einsehen können. Es heißt: „die Reichkramer sind berechtigt, mit allerhand Waaren zu handeln, womit man Kaufmannschaft treibt, sie mögen bestehen, aus was sie wollen. Sie sind be- fugt, goldenes, silbernes und seidenes Gewand, auch Seiden, Zwirn, baumwollenes, Rheinisches und Bor- tenband, Spitzen und Baumwolle zu führen, und allerhand Cannevas, auch wollene und gemengte Zeuge, soweit die Gewandschneider (das sind die Tuchkammer-Besitzer) und die Leinwandreißer nicht besonders privilegirt sind, zu schneiden nach der Elle, auch nach dem Pfund und Unzen oder Gewicht auszuein- zeln und zu verkaufen; desgleichen sind sie befugt, allerhand Metall an Messing, Zinn, Blei, Kupfer, Eisen, Stahl gearbeitet und ungearbeitet, auch Blech und Draht und was daraus gemacht worden, Por- cellan u. dgl. zu einzeln; ferner mögen sie einzeln verkaufen allerhand Material- und Gewürzwaaren, als Alaun, Weinstein, Seife, Wachs, Pfeffer, Ingwer, Safran, Muscaten, Nelken, Zimmt, Galgant, Zitwer, Cu- beben, Zucker, Thee, Caffee, Reis, Mandeln, Rosinen, Feigen, auch Nürnberger Waaren, Galanterien aus Metall und Gewebe, zubereitet und unzubereitet.‘“ — Gegen den Schluß lautet es: „Sollten auch anstatt der beschriebenen Sorten andre und mehr Arten der Waaren, womit man Handlung treibt, in Brauch kommen oder schon gekommen sein, so sind die Reichkramer berechtigt, damit zu einzeln und Anderen die Einzelung zu verwehren, wenn sie nicht besonders berechtigt sind.“ Diese Artikel wurden bestätigt -in der Erwägung, daß die Reichkramer darin nichts Neues begehrten, sondern nur die Beibehaltung ihrer Befugnisse, und daß diese Einrichtung zur Hebung der Stadt viel beigetragen. Wir ersehen daraus wiederum, wie bedeutend ihre Privilegien waren und ein wie gefährlicher Geg- ner der eigentlichen Kaufleute sie waren. Ist es daher zu verwundern, wenn die Streitigkeiten später wieder begannen, wenn die Kaufleute fortwährend Beschwerden anbrachten? Vorzugsweise ist es das Jus importandi, d. h. das Recht, Waaren von außerhalb des Landes einzuführen, welches zu Beschwerden Veranlassung giebt, da die Kaufmannschaft dazu allein berechtigt war.!) So wendet sich die Kaufmannschaft 1776 den 29. October an die hiesige Accise- und Zoll-Nirection mit der Bitte, die hiesigen Königl. Accise- und Zollämter auf das Genaueste anzuweisen, daß den zur Importation der Waaren nicht befugten Personen die Expedition bei den Kgl. Aemtern versagt werde; 1778 den 2. Ja- nuar schreibt sie sogar an die Kammer, damit der Kgl. Accise- und Zoll-Direction aufgegeben werde, Niemandem, als den nach dem beifolgenden Cataloge zur Imvortation berechtigten Personen Waaren freizugeben, die unbefugterweise eingeführten Waaren aber zurückzuhalten, wie es sonst geschehen. In Folge dieser fortwährenden Beschwerden mag es denn gekommen sein, daß, während früher nur wenige Reichkramer das Jus importandi sich erwarben, z. B. Christ. Siegmund Dietrich 1751, Dav. Hildebrandt und Joh. Ernst Heinriei 1771, jetzt binnen wenigen Jahren, von 1777—1789, dasselbe von 8 Reichkramern erkauft wurde, nämlich von Joh. ‚Christian Lorenz 2%. 1777, Carl Peuckert und Balthasar Benj. Schulze 29.1779, 1%. 1781, Gottfr. Willert 2%. 1785, Carl Ferd, Heinriei 2% ,. 1786, Joh. George Effnert 17, ,.1788, Carl'Friedr. Wilh. Hentschel (der mit Heinr. Fuß 1 Firma führte, früher: Hickert) '%. 1789. Gleichwohl blieben immer noch viele, die es nicht hatten und doch Waaren einführten;-die Kaufmann- schaft schrieb daher 1790 den 22. November an die Reichkramer und .erinnerte sie an dasselbe, ver- *) Nach Meisner, Statistische Darstellung des Breslauer Handels p. 8, kostet das Jus ezportundi et importandi etwas weniger, als eine völlige Recipirung. 238 langte auch, daß sie binnen längstens 14 Tagen dieser gesetzlichen Vorschrift Genüge leisteten, weil sie sonst sich genöthigt sähe, bei der Behörde darauf anzutragen, daß ihnen die für sie ankommenden’ Waaren inhibirt würden. In Folge davon scheinen wieder 3 sich dazu verstanden zu haben: 1790 %,,. Joh. Weltzel, '%. 1791 C. Gottl. Wolff und '%,. 1792 Joh. Heinr. Jäschke; von 1794—1816 haben mir noch 8 dergleichen Atteste vorgelegen: 1794 W. G. Schmidt, 1797 '3,. Flenderer (? €. 6. Flie- derer) und Jaensch, die 1 Firma hatten, 1798 '%. Joh. Gottl. Rahner, 1800 2%. Friedr. Wilhelm Mellen, 1804 %,. Jos. Wilh. Stenzel, 1807 F. W. Gruschke, 1809 F. W. Kromayer, Beck’s Erbe, und 1816 E. W. Bedau (Becker’s Erben). — Endlich bezeugen selbst die Kaufmanns-Aeltesten auf geschehene Anfrage in einem Schreiben vom 27. November 1798, daß die Reichkramer, obschon sie auf die Waaren-Einzelung beschränkt seien und insbesondere auch keine Wechsel schließen könnten, wenn sie sich nicht als Großkaufleute hätten aufnehmen lassen, dessenungeachtet von jeher für befugt erachtet worden, Sola-Wechselbriefe über ihre eignen Schulden auszustellen und insofern für wechselfähig gehalten worden; daß ferner, wenn ihnen jene Wechselfähigkeit abgesprochen wer- den sollte, dies auf ihren Nahrungsstand eine sehr nachtheilige Folge haben würde, da sie auf simple Schuldscheine den zu ihrem Handel oft so nöthigen Credit nicht finden würden; daß selbst auch der großen Kaufmannschaft aus eben diesem Grunde daran gelegen sei, daß diese Wechselfähigkeit aner- kannt werde, und daß ihrer Meinung nach den Reichkramern diese Wechselfähigkeit auch selbst nach ausdrücklicher Vorschrift des Landrechts gebühre, da, wenn sie gleich keine Großhändler seien, doch ihr Hauptgeschäft im Handel mit Waaren bestehe und sie in dieser Rücksicht wirkliche Handels- oder Kaufleute sind, obschon sie nach ihrem Privilegium eigentlich Reichkramer heißen. So waren also die Verhältnisse der Reichkramer gegen Ende des vorigen und am Änfange des jetzigen Jahrhunderts. Obwohl sich, wie wir gesehen haben, schon lange Kämpfe gegen ihre exelusive . Berechtigung entsponnen hatten, so bestanden sie doch fort bis in die Neuzeit, zu welcher ihr mittel- alterlicher Charakter einen merkwürdigen Gegensatz bildete. Ein Kind bereits des 13. Jahrhunderts, zeigte die Reichkramer-Innung doch noch keineswegs die Schwäche des Greisenalters, sondern hatte durch den Wechsel der verhängnißvollsten Zeiten sich muthig hindurchgearbeitet und sogar eine-gewisse männliche Stärke sich zu bewahren gewußt. Aber mit den Stürmen der französischen Revolution, welche die politische Luft Europa’s reinigten, wurde auch dem socialen Leben der fast abgestorbenen Staaten ein neuer Geist eingehaucht; neue Ideen über die Gleichberechtigung Aller verdrängten die mittelalterli- chen Privilegien. Mit Hilfe dieser neuen Ideen, welche aus dem Brande der Revolution geläutert her- vorgingen, suchte auch der preußische Staat, nachdem er durch den Tilsiter Frieden einen so empfind- lichen Schlag erhalten, seine Wunden zu heilen und zu echter Gesundheit sich zu regeneriren. Um die Kraft des Volks mehr der gewerblichen Thätigkeit zuzuwenden, die Steuerfähigkeit des Landes zu erhöhen und dadurch die Staatseinnahmen zu vermehren, wurde behufs Einführung einer völligen Gewerbefreiheit und Aufhebung aller Zwanggerechtigkeiten, wie sie bereits in dem Edict über die Finanz-Verwaltung vom 27. October 1810 angekündigt worden, unterm 2. November jenes Jahres eine allgemeine Gewerbe- steuer eingeführt, durch welche Jeder, der ein polizeiliches Attest über seinen rechtlichen Lebenswandel beibrachte, die Befugniß zum Betriebe eines Gewerbes erlangen konnte. Damit war die Aufhebung aller In- nungen gegen billige Entschädigung der bisher Berechtigten ‚verbunden. Es wurden die 48 Reichkrame mit 44,640 Thlr. a 930 Thlr. abgeschätzt, so daß sie 2008 Thlr. 24 Sgr. Zinsen erforderten, während die 100 Einzelungs-Gerechtigkeiten a 1010 Thlr., also um nur 80 Thlr. höher, die 40 Tuchkrame ebenfalls mit 950 Thlr. taxirt wurden. Obwohl nun 1811 schon Alles angeordnet war, zog sich die Sache der Reichkramer-Innung durch 10 Jahre lang hin, ehe die Auflösung erfolgte. Die Reichkramer wollten ihre jährlichen Innungsausgaben als Passiva bei Einziehung des Zunftvermögens zum Amortisationsfonds 239 in Abzug bringen; durch Ministerial-Rescript vom 31. Mai 1818 aber wurde entschieden, daß die Auf- bringung ihrer jährlichen Geldbedürfnisse den Zünften unter sich überlassen bleiben müsse, was auch nicht unbillig sei, da die Interessenten durch die hier ausnahmsweise angeordnete Aufbringung der Ab- lösungsbeiträge schon mehr begünstigt seien, als sie hätten erwarten können. Dieser von der Regierung unterm 11. September d. J. dem Magistrate übersandte Bescheid wurde von diesem den Reichkramern, an deren Spitze jetzt nach des Aeltesten Litzmann Tode als Stellvertreter der Cassen-Curator Stadtrath Rahner stand, am 4. November publieirt mit der Aufforderung, den Vermögensüberschuß binnen 8 Tagen einzuzahlen. Die Reichkramer hatten sich ihrerseits auf Rahners’s Einladung schon am 17. Juli d. J. versammelt und sich unbedingt für Nicht-Auflösung der Societät und Vereinigung mit der Kaufmannschaft entschieden, verlangten jedoch unentgeltliche Reception, was dem Magistrat und den Kaufmanns-Aelte- sten gemeldet werden sollte. Nach Rücksprache mit dem Kaufmanns-Aeltesten Eichborn zeigte er den Societäts-Mitgliedern an, daß ihrem Vorhaben Nichts entgegenstehe und daß sie sämmtlich die Rechte der Kaufmannschafts-Mitglieder erhalten würden, nur verstehe es sich von selbst, daß gänzliches Ver- mögen Eigenthum der Börse und deren Verwaltung werden müsse. Darum gab er dem Magistrat den 30. November d. J. zu Protocoll, daß er der Aufforderung, den Vermögens-Ueberschuß, welcher nach Ausgleichung verschiedener Rechnungsfehler auf 2866 Thlr. 27 Sgr. 3 Pf. festgestellt worden war, ein- zuzahlen, nicht genügen könne. Als Gründe dieses Vorbehalts giebt er in einem Schreiben an den Ma- gistrat vom 6. December an, daß die Reichkramer-Innung in allen Zeitperioden den Handel befördert, ihr Vermögen stets zu Stipendien und frommen Zwecken verwendet, gegen Nothleidende sich wohlthätig gezeigt und durch treue Anhänglichkeit an den Magistrat sich ausgezeichnet, auch ehemals die Väter der Stadt selbst mit den Waffen in der Hand vertheidigt habe. Mehr als einmal sei die Societät unvermö- gend geworden, und die älteren Rechnungen bewiesen, daß dieselbe nur durch freiwillige Beiträge der Mitglieder gehoben worden. Zuletzt, im J. 1801, sei die Societäts-Casse so bedrängt gewesen, daß ihr jeder Fonds fehlte und die damaligen Aeltesten wiederum zu freiwilligen Beiträgen auffordern mußten, um Vorschüsse zu decken und zu erstatten. Daher seien im nächsten Jahre Ersparnisse gemacht wor- den dadurch, daß man statt der vier Aeltesten nur einen wählte und salarirte; die documentirte Rechnung ergebe, daß die jährlichen Einkünfte stets durch die jährlichen Ausgaben vorzüglich ad pios usus ab- sorbirt worden seien. Daher sei der jetzt vorhandene Fonds nicht aus den Societäts-Einkünften gebil- det, sondern durch freiwillige Gaben einzelner Mitglieder entstanden und nur durch die äußerste Spar- samkeit bisher erhalten und aus der Absicht so lange conservirt worden, um eine Innung der Vaterstadt nicht untergehen zu lassen. Da nun die Societät sich der Kaufmannschaft incorporiren wolle, dazu aber ihr Vermögen mitbringen müsse, wenn sie deren Wohlthaten genießen wolle, so hätten sämmtliche Mitglie- der den Entschluß gefaßt, den Fonds von 2866 Thlr. 27 Sgr. 3 Pf. bei der Incorporation dem Selenke- . schen Institut zu übergeben, wogegen den Reichkramern bei demselben gleiche Rechte eingeräumt wer- den würden. Er bäte daher den Magistrat, die Regierung anzugehen, daß sie diesen Beschluß genehmigen möge. Am folgenden Tage (7. December) ersuchte zugleich Rahner sämmtliche Mitglieder der Societät um Angabe ihrer Firmen, um sie auf den Wunsch der Kaufmannschaft dieser einreichen zu können. Am 7. Januar 1819 erwiderte die Regierung, daß dem Antrage, das Vermögen zum Selenkeschen In- stitut einzahlen zu dürfen, nicht stattgegeben werde, indem dies dem $ 39 des Edicts vom 7. Septbr. 1811 zuwiderlaufe, daß vielmehr mit der Einziehung des Vermögens vorzuschreiten sei. Demzufolge wies der Magistrat Rahner an, die Einzahlung unfehlbar binnen 14 Tagen zu bewerkstelligen. Rahner lud nun die Societäts-Mitglieder zur weiteren Besprechung auf den 25. zu sich ein, da es auf der Amtsstube nicht geschehen könne, ohne Zweifel, weil eine Versammlung in dieser als Opposition ange- sehen worden wäre. Man sprach sich dahin aus, daß bei so bewandten Umständen wol Nichts mehr gegen 240 die Einzahlung entgegenzusetzen sei, verlangte aber, daß der Jahrgehalt für den Consulenten von dem zum Ablösungsfonds übergehenden Capital in Abzug gebracht werde, und bot dem Magistrat die Mittels- spritze an mit 100 Thir. Capital zu deren Unterhaltung. Am 10. Februar gestattete der Magistrat, daß die Einzahlung erst Termin Ostern stattfände, forderte aber vor Annahme der Spritze erst einen förmlichen Beschluß über die völlige Auflösung der Soeietät. Bereits am 24.°Februar wurde das Capital gegen Quittung vom 2. April eingezahlt; in Betreff der Auflösung aber konnten die Soeietäts-Mitglieder, welche, da der Magistrat sich mit den eingereichten Protocollen der beiden früheren Versammlungen (17. Juli 1518 und 25. Januar 1519) nicht begnügte, auf Verfügung vom 14. April 1819 zu einer neuen Ver- sammlung eingeladen wurden, zu keiner definitiven Erklärung bestimmt werden und hatten ganz enige- gengesetzte Meinungen. Dies zeigt Rahner den 29. April dem Magistrate an, indem er hinzufügt: „Nach- dem die Ueberschüsse der Societäts-Casse an den Amortisationsfonds übergegangen sind, ist die Societät nicht mehr Willens, den Consulenten, den Aeltesten und die Boten zu salariren, noch weniger sich mit der Spritzen-Unterhaltung zu befassen. Einige Mitglieder haben sich früher schon zur Börse recipiren lassen, andre nicht, glaubten daher, der Kaufmannschaft ir eorpore nicht beitreten zu können, und gaben andre Erklärung nicht ab.‘“ Der Magistrat wurde daher um commissarische Erledigung der Sache ersucht. Hieraus ersieht man am besten den Unwillen, den die Auflösung der Societät auf die Mitglieder gemacht hatte. Der Magistrat beraumte nun auf den 25. Mai einen Termin an, zu dem die noch vorhandenen 27 Mitglieder der Societät durch eine Currende eingeladen wurden, in welcher der Gegenstand der Ver- handlung ausdrücklich angegeben war und die von allen unterschrieben wurde. Es erschienen nur 12, die aber in Gemäßheit des $ 54 T. I. lib. 6 des A. L. R. für befugt erachtet wurden, einen gültigen Beschluß zu fassen. Von diesen stimmten 11 für die Auflösung; dieselbe war daher entschieden, und der Magistrat eriheilte dazu seine Genehmigung nach $ 19—22 des Edicts vom 7. September 1811. Der Wunsch derer, welche zur Kaufmanns-Corporation beitreten wollten, aus dem übrigbleibenden Soeietäts- Vermögen die Receptionskosten zu bestreiten, behob sich von selbst, da außer dem zum Ablösungsfonds eingezahlten Capital nur noch diejenigen Capitalien vorhanden waren, welche reservirt bleiben mußten, um die jährlichen Legate ad pias causas für die Zukunft zu sichern. Die Regulirung dieser Legaten- _ Verwaltung und sonstigen Angelegenheiten mit Rücksicht auf den Status vom 5. September 1816 unter Zuziehung der beiden Societäts-Glieder Rahner und Wolf*wurde dem Calculator Bötiner übertragen. Die Soeietät entließ jetzt ihre Boten; aber noch 10 Monate vergingen, ehe die Auseinandersetzung, auf nochmalige Bitte Rahners vom 14. Februar 1820 um endliche Regulirung, am 11. April 1820 erfolgte. Ein Jahr später, den 26. Februar 182], ertheilte endlich der Magistrat dem Rahner die erbetene Gene- ral-Decharge, indem er ihn zugleich anwies, den nach gelegter Schlußrechnung sich ergebenden Baar- bestand von 36 Thlr. 6 Sgr. 8%, Pf. in Courant an den Amortisationsfonds einzuzahlen, was denn auch am 2. März laut Quittung geschah. y Damit sind wir bei dem Punkte angelangt, wo es passend sein wird, über die von der Reichkra- mer-Societät jährlich vertheilten Legate, Stipendien u. s. w. ein Wort zu sagen, da diese in Folge der Auseinandersetzung noch heut fortbestehen. Dieselben betragen noch jetzt jährlich 218 Thlr. 21 Sgr. 3 Pf. an Capitalzinsen, wiederkäuflichen Zinsen und Renten, von denen 40 Thlr. und einige Sgr. aus der Stadt-Kämmerei fließen, der größere Theil: über 178 Thlr., auf hiesigen Privathäusern ruht. 1) In der Verwaltung der hiesigen Armen-Direction stehen: a) das Nehlersche Legat, welches jährlich mit 16 Thlr., früher mit 17 Thir. 2 Sgr. 8 Pt., an die beiden Prediger am Armen- und Arbeitshause (Blittagprediger im Kranken- hospital) in halbjährigen Raten an Weihnachten und Johannis von der Kämmerei zu zah- 241 len ist. Stifter ist der Kaufmann und Reichkramer-Aelteste Nehler, und das Capital be- trägt 341 Thlr. 25 Sgr. 6 Pf. laut Testament vom 1. Juni 1787; b) das Brüssesche Legat, welches jährlich mit 20 Thlr. am Tage Johannis an 25 Hausarme a 24 Sgr. gezahlt wird; Stifter ist der Reichkramer-Aelteste Brüsse, das Instrument vom 24. Juni 1717, das Capital 400 Thlr. oder 500 Thlr. Schlesisch. 2) Das Krankenhospital zu Allerheiligen (Gemein-Almosen-Amt) empfängt, wie bisher: a) veriragsmäßig zur Unterhaltung der Patienten zu St. Hiob jährlich: 128 Thlr. 1 Sgr. 3 Pf.; b) das Fränkesche Legat jährlich mit: 4 Thlr. 16 Sgr. 3) Die Mansionarien-Communität auf dem Dome erhält jährlich 2 Thlr. 4 Sgr., die durch das Königl. Rentamt von dem Hause Nr. 29 eingezogen werden. 4) Unter der Verwaltung der magistrat. Stipendien-Casse für hiesige Studirende stehen: a) das Jaechersche Legat, jährlich mit 12 Thlr. (früher mit 10). Die Verleihung desselben ist an keine besonderen Bedingungen geknüpft, sowenig, wie: b) das Appelsche, gestiftet von Sibilla Appel für studirende Reichkramer-Söhne, jährlich mit 56 Thir. (früher mit 27 Thlr. 13 Sgr. 7 Pf.). Es heißt auch das Weskinsche (das Weeskesche oder sogenannte Appelsche) und wurde 1805 erneuert. Beide werden auf 3 Jahre vergeben. Alle diese Legate und Stipendien standen unter der Verwaltung der Reichkramer-Aeltesten, welche auch, so lange eben die Societät bestand, die Gerechtsame hatten, im Hospital zu St. Trinitatis 2 Kammern mit der Ueberschrift: ‚‚Reichkramer-Societäts-Kammern‘ unentgeltlich zu vergeben, und nur vorher dem Magistrat davon Anzeige machen mußten, wofür nach einem auf ewige Zeiten aufgehobenen Zins von 4°Mk. 21 Gr. 4 Pf. an der Fastnacht Eine ionische oder schwedische Tonne Heringe oder an deren Stelle jährlich 9 Thlr. 18 Sgr. gezahlt wurden. Unter der Verwaltung des Magistrats von jeher stand aber noch ein Stipendium, welches zu- nächst und vorzugsweise die Theologie oder Medicin studirende Reichkramer-Söhne genießen sollten; es ist dies das Raskesche, gestiftet von dem Pastor zu Maria Magdalena Joh. David Raschke laut Te- stament d. d. 1759 den 19. Februar auf ein Capital von 800 Thlrn. (1000 Thlr. Schles.), welche 40 Thir. Zinsen bringen. In Ermangelung eines Reichkramer-Sohns kann dasselbe auch ein anderer Breslauer Bürgerssohn, der diesen Fächern sich widmet, erhalten. Es wird auf 3 Jahre vergeben. Wenn kein Reichkramer-Sohn vorhanden war und sich Niemand meldete, brachten die Aeltesten ein Subject in Vorschlag gemäß einem Decret. Endlich sind noch zwei Männer zu erwähnen, die sich durch bedeutende Stiftungen ein hohes Verdienst um Breslau erworben haben. Es ist dies 1) der Reichkramer Sauer, welcher ein großes Kapital legirt hatte zu dem hierauf im Jahre 1789 zu Stande gekommenen Armenhause !), und 2) der Reichkramer Joh. Christian Hickert, geb. den 10. September 1729, gest. den 23. Fe- bruar 1804, Rathmann und Vorsteher des Almosenamts. Dieser baute im Jahre 1785 das Knaben- hospital in der Neustadt, welches durch Wasserfluthen so gelitten hatte, daß eine Ausbesserung nicht mehr genügte, eingedenk, daß er selbst einst als ein armes Kind in diesem Hospital verpflegt wor- den, von Grund aus als ein neues massives Gebäude ganz auf eigene Kosten, und 1788 den 10. Sep- !) Zimmermann, Beschreibung von Breslau, p. 286. 212 tember, also an seinem Geburtstage, wurde es eingeweiht; es konnten darin statt der früheren 30 Knaben jetzt 40 aufgenommen werden. Auch die Milde Anderer nahm er für das ‘Hospital in An- spruch, und bald hatte er ein Capital von 5225 Thlr. gesammelt. — Schon früher, im J. 1769, hatte er zur Bekleidung der Neustädtischen Hospilalknaben ein Legat von 500 Rthlr. Capital gestiftet, dessen Zinsen diesem Zwecke gewidmet sind. ') Später aber wurde durch seine Vermittelung den 1. Juni 1792 die engere Verbindung, welche bis dahin mit dem Almosenamte bestanden hatte, aufgehoben, indem sich dieses zu einem jährlichen Pauschquantum von 1250 Thlr. verstand, Hickert aber, um den dadurch ent- standenen Ausfall zu decken, selbst ein Capital von 4200 Thlr. und noch längere Zeit hindurch einen Zuschuß von jährlich 150 Thlr., nach einer gerichtlichen Erklärung vom 27. März 1801 überhaupt 21815 Thlr. an die Anstalt schenkte. Daher hängt auch in dem Lehrzimmer der Anstalt das Bildniß des verehrungswürdigen Mannes, und eine Marmortafel im Vorhause des Hospitals bewahrt ebenfalls ihm ein dankbares Andenken. Zu Hickerts Zeit waren Mitvorsteher: 1) der Reichkramer Traugott Lebrecht Katzer vom Juni 1795—1797; 2) der Reichkramer-Aelteste Gottfried Willert vom 31. Juli 1797 bis 1802, wo er ablehnte, wie jener; 3) der Reichkramer-Aelteste Carl Ferdinand Heinriei seit dem März 1802 bis zu seinem Tode 1812, den 2. November. Aber dieses Gebäude ist nicht das einzige, welches Hickert aufführte: er stiftete auch eine neue ähnliche Anstalt für jüngere Knaben und besonders für Mädchen. Zunächst bestimmte er dazu das von ihm für 1012 Rthlr. erkaufte Goleniasche Grundstück in der Neustadt Nr. 1363, und auf sein Gesuch schrieb der dirigirende Minister Gr. v. Hoym 1799 den 4. April dem Magistrat, daß er an Hickert den Platz des abgetragenen Ehrenpfort-Magazins überlassen wolle. Der Magistrat pflichtete am 10. April dieser Bestimmung des vormals städtischen Grundstücks gern bei, und auf seine Verwendung vom 12. April trat auch den 22. April die Kammer, sowie den 11. Mai das Gouvernement ein kleines, zu der an- stoßenden Kaserne gehöriges Stück Hofraum förmlich ab. Sogleich’begann Hickert den Bau des 3 Stock hohen Hauptgebäudes von 120’ Länge und 48° Tiefe, und als er am 6. September d. J. die Stiftungs- urkunde vollzog, stand bereits der erste Stock. In der Urkunde sind 1300 Thlr. für den Bau und 12,600 Thlr. für den Unterhalt der Anstalt bestimmt.?) Endlich erbaute derselbe Mann zu dem schon durch das Hiobs-Hospital der Reichkramer 1635 erweiterten Allerheiligen-Hospital in den Jahren 1800 und 1801, wo der Kaufmann Andreas Krischke die Hospital-Apotheke gründete, ein drittes Kranken- haus, ein Seitengebäude. °) Und das war der Mann, der als ein armer Knabe im Hospital erzogen worden war, der sein Ge- schäft in einem Locale des jetzigen Eisenkrams neben Joh. Heinr. Jaeschke trieb und darin bereits 1789 soviel verdient halte, daß er es 2 anderen: C. Friedr. Wilhelm Hentschel und Heinrich Fuß überlassen konnte, wie wir aus einem Oblatorium Hickert’s ersehen. Als Hickert 74 Jahr 5 Monate alt starb und den 27. Februar 1804 in die Gruft zu Maria Magdalena begraben wurde, gingen zur Anerkennung sei- ner Verdienste vor der Leiche, die aus seinem Hause auf der Ohlauer Straße über den Paradeplatz und Naschmarkt die Albrechtsstraße heruntergeführt wurde, sämmtliche Kinder aus hiesigen evangelischen Hospitälern, und während des Begräbnisses war der Eisenkram und das Tuchhaus geschlossen. *) Gleich Hickert erwarb auch in dem Geschäft, wo jetzt die Spielwaarenhandlung von Urban ist, der Reichkramer Knie, dessen sich alte Leute noch sehr gut erinnern, wie er mit dem Karren auf die Jahr- 2) Zimmerm. 11, p. 474. 2) Das Ausführlichere über den Zweck s. bei Knie und Melcher, p. 818—822. 3) Knie, Verzeichniss der Dörfer und Städte, unter: Breslau. *) Diarium v. Paritius, $. 23. 243 märkte fuhr, ein so ungeheures Vermögen, daß er später für einen Millionair galt, mindestens 500,000 Thlr. hatte. In unserer Zeit ist von all dem geschäftigen Treiben der Reichkramer nicht viel mehr, als der Name zurückgeblieben, dessen wahre Bedeutung nicht einmal von Allen gekannt ist; aber noch kann man außerhalb des Eisenkrams einzelne Geschäftslokale als solche bezeichnen, die früher Reichkramer inne hatten, z. B. das von Lübeck auf der Bischofstraße, wo früher Rahner war, das von Wedlich, dem frühe- ren Besitzer des Reichkrames Nr. 18, im blauen Bär: Schweidnitzer Straßen- und Hummerei-Ecke, das von Julius Neugebauer im rothen Krebs auf der Schweidnitzer Straße, einst Dietrich, und das von Son- nenberg, früher Lämmchen. Die Grundstücke derselben sind jetzt zum Theil um das Fünffache gestie- gen. Mußten auch die Reichkramer und ihre exclusiven Gerechtigkeiten mit der Entwickelung des Zeit- geistes verschwinden, so haben sie doch schon durch ihr Jahrhunderte langes Bestehen Anspruch auf unser Interesse, ja ihr auf wohlthätige Zwecke gerichtetes Streben sichert ihnen auch eine dankbare Erinnerung. Denn wenn auch einzelne Männer zum Theil es waren, die jene Legate stifteten; das Hospital zu St. Hiob ist gewiß ein ehrendes Andenken für Alle. 3l* a m A ih ee Br Loy Kanı 4 ir i EL EEIERE DEZ ig Ban ändert FE Aura Ir nee: KR ren BL seh tt BE hin Bu hau Be GA aaa » In ER este >; Pe na wi Ki “Ren NZ ei 1 a 3 Wer i; Rn re br m" = Pau A re N en! e He en a een ee are re dr Ita r Aria a a ee Fe Enz Phi. rn a nn m a > DENE an . € AT u 52. ee re le ee D y se Sr Fr | u ae; | nn ae Ken RER ri 0 ee ee er Are ec we wer vn er ee. ee ! er he ar a A 3 r, Aeea Ban 3 Er oa iarngeieh ar Dre 77 Dee vi ee le dr eher ee a ee En te et 2 u Biss: u; 1 ae en ü win’ 1 .s A i F “ u .« en 8 a r 1] mn 973 über die Thätigkeit der philologischen Section im Jahre 1854, Prof. Dr. Wagner, zeitigem Secretair derselben. I» Jahre 1854 sind sieben Vorträge gehalten worden. Am 17. Januar sprach Herr Prorector Dr. Lilie über den Charakter der Gäa in der Theogonie des Hesiodos etwa folgendermaßen: Die Gäa ist nach ihrem Namen die Gebärerin und als solche erscheint sie für alle Weltdinge, für Götter und Menschen; es ist dies die poetische Einkleidung des Gedankens: der Mensch hängt mit Sin- nen und Denken von jeher an der Mutter Erde. Obgleich Hesiod vier Urpotenzen aufstellt und unter ihnen das Chaos zuerst nennt, so ist die Gäa von diesen doch die wichtigste, was aus dem Verhältnisse der drei anderen Potenzen zu ihr und aus dem Verlaufe des Gedichtes nachgewiesen wird. Chaos ist die absolute Bestimmungslosigkeit, aus der sich die realen Dinge bilden sollen, Tartaros der unruhige Trieb der Gäa zum Gebären, eine immanente Eigenschaft der Gäa; Eros wird als wirkungslos für die Stelle, an welcher er erwähnt ist, aus der Idee des Gedichtes nachgewiesen. Gäa ist die der Ent- wickelung fähige Materie; ein weibliches Wesen aber stelle die Theogonie an die Spitze der Weltent- wickelung, weil in ihr Alles auf das Zeugen neuer Bildungen ankomme. Dann wird die Bedeutung der kosmogonischen Ehen und der androgynischen Zeugungen bei Hesiod zuerst im Allgemeinen besprochen und durch Beispiele aus dem Gedichte erläutert. Die Zeugung an sich wird als eine ins Persönliche ge- zogene Kausalität bezeichnet; die kosmogonischen Ehen bedeuten Uebergänge zu neuen Weltlagen, die Kinder im Verhältnisse zu dem Elternpaare die Entwickelung eines Ursächlichen zu Wirkungen und Folgen, so daß die natürlichen und sittlichen Eigenschaften der Eltern in den Kindern entfaltet erscheinen. Die androgynische Zeugung werde bei abstrakten Vorgängen angewendet, wo wegen Mangel an sinnlichen Anknüpfungspunkten das Verhältniß von Ursache zu Wirkung nicht leicht in eine Personifikation sich . habe kleiden lassen; wo diese Zeugung angewendet ist, ist dem Gezeugten mit dem Zeugenden die Qualität des Abstrakten gemein, und das Gezeugte enthält nur eine Entwickelung des Zeugenden nach äußerlichen Momenten. Darauf werden die kosmogönischen Ehen eine jede im Besonderen charakteri- sirt: die Ehe Gäa-Uranos bezeichnet-die Entwickelung der Materie zu kosmischen Massen, die Titanen sind die für diese erforderlichen riesigen Kräfte; sobald sie gewirkt haben, was sie sollen, werden sie 246 in den Tartaros, den Heerd aller Unruhe, von Uranos beseitigt. Rhea-Kronos bedeutet den Fluß der unterschiedslosen Zeit, aus dem Alles kommt, in den aber auch Alles wieder verschlungen wird, weil noch keine befestigende Macht da ist; daher verschlingt Kronos seine Kinder gleich nach der Geburt. Es wird nachgewiesen, wie die Hesiodeische Darstellung vom Wesen des Kronos zu dem Wesen des golde- nen Weltalters, als dessen Herrscher nach den Mythen Kronos erscheint, paßt. Die Griechen der kultivirten Zeit dachten sich dieses goldene Weltalter nicht beneidenswerth, sondern als ein Schlaraffenleben. Darauf werden die sittlichen Züge der alten Gäa erörtert: oberste Gewalt in der Entwickelung der Welt, Zorn und Unfrieden in der Ehe, Uebergewicht über den Gatten, Zweideutigkeit und Verhältniß zu einer Schick- salsmacht, wobei auf die Aehnlichkeit mehrerer dieser Züge mit der Homerischen Poesie aufmerksam gemacht wird. Die Ehe Rhea-Kronos ist nur eine Metastasis der Ehe Gäa-Uranos und auch nach der sittlichen Seite dieser ähnlich. Als Kronos gestürzt ist, setzt Gäa ihren Enkel Zeus auf den Thron, unterwirft ihn aber nach dem Titanenkampfe, dessen Bedeutung angegeben wird, einer schweren Prüfung durch ihren Sohn Typhoeus. Diese Prüfung wird als ein Akt natürlicher Gerechtigkeit für den Frevel an Kronos bezeichnet. Als Typhoeus besiegt ist, so bestätigt Gäa seine Herrschaft. Die Ehe Zeus-Metis mit dem Sprößlinge Athene bedeutet die Vollendung des Kosmos, da Geist und Natur sich zur Einheit zusammengeschlossen haben. Zeus ist als Sohn des Kronos noch rohe Naturgewalt; aber Gäa räth ihm die mit Athene schwangere Metis zu verschlingen, und so wird er durch Aneignung der Weisheit zu einer sittlichen Macht, die wei- ter noch in der Ehe mit Themis, der Göttin der festen Satzung, und ihren Sprößlingen ausgedrückt ist und im Einzelnen besprochen wird. In einer Abweichung der Hesiodeischen Darstellung von dem Be- richte namentlich Apollodor’s über das Verhältniß ‚des Zeus zu Metis wird eine bestimmte Absicht des Dichters zu Gunsten seines kosmogonischen Systems gefunden. Die letzte Ehe des Zeus mit Hera, so- fern Zeus als Himmel, Hera als Erde gefaßt werden kann, schließt sich als letztes Glied den Ehen Gäa- Uranos und Rhea-Kronos physisch und ethisch an. Es beherrscht also die Gäa nach der Theogonie des Hesiodus die ganze Entwickelung des Kosmos und macht auch auf die neue Ordnung der Dinge unter‘ Zeus ihren Einfluß noch dadurch geltend, daß sie seine Herrschaft begründet und bestätiget. Am 14. Februar setzte Herr Prorector Dr. Lilie den am 17. Januar begonnenen Vortrag etwa folgendermaßen fort: 3 Die Ehe Rhea-Kronos mit den verschlungenen Kindern ist:im Sinne der Theogonie die indifferente Zeit, wie sie auch in dem stumpfsinnigen Glücke des goldenen Weltalters geschildert ist, welche in ih- rem Flusse zwar Alles hervorbringt, das Gute wie das Schlimme, aber auch Alles wieder in sich birgt, weil es der Weltentwickelung noch an einer Macht fehlt, welche das vom Flusse der Zeit Gebrachte auch befestige. Selbst der höchste Ordner Zeus soll so wieder abgehalten werden, Kronos will ihn verschlingen; aber die alte Gäa rettet ihn durch ihre Vermittelung. Zeus hat eine physische und eine sittliche Seite, die erste als Sohn des Kronos, die andere als Gemahl der Metis: Als Ordner des phy- sischen Kosmos überwindet er die Titanen, welche das Princip regellos waltender Naturkräfte vertreten; sie werden in den Tartaros, den Sitz aller Unruhe, verwiesen. Zu diesem Siege verhelfen ihm andere ebenfalls übergewaltige Naturkräfte Kottos, Gyes und Briareos. In dem Kampfe mit Typhoeus, welcher mit dem Kampfe des Thörr gegen den Feuergott Loki in der nordischen Mythologie verglichen wird, messen sich, von beiden Seiten ohne Bundesgenossen, Naturgewalt und ordnender Sinn des Zeus, und die Niederlage des wilden Typhoeus, einer Geburt der Gäa und des Tartaros, bedeutet die Veberwindung jeder die Ordnung störenden, rohen Naturgewalt durch den Ordner Zeus. Auch die Geschwister des Zeus bezeichnen in ihren Namen sämmtlich getheilte und gegliederte Erd- und Himmelskräfte, was in den Namen der Uraniden nicht liegt. Gäa macht auch bei dieser neuen Ordnung der Dinge ihren Einfluß 247 dadurch geltend, daß sie im Charakter der Zweideutigkeit, welchen die Theogonie an ihr festhält, die neue Ordnung der Dinge unter Zeus bestätigt. Ein sittliches Wesen wird nach der Theogonie Zeus durch die Ehe mit Metis, der Klugheit. Wie Geist und Natur sich widerstreiten, so erscheint die Ehe zwischen beiden nicht ohne Zorn. Um die Weisheit ganz zu seinem Eigenthume zu machen, muß Zeus die schwangere Metis verschlingen und die Athene aus seinem Haupte in einer Art androgynischer Zeu- gung hervorgehen lassen. Wenn auf diese Art Zeus die Weisheit des Denkens in dem Kosmos entfal- tel, so wird er der Herr und König auch der sittlichen Welt. Die Ehe Zeus-Metis mit dem Athene- kinde bedeutet also: wenn Natur und Geist sich verbinden, dann entsteht Ordnung in Natur und Men- schenwelt. Auch die Ehe mit der Themis gehört der sittlichen Seite des Zeus an; denn Themis ist die Göttin weiser Satzung, und die Kinder, welche die Theogonie aus dieser Ehe hervorgehen läßt, bezeichnen nach der Etymologie ihrer Namen solche Mächte, welche die richtige Vertheilung und das feste Gesetz in Natur und Menschenwelt zur Geltung bringen, wie denn auch Zeus selbst mehrere Beinamen führt, welche auf diese Funktion hindeuten und den Frieden begründen, welcher im Weltganzen entsteht, wenn Jedem das Seinige zugetheilt wird und verbleibt. So bezeichnet also die Ehe Zeus-Themis mit ihren Sprößlingen die Verbindung der Natur, des Kronossohnes, mit dem Geiste des Gesetzes. Die Ehe des Zeus mit Hera endlich, an welcher derselbe Unfriede in der Theogonie bezeichnet wird, welcher in der Ilias herrscht, gehört wieder mehr der Naturseite des Zeus an und bezeichnet im Allgemeinen die Ver- bindung und den gegenseitigen Einfluß des Himmels und der Erde, welcher freilich ohne die vielfachsten Gegensätze nicht zu denken ist. Als eine Folge dieses Unfriedens stellt es die Theogonie dar, daß Hera den Hephästos ohne Gemeinschaft mit Zeus hervorbringt, als wolle sie für die mit der Metis an ihr begangene Untreue dadurch an Zeus sich rächen. Am 14. März sprach Herr R. Saske über die Fragmente des Trogus Pompejus. Er bemerkte zunächst, daß wir diesen Schriftsteller fast nur aus den willkürlichen Auszügen des Justinus kennen, und wenn dieser schon den Verlust des Originals bedauern lasse, so müßten dies noch viel mehr die echten Fragmente bewirken, weil sie lehren, wie geschmacklos Justin beim Excerpiren verfahren. Dies bezeu- gen u. a. die erhaltenen Prologe; denn vergleicht man sie mit Justin, so erkennt man die entsetzliche Magerkeit seines Auszuges. Herr Saske ging hierauf zur Lebens- und Bildungsgeschichte des Trogus Pompejus über und wies namentlich nach, daß griechische Bildung in ihm das Uebergewicht hatte, was ohne Zweifel bewirkte, daß er auch in seiner Auffassung und Darstellung nicht Rom zum Mittelpunkte seiner Anschauung machte. Trotzdem schätzten die Römer sein Werk, das er im J. 9 n. Chr. vollen- det zu haben scheint, sehr hoch. Darin hatte er in den ersten Büchern vorzugsweise den Theopompos, vielleicht auch den Herodot benutzt; außerdem aber auch den Hieronymus von Kardia, Timaeus, Poly- bius, Posidonius, wie besonders Heeren in seinen sorgsamen Untersuchungen hierüber nachgewiesen hat. Trogus ist diesen Gewährsmännern fast wörtlich gefolgt, jedoch mit Bewahrung seines eigenen Urtheiles. Er scheint bis ins 16. Jahrhundert existirt und namentlich sich am längsten in Polen erhalten zu haben, wo er mehr geliebt und ecitirt wurde, als Livius, weil er weit mehr Weltanschauung hatte als dieser. Bielowski fand in Lemberg eine Handschrift mit vielen Stellen des Trogus, und vermuthete, daß auch andere polnische Chronographen ihn ausgeschrieben haben, z. B. Vincenz Kadubleck. Er gab dann dieselben 1853 unter dem Titel: Trogi Pompei fragmenta, quorum alia in codd. mss. bibliothecae Ossolinia- nae invenit, alia in operibus scriptorum maximam partem Polonorum iam vulgatis primum animad- vertit, fraygmenta pridem nota adiunzit et una cum prologis hist. Philipp. et crit. adnott. ed. Leopoli heraus. Diese von Bielowski herausgegebenen Fragmente unterwarf Herr Saske sodann einer spe- ziellen Charakteristik und Kritik. 248 Am 23. Mai hielt Herr Professor Dr. Ambrosch einen Vortrag‘ über das Priesterihum der Flami- nes bei den Römern, und setzte denselben am 18. Juli fort. Da dieser nur einen Abschnitt eines größeren Werkes ‚‚über das Priesterthum der Römer‘‘ überhaupt bildet, dessen Veröffentlichung uns Herr Prof. Ambrosch verheißen, und auch an sich nicht wohl eines Auszuges fähig ist, so haben wir uns hier eines Auszuges aus demselben enthal- ten, so sehr wir auch durch die Wichtigkeit und das Interesse, welches der Vortrag hatte, dazu veran- laßt gewesen wären. j Am 21. November hielt Herr Privat-Docent Dr. Suckow einen Vortrag über das vierte Buch der Platonischen Gesetze. Er begann mit einem allgemeinen Ueberblick über den Inhalt dieses Buches und suchte namentlich die einzelnen Gedankengruppen herauszustellen, wobei er den inneren Zusammenhang zwischen der ersten und zweiten Gruppe vermißte und im Einzelnen manches Unplatonische gefunden zu haben behauptete. Auch an der letzten Gruppe, in welcher die Forderung eines Prooemium’s zu den Gesetzen gestellt wird, nahm er Anstoß und meinte, Platon habe sich hier selbst nicht verstanden. Am 19. December sprach Herr Gymnasiallehrer Palm über Sprache und Versbau des A. Gryphius. Er ging hiebei von dem Drama ‚‚das verliebte Gespenst“ aus und betrachtete zunächst dessen sprach- liche Eigenthümlichkeiten mit Rücksicht auf die der Zeitgenossen. Gryphius zeigt darin ein großes Streben nach Sprachrichtigkeit und Reinheit im Vergleich zu den Zeitgenossen, bei: welchen noch große Willkürlichkeit in Handhabung der Sprache, Zusammenziehungen und Abkürzungen der seltsamsten Art u. dgl. sich vorfinden. Ja bei Gryphius ist größere Reinheit zu finden, als bei Opitz. Doch ging er in manchen Dingen zu weit, z. B. in der Ausstoßung des stummen e zur Vermeidung des Ahiatus, wodurch die Zahl der einsilbigen Worte über Gebühr wuchs. Dazu kam, daß er sich dieses Mittels auch bediente, ohne durch den Aiatus dazu veranlaßt zu sein, z. B. am Ende des Verses des bloßen Reimes wegen, oder auch in der Cäsur. Sodann erlaubte er sich zuweilen die Sylbe ei abzuwerfen, wo das Wort schon ein et hat. Nicht selten unterdrückte er auch am Adjectiv und Adverb die Flexion durch Abwerfung der End- sylbe. Auch das e in der Endsylbe er stößt er öfter aus, z. B. Feur. Ebenso das Praeformativ am Participium, z. B. brach statt gebrach. Doch sind ‚hieher einzelne Wortformen nicht zu zählen, welche schon im Altdeutschen in abgekürzter Form im Gebrauche waren, wie befesten statt befesti- gen. Dagegen zeigt Gryphius große Reinheit im Reime Anderen gegenüber, mehr noch als Opitz, wiewohl auch noch manches Anstößige bei ihm zu finden ist; so reimt er z. B. schließen, müssen, stieß, riß und noch viel Aergeres. Häufig schwankt auch bei ihm der Umlaut, verkauflich statt verkäuflich, Täge, verhanden statt vorhanden. Nicht selten setzt er die Zenuis statt der media und umgekehrt, bund statt bunt, oder er schiebt Consonanten ein, embsig, worzu, während er in in andren Fällen deren ausstößt, z. B. möchst statt möchtest, numehr statt nunmehr. Pie Flexion der Nomina und Verba zeigt geringe Abweichungen vom heutigen Sprachgebrauche, welche der Zeit zur Last fallen, dagegen zuweilen Abweichungen im Genus. In der zweiten und dritten Person Singu- laris Praes. und Imperat. verwandelt er bei Verbis in de-en das ie stets-in ew, z. B. verfleugst. Auch in den Participien erlaubt er sich zuweilen eine Abweichung, z. B. ersinnt statt ersonnen. Das Pro- nomen wer, was statt irgend Jemand, irgend Etwas, braucht er theils als Indefinitum, theils als Inter- rogativum, z. B. was Geheimniß — was für ein Geheimniß. Oft hat er auch die Präposition ab zur Bezeichnung der Richtung von woher hinten an andere Worte angefügt, z.B. Himmelab. Der Unter- schied zwischen vor und für ist bei ihm ganz verwischt; ebenso braucht er um mit dem Genitiv mit Hinweglassung von willen, z. B. um Gewinnsts statt um Gewinnstes willen. Bei Verbis läßt er 249 manchmal in Zusammensetzungen die Vorsetzsylben weg und braucht, wie die alten Dichter, verba simplicia statt der composita, z. B. handeln statt behandeln. Auch hat er sich eigne Wortbildungen erlaubt, z. B. entleben. — Mehr Eigenthümlichkeiten hat er in syntaktischer und metrischer Hinsicht. In ersterer sind namentlich zwei Punkte hervorzuheben: a) Kürze im Ausdruck; 5) das Streben, lateinische Con- structionen ins Deutsche zu verpflanzen. Dadurch leidet freilich oft der Ausdruck an Klarheit. Dazu kommt, daß er nicht selten die Copula wegwirft, wo sie nicht fehlen darf; ebenso den bestimmten Ar- tikel, namentlich nach Präpositionen, zuweilen auch den unbestimmten Artikel. Dasselbe erlaubt er sich mit dem Pronomen es, ja sogar mit Personalpronominibus, z. B. was schreist? stalt: was schreist Du? Auch ist der Gebrauch parenthetischer Zwischensätze bei ihm häufig, welche den Zusammenhang stören. Den Lateinern nach bedient er sich oft des Conjunctivs, wo kein Grund dazu vorliegt, so na- mentlich nach bis und ehe. Desgleichen liebt er den Superlativ und den Dativus Commodi. Auch einzelne Verba braucht er so wie die Römer, und vielleicht ist diesen auch seine Verbindung selbst- selbst nachgebildet, so wie er auch nach ihrem Vorbilde das Object zuweilen weit vor das Subject setzt. — Zu diesen Härten kommt noch eine rhythmische, indem er in allen mit Präpositionen zusam- mengesetzten Zeitwörtern die Präposition nicht betonte, z. B. aufsteigen, auslauft, in Substantivis dagegen betonte. Bei manchen Worten, namentlich Adverbiis, schwankte er. — Ein andrer Uebelstand ist der, daß er einsylbige Worte ganz schwankend gebraucht, bald kurz, bald lang, und da er durch die oben angeführte Elision die einsylbigen Worte häuft, so werden seine Verse oft sehr mißtönend. Auch in mehrsylbigen Worten erlaubt er sich zuweilen auf eine Sylbe den Ton zu legen, die ihn nicht haben kann, z. B. Sterbliche. — Doch fehlt es ihm auch nicht an Vorzügen. Er wechselt gern, um der Mono- tonie zu entgehen, mit den Versmaaßen, so wie er auch Sorgfalt auf Reim und Cäsuren, namentlich auf die letzteren, verwendet. 0 m 32 I adi.aib- agab as: nor ab adtgR sie ini ailerer de Fe nz re: a a ro ah rt a 5 ‘ a = ana h a ee: almost Ar Fe rw ‚used lit De" | & ah No Wären Habe, “0. | Ren: E | mai £ make} Hirn sin a AR en R a a Ndunın da elinn varmaiteunau uch Ya neli pt aner. :ithla an a I; Be yardasarmnın nahen ‚ale ai ine asturandanien nn „ori ano Nee a Mb hun wire a un ds" iss lau ai I ee vente hen RAN Be nliorus 13814) Sal able rn done DEE a rinusitn wi 1% mabii sah ae a nd ün ‚asgistalm , IE. ar ee hoitisonn‘h tb” ron io a Anke lee Vasen ‚use me‘ nal 1a ir aa Naar rt een Ion daileomen ‚arınai) bau mini use ılnsaıs Kinn, Luhi De na. | Ki Kr Was IE Penn im. ist, ern de re ee are er Men en 1 ar ee ee iiber d A N nenn ee Eee ee in Wat lg a ’ wa er BL Aue “er 72 er > re er De [ee ar 77 Eh a hd RE ee A ee ae Fast Ki u de a N 5 77 pc, PET % A au j nl | a 1 ie ae x RR Pr Fee nude ee ru » Te Ay Ass nie RE EP RIENGE a E e e Dt \ Me eu” ee Fee 2 72 = rin Ein Ki» cu | eg a BE a rn ae je: Dr 7 ne A ee 4 | Pan run ent 2 Eu Pa 37 5 ur 2 ee Bene sr Freien ren i A Ma EU BER ae 20, 2 E70 7 I E A ee ei A Vu Be u u year EEE te = si ar 251 Bericht über die Vorträge der pädagogischen Section im Jahre 1854, Chr. G. Scholz, zeitigem Secretair derselben. Her Oberlehrer Otto hielt folgenden Vortrag: Zur Lebensgeschichte des Herrn Senior Berndt. Motto: Das schönste Denkmal eines Entschlafenen ist: wenn sein Wirken sich segensreich weit über sein Grab hinaus verbreitet und Thränen der Liebe und des Dan- kes seinen Grabhügel wehmüthig und klagend be- feuchten. Die entseelte Hülle eines solchen Mannes wurde, unter den dumpfen und klagenden Tönen der Glok- ken, von Tausenden, die in ihm einen Freund, Rather, Helfer und Tröster beweinten, zu ihrer kühlen Ruhestätte am 25. November 1853 begleitet. Es war dies Johann Christian Gottlieb Berndt, Archidiakonus und Senior an der Haupt- und Pfarrkirche zu Maria Magdalena in Breslau. Derselbe wurde geboren den 26. Juni 1795 in Breslau, wo sein Vater ein armer Kürschnermeister war. Zuerst besuchte er die Schmidt’sche und reformirte Elementar- schule und dann das Gymnasium zu Elisabet von 1805 bis 1813. Der ‚‚Aufruf des Königs an sein Volk“ entflammte auch seine von Vaterlandsliebe erglühte Brust für den gerechten Kampf, und er trat als frei- williger Jäger in das erste Bataillon des ersten Garde-Regiments ein, machte in demselben die ersten beiden Feldzüge des Befreiungskrieges mit und kehrte nach dem ersten Pariser Frieden 1814 auf sein heimatliches Gymnasium zurück, von dem er 1815, ehrenvoll entlassen, die Viadrina in Breslau auf vier Jahre bezog und die letzten drei Jahre Mitglied des theologischen Seminars war. Bald nach seinem Abgange von der Universität wurde er substituirter Lector an der Elisabeikirche und Lehrer an der Schule der 6. Artillerie-Brigade bis 1826. Mit großer Liebe hingen die Schüler an ihm, und er selbst äußerte oft, daß er diese Unterrichtsstunden zu den glücklichsten in seinem pädagogischen Leben zähle. 1820 erhielt er das Lectorat an der Magdalenenkirche und wurde, den 25. August desselben Jahres 32 * 252 durch die Ordination in den gefstlichen Stand aufgenommen, Generalsubstitut des Breslauer geistlichen Ministeriums, 1821 Lector an der Elisabetkirche, und nachdem er einen Ruf als Diakonus nach Ohlau, so wie als Divisionsprediger nach Brieg abgelehnt, 1824 vierter, 1828 dritter und 1834 erster (Archi-) Diakonus und Senior an der Magdalenenkirche. Durch vieljährigen Unterricht an mehreren Privat-Instituten, so wie in Familien, hatte er sich mehr- fache Erfahrungen und Kenntnisse in der Pädagogik verschafft, wodurch die Armen-Direction sich be- wogen fühlte, ihn 1833 als Mitglied aufzunehmen und mit der Leitung des Armenschulwesens zu beauf- tragen. Im Jahre 1827 wählte ihn die „pädagogische Section“ der schlesischen Gesellschaft für vaterländische Cultur, deren Mitglied er seit 1820 war, zu ihrem Secretair, und die städtische Schulen- Deputation trug ihm seit 1824 das Revisorat des Heinrichschen Bog’schen und Preisner’schen Privat-Instituts, so wie später der jetzigen Elementarschule Nr.:14 (damals noch Freischule) auf. Im Jahre 1833 wurde er zum Director der schlesischen evangelischen Schullehrer-Wittwenkasse gewählt und von der Behörde bestätigt, welches Amt er mit dem 1. Januar 1834 antrat. Als in dem- selben Jahre die Naturforscher Deutschlands sich in Breslau versammelten, stellte er in der geognosti- schen Abtheilung derselben die mangelhafte Kenntniß der Sudeten dar, und erwies die Nothwendigkeit einer genauern und allseitigern Durchforschung derselben, was die Bildung des Sudeten-Vereins, als eine Abtheilung der schlesischen Gesellschaft für vaterländische Cultur, zur Folge hatte. Aus seinem literarischen Wirken sind bekannt: Wissenschaftlich geordnetes Verzeichniss der Bibliothek des Ecclesiasten Hieronymus Scholz. 1817. Nonnullae in opus arabicum, quod inscribitur MI noctes. (Er war nämlich Schüler und Freund des Professor Habicht, derzeitigen Lehrers der orientalischen Sprachen an hiesiger Universität.) Eine Novelle. Aus dem Leben eines armen Landpredigers. (Abgedruckt im Wiener Journal für Kunst- und Literaturgeschichte. 1824.) Wegweiser durch das Sudetengebirge. Breslau 1827. Karte des Sudetengebirges. Breslau 1828. 2 Blätter in fol. Postwegweiser für die Provinz Schlesien mit einer Postkarte. Gymnasial-Statistik der Provinz Schlesien. Schuljahr 18°7,,. (Abgedruckt in Hoffmanns schlesi- scher Monatsschrift 1829.) Beitrag zur Geschichte des Königl. Preussischen vierten (braunen) Husaren-Regiments. Wissenschaftlich geordnetes Bücherverzeichniss des Privatgelehrten Wickberg. Breslau 1830. Wandkarte von Schlesien. Entworfen von Wiesner, umgearbeitet von Berndt. 1830. 9 Bl. in fol. Breslauer Kalender für die Provinz Schlesien auf das Schaltjahr 1832. Breslau bei Grüson. Handkarte von Schlesien. Entworfen von Wiesner, gänzlich umgearbeitet von Berndt. 1833. 1 Blatt in fol. Fünfter Jahres-Bericht des Breslauer Gewerbe-Vereins. 1834. Reden zum Andenken an die Gebliebenen. Gehalten an den Festen der Freiwilligen , abgedruckt in der Beschreibung derselben. Wochenblatt für das Volksschulwesen. Herausgeg. von Hientzsch und Berndt. Breslau bei Aderholz. Jahrg. 1833, 1834 und 1835. Wegweiser in der Umgegend von Charlottenbrunn. Entworfen für die Besucher dieses Curortes. Breslau bei Grass, Barth & Comp. 1835. Mehrere Hundert poetische Versuche, grösstentheils als Gelegenheitsgedichte abgedruckt. Beiträge zu dem Breslauer Cholera-Blatte. 1831. Viele Beiträge für die Breslauer Zeitung, unterzeichnet Johannes; und Einige Aufsätze in den schlesischen Provinzialblättern. Es ist nicht zu leugnen, daß der Verstorbene zu den geistig begabtesten Männern gezählt werden kann, welcher, wäre er nicht in so mannigfache Lebensverhältnisse verwickelt worden, die seine geistige Thätigkeit zu sehr zersplitterten, noch Bedeutenderes geleistet haben würde. 255 Hören wir über sein Wirken das eigene Urtheil. „Wider mein Erwarten — denn ich gedachte mich dem akademischen Lehrstuhle zu widmen — hat mich die Vorsehung aus der stillen Welt der Bücher in die laute des Lebens geführt und mir gar verschiedenen Arbeitsstoff zur Thätigkeit angewiesen. Sie hat es wohl verstanden. Mein unruhiger, arbeitslustiger Geist paßt eben nur für die Welt, und mein Gemüth, das froh ist, wenn es etwas zum Wohle der Menschheit thun kann, fühlt sich in dem bloßen Anschauen dessen, was von Andern gethan wird, nicht glücklich. Gesucht habe ich übrigens nichts; es kam Alles von selbst; darum sehe ich das, was mir anvertraut worden ist, als Gottes Ruf an.“ Da Berndt als mein Verwandter und Freund vielfach offen seine Meinungen, Ansichten und Ur- theile gegen mich ausgesprochen hat, so glaube ich ein ziemlich treues Bild von seinem Leben und Wirken geben zu können. Berndt war geistig hochbegabt und gehörte zu den Naturen, die Alles mit Feuer ergreifen und durchzuführen suchen, selbst dann, wenn bedeutende Schwierigkeiten sich entgegenstellen. In seiner Brust schlug das liebevollste Herz, das sich hochbeglückt fühlte, wenn es Kummer stillen und 'Thränen trocknen konnte. Aber trotz seiner Gutmüthigkeit zeigte er dennoch einen sehr festen Willen, und glaubte er etwas als recht und wahr erkannt zu haben, so hielt es sehr schwer, ihm eine andere Ue- berzeugung beizubringen, selbst wenn er irrte. Mit regem Eifer widmete er Zeit und Kräfte in seinen’ jüngeren Jahren der Pädagogik theils durch Unterricht, theils durch die ihm Jahre lang anvertraute Leitung des hiesigen Armenschulwesens. Durch letzteres gewann er einen tiefen Blick in die untersten Volksschichten, deren Kinder sich zum Theil schon vom Beginn des zarten Lebensalters in einer mit Sünde verpesteten Atmosphäre befinden und daher meist geistig und körperlich untergehen. „Ach!“ seufzte er oft, „wie wenig fruchtbringend kann das Wirken in unseren Armenschulen sein! denn was die Lehrer mit vieler Mühe bauen, reißt das Aelternhaus und das schlechte Beispiel der Umgebung wieder nieder.“ Er wünschte nichts sehnlicher als eine recht tüchtige allgemeine Volksbildung, trat aber denen, die Alle auf gleiche Bildungsstufe stellen möchten, entschieden entgegen; ‚‚denn,‘‘ sprach er, „wollt ihr die Menschen glücklich machen, so gebt jedem Individuum die Bildung, die es für seinen Stand nothwendig hat; schraubt dieselbe höher, und ihr macht es unzufrieden und unglücklich.“ Ebenso war er ein entschiedener Gegner der Tren- nung der Geschlechter in der Volksschule; ‚‚denn,“ sagte er, „was das Leben nicht trennt, muß die Schule auch nicht trennen; geschieht dies, so begeht man ein Unrecht, das die ängstliche Sorge für die kindliche Unschuld nicht aufwiegt.‘“ Ferner war er kein Anhänger der Philanthropen, welche dem Kinde Alles leicht und spielend beibringen wollen. Seine Aeußerungen darüber waren ohngefähr fol- gende: ‚Der Mensch ist zur Selbstthätigkeit geboren. Die rechte Anleitung dazu ist daher einer der wichtigsten Factoren der Pädagogik, wodurch Selbstvertrauen, Geistesstärke und Thaikraft erzeugt wird. Nie betrachte man das Kind als Stopfgans und überfülle seinen geistigen Magen; denn nur das rechte Maaß der Nahrung, wohl abgemessen nach Alter und Fassungskraft, ist verdaulich. Das Anlernen und Vollstopfen erzeugt nur hohle Vielwisserei, durch welche Eitelkeit, Dünkel und der Hochmuthsteufel her- aufbeschworen wird. Auch schraube man nicht künstlich die naturgemäße Entwickelung des Kindes, um mit seinen Kenntnissen zu glänzen; man erzieht dadurch nur Treibhauspflanzen, welche die Hoch- mittagssonne des Lebens nicht vertragen, sondern welken.‘“ Eben so eiferte er gegen zu frühe Theilnahme der Kinder an den Vergnügungen der Erwachsenen. Er sprach sich darüber dahin aus: ,‚Man erhalte dem Kinde so lange als möglich seine Kindlichkeit und entrücke es nicht vorzeitig seiner kindlichen Sphäre; durch das Gegentheil raubt man ihm die Ro- senzeit der Jugend und die kindliche Unbefangenheit. Kinder führe man erst nach ihrer Confirmation ww in die Vergnügungsörter der Erwachsenen ein. Geschieht dies früher und sind sie bis dahin wohl gar schon übersättigt, so werden sie, da das Leben ihnen nichts Neues mehr bieten kann, nur unglücklich.“ Mit der Mädchenerziehung, vorzüglich der mittleren Stände, war er auch nicht zufrieden. Er äußerte sich dahin: ‚Dem Manne gehört die Welt, dem Weibe das Haus. Der Mann muß hinaus, gestählt mit Wissen und Kraft, in die weite Welt, das Weib aber muß am heimischen Heerde emsig wirken und schaffen. Die Schule hat daher den Grund zur Bildung tüchtiger Hausfrauen und guter verständiger Mütter zu legen. Dies wird sie aber nur dann, wenn sie die Mädchen nicht, wie es leider zu oft ge- schieht, mit geistiger und industrieller Arbeit dermaßen überbürdet, daß Geist und Körper niedergedrückt werden. Dazu kommt, daß dieser unnütze Bombast aufbläht und der Frau des künftigen Handwerkers ihre Lebensstellung verleidet, denn sie wähnt sich zu Höherem berufen.“ Seine Ansichten über Disciplin waren ohngefähr folgende: ‚Kurz und bestimmt führe der Lehrer seinen Willen aus, und sein Betragen sei mustergebend für die Schüler. Vergehen derselben strafe er nie im Zorn, damit die Strafe nicht das richtige Maaß überschreite und Erbitterung errege. Wo Er- mahnungen, Arrest, Beschämungen etc. fruchtlos bleiben, greife man zur körperlichen Züchtigung als dem letzten Besserungsmittel, denn eine Ohrfeige wirkt oft mehr als eine lange Rede von Vorwürfen und Zurechtweisungen. Freilich ist Disciplin der schwierigste Theil bei Unterricht und Erziehung. Sie kann dem Lehrer nicht angelernt werden, sondern muß aus seiner geistigen Capazität selbst hervorgehen.“ Auch als langjähriges Mitglied des älteren Schullehrer-Vereins hat er in mehreren Vorträgen seine Gedanken über Pädagogik dahin ausgesprochen, daß Methode und Diseiplin im Vergleich zu seinen Schü- lerjahren nur erfreulich fortgeschritten sei; denn damals kamen trotz Bakel und Ochsenziemer-Regiment gröbere Disciplinarvergehen vor als jetzt. Dies der kurze Abriß über die pädagogischen Ansichten Berndts. Um aber ein Gesammtbild seines Lebens und Wirkens zu erhalten, so wird es nothwendig, ihn in Kürze noch zu betrachten: als Seelsorger, als rastlos thätiges Mitglied in bürgerlichen Verhältnissen, als Menschenfreund, als Gesellschafter und Familienvater. In seinen theologischen Ansichten neigte er sich in seinen jüngeren Jahren mehr der freisinnigen, in seinen späteren aber mehr der orthodoxen Richtung zu. In seinen Predigten schilderte er gern das Glück des Familienlebens und wies hin auf Gottes höhere Führung und Leitung. Mit gleicher Liebe und Bereitwilligkeit brachte er Reichen und Armen den Trost der Religion und verschmähte es nie, selbst bei schlechtestem Wetter, hinter dem Sarge des Aermsten zu gehen, daher ihm auch die ärmere Volks- klasse besonders anhing und ihn mit dem Namen ‚‚Armengeistlicher“ bezeichnete. Betrachten wir Berndt’s Wirken in den bürgerlichen Verhältnissen, so war dasselbe ein weit aus- gebreitetes, und es drängt sich die Frage auf: Wie reichten Zeit und Kräfte dazu aus? Das Wichtigste davon ist Folgendes. Er war: Mitstifter des Freiwilligen-Vereins und Gründer der Freiwilligen-Stiftung seit 1833; Mitstifter und Director des Bürgerrettungs-Instituts seit dem 11. Mai 1835 bis zu seinem Tode; Secretair des Gewerbevereins von 18352—1839; Mitglied und Rendant des Krieger-Begräbnißvereins seit 1845; Mitglied und zweiter Director des Feuerrettungsvereins seit 1845. Außerdem sind noch zu erwähnen: die Sammlungen für die durch Wasser Verunglückten des schle- sischen Gebirges im Mai 1829 und die für Feuerverunglückte in Prausnitz, Grotikau, Tost etc. 1834. Endlich war er noch mit einer großen Zahl Vormundschaften überbürdet (bei seinem Tode waren es 19), denen er viel Zeit opfern mußte. 259 Für den Militairstand zeigte Berndt eine große Hingebung. Sein Gesicht verklärte sich, wenn er der Kriegsjahre 1813 und 1814 gedachte. Daher war ihm auch das Fest der Freiwilligen, der 2. Mai jedes Jahres, ein Wonnegenuß, und hochbeglückt fühlte er sich, mit seinen Kriegskameraden im trauten Kreise versammelt zu sein. Mit seltener Treue und Liebe schlug sein Herz für König und Vaterland, weshalb auch Se. Majestät 1852 seine Brust mit dem Hohenzollernschen Hausorden schmückte. Ferner wohnte in seiner Brust das hohe Gefühl, der Noth zu Hülfe zu eilen. Der Thürmer gab das Feuerzeichen, und eiligst war er an dem Orte, an welchem die verheerende Flamme wüthete, nicht blos um anzuordnen, sondern um zu retten und zu arbeiten, wie Jeder der zum Löschen Comman- dirten, und wich nicht eher, als bis die Gefahr vorüber war. Durchschwitzt, durchnäßt, mit zerrissenen und versengten Kleidern kehrte er häufig nach Hause, ohne der nachtheiligen Wirkungen für seine Ge- sundheit zu gedenken. Seine liebste Erholung war eine Reise in den Ferien nach unserem schlesischen Gebirge. Mehrere Mal war ich sein Begleiter; kaum war Breslau im Rücken, so wurde alles Unangenehme abgeschüttelt; an seine Stelle trat sprudelnder Witz, und groß war sein Jubel, hatte man die Berge erreicht. Nie durfte ein Führer, selbst in den unbekanntesten und unwegsamsten Gegenden, angenommen werden, denn ihm galt es als Ehrenpunkt, geschultert mit dem Tornister, ihn selbst zu machen. Das Familienleben. Berndt war ein sorgsamer Gatte und Vater. Bei dem Tode seines Vaters waren 2 Sgr. 6 Pf. Vermögen vorhanden. Durch Privatunterricht suchte er Mutter und Schwester zu unterhalten, nahm bei seinem Amtsantritt erstere zu sich, und sorgte für die fast Erblindete aufs Freudigste bis zu ihrem Tode. Seine Kinder erzog er liebevoll, gestattete aber keinen Eigensinn, sondern verlangte unbedingten Gehor- sam. Familienfeste gehörten zu seinen glücklichsten Stunden. Obenan stand das Weihnachtsfest, Er ordnete, baute auf, schmückte den Christbaum, und sann nur darauf, recht viele Freuden zu bereiten. Als Gesellschafter erheiterte er durch. Scherz und Witz. Kränklichkeit, trübe Erfahrungen und vor- züglich der Verlust einer geliebten achtzehnjährigen Tochter hatten in seinen letzten Lebensjahren sein sonst so frohes und heiteres Gemüth trüber gestimmt; auch besehlieh ihn wohl die bange Ahnung des Scheidens von den Seinen. Drei Monate vor seinem Tode suchte er an Salzbrunns Heilquelle Geist und Körper wieder aufzufrischen; allein vergebens. Kurze Zeit nach seiner Rückkehr verfiel er in eine bedenkliche Krankheit, von der er nie wieder genaß, sondern den 22. December 1853 zum ewigen Frieden abgerufen wurde, viel zu früh für die Seinen und die Menschheit. Leicht wird ihm die Erde sein. Er hat, des Guten viel gethan, noch mehr gewollt; darum folgt ihm Segen und Dank noch: über sein Grab.. Senkte sich auch zu früh für diese Welt seines irdischen Lebens Sonne; wir klagen nicht! — Ihm leuchtet jetzt heller und schöner die ewige, zum Lohne für sein. edles und hocherziges Wirken. Der Secretair der Section las einen Vortrag: Ueber die Pädagogik der Bibel. Aus dem umfangreichen Vortrage theilen wir nur: die zweite Hälfte mit, und bemerken, daß der Verfasser in der ersten’ Hälfte eine kurze Geschichte der Pädagogik der verschiedenen Völker lieferte. Sogleich auf dem ersten Blatte der heiligen Schrift, in der Schöpfungsgeschichte, liegt in den Wor- ten: '„Lasset: uns Menschen machen, ein Bild, das uns gleich sei — und Gott schuf den Menschen ihm zum Bilde, zum Bilde Gottes schuf er ihn‘ — der erste pädagogische Grundsatz der Bibel: 256 „Bestimmmung des Menschen zur Gottähnlichkeit.“ Aal Es ist der oberste aller Grundsätze der Pädagogik — der Hauptgrundsatz. Auf ihn beziehen sich, ihm sind in- und untergeordnet alle andern biblisch-pädagogischen Grundsätze. Und 'er tritt in dem Faden der Geschichte‘ in seiner Entwickelung immer herrlicher an das Licht, bis er in dem letzten Buche und auf dem letzten Blatte der Bibel in die Lichtgefilde der Ewigkeit übergeht. Und er ist. aus der Tiefe’ der menschlichen Natur geschöpft; selbst die griechischen Weisen haben ihn in sich KARA und, was Paulus zu den Athenern sagt, in poetischer Begeisterung ausgesprochen. | Dieser Grundsatz ist das einzig wahre Grundprinzip des Unterrichts und der Erziehung. Allerdings tritt er zuerst nur auf seiner Anfangsstufe auf als: Beherrschung der Thiere, ob zwar bald darauf in der Geschichte vom Sündenfalle als Beherrschung des Thierischen im Men- schen. Es liegen aber eben hierin die ersten Lineamente seiner Ausführung. Denn, was in dem Men- schen ist es doch, dem der Vater sein Bild aufgeprägt hat? Ist es nicht die Vernunft? Und liegt nicht in ihr die Macht des Menschen über die Thierwelt und ebenso auch die Macht über das Thierische in ihm selbst? — i Wie und wodurch aber beginnt der Vater der Menschen, in seinem ersten Erdensohne die Vernunft zu wecken? — ‚Er bringt allerlei Thiere zu dem Menschen, daß er sähe, wie er sie nennete.‘“ Also durch Anschauung in Verbindung mit Sprechen, was in seinen Anfängen ein Benennen ist. Ist das nicht „Elementarpädagogik?“ Und womit beginnt er das Erziehungswerk insbesondere? Mit dem Verbote: „Du sollst nicht essen von dem Baume der Erkenntniß Gutes und Böses, woran er für den Uebertretungsfall die bekannte Drohung reiht. Also mit der Forderung unbedingten Ge- horsams. Du sollst, du sollst nicht — nichts weiter, kurz und bestimmt, genug für den Anfang der Erziehung. | „Der Mensch kann nicht allein sich bilden; nur Menschenumgang bildet ihn.“ Das Zusammen- leben mit Andern ist ein dritter Grundsatz in der Erziehungsweise Gottes. Adam empfängt von ihm eine Gehülfin. So ist denn in mehrfacher Weise die Bildung des Menschen zur Gottähnlichkeit angebahnt. Aber — das Thierische im Menschen überwiegt; das Verbot wird übertreten. Und Gott thut, wie er gedroht hat. Kurz und kräftig stellt er die ungehorsamen Kinder zur Rede und straft sie. Ihr bisheriges Verhältniß zu Gott ist gestört, das Paradies ist verloren, ein unseliger Zustand ihr Theil, und an die Stelle ihres väterlichen Freundes tritt nun die Noth als Lehrmeisterin — doch sein Verhältniß zu ihm ist unverändert geblieben. Er sorgt für sie auch ferner, und selbst in ihre Strafen hat seine Weisheit und Güte für sie und ihre Nachkommen Erziehungsmittel gelegt. Bewahre auch den Fehlenden deine Liebe, ohne die Folgen ihres Ungehorsams für sie aufzuheben. Von jetzt an unterscheiden wir ein Zweifaches in Gottes Behandlungsweise der Menschen. Den Abel und dessen Zeichen der Dankbarkeit und eines frommen Herzens sieht er gnädiglich an. Dagegen verwirft er Kains Ceremonie, verweist ihm seinen schlechten Sinn und warnt ihn. Und da Kain nicht gehorcht, im Gegentheil zum Brudermörder herabsinkt, so stellt er ihn zur Rede und straft ihn auf ähnliche Weise, wie seine Eltern. Zwar läßt er die besondere Strafe, die Kain, zur Reue erwacht, in seiner Gewissensangst ahnet, nicht eintreten, die angedrohte aber geht in Erfüllung. Mit Noah geht er um, wie ein Menschenvater mit seinem guten Kinde. Er macht ihn aufmerksam auf das Verderben der Welt, zeigt ihm die Mittel zu seiner Rettung, erscheint ihm zu rechter Stunde, schließt ihn in seine Vorsicht ein, schützt und rettet ihn und giebt ihm überdies noch ein besonderes Zeichen seiner Gnade. Wohl trägt er die versunkene Welt mit Langmuth, 257 indem er ihr Frist zur Besserung gibt. Da aber dies nicht fruchtet, so gibt er sie dem finsteren Ver- hängnisse preis, dem sie zugefallen ist. Da haben wir das Zweifache in Gottes Behandlungsweise der Menschen. Den Guten ist er ein milder, sorgender Vater, ein schützender, rettender Gott — den Bösen ein ernster, warnender Erzieher, ein strenger, strafender Richter. Dies ist biblisch-pädagogischer Grundsatz, der im Verfolge der Erziehungsgeschichte des Menschengeschlechts durch Gott vielfach sich wiederholt. Diese sechs pädagogischen Grundsätze, also: 1) Wecken des Geistes durch Anschauung in Verbindung mit Sprechen; 2) Forderung unbedingten Gehorsams; 3) Zusammenleben mit Andern; 4) Genaue Erfüllung angedrohter Strafen; 5) Bewahrung der Liebe für die Fehlenden ohne Eintrag für die strafende Gerechtigkeit, und 6) Behandlung der Zöglinge nach ihrer zweifachen Gesinnungsweise, als gut oder böse — sind die ersten Grundzüge der Ausführung des biblisch-pädagogischen Hauptgrundsatzes: Bildung des Menschen zur Gottähnlichkeit. Sie sind insbesondere für das erste Kindesalter berechnet. Erziehung ist auf dieser Stufe bloße Gewöhnung, und Unterricht: Weckung des innern Sinnes durch äußere Wahr- nehmungen. Wir kommen zur Patriarchenzeit. ‘ Eine neue Stufe von Gotteserziehungsweise des Menschengeschlechts beginnt. Um das Gottesreich auf Erden vorzubereiten, die Anstalt, in welcher das Menschengeschlecht zur Gottähnlichkeit insbesondere erzogen werden soll, ruft Gott Abraham aus seinem Vaterlande und von seiner Freundschaft weg nach Kanaan, welches Land er zu dem Boden bestimmt hat, auf welchem das Gottesreich auf Erden seinen Anfang nehmen soll. Und warum Abraham? — Weil in dessen Gemüthe der Glaube keimte — die feste, innere Zuversicht auf Gott, die das Unsichtbare als sichtbar und das Zukünftige als gegenwärtig nimmt. Diesen Keim entwickelt er in ihm durch eine Reihe von Glaubensproben, und es entfalten sich aus dieser heiligen Wurzel des innern Menschen alle Tugenden Abrahams, als: Friedfertigkeit, Gastfreundschaft, Menschenliebe, die andere gern retten möchte; Barm- herzigkeit, die dem unglücklichen Freunde thätige Hülfe bringt; Edelmuth, der mit Andern im Guten wetteifert; Dankbarkeit, die dem Herrn Altäre baut, und ein Gehorsam und eine Gottergebenheit, die Alles überwiegt und selbst das Theuerste hingibt. In dem Glauben liegt für Abraham die Autorität als Familienvater, als Herr und Regent seiner Familienglieder und Untergebenen und als ihr Priester vor Gott. Und ebenso diese Autorität für Isaak und Jakob. Erziehung in und zum Glauben, ein Leben im Glauben und ein Vorleben dessel- ben für den Familienkreis. Die übrigen pädagogischen Grundsätze dieses Abschnittes betreffen entweder die Behandlung der Kinder im Familienkreise oder ihr Geschwisterverhältniß. Abraham hat nur einen eigentlichen Sohn, den Isaak; der vor diesem von der Hagar geborne Ismael wird verwiesen, weil Sara, die Mutter Isaaks, den gefährlichen Umgang ihres Sohnes mit dem ausgearteten Ismael fürchtete. Also: Entziehe dein Kind schlechtem Umgange! Aber Hagar verläßt ihr Kind nicht; ‘sie theilt die Verweisung mit ihm und alle jene Gefahren des Lebens in der Wüste. Der Schmerz, ihr Kind dem Hungertode preisgegeben zu sehen, erhöht ihre Anstrengung zur Rettung des Schmachtenden. Keine Mutter verläßt — verstößt ihr Kind, die Liebe der Mutter ist unauslöschlich, unvertilgbar. 33 258 Isaak hat zwei Söhne. Das Mutterherz neigt sich vorherrschend zu Jakob und verleitet zu einer ‚Handlung, welche das Familienglück stört und auf das Leben und Schicksal der Familienglieder gewal- tigen Einfluß hat, ja wohl auch auf den Bevorzugten, indem wir dieselbe Schwäche auf ihn gewisser- maßen fortgeerbt finden. ‘Darum: Eltern und auch Lehrer, nur ja keine Lieblinge unter euren Kindern! Es ist dies verderblich für sie, für Euch, für die Uebrigen. — Mag auch Gott die Folgen des besagten Fehlers für Jakob und Joseph zu einer Kette gesegneter Führungen gemacht ha- ben: das Familienglück blieb gestört, an Thränen, Klagen und Blierakauuepe hat es nicht gefehlt — "und: ‚du sollst Gott deinen Herrn nicht versuchen!“ Esau und Jakob, Zwillingsbrüder, und doch so verschieden! der Eine keichtcienie der Andere eigen- nützig; der Eigennützige hinterlistig, der Leichtsinnige jähzornig! Also: Beachte in der Erziehung deiner Kinder die Temperaments-Verschiedenheiten, lehre Jeder in dieser Hinsicht von früh an kämpfen und siegen. Joseph, seinen Brüdern gegenüber unvorsichtig; diese voll Neid und Haß gegen ihn. Eltern, leitet das Zusammenleben eurer Kinder! damit sie sowohl die nöthige Klugheit im Umgange mit Andern gewinnen, als auch jede feindselige Gesinnung gegen einander im Keime erstiekt werde. Josephs Lebensgeschichte, einerseits ein Spiegel der göttlichen Vorsehung, ist andrerseits ein herr- liches Gemälde von Gottes Erziehungsweise auf dieser Stufe. Er bewahrt dem Joseph seine Unschuld — erhebt ihn durch höhere, ahnungsvolle Vorstellungen — unterwirft ihn dem kindlichen Gehorsame gegen seinen Vater — führt ihn in und durch Gefahr und Noth, übt ihn in Pflichttreue, aueh unter drücken- den Verhältnissen, läßt ihn Versuchung überstehen, um des Guten willen leiden, bringt ihn zum Gefühle und Genusse seiner höhern Bestimmung, eröffnet ihm einen größeren und freieren Wirkungskreis, läßt ihn einwirken zum Besten und zur Besserung Anderer, und führt ihn zu herrlicher Vereinigung mit sei- nem Vater — — lauter aus- und aufeinander folgende Züge, zu dem Grundsatze Nr. 6 gehörig: Dein Erziehen sei planmäßig, sei ein geordnetes Ganzes und führe den Zögling zu seiner höheren Bestimmung hin! | Dies sind die pädagogischen Grundsätze, welche in der Bibelschilderung des Patriarchenlebens liegen, Merkwürdig, daß die Bibel die erste und letzte Geschichte dieser Epoche, die des Abraham und des Joseph, am ausführlichsten darstellt — als wollte sie Eltern, Lehrern, überhaupt Erziehern, dadurch zu- rufen: „Seht da in Bezug auf Familienerziehung zwei Gemälde zum Studium für Euch, 1) wie ihr selbst als Erzieher beschaffen sein, und 2) wie ihr eure Zöglinge erziehen sollt.“ — Wiederholen wir nun übersichtlich die Grundsätze dieses Abschnittes, und denken wir ‚sie uns im Familienleben verwirklicht: 1) Glauben als Haupt- und Grundzug im Gemüthe und Leben der Erzieher; 2) Bewahrung der Kinder vor schlechtem Umgange; 3) Nicht Lieblinge unter ihnen; 4) Beachtung ihrer Temperamentseigenheiten; 5) Leitung ihres Zusammenlebens unter einander; und insbesondere 6) Planmäßiges, geordnetes, den Zögliog zu seiner höhern Bestimmung hinführendes Erziehen —: so haben wir das Bild eines Hauses, wie und was es sein soll: Erziehungsanstalt zur Gottähnliehkeit. Wir kommen zum vorletzten Absehnitte, zu dem Zeitraume von Moses bis Christus, zu Gottes Erziehungsweise des Menschengeschlechtes im Staate. j Jakobs Nachkommenschaft ist ein Volk geworden. Knechtschaft hat dieses Volk abgestumpfi. Wir erblicken es auf niedriger Kulturstufe: in Geistesrohheit, Halsstarrigkeit, Feigheit. Und dennoch ist 259 es eben das von Gott auserwählte Volk zur Begründung seines Reiches auf Erden. Es ist merkwürdig, wie er es erzieht. j Zuvörderst bildet er ihm einen Erzieher. Moses Lebensgeschichte: seine Erziehung am ägypti- schen Hofe, sein Aufenthalt in der arabischen Wüste, seine Berufung und die Führung seines Berufes: Alles dies enthält treflliche Winke zur Bildung von Erziehern. Wir sehen indeß hiervon ab und fassen, dem eigentlichen Gange unserer Arbeit zufolge, das Volk ins Auge. Durch seinen Auszug aus Aegypten trilt es aus dem Stande der Knechtschaft in den eines selbst- ständigen Volkslebens. Für diesen Stand wird es während seines Zuges in der Wüste durch das Ge- setz vorgebilde. Das junge, in dem Gesetze auferzogene Geschlecht erkämpft sich das verheißne Land. Dieses wird und bleibt sein Besitzthum in dem Grade, in welchem das Volk das Gesetz hält. Eigent- lich erst befestigt in diesem, seinem Eigenthume, wird es unter der Regierung seiner ersten Könige, insbesondere unter der des David und des Salomo. Wir erblicken es zu dieser Zeit auf seiner höch- sten Stufe als einen Gottesstaat, Gott zu seinem unsichtbaren Oberhaupte habend und mit ihm durch das Gesetz in steter Beziehung stehend. Bald aber sinkt es von dieser Höhe herab durch inneres Zer- würfniß. Und obwohl theil- und zeitweise sich behauptend, ja selbst sich wieder erneuernd, geht es dennoch seiner Auflösung entgegen. Aus und unter seinen Bildungs-, Durch- und Uebergangszuständen entwickelt sich jedoch ein anderer, höherer Zustand, den die Besseren des Volkes von jeher geahnet und erwartet und von Gott erleuchtete Männer vorausbestimmt haben. — Durchschauen wir nun diese Entwickelungs- und Auflösungs-Perioden des jüdischen Staates, und wir werden im Hintergrunde die Grundsätze finden, nach denen Gott sein Volk erzog, Grundsätze, die, pädagogisch aufgefaßt und auf die Schule als Staat im Kleinen angewendet, die Punkte uns vorzeichnen, zu denen und durch welche hin wir unsere Schüler erziehend und bildend zu führen haben. Der erste dieser Grundsätze ist: „Das Herausführen der Kinder aus den Schranken der Sinnlichkeit zu geistiger Selbstständigkeit.“ Unsere Anfangsschüler sind, wie das israelitische Volk zu Moses Zeiten, sinnliche Wesen und vorherrschend nur für sinnliche Eindrücke empfänglich. Diese müssen mächtig sein und oft und ver- schiedenartig sich wiederholen, ehe der Geist aus seinem Schlummer erwacht und sich seiner selbst bewußt wird; und es muß das Durchwandern mehrer Bildungsperioden hinzukommen, ehe er Selbststän- digkeit erlangt. Die so nöthigen Sinneseindrücke auf unsere Anfangsschüler zu machen, dazu dient der Anschauungsunterricht in seinen verschiedenen Zweigen. Zu diesem hinzutreten muß aber: das Einführen und Einleben der Kinder in einen gesetzlichen Zustand, Die Unterwerfung unter das Gesetz dämmet und ordnet die Ausbrüche der Sinnlichkeit und bahnt hierdurch dem erwachenden Geiste seine Herrschaft vor. Ohne solche Zucht wäre das israelitische Volk ein wilder, regelloser Haufe geworden, der seine Bestimmung nie erreicht hätte. So muß für unsere Anfangsschüler dem Anschauungsunterrichte eine bis ins Einzelne durchgearbeitete Disciplin zur Seite treten, wenn Bildung zu geistiger Selbstständigkeit für sie möglich werden soll. Der dritte in der Entwickelungsgeschichte des jüdischen Staates liegende pädagogische, in Beziehung auf unsere Schulen gefaßte Grundsatz ist: abe Erwerben eines bleibenden Besitzthumes von Seiten der Kinder.“ Der jüdische Staat ist während des Zaigeh in der ‚Wüste begründet, der Sklavensinn ausgestorben, der Geist erwacht, der Eigenwille gebrochen und dem Gesetze untergeben worden. An die Stelle der _Feigheit ist Muth und Freiheitssinn ‘getreten. Der Zug setzt sich in Bewegung! Unter Anstrengung sei- ner ganzen Thatkraft erobert das Volk das ihm zugewiesene Brbfheil und nimmt es in Besitz. 33* 260 Das Besilzihum unserer Kinder? — dies ist — ihre innere Welt, zu welcher durch Anschauung und Diseiplin Grand und Boden gelegt worden, die sich füllt mit Vorstellungen, Begriffen, Urtheilen, Schlüssen, Gefühlen und Vorsätzen, und über die als über sein Reich der Geist als vernünftiges, freies, selbstständiges Wesen das Regiment führen soll, kurz, um mit der Bibel zu reden: der innere Mensch. Und wodurch wird dieses Besitzthum gewonnen? — Durch anregenden, entwickelnden, den Schüler in volle Selbstthätigkeit versetzenden Unterricht. Es ist dies die zweite Stufe der Schulbildung. Um sie zu behaupten und auf derselben sich zu befestigen, muß mit dem Unterrichte noch Zweierlei in Bund treten: l) Ein durchweg gesetzmäßiges Leben. Das Gesetz bildet für die Israeliten nicht blos einen Damm gegen die Ausbrüche ihrer Sinnlichkeit, ist (um weiter zu blicken) nicht allein das Mittel der Absonderung dieses Volkes von andern Völkern, sondern bezeichnet vielmehr in seinen Formen dem Volke den Weg zur Erlangung seines selbstständi- gen Volkslebens. Die Volksselbstständigkeit besteht für die Israeliten in der Richtung ihres Gemüthes und Lebens auf Gott. Die Worte der Gesetzesurkunde: ‚Ihr sollt mir ein priesterliches Königreich und ein heiliges Volk sein‘‘, bezeichnen den jüdischen Staat als einen Gottesstaat. Gott ist der Oberherr. Seinen Willen muß Jeder thun, Jeder muß ihn verehren. Gott schreibt dem Volke seinen Willen vor in jeder Beziehung und bis ins Einzelne; ebenso auch die Art und Weise seiner Verehrung. Die Vor- schriften hüllt er in Formen, eben so passend für den in ihnen enthaltenen Sinn, in welcher Beziehung sie Sinnbilder werden, als auch berechnet für den Bildungsstandpunkt des Volkes. An die Beobach- tung dieser Formen knüpft er nun das ganze Volksleben und, was gar nicht anders sein kann, das Wohl und Wehe des Staates. Gleich als wenn an einem hohen, steilen Berge, auf dessen Gipfel eine Burg steht, ein einziger, schmaler Weg sich hinauf windel. Wer ihn verläßt, der kommt nicht nur nicht an. das Ziel, sondern geräth ins Verderben. Das Gestein, oder an was er sonst sich hält, gibt nach; er wird die Beute seiner Feinde, und er ist verloren, wenn nicht eine mächtige Hand ihn ergreift und auf den Weg zurück- führt. Nur in einem durchweg GFERERERIE Leben findet der Einzelne, so wie das ganze Volk Haft und Halt. ? Also auch muß auf der zweiten Stufe der Schulbildung, auf der der geistigen und gemüthlichen Entwickelung der Kinder, die Disciplin mit dem Unterrichte in inniger Verbindung stehen, sonst wird die Schule einseitig, wird eine bloße Lehranstalt, und die Kinder können nicht zu innerer Selbstständigkeit gelangen. Doch mit der äußeren Disciplin ist es hier nicht genug. Auch das Unterrichtertheilen selbst muß gesetzmäßig sein, muß sich in bestimmten Formen und nach Regeln bewegen. Die Methodik hat hier ihr eigentliches Feld. Durch sie wird der Unterricht erziehend, Erziehung unterrichtend. Sie schafft den Schulorganismus, demgemäß Alles wie ein Räderwerk ineinandergreift und geordnetes und ge- setzmäßiges Leben entsteht. Da ordnet und befestigt sich zugleich auch der innere Mensch und schrei- tet unvermerkt vorwärts, seinem Ziele entgegen. Doch, da stehen wir bei dem Zweiten, was mit dem Unterrichte im Bunde stehen soll: „Ein das Ganze durchwehender frommer Sinn.“ In dem Grade, in welchem das israelitische Volk das Gesetz hält und in dasselbe sich einlebt, wird es mit Gott, seinem Gesetzgeber, bekannter. Es nähert sich ihm auf dem Wege eigener, innerer Erfahrung. Sein Gehorsam wird die Wiege seines Gottvertrauens. Es beginnt, fester an Gott und an das Gesetz sich zu halten, und so befindet es sich in ‘der Richtung zu seiner Selbstständigkeit, ‚deren Haltpunkt und Ziel Gott ist. Doch, Gott kommt ihm andererseits auch entgegen durch einzelne fromme Männer, besonders durch David und Salomo. Nicht genug, daß das Volk den durch Beobachtung des Gesetzes in ihm erwachten höhern Sinn. an diesen königlichen Vorbildern weidete; diese Männer wirkten auch auf vorzügliche Weise in dieser Beziehung auf das Volk ein durch gottesdienstliche Einrichtungen. Eine heilige Weihe ergießt sich von dem Throne herab über das Volk! Jetzt erst wird ein wirklicher Gottesstaat. Und dieser steht fest und selbstständig da, denn er ist in Gott gebaut. — Wohl der Schule, welche ein frommer Sinn durchweht; da ist der rechte Geist — das zweite mit dem Unterricht im Bunde stehende Erforderniß. Wohl dem Lehrer, welcher es hat und versteht, durch Leben, Lehr’ und Einrichtung seine Schule also zu weihen; er wirkt in Gott. Wohl den Schü- lern, die solche Weihe empfangen, ihr innerer Mensch gewinnt ein unvergängliches Erbe. Der sechste Grundsatz auf dieser Stufe ist das Wecken und Nähren einer höhern Ahnung und Sehnsucht in den Kindern, Der jüdische Staat ist nur eine Tre für das Gottesreich auf Erden. Darum darf er sich nicht halten. Nur zu bald sinkt er und mit ihm des Volkes Glück. Indeß geht eine Erwartung und Sehnsucht durch das Herz des Volkes, die es aufrecht hält, und Hoffnung und Sehnsucht, von Gott selbst gegeben und durch heilige Männer genährt und gepflegt. So ist auch für das Kind die Schule nur eine Vorbereitungsanstalt, Seine Schulbildung und Schul- erziehung wird nur zu bald vom Leben niedergerissen, in dem Kampfe und Zwiespalte des innern Men- schen, der nach den Schul- und Kinderjahren entsteht, geht häufig der fromme Sian unter. Nur Eins hält und gibt Bestand: ‚‚die in dem Kindesherzen erwachte Ahnung des Höhern und Sehnsucht nach Unvergänglichem.‘“ Wie diese geweiht und genährt wird, darüber gibt das Neue Testament Aufschluß. — Die Erziehungsweise des Menschengeschlechts durch Christus. Wir treten in ein Heiligthum, herrlicher als der Jehovah-Tempel zu Jerusalem, in das Heiligthum des innern Menschen. Unwillkürlich ergreift heil’ger Schauer und Wehmuth das Herz. Ach, was sollen wir unsern Kindern sein, und wie wenig vermögen wir! Da tönt zuvörderst vom Jordan her die Stimme eines Predigers in der Wüste und fordert zur Buße auf, zu aufrichtiger Buße, die da rechtschaffene Früchte trägt, und zu schleuniger, weil die Axt bereits den Bäumen an die Wurzel gelegt ist. Und diese Mahnung ergeht sowol an das ganze Volk, als auch an den Einzelnen aus ihm. Und mit dieser Forderung beginnt der Erlöser sein Amt und Pe- "trus, das Organ der Apostel, auch. Ohne Buße — kein Gelangen zum Reiche Gottes. Buße ist der erste pädagogische Grundsatz des Neuen Testaments. Die Aufforderung zur Buße und die Förderung des Bußwerkes in den Schülern im Allgemeinen und im Besonderen ist der Anfang des hochwichtigen Berufes des Lehrers zum Seelsorger seiner Kinder. Hiezu gehört mehr als das Handhaben der Disciplin und das Dirigiren des Schul-Organismus. Es verlangt das Ergreifen des kindlichen Gemüthes mit väterlichem Ernste zur Selbsterkenntniß. Der zweite Punkt, des Seelsorgeramtes, dem zweiten neutestamentlichen pädagogischen Grundsatze zufolge, die gänzliche Hingabe des innern Menschen an den Erlöser. — An ihn weist Jo- hannes das Volk und seine Jünger. ' Glaube ist die erste Forderung des Erlösers an Jeden, der zu ihm kommt. Glauben‘an den Erlöser stellen die Apostel als ‘die Grund- und Hauptbedingung zum Reiche Christi auf. Diesen Glauben, diese gänzliche Hingabe an den Erlöser hat der Lehrer in den Kin- dern zu wecken und zu fördern... Es geschieht dies durch lichten, warmen Vortrag der evangelischen Gesehichte und durch das. Gewinnen der Kinderherzen für Jesum. Dies ist mehr, als kunstgerechte Katechesen halten. .Der Religionsvortrag wird Herzensgespräch, die Religionsstunde wird Stunde der Erbauung. Wo aber Buße und Glauben an den Erlöser ist, da geht als dritter Grundsatz von Gottes Erzie- hungsweise die Erlösung des innern Menschen vor. 262 Gleich als wenn über der thaubenetzten und vom Morgenroth beglaubigten Erde die Sonne aufgeht. Die Nebel sinken, das Licht drängt durch alle Räume, Wärme verbreitet sich in der ganzen Schöpfung, neues Leben entsteht und Freude und Wonne überall. — So kommt der durch die Gnade Gottes erlöste innere Mensch an das Licht der Wahrheit, und die Wahrheit macht ihn frei, die Liebe Gottes und Jesu Christi durchdringt sein Herz, und er ist selig in dem Herrn. Der köstlichste Genuß für den seelsorgenden Lehrer! Nicht, als ob er seine Kinder er- lösen könnte! das ist Gnadenwerk Gottes. Aber dieses Werk zu fördern, das ist sein Streben. Dazu verkündet, erklärt, entwickelt er vor und mit und in seinen Schülern die ewigen Wahrheiten. Und er geht als Lehrer bei seinem Herrn und Meister fein in die Schule, lernt es ihm nach, diese Wahrheiten in sinnliches Gewand zu hüllen, das den Kindern am nächsten Liegende zu ergreifen, und sinnet nach, worin eigentlich das liegen möge, daß er predigte gewaltig und nicht wie die Schriftgelehrten, und das Holdselige der Worte, die aus seinem Munde gingen, und daß die Worte, die er redete, voll Geist und Leben waren. Und er versenkt die Kinder und sich mit ihnen in die ewige Liebe des Vaters und sei- nes Eingebornen, daß die Herzen stärker schlagen, Und er begeistert sie für die Selbstverleugnung, die der Freiheit die Pforten öffnet, und er läßt sie kosten den Frieden Gottes, der höher ist, denn alle Ver- nunft. Da findet die Gnade der Erlösung Eingang in seinen Kindern. Und er dankt Gott, daß er so Großes an ihnen gethan, und freut sich der neuen Kreatur, und das ist sein heißester Lohn. — Die Erlösung des innern Menschen ist kein abgeschlossener Zustand; er wiederholt sich vielmehr und währt durch das ganze Erdenleben fort bis zur Erlösung durch den Tod, durch welchen letzten Akt hienieden der innere Mensch aus dem Körper gewissermaßen herausgeboren wird in die höhere Welt, wie das Kind aus der Mutter in diese Erdenwelt. — Dies bezeichnet den vierten fortlaufenden Grundzug der Erziehungsweise Gottes durch Christum als stete Lebenserneuerung. Daher betrachtet und fördert der Lehrer im Verfolge seines Seelsorgeramtes das stete Fortschreiten des innern Lebens seiner Schüler, damit täglich herauskomme und auferstehe ein neuer Mensch, der in Gerechtigkeit und Reinigkeit vor Gott ewiglich lebe. Er betrachtet dies als die Bereitung des Tauf- bundes und hält sich mit Christo begraben in den Tod und den durch die Herrlichkeit des Vaters auf- erweckten Christus für den Stifter und das Vorbild solcher Lebenserneuerung. Dies stellt er seinen Schülern nicht blos lehrend also dar, sucht auch nicht blos hiefür zu begeistern, sondern tritt selbst mit ihnen in diesen Zustand, indem er das Schul- und Zusammenleben mit seinen Schülern täglich eine an- dere Gestalt gewinnen läßt durch einen für jeden Tag gewählten andern Wahlspruch, auf den er das an dem betreffenden Tage Vorkommende bezieht und der von ihm und den Kindern in den Schulstunden möglichst ausgeführt wird. — Die durch Christum und die Apostel gewonnenen Erlösten traten auch in äußere Verbindung 'mit- einander. Es entstanden aus und auf den Trümmern des jüdischen Staates nach und nach eine Menge einzelner Gemeinden, bis nach Jahrhunderten christliche Staaten sich bildeten. Dies ist die Erziehungsweise Gottes. Wir bezeichnen dies als vorletzten und fünften Grundsatz mit dem Namen: „Lebensgemeinschaft.“ | Was die Apostelgeschichte von der Errichtung der ersten Gemeinden erzählt und die apostolischen Briefe hierüber enthalten, gibt uns ein Bild von christlicher Lebensgemeinschaft. Der seelsorgende Leh- rer kann sich für seine Schüler kein schöneres Vorbild wählen, als die erste Christengemeinde, die zu Jerusalem. Wohl ihm, wenn er den Geist des Glaubens und der Liebe mit apostolischer Einfachheit im Betreff äußerer Einrichtung zu verbinden weiß, und wenn es von seiner Schule gilt: die Menge aber ist ein Herz und eine Seele. 263 « Es dringt sich ohne weitere Untersuchung von selbst auf, daß in den neutestamentlich-pädagogischen Grundsätzen ein weit höherer Geist weht, als in denen des alten Testaments. Und dieses Ergebniß verstärkt sich noch durch den letzten Grundsatz der Bibel: Bestimmung des Menschen zum ewigen Leben. Die Worte und die Geschichte der Erhöhung des Erlösers, das Leben und die Aussprüche der Apo- stel, die Offenbarung Johannis, kurz das ganze neue Testament verweist auf dieses letzte und höchste Ziel. Dort ist für den Menschen die genaueste Vereinigung mit Gott und Jesu. Dadurch rechtfertigt sich Bildung und Bestimmung des Menschen zur Gottähnlichkeit als Hauptgrundsatz. Denn in dem Maße, in welchem der Mensch Gott ähnlicher wird, vereinigt er sich mit ihm. Alle übrigen biblisch- pädagogischen Grundsätze aber billen eine Stufenfolge zur Verwirklichung des Hauptgrundsatzes. Und so ist denn auch in pädagogischer Hinsicht die Bibel das Buch aller Bücher. —— DD ! zz. »Js.bı89 ‚Era 5 re Ei: Bela tn un eh Huakdn ap f im Hair 1 Ania tal one ri am a ka dan we ee re we sah BE Rue > KH \ Te * Dre A rs A, 4,2. . - Gi. 8: mr ur > 2 Y res, | AR Pa Per %), ar „ EIER ana a VE Re A Meng f DE m Kr ni RT 265 ar Sa a af he a Pe über die Thätigkeit der juristischen Section im Jahre 1854, Prof. Dr. Gaupp, zeitigem Secretair derselben. (Vgl. oben pag. 10.) Gfeheimer Justizrath und Professor der Rechte Dr. Ernst Theodor Gaupp nielt folgenden Vortrag: Einige Andeutungen über die Rechtsgeschichte in Schlesien, besonders während des 15. Jahrhunderts. Die Deutschen Colonisationen, durch welche Schlesien, gleich andern sogenannten Wendisch-Deut- schen Ländern, in den Kreis der occidentalen Bildung hineingezogen worden ist, haben hauptsächlich im 12. und 13. Jahrhundert stattgefunden. Sechs Deutsche Stämme lassen sich seit den Zeiten der Völkerwanderung auf Deutschem Boden unterscheiden:?1) im Norden Friesen und Sachsen, an der Nie- derweser nur durch diesen Strom getrennt, während oberhalb die Sachsen weit über die Weser hinüber und bis gegen den Rhein hin sich erstrecken; im Süden Schwaben und Baiern, durch den Lech ge- schieden; das mittlere Land nehmen Franken und Thüringer ein, und bei den Franken findet sich das Eigenthümliche, daß dieses auch auf dem linken Ufer des Mittel- und Niederrheins weit verbreitete Volksthum. westlich ohne eine bestimmte Naturgrenze in das Französische verläuft; als eine besondere Art des Fränkischen aber ist das Flämische anzusehen. Neueren Untersuchungen zufolge kann es kei- nem Zweifel unterliegen, daß die Hauptmasse der in Schlesien eingewanderten Deutschen Colonisten dem Stamme der Franken angehört hat.?) Nach damaliger Ansicht erschien das Recht im Allgemeinen noch nicht als ein an den Boden, das Land geknüpftes Territorialrecht, sondern es trug den Cha- rakter eines mit der Person auf das engste verbundenen und durch die nationale Herkunft bestimmten Stammrechts an sich. So erklärt es sich, wie im Gefolge der Deutschen Colonisation überall auch *) Vgl. meine Schrift: Das Deutsche Volksthum in den Stammländern der Preussischen Monarchie. 1849, S. 14 fg. ”) Beweise sind gesammelt in meiner Abhandlung: Das Deutsche Recht, insbesondere die Gütergemeinschaft in Schlesien, $ 5. in der Zeitschrift für Deutsches Recht, Bd. 3. $. 59 fg. 34 266 Deutsches und zwar namentlich Fränkisches (oder Flämisches) Recht einheimisch werden konnte, und als ein offenbar aus Fränkischer Wurzel entsprungenes Rechtsinstitut hat bis ins 19. Jahrhundert die eheliche Gütergemeinschaft in mannigfaltigen Formen weit und breit in Schlesien gegolten. Seit dem Beginn des 13. Jahrhunderts wurde jedoch nach und nach eine immer wachsende Zahl von Städten in Schlesien theils neu gegründet, theils mit Deutschem Rechte bewidmet, und das große Ansehen, welches die Stadt Magdeburg in den nordöstlichen Theilen Deutschlands vorzüglich auch in kirchlicher Hinsicht genoß, scheint die nächste Ursache gewesen zu sein, daß dabei in den meisten Fällen das Recht von Magdeburg als Musterrecht eingeführt wurde. Hier und da fand jedoch statt des- sen das übrigens in allen wesentlichen Punkten damit übereinstimmende Recht von Halle Eingang, und manche Städte sind auch mit Fränkischem oder mit Flämischem Rechte bewidmet worden. Nachdem aber nun zunächst im Gebiete des Weichbildrechts dem Sächsischen Einflusse einmal die Bahn gebro- chen war, hat dann auch sehr bald der Sachsenspiegel, d. h. im eigentlichen Sinne des Worts das Sächsische Landrecht, nächstdem das Sächsische Lehnrecht, Aufnahme in Schlesien gefunden, und eben so sind die späteren Sächsischen Rechtsbücher, wie namentlich der Richtsteig des Land- und Lehnrechts und das Rechtsbuch der Distinctionen (Vermehrter Sachsenspiegel), zu weiter Verbreitung darin gelangt. Auf den genannten Grundlagen hat sich das Deutsche Recht in diesem Lande entwickelt. Daß die Deutschen Ansiedler aus der alten Heimath ein sehr ausgedehntes Recht der Willkür (Autonomie) mit- gebracht hatten und dieses nun auch wiederholt in den wichtigsten Beziehungen geltend machten, läßt sich durch eine Menge urkundlicher Zeugnisse beweisen. Die Gerichte wurden in Deutscher Weise geordnet, und vorzüglich in den Städten wurde die Deutsche Schöffenverfassung überall eingeführt. Zwi- schen vielen derselben bildete sich ein Zugrecht aus, und es hat eine Anzahl von kleineren Kreisen ge- geben, in denen das Gericht einer Stadt als Oberhof angesehen und von denen benachbarter Städte um Rechtsbelehrungen angegangen wurde, wie z. B. Löwenberg, Liegnitz, Schweidnitz, Ratibor, Neisse längere Zeit eine solche Stellung eingenommen haben. Der wichtigste Oberhof des ganzen Landes aber war Breslau, und dieses selbst nahm bis in das 16. Jahrhundert den sogenannten Vollzug des Rechts nach Magdeburg, d. h. es holte sich von dort die nöthigen Rechtsbelehrungen und höheren Entschei- dungen ein. Sicher hat es nicht an einem gewissen Widerstande” gefehlt, welcher dem Deutschen Rechte von dem vorgefundenen Polnischen Rechte, besonders in manchen Lebensverhältnissen, und hauptsächlich wohl bei denen, welche mit dem Besitz ländlicher Grundstücke zusammenhingen, entgegengesetzt wurde. Auch im Deutschen Rechte galt damals noch ein Stammgutssystem, wonach solche zu allodialem Recht beses- sene Grundstücke, welche von dem Eigenthümer ohne Erlaubniß des nächsten Erben in irgend einer Art veräußert worden waren, nach manchen Stammrechten ohne Ausnahme, nach andern jedoch nur dann, wenn sie der Veräußerer selbst durch Erbgang gewonnen hatte, von jenem nächsten Erben binnen Jahr und Tag zurückgefordert werden konnten, gleichsam als ob derjenige todt wäre, welcher dieselben wider Recht veräußert hatte.') Im Polnischen Rechte, wie es vorzüglich bei ländlichen Gütern noch im 13. Jahrhundert in Schlesien herrschend war, scheint ein solches Stammgutssystem zu Gunsten der Verwandten eines Veräußerers in einer noch größeren Ausdehnung bestanden zu haben,?) und jenes 2) Sachsenspiegel I. 52. $ 1. 2) Ungemein viel interessante Notizen hierüber enthält der merkwürdige, zum gründlichsten Studium zu empfeh- lende, 1854 von Stenzel herausgegebene Liber fundationis claustri sunctae Mariae virginis in Heinrichow. Wie- derholt ist hier von Personen die Rede, welche Veräusserungen oder Schenkungen ihrer Verwandten an das Kloster more Polonico zu widerrufen suchen. Man sieht aus einzelnen Stellen, z. B. pag. 24, dass derjenige, der ein Grund- 267 Naturgesetz der Entwickelung, was wir bei den verschiedensten Völkern nachweisen können, wonach in der Jugendzeit derselben die Familie im gesammten Rechtsleben, insonderheit in den Verhältnissen des Grundbesitzes, noch mehr gilt als der Staatsverein, ist also auch im Slavischen Rechte anzutreffen. ‘Wie sich aber hier die im Einzelnen gewiß vorhanden gewesenen Verschiedenheiten des Deutschen und Polni- schen Rechts mit einander ausgeglichen haben, das dürfte sich wegen ungenügender Beschaffenheit unse- rer Quellen nicht mehr vollständig aufklären lassen. Dagegen tritt uns in den sogenannten Wendisch-Deutschen Ländern vielfach eine andere Brscheinaie: entgegen, welche in den eigentlich Deutschen Stammländern in dieser Art entweder gar nicht oder doch nur in weit beschränkterem Umfange gefunden wird: das ist eine gewisse Reibung, ein Conflict zwischen verschiedenen Formen des Deutschen Rechts selbst, welche sich gegenseitig die Herrschaft streitig ma- chen; und der Grund hiervon liegt theils in der häufig sehr gemischten Colonisation, theils in dem Man- gel eines uralten Herkommens, welches gleichsam unbewußt eine Alleingewalt auszuüben vermocht hätte. Daher geschah es, daß man oft von einer bis dahin gültig gewesenen Form des Deutschen Rechts zu einer andern für besser gehaltenen überging, ja einen solchen Wechsel wohl mehrmals wiederholte; und nicht selten hat sich dann auch wohl ein wahres Rechts-Simultaneum ausgebildet, indem man zwei ver- schiedene Systeme durch Nachgeben auf beiden Seiten mit einander zu vereinigen suchte. Das Verhält- niß des auf Westphälischer Grundlage beruhenden Lübischen und des aus Ostphälischer Wurzel entsprun- genen Magdeburgischen oder auch Culmischen Rechts in den Städten der Ostseeküste bietet eine Menge höchst interessanter Beispiele dieser Art dar. Aber auch in Schlesien hat es an solchen Erscheinungen keinesweges gefehlt, und überhaupt zeigt ein einziger Blick in die uns vorliegenden Urkundenschätze aus dem 13. und 14. Jahrhundert, daß sich hier ein ungemein reges und frisches Rechtsleben ent- wickelt hat. 1) An manchen Orten haben Fränkisches oder Flämisches und Sächsisches, das letztere namentlich in der Form des Magdeburgischen Rechts mit einander im Streit gelegen. Statt aller andern Beweise mag es genügen, auf die sehr merkwürdige Rechtsumwandlung zu verweisen, welche ein paar Mal in der Stadt Neisse vorgenommen worden ist. Hier hatte ursprünglich Flämisches Recht gegolten; später jedoch war der Stadt vom Bischof Heinrich von Breslau das Magdeburgische Recht, und insonderheit im Jahre 1308 dasjenige, welches Magdeburg 1295 nach Breslau geschickt hatte, verliehen worden. Im Jahre 1310 aber schaffte derselbe Bischof das Magdeburgische Recht wieder ab, „quod tam nobis et no- stre Wratislaviensi ecclesie, quam ipsi civitati et ejus incolis nullam prorsus utilitatem aut commo- dum, sed potius incommodum multiplex, ut experientia docuit, attulisset“; und nun wurde das Flämi- sche Recht wiederhergestellt: ‚jus municipale Flemingicum, quod ex antiquo et a primeva localione ipsius civitatis habitum est ibidem.“ 2) Aber selbst innerhalb der Sphäre des Sächsischen Rechts ist es zu einem gewissen Kampfe zwischen verschiedenen Formen desselben gekommen, und insonderheit traten sich hier der Sachsen- spiegel oder das Sächsische Landrecht und das Magdeburgische Recht gegenüber, indem im Gebiete des Weichbildrechts das im Sachsenspiegel herrschende und auf das Uebergewicht des Immobiliarvermögens gegründete Stammgutssystem weit früher durchbrochen und die beiden Geschlechter einander mehr gleich gestellt wurden, überhaupt aber in den an das Familienrecht geknüpften Güterverhältnissen das Mobiliar- stück verkaufen wollte, es der Regel nach seinen Verwandten zum Kauf anbieten musste. recht im Register angeführten Stellen. *) Tzschoppe und Stenzel, Urkundensammlung u. s. w. Nr. 111. S. 485. Vgl. die sub v. Erb- 34 * 268 vermögen einen steigenden Einfluß gewann. Einen schlagenden Beweis für jenen Gegensatz. liefert das sehr merkwürdige Landrecht des Fürstenthums Breslau, welches die von Johann von: Böhmen 1346 ein- ‚gesetzte und aus drei Rathmannen der Stadt und drei königlichen Vasallen des Fürstenthums Breslau gebildete Gesetzcommission der sogenannten Sechser im Jahre 1356 ausgearbeitet hat. Dieselbe legte ‚dabei den Sachsenspiegel zu Grunde, räumte aber trotz dem, daß ihre Arbeit ein wahres Landrecht sein sollte, in mehreren wichtigen Lehren dem davon abweichenden Magdeburgischen Rechte den Vorzug ein, und fügte hinten noch dreizehn ganz besondere Capitel bei, welche weder im Sachsenspiegel noch im Magdeburgischen Rechte vorkommen, und in denen die erste urkundliche Spur der ehelichen Güter- gemeinschaft in Schlesien angetroffen wird. Was nun die spätere Rechtsentwickelung in Schlesien anbelangt, so sind hier hauptsächlich folgende Punkte als entscheidend anzusehen. 1) Auch in Schlesien sind in ähnlicher Art wie im übrigen Deutschland die fremden Rechte, das Römische mit seinem Anhange, dem Langobardischen Lehnrechte, und das canonische Recht recipirt worden. 2) Neben den fremden behauptete sich aber auch sehr viel Deutsches Recht in der Form eines wahren gemeinen Rechts, und zwar bildete Schlesien bis zur Einführung des Allgemeinen Preußischen Landrechts 1794 eines von den Ländern der sogenannten gemeinen Sachsenrechte, d. h. der gemein- rechtliche Stoff Deutschen Ursprungs stützte sich überwiegend auf einige Sächsische Rechtsbücher, haupt- sächlich das Sächsische Land-, Lehn- und Weichbildrecht, welche durch Reception die Eigenschaft geschriebener Rechtsquellen angenommen hatten. Doch muß man wohl festhalten, und dies ist. häufig übersehen worden, daß der Begriff des gemeinen Deutschen Rechts in Schlesien mit dem der gemeinen Sachsenrechte nicht vollständig zusammenfiel, sondern noch mehr als diese umfaßte. Denn es gab ja sehr wichtige, im Lande weit verbreitete Rechtsinstitute, wie z. B. die selbst wieder in höchst mannig- faltigen Formen vorkommende eheliche Gütergemeinschaft, welche den gemeinen Sachsenrechten ganz unbekannt, und deshalb bis zur Einführung des Preußischen Landrechts dem im übrigen Deutschland ausgebildeten gemeinen Deutschen Privatrechte überhaupt unterworfen waren. 3) Alles gemeine Recht, das fremde sowohl als das einheimische, kam aber immer nur in sub- sidium zur Anwendung. Unter demselben gab es eine große Anzahl von Orts-, Distrieis-, Fürstenthums- rechten, häufig als ungeschriebene Gewohnheiten anerkannt, oft auch in geschriebenen ‚Rechtsquellen niedergelegt, die jedoch zuweilen selbst wieder von ziemlich zweifelhafter Gestalt und Bedeutung waren. Ihrem Ursprunge nach waren diese sehr verschiedenen particularen Rechte aus alt Fränkischer oder Flä- mischer oder aus Sächsischer Quelle hervorgegangen. Die Frage, wie auch in Schlesien die Herrschaft der fremden Rechte allmälig eingedrungen sei, ist bis jetzt im Einzelnen noch fast gar nicht untersucht worden. Von selbst richten sich nun hier unsere Blicke zunächst auf das 15. Jahrhundert, was sich in so vielen Beziehungen als eine Zeit des Ueber- ganges aus dem enger umschlossenen Bewußtsein des Mittelalters in eine sich von jetzt an immer freier gestaltende, mit den Schätzen des Alterthums befruchtete Gedankenwelt bezeichnen läßt. Wirklich ist auch aus dem genannten Jahrhundert eine ganze Anzahl von gelehrten Schlesiern bekannt, welche Docto- ren der Rechte, vorzugsweise des canonischen Rechts, ‚geworden waren; und da dieselben mehrentheils zugleich Geistliche, oft auch Canonici im Domcapitel zu Breslau waren, so ist es gewiß nicht zu be- zweifeln, daß in den damals noch mit sehr umfangreicher Competenz ausgeslatteten geistlichen Gerichten, überhaupt in den kirchlichen Verhältnissen des Bisthums, des Domcapitels und anderer geistlichen Institute das im Corpus juris canonici clausum niedergelegte Recht zur Anwendung gebracht worden ist. Bei- spielsweise mögen Einige von jenen Gelehrten genannt werden, unter denen manche zwar durch ihre Geburt 269 anderen Ländern, Schlesien aber wenigstens theilweise durch Amt und Thätigkeit angehören. Der be- rühmte Rudolf von Rüdesheim am Rhein, + 1482, welcher nach dem Tode des Bischofs Jodokus zum Bischof von. Breslau erwählt wurde, war doctor decretorum. Dieselbe Würde besaß Martin Lindener von Leisnitz im Oppelnschen, + 1483, der zugleich das Amt eines Archidiakonus an der St. Johannnis- kirche auf dem Dom zu Breslau bekleidete. Michael von Neisse, + 1489, welcher sich um die Ver- besserung : des Klosterlebens in Glatz große Verdienste erwarb, war Magister der freien Künste und Baccalaureus des canonischen Rechts. Johann Schober von Liegnitz, + 1496, Canonicus zu St. Johann und zum heiligen Kreuz in Breslau, hatte zugleich den Grad als doctor decretorum. Bartholomäus Scheuerlein, + 1500, ein Sohn des Breslauer Consul gleiches Namens, ging nach Padua, um daselbst die Rechte zu studiren. Johann Reimbabe, + 1502, widmete sich in Rom dem Studium der Rechte, wurde daselbst Assessor der Rota, und ‘begab sich später zu seinen Pfründen nach Breslau. Johann Roth von Wembdingen in Schwaben, der nach dem. Tode des Bischofs Rudolf 1482 zum Bischof von Breslau gewählt wurde und 1506 starb, hatte in Padua das canonische Recht studirt. Johann Sauer- mann: von Breslau, + 1510, widmete sich in Rom von 1489 an drei Jahre lang demselben Studium. Das Nämliche war der Fall bei Peter Jenkwitz, einem Bruder des Landeshauptmanns Nicolaus Jenkwitz. Nachdem er sich von 1499 bis 1503 seiner Studien wegen in Rom aufgehalten hatte, kehrte er als Doctor des geistlichen Rechts nach seiner Vaterstadt Breslau zurück, und starb als Canonicus der Dom- kirche 1521. Um dieselbe Zeit kommen aber auch ein Paar Domherren in Breslau vor, welche Doctoren beider Rechte waren, Hieronymus Schwoffheym von Görlitz, + 1516, und Wigand von Salza, + 1521, ein Sohn des Nicolaus Salza von Schreibersdorf und älterer Bruder des bekannten Bischofs von Breslau, Jacob von Salza.’) Man erkennt an den vielen Doctoren des geistlichen Rechts, während sich die Doctoren beider Rechte nur noch gar spärlich vorfinden, welch ein Uebergewicht in den gelehrten Rechtsstudien das canonische Recht im 15. Jahrhundert vor dem Römischen hatte, und Aehnliches läßt sich auch aus andern Theilen Deutschlands nachweisen. Im Kreise der. Wissenschaften stand nach dem Geiste jener Zeit die Theologie entschieden im Vordergrunde; mit dieser aber war das canonische Recht, Alles was man unter dem Namen der decreta begriff, auf das engste verbündet, während die leges im eigentlichen Sinne, d. h. die Quellen des Römischen Rechts, nothwendig mehr zum heidnischen Alterthum hinführen mußten, und nur auf der Grundlage einer erweiterten Gedankenwelt richtig verstan- den und gewürdigt werden konnten. Mit dem Gesagten soll jedoch keinesweges ein jeder Einfluß des Römischen Rechts auf die juri- stische Praxis der weltlichen Land- und Stadigerichte in Schlesien während des 15. Jahrhunderts in Abrede gestellt werden. Sicherlich hat es an einem solchen nicht ganz gefehlt; aber freilich hatte sich im 14. Jahrhundert grade in den eigentlich praktischen Kreisen eine. durchaus verkehrte Ansicht über das Verhältniß der fremden Rechte zu dem Deutschen, namentlich dem Sachsenspiegel, gebildet, indem man den Inhalt dieses Rechtsbuches in den Römisch kaiserlichen und dem geistlichen Rechte wieder- zufinden glaubte. Den Beweis dafür liefert die Glosse zum Sachsenspiegel, welche sich von Anfang an bemüht hat, den Text. desselben aus dem Römischen und canonischen Rechte zu erklären. ?) Von be- sonderem Interesse aber ist es, daß auch Schlesien ein Rechtsbuch' aus dem 14. Jahrhundert aufzuweisen !) Die Mittheilungen über die angeführten Gelehrten sind Klose’s Darstellung der innern Verhältnisse der Stadt Breslau von 1458—1526, von Stenzel als Bd. III. der Scriptor. rer. Silesiacarum herausgegeben, entnommen worden. Vgl. daselbst S. 345 Ig. ?) K. Fr. Eichhorn, Deutsche Staats- und Rechtsgeschichte, Th. 2. $ 281, besonders auch die Anmerkung 3 zu diesem Paragr. | 270 hat, welches dieselben Tendenzen verfolgt und für die Praxis der folgenden Zeiten gewiß nicht wir- kungslos geblieben ist. Dies ist die noch ungedruckte Blume über den Sachsenspiegel und das Sächsi- sche Weichbildrecht von Nicolaus Wurm (Vermis), einem aus Neu-Ruppin in der Mark gebürtigen Schüler des Magister Johannes zu Bologna. Derselbe befand sich in den letzten Decennien des 14. Jahr- hunderts in Diensten des Herzogs Ruprecht von Liegnitz und ist auch der Verfasser noch anderer Werke, als des Liegnitzer Stadtrechtsbuches und einer der Glossen zum Weichbilde, zugleich Umarbeiter des Richtsteigs Landrechts und der Landrechtsglosse im Görlitzer Codex, und hat sich überhaupt durch eine vielseitige Thätigkeit ausgezeichnet. ) Von jener Blume kennt man bis jetzt 8 Handschriften, von denen die der Breslauer Universitäts-Bibliothek gehörige, signirt I. F. 18., den Zweck und Inhalt des Werkes vorn am Anfang folgendermaßen angiebt: „Zr sullet wyssen deszis buches weyse. Allis das in :deszim buche stehet kompi von Jure canonico das ist geystlich recht vnde vsz legibus vunde ist Keyser recht vnde ouch der Sachsin spigel vonde was hirynne stehet, das ist concordiret. So das dy drey recht obir eyn tragin.“?) Den oben mitgetheilten Namen legt sich das Werk selbst bei; an vie- len Stellen giebt sich aber zugleich der Schlesische Ursprung desselben durch Beziehungen auf: einzelne Fürsten oder besondere Zustände dieses Landes kund. Man darf es hiernach als unzweifelhaft ansehen, daß auch Schlesien von der im ker mehr und mehr dem Römischen Rechte zugewandten Richtung schon frühzeitig mit ergriffen worden ist; aber freilich ist es eine ganz andere Frage, ob in den weltlichen Gerichten des Landes während des 15. Jahr- hunderts wirklich schon ein directer Gebrauch von den Justinianischen Gesetzbüchern gemacht worden sei? Wenn überhaupt, so dürfte ein solcher doch wohl nur in der größten Beschränkung stattgefunden haben; vielleicht hier und da in vereinzelten Fällen, wo zufällig einmal eine mit dem Römischen Rechte vertraute Persönlichkeit bei der Rechtsprechung mitzuwirken hatte. Darüber, daß Jemand noch am Ende jenes Jahrhunderts zum Schöffen eines angesehenen, viel beschäftigten Gerichts gewählt werden konnte, der die Lateinischen Kaiserrechte weder zu lesen noch zu verstehen im Stande war, ist uns ein merk- würdiges, noch weiter unten zu erwähnendes Zeugniß erhalten worden. Im Wesentlichen behaupteten die Deutschen Rechtsquellen noch immer ihre Herrschaft in den Ge- richten. Vorzüglich wichtig aber erscheint der bisher viel zu wenig beachtete Umstand, daß der alte Gegensatz des Fränkischen oder auch Flämischen und des Sächsischen Rechts, wovon das Magdebur- gische nur eine Unterart bildete, selbst in den neu hervortretenden Erscheinungen des Rechtslebens, auf dem Felde der Gesetzgebung, der Praxis und der wissenschaftlichen Thätigkeit noch immer deutlich er- kennbar ist. Dies ist jetzt noch durch einige urkundliche Beläge darzuthun. I. Im Gebiete des Fränkischen (Flämischen) Rechts ist im 15. Jahrhundert ein in jeder Beziehung ausgezeichnetes Statut erschienen: das ist das sogenannte Wenceslaus’sche Kirchenrecht von 1415, 3) welches bekanntlich auch nicht das Mindeste von wirklichem Kirchenrecht enthält, und zu jenem Namen nur dadurch gekommen ist, daß es von einem Kirchenfürsten, dem Bischof Wenceslaus, vermöge seines jus ducale für alle seine und seiner Kirche Untersassen auf dem Lande sowohl als in den Städten er-, lassen wurde. Daß dies zugleich mit gemeinem Rathe des Capitels sowohl als der Mannen und Städte, ja sogar auf Begehren der letzteren beiden, geschehen sei, sagt uns die Urkunde selbst. In späteren Zeiten, unter gänzlich veränderten Verhältnissen hat man zuweilen geglaubt, die gesetzgebende Gewalt !) Homeyer, Des Sachsenspiegels 2. Theil. Bd. 1. Einleitung $. 75. ?) Meine Schrift: Das Schlesische Landrecht u. s. w. $. 296. 311. 314. ®) Tzschoppe und Stenzel, Urkundensammlung u. s. w. $. 632. — Meine schon oben angef. Abhand- lung: Das Deutsche Recht in Schlesien, $ 6. 971 des Bischofs in Zweifel ziehen zu müssen; darin gab sich jedoch nur eine vollständige Ignoranz in Be- treff der älteren Verfassung und des Geistes damaliger Rechtsbildung kund. Der Bischof besaß. alle fürstliche Herrlichkeit und Gerechtigkeit über das Fürstenthum Neisse, mit welchem das dem Herzog Boleslaw III. von Brieg 1341 abgekaufte Grottkausche Weichbild als einverleibtes Land verbunden wor- den war. Das Statut ist zwar in Breslau gegeben, aber der ganze Inhalt, die hier mit feiner Casuistik auf bestimmte Regeln gebrachte eheliche Gütergemeinschaft setzt es außer allen Zweifel, daß man sich hier außerhalb der Sphäre des Sachsenspiegels und des Magdeburgischen Rechts befindet, vielmehr die Grundlage desselben im alten Flämischen Rechte zu suchen ist; und vermuthlich hat das jus Flamicum, welches ursprünglich in Neisse gegolten hatte, dann, wie oben bemerkt, eine Zeit lang durch das Magde- burgische Recht verdrängt, 1310 aber von dem Bischof Heinrich von Breslau der Stadt wiedergegeben worden war, dabei als Hauptnorm gedient, die man jedoch in einzelnen Punkten abändern zu müssen geglaubt hatte. Erst noch in den Jahren 1347 und 1369 hatte der Bischof von Breslau Precislaus die Stadt Ottmachau, welche bis dahin noch immer mit Polnischem Rechte bewidmet gewesen war, auf Deutsches Recht gesetzt und ihr das von Neisse verliehen. ') Erwähnenswerth ist es hierbei, daß sich in der nächsten Umgebung von Ottmachau, in dem nur '/, Meile entfernten Dorfe Woitz, während alle andern ringsum liegenden Dörfer Deutsch redeten, durch das ganze 15. Jahrhundert hindurch noch im- mer die Polnische Sprache behauptete. Im Jahre 1495 aber befahl der Bischof Johann von Breslau den Einwohnern und Bauern von Woitz, binnen fünf Jahren Deutsch zu lernen, widrigenfalls er sie we- der dort noch irgendwo anders unter seiner Herrschaft dulden, sondern von dannen jagen wolle.?) Ver- möge der bischöflichen Sanction und des hierdurch begründeten Ansehens gewann jenes sogenannte Wenceslaus’sche Kirchenrecht eine weite Verbreitung im Lande Schlesien, und wurde besonders in vielen kirchlichen Immunitäten und Gerichtssprengeln durch den Gebrauch recipirt.?) Im 16. Jahrhundert trat dann ein anderes Statut verwandten Inhalts, das von dem Breslauer Bischof Caspar von Logau 1568 publicirte sogenannte Casparische Kirchenrecht, welches diesen letzteren Namen mit eben so wenig Grund führt, für gewisse Districte an seine Stelle, und auch dieses hat durch Reception eine ausgedehntere Geltung in verschiedenen Landestheilen erlangt. *) Nimmt man auf den Unterschied der Stände Rücksicht, so wurden diese beiden Statuten hauptsächlich im Kreise des Bauernstandes und in einer Anzahl von Städten zur Anwendung gebracht; hier und da nur in einzelnen Theilen einer Stadt, z. B. den Vorstädten, wäh- rend man intra muros nach einem andern Rechte lebte. Beide sind erst in jüngster Zeit durch das in das Schlesische Provinzialrecht tief einschneidende Gesetz vom 11. Juli 1845 (Gesetz-Samm- lung S. 471) aufgehoben worden. 5) Uebrigens ist in der älteren Praxis und juristischen Litteratur von Schlesien jede Einsicht in den historischen Kern der im Lande früher so weit verbreiteten ehelichen Gütergemeinschaft gänzlich zu vermissen. Gründliche Untersuchungen über die eigenthümliche Beschaf- fenheit seiner Germanisirung und den Charakter des eben dadurch bedingten hereingekommenen Deut- schen Rechts waren noch gar nicht vorhanden. Wiederholt wird in allgemeinen und besonderen Gesetzen der Provinz dem Sachsenrechte die Eigenschaft eines landüblichen Rechts beigelegt, und in einem von !) Die Urkunden bei Tzschoppe und Stenzel a. a. O. S. 558 und 590. Die Städte Neisse, Kreuzburg, Ottmachau und Ratibor sind bis jetzt die einzigen in Schlesien bekannten, deren Stadtrecht als Flämisches Recht be- zeichnet worden ist. Vgl. a. a. 0. S. 104. 2) Tzschoppe und Stenzel a. a. O0. S. 622. ®) Vgl. A. Wentzel, Das Provinzialrecht des Herzogthums Schlesien u. s. w. S. 515 fg. *) A. Wentzela. a. O0. S. 575 Sg. °) Meine Schrift: Ueber die Zukunft des Deutschen Rechts, $. 73, 272 dem königlichen Oberamte zu’ Breslau 1761 ausgestellten Atteste wird bekundet, daß das jus Sazonicum commune seu Magdeburgicum von Alters her als ein jus commune subsidiarium recipirt und observirt worden sei.!) Aber nirgends begegnet man dabei einer Frage, woher denn wohl die eheliche Güter- gemeinschaft und das damit verbundene Intestaterbrecht komme, da doch eben sie jenem jus Sazonieum durchaus unbekannt ist. Der rechte Sinn für die lebendigen Individualitäten ist in der That erst eine Schöpfung der neueren Zeit; Sprachgeschichte und Rechtsgeschichte sind in dieser Hinsicht die Ammen der allgemeinen Geschichte gewesen, was von manchen jüngeren Historikern unserer Tage, die ihren Tauftag für den Schöpfungstag zu halten scheinen, nur zu oft übersehen wird. II. Am weitesten ist die Herrschaft des Sachsenrechts ausgebreitet gewesen. Sächsisches Land- und Sächsisches Weichbildrecht, welches letztere eigentlich nur ein erweiterter Begriff des Magdeburgi- schen Rechts war, ergänzten sich hier gegenseitig, und wenn sich gleich selbst zwischen diesen beiden wieder gewisse Verschiedenheiten ausgebildet hatten, wie dies schon oben mit Rücksicht auf das Landrecht des Fürstenthums Breslau von 1356 bemerkt wurde, so erschienen sie doch im Großen und Ganzen unter dem einheitlichen Begriffe des Sachsenrechts zusammengefaßt. In den Stadtgerichten, wo nach Magdeburgischem Rechte Urtheil gefunden wurde, bedienten sich die Schöffen regelmäßig nicht blos des Sächsischen Weichbildrechts, sondern neben demselben wurden auch noch andere Sächsische Rechtsbü- cher, vor allen der Sachsenspiegel im engeren Sinne selbst gebraucht, wie sich dies durch zahlreiche uns erhaltene Handschriften außer Zweifel setzen läßt. Unverkennbar hat übrigens für jene so weit hin reichende Geltung des Sachsenrechts die Stadt Breslau den unmittelbarsten Einfluß ausgeübt. Dieselbe besaß ein Paar sehr berühmte, noch heute in den Originalen vorhandene Urkunden des Magdeburgischen Rechts von 1261 und 1295. Eben diese hatte sie dann selbst wieder einer großen Anzahl von an- dern Städten mitgetheilt, und hieran knüpfte sich wohl in den meisten Fällen ein Rechtszug, welchen diese Städte nun in zweifelhaften Sachen nach Breslau nahmen. Von vielen zum Theil sogar außer Schlesien gelegenen Orten wurde in eigenen darüber abgeschlossenen Verträgen die ausdrückliche Verpflichtung übernommen, Rechtsbelehrungen in Breslau suchen zu wollen. Dies geschah z. B. von Goldberg 12922), von Liegnitz 1302 3), von Olmütz 1352), von Namslau 13595), von Groß-Streh- litz 13626), von Ober-Glogau 13727), von Teschen 1374®). Das Schöffencollegium von Breslau wurde auf diese Weise in einem ausgedehnten Gebiete dieser östlichen Länder ein rechter Träger und Vermittler des Sachsenrechts, und höchst wahrscheinlich hat ja auch, was hier nicht weiter ausgeführt werden kann, der im 14. Jahrhundert entstandene En Alte Culm in Breslau seinen ai genommen. ?) Eine so hervorragende Arbeit, wie sie das 14. Jahrhundert in dem bereits oben erwähnten Land- rechte des Fürstenthums Breslau von 1356 aufzuweisen hat, ist innerhalb der Sphäre des Sachsenrechts aus dem 15. Jahrhundert nicht vorhanden. Für unsere Untersuchung haben jedoch auch die Zeugnisse über die wirkliche Herrschaft jenes Rechts selbst ein bi Interesse, und hiervon mag jetzt noch Einiges zusammengestellt werden. 1) Man weiß, daß mehrere Sätze des A Anstoß bei der » Geistlichkeit erregien. Jo- hann Clenkock, Provinzial der Augustiner in Thüringen und in Sachsen, richtete im 14. Jahrhundert eine ı) A. Wenitzela.a 0. S. 75. ?2) Tzschoppe und Stenzela.a.0.S. 416. 8)...5, © Mi BERND ung, Boa 5X GEL. r) 8. 598. ®) 8.59. Has BE °) Ausführlicher habe ich hiervon de badele in meinen Schriften: Das alte Magdeburgische und Hallische Recht S. 122 fg., und: Das Schlesische Landrecht u. s. w. S. 238 fg. il 279 besondere Schrift (Decadicon contra 21 errores speculi Sawonum) gegen. verschiedene von ihm als Irrthümer bezeichnete Bestimmungen des Sachsenspiegels, und durch Clenkock wurde auch der Papst Gregor XI. veranlaßt, eine Anzahl jener Sätze (14) in einer eigenen Bulle vom 8. April 1374 zu verdammen. !).. Durch Decrete des Baseler Concils wurde später über 22 Sätze das Verdammungsurtheil ausgesprochen. An dieser Anfechtung des Sachsenspiegels hat sich auch die Schlesische Geistlichkeit betheilig. Der auch sonst als Schriftsteller bekannte Abt Ludolf I. von Sagan (Abt von 1394 bis an seinen Tod 1422) verfaßte eine besondere Widerlegung der 14 Artikel des Sachsenspiegels, welche der Papst Gregor XI. für verwerflich erklärt hatte, und der Bischof von Breslau Wenceslaus erneuerte im Jahre 1407 diese Verdammung, und scheint auch für die Vollziehung derselben energische Maßregeln ge- troffen zu haben. Die Nachrichten hierüber finden sich in dem Catalogus abbatum Saganensium ?), einer höchst werthvollen Schlesischen Geschichtsquelle, deren erster Theil von dem genannten Ludolf I. selbst geschrieben und 1398 beendigt worden ist, deren zweiter von 1399 bis 1507 reichender Theil aber einen gewissen Peter Waynknecht zum Verfasser hat. In diesem zweiten Theile wird noch sehr viel von dem Abte Ludolf I., von seiner segensreichen Wirksamkeit, seinen zahlreichen Schriften gesprochen, und bei dieser Gelegenheit heißt es: °) Scripsit eciam quandam reprobacionem 14 articulorum speculi Saxonici dudum reprobatos et dampnatos per dominum Gregorium papam XI. et postea anno domini 1407 renovata et execucioni data est eadem dampnatio per reverendum patrem, dominum Wentczeslaum, episcopum Wratislaviensem. Sicher bedarf es aber keines weiteren Beweises, daß eben diese wiederholt für nothwendig erach- teten Angriffe der Geistlichkeit gegen die bereits vom Papst verworfenen Artikel des Sachsenspiegels, selbst als ein vollgültiges Zeugniß für den lebhaften Gebrauch des Rechtsbuches angesehen werden müssen. 2) Die Stadt Breslau nahm gleich von Anfang an, seitdem sie das Recht von Magdeburg erhalten hatte, nach eben dieser Stadt auch ihren Rechtszug, und zahllose Urtheile sind von Breslau her aus Magdeburg eingeholt worden. Dieses Verhältniß hat bis 1548 gedauert, wo Ferdinand I. die Appella- tionen nach Magdeburg und das Suchen von Urtheilen daselbst verbot, statt dessen aber seine Schlesi- schen Unterihanen anwies, sich an das für Böhmen und die dazu gehörigen Provinzen von ihm zu Prag errichtete Appellationsgericht zu wenden. *) Im Jahre 1420 beschlossen die Rathmannen und Schöffen zu Breslau, ein neues Buch zu machen, in welchem alle von da zu Magdeburg gekauften und geholten Urtheile aufgezeichnet werden sollten. Diese Sammlung ist noch heute vorhanden, in einem schönen Codex membran. von beträchtlicher Stärke, in Fol., welcher sich in dem Breslauer Stadtarchiv befindet. Die Zahl der mitgetheilten Rechtsfälle nebst eingeholten Sentenzen beträgt zwei hundert und vier und dreißig. Obgleich die Handschriften einigemal wechseln, so ist doch die Schrift durchgängig sauber und schön; über Entstehung, Zeit und Zweck dieses Werkes aber wird vorn auf der ersten Seite des Codex folgende Auskunft gegeben: Anno domini Millesimo Quadringentesimo vicesimo nono Am Freytage vor Michaelis sent czu Rate wurden die Ratmanne die czu derselben czeit gesessen haben mit sampth den Scheppin vnd sie alle fierundezwenczik . eyn newe buch ezumachen doryn man setezen und beschreiben sal alle Or- *) Vgl. meine Schrift: Germanistische Abhandlungen $. 133 fg. ?) Herausgegeben von Stenzel: Scriptores rerum Siles. Bd. I. Th. I. S. 173 fg. ?) A. a. 0. S. 260, ?) K. Ad. Menzel, Geschichte Schlesiens. Bd. II. S. 314., wo irrthümlich das Jahr 1547 angegeben ist. 3) 274 teil die von hynnen czu Magdeburg gekowfft und geholet werden ezu eyme ewigen gedechinisse und auch zu nuteze vnd stewre der hernochkomennen herren und Schepphin dassie ire houpte nicht ran fen mwhen und denn der gleich snelle mogen hirynne finden beschrieben. ') Auch hier findet sich also schon die beschränkte, von der unerschöpflichen Casuistik den Lebens nichts wissende Ansicht vor, daß man für alle möglichen Fälle schon in voraus ganz bestimmte, grade zupassende Rechtsregeln aufstellen könne. 3) Die Rehdigersche Bibliothek besitzt eine Handschrift eines großen Remissorium über den Sach- senspiegel, mehrere andere Rechtsbücher und eine beträchtliche Zahl von Schöffenurtheilen, welches ein Breslauer Schöffe am Ende des 15. Jahrhunderts mit unsäglicher Mühe angefertigt hat, um sich eine gründliche Kenntniß des vaterländischen Rechts zu verschaffen. In dem sehr interessanten Prologe dieses Werkes gibt der Verfasser alle die verschiedenen Rechtssammlungen an, auf welche er bei seinem Re- missorium Rücksicht genommen hat, und äußert sich wörtlich folgendermaßen: Also Gowt spricht yn dem Ewangelio Selig seyn dy do hungern vnnd dürsten dy gerechtikeyt So Ich denne vnwirdig zu eynem Scheppen yn Statgerichte gekorn vnd eyn man yn lantgerichte ge- saczt been von gehorsams wegen Ortil fynden vnd sprechen müs. uff das denne meyne vnwissenheit den lewten vnd dingwarten nicht zu schaden queme. Och das ich nach waen adir geduncken Ortil nicht fünde Wy wol ich vngelart been Vnnd der latinischen Keyzirrechte nicht lezin noch vornemen kan: Hab ich dach vor mich genommen vnnd obirleszen den dewtschen Sachsennspigel mit der glose des Keyzirrechtis vnnd geistlichis rechtis. Das Wichbilde recht mit der glose: Das lehenrecht Vnnd dy glose dorobir: Das lantrecht das dy gestrengen Vnd erbaren Sechsze man. dreye van dem lande. Vnnd drey van der Stat Bresszlaw nach König Johans ordenunge aws dem Sachssen- spigel genommen Vnd yn cleyner capitel gewandelt. Ouch etliche sunderliche capitel dorczu. dezem lande zü eynem rechte gesatezt haben Anno domini MCCCLVIto. Der gleyche geleren das Bresse- lische Stat recht das der gude Herczog Heinrich von den van Magdeborch irworben Vnd seynir Stat Bresszlaw bestetiget hot Anno domini MCCLXI. Owch hab ich angesehin der Stat Priuilegia genowden Vnnd etliche Willekören: Dorezu hab ich an vil enden gecolligiret Vnnd czu sampne brocht yn eyn buch mehir denne Sechezenhundirt gesprochene Ortil von den hochweyzen Scheppen zu Magdeborch vnnd von den Erbarn mannen ezu Donyn Vnnd etliche Bresselische Ortil' ete, Doründir denne etliche Priuilegia Vnnd Willekör mete eyn geschrebin seyn Owch dobey dreyhundirt Regil des Keyzirrechtis nemlich uff den dreyen büchstaben : s:t:v. geczeichent Vnnd geschrebin. Obir welche obgenanten Rechtisbuchir Vnnd Ortilsproche ich dys Remissorium angefangen habe zü setczen uff trium Regum Anno domini MCCCCLXXXIUNNor tägelich gesucht Vnnd uff geczeichent sechs Jar lang bis uff trium Regum MCCCCXCor Vnnd nw czur ere golis das anhebe zü schrei- ben das ich denne mit. der gloriosen magit marien hülffe noch ym dreyen czü kunfftigen Jaren hoffe ezu endenn. Aus diesem Prolog läßt sich eine Menge wichtiger Folgerungen über sehr Sardhüedcge Punkte der Rechtsgeschichte ziehen, z. B. daß es ein durch Begriff und Ausdruck der älteren Zeiten doch nicht ge- rechtfertigter Sprachgebrauch ist, wenn heute das Sächsische Lehnrecht so oft als zweiter Theil des Sachsenspiegels bezeichnet wird, da in früheren Jahrhunderten unter dem letzteren immer nur das Land- recht verstanden worden ist. Aber am bedeutendsten scheint doch immer das Resultat, was sich über ') Vgl. meine Schrift: Das Schlesische Landrecht, S. 256 fg., wo auch einige von diesen Schöffenurtheilen imtgetheilt sind. | 275 Ansehen und Geltung des Römischen Rechts aus dem Prolog ergieb. Wenn Jemand in einer Stadt, wie Breslau damals gewesen, Schöffe werden konnte, welcher die Lateinischen Kaiserrechte nicht zu lesen, geschweige denn zu verstehen vermochte, so muß die Anwendung derselben in den Gerichten des Lan- des noch in der ersten Kindheit gewesen sein. Zugleich blickt aber aus den Aeußerungen unseres Schöffen doch schon das Gefühl eines gewissen, deshalb in seiner Person vorhandenen Mangels hervor, und gewiß hat es also neben ihm auch schon einzelne Schöffen gegeben, welche mit jenem kaiserlichen Rechte bekannt waren. Seit dem 16. Jahrhundert hat dieses dann auch in Schlesien immer größere Ver- breitung gefunden, und, wie überall in Deutschland, so ist auch hier das Römische Recht nicht aus dem Leben zur Wissenschaft emporgestiegen, sondern umgekehrt aus der Wissenschaft ins Leben ein- gedrungen. —— u 35* IND t -’ Bericht über die Thätigkeit der technischen Section im Jahre 1854, von Gebauer, zeitigem Secretair derselben. Am 13. Februar zeigte Herr Mechanikus Steinmetz eine von ihm gefertigte Längentheilmaschine vor. Die Arbeit’ war sehr sauber ausgeführt. Das Bett ist von hohlem Guß, um es leichter zu erhalten, und gehobelt. Die Führungsschraube enthält 17 Gänge auf den pariser Zoll. An der Theilscheibe befindet sich ein Sperrrad von 120 Zähnen mit einer verstellbaren Klemme, welche sich gegen eine andere an der Theilscheibe befindliche anlegt. Durch diese Vorrichtung wird der Arbeiter des sorgfältigen Able- sens an der Theilscheibe enthoben, falls es nicht auf einen sehr hohen Grad der Genauigkeit ankommt. Das Reisserwerk trägt ein Zahnrad, wodurch ihm gestattet wird, von selbst die Theillinien der Fünfer und Zehner länger zu machen. Es wurden Theilungen auf Glas, zu mikroskopischen Maßstäben und zu Lichtbeugungsversuchen bestimmt, vorgelegt, welche sich des Beifalls zu erfreuen hatten. Am 27. Februar legte Herr Dr. Schwarz ein Stück einer Hohofensau aus Königshütte vor, welche neben metallischem Eisen und Titanwürfeln eine große Menge schwärzlich grüner Dodeka@der enthielt, die zu Folge seiner Analyse nur aus krystallisirtem Schwefelmangan bestanden. Nach Beseitigung des Eisens durch den Magnet blieben bei der Auflösung in Salzsäure unter lebhafter Entwicklung von Schwe- felwasserstoff die Titanwürfel ungelöst zurück. Die Auflösung enthielt 32,2 Schwefel, 55 Mangan und 6', Titan. Auch zeigte er einen Bleiglanz vor, der als Firste eines Arsenikkiesganges zu Altenberg bei Schö- nau genommen worden war, und iheilte mit, daß er in demselben eine nicht unbeträchtliche Menge von Kadmium (6,02 %,) gefunden habe. Derselbe legte Rohzucker vor, der in einer Fabrik in Galizien gewonnen worden war und 32 Procent Salpeter enthielt. Er schmeckte nicht im mindesten süß und detonirte beim Erhitzen auf Platinblech. Auch zeigte er Maisbranntwein von sehr reinem Geruche vor (30 ‚Loth Maismehl gaben 56 Procent Alkohol), und Graphit, welcher sich in den Retorten der hiesigen Leucht-Gasanstalt abge- lagert hatte. Am 13. und 28. März, so wie am 10. April, hielt Herr Professor Dr. Duflos drei Vorträge über die verschiedenen Gährungsvorgänge und ihre Produkte, erläutert durch Experimente und Vorzeigen der 278 mannigfachen Körper, welche daraus hervorgehen. Nach einer einleitenden Betrachtung über das ver- schiedene Verhalten der Körper bei verschiedenen Temperaturständen, wobei Verbindungen bald entste- hen, bald gelöst werden, wie beim Spiesglanz, Quecksilber, Silber, salpetersauren Ammoniak, chromsauren Ammoniak, und der Auseinandersetzung, daß geringe Unterschiede im Mengenverhältnisse in ihren Ei- genschaften und nach ihrer Zusammensetzung wesentlich verschiedene Körper bedingen, wie beim sal- petersauren Silberoxyd mit unterschwefligsaurem Natron, wo bei Ueberschuß des ersteren ein saurer Körper statt eines süßen gewonnen wird, ging. er zu den Erscheinungen und der Erörterung der Gäh- rung selbst über. Stickstoffhaltige Körper erleiden bei Gegenwart von Wasser und Luft eine Entmi- schung ihrer Bestandtheile bei Erzeugung übelriechender Stoffe. Man nennt diese Veränderung Fäulniß. Erfolgt die Zersetzung durch Zusatz gewisser Fermente, so wird sie Gährung genannt. Nach der Verschiedenheit des Fermentes ändern sich die Produkte der Gährung, wobei die angewendete Tempe- ratur von wesentlichem Einflusse ist. So wird Zucker in Wasser gelöst, nicht zersetzt. Er krystallisirt aus süßen Pflanzensäften in großen Krystallen, Kandiszucker, oder in kleinen, Hutzucker. Setzt man der Zuckerlösung Leim zu, so erleidet sie eine Umänderung. Es entsteht Krümmelzucker. Es wurde sein Verhalten zur Kupferlösung, mit Kali versetzt, gezeigt. Zur Darstellung im Großen wählt man das Stärkemehl. Mit Malzaufguß liefert es bei 60 ° Zucker, bei 100 ° Gummi, Leiokom. Der Stärkezucker wird zur Fälschung des Farins verwendet. Er kommt in den Pflanzensäften vor, welche, sich selbst überlassen, durch die in ihnen enthaltenen stickstoffhaltigen Substanzen in essigweingeistige Gährung übergeführt werden. Die in den Säften vorkommenden fettigen Körper verwandeln sich hiebei in Oe- nantsäure und Aethyloxyd, die Weinsäure mit Kali verbunden in weinsaures Aethyloxydkali, das sich in Weinstein zersetzt. Die Oenantsäure wird durch Gährung aus dem Weintrester gewonnen. “Giebt man dem Zucker als Ferment Käse, so bildet sich bei Zusatz von Kreide Milchzucker, sonst Buttersäure. Durch Gährung des Zuckerrohrs, wobei die Bildung von Ameisenäther und Butteräther vor sich geht, wird Rum gewonnen. Findet bei der Gährung Aufnahme von Luft statt, so bildet sich Essigsäure, auch wohl Essigäther. Beim Keimen der Gerste verwandelt sich der Kleber in Diastase, welche die Bier- würze erzeugt, die sich überlassen in Milchsäure übergeht, aber durch Zusatz von Hefe in weingeistige Gährung übergeführt wird, wobei der noch übrige Kleber, sich als Hefe abscheidet. Rührt man zur Bierwürze stärkemehlhaltige Körper mit Hefe, so wird Branntwein. Aus den fettigen Substanzen dersel- ben bildet sich Fuselöl, das Kornöl bei Anwendung von Körnerfrüchten, und Kartoffelfuselöl bei Zusatz von Kartoffeln. Das Fuselöl geht bei Aufnahme von Luft in Baldriansäure und Aetherarten über. Aehnliche Veränderungen erleiden die Fette durch das Verseifen. Sie zerfallen dadurch in Fettsäuren und Glycerin, ein in Wasser und Weingeist löslicher, süß schmeckender Körper, Oelsüß. Die Fette unterscheiden sich nach ihrem Gehalte an Stearin, Margarin und Olein, die bei der Verseifung in die entsprechenden Säuren übergehen. Da der Schmelzpunkt dieser Körper in der Reihenfolge niedriger wird, so sind diejenigen Fette die härtesten, welche am meisten Stearin und Margarin enthalten. Das Baumöl besteht aus Margarin und Olein. Es giebt aber auch Fette, wie Butter, welche bis sechs Arten Fett enthalten. Die Fette lassen sich schwerer von einander sondern als deren Säuren. Man verseift sie daher zu diesem Behufe durch Kalk. Die Fette nehmen aus der Luft Sauerstoff auf und erleiden da- durch Veränderungen. Bei der Butter und den fetten Oelen ist dadurch das Ranzigwerden bedingt. Reine Fette sind farb-, geruch- und geschmacklos. Viele enthalten Farbstoffe und albuminöse Körper. Man reiniget daher die Oele mit Schwefelsäure, wodurch die schleimigen Theile verändert und abge- sondert werden. Man unterscheidet flüchtige und nicht flüchtige fette Säuren. Die Butter giebt drei flüchtige Säuren, worunter die Bultersäure. In der Butter befindet sich Käse, Zucker und Wasser. Der Käse erleidet eine Fäulniß, durch die das Butterfett zur Gährung disponirt wird, wodurch Oelzucker und 279 Säuren, wie bei der Verseifung, erzeugt werden und der Geruch des Ranzigwerdens hervorgebracht wird. Ranzig gewordene Butter wird bei Behandlung mit Alkalien wohl geruch-, aber nicht geschmacklos, weil die Käseverbindungen eine Veränderung erlitten haben und Leucin und Syrosin liefern, welche in Ammoniak und Baldriansäure übergehen. Alter Käse verdankt der letzteren zum Theil seinen Geruch und Geschmack. Das Fuselöl ist baldriansaures Amyloxyd. Der Harn wirkt im natürlichen Zustande sauer, wird aber durch die Umänderung des Schleims alka- lisch, und bildet bei eintretender Fäulniß kohlensaures Ammoniak, wobei der Harnstoff Wasser aufnimmt. Er kann daher als Düngmittel verwendet werden. Man erhält den Harnstoff, indem man den Harn mit Salpetersäure vermischt, wobei sich salpetersaurer Harnstoff abscheidet, diesen mit kohlensaurem Baryt zerlegt und den abgetrennten Harnstoff mit Weingeist auszieht, aus welchem er in Krystallen erhalten wird. Die Harnsäure entmischt sich zu Harnstoff und Kleesäure und endlich zu Kohlensäure und Am- moniak. Der Guano hat seinen praktischen Nutzen in dem Gehalte an Harnsäure. Sie läßt sich aus dem- selben mit phosphorsaurem Natron ausziehen. Wird Harnsäure in Salpetersäure gelöst, so giebt sie beim Verdampfen einen rothen Fleck, der bei Zusatz von Kali violett und von Ammoniak purpurfarben wird. Aus der Lösung in phosphorsaurem Natron kann die Harnsäure durch Salzsäure gefällt werden. Setzt man zu Amygdalin, welches man durch Ausziehen der gepreßten Kuchen der Bittermandeln mittelst Weingeistes und Fällung durch Aether erhält, Käse oder Hefe, so entstehen Zucker, Bitter- mandelöl und Blausäure. Bei der Destillation bleibt Zucker zurück. Durch Eisenvitriol und Kalk wird das Oel von der Blausäure befreit. Man probt das Oel durch Zusatz von Kali, Eisenvitriol und Salz- säure, wobei sich keine blaue Färbung zeigen darf. Am 4. und 18. December hielt Herr Kaufmann Dr. Cohn zwei Vorträge über Cemente und deren Verwendung. In Thonlagern finden sich Nester von Kalksteinen, welche gebrannt natürliche Cemente bilden oder mit Wasser und Sand vermischt in der Luft und unter Wasser in kurzer Zeit erhärten. Die künstlichen Cemente liefern Puzzolane, Tufstein oder in gemahlnem Zustande Straß, wenn dieselben mit gelöschtem Kalk vermischt werden. Die künstlichen Cemente sind erst seit 100 Jahren wieder in Ge- brauch gekommen, während sie im Alterlhume in sehr verbreiteter Anwendung waren, da das Material dazu in Italien, die Puzzolane, in hinreichender Menge und wohlfeil zu haben ist. Smeaton, der Erbauer des Leuchtthurms zu Edystone, ermittelte, daß Thon als wesentlicher Bestandtheil des Wassermörtels zu be- trachten ist. Auf diese Ermittelung gründete 1796 James Parker eine Fabrik zur Bereitung des Roman-Cementes, welcher den Puzzolan-Cement ersetzen sollte. 1824 ermittelte Joseph Aspadin, daß gewisse Kreide- und Thongaltungen zusammengebrannt den ausgezeichneten Portland-Cement liefern, welcher bei den größeren neuen Bauten eine bedeutende Verwendung erfahren hat. Gegenwärtig hat sich in Stettin eine Actien-Gesellschaft, Stettiner Portland-Cement-Fabrik, zur Bereitung eines Cementes gebildet, welcher nach einem Gutachten des Herrn Bau-Inspectors Manger nicht nur den Anforderungen des besten englischen Portland-Cements vollkommen entspricht, sondern in der Art des Bindens noch Vorzüge zeigt. Der bei Andernach gebrochene Tufstein, zu Straß vermahlen, wird bei der Erbauung der großen Weichselbrücke in Anwendung genommen. Der Cement eignet sich außer zu Wasserbauten vorzüglich zum inneren und äußeren Abputz der Häuser, da sich mit demselben eine größere Trocken- heit und Dauerhaftigkeit erreichen läßt, welche die Mehrkosten aufwiegt. Die Bildung künstlicher Steine und anderer Kunstprodukte ist an die Herstellung eines guten und wohlfeilen Cementes geknüpft. Un- vertilgbare Farben können dem künstlich fabricirten Marmor ertheilt werden. Es werden außer ökono- mischen Gegenständen, wie Krippen, Tröge etc., auch Dachziegeln von vorzüglicher Güte und zu wohl- 280 — feileren Preisen angefertigt. Besonders geeignet ist der Cement zur Anfertigung von Silos für Getreide und Cisternen für Oel, Wasser etc. Die schnelle Bindung des Cements, auch wenn nur Gerölle als Stein verwendet wird, ist dem Vortragenden Veranlassung, vorzuschlagen, denselben zur Dammbildung zu verwenden, in der Hoffnung, daß bei genauerer Nachforschung mehrfache Fundorte von zu Cementen tauglichem Material auch in unserer Provinz aufgefunden werden und die Gewinnung des Cementes nicht auf Tarnowitz allein beschränkt bleiben dürfte. Der Vortragende hat in einer Schrift „Ueber die Wichtigkeit der Cemente‘‘ eine umständlichere Untersuchung des Gegenstandes vorgenommen. Preisfrage der ‚ Kaiserlich Leopoldinisch-Carolinischen Akademie der Naturforscher, Ausgesetzt von dem Fürsten Anatol von Demidoff, Mitglied der Akademie (Beinamen Franklin), zur Feier des. Allerhöchsten Geburtsfestes Ihrer Majestät der verwittw. Kaiserin, Alegandra von Außland, am 13. Juli 1856. Bekannt gemacht den 1. Juni 1855. Die Akademie wünscht: ‚Eine durch eigene Untersuchungen ‚geläuterte Schilderung des Baues der einheimischen Lumbricinen. Die Gründe zur Wahl dieses schon vielfältig bearbeiteten Stoffes hat die Akademie im Nachfolgenden ent- wickelt; sie, glaubt dadurch nur einem noch vorliegenden, höchst fühlbaren Bedürfnisse der Wissenschaft zu entsprechen und stellt den Termin zur Einsendung = den 1. April 1856. Die Bewerbungsschriften können in deutscher, lateinischer, französischer oder italienischer Sprache abgefasst sein. Jede Abhandlung muss ein besonderes Motto führen und auf einem beigegebenen versiegelten Zettel mit dem Namen des Verfassers dasselbe Motto sich befinden. Die Publikation der Zuerkennung des Preises von 200 Thalern Preuss. Courant 'erfolgt in der „Bonplandia“ vermittelst einer Beilage vom 13. Juli 1856 und durch Versendung einer eigenen Verkündigung, so wie später in dem laufenden Bande der Abhandlungen der Akademie, worin auch die gekrönte Preisschrift abgedruckt wer- den soll. il Programm Man darf es den wissenschaftlichen Forschern unter den Zoologen nicht ohne Grund zum Vorwurf machen, dass mehrere der gemeinsten Geschöpfe in ihrer Umgebung noch immer zu den minder vollständig bekannten gehören. Unser Regenwurm, welcher überall in Gärten und auf Feldern sein störendes Wesen treibt, gehört mit unter diese zum Theil vernachlässigten Geschöpfe. Seit Jahrhunderten hat man ihn gekannt, vielfältig auch besprochen und mehrmals selbstständig ‘beschrieben, aber dennoch liegen wichtige und wesentliche Theile seines Baues im Dunkeln und seine äussere Geschichte ist ebensowenig vollständig aufgehellt. 36 282 Die Akademie weiss sehr wohl, dass nicht Nachlässigkeit diesen Zustand herbeigeführt hat; — sie verkennt nicht die grossen und eigenthümlichen Schwierigkeiten, welche sich der scharfen und vollständigen Untersuchung des häufigen Geschöpfes in den Weg stellen; aber sie glaubt auch eben darum, dass es ganz besonders bei ihm eines äusseren Anregungsmittels bedarf, um das Dunkel aufzuklären, welches noch über demselben waltet. Sie will auch nicht mehr verlangen, als was unter den vorliegenden Verhältnissen zu geben möglich ist; sie erklärt sich für befriedigt, wenn der Verfasser die bisherigen Leistungen sorgfältig prüft und durch die Art der Prüfung, wie durch den ganzen Inhalt der Arbeitizeigt, dass er:sich nicht allein auf seine Vorgänger stütze, dass er ihre Angaben nicht ohne eigene Untersuchungen wiederhole, sondern dass er seine eigenen Beobachtungen beibringe ‚und zeige, dass auch solche seinen Angaben zur Unterlage dienen. Um den Inhalt und Umfang dessen anzudeuten,-was-die. Akademie von einer Preisschrift erwartet, welche ihr zur Krönung geeignet erscheinen würde, hebt sie die Gesichtspunkte noch besonders hervor, worauf es ihr hauptsächlich anzukommen scheint. Sie wünscht: 1) dass der zaologischa Begriff der Regenwürmer (Lumbrieini), scharf und ‚ausschliessend. festgestellt und namentlich die Grenze gegen die zunächst verwandten Thierformen sicher gezogen werde; 2) dass der Inhalt der so gewonnenen Lumbriceinen-Gruppe näher erörtert und jede einheimische Gattung oder Art, so viele ihrer bisher EN ‚worden, ‚sicher definirt und weiter beschreibend unterschieden ne; 3) dass die anatomischen Bildungen Pen Regenwürmer nicht blos im Allgemeinen untersucht, sondern ihr innerer Bau, je nach den VERRSRREDE Organen, mit den ihnen angehörigen Geweben zeitgemäss auseinandergesetzt werde. Die Akademie hält diesen Theil der Arbeit für x FOREN Sie würde es gern sehen, wenn die allerdings sehr verwickelte Anatomie der Regenwürmer darin zu einem gewissen Abschluss gebracht werden könnte, und macht ganz besonders auf das noch so unsicher bekannte Geschlechtssystem dieser Würmer, als den Theil ihres Baues aufmerksam, welchen der Beobachter‘ vorzugsweise in's Auge zu fassen hätte. Die Akademie setzt natürlich voraus, dass auch die allerneuesten Angaben, welche die wahren Hoden und Eierstöcke erst festzustel- len haben, berücksichtigt und alle mikroskopischen Beschreibungen durch klare, scharfe und genaue Zeichnungen dessen, was der Beobachter gesehen hat, erörtert werden. Sie legt hierbei auf die Trennung der verschieden+ artigen Gewebe eines jeden zu schildernden Organes ganz besonderen Werth, und erwartet, dass der Beobachter sich nicht mit einer allgemeinen Formangabe begnüge, sondern wo möglich aueh die Genesis der Gewebe zu verfolgen sich bemühen werde. . 4) dass auch die allgemeinen Lebensverhältnisse der Regenwürmer, ihre Nahrungsmittel, ihr tägliches oder jährliches periodisches Treiben, ihr Geschlechtsleben und ihre Entwicklungsgeschichte eine mög- liche Berücksichtigung erfahre, damit die Arbeit als eine nach Umständen vollständige wissenschaft- liche Monographie der einheimisehen Regenwürmer angesprochen werden könne. Die Akademie hält es nicht; für ‚nöthig, Fingerzeige über die das Thema behandelnden früheren Arbeiten zu geben; sie glaubt aber darauf aufmerksam machen zu müssen, dass es ihr nicht genügen würde, die selbst- ständigen Schriften und) Aufsätze, z. B. von Leo, Morren, Henle, Hoffmeister u. A. m. benutzt zu finden; sondern dass sie auch solche zerstreute Angaben und Besprechungen für berücksichtigungswerth hält, welche, wenn auch nur anregend, für die bessere Kunde der Regenwürmer von Bedeutung geworden sind. In Rücksicht auf den allgemeinen Zweck der Akademie der Naturforscher und eingedenk ihres Motto’s: Nunguam otiosus, fordert also die mit der Wahl der zoologischen Preisaufgabe des Fürsten Anatol von Demi- doff (genannt Franklin) beauftragte Commission für das Jahr 1856: « „Eigene Untersuchungen über den äusseren wie inneren Bau, die Fortpflanzung und Ent- wicklung einheimischer Regenwürmer-Arten, welche sich, neben einer genügenden Erörte- rung ihrer Unterschiede nach, Arten, Gattungen und Familien, besonders die histologische — Seite ihrer inneren Organisation und: die Feststellung solcher Organe angelegen sein lassen müssten, deren: Existenz oder Bedeutung bisher noch gar nicht nachgewiesen oder ungenü- gend angenommen worden war.‘ 283 Vorstehenden Entwurf haben die unterzeichneten Mitglieder der Commission für die zoologische Preisauf- gabe verfasst und dem Stifter des Preises, Herrn Fürsten Anatol von Demidoff (genannt Franklin), ihrem hochgeehrten Collegen, zur gefälligen Begutachtung und Annahme empfohlen. Halle, den 8. Mai 1855. (gez) Dr. H. Burmeister, Dr. C. Th. E. v. Siebold, Pıofessor der Zoologie an der Königl. vereinigten Professor der Zoologie und vergleichenden Anatomie Friedrichs-Universität Halle-Wittenberg. an der Königl. Ludwigs-Maximilian-Universität München. Dr. J, Budge, ‚Professor an der Königl. Preuss. Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität. zu Bonn, 36 * «FaDHIEr a „Tel Seite Allgemeiner Bericht über Verhältnisse und Wirksamkeit der Gesellschaft i. J. 1854 vom Bürgermeister Bartsch 3 Allgemeine Versammlungen der Gesellschaft (Vorträge, von,,Gaupp, Geisler, Menzel, Röpell, Sohr, Stenzel, Tagmann, Trusen) . ........oersooeeonennncsnnnnnne nn RD ch: Irak 5 ; Kurzer Bericht über die im Jahre 1854 ihätigen Sectionen. Die naturwissenschaftliche Section ..............- DE Ve ae ae nn 0 ee Se Sn EEE RITTER SR 6 Die botanische Section .......cecscnec.. rin gerri ces 6 Die entomologische Section ....... ee ne.dien FAR EAN ORRRRERESTDROFESSH ET BED En 900% 6 Die meteorologische Section ......ersesreennnen000 ia Seth: Re Se de dr ee ae Se 6 Die medizinische Section ...2......... ne rien er ae A TE TE ee SEN ara 7 Die#ökonomische Section... +. aan are in nn er re te TEE ersten il euren ask ht Die Section für Obst- und Gartenbau ..... re re er EA re | Die-techniseherSeetion.- :. +... .n ensure ser ee ereete. Hare 4 Misnäikessun Fra 8 Die historische Section ..... a ee Te en er ten achte Tran ice 8 Die philologische Section ..........» ar oe 1, Mare ee Br ee re El ee er rar 9 Die pädagogische Section. .......rosussueeee re a a ee Wr a ee en re Be 9 Die musikalische Section .....oeesssenonen0 000. ee er a er AN ee ee 10 Die juristische Section ..zereeeeeennen nn PER BE ee TEE die 10 Bericht über,.die Verwaltung der Kasse v0n.G;, Liebich. .....oan nen. sauna aan urn nn ae ee are u Bericht über die Bibliotheken und Museen von K. Letzner ......zzc2eeceeec rogukaxskejate a ee ofatt 1 ARD Verhandlungen der einzelnen Sectionen. 1. Naturwissenschaftliche Section. a) Physik. \ ; Proreetor Dr. Marbach: Ueber die Circular-Polarisation des Lichtes durch chlorsaures Natron und über die Krystallisation dieses Salzen. un u Rs 0 sanie arneieine EB URETLIRRNRE SER EHE denne 17 b) Physikalische Geographie, Reiseberichte. Privat-Docent Dr. F. Cohn: Ueber die Entwickelung der Vegetation in den Jahren 1852 und 1853........ 18 Prof. Dr. Sadebeck: . Ueber die Seehöhe des Thonlagers von Canth........--zerereeennneenesnennnnenen 18 Geh. Med.-Rath Prof. Dr. Göppert: Ueber die Seefelder in der Grafschaft Glaz und die Torfbildung auf EA ABEE: N 19 Lothar Becker: 1) Ueber die Grotten von Ajenta, Dohltabad und Garli ......oeurcosenenornnnoneennene 23 2) Schilderung seiner Reise in die blauen Berge Neuhollands........rrrs2unenonneennernene en 25 c) Geognosie und Petrefacten-Kunde. Geh. Berg-Rath Krug v. Nidda: 1) Ueber das Vorkommen von Graptolithenschiefer in der schles. Grauwacke 26 2) Üeber: dass obersehlesischenSteinkohlen-Becken.....-.rucnn no 0000 en hen an 28 285 stiye Seite Privat-Docent Dr. Scharenberg: Ueber fossile Knochen aus den Galmei-Gruben bei Scharlei i in) Oberschlesien 34 Geh. Med.-Rath Prof. Dr. Göppert: 1) Ueber das Kalklager zu Paschwitz bei Canth i..).....: nl werte 2) Ueber die s, g. Frankenberger, Ilmenauer und: Mannsfelder Kornähren, sowie über: die Flora des Kupferschiefer-Gebirges überhaupt ............ AS PRESS E 36 d) . Physiologie. usH Staatsrath Prof. Dr. Reichert: Ueber die allgemeinen Vorstellungen, von welchen die Embryologen älterer * Geschöpfes. sich Bahen leiten lasuen . .uneocnı @erheneonuneonnaneneen seen ee 38 Privat-Docent Dr. Aubert: 1) Ueber die künstliche Befruchtung und Erziehung der Fische............... 40 2) Ueber die Umwandlung der Blasenwürmer in Bandwürmer zezeeeennseessoeeeennennenenneeen 43 Geh. Med.-Rath Prof. Dr. Göppert: Erbsen, in denen der Erbsenkäfer (Bruchus pisi) sich entwickelt hatte 43 Privat-Docent Dr. F. Cohn: Ueber Pilze als Ursache von Thierkrankheiten ........ucreaeeeesanseseneeen 43 Amtmann J. Kühn: Beobachtungen über des Erkranken der Kultur-Gewächse i. I. 1854... .ueeeeeenncc- 48 e) Anhang. ‚doitsed: e Geh. Reg.-Rath Freih. v. Wechmar: Ueber, die Technik der Bewohner Schlesiens im Alterthum .......... 52 Pastor Schade: Ueber 2 im Torfmoore bei Saabor aufgefundene, wahrscheinlich aus vorchristlicher Zeit stammende Kähne ......unrunneneunensnnunnennnnnennnnesnnnnnnsnannnesnnenennennne 56 Geh. "Med.-Rath Prof. Dr. Göppert: 1) Ueber die Versammlung der ee in GOßENBEn „2... .40.n 57 3; 2) Ueber G. O. Berendt's in Bernstein befindliche organische Reste ‚der Vorwelt, Bd. I. Abth. IL 2. Berlin 1854 ........ ee ee er ee, a ER 57 : Botanische Section. | Privat-Docent Dr. F, Cohn: )) Ueber Sphaeroplea annulina... 22.2.0... PER 119 ERSTER ER TI SPLITTER 2). Ueber .die Drehung der Baumstämme.....ssscusesien ons arn snlaie Fern wluna rd Asa Tulssl.. 71 nah Med. Rath, Prof: Dr. Göppert: 1); Deber; Uswea .longissima.... ..........0.-0esn er soneinadeananannen- 59 2) Ueber den botanischen Garten!der Universitäß Breslau... ooouenensnenennennneunun nun 60 Dr, Milde: Bemerkungen über schlesische Oryptogamen.„.ueessrseenanerneneer PTR, EN ON SEITE 64 Musikdirecetor Siegert: Ueber schlesische Hieracien-Formen ..... ein Beine era 59 Stadtrichter Wichura: 1) Cerastium longirostre n,,8p Jınd, Dianthus ‚Wimmeri.n. Sp. =. ..saadsnasiennangen: 74 2) Entwickelung von Polygonum PANtn ba Emo ann Hal sale ai le ar ig 76 3) Umsetzung der Blattwirtel an ‚Valeriana sambucifolia...... PEN TRR ERRNE ROSE > 57.0.0. 0000.00 76 Re Faltung, der Keimblätter von. Erodian eienianum uryengenaanrndehehe seaenEeeiregrene 77 Director ‚Prof. Dr, : Wimmer: , Ueber schlesische Pflanzen, gesammelt von Bartsch, . Earkene Hilse, Kelch, Mielke und Bose) 44.3... ., Bun ns eine ER PARSE ge PIE PRRERNR AOE zer 59 ev Kntembingleche Section. ey Belek DURIERGTER, ! Haupilchrr Letzner: - 1) Ueber -Bruchus -pisi Lin. un. en Verl. 2 AA AERO TE EST 79 " -+..2) Ueber -Anthrenus musaeorum L. und A. elaviger Er. ..W...... REED ran s 82 ’ 3) Ueber:die Stände von -Carabusi'sylvestris Fo... N ker feenen. 84 4) Ueber ein: monströses -Fühlhorn -eines- Carabus Sacheri Zaw...ı. ROSEN RUN. ee ee 86 5) Ueber Bewohner und Beschädiger des Knieholzes, Pissodes abietis R. (pini Lin.).....»-.....» 87 6) Ueber Chilocorus renipustulatus Ser. 'und bipustulatüs ie neuen EERRFR® 89 7) Ueber seltene. schlesische Käfer u.a...» rer SET PIEIE® RFIRERRRS AR FIERERER BET NEE T N) 90 b) Lepidoptera. Kaufmann Neustädt: Ueber schlesische Notodontide N. N. heneneseeeneeneeeeeneeeen nennen 90 Dr. W. G. Schneider: 1) Ueber.die Familie der Lithosidae.....un. career tens eradeldin nk. Lassss109l ME „2.2 2), Ueber schlesische. Keometridae...... ...... -awiseunotk zugawd! u ann u 66.161992 Dr. Wocke: 1) Ueber ‚seltene oder für «Schlesien neue ‚Arten von ‚Lepidoptern .......... NTECHIE vB E umaroilriav de 2) Ueber schlesische Cochylis-Arten so. .u.#ree8srasr een Brarayd. ade Aue. OyE En BT TERBAG RL, 286 Seite e) Diptera. a | oo Hauptlehrer- Letzner: - Ueber die Stände der Thereva sübfabeiaeh Sehanc, ORRRR ARTE Ban 10 Spa U3s BE NET ESTER TURNE Dr. W, G. Schneider: Ueber schlesische EIER rer v1 .u.‘.. u. “.... u sen nes 99. d) Hymenoptera. ui 2 Hauptlehrer Letzner: Ueber Tenthredo punetlata RL. A Sour BIN, RT ae 100 'e) Neuroptera. ae 3ER Hauptlehrer Letzner: __ [Pällhkeiie web P. ..... A ehe ee ie. BER aaa 101 4. Meteorologische Section. Prof. J. G. Galle: 1) ‚Ueber die meteorologischen und magnetischen Constanten von Breslau ............ 103 2) WERE Uebersicht der. meteorologischen Beobachtungen auf der k. Sternwarte zu Breslau „I 104, SS 2.0 um > age 220 0 Se ER en e ARE En DE SER BER EE .., 108 5. Medizinische Section. Dr. Reymann: Ein von ihm beobachteter Fall von Asphyxie durch Kohlendunst..........urenuenne. re‘ Hofrath Dr. Burchard: 1) Ueber ein difformes, sehr schmales Becken ........zusunesnseenennnnennunennnn 112 2) Summarischer Bericht über die Gebär-Anstalt des k. Hebammen-Instituts i. J. 1853... uaa.a ara SEE Dr. Heller:' "Ueber die oberschlesische Typhus-Epidemie i. I. 1848... .uneesenenernunenenn Kennsapennenen 112 Dr. Seidel: Heilmittellehre der Hebräer, Griechen und Römer ........sersessnunnnnenunenenennennenunen 120 Privat-Docent Dr. Rühle: Ueber'Lungen-Tollapsus ....2...22u222222cnenensssennenensennennnene einen 137 Hospital-Wundarzt Hodann: Ueber den Harnsäure-Infarkt in den Nieren neugeborner Kinder. ............ 139 Dr. Günsburg: Ueber Pathogenie der Lungentuberkulose ».....rursesenennnennnnennennnenennennnnen nen 169 Sanitätsrath Dr. Grätzer: Ueber die öffentliche Armen-Krankenpflege Breslau’s i. J. 1853 ...... rer 10 Med.-Rath Prof. Dr, Barkow: Ueber einige anatomische Präparate. eeceen. ehnentreneneenene 179 6. Section für Obst- und Gartenbau. v. Rosenberg-Lipinski: Bericht über seine ‘Baumschule in Gutwohne ............r.200. acc .. 182 Lehrer Lammel: Bericht über seine Baumschule in Babitz........... udn ach” SIEHE 183 Kunstgärtner Breitkopf: Ueber gezogene Gemüse- und Obstsorten... ..e.....-.uecnennens aupsrckt sous 183 Landesältester v. Wille: Ueber gezogene Gemüse- und Obstsorten .......ur..ensesenennnnenne Ben rL et 183 Revierförster Spalding: "Ueber Obstbaumzucht in der Reichensteiner Gegend ...........ereereseesenenenn 183 Forstinspecetor Hontschick: ‘ Erfahrungen im Obst- und Gemüsebau........222220sensenenensnerennennnen 184 Director Prof. Dr. Wimmer: 1) Mittheilungen über die von den Mitgliedern bei diesjährigen Erfah- Tungen im Bemüsels 2353 32% 340.0 0 Dan sn Sen Se Ze an Ban 2 0 DIR Alois ar na 184 2) Ueber die von der Section veranstaltete F Kae Aussilling EEE 187 3) Ueber die Kartoffel-Krankheilld 334 . FH] HH AHRU TEA een scannen ern one nenn en un 196 Inspector Neumann: Ueber Anbau und Benutzung der Erdmandel .............» saigerslecdee 2 can na 194 Turnlehrer Rödelius: 1) Ueber die Traubenkrankheit ........se-snsesnsosnzslesunerhdere PETE b susislahis 203 2) Ueber die Erfolge von einigen gegen die Traubenkrankeit Mitteln... undsuhdäerune 212 Verzeichniss der in der Bibliothek der schlesischen GenAllacheii vorhandenen, auf Obst-, Gemüse- und Gar- tenbau bezüglichen Bücher «..u::.0ucds. 0.000004 soctdid- nenne Hasıeisid orine wenn. denne. 218 RER 1. Historische Section. Dr. Tagmann: . Zur Geschichte der Reichkramer-Societät in -Breslau ........: LIEHINDP EN, 100% (Yurs® 223 8. Philologische Section. ALT Prorector Dr. Lilie: Ueber. den Charakter der Gäa in der Theogonie des Hösiodes. . EST 2) CSPIR ART 245 Literat Saske: Ueber .die. Fragmente des Trogus Pompejus.. .z......»» EMI SEB BEIDDIER RT er een 247 Privat-Docent Dr. Suckow: . Ueber das 4. Buch der platonischen Gesetze..... en SEE DT ee 248 Gymnasial-Lehrer. Palm:. . Ueber Sprache und Versbau des A, Gryphius. cr l.ve 2 BER LTE RE SEK SEHE 24 287: — Seite 9, Pädagogische Section. | Hauptlehrer Otto: Zur Lebens-Geschichte des verstorbenen Senior Berndt.......... > Saul une 251 Seminar-Oberlehrer’ Scholz: Ueber die Pädagogik der Bibel.........r-runsresenuneeenenehnnnee N 255 10. Juristische Section. | Geh. Justiz-Rath Prof. Dr. Gaupp: Einige Andeutungen über die Rechtsgeschichte in Schlesien, besonders während des 15: Jahrhühderts '. „su ......roncnonne 00. Sansa CR 265 ll. Technische Section. Mechanikus Steinmetz: Ueber eine von ihm gefertigte Längentheilmaschine «2... cur cleeesehecnaaneen 277 Dr. Schwarz: 1) Ueber krystallisirtes Schwefelmangan in einer Hochofensau aus Königshütte Norsk 277 2) Uöber-Kadmium: in ’Bieiglanz’von Altenberg..... 4.0. vie »laanadk -dendl-laslor Ss Asnniaienod 277 3) Ueber Salpeter enthaltenden Rohzucker aus Galizien .......cncucnessonnses bis zul] oaasiondg 277 Prof. Dr. Duflos: Ueber die verschiedenen Gährungsvorgänge und ihre Produkte.........ek cs cssessens 277 Kaufmann Dr. J. Cohn: Ueber GCemente und deren Verwendung: .....rr2neonennnnnuen den sesnan nenne) 279 Anhang Preisfrage der Kaiserl. Leopold.-Carolinisehen Akademie der Naturforscher, ausgesetzt von dem Fürsten ET EEE ea: 281 Alphabetisches Namensverzeichniss der Verfasser der im vorstehenden Jahresberichte erwähnten Mittheilungen und Vorträge. Herr Professor Dr. Ambrosch: S. 9, 248. Herr Kunstgärtner Frickinger: S. 181. *„ Privat-Docent Dr. Aubert: S. 40, 43. » Ober-Staats-Anwalt Fuchs: S. 10. „ Med.-Rath u. Director, Prof. Dr. Barkow: S. 179, „ Bürgermeister Bartsch: S. 3. „ Lothar Becker: S. 23, 25. . » Professor Dr. Galle: S. 103, 108. Geh. Justiz-Rath, Prof. Dr. Gaupp: S. 5, 11, 265. Dr. phil. A. Geisler in Brieg: S. 5. Erbsass Bloch: S. 181, 192. 2 £ -R Prof. Gö t: S. 8,.19, 35, i Rustikal-Besitzer Block in Staude: S. 181. m a Fr > OPP = BP m DE ee Eu} Sanitäts-Rath Dr. Grätzer: S.. 169. „ Kunstgärtner Breitkopf in Laband: S. 183:. 2 De. Grüne 8 7 ” . * 8. ©. „ Hofrath Dr. Burchard: S. 112, 133. Dis Günälneug: Si 269 „ Privat-Docent Dr. Cauer: S.. 8. „. Adjunet Günther: S. 6. „ Pastor Cochlovius in Schönwalde:: S. 181. | „ Privat-Docent Dr. F. Cohn: S. 18, 43, TE er H. Heine in Kunzendorf: S. 183. „ Kaufmann Dr. J. Cohn: S. 279, „ Dr. Heller: S. 112. er \ Hospital-Wundarzt Hodann: S. ee Dr Dittos: 5: 978. E Forstinspector Hontschick zu Kobier: S. 184. „ Director Dr. Fickert: S. 181. „ Gen.-Landschafts-Syndikus Hübner: S. 11. „ Rechtsanwalt F. Fischer: S. 11. „ Obristlieutenant v. Hülsen: 8. 9. Herr -Kreisgerichts-Rath Klingberg: S. 11. . Amtmann Kühn: Geh. Bergrath Krug v. Nidda: S. 26, 28: S. 48. Lehrer Lammel in Babitz: S. 183: ”„ Hauptlehrer K. Letzner: S. 12, 79, 82, 84, 96, 87,, laitgjınPrivdtiDorent Dr. Rühle: S. 137. 89, 99, 100, 101. Kaufmann G. "Liebich: sr: Prorector Dr. Lilie: S. 245. Professor Dr. Löwig: S. 18. Proreetor, Privat-Docent Dr. Marbach: $, En | Referendar -Mehrländer: S. 9. Consistorial- und Schul-Rath Menzel: $. 5, 5 Ber Professor Dr. Middeldorpf: 8. 188 Dr. Milde: S. 64. ‚ Kunstgärtner E. Monhaupt: S. 8. Musik-Director Dr. Mosevius: S. 10. Kaufmann Müller: S. 193, 194. Inspector Neumann: S. 181, 186, 193,194. :; Kaufmann A. Neustädt: S. 90. N Nitsehke: S. 11. Dr. L. Oelsner: S. r4 Hauptlehrer Otto: S. 251. Gymnasial-Lehrer Palm: S. 248. Oberforstmeister v. Pannewitz: S. R. Dr. Paur: S. 9. Staatäräth Prof. Dri Reichert: S. 38. 288 sen Dr. Reimann: S. 9, 111. »»‘ Turnlehrer Rödelius: S. 203, 212. ‚ Professor Dr. Röpell: S, 5,8 9 I %” Rosenberg-Lipinski auf. Gutwohne: $. 182. Baron v. Rothkirch: S. 6. Professor. Dr. Sadebeck: S. 18. Literat Saske: S. 9, 247. Pastor Schade in Saabor: S. 56. Privat-Docent Dr., Scharenberg: $; 34... 4... Kunstgärtner. Schlegel in! Grafenort: S,, 181..: Dr. W..G. Schneider :.,S. 91, 92, 9.) « Seminar-Oberlehrer a 8 10, Bi: Dr. Schwarz ::S..277. f sc Dr. Seidel: S. 120., | Musik-Director Siegert: S. 59. Ober-Reg.-Rath Sohr: 8. 5. Revierförster Spalding in Johnsbach: S. 183. Mechanikus Steinmetz: S. 277 ‘Geh. Archivrath, Prof. Dr. Stenzel: S. 5. Prien er Dr. Sun: S. 9, 248. Oberlehrer Dr. esbaih: S. 5, 223. Ober-Stabs-Arzt Dr. Trusen in Neisse: S. 5. Geh. Reg.-Rath Freih. v. Wechmar: S. 52. Stadtrichter Wichura: S. 74. ‘Landesältester w.’Wälle auf Hochkirch: S. 183. Direetor, Prof. Dr. Wimmer: S. 59, Ak 1P8. ‘Dr. Woecke: 8.90) 94, 98.) inar WW “ we r