i%T'* Jahresbericht inigung für angewandte -'-, ... . .:. :: ,:. . ,-.- - -,:-,.-■:.-,:.,.--,# : :: ; :;:3:: :::: : :: - 'i S m mW 3:: :: :: :|::f:: -H- ;-'-vl - - . : -Ü. ■:t: Tri r . ■ . : : :: -:-f-m-f«x: :: i r ;;::| fPffiiffifffflffl^ w jj^j::- i; E!:::: : \: :: | : : . :: 5- 3 ■■■.|. ;:;:;;:;;; ::;|: ■■ H" f :: : ; : ::: B : : j :::::: :|:^:::::: \ vanl t e Bo llf rti ^KÖÖi 1 h.\i\\-. M Z Ig: :;,; Stfffi Berlin Verlag von Gebrüder Borntraeger '■!'] •*i44 1^- 1 -■,H m iftiöitairii Jahresbericht der Yereinigung für angewandte Botanik Vierter Jahrgang 1906 Mit 8 Tafeln und 19 Textabbildungen LIBRARY NEW YORK BOTaNTCaL OaKüEN. Ber li n Verlag von Gebrüder Borntraeger SW 11 Dessaiier Strasse 29 1907 XJ Alle Rechte vorbehalten. Druck von A. W. Hayn's Erben, Potsdam. Inhalts-Verzeichnis» LIBRARY NEW VORK Erster Teil. Seite 1. Bericht über die 4. Hauptversammlung der Vereinigung in Hamburg vom 11.— 16. September 190!), erstattet von C. Brick IX— LH Darin enthalten folgende Reden, Beschlüsse, Referate und Diskussionen über Vorträge etc.: Y. Melle, Begrüssungsansprache XII Resolution, betr. Förderung der tropischen Land- und Forst- wirtschaft XVI Diskussion zu Hos se US, Gewinnung des Teakholzes in Siam etc. XVII „ „ Thiele, Einwirkung des Kalis etc XX Geschäftliche Sitzung: Jahresbericht, nächstjähriger Versamm- lungsort, Namensänderung, Änderung des Jahresberichtes, Gebührenordnung für gerichtliche Gutachten ..... XXI Diskussion zu Appel, Phytopathologie und Samenkontrolle etc. XXV „ ,, Kühle, Schälen der Rübensamen etc. .... XXIX Besichtigung der Fruchtschuppen und der Station für Pflanzen- schutz, Hafenfahrt . XXXIV Diskussion zu Johnson, Kartoffelscborf ......... XXXVI ,, ,, Graebner, Nicht parasitäre Pflanzenkrankheiten der Heide XXXVI Aderhold, R., Amerikanischer Stachelbeermehltau und bakterien- kranke Kirschbäunichen (Referat) ......... XXXVI Diskussion XXXVII ^^ Wehmer, C, Kulturen von Asperi/illus gigcu/teua (Referat) . . . XXXVII CT) Diskussion XXXVIII Kleballil, H., 1. Blattfleckenkrankheit der Platanen, 2. Krankheiten p^ der Tulpen, S. Eine neue Krankheit des Flieders (Referat) XXXVIII Diskussion XXXIX ^ Sitzung der Freien V^ereinigung der systematischen Botaniker "^ und Pflanzengeographen XL lY Inhalts-Verzeichnis. Seite Besichtigung des Botanischen Gartens und Museums und der Samenkontrollstation XL Besichtigung von Saatreinigungsanstalten und Warenlagerspeicher XL Mni'dfleld, Das Lignin und Kutin pflanzlicher Futterstoffe in chemischer und physiologischer Hinsicht (Referat) . . . XLIV Kwert, 11.. Die durch Bordeauxbrülie oder Beschattung hervor- gerufene Verlangsamung des Stoffwechsels in grünen Blättern XLVL Ewert, R., Die Parthenokarpie der Obstbäume ....... XLVI Diskussion XLVII Ausflüge in die Zentralheide und in die Vierlande XLVIII Ausflug nach Helgoland LT Kuckuck, V., Mitteilungen über Tangverwertung LI 2. Mitgliederliste für 1906 LUX— LXIII 3. Vorträge und Abhandlungen. Drude, 0., Aufgaben und Ziele der Angewandten Botanik . . . 1 — 19 AVarbui'g, 0., Über die tropische Landwirtschaft 20 — 39 Hosseus, C, Die Gewinnung des Teakholzes in Slam und seine Bedeutung auf dem Weltmarkte iO — 50 Zacharias, E., Über Degeneration bei Erdbeeren. (Mit Taf. 1 u. II) 51 — 62 Wielcr, A., Die Bedeutung der Luftanalyse für die Rauchexpertise 63 — 69 ((vam, (>., Zur Atmung des Geti'eides. Eine Relation zwischen Keimfähigkeit und Atmungsintensität. (Mit 13 Fig.) . . 70 — 87 Vaiilia, J., Zur Qualitätsprüfung der Braugerste. (Mit 1 Fig.) . 88 — 97 Liiidner, P.. Über einige neuere biologische Methoden im Dienste des Gärungsgewerbes 98 — 111 Johnson, T., Der Kartoffelschorf {Spom/ospora Solan/ Brunch). {W\t Taf. III) ' 112— ll.ö Schramm, W. H., Zur Holzvergillmng 116 — 139 — — Zum Vergrauen der Hölzer 140 — 153 — — Zu den Farbenangaben bei Hölzern 154 — 163 (jraebner, P., Die wirtschaftsfeindlichen Faktoren der Heide und die sich daraus ergebenden Pflanzenkrankheiten. (Mit 3 Fig.) 164 — 174 Thiele, R., Über unsere Kenntnisse von der Wirkung des Kalis bei der Ernährung der Pflanze. (Mit Taf. IV— VIII) . . 175—181 Arnim-Schlagenthin, Graf v., Über das Auftreten erblicher Eigen- schaften beim Weizen durch äussere Einflüsse 182 — 189 Kühle, L., Der Einfluss des Schälens von Rübensamen auf die Keimung (maschinelle Entfernimg der Perigonhülle) . . . 190 — -200 Appel, 0., Über die Stellung der Pathologie bei der Samenkontrolle und den Anbauversuchen. (Mit 2 Fig.) 201 — 210 Inhalts-Verzeichnis. Zweiter Teil. Verhandlungen der I. internationalen Konferenz für Samenprüfung zu Hamburg- vom 10. — 14. September 1906. gpjj.^ Vorarbeiten 213-216 Begrüssung und Arbeitsprogramm 217 — 221 Stebler, F. G., Die Herkunftsbestimmung der Saaten 221 — 231 Diskussion 231 — 233 Weinzierl, Tll. v., Die Wertbestimmung der Rübensamen 234 — 241 Diskussion 241 — 251 Scliribaiix, E., et Bussard, L., Comment il conviendrait de modifier les normes en usage dans le commerce des semences de betteraves 251 — 259 Einsetzung einer internationalen Kommission für Samenprüfung . . 260 — 266 Rodewald, H., Die .Reinheitsbestimmung von Saatwaren 266 — 272 Diskussion 272—288 Degen, A. v., Über Kleeseide 289—294 Diskussion 294-318 Hiltner, L., Über Keimprüfungen 318—329 Diskussion 329 — 343 Verweisung der Vorschläge von Vaüha über die <^)ualitätsprüfung der Braügei'ste an den Ausschuss 343—344 Ausschuss für die Förderung der wissenschaftlichen Grundlagen der Samenkontrolle 344 — 347 Verbesserungen 348 Erster Teil Versammlungsbericht und Mitgliederliste sowie Vorträge und Abhandlungen der Vereinigung für angewandte Botanik 1906 -'*"^^^- Bericht über die 4. Hauptversammlung der Vereinigung für angewandte Botanil< In Hamburg vom IL— 16. September 1906. Laut Beschluss der in Wien 19U5 abgehaltenen Generalversamm- lung fand die diesjährige Hauptversammlung der Vereinigung in Hamburg statt. x'Vls Zeit, deren Wahl dem Vorstande überlassen blieb, wurde Mitte September bestimmt und dies den Mitgliedern durch Rundschreiben Anfang November 1905 mitgeteilt. Ebenso hatte die in Wien abgehaltene Konferenz der Agrikulturbotaniker beschlossen, im Anschluss an unsere Versammlung eine internationale Konferenz für Samenprüfung in Hamburg zu veranstalten. Schliesslich hatte die Freie Vereinigung der systematischen Botaniker und Pflanzengeographen für ihre 4. Zusammenkunft ebenfalls Hamburg und die Tage vom 13. — 16. September gewählt. Es war also .\ussicht vorhanden, dass sich Mitte September 1906 eine grössere Zahl von Botanikern in Hamburg zusammenfinden würde. Bereits Ende März 1906 konnte ein vorläufiges Programm der Hamburger Versammlung, enthaltend einige bereits in Aussicht ge- nommene Vorträge, Besichtigungen, Exkursionen und sonstige Ver- anstaltungen, an die Mitglieder versandt werden. Dieses Programm wurde sodann Anfang Mai an ca. 500 Botaniker, insbesondere an die Mitglieder der Deutschen Botanischen Gesellschaft und die Teilnehmer an dem internationalen botanischen Kongresse in Wien, verschickt. Ein ergänztes Programm mit den bis dahin angemeldeten 23 Vorträgen und Demonstrationen, der Tagesordnung der Geschäftssitzung und der Zeit der einzelnen Veranstaltungen konnte dem 3. Jahresberichte der Vereinigung Mitte Juni 1906 beigelegt werden. Ende August wurde dann das definitive Programm den Mitgliedern zugesandt. Im ganzen hatten sich 91 Teilnehmer, von denen 68 Mitglieder der Vereinigung für angewandte Botanik waren oder auf der Versamm- X Bericht über die 4. Hauptversammluno- der Vereinigung. lun.ü- sich als solche anmeldeten und 14 auswärtige Damen eingefunden. Die Namen der in Hamburg anwesend gewesenen Mitglieder unserer Vereinigung sind: Aderhold-Dahlem, Ahrens-Hamburg, Appel- Dahlem, v. Arnim - Schlagenthin-Nassenheide, Ascherson - Berlin, Brick-Hamburg, Buchwald-Berlin, Büsgen - Münden, v. Degen - Budapest, Di eis -Berlin, D in klage -Hamburg, Dorph Petersen- Kopen- hagen, Drude-Dresden, Edler-Jena, Engler-Dahlem, Ewert-Proskau, Fischer - Frankenthal, Friederichsen - Rostock, Gilbert - Hamburg, Gilg-Dahlem. Graebner-Gr. Lichterfelde, Güssow-London, Gut/eit- Königsberg, Haupt - Bautzen, He e ring- Altona, Heinsen - Hamburg, Hennings-Berlin, Hillmann-Berlin, Hiltner-Miinchen, Hinneberg- Altona, Holmes- London, Hosseus-Berlin. Jaap-Haml>urg, Jakowatz- Tetschen, Johnson -Dublin, Kambersky-Troppau, Kirchner-Hohen- heim, Klebahn -Hamburg, Kühle-Gunsleben, Kumm-Danzig, Lenz- Lübeck, Lindemuth-Berlin, Lindinger-Hamburg, Lindner-Berlin, Muth-Oppenheim, Peters-Hamburg, Petzet -Hamburg, Qvam- Kristiania, Raatz-Kl. Wanzleben, Retzlaff-Hamburg, Schober-Hamburg, Schu- mann-Halle, Simon - Dresden, Sonder - Oldesloe, S tob Ic r - Zürich, V. Szyszylowicz-Lemberg, Thiele-Stassfurt, T host- Berlin, Vanha- Brünn, Voigt-Hamburg, Warburg-Berlin, Weber-Bremen, Wehmer- Hannover, v. Wein zierl- Wien, Widen-0rebro, Wiel er -Aachen, \Vortmann - Geisenheim und Zacharias-Hamburg. An der Ver- sammlung beteiligten sich ferner: Dr. A. Atterberg, Direktor der Samenkontrullstation in Kalmar, Dr. G. Bitter, Direktor des Botanischen Gartens in Bremen, Didrichsen, A. Mag. sc, Assistent Dansk Pr0- kontrol in Kopenhagen, Dr. S. Frankfurt, Direktor der Samenkontroll- station in Kiew, Dr. F. Fiögel, Privatgelehrter in Ahrensburg, Geh. Ökonomierat Professor Dr. R. Heinrich, Direktor der Landwirtschaft- lichen Versuchsstation in Rostock, Dr. Hochreutiner, Privatdozent der Botanik in Genf, Prof. Dr. B. L. Issatschensko, Direktor der Samen- kontrollstation am K. Botanischen Garten in St. Petersburg, Prof. Dr. W. Krüger, Direktor der Landwirtschaftlichen Versuchsstation in Bernburg, E)r. J. B. Kümmerle aus Budapest, Landtbruksinspectören A. Lyttkens, Ledamot i Kgl. Landtbruksstyrelsen in Stockholm, Kaufmann C. Persson aus Malmi), Prof. Dr. H. Rodewald, Direktor des Landwirtschaftlichen Instituts in Kiel, A. Scherffel aus Iglo, Lehrer Justus Schmidt aus Hamburg, Lehrer Schütz aus Lenzen a. Fl., V. Stöhr, Professor an der landwirtschaftlichen Landesmittelschule in Prerau (Mähren), Geh. Regierungsrat Dr. F. Stuhlmann aus Amani (Ostafrika), Dr. Z. v. Szabö, Assistent aus Budapest, Dr. H. Timpe, Ober- lehrer in Hamburg, E. Vitek, Vorstand der Samenkontrollabteilung der Bericht über die 4. Hauptversammlung der Vereinigung. XI Chemisch-physiologischen Versuchsstation in Prag, Dr. Th. Waage, Redakteur des „Saaten- und Düngermarkt" aus Berlin, und Prof. Dr. E. Warming, Direktor des Botanischen Gartens und Museums in Kopenhagen. Den Teilnehmern wurden seitens des Ortsausschusses — dank der Munifizenz eines hohen Senates und der Hamburgischen Unterrichts Verwaltung — folgende Schriften überreicht: 1. Die Botanischen Institute der freien und Hansestadt Hamburg. Im Auftrage der Oberschulbehörde von E>r. A. Voigt. 102 S. m. 12 Taf. Hamburg 1897, 2. Jahresberichte für 19U5 der Hamburgischen Botanischen Staats- institute, erstattet von Prof. I>r. E. Zacharias, Prof. Dr. A. Voigt und Dr. C. Brick. (63. S. S. -A. a. d. Jahrbuch der Hamburgischen Wissenschaftlichen Anstalten XXIIl.) 3. Zehn Jahre Hamburgischen Vorlesungswesens. Ein Bericht über die wissenschaftlichen Vorlesungen in Hamburg von Ostern 1895 bis Ostern 1905 unter Berücksichtigung der früheren Zeit, erstattet von Rat Dr. Förster. (106 S, m. 7 Anl. S. -A. a. d. Jahrb. d. Hambg, Wiss. Anst. XXIIl.) 4. Verzeichnis der Vorlesungen im Winterhalbjahr 1906/07, heraus- gegeben von der Oberschulbehörde Hamburg. 46 S. u, 1 Plan. Hamburg 1906. 5. Technische Vorschriften für die Wertbestimmung von Saat- waren I. des Verbandes landwirtschaftlicher Versuchsstationen im Deutschen Reiche, II. des Verbandes landwirtschaftlicher Versuchs- stationen in Russisch-Polen, 111. für die mit Staatssubvention errichteten Samenkontrollstationen der nordischen Reiche: Dänemark, Norwegen und Schweden, IV. für die Association of American Agricultural Colleges and Experiment Stations sowie Durchschnittsresultate für die wichtigsten Futterpflanzen und ein Bericht über die Samenkontrolle in Schweden (c. J. Widen). Nach dem vorhandenen Material zu.sammengestellt von A. Voigt. (Als Manuskript gedruckt für den 1. internationalen Kon- gress für Samenprüfung in Hamburg, September 1906.) Von dem Verein zur Förderung des Fremdenverkehrs war ferner freundlichst zur Verfügung gestellt 6. Wegweiser durch Hamburg und Umgebung. (153 S. mit zahlreichen iVbbildungen und 1 Plan. Hamlnirg 1905.) XII Bericht über die 4. Hauptversammlung der Vereinigung. Sonntag, den 9. September, fand bereits am Vormittage eine Sitzung des Ausschusses der Konferenz für Samenprüfung statt. Abends 8 Ulir vereinigte sich eine grössere Zahl der Teilnehmer an dieser Konferenz sowie Hamburger Botaniker in dem in der Aussenalster schön gelegenen Restaurant „Alsterlust" zur Begrüssung. Montag, den 10. September, begannen vormittags im Hörsaale A des Johanneum die Vorträge und Beratungen der 1. internationalen Konferenz für Samen- prüfung, woran sich nachmittags eine Sitzung der Vorstände in- und ausländischer Samenkontrollstationen schloss. Eine Fortsetzung fanden die Beratungen am Dienstag, den 11. September, nachmittags, am Donnerstag, den 13. September, vormittags und am Freitag, den 14. September, vormittags. Über diese Konferenz erscheint ein aus- führlicher Bericht mit den daselbst gehaltenen Vorträgen und der sich, anknüpfenden Diskussion, sowie den sonstigen Beratungen in dem dies- jährigen Jahresbericht unserer Vereinigung (s. S. 218 — 348). Am Abend dieses Tages fanden sich sodann zahlreiche Vertreter der angewandten Botanik zur Begrüssung um 8 Uhr in der „Alsterlust" zusammen. Dienstag, den II. September, vormittags 10 Uhr in der Aula des Johanneum Sitzung der Vereinigung der Vertreter der angewandten Botanik. Der Vorsitzende, Professor Dr. E. Zacharias, eröfTnete die Sitzung und erteilte dem Präses der Hamburgischen Unterrichts- verwaltung, Senator Dr. v. Melle, das Wort zu folgender Begrü ssungs- an spräche: Hochgeehrte Anwesende! In dieser Woche tagen hier in Hamburg drei botanische Ver- einigungen, die Vereinigung der Vertreter der angewandten Botanik, die freie Vereinigung der systematischen Botaniker und Pflanzengeographen V. Melle, Begrüssiiugsanspraclie. XIII und die erste internationale Konferenz für Samenpriifun.i;-. Gestatten Sie mir, diese gelehrten Vereinigungen und insbesondere ilire auswärtigen Mitglieder im Namen des Senats und zugleich im Namen der Ham- burgischen Unterrichtsverwaltung bei uns herzlich willkommen zu heissen. Stellt man der angewandten Botanik, wie das üblich, die reine Botanik gegenüber, die ja auch hier durch die Systematiker vertreten ist, so möchte mancher auf den ersten Blick meinen, dass die reine Botanik die ältere der beiden Schwestern sei. Dem ist aber doch wohl nicht so. Die ersten Beobachtungen über Wachstum, Blüte und Frucht der Pflanzen und über die Eigenschaften der Pflanzenstoffe wurden in grauer Vorzeit gewiss rein empirisch gemacht und lediglich im Hinl)lick auf ihre Ver- wertung für wirtschaftliche Zwecke. So kam man zur Verwendung des Holzes und anderer Pflanzenstoffe, zum Acker-, Obst- und Weinbau, zur Gewinnung von Arzneimitteln und zu vielem anderen mehr. Viel später entstand die reine wissenschaftliche Botanik, die sich zunächst von allen praktischen Nebenaufgaben fernhielt und nur der immer tiefer l)e- gründeten Erkenntnis des Organismus und des Lebens der Pflanzen, ihrer geographischen Verbreitung und ihrer Verwandtschaftsverhältnisse dienen sollte. Lange gingen dann beide Zweige der Botanik, die angewandte und die reine, ohne einander wesentlich zu beachten, nebeneinander her, und erst in neuerer Zeit hat man beiderseits anerkannt, wie in vielen Fällen die Ergebnisse der einen die andere zu fördern geeignet sind. Auch in Hamburg begann man mit der angewandten Botanik. Der Gartenbau ist hier seit alter Zeit besonders gepflegt, so dass man unsere Stadt wohl als eine Gartenstadt bezeichnet hat. Die Entwickeln ng zur Grossstadt hat manchen alten Garten verschwinden lassen: noch aber besitzen wir zahlreiche sehenswerte Privatgärten an den Ufern der Elbe und in den Stadtteilen und Vororten an der Alster. Ja, die Aussen- alster mit ihrer landschaftlichen Umgebung könnte man wohl als einen grossen öffentlichen Garten bezeichnen, zu dem vom Mittelpunkte der Stadt und von anderen Seiten her schattenreiche Alleen führen. Ich darf ferner auf die eigenartig schönen Gartenanlagen des Zentralfried- hofes in Ohlsdorf und, was den Gemüsebau betrifft, auf die Vierlande und die anderen ländlichen Marschgebiete der Elbe verweisen. Wie sehr aber die Pflege des Gartenbaues vielfach naturgemäss auch zu rein wissenschafthchen botanischen Studien hinüberleitet, das zeigt das Bei- spiel eines alten Hamburger Ratsherrn, des Bürgermeisters von Bostel, Dieser besass zu Anfang des 18. Jahrhunderts einen im jetzigen Stadt- teil Hörn belegenen Garten, den Linne seiner botanischen Bedeutung halber besonders hervorhob. Der Gärtner des Bürgermeisters von Bostel aber — oder, wie man damals sagte, sein hortulanus — Schwerin, der XIV Bericht über die 4. Hauptversammlung der N'creinigung. 1710 ein Namensregister der in dem Garten kultivierten in- und aus- ländischen Gewächse herausgab, orl^annte im Vorwort dazu dankbar an, „dass er bei einer Herrschaft in Dienst geraten, die zu dieser Wissen- schaft ein sonderbares Belieben trägt und die bei ihrer hohen Amts- verrichtung übrige wenige Zeit mit grosser Ergötzung anwendet, seine darob erlangte Science mit Darlegung der berühmtesten und neuesten Autoren im studio botanico und Erklärung dessen, so seine Begriffe übersteigen möchte, zu vermehren sich allemal willfährig erweiset". Dass weiter die angewandte Botanik für den ersten Welthandels- platz des Kontinents von grösster Bedeutung sein muss, liegt auf der Hand. Wie viele Rohstoffe und Fabrikate aus dem weiten Gebiete des Pflanzenreichs gehen nicht in unseren Hafen täglich ein und aus, um fern oder nah in der einen oder anderen Weise verwandt zu werden zum Nutzen der Menschheit. Seit Jahrzehnten besitzen wir in Ver- bindung mit dem Botanischen Museum, das eine lehrreiche Übersicht über alle botanischen Handelsprodukte der Erde und insbesondere auch unserer Kolonien gewährt, ein botanisches Laboratorium für Warenkunde, das unseren Kaufleuten, Industriellen und anderen Interessenten wissen- schaftliche Auskunft über die verschiedensten Pflanzen und Pflanzenstofte erteilt. Daran schliesst sich seit etwas mehr als zehn Jahren eine für den hamburgischen Samenhandel unentbehrliche SamenprUfungsanstalt, deren Aufgaben von Jahr zu Jahr wachsen. Als einen Beweis für die steigende Bedeutung dieses Instituts möchte ich es bezeichnen, dass die erste internationale Konferenz tür Samenprüfung hier in Hamburg statt- findet. Dem Botanischen Museum ist ferner noch eine Station für Pflanzenschutz unterstellt, die sich am Hafen befindet und durch wissen- schaftliche Kontrolle und Untersuchung gewisser vom Auslande ein- gehender Pflanzen und Obstsorten dafür Sorge trägt, dass der deutsche Wein- und Obstl)au gegen die Einschleppung schädlicher Parasiten ge- schützt wird. Aber auch die reine Botanik hat in Hamburg mit der Zeit ihre amtliche Stätte gefunden. An dem zu Anfang des 17. Jahrhunderts hier errichteten Akademischen Gymnasium, einer Mittelstufe zwischen Univer- sität und höherer Schule, wirkte von 1629 an der als grosser Natur- forscher von Goethe und Alexander von Humboldt gefeierte Jungius, ein Universalgeist, dessen hohe Bedeutung auch für die botanische Wissen- schaft wiederholt von berufener Seite anerkannt ist. Später war die Professur für Naturwissenschaft am Akademischen Gymnasium in der Regel in den Händen eines Botanikers. Einer derselben begründete zu Anfang des 111. Jahrhunderts den botanischen Garten, der, überaus günstig gelegen, unserer gesamten Bevölkerung eine viel benutzte Quelle V. Melle, Begrüssungsansprache. XV botanischer Belehrung und Anregung bietet. In ihm wirkte seitdem unter anderen Gelehrten der grosse Orchideenkenner Reichenbach. Gegenwärtig besitzen wir in dem Direktor der Botanischen Staats- institute und seinen festangestellten wissenschaftlichen Assistenten eine Reihe ständiger Dozenten der Botanik, die regelmässige öffentliche Vor- lesungen und praktische Kurse, insbesondere für Kaufleute, Zollbeamte und Nahrungsmittelchemiker abhalten. Für das nächste Wintersemester sind in dem vor kurzem veröhentlichten Vorlesungsverzeichnis, das Ihnen, meine Herren, zugehen wird, 7 botanische Kurse angezeigt und daneben 3 pharmazeutische der mit dem Botanischen Museum eng ver- bundenen Pharmazeutischen Lehranstalt. Auch in unserem Landgebiet werden neuerdings zur Förderung des Obstbaues von den wissenschaft- lichen Beamten der Botanischen Staatsinstitute Vorträge für die be- teiligten Landbewohner gehalten, die durch eine praktische l'nterweisung seitens des am Botanischen Garten angestellten Baumwärters ergänzt werden. Sie sehen, meine Herren, eine wie erhebliche Rolle die Botanik bei uns spielt, wie vielfach sie in das praktische Leben eingreift, wie sehr insbesondere der Welthandel, der ja Hamburgs Lebensnerv ist, ihrer Hilfe bedarf. Unsere Kaufleute sind in erster Linie Männer des prak- tischen Lebens, — sonst würden sie Hamburgs Handel und Schiffahrt nicht zu ihrer jetzigen Blüte haben führen können. Aber sie erkennen nicht nur dankbar die Verdienste an. die sich die angewandte Botanik um die Weltwärtschaft und um die Entwickelung wichtiger Zw^eige auch unseres Handels erworben hat, sondern sie bringen auch vielfach, wie jener alte Bürgermeister von Bostel, den Portschritten der wissenschaft- lichen Botanik ein lebhaftes Interesse entgegen. Mit ihnen bin ich über- zeugt, dass in der Botanik, wie in manchen anderen Zweigen der Natur- wissenschaften, Theorie und Praxis tunlichst zusammenwirken, sich gegenseitig stützen und ergänzen müssen. Auch Sie, meine Herren, sind, glaube ich, von derselben Erkenntnis durchdrungen; denn gewiss nicht ohne Grund haben sich hier Vertreter der reinen und der ange- wandten Botanik zu gleicher Zeit zusammengefunden. Mögen denn Ihre diesjährigen Beratungen fruchtbringend sein für die Praxis wie für die reine Wissenschaft! Sodann erhielt 10'/2 Uhr Geheimer Hofrat Prof. Dr. 0. Drude-Dresden das Wort zu einem Vortrage: Aufgaben und Ziele der angewandten Botanik (s. S. 1 — 19). Das Wort zur Diskussion wird nicht gewünscht. XVI Bericht über die 4. Hauptversammlung der Vereinigung. Ihm folgte 11 Uhr 25 Minuten Prof. Dr. (). Warlnirg-Berlin mit einem Vortrage über Tropische Landwirtschaft (s. S. 20 — 89). Redner bittet nach Schluss seines Vortrages, dass die hiesige Versamm- lung sich mit den von ihm gemachten Vorschlägen einverstanden er- kläre, so dass sie als Resolution der Vereinigung für angewandte Botanik betrachtet werden kihinen. Prof. Dr. Biis^eil-M linden stellt in .iM'wägung, ob nicht ausser der Landwirtschaft auch die Forstwirtschaft zu berücksichtigen wäre, wie dies bei den Instituten in Dahlem und Amani bereits der Fall sei. Prof. Dr, Warbur^ hat nichts dagegen einzuwenden, so dass die vorgeschlagene Resolution^) lautet: „Die Vereinigung für angewandte Botanik erachtet zur Förderung der tropischen Land- und Porstwirtschaft sowie für die wirtschaftliehe Entwickelung der deutschen Kolonien für wünschenswert 1. die Schaffung einer Zentrale für tropische Laml- und Porstwirtschaft als Reichsinstitut im Anschluss an die Biolo- gische Anstalt für Land- und Forstwirtschaft zu r»ahlem bei Berlin, 2. den Ausbau des botanischen Gartens zu Victoria in Kamerun zu einem land- und forstwirtschaftlichen Institut erster Ordnung, 3. die Schaffung land- und forstwirtschaftlicher Versuchs- stationen in Togo und den Südseekolonien." Auf Vorschlag von Prof. Dr. Wortmann-Geisenheim wird die Resolution durch Akklamation angenommen. , Schluss der Sitzung I21/4 Uhr. Die Nachmittagssi tzung wurde von 2'/2— ^ ^'h'' im IlfH-saal A des Johanneum abgehalten. Zur Verfügung der Mitglieder waren ausgelegt von Prof. t»r. Warburg eine Anzahl Exemplare seiner Aufsätze: Die Landwirtschaft in den deutschen Kolonien (S.-A. a. d. Verhdlg. d. dtsch. Kolonial- kongresses 1905), Ergebnisse und Aussichten der kolonialen Landwirt- schaft (S.-A. a. d. Tropenpflanzer 1906) und Nummer 8 des Tropen- pflanzers 1906, sowie von Dr. F. Pedde -Berlin in grösserer Zahl ein neuer Prospekt des von ihm herausgegebenen Repertorium novarum specierum regni vegetabilis. 1) Diese Resolution ist deui Staatssekretär des Innern und dem Dh-ektor der Kolonialabteiluna: des Auswärtigen Amtes übersandt worden. Diskussion: Gewinnung des Teakholzes. XVII Im Sitziingssaale ausgestellt sind ferner von F. Rompel (Hamburg- Barmbek, Hamburgerstrasse 53) photographische Aufnahmen von der geplanten Exkursion in die Heide nach dem Wilseder Berge und dem Totengrund bei Wilsede und von der Lichtdruckanstalt von C. Griese (Hamburg, Steintwiete 20) Postkarten mit Ansichten aus den Vierlanden, wohin ebenfalls ein Ausflug beabsichtigt ist. Um 2'/2 Öhr erhält das Wort Dr. €. Hosseus-Berlin zu einem von Lichtbildern begleiteten Vortrage: Die Gewinnung des Teakholzes in Slam und seine Bedeutung auf dem Weltmarkte (s. S. 40 — 50). An den Vortrag schloss sich eine längere Debatte an. Prof. Dr. Wieler-Aachen fragt an, warum die deutschen Firmen, wie der Vortragende erwähnt hat, sich nicht mit dem Teakholzhandel beschäftigen. Dr. Hosseus: Es handelt sich darum, einige Firmen für den Handel mit Teakholz zu interessieren. Die deutschen Firmen in Slam stehen auf dem Standpunkte, dass ein derartig grosses Unternehmen, wie eine Teakholzgesellschaft, nicht angezeigt sei. Es fehlt ihnen eine gewisse Grosszügigkeit. Natürliche oder kommerzielle Bedenken liegen nicht vor. Die dortigen Firmen machen mit anderen Sachen gute Geschäfte und haben eine Erweiterung ihres Handels im grosszügigen Stile herbei- zuführen nicht nötig. Prof. Dr. Warburj2;-Berlin : Es ist pflanzengeographisch interessant, dass der Mekong eine so scharfe Grenze ist, während im allgemeinen wohl die Wasserscheiden, nicht aber die Flüsse die Floren zu scheiden pflegen. Für die Gebiete des unteren Mekong könnte man vielleicht eine Erklärung in der allmählichen Anschw^emmung des Landes und der Besiedelung von beiden Seiten finden, gilt das aber auch für die höher gelegenen Teile des Flussgebietes oder sind dort die floristischen Ver- schiedenheiten der beiden Ufer weniger scharf? Dr. Hosseus: Über die niederen Regionen des Mekong kann ich keinen Aufschluss geben, da sie von mir nicht bereist W'Urden. Das er- wähnte Fehlen von Teciona grandis am Unken Ufer und damit die pflanzengeographische Verschiedenheit beider Ufer bezieht sich an und für sich nur auf die höher nördlich gelegenen Gebiete, also auf das Mekonggelände nach einem Laufe von ca. 8 Breitegraden von der Mündung weg. Prof. Dr. Warburg-: Das Teakholz von Siam ist besser als das javanische Teakholz und dasjenige anderer Herkunft. Hängt dies von den klimatischen Verhältnissen und dem Untergrunde ab? Lässt sich Jaliiesbeiicht der Vereinigung für angewandte Botanik IV. II XVIII Bericht über die 4. H.iviptversamtnlung der Vereinigung. aus den Proben aus unseren Kolonien schliessen. dass sich dort eine gute Qualität entwickelt? Dr. Hosseus: In unseren Kolonien sind nur Versuchswälder, die im letzten Jahre zum ersten Male geblüht haben. Danach lässt sich noch nichts beurteilen. Wir können aus ihnen jetzt eigenen Samen heranziehen. Ob das Holz gut ist, ist mir nicht bekannt. Was das Gedeihen anlangt, so kommt Togo vor allen Dingen in Betracht. Der Baum gedeiht noch in Ägypten, soll dort aber nach persönlicher Mit- teilung von Dr. Schweinfurth keine keimfähigen Samen hervorbringen. Der Grund der Güte des Teakholzes in Slam ist wohl darin zu suchen, dass die Hölzer sich alleinstehend besser entwickeln können. Dem Boden wird zu viel Mineralgehalt von derselben Pflanzenart entzogen; in einem geschlossenen W^aldbestand hat daher das Teakholz nicht die für das gute Gedeihen notwendige Ernährung. Die Waldbestände im oberen Teil des Landes weisen nicht so kräftige und hohe Stämme auf, wie die südlicher gelegenen Wälder. Lateritboden scheint am geeignetsten und günstigsten für das Gedeihen von Teakholz zu sein. Kaufmann Döscher-Hamburg: Die vom Vortragenden erwähnten Preisunterschiede lassen sich sehr wohl begründen. Für Waggonbau wird zuweilen das gewöhnlichste javanische Djati-Teakholz genommen und in kurzen Längen dafür 124 Mk. bezahlt. Die kaiserliche Werft beansprucht dagegen nach bestimmten Dimensionen gesägtes Holz; für lange Decksplanken werden 450 Mk. und noch mehr bezahlt. Das Djatiholz ist von einer wimmerigen Qualität, hat meistens viele Aste und kommt nur ausnahmsweise in guten Qualitäten herüber; es fehlt ihm auch der Seidenglanz des siamesischen Teakholzes. Das javanische Teakholz ist nach Europa durch die holländische Regierung eingeführt worden. In Nürnberg wird die, von Dr. Hosseus angezogene Verwen- dung jedenfalls für den Bau von Wagen der holländischen Staatsbahn vorgeschrieben sein. Ich bedauere, dass in unseren Kolonien Versuche mit javanischem Teakholz gemacht werden; das indische Teakholz wird überall bevorzugt. In Rangoon handeln übrigens deutsche und zwar Firmen Bremi- schen Ursprungs mit Teakholz, z. B. Krüger c*v; Co., Mohr Brothers. Die weisse Ameise soll niemals das Teakholz anfressen. Es gibt aber die sogenannten ,,bee holes" in dem Holze. Woher rühren diese Löcher? Dt. Hosseus: Es ist sicher nicht die weisse Ameise sondern eine W^espenart, welche die Löcher im Teakholze verursacht. Der Bremer Vulkan schreibt, dass javanisches Teakholz sich im Preise wesentlich günstiger stelle; es wird deshalb von vielen Firmen Diskussion: Gewinnung des Teakholzes. XIX jetzt fast ausschliesslich bezogen. Für den Waggonbau ist das Teakholz bedeutend teuerer als der Herr Vorredner annimmt; ausserdem wird in Nürnberg nach den mir von Herrn von Rieppel gemachten Angaben zumeist indisches Teakholz verarbeitet. Der Preis schwankte in den Jahren 1900 — 1906 bei Java-Teakholz für Blöcher zwischen 166 und 192 Mk. pro cbm, für Dielen zwischen 247 und 275 Mk. pro cbm, bei indischem Teakholz für Blücher zwischen 215 und 300 Mk. pro cbm, für Dielen zwischen 292 und 300 Mk. Auch die kaiserl. Werften zahlen wie bereits erwähnt, niemals einen derartig hohen Preis. Derselbe be- trägt jetzt im Mittel zwischen 250 — 300 Mk., während für altes, lagerndes Holz früher nur 152 — 206 iMk. gezahlt wurde. Selbst für Deckplanken werden gemäss Mitteilung der W^erften nie mehr als 350 Mk, gezahlt. Es ist dies aber alles noch zu teuer eingekauft, wenn man bedenkt, dass 1 cbm in Slam im Innern 80 Mk. kostet; in den letzten Jahren ist allerdings durch das Monopol und die vermehrte Nachfrage eine Steigerung ab Bangkok bis zu ca. 50 Mk. erfolgt. Die beiden genannten Firmen sind Reisfirmen, die nur nebenbei Teakholz ausführen, wie dies auch in Slam z. B. andere deutsche Firmen für einige hunderttausend Mark tun; das kommt aber bei der Ausfuhr von über 8 Millionen nicht in Betracht. Das javanische Holz ist stark verästelt, weil die Bäume im Gesamtbestande und nicht im Einzelstande vorkommen. Da kann der Baum sich zu grösserer Höhe besser auswachsen. In Slam ist das Teakholz oben im Lande schlechter, unten im Lande besser, weniger verästelt. Dass in den Kolonien javanisches Teakholz zu Versuchen angebaut wird, ist bedauerlich; es sollen aber neuerdings mit siamesischem Samen Pflanzversuche gemacht worden sein. Ausserdem möchte ich nochmals auf die Anpassungsfähigkeit in den Tropen und den Vergleich mit Hevea hrasiliensis hinweisen. Wir können uns jedoch freuen, dass wir überhaupt später einmal Teakholz aus unseren Kolonien werden be- kommen können. Aus englischen Kolonien solches zu erhalten, wird sich mit der Zeit immer schwieriger gestalten. Prof. Dr. Btts^en-Münden: In unseren Wäldern bilden sich gerade im geschlossenen Bestände die besten Walzen und im freien Stande eine starke Verästelung. Die Abmessungen in Java sind andere und daher wohl die schlechte Beurteilung. Was aus Java bisher kommt, stammt aus den Urwäldern. Man darf hoffen, dass aus den Kultur- wäldern langschäftigere Bäume gewonnen und dass auch aus unseren Kolonien solche langschäftigen Bäume kommen werden. Es kommt auf die Erziehung des Baumes an. In Slam soll der Teakbaum auf Kalkboden nach dem Vortragenden nicht vorkommen, in Java steht er auf Kalk. II* XXII Bericht über die -i. Hauptvcrsammlun.t;- der Vereinigung. lassen *) und als Zeit die Tage vor der Naturforscherversammlung zu nehmen. Ein Antrag des Vorstandes auf Änderung dos Namens der Vereinigung in „Yereiiii^iuift- für angewandte Botanik" mit der Be- gründung, dass der alte Titel sich im Verkehr als 7ai lang und un- zweckmässig herausgestellt habe und dass er auch nicht mehr zu- treffend sei, da z. Z. nicht nur Fachleute, sondern auch viele Interessenten anderer Kreise Mitglieder seien, wurde nach einigen kurzen Bemerkungen einstimmig angenommen. Dr. Brick berichtet sodann über eine in Aussicht genommene Änderung des Jahresberichtes der Vereinigung. Danach sollen in Zukunft die Referate über die von den Mitgliedern veröffentlichten Arbeiten auf dem Gebiete der angewandten Botanik fortfallen. E>er Jahresbericht der Vereinigung würde demnach bestehen aus 1. dem Bericht über die Jahresversammlung, dem Mitgliederverzeichnis etc. 2. den .'i.uf dieser Versammlung gehaltenen Vorträgen und 3. Original- arbeiten und Sammelreferaten. Als Ersatz für die ausfallenden Referate erhalten die MitgUeder je einen Sonderabdruck dei" Referate aus Justs Botanischem Jahresberichte von a) Geschichte und Verbreitung der Nutz- pflanzen, b) Pflanzenkrankheiten, c) Pharmakognostik, d) Kolonialbotanik und e) landwirtschaftliche Botanik (einschl. landw. Bakteriologie). Die Lieferung dieser Sonderabdrücke soll mit den Referaten der Arbeiten des Jahres 1905 beginnen. Der Redakteur des Botanischen Jahresberichts, Herr Dr. Fed de-Berlin, und der Verleger, Herr Dr. Thost (i. F. Ge- brüder Borntraeger), haben sich mit dieser Einteilung und Lieferung ein- verstanden erklärt. Mit Herrn Dr. Thost, der ja auch der Verleger unseres Jahresberichtes ist, wurde im obigen Sinne ein Nachtrag zu dem früheren Vertrage vereinbart, der auch einige weitere Vergünsti- gungen enthält. Aufmerksam gemacht wurde noch besonders darauf, dass Tabellensatz in dem Jahresbericht möglichst zu vermeiden ist, dass die Mehrkosten für Tabellen in Petitdruck und für umfangreichere Korrekturen vom Autorhonorar gekürzt werden müssten. Der verlesene Xachtragsvertrag wird seitens der Versammlung genehmigt. Als nächster Punkt war auf die Tagesordnung der geschäftlichen Sitzung gesetzt worden: Stellungnahme zu der von den Ver- bänden und Vereinen deutscher Architekten und Ingenieure und von den deutschen Chemiker-Vereinen aufgestellten Ge- 1) Der Vorstand hat beschlossen, die nächste Versammlung in Dresden in den Tagen vom 8. — 11. September 1907 abzuhalten und an der Festsitzung und dem Festessen der Deutschen Botanischen Gesellschaft, die auch in Dresden stattfinden werden, teilzunehmen. Gebührenordnung für gerichtliche Gutachten usw. XXIII bührenordnung- für gerichtliche Gutachten usw. Dr. Brick referiert hierüber folgendermassen : In der Gebührenordnung für Zeugen und Sachverständige der deutschen Reichsgesetzgebung vom 30. Juni 1878 besagt §3: „Der Sachverständige erhält für seine Leistungen eine Vergütung nach Massgabe der erforderlichen Zeitversäumnis im Betrage bis zu 2 M. auf jede angefangene Stunde. Die Vergütung ist unter Berücksichtigung der Erwerbsverhältnisse des Sachverständigen zu bemessen und für jeden Tag auf nicht mehr als 10 Stunden zu gewähren. Ausserdem sind dem Sachverständigen die auf die Vorbereitung des Gutachtens verwendeten Kosten, sowie die für eine Untersuchung verbrauchten Stoffe und Werkzeuge zu vergüten." Weiter laulet § 4: „Bei schwierigen Untersuchungen und Sachprüfungen ist dem Sachverständigen auf Verlangen für die aufgetragene Leistung eine Vergütung nach dem üblichen Preise derselben und für die ausserdem stattfindende Teil- nahme an Terminen die im § 3 bestimmte Vergütung zu gewähren." Die Verbände und Vereine deutscher Architekten und Ingenieure haben 1901 eine Gebührenordnung') aufgestellt, deren § 4 besondere Gebühren für Gutachten etc. behandelt und als zu berechnende Vergütung für die erste Stunde 20 M., für jede fernere Stunde 5 M. angibt. I)ie Freie Vereinigung deutscher Nahrungsmittelchemiker, der Verband selbständiger öffentlicher Chemiker Deutschlands und der Verein deutscher Chemiker haben einen Ausschuss zur Wahrung der gemeinsamen Interessen des Chemikerstandes eingesetzt. Dieser Ausschuss hat in seiner zu Frank- furt a. M. am 22. März 1906 abgehaltenen Sitzung einstimmig als Ge- bührenordnung beschlossen ^) : „a) Für schwierige Arbeiten und gerichthch chemische Gutachten wird ein Minimalhonorar von 5 Mk. für die Stunde, b) für örtliche Besichtigungen, Arbeiten an Ort und Stelle und für die aufgewendete Reisezeit gleichfalls ein Minimalsatz von 5 Mk. für die* Stunde als angemessen erachtet. c) Die durch die Reise erwachsenen Barauslagen sind hierin nicht einbegriffen." Der Referent schlägt vor, dass auch die Vereinigung für ange- wandte Botanik sich diesem Beschlüsse der Chemiker über die Gebühren- ordnung, wonach ein Minimalsatz von 5 Mk. für die Stunde für Gutachten und örtliche Besichtigungen etc. — nicht für die Teilnahme an Terminen (cf. § 4 der gerichtlichen Gebührenordnung) — als angemessen erachtet wird, anschliesst. In der folgenden De- 'i Kommissionsverlag Deutsche Bauzeitung. G. ra. b. H., Berlin S\V. 11. -) Beilage zur Zeitschrift für angewandte Chemie 11)0(5. XXIV Bericlit über die 4. Hauptversammlung der Vereinigung. hatte, an der sich Wieler, Wehmer, Ewert, Buchwald, Appel und Brick beteihgen, wird darauf hingewiesen, dass bei den Gerichten manchmal Schwierigkeiten entstehen werden. Dem wird entgegnet, dass man vorher dem Gerichte diesen Beschluss der Vereinigung mit dem Minimalsatz mitteilen könne. Man darf zwar ein gerichtliches Gutachten nicht ablehnen, aber man könne es aufschieben, was zumeist nicht im Interesse der Parteien liegen dürfte. Im übrigen besagt der Beschluss ja auch nur, dass dieser Preis als angemessen erachtet wird. F'ie Versammlung beschliesst gemäss dem Vorschlage des Referenten. Schluss der Sitzung 5^/^ Uhr. Der Abend vereinigte die Teilnehmer der Versammlung mit ihren Damen von 6'/2 Uhr an zu einem gemeinsamen Essen in dem an der Aussenalster gelegenen „Uhlenhorster Fährhause". Nach Aufhebung der Tafel überraschte die Teilnehmer beim Heraustreten in den Garten ein von der Hamburger Saatfirma Ernst & von Spreckelsen ge- spendetes, auf der Aussenalster abgebranntes Feuerwerk. Mittwoch, den 12. September, Sitzung von 9 — 12 Uhr im Hörsaale des Botanischen Gartens. Eine Zusammenkunft der Samenprüfungskonferenz war wegen der in unserer Vereinigung zu behandelnden Themen über Saatkontrolle für diesen Tag nicht angesetzt worden. Die k. k. Forstliche Versuchsanstalt zu Mariabrunn bei Wien hatte eine grössere Anzahl von Sonderabdrucken der Arbeit von Dr. E. Zeder- bauer: Die Keimprüfungsdauer einiger Koniferen, zur Verfügung ge- stellt und Hofrat Dr. Th. v. Weinzierl aus der k. k. Samenkontroll- station in Wien seine folgenden Arbeiten: 25. Jahresbericht der k. k. Samenkontrollstation (k. k. Landwirtschaftlich-botanische Versuchsstation) in Wien für das Jahr 1905, mit einer Übersicht über die Tätigkeit in den 25 Jahren des Bestandes (Wien 1906), Neue Apparate zur Samen- kontrolle (1. Verbesserter Sicherheitsbrenner für Keimapparate, 2. Dia- phanoskopkasten zum Durchleuchten von Samen, 3. Messlatte für Ge- treidehalme und Gräser), Regeln und Normen für die Benutzung der k. k. Samenkontrollstation in Wien (11. Aufl.), Modifizierte „Wiener Normen" für Zucker- und Futterrübensamen, sowie K. Komers und Diskussion: Phytopathologie und Samenkontrolle etc. XXV E. Freudl, Die Wertbestimmung des Rübensamens, und Probeziehungs- apparat für Rübensamen nach K. Komers, verbessert von E. Freudl, Als erster Redner erhielt Regierungsrat Dr. 0. Appel-Dahlem das Wort zu einem halbstündigen Vortrage: Das Verhältnis der Phytopathologie zur Samenkontrolle und zu den Sorteaanbauversuchen (s. S. 201 — 210). An den Vortrag knüpfte sich eine längere Besprechung. Hofrat Dr. v. Weinzierl-Wien bemerkt, dass die Krankheits- erscheinungen der Rübensamen im Keimbette nicht erwähnt worden seien. Das hypokotyle Glied wird hyalin und collabiert. Veranlasser sind Pythium de Baryanmn, PJwma hetae und Bakterien. Eine be- friedigende wissenschaftliche Erforschung ist bisher noch nicht vorge- nommen worden. In den Certiflkaten der Wiener Station wird den Ein- sendern — einige Zuckerfabriken beziehen für 20 — 100000 Kr. Rüben- samen — von dem Auftreten dieser Krankheitserscheinung Kenntnis gegeben und die Anzahl der kranken Keime gesondert genannt. Punkt 5 der modifizierten „Wiener Normen" für Zucker- und Futter- rübensamen (Wochenschrift f. Rübenzuckerindustrie in der österr.-ungar. Monarchie 1906, No. 36) beschäftigt sich mit diesen kranken Keimen. Eine Probe, in der mehr als 5*^/0 Keime krank erscheinen, ist als Saat- gut nicht geeignet; 3 ist als Grenzwert zu betrachten. Ein Rüben- samen mit 3 kranken Keimen oder Knäueln ist nicht zu beanstanden, wenn das Saatgut den übrigen Anforderungen entspricht. L. Kühle -Gunsleben bittet, die Fragen, die sich auf Rübensamen beziehen, bis nach seinem Vortrage zu verschieben. Prof. Dr. Edler -Jena verspricht sich von der von Regierungsrat Appel verlangten obhgatorischen Einführung der Prüfung auf Stein- brandsporen bei der Untersuchung von Saatweizen seitens der Samen- kontrollstationen nicht viel. Für den Landwirt hat eine solche Unter- suchung nur dann grösseren Wert, wenn selbst geringe Mengen Brand- sporen in der Saatware sicher nachgewiesen werden können. Das ist aber infolge der Schwierigkeiten der Probenahme bei schwach infiziertem Weizen ebensowenig möglich wie sichere Feststellung einzelner Klee- seidekörner in grösseren Posten Kleesaat. Die Untersuchungen auf Brand würden deshalb trotz der Einfachheit ihrer Ausführung zu häufigen Differenzen Veranlassung geben, besonders wenn der Landwirt infolge der attestierten Brandfreiheit den Weizen ungeheizt säet und dann doch in dem Feldbestande einzelne brandige Ähren findet. Stärker infiziertes Saatgut erkennt der aufmerksame Landwirt selbst als solches. Dr. Brick- Hamburg fragt an, wie sich Urophlyctis Alfalfae^ XXVI Bericht über die i. Hauptversammlung der Vereinigung. auf die bereits in der ausländischen Tagespresse aufmerksam gemacht wird, in Luzernesaat nachweisen lässt. Die Krankheit, die nach V. Lagorheim in Ecuador 1892 grösseren Schaden verursacht haben soll, ist bei uns 1901 in der Gegend von Basel (aber auf elsässischem Gebiete) und 1902 bei Colmar beobachtet worden, sie soll auch in ver- schiedenen Orten in der Schweiz und in Italien sowie neuerdings im südöstlichen England aufgetreten sein. Die VerIJreitung des Pilzes kann man sich nicht anders vorstellen, als dass seine Sporen zufällig mit dem Saatgut verschleppt und zugleich mit dem Luzernesamen aus- gesäet worden sind, daher würde ein Auffinden der Sporen im Saatgute von wesentlichem Interesse sein, Dr. Hillinaiin -Berlin weist auf die Schwierigkeit hin, die Menge des Brandes an der Saatprobe im Laboratorium festzustellen. Bei der Feldbesichtigung kann man die Anzahl der Steinbrandähren dagegen sehen und beurteilen. In diesem Jahre ist ein besonders starkes Auf- treten des Steinbrandes (T'iUeüa) zu beobachten gewesen. Von 82 an- gemeldeten VS'interweizenfeldern konnten 17 von der Deutschen Landwirt- schafts-Gesellschaft wegen Steinbrandes für die Saatenanerkennung nicht als ausreichend erachtet werden, und ausserdem wurde 12 mal Steinbrand in einzelnen Ähren beobachtet. Die Krankheit ist zwar leicht zu be- kämpfen, aber die Massregeln werden vom praktischen Landwirt nicht genau genug ausgeführt. Bei tlen Sortenanbauversuchen der D. L. G. ist von vornherein auf Feststellungen der Pflanzenkrankheiten geachtet worden. Jeder Versuchsansteller ist ausserdem angewiesen, in Zweifels- fällen kranke Pflanzen den Auskunftsstellen für Pflanzenschutz oder der Biologischen Reichsanstalt in L~)ahlem einzusenden. Dr. Buchwald -Berlin führt aus, dass die Brandsporen in der Müllerei ebenfalls eine Rolle spielen wegen ihrer Verunreinigung der Kleien. Um ein Bild von der Menge der Brandsporen in Kleien zu er- halten, ist vom Redner schon seit Jahren die von Herrn Regierungsrat Appel empfohlene Methode angewendet worden. Bei den Untersuchungen ist auch versucht, durch Zählungen festzustellen, wie viel Brandsporen in einer Brandkugel vorhanden sind, und die Zahl auf 2'/2 '^^^ 3 Millionen berechnet. Hieraus geht hervor, dass, wenn in einem Weizenfelde eine einzige Ähre brandig ist, später jedem Weizenkorn der Ernte Sporen anhaften. Es dürfte daher schwer sein, eine Grenze für die zulässige Anzahl von Brandsporen im Saatgetreide für die Saaten- kontrolle festzulegen, denn wenn ein Weizenkorn mit Brand infiziert ist, sind es alle desselben Postens. — Zu der Frage, den Weizen ohne Desinfektion mit Bordelaiser Brühe u. dergl. von Brandsporen zu befreien, weist Redner darauf hin, dass in den Mühlen der brandige Weizen Diskussion: Phytopathologie und Samenkontrolle etc. XXVII mit viel Wasser gewaschen wird. Gewaschener Weizen ist nachher vollkommen frei von Brand und liefert brandfreies Mehl und brandfreie Kleie. Prof. J. Vafiha- Brunn empfiehlt die Vorschläge von Appel. Es wird aber noch vieler Studien bedürfen, um mit Sicherheit vorgehen zu können. An der Brünner Landesversuchsstation wird bei den Samen- untersuchungen schon seit 8 Jahren auch die Saat auf Pflanzen - krankheiten untersucht, wenn es verlangt wird. Redner möchte noch auf einige andere gefährliche und sehr verbreitete Pilze aufmerksam machen, so besonders auf Helminthosporium der Gerste, durch das oft '/g und mehr der Ernte verloren geht. Dadurch werden auch die Resultate der Sortenanbauversuche sehr beeinflusst. Auch bei Kartoffeln sind viele Ki^ankheiten, die noch nicht genau studiert sind. Die Ring- krankheit der Kartoffel ist vorher schwierig zu erkennen, und man muss die Knolle durchschneiden. Es sind ferner die Braunfleckigkeit der Knolle und die vom Redner beschriebene Blattbräune (Spondes- mium solaui varians) oder Dürrlleckigkeit zu beachten, L. Külile-Gunsleben bemerkt, dass man die von Herrn Regierungsrat Dr. Appel erhobene Forderung nicht ohne weiteres von der Hand weisen könne und dass vom Standpunkte des Züchters aus Einwendungen hiergegen nicht erhoben werden k("»nnten um so weniger als es für diesen ziemlich einfach sei, sein Saatgetreide steinbrandfrei abzuliefern. Nach den Feststellungen des Freiherrn v. Tubeuf, auf dessen Veranlassung nach seinem Fortgange von Berlin Regierungsrat Dr. Appel im Verein mit Kühle die diesbezüglichen Versuche in grossem Massstabe aus- führte, werden die Sporen des Steinbrandes sicher abgetötet, wenn man den infizierten Weizen 10 Minuten lang einer Temperatur von 70° aussetzt, während die Keimfähigkeit des Weizens von dieser Temperatur in keiner Weise beeinflusst wird. Mit einem Trockenapparat ist wohl jeder moderne Züchter heute versehen ; er hat also nichts weiter nötig, als den Weizen in der angegebenen Zeit bei der angegebenen Temperatur den Trockenapparat passieren zu lassen und in sterile Säcke aufzufangen. Dass dieses Verfahren grosse Vorzüge vor den seither bekannten be- sitzt, liegt auf der Hand. Der entbrandete Weizen kann beliebig lange aufbewahrt werden. Die Laboratoriums versuche, sowie die in Dahlem und auf dem Rittergute Aderstedt angelegten Versuchsfelder haben be- wiesen, dass das Verfahren prompt wirkt. Wenn nun die Entbrandiing mit Hilfe eines Trockenapparates so einfach ist, so kann man es nicht als Härte bezeichnen, wenn Bestimmungen getroffen werden, dass der Züchter niu* dergestalt behandeltes Saatgut abliefert. • Hofrat Dr. v. Weinzierl schüttelt die Probe mit Chloroform und XXVIII Bericht über die 4. Hauptversammlung der Vereiniguno-. erhält dadurch die Brandsporen. Mit einem Okularraster werden die Sporen dann gezählt. 10 Brandsporen im Gesichtsfelde sind z. B, gleich ^/,oo Gewichtsprozent. Welche Menge von Brandsporen, Tilletia caries und T. levis, in einer Probe geduldet werden kimne, hängt be- kanntlich von dem Grade der schädigenden Wirkung der Sporen dieses Pilzes auf die Verdauungsorgane der betreffenden Tiere ab. eine Frage, welche bisher gänzlich einwandfrei noch nicht entschieden ist. Es ist gelungen, Rumex hymenosepalus iri Niederösterreich auf Sandboden mit Erfolg zu kultivieren. Im zweiten Jahre jedoch treten Krankheitserscheinungen auf, die in Flecken des Laubes und Ver- schrumpfen der W^irzeln bestehen, so dass die Kulturen besonders nach trockenem warmen Prülijahrs weiter arg geschädigt werden. Der Pilz ist, nach der Bestimmung der k.k. Pflanzenschutzstation in Wien, Phyllosticta Acetosae Sacc. Regierungsrat Dr. Appel antwortet auf die verschiedenen ge- äusserten Fragen in seinem Schlussworte: Pütterungsversuche mit Brandsporen sind neuerdings wieder in der Kaiserl, Biolog. Anstalt aus- geführt worden und zwar mit Schweinen und Geflügel, da gerade für diese beiden Tiergattungen noch eine Nachprüfung der bisher vor- liegenden Versuche wünschenswert erschien. Die benutzten Tiere wurden geschlachtet und dadurch festgestellt, dass selbst beim Ver- füttern sehr grosser Mengen von Brandsporen nicht nur keine äusser- lich bemerkbare Beeinflussung der Tiere durch brandhaltiges Futter stattfindet, sondern dass auch keinerlei vorübergehender Reiz auf die inneren Organe ausgeübt wird. — Das Waschen des Weizens, um ihn vom Brand zu befreien, ist sehr bekannt und zuerst von Linhart be- sonders empfohlen worden, aber auch in dem Flugblatt (No. 28) der Kaiserl. Biolog. Anstalt über den Steinbrand des Weizens als ein wesent- liches Mittel im Kampf gegen den Steinbrand angeführt. Durch Waschen mit warmem Wasser kann man einen Zustand erzielen, der praktisch als brandfrei bezeichnet werden kann. Bei der im Vortrage geforderten Untersuchung auf anhaftende Steinbrandsporen ist nicht eine prozentuale Feststellung verlangt worden; der Praktiker kann aber sehr wohl eine Untersuchung verlangen, die ihn in die Lage versetzt, zu entscheiden, ob er beizen muss oder nicht. Es ist dies um so wichtiger, als der Steinbrand nicht durch Infektion vom Boden aus, sondern aus- schliesslich durch das Saatgut verbreitet wird. Die in dem Vortrag mitgeteilte Methode des Nachweises durch Ausschütteln wird aber allen Anforderungen der Praxis vollkommen gerecht. Wenn auch jetzt noch die Samenkontrollstationen — vielleicht weil sie nicht überall über botanisch geschulte Kräfte verfügen — , diesen Untersuchungen gegen- Diskussion : Phytopathologie und Samenkontrolle etc. XXIX Über sich ablehnend verhalten, so dürfte sich dieser Standpunkt kaum auf die Dauer aufrecht erhalten lassen, da die Praxis sicher mit der Zeit einsehen wird, welche Vorteile ihr aus einer solchen Untersuchung erwachsen und diese dann fordern wird. Auch der Samenhandel hat an derartigen Untersuchungen ein Interesse, da es sehr wohl möglich ist, ein Saatgut, das frei von ansteckungsfähigem Steinbrand, Roggen- stengelbrand, Haferbrand und gedecktem Gerstenbrand ist, zu liefern. Die einzige Schwierigkeit in dieser Beziehung liegt zurzeit nur noch im offenen Gerstentlugbrand und im Weizenflugbrand, deren direkte Bekämpfung noch nicht mit Sicherheit möglich ist. Bezüglich einer Verbreitung von Urophlycüs und Hehnhifhosporium ist dem Redner nichts Genaues bekannt. UrojMyctis ist bis jetzt auch noch nicht als durch Saatgut verschleppbar verdächtigt, wohl aber Hehn'inthosporiii'))}. Der letztgenannte Pilz ist in diesem Jahre besonders stark aufgetreten und die dadurch hervorgerufene Beschädigung vor allem deshalb gross, weil er nicht nur die bekannte Streifen krankheit der Blätter, sondern auch eine Taubheit der Blüten hervorgerufen hat. Diese kam dadurch zustande, dass der Befall ein sehr frühzeitiger war und der Pilz schon auf den noch in der Knospenlage befindlichen Blättern sich ansiedelte und von diesen dann auf die noch in den Scheiden steckenden Ähren und Halme überging. So befallene Pflanzen brachten keine Körner und zeigten ein bräunüches, nicht mit der so- genannten Weissährigkeit zu verwechselndes Aussehen. Die Höhe des Befalles war häufig 10 — lö^/g und erreichte in einzelnen Fällen bis 30*^/0 Ährenausfall. Da eine Reihe von Feldern besichtigt werden konnte, auf denen mit Kupfer gebeizte Wintergerste ausgesät war, konnte festgestellt werden, dass eine Saatgutbeize nicht geholfen hatte. Gegen den Einwand, dass jetzt schon Sortenversuehe auch ohne Mit- wirkung eines Pathologen und ohne Gefahr, verdeckte Fehler zu übersehen, durchgeführt wurden, legte der Vortragende nochmals dar, dass es sich bei der Mitwirkung von Pathologen an Anbauversuchen nicht um den Nachweis allbekannter Krankheiten, wie Rost, Brand usw. handeln könne, sondern um die Beobachtung des Gesundheitszustandes der Pflanzen im allgemeinen. Gerade in dieser Hinsicht würden durch Auf- linden nicht allgemeiner Krankheitserscheinungen, wie z. B. Ophioholus, Fusarium vasin fectum (St. Johanniskrankheit der Erbse) u. a. m. diese Versuche wesentlich an Zuverlässigkeit gewinnen. Von 10^^ bis 10^^ sprach L. Kühle-Gunsleben über den Einfluss des Schälens von Rübensamen auf die Keimung [maschinelle Entferntmg der PerigonhüUe] (s. S. 190 — 200). Dem Vortrage folgte eine längere Diskussion. XXX Bericht über die 4. Hau])tversammlung der Vereinigung. Direktor Dr. Hiltiier-Miinchen hat das Verfahren, die Rübonsaraen mit Schwefelsäure zu l)ehandeln, vorgeschlagen. Er steht auch heule noch auf dem Standpunkte, dass dieses Verfahren praktisch durch- führbar, da nur eine geringe Benetzung notwendig ist. Es wird der doppelte Zweck erreicht, die Perigonhülle zu entfernen, die Organismen zu zerstören und die sog. Hartschaligkeit zu beseitigen. Die Versuche in Dahlem sind mit drei verschiedenen Erden, typischen Rübenböden, gemacht worden. Die mit Schwefelsäure gebeizten Samen lieferten in der Zäh- ringer und in der Dahlemer Erde viel mehr Keimpflanzen als in der dritten, aus Wintorbergshof in der Uckermark stammenden Erde. Durch die Behandlung werden die Samen dem filinfluss der Bodenorganismen zugänglich. Eine Infektion mit Wurzelljrand kann von der Erde und von den Knäueln aus erfolgen. Die Wurzel ist fast immun gegen die verschiedenen Organismen. Erst wenn die Perigonhülle eine Zer- setzung erfahren hat, wobei besonders Oxalate auftreten, wird eine Dis- position geschaffen, wodurch eine Infektion eintreten kann. Die von Prof. Sigmund aus Prag im Münchener Laboratorium ausgeführten Versuche haben hierfür eine weitere Bestätigung gebracht. — Es muss Protest dagegen erhoben werden, dass in Österreich dem Vorkommen von Fhoma betae an den Knäueln so grosses Gewicht beigelegt wird, so dass z. B. 1 — 2 °/o kranke Knäuel zum Zurückweisen der Ware dienen können. — Geschälte oder gebeizte Samen bieten auf guten Rübenböden einen grossen Vorteil: ein rascheres und durch Beseitigung der eventl. vorhandenen Hartschaligkeit zahlreicheres Auflaufen. E>ie Frage, ob das Schälverfahren oder das Verfahren mit Schwefelsäure den Vor- zug verdient, kann nur durch weitere Versuche entschieden werden. Prof. A^aüha-Brünn teilt mit. dass seine auf verschiedenen Boden- arten und in sterilisiertem Boden angestellten Versuche mit geschältem und nicht geschältem Samen derselben Sorte folgendes ergeben haben: Bei Freilandversuchen mit geschältem Samen hat man keine guten Er- fahrungen gemacht. Es zeigte sich dieselbe Zahl wurzelbrandiger Pflanzen bei geschältem und ungeschältem Samen. Die l'rsache des Wurzelbrandes liegt teils im Samen, teils im Boden: in sterilisiertem Boden entstehen aus geschältem Samen einige Prozent kranker Pflanzen weniger. Es trat aber auch eine Krankheit der Rübenwurzel auf, die bisher noch nicht bekannt ist, wahrscheinlich bakterieller Natur. Jedoch auch zwei Fälle von Trockenfäule sind vorgekommen. Bei dem Schälen er- folgt also keine vollkommene Sterilisierung. Auch bei dem mit Schwefel- säure behandelten Samen bekommt man in sterilisiertem Boden noch einige Pflanzen mit Wurzelbrand. Die Krankheitskeime sind also wohl auch im Innern der Samen. Diskussion: Schälen der Rübensamen etc. XXXI Dr. Fraukfiirt-Kiew bemerkt, dass bei reichlicher Feuchtigkeit sich keine bedeutenden Unterschiede zwischen geschältem und ungeschältem Rübensamen in der Keimung ergeben. Es hängt mit den Vegetations- bedingungen zusammen, ob eine Rübenpflanze erkrankt oder nicht. Das schnellere und kräftigere Auflaufen der Samen ist von weit grösserer Bedeutung besonders für Russland, da schnell gesät werden muss und nur wenig Feuchtigkeit im Boden vorhanden ist. Man keimt in manchen Gegenden die Samen vorher an. Das ist aber ein sehr ge- fährliches Verfahren, namentlich wenn nach der Aussaat sogleich die Trockenheit anfängt. Schnelles Auflaufen der Samen ist in Russland sehr notwendig. Dr. Raatz-Kl. Wanzleben bemerkt, dass die sog. Hartschaligkeit des Rübensamens von der Hartschaligkeit der Leguminosen gänzlich verschieden sei. Während bei den Leguminosen die Samen haut das Eindringen des Wassers verhindere, könnten die latent keimfähigen Rübensamen — ebenso wie frisch geerntetes Getreide — vollständig durchtränkt im Keimbett liegen, ohne zu keimen. — Schimmelpilze, welche die Keimpflanzen im Apparat ergreifen, werden im Ackerboden von Bakterien befallen, so dass sie nicht zur wirksamen Entwickelung kommen. Dr. Miltner: Von einer Hartschaligkeit der Rübensamen im Sinne der Leguminosensamen kann allerdings nicht gesprochen werden, wohl aber kommt bei den Rübenknäueln eine Erscheinung vor. die in der Wirkung vollkommen gleich ist, dass nämlich das Wasser nicht zu den Samen gelangen kann, weil der Fruchtdeckel sich nicht leicht löst. In gewissen Jahren spielt diese Art der Hartschaligkeit, die bis zu 30 und 40 "/o steigen kann, eine praktisch recht beachtenswerte Rolle. Dr. ßaatz: Die Anschauung, dass die Lossprengung des Keim- deckels durch irgend ein Verfahren zu einer besseren Keimung führe, sei wohl nicht haltbar, Rübensamen, die sich trotz der im Keimbett genügend vorhandenen Feuchtigkeit als trocken resp. ungequollen er- weisen, werden fast niemals gefunden. Dr. Hiltner: Die beregte Erscheinung zeigt nicht eine Nachreife- bedürftigkeit an, wie sie bei Getreidekörnern so häufig sich äussert, sondern sie ist im Gegenteil die Folge von Überreife. L. Kühle erwidert sodann, dass die Ansicht von Dr. Raatz schon durch Direktor Dr. Hiltner richtiggestellt sei. Es sei richtig, dass nach dem besten Schäl- und Beizverfahren noch kranke Keime vor- kommen. Es habe dies, wie er bereits ausgeführt habe, seinen Grund eben darin, dass unter jeder Samenpartie, somit auch unter jeder zu den Keimversuchen verwandten Probe Samenknäuel vorhanden sind, bei XXXII Bericht über die 4. Hauptversammlung der Vereinigung. denen bereits der Embryo in der Pruchthfihlo infiziert war; in solchen Fällen sei eine Heilung natürlich ausgeschlossen. Unter den weitaus ungünstigeren Bedingungen des Freilandes kommt solcher Samen über- haupt nicht zur Keimung. — Was nun die Ausführungen des Hofrat Dr. von Weinzierl über den Passus der neuen Wiener Normen an- langt, nach welchem über 3 kranke Keime hinweggesehen werden könne, wenn der Samen im übrigen den an ihn zu stellenden An- forderungen genüge, so sei darauf zu erwidern, dass die Beziehungen der Krankheitserscheinungen im Keimbett zu denen im Freilande noch nicht genügend geklärt seien, um zu solchen, in den gesamten Rüben- samenhandel tief einschneidenden Massnahmen zu schreiten, wie sie die neuen Wiener Normen vorschlagen. Diese Anregung sei schon früher von Prof. Li n hart auf dem internationalen Chemikerkongress in Berlin ge- macht, dort aber unter der eben genannten Begründung, zu der sich besonders Geheimrat Dr. Ad er hold, Prof. Hollrung und Regierungsrat Hiltner äusserten, abgelehnt worden. Der Nachweis, welche Keime kontagiös erkrankt seien und welche nur so scheinen, sei nach dem grobsinnlichen Befunde überhaupt nicht zu führen und erfordere in jedem Falle eine bakteriologische Untersuchung. Jedenfalls müssten die Samenzüchter bei den unausbleiblichen Differenzen auf dem bündigen Nachweise bestehen. Die Versuchsstationen würden sich hiermit eine böse Last aufladen und häufig das Dichterwort von „den nicht wieder loszuwerdenden Geistern" zitieren; auch müsse unbedingt gefordert werden, dass jede Möglichkeit einer Infektion im Keimraume der Ver- suchsstationen ausgeschlossen werde. Aber auch im sterilsten Keim- bette könne man mit ganz gesundem Samen kranke Keime erzielen. Hierbei spielen die äusseren Bedingungen, besonders aber das Wasser, eine grosse Rolle. Reg.-RatDr. Hiltner habe seinerzeit auf dem erwähnten Chemikerkongresse bemerkt, dass er mit Berliner Wasser kranke Keime erzielte, während bei der Verwendung von Münchener Wasser die Keime aus demselben Saatgute vollständig gesund geblieben seien. So seltsam dies scheine, so werde es doch durch die eigenen Untersuchungen des Redners bestätigt. Diese haben ergeben, dass Wasser mit einem hohen Gehalt an Chloralkalien scheinbar kranke Keime verursache; die in diesem Falle festgestellte Bräunung der Keime sei jedoch gänzlich un- bedenklich und beruhe aut physiologischen Ursachen. Auch könne eine Bräunung der Wurzelrinde, wie Hiltner und Peters nachgewiesen haben, auf einer Einwirkung von Schutzbakterien beruhen. Aus alle- dem gehe hervor, dass Schwierigkeiten unvermeidlich seien. 3 kranke Keime könnten sehr leicht festgestellt werden; die Rübensamenzüchter würden bei strenger Durchführung der neuen Wiener Normen unter Diskussion: Schälen der Rübensamen etc. XXXIII Umständen sehr geschädigt. Hierfür folgendes Beispiel: Ein nach An- kunft am Bestimmungsorte untersuchter Waggon enthält 3 oder mehr kranke Keime. Der Abnehmer möchte aus irgend einem Grunde von der Übernahme der Saat loskommen und stellt ihn auf Grund dos dies- bezüglichen Passus der neuen Wiener Normen zur Verfügung. Der Waggon hat bei weiten Entfernungen unter Umständen 400 — 500 Mark Fracht gekostet. Es bleibt dem Samenzüchter, wenn die Übernahme wegen des Vorhandenseins von kranken Keimen abgelehnt wird, nichts anderes übrig, als entweder die Saat im Bestimmungslande zu jedem Preise loszuschlagen oder aber unter Tragung der gleich hohen Rück- fracht zurückzunehmen. Da er solche Verluste nicht ohne weiteres auf sich nehmen kann, so werden Rechtsstreitigkeiten die Folge sein, in denen das Gutachten der Versuchsstationen das letzte Wort zu sprechen hat. Redner glaubt kaum, dass nach den jetzt vorliegenden Ergeb- nissen der wissenschaftlichen Forschungen irgend eine Versuchsstation die Verantwortung dafür auf sich nehmen könne, dem angeblich er- krankten Samen eine unanfechtbare Diagnose und Prognose zu stellen, auf Grund deren ein richterliches Urteil abgegeben werden könne. Prof. L inhart habe sich ein unstreitiges Verdienst durch seine Arbeiten auf diesem Gebiete erworben. Es sei mit Freuden zu begrüssen, dass auch die Wiener Station diesen Fragen ihre Aufmerksamkeit schenke und dieselben in gründlicher Weise bearbeite, denn Klärung auf diesem Gebiete sei nicht zuletzt im Interesse der deutschen Rübensamenzüchter erforderlich. Es könne aber nicht zugegeben werden, dass die not- wendige Klarheit schon heute bestehe, und deshalb sei davor zu warnen, auf Grund der heutigen Forschung eine neue Norm für den Handel festzusetzen. ■ Um iP^Uhr erhält das Wort Prof. J. Vafiha-Brünn zu einem Vortrage: Die Qualitätsprüfung der Braugerste (s. S. 88 — 97). Die Diskussion hierüber sollte auf Wunsch des Vortragenden in einer Sitzung der Konferenz für Samenprüfung stattfinden (s. S. 343 — 344). Die vom Vortr. gemachten Vorschläge wurden dem Ausschusse für Samen- prüfung zur weiteren Bearbeitung für die nächste Konferenz überwiesen. Als letzter Vortragender in der Sitzung spricht von 11^° Uhr ab Dr. P. Mllth-Oppenheim über Die hifektion von Sämereien durch Mikroorganismen im Keimbett.') Das Wort zur Diskussion wird nicht gewünscht. 1) Die Arbeit wird im nächsten Jahresbericht erscheinen. .Tahresbei'icht der Vereinigung für ungew.indte Botanik IV. JJJ XXXIV Iknicht über die 4. Hauptversammlung der Vereinigung. Für 2'/2 ^^^^ ^^^ sodann eine Besichtigung der im Freihafen (Versmannkai) belegenen Pruchtschuppen und der Station für Pflanzenschutz angesetzt. Kaidirektor Winter erläuterte zunächst den zahlreich erschienenen Teilnehmern und ihren Damen den Betrieb im Hamburger Hafen und speziell der 3 Fruchtschuppen, Dr. Brick die Einfuhr von Südfrüchten (Apfelsinen, Mandarinen, Zitronen, Ananas, Bananen, Kokosnüsse), Weintrauben und amerikanischem Obst, wobei er auf das kleine Büchlein von G. Schmidt, Hamburgs Südfruchthandel einst und jetzt (2. Aufl., Hamburg 1905), und die Jahresberichte iler Station für Pflanzenschutz hinwies. Im Fruchtschuppen A lagerten ausser Früchten Waren pflanzlicher Abstammung der verschiedensten Art, da zur Zeit der geringen Fruchteinfuhr die Schuppen auch für die Löschung anderer Güter benutzt werden. Der Fruchtschuppen B war leider zur Hälfte leer, da der erwartete Dampfer mit Südfrüchten nicht recht- zeitig eingetroffen war; dafür konnten an ihm aber der Bau, die Heizungsanlagen und andere Einrichtungen um so besser besichtigt werden. In der an den Fruchtschuppen B angrenzenden Station für Pflanzenschutz, die hauptsächlich der Kontrolle der eingeführten Pflanzen und des amerikanischen Obstes dient, hatte Dr. Brick eine Ausstellung von Präparaten der in der Station und auf Exkursionen ge- sammelten Pflanzenschädlinge veranstaltet. Hervorzuheben sind darunter die Sammlungen der dem Obst- und Gartenbau schädlichen Schildläuse sowie die Parasiten des amerikanischen Obstes. Viel bewundert wurde auch eine (ohne Wurzelballen) 140 cm hohe, regelmässig gewachsene und voll beastete Araucaria cxcelsa, die als einjähriger Sämling im April 1900 in Wasserkultur genommen worden war, jetzt also ö'/a Ji^hre alt ist; als Nahrung für die Pflanze wird dem Wasser Wagnersches Nährsalz in Konzentration von 0,2 °/o zugesetzt. Aufgestellte mikro- skopische Präparate zeigten die bei der Kontrolle des amerikanischen Obstes hauptsächlich in Frage kommenden Parasiten, besonders die San Jose-Schildlaus [Aspir/lotus perniriosus). Der Rückweg wurde aussen an der Wasserseite der Fruchtschuppen genommen, um die Ein- richtungen tür Lösch- und Ladezwecke zu besichtigen. An dem gegen- überliegenden Ufer des Baakenhafens lagen die grossen Dampfer der Woermann-Linie (nach Westafrika), der Deutschen Ostafrika-Linie und der Deutschen Levante-Linie. Um 4 Uhr erwarteten am Fruchtschuppen A zwei Hafendampfer die Gesellschaft, die sich durch neue Ankömmlinge aus der Freien Ver- einigung der systematischen Botaniker und Pflanzengeogi'aphen vermehrt hatte, zu einer Hafenfahrt, die in einstündiger Fahrt durch die aus- gedehnten Hafenanlagen an den nach allen Weltrichtungen fahrenden Hafenfahrt. XXXV grossen Dampfern und Segelschiffen vorbeiführte. Gelandet wurde an dem Kai der Kuhwärder Häfen, um dort zunächst das grosse Elek- trizitätswerk, sodann die Werkstätten und Kaischuppen der Ham- burg-Amerika-Linie in Augenschein zu nehmen. Ungeheure Waren- mengen aller Art aus Amerika und Ostasien waren hier aus den riesigen Dampfern dieser Linie gelöscht worden. Einer dieser mächtigen Dampfer, die nach New York fahrende 13 333 t grosse „Pennsylvania", wurde sodann in allen Räumlichkeiten und Einrichtungen einer eingehenden Besichtigung unterzogen. In dem schönen Speisesaale der 1. Kajüte dieses Dampfers fanden sich um 6V2 Uhr die Teilnehmer und ihre Damen wieder zusammen zu einem von der Hamburg-Amerika- Linie dargebotenen Essen. Direktor Dr. Ecker begrüsste die Gäste im Namen der Hamburg-Amerika-Linie. Hofrat Dr. von Weinzierl- Wien feierte die Gastgeberin, hob ihre Bedeutung für den Welthandel hervor, dankte für die Bereitwilligkeit, mit der sie die Besichtigung ihrer grossartigen Anlagen und ihrer Schiffe gestattet hatte, und toastete auf das fernere Blühen dieser bedeutendsten Schiffahrtsgesellchaft der Welt. Die Eligenartigkeit des Raumes, der für viele der Anwesenden neue Aufenthalt in einem elegant ausgestatteten Speisesaal eines modernen transatlantischen Dampfers, die schön geschmückten Tafeln, das vor- zügliche Mahl und die Liebenswürdigkeit der Herren von der Hamburg- Amerika-Linie werden allen Teilnehmern wohl in dauernder Erinnerung bleiben. Um 10 '/a Uhr brachten die Hafendampfer die Gesellschaft wieder aus den Kuhwärder-Häfen nach dem andern Eibufer. Donnerstag, den 13. September. Sitzung von 9 — 1:^ Uhr im Hörsaale des Botanischen Gartens. Für diese Sitzung waren Themen aus dem Gebiete der Phyto- pathologie angekündigt. Vorher aber erhielt das Wort ein Redner, dessen Vortrag in der gestrigen Sitzung wegen der vorgerückten Zeit von der Tagesordnung abgesetzt werden musste. Direktor 0. Qvam-Christiania sprach von 9^4 — 10 Uhr über Beziehung zwischen Keimfähigkeit und Atmungsintensität (s. S. 70-87). Das Wort zur Diskussion wird nicht gewünscht. Ill* XXXVI Bericht über die -i. Hauptversammlung der Vereinigung. Im nächsten Vortrage behandelte Prof. Dr. T. Jolilisoii-Dublin den Kartoffelschorf {Spoiigospora Solan/) |s. S. 112 — 115 u. Taf. III]. Reg.-Rat Dr. Appel-Dahlem teilt mit. dass es ihm bis jetzt trotz vielfacher Bemühung noch nicht gelungen ist, lebendes Material des' SpongosjwraSchovfes aus L)eutschland zu erhalten. Die Untersuchung von Alkoholmaterial aus Wiesa in Sachsen, das aus der Frank sehen Sammlung stammt und jetzt in der Sammlung der Kaiserl. Biologischen Anstalt ist, hat keine Sporen erkennen lassen, stimmt aber sonst mit dem vom Vortragenden entworfenen Bilde des aus Irland stammenden Materials überein. Weiter macht Redner darauf aufmerksam, dass die Krankheit schon vor Brunchorst gut abgebildet und beschrieben worden ist und zwar 1856 durch C. E. von Mercklin in seinem Aufsatz: „Nachträgliche Bemerkungen zur Kartoffelkrankheit". Nach der Be- schreibung und vor allem nach der Abbildung kann es kaum zweifel- haft sein, dass die vorliegende -Krankheit, die Mercklin als Kartoffel- grind bezeichnet, identisch mit Spongospora Solani ist. Die etwas an Sponqospora erinnernden Abbildungen von v. Marti us, bei denen ähnlich aussehende, aber viel kleinere Inhaltskürper der Kartoffelzellen vorkommen, scheinen jedoch nicht hierher zu gehören. Vielmehr hat es V. Oven wahrscheinlich gemacht, dass sie anorganischen Ursprunges sind. Zum Schlüsse bittet Appel, auf die Erscheinung der >S[po?2_9'Ospora zu achten und ihm frisches Material zugänglich zu machen. Dr. P. Graebner-Berlin spricht darauf von lO^l^—iO'^U Uhr über nicht parasitäre Pflanzenkrankheiten der Heide (s. S. 164 — 174). Dr. F. Muth-Oppenheim bemerkt, dass Obstbäume in Oppenheim ganz ähnliche Erscheinungen zeigen wie das vom Vortragenden ge- schilderte Verhalten der Kiefernwurzeln in der Heide. Die <»bstl)äume bilden dort nur flach verlaufende und keine in die Tiefe gehenden Wurzeln, und ihr Wachstum ist reduziert. Die Ursache ist aber der hohe Wasser- stand des Rheines. Geh. Regierungsrat Dr. R. Aderliold-Dahlem zeigte sodann 1. in Formaldehyd konservierte Präparate vom amerikanischen Stachelbeermehltau (Sphaerotheca mors uvae), die den Pilz sowohl auf den Beeren als auch an den jungen Triebspitzen vor Augen führten, und verwies dabei auf die neue Auflage des von der Kaiserlichen Biologischen Anstalt ü})er diesen Pilz herausgegebenen Plugblattes (Nr. 35), aus welchem dessen bedauerlich weitgehende Verbreitung in Deutschland entnommen werden kann; 2. bakterienkranke Kirschbäumchon bzw. Kirschbaumteile vind Photographien von solchen sowie Kulturen und Abbildungen des Aderliold, Eakterienkranke Kirschbäumchen. XXXVII Erregers des Bakterienbrandes, Bacillus spoiigiosus Adrh. et Ruhld. Besonders interessant waren ein durch Transplantation von Rinden- stücken aus kranken Bäumen und ein durch Impfung mit diesem Bak- terium völlig bzw. l)is zum Wurzelhals herab zum Absterben gebrachtes Bäumchen. Eine vorläufige Mitteilung über den Gegenstand dieser Demonstrationen haben Aderhold und Ruhland in der II. Abteilung des Centralblattes für Bakteriologie und Parasitenkunde XV (1905), S. 376 und in Heft II, S. 18/19 der Mitteilungen aus der Kaiserlichen Biologischen Anstalt gegeben. Eine ausführliche Arbeit darüber wird demnächst in den ,, Arbeiten" derselben Anstalt folgen. (Aderhold.) Prof. Dr. Wortmanii-Geisenheim fragt, ob schon Bekämpfungs- mittel gegen den Bakterionbrand der Obstbäume gefunden worden sind. Geheimrat I)r. Aderhold: Vorläufig sind keine anderen Be- kämpfungsmittel vorhanden als sorgfältiges Aufsuchen und Ausschneiden der Brandstellen, wobei der Abfall "sorgfältig zu sammeln und zu ver- brennen ist. Abschneiden oder Ausroden und Verbrennen aller ein- gehenden Äste oder Bäume. Graf V. Ariiiin-Sclilas:eiitliin-Nassenheide fragt, ob von dem Bak- terienbrande auch andere Obstbäume als Kirschen heimgesucht w^erden. Geheimrat Dr. Aderhold: Ob auch andere Obstbäume als Kirsch- bäume unter demselben Bakterienbrande leiden, ist noch nicht sicher erwiesen. An mehreren Fundorten desselben litten Zwetschen, Pfirsiche und Aprikosen, je einmal auch Apfel unter äusserhch gleichen Er- scheinungen. Es ist aber bisher nicht gelungen, aus diesen Baumarten den Bacillus spongiosiis oder ein anderes Bakterium zu isolieren, mit dem Impfungen Erfolg gegeben hätten. Da Dr. Ruhland und ich indes uns zunächst auf das Studium der Kirschbaumkrankheit kon- zentriert und die ähnliche Krankheit anderer Baumarten nur gelegent- lich studiert haben, legen wir den negativen Ergebnissen keine Beweis- kraft bei, glauben vielmehr, dass es gelingen wird zu zeigen, dass Bacillus' spongiosus alle Steinobstarten und vielleicht auch das Kern- obst schädigen kann. Prof. Dr. €. Weinner-Hannover demonstriert Kulturen des Aspergillus gigaiiteus, eines durch seine ausserordenthche Grösse interessanten Pilzes, dessen Conidienträger diejenigen anderer Aspergillus -Arten um ca. das lOfache an Länge übertreffen, in Erlenmeyer-Kolben auf verschiedenen Sub- straten und hebt dabei hervor, dass dieser Pilz auch physiologisch von Interesse ist. Seine 2 — 3 cm langen Conidienträger sind aus- gesprochen positiv heliotrop: Dunkelheit verhindert ihre Entstehnng zu- XXXVUI Bericht über die 4. Hauptversammlung der Vereinigung. nächst ganz, sofern das Substrat kein besonders günstiges ist (Würze- Agar), auf guten Substraten (Würze, Würze-Gelatine, Graubrod) ist die Empfindlichkeit gegen Lichtmangel geringer. Ahnliche Beobachtungen sind schon von Brefeld, Gräntz. Lendner für einige Mucor- und Coprinus-P^vien sowie Piloholus inicrosporus mitgeteilt. Die ausge- stellten Kulturen zeigten den Einfluss von Licht und Dunkelheit auf die Conidienträgerbildung. Sehr empfindlich ist der Pilz auch gegen Wärme- einflüsse, während sein Optimum bei ungefähr 25 — 30 '^ liegt, hat man bei ungefähr 35° schon das Wachstumsmaximum, und wenige Grade über 40" töten Mycel wie Conidien ab. Dagegen ertragen die Conidien langjähriges Austrocknen, noch nach fünf Jahren sind sie fast un- geschwächt keimfähig. Technische Bedeutung hat diese Pilzart nicht, sie findet sich aber in der sauren Hefenmaische, wie sie in Brennereien zur Züchtung der Hefe dargestellt wird; immerhin scheint sie selten zu sein. Mikroskopisch ist sie kaum von Aspergillus davatus zu unterscheiden, nur die Maasse der Blase und des Stieles sind bei diesem geringer. Zum Vergleich lagen Kulturen von A. clavaiiis. A. niger, A. Wentii und A. fumigatus aus, (Wehmer.) Geheimrat Dr. Aderhold-Dahlem fragt, ob Perithecien erzogen WDrden sind oder nur Conidien, Prof. Dr. Welimer erwidert, dass bisher nur Conidien entstanden sind. Prof. Dr. P. Lindiier-Berlin : Hat der Pilz verzuckernde Eigen- schaften ? Prof. Dr. Wehmer: Physiologisch ist der Pilz noch unvollkommen erforscht, er verzuckert etwas, säuert und verflüssigt massig. Prof. Dr. H. Klebahn-Hamburg demonstrierte Präparate einiger von ihm untersuchten Pflanzenkrankheiten und gab dann eine kurze Be- sprechung der dieselben erregenden Pilze. L Die Blattfleckenkrankheit der Platanen. Die Zusammen- gehörigkeit der Gnomonia veneta (Sacc. et Speg.) Kleb., des Oloeosporium ntrvisequum (Puck.) Sacc, der Discula Platcmi (Peck) Sacc, des Sporonenia Plafani Bäumler und einiger weiterer, ursprünghch als selbständige Arten beschriebener Fungi imperfecti wurde in den Jahrb. f. wiss. Bot. XLL S. 515 eingehend nachgewiesen. Es werden Rein- kulturen aus den drei erstgenannten vorgelegt, deren vollkommene Über- einstimmung ein Hauptargument für den Zusammenhang bildet. 2. Krankheiten der Tulpen. Die Tulpen leiden in Holland und vielfach auch bei uns an zwei Krankheiten, die man bisher für eine einzige hielt. Die eine wird durch Bofrgtis parasitica Ca.\cira. erzeugt; sie ist mehr eine Krankheit der oberirdischen Teile. Aus angegriffenen Klebahn, Krankheiten der Tulpen und des Flieders. XXXIX Zwiebeln gehen aber nicht selten Tochterzwiebeln hervor, an denen die kleinen schwarzen Botn/fisSklevoiien festsitzen. Ausgepflanzt bilden solche Zwiebeln Ausgangsherde der Krankheit. Die andere Krankheit wird durch einen Pilz hervorgebracht, von dem bisher nur Mycel und Sklerotien, und zwar grosse, braune, lose sitzende nachgewiesen werden konnten, Sderotiuni Tiilfparwi/. Kleb. Derselbe zerstört die Zwiebeln, bevor sie zum Austreiben kommen, und bildet auf den Poldern, da die Sklerotien mindestens zwei Jahre infektionstüchtig bleiben, die in Holland als „Kwade plekken" bezeichneten Stellen, auf denen die Tulpen ganz oder fast ganz ausbleiben. Es wurden Präparate künstlich mit beiden Pilzen infizierter Tulpen, sowie der mit dem Sclerotium Tuli- jjarum nicht identischen Sclerotinia hulhorum Wakker vorgelegt. (Vgl. Jahrb. d. Hamburg, wiss. Anstalten XXII, 3. Beiheft.) 3. Eine neue Krankheit des Flieders, Si/rinya viügarls. Die Krankheit macht sich beim Priihtreiben des Flieders sehr unangenehm bemerkbar. Sie äussert sich darin, dass die Blütenknospen entweder überhaupt nicht austreiben oder nach kurzem Wachsen umfallen. Der nähere Grund besteht darin, dass entweder die Knospen selbst oder längere oder kürzere Strecken der Rinde, oft ganz unten an den Stämmen, gebräunt und abgetr)tet sind. In dem gebräunten Gewebe wurde in allen Fällen ein in die Verwandtschaft der Peronosporeen zu stellender Pilz gefunden, der Oosporen, aber keine Conidienträger be- sitzt {PhloeopJithora Syringae Kleb.). Wie die Infektion zustande kommt, ist noch nicht aufgeklärt, da die Oosporen nicht frei zu machen sind und andere Sporen fehlen. Es sprechen einige Beobachtungen dafür, dass dieselbe von der Erde ausgeht. Mit Hilfe kranker Rindenteile gelang es mehrere Male, Krankheit und Pilz zu übertragen. Es wurden Präparate beim Treiben umgefallener, den Pilz enthaltender Fliederblüten sowie Reinkulturen des Pilzes vorgelegt, der auf sterilen Miihren be- sonders gut wächst. (Vorlauf. Mitteilg. im Centralbl. f. Bakteriologie u. Parasitenkunde XV [1905], S. 335.) (Klebahn.) Graf V. Arnim- Seh la^"enthin fragt an, ob ein Bekämpfungsmittel versucht sei. Prof. Dr. Klebahu: Die Krankheit ist noch nicht genügend er- forscht. Eine andere Art des Einschiagens und Aufhebens der Flieder- stöcke, so dass der Stamm nicht mit Erde in Berührung kommt, sei vielleicht zu empfehlen. Geheimrat Dr. Aderliold-Dahlem fragt an, ob der Fliederpilz mit Aplianomyces levis verglichen worden ist. Diese Art kann Rübenkeim- linge angreifen. Es wäre möglich, dass beide Pilze identisch sind. XL Bericht über die 4. Haiiptversaiamlung der Vereinigung-. Prof. Dr. Weliiner-Hannover: Kann man Botrytis cinerea und B. parasitica auf den ersten Blick gut unterscheiden? Prof. Dr. Klebahii: Die morphologischen Unterschiede lassen sich schwer ausdrücken, sind auch wohl schwankend. B. cinerea bedarf noch genauerer Untersuchung. Entscheidend ist das biologische Ver- halten. Der Tulpenpilz geht nur auf Tulpen, nicht auf Hyazinthen, Narzissen und andere Pflanzen; Botrytis von Narzissen und anderen Pflanzen infizierte die Tulpen nicht. Schluss der Sitzung IP/4 Uhr. An die Sitzung schloss sich ein Rundgang durch den Bo- tanischen Garten unter Führung des Direktors, Prof. Dr. Zacharias. Zur gleichen Zeit, 9 — 12 Uhr, fand im Hörsaal B des Johanneum eine allgemeine Sitzung der Konferenz für Samenprüfung statt, und die Freie Vereinigung der systematischen Botaniker und Pflanzengeographen hielt im Hörsaal A des Johanneum ihre Sitzung ab, in der unter dem Vorsitz von Geheimrat Prof. Dr. Eng 1er -Berlin folgende Vorträge gehalten wurden: Prof. Dr. P. Kumm-Danzig; Die Fortschritte in der Sicherung von Resten ursprünglicher Pflanzenformationen. Prof. Dr. C. Weber -Bremen: Über die Vegetation und den Aufbau norddeutscher Moore. Prof. Dr. E. Gilg-Berlin: Die Verwandtschaftsverhältnisse und die geographische Verbreitung der amerikanischen Arten der Gattung Draha. Geheimrat Prof. Dr. A. Engler-Berlin: Gegenwärtiger Stand der Arbeiten an der „Vegetation der Erde", der „Natürlichen Pflanzen- familien" und dem „Pflanzenreich". Dr. L, Diel s- Berlin: Die Morphologie der Droseraceen. Am Nachmittage begaben sich um 2 Uhr die Teilnehmer mit ihren Damen zum Botanischen Museum (am Lübecker Tor), dessen Samm- lungen ebenso wie die Abteilung für S am enkon trolle und die im gleichen Gebäude untergebrachte Pharmazeutische Lehranstalt unter Führung von Dr. Brick, Dr. Hallier, Prof. Dr. Voigt und Prof. Ltr. Zacharias besichtigt wurden. Um 1/24 Uhr wurden am Museum bereit stehende Rundfahrtwagen bestiegen zu einer Fahrt um die Aussenalster durch die von Villen eingenommenen Stadtteile mit ihren schön gepflegten Gärten. Ein Teil der Gesellschaft verliess sodann die Wagen am Fischmarkt, um sich die in der Nähe gelegenen Lagerhäuser und Saatreinigungs- anstalten der Firmen Ernst & v. Spreckelsen und R. Lief mann STihne Nachfolger anzusehen. Die mächtigen Gebäude hatten zu Ehren ihrer Gäste ein festUches Gewand angelegt. Vom Giebel bis zum Saatreinigungsanstalten und Warenlagerspeicher. XLI Keller prangte alles im saubersten Weiss. Diese Speicher werden am besten mi't grossen Mühlenbetrieben verglichen. An einem Arm der die ganze Altstadt durchziehenden Kanäle, Fleete genannt, gelegen, können sie vermittelst kleinerer Kähne, sog. Schuten, die Ladungen auf dem Wasserwege aus den Seeschiffen übernehmen. Kräftige, oft noch recht altmodische Winden befördern die Saaten auf den (»bersten Boden. Von hier gelangen diese durch Zuleitungen in die auf dem nächst tieferen Boden aufgestellten Reinigungsmaschinen und fliessen aus diesen sofort in den darunter gelegenen Boden, wie die Stockwerke der Speicher all- gemein heissen, ab. So bleibt der abgereinigte Teil auf dem Maschinen- boden zurück und kommt mit der gereinigten Ware nicht mehr in Be- rührung. In den Reinigungs-, Putz- und Sortiermaschinen erkennt man zwar meist bekannte, allgemein übliche Modelle wieder, sie sind aber fast alle auf Grund der reichen langjährigen Erfahrungen der be- treffenden Firmen und aus dem Bestreben heraus, möglichst reine und gut aussehende Ware bei geringstem Verlust zu erhalten, für die speziellen Zwecke des Lagers verändert und verbessert worden und in ihrer Form Originale und Geheimnis des Besitzers. Von den Lagern wurden die Besucher dann in die Kontor- und Laboratoriumsräume ge- führt. In diesen wird eine exakte Samenkontrolltätigkeit ausgeführt. Die meist notwendigen schnellen Orientierungen über die Qualität eines Saatgutes machen eigene kleine Laboratorien für den Grosshändier zum dringenden Bedürfnis. Die Einholung eines Gutachtens selbst von einer nahe gelegenen Kontrollstation erfordert häufig noch zuviel Zeit. Gut geschulte und meist in einer Kontrollstation ausgebildete Damen waren hier eifrig auf der Suche nach Kleeseidekörnern und anderen Unkraut- samen oder bedienten und revidierten die vielen, sauber gehaltenen Keimapparate. Nach den ermüdenden Wanderungen über die vielen Treppen und Böden erwartete die Besucher im Privatkontor eine von den Besitzern freundlichst dargebotene Erfrischung. (Voigt.) Die Interessenten für Warenkunde fuhren bis zum Freihafen zur Besichtigung des Waren lag er Speichers der Firma Ockelmann & Cpn Sorten, die für zahlreiche Kaufleute hier die verschiedensten Waren zu Lager hat. Der Inhaber der Firma, Herr Beuk, hatte auf einem der Böden eine kleine Ausstellung seiner botanischen Schätze ver- anstaltet, die er den Besuchern bereitwilhgst zur Verfügung stellte. Auf den einzelnen Böden lagerten in der Originalverpackung die vielen Ballen, Säcke, Kisten u. ä. Tabak, Kaffee. Kakao, Koka, Brasilkautschuk,. Gummi Gelaton, Quebrachoextrakt, Gelbholzextrakt, Gummi arabicum, helles und dunkles Carnaubawachs, Lorbeerblätter, Muskatnüsse, Colo- quinten, Piment, Wolle, China-Ziegenfelle, Lammfelle, Mähnenhaare^ XLII Bericht über die 4. Hauptversammlung der Vereinigung. Kamelhaare, Bienen wachs, Glimmer, Marieuglas etc. Reichlich wurde von der Erlaubnis zum Mitnehmen kleiner Proben Gebrauch gemacht. Zu 8 Uhr abends hatte die Hamburgische Unterrichts- verwaltung zu einem Festmahle im Grundsteinkeller des Rat- hauses eine besondere Einladung ergehen lassen, der etwa 150 Botaniker und geladene Gäste Folge geleistet hatten. L)er Präses der Oberschul- beh()rde, Senator Dr. v. 3Ielle begrüsste die p]rschieniMien mit folgenden Worten ; Meine hochgeehrten Herren I Die Wissenschaft bedarf, wenn sie sich frei entfalten und erfolgreich weiter entwickeln soll, nicht nur der Geisteskraft und der rastlosen Arbeit der Gelehrten, sondern auch des Schutzes und der Förderung seitens des Staates, wie des gesicherten Friedens, der für jede Kulturarbeit die erste Bedingung ist. Stolz blicken wir Deutsche auf unser im Rate der Völker Achtung gebietend dastehendes Deutsches Reich und sein erhabenes Oberhaupt, den Deutschen Kaiser Wilhelm IL, der uns den Frieden erhalten hat, der allen Zweigen der Wissenschaft ein allezeit reges, persfmliches Interesse entgegenbringt und der Sorge trägt, dass neben den Einzelstaaten auch das Reich die Erfüllung wichtiger wissenschaftlicher Aufgaben in seine kräftige Hand nimmt. Doch die Wissenschaft, die eine universale geistige Macht ist, soll und kann nicht Halt machen an den politischen Landesgrenzen. Diese Erkenntnis hat nicht nur zu internationalen Gelehrtenkongressen geführt, sondern auch zum Zusammentreten von offiziellen Vertretern der ver- schiedenen Staaten behufs gemeinsamer Erörterung mannigfacher, für die Staaten selbst oder bestimmte Kreise ihrer Angehörigen bedeutsamer wissenschaftlicher Fragen und Probleme. Eine solche Versammlung staatlicher Delegierter ist die hier jetzt tagende erste internationale Konferenz für Samenprüfung. Dass sie als eine neue Etappe auf dem bedeutsamen Wege internationaler Beratung und Verständigung zustande gekommen ist, das danken wir dem bereitwilligen Entgegenkommen der in dieser Konferenz vertretenen Regierungen. Meine Herren! Ich fordere Sie auf, einzustimmen in den Ruf „Seine Majestät, der Deutsche Kaiser Wilhelm IL, Ihre Majestäten, die Souveräne und die hohen Staatsoberhäupter der hier vertretenen aus- ländischen Staaten, sie leben hoch!" In der darauf folgenden Ansprache wünscht der Redner der „an- gewandten Botanik" auch ferner das beste Blühen und Gedeihen. \A'enn Redner sich an die EröfTnungsfeierlichkeit erinnere, so müsse er an- erkennen, dass Prof. Drude für die angewandte Botanik ein Arbeitsfeld entrollt habe, das tiefer als sonst eine Wissenschaft in das praktische Bericht über die 4. Hauptversammlung der Vereinigung. XLIII Lebon hineinrage. Prof. Warburg habe sodann unserer Kolonialbotanik und tropischen Landwirtschaft die besten Wege zum Erfolg gewiesen, und die von ihm vorgeschlagene Resolution, welche die ' ungeteilte Zu- stimmung der Versammlung gefunden habe, sei in der Tat derartig, dass man nur den Wunsch hegen könne, dass Reichskanzler und Bundes- rat dazu ihre Zustimmung im Interesse der Kolonien geben möchten. Redner glaube, dass auch der Hamburger Senat diese Angelegenheit im Bundesrat unterstützen werde. Ebenso erfreuUch sei es, dass die internationale Samenkonferenz gutes Gedeihen ihrer Verhandlungen zu verzeichnen habe und nicht minder die dritte Gruppe, vertreten durch die Ptlanzen-Systeraatiker und -Geographen. Also überall ernste Arbeit. Die Anwesenden würden aber wohl auch von Hamburg den Eindruck gewonnen haben, dass hier ernst und tüchtig gearbeitet werde. Man habe Hamburg eine materielle Stadt genannt; dem sei aber nicht so. In Hamburg werde länger gearbeitet, als in vielen anderen Orten. Länger in dem Sinne, dass es in Hamburg keine Rentiers gebe. Wenn der der Kaufmann durch seine Söhne im höheren Alter im Geschäft ent- lastet werde, so stelle er immer noch seine Kräfte in den ehrenamt- lichen Dienst der hamburgischen Verwaltung, so dass man in Hamburg „in den Sielen sterbe". Aber eine materielle Stadt sei Hamburg darum noch lange nicht. Das zeige die vielfache Unterstützung, die hier wissenschaftlichen und anderen geistigen Bestrebungen zuteil werde. Das beweise ferner, wie Redner scherzend hinzufügte, schon das ein- fache Menü des Abends; es sei dieses Menü nur „angewandte Botanik" und etwas Zoologie in der Hoflnung, dass die Herren Botaniker nicht auch Vegetarier aus lauter Interesse für die Wissenschaft geworden seien. Der Toast klang aus in ein Hoch auf die gegenwärtig in Hamburg tagenden Vereinigungen für Botanik, denen auch auf den nun bevor- stehenden Ausflügen nach Vierlanden, in die Heide und nach Helgoland <3as „selten schöne" Hamburger Wetter weiter hold sein möge. (Nach Hbg. Premdenblatt No. 216.) Don Dank stattete Geh, Hofrat Prof. Dr. Drude- Dresden ab und brachte ein Hoch dem Chef der Hamburgischen Unterrichtsverwaltung. Herrn Senator Dr. v. Melle. Hof rat Dr. v. Weinzierl-Wien gedachte der Arbeit des Ortsausschusses, vor allem der hohen Verdienste des Herrn Prot Dr. Zacharias. Dieser wiederum dankte für die Anerkennung, gedachte seiner Mitarbeiter, Prof. Dr. Voigt und Dr. Brick, sowie der Hamburger Kaufleute, deren Geschäfte vielfach mit der angewandten Botanik in unmittelbarem Zusammenhange stehen, und feierte die an- wesenden Vertreter der botanischen Praxis. Schhesslich forderte Ge- hehnrat Prof. Dr. Engler-Berlin zu einem Hoch auf Hamburg auf. XLIV Bericht über die 4. Hauptversammlung der Vereinigung. Freitag, den 14. September, Yoji 9 — 12 Uhr Sitzung im Hörsaale des Botanischen Gartens, Als erster Vortragender sprach Dr. 3Iiir(lfteld-Hamburg über das Lignin und Kutin pflanzlicher Futterstoffe in chemischer und physiologischer Hinsicht'). In der Analyse einiger unserer Futter- und auch Lebensmittel spielt die sogenannte Roh- oder Holzfaser eine nicht zu unterschätzende Rolle. Die mannigfachen Methoden, welche in der angewandten Chemie zu ihrer analytischen Bestimmung ausgearbeitet wurden, sind jedoch alle mehr oder weniger konventioneller Natur, da sie unter den BegrifT der Roh- oder Holzfaser noch Stofte unterbringen, welche in den ül)rigen Anaiysendaten bereits bewertet werden. Das von J. König neuerdings vorgeschlagene Glyzerin-Schwefel- säureverfahren zur Bestimmung der Rohfaser, sowie das Wasserstoff- superoxyd-Oxydationsverfahren zur Bestimmung der Zellulose leidet wohl am wenigsten unter diesen Mängeln. Auf Veranlassung J. Kihiigs haben Dr. A. Pürstenberg und der Vortragende eingehende Unter- suchungen über die chemischen Bestandteile der Königschen Rohfaser angestellt und auch die Verdauung der einzelnen Bestandteile beobachtet. Die chemischen Untersuchungen hatten folgende Ergebnisse: Ausser geringfügigen Verunreinigungen durch N-Substanzen und Pento- sane bestand die nach dem Glyzerin-Schwefelsäureverfahren gewonnene Rohfaser der Gras- und Kleiearten aus drei Gruppen chemisch charak- terisierter Bestandteile: 1. aus den Zellulosen (nicht durch Wasserstoffsuperoxyd oxy- dierbaren, in Kupferoxydammoniak unlöslichen Substanzen): 2. aus den Ligninen (durch Wasserstoffsuperoxyd oxydierbaren,, in Kupferoxydammoniak unlöslichen Substanzen) und 3. aus dem Kutin (einem wachsähnlichen Körper, welcher weder durch Wasserstoffsuperoxyd noch durch Kupferoxydammoniak verändert wurde). Die Zellulosen zeigten (namenthch in der Weizen- und Roggen- kleie) nicht immer den theoretischen KohlenstofTgehalt von 44,44 "^/q,- 1) Siehe: A. Fürstenberg, Inaugur;d - Dissertation, Münster 19Ü5.. K. Murdfield, Inaugural-Dissertation, Münster 19ü(). J. König, Zeitschr. f. Unters, der Nahrungs- u. Genussmittel I (1898), S. 3; VI (1903), S. 769; VII (1906), S. 385. J. König, A. Fürstenberg u. H. Murdfield, Land- wirtsch. Versuchsstationen LXV (1906), S. 5;"). J. König, Ber. der Deutsch. Chem. Gesellsch. XTV (1906). Mui-dfield, Das Lignin und Kutin pflanzlicher Futterstoffe etc. XLV entsprechend der Formel (Gg H^^3 O5) n, wenngleich sie sich durch ihr sonstiges Verhalten durchaus nicht von der wahren Zellulose unter- schieden. Sie lieferten teilweise merklich höhere Kohlenstoffwerte; es wurde festgestellt, dass diese Erhöhung des Kohlenstoffgehaltes auf das Vorhandensein von Methyl-, Äthyl-, Aceiyl- oder ähnlichen Einlagerungen zurückzuführen ist. Die nach dem Jodmethoxyl- Verfahren von Zeissl gewonnenen Methylzahlen korrespondierten mit den gefundenen Kohlen- stoff werten. Die Lignine zeigen stets schw\ankenden Gehalt an Kohlenstoff (von 52 — 60 °/o) und müssen als ein Konglomerat von chemisch ähnlich gearteten Körpern angesehen werden. Ihre Methylzahlen sind teil- weise recht beträchtlich. Das Kutin (so benannt wegen seiner ausserordentlichen Ähnlich- keit mit dem „cutine" Fremys) hat einen Kohlenstoffgehalt von 78 — 80 °/o (in der aschefreien Trockensubstanz). Ob die Kieselsäure, welche eine stetige Begleiterscheinung des Kutins ist, eng mechanisch oder vielleicht sogar chemisch mit dem organischen Teil des Kutins verbunden ist, wurde noch nicht genau festgestellt. Die genannten chemischen Befunde veranlassten den Vortragenden zur Ausarbeitung eines Verfahrens zur Bestimmung von Zellulose, Lignin und Kutin. Sie führten ferner zu der Annahme, dass die Verholzung der pflanzlichen Membran eine allmähliche Einlagerung von kohlenstoff- haltigen Kernen in die ursprüngliche Zellulose sei; ein genetischer Zu- sammenhang zwischen Kutin und Zellulose konnte dagegen nicht auf- gefunden werden. Die durch Verdauungsversuche bei Schafen, Schweinen und Kaninchen festgestellten physiologischen Ergebnisse gipfeln im allgemeinen darin, dass Vortr. sowohl dem Lignin als auch dem Kutin sehr ver- dauungsstörende Eigenschaften zuspricht. Im übrigen werden von den Rohfaserbestandteilen die Zellulose am besten, die Lignine wesentlich schwächer und das Kutin fast gar nicht ausgenutzt. Allgemein ist zu bemerken, dass stets die kohlenstoffärmeren Bestandteile verdauhcher erscheinen als die an Kohlenstoff reicheren Gruppen. (Murdfield.) Prof. Dr. P. Liiidiier-Berlin trug sodann unter Vorlage von Kul- turen und Apparaten vor über Neuere biologische Methoden im Dienste des Gärungsgewerbes (s. S. 98—111). Zur Diskussion meldet sich niemand. XLVI Bericht über die 4. Hauptversammlung der Vereinigung. Dr. R. Ewert-Proskau demonstrierte die durch Bordeauxbrühe oder Beschattung hervorgerufene Verlangsamung des Stoffweclisels in grünen Blättern. An einer grösseren Menge von präparierten Kartoffel-, Bohnen- und Weinblättern wurde gezeigt, dass halbseitig mit 4 ^/oiger Bordeaux- brühe bestrichene Blätter nach vorangegangenen sonnigen Tagen in den Morgenstunden auf der behandelten Hälfte noch Stärke führen können, während ihre unbehandelte Hälfte schon stärkefrei ist. Auf dieser Tatsache beruht vornehmlich die irrtümliche Auffassung, dass bordelaisierte Blätter resp. Blattteile stärker assimilieren wie unbe- handelte. Letztere Annahme wird auch dadurch entkräftet, dass nach ängerer Besonnung gerade die unbehandelte Seite wieder mehr Stärke aufweist. Da nicht allein durch Kupferkalk, sondern auch z. B. durch eine 3°/(,ige Kalkmilch die gleichen Erscheinungen hervorgerufen worden können, wie ebenfalls durch entsprechende Kartoffelblattpräparate demon- striert wird, so ist damit der Beweis geliefert, dass es sich bei der langsameren Abführung der Stärke gar nicht um eine spezifische Kupferwirkung zu handeln braucht, sondern dass allein schon durch die Schattenwirkung des Kupferkalk- resp. Kalkbelags der gleiche Erfolg erzielt werden kann. (Ewert.) Bei der sehr vorgeschrittenen Zeit wurde die Aussprache über den Gegenstand auf die Exkursion nach den Vierlanden verschoben. Dr. R. Ewert-Proskau sprach sodann über die Parthenokarpie der Obstbäume. An einer grösseren Anzahl lebender und präparierter Früchte wurde gezeigt, dass man gewisse Apfel- und Birnsorten ganz nach Belieben kernlos oder kernhaltig erziehen kann. Es geschieht in der Weise, dass man jede Art der Bestäubung verhindert. Wir haben es hier also mit Parthenokarpie zu tun. Da bei den Blüten sehr vieler Apfel- und Birnsorten die Narben weit über die Antheren hinausragen und aus diesem Grunde eine Eigen- bestäubung sehr erschwert ist, so erhält man auch dann schon kern- lose Früchte, wenn man allein die Fremdbestäubung z. B. mit Hilfe von Gazehüllen ausschliesst. Es ist daher wahrscheinlich, dass die von Waite behauptete Selbstfertilität sich vielfach mit Parthenokarpie deckt. Die ohne jede Bestäubung entstandenen Früchte können die gleiche Grösse erreichen wie diejenigen, welche sich unter Einwirkung fremden Pollens entwickelt haben, doch haben beide ihre charakteristische Gestalt. E)ie mit ganz verkümmerten Samen versehenen Früchte der Birnsorte „Gute Luise von Avranches" haben z. B. eine schlankere Ewert, .Die Parthenokarpie der Obstbäume. XLVII Form wie die normale Kerne fülirenden Früchte derselben Sorte. Man kann daher schon aus der Form der Frucht mit grosser Sicherheit auf ihren Iverngehalt schliessen. Es wurden verschiedene Früchte vor der Versammlung durchschnitten, und die Probe auf das Exempel stimmte. Die Bedeutung der Entdeckung der Parthenokarpie bei unseren Obstbäumen beruht nicht so sehr darauf, dass man Fruchtsorten, die sich unter natürlichen Bedingungen kernhaltig entwickeln, zwingen kann, sich kernlos auszubilden, sondern sie besteht hauptsächlich in der Tatsache, das es unter unseren vielen Obstsorten solche gibt, die ohne Befruchtung Früchte zu liefern vermiigen; denn letztere verdienen in allen den Fällen, in denen die Bestäubung und besonders die Fremd- bestäubung erschwert ist — Verhinderung des Bienenflugs durch un- günstige Witterung, Massenanbau einer Obstsorte — den Vorzug. Eine Reihe weiterer Beobachtungen, die in Zusammenhang mit der I\ernlosigkeit stehen, wurde gemacht; so ist z. B. das Verhalten der Obstmade zu den kernlosen Früchten zu erwähnen. Es würde in- dessen zu weit führen, hier auf Einzelheiten einzugehen. Ausführlichere Mitteilungen über die vom Vortr. angewandte Methode zur künstlichen Erzielung kernloser Früchte sowie genauere Anführungen der Ver- suchsergebnisse sollen demnächst in einer besonderen Schrift erfolgen, so dass im nächsten Frühjahr, da das Verfahren sehr einfach ist, jeder- mann die Versuche in seinem Garten wiederholen kann. (Ewert.) Prof. iJr. Kirchuer-Hohenheim bemerkt in der Diskussion, dass er das Vorkommen der Parthenokarpie bei den Obstbäumen an sich nicht in Zw'eifel ziehen wolle, dieselbe sei aber durch Abhaltung der Fremd- bestäubung allein selbst bei solchen Sorten, in deren Blüten die Narben weit über die Antheren hinausragen, noch nicht bewiesen, es müsse vielmehr auch eine Kastration der Blüten stattfinden. Ferner findet Redner es für angebracht, die Bezeichnung Parthenokarpie durch das deutsche Wort Fruchtungsvermögen zu ersetzen. Prof. Dr. Zacharias-Hamburg weist auf die Behauptung Müller- Thurgaus hin, nach welcher der Pollenschlauch, ohne eine eigent- liche Befruchtung zu vollziehen, doch einen Wachstumsreiz auf die junge Fruchtanlage ausüben soll. Aus dem Fehlen der Kerne kann daher nicht ohne weiteres gefolgert werden, dass die Fruchtbildung ohne Einwirkung des Pollens erfolgt sei. Dr. R. Ewert-Proskau betont diesen Einwänden gegenüber, dass er ja keineswegs auf Grund von Versuchen, bei denen nur die Fremd- bestäubung verhindert worden sei, das Vorkommen der Parthenokarpie bei unseren Obstbäumen behaupte, sondern er tue es hauptsächlich auf Grund von Ergebnissen derjenigen Versuche, die darauf hinausliefen. XLVIII llericht über die 4. Hauptversammlung der N'ereinigung-. die Narben vor dem Aufbrechen der Blüten durch geeignete chemische Mittel ihrer Empfängnisfähigkeit überhaupt zu berauben. Durch ein derartiges Verfahren sei auch das Kastrieren der Blüten unnötig ge- worden, das auch deswegen vermieden sei, um niclit W'undparasiten das Eindringen in die jungen Fruchtanlagen zu ermöglichen. Zum Schlüsse wurde noch die Frage diskutiert, ob das Vordringen des Pollenschlauchs zur Samenknospe abhängig sei von der normalen Funktion der Narbe, speziell dem Austritt des Narbensekrets, Dr. Haiipt-Bautzen vertritt die Ansicht, dass eine derartige Ab- hängigkeit des Befruchtungsvorganges von der Empfängnisfähigkeit der Narbe besteht, Dr. Ewert und Prof. Dr. Zacliarias sind der Meinung, es sei nicht undenkbar, dass gelegenthch z. B. bei zufälliger Verletzung des Griffels der Pollenschlauch auch unabhängig von der Narbe zur Samenknospe zu gelangen vermöge, da die Keimung der Pollenkörner in den verschiedensten Medien erfolgen kann und keineswegs vom Vor- handensein des Narbensekrets abhängig ist, Professor Dr. E. Zacliarias-ffaniburg hielt sodann unter Vorzeigung von Präparaten einen Vortrag über Degeneration bei Erdbeeren (s. S. 51 — 62 u. Taf. I — H)_ Ingenieur W. H. Schramm-Graz hatte durch Professor P. Reinitzer- Graz drei Arbeiten über Farbe und Verfärbung der Hölzer ein- gesandt, die jedoch der vorgerückten Zeit wegen nicht mehr zum Referat gebracht werden konnten. Sie gelangen in dem diesjährigen Jahresbericht zum Abdruck (s. S. 116 — 163). Zu einem Ausflug in die Zentral-Heide unter Führung von Dr, Brick hatten sich um T'/a L'hr morgens am Hannoverschen Bahn- hofe zusammengefunden: Ascherson Berlin, Bitter-Bremen, Brick- Hamburg, Büsgen-Münden, Diels-Berlin, Dinklage-Hamburg, Engler- Berlin, Flögel-. Ahrensburg, Friederichsen-Rostock, Graebner-Berlin, Hochreutiner-Genf, Jaap-Hamburg, Johnson-Dublin, Kümmerle- Budapest, Muth- Oppenheim, Petzet- Hamburg, Schmidt- Hamburg, Schütz-Lenzen, v. Szabo-Budapest und Warming-Kopenhagen, sowie Frau Dr. Graebner-Berlin und die Herren Rat Dr, Bleiken. Kauf- mann F. Gabain und Photograph F. Rompel aus Hamburg. Der um 7 Uhr 43 Minuten abgehende Zug brachte die Exkursionsteilnehmer über Buchholz nach Wintermoor, wo Wagen bereit standen zur Fahrt über das malerisch zwischen Eichen gelegene Forsthaus Ehrhorn nach Einem. Kurz vor diesem Gehöft wurden die Wagen verlassen, um eine hohe Binnenlandsdüne mit ihrer Vegetation zu besichtigen. Dann ging es zu Fuss weiter nach dem unter alten Buchen sjelegenen Heide- Ausflug in die Heide und in die Vierlande. XLIX geh oft Kinem, wo sich Herr Förster Schröder der Gesellschaft aii' schloss. Bald hinter Einem tauchten die zahlreichen alten Wacholder in ihren eigenartigen Formen auf; eine besonders schöne und reiche Wacholdervegetation bot der kleine Hexengrund dar. In der Ferne sah man bereits die durch eine jetzt einsame Fichte gekennzeichnete Höhe des Wllseder Berges, des nächsten Zieles der Exkursion. Von dem Wege dahin wurde etwas abgewichen, um einen malerischen alten typischen Heideschafstall mit seinem bis auf den Boden reichenden Heidekrautdache, einen der eigenartigen Bienenstände der Heide, einen schönen Wacholderwald und die Saatbeete für die forstlichen An- pflanzungen zu betrachten. Der 169,2 m hohe Wilseder Berg, die höchste Erhebung der Lüneburger Heide, der wegen seiner bei klarem Wetter weiten Fernsicht (Türme von Hamburg, Deister, Harz mit dem Brockenhause) und wegen des Überblickes über die Heide ein hervor- ragender Aussichtspunkt ist, zeigt zwar noch auf seinem Gipfel und den Abhängen reine Heidevegetation, in der zahlreiche grosse und kleine Steinblöcke als Zeichen der Eiszeit zerstreut umherliegen, aber schon rücken die Forstkulturen bedenklich nahe an ihn heran. Der hier in dieser Umgebung auf der Höhe des Wilseder Berges bei schönem Wetter beabsichtigte Vortrag von Dr. P. Graebner-Berlin über die Vegetationsbedingungen der Heide') musste des Regens wegen verschoben werden, bis man im Gasthofe zu Wilsede ein schützendes Dach gefunden hatte. Die Tour führte sodann nachmittags nach dem romantischen, jedem Heidefreunde bekannten Totengrund, einer Talsenkung von eigenartiger Schönheit, namentlich zur Zeit der Heideblüte. Ausserordentlich zahl- reiche Wacholderbüsche bekleiden in lockerem Bestände, wie die Cypressen auf einem südländischen Friedhofe wirkend, besonders die Süd- und Westhänge — auf dem Messtischblatte (1378 Behringen) als Stein- grund bezeichnet — , während auf der ausgedehnten Talsohle nur reine Calluna wächst. Der östliche Teil, ein 21 ha grosser flacher Tal- kessel, ist kürzlich von Prof. Dr. Thomson in Münster, einem be- geisterten Heidewanderer, käuflich erworben worden und soll für immer in seiner jetzigen Gestalt als ein Naturdenkmal erhalten bleiben. Wünschenswert wäre, dass auch die hier gelegenen Süd- und West- hänge der Wilseder Hochfläche, der Steingrund, mit den Resten jenes gewaltigen Granitblockes, dessen erhaltenes letztes Viertel noch 7,7 m Umfang und 2,2 m Höhe hat, in ihrer ursprünglichen Form als typische ') Der Vortrag wird in Englers Botanischen Jahrbüchern 1907 er- scheinen. Tabresbericht der Vereinigung für .ingewandte Botanik IV. IV L Bericht über die 4. Hauptversammlung clor Vereinigung. Heidelandschaft späteren Generationen erhalten bliebe. Weiter g'ing"s zunäclist durch die hohe Heide der Talsohle, sodann auf der Schneise 49/56 und auf dem nach Oberhaverbock führenden Wege durch den kgl. Forst Langeloh. Beim westhchen Austritt aus dem Walde führte der Marsch auf typischem, durch kümmerliche Birken gekennzeichnetem Heidewege, an dem zu l)eiden Seiten zahlreiche Hünen grab hü gel lagen, nach den in einem Eichenhain gelegenen Höfen von Ober- haverbeck, in deren einem alte hohe Hex aquifolium bewundert wurden, und sodann nach dem sich ähnlich darbietenden Niederhaverbeck. Hier wurde in die bereitstehenden Wagen gestiegen und durch das Haverbecker Holz, das sich gleichfalls durch reichen Wacholder- bestand auszeichnet, über Einem — vorbei an einer in der Heide frei- stehenden schönen Rotl)Uche von 4,10 m Stammumfang — und Ehr- horn nach Wintermoor zurückgekehrt, von wo man mit der Bahn um 8'/2 ^^1^^' wieder in Hamburg eintraf. Für die in den Sitzungen der Vereinigung für angewandte Botanik und der Konferenz für Samenkontrolle anwesenden Kongressteilnehmer mit ihren Damen war für den Nachmittag ein Ausflug in die Vier- lande unter Führung von Professor Dr. Zacharias und Professor Dr. Voigt vorgesehen. Der Zug um 2 Uhr 25 Minuten von Bahnhof Lippelt- strasse brachte die Teilnehmer in knapp halbstündiger Fahrt nach dem freundlichen hamburgischen Städtchen Bergedorf, von wo der Ausflug in die Vierlande per Wagen angetreten wurde. Wenn auch die Jahres- zeit zu sehr vorgeschritten war, um den Gemüse-, Blumen- und Obst- garten Hamburgs in vollster Entwickelung sehen zu können, so bot doch die Fahrt einen Einblick in die interessante Eigenart der Eibmarschen und den emsigen Betrieb ihrer Bewohner. Auf hohen, schmalen, an ihren Biischungen meist mit alten Obstbäumen bestandenen Deichen fuhren die Wagen dahin. Zwischen den Kronen der Bäume schweifte der Blick frei über das tiefer gelegene IVIarschland. Die langen, schmalen, durch Gräben getrennten Landstreifen trugen z. T. noch den Rest der alljährlichen Zierblumenkulturen, Astern, Dahlien u. a. m., andere wieder waren mit einem der wichtigsten Exportartikel der Vier- lande bestanden, mit Maiblumen, die als junge Keime zu Millionen gezüchtet und meist übers Meer gesandt werden. Mit diesen wechseln wieder Erdbeer- beete, Beerensträucher und Gemüsekulturen in Ininter Reihenfolge. Hin und wieder blickt aus dem Grün der als Windschutz geschorenen Linden der strohbedeckte und von einem Storchennest gekrönte Giebel eines alt- ehrwürdigen Bauernhauses über den Deichrand und gibt mit der origi- nellen Anordnung der Steine innerhalb der Fachwerkrahmen und den Schnitzereien an den Balken ein deutliches Bild von dem Kunstsinn Ausflug nach Helgoland. Kuckuck, Tangverwertung. LI seiner Bewohner. In dem Kirchdorfe Curslack wurde die Kaffeepause benutzt zur Besichtigung einzelner Kulturen, zum Besuch der freund- lichen, alten Kirche und zu einem Blick in die Behausungen der Vier- länder. Von hier ging die Fahrt zunächst durch einen Teil der Vierlande, der mehr reine Landwirtschaft, Getreidebau und Viehzucht, treibt, um dann wieder in Kirch ward er und in dem Endziel der Fahrt, dem freundlich an der Elbe gelegenenZoUenspieker, einer einstigen Zollstelle, ähnliche Be- wirtschaftungsverhältnisse anzutreffen wie auf dem ersten Teile des Aus- fluges. Nach einem einfachen Abendessen in dem ehrwürdigen Zollen- spieker führte ein Dampfer die Teilnehmer auf der schweigenden, bereits vom Dunkel des Herbstabends überschatteten Oberelbe in etwa ein- stündiger Fahrt dem Lichtermeer des Hamburger Hafens zu. Auf der Eibhöhe oberhalb der Landungsbrücken trafen die Ausflügler mit den Heidewanderern zusammen, um von der Terrasse des Hotels Wiezel noch eine Weile sich gemeinsam des bei der abendlichen Beleuchtung be- sonders schönen Hafenbildes zu erfreuen. (Voigt.) Sonnabend, den 15., und Sonntag, den 16. September, Ausflug nach Helgoland. Der Dampfer „Cobra" führte Sonnabend 8 Uhr morgens von den St. Pauli-Landungsbrücken 50 Herren und Damen des Botanikerkongresses elbabwärts vorbei an den herrlichen Ufern bis Blankenese und Schulau, an Finkenwärder, dem Kirschenlande der Luhe, der Einmündung des Nord-Ostsee-Kanals, Glückstadt und anderen Orten, Cuxhaven, der Insel Neuwerk mit ihrem alten Leuchtturme und vorbei an zahlreichen ein- kommenden Schiffen nach Helgoland. Leider musste dos schlechten Wetters wegen in Helgoland die geplante Exkursion in Böten zum Studium der Algenvegetation und das Dredschen im Nordhafen auf- gegeben werden. Dafür wurde imter der Führung von Prof. Dr. Ehren- baum, Prot. Dr. Hartlaub und Prof. Dr. Kuckuck die Biologische Anstalt, das Aquarium und das Nordseemuseum besichtigt. In diesem hielt Prof. Dr. P. Kuckuck-Helgoland einen Vortrag: Mitteilungen über Tangverwertung. Der Vortragende schilderte kurz die Verarbeitung der Laminarien und Fucaceen auf Jod, wobei er auch der kleinen Kelpbrennerei gedachte, die früher auf Helgoland existierte, und l)esprach im Anschluss IV* LI[ Bericht über die 4. Hauptversammlung der Vereinigulla; daran einige nebensächliche Verwendungen, die für Helgoland charakte- ristisch sind, so die Düngung der Äcker auf dem Oberlande mit den am Strande angetriebenen Laminarien und die Herstellung der „Stipites Laminariae" aus Stengeln der Lmn'inar'ni hypcrborca. Ausführlicher wurde dann die Norgine-Fabrikation behandelt, bei welcher die auch bei Helgoland häufigen Laminaria- Arten, L. digitata, L. hyperhorea und L. sacchar'ma nach dem Verfahren des Norwegers Axel Krefting auf organische Bestandteile und speziell auf Tanginsäure verarbeitet werden, eine organische stickstofffreie Säure, die als „Calciumtangat" gewonnen und meist mit einer entsprechenden Menge Soda vermischt als „Norgine" in den Handel kommt. E>ie Norgine gibt einen vorzüg- lichen Klebestoff ab, der sich besonders in der Textilindustrie als Appreturmittel mit Vorteil verwenden lässt, aber auch zum Binden von Malerfarben und für zahlreiche andere Zwecke benatzt werden kann. An der Küste der Bretagne hat man eine gut rentierende Fabrik be- gründet, die zugleich Jod liefert. Auch in Deutschland hat sich eine Gesellschaft gebildet, die den Seetang auf Norgine verarbeiten will. Da aber an den deutschen Küsten die Laminarien-Vegetation nur spärlich ist oder gänzlich fehlt, so würde nur Helgoland in Betracht kommen, und w^enn auch hier die Bestände sehr üppig sind und ein Areal von etwa 5 — 10 Quadratkilometern bedecken, so würde dies doch für einen fabrik- mässigen Betrieb kaum genügen. (Kuckuck.) Sodann wurde ein Spaziergang auf dem Oberland unter- nommen zur Besichtigung der Flora und der eigenartigen geologischen Formation von Helgoland. Am Sonntag konnten Ausflüge zur Düne und Rundfahrten um die Insel unternommen werden. Die Dampfer um 1 Uhr 10 Minuten mittags und 6 Uhr nachmittags führten die meisten Teilnehmer wieder nach Hamburg zurück. Eine nicht unbe- trächtliche Zahl blieb jedoch noch auf der herrlichen Insel, um die Algen in Müsse zu studieren und zu sammeln. Montag, den 17., und Dienstag, den 18. September, war für die Kückreisenden im neuen Botanischen Museum in Dahlem bei Berlin eine Ausstellung interessanter neuer Er- werbungen und Sammlungen mit Erläuterungsvorträgen von Geheim- rat Prof. Dr. A. Engler veranstaltet. Brick. Mitgliederliste. Lnl Mitgliederliste der „Vereinigung für angewandte Botanik'^ für 1906. (Adressenändei'ungen bzw. Uni-ichtigkeiten im Verzeichnis bittet man bald- möglichst dem Schriftführer der Vereinigung, Dr. Brick, Station für Pflanzen- schutz, Hamburg 14, anzuzeigen.) Abromeit, J., Dr., Privatdozent, Königsberg i. Pr., Botan. Garten. Adamovich, Alexander, Gutsbesitzer in Ujvidek (Neusatz), Ungarn. Ader hold, Rudolf, Dr., Geh. Regierungsrat, Direktor der Kaiserl, Bio- logischen Anstalt für Land- und Forstwirtschaft, Dahlem-Steglitz bei Berlin (f 17. III. 1907). Ahrens, C, Dr., Beeidigt. Handelschemiker, Hamburg 11, Deichstr. 2. Appel, Otto, Dr., Regierungsrat, Mitglied der Kaiserl. Biologischen Anstalt für Land- und Forstwirtschaft, Dahlem-Steglitz bei Berlin. Arnim- Schlagenthin, Graf v., Nassenheide (Pommern). Ascherson, Paul, Dr. phil. et med.. Geh. Regieriingsrat, Professor an der Universität, Berlin W., Bülowstrasse 51. Barth, Hans Philipp, Weingutsbesitzer, Dürkheim a. d. Haardt. Barth, Georg, Dr., Vorstand des Betriebslaboratoriums der Aktienbrauerei zum Lfiwenbräu, München. Bassermann-Jordan, Ludwig, Dr. jur., Bürgermeister und Weinguts- l)esitzer, Deidesheim (Bayr. Pfalz). Behn, Dr., Techn. Hilfsarbeiter a. d. Kaiserl. Biologischen Anstalt Dahlem- Steglitz bei Berlin. Behrens, Johannes, Dr., Professor, Vorstand der Grossherzogl. Bad. Land- wirtschaftlichen Versuchsanstalt, Augustenberg, Post Grötzingen in Baden. Benecke, W., Dr., a. o. Professor an der Universität, Kiel, Bergstr. 27. Bernegau, L., Korpsstabsapotheker a. D., Berlin-Halensee. Bischkopff, E., Dr., Assistent an der Station oenologique des viti- vinicultures russes, Odessa, rue Kanatnaia 19. Boetticher, Dr.. Assistent a. d. Kgl. Lehranstalt f. Wein-, Obst- und Gartenbau, Geisenheim a. Rh. Bolle, Joh., Direktor d. k. k. Landwirtsch. -chemisch. Versuchsstation, GTirz (Istrien). LiY Mitgliederliste. JBraun, 1\., I >r., Botaniker und Assistent am Landwii'tscluiftl.-biolog. Institut, Amani (1 )eutsc]i-Ostafrika), Hafen Tanga. Brick, Carl, Dr., Leiter der Station für Pflanzenschutz. Hamburg 5, St. Georgskirchhof 6. Bruijning jr., F. F., I»irektor der Rijksproefstation voor Zaadcontröle, Wageningen (Holland). Bubak, Franz, T»r., Professor an der Landwirtschaft!. Akademie, Tnbor in Biihmen. Buchwald, J., Dr., Leiter d. Botan. Abteilung d, Versuchsanstalt f. Getreideverwertung, Berlin N. 4, Invalidenstr. 48. von Buhl, Eugen, Dr., Reichsrat, Deidesheim (Bayr, Ptalz). Buhl, Franz, Weingutsbesitzer, Präsident des Deutschen Weinbau- Vereins, Deidesheim (Bayr. Pfalz), Büsgon, M., r)r., Professor der Botanik an der Forstakademie, Hann,- Münden. Busse, Walter, Dr., Regierungsrat, Privatdozent der Botanik an der Universität, Mitglied der Kaiserl. Biologischen Anstalt für Land- und Forstwirtschaft, Dahlem-Steglitz bei Berlin. von Canstein, Freiherr, r)r., Kgl. Landes-Ökonomierat, Berlin NW. 40, Kronprinzenufer 5/6. Christ, Karl, r)r., Professor, Kgl. Lehranstalt für Wein-, Obst- und Gartenbau, Geisenheim a, Rh. Coleman, Leshe C., Government Mycologist and Entomologist, Ban- galore, Brit. Indien. Degen, A. v., Dr., Direktor der Samenkontrollstation, Budapest II, Kis-Rukus-utcza Il/b. L)ern, A., Kgl. Bayr. Landesinspektor für Weinbau, Neustadt a. d. Haardt. Derndinger, Joh., Domänenrat, Karlsruhe i. B., Ettlingerstrasse 27. r)iels, Ludwig, I >r., Professor, Marburg i. H., Botanisches Institut. I»ingler, Hermann, Dr., Professor der Botanik an der Forstlichen Hoch- schule, Aschaffenburg. iMnklage, M., Kaufmann, Hamburg 13, Oberstr. 56. L)orph Petersen, K., Direktor E)ansk Fr0kontrol, Kopenhagen V, HarsdorfCswej 7. L>rude, 0., iJr., Geh. Hofrat, Professor dei" Botanik an der Technischen Hochschule u. L>irektor des Kgl. Botan. Gartens, l>resden-A., Bo- tanischer Garten. I»unbar, W. Ph., ])r., Professor, Direktor des Hygienischen Instituts, Hamburg, Jungiusstr. Edler, ^^^, iJr., Professor, Landwirtscliaftl. Institut d. LTniversität, Jena. Engelmann, Eduard, Weingutsbesitzer, Hallgarten (Rheingau). Mitgliederliste. LV Engler. Adolf, Dr., Geh, Regierungsrat, Professor der Botanik an der Universität, Direktor des Kgl. Botanischen Gartens und Museums, Dahlem-Steglitz bei Berlin. Eriksson, Jakob, Dr., Professor, Experimentalfältet bei Stockholm. Ewert, R., Dr., Leiter der Botanischen Abteilung der Versuchsstation des Pomologischen Instituts, Proskau bei Oppeln. Faber, F. v., Dr., Hilfsarbeiter an der Kaiserl. Biologischen Anstalt in Dahlem- Steglitz bei Berlin (z. Z. Botan. Garten Victoria, Kamerun). Fabricius, L., Dr., Privatdozent der Forstwissenschaft und Assistent am Forstbotanischen Institut, München, Amalienstr. 07. Fischer, Alfred, Dr., Professor an der Universität, Direktor des Bo- tanischen Instituts und Gartens, Basel. Fischer, Regierungsrat, Frankenthal (Bayr. Pfalz). Freudl, Eligius, Assistent an der k. k. Samen-Kontroll-Station, Wien, II/2 k. k. Prater 174. Fried er ichsen, Max, Dr., a. o. Professor d. Geographie a. d. Uni- versität, Rostock i. M. (v. 1. IV. 07 ab Bern). Fröhlich, Weingutsbesitzer, Edenkoben (Bayr. Pfalz). Frölich, Gust., Dr., Leiter der Friedrichswerther Samenzucht-Anstalten, Domäne Friedrichswerth in Thüringen. Fruwirth, C, Professor an der Landwirtschaftlichen Akademie, Direktor d. Kgl. Württ. Saatzuchtanstalt, Hohenheim b. Stuttgart. Fünf stück, Moritz, Dr., Professor der Botanik an der Kgl. Technischen Hochschule, Stuttgart, Ameisenbergstr. 7. Galler, H., Dr., Assistent an der Kgl. Württembergischen Weinbau- versuchsanstalt, Weinsberg (Württemberg). Gassner, G., Dr., Professor a. d. Seccion agronomia de la Universidad, Montevideo (Uruguay). Ger neck, R., I»r., Veitshöchheim bei Würzburg. Gilbert, Ad., Dr., Handelschemiker, Hamburg 11, Deichstr. 2. Gilg, E., Dr., a, o. Professor der Botanik, Kustos am Kgl. Botanischen Museum, Steglitz bei Berlin, Arndtstr. 34. Goethe, Rudolf, Kgl. Landesökonomierat, Darmstadt, Roquetteweg 24. Görg, Fr., Gutsbesitzer, Deidesheim (Bayr. Pfalz). Graebner, P., Dr., Kustos am Kgl. Botanischen Garten, Gross-Lichter- felde W. bei Berlin, Viktoriastrasse 8. Grevillius, Anders Yngve, Dr., Landwirtsch. Versuchsstation, Kempen (Rheinprovinz). Grosser, W., Dr., Direktor der Agrikultur-botanischen Versuchs- und Samenkontrollstation der Landwirtschaftskammer, Breslau, Mat- thiasplatz. LVI Mitgliederliste. Giissow. H. Th.. Assistant to the Consulting Botanist, H. Agricult. Society of England, 44 Central Hill, Upper Is'orwood, London S. E. (England). Gutzeit, Dr., Professor, Vorsteher d. Abtlg. f. Pflanzenkrankheiten u. Bodenbakteriologie am Versuchsfelde der Universität KfUiigs- berg i. Pr. (z. Zt. Steglitz bei Berlin, Arndtstr. 4). Hanausek, T. F., Dr., k. k. Gymnasialdirektor, Krems a, d. l»onau. Hansen, Adolf, Dr., Professor der Botanik und Direktor des Botanischen Gartens, Giessen, Leberstrasso 21. Haselhoff, E., Dr., Vorsteher der Landwirtschaftl. Versuchsstation, Marburg a. d. Lahn. Haupt, Hugo, Dr., Nahrungsmittelchemiker, Bautzen i./S. Hecke, Ludwig, Dr., Professor an der Hochschule für Bodenkultur, Wien III, Hauptstrasse 96. Heering, W., Dr., Oberlehrer, Altona, Waterloostr 14. Heinsen, E., Dr., Wissensch. Hilfsarb. a. d. Botanischen Staatsinstituteri Hamburg 20, Hudtwalckerstr, 18. Henneberg, W., Dr., Abteilungsvorstand im Institut für Gärungs- gewerbe, Berlin N. 65, Seestrasse. Hennings, P., Professor, Kgl. Botanisches Museum, Dahlem-Steglitz bei Berlin. Hensler, Karl, Kgl. Landwirtschaftslehrer, Vorstand der Kgl. Land- wirtschaftsschule, Landau (Pfalz). Hill mann, Paul, Dr., Vorstand der Saatzuchtstelle der Deutschen Land- wirtschafts-Gesellschaft, Berlin SW., Dessauerstrasse 14. Hiltner, L., Dr., Direktor der Kgl. Agrikulturbotanischen Anstalt, München- Schwabing, Osterwaidstrasse 9. Hinneberg, P., I»r., Altona-Ottensen, Flottbeker Chaussee 29. Holmes, E. M., Curator of the Museum of the Pharmaceutical Society of Great Britain, 17, Bloomsbury Square, London W.C. Hessens, C, Dr., BerUn-Schöneberg, Vorbergstrasse 9 I. Jaap, 0., Lehrer, Hamburg 25, Burggarten 1. Jäekel, Hugo, Chemiker, z. Zt. Kochel, Oberbayern, Villa Schnoor. Ja ko walz, A., Dr., Professor a. d. Landw. Akademie, Tetschen-Liebwerd (Böhmen). Johnson, T., I)r., Professor, Royal College of Science, St. Stephen's Green, East, Dublin (Irland). Jungclaussen, C. A., Medizinaiassossor, Hamburg 5, Beim Stroh- hause 10. Kabät, Jos. E., em. Zuckerfabriksdirektor, Tnrnau (Böhmen). Kaiserfeld, W., Dr., Kanzleidirektor, Graz. Mitgliederliste. LVII Kambersky, 0., Vorstand der Agrikulturbotanischeii Landesversuchs- und Samenkontrollstation, Troppau (Österr.-Schlesien) (f 16. II. 1907). Kiessling, L., Dr., Adjunkt an der Kgl. Saatzuchtanstalt, Weihen- stephan bei Freising. Ivirchner, Oskar, Dr.. Professor der Botanik an der Kgl. Württemberg. Landwirtschaftlichen Akademie, Vorstand des Botanischen Gartens, der Samenprüfungsanstalt und der Versuchsstation für Pflanzen- schutz, Hohenheim bei Stuttgart. Klammer, Gutsbesitzer, Ebensfeld bei Pettau (Steiermark). Kleb ahn, H., Dr., Professor, Assistent a. d. Hamburgischen Botanischen Staatsinstituten, Hamburg 36, Botanischer Garten. Koch, Alfred, Dw Professor, Direktor des Landwirtschaftl.-bakteriolog. Instituts, Göttingen, Schildweg 13. Kolkwitz, Richard, Dr.^ Professor, Privatdozent der Botanik, Mitglied der Versuchs- und Prüfungsanstalt f. Wasserversorgung und Ab- wässerbeseitigung, Charlottenburg 4, Schillerstrasse 75. Kosarof f, P., Dr., Leiter der Landwirtschaftlichen Versuchsstation Obraszow Ciflik (Musterwirtschaft) bei Rustschuk (Bulgarien). Krasser, Fr., Dr., a. o. Professor der Botanik u. Warenkunde a. d. Deutschen Technischen Hochschule, Prag. Kraus, C, Dr., Professor der Landwirtschaft an der Technischen Hochschule, Oberleiter der Kgl. Saatzuchtanstalt in Weihenstephan, München, Louisenstrasse 45. Kroemer, K., Dr., Vorstand derPflanzenphysiologischen Versuchsstation der Kgl. Lehranstalt f. Wein-, Obst- u. Gartenbau, Geisenheim a. Rh. Krüer, H., Apothekenbesitzer, Ahrensburg bei Hamburg. Krüger, F., Dr., Professor, Ständiger Hilfsarbeiter a. der Kaiserl. Biolog. Anstalt f. Land- und Forstwirtschaft, Dozent an der Kgl. Landwirtschaft!. Hochschule, Dahlem-Steglitz b. Berlin. Kühle, L., Mitinhaber der Saatzüchterei Aderstedt, Gunsleben (Kreis Oschersleben). Kumm, P., t»r., Professor, Dozent an der Technischen Hochschule, Kustos am Westpreussischen Provinzialmuseum, Danzig, Langermarkt 24. Kur mann, Franz, k. k. Weinbauoberinspektor am k. k. Ackerbau- ministerium. Wien I, Liebiggasse 6. Lafar, Franz, Dr., Professor der Gärungsphysiologie und Bakteriologie an der Technischen Hochschule, Wien IV, Karlsplatz 13. Landauer, Robert, Obstplantagenbesitzer, Würzburg, Gesundbrunnen. Lang, W., Dr., Assistent a. d. Botan. Institut d. Landwirtschaftl. Akademie, Hohenheim (Württemberg). LVIII Mitgliederliste. Laubert, Richard, Dr., Ständiger Hilfsarbeiter a. d. Kaiserl. Biologischen Anstalt für Land- und Forstwirtschaft, Dahlem-Steglitz bei Berlin. Lenz, Dr.. Professor, Direktor d. Xaturhistorischen Museums, Lübeck. Leuschner, Karl, Dr., Administrator, Rann a. d. Savo (Unter- Steiermark). Liebenberg, Adolf Ritter von, Dr., k. k. Hofrat, Professor an der k. k. Hochschule für Bodenkultur, Wien XIX, Hochschulstr. 24. Lindau, Gustav, Dr., Professor, Privatdozent der Botanik, Kustos am Kgl. Botanischen Museum, Dahlem-Steglitz bei Berlin. Lindemuth, Hugo, Kgl. Garteninspektor, Dozent an der Kgl. Land- wirtschaftlichen Hochschule, Berlin NW. 7, Dorotheenstrasse, Universitätsgarten . Lindinger, L., Dr., Wissensch. Hilfsarbeiter an der Station für Pflanzenschutz, Hamburg 14, Versmannkai. Lindner, Paul, Dr., Professor, Vorsteher der Abteilung für Reinkultur am Institut für Gärungsgewerbe, Berlin N. 65, Ecke der S^o- und Torfstrasse. L in hart, G., Dr., Kgl. Rat, Professor an der Kgl. Ungar. Landwirt- schaftlichen Akademie, Magyar-Ovar (Ungar. Altenburg). Lüstner, Gustav, Dr., Vorstand der Pflanzenpathologischen Versuchs- station der Kgl. Lehranstalt für Wein-, Obst- und Gartenbau, Geisenheim a. Rh. Maassen, Dr., Regierungsrat, Mitglied der Kaiserl. Biologischen Anstalt für Land- und Forstwirtschaft, Dahlem-Steglitz bei Berlin. Mährlen, Weinbau-Inspektor, Weinsberg (Württemberg). Magnus, Paul, Dr., Professor der Botanik an der Universität, Berlin W., Blumeshof 15. Malkoff, Konstantin, Direktor d. Landwirtsch. Versuchsstation, Sadovo b. Philippopel (Bulgarien). ^lartinet, G., Chef de l'Etablissement föderal d"ossais et de controle de semences, Lausanne (Schweiz). Mayrhofer, Dr., Professor, Vorstand des städtischen Untersuchungs- amtes, Mainz. Mein ecke, E. P., Dr., Argentinien (nähere Adresse unbekannt). Meissner, Richard, Dr., Professor, Vorstand der Kgl. Württembg. Weinbau- Versuchsanstalt, Weinsberg (Württemberg). Meuschol, Gottlob, Kgl. Kommerzienrat, i. F. J. W. Meuschel sen., \Veingutsbüsitzer, Buchbrunn bei Würzburg. Meuschel, Otto, Weingutsbesitzer, Buchbrunn bei Würzburg. Mikosch, Karl, Dr., Professor an der Technischen Hochschule, Brunn. Möller. J., Dr., Professor, k. k. Pharmakologisches Institut d. Uni- versität, Graz. Mitgliederliste. LIX Möslinger, W., Dr., Inhaber eines öffentlichen Laboratoriums für Nahrungs- und Genussmittel, Neustadt a. d. Haardt. Molnar, Leopold, Chefredakteur des „Magyar Borkereskedelem", Direktor des ,, Landesverbandes der ungarischen Weinproduzenten und Wein- händler", Budapest VI, Bajza-Utcza 26. Molz, E., Dr., A.ssistent an der Pflanzenpathologischen Versuchsstation der Kgl. Lehranstalt für Wein-, Obst- und Gartenbau, Geisen- heim a. Rh. Morpurgo, G., Professor a. d. Handelshochschule der Revoltella-Stiftung, Museum der Handels- u. Gewerbekammer, Triest, Via Artisti 5. Müller, Carl, Dr., Professor, Dozent für Botanik an der Technischen Hochschule, Vorstand der pflanzenphysiologischen Abteilung der Gärtnerlehranslalt in Dahlem. Steglitz bei Berlin, Zimmermann- strasse 15. ]Müller, H. C, r)r., Vorsteher d. Agrikult.-chcmisch. KontroU- Station d. Landwirtschaftskammer für die Provinz Sachsen, Halle a. S., Karl- strasse lü. Müüer-Thurgau, Hermann, Dr., Professor, Direktor der Schweize- rischen Versuchsanstalt für Obst-, Wein- und Gartenbau, W^ädens- weil bei Zürich (Schweiz). Muth, Franz, Dr., Lehrer der Naturwissenschaften an der Grossherzogl. W^einbauschule, Oppenheim a. Rh. Neger, F., Dr., Professor der Botanik a,n der Forstakademie, Tharand. Nestler, Anton, Dr., Professor für Pflanzen-Anatomie und -Physiologie, Oberinspektor der Untersuchungsanstalt für Lebensmittel an der k. k. Deutschen Universität, Prag, Wenzelsplatz 53. Nilsson, N. Hjalmar, Dr., Professor, Svalöf (Schweden). NoU, Fritz, Dr., Professor der Botanik, Vorstand des Botanischen In- stituts der Landwirtschaftlichen Akademie, Poppeisdorf bei Bonn, Endenicher Allee 32. Ostenfeld, C. H., Dr., Inspektor am Botanischen Museum, Kopen- hagen, Botanisk Have. Osterspey, Dr., Direktor der Landwirtschaftsschule, Frankenthal (Pfalz). Pammel, L. H., Dr., Department of Botany, Jowa State College of Agriculture and Mechanic Arts, Ames (Jowa). Peter, von, Dr., Direktor der Obstbau- und landwirtschaftlichen ^^'inter- schule, Friedberg (Hessen). Peters, W., Dr., Presshefe fabrikant, Hamburg 15, Grünerdeich 60. Petkoff, St., Dr., Professor der Botanik an der Universität, Sofia (Bulgarien). Petzet, Th., Oberapotheker, Allgem. Krankenhaus, Hamburg-Eppendorf, LX Mitgliederliste. Po r tele, Karl, Dr., Professor, Hofrat, landwirtschaftlich-technischer Kwu- sulent im k. k. Ackerbau-Ministerium, Wien. Potonie, H., Dr., Professor, Landesgeologe, Gross-Lichterfelde-W. bei Berlin, Potsdamerstrasse 35. Potter, M. C, Dr., Professor an der Universität, Xewcastle-on-Tyne. Puchner, Dr., Professor, Weihenstephan bei Preising. Qvam, Olaf, Direktor d. Statens Kemiske Kontroistation og Fr(/kontrol- anstalt, Kristiania (Norwegen), Pilestradet 27. Raatz, W., Dr., Leiter der Abteilung für Rübensamenzucht der Zucker- fabrik, Kl. Wanzleben b Magdeburg. Ravn, Kölpin, Dr., Konsulent f. Pflanzenkrankheiten d. dänischen land- wirtschaftl. Vereine, Kopenhagen V, Grundstrip Sidevej 1. Reinhardt, 0., Dr., Professor, Privatdozent der Botanik. Berlin X., Elsässerstrasse 31. Reinitzer, Priedr., Professor a. d. Technischen Hochschule, Graz. Retzlaff, Max, Kaufmann, Hamburg 36, Tesdorpfstr. 9. Rohling, Alfred, Dr., Wissenschaftlicher Hilfsarbeiter an der Kgl. Prüfungsanstalt für Wasserversorgung und Abwässerbeseitigung, Berlin SW. 12, Kochstr. 73. Ruhland, W., Dr., Privatdozent der Botanik, Ständiger Hilfsarbeiter an der Kaiserl. Biologischen Anstalt für Land- imd Forstwirtschaft, E>ahlem-Steglitz bei Berlin. Schander, R., Dr., Vorstand der Pflanzenpathologischen Abteilung der Landwirtschaftlichen Versuchsstation zu Bromberg, Hohenzollern- strasse. Schellenberg, H. C, Dr., Dozent der Landwirtschaft am Polytechnikum^ Zürich, Hofstrasse 40. Schencrk, H., Dr , Professor der Botanik an der Technischen Hoch- schule und Direktor des Botanischen Gartens, Darmstadt, Xikolai- weg 6. Schindler, Franz, Professor a. d. k. k. Deutschen Technischen Hoch- schule, Brunn (Mähren). Schindler, Josef, Leiter der Versuchsstation der LandwirtschaftL Landeslehranstalt, S. Michele a. E. (Tirol). Schober, A., Dr., Professor, Schulinspektor, Hamburg 23, Papen- strasse 50. Schoffer, Heinrich, Kgl. Landes-Ökonomierat, Vorstand der Kgl. Wein- bauschule, Weinsberg (Württemberg). Schumann, P., Dr., Vorstand d. Botan. Abtlg. d. Agrikult.-chemisch. Kontrollstation d. Landwirtschaftskammer f. d. Pro\. Sachsen, Halle a. S., Karlstr. 10. Mitgliederliste. LXI Seifert, W., Professor, Adjunkt an der Versuchsstation. Klosterneuburg bei Wien. Seufferheld. Karl, Weinbau-Inspektor, Lehrer für Weinbau an der Kgl. Lehranstalt für "Wein-, Obst- und Gartenbau, Geisenheini a. Rh, Siebert, A., Direktor des Palmengartens, Prankfurt a. M. Simon, S., Dr„ Assistent an der Samenkontrollstation, Dresden- A., Pirnaischestr. 32. Solereder, H., Dr., Professor d. Botanik und Direktor d. Botanischen Gartens, Erlangen. Sonder, Chr., Dr., Apothekenbesitzer, Oldesloe (Holstein). Stahl, Ernst, Dr., Professor der Botanik und IMrektor des Botanischen Gartens, Jena. Stehler, G,, Dr., Direktor d. Samenuntersuchungs- u. Versuchsanstalt, Zürich (Schweiz), Eidgen. Chemiegebäude. Steinle, Domänenrat, Schwaigern (Württemberg). Stornier, Kurt, Dr., Agrikult.-chem. Kontrollstation d. Landwirtschafts- kammer, Halle a. S., Karlstrasso 10. Szyszj'lowicz , Ign. Ritter von, Dr., Direktor d. Agrikulturbotanischen Versuchsstation, Priv. -Dozent a. d. k. k. Universität, Lemberg (Galizien). Thiele, R., Dr., Dezernent in der Agrikultur-Abteilung des Kalisyndikats, Leopoldshall-Stassfurt. Thoms, H., Dr , Professor der pharmazeutischen Chemie au der Kgi. Universität, Steglitz bei Berlin, Hohenzollernstrasse 3. Thost, Robert, Dr., Verlagsbuchhändler, Grosslichterfelde, Wilhelm- strasse 27. Tischler. A., Dr., General-Stabsarzt a. D., Marburg (Steiermark). Tubeuf, C. Freiherr von, Dr.. Professor der Botanik und Vorstand des Forstbotanischen Instituts, München. Amalienstrasse 67. Uhlworm, Oskar, Dr., Professor. OberbibUothekar, Herausgeber des „Centralblattes für Bakteriologie und Parasitenkunde", Berlin W., Nachodstr. 17. Urban, Direktor der Kgl. Bayer. Weinbauschule, Veitshöchheim bei Würzburg, Vanha, Johann J., Professor, Direktor der Landwirtschaftlichen Landes- Versuchsstation für Pflanzenkultur, Brunn (Mähren). Vitek, E., Vorstand der Samenkontrollabteilung d. Chemisch-pliysiolo- logischen Versuchsstation a. d. k. k. Böhm. Technischen Hoch- schule, Prag, Karlsplatz 3. Voigt, Alfred, Dr., Professor, Vorstand der Abteilung für Samen- kontrolle, Hamburg 5, Botanisches Museum. LXII Mitgliederliste. Wahl, C. von, Dr., Assistent an der ürosshorzogl. Landwirtschaftlichen Versuchsanstalt, Augustenberg bei Grötzingen (Baden). War bürg, Otto, Dr., Professor, Privatdozent der Botanik an der l Uni- versität und Lehrer am Orientalischen Seminar, Berlin W., L'hland- strasse 175. Warth, Karl, Stadtpfleger, Vorstand des Württembergischen Weinbau- Vereins, Stuttgart. Weber, C, Dr., Professor, Moorversuchsstation, Bremen, Friedrich Wilhelmstrasse 24. Wehmer, C, Dr., Professor an der Technischen Hochschule, Hannover, Callinstrasse 12. Weigmann, Dr., Professor, A'orstand des Instituts für Milchwirt- schaft, Kiel. Weigert, Leop., Dr., k. k. Regierungsrat, Direktor d. k. k. höh. Lehr- anstalt f. Wein- u. Obstbau, Klosterneuburg bei Wien. Wein, Dr., Professor, Weihenstephan bei Freising. Weinzierl, Th. Kitter von, Dr., Hofrat, Direktor der k. k. Samen- kontrollstation (k. k. Landwirtschaftlich-botanische Versuchsstation), Wien, Prater 174. W ibmer, Weingutsbesitzer, Pettau (Steiermark). Widen, J., Vorsteher der Agrikultur-chemischen und Samenkontroll- Station, 0rebro (Schweden). Wieler, Arwed, Dr., Professor, Dozent für Botanik und Vorstand des Botanischen Instituts der Technischen Hochschule, Aachen, Nizza- allee 71. Wilhelm, Karl, Dr., Professor der Botanik an der k. k. Hochschule für Bodenkultur, Wien XIX, Hochschulstrasse 17. Will. H., Dr., Professor, Vorstand der physiolog. Abteilung der Wissen- schaftl. Station für Brauerei, München, Reichenbachstrasse 32. Wittmack, Ludwig, Dr., Geh. Regierungsrat, Professor an der Kgl. Landwirtschaftlichen Hochschule und an der Universität, Berlin N. 4, Invalidenstrasse 42. Wo hl t mann, Ferdinand, Dr., Geh. Regierungsrat, Professor an der Universität, Direktor des Landwirtschaftlichen Instituts, Halle a. S., Gr. Steinstrasse 19. Wolf, Leopold, Leiter der Wiener Redaktion des „Ungarischen Wein- handel", Fachreferent des „Landesverbandes der ungarischen Weinproduzenten und Weinhändler", Wien XI, Hauptstrasse 54. Wortmann, Julius, Dr., Professor, Direktor der Kgl. Lehranstalt für Wein-, Obst- und Gartenbau, Geisenheim a. Rh. Mitgliederliste. ' " LXITI Zacharias, Eduard, Dr., Professor, Direktor der Hambiirgischen Bota- nischen Staatsinstitute, Hamburg 17, Sophienterrasse 15a. Zang, Wilhelm, Dr., Assistent am Botanischen Institut, Hohenheim bei Stuttgart. Zederbauer, E., Dr., Assistent a. d. k. k. Forstlichen Versuchsanstalt, Mariabrunn bei Wien. Zopf, Wilhelm, Dr.. Professor der Botanik an der Universität und ' Direktor des Botanischen Gartens. Münster i. Westf., Wilhelm- strasse 2 a. Zschokke, Achilles, Dr., Direktor der Kgl. Bayer. Wein- und Obstbau- schule, Neustadt a. d. Haardt. Zweifler, Franz, Direktor der Landes- Wein- und Obstbauschule, Mar- burg a. d. Drau (Steiermark). Aufgaben und Ziele der Angewandten Botanik. Von Professor Dr. 0. Drade, Dresden. Es ist mir die Ehre zuteil geworden, zusammen mit Professor War bürg die Aufgaben, welche den verschiedenartigen Vertretern der angewandten Botanik gestellt sind, die Ziele, welche uns insgesamt als Leitsterne unserer Arbeit vorschweben, kurz zusammenfassend zu be- handeln. Schon die Auswahl dieser beiden Reden und von uns beiden Rednern drückt den Wunsch aus, wenigstens in diesen allgemeinen Behandlungen an den Boden zu erinnern, in dem die diesjährige Ver- sammlung wurzelt: an Hamburg und an die hier, an der blühendsten Stätte deutschen Handels, zunächst und vor allem in Betracht kommenden Beziehungen der angewandten Botanik zu den Bedürfnissen des deutschen Volkes. Je nach dem Orte und den hauptsächlich dorthin eilenden Ver- tretern erscheinen die Beziehungen zwischen den praktischen Bedürfnissen und der botanischen Wissenschaft in anderem Lichte. Bei den Sitzungen im August 1903 zu Mainz war ein Anschluss gesucht und gegeben an den Deutschen Weinbaukongress, und zahlreiche Vorträge verliehen diesem Anschluss wissenschaftlichen Ausdruck. Hier in Hamburg steht die diesjährige Versammlung unter dem Zeichen der internationalen Konferenz für Samenprüfung; Fruchtspeicher und Saatreinigungsanstalten sollen uns vorgeführt werden an Stelle von Bottichen mit gärenden Traubensäften; dazu werden die reichen Samm- lungen des Hamburger botanischen Museums nicht verfehlen, auf alle, welche das Arbeitsgebiet der angewandten Botanik im Bereiche der kolonialen Einfuhrprodukte durchmustern wollen, einen tiefen Eindruck zu hinterlassen; es ist vorbildlich in seiner Auswahl der Stoffe und in seinen nicht systematisch aufgestellten Produktensammlungen, die besser, Jahresbericht der Vereinigung für angewandte Botanik. IV. 1 2 0. Drude. als es eine Reihe von Vorträgen vermöchte, die Ziele der ganzen tech- nologisch-warenkundlichen Seite der angewandten Botanik enthüllen. Noch kam unsere junge Vereinigung bisher an keinem Orte zusammen, wo sie nach dieser Seite hin eine so vortreffliche Anregung hätte empfangen können. Zwischen den enormen Ansammlungen im Berliner Museum und den fragmentarischen Produktensammlungen anderer Städte und botanischer Institute die goldene Mitte haltend, hat sich das Ham- burger Museum einen vortreffüchen Ruf erworben, der nach dem Umzüge in sein neues Heim mit steigender Entfaltung seiner Kräfte unzweifelhaft sich glänzend befestigen und, zusammen mit dem schönen botanischen Garten, Hamburgs wissenschaftlichen Staatsanstalten zur grössten Zierde gereichen wird. Sehr verschiedene Kreise unserer an wissenschaftlichen Veranstal- tungen reichen Zeit werden gerade von dieser Seite der angewandten Botanik lebhaft angezogen und durch sie der praktischen Seite unserer Wissenschaft auch theoretisch näher geführt. Ich darf heute an den ungeteilten Beifall erinnern, den am 5. und 6. Oktober 1899 die Mit- glieder des internationalen Geographenkongresses, von Berlin aus der Einladung Hamburgs folgend, bei ihren Besichtigungen diesem damals unter f Sadebecks Leitung stehenden Museum darbrachten: in be- sonderer Dankbarkeit muss ich daran denken, wie '/2 ^^^r später, Ende April 1900, gerade dies Hamburger Museum mit Erlaubnis des hohen Senates einen bedeutungsvollen Anteil nahm an einer in Dresden, an- schliessend an eine dortige grosse Gartenbauausstellung, veranstalteten und für Sachsen ersten Kolonialausstellung, für welche Sadebeck eifrigst Sorge trug. Durch die Mitwirkung der grossen botanischen Museen zu Berlin und Hamburg wurde damals in zündender Weise, und hauptsächlich durch die formvollendete Gruppierung in dem grossen Hamburger Saale, die hohe Bedeutung und der Reiz, nach Wissenschaft und Praxis hin, gerade dieser sonst im Binnenlande noch wenig gewürdigten Seite der angewandten Botanik vorgeführt, und noch heute ist jene Aust Stellung bei uns in dankbarer Erinnerung geblieben. So war es mit Freude zu begrüssen, dass die diesjährige Sitzung- sich Hamburg und die tatkräftige Führung von Professor Zacharias auswählte, um neben den älteren bei dieser Vereinigung gepflegten land- wirtschaftlichen Beziehungen auch die der Weltwirtschaft mit ihren riesigen Bedürfnissen an Pflanzenrohstoffen in das rechte Licht zu stellen und die Vielseitigkeil unseres Arbeitsfeldes von neuem darzutun. „Die Vereinigung der Vertreter der Angewandten Botanik verfolgt die Aufgabe der Förderung und Vertiefung der wissenschaftlichen Erkenntnis im r»ienste von Land- und Aufgaben und Ziele der Angewandten Botanik. 3 Forstwirtschaft, von Handel und Gewerbe durch botanische Forschung", so bezeichnete in jener Sitzung 1903 zu Mainz der Vor- sitzende die Zwecke der Vereinigung in knappen Worten. Die heutige Vielseitigkeit der „Angewandten Botanik" und die Leistungen, welche zur Erreichung dieses Standpunktes die botanische Wissenschaft unternahm, kann man erst richtig würdigen unter der Erwägung, dass die praktischen Disziplinen, denen sie dient oder die sie zu fiirdern bestrebt ist, alle uralt sind, sie selbst aber gerade in ihrer Ver- wendung jung. Entgegengesetzt zwar erscheint der Standpunkt des zweiten Redners vom heutigen Tage, Professor Warburg, wenn er erklärt: „Die angewandte Botanik reicht bis in die Uranfänge mensch- licher Kultur zurück, sie ist zweifelsohne die älteste aller botanischen Disziphnen." ') Warburg führt weiter aus, dass wir dreien der noch heute wichtigsten Zweige der angewandten Botanik gleichzeitig in den Über- lieferungen der ältesten Völker der grossen vorderasiatisch- ägyptischen Kulturzone in schon ziemlich hoher Ausbildung begegnen, nämlich der Ackerbau-, der Gartenbau- und der Heilmittellehre; aber auch die tech- nologische Botanik reiche in ihren Anfängen bis in jene Periode zurück, wie das Bierbrauen, die Weinbereitung, das Brotbacken, die Papier- bereitung, das Färben, Spinnen, Weben, sowie die Kunst der Einbalsa- mierung z. B. der Ägypter beweise. Aber indem Warburg selbst hinzufügt, dass nicht wissenschaftliche Grundlagen für diese Disziplinen, sondern eine durch Tradition erhaltene und allmählich sich erweiternde Empirie ihre hohe Ausbildung in schon alter Zeit bewirkt hat, stellt auch er selbstverständlich sich auf gleiche Grundlage mit meiner An- schauung. Nur wenige Wissenschaften reichen, wie die Astronomie, in die ältesten Zeiten menschlicher Kultur nachweislich zurück und besitzen direkten Anschluss an die heutige, weit vorgeschrittene Gegenwart. Im übrigen war nur der Kunstsinn des Menschen schon sehr frühzeitig rege, und ebenso seine rastlose Erfindungskraft für die Begründung und den weiteren Ausbau technischer Betriebe. Viele Disziplinen, die heute umfangreiche Lehrgegenstände der Technischen Hochschulen bilden, reichen mit ihren Anfängen bis in die erwähnten alten Zeiten zurück, aber keine unserer heutigen Wissen- schaften der drei Reiche der Natur. Und daher halte ich es für ange- messen, in der menschlichen Kulturgeschichte zwischen technischen 1) Bar. D. B. Ges. 1901, XIX, (1.53). 4 O. Drude. Betrieben und abstrakten Wissenschaften zu unterscheiden. Die „Ange- wandte Botanik" aber gehört zu den abstrakten Wissenschaften. Ich greife zur Beleuchtung ein einzelnes Beispiel heraus, die Ge- schichte des Papieres. Die alten Ägypter waren zweifellos gut mit den Eigenschaften der Papyrus-Staude vertraut, die sie zu ihren Rollen ver- wendeten. Von China her kam, nach dem Ersatz der Papiere aus Seidenzeug durch die Broussonetia- Faser, in den ersten Jahrhunderten p. Chr. ganz allmählich die Technik der geschöpften Papiere nach Westen. Hier, in den Steppen Turkestans, mussten Leinen und Hanf den Ersatz für Broussonetia liefern, und so wurde nach der Eroberung von Samarkand durch die Türken i. J. 704 diese Technik im arabischen Orient weiter verbreitet. Um 1000 p. Chr. sehen wir in Ägypten Papiere von Leinen und Hanf die Papyros-RoUen ersetzen, im Alter der Kreuzzüge dieselben in Europa an die Stelle treten. Nun kommt das eifrige Nach- spüren von Surrogaten für die wertvollen Bastfasern, heute erst verbündet sich die Papierfabrikation zur Bereicherung ihrer Rohstoffe und zur Sicherung ihrer Unterscheidungen der Mitwirkung der Botanik. Das Wesen der „Angewandten Botanik" besteht in der Ein- wirkung richtig verstandener wissenschaftlicher Methoden auf jene ur- alten Gewerbe und Betriebe, welche die menschliche Kultur begründeten und weiter führten. Das Ackerfeld ist anfänglich kein botanischer Versuchsgarten gewesen, und der Bauer will und soll auch heute noch kein Botaniker sein, so wenig wie der Papierfabrikant; aber die Keim- kraft des Saatgutes nach richtigen Methoden zu prüfen, den Ersatz des Stallmistes durch KnöUchenbakterien zu erproben, in dem fertigen Papiere die verwendeten Materialien sicher nachzuweisen und Leinfasern von Stroh, Jute und Fichtenholz zu unterscheiden: das ist die botanische Mitwirkung und Hülfsleistung an die Praxis, das sind die Errungenschaften wissen- schaftlichen Denkens und Forschens, welche sich nun nachträglich mit eigenem Siegeslauf als unentbehrlich empfunden an tausenderlei Dinge des täglichen Lebens anheften, welche die Praxis belehren und sie auf neue Bahnen weisen, oder auch über sie eine Kontrolle ausüben und bei Fälschungsklagen dem Richter mit der Wucht des Beweises zur Seite stehen. Ausführungen. Wenn ich nun hier an dieser Stelle etwas sagen soll über die Einzelgebiete der ,, Angewandten Botanik", über die erstaunliche Mannig- faltigkeit der Beziehungen, welche die Resultate rein wissenschaft- licher Forschung mit den Bedürfnissen der Praxis in Verbindung gesetzt haben und sie in immer engerer Verbindung erhalten, so erscheint mir Aufgaben und Ziele der Angewandten Botanik. 5 einem Kreise von Sacliverständigen gegenüber, wie er hiier versammelt ist, dies sehr schwierig in Anbetracht der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit. Ich kann an die mir gestellte Aufgabe nur herangehen in der Hoffnung, dass manchen Vertretern der angewandten Botanik nur einseitige Beziehungen sehr vertraut sind, dass es Ihnen Interesse gewährt, an andere Beziehungen erinnert zu werden, die nicht minder wertvoll sind, dass endlich Sie alle einer Gesamtübersicht über unser grosses Arbeitsgebiet deswegen einmal gern folgen werden, um sich an seiner Grösse zu erfreuen. Denn es ist noch von besonderem Wert: bei unserer Arbeit handelt es sich nicht um erkünstelte Fragen, sondern um Aufgaben, welche gewissermassen aus der Praxis des täglichen Lebens herausgeboren sind und den Ruf nach Unterstützung durch die Kenntnisse von Botanikern haben ergehen lassen. Die Zusammenfassung der Angewaiidteu Botanik erscheint mir nach fünf Hauptrichtungen am zweckmässigsten zu geschehen : 1. Förderung der Pflanzenproduktion (von der Auswahl des Saat- gutes an bis zur Physiologie der Ernährung, Befruchtung) in Feld und Garten, Wiese, Wald. Dazu gesellt sich der Plan- tagenbau in unseren Kolonien. 2. Kultur nützlicher Mikroorganismen zu technischen Zwecken (Bier, Wein, Kefir, Sauerteig usw.). 3. Bekämpfung der bei 1 und 2 hinderlichen Feinde (Unkräuter, Pilz- und Insektenkrankheiten, Rauchschäden, Umschlagen des Bieres. — Anschluss an Abteilung 4: Hausschwamm und andere holzzerstörende Pilze). 4. Kenntnis der leblosen vegetabilischen Rohstoffe als Handelsware zu technischen, medizinischen und Genusszwecken (Kaffee, Brau- gerste, vegetabilisches Elfenbein, Früchte. — Technische Wert- schätzung der Hölzer des Erdkreises. — Rinden, Fasern. — Indigo, Öle, Harze. — Alkaloide und Glykoside pharmakognos- tischer Drogen). 5. Pflanzengeographische Grundlagen der Weltwirtschaft: khmatische Gebundenheit der Kultur sowohl als auch der natürlichen Rohstofferzeugung (Verteilung der Cerealien, Textilien, Kaut- schuke, Färb- und Gerbstoffe, Kenntnis der natürlichen Hilfs- quellen der verschiedenen Länder als Grundlage des gegen- seitigen Austausches von Rohstoffen und verarbeiteten Waren). Auf diesen sehr verschiedenen Gebieten arbeitet die angewandte Botanik teils beschreibend und nach Diagnosen bestimmend, teils physiologisch- experimentell, teils anatomisch-mikrospisch, und sie stellt sich vielfach in e O. Dru.le. Ergänzung mit der organischen Chemie, die häufig ihre treueste Ver- bündete ist, indem sie die im Welthandel gelieferten Rohstoffe auf ihre wirksamen Bestandteile ausbeutet, anderseits aber auch der Verwendung natürlicher Rohstoffe entgegen zu wirken sucht mit den Hilfsmitteln ihrer eigenen, chemischen Synthese. Auch in der Hygiene kommen chemische und botanisch - mikroskopische Methoden nebeneinander auf dasselbe Arbeitsfeld. Diese fünf unterschiedenen Hauptgebiete haben naturgemäss recht verschiedenartige Bearbeitung durch die heutigen Vertreter der ange- wandten Botanik erfahren, und in der Regel arbeitet ein jeder, der einen praktisch - wissenschaftlichen Beruf erfüllt, nur nach einer Rich- tung hin. Voran stehen die kulturellen Interessen, und da ist zunächst auch insbesondere der Beziehungen zum Gartonbau zu gedenken. Hier in Hamburg, einer den Gartenbau so trefflich pflegenden Stadt, drängt sich die Rücksichtnahme auf diese Beziehungen besonders auf, gerade so wie sie auch z. B. die praktischen Leistungen des jetzigen botanischen Gartens in Dresden sich dienstbar gemacht haben. Was Hamburg anbetrifft, so hatten wir die Freude, aus den Worten des Herrn Senators Dr. v. Melle den Wert zu erkennen, den man hier der Verbindung von Botanik und Gartenbau zollt, einer Verbindung, welche überhaupt als die alierinnigste zu bezeichnen ist. Wenn man den Gartenbau mit seinen in die Urzeiten alter Kultur- geschichte zurückreichenden Anfängen als eine selbständige Betriebs- tätigkeit ansieht, so kann man sagen: unter den heutigen Verhältnissen ist der Gartenbau so sehr von botanischer Wissenschaft durchdrungen und wirkt so sehr auf sie befruchtend zurück, dass eine Trennung beider unmöglich erscheint. Es dienen ja auch die botanischen Gärten beiden Interessen, indem sie bald wissenschaftliche Untersuchungen unter Zuhilfenahme gärtnerischer Praxis ausführen, bald aber die Praxis selbst mit den Hilfsmitteln theoretischer Wissenschaft zu fördern, be- sonders aber zu einem Verständnis empirisch gesammelter Erfahrungen zu führen suchen. Mit der Betonung der Innigkeit dieser beiderseitigen Beziehungen wollen wir hier heute diesen Gegenstand kurz abmachen, da unsere „Vereinigung" an sich anderen Zweigen dient; nur ein Hinweis über die Dienste, welche gärtnerische Praktiker der Botanik ihrerseits leisten, mag hier noch eingeschaltet werden. Aufgaben und Ziele der Angewandten Botanik. 7 Die Gesetzmässigkeiten in der Kreuzung und Zuchtwahl der Rassen mit allen schwierigen Fragen der Vererbung sind von Gärtnern in vollem Umfange selbständig in ihren Betrieb gestellt. Die Frage, ob bei Kreuzung von Rassen auch neue, eigenartige Merkmale des Bastardes entstehen können, ist nun eine für die theoretische Botanik ungemein wichtige. Dass wir sie heute zumeist ablehnen und den Bastarden nur eine verschiedene Auswahl elterlicher Merkmale zuschreiben, ist in erster Linie den umfangreichsten gärtnerischen Züchtungserfahrungen zuzuschreiben. Luther Burbank in Kalifornien widmet sein Leben nur diesen Studien als gärtnerischer Praktiker; in seinem Garten hat er eine Kultur von 300 000 verschiedenen Pflaumenzüchtungen; als er aber eine Rasse ohne Steinschalen um den Kern vorführte, musste er als Erklärung angeben, dass sie aus Hybridisation mit einer schon als „prune sans noyau", als steinlos in Frankreich gekauften und dort zwei Jahrhunderte schon bekannt gewesenen Mutation entstanden, nicht aber bei seinen Kreu- zungen als neues Merkmal herausgebildet sei. In derselben Weise hat Lemoine in Nancy seine gefüllten Fliedersorten aus der Kreuzung mit einer aus alter französischer Kultur herrührenden Syringa azurea ge- züchtet, weiche schon doppelte Blüten hatte: auch hier war dieses besondere Merkmal nicht etwa bei der Kreuzung neu entstanden. Es ist schon wiederholt darauf hingewiesen und hat bei der Gründung unserer „Vereinigung" vielleicht die bedeutsamste Rolle gespielt, dass die landwirtschaftlichen Interessen in der Angewandten Botanik schon frühzeitig in besonderer Entwickelung von Instituten, welche wissen- schaftliche Grundlagen mit praktischen Zielen vereinigten, hervorgetreten sind. Man erinnere sich daran, dass die Arbeiten von Lieb ig und Boussingault zu Zeiten der methodischen Umformung botanischer Wissenschaft durch Schleidens Lehrbuch solche Ziele verfolgten, die seitdem schärfer erkannt und bedeutend vertieft w^orden sind. An die mit physiologisch- mikroskopischen Methoden arbeitende Botanik neuerer Richtung suchte die Landwirtschaft Anschluss und zog botanische Assistenten heran, bildete zuerst ein besonderes, praktisch dienendes Personal in den landwirtschaftlichen Versuchsstationen heran und führte die Samenkontrolle als eine angewandte Disziplin ein, deren hohe Bedeutung heute durch die gleichzeitig mit uns tagende erste internationale Samenprüfungskonferenz in zu klarer Welse her- vortritt, als dass sie hier auch nur noch ein einziges Wort nötig machte. In unserer Vereinigung sind, nach den bisherigen Versammlungen und Jahresberichten zu urteilen, die Beziehungen zur angewandten Anatomie g O. Drude. in der Warenkunde und zur Förderung der Rohstofflehre überhaupt weniger hervorgetreten, obwohl gerade dieser Zweig sehr aussichtsvoll ist und, abgesehen von der schon lange nach ähnlichen Methoden arbeitenden Pharmakognosie, einen besonders wertvollen Lehrgegenstand für die Technischen Hochschulen, die eigentUche „technische" oder „technologische Botanik" bildet. Sie wurzelt in der bereits 1793 von Beckmann und Böhmer wissenschaftUch begründeten und begrenzten technologischen Rohstoff- lehre oder „Warenkunde", welche zuerst mit äusserlichen Beschreibungen und der Aufzählung der besonderen Eigenschaften von den diese Rohstoffe liefernden Nutzpflanzen und mit der geographischen Verbreitung derselben begann. Heute erkennen wir in der festen Verbindung dieser älteren „Warenkunde" mit der bestimmenden Anatomie und der Zellphysiologie das wissenschaftliche Gefüge und den dauernd befestigten Untergrund, auf dem allein die Beziehungen zwischen den Bedürfnissen der Tech- nologie und der wissenschaftlichen Botanik zur selbständigen Blüte gelangen können, und dies liefert zugleich den Massstab für unsere Beurteilung in der Geschichte der Rohstofflehre und ihrer eigenen Hand- bücher. Wenn wir die an der Jahrhundertwende erschienene neue Rohstofflehre von J, Wiesner in ihrer chemisch - physiologisch und anatomisch-systematisch durchgeführten Vertiefung mit den vor mehr als 100 Jahren geschriebenen , damals hochgelehrten und dem ent- stehenden Bedürfnis der Praxis vollkommen gerecht werdenden Büchern von Beckmann und Böhmer vergleichen, so überblicken wir sofort den ganzen Entwickelungsgang und wissenschaftlichen Fortschritt der technischen Botanik und sehen, dass wie auf anderen Gebieten so auch hier aus einer einfachen Empirie sich ein kompliziertes Lehrsystem entwickelte. Dies war ursprünglich zum grossen Teil den Pharmazeuten überlassen, weil auf deren anatomisch-mikroskopische Ausbildung für die Praxis ein genügendes Gewicht gelegt war; noch jezt, wo die ent- sprechenden Arbeitsgebiete zum Lehrgegenstand der speziellen Botanik an den Technischen Hochschulen geworden sind, behandeln die ein- schlägigen Lehr- und Handbücher vieles ganz gemeinsam. Folgende Hauptpunkte umfassen die wissenschaftlich begründete Lehre von den technisch verwendeten Rohstoffen des Pflanzenreichs: 1. Feststellung der Merkmale und Herkunft: sowohl nach anatomischer Organographic, als nach systemati- scher Klassifikation. 2. Ermittelung der die Verwendung beeinflussenden Eigenschaften vom botanisch-physiologischen Standpunkte. Aufgaben und Ziele der Angewandten Botanik. 9' 3. Feststellung der Heimat nach natürlichen und Kuiturzonen : geographische Rassen und ihre Bedeutung für den Wert der Rohstoffsorten. 4. Kritik der Gewinnungs weisen. Zu solcher eigenen Entwickelüng dieser Disziplin drängt die Gegen- wart: immer mehr stellt sich eine nützliche Arbeitsteilung zwischen Mittel- europa und den reichen Tropenländern heraus, so dass die Entfaltung der technologischen Industrie zur Verarbeitung von Rohstoffen bei uns stattfindet, während die Tropen zur Entfaltung des Plantagenbaues und zur rationellen Ausbeutung natürlicher Vegetationsbestände für den Gewinn solcher Rohstoffe vorschreiten. In der Vielseitigkeit wissen- schaftlicher und praktischer Rücksichten hat sich dabei die technische Rohstotflehre zu einer besonderen Disziplin entwickelt; zur beschreibenden Warenkunde ist die technologische Mikroskopie hinzugekommen. Die botanischen Museen eröffnen den Nutzpflanzenprodukten ihre Säle und fördern dadurch gemeinnütziges Wissen ; Monographien werden in ihnen bearbeitet, wie z. B. der grosse Band über die „Nutzpflanzen Ostafrikas" im Berliner Museum durch Engler und seine Mitarbeiter. Eine sehr hohe Bedeutung ist in den Kreisen unserer „angewandten" Botaniker von jeher der Beschäftigung mit den Mikroorganismen eingeräumt worden. Die wissenschaftUchen Begründer dieser Richtung haben wir Älteren noch persönlich als glänzende Sterne gekannt, ich nenne nur A. de Bary, Perd. Cohn, in dessen kleinem physiologischen Laboratorium in Breslau der Ursprung auch von so vielen medizinisch- hygienischen Arbeiten über Bakterien zu suchen war, dazu Paste ur als Mann der wissenschaftlichen Praxis, der die chemischen Anschau- ungen über den Gärungsprozess seit 1860 so wesentUch umgestaltete und von der Gay-Lussacschen Gleichung auf organische Wachstums- und Umsetzungstätigkeiten mikroskopisch zu beobachtender Pilze zur Erklärung kam. Aus der Schule de Barys führte Reess die Arbeiten über die Hefepilze mehr von der theoretischen, sodann aber der dänische Forscher Hansen mehr von der praktischen Seite weiter, und seitdem gehört das Mikroskop zum technischen Betriebe der Grossbrauereien. Unserem unermüdlichen früheren Vorsitzenden Wortmann sind dann die glänzenden Erfolge zu danken, welche in entsprechender Weise durch Untersuchung der Mosthefen die Anschauungen über die Wein- gärungen auf viel strengere Grundlagen stellten, auch hier die Rein- kulturen in ihrer Bedeutung hervorhoben und auf theoretischem Gebiete^ z. B. durch Aufstellung von einer biologischen Theorie der Gärung, ebenso weitere Fortschritte anbahnten. Die Geisenheimer Berichte über Obst-, Wein- und Gartenbau bieten geradezu überraschende Bei- IQ O. Drude. spiele für den Portschritt, den die Botanilc einer alten menschlichen Betriebstätigkeit jetzt gebracht hat. Wie hier die Bierbrauer und Weinbauer sozusagen in den Bann- kreis der botanischen Wissenschaft hineingezogen wurden, so hat sich aus der Phytopathologie, und dort wiederum besondersaus den ent- wickelungsgeschichtlichon Studien an Krankheit erregenden Pilzen und Bakterien, eine eigene grosse angewandte Wissenschaft gebildet, welcher Forst- und Landwirtschaft, sowie der Gartenbau zum grössten Danke verpflichtet sind. Wenn wir uns daran erinnern, wie erst l'/a Jahrzehnte vergangen sind, seitdem Jacob Eriksson mit seinem Aufrufe zur energischen An- spannung wissenschaftlicher Hilfsinstitute in den Dienst der Bekämpfung grosser, enorme Geldsummen verschlingender Krankheitsepidemien auf dem internationalen land- und forstwirtschaftlichen Kongress in Wien 1890 hervortrat, so kann es uns mit Freude erfüllen, zu sehen, wie viel von jenen Forderungen im Deutschen Reiche zur Tat geworden ist. Ein grosses Institut in Berlin mit einem Stabe ausgezeichneter Forscher nimmt diese Angelegenheit von Reichswegen in die Hand, die Grenzen sind, wie in unseren Hafenstädten die Tore zur See, bewacht von Posten, die statt der Gewehre Mikroskope führen, Männer wie R. Hartig, Frank, Kirchner, Sorauer und in jüngster Zeit zumal v. Tubeuf haben sich hervorgetan durch Handbücher und Herausgabe glänzender Mono- graphien. Noch möchten einige Beispiele für den heutigen Umfang und die Vielseitigkeit der Angewandten Botanik angeführt werden, um von den Gebieten grossen Umfangs auf die mühselige Einzelarbeit zurückzuleiten. Als Millardet vor jetzt 22 Jahren die sogen. Bordeauxbrühe zur Bekämpfung von Pilzkrankheiten des Weinstocks, später der Kartoffel, empfahl, konnte er kaum ahnen, welche Menge von Untersuchungen sich an dieselbe anschliessen würden, die auch in unseren Berichten durch Vorträge von Aderhold, Schander, Ewert u.a. hervortreten. Dass ein giftiger Stof! auch unter Umständen Ertragserhöhung herbeiführt, dass daran das Jahresklima wechselnd mit beteiligt ist, dass es sich dabei um Nebenwirkungen, wie Dämpfung des Sonnenlichtes auf den bespritzten Blättern handeln kann, bei denen das dem Kalk beigemengte giftige Kupfer in eine ganz andere Wirksamkeit tritt, braucht hier nur angedeutet zu werden. Vielfältig verschiedene Urteile sind über die Möglichkeit, die Hanf- und Leinfasern sicher zu unterscheiden, gefällt worden. Noch steht un- übertroffen da die mühsame, vor 30 Jahren durch einen Gerichtsfall in Aufgaben und Ziele der Angewandten Botanik. XI Zürich hervorgerufene Arbeitsleistung von Gramer, dem damaligen Botaniker am eidgenössischen Polytechnikum, der zu dem Schlüsse kam, dass ein sicheres Urteil sich nur aus den zufällig beigemengten Resten von Oberhautfetzen und Haaren erzielen lasse. Sehr bemerkens- wert ist damals auch gewesen, dass die als Sachverständige hinzu- gezogenen Leinenfabrikanten zum gleichen Urteile wie Gramer über die ihnen vorgelegten Zeugproben kamen, ohne jedoch ihr Urteil irgendwie begründen zu können, während die mikroskopische Analyse nach der ■einen oder anderen Richtung hin zu einem sicher begründeten Urteil kommt. In der Imprägnierung des Holzes, welches der Witterung und feuchten Erde und damit zerstörenden Organismen ausgesetzt ist, liegt ein Sparmittel von grosser nationalökonomischer Bedeutung. Man über- lege sich, dass z. B. in einer der beiden sächsischen Imprägnierungs- anstalten für Eisenbahnschwellen zu Löbau oft weit über 100000 Holz- schwellen mit einem Schlusswert von je 3 Mk. jährlich zur Ablieferung kamen, deren Haltbarkeit bei Anwendung von Kiefernholz auf 15 bis 20 Jahre gestellt wurde, so dass jedes Jahr mehr ca. 20000 Mk. an Schwellenmaterial ersparte — dass dieses Holz bei dem raschen Umtrieb sächsischer Forsten aus dem Osten gekauft werden rausste, da die inländischen Stämme meist nicht stark genug w^aren — und man ersieht, dass gute Konservierungsmethoden des Holzes geradezu die zu klein gewordenen Waldtlächen bei uns in etwas ausgleichen könuen. E)aher die Aufmerksamkeit, welche hier ein ganz anderer Zweig der angewandten Botanik diesem Gegenstande schuldet, indem die besten Methoden zur Einbringung einer möglichst grossen Menge pilzteindlicher Lauge (Zinkchlorid) in das Innere des Holzes experimentell geprüft werden müssen. Es handelt sich dabei auch um die Wirkung des sogen. „Dämpfens" des Holzes, d. h. der Methode, durch Einwirkung von 112^ C heissem Dampfe während einer Stunde — wie man sich dachte — die Ei Weissstoffe zu koagulieren und die Aufnahme der Lauge vor- zubereiten, während sich herausstellte, dass die Temperatur im Innern der Schwelle am Schlüsse jener Stunde nur auf 36 "^ G. gestiegen und die Aufnahme für Lauge in den äusseren Schichten herabgesetzt war. Einen stets grösseren Umfang nimmt die Bestimmung und Kontrolle von Handelswaren, sowohl von technologischen als auch von Nahrungs- und Genussmitteln, in den dazu bestimmten Laboratorien an, und Samm- lungen mit geeichten Stücken von richtiger Herkunft sind dazu not- wendig, wenn sie auch nicht leicht zu der Grösse des Hamburger Museums sich aufschwingen können. Viele Fragen stellen die Zollbehörden, um die richtige Tarifbestimmung anwenden zu können. Sind dieselben 12 O. Drude. leicht zu beantworten in den Fällen, wo nach Mais- oder Hirsesorten, nach Mandel- oder Pfirsichkernen gefragt wird, so ist es schon ein heikles Unternehmen, das „argentinischen Strohhüten" zugrunde liegende Rohmaterial zu nennen, besonders wenn das Vergleichsmaterial der Flechtstoffe in der Vergleichssammlung versagt. Es mag an einen Aufsatz von Porstmeister Jen t seh') über die Tarifposition „Holz" im Eisenbahngütertarif erinnert werden, der be- sonders die Ungenauigkeit der als „Pitch Pine" bezeichneten Handels- ware hervorhebt, in der botanische und merkantile Namen keineswegs übereinstimmen und öfters eine wirklich korrekte anatomische Vergleichs- bestimmung sich nötig machen würde. Es ist ein notwendiger glücklicher Umstand für dieses Gebiet der Angewandten Botanik, dass Handbücher existieren, in erster Linie Wiesners neue Ausgabe der „Rohstoffe des Pflanzenreiches", welche die anatomische Charakteristik der Mehrzahl der technologisch und merkantil in Betracht kommenden Rohmaterialien schon jetzt in rühmenswerter Vollständigkeit vereinigen; sie werden ergänzt durch die anatomischen Werke der Pharmakognosie, wie besonders A. Tschirchs zweibändigen „Atlas", und durch die neuere Literatur über Mikroskopie der vege- tabiUschen Nahrungs- und Genussmittel. Einige wenige Lehrbücher sorgen für den besonderen Bedarf der Technischen Hochschulen, so das von Hanausek.^) Sie zeigen, dass sogar die nicht organische Struktur besitzenden Rohstoffe der mikroskopischen Technik unterworfen werden können, Gummigutt, Elemiharze u. a. werden in ihren Auflösungserscheinungen beobachtet, Kristalle von Harzsäuren werden mit Hilfe des Polarisations- mikroskopes erkannt, Beimengungen von Chlorophyll (wie z. B. in der „Jungfernöl" genannten feinen Sorte des Olivenöls) spektroskopisch von wertlosen Nachahmungen mit grünlicher Farbe unterschieden: überall baut sich eine eigene Methodik aus. Wir haben nun auch noch die Beziehungen der Rohstofflehre zur sj'^nthetischen Chemie zu streifen und die wichtige Frage zu berühren, inwieweit eine Ablösung der direkten vegetabilischen Rohstolfproduktion durch chemische Erzeugnisse möglich ist. Die organische Naturforschung, so imposant sie sich heutzutage entwickelt hat, muss doch der Möglichkeit freier Erfindung entbehren, da der Kernpunkt der vitalistischen Erscheinungen und die Lösung der Frage vom Ursprung des Lebens nicht in ihre Hand gegeben ist. Um 1) Mündener Forstliche Hefte VIII, 52—72, bes. S. 66. 2) Lehrbuch d. Technischen Mikroskopie. Stuttg. 190L Aufgaben und Ziele der Angewandten Botanik. 13 so mehr glaubt nunmehr die industrielle Welt auch hinsichtlich der organischen Verbindungen die freie Erfindung den exakten Wissen- schaften, der erfindungsreichen Chemie, unabhängig von der aus der Urnahrung aufbauenden organischen Welt, anvertrauen zu können; sie hofft die Hunderte von Rohstoffen aus unseren Laboratorien geliefert zu erhalten, welche jetzt der Welthandel als Pflanzenprodukte einführt. Schon erscheinen die alten Färbereipflanzen, Waid, Krapp, selbst Indigo- fera, entbehrlich; die Riechstoffe der Iris fiorentinci, der Veilchenblüte, Orange und Heliotrop können auf dem Wege chemischer Synthese rein dargestellt werden; das Aroma der Vanille sollen wir durch das Vanillin der chemischen Fabriken ersetzen. Alkaloide wie Coniin u. a. sind synthetisch hergestellt; warum soll es nicht auch mit dem Alkaloid des Kaffees so geschehen? Eine Milliarde Mark bewegt sich alljährlich im Welthandel zur Ablieferung der Säcke voll Kaffeebohnen an die alten Kulturländer; Deutschland bezahlt alljährlich viele Millionen dazu, ebensoviel für das noch viel unnützere Alkaloid Nikotin im Tabak. Niemand kann heute bestreiten, dass es zu den sehr wahrschein- lichen Möglichkeiten chemischer Erfindung gehört, die jetzt noch nicht synthetisch hergestellten Alkaloide Coffein und Nikotin künstlich her- stellen zu lernen; niemand kann bestreiten, dass es einen grossen wirt- schaftlichen Erfolg für Deutschland, bedeuten und einen starken Um- schwung im Welthandel hervorrufen würde, wenn es solche Genuss- mittel exportierte. Es gibt noch viel weitergehende Wünsche nach künstlicher Stärke, chemischem Brot; aber auch wenn wir uns gar nicht so weit in nie- mals zu verwirklichenden Ideen verlieren, so gibt es auch bei den hand- greiflich vor uns liegenden Zielen der chemischen Synthese gewisse Grenzen, welche nur für eine gewisse Zahl und Menge von Rohstoffen die Pflanze entbehrlich erscheinen lassen. Für die grosse Hauptmasse gilt auch heute noch, dass jetzt wie in Zukunft die organische Chemie keine besseren und billigeren Arbeitskräfte zur Beschaffung ihres eigenen Rohmaterials annehmen kann, als die chemisch-physiologischen Prozesse der im Sonnenhchte arbeitenden Pflanzenwelt auf der ganzen Erde! Bei Lieferung grosser, in ihrer Totalität nutzbarer Massen (Zucker, Fette) oder bei der Einsammlung reicher Stoffgemenge (Harze, Kautschuke usw.) oder gar organisierter Substanzen (Fasern) wird und muss die Pflanzenproduktion die direkte Quelle bleiben und liefert als- dann ihre Rohstoffe an die technische Chemie zur Aufbereitung und Umarbeitung. Die kulturelle und technologische Botanik behält auf diesen Gebieten j j. O. Drude. dauernd ihren Rang als ewig junge und sich selbst regenerierende Quelle für die Bedarfsmassen unserer Industrie und der mit dem heutigen Kulturleben zusammenhängenden mannigfaltigen Bedürfnisse; ihr folgt die chemische Industrie mit ihren sich vervollkommnenden Methoden erst nach. Das braucht sich aber nicht so zu erhalten auf der ganzen Um- fangslinie der Rohstoffe, welche der Mensch ursprünglich aus dem Pflanzenreich kennen lernte, und es wird sogar von wesentlichem Nutzen, nationalökonomisch betrachtet, sein, wenn für gewisse Rohstoffe die chemische Industrie mit dem Ausbau ihrer synthetischen Methoden auch die direkte Produktion in die Hand nimmt. Man bedenke, wie grosse Flächen nutzbaren Ackerlandes bei uns und in den Tropen dazu verwendet werden müssen, um verhältnis- mässig ganz geringe Mengen eines gesuchten Rohstoffes zu erzeugen. Tausende von Rosenblüten gehören dazu, um einen Tropfen Rosenöl als Destillat zu liefern; ganze grosse Rosengärten werden diesem Zweck geopfert. Um den Kampfer zu erhalten, werden mächtige Bäume von der Grösse unserer Eichen gefällt und — sogar noch mit unvollkommenen Methoden — in Holzspäne zerhackt der Destülation unterworfen. Ganz ähnlich ist es mit dem Indigo und anderen Farbstoffen, welche als Nebenbestandteile des Zellsaftes erst mit dem Tode der lebendigen Zellen in Wirkung treten. Wo die Pflanzenkultur nur kleine Mengen von Rohstoffen auf grossen Flächen liefern kann, ist es erwünscht, dass die technische Chemie dieselben auf reicherem synthetischen Wege liefere, der oft ein viel einfacherer sein wird, als der entsprechende Spaltungsprozess im Gewebe der lebenden Pflanze. Und damit befinden wir uns in dem Gebiete der weltwirtschaftlichen Erwägungen. Durch die Steigerung der Mannigfaltigkeit und Quantität unserer Bedürfnisse bei gleichbleibender Landfläche werden unausgesetzt Ände- rungen im Welthandel herbeigeführt, besonders aber dann, wenn wir denselben Rohstoff aus verschiedenen Stammpflanzen, ergänzt durch chemische Synthese oder nur Aufbereitung, gewinnen kiinnen. v Manche Einfuhrprodukte werden dann abgelöst durch andere; manche wird man zuerst in fremden Pflanzen kennen lernen und später aus einheimischen zu gewinnen suchen (Beispiel: Rohr- und Rüben- zucker; aus den Importländern Mitteleuropas sind z. T. Exportgebiete geworden). Aufgaben und Ziele der Angewandten Botanik. X5- Die Aufgabe der Angewandten Botanik wird mit darin bestehen, die Gewinnung der Rohstoffe auf die wirksamsten Nutzpflanzen und die ergiebigsten Klimate beschränken zu helfen. Und diese Aufgabe befindet sich unter dem steigenden Einfluss der chemisch-synthetischen Industrie, welche neue Werte ohne pflanzliche Herkunft in einer wahrscheinlich stetig sich steigernden Umwälzung auf den Markt wirft. Ich habe diese weltwirtschaftlichen Erwägungen zunächst betont bei nicht organisierten Rohstoffen, welche wie Farbstoffe, Alkaloide und ätherische Öle eines wirklich künstlichen Ersatzes fähig sind, entweder durch ganz andere, aber ähnlich oder besser wirkende Kompositionen, oder durch dieselben synthetisch hergestellten Stoffe gleicher Qualität zu billigerem Preise, Wir können solche Erwägungen aber auch ausdehnen auf die not- wendigen Nahrungs- und Genussmittel aus dem Pflanzenreich und können die Frage aufwerfen, ob schon jetzt das der mitteleuropäischen Lage am besten entsprechende Verhältnis vom Anbau gewisser Cereahen, Textil-, Öl-, Gerbstoffe usw\ liefernder Pflanzen und der Einfuhr der übrigen Rohstoffe auf vielseitigen Handelswegen erreicht sei, oder ob hier wesentliche Verbesserungen möglich sind? Und wenn wir in die weitere Zukunft blicken, so sehen wir ganz andere Erschütterungen des heutigen Welthandelsystems mit seinen Aus- und Einfuhren dadurch entstehen, dass früher oder später in unseren Kolonien selbst eine technologische und chemische Industrie erwachen wird, welche dort ganz andere vegetabilische Hilfsmittel zur Verfügung haben wird, als wir in unserer einheimischen Pflanzenwelt sie besitzen mit der Einfuhr trockener Rinden, Blätter, Früchte. Von solchen Gedanken geht auch eine nicht uninteressante Ab- handlung von Ottomar Thiele') aus, welche allerdings die Ergänzung unserer eigenen Rohstoffproduktion im Lande etwas optimistisch ansieht. Denn für Nahrungsmittel scheint sie doch im allgemeinen abzulehnen zu sein, so vielerlei Nahrung auch dem Wilden sogar in Steppen geboten wird. Die bestehende Geschmacksrichtung bei uns setzt der Einführung neuer Nahrungsmittel im allgemeinen Widerstand entgegen, wofür manche Beispiele vorliegen. Die Knollen vom Topinambur, von Stachys affin/s als Gemüse wollen sich nicht einbürgern, obwohl sie gut in unseren warmen Lagen •) Über wirtschaftliche Verwertung ethnologischer Forschungen, Tübingen 1906. 16 0. Drude. gedeihen und eine ganz gute Ergänzung des Gemüsemarktes bilden würden, mindestens so gut wie Teltower Rübchen und ähnliches. So ^wichtige Einführungen aber, wie die Kartoffel, scheinen überhaupt nicht mehr möglich zu sein. Anders steht es mit der Einfuhr von Ernteprodukten fremder Länder: seitdem die Erdnüsse auch in Nordamerika so stark im Anbau zugenommen haben, kann man ihre Zunahme auf dem deutschen Prucht- markt wohl bemerken — ganz zu schweigen von der enormen Zunahme des Erdnussöls als einer Handelsware, deren Herkunft vielfach den davon zehrenden Kreisen unserer Bevölkerung kaum richtig bekannt geworden ist. Aber es mag wenigstens ganz allgemein daran erinnert werden, dass auf dem weiten Erdenrund sehr viel mehr essbare Pflanzen dem hungernden Menschen geboten werden, als die immerhin nicht sehr grosse Anzahl von richtigen, in allgemeinen Anbau übergegangenen „Kulturpflanzen" ahnen lässt. Ganze Völkerstämme leben, wenigstens in bestimmten Jahreszeiten, von Samen und Früchten, Knollen und Wurzeln, die bei uns kaum als fähig erachtet würden als Menschen- nahrung zu dienen. So die Hottentotten an der Walfischbai von der Narasgurke, die Klamath-Indianer Oregons von den Samen einer gelben Seerose, „Wokas" genannt,') andere Indianerstämme von Wasserreis {Zizanid)\ die in ärmlicher Steppe lebenden Indianer des Mendocino- distrikts in Kalifornien haben mehr als 100 Nährpflanzen der wilden Flora und treiben keinen Ackerbau.^) Dagegen liegen genug Anlässe vor, um uns in berechtigter Weise Umschau halten zu lassen nach einer weiteren Ergänzung unserer heutigen technischen und pharmakognostischen Rohstotfe. Beispiele technologisch wichtiger Pflanzen, die Nutzen versprechen, lassen sich schon jetzt in grosser Menge anführen; der Kürze halber mache ich hier nur einige Andeutungen. Bastfasern. D o dg e^) (1894) zeigt eine Menge von in der U nie n wild- wachsenden Malvaceen u. a. au. Rose*) (1899) zählt die mexikanischen Agave-Arten und andere treffliche Faserpflanzen mit z. T. noch unbekannter Verwendung auf. 1) Siehe Fr. V. Coville, Wokas, a primitive food of the Klamath Indians. Smithsonian Institution No. 130. Washington 1904. 2) Siehe V. K. Cliesnut in Contrib. U. S. National Herbarium, VII, No. 3. Washington 1902. ^) Report on the uncultivated Bast fibers of the United States. (Dep. ~of Agriculture, Fiber luvest. Rep. 0.) *) Contrib. from the U. S. National Herbarium V, No. 4, S. 239—251. Aufgaben und Ziele der Angewandten Botanik. ■ ^7 Versuche mit Boehmeria-Faserkultur im südlichen Frankreich sind von Erfolg, in Deutschland nicht. Chemische Rohstoffe. Runiex hymenosepalus SiUsTe'K.a.f^ und Louisiana enthält treffliches Gerbmaterial; die Pflanze hält aus in Sachsen. Die Rohmaterialien der ostasiatischen Lackfabrikation, Pflanzen wie Rhus vernicifera und andere, wären unserer Industrie zugänglich zu machen. Viele Pflanzen mit Färb- und Riechstoffen verdienen zum mindesten erhöhte Aufmerksamkeit, auch Seifenwurzeln und -Rinden, welche sich viel- fach im Gebrauch wilder Völker finden. Von Überlegungen dieser Art aus kann man der Anschauung von Ottomar Thiele am Schluss seiner obengenannten Abhandlung wohl beipflichten, dass eine Bereicherung der für unser Wirtschaftsleben nütz- lichen Produkte auf einem sicher und verhältnismässig einfach zum Ziele führenden Wege durchaus geboten erscheint, nämUch dadurch, dass ^\v noch zu einer besseren, vollkommeneren Kenntnis jener verschiedenen Pflanzenprodukte zu gelangen suchen, welche im Wirtschaftsleben der Naturvölker eine Rolle spielen. Wir haben die verschiedenen Richtungen, in denen sich das weite Arbeitsgebiet der Angewandten Botanik bewegt, in Leitsätzen, Andeutungen und Einzelbeispielen durchgesprochen und können zum Schluss nicht anders, als im Sinne der botanischen Wissenschaft unserer hohen Be- friedigung darüber Ausdruck zu verleihen, dass durch diese verschieden- artigsten Berührungen mit der Praxis menschlicher Gewerbe und Be- triebe der Wirkungskreis der Gesamtbotanik sich wesentlich erweitert hat und immer mehr sich zu erweitern bestimmt ist. Und dabei ist kein prinzipieller Unterschied zwischen angewandter und theoretischer Botanik. Denn in allen ihren Forschungen unterscheidet sich die ange- wandte Botanik von der allgemeinen Botanik nur durch das dem praktischen Bedürfnis entgegenkommende Ziel, nicht aber durch die Grundlage und Methode, so wie es schon Professor Behrens in dem Jahresbericht 1903/04') unserer Vereinigung ausdrückte: wir würden „fruchtlose Arbeit beim Verlassen der Wege der exakten Wissenschaft" ausführen. Erst die Verbindung beider schafft das Richtige, dadurch geht ein erweiterter Gesichtskreis für die ganze Botanik hervor; Kenner müssen sich herausbilden, wie Irüher in einzelnen Familien des Pflanzen- reichs, so jetzt in einzelnen Kapiteln der angewandten Botanik an den zugehörigen Instituten, welche in der Regel dem einen oder dem 1) Jahresbericht II, 32. J^Uiesbericht der Vereinigung für angewandte Botanik. IV. jg O. Drude. anderen Hauptzweige praktischer Verwendungsart dienstbar gemacht werden. Sogar auf die Gestaltung des Schulunterrichts kann der Umfang und die Porschungstätigkeit auf so vielen Gebieten der angewandten Botanik von durchschlagender Bedeutung und Anziehungskraft nicht ohne Einfluss bleiben, da hier die Botanik sich freier und gefälliger bietet für vermittelnde Einschaltung in andere Lehrgegenstände. Dass das Verständnis für gewisse Vorgänge des täglichen Haus- und Wirtschaftslebens geradezu eine unentbehrUche Bildungssache sei. das betont schon mit Recht Professor Lindner, 2) indem er darauf hinweist, dass der Lehrer an höheren Töchterschulen die biologischen Seiten der Gärungserscheinungen solle verstehen lehren. Wie viele ähnliche Forde- rungen lassen sich den Fachschulen entgegenhalten ! Aber darüber hinaus erscheint als ein der idealen Goistesrichtung entsprechender Lehrgegenstand von höchstem Interesse die Verbindung der Ethnographie mit den äusseren Bedingungen der Pflanzenkultur und Pflanzonnutzung, zugleich die natürliche Grundlage des Welthandels auf pflanzengeographischen Bedingungen. Dies muss belebend wirken auf das Verständnis menschlicher Betriebsamkeit und daran hier in Hamburg, am Orte der jetzt mächtig weiterflutenden Bewegung für Hebung des naturwissenschaftlichen Unterrichts, zu erinnern, erscheint wie eine Pflicht der Dankbarkeit. Solche Dinge gehören sicherlich mit zur „Allgemeinen Bildung", welche viel mehr nach dem geistigen Verständnis der Gegenwait und der treibenden Kräfte im Menschenleben streben muss, als nach einer blossen Anhäufung einzelner Kenntnisse. Denn durch die Forderung der letzteren allein könnten die biologischen Wissenschaften gerade so be- lastend wirken, wie andere. Schlusszusammenfassung. Wir haben gesehen, dass die ,, Angewandte Botanik" sich erst zu einer wirklich zuverlässigen Verbündeten der praktischen Disziplinen herausbilden konnte, nachdem der Umfang und die Methodik der streng wissenschaftUchen allgemeinen Botanik die heutige Grösse und Schärfe, besonders durch die Ausbildung des physiologischen Experiments und der mikroskopischen Technik erlangt hatte. Nur durch die Anwendung der Errungenschaften strenger Forschung auf dem Gebiete reiner Wissenschaft ist sie wertvoll geworden, nur durch diese fortgesetzte Anwendung wird sie wertvoll bleiben. Sie hat sich überall als ein leitender oder mitwirkender Faktor 2) Siehe Jahresbericht l. 79. Aufgaben und Ziele der Angewandten Botanik. 19 erst viel später in praktischen Fragen betätigt, als die selbständigen Disziplinen, denen sie jetzt hilft, ihre empirische Entwickelung durch- laufen haben. Jetzt erst, nachträglich, erkämpft sich die angewandte Botanik ihren eigenen Standpunkt, jetzt erst sind wir in die Periode gekommen, wo aus dem Studium der Botanik an den Hochschulen praktische Botaniker zu besonderem ausübenden Beruf neben dem Lehr- beruf hervorgehen. Jetzt nimmt die Angewandte Botanik einen grossen, vermittelnden Standpunkt ein zwischen Landwirtschaft, Forstwirtschaft und Gartenbau, zwischen technischer Chemie, Pharmakognosie, zwischen den Wissen- schaften der Fabrikingenieure und sogar der Weltwirtschaft und Welt- handel bearbeitenden Nationalökonomie, sich mit eigenen natürlichen Ge- sichtspunkten selbständig entfaltend. Ich sage „selbständig", denn sie tritt nicht in einer dienenden Rolle auf, welche bestellte Aufträge ohne weiteres abwickeln könnte, auch kann ihr nicht das schwere Rüstzeug der allgemein-botanischen Wissenschaft genügend helfen für ihren eigenen Beruf: sie muss viel- mehr mit eigener Kraft erfinderisch auftreten und, der durch das prak- tische Bedürfnis gegebenen besonderen Lage entsprechend, die For- schung selbständig weiterführen. Im Dienste der Praxis eröffnet sie auch neue, eigene Forschungsrichtungen und hilft am stolzen Bau unserer botanischen Wissenschaft unausgesetzt fördernd mit. Wie kein Zweig der Naturforschung ohne die Entfaltung seiner Machtmittel in Instituten und Sammlungen gedeihen kann, so hat auch die Angewandte Botanik ihre besonderen Institute und Museen nötig, welche in starker Arbeitsteilung den jeweilig gestellten besonderen Auf- gaben gerecht werden müssen: Vergleichs- und Bestimmungsammlungen, solche für Phytopathologie, für die ungeheure Fülle vegetabilischer Roh- stolTe und ihre Verfälschungen. Nicht überall können solche Samm- lungen in gleicher Fülle vorhanden sein; eine geschickte Ergänzung und ein Bund zur gegenseitigen Hilfsleistung wird mehr als zuvor dringend notwendig. Die „Vereinigung der Vertreter der angewandten Botanik" hat einen solchen Bund von Männern der Wissenschaft geschaffen; es kommt darauf an, ihn auf die hervorragenden Institute auszudehnen, ähnlich wie der „Verband landwirtschaftlicher Versuchsstationen im Deutschen Reiche". Von der Geschicklichkeit, die hierin entfaltet werden wird, hängt unzweifelhaft auch die Blüte unserer Vereinigung mit ab; möge diese Versammlung in Hamburg kräftig dazu mitwirken und mögen die Hamburger botanischen Institute in wachsender Blüte einen Ehrenplatz in diesem Bunde behaupten! 2* 2U O. Warbui-or. Tropische Landwirtschaft. Von Professor Dr. 0. Warburg, Berlin. Die tropische Landwirtschaft ist ihrer Natur nach eine ausser- ordentlich komplizierte Disziplin. Wie bei der heimischen Landwirtschaft wetteifern fast alle naturwissenschaftlichen Fächer, dieselbe zu fördern, auch die Technik trägt zu ihrer Entwickelung bei, und es ist ebenso wie bei der heimischen Landwirtschaft schon jetzt nicht mehr möglich, sich in den verschiedenen Teilen derselben dauernd orientiert zu halten. Es kann daher auch nicht unsere Aufgabe sein, hier in dem Kreise der Vertreter der angewandten Botanik, einen Überblick über die verschiedenen Forschungsrichtungen zu geben, welche die tropische Landwirtschaft zu fördern bestrebt sind, und ebensowenig können wir hier die in ihren Wurzeln sich weithin erstreckende Geschichte derselben verfolgen, da hierzu die Vertiefung nicht nur in die Prähistorie unserer ältesten] Kulturvölker, sondern auch in die Sitten- und Re- ligionsgeschichte der meisten primitiven Völker der Tropen nötig sein würde. Wir wollen uns ein bescheideneres Ziel stecken und uns nur klar zu machen suchen, 1. was momentan als die Haupttendenz der Entwickelung der tropischen Landwirtschaft anzusehen ist, 2. welche Aufgabe der landwirtschaftlichen Tropenbotanik hierbei zufällt. 3. auf welche Weise wir diese Aufgabe am besten einer be- friedigenden Lösung werden zuführen können. Vorher sei nur auf zwei Punkte hingewiesen. Der erste ist die Tatsache, — die übrigens schon im Jahre 1901, gleichfalls hier in Hamburg, auf der Deutschen Naturforscherversammlung in einem Referat über die Geschichte und Entwickelung der angewandten Botanik von uns hervorgehoben wurde, — dass die tropische Landwirtschaft als botanische Wissenschaft einer der jüngsten Zweige der angewandten Botanik darstellt. Es ist klar, dass viele der sehr erheblichen Mängel der wissenschaft- lichen Ausbildung dieser Disziplin nur darin ihre Ursachen finden, dass Tropische Landwirtscliaft. 21 bisher die Zeit zu kurz gewesen ist, um das Gebiet gründlich durch- zuarbeiten. Freilich ist dies nicht der einzige Grund der zweifellosen Rückständigkeit der landwirtschaftlichen Tropenbotanik, eine andere ebenso erhebliche Ursache ist die, dass es bis jetzt noch viel zu wenig Zentren gibt, wo man die nCitige Arbeitsmöglichkeit, die nötigen Arbeits- kräfte und die mindestens ebenso wichtige Anregung zu solchen Arbeiten findet. Ein drittes Moment liegt auf klimatischem Gebiet und besteht darin, dass einerseits in den warmen Gegenden für die weisse, momentan fast noch allein für solche Arbeiten in Betracht kommende Rasse die Arbeitskraft an sich erheblich geschwächt ist, die Unterbrechungen durch Erholungsreisen sehr gross sind, und es anderseits nur wenigen Weissen vergönnt ist, dauernd in den Tropen mit Energie zu arbeiten. Sind also durch die Kürze der Zeit, die geringe Zahl und die durch klimatische Ursachen verminderte Kraft der Arbeiter viele Lücken unserer Disziplin hinreichend erklärt, so kommt als ein wohl noch wichtigerer Umstand in Betracht die gewaltige Ausdehnung des Arbeitsgebietes. Für die wissenschaftliche Botanik machte Treub zuerst darauf aufmerksam, dass die tropische Pflanzenwelt das allgemeine, umfassende darstellt, während die Pflanzenwelt der gemässigten Zone nur einen Spezialfall bildet, und zwar gilt dies sowohl für die biologischen Verhältnisse als auch für die Anatomie, Morphologie und Systematik. Genau das gleiche gilt aber auch für die Landwirtschaft. Die heimische Landwirtschaft ist im Verhältnis zur tropischen als eine ihrem Umfang nach begrenztere, ihrem Wesen nach weniger vielseitige anzu- sehen. Die tropische Landwirtschaft ist ihrer Natur nach mannigfaltiger und vielgestaltiger als die Landwirtschaft der gemässigten Zone. C)ass dies uns im allgemeinen nicht gerade auffällt, beruht darauf, dass wir gewohnt sind, die tropische Landwirtschaft vom Standpunkt der heimischen aus zu betrachten. Die tropische Landwirtschaft steckt eben noch — wenigstens in theoretischer und wissenschaftlicher Beziehung — in den Kinderschuhen und hat sich vielfach noch nicht von den Fesseln befreit, die eine Übertragung der in der gemässigten Zone ausgebildeten landwirtschaftlichen Methoden ihr notw^endigerweise auferlegen musste. Auch mit der wissenschaftlichen Botanik verhielt es sich ja früher ähnlich. Zu Linnes Zeiten war die Kenntnis der tropischen l^flanzen- welt noch so gering, dass damals weit mehr Pflanzen der gemässigten Zone bekannt waren als der tropischen. Und was die biologischen Ver- hältnisse betrifft, so hat sich erst in den letzten 20 Jahren gezeigt, wie viel mannigfaltiger die biologische Botanik der warmen Zone ist als die der gemässigten. Die Arbeiten von Treub, Goebel, Schimper, Stahl, Haberland, Karsten, Wies n er und vieler anderer haben uns erst 22 O- Warburg. die Augen für diese Mannigfaltigkeit tropen-biologischer Probleme ge- öffnet, ebenso wie wir trotz mancher rühmlicher Vorläufer, wie Rumpf, van Rheede, Burmann etc., doch erst durch die Botaniker des vorigen Jahrhunderts, wie Roxburgh, Wallich, Wight, Hookor und Thomson, Blume und Miquel, Martius und viele andere, die Mannigfaltigkeit der tropischen Pflanzenformen zu crmessen begannen. Was die tropische Landwirtschaft betrifft, so befinden wir uns erst jetzt in diesem Übergangsstadium. Wir ahnen zwar schon lange, dass- wir die tropische Landwirtschaft nicht mit den an den heimischen Fluren herangebildeten Augen beurteilen dürfen und dass dort viele Verhältnisse obwalten, die bei uns nicht existieren oder doch nur in schwächlichen Erscheinungsformen ihr Analogen haben, in ähnlicher Weise wie etwa die Schling- und Überpflanzen unserer Zone nur ein schwaches Abbild der Lianen und Epiphyten der Tropen, die Holzleisten an der Basis unserer Bäume nur ein Miniaturbild der Nischenstämme der tropischen Baumriesen darstellen; aber zur Klarheit sind wir noch nicht durch- gedrungen. Niemand hat bisher die Verschiedenheiten scharf definiert oder in bestimmte Rubriken und Formeln eingeordnet. Diesem Um- stand ist es vor allem zuzuschreiben, dass die tropisch-landwirtschaft- liche Botanik noch mehr oder weniger den Eindruck eines Chaos her- vorruft, wo jeder, durch unmittelbare Bedürfnisse getrieben, allein für sich arbeitet, ohne sich um seinen Nachbar zu kümmern, ohne Methode und System, vielfach sogar ohne Kenntnis desjenigen, was in anderen Gebieten in bezug hierauf geleistet wird. Soweit dieijenigen, die an der Ausbildung der tropisch -landwirt- schaftlichen Botanik arbeiten, überhaupt wissenschaftlich geschult sind, knüpfen sie an die Erfahrungen der heimischen landwirtschaftlichen Botanik an, ohne die Tragweite der oft recht verschiedenen Verhältnisse der Tropen genügend zu bemerken und in Rechnung zu ziehen. Em- pirisch hat man natürlich schon viele der Differenzen erkannt und zum Teil auch berücksichtigen gelernt, methodisch jedoch sind diese Fragen nur in seltenen Fällen studiert worden trotz ihrer überaus grossen Be- deutung für die tropische Landwirtschaft. Um das an wenigen leichtverständlichen Beispielen zu erläutern, sei hier vor allem der so vielfach, meist aber nur ausserordentlich laien- haft erörterten Schattenfrage für tropische Baumkulturen gedacht. Wie viel leidenschaftliche Erörterungen findet man über diese für die Tropen- kulturen so wichtige Frage in den landwirtschaftlichen Organen der heissen Länder. Wie platzen hier die Meinungen der verschiedenen ,, alten Praktiker" aufeinander und wie töricht sind oft die theoretischen Erörterungen und teleologischen Begründungen. Wer hat aber jemals Tropische Landwirtschaft. 25 versucht, diese Frage einer streng wissenschaftlichen Beurteilung zuzu- führen, wer hat sich bemüht, die einzelnen Fäden zu entwirren, welche dieses entschieden komplexe biologische Problem zu einem für uns vor- läufig noch unlösbaren Knoten verschlungen haben? Ein anderes Problem ist das der Müdigkeit der tropischen Böden. Während eine solche in unsern Gegenden entweder erst mit Erschöpfung des Bodens durch intensive Kultur und Ernteentnahme auftritt oder in- folge deutlich nachweisbarer parasitärer Krankheiten, kennen wir aus den Tropen derartige Erscheinungen ohne für uns nachweisbare Ur- sachen, und doch wäre es von der grössten praktischen Bedeutung, wenn man die Ursachen im einzelnen zu ergründen suchte. So gut wie gar nichts wissen wir auch über den in den Tropen sehr bedeutenden Einfluss des Taus auf die Kulturpflanzen, desgleichen der Luftelektrizität, der Stickstoffanreicherung im Boden, der in den tropischen Gebieten viel schneller vor sich gehenden Zertrümmerung und Auslaugung des Bodens, der in warmen und trockenen Gebieten als Nährstofflieferant so wichtigen Staubregen, der Kapillarität des Bodens unter den mannigfachen Verhältnissen, wie sie die Tropen bieten. Hunderte von Fragen drängen sich auf, die in unseren kühleren Gegenden teils g-ar nicht bearbeitet w^erden können, teils nur einer ein- seitigen Durcharbeitung zugänglich sind, während sie in den Tropen intensivere und mannigfachere Erscheinungsformen bedingen, und daher dort einer generelleren und vielfach auch leichter zum Ziel gelangenden Behandlung unterworfen werden können. Wie viel Probleme mögen aber noch in den Tropen versteckt liegen, die sich uns erst bei einer weiteren Ausbildung der tropisch-landwirtschaftlichen Botanik offenbaren werden, deren Existenz wir aber jetzt noch nicht zu ahnen vermögen! Auch nach einer anderen Richtung hin steht die tropische Land- wirtschaft der heimischen bedeutend nach, das ist bezüglich der Aus- wahl der Kulturpflanzen. Besonders auffallend ist es, dass die verschiedenen Kategorien der Nutzpflanzen sich in bezug hierauf so verschieden verhalten, manche derselben zeichnen sich durch verhältnismässig zahlreiche, andere durch nur wenige Vertreter in den Tropen aus. Merkwürdig gering ist z. ß. die Zahl der tropisch indigenen Blatt- und Stengelgemüse, auch die Zahl der tropischen Getreidearten ist auf- fallend gering. Hingegen übertreffen die tropischen kultivierten Knollen und Rhizome die unsrigen um ein bedeutendes an Zahl. Während bei uns ausser dem Topinambur und den Rüben, fast nur die aus südlichen andinen Gegenden stammende Kartoffel kultiviert wird, werden in den Tropen 24 O. Warburg. nicht nur 4 Knollengewächse allgemein kultiviert, nämlich die beiden altweltlichen, Taro und Yams, und die beiden neuweltlichen, Batate und Maniok, sondern fast jedes Gebiet hat noch seine Spezialitäten, die Südsee Tacca pinnatifida, Indien Canna und Curcuma, das wärmere Ost- asien Sagittaria, Nelumbo etc., Afrika Co/ew*'- Arten, Südamerika Xanthosoma, Maranta etc. Auch die als Nahrungsmittel kultivierten Leguminosen sind in den Tropen bedeutend zahlreicher als in der gemässigten Zone. Während bei uns nur die Gattungen Phaseolus, Pisum, Faha, im Mittelmeergebiet noch Cicer, Lens und Laihyrus in Kultur sind, kommen in den Tropen noch hinzu Vertreter der Gattungen Cajanus, VIgna, Doliclios, Canavalia, Psophocarpus, Pachyrhizus, Cgamopsis, Voandzeia, Arachis, (wenn auch mehr als Ölfrucht) und die noch viel zu wenig gewürdigte nährstoffreichste aller Leguminosen, die Sojabohne {Glycine soja). So bedeutend die Zahl der in Kultur genommenen Knollengewächse und Leguminosen, und in noch höherem Masse der Gewürze und Früchte der Tropen im Verhältnis zur gemässigten Zone auch erscheinen mag, so erschöpft sie doch nicht im entferntesten die Möglichkeiten, welche die gewaltige und überreiche Pflanzenwelt der Tropen dem Menschen zur Auswahl bietet. Unbedeutend an Zahl sind hingegen die tropischen Kulturpflanzen der verschiedenen Kategorien der technischen Nutzpflanzen, d. h. wenn wir von den Feit- und Faserpflanzen absehen, die wie Kokos, Sesam, Erdnuss, Ricinus, oder wie Baumwolle, Jute, Ramie, Sisal, Sunn, Manilahanf eine grosse und dauernd zunehmende Bedeutung erlangt haben. Unter den Farbpflanzen ist als Kulturpflanze grösseren Stiles fast nur die durch die künstliche Indigodarstellung immer mehr ver- drängte Indigopflanze zu betrachten, höchstens noch Curcuma und Arnatto {Bixa orellana), unter den Gerbpflanzen neben den an Be- deutung schnell zunehmenden australischen Gerbakazien noch Gambir und Dividivi, unter den Medizinalpflanzen vor allem die noch immer an Bedeutung wachsenden CincJiona-Arien, während der Coca-Strauch mehr als Genussmittel denn als Arzneimittel kultiviert wird, unter den HcHzern neben dem überall volkstümlichen Bambus vor allem das Teakholz. Die für den Handel recht wichtigen Kategorien der Harze und Gummi- sorten werden noch immer in den Tropen so gut wie ausschliesslich von wildwachsenden Pflanzen gewonnen, während hingegen der Kaut- schuk in rapide zunehmendem Masse von kultivierten Pflanzen her- stammt. Was ist nun die Ursache, dass in manchen der erwähnten Kate- gorien die Kulturpflanzen so reichlich, in andern wieder so spärlich ver- Tropische Landwirtscliaft. 25" treten sind? Auf den ersten Blick befremdet es einigermassen, dass gerade die Zahl der in Kultur gebrachten Früchte und Gewürze so- gross, der Knollen, Leguminosen, Genussmittel, Fett- und Faserpflanzen noch ziemlich bedeutend, diejenige der Getreide, Blattgemüsse und der meisten technischen Pflanzen so gering ist. Der Schlüssel zur Erklärung liegt in der Geschichte der tropischen Landwirtschaft und zwar sind hierfür vor allem zwei Faktoren mass- gebend: 1. das geringe Bedürfnis der tropischen Völker zur Heranbildung^ von Kulturpflanzen, 2. die geringe Befähigung der meisten tropischen Völker zur Heranziehung von Kulturpflanzen. Da die Natur der Tropen den dort lebenden Stämmen, so lange die Volksdichte eine geringe war, den Grundstoff zur Nahrung und Kleidung ohne Agrikultur darbot, lag für die Tropenbewohner keine Ver- anlassung vor, sich ohne äusseren Zwang mit Landwirtschaft zu be- fassen. Auch jetzt ist ja noch in den meisten afrikanischen Tropen- gegenden dies der Hauptgrund der geringen wirtschaftlichen Leistungen, der Eingeborenen: wünschten sie nicht Pulver und Alkohol zu besitzen, jetzt auch in steigendem Masse Baumwollstoff"e und Schmuck, oder würden sie nicht schon vielfach zu Steuern und gemeinnützigen Arbeiten herangezogen, so wäre ihre Arbeitsleistung noch geringer als sie in Wirklichkeit ist. Anders lag die Sache bei den tropischen Kulturvölkern in Indien und in den Hochländern Südamerikas. Die mit der Bildung grösserer Staaten zusammenhängenden friedlichen Perioden hatten eine derartige Volksvermehrung zur Folge, dass die Befriedigung der Bedürfnisse von-, selbst zum Landbau zwang. Soweit nicht die dazu nötigen Kultur- pflanzen aus kühleren Gegenden bezogen werden konnten, haben sich^ die Tropenbewohner selbst ihre Nutzpflanzen in Kulturpflanzen umge- wandelt, genau so wie wir es von einzelnen anderen Gebieten wissen,. dass anderswo vernachlässigte Pflanzen dort, wo nichts Besseres vor- handen war, zu Kulturpflanzen umgewandelt worden sind. Eins der" eklatantesten Beispiele hierfür bildet die Heranzüchtung der gewöhnlichen pohnesischen Schraubenpalme [Pandaniis odoratissimus) zu einer in vielen Sorten gezüchteten Obstpflanze durch die Eingeborenen der Marschallinseln. Auch die Heranbildung des unscheinbaren Grases Eragrostls abyssinica zu einem Getreide, sowie der bekannten Zierbanane, der Musa Ensete zu einer Knollenpflanze im abessinischen Hochland,, gehört in die gleiche Kategorie der Heranzüchtung von Kulturpflanzen. 26 0. Warburi: als Fülg-o insularer — in diesem Falle montan-insularer — Zwangsver- hältnisse. Während nun diese insularen Züchtungen infolge ihrer Ent- stehungsweise in abgeschlossenen Gebieten eine weite Verbreitung nicht erlangten, haben sich die indischen und andinen Kulturpflanzen durch die ganzen Tropen verbreitet und ebenso diejenigen Kulturpflanzen des vorderasiatischen Weltkulturzentrums, welche sich den Tropen klimatisch anpassen konnten und welche in die primitiven Formen der Landwirt- schaft, wie z. B. die der Hackkultur der meisten Tropenvölker, hinein- passten. So kommt es, dass die meisten tropischen Kulturpflanzen indischen oder andinen Ursprungs sind, wozu dann noch manche vorderasiatischen hinzugekommen sind, aber auch diese meist auf dem l'mwege über Indien. Selbst wo in den anderen Gebieten der Tropen die gleichen Nutzpflanzen wild vorhanden waren, haben die dortigen Stämme sie doch als Kulturpflanze erst von den Kulturzentren Südasiens und des andinen Amerikas erhalten. Ein klassisches Beispiel hierfür ist ja der Reis, der sowohl in Afrika als auch in Australien wild vorkommt und weit verbreitet ist, als Kulturform hingegen eine typisch südasiatische Errungenschaft ist. Geradezu verblüffend ist es, wie wenig neue Kultur- pflanzen, wenn man von dem von Arabien hev beeinflussten Abessinien absieht, die afrikanischen ViHker geschaffen haben. Wenn man von der Kolanuss und der (»ipalme absieht, die vor dem Kindringen der europäischen Einflüsse in Westafrika und der arabisch-indischen Einflüsse in Ost- afrika wohl bestenfalls als Halbkulturpflanzen anzusehen waren, und von Voandzeia suhterranea, die vielleicht erst durch die malayischen Bewohner Madagaskars als Kulturpflanze eine Bedeutung erlangte, so sind höchstens noch einzelne Yams, Coleus- und Paniciim- kviQXi als echt afrikanische Kulturpflanzen anzusehen, da sich die meisten der früher für afrikanisch-indigen angesehenen Leguminosen und Getreide- . arten, z. B. Dolichos lahlah, Pennisetum, Sorghum, als ursprünglich asiatisch herausgestellt haben. Ganz ohne einheimische Kulturpflanzen blieben im allgemeinen freilich nur diejenigen Stämme, die ausschliesslich von Jagd- und Vieh- zucht lebten, wie z. B. fast alle Australneger, die afrikanischen Zwerg- stämme und einige Indianerstämme. Die sesshaften Volksstämme haben meist die eine oder andere Kulturpflanze der Heimat zur Nahrung ge- züchtet, und zwar ist es natürlich, dass es im wesentlichen die so über- aus leicht zu kultivierenden Knollengewächse gewesen sind, mit deren Kultur die primitiven Völker in das Stadium des Ackerbaues einge- treten sind. So haben sogar die Papuas ihre besondere Yamsart Tropische Landwirtschaft. 27 (Dioscorea papuana) neben der eingeführten Colocasia antiquorum ent- wickelt, die Indianer, Südamerikas haben die verschiedenen XantJio- ^oma-Arten in Kultur gebracht, die ostafrikanischen Neger die Dioscorea abyssinica, die andinen Indianer neben der Kartoffel die sog. andinen Knollen (ülliicus, Ärracacia, Oxalis usw.), E)ies ist also der Grund, dass ■die Zahl namentlich der kultivierten Knollengewächse der Tropen eine relativ grosse ist. Ebenso fanden die verschiedenen Völker, schon früh einige heimische Genussmittel heraus, so die westafrikanischen Neger die Kolanuss, die Indianer Südamerikas neben dem Kakao und Tabak noch ■Coca, Guarana und Mate, die Südasiaten Haschisch und Betelpfefter, die Südseeinsulaner die Kawa {Piper metlnjsticum), welche Pflanzen dann früher oder später, die Mate erst vor wenigen Jahren, die Guarana und Kawa noch kaum in Kultur gebracht wurden. Hierdurch ist also die nicht unbedeutende Zahl der kultivierten Genussmittel zu erklären. Die Kultur der Gewürze verdanken wir hingegen fast ausschliess- lich dem Bedürfnisse der tropischen Kulturvölker nach Reizmitteln, wenngleich der frühzeitig — schon im Altertum — beginnende und während des Mittelalters sich stark entwickelnde Gewürzhandel nach Europa einen sehr wesentlichen Stimulus zur Vermehrung und Verbreitung der Kultur der Gewürzpflanzen gebildet hat. Bekanntlich stammen die meisten unserer besseren Gewürze (darunter schwarzer Pfeffer, Kardamom, Zimmet, Ingwer, Nelke, Muskat) aus dem indischen Kulturkreise, nur zwei (spanischer Pfeffer und Vanille") aus dem amerikanischen, und weit zahlreicher sind noch die in Indien kultivierten Gewürze, die nicht in den Welthandel gelangen. Vermutlich ist die Ursache dieser Erscheinung die, dass die Reisnahrung der süd- asiatischen Völker gebieterischer nach Reizmitteln verlangt als die Maisnahrung der amerikanischen Völker. Wohl hatten auch die Naturvölker der Tropen ihre Gewürze, aber nur selten nahmen sie dieselben in Kultur, und noch heute werden Kumbapfeffer (Xylopia), Kalebassenmuskat (Mo)iodora), Samen von Piper- und Amomum- Arten auf den afrikanischen Märkton massenhaft verkauft, ohne dass es darum wirkliche Kulturpflanzen geworden wären. Ebenso ist die zahlreiche Ausbildung der Leguminosen zu Kultur- pflanzen in den Tropen im wesentlichen auch dem indischen Einfluss zuzuschreiben. Hier mag der Proteinhunger infolge der Reisnahrung ein wichtiger Stimulus zur Herausbildung so vieler Kulturleguminosen gewesen sein. 23 O. Warburg. Wenn Blattgemüse nicht in grösserer Mannigl'altiglieit in den Tropen kultiviert werden, so liegt dies hingegen daran, dass dort jeder- zeit junge Blätter wilder oder in Halbkultur befindlicher Pflanzen genügend zur Verfügung stehen, dazu kommen noch Bambusschossen und der sog. Palmkohl, so dass ein Bedürfnis nach frischen kultivierten Gemüsen bei den tropischen Völkern nicht in dem Masse besteht, wie bei uns,, während die einwandernden Europäer sich auch in den Tropen an ihre altgewohnten Gemüse zu halten pflegen. Dass die Zahl der Getreidearten der Tropen so gering ist, hängt mit der für primitive Völker relativ schwierigen Kultur derselben zusammen. Bis auf den Mais, bei der schon die einzelne Pflanze ein erhebliches Quantum leicht sammelbarer Nahrung repräsentiert, sind die Getreide- arten nur der Massenkultur zugänglich, die ein grösseres Quantum von Arbeit infolge des Reinigens und Lockerns des Bodens erfordert, wozu die primitiven Hilfsmittel der früheren Zeiten, wie zugespitzte Hölzer,, kaum ausreichten. Als aber die Hackkultur sich einführte, existierten auch schon Verbindungen mit höheren Kulturvölkern, die gleichzeitige auch ihre Kulturpflanzen brachten. So kamen die asiatischen Getreide- arten nach Afrika; wo früher nur Knollen gebaut wurden, findet man jetzt Felder von Sorghum, Pennisetum und Eleusine-}^\vsQ, ja die in- telligenten Stämme im Sudan haben sogar selbst einige der dortigen Panicum-kviQxv in Kultur gebracht. Viel später kam der Reisbau nach. Afrika, der aber dort nur langsame Fortschritte machte, da er ohne Pfkigkultur wenig lohnend ist, und der Pflugkultur in Afrika vielfach die endemischen Tierkrankheiten (Küstenfieber, Tsetse und Texasfieber)' augenbhcklich noch schwer üborsteigbare Schranken entgegenstehen. Weit grössere Fortschritte macht hingegen der Maisbau in Afrika, und es lässt sich voraussehen, dass der Mais dort, wo ihm das Klima zusagt,. mit der Zeit, wie in Amerika, die bei weitem wichtigste Getreideart werden wird. Dass die Zahl der kultivierten Früchte in den Tropen so gross- ist, dürfte vor allem damit zusammenhängen, dass selbst die Naturvölker vor aufsprossenden Fruchtbäumen einen gewissen Respekt haben. Die Zahl der nutzbaren Fruchtbäume ist ja eine Legion, und bei einem grossen Teil derselben gelangen weggeworfene Samen leicht zur Keimung. Auf diese W^eise umgibt sich jede Hütte der Eingeborenen mit der Zeit von selbst mit einigen Fruchtbäumen, und es entstehen so spon- tane Halbkulturen, die, wenn sie wertvoll sind, leicht zu Vollkulturen' Veranlassung geben. Trotzdem ist es auffallend, wie auch bei den. Tropische Landwirtschaft. 29 Früchten in den einzelnen Pflanzengattungen meist diejenigen Arten sich durchsetzen, die aus einem alten Kulturzentrum stammen; von allen Mangi f er a- Arten ist fast nur die vorderindische Mangifera indica wirklich weit verbreitet, von allen Artocarjms- Arten hat nicht der hoch- gezüchtete malayisch-polynesische Brotfruchtbaum, sondern die vorder- indische Jackfrucht (Ärtocarpus iiitegrifoUa) die weiteste Verbreitung. Trotzdem bilden die Früchte, mit Ausnahme der Knollengewächse, die einzige Kategorie unter den Kulturpflanzen, in welcher diejenigen amerikanischen Ursprungs an Bedeutung nicht hinter denen der alten Welt zurückstehen. Den asiatischen Früchten aus den Gattungen Musa, ■Citrus, Mangifera, Oareinia, Nepheliwn, Durio usw. vermag Amerika mit Erfolg die Gattungen Ananas, Änona, Fersea, Pa^mya, Passiflora, Anacardium, Psidium entgegenzustellen, und in bezug auf Nussfrüchte sind die amerikanischen Gattungen Bertholletia, Lecythis, Caryocar den altweltlichen Canarktm- und Terminalia- Arten entschieden überlegen. Auffallend ist es hingegen, dass Afrika so wenig gute Früchte der tropischen Kultur geschenkt hat. Wir wissen zwar nicht, was sich später aus den indigenen afrikanischen Früchten wie Blighia sa.pida, Treculia afrlcana, Pachylobiis edulis., Cordyla africana, Sarcocephalus sambucinus, den Sclerocarya- und Paruiariuni-Arten durch Kultur wird herausbilden lassen, vorläufig sind aber alle diese meist nur in Halb- kultur befindlichen Obstsorten noch ziemlich minderwertig. Was die in Kultur befindlichen tropischen Fettpflanzen betrifft, so ist ihre Zahl nur gross im Verhältnis zu derjenigen der gemässigten Zone. Bedenkt man aber, in wie viel geringerem Grade dem Tropen- bewohner tierisches Fett zur Verfügung steht, als dem Bewohner kühlerer Gegenden, so muss man sich wundern, dass nicht viel mehr der ja so überaus zahlreichen Fett liefernden Gewächse der Tropen in Kultur gebracht sind. Vermutlich ist der Grund der, dass einerseits das Be- dürfnis nach fetter Nahrung in den Tropen nicht so gross ist wie bei uns, anderseits aber, dass es dem Tropenbewohner so leicht gemacht ist, die genügende Menge Fett für seinen Bedarf jederzeit zu erlangen. Die vielen Fett liefernden Palmen, allen voran die Kokos- und Ölpalme, befriedigen in grossen Gebieten der Tropen jedes Verlangen nach fett- haltiger Nahrung; in vielen palmlosen Gebieten Innerafrikas tritt der Schibutterbaum (Dutyrospermum ParJ^ii) als freigebiger Fettlieferant massenhaft auf, und nur in den übrigen trockneren Gebieten Afrikas und Indiens lag das Bedürfnis vor, durch Sesam- und Erdnussbau das Bedürfnis nach Fettnahrung zu befriedigen. Erst in den letzten De- zennien, wo infolge billigerer Frachten die Tropen für den Fetthandel der Welt von Bedeutung geworden sind, speziell für die Bereitung von ,5jQ O. Warb uro-. Seife, Stearin und ^^argarine, steigt der Anbau der Fettpflanzen in den Tropen ganz gewaltig. Weit allgemeiner war das Bedürfnis für kultivierte Faserstoffe, wenigstens seitdem durch die Zunahme der Kultur der Tropenvölker und der grösseren Volksmenge mancher derselben die Versorgung mit Bastzeug von wilden Bäumen nicht mehr zur Bekleidung genügt. Als Relikt dieser früheren Periode findet man noch heute im Innern Afrika vielfach das Lendentuch aus Feigenrinde als einziges Kleidungs- stück und dem entsprechend findet man durch das ganze tropische Afrika Ficus rokko und F. chlamifdodora als Kulturpflanzen in den Dörfern. Die Kultur wirklicher Faserpflanzen ging in den Tropen der alten Welt- wiederum von Indien aus, was wenigstens für die indische Baumwolle, Jute, Sunn und Dekkanhanf erwiesen erscheint, während wir die Kultur der Bastbananen, der Ramienessel und des Papiermaulbeerbaumes dem südöstlichen Asien zu verdanken haben. Auch Amerika hat einige wichtige Faserpflanzen der tropischen Landwirtschaft geliefert, neben den besten Sorten der Baumwolle die Sisalagaven und die Bromeliaceen- fasern (Ananas und Pita). Dass die Zahl der sonstigen kultivierten technischen Pflanzen in den Tropen eine so geringe ist, hat einfach seinen Grund darin, dass die technische Verwertung der Pflanzenprodukte in den Tropen im allge- meinen noch auf einer sehr niedrigen Stufe steht und eine Versendung der Produkte nach Europa erst im vorigen Jahrhundert begonnen hat. Auch wo gi'össere lokale Bedürfnisse vorlagen, wie in dem stark bevölkerten Indien, genügten vielfach die wilden Nutzpflanzen zur Befriedigung. Die Wälder lieferten die Hölzer, ebenso die Gerbstoffe (Myrobalanen, Katechu),. die Gummiarten (Akazien), die Harze (Dipterocarpaceen, Burseraceen etc.), die technischen Fette (Sapotaceen, Euphorbiaceen etc.). Die Gärten lieferten die Aromata, die Farbstoffe (Henna, Curcuma, Sappan), auch manche ArzneistofTe, für den Hausgebrauch das Material für Bauten und Geräte aller Art (Bambus). Grössere Kulturen dieser technischen Pflanzen wurden erst Bedürfnis, als Eisenbahnen billige Verbindungen schufen und in den Grossstädten Fabriken nach europäischer Art be- gründet wurden, besonders aber, als die Industriestaaten Europas und Amerikas ihren Tribut an Rohstoffen verlangten. Was dieser Überblick uns zeigt, ist, dass die tropischen Landwirt- schaft bis vor kurzem die Resultante zahlreicher räumlich begrenzter lokaler Faktoren bildete. Es spielte einerseits der Zufall, die Dichtigkeit Tropische Landwirtschaft. 31- der Bevölkerung, der Volksinstinkt und die Volkssitte eine grosse Rolle in der Auswahl der Kulturpflanzen, anderseits war der Kulturzustand oder der Einfluss des räumlich nächsten tropischen Kulturvolkes von der grössten Bedeutung für die mehr oder minder grosse Mannigfaltigkeit und die niedrigere oder höhere Entwickelungsstufe der tropischen Land- wirtschaft des betreffenden Landes. Jetzt hingegen greift der nivellierende Einfluss des Bedarfes der Kulturzentren mit Hilfe der verbesserten und verbilligten Kommunikations- mittel tief in die tropische Landwirtschaft ein und ist im Begriffe, sie in derart fundamentaler Weise umzugestalten, dass der sorglose nachlässige landwirtschaftliche Betrieb der Gegenwart vielleicht in nicht zu ferner Zukunft auch in den Tropen einer rationellen Ausnutzung des Bodens Platz gemacht haben wird, und die jetzt noch dort vorherrschende primitive Hackkultur und die altertümliche Hakenpflugkultur den späteren Geschlechtern als ländliches Idyll längst vergangener Zeiten erscheinen werden. Wer hätte vor 50 Jahren weissagen wollen, dass ganze Provinzen Brasiüens jetzt ein grosses Kaffeeland darstellen, wer hätte die mächtige Entwickelung der Rohrzuckerkultur auf den verschiedensten Inseln der alten und neuen Welt, die gewaltige Ausdehnung der Teekultur in Indien, der Tabakkultur in Cuba und Sumatra, der Cinchonakultur in den Bergen Javas, der Kautschukkultur in den Straits Settlements und Ceylons, der Sisalkultur in Yucatan und Deutschostafrika, der Erdnuss- kultur in Senegambien voraussehen können? Alle diese Kulturen sind bestimmt, Produkte für den Welthandel zu liefern, und es ist nicht ab- zusehen, wie viele diesen noch folgen werden. Schon ist man auf dem besten Wege, die Tropen in ganz anderer Weise als bisher für den Baumwollbau nutzbar zu machen, da das bisherige klassische Land der Baumwollkultur, die südlichen Teile der Vereinigten Staaten, bestenfalls nur noch für einige Jahre dem steigenden Baumvvollkonsum der Mensch- heit zu genügen vermag. Schon nimmt der tropische Fruchthandel ganz andere Dimensionen an als früher, ist doch neuerdingssogarein direkter Bananen-Dampferverkehr zwischen Costarica imd England eingerichtet worden ; und welch gewaltiger Ausdehnung ist dieser Fruchthandel noch fähig bei weiterer Beschleunigung der Fahrten und Verbilligung des Transportes. Ist es doch geradezu beschämend für die europäischen Kolonialmächte, Deutschland mit inbegriffen, dass sie bisher noch nicht ein- mal ihre westafrikanischen Kolonien für den Bananenimport auszunutzen vermocht haben. Aber von noch unendlich viel grösserer Bedeutung werden die Tropen dermaleinst werden als wichtigste Brotfruchtlieferanten der gesamten Menschheit, welcher Zeitpunkt spätestens dann eintreten 32 ^' Warburg. muss. wenn die Kornprodiiktion der gemässigten Zone für die schnell steigende Bevölkerung derselben nicht mehr ausreichen wird. Noch zwar liegen gewaltige Gebiete in Argentinien, Canada und Sibirien brach, und noch kann die Produktion durch intensive Kultur dort, wo jetzt extensive herrscht, bedeutend vermehrt werden, aber alles hat seine Grenze, und vor allem sind die Produktionskosten in den "Tropen geringer infolge der dortigen grösseren Erträge und der geringen Bedürfnisse der Arbeiter. Die ersten Zeichen dieser Entwickelung sehen wir in dem steigen- den Maisexport Westafrikas und besonders Togos, während der Reis Südasiens sogar schon seit langem einen unentbehrlichen Nahrungs- zuschuss für das stark bevölkerte nördliche China hat liefern müssen. AVenn auch der westafrikanische Mais vorläufig nur zu Futterzweckon dient, so entlastet er doch, falls er erst in grösseren Mengen eintreffen '\vird, erheblich die Getreideproduktion der gemässigten Zone: hat aber dieser Export erst ordentlich Puss gefasst, so ist er einer rapiden Aus- dehnung fähig, und wird Schritt für Schritt genau so wie der Export der Baumwolle längs den schiffbaren Flüssen und neu angelegten Bahnen tief ins Innere des dunkeln Kontinentes eindringen. Derselbe Vorgang dürfte sich schon bald bei den tropischen Hirse- arten und Leguminosen wiederholen, und wer weiss, ob es noch lange dauert, bis auch die Knollenfrüchte der Tropen als letzte Kategorie tropischer pflanzlicher Produkte in den Welthandel mit einbezogen werden, sei es in der Form von E^örrprodukten, sei es als Mehl oder gar als frische Knollen, in der Art wie die Kartoffeln von Algier und Malta schon jetzt nach Mittel- und nach Nordeuropa gelangen. Wie dem auch sein mag; eins ist jedenfalls über jedem Zweifel erhaben: Das allgemeine Ent- wickelungsziel der tropischen Landwirtschaft besteht, unter •allmählicher Abwendung von den bisherigen primitiven und durch lokale Verhältnisse bedingten Formen, in der sukzessiven Umwandelung zu einem integrierenden Teil der Weltwirtschaft. Was ist also die Hauptaufgabe der tropischen landwirt- schaftlichen Botanik' Die tropische Landwirtschaft hat sich den weltwirtschaftlichen Bedürfnissen unterzuordnen und .anzupassen und der angewandten Botanik fällt hierbei die ■ehrenvolle Aufgabe zu, dieser Entwickelung die Wege zu bahnen, die in diesem gewaltigen Um wandelungsprozesse un- vermeidlichen Reibungen zu mildern und die Hemmungen zu ■beseitigen. Haben wir schon früher an einzelnen Beispielen gezeigt, welche allgemeinen Aufgaben der Botanik obliegen um eine sichere Basis für Tropische Landwirtscliaft. 33 die gesamte tropische Landwirtschaft zu schaffen, so herrscht bei dem hier angeschnittenen Probleme die IndividuaUsierung; jede Frage muss einzeln studiert und erledigt werden. Was für die Baumwolle gilt, um sie in den Tropen konkurrenzfähig zu machen gegenüber den nord- amerikanischeu und ägyptischen Produktionsgebieten, gilt nicht vom Mais, was dem Zuckerrohr in seinem Kampf gegen die Zuckerrübe nützt, ist ohne Bedeutung für den Ersatz der Kartoffel durch die Batate, was die Ananas- oder Bananenkultur befördert, nützt der Produktion pflanz- licher Fette in den Tropen nichts. Dass eine der Hauptaufgaben des Botanikers die sein muss, von jeder lür die Volkswirtschaft in Betracht kommenden Pflanzenart die für die verschiedenen Tropenklimate passenden Varietäten heranzuzüchten, versteht sich von selbst. Gerade in dieser Beziehung ist in den letzten Jahren viel gesündigt worden; man hat sich bemüht, die edelsten und am feinsten differenzierten Sorten zu importieren und hat diese natur- gemäss meist schwächlichen Gewächse dann im fremden Lande un- barmherzig dem Kampf ums Dasein ausgeliefert: oder man hat umge- kehrt die robusten Rückschlagstypen, die man im halb verwilderten Zu- stand vorfand, angepflanzt, und wundert sich jetzt, dass diese Kulturen sich schlecht rentieren. Hier wäre es Sache des landwirtschaftlichen Tropenbotanikers gewesen, die schwierige Frage der Akklimatisation und Auslese nach wissenschaftlichen Grundsätzen zu leiten. Aber genau so wichtig, wie die Heranzüchtung der für jedes Khma passenden richtigen Sorten ist auch die Auswahl der für das betreffende Land geeignetsten Nutzpflanzen. Wie oft hört man Laien sagen, diese oder jene Kultur passt nicht für dieses oder jenes Land, denn, wenn sie geeignet wäre, existierte sie schon daselbst. Es ist ein grosser Irrtum anzu- nehmen, dass jedes Gebiet schon mit den für dasselbe passenden Kultur- pflanzen hinreichend versorgt sei. Die Verhältnisse ändern sich schnell, Kulturpflanzen, die vor 10 Jahren einen hohen Wert besassen, sind jetzt entwertet, andere steigen im Preise, manche werden unmodern, andere neue treten hinzu. E)azu kommt die ständige Umsvandelung der wich- tigsten allgemeinen Faktoren; die Verkehrsverhältnisse werden besser, die Bevölkerung nimmt zu, die Löhne werden höher, die Arbeiterwerbung wird schwieriger, die Zollverhältnisse verändern sich, neue Konkurrenz- gebiete entstehen, politische Missgriffe oder allgemeine wirtschaftliche Stagnation ruinieren das Land oder verändern den Wechselkurs. Was vor einigen Jahren eine blühende Kultur war, liegt infolgedessen jetzt darnieder, neue Kulturen verdrängen die alten, kümmerliche Kulturen gelangen plötzlich zu grosser Blüte.* . . Hier sollte es nun die Pflicht des landwirtschaftlichen Tropen- Jahresbericht der Vereinigung für angewandte Kotanik. IV. 3 34 O. Waibursi'. botanikors sein, stets Umschau zu halten ; seine Aufgabe wäre es, recht- zeitig neue Bahnen für das ihn interessierende Land ausfindig zu machen. Was \yäre z. B. aus dem Plantagenbau unserer deutschon Kolonien geworden, hätte man sich nicht rechtzeitig, auf den Rat einiger weniger privater Fachleute der tropischen Landwirtschaft in Ostafrika vom Kaffee- bau ab und dem Sisalhanf zugewandt, hätte man nicht in Kamerun den Kakaobau durch Kautschukkultur vervollständigt, hätte man nicht in Neuguinea den Tabakbau durch Kokos- und Kautschukkultur ersetzt. Vielleicht wird man in weiteren 10 Jahren wieder andere Kulturen an Stelle oder noben den bisherigen betreiben müssen. l'm abtM' die hierzu nötigen Schritte rechtzeitig einleiten zu kfhmen, bedarf es natürlich auch guter weltwirtschaftlicher Kenntnisse. Der landwirtschaftliche Tropenbotaniker darf nicht den grössten Teil seiner Zeit hinter Mikroskop und Lupe verbringen, denn er muss auch Handels- zeitungen der verschiedenen Länder und Fachschriften der verschiedenen Industrien studieren, um stets orientiert zu sein über das, was sich in der Weltwirtschaft anbahnt, und um rechtzeitig vorbeugende Massregeln treffen zu können. Besonders schwere Aufgaben hat der Botaniker, der Landstrecken zu seiner Interessensphäre zählt, die ül)erhaupt noch keine für den Weltmarkt geeigneten Pflanzen besitzen. Es gibt gewaltige kUmatische Striche, die vorläufig überhaupt noch nichts Brauchbares für den Welt- verkehr erzeugt haben, da alle von aussen gekommenen Kulturpflanzen an der speziellen Eigenart des Klimas gescheitert sind. Solche Gebiete sind einerseits die durch besonders lange Trockenzeiten ausgezeichneten Wüstensteppen sowie die echten Wüsten, anderseits gehören auch die sehr hochgelegenen Plateaus und Berggegenden dazu, deren Regenzeit durch Hagel oder Fröste unregelmässig unterbrochen wird, wie es z. B. in den andinen Gebieten und in den Massaihochländern teilweise der Fall ist. Auch Sumpf- und Überschwemmungsgebiete, felsige und sandige Strecken sowie Dünen stellen die Land- resp. Forstwirtschaft der Tropen vor schwierige Aufgaben. Durch systematische, wenn auch langsame Heranzüchtung passender Kulturpflanzen auch solche Gebiete langsam der Kultur zuzuführen, ist sicher eine der reizvollsten Aufgaben des landwirtschaftlichen Tropenbotanikers. Dass konsequente und be- harrlich ausdauernde Arbeit hierbei Erfolge erzielen wird, kann einem Zweifel kaum unterliegen; sehen wir doch auch, wie sich unsere wich- tigsten aus den wärmeren Gebieten 'stammenden Kulturpflanzen mit der Zeit den nordischen Gegenden angepasst haben. Tropische' Landwirtschaft. 'S^ Eine weitere für die Tropen wie für die gemässigte Zone gleich wichtige Aufgabe ist die stetige Sorga um das Gedeihen der.'ausge- wählten Kulturpflanzen, Mit der Einführung und Heranzüchtung neuer Sorten und Arten ist noch wenig getan. Das Studium der Lebens- bedingungen mit den sich daraus ergebenden pralitischen Rückschlüssen, der passendsten Vermehrungsweise, Pfropfung und Hybridisation, Um- pflanzung, Beschneidung, Düngung. Beschattung, der Vermeidung der liUmatischen Schädlichkeiten, der Bekämpfung der tierischen und pflanz- hchen SchädUnge sowie der Verbesserung der Böden, das alles sind die bei uns selbstverständlichen, in den Tropen bisher nur zum Teil be- achteten Aufgaben des Botanikers. Besondere Aufmerksamkeit verdienen wegen der schwierigeren Verhältnisse in den Tropen die Verbesserung der Erntemethoden, der Aufbewahrung und des Versandes der Ernte, besonders aber die oft sehr komplizierte Aufbereitung der Ernten, wozu das Studium der Oxydations- und Fermentierungsprozesse vor allem be- nötigt wird. ..'...; Ist denn nun aber der landwirtschaftliche Tropenbotaniker auch imstande, alle diese Aufgaben zu erfüllen? Ist nicht viel mehr zu fürchten, dass die geschilderten Autgaben in menschlich absehbarer Zeit ungelöste Probleme bleiben werden? Wo sind denn die Organisationen, die. Institute, die solche weitschauenden Aufgaben unternehmen können, wo sind die dazu nötigen Geldmittel, und schliesslich die Gelehrten, die das Verständnis für diese Fragen besitzen und \n der Lage sind, diesen wichtigen Aufgaben ihre ganze Kraft zu widmen? Leider muss man eingestehen, dass wir noch sehr weit von einer auch nur einigermassen befriedigenden Lösung dieser in erster Linie organisatorischen Fragen entfernt sind. Während in der gemässigten Zone sämtliche Kulturstaaten ein engmaschiges Netz agrikultureller Schulen und Institute über die Länder gebreitet haben, in denen jede Frage leicht eine grössere Anzahl geschulter Bearbeiter findet, ist es um die tropische Landwirtschaft noch sehr schlecht bestellt. Sowohl die unabhängigen Staaten Südamerikas als auch die Kolonialvölker der nördlichen Zone als Leiter ihrer tropischen Kolonien beschränken sich meist auf ein einziges Institut in jedem Staate, und zwar sind es fast stets Zwitter- organisationen, die sowohl der Wissenschaft, d. h. der botanischen Er- forschung des Landes, als auch der Landwirtschaft zu dienen haben. Dies würde nun nichts schaden, wenn sie, wie das grossartige Institut in Buitenzorg auf Java, über einen grossen Stab von wissenschaftlichen Arbeitern verfügten: ist dies aber, wie in fast allen übrigen tropischen Instituten — nur Britisch- Westindien und Deutsch-Ostafrika machen noch in bescheidenem Masse eine Ausnahme — nicht der Fall, so muss 3* 36 O. Wiirbura:. entweder die wissenschaftliche Erforschung oder die Hebung der Land- wirtschaft der leidende Teil sein. Wenn freilich, wie es meist der Fall ist. das einzelne Institut nur einen einzigen Gelehrten zur Verfügung hat, der gewöhnUch noch durch administrative Tätigkeit stark in Anspruch genommen ist, und häufig nicht einmal über einen Assistenten als Hilfs- kraft verfügt, so ist für die Hebung der Landwirtschaft nicht viel zu erwarten. So wenig befriedigend nun zwar der Stand der landwirtschaftlichen Institute der Tropen momentan auch ist, so systemlos auch in den meisten Instituten bisher gearbeitet wird, so sind dies doch Fehler, die geändert worden können und geändert werden müssen. Woran es fehlt ist vor allem eine breit angelegte Organisation. Man kann von den isolierten Instituten der Tropen nicht verlangen, dass sie sich selbständig diese Organisation schaffen, wie es die Vertreter der heimischen Landwirtschaft getan haben. Viele der Leiter tropischer botanischer Gärten sind Land- wirtschafter nur im Nebenfach, die meisten betrachten ihre dortigen Stellungen nur als Provisorium resp. als Cbergangsstufe zu anderen Stellungen. Dazu kommt, dass die Verbindung der einzelnen tropischen Gebiete untereinander oftmals schwieriger ist als die Verbindung mit dem Mutterlande. Auch erhalten die Institute vom Mucterlande nur selten in landwirtschaftlicher Beziehung wesentliche Anregungen und fast nie irgendwelche Ermunterung; denn offizielle Vertreter der tropischen Landwirtschalt in den Mutterlanden gibt es kaum, und den Gelehrten oder Interessenten, die sich privatim mit der tropischen Landwirtschaft befassen, fehlt meist der innere Zusammenhang mit diesen tropischen Instituten. Auch die wenigen Zeitschriften für tropische Landwirtschaft bieten in hezug hierauf keinen genügenden Ersatz; denn sie müssen, um zu existieren, sich meist mit den speziellen Interessen der europäi- schen Pflanzer beschäftigen, während die viel ausgedehnteren und daher auch für den Weltverkehr viel wichtigeren Kulturen der Eingeborenen mehr nebensächlich behandelt werden. Selbst so weit die Zeitschriften von ihrem Leserkreise unabhängiger sind, wie z. B. die Journale der Institute von Buitenzorg und Amani oder unsere deutsche Zeitschrift für tropische Landwirtschaft „Der Tropenpflanzer", das Organ des Kolonial- wirtschaftlichen Komitees, so können sie sich doch dem Einfluss der naturgemäss an den Plantagenkulturen am meisten interessierten Lands- leute nicht entziehen. Worin besteht nun diese Organisation, die wir für wünschenswert halten, um einen grösseren Zug in die tropische Landwirtschaft zu Tropische Landwirtschaft. 37 bringen? Wir brauchen erstens eine systematischere Ausgestaltung und mithin eine Vermehrung und Vergrösserung der tropischen Institute und zweitens ein zentrales Institut im Mutterlande, welches die notwendigen Arbeiten in grosszügiger Weise organisiert, das Materialien sammelt und den kolonialen Instituten zur Verfügung stellt, ein Institut, w^elches ein eigenes, unabhängiges Journal herausgibt, das nicht die Interessen der europäischen Grosskulturen bevorzugt, sondern von einer hohen Warte aus sämtliche Fragen der tropischen Landwirtschaft sachlich und wissen- schaftlich behandelt, ein Institut, an das sich die für wissenschaftlichen Fortschritt zugänglichen Interessenten der tropischen Landwirtschaft in Form einer Vereinigung eng angliedern könnten. Anfänge zu einer solchen Organisation finden wir schon in ver- schiedenen Ländern. Die Vereinigten Staaten haben in ihrem grossartig organisierten Department of Agriculture in Washington mehrere Sach- verständige, auch für tropische landwirtschaftliche Fragen. England besitzt in seinem Imperial Institute wenigstens einige chemische und technolo- gische Kolonialexperten, ebenso Holland in seinem Kolonialmuseum in Haarlem. Deutschland besitzt jetzt wenigstens einen Experten für tropi- sche Pflanzenpathologie an der Biologischen Anstalt für Land- und Forst- wirtschaft in Dahlem, ausserdem — wie übrigens auch die anderen Länder — an den Museen einige Sachverständige für tropisch-landwirt- schaftliche Fragen der beschreibenden Naturwissenschaften, sowie ferner auch einige Personen an landwirtschaftlichen Instituten, die sich auch mit Fragen der tropischen Landwirtschaft befassen. Frankreich ist entschieden in dieser Beziehung am weitesten vor- geschritten. Einerseits besitzt es eine Hochschule für koloniale Land- wirtschaft (Ecole nationale superieure de TAgriculture coloniale) in Paris, an der natürlich viele Gebiete der tropischen Landwirtschaft durch Fach- gelehrte vertreten sind, ferner eine Societe frangalse de Colonisation et d"Agriculture coloniale, in der sich die Interessenten der kolonialen Land- wirtschaft zusammenfinden, und schliesslich auch einen Jardin colonial, dessen Direktor gleichzeitig als Generalinspektor der kolonialen Land- wirtschaft Ministerialbeamter ist. Eine genügende Organisation für die Entwickelung der tropischen Landwirtschaft auf wissenschaftlicher Basis ist aber selbst in Frankreich nicht vorhanden: sie könnte jedoch dort durch Zusammenfassung der Lehrkräfte zu einem grossen Institut leicht hergestellt werden. Für Deutschland ist die Schaffung einer Organisation geradezu ein Bedürfnis; der bisherige Weg privater Betätigung hat sich im Hin- blick auf die schnellen Wandlungen in der Weltwirtschaft als völlig unzureichend erwiesen. Genau so wie wir wissenschaftliche Zentral- ag O. Warlnirg. Stellen für die Erforschung der Kolonien besitzen, so müssen wir auch eine Zentralstelle für die angewandte Wissenschaft der tropischen Land- wirtschaft schaffen, da eine solche für das wirtschaftliche Gedeihen der Kolonien von der allerhervorragendsten Wichtigkeit ist. In der Biologischen Anstalt für Land- und Forstwirtschaft zu Dahlem haben wir einen geeigneten Ansatzpunkt, zumal es ein Reichs- institut ist. Wie das Institut ursprünglich eine Abteilung des Reichs- gesundheitsamtes war, bis es vor kurzem selbständig wurde, so sollte ihm jetzt eine Zentrale für tropische Landwirtschaft angegliedert werden, vorläufig als Abteilung. Es ist voraus zu sehen, dass diese Zentrale sich mit der Zeit, nach Herausbildung der nötigen Kräfte, von selbst in ein selbständiges Institut für tropische Landwirtschaft aus- wachsen wird. Wir würden dann endlich einen Ort haben, wo nicht nur alle kolonialen landwirtschafthchen Fragen aus den verschiedensten Fächern begutachtet werden, sondern auch eine Stelle, welche die landwirtschaft- lichen Institute und Stationen der Kolonien zu kontrollieren und mit Anregungen zu versehen hätte, und wo schliesslich auch die landwirt- schaftlichen Beamten und Gelehrten eine zweckentsprechende Vorl)ildung finden würden. Neben dieser für die Entwickelang der tropischen und speziell deutsch-kolonialen Landwirtschaft bei weitem wichtigsten Frage seien hier noch einige Forderungen gestellt, die gleichfalls von grosser Be- deutung sind. So vortrefflich sich das Biologische Institut für Land- und Forst- wirtschaft in Amani (Deutsch-Ostafrika) entwickelt hat, so rückständig ist noch das für Westafrika bestimmte Institut, nämlich der Botanische Garten zu Victoria in Kamerun. Die mit der wachsenden agrikulturellen Bedeutung Westafrikas, mit der Entwickelung der Kakaokultur, der Palmölgewinnung, des Baumwollbaues und der Kautschukkultur — um nur die wichtigsten zu nennen — zusammenhängenden Fragen können unmöglich von den wenigen wissenschaftlichen Beamten des Gartens in Victoria auch nur einigermassen befriedigend gelöst werden. Es ist eine unabweisbare Pflicht, dass es gleichfalls wie Amani, zu einem landwirtschaftlichen Institut erster Ordnung ausgebaut werde. Schliesslich sollten jetzt endlich auch die Beschlüsse des Kolonial- rates, dass wirtschaftliche Versuchsgärten in Togo und den Kolonien der Südsee errichtet werden, in die Tat umgesetzt werden. Die Station in Togo könnte Victoria unterstellt werden, während die Stationen in der Südsee im Bismarckarchipel ihr Zentrum haben müssten. Tropische Landwirtschaft. 39 Gerade jetzt scheint der Zeitpunkt günstig zu sein, dass wir, als Vertreter der angewandten Botanik, klare und bestimmte Forderungen stellen, die sich in den folgenden Sätzen zusammenfassen lassen: 1. Schaffung einer Zentrale für tropische Landwirtschaft als Reichsinstitut im Anschluss an die Biologische Anstalt für Land- und Forstwirtschaft in. Dahlem bei Berlin; 2. Ausbau des Botanischen Gartens zu Victoria in Kamerun zu einem landwirtschafthchen Institut erster Ordnung; 3. Schaffung landwirtschaftlicher Versuchsstationen in Togo und den Südseekolonien. ... Nur wenn wir auf diese Weise bezüglich der tropischen und kolonialen Landwirtschaft einen gehörigen Schritt vorwärts getan haben •werden, können wir hoffen und erwarten, dass Deutschland wie in der heimischen so auch in der tropischen Landwirtschaft den ihm gebühren- den Platz einnehmen wird, der deutschen Wissenschaft zui- Ehre, dem Vaterlande zum Segen. 4Q C. C. Hosseus. Die Gewinnung des Teakholzes in Siam und seine Bedeutung auf dem Weltmarier Preis des Elefanten ist zwischen 3000 und 5000 M. Für den Handel kommt noch als unangenehme Beigabe hinzu das Stehlen der Tiere aus siamesischem Gebiete zumeist von den Bergbewohnern, und ihre Ver- frachtung über die Grenze nach Birma (vgl. den Konsulatsrapport von Mr. Stringer für Djieng Mai). Zum Teil ist das ungenügende Vor- gehen von Seiten der Regierung gegenüber Stehler und Hehler auf die ungenügende, nicht ausreichende Landpolizistenbesatzung zurückzuführen. So erfolgte einmal innerhalb zweier Monate in Ra Heng ein Diebstahl von 8 Elefanten, obwohl alle gebranntmarkt waren. Die Gewinnung d. Teakholzes in Siam u. seine Bedeutung auf d. Weltmarkte. 47 - ^ In münohen Gebieten reicht aber der Elefant nicht einmal aus, da die Bergschluchten zu eng sind und sich die Stämme in ihnen ver- keilen (vgl. Doi Intanon Conzession des Lao Fürsten). Hier wird es- nötig sein, vermittels einer Kleinbahn die Schluchten, welche einen Transport des Teakholzes auf dem Wasserwege nicht zulassen, zu um- gehen. Die Stämme werden auf dieser talwärts bis zu der geeigneten Verflössungsstelle gebracht werden. Um nun zur derzeitigen Bewertung des Teakholzes überzugehen, so ist diese immer noch im Steigen begriiTen. Es handelt sich hier auch nicht um eine temporäre Erhöhung, wie seinerzeit bei der Baum- wolle, sondern, wie wir bereits sahen, liegen die Verhältnisse durch die geringe Produktion des Rohstoffes für den Abnehmer so ungünstig, dass die Gesellschaften völlig freie Hand in der Stellung des Preises haben. Ein Beispiel, wie hoch zurzeit das Holz bewertet ist, ergibt sich daraus,, dass eine chinesische Firma in Bangkok, die für 2 Mill. Mark ihre Kon- zessionen und ihren Waldbestand verkaufte, von 4 Seiten Offerten er- halten hat. Der grösste Teil der Konzessionen für die Teakholzwälder ist bereits in festen Händen. Während England, Dänemark und neuer- dings Frankreich grosse Gesellschaften besitzen, die ihre Länder auch mit dem sehr guten siamesischen Teakholze versehen können, sind wir Deutsche mehr oder weniger auf die Gnade dieser Gesellschaften an- gewiesen und haben keine solche Gesellschaft. Es ist dies um so mehr ins Gewicht fallend, als wir auch in den beiden anderen Tektona-Gebieten,. Bii'ma und Java, nicht direkt beteiligt sind, abgesehen von einigen Reis- exportfirmen, die auch nebenbei etwas Teakholz ausführen. Bekannt- lich bedürfen wir eine Unmenge dieses Holzes, das billiger und mit weit mehr Garantie von uns selbst aus diesen Ländern, vor allem aus Siam,. geliefert werden könnte. Die Verwendung des Holzes von Tectona f/rand/s, deren Blatt überdies einen roten Farbstoff liefert, kommt vor allem für 3 Branchen in Betracht: ■ , . .;, ■.,'•... 1. für die Kriegs- und Handelsmarine, 2. für den Waggonbau und 3. für die Möbel und Häuserherstellung. Im Schiffbau wird dasselbe] in erster Linie für die Panzerhinter- lagen und den Belag der Ober- und Aussendecks der Neubauten ver- wendet, ausserdem zu L)eckshäusern, zu Möbeln und zu inneren Ein- richtungen. Wegen seiner hervorragenden Eigenschaften eignet es sich vorzüglich zum Schiffbau. „Während die europäische, sowie auch die amerikanische Eiche einen hohen Säuregehalt hat, enthält das Teakholz ^g C C. Hosseus. Öl, wodurch es sich in Berührung mit Elisen und Stahl sehr gut kon- serviert. Es wird deshalb im Schiffbau stets da angewendet, wo das Holz in direlvte Berührung mit Eisen und Stahl kommt. Es besitzt eine ausserordentliche Festigkeit und leidet wenig unter den ver- schiedenen Witterungseinflüssen, weshalb es auch mit Vorliebe dort ver- wendet wird, wo das Holz stets Wind und Wetter ausgesetzt ist." (Mit- teilung der Germaniawerft in Kiel). Man unterscheidet nach den Angaben •der Howaldts-Werke in Kiel drei Arten der Verwendung: Teakbohlen, Bretter und Planken, und zwar Bohlen in Länge nicht unter 6', in Breiten von 4 — 12", bei einer Dicke von 2 — 6" zur Herstellung von Wasserborden, Skylights, Türen, Deckshäusern, Unterlagen für Ankerspille, Dampf- winden, Reeling usw. Planken kommen in Längen nicht unter 8', in Breiten von 4—5" und 2 — 3" stark, zur Verwendung von Decks. Bretter finden Verwendung für Deckshäuser, Türen, Schanzkleidung um Kommandobrücken, Tischlerarbeiten in Längen nicht unter 5', bei einer Breite von 4 - 6" und 1 — 4" stark. Beim Waggonbau wird das Teakholz sehr viel benützt; so werden neuerdings z, B. auf die Eisenträger der D-Zugwagen Teakholzplanken gebracht, um eine angenehmere Federung zu bewirken. Auch für die Treppen, für Kästen, für Vertäfelungen ist Teakholz sehr angebracht. Die Verwendung ist, wie wir später für die Vereinigten Nürnberg- Augsburgschen Maschinenwerke noch sehen werden, eine äusserst grosse. Was den Verbrauch für die Möbelfabrikation anbelangt, so ist es auffallend, dass in Norddeutschland derselbe gegenüber Süddeutsch- land ein ganz verschwindender ist. In den Tropen ist die Ver- wendung schon aus praktischen Gründen natürlich eine sehr grosse. Neuerdings hat man sogar aus Teakholz kleine zusammenlegbare Häuser für den Urwald hergestellt, die sich äusserst günstig bewähren. Teakholzkisten sind für einen Reisenden in Tropenländern von unschätzbarem Werte, da die weissen Ameisen nicht in sie eindringen, die Kisten jeder Witterung Widerstand leisten und, wenn gut verschliessbar, auch im Falle eines Sturzes ins Wasser unverwüstlich sind. Um ein Beispiel der Nützlichkeit von Tectona zu geben, sei angeführt, dass mir unterwegs, in dem Hause zu W. D. der grösste Teil meines Presspapiers aufgefressen wurde, das noch in den europäischen Tonnenkisten ver- packt war, während das Papier, welches auf den Teakholzplanken lag, nicht angegriffen wurde. Es sei nun noch auf den Verbrauch, den Preis und die Aus- fuhr aus Slam hingewiesen. In den Jahren 1903 bis 1905 benötigten Die Gewinnung d. Teakholzes in Siara u. seine Bedeutiing auf d. Weltmarkte. 49 6 deutsche Werften ca. 5560 cbm. Hierzu führt die Kaiserliche Werft zu Wilhelmshafen an, dass der Verbrauch sich nicht gut nach Jahren zusammenstellen lässt, da die Zeit, in welcher auf einem Neubau z. B. die Panzerhinterlage eingebaut wird, eine verhältnismässig kurze ist, und der hohe Verbrauch in dem Zeitraum ein falsches Bild geben würde. Eine deutsche Waggonfabrik hatte in den Jahren 1900 bis 1906 einen Gesamtbedarf von ca. 2000 cbm. Bei den Preisen, welche die kaiserlichen Werften zahlen, stand Danzig, welches ausschhessUch Bangkok- und Moulmeinholz verwendet, mit 152 bis 206 Mk. pro cbm am günstigsten (in den Jahren 1904 bis 1906), dann folgt Kiel mit 250 Mk. durchschnittlich und endlich Wilhelmshafen mit 265 bis 300 Mk. Der Unterschied ergibt sich daraus, dass das Holz in Danzig schon jahrelang lagert und früher billig ein- gekauft wurde, während erst in den letzten Jahren die Preissteigerung eintrat. Von einer anderen Werft lauten die detailliert(^n Angaben: Die Einfuhrkosten stellen sich frei Lager unverzollt auf 220 — 230 Mk. für den cbm für besägte Balken, 250-260 „ „ „ „ „ Bretter und Bohlen, für Tischlerzwecke, 330 — 350 „ „ „ „ „ Decksplanken. Die Einheitspreise sind ja allerdings gegenüber anderen Holzarten recht hohe, doch wiegt die grosse Dauerhaftigkeit der daraus gefertigten Arbeiten die hohen Kosten weit auf. Das Bangkok- und Moulmeinholz ist da))ei dem javanischen bei weitem vorzuziehen. Wir kommen zum Schlüsse zur Höhe der Ausfuhr aus Slam. Diese betrug im Jahre 1903 60753 Tonnen im Werte von 8276405 Tical, d. h. ca. 170 Mk. pro Tonne. Im allgemeinen ist die Ausfuhr aus Slam im Steigen begriffen, doch kommen auch hier Schwankungen vor, so weist das Jahr 1895 die zweithöchste Stelle in der Exportliste der letzten 15 Jahre auf mit 61 770 Tonnen, gegen 78308 Tonnen im Jahre 1904. Die Gesamtausfuhr der Jahre 1889 ))is 1904 betrug aus Slam 664813 Tonnen gegenüber der Ausfuhr von Hirma in denselben Jahren von 2878566 Tonnen. Im Gesamtexport von Slam nimmt Teakholz die zweite Stelle ein; so wurde im Jahre 1903 nach Reis mit rund 56 Millionen Tical Teak- holz im Werte von über 8 Millionen Tical ausgeführt (gegenüber anderen Hölzern im Werte von ca. 340000 Tical, 1 Tical = 1,23 xMk.). An diesem wichtigen Handelsartikel nun sind wir Deutsche fast gar nicht beteiligt. Es ist deshalb wohl von Interesse, auch noch fest- ,l:i)uesbericlit der Vereinigung für angewandte Botanik IV. 4: 50 C'. C. Hosseus. Die Gewinnunj;- des Teakholzes in Siam etc. zustollen, ilass der deutsche Schiffsverkehr, den wir der tatkräftigen Initiative des Norddeutschen Lloyd verdanken und der hoffentlich die neuerdmgs einsetzende scharfe japanische Konkurrenz überwinden wird, an erster Stelle steht: für den Import 305 Dampfer, 1 Segelboot mit 326000 Tonnen und einer Ladung im Werte von ca. 38 Millionen Tical. für den Export 310 Dampfer und ein Segelschiff mit zusammen 800000 Tonnen und einer Ladung im Werte von ca. 45V2 Millionen Ticjil. An der Ausfuhr speziell von Reis ist hauptsächlich die Firma Rickmers-Bremen beteiligt. Mögen diese Ausführungen dazu beitragen, unserem Handel auch in dem leider so vernachlässigtem Siam neue Einfuhr- und Ausfuhr- gebiete zu erschliessen. E. Zacharias, Über Degeneration bei Erdbeeren. 51 Ueber Degeneration bei Erdbeeren. Von E. Zacharias, Hamburg. (Mit 2 Tafeln.) Die Frage, ob Sorten von Kulturpflanzen, welche auf vegetativem Wege fortgepflanzt werden, degenerieren können, wenn sie ein gewisses Mter erreicht haben, ist eine alte und vielfach erörterte. Man versteht dabei unter „Degeneration" eine Abnahme der Widerstandsfähigkeit gegen ungünstige Bedingungen, eine Abnahme des Gedeihens überhaupt, oder im besonderen nur ein Schwinden derjenigen Eigenschaften derent- wegen die Sorten kultiviert werden. Obwohl sich solche Degeneration auf Grund unserer gegenwärtigen Kenntnisse nicht nachweisen lässt, taucht die Annahme derselben in den Kreisen der Praktiker doch immer wieder auf. So sagt z. B. Möschke^) hinsichtlich der Erdbeeren all- gemein: „Die Pflanzen degenerieren, d. h, je länger die ungeschlecht- liche Vermehrung einer Sorte fortgesetzt wird, desto intensiver tritt eine Erschöpfung, ein Müdewerden ein, welches sich im Nachlassen der Frucht- barkeit, mitunter auch des freudigkräftigen Wachstums und der Gesund- heit, sowie auch in einer grösser werdenden Empfindlichkeit gegen schädliche Einflüsse und Schädlinge äussert." Neuerdings ist die Frage u, a. hinsichtlich des ,, Abbaues" der Karte fTelsorten eingehend geprüft worden. Tuckermann ^) gelangt nach der Prüfung des vorliegenden Tatsachenmaterials zu dem Schluss, dass ein allgemeines Ableben von Sorten, welches mit ihrem Alter, als Folge der vegetativen Fortpflanzung notwendig sich einstellen muss, nicht vor- komme, wohl aber bei manchen Sorten ein örtUches Entarten infolge ungünstiger örtlicher Einflüsse. Zu ähnlichen Schlüssen gelangt auch i) Möschke, Die Erdbeeren. Neueudamm 1905. 2. Aufl. p. 18. Vgl. auch Goeschke, Das Buch der Erdbeeren. 2. Aufl. Berlin 1888. p. 50. 2) Tuckermann, Beitrag zur Frage des Abbaues der Kartoffeln. Breslauer Dissertation, 1904. Vgl. auch Fruwirth, Die Züchtung der land- wirtschaftlichen Kulturpflanzen, Bd. III. Berlin 190(). 4.* 52 E. Zach;u"ias. Molz') unter besonderer Berücksichtigung der an Reben gewonnenen Erfahrungen. Es wird nun nicht etwa beabsichtigt, die Fragen mich dem Vor- kommen einer Degeneration und ilire Literatur hier allgemeiner zu behandeln, nur ein Spezialfall soll erörtert werden. Die früher in den Vierlanden bei Hamburg in grossem l'mfange betriebene Kultur der ,, Vierländer Erdbeere", einer Kulturform der Fragaria elatior, ist in neuerer Zeit mehr und mehr aufgegel)en worden. Namentlich deshalb, weil neuere grossfrüchtigere Sorten rentabler sind (es ist ein wirtschaft- licher Abbau eingetreten), dann aber auch, weil die Vierländer Erdbeere bei manchen Züchtern im Ertrage zurückging, zum Teil verkrüppelte Früchte brachte. ^) Die Züchter meinten, die Sorte sei degeneriert. Nähere Untersuchung ergab, dass die Züchter seit langer Zeit die nicht- tragenden männlichen Stöcke der diözischen Sorte in ihrenKulturen vermindert hatten, wodurch vielfach eine hinreichende Bestäubung der weiblichen Stöcke verhindert werden musste. Schon DuhameP) sagt von der Fragaria moschata (Capron): ,,Et si sa culture est tellement negligee que la plupart des Jardiniers ne le connaissent que de nom c'est plutot ä cause de sa sterilite ä laquelle ils ne savent pas le remede," und führt dann weiter aus, dass Duchesne*) das Vorhandensein weiblicher und männlicher Stöcke nachgewiesen habe. Die Tatsache, dass die nichttragenden (männlichen) Stöcke für den Fruchtansatz erforderlich seien, war den Vierländern zum Teil seit ') E, Molz, Über das Wesen der ungeschlechtlichen Vermehniug und ihre Bedeutung für den Pflanzenbau, insbesondere die Obst- und ßebenkultur. S.-A. aus Fühlings Landw. Ztg., .Ö3. Jahrg. 1904, Heft 15—18, p. 18, 24, u. a. a. O. Vgl. ferner Bailey, The Survival of the Unlike. XXIV. Reflections upon the longevit3' oi' varieties. New York 189(i. Mfibius, Beiträge zur Lehre von der Fortpflanzung der G-ewächse. Jena 1899. -) Vgl. E. Zacharias, Über den mangelhaften Ertrag der Vierländer Erdbeeren. Verhandl. des Naturw. Vereins zu Hamburg 1903. 3. Folge, XI, 3) Duhamel, Traite des arbres fruitiers. Paris MDCCLXVIII. T. I, p. 247. — Des Herrn Du Hamel du Mouceau Natiu-geschichte oder ausführliche Beschreibung der Erdbeerpflanzen, aus dessen Abhandlung von den Obst- bäumen besonders herausgegeben und um mehrerer Vollständigkeit willen mit dem nötigsten aus des Herrn Du Chesne, Histoire naturelle des Fraisiers vennehrt. Aus dem Französichen übersetzt. Mit IX Kupfertafeln. Nürnberg bei Adam Wolfgang Winterschmidt, Kupferstecher, Kunsthändler undi\lusikalien- verleger. 1775. p 27. *) Duchesne, Histoire naturelle des Fraisiers. Paris MDCCLXVl. Vgl, auch A. Schulz, Beitr. z. Kenntn, der Bestäubungseinrichtungen und Geschlechtsverteilung bei den Pflanzen. Bibliotheca Botanica. Kassel 1890. p. 187. über Degeneration bei Erdbeeren. 53 längerer Zeit bekannt. Sie ist aber, wie ich in einer früheren Mit- teilung (I. c.) dargelegt iiabe, nicht immer hinreichend beachtet worden. Dem bereits Mitgeteilten mag noch hinzugefügt werden, dass manche Züchter auch ganz richtig beobachtet haben , die Blüten der nicht tragenden Stöcke seien grösser als die Blüten der ,, guten" (weiblichen) Stöcke, und ferner, dass die weiblichen Blüten ,, glatt", die männlichen ,,rauh" seien. Rauh erscheinen ihnen die männlichen Blüten durch das Vorhandensein zahlreicher langer, fruchtbarer Staubgefässe, während die weiblichen Blüten mit ihren kurzen rudimentären Staubgefässen den Eindruck relativer ., Glätte" hervorrufen. Nicht selten wird die i^]rkenntnis des Sachverhaltes den Züchtern durch mangelnde Schärfe der Darstellung in den für Praktiker bestimmten Büchern erschwert. So rät Zürn ^) z. B. sämtliche männ- liche Exemplare sobald wie mögUch herauszureissen, hat dabei allerdings, wie man aus dem Zusammenhang schliessen kann, Kulturen im Auge, in welchen ausser eingeschlechtigen, auch Zwitterpflanzen vorkommen. Auch die Behandlung, welche dem Gegenstande in der neuen x\uflage von Sorauers Handbuche -) zuteil wird, ist geeignet zu irrtümlicher Auffassung zu führen. Es heisst hier p. 290: „Die Vierländer Erd- beeren bezeichnet Zacharias als eine Sorte, die meist entweder nur männlich oder nur weiblich, selten monözisch auftritt. Er ist der Ansicht, da auf den Feldern wenig männliche Pflanzen vorhanden sind, so falle die Befruchtung unvollkommen aus. Es wird hervorgehoben, dass stets wenig Pistille sich ausbilden, so dass sie nur einen Teil des ange- schwollenen Fruchtbodens bedecken. Wir legen auf letzteren Punkt das Hauptgewicht und raten zu Land- und Sortenwechsel. Zacharias empfiehlt, mehr männliche Pflanzen zwischim den weiblichen zu halten." Insoweit hier nur hervorgehoben werden soll, dass unter Umständen auch andere Ursachen dem mangelhaften Ertrage der Vierländer Erd- beeren zugrunde liegen können, als unzureichende Bestäubung, ist gegen die vorstehenden Sätze nichts einzuwenden. Bedenklich sind sie jedoch insofern sie auch dahin verstanden werden können, dass die Fürsor2:e *) Zürn, Die Erdbeere. Gartenbau-Bibliothek, herausgeg. v. Dr. Ucio Danimer. Berlin 1900. p. 11. Die Angaben Zürns erinnern an diejenigen von Lindley (A guide to the Orchard and Kitchen Garden. London 1831. p. 490 500, 501), die gleichfalls geeignet sind, Missverständnisse hervorzurufen. Barfuss, Das Erdbeerbuch. Berlin (F. Parey) 1901, p, 9, sagt sogar liin- sichtlich der Vierländer Erdbeere: „in manchen Böden bilien die Pflanzen nur Staubfäden, aber keine Früchte. Erscheinen solche Pflanzen, so müssen sie entfernt und durch tragende Pflanzen ersetzt werden. 2) Sorauer, Handbuch der Pflanzenkrankheiten. 3. Aufl. 190(5. p. 200. 54 E. Zacharias. für eine hinreichende Anzahl von Männchen in den Knlluren unwesent- lich seien. ') Unter den Pflanzen, welche der Hamburger botanische Garten aus den Kulturen eines Vierländer Züchters, der noch befriedigende Erträge erzielt, bekam, fanden sich männliche Pflanzen in hinreichender Zahl. Von zwei eingetopften weiblichen Pflanzen wurde die eine isoliert, die andere bestäubt Von letzterer wurden am 7. Juli 1905 86 normale Früchte geerntet. Sämtliche Blüten hatten angesetzt Ins auf drei, welche nicht bestäubt werden konnten, da kein Pollen mehr vorhanden war, als sie aufblühten. I»ie Blüte der weiblichen Pflanzen begann etwas später als diejenige der männlichen. 2) Im Jahre 1906 l)egann die Blüte der weiblichen Pflanzen am 14. Mai, diejenige der männlichen am 12. Mai. Die letzten männlichen und weiblichen Blüten blühten in diesem Falle allerdings gleichzeitig am 5. Juni. Es mag in diesem Zusammenhange erwähnt werden, dass in dem durch milde Witterung ausgezeichneten Oktober 1906 zahlreiche männliche Pflanzen zum zweitenmal l)lühten, nicht aber die weüjlichen. Die im Frühjahr 1905 isolierte weibliche Pflanze trug 94 Blüten, von welchen keine ansetzte. Auch „verkrüppelte Beeren" wurden nicht gebildet. Äusserlich unterscheiden sich die Pistille der männlichen Blüten nicht von denjenigen der weiblichen, auch keimt der Pollen auf den Narben der Männchen. Indessen sind die Samenknospen hier im Ver- hältnis zur Fruchtknotenhöhle wesentlich kleiner, als bei den Weibchen. Ein „Ansetzen" wurde bei den Männchen niemals beobachtet.^) Die von den weiblichen Pflanzen geernteten Samen waren keimfähig. Demnach kann von einer Degeneration der Vierländer Erdbeeren im allgemeinen keine Rede sein. 1) Vgl. E. Zacharias I. c. p. 32 hinsichtlich der Angaben v. Gloede. Los bonnes Fraises. Paris 1870. 2j Ähnliches fand Fruvvirth bei Hanfpflanzen, die sich auf dem Felde unter annähernd gleichen Verhältnissen befanden. 1. c. p. 69. 3) Nach Madame Eliza de Vilmorin in Decaisne's (Jardin fruitier du Museum. Paris 1862 — 75. Tome IX) können die Carpelle der männlichen Blüten von Fragaria elaiior unter besonders günstigen Umständen zu Früchten heranreifen: „h Verrieres, oü ce fraisier se plait beaucoup, j'ai vu des pieds ä fleurs mäles donner des fruits aussi gros que ceux des pieds ä fleurs femelles, la seule difference etant que les fruits prodiiits par les fleurs mäles avaient le pedoncule plus faible et les graines moins nombreuses et plus ecartees". Bei Lindley (A guide to the orchard and kitchen garden. London 1831. p. 490) findet sich die Angabe: „The flowers called the males produce occasionally a small imperfect fruit, with projecting seeds". über Degeneration bei Erdbeeren. 55 Die in den Hamburger Garten gelangten Pflanzen aus den Kulturen des oben erwähnten Züchters zeigen bei Männchen und Weibchen Ver- schiedenheiten in der Blattgestalt, welche eine .Unterscheidung der Pflanzen auch im nichtblühenden Zustande stets ermöghchen. Die Piederblättchen der Männchen, Taf. I Fig. 1, sind im allgemeinen breiter, mehr abgerundet als bei den Weibchen, Taf. I Fig. 2, deren Blättchen sich namentlich an der Basis stärker verschmälern. Ihr Rand krümmt sich meist unregelmässig wellig zurück, was bei den Männchen nicht eintritt. Ferner wölbt sich die Blattfläche zwischen den Nerven zweiter Ordnung bei den Weibchen stärker empor als bei den Männchen. Die drei Teilblättchen des männlichen Blattes sind annähernd in einer Ebene ausge)>reitet, während das bei dem weiblichen Blatte nicht der Fall ist und endlich ist der Stiel des letzteren durch grössere Länge ausgezeichnet. Abgesehen von den geschilderten Differenzen unterschieden sich bisher in den Kulturen des botanischen Gartens die weiblichen Stöcke durch kräftigere Entwickelung von den männlichen. 1 »iesor Unterschied tritt jedoch gegenwärtig (Oktober 1906) an jungen, im August 1906 gepflanzten Ausläuferpflanzen nicht in die Erscheinung. Möglicherweise hängt das damit zusammen, dass der Gärtner, da viele Elternpflanzen zur Verfügung standen, zur Bepf lanzung des Beetes nur besonders kräftige Ausläufersprosse der Männchen verwendet haben mag. Duhamel (1. c. p. 249). Goeschke (1. c. p. 58) u. a. l)Ozeichnen die männlichen Stöcke der von Fragaria elatior abstammenden Kulturformen als die stärkeren, und ebenso sagt Duchesne (1. c. p. 145): abgesehen vom Geschlecht unterscheiden sie sich nicht, nur scheinen die Männchen ein wenig stärker und behaarter zu sein. Hinsichtlich der Abstammung der unter sich differenten Männchen und Weibchen in den Kulturen des Hamburger Gartens w^ürden sich verschiedene ^Möglichkeiten diskutieren lassen. Übrigens sind auch bei anderen diöcischen Pflanzen Verschiedenheiten der Vegetationsorgane bei Männchen und Weibchen beobachtet worden. ') Eine besondere Besprechung verdient das Verhalten von Pflanzen, die von einem Züchter bezogen worden waren, der über besonders ge- ringen Ertrag klagte. Diese Pflanzen und ihre Nachkommenschaft sollen unter den Namen „H-Pflanzen" zusammengefasst werden, die bisher be- schriebenen mögen „G-Pflanzen" heissen. 40 H-Pflanzen wurden im Sommer 1901 in Kultur genommen. „Die Untersuchung-) ihrer Blüten ') Vgl. u. a. Bitter, Parthenogenesis und Variabilität der Brvonia dioica. Abb. Nat. Verein, Bremen 1904. Bd. XVIII, p. 10^. 2) E. Zacharias 1. c. p. 27. . ■ ,. . 56 E. Zacharias. ergab, dass die Staubfäden meist auffallend kurz blieben, und kleine, sich bald bräunende Staubbeutel trugen, welche keinen Pollen pro- duzierten. Hier und da kamen allerdings auch besser entwickelte Staub- gefässe vor, welche wechselnde Mengen anscheinend normalen Pollens ergaben. Diejenigen Blüten, welche eine Anzahl besser entwickelter Staubgefässo enthielten, waren meist grösser, als diejenigen, welche nur sterile Staubgefässo besassen. Sämtliche Pflanzen können als vor- wiegend weiblich bezeichnet werden. In ihren vegetativen Teilen') zeigten sie ein gutes Gedeihen, indessen wurden nur wenige Beeren geerntet, und auch diese waren nicht normal entwickelt. Es hatten sich immer nur einzelne Pistille zu Früchtchen ausgebildet und dementsprechend waren nur eng begrenzte, unter den Früchtchen befindliche Teile der Blütenachse fleischig angeschwollen (Taf. 11 Fig. 1). Die wenigen im Jahre 1902 geernteten Samen haben nicht gekeimt." Ein besserer Ertrag dieser Stöcke war schon deshalb nicht zu erwarten, weil es an männlichen, hinreichend Pollen |)rodu- zierenden Pflanzen fehlte. Im Jahre 1903 kamen von den 40 Pflanzen 5 nicht zur Blüte und auch an den blühenden Pflanzen war die Anzahl der Blüten auffallend gering. In den folgenden Jahren verminderte sich die Anzahl der blühenden Pflanzen mehr und mehr. r)ie Notizen aus dem Jahre 1904 sind durch einen Unfall ver- loren gegangen. In diesem Jahre sind eine Anzahl von Pflanzen besei- tigt worden. 1905 waren noch 28 Pflanzen vorhanden. Von diesen wurden zwei im März eingetopft, um Bestäubungsversuchen zu dienen. Sie wurden in sonniger Lage unter denselben Bedingungen kultiviert wie die beiden eingetopften G-Pflanzen, deren Fruchtertrag weiter oben geschildert worden ist; ihre vegetative Entwickelung war gut; sie haben aber nicht geblüht. Von den übrigen 26 Pflanzen blühten nur 12, und auch diese brachten im allgemeinen nur wenig Blüten. Im Sommer gelangten sämtliche Pflanzen bis auf zwei, welche geblüht hatten und eingetopft wurden, auf ein sonniges Beet. Hier gingen im Winter und Frühjahr zwei Pflanzen ein, so dass im Frühjahr 1906 im ganzen noch 26 Pflanzen vorhanden waren. Von diesen blühten nur 6. Unter den blühenden befanden sich die l)eiden im Sommer 1905 eingetopften, welche auch im Frühjahr 1905 geblüht hatten, unter den nichtblühenden die beiden im März 1905 eingetopften, welche auch im Frühjahr 1905 nicht geblüht hatten und dann im Sommer nebst den übrigen Pflanzen auf das sonnige Beet gepflanzt worden waren. Neben den H-Pflanzen wurden unter den- 1) Die Blätter näherten sich in ihrer Gestalt den Blättern der (I- Männchen, über Degeneration bei Erdbeeren. 57 selben Bedingungen männliche und weibliche G-Pflanzen kultiviert, die- überreich blühten. Die wenigen blühenden H-Pflanzen hatten im Vergleich mit den G-Pflanzen nur wenig Blüten, welche im allgemeinen kleiner waren als die Blüten der weiblichen G-Pflanzen, ferner waren die Blüten- stände der H-Pflanzen niedriger. Vor ihrer Verpflanzung auf das sonnige Beet hatten die H-Pflanzen auf einem Beet gestanden, welches nach Süden hin durch ein Gebüsch ein wenig beschattet wird. Nach Göschke (1. c. p. 57) gedeihen Jedoch die Vierländer Erdbeeren auch in schattiger Lage, unter dem Schutze von grossen Bäumen etc. ganz gut. Dass der weitere Rückgang der Blütenbildung nach der Überpflanzung auf das sonnige Beet mit der geringen Beschattung der Pflanzen auf ihrem vorigen Standort im Zusammenhang stand, ist nicht anzunehmen. ') Die vegetative Entwickelung der H-Pflanzen, die im Jahre 1905 noch gut war, Hess im Jahre 1906 nach; auch waren ihre Blätter weniger tiefgrün, etwas mehr gelblich gefärbt als die Blätter der daneben- stehenden G-Pflanzen. Sehr gering blieb stets die Beerenernte der H-Pflanzen: 1903 wenige verkrüppelte Beeren, 1905 an 3 Pflanzen 7 verkrüppelte Beeren. Im Jahre 1906 wurden die vorhandenen Blüten durch Insekten, ausser- dem aber noch künstlich mit dem Pollen der an dem nunmehrigen Stand- ort der Pflanzen reichlich auf dem benachbarten Beet blühenden G-Männchen bestäubt. Trotzdem entwickelte nur eine Infloreszenz 11 gutausgebildete Beeren, von denen ein Teil völlig mit anscheinend normalen Früchtchen besetzt war. Die übrigen Infloreszenzen trugen, insoweit sie überhaupt angesetzt hatten, nur verkrüppelte, mit einzelnen Früchtchen besetzte Beeren. Auch die beiden im Sommer 1905 ein- getopften Pflanzen trugen nur je eine verkrüppelte Beere, obwohl ihre wenigen Blüten sorgfältig mit G-Pollen bestäubt worden waren. Von den im Jahre 1906 geernteten Samen hat ein Teil gekeimt. Die Ausbildung verkrüppelter Beeren wird in der Gartenliteratur auf eine Beschädigung des Fruchtblattträgers durch Frost oder Dürre zurückgeführt. „Bei den durch Frost entstandenen Verkrüppelungen (sagt Spangenberg)^) sehen wir teilweise Umgrenzungen der Frostwirkung an den Früchten in Gestalt unregelmässiger schwarzer Vertiefungen oder schwarzer Knoten; bei den durch Dürre entstandenen erkennen wir Verhärtungen des Fruchtfleisches, entstanden durch zu geringe Feuchtig- keit oder durch gänzliches Fehlen derselben im Boden." 1) Vgl. Wilhelm Benecke , Einige Bemerkungen über die Bedingungen des Blühens und Fruchtens der Gewächse, Bot. Ztg. 1906, TL AbtIg.. p. 97 u. die liier zitierte Literatur. 2) Spangenberg. Praktische Erdbeerknltur. Frankfurt a. O. 190.'). p. 24. .58 E. Zacharias. Schon Duchesno ') beschreibt, dass die ersten Blüten der Praisiers de bois zuweilen durch Frostschaden im Zentrum absterben. Ovarien und Fruchtboden werden dann schwarz, während Staubgefässo sich normal entwickeln. ^) Von dieser Schädigung durch Frost unterscheidet dann Duchesne ein Vertrocknen der Ovarien und des Fruchtbodens, wobei keine Schwärzung eintritt. Dieses Vertrocknen wird aber in dem von Duchesne für den Fraisier coucou {Fragaria s'ilvesiris ahortivä)^) geschilderten Fall nicht durch WasscM-mangel im Boden, sondern durch Unfruchtbarkeit der meisten Pistille bedingt. An den Narben konnte Duchesne keine Fohler entdecken, trotzdem hatte er 1766 niemals vollständige Beeren an den Praisiers coucou gesehen. „Certains stig- mates (heisst es 1766 1. c. p. 107) etant propres ä etre fecondes, les ovaires auxquels ils repondent viennent a bien, et alors la partie du Support qui soutient chacun d'cux et entoure son vaisseau nourricier, prend aussi de l'accroissement, il forme un bouton pulpeux de figure ronde, et dont la peau rougit faiblement, Tovaire qui termine ce bouton est fort rouge et plus gros memo que coux du Fraisier ordinaire : quand ils sen trouvent plusieurs de fecondes les uns pres des autres, ces especes de Supports particuhers se confondent, et forment. pour ainsi dire, des portions de Fraises." Diese Beschreibung passt vortrefflich auf die verkrüppelten Beeren der H-Pflanzen. Da sie nicht nur an den isolierten, sehr wenig Pollen produzierenden H-Pflanzen, sondern auch nach der Bestäubung mit G Pollen unter Bedingungen auftraten, welche eine reiche Ernte völlig normaler Früchte bei den unmittelbar benachbarten, gleichzeitig blühenden G-Pflanzen gestatteten, dürfte anzunehmen sein, dass ein grosser Teil der H-Pistille überhaupt nicht befruchtungsfähig gewesen sei. Allerdings zeigten im Frühjahr 1906 manche Blüten der H-Pßanzen geschwärzte Fruchtblattträger, eine Erscheinung, die nach Angabe der Praktiker ein untrügliches Zeichen von Frostbeschädigung sein soll.'') Es ist hier noch weitere Prüfung des Sachverhaltes erforderlich. Namentlich wird auch zu untersuchen sein, ob mit zunehmendem Alter der Pflanzen eine Ände- J) 1. c. Remanjues particulieres, p. 2. 2) Auch Linne hat entsprechende Beobachtungen gemacht. Im Jahre 176-± schrieb er an Duchesne: ,,Dum de sexu loqueris, rogo. caveas ne flores frigore vernali destnictos pro masculis habeas, quod frequeuter apud^ nos contingit." (Duchesne , Sur les Fraisiers. Encyclopedie methodique. Botanique par Lamarck, Tome II, Paris 1786, p. 534.) 3j Vergl. hinsichtlich des Fraisier coucou die Anm. ;;tn Schliisse dieser Mitteilung. 4) Vgl. u. a. Der praktische Ratgeber im Obstr und Gartenbau. Frank- furt a. O., Jahrgang 11300, p. 224. über Degeneratinn bei Erdbeeren. 59 rung in den Geschlechtsverhältnissen der Blüten eintritt.') Wie alt die H-Pflanzen waren, als sie in den botanisclien Garten gelangten, ist nicht bekannt. Von allgemeinerem Interesse ist die Abnahme der Blütenbildung und schhesslich auch der vegetativen Entwickelung der H-Pflanzen mit zu- nehmendem Alter. Nach allgemeiner Angabe der Erdbeerpflanzer pflegt der Ertrag der Kulturen vom dritten Jahre an abzunehmen. Verschiedene Sorten scheinen sich verschieden zu verhalten. Hinsichtlich der Fragaria moseliata bemerkt Duchesne (1766, I. c. p. 501): man tue gut die Pflanzung nach zwei Ernten zu erneuern.^) Ebenso sagt Zürn (1. c. p. 12): „Die Vierländer Erdbeere verlangt zum Fruchtbarsein eine Neupflanzung alle zwei Jahre." Es wird empfohlen die Anlage neuer Erdbeerpflanzungen auf einem Gelände zu bewirken, das seit längerer Zeit keine Erdbeeren getragen hat. Ferner wird in der Gartenliteratur darauf hingewiesen, dass die Rhizome älterer Pflanzen sich mehr und mehr über den Boden erheben, und dass infolgedessen die an den jungen Rhizomteilen gebildeten neuen Wurzeln meist ver- trocknen ohne den Boden zu erreichen. Das „Zurückgehen" mancher Stauden, welches man in botanischen Gärten l^eobachten kann, dürfte zum Teil durch entsprechende Verhältnisse bedingt werden. Nach Rimbach') gehört Fragaria vesca zu denjenigen Pflanzen, deren „kontraktile Advontivwurzeln einseitig an der mehr oder weniger aufrecht wachsenden Sprossachse wirken und dieselbe seitlich nieder- ziehen. Die Pflanze bildet meist einen längeren, häufig verzweigten Erdstamm und ihre Abwärtsbewegung ist verhältnismässig gering." Die Züchter suchen das Abtrocknen der Wurzeln älterer Pflanzen zum *) Bezüglich des Einflusses äusserer Bedingungen ;uii' die Geschlechts- verhältnisse bei Erdbeeren vgl. u. a. : Downing. The Fruits and Fruit trees of America. London 184."), p. 524. Bailey. The principles of Fruit-Growing. New-York 1897. p. 227. Zacharias 1. c. p. 30 , ferner p. 54 dieser Abhandlung. 2) Demgegenüber bemerkt allerdings Decaisne (Le jardin Fruitier du Museum. Tome IX. Paris 18()2 — 75): „Un des grands merites de ce Fraisier est de n'etre pas difficile sur le choix du terrain, d'y rester de longues annees et d'v produire abondamment, sans qu'on ait d'autre soin a prendre que cekii de couper las coulants." 3) Rimbach. Die kontraktilen Wurzeln und ihre Tätigkeit. (Fünfstücks Beiträge zur wissenschaftlichen Botanik. Bd. II, Abt. I. 1897.) Vgl. auch Stroever, Wurzelverkürzung. Diss. Jena 1892 und die hier zitierte Literatur. 60 E. Zacharias. Teil durch Anhäufeln von Boden zu verhindern und G. Lindemann') berichtet z. B., dass er durch Bedecken der ziemlich weit über den Boden emporragenden Wurzelhälse sechsjähriger Pflanzen mit Erde vortreffliche Resultate erzielt habe, liulessen scheinen für das Zurück- gehen der älteren Pflanzen auch noch andere l'mstände als das etwaige Abtrocknen der jungen Wurzeln in Frage kommen zu können. Jeden- falls konnte das Zurückgehen der H-Pflanzen durch ein Tiefersetzen^ welches gelegentlich ihrer Umpflanzung im Jahre 1905 erfolgte, nicht aufgehalten werden. Auch ungünstige Bodenverhältnisse können für den Rückgang der H-Pflanzen kaum verantwortlich gemacht werden, da sie im botanischen Garten auf BiUlen kultiviert wurden und werden, die jedenfalls seit Jahren keine Erdbeeren getragen haben, und auf welchen die jüngeren G-Pflanzen vortrefflich gedeihen. Dementsprechend sagt auch Gloede (1. c. p. 26), dass Erdbeeranpflanzungen, auch wenn man für Bedeckung der Rhizome und Düngung gesorgt hat, nur zwei bis drei befriedigende Ernten geben. 2) Die Untersuchung über die Ursachen des Zurückgehens älterer Pflanzen soll in den nächsten Jahren fortgesetzt werden. Es ergibt sich weiter die Frage, ob die von den alten H-Pflanzen abstammenden Ausläuferpflanzen die ungünstigen Eigenschaften ihrer Stammpflanzen erben, so dass etwa durch Vermehrung derartiger alter Pflanzen auf vegetativem Wege eine sehr blütenarme oder nicht blühende Sorte erzielt werden könnte. Die Angaben mancher Züchter sprechen dafür. Nach Möschke (1. c. p. 18, 24) wirkt die Entnahme der jungen 1 pflanzen von alten, total erschöpften Beständen besonders nachteilg. Vor dem Abtragen stehende alte Pflanzen sollen nicht als Mutterpflanzen dienen. Berner^) „fiel es in seinen Neuanlagen auf, dass die Pflanzen, welche aus einjähriger Anlage entnommen wurden, nur zwei Prozent Nichtblüher hatten, die anderen dagegen, welche aus älterer Anlage 1) G. Lindemann. Die Erdbeerbeete müssen aufgefüllt werden. T»er praktische Eatgeber im Obst- und Gartenbau. Jahrg. 190-i, p. 114. Schon Miller (The Gardeners .üictionary, London 1733, 2 Ed.) rät: „about Michaelmas throw a little fine earth over the Beds between the plants, being very careful not to lay it to thick as to bury the plants this will greatly strengtben them and cause their fruit to be larger and in greater Quantities than they would be if left undressed. 2) Vgl. auch: Le comte de Lambertye. Le Fraisier. Paris IKli-l, p. 194, 195. ^) Bern er. Fruchtbarkeit der Erdbeeren. Der praktische Ratgeber im Obst- und Gartenbau. Jahrg. 1903, p- ^1^- über Degeneration bei Erdbeeren. 61 stammten, hatten 18 Prozent". Ebenso hat schon Miller*) mitgeteilt, dass man von alten Stöcken sterile Ausläuferpflanzen erhält. Von den beiden im März 1905 eingetopften und später wieder ausgepflanzten nicht blühenden H-Stöcken wurden 1905 29 Ausläufer- pflanzen abgenommen und mit den beiden Stammpflanzen auf dasselbe Beet gepflanzt. 1906 blühten von diesen sieben. Die Anzahl der Blüten an den einzelnen Pflanzen war gering. Sie waren weibHch bis auf einige Blüten mit fruchtbaren Staubgefässen, welche unter weiblichen Blüten an einer der Pflanzen auftraten. Manche Blüten zeigten ge- schwärzte Fruchtblattträger, mögen also durch Frost gelitten haben. Nach sorgfältiger Bestäubung mit G- Pollen setzten die meisten Blüten nicht an, andere brachten verkrüppelte Beeren mit wenigen Früchtchen, nur sechs Beeren waren leidlich entwickelt, besassen aber auch noch viel fehlgeschlagene Früchtchen. Die vegetative Entwickelung der Pflanzen war zum Teil recht schwach, was damit zusammenhängen kann, dass bei ihrer Entnahme von den zwei Mutterpflanzen nicht nur die stärksten verwendet wurden, wie es zu geschehen pflegt, wenn die Züchter von einer gr(')sseren An- zahl von Mutterpflanzen den Nachwuchs abnehmen. Erst das weitere Verhalten dieser Pflanzen nach etwaiger Er- starkung und dasjenige einer grösseren Anzahl in diesem Jahre den alten H-Pflanzen entnommener Ausläufersprosse und ihrer Nachkommen- schaft wird ein Urteil über die aufgeworfene Frage gestatten. Anm. Unter dem Namen „Coucou" sind von verschiedenen Atttoren sterile Pflanzen verschiedener Art zusammengefasst worden.^) De la Quintinye") sagt von den Coucous: „la plüpart d'entr' eux sont Prai- siers, qui ont degenere", und rät dringend, sie sorgfältig aus den Kulturen zu entfernen. Dass Quintinye hier, wie Lambertye es für möglich zu 1) Zitiert nach Duchesne. In der mir vorliegenden '2. Aufl. von Millers Clardeners Dictionarj (1733) fehlt die Angabe. Vgl. ferner: Green. The Uni- versal Herbai. 2. edition. London 182-i. vol. I, p. 575 und Lambertye 1. c. p. 217, 220, 2(U, 277. Auf die allgemeinere Literatur der hier in Betracht kommenden Erblichkeitsfragen soll an dieser Stelle nicht eingegangen werden. 2) Über etwaige Beziehungen der Coucous zu Fragarla HayenbacMana. vesca und coUina vgl. die Ausführungen von Madame Eliza de Vilmorin und von Gay in dem Artikel über den Fraisier de Bargemon bei Decaisne. Jardin Fruitier du Museum. T. IX. Paris 18G2— 75; ferner: Le comte de Lambertye (1. c.) p. 31, 34, 36, 126, 254. 3) De la Quintinye. Instruction pour les jardins fruitiers et potagers. Nouvelle edition T. II, p. 118. Paris 1739. g2 K- Zacharias, Über Degeneration Ijei Enlbeerv-n. hallen scheint, die männlichen Stöcke von Frcf/ar/a elatior im Auge gehabt hat, geht aus dem Zusammenhang nicht hervor. Allerdings wird nach Poiteau") das Männchen von Frayarki chit/or „designe vulgalrement sous le nom de Fraisier coucou". 1) Poiteau. J'omologie Franraise. Zitiert nach Lambert\"0. I.e. [>. 31. Flgurenor klärung. Tafel 1. Figur 1. Blatt einer männlichen Pflanze. Figur 2. Blatt einer weiblichen Pflanze. Tafel II. Figur 1. Verkrüppelte Beere einer H-Pflanze vergrössert. Die Figur zeigt ein befruchtetes Pistill, welches dem fleischig angeschwollenen Teile des Fruchtblattträgers aufsitzt. Die übrigen Pistille samt den Staubgefässrudimenten der weiblichen Blüte sind vertrocknet. Figur 2. Beere einer H-Pflanze mit einer grösseren Anzahl befruchteter Pistille, daneben unbefruchtete. Die Beere dementsprechend nicht normal abgerundet. Fignr 3. Normale Beeren einer G-Pflanze. A. Wieler, Die Bedeutung der Luftaualyse für die Rauchexpertise. Q^ Die Bedeutung der Luftanalyse für die Raucliexpertise. Von A. AVieler, Aachen. Es war ursprünglich nicht meine Absicht, auf der Versammlung der Vereinigung für angewandte Botanik in Hamburg einen Vortrag zu halten. Als ich aber an einem sehr schönen klaren Nachmittage durch die Lüneburger Heide gefahren war und vergeblich nach dem bekannten Stadtbilde ausschaute, als wir uns Hamburg näherten — so war die Stadt in Dunst und Qualm eingehüllt — bin ich anderen Sinnes ge- worden. Da schien es mir doch zweckmässig zu sein, auch bei dieser Versammlung und an diesem Ort<> das in neuerer Zeit in immer steigen- dem Masse die Aufmerksamkeit auf sich ziehende Rauchschadenproblem zu berühren. Ich hal)e deshalb gerne die Gelegenheit ergriffen, um einenPunkt zurSprache zu l>ringen, der mir ganz besonders am Herzen liegt. Die Ursache der Rauchschäden sind bekanntlich die sauren Gase, welche mit den übrigen Verbrennungsprodukten den Kaminen ent- strömen. Es kommen hierbei nicht nur industrielle Unternehmungen in Betracht, welche saure Gase als Nebenprodukte des Betriebes entweichen lassen, sondern alle Feuerungen, da die Kohle in höherem oder ge- ringerem Grade Schwefel enthält, wodurch schweflige Säure in die Luft gelangt. Von allen sauren Gasen ist daher die schweflige Säure am verbreitetsten und spielt bei den Rauchschäden die hervortretendste Rolle. Wie beträchtlich die aus der Verbrennung der Kohlen entstehende schweflige Säure ins Gewicht fällt, mag eine Berechnung illustrieren, welche Hasenclever') vor einigen Dezennien für Stollberg i. Rh. ange- stellt hat. Danach produzierten 28 industrielle Unternehmungen in 24 Stunden aus der verbrannten Kohle 34500 kg SOg, aus der Fabri- kation 51338 kg SO2 und 750 kg HCl, so dass mehr als ein E>rittel der in diesem Gebiet produzierten Säuremenge aus den verijrannten Kohlen herstammte. Wo die Hausfeuerungen sich häufen wie in den grossen Städten, muss die aus der Kohle stammende schweflige Säure 1) Über die Beschädigung der Vegetation durch saure Gase. Chemische Industrie 1879. g4 A. Wieler. gleichfalls ihren schädlichen Einfluss geU.eiid machen. Und wenn mit dem Anwachsen der Städte die Vegetation notleidet, so trägt jene einen wesentlichen Teil der Schuld, wenn nicht die Hauptschuld. Obgleich man sich in neuerer Zeit mohrfach eingehend mit der Einwirkung der sauren Gase auf die Vegetation beschäftigt hat, ist die Rauchexpertise doch auch heute noch recht unbefriedigend und haupt- sächlich deshalb, weil man über die in der Luft herrschende Säure- Iconzentration nicht unterrichtet ist. Welche praktische Bedeutung hat ■es. die Säurokonzentration, bei welcher Schäden auftreten können, zu ermitteln, wenn wir im unklaren darüber bleil)en, welche Konzentrationen dort herrschen, wo die Säureschäden beobachtet werden? Schon das wissenschaftliche Gewissen wird immer von neuem daran mahnen, diese Lücke auszufüllen. Und mit Recht darf man hoffen, eine sichere Grund- lage für die Rauchexpertise aus der Ermittlung der in der Luft herrschen- den Säurekonzentration zu gewinnen. Bei der Ermittelung der Rauchschäden spielt heute die chemische Analyse, allerdings unter Berücksichtigung des ganzen Zustandes der Vegetation die erste Rolle. Aus einem hohen Säuregehalt gegenüber ■dem normalen in den Blattorganen wird vielfach selbst, wenn diese keine sichtbaren Beschädigungen aufweisen, auf eine Schädigung der Pflanzen durch die Säure geschlossen. Es wird dabei übersehen, dass die An- wesenheit selbst einer verhältnismässig bedeutenden Monge Säure in den Blättern durchaus kein Kriterium für eine Schädigung derselben ist. Der Schädigungsgrad und die Menge der aufgenommenen Säure gehen, wie aus mancherlei Angaben hervorgeht, durchaus nicht Hand in Hand, da die Wirkung der Säure in erster Linie von der Konzentration, unter wek'lier die Pflanzen stehen, abhängig ist. So können nach Wislicenus durch Säure stark beschädigte Blätter sehr geringe Mengen Säure ent- halten, vollständig unbeschädigte reich daran sein. In der Oberförsterei Clausthal konnte ))eispielsweise festgestellt werden, dass die gesunden Krummholzkiefern im Hüttenrauch 0,327, ausserhalb desselben 0,138 % SO,, in den Nadeln enthielten. Nicht jeder Säuregeha,lt in der Luft führt zu einer Schädigung der Pflanzen, sondern diese müssen vorübergehend oder dauernd unter der Einwirkung bestimmter Konzentrationen der Säure stehen, wenn sie durch ihre Blattorgane direkt oder indirekt Schaden nehmen sollen. Wo diese Bedingung nicht erfüllt ist, können die beobachteten Schäden auch nicht durch die Blattorgane hindurch eingetreten sein. Es würde alsdann die Analyse zu sehr irrigen Schlüssen führen können. Eine durch sie feststellbare Steigerung des Säuregehaltes der Blattorgane gibt zunächst nur darüber Aufschluss, l)is zu welcher Entfernung von Die Bedeutung der Liiftanalyse für die Raucliexperti.se. 65 .der Rauchquelle die Säure geführt wird und kann bei richtiger Inter- pretation Anhaltspunkte für die mit wachsender Entfernung von der , Rauchquelle abnehmende Säuremenge in der Luft geben. Will man eine tiefere Einsicht in die sich in den Rauchschadengebieten abspielen- den Vorgänge gewinnen, so ist es unbedingt nötig, eine Vorstellnng von der in der Luft herrschenden Säurekonzentration zu erhalten, es sei denn, es handle sich um so handgreifliche Beschädigungen, dass sich die Anwendung feinerer Methoden erülnigt. Die Säurekonzentration, unter welcher die Pflanzen in einem Rauch- schadengebiet stehen, lässt sich auf keine andere Weise feststellen als durch eine Analyse der Luft. Aus einem Vergleich der dort herrschen- den Konzentration mit den Konzentrationen, bei welchen in den Ver- suchen eine Beschädigung der Blattorgane oder eine Beeinflussung ihrer Punktion erfolgt, muss sich dann beurteilen lassen, ob eine Einwirkung der Säure auf die Pflanze durch die Blattorgane hindurch vorliegen kann. Auf Grund seiner experimentellen Untersuchungen kommt Wislicenus zu dem Schluss, dass die Grenzkonzentration für schweflige Säure bei der empfindlichen Pichte l)ei l : 500000 liegt. Wo also Rauch- schäden an Pichten auftreten, müsste die . herrschende Säurekonzen- tration oberhalb dieser Grenze liegen, vorausgesetzt natürlich, dass dieser Wert richtig bestimmt ist. Das sind immerhin noch sehr bedeutende Verdünnungen für die gewöhnlichen analytischen Methoden, und sie haben den Nachteil, • dass man gezwungen ist, den Versuch auf eine grössere Zahl von Stunden auszudehnen, da die Absorption der Säure aus der Luft durch das Absorptionsmittel nicht beliebig gesteigert werden kann. Man muss immer damit rechnen, 1000 — 2000 Liter Luft auf- zufangen. Ich habe meine Versuche meistens auf 6 Stunden ausge- dehnt, wobei 1200 Liter durch das Absorptionsmittel durchgeleitet wurden. Im übrigen ist die Methode sehr einfach. Mittelst eines Aspirators irgend- welcher Konstruktion wird die genau gemessene Luft durch die Wasch- flaschen mit der Absorptionsflüssigkeit durchgesogen. Ich verwendete als Absorptionsmittel eine Lösung von Kaliumkarbonat, welche den Nachweis jeglicher Säure gestattet. Herr Porstrat Ger lach in Waidenburg i. S., der sich unabhängig von mir sogar schon vor mir mit derartigen Analysen befasste, benutzte anfänglich Kalilauge, in neuerer Zeit eine Bromitlauge, ^) w^elche zur Absorption der schwefligen Säure geeigneter sein dürfte als Kalilauge oder Kaliumkarbonat. Die Säuren sind in den Absorptionsmitteln gewichtsanalytisch nach bekannten . 1) 50/0 Lösung von kohlensaurem Kalium, der Brom bi.s zur starken Gelbfärbung zugesetzt wird. , ■■■:.;„ ~ ;.• Jahresbericht der Vereinigung für ang-ewnndto lidt.inik IV. g 66 A. Wieler. Methoden zu bestimmen, die scliweflige Säure beispielsweise als schwefel- saurer Baryt. Der Hauptnachteil dieser ganzen Methode besteht in der grossen Unbequemlichkeit, stundenlang in kurzen Intervallen die Aspiratorgefässe wechseln zu müssen. Bei dem kleineren der von mir benutzten Apparate mussten die Gefässo alle drei, bei dem grösseren alle fünf Minuten gewechselt w^erden. Diese Unbequemlichkeit und der Zeitverlust sind so beträchtlich, dass man die Versuche über das absolut Notwendige hinaus nicht ausdehnen wird. Nun lassen sich zum Glück die mit der Hand zu bedienenden Apparate durch automatisch wirkende Apparate ersetzen, die freilich teurer und komplizierter sind, die aber beliebig viele Analysen auszuführen gestatten würden. Mit meinen beiden Apparaten habe ich in der kleinen und grossen Probstei bei Stolberg i. Rh. eine grössere Zahl Analysen') ausführen lassen, als der Wind auf den Wald zustand. Der Standort war von der ersten und wohl auch wichtigsten Rauchquelle in der kleinen Probstei 1200 und in der grossen Probstei 2400 m entfernt. Es wurden folgende Werte ermittelt für die kleine Probstei die grosse Probstei 1:1888000 1:216000 1: 275000 1:450000 1 : 390000 1 : 380000 1: 662000 1:431000 1 : 500000 1:315000 1 : 460000 Man sieht aus diesen Zahlen, dass die Säurekonzentration in der Luft stark schwanken kann, und damit muss man natürlich immer bei den Analysen rechnen. Andererseits haben die meisten Bestimmungen eine Konzentration ergeben, w^elche oberhalb der Grenzkonzentration 1 : 500000, in mehreren Fällen erheblich oberhalb derselben hegt. Diese Methode ist auch bei sehr viel stärkerer Verdünnung der Säure in der Luft noch anwendbar, w^enn man nur entsprechend grössere Mengen Luft durch die Absorptionsgefässe hindurchsaugt, wie das aus einer Reihe von auf dem Aussichtsturm im Aachener Stadtwald ausgeführten Bestimmungen hervorgeht: bei West- und Nordwestwand . . . 1 : 2043000 „ Südwind 1:27370000 „ Westwind 1 : 2232000 ') Wieler, Untersuchungen über die Einwirkung schwefliger Säure auf die Pflanzen. Berlin 1905. S. 356 ff. Die Bedeutung der Luftanalyse für die Rauchexpertise. 67 bei Ost-Nordostwind 1: 1700000 ^ „ Nordostwind 1 : 1665000 ■' „ starkem Ostwind 1: 2730000 Wenn man von der südlichen Richtung absieht, enthält die Luft auch hier noch erhebliche Mengen Säure. Im Süden ebenso wie im Osten vom Aussichtsturm liegen keine Rauchquellen. AVeiin dennoch bei starkem Ostwind eine Konzentration von 1 : 2730000 gefunden wurde, so muss diese Menge aus dem nordöstlich gelegenen Slolberg stammen. Dieselbe Rauchquelle, welche für den Probsteiwald in Betracht kommt, liegt von dem Aussichtsturm IOV4 km in nordöstlicher Richtung entfernt und liefert hier noch eine Konzentration von 1 : 1665000 und 1 : 1700000. Der verhältnismässig hohe Säuregehalt aus westlicher Richtung ist auf das in 8 km Entfernung auf belgischem Gebiete Hegende Bleyberg mit Bleierzgruben zurückzuführen. Die Ergebnisse meiner Versuche dürften dazu ermuntern, derartige llntersuchungen fortzusetzen und die Analysen tunlichst zu vermehren. Ich verkenne nicht, dass diesem Vorhaben auch Schwierigkeiten entgegen- stehen. Es sind das in erster Linie die meteorologischen Verhältnisse. Wechselnde Windrichtung, ungleiche Windgeschwindigkeit, Nebel oder heitere und trockene Luft, alle diese Umstände müssen das Resultat modifizieren. Es wird vielfach zufällig sein, ob man die richtigen Um- stände erfasst hat. Diese Einflüsse lassen sich aber beseitigen oder beschränken durch eine Vermehrung der Analysen. Li den Säuregehalt der Luft können auch dadurch Schwankungen kommen, dass die aus den Kaminen der industriellen Etablissements austretenden Säuremengen nicht konstant sind, und wenn diese Mengen in kurzen Zeiträumen stark schwanken, könnte natürlich die Luftanalyse falsche Vorstellungen von dem Sachverhalt geben, da die Absorption immer über eine grössere Zahl von Stunden ausgedehnt werden muss, um die ausreichende Menge Säure zu absorbieren. Aber alle diese Bedenken dürfen nicht davon abschrecken, solche Luftanalysen auszuführen, denn auch hier gehört dem Mutigen die Welt, und ein einziges positives Ergebnis kann für viele negative entschädigen. Der Gewinn, welcher aus solchen Analysen entspringt, ist bedeutend, denn dies ist der einzige Weg, wie Klarheit über die Verteilung der Säure in der Luft zu erhalten ist; heute sind wir noch sehr mangelhaft darüber unterrichtet, wie die Verteilung der Säure bei ruhender und bewegter, bei feuchter und trockener Luft, bei klarem und nebeligem Wetter ist, und deshalb können alle diese Faktoren bei Beurteilung der Beschädigung der Vegetation durch die sauren Gase nicht genügend ge- würdigt werden. Eine svstematische Erforschung dieser Verhältnisse ßS A. Wieler. mittelst Luftanalysen wäre sehr wünschenswert. Bis sich dieser Wunsch aber verwirklichen lässt, möchte ich jeden Kollegen, der in die Lage kommt, als Sachverständiger in Rauchschadenprozessen, l>ei denen die Höhe des Objektes auch einen grösseren Aufwand an Kosten rechtfertigt, tätig sein zu müssen, und denjenigen, der in oder bei einem Rauch- schadengebiet lebt und über die entsprechenden Mittel verfügt, anregen, seine Aufmerksamkeit der Luftanalyse zuzuwenden und sie eventuell zur Ermittelung der LTrsache der Beschädigung anzuwenden. Dass unter Umständen auf diesem Wege ein einwandfreier Beweis für dit^ Schädi- gung der Vegetation durch die Rauchgase eines bestimmten industrielle!) Unternehmens erbracht werden kann, geht aus einer brieflichen Mit- teilung des Herrn Forstrat Gerlach in Waldonburg i, Sa. hervor. Die dortigen Waldungen leiden unter der Einwirkung einer Sulflt- zellulose- und Papierfabrik. In einer Entfernung von 2 km von der- .selben wurde der Gehalt der Luft an schwefliger Säure bestimmt. Die Analyse ergab ein Verhältnis von 1 : 20000, eine Konzentration, welcher selbst wenn sie nur kurze Zeit einwirkt, namhafte Schäden anrichten muss, und den Wald zerstören kann, wenn sie dauernd herrscht. Wir haben hier ein drastisches Beispiel, dass die Säurekonzentration in der Luft viel höher ist, als man im allgemeinen anzunehmen geneigt ist. Am leichtesten und bequemsten Hessen sich die Luftanalysen in grösserem Umfange in den grossen Städten ausführen, welche ja geradezu als Rauchschadengebiete betrachtet werden können. In allen grossen Städten wird Klage geführt, dass die Vegetation sich nicht mehr so freudig entwickeln will wie früher, dass manche Ptlanzonarten überhaupt nicht mehr zu ziehen sind, dass gewisse Flechten nicht mehr auftreten usw. Das sind alles Anzeichen, dass in dem engen Zusammenwohnen der Menschen etwas Schädhches für die Pflanzen liegt, und dies Schädliche sind die sauren Gase, welche aus den Feuerungen in die Luft gelangen. In den Städten gesellt sich zu diesem botanischen Interesse noch ein hygienisches; denn die sauren Gase sind auch für die Gesundheit der Menschen nicht vorteilhaft. Wenn nun auch die Ermittelung des Säure- gehaltes der Luft für die Hygiene zunächst nur akademisches Interesse hat, so ist doch nicht ausgeschlossen, dass auch für sie aus dieser Kenntnis praktische Resultate herausspringen können. Das Interesse, welches Gartenbau und Hygiene an der Verunreinigung der Luft durch saure Gase nehmen, dürfte es gerechtfertigt erscheinen lassen, auch in den Städten Luftanalysen auszuführen. In den grossen Städten ist, wie gesagt, die Luftanalyse leicht aus- zuführen, da man keiner grossen Apparatur und keiner Beaufsichtigung derselben bedarf wie etwa im Walde oder auf freiem Felde. Eine an Die Bedentung der Luftanalyse für die Rauchexpertise 69* die Wasserleitung angelegte Wasserstrahlluftpumpe würde einen auto- matisch arbeitenden Aspirator ersetzen. Um die durchgesogene Luft- menge zu bestimmen, könnte zwischen die Pumpe und die Absorptions- gefässe ein von der nächsten Gasanstalt geliehener Gasmesser einge- schaltetwerden. Der Wasserzustrom zur Pumpe gestattet eine Regulierung der Menge Luft, welche stündlich durch die Absorptionsgefässe streichen soll. Wenn ich bei meinem Handapparat stündlich 200 1 durchlaufen Hess, wurde alle Säure in drei hintereinandergeschalteten einfachen Waschflaschen mit je 100 cbcm Flüssigkeit absorbiert. Die Hauptarbeit würde aus dem Wechsel der Absorptionsflüssigkeit und aus der Schwefel- säurebestimmung, mit der sich der Botaniker wohl nur ungern befassen wird, erwachsen. Aber auch die letztere Schwierigkeit dürfte sich leicht heben lassen, wenn die Analysen einem gewiegten Analytiker, der schon in kurzer Zeit eine grosse Zahl von Schwefelsäurebestimmungen aus- führen könnte, übertragen würden. So wäre man in den Städten leicht in der Lage, eine grössere Zahl von Luftanalysen auszuführen. In keiner unserer grossen Städte scheinen mir die Bedingungen für die Ausführung des Vorgeschlagenen so günstig zu liegen wie in Hamburg, und ich möchte deshalb den Hamburger I\ol]egen warm ans Herz legen, sich mit dieser Aufgabe zu befassen. Die bedeutende Industrie Hamburgs, der rege Dampfer- und Eisenbahnverkehr und die zahlreichen Hausfeuerungen von ungefähr 1 Million Menschen müssen hier eine Luft schaffen, die gewiss reich an sauren Gasen ist. Über sämtliche meteorologische Faktoren ist man durch die Aufzeichnungen der Seewarte aufs genaueste unterrichtet. Die wissenschaftlichen Staats- anstalten verfügen über die entsprechenden wissenschaftlichen Kräfte für die Versuchsanstellung und zur Ausführung der Analysen und könnten die Untersuchungen ohne wesentliche pekuniäre Mehrbelastung ausführen. An je zahlreicheren Punkten die Luft analysiert würde, um so besser wäre es; aber es würde schon sehr viel gewonnen werden, wenn auch nur an einem einzigen Punkt vielleicht ein Jahr lang in zwölf- oder vierundzwanzigstündigen Abschnitten die Luft untersucht würde. Der Nachdruck liegt natürlich auf der Bestimmung der schwefligen Säure; doch würde es sich empfehlen, gelegentlich auch die anderen Säuren zu berücksichtigen. Erhält man durch derartige während eines längeren Zeitraumes fortgesetzte Analysen einen Einblick in die Säureverhältnisse der Luft, so darf man erwarten, eine befriedigende Erklärung für das Zurück- gehen bezw. für das Eingehen der Vegetation in den Städten zu gewinnen; und von diesen Erfahrungen wird man auph zur Beurteilung der durch Hüttenrauch hervorgerufenen Schäden Nutzen ziehen können. 7(0 O. Qvam. Zur Atmung des Getreides. Eine Relation zwischen Keimfähigkeit und Atmungsintensität.'> Von Olaf Uvam, Christiania. (Mit 13 Figuren.) Vor einigen Jahren habe ich an der staatlichen Samenkontrollstatioii in Christiania Versuche mit Hafer von verschiedenem Feuchtigkeitsgehalt ausgeführt, um die Menge der durch die Atmung gebildeten Kohlensäure- zu bestimmen. Da die gefundenen Resultate vielleicht von Interesse sein werden, weil sie Schlüsse gestatten, die von praktischer Bedeutung werden können, möchte ich hier kurz die Versuche besprechen. Eine Partie Ligowo-Hafer mit natürlicher Feuchtigkeit von 18,6 °/o, wurde in zwei Teile geteilt. Der eine Teil wurde benutzt, gerade wie- er war; der andere wurde, um ihn vor dem Gebrauch etwas zu trocknen,. in einem warmen Zimmer in dünner Schicht auf dem Tische aus- gebreitet. Seine Feuchtigkeit war nach zwei Tagen auf 9,6 ^/q herunter- gegangen. 5 Liter = 2,8 kg von jeder dieser zwei Haferpartien, die also in allem mit Ausnahme der Feuchtigkeit vollständig gleich waren, wurden gleichzeitig in Arbeit genommen. Die Samen wurden in einem Apparat von unten skizzierter Gestalt (Fig. 1) auf ihre Atmung untersucht. Das Ver- fahren wird aus folgendem hervorgehen: Eine Glasfhische A wurde mit demjenigen Hafer, der untersuclit werden soUte, gefüllt. Diese Flasche kommunizierte mit zwei Waschflaschen a, die mit Kalilauge gefüllt waren, zwei Trockenröhren b und d, einem Liebigschen Kaliapparat e und einer Flasche f, wie es aus der Zeichnung hervorgeht. Die Flasche f war zuerst mit Wasser gefüllt. Wenn der Glashahn g geöffnet wird, sinkt das Wasser tropfenweise durch das Rohr h herunter, so dass eine Luft- verdünnung in der Flasche f entsteht, die wieder eine Luftverdünnung 1) Vortrag in der Biologischen Gesellschaft zu Christiania, gehalten Märzi 190R. Vorläufige Mitteilung publiziert in „Tidsskrift for det norske Land- brug". Zur Atmung; des Getreides. 71 in der Flasche A zur Folge hat. Frei von Kohlensäure und Wasser- dämpfen gelangt die Luft in die Flasche A hinein. Der Hafer in dieser wird atmen und Kohlensäure entwickeln, die sich mit der Luft mischt und mit dieser durch das Trockenrohr d und den Kaliapparat e ge- führt wird. =\ \C\ Fis;. 1. Ich benutzte gleichzeitig zwei Apparate von dieser Konstruktion, den einen für den trockenen, den andern für den feuchten Hafer. Der Versuch dauerte vier Monate. Der Kaliapparat e wurde alle drei oder fünf Tage gewogen. In untenstehender Tabelle sind die gefundenen Mengen Kohlensäure in vier aufeinanderfolgenden Monaten zusammen- gestellt: Tabelle 1. Anzahl gr Kohlensäure (COg) I. II. Hafer mit Hafer mit 9,2% 18,6 o/o Feuchtigkeit Feuchtigkeit gr. gr. Januar 0,12 12,46 Februar .... 0,07 8,57 März 0,08 6,36 April . ... 0,10 4,41 72 O. Qvain. Wie diese Tabelle zeigt, hält sich die Menge von Kohlensäure bei der trockenen Ware ziemlich konstant und zwar ca. 0,1 gr pro Monat, während sie bei der feuchten Ware überall bedeutend grtisser ist — bis lOOfach — und von Monat zu Monat abnimmt. Die Keimfähigkeit beider Partien wurde ebenfalls zu verschiedenen Zeiten untersucht und — yvie aus der untenstehenden Tabelle hervor- geht — innerhalb der Fehlergrenze bei der Probe I relativ konstant ge- funden, während sie bei der feuchten Ware von Monat zu Monat ab- genommen hat. Tabelle 2. Keimfähigkeit. Datum I. Datum II. 1903. /o 1903. /o 12. Dezember .... 93 12. Dezember .... 83 1904. 1904. 27. xMai 79 9. Februar .... 55 2. Juni 88 27. Mai 46 9. September .... 80 9. September .... 1 Obgleich die Untersuchung der Keimfähigkeit nicht in entsprechen- den Zeiten ausgeführt worden ist, sondern nur die erste und die letzte Untersuchung gleichzeitig stattfand, sind diese Zahlen doch mit den Zahlen für die Kohlensäureentwickelung in Tabelle 1 direkt vergleich- bar. Man sieht, dass für diejenige Ware, die ihre Keimfähigkeit un- verändert beibehalten hat, auch die entwickelte Kohlensäure von Monat zu Monat unverändert geblieben ist, während bei der anderen Ware, wo die Keimfähigkeit abnimmt, auch die Meng.' von Kohlensäure von Monat zu Monat geringer wird. Es liegt nun der Schluss nahe, dass die Keimfähigkeit und die Menge der durch die Atmung des Getreides entwickelten Kohlensäure in irgend einer Verbindung miteinander stehen müssen, und — falls diese bekannt wäre — dann könnte man einen Ausdruck für die Keimfähigkeit dadurch finden, dass man die Atmungsintensität bestimmt. Es .würde für die praktische Samenkontrolle von grosser Bedeutung sein, wenn man auf diesem Wege die Keimfähigkeit einer Saatware bestimmen könnte; es gelänge dies alsdann in wenigen Tagen, während es nach der älteren Methode 10 — 30 Tage in Anspruch nimmt. Das Studium der ein- schlägigen Literatur zeigt, dass' keiner der früheren Forscher auf die Zur Atmung des Getreides. 73 Keimfähigkeit der Sämereien, die als Material bei Atmungsversuchen verwendet wurden, Rücksicht genommen hat. Kurze Übersicht über die Resultate der früheren Untersuchungen. Die ersten umfassenden Versuche über die Atmung bei Getreide wurden von Münz^) um das Jahr 1880 ausgeführt; er studierte die Phänomene, die sich bei der Aufbewahrung von Getreide in den grossen Eisenbehältern (Silos) zeigten, welche von der Omnibusgesellschaft in Paris als Lagerraum für Getreide benutzt wurden. Diese Silos waren von prismatischer Gestalt und fassten ca, 220 cbm. Gleichzeitig machte er auch Versuche im Laboratorium. Seine Resultate können in folgende Punkte zusammengefasst werden: 1. Der Einfluss von freier und abgesperrter Luft. Wenn Proben von demselben Getreide bei gleicher Temperatur aufbewahrt wurden — einmal unter freier Zuströmung der Luft, ein andermal in geschlossenen Behältern — , so wurde im ersten Falle bis zehnmal mehr 00^ als in dem anderen gebildet. 2. Die Bindung des Sauerstoffs im Getreide. Das Volum der entwickelten CO, ist immer geringer als das Volum des aus der Luft absorbierten Sauerstoffs. Neben der vollständigen Verbrennung, die als Produkt ein Gas COg gibt, muss also auch eine unvollständige Ver- brennung stattfinden, eine Oxydation von Bestandteilen des Getreides, in dem Verbrennungsprodukte gebildet werden, die von fester oder flüssiger Konsistenz sind, und welche deswegen in dem Getreide bleiben müssen. Es sind besonders die Fettkörper des Getreides, an die dieser Teil des Sauerstoffs gebunden wird, . 3. Die Einwirkung der Feuchtigkeit im Getreide. Das Getreide besitzt normal eine Wassermenge, die zwischen 11 und 19^ Iq variiert. Sehr trockenes Getreide entwickelt nur geringe Mengen COg, aber die Menge steigt sehr mit der Feuchtigkeit, und wenn der Wassergehalt über 13 — 14°/o beträgt, steigt die COg-Entwickelung enorm. 4. Die Temperatur. Die Menge der gebildeten CO2 wächst schnell mit der Temperatur bis zu 50°, wo nach Meinung des Autors die Grenze für die Lebensphänomene liegt. Bei dieser Temperatur hört die Ver- brennung eine Weile auf, wird aber die Temperatur noch allmählich weiter gesteigert, wächst sie von neuem mit grosser Energie. Daraus schhesst Müntz, dass es zwei Arten von Verbrennungen 'gibt, eine von physiologischer, die andere von rein chemischer Beschaffenheit. 2) Münz: Sur lacon servation des grains par l'ensilage. (Oomptes rendus des seances de l'Academie des sciences de Paris 1881, S. 97 und 137.) Y4 0- Qvfim- 5. Die Einwirkung von Desinfektionsmitteln. Durch An- wendung von Schwefelkohlenstoff (CSg) nimmt die Kohlensäureentwickelung ab, bleibt aber noch z. T. bestehen: die Verbrennung chemischer Art setzt sich offenbar weiter fort, Burlakow') hat gefunden, dass der Keimling vielmal intensiver (20 mal) atmet als das Endosperm. Godlewski und Polzenius ^) desgl. Nabokich^) sterilisierten die Überfläche von Erbsen und unter- suchten die intramolekulare Atmung der Körner, in luftfreiem Wasser und in Zuckerlösung sich befanden. Nabokich*) hat auch gezeigt, dass das Sterilisationsmittel P^influss auf die Atmungsintensität hat, so dass diese anfangs steigt, um später wieder abzunehmen. Die letzten Untersuchungen mit Getreide sind von Kolkwitz^) aus- geführt. Er hat gefunden, dass 1 kg 2-R Gerste mit einer natürlichen Feuchtigkeit von 10— 12°/o in 24 Stunden entwickelt 0,3—0,4 gr 00^, 14 10 /o „ „ „ „ 1,0 1,4 „ „ Kolkwitz glaubt weiter gefunden zu haben, dass es von grosser Bedeutung ist, ob die Feuchtigkeit natürUch oder künstlich zugesetzt ist. Er schreibt: „Es wurde ein Quantum Gerstenkörner eine halbe Stunde lang in Leitungswasser eingeweicht und dann auf einem paraffi- nierten Drahtnetz, an welches Luft von oben und unten treten konnte, ausgebreitet. Nach acht Stunden waren die Körner ai^.ssen wieder ganz trocken und nach weiteren 14 Stunden, während welcher Zeit sie wiederholt, auch über Nacht, gewendet wurden, besassen sie einen Feuchtigkeitsgehalt von 15°/o- Nach den vorher beschriebenen Versuchen hätte 1 kg solcher Körner innerhalb 24 Stunden 1,5 mg Co^ ausscheiden müssen; es ergaben sich aber 13 mg, also etwas mehr als neunmal mehr. Man sieht daraus, wie verschieden natürliche und künstliche Durch- feuchtung des Samens sind, und wie grossen Irrtümern man sich bei 1) Burlakow; Über Atmung des Keims des Weizens, Triticum vulgare. (Arbeiten Naturf. Gesellschaft Charkow). Referiert in Just, Botanischer Jahres- bericht, Bd. 25, 1900. 2) Godlewski und Polzenius: Über Alkoholbildung bei der intra- molekularen Atmung höherer Pflanzen. (Anzeiger Akad. Wiss. Krakau 1897). Ref. in Just, Botanischer Jahresbericht, Bd. 25, 1900. 3) Nabokich: Über die intramolekulare Atmung der höheren Pflanzen. (Berichte der Deutschen Botanischen Gesellschaft 1903, Bd. 21, 8.467—476.) *) Nabokich: Über Einfluss der Sterilisation der Samen auf Atmung» (B. D. B. G. 1903, Bd. 21, S. 291—297.) ^) Kolkwitz: Über Atmung der Gerstenkörner. (Blätter für Gersten-, Hopfen- und Kartoffelbau 1901, S. 370-383). Zur Abmung des Getreides. seinen Versuchen aussetzen könnte, wenn man dabei beregnetes Material verwenden würde." Hierzu möchte ich bemerlien, dass dieser Schluss von Kolkwitz, vielleicht nicht richtig ist, weil er nicht berücksichtigt hat, dass Bakterien und Pilze sich bei einer derartigen Behandlung auf dem Getreide ent- wickeln und mit ihren Atmungsprodukten das Resultat stören können. Ausserdem ist es wahrscheinlich, dass die Körner nach 24 Stunden nicht mehr dieselbe Feuchtigkeit von aussen nach innen haben. Die äusseren Schichten des Korns besitzen wahrscheinlich bedeutend mehr und die inneren bedeutend weniger Feuchtigkeit als 15°/(j. Da die Atmung mehr als proportional mit der Feuchtigkeit steigt, ist es klar, dass eine energischere Atmung entstehen wird, wenn der gesamt© Wassergehalt des Korns ungleichmässig, als wenn er gleichmässig durch das ganze Korn verteilt ist. Kolkwitz hat gefunden, dass 1 kg Gerste in 24 Stunden bei Zimmertemperatur entwickelte bei einer Feuchtigkeit von COa 33 'lo 2000 mg 20,5^0 359 „ 19,5«/o 123 „ Weiter hat er gearbeitet über die Atmung bei verschiedenen Tem- peraturen, bei verschiedenem Sauerstoffgehalt der Luft, mit zerstückelten Körnern und über den Einfluss von Desinfektionsmitteln. Versuche. Ehe ich die Atmung von Getreide mit verschiedener Keimfähigkeit zu bestimmen versuchte, wollte ich wissen, ob es überhaupt möglich ist,, bei wiederholten Versuchen mit einer und derselben Ware überein- stimmende Resultate zu erhalten. Ebenso ist es von Bedeutung,, den Einfluss der Temperatur und der Feuchtigkeit auf die Menge der bei der Atmung gebildeten COg zu kennen. Die früheren von Müntz. und Kolkwitz ausgeführten Versuche geben zwar Auskunft hierüber; da diese aber nicht mit sterilem Materiale ausgeführt sind, und da- die Anzahl der Versuche nicht umfassend genug ist, habe ich es für notwendig erachtet, neue Versuche hierüber auszuführen. Da das Ge- treide, um energisch zu atmen, befeuchtet werden muss, war es ferner- notwendig zu prüfen, ob der Zeitpunkt der Untersuchung nach der Ein- weichung in Wasser für die Atmungsenergie von Bedeutung sein könnte. Hierüber liegen für Getreide frühere Untersuchungen nicht vor. Im folgenden seien die Resultate von Versuchen mit dem genannten Ziele vor Augen wiedergegeben. Yß 0. Qvam. Die oben skizzierte, von mir Ijenutzte Methode war mit Fehlern behaftet, die sie für diese neuen Versuche ungeeignet machten. Sie verlangte eine zu grosse Menge Versuchsmaterial und konnte trotz- dem nicht genau werden, da es unmöglich war während der langen Zeit, die notwendig war, um wiegbare Mengen GOj zu bekommen, die Temperatur konstant zu halten. Ähnliches gilt, teilweise in noch höherem Grade, für die von Müntz und Kolkwitz benutzten Methoden. Ich musste demnach eine andere Methode verwenden: Statt die durch die Atmung gebildete COg zu wägen, suchte ich sie durch Messung zu be-' stimmen. Wenn man das Korn, wie oben gesagt, befeuchtet, wird hierdurch das Getreide gute Lebensbedingungen für Bakterien und Pilze bieten; solche werden sich schnell entwickeln können, ihre Atmungsprodukte sich mit denjenigen des Getreides mischen und die ganze Untersuchung unmöglich machen. Um dieses zu hindern, sterilisierte ich das Getreide mit einer alkoholischen Sublimatlösung. Das Sublimat wurde nachher durch ge- wöhnliches Leitungswasser entfernt, wodurch gleichzeitig das Getreide eingeweicht wurde. Die Organismen, die durch dieses Wasser wieder dem Getreide zugeführt wurden, waren verhältnismässig nicht viele, und in der kurzen Zeit, die der Versuch dauerte, kamen sie nicht so W'Oit in ihrer Entwickelung, dass ihre Atmungsprodukte neben denen des Getreides merkbar geworden wären. Es sei hierzu bemerkt, dass das Leitungswasser in Christiania rein und von Organismen ziemlich frei ist, und dass dies für die guten Resultate der Versuche vielleicht nicht ohne Belang gewesen ist. Wenn steriles lufthaltiges Wasser hätte benutzt werden können, wäre dies natürlich das beste gewesen. Dazu bot sich aber bei meinen Versuchen keine Gelegenheit. Durch Kontrollversuche habe ich mich aber über- zeugt, dass die angewandte Sterilisation auf die Keimfähigkeit des Getreides keine schädliche Wirkung gehabt hat. Pas Verfahren ist kurz folgendes: Von einer Getreideware, deren Peuchtigkeit bekannt, wurde soviel abgewogen, dass das Trockengewicht, der Körner 200 g betrug. Die Sterilisation wurde in einer Liisung von folgender Zusammensetzung vorgenommen: 15 g Sublimat 500 „ Alkohol 3500 „ Wasser. •Nachdem das Getreide in dieser Mischung 15 Minuten gewesen war, wurde es in Trichter, die mit der Wasserleitung in Verbindung Zur Atmung; des Getreides. 77 standen, überführt. Hier blieben die Proben zwei bis vier Stunden, wonach sie in Erlenmeyerkolben von nachstehender Gestalt (Fig. 2) übertragen wurden. • ■ ■- •- • Fig2. a und b sind zwei Glasröhren, von, denen a durch eine Kautschuk- blase (c) von unten und b durch einen Quetschhahn (d) von oben abge- schlossen ist. Diese Erlenmeyerkolben wurden in ein Wasserbad eine Stunde bei freiem Luftzutritt und nachher noch zwei Stunden abgesperrt gestellt. Eine Probe des Luftinhalts wurde jetzt auf COo analysiert. Hierzu wurde Buntes Glasbürette benutzt. Ich hatte immer zwei oder mehrere Ver- suche gleichzeitig in Arbeit. Da die COa-Analyse von einer Probe 15—20 Minuten in Anspruch nahm, musste ich, um vorzubeugen, dass die Parallelversuche mehr als zwei Stunden stehen mussten, ehe sie auf CO2 analysiert wurden, einen Apparat benutzen, welcher Luftproben aufnehmen und aufbewahren konnte. Hierzu habe ich einen Apparat folgender Konstrtiktion (Fig. 3) zusammengestellt. ■ , : .' ' ' Fi- 3. 78 O. Qvara. Die zwei Gefässe A, die mit Quecksilber gefüllt sind, kommuni^ zieren mit der Flasche B, die auf und herab gehoben werden kann. Sind die Röhren A mit Quecksilber gefüllt und durch ein Glasrohr b in Verbindung mit einem Erlenmeyerkolben gesetzt und werden die Hähne oben und unten von dem einen Gefäss A geöffnet und die Flasche B auf den Boden gestellt, so wird die Luft des Erlenmeyerkolben in das Rohr A hineingesogen. Die Kautschukblase (e) wird sich mit Luft von aussen füllen, so dass kein Vakuum in dem Erlenmeyerkolben entstehen kann. Das andere Gefäss A kann in derselben Weise mit der Luft eines anderen Erlenmeyerkolben gefüllt werden. Die Luftmischungen können in dieser Weise aufbewahrt werden, bis es bequem ist, sie auf CO2 zu analysieren. Resultate. Einfluss der Temperatur und des Zeitpunktes der Untersuchung. Bei diesen Versuchen wurde die Feuchtigkeit konstant gehalten und zwar derart, dass auf 200 g Getreide (Trockengewicht) 100 g Wasser kamen. Die Proben wurden dreimal auf Atmungsintensität unter- sucht, und zwar 24, 48 und 72 Stunden nachdem sie eingeweicht worden waren. Die Resultate sind in den untenstehenden Tabellen wiedergegeben. Jeder Tabelle habe ich eine graphische Darstellung beigefügt. Die Temperatur ist auf die Abscissenachse und die COa-Menge auf die Ordi- natenachse eingetragen. Tabelle 3. Nach 24 Stunden. Feuchtigkeit: 200 g; Trockengewicht: 100 g Wasser. Tempe- ratur Anzahl cm^ CO2 in 100 cm^ Luft Parallelversuch Mittel a b 150 4,0 4,2 4,1 20 >^ 4,2 5,8 5,0 20" 5,0 5,2 5,1 25" 8,5 8,7 8,6 30° 11,4 10,7 11,1 35° 11,7 11,6 11,7 40" 12,2 11,6 11,9 Zur AtmunQ- des Getreides. 79 12 10 8 cm3 CO., 6 lU lö liU HO oO cü -iu 45" Celsius. Fie:. 4. Tabelle 4. Nach 4.8 Stunden. Feuchtigkeit: 200 g; Trockengewicht: 100 g Wasser. Tempe- ratur Anzahl cm^ CO. in 100 cm^ Luft Parallelversuch Mittel 20° 20« 20° 25° 30° 350 40° 450 6,9 7,0 6,3 9,5 11,6 14,0 18,0 23,6 öß 6,75 1 6,6 6'8 6,7 7,0 6,65 ] 9,6 9,6 10,9 11,3 13,9 13,9 17,1 17.6 — 23,6 cm3 CO, 10 15 20 25 30 35 40 45 o Celsius. Fis:. 5. 80 O. Qvam. Tabelle 5. Nach 72 Stunden. Feuchtigkeit: 200 g; Trockengewicht: 100 g Wasser. Tempe- ratur Anzahl cm^ COg in lUO cm'' Luft Parallelversuch Mirtpl a h 20» 7,8 7,9 7,9 20° 8,6 — 8,6 \ '^'1 25 '^ 11,4 11,4. 11,4 30° 11,6 ! 11,6 11,6 35° 13,4 — 13,4 COo 10 35 iO" Celsius. Fiff. (>. Wie aus obenstehenden Tabellen und Kurven hervorgeht, steigt die COg-Bildung schnell mit der Temperatur, aber, wie es scheint, ver- schieden, je nachdem die Untersuchung am ersten, zweiten oder dritten Tage nach der Einweichung in Wasser stattfindet. Man wird auch ersehen, dass die Paralleluntersuchungen ganz gut übereinstimmen. Alle Kurven zeigen einen Kehrpunkt zwischen 25" und 30°. Die Menge der gebildeten COg steigt etwas von Tag zu Tag, aber in ver schiedener Weise je nach der benutzten Temperatur. Um dieses deut- licherdarzustellen habe ich aus obigen Tabellen die nachstehende zusammen- gestellt. Zur Atmuna- des Getreides. 81 Tabelle 6. Schwankungen der Atmungsintensität während der drei ersten Tage. Tempe- Anzahl cm entwickelt ^ CO2 in lOU cm3 Luft, in Zeit von 2 Stunden ratur 1. Tag 2. Tag 3. Tag 15'' 4,1 — — 20° 5,1 6,7 8,1 25« 8,6 11.6 11,4 30° 11,1 11,3 11,6 35" 11,7 I3,y 13,4 400 12,2 17,6 — 45 0 — 23,6 — • cm^' CO2 (Mittel) 24 22 20 18 16 J 14 12 10 8 6 i 2 I.Tat , Tag. 3. Ta^ Fi^. 7. Hieraus ist ersichtlich, dass die Atmungsintensität von Tag zu Tage steigt, aber nicht in derselben Weise bei den verschiedenen Tem- peraturen. Am wenigsten steigt die C0.2-Menge bei 30°. Einfluss der Feuchtigkeit. Dadurch, dass nach der Sterilisation die Auswaschung des Subli- mats durch Wasser kürzere oder längere Zeit dauerte, liess sich einiger- massen die Feuchtigkeit der Körner regulieren. Die Temperatur wurde bei diesen Versuchen konstant auf 30° gehalten. Bei den früheren Versuchen war es nicht schwierig, verhältnismässig gut übereinstimmende Resultate der Parallelversuche zu erhalten. Dagegen hat sich dieses als Jahresbericht der Vereinigung für .ingewandte Botanik IV. (^ 82 0. Qvam. bedeutend schwieriger erwiesen, wenn der Feuchtiglieitsgehalt niedriger war. Ich habe deswegen bei den letztgenannten Untersuchungen viele Bestimmungen ausgeführt und den Mittelwert aus diesen berechnet. Die dadurch gefundenen Zahlen dürften daher nicht weit von den richtigen liegen. Die Bestimmungen wurden wie früher sowohl am ersten, zweiten als dritten Tage nach der Einweichung in Wasser ausgeführt. Die Resultate sind in nachstehende Tabellen eingetragen. Eine graphische Darstellung begleitet jede Tabelle. Tabelle 7. Nach 24 Stunden. Temperatur 30°. Anzahl g Anzahl cm^ CO2 in 100 cm» Luft AVasser auf 200 g Parallelversuch trockene Körner Mittpl a b iMl Lud 100 11,4 10,7 11,1 90 10,4 — 90 8,0 10,2 9,5 80 6,4 6,2 80 4,5 5,3 80 4,8 5,4 80 7,1 6,0 80 6,7 — 5.7 80 5,7 6,5 80 4,8 5,4 80 5,0 6,0 80 — 6,0 Anzahl cm^ COg (Mittelzahl) 80 Töö" g Wasser auf 200g trockene Körner Fis. 8. Zur Atmung des Getreides. Tabelle 8. Nach 48 Stunden. Temperatur 30°. 83 Anzahl g Wasser auf 200 g trockene Anzahl cm^ CO2 in 100 cni^ Luft Parallelversuch Mittel KTirner a b 100 11,6 10,9 11,3 90 9,0 — 9,0 85 8,0 — 8.0 80 5,1 5,5 / 80 5,1 — 80 5,5 5,6 \ 5.2 80 5,0 5,0 Anzahl cm3 CO2 (Mittelzahi) 100 g Wasser auf 200 g trockene Körner, Fio-. 9. Tabelle 9. Nach 72 Stunden. Temperatur 30". Anzahl g Wasser auf 200 g trockene Anzahl cm^ CO2 in 100 cm^ Luft Parallelversuch Mittel Körner a b 100 90 85 80 80 11,6 6,8 5,4 4,2 3,6 11,6 6,8 5,7 5,0 3,3 11.6 6,8 5,6 4,0 Anzahl cm^ CO2 (Mittelzahl) -0 85 Vi) 100 g Wasser auf 200 g trockene Körner. Fig. 10. , • 84 O. Qvam. Diese Tabellen und Kurven zeigen deutlich, dass die COg -Bildung rasch mit der Feuchtigkeit steigt: dieses war bei allen Untersuchungs- serien der Fall. Steigt die Feuchtigkeit von 80 — 100 g auf 200 g Trockengewicht, so steigt die Menge der gebildeten Kohlensäure von 5,7 bis 11,1 ccm am ersten, von 5,2 — 11,3 ccm am zweiten und von 4,0 bis 11,6 ccm am dritten Tage. Früher haben wir gesehen, dass die Atmungsintensität sich ziem- lich konstant 3 Tage hindurch hält, wenn die Feuchtigkeit 100 : 200 g Trockengewicht und die Temperatur 30'^ w^ar. . Die letzten Tabellen zeigen, dass dieses nicht der Fall ist, wenn die Feuchtigkeit des Getreides niedriger ist. Dieses wird durch untenstehende Tabelle und die beglei- tende Zeichnung deutlicher dargestellt. Die Tabelle ist aus den früheren zusammengestellt. Tabelle 10. Schwankungen der Atmungsintensität. Temperatur 30^. Anzahl g Wasser auf 200 g Anzahl cm^ COg in 100 cm» Luft, gebildet in Zeit von 2 Stunden Trocken gew. 1. Tag 1 2. Tag 3. Tag 100 90 85 80 11,1 9,5 5,7 11,3 9,0 8,0 5,2 11,6 6,8 5,6 4,0 12, 10 Anzahl ^ cm3 CO2 6^ 2 1. Tag 2. Tag Fio-. 11. 3. Taj Man sieht, dass nur eine Kurve etwa parallel mit der Abscissen- achse verläuft, es ist diejenige, bei der die Feuchtigkeit 100 : 200 beträgt. Die übrigen biegen sich alle gegen die Abscissenachse, ein Zeichen, dass die entsprechenden Getreideproben immer weniger an jedem Tag atmen. Diese Proben scheinen nicht genügend Feuchtigkeit zu besitzen, um die stärkere Atmung 3 Tage hindurch beibehalten zu können. Zur Atmun»- des Getreides. 85 E)ie gefundenen Zahlen genügen nicht, um weitergehende Schlüsse zu ziehen; zweifelsohne gibt es aber eine Relation zwischen Temperatur und Feuchtigkeit in ihrer gemeinsamen Wirkung auf die Atmungsintensität des Getreides. Verschiedenes bei den früher skiz- zierten Kurven scheint darauf hinzudeuten, dass / pvjl der eine dieser Faktoren ^^ I XJ (jie Wirkung des ande- ren vergrössert. Die Tatsache, dass weder die Temperatur noch die Feuchtigkeit allein, selbst wenn sie sehr hoch sind, imstande sind, die COo-Bildung nennenswert zu steigern, zeigt dasselbe. fr Fi2-. 12 Einfluss der Keim- fähigkeit. Die früher ausgeführ- ten Versuche haben ge- zeigt: 1. Dass es möglich ist, bei wieder- holten Unter- suchungen einer und derselben Ware übereinstimmende Resul- tate zu erhalten, wenn das Ge- treide stark befeuchtet ist (wenig- stens 100 g M'asser auf 200 g Trockengewicht der Körner), während dies nicht der Fall ist, wenn der Wassergehalt nied- riger ist; gg O. Qvam. 2. dass SU*^ eine günstige Temperatur ist, wenn die Feuchtigkeit lÜO : 200 Trockengewicht beträgt. Es l)leibt noch die Prüfung der Keimfähigkeit übrig. Bis jetzt habe ich nicht viele rntersuchungen ausgeführt. Das Verfahren bei diesen Versuchen war ein anderes als früher: Die Sterilisation in Sublimat, die Auswaschung mit Wasser und der Atmungsversuch selbst wurden in einem und demselben Gefäss von umstehender Gestalt (Fig. 12) ausgeführt, j-^s besteht aus zwei Teilen a und b, von welchen der eine luftdicht in den anderen eingeschliffen ist« Beide sind mit Glashähnen c und d versehen. Morgens um 9 Uhr wurden die Behälter mit dem abgewogenen Getreide und der alkohoUschen Hublimatlösung gefüllt und 15 Minuten umgeschüttelt. Die Öffnung bei c wurde jetzt durch einen Gummischlauch mit der Wasserleitung in Verbindung gesetzt. Nach 4 Stunden wurde die Verbindung wieder abgebrochen. Die Hähne blieben of!en, damit das überschüssige Wasser ausfliessen und Luft einströmen konnte. Des Abends wurde nochmals Wasser durchgeleitet, ebenso am Morgen des nächsten Tages, 15 bis 20 Minuten jedesmal. Am Abend dieses Tages wurden die Behälter gewogen und dadurch die Menge des vom Getreide aufgenommenen Wassers bestimmt. Die Feuchtigkeit sollte bei diesen Versuchen derart sein, dass auf 200 g Trockengewicht der Körner 110 g Wasser kamen. Gewöhnlich fehlton einige ccm an dieser Menge, weshalb das Fehlende zirka 12 Stunden vor dem Atmungsversuch zugesetzt wurde. Am folgenden Morgen — also 2 Tage nach dem Beginn der Ver- suche — wurden die Atmungsversuche ausgeführt. E>ie Behälter wurden in ein Wasserbad (Temperatur 35°) gelegt und während der ersten Stunden mit COg-freier Luft durchlüftet. Danach blieben sie mit zugemachten Hähnen noch 2 Stunden in dem Wasserbad liegen, wonach der Luftinhalt der Behälter auf CO2, wie früher, analysiert wurde. Die Versuchsanordnung wird aus umstehender Figur 13 ohne weiteres hervorgehen, a ist mit Wasser gefüllt, b und c mit Kalilauge. Die Luftströmung wurde mit Hilfe einer Wasserstrahlpumpe hergestellt. Resultate. Die Keimfähigkeit der auf Atraungsintensität untersuchten Getreide- proben habe ich nach zwei Methoden — sowohl nach der gewöhnlichen Keimmethode als teilweise nach einer Methode , die ich die Wäge- raethode') genannt habe, — untersucht. Mit Absicht habe ich Proben 1) Qvam: Zur Bestimmung des Keimvermögens bei Getreidevvaren. Vorschlag zu einer neuen Methode. (Die landwirtschaftlichen Versuchsstationen Bd. 62 1190.0], S. 40.")— 44H). Zur Atmung des Getreides. ausgesucht, die von sehr verschiedener Koimfähigkoit waren. Resultate wird man aus untenstehender Tabelle ersehen. Tabelle 11. 87 Die Keimfähigkeit nach Totale Menge von COg gewöhn- licher Methode Wäge- methode a b Mittel 'lo \ gl' ccni ccm ccm Gerste, Hannchen Nr 1241 100') ! 3,75') 83,9 75,7^) 83,9 n « « 1317 09') i 2,41 M 57,5 57,8 57,6 n /V " 1329 59') , 1,55 3) 30,3 30.1 30,2 » n '? 1316 98 ') ! — 90,5 84,1 87,3 » zweizeilige „ 1319 98 2) i 2,40*) 104,2 — 104,2 5) « " 1239 80^) 1,76*) 74.3 71,1 72,7 n » 55 1240 68 2) 1,51 54,2 54,2 54,2 Wie aus dieser Tabelle ersichtlich ist, geben die verschiedenen Saatwaren eine sehr verschiedene Menge von COg. Da die Proben derselben Behandlung unterworfen und daher in allem, mit Ausnahme der Keimfähigkeit, vollständig gleich waren, muss der Unterschied in der Keimfähigkeit die Ursache des Unterschieds in der Atmungsintensität sein. Die im Anfange dieses Vortrages ausgesprochene Vermutung, dass die Keimfähigkeit und die Menge der durch die Atmung des Getreides entwickelten COg in irgend einer Verbindung miteinander stehen müssten wird durch diese Versuche bewiesen. Es ist demnach die Möglichkeit gegeben, die Keimfähigkeit einer Saatware durch Atmungsversuche zu finden. Dass eine solche Methode von praktischer Bedeutung sein kann, wird einleuchtend, wenn man sich erinnert, dass die Bestimmung der Keimfähigkeit von Hannchen- Gerste 12 Tage und von gewöhnhcher 2-R-Gerste 10 Tage in Anspruch nimmt, während sie durch einen Atmungs versuch in 2'/2 Tagen gefunden werden kann. 1) Nach 12 Tagen. 2) Nach 10 Tagen 3) Nach 13 Tagen 4) Nach 11 Tagen 5) Auszulassen wegen Versuchsfehlers. Joli. Vaülia. Die Qualitätsprüfung der Braugerste. Von Professor Joli. Vaüha, Direktor der landwirtschaftlichen Landes-Versuchsstation in Brunn. (Mit einer Figur.) In Anbetracht der grossen Wichtigkeit, welche die Beurteilung der Braugerste in der letzten Zeit genommen hat, erscheint es not- wendig, dass bei einer internationalen Versammlung hochgeehrter Fach- genossen eine einheitliche Art der Wertbestimmung der Brau- gerste einer Beratung unterzogen und über die einzelnen Bestimmungs- punkte, soweit es möglich ist, ein entscheidendes Wort gefällt werde. Die Untersuchung der Braugerste hat nicht nur für die Anforde- rungen der Landwirtschaft und des Samenhandels, sondern auch für diejenigen der Brauindustrie Rechnung zu tragen. Man muss gestehen, dass die bisher geübte Qualitätsprüfung der Braugerste nicht nur nicht einheitlich, sondern in mancher Hinsicht auch nicht genügend präzis durchgeführt wurde. So besonders: 1. Die Feststellung der Bescliaffeiilieit des Endosperms hat bisher nicht die erforderliche Schärfe eines Experiments errreicht, und sie blieb sogar einer subjektiven Willkür des Untersuchenden überlassen, so dass die Versuchsresultate nie übereinstimmen konnten. Namentlich die Ver- wendung der meist verbreiteten Parinatome aller Art kann aus bekannten Gründen nicht gebilligt werden. Der Parinatom liefert stets sehr ungenaue Resultate und zumeist viel höhere Glasigkeit als das Diaphanoskop, so dass er meiner Ansicht nach nicht zu empfehlen ist. Die Ungenauigkeit liegt teils darin, dass es zwischen den einzelnen Mehligkeitsstufen keine scharfe Grenze gibt, teils darin, dass man damit den Querschnitt des Kornes nur an einer Stelle und nicht das ganze Korn untersucht. Es hängen somit die Resultate stets von der Subjektivität des Untersuchenden ab, so dass sie fast nie übereinstimmen. Etwas bessere Resultate liefert schon das Diaphanoskop, wenigstens in der Hinsicht, dass man damit das ganze Korn und nicht nur den Querschnitt untersucht, und dass es den Vorteil hat, den ge- Die Qualitätsprüfung der Braugerste. 89 n8.oUU>|.i3uiuY ■^ c -■ :j, ^ _rt CD O S bß o P-> ein OJ jr; ^ .3 LL^ i 1 C/. r- pueqaS -jaqn si];qaui ^ c: c: — — ns'Bp pueqgS -J9qi) Sfmaai S!S^'l.y pneqaS -jeqj} si^qara t^ o StST3[-o pneuag -.leqn qqaui o ö CM '^ cc -^ O Sis-cjS pngqeS -.Tdqn 00 j Sqqoai ^rsBi-S pueqaS -jgqn .oqqaui ^ Ol 0 c6 ^' CO l^ •^ ■CO CO co^ CO 0 1 0' CO 0 CO 0 CO 0^ 0^ CO 0^ 0 Ol CO ^ c. ro O fe'is«!.^ -.leqn •Bqqara ^ 0 0 0 0 l^ CO r_l 0 -* 0 C5 10 CO Oi Ol CO 0 10 -* -* Ol -H "* -# CO Ol Ol 'ts.b^S pnaqeS -.laqn 5 gqqaui cß .olSW{.o pn9i[eS -J9qn ^qqaui — " — Ol 0) ^ _o lauiuuijvj ö bß fi CO rt ^JJ ^ rö ^ -to crt 0) 03 [/J C tß bß CS C1 0 !3 rt Ä bß (/3 's 0 a> :0 M ^ > w 3 '^ <^ ^ -?, ^ Cß \:; e- schädigten und eine Stunde an der Luft getrockneten Körner durch ihre Zahl dividiert und mit der Zahl der beseitigten Körner multipliziert. Das so gefundene Korrekturgewicht ist dem Gewicht der entspelzten Körner hinzuzuaddieren. Der Spelzengehalt soll nicht über 15 °/o der lufttrockenen Substanz betragen. Es ist wünschenswert, das Spelzengewicht auch auf Trocken- substanz zu berechnen. Ist die Gerste abnorm feucht, so ist auch der Wassergehalt un- bedingt zu bestimmen. 9. Bei der gewichtsprozentischen Bestimmung des Spelzengehaltes ist auch die Angabe über die Feinheit der Spelzen, welche sich an der Querrunzelung erkennen lässt, als „sehr fein", „fein", „mittel" oder „grob- spelzig" und ob die Gerste „kurz oder lang gedroschen" ist, beizufügen. 10. Ferner ist auch die Farbe der Spelzen, wenn sie abnorm ist, „strohgelb", „weissgelb", „dunkel" oder „grau^' zu notieren, 11. Von nicht geringer Bedeutung ist die Brannspitzig'keit und die Braunlarbuug der Gerste, welche von verschiedenen Pilzen hervor- gerufen wird. Sie ist aber nicht mit der nur schwachen Bräunung der Spitzen zu verwechseln, welche durch feuchte Witterung zur Erntezeit verursacht wird, aber sonst nicht schädlich ist. Zu der Braunspitzigkeit gehört auch die Braun fleckigkeit der Spelzen, verursacht nach unseren Untersuchungen durch parasitische Pilze, Helm') uthospor'nim und Bliynchosporium, welche nicht nur auf der Malztenne schädlich sind sondern auch vom Saatkorn auf die Pflanze übergehen können und sie oft vernichten. Es ist also bei der Qualitätsbeurteilung der Gerste auch die Angabe über die Menge der braunspitzigen, braunfleckigen und braunen Körner, zusammen in Gewichtsprozenten oder- Körnerzahl ausgedrückt, in einer Durchschnittsprobe von 100 g anzuführen. 12. Ebenso ist der Geruch, ob „frisch" (strohartig) oder „dumpfig" oder sogar „schimmlig" zu notieren. 13. Auch die Angabe über die Körnerforni ist wünschenswert, da man aus der Form des Kornes auf die Vermälzungsfähigkeit und in der Regel auch auf die wertvollste Eigenschaft einer Braugerste — auf den Stärkegehalt — schliessen kann. r>abei ist besonders auf das gegen- seitige Verhältnis der Kornbreile zur Länge und auf die grössere oder Die (>)ualitätsprüfung- der Braugerste. 95 geringere Ausbildung des Kornes namentlicli in der Mitte und an den beiden Kornspitzen, die VoIIbauchiglieit, zu achten. Die entsprechende Bezeichnung ist dann „l^urzkörnig", „mittel- körnig", „langkörnig", „vollkörnig", „nur in der Mitte vollkörnig", „lang- oder kurzspitzig", „flach", „breit" oder „schmächtig". 14. Der Auswuchs der Gerste ist in einer Probe von 200 Körnern durch die Zahl der ausgekeimten Körner prozentisch auszudrücken. 15. Von grossem Einfluss fast auf alle Werteigenschaften der •Gerste sowohl auf die Keimfähigkeit als auch auf das absolute und das Volumgewicht, auf den Spelzengehalt, Farbe, Geruch usw. ist der Peuch- tigkeitszu stand der zu untersuchenden Probe. Ist also die Gerste abnorm feucht, so empfieht es sich auch den Feuchtigkeitsgehalt der lufttrockenen Probe zu bestimmen: Eine Durchschnittsprobe von ca. 5 — 10 g wird zunächst bei ca. 80'^ C eine Stunde lang vorgetrocknet und darauf bis zur Gewichts- konstanz zirka 5 Stunden bei 105*' C getrocknet. Der Wassergehalt soll 15 ^j^ nicht übersteigen. 16. Die Fälschung der Farbe durch Schwefelu kann in folgen- der Weise ermittelt werden: Etwa 10 g Körner werden mit destilliertem Wasser begossen und umgerührt. Nach etwa 10 Minuten wird ein blaues Lackmuspapier eingetaucht; rötet sich das Papier, so ist anzunehmen, dass die Gerste geschwefelt ist. Zur genauen Bestimmung der Schwefelung ist die chemische Methode mit 20prozentiger Salzsäure, welche bei der Prüfung des Hopfens auf Schwefelung befolgt wird, vorzunehmen. Die einzufordernde Samenmenge soll l'/r, Liter betragen. Falls keine Volumgewichtsbestimmung verlangt wird, genügen 250 g. Probeziehung: Die zur Untersuchung gelangende Probe soll dem Durchschnittscharakter der Ware entsprechen. Es sollen mittelst eines Probenstechers (z. B. des Nobbeschen) von oben, von der Mitte und von unten eines jeden einzelnen Sackes, bei grosser Zahl von jedem fünften oder zehnten Sack, oder von verschiedenen Stellen der ausgeleerten und gut gemischten Ware mehrere Einzelproben genommen werden, von welchen dann eine oder zwei Durchschnittsproben gezogen werden. Zur Sicherstellung der Entschädigunsansprüche sollte die Probe- ziehung vor zwei unparteiischen oder amtlichen Zeugen vorgenommen werden. Zur Bestimmung des Wassergehaltes soll die Einsendung der Probe in luftdichtverschlossenen Gläsern oder Blechbüchsen erfolgen. Zur Herstellung einer engeren Mittelprobe empfiehlt sich die „Fliessprobe", d. h. das langsame gleichmässige Ausschütten aus gg Joli. \"aüha. einer Flasche mit Ausguss unter gleichmässig'cr periodisclier Ausson- derung kleiner Mengen'). Eine Mittelprobe kann auch auf folgende Weise hergestellt werden: Der Same wird auf einem glatten Papier mit einem Hornspatel gut gemischt, gleichmässig in dünner, überall gleich hoher Schicht ausge- breitet und an mehreren geometrisch bestimmten Stellen werden mit dem Spatel kleine Proben genommen; dabei ist darauf zu achten, dass auch die auf dem Boden liegenden Körner mitgenommen worden.-) Ein vollständiges Bild über die Qualität der Braugerste kann erst erlangt werden, wenn die Gerste auch einer chemischen Analyse unterzogen wird; diese Bestimmungen gehören jedoch nicht in den Rahmen der Samenkontrolle. Insbesondere ist hier der Gehalt au stickstofffreien Extraktiv- stoffen respektive der Stärkegehalt und der Gehalt an Proteinstoffen^ welche namentlich in der neuesten Zeit an Wichtigkeit zugenommen haben, zu bestimmen. Bezüglich des Stickstoff- und Proteingehaltes (= N X 6'25) wäre zu empfehlen, dass zur Bestimmung derselben nicht die Probe vom Gerstenschrot, sondern 2 — 3 g ganze Gerstenkörner genommen werden, w^eil bei der Probenahme zufällig mehr oder weniger Spelzen mit der Kleberschicht in die Durchschnittsprobo gelangen und das Resultat falsch beeinflussen können. Es ist jedoch für die Beurteilung der Gerste nicht so sehr der Gesamtstickstoff, respektive das Gesamtprotein, sondern das Löslichkeitsverhältnis der Eiweissstofle massgebend, und zwar hat die Menge der löslichen Protein- sowie der Extraktivstoffe in der Gerste nicht nur für die Malz- und^ Brauindustrie sondern auch für den Land- wirt namentlich in bezug auf das Saatgut grosse Bedeutung, wie unsere Versuche eklatant gezeigt haben."') Es soll daher bei der Gerste nebst dem Stärke- oder Extrakt- ^) Einen sehr zweckmässigen Apparat haben zu diesem Behufe K, Komers und E. Freu dl in der Wiener k. k. Samenkontrollstatiou für Eübensamen konstruiert, welcher die Arbeit sehr genau verrichtet und zugleich zehn Durch- schnittsproben zieht. 2) Bei der Zusammenstellung der vorliegenden Vorschriften v.^urde ge- trachtet, die von dem Verbände laudwirtsch. Versuchsstationen im Deutschen Reiche bereits angenommenen technischen Vorschriften möglichst einzuhalten. 3) J. Vau ha, Versuche über den Einfluss der chemischen Zusammen- setzung der Gerste auf die Qualität und das E.eproduktionsverraögen der Gerstenpflanze und über die Vererbung dieser Werteigenschaften. (Zeitschrift für das landwirt. Versuchswesen in Oesterreich 1905 und „Shornik zemedelsky" Prerau 190-5.) Zur (»Qualitätsprüfung der Braugerste. 97 gehalt sowohl der Gehalt an Gesamtprotein als auch die Menge der löslichen und unlöslichen, beziehungsweise auch der koagulierbaren und nichtkoagulierbaren Eiweissstot'fe be- stimmt werden. Nachdem die Stärkebestimmung nach der bisher üblichen Methode von Maerker zu umständlich und langwierig ist, wäre eine direkte Extraktbestimmung durch Einwirkung der frischen ^hilz- diastase vorzuziehen. Wegen der grossen Wichtigkeit eines gemeinsamen Vorgehens bei der Qualitätsprüfung und Beurteilung der Gerste wären die hief vorgebrachten Untersuchungsmethoden , welche grossenteils bereits bei den meisten Versuchsstationen eingeführt sind, und es sich hier nur um die dringend notwendige Einheitlichkeit handelt, zur all- gemeinen Befolgung zu empfehlen. JaliiesbericUt der Vereinigung: für argew^ndle l'ot:inik IV. 98 P. Lindner. Über einige neuere biologische Methoden im Dienste des Gärungsgewerbes. Von Professor Dr. Paul Liudiiei'-Berlin. Wenn ich mich diesmal mit einem Vortrag angemeldet habe, so geschah es zum grossen Teil aus der Empfindung heraus, dass auf einer Tagung in Hamburg, als einer Hochburg der Gärungsindustrie, auch die gärungsgewerbliche Botanik vertreten sein und zum Worte kommen müsse. Ihren Anteil an den Erfolgen des Gewerbes im einzelnen darzu_ legen, ist wohl kaum nötig. Ich erinnere nur kurz daran, wie durch die Einführung der Hefereinkultur durch Emil Christian Hansen ein ganz neues lieben in die Betriebe kam, wie Laboratorien in grosser Zahl angelegt wurden, während man früher von der Bierchemie, solange die Vorgänge bei der Keimung und dem Verzuckerungsprozess nicht genügend bekannt waren, nicht viel wissen wollte, wie ein flottes Hetegeschäft im Inland sowie nach dem Ausland sich entwickelte — gerade Hamburg kann davon erzählen, da hier die meisten überseeischen Reinhefesen- dungen in den kalten Schiffsräumen verstaut werden — , wie die Kalami- täten der Biertrübungen beinahe ganz ausgemerzt und so ausserordent- liche Werte gerettet wurden. Statt den Gärungsphysiologen zu verleugnen, seine Anwesenheit womöglich zu verschleiern, wie es früher Tifter vorgekommen war, benutzte man ihn fast zur Reklame, wie man ander- seits nicht unterliess, in den Annoncen besonders darauf hinzuweisen, dass man seinen Betrieb oder seine Reinzuchtapparate unter Kontrollo dieser oder jener Versuchsstation oder des eigenen Laboratoriums gestellt habe. Nun sollte man meinen, in unserer Mitgliederliste wimmele es nur so von angewandten Gärungsbotanikern. Da ist nun das gerade Gegenteil zu konstatieren. Nur ganz sporadisch ist — wenn man von den Kollegen vom Weinbau absieht — ein Gärungsphysiologe darin zu finden, der sich als Botaniker ausgibt. Die Mehrzahl der Gärungsphysiologen sind eben von Haus aus Chemiker, und als solche suchen sie auf den Kongressen für angewandte Chemie über einige neuere biologische Methoilen im Dienste iL Gärungsgewerbes. 99 gegenseitig Fühlung zu nehmen. Ich glaube nicht, dass sich hierin in der nächsten Zukunft etwas ändern wird. Die chemische Industrie bietet vielseitige Aussichten der AnsteUung und lockt daher viele zum Studium, so dass das Angebot meist grösser ist als die Nachfrage. Für den Botaniker liegt die Sache anders, und daher herrscht hier beinahe Mangel an Kräften. Dass der Chemiker ohne besondere botanische Vorbildung verhält- nismässig schnell die biologischen Methoden sich aneignen kann, liegt an der Einfachheit der letzteren. Bei uns am Institut für Gärungs- gewerbe wird der junge Chemiker, nachdem er fleissig im analytischen Laboratorium gearbeitet hat, gewissermasseu zur Belohnung am Schluss seiner Ausbildung in das botanische Laboratorium versetzt. Dieses soll ihn dahin bringen, dass er die Kulturmethoden beherrscht und die wich- tigsten mikroskopischen Bilder deuten kann; ferner muss er sich in der Handhabung der Hefereinzucht Fertigkeit aneignen. So ausgebildet kann er beim Übergang in die Praxis dieser schon sehr von Nutzen sein. Da die botanischen Arbeitsweisen ihm meist ganz neu sind, widmet er sich denselben fast durchweg mit grossem Interesse, so dass er nach Verlauf eines Jahres schon eine grosse Sicherheit bekommt und bei längerem Verbleiben keine Kontrolle mehr nötig hat oder nur in besonders schwierigen Fällen. Leider ist dann meist aber auch die Zeit seines Fortganges gekommen. So sehr also der leitende Botaniker bei der grossen Zahl der Chemikerassistenten — ich habe wohl schon nahe an lOÜ Assistenten im Laufe von 20 Jahren ausbilden helfen — in gewissem Sinne Schule macht, so sind ihm doch noch nicht Mitarbeiter entstanden für eigent- liche wissenschaftliche botanische Arbeiten, namentlich nicht für solche biologischer, morphologischer oder systematischer Natur. Das ist eine Schattenseite des Systems, die aber ganz von selbst verschwinden wird, sobald die Zahl derjenigen Studierenden wächst, die von vornherein sich für das Gärungsgewerbe vorbereiten und deshalb in gleicher Weise Chemie wie Botanik studieren, wie es für den Gärungsphysiologen das einzig richtige ist. Die neuerliche Einrichtung des staatlichen Brauerei -Ingenieur- examens gewährleistet übrigens schon eine gleichmässig gute Ausbildung in Chemie sowie in Botanik, und hier bietet sich dem Gärungsphysio- logen Gelegenheit, experimentelle Prüfungsaufgaben zu stellen, die bisher noch nicht in Angriff genommen worden sind. Es kommen so gewisser- masseu kleine Doktorarbeiten zustande, die nicht ohne Nutzen sind. Nach dieser orientierenden Einleitung kann ich zu meinem eigent- lichen Thema übergehen. Ich gedenke dasselbe so zu behandeln, dass 7* -^QQ P. Limlner. ich mich nicht so sehr auf eine möglichst genaue Beschreibung der biologischen Methoden einhisse — zum grössten Teil existieren dieselben schon — als vielmehr, dass ich zu denselben gewissermassen nur einige Randglossen mache. In ihrer Gesamtheit sollen die Ausführungen Ihnen ein ungefähres Bild geben von den Umständen und Bedürfnissen, welche mich zu der Auffindung der verschiedenen Methoden geführt haben, und wie ich versucht habe, dieselben sowohl für Unterrichtszwecke wie für die praktische Betriebskontrolle und die Laboratoriumsanalyse zu verwerten. Ich möchte beginnen mit der biologischen Luftanalyse, wie ich sie seit 1887 anwende. Es handelte sich damals in einer Brauerei, ganz in der Nähe Hamburgs, um die Frage, ob die Würze auf dem Kühlschiff eine starke Infektion vom Hof aus, der schlecht gepflastert war und inmitten eine Schankhalle trug, deren Abwässer über das Pflaster liefen, erhalten könne. Da eine schleunige Entscheidung dieser Frage beantragt war und ich die nötigen Nährgelatinen und Würzen gerade nicht bei der Abreise zur Verfügung hatte, kam ich auf den Gedanken, die Keime an Ort und Stelle trocken einzufangen und erst bei der Rückkehr von der Reise mit jenen zu füttern. Ich wählte einfache Standzylinder als Auffangegefässe, verstopfte sie mit Watte und steriUsierte sie. Anfänglich benutzte ich einfach Würze, um die hereingefallenen Keime von den Innenwänden abzuspülen und am Boden des Stand- zylinders zur Entwickelung zu bringen. Später nahm ich Nährgelatine und rollte die Glasgefässe aus, nach Art einer Es mar ch sehen Rollkulfcur. Diese Methode erwies sich weit einfacher als die Kochsche Methode, die ich ein Jahr zuvor bei einem bakteriologischen Kursus im alten Kochschen Institut in der Klosterstrasse kennen gelernt hatte. Dort wurde die Gelatine in ein Schälchen gegossen, erstarren gelassen, dann letzteres mittelst eines Motallbügels in einen Standzylinder herabgelassen. Es entwickelten sich dabei nur die Keime, die gerade auf die Oberfläche der Gelatine fielen. Man bekam nur Oberflächenbilder, nicht so schöne, dünne, fast durchscheinende Kolonien, wie sie in der dünnen Gelatine- schicht des Zylinders wachsen. (Demonstration einiger Luftzylinder.) Für den Unterricht bietet diese Methode ausserordentliche Vorteile. Ich pflege bei Gelegenheit des grossen Winterkursus an unserem Institut den Studierenden stets solche ,, Luftzylinder" mit in die Weih- nachtsferien zu ge))en und überlasse es jedem, die Örtlichkeit selbst zu bestimmen, an der er die Keime aus der Luft einfangen will. Die ver- schiedenartigen Bilder in den Zylindern lehren auf den ersten Blick, wie verschieden die Mikroben der Art und Zahl nach verteilt sind; ins- besondere erweckt aber das von Tag zu Tag zunehmende Wachstum der "Übei- einige neuere biologische Methoden im Dienste d. Gärungsgewerbes. l(Jl Kolonien lebhaftes Interesse. Ich habe einige solche Zjiinder mitgebracht. Der eine ist auf einem Weinberge bei Koblenz aui'gestellt worden, der andere in Berlin Unter den Linden an der Ecke der Priedrichstrasse. Merkwürdigerweise zeigen beide diesell)o Schimmelvegetation der Botrytis. Der Befund lässt vermuten, dass mit den vielen Weintrauben, die in Berlin auch im Winter eingeführt werden, auch die Botrytis ein- geschleppt ist. Ich benutze die Gelegenheit, Ihnen auch einige Schimmelpilzkulturen zu zeigen, die sich in der dünnen Würzegelatine weiterer GlaszyUnder wunderbar schfin entwickelt haben. Ich empfehle Ihnen solche Kulturen sehr zum genaueren Studium der Pilze; namentlich lassen sich gute Vergleiche über die Wachstumsgeschwindigkeiten verschiedenei" Arten damit anstellen. Indem diese Kulturen langsam austrocknen» liefern sie die schönsten Museal-Dauerpräparate, die jahrelang aushalten. Auch Hefen, namentlich Kahmhefen, liefern herrliche Flachkolonien, und kann man mit Leichtigkeit Dutzende von Hefen in einem Glase nebeneinander wachsen lassen. Nach dem Eintrocknen stellt ein solches Gefäss gewissermassen ein gläsernes Herbarium dar. Für weniger luftliebende Hefen bietet jedoch diese Kulturmethode wenig Vorteile; da ist schon die Kultur auf einer dicken Gelatineschicht in Form von Riesenkolonien ausgiebiger in bezug auf unterscheidende Merkmale der einzelnen Hefen. Ich zeige hier nur einige Bilder solcher Kolonien aus meiner „Mikroskopischen Betriebskontrolle" und erwähne nur, dass Herr Kollege Will in den letzten Jahren über den Aufbau solcher Kolonien ausführhche Studien gemacht hat. I'ie Impfstrich- kulturen der gleichen Hefen liefern bei weitem nicht so schöne Bilder. Indem ich Ihnen solche Impfstrichphotographien zeige, will ich Ihnen auch das Geheimnis verraten, um das ich oft ausgefragt wurde: wie die Reflexe auf den Reagensgläsern zu vermeiden gewesen sind? Die Sache ist sehr einfach; die Gläser wurden horizontal gelegt und zwar so, dass die Axe des photographischen Apparates den Winkel halbiert, den das auffallende und vom Reagensglas reflektierte Licht bildet. Ich komme zu der sogenannten ,, Tropfenkultur", bei der irgend eine Vegetation mit Nährflüssigkeit gemischt und in Tropfenform in eine sterile Glasschale eingetragen wird. Die ganze Methodik erscheint hier so einfach, dass man sicher denkt, dass ihrer Erfindung keine grosse Überlegung vorhergegangen sein dürfte. Dem ist aber durchaus nicht so: Ich habe erst auf recht kompli- zierte Weise die Zerlegung einer Flüssigkeit in einzelne Teilmengen bewerkstelligt. 102 P. Limlner. So hatte ich z. B. GlasriUiren so aufblasen lassen, dass sie wie eine geradlinige Peilenkette etwa aussahen. Die Füllung derselben z.B. mit Bottichwürze ging ja sehr einfach vor sich, jedoch war bei diesem wie bei einem zweiten Modell, bei dem nur die Unterseite der Röhre halbkugelige Blasen aufwies, die Probeentnahme aus den einzelnen Kammern nicht gut mögUch. Erst die Betrachtung der adhärierenden Regentropfen an den Fensterscheiben der Eisenbahnwagen brachte mich dann auf die einfache Idee der Verteilung der Flüssigkeit mittelst einer Pipette auf die trockene Glasfläche. Das Glas muss jedoch eine Spur fettig sein. Das Bedürfnis zur Auffindung dieser Methode war gegeben durch die Abneigung der Praktiker, mit Gelatine zu arbeiten. Die Gelatine anwärmen, mit Würze vermischen, Platten giessen, Kolonien ausstechen, das ist alles viel zu umständlich in der Praxis. Diese Methode, die ich zuerst 1(S92 beschrieb, eignet sich sehr gut zur Untersuchung des Keimgehaltes von Wasser, Würze, klar filtriertem Bier usw. : ferner zum Nachweis von staubiger oder flockender Hefe in Presshefe, von der man vermutet, dass sie mit minderwertiger Bierhefe vermischt sei. Selbst wenn 5 — 10 Keime, z. B. Hefen, auf den Tropfen kommen, bilden sich meist ebensoviel Hefenflecke, so dass man annähernd quan- titativ den Keimgehalt der betreffenden Probe feststellen kann. In der Praxis erfordert die Anlage einer solchen Kultur weder viel Vorbereitung, noch viel Zeit und Mühe. Durch Verwischen einer Anzahl Tropfen mit dem sauberen Finger erhält man sogleich eine gute Durchschnittsprobe zur mikroskopischen Prüfung. Auch beim Arbeiten mit Gelatine lässt sich diese Methode gut an- wenden, namentlich wo verflüssigende Bakterien vermutet werden. Die- jenigen Gelatinetropfen, die kein verflüssigendes Bakterium enthalten, bleiben völlig intakt: in einer zusammenhängenden Plattenkultur würde bald die ganze Gelatine verflüssigt werden. Dasselbe Prinzip wie bei der Tropfenkultur — nur Glas und Nähr- flüssigkeit — findet sich in meiner Tropf chenkultur wieder, die ich 1893 beschrieben habe. Man sollte meinen, den Anstoss zu dieser Methode hätte die Tropfenkultur gegeben. Weit gefehlt I Er kam von der Fragestellung: Wie oft kann eine Hefemutterzelle Tochtersprosse abgliedern. In Gelatine gewachsene Kolonien machten die Mutterzelle sehr bald nicht mehr in dem Haufen von Nachkommen der direkten Beobachtung zugänglich. Es musste zum hängenden Tropfen "L'ber einige neuere biologische Methoden im Dienste d. Grärungsgewerbes. 103 Zuflucht genommen worden; jedoch musste der so klein sein, dass die zur Aussaat gelangte alte Zelle gewissermassen fest lag. Da auch nachts die Beobachtung fortgesetzt werden musste und meine Wohnung weit entfernt von dem Laboratorium lag, musste ich darauf sinnen, die Kultur bequem transportieren zu können. Die Ge- wohnheit, direkt auf Glas mit Tinte und Feder zu schreiben, mag un- willkürlich mich dazu verleitet haben, das Auftragen der Nährflüssig- keit mittelst einer Zeichenfeder vorzunehmen. Später mussten auch hindere Dinge, wie abgekochte Zahnstocher zum Auftragen der Tröpfchen bzw. Striche herhalten. Wichmann und Zikes tragen kleine Flüssig- keilströpfchen mittelst einer feinen Kapillare auf einen dünnen Xähr- gelatinekuchen auf. Beiläufig erwähne ich, dass die Zelle sich zunächst völlig wieder verjüngte, indem sie Plasma speicherte und dann mit der Sprossung begann. Unter den Hunderten von Nachkommen konnten 7 — ie Kulturen sind leicht mit der Post als Muster ohne Wert zu versenden, und es kommt nicht selten vor, dass ein Praktiker sich durch uns kontrollieren lässt, ob er die mikroskopischen Bilder der eingesandten Kulturen richtig gedeutet hat. Viele Hunderte oder gar Tausende von intelligenten Praktikern setzen sich in ihren Mussestunden hin und studieren die selbst angefertigten Kulturen. Ich habe endlich noch einen Vorteil dieser Kulturmethode zu er- wähnen: man kann die Bilder gut photographieren, und zwar auch dieselben Stellen des Präparates ohne Schwierigkeiten zu wiederholten ISIalon. Einige Worte nur will ich über meine „Adhäsionskultur" sagen: sie kommt besonders für die mikrophotographischen Aufnahmen in Be- tracht; aber sie wurde nicht erfunden zu dem Zweck, um möglichst ebene Bilder zti erhalten, sondern sie verdankt ihre lüitstehnng meiner Neugierde in einer bangen Stunde, als ich erfuhr, dass eine heftige Diphtheritis sich bei mir eingestellt hatte. Ich wollte gern nach meiner eventuellen Genesung den Bacillus genauer kennen lernen. Geeignete Nährmedien waren nicht zur Stelle; da verfiel ich plfUzlich auf die Idee, ein Klatschpräparat von meinem hinteren Zungenbelag auf einem sterilen Deckgläschen zu machen und durch Aufkitten desselben auf einem hohlen Objektträger (mitteilst Vaselin) das Eintrocknen des feuchten Belages zu verhüten. Als ich nach Wochen wieder das Laboratorium betreten konnte, fand ich bei der mikroskopischen Durchsicht dieser bei 37° auf- bewahrt gebliebenen Kultur eine Unmenge deutlich differenzierter Bak- terienkolonien; alle prachtvoll übersichtlich in einer Ebene geordnet. "über einige neuere biologische Methoden im Dienste d. Gärungsgewerbes. 105 Die Adhäsionskiiltur wende ich in allen den Fällen an, wo ich eine Orientierung gewinnen will über die in irgend einem natürlichen Nährsubstrat vorkommenden Formen, z. B, in den Schleimflüssen der- Bäume, in tierischen oder ])flanzlichen Sekreten, in Honig, in Sirupen,, in Erdproben. l>amit die Ivultur angehen kann, muss natürlich mit sterilem Wasser die betreifende Flüssigkeit entsprechend verdünnt werden. Eine Adhäsionskultur so anzulegen, dass sie prächtige Entwicke- lungsbilder gibt, ist ziemlich schwer; bald ist die Kultur zu feucht, bald ist sie zu trocken; wer aber die richtige Mitte zu treffen versteht, der wird an dieser Methode seine Freude haben, am meisten der Mikro- photograph. Als solcher kann ich es aussprechen, dass die Herausgabe meines „Atlas der mikroskopischen Grundlagen der Gäiungskunde" lediglich möglich war durch Ausnützung der erwähnten l)eiden Methoden,, der Adhäsions- und Trüpfchenkultur. Die Adhäsionskultur bietet die Möglichkeit, ganz sporadisch auf- tretende Keime ohne Mühe von den anderen abzusondern: man lässt einfach, nachdem diebetreffende Stelle, wo der seltene Organismus sich, befindet, auf der Oberseite des Deckgläschens markiert ist, die Kultur durch Abheben des Deckgläschens vom hohlen Objektträger leicht ein- trocknen; an der markierten Stelle tupft man dann den Belag mit einer sterilen Zeichenfeder los, am besten, so lange er noch sirupartige Kon- sistenz hat. Nun kann man das Material in Plattenkulturen oder Tröpfchen- kulturen weiter zum Wachsen zu bringen suchen. Besonders interessant gestaltet sich die Beobachtung von Amöben und Infusionstierchen in den dünnen Flüssigkeitslamellen am Deckgläschen. Zu bemerken ist, dass die 1 »eckgläschen hier fettfrei sein müsen, während sie bei der Tröpfchenkultur einen Fetthauch haben müssen. Ich darf wohl schliesslich noch daran erinnern, dass die Adhäsions- kultur in der freien Natur am meisten anzutreffen ist, so an allen Oberflächen der Felsen, Bäume, Sträucher, der Bodenpartikelchen usw. Die knappe Nahrung und die beständige Eintrocknungsgefahr sichern hier auch dem schwachen Organismus die Existenz im Konkurrenz- kampf mit dem starken. In den Erscheinungen der .\dhäsions- kultur am Deckgläschen spiegelt sich ziemlich naturgetreu der Kampf da draussen in den feuchten Belägen der Ober- flächen ab. Interessant sind hier die Veränderungen, welche die mittleren Zellen der in kreisförmigen Scheiben wachsenden Kolonien betreffen. Es sind ■Hungererscheinungen, die sich in Vergrösserung der Vakuolen und der Zellen und in dem Schwinden von Plasmaglykogen usw. äussern. In. -[Qg P. Lindner. ■den meisten Fällen tritt auch die Sporenbildung hier sehr schön auf, wie verschiedene Bilder aus meinem Atlas zeigen. Das Gegenstück zur Adhäsionskultur in bezug auf Lufteinfiuss ist das sogenannte „Vaselinein Schlusspräparat". Hier ist ebenfalls eine ganz dünne Flüssigkeitsschicht vorhanden, aber diese ist zwischen einem flachen Objektträger und einem l'cckgläschen eingesperrt und ringsum von einem Vaselinring vor dem Luftzutritt geschützt. Ich hatte mehrfach diese Methode empfohlen, z. B. zum Nachweis von Sarcina in Hefe. Neuerdings haben Bethges und Heller dieser Methode eine besondere Empfindlichkeit in bezug auf Sarcinanachweis nachgerühmt bei Verwendung von kleistertrübem Bier als Nährflüssigkeit. Auch diese Kulturmethode besitzt den Vorzug, dass infolge der ungestörten Ent- wickelung die auftretenden Organismenkolonien dichtgedrängt bei ein- ander bleiben, oft in einem Stammbaum, dessen Bild die Aufeinanderfolge der Zellen genau wiederspiegelt. Fast ganz niedergehalten wird die Entwickelung der aeroben Keime, während die anaeroben auf Kosten jener begünstigt wird, indem nämlich die aeroben Keime leicht bei Luft- abschluss der Selbstverdauung anheimfallen. Da das Vaselineinschlusspräparat, wie die Tröpfchenkultur, eine gute Beobachtung von Keimungsbildern gestatten, lassen sie sich in allen den Fällen nutzbar machen, wo das Keimungsbild analytischen, diagnostischen Wert besitzt. So habe ich z. B. die Tröpfchmikultur als die geeignetste Methode zum Nachweis von Bierhefe in Presshefe vor- geschlagen, von der Erfahrung ausgehend, dass untergärige Bierhefe (die wegen ihres billigen Preises öfters als Beimischung zu der wert- volleren Presshefe benutzt wird) im Gegensatz zur Presshefe fast nie in sperrigen Sprossverbänden wächst. Henneberg wendet die Tropf chenkultur an zur schnellen Ent- scheidung der Frage, ob in einer Brennereimaische oder Würze oder in einer Presshefe den normalen Kulturmilchsäurebazillen auch in mehr oder weniger grosser Zahl ,, wilde", also der Gärung schädliche Milchsäure- bakterien beigemischt sind Für den Gärungsphysiologen ist es wichtig, dass er im Gärungs- betrieb vorgefundene Organismen möglichst genau charakterisiert. Da, wo die makroskopische und mikroskopische Betrachtung ungenügende Anhaltspunkte gibt zur Unterscheidung gleichartig aussehender Kolonien, ist die physiologische Gärmethode im hohlen Objektträger wohl das genaueste und am schnellsten Entscheidung bringende Auskunftsmittel. Auf diese Methode bin ich verfallen, als ich seinerzeit im Zusammen- arbeiten mit Emil Fischer in den Besitz der seltenen und teueren Zuckerarten gelangte. Es war mein Wunsch, möglichst viel Hefen auf über einige neuere biologische Methoden im Dienste d. Gärungsgewerbes 107 ihr Verhalten gegen diese kostspieligen Zuckerarten zu prüfen. Die Lr>sung, die ich dafür gefunden habe, wird an Ehifachheit nicht über- troften werden können. Ich habe in Gemeinschaft mit einigen Mitarbeitern, wie Dennhardt, Kownatzki, über 3000 Gärversuche mit den kleinen Zuckermengen ausführen können. Wenn Lafar später die Methode als K leingär meth od e bezeichnete, so hat er damit einen treffenden Aus- druck gefunden. Durch sie wurde z. B. der wichtige Nachweis erbracht, dass es auch Presshefen gibt, welche Melibiose vergären können, ent- gegen der Bauschen Angabe, welche vordem bei gerichtlichen Ent- scheidungen eine ausschlaggebende Rolle gespielt hat. Für die Praxis der Gärungsgewerbe ist aber nicht die Vergärbar- keit des vorhandenen Zuckers durch die Hefe allein massgebend. Es kommt auch darauf an, wieviel sie davon zum Aufbau ihrer Zellsubstanz verwenden kann. Das gleiche gilt in bezug auf die stickstoffhaltigen Stoffe der Würze. Letzteres Moment ist z. B. von besonderer Wichtig- keit dort, wo man durch Selbstverdauung gewonnenen Bierhefeextrakt bei der Erzeugung von Presshefe mit verwerten will, oder als Zusatz zu Brennereimaischen. Diesen beiden die Assimilation von Kohleh^ draten und stickstoffhaltigen Körpern betreffenden Fragen habe ich mich in letzter Zeit zugewandt. Resultate liegen bereits vor in bezug auf die Verdaulichkeit bzw. xAssimilierbarkeit der Stoffwechselprodukte der Bierhefe, die Professor Kutscher in Marburg uns möglichst rein hergestellt hat. Es hat sich gezeigt, dass die Kahmhefen und überhaupt die luftliebenden Hefen sich fast alle Abbauprodukte der Bierhefenautolyse wieder zunutze machen können; die obergärigen Bierhefen sind dagegen am wählerischsten: sie assimilieren nur wenige von jenen Stoifen. Die untergärigen Bier- hefen und die wilden Hefen wachsen auf einer grösseren Zahl jener Stoffe, jedoch mit der Abstufung, dass erstere nur wenig kräftiges AVachstum, letztere dagegen ein sehr gutes Wachstum ergeben. Die genannten Hefekategorien bilden nach diesen Versuchen physio- logisch gut gegeneinander abgegrenzte Gruppen derart, dass, wenn zufällig der Vertreter der einen sich in die Versuchsanstellung mit den Vertretern der anderen eingeschlichen hat, sofort dieses ausfällt. Bei den meisten Kahmhefen setzt am 2. bis 3. Tage schon ein kräftiges Wachstum ein, bei einigen erst viel später, vielleicht am 5. bis ■ö. Tage; jedoch sind dann am 8. — 10. Tage die Vegetationen schon -ebenso kräftig wie die der früh angegangenen Hefen. Es scheint also erst eine Angewöhnung an die betreffenden Stoffe oder eine enzymatische A''eränderung derselben vorausgehen zu müssen, bevor sie zu Plasma verarbeitet werden können. Über die Assimilation verschiedener Kohlehydrate durch die Hefen — ][Qg P. Lindner. Beijerinck hat bereits dementsprechonde Versuche mit einer geringeren Auswahl von Hefen gemacht — werden erst kommende Untersuchungen Aufschluss geben. Wichtiger noch als das Verhalten gegen die Stoff- wechselprodukte der Hefe selbst, wird das Studium der Hefen in bezug auf die Assimilation der Eiweissumsatzstoffe der Gerste und des Malzes sein. Hier wird jedoch erst abzuwarten sein, ob die Chemiker imstande sind, einwandfreies Material zu liefern. Indem icli Ihnen, meine Herren, einige Assimila tionskiilturen in eingetrocknetem Zustand vorlege — die Kulturen sind von dem Ober- assistenten meines Laboratoriums, Herrn Dr. Stockhausen, angefertigt — mache ich Sie noch aufmerksam auf eine interessante Erscheinung beim Eintrocknen solcher Kulturen. Sie sehen, dass sich überall Kristalle ausgeschieden haben: nur in der Umgebung einiger kräftiger Hefevege- tationen fehlen sie. Wir schliessen daraus, dass hier der kristallisierende Stoff von der Hefe assimiliert worden ist. Beiläufig lege ich Ihnen eine Stärkegelatineplatte nach Wijsmann vor, die mit Malzauszug, der auf verschieden hohe Temperaturen erhitzt war, betupft worden ist. Da wo kein durchsichtiges Fenster in der trüben Gelatine mehr entstanden, hatte der betreffende Tropfen des erhitzten Malzauszuges keine wirksame E)iastase mehr. Sie haben also hier die einfachste und sicherste Methode vor sich, um die Einwirkung der mehr oder weniger schnellen Temperatur- steigerung auf die Diastase kennen zu lernen. Indem die Platte mit Jodlösung am Schluss Übergossen wurde, kamen die durchsichtigen, durch Verzuckenmg der Stärke entstandenen Fenster deutlicher zum Vorschein. Mit einer einfachen Verwendung des Tuschpinsels und des Gummi- fingers will ich Sie zum Schluss meiner Ausführungen noch bekannt machen. Bei der Anlage von Plattenkulturen ist es wichtig, die richtige Verdünnung zu treffen, und da man im voraus selten eine richtige Schätzung machen kann, war man bislang darauf angewiesen, mehrere Platten zu giessen. Ich benutze nur eine Gelatineplatte und trage mit Hilfe eines Tuschpinsel 6 — 8 — 10 Verdünnungen darauf auf. Man spart dabei wesentlich an Arbeit, an Gelatine und Gelassen. Ein überraschendes Bild dürfte Ihnen der Anblick einer Anzahl Gärröhrchen darbieten, die ich hier aufgestellt habe und die sämtlich mit einem Gummifinger, wie ihn die Ärzte zum Tuschieren gebrauchen,, versehen sind. Es handelt sich um die einfachste Art eines Gärversuches bei Abschluss der Luft. Hier in diesen graduierten Röhrchen, die genau 10 ccm enthalten,, sind verschiedene Flüssigkeiten eingefüllt worden. Der Verschluss geschah über einige neuere biologische Methoden im Dienste d. Gärungsgewerbes. 109 mit Hilfe der vorher in heissera Wasser sterilisierten und durch Drehen zwischen den Fingern w^asser- und luftfrei gemachten Gummifinger. Der äussere Luftdruck bewirkt, dass beim Umkehren des Gläschens der Gummifinger völlig zusammengeklappt bleibt. Nur wenn sich Gas im Röhrchen entwickelt, wird ein Teil der Flüssigkeit in den Gummifinger nach unten gedrückt. Die in diesem Teil der Flüssigkeit entstehende Gasmasse steigt unbehindert hoch und vereinigt sich mit der Gasmasse unter dem geschlossenen Rr)hrchenende. Die Menge des gebildeten Gases kann ohne weiteres abgelesen werden. Mit Hilfe dieses Apparates kann man mit Leichtigkeit bestimmen, Avie viel Gas sich z. B. aus 2,5 g Malzschrot, das mit Wasser auf 10 ccm aufgefüllt ist. bei 40° C, dem Optimum der Buttersäuregärung, entwickelt. Ich führe als interessantes Beispiel an, dass in einem Versuch etwa 4(J ccm Gas daraus hervorgegangen sind. Diesen .\pparat kann man benutzen zur Feststellung, ob eine Hefe ^lelitrioselösung nur zum Teil oder ganz vergärt (Nachweis, ob eine Hefe ol)ergärig oder untergärig), ob ein Harn Zucker enthält, ob eine bereits angestellte Würze schnell oder langsam in Gärung kommt, ob die Gärung bei dieser oder jener Temperatur aufhört. Die Apparate beanspruchen nur ganz geringen Raum, sie können in den kleineren Abteilungen der Thermostaten in grösserer Zahl untergebracht werden. Sie eignen sich vorzüglich, um beim Unter- richt das Gärungsphänomen zu erläutern, indem die gesamte ent- wickelte Gasmenge zur Anschauung gebracht wird. Inwieweit diese Methode verlässliche Resultate geben wird beim Vergleich der Gärungsgeschwindigkeiten in verschiedenen^ mit gleicher Hefenaussaat versehenen Würzen oder in gleichen mit verschiedenen Hefen angestellten Würzen, beim Vergleich des Kohlensäuregehaltes verschiedener Biere, das wird erst noch durch genauere Versuche zu ermitteln sein. Obwohl nicht ganz zum Thema gehörig, möchte ich doch nicht verabsäumen, in Rücksicht auf die Herren von der Samenkontrolle, zum Schluss einer Methode Erwähnung zu tun, die uns leicht über den Ei weiss geh alt der Braugerste — für andere Körnerfrüchte ist die Alethode jedenfalls auch gangbar — orientiert. Sie sehen hier auf Kartonpapier, in gleich grosse Bleistiftkreise aufgetragen, je 0,2 g Gerstenmehl, das vorher mit der Pap penhoim sehen Triacidlösung in wässeriger Lösung gefärbt und nachher vom Überschuss der Farbe durch Wässern befreit worden ist. Je mehr Eiweissstoffe, je intensiver die Färbung des durch Zentri- fugieren aus der Flüssigkeit wiedererhaltenen Mehles, Schon in den Zentrifugiergläschen kann man die unterschiedliche Farbaufnahme der IIQ r. Lindner. verschiedenen eiweissreichen Gerstenmehle erkennen. Indem man jedoch die ausgeschleuderte Masse, mit wenig Wasser aufgerührt, auf Karton- papier ausbreitet und daselbst eintrocknen lässt, bekommt man einen besseren Überblick. In 20 — 30 Minuten ist es möglich, vier Gersten in bezug auf Eiweissgehalt vergleichend zu prüfen. Wie ich erfahren habe, gibt es Aufkäufer von Braugersten, die, mit Seckmühle, Zentrifuge und Triacidlösung ausgerüstet, die Märkte besuchen und die angebotene Ware sogleich mittelst der Triacidmethode prüfen. Auch Malzfabriken und Brauereien bedienen sich derselben. Ich will aber gleich betonen, dass die Anwendung dieser Methode schnelles und gewandtes Arbeiten voraussetzt. Wer darin nicht beschlagen ist, der wird wenig Freude an der Methode erleben. Dass auch schon anatomische Verschiedenheiten bei verschieden eiweissreichen Gersten zutage treten, darüber werden Sie belehrt durch gelungene Photogramme von Gerstenschnitten, die Herr Lauck in meinem Laboratorium angefertigt hat und die Ihnen z. B. zeigen, dass eine Gerste mit 19 "/q Eiweiss sowohl eine dickere Aleuronschicht aufweist und auch mehr Reserveeiweiss unterhalb derselben gespeichert hat, als eine solche mit 9 "/o Eiweiss. Die umständliche Präparation der Körner — Einbetten in Paraffin usw. — und die Kostspieligkeit eines guten Mikrotoms lassen allerdings eine praktische Verwendung dieser Methode der Orientierung über den Eiweissgehalt nicht zu. Es ist jedoch nicht ausgeschlossen, dass bei geschickter Handhabung des Rasiermessers schon Schnitte aus freier Hand brauchbare Bilder geben, aus denen die Beschaffenheit der Aleuron- schicht und der Reserveeiweissschicht ersichtlich ist. Diese Schnitt- diagnosen haben nur den grossen Nachteil, dass sie eben nur für ein Korn und für den betreffenden Schnitt Geltung haben, und dass bei der Auswahl eines nicht typischen Kornes von der betreffenden Probe leicht ein ganz falscher Schluss auf die Gesamtprobe gezogen werden kann. Viele Schnitte von vielen Kiirnern zu machen, ist aber sehr um- ständlich und ohne Zuhilfenahme der Photographie oder von Messungen ist auch ein Vergleich der einzelnen Schnitte untereinander zu sehr von der subjektiven Anschauung abhängig. Ich bin am Schluss meiner Darlegungen angelangt. Sie werden denselben haben entnehmen können, dass gerade auf dem Gebiete der Gärung die Botanik ein dankbares Feld der praktischen Betätigung gefunden hat. Der Einfluss auf die Praxis ist insbesondere dadurch ein so ausgedehnter geworden, weil nicht der Botaniker allein die biologischen Methoden der Betriebskontrolle ausübt, sondern auch ein grosser Teil der Praktiker selbst. • über einige neuere biologische Methoden im Dienste d. Gärnngsgewerbes. HX Diesem Umstand ist es aber mit zuzuschreiben, dass der Gärungs- praktiker wohl denjenigen Laienstand repräsentiert, der mit am meisten von der Welt des Mikroskopes Einsicht genommen hat und über das Leben der Mikroben Bescheid weiss. Die Gärungspraktiker bilden eine überaus gute Kundschaft für die optischen Werkstätten, und man kann wohl sagen, dass grosse Kapitalien bereits für Mikroskope von Brauereien, Brennereien und Presshefen- fabriken aufgewendet worden sind. Es kann nur gewünscht werden, dass auch in der Land- und Forstwirt- schaft vom Laienelement in gleich rühriger Weise vom Mikroskop Gebrauch gemacht wird, wie in der Gärungstechnik. Je mehr dies geschieht, je grösser wird auch die Wertschätzung der Botanik als angewandter Wissenscliaft zunehmen. 112 T. Johnson. Der Kartoffe Ischorf Spongospora Solan i Brunch. Von T. Johnson-Dublin. (Mit einer Tafel.i Es gibt viele Leute, welche glauben, dass die Einführung der Kar- toffel in Irland durch Sir Walter Raleigh vor mehr als 300 Jahren kein ungetrübter Segen gewesen sei. E)ie Hungersnot in Irland im Jahre 1845 wurde infolge des Ausfalles der Kartoffelernte verursacht. Je ärmer die Leute, desto öfter war die Kartoffel beinahe die einzige Quelle ihrer Nahrung. Wie wohl allgemein bekannt, war der Pilz Phi/tophthora infestans die Ursache des Fehlschlagens. Während der letzten Wochen haben nun einige Zeitungen angekündigt, dass es in diesem Jahre wegen des nassen Wetters besonders in den westlichen Gegenden Irlands wiederum eine Fehlernte geben wird, und sie haben die Regierung um Unterstützung („Government Relief") angegangen. Das Wetter ist im Jahre 1905 günstig gewesen, und infolgedessen ist in diesem Jahre (1906) das Spritzen mit Bordeauxbrühe sehr vernachlässigt worden. Jedes Jahr kann man um Mitte oder Ende Juli Kartoffelfelder sehen, auf denen die Pflanzen schon ganz verdorrt sind. Obwohl unter günstigen Be- dingungen der Ertrag 100 000 kg pro Hektar (d. h. 20 oder mehr tons per acre) ist, so betrug in diesem -lahre (1906) die allgemeine Ernte •ein Fünftel oder weniger. Einige Ursachen der niedrigen Ernte mögen hier erwähnt werden: 1. Kulturfehler, z. B. Kartoffeln und Hafer werden Jahr um Jahr in einigen Gegenden abwechselnd gebaut ohne Beigabe der nötigen Düngung; 2. es wird kranke Saat verwandt, welche die Bauern von ihren eigenen Ernten aufbewahren: 3. die Bespritzung wird vernachlässigt. Krankheiten der einen oder anderen Art nehmen hierdurch über- hand. Die durch PhyfopJifJ/ora infestans verursachte Krankheit, genannt Blattbrand (,.Leaf-Blight"), ist von den Bauern am meisten gefürchtet, vielfach kommt aber diese Furcht zu spät. Höchstwahrscheinlich ist der Gelbbrand („Yellow-Blight") ebenso gefährlich wie der Blattbrand. Der Namen Gelbbrand ist den Fällen beigelegt, wo die Blätter wegen der Unterbrechung der Nahrungszuleitung von den Wurzeln nach den Blättern frühzeitig gelb werden. Dieses Verstopfen der Leitungsbahnen hat ver- schiedene Erreger. Sclerotinia {Peziza) sclerotiorum wird gegenwärtig in vielen Fällen als wirkliche Ursache des Gelbbrandes angesehen; in Der Kartoffelschorf. 113 anderen Fällen ist sie nur als Begleitung, d. h. als Saprophyt, nicht als echter Parasit vorhanden. Verschiedene Arten von Bakterien können gleichfalls Gelbbrand verursachen. Keine Art ist schädlicher als Bacillus pJnjtoi)htJiorus Appel. Eine weitere Plage, die vielen Verlust verursacht, ist Sporidesmium Solani varians Vanha, der Erreger der „Blatt dürre" oder „Braun- f leckigkeit". Beiläufig möchte ich hier erwähnen, dass die Phoma solanicola von Prillieux und Delacroix das Pyknidenstadium des Sporidesmium zu sein scheint. Viele dieser Krankheiten werden bei uns in Irland nicht genügend beachtet, noch weniger bekannt aber sind die Schorfkrankheiten. Laudwirte haben mir oft gesagt, der Schorf tue der Kartoffel nichts — je schorfiger die Kartoffel desto mehlreicher. Wie weit der Schorf die Ernte erniedrigt, ist noch nicht bestimmt. Rhizoctonia Solani oder, wie sie jetzt nach den Untersuchungen von Rolfs und GLissow genannt werden muss, Corticium vagmn B. et C. var. Solani Burt. mit seinen oberflächlich sitzenden Sklerotien ist die verbreitetste Art und kommt häufig auf den Häuten der ungeschälten Knollen mit auf den Tisch. Ein weiterer verbreiteter Urheber des Schorfes ist anscheinend Phellomyces sclerotio- pJiorus Frank. Appel hat kürzlich gezeigt, dass dieser Pilz das sterile Stadium von Spond/jlocladimn atrovirens Harz ist. Gelegent- lich hatte mein Assistent das Konidienstadium eines mir unbekannten Pilzes gezeichnet; erst aus der Arbeit von Appel und Laubert habe ich ersehen, dass dieser Pilz 8. atrovirens war. Seitdem habe ich dasselbe Stadium einigemal — einmal auch in England — in diesem Jahre beobachtet. Vor zwei Jahren hat ein Beamter unserer Regierungsabteilung mir einige schorfige Kartoffelknollen gebracht. Sie zeigten leichte Ver- tiefungen, deren Oberfläche mit Körnchen, die wie Sandkörner aussahen, bedeckt war. Die mikroskopische Untersuchung bewies, dass die Ursache der Pilz Spongospora Solani war, der von Brunc hörst im Jahre 1S86 entdeckt und beschrieben worden ist. Diese Art des Grindes ist oder war sehr gemein in Norwegen und Brunchorst nahm an, dass S. Solani der gewöhnUche Erzeuger des Schorfes überall wäre. Doch ist S. Solani sehr selten zu tretfen. Seit ihrer Entdeckung ist sie ausserhalb Nor- wegens nur einige Male in Deutschland und jetzt in Irland beobachtet worden. Wegen seiner Seltenheit war Frank geneigt, den Pilz als einen nördlichen Typus zu betrachten. Es erscheint zweifellos, dass S. Solani der Kartoffel kultur ausser in Norwegen wenig Verluste verursacht. Jedoch ist der Pilz von beträchtlichem biologischen Interesse. Er gehört, wie bereits Brunchorst testgestellt hat, zur Gruppe der Myxomyceten oder Mycetozoen und ist in vielen Beziehungen der Plasmodiopliora ähnlich Jaliiesteiicht der Vereinigung für angewandte Botanik IV. 8 114 T. Johnson. Das Aussehen der kranken Knolle (Fig. 1) ist von Brun- •chorst vollständig beschrieben und abgebildet worden. Die Haut der Knolle zeigt Knoten, die zuerst ganz glatt sind, dann rauh und brüchig werden, indem die Haut von dem gesunden Gewebe der Knolle losgelöst und das kranke Gewebe blossgelegt wird. Der Parasit greift fort- schreitend das Knollenfleisch an, und der ursprüngliche Knoten wird eine kraterförmige Vertiefung, Die von Brunchorst beschriebenen Kork- schichten, wodurch die Knolle sich gegen den Feind zu schützen sucht, habe ich nicht beobachtet. Das Mikroskop zeigt, dass die schon erwähnten Körnchen Sporen - balle sind. Sie stellen das Fruchtstadium der Spongospora dar. Jeder Ball besteht aus einer grossen Anzahl eckiger Sporen, die 3,5 /tt im Durchschnitt gross sind. Der Ball ist nicht hohl, sondern wie ein Waschschwamm; die Sporen sind darin in Reihen angeordnet, die zwischen sich Löcher lassen. Die Bälle stellen also durchlöcherte Kugeln dar, deren Oberfläche und Substanz ein Netz- oder Balkenwerk ist; die Balken sind die Sporen und zwischen den Sporen sind Hohlräume. So sind diese Sporenbälle eine von Kanälen durchbohrte Sporenmasse, die Kanäle stehen miteinander in Verbindung und reichen bis an die Oberfläche der Kugel. Bei der Reife liegen die Sporenbälle frei wie Sandkörner auf der Oberfläche der Vertiefung oder der anfänglichen Erhöhung. Brunchorst versuchte, die Struktur der Sporen und ihre weitere Entwickelung zu beobachten. Mit Hilfe von Färbungen hat er einen stärker als der übrige Inhalt gefärbten Punkt gesehen, den er als Zell- kern betrachtet. Eine Keimung der Sporen konnte er nicht beobachten, obwohl er diese auf viele Weise hervorzurufen versuchte. Ich selbst habe mir auch viele Mühe gegeben, die Struktur und Keimung der Sporen zu studieren. Den besten Erfolg habe ich gewonnen durch Färbung mit „Baumwollenblau" und Milchsäure, wie sie mir von M. Delacroix für einen anderen Zweck empfohlen worden war. Bei An- wendung dieses Färbemittels wies der Inhalt der Sporen drei dunkle Punkte auf, und es scheint mir daher, dass die Sporen vielleicht viel- kernig sind. Der Gebrauch dieses Reagens bewirkt den Tod des Mate- rials. Ich habe jedoch auch frisches Material untersucht und Kulturen von Sporenbällen, von Teilen der Bälle und von Schnitten der frischen erkrankten Knolle gemacht. Die Kartoffelgelatine, die von Appel emp- fohlen wird, hat sich dabei vortrefflich bewährt. Oft habe ich die Wände der Sporen durchbohrt gesehen, die Sporen leer und die Bälle in dem Prozess der Auflösung. Gelegentlich habe ich beobachtet, dass die Wand einer Spore durchlöchert war, und in der Spore zwei oder drei leb- haft sich bewegende Körper vorhanden waren, die vielleicht als Schwärm- Der Kartoffelschorf. 1^15 sporen, kaum aber als eingedrungene Fremdkörper zu betrachten sind. Die Petrischalen-Kulturen von Sporenbällen waren sehr interessant. Es gdlang mir, eine Anzahl von Sporenbällen zu erzeugen, und ich habe oft in den Kulturen anscheinend Plasmodien gesehen, aber es gelang mir nicht, die Verbindungsglieder mit Sicherheit zu gewinnen. Grösseren Erfolg habe ich bei der Kultur der Schnitte aus der frischen erkrankten Knolle ge- habt. Hier konnte man die Bildung der Bälle und zu derselben Zeit den Fortgang der Krankheit in der Knolle verfolgen. Auf der nackten Oberfläche der Knolle, d. h. der Oberfläche des Kraukheitsfleckes, haben die Zellen der Knolle ihre Identität verloren und werden von den lockeren Sporenbällen eingenommen. Tiefer nach innen sind die Wirtszellen noch erkennbar (Fig. 2). Sie verlieren oder haben schon ihre Stärkekörner verloren und sind von einem oder mehreren Bällen mehr oder weniger vollkommen erfüllt (Fig. 3). In dieser Gegend zeigen die Bälle ihre Sporen nicht deutUch. In noch tieferen Schichten sind die Stärkekörner verschwunden, und das Protoplasma in der Wirtszelle ist mit Vakuolen erfüllt, köi-nig und ganz einem Plasmodium ähnlich. Es glückte mir, einen solchen Körper in amöboider Bewegung zu sehen (Fig. 4). Ich bin mit Brunc hörst überzeugt, dass SpoJigospora ein echter Myxomycet ist. Noch eine Kultur habe ich gemacht. Im April 1905 wurde ein Stück einer erkrankten Knolle ausgepflanzt, daraus entstand eine kleine neue schorfige Knolle, die bei der Untersuchung die Bälle der Spongo- spora aufwies. Es überraschte mich dies nicht, weil das Originalmaterial auch auf einem Rhizomzweig eine Schorfstelle hatte (Fig. 5). Es war meine Hoffnung, die Art des Durchganges des Pilzes von Zelle zu Zelle studieren und viele andere Lücken in unserer Kenntnis dieses interessanten Pilzes ausfüllen zu können, aber bei der Rückkehr von meinen Ferien im Herbst 1905 fand ich, dass das ganze frische Material während der Reinigung meines Arbeitszimmers unglücklicherweise weg- geworfen worden war. Figurenerklärung der Tafel III. Figur 1 Schorfige Kartoffelknolle mit zwei Flecken. Figur 2. Querschnitt eines schorfigen Fleckes einer Knolle, a Erhöhung voll von Sporenbällen. In der Richtung der Linie b c entsteht später eine Vertiefung. Figur 3. Mikrophotographie eines Querschnittes durch die Schorfstelle, die Sporenbälle und die Tiefe ihres Eindringens in die Knolle zeigend. Figur 4. Vier Stadien desselben Plasmodiums je nach einer Minute Zwischenzeit. Figur 5. Schorfige Knolle in Verbindung mit schorfigem Rhizomzweig. 8* IIQ W. H. Schramm. Zur Holzvergilbung. Von W. H. Schramm, Graz. Angeregt durch die Lehrtätigkeit in den Kursen für Holzfärberei des steiermärkischen Gewerbeförderungsinstitutes in Graz wurden von A. Jungl und mir in den Jahren 1903 bis 1905 umfangreiche Versuchs- reihen hauptsäclilich zu dem Zwecke durchgeführt, Methoden zur sicheren Herstellung lichtechter Holzfärbungen zu ermitteln. Hierbei wurde unsere Aufmerksamkeit wiederholt auf die Erscheinung gelenkt, dass auch ungefärbte Hölzer im Licht zum Teil recht stark ihre Farbe veränderten, und wir waren schliesslich genötigt, dieser Erscheinung, soweit sie technische Bedeutung für die Holzfärberei oder überhaupt für die Ver- wendung der Hölzer zu gewerblichen oder technischen Zwecken hatte, nachzugehen. Über diesen Teil unserer Versuche haben Jungl und ich in der Zeitschrift „'Die Innendekoration" ') ausführlich Bericht erstattet. Nun schien mir aber diese Parbenveränderung der Hrdzer im Lichte auch an und für sich einiges Interesse zu verdienen, mindestens hatte ich die Anregung zu geben, ihr bei der Schilderung der Farbe der Hölzer in Zukunft vermehrte Aufmerksamkeit zu widmen. Ich glaubte dies am besten dadurch erreichen zu können, wenn ich mich bemühte, durch weitere Beobachtungen und Versuche wenn milglich einige Kenntnis von den chemischen Vorgängen, die hierbei in Betracht kommen, zu erlangen. Auch hoffte ich durch derartige Untersuchungen einen Standpunkt ge- winnen zu können, der vielleicht irgend einen Ausblick zur Theorie des Bleichens nicht nur der Hölzer ergeben möchte. Zur Vornahme weiterer Versuche stand mir das in Gemeinschaft mit Jungl allerdings zu anderen Zwecken hergestellte Versuchsmaterial zur Verfügung. Jungl und ich hatten dreizehn, meist europäische Holzarten auf ihr Verhalten bei Be- strahlung durch Sonnenlicht geprüft. Diese Belichtungsversuche wurden genau nach der von mir vergeschlagenen Methode zur Prüfung der Lichtechtheit von Holzfärbungen ausgeführt.^) Es mag hier wohl die ') Verlag von Alexandgi" Koch, Darmstadt. Juliheft 190(5 u. f. 2j W. Schramm, Das Färben des Holzes in alter und neuer Zeit. Graz 1904, S. 27 lind 28. Zur Holzversilbuno;. 117 te ^ ^ 0) Ol 0. bC. ^ bn ^ c o o rt > a > c3 ^ Cß 2 X r^ ^ CS c3 c TS a in et ^ -? o •^ c a = S jj rt rS ^ ^ X! X> Xi iD ii ^ &JD b€ bJD ,J3 ör. ^ — I 03 Ol c bfj dj =: b£ = =3 HJ rt :73 C3 :j3 c: Ol) 1: ^ -Q r^ s-( ^ ;-. Jh c3 0) ^ ^ 0) s bß C G Ö 3 Ö d ^ 0) br, r3 0) br "Öj ^ OJ bO 0) o; CD O o t-- C5 .. r. > ^ ^ s= ^ fX" cö CS 0^ Pm pLj C5 bß c c c3 cö P ~ rt »3 — i^ c« C .H .H :§ 5 ^ -K -ij -i-i Ü p; ^ ryj Cfi CD (D o S ü ^, o cy. C § " 3 rt 5 x _S Tß g = P r^ PL| Pll • i bß a ^ -Q m !- ^ ci 03 fl CU CD -u A ^ r- V^ O M ^ rÖ -3 ^ K w i-:; ;2:; 13 £ <1 £ £ a OJ — 3 TS S 2 bß c o .s "rt a P ^ > cq <^ =::■ o — CM TC ■— — — . ' — 118 W. H. Schramm. Angabe genügen, dass die Hcilzer durch Glasbedeckung — sie standen im Innenraum eines nach Südsüdwest gerichteten Doppelfensters — vor dem Einfhiss der Witterung geschützt waren. Die Farbenveränderung der Hölzer ist aus der umstehenden, von mir und Jungl zusammengestellten Tabelle 1 zu ersehen. Die Brettchen waren vorlier frisch gehobelt und nass mit Bimstein geschliffen worden. Nach dem Trocknen wurde jedes Brettchen in vier Teile geteilt und je ein Teil im Dunkeln aufbewahrt. Tabelle 2. Abschnitte je eines Brettchens aus Hölzern der in der Tabelle 1 angegebenen Stammpflanzen wurden durch zehn Tage der Einwirkung einer ammoniakalischen Wasserstoffsuperoxydlösung ausgesetzt. L>iese Lösung war durch Zusammengiessen von 1750 ccm einer käufüchen Wasserstoffsuperoxydlösung, die sch-wach sauer reagierte und nach einer Bestimmung mittelst Chamäleonlösung 2 ''/o Wasserstoffsuperoxyd enthielt, und 25.6 ccm Ammoniak (spez. Gewicht = 0,91) hergestellt worden.') Der bei den einzelnen Hölzern sehr verschiedene Erfolg des Bleich- prozesses ist aus der nachfolgenden Tabelle zu ersehen. Ungebleichte Hölzer Name des Holzes Farbe nach erfolgter Bleiche nach ihrer Farbtiefe geordnet Ahorn Viel heller geworden, gelblich- weiss Ahorn Birnbaum Fast wie vorher Fichte Fichte Sehr wenig lichter geworden Weisserle Linde Viel heller geworden, Gelbstich Linde Rotbuche Viel heller geworden, Gelbstich Rotbuche Weisserle Viel heller geworden, Gelbstich Esche Esche Sehr viel heller geworden, sehr hell bräunlichgelb Vogelkirsche, Kern LTlme (Rüsten, Kern Sehr viel heller geworden, sehr hell bräunlichgelb Birnbaum Eiche, Kern Wenig heller geworden Eiche, Kern Vogelkirsche, Kern Wenig heller geworden Ulme (Rüster) Kern Amerikanischer Nuss- Viel heller geworden, sehr hell- Nussbaum, Kern baum, Kern braun Nussbaum, Kern Viel heller geworden, sehr hell- Mahagoni Mahagoni braun Viel heller geworden Amerikanischer Nuss- baum, Kern 1) Zu vergleichen ist: P. Ebell, Das Wasserstoffsuperoxyd als Bleich- mittel für Holz. (Chemikerztg. XI. 1530. 7./12. 87. — Ch. C. 1888, S. 352.) Zur Holzvergilbung. ][19 Die Hölzer sind darin nach ihrer Helligkeit nach erfolgter Bleiche, mit dem hellsten beginnend, geordnet. Zum Vergleich diene die da- neben gestellte, im gleichen Sinne ausgeführte Anordnung der unge- bleichten Hölzer. Tabelle 8 (s. S. 120—123). Es wurden gleichzeitig die g e b 1 e ic h t e n und u n g e b 1 e i c h t e n H o 1 z - abschnitte der Belichtung ausgesetzt. Leider waren die Brettchen etwas voreilig einer Oberflächenbehandlung ausgesetzt worden, indem sie mit einer Auflösung von Schellack in 95°/o Weingeist und dann mit sehr wenig weissem Wachs bestrichen worden waren. Die Farben erscheinen infolgedessen etwas tiefer, als bei den unbestrichenen Hölzern, doch nähern sie sich den Farben derselben weit mehr, als den viel tieferen Farben polierter Hölzer. Die Lichtwirkung wird durch diese sehr dihmen Überzugsschichten von höchstens 0,01 — 0,02 mm L)icke nicht merklich vermindert, wie Jungl und ich nachgewiesen haben.') l)ie Farben- veränderungen der Überzugsschichten selbst sind zu gering, als dass sie in Betracht gezogen werden miissten. Die Behchtungszeit war in den Monaten von August 1904 bis Februar 1905. Die ersten 26 Tage entsprachen, da sie fast alle heiter und heiss waren, in ihrer Wirkung, beurteilt nach dem Ausbleichen von Typenfärbungen (Standardfärbungen), 42 Tagen im Juli und August 1904. Die letzten 148 Tage waren in ihrer Lichtwirkung etwa ein- und einhalbmal so stark, als die ersten 26 Tage. Die geschilderten Farben Veränderungen lassen sich im allgemeinen auf zwei deutlich unterscheidbare Vorgänge zurückführen, die häufig gleichzeitig vor sich gehen: 1. auf eine Änderung der den einzelnen Hölzern eigentümlichen Farbtöne, auf ein Umschlagen, Verblassen oder auf eine Erhöhung derselben, besonders deutlich erkennbar ist das z. B. an Mahagoni- und amerikanischem Nussholz (die raschen Farbenver- änderimgen auf den frischen Schnittflächen einiger Farbhölzer gehören indessen wohl nicht hierher), 2. auf das Auftreten von bräunhch- gelben, gelb- bis rötUchbraunen, manchmal schön gelbbraunen Färbungen. Da der zweite Vorgang meistens überwiegt und namentlich bei langer Behchtung stark hervortritt, habe ich die geschilderte Art der Farben- veränderungen der Hölzer im Lichte Holzvergilbung genannt. Damit M W. H. Schramm und A. Jungl, Über die Dicke von Färb- und Politur- schichten bei oberflächlich gefärbtem und poliertem Holz. (Technologische Mitteilungen des Bayerischen Gewerbemuseums in Nürnberg, 1906, No. 13.) Dieselben, Über den Schutz von Holzfärbungen durch Politur- oder- Wachsschichten. (Innendekoration 1906, Aprilheft.) 120 W. IT. Schramm. Name des Holzes und Tabelle 3: Farbe oder Behandlang desselben nach 1 Tag nach :5 Tagen nach 5 Tagen Fichte l nverändert L nverändert Sehr wenig dunkler gegen braungelb Fichte, gebleicht — Merklich dunkler gegen braiiu Ahorn Unverändert Kaum merklich ■ Merklich dunkler gegen dunkler braun Ahorn, gebleicht Sehr wenig dunkler gegen braun Weisserle Kaum merk- Sehr wenig ge- Sehr wenig gegen barer Graustich gen graubraun braun Weisserle, gebleicht — Kaum merklicher Braunstich Amerikanischer Nuss- Etwas dunkler Dunkler, mehr Viel dunkler gegen baum, Kern gegen braun braun Amerikanischer Nuss- — — Viel dunkler gegen baiim,Kern, gebleicht braun Eiche, Kern L^nverändert Kaum merk- Kaum merklich gegen licher Braun- braungelb stich Eiche, Kern, gebleicht — — Sehr wenig gegen graubraun Esche Kaum merk- Kaum merk- Kaum merklicher licher Graustich licher Braun- stich Braunstich Esche, gebleicht — ■ Kaum merklicher ßraunstich Linde Kaum merk- Kaum merklich Merklich dunkler gegen licher Graustich dunkler braun Linde, gebleicht — — Merklich dunkler gegen braun Rotbuche Kaum merk- Sehr wenigdunk- Merklich dunklergegen licher Braun- ler, mehr ge- braun strich gen braun Rotbuche, gebleicht — — Etwas dunkler gegen braun Ulme (Rüster), Kern Kaum merk- Kaum merk- Kaum merklicher licher Graustich licher Braun- stich Braunstich Ulme (Rüster), Kern, — — Sehr wenig gegen gebleicht braun Zur Holzvergilbiing. 121 Farbenveränderung der Hölzer nach 13 Tasen nach 2(j Tagen nach 17(j Ta2:en Gegen gelbbraun Viel mehr gegen gelb- braun Viel mehrgegen braun Merklich dunkler Sehr wenig gegen graubraun Kaum merklich dunk- ler Bräunlichgoklgelb Bräunlichgoldgelb Hellgelbbraun Bräunlichgelb Hellgelbbraun Brauneelb Gegen gelbbraun | Gelbbraun Viel mehr gegen braun Viel mehr segen gelb Etwas mehr gegen braungelb Hellgelbbraun Gegen grau Kaum merklicher Braunstich Gesen braun Viel mehr gegen braun ! Viel mehr gegen braun Viel mehr gegen braun Viel mehr gegen braun Kaum merklicher Braunstich Merklich gegen braun Dunkler, gegen braun- gelb Hellgelbbraun Ähnlich dem unge- bleichten Holz nach 176 Tagen Hellgelbbraun Gegen gelb Viel dunkler, gegen braun Viel mehr gegen gelb- braun Heller, gegen gelb Gegen braun gelb Gelbbraun Gelbbraun Hellgelbbraun, dunkler als nach 26 Tagen Bräunlichgoldgelb, viel dunkler als nach 26 Tagen Viel mehr gegen gelb als nach 26 Tagen Fast wie das ungebleichte Holz nach 176 Tagen, doch viel mehr gegen goldgelb Sehr viel heller und matter als nach 26 Tagen Viel mehr gegen gelb Wenig heller, nur vielmehr gegen gelb, als nach 26 Tagen Fast wie das ungebleichte Holz nach 176 Tagen, noch gelber Nicht viel mehr gegen gelb, nur wenig heller, als nach26Tagen Dunkler als nach 26 Tagen, bräunlichgoldgelb Wenig heller, viel mehr gegen gelb als nach 26 Tagen Bräunlichgoldgelb Viel mehr gegen gelb als nach 26 Tagen Dunkelgoldgelb Viel heller und mehr gegen gelb als nach 26 Tagen Hellgoldbraun 122 W. H. Schräm i Name des Holzes und Farbe oder Farb- Behandlung desselben nach 1 Tag nach 3 Tagen nach 5 Tagen Nussbaum, Kern Unverändert Unverändert Kaum merklicher Gelbstich Nussbaum, Kern, ge- — — Kaum merklicher bleicht Braunstich Vogelkirsche, Kern Unvei'ändert Wenig dunkler Merklich dunkler gegen braun Vogelkirsche, Kern, — — Unverändert gebleicht Birnbaum Kaum merklich Sehr wenig Sehr wenig dunkler dunkler dunkler gegen braun Birnbaum, gebleicht — — Sehr wenig dunkler gegen braun Mahagoni Etwas mehr gegen rot Mehr gegen rot Viel dunkler gegen rot Mahagoni, gebleicht " Kaum merklicher Graustich ist auch schon ein Zusammenhang mit der anscheinend ganz analogen Vergilbung holzschUffhaltiger Papiere angedeutet. Viel deutlicher, weil von dem ersten Vorgang getrennt, ist die Holzvergilbung an gebleichten Hölzern wahrzunehmen. Wider Erwarten färben sich diese) ben im Lichte ebenfalls ziemlich rasch gelb- braun, wodurch das Bleichen der Hölzer nur zu einem wenig beständigen Erfolg führt.') Offenbar werden durch das Bleichen nur jene Stolpe verändert oder entfernt, die man, da sie die den Hölzern eigentümlichen Farbtöne verursachen, allgemein als „Holzfarbstoffe" bezeichnet, während jener Stoff oder jene Stoffe, die die Vergilbung bewirken, mindestens in ihrer Wirkungsfähigkeit in bezug auf diese nicht verändert werden. Am deutlichsten kann man die Entfernung der Holzfarbstoffe an dem Holz des wilden Birnbaumes, das durch Bleichen elfenbeinfarben wird, am Mahagoni- und amerikanischen Nussholz beobachten. - Die Holzvergilbung ist, so oft sie im einzelnen auch beobachtet worden sein mag, bisher noch nicht zusammenfassend behandelt oder als eine beson- dere Art von Holzveränderung beschrieben worden. In der mir zugänglichen Literatur habe ich nur an drei, zum Teil ziemhch entlegenen Orten 1) W. H. Schramm und A. Jungl, Das Bleichen des Holzes. (Techn. Mittig. d. Bayr. Gewerbemuseums Nürnberg. 1907.) Zur Holzvergilbnng. 123 verändeiamg der Hölzer nach 13 Tagen nach 2() Tagen nach 176 Tagen Kaum merklicher Gegen braungelb Viel heller und mehr gegen gelb Gelbstich als nach 26 Tagen Kaum merklicher Dunkler, gegen braun Wenig heller, viel mehr gegen Braunstich gelb als nach 26 Tagen Merklich gegen braun Viel mehr gegen braun Heller und mehr gegen gelb als nach 2() Tagen. Unveiändert Mehr gegen braungelb Hellgoldbraun Merklich gegen braun Dunkler Heller und mehr gegen gelb als nach 26 Tagen Merklich dunkler Wenig gegen gelb- braun Dunkelgoldgelbbraun Gegen rot Viel mehr gegen rot Matter, mehr gegen gelb als nach 26 Tagen Kaum merklicher Dunkler, gegen braun Wenig heller, viel mehr gegen Braunstich gelb als nach 26 Tagen Ansätze hierzu gefunden. Zuerst wurde ein solcher von Marcet gemacht, dessen Angaben (Bibl. Univ., Febr. 1830; Philos. Mag. et Annais, Sept. 183Ü, S. 225) mir leider nur auszugsweise zur Verfügimg stehen.') Doch scheint Marcet nur mit Ulmenholz Versuche ausgeführt zu haben. Später finden sich einige Angaben in dem Buche ,,Die Holzbeizkunst oder Holzfärberei" von C. F. G. Thon.-) Dieser weist sehr lebhaft auf die Farbenveränderungen der Hölzer im Sonnenlicht hin, ohne indessen die Mitwirkung der Witterung deutlich auszuschliessen. Auf seine phan- tastischen Erklärungsversuche will ich nicht eingehen, hingegen zu einer weiteren Schilderung der Holzvergilbnng seine vorzügliche Beschreibung der Vergilbung und Bräimung des Rotfichtenholzes hersetzen: „ — daher färbt sich Holz von alten, ausgewachsenen Rotfichten, das bei dem Fällen insgemein eine w^eisse Farbe zeigt, nach der Verarbeitung und den freien Einwirkungen der Sonne ausgesetzt, anfangs in das Gelbliche, geht aus diesem allmählich in das Gelbe, in das Bräunlichgelbe, in das Bräunliche über und wandelt sich nach Jahren in das Hochbraune um; wobei es jedoch sehr natürlich ist, dass die gleichsam angeborenen, die Jahres- ringe begrenzenden Schattierungen dieses Holzes, sowie die Astkreise 1) Dinglers Polytechn. Journ. XXXVHL S. 157. 2) Weimar 1840. ;[24 ^^ • ^- Schramm. oder sogenannten Knoten zuerst eine höhere Farbe annehmen und um so viel mehr sich dem Dunkelbraunen nähern, je länger das Sonnenlicht -auf sie wirkt."') Vor einigen Jahren hat dann E. Pliva als dritter aut die Farbenveränderung der Hölzer im Sonnenlichte hingewiesen, ohne indessen auf die Erscheinung an und für sich einzugehen. Sein Interesse war hauptsächlich auf eine technische Verwertung derselben zur Aus- arbeitung eines neuen Dekorationsverfahrens für weiche Hölzer gerichtet, indem er die starke Farbenveränderung mancher Hölzer seinem ,, Sonnen- kopierverfahren auf Holz" zugrunde legte. ^) Bei den für die Zwecke der Papierfabrikation hergestellten Holz- schliffsorten wird angegeben, dass der Holzschlift mancher Holzarten mit der Zeit eine rötliche Färbung annimmt. ^^ Jute wird mit der Zeit dunk- ler,*) auch nach erfolgter Bleiche. Weiter finden sich in der mir zugänglichen Literatur wohl ver- einzelte Angaben über ein ,, Nachdunkeln" einzelner Hölzer ,,an Licht und Luft", über ,, einen erst unter dem Einfluss von Licht und Luft hervor- tretenden Kern", über ,, Farbenveränderungen an frischen Schnittflächen an der Luft", doch abgesehen davon, dass diese Angaben meist wenig bestimmt gehalten sind und häufig auch ganz andere Vorgänge als die Holzvergilbung zum Gegenstande haben, fehlen sie oft gerade bei solchen Hölzern, die der Vergilbung im hohen Grade unterworfen sind, Nirgends ist darauf hingewiesen, dass die Holzvergilbung, wäe aus meinen und Jungls Versuchen mit grosser Wahrscheinlichkeit hervorgeht, eine ganz allgemeine Eigenschaft der Hölzer ist und ganz regelmässig auftritt, .sobald nur die äusseren Bedingungen hierzu vorhanden sind.-^) Doch hat man bei einzelnen besonders auffälligen Farbenverände- rungen der Hölzer nach den Ursachen derselben geforscht. Es sind meist solche, die zur direkten oder indirekten Ursache das Vorhandensein und den Lebensprozess von Mikroorganismen haben, wie die Trockenfäule ■oder Rotstreifigkeit, das Blauwerden des Splintes von Kiefernholz durch 1) Thon, a. a. 0. S. 63 uud (i4. ^) E. Pliva im Supplement zum Zentralbhitt, für das gewerbl. Unterrichts- wesen in Oesterreich Bd. XIV (1895), S. 4. 3) Muspratts Chemie. 6. Bd. 1898, S. 1689; ferner: E. Müller und A. Haussener, Die Herstellung und Prüfung des Papieres. 1906 (?), S. 1370. E. Hoyer, Die Fabrikation des Papieres. 1887, S. 155. *) Muspratts Chemie, 6. Bd. 1898. S. 1773. S) Ich möchte hier auf eine in der Literatur seither nicht mehr berück- sichtigte Anmerkung von Eisner über die Bräunung des Buchsbaumholzes „an der Luft" hinweisen (Gewerbeblatt für Sachsen 18-12. No. 30; Dinglers Poly- techn. Journ. LXXXV, S. 57) und ferner auf einige andere ebenfalls nicht mehr berücksichtigte Angaben in Dinglers Polytechn. Journ. CII, S.297 u. XXX VI, S. 199. Zur Holzvergilbung. \'2b^ Ceratosiomella pilifera (Fr.) Winter usw. Von solchen und ähn- lichen Holzveränderungen unterscheidet sich die Holzvergilbung grund- sätzlich dadurch, dass bei ihrem Zustandekommen die Bedingungen zu einer Mitwirkung von Mikroorganismen nicht vorhanden sind. So liess die grosse Trockenheit, in der die Versuchshölzer sich fortwährend befanden — sie waren während der Versuche nicht nur durch Glas,, sondern zum Teil auch durch einen Überzug von Wachs- oder Schellack- schichten vor Feuchtigkeit geschützt — , an eine solche Mitwirkung wohl nicht denken. Auch die Behandlung eines Teiles der Hölzer mit einer aus 95^/0 Weingeist hergestellten Schellacklösung kommt dagegen in Betracht.^) Indessen findet man in der Literatur auch drei Arten von Holzver. änderungen beschrieben, die mit sehr auffälligen Farbenveränderiingen der Hölzer verbunden sind, und ebenfalls wenigstens ohne anfängliche oder ursächliche Mitwirkung von Mikroorganismen vor sich gehen sollen. E)iese Holzveränderungen sind: Das ,, Grauwerden des Holzes", ,,die Bräunung der Hölzer" und ,,die staubige Verwesung des Holzes".^) Für die letztere ist jedoch neuerdings eine Mitwirkung von Mikroorganismen vermutet worden.^) Diese Holzveränderungen wurden zuerst von W iesner einer eingehenden Betrachtung unterzogen und als , .typische Arten der Zer- störung reifer Hölzer" hingestellt und benannt. ,.Das Graiiwerden oder die Vergrau ung" beschreibt Wiesner als eine fast allen Holzarten eigen- tümliche Veränderung, während er die ,, Bräunung" nur an Nadelhölzern und zwar am Föhren-, Fichten- und Tannenholze beobachtete. Sehr wahr- scheinhch stellt die Holzvergilbung auch die Anfangserscheinungen des Vergrauens und der Bräunung dar, und es ist weder zu leugnen, dass bei beiden Holzveränderungen stets eine ihnen vorausgehende geringere oder grössere Vergilbung zu beobachten ist, noch wäre es einzusehen, warum die Hölzer, wenn auch im Freien, dem Sonnenlichte ausgesetzt, die so rasch eintretende Vergilbung nicht erfahren sollten, bevor die, einen viel längeren Zeitraum in Anspruch nehmenden, aber auch viel tiefergehenden Veränderungen der Oberflächen eintreten. Bei Hölzern, die den äusseren Bedingungen des Vergrauens ausgesetzt sind, kann indessen die Vergilbung nicht Sbhr weit fortschreiten, da sie bald von der Vergrauung abgelöst wird ; doch werden dann tiefer liegende Schichten 1) Zu vergleiclien wäre: B. Malenkovic, Ist Holz durch Bakterien ver- gärbar? (Chem. Cbl. 1905, Bd. 2, S. 1190.) 2) J. W iesner, Über die Zerstörung der Hölzer an der Atmosphäre. (Sitzungsberichte der k. Akademie der Wissenschaften in Wien 1864.) •'') C. V. Tubeuf im 11. Kap. des Handbuches der technischen Mykologie von Dr. F. T.afor (1905), S. 324. ^26 ^^'- ^- ''^'clinimm. der Hölzer von der Vergilbung ergriffen, da die chemische Wirkung des Lichtes, wie Jungl und ich nachgewiesen haben, durch Holzschichten von 0,1—0,25 mm Dicke^) je nach der Holzart und sicher noch leichter durch Schichten von bis zum Auftreten der Zellulosereaktionen abge- bauten Zellen, aus welchen nach Wiesnei- die vergrauten Schichten der Hölzer bestehen,^) zu dringen vermag. Zu der Holzbräunung scheint die Holzvergilbung in einem Ver- hältnis zu stehen, das sich etwa durch folgenden Satz kennzeichnen Hesse: Die Holzvergilbung kann bei einigen Holzarten in Holzbräunung übergehen, wenn die äusseren Bedingungen hierzu vorhanden sind. Bisher wurde dies nur an einigen Nadelhölzern beobachtet. Es ist jedoch notwendig, sofort hinzuzufügen, dass natürlich keine volle Gewissheit darüber besteht, dass der Vergilbungsvorgang bei Hölzern im Freien und solchen unter Dach der gleiche ist. Zwar wirken hier wie dort Licht und massig feuchte Luft; aber im Freien kommt noch die mechanische Einwirkung der atmosphärischen Niederschläge und ebenso auch die chemische Einwirkung derselben und aller darin gelösten oder suspendierten Stoffe hinzu. Wies n er ^) berichtet denn auch von sehr merklichen mechanischen Veränderungen an der Oberfläche gebräunter Hölzer. Ob solche stets mit der Bräunung verbunden sind, etwa wenn diese bei den unter Dach befindhchen Hölzern, natürlich unter Ausschluss von Mikroorganismen, vor sich geht, müsste noch untersucht werden. Für die Holzvergilbung ist es geradezu kennzeichnend, dass sie ohne mechanische Einwirkung auf die Holzoberfläche vor sich geht, sie triit bei Hölzern, die durch Wachs- oder Schellackschichten vor jeder mecha- nischen Einwirkung gescliützt sind, fast genau in der gleichen Weise auf wie bei ungeschützten Hölzern. Ein weiteres auffälliges Merkmal der Holzvergilbung ist die geringe Dicke der vergilbten Holzschichten. Es ist das insofern merkwürdig, als das Licht recht gut auch durch stärkere Holzschichten durchzudringen vermag. Eine ganz ähnliche Erscheinung ist bei dem Ausbleiehen gefärbter Stoffe zu beobachten, bei welchen auch die Lichtwirkung zunächst in den dünnsten Oberflächen- schichten stattfindet und nach der Tiefe rasch abnimmt, während das Licht selbst noch viel tiefere Schichten des betreffenden Stoffes zu durch- dringen vermag.') Diese Ähnlichkeit weist deutlich auf photochemische Vorgänge bei der Vergilbung der Hölzer hin. Dass die Mitwirkung des Lichtes für das Zustandekommen der 1) W. H. Schramm und A. Jungl, Über die Tiefenausdehnung der bleichenden Luftwirkung an gefärbten Stoffen. (Dr. A. Leimes Färberzeitung lüOG, S. 333.) 2) Wiesner a. a. O. Zur Holzvergilbung. 127 Vergilbungserscheinung unbedingt notwendig ist, geht aus der Tatsache hervor, dass Hölzer, die wohl vor Licht, nicht aber vor Luft geschützt aufbewahrt werden, nicht vergilben. Die Vergilbung tritt im zerstreuten Tageslicht sehr viel langsamer ein, als im vollen Sonnenlicht. Es mag bemerkt werden, dass Jungl und ich, wie es fast sicher vorauszusehen war und wie es Wiesner') auch für holzschliff haltiges Papier nach- gewiesen hat, fanden, dass die Vergilbung überwiegend durch Lichtsorten von geringen Wellenlängen bewirkt wird. 2) Um den chemischen Vorgängen, die unter Mitwirkung der strah- lenden Energie bei der Holzvergilbung vor sich gehen, näher zu kommen, ist es notwendig die Wirkungsmöglichkeiten jener Stoffe, die hier in Frage kommen, einer kurzen Betrachtung zu unterziehen. Zuvor möchte ich noch darauf hinweisen, dass die Art der Farbenveränderung' durch Vergilbung bei verschiedenen Hölzern die Vermutung aufdrängt, hier einen bei allen Hölzern gleichartigen, denselben oder sehr ähnliche Stoffe betreffenden chemischen Vorgang vor sich zu haben. Die Farben der Hölzer werden durch die Vergilbung einander immer ähnlicher, schUesslich sehen sie aus wie mit einem gelben Farbstoff gefärbt, so sehr die Stärke der Vergilbung bei verschiedenen Hölzern auch verschieden ist. Von aussen treten an das Holz nur die Bestandteile der Luft heran. Dass die auffällige Farbenveränderung an der Oberfläche mancher Farbhölzer durch die Einwirkung des Sauerstoffes und, im besonderen Fall, auch unter Mitwirkung des geringen Ammoniakgehaltes der Luft vor sich geht, ist, wenn man die bekannten chemischen Eigenschaften der in diesen Hölzern enthaltenen Chromogene berücksichtigt, höchst- wahrscheinlich. Aber auch die Kohlensäure vermag, wie das jüngst W. Zimmermann für das Amarantholz^) nachgewiesen hat, einen solchen, in dem vorliegenden Fall besonders auffälligen Farbenwechsel hervorzu- bringen. Die wichtigste Frage ist nun zunächst die, ob und in welcher Weise der Sauerstoffgehalt der I^uft bei der Vergilbüng mitwirkt. Heinrich Marcet bemerkte, „dass das Holz gewisser Bäume, vorzüglich der Ulme, der Luft ausgesetzt, mehr oder weniger rot wird. Er fand jedoch durch 1) J. Wiesner, Untersuchungen über das rasche Vergilben des Papieres. (Dinglers Polytechnisches Journal XXVI [1886J, S. 387.) 2) „Das elektrische Licht" (Bogenlampe oder Glühlicht?) „bewirkt wie das Sonnenlicht das Vergilben von Papieren, welche Holzstoff enthalten." (Meistner, Elektrotech. Zeitschrift, 1887, Bd. 8, S. 252), nach J. M. Eder, Die chemischen Wirkungen des Lichtes. 1891. E. Pliva konnte durch elektrisches Glühlicht nur eine unmerkhche Holzbräunung erzielen. (A. a. O.) ^) W. Zimmermann, Zur Kenntnis des Amarantholzes. (Technologische Mitteilungen des Bayr. Gewerbemuseums Nürnberg 190(3, No. 7 und 9.) J9g W- H. Schr;imm. zahlreiche Versuche, dass dies nicht der Fall ist, wenn man den Zweig- in dem Augenblicke, wo er querdurch abgeschnitten wurde, in einen vollkommen luftleeren Raum oder in eine Gasart bringt, welche keinen Sauerstoff enthält; dass aber, im Gegenteile, die Farbe in Sauerstoff gas greller wird als in gemeiner Luft." Leider ist hier die gleichzeitige Mitwirkung des Lichtes nicht angegeben, doch hat eine solche wohl höchstwahr- scheinlich stattgefunden. Wiesner hat die chemischen Umwandlungen bei der ilolzbräunung für eine Umsetzung der Zellulose der Zellmembranen in Huminkörper erklärt und letztere durch die von Mulder dafür angegebenen Reaktionen nachzuweisen gesucht. Bei der heutigen zweifelhaften Ansicht über diese Stoffe würde man den Humificierungsvorgang vielleicht bestimmter durch den Nachweis einer Kohlenstoffanreicherung in den gebräunten Holzteilen unter gleichzeitiger Abgabe von Kohlensäure und Wasser fest- zustellen versuchen. Bei der Holzbräunung ist also die Mitwirkung von Luftsauerstoff sehr wahrscheinhch. Sehr beachtenswert sind auch einige Versuche, die Wiesner mit holzschliffhaltigem Papier ausgeführt hat. Bei diesem stellte er zunächst fest, dass nur der Holzstoff und nicht die ,. Zellulose" an der Vergilbung teilnimmt. Er fand weiter, dass die Vergilbung nur bei Luftzutritt vor sich geht und schloss daraus, dass diese ,,ein durch das Licht bedingter Oxydationsprozess" sei.') Zu diesem Schluss wird man nach Feststellung der Notwendigkeit einer Anwesenheit von Sauerstoff nur allzu leicht gedrängt, obwohl er nicht ganz einwandfrei ist. Es könnte sehr wohl die Anwesenheit von Sauerstoff zu einem chemischen Vorgang notwendig sein, ohne dass derselbe ein Oxydationsvorgang ist. Nach neueren Forschungen neigt man für das Ausbleichen von Farbstoffen immer mehr zu der Ansicht, dass hierbei die Farbstoffe der Hauptreaktion nach keiner Oxydation unterliegen, obwohl die Notwendigkeit der Anwesenheit, wenn auch geringer Mengen, von Sauerstoff durch zahlreiche Versuche als erwiesen gelten muss. Nach den Versuchen von Marcet und nach Wiesners Versuchen mit holzschliffhaltigem Papier kann kaum ein Zweifel darüber bestehen, dass die Anwesenheit von Sauerstoff zur Holz- vergilbung notwendig ist. Dagegen sprechen auch die Versuche mit HfUzern nicht, die mit Wachs- oder Schollackschichten bedeckt waren, da diese nur einseitige Bedeckung den Luftzutritt wohl erschweren, aber nicht verhindern konnte. Ob aber wirklich ein Oxydationsvorgang statt- findet und welcher Art derselbe ist, ob das Oxydationsprodukt im Holz zurückbleibt oder gasförmig entweicht, könnte nur mit Hilfe quantitativer 1) Wiesner a. a. 0. Zur Holzvergilbung. J^29 Analysen sicher festgestellt werden. Für eine derartige Untersuchung ei'- scheint mir die einwandfreie Beschaffung der notwendigen Substanz- mengen schwierig ausführbar. Ich habe daher die Annahme eines Oxydationsvorganges bei der Holzvergilbung durch Versuche zu unter- stützen getrachtet, die bezweckteji, die Vergilbung durch Anwendung bekannter Oxydationsmittel auf künstliche Weise herzustellen. Ich habe einige Hölzer in Form von Hobelspänen der Vorbehandlung zur Aus- führung der Holzstoffreaktion nach Mäule') unterworfen und konnte wahr- nehmen, dass sich hierbei ihre Farbtöne ebenfalls in das Gelbbraune bis Goldbraune geändert hatten; auch gaben sie dann mit Phloroglucin und Salzsäure, ferner mit Eisenvitriollösung überaus ähnliche, mit Ammoniak jedoch nur im allgemeinen ähnliche Reaktionen wie die vergilbten Hölzer. Mit einer wässerigen Lösung von schwefeliger Säure wurden die oxydierten Hölzer nur dann wieder etwas heller, wenn sie damit behandelt wurden, bevor sie nach der oxydierenden Behandlung ge- trocknet waren. Einmal getrocknet, wurden sie mit schwefeliger Säure ebenso wenig heller wie die vergilbten Hölzer. Sehr ähnhche Ergebnisse wie bei der Oxydation mit 1 ^'/q Kaliumpermanganatlösung und Nach- behandlung mit verdünnter Salzsäure und Wasser nach Mäule erhielt ich, als ich die Hölzer einige Tage den Dämpfen von rauchender Salpeter- säure aussetzte. Doch könnte man hier die auftretenden goldgelben Färbungen der Bildung von Nitroprodukten zuschreiben. ^j Ich wurde zu diesem Versuch durch die Beobachtung angeregt, dass frisches Fichtenholz, welches einer Schale, die konzentrierte Salpeter- säure enthielt, als Unterlage diente, sich rings um die Schale grau gefärbt hatte. Über die Beziehungen zwischen dem Feuchtigkeitsgehalt der Luft und der Holzvergilbung eine Untersuchung anzustellen, habe ich nicht für notwendig gefunden, da Wiesner für holzstoffhaltiges Papier bereits nachgewiesen hat, dass Feuchtigkeit wohl fördernd einwirkt, aber nicht unbedingt notwendig ist.^) Von weiteren Bestandteilen der Luft kommen noch Kohlensäure und Ammoniak in Betracht. Die Hölzer der Eiche, Rotbuche, Weisserle, Fichte, des Nussbaumes änderten ihre Farbe nicht, als ich sie einige Zeit in eine Kohlensäure- ') Das Verhalten verholzter Membranen gegen K Mn O4, eine Holzreaktion. (Fünfstücks Beiträge zur wissenschaftl. Botanik, Bd. IV. 1900, S. 166.) 3) Nach längerem Verweilen in den Dämpfen von rauchender Salpeter- säure war die Oberfläche des Fichtenholzes mit unzähliclien Harztröpfchen bedeckt. 3) Wiesner a. a, 0. J^hiesbericht der Yei-einigiing für angewandte Botanik IV. I) 130 ^^"- H. Schramm. -atmosphäre: gebracht hatte. Die Kohlensäure dürfte also bei der Yer- ^ilbung keine Rolle spielen, was ja ziemlich sicher vorauszusehen war und nur nach den Erfahrungen Zimmermanns am Amarantholz einer Bestätigung zu bedürfen schien Einer Mitwirkung des geringen Ammoniakgehaltes der Luft bei der Holzvergilbung steht zunächst die Tatsache entgegen, dass im Dunkeln, aber unter Luftzutritt aufbewahrte Hölzer ihre Farbe nicht ändern. Allein die altbekannte, höclist auffällige Farbenveränderung, die manche Hölzer bei der Einwirkung von Ammoniak erfahren und die neuerdings in der Holzfärberei wichtige Anwendung gefunden hat, machte doch eine nähere Untersuchung zur Pflicht. Ausser Ammoniak wirken bekanntlich noch andere alkalische Stoffe auf die Farben der Hölzer verdunkelnd ein und werden darum ebenfalls in der Holzfärberei angewendet. In allen diesen Fällen glaubte man die Wirkung der alkalischen Stoffe als eine ausserordentliche Beschleunigung der Oxydation der in den Hölzern ent- haltenen ,, Gerbstoffe" erklären zu können. Doch sind mir Experimental- untersuchungen, die diese Erklärung begründen könnten, nicht bekannt geworden. Zunächst war festzustellen, ob Ammoniak bei Abwesenheit von Sauerstoff keine Verfärbung der Hölzer hervorrufen könne. Ich habe zu diesem Zwecke Eichenholz in Spänen von 0,25 mm Dicke in einen Kolben gebracht, den ich dann durch wiederholtes Auspumpen mit der Wasserstrahlluftpumpe und Entfernen des Sauerstoffes durch Phosphor soweit sauerstofffrei machte, als es bei dieser Versuchsanordnung mög- lich ist. ') Ich Hess, nachdem der Phosphor lange zu leuchten aufgehört hatte, etwas Ammoniakflüssigkeit durch einen Hahntrichter auf den Boden des Kolbens ausfliessen. Da auch die Bohrung des Hahnes mit sauer- stofffreier Luft gefüllt gewesen war, war der Sauerstoff möglichst aus- geschlossen. Trotzdem färbte sich das Eichenholz in der Ammoniakgas- atmosphäre sehr rasch rotbraun. Die Färbung unterschied sich von der in einem Parallelversuch mit Ammoniak und Luft hergestellten, dunkleren und schwärzlichbraunen ausser durch den Farbton durch den Umstand, dass sie, nachdem man die Späne aus dem Kolben genommen und so •rasch als möglich in verdünnte Essigsäure gebracht hatte, vollständig verschwand, während die Vergleichsfärbung nur etwas heller wurde. Aus diesem Versuch kann man schliessen, dass Ammoniakgas allein mit Bestandteilen des Eichenholzes, sehr wahrscheinlich der Eichenholzgerb- ') Um die Menge des noch vorhandenen Sauerstoffes auf das überhaupt geringstmögliche Mass herabzudrücken, müsste man die Holzspäne in eine Geisslersche Röhre einschliessen und diese bis zum Auftreten des Kathoden- lichtes evakuieren. Zur Holzvergilbung. 131 säure, eine braun gefärbte durch verdünnte Säuren zersetzbare Verbindung zu geben vermag, dass aber bei Anwesenheit von Sauerstoff offenbar ein anderer chemischer Vorgang unter Mitwirlsung desselben vor sich geht. Weitere Versuche, die später angeführt werden sollen, ergaben, dass eine auch nur einigermassen in Betracht kommende Mitwirkung von Ammoniak bei der Holzvergilbung nicht stattfindet. Liess die Betrachtung der Luftbestandteile die Notwendigkeit der Anwesenheit von Sauerstoff und die fördernde Wirkung der Luftfeuchtig- keit für die Holzvergilbung erkennen, so stösst man bei dem Versuch, unter den Bestandteilen der Hölzer die daran beteiligten Stoffe zu be- stimmen, auf die gegenwärtig noch unüberwindhche Schwierigkeit, die durch den gegenüber der sonstigen hohen Entwickelung der organischen Chemie höchst ärmlichen Stand unserer Kenntnisse von der Chemie der Hölzer verursacht wird. Aber auch nach einer zukünftigen Erschliessung derselben wird man vor der bereits angedeuteten Schwierigkeit stehen, die aus der geringen Gewichtsmenge der an der Vergilbung beteiligten Holzanteile hervorgeht. Vorläufig ist alles, was sich erreichen lässt, eine beiläufige Orientierung durch einige Parbenreaktionen, wobei man sich der allgemeinen geringeren Sicherheit aller Farbenreaktionen bewusst bleiben muss. Von den Bestandteilen der Hölzer sind es die meist unter dem Sammelnamen „Zellulose" begriffenen Zellulosen, die unter den Holz- bestandteilen noch am besten chemisch charakterisiert erscheinen. Gerade sie nehmen aber an der Vergilbung keinen Anteil. Von den Verände- rungen, die man an bekannten Zellulosen unter den äusseren Bedingungen der Holzvergilbung beobachtet hat, gibt es keine, die mit Farbenver- änderungen verbunden sind. Vergilbt holzschlifffreios Papier, so ist nach C. Wurster') und A. Müller, Jacobs^) höchstwahrscheinlich die Harz- leimung, nach E. Muth'') „Gerbstoff", nach Klemm*) die Zersetzung von „Eisenseifen" die Ursache. Nach Wiesner „unterhegen aus völlig unverholzten Fasern bereitete Papiere gar nicht der Vergilbung, wenn nur dafür Sorge getragen wird, dass kein Staub darauf fällt. "^) Chemische Veränderungen der in den Hölzern vorkommenden Zellulosen sind also ursächhch an der Holzvergilbung gewiss nicht beteiligt und gehen, wenn 1) Berichte d. D. Chem. Gesellschaft XIX, 2, S. 3217. 2) Über die Anwendung der Amide höherer Fettsäuren zur Papierleimung. Umgekehrt müssten auf vergilbten Hfilzern beide Reaktionen viel schwächer eintreten. Bei Versuchen, die ich darüber^ anstellte, ergab sich, dass die mit EisenvitrioUösung auf den vergilben Hölzern erzeugten Färbungen allerdings — gegenüber den auf un vergilbten erzeugten — Unter- schiede aufwiesen. Bei einigen Hölzern konnte dieser Unterschied auf das Hinzutreten des durch die Vergilbung entstandenen, gelbbraunen Tones zurückgeführt werden, bei anderen z. B. auf Eichen-, amerikani- schem Nuss- und Birnholz war die Färbung schwächer. Auf Ahorn- und Fichtenholz ergaben die Versuche die sehr auffällige Erscheinung, dass auf vergilbtem Holz die Färbungen bedeutend kräftiger ausfielen und offenbar in diesen Hölzern auch nach nur massiger Ver- gilbung eisenfärbende Stoffe in grösserer Menge in Wirksam- keit treten konnten als vorher. Damit ganz übereinstimmende Ergebnisse erhielt ich bei Versuchen mit Hölzern, die durch Kalium- permanganat oder Dämpfe von rauchender Salpetersäure künstlich ver- gilbt waren. ^) Zu annähernd ähnlichen Ergebnissen dürfte auch ein 1) Unter „gebleichten" Hölzern sind stets mit ammoniakalischem Wasser- stoffsuperoxyd gebleichte zu verstehen. 2) Mit allem Vorbehalt und dem gleichzeitigen Hinweis auf die ungerecht- fertigte Gepflogenheit, eisenfärbende Stoffe in Pflanzenteilen als „Gerbstoffe" zu bezeichnen, möchte ich bemerken, dass man in den Ablaugen der Sulfit- zellulosefabrikation Gerbstoff gefunden haben will (Muspratts Technisclie Chemie, Bd. VI [1898], S. 1579J, und dass in älteren Patentschriften Verfahren zur Herstellung von „Gerbstoffen" aus Torf, Stein- oder Braunkohlen unter Anwendung oxydierender Mittel vorgeschlagen werden (Muspratts Chemie, Bd. III [1891], S. 1218, 1219). V. Gräfe erhielt bei seinen „Untersuchungen über die Holzsubstanz" (Monatshefte für Chemie, Bd. XXV, S. .1009) aus Konifereuholz Brenzkatechin, das bekanntlich mit Eisensalzen dunkelgrüne Färbungen gibt. Cross u. Bevan fanden, dass durch Behandlung verholzter Pflanzenteile mit Chlor Mairogallol und Leukogallol entsteht (Journ. Chcm. Soc, Bd. IV [1889], S. 213). Zur Holzvergübnng. |35 Vergleich der Ammoniakreaktion auf einerseits unvergilbten, anderseits vergilbten oder künstlich vergilbten Hölzern nach einigen vorläufigen Versuchen, die ich anstellte, führen. Auch auf vergilbtem Papier, das Pichtenholzschlit'f enthielt, bekam ich mit Eisenvitriollrtsung, sowie mit Ammoniak weit stärkere Färbungen, als auf unvergilbtem. ...^ Zweifellos ergibt sich aus allem Vorhergesagten, dass die eisen- färbenden und die mit Ammoniak sich bräunenden Stoffe in den Hölzern bei der Holzvergilbung, wenn überhaupt, nur einen sein* nebensächlichen Anteil nehmen. Ich komme nun zu dem sogenannten LigninaiUtMl in den Hölzern. Auch unter Ligninist bekanntlich nur ein Sammelbegriff zu verstehen. Der Ligninanteil ist bei verschiedenen Hölzern verschieden. Der wirk- liche Gehalt der Hölzer an Lignin ist gegenwärtig noch nicht sicher ermittelt, doch geben die von R. Benedikt und M. Bamberger ^) bestimmten Methylzahlen der Hölzer ein relatives Mass dafür. Die Stärke der Holzvergilbung und die Grösse der Methylzahl steht bei verschiedenen Hölzern in keinem gleichbleibenden Verhältnis. Hatte man bei den bisher betrachteten unter Sammelbegriffen zusammengefassten Stoffen mit der Schwierigkeit zu rechnen, dass sie in den verschiedenen Hölzern sicher nicht die gleichen, ja vielleicht nicht einmal sehr ähnliche seien, so fällt diese Schwierigkeit anscheinend weg bei jenem Stoff oder jenen Stoffen, die bei den sogenannten Holz- stoffreaktionen farbenerzeugend wirken. Von den meisten Autoren wird die Ansicht ausgesprochen, dass es wahrscheinlich derselbe oder dieselben wenigen Stoffe seien, die in allen H()lzern oder verholzten Pflanzenteilen verkommen und bei den Ligninreaktionen mitwirken, wenn sie auch darüber, welche chemischen Stoffe mit jenen Parbenerzougern über- einstimmen, noch nicht einig geworden sind. 2) Doch fehlt es auch nicht an Stimmen, die es nicht für ausgeschlossen halten, dass die Lignin- reaktionen bei den einzelnen Hölzern durch verschiedene, wenn auch „homologe" Stoffe verursacht würden.'^) Tatsächlich bekommt man, wenn man Holzstoffreaktionen auf ver- schiedenen Hölzern ausführt, an Farbtiefe und Tönung sehr verschiedene 1) R. Benedikt ii. M. Bamberger, Über eine quantitative I^eaktion des Ligains. (Monatshefte für Chemie, Bd. XI, S. 260.) 2) Eine Zusammenstellung der sog. Holzstoffreaktiouen findet sich im zweiten Band von J. Wiesner, Die Rolistoffe des Pflanzeiu-eiches, S. 45 u. 46. 3) V. Gräfe, Untersuchungen über die Holzsubstanz vom chemisch- physiologischen Standpunkte. (Monatshefte für Chemie, Bd. XXV, S. 1018.) ]^36 W. H. Schramm. Färbungen. Aus diesem Grunde erscheinen jene Methoden, ^velche auf Farbenerscheinungen quantitative Bestimmungen des Holzschliffs in Papier begründen, sehr unsicher, wenn die im Papier enthaltene Holzschliffart nicht qualitativ bestimmt und dann ein genau entsprechendes Standard- papier genommen wird.') Ich habe mich bei meinen makroskopisch angestellten Versuchen auf die Anwendung von schwefelsaurem Anilin und von Phloroglucin und Salzsäure beschränkt. Um mich vor Täuschung zu bewahren, habe ich die Reaktionen in verschiedenen Abänderungen und mit verschiedenen Konzentrationen der Reagentien ausgeführt. Trotzdem konnte ich die verwendeten dreizehn Holzarten nach der Tiefe der auf ihnen erhaltenen Färbungen stets in dieselben Gruppen teilen oder mit ihnen die gleiche Reihe bilden. So ergaben verschiedene Reaktionen mit Phloroglucin und Salzsäure folgende Gruppen: Sehr tiefe Färbungen: Fichte, Ahorn. Mittlere Färbungen : Weisserle, Ulme (Ivern), Linde, Nussbaum (Kern). Helle Färbungen: Rotbuche, Eiche (Kern), Esche (Kern), amerikanischer Nuss- baum (Kern). Sehr helle Färbungen: Mahagoni, Birnbaum, Vogelkirsche. ^) Eine nähere Betrachtung der verschiedenen Stärke der Holzver- p:ilbung bei den untersuchten dreizehn Hölzern zeigte mir, dass zwischen dieser und der Tiefe der Färbungen mit Phloroglucin und Salzsäure ein ziemlich gleichbleibendes Verhältnis herrscht. Auf den gebleichten und den mit Ammoniak behandelten Hölzern 1) Klemm (a. a. O.) verlangte schon verschiedene Farbengradleitern für Nadelholzschliff und Laubhoizschliff. ■'') Bfesonders auffällig erscheint die sehr schwache Reaktion bei der letzten Gruppe. Ich erinnerte mich hier daran, dass von Höhnel seinen „Xylophilinextrakt" als Reagens auf Holzstoff aus Kirschenholz hergestellt hatte. (Anzeiger d. k. Akademie d. Wissenschaften, Wien, Bd. XIV [1877], S. 229.) Mit einer durch Kochen von Kirschholzspänen mit Alkohol herge.stellten Flüssig- keit, zu der ich Salzsäure hinzu gefügt hatte, erhielt ich auf den Hölzern ebenso starke Färbungen wie mit der Wiesnerschen Phloroglucinlösung. Es ist naheliegend, irgend einen Zusammenhang zwischen der schwachen Reaktion mit Phloroglucin und Salzsäure und dem verhältnismässig starken Gehalt an Xylo- philin zu vermuten. Zu vergleichen ist: H. Möller, Über das Vorkommen von Phloroglucin in den Pflanzen. (Ber. d. Dtsch. Pharm. Ges., Vit. S. 344 bis 352. — Ohem. Cbl. 1897, Bd. II, S. 1151.) Zur Holzvergilbung. 15^ waren die mit Phloroglucin und Salzsäure, sowie mit schwefelsaurem Anilin erzeugten Färbungen gleich stark wie auf den entsprechenden ungebleichten Hölzern. Die vergilbten und die mit Kaliumpermanganat behandelten Hölzer geben die Phloroglucinreaktion bedeutend schwächer, die mit Dämpfen von rauchender Salpetersäure behandelten Hölzer geben sie nur mehr sehr schwach. Die angeführten Tatsachen weisen auf einen Zusammenhang der die Färbungen mit Phloroglucin und Salzsäure oder mit Anilinsulfat verursachenden Stoffe mit der Holzvergilbung recht deutlich hin, doch lässt sich vor einer näheren Prüfung dieser Stoffe auf ihr Verhalten zum Licht Bestimmtes darüber nicht aussagen. Es könnten recht wohl die Holzvergilbung und Abnahme der Stärke der Phloroglucinreaktion bewirkenden Vorgänge nebeneinander und ohne ursächlichen Zusammen- hang sich abspielen. Auch andere Regelmässigkeiten könnten nur zu- fällige sein. Doch lässt sich der Satz aussprechen, dass die Stärke der Färbung mit Phloroglucin und Salzsäure ein relatives Mass für die Ver- gilb ungsfähigkeit der Hölzer geben kann. Von diesem Gesichtspunkte aus gewinnt die Phloroglucinreaktion auf Papier die Bedeutung einer Probe auf die durch irgendwelche Mengen irgend eines Holzschliffes verursachte Vergilbungsfähigkeit. Indem ich diese vorläufigen Bemerkungen zur Holzvergilbung schliesse, darf ich den Hinweis darauf nicht unterlassen, dass selbst- verständlich noch weitere Untersuchungen über das Verhältnis der in den Hölzern enthaltenen, die Ligninreaktionen verursachenden Chromogene sowie anderer dem Ligninanteil der Hölzer zugerechneter Stoffe — ich möchte z. B. nur den Holzgummi^) erwähnen — zur Holzvergilbung ausgeführt werden müssen, um über diese soweit Klarheit zu erlangen, wie es bei den spärlichen Kenntnissen über jene Stoffe heute überhaupt möglich ist. Auch der Harz-, Öl- oder Fettgehalt der Hölzer verdient in bezug auf die Holzvergilbung einige Beachtung. Derartige Untersuchungen und die Anwendung der Ergebnisse zur Beleuchtung der verschiedenen Arten von Papiervergilbung werden die Gegenstände einer weiteren Mitteilung sein. Was bis jetzt aus meinen Darlegungen und Versuchen als einiger- massen gesichert hervorgeht, möchte ich in den folgenden Sätzen kurz 8) Ob Holzgummi bei der Holzvergilbung eine Rolle spielt, ist sehr frag- lich. Es ist anzunehmen, dass durch das Bleichen mit ammoniakalischem Wasserstoffsuperoxyd ein Teil des Holzgummis entfernt wurde. Kirschholz enthält 12,4:^ Jq, Buchenholz, das viel stärker vergilbt, nur 5—6% Holzgummi. (Zu vergleichen ist To Ileus, Handbuch der Kohlenhydrate. IL Bd. 1895. S; 201.) 138 W. H. Schramm. zusammenfassen, wobei ich bemerken muss, dass diejenigen Sätze, die Allgemeines aussprechen, auf das Allgemeine nur aus den Erfahrungen an dreizehn Holzarten schliessen, und sie daher streng genommen stets mit einem „wahrscheinlich" eingeleitet werden sollten. 1. Lufttrockene Hölzer verändern auf den frischen Schnittflächen unter dem Einflüsse des Lichtes und der Luft allgemein ihre Farbe. 2. Die Farbenveränderungen können sehr verschiedenartig sein und betreffen zum Teil die sogenannten Holzfarbstotfe oder auch be- stimmte Chromogene. 3. Eine Art von Farbenveränderungen kann indessen als allgemein und auf allen Hölzern in sehr ähnlicher Weise auftretend bezeichnet werden; sie wurde nach den hierbei entstehenden Farbtönen von mir Holz vergilb ung genannt. 4. E)ie„Holzvergilbung" gehtfast immer der „Holzvergrauung" voraus, bei einigen Nadelhölzern geht sie schliesslich in „Holzbräunung" über. 5. Die Holzvergilbung geht ohne mechanische Einwirkung auf die Holzoberfiäche vor sich. r)ie Dicke der vergilbten Holzschichten ist eine sehr geringe. 6. Mikroorganismen wirken bei der Holzvergilbung höchstwahr- scheinlich nicht mit. 7. Licht ist zur Holzvergilbung notwendig. Sonnenlicht wirkt viel stärker als zerstreutes Tageslicht. Vorzugsweise wirken Lichtsorten von geringeren Wellenlängen. 8. Luftsauerstoff ist zur Holzvergilbung notwendig; höchstwahr- scheinlich findet ein Oxydationsvorgang statt, da die Holzvergilbung durch Anwendung von Oxydationsmitteln nachgeahmt werden kann. 9. Von weiteren Bestandteilen der Luft wirkt Wasserdampf fördernd, Kohlensäure und Ammoniak nicht oder nicht bemerkenswert ein. 10. Die vergilbten Hölzer zeigen andere Farbenreaktionen als die unvergilbten. Die Färbungen mit Eisensalzlösungen und die mit gas- förmigem Ammoniak sind stärker oder schwächer, die Färbungen mit Phloroglucin und Salzsäure sind stets viel schwächer auf den vergilbten als auf den unvergilbten HfHzern. In der Oberfläche mancher Hölzer vermehren sich durch Belichtung die eisenfärbenden Stoffe. 11. Die in den Hölzern enthaltenen Zellulosen, ferner eisenfärbende imd mit Alkalien sich bräunende Stoffe sind an der Holzvergilbung nicht oder nur nebensächlich beteiligt. 12. Die Stärke der Holzvergilbung und die Grösse der Methylzahl steht bei den verschiedenen Hölzern in keinem gleichbleibenden Verhältnis; Zur Holzvergilbimg. 139 ein solches besteht aber zwischen der Stärke der Holzvergilbung und der Tiefe der Färbung mit Phloroglucin und Salzsäure. Dieser letztere Umstand, sowie die Abnahme der Stärke der Holzstoffreaktionen auf vergilbton Hölzern deutet auf eine Mitwirkung jener Stoffe, die bei den sogenannten Holzstoffreaktionen farbenerzeugend wirken, bei der Holz- vergilbung hin; doch lässt sich Bestimmtes darüber vorläufig nicht aussagen. 13. Die mit Phloroglucin und Salzsäure und auch mit anderen Reagentien auf Holzstoff auf den verschiedenen Hölzern erhaltenen Fär- bungen sind an Farbtiefe und Tönung sehr verschieden. Ihre Stärke kann ein relatives Mass für die Vergilbungsfähigkeit der Hölzer geben. 14. Bei Anwendung jener Methoden, welche auf die Farben- erscheinungen der Holzstoffreaktionen quantitative Bestimmungen des Holzschliffs in Papiersorten begründen, muss das verschiedenartige Ver- halten von Holzschliffsorten verschiedener Hölzer berücksichtigt werden. Doch kann vielleicht die Phloroglucinprobe zum Abschätzen der durch irgend welche Holzschliffarten bewirkten Vergilbungsfähigkeit eines Papieres benützt werden. • - 15. Gebleichte Hölzer vergilben ebenfalls. Durch Bleichen mit ammoniakalischem Wasserstoffsuperoxyd werden aus den Hölzern wohl, die Holzfarbstoffe, ferner eisenfärbende und mit Ammoniak sich bräu- nende Stoffe entfernt oder so verändert, dass sie nicht mehr entsprechend reagieren können, nicht aber die Vergilbungsstoffe. 1(3. Die Stärke der Holzstoffreaktion hatte an den gebleichten Hölzern nicht merklich abgenommen. 17. Vermutlich besitzen alle Faserstoffe so lange Vergilbungsfähig- keit, als sie Holzstoffreaktion geben. 18. Ein gleichbleibendes Verhältnis zwischen der Tiefe der Fär- bungen, die auf verschiedenen Hölzern einerseits mit Eisensalzlösungen, andererseits mit gasförmigem Ammoniak entstehen, konnte nicht wahr- genommen werden. 19. Eichenholzspäne färben sich auch bei Ausschluss von Luftsauer- stoff mit gasförmigem Ammoniak rotbraun, doch ist die entstandene Färbung durch verdünnte Essigsäure zersetzbar. Da letzteres bei der Färbung, die bei Anwesenheit von Luftsauerstoff mit Ammoniak auf Eichenholz entsteht, nicht der Fall ist, so ist anzunehmen, dass bei ihrem Zustandekommen Luftsauerstoff mitwirkt. Es scheint somit die alte durch keine Versuche gestützte Ansicht, dass die Bräunung des Eichenholzes mit Ammoniak durch eine Oxydation des Gerbstoffes bewirkt werde, einige Berechtigung zu haben. 140 ^^'- tl. Scliramiii. Zum Vergrauen der Hölzer. Von W. H. Scliramm, Graz. Von den Veränderungen, die geschlagenes Holz im Freien unter den verschiedenartigsten Einflüssen erleidet, ist allbekannt und vielleicht ■darum sehr wenig beachtet jene, die nur an der Oberfläche des Holzes vor sich geht und wegen der hierbei auftretenden Farbe das „Vergrauen" des Holzes genannt wird. Nun hat man in neuerer Zeit von kunst- gowerbhcher Seite dieser Erscheinung einige Aufmerksamkeit zugewendet, indem man nicht nur den mechanischen Erfolg der Ober flächen Verände- rung, das reliefartige Hervortreten des Spätholzes, sondern auch dif^ graue Farbe dekorativ zu verwerten suchte. Ich habe vor einiger Zeit die Methoden, die zur Erreichung des ersteren Zweckes in Anwendung gekommen sind oder vorgeschlagen wurden, zusammengestellt:') es sind dies teils mechanische, teils chemische. Hierbei war es wünschens- wert zu wissen, wie denn die Natur bei der Hervorbringung jener eigen- tümlichen Art von Holzveränderung verfährt. Eine L>urchsicht der mir zugänglichen Literatur führte mich ausser zu einer sehr knappen Schilderung des Vorganges durch Berzelius^) weiter nur zu der umfangreichen Arbeit von Wiesner.^) Da auch von Tubeuf in dem von ihm bearbeiteten Kapitel des von F. Lafar herausgegebenen Handbuches der technischen Mykologie,'^) das von der Zerstörung des im Freien verwendeten rohen oder bearbeiteten Holzes handelt, bei der Besprechung des Vergrauens der Hölzer nur die Wiesnersche Arbeit heranzieht, so ist wohl anzunehmen, dass die •durch Wiesner über den Vorgang des Vergrauens uns vermittelten Kenntnisse bis heute die einzigen geblieben sind, die wir darüber be- sitzen. Die mechanischen Vorgänge beim Vergrauen und ihre Ursachen ') Über das Ätzen des Holzes. (Mitteihmgen des mährischen Gewej'be- museums in Brunn 1905, No. 9, S. 137). 2) Lehrbuch der Chemie. 3. Bd., 1. Abt., 1827, S. G03. (Aus dem Schwe- dischen übersetzt von Wo hl er.) 3) Über die Zerstörung der Hölzer an der Atmosphäre. (Öitz.-Bericht der K. Akad. d. Wissenschaft, 49. Bd., 18()4, S. Gl). 4) Jena 1905. Zum Vergrauen der Hölzer. 141 hat Wiesner eingehend erörtert, nicht so sehr hingegen die Ursachen für das Zustandekommen jener eigentümhchen grauen Färbungen. Das für letzteres in Betracht kommende Hauptergebnis seiner Untersuchungen spricht Wiesner mit den Worten aus: „Diese licht- bis dunkelgraue Schicht des Holzes besteht aus Zellen, welche durch die atmosphärischen Niederschläge ausgelaugt, ihrer Infiltrationsprodukto ganz oder zum grossen Teile beraubt wurden, so zwar, dass die zurückbleibenden Membranen bloss aus chemisch reiner oder nahezu chemisch reiner Zellulose bestehen." Das vergraute Holz wäre demnach mit einer Schicht, ,, einem haarigen oder wolligen Überzug" von z. T. halbfrei- gelegten Pasern bedeckt, deren stark durchscheinende Zellmembranen farblos sind. Versucht man nun diesen Überzug künstlich nachzuahmen, indem man verschiedene Hölzer mit möglichst dünn g.'schabtem Seidenpapier bedeckt, so ergibt sich die Tatsache, dass durch einen solchen Überzug nur die fast weissen oder hellsilbergrauen bis lichtgrauen Färbungen, die man mitunter an vergrauten Hölzern wahrnehmen kann, zustande kommen können. Die durch unzählige Lichtbrechungen uns weiss erscheinende Schicht farbloser Fasern mag zum Teil die Wirkung eines trüben Mittels vor dunklem Hintergrund ausüben, wodurch die Farben des Untergrundes nach blau abgestimmt werden und aus den gelblichen bis bräunlichen Farbtönen der Hölzer graue Töne entstehen. Hierbei spielt dann die dem Vergrauen stets vorhergehende Vergilbung oder Bräunung der Hölzer durch Vertiefung der Untergrundfarbe eben- falls eine Rolle. Für das Zustandekommen der viel häufigeren mittel- bis dunkel- grauen oder graubraunen Färbungen müssen wir also noch nach andei'on Ursachen ausblicken. Auch hier weist uns Wiesner einen Weg durch die Angabe, dass häufig „Sporen von Pilzen oder Flechten" in das ,, Innere der vergrauten Zellen" gelangen, ja dass ,,bei all zu reichlicher Entwickelung von Pilzen die Sporen und Myzehen derselben auch in noch unvergraute Zellen eindringen und dann eine andere Zerstörungsart des sich hierbei schw^ärzenden Holzes hervorrufen". In den vergrauten Schichten kann man in der Tat überaus häufig ein dunkelgefärbtes Pilzmyzel wahrnehmen. Die graue Farbe solcher Hölzer käme dann z. T., ähnlich wie bei pointillierten Mischfarben, durch Addition von unzähligen braunen, hellgrauen und weissen Farben- eindrücken zustande. Betrachtet man indessen vergraute Hölzer im Mikroskop, zunächst vielleicht am besten nur bei sehr massiger Vergrösserung im auffallenden Lichte, so wird man finden, dass in den allermeisten Fällen die oberfläch- lichen Schichten von Holzfasern, die nach Wiesner aus reiner oder fast 1^2 ^^ • H. Schrainni. reiner Zellulose bestehen — ich will sie kurz als ,, Zellulosefasern" bezeichnen — , selbst eine hell- bis dunkelgraue Farbe besitzen, dass sie nur bei fast ,,silberweissen" Hölzern weiss sind, während bei dunkler vergrauten Hölzern farblose Fasern oder w^eisse FilzflTickchen nur stollen- weise und häufig auch gar nicht erblickt werden krtnnen. Die Zellulosoiasern, die wie mit einem grauen Farbstoff gefärbt erscheinen, verursachen hier offenbar hauptsächlich den graufarl)igen Eindruck, wenn auch die vorher geschilderten Ursachen unzweifelhaft ebenfalls mitwirken. So erhält man aus mittelgrauem Holz durch ge- eignete Entfär)>ung der Zellulosefasern natürlich nicht bräunliches, sondern hellsilbergraues Holz. Aber auch das unter den Zellulosefasern liegende unversehrte Holz erscheint manchmal grünlich- oder bräunlichgrau, also anders gefärbt wie das nur vergilbte oder gebräunte Holz, dessen Farbe dann zum Vorschein kommt, wenn man durch Entfärbungsmittel die grünlichgrauen oder bräunUchgrauen Färbungen zerstört hat. Ich konnte dies an mehreren vergrauten Holzarten gut wahrnehmen, nachdem durch kräftiges Bürsten unter Anwendung von Wasser oder auch durch Schaben des nassgemachten Holzes mit einem Messingspatel die Zellulosefasern entfernt worden waren. Es entsteht nun die Frage, auf welche Weise die geschilderten Färbungen der Zellulosefasern und des unter diesen liegenden un- versehrten Holzes zustande kommen k/innen. Bei gelegentlicher Betrachtung von Bretterzäunen aus Fichtenholz war mir auf- gefallen, dass die Vergrauung an den Nagelköpfen ihren Ausgangs- punkt zu nehmen schien. Die Vermutung war da höchst nahe- liegend, dass Eisen bei der Vergrauung irgendwie mitwirke. Ich will nicht leugnen, dass meine Kenntnis davon, dass man eben mit Eisensalzlösungen Hölzer grau färben kann, mich in dieser Vermutung bestärkte. Leider stand mir nur Fichtenholz zur Verfügung, das in der Um- gebung der Nagelköpfe graugrün bis braungrau gefärbt war. Bildung von Zellulosefasern w^ar l)ei diesem noch nicht eingetreten, da die Holz- proben die Reaktion mit Phloroglucin und Salzsäure fast stärker als das nicht grau gefärbte, sondern nur vergilbte Holz desselben Brettes gaben (aber natürlich doch viel schwächer als innen liegendes Holz aus demselben Brett). Bestreicht man irgend eine Holzart mit einer konzentrierten Eisen- vitriollösung, so entsteht bekanntlich eine je nach der Holzart verschiedene graue Färbung, die mit einer wässerigen Lösung von Oxalsäure wieder abgezogen werden kann. Ich will diese Färbungen, die mit Eisensalz- lösungen auf Hölzern entstehen, kurz als Eisengrau bezeichnen. Stellt man solche Eisengrau's etwa aus Tannin oder ähnlichen Stoffen und Zum Vergrauen ie Frage nach der Herkunft des Eisens bietet gar keine Schwierig- keiten. Dort, wo Nägel im Holze stecken, können diese als Quelle für das Eisen angesehen werden. Die Eisenlösung, die sich durch Ein- wirkung der Nässe auf die Nägel bildet, wird nicht nur durch elas Herabrinnen der Flüssigkeit über die Oberfläche des Holzes, sondern offenbar auch durch Membrandiffusion im Holze verbreitet. Man kann dies daraus schliessen, dass die graugefärbten Holzteile nicht nur unttM-- halb, sondern auch oberhalb der Nagelköpfe zu finden sind, und dass auch dort, wo das Holz mit den Längsseiten wagorecht angebracht wurde, die grauen Stellen sich in der Längsrichtung der Fasern weiter ausdehnen, als quer zu derselben. Im späteren Stadium der Vergrauung, in dem das Holz bereits mit einem Filz von Zellulosefasern bedeckt ist und infolgedessen Flüssig- keiten gierig aufsaugt und auf seiner Oberfläche verbreitet, bietet der Gedanke an die BeffUxlerung der Eisenlösung gewiss gar keine Schwierig- keiten mehr. Durch diese starke Wasseraufsaugefähigkeit erklärt sich auch z. T. die Erscheinung, dass vergraute Hölzer im nassen Zustande verhältnismässig viel dunkler erscheinen als unvergraute. Das Wasser dringt tiefer in das Holz ein und die Schicht, innerhalb welcher Licht nicht reflektiert wird, ist viel tiefer. Hierzu kommt nun allerdings noch der Umstand, dass der Filz von Zollulosefasern im trockenen Zustande weit mehr weisses Licht zurückwirft als die Oberfläche unvergrauten Holzes, im nassen Zustande aber überhaupt fast keines, da alle Zwischen- räume mit einer Flüssigkeit ausgefüllt sind, die das Licht fast ebenso bricht, wie die Zellulosefasern. Eine zweite Quelle für das Eisen ist dann der Staub; dass dieser an allen Orten Eisen enthält ist wohl sicher. Der starke Eisengehalt des auf den Hölzern liegenden Staubes wurde auch wiederholt nach- gewiesen. Schliesslich wäre daran zu denken, dass auch das in dem Holz selbst enthaltene Eisen durch chemischen Abbau der Holzfasern zur Wirkung gelangen könnte. Ob letzteres stattfindet oder nicht, Hesse sich nur dadurch mit Sicherheit entscheiden, dass man Hölzer unter sorgfältigem Ausschluss alles von aussen kommenden Eisens vergrauen liesse. Der Umstand, dass es vergraute Hölzer gibt, die fast weiss sind und erst nach Bestreichen mit Eisensalzlösungen sich grau färben. Zuiu Vergrauen der Hölzer. 145 spricht auch nicht unbedingt dagegen, da sie vielleicht nur sehr wenig „maskiertes Eisen" enthalten, das nach dem chemischen Abbau der Holzfasern in Wirksamkeit treten könnte. Durch den allgemeinen Nachweis des Eisens in den Oberflächen- schichten vergrauter Hölzer wurde die Möglichkeit sehr nahe gerückt, dass sowohl die graue Färbung der Zellulosefasern als auch die grün- lich- bis Ijräunlichgraue des unter diesen befindlichen unversehrten Holzes durch Eisen bewirkt wird, das mit einigen in den Hölzern vor. kommenden eisenfärbenden Stoffen sich verbindet. Hierfür sprechen auch noch einige andere Umstände, so z. B., dass diese „Eisentinten" eine sehr starke Pärbekraft besitzen, also nur sehr wenig Eisen not- wendig ist, und ferner, dass es mit Leichtigkeit gelingt, jene ver- schiedenen grauen Färbungen nachzuahmen, indem man fllr das unver- sehrte Holz vergilbte oder gebräunte Hölzer mit Eisensalzlösungen be- streicht, für die Zellulosefasern, indem man Watte mit Tanninlösung vor- beizt und nach dem Auswaschen mit Eisensalzlösung tränkt. Aber der unbedingt sichere Beweis für den ursächlichen Zusammenhang des Vor- kommens von Eisen und der grauen Färbung von Zellulosefasern und Holz ist damit noch nicht erbracht. Es könnten ja die Bedingungen für das Vergrauen des Holzes und die Ansammlung von Eisen an der Oberfläche ganz zufällig zusammentreffen. Auch der ursächliche Zu- sammenhang könnte in anderer Weise stattfinden, etwa indem das Eisen beschleunigend bei der Vergrauung mitwirkt oder vielleicht im Lebensprozess von Mikroorganismen, die die Vergrauung beschleunigen, eine fördernde Rolle spielt. Bei der Umwandlung von Zellulose in Oxy- zellulose kann Eisenoxyd bekanntlich als Sauerstoftuberträger wirken, und es wäre noch zu prüfen, ob die Zellulosefasern nicht zum Teil aus Oxyzellulose bestehen. Ferner wurde von Friedrich Kuhlmann ^) schon frühe die seither auf andern Gebieten so oft bestätigte sauerstoffüber- tragende Wirkung des Eisenoxydes als die Ursache einer von ihm l»eob- achteten stellenweise sehr tief gehenden Zerstöirung der hölzernen Planken einer SchitTsbekleidung wahrscheinlich gemacht. Und hält man diese Erfahrungen zu der von mir gefundenen Tatsache des ganz allgemeinen Vorkommens von Eisen in den vergrauten Ober- flächen der Hölzer und zwar fast durchaus als Eisenoxyd, so kann man der höchst naheliegenden Vermutung, dass das Eisenoxyd — auch abgesehen von der wahrscheinlichen Erzeugung der grauen Färbung — bei der Vergrauung der Hr)lzer fördernd einwirkt, mindestens grosse Wahrscheinlichkeit zusprechen. M A. a. O. Ferner ist zu vergleichen eine Ahhaadlung von Herve Mangon in Comptes rendus, Aug. 1859, No. 9. — Dinglers Polyt. J. CLV, S, 'S. .Tahresbeiicbt der Vereinigung für angewandte Botanik IV. 10 146 ^^ • "• •'"^L'liramm. Der analytische Nachweis für das Vorhandensein von Eisengrau kann eben leider nicht in voller Strenge erbracht werden, da alle Reaktionen hierbei wieder auf Flisenreaktionen hinauskommen, sich also nur auf den einen Bestandteil bi^ziehen. Die aus den Hölzern stammen- den organischen Stofle sind viel zu wenig bekannt, um analytisch mit Sicherheit nachgewiesen werden zu können, und ihre wichtigste Reaktion, nach der man sie gerade als „eisenfärbende Stoffe" ') zusammen- fassen kann, ist hier vorweggenommen. Ich will von den zahlreichen Versuchen, die ich ausführte, hier nur diejenigen anführen, die für meine Untersuchung als typisch gelten mögen oder allgemeines Interesse haben dürften. Es sei bemerkt, dass die meisten Reaktionen makroskopisch ausgeführt wurden. Von den vergrauten Hölzern waren einige, die ich der Gefälligkeit des Herrn A. Jungl in Graz verdanke, aus dem Grunde für die Unter- suchung sehr günstig, weil sie unter einem kleinen und engen Vordach so aufbewahrt worden waren, dass sie mit den Enden in das Freie ragten. Hier, wo die Witterung und eisenhaltiger Staub auf sie ein- wirken konnten, waren sie stark vergraut, während die geschützt liegen- den Teile meist nur graubraun oder grünlichbraun geworden waren. Dementsprechend gaben die vergrauten Teile die Reaktion mit Phloro- glucin und Salzsäure nicht mehr oder nur sehr schwach, während di(^ graubraunen Teile noch mehr oder weniger reagierten, doch natürlich viel schwächer als Holz aus dem Innern der Stücke. Die Reaktion mit Eisenvitriollösung fiel sehr verschiedenartig aus. je nachdem vorhanden gewesener oisenfärbender Stoff durch die \Vitti>- rung ausgelaugt oder verändert oder vielleicht zur Bildung von Eisen- grau bereits verbraucht worden war oder sich (in den graubraunen Teilen des Holzes) neu gebildet oder angesammelt hatte. Selbstverständ- lich wurden die entstandenen Färbungen erst dann beurteilt, nachdem sie durch die rasche Oxydation des Eisenoxydulsalzes durch den Luft- sauerstoff' ihre möglichste Tiefe erlangt hatten. Auf den vergrauten Teilen war eine gewisse Sättigung mit Eisen dadurch wahrzunehmen, dass die Färbung sieh mit Eisenvitriol meist nur wenig erhöhte und dabei bräunlicher wurde. Man kann das ver- schieden erklären, entweder aus dem Mangel an eisenfärbenden Stoff"en oder aber durch die Annahme, dass etwa vorhandene eisenfärbende Stoffe bereits zur Bildung von Eisengrau verbraucht worden waren. Die mit Eisenvitriol erzielten Eisenfärbungen wurden stets mit den auf dem unveränderten Holz hergestellten Färbungen verglichen. 1) Fr. Ueinitzer. Der GerbstuFfbcgriff. (Lotos 1891, Neue Folge Bd. XP.. Zum Vei-p,rauen der Hölzer. 147 Die Prüfung auf Eisen wurde in der Weise ausgefülirt, dass die Holzal)Sclinitte mit verdünnter Salzsäure einige Stunden bei gewölinliclier Temperatur ausgezogen wurden. Die Lösung wurde dann abgegossen, mit Wasser etwas nacligewasclien und dann Real\tionen auf Eisenoxyd gemaclit. Der Nacliweis von Eisenoxydul, der wiederholt, aber erfolglos versucht wurde, hätte übrigens auch nur geringen Wert gehabt, da Eisenoxydullösungen mit eisenfärbenden organischen Stoffen w^ohl meistens keine Fällungen geben.') Es ist begreiflich, dass die Tiefe der durch die Eisenoxydreaktionen entstandenen Färbungen nicht sehr viel grösser ist, als die Tiefe der Graufär))ung, da auch die Eisengraureaktionen zu den empfindlichsten Reaktionen auf Eisenoxyd zählen.^) Durch Wägung der Holzabschnitte und Messung der zugesetzten Flüssigkeitsmengen wurde die Möglichkeit hergestellt, die Ergel)nisse mit Sicherheit vergleichen zu können. Sowohl bezüglich des Eisengehaltes als auch der mit Salzsäure allein eintretenden Färbungen wurden stets Paralieh'ersuche mit aus dem Innern der Holzstücke stammenden Holz- teilen gemacht. Bei den Versuchen mit Oxalsäure wurden die Holzteile mit kalt gesättigter wässeriger Lösung einmal aufgekocht und stets Parallel- versuche mit reinem Wasser an Stelle der Oxalsäurelösung ausgeführt. Auch wairden zu weiteren Vergleichen manchmal aus dem Innern der Holzstücke genommene Abschnitte mit Oxalsäurelösung und mit Wasser gekocht. Holz der Fichte, Picea eoccelsa (Lam.) Lk, Das Holz wurde zunächst mit einer Bürste und viel Wasser kräftig gei)ürstet Nachdem es wieder trocken geworden war. wurden mit einem Bronzemesser die vergrauten Schichten abgehoben und ebenso dem Innern des Holzes Späne entnommen. Gleiche Gewichtsteile der Späne wurden mit den gleichen Mengen Salzsäure (Spez. Gewicht 1,U) in der Kälte ausgezogen, nach vier Stunden die gleiche Volummenge Wasser hinzugesetzt, durchgeschüttelt und von den Spänen abgegossen. In dem Auszug der Holzspäne aus dem Innern konnte mit Ferri- cyankalium kein Eisenoxydul und, nach Oxydation mit Salpetersäure oder 1) Zu vergleichen ist Herve Mangon a. a. O. und ferner H. Rose und R. Finkaner, Handbuch der analytischen Chemie, (i. Aufl. 1867. l.Bd., 8. 247. 2) A. Wagner, Über Empfindlichkeitsgrenzen einiger Reaktionen auf Eisen und Kupfer. (Z. f. analyt. Chem. XX, S. 349). 10* ]^48 ^^ • ^- Schramm. auch mit Bromwasser, mit Ferrocyankalium und Kliodankaliuin auch lie abgeschabten Holzfasern wurden auf dem Objektträger etwa eine Stunde lang in eine 2"/o Lösung von Ferrocyankalium eingelegt und dann iC^/o Salzsäure hinzugefügt. Da die Blaufärbung meist erst nach einiger Zeit deutlich wurde, war (nach Molisch) zu befürchten, dass durch Einwirkung der Salz- säure auf Ferrocyankalium Ferrocyanwasserstolfsäure gefällt würde, die sich dann oxydierte. I)och konnte an eisenfreien Filtrierpapierfasern, die der gleichen Behandlung unterzogen worden waren und unter dem- selben Deckglas wie die Holzfasern lagen, niemals, auch nicht nach Stunden, eine Blaufärbung wahrgenommen werden. Es zeigte sich, dass bei verschiedenen Hölzern nicht alle Fasern 1) Die Pflanze in ihren Beziehungen zum Eisen. 1892. Zum Vergrauen der H()lzer. 151 eine blaugriine Färbung annahmen, also einige gewiss kein Eisengrau enthielten ; es waren das offenbar jene Fasern, die bei der Betrachtung im auffallenden Lichte besonders weiss erschienen. Manchmal konnte man vereinzelte sehr tief blau gefärbte Bröckchen wahrnehmen, vielleicht Staubkörnchon, die trotz sorgfältiger i^einigung der Holzoberfläche zurückgeblie])en waren und infolge ihres Eisengehaltes mit Ferrocyankalium und Salzsäure viel Berlinerblau auf sich nieder- geschlagen hatten. In der Nähe dieser blauen Briickchen waren die Fasern meist stärker blaugrün gefärbt. An solchen Stellen mag das Berlinerblau von den Brrickchen auf die Fasern übertragen worden sein. Doch kann man dadurch nicht etwa überhaupt die Färbung der Fasern erklären, da solche, die weital) von den blauen K'lümpchen lagen, eben- falls gleichmässig grünlichblau gefärbt waren, wähi-end die Flüssigkeit und die Filtrierpapierfasern ungefärbt blieben. Die Färbungen der P'asern sind, wie vorausgesehen, meist sehr schwach, vergraute Fasern werden grün oder blaugrün, vergilbte oder gebräunte oder solche aas dem Innern des Holzes färben sich nicht. Sehr hübsch lässt sich die gleiche Reaktion makroskopisch auf den vergrauten Hiilzern selbst ausführen. These färben sich, mit 10 "/^ Salzsäure und gleich nachher mit 2'7o Ferrocyankaliumlr.sung bestrichen, grün bis blau. Ich bin mir wohl bewusst, dass mit den geschilderten Reaktionen alle möglichen Beweise für das Vorhandensein von Eisengrau bei ver- grauten Hölzern noch nicht erbracht sind. Es kiinnte die Untersuchung- einerseits auf mikroskopische Schnitte ausgedehnt werden und anderer- seits versucht werden, das Zustandekommen des A'ergrauens unter ver- schiedenen, künstlich hergestellten Bedingungen zu beobachten. Da mir zu einer derartigen weiteren Portsetzung der Versuche die Zeit mangelt, muss ich mich damit begnügen, auf bisher nicht bekannt gewesene, mit Wahrscheinlichkeit bei der Vergrauung der Hölzer mitwirkende Vorgänge hingewiesen zu haben.') Diese Hinweise mögen im folgenden noch einmal zusammengefasst sein. ') Aufbewahrter, nasser Holzschliff verfärbt sich manchuial in das Blau- graue. (E. Müller und A. Haussner, Die Herstellung tind Prüfung des Papieren, S. 1409.) Diese Färbung soll ebenfalls eine „Eisenreaktion-' sein. E. Muth bezeichnet „Gerbstoffe" (Dinglers Polyt. Journ. CCXCI, S. 2.35), Klemm (Handbuch der Papierkunde [1904],: Müller und Hau.ssner, S. 1676) „Eisen- seifen" als die Ursachen der Vergilbung „holzstofffreier" (holzschlifffreier) Papiere. Auch E. Hojer (Die Fabrikation des Papieres [1887] S. 2:5) bespricht die Rolle des Eisens bei der Papiervergilbung, doch im zweit ei lulen Sinne. j^2 ^^- H- Schramm. Die Farben vergrauter Hölzer kommen durch verschiedene Ursachen zustande, die aber häufig zusammenwirken. 1. Eine Schicht farbloser Fasern, die nach Wiesner aus Zellulose bestehen, wirkt als trübes Mittel vor dunklem Hintergrunde, wodurch die gelblichen oder bräunlichen Farbtrme der unter den „Zellulosefasern" liegenden, vielleicht auch noch vergilbten oder gebräunten Holzteile nach blau abgestimmt werden. Ver- graute Hölzer geben die Reaktion mit Phlorogluciu und Salz- säure nicht oder nur sehr schwach, vergilbte oder gebräunte geben sie hingegen meistens noch sehr deutlich. 2. Pilze oder Flechten, die fast immer in der Oberflächenschicht vergrauter Hölzer sich vorfinden, verursachen unzählige braune Farbeneindrücke, die in Verbindung mit ebenfalls unzähligen durch die Zellulosefasern verursachten weissen oder hellgrauen Farbeneindrücken schliesslich einen graufarbigen (iesamteindruck hervorbringen. 3. Durch Eisen sind die Zellulosefasern sehr häufig grau, das unter ihnen liegende Holz grünlichgrau bis bräunlichgrau ge- färbt. Die grauen Färbungen kommen dadurch zustande, dass Eisen, das entweder aus den in den Hölzern steckenden Eisenteilen oder aus eisenhaltigem Staub durch die atmosphärischen Nieder- schläge auf der Holzoberfläche verbreitet wurde oder aus dem Holzo selbst stammt und durch chemischen Abbau der Sub- stanzen der Holzfaser reaktionsfähig wurde, mit den in den Hölzern enthaltenen eisenfärbenden Stoffen grau gefärbte Ver- bindungen eingeht. Dies wird wahrscheinlich gemacht durch folgende Feststellungen: a) Die Vergrauung nimmt bei Hölzern, die Eisenteile enthalten, von diesen ihren Ausgangspunkt. b) Die grauen P^ärbungen können nachgeahmt werden durch Bestreichen der Hölzer mit Eisensalzlösungen. In den Fällen, wo erst durch Belichtung in den Hölzern eisenfärbende Stoffe entstehen oder sich ansammeln, müssen dazu vergilbte oder gebräunte Hölzer genommen werden. c) In allen vergrauten Holzoberflächen wurde Eisenoxyd nach- gewiesen, in nur vergilbten oder gebräunten Hölzern hingegen nicht oder nur in verhältnismässig weit geringeren Mengen. Erstere werden durch Oxalsäurelösung entfärbt, letztere nicht. d) Die färbenden „Eisentinten" haben sehr grosso Färbekraft; es genügt also sehr wenig Eisen zum Zustandekommen von Zum Vergrauen der Hölzer. I53 Eisengrau. Die in einigen Fällen in Holzoberflächen bestimmten Eisenmengen wurden hierfür für ausreichend gefunden. Da das Eisen fast durchaus als Eisenoxyd in den vergrauten Holzoberflächen vorkommt, so kann man der Vermutung, dass Eisen auch, abgesehen von der wahrscheinlichen Erzeugung der grauen Färbung bei der Vergrauung der Hr)lzer, durch Sauerstoffübertragung fördernd einwirkt, mindestens grosse Wahrscheinlichkeit zusprechen. Eichenholz kann, wie ich entgegen den Angaben der Literatur gefunden habe, ebenfalls vergrauen. 154 W. }I. Schramm. Zu den Farbenangaben bei Hölzern. Von W. H. Solirainiii, Graz. Die Farbe ist eine der wichtigsten technisrlien Eigenschaften 'ier Hölzer, die oft geradezu entscheidend ist für die Brauchbarllz braun. E)as findet nun einerseits seinen Grund wohl darin, dass die Farben verarbeiteter Hölzer durch Vergilbung und Bräunung sich immer ähnlicher werden und auch Gewerbe und Industrie durch Braunfärben der Hölzer einer solchen Gleichmachung bewusst oder unbewusst zustreben; anderseits hat bei dem Zustandekommen der Holzfarbtöne die Xatur eben auch, wenn man so sagen darf, braun in braun gemalt. Sehr deutlich wird dies sicht- bar, wenn man die Holzfarbtöne unter Anwendung einer Farbenskala zu bestimmen sucht. Auch J. Klaudy^) sagt darüber: „I»ie Naturholztöne erweisen sich als innerhall) merkwürdig enger Grenzen befindlich." Durch diesen Umstand wird die Erscheinung erklärt, dass die Holzfarb- töne häufig objektiv ganz unrichtig geschildert werden. In dem Be- streben, geringe Unterschiede, die meist im Hinneigen zu einzelnen be- stimmteren Farben bestehen, herauszuheben, werden diese überschätzt oder übertrieben geschildert, von dem bräunlichen Grundton wird ab- strahiert, und Hölzer w^erden für „gelbrot", „gelb", „orange", ,,rot", ..violett- rot", ,, dunkelviolett" erklärt, die wirklich gar nicht diese reinen Farbtöne sondern nur Mischtöne derselben mit braunen oder grauen aufweisen. Wie sehr dies manchmal der Fall ist, davon kann man sich leicht über- zeugen, wenn man Hölzer, denen reine Farbtöne zugeschrieben werden. Vereins oder A-^ersuch und Muster einer gemeinnützigen Bestimmung und Be- nennung der Farben" von J. Ch. Schaff 1er. Ferner veröffenthchte E. Che vreul ein „Verfahren um die Farben der Körper nach einer rationellen und experi mentellen Methode zu bestimmen und zu benennen". {Dinglers Polyt. Journ. CXXI, S. 367.) Zu vergleichen ist auch A. Hof mann, Farbensystem. (Chein. Ztg. XXV, S. 155-157. — Chem. Cbl, 1901, 8. 1—708). 2) Über ein einfaches Verfahren zur Herstellung beliebiger Farbtr»ne auf Holz, Papier etc. und ein Vorschlag zur Benennung t)eliebiger Farbtrme. (V^ortrag gehalten im niedei'österreichischen Gewerbeverein am 5. Dezember 1902.^) 3) A. a. 0. S. 9. J56 ^- ^- Schlamm. mit solchen vergleicht, die jene Farbtöne wirklich aufweisen. Man er- hält letztere, wenn man sehr helles Ahorn- oder Lindenholz, das man vorher vielleicht auch noch gebleicht hat, mit Teerfarbstofflösungen oder sehr dünnen Aquarellfarben bestreicht. Es wäre wünschenswert, dass jeder Sammlung von Hölzern, die zu Studienzwecken dienen soll, eine Anzahl solcher gefärbter Hölzer beigegeben werde, um zur Bescheiden- heit in der Anwendung reiner oder hoher Farben zur Schilderung der Holzfarbtöne zu mahnen. Ein sehr ähnlicher Fehler wird manchmal begangen, wenn es sieh um die Kennzeichnung der Helligkeitsunterschiede handelt. Es weisen weit weniger Hölzer mittlere oder gar dunkle Färbungen auf, als man nach den Angaben der Literatur vermuten könnte. Auch auf die störende Wirkung des Glanzes bei der Beurteilung von Holzfarbtönen wäre noch hinzuweisen. Es kann vorkommen, dass dieser zur Farbe gerechnet wird. Die Oberflächen gespaltenen, ge- hobelten, geschliffenen Holzes unterscheiden sich wesentlich. Durch das Schleifen werden alle Hölzer etwas mehr grau. Vielleicht bleibt manchmal von dem angewendeten Schleifmittel etwas in der Holzober- fläche zurück. Geschliffenes Ahornholz bekommt einen violetten Schimmer. Hölzer, die eisenfärbende Stoffe enthalten, bekommen auch im lufttrockenen Zustand durch das Hobeleisen oder die Ziehklinge leicht einen etwas geänderten Farbton. Werden die Hölzer nun gar poliert oder gewachst, so treten noch andere optische Erscheinungen auf, die störend wirken können; von ihnen soll später noch die Rede sein. Viele Hölzer zeigen ein sehr lebhaftes Farbenspiel, Frühholz und Spätholz sind anders gefärbt. In solchen Fällen bleibt nur übrig, eine sehr eingehende Schilderung der Farben der einzelnen Holzteile zu entwerfen. Daneben soll aber doch der Hauptfarbton angegeben und gleichzeitig vom Glanz abstrahiert werden. Mein Vorschlag geht dahin, zu diesem Zweck nicht die Farbe der Holzoberfläche, sondern die einer Schicht von frisch hergestellten Säge- oder Raspelspänen oder etwa auch die Farbe eines nicht geglätteten frischen Hirnschnittes zu beurteilen. Kann das Eisen der Werkzeuge auf die Farbe ver- ändernd einwirken, so müssen solche aus anderen Metallen genommen werden.*) Alle Schwierigkeiten bei der Angabe von Holzfarbentönen werden 1) Eisen, das voii den Werkzeugen auf die frische Schnittfläche gelangt ist, lässt sich nachweisen, indem man diese mit 10% Salzsäure bestreicht und etwas später, nachdem die Farben Veränderung des Holzes durch die Salzsäure beendigt ist, einige Tropfen einer 2"/o-L()Sung von gelbem Blutlaugensalz auf die mit Salzsäure benetzte Stelle brinsrt. Zu den Farbenangal)en bei Hölzern. ■ ^57 noch bedeutend durch den Umstand gesteigert, dass die Farbe der Hölzer an denselben Stücken nicht unveränderlich ist, einen Umstand, auf den in der Literatur wohl gelegentlich hingewiesen wird, dem al^er bisher viel zu wenig Beachtung geschenkt wurde, namentlich nicht in jener bewusst methodischen Weise, die bei wissenschaftlichen Angaben uner- lässlich ist. Von dem Augenblick an, wo das Holz aus dem Innern des Baumes an das Tageslicht kommt, macht es eine Reihe von Farbenveränderungen durch, die durch Zustandsänderungen des Holzes bedingt sind. Je nach dem Zustand kann die Farbe etwas oder auch stark von der Farbe des ursprünglichen Zustandes, also der Farbe des frisch geschlagenen Holzes, abweichen, so dass es also notwendig erscheint, den Farben- angaben auch Angaben des Zustandes, für den sie galten, anzufügen. Nun sind in der Literatur solche Angaben wohl zu finden, aber meistens sind es nur gelegentliche Hinweise, oder es wird in allgemeinen Kapiteln über Farbenveränderungen gesprochen, bei den einzelnen Hölzern aber dann nicht die notwendige Anwendung gemacht. Häufig wird stillschweigend vorausgesetzt, dass die Farbenangaben lufttrockene Hölzer betreffen. ^lanchmal werden dann allerdings irrtümlich Grün- holzfarben dafür eingesetzt. So kommt es auch, dass in Bestimmungs- tabellen für Hölzer nicht mit einem einzigen Worte erwähnt wird, ob die Farbenangaben Grünholz oder lufttrockenes Holz betreffen und dergleichen mehr. Streng genommen sind es vier verschiedene Zustandsarten, in welchen das Holz vorliegen kann. 1. Grün, unmittelbar nach der Fällung. 2. Grün, nachdem das Holz einige Zeit der Luft und etwa auch dem Licht ausgesetzt gewesen war. 3. Lufttrocken, frische Schnittfläche. 4. Lufttrocken, nachdem das Holz einige Zeit der Luft und etwa auch dem Licht ausgesetzt gewesen war, also dann im mehr oder minder vergilbten oder gebräunten Zustand. Allenfalls könnte man poliertes oder gewachstes Holz als eine fünfte Zustandsart bezeichnen. H. Nördlinger unterscheidet in seinem 1890 erschienenen Büchlein „Die gewerblichen Eigenschaften der Hölzer" (Stuttgart) dreierlei Parben- zustände, ,, denjenigen des saftreichen Grünholzes am Stock der Bäume, den des halbwelken Holzes und den des lufttrockenen." Ich will nun nicht behaupten, dass jedes Holz in jedem der vier oder fünf möglichen Zustandsarten eine verschiedene Färbung aufweist, aber sehr häufig kommt dies (sben doch vor, viel häufiger und viel all- 158 ^\'. Jl. Sciiraiiiin. gemeiner als man nach den Avenigen Angaben, die sich in der Lireratur vorfinden, vermuten möchte. Als sehr beliebtes Beispiel, um daran die Farltenveränderimgen der HiUzer aufzuweisen, wird vielfach das Holz der Schwarzerle, Älnus glutinosa Gaertn. herangezogen. Ich setze die Farbenangaben einiger wichtigen Werke darüber her: ,,Die technischen Eigenschaften der Hölzer" von Dr. H. Xördlinger (1860), S. 47: ,,Die eigentümliche Farbe des grünen Holzes bildet sich häufig erst an der Luft aus, so die des Erlenholzes, das auf dem frisciien Schrot nur fleischrot sieht, nach '/2 Stunde aber stark gelbrot,'* und S. 511: ,, Grünorange, trocken hellrot." ,,Die gewerblichen Eigenschatten der Hölzer" von l)i'. II. Xörd- linger (1890), S. 6: ,, Fleischrot, dann gelbrot und endlich braunrot." .,Die RohstofTe des Pflanzenreiches" von Dr. J. Wiesner, 2. Aufl., Bd. II, S. 36: ,,Das Holz der Erlen z.B., im Innern des Stammes weiss- lich. wird unter dem Einflüsse der Luft, namentlich am Querschnitt frisch gefällter Bäume, rasch mehr oder weniger rot," und S. 886: ,,Holz rcUlichweiss bis gelbrot." ,, Forstliche Botanik" von fJr. Frank Schwarz (1892), S. 478: Älnus glutinosa. Das frische Holz sieht weiss aus, beim Liegen wird es rötlich " Versucht man diese Angaben zur Kennzeichnung der Farben, die Erlenholz in den vier bis fünf verschiedenen Zustandsarten annehmen kann, zu verwenden, so ergibt sich folgendes: Nach Nördllns-oi Aus „Die Roh- stoffe des Pflanzen- reiches" 1. Grün unmittelbar nach Fleischrot S. 47; der Pälluns; Orange S. 511 Weisslich 2. Grün, nach Einwirkung von Licht und Luft 3. Lufttrocken, frische Schnittfläche Gelbrot 4. Lufttrocken, nach Ein- wirkung von Licht und Luft Hellrot oder rotbraun Mehr oder weniger rot Nach eigener Beobachtung Bräunlich- orange Rötlich weiss bis ü-elbrof.' Sehr helles, bräunliches Geli)rosa 5. Lufttrocken, frische Schnittfläche poliert Bräunlichgelb orange Bräunlich- orange Zu den Falbenangaben bei Hölzern. 159 Die Angaben der Forstbotanik sind niclit sicher einzureihen. Als weiteres Beispiel möchte ich nur noch auf das Holz der Schwarznuss, Jiigkms nigra L., hinweisen. Von ihm wird angegeben, dass es „dem Holz des gemeinen Nussbaumes ähnlich sei. doch mit lebhafter braunem, oft etwas violett oder rötlich getöntem Kern". Diese violette oder rötUche Tönung ist aber nur an frischen Schnittflächen des lufttrockenen Holzes wahrzunehmen; werden diese einige Tage der Einwirkung von Licht und Luft ausges(^tzt, so ver- wandelt sich die Farbe, die man etwa als karmingrau bezeichnen könnte, in ein reines, warmes Braun. Die Farben des grünen Holzes sind bisher noch nicht verzeichnet. Leider ist über das Wesen d e r F a r b e n v e r ä n d e r u n g e n der Hölzer fast nichts bekannt. In vielen Fällen sind gewiss chemische Verände- rungen die Ursache. Ob solche auch für die Umwandlung der Grün- holzfarbe in die Trockenfarbo anzunehmen sind, ist allerdings sehr fraglich. Nördlinger^) nimmt an, dass „in manchen Fällen beim Aus- trocknen der Hölzer allmählich viel Saft und damit sich umsetzende Farbstoffe an die Oberfläche geführt werden". Ähnliches wollte offen- bar Thon^) ausdrücken, als er etwas naiv schrieb: „Durch die Ein- wirkung des freien Sonnenlichtes wird nämlich der in dem inneren Holzkörper befindliche Kohlenstoff entbunden und durch die Wärme nach aussen hingezogen." R. Hartig^) vermutete im besonderen Fall eine (»xydation von „Gerbstoff". Der Hauptsache nach wird der Übergang der Grünholzfarbe in die Farbe des lufttrockenen Holzes wohl durch das Trocknen bedingt und ist dann ein physikalischer Vorgang. Durch Verdunstung der Flüssig- keit, die im grünen Holze enthalten ist, und durch Eintreten von Luft an ihre Stelle kommen unzähUge lichtreflektierende Grenzflächen zur Wirksamkeit; das Licht kann nicht mehr so tief eindringen, ist vielmehr Oberflächenlicht und enthält viel mehr weisses Licht.*) E)urch Tränkung des Holzes mit Wasser muss dann die Grünholz- ^) Die technischen Eigenschaften der Hölzer. 1860, S. -iO. '^) Die Holzbeizkunst oder Holzfärberei. 1840, S. 02. '^') L^ntersuchungen aus dem forstbotanischen Institut zu München. II, 18SL>, S. 49 u. 52. *) Nördlinger a. a. 0. sagt über das Durchscheinen der Hölzer folgendes: „Das Holz ist durchsichtigei-, als man sich gewöhnlich vorstellt. Schon durch eine fingerdicke, trockene Fichtenhirnscheibe, sieht man das Licht einer Kerze bei gehöriger Näherung rot durchschimmern. Noch stärker aber ist die Ei-scheinung am saftreichen Holz, so dass im Verhältnis zur grossen Durchsichtigkeit des nassen Splints das trockene Reifholz derselben Fichten- scheibe noch sehr undurchsichtig erscheint.'' 160 ^^ • ^- Schramm färbe -wieder lierstellbar sein. Allerdings müsste die Tränkunii- in einer Weise vorgenommen werden, dass Holzfarbstoffe dabei nicht ausgelaugt werden und nicht Mikroorganismen in farbenverändernde Tätigkeit treten können. Eine ähnliche, ja vielleicht noch stärkere Wirkung als die Tränkung mit Wasser müsste die Tränkung mit Ölen, Har/.- oder Wachs- auflösungen haben. Vermutlich sind also die bekanntesten Holzfarben, die .^Farben poUerter oder gewachster Hölzer, Grünholzfarben, vermehrt noch etwa durch die bei der Vergilbung im Licht hinzutretenden gelben bis gelb- braunen Töne und durch die Eigenfarbe der Politur und des Wachses. In den holzverarbeitenden Gewerben wird das Aussehen eines Holzes im polierten Zustande durch Nässen des Holzes voraus geprüft, die Wirkung einer Färbung, wenn das Holz auch poliert werden soll, im nassen Zu- stande beurteilt u. dgl. Der Forstmann beachtet und kennt natürlich vorzugsweise die eigentliche Grünholzfarbe, der Rohstofichemiker, der Botaniker, das Kunstgewerbe und die Industrie erhalten die Hölzer hingegen meist im lufttrockenen Zustande. Beim Holzeinkauf hütet sich der erfahrene Industrielle oder Gewerbsmann, die Farben der Hölzer nur auf der Ober- fläche zu beurteilen; er entfernt die obersten Holzschichten, um die Trockenfarbe auf der frischen Schnittfläche bewerten zu können.') r»as- selbe ist bei der Bestimmung von Hölzern durchaus anzuraten, da fast immer die Farbe dersoll)en an der Oberfläche durch Einwirkung von Licht und Luft verändert ist. An Sammlungsstücken aber, die in Glaskästen aufbewahrt jahre- lang der Einwirkung von Licht und Luft ausgesetzt, womöglich auch geschliffen und poliert sind, die in der Literatur angegebenen Holzfarben zu entdecken, — etwa an einem derart gelbgraubraun gewordenen Ahorn- holzstück die für Ahornholz angegebene gelblichweisse bis rötlichweisse Farbe zu erkennen, — dazu gehiirt entweder eine ausserordentliche, durch Erfahrung geschärfte Fähigkeit zum Abstrahieren oder ein ausserordent- licher Mangel an ursprünglicher Beobachtungsgabe. Endlich mfichte ich noch darauf hinweisen, dass häufig gedämpfte Hölzer im Handel vorkommen, und es deshalb auch wünschenswert er- scheint, anzugeben, in welcher Art die Farben der Hrdzer durch das Dämpfen verändert werden. Für einige der wichtigsten Hölzer machte Streicher^) folgende Angaben, die aber auch wahrscheinlich einer ') Zu vergleichen ist z. B. Sclimidt und Härtung, liegeln beim Kin- kauf verschiedener Hölzer, (Dinglers Polj'techn. Journ. CIL S. 397.) 2) A. Streicher, Das Auslaugen des Hol/.es. (Dinglers Polytechn. Journ. XXXVI [1830], S. 199.) Zu den Farbenangaben bei Hölzern. 161 Revision bedürfen: „Die Farbe jeder Holzart wird durch Auslaugen um vieles dunkler. So wird Tannen- und Fichtenholz bräunlichgelb, als ob es schon viele Jahre an der Luft gelegen hätte." „Birnbaum wird rötlichbraun und ist dann von Türkisch-Haselnussholz schwer zu unter- scheiden. Ahorn sticht ins Rötliche, Mahagoni wird tiei' rot. Buchen braun, Eichen nussbraun und Nussbaum wird mehr oder minder schwarzbraun. Kirschbaumholz wird, nach der Gattung der Frucht, die der Baum getragen hat. gelbrot oder dunkelrot. Diese Ver- änderung der Farbe zeigt sich aber nicht nur auf der Ober- fläche, sondern ist durch das ganze Stück, die Dicke desselben mag sein wie sie wolle, gleichmässig verbreitet. Bei Pfosten von Nussbaum zeigt es sich am deutlichsten, wie aus den grossen Saftröhren der Färbestoff ausgeflobsen und sich allen Fasern mitgeteilt hat, indem nun auch der früher ganz weisse Sphnt eine schrme l)raune Farbe er- hält." Auch künstlich vollständig durchgefärbtes Holz kommt manchmal im Handel vor und krmnte in einigen Fällen x\nlass zu Täuschungen geben. Zum Schlüsse möchte ich kurz noch einmal alles zusammenfassen, was mir für eine einwandfreie Angabe der Farben der Holzarten von Wichtigkeit zu sein scheint. Da eine genaue Kenntnis der Farben der Holzarten wissenschaftlich und technisch wichtig ist, erschien es mir notwendig, auf einige Um- stände hinzuweisen, die hei Angaben über die Farbton der Hölzer bisher vielfach nicht genügend oder auch gar nicht berücksichtigt worden sind, so dass viele dieser Angaben einer Nachprüfung bedürftig er- scheinen. E)ie einwandfreie Schilderung der Holzfarbtöme stösst auf Schwierigkeiten, die I. Parbenangaben überhaupt eigentümlich sind, l)ei solchen über Hölzer aber besonders schwerwiegend hervortreten, 11. durch die Veränderlichkeit der Hfilzer hervorgerufen werden. 1. Die Holzlarben sind meist wenig ausgesprochene Mischfarben. Die Schwierigkeit, solche zu schildern, ist bekanntlich sehr gross. Sehr wünschenswert wäre deshalb hier die Ver- gieichung mit den Farbtönen einer internationalen Farben- skala, für deren Verwirklichung die Vorschläge J. Klaudys zur Ermöglichung einer einheitlichen Benennung von Fari)- töiuen Beachtung verdienen. Jahresbericht der Vereinigung für ang-ew.indto Hotanik IV. 1 1 ^g2 W. H. Schramm. 2. Die Farben der Hölzer sind meistens untereinander sehr ähnlich, weshalb sie in dem Bestrel)en, die geringen Unter- schiede deutlich herauszuheben, häufig o))1ektiv ganz unrichtig geschildert werden : a) Das Hinneigen zu Itestimmten Parbtrmen wird überschätzt und von dem bräunlichen oder gelblichen Grundton ganz abstrahiert. Um diesem Fehler auszuweichen, empfehle ich die Vergleichung mit künstlich in bestimmten reinen Farbtönen gefärbten H/ilzern. b) Helligkeitsunterschiede werden überschätzt. c) Es wird nicht oder nicht genügend von der Wirkung des Glanzes abstrahiert. Gespaltene, gesägte, ge- hobelte und al)geschliffene Holzflächen zeigen an dem- selben Holzstück scheinbar verschiedene Farben. Manch- mal bestehen indessen solche Farbenunterschiede wirklich, z. B. wenn das Eisen der Werkzeuge farljverändernd ein- gewirkt hat oder etwas von dem Schleifmittel in der Holzoberfläche zurückgeblieben ist. d) Unterschiede in der Farbe des Spätholzes und Frühholzes werden makroskopisch häufig gar nicht, der Gesamtfarben- eindruck durch Einzeleindrücke verschoben angegeben. Um den beiden letztgenannten Schwierigkeiten (c, d) auszuweichen, habe ich vorgeschlagen, nicht die Farbe der Holzotierfläche. sondern die einer Schicht von frisch hergestellten Hobel- oder Raspelspänen oder etwa auch die Farbe eines nicht geglätteten, frischen Hirnschnittes zu ))eurteilen. n. Die F'arbe ist an denselben Stücken nicht unveränderlich. Von dem Augenblick an, wo das Holz aus dem Innern des Baumes an das Tageslicht kommt, macht es eine Reihe von Zustands- änderungen durch, die meistens mit Farbenveränderungen verknüpft sind. Je nach dem Zustande des Holzes kann die Farl>e mt'hr oder weniger von der Farbe des frisch geschlagenen Holzes abweichen, so dass es also notwendig erscheint, den Farbenangaben auch Angaben des Zustandes, für den sie gelten, anzufügen. Es sind vier verschiedene Zustandsarten, in welchen das Holz vor- liegen kann: 1. Grün, unmittelbar nach der Fällung. 2. Grün, nachdem das Holz einige Zeit der Luft und etwa auch dem Licht ausgesetzt gewesen war (halbwelk). Zu (Ion Farl)cnangaben bei Hölzern. 1Q^ 3. Lufttrocken, frische Schnittfläche, 4. Lufttroclven, nachdem das Holz einige Zeit der Luft und etwa auch dem Lichte ausgesetzt gewesen war, also dann im mehr oder minder vergilbten oder gehräunten Zustand. Bei der Bestimmung von HfUzern wird man sich also zuerst zu vergewissern haben, in welcher Zustandsart sie vorliegen. Zweckmässig dürfte es sein, zur Bestimmung Angaben nur für den ersten und dritten Zustand zu gei)en. Es ist dann mr)glich und stets anzuraten, zur Be- urteihmg frische Schnittflächen herzustellen. Sammlungen von Holzarten sollen vor Licht geschützt aufl)ewahrt werden.') Sammlungsstücke, die zu Unterrichtszwecken dienen, sollten nur dann, wenn es sich darum handelt, den dekorativen Wert einer Holzart zu zeigen, poliert oder gewachst werden. Dio^ Farben polierter ■oder gewachster H/ilzer nähern sich wahrscheinlich den Grünholz- farben. Gedämpfte Hölzer zeigen abweichende Farben, 1) Auch ammoniakalischo Dämpfe sind fernzuhalten. Ammoniakgas bräunt sehr viele Hölzer. jg^ P. üraebnei Die wirtschaftsfeindlichen Fait und entsäuert oder mit dem JNlineralboden gemischt,, auf jeden Fall also die schwer luftdurchlässigen Schichten der Ober- fläche entfernt und unschädlich gemacht. Die jungen aufwachsenden Pflanzen finden daher jetzt günstigere Diirchlüftungsbedingungen im Buden vor und werden mit ihren Wurzeln jetzt möglichst die ihnen günstige Wurzeltiefe aufsuchen. Die Wurzeln worden soweit in die Tiefe herab- streichen, wie die Bodenkonsistenz die Erneuerung des von den Wurzeln veratmeten Sauerstoffs in der Tiefe zulässt. Gelangen die Bäume an die untere Grenze des noch erträglichen Sauerstol?gehaltes, so sieht man eine eigentümliche Wurzelbildung Platz greifen, die sich namentlich an den Pfahlwurzeln (Herzwairzeln) bemerkbar macht, und ihren Grund in dem in den Jahreszeiten wechselnden Luftgehalt hat. I>ie Spitzen dieser Wurzeln, die infolge des gerade an ihnen heruntersteigenden Saftstromes des plastischen Materials besonders kräftig gebaut sind, endigen nach unten in mehrere bis zahlreiche kurze dicke, fingerHirmig gestellte Wurzeln, zwischen denen sich, je nach dem Alter, mehr oder weniger zahlreiche abgestorbene Wurzeln und Wurzelreste befinden. Die anatomische Untersuchung zeigt, dass wir es hier mit einem oft ganz komplizierten System von Wurzeln zu tun haben, welches dadurch zustande kommt, dass die einmal bis zu gewisser Tiefe gedrungenen Wurzeln infolge Luftmangels an der Spitze absterben, dass dann, wenn in anderer Jahreszeit die Durchlüftung des Bodens eine bessere wird, die abgestorbene Hauptwurzel durch eine bis einige Seitenwurzeln, die sich gleichfalls abwärts richten, ergänzt wird. Wird nun bereits die obere Bodenschicht durch Wasseraufnahme oder durch Verbrauch des Sauerstoffes innerhalb der oberen Bodenschichten luft- ärmer, so fehlt es wieder an Luft im Untergrunde, und die neugebildeten Wurzelspitzen sterben ganz oder teilweise wieder ab. Dieser mit Ab- sterben abwechselnde Zuwachs dauert mitunter ziemlich lange, so lange jedenfalls, bis durch die alljährliche Schüttung der Nadeln (und um Nadelhölzer, Kiefer und Fichte, handelt es sich hier in den Waldungen der Heide ja fast stets) eine Humusschicht gebildet ist, die nicht mehr aus den locker aufgeschichteten Resten der Abfälle besteht, sondern in ihren unteren Teilen eine dichtere Lagerung anzunehmen beginnt und dann sehr häufig (namentlich in Kiefernw^äldern) auch einen später noch näher Die wirtschaftsfeindlichen Faktoren der Heide etc. {ßj ZU besprechenden Moosfilz zu tragen beginnt. Von diesem Zeitpunitt an beginnt nun ein dauerndes Absterben der in die Tiefe gedrungenen Wurzeln; das jährliche Zurücksterben infolge des Luftmangels in der Tiefe überwiegt fast stets den jährlichen Zuwachs. Immer höher und höher gelegene Seitenwurzeln der Hauptwurzel zeigen die charakteristische Verzweigung und Bildung kurzer (jetzt nicht mehr so dicker) Wurzeln, wie wir sie anfangs bei der oder den Pfahlwurzeln beobachteten. Es ist interessant festzustellen, wie oft von Jahr zu Jahr die Jahresringe etwas höher aufhören.') In späterem Alter lässt sich das meist nicht mehr feststellen, da die abgestorbenen Wurzeln dann in den unteren Teilen zu stark vermürbt werden. In den ersten Jahren des Absterbens der unteren Wurzeln greift der Vorgang ziemlich wenig in das Leben des ganzen Baumes ein, die Ernährungsverhältnisse werden nur wenig verändert und verschoben, wenn aber ein beträchtlicher Teil der unteren Wurzeln bereits dem Absterben anheimgefallen ist, wenn schon etwas grössere Seitenwurzeln in Mitleidenschaft gezogen sind, geht die weitere Abtötung der Pfahl- wurzeln meist viel schneller vor sich. Die Vernichtung der Wurzeln im Untergrunde bedingt natürlich, dass das in ihnen abgetötete Protoplasma, welches ja stets in reicher Menge vorhanden ist, sich alsbald zu zer- setzen, zu faulen beginnt. Sind die Wurzeln nur klein und dünn, so wird die geringe Menge gebildeter fauler Substanz leicht von dem ge- sunden Gewebe abgestossen, ist aber das abgestorbene Gewebe umfang- reich, so wird die gebildete jauchige Flüssigkeit rein mechanisch im Holzkörper der noch lebenden Teile in die Höhe gesogen und befördert hier das Absterben weiterer Teile. Dieser Zeitpunkt des Absterbens der gesamten im Untergrunde lebenden Wurzeln bedeutet natürlich für den jetzt stets mindestens schon mehrere Jahrzehnte alten Baum eine starke Krisis. Die Zuleitung des Saftstromes aus dem L^ntergrunde hört völlig auf, und der Baum ist nun nur noch auf die Tätigkeit der oberflächlich streichenden Wurzeln angewiesen. Als augenfällige Reaktion darauf beobachtet man nun allgemein eine plötzliche Erstarkung der anfangs ziemlich dünnen oberen Wurzeln, die an ihrer Oberseite sehr starke Jahresringe ansetzen,^) dadurch stark exzentrisch werden und oft ganz brettartig ausgebildet sind (a. a. 0. Fig. 1 zeigt der rechte Stamm rechts solche brettartige Wurzel und daneben liegend eine solche aufgeschnitten). Häufig gehngt es den Bäumen nicht, in der Kräftigung der oberen Wurzeln mit dem 1) VgL Zeitschrift für Forst- und Jagdwesen 1906, Fig. 1. ^,gg P. Graebner. Absterben der unteren Wurzeln Schritt zu halten, und sie gehen dann meist schon in ziemlich jugendlichem Alter ein, meist fallen sie im letzten Ende Parasiten zum Opfer, die die gesclnvächten Bäume befallen. Geht das Absterben der Grundwurzeln aber langsam und stetig vor sich, so vermag der Baum allmählich ganz die Wunden zu vernarben und von den Oberflächenwurzeln zu leben. In einem Bestände tritt das Ab- sterben der Wurzeln im Untergrunde je nach der Kraft der Ent- wickelung des einzelnen Individuums oder abhängig von kleinen Zu- fäUigkeiten des Standortes bei den einzelnen Bäumen oft in recht ver- schiedenen Jahren ein, ein Zeichen, dass nicht irgendwelche plötzliche Einflüsse, sondern ein langsam und stetig wirkender Faktor die Schuld an der Erscheinung trägt. Zuletzt sind die Wurzeln meist alle bis auf 30—40 cm Tiefe abgestorben. Selbst wenn es dem Baume gelungen ist, sein Wurzelsystem den veränderten Durchlüftungsverhältnissen anzupassen und so wieder äusserlich zu gesunden, ist er jetzt doch in viel ungünstigere Vegetationsbedingungen gebracht worden als vorher. Ganz abgesehen davon, dass er jetzt gezwungen ist, seine Nährstoffe nur aus einem Bruchteil des Bodens herauszuziehen, der ihm anfangs zur Verfügung stand und dass durch diese geringe Wurzeltiefe die Wurzelkonkurrenz der nebeneinanderstehenden Bäume um das Mehrfache gewachsen ist, tritt die Hauptschädigung ein durch die so stark wechselnde Massen- zufuhr. W^ährend der Untergrund auch in trockenen Zeiten doch stets eine gewisse Feuchtigkeit bewahrte, sind die oberen Bodenschichten von den Schwankungen der Niederschläge ganz ausserordentlich abhängig. Die Bäume werden also stark unter den Trockenperioden leiden. Dazu kommt noch, dass, wie wir gesehen haben, die Oberfläche sehr stark humos ist und bekanntermassen der Humus sehr schwer sein Wasser abgibt. W^ährend Pflanzen aus Sandboden das Wasser bis auf wenige (mitunter sogar unter 2) Prozent heraussaugen können, fangen die- selben Pflanzen im Humus bereits bei noch reichlicher Anwesenheit von Wasser (mitunter bis über 40 "/q) an zu welken (Schimpers physiolo- gische Trocknis); die Bäume konnten also das Wasser des Untergrundes auch besser verwerten. Die Folge der schwankenden Feuchtigkeit, des Wechsels von Nässe und Trockenheit ist dann das eigentümliche Absterben und Ver- harzen der Wurzelspitzen an den oberflächlich streichenden Wurzeln in den Zeiten mangelnden Regens. In feuchteren Sommern wenig, in trockneren stärker wird daher der Baum eines grossen Teils seiner Wurzelspitzen beraubt, und je trockner der Sommer ist, desto tiefer ge- legene Wurzeln werden selbstredend davon betroffen, und ein sehr Die wirtschaftsfeindlichen Faktoren der Heide etc. 169 trockener Sommer vermag- nun leicht einem solchen krankenden Bestände den Rest zu geben.') Dass die Nadelhölzer diesen Unterbrechungen der Vegetations- periode im Sommer gegenüber besonders ungünstig gestellt sind, ist gleichfalls mehrfach hervorgehoben worden. M'io Arn. Engler^) nach- wies, steht normalerweise das Wurzelwachstiim der NadelhJilzer vom Herbst bis Frühjahr absolut still, während es bei den Laubhölzern gerade während dieser Zeit, soweit es der Prost gestattet, ein sehr leb- haftes ist. Die Nadel- hitlzer werden hier also zweimal im Jahre in ihrem Zuwachs unter- brochen, daher die stär- kere Anfälligkeit der Nadelhölzer in der Heide. E»ie Unterbrechtmg des Wurzelwachstums in den Sommermonaten be- wirkt, dass die Nadel- hölzer erst kurz vor der im Herbst einsetzen- sollenden Ruhe wieder zur Ausbildung norma- ler Wurzelspitzen ge- langen; die Folge ist eine weitere Vegetations- störung, die sich darin bemerkbar macht, dass die Heidekoniferen mit- unter noch einen Wur- zelzuwachs zeigen zu Zeiten, die sonst schon der Ruheperiode ange- hören sollten. Wir werden zum Schluss weiter auf derartige Störungen zurückkommen. Zugleich mit dem schädlichen Humus bildet sich, wie bereits be- merkt, namenthch in Kiefernwäldern häufig eine dichte Moosschicht aus. Fig. 1. Ortsteinkiefern aus der Oberförsterei Munster mit sich stark verjüngenden, auf dem Ortstein um- biegenden Pfahlwurzeln. — B. Stange phot. 1) Vgl. Näheres darüber Zeitschrift f. Forst- u. Jagdwesen XXXVIII (1906), p. 710. 2) Mitteilungen der schweizerischen Zentralanstalt f. forstl. Versuchs- wesen VII (1905), p. 247 ff. 170 Graebner. die ihrerseits ungünstig Avirkt; auch darüber habe ich in der Zeitschritt für Porst- und Jagdwesen a. a. 0. Ausführlicheres berichtet. Zugleich mit dem Entzüge leichter Niederschläge umgibt die oft mehrere Dezimeter dicke Moosschicht den Grund der Stämme, hüllt sie dadurch in eine feuchte Umgebung ein, die stets eine oft unfrirmliche Deformation der Atmungsorgane, der Ersatzlentizellen usw., bewirkt.') Dass das sich hier bildende Wuchergewebe die Eingangspforte tür Parasiten 9ie mit Kali ernährten Pflanzen hatten dagegen eine stark ausgebildete Epidermis, und die drei darunter liegen- den Zellschichten besassen verholzte Wände. Es waren 1 1 Gefässbündel vorhanden, jedes enthielt 4 grosse Gefässe. : : . .: J-ahiesbericht der Vereinigung für ungewandte Botanik IV. 12 J78 ^- 'l'liiele. Auch bei den Blättern ergaben sich charakteristische Unterschiede. Während beim normalen Blatt die .Epidermis- und die Parenchymzellen gross, die Pallisadenzellen gut entwickelt waren, war bei den ohne Kali ernährten Pflanzen die erste Zellreihe unter der Epidermis ver- härtet und das Pallisadengewebe nicht gut ausgebildet. Auch enthielt das letztere auffallend wenig Chlorophyllkörner. Die mit Kali gezogenen Pflanzen zeigten starke Sklerenchymeinlagerungen und ausreichende Chlorophyllbildung. Dem gegenüber fand nun Lienuu, dass die Phospliorsäure ein fiirdernder Faktor, Kali, Stickstoff und Kalk hemmende Paktoren bei der Gewebebildung seien. Er stellte u. a. auch die Behauptung auf: „Zu starke Mengen der drei letzten Stoffe können also für das Getreide durch Schwächung der Zellwandungen eine Disposition zum Lagern schaffen.*' Bei der Zusammenfassung der Resultate über seine mikroskopischen Untersuchungen sagt Lienau: „Starke Düngung mit Kali und Stick- stoff setzte trotz gleichzeitiger Gabe von viel Phosphorsäure die Dichte der Halme herab." Diese Ansicht Lienaus steht nun aber im Gegensatz mit unseren bisherigen physiologischen Beobachtungen, die für Kalk und Kali zur Genüge gezeigt haben, dass diese Stoffe zur Kräftigung und zur Festigung der Gewebe dienen. Dass dem tatsächlich so ist, dass also eine Kalidüngung nicht eine Disposition zum Lagern schafft, sondern im Gegenteil zur Festigung der Halme l),'it.rägt, zeigt uns Figur 1 auf Tafel IV, die einem Düngungs- versuch entnommen ist, welcher die Wirkung des Kalis beweisen soll. Wenn sich makroskopisch schon so frappante Differenzen zeigen, so liegt die Annahme sehr nahe, dass auch die mikroskopischen Befunde kaum mit denjenigen von Lienau sich «lecken werden, sondern dass auch die in die Erscheinung tretenden Abweichungen sich mehr den Befunden von Solacolu und Vageier nähern. Das ist denn auch der Fall! Schon meine Voruntersuchungen bestätigen deutlich, dass Lienau bei seinen Schlussfolgerungen ein Irrtum unterlaufen sein muss. Betrachten wir zuerst die Querschnitte der Halme einer Gerstenpflanze direkt über der Erde auf den Tafeln IV u. V, deren einzelne Figuren (2 — 4) einen Querschnitt von einem ungedüngten, einem nur mit Phosphorsäure und einem mit Phosphorsäure und Kali gedüngten Halm darstellen, so sind die Unterschiede so in dit' Augen springende, dass von einer weiteren Erklärung vorläufig abgesehen werden kann. Soviel ist Jedoch sicher, dass sich das Stützgewebe um so kräftiger ausgebildet hat, je rationeller die Pflanze ernährt worden war. Auf der Tafel über unsere Kenntnisse von d. Wirkung d. Kalis l)ei d. Ernälirung d. Pflanze. ] 79 VI Fig. 5 u. 6 und Tafel VII Fig. 7 finden wir Schnitte über den! 4. Internodiiun, bei welchen die Unterschiede weniger scharf zutage treten. Dagegen beweisen uns die Tafel VII Fig. 8 und Tafel VIII Fig. 9 u. 10 deutlich, dass direkt unter der Ähre die Differenzen wiederum sehr deutliche sind. Näher auf die Einzelheiten einzugehen, verbietet mir der Raum, ich betrachte daher die vorliegende Besprechung als eine vorläufige Mitteilung und behalte mir vor, auf das mir zur Verfügung stehende umfangreiche Material demnächst ausführlicher zurückzu- kommen, i Ausser diesen streng wissenschaftlichen Beobachtungen mögen hier noch einige allgemeine Platz finden, welche zeigen, dass auch eine Ver- besserung der Qualität der für die Allgemeinheit wichtigen Produkte durch das Kali erzielt wird, und dass weiterhin — selbstverständlich bei Anwesenheit der übrigen Nährstoffe — der Habitus der gesamten Pflanze sich gewöhnlich recht vorteilhaft von den mangelhaft, also ohne Kali ernährten Pflanzen abhebt. So wiesen Wilfarth und Wimmer nach, dass diejenigen Pflanzen- organe, in denen Fett, Zucker und Stärke abgelagert wird, bei genügen- der Kalizufuhr weit grössere Vermehrung zeigen als das Kraut, dass also eine Veränderung des Verhältnisses dieser Organe zu einander eintritt. Sie behaupten ferner, dass zwischen Kaliwirkung und Stärke- bildung eine Beziehung besteht, dass also bei steigender Kaligabe eine Steigerung des Zuckers bei der Rülie und der Stärke l)ei der Kartoffel in die Erscheinung tritt. Da aber ebenfalls eine Zunahme der Trocken- substanz statthat, so ist diese prozentische Anreicherung nicht eine so in die Augen springende. Ferner beobachtete Wohltmann, dass l)ei den Rüben die Kali- düngung eine hellere Blattfärbung hervorruft, dass aber trotzdem der Zuckergehalt nicht unwesentlich in die Höhe geht. Wilfarth stellte fest, dass, wenn die Rübe mangelhaft mit Kali ernährt wird, sie auf 1000 Teile nur 4 Teile Kali enthält, bei normaler Ernährung dagegen 6,7 bis 8 Teile, und wenn man ihr 6 mal so viel K'aH gil)t als sie nötig hat, so besitzt sie auf 1000 Teile Zucker 37 Teile Kali. Die Gerste erfährt durch eine rationelle Kalizut'uhr eine Erhöhung ihres Brauwertes, wie die bisherigen Versuche deutlich erkennen lassen. Trotz alledem ist das Urteil hierüber noch kein endgültiges, und es werden, um die bisher bestehenden Beweise zu vermehren, zahlreiche Untersuchungen in dieser Richtung angestellt. Auch der Hopfen wird erheblich verbessert. So fand Kulka, dass durch Kali seine Feinheit und Güte vermehrt wird. Allerdings wird der 12- IgO E. Thiele. Mehlgehalt vermindert, aber dieser Verminderung kann wiederum durch eine rationelle Phosphorsäuredüngung entgegengetreten werden. Was die Zuckerrübe anbetrifft, so tritt gerade liei dieser die Notwendigkeit der Ernährung mit Kali deutlich in die Erscheinung. Es ist dadurch die Rübe weniger den Angriffen der Nematoden ausgesetzt, und ihr Zuckergehalt erfährt eine Steigerung. Schliesslich hat die Praxis beobachtet, dass die Körnigkeit des Rübensaftes, welche durch die Bildung von Kalksalzen bei der Saturation entsteht und beim Kochen lästig wirkt, bei einer rationellen .Ernährung mit Kalisalzen nachlässt. Die Kartoffel hat nach Hecke in der ersten Hälfte der Vege- tation ein Stickstoffbedürfnis, trotzdem ist die relative Kaliaufnahme in der ersten Wachstumsperiode grösser als in der zweiten. Weiterhin wurde für die Kartoffel festgestellt, dass das 40 °/o ige Kalidüngesaiz eine viel günstigere Wirkung auf die Stärkev(U'mehrung ausübt als der Kainit. Wenngleich dieser Auffassung nicht widersprochen werden kann, so steht doch der Anwendung des Kainits zur Düngung der Kartoffeln nichts im Wege, wenn dieser bereits im Herbst vor der Anbauzeit der Kartoffel dem Boden einverleibt wird. Der Lein, jene Gespinstpflanze, deren Kultur von allen Seiten jetzt wieder angeregt wird, reagiert ebenfalls ganz exakt auf die Zufuhr einer genügenden KaUmenge, denn mit Hilfe dieser erzeugt er eine besonders widerstandsfähige und längere Faser. Es wird also sein Wert als Gespinstpflanze durch eine zweckmässige Kalidüngung nicht un- beträchtlich erhöht. Das Gemüse ist ebenfalls dankbar für eine Ka.lizufuhr, durch welche sein Saftreichtum vermehrt und sein Geschmack verfeinert wird. Ganz besonders eklatant ist aber die Wirkung beim Obst. Während z. B. der Kalk einen Einfluss auf den Zuckergehalt hat. wird Geschmack, Aroma und Farbe durch das Kali becinflusst, während wiederum die Phosphorsäure auf die Saftbildung wirkt. Aus der vorstehenden kurzen Zusammenstellung gelit deutlich hervor, dass das Kali im Leben der Pflanze eine hochwichtige Rollo spielt, deren Ergründung sowohl für die Wissenschaft als auch für die Praxis von ausserordentlichem Wert ist, da man durch jene Kenntnis endlich in den Stand gesetzt würde, in der Praxis noch zielbewusster mit der Kalidüngung vorzugehen als man es heute zu tun gewohnt ist. Möge daher die vorstehende Zusammenfassung als Anregung, zu weiteren Forschungen und Beobachtungen nicht nur auf dem Gebiete der angewandten Botanik, sondern auch auf dem der Agrikulturchemie dienen. über unsere Kenntnisse von d. Wirkung d. Kalis bei d. Ernährung d. Pflanze. Ig^ Beschreibung der Tafeln. Tafel IV. Fig. 1. Gerstendüngungsversuch. Die Bilder von links nach rechts zeigen Pflanzen von der ungedüngteu Parzelle, von einer nur mit Phosphorsäure und Stickstoff und endlich von .. , einer mit Kali, Phosphorsäure und Stickstoff gedüngten . : . , 1 Parzelle. ' „ 2. Querschnitt durch einen Gerstenhalm (Durchschnittspflanze einer ungedüngten Parzelle) dicht über dem Boden. V V. „ 3. Querschnitt durch einen Gerstenhalm einer Durchschnitts- pflanze dicht über dem Boden von einer nur mit Phosphor- säure gedüngten Parzelle. „ 4. Querschnitt, wie bei Figur 3. Die Parzelle erhielt als Düngung Kali und Phosphorsäure. VI. „ 5. Querschnitt durch einen Gerstenhalm zwischen dem 4. und 5. Internodium. Ohne Düngung. „6. Querschnitt wie bei Figur 5. Düngung nur Phosphorsäure. VII. „ 7. Querschnitt wie bei Figur 5. Düngung Kali und Phosphor- säure. „ 8. Querschnitt desselben Gerstenhalmes dicht unter der Ähre. Ungedüngt. ., VIII. „ 9. Wie Figur 8. Nur Phosphorsäure. „ 10. Wie Figur 8. Kali und Phosphorsäure. (Vergrösserung der Figuren 2 — 10 130:1.) Jg2 Graf V. Arnim-Schlagenthin. Über das Auftreten erblicher Eigenschaften beim Weizen durch äussere Einflüsse. Von Graf V. Ariiiui-Sclila^enthiu, Nassenheide. De Vries hat neuerdings in mehreren Fachzeitschriften auf die Erfolge der Saatzuchtanstalt Svalöf und, insbesondere darauf hingewiesen, wie die dortigen Arbeiten in ganz überraschender Weise bewiesen hätten, dass unsere Kulturpflanzen, insbesondere also in diesem Falle Getreide, ein Gemisch scharf abgegrenzter Typen darstellen, welche, soweit keine Bastardierung eintritt, sich absolut konstant im Wege der sogenannten Pedigreezüchtung vererben. In seiner Mutationstheoric und anderen Schriften hat er ferner auf die hervorragende Konstanz der Mutationen hingewiesen und gezeigt, wie z. B aus Samen von Oeuotltera und vielen anderen Pflanzen plötz- lich unvermittelt ganz neue Formen entstehen. Eine Frage aber ist m. \\\ nicht erörtert oder doch nur gestreift, nämlich die, in welchem Moment des Lebens der einzelnen Pflanze die Mutanten entstehen; die Frage ist die, ob der Samen, aus dem die neue Mutante entsteht, im Momente seiner Entstehung bereits so weit vorgebildet ist, dass eben nur die Mutationstype daraus hervorgehen, kann, oder ob die Entscheidung, was aus dem Samenkorn eigentlich werden wird — ob die dem Originaltyp entsprechende Pflanze oder die Mutante — , erst in einem späteren Moment gefällt wird. Es ist klar, welche prinzipielle Wichtigkeit diese Frage hat. Wenn die Entscheidung, welcher Typ aus dem Samen entsteht, erst in einem späteren Moment als dem der Bildung des Samens resp. der Befruchtung der weiblichen Blüte durch den Pollen getroffen wird, so würde dies vielleicht einen sehr schwerwiegenden Einwand gegen diejenigen Ver- erbungstheorien (Weis mann u. a.) bedeuten, nach denen der Erwerb neuer Formen oder Eigenschaften ganz mechanisch durch das Verhältnis bestimmt sein soll, in dem väterliche und mütterliche evtl. latente Eigen- schaften (Determinanten oder wie man sonst diese minimalen Kompo- nenten nennen will) bei der Befruchtung auf den entstehenden Embryo übergehen. — Dass bish(>r eine völlige Übereinstimmung der Befruchtungs- über d. Auftreten erblicher Eigenschaften b. Weizen dui-ch äussere Einflüsse. 183 Vorgänge bei den Pflanzen mit den animalischen nicht nachgewiesen ist, ist zunächst wohl irrelevant, braucht wohl jedenfalls hier zunächst nicht berücksichtigt werden. Nun scheint es, als ob es sich beweisen lässt, dass unter Um- ständen die Entstehung echter Mutanten tatsächlich nicht im Moment der Befruchtung „determiniert" wird, sondern häufig die Entscheidung auf einen späteren Zeitpunkt verschoben wird. Die Tatsache, auf welche diese Annahme sich gründet, ist folgende: Vor zwei und drei Jahren wurden grosse Mengen Weizen in Deutschland durch Prühjahrsfröste arg beschädigt. Bei dieser Gelegen- heit wurden die englischen W^eizen und viele Pedigreezüchtungen deutscher Züchter auf vielen Gütern vollständig vernichtet. Einzelne Sorten indessen widerstanden der Prostwirkung entweder vollkommen — dies war eine auf den der Prostwirkung ausgesetzten Stellen seltene Ausnahme — oder wurden — das war die Regel bei den widerstands- fähigen Sorten — nur stark beschädigt. Dies geschah wahrscheinlich in der Weise, dass einzelne weniger widerstandsfähige oder durch ihren Standort mehr der Prostwirkung ausgesetzte Pflanzen getutet oder ihre Bestockungsfähigkeit gemindert wurde. Da der Prost nicht in allen Teilen Deutschlands in gleicher Weise schädigend wirkte, so war in diesen beiden Jahren die Möglichkeit gegeben, die Entwickelung derselben Weizensorten an verschiedenen Standorten zu vergleichen. Dabei handelte es sich in den von mir beobachteten Fällen stets um Weizen, der aus einem und demselben Saatgut stammte, so dass eine etwa dem Prostjahr vorangegangene natürliche Selektion ausgeschlossen war. Beiläufig sei hier bemerkt, da noch vielfach die Wirkung des Frostes falsch gedeutet wird, dass, wie ich glaube zuerst nachgewiesen zu haben, die Frostwirkung bei unseren winterharten Getreidesorten nicht die direkte Folge der Kälte ist, nicht, abgesehen von Ausnahme- fällen auf Moorböden, etwa darauf beruht, dass infolge der Kälte eine Zerreissung der Pflanzenzellen oder Wurzeln eintritt, vielmehr die Schädi- gung in ganz anderer Weise zustande kommt. Die Schädigung tritt vielmehr anscheinend nur dann ein, wenn, während eine Pflanze in gefrorenem, praktisch daher völlig trockenem Boden steht, durch Be- sonnung und Erwärmung die oberen Pflanzenteile zur Lebenstätigkeit angeregt werden. Während die Blätter infolgedessen mit der Atmung, Kohlensäureassimilation und Verdunstung beginnen, fehlt die Wasser- zufuhr aus der Wurzel, und es tritt Vertrocknung ein. Ich vermute, dass dieses Vertrocknen indessen noch schneUer und verderblicher wirkt als das Vertrocknen im Sommer bei Wassermangel, weil hier nicht nur die Wasserzufuhr abgeschnitten ist, sondern auch die Säftezirkulation jg4 Graf V. Arnim-Schlageuthin. zwischen den oberen und unteren Teilen der Pflanze. Dies muss zu einer weitgehenden Stiirung führen, möglicherweise zu einer giftartigen ^^'irkung der sich anstauenden Assimilationsprodukte. Tatsächlich halten die Pflanzen sehr andauernde hohe Kältegrade ohne Schaden aus, wenn nur die Erwärmung der oberen Teile, der Blätter, verhindert wird. Dies erklärt auch, weshalb äusserst geringe Niveaudifferenzen, wäe sie durch Wagengeleise, Fussspuren und Ähnliches verursacht w^erden, die Pflanzen vor Frostschaden schützen können und ferner, weshalb oft unmittelbar nebeneinanderstehende Pflanzen sich bei sonst gleichen Umständen ganz verschieden verhalten. Die zufällig vor Er- wärmung im Blattteil geschützten sind immer im Vorteil gegenüber denen, welche mit ihrer Wurzel im gefrorenen Boden stehen, während zugleich die Blätter sich stark erwärmen. Es treten daher auch die starken Beschädigungen unseres Wintergetreides regelmässig bei relativ mildem Wetter, bei relativ geringen Kältegraden ein und bleiben aus bei Blachfrost, solange der Boden nicht gefroren ist. Aus dem Gesagten ergibt sich, dass, wenn von zwei nebeneinander- stehenden Pflanzen die eine mehr von Frost leidet als die andere, nicht ohne weiteres immer auf höhere Widerstandsfähigkeit der letzteren ge- schlossen werden kann, — dass es sich aber auch ganz natürlich er- klärt, wäe es kommt, dass der Frost nicht notw^endig alle Pflanzen eines Feldes gleichmässig, sondern die einen mehr die anderen weniger schädigt und dass nur ein Teil getötet wird. In Deutschland ist seit einer langen Reihe von Jahren bereits von einzelnen hervorragenden Züchtern, — die, wie von Lochow, Beseler, von Arnim-Criewen und andere, teilweise gleichzeitig und unabhängig von Svalöf nach denselben Prinzipien, wenn auch ohne gleichen wissen- schaftlichen Apparat, Pedigreezüchtung getrieben haben (die frühere Züchtungsweise der Massenauslese ist längst ziemlich allgemein von den moderneren Züchtern verlassen) — ein Reihe sehr wertvoller Pedigree- züchtungen von Roggen, Weizen, Hafer und Gerste geschaffen worden, die natürlich die gleiche Konstanz zeigten, wie sie bei den Svalöfer Pedigreezüchtungen wissenschaftlich genau festgestellt ist. Man war also in der Lage, in den genannten Frostjahren nicht bloss bei den von mir in Deutschland eingeführten Svalöfer Weizenzüchtungen, sondern auch bei einer Reihe von anderen Pedigreezüchtungen die Wirkungen des Frostes zu studieren. Es ergab sich nun, dass überall, wo eine starke Schädigung der Weizensaaten ohne totale Vernichtung eingetreten war, aus den bisher über d. Auftreten erblicher Ei.i>easchaften b. Weizen dnrch äussere Einflüsse. Ig5 konstanten Pedigreezüchtungen eine grosse Zahl netter Typen entstand. r>ies trat am sinnfälligsten bei den Squareheadtypen atif. Es entstanden nämlich, ganz wie bei echten Mutationen, plötzlich ttnd tmvermittelt Typen mit langgestreckten glatten Ähren, mit begrannten Ähren oder mit einem sammetartigen Flaum bedeckte, begrannte und unbegrannte Ähren. Diese neuen, völlig von dem ursprünglichen bis dahin sehr konstanten Typus abweichenden Formen sind ihrerseits wieder völlig konstant, wahr- scheinlich mehr noch als die Typen, aus denen sie hervorgingen. Von Bastardierung^ Vizinismus, zufälligen Vermengungen kann hier absolut nicht die Rede sein, da es sich bei den von mir beob- achteten Feldern stets um Felder hervorragend tüchtiger Saatzüchter handelt, bei denen niemals ähnliche Typen, wie die infolge des Frostes neu entstandenen, angebaut worden sind. Soweit es sich in Deutschland (in Svalöf sind übrigens gleiche Erscheinungen atifgetreten) um die Vermehrungsfelder der Deutsch-Schwedischen Saatzuchtanstalt handelt, erfolgt der Anbau des Svalöfer Getreides unter fortlaufender Kontrolle von Svalöf und mir selbst, dazu tritt die regelmässige Revision der Felder behufs Anerkennung durch die Deutsche Landwirtschaftsgesell- .schaft, durch Sachverständige wie Professor von Rümker, Professor Edler, Dr. Hillmann und andere. Es ist also jede luögliche Garantie dafür geboten, dass solche elementaren Fehler, wie sie die zufällige Vermengung mit anderen Sorten darstellt, nicht haben eintreten können. Man kann nun natürlich nicht annehmen, dass die sämtlichen Pedigreezüchtungen von Svalöf und deutschen Ursprungs plötzlich gleich- zeitig in eine Alutationsperiode eingetreten sind. Sollte aber jemand auf diesen Gedanken kommen, so würde er durch folgendes widerlegt werden. Eine Reihe von Anbausteilen für Svalöfer und andere Pedigreezüchtungen blieb in den gedachten Jahren von der intensiven Schädigung durch Frühjahrsfröste verschont. Hier erhielten sich, obgleich der angebaute Weizen aus demselben Saatgut stammte, welches auf den frostbeschädigten Anbaustellen die Mutanten erzeugte, die Pedigreezüchtungen völlig oder nahezu konstant. Man kann wohl nicht einwenden, dass diese Grundlage wissenschaftlich nicht genau genug sei, um daraus weitergehende Schlüsse zu ziehen. Es handelt sich hier vielmehr darum, dass, w^enn auch ohne Versuchsabsicht und Versuchsplan, tatsächlich ein Versuch mit vielen Millionen von Pflanzen gemacht worden ist, bei dem jede denkbare Garantie gegeben gewesen zu sein scheint, dass eben zufällige Ver- mengungen und Bastardierungen nicht die Ursache der Entstehung j^g(j Graf V. Arnini-Schlayeiithin. neuer Formen gewesen sind, sondern lediglich die Beeinilussung durcli den Prost. Ist dieses aber der Fall, so ergibt sich weiter die prinzipiell wichtiije Konsequenz, dass die nur auf den durch Frost beschädigt t^ii Feldern entstandenen Mutanten eben in einem späteren Stadium der Entwickelung der Pflanze entstanden sind, also unabhängig von S*2Vi« spiiiosa L. in Rotklee (oft), ursprünglich aus dem Orient stammend, CupTwa viscosissima Jacq. in Rotklee (selten), Cuscuta arvensis Beyr. in Rotklee (hie und da), in Luzerne (in manchen Jahrgängen häufig), Salvia laticoolata Willd. in Luzerne, Wiesenschwingel (vereinzelt), Physalis lanceolata Michx. in Rotklee, Wiesenschwingel (hie und da), Planfago arisfafa Gray in Rotklee, Wiesenschwingel (z. häufig), Plantago Bugelii Dcsne. in Rotklee, Timothe, Fioringras (sehr liäufig), Planfago rhodospermo Michx. in amerik. Wiesenschwingel in einem Jahr häufig (bestimmt vom U. S. Department of Agriciüture in Washington), Ambrosia artemisiaefolia L. in Rotklee in manchen Jahren häufig, Ambrosia trifida L. in amer, Sommerweizen, Grindelia squarrosa Dun. in amer. Luzerne (oft), Rudheckia hirta L. in Timothe (hie und da), Helianthus annuus L. in Luzerne (häufig). Java xanthifolia Nutt. in Luzerne (oft). Begioitsamen (alle häufig): Digitaria fiUformis Koel, in Rotklee, PJileum pratense L. in Rotklee, Agrostis, Poa compressa, Alsike etc.. Polygonum, Persicaria L. in Rotklee, Wiesenschwingel, Amarantits retroftexus L. in Rotklee, Melandryum noctifi,0)'iim Fr. in Bastardklee, Erysimum cheiranthoides L. in Timothe, Bastardklee, Nepeta Cataria L. in Bastardklee, Weissklee, Antheriiis Cofida L, in Bastardklee, Weissklee, Poa compressa. Reine amerikanische Saaten lassen sich in der Regel leicht erkennen; schwieriger sind Mischungen festzustellen. Doch müssen alle Saaten, welche die an erster Stelle genannten Unkräuter enthalten, als amerikanisch oder mit amerikanischer Saat vermischt bezeichnet werden, da die amerikanischen Pflanzen bei uns alle Spätblüher sind und deshalb wohl auf Ödland, nie aber in Kleeäckern reife Samen tragen können. Sie entwickeln sich in Mitteleuropa überhaupt ausserordentlich selten in Klee oder Kleegras. IV. Australische Provenienz. (Neu-Seeland.) Agrostis Forsteri R. et S. (determ. E. Hackel) Imal in Wiesenfuchs- schwanz, 15* 228 Verhandlungen der I. internationalen Konferenz für Sanienprüfung. Agrosfis avenoides Hook. i. Imal in Knaulgras und Imal in Rot- schwingel, Danthonia semiaiuiulcris R. Br. hie und da in K'naulgras. Begleitsamen (häufig) namentlich in Knaulgras: Hypochaeris radicata L., Crepis virens Vill. Neuseeländische Saaten lassen sich nur ausnahmsweise an den Samen der in Neuseeland einheimischen Pflanzen bestimmen, da die neuseeländische Flora wenige Pflanzen besitzt, die; sich den Lebens- bedingungen im Kulturland anzupassen vermochten. Dafür sind dort europäische Eindringlinge zu sehr lästigen Unkräutern geworden, so insbesondere die im Knaulgras so häufig zu treffende Hypochaeris radi- cata. Neuseeländer Knaulgras lässt sich oft nur sehr schwer oder gar nicht von mitteleuropäischen Saaten unterscheiden, so charakteristisch die stereotype Beimengung von SoJcns lai/afus, Broiitifs ti/oUis und Hypo- cliaeris ist. V, Asiatische Provenienz. (Syrien, Turkestan.) Fhalar'is paradoxa L. in syr. Wicke, Avena sterüis L. in syr. Wicke, Beta trigyna W. et K. in syr. Wicke, Rapistrum Orientale DC. in syr. Wicke, Medicago cylindracea DC. in syr. Wicke, Medicago tuhercidata Willd. in syr. Wicke, Melilotus ine-s.saniensis L. in syr. Wicke, Onobrychis caput yaJIi Lam. in syr. Wicke, Hippocrepis unisiliquosa L. in syr. Wicke, Scorpiiinis fiubviUosus L. in syr. Wicke, Lathyrus setifolius L. in syr. Wicke, Euphorbia segetalis L. in Turkestaner Luzerne, Centaurea Picris Fall. (Acroptilon Picris DC.y in Turkestaner Luzerne (determ. Dr. v. Degen), Krubcra Icptopirylla Hoffm. in mediterr. Lein, Bupleurnm protracfani Hoftm. et Lk. in mediterr. Lein und afrikanisch. Anis, Cusctita araOica Pres, in Trifolium alexandrinum (Ägypten) sehr häufig, Anchusa italica Reiz, in syr, Wicke, Salvia .silvestris L. in Turkestaner Luzerne, F. G. Stehler, Die Herkunftsbestimmung der Saaten. 229 Salvia Sclarea L. in Turkestanor Luzerne, Cephalaria sijriaca Schrad. in syr. Wicke, Calendula offirinalis L. in syr. Wicke, Chrysanthemum coronarium L. in syr. Wicke, Notohasis syriaca Cass. in syr. Wicke, Ccntaurea Cakitrapa L. in Turkestaner Luzerne, Plantago Coronopus L, in syr. Wicke (ganze Ähre!). Die Unkräuter aus syrisctier Wicke sind typisch mediterran and zeigen viele Beziehungen zu den südeuropäischen. Alle treten auch in Südeuropa auf, jedoch viele bisher nicht in Saaten. Die Unkräuter der Turkestaner Luzerne können dagegen den kontinentaleren Charakter des dortigen Klimas nicht verleugnen. VI. Osteuropäische Provenienz. (Österreich-Ungarn, Russland.) Silene diahotonna Ehrh. in russischem Rotklee typisch, nun auch in schlesischem und süddeutschem, jedoch nie in so grosser Zahl, Vaccaria segetalts Garcke in russ. Getreide und Rotklee, Delphin'nim Consolkla L. in ungar. Rotklee, Nigella arvensis L. in ung. Rotklee, Glauciuin covniculatuni Crtz. in ungar. und russ. Rotklee, Berteroa incaua DC. in russ. Rotklee, Canielina deufata Pers. in russ, Lein, Urysimuni Orientale R. Br. in russ. Getreide, selten in Rotklee und Senf, Lathijrus Apliaca L, in ungar. Trieurwicke, Lathyrus hirsufus L. in ungar. Trieurwicke, Vicia hdhyroides L. in ungar. Knaulgras, Hibiseus Trionum L. in ungar. und russ. Rotklee, Lyfhrum hyssopifolhim L. in ungar. Rotklee, Bifora radialis M. B. in ungar. Trieurwicke, Uchiuo.bfpermum Lappida Lehm, in ungar. u. russ. Rotklee, Siderifis monfana L. in ungar. Rotklee, Ballotn nigra L. in ungar. Rotklee, Hyoscyanms niger L. in russ. Rotklee, Galiuni fricorne With. in ungar. Trieurwicke, auch galizischen und anderen osteurop. Saaten, Anthetnis austriaca Jacq. in ungar. Rotklee, Carduas acanthoides L. in russisch Rotklee, Centaurea maculosa Koch in ungar. Rotklee. 230 Verhandlungen der I. internationalen Konferenz für Samenprüfung. Bügleitsamen: Sefaria glaiica Beauv. in osteurop. Saaten viel häufiger als in west- europ., so auch alle folgenden: Setaria viridis Beauv., Polygonion lapothifoliuni Ivoch, Clwiiopodium alhn})i L,, Mehtndryu))) album Garcke, Thlaspi arvense L., Lepi- dium campesfre R. Br., Coronilla varia L ., GaJega off\einalis L., Conium maculatum L., Cmicalis daucoides h., DruitcUd olha Fall.. Salvia vcrücUlata L., Dipsacus fuUonuvi Mill., Crepis iecto- 7'U)II L. Die osteuropäischen Saaten sind ausserordentlich schwer sicher zu bestimmen und von mitteleuropäischen zu trennen, da sie ganz all- mählich in diese übergehen und eine sichere Grenze kaum zu ziehen ist. Ausserdem sind die osteurop. Unkräuter, wie das Beispiel der Sileiie dirhoto))ia beweist, in Westeuropa leichter als jede andere Pro- venienz einzubürgern. Am besten zum Ziele, zur Bestimmung einer Saat als osteuropäisch, führt die Beachtung aller Unkräuter in einer Probe (Anlegung eines Verzeichnisses), das Gesamtbild gibt bessern An- halt als einzelne Samen, Einzelne russische und einzelne ungarische Provenienzen (d. h. aus bestimmten Gegenden) sind übrigens sehr leicht zu erkennen; die Mohrzahl ist schwer von mitteleuropäischen zu trennen, lue Erkennung von Mischungen gelingt (wegen der Akklimatisations- befähigung der osteuropäischen Unkräuter) nur in Ausnahmefällen. VII. Südamerikanische Provenienz (Chile, Argentinien.) Medicago denticulatc Willd. in chilen. Rotklee (auch in syr. Wickel), Medicago uniculata ^\'illd. in chilen. Rotklee, Melilotus parrifiortis Desf. in chilen. Rotklee, Animi Visnaga L. in chilen. Rotklee, Ciisruta raceviosa Mart. in chilen. Rotkleo, mit diesem nach Europa (Ungarn, England, Ueutschland usf.) verschleppt, auch in süd- französischer Luzerne seit 1840 eingebürgert, Ceratochfoff ausfralfs Sprgl. in argentinischer Luzerne: ist in Süd- amerika einheimisch. Nur Ciisciifcf rdccmosd ist ein autochthon südamerikanisches Un- kraut, ab(M' (wie alle Parasiten!) leicht verschleppbar und nun schon längst in v^üdf rankreich und in neuorer Zeit auch in anderen europ. Staaten eingebürgert. Alle anderen Unkräuter sind ursprünglich mediterran. Die meisten der von uns gefundenen und bestimmten Arten sind jeweilig in unseren .lahresberichten aufgeführt worden, und viele sind F. Gr. Stehler, Die Herkunftsbestimmung der Saaten. 231 in dem Werke „Die besten Futterpflanzen"') abgebildet nnd kurz be- schrieben. Es ist eine der wichtigsten Aufgaben der Versuchsanstalten, diesen Zweig der Samenuntersuchung auszubauen. Wie schon gesagt, haben wir uns in Zürich seit mehr als zwanzig Jahren mit dem Gegenstand befasst und dabei reiche Ernte gehallen. Jeder Same, den wir in einer Probe finden und den wir nicht kennen, wird auf die Seite getan und kultiviert; er wird angekeimt, die Keimpflanze wird dann in einen Topf pikiert, zuerst im Glashause und im Sommer im freien Lande kultiviert, beobachtet und später bestimmt. So haben wir im Laufe der Jahre eine grosse Anzahl charakteristischer Arten herausgebracht. Jede Station sollte es sich zur Aufgabe machen, vorerst die Pro- duktion im eigenen Lande nach dieser Richtung zu untersuchen. Sie ist am besten in der Lage, die einheimischen Unkräuter zu unterscheiden. Die Pflanzen sollten auf dem Felde beobachtet und nachher die Samen in der Saat gesucht und bestimmt werden. Es sollten von jeder einzelnen Provenienz Übersichten zusammengestellt und die typischen Arten her- vorgehoben werden. Dann wäre es wünschenswert, wenn die ver- schiedenen i\nstalten gegenseitig in Tausch treten würden, denn für manche ist es sehr schwer, gewisse Samen zu bekommen, während es einer anderen Anstalt sehr leicht ist, eine grosse (Quantität Samen zu erhalten. Vorsitzender: Wünscht einer der Herren eine Anfrage zu stellen oder sich über den Gegenstand auszusprechen? Geh. Hof rat Prof. Dr. Drude- Dresden: Ich wollte den an- regenden Worten des Herrn Vortragenden nur die Bemerkung hinzu- fügen, dass es vom Standpunkte der angewandten Botanik aus sehr interessant erscheint, den für Deutschland charakteristischen Unkräutern nachzuspüren, inwieweit sie sich in Kleefeldern vorfinden. Eine ganze Reihe von den Pflanzen, die hier genannt sind, findet sich in Alitte!- deutschland vor. Die Centaurea z. B. ist im Gebiete von Halle so charakteristisch, dass sie in erster Linie auf Odländereien vorkommt, dann aber auch auf besseren Boden sich überträgt; so habe ich sie selbst zwischen Klee und auf Brachäckern gesehen. Für das Zentrum von Deutschland wäre es von grossem Interesse, dem nachzuspüren. 1) Die besten Futterpflanzen. 1. Teil, :3. Auflage 1902: II. Teil, 3. Auflage 1907. 232 Verhandlungen der I. internationalen Konferenz für Samenprüfung. inwieweit die östlichen Unkräuter von Ungarn, Mähren usw. sich dem Herzen Deutschlands nähern, inwieweit sie noch Anteil nehmen kfinnen an der Vegetation, Dass bei uns in dem käuflichen Kleesamen solche Unkräuter nicht mehr nachgewiesen sind, kommt, glaube ich, daher dass die Felder, in denen wir solche Unkräuter finden, gew()hnlich in schlechter Kultur stehen und nicht zum Anbau von Saatgut, sondern nur zum Anbau von Futterpflanzen benutzt werden. Von hohem Inter- esse würde es daher sein, dass wir nicht nur die Vermischung der Saat feststellen, sondern auch das Vorkommen der Unkräuter auf den deutschen Fluren selbst. Ich halte die Mitarbeit von Beobachtern in den verschiedenen Teilen Deutschlands für sehr erwünscht, um nicht nur die Saat, sondern auch das Gedeihen der Unkräuter auf unseren Feldern zu untersuchen. Ich erkläre mich auf das Vielseitigste ange- regt durch die Ausführungen des Herrn Kollegen Stehler und habe nur von meinem Standpunkte aus diese Anregungen weiter führen wollen. Vorsitzender: Wünscht noch jemand das Wort? Wenn es nicht der Fall ist, so glaube ich im Sinne aller Herren zu sprechen, wenn ich dem Kollegen Stehler den besten Dank ausspreche für seinen ausge- zeichneten Vortrag. Ich möchte mir erlauben, die Anregung, die Kollege Stehler gegeben hat, zu unterstützen. Wenn es überhaupt gestattet ist, die Sache in Form von Anträgen in eine bestimmte Richtung zu leiten,, so würde ich glauben, dass es angezeigt wäre, dass wir es zum min- desten als wünschenswert betrachten, dass die Stationen untereinander dieser Anregung Folge leisten und in Form eines nocn näher zu be- stimmenden Fragebogens sich über ihre Wahrnehmungen hinsichtlich der Provenienz alljährlich aussprechen, und dass Tatsachen, die gefunden worden sind und die für die Publikation noch nicht genügendes Material bieten, ausgetauscht werden, damit wir auf diese Weise in den Stand gesetzt werden, auch in dieser Frage einen Fortschritt zu verzeichnen. Ich würde bitten, sich noch darüber zu äussern, ob die Herren sich mit den in Form eines Antrages oder einer Anregung geäusserten Wünschen des Kollegen Stehler hinsichtlich des Austausches der mit den ver- schiedenen Provenienzen gemachten Erfahrungen einverstanden erklären. Ich möchte bitten, dass das vom Ausschuss in das Resume aufge- nommen wird. Dr. V. Deg'eii-Budapest: Geehrte Versammlung! Ich würde vor- schlagen, dass die Sammlung dieser Daten in einer Zentralstelle erfolge, w^elche die eingelaufenen Daten zu bearbeiten hätte. Ich halte es aber für unbedingt notwendig, dass die Daten durch Belege gestützt werden, wenn möglich durch Samen, noch besser durch eine daraus gezogene Die Herkuni'tsbestimmuDg der Saaten. 233 Pflanze. Jede Angabe über Provenienzunkräuter zieht gewisse Folgen nach sich; deshalb ist es unbedingt notwendig, dass alle diese Angaben sicher begründet sind. Ich erlaube mir vorzuschlagen, dass, wenn die Züricher Station sich dieser Aufgabe unterziehen will, diese Station als das Zentrum bezeichnet werde. Vorsitzender: Die Herren haben die Anregung gehört, und ich. bitte, sich darüber zu äussern. Ich erlaube mir hinzuzufügen, dass ich dasselbe gedacht habe. Um aber nicht weiteren Anregungen, welche von meiner Seite hinsichtUch der zukünftigen Gestaltung unserer Be- ratungen ausgehen werden, vorzugreifen, möchte ich mir erlauben, darauf aufmerksam zu machen, dass wir beabsichtigen, eine internationale Kommission zusammenzusetzen, welche alle diese Fragen, die heute und an den folgenden Tagen als akut bezeichnet werden und die den Gegen- stand weiterer Arbeit und Beratung bilden, sammelt und das Weitere veranlasst. Wünscht zu dieser Frage noch jemand das Wort'.' Dr. Stebler: Ich habe immer mit Interesse die neuen Daten der Versuchsanstalten verfolgt und habe sie in den Publikationen auch immer zu Rate gezogen, soweit sie mir Gewähr boten. Es ist deshalb sehr wünschenswert, dass die Bestimmungen durch Material belegt würden. Wenn man Pflanzen vor sich hat, so hat die Sache erst Wert. Ich bin sehr gern bereit, alles Material, das mir zugeschickt wird, zu verwerten. Das wird am besten in unseren Jahresberichten geschehen. Für jede Kleinigkeit ist man ja dankbar, denn es ist immer ein Baustein mehr zum grossen Gebäude. Vorsitzender: Wünscht noch jemand zu dem Gegenstande zu sprechen? Das ist nicht der FaU. Wir können deshalb zu dem zweiten Punkte unserer Tagesordnung übergehen, nämlich der Wertbestimmung der Rübensamen. Das Referat fällt mir zu; ich bitte deshalb Herrn Professor Zacharias den Vorsitz zu übernehmen. Prof. Dr. Zacharias übernimmt den Vorsitz. 234 Verhandlungen der 1. internationalen Konferenz für Samenprüfung. Die Wertbestimmung der Rübensamen. Von Hof rat Dr. Tli. v. Weiiizierl-Wien. Eine ausserordentlich wichtige Frage der Samenkontrolle, die so- wohl in praktischer wie auch in theoretischer Hinsicht insbesondere jene Anstalten ausserordentlich in Anspruch nimmt, die in Zentren des Rüben- samenhandels, namentlich aber des Handels mit Zuckerrübensamen liegen, ist die Frage nach der Wertbestimmung der Rübensamen. Ich brauche hier nicht eine erschöpfende historische Darstellung zu geben, zumal eine Zusammenstellung') mit ausserordentlicher Raschheit durch Herrn Kollegen Voigt bewirkt worden ist, sondern ich will diejenigen Modifikationen besprechen, welche auf Grund der an unserer Anstalt in \\'ien gemachten Untersuchungen sich hinsichtlich der Samenkontrolle gewiss als anwendbar bezeichnen lassen. Bekanntlieh wurden an allen Anstalten bei Bewertung des Rüben- samens mit Ausnahme der sogenannten Magdeburger Normen die Grössen- verhältnisse der Knäuel nicht in Rücksicht gezogen. Es ist ein- leuchtend, aus welchen Gründen dies geschah. Die Gründe, welche speziell mich veranlasst haben, s. Zt. gegen diese Gliederung in gross- iind kleinkörnige Saat mich auszusprechen, liegen einfach darin, dass es bei der Beurteilung einer Saat an der Grenze der Grob- und Klein- körnigkeit — wenn man in Betracht zieht, wie gross der AnalysenfehU^r ist — vorkommen kann, dass ein und dieselbe Saat nach der einen Analyse als kleinkiUMiig und nach der anderen Analyse als grobkörnig bezeichnet und infolgedessen nach zwei verschiedenen Massstäben be- urteilt und somit zwei verschiedenen Anforderungen entsprechen würde. I>ass aber der Rübensamen eine ausserordentliche Mannigfaltigkeit in den Grössenverhältnlssen bietet, das weiss jeder, der nicht nur den ') Technische Vorschriften für die Wertbestimmung von Saatwaren I. des Verbandes landwirtschaftlicher Versuchsstationen im Deutschen Reiche, IL des Verbandes landwirtschaftlicher Versuchsstationen in Russisch - Polen, III. für die mit Staatssubvention errichteten Samenkontrollstationen der nor- dischen Reiche: Dänemark, Norwegen und Schweden. IV. für die Association of American Agricultural Colleges and Experiment Stations, sowie Durch- schnittsresultate für die wichtigsten Futterpflanzen und ein Bericht über die Samenkontrolle in Schweden. Nach dem vorhandenen Material zusammen- gestellt und als Manuskript gedruckt für den ersten internationalen Kongress für vSamenprüfungen in Hamburg, September 1906. Th. V. Weinzier], Die Wertbestimmuüg der Rübensamen. 235 Rübensamen des Handels, der vielfach nicht von ein und derselben Saat herstammt, kennt, sondern der auch mit Kulturversuchen sich befasst und selbst Aberntungen vorgenommen hat. Wenn man die Entwickelung der Rübenknäuel verfolgt, kann man wahrnehmen, dass man die ver- schiedenartigsten Grössenverhältnisse vorfindet. Es würde zu weit führen, durch rechnerische Beispiele die Relation darzulegen, welche zwischen der Körnergrösse, dem Gewichte, und der aus einer gewissen Anzahl von Knäueln hervorgegangenen Keimlinge sich herstellt; es würde ferner zu weit führen, durch Beispiele klar zu legen, dass eben gerade ■die Grösse ausschlaggebend ist, wenn man auch noch das Gewicht der Körner in Berücksichtigung zieht, oder, wie wir in unserem Gutachten sagen, die Anzahl der Körner in einem bestimmten Gewicht der Ware. Die Grössenverhältnisse des Rübensamens sind, wie gesagt, zuerst bei den Magdeburger Normen berücksichtigt worden, aber der Umstand, dass man nur die Extreme aufgestellt hat, hat wieder dazu geführt, die Sache mehr oder weniger als undurchführbar zu bezeichnen, und hat auch mit sich gebracht, dass die anderen Anstalten sich diesen Normen nicht angeschlossen und dass weder die Berliner, noch die Hallenser noch die Wiener Normen von dieser Abstufung und Abtrennung An- wendung gemacht haben. Ein anderer Umstand, meine Herren, der Ihnen ja sehr gut be- kannt ist und als ein sehr grosser Übelstand in unserer Arbeit be- zeichnet werden muss, ist die erste Proben Ziehung. Wir wissen ja schon von anderen Sämereien, welche Schwierigkeiten es macht, ein entsprechendes Durchschnittsmuster, also ein Analysenmuster, zu ziehen. Bei Rübensamen, welcher die verschiedenste Anzahl von Einzel- früchten enthält, fällt das um so mehr ins Gewicht resp. ist das um so bedenklicher, wenn man aus dieser Zahl Umrechnungen für den Ge- brauchswert des Rübensaatgutes macht. Wir sind uns der Mängel und der Schwächen unserer derzeitigen bislang verwendeten Rübensamen- untersuchungsmethoden bewusst gewesen. Wie die Herren aus unseren Jahresberichten kennen dürften, geht uns alljährlich eine grosse Zahl von Zucker- und Futterrübensamen zu, denn die Gesamtproduktion von Österreich und ein Teil der ungarischen Produktion sind an den Einkauf von Rübensamen gebunden, und der ganze Handel, der nach Schluss- briefen erfolgt, schliesst nach gewissen Normen der Versuchsstationen al). Wir sind nicht nur in einer gewissen Zwangslage gewesen, sondern wir haben es auch als unsere Pflicht und unsere Aufgabe angesehen, Verbesserungen hinsichtlich der Rübensamenunterbuchung anzustreben. Wir sind dabei wieder auf unsere ursprüngliche Idee, nämlich Heran- ziehung der Grössenverhältnisse als Massstab, zurückgekommen. Das 236 Verhindlaag en der I. internationalen Konferenz für Samenprüfung. Thema, welches hier vorgelegen hat, wurde zwei Herren meiner Anstalt schon vor zwei Jahren übergeben. Sie haben nach eitriger und mühe- voller Arbeit, wie ich glaube und wie aus der hierüber schon publizierten Arbeit') zu entnehmen ist, tatsächlich die Frage gelöst, insofern als es ihnen gelungen ist, eine Methode herauszufinden, nach welcher man möglichst einwandfreie, richtige und gute Durchschnittsmuster ziehen liann. Das ist die Sache, mit der man anzufangen hat. Man ist schliesslich dahin gelangt, dass man ein eingelaufenes Mustor von 250 — 300 g in einer kugelförmigen Glasschale gut durcheinander mischt und so sorgfältig wie möglich mit Einbeziehung des betreffenden Restes der Verunreinigungen ein Muster für die Analyse herstellt Dieses Muster wurde für die Reinheitsbestimmung, dann für die Auszählung der Körner nach der Zählmethode und schliesslich für die Ermittelung des Wassergehaltes verwendet. Nun ist es gewissermassen die Subjek- tivität gewesen, die den Ausschluss grösserer Differenzen verursacht. Ich meine, wenn ein und derselbe Analytiker immer ein und dieselbe Arbeit ausführt, so gleichen sich Versuchsfohler wieder aus; sie wachsen dagegen bedeutend, wenn ein anderer diese Handgriffe übernimmt und die Subjektivität damit verloren geht. Wir sind darauf ausgegangen, durch eine maschinelle Vorrichtung eine möglichst vollständige Durch- schnittsprobe zu bekommen. Der Probeziehungsapparat^) besteht aus einem Trichter, in welchem 250 g Saat eingeführt werden. Von hier aus gelangt der Rübensamen in einen horizontalen Zylinder, in welchem das langsam einfallende Rübensaatgut mittelst einer Schnecke nach vorwärts geschoben wird und schliesslich auf eine langsam rotierende Scheibe, welche in zehn Segmente eingeteilt ist, fällt. Die Übertragung durch Zahnräder ist eine derartige, dass die Umdrehungsgeschwindigkeit der Scheibe die Arbeit des Apparates nicht alteriert, da mit der Um- drehungsgeschwindigkeit der Scheibe auch das Ausfliessen des Samens in gleichem Verhältnis zu- oder abnimmt und die Scheibe daher nicht weiter kontrolliert zu werden braucht; der Apparat kann mit der Hand oder durch einen Motor in Bewegung gesetzt werden. Wenn also das Ausfliessen des Saatgutes hier beendet ist,' so können diese Segmente als Schüssel- chen aus dem Probezieher herausgenommen werden, und man hat jetzt, wenn man beispielsweise bis zu 200 g aufgeschüttet hat, ein Quantum ^) Körners, K. u. Freiidl, E., Die Wertbestimmving des liübensamens (Österr.-Ungar. Zeitschr. f. Zuckerindustrie u. Landwirtsch. 1!)()6, H. 5, 105 S. m. 3 Abb. u. 3 Taf. — Mittig. d. k. k. Samenkontrollstation in Wien No. 334. Wien [W. Frick] 190()). ^) Probeziehungsapparat für Rübensanieu nach K. Komers, verbessert von E. Freudl. (Wiener Landwirtsch. Ztg. 1905, No. 45, m. Abb.» Th. V. Weinzierl, Die Wertbestimmung der Rübensamen. 237 von 20 g in jeder Schale Ich brauche nicht zu erwähnen, dass der Apparat so vollständig arbeiten muss, dass sämtliche Verunreinigungen, auch Staub, mit herausbefördert werden, was durch die eng an den Zylinder anschliessende Schnecke bewirkt wird. Durch dieselben Assistenten, die seit Jahren mit der Sache zu tun haben, und deren Subjektivität infolgedessen am geringsten ist, und die auch diese Maschine bedient haben, sind viele Vergleichs- versuche gemacht worden, sodass wir vergleichen konnten, innerhalb welcher Grenzen die Schwankungen liegen. Es hat sich gezeigt, dass die Schw^ankungen nur sehr geringe waren. Auch diese Frage der Fehler- grenze und Schwankungen ist, soweit sie mathematisch gefasst werden kann, in der genannten Arbeit zum Ausdruck gebracht und unter Benutzung des Gaussschen Fehlergesetzes die Schwankungen der Keimungsresultate der in Vergleich gezogenen Methoden berechnet. Allerdings muss ich sofort bemerken, bevor ich von einer Bestimmung der .Fehler spreche, dass es ja andererseits der Umstand, dass wir etwas rascher mit der Publikation vorgehen, es nicht ermöglicht hat, auch mit anderen Stationen gleichzeitig Versuche anzustellen, und daher eigentliche systematische Fehler nicht haben berücksichtigt werden können. Das wäre eine jener Anregungen, welche auch von unserer Konferenz ausgehen sollten, und ich würde es als einen besonderen Erlolg unserer Konferenz ansehen, wenn wir auf Grund dieser Vorschläge und Anträge tatsächlich die Arbeit nach dieser Methode unter- einander durchführen und vergleichende Proben austauschen und somit zu einer Nutzanwendung unserer theoretischen Auseinandersetzungen gelangen. Ich habe das nur bemerkt, weil gewiss jeder, der die Arbeit aufmerksam liest und die weitgehenden Berechnungen sieht, diesen Ein- wand erheben wird. Es ist vorbehalten, diesen sogenannten systema- tischen Fehler zu finden, worüber sich erst dann völlige Klarheit ergeben wird. P]r wird zweifellos nicht so gross sein, wie er nach der früheren Methode war. Als ein weiterer Fortschritt muss die Tatsache betrachtet werden, dass es durch diese Arbeit gelungen ist, die Grössenverhältnisse der Knäuel in einer Probe nicht nur zum Ausdruck zu bringen, sondern auch tatsächlich die zur Keimung notwendigen 100 Knäuel nach einem einfachen Schlüssel genau auszurechnen. Auf diese Weise wird eine der wichtigsten Fehlerquellen, die wir immer alle bedauert haben, und die zu grossen Differenzen geführt hat, bedeutend eingeschränkt. Der eingeschlagene Weg ist folgender: Es wird nach dieser Muster- ziehung zunächst eine Reinheitsbestimmung gemacht: auch hier haben wir eine andere Auffassung unserer Wertbestimmung zugrunde gelegt. 238 Verhandlungen der I. intelnationalen Konferenz für Samenprülung. indem wir nicht bloss den ausgesiebten Samen als reinen Samen ange- sehen haben, sondern wir haben uns die Frage gestellt, welche Menge von sogen. Abfallknäueln in einer Probe vorhanden ist, und wir be- zeichnen diejenigen Knäuel, welche durch ein 2 mm-Schlitzsieb hindurch- fallen, als sogen. Abfallknäuel. Wir haben jetzt also durch die Hand- auslese und durch das Sieben 1. volle und reine Knäuel, 2. Verunreinigungen, als da sind Staub, Erde, fremde Bestand- teile, und 3. Abfallknäuel — und das haben wir bisher nicht berücksichtigt. Es ist wiederholt die Frage aufgestellt worden: soll man jetzt, wenn man das Sieb verwendet, den gesamten Abfall als Verunreinigung ansehen, oder sind diese kleinen Knäuel noch keimfähig, liefern sie noch Pflanzen? Es sind bekanntlich eine Menge Arbeiten gemacht wordeiu die ergeben haben, dass man gewiss auch noch Pflanzen davon bekommt, dass das aber im grossen und ganzen ein Quantum ist, welches. man unbedingt vernachlässigen kann, und dass das, was früher als Abfall- knäuel in den Verunreinigungen enthalten war, überhaupt als fremde Bestandteile angesehen werden kann. Dieser Vorgang war es ja, welcher tatsächlich, ich muss es selbst sagen, herausgefordert hat, dass man eben sagt: ja, die Knäuel, die geerntet sind, die auch noch keimfähig sind, können unmöglich deshalb, weil sie klein sind und durch das Sieb hindurchfallen, als fremde Bestandteile bezeichnet werden; etwas Fremdes ist ja gar nicht hineingekommen. Es war deshalb notwendig, die Sache in der Form zu machen, dass man die Abfallknäuel besonders behandelte. Man hat verschiedene Rübensamen untersucht und ist zu interessanten Resultaten gekommen. Man kann jetzt sogar das Gemenge konstatieren, - in welchem Verhältni'^ der Prozentsatz der Abfallknäuel zu der ganzen Ware steht. Kurz und gut, es ist dieser höchst einfache Gesichtspunkt von nicht unbeträchtlicher Bedeutung geworden. Nun, ich will die Sache nicht weiter ausführen, die Konsequenzen ergeben sich von selbst, und die Beweisführung für diese Darlegungen ist in dem kleinen Referat enthalten. Wir haben also mit anderen Worten 1. eine Probezieliung, die möglichst fehlerfrei ist. Wir haben endlich bei der Wertbemessung die Abfallknäuel hinzugenommen. Wir mussten daher von Anfang an aus einer Probe eine grössere Anzahl von Mustern ziehen, und da hat sich die Einteilung in Segmente gut bewährt. Nun wurde ein System von Sieben in Verwendung genommen und zwar von 7 — 2 mm. Ich werde mir erlauben, ein einziges Zahlenbeispiel anzuführen. Wir haben z. B. von Knäueln als Rückstand gefunden: auf dem 6 mm-Sieb in dem Th. V. Weinzierl, Die Wertbestiminung der liübensamen. 239 einen Falle 0, in dem anderen Falle 12 — es handelte sich nämlich um zwei verschiedene Rübensamenposten • — , auf dem Sieb 5 mm waren 9 bzw. 44, auf dem 4V2 nim-Sieb waren 68 bzw. 112 usw. Ich will nicht alle Zahlen anführen, ich erwähne nur, dass auf dem 3,5 mm-Sieb die höchste Ziffer von 305 einerseits und 208 andererseits erreicht wurde, während auf Sieb 2 die eine Probe 176 und die zweite Probe 0 gezeigt hat. Damit ist schon bewiesen, welche Extreme vorhanden sind. Und nun haben wir eine Anzahl von Knäueln gehabt, welche nach demselben Verhältnis auszulegen waren. Es ist jetzt ganz einfach. Ich habe zum Keimversuch auszulegen von den Rückständen des 6 mm-Siebes 0 2 5 „ „ 1 4^2 ., . Ö 4 3 2V2 9 9 28 21 19 16 i 17 21 31 20 2 0 das macht zusammen 100 100 Ich habe auf Grund des Prozentverhältnisses sofort den Schlüssel, wieviel ich von den Siebprodukten wegzunehmen habe. Die so zu- sammengestellten 100 Knäuel besitzen dasselbe Mischungsverhältnis, wie es in der Probe wirklich vorhanden ist. Das war eine ausserordentlich wichtige Tatsache, und es ergibt sich denn auch aus den Vergleichs- versuchen, dass die Proben, die von dem verschiedenen bei der Proben- ziehung beschäftigten Personal ausgelegt wurden, gut übereinstimmen. Nachdem nun eine derartige Aufstellung gefunden wurde, hat sich ein weiterer wichtiger Bewertungsfaktor eigentlich von selbst ergeben. Wir haben lange darüber hin und her debattiert und deliberiert, welches Schema der Bewertung man jetzt aufstellen soll. Wir haben ja bereits gesehen, es gibt nicht nur grosse, mittlere und kleine Knäuel sondern es gibt so viele Übergänge und so viele Grenzen, dass, wenn wir nur drei Abstufungen einführen, ganz dasselbe eintritt wie bei zwei Abstufungen. Diese Kombination ergibt sich von selbst. p]s ist nur die eine Konsequenz gewesen, welche ich mir erlaubt habe, in diese von mir herausgegebenen modifizierten Wiener Normen^) aufzunehmen, nämlich eine Tabelle, die von Knäuel zu Knäuel geht, so dass man nur 1) Wochenschr. d. Zentralvereins f. Rübenzuckerindnstrie in der Österr.- Ungar. Monarchie 1906, No. 36. — Mitteilg. d. k. k. .Samenkontrollstation in Wien, No. 335. 240 Verhandlungen der I. internationalen Konferenz für Samenprülung. das Resultat mit der Tabelle zu vergleichen braucht und sieht, mit welchem Massstab man messen kann. Dass man auf diese Weise der richtigen Bewertung des Riibensaatgutes, die schwieriger ist als bei allen anderen Samen, ein gutes Stück näher gekommen ist, dürfte keinem Zweifel unterliegen. Wir haben auch die verschiedenen Parallelversuche, Avelche an unserer Anstalt gemacht worden sind, mit den verschiedenen Qualitäten, mit den grössten Extremen, mit den verschiedenen Über- gängen vorgenommen; wir haben künstliche Mischungen hergestellt und g(Miau durch die Analyse die theoretisch festgestellten Mittelwerte, die sich durch Berechnung ergaben, durch den Versuch auch wirklich ge- funden. Das hat gezeigt, dass wir nicht nur schon berechtigt sind, eine Tabelle, welche die Normalwerte für die Keimfähigkeit pro Gramm enthält, aufzustellen, sondern dass es sich eigentlich von selbst versteht in dem Momente, als man in der Lage ist, das Verhältnis der wirklichen Knäuel- grösse in Kalkül zu ziehen. Eine weitere Konsequenz dieser modifizierten Bewertungsmethode ist die Ermittelung des Analysenspielraumes, Das ist auch wichtig hervorzuheben, dass wir zu der allerdings von verschiedenen Seiten vorgeschlagenen und von uns als richtig anerkannten Einführung kommen mussten, nämlich die Latitude als Analysenspielraum für alle Fälle gelten zu lassen und nicht nur, wenn die Ware an den Grenz- werten ist. Eigentliche Grenzwerte sind hier nicht festgestellt, sondern es ist nm^ gesagt, ein normales Rübensaatgut soll diesen Anforderungen entsprechen. Es ist immer ein bestimmtes Knäuelgewicht mit der Keim- fähigkeit- in Verbindung gebracht, so dass sich jederzeit durch Rechnung auch die Keimfähigkeit pro 100 Knäuel aus der Tabelle finden lässt, weil ja die Keimfähigkeit von 100 Körnern in Relation steht zu der Zahl der Keime in einem Gramm und der Zahl der Knäuel in einem Gramm. Es ist begreiflich, dass die Bewertungsmethode Jetzt ein ganz anderes Bild gibt wie früher. Früher ist man nicht gewohnt gewesen, die Keimfähigkeit durch die Anzahl der Keime und Knäuel von 100 g auszurechnen. Jetzt handelt es sich nur darum, die Zahl der Knäuel in einem bestimmten Gewicht zu finden und die Keimfähigkeit derselben zu ermitteln, so ist damit der dritte Faktor, die Keimzahl pro 100 Knäuel, bestimmt. Es hat sich weiterhin daraus ergeben, dass die Bewertung der Vergütung, wie wir sie bislang vorgenommen haben, selbstverständ- lich auch nicht vollkommen den Anforderungen entspricht oder ent- sprochen hat, welche man hinsichtlich der richtigen Verteilung der in der Probe enthaltenen Rübenknäuel verschiedener Grösse gestellt hat. Hingegen gestattet diese Bewertungstabelle auch in der Richtung eine Th. V. Weinzierl, Die Wertbestimmung der Hübensamen. 241 befriedigende Lösung; in der Sclirii't, welche ich schon genannt habe, ist auch die Berechnung in einem Beispiele durchgeführt worden, das ich in die modifizierten Wiener Normen aufgenommen habe. Das er- gibt sich von selbst. Man kann mit anderen Worten jetzt nach dieser Bewertungsmethode irgend eine ganz bestimmte Analyse, welche vor- liegt, mit der Tabelle vergleichen und hat dann gleich einen Mass- stab, was man von der Ware zu halten hat. E)iese Tabellen sind leicht zu handhaben, und wenn die Herron Gelegenheit haben werden, was ich sehr wünschen würde, da uns die Urheberschaft in diesem Falle zufällt, die Vergleichsversuche an den verschiedenen Anstalten durch- zuführen, so wird sich jeder davon überzeugen, dass der kleine Mehr- aufwand an Zeit und Mühe durch Präzision, durch die befriedigende Lösung und durch die befriedigende Verkleinerung des Analysenfehlers wettgemacht wird, und dass man auf diese Weise in die Lage kommt, auch die Bewertung des Rübensaatgutes präziser und mit Rücksicht auf die Händler zufriedenstellender zu ermöghchen. Ich glaube, damit die Hauptpunkte dieser Vorschläge und dieser in der Schrift als modifizierte Wiener bezeichneten Normen dargelegt 2u haben. Es würde mich sehr freuen, wenn einer der Herren, sofern ich klar genug gewesen bin, die Gelegenheit benutzen würde, um sich über diese Vorschläge auszusprechen. Vorsitzender: Wünscht einer der Herren das Wort zu dem Referat'.' Prof. Dr. Rodewald Kiel: Meine Herren! Die Ausführungen des Herrn Hof rat Dr. v. Weinzierl haben gewiss alle interessiert, die mit Rübenuntersuchungen zu tun haben. Ich gehöre nicht zu denjenigen, die viele Rübenuntersuchungen machen, trotzdem hat mich diese Arbeit, welche an der Wiener Versuchsanstalt entstanden ist, sehr interessiert, wie überhaupt alles, was auf die Methode der Keimfähigkeits- und der Reinheitsbestimmung Bezug hat. Es ist wohl zweifellos, dass durch die Methodik, die von Wien aus vorgetragen ist, eine etwas grössere Ge- nauigkeit der Reinheitsbestimmung erreicht wird. Aber, meine Herren, der schwache Punkt bei der Rübensamenuntersuchung ist die Keim- prüfung der Rübensamen, denn die Fehler der Keimprüfung zählen nach 10 — 20 "/o der Keimhnge, während . die Fehler der Reinheits. bestimmung verhältnismässig nur klein sind. Ich glaube schon, dass man auch mit einfachem Auswählen — ohne Absonderung der Knäuel- .Jahresbericlit der Vereinigung für angewandte Botanik IV. 16 242 Verhandlungen der I. internationalen Konferenz für Samenprüfung. rezidive durch Sieben — zu einem Ergebnis kommen würde, das zu der Genauigkeit der Keimprüfung in einem wünsclienswertcn Verhältnis steht. Indessen habe ich auch nichts dagegen, wenn man durch Sieb- sätze dieKnäuel in verschiedene ürössenklassen trennen will, aber ich möchte doch fragen : sind alle diese Übergänge, die in den Grössen der ver- schiedenen Knäueln vorhanden sind, gesetzlos, oder wie sind sie be- schaffen? Es würde mich sehr interessieren, wenn die Untersuchungen nach dieser Richtung erweitert worden wären. Ich habe früher mal von verschiedenen Samen (Cerealien, Erbsen, Raps, Rübsen, Kleesamen) folgenden Versuch machen lassen. Ich habe die Gewichte der Ivörner einzeln bestimmt. Trägt man nun diese Gewichte in Koordinaten ein^ so bekommt man eine Kurve von bestimmter Gestalt. Diejenigen Herren Botaniker, die sich mit Variationsstatistik beschäftigt haben, wissen, dass die Grössenverhältnisse der Pflanzen einer bestimmten Gesetzmässigkeit folgen. Bei meinen Untersuchungen, die damals von Herrn Hedde aus- geführt wurden, stellte es sich heraus, dass jene Kurve, von der ich sprach, die als Abszisse die Zahl und als Ordinate das Gewicht der einzelnen Samen hat, sich durch das Gausssche Pehlergesetz vollständig ausgleichen lässt mit der Genauigkeit, die man bei chemischen Analysen beanspruchen kann, also mit einer Abweichung von 2 — 3*^/o, mithin ziemlich genau. Nun, meine Herren, wenn eine kontinuierliche Kurve der Knäuelgrössen vorhanden ist und man diese durch Siebsätze ab- stufen und unterbrechen will, so tritt immer die Schwierigkeit ein, dass die Siebprodukte dem Gewichte nach anders ausfallen, je nach der Kraft, die beim Sieben aufgewendet wird. Es wäre mir interessant gewesen, wenn man die Fehler bei den Siebprodukten festgestellt hätte. Die Fehler der Keimprüfung sind ja auch von der Wiener Station genau berechnet worden. Die Genauigkeit, die durch die Zählprozentmethode erzielt worden ist, ist nicht so sehr hoch ausgefallen gegenüber den anderen Methoden. Die von Herrn Hofrat v. Weinzierl beschriebenen Versuche lieferten die Genauigkeitszahlen und zwar bezüglich der Keime nach sechs Tagen und für die Zählprozentmethode 0,055, für die Ge- wichtsmethode 0,066 und für die alte Zählmethode 0,052. Diese Zahlen sind so wenig von einander verschieden, dass man sagen kann, die eine Methode leistet so viel wie die andere, aber die absolute Höhe der Ge- nauigkeit ist unter jeder Anforderung, die man an eine wissenschaftlich exakte Methode stellen kann. Das liegt in der Natur der Sache und hat seinen Grund wahrscheinlich darin, dass die Keimungsbedingungen noch nicht erschöpfend genug bekannt sind, oder dass auf den Keimungs- prozess gewisse Verhältnisse einen Einfluss ausüben, die bei den Unter- suchungsmethoden nicht genug berücksichtigt werden. Es kommen der- Diskussion: Wertbestimmung der Rübensamen. 243 artige Sachen vor. Wir haben damals bei den Untersuchungen, die von der Deutschen Landwirtschaftsgesellschaft ausgingen, gesehen, dass zwischen den einzelnen Stationen sehr grosse systematische Fehler bei der Keimprüfung auftraten; das ist ein Zeichen dafür, dass trotz aller Vorschriften die Keimungsbedingungen doch nicht im exakten Sinne konstant gehalten wurden. Ich war in diesem Sommer damit beschäftigt die Ursache der systematischen Fehler etwas mehr atifzuklären. Meine Untersuchungen bezogen sich allerdings nicht auf Rübensamen, sondern auf Rotklee und wurden zusammen mit Herrn Landwirtschaftslehrer A. Schäfer ausgeführt. Ich will nicht näher darauf eingehen, aber doch bemerken, dass die Teniperaturfehler bei der Sache sehr wesentlich sind und dass auch die besten Apparate, wie sie jetzt im Gebrauch sind, Temperaturfehler in den Keimpaketen möglich machen, die ^2 bis 1 Grad betragen, wenn es den Keimpaketen in dem Thermostaten möglich ist, in irgend einer Weise Wasser zu verdunsten. Ich verwandte nämlich einen Thermostaten, dessen Thermometer bei geschlossener Tür tage- lang Schwankungen von höchstens 0,5 Grad aufwies. In diesem Thermostaten brachte ich in der Mitte auf einem Brett ein Thermo- element an und verband es mit einem Galvanometer. Das Galvanometer zeigte 0, es wurde stromlos, ein Zeichen, dass sich die Temperatur in dem Thermostaten vollständig ausglich. Auf die oberen Lötstellen packte ich meine Keimpakete. Da stellte es sich heraus, dass das Galvano- meter sofort Ausschlag gab. Ich hatte sehr feine, für andere Zwecke gebaute Instrumente und Messwerkzeuge zur Verfügung, mit denen ich bis zu V.30C0 Grad messen konnte, und ich vermochte deshalb genauer zu messen, als es für diesen Zweck eigentlich nötig war. Es stellte sich heraus, dass auch bei geschlossenem Thermostaten die Temperatur '/4 — V.i — V2 — 1 Grad schwankte, unter Umständen aber über diese Grenze noch hinausging, je nach den Verdunstungsbedingungen. Ich bin überzeugt, dass die Lüftungseinrichtungen der auf den verschiedenen Stationen gebrauchten Keimapparate sehr verschieden sind; die einen werden die Gelegenheit geben, viel Wasser zu verdunsten, die anderen nur weniger. Damit steht in direkter Beziehung eine Temperaturdifferenz. Nun will ich noch einen Versuch mit Rotklee bekannt geben, der eigent- lich nicht hierher gehört, der aber zeigt, dass diese Temperaturdifferenz, die bei Wasserverdunstung in den Keimapparaten nachweisüch vor- handen sein kann, genügt, um recht erhebliche systematische Fehler hervorzubringen. Um das zu konstatieren, liess ich hart gebliebene Körner von einer Rotkleeprobe nehmen, nochmals in Wasser atislegcn und von nachgequollenen Körnern befreien; dann wurden sie getrocknet und zweimal 1000 Körner abgezählt, in zwei kleine 50 Grammflaschen 16* 244 Verhandlnno-en der I. internationalen I^onferonz für S.imenprüfung. getan, mit destilliertem Wasser übergössen und die eine Probe in einen Thermostaten gebracht, der auf 20 °, und die andere Probe in einen zweiten Thermostaten, der auf '60 ° eingestellt war. Nun wurde täglich die Probe ganz kurze Zeit herausgenommen und die nachgequollenen Körner ausgezählt. Diese nachgequollenen Körner konnten mit Sicherheit zur Keimung gebracht werden. Da stellte es sich heraus, dass bei 30 ° innerhalb zehn Tagen — es ist das die gewöhnliche Keimzeit des Rotklees — etwa 17,1 "/q mehr gequollen Ovaren als bei 20 ". Nun, meine Herren, das macht, Proportionalität vorausgesetzt, für jeden Grad Temperaturdifferenz einen Unterschied von 1,7 °/o- Bei den vergleichenden Keimprüfungsversuchen, die von der Deutschen Landwirtschaftsgesellschaft ausgingen, betug bei Rotklee der systematische Fehler 2 "/q. Ein Grad der Temperaturdifferenz, wenn er über 10 Tage wirkt, würde imstande sein, den systematischen Fehler um 1,7 °/o zu verändern. Nun, meine Herren, Sie sehen, dass der Temperaturfehler bei den Quellungsbedingungen jedenfalls eine grosse Rolle spielt. Ich habe die Untersuchungen noch nicht fortgeführt, vor allen Dingen noch nicht auf Gräser ausgedehnt, es wird aber noch ge- schehen. Wenn nun so bedeutende Fehler in der Keimprüfung bei Rüben- samen entstehen, wie sie in den Wiener Untersuchungen genau be- rechnet sind, so ist doch auch vielleicht eine Ursache vorhanden, die die F'ehlergrüüse bedingt und, meine Herren, es hat keinen rechten Zweck, uns auf der einen Seite einer Genauigkeit zu bedienen, mit Aufwand von vieler Arbeit, die vielleicht Fehler von 0,1 °/o ausschliesst, während w'ir auf der anderen Seite mit Keimprüfungsfehlern von 10 — 20 ^Iq zu rechnen haben. Im allgemeinen stellt man an eine wissenschaftliche Methode die Anforderung, dass sie gleichmässig arbeitet, wenn sie ver- schiedene Konstanten, die bei der Berechnung zusammenwirken, bestimmt. Hier sind es die Reinheit und die Keimfähigkeit, die zusammen den Gebrauchswert der Ware bestimmen. Es hat keinen rechten Zweck, die Reinheitsbestimmung auf eine sehr grosse Genauigkeit zu steigern, während die Keimfähigkeitsprüfung noch sehr grosse Lücken aufweist. Allerdings betreffs der Keimfähigkeit der Knäuel steht die Sache günstiger für die Zählprozentmethode. Die Genauigkeit der Zählprozent- methode ist bei Bestimmung der keimfähigen Knäuel nach 6 Tagen 0,197, bei der Gewichtsmethode 0,141 und bei der Abzählmethode 0,143, nach 12 Tagen ist das Verhältnis 265 : 144 : 134. Somit ist also die Zähl- prozentmethode bei Bestimmung der keimfähigen Knäuel den beiden anderen Methoden überlegen und zwar nicht ganz um das Doppelte. Ich glaube, man wird gut tun, vor allen Dingen sein Augenmerk auf Diskussion: Wertbestimmung der Rübensamen. 245 die Verfeinerung der Keimprüfung zu richten. Ob das gelingen wird, ist eine andere Frage. Die Keimprüfung ist ein physiologischer Vor- gang, der von sehr vielen Variahein abhängig ist. Man kann aber annehmen, dass die einzelnen Variabein l)eherrschbar sind. Seit langen Jahren war ich auch der Meinung, dass es kaum gelingen würde, den systematischen Fehler zu verkleinern. Durch die vorhin erwähnten Untersuchungen bin ich zu einer anderen Überzeugung gelangt. Das wollte ich den interessanten Ausführungen des Herrn Hofrat Weinzierl hinzufügen. Wir sind ja zusammengekommen, um gegenseitig unsere Erfahrungen auszutauschen. L. Kühle-Gunsleben: Meine Herren! An den Vorschlägen der Wiener Station erscheint mir besonders bedenklich, dass an Abfall- knäueln höchstens l^/^ vorhanden sein darf. Es steht heute noch durchaus nicht fest, ob solche Knäuel vollständig wertlos sind. Meine eigenen Untersuchungen, die ich eine ganze Reihe von Jahren fortgesetzt habe, haben mir keine Beweise für ihre Minderwertigkeit zu schaffen vermocht. Ich selbst siebe durch ein 3 mm-Sieb. Um jedoch auf i^j^ Abfallknäuel zu kommen, ist eine sehr grosse Siebfläche nötig. Es würden alle Rübensamenzüchter gezwungen sein, ihre Siebanlagen bedeutend zu vergrössern. Das wird kaum möglich sein. Anderseits würden Differenzen dadurch entstehen, dass, sobald der Samen nach der Sor- tierung noch längere Zeit gelagert hat, zahlreiche Knäuel, die ur- sprünglich über das Sieb gegangen sind, an Grösse so einbüssen, dass sie bei späterer Untersuchung durch das 2 mm-Sieb ohne weiteres durchfallen. Diese Gefahr ist um so grösser, je trockener der Samen eingelagert wurde und je länger sein Transport dauert. Es würde das erhebliche Differenzen verursachen, und die Leidtragenden würden in erster Linie die deutschen Rübensamenzüchter sein, da sie am ge- samten Rübensamenhandel am meisten beteiligt sind. Es ist ihnen das Leben schon an und für sich recht sauer gemacht; durch eine derartige Bestimmung würde ein neues Moment hinzugefügt, welches wohl nicht dazu beitragen dürfte, das Verhältnis zwischen Konsumenten und Produ- zenten friedfertiger zu gestalten. Wie schon erwähnt, ist der Unwert der kleinknäueligen Samen noch nicht schlüssig festgestellt. Ehe derartige einschneidende Bestimmungen getroffen werden, müssen meines Er- achtens diese Feststellungen erst unbedingt vorangehen. Es kommt weiter hinzu, dass heute ein ziemlich grosses Quantum geschälten Samens auf dem Markte ist. Bei dem geschälten Samen gehen 20— 25"/o der ursprünglichen Knäuelmasse verloren, es müsste also für den ge- schälten Samen eine besondere Norm geschaffen werden. Ganz besonders bedenkhch erscheint mir auch die Bestimmung, dass in betreff der bei 246 Verhandlungen der 1. internationalen Konferenz für Samenprüfung. den Keimversuchen konstatierten kranken Keime über eine Anzalil von 3 liinweggesehen werden kann, wenn das Saatgut den übrigen An- forderungen entspricht. Ich selbst bin mit meinem verehrten Freunde Prof. Li n hart, welcher schon verjähren Anregungen in gleicher Richtung gemacht hat, die damals auch von der Wiener Station, so weit ich weiss, nicht aufgenommen wurden, darin einig, dass die am Samen haftenden Dauerformen verschiedener Mikroorganismen die Ursache für die Erkrankung der Rübenptlanzen sein können und dass eine Infektion der Keimlinge vom Samen ausgehen kann. Auch neuerdings hat Herr Dr. Peters von der Biologischen Reichsanstalt mitgeteilt, dass ihm In- fektionen mit Reinkulturen von Plioma betae und Pythium de Baryanum gelungen sind. Immerhin erscheint mir bis heute der Zusammenhang der Krankheitserscheinungen im Keimbette und im Preilande noch nicht so genügend geklärt, dass man schon jetzt zu derartig einschneidenden Bestimmungen schreiten kann. Was krank ist und was nicht krank ist, sagen die „neuen Wiener Normen" nicht; sie sprechen lediglich von kranken Keimen. Es muss doch unterschieden werden, welche Krankheitsformen in Frage kommen sollen. Vor allen Dingen ist zu berücksichtigen, dass in jedem Falle der bakteriologische Nachweis für das Bestehen einer kontagiösen Erkrankung zu erbringen sein wird. Ein Keim, der gebräunt ist und krank aussieht, braucht nicht in diesem Sinne krank zu sein. Es kann ja diese Erscheinung irgend eine physio- logische Ursache haben, mit der der Samen gar nichts zu tun hat, die vielleicht auf das Wasser, das zum Einquellen benutzt worden ist, viel- leicht auch auf das Keimbett, auf Temperatuifehler usw. zurückzuführen ist. Deshalb sollte die Wiener Station ihre Vorschläge nach dieser Richtung nachprüfen. Jedenfalls bin ich der Ansicht, dass die Materie noch nicht so spruchreif ist, um bereits zu bindenden Beschlüssen kommen zu können. Dazu gehören noch weitere intensiv durchzuführende Unter- suchungen und Feststellungen. Professor Dr. Edler-Jena: Ich möchte mir nur eine Bemerkung gestatten, um einem Missverständnis vorzubeugen. Es schien mir, als ob Herr Hofrat v. Weinzierl der Ansicht sei, dass die Magdeburger Normen von den deutschen Stationen aufgestellt worden wären. Mit der Aufstellung dieser Normen haben die Stationen gar nichts zu tun gehabt, und sie gehen uns unmittelbar auch nichts an; sie sind vom Handel aufgestellt, und wir haben gegebenenfalls durch die Untersuchung nur zu entscheiden, ob die Ware der Norm entspricht. W^eiter möchte ich darauf aufmerksam machen, dass die für uns geltenden Bestimmungen ein Ausscheiden der kleinen Knäuel vor der Keimprüfung gar nicht zu- Diskussion: Wertbestimmung der Rübensamen. 247 lassen, sondern dass wir stets die Probe, so wie sie eingesandt ist, zu untersuchen haben. Vorsitzender: Wird sonst das Wort gewünscht zu diesem Gegenstände? Hofrat Dr. v. Weiiizierl-Wien: Wenn Sie gestatten, möchte ich auf diese verschiedenen Bemerkungen einiges anführen. Bei allen vorgebrachten Einwänden wird es nicht möglich sein, mit der Gründlichkeit, wie die Sache es erfordert, zu entgegnen, namentlich dem vorletzten Herrn Redner gegenüber nicht, da ja Herr Kühle noch nicht im Besitze der ausführlichen Arbeit ist, in w^elcher über etwa 6 Seiten gerade die Frage der kranken Keime besprochen worden ist. Ich möchte zunächst Herrn Professor Rodewald danken für seine Anregungen. Namentlich der Fehler bei den Siebprodukton wird gewiss zu berücksichtigen sein; auch glaube ich in meiner Darstellung bereits gesagt zu haben, dass man eine gewisse Gesetzmässigkeit in der An- ordnung der Rübenknäuel nach ihren Grössenverhältnissen annehmen kann, wenn auch durch diese vorgenommene Absiebung eine Unter- brechung der von ihm genannten Kurve eintritt. Im allgemeinen wäre das nach Ansicht des verehrten Kollegen wohl nicht von diesem Belange gegenüber dem ziemlich grossen Fehler, welcher den Keimversuchen als solchen anhaftet. Ich muss sagen: ich bin mir dieser Schwächen und Mängel vollauf bewusst gewesen und habe gleich in der Einleitung gesagt, dass wir in erster Linie auf solche Fehler ausgehen, welche ohne grosse Schwierigkeiten zu beseitigen im Bereiche der Möglichkeit und der technischen Durchführbarkeit liegt, nämlich die Herstellung guter Durclischnittsproben unter Berücksichtigung bestimmter Grössen- verhältnisse. 1 )ie systematischen Fehler haben wir nicht in Rechnung gezogen: die werden durch diese Vergleichsversuche ermittelt werden. Aber dass Fehler dadurch entstehen, dass eben durch Einflüsse speziell bei der Keimung, z. B. durch Erfüllung oder Nichterfüllung gewisser Keimungsbedingungen, Störungen und Differenzen eintreten, das ist uns allen bekannt. Wir waren in Wien bemüht, in der Richtung eine Vervollkommnung durchzuführen, und die Beschreibung der Durch- führung des Keimversuches in der Schrift hat speziell mit Rücksicht auf die Temperatur eine Vervollkommnung erfahren. Sie ist natürlich nicht in der Weise zu deuten, wie sie Herr Professor Rodewald ge- deutet hat, nämlich mit Rücksicht auf die Konstanz der Temperatur; denn den Herren ist ja bekannt, das3 wir seit mehr als 24 Jahren, durch grosse, noch immer vergleichsweise fortgeführte Versuchsreihen gestützt, konstatiert haben, dass die intermittierende Erwärmung die natürlichen Verhältnisse, soweit es im Bereiche des Laboratorium- 248 Verhandlungen der I. internationalen Konferenz für Samenprüfung. Versuches liegt, ersetzt. Wir haben es hier nicht mit konstanten Tempe- raturen zu tun. Nur wenn wir voraussetzen oder annehmen, dass ein Keimapparat so konstruiert ist und so an allen Stationen gehandhabt wird — ich nehme ja nur den Fall an — , so müsste naturgemäss mit Rücksicht auf die Keimungsbedingungen der Fehler nicht in Betracht kommen oder nicht massgebend sein, weil die Temperaturdifferenz ein Einfluss ist, den man ja geradezu wünscht oder veranlasst. Unsere Apparate sind alle auf schwankende Temperaturen, die zwischen 18 — 28° C betragen, automatisch eingerichtet. Auch haben wir kon- statiert, wie die Schwankungen sich in den einzelnen Etagen des Thermo- staten ergeben und welche Kurven sich hinsichtlich der Temperatur- Schwankungen zeigen. Da ergibt sich, dass das Keimbett nicht in dem Moment, wo die Temperaturanzeige 28" ist, auch eine Temperatur von 28" hat und wenn die Temperaturanzeige 18'' ist, das Keimbett diese Temperatur tatsächlich nicht besitzt. Wenn unter diesen Verhältnissen gleichartig gearbeitet wird, werden die Fehler müglichbt klein werden, und wenn wir noch andere Momente finden würden, welche speziell ausschlaggebend beim Keimversuche sind, wird eine Verbesserung dieses Fehlers von 10*^/0 erreicht werden, was bekanntlich bei Rübensamen eigent- lich nicht viel ist. Was die Bemerkungen des Herrn Kühle betrifft, so möchte ich auf die genannte Publikation hinweisen und darauf aufmerksam machen, dass wir ein 2 mm Schlitz sieb verwenden natürlich in der Voraussetzung, dass wir Rübensamen des Handels vor uns haben. Wenn heute z. B. nur geschälte Esparsette in den Handel kommt, so werden eben die für diese Samenart aufgestellten Normen gelten kfmnen, ebensowenig bei geschältem Rübensamen angewendet. Wir sieben durch ein 2 mm-Sieb und haben diese Versuche bereits durchgeführt. Wir haben hinsichtlich dieser kleinen Knäuel und zwar hinsichtlich ihrer Keimfähigkeit, ihres Ver- haltens im Keimbett und im Freiland eine ganze Anzahl von Beobachtungen gemacht, welche uns dahin geführt haben, die Masse der Keimlingssubstanz zu ermitteln; wir haben eine Relation gefunden zwischen der Keimfähigkeit und der Keimlingsmasse. Es kommt eben auf die Menge der entwickelten Keimsubstanz an, welche die Keimlinge besitzen und alle die Einwände, welche sich auf die weiter betonte Frage der kranken Keime beziehen, fallen, bei genauer Prüfung unseres Standpunktes, zweifellos hinweg. Um nicht mehr zu sagen, als in diesem Falle notwendig ist, will ich speziell auf den Satz aufmerksam machen, welcher aus einer Reihe von Betrachtungen bezüglich der bisherigen Beurteilungsmethoden der kranken Knäuel sich ergeben hat. Dieser Satz lautet: „Bei der Wertbestimmung des Rüben- samens als Saatgut wird es sich somit nicht um die Feststellung handeln, ob Krankheitskeime verbanden sind oder nicht, sondern es wird vielmehr Diskussion: Wertbestimmung der Rübensamen. 249 darauf ankommen, wie viel Keime selbst unter den günstigsten Be- dingungen des Keimbettes sich nicht zu behaupten vermögen und daher im Freilande sicher eingehen werden. Das Schicksal aller übrigen Keime im Freilande hängt ganz von den Verhältnissen ab, die später auf dem Felde auf sie einwirken und kann selbstverständlich weder durch einen Laboratoriumsversuch noch durch einen Anbauversuch an einem beliebigen Orte von vornherein festgestellt werden." Dieser Satz ergab sich aus einer Reihe von Beobachtungen und Versuchen, welche gezeigt haben, dass das, was wir als kranke Keime bezeichnen, so zu verstehen ist, dass es eine auf irgend eine Weise hervorgerufene Infektion eines schwächlichen Keimlings ist, und je schwächlicher die Keimlinge sind, desto mehr derartige kranke Keime entstehen. xVuch die Frage wurde untersucht, ob die Anzahl der im Keimbett auftretenden kranken Keime mit der Anzahl der im freien Lande auftretenden übereinstimmt. Es hat sich gezeigt, dass diejenige Ware, welche im Keimapparat kranke Keime gibt, auch unter allen Um- ständen kranke Keimpflanzen draussen erzeugt. Sie haben eine schwäch- liche Konstitution, so dass sie den stets minder günstigen Verhältnissen des Freilandes erliegen. Der Prozentsatz der Keimlinge bis zu 3 oder 4 würde aber gar keine Berechtigung geben, die Ware als krank zu bezeichnen. Ich will die Sache nicht weiter ausführen und stehe in der Angelegenheit übermorgen zur Verfügung für den Fall, dass den Herren die Darlegungen nicht klar sein sollten. Ich will bemerken, dass allen diesen Anregungen, für die ich sehr dankbar bin, noch Rechnung getragen wird, und dass sie dazu beitragen dürften, dass die Herren Kollegen und die Stationen, welche mit diesen Fragen zu tun haben, aus dieser Methode eine Anregung schöpfen möchten, auch in dieser Richtung die Sache zu ver- folgen. Prof. Dr. Rodewald-Kiel: Meine Herren! Ich habe vorhin auf Rotklee exemplifiziert. Ich wollte nur ausführen, dass uns manche Bedingungen unklar sind, die einen Einfluss auf die Höhe der Keimfähigkeit haben. Es ist der Nachweis geführt, dass die Mischung der Knäuel eine viel gleichmässigere war, als sie wieder aus dem Apparat herauskamen. Das kann seinen Grund in der Methode haben. Ich wollte darauf auf- merksam machen, dass da der schwierige Punkt liegt. Schliesslich ist es nicht nötig, die Genauigkeit nach der einen Richtung so sehr zu steigern, wenn man nach der anderen Seite mit so kolossalen Fehlern rechnen muss. Die Fehler der Keimprüfung, die bei den Wiener Ver- suchen so sorgfältig berechnet worden sind, sind nach den Vorschlägen von Simony aus den ersten und zweiten Potenzen berechnet. Man kann sie auch aus irgend einer beliebigen Potenz bestimmen. Der 250 Verhandlungen der [. internationalen Konferenz für Samenprüfung. Vorschlag von Simony mag vielleicht bei gewissen Bestimmungen und Untersuchungen seine Berechtigung haben, aber in diesem Falle ist es eine unnütze Arbeit, und ich möchte hier eine Bemerkung daranknüpfen. Wir sind hier versammelt an einem Orte,') wo ein grosser Hamburger seinen Ursprung genommen hat. Ich meine Heinrich Hertz, den Physiker, der sich mit der Frage, wie genau eine physikalische Kon- stante bestimmt werden muss, um praktische Resultate und Gesetz- mässigkeiten daraus ableiten zu können, beschäftigt und seine Ansicht in einer These, die ich zur Verlesung bringen möchte, zusammen- gefasst hat. Hertz sagt: „Ein Fehler von ^loo '^^^ wahren Wertes bildet die Grenze für die wünschenswerte Genauigkeit, ein Fehler von Viooo ^ös wahren Wertes die Grenze für die mögliche Genauigkeit in der Bestimmung einer piiysikaUschon Konstanten; genauer als bis auf '/,0Q0 ihres Wertes Jässt sich kaum eine physikalische Konstante auch nur definieren." Nun, meine Herren, ich glaube, wir können uns auf die Erfahrungen, die Hertz bei der Bestimmung von physikalischen Konstanten gemacht hat, verlassen. Nun möchte ich darauf aufmerksam machen, dass, wenn die Rechnung nach den Angaben von Simony durchgeführt wird, sie als grösste Abweichung bei den Wiener Unter- suchungen 1,1 "/o von der Rechnung nach den ersten Potenzen liefert. Wir haben hier die Genauigkeit, die Hertz als wünschenswert bezeichnet, schon bei der Rechnung nach den ersten Potenzen. Vorsitzender: Die Zeit ist seiir weit vorgeschritten, und ich möchte deshalb vorschlagen, bis auf eine kurze Bemerkung, die Herr Hofrat V. Weinzierl noch zu machen hat, die Sitzung zu schliessen. Wir werden ja noch in späteren Sitzungen Gelegenheit haben, auf das näher einzugehen, was Herr Professor Rodewald ausgeführt hat und noch ausführen wird. Speziell bezüglich der Rübensamen haben wir noch am Mittwoch die Möglichkeit uns zu unterhalten. Es ist ausreichende Gelegenheit gel)oten, die hier angeschivittenen Fragen in späteren Sitzungen zu traktieren. Hofrat Dr. v. Weinzierl- Wien: Ich möchte nur ganz kurz mit- teilen, dass mir von dem im letzten Augenblick am Erscheinen leider verhinderten Herrn Direktor Schribaux-Paris eine Arbeit über den gleichen Gegenstand, über den ich zu referieren hatte, übersandt worden ist, nämlich über die Modifikation der Normen und die Prüfung in der Untersuchung der Rübensamen. Ich war nicht in der Lage, das jetzt noch berücksichtigen zu können und erlaube mir, die Arbeit als Material zu übergeben mit der Bitte, in das Protokoll aufzunehmen, dass sie vor- ') Johanneum. Schribaux et Bussard, Normes des semences de betteraves. 251 gelegt worden ist und dass wir vielleicht Gelegenheit nehmen werden, später auf die Sache noch einzugehen, Prof. Dr. Voigt-Hamburg: Ich möchte noch kurz auf die Zusammen- stellung von Technischen Vorschriften für die W«rtbe- stimmung von Saatwaren') aufmerksam machen. Ich habe ver- sucht, die gesamten mir bekannt gewordenen Vorschriften zusammen- zustellen, ich habe dann noch einige Durchschnittsresultate hinzugefügt und zum Schluss einen kurzen geschichtlichen Abriss über die Samen- kontrolle in Schweden von Herrn Widen gebracht. Es besteht die Absicht, für diese als Manuskript gedruckte Arbeit von allen Kontroll- stationen, die hier versammelt sind, Ergänzungen zu erbitten, um bei der nächsten Zusammenkunft eine brauchbare Übersicht über die Samen- kontrolle geben zu kiinnen. iJie ausführliche Mitteilung des Kollegen Schribaux über die Wertbestimmung des Rüben samen wird im Konferenzbericht zum Ab- druck gelangen. Vorsitzender: Der gestern festgelegte Arbeitsplan liegt jetzt im Druck vor. Der Plan muss eine kleine Modifikation erfahren. Da wir heute sehr fleissig gewesen sind, so wird es kaum möglich sein, uns heute nachmittag vor 8'/2 Uhr hier wieder zu vereinigen — es ist im Programm vorgesehen um 3 Öhr — , ich würde deshalb vorschlagen, uns um 3'/2 Uhr wieder zu versammeln. Dann haben wir Zeit genug, die Sitzung bis in den Abend auszudehnen. Ich würde für diese Sitzung- Herrn Direktor Stebler bitten, den Vorsitz zu übernehmen. Schluss 1'/^ Uhr. Comment il conviendrait de modifier ies normes en usage dans le commerce des semences de betteraves. Par E. Schribaux, Directeur, et Leon Bussard, Sous-directeur de la Station d'essais de semences de Paris. Quand le cultivateur a fait choix d'une betterave de bonne race parfaitement selectionnee, possedant en un mot des qualites hereditaires bien etablles, il est essentiel qu'il s"adresse ä des semences germant 1) Siehe p. 2:M Anmerkung. 252 Verhandlungen der I. internationalen Konferenz für Samenprüfung, tres vite et en tres grand nombro, livrant des germes sains et aussi vigoureux quo possible. Si les graines levent en presque totalite, le semis fournit une ligne ininterrompue de plantules, et, au demariage, il devient facile de placer les racines ä des intervalles reguliers; le nombre des manquants se trouvera, par ce fait. reduit au minimum. Une germination rapide restreint les chances de destruetion des plantules, toujours si nombreuses au debut de la Vegetation; Tavance qu'ello leur assure, se maintenant jusqu'a la recolte, favorise ä la fois les rendements et la qualite des racines, Quant a la sante et ä la vigueur initiales des graines, elles sont la meilleure garantie d"un deve- loppement satisfaisant pendant tout le cours de la campagne, C'est aux stations speciales que l'agriculteur s'adresso, non pour determiner les qualites hereditaires des semences, appreciables seulement par une experience de culture, mais pour juger de leur vitalite, pour juger des qualites individuelles que nous venons d'enumerer, Teile qu'ello se pratique actuellement, l'analyse des semences ne renseigne pas l'agriculteur aussi completement qu'ello le pourrait sur la Performance des graines de botteraves, pour employer un terme usite chez les hommes de cheval. Par une decision du 4 fevrier 1894, le Syndicat des iabricants de sucre de France, s'inspirant ä la fois des normes de Magdebourg et des chiffres adoptes par la sucrerie autrichienne, a fixe comme suit les con- ditions des marches de graines de betteraves: 1, La graine de betterave proviendra de la derniere recolte. Elle sera loyale et marchande, c'est-a-dire qu'elle remplira les conditions suivantes: Elle donnera do 5000Ü ä 70000 germes par kilogramme de se- mences, „ „ „ 150 germes par 100 glomerules de semences h gros grains, „ „ „ 130 germes par 100 glomerules a petits grains. Los semences a gros grains sont celles dont le nombre ne depasse pas 45 par grammo, 2, II est admls qu'apres 15 jours do germination, il y aura, au maximum, les nombres ci-apres de graines n'ayant pas germe. 20 "/o pour les semences ä gros grains, 30 ^Jq „ „ „ ä petits grains. 3, L'humidite ne devra pas depasser 15 °/o du poids total brut; les impuretes (matieres etrangeres : terro, bois, feuilles etc.) n'exce- deront pas la proportion de 3 7o- Schribaux et Bussard, Normes des semences de betteraves. 253 Avant de discuter ces chiffres, rappelons quelques notions physio- logiques tres simples, qui serviront de base ä notre argumentation. Quand ou suit le developpement d'une betterave portegraine, on constate que la floraison est successive et se prolonge pendant plusieurs semaines. Elle debute sur Taxe piincipal et se poursuit sur les axes secondaires, en commen(^ant par les plus rapproches du sol. Sar chacun des axes eile progresse de la base vers le sommet; bref, qu'on envisage seit l'inflorescence tout entiere, soit un axe en particulier, la tloraison est regulierement basifuge: les fleurs de la base d'un axe quelconque sont pleinement epanouies lorsque celles du sommet se trouvent encore completement ferraees. Ajoutons qu'au sommet seulement des differents rameaux, on trouve des fleurs isolees qui fourairont, par consequent, des ,,graines" renfermant une seule amande; un peu plus bas, les tleurs se soudent deux ä deux, puls trois ä trois, en nombre d'autant plus grand, en definitive, qu'on se rapproche davantage de la base. On en trouve jusqu'ii 5 — 6, qui produiront des semences renfermant 5 — 6 amandes ou graines (les botanistes designent sous le nom de graine le produit d'un ovule feconde et parvenu ä maturite). Ce qu'on appelle improprement ,, graine de betterave" est, en realite, un assemblage de fruits soudes les uns aux autres, un fruit comp ose ou glomerule- D'apres ce que nous venons de dire, les plus gros glomerules sont issus des fleurs epanouies les premieres. Or, dans la machine vegetale, comme dans une machine quelconque, l'importance du travail organique, le rendement, est en raison directe de la duree de ce travail; les fleurs apparues les premieres fabriquent les amandes les plus lourdes, les plus müres, les mieux constituees. Ce fait, que Tun de nous^) a mis en lumiere il y a plusieurs annees, estgeneral; il est vrai pour la betterave comme pour les autres especes vegetales. Aux plus gros glomerules, provenant, nous le repetons, des fleurs epanouies les premieres cor- respondant les amandes les plus grosses; aux plus petits glomerules, les amandes les plus petites. Le poids des glomerules et celui des amandes varient dans le memo sens. Pour le verifier, voici comment nous avons opere. Un meme lot de semences, passe a plusieurs cribles dont les ouvertures, circulaires, mesuraient respectivement b^j^, 5, 4^2» 4, 8'/2, et 3 millimetres de diametre, nous a fourni 7 categories de glomerules de poids decroissants. Les amandes extraites, par un battage special, des glomerules de chaque serie ont ete comptees et pesees, et le poids du mille calcule d'apres ces donnees. Les diagrammes ci-dessous tra- 1) Schribaux. Contribution ä ramelioration des plautes cultivees. Cornptes rendiis de rAcademie des Sciences. Paris 2.5 juillet 1892. 254 Verhandlungen der I. internationalen Konferenz für Samenprüfung. duisent les resultats que nous avons obtenus, abstraction faite de ceux qui se rapportent aux tres gros glomerules (poids 52 gr. ) et aux tres petits (6 gr. 800), ces derniers resultats, de meme sens que les autres» n'offrant aucun interet pratique. Poids relatif des glomerules et des amendes correspondantes: Poids de 1 II 111 IV V 1000 glomerules 12 g 850 IGg 325 19 g 625 25 g 675 34 g 750 = 100 127 153 200 270 Poids de lOOOamandes correspon- dantes 2 g 044 2 g 335 2 g 481 2 g 818 3 g 051 = 100 114 121 138 149 Les amandes les plus lourdes fournissent les betteraves les plus vigoureuses, les meilleures recoltes par consequent. Les differences constatees en culture avec les petites semences, on le concoit, s"atteiiuent d'autant plus que la maturite du porte-graine a ete plus parfaite, plus reguliere, que la saison vegetative a ete plus favorable aux racines issues des differentes semences. Mais que la maturite des betteraves porte- graines laisse ä desirer, que los plantules issues des graines de differents poids aient ä lutter contre la secheresse, contre des Champignons ou d'autres circonstances defavorables, c'est alors que la superiorite des gros glomerules s'affirme nettement. Comme la prudence commande au cultivateur de mettre toutes les chances de son cote, ses preferences Schribaux et Bussard, Normes des semences de betteraves. 255 doivent donc aller aux gros glomerules. Pour les betteraves comme pour les aiitres especes, la notion du poids des graines presente donc un interet tres reel. Comment se classent Celles que nous livrent les producteurs. Voici les chiffres que nous avons obtenus ä la Station pour les trois dernieres campagnes d'analyses (les poids indiques se rapportent ä 1000 glomerules). 1903-1904 B x 8 s ä S o IS ^ So^ , CO ,-H bß cr> T— 1 1— ■ o 2 "^ '•" Petites graines 19,61 0/, Graines moyennes 51,68 o/o Grosses graines 28,71 o/q 1904—1905 CS u bJD 00 ^ OJO o CO ^" rr> Petites graines 20,40 % Graines moyennes 52,30 o/o Grosses graines 27,30 o/„ 256 Verhandlungen der I. internationalen Konferenz für Sanienprüi'ung. 1905—1906 ü _^ y,^ ■oTj j^' >s^^ ^ ^/^ \. T-^ ^^ ^ V o \\ 2 .--T s s ör. O ^^ QC o (M V. — / ^^ o cT" CS 05 O 00 o IM o / zc. CO rnige Ware. Nach meinem Dafürhalten ist es unzulässig, die Korngrösse nach der Keimfähigkeit zu beurteilen. Korngriisse und Keimfähigkeit sind ganz etwas anderes, sind ganz verschieden. Wenn ich die Korngrösse be- urteilen will, muss ich das Gewicht von 1000 Körnern bestimmen. r»as muss ich auch, wenn ich die nach der Gewichtsmethode bestimmte Keimfähigkeit in Relativzahlen ausdrücken will, wenn ich feststellen H. Rodewald, Die Reinheitsbestimmung von Saatvvaren. 271 will, wieviel von 100 k^- keimfähig ist. Ich muss dann auch mit dem mittleren Gewicht eines Kornes und zwar eines voraussichtlich keim- fähigen Kornes operieren, und dann komme ich wieder an jene Grenze, die ohne Keimprüfung darüber entscheiden muss, ob ein Korn keimfähig ist oder nicht. Wenn ich das Gewicht von 1000 Körnern bestimmen will, darf ich also nur solche Körner nehmen, die voraussichtlich keim- fähig sind, aber ich brauche nur 1000 Körner abzuzählen. Um den Gebrauchswert nach der Zählmethode festzustellen, ge- nügen 1000 Köi-ner nicht. Wir sind gezwungen, eine grössere Anzahl von Körnern, 5000 bis 10000, auszulesen. Die Arbeit wird wesentlich erleichtert, wenn ich jene schwierige Grenze bei nur 1000 Körnern statt bei 10000 zu bestimmen habe. Dann kommt hinzu, dass ich Hilfsmittel gebrauchen kann, um mich zu vergewissern, ob eine Spelze eine Scheinfrucht enthält oder nicht. Ich kann transparente Beleuchtung anwenden. Bei manchen Gräsern, z. B. bei Fuchsschwanz, leistet die transparente Beleuchtung ganz gute Dienste, wenn sie zweckmässig ein- gerichtet ist. Diese Bedingungen sind bei dem Abbeschen Beleuchtungs- apparat genau erfüllt. Die transparente Beleuchtung können wir variieren, einmal nach deV Intensität des Lichts und zweitens nach der Richtung der Strahlen. Die Beleuchtung ist am vollkommensten, wenn die Intensität möglichst hoch ist, so hoch, wie sie das Auge auf die Dauer verträgt, und wenn die Richtung möglichst so ist. dass das Licht von einer Halbhohlkugel, in deren Zentrum sich die Frucht befindet, ausstrahlt. L)ies wird nahezu von der Abbeschen Linse erreicht. Das Licht, das von dem Spiegel kommt, wird durch die Abbesche Be- leuchtungslinse in die erwähnte Richtung gebracht, und bei dieser Be- leuchtung kann man dann in vielen Fällen unschwer erkennen, ob eine Fuchsschwanzspelze gefüllt ist oder nicht. Es geht aber nicht bei allen Samen. Bei Poa hat man grosse Schwierigkeiten und bei Dactylis ist die Grenze absolut nicht sicher festzustellen. Auch hier ist wieder der kontinuierliche Übergang von schwerer, ausgereifter Dactylis-Frucht bis zur leeren Spelze vorhanden. Da steht man immer vor der Frage: Wo ist die Grenze für die Bestimmung des lOOO Korngewichts? Diese Grenze festzulegen, bietet grosse Schwierigkeiten. Der Fehler des 1000 Korngewichts überträgt sich nun auf die Gebrauchswertrechnung und ist nicht nur von Bedeutung für die Beurteilung der Korngrösse des Samens. Die Keimfähigkeit kann man nach der Zahl der Keimlinge, die ein Gramm liefert, beurteilen. Es ist nicht allemal nötig, dass man die Sache prozentualisch ausdrückt und in Relativzahlen zusammenfasst, w^enn ich auch zugebe, dass dies wünschenswert ist. Jedenfalls ist es zweckmässig, sich über die Frage einmal zti unterhalten, wo man die 272 Verliandlungen der I. internationalen Konferenz für Samenprüfung-. Grenze haben will und wohin man sie legen will; wenn man überein- stimmende Zahlen in den verschiedenen Stationen erzielen will, ist es absolut notwendig, dass man die Grenze scharf bestimmbar und frei von jeder subjektiven Anschauung macht. Man könnte annehmen, dass die Grenze genügend scharf gezogen ist, so dass die Reinheitsbestimmungen sich genügend genau machen lassen mittelst der ersten Definition. Das gebe ich ohne weiteres zu, wenn es sich um Kleearten und gut ausgereiften und gut ausgebildeten Samen handelt; sobald es sich aber um Scheinfrüchte der Gräser handelt, die mit den Spelzen verbunden sind, muss ich es verneinen. Der „Saatenmarkt" hat genügend Reinheitsanalysen zusammengestellt von Fuchsschwanz usw., die von verschiedenen Stationen geliefert wurden, und diese Zusammenstellungen zeigen, wie gross die Verschiedenheit der individuellen Auffassung ist. Nun, meine Herren, das war es, was ich über den Gegenstand sagen wollte. Ich bin weder für die eine, noch für die andere Methode, sondern ich stelle an eine Definition der Reinheit die Anforderung, dass sich die Grenze auch danach ziehen lässt. Wenn Sie glauben, dass die zweite Definition auf Schwierigkeiten stösst, d-ann müssen Sie doch den Nachweis führen, dass sich mittelst der ersten Definition eine genügend genaue Übereinstimmung der Reinheitsbestimmungen verschiedener Stationen erzielen lässt. Vorsitzender: Meine Herren, Sie haben das Referat von Herrn Kollegen Rodewald gehört, und es dürfte gut sein, wenn Sie sich darüber aussprechen. Bekanntlich wird in den meisten Stationen noch nach der Zählmethode untersucht. Die Anregung des Herrn Professor Rodewald ist mehr eine persönliche, die aber bis dato, so viel ich weiss, noch nicht allgemein angewandt wird. (Zuruf: Doch!) Professor Dr. H. Rodevvald-Kiel: Darf ich ergänzend hinzufügen, dass die Gewichtsmethode im Verband landwirtschaftlicher Versuchs- stationen offiziell eingeführt ist, aber nicht für alle Samen sondern nur für eine beschränkte Anzahl, hauptsächlich für feinere Gräser, und gerade da hat sie grösseren Wert. Für andere Samen ist es ziemlich einerlei. Da lässt sich auch durch die andere Definition eine Grenze finden, die leidlich genau ist und zu der Genauigkeit der Keimprüfung in einem brauchbaren Verhältnis steht. Vorsitzender: Dann ist die Sache ja so weit anders. Die Stationen, die einem Verband angehören, sind gleichsam schon ge- Diskussion: Eeinheitsbestimmung von Saatwaren. 273 bunden und können sich nicht für etwas anderes entscheiden. (Zuruf: ■Ja gewiss!) Es würde sich nur darum handeln, von den anderen Herren, die noch nicht gebunden sind, die Anschauungen kennen zu lernen. Soviel ich weiss, hat man noch in Dänemark und Schweden die Zählmethode, auch in Budapest, Wien und Lomberg; überhaupt, soviel ich weiss, hat man in allen deutschen Stationen noch die Zähl- methode. Was ich von mir aus erklären kann, so könnte ich mich nicht entschliessen, diese Methode zu akzeptieren aus dem einfachen Grunde, weil sie zu viel Zeit in Anspruch nimmt und w^eil unsere Untersuchungen meines Erachtens nach eine grössere Genauigkeit in- volvieren als diese Gewichtsmethode. Ich will der Diskussion übrigens nicht vorgreifen, sondern gewärtige, dass sich die übrigen Herren darüber aussprechen. Hofrat Dr. Th. v. Weiiizierl-Wien: Wir haben, meine Herren, seit zwei Jahren eine grosse Zahl von Parallelversuchen durchgeführt, und ich möchte hier einige Beispiele anführen. Die Sache ist wichtig genug, so dass ich wohl auf einige Details eingehen kann. Es w^urde hauptsächlich Knaulgras, Schafschwingel und Wiesenfuchsschwanz ge- wählt. Wir haben nicht nur das Laborantenpersonal beschäftigt sondern auch durch die wissenschaftlichen Hilfskräfte die Untersuchungen gemacht und auch Analysen von demjenigen Personal ausführen lassen, das sonst nicht für die feinen Gräser verwandt wird, so dass wir Gelegenheit hatten, die technische Subjektivität möglichst auszugleichen. Jede von diesen Proben wurde dreimal versucht und im ganzen zirka 500 Proben der Unter- suchung unterzogen. Der Weg war folgender: Wir haben zunächst unsere gewöhnliche Zählmethode mit einer Probe gemacht. Ich führe z. B. Knaulgras an. Als Gewicht der Probe wurde 6,565 g konstatiert. Von dieser Probe wurden mit der Handauslese 5,611 g reine Samen, 0,6 g Verunreinigungen und, was das allerwesentlichste ist, 0,354 g taube Samen bestimmt. Das macht 85,5 % Reinheit, 9,1 % Verun- reinigungen, 5,4 °/o taube Samen. Zur Ermittelung der tauben Samen verwenden wir seit zwei Jahren den von mir konstruierten Apparat, dessen Beschreibung und Abbildung ich mir erlaubte Ihnen vorzulegen, und den ich als „Diaphanoskop" bezeichnet habe. Derselbe beruht im wesentlichen auf dem Prinzip der Durchleuchtung, nur ist dabei das diffuse Tageslicht, das die Arbeit sehr erschwert, ausgeschaltet. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass bei der Ermittelung der tauben Samen durch den Samenspiegel, wo man im diffusen Licht arbeitet, das Auge in einer Weise in Anspruch genommen wird, dass die beleuchtete Fläche nicht die entsprechende Wirkung ausübt. Wir haben matte Scheiben, Linsen und Blenden verwandt. Es war naheliegend, das diffuse Jalirnsbericht der Vereinigung für angewandte Botanik IV. \Q 274 Verhandlungen der I. internationalen Konferenz für .Samenprüfung, Licht abzuhalten, und ich bin auf die Einrichtung des Dunkelkastens (Diaphanoskop) gekommen. Als Lichtquelle für die Durchleuchtung der Samen dienen zwei in der Lade des nach der Höhe verschiebbaren Tisches verborgene elektrische Leuchtkörper (Birnen) von verschiedener Kerzen- stärke, so dass durch Einschaltung eines oder beider die als Arbeits- fläche dienende kreisförmige, mit einer matten Glastafel bedeckte Öffnung der Tischplatte je nach der Samenart genügend intensiv erhellt werden kann. Diejenigen Herren, die Gelegenheit hatten, unsere Anstalt zu besichtigen, habe ich auf diese Einrichtung aufmerksam gemacht, und die meisten Herren, die sich mit Samenkontrolle beschäftigen, haben sich von der Wirkung des Apparats im vorigen Jahre durch eigene Arbeit selbst überzeugt. Es wird durch den Apparat das erreicht, was der Herr Kollege Professor Rodewald schon angeregt hat, nämlich eine Unterscheidung der betreffenden tauben Früchte von den vollen, aber in weitaus vollkommenerem Masse als durch den Spiegelkasten im diffusen Tageslicht. Es bedarf das keiner Erörterung, weil sich die Sache von selbst empfiehlt. Wenn man in der l)unkelkammer sitzt und kleine matte Scheiben und Blenden einschaltet, ist es begreiflich, dass man in einigen Minuten ohne Anstrengung der Augen die Arbeit machen kann. Dasselbe Arbeitspersonal, das früher an dem Spiegelkasten arbeitete, kann die doppelte Anzahl Proben erledigen, ohne sich so anzustrengen, wie es früher der Fall war. Ich erwähne, dass die Erkennung der tauben Früchte speziell bei Knaulgras und den Schwingelarten vorzüglich gelingt. Diese haben bei dem gewöhnlichen Spiegelkasten meistens Schwierigkeiten gemacht. Bei der Bestimmung der tauben Früchte wurde durch die wiederholte Untersuchung verschiedener Muster durch die nämlichen und durch verschiedene Arbeitskräfte eine Über- einstimmung der Resultate von 0,1 — 0,4*'/o erzielt, sonach eine ganz zu- friedenstellende Genauigkeit erreicht. Es wurden dann in der üblichen Weise von diesen reinen Samen, die keine tauben Körner enthalten, 4 mal je 200 Körner abgezählt, ins Keimbett ausgelegt und in der be- kannten Art und Weise die Keimprozente festgestellt. Wir halben bei dieser Knaulgrasprobe eine Keimfähigkeit von 88,4 °/n von der reinen Saat in einem Zeitraum von 24 Tagen konstatiert. Gleichzeitig wurde nun die Gewichtsmethode gemacht, und zwar haben wir den Weg eingeschlagen, der uns aus den Verbandsvorschriften bekannt ist. Von der mit 6,565 g ausgewogenen Probe wurden alle Fremdbestandteile im Gewicht von 0,6 g abgeschieden; von dem verbleibenden Rest, der alle vollkörnigen und alle tauben Früchte enthielt, haben wir Proben von durchschnittlich 0,4 g — und zwar 0,446, 0,494, 0,362 und 0,397 g, in Summa also 1,699 g — zum ■ Diskussion: Keinheitsbestimmung von Saatwaren. 275 Keimversuch ausgelebt, der mit einem Resultate von 1706 gekeimten gegenüber 272 ungekeimten Früchten, also mit einer Keimfähigkeit von 86,3 ^Iq als Zählprozent nach der Gewichtsmethode abschloss. Nachdem wir die anfangs gefundene Reinheit von 90,9 ^Iq noch durch 3,6 °/o. entsprechend den tauben Samen, korrigieren, erhalten wir eine Reinheit von 87,3 "/o- Bekanntlich wird — den Herren, die die deutschen Vor- schriften nicht handhaben und vielleicht nicht kennen, erlaube ich mir, das noch zu bemerken — vorgeschrieben oder empfohlen, dass die schliessUch in dem Keimapparat vorgefundenen ungekeimten Samen durch den Spiegel untersucht werden, ob sie taub sind, und es wird angenommen, dass die tauben Früchte im benetzton Zustande leichter zu erkennen sind. Es werden dann die so konstatierten tauben Samen getrocknet und gewogen, und mit diesem Gewicht wird nun die nach der Ausscheidung der Premdbestandteile gewonnene Zahl für die Reinheit korrigiert. Es ergibt sich die Relation: Aus den 1699 Gewichtsteilen sind 60,7 g oder 3,6 "/o taub, also eine Reinheit von 87,3°/,,. Wenn wir die beiden Resultate ein und derselben Probe vergleichen, so haben wir die Reinheit nach der Zählmethode 85,5 °/o und nach der Ge- wichtsmethode 87,3 °/o, die Keimfähigkeit nach der Zäblmethode 88,4 "/o und nach der Gewichtsmethode 86,3%. Es ist hier eine Differenz, die ja verhältnismässig gering ist ; wenn wir die Differenz von 2 °/o bei der Reinheit als den sj'stematischen Fehler annehmen, so würde sich 85 mit 87 ausgleichen, bei der Keimfähigkeit 86,3 mit 88,4, also keine nennenswerte Differenz ergeben. Wenn man alle Knaulgras-, Fuchs- schwanz- und Schafschwingelversuche in einer Tabelle zusammenfasst, so sieht man doch eine Übereinstimmung, und diese besteht darin, dass die Prozente der tauben Früchte durchweg kleiner sind bei der Gewichts- methode als bei der Zählmethode (unter der Voraussetzung, dass man das Diaphanoskop verwendet), und dementsprechend ist die Reinheit nach der Gewichtsmethode höher, weil ja durch die Bestimmung der tauben Früchte die Reinheit korrigiert wird. Die Daten, welche die Auslaugung von Spelzen und die damit zu- sammenhängenden feineren Arbeiten lieferten, konnte ich leider nicht zusammenstellen lassen, weil die Zeit zu kurz war. Ich behalte mir daher vor, dies in einer eigenen Publikation näher auszuführen. Ich möchte bemerken, dass hauptsächlich der Fehler, — wenn man über- haupt von Fehlern sprechen will — , besser gesagt, die Differenz sich ergibt in der Bestimmung der tauben Samen. Das geht deuthch hervor, wenn man dieselben Proben behandelt. Soviel ist sicher, dass die Prozente der tauben Samen bei der Gewichtsmethode kleiner, bei der Zählmethode grösser sind. 18* 276 Verhandlungen der l. internationalen Konferenz für Samenprüfung. Nun, was hat sich weiter ergeben für die Praxis der Samen- kontrolle? Auch das ist für uns, die wir diese Untersuchungen ausführen, von besonderer Wichtigkeit. Damit keine Störung eintreten konnte, wurde der Thermostat, in den die nach der Gewichtsmethode behandelten Proben eingelegt waren, für keine anderen Proben benutzt. Wir hatten mit diesen Proben grosse Schwierigkeiten wegen der Verunreinigungen, die den tauben Samen anhaften. Es ist unvermeidlich, dass auch Erde und sonstige Bestandteile in den Keimapparat gelangen und dass alle diese leblosen Fragmente, die erfahrungsgemäss in den Keimapparaten den Anlass zur Entwickelung von Schimmelpilzen geben, tatsächlich eine solche Verunreinigung des Keimbetts hervorrufen, dass wiederholt das Umlegen dieser Samenproben vorgenommen werden musste. Es wurde gleichzeitig die Probe dann zweimal gemacht und zwar wurde eine Probe umgelegt und die andere nicht, damit nicht allenfalls die Differenz zurückzuführen ist auf die Störung, die durch das Umlegen hervor- gerufen wird. Es hat sich da gezeigt, dass die umgelegten Samen um eine Kleinigkeit bessere Resultate ergaben, aber die Differenzen waren nicht bedeutend. Besonders bei Wiesenfuchsschwanz hatte eine ener- gische Störung konstatiert werden können. Wir haben dann weiterhin, was die Praxis der Samenkontrolle anbetrifft, Beobachtungen gemacht über die Zeit, welche notwendig ist zur Ausführung der beiden Methoden. Es wurden aus je 20 Unter- suchungen von Knaulgras, Schafschwingel und Wiesenfuchsschwanz die durchschnittlichen Zahlen zusammengestellt. Nach der Zählmethode hat bei Knaulgras die Arbeit 40 Minuten in Anspruch genommen für die Ermittelung der tauben Samen inklusive Auslegung in den Keimapparat, nach der Gew^chtsmethode 2 Stunden 10 Minuten, bei Wiesenfuchs- schwanz 44 Minuten nach der Zählmethode und 1 Stunde 45 Minuten nach der Gewichtsmethode, bei Schafschwingel 40 Minuten nach der Zählmethode und 2 Stunden 7 Minuten nach der Gewichtsmethodo. Es sind also ganz kolossale Zeitdifferenzen vorhanden. Wenn man bedenkt, dass das von geschultem Personal gemacht wurde, so ist es w^ohl be- denklich, wenn wir uns der Gewichtsmethode anschliessen würden. Nach der Zählmethode hat bei Wiesenfuchsschwanz die Reinheit 82*^/o er- geben, mit 7"/(, Verunreinigungen und 11 "/g tauben Samen; die Keimfähig- keit war nach 24 Tagen mit 78 "/q abgeschlossen. Nach der Gewichts- methode wurde eine Reinheit von 89°/o konstatiert, eine Verunreinigung von 7 "/q, taube Samen 4 °/o. Ich glaube, ich habe den extremen Fall gerade herausgesucht, denn hier ist eine Differenz von 7 ^Iq an tauben Samen. Auch die Differenz zwischen der Reinheit ist ziemlich be- deutend ; sie ist höher gefunden worden bei der Gewichtsmethode als bei der Diskussion: Reinheitsbestimmung von Saatwaren. 277 Zählmethode. Wir haben ferner nach der Gewichtsmethode eine Keim- fähigkeit von 69,8 °/o gegenüber 73 ^Iq nach der Zählmethode kon- statiert; das wäre also auch eine geringere Keimfähigkeit und auch eine grössere Differenz, als sie bei Knaulgras konstatiert wurde. Ein ebenso eklatanter Fall ist die Gruppe der Schafschwingel- versuche. Diese haben bei der Bestimmung der Verunreinigungen 7,9 °/o nach beiden Methoden, die tauben Früchte hingegen bei der Zähl- methode 23,3 °/o und nach der Gewichtsmethode 16,4 ^j^ ergeben. Die Reinheitsangabe ist nach der Gewichtsmethode demzufolge wieder höher, indes die Keimfähigkeitsprozente nur in den Zehnteln differieren, 72 °/q gegen 72,9 o/°. • ■ Ich habe nur von drei Spezies die Resultate herausgegriffen, um Ihnen zu zeigen, dass die Differenzen, wenn sie auch nicht namhaft sind und innerhalb des Versuchsfehlers liegen, dennoch eine Reihe von Übelständen aufweisen, deren wir uns vollkommen bewusst sind. Der Fehler in der Bestimmung der tauben Früchte ist zweifellos, weil wir mit derselben Probe einmal diese, das andere Mal jene Methode ein- geschlagen haben. Die Differenz liegt nur in der Bestimmung der tauben Früchte und, nachdem diese Bestimmung bei der Gewichts- methode durchweg kleinere Ziffern ergibt, kann dies nicht darauf zurückgeführt werden — , wie es bei der Begründung dieser Methode angeführt wird — , dass diese Bestimmung tauber Früchte genauer und sicherer ist, weil man doch, wenn dies der Fall wäre, mehr taube Samen ermitteln müsste nach der einen Methode als nach der anderen. Nun ist das aber umgekehrt bei allen der Fall ohne Rücksicht auf eine bestimmte Spezies. Zudem möchte ich auf einen sehr wichtigen Übelstand aufmerksam machen. Jeder, der Samenkontrolle praktisch ausführt, weiss, dass jede Anstalt eine gewisse eigene Hauskontrolle hat. Die technischen Hilfs- kräfte, unsere Laboranten und die Gehilfinnen, welche die mechanischen Arbeiten machen, werden in jedem Laboratorium von den betreffenden wissenschaftUchen Beamten bzw. Assistenten kontrolliert. Diese Kon- trolle besteht darin, dass joder für sich die Auszählung in ein Buch einträgt, und diese Muster sind so ausgesucht, dass ein Laborant niemals die gleichen Nummern bekommt. Es ist durch diese Kontrolle ein Irrtum sofort festzustellen, aber diese Kontrolle im Laboratorium bei den Keim- versuchen, welche bei uns die Grundlage des Betriebes bildet, fällt bei der Gewichtsmethode ganz weg, weil da ja keine abgezählte, sondern eine der Zahl nach unbekannte abgewogene Menge zur Keimung aus- gelegt wird. Da liegt die Möglichkeit vor, leichter einen Zählfehler zu machen, als wenn der Betreffende immer nur von 200 wegzuzählen 278 Verhandlungen der I. internationalen Konferenz für Samenprüfung. hat. Es entzieht sich daher eine auffüllige Differenz ganz der Beur- teilung des betreffenden Assistenten. Die häufigsten Fehler sind Zähl- fehler, und die Gewichtsmethode verlangt eine noch viel ausgeprägtere Zählkunst als die Zählmethode. Macht man die Arbeit nicht sehr genau, so kommt man nicht zu einem brauchbaren Resultat. Wenn man ein kleineres Quantum nimmt, vielleicht ungefähr 200 Körnern entsprechend, so muss der Fehler naturgemäss viel grösser werden, denn um dieses Quantum zu wiegen, muss ich in der vierten Dezimalstelle wiegen. Der Betreffende hat nicht nur bedeutend mehr zu zählen, sondern auch" be- deutend mehr zu wägen, und wenn er auch die Auszählung verringert, indem er kleinere Gewichte nimmt, so kann er es unmöglich so genau einrichten, dass eine bestimmte Zahl dem Gewicht entspricht, weil be- sonders bei kleinen Gewichten die Differenzen ziemlich gross sind. Ich glaube aus diesen Ausführungen, welche aus unserer Praxis stammen, schUessen zu dürfen, dass wir keinen Anlass haben, uns dieser Gewichtsmethode anzuschliessen, sondern im Gegenteil, wir würden durch die Gewichtsmethode unsere Arbeit unnötig erschweren und viel- leicht noch andere Fehler hineinbringen durch die schwierige Kon- trolle des Abzählens und die Einbeziehung von tauben Früchten in das Keimbett. Dr. J. V. Szyszylowicz-Lemberg : Ich habe diese Methode auch versucht, habe aber die Versuche nicht in der Weise gemacht, wie Herr Hofrat von Weinzierl. Ich habe den Assistenten 80 Muster gegeben, habe die Versuche möglichst genau gemacht und mich über- zeugt, dass diese Methode ebensogut ist wie die alte, aber nur dann, wenn geübtes Personal sie anwendet. Ich habe einige Muster einer Anfängerin gegeben, die noch sehr wenig gearbeitet hatte, und diese hat es schlecht gemacht. Dagegen sind die anderen Unter- suchungen, welche bessere Gehilfen ausgeführt haben, gut ausgefallen, und ich bin zu der Ansicht gelangt, dass in vielen Fällen, wo man ge- übtes Personal zur Verfügung hat, diese Methode angezeigt erscheint. Auch bin ich überzeugt, dass die Methode, die Herr Professor Rode- wald angewandt hat, sehr gut ist, und ich bin der Ansicht, dass die Methoden, die wir benützt haben, miteinander übereinstimmen. Wir haben nichts gegen die wissenschaftliche Ausführung der Methode an- führen können, aber während der Saison, wo wir eine Menge Proben haben, ist es absolut unmöglich, die Untersuchung nach dieser Methode auszuführen, denn sie ist sehr zeitraubend, und bei ihr muss der Assistent oder der Leiter selbst das Personal bei der Arbeit mehr über- wachen als bei der Zählmethode. Ich bin sicher, dass, wenn die Me- thode eingeführt werden sollte, man mehr Personal anstellen und ge- Diskussion: Keinheitsbestimmung von Saatwaren. 279 nauer aufpassen müsste, und dies alles würde einen grösseren Arbeits- aufwand nach sich ziehen. Man sollte zwar die Kosten nicht scheuen, sondern die Analysen genau ausführen. Ich habe mich aber überzeugt, dass, obgleich diese Methode gut ist, sie auf keinen Fall praktischer und besser ist als die alte Methode. Es ist daher kein Grund vor- handen, die neue Methode einzuführen. Professor Dr. Voigt-Hamburg: Ich möchte einige Bedenken gegen die Ausführungen des Herrn Professor Rodewald geltend machen, die ich früher bereits geäussert habe und von denen ich mich noch nicht ganz habe trennen können. So ideal es wäre, eine objektive Methode zu bekommen und jeden subjektiven Fehler des Personals aus- zuschliessen, für so schwierig halte ich es, sie wirklich einzuführen, zumal in der Form, wie sie jetzt vorliegt. Wir haben jetzt zwei Rein- heiten! Wenn wir nach den heute bestehenden Vorschriften der land- wirtschaftlichen Versuchsstationen Raygras untersuchen, so ist bei Ray- gras der taube Samen Spreu, untersuchen wir Dactylis, so ist der taube Samen reine Saat. W^as ist nun reine Saat? SicherUch doch das erstere und nicht die tauben Spelzen. Es kann unmöglich die Bezeichnung „reine Saat" für die neue Methode beibehalten werden. Wir müssen dann schon sagen: Die Probe enthält so und soviel °/o fremde Bestand- teile. Diesen Zwiespalt können wir in der Methode nicht entfernen, und ich befürchte, wir schaffen nur Verwirrungen. In meiner an sich doch verhältnismässig langjährigen Samenkontrollpraxis habe ich manchen Winterabend gesessen und selbst Reinheitsanalysen gemacht, und ich muss Ihnen da das Geständnis machen, dass es mir schwieriger ge- worden ist, bei Rotklee zu entscheiden, was ist gutes Korn und was ist vertrocknet, als bei den Gräsern zu entscheiden, was ist taub und was ist volle Frucht. Ich mache sehr gerne Reinheitsanalysen von feinen Gräsern, wenn sie auch zeitraubend sind. Die Reinheit von Alopecurus z. B. lässt sich mit absoluter Sicherheit feststellen, so dass darüber keine Zweifel bestehen können. Unsere Schmerzenskinder sind Dactylis und zum Teil die Poa- Arten. Was Dactylis und Poa anbetrifft so hilft uns da der Samenspiegel oder das verbesserte Diaphanoskop über die Schwierigkeiten hinweg. Die Herren, die viel Dactylis unter- suchen, hauptsächlich die nordischen Herren Kollegen und Herr Kollege Stebler, werden mir zugeben, dass gut geschultes Personal wohl im- stande ist, Untersuchungen auf volle und taube Samen zu machen. Ich habe gerade in der letzten Zeit mit den Kollegen in Dänemark und mit Herrn Brujning vergleichende Analysen über Dactylis gemacht. Ohne uns vorher darüber zu unterhalten, wie wir es machen wollen, und ohne dass wir uns vorher gesagt haben, was wir heraus hatten, 280 Verhandlungen der I. internationalen Konferenz für Samenprüfung-. haben die Resultate sehr gut übereingestimmt. Es waren Abweichungen da, aber keine grossen, sie lagen innerhalb der Fehlergrenze von 5 "/,> im Gebrauchswert. Ich möchte zunächst meine Bedenken gegen die Gewichts- methode aufrecht erhalten, so gern ich auch Herrn Professor Rode- wald auf dem Wege der objektiven Resultate folgen möchte. Dazu kommt, dass auch im Handel eine kolossale Verwirrung entsteht. Dieser praktische Gesichtspunkt ist von Herrn Professor Rodewald ganz richtg betont worden. Unsere Grosshändler wollen beim Einkauf umgehend von uns wissen, wieviel gute Ware und wieviel Spreu in einer Saat ist; sie können nicht warten, bis man ihnen nach Abschluss der Keimversuche ein Resultat gibt. Der Grosshandel muss sich meist sehr schnell ent- schliessen. Ob die Ware frisch und gut ist, kann er vielfach aus dem Aussehen usw. ermitteln. Den Gehalt an Spreu kann er nicht in dem Masse feststellen, da müssen wir mit unseren Analysen helfen. Nun will ich ganz kurz auf die Keim kraftprüf ung zurück- kommen. Ich kann mich dem Gedanken nicht ganz verschiiessen, dass wir nach der Gewichtsmethode bei den feinen Gräsern viel unnötiges, unreines und mindestens störendes Zeug ins Keimbett bekommen. Ich möchte mich den Worten des Herrn Professor Rodewald anschliessen, der sagt: Der Keimversuch ist ein physiologisches Experiment, er bedarf noch sehr des Studiums. Dann ist es aber auch besser, nur mit den als voll erkannten Samen zu experimentieren und nicht den Versuch und das Resultat durch überflüssige Beimischung zu behindern. Ich glaube ferner, dass bei der Auswahl zum Keimen nach der Gewichtsmethode es viel unsicherer ist — wegen der vielen beigemengten Spreu — , eine der natürlichen Mischung des Musters entsprechende Durchschnittsprobe und damit gleichmässige Ergebnisse zu erhalten, als wenn die reine Saat der Zählmethodo zugrunde hegt. Was die Gewichtsmethode in der sog. Reinheit an Genauigkeit gegenüber der Zählmethode gewinnt, büsst sie nach meinem Dafürhalten bei der Keimprüfung wieder ein. Dann möchte ich mein letztes Bedenken, das ich auch früher schon immer betont habe, nicht unerwähnt lassen. Ohne Peststellung des Korngewichts erzielt — bei gleichen Keimprozenten — stets das kleinkörnigere Saatgut die höhere Keimzahl im Gramm. Das Korn- gewicht muss also zur Bewertung einer Ware mit herangezogen werden. Dieses muss aber für die anscheinend keimfähigen Körner er- mittelt werden. Diese Feststellung ist nun genau dasselbe, wie eine Reinheitsanalyse der alten Zählmethode. V\'ährend aber bei dieser Me- thode Gewicht und Keimkraft von denselben Körnern ermittelt werden Diskussion: Reinheitsbestimmung von Saatwaren. 281 kann, stehen die Peststellungen der Zählmethode in keiner Beziehung zueinander. Direktor K. Dorpli Petersen-Kopenhagen : Wie Herr Kollege Pro- fessor Voigt gesagt hat, machen wir in Dänemark viele Grassamen. Untersuchungen und speziell Untersuchungen über kleine Grassamen- sorten. Dabei erlaube ich mir, zu bemerken, dass die dänische Samen- kontrolle bei der Reinheitsbestimmung wesentlich dieselbe Methode an- wendet, wie sie von den Herren Direktor Stehler, Hofrat v. Weinzierl und Professor Voigt erwähnt worden sind. Von den eingesandten Proben nehmen wir verhältnismässig kleine, aber sehr genaue Durch- schnittsproben und untersuchen jeden Samen genau, ob es auch reiner Samen ist. Wie Herr Kollege Professor Voigt gesagt hat, haben wir die Analysen zusammen mit Hamburg gemacht; auch zusammen mit den Samenkontrollstationen in Zürich imd Wageningen haben wir die- selben Proben analysiert. Wir haben überall sehr gut übereinstimmende Resultate erzielt. Nur einige ganz schlechte Qualitäten und speziell Dactylis waren auch unsere Schmerzenskinder. Es handelte sich, höchstens um 3— 4"/o Unterschied in den Reinheiten. Wir haben niedrigere Reinheiten gefunden, da wir ein wenig strenger arbeiten. Ich meine, dass die Analysen für den einzelnen Landwirt oder Samen- händler nur Bedeutung haben, wenn man alles, was Spreu oder Spelze ist, auch genau ausscheidet. Sonst hat die Reinheitsbestimmung gar keinen Wert. Direktor Dr. L. Hiltiier-München: Ich bin 1885 als Assistent in Tharand eingetreten und habe bei Herrn Geheimrat Nobbe die Samen- kontrolle erlernt. Ich habe mich später überzeugt, dass damals viele deutsche und auswärtige Stationen die Untersuchungen von Grassamen beispielsweise von Dactylis glomerata, in folgender Weise vornahmen: Nach Vorschrift des Verbandes wurde eine gut gezogene Mittelprobe, soviel ich mich erinnere etwa 10 g, in fremde und eigene Bestandteile getrennt. Die tauben Körner blieben dabei fast ganz unberücksichtigt, namentlich jene, die noch im Ährchenverband waren. Für den Keim- versuch wurden dann — ganz unabhängig davon — aus der Probe 300 — 400 möglichst volle Körner ausgewählt, während doch das einzig Richtige wäre, alles, was nicht zu den fremden Bestandteilen gehört,, unterschiedslos in die Keimfähigkeitsprüfung mit einzuschliessen. Ganz abgesehen davon, dass, wie gesagt, bei der Reinheitsbestimmung die tauben Körner nicht oder nur wenig berücksichtigt wurden, hing es ganz vom Zufaü — mindestens von der Auffassung des betreffenden Samenkontrolleurs — ab, ob und wieviele taube Samen mit in das Keimbett gelangten. Da dies unmöglich richtig sein konnte, habe ich 282 Verhandlungen der I. internationalen Konferenz für Samenprüfung. schon von Ende der achtziger Jahre an bei allen Proben von Gras- sämereien im Vergleich stets die Gewichtsmethode zAir Anwendung gebracht, und Herr Geheimrat Nobbe hat unter Hinweis auf meine schon damals auf mehrere Hunderte von Einzelfällen sich beziehenden Versuche gelegentlich der Sitzung des Verbandes der Versuchsstationen in Dresden im Jahre 1894 diese Methode zur allgemeinen Anwendung empfohlen. Der Verband hat sie auch angenommen, aber in einem weit grösseren Umfange, als ich selbst es für wünschenswert gehalten habe. Im wesentlichen bestand die Methode darin, dass mehrere kleine, von fremden Bestandteilen sorgfältig gereinigte, abgewogene Proben ins Keimbett gebracht wurden, und dass wir nachher im Laufe der ersten Woche die Trennung der tauben, jetzt leicht als solche erkenntlichen Körner vornahmen, diese trockneten und abwogen, so dass das Gewicht der vollen, im Keimbett verbleibenden Samen ermittelt und zugleich der Prozentsatz der Keimfähigkeit derselben zahlenmässig festgestellt werden konnte. Meine Untersuchungen bezogen sich nur auf grössere Gras- sämereien, hauptsächlich Knaulgras, Raygräser, Wiesenfuchsschwanz u. dgl.. für die ich die Methode, wie sie damals vorgeschlagen war, auch jetzt noch für durchaus zweckmässig halte. Keineswegs aber eignet sich dieselbe für die feineren Grassämereien, wie Poa-, Agrostis-Arten u. dgl., denn es ist klar, dass von diesen kleinen Samen zur Erreichung des Zieles sehr grosse Mengen angewendet werden müssten, so dass die sich ergebende Arbeit kaum zu bewältigen wäre. Bei der ausser- ordentlichen Feinheit der hier in Betracht kommenden Spelzen ist auch die Zuverlässigkeit dieser Methoden bei ihrer Anwendung auf solche feine Grassämereien ungenügend. Dass in den Verbandsbestimmungen das Verfahren gerade für die feinen Grassamenarten vorgeschrieben wurde, entsprach also durchaus nicht meinen Anschauungen. Für feinere Grassamenarten habe ich schon damals in zahlreichen Fällen ein Verfahren erprobt, das, wie ich mich erst kürzlich überzeugte, mit dem neuerdings vom Verbände vorgeschriebenen Gewichtsverfahren grosse Ähnlichkeit besitzt. Es bestand darin, dass kleinere, gewogene Proben, nachdem die fremden Bestandteile ausgelesen wareu, samt den tauben Körnern ins Keimbett gebracht wurden. Diese letzteren wurden dann nicht, wie bei den grösseren Samenarten, nachträglich wieder aus- geschieden, sondern dauernd im Keimbett belassen, bzw. im Laufe der Keimprüfung bei den täglichen Revisionen zur Vermeidung von Schimmelbildung usw. entfernt. Während des Keimprozesses wurden dann aus der gesamten Probe 500 — 1000 volle Körner abgezählt und gewogen. Nach Abschluss des Keimversuchs konnte man dann sagen: Würde die angesetzte Probe aus lauter vollen, keimfähigen Körnern be- Diskussion: Reinheitsbestimmung von Saatwaren. 283 standen haben, so hätte sie, unter Berücksichtigung des Gewichtes der Probe und der abgezählten vollen Körner, eine zu berechnende Menge von Keimlingen liefern müssen; da sie aber tatsächlich nur so und so- viele Keimlinge ergab, so Hess sich durch das Verhältnis der eigent- liche Gebrauchswert leicht berechnen. Heute stehen sich nun Zählmethode und Gewichtsmethode gegen- über. So lange die Zählmethode so ungenügend war, wie ich sie eben schilderte, musste entschieden die Gewichtsmethode den Vorzug verdienen. Aber trotzdem ich nach dem Gesagten wohl behaupten darf, •dass ich zuerst die Gewichtsmethode in Anwendung brachte, so stehe ich heute doch auf dem Standpunkt, dass die Zählmethode einfacher und vielleicht noch sicherer und daher empfehlenswerter ist, sobald es gelingt, schon beim Abzählen eine scharfe Trennung tauber und voller Körner vorzunehmen. Diese MögUchkeit aber erscheint gegeben, seitdem die Spiegelapparate eine grössere Vervollkommnung erreicht und damit allgemeinere Anwendung gefunden haben. Im vorigen Jahre hatten ja an- lässlich des internationalen Botaniker-Kongresses in Wien viele von uns Gelegenheit, den Spiegelapparat zu sehen, der an der Samenkontrollstation in Wien benützt wird. Der Apparat wurde uns, wie alle übrigen Ein- richtungen, von Herrn Hof rat v, Weinzierl in freundlichster Weise vorgeführt. Viele von uns hatten damals allerdings das Gefühl, dass ■das Arbeiten an demselben infolge der ziemlich starken Lichtquelle, vermittelst welcher eine Durchleuchtung der Glasplatte von unten erfolgt, auf die Dauer für die Augen sehr anstrengend und schädlich sein müsste. Da aber hierüber nur die Erfahrung entscheiden kann, so möchte ich an Herrn Hof rat v. Weinzierl die Bitte richten, uns darüber gefälligst aufklären zu wollen, ob dieses Bedenken gegen die Ver- w^endung des sonst sicherlich sehr empfehlenswerten Apparates gerecht- fertigt erscheint. Vorsitzender: Wünscht sich noch jemand weiter darüber aus- zusprechen? Wenn sich niemand zum Worte meldet, gebe ich zum Schluss dem Referenten, Herrn Professor Rodewald, das Wort. Professor Dr. H. Rodewald-Kiel: Nun meine Herren, dass der Gegenstand schwierig ist, sehe ich aus den verschiedenen Ansichten, die zutage getreten sind. Im grossen ganzen scheint die Ansicht dahin zu gehen, dass die alte Zählmethode den Vorzug verdient, besonders nach den Ausführungen des Herrn Hofrat v. Weinzierl. Obwohl von dieser Seite die Übereinstimmung der Methoden konstatiert ist, ist doch darauf hingewiesen, dass die Ausführung zeitraubender ist, dass insbesondere viel zu grosse Mengen angesetzt werden müssen. Wenn Sie bei der Zählmethode 200 Körner abzählen, so 284 Verhandlungen der I. internationalen Konferenz für Samenprüfung. brauchen Sie bei der Gewichtsmethode auch nur 4U0 Körner abzuwägen^ und überWagen verfügen wir doch, die^/ioo^^'^'^S'^^nini anzeigen. Also, meine Herren, Sie haben gar keine Schwierigkeiten. Ich habe neuUch noch einem Hän(]]er gezeigt, mit welcher Leichtigkeit man eine Anzahl Agrostis- Körnor abzuwiegen vermag. Darin liegt die Schwierigkeit nicht. Aber ich gebe zu, jede neue Methode muss geübt werden, und wenn sie einen grösseren Zeitaufwand erfordert, so ist das im wesenthchen darauf zurückzuführen, dass für diese Methode nicht die Übung vor- handen ist wie für die Zählmethode. Ich beschäftige mich ziemhch lange mit der Sache, ca. 25 Jahre, und habe die eine und die andere Methode versucht. Wenn man nun im Prinzip festhält — was jeden- falls auch richtig ist — , dass man ungefähr ebensoviel K()rner durch Abwägen als durch Abzählen ins Keimbett bringen kann, dann wüsste ich nicht, wodurch der Zeitunterschied hervorgerufen werden sollte. Wenn durch das Abwägen ein Zeitverlust hervorgerufen wird, dann beruht das wohl nur auf mangelhafter Übung des Abwäge ns. Darauf sind die Herren vielleicht nicht so eingeübt wie auf das Abzählen. Bei einiger Übung wird man das Abwägen ebenso schnell machen können wie das Abzählen. Jedenfalls w^ürde ich bereit sein, das zu demonstrieren ; das ist Übungssache. Wenn jemand nach der Gewichts- methode eine Probe untersucht, dann habe ich die Erfahrung gemacht, dass es zuerst langsam, nachher schnell geht. Im allgemeinen scheint keine Neigung für die sogenannte Gewichtsmethode, auf deren Einführung ich gar keinen Anspruch mache, zu sein. Die Sache liegt klar auf der Hand, wie sie ein- geführt ist. Sie können das aus den Untersuchungen über die Fehler der Samenprüfung ersehen. Dabei stellte sich heraus, dass bei der üblichen Definition ganz kolossale Differenzen zwischen den Rein- heitsresultaten der deutschen Versuchsstationen auftraten, deshalb sucht» man naturgemäss eine andere Definition. Auf diese Weise ist sie gar nicht von mir allein ausgegangen. Wir haben in der Kommission be- raten, wie die Vorschriften gemacht werden sollen, man hat mir die Einführung dieser Methode zugeschoben, weil ich diese Definition ge- braucht habe in dem Heft über die Fehler der Keimprüfungen. Nun, meine Herren, trotzdem glauben Sie nicht, dass ich diese Methode verleugne. Die schärfste Definition ist und bleibt sie, und Sie werden die Erfahrung machen, dass grosse systematische Fehler zum Vorschein kommen, wenn Sie nach der Zählmethode weiter arbeiten. Herr Hofrat v. Weinzierl hat unter einheitlicher Leitung gearbeitet. Da ist es naturgemäss, dass die systematischen Fehler gering werden. Sie werden aber wieder zum Vorschein kommen, sowie sich die Methode Diskussion: Reinlieitsbestimmimg von Saatwaren. 285 ■verbreitet. Ich halte es auch für möglich, dass man sich auf eine ■andere Grenzbestimmung einigen kann; so scharf wird dann die Grenze nicht werden. Ich gebe selber zu, dass die Zählmethode gewisse Vor- züge hat. Diese Vorzüge habe ich hervorgehoben; sie bestehen im wesentlichen darin, dass man nach der Reinheitsbestimmung besser den Abfall schätzen kann — das ist auch vom Herrn Kollegen Voigt her- vorgehoben — , und das ist ein gewisser Vorzug, den ich nicht leugnen will. Indessen, das kann nur für den Grosshändler, der den Samen reinigt, in Frage kommen. Wenn der gereinigte Samen in den Handel gebracht wird, soll er nicht mehr soviel Spreu enthalten. Der Gross- händler ist in der Nähe der Station, hat selbst geschultes Personal, macht die Abfallbestimmungen nach einer Methode, die wir nicht zu verantworten brauchen, die für ihn einzig und allein von Interesse ist, und das Interesse besteht darin, dass er keinen Abfall hat, der eventuell keimfähig wäre. Diese Grenze festzustellen, ist seine Sache! Ich glaube, diesen Umstand können wir nicht so sehr hoch anschlagen. Dagegen möchte ich den Umstand, der den grossen systematischen Fehler betrifft, ziemlich hoch anschlagen. Ich weiss nicht, ob die Ver- hältnisse sich wesenthch geändert haben! Wir haben in den Stationen ^es Verbandes — ich glaube, es waren 36 — gearbeitet. Da kamen ziemlich grosse Fehler vor. Wir haben nicht nur gearbeitet, sondern uns eingehend über die Art, wie zu arbeiten sei, unterhalten, haben •eingehende Vorschriften gemacht, und da lehrte die Erfahrung, dass es nicht möglich war, den Fehler zu verringern trotz aller Definitionen. Ich bin überzeugt, dass unter einheitlicher Leitung die systematischen Fehler ziemhch klein gemacht werden können. Aber diese einheithche Leitung ist nicht vorhanden bei den grossen Entfernungen der einzelnen Stationen voneinander. Besonders, wenn man eine internationale Ver- einigung in Betracht zieht, ist es schwer, sich über die Grenze zu ■einigen. Die Untersuchungen in durchfallendem Licht sehe ich nicht in dem Masse günstig an wie Herr Hofrat v. Weinzierl. Ich habe auch mit derartigen Beleuchtungsapparaten gearbeitet, wenn auch nicht mit einem Dunkelkasten, der das diffuse Sonnenhcht ausscheidet. Ich habe aber mit dem Abbeschen Apparat gearbeitet, der, soweit sich das übersehen lässt, alle Vorteile besitzt. Man erhält das Licht von allen Seiten und kann eine beUebige Intensität haben, je nachdem man den Spiegel intensiv beleuchtet. Ich würde aus dieser Frage nicht so viel machen, mir ist es schliesslich ganz einerlei, ob man nach der Zählmethode oder nach ■der Gewichtsmethode arbeiten will, ich mache aber darauf aufmerksam, 286 Verhandlungen der 1. internationalen Konferenz für Samenprüfung. dass die Gegensätze zwischen den verschiedenen Auffassungen wieder hervortreten werden, um so mehr, je häufiger das Personal wechselt, und das ist bei einer grossen Anzahl Stationen nicht zu vermeiden. Ich weiss nicht, ob man daraufhin nicht versuchen sollte, die Ge- wichtsmethode mit mehr Vertrauen zu betrachten. Auf die Sterilität des Keimbettes lege ich nicht viel Wert. Der Boden ist auch nicht steril. Da lässt sich viel behaupten, aber, wenn man der Sache auf den Grund geht, dann findet man doch, dass eine so grosse Einwirkung der Spreu — die natürlich aus der- selben Partie stammt und infektiöse Stoffe derselben Qualität ent- halten kann wie der Samen — nicht von so grosser Bedeutung ist, zumal wenn das Keimbett sonst günstigen Keimbedingungen entspricht. Es ist ja- sehr zweckmässig, dass wir heute keine Beschlüsse zu fassen haben über die Frage, welche Methode eingeführt werden soll, aber es ist jedenfalls auch sehr zweckmässig, dass wir uns einmal über die Vorteile und Nachteile der einen und anderen Methode unterhalten. Die technischen Vorschriften des Verbandes der landwirtschaftlichen Ver- suchsstationen müssten ja abgeändert werden, falls die Methode ein- geführt wird. Das, glaube ich, würde keine so grossen Schwierigkeiten haben, aber je öfter die Definition geändert wird, um so schwieriger wird die Sache, um so häufiger werden die Fehler auftreten. Wir haben damals diese Definition nicht aus Neuerungssucht eingeführt, sondern mit Rücksicht auf die ganz kolossale Verschiedenheit in der Auffassung. Da war es uns ein Bedürfnis, uns möglichst scharf über die Grenze ausdrücken zu können. Ich will also abwarten; Man wird im Laufe der Zeit Erfahrungen sammeln Die Fehler- wahrscheinlichkeit der Keimprüfung ist bei beiden Methoden die gleiche, wenn die gleiche Anzahl Körner ins Keimbett kommt. Insbe- sondere wäre es zweckmässig, wenn verschiedene Stationen mit dem Apparat des Herrn Hofrat v. VVeinzierl ausgerüstet würden und wenn Versuche gemacht würden, ob es gelingt, überall dieselbe Grenze fest- zuhalten. Nur eins ist mir bei dem Referat aufgefallen, nämlich, dass eine durchschnittliche Differenz zwischen beiden Methoden vorhanden bleibt. Da möchte ich die Frage aufwerten: Welche Methode hat denn die richtigen Resultate geliefert? Ist die Differenz positiv oder negativ? Es sind da noch verschiedene unklare Fragen, und es ist jedenfalls zweckmässig, wenn man sich darüljer ausspräche. Ich bin zur Einleitung einer solchen Diskussion gar nicht durch meinen eigenen Willen gekommen. Ich bin dem Wunsche aber gern nachgekommen, nur möchte ich nicht gern als unbedingt eigensinniger Vertreter der Gewichtsmethode angesehen werden, vor allen Dingen Diskussion: Reinheitsbestimmung von Saatwaren. 287 nicht als solcher, der historische Ansprüche an diese Methode stellt. Ein gewisser Unterschied besteht zwischen beiden Methoden. Was wollen wir nun erreichen? Wir wollen erreichen, dass der Gebrauchs- wert festgestellt wird, wieviel Kilo keimfähig sind von 100 Kilogramm Ware, Liefert nun die Gewichtsmethode einen solchen Wert'? Das tut sie nur dann, wenn entweder alle Samenkörner gleich gross sind oder wenn die Durchschnittsgewichte der eingeschütteten Samen immer gleich sind. Das sind alles Bedingungen, die die Gewichtsmethode auch nur angenähert erfüllt. Wir kommen immer wieder auf die Bestimmung des Gebrauchswertes zurück, der bis zu einem gewissen Grade von Zufälligkeiten abhängig ist, Diese Zufälligkeiten können wir vielleicht einschränken, aber nicht ausmerzen. Ich möchte Sie darauf aufmerksam machen, dass die Entwickelung einer Methode immer sehr günstig ist, wenn man ihr eine scharfe Definition zugrunde legt. Es ist mit Hilfe des Diaphanoskops nicht immer sicher, ob ein Korn zu den reinen oder unreinen Samen gehört, und erfahrungsgemäss sind die Grenzbestimmungen verschieden. Das ist nicht meine eigene persönliche Erfahrung, sondern die Erfahrung von 36 deutschen Versuchsstationen. Diese haben nicht mit dem Spiegel- apparat gearbeitet. Die zahlreiche Beteiligung an der Diskussion hat gezeigt, wie nötig es ist, dass einmal Klarheit geschaffen wird auf diesem Gebiet. Bevor Sie ein abschliessendes Urteil abgeben, möchte ich Sie bitten, sich doch einmal mit der Gewichtsmethode vertraut zu machen, sich durch tägliche Übung an die Handhabung dieser Methode zu gewöhnen, vielleicht kiinnen Sie sich dann damit befreunden. Hofrat Dr. Th. v. Wehizierl-Wien: Der Herr Kollege hat bemerkt, dass ich vergessen habe zu sagen, ob die Differenz positiv oder negativ ist. Ich erlaube mir, darauf aufmerksam zu machen, dass ich hervorgehoben habe, dass als ein besonderer Vorteil der Gewichtsmethode angegeben wird, dass die Bestimmung der tauben Körner, wenn benetzte Samen ver- wandt werden, mittelst der optischen Methode genauer ist als wenn der Samen in dem Zustande ist, wie er bei der Zählmethode bestimmt wird, dass man also genauer die tauben Samen ermittelt aus einer zur Keim- fähigkeit angesetzten Probe, wenn der Samen angequollen ist, gegenüber dem bei der Zählmethode verwandten Samen in lufttrockenem Zustande. Nachdem bei den Versuchen durchweg ohne Ausnahme bei der Gewichts- methode kleinere Zahlen herauskommen, so habe ich daraus geschlossen, dass unsere Zahlen, die wir gefunden haben, richtiger sind, sonst müssten wir umgekehrt weniger finden. Bei der Gewichtsmethode sind bei Fuchsschwanz 4°/o gefunden, während wir bei der Zählmethode ll°/o gefunden haben. Vorsitzender: Meine Herren! Wir wollen damit diese Frage 288 Verhandlungen der I. internationalen Konferenz für Samenprüfnng. beschliessen. Wir werden morgen nachmittag die Diskussion über ein anderes Tliema fortsetzen. Herr Regierungsrat Dr. Miltner wird die Diskussion einleiten über die Frage der Keimversuche. Ich ersuche •dann Herrn Professor Heinrich, für diesen Tag das Präsidium zu übernehmen. Morgen nachmittag um 2 Uhr werden wir wieder zu- sammenkommen. Dann danke ich dem Herrn Referenten für sein Referat und zu- gleich denjenigen Herren, die sich an der Diskussion beteiligt haben, und erkläre iie Sitzung geschlossen. Schluss 6V2 Uhr nachmittags. Sitzung am Dienstag, den II. September 1906, nachmittags 2 Uhr im Hörsaal A des Johanneum. Vorsitz: Direktor Dr. L. Hiltiier-München. Anwesend: Atterberg - Kalmar, von Degen - Budapest, Di- drichsen - Kopenhagen, Dorph Petersen - Kopenhagen, Edler-Jena, Frankfurt - Kiew, Heinrich - Rostock, Hillmann-Berlin, Hiltner- München, Holmes- London, Johnson -Dubhn, I ssats che nsko -Peters- burg, Kambersky-Troppau, Kühle-Gunsleben, Lyttkens-Stockholm, Qvam-Kristiania, Raatz- Kl. Wanzleben, Rodewald-Kiel, Schumann- Halle, Simon -Dresden, Steblor-Zürich, von Szyszylowicz-Lemberg, Vanha-Brünn, Vitek-Prag, Voigt- Hamburg, von Weinzierl-Wien, Widen- 0rebro. Professor Dr. Voigt bittet die Anwesenden, sich zunächst zu einer photographischen Aufnahme in den Hof des Johanneum zu begeben. Geh. Ökonomierat Prof. Dr. Heinrich-Rostock ersucht, wegen seiner Kurzsichtigkeit von seinem Vorsitz Abstand zu nehmen. Es wird Di- rektor Dr. Hiltner-München zum Vorsitzenden für die heutige Sitzung gewählt. Vorsitzender: Ich erteile sodann Herrn Direktor Dr. A. von Degen das Wort zu seinem Vortrag. A. von Degen, Über Kleeseide. ■_ . ;-' 289 Über Kleeseide. Von Direktor Dr. A. von De^Tii-Budapest. Nach unseren Erfahrungen können Kleesaaten, welche diu'ch die grobkörnige Seide infiziert worden sind, seilest durch unsere leistungs- fähigsten Maschinen nicht vollständig gereinigt werden. Es steht uns also nur ein Mittel zur Verfügung, und das ist die Vertilgung der Kleeseide auf dem Felde. Wie geschieht nun dies am Ijesten? Alle Herren Kollegen, welche in Staaten wirken, die gesetzliche Massregeln zur Ausrottung der Kleeseide auf dem Felde vorschreiben, werden die Er- fahrung gemacht haben, dass die Behörden — meist wegen Mangel an Sachkenntnis — diese Massregeln nur höchst mangelhaft durchführen. Auf Grund meiner Erfahrungen bin ich der Ansicht, daß die Verhältnisse die Produzenten dazu zwingen werden, den Kampf gegen die Kleeseide auf dem Felde selbst aufzunehmen. Die Preise grobseidehaltiger V^''aren sind schon derartig gedrückt, dass sich in infizierten Gegenden die Produktion von Kleesaat kaum mehr rentiert. Um einen weiteren Rückgang zu verhindern, ist es meiner Überzeugung nach unsere Pflicht, hier präventiv einzugreifen. Dies erfordert indes eine Erweiterung des \Mrkungskreises der Samen kontroUstationen, der sich auf strenge Auf- sicht insbesondere der Kleesamen produzierenden Gegenden und aut fachgemässe Kontrolle der Seideausrottung erstrecken müsste. Bei uns zu Lande hat die Samenkontrollstation absolut keine exekutive Gewalt, hingegen verlangt der Landwirt, dass die Samenkontrollstation ihn vor Kleeseide schütze. Wir stehen also in einem Dilemma. Die unvoll- ständige Ausrottung der Seide verursacht nach unseren Erfahrungen nur eine vorübergehende Besserung, mit der dem Landwirt nicht gedient sein kann. Meine erste Proposition bezieht sich daher auf Massnahmen, welche eine erfolgreiche Bekämpfung der Seide auf dem Felde be- zwecken und lautet: „Alle hier versammelten Stationsvorstände mögen ihren ; Regierungen die nötigen Vorschläge zur einhe'tlichen, streng und sachgemäss durchgeführten Ausrottung dei Kleeseide auf dem Felde unterbreiten resp. veranlassen, dass die Durch- führung der bestehenden diesbezüglichen Massregeln in den Wirkungskreis der Samenkontrollstationen geleitet wird. Sie müssten ihre Aufgabe damit beginnen, die einschlägigen, derzeit Jahiesbeiicht der Vereinigung für angewandte Botanik IV. 19 290 Verhandlungen der I. internationalen Konlerenz für Samenprüfung. bestehenden Verfügungen der verschiedenen in Betracht kommen- den Staaten zu sammeln und in übersichtlicher Weise zu ver- öffentlichen." Eine andere brennende Frage ist die Beaufsichtigung des Verkehrs mit Kleeausreuter. Eine strenge Überwachung desselben erscheint dringend notwendig. Nach unseren Erfahrungen sind die Landkrämer die ständigen Abnehmer des Kleeausreuters. Wir haben seiner Zeit mit Herrn Hofrat v. Weinzierl in einer Peststellung an unsere beiderseitigen Regierungen die Frage aufgeworfen, ob es nicht angezeigt wäre, eine Lizenz für den Kleesamenhandel einzuführen. Was soll aber mit dem Kleeausreuter geschehen? Laut dem ungarischen Gesetz wird der Kleeausreuter konfisziert; das Gutachten der kompetenten Untersuchungsanstalt muss den Vermerk enthalten, ob die konfiszierte W^are vernichtet werden soll oder ob sie, eventuell durch Reinigung, einem anderen Zwecke zugeführt resp. anders verwertet werden kann. Die von mir und Professor Tangl durchgeführten Versuche überzeugten uns, dass der Kleeausreuter fein gemahlen und hierdurch denaturiert ein ziemlich wertvolles Futtermittel abgibt, welches ganz besonders geeignet erscheint, als Zusatz zu Melasse verfüttert zu werden. Leider steht der Verwertung des Kleeausreuters als Futtermittel sein hoher Preis im Wege: bei uns werden für Kleeausreuter 70 Kr. per mctr. bezahlt. Dass das nichts anderes zu bedeuten hat, als dass der Aus- reuter als Saatware in den Verkehr gebracht wird, liegt klar auf der Hand, und ich halte es für unerlässlich, dass diesem Artikel unsere volle Aufmerksamkeit zugewendet werde Wir stehen hier einer ganz ausserordentlich schwierig zu lösenden Frage gegenüber, welcher wir aber nicht ausweichen dürfen. Vielleicht finden wir einen Ausweg, wenn wir durch Versuche feststellen können, ob und unter welchen Vorsichtsmassregeln, eventuell unter welchen klimatischen Verhältnissen, der Kleeausreuter als Saatware zu verwenden ist. Die vorerwähnten Ausführungen mögen als Begründung einer weiteren Proposition gelten. Ich will hier noch erwähnen, dass der direkte Anlass /aw Auf- stellung dieser Proposition die Publikation unseres Kollegen Dr. A. Volkart (Bericht der schweizerischen Botanischen Gesellschaft 1901) gegeben hat. E)r. Volkart hat in dieser Publikation behauptet, dass einige Seidearten, speziell die Grobseide, in der Schweiz ihren Samen nicht zur Reife bringen. Bei der eminent praktischen Wichtigkeit dieser Frage ersuche ich die geehrte Versammlung, diesen Punkt einer eingehenden Be- sprechung zu unterziehen. Der nächste Punkt betrittst die Feststellung einer Norm über A. von Degen, Über Kleeseide. 291 den hochstzulässigen Seidegehalts einer Kleesaatware. In der Einleitung habe ich darauf hingewiesen, dass die Kleeseide aus der auf den Markt gebrachten Ware selbst mit unseren besten Reinigungs- maschinen nicht vollkommen entfernt werden kann. Die Vertreter der Kleesamen produzierenden Länder werden mir beipflichten, wenn ich die festgestellte Norm von 10 Stück Seidesamen pro Kilo mit Rücksicht auf die eingetretene oder bevorstehende Grobseidekalamität für viel zu hoch halte. Es wäre noch darüber zu diskutieren, ob die Norm für eine Saatware, welche nur zu Putterbauzwecken dient, und ferner die l!^orm für Rotklee und Luzerne nicht besonders festgestellt werden sollen. Die Erledigung dieser Fragen erheischt eine gründliche Aus- sprache über die Leistungsfähigkeit der verschiedenen Reinigungs- methoden. Ich möchte schon hier betonen, dass wir von den Händlern nichts verlangen können, was diese selbst bei Verwendung der besten Maschinen nicht leisten können. Wie immer wir uns auch über die festzustellende Norm einigen werden, eine absolute Seidefreiheit der ■.Saatware im allgemeinen werden wir nicht erzielen. Wir müssen im Kampfe gegen die Seide auf die Mitwirkung der Landwirte rechnen. Ich schlage als Basis der Verhandlung über die Untersuchungs- methoden folgende Punkte vor, die aus den bei uns vorgeschriebenen Methoden zusammengestellt sind und zwar teilweise aus unseren Plom- bierungsvorschriften, teilweise aus unseren Untersuchungsvorschriften: 1. Auf Seidesamen ist stets das ganze eingesandte Muster, sofern es 500 gr nicht überschreitet, zu untersuchen. 2. Die Muster von Kleesamen sind vor dem Beginn der Ihiter- suchung bei Tageslicht einer genauen Okularuntersuchung zu unterziehen. 3. Lein- und Hanfsamenmuster sind mittelst des 14er und 16er Siebes abzusieben und das ganze Siebsei Korn für Korn zu unter- suchen. Von Lotus coiiiiculatus, Trifolium h/jhi'n/um. T. r('pen--< und Plileum prafpnse ist das ganze eingesandte Muster ohne Hilfe eines Siebes zu untersuchen. ■ 4. Luzerne-, Rotklee-, Hopfenklee- Inkarnatklee- und W^undklee- muster sind zuerst durch ein sog. 20 er Sieb zu sieben. 5. Zwanziger Sieb nennen wir ein 40 cm im Durchmesser messendes mit abhebbarem Boden und Deckel versehenes Sieb aus Weiss- oder Zinkblech, welches mit einem Stahldrahtgeflecht mit vier- eckigen Löchern von 1 : 1 mm Drahtweite überzogen ist. 6. Der Boden des Siebes muss unversehrt sein, sonst ist es nicht ausgeschlossen, dass abgesiebte Seidekörnor durch eine Öffnung des Bodens in Verlust geraten. 19* 292 Verhandlungen der I. internationalen Konferenz für Samenprüiung. 7. Das Sieb und der Boden des Siebes mnss vor dem Gel)rauch unbedingt vollkommen rein sein. 8. Auf das 20 er Sieb darf nie mehr als eine Schicht Samen auf einmal .u'egossen werden. Die Vernachlässigun.ii- dieser wichtigen Vorschrift kann selbst die gewissenhafteste Seideuntersuchung illusorisch machen. 9. Diese Samenschicht wird durch langsame, wenigstens zehn- malige Bewegung des Siebes im Kreise und Anschlagen der Seitenwände an die Daumenballen gründlichst abgesiebt. 10. Ist ein grösseres Muster abzusieben, so wird die erste Schicht vom Siebe vorsichtig entfernt, und eine zweite ev. dritte oder noch mehr Samenschichten neu aufgegossen und abgesiebt, bis das ganze Muster abgesiebt ist. 11. Während des Siebens sowohl als besonders bei dem Abheben des Siebes von seinem Boden ist genau darauf zu achten, dass von dem Siebsei nichts verschüttet werde. Eingeklemmte Samen kommen zu dem Siebsei. 12. Ist das Siebsei des 20er Siebes nicht viel, so wird es ohne weiteres i\orn für Korn mit der Pinzette auf Seidesamen untersucht. 13. Ist aber das Siebsei wegen Kleinkörnigkeit oder Unreinheit der Ware bedeutend, enthält es viel Staub, Sand, Erdklümpchen oder Unkrautsamen, so wird es noch durch die Nobbe-Garnitur ab- gesiebt. ^ 14. Vor Benutzung dieser Garnitur ist darauf zu achten, dass die einzelnen Siebe in richtiger Reihenfolge eingesetzt und voll- kommen rein sind. 15. Die Seidesamen sind vor allem in der auf dem Sieb mit ()..5 mm Lochöffnung gebliebenen Samenmenge zu suchen. Sollten hier keine gefunden werden, so wird das Siebsei des untersten Siebes und der Reihenfolge nach die auf den ül)rigen Sieben befindlichen Samenmengen untersucht. 16. Das Zerlegen der Nobbe-Garnitur soll stets über einem Blatt reinen Papiers geschehen. 17. Die in die Sieböffnungen eingeklemmten Samen sind stets zu dem zu untersuchenden Siebsei zu legen. l!-i. Waren Seidesamen in keiner der Abteilungen vorzufinden, so ist noch ein Teil ') der über dem 20 er Siebe gebliebenen Samen- menge auf Grobseide zu untersuchen. 1) Nach neuer A'orschrift 100 gr. A. von Degen, Über Kleeseide. 293 19. Ein Muster, welches nur leere oder nur unreife, geschrumpfte Seidesamen in geschlossenen Kapseln, oder Seidestengel oder Blütenfragmente enthält, ist — unter Angabe des Befundes — als seidefrei zu attestieren. Zu Punkt 18 mijchte ich bemerken, dass für die Untersuchung auf Grobseide keine Menge vorgeschrieben ist; das scheint ein Mangel unserer Vorschriften zu sein. Es wäre wünschenswert, wenn hier eine Norm festgestellt werden könnte. Als Zusatz zu Punkt 19 erlaube ich mir eine einheitliche Ter- minologie vorzuschlagen sowohl in der Benennung der einzelnen Seide- arten als auch in den Bezeichnungen , .wenig" und ,,viel" Kleeseide resp. eine genaue Definition dieser Ausdrücke festzustellen. Diese kommen selbstverständlich in Betracht, wenn die Seidekörner im Atteste nicht der Zahl nach angeführt werden. Bezüghch der Nomenklatur möchte ich auf den Übelstand hin- weisen, dass ein und dieselbe Seideart von einer Station als Cuscufa raceniosa, von einer anderen als C. ■siiaveok")is von einer dritten gar als C. Orouowii, deutsch aber als ,, Grobseide", „grobkörnige Seide", in Deutschland mit Vorliebe als ,, Schweinsseide" bezeichnet wird. Ich erlaube mir, dieser Proposition noch eine andere anzufügen; sie betrifft die Frage der Beschaffung von Normalsieben. Die Wichtigkeit dieser Frage ist klar, wenn man die früher gebräuchlichen Siebe, bei welchen die Löcher entfach mit einer Stanze durchgeschlagen und die Lochöffnungen nicht gleich gross sind, mit den jetzigen ver- gleicht. Es wäre sehr wichtig, wenn der x'Vusschuss sich mit einer Firma in Verbindung setzen möchte, welche sich der Mühe unterziehen wollte, uns Normalsiebe zu verschaffen. Ich will darauf hinweisen, dass bei Bodenuntersuchungen ganz genau gebohrte Siebe verwendet werden, die aber unseren Zwecken nicht entsprechen. Zum Schluss schlage ich der geehrten Versammlung vor, eine Diskussion über die Frage zu eröffnen, ob es nicht angezeigt wäre, die hiermit in Verbindung stehenden Detailfragen einer Spezialkommission zu überweisen. Vorsitzender: Ich eröffne die Diskussion und bitte den Refe- renten, die einzelnen Punkte nochmals zu verlesen, damit die Ver- sammlung dazu Stellung nehmen kann. Referent Dr. von Degeu-Budapest: Meine Proposition I bezieht sich auf den Vorschlag, dass alle hier versammelten Stationsvorstände 294 Verhandlungen der I. internationalen Konferenz für SamenpriU'ung. ihren Regierungen die nötigen Vorschläge betreffend einheitlich, streiiir und sachgemäss durchgeführter Ausrottung der Kleesei de auf dem Felde unterbreiten resp. veranlassen möchten, dass die Durchführung der allenfalls bestehenden Gesetze in den Wirkungskreis der Samen- kontrollstationen geleitet werden. Vorsitzender: Wünscht jemand das Wort zu diesem Vorschlage? Prof. Dr. Edler- Jena: Wir haben in einzelnen Bezirken Polizei- verordnungen, die das Preisein der Kleefelder von Seide vorschreiben. Diese Verordnungen haben ihren Zweck nicht erfüllt, und ich glaube auch, dass sie auch künftig ihren Zw^eck nicht erfüllen werden, da die Kontrolle durch Polizeiorgane ausgeführt werden muss, denen wenigstens in den meisten Fällen die nötige Sachkenntnis fehlt. Deshalb verspreche ich mir von der weiteren Einführung polizeilicher Vorschriften bei uns in Deutschland wenig, oder ich möchte besser sagen gar nichts. Prof. Dr. Voigt-Hamburg: Ich möchte doch glauben, dass wenigstens etwas zu erreichen wäre, halte es aber für richtiger, diese Frage in andere Hände zu legen, nämlich in die unserer Pflanzenschutz- stationen. Dr. P. Hillüiauii Berlin: Diese Vorschriften kömnen doch nur für diejenigen Länder von Wert sein, wo Kleeseide vorkommt. Ich möchte sie auf eine Einrichtung aufmerksam machen, die seit kurzem bei der Deutschen Landwirtschafts -Gesellschaft besonders auch für Kleearten eingeführt ist, die sogenannten Feldbesichtigungen zwecks Saaten- anerkennung. Der Anfang war im verflossenen Sommer sehr be- scheiden, aber wir haben doch eine Reihe von Feldern gefunden, die seidefrei waren. , Wir sind nun dabei sehr streng vorgegangen aus dem Grunde, weil in Deutschland bekanntlich die Vermittelungsstellen land- wirtschaftlicher Körperschaften absolute Seidefreiheit verlangen und sich auf Konzessionen bisher nicht einlassen wollen. Bei den beiden Feldern, die wegen Seide ausgeschlossen wurdeji, war auf jedem Felde nur ein Seidenest vorhanden. Vielleicht wäre es möglich, auch diesen Weg der Feldbesichtigungen weiter zu verfolgen. Prof. Dr. Edler- Jena: Ich möchte Herrn Kollegen Dr. Voigt er- widern, dass das, was die Samenkontrollstationen nicht können, dir Pflanzenschutzstation auch nicht kann. Ich glaube nicht, dass wir auf diesem Wege praktisch etwas erreichen und möchte bitten, ihn gar nicht zu betreten. Direktor Dr. S. Frankfurt-Kiew: Ich komme aus einer Gegend, die sehr viel Kleesamen produziert und exportiert. Nun erinnere ich mich an einen Fall, dass bei Moskau den Bauern Kleesamen verkauft wurde, der mit Seide vermengt war. Das hat man aufgefunden, die Diskussion: Kleeseide. 295 Sache hat viel Staub aufgewirbelt und auch die Aufmerksamkeit der Regierung erweckt. Wie soll man dies nun bekämpfen? Die Sache ist für uns in Russland ja so schwierig, und wenn wir auch noch so viel Unterstützung hätten, die Verhältnisse liegen so, dass man eine wirk- same Samenkontrolle kaum ausüben kann. Hofrat Dr. Th. von AVeinzierl-Wien: In Ergänzung der Aus- führungen des Herrn Kollegen Dr. von Degen möchte ich Ihnen einiges mitteilen aus den Erfahrungen, welche ich in dieser Richtung im Laufe von 20 Jahren gemacht habe, speziell in Österreich, wo, wie Sie wissen, noch kein sogenanntes Kleesamengesetz besteht, im Gegensatz zu Ungarn, wo ein solches schon lange in Kraft ist. Wir haben in einzelnen Ländern ein besonderes Kleeseidegesetz erhalten, und dieses Gesetz geht darauf aus, dass die Kontrolle der Cuscuta auf dem Felde durch Organe voll- zogen wird, welche leider, ich muss es ja selbst sagen, gewöhnlich gar nicht in der Lage sind, die Kleeseide zu erkennen. Der Schutzmann und der Gendarm sollen nicht nur die Landstreicher verhaften, sondern auch die Felder besichtigen? Ist einmal auf einem Felde Kleeseide in blühendem Zustande angetroffen worden, so wird der betreffende Be- sitzer bestraft. Der Gemeindevorstand in einem kleinen Ort ist häufig ein Grundbesitzer, welcher durch sein Amt vielfach in Anspruch ge- nommen ist, und ich habe mich überzeugt, dass gewöhnlich die- jenigen Grundstücke, welche dem Gemeindevorstand gehören, die am meisten verseuchten sind, so dass sich die Herren selbst zuerst zu be- strafen hätten. In anderen Staaten, wo ähnliche Verhältnisse sind und wo ähnliche Gesetze bestehen, hat sich das ebenfalls gezeigt, und es ist nun ein anderes Gesetz vorgeschlagen worden, welches, von einem Komitee resp. dem Landwirtschaftsrat bearbeitet, wahrscheinlich dem- nächst in Angriff genommen werden wird. Es wird davon ausgegangen, dass die Feldpoüzeivorschriften streng durchgeführt werden. Es dürfte in- teressieren, zu hören, dass wir in Österreich, soweit polizeiliche Vorschriften in Frage kommen, so ziemlich dieselben Erfahrungen gemacht haben, wie sie vom Herrn Referenten ausgeführt und von anderer Seite bestätigt worden sind. Ich habe nun einen anderen Weg betreten, der dahin geht, nicht den Landwirt, der ohnedies dadurch, dass er Landwirt ist. schon genug bestraft ist, mit Strafen zu belegen, sondern umgekehrt, für die richtige Bekämpfung der Kleeseide direkt Prämien auszusetzen. Ich glaube, dass das ein W^eg ist, der sich jedenfalls viel mehr empfehlen würde, als Strafbestimmungen allein. Ich habe dann noch bemerken wollen, dass die gesetzlichen Vor- schriften tür die Regelung des Handels mit Kleesaaten — mit Sämereien und mit Düngemitteln überhaupt — bei uns in Österreich im Entstehen 296 Verhandlungen der I. internationalen Konferenz für Samenprüfung. sind und dass ein Entwurf bereits der Regierung seitens des Land- wirtschaftsrates und der landwirtscliaftlichen Gesellschaften vorliegt, der darauf hinausgeht, eine bestimmte Vorschrift für den Handel, insbesondere mit Kleesaaten, gesetzlich zu erlangen. Er enthält die Hauptbestimmung, dass die Saaten durchweg dem Deklarations zwange unterworfen sind. d. h. es muss an jeder Ware erklärt werden, was sie eigentlich sein soll. Wenn jemand z. B. Kleeausreuter verkaufen will, so sehe ich gar nicht ein, warum er eine solche Ware nicht verkaufen soll, wenn er dieselbe nur richtig deklariert. Es dürfte also der Deklarations- zwang auch eine Handhabe bieten, die meisten Übelstände, die in Frage kommen, zu bekämpfen. Prof. Dr. Voigt-Hamburg: Wir müssen die ganze Frage, die Herr von Degen angeschnitten hat, in zwei Teile trennen. Man wird einen Unterschied machen müssen zwischen Kleesaat konsumierenden und Kleesaat produzierenden Ländern. Prof. Dr. Edler-Jena: Ich glaube, dass wir die Frage hier über- haupt nicht durch eine Resolution fördern können. Ich möchte l)itten, diesen Punkt der Resolution einfach fallen zu lassen. Dr. Fraiikfiirt-Kiew : Ich möchte mich einem früher geäusserten Wunsche anschliessen, der dahin geht, dass der Ausschuss eine Samm- lung aller Gesetze zur Überwachung des Samenhandels herausgibt, die in den verschiedenen Ländern existieren. Vorsitzender Direktor Dr. L. Hiltner-München : Wenn ich mir erlauben darf, selbst noch das Wort zu nehmen, so möchte ich darauf hinweisen, dass man in Bayern mit polizeüiehen Massregeln schon schlimme Erfahrungen gemacht hat. Unsere agrikulturbotanische Anstalt betreibt gleichzeitig Samenkontrolle und Pflanzenschutz. Das hat einen grossen Vorteil, indem sich die Mciglichkeit ergibt, in anderer Richtung erfolgreich einzugreifen. Wir haben in Bayern eine Organisation ge- schaffen, die z. B. aus 64 Auskunftsstellen besteht, mit denen zusammen noch ca. 300 Vertrauensmänner, fast ausschliesslich praktische Land- wirte, arbeiten. Ich glaube sagen zu können, dass wir dadurch in nicht allzu langer Zeit in der Lage sein werden, u. a. auch gegen die Klee- seide mit gutem Erfolge vorzugehen. Wir haben z. B. in diesem Jahre, nachdem wir aus verschiedenen Bezirken über das Auftreten von Seide Mitteilungen erhalten hatten, sofort an die Auskunftsstelle des betr. Bezirkes geschrieben. Diese forscht nach, von wem der Same bezogen wurde, so dass wir mit dem Lieferanten in Verbindung treten können. Ich glaube, das ist auch ein Weg und zwar ein sehr wirksamer. Sonst würde ich mich persönlich auf den Standpunkt stellen, dass, wenn wir die Frage nicht einer Kommission überweisen wollen, wir mindestens Diskussion: Kleeseide. 297 dahin einig werden sollten, dass wir unseren Regierungen aufs neue die Wichtigkeit der Frage ans Herz legen und ihnen anheimgeben, mit allen zu Gebote stehenden Mitteln gegen die Kleeseidegefahr vorzu- gehen, aber ohne polizeiliche Vorschriften. Referent Dr. von Degen-Budapest: Die ziemliche Länge meines Referates hat mich verhindert, in diese Details einzugehen. Ich habe mir die Durchführung meiner Propositition in ähnlicher Weise gedacht, wie es Herr Direktor Hiltner soeben vorgetragen hat. Die Ausrottung der Seide ist keine leichte Aufgabe; es ist eine Aufgabe, die mit gründ- licher Sachkenntnis vorgenommen werden muss, und darum habe ich in meinem Referat die Demonstration an Ort und Stelle betont. Herrn Prof. Dr. Edler, der PoHzei Verordnungen für undurchführbar hält, möchte ich fragen: was sollen wir machen? Mit Maschinen können wir die Seide nicht entfernen, und wenn keine Massregeln getroffen werden, wird das eintreffen, worauf ich in meinem Referat schon liingewiesen habe, nämlich dass die Samenproduktion eingeschränkt werden wird. Es ist hier Avährend der Diskussion die Frage aufgeworfen worden, ob nicht Prämien verteilt werden sollen. Ich halte das für überflüssig, denn der Produzent erhält die Prämie für reine Ware in Form des höheren Preises. Mit der Zweiteilung der Frage bin ich vollständig einverstanden. Ich wäre zufrieden, wenn meine Proposition in der Weise angenommen werden würde, dass die Regierungen der Kleesamen produzierenden Länder darauf aufmerksam gemacht würden, dass die Ausrottung der Kleeseide energisch in Angriff genommen werden müsste. In welcher Weise .dies geschehen kann, das soll den betreffenden Regierungen anheimgestellt werden. Vorsitzender: Wenn niemand mehr das Wort wünscht, würde ich vorschlagen, die Resolution in der Fassung, wie der Herr Referent sie zuletzt genannt hat, anzunehmen. ■■ Das Wort wird nicht gewünscht. Referent verliest die Resolution, die in nachstehender Fassung an- genommen wird: ......•..;• : . ,. Es ist wünschenswert, dass die Regierungen jener Länder, in welchen Kleesamen produziert werden, aufs neue auf die Gefahr aufmerksam gemacht werden, die durch die gewöhnUche Kleeseide und neuerdings durch die Grobseide dem Samenhandel droht, und dass Schritte zur Ausrottung der Seide auf dem Felde getan werden. 298 Verliandlungen der I. internationalen Konferenz für Samenprüfung. Vorsitzender: Wir würden dann zum Punkt 2 ül^ergehen. Ich bitte den Herrn Referenten, diesen Punkt zu verlesen. Referent Dr. von Degen-Budapest: Meine zweite Proposition wünscht die Prüfung der Stichhaltigkeit der Behauptung, dass die Seide, speziell die Grobseide, in nfirdlichen Lage n ihren Samen nicht zur Reife bringt. Hof rat Dr. von Weinzierl-Wien: Ich möchte mir den Vorschlag gestatten, dass diese Frage dem Aussah uss als eine derjenigen Fragen zugewiesen werden soll, welche in den Fragebogen, von dem ich gestern sprach, aufgenommen werden. Vorsitzender: Ich weiss nicht, ob nicht doch schon Erfahrungen in dieser Richtung vorliegen. Es wäre erwünscht, darüber zu hören. Direktor 0. (-tvam-Kristiania: In Norwegen kommt die Kleeseide überhaupt nicht vor, deshalb spielt bei uns die Kleeseidefrago gar keine Rolle. Prof. Dr. A^oigt-Hamburg : Das gleiche w^eiss ich von England. Unsere Samenhändler behaupten immer, dass in England kein Wert auf Seidereinheit gelegt werde. E. M. Holmes-London: Ich kann dies bestätigen. Die Frage ist für Grossbritannien ohne Wichtigkeit. Dr. J. V. Szyszylowicz-Lemberg: Ich habe die Erfahrung gemacht, dass in Galizien in einer Höhe von beiläufig 800 m die Kleeseide absolut nicht gedeiht. Einmal habe ich von Milano Kleesat bezogen und in einem Kilo 40000 Körner Kleeseide gefunden. Bei der Ernte war in Galizien der Klee aus diesem Samen ganz rein. Man sieht also, dass die südeuropäische Seide sich nicht überall akklimatisiert. Inspektor A. Lyttkeus-Stockholm : Man sagt, dass in unserem Lande die Kleeseide reifen Samen nicht hervorbringt. Ich habe indes in den letzten Jahren, z. B. 1901, im mittleren Schweden Kleeseide mit reifem Samen geerntet. Man kann also nicht absolut sicher sein, dass in so nördlichen Klimaten, wie Schweden, Kleeseide nicht gedeihen kann. Wir haben auch in diesem Jahr einen sehr warmen Sommer gehabt, so dass ich befürchte, wir werden Kleeseide auch in diesem Jahre haben. Man kann jedenfalls nicht sagen, dass die Kleeseide in Schweden nicht reift, was man früher mit Sicherheit behauptete. Es kommt sehr oft Klee- seide vor, reife Samen aber dürften nur in sehr warmen Sommern zu finden sein. Direktor J. Widen-Orebro: Meine Ansicht geht dahin — und ich stütze mich auf vieljährige Erfahrungen — , dass die Kleeseide im mittleren Schweden jedes Jahr reift. Im Jahre 1903 war durchweg sehr schlechtes Wetter, die Ernte der ^ Rotkleesamen war sehr schlecht ausgefallen, es Diskussion: Kleeseide. 299 wurde aber doch reife Kleeseide gefunden. Auf einem Gute waren seit 13 Jahren keine Kleesaraen von auswärts bezogen worden, und doch kommt auf einem gewissen Felde, wenn es Klee trägt, die Klee- seide jedes Jahr zum Vorschein. Was die Grobseide betrifft, so ist es nicht ausgeschlossen, dass auch diese in Schweden reifen kann. Aus der Nähe von Upsaia wurde mir eine Probe von Rotklee zugeschickt, in welcher 2 Körner von Grob- seide vorgefunden wurden. Es war mir aber nicht möglich, beim Be- suche auf dem betreffenden Gute Seide im Stoppel nachzuweisen. Mag die Grobseide vielleicht auch nicht in Mittelschweden reif werden, so richtet sie doch so viel Schaden an, dass Schweden ganz entschieden kein Abnehmer seidehaltiger Kleesamen wird, Direktor K. Dorpli Peterseii-Kopenhagen: In Übereinstimmung mit dem Vorredner erkläre ich, dass auch in Dänemark bisweilen reifer Samen von Kleoseide gefunden wird. Vorsitzender: Wünscht noch jemand das Wort? Ich kann hier noch anfügen, dass u. a. auch bei Versuchen in den Alpen in einer Höhe von etwa 900 m die Seide immer sehr schön aufgelaufen ist und den Klee gänzlich überzogen, aber keinen Schaden angerichtet hat. Im nächsten Jahr war sie vollständig verschwunden. Es gibt jedenfalls auch bei uns in Deutschland Gegenden, für die die Grobseide keine allzu grosse Gefahr bildet. Dies dürfte auch aus den Erfahrungen der Herren aus Schweden und Dänemark hervorgehen. L'm aber auf die Proposition des Herrn Referenten zurückzukommen, würde es immerhin richtig sein, dass die Kommission sich dafür interessiert. Wenn niemand mehr das Wort wünscht, bitte ich den Herrn, Referenten, den nächsten Punkt seiner Proposition zu verlesen. Referent Dr. v. Degen-Budapest: Meine nächste Proposition be- trifft die Beaufsichtigung des Verkehrs mit Kleeausreuter. Vorsitzender: Wünscht hierzu jemand das Wort? Dr. J. V. Szyszylowicz-Lemberg: Ich habe mich überzeugt, dass in Galizien, besonders auf den Bauernfeldern, Kleeseide gefunden wird; bei den Grossgrundbesitzern zeigt sich dieselbe sehr selten. Die Bauern kaufen nämlich bei uns den Samen meistens bei jüdischen Händlern; die ge- lieferten Samen sind sehr schlecht, und die Felder werden dadurch verseucht. Um dies zu verhüten, wäre es meiner Ansicht nach besonders wichtig, den Handel zu beaufsichtigen. Auf eine Zeitungsannonce hin liess ich mir Muster von Kleesiebsel schicken und habe . gefunden, dass es lauter Kleeseide war. Daraufhin habe ich nachgeforscht, wer solches Siebsei kauft; es war natürlich der Bauer, der ja nicht viel versteht. Meiner Ansicht nach könnte eine bessere Kontrolle des Importhandels die Klee^ 300 Verhandlungen der I. internationalen Konferenz für Samenjjrüfung-. Seidekalamität zwar niclit vollliommen beseitigen, so doch sehr vermindern. Kleesiebsel ist meiner Überzeugung nach Iveine Ware, man sollte es vernichten, d. h. verbrennen, oder verbieten es zu importieren. Vorsitzender: Ich empfehle, dass der gefassten Resolution unsere Wünsche betreffs Kleesiebsel angefügt werden. Prof. Dr. Voigt-Hamburg: Ich wollte nur ganz kurz erklären, dass wir gegen den Abfall nicht so scharf vorgehen können. Abfälle gibt es überall, und wir können hier schwerlich ein Verbot erlassen, aber wir kcinnen die Aufmerksamkeit der Regierungen auch auf diesen Punkt lenken. Vorsitzender: Es meldet sich niemand mehr zum Wort. Ich bitte den Herrn Referenten zum nächsten Punkt überzugehen. Referent Dr. v. Degen-Budapest: Der nächste Punkt wiire die Feststellung einer Norm l^etreff den hochstzulässigen Seide- gehalt einer Saatware. Dr. P. ScliHinaiui-Halle: Ich luuss erklären, dass der Landwirt verlangen kann, nur absolut seidefreie Ware zu bekommen. Wir können vorläufig auch von d'iesem Standpunkt nicht abgehen. Prof. Dr. Edler-Jena: Der Herr Vorredner hat erklärt, der Land- wirt könne absolut seidefreie Ware verlangen. Betrachten wir die An- gelegenheit vom Standpunkt der technischen Möglichkeit, so müssen wir vorläufig zu der Überzeugung gelangen, dass die Forderung insoweit auf technische Schwierigkeiten stösst, als wir ja nicht einmal die absolute Garantie übernehmen können, dass in der Probe, die wir als seidefrei attestieren, nicht mal ein Kleeseidekorn durchgegangen ist. Keiner der Herren, die sich mit Seideuntersuchungen beschäftigen, wird mir wider- sprechen, wenn ich sage, dass das Auslesen einer grösseren Probe klein- körniger Samen das Auge so ermüdet und dass diese Arbeit so schwierig ist, dass wir die Garantie einfach nicht übernehmen können, dass nicht doch einmal ein Korn übersehen worden ist. Wenn aber diese technische Schwierigkeit besteht, dann hat die Forderung der Landwirte, absolut seidefreie Ware zu i)ekommen, keine praktische Bedeutung. Dr. P. Hillmauii-Berlin: Die Lösung dieser schwierigen Frage liegt vielleicht auf einem anderen Gebiete, welches weniger hierher gehört, nämlich auf dem Gebiete der Handelsabmachungen. Die Grundregel der Saatstelle der D. L.-G. hat in dieser Beziehung zwar strenge, aber nicht unausführbare Bestimmungen. Es gilt eine Lieferung als seidefrei, wenn in der Probe keine Seide gefunden wurde. Wird aber bei späterer Untersuchung Seide gefunden, dann ist eine massige Entschädigung von vornherein festgesetzt in der Weise, dass der betreffende Empfänger entweder die Ware zurückweisen kann, oder wenn er das nicht will. Diskussion: Kleeseide. i 301 so bekommt er b'^l^ Entschädigung. Mit diesem Verfahren können auch Samenhändler wohl ganz einverstanden sein. Direktor Dr. (j. Stebler-Zürich : Ich glaube auch, dass es der richtige Weg ist, den Herr Dr. Hillmann vorgeschlagen hat, also dass jeder Landwirt das Recht hat, die Ware zurückzuweisen, wenn sie nicht garantiegemäss ist. Eine wichtige Frage ist aber noch die: wie gross soll die Probe sein, die eingefordert wird, und wieviel soll untersucht werden? Eine 100 g-Probe kann seidefrei sein, eine 500 g-Probe kann ein Korn Seide enthalten. Das ist eine wichtige technische Frage, über die wir uns klar sein sollten. Hat der Käufer das Recht, ein Kilo einzu- senden, oder muss mau das Recht einschränken und wie weit? Wir in Zürich verlangen nur eine Probe von 100 g. Herr Kollege Dr. L»egen hat eine Probe von 500 g festgesetzt; ich halte das für vollkommen genügend, glaube sogar, man dürfte noch weiter heruntergehen. Für uns in der Schweiz, wo die Seide sehr wenig schädlich ist, liegt die Grenze von 100 g gerade recht, hingegen für ein Land wie Ungarn ist es jedenfalls ratsamer, etwas strenger vorzugehen. Jedenfalls aber sollten wir uns in diesem Punkte klar sein. Feste Bestimmungen existieren I»ei uns nicht und, soviel ich weiss, auch in Deutschland nicht. Prof. Dr. VoijO't- Harn bürg: Ich möchte auf eins aufmerksam machen: Wir sind, wenn wir uns zur Untersuchung verschieden grosser Proben bereit finden, etwas ungerecht. Wir geben da den Leuten einen Spiel- raum, unsere Untersuchung so zu drehen, wie sie sie haben wollen, Prof. Dr. Rodewald- Kiel behandelt in einer längeren I>arlegung die Frage der Verantwortung der Stationen bei Untersuchungen auf Kleeseide. Von Unfehlbarkeit könne gar keine Rede sein, wenn man bedenke, dass eine Probe von 50 g ungefähr 100000 Körner ergibt. Er habe dies früher einmal festgestellt. Die Ermüdung des Auges spiele bei Untersuchungen eine grosse Rolle. In einem detaillierten Beispiel legt Redner dar, dass das Auge bei andauernder gleicher Beschäftigung für Feinheiten unempfindlich würde. Die absolute Seidefreiheit einer Probe zu garantieren, sei demnach unvernünftig, wie durch Obiges dar- gelegt. Wie die Sache heute läge, könne Redner den von Herrn Dr. Schumann vertretenen Standpunkt nicht verstehen. Man müsse nur fordern, was realisierbar sei. Interessieren würde es nun zu er- fahren, welche Grenze, die Grösse der Proben betreffend, man für die richtige halte. Dr. J. V. Szyszylovvicz-Lemberg: Ich halte es für äusserst wichtig, die Grösse der Proben der einzelnen Kleearten festzustellen. Prof. Dr. Edler- Jena: Zweifellos spielt die Grösse der Probe eine bedeutende Rolle. Ich stehe auf dem Standpunkte, man sollte nicht zu 302 Verhandlungen der i. internationalen Konferenz für Samenprüfung. grosse Proben verlangen. Ich glaube, duss im allgemeinen mit Proben von 100 g auszukommen ist und mit 50 g bei kleinen Saaten. Vorsitzender: Ich schliesse mich den Ausführungen der Herren Rodewald und Edler vollständig an. Ich erteile nun dem Referenten das Schlusswort. Referent l)r. v. Degen-Budapest: Ich schlage vor. dass das Quantum des zu untersuchenden Musters überhaupt nicht festgestellt wird, sondern nur die Taxe für eine Quantität. Denn wir können ja nicht vorschreiben, wenn einer eine Ware kaufen will, dass wir im Maximum 100 oder 500 g untersuchen und nicht mehr. Prof. Dr. Voigt-Hamburg: Wir kommen weiter, wenn wir sagen: 100 g ist das Mindestquantum, das wir untersuchen und dessen Befund wir attestieren. Dr. V. Degen-Budapest: Bei uns ist es Usus, dass, falls das Muster kleiner ist als vorgeschrieben, wir es immerhin untersuchen, aber im Attest den Vermerk machen: Im Muster wurde keine Seide gefunden — vorausgesetzt, dass dies zutrifft — , jedoch war das Muster zu klein, um eine beruhigende Auskunft geben zu können. Prof. Dr. Rodewald-Kiel: Ich bescheinige nie: ,.L»as Muster ist seidefrei". Ich konstatiere nur die Tatsache, dass in dem Muster so und so viel gefunden, oder dass nichts gefunden wurde. Ich attestiere nur das, was ich gefunden habe. Prof. Dr. Voigt-Hamburg: Das ist ja für den Augenblick Gefühls- sache. Ich empfehle, dass wir uns schlüssig werden, da die Zeit zu weit vorrückt. Hofrat Dr. v. Weiuzierl-Wien legt in längerer Rede die Gepflogen- heiten der Wiener Station bei Untersuchungen dar und schliesst: Ich glaube, bevor wir die Frage entscheiden, wie gross die Probe sein soll, die wir zur Analyse annehmen, müssen wir noch festlegen, welchem Quantum von ^^'are eine Probe von 100 g entsprechen soll. Prof. Dr. Rodevvald-Kiel vertritt seine Ansicht, den Standpunkt der Unfehlbarkeit aufzugeben und es zum Ausdruck zu bringen, dass absolut sichere Arbeit von einem Menschen nicht verlangt w^erden kann. Prof. Dr. Edler- Jena: Ich lege den grössten Wert darauf, dass wir uns in einer Resolution darüber aussprechen, ob eine Latitüde not- wendig ist oder nicht. Vorsitzender: Sind die Herreu damit einverstanden, dass wir erklären, eine solche Ltititüde wäre notwendig? Prof. Dr. Voigt-Hamburg: Wir sind etwas von unserem Thema abgekommen. Herr von E>egen hat uns gefragt, wie viel müssen wir untersuchen, und zu dieser Frage müssen wir wohl zurückkehren. Ich Diskussion : Kleeseide. 303 mTichte meinerseits fragen: sind wir uns heute noch einig, dass 100 g bei Rotklee und 50 g bei den kleinen Saaten genügen, oder müssen. wir das Quantum erhöhen? Wenn wir heute sagen, dass nach unserer besten Überzeugung 100 g tür Rotklee und 50 g für kleine Saaten genügen, dann könnten wir diesen Punkt verlassen. Vorsitzender: Sind die Herren mit diesem Vorschlag einver- standen? Es meldet sich niemand mehr zum Wort. Der Vorsitzende bittet den Referenten fortzufahren. Referent Dr. v. Degen-Budapest: Es handelt sich jetzt um die Feststellung der Norm. I)iese Frage steht im engsten Zusammenhang mit der Leistungsfähigkeit der Reinigungsmaschinen, das ist also eine Frage, über die wir uns später einigen ktinnten, nachdem wir uns über die angewendeten Methoden der einzelnen Länder überzeugt haben. Direktor I >r. (j. Stebler-Zürich : Ich bin der Meinung, dass eine Latitüde notwendig ist. Vorsitzender; Ich bitte folgende Resolution anzunehmen : ,,Die Versammlung erklärt, dass eine Latitüde aus technischen Gründen bei der Kleeseideuntersuchung notwendig ist." Die Resolution wird einstimmig angenommen. Schluss 0 Uhr. Sitzung am Donnerstag, den 13. September 1906, vormittags 10 Uhr im Hörsaal B des Johanneum. Vorsitz: Prof. Dr. 0. Kirchner-Hohenheim. Anwesend: Blumenau-Hamburg, Buchwald-Berlin, v. Degen- Budapest, Dorph Petersen-Kopenhagen, Prankfurt-Kiew, Rud. Fritz- Hamburg, Hillmann -Berlin, Hiltner- München, Issatschensko -Peters- burg. Kambersky-Troppau, Kirchner-Hohenheim, Lyttkens -Stock- holm, Persson-Malmö, Qvam-Ghristiania, Raatz-Ivl. Wanzleben, Rode- Avald-Kiel, Schumann-Halle, Stebler-Zürich, S töhr-Prerau, v. Szy- s z y 1 0 w i c z - Lemberg , V a ii h a - Brunn , V i t e k - Prag, Vo igt- Hamburg, Waage -Berlin, v. Weinzierl- Wien, Widen-0rebro. Vorsitzender: Ich eröffne die heutige Sitzung und bitte Herrn v. I'egen, sein Referat vorzutragen. 304 Vfrhamllungen der I. internationalen Konferenz für Saiiienprüfung. Dr. V. Degen-Budapest: Gelegentlich der vorgestern stattgefundenen Geschäftssitzung der Vorstände der Samenkontrollstationen habe ich in einem in seinen Begründungen etwas ausführlicheren Referate alle jene Fragen zusammengestellt, über welche ich eine Aussprache mit meinen geehrten Herren Kollogen und Fachgenossen zur Erreichung folgender Zwecke für notwendig gefunden habe: 1. Erreichung einer möglichst gleichförmigen Beurteilung der in den Verkehr gebrachten Kleesaatwaren von selten der Samen- kontrollstationen mit besonderer Rücksicht auf die Schwierig- keiten, mit welchen der Handel jetzt wegen Grobseidehaltigkeit eines ziemlichen Teiles der Saatware zu kämpfen hat: 2. Massregeln zur Bekämpfung der Seide auf dem Felde und zur möglichsten Verhütung der Verschleppung der Seidesamen durch die Saatware, insbesondere durch den Verkehr mit dem Klee- saatausreuter ; 3. Einführung einer einheitlichen Untersuchungsmethode, insbe- besondere Feststellung der Grösse des auf Seide zu unter- suchenden Musters: 4. Einräumung einer Fehlerlatitüde bei Kleesaatuntersuchungen; 5. Feststellung der Maximalmenge der in einer Saatware geduldeten Seidekörner : 6. Möglichkeit der Verwertbarkeit nicht oder nur ungenügend reinigbarer Saatwaren in Gegenden, in welchen die Gefahr der Infektion geringer ist; 7. Einigung über einige andere, mit diesen Hauptfragen in mehr oder weniger enger Beziehung stehenden Nebenfragen. Ich habe in der Einleitung meines Referates darauf hingewiesen, dass das vor dem Jahre 1898 von selten der Samenkontrollstationen gestellte Postulat der absoluten Kleeseidefreiheit der Saatware durch die Einschleppung und Naturalisierung der grobkörnigen Soidoarten. ins- besondere der Cnscuta suavcolcns (sog. C. racvniosd), in den südlicheren Geländen Europas — also in den Ländern, welche gerade infolge ihres Klimas in der Lage sind, grössere Mengen von Rotkleesamen zu produzieren und zu exportieren, ja durch ihren Export einen grossen Teil des Samen- bedarfes der übrigen Teile Europas zu decken — heute nicht mehr im allgemeinen aufrecht erhalten werden kann. Nach unseren Erfahrungen kann eine Kolkleesaat, welche durch Samen der grobkörnigen Seide infiziert ist, selbst mit unseren leistungs- fähigsten Reinigungsmaschinen von diesem Besätze nicht sicher voll- kommen gereinigt werden. Es steht uns also im Kampfe mit dieser Kalamität nur ein sicheres Mittel zur Verfügung, und das ist die Ver- Diskussion: Kleeseide. , 305 tilgung der Kleeseid e auf dem Felde. Einstimmigen Anklang hat eine Proposition gefunden, nach welcher die Versammlung es für wünschenswert erachtet, dass die Regierungen der Samen produzierenden Länder auf die Notwendigkeit der strengen Überwachung der Klee- schläge und energischer Schritte zum Zwecke der Ausrottung der auf- tretenden Seide auf dem Felde aufmerksam gemacht w^erden sollen. Wir sind einstimmig darin übereingekommen, dass ein Gesetz oder feldpolizeihcho Vorschriften allein ohne strenge Durchführung unter Zuziehung fachkundiger Organe in dieser Beziehung nicht viel nützen. Mangelhafte Ausrottung der Seidt> verursacht nach meinen Erfahrungen nur eine vorübergehende Störung der Entwickelung der Kleeseidepflanze, welche wesentlich dazu beiträgt, dass bei der Samenreife des Klees Seidekapseln in die Ware gelangen, deren Beurteilung uns die nur zu gut bekannten Schwierigkeiten bereiten. Im Anschluss an die soeben erwähnte Proposition habe ich den Vorschlag gemacht, eine zu diesem Zwecke einzusetzende Spezialkommission mit der Aufgabe zu betrauen, die diesbezüglichen derzeit in Kraft bestehenden gesetzlichen resp. poli- zeilichen oder feldpolizeilichen Massnahmen und Vorschriften der in Betracht kommenden Staaten zu sammeln und in übersichtlicher Weise zu veröffentlichen. Bezüglich des Verkehres mit dem Kleeausreuter sind wir darin übereingekommen, dass eine strenge Überwachung des Verkehrs mii diesem Handelsartikel dringend notwendig erscheint, da der Handel mit dem Kleeausreuter eine Hauptursache des Fortbestehens der Ver- seuchung der Kleefelder bildet. Nach unseren ^Erfahrungen sind die Landkrämer die ständigen Abnehmer der Kleeausreuter, und durch diese gelangt die Kleeseide immer wieder auf das Feld. Eine -weitere Proposition meines Referates, welche die Prüfung der Stichhaltigkeit der Behauptung fordert, dass Seide, speziell aber die Grobseide, in nördlicheren Lagen und in Geländen mit käl- terem Klima ihre Samen auf dem Felde nicht zur Reife bringt, und welche sich auf Möglichkeit einer Zulassung seide- und besonders grobseidehaltiger Saatware in solchen Lagen eventuell ausschUesshch zum Zwecke des Putterbaues bezieht, wurde angenommen. Im Falle der Be- stätigung dieser Angaben sollen die ungefähren geographischen resp. klimatischen Grenzen, innerhalb welcher sie zutreffen, festgestellt werden. Bei der eminent praktischen Wichtigkeit dieser Frage, mit welcher die Frage der Entwickelung der Seide je nach der verschiedenen Nutzungs- art des Kleeschlages in engster Beziehung steht, ersuche ich die ge- ehrte Versammlung, diesen Punkt einer eingehenden Diskussion zu unterziehen. Im Falle der Annahme meines Vorschlages wäre die Aus- Jahiesbericlit der Vereinigung für angewandte Botanik. IV. 20 .^06 Verhandlungen der I. internationaJen Konferenz für Sanaenprüfnng. arbeitung eines Versuchsprogrammes wieder einer Spezialkommission zuzuweisen. Es handelt sich eben darum, die Absatzgebiete der mit Grobseide besetzten Ware, die nicht mehr vollständig zu reinigen ist, genauer kennen zu lernen als bisher. Der nächste Punkt betrifft die Peststellung einer Norm des höchsten geduldeten Seidegehaltes einer Saatware. In der Einleitung meines Referates habe ich darauf hingewiesen, dass die Grobseide, mit welcher ein ziemlicher Prozentsatz hauptsächlich der in den letzten Jahren aus den südlicheren Ländern auf den Markt ge- brachten Kleesaaten besetzt ist, selbst mit unseren besten Reinigungs- maschinen nicht sicher vollkommen entfernt werden kann. Wir haben ja oft schon mit der Entfernung der Kleinseide unsere Schwierigkeiten ganz besonders, wenn die Ware reife Kapseln, Zwillingssamen oder ab- norm entwickelte Samen enthält. Wir haben uns über die Höhe der zu duldenden Seidemenge nicht ausgesprochen. Wie bekannt, bestehen diesbezüghch in den verschiedenen Ländern schon Vorschriften und Ge- bräuche. Meiner Ansicht nach hängt die Feststellung einer Grenze innig mit der Frage der Leistungsfähigkeit der verschiedenen Reinigungs- verfahren zusammen. Ich habe in meinem Referat den Vorschlag ge- macht, die Normen für Grob- und Kleinseide getrennt festzustellen. Es hängt mit dieser Frage aber noch anderes zusammen. Es wäre z. B. noch darüber zu diskutieren, ob die zum Zwecke der Samen ge- winnung gebaute Saatware nicht strenger beurteilt werden soll als jene, die nur zur Futtergewinnung dient. Allerdings lässt sich an einer Ware nicht erkennen, welchem Zwecke sie zugeführt werden soll: doch gäbe es da wohl auch noch ein Expediens. Die Erledigung dieser Frage erheischt also eine vorherige gründ- liche Aussprache, besser noch Versuche über die Leistungsfähig- keit der üblichen Reinigungsmethoden. Es soll eben vom Handel nichts gefordert werden, was dieser selbst durch Anwendung der zweck- mässigsten maschinellen Einrichtungen unter Verwendung tüchtiger Fachleute usw. nicht leisten kann. Eben deshalb muss ich die idealen Postulate der absoluten Seidefreiheit, welche noch aus der Zeit der alleinigen Herrschaft der Kleinseide auf uns herübergekommen sind, als heute im allgemeinen nicht erreichbar bezeichnen. Wenn die land- wirtschaftlichen Genossenschaften nach ihren Statuten noch heute die Lieferung absolut seidefreien Saatgutes fordern, so werden sie diese Ware wohl noch erhalten, aber teuer bezahlen müssen. Aus den Vorschlägen meines Referates bezüglich einheitlicher Untersuchungsmethoden, Einführung einheitlicher Termino- logie und Nomenklatur in unseren Attesten usw., welche speziell Diskussion: Kleeseide. 307 doch nur die Samenkontrollstationen interessieren, will ich hier nur zwei Punkte hervorheben, die auch das Plenum interessieren dürften. Die überwiegende Mohrzahl der Vorstände hat sich für Untersuchungen von 100 g-Mustern zur Peststellung des Seidegehaltes ausgesprochen. Herr Direktor Stehler hat dieser Proposition hinzugefügt, dass es rat- sam sei, in Samen produzierenden Ländern, wo Grobseidegefahr be- steht, grössere Muster zu untersuchen. E»er zweite Punkt, der das Plenum auch interessieren dürfte, ist. dass sich die hier anwesenden Vorstände der Samenkontrollstationen einstimmig für die Einräumung einer Pehlerlatitüde bei Kleeseideuntersuchungen ausgesprochen haben. Wie hoch diese LatitUde zu bemessen sei, ist nicht festgesetzt worden; es ist dies eben auch eine Frage, welche von einer Spezial- kommission vorerst gründlich durchberaten werden muss. Dies wäre, meine Herren, in grossen Zügen das Resümee nicht nur meines Referates, sondern auch der an die einzelnen Propositionen desselben geknüpften Diskussionen. Vorsitzender: Ich stelle den Vortrag zur Diskussion und möchte mir den Vorschlag erlauben, dass über die einzelnen Punkte dieses Referates jedesmal auch eine besondere Diskussion stattfindet, vielleicht in der Reihenfolge, in welcher der Herr Referent darüber gesprochen hat. Ich möchte bitten, zur Einleitung der Diskussion jedesmal den Leitsatz noch einmal vorzutragen, über den wir diskutieren wollen. Referent Dr. v. De^'eii: Die erste Proposition „Erreichung einer möglichst gleichförmigen Beurteilung der in den Verkehr ge- brachten Kleesaatwaren von selten der Samenkontrollstationen mit besonderer Rücksicht auf die Schwierigkeiten, mit welchen der Handel jetzt wegen Grobseidehaltigkeit eines ziemlichen Teiles der Saatware zu kämpfen hat," ist ein allgemeiner Wunsch. Es wäre nun die zweite Proposition zur Diskussion zu stellen, nämlich „die Massregeln zur Be- kämpfung der Seide auf dem Felde" resp. die vorgestern ange- nommene Proposition, welche folgenden Wortlaut hat: „Die Versammlung hält es für wünschenswert, dass die Regierungen der Samen produzieren- den Länder auf die Notwendigkeit der strengen Überwachung der Klee- schläge und energischer Schritte zum Zwecke der Ausrottung der Seide auf dem Felde aufmerksam gemacht werden sollen." Vorsitzender: Ich stelle diesen Punkt zur Diskussion. Hofrat Dr. v. Weinzierl-Wien: Wir haben gewünscht — und wie ich sehe, sind Vertreter des Samenhandels hier — , dass ins- besondere die Herren, welche den Handel vertreten, ihre Ansichten über die nach unserer Meinung sehr wichtige Kleeseidefrage aussprechen. 20* 308 Verhandlungen der I. internationalen Konferenz für Samenprüfung-. Dr. Waa^e-Berlin: Gestatten Sie mir, mit ein paar Worten den Dank der deutschen und österreichischen Samenhändlor auszudrücken, dass Sie die Liebenswürdigkeit hatten, uns Gelegenheit zu geben, an Ihrer heutigen Sitzung teilzunehmen und mitzuwirken, wie diese Ver- hältnisse bestmöglich gestaltet werden können. Seien Sie überzeugt, dass es der Wunsch des Handels ist, nach dieser liichtung das Beste zu leisten. Was diesen speziellen Punkt anbetrifft, so freut es mich besonders, dass derselbe an die erste Stelle gerückt worden ist, denn der Anbau auf dem Felde ist in der Tat der grundlegende Faktor für die Gewinnung zuverlässiger Saat, und sobald der Samenhandel von der Landwirtschaft nach dieser Richtung unterstützt wird, sei es freiwillig, sei es durch gesetzliche Massnahmen, glaube ich, dass zahlreiche Diffe- renzen, die das Verhältnis zwischen Landwirtschaft und Handel schwierig gestalten, ohne w^eiteres beseitigt sind. Vorsitzender: Ich darf wohl annehmen, dass die Versammlung über diesen Punkt einer Meinung ist und dass es keinen Zweck hat, die Diskussion hierüber weiter fortzuführen. Es erhebt sich kein Wider- spruch, ich stelle das fest. Dann bitte ich, zu dem nächsten Punkte überzugehen. Referent Dr. v. Degen: Wenn ich den Wünschen des Herrn Hof rat V. Weinzierl nachkommen soll, so muss ich die Reihenfolge der Pro- positionen ändern und als nächsten Punkt die Feststellung der Maximalmenge des in einer Saatware geduldeten Seidegehalts nehmen. Vorsitzender: Wünscht dazu jemand das Wort? Dr. Hillmailil-Berlin : Ich habe neulich den Verhandlungen nicht beiwohnen können. Da ist gesagt worden: es handle sich nur um die Feststellung einer Fehlerlatitüde. Was den Handel anbetrifft, so ge- hören die Dinge vor ein anderes Forum, wo Händler vertreten sind. Hofrat Dr. v. Weinzierl-Wien: Ich muss nochmals hervorheben,, dass der Herr Kollege uns nicht vollkommen verstanden haben dürfte. Es handelt sich gerade darum, vor diesem Forum die Äusserungen der Herren zu hören, welche die Ware in den Handel bringen und die Be- deutung und die Schwierigkeiten der Frage am besten zu beurteilen in der Lage sind. Wir haben ja die Sitzungen deshalb so eingeteilt, sonst wären ja unsere um zwei Tage hinausgeschobenen Verhandlungen zwecklos. Ich würde besonderen Wert darauf legen, dass die Herren, welche den Handel hier vertreten und unmittelbar an der Frage in- teressiert sind, sich darüber aussprechen, mit welchem Minimalgehalt an Kleeseide unter den gegenwärtigen Verhältnissen eine Ware hergestellt werden kann und welches nach ihrem Dafürhalten die Grenzen sind,. Diskussion: Kleeseide. 309 ^velche speziell in bezug auf den Grobseidegehalt der Ware verlangt werden müssen. Dr. Hillniaiiu-Berlin: In dem ursprünglichen Programm der Konferenz ist von derartigen Beschlüssen nichts gesagt; daraus hat sich das Missverstündnis hergeleitet. Dr. Waage-Berlin: Man kann dem Handel irgendwelche Beschrän- kungen kaum auferlegen, ob er eine Ware, die noch sehr seidehaltig ist, unter sich verbreitet. Der Kernpunkt ist vielleicht der, ob es zweckmässig erscheint, gewisse Saaten zu schaffen, die in bezug auf Kleeseidegehalt eine gewisse Maximalgrenze einhalten. Derartige Saaten existieren im Handel bereits. Es gibt absolut seidefreie Saaten, die unter Garantieleistung auch nicht ein Korn enthalten dürfen. Dann sind da seidegereinigte Saaten, bei deren weiterer Verarbeitung sich erweisen muss, dass sie die Seidemaschine passiert haben und grössere Mengen von Verunreinigungen und von Seide nicht mehr ent- halten dürfen. Es gibt weiter Saaten mit der Bezeichnung „seidefrei laut Attest", die von einem Attest begleitet sind, das erweist, dass die untersuchte Probe Seide nicht enthalten hat. Selbstverständlich ist, dass immerhin die Möglichkeit besteht, in weiteren Proben Seide zu finden: man darf deshalb nicht absolute Seidefreiheit voraussetzen. Endlich ist es im Handel noch üblich, eine Saat mit der Bezeichnung „handels- üblich seidefrei" zu verkaufen. Nach den vor zwei Jahren gefassten Beschlüssen und nach Verhandlungen mit den Kontrollstationen in dieser Richtung ist auf 50 bzw. 100 Gramm ein Seidekorn als zulässig erklärt worden. Dieses Gestatten eines Zufallskornes will nun nicht sagen, dass im Kilogramm 20 bzw. 10 Körner Seide vorhanden sein dürfen; es beschränkt die Untersuchungsprobe auf 50 bzw. 100 Gramm und besagt nichts weiter, als dass darin nur ein Korn Seide vorhanden sein darf. Endlich wird naturelle Saat gehandelt. Es wird auch nicht Ihre Meinung sein, diese in bezug auf Seidegehalt beschränken zu wollen. HofratDr.v.Weiuzierl-Wien: DieserGebrauch ist speziell im deutschen Samenhandel üblich. Er ist das Resultat des Zustandes, in dem sich der Handel mit grobseidehaltigen Waren befindet. Hinsichtlich der Be- zeichnungen muss ich jedoch meine grossen Bedenken gegen einen solchen Usus aussprechen. Ich habe mir erlaubt, einen kleinen Aufsatz zu verteilen, welcher das bereits enthält. Ich bin selbstverständlich weit davon entfernt, eine absolute Seidefreiheit unter den gegenwärtigen Verhältnissen zu verlangen. Aber wenn konstatiert wird, dass in einer Saatware Cuscuta, sei es nun Grobseide oder Kleinseide, enthalten ist, und wenn dieser Besatz ein derartiger ist, dass er nicht innerhalb des Analysenspielraumes Hegt, dann ist die Ware eben seidehaltig, d. h. es 310 Verhandlungen der 1. internatiunalen Konferenz für Samenprüfung. sind bei jeder Probeziehung von 100 Gramm 1 — 3 Körner Cuscuta zu finden, und wir sind dann — und jeder Geschäftsmann auch — verpflichtet,, zu sagen: die Ware ist seidehaltig. Wenn ich die Ware als auf Seide gereinigt bezeichne, so ist das eine Bezeichnung, welche den einzelnen Geschäftsleuten violleicht begreiflich und geläufig ist, sie denken sich schon das Richtige darunter. Um diese Kreise handelt es sich nicht so sehr, weil für sie die Verwendung der Ware nicht in Betracht kommt. Etwas anderes ist es, wenn man eine auf Seide gereinigte Ware einer landwirtschaftlichen Körperschaft anbietet. Dann kann gar kein Zweifel darüber vorhanden sein, dass der Käufer sich unter einer auf Seide gereinigten auch eine seidefreie Ware denkt, denn sonst würde er die Bemerkung nicht verstehen: entweder ist die Ware mit Seide besetzt oder sie ist gereinigt und seidefrei. Wir haben in Osterreich auf diesen Umstand wiederholt aufmerksam gemacht und auch im Schosse der beteiligten Kreise, w^elche aus Händlern und Produzenten bestanden, in einer grösseren Versammlung darauf hingewiesen, dass es notwendig ist, einen sogenannten De- klarationszwang bzw. das Verlangen der richtigen Erklärung und Be- zeichnung im Handel zu fordern. Es würde also notwendig sein, dass auch die Herren aus den anderen Staaten sich darüber aus- sprechen, ob sie es nicht für sehr bedenklich halten, dass, nachdem der Ausdruck „auf Seide gereinigt" eingeführt ist, man diese Ware mit dem Signum „grobseidehaltig" versieht. Vom Standpunkt der Samen- kontrolleure möchte ich hinzufügen, dass wir nicht in der Lage sind, zu konstatieren, ob eine Ware auf Seide gereinigt ist oder nicht. Das geht aus folgenden Argumenten und den Versuchen, die ich gemacht habe, hervor. In Wien bekommen wir hinsichtlich der Kleesaaten un- zählige verschiedene Provenienzen des Ostens, des Südens, des W^estens,. des Nordens und von Übersee. Es zeigt sich nun, dass der Gehalt an Grobseide bei gewissen Provenienzen ziemlich häufig, bei anderen sehr selten ist. Wenn man nun wirklich imstande wäre, eine Ware von der Kleeseide vollständig zu trennen, so würde schon aus diesem Grunde die Bezeichnung „auf Seide gereinigt" bedenklich sein. Denn es könnte ja dann eine Ware, welche überhaupt Kleeseide enthält, ohne dass ver- schiedene Unkräuter und fremde Bestandteile darin sind, in diese Gruppen hineinfallen. Nun wissen wir, dass diejenigen Saatwaren, welche auf Seide wirkUch gereinigt sind, von denjenigen, welche gar keine Reinigung erfahren haben — wie es z. B. bei den amerikanischen Kleesaaten der Fall ist, die also wenig Unkrautsamen enthalten, oder bei den italie- nischen Provenienzen, bei denen dasselbe der Fall ist — , kaum zu unterscheiden sind. Es können also grobseidehaltige Waren in den Handel Diskussion: Kleeseide. ßlJ^ kommen, die gar nicht auf Seide gereinigt worden sind. Es folgt daraus, dass man bei der Samenkontrolle nicht in der Lage ist, mit Sicherheit zu konstatieren, ob die Ware auf Seide gereinigt ist oder nicht. Gewöhnlich kommen in den verschiedenen Provenienzen die beiden Samen nicht in Menge vor, entweder ist die Ware grobseide- haltig oder sie enthält Cuscuta frifolü, obgleich ich auch schon kon- statiert habe, dass beide Seidearten gleichzeitig auf dem Felde vor- kommen. Ich würde glauben, dass man solche Saatware, welche nach dieser Proposition wohl eine gewisse Menge von Kleeseidekörnern ent- halten kann und einer bestimmten Verwendung — vielleicht zu Putter- zwecken — zugeführt werden soll, mit einem besonderen Terminus be- legt, etwa mit grobseidehaltig bezeichnet. Wir dürfen aber selbstver- ständlich nicht Kleeseide überhaupt verschweigen und annehmen, das ist eine auf Kleeseide gereinigte Ware, die zu bestimmen uns die Hilfs- mittel fehlen. Direktor Dr. Hiltiier-München: Wenn ich Herrn Dr. Waage richtig ver- standen habe, hat er gemeint, man soll unterscheiden zwischen absolut als rein garantierten Waren und solchen, die als auf Kleeseide gereinigt bezeichnet sind. Das entspricht so ziemlich einem von mir vor 3 bis 4 Jahren gemachten Vorschlage. Es wird nicht daraus zu folgern sein, dass es Aufgabe der Samenkontrollstationen ist, in allen Fällen fest- zustellen, ob es sich um eine auf Kleeseide gereinigte Saat handle, sondern die Händler wollen durch diese Unterscheidung einen Rückhalt gewinnen. Der Händler will, wenn er eine Saat als absolut seidefrei verkauft, ausdrücken, dass er die Garantie dafür übernimmt, dass auch nicht ein Korn Seide in dieser Saat enthalten sei. Wird aber ein Korn Seide gefunden, dann ist er verpflichtet, die Ware zurückzunehmen : anderseits möchte er sich decken, wenn er „auf Seide gereinigte Ware" in den Handel bringt. Es wird nicht angenommen werden können, dass in diesem Falle der Händler eine Saat in den Handel bringt, die Seide in grossen Mengen enthält. Auch in diesem Falle wird er nicht nur dafür Garantie leisten müssen, dass die Ware auf Seide ge- reinigt, sondern auch nach seinem Dafürhalten von Seide frei ist. In diesem Falle wird er nur verlangen, dass die von uns festzustehende Latitüde Platz greift und dass, wenn sich zufällig ein Korn findet, er dafür nicht belangt werden kann. Ich glaube, dass diese Unter- scheidung zwischen garantiert absolut seidefreien und auf Seide gereinigten Saaten doch vielleicht auch für uns annehmbar ist, wie schon daraus hervorgeht, dass sie im Königreich Sachsen seit 1 — 2 Jahren tatsächlich angenommen worden ist und, wie Herr Dr. Simon erklärt, sich gut bewährt hat. 312 Verhandlungen der I. internationalen Konferenz für Samenprüfiino;. Prof. Dr. Voigt-Hamburg: Ich wollte nur ganz kurz im Zusammen- hange mit dem, was Herr Dr. Waage gesagt hat, erwähnen, dass, soweit ich die Sachlage kenne, die Samenhändler unter sich recht klare Verhältnisse geschaffen haben. Sie wissen, dass die Samen- händler Deutschlands schon Vorschriften besitzen, die für ihre Handels- beziehungen Platz greifen und die sich decken mit den Verhältnissen, wie Kollege Hiltner sie geschildert hat, nur dass „absolut seidefrei" wegfällt. Der Handel gestattet sich die Latitüde von einem Korn. Will man bessere Ware, kann man sie sich verschaffen. Wir haben ganz klar und deutlich diese beiden Kategorien. Dass der Händler mit natureller Saat handeln muss, ist klar; er muss seine Ware ja irgend- woher bekommen. Nicht jeder Händler ist, wenn ich so sagen darf. Fabrikant und reinigt seine Ware selbst. Wir kr»nnen deshalb das Handeln mit kleeseidehaltigerWare nicht verbieten. Schwieriger wird die Sache, wenn der Samenhändler an den Konsumenten herantritt; da liegt der wunde Punkt. Deshalb sollten wir versuchen, uns heute auf das zu konzen- trieren, worauf es ankommt. Als allgemeinen Gesichtspunkt darf ich vorausschicken, dass es jedem freisteht, die Qualität zu kaufen, wie er sie haben will. Bedingungen zu stellen, ist Sache des Käufers. Wenn jemand absolut seidefreie Saat haben will, soll er sie fordern; er kann sie dann auch vom Händler bekommen. Wie es mit den anderen Waren steht, die etwas billiger sind und ungefähr 1 — 2 Kleeseidekörner enthalten, das müssen wir hier zu entscheiden suchen. Das deckt sich mit unserer Frage: wie weit können wir dem Händler einen Rückhalt geben, dass die Ware seidefrei ist. Wir sind dieijenigen, die ihm das bestätigen müssen; auf diesen Punkt müssen wir hinaus. Dr. Waage-Berlin: Ich möchte auf zwei Punkte aufmerksam machen. Es ist bisher bei einer auf Seide gereinigten Ware nur der Gesichtspunkt in den Vordergrund geschoben worden, dass diese Reinigung sich ausschliesslich auf Seide bezieht. Ich bitte nicht zu vergessen, dass diese Reinigung auf Seide in jedem Falle eine erheb- liche Verbesserung der Ware bedeutet, die deutlich im Preise zum Ausdruck kommt. Bei einer derartigen auf Seide gereinigten Ware^ wird aber ohne weiteres die Seide so ziemlich vollkommen entfernt sein, soweit es sich nicht um die sogenannte Grobseide handelt. Es ist etwas ganz anderes, wenn man derartige auf Seide gereinigte Ware, die Grolj- seide enthält, mit dieser Bezeichnung versehen würde; darin würde der Handel wohl kaum etwas finden. Dann möchte ich darauf aufmerksam machen, dass die Landwirtschaft in der Lage ist, beim Händler zu ver- langen, was sie will. Ein Schutz der Landwirtschaft braucht umso- weniger stattzufinden, weil sie, wenn sie garantiert seidefreie Saat Diskussion: Kleeseide. , 313 kaufen will, solche Ware bei den Händlern bekommen kann; das ist nur eine reine Preisfrage, wie bei allen Qualitäten. Die übrigen Be- zeichnungen betr. Seidegehalt beziehen sich nur auf den Handel zwischen Kaufleuten. Prof. Dr. Voigt-Hamburg: Ich miJchte vorschlagen, zunächst die Grobseide aus dem Spiele zu lassen und, wie Herr Dr. v. Degen es Torgeschlagon hat, uns über die gewöhnliche Seide zu einigen und vielleicht nachher uns über die Grobseide zu unterhalten, weil die Reinigungsverfahren für beide Seidearten ganz verschieden sind. Vorsitzender: Aus der Diskussion kann vielleicht ganz ausscheiden der Fall, dass vom Konsumenten absolut seidefreio Ware verlangt wird. Wenn diese Forderung nicht erfüllt wird, ist der Händler ersatzpflichtig. Wir müssen über den anderen Punkt diskutieren, welcher Seidegehalt bei der Untersuchung gestattet sein soll, wenn absolute Seidefreiheit nicht ausbedungen worden ist, und zwar 1. bezüglich der Kleeseide und 2. bezüglich der Grobseide. Hofrat Dr. v. Weinzierl- Wien : Ich habe verstanden, es handele sich nicht darum, welche zulässige Menge von Kleeseide gestattet ist. Ich meine, es kann sich, nachdem die Motivierung auf Grobseide gestützt ist, nur um grobseidehaltige Saaten handeln. T)\e zulässige Menge von Kleeseide kommt nicht in Betracht, die haben wir erledigt in der Fehler- quelle. Es gibt nur eine absolut seidefreie Ware und solche, bei der die Grobseide nicht entfernt werden kann. Das sind nach meiner Meinung diejenigen Saaten, die in den einzelnen deutschen Staaten als auf Seide gereinigt bezeichnet werden. Ich würde also der Meinung sein, dass es sich nur um Grobseide handeln kann. Bei Kleeseide gibt es meines Erachtens überhaupt keine Zulässigkeit: dann würde die Frage A^on selbst wegfallen. Referent Dr. v. Degen: Es handelt sich bei dieser Proposition in erster Linie um die Feststellung der zu duldenden Grobseide. Für Kleinseide haben sich die Verhältnisse nicht geändert, und wir haben daher auch keinen Anlass, die Postulate, die wir an kleinseidefreie Ware gestellt haben, zu ändern. In neuerer Zeit sind allerdings mehr Kapseln in die Ware hineingekommen. Das ist aber auf die mangelhafte und unvollkommene Ausreutung zurückzuführen. Ich bin dafür, dass wir bei Kleeseideuntersuchung eine Fehlerlatitüde einräumen, über deren Höhe wir uns allerdings noch nicht ausgesprochen haben. Die zu duldende Menge der Grobseide steht im engsten Zusammenhange mit der erreichbaren Reinheit der Ware. Ich habe die Herren Vertreter des Handels ersucht, sich über die Leistungsfähigkeit der verschiedenen Reinigungsmethoden zu äussern. Das gibt den Samenkontrolleuren An- 314 Verhandlungen der 1. internationalen Konferenz für Samenprüfung. haltspunkte, um sich über die zulässige Menge auszusprechen. Dass die Leistungsfähigkeit der Maschinen sehr verschieden ist je nach der Grob- oder Kleinkr»rnigkeit der Saaten und infolge verschiedener anderer Einflüsse während der Reinigung, ist doch bekannt und ebenso, dass Seidekapseln viel leichter zu entfernen sind bei trockenem Wetter oder im geheizten Maschinenräume als in feuchtem, kaltem Zustande. Auf Details will ich hier nicht weiter eingehen. Die in Ungarn üblichen Reinigungsraethoden kenne ich so ziemlich, sie sind auch dort nicht gleich. Ich glaube aber, dass es im Interesse der Erledigung dieser Frage notwendig wäre, wenn uns seitens des Handels zuverlässige An- gaben über die Leistungsfähigkeit der üblicheren Reinigungsmethoden zur Verfügung gestellt werden würden. Prof. Dr. Rodewald-Kiel: Ich möchte mich zunächst dem Wunsche des Herrn Dr. v. Degen anschliessen, dass die Herren, die grosse Er- fahrungen darüber besitzen, wie weit man eine Ware auf Seide reinigen kann, sich auch einmal darüber äussern. Das interessiert uns und hängt mit der Feststellung der Latitüde eng zusammen. Wir haben keinen Grund, vom Handel etwas anderes zu verlangen, als was er leisten kann. Dann möchte ich aber noch einen anderen Punkt zur Sprache bringen. Es wird hier unterschieden zwischen Kleinseide und Grobseide. Meine Herren, was verstehen Sie darunter? Wollen Sie für die Peststellung, ob Grob- oder Kleinseide, die botanischen Spezies- bezeichnungen massgebend sein lassen oder die Körnergrösse? Wenn die botanische Speziesbezeichnung massgebend ist — es gibt auch sehr kleine Körner von Cuscufa racemosa — dann führt das leicht zu Komplikationen. Wird ein sehr kleines Korn gefunden, so entsteht die Frage, ist das Cuscuta trifolü oder Cuscufa racemosa? Die Frage nach der Spezies muss in solchem Falle von den Samenkontrollstationen beantwortet werden. Das ist nicht allemal sehr leicht. Heute pflegen sich die Samenkontrollstationen damit zu begnügen, festzustellen, es ist Cuscuta in der Saat. Wenn wir aber anderseits feststellen, Grobseide ist jede Seide, die eine bestimmte Korngrösse überschreitet, dann muss diese Korngrösse festgestellt werden. Wie soll sie bestimmt werden? Nach dem Durchmesser? Soll der grösste oder der mittlere Dureh- messer genommen werden usw. Da kompliziert sich die Frage. Oder wollen wir den Siebsatz als massgebend ansehen? Das würde wohl noch das beste sein, w^enn wir dann sagen, was durch ein Sieb von dieser oder jener Lochweite — etwa 1,20 oder 1,15 mm — nicht hindurch- fällt, ist Grobseide. Darüber müssten wir uns doch einmal unterhalten. Hofrat Dr. v. Weinzierl-Wien : Ich glaube, meine verehrten Herren,, auf diese Weise werden wir zu keinem Resultat kommen. Es ist un- Diskussion: Kleeseide. 315' bedingt notwendig, dass wir einen Weg einschlagen, wie man ihn bei solchen Versammlungen, wie der unsrigen, immer einschlagen muss. Ich will damit nicht sagen, dass die Zuweisung irgend einer Frage an einen Ausschuss ein Begraben dieser Frage bedeutet, wie es in parlamenta- rischen Kreisen ab und zu vorkommt. Dazu sind wir bei dieser Frage viel zu sehr mit unserem Ptlichtbewusstsein engagiert. Aber es ist er- schreckend, wie schnell die Zeit dahinfliegt bei Verhandlungen, die sich ins Unendhche verlieren. Daher möchte ich bitten, vielleicht in Er- wägung zu ziehen, ob sich nicht folgender Vorschlag empfehlen dürfte. Wir haben die Feststellung und Durchführung der Cuscuta- Frage einem besonderen Ausschuss unserer seit zwei Tagen bestehenden internationalen Kommission überwiesen. W^ir haben zwar die Ausschussmitglieder noch nicht namhaft gemacht, wir haben auch die internationale Kommission noch nicht konstituiert, aber sie de lacto beschlossen, und es ist daher nur eine Formfrage, die Sache zu erledigen. Ich würde nun vorschlagen, den Herrn Referenten zu bitten, diesen Punkt, den wir als wichtig anzu- sehen einstimmig beschlossen haben, noch einmal zu verlesen, damit er stenographisch aufgenommen und denjenigen Herren, die den deutschen und österreichischen Handel vertreten, übergeben werden kann mit der Bitte, darüber in einer ad hoc einzu- berufenden Versammlung zu sprechen und ihn auch der im Oktober tagenden Vereinigung der deutschen Samenhändler zu unterbreiten. Dieser Weg wird derjenige sein, der am besten zum Ziele führt. Wir wissen, welche Punkte uns vom Standpunkte der Samenkontroile interessieren und welche Punkte es sind, über welche wir die Ansichten der Samenhändler kennen lernen möchten. Wenn die Herren zustimmen, würden wir Herrn E)r. Waage bitten, diese Frage in beiden Versammlungen vorzutragen und die Äusserungen in besonderem Komitee in präziser Fassung zu formulieren. Ich möchte mir zu diesem Antrage einen Zusatzantrag erlauben, welcher dahingehen würde, speziell diesen Punkt etwas klarer zu fassen, weil, wie aus den Äusserungen des Herrn Kollegen Hiltner zu entnehmen war, es sich nur darum handelt, bei grobseidehaltigen Waren eine gewisse Latitüde festzusetzen. Grobseidehaltige Ware kann aber doch nach den gemachten Erfahrungen zu Futterzwecken verwendet werden; sie muss dann aber unter einem Titel oder einer besonderen Bezeichnung in den Handel gebracht werden; das kann aber nicht sein „auf Seide gereinigt", sondern es muss eine besondere Bezeichnung sein. In Ungarn, das mit Grobseide verseucht ist, in Niederöstei'reich, in Bayern, in Schlesien, überall hat man Grobseide gefunden, und man hat in allen Samen produ- zierenden Ländern das grösste Interesse daran, für diese Waren Absatz. H16 Verhandlungen der I. intei-nationalen Konferenz für Samenprüfung. ZU schaffen. Dieser Absatz muss unter einer einheitlichen Marke er- folgen; mit „auf Seide gereinigt" kann diese Ware nicht bezeichnet werden. Vorsitzender: Wünscht jemand zu diesem Antrage des Herrn Hofrat V. Weinzierl das Wort? Dr. Hillmanii-Berlin: Ich möchte bitten, dass diese Resolution auch den landwirtschaftlichen Körperschaften zugänglich gemacht wird. Für Deutschland würde die Einsendung an den Deutschen Landwirtschaftsrat in erster Reihe erwünscht sein, der mit den Landwirtschaftskammern, den landwirtschaftlichen Genossenschaftsverbänden, der Deutschen Land- wirtschafts-Gesellschaft und dem Bunde der Landwirte zwecks Verein- barungen über Handelsgebräuche in Vorbindung steht. Vorsitzender: Es wird keine Schwierigkeiten haben, diesem Wunsche zu entsprechen. Dr. Hiltner-München: Ich erkläre ausdrücklich meine Zustimmung zu dem Antrage des Herrn v. Weinzierl, weil ich glaube, dass es die praktischste Art ist, die Sache zu erledigen. Ich bitte es nicht so aufzu- fassen, als wenn ich die Diskussion aufs neue anfachen wollte, wenn ich mir darauf hinzuweisen erlaube, dass wir vorgestern diesen scharfen Unterschied zwischen Grobseide und Kleinseide nicht gemacht haben. Dr. Stebler-Zürich: Der Antrag des Herrn v. Weinzierl ist meiner Ansicht nach das Richtige. Wir müssen die Händler danach fragen, was sie leisten können; auch ist es bei grobseidehaltigen Waren ihre Sache, zu sagen, was sie garantieren wollen oder nicht. Aber ich bin auch der Meinung des Herrn v. Weinzierl, dass man die Sache nicht in allzu allgemeine Formen kleiden soll. Mir ist z. B. der Aus- druck „auf Seide gereinigt" zu ungenau: das kann man so und anders auslegen. Es müssen gewisse Zahlenwerte sein und diese Zahlenwerte festzustellen kann dem Verkäufer überlassen bleiben. Er kann sagen: Die Ware ist grobseidehaltig. Den Maximalgehalt des Seidegehalts festzu- stellen, muss ihm überlassen werden. Er garantiert z. B.: Die Probe enthält höchstens 20 Körner pro Kilogramm (oder er kann eine andere Zahl nennen), dann wissen Käufer und Verkäufer im voraus, woran sie sind. Ich glaube, die Sache ist in dieser Beziehung einfach. Um mich zugleich auszusprechen über den Begriff der Grobseide, so glaube ich, wir sollten uns hier nicht zu weit einlassen. Alle drei wichtigeren Seidearten haben grobe Körner. Die meisten groben KfUnier liefern aber Cuscuta racemosa und C. arvensis, die in neuerer Zeit von Herrn Dr. V. Degen auch in Kleesaat aus Ungarn festgestellt wurde. Dr. V. Szyszylowicz-Lemberg: Ich glaube, dass Herr Hof rat V. Weinzierl Recht hat; wir sollten die Sache in dieser Weise erledigen. Nur möchte ich dann noch auf die Kapselseide aufmerksam machen. Diskussion: Xleeseide. 317 Ich weiss nicht, ob die Kapselseide sich auch in anderen Ländern so häufig zeigt, aber speziell Galizien hat sehr viel Kapselseide, auch kommt sie jetzt in Rumänien, in der Bukowina und in Siebenbür^-en vor. Es ist auffallend, dass sie sich in den letzten 3 Jahren so oft gezeigt hat. und ich meine, dass man sie wahrscheinlich wie die Grobseide behandeln muss. Einige Händler haben alles mögliche getan, um die Ware zu reinigen, denn die Kapselseide hat sich selbst in der schönsten Ware gefunden und diese dadurch minderwertig gemacht. Man muss jedoch zwischen den reifen und unreifen Kapseln unterscheiden. Ich habe mich mit der Sache etwas beschäftigt, weil sie bei uns von viel grösserer Wichtigkeit ist als in anderen Ländern, und mich durch Keimversuche überzeugt, dass viel Kapselseide gar nicht reif ist und dass man aber auch Kapseln findet, welche gut entwickelten Samen besitzen. Die Kommission wird daher sich auch mit der Kapselseide beschäftigen müssen. Referent Dr. v. J>egen: Ich stimme dem Vorschlage des Herrn Hofrat V, Weinzierl vollkommen bei. Dann möchte ich bezüglich der Definition der Grobseide noch etwas hinzufügen. Die Samenkontroll- stationen können die Definition der Grobseide doch nicht dem Handel überlassen. Wir unterscheiden die Cnseufa suaveolens von allen übrigen Arten, einerlei ob ihre Samen gross- oder kleinkr»rnig sind, weil der Unterschied in den Polgen ein ganz gewaltiger ist. Die Gefahr eines bedeutenden Schadens ist eine viel grr)ssere, wenn ein Korn Cuscuta suaveolens in der Saat ist, als wenn sich nur ein abnorm gross ent- wickeltes Korn vun Cuscuta trifolii vorfindet. Vorsitzender: Das würde also auch ein Punkt sein, der die Kommission zu beschäftigen hätte. Hofrat Dr. v. Weinzierl- Wien: Mir scheint diese Bemerkung des Kollegen v. Degen ausserordentlich wichtig; ich möchte bitten, das mit hineinzunehmen. Es muss auch auf die Unterschiede vom botanischen Standpunkte Rücksicht genommen werden. Vorsitzender: Ich habe bisher zu dem Antrage des Herrn Hofrat V. Weinzierl nur zustimmende Äusserungen gehört. Ich darf daher annehmen, dass es die Ansicht der Versammlung ist, dass diesem An- trage Folge gegeben wird. Es erhebt sich kein Widerspruch, ich darf damit annehmen, dass so beschlossen ist, und das Weitere der Kom- mission überlassen. Referent Dr. v. Degen: Der nächste Punkt wäre: Einführung einer einheitlichen Untersuchungsmethode, insbesondere Fest- stellung der Grösse des auf Seide zu untersuchenden Musters. Wie ich der Versammlung bereits mitgeteilt habe, haben wir uns auf }»Iuster von 100 g geeinigt. 31g Verhandlungen der I. internationalen Konferenz für Samenprüfung. Dr. Hiltner-München: Ich glaube, der Antrag v. Weinzierl sollte sämtliche Punkte betreffen und die ganze Kleeseidefrage sollte der Kommission überwiesen werden. Vorsitzender: Dann habe ich das nicht richtig aufgefasst. Hofrat Dr. v. Weiiizierl-Wien : Es handelt sich hier um zwei In- stanzen. Die technischen Fragen haben wir bereits einer Kommission überwiesen: sie sind hier aufgenommen worden, weil wir die Herren Interessenten aus den Kreisen der Samenhändler über diese Frage hören wollten. Es wird sich also darum handeln, 1. dass die einzelnen Pro- positionen noch einmal verlesen, stenographisch aufgenommen und den Vertretern der Samenhändler übergeben werden mit der Bitte, in den beiden bevorstehenden Versammlungen ein Votum herbeizuführen und 2. die Fragen, die nur die Samenkontrollstationen betreffen, einem zu bildenden Ausschusse zu überweisen. Vorsitzender: Es wäre dann die Kleeseidefrage für unsere Ver- sammlung heute erledigt. Es würde sich nur darum handeln, diese Kommission zu wählen. Ich weiss nicht, ob wir das heute tun sollen, ob wir es dem Ausschusse überlassen wollen oder ob es morgen ge- schehen soll. Prof. Dr. Voi^t-Hamburg: Es ist besser, die geschäftlichen Sachen auf morgen zu vertagen. Wir sind alle begierig, das Referat von Herrn Dr. Hiltner heute noch zu hören. Wir sind nun einmal dabei und haben nur noch einen Vormittag zu vergeben. Wir werden ja voraus- sichtlich nicht zu einem endgültigen Resultat kommen und auch diese Sache vielleicht einer Kommission überweisen. Vorsitzender: Wir würden also zu den zweiten Punkte unserer Tagesordnung übergehen können. Ich bitte Herrn Dr. Hiltner zu seinem Referate über Keimprüfungen das \\'ort zu nehmen. Über Keimprüfungen. Von Direktor Dr. L. Hiltner-München. Meine Herren! Wie Sie aus dem vorgelegten Programm entnommen haben werden, war eigentlich Herr Direktor Bruijning aus Wageningen bestimmt, das Referat über die Keimprüfung zu erstatten. Zu unserm Bedauern hat er vor einigen Tagen abgesagt, und ich bin infolge- dessen veranlasst worden, an seine Stelle zu treten. Selbstverständlich L. Hiltner, Über Keimprüfungen. 319 ki»nnen Sie daher von mir nicht erwarten, dass ich Ihnen vollständig vorbereitet gegen üb er trete, und ich bitte, dies freundlichst berücksichtigen zu wollen. Das Thema über die Keimprüfung ist so ausgedehnt, dass ein ausführliches Referat schon allein eine ziemliche Zeit in Anspruch nehmen würde. Ich will mich jedoch möglichst beschränken. Ich werde zunächst die technischen Fragen besprechen und dann darauf hinweisen, was während der Keimprüfung zu beobachten ist. Was die Technik anbetrifft, so liegt Ihnen eine Broschüre vor, in der die technischen Vorschriften von vier verschiedenen Verbänden in sehr übersichtlicher Weise zusammengestellt sind.') Ich werde mich hauptsächlich an die Vorschriften des Verbandes der landwirtschaftlichen Versuchsstationen im Deatschen Reiche halten, nicht um gerade an ihnen eine Kritik zu üben, sondern weil sie mir am geläufigsten sind und weil ich gefunden habe, dass die Vorschriften der anderen Ver- bände sich von jenen des deutschen Verbandes wesentlich nicht unter- scheiden. Wo dies doch der Fall ist, werde ich besonders darauf hin- weisen. In den Vorschriften des deutschen Verbandes ist nacheinander auf- geführt, wie ein Samenposten zu behandeln ist, der auf seine Keim- fähigkeit geprüft werden soll. Da ist in erster Linie die Probeziehung von grösster Bedeutung, von einer Bedeutung, die wir schon in den letzten Tagen bei Besprechung der Reinheitsbestimmungen kennen gelernt haben. Wir haben erfahren, wie in den verschiedenen Staaten darauf hingearbeitet wird, das subjektive Moment möglichst auszuschalten, die Proben, die wir ziehen, vollständig objektiv zu gewinnen, und wir haben gehört, dass bereits Apparate konstruiert worden sind, die mit Präzision der Aufgabe entsprechen. Ich will auf diese Frage, die schon besprochen worden ist, nicht näher eingehen; ich möchte nur das eine hervorheben, dass wir unter allen Umständen, soweit es sich um das Probeziehen zwecks Feststellung der Keimfähigkeit handelt, daran festhalten müssen, dass dasjenige, was bei der Analysierung der Mittelprobe nicht zu den fremden Bestandteilen gerechnet wird, nicht ausgeschieden werden darf und unterschiedslos zur Keimprüfung ver- wendet werden muss. Dieser Grundsatz, so einfach er erscheint, ist, Avie ich neulich schon gelegentlich einer Diskussion erwähnte, jahrelang von vielen, wenn nicht allen von Stationen, vernachlässigt worden. Nament- lich bei Grassämereien hat dieser Umstand mit dazu geführt, in Deutsch- land die sogenannte Gewichtsmethode einzuführen. Als Zahl der anzukeimenden Samen finden wir in Deutsch- land 3—400 Körner angegeben, in anderen Staaten geht man etwas ') Vgl. S. 234, Anmerkung. 320 Verhandlungen der I. internationalen Konferenz lur Samenprül'ung. weiter und zwar bis zu 600 Körnern. Ich glaube, dass aucli in dieser Richtung sich ein näheres Eingehen erüljrigt, da wir durch die wert- vollen Untersuchungen unseres Kollegen Rodewald ziemlich genau wissen, dass die Genauigkeit nicht mehr wesentlich gesteigert werden kann, wenn über die Zahl von 3 — 400 Körnern hinausgegangen wird. Wenn wir die Samen abgewogen oder abgezählt haben, so haben wir sie für das Keimbett vorzubereiten. E)a finden wir in den tech- nischen Vorschriften die Angabe, dass für grosse Samen eine fünf- stündige Vorquellung in reinem Wasser empfohlen wird. Ijieser Zeitraum ist in die Keimkraftprüfungsdauer einzurechnen. E>iese Angabe scheint mir schon geeignet, mit einer Kritik einzusetzen. Ich erinnere daran, dass in den früheren Vorschriften eine 12- oder 15stündige Vor- quellung für alle Samen direkt vorgeschrieben war, während sie jetzt nur für grosse Samen empfohlen wird und zwar in reinem Wasser. Ich erinnere mich ferner sehr genau, dass man früher grosses Gewicht darauf legte, destilliertes Wasser anzuwenden, während umgekehrt später in verschiedenen Ver()ffentlichungen, z. B. von Stutzer und Hartleb. davor gewarnt wurde, destilliertes Wasser zu nehmen, weites die Samen auslauge. Von dieser Seite wurde Leitungswasser empfohlen, und jetzt wird reines Wasser vorgeschrieben. Das ist wohl richtig, aber sehr verschieden zu verstehen. Ich darf das an einem Beispiele vorführen, das gestern schon erwähnt worden ist. aber in anderem Zu- sammenhange. Wir hatten in Berlin, als wir die Erkrankungen der Rübenkeimlinge im Keimbett untersuchten, eine Probe von Rübensamen, die 50 — 60 °/o kranke Keime lieferte. Das war kurz bevor ich nach München übersiedelte. In München sollte ich nach einigen Mo- naten einen Vortrag halten, da wollte ich auch die Rübenerkrankungen vorführen. Einige Tage vor dem Vortrage behandelte ich den Rüben- samen in der üblichen Weise, in diesem Falle aber mit Münchener Leitungswasser, und sah zu meiner Überraschung, dass fast alle ent- wickelten Keime gesund waren. Das hat mich dann so interessiert, dass ich Proben nach Berlin schickte und mir anderseits Wasser von Berlin kommen liess. Da stellte es sich heraus, dass die Mehrzahl der mit Berliner Wasser behandelten Keime krank wurde, während die in dem kalkhaltigen Miinchener Wasser gekeimten Samen in der Mehrzahl gesund waren. Es bedarf also der näheren Präzisierung, was unter reinem Wasser zu verstehen ist. Was ich eben erwähnt habe, ist vielleicht auch deshalb von Interesse, weil die Frage der zahlenmässigen Feststellung der kranken Keime bei Rüben in den letzten Jahren eine gewisse Bedeutung erlangt hat, und auch schon bei unseren Dis- kussionen in verschiedenem Sinne beantwortet worden ist. Dann heisst es. L. Hiltner, Über Keimprüfungen. 321 die Vorquellung wird empfohlen, während sie früher vorgeschrieben Avar. Die blosse Empfehlung scheint mir sehr bedenklich; denn es kann nun jeder tun, was er will. Weiter finden sich genaue Angaben darüber, an welchem Tage die Keimiingsonergie bestimmt werden soll. Die Höhe derselben wird aber meist ganz verschieden ausfallen, je nachdem man den Samen vorgequellt hat oder nicht — also entweder das eine oder das andere oder eine bestimmte Angabe der Bedingungen, unter welchen die Keimungsenergie festzustellen ist. Was das Keimbett anbetrifft, so heisst es: „Die Art des Keim- beites ist von geringerer Bedeutung, als dass die angesetzten Körner den wirklichen Durchschnittscharakter der Probe darstellen, voraus- gesetzt, dass Wärme, Feuchtigkeit und Luftzutritt gut geregelt werden. In erster Linie wird ein starkes, zuvor sterilisiertes Fliesspapier emp- fohlen, ferner Sand; auch sterilisierte Tonapparate sind zulässig." Ich habe im Jahre 1895 im Auftrage des Sächsischen Miuisteriums fast alle deutschen Samenkontrollstationen, auch einige auswärtige Stationen zu besuchen Gelegenheit gehabt und habe gefunden, dass trotz der tech- nischen Vorschriften nicht nur die darin erwähnten Substrate, sondern noch verschiedene andere in Gebrauch waren. Der eine hat besondere Vorliebe für Leinwand, der andere für Fliesspapier, der dritte für Sand, ein vierter für Torf. Der Sand, den ich fand, war entweder reiner weisser Sand von verschiedener Grobkörnigkeit oder gelber eisenhaltiger Sand und dergleichen mehr. So weit, wie es hier ausgedrückt ist: „Die Art des Keimbetts ist von geringerer Bedeutung", darf man nicht gehen. Ich will nur erinnern an eine Veröffentlichung von mir. in der ich, wie ich glaube, ziemlich einwandsfrei nachgewiesen habe, dass bei gewissen Samen, z. B. Lupinensamen, das Resultat ganz verschieden ausfallen kann, je nachdem man das eine oder das andere Keimbett benutzt. Die Vorquellung kann im allgemeinen nur in Betracht kommen, wenn man ein an sich nicht zu feuchtes Keimbett hat; das Resultat wird unter Umständen ganz verschieden ausfallen, je nachdem man die vorgequellten Samen in den feuchten Sand hineinsteckt oder obenauf liegen lässt. E'as sind alles Fragen, die noch gründlicher Durcharbeitung bedürfen. Hinsichtlich der Feuchtigkeit des Keimbetts heisst es in den Vorschriften: „Das Fliesspapier und der Sand werden mit 60°/o der wasserhaltenden Kraft des Materials befeuchtet." Da muss ich auch sagen, ich weiss nicht recht, auf Grund welcher Versuche man gerade 60% für richtig hält. Mir scheint, dass dabei die Art des Sub- strates doch sehr zu berücksichtigen ist. Es handelt sich doch auch nicht nur um die wasserhaltende Kraft, sondern auch darum, wie das Jahresbericht der Vereinigung für angewandte Botanik IV. 21 322 Verhandlungen der I. internationalen Konferenz für Samenprüfung. 'betreffende Medium das Wasser wieder abgibt. Versuche, die ich dar- über angestellt habe, ergaben, was ja ohnehin bekannt ist, dass sich z. B. Torf, Sand oder Fliesspapier, dem 60*^/0 Wasser hinzugesetzt werden, in dieser Richtung sehr verschieden verhalten. Die Temperatur des Keimbetts ist von ganz besonders starkem Einfluss. Um möglichst einheitliche Resultate zu erzielen, wurde für alle Stationen vorgeschrieben — und man hat sich auch überall darauf eingerichtet — , dass eine möglichst konstante Temperatur von 20^ C zur Anwendung gelange. Später, als man dann feststellte, dass sehr viel Samen, namentlich viele Gräser, auf eine intermittierende Wärme reagieren, hat man entsprechende Einrichtungen getroffen, z. B. in Wien, wo sämtliche Samen intermittiert werden zwischen 20° und 30° oder an den deutschen Stationen, wo nur die in den Vorschriften ausdrücklich genannten Samen, gewisse Gräser, Rüben, einige Koniferen, intermittiert werden. In dieser Richtung ist ja vielleicht allzu viel Neues nicht anzuregen. Es wäre höchstens darauf hinzuweisen, dass neuer- dings bei einigen Samen, z. B. bei Phacelia-Samen, festgestellt worden ist, dass bei ihnen eine höhere Keimziffer erzielt werden kann, wenn man nicht von 20° nach oben, sondern nach unten intermittiert. Es ist sehr wahrscheinlich, dass u. a. auch manche Koniferensamen sieh in ähnlicher Weise verhalten, so dass ich anregen möchte, dass weitere Versuche nach dieser Richtung durchgeführt werden. Dann kommt die Belichtung des Keimbetts. Da heisst es in den Vorschriften: „Die Keimkraftprüfungen werden unter Ausschluss künstlicher Belichtung ausgeführt." Diese Bestimmung muss um so mehr auffallen, als in Zürich und, so weit ich orientiert bin, auch an allen nordischen Samenkontrollstationen gerade der Belichtung ebenfalls sehr grosse Bedeutung beigelegt wird. Wir haben die Frage, welchen Einfluss die Belichtung auf die Keimung namentlich gewisser Gras- sämereien ausübt, seitdem ich in München bin, experimentell geprüft und dabei gefunden, dass das Licht auf die Keimung mancher Gras- samen einen äusserst günstigen Einfluss ausübt, der nicht in allen Fällen durch die intermittierende Erwärmung ersetzt werden kann und der infolgedessen nach meinem Dafürhalten, die grösste Beachtung der deutschen Kontrollstationen verdient. Wir haben sogar die Beobachtung gemacht, dass ein und dieselbe Art von Samen, z. B. Knaulgras, je nach der Herkunft gegen die Belichtung verschieden reagiert. Neusee- ländisches Knaulgras verhielt sich bei wiederholten Versuchen anders als solches europäischer Herkunft. p]s würde mich sehr interessieren, von unserem Kollegen Stehler, der gerade auf diesem Gebiete reiche Er- fahrungen besitzt, zu hören, ob sich diese Beobachtungen mit den seinigen L. Miltner, Über Keimprüfungen. 323 decken. Die Zahl der von uns in dieser Beziehung geprüften Proben war vielleicht zu gering, als dass man allgemeine Schlüsse aus den Beobachtungen ziehen könnte, aber die Beobachtungen selbst sind sicher richtig. Dann finden wir Angaben über die Zeitdauer des Keimver- suchs. Es wird genau angegeben, bei diesen Samenarten hat der Keimversuch 10 Tage, bei jenen 14 Tage usw. anzudauern. Die längste Keimdauer beträgt 42 Tage. Hier möchte ich mich darauf beschränken, ■auf meine Veröffentlichungen überLeguminosensamen hinzuweisen, und ganz entschieden betonen, dass ich es auch jetzt noch für unrichtig halte, wenn angegeben wird, der Keimversuch bei Wicken und ähnlichen Arten sei nach 10 Tagen abzuschliessen. Es ist bei der meist grossen Hart- schaligkeit vieler dieser Samen keine seltene Erscheinung, dass die Keimung erst gegen den 10. Keimungstag richtig einzusetzen beginnt, dann aber in verhältnismässig kurzer Zeit, spätetens in 3 — 4 Wochen, der Hauptsache nach beendigt ist. Ich erinnere mich an Fälle, wo Lathyrus- und Wickensamen, bei denen der Keimschluss am 10. Tage erfolgte, als zu 15 — 20°/o keimfähig angegeben wurden, während bei Ausdehnung des Versuchs auf 4 Wochen 80 — 90 "/o der Samen normal keimten. Bei Ahorn- und anderen forstlichen Samen, für die eine 28-tägige Keimdauer vorgeschrieben ist, keimt innerhalb dieser Zeit oft nicht ein einziges Korn aus. Hier darf doch nicht unberücksichtigt bleiben, was uns schon in der Natur auffällig genug entgegentritt, dass viele solcher Samen nur zu bestimmten Jahreszeiten ihr Keimungs- maximum entwickeln. Durch Nichtberücksichtigung dieser Verhältnisse ist es schon vorgekommen, dass die Keimfähigkeit ganz gesunder Baum- samen von Samenkontrollstationen gleich 0 angegeben wurde. Die eben besprochenen Fragen, die sich auf die Zeitdauer des Keimversuches, die Bestimmung der Keimungsenergie usw. beziehen, leiten bereits zum zweiten Teil dessen, was ich zu sagen wünsche, über, nämlich zu der Frage, worauf wir während des Keimungsver- suches achten sollen. Meine Herren! Was zunächst die Keimungs- ■energie anbelangt, so wird niemand leugnen, dass diese für be- stimmte Samen eine ganz besondere Bedeutung besitzt. Ich brauche nur auf die Braugerste zu verweisen, für welche sie eines der wert- vollsten und wichtigsten Momente darstellt, Dass die Energie der Keimung, wenn sie zur Beurteilung von zur Saat bestimmten Samen her- angezogen werden soll, in bezug auf Vorquellung und unter bestimmten Bedingungen festgestellt werden muss, habe ich schon erwähnt. Ich glaube nun, dass wir der Ermittelung der Keimungsenergie eine weitergehende Bedeutung beilegen müssen, als es gewöhnlich ge- 21* 324 Verhandlungen der I. internationalen Konferenz l'ür Samenprüfung. schiebt. Sie wissen vielleicht aus meinen Veröffentlichungen, dass ich den Schwerpunkt des Keimversuches gelegt sehen möchte darauf, dass man ihn benutzt, um über den Zustand der Samen möglichst Ge- wissheit zu erlangen. Gerade die Keimungsenergic gibt uns aber in dieser Beziehung besonders wertvolle Aufschlüsse. Es ist gestern in einer anderen Sitzung bereits darauf hingewiesen worden, dass Rübensamen zur Zeit der Ernte sehr häufig noch nicht vollständig ausgereift sind und des- halb mangelhaft und langsam keimen, also mit anderen Worten eine geringere Keimungsenergie besitzen. In der Diskussion habe ich darauf hingewiesen, dass dies einen extremen Zustand darstelle, dem ein anderer, nämlich der Zustand der Überreife als das andere Extrem gegenüber- stehe. Auch dieses letztere ist durch eine geringe Keimungsenergie, gleichzeitig aber durch Hartschaligkeit der Samen, die eben die langsame Keimung bedingt, gekennzeichnet. Die Ermittelung der Energie wird, vorausgesetzt, dass sie nicht lediglich zahlenmässig erfolgt, sondern unter Berücksichtigung der L^sachen einer etwa sich zeigenden langsamen Keimung, über den Zustand der Samen erst genügenden Aufschluss geben. Ganz ähnliche Dinge kennen wir von den Getreidefrüchten. Wir wissen, dass die Getreidearten in unseren Breiten meistens zur Zeit der Erntereife noch nicht vollständig keimreif sind, dass namentlich Weizen und Gerste oft ausserordentlich zögernd keimen, also eine ge- ringe Keimungsonergie besitzen, und sehr oft selbst in 10 Tagen noch nicht ausgekeimt sind, während bei wirklich keimreifem Getreide in spätestens 5-6 Tagen der Keimversuch abgeschlossen werden kann. Derartige der Nachreife bedürftige Samen keimen, wie ich festgestellt habe, binnen 2 — 3 Tagen, wenn man sie anschneidet oder ansticht und dadurch dem Wasser imd der Luft den Zutritt in das Sameninnere ge- stattet. Ähnliche Verhältnisse haben wir neuerdings bei Grassamen feststellen können, für die ebenfalls die Tatsache feststeht, dass sie un- mittelbar nach der Ernte viel zögernder keimen, als wenn sie längere Zeit gelagert haben. Samen von Ghjccr'ia ((quaficc z. B. gaben un- mittelbar nach der Ernte im Keimbett in 6 Tagen bei konstant 20*^ C 5°/o, bei abwechselnder Temperatur 19%. Drei Monate später haben dieselben Samen, nachdem sie inzwischen trocken aufbewahrt worden waren, in 6 Tagen, also in derselben Zeit und unter denselben Be- dingungen, 73*^/0 und 94°/o Keimlinge ergeben. Schon hieraus ist zu er- sehen, dass bei derartigen Samen auch die zu erreichende Keimziffer keine mathematisch feststehende Zahl ist, sondern fluktuierende Eigen- schaften besitzt. Das wird noch vorstärkt dadurch, dass wir mitÄnderungen der Keimfähigkeit zu rechnen hal)en, die beim Lagern der Samen ein- treten. Bei den Koniferensamen und verschiedenen anderen Arten is^. L. Hiltnei-, Über Keimprüfungen. 325 mit Sicherheit festgestellt, dass bei ihnen nach längerem Lagern ein Rückgang in der Keimungsenergie eintritt. Für Erbsen- und Lupinen- samen und für verschiedene Leguminosen konnte ich ferner nachweisen, dass nach längerer Lagerung nicht nur unter Umständen ein Rückgang in der Keimungsenergie, sondern mehr noch ein Rückgang an Eigen- schaften eintritt, die ich in der betreffenden Veröffentlichung der Ein- fachheit halber als Lebenskraft bezeichnete. Dieser Rückgang kann schneller vor sich gehen, als jener der eigenthchen Keimfähigkeit. So sind Erbsensamen, um nur eines der von mir angegebenen Beispiele anzuführen, die unter den günstigen Bedingungen des Keimbettes zu 95°/o keimten, ausgesät ins Freie nur zu 5°/o aufgelaufen, während eine Vergleichsprobe, die im Keimbett dieselbe Ziffer ergab, im Freien über 90°/o Keimlinge hervorbrachte. Hier hat bei der ersten Probe die Keimzahl getäuscht über den wirklichen Zustand. Deswegen meine ich, dass die Samenkontrollstationen, wenigstens in jenen Fällen, wo sie über den Zustand, die Beschaffenheit der Samenkörner irgend einen Zweifel haben, wo es sich um einen Prozess handelt oder Beobachtungen vorliegen, dass die Sarrlen schlecht aufgelaufen sind u. dgl., sich nicht darauf beschränken dürfen, die Samen nur zu prüfen unter den günstigsten Bedingungen, sondern dass diese gleichzeitig absichtlich Bedingungen ausgesetzt werden müssen, die eine Verzögerung der Keimung veranlassen, Bedingungen, die es bewirken, dass die be- treffenden Samen ihren eigentlichen Zustand erst richtig enthüllen. Das haben wir in München durchgeführt, indem wir die Zufuhr des Wassers zu den keimenden Samen möglichst beschränken. Dabei konnten wir schon wiederholt Eigenschaften an dem Samen feststellen, die uns sonst vollständig entgangen wären. So ist z. B. im vorigen Herbste die Klage eingegangen, dass eine Sorte Getreide, die bei den vergleichenden An- bauversuchen der Deutschen Landwirtschafts-Gesellschaft verwendet wurde, auf verschiedenem Boden — nicht in allen Fällen — sehr schlecht aufge- laufen sei. Die Keimfähigkeitsprüfung war in Halle ausgeführt worden und hatte nicht den geringsten Anlass zu Bedenken gegeben; ich glaube, es waren 97 — 98°/o Keimfähigkeit festgestellt; als die Prüfung bei uns unter normalen Bedingungen wiederholt wurde, hat sie dieses Ergebnis vollständig bestätigt. Nachdem wir aber erfahren hatten, dass diese Saat vielfach schlecht aufgelaufen sei — vielleicht in der Hälfte der Fälle — , haben wir sie im Vergleich mit anderen Proben der verzögerten Keimung ausgesetzt und dabei zeigte sich sofort, dass sie nicht normal war. Während die Vergleichsprobe unter den ungünstigen Bedingungen nur zögernd keimte, schliesslich aber die vollen Keimprozente ergab, trat bei der verdächtigen Probe bei 60 — 70 "/o ein Stillstand ein. Der Rest 326 Verhandlungen der I. internationalen Konfei'enz für Samenprüfung. verpilzte. In solchen Fällen ist es also nicht richtig, ausschliesslich die günstigsten Bedingungen für die Keimung zu wählen. In der Mehr- zahl der Fälle wird es ja unsere Aufgabe sein müssen, festzustellen, zu wieviel Prozent eine Saat unter den günstigsten Bedingungen keimt; die verzögernde Keimung soll nur im Vergleich dazu und wo eine besondere Veranlassung vorliegt, ausgeführt werden. Das Bestreben, eine möglichst bestimmte Zahl für die Keimfähigkeit zu gewinnen, hat auch zu dem immer noch andauernden Streit geführt, ob man in die Keimfähigkeitsziffer die hartschahgen Körner der Legu- minosen einrechnen soll, und ob tmd wie man bei der Schnittprobe von Koniferen-, Rübensamen und dgl. die frisch gebliebenen Samen berück- sichtigen müsse. Ich stehe auf dem Standpunkte, dass wir eigentlich lediglich Tatsachen festzustellen haben. Ich bin daher ein Gegner einer derartigen Einrechnung. Der Grad der Hartschaligkeit ist in den ein- zelnen Jahrgängen verschieden; er wechselt bei den verschiedenen Saaten einer bestimmten Pflanzenart, und noch mehr Unterschiede zeigt er, wenn wir verschiedene Samenarten miteinander vergleichen. Z)ie Ein- rechnung läuft immer auf das Bestreben hinaus, den Wert einer Saat durch eine bestimmte Zahl auszudrücken. Wenn wir uns aber vergegenwärtigen, wie viele Faktoren bei der Keimung der Samen in Betracht kommen, wie verschieden die Keim- ziffern oft ausfallen können je nach dem Grade der Feuchtigkeit und der Temperatur, je nach der Art des Keimmediums und der Art und der Menge des verwendeten Wassers, je nachdem der Keim- prozess im Dunkeln oder im Licht sich vollzieht; wenn wir ferner be- rücksichtigen, wie verschieden die einzelnen Samenarten selbst sich verhalten und wie die Eigenschaften einzelner Posten Wandlungen durch die Einflüsse des Lagerns, durch die Einwirkung von Organismen er- fahren: so müssen wir immer mehr zu der Überzeugung kommen, dass es unter Umständen unmöglich ist, sagen zu wollen, ein bestimmtes Saatgut besässe diese oder jene zahlenmässig scharf fixierte Keim- fähigkeit. So sehr zu berücksichtigen ist, dass der ganze Samenhandet sich leichter vollzieht, wenn die Eigenschaften der Samen durch be- stimmte Zahlen ausgedrückt werden, so sehr ich selbst zugebe, dass mit allgemeinen Bezeichnungen wie „gesund", „frisch", „letzte Ernte" und dgl, keine Grundlage für genügende Ersatzansprüche geboten werden kann, und so sehr ich es demnach für unumgänglich notwendig halte, dass wir auch in Zukunft die Eigenschaften der Samen so weit als möglich zahlenmässig zu bestimmen suchen, so möchte ich doch davor warnen, dass wir diese Zahlen mindestens — soweit es sich um Keim- fähigkeitsziffern handelt — als allzu bestimmte auffassen und dass wir L. Hiltner, Über Keimprüfangen. 327 uns etwa bei unseren jetzigen und künftigen Verhandlungen als haupt- sächliches und wünschenswertestes Ziel jenes setzen, zu ermitteln, wie es möghch ist, die sogenannten Fehler der Keimprüfungen tunlichst zu vermeiden, damit bei Prüfung an verschiedenen Stellen gleiche Samen- posten auch gleiche Ziffern ergeben. Durch allzu scharfe Forderung zahlenmässiger und möglichst genauer Feststellung der Keimfähigkeit ist der Schwerpunkt der ganzen Frage in der letzten Zeit immer mehr nach der mathematischen Seite gerückt. So sehr ich nun die Fortschritte anerkenne, die zweifellos in der Methodik und in der Beurteilung der ganzen Verhältnisse erzielt worden sind, dadurch, dass die Alathematik und besonders die Wahrscheinlichkeitsrechnung herangezogen wurden, so bin ich doch anderseits der Meinung, dass man damit nicht ins Extrem verfallen darf. Es wäre ja auch sehr bequem und jenen, die alles in richtige Kategorien bringen wollen, jedenfalls sehr wünschens- wert, etwa aach die einzelnen Menschen je nach ihren körperlichen und geistigen Qualitäten ziffernmässig zu qualifizieren und eventuell zu plom- )>ieren. Niemand wird das für möglich halten. Wie jemand von seinen Bewunderern vielleicht zu den erstklassigen Menschen gerechnet oder, um in unserer Ausdrucks weise zu bleiben, zu 95 — 100 ''/o gewertet wird, während er nach der Meinung anderer eher in jene Kategorien gehört, wo die grossen Latitüden zur Geltung kommen [grosse Heiterkeit], so kann auch das Urteil über ein Saatgut, dessen Eigenschaften ja nicht bloss in der Keimfähigkeit und Reinheit bestehen, sehr verschieden sein. Unsere Landwirte haben sich aber durch aüzu scharfe Hervorhebung der Forderung der zahlenmässigen Garantie der Keimfähigkeit entschieden daran gewöhnt, z. B. von zwei Kleesaatproben; die zu 95 resp. Sö^Jq keimen, ohne weiteres die erstere vorzuziehen. Wir wissen alle, dass das ein Fehler ist, wenn wir nicht auch die übrigen Eigenschaften der Saatware mit berücksichtigen, aber dem Landwirt ist dies nicht immer bekannt. Wir haben in diesem Jahre in Bayern die Bildung einer Ge- nossenschaft angeregt zur Züchtung der fränkischen Luzerne, die dort, wo sie in ihrer ursprünglichen Sortenreinheit geboten wird, wirklich den Namen „ewiger Klee" verdient, weil sie 2U — 30 Jahre ausdauert, während alle fremden Sorten meist schon nach wenigen Jahren wieder verschwinden. Zu vergleichenden Versuchen, die wir im Frühjahr 1906 begannen, haben wir vom Produzenten selbst derartige fränkische Lu- zerne, die leider noch nicht in grossen Mengen zur Verfügung steht, bezogen und bei der Keimprüfung zu unserer Überraschung wahrnehmen müssen, dass sie zu 50 — 60°/o hartschalig war. Ich bin überzeugt, dass, wenn eine derartige Luzerneprobe nur eine zahlenmässige Be- urteilung fände, jede Samenkontrollstation vor ihrem Ankauf warnen 328 Verhandlungeu der I. internationalen Konferenz für Samenprüfung. würde. Unsere Feldversuche lassen al)er jetzt schon unzweifelhaft er- kennen, dass diese Luzerne trotz ihres wegen grosser Hartschaligkeit mangelhaften Keimvermögens allen anderen im Vergleich mitgeprüften Luzernesorten von oft prächtigem Aussehen und hervorragender Keimfähigkeit des Saatgutes wesenthch überlegen ist. Grosse Differenzen sind auch verursacht worden durch die ver- schiedene Beurteilung der durch Drusch- oder Ritzmaschinen verletzten Körner bei Klee. Solche Körner ganz auszuschalten, also sie nicht in das Keimprozent mit einzurechnen, halte ich für nicht minder verfehlt, als bei ihnen durch längeres Liegenlassen im Keimbett feststellen zu wollen, ob man sie als keimfähig mitrechnen darf oder nicht. Ich möchte hier erinnern an einen Versuch, den ich mit Gelbklee ausgeführt und beschrieben habe, der im Keimbett etwa 25°/o Druschkörner auf- wies. Bei der Aussaat in Erde sind die meisten dieser Körner auf- gelaufen und haben sich schliesslich zu normalen Pflänzchen entwickelt. Am hypokotylen Glied war noch deutlich die Überwallung einer Wunde wahrzunehmen; vielfach fehlte auch das eine Keimblatt oder gar die beiden Kotyledonarblätter. Es wird von Bodenart, Witterung und anderen Verhält- nissen, auch von der Intensität der Druschverletzung abhängig sein, ob aus derartigen Körnern hervorgehende Keimlinge sich weiter entwickeln. Jedenfalls aber sind in dieser Beziehung die Verhältnisse im Keimbett sogar weit ungünstiger, als im Boden, wo die bald assimilierenden Pflänzchen eher die Möglichkeit besitzen, die Verletzung auszuheilen. Meine Herren ! Die Zeit ist zu weit vorgeschritten, ich will schUessen. Sie sehen, viel Neues konnte ich Ihnen nicht bieten, wohl auer dartun, welche Schwierigkeiten hoch zu überwinden sind, bis wir so weit kommen, dass internationale Vereinbarungen über gewisse Methoden getroffen werden können. So erstrebenswert dies an und für sich ist. so sehr von manchen Seiten der Wunsch ausgedrückt ist, wir sollten uns doch auf gewisse Methoden einigen, so sehr möchte ich davor warnen, schon jetzt dahingehende Beschlüsse zu fassen. Ich gehe so weit, zu be- haupten, dass wir schliesslich für jede Samenart genaue Vorschritten haben müssen; ich glaube sogar, dass Saaten derselben Samenart sich sehr verschieden verhalten, je nach ihrer Provenienz und je nach dem Jahrgang, so dass, wenn wir etwa heute beschliessen würden, wir gehen bei dieser Samenart so, bei jener anders vor, wir schon nach wenigen Jahren gezwungen wären, viele Vorschriften wieder abzuändern. Ich würde es als einen wesentlichen Erfolg unseres Kongresses be- trachten, wenn wir uns darüber verständigen und einig zeigen würden, dass wir uns von allen schablonenmässigen Angaben, die sich unter- schiedslos auf alle Samenarten beziehen, mögUchst losmachen, dass Diskussion: Keimprüfungen. 329 wir zusammenarbeitend uns bestreben, die Eigenschaften der einzelnen Samenarten näher zu studieren, soweit sie für die Samenkontrolle in Betracht kommen, mnd dass wir später neue Vorschriften für die ein- zelnen Samenarten ausarbeiten, in denen alle ermittelten Eigenschaften derselben entsprechende Berücksichtigung finden. Ich persönlich erkläre mich gern bereit, mit Kollegen aus anderen Ländern Erfahrungen aus- zutauschen, und ich würde es begrüssen, wenn die übrigen Stationen diesem Beispiele folgen würden. Vorsitzender: Der Vortrag ist an Anregungen so ausserordentlich reich gewesen, dass wir nicht hoffen können, eine Diskussion heute zu Ende zu führen. Ich möchte an die geehrte Versammlung die Frage richten, ob wir heute überhaupt noch in eine Diskussion eintreten oder diese auf morgen verschieben wollen (Zurufe). Es scheint das letztere gewünscht zu werden. Hofrat Dr. v. Weinzierl-Wien : Ich möchte selbstverständlich auch den Vorschlag unterstützen, die Diskussion auf morgen zu verschieben; ich weiss aber nicht, ob wir morgen in der Lage sein werden, über •die vielen anregenden Punkte, welche der Vortrag enthielt, uns aus- zusprechen. Ich will freilich den morgigen Verhandlungen nicht vor- greifen, ich will auch nicht, wie aus den verschiedenen Mienen zu ersehen ist, Ihnen den Vorschlag bezüglich Einsetzung eines Ausschusses machen, aber wir werden für einzelne Fragen besonders Herren des Verbandes, die sich bisher mit den einschlägigen Fragen beschäftigt haben, bitten müssen, in den Ausschuss einzutreten und diese Fragen dort zu behandeln. Wir werden morgen in geschäftlicher Hinsicht jedenfalls sehr wichtige Fragen zu erledigen haben ; wir müssen den internationalen Verband organisieren, wir müssen an die Wahl des Ausschusses gehen; wir müssten bei der Gelegenheit über die Gegenstände uns orientieren, welche von den einzelnen Kollegen bearbeitet werden sollen. Einige Herren, die leider in diesem Jahre verhindert sind, an unseren Verhandlungen teil- zunehmen, müssen wir auch noch hinzuziehen. Ich glaube, dass vielleicht mein Antrag angebracht wäre, dass wir die Frage der Keimprüfung einem Spezialausschusse, dem Keimprüfungsausschusse des internationalen Verbandes, zuweisen mit den Anregungen, die Kollege Hiltner gegeben hat, so dass wir von der so sehr befürchteten Ausdehnung der Dis- kussion abkommen und vielleicht ein rein geschäftliches Programm für die Sitzung morgen feststellen. Prof. Dr. Voigt-Hamburg: Ich möchte auf einen Vorschlag zurück- kommen, den Herr Professor Zacharias in der ersten Sitzung gemacht 330 Verhandlungen der [. internationalen Konferenz für Samenprüfung. hat. Die Hamburger Oberschulbehörde ist so liebenswürdig gewesen, uns heute abend Gelegenheit zu einem gemütlichen Essen zu bieten. Vielleicht ist es hinterher möglich, dass die massgebenden Herren posi- tive Vorschläge tür morgen proponieren. Ich glaube, dass es sicher am praktischsten ist, wenn wir im Kreise einiger Herren die Vor- schläge formulieren und mit diesen an die Versammlung herantreten. Referent Dr. Hiltner: Ich möchte das auch unterstützen. Da morgen unser letzter Verhandlungstag ist, muss es unser Bestreben sein, die wichtigsten Dinge zu erledigen und weniger wichtige — als solche sehe ich die Diskussion über den Vortrag an — hintanzuhalten. Ander- seits möchte ich nicht unterlassen, meiner Aleinung Ausdruck zu geben, dass wir eine derartige Gelegenheit wie die jetzige, nicht vorübergehen lassen sollten, um gewisse Erfahrungen, die die Fachgenossen gemacht haben, kennen zu lernen. Wie ich Herrn Dr. Stebler schon vor einigen Tagen persönlich sagte, sind z. B. die Methoden, die in Zürich angewendet werden, so weit sie überhaupt veröffentUcht sind, in der Literatur so zerstreut, dass es uns allen nur sehr wünschenswert sein kann, eine Gelegenheit, wo die Herren selbst anwesend sind, wahrzu- nehmen, um etwas von ihnen zu lernen. Vorsitzender: Ich würde es für sehr wünschenswert halten, dass wir uns morgen noch über das Referat des Herrn Dr. Hiltner aussprechen. Vielleicht können wir ein Kompromiss finden, indem wir mit den geschäftUchen Verhandlungen beginnen und nachher, soweit Zeit dazu ist, in die Diskussion eintreten. Inspektor A. Lyttkeus-Stockholm: An die Regierung in Stockholm ist die Frage gelangt, was zu tun sei, um den Samenhandel und den Samenbau zu verbessern. Die Beantwortung der Frage ist der land- wirtschaftlichen Zentralverwaltung übertragen worden, und diese hat den verschiedenen landwirtschaftlichen Gesellschaften Gelegenheit gegeben,. sich darüber zu äussern. Da ist ein Vorschlag gemacht worden, über den ich, weil er eng mit der Frage der Herkunft der Samen zusammen- hängt, hier kurz referieren möchte. Es hat nämlich eine Gesellschaft vorgeschlagen, um die Herkunft festzustellen, den Samen mit Eosin zu färben. Wenn der Same ins Land hineinkommt, soll das Zollamt ver- pflichtet sein, eine gewisse Menge, Vt'^/o gefärbten Samen, darunter zu mischen. Wenn man diesen Gedanken weiter entwickelt, dann kann man für jedes Land eine andere Farbe festsetzen. Vorsitzender: Ich schHesse die heutige Sitzung. Die nächste Sitzung findet morgen um 9 Uhr statt. Schluss 12V2 Uhr. Diskussion: Keimprüfungen. 33t Sitzung am Freitag, den 14. September 1906, morgens 9 Uhr im Hörsaal B des Johanneum. . • Vorsitz: Professor Dr. Voigt-Hamburg. Anwesend: Atterberg-Kalmar, v. Degen- Budapest, Didrichsen^ Kopenhagen, Dorph Petersen-Kopenhagen. Frankfurt-Kiew, Rud. Fritz- Hamburg, Hillmann-Berhn, Hiltner-München, Issatschenslio- Petersburg, Kambersky-Troppau, Lyttkens- Stockholm, Qvam-Christia- nia. Raatz-Kl. Wanzleben, Rodewald-Kiel, Simon -Dresden, Stebler- Zürich, Stöhr-Prerau, von Szy szylowicz-Lemberg, Vaüha-Brünn, Vitek-Prag, Voigt-Hamburg, Waage-Berlin, von Weinzierl- Wien, We 1 s h u t - Hamburg , W i d e n - 0rebro. Vorsitzender: Ich glaube, in Ihrer aller Wunsch zu handeln^ wenn ich Herrn Kollegen Stehler bitte, die Diskussion über Keim- prüfung durch eine kleine Auseinandersetzung zu eröffnen. Direktor Dr. G. Stebler-Zürich: Ich bin gern bereit, diesem^ Wunsche nachzukommen. Der Referent, Herr Regierungsrat Hiltner^ hat uns gestern die Sache in ausserordentlich schöner und klarer Weise auseinandergesetzt, so dass es leicht ist, eine Diskussion zu entfalten. Ich bin mit ihm durchaus einverstanden und will die einzelnen Punkte, die er berührt hat, kurz durchgehen. Ich tue es an. der Hand der Vorschriften der deutschen landwirtschaftlichen Versuchs- stationen. Hinsichtlich der Zahl der einzukeimenden Samen hat es keinen Zweck, mehr als 400 Körner (2 mal 200 Körner) zu nehmen; ein Doppelversuch genügt vollkommen. Bei grobkörnigen Samen, z. B. Getreide, Erbsen, Wicken, genügen 2 mal 100 Körner,, da eine grössere Quantität sehr viel Raum beansprucht und diese Samen, sicher und gleichmässig keimen. Je nachdem der Samen auf die eine oder andere Weise keimt, ist: die Vorquellung nötig oder nicht. Eine Vorquellung ist angezeigt, wenn man in Filtrierpapier keimen lässt, z. B. bei Esparsette. Betreffs des Keimbettes muss man individuahsieren. Man kann nicht jeden Samen gleichmässig behandeln. Als Keimbett ist die Tonzelle oder Filtrierpapier zu empfehlen. Für Kiefernsamen hat sich der Kopen-- hagener Apparat ausgezeichnet bewährt. BetrefCs der Beleuchtung des Keimbettes bin ich der Meinung,, man sollte die Keimversuche so weit wie möglich im Dunkeln machen^ und zwar hat sich da die intermittierende Erwärmung sehr gut erwiesen^ 332 Verhanehandelt. So keimte eine Probe Gerste bei 28" gar nicht, bei 19° keimte sie zu 767o' '^ei 15° 98 "/q, bei 10° 99°/o. Eine Weizenprobe keimte bei 25*^ 61°/n. bei 19° 89°/o und bei niedrigerer Temperatur 99°/o. Eine andere Probe keimte bei 25° 74"/o, bei 21° 90°/o und bei niedrigerer Temperatur 98°/o- Haferproben keimten bei 31° gar nicht, bei 25° 92°/o, bei 19° 98°/o usw. Als Hauptresultat meiner Untersuchungen kommt heraus, dass allerlei 336 Verhandlungen der I. internationalen Konferenz l'ür Sanien[)rüt'ung. Reifegrade sich bei den Getreidesamen vorfinden. Wenn diese Samen nicht gut ausgereift sind, so können sie nur bei niedriger Temperatur keimen, wenn sie aber eine bessere Keimreife haben, können sie bei höherer Temperatur keimen, und endlich, wenn man völlig keimreifen Samen besitzt, dann erzielt man bei 30*^ die besten Resultate. Wenn man also untersuchen will, wie viel Prozente der Samen wirklich Irisch sind, so muss man bei niedriger Temperatur ankeimen. Bei einer Temperatur von 13 — 15° keimen die Getreidesamen fast stets schnell, und diese Temperatur muss dartim stets benutzt werden, wenn man fürchtet, dass die Getreidesamen noch nicht keimreif sind. Es ist deshalb richtiger, die Keimproben von Getreidesamen bei niedriger Temperatur anzustellen. Es kann doch vorkommen, dass die Getreidesamen so unreif sind, dass sie auch bei 13 — 15° nicht oder nur schlecht keimen. Dann ist es notwendig zu untersuchen, ob die Samen frisch oder beschädigt sind. Das kann geschehen durch die Vortrocknung. Bei uns im Norden ist die Vortrocknung allgemein eingeführt, und ich habe gesehen, dass man auch hier in Deutschland bei der Gerste Vortrocknung anwendet. Ich habe mit der Vortrocknung des Getreides ausführliche Untersuchungen gemacht, um zu sehen, bei welcher Temperatur die Getreidesamen am besten vorgetrocknet werden, um die volle Reife schnell zu bekommen. Es hat sich da gezeigt, dass 40" C die beste Temperatur für die Vor- trocknung ist. Vorsitzender (unterbrechend): Ich darf darauf aufmerksam machen, dass die Zeit sehr beschränkt ist und, ohne diese interessanten Ausführungen länger unterbrechen zu wollen, m()chte ich Sie doch bitten, sich zu konzentrieren. Direktor Dr. A. Atterberg": Ich habe ferner gefunden, dass bei Kiefernsamen die Anwendung wechselnder Temperaturen nicht hilft, um höhere Keimziffern zu erzielen, sondern man muss bei Kiefernsamen Lichtkeimung und eine höhere Temperatur als 20^^ benutzen. Ich wollte noch verschiedenes berichten, da aber die Zeit es nicht erlaubt, ver- zichte ich darauf. Dr. J. V. Szyszylowicz-Lemberg: Meiner Ansicht nach müssen wir die wissenschaftliche Ausführung von der praktischen An- wendung unterscheiden. Das, was Herr I)r. Stehler angeführt hat, ist die praktische Ausführung der Methode. Ich habe vor zehn Jahren angefangen, mich mit Samenkontrolle zu beschäftigen und habe alle Methoden versucht, hauptsächlich aber die Wiener Methode angewandt. Dabei habe ich mich jedoch überzeugt, dass meine Poa-Analysen stets schlechter ausfielen als die von Zürich, und ich war gezwungen, die Lichtkeimung einzuführen, um mit Zürich konkurrieren zu können. Bei Diskussion: Keimprüfungen. 337 der Lichtkeimung war das Ergebnis ganz gleicli mit dem von Zilricli. Es ist sehr schwer zu beurteilen, ob das Licht es ist, welches einwirkt. Trotzdem jedoch gute Ergebnisse erzielt worden sind, sollte man sich doch noch weiter mit dieser Methode beschäftigen, sich ihrer annehmen und wissenschaftlich erklären, warum unter dem Lichteinfluss die Resultate ganz andere sind. Man muss physiologische Versuche machen und sich überzeugen, ob wirklich die Lichtstrahlen es sind, die das zeitigen, was die Erfahrung bis jetzt gelehrt hat. Ich aber habe mich überzeugt, dass man bei Poa und anderen Gräsern mit Licht keimen muss, weil sonst die Resultate unzureichend ausfallen. Mit Herrn Kollegen Rodewald kann ich nicht übereinstimmen. Er behandelt die Pflanzen und Samen wie einheitUche Grössen, wie mathematische Einheiten. Meiner Überzeugung nach sind es keine mathematischen J']inheiten; jeder Samen ist verschieden, jeder Samen eine ganz andere Einheit. Mit dieser Einheit kann man auf mathematischem Wege niclit operieren, und ich bin der Ansicht, dass namentlich in der Samenkontrolle die physikalischen Eigenschafton zu sehr vernachlässigt worden sind. Hofrat Dr. v. Weinzierl-Wien: Ich bitte, m. H., zu entschuldigen, wenn ich gegenüber diesen Ausführungen nicht mit derselben Gründlichkeit meine im wesentlichen abweichende Ansicht ausführe, weil ich es als eine mehr oder weniger klar abgeschlossene Frage betrachte, wie der Einfluss des Lichts bei dem Keimprozess sich geltend macht. Ich spreche nicht von den Keimversuchen und nicht von der Bekeimung, ich spreche auch nicht von der Tatsache, die uns allen bekannt und durch die seinerzeit veröffentlichten Versuche unseres Kollegen Stehler berechtigtes Auf- sehen erregte, dass das diffuse und auch das direkte Sonnenlicht eine ganz wesentliche Erhöhung der Keimfähigkeit speziell bei einzelnen kleinen Samen hervorruft, zu denen insbesondere die meisten Spezies der Gattung- Po« und auch einige andere gehören. Nach dieser Publikation und nach den darauffolgenden Versuchen verschiedener Autoren wurde mit voller Klarheit und ein wandsfrei dargelegt, dass in den meisten Fällen, namentlich bei Poa, nicht die Temperatur — und zwar die konstante Temperatur — den Lichteinfluss ersetzt. Durch die Versuche, welche von Hofrat ProL Wiesner im pflanzenphysiologischen Institut in Wien gemacht worden sind, wurde nachgewiesen, dass der Lichteinfluss bei der Keimung als Wärmewert wirkt. Es ist schon nahezu 20 Jahre her, dass wir uns der Methode zugewandt haben, nach der das Licht als ein in der Natur vorhandener wirksamer Faktor nur als Temperaturf aktor auch bei unseren Versuchen zu wirken hat. Nichtsdestoweniger haben wir eine grosse Anzahl von Parallelversuchen gemacht, die immer noch fortgesetzt .laliii'.-iliiüiclit as scheint nicht der Fall zu sein. Dann darf ich Herrn Kollegen Stehler bitten, das Wort zu nehmen, wenn er noch einige Bemerkungen zu machen hat. Direktor Dr. U. Stebler-Zürich: Ich habe nicht geglaubt, dass diese Anregung bezüglich des Lichts soviel zu reden geben würde. Ich bin auch der Meinung, wenn man das Licht entbehren kann, dass man dann die Keimungen ohne Licht machen soll. Es hat keinen Zweck, Gerste, Erbsen, Wicke und Bohnen im Licht zu keimen, sie keimen ja so auch sehr gut. Ich bin mit Herrn Kollegen Rodewald einver- standen, dass möglicherweise das Licht es an und für sich nicht sein kann, das die Förderung der Keimung bewirkt, aber das ist schwer zu sagen. Ich habe schon vor 20 Jahren, als ich den Einfluss des Lichtes konstatierte, die Frage zu lösen versucht, habe komplizierte Versuche angestellt, bin aber zu keinem Resultat gelangt. Ist es das Licht? ist es die Wärme? ist es die desinfizierende Wirkung des Lichts? Ver- suche sind hier gewiss am Platze, wenn man der Frage vielleicht auch nur auf indirektem Wege beikommen kann. Direktor Dr. L. Hiltner- München: Im Interesse des Fortschreitens 1) J. Vanha, Versuche über den Einfluss intermittierender Erwärmung auf die Keimung von Samen. (Zeitschrift für das landw. Versuclisvvesen in Österreich 1898, Heft 2). Diskussion: (^hialitätsprül'ung der Braugerste. 343 und der raschen Erledigung noch ziemlich wichtiger Beratungsgegen- stände will ich darauf verzichten, noch weiter auf die Keimfrage einzu- gehen, nachdem ich gestern meinen Standpunkt dargelegt habe und heute konstatieren kann, dass wir im grossen und ganzen überein- stimmen. Nur bezijglich der Lichtkeimung möchte ich ganz in Über- einstimmung mit dem, was Herr Dr. Stehler gesagt hat und im Gegen- satz zu den Ausführungen des Herrn Vaiiha darauf hinweisen, dass die Frage eine nicht ganz unerhebhcho praktische Bedeutung besitzt, dass es sich um eine direkte Frage der Samenkontrolle handelt und dass zwei grosse Anstalten, Wien und Zürich, hier im Gegensatz zu einander stehen. Da wir wissen, dass ausnahmslos alle nordischen Samenkontroll- stationen der Lichtzuführung die grösste Bedeutung beimessen, halte ich es unbedingt für notwendig, dass die Frage geprüft werde, und ich schliesse mich dem Antrage des Herrn Hofrat v. Weinzierl ganz an. Nur eins möchte ich noch erwähnen : Es ist von mehreren Seiten darauf hingewiesen worden, dass hunderte von Versuchen ausgeführt worden sind, ohne dass sich eine Wirkung des Lichtes gezeigt habe. Es ist aber dabei wohl zu bedenken, dass bei derartigen Versuchen auf den Zustand des Samens Rücksicht zu nehmen ist, dass z. B. ein voll aus- gereifter Samen auf das Licht anders reagiert wie ein der Nachreife be- dürftiger. Es würde jedenfalls von grösstem Interesse sein, wenn die Sache zu einer gewissen Klärung gebracht würde. Vorsitzender: Damit wäre die Diskussion über diesen Gegen- stand geschlossen, und ich hätte den Antrag des Herrn Hof rat v. Wein- zierl zur Abstimmung zu stellen, ob wir in ähnlicher Weise, wie früher besprochen, die Einbeziehung der Frage des Lichts zur gemeinsamen Arbeit an die Teilnehmer der Konferenz weitergeben wollen? Ich darf annehmen, dass die Herren damit einverstanden sind. Ich brauche wohl nicht erst abstimmen zu lassen. Es bleibt uns nun noch übrig, Herrn Kollegen Vaüha über die Qualitätsprüfung der Braugerste zu hören, Herr Kollege Van ha hat die Sache in der Sitzung der Vereinigung für angewandte Botanik aus- einandergesetzt und möchte hier die einzelnen Schlussfolgerungen zur Diskussion stellen. Es fragt sich nur, ob die Zeit noch dazu ausreicht. Hofrat Dr. v. Weinzierl-Wien: Ich will selbstverständlich Herrn Kollegen Van ha nicht veranlassen, dass er in irgend einer Weise seinen Antrag zurückzieht. Ich möchte darauf aufmerksam machen, dass wir uns die weitere Tätigkeit in der Weise denken, für einzelne Fragen be- stimmte Ausschüsse zu wählen und mit bestimmten Themen zu ver- sehen. Da Avird nun auch ein Ausschuss sein, der die Frage der Keim- 344 WM-liandliino-en dei' 1. internatii)n;ilon Konferenz für Samenpriifuug. fähigkeit prüft. Ganz ähnlich, wie Kollege v. Degen seine Propositionen vorgetragen hat und jetzt Kollege Miltner, so würde ich glauben, dass ein Weg zur Abkürzung der sein würde, wenn Herr Kollege Vanha die Vorschläge angeben würde, die er durchgeführt zu sehen wünscht, denn eine Beschlussfassung über eine bestimmte Methode steht uns in unserer derzeitigen Konstitution nicht zu. Ich mache den Vorschlag, dass die von Herrn Kollegen Vaiiha zu bezeichnenden, eventuell einzuleitenden Parallel- und Vergleichsversuche dem Ausschuss für Keimprüfung zur Bearljeitung zugewiesen werden. Vorsitzender: Auch ich möchte mich den Ausführungen des Herrn Hofrat v, Weinzierl anschliessen und Herrn Vanha bitten, uns seine für die Braugerste gestellten Forderungen mitzuteilen. Prof. J. Vafiha-Brünn : Dass die Frage einer einheitlichen Qualitätsprüfung der Braugerste von grosser Bedeutung ist, ist unstreitig. Nachdem das ganze Referat bereits in der botanischen Sitzung vorgetragen worden ist, bleiben hier nur einzelne Punkte vor- zubringen und einer Beratung zu unterziehen. Nun muss ich es den Herron freistellen, ob es jetzt geschehen, oder ob es dem inter- nationalen Komitee zugewiesen werden soll. Ich bin mir allerdings be- wusst, dass manche Fragen Schwierigkeiten bereiten, um darüber gleich ein entscheidendes Wort zu treffen. Es würde immerhin einige Zeit beanspruchen; die hätten wir noch, aber ich hal>e nichts dagegen, dass die Herren dazu mehr Zeit gewinnen, über einzelne Fragen speziell zu beraten. Ich beantrage daher, das ganze Referat, welches in dem Jahres- bericht der Vereinigung für angewandte Botanik erscheinen wird, der internationalen Kommission für Samenprütung zur Beratung und Antrag- stellung für die nächste internationale Konferenz zuzuweisen und das gedruckte Referat den einzelnen Mitgliedern der Kommission zu dem Behufe zuzusenden. Dadurch würde das Ganze für heute entfallen. Vorsitzender: Herr Kollege Vanha ist durch die Zusammen- drängung der Verhältnisse zur Einschränkung seines Vortrages ge- zwungen. Wir haben tatsächlich keine Zeit, wenn die getroffenen Ver- anstaltungen innegehalten werden sollen. Wir haben noch die geschäft- liche Sitzung abzuhalten und müssen uns entschliessen, was aus der Konferenz werden soll. Wir hätten uns darüber schlüssig zu machen, ob wir in ähnlicher \N'eise, wie wir die anderen Fragen zur allgemeinen Bearbeitung weiter- gaben, auch die vom Herrn Kollegen Vanha angeregten Fragen be- handeln wollen. Da kein Widerspruch erfolgt, nehme ich an, dass Sie damit einverstanden sind. Wir können dann den wissenschaftlichen Teil unserer Beratungen Verhandlungen der 1. internationalen Konferenz für Samenpriifung. 345 schliessen und jetzt erledigen, was aus unserer Konferenz werden soll. Die internationale Kommission bestand in Wien aus fünf Herren, die unter sich die Arbeit gleichmässig verteilten, nur dass mir, weil ich am Orte der Versammlung war. der grössere Teil der Vorbereitung zufiel. I»ieser Pünferausschuss hat sich ergänzt durch je einen Vertreter aus den einzelnen Staaten, so dass eigentlich ein ganz grosser Ausschuss existierte, in dem jedes Land durch einen oder mehrere Vertreter repräsentiert war. Ich möchte die Versammlung bitten, aus ihrer Mitte heraus Vorschläge für die zukünftige Gestaltung zu machen. Direktor Dr. 0. Stebler-Zürich: Ich glaube, es hegt keine Ver- anlassung vor, die Sache anders zu gestalten, als sie bis dahin gewesen ist; der bisherige Ausschuss hat ja die Geschäfte ausgezeichnet besorgt, speziell hat sich Herr Professor Voigt einer ausserordentlichen Mühe- waltung unterzogen, und ich beantrage deshalb und glaube, dass alle damit einverstanden sind — der Beifall, den Sie zollen, ist der beste Beweis dafür — , dass der bisherige Ausschuss in corpore bestätigt werde. Soviel ich weiss, liegt von keiner Seite eine Ablehnung vor. Ein Standpunkt ist es noch, den ich hervorheben will, es ist die Frage des Ausschusses. Ich glaube, je mehr Ausschüsse wir haben, desto komphzierter wird die Sache, und deshalb würde ich es für richtiger halten, man beschränke sich auf einen Ausschuss. Vorsitzender: Herr Kollege Stehler hat den Antrag gestellt, den Ausschuss für die hiesige Versammlung auch für die nächste Zu- kunft bestehen zu lassen, diesem Ausschuss die Bearbeitung der ein- zelnen Prägen zu übertragen und ihn zu beauftragen, nach Erledigung derselben eine neue Konferenz einzuberufen. Es entspinnt sich nun über die Zukunft der Konferenz eine längere Debatte, in der Herr Hofrat Dr. v. Vv'einzierl die Schaffung eines Verbandes oder die Bildung einer Sektion der Vereinigung für angewandte Botanik vorschlägt. Zum Schluss einigt man sich dahin, entsprechend dem Stebler- schen Vorschlage, den bisherigen Ausschuss ,f ür die Förderung der wissenschaftlichen Grundlagen der Samenkontrolle be- stehen zu lassen, ihm die Bearbeitung der Ergebnisse der von ihm ein- berufenen Konferenz, sowie die Erledigung der beschlossenen Umfragen zu übertragen und ihn zu ermächtigen, sobald genügend Material vor- handen ist, die zweite internationale Konferenz für Samenprüfung an- zuberaumen. Direktor J. Widen- 0rebro: Im Anschluss an das, was vor- geschlagen ist, möchte ich noch darauf aufmerksam machen, dass .so- wohl bei Herkunftsbestimmungen, sowie auch bei anderen Gelegenheiten Jahie.sbericht der Vereinigung für angewandte Botanik IV. 23 34() \'erliiuirüi'uiig. OS ul't voll Vorteil ist, wenn man über die Produktion von Klee- und Grassamen besonders in den Ländern, die solclie Samen exportieren, einen genauen Überbliclv hat. Es wäre deshalb wünschenswert, um diese Sache bald zu erledigen, wenn in die vorhin erwähnten Frage- bogen auch solche Fragen hineingebracht werden könnten, wie z. B. wie- viel Klee- und Grassaat wird in dem Lande produziert, wieviel Klee- und Grassaat hat das Land zur Aussaat nötig, und, wenn das Land als Exportland auftritt, wieviel Saat wird exportiert? Auf diese Weise wird man ganz schnell einen guten Überblick bekommen. In Schweden wird z. B. viel sogenannter „nordrussischer" Klee verkauft. Jetzt haben wir aber gehfirt, es wird in Nordrussland gar kein Klee für Export gebaut. Eine Zusammenstellung, wie die soeben erwähnte, würde uns diese Provenienzangabe sofort als eine irrtümliche klar machen. Ausserdem ist das bei der Herkunftsbestimmung sehr von Nutzen, wenn man Sammlungen von guten Provenienzmustern, besonders von Kleesamen, Luzerne und Timothee zur Verfügung hat. Es wäre jeden- falls sehr wünschenswert, wenn in den voraussichthchen Publikationen des Ausschusses bekannt gemacht werden könnte, welche Herren Kollegen sich dazu bereit erklären, in einen Austausch solcher Proben zu treten. Ich halte es für wünschensw^ert, wenn der Ausschuss meine Vorschläge bei der Publikation berücksichtigen wollte. Vorsitzender: Ich glaube, die Herren sind alle damit ein- verstanden, wenn wir die Wünsche des Herrn Widen zu Protokoll nehmen und, soweit es in unseren Kräften liegt, auszuführen versuchen. Sicher besteht in guten Vergleichsproben eine Hauptstütze für unsere Forschungen. Dr. Th. Waag'e-Berlin : ich möchte noch kurz bemerken, dass in den nordrussischen Provinzen immerhin in recht beträchtlichen Mengen Klee gebaut und exportiert wird. Wenn es nicht in dem Umfange geschieht, wie es möglich ist, liegt es in der Qualität. Die Farbe dieser nordrussischen Provenienz pflegt solche zu sein, dass sie hier keinen Markt findet. Das ist der natürliche Grund, warum die Ware im Lande bleibt. Zum anderen möchte ich bemerken, dass man den Export und Import der verschiedenen Sämereien sehr sorgfältig in unserem Blatte „Der Saatenmarkt" aufgeführt findet. Direktor K. Dorph Peterseil-Kopenhagen : Es wäre gut, um fest- zustellen, ob der Lichteinttuss auf die Keimfähigkeit von Bedeutung ist, dass auf den verschiedenen Samenkontrolistationen dieselben Proben- anaJysen gemacht würden. E)arüber sind wir wohl einig? (Zustimmung.) Vorsitzender: Wünscht sonst noch jemand das Wort? Es ist Verhandlungen der 1. intenialioiKikn Konferen/, l'ür Saiiienpniriing. ;)47 dies nicht der Fall. Dann möchte icii den Wunsch wiederholen, den ich in der ersten Sitzung ausgesprochen habe, dass der Ausschuss möglichst unterstützt werde in der Vervollständigung und Zusammen- stellung der verschiedenen Vorschriften, die ich als Manuscript zu- sammengestellt habe. Ich erwähne ferner noch einen Wunsch des Herrn Brown -Washington, es möchten die Herren eine kurze Beschreibung und Abbildungen der verwendeten Apparate dazu liefern. Ich möchte unsere gemeinsamen Beratungen mit dem Gcdaniven schliessen, dass die vielseitigen Erfahrungen auf dem Gebiete der Samen- priifung und insbesondere in der Kunst der Keimversuche uns eine hin- reichende Garantie bieten, dass das Samenkorn der internationalen An- näherung unter den Kontrollstationen, das wir hier in Hamburg ins Keimbett gelegt haben, sich normal oiitwickehi und zu einer kräftigen Pflanze heranwachsen wird. Damit schliesse ich die erste internationale Konferenz für Samen- prüfung. Schluss mittags 12 '/o ^-'l"'- Verbesserungen, Seite 293 Z. 22—24 v. o. statt: . . . wenn man die früher gebräuchlichen Siebe, bei welchen die Löcher einfach mit einer Stanze durchgeschlagen und die Lochnffnungen nicht gleich gross sind ... ist zu lesen: . . . wenn man die früher gebräuchlichen Siebe, bei welchen die Löcher mit ein und derselben Stanze durchgeschlagen und die Lochöffnungen gleich gross waren, mit den jetzigen vergleicht. Seite 311 Z. 5 v. o. statt: . . . beiden Samen nicht in Menge ... ist zu lesen: . . . beiden Kleeseidearten nicht gemengt . . . Seite 313 Z. 19 v. o. ist zu lesen: . . . Motivierung „auf das Vorkommen" von Grobseide . . . Seite 313 Z. 21 v. o. ist zu lesen: . . . Kleeseide „überhaupt" kommt . . . Jahresbericht der Vereinigung für angewandte Botanih IV. Fi.-. 1 , /ahrcshrric/it litr hrlrrter der anijewn/if/fen Botanik. II. E.Stender odTuxz. del. \i"wf ^'^- ' ( ^ 0 ' ( Fig. 3. Tafll. S.Iaz/.e,Zük. /nsi.^erün JaJvesberüJU der l'ertreter der angmcmdtm ßotonik IV. Fig.L Ttiflü. .A^ FrgZ > / k. \ ' i - ,^;t'..ß ' 0' "^ r.^So *?-'*/,*«* AJ Fig. 3. FyS. ■rtS^i ^^^ Fy.¥. '•V'i (j' .^^■^ E.Ia.U£,Iiih iTist.Jeriin.. Jah)-esbericJit der Vereinigung für angewandte Botanik IV. Taf. IV. Fig. 1 Thiele, Wirkung des Kalis .hdircshcricht (IrrVcrriiiifliiini für (Oificiraiirlir P,ofaiii/,- TV. Taf. V. Fig. ?, Fis. 4 Thiele, Wirkung des Ivalis. Jahresbericht der VercinigmKj für auc/eiranclte Botanik IV. Taf. VI. Fig. 5 Fig. 6 Thiele, Wirkung des Kalis. Jahresbericht der Vereinigunn für anyeirandie BoianiL i T. Taf. VfL ^i- 7 Fi-. 8 Thiele, Wirkuna- des Kalis Jahirsbci-icJit der S^errhiigiotg für aiigeirandte Bofcniik /T'. Taf. VIII. Fiff. 0 Fio-. 10 Thiele, Wirkung des Kalis. Jahresbericht Vereinigung fürjngi andte Botanik Fünfter JalitgaM MI Mit 5 Tafeln um^ 5 Textabbj[du^^^ BERLIN Verlag von Gebrüder Borntraeger SW 11 Grossbeeren Strasse 9 1908 Jahresbericht der Yereinigung für angewandte Botanik Fünfter Jahrgang 1907 Mit 5 Tafeln und 5 Textabbildungen LIBRARY NEW YORK BOTaNICaL ÖAH:D6N. BERLIN Verlag von Gebrüder Borntraeger SW 11 Grossbeeren Strasse 9 1908 Alle Rechte vorbehalten Druck von A. W. Hayn's Erben, Potsdam. NEW YORK Inhalts-Verzeichnis Seite 1. Bericht über die 5. Hauptvei'sammlung der Vereinigung in Dresden vom 8. — 15. September 1907, erstattet von , Ü. Brick V— XLVIII Darin enthalten folgende Diskussionen, Referate, Resolutionen usw. Diskussion zu Wie 1er, Beziehungen der Botanik zur Technik. VII — XVI Resolution betr. Botanik an den deutschen Technischen Hoch- schulen XVI Diskussion zu Gilg, Pharmakognosie an den deutschen Hoch- schulen . " XVI— XX Resolution betr. Pharmakognosie an den deutschen Hoch- schulen XX Geschäftliche Sitzung: Jahresbericht, nächstjähriger Ver- sammlungsort, Antwort der Kolonialabteilung des Aus- wärtigen Amtes in Berlin auf die Resolution betr. Förderung der tropischen Land- und Forstwirtschaft, Linne- Adresse an die Universität Uppsala XX — XXIV Diskussion zu Volkens, Botanische Zentralstelle für die Kolonien XXV- XXVIII Diskussion zu Bernegau, Akklimatisationsver.suche mit Süss- kartoffelu . ^ XXVIII— XXIX Diskussion zu Hiltner, Neuere bodenbakteriologische Ergebnisse und Probleme XXIX— XXXII Diskussion zu Stürmer, Wirkung des Schwefelkohlenstoffs und ähnlicher Stoffe auf den Boden XXXIII — XXXIX Diskussion zu Simon, Widerstandsfähigkeit der Wurzelbakterien der Leguminosen XXXIII— XXXV Diskussion zu Heinze, Serradella- u. Lupinenbau auf schwerem Boden XL— XLI ?^ Lindnei', P., Schimmelpilzkulturen XLI — XLII ^ Diskussion XLII— XLIII ^. Diskussion zu Ewert, Neue Beispiele für Parthenokarpie . . XLIII Cs} „ „ Zacharias, Sterile Johannisbeeren .... XLIV-XLV fy. „ „Johnson, Elektrische Samenprüfung XLV CL IV Inhalts-Verzeiclinis. TllielP, R., Weitere Untersuchungen betreffend die Veränderung Seite der pflanzlichen Gewebe durch Düngung XLV — XLVI Diskussion XLVI Exkursion in das Eibsandstein- und böhmische Mittelgebirge XLVII — XLVIII 2. Mitgliederliste für 1907 XLIX-LIX 3. Vorträge und Abhandlungen Wider, A., Die Beziehungen dei Botanik zur Technik .... 1 — 19 (iilg, E., Die Pharmakognosie als wissenschaftliche Disziplin und ihre Vertretung an den deutschen Hochschulen .... 20 — 31 Volkons, G., Die Botanische Zentralstelle für die Kolonien, ihre Zwecke und Ziele . ... 32— 4S Mulli, F., Über die Infektion von Sämereien im Keimbett. Ein Beitrag zur Samenuntersuchung und Samenzüchtung . . 49-82 Ewert. R., Neue Beispiele für Parthenokarpie . 83 — 85 BeriH'^an, L., Die Kolanuß als tropische Kulturpflanze .... 86 — 95 Bernesau. L, Akklimatisationsversuche mit Süsskartoffeln . . . 96 — 99 Beriiegail, L., Die Verwendung der Samen von Parkia africana 100 — 101 Johnson, T., Elektrische Samenprüfung (mit 4 Textfiguren) . . 102—112 Stornier, K., Über die Wirkung des Schwefelkohlenstoffs und ähnlicher Stoffe auf den Boden 113 — 131 Simon, J., Die Widerstandsfähigkeit der Wurzelbakterieu der Leguminosen und ihre Bedeutung für die Bodenimpfung 132 — 160 Heinze, B., Neuere Beobachtungen über Serradella- und Lupinen- bau auf schwerem Boden (mit 1 Textfigur und Tafell — IV) 161 — 199 Hiltner. L., Neuere bodenbakteriologische Ergebnisse und Pro- bleme 200—222 Zacliarias, E., Sterile Johannisbeeren (mit Tafel V) 223-225 («raebner. P., Nichtparasitäre Pflanzenkrankheiteu des Jahres 1907 22(5—233 Verbesserungen 234 Bericht über die 5. Hauptversammlung der Vereinigung für angewandte Botanik in Dresden vom 8.— 15. September 1907. Wie auf der vorjährigen Versammlung in Hamburg hatte auch für das Jahr 1907 die Vereinigung für angewandte Botanik ihre diesmalige Hauptversammlung mit der Freien Vereinigung der syste- matischen Botaniker und Pflanzengeographen am gleichen Orte und zur gleichen Zeit abzuhalten verabredet. Als Versammlungsort war anfänglich Leipzig in x\ussicht genommen, wo auch die Deutsche Botanische Gesellschaft ihre 25. Generalversammlung im September abzuhalten beschlossen hatte. Als Zeit war die Woche vor der 79. Ver- sammlung Deutscher Naturforscher und Ärzte, die vom 15. bis 21. September in Dresden stattfinden sollte, in Aussicht genommen. Da sich jedoch in Leipzig wegen der zu gleicher Zeit dort abzuhaltenden Messe Schwierigkeiten für die LIntorkunft ergaben, wurde für die Kongresse der oben genannten drei Vereinigungen schließlich gleich- falls Dresden als Versammlungsort gewählt und zwar für die Ver- einigung für angewandte Botanik und die freie Vereinigung der syste- matischen Botaniker und Pflanzengeographen die Tage vom 8. bis 11. September und für die Deutsche Botanische Gesellschaft der 12. und 13. September. Vom 13. — 15. September war eine botanische Ex- kursion in das Eibsandstein- und böhmische Mittelgebirge vorgesehen, an die sich dann die Naturforscherversammlung anschloß. Auf Grund einer Mitte März veranstalteten Umfrage und nach späteren Anmeldungen konnte den Mitgliedern Ende Juni ein vorläufiges Programm und Anfang September das definitive Programm übersandt werden. In Dresden fanden sich zur Versammlung 49 Mitglieder ein: von A r n i m - S c h 1 ag e n t h i n -Nassenheide, B e r n e g a u -Berlin, B r i c k -Hamburg, Büsgen- Minden, Diels-Marburg, Dingler- Aschaffenburg, Drude- Dresden, Engler- Dahlem, Ewert Proskau, A. Fischer-Basel, Ch. Fischer-Frankenthal, H. Fischer-Berlin, Fünf stück -Stuttgart, Gilg- VI Bericht über die 5. Hauptversammlung der Vereinigung. Dahlem, Grevillius- Kempen. Gutzeit- Steglitz, Haupt- Bautzen. Heinze-Hallo, Hiltner-München, Hinneberg-Altona, Hosseus-Bevlin, Jakowatz-Tetschen, Johnson-Dublin, Kumm-Danzig, Lindemuth- Berlin, Lindner- Berlin, Metz-Halle, Naumann-Dresden, Neger- Tharandt, Nestler -Prag, Nilsson-SvalötRetzlaff -Hamburg, Schander - Bromberg, Schwede-Dresden, Simon -Dresden, Solereder-Erlangen, Sonder- Oldesloe, Steglich -Dresden, Störmer-Halle, Thiele-Staßfurt, Thoms-Dahlem, Thost-Berlin, Voigt- Hamburg, Volkons-Dahlem, Warburg-Berün, Wieler- Aachen, Wittmack-Berlin, Zacharias-Ham- burg, Zörnig-München und mehrere Damen. Außerdem nahmen an einigen Sitzungen als Gäste teil: stud. rer. nat. J. Jan ke- Dresden, Geh. Regierungsrat Prof. Dr. L. Kny-Berlin, Oberförster Dr. Koorders-Java, Medizinalrat Kunz-Krause-Dresden, Dr. E. Lehmann-Dresden, Prof. Dr. P. Pax-Breslau, Dr. 0. Pazschke- Dresden, r)r. H. Poß-München, Dr. B. Schorler-Dresden und E. Ule- Berlin. Als nachträgliche Gabe für die Teilnehmer an den in Ham- burg veranstalteten Ausflügen nach dem Freihafen und in die Vierlande lagen aus: C. Brick, Die Fruchtschuppen des Hamburger Freihafens und die Station für Pflanzenschutz in Hamburg. (9 S. Aus dem Führer für den II. Lehrgang des Deutschen Pomologenvereins für Obstbau-Beamte und -Praktiker in Lübeck vom 29. JuU bis 1. August 1907.) C. Brick u. a., Gemüse- und Obstbau im Hamburgischen Land- gebiet. 21 S. Hamburg 19ü7. Ferner waren zur Verteilung übersandt: J. Buchwald, L)ie Versuchsanstalt für Getreideverarbeitung, Berlin N. Seestraße (Der Müller XXIX, No. 30, 30. VII. 1907. Mit 8 Abbildungen) und P. Lindner, Endomyces fibuUger n. sp., ein neuer Gärungspilz und Erzeuger der sog. Kreidekrankheit des Brotes. (Wochenschr. f. Brauerei, XXIV, No. 36, 7. IX. 1907. Mit 88 Textabbild, u. 2 Tat.) Ein gemeinsames Mittagessen vereinigte an den drei Sitzungstagen die Mitglieder der Vereinigungen für angewandte und systematische Botanik im Hotel Bristol (Bismarckplatz). Eröffnung. Diskussion: Die Beziehungen der Botanik zur Technik. VII Sonntag, den 8. September iand sich abends eine zahlreiche Versammlung von Vertretern der an- gewandten und systematischen Botanik in dem herrlich geschmücliten Festsaal des Königlichen Belvedere auf der Brühischen Terrasse zur Be- grüßung ein. Montag, den 9. September, 9 Uhr vorm, Sitzung in der Technischen Hochsch ule (Hörsaal 41). Prof. Dr. E. Zacharias eröffnet als Vorsitzender die diesjährige Versammlung in Dresden. Geh. Hofrat Prof. Dr. 0. Drude -Dresden begrüßt mit herzlichen Worten die erschienenen Mitglieder in Dresden, erwähnt die Hamburger Versammlung und schlägt vor, an den Präses der Hamburgischen Unter- richtsverwaltung, Senator Dr. v. Melle, das folgende Telegramm zu senden : „Die hier in Dresden versammelten Vereinigungen für angewandte und systematische Botanik haben die vorjährige Versammlung in Hamburg in freudiger und dankbarer Er- innerung und bringen dies Ihnen hierdurch zum Ausdruck." , Auf diese Depesche ist sodann die nachfolgende Antwort aus Ham- burg eingelaufen: „Verbindlichen Dank für den freundlichen telegraphischen Gruli Ich wünsche den Vereinigungen auch für ihre dortigen Versammlungen besten Erfolg. von Melle." Den ersten Vortrag hielt Professor Dr. A. WielerAachen über Die Beziehungen der Botanik zur Technik (s. S. 1 — 19). In der sich an den Vortrag') anschlielienden längeren Diskussion ergreift zunächst das Wort Geh. Hofrat Professor Dr. 0. Drude-Dresden; Der verehrte Herr Kollege hat mit großer Kraft und Energie die Botanik an den Tech- nischen Hochschulen wachgerüttelt, und seine Ausführungen sind be- sonders an die Examinationskommission gerichtet, so daß ich großen Eindruck erwarte, wenn der Vortrag an die geeigneten Stellen gesandt wird. Wenn ich das Wort ergreife, so geschieht es, um einige Er- klärungen und Ergänzungen zu geben. Große Unterschiede sind in der *) Auf S. 14 Zeile 1 u. auf S. 17 Z. (i v. o. ninü es heißen Fabrikingenieur anstatt Betriebsingenieur. V'lll Bericht über die 5. Hauptversammlung der Vereinigung. Gestaltung der Botanik an den einzelnen Technischen Hochschulen vor- handen. Auffallend sind die geringen Rechte, weiche die Botanik ihren Dozenten, die oft auch geringe Institutsmittel zu haben scheinen, an den Technischen Hochschulen Preußens verleiht. Die süddeutschen Hoch- schulen Karlsruhe, Stuttgart und München verhalten sich ganz anders, ebenso Dresden. Aus dem Prüfungsregulativ allerdings kann man nicht immer alles beurteilen, wie es an der Hochschule hergeht; denn der Rang der hier vertretenen Wissenschaften ist verschieden und manche sind erst aus praktischem Bedürfnis später zugezogen, wie die Botanik. Der Mensch hat erst Holz benutzt, ehe er die Wissenschaft vom Holz, kannte. Wir stehen nun hier in Dresden auf dem Standpunkte, die Studenten nicht mit einer zu großen Zahl von Zwangsfächern zu be- lasten. Wenn daher in der Prüfungsordnung steht, daß ein Chemiker wählen soll zwischen Botanik oder Mineralogie, so soll damit ausgedrückt werden, daß er nur in einer dieser Disziplinen geprült werden soll, nachdem er wahrscheinlich beide kennen gelernt hat. Die Ausbildung in beiden Fächern wird aber schon durch diese Form des Regulativs empfohlen. Wir wollen die Lernfreiheit. Ebenso kann man nicht alles aus den Titeln der Vorlesungen er- kennen, was getrieben wird. Unter dem Kollegtitel kann sich Ver- schiedenes verstecken. Wenn z. B. für die ('hemiker hei uns Physio- logie im Examen gefordert wird, so ist das ein weiter Begriff. In Dresden ist die Haupteinteilung so: Technische Mikroskopie und bota- nische Rohstofflehre als winterliches Kolleg, allgemeine Pflanzenphysiologie als sommerliches Kolleg mit allgemeiner Entwickelungslehre der Pflanzen abwechselnd. Die Reihenfolge aber und die Auswahl ist jedem ganz freigelassen. Hinsichtlich der geringeren Bedürfnisse in andern Abteilungen, z. B. hinsichtlich der Baumaterialienlehre, da ist allerdings ein wirklicher Mangel. Der Mineraloge steht aber der Frage ebenso ratlos gegenüber. Es müssen hier Ergänzungen stattfinden durch kleine Kurse, wie sie an keiner Hochschule meines Wissens bisher existieren, für die Hoch- bauabteilung z. B. hinsichtlich Bau des Holzes und iMnwirkung des Haus- schwammes. Es müssen einige Zeiten, in die sich mehrere Dozenten, Botaniker, Chemiker, Geologen und Mineralogen teilen, frei gehalten werdenzur Ergänzung in solcher Ausbildung. Die Techniker verfolgen in ihren Vorlesungen über Rohstoffe ja ganz etwas anderes, z. B. Elasti- zität, Widerstand usw., wie der sie ergänzende Botaniker. Es werden aber immer nur abgeschlossene größere Kollegien angekündigt, z. T. für die Prüfungen, z. T. daneben honorarfreie einstündige Vorlesungen, und selbst diese kosten noch vielen Studenten zu viel Zeit. Es scheint Diskussion: Die Beziehungen der Botanik zur Technik. IX daher notwendig, das für sie Wissenswerte in gedrängteren Kursen zu bringen. Die Diskussion über solche Vorschläge wird vielleicht durch die Veröffentlichung von Wielers Vortrag erreicht werden. Die Botaniker der einzelnen Technischen Hochschulen müßten dann vielleicht zusammen- kommen und dabei könnten interne Sachen zur Sprache kommen, für welche die heutige Versammlung nicht geeignet ist. Professor Dr. M. Füiifstück- Stuttgart; Die Ausführungen vom Kollegen Wieler werden sicher großes Interesse finden. Der Unterricht in der Baumaterialienkunde ist zweifellos sehr reformbedürftig, aber die Sache macht große Schwierigkeiten. Bei der jetzigen Organisation des techn. Studiums ist es unmöglich, noch weitere Ausbildungsgegen- stände hinzuzufügen. Die Studierenden des Baufachs haben 36 Stunden, sogar zumeist über 40 Stunden Kolleg und Übungen wöchentlich. Die Maschinenbauer haben schon jetzt die größten Schwierigkeiten, in der vorgesehenen Zelt den Stoff zu bewältigen. Sie leisten Widerstand, die Studienzeit zu verlängern, weil sie der Meinung sind, die Industrie werde sich zur Wehr setzen. Man möchte gerne Abhilfe schaffen, aber man weiß nicht, wie man es machen soll. In der BaumaterJalienkunde könnte man sogenannte vikariierende Vorlesungen einführen. Wir denken uns das in Stuttgart so, daß der Veitreter der Baumaterialienkunde z. B. dem Botaniker den Vortrag überläßt, sobald die Behandlung des Stoffes in das Bereich des Botanikers gehört. Ein Versuch in dieser Richtung ist bei uns zunächst vom Zoologen und Bildhiiuer mit p]rfolg gemacht worden. Der Zoologo erscheint von Zeit zu Zeit nach Verein- barung mit seinem Kollegen auf der Bildfläche und behandelt in wenigen Vorlesungen das für den Bildhauer Erforderliche in anatomischer Be- ziehung. Ich glaube, daß vielleicht schon in nächster Zeit diese Methode auch auf die Baumaterialienkunde Anw'endung finden wird. Es wird indes nicht zu verkennen sein, daß auch dieser Ausweg nicht immer leicht gangbar sein wird. Jedenfalls sind gute koUegialische Beziehungen zwar nicht gerade unerläßlich, aber überaus wünschenswert. Übrigens sind nicht immer die Vertreter der Naturwissenschaften den Vertretern der technischen Fächer entgegengekommen. So ist mir be- kannt, daß der Mineraloge einer Technischen Hochschule erklärte, „eine Mineralogie für Maurer" lese er nicht, als die Architekten mit dem Wunsche an ihn herantraten, eine mineralogische Vorlesung unter spezieller Berücksichtigung der Bedürfnisse der Architekten zu halten. Die Organisation der Technischen Hochschulen und auch die Diplomprüfungen sollen nach dem Herrn Referenten so außerordentlich verschieden sein. Das ist nicht der Fall. E)ie noch vorhandenen Ver- X Bericht über die 5. Hauptversammlung der Vereinigung. schiedenheiten sind gering, sie sollten jedoch auch noch beseitigt werden. Auf einer Rektorenkonferenz in Hannover im Jahre 1906 hat sich heraus- gestellt, dali sich eine reguläre l']xamenstechnik herausgebildet hatte. (Heiterkeit.) Die Studenten gingen von einer Hochschule zur andern und konnten sich dadurch um Prüfungen in einzelnen Fächern herum- drücken. Dem ist jetzt vorgebeugt. Das Streben geht überhaupt dahin, in bezug auf die technischen Fächer in der Organisation des Studiums und der Prüfungen möglichste Konformität zu erzielen. Stuttgart und Dresden gehen parallel und unterscheiden sich in bezug auf die Ver- fassung sehr wenig. Für Stuttgart kommt noch hinzu, dal) dort die technische Hochschule bis zu einem gewissen Grade die 2. Laiules- universität zu ersetzen hat. Was die Blütenlese Wielers aus den Werken der Baumaterialien« künde betrifi't, so ist Wieler etwas einseitig verfahren, er hat nur minderwertige Werke aufgeführt, es gibt doch aber auch recht gute. Was nun die Behandlung der Botanik an den Technischen Hoch- schulen anbelangt, so kann ich unsere Einrichtungen in Stuttgart aufs wärmste empfehlen, sie haben sich durchaus bewährt. Lehramts- kandidaten, Chemiker und Pharmazeuten werden in bezug auf die botanischen Voi-lesungen in den beiden ersten Semestern gleich behandelt, sie li()ren während zwei Semester ein vierstündiges Kolleg über die Grundzüge der allgemeinen und speziollen Botanik und absolvieren ein mikroskopisches Praktikum (zweistündig und zweisemestrig). Für die Chemiker schließt sich daran ein Praktikum für technische Mikroskopie an, dreistündig in einem Semester. In der Diplomprüfung werden die Chemiker in Botanik mündlich geprüft, in der Hauptprüfung haben sie mikroskopische Aufgaben zu lösen, von denen auf Cirund der Übungs- protokolle dispensiert werden kann. — Dringend warne ich davor, sich nur auf ganz spezielle, nur auf bestimmte Sonderzwecke abzielende Vorlesungen einzulassen. Wir haben uns mit Erfolg dagegen gewehrt; bei solchen Bestrebungen kommt nichts heraus. Solche Vorlesungen schaden mehr als sie nutzen. Technische Mykologie z. B. kann doch nur derjenige mit J">folg betreiben, der überhaupt etwas von Mykologie versteht. Wenn eine solche Vorlesung für den Techniker von Nutzen sein soll, so muli sie sich auf erheblich bi'eiterer Basis aufbauen, als man sich dies in gewissen Kreisen vorstellt. Icli habe Kenntnis von einem von technischer Seite entworfenen Programm lür eine solche ^technische Vorlesung" erhalten, dessen Durchführung schlechterdings unmöglich gewesen wäre. Solche unerfüllbaren Forderungen sind auf die Unkenntnis zurückzuführen — hierin stimme ich dem Herrn Referenten vollkommen zu — , welche in den weitesten Kreisen über den Diskussion: Die Beziehungen der Botanik zur Technik. XI heutigen Charakter unserer Wissenschaft besteht. — Darüber, dali an den Teclinischen Hochschulen botanische Vorlesungen unter besonderer Berück- sichtigung der Bedürfnisse der Technik von groHem Wert sind, dürften wohl alle Sachkenner einig sein. Aber zurzeit ist es fast unmöglich, solche Vorlesungen den Studienplänen einzugliedern. Die technischen Abteilungen müJiten Konzessionen machen, d. h. sie müliten sich dazu verstehen, die Studienzeit zu erweitern. Wenn die Hochschulen erst weiter ausgebaut sein werden, wird auch die Studienzeit erweitert werden. Die einsichtsvollen Techniker geben die schon jetzt vorhandene Notwendigkeit der Verlängerung der Studienzeit zu. AVielev: Herr Geheimrat Drude meint, meine Ausführungen richteten sich besonders an die Examenskommissionen. Soweit wollte ich gar nicht einmal gehen ; ich erachte es zunächst nur für notwendig, den Studierenden die Dinge in Vorlesungen und Übungen zu bieten, welche ich als technische Botanik bezeichnet habe. Es herrscht eine weitgehende Abneigung gegen die Botanik, welche zum großen Teil aus einer Unkenntnis des wahren \\'ertes unserer Wissenschaft herrührt. Und diese Unkenntnis ist nicht nur im groüen Publikum und bei den Studierenden vorhanden, sondern auch die Behörden sind nicht immer frei davon. Als Beleg für diese Behauptung führe ich die Prüfungsordnung für Nahrungsmittelchemiker an. Sie begnügt sich mit der Teilnahme des Kandidaten an den mikroskopischen Übungen während eines Se- mesters. Nun wird mir jeder von Ihnen beipflichten, dal) diese Aus- bildungszeit viel zu kurz ist. um den Anforderungen der Hauptprüfung genügen zu können. Zum Glück trägt die Prüfungsordnung die Korrektur in sich selbst, so daO diese Vorschrift nicht weiter schaden kann, sie zeigt aber, wie gering man sich die Schwierigkeit unserer Wissenschaft vorstellt: leider ist diese Ansicht weit verbreitet. Was die Baumaterialicnkunde anbetrifft, so schwebt mir, wie ich das ja auch in meinem Vortrag angedeutet habe, nicht eine Ver- mehrung der Fächer vor, sondern nur eine zweckmäßigere Organisation des Unterrichtes; denn es ist unpraktisch — und für den Studierenden nutzlos — , wenn jemand der Vollständigkeit wegen über Dinge vor- tragen muß, die er nicht versteht, vvo die Möglichkeit besteht, diesen Teil durch eine geeignetere Kraft lesen zu lassen. Es würde das meines Erachtens eher eine Entlastung als eine Mehrbelastung der Studierenden sein. Eine Beteiligung der Botaniker an dem Unterricht in der Bau- materialienkunde könnte aber vielleicht auch den Anstoli geben, daß diese sich mit den Pilzkrankheiten des Holzes mehr als bisher be- schäftigen. Bei einschlägigen Gutachten tritt nicht nur die ungenügende botanische Bildung der begutachtenden Bauleute, sondern auch der Mangel XII Bericht über die "). Hauptversammlung- der Vereinigung-. einer ausreichenden wissenschaftlichen Durcharbeitung dieses Gebietes hervor. Eine derartige Durcharbeitung kann nur von Botanikern ausgeführt ■vs'erden, und wenn die Botaniker an den Technischen Hochscliulen es bisher unterlassen haben, sich mit solchen Untersuchungen zu befassen, so dürfte die mangelnde Anregung daran schuld sein. Auch in meinem Vorschlag einer zweckmäßigen Gestaltung des Unterrichts in der technischen Mykologie kann ich keine wesentliche Mehrbelastung der Studierenden erblicken. Vielfach wird das Verlangte bereits gelesen, aber zerstreut und stückweise. Eine Zusammenfassung des ganzen Gebietes würde für den Studierenden nicht nur eine Ver- tiefung, sondern auch eine Erleichterung bedeuten. Geh. Regierungsrat Prof. Dr. L. Wittniack- Berlin: Ich kann nur das unterschreiben, daß es mit den Gutachten, die über Hausschwamm ausgestellt werden, oft traurig bestellt ist. Es wäre daher wünschens- wert, daß auf den Technischen Hoclischulen neben dem Bau des Holzes auch seine Pilze behandelt werden. Es freut mich zu hören, daß auf den süddeutschen Hochschulen mehr in der Beziehung geschieht. Ich habe oft das Gefühl gehabt, daß die technischen Dozenten das Ver- langen haben, daß ihnen die rein botanischen Sachen abgenommen würden. Auch die Wasserpflanzen, welche die Wasserläufe verunkrauten, ja oft die Wasserläufe hoch anstauen, wie das z. B. vor einigen Jahren in der Brahe der Fall war, verdienen Berücksichtigung, namentlich w^enn auch Wasserbautechniker an der botanischen Vorlesung teilnehmen. Dabei ist selbstverständlich mehr die biologische Seite als die syste- matische zu betonen. Der Botaniker muß sich aber auch mit den technischen Eigen- schaften der Hölzer vertraut machen, damit er weiß, worauf es bei der Verwendung ankommt. Er könnte ferner das Ornament mit- behandeln. Der Geh. Reg.-Rat Prof. Jakobsthal in Berlin war Bau- meister und Botaniker zugleich; er bearbeitete z. B. die Araceen im Ornament, er zeigte ferner, daß das sog. Granatapfelmuster vom Saflor entnommen ist, usw. Der Techniker, der später eine Spinnerei oder Färberei leiten will. hat das größte Interesse, die Faser.stoffe in ihrem Bau kennen zu lernen: darum müssen auch diese behandelt werden ^Notwendig erscheint mir, daß an den preußischen Hochschulen Ordinariate für Botanik eingerichtet werden, damit nicht von den Studierenden die Botanik als etwas Minderwertiges angesehen wird. Füiifstück: Nach dem bisherigen Verlauf der Diskussion scheint es mir dringend zu sein, daß an den preußischen Technischen Hochschulen Diskussion: Die Beziehungen der Botanik zur Technik. XIII Ordinariate für Botanik errichtet werden, wie sie ja längst an den süd- deutschen l^ochschulen bestehen. Dadurch werden viele Schmerzen ganz von selbst verschwinden. Aber außer den Gehältern kommen Räume, Gärten, also grolle Mittel in Frage, und davor schreckt man zurück. Wenn die Sache nicht so kostspielig wäre, würde sie längst eingerichtet sein. Die. preußischen Hochschulen werden wohl schließlich folgen müssen: meines Wissens sind diesbezügliche Bestrebungen für E'anzig im Gange. Man denkt daran, dort Lehramtskandidaten auszu- bilden. Das wird eine ganz analoge Ausgestaltung der Hochschule zur Voraussetzung haben, wie sie bei uns in Stuttgart schon lange vor- handen ist. Die Sache hat aber auch eine Schattenseite, auf die ich glaube aufmerksam machen zu sollen. Eine derartige Erweiterung der Tech- nischen Hochschule belastet den Vertreter der Botanik sehr stark, sehr viel stärker mit Unterrichtsverpflichtungen als den Botaniker dei- Uni- versität. Ich habe beispielsweise durchschnittlich täglich 4 Stunden Dienst, dazu zwei Institute zu verwalten und nur einen Assistenten zur Verfügung. Daß man unter solchen Umständen alle Arbeitskraft ein- setzen muß, um sich auf dem Laufenden zu erhalten, daß man sich an der Forscherarbeit nur noch in bescheidener Weise beteiligen kann, wird •begreiflich erscheinen. Aber auch diese Schattenseite wird nach meiner Überzeugung mit dem weiteren Ausbau der Technischen Hochschulen ver- schwinden, darum muß sie zunächst in Kauf genommen werden. l)r. H. Haiipt-Bautzen: Auch in der Praxis selbst macht sich die Lücke fühlbar, welche durch die mangelhafte Ausbildung der technischen Beamten, Chemiker, Wasserbautechniker u. a., in der Botanik veranlaßt wird. Von den Verwaltungsbehörden wird das Fehlen genügender Vor- bildung auf dem Gebiete der Biologie, der Holzkonservierung usw. bei den obigen Beamtengruppen empfunden. Für viele Aufgaben der foren- sischen Praxis fehlt es häufig an geschulten Mikroskopikern, während an chemischen Sachverständigen zumeist kein Mangel ist. Es dürfte daher auch von diesen Seiten der Bewegung Verständnis entgegengebracht werden. Wieler: Es scheint mir wenig dem Geiste akademischer Lehr- tätigkeit zu entsprechen, wenn der Dozent so mit Vorlesungen und Übungen überladen ist, daß er nicht mehr zur wissenschaftlichen Forschung kommt. Lehrtätigkeit und Forschung bedingen sich doch gegenseitig. Dem Kollegen Fünf stück ist zuzugeben, daß die Stellung der Botanik auf den Technischen Hochschulen Preußens besser wäre, wenn die Dozentenstellen — übrigens hat Hannover, was wohl den meisten XIV Bericht über die ."). liau[)tver.samuilung der Verciniguno-. Botanikoni unbekannt sein wird, ein Ordinariat — in Ordinariate ver- wandelt würden, aber das ist es allein nicht. Auch glaube ich, dafi er die bestehenden Einrichtungen unterschätzt. Es läßt sich auch mit ihnen schon vieles leisten, und man kann nur bedauern, daß sie nicht mehr ausgenutzt werden und den Hochschulen nicht mehr zugute kommen, Das Schwergewicht der Botanik an den Technischen Hochschulen im engeren Sinne liegt in der technischen Botanik, für welche die theoretische Botanik die Grundlage bildet. Mein Vortrag sollte deshalb auch ein Appell sein an die Fachgenossen, der technischen Botanik an allen Technischen Hochschulen zu ihrem Rechte zu verhelfen, denn der Zustand, wie er mir vorschwebt, ist bisher noch auf keiner Hochschule Deutschlands erreicht, wenn auch zuzugeben ist, daß der eine oder andere Zweig hier und da eine entsprechende Berück- sichtigung findet. Drude: Es könnte aus alledem, was soeben in langer Diskussion gesagt ist, fast für die Xichtkenner der Technischen Hochschulen der Eindruck sich ergeben haben, als ob dieselben z. Z. noch von sehr ge- ringer Entwickelung wären. Das wäre aber ein ganz falscher Eindruck. So, wie es mit der Botanik an den preußischen Hochschulen beschaffen ist, ist es glücklicherweise an den anderen, hinsichtlich der Naturwissen- schaften kräftiger entwickelten Hochschulen nicht. An vielen Orten hat schon jetzt die Botanik die gleiche würdige Stellung wie an einer kleineren Universität. So auch besonders hier: Wir Naturforscher sind hier in Dresden freie Professoren; wir können lesen, was wir wollen, z. B. auch ein 10 stündiges Kolleg über Hausschwamm — aber es kommt dann niemand. Die Stundenpläne der Abteilung gehen allerdings zur Genehmigung an die Behörde und müssen wegen der obligatorischen Fächer an- genommen werden. Der Botaniker muß also für seine Vorlesungen die Anerkennung der Abteilung gewinnen hinsichtlich des als notwendig anzusehenden Maßes, auch hinsichtlich der Prüfungen. Daß die Botanik aber an den preußischen Hochschulen diese Rolle noch nicht spielt, ist beklagenswert, und es muß hierfür eine Besserung erstrebt werden. Füilfstück: Vor einigen Jahren machten einflußreiche Vertreter der technischen Fächer den Versuch, die süddeutschen Technischen Hochschulen zu reformieren. Ich gewaini den Eindruck, als ginge man darauf aus, die Technischen Hochschulen zu reinen technischen Unter- richtsanstalten zu machen. Von den sog. Hilfswissenschaften sollte gerade nur das zugelassen werden, was direkt für das technische Fach gebraucht wird. Es sollte vermutlich Botanik, Geologie, i^hysik usw. nur noch als „technische Botanik", „technische Geologie", „technische Diskussion: Die Beziehungen der Botanik zur Technik. XV Physik" usw. gelehrt werden. Der Unterricht in den Hilfswissenschaften würde so zur reinsten Abrichtung ausgeartet sein. Die mit dem Geiste der Verfassung unserer Hochschule im Widerspruch stehenden Be- strebungen hatten glücklicherweise bei unserer Unterrichtsverwaltung keinen Erfolg; augenblicklich ruhen sie anscheinend ganz. Wir dürfen jedoch nicht der technischen Botanik für die Technischen Hochschulen das Wort reden, ohne nachdrücklich gleichzeitig als Grundlage für dieselbe die theoretische Botanik zu fordern, sonst arbeiten wir denjenigen in die Hände, welche die Technischen Hochschulen „reinigen" wollen. Wenn an den Technischen Hochschulen nur „tech- nische" Botanik vertreten sein soll, so würde man dafür wahrscheinlich einen einfachen Lehrauftrag für ausreichend erachten, die jetzt be- stehenden Lehrstühle eingehen lassen und die dadurch frei werdenden Mittel vielleicht für noch bessere Ausstattung der technischen Fächer verwenden. Prof. Dr. A. Yoi^'t- Hamburg: Trotz der rosigen Verhältnisse im Sachsenlande und in Württemberg scheint nach den Ausführungen von Professor Wieler doch das Bedürfnis nach einem Ausbau der tech- nischen Botanik an unseren Hochschulen im allgemeinen vorhanden zu sein. Es muß gerüttelt werden, sowohl unter den Fachgenossen als auch besonders oben bei den maßgebenden Behörden. Redner schlägt die Annahme einer dahingehenden Resolution vor. Professor Dr. E. (iiilg'-r>ahlem: Ich möchte bitten, in der Resolution auch die Handelshochschulen zu berücksichtigen. Die Berliner Handels- hochschule genießt überall eine berechtigte Anerkennung. Trotzdem ist an ihr kein Botaniker tätig; die Lehre von den pflanzlichen Rohstoffen, die doch für den Kaufmann von allergrößter Wichtigkeit ist, wird von einem Chemiker doziert, der unmöglich den rein botanischen Teil der Frage, wie Morphologie, Anatomie, Pflanzengeographie vollständig be- herrschen kann. Vorsitzender Professor Dr. E. Zacharias- Hamburg: Es ist nicht möglich, die Resolution in allen Punkten hier zu redigieren. Ich bitte, dem Vorstande die Redaktion zu überlassen unter Hinzuziehung der Herren, die sich an der Diskussion beteiligt haben. Drude: Die Sache betrifft nur diejenigen Technischen Hochschulen, an denen dem Botaniker die nötigen Rechte noch nicht verliehen sind, also die Anstalten, an denen die ganze Sache rückständig ist. In Sachsen ist alles in schönster Ordnung und Harmonie, soweit es sich um jetzt vorliegende Bedürfnisse handelt — ich muß das ausdrücklich hier, am Orte der Versammlung selbst, erklären. X\'I IJericlit über die 5. Hauptvorsammliing der Vereiüio'ung. ^^'i('let•: Die Handelshochschulen sollten lieber fortbleiben, da in dem Vortrage von diesen keine Rede gewesen ist. Die Verhältnisse liegen nicht auf allen Handelshochschulen gleich. Auch kommt für sie nicht die technische Botanik in Betracht, sondern die Warenkunde. Zach.ii'ias: Von dem Bedenken könnte man absehen. Kiiiif'stiick: Ich stimme Drude bei. Ich bitte der Resolution zu- zustimmen und dem Vorstande die Redaktion zu überlassen. Die Anwesenden sind damit einverstanden. Die Resolution lautet: Die Versammlung hält eine größere Förderung der technischen Botanik unter Anerkennung ihrer prak- tischen Bedeutung für notwendig, damit diese Disziplin wissenschaftlich weiter ausgebaut werde und um so reichere Früchte für die Praxis tragen könne. Die Mittel dozu erblickt die Versammlung in einer stärkereu Betonung des Unterrichts in der technischen Botanik an den Technischen Hochschulen und in Maßnahmen, die den an ihnen wirkenden Botanikern die für die Pflege ihres Lehrfaches erforderliche Maße gewähr- leisten würden. Ferner ist die Versammlung der Über- zeugung, daß der warenkundliche Unterricht an den Handelshochschulen nur von einem Botaniker in sach- kundiger Weise erteilt werden kann. l'm 11 Uhr 20 Min. erhielt das Wort Professor l>r. E. (jil^- r>ahleni-Berlin zu einem Vortrage: Die Pharmakognosie als wissenschaftliche Disziplin und ihre Vertretung an den deutschen Hochschule n (s. S. 20—31). An den Vortrag schloß sich eine längere Diskussion. Dr. Zörili^-München: Ich kann mich den Ausführungen des Vor- tragenden ganz anschließen. Vor allen E)ingen müssen wir auf die praktische Ausbildung Wert legen, weil diese an erster Stelle dem Apotheker in seiner späteren Tätigkeit von Nutzen ist. Es ist zu be- dauern, daß nicht mehr Vertreter der Pharmakognosie diesem Vortrage beigewohnt haben; eine Aussprache über das zurzeit sehr aktuelle Thema der Erteilung des pharmakognostischen Unterrichtes an den Hochschulen wäre wohl sehr angebracht gewesen. Professor Dr. M. Füiifstück- Stuttgart: Ich stehe auch ganz auf dem Boden des Kollegen Gilg, pharmazeutische Chemie und Pharma- kognosie nicht in eine Hand zu legen. Es sind dies zwei 1 »isziplinen, Diskussion: Die Pharmakognosie an den deutschen Hochschulen. XVII deren jede einen ganzen Mann verlangt. Die pliarmazeutischen Chemiker, die als Dozenten in Betracht kämen, sind schon jetzt in ge- ringer Anzahl vorhanden. Ich halte es für ausgeschlossen, daß man auch nur annähernd imstande wäre, unter den Vertretern des akade- mischen Lehrberufes so viel berufene Lehrkräfte aufzutreiben wie er- forderlich wären, wenn Pharmakognosie und pharmazeutische Chemie in eine Hand gelegt würden. Der Vortragende hat gesagt, dali Ver- treter aus dem praktischen Apothekerberiif mehr als bisher als Dozenten herangezogen werden sollten. Es ist dies gewiß wünschenswert, aber Vorsicht dabei geboten. In Stuttgart ist der A^ersuch gemacht worden, aber er scheiterte. Der betreffende Dozent ging viel zu weit, er verlor fiich zu sehr in Details in dem an sich löbUchen Bestreben, seinen Hörern nn'iglichst viel zu bieten. Die Eigenart des Apothekerberufs ist nach meiner Überzeugung sicher von Einfluß auf den Charakter der Lehrtätigkeit, wenigstens im allgemeinen. Die pharmakognostischen Übungen sind von mir in Stuttgart schon längst eingeführt worden, ehe sie verlangt wurden. Zwei Stunden Pharmakognosie wöchentlich sind zu wenig, eine Stunde in der Woche ist vollkommen verfehlt. Die mikroskopischen Übungen in Botanik und Pharmakognosie sollten tmbedingt in einer Hand liegen. Professor Dr. H. Tlioms-E)ahlem-ßerlin: Zur Ehrenrettung der praktischen Apotheker möchte ich bemerken, daß die Sachen nicht so schlimm liegen, wie der Vorredner sie erwähnt hat. J^^s gibt L)ozenten atis dem praktischen Apothekerberufe, welclie die Pharmakognosie lehrend ausgezeichnet vertreten. Das gleiche gilt auch von der wissenschaftlichen Vertretung der pharmazeutischen Chemie durch Apotheker oder aus dem Apothekerstand hervorgegangene Lehrer. Als früherer Apotheker glaube ich mit den Bedürfnissen des Faches besser vertraut zu sein als ein Chemiker, der sich erst mühsam mit den chemischen Dingen bekannt machon muß, die der Apotheker zur Aus- übung seines Berufes nötig hat. Hinsichtlich der Vertretung der Lehr- fächer der pharmazeutischen Chemie und der Pharmakognosie an den deutschen Hochschulen bin ich der Ansicht, daß, wenn angängig, diese Gebiete von zwei Lehrern vertreten werden sollten. Es ist dann aber nötig, daß beide eine Abgrenzung der Lehrgebiete vornehmen, sich über den Umfang des jedem einzelnen zugeteilten Lehrstoffes verständigen nnd dauernd in nahem Konnex bleiben. Auch wird es vorteilhaft sein, wenn sich beide gemeinsam an Forschungen beteiligen in der Weise. daß der eine die botanische Seite, der andere die chemische Seite einer Droge bearbeitet. ' . ■ ' ' Jahresbericht der Vereinigung für angewandte Botanik V. . ' JJ XVIII Bericht über die 5. Hauptversammlung der Vereinigung. Wenn der Herr Vortragende behauptet hat, daß die botanische Identi- fizierung einer Droge oft sehr viel leichter ist als die chemische, so ist diesem Ausspruch unbedingt beizupflichten. Ich will aber nur ein Beispiel anführen, wo die Botanik versagt und die Chemie allein nur Auskunft geben kann. Deutsche und französische Petersiliensamen sind botanisch nicht zu unterscheiden, ihre Inhaltsstoffe sind in chemischer Hinsicht zwar ähnlich, aber dennoch verschieden. Der vom Vortragenden er- erwähnte Fall, daß Verbascum Blätter anstatt Digitalis-Blätter vor- handen waren, ist meines Wissens so gewesen, daß hier ein Gemenge vorlag. Der Chemiker soll die chemische Seite, der Botaniker die botanische Seite der Drogen bearbeiten. Drogen sind Dinge, die als Heilmittel wirken sollen, und die Heilwirkung beruht auf den chemischen Bestand- teilen. Die Mitwirkung eines Chemikers bei der Untersuchung der Drogen ist daher von allergrößter Bedeutung. Besonders in einem Punkte pflichte ich Herrn Professor Gilg voll- kommen bei, nämlich darin, daß ich mit ihm beklage, daß die Pharma- kognosie auf unseren deutschen Hochschulen unzureichend vertreten ist. Ich möchte deshalb eine ähnliche Resolution vorschlagen, wie sie vorhin hinsichtlich der Vertretung der technischen Botanik auf den deutschen Technischen Hochschulen gefaßt worden ist. Apotheker Dr. P. Hiuueberg- Altena: Die Trennung zwischen Pharmakochemie und Pharmakognosie ist von den Pharmakognosteii empfohlen, wie Flückiger dies auch schon in seinen Grundlagen der Pharmakognosie hervorhebt. Die alten Apotheker pflegten Chemie und Physik und besonders Botanik; die Pharmakognosie war ihr besonderes Feld. Die Drogen werden unseren heutigen Apotheken ganz anders geliefert wie früher, in zerschnittener und gepulverter Form. Das Gebiet ist ein so großes geworden, daß eine Trennung, wie sie in Berlin besteht, vielleicht angebracht ist. Doch muß jeder der beiden Dozenten auf dem Gebiete der Chemie wie Botanik so viel Bescheid wissen, daß er nicht von dem andern abhängig ist. Ftinfstück: Wir sind uns eigentlich alle einig. Eine Trennung zwischen Pharmakochemie und Pharmakognosie ist erforderlich, eine Fühlung zwischen beiden, aber auch mit dem Praktiker ist notwendig. Vorsicht ist insofern geboten, als die Trennung naturgemäß die Gefahr der Einseitigkeit in der Behandlung des Stoffes in sich birgt. Pharma- kognosie ist durchaus kein so spröder Stoff, wie oft gesagt wird, sondern sogar ein sehr geschmeidiger, vielseitiger. Anatomie, Morphologie, Systematik und Pflanzengeographie, Physiologie, die Kenntnis der Diskussion: Die Pharmakognosie an den deutschen Hochschulen. XIX Spezialbedürfnisse des Apothekers, Handelsverkehrsverhältnisse, chemische Kenntnisse usw. müssen dem Dozenten der Pharmakognosie in aus- reichendem Maße zur Verfügung stehen, wenn er erfolgreich sein soll. Dazu gehört außer Lehrbefähigung Erfahrung, die nicht von heute auf morgen erworben werden kann. Ein Botaniker, der einen Auftrag zum Lesen der Pharmakognosie erhalten hatte, schrieb — wohl um sich als Pharma- kognost zu legitimieren — sofort ein Lehrbuch, gegen das vom Botaniker nichts einzuwenden ist, aber vom Standpunkt des Apothekers sehr viel. Ich bin auf dem Gebiete zwar nie als Forscher hervor- getreten, habe mich aber seit zwei Jahrzehnten eingehend mit Pharma- kognosie in ihrem ganzen Umfange — auch nach der praktischen Seite — beschäftigt, so daß ich glaube, einen gewissen Anspruch auf Erfahrung und Urteilsfähigkeit erheben zu dürfen. Cirilg: Ich mochte noch einen Fall anführen, der vor einiger Zeit in der Deutschen Pharmazeutischen Gesellschaft demonstriert worden ist. Es wurde eine Probe ,,Crocus" vorgeführt, die nur aus gefärbten Calendula- Blüten bestand. Die Droge stammte aus einer Apotheke. Es war keine Spur echter Crocusnarben in der Probe enthalten. Ich habe nicht die Wichtigkeit des Chemikers bezweifelt, sondern nur gesagt, daß in manchen Fällen — und in vielen Fällen mehr als man glaubt — auch der Botaniker ein Wort l)ei der Analyse von Drogen- pulvern mitzusprechen hat. Ich gebe zu, daß eine scharfe Trennung zwischen dem Arbeits- gebiet des pharmazeutischen Chemikers und dem des Pharmakognosten sich naturgemäß nicht wird durchführen lassen, glaube aber, daß der von mir vorgeschlagene Weg derjenige ist, welcher am ehesten zum Ziele führen dürfte. Nahrungsmittelchemiker Dr. H. Haiipt-Bautzen : Ich schlage vor, in die Resolution aufzunehmen, daß der praktische Nahrungsmittel- chemiker ein Interesse daran hat, in der Botanik von jemand ausgebildet zu werden, der selbst die Bedürfnisse der Praxis kennt und diese bei der Unterrichtsmethode auch berücksichtigt. Die Leiter der größeren chemischen Untersuchungsämter werden mir bestätigen können, daß zwar bei den jungen Nahrungsmittelchemikern fast stets ein ge- nügendes Durchschnittsmaß chemischer Kenntnisse vorhanden ist, daß aber die Ausbildung in der angewandten Botanik meist sehr ungleichmäßig ei'folgt ist und daß diese Kenntnisse stark wechseln je nach der Stätte, wo der betreffende Kollege seine Ausbildung empfing. Vorsitzender Professor Dr. Zacharias: Es erscheint mir praktisch, wenn die Herren Professor Gilg und Thoms die Resolution, mit der 11* XX Bericht über die 5. Hauptversaminliing der Voreinigung. wohl alle einverstanden sind, unter Berücksichtigung der Wünsche von Dr. Hr.upt redigieren. ]>io Versammlung stimmt dem Vorschlage und der Resolution zu, die folgende Passung erhalten hat: Die Versammlung hält unter Anerkennung der Bedeutung, welche der Pharmakognosie für die Praxis zukommt, eine größere Förderung dieser Disziplin neben dem anderen Hauptfach des Pharmazeuten, der pharmazeutischen Chemie, für notwendig, damit die Pharmakognosie wissenschaftlich weiter ausgebaut werden und um so reichere Früchte für die Praxis tragen könne. Die Mittel dazu erblickt die Versamm- lung in einer stärkeren Betonung des Unterrichts in der Pharmakognosie an den deutschen Hochschulen sowie in Maßnahmen, die den an ihnen wirkenden Botanikern bzw. Phar makognosten die für die Pflege ihrer Wissenschaft erforderliche Muße gewährleisten würden. Dies erscheint um so notwendiger, als den Dozenten der Pharmakognosie naturgemäß auch die ähnliche Ziele verfolgende Ausbildung der Xahrungs- mittelchemiker auf botanisch-mikroskopischem Gebiet überwiesen werden muß. Schluß dei- Sitzung 12^2 Uhr. Die Nuchmittagssitzung von 3 — 5 Uhr wurde mit der gescliäft- liclieu Sitzung begonnen. Der Vorsitzende Prof. Dr. Zacharias- Hamburg erstattet zunächst den Jahresbericht. Er teilt mit, daß die Vereinigung leider vier Mit- glieder durch den Tod verloren habe, 0. Kambersky-Troppau (-j- 16. II. 1907), Geh. Regierungsrat Dr. R. Aderhold-Dahlem (f 17. III. 1907), Prof. Dr. C. Christ-Geisenheim (j 2. V. 1907) und Prof. Dr. C. Müller- Steglitz (-J- 13. VI. 1907), und fordert die Anwesenden auf, sich zu Ehren der Verstorbenen von den Plätzen zu erheben. Ais neue Mitglieder sind zu begrüßen: Prof. Dr. G. Cuboni- Rom, Dr. P. Esser-Cöln, W. M. Findlay- Aberdeen, Dr. H. Fischer- Berlin, Dr. B. Hein ze- Halle, Dr. F. W. T. Hunger-Salatiga, Geh. Hof- rat Prof. Dr. L. Klein-Karlsruhe, Direktor Prof. Dr. A. Mertens-Magde- burg, Prof. Dr. C. Mez- Halle, Dr. A. Naumann -Dresden, Dr. M. P. Neumann-Berlin, Dr. H. Paul-Bernau, Prof. Dr. C. v. Rümker- Breslau, Prof. Dr. C. Schröter-Zürich, Dr. R. Schwede-Dresden, Dr. Spieckermann-Münster, Prof. Dr. Steglic h-Dresden, v. Vogelsang- Hovedissen, Prof, Dr. G. Vol kons- Dahlem, Dr. W. Wie dens heim- Geschäftliche Sitzung. XXI Aiigustenburg und Dr. H. Zörnig-MUnchen. Ausgetreten sind 4 Mit- glieder, so dai3 die Mitgliederzahl z. Z. 222 beträgt '). Der Kassenbericlit mit dem Bericht der Revisoren wird für die Mitglieder beigelegt werden. Bei der Wahl des nächstjährigen Versammlungsortes, für den eine Einladung von Geh. Regierungsrat Prof. E)r. Wortmann nach Geisenheim vorliegt, bemerkt Prof. Dr. Zacliarias, daß für die Wahl des Ortes auch andere Gesichtspunkte in Frage kommen. Das Zu- sammentagen mit der Vereinigung der systematischen Botaniker und Pflanzengeographen hat sich bewährt, und ein Anschluß der Deutschen Botanischen Gesellschaft scheint wünschenswert; beide Vereine sind sich aber noch nicht schlüssig. Es wird sich empfehlen, Wünsche hier zu äußern, aber eine definitive Beschlußfassung auszusetzen und zunächst in Verhandlungen mit den beiden genannten Gesellschaften einzutreten. Die Zeit im September ist manchem nicht günstig, sie liegt mitten in den Universitätsferien und paßt vielfach nicht für die Reisepläne. Pfingsten ist vielleicht ein geeigneter Zeitpunkt, noch weniger läßt sich gegen Anfang August, den Beginn der Hochschul- und den Schluß der Schulferien, einwenden. Die Vereinigung der systematischen Botaniker scheint geneigt, Colmar als Ort der nächsten Tagung zu wählen, weil die Deutsche Dendrologische Gesellschaft ihre meist gut besuchte Ver- sammlung an diesem Orte im August 1908 abhalten will. Es würde auch wohl nicht schwierig sein, die Deutsche Botanische Gesellschaft zu veranlassen, nach Colmar oder Straßburg zu gehen. Auch die Philomatische Gesellschaft von Elsal'i- Lothringen wäre leicht für diese Versammlungen zu interessieren. In Cijlmar befindet sich eine Weinbau- Versuchsstation. Anderseits haben wir nach der Einladung dos Kollegen Wortmann entschieden den Wunsch, nach Geisenheim zu kommen. Es könnte auch ein Mittelweg gefunden werden. Im nächsten Jahre scheint Colmar oder Straßburg ein besonders günstiger Ort zu sein, im folgenden Jahre könnten wir uns in Geisenheim treffen, wozu auch die anderen Gesellschaften wohl zu bestimmen sein würden. Prof. Dr. Wieler-Aachen meint, daß der Vorschlag eines Kom- promisses zweckmäßig erscheine, wenn die anderen Gesellschaften sich verpflichten, im folgenden Jahre nach Geisenheim zu kommen. Die Deutsche Botanische Gesellschaft ist ihrer ganzen Natur nach nicht an einen besonderen Versammlungsort gebunden. Von Straßburg aus könnte man nach dem nicht weit belegenen Karlsrahe einen Ausflug machen. Die Beschlußfassung wird vorläufig ausgesetzt. Nach den später mit der Vereinigung der systematischen Botaniker und der Deutschen 1) Ende Dezember 1907: 225. XXII Bericht über die 5. Hauptversammlung der Vereinigung. Botanischen Gesellschaft gepflogenen Verhandlungen -wird die nächste Versammlung Anfang August 1908 in Straßburg und Colmar stattfinden. Der Vorsitzende teilt sodann ferner mit, daß auf die in Ham- burg gefaßte Resolution betr. Förderung der tropischen Land- und Porstwirtschaft das folgende Schreiben der Kolonialabteilung des Auswärtigen Amtes eingetroffen ist. K. A. 508/07. 33 835 Berlin, den 24. April 1907. Sehr geehrter Herr! Dem Vorstande der Vereinigung für angewandte Botanik bestätige ich den Empfang des gefälligen Schreibens vom 30. Oktober 1906. Wenn ich mich auch den Punkten 2 und 3 der überreichten Resolution ohne weiteres anzuschließen vermag, so bestehen doch über die Zweckmäßigkeit und Durchführbarkeit des zu 1 der Resolution ausgesprochenen Wunsches bei namhaften Be- ruf sgelehrten wie bei Verwaltungsbeamten ernste Zweifel und grundsätzUche Bedenken. Ich war hiernach noch nicht in der Lage, zu dieser für die Entwickelung und das Gedeihen der Schutzgebiete so bedeutungsvollen Frage, welcher ich meine volle Aufmerksamkeit zuwende, eine endgültige Stellung zu nehmen. gez. Dem bürg. Die von Prof. E)r. A. Wieler-Aachen in seinem in Hamburg ge- haltenen Vortrage angeregten Luftaualysen werden im Botanischen Garten zu Hamburg durch das Hamburgische Chemische Staatslabora- torium ausgeführt. Der Hamburgischen Unterrichtsverwaltung und der Hamburg- Amerika-Linie ist je ein Exemplar des auf die Versammlung in Ham- burg bezüglichen Jahresberichtes der Vereinigung für 1906 übersandt worden, wofür Dankschreiben eingegangen sind. Auf Anregung der Gesellschaft Naturforschender Freunde zu Berlin hat die Vereinigung für angewandte Botanik sich an einer von 16 deutschen wissenschaftlichen Vereinigungen der Universität Upp- sala überreichten Linne- Adresse beteiligt. Die von Geh. Regierungs- rat Prof. Dr. P. A seh erson -Berlin entworfene Adresse hat folgenden Wortlaut : Geschäftliche Sitzung. Linne-Adresse, XXIII Der Universität Uppsala zur 200. Wiederkehr des Geburtstages von Carl von Linne den 2o. Mai 1907, Die unterzeichneten Vertreter von wissenschaftlichen und gemein- nützigen Vereinen, welche sich die Pflege der reinen und angewandten Wissenschaft von Mensch und Tier, von Pflanze und Gestein zur Auf- gabe gemacht haben, senden der Universität Uppsala die herzlichsten Glückwünsche zur Wiederkehr des Tages, an dem vor zwei Jahr- hunderten ihr größter Schüler und ihr am höchsten gefeierter Lehrer, der große Organisator der biontologischeu Systematik das Licht der Welt erblickte. Zwar hat die Hauptstadt des Deutschen Reiches, in welcher die meisten der unterzeichneten Vereinigungen ihren Sitz haben, nie die Freude gehabt, den großen Forscher in ihren Mauern begrüßen zu lt aussandte, verdankt! Was aber noch bis in unsere Zeit fortwirkt und fortwirken wird, solange eine biontologische Systematik existieren wird, das ist die präzise Kunstsprache und scharfe Diagnostik, welche uns dies klassi- fikatorische Genie gelehrt hat. Und vor allem die binäre Nomenklatur, durch welche Linne die bis dahin wie Beschwörungsformeln klingenden Benennungen der Lebewesen ersetzte und durch diese erfolgreichste seiner Neuerungen erst die Pflege der biontologischen Wissenschaften für weitere I^reise möglich gemacht hat. In dieser Beziehimg bleiben wir seine Schüler und seine für zoologische und botanische Nomenklatur grundlegenden Schriften, deren Neudruck sich erst kürzlich notwendig gemacht hat, werden täglich von uns zu Rate gezogen. So dürfen wir die Erwartung aussprechen, daß der Ruhm Linnes als Organisator der biontologischen Systematik noch fernere ungezählte Jahrhunderte überdauern wird. Von der Universität Uppsala ist daraufhin folgendes Dank- schreiben gesandt worden: (Sigillum Academiae LTpsaliensis Gratiae veritas naturae) Omnibus, quicumque in feste Linnaeano bisaeculari, quod nuperrime celebravimus, universitatem nostram tot ac tantis benevolentiae humanitatis- que documentis prosecuti sunt, gratias quam maximas ea qua par est observantia agimus. Dabamus Upsaliae m. Maio a. MCMVII. Universitatis Regiae Upsaliensis nomine J. H. Emil Schuck Johan v. Bahr Rector. Secretarius. XXVI Bericht über die 5. Hauptversammlung der Vereinigung. Um 3'/2 ^^hr erhält das \\'ort Prof. Dr. G. Volkcns-Dahlem zu einem Vortrage Die botanische Zentralstelle für die Kolonien, ihre Zwecke und Ziele (s. S. 32 — 48). Zu diesem Vortrage machte in der Sitzung am Mittwoch Vor- mittag Prof. Dr. 0. Wai'burg-BerUn folgende Erwiderung: Der Vor- tragende hat sein Befremden ausgedrückt, daß in dem Vortrage über „Tropische Landwirtschaft" die Botanische Zentralstelle für die Kolonien am Botanischen Garten in Dahlem nicht erwähnt worden ist. In dem genannten Vortrage wurde ein ganz allgemeines Thema behandelt, und es war die Aufgabe, klarzulegen, wie' wichtig ein solches Institut für die tropische Landwirtschaft ist. Eine Kritik der bestehenden Institute ist dabei nicht unternommen worden. Es hätten nicht nur die Botanische Zentralstelle, sondern auch noch andere Institute genannt werden müssen, z. B. das Pharmakognostische Institut, das Zoologische Museum, die Abteilung des Geologischen Instituts, das Landwirtschafthche Institut in Halle, das Bodenproben untersucht, die Kolonialschule in Witzenhausen, das Orientalische Seminar, die alle bestrebt sind, einige der sich fühlbar machenden Lücken auszufüllen. Was die Botanische Zentralstelle be- tritft, so ist es eine allgemeine Zentralstelle für alle botanischen Fragen der Kolonien. Dazu würden zwar auch botanisch-landwirtschaft- liche Fragen gehören; sie würden aber nur einen Teil der Tätigkeit eines allgemein landwirtschaftlichen Institutes ausmachen, und selbst wenn dieser Teil der Botanischen Zentralstelle genommen würde, so bliebe ihr doch noch eine ganz erhebliche Tätigkeit, nämlich die ganze wissenschaftlich botanische Erforschung der Kolonion. Ich würde eine Angliederung des Landwirtschaftlichen Institutes an das Botanische Institut in Dahlem schon deshalb für verkehrt halten, weil dieses Institut ein preußisches und keine Reichsanstalt ist, noch mehr aber deshalb, weil es verkehrt wäre, ein allgemein landwirtschaftliches Institut an ein Institut einer einzelnen Wissenschaft anzugliedern. Als unsere heimische Landwirtschaftslehre als eine besondere Technik eine größere Ausdehnung erhielt, wurden für sie besondere landwirtschaftliche In- stitute geschaffen, und so muß es auch bezüglich der tropischen Land- wirtschaft sein. Wo aber soll ein solches Institut seinen Anschluß finden? Ein Anschluß an das Orientalische Seminar ist aus verschiedenen Gründen nicht möglich, eine Angliederung an die Kolonialschule in Witzenhausen ist wegen deren abgelegenen Lage nicht ratsam; eher noch könnte es zweckmäßig sein, sie an die Landwirtschaftliche Hoch- schule in Berlin anzugliedern, aber auch dies hat seine Bedenken. Es Diskussion: Die botanische Zentralstelle für die Kolonien nsw. XXV^II ■erscheint hingegen als das Natürlichste, sie an die Kaiserliche Biologische Anstalt für Land- und Porstwirtschaft in Dahlem anzugliedern. Die landwirtschaftlichen kolonialen Fragen würden in diesem Institut be- arbeitet werden, die botanisch-wissenschaftliche Tätigkeit müßte in der Eotanischen Zentralstelle bleiben, auch die Verteilung von Saaten an die Kolonien und die Anzucht der Pflanzen für die Kolonien könnte man bei der Zentralstelle lassen, oder man könnte vielleicht auch die An- zucht der Arten von Kulturpflanzen dem botanischen Institut lassen, dagegen die Züchtung von Varietäten und Sorten der Kulturpflanzen als zu speziell der zu entwickelnden landwirtschaftlichen Abteilung überlassen. Die botanischen Institute geben sich ja auch bei den heimischen Kulturpflanzen sehr wenig mit der Anzucht und der Klassifizierung der Sorten und Varietäten ab, das tun vielmehr die landwirtschaftlichen Stationen, während umgekehrt die Bearbeitung der Arten der heimischen Kulturpflanzen durch die botanischen In- stitute besorgt wird. Wie für die hiesige Landwirtschaft, so denke ich mir die Portentwickelung auch für die tropische Landwirtschaft, iUnd es erscheint mir notwendig, daß dieser Schritt möglichst bald gemacht wird. Wenn man die tropische Landwirtschaft bei einem wissenschaft- lichen Institute läßt, so werden die wissenschaftlichen Arbeiten dieses Instituts durch die sich stetig vermehrenden praktischen Aufgaben unterdrückt, und das dürfen wir vom wissenschaftlichen Standpunkte aus nicht zulassen. Wenn hingegen ein besonderes Institut für tropische Landwirtschaft geschaffen wird, so kann die Botanische Zentralstelle sich ihrer Hauptaufgabe, der wissenschaftlich-botanischen Erforschung ■der Kolonien um so intensiver widmen. Ich möchte wünschen, daß sich die Botanische Zentralstelle nach dieser Richtung so weit wie möghch entwickelt; und dazu kann eine Entlastung von zu sehr in die Praxis gehenden Arbeiten nur zweckdienlich sein. Volkens: In seinem Vortrage hat Prof. War bürg gesagt, daß •es in Deutschland nichts gäbe als einen Experten für tropische Pflanzen- pathologie an der Biologischen Anstalt, an den Museen einige Sach- verständige für tropisch- landwirtschaftliche Fragen der beschreibenden ^Naturwissenschaften und auch einige Personen an landwirtschaftlichen Instituten, die sich auch mit Fragen der tropischen Landwirtschaft be- fassen. Warburg und ich stehen auf einem grundsätzlich verschiedenen Standpunkte. Er wünscht ein Institut in Deutschland, ich deren mehrere in unseren Kolonien, Die botanischen Gärten in unseren Kolonien müssen zuerst ausgebaut werden. Was hier geleistet werden kann, ist vorzugsweise Arbeit am grünen Tisch. XXVIII Bericht über «iie 5. Hauptversammlung- der Vereinigung. ^^'a^bur^: Ich habe in meinem vorjährigen Vortrage durchaus betont, daß es von Wichtigkeit sei, in den Ivolonien solche Institute zu haben. Für diese Bestrebungen ist aber in Deutschland eine Zentrale nötig. Auch für die anderen Stellen muß eine Zusammenfassung ge- schaffen werden. Gerade bei technischen Fächern ist ein Zusammen- arbeiten erforderlich. Es ist z. B. jetzt eine neue Entfaserungsmaschine gebaut worden, die in Magdeburg geprüft werden soll. Da niemand anders da ist, muß ich, obgleich nicht im geringsten fachkundig, hin- fahren, um die Maschine mitzuprüfen. Ganz anders wäre es, wenn ein Institut vorhanden wäre, an dem Fachleute der verschiedenen Gebiete arbeiteten, und wo dann solche Fragen, die sehr häufig vorkommen, in ganz anderer Weise als es jetzt möglich ist, fachmännisch bearbeitet werden könnten. Volkeiis: Der Umfang einer solchen Zentralstelle würde sehr groß werden. Sie hätte nicht nur Fasermaschinen zu prüfen, sondern noch tausend andere, sie hätte eine Unzahl von Fragen zu lösen, die mit der Erzeugung und Verarbeitung tropischer Produkte in Beziehung- stehen. Es würde eine Anstalt worden, die man sich nach Raum und Personenzahl gar nicht zu denken vermag. Auch ich wünsche eine Zentrale für unsere kolonialen Gärten, aber diese hat nur Auskunfts- stelle zu sein, die sich mit anderen schon vorhandenen Auskunftsstelion, mit schon vorhandenen zahlreichen wissenschaftlichen Instituten, mit Großfirmen und Großindustriellen bei Bedarf in Verbindung setzt. Sie braucht Fachleute nicht erst anzustellen, sie findet sie im ausreichendsten Maße in Deutschland vor. Von 4 Uhr 20 Min. bis 4 Uhr 50 Min. spricht Korpsstabsapotheker a. D. L. Berne^'aii-Berlin über: 1. Die Kolanuß als tropische Kulturpflanze (s. S. S6 — 95), 2. Akklimatisationsversuche mit Süßkartoffeln (s^ S. 96-99). 3. Die Vorwertung der Samen von Parkia africana (s. S. 100-101). In der Diskussion bemerkt Prof. Dr. Volkeiis-Dahlem: Es erscheint kaum zweifelhaft, daß man Süßkartoffeln bei uns züchten und zur Reife bringen kann. Schwierig ist es, die Knollen von einem Jahr in das andere zu bringen; sie im Winter frisch zu erhalten, ist noch nicht gelungen. Möglicher- weise kann man ein günstiges Resultat durch Einbetten in Torfmull erzielen. Diskussion: Akklimatisationsversuehe mit Süßkartoffeln. XXIX Apotheker Dr. Hiiiiiel>erg-Altona: Vielleicht kann man die Über- "svinterung auch dur.ch trockenen Sand erreichen. So aufbewahrte ■Curciima-Rhizome keimten im nächsten Jahre aus. Beriie^aii: Prof. Schweinfurth hat mit Erfolg einen Versuch, gemacht, Früchte, z. B. Apfelsinen, nach Sokode im Hinterland von Togo an Dr. Kersting zu senden, indem er die Früchte in Torfmull ver- packte. Ich habe frische Kolanüsse in Torfmull aufbewahrt. Dabei schrumpften die Nüsse ein. da durch den Torfmull den Nüssen die Feuchtigkeit entzogen wurde. Praktische Versuche betreffend Einbetten der Süßkartoffeln in Torfmull sind zum Studium der Frage zweifellos empfehlenswert. Da der Torfmull voraussichtlich den Süßkartoffeln Feuchtigkeit entziehen und dadurch ein Nährboden für Schimmelpilze geschaffen wird, würde der Torfmull zweckmäßig mit Formaldehyd zu .präparieren sein. Nach Ansicht von Hofgartendirektor Graebener in Karlsruhe emp- fehlen sich die Kulturversuche mit Süßkartoffeln in Deutschland nur für Herrschaftsgärtner, übeihaupt nur als Gartenversuche, wo Warmhäuser für die Überwinterung der Knollen zur Verfügung stehen. Schluß der Sitzung 5 Uhr. Nach der Sitzung begaben sich die Teilnehmer mit der Straßen- bahn oder dem Dampfschiffe nach Loschwitz, um von dem Loschwitz- berge die herrliche Aussicht auf Dresden und Umgebung zu genießen. Einige Mitglieder hatten sich der Exkursion der Vereinigung der systematischen Botaniker und Ptlanzengeographen nach Meißen ange- schlossen. Dienstag, den 10. September, Sitzung von 9 — 1 Uhr in der Technischen Hochschule, in der Themata über bodenbakteriologische Untersuchungen zum Vortrag angesetzt waren. Von 9^^ — 10^" trug zunächst Direktor Dr. L. Hiltiiei'-München vor: Neuere bodenbakteriologische Ergebnisse und Probleme (s. S. 170). In der Diskussion ergreift das Wort: Dr. B. Heiiize-Halle: Im Anschluß an die Ausführungen von Herrn Reg.-Rat Dr. Hiltner über das bakteriologische Verhalten von Gemischen verschiedener Erden hinsichtlich ihres Keimgehaltes usw. mögen einige Beobachtungen mitgeteilt werden, die in Halle über feuchte (frischa) und trockene (besonders lufttrocken gewordene) Erden in bakteriologisch- chemischer Hinsicht gemacht worden sind. Nach diesen zeigen feuchte XXX Bericht über die 5. Hauptversammlung der Vereinigung. und trockene Erde ein und desselben Bodens in gewisser Beziehung ein ähnliches Verhalten wie die erörterten l-]rdgemische.. Es konnte nämlich von mir zunächst die Beobachtung gemacht werden, daß beim Impfen von Zuckerlösungen mit Erde fast regelmäßig die mit trockener Erdo angelegten Kulturen auffallend schneller in Gärung kamen als die mit feuchter Erde. Weiterhin zeigten sich die Kulturen mit Trockenerde im allgemeinen auch immer viel gärkräftiger als die Kulturen mit den entsprechenden Frischerden. Bei späteren Versuchen konnte übrigens ein entsprechendes ähnliches Verhalten auch noch dann beobachtet werden, wenn Gemische von trockener und frischer Erde verwandt wurden. Da diese Beobachtungen und Untersuchungen eine allgemeinere Gültigkeit der bekannten Remy sehen Bodenbeurteilungsmethoden frag- lich erscheinen ließen, wurde Herr Dr. Rahn veranlaßt, der Ursache jenes Verhaltens näher nachzuforschen. Aus seinen weiteren Beob- achtungen und Untersuchungen ergibt sich dann auch in jedem Falle, daß eine trockene Erde etwa um 20^^/o wirksamer ist als die entsprechende feuchte Erde, d. h. sie bildet in Zuckerlösungen etwa 20°/o mehr organische Säuren, in Zuckerlösungen mit Kalk ca. 20^ Iq mehr COg, in Peptonlösungen und Harnstofflösungen ca. 20°/o mehr Ammoniak. Zur Erklärung dieses Verhaltens sind von Herrn Dr. Rahn mannigfache Versuche angestellt worden. Diese verschiedenen Er- klärungsversuche haben freilich noch kein positives Resultat ergeben; immerhin interessieren vielleicht die bisher erhaltenen, wichtigsten Unter- suchungsergebnisse, die in folgende Sätze zusammengefaßt werden können'): Eine bei Zimmertemperatur getrocknete Erdprobe bewirkt gewisse bakterielle Zersetzungen schneller als die unter sonst gleichen Bedingungen feucht gehaltene Vergleichsprobe und auch schneller als die feuchte Muttorerde. Dies wurde durch viele Versuche über Säurebildung in Zuckerlösung, Kohlensäureentwickelung in Zuckerlösung mit kohlensaurem Kalk, Ammoniakbildung in HarnstofI'- und Peptonlösung nachgewiesen. Der Unterschied zwischen trockener und feuchter Erde war am stärksten bei Gartenerde (etwa 60 "/(,), geringer bei Lauchstedter Erde (etwa 10 bis 30 "/o). bei Cunrauer Sandboden gar nicht vorhanden. Die ver- schiedene Schnelligkeit des Trocknens hat nur einen geringen Einfluß auf die Größe der Differenz. Die Keimzahl einer Erde^) wird durch das Trocknen stets verringert; der Unterschied kann hierdurch also 1) 0. ß,ahn. Bakteriologische Untersuchungen über das Trocknen des Bodens. (Centralbl. f. Bakt., Abt. II, Bd. XX, 1907, S. 38—61 m. 1 Tai) 2) Dieser Satz ist im allgemeinen natürlich nur bezüglich der sog. gela- tinewüchsigen, insbesondere der aeroben Organismen gültig. Diskussion: Neuere bodenbaktoriologische Ergebnisse und Probleme. XXXI nicht erklärt werden. Der Unterschied beruht nicht auf physikaUschen Eigenschaften, da sowohl die in Vv'asser verteilten Erdproben wie die Filtrate den Unterschied zwischen trocken und feucht deutlich zeigen. Eine stärkere Aufschließung von Bodenbestandteilon kann nicht zur alleinigen Erklärung dienen, da bei reichlichem Zusatz von Kaliphos- phaten und Asparagin der Unterschied erhalten bleibt; auch der ver- schiedene Salpetergehalt der Erden bewirkt nicht die Unterschiede. Die Substanz, welche diese Unterschiede bewirkt, ist kochfest und durch Filtrierpapier filtrierbar. Es ist unentschieden, ob es sich um eine Hem- mung durch die feuchte Erde oder um eine Beschleunigung durch die trockene Erde handelt. Trockene Erde verliert nach dem Anfeuchten schon in 24 Stunden den größten Teil ihrer intensiveren Päulniskraft und unterscheidet sich bald gar nicht mehr von der feuchten Original- erde. Senfpflanzen wuchsen in trocken gewesener Erde besser als in dauernd feucht gehaltener. Es ist aber nicht sicher, ob dieser Unter- schied nicht vorwiegend auf Kosten des verschiedenen Salpetergehalts zu setzen ist. Manche Versuche von Herrn Dr. Rahn sprechen allerdings be- sonders gegen die Möglichkeit bzw. Wahrscheinlichkeit, daß Mineral- stoffe und N-haltige Substanzen aus trockener Erde auffallend leichter in Lösung gehen als aus feuchter, frischer Erde (und zwar zum großen Teile aus Zellen von Pflanzenresten, ferner aber auch aus abgetöteten niederen tierischen und pflanzlichen Organismenzellen), und damit natür- lich' auch gegen die Wahrscheinlichkeit, daß die erwähnten Unterschiede im Verhalten dieser Erden auf diese Weise ihre teilweise Erklärung finden könnten. Nach neueren weiteren Beobachtungen wird man jedoch in vielen Fällen mit einer solchen verstärkten Aufschließung von Boden- bestandteilen tatsächlich rechnen und sie zur teilweisen Erklärung des ver- schiedenen Verhaltens der genannten Erden heranziehen müssen. Dr. H. Fischer-Berlin: Die Erklärung für die Erscheinung beruht darauf, daß sich beim Eintrocknen des Bodens Sporen bilden. Dr. K. Störmer-Halle: Es ist schon von Pickendey und Buhlert nachgewiesen, daß beim Eintrocknen der Erde der Salpetergehalt zu- nimmt. Ich kann dies nur bestätigen. Wenn ein und derselbe Boden in natürhcher Feuchtigkeit und im eingetrockneten Zustand untersucht wird, so enthält er im letzteren Falle, auf dieselbe absolut trockene Bodenmenge berechnet, mehr Ammoniak- und Salpeterstickstoff. Der Rückschluß auf die Verhältnisse im Ackerboden ist daher nicht ohne weiteres zulässig. Hiltiier: Ich kann dies durchaus bestätigen. Unser Chemiker, Herr E>r. Stiehr, hat sich in den letzten Jahren viel mit der Bestimmung XXXll Bericht über die 5. Hauptversammlung der Vereinigung. des Nitrat- und Ammoniakstickstoffs im Boden beschäftigt und dabei feststellen können, daß die übliche Bestimmung des Salpetergehalts im Boden meist zu hohe Resultate liefert, weil bei ihr die Erde erst luft- trocken gemacht werden muß, wobei eine Zunahme des Salpeterstick- stofts erfolgt. Selbst bei der Entnahme im feuchten Zustande voll- kommen salpeterfreier oder mindestens auf Salpeter nicht reagierender Böden ergaben sich nach dem Trocknen doch gewisse Salpetermengen. Herr Dr. Stiehr hat daher eine andere Methode der Salpeterbestimmung ausgearbeitet, über die Näheres noch veröffentlicht werden wird. H. Fischer-Berlin: Die Wirkung des Schwefelkohlenstoffes auf Boden und Ernten ist nur biologisch zu erklären. Unter natürlichen Umständen findet im Boden nur eine sehr langsame Mikrobenvermehrung statt; Sporenbildner werden vielfach nur als Sporen vorhanden sein, andere in weniger widerstandsfähigen Dauerzuständen, wohl auch ± mit Reservo- stoffen erfüllt, in denen organische Substanz festgelegt ist. Künstliche Kulturen geben nur ein schwaches Abbild des zu vermutenden natür- lichen Verhaltens. Bei Zuführung von Schwefelkohlenstoff" werden zahl- lose minder widerstandsfähige Zellen getötet, ihre Substanz wird von den Überlebenden verarbeitet, die sich nun ganz gewaltig vermehren^ wie die Hiltn ersehen Versuche ja deutlich zeigen. Bei solch reger Bakterientätigkeit wird viel organische, insbesondere stickstoff'haltige Substanz, die festgelegt war, mobil gemacht — so erklärt sich unge- zwungen die von verschiedenen Seiten übereinstimmeiid gemachte Be- obachtung, daß die Schwefelkohlenstoffwirkung eine Stickstoffwirkung ist. Diese Auffassung wird ganz wesentlich gestützt durch die bisher nicht genügend gewürdigte Peststellung von Moritz und Scherpe, daß Schwefelkohlenstoff keine besondere Wirkung mehr hervorbringt in einem zuvor durch heiße Dämpfe sterilisierten Boden. Stornier: Ich ersuche, die Diskussion über die Schwefelkohlen- stoffwirkung bis nach meinem Vortrage zu vertagen. Hiltiiei": Es ist sicher, daß die Schwefelkohlenstoffwirkung, wie ich dies auch schon selbst ausgeführt habe, zum Teil darauf beruht, daß durch Abtötung von Organismen die in diesem festgelegten Stoffe, namentlich Stickstoff", wieder in den Kreislauf einbezogen und dadurch den Pflanzen bzw. anderen Organismen zugänglich gemacht werden. Daß aber daneben auch die Beseitigung der von mir als Hemmungs- stoffe bezeichneten Körper eine Rolle spielt, dürfte außer aus den in meinem Vortrag vorgebrachten Gründen gerade daraus hervorgehen, daß es eine spezifische Wirkung des Schwefelkohlenstoffs und mancher anderer Gifte ist, Bakteriensporen in Nährlösungen, in denen sie auch bei Zusatz neuer Nährstoffe sich passiv verhalten, zur Keimung zu veranlassen. Diskussion: Wirkung des Schwefelkohlenstoffs auf den Boden. XXXTll Vorsitzender Prof, Dr. Zacliarias: Es wird sich empfehlen, die ge- samte Diskussion auf den Schluß des Vortrages von Dr. Störmer zu vertagen. Von lÜ^*^ — 11°*^ spricht Dr. J. Simon-Dresden unter Vorführung von Pormalinpräparaten, Photographien und Tabellen über Die Widerstandsfähigkeit der Wurzelbakterien der Leguminosen und ihre Bedeutung für die Bodenimpfung (s. S. 132-160) und von 11°° — 12*'^ Dr. K. Störmer-Halle über E)ie Wirkung des Schwefelkohlenstoffs und ähnlicher Stoffe auf den Boden (s. S. 113—131). An diese Vorträge schloß sich die folgende Diskussion. Hiltiier: Ich möchte zunächst meiner Freude darüber Ausdruck geben, daß die Ergebnisse, zu denen Herr Dr. Störmer gelangt ist, nachdem er das SchwefelkohlenstofTproblem für sich allein weiter be- arbeitet hat, mit den von uns in München gefundenen Resultaten in- sofern übereinstimmen, als in beiden Fällen die Aufschließung von fest- gelegtem Stickstoff als Hauptursache der Wirkung des Schwefelkohlen- stoffs ermittelt wird. Der Unterschied zwischen seinen und meinen Aus- führungen besteht nur darin, daß ich mich nicht darauf beschränkt habe, eine Erklärung für die durch den Schwefelkohlenstoff bewirkte Erhöhung der Fruchtbarkeit der Böden zu geben, sondern daß ich alle bekannten Wirkungen des Schwefelkohlenstoffs, insbesondere auch die auf die Bodenmüdigkeit sich erstreckenden, mitberücksichtigt habe. Bereits in meinem Vortrag habe ich darauf hingewiesen, daß gerade in dieser Richtung der Schwefelkohlenstoff z. B. in der Pfalz schon aus-, gedehnte Verwendung findet; allein im Weinbaugebiet von Deidesheim sind nach glaubwürdigen Mitteilungen im Jahre 1905 von einem Händler 45000 kg Schwefelkohlenstoff an Winzer verkauft worden, nicht etwa zur Vertilgung der Reblaus, die dort gar nicht vorhanden ist, sondern zur Behebung von Bodenmüdigkeitserscheinungen. Ich glaube aber nicht, daß sich diese außerordentliche Wirkung des Schwefelkohlenstoffs in Weinbergsböden durch die von Herrn Dr. Störmer vertretene Auf- fassung allein erklären läßt. Für ausgeschlossen halte ich dies bei jenen eigentümlichen Erscheinungen und Wirkungen, die wir bei den Versuchen über die Erbsenmüdigkeit des Bodens beobachten konnten. An diesen Versuchen hat ja Herr Dr. Störmer, solange sie in Dahlem ausgeführt wurden, selbst teilgenommen. Aber selbst wenn wir nur die Frage der Erhöhung der Fruchtbarkeit durch den Schwefelkohlen- stoff ins Auge fassen, so reicht die Erklärung Störmers nicht aus angesichts der von uns festgestellten Tatsache, daß der Schwefelkohlen- JaUresbericlit der Vereinigung- für angewandte Botanik V. JXX XX.\1\ iJericlit über die 5. Hauptversaninilung- der Vereinigung. Stoff auch bei unseren mit Ziegelmehl ausgeführten Versuchen wirkte, bei denen von Aufschließung des Stickstoffs durch Abtötung von Orga» nismen nicht die Rede sein konnte. \\'orin die Stör morsche und meine Erklärung für die \\'irkung des Schwei'olkohlenstoffs auf die Fruchtbarkeit des Bodens sich unter- scheiden, möchte ich in einem Beispiel dartun. In Vorträgen oder Unterhaltungen, in denen die Schwefelkohlenstofffrage erörtert wurde, habe ich schon gelegentlich die Beeinflussung der verschiedenen Gruppen und Arten der Bodenorganismen durch den Schwofelkohlenstoff ver- glichen mit jener, die ein verheerender, nicht allzulang andauernder Krieg hervorbringt, indem er auf Kosten Tausender, die ihm zum Opfer iallen, den Völkern neuen Antrieb zur größten Entfaltung ihrer Energie gibt. Ist nun diese schon so oft beobachtete günstige Wirkung eines Krieges oder auch einer andern schweren Heimsuchung eines Volkes lediglich die Folge davon, daß er große Opfer an Menschenleben fordert, oder ist nicht vielleicht mehr der Umstand in Betracht zu ziehen, daß der Krieg jene Hemmungen aller Art wie mit einem Schlag beseitigt, die sich allmählich bei einem allzulange währenden und mindestens bei einem sonst nicht sehr tätigen Volke im gesamten öffentlichen Leben in immer größerem Maße einstellen? Zu den Ausführungen des Herrn Dr. Simon möchte ich bemerken, daß mit den Moor eschen Bakterien in überaus zahlreichen Fällen Ver- suche im Vergleiche zu den von uns gelieferten Kulturen von KnöUchen- bakterien ausgeführt worden sind. Es ist mir aber kein einziger solcher Versuch bekannt geworden, bei dem die mit so vieler Reklame ange- priesenen amerikanischen Kulturen besser gewirkt hätten: meist haben sie sogar vollständig versagt. Für die Beobachtungen des Herrn Dr. Simon an Serradella scheinen mir auch andci-e Erklärungsmöglichkeiten gegeben. Don Bakterien bei der Samenimpfung keine Nährstoffe beizugeben, dürfte sich, solange Gelatine- oder Agarkulturen verwendet werden, auf manchen Böden doch sehr schwer rächen, wie auch Herr Dr. Störmer bestätigen wird. Es hat sich wenigstens auf den weit verbreiteten EU- 4uvialböden Norddeutschlands diese Beigabe bei den Sojaversuchen als unerläßlich erwiesen. Dafür, daß die Samenausscheidungsstoffe sehr s-chädlich auf Knöllchenbakterien wirken, haben wir in München erst in diesem Jahre wieder neue Beweise erlangt bei Versuchen, die wir mit Serradella ausführten. Auf vielen Böden allerdings ist die Beigabe von Nährstoffen, wie ich schon selbst ausführte, nicht notwendig, ja unter Umständen sogar eher schädlich. Ich darf hier gleich hinzufügen, daß wir vom nächsten Jahre ab auf Grund unserer Versuche die Kulturen Diskussion: Wirkung des Schwefelkohlenstoffs auf den Boden. XXXV in anderer Form für Impfzwecke abgeben werden, so daß die Frage der Beigabe von Nährstoffen überhaupt nicht mehr in Betracht kommen wird, Prof. Dr. A. Fischer-Basel: Die Wirkung des Schwefelkohlenstoffs läßt vormuten, daß die Tötung der Bakterien, anderer Mikroorganismen und Tiere zu einem Prozeß führt, der als Autolyse lange bekannt ist. Die überlebenden Enzyme zerlegen die abgestorbene Körpersubstanz unter sehr intensiver Entwickelung von löslichen Siickstoffverbindungen. Für eine solche Auffassung spricht die anfangs beträchtliche Steigerung von Ammoniak, der aus tryptischen und autolytischen Zerlegungen der Pro- teinsubstanzen stammen diirfte, und ferner, daß im sterilisierten Boden diese Wirkung nicht eintritt. Die löslichen Produkte der Autolyse befördern die Auskeimung der nicht getöteten Sporen, deren Keimlinge reichlicheres Nährmaterial als im nicht mit CS2 behandelten Boden vorfanden und die noch übrigen Reste der abgestorbenen Organismen angreifen. Der Erntegewinn würde erst eine tertiäre Wirkung dos Schwefelkohlenstoffs sein. Graf Ariiiiii-Sclilag-eiithiii : Ich möchte mir die Frage erlauben, in welcher Weise und in welchen Mengen der Schwefelkohlenstoff verwendet werden muß, um wirksam zu sein"? Ich treibe in sehr großem Umfange Kartoffelkultur und Kartoffelhochzucht, und es treten nun auf meinen Versuchsfeldern eine große Menge von Schädlingen, wie Engerlinge, Drahtwürmer, Springschwänze, Erdraupen usw., schädigend auf. Es ist für mich als Züchter sehr wichtig, einwandfrei die Ertragsfähigkeit der einzelnen Sorten prüfen zu können, und da sind nun natürlich die Einwirkungen der verschiedenen Tiere im Boden in hohem Maße hinder- lich. Da sie nicht gleichmäßig verteilt sind, vielmehr von Versuchs- parzelle zu Versuchsparzelle in verschieden starkem Maße auftreten, fälschen sie die Ergebnisse der Versuchsanstellung in sehr unangenehmer Weise, und es ist sehr schwer, den Reduktionsfaktor zu finden, durch den diese ungleichmäßige Einwirkung rechnungsmäßig beseitigt werden könnte. Ich bin nun auf den Gedanken gekommen, mit Schwefel- kohlenstoff die Vernichtung der Insekten zu versuchen, um so diesen Faktor, der neben manchem anderen die Versuchsresultate fälscht, mög- lichst zu eliminieren. Im großen Betriebe ist nun die Arbeit mit Schwefel- kohlenstoff recht umständlich und kostspielig. Ich habe die Sache bis- her in der Weise ausführen lassen, daß ich in Abständen von 50 cm Löcher in den Boden stoßen ließ, in welche Schwefelkohlenstoff mit einem geeigneten Apparat, der jedesmal 10 oder 20 ccm entläßt, gefüllt wurde. Es wäre mir nun sehr wichtig zu erfahren, welche Mengen nach anderweitigen Versuchen zu verwenden sind, in welcher Entfernung. Tiefe und Verteilung die Löcher am zweckmäßigsten gemacht werden^ XXX\ I l^ericht über die 5. Hauptversammlung der Vereinigung. und welche anderweitigen Versuche bereits vorliegen. Der Schwefel- kohlenstoff soll eine düngerartige, das Pflanzenwachstum stark anregende Wirkung ausüben. Diese Wirkung ist wahrscheinlich auf verschiedenen Böden schon deshalb \erschieden, weil der Schwefelkohlenstoff sich je nach der Bodenart verschieden verteilen wird. Da nun auf meinen ziemlich grolien Versuchsfeldern immer Verschiedenheiten des Bodens vorhanden sind, außerdem das Versuchsfeld jedes Jahr auf einem anderen Schlage sich befindet, so würden, wenn der Schwefelkohlenstoff auf ver- schiedenen Boden verschieden wirkt, durch die Verwendung von Schwefel- kohlenstoff die Versuchsergebnisse auf den einzelnen Parzellen wahr- scheinlich verschieden beeinflußt werden, somit an Stelle des einen Un- sicherheitsmoments, welches die Insekten bildeten, nunmehr das neue der verschiedenen Einwirkung des Schwefelkohlenstoffes treten, somit möglicherweise die Beurteilung des relativen Wertes der einzelnen Sorten wieder durch einen neuen Faktor erschwert werden. Ich wäre daher für alle Mitteilungen über die Anwendung von Schwefelkohlenstoff sehr dankbar. Stornier: Die Bodenmüdigkeitsfrage habe ich zunächst beiseite ge- lassen, weil es sich für mich darum handelte, erst einmal die Wirkung auf den normalen Ackerboden klarzustellen. Die Müdigkeitserschoinungen sind Vorgänge komplizierter Natur. Die erwähnte Autolyse mag wohl eine Nebenrolle spielen, aber die Vermehrung der Bakterien nach Schwefel- kohlenstoff behandlung tritt so schnell ein, daß wir mit deren Zersetzungs- fähigkeit in erster Linie zu rechnen haben. Selbstverständlich ist eine analytisch faßbare Menge der entstehenden Zersetzungsprodukte, nament- lich des Ammoniaks, erst nach Wochen zu erwarten, l^ntersucht man, wie ich es auch getan habe, ein und denselben Boden im unbehandelten und im karbosulfurierten Zustande kurze Zeit nach der Schwefelkohlen- stoffeingabe, etwa nach 4 Tagen, auf die Menge des in Form von Ammo- niak und Salpetersäure vorhandenen löslichen Stickstoffs, so ist diese nach so kurzer Frist selbstverständlich in beiden Fällen noch vollkommen dieselbe. Die Wirkung des Schwefelkohlenstoffs ist bekanntlich proportional der angewandten Menge, sie läßt sich aber schon bei 25 ccm pro 1 qm erkennen. Zur Abtötung von Drahtwürmern und anderen Bodenschäd- lingen müßten nach meinen Erfahrungen aber immerhin etwa 100 ccm pro 1 qm gegeben werden, unter günstigen Verhältnissen genügen aber vielleicht schon 50 ccm. Die Anwendung ist also vorläufig noch recht teuer. Die Wirkung tritt zwar auf jedem Boden ein, aber man beobachtet eine wechselnde Gi-öße derselben, die in erster Linie davon abhängt, Diskussion: Wirkung des Schwefelkohlenstoffs auf den Boden. XXXVII welche Bakterienarten zufällig zur Vermehrung gelangen: z. B. solche Arten, die Ammoniak freimachen, oder andere, die bei den Zersetzungs- prozessen gerade umgekehrt das Ammoniak festlegen. Es ist die Frage, ob die kürzere Zeit nach einer Schwefelkohlenstoff behandlung anfänglich zu beobachtende schädliche Wirkung auf nachgebaute Pflanzen nicht zum Teil auf die Festlegung des Stickstoffs zurückgeführt werden muß. Heiiize: Eine vermehrte Aufschließung, d. h. ein stärkeres Löslich- werden von Bodenstickstoff, welcher ev. wohl sicher zu einem recht beträchtlichen Teile aus den durch CSo abgetöteten niederen tierischen und pflanzlichen Organismen herstammt, ist auch schon von Prof. Krüger und mir als Schwefelkohlenstoffwirkung berücksichtigt worden. Es konnten nämlich neben bloßen Spuren von NHg in den unbehandelten Erden zu- nächst regelmäßig immerhin auffallende Mengen Ammoniak in den mit CSo behandelten Erden festgestellt werden. Weiterhin wurde von uns, zumal bei einer wiederholten CSg-Behandlung, längere Zeit hindurch eine voil- ständige Unterdrückung der Salpeterbildung beobachtet (Landw. Jahrb, 1907, Bd. XXX, S. 383 u. 889 und Centralbl. für Bakt., Abt. II. 1907, Bd. XVIII, S. 56). Nach meinen weiteren Beobachtungen und Unter- suchungen setzt jedoch späterhin in den behandelten Böden eine auf- fallend stärkere Salpeterbildung ein, was jedenfalls für eine vermehrte Auf Schließung von Boden-N als CSg-Wirkung spricht, wofern man nicht auch gleichzeitig zunächst mit einer gesteigerten N-Assimilation, einer Begünstigung der Entwickeln ng von Azotobakter und einer erst später erfolgenden langsamen oder schnelleren Überführung von Organismen- eiweiß in Salpeter rechnen muß. Auch bei späteren speziellen quantita- tiven Versuchen (Topfversuchen ohne und mit Zusatz besonderer N-hal- tiger Substanzen) konnte durch direkte Destillation in CSg-behandelter Erde ohne Zusätze weit mehr NH3 nachgewiesen werden als in der ent- sprechenden imbehandelten Erde. Wenn nun auch die Salpeterbildung je nach den verwandten CS.2 -Mengen kürzere oder längere Zeit im Boden unterdrückt wird, so ist dies bezüglich der Ammoniakbildung nach mancherlei quantitativen Versuchen sicher nicht der Fall; letztere wird vielmehr im allgemeinen immer schon kurz nach der Behandlung eine gewisse Steigerung erfahren. Auch wurde bei geeigneten CSg-Versuchen mit besonderen N-Zusätzen, z. B. in Form von Eiweiß, Pepton usw. zwar eine längere Unterdrückung der Salpeterbildung beobachtet, nicht aber der NHg-Bildung. CSo- Versuche mit Erden unter Zusatz von ]\Iassen- kulturen von Bodenorganismen, Pilzen, Algen, Azotobakter usw. sind im Gange. Neben der N-WMrkung muß aber auch nach meinen speziellen Untersuchungen als CS2-Wirkung eine zuweilen stärkere, zuw^eilen w^eniger starke Aufschließung von Mineralstoffen im Boden berücksichtigt XXXVllI Bericht über die 5. Hauptver.saminlung der Vereinigung. werden. Beim jetzigen Stande der mikrobiologischen Bodenliunde wird nun wohl mit Recht die von Dr. Störmer bezüglich der N-Wirkung als Folge einer CS2-Behandlung hervorgehobene direkte AufschlieOung von Boden-N in den Vordergrund gestellt werden müssen; dabei wird man aber manchmal auch eine bedeutend verstärkte N-Assimilation, eine vermehrte Festlegung von ungebundenem N der Luft durch Organismen- tätigkeit infolge einer CSs-Behandlung nicht außer acht lassen dürfen, zumal verschiedene A'ersuche (direkte N Bestimmungen) von Prof. Krüger und mir unter Umständom eine Zunahme an Gesamt-N bei CS^-behandelten Bracherden sehr wahrscheinlich machen. E)aß der — bei einer CS^-Behandlung manchmal eine autfallend starke Zunahme aufweisende — gesamtlösliche N (Amid-Ammoniak-N usw.) zum großen Teile aus Organismenleibern stammt, und daß d(^r X in CSg-behandelten Böden leichter aus den Organismenzellen in Lösung geht als in den entsprechenden unbehandelten Böden, dürfte wohl nach den näheren Ausführungen von Dr. Störmer als sicher gelten können. Der direkte Beweis an der Hand von Massonkulturen von Bodenorganis- men als Zusatz zu Böden, welche einmal ohne weitere Behandlung bleiben und dann mit CS2 behandelt werden, wie auch an der Hand der behandelten und unbehandelten Kulturen selbst, steht freilich zur Zeit noch aus. Als Beweis dafür können wir jedoch einen neuerdings schon von 0. Loew und K. Aso^) bekannt gegebenen Versuch heranziehen, bei welchem Bierhefemassenkultur mit CS2 behandelt wurde und alsdann die Menge der wasserlöslichen Stoffe mit derjenigen der unbehandelt gebliebenen Hefe verglichen wurde. Es wurden in den Extrakten der zum Versuch verwandten Hefemengen folgende Mengen bei CS2-behandelter bei unbehandelter Hefe Hefe (Kontroll hefe) . an Extraktivstoffen 2,962 g 0,411 g an Stickstoff 0,238 g 0,013 g gefunden. Hieraus folgt, daß die ursprünglichen Hefezellen (14,42 g Trocken- substanz) mit 8,70 "/q N durch Abtötung mittelst CSg 20,52 °/o ihrer Trockensubstanz und '/:, ihres Gesamt-N-Gehaltes verloren hatten, während die lebende unbehandelte Hefe in derselben Zeit und bei gleicher Tem- peratur (10 — 15°) nur 2,84 ^|^, ihrer Trockensubstanz mit nur 1,06 °/o des Gesamt-N abgegeben hatte. Weiterhin wurden auch die Unterschiede der ausgeschiedenen Minoralstoffe bestimmt. Es wurde aus 8,46 g Trockensubstanz mit 6,79 "/q oder 0,56 g Asche 1) 0. Loew u. K. Aso, On changes of avaUability of nitrogen iu soils I. (Bulletin of the College of Agriculture Imperial Universitj^ Tokyo, Vol. VII^ Nr. :}, 1!)07 u. Centralbl. f. Bakt.. Abt. 11, 1907. Bd. XX, S. 47). Diskussion: Wirkung des Schwefelkohlenstoffs auf den Boden. XXXIX bei behandelter Hefe 1,588 g Mineralstoffe mit 0,397 g Asche „ unbehandelter Hefe 0,217 g „ „ 0,051 g extrahiert. Hu^'o Fiselier-Berlin: Die Tatsache, daß ganz allgemein die Bak- terien Hemmungsstoffe bilden, i.?t durchaus feststehend. Fraglich ist nur, ob sie ebenso, wie in künstlichen Kulturen, auch im Boden zur Geltung kommen, oder, wie viele andere Stoffe, von den Bodenteilchen absorbiert werden. Ferner ist nicht unwahrscheinlich, da(3 in dem Durch- einander der Mikrobenvegetation des Bodens die Hemmungsstoffe gar nicht zur Anhäufung gelangen, vielmehr von dieser oder jener Art weiter verarbeitet werden, was besonders eintreten dürfte als Folge der zuvor betonten lebhaften Anregung der Wachstumstätigkeit. Auch hat sich gezeigt, daß ein durch Kochen oder Ausschütteln bereiteter Bodenauszug, künstlichen Nährböden zugesetzt, wachstums- fördernd, nicht hemmend wirkt. Übrigens haben Versuche mit ver- schiedenen im Autoklaven sterilisierten und mit Aufschwemmung von frischer Ackererde neu infizierten Böden ganz ähnliche Resultate in be- zug auf Bakterienvermehrung wie auf die „Fäulniskraft" der so be- handelten Böden ergeben, wie von der Schwefelkohlenstoffwirkung be- obachtet war. Hiltuer: Ich weiß meinen bisherigen Ausführungen über die Frage, ob Hemmungsstoffe im Boden sich geltend machen oder nicht und ob ein Teil der Schwefelkohlenstoffwirkung zurückzuführen ist auf seine Fähigkeit, dieselben direkt oder indirekt zu beseitigen, kaum etwas Neues mehr hinzuzufügen. Die Frage ist jedenfalls nicht so leicht zu beant- w^orten, als es vielleicht den Anschein hat. Ich habe hier nur meine Anschauungen zum Ausdruck gebracht und sie, so gut es eben ging, zu begründen und zu verteidigen gesucht. Die Zukunft wird ja lehren, wer schließlich recht behält. H. Fischer: Es hat mir fern gelegen, die Wirkung der Hemmungs- stoffe ganz zu leugnen: nur darf man dieselbe wohl auch nicht über- schätzen. Ein noch für den heutigen Tag auf der Tagesordnung stehender Vortrag von Dr. H ei nze- Halle mußte auf morgen vertagt werden. Am Nachmittage wurde gemeinsam mit der Vereinigung der syste- matischen Botaniker unter Führung von Geh. Hofrat Prof. Dr. Drude- Dresden ein Ausflug nach dem Königlichen Schloßgarten in Fi Unit z unternommen, wohin das Dampfschiff die Teilnehmer von Blasewitz aus brachte. Der Abend wurde in Kleinzschachwitz gegenüber Pillnitz zugebracht. XL Bericht über die 5. Hauptversammlung der Vereinigung. Mittwoch, den II. September, 9''' — 12^^ Sitzung in der Technischen Hochschule. Nach Erledigung einiger geschäftlichen Angelegenheiten spricht 92o_95o pr_ ß Heiiize-Halle über Neuere Beobachtungen über Serradella- und Lupinenanbau auf schwerem Boden (s. S. 161—199 u. Taf. I— IV). In der Diskussion ergreift das Wort Miltner: Der wesentliche Inhalt der Ausführungen war wohl zu- nächst der, daß es verhältnismäßig leicht ist, Serradella und Lupinen auf leichtem Boden gleich im ersten Jahre zu bestem Erfolge zu ver- helfen, während auf schwerem Boden große Hindernisse entgegenstehen. Das deckt sich auch mit allen Erfahrungen. Das Wachstum der Lu- pinen und Serradella auf schwerem Boden ist aber durch wiederholten Anbau direkt zu erzwingen. Von besonderem Interesse an den Ausführungen des Herrn Refe- renten ist seine Angabe, daß sich die Serradella als besonders gute Vor- frucht der Lupinen auf schwererem Boden erwiesen hat. Es dürfte dies einerseits durch die von uns festgestellte Tatsache, daß Serradella-, und Lupinenknöllchenbakterien nahe verwandtschaftliche Beziehungen zeigen, zu erklären sein, anderseits damit, daß bei der Pruchtfolge Serradella- Lupine auf die Lupine selbst keine ungünstigen Wirkungen sich geltend machen können, weil jene Bodenmüdigkeitserscheinungen nicht eintreten können, die sich zeigen, wenn diese Pflanzenart auf sich selbst folgt. Auf die Frage, warum die Serradella im ersten Jahre auf besseren und namentlich auf schwereren Böden nicht immer gleich gut wächst, mit der ich mich schon wiederholt auch in Veröffentlichungen beschäf- tigt habe, will ich hier nicht eingehen. Nur eine Tatsache, die vielleicht allgemeineres Interesse verdient, möchte ich im Zusammenhang mit ihr hier erwähnen. Wir haben nämlich verschiedene Lupinenarten, Serra- della und andere Leguminosen auf kleinen Parzellen im Gartenboden an- gebaut, der einen sehr hohen Gehalt an kohlensaurem Kalk besitzt. Die meisten Lupinenarten kamen auf diesem Boden überhaupt nicht zur Entwickelung und auch die Serradella stockte, nachdem sie sich einige Zeit gut entwickelt hatte, fast vollständig. Diese Entwicke- lungshemmungen ließen sich aber in überraschender Weise durch mehr- maliges Bespritzen mit '/2 bis l^/^iger Eisenvitriollösung beseitigen. In solchen Bespritzungen, die auch bei verschiedenen anderen Leguminosen von recht vorteilhafter Wirkung waren, dürfte somit ein Mittel gegeben sehi, den Anbau derartiger Pflanzen mindestens auf solchem Boden zu Demonstration von Schimmelpilzkulturen. XLI erzwingen, wo ein zu lioher Kalligehalt die Ursache ihres Mißratens oder ihrer minder guten Entwickelung ist. Heinze: Serradella ist nicht so empfindhch gegen Kalk wie Lupine. Durch stärkeren Humusgehalt wird gleichfalls das Wachstum hintenan gehalten. Außer Kalk müssen aber auch noch andere Ursachen heran- gezogen werden. Von 9°°— 10^2 hält Professor Dr. P. Liilduer-Berlin eine Demonstration von Schimmelpilzkulturen. Schon bei der vorjährigen Tagung in Hamburg hatte ich Ge- legenheit genommen, einige Schimmelpilzkulturen, die auf dünner Nähr- gelatine zur Entwickelung gebracht waren, vorzuführen. Wenn ich heute auf denselben Gegenstand zurückkomme, so geschieht dies aus dem Grunde, weil sich bei mir immer mehr die Überzeugung heraus- gebildet hat, daß diese Methode berufen sein dürfte, im Unterricht und in Schausammlungen zur Popularisierung der Schimmelpilzkunde erheb- lich beizutragen. Ich habe die Farbenpracht solcher Kulturen zum erstenmal zu beobachten Gelegenheit gehabt, als ich Anfang der 80er Jahre im Institut meines verehrten Lehrers Herrn Geheimrat Prof. Kny in Berlin über Epicoccum pmyurasceus arbeitete und zwecks näherer Untersuchung des roten Farbstoffes, den dieser interessante Pilz bildet, gezwungen war, eine große Zahl möglichst farbstoffergiebiger Mycelien zu züchten. Damals ging ich so vor, daß ich auf kreisrunden Glas- platten von erheblichem Durchmesser eine dünne Pflaumendekoktgelatine ausbreitete und das Sporenmaterial in der Mitte auftrug. 20 — 30 solcher Platten kamen, so geimpft, unter große Glasglocken. In den Glas- zylindern von ca 1 Liter Inhalt, in denen ich nunmehr solche Kulturen anzulegen pflege, ist die Gelatine sowohl während der Impfung als auch nachher viel besser vor Infektionen geschützt. Wie man sieht, vertragen diese Kulturen auch ganz gut eine weitere Reise; ferner sieht man nirgends durch Wasserkondensation am Glase das Bild beeinträchtigt, was bei allen Kulturen, welche auf dicker Schicht gewachsen und nur den Sporenrasen zeigen, unvermeidlich ist. Besagter Umstand macht die Rollkultur besonders geeignet für Aus- stellungszwecke. Als vor 2 Jahren in Berlin die große landwirtschaft- liche Ausstellung war, hatte ich vorzugsweise solche Rollkulturen, z. T. in besonders großen Gefäßen, ausgestellt, und ich hatte die Freude, daß angesehene Schulmänner sich ganz begeistert über die instruktive Pracht dieser Pilzgebilde äußerten. Auch da, wo ein Pilz früher oder später die Gelatine verflüssigt, fließt doch kraft der großen Adhäsion am Glase XLll Bericht über die 5. Hauptversammlung der Vereinigung. das Myoel nicht an demselben herab. Mit der Zeit, wenn durch Locke- rung des Verschlußwattepfropt'ens das Verdunsten der Feuchtigkeit all- mählich genügend vorgeschritten ist, haben wir fast ein Herbarexemplar vor uns von großer Dauerhaftigkeit. Ich besitze Kulturen seit 6 bis 7 Jaln'on, die sich fast unverändert erhalten haben. Allerdings sind das keine durch schöne Farben ausgezeichnete Pilze gewesen, denn die Farbstoffe leiden doch mit der Zeit; aber die ganze Struktur der Kolonie erleidet keine besonderen Änderungen. Nur ein Umstand kann dem ganzen Inhalt des GlasgcfäOes ge- fährlich werden: wenn dasselbe so auf den Tisch oder die Schrankplatte gelegt wird, daß die Gelatineschicht eine ungleiche Erwärmung bzw. Abkühlung erfährt. In diesem Falle fängt die Gelatine an abzublättern oder in einzelne Schollen zu zerfallen. Beiläufig erwähne ich, daß auch Hefen, namentlich die luftliebenden Kahm- und Mycelhefen prächtige Bilder und Dauorkulturen nach derselben Methode geben. Für ein Institut, das viele Besucher im Laufe des Jahres erhält, bieten solche Kulturen ein bequemes Demonstrationsmaterial, für das auch schnell das Verständnis gefunden wird. Gerade im Hinblick auf diesen Umstand habe ich mir die Frage vorgelegt, ob es denn nicht am einfachsten wäre, diese Prachtkulturen geradezu als Nummern unserer Kulturensainmlungen einzurichten und von ihnen aus die neuen Ab- impfungen zu machen. Solange man den Pilz in der Peripherie noch wachsen sieht, ist man sicher, noch mit Erfolg überimpfen zu können. Ich will mich nicht darauf einlassen, die einzelnen Arten, die ich mir hierher habe schicken lassen — die Kulturen sind während meines Urlaubs von meiner Assistentin Fräulein Dr. Knie- schewsky angelegt worden — näher zu erläutern; zum Teil sind die Arten selbst noch gar nicht bestimmt worden : wir haben uns vorläufig nur an ihrer h'arbenpracht ergötzt und führen sie nur derentwegen weiter. Ich greife nur die Namen einiger technisch wichtiger Arten heraus: Mo)iascus purpui-ciis, Aspci'gillus Oryzae, der jüngst von mir entdeckte Endonnjcv.-! fibu/if/er, der Weinbuketschimmel Sac/t.sia .nia- veohnts, die Mojiüia variahilis, die Moi/Jlia Candida, der Stärkever- zuckerungspilz Ami/lomyces- Boux'f'i. Ich gebe mich der angenehmen Hoffnung hin, daß bei der Billigkeit der Rollzylinder (pro Stück ca. 40 bis 60 Pf.) und bei der leichten Ausführbarkeit der Kultur allenthalben von derselben Gebrauch gemacht werden möge. Sie zeigt uns, wie der Pilzorganismus, auch von der Wurzelseite betrachtet, in hohem Grade interessant werden kann. (Lindner.) In der Diskussion fragt Heilize: Wie lange halten sich die Farben in den Kulturen? Diskussion: Scliimmelpilzkultuieii. — Neue Beispiele f. Paithenokaipie. XLUi Liiidiier: Das wechselt mit der Art und mit dem jeweiligen phy- siologischen Zustand der Kultur. Der eine der ausgestellten Schimmel- pilze stammt von den Rieselfeldern bei Charlottenburg. Er hatte ein penseefarbiges Zentrum gebildet, während der scharf davon abgesetzte Rand gelb gefärbt war. Mit der Zeit ist die scharfe Grenze ganz ver- schwommen und eine Mischfarbe daselbst entstanden. Im allgemeinen wird man sagen können, daß 4 — 6 Wochen lang die Kulturen den Reiz der Jugendfrische bewahren, dann erst welken die Farben etwas ab. Von 10^5— lU^*^ führt sodann Dr. I{. Ewert-Proskau vor Neue Beispiele für Parthenokarpie (s. S. 83 — 85). Geheimrat Prof. Dr. Wittiiiack- Berlin fragt, wie lange es dauert, bis die Regeneration der Narbe eingetreten sei, und ob eine derartige Narbe auch noch Bedeutung für die Befruchtung haben könne. Ewert: Die Regeneration der Narbe dauert etwa 8 Tage. Ob die regenerierte Narbe noch für die Befruchtung in Betracht kommen kann, konnte noch nicht entschieden Averden. Ein in dieser Richtung ange- stellter Versuch mifilang, da die Blüte bei der außerordentlich warmen Witterung im Frühjahr 1907 zu schnell verging. Dr. H. Fischer-Berlin: Eine Regeneration ist nach dem Abschneiden der Narbe nicht nötig. Strasburger hat gezeigt, daß die Pollenkörner auch auf der Schnittfläche keimen und die Schläuche in den Frucht- knoten eindringen. Ewert: Auf unserer Versammlung in Hamburg waren Zweifel aus- gesprochen worden, daß Pollenschläuche in die Schnittfläche der Griffel einzudringen und auch die Befruchtung zu vollziehen vermögen. Ich habe indessen damals in Übereinstimmung mit Prof. Zacharias diese Möghchkeit betont. Auch bei den alten Versuchen von Gärtner trat trotz Wegschneidens der Narbe normale Samenbildung ein. Prof. Dr. Zacliarias-Hamburg: Die harten Gewebe werden in dem nicht befruchteten Fruchtknoten zum Verschwinden gebracht. Fih^ die Praxis aber ist es wichtig, die Kerngehäuse los zu werden. Die samen- •losen Äpfel haben aber beträchtliche Kerngehäuse. Ein im Hamburger botanischen Garten sehr isoliert stehender Gravensteiner, bei dem Fremd- bestäubung kaum möglich gewesen ist. hatte Früchte ohne ausgebildete Kerne, aber mit gut ausgebildetem Kerngehäuse geliefert. Einzelne Früchte hatten Kerne erzeugt, die auf Selbstbestäubung zurückgeführt werden müssen. Man darf nicht verallgemeinern; ganz nahestehende Früchte verhalten sich vollkommen verschieden. Ewert: Beim Apfel ist eine geringere Neigung zum Verschwinden des Kerngehäuses vorhanden als bei der Birne. In beiden Fällen läßt XLIV Bericht über die 5. Hauptversammlung der Vereinigung. sich aber nachweisen, daß die Kernhauswandungen der kernlosen Jungfernfrüchte eine geringere Anzahl dickwandiger Zellen besitzen., Wiftiiiack: Außer beim Gravensteiner kommt es auch beim Prin/- apt'el vor, daß er wenig Kerne hat: jedoch ist stets ein deutliches Kern- gehäuse vorhanden. Sodann spricht von 10°^ — 11"^ Professor Dr. E. Zacliarias-Ham- hurg über Sterile Johannisbeeren (s. S. 223 — 225 u. Taf V). Ewert: Ich habe die Beobachtung gemacht, daß manche unfrucht- baren Sträucher sehr ins Holz gehen. Wenn Kirschen infolge zu guter Ernährung sehr stark treiben, so fallen auch bei ihnen zuweilen die jungen Früchte ab; es wird eben alles Baumaterial zur Bildung der Zweige und Blätter benutzt. Bei den unfruchtbaren Johannisbeer- sträuchern muß entweder die Narbe der Blüten unempfänglich sein oder der Eiapparat eine mangelhafte Ausbildung besitzen, denn ein eigeneis Fruchtungsvermögen hat die Johannisbeere nicht, oder man muß all- gemein physiologische Ursachen wie die oben angedeuteten zur Er- klärung der Unfruchtbarkeit annehmen. Zacharias: Es mag bei den Johannisbeeren manches verschieden sein. Bei den beobachteten Exemplaren gilt das nicht, daß die un- fruchtbaren Johannisbeersträucher besonders reichlich treiben, manche der Sträucher im botanischen Garten in Hamburg sind ziemlich kümmerlich. Drude fragt, ob der Vortragende auch Ribes alpinum in den Kreis seiner Untersuchungen gezogen hat. Im botanischen Garten und in den Anlagen um Dresden findet man fast nur die männlichen Sträucher, während im Freien der Strauch oft sehr reichlich fruchtend ist. Nach den Beobachtungen älterer Floristen aber scheinen die Sträucher nicht immer eingeschlechtig zu sein. Es wäre ja nun möglich, daß diese Eigenschaft wechselnder Geschlechterverteilung in die andere Art hinein- kommen könnte. Dr. A. Naiiniaiiii-Dresden: Ähnliches kommt bei Amygdalus nana vor. Im Schloßgarten von Czernosek setzen die dort angepflanzten Sträucher dieser Art reichlich Früchte an, auf der andern Seite der Elbe kommt eine ähnliche Anpflanzung nie zur Fruchtbildung. Ich fand bei sämtlichen Sträuchern das Ovarium stark zurückgebildet, namentlich war die Eianlage ausgeblieben. Ob ungeeignete Bodenverhältnisse oder Erblichkeit vorliegen, kann ich zurzeit nicht angeben. Ewert: An Rlhes alpinum habe ich keine näheren Untersuchungen gemacht. Die Unfruchtbarkeit der Johannisbeeren hat ohne Zweifel sehr Diskussion: Sterile Johannisbeeren. — Elektrische Samenprüt'ung. XLV verschiedene Ursachen. Betonen möchte ich aber noch, daß ein von mir in Proskau angepflanzter unfruclitbarer Strauch ein ungewöhnlich üppiges Wachstum zeigte. Wittmack: In den Anlagen, z. B. auch in Berlin, sind meist männliche Sträucher von Bibes alpinum angepflanzt, weil die Blüten hübscher und die Blätter größer sind, während die weiblichen Exemplare kümmerlicher und w^eniger schön aussehen. Es tritt sodann eine viertelstündige Pause ein, die zum Wechseln des Hörsaals benutzt wird. In dem physikalischen Hörsaal spricht von Ij^so — ^-[bö imter Vorführung von Lichtbildern Professor Dr. T. Johnson- Dublin über Elektrische Samenprüfung (s. S. 102—112).') Hiltner: Wie ist es aufzufassen, daß für Poa 8 Tage zur Keimung notwendig sind? Dauert die Prüfung des einzelnen Samens, so lange oder ist diese Zeit notwendig, um eine genügende Zahl Samen zu prüfen? Johnson: Man kann 10 Samen in der Stunde prüfen. Nach 8 Tagen kann man die Samen probieren. Es ist nicht leicht, die Prüfung zu machen. Stornier: Muß Poa erst 7 Tage liegen, um geprüft werden zu können V Wittmack: Wie muß der Samen vorbereitet sein? Muß er an- gequollen sein? Johnson: Man muß die ersten Stadien der Keimung haben. Alsdann berichtet Dr. R. Thiele-Staßfurt über Weitere Untersuchungen betreffend die Veränderung der pflanzlichen Gewebe durch Düngung. Der Redner erläutert die Befunde an der Hand einer Anzahl ver- größerter Photogramme von Stengelquerschnitten und kommt nach seinen bisherigen Beobachtungen zu folgenden vorläufigen Resultaten: Durch ein- seitige Stickstoffdüngung werden die Zellen erheblich vergrößert, und die Zellwände bleiben dünnwandig. Bei einseitiger Phosphorsäure- düngung wird das Zellumen verengt. Durch einseitige Kalidüngung w^erden die mechanischen Gewebe verstärkt. Eine Düngung mit allen 3 Nährstoffen läßt gut ausgebildete Organe in die Erscheinung treten. 1) Ergänzend zu der S. 102 gebrachten Anmerkung 2 mag hier er- wähnt werden, daß Waller in der vom Vortr. eingangs zitierten Arbeit (Ann. üf Bot. XV, S. 427) den „Flammstrom" folgendermaßen definiert: „By ,blaze currant' I mean to denote the galvanometrieal token of an explosive change locallv excited in liväng matter." (Brick.) XLVl Bericht über die 5. Hauptversammlung der Vereinigung. Zum Schluß betont Referent, daß die bisher von ihm untersuchten Pflanzen aus dem freien Lande stammen, daß also immerhin der noch unbekannte Faktor Boden in Berechnung gezogen -werden muß. Da trotzdem durch verschiedene Ernährung DiiTerenzen in der Gewebe- bildung auftreten, so ermutigen diese Vorversuche zu weiteren exakten Versuchen, welche vom Referenten bereits in Angriff genommen sind und über deren Ausfall er in späteren Sitzungen B<3richt erstatten wird. In der Diskussion bemerkt Geheimrat Professor Dr. L. Kny-Berlin: Es erscheint mir nicht richtig, daß für die Leitbündel die Phosphorsäure von alleiniger Wichtig- keit sein soll, da bei alleiniger Phosphorsäuredüngung die Pflanzen sehr klein bleiben. Thiele: Die Phosphorsäure hat insofern nach den Vorversuchon eine Einwirkung auf die Gefäße, als diese durch Phosphorsäuro eng- lumiger werden, während bei einseitiger Kaligabe eine Verengung der Gefäße nicht beobachtet werden kann. Schluß der Sitzung 12 '/4 Uhr. Am Nachmittage wurde gemeinsam mit der Vereinigung der syste- matischen Botaniker ein Ausflug nach Tharandt unternommen. Leider mußten hier ein von ProL Dr. F. Neger-Tharandt angekündigter Vor- trag über Korkeichen- und Pinsapowälder in Südspanien sowie eine 4)emonstration der pflanzenpathologischen Wandtafeln v. Tubeufs wegen plötzlicher Erkrankung des Vortragenden ausfallen. Lnter Führung von Prof. Dr. Beck-Tharandt wurden sodann der Porstbotanische Garten und das Forstbotanische Institut besichtigt. Der Abend vereinigte die Teilnehmer zu einer Begrüßung der Deutschen Botanischen Gesellschaft im Ausstellungsgebäude an der Stübelallee. Donnerstag, den 12. September, fand die 25. Generalversammlung der Deutschen Botanischen Gesellschaft (im Ausstellungsgebäude) statt, an der sich zahlreiche Mitgüeder unserer Vereinigung, die zugleich der D. B. G. angehören, beteiligten. Prof. Dr. H. Win kl er- Tübingen gab ein Sammelreferat über Parthenogenesis im Pflanzenreiche. Nachmittags fand seitens der gesamten nunmehr in Dresden ver- sammelten Botaniker eine Besichtigung des Kgl. Botanischen Exkursion in das Eibsandstein- und böhmische Mittelgebirge. XLVII Gartens unter Führung von Geh. Hofrat Prof. Dr. 0. Drude statt. Um 6 Uhr vereinigte man sich zu einem Festessen im KfinigUchen Belvedere auf der Brühischen Terrasse unter dem Vorsitz von Geheimrat Prof. Dr. S. Schwendener-BerUn, bei dem Geh. llofrat Prof. Dr. Kalkowsky die versammelten Botaniker namens der Naturwissen- schaftlichen Gesellschaft „Isis" in Dresden begrülUe. Geheimrat Prof. Dr. A. Engler- Berlin namens der Freien Vereinigung der systematischen Botaniker und Pllanzengeographen und Prof. Dr. E. Zacharias-Bam- burg namens der Vereinigung tiir angewandte Botanik die Deutsche Botanische Gesellschaft zu ihrem 25jährigen Bestehen beglückwünschten. Hofrat Prof. Dr. v. Wettstein Wien feierte den Präsidenten der Ge- sellschaft, Geheimrat Prof. Dr. Schwendener, und dieser dankte dem Sachsenlande, der Stadt Dresden und insbesondere dem Geh. Hofrat Prof. Dr. Drude für die Aufnahme und für die Vorbereitung der Versamm- lungen. Freitag, den 13. September, hielt vormittags die Deutsche Botanische Gesellschaft ihre Festsitzung ab, in welcher der Präsident der Gesellschaft, Geheimrat Professor Dr. S. Schwendener, die Festrede hielt. Nachmittags begann die geplante Exkursion in das Eibsandstein- und böhmische Mittelgebirge unter Führung von Geh. Hofrat Prof. Dr. 0. Drude- Dresden, Dr. A. Naumann-Dresden und Dr. B. Schorler-Dresden, an der sich von unserer Vereinigung Brick -Hamburg, Büsgen-Münden, Engler-Dahlem, Johnson- Dtiblin, Kumm-Danzig, Lindner-Berlin, Simon-Dresden, Warburg-Berlin, Wittmack-Berlin und Zacharias- Hamburg, ferner v. Carnap- Charlottenburg, Forstmeister Grebe-Hofgeis- mar, Dr. H. Roß-München, Rudolf-Teplitz und Dr. K. Rudolf-Czernowitz beteiligten. Der Zweck der Exkursion war der Vergleich der einförmigen Waldformationen des Eibsandsteingebirges mit den artenreichen Laub- wäldern, Hügel- und Felsformationen des böhmischen Mittelgebirges. Die Abfahrt erfolgte Freitag, den 13. September, 2'-° nachmittags mit der Bahn nach Hirschmühle. Von hier w'urde der Große Zschirn- stein, mit 561 m hohem Sandsteingipfel, bestiegen^). Der Abstieg 1) Vgl. 0. Drude, üie kartographische Darstellung mitteldeutscher Vegetationsformationen, p. 22—25 u. Karte JI. Dresden 1907. XLVIII Ijericht über die 5. Hauptversammlung der Vereinigung. führte nach Nieder-Grund an der Elbe: sodann ging- es mit der Bahn nach- Tetschen. Sonnabend, den 14. September, brachte der Zug um 5^° früh die Teilnehmer über Böhmisch-Leipa nach Niemes, von wo eine Be- steigung des den Sandstein durchbrechenden 696 m liohen Basaltgipfels des Hohen Roll vorgenommen wurde. Von Niemes wurde mit der Bahn nacli Tetschen zurückgekehrt. Sonntag, den 15. September, ging es mit der Bahn 8*^ nach Libochowan, von wo bei leider nicht sehr günstigem Wetter über den Hrazek und beim Drei-Kreuzberg vorbei nach Czernosek an der Elbe gegangen wurde. Nach kurzer Mittagsrast brachte ein Wagen die Teil- nehmer nach Czalositz und die Bahn von dort nach Radzehi, von wo es zu Fuß nacli der Dubitzer Kapelle mit herrlicher Aussicht auf die Elbe und das sie begleitende böhmische Mittelgebirge ging. Der Rück- weg führte über den Mullerstein nach Salesl, zu Schiff vorbei an dem 80 m steil abfallenden Phonolithfelsen des Schreckensteins nach Aussig und mit der Bahn nach Dresden, Mehrere MitgUeder machten in Dresden sodann noch die vom Sonntag, den 15. September, bis Sonnabend, den 21. September, währende 79. Versammlung Deutscher Naturforscher und Ärzte, besonders die Sitzungen der botanischen Abteilung, mit. Brick. Mitgliederliste. XLIX Mitgliederliste der „Vereinigung für angewandte Botanik" für 1907. (Adressenänderungen bzw. Unrichtigkeiten im Verzeichnis bittet man, dem Schriftführer der Vereinigung, Dr. Brick, Station für Pflanzenschutz, Ham- burg 14, anzuzeigen.) Abromeit, J., Dr., Privatdozent, Königsberg i. Pr., Botanischer Garten. Adamovich, Alexander, Gutsbesitzer in Ljvidek (Neusatz), Ungarn. Ahrens, C, Dr., Beeidigt. Handelschemiker, Hamburg 11, Deichstr. 2. Ap]iel, Otto, Dr., Regierungsrat, Mitglied der Kaiserl. Biologischen Anstalt für Land- und Forstwirtschaft, Dalilem-Steglitz bei Berlin. Arnim-Schlagenthin, Graf v., Nassenheide (Pommern). Ascher so n, Paul, Dr. phil. et. med., Geh. Regierungsrat, Professor an der Liniversität, Berlin W., Bülowstraüe 51. Barth, Hans Philipp, Weingutsbesitzer, Dürkheim a. d. Haardt. Bassermann -Jordan, Ludwig, Dr. jur., Bürgermeister und Weinguts- besitzer, tteidesheim (Bayer. Pfalz). Behn, Dr., Techn. Hilfsarbeiter a. d. Kaiserl. Biologischen Anstalt, Dahlem-Steglitz bei Berlin. Bohrens, Johannes, Dr., Professor, Direktor d. Kais. Biologischen Anstalt f. Land- u. Forstwirtschaft, Dahlem-Steglitz bei Berün. ßenecke, W., Dr., a. o. Professor an der Liniversität, Kiel, ßergstr. 27. Bernegau, li., Korpsstabsapotheker a. D., Berlin W. -Haiensee, Kur- fürstendamm 101. Bischkopff, E., Dr., Assistent an der Station oenologique des viti- vinicultures russes, Odessa, rue Kanatna'ia 19. Boetticher, Dr., Assistent a. d. Kgl. Lehranstalt f. Wein-, Obst- und Gartenbau, Geisenheim a. Rh. Bolle, Joh., Direktor d. k. k. Landwirtsch, -chemisch. Versuchsstation, Görz (Istrien). Braun, K., Dr., Assistent am Landwirtschaftl.- biolog. Institut, Amani (L>eutsch-Ostafrika), Hafen Tanga. Brick, Carl, Dr., Leiter der Station für Pflanzenschutz, Hamburg 5, St. Georgskirchhof 6. .TaliresLevIcht der Vereinigung' für angewandte Botanik V. JY L Mitgliederliste. Bruijning jr,, P. F., Direktor der Rijksproofstation voor Zaadcontröle, Wageningen (Holland). Bub.ik, Franz, Dr., Professor an der Landwirtschaftl. Akademie, Tähor in Böhmen. Buchwald, J., Dr., Vorsteher d. Botan. Abteilung d. Versuchsanstalt 1'. Getreideverarbeitung, Berlin N. 65, Seestraße 4 a. von Buhl, I'^ugen. Dr., Reichsrat, 1 »eideshoim (Bayr. Pfalz). Buhl, Franz, Weingutsbesitzor, Präsident des Deutsclien Weinbau- Vereins, Deidesheim (Bayr. Pfalz). Büsgen, M., Dr., Professor der Botanik an der Forstakademie, Hann.- Münden. Busse, Waltor, Dr., Regierungsrat, Privatdozent der Botanik an der Universität, Mitglied der Kaiserl. Biologischen Anstalt für L;uid- und Forstwirtschaft, Dahlem-Steglitz bei Berlin. von Canstein, Freiherr, Dr., Kgl. Landes-Ökonomierat, Bi-rlin NW. 40, Kronprinzenufer 5/6. Coleman, Leslie C, Government Mycologist and Entomologist, Ban- galore, Brit. Indien. Cuboni, G., Dr., Professor, Direttore della Stazione dl Patologia vege- tale, Rom, Santa Susanna. Degen, A. v., Dr., Direktor der Samenkontrollstntion, Budapest II, Kis- Rokus-utcza Il/b. Dem, A., Kgl. Bayr. Landesinspektor für Weinbau, Neustadt a. d. Haardt. Derndinger, Joh., Domänenrat, Karlsruhe i. B., ]-]ttlingerstr. 27. Diels, Ludwig, Dr., Professor, Marburg i. H., Botanisches Institut. Dingler, Hermann, Dr., Professor der Botanik an der Forstlichen Hoch- schule, Aschaffenburg. Dinklage, M., Kaufmann, Hamburg 13, Oberstr, 56, Dorph Petersen, K., Direktor Dansk Frökontrol, Kopenhagen V, Harsdorffswej 7. Drude, 0., Dr., Geh.. Hofrat, Professor der Botanik an der Technischen Hochschule und Direktor des Kgl. Botan. Gartens, Dresden-A., Bo- tanischer Garten. Dunbar, W. Ph., Dr., Professor, Direktor des Hygienischen Instituts, Hamburg, Jungiusstr. Edler, W., Dr., Professor, Landwirtschaftl. Institut d. L'niversität, Jena. J^n gel mann, Eduard, Weingutsbesitzer, Hallgarten (Rheingau). Engler, Adolf, Dr., Geh. Ober-Regierungsrat, Professor der Botanik an der Universität, Direktor des Kgl. Botanischen Gartens u. Museums, Dahlem-Steglitz bei Berlin. Eriksson, Jakob, L»r., Professor, Experimentalfältet bei Stockholm. Mitgliederliste. LI Esser. P.. Dr., Direktor dos Botanischen Gartens, Dozent der Botanil< und Mil^roskopie an der Handels-Hochschule zu Cöln a. Rh., Volks- garten str. 1. Ewert, R., Dr., Leiter der Botanischen Abteilung der Versuchsstation des Pomologischen Instituts, Proskau bei Oppoln. Paber, F. v., Dr., Hilfsarbeiter an der Kaiserl. Biologischen Anstalt in Dahlem- Steglitz bei Berlin. Pabricius, L., Dr., Privatdozent der Porstwissenschaft und Assistent am Forstbotanischen Institut, München, Amalienstr. 67. Pindlay, \\'m. M., Agricultural Department, Marischal College, Aberdeen (Schottland). Fischer, Alfred, Dr., Professor an der Universität, Direktor des Bo- tanischen Instituts und Gartens, Basel. Fischer, Chr., Regierungsrat, Franken thal (Bayer. Pfalz). Fischer, Hugo, Dr., Privatdozent, Vorstand der Baktoriol. Abteilung an der Landwirtschaftlichen Hochschule in Berlin, Charlottenburg, Marchstr. 15. . . Freu dl, Eligius, Assistent an der k. k. Samen-Kontroll-Station Wien II/2, k. k. Prater 174. Fröhlich, Weingutsbesitzer, Edenkoben (Bayer. Pfalz), Frölich, Gust., Dr., Leiter der Friedrichswerther Samenzucht-Anstalten, Domäne Friedrichswerth in Thüringen. Fruwirth, C, Professor an der k. k. Technischen Hochschule, Wien IV. . . ' Fünfstück, Moritz, Dr., Professor der Botanik an der Kgl. Technischen Hochschule, Stuttgart, Ameisenbergstr. 7. Galler, H., Dr., Assistent an der Kgl. Württembergischen Weinbau- versuchsanstalt, Weinsberg (Württemberg). Gassner, G., Dr., Professor a, d. Seccion agronomia de la L'niversidad, Montevideo (Uruguay), Camino Millan 676. Ger neck, R., Dr., Lehrer an der K. Bayer. Weinbauschule, Veitshöch- heim bei Würzburg. Gilbert, Ad., Dr.. Handelschemiker, Hamburg 11, Deichstr. 2. Gilg. Iv, Dr.. a. o. Professor der Botanik, Kustos am Kgl. Botanischen Museum, Steglitz bei Berlin, Arndtstr. 34. Goethe, Rudolf, Kgl. Landesökonomierat, Darmstadt, Roquetteweg 24. Görg, Fr., Gutsbesitzer, Deidesheim (Bayer. Pfalz). Graebner, P., Dr., Kustos am Kgl. Botanisclien Garten, Groli-Lichter- felde W. bei Berlin, Viktoriastr. 8. Grevillius, Anders Yngve, l_)r., Landwirtschaftl. Versuchsstation, Kempen (Rheinprovinzj. IV* LTI Mitgliederliste. Grosser, W., Dr., Direktor der Agrikultur-botanischen Versuchs- und Samenkontrollstation der Landwirtschat'tskammer, Breslau, Matthias- platz. Güssow, H. Th., Assistant to the C\)nsulting Botanist, R. Agricult. Society of England, 44 Central Hill, l'ppor Norwoud, London S. E. (England). Gutzeit, Dr.,' Professor, Vorsteher der Abtlg. für Ptlanzcnkraukheiten und Bodenbakteriologie am Versuchsfelde der Universität Königs- berg i. Pr., z. Zt. Steglitz bei Berlin, Arndtstr. 4. Hanausek, T. F., Dr., k. k. Gymnasialdirektor, Krems a. d. Donau. Hansen, Adolf, Dr., Geh. Hofrat, Professor der Botanik und Direktor des Botanischen Gartens, Gießen, fieberstr. 21. Haselhoff, E., Dr., Vorsteher der Landwirtschaftlichen Versuchsstation, Marburg a. d. Lahn. Haupt, Hugo, Dr., Nahrungsmittek-hemiker, Bautzen i. S. Hecke, Ludwig, Dr., Professor an der Hochschule für Bodenkultur, Wien III, Hauptstr. 96. Heering, W., Dr., Oberlehrer, Altona, Alsenstr. 3. Heinsen, E., Dr., Wissensch. Hilfsarbeiter an den Botanischen Staats- instituten, Hamburg 20, Hudtwalckerstr. J8. Heinze, B., Dr., Vorsteher der Bakteriologischen Abteilung an der Agrikultur-chemischen Versuchsstation Halle a. S., Karlstr. 10. Henneberg, W., Dr., Abteilungsvorstand im Institut für Gärungs- gewerbe, Berlin N. 65, Seestr. Hennings, P., Professor, Kgl. Botanisches Museum, Daiilem-Steglitz bei Berlin. Hensler, Karl, Kgl. Landwirtschaftslehrer, Vorstand der Kgl. Landwirt- schaftsschule, Landau (Pfalz). Hillmann, Paul, Dr., Vorstand der Saatzuchtstelle der Deutschen Land- wirtschafts Gesellschaft, Berlin SW., Dessauerstr. 14. Hiltner, L., Dr., Direktor der Kgl. Agrikulturbotanischen Anstalt, München- Schwabing, Osterwaldstr. 9 F. Hinneberg, P., Dr., Altona-Ottensen, Flottbeker Chaussee 29. Holmes, E. M., Curator of the JVIuseum of the Pharmacoutical Society of Great Britain, 17. Bloomsbury Square, London W.C. Hosseus, C, Dr., Berlin-Schöneberg, Vorbergstr. 9 I. Hunger, F.W.T., Dr., Direktor der AUgemeen Proefstation, Salatiga (Java). Jaap, 0., Lehrer, Hamburg 25, Burggarten 1. J aekel, Hugo, Chemiker, z. Zt. Kochel, Oberbayern, Villa Schnoor. Jakowatz, A., Dr., Professor a. d. Landw. Akademie, Tetschen-Liebwerd (Böhmen). Mitgliederliste. LllI Johnson, T., E»r., Professor, Royal College of Science, St. Stephen's Green. East, Dublin (Irland). Jungcl aussen, C. A., Medizinalassessor, Hamburg 5, Beim Stroh- hause 10. Kabät, Jos. E., em. Zuckerl'abriksdirektor, Turnau |i^>öhmen). Kaiserfeld, W., Dr., Kanzleidirektor, Graz. Kieflling, L., Dr., Adjunkt an der Kgl. Saatzuchtanstalt, Weihen- stephan bei Freising. Kirchner, Oskar, Dr., Professor der Botanik an der Kgi. Württemberg. Landwirtschaftlichen Akademie, Vorstand des Botanischen Gartens, der Samenprüfungsanstalt und der Versuchsstation für Pflanzen- schutz, Hohenheim bei Stuttgart. Klammer, Gutsbesitzer, Ebensfeld bei Pettau (Steiermark). Klebahn, H., Dr., Professor, Assistent a. d. Hamburgischen Botanischen Staatsinstituten, Hamburg 36, Jungiusstralie. Klein, L., Dr., Geh. Hofrat, Professor d. Botanik a. d. Gr. Bad. Techn. Hochschule, Direktor d. Botan. Gartens u. Instituts, Karlsruhe i. B. Koch, Alfred, Dr., Professor, Direktor des Landwirtschaftl.-bakteriolog. Instituts, Göttingen, Schildweg 13. Kolkwitz, Richard, E)r., Professor, Privatdozent der Botanik, Mitglied der Versuchs- und Prüfungsanstalt f. Wasserversorgung und Ab- wässerboseitigung, Charlottenl>urg 4, Schillerstraüe 75. Kosaroff, P., Dr., Leiter der Land wirtschaftlichen Versuchsstation Obraszow Ciflik (Musterwirtschaft) bei Rustschuk (Bulgarien). Krasser, Fr., L>r., a. o. Professor der Botanik u. Warenkunde a. d. Deutschen Technischen Hochschule, Prag. Kraus, C, Dr., Professor der Landwirtschaft an der Technischen Hochschule, Oberleiter der Kgl. Saatzuchtanstalt in Weihenstephan, München, Louisenstralle 45. Kroemer, K., Dr., Vorstand der Pfianzenphysiologischen Versuchsstation der Kgl. Lehranstalt f. Wein-, Obst- u. Gartenbau, Geisenheim a. Rh. Krüer, H., Apothekenbesitzer, Ahrensburg bei Hamburg. Krüger, F., Dr., Professor, Ständiger Hilfsarbeiter an der Kaiserl. Biolog. Anstalt f. Land- und Forstwirtschaft, Itozent an der Kgl. Landwirtschaftl. Hochschule, Dahlem-Steglitz b, Berlin. Kühle, L., Mitinhaber der Saatzüchterei Aderstedt, Gunsieben (Kreis Oschersleben). Kumm, P., Dr., Professor, Dozent an der Technischen Hochschule, Kustos am Westpreußischen Provinzialmuseum, Danzig, Langermarkt 24. Kurmann, Franz, k. k. Weinbauoberinspektor am k. k. Ackerbau- ministerium, Wien 1, Liebiggasse 6. LIV Mitgliederliste. Lafar, Franz, Dr., Professor der Gäruiigsphysiologio und Bakteriologie an der Technischen Hochschule, Wien IV, K'arlsplatz 13. Landauer, Robert, Obstplantagenbesitzer, Würzbvu'g, Gesundbrunnen. Lang, W., Dr., Assistent a. d. Botan. Institut d. l/andwirtschaftl. Akademie, Hohenheim (Württemberg). Laubert, Richard, Dr., Ständiger Hilfsarbeiter a. d. Kaiserl. Biologischen Anstalt für Land- und Forstwirtschaft, Dahlem-Steglitz bei Berlin. Lenz, Dr., Professor, Direktor d. Naturhistorischen Museums, Lübeck. Leuschner, Karl, Dr., Administrator, Rann a. d. Save (Unter-Steiermark). Liebenberg, Adolf Ritter von, t)r., k. k. Hofrat, Professor an der k. k. Hochschule für Bodenkultur, Wien XIX, Hochschulstr. 24. Lindau, Gustav, Dr., Professor, Privatdozent der Botanik, Kustos am Kgl. Botanischen Museum, Dahlem- Steglitz bei Berlin. Lindemuth, Hugo, Kgl. Gartenbaudirektor, Dozent an der Kgl. Land- wirtschaftlichen Hochschule, Berlin NW. 7, Dorotheenstraüe. Uni- versitätsgarten. Lindinger, L., Dr., Wissenschaftl. Hilfsarbeiter an der Station für Pflanzenschutz, Hamburg 14, Versmannkai. Lindner, Paul, Dr., Professor, \'orsteher der Abteilung für Reinkultur am Institut tili' Gärungsgewerl)e, Berlin N. 65, Ecke der See- und TorfstraOe. Linhart, G,, Dr., Kgl. Rat, Professor an der Kgl. Ungar. Landwirt- schaftlichen Akademie, Magyar-Ovär (Ungar. Altenburg). Lüstner, Gustav, Dr., Vorstand der Pflanzenpathologischen Versuchs- station der Kgl. Lehranstalt für \\'ein-, Obst- und Gartenbau, Geisenheim a. Rh. Maallen, Dr., Regierungsrat, Mitglied der Kaiserl. Biologischen Anstalt für Land- und Forstwirtschaft, Dahlem-Steglitz bei Berlin. Mährlen, Weinbau-Inspektor, Weinsberg (Württemberg). Magnus, Paul, Dr., Professor der Botanik an der Universität, Berlin \N'.. Blumeshof 15. Malkoff, Konstantin, Direktor d. Landwirtsch. Versuchsstation, Sadovo b. Philippopel (Bulgarien). Martinet, G., Chef de l'Ktablissement föderal d'essais et de controle de semences, Lausanne (Schweiz). Mayrhofer, Dr., Professor, Vorstand des städtischen Untorsuchungs- amtes. Mainz. Meinecke, J^]. P., Dr., Legaciun Alemana, Esmeralda 1Ü48, Buenos Aires (Argentinien). M ei 11 n er, Richard, Dr., Professor, Vorstand der Kgl. Wiirtlembg. Wein- bau-Versuchsanstalt, Weinsberg (Württemberg). Mitgliederliste. LV Mertens. A., Dr., Professor, Direktor d. Stadt. Museums für Natur- u. Heimatkunde, Magdeburg. Meuschel, (rottlob, Kgl. Kommerzienrat, i. F. J. W. Meuschel sen., Weingutsbesitzer, Buchbrunn bei Würzburg. Meuscliel, Otto, Weingutsbesitzer, Buchbrunn bei Würzburg. Mez, C, Dr., Professor der Botanik an der Universität, Halle a. S., Botanisches Institut. Mikosch, Karl, E»r., Professor an der Technischen Hochschule, Brunn. Möller. J., Dr., Professor, k. k. Pharmakologisches Institut d. Lfni- versität, Graz. Molnär, Leopold, Chefredakteur des „Magyar Borkereskedelem", Direktor des ,,T^andesverbandes der ungarischen Weinproduzenten und Wein- händler", Budapest VI, Andrassy ut. 23. Molz, E., Dr., Assistent an der Pflanzenpathologischen Versuchsstation der J\gl. Lehranstalt für Wein-, Obst- und Oartenbau, Oeisen- heim a. Rh. Morpurgo, G., Professor a. d. Handelshochschule der Hevoltella-Stit'tung, Museum der Handels- u, Gewerbekammer, Triest, Via Artisti 5. Müller, H. C, Dr., Professor, Vorsteher d. Agrikult.-chomisch. Kontroll- Station d. Landwirtschaftskammer für die Provinz Sachsen, Halle a. S., Karlstralie 10. Müller-Thurgau , Hermann, Dr., Professor, Direktor der Schweize- rischen Versuchsanstalt für Obst-, Wein- und Gartenbau, Wädens- wil bei Zürich (Schweiz). Muth, Franz, Dr., Lehrer der Naturwissenschaften an der Großherzogl. Weinbauschule, Oppenheim a. Rh. Naumann, A., Dr., Dozent f. Botanik a. d. Kgl, Tierärztlichen Hoch- schule u. Assistent am Kgl. Botanischen Garten, Dresden-A. Neger, F., Dr., Professor der Botanik an der Forstakademie, Tharandt. Nestler, Anton, Dr., Professor für Pflanzen-Anatomie und -Physiologie, Oberinspektor der Untersuchungsanstalt für Lebensmittel an der k. k. Deutschen Universität, Prag, Wenzelsplatz 53. Noumann, M. P., Dr., Vorsteher der chemischen Abteilung der Ver- suchsanstalt für Getreideverarbeitung, Berlin N. 65, Seestraße 4 a. Nilsson, N. Hjalmar, Dr., Professor, Svalöf (Schweden). Noll, Fritz, Dr., Professor der Botanik, Vorstand des Botanischen In- stituts der Landwirtschaftlichen Akademie, Poppelsdort bei Bonn, Endenicher Allee 32. Ostenfeld, C. H., Dr., Inspektor am Botanischen Museum, Kopen- hagen, Botanisk Have. Osterspey, Dr., Direktor der Landwirtschaftsschule, Prankenthal (Pfalz). LVl Mitgliederliste. Pammol, L. H., Dr., Department of Botany, Jowa State College oi' Agriculture and Mechanic Arts, Arnes (Jowa). Paul, H., Dr., Assistent d. Kgl. Bayer. Moorkultiiranstalt, Bernau am Ghiemsee (Oberbayern) (November — März: München, Königinstr. 3). Peter, von, Dr., Direktor der Obstbau- und landwirtschaftlichen Winter- schule, Priedberg (Hessen). Peters, W., Dr., Preßhefefabrikant, Hamburg 15, Grünerdeich 60. Potkoff, St., Dr , Professor der Botanik an der Universität, Sofia (Bulgarien). Petzet, Th., Oberapotheker am Allgem. Krankenhaus, Hamburg-Eppendorf. Portele, Karl, Dr., Professor, Hofrat, landwirtschaftlich-technischer Kon- sulent im k. k. Ackerbau-Ministerium, Wien. Potonie, H., Dr., Professor, Landesgoologe, Groß-Lichterfelde W bei Berlin, Potsdamerstraße 35. Potter, M. C, Dr., Professor an der Universität, Xewcastle-on-Tyne. Puchner, Dr., Professor, Weihenstephan bei Freising. Qvam. Olaf, Direktor d. Statons Kemiske Kontroistation og Fr0kontrol- anstalt, Kristiania (Norwegen), Alfheim, Pilestradet 27. Raatz, W., Dr., Leiter der Abteilung für Rübensamenzucht der Zucker- fabrik, Kl. Wanzleben b. Magdeburg. Ravn, Kölpin, Dr., Professor an der Landboh0Jskolon, Kopenhagen V, Kochsvej 25. Reinhardt, 0., Dr., Professor, Privatdozent der Botanik, Berlin N., Elsäßerstraße 31. Reinitzer, Priedr., Professor a. d. Technischen Hochschule, Graz. Retzlaff, Max, Direktor der westafrikan. Pflanzungs- und Plantagen- Gesellschaft Bibundi, Hamburg 36, Tesdorpfstr. 9. Rohling, Alfred, Dr., Wissenschaftlicher Hilfsarbeiter an der Kgl. Prüfungsanstalt für Wasserversorgung und Abwässerbeseitigung, Berlin SW. 12, Kochstr. 73. Rümker, C. v., .Dr., Professor, Direktor des Instituts für landwirtschaftl. Produktionslehre, Breslau, Matthiasplatz 5. Ru bland, W,, Dr., Privatdozent der Botanik, Ständiger Hilfsarbeiter an der Kaiserl. Biologischen Anstalt für Land- und Porstwirtschaft, Dahlem- Steglitz bei Berlin. Schander, R., Dr., Vorstand der Pflanzenpathologischen Abteilung der Landwirtschaftlichen Versuchsstation zu Bromberg, HohenzoUern- straße. Schellenberg, H. C, Dr., Dozent für Landwirtschaft am Polytechnikum, Zürich, Hofstraße 40. Schenck, H., Dr., Professor der Botanik an der Technischen Hoch- Mitgliederliste. LVII schule und Direktor des Botanischen Gartens, Darnistadt, Nikolai- weg 6. Schindler, Franz, Professor an der k. k. Deutschen Technischen Hoch- schule, Brunn (Mähren). Schindler, Josef, Leiter der Versuchsstation der Landwirtschaft!, ■ Landeslehra)istalt, S. Michele a. E. (Tirol). Schober, A., Dr., Professor. Schulinspektor, fiamburg 23, Papenstralie 5U. Schoffer, Heinrich, Kgi. Landesökonomierat, Voi-stand der l\gl. Wein- bauschule, Weinsberg (Württemberg). Schröter, C, Dr., Professor der Botanik am Eidgenössischen Poly- technikum in Zürich V, Merkurstr. 70. Schumann, P., Dr., Vorstand d. Botan. AbtIg. d. Agrikult.-chemisch. Kontrollstation d. Landwirtschaftskammer f. d. Prov. Sachsen, Halle a. S., Karlstr. 10. Schwede. R., Dr., Assistent an der Kgl. Technischen Hochschule. Dresden, Gutzkowstr. 28. Seifert, W., Professor, Adjunkt an der Versuchsstation. Klostcrnouburg bei Wien. Seufferheld, C, W^einbau-Inspoktor, Administrator, Grünhaus bei Trier. Siebert, A., Direktor des Palmengartens, Prankfurt a. AI. Simon, J., Dr., I^tlanzenphysiologische Versuchsstation. Dresden -A., Pirnaischestr. 32. Solereder, H., L»r., Professor d. Botanik und Direktor d. Botanis(;hon Gartens, Erlangen. Sonder, Chr., Dr., Apothekenbesitzer, Oldesloe (Holstein). Sperling, Julius, Amtsrat, Dom. Buhlendorf b. Lindau, Anhalt. Spieckermann, Dr., Abteilungsvorstand i. d. Versuchsstation, Münster i. Westf. Stahl, Ernst, L)r., Professor der Botanik und Direktor des Botanischen Gartens, Jena. Stehler, G.^ Dr., Direktor d. Samenuntersuchungs- u. Versuchsanstalt, Zürich (Scliweiz), Eidgen. Cnemiegebäude. Steglich, Dr., Professor, Pflanzenphysiologische Versuchsstation, Dresden, Stübel-Allee 2. Steinle, Domänenrat, Schwaigern (Württemberg). Störmer, Kurt, Dr., Agrikult.-chem. Kontrollstation d. Landwirtschafts kammer, Halle a. S., Karlstr. 10. Szyszylowicz, Ign. Ritter von, Dr., Direktor d. Agrikulturbotanischen Ver- suchsstation, Priv. -Dozent a. d. k. k. Universität, Lemberg (Galizien), Thiele, R., Dr.. Dezernent in der Agrikultur-Abteihmg des Kalisyndikats. Leopoldshai 1-Staßfurt. Jahresbericht der Vereiniy:uiig für xrgewuudte Botanik V. . V ' .LVIII Mitgliederliste. Thoms, H., Dr., Professor dor i)harin;izeiitischon Chemie ;ui der Kgl. Universität, Direktor d. Pharmazeutischen Instituts, Hteglitz bei Berlin, Hohenzollernstr. 8. Thnst, Robert, Dr., Verlagsbuchhändier, Groli-Lichterfoide l)ei Perlin, Willielmstr. 27. Tischler, A., Dr , ei Freising. Weinzierl, Th. Ritter von, Dr., Hofrat, Direktor der k. k. Samen- Mitgliederliste, LIX konti'ollstation (k. k. LaiidwirtschafUich-bütiuiischo Verstichsstatioii)^ Wien, Pratcr 174. Wiljmer, Weingutsbositzer, Pottau (Steiermark). Widen, J., Vorsteher der Agrikultur- chemischen und Samenkontroll- Station, 0rebro (Schweden). Wiedcnsheim , W., Dr., Assist, a. d. Grollhor/iOgi. Landwirtsch. Ver- suchsanstalt, Augustenberg bei (in'Uzingen (Baden). Wieler, Arwed, Dr., Professor, Dozent für Botanik und Vorstand des Botanischen Instituts der Technischen llochsidiule, Aachen, Nizza- alleo 71. Wilhelm, Karl, L»r., Professor der Botanik an der k. k, Hochschule für Bod(?nkultur, Wien XIX, HochschulstraDe 17. Will, M., Dr., Professor, Vorstand der physiolog. Abteilung der Wissen- schaft!. Station für Brauerei, München, Reichenbachstraße 52. Wittmack, Ludwig, Dr., Geh. Regierungsrat, Professor an der Kgl. Landwirtschattlichen Hochschule und an der Universität, Berlin N, 4, Invalidenstraße 42. Wohltmann, Ferdinand, Di'., Geh. Regierungsrat, Professor an der ■ Universität, Direktor des Landwirtschaftlichen Instituts, Halle a. S., Gr. Steinstraße 19. Wolf, Leopold, Leiter der Wiener Redaktion des „ L'ngarischen Wein- handels", Fachreferent des „Landesverbandes der ungarischen Weinproduzenten und Weinhändler", Wien XI, Hauptstraße 54. Wortmann, Julius, Dr., Professor, Direktor der Kgl. Lehranstalt für Wein-, Obst- und Gartenbau, Geisenheim a. Rh. Zacharias, I'Muard, Dr., Professor, Direktor dei- Hamburgischen Bota- nischen Staatsinstitute, Hamburg 17, Sophienterrasse 15a. Zang, Wilhelm, Dr., Assistent am Botanischen Institut. Hohenheim bei Stuttgart. Zederbauer, E., Dr., Assistent an der k. k. Forstlichen Versuchsanstalt, Mariabrunn bei Wien. Zornig, H., Dr., Pflanzenphysiologisches Institut, München, Luisenstraße. Zopf, Wilhelm, Dr., Geh. Regierungsrat, Professor der Botanik an der Universität und Direktor des Botanischen Gartons, Münster i, Westf., Wilhelmstraße 2 a. Zschokke, Achilles, Dr., Direktor der Kgl. Bayer. Wein- und Obstbau- schule, Neustadt a. d. Haardt. Zweifler, Franz, Direktor der Landes- Wein- und Obstbauschule, Mar- burg a. d. Drau (Steiermark). Die Beziehungen der Botanil< zur Technik. Von A. Wieler, Aachen. Auf der vorjährigen Tagung der „Vereinigung für angewandte Botanik" in Hamburg hat uns Herr Geheimrat Drude in lilarer Weise die „Aufgaben und Ziele der angewandten Botanik" dar- gelegt. Wir haben seiner Rede entnommen, wie umfangreich dies Gebiet ist und wie zahlreich die Berührungspunkte sind, welche die Botanik mit der Praxis hat oder, besser gesagt, haben könnte, denn dem Erkennen der Beziehungen, welche zwischen einer Wissenschaft und der Praxis bestehen, braucht noch nicht die Verwertung der Errungenschaften jener durch diese auf dem Fuße zu folgen. Hat man aber die Einsicht gewonnen, daß die Ergebnisse einer Wissenschaft nicht nur unseren Forschungstrieb befriedigen, sondern daß sie auch der Allgemeinheit von unmittelbarem praktischen Nutzen sein können, so ist man nicht nur berechtigt, wie ich glaube, sondern auch verpflichtet als Vertreter dieser Wissenschaft dahinzustreben, daß sie möglichst aus- giebig für die Praxis nutzbar gemacht werde. Wenn man unter diesem Gesichtspunkte die angewandte Botanik prüft, so wird man finden, daß unsere Wissenschaft der Praxis noch auf manchem Gebiete nützlich werden kann, wo sie bisher noch gar keine oder eine ihrer Bedeutung bei weitem nicht entsprechende Rolle spielt. Ich möchte mir erlauben, angeregt durch meine Lehrtätigkeit, an technischen Hochschulen, dies Verhältnis für den Teil der angewandten Botanik zu untersuchen, den man als technische Botanik bezeichnen könnte. Allerdings fasse ich diesen Begriff etwas weiter als Herr Geheimrat Drude,') ich möchte ihn nicht mit Rohstofflehre oder Warenkunde identifizieren, sondern darunter Botanik in Anwendung auf die technischen Berufe verstehen. Keine Gelegenheit dürfte zur Verhandlung über diesen Gegenstand 1) Jahresbericht der Vereinigung für angewandte Botanik, IV. Jahrg., 1906, S. 8. Jahresbericht der Vereinigung für angewandte Botanik. V. i 2 A. Wieler, günstiger sein als die diesjährige Tagung am Sitze einer technischen Hochschule; ja wir könnten unseren Dank für die gastUche Aufnahme, welche wir in ihren Räumen gefunden haben, nicht besser abstatten, als wenn es uns gelänge, durch unsere Verhandlungen dahinzuwirken, daß die Beziehungen zwischen der Botanik und der Technik innigere und für letztere nutzbringendere würden. Drei Gebiete sind es, auf denen die Botanik mit der Technik in Verbindung tritt, das Gebiet der Mikroorganismen oder die technische Mykologie, das Gebiet der pflanzlichen Baumaterialien und das Gebiet der Rohstoff lehre. Alle drei Gebiete sind nicht scharf von ein- ander geschieden, sondern greifen mehrfach in einander über. Die tech- nische Mykologie berührt sich mit dem Gebiet der Baumaterialien durch die holzzerstörenden Pilze, mit dem der Rohstofflehre durch die Röstungs- und Permentierungsorganismen. Das Holz, das wichtigste pflanzliche Baumaterial, ist unter anderem Gesichtspunkt als Rohstoff zu betrachten, während wiederum bestimmte Rohstoffe wie Farbstoffe, Harze, Kautschuk, Guttapercha und Hanf als Neben- oder Hilfsmaterialien in der Bau- materialien künde Berücksichtigung finden. Auf den genannten Gebieten kann sich unsere Wissenschaft in doppelter Weise betätigen, in analytischer oder synthetischer Richtung. Unter analytisch möchte ich das Bestreben verstehen, die gegebenen Erscheinungen zu zergliedern und auf ihre Ursachen zurückzuführen, jn den pflanzengeographischen, systematischen, morphologischen, ana- tomischen oder physiologischen Verhältnissen den hinreichenden Er- klärungsgrund für die Erscheinungen, d. h. für die gegebenen Tatsachen der Mj'^kologie, der Baumaterialien und der Rohstoffe aufzudecken. Mit synthetisch möchte ich die Seite unserer "Wissenschaft bezeichnen, welche, auf die Kenntnis von der Natur der Organismen bauend. Neues zu produzieren strebt, sei es, daß sie durch zielbewußte und w'illkürliche Lenkung der Lebenskräfte neue Produkte hervorruft oder die Ver- besserung bekannter Produkte bewirkt, sei es, daß sie Methoden ersinnt, um die Produkte vor der Zerstörung zu schützen oder für weitere Ver- wertung erst nutzbar zu machen. Beide Richtungen laufen vielfach neben einander her und beeinflussen sich gegenseitig. Gestatten Sie mir nun, das Gesagte an einigen Beispielen zu er- läutern. Am ausgesprochensten treten uns beide Richtungen in der tech- nischen Mykologie entgegen. Die analytische Richtung hat uns mit der Natur und den Lebenseigentümlichkeiten der Bakterien und Gärungs- organismen vertraut gemacht und den Erklärungsgrund für viele bereits aus der Empirie des täglichen Lebens bekannte Erscheinungen wie die Alkoholgärung oder die im Hausgebrauch geübten Sterilisierungsmethoden Die Beziehungen der Botanik zur Technilc. ä aufgedeckt. Aus dieser Kenntnis ergaben sich neue zweckmäßige Sterilisierungsmethoden, und die rein theoretische, durch die Krankheiten des Bieres veranlaßte Untersucliung der Alkoholgärungserreger führte ja bekanntlich zu einer so vollkommenen Beherrschung der Stoffwechsel- prozesse dieser Organismen, daß man heute imstande ist, mit Hülfe der von Hansen in die Bierbrauerei eingeführten Reinkulturen der Gärungs- erreger aus bekannten Rohmaterialien ein Bier von konstanter Beschaffen- heit herzustellen. Es erinnert dies Verfahren an die Synthese in der organischen Chemie, nur mit dem Unterschiede, daß man die chemischen Operationen aus dem Laboratorium in die Zelle verlegt. Noch mehr offenbart sich dieser synthetische Charakter unserer Wissenschaft in der Herstellung der Zitronensäure durch Citromijces-Krten und andere Pilze. Von ganz anderen, rein theoretischen Gesichtspunkten ausgehende Unter- suchungen machten Wehmer') mit dem Stoffwechsel von Citromyces bekannt und führten ihn zur Ausarbeitung eines Verfahrens für die Gewinnung von Zitronensäure, das patentamtlich geschützt und mit Er- folg ausgebeutet worden ist. Der gewaltige Erfolg der Hau senschen Untersuchung über bier- produzierende Gärungserreger hat zu einer intensiven Beschäftigung mit dem Gebiete der technischen Mykologie geführt, und wenn es auch noch nicht gelungen ist, alle in technischen Betrieben durch Mikroorganismen hervorgerufenen Prozesse befriedigend aufzuhellen, so ist doch manches wertvolle Resultat erzielt worden, und wir dürfen von der synthetischen Richtung der angewandten Botanik auf diesem Gebiete für die Zukunft noch manches bedeutungsvolle Ergebnis erwarten. Das jugendhche Alter der technischen Mykologie bringt es mit sich, daß manche Gebiete noch nicht in Angriff genommen oder erst mangelhaft durchforscht worden sind. Das gilt auch von der Anteil- nahme der Mikroorganismen an der Herstellung mancher Rohstoffe in den Röstungs- und Fermentierungsprozessen. Namentlich letztere sind noch sehr ungenügend erforscht, ich erinnere nur an die Fermentiorung des Kakaos, während die Röste etwas besser bekannt ist. Wir wissen von ihr, daß es sich bei der Isolierung der Bastbündel aus den Stengeln des Leins, des Hanfes, der Jute und einiger weniger bekannter Pflanzen um eine durch Bakterien hervorgerufene Pektingärung handelt, und daß 'das gewonnene Rohprodukt ganz wesentlich durch die Art des Verlaufs dieser Gärung beeinflußt wird. Dieser hängt aber sowohl von der Natur 1) Beiträge zur Kenntnis einheimischer Pilze I. Zwei 'neue Schimmel- pilze als Erreger einer Zitronensäuregärung. Mit 2 Tafeln. Hannover (Hahnsche Buchhandlung) 1893. Patentschrift No. 72 957 und Zusatz zu diesem Patent No. 91891 (Mucor piriformis). 1* 4 A. Wieler. der gärenden Organismen als auch von den Umständen ab, unter denen sich die Gärung abspielt. Die hochgeschätzten Sorten des belgischen Flachses soll ihre guten Eigenschaften der Röstung im Flusse Lys verdanken, wo diese besonders günstige Bedingungen findet. Auf Grund des Studiums dieser Verhältnisse haben AUison und Pennin gton*) ein patentiertes Verfahren ausgearbeitet, nach dem eine bessere Qualität Flachs dadurch erzielt werden kann, daß man dem Röstwasser bestimmte Salze, welche für die Entwickelung des Pektingärungsbazillus zuträglich sind, und Bakterien der Lysröste zusetzt. Noch eines anderen wichtigen Erfolges der synthetischen Rich- tung in der technischen Mykologie müssen wir hier gedenken: das ist die Verwertung der Fäulnisorganismen zur Zerstörung organischer Materie, wie sie in dem „biologischen Klärverfahren" eine bedeutungs volle Zukunft für die größeren Städte zur Beseitigung der Abwässer haben dürfte. Es werden hierbei zielbewußt in besonderen Anlagen die Prozesse eingeleitet, welche sich in den Flußläufen abspielen, wenn Abwässer in sie gelangen, und die man als Selbstklärung der Flüsse bezeichnet. Auch die Gewinnung von Trinkwasser aus den Flüssen zur Versorgung der Städte setzt eine Beseitigung der organischen Sub- stanz im Wasser voraus, und diese Beseitigung erreicht man in der Sandfiltration unter Mitwirkung von Mikroorganismen. Die technische Mykologie greift mit dem Kapitel der holzzerstrirenden Pilze auch auf die Baumaterialienkunde über. Das Studium dieser Pilze hat zu Maßregeln geführt, welche es ermöghchen, das Holz gegen ihre zerstörende Wirkung zu schützen, indem es mit für die Pilze giftigen Stoffen imprägniert wird, oder indem man ihnen mittelst der Dämpfungsmethode den Nährboden im Holze entzieht. Diese letzteren Methoden gründen sich ebensosehr auf die Kennt- nis von der Natur der Pilze wie auf die von der Natur des Holzes. Die anatomischen Verhältnisse desselben geben auch die Grundlage für das Verständnis seiner Eigenschaften, der Schwere. Härte, Festigkeit, Farbe, Elastizität, des Glanzes usw. ab. Die Entstehung des Holzes, die Erscheinung der Jahresringe, das Auftreten von Splint und Kern sind nur entwickelungsgeschichtlich und aus dem Zusammenhang mit der Ausgestaltung der ganzen Pflanze und ihren Lebenseigentümlichkeiten zu verstehen. In diesem Teil der Baumaterialienkunde ist bisher nur die analy- sierende Richtung unserer Wissenschaft zur Geltung gekommen, und ebenso herrscht sie auf dem Gebiete der Rohstofflehre vor. Aber schon auf 1) Wiesner, Die Rohstoffe des Pflanzenreichs. 2. Aufl., II, S. 288. Die Beziehungen der Botanik zur Technik. 5 der Generalversammlung der Deutschen Botanischen Gesellschaft im Jahre 1901 hat AVarburg') darauf hingewiesen, daß der Charakter unserer Wissenschaft sie nicht zu dieser Rolle verurteile, sondern daß sie auch auf dem Gebiete der Rohstofflehre synthetische Züge besäße. Sie müsse sich nach dieser Richtung hin entwickeln und die Natur der Blütenpflanzen so zu beherrschen lernen, wie sie die der Alkoholgärungs- organismen beherrsche, um die besten Kulturmethoden und die zweck- mäßigsten Methoden zur Erntebereitung angeben zu können. Einst- weilen dominiert noch die analysierende Richtung, welche uns aus den Lehren der Zellphysiologie, Anatomie, Morphologie, Systematik und Pflanzengeographie die Natur, Abstammung und Eigenschaften der Roh- stoffe verstehen lehrt. Nach Drude umfafit die wissenschaftlich be- gründete Lehre von den technisch verwendeten Rohstoffen des Pflanzen- reichs 4 Hauptpunkte: 1. „Feststellung der Merkmale und Herkunft: sowohl nach anato- mischer Organographie, als nach systematischer Klassifikation, 2. Ermittelung der die Verwendung beeinflussenden Eigenschaften vom botanisch-physiologischen Standpunkte. 3. Feststellung der Heimat nach natürlichen und Kulturzonen; geo- graphische Rassen und ihre Bedeutung für den Wert der Rühstoffsorten. 4. Kritik der Gewinnungsweisen." ^) Die Eigenschaften eines Rohstoffes sind in erster Linie von der Natur der Stammpflanze abhängig. Da die Kulturpflanzen stark zum Variieren neigen, klimatische, Boden- und Kulturverhältnisse ihre Eigen- schaften und die der von ihnen abstammenden Rohstoffe beeinflussen, so hat man es in der Gewalt, durch zielbewußte Züchtung und Kreuzung die Produkte zu verbessern und ihre Kultur in Gebieten einzubürgern, wo die Stammpflanzen bisher noch nicht v^uchsen oder in einer Form, welche für ihre Gewinnung ungeeignet ist. Als Beispiel mögen die Bestrebungen, in unseren Kolonien den Baumwollbau einzubürgern, die ich als bekannt voraussetze, angeführt werden. In zweiter Linie ist die Ausbildung des Rohstoffes in quahtativer und quantitativer Beziehung von den Vegetationsfaktoren abhängig. Aus den Untersuchungen von Koch^) und KohP) ist bekannt, daß die ') Geschichte und Entwickeluug der angewandten Botanik. Ber. d. D. Bot. Ges., Bd. XIX. 2) L c, S. 8. 3) Abnorme Änderungen wachsender Pflanzenorgane durch Beschattung. Berlin, Verlag von Wiegandt u. Hempel. 4) Die Transpiration der Pflanzen und ihre Einwirkung auf die Aus- bildung pflanzlicher Gewebe. Braunschweig 1886. Q A. Wieler. Wandverdickung und zum Teil aucli die Verholzung von dem Lichte und der Transpiration mitbestimmt werden. Zu dichter Stand der Pflanzen bedingt eine zu schwache Beleuchtung der Stengel und bewirkt da- durch eine zu geringe Verdickung der Wände der Bastfasern. Beim Anbau des Leins z. B. ist sehr genau darauf zu achten, dali ein be- stimmter Abstand zwischen den Pflanzen eingehalten wird. Ein zu dichter Stand liefert eine schwache, ein zu weiter Stand eine grobe Faser. Auch die Intensität des Wachstums, mit der die Ausgiebigkeit der Transpiration zusammenhängt, ist für die Ausbildung der Fasern von Bedeutung. Lange, kräftige und feine Fasern werden im allge- meinen bei gutem lebhaftem Wachstum erzielt. Daß das Wachstum der Pflanze und damit der Fasern nicht energisch genug ist, ist einer der Gründe, warum in Süddeutschland der Anbau der Ramiefaser nicht rentabel ist. Ferner spielt das Alter der Fasern eine Rolle, was auf der Hand liegt, und bestimmt den Erntetermin. Bei den meisten Fasern ist es von hoher Bedeutung, den richtigen Erntezeitpunkt nicht zu ver- säumen, weil sie sonst zu grob werden oder verholzen. Nichts desto weniger wird das häufig nicht beachtet. So soll das Anwachsen der geringwertigen Qualitäten Jute auf dem Markt von Kalkutta ganz be- sonders diesem Umstände zuzuschreiben sein.') Werden die Pflanzen zu zeitig geerntet, so erhält man bei den meisten Faserpflanzen Fasern von schönem Aussehen, aber geringer Stärke. Die Gewinnungsweisen der Rohstoffe sind von ihrer Natur und dem Ort ihres Vorkommens im Pflanzenkörper abhängig. Die meisten Gewinnungsmethoden haben sich empirisch herausgebildet, ohne daü sie deshalb immer die beste Lösung des Problems darstellen. Bei den Mikroorganismen konnte ich bereits darauf hinweisen, daß der Röste- prozeü verbesserungsfähig sei. Aber viel lehrreicher ist noch die Ge- winnungsweise der kautschukliefernden Milchsäfte, hierbei ist man bis- her lediglich auf die Empirie angewiesen, und durch Probieren hat sich herausgestellt, daü die bisher geübten Methoden durchaus nicht stets die zweckmäßigsten sind. Es scheint auch, daß für verschiedene Kautschukbäume verschiedene Methoden erforderlich sind, ja daß sogar eine und dieselbe Pflanze in verschiedenen Gegenden nach verschiedenen Methoden angezapft werden muß, wenn sie dauernd die h<)chstmöglichsten Erträge, ohne Schaden zu nehmen, liefern soll.^) Von einer wissen- schaftlichen Durcharbeitung dieses Gebietes sind wir weit entfernt. 1) Sem 1er. Uie tropische Agrikultur. 2. Aufl.. Bd. Ill, S. 670, Wismar 1903. 2) Warburg. Die Kautschukpflanzen und ihre Kultur. Berlin 1900. Die Beziehungen der Botanik zur Technik. 7 Hier ist auch noch der scharfen Charakterisierung der Rohstoffe mittelst des Mikroskopes zu gedenken, welches z. B. die Faserstoffe noch im verarbeiteten Zustande zu unterscheiden gestattet und dadurch in Streitfällen die Natur des Rohstoffes einwandfrei zu erkennen ermöglicht. Auf den Gebieten der Mikroorganismen, Baumaterialien und Roh- stofflehre, auf den die Beziehungen zwischen der Botanik und Technik zu suchen sind, wirkt unsere Wissenschaft also teils erklärend und be- lehrend, teils produzierend, neue Werte schaffend, sie ist damit zu einer Hilfswissenschaft der Technik geworden. Ist sich die Technik auch dessen bewußt und bemächtigt sie sich der Bildungselemente, welche aus dieser Quelle flief5en? LUese Frage muß leicht zu beantworten sein, wenn man den Bildungsgang, den die akademisch gebildeten Techniker durchmachen und die einschlägige Literatur, welche auf sie zurückgeht, daraufhin prüft. Die einzelnen technischen Berufe sind ja in sehr verschiedenem Grade an den Beziehungen der Botanik zur Technik interessiert. Für die Architekten und Ingenieure kommt die Baumaterialienkunde aus dem Pflanzenreich einschließlich der Holzkrankheiten in Betracht, für den Tiefbauingenieur außerdem die Abschnitte der technischen Mykologie, welche die Abwässer- und Trinkwasserfrage behandeln. Diejenigen Ingenieure und technischen Chemiker, welche die Leitung technischer Betriebe, in denen pflanzliche Rohstoffe verarbeitet werden, übernehmen wollen, bedürfen der Kenntnis der Rohstofflehre, die technischen Chemiker außerdem der Kenntnis der technischen Mykologie, welche in so viele Gebiete hineingreift, und diese ist unentbehrlich für diejenigen Chemiker, welche sich zu Nahrungsmittelchemikern ausbilden wollen, oder welche in einer sonstigen gutachtlich-prüfenden Tätigkeit ihre Lebensaufgabe erblicken. Wenn nun auch die Organisation der technischen Hochschulen im Deutschen Reiche sehr verschiedenartig ist und demnach auch die An- sprüche, welche an die Ausbüdung der Studierenden, wie sie im Diplom- examen zum Ausdruck kommen, sehr ungleich sind, so glaube ich mit meiner Behauptung doch nicht fehlzugehen, daß auf keiner dieser Hoch- Ule, Kautschiikgewinnung und Kautschukhaiidel am Amazonenstrom. Tropenpflanzer, Bd. 9, 1905, Beiblätter. Reintgen, Die Kautschukpflanzen. Ebenda, Soskin, Kick-xiaerträge in Kamerun. Tropenpflanzer, Bd. 10, 190G. Strunk, Eine neue Anzapfungsmethode für Kickxia dastica. Ebenda. Strunk u. Soskin, Nochmals die Kickxiaerträge in Kamerun. Ebenda. Busse, Kautschukkultur in Deli. Ebenda. Auch die sonstia-e Kautschukliteratur. ' - • .-•=-- g A. Wieler. schulen der Botanik die Aufmerksamkeit geschenkt wird, "welche ihr im Interesse der Technik selbst gebührt, und daß die technischen Hoch- schulen sich im Lichte stehen, wenn sie für ihre Lehrzwecke die Mit- wirkung des Botanikers nicht heranziehen. So weit mir bekannt, stimmen alle Hochschulen darin überein, daß die Baumaterialienkunde das Lehrgebiet einer ausschlielUich tech- nisch gebildeten Persönlichkeit ist. Nun haben wir gesehen, daß zum richtigen Verständnis der pflanzlichen Baumaterialien ein gewisses Maß botanischer Kenntnisse erforderlich ist. Verfügt der Vortragende über diese Kenntnis, so kann er das Gebiet natürlich ebenso klar behandeln wie der Fachmann. Was aber, wenn er nicht über diese Kenntnis verfügt? Dann wird er den theoretischen Teil ganz fallen lassen oder er wird ihn, so gut er kann, an der Hand eines Lehrbuches behandeln. Leider sind aber diese Lehrbücher, wie ich später noch zeigen werde, nach dieser Richtung hin durchaus nicht vorbildlich. Daraus ergibt sich, daß in den meisten Fällen die theoretische Ausbildung des Studierenden auf dem Gebiete der pflanzlichen Baumaterialien sehr mangelhaft, wenn nicht gar wertlos ist. Seine Kenntnis des Holzes wird dann nicht über das Niveau des Handwerkers hinausgehen, was besonders mit Rücksicht auf die schädliche Wirkung der holzzerstörenden Pilze, ihre Bekämpfung und die Möglichkeit, ihrer Entwickelung vorzubeugen, zu beklagen ist. Übrigens entspricht es augenscheinlich nicht den Wünschen technischer Kreise, auf diese botanischen Kenntnisse zu verzichten, widmet doch jedes Lehrbuch der Baumaterialienkunde diesem Punkte einen kürzeren oder längeren Abschnitt. Aber diese Literatur läßt gerade das Unzu- längliche des Unterrichtes in der Baumaterialienkunde an den technischen Hochschulen erkennen, nicht als ob alle diese Werke von Hochschul- professoren herrührten, sondern weil die Verfasser mit ihrer fachlichen Bildung in der technischen Hochschule wurzeln. Die Art, wie hier die Baumaterialienkunde behandelt wurde, wird für sie vorbildlich sein, und die Ansprüche, welche sie an die Darstellung der pflanzlichen Verhält- nisse stellen, wird sich nach dem Maß botanischer Erkenntnis richten, welche sie auf der Hochschule gewonnen haben. Von allen Autoren darf man annehmen, daß sie ihrer Meinung nach in diesen Abschnitten etwas Richtiges und den Zwecken Entsprechendes gegeben haben. Auch tritt meistens deutlich das Bestreben zutage, etwas Gutes zu leisten. Wenn dennoch diese' Bestrebungen nicht von Erfolg gekrönt sind, so daß man sich die Frage vorlegen muß, ob es nicht richtiger wäre, ganz auf diese Kenntnisse zu verzichten, anstatt das Gedächtnis mit totem botanischen Wissen zu beschweren, so muß das einen tieferen Grund haben. Mir scheint er in der mangelnden Anschauung zu liegen, gründet Die Beziehungen der Botanik zur Technik. 9 sich doch unsere Wissenschaft auf die Anschauung; und wenn diese unmittelbare Anschauung fehlt, mag es nicht leicht sein, aus den bota- nischen Lehrbüchern eine anschauliche Vorstellung von dem Aufbau der Pflanze zu gewinnen. Jedenfalls vermisse ich eine solche in allen Werken über BaumateriaUenkunde, welche ich einzusehen Gelegenheit hatte.') Auch das bekannte und sonst gewiß empfehlenswerte Werk von Gottgetreu macht hiervon keine Ausnahme. Die verschiedenen Dar- stellungen sind untereinander nur graduell unterschieden. Überein- stimmend ist in allen Werken das Kapitel über die Fehler und Krank- heiten der Hölzer unzulänglich. Ich halte die Sache für wichtig genug, um noch etwas länger dabei zu verweilen, und ich möchte einige Bei- spiele anführen als Beweis dafür, daß ich nicht übertreibe, und damit Sie sehen, wie unsere Wissenschaft behandelt um nicht zu sagen miß- handelt werden kann. Der „Katechismus der Baustofilehre" von Lange, der in erster Linie mit Rücksicht auf den Unterricht an Baugewerkschulen abgefaßt ist, seiner Form wegen sich aber auch als Repetitorium an anderen Lehranstalten eignen dürfte, enthält über das Holz nur Folgendes: „Das Holz ist ein Baustoff von großer Tragfähigkeit, Zähigkeit und Elastizität, dabei leicht zerlegbar, leicht zu bearbeiten und von großer Feuerbeständigkeit, dagegen anderseits der Zerstörung durch Faulen ausgesetzt. Es besteht der Hauptsache nach aus Kohlenstoff, W^asser- stoff und Sauerstoff. Der Zellstoff (Cellulose) besteht aus 44 ^Iq Kohlen- stoff, 6 °/o Wasserstoff und 50 °/o Sauerstoff. Außerdem sind im Holz- stoff Eiweißkörper, Stärke, Dextrin, Zucker, Harze, Öle, Gerbsäure vor- handen, allerdings in geringer Menge. Ein mehr oder minder großer Wassergehalt ist nicht außer acht zu lassen (25 — 60 °/(j). Das Wachsen des Holzes geschieht durch Ansetzen von Zellen; der Baustoff derselben 1) Gottgetreu, Physische und chemische Beschaffenheit der Bau- materialien, deren Wahl, Verhalten und zweckmäßige Verwendung. Ein Hand- buch für den Unterricht und das Selbststudium. 3. Aufl., Berlin 1880. Sykyta, Das Holz, dessen Benennungen, Eigenschaften, Krankheiten und Fehler. Ein Leitfaden zum leichten Erkennen einzelner Holzarten und eines schadhaften Holzes für Eisenbahn-, Gruben-, Forst-, Holz- und Zivil- techniker sowie Bau- und Zimmermeister. Prag 1882. Lange, Direktor des Technikums der freien Hansestadt Bremen, Kate- chismus der Baustofflehre. Leipzig (J. J. Weber) 1898. Nöthling, Architekt und Oberlehrer an der Kgl. Baugewerkschule zu Hildesheim, Baustofflehre. 13. Bd. des Handbuches des Bautechnikers, eine übersichtliche Zusammenfassung der an Baugewerkschulen gepflegten tech- nischen Lehrfächer, 1904. Krüger, Handbuch der Baustofflehre. Wien, Pest, Leipzig (A. Hart- lebens Verlag) 1899, 2 Bde. ^Q A. Wieler. ist hauptsächlich der Kohlenstoff, der sich mit Sauerstoff und \\'asser- stoff verbindet. Allerdings geht bei diesem Bildungsvorgang der größte Teil des Sauerstoffes in die Luft über. Die Bildungselemente entnimmt der Baum in Form von Kohlensäure aus der Luft und in Form von Wasser aus dem Boden. Die Gefäße setzen sich ringförmig an, daher die sog. Jahresringe, die als Frühjahrsholz sich lockerer, als Herbstholz sich dichter ansetzen. Nach der Höhe des Baumes bilden sich völlige Kegel aus. Man unterscheidet, von innen nach außen Mark, Kernholz, Splintholz, Bast und Rinde. Von innen gehen nach außen Martstrahlen (Spiegel) S. 124. Brüchiges Holz hat sehr breite Jahresringe mit dünner Wandung. — Holzschwamm ist der gefährlichste Feind des Holzes; er entsteht nament- lich, wenn' nasses Holz ohne Lichtzutritt und Luftwechsel verlegt wird" (S. 125). In seiner „Baustofflehre" beschreibt Nöthling das Holz folgender- maßen: „Die Hölzer enthalten nur geringe Bestandteile aus dem Mineral- reiche (etwas Kalk, Kali, Natron, Phosphor, Eisenoxyd und Kieselsäure), während die Hauptteile organische Stoffe sind (Zucker, Stärke, Pflanzen- eiweiß, Dextrin, Zellulose, Harze usw.). Die organischen Bestandteile sind leicht unter dem Einflüsse des Wassers und der Wärme zersetzbar, während die mineralischen Bestandteile nicht zersetzbar sind und beim Brennen als Asche zurückbleiben. Die Pflanze besteht aus Zellen von verschiedener Gestalt und Be- schaffenheit, welche sich zu Rinde, Bast, Holz und Blättern zusammen- fügen. Die Zelle ist ein mikroskopisch kleines Bläschen von Walzen- foi'm, von einer feinen Haut (Zellmembran) umschlossen und mit einer wässerigen Flüssigkeit (dem Zellsaft) gefüllt. Eine große Zahl von gleichartigen Zellen schließt sich zusammen zu Zellgeweben. Man unter- scheidet: Bildungszellgewebe und Dauerzellgewebe. Das Bildungszell- gewebe (Kambium, Verdickungsring, Ernährungsring) bewirkt das Wachstum der Pflanze, indem die Zellen durch Teilung sich fortwährend vermehren; ein Teil der neugebildeten Zelle wird wieder Bildungsgewebe und setzt die Tätigkeit des Kambiums fort, ein anderer Teil wird Dauer- zellgewebe und bildet Holz, Rinde, Bast usw. Die Zellen des Dauer- gewebes teilen sich nicht weiter, sie wachsen nur, indem sich aus dem Zellsafte neuer Zellenstoff bildet. Das Holz setzt sich aus einer zahllosen Menge langgestreckter Holzzellen zusammen, deren Wandungen durch Bildung neuer Ver- dickungsschichten immer stärker werden und zwar auf Kosten des inneren Hohlraumes. Letzterer verliert zuletzt den Zellsaft; dann erlischt Die Beziehungen der Botanik zur Technik. 11 die Lebenstätigkeit der Zelle und das Holzzellgewebe hat die Grenze seines Wachstums erreicht, ist reifes Holz, Kernholz, geworden, während das unreife, noch in der Bildung begriffene Holz Splintholz genannt wird. Zur Bildung des Kernholzes gehört eine Reihe von Jahren. Betrachtet man den Querschnitt (Hirnschnitt) eines jungen Zweiges, so zeigen sich verschiedene Zellgewebe: in der Mitte das Mark, von diesem radial ausgehend die Markstrahlen, beide aas Holzzellen bestehend. Außen zeigt sich das Kambium, welches nach der Mitte hin Holz- zellen, nach außen hin Bast- und Rindenzellen bildet. Die Bildung von Holzzellen aus dem Kambium beginnt im Frühjahre und dauert bis zum Herbst; die im Frühjahr gebildeten Holzzellen sind weiter und größer, die im Sommer gebildeten kleiner und enger. Die Gesamtheit der in einem Jahre gebildeten Zellen heißt ein Jahresring. In jedem Jahres- ringe zeigt sich eine weniger dichte Schicht, das Frühlingsholz, und eine dichtere Schicht, das Herbstholz; beide Schichten sind auch meist durch die Farbe kenntlich und darum leicht von einander zu unterscheiden. Je mehr die Jahresringe des Holzes sich einander nähern, desto fester und haltbarer ist das Holz ; zeigen sich zwischen den Jahresringen Risse, so ist das Holz kern faul oder kernschälig. Die Textur des Holzes wird durch die verschiedene Dichtigkeit der Holzbündel ungleichmäßig. Die Markstrahlen, welche sich in allen Jahresringen neu bilden, sind ebenfalls von verschiedener Breite und Höhe; sie vermindern namentlich die Spaltbarkeit des Holzes und unier- -stützen damit den Widerstand gegen Zerknicken. Die Markstrahlen zeigen sich besonders deutlich in radialen Spaltflächen, in denen sie nach Länge und Breite bloßgelegt werden, und heißen auch Spiegel- fasern." Aus den Merkmalen zur Unterscheidung von Laub- und Nadel- hölzern hebe ich folgende hervor: „Das Holz (der Laubhölzer) zeigt einen zusammengesetzteren Bau, die Holzfasern liegen nicht so parallel und glatt nebeneinander; Markstrahlen verschiedener Höhe und Breite durchsetzen die Holzfaserbündel und beeinträchtigen die Spaltbarkeit." „Die Nadelhölzer zeichnen sich vor den Laubhölzern aus durch die Harzgänge, welche, zwischen den Zellen in der I^ängsachse verlaufend, unregelmäßig zerstreut sind." „Der Hauptunterschied zwischen Laub- hülz lind Nadelholz ist der, daß Laubholz einen festen Kern und eine weiche Rinde hat, während beim Nadelholz die äußeren Holzlagen die festeren sind" (S. 137). Wie schwer es ist, falls die Anschauung fehlt, selbst dann funda- • mentale Fehler zu vermeiden, wenn der Versuch einer erschöpfenden Darstellung der Entstehung und des Baues des Holzes gemacht wird, 12 A. Wieler. geht aus dem Krug er sehen „Handbuch der Baustoff lehre" hervor. Ein Beispiel möge zur Illustrierung des Gesagten genügen. Es ist vom Dickenwachstum des Dikotylenstammes die Rede. „Im zweiten Jahre des Wachstums schiebt sich zwischen die Holzkörper und die mit der Rinde verbundene Bastschicht ein neuer Kreis von Gefäßbündeln ein, im dritten Jahre abermals ein neuer Gefäl5bündelkreis zwischen Bast- schicht und Holzkörper des zweiten Kreises und so fort, so daß der Stamm in jeder Vegetationsperiode um je einen Gefäßbündelkreis wächst. Diese auf dem Querschnitt meist deutlich erkennbaren, kontinuierlichen Ringe werden Holzringe oder Jahresringe genannt " So ist die Literatur beschaffen,^) aus welcher die Architekten und Ingenieure ihre Kenntnis über die pflanzlichen Baumaterialien schöpfen, und dementsprechend muß der Unterricht sein, den sie genießen und eventueU erteilen. Dieser Zustand ist sehr bedauerlich und um so mehr, als er überhaupt nicht zu bestehen brauchte. In unserer Zeit der literarischen Arbeitsteilung hätte es bei Herausgabe von Hand- und Lehrbüchern nahegelegen, den Botaniker zur Mitarbeit heranzuziehen. Daß man das nicht getan hat,') während der eine oder andere in chemischen Dingen die Hilfe des Fachmanns in Anspruch genommen hat, bleibt ein vollkommener Widerspruch, wo doch bekannt ist, wie gering die Verbreitung wirklicher botanischer Kenntnisse und richtiger Naturanschauung ist. Wie niedrig muß man in manchen Kreisen unsere Wissenschaft bewerten ! Der akademische Unterricht in der Baumaterialienkunde hätte un- zweifelhaft gewonnen, wenn man zum theoretischen Teil den Botaniker 1) In der Diskussion, welche sich an den Vortrag anschloJ3, wurde von Herrn Professor Fünfstück von der Technischen Hochschule in Stuttgart darauf aufmerksam gemacht, daß es auch Werke gäbe, welche die hier ge- rügten Mängel vermieden hätten. Er exemplifizierte auf das Handbuch der Architektur imd auf Luegers Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfs- wissenschaften (1894 — 1899). In Band 1 der 1. Abteilung des Handbuches der. Architektur (1883) ist „das Holz" von Dr. W. F. Exner und Gr. Lauböck behandelt (S. 159—179). Diese Abhandlung ist rein deskriptiv und setzt, die erforderlichen botanischen Kenntisse voraus, gehört also streng genommen nicht zu der von mir geschilderten Kategorie von Darstellungen. Das Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften behandelt das Gebiet alphabetisch in einzelnen Artikeln. Es eignet sich deshalb vorzüglich als Nachschlagewerk, dürfte aber schwerlich die Hand- und Lehrbücher der Bau- materialienkunde besonders für die Studierenden ersetzen können. Immerhin ist der Hinweis auf dies Werk gerechtfertigt, indem zur Behandlung botanischer Dinge tatsächlich der Botaniker hinzugezogen, hier also das Prinzip befolgt worden ist, weh-hes ich oben für die Hand- und Lehrbücher der Bauraaterialien- kunde als zweckmäßig hingestellt habe. Die Beziehungen der Botanik zur Technik. 13 herangezogen hätte, da er ja in ganz anderer Weise über das erforder- liche Demonstrationsmaterial verfügt und mit Hilfe des Mikroskops dem Zuhörer tatsächlich eine Vorstellung von dem Bau und der Entstehung des Holzes verschaffen kann. Gleichfalls ungünstig, wenn auch nicht so ungünstig wie bei der Baumaterialienkunde, liegen die Verhältnisse bei der Rohstofflehre. Als besonderes Lehrgebiet ist sie nur an der Technischen Hochschule zu Dresden vertreten; dort wird auch eine Prüfung in ihr beim Diplom- examen für Betriebsingenieure abgelegt, für ausreichende botanische Bildung ist also Sorge getragen. Die Möglichkeit, sieh mit diesem Gebiet bekannt zu machen, bietet sich den Studierenden an der Tech- nischen Hochschule zu Aachen, wo an der mit ihr verbandenen Handels- hochschule Vorlesungen über Warenkunde abgehalten werden. Ein ein- leitendes Kolleg belehrt als „biologische Grundlagen der Warenkunde" über die zum Verständnis der Rohstoffe erforderlichen Grundbegriffe aus der Botanik und Zoologie. An den anderen technischen Hochschulen Deutschlands wird, soweit mir bekannt, das Gebiet überhaupt nicht doziert,') höchstens ein einzelner Abschnitt von einem Privatdozenten-) gelesen, während an den Hochschulen Österreichs die Rohstofflehre offizieller Lehrgegenstand ist. An unseren deutsehen Hochschulen sind die Studierenden also meistens nur auf die Mitteilungen angewiesen, welche sie gelegentlich der Vorlesungen über mechanische und chemische Technologie erhalten. Unter solchen Umständen werden die botanischen Beziehungen keine besondere Pflege finden, die Darstellung wird über das rein Deskriptive schwerlich hinausgehen, die anatomischen Ver- hältnisse, namentlich bei den Faserstoffen, werden kaum die gebührende Berücksichtigung finden. Die Verwendung des Mikroskops und die Übung in der mikroskopischen Technik bleiben ausgeschlossen. Dem Umstände ist es unzweifelhaft zuzuschreiben, daß sich das Alikroskop nicht in die technischen Betriebe einbürgert, wenn es auch schon lange als wünschenswert anerkannt worden ist, wie aus dem Kuhn sehen Werk über Baumwolle^) hervorgeht. So bleiben denn meistens die 1) Wie sich aus der Diskussion ergab, wird an den Technischen Hoch- schulen zu Stuttgart und München ein Praktikum für technische Mikroskoi)ie abgehalten. 2) In Hannover werden mit Erfolg einstündige Vorlesungen über „Unsere Waldbäume", „Holz und Holzarten" und „Besprechung der wichtigeren Nutzpflanzen der deutschen Kolonien" gehalten. In Darmstadt wird im Winter zweistündig über ,, Technisch wichtige Rohstoffe des Pflanzenreiches" gelesen und im Sommer werden einstündige Übungen dazu abgehalten. 3) H. Kuhn, Die Baumwolle, ihre Kultur, Struktur und Verbreitung. Mit 1 kolor. Abb. u. 4 Tafeln. Wien 1892. j^4 ^- Wieler. Ingenieure, welche als Betriebsingenieure in die Praxis gehen, ohne entsprechende botanische Ausbildung, während die Verhältnisse für die technischen Chemiker vielfach günstiger liegen. An manchen Hoch- schulen wird eine gewisse Ausbildung in der Botanik beim Diplomexamen gefordert, an manchen wird die Wahl freigelassen zwischen Botanik und anderen Fächern. Aber wir haben auch eine Reihe von Hoch- schulen, wo die Botanik als Prüfungsfach ganz ausfällt oder höchstens als Zusatzprüfung möglich ist. Wo die Chemiker sich eine botanische Ausbildung aneignen, haben sie die erforderliche Grundlage für das Verständnis der Rohstofflehre gewonnen und können sich über diese aus der Literatur unterrichten. In den W'erken unserer österreichischen Kollegen wie Wiesner, v. Höhnol, Hanausek u. a. m. liegen ja auch vorzügliche Arbeiten vor, während die rein technologische Literatur, den Fluch mangelhafter botanischer Ausbildung mit sich schleppend, vielfach unzulänglich ist. Das bereits erwähnte, für die Verwendung des Mikroskopes in der Praxis eintretende Buch von Kuhn über die Baumwolle ist unklar und fehlerhaft, wo es auf die Anatomie der Pasern zu sprechen kommt. Und dasselbe gilt auch von dem erst im Jahre 1902 auf Veranlassung der Bremer Baumwollbörse herausgegebenen Buch über „Die Baumwolle" von Oppel.') Die Abschnitte über Ana- tomie und Entwickelungsgeschichte der Früchte, Samen und Fasern der Baumwolle verraten durchaus ungenügende botanische Vorbildung. Wenn nun auch dies Werk kaum auf das Konto der Technik kommt, so legt doch der Verfasser technische Werke seiner Darstellung zugrunde und muß anderseits wesentlich auf die technischen Kreise als Leser gerechnet haben. Insofern spiegelt auch dies Werk die botanischen Kenntnisse der technischen Kreise wieder. Die technische Mykologie ist als besonderes Lehrgebiet nur an den wenigsten technischen Hochschulen Deutschlands vertreten, in Danzig^) und München durch Ordinariate mit Rücksicht auf die land- wirtschaftlichen Nebengewerbe und in Hannover durch eine Dozentur. Hier wird „Hefe und Alkoholgärung" einerseits und „technische Bakte- riologie" anderseits von botanischen Gesichtspunkten gelesen. Sonst werden diese Gebiete in der chemischen Technologie, in der Hygiene und eventuell in den Ingenieurwissenschaften an entsprechender Stelle behandelt. Es liegt in der Natur der Sache, daß diese Behandlung nur 1) Die Baumwolle nach Geschichte, Anbau, Verarbeitung und Handel sowie nach ihrer Stellung im Volksleben und in der Staatswirtschaft. Leipzig, Duncker & Humblot, 1902. ^) Wie mir infolge des Vortrages mitgeteilt wird, soll dies Ordinariat zu einer Dozentur herabtre drückt werden. Die Beziehungen der Botanik zur Technik. 15 eine kurze und knappe sein kann, und daß die entsprechende Vertiefung des Verständnisses für biologische Vorgänge auf diese Weise schwerlich erreicht wird. Auch dürfte die Bakteriologie, soweit sie von einem Mediziner behandelt wird, nach der technischen Seite zu kurz kommen. Die ungenügende Berücksichtigung der Botanik oder richtiger ge- sagt der Botaniker von selten der technischen Hochschulen hat noch einen weiteren Nachteil für die Technik im Gefolge, nämlich den, daß die Pflege und Erforschung der erwähnten Gebiete unterbleibt, denn die Botaniker an den technischen Hochschulen wären die berufensten dazu. Ich glaube niemandem zu nahe zu treten, wenn ich behaupte, daß von selten der Botaniker an unseren technischen Hochschulen die genannten Disziplinen keine oder nur geringe Förderung erfahren haben. Es kann das aber auch nicht überraschen, bestätigt es doch nur die alte Er- fahrung, daß zwischen der Lehrtätigkeit und der Forschung eine Wechselwirkung besteht. Wie soll der Botaniker dazu kommen, sich ohne Anstoß von außen, mit der Baumaterialien- oder Rohstoff lehre zu befassen? Welcher Anstoß würde aber so mächtig und nachhaltig sein wie der Zwang, die Materie für Techniker vorzutragen. Alsdann erst nimmt man die vorhandenen Lücken wahr, lernt man die Bedürfnisse der Technik verstehen und verfolgt die feineren Beziehungen zwischen ihr und der Wissenschaft. Eine systematische Pflege der technischen Botanik ist meines Erachtens erst möghch, wenn man die Botaniker zu der Lehrtätigkeit heranzieht und sie so stellt, daß sie ihre Arbeitskraft tatsächlich der Lösung einschlägiger Probleme widmen können. Heute liegt das Schwergewicht ihrer Tätigkeit an den meisten technischen Hochschulen in der Lehrtätigkeit für Pharmazeuten, Land- wirte und Forstwirte oder in einer anderen hauptsächlichen Neben- beschäftigung, oder die Lehrkräfte sind nebenamtlich angestellt, oder ihre Stellung ist derartig, daß der Selbsterhaltungstrieb sie zwingt, sich nach der Lehrtätigkeit an einer anderen Anstalt zu sehnen. Mit dieser Forde- rung will ich nicht etwa dem Gedanken das Wort reden, dem Botaniker an der technischen Hochschule seine Forschungsrichtung vorzuschreiben, vielmehr soll jeder meines Erachtens nach seinem eigenen Ingenium folgen. Aber es bestehen viele Brücken zwischen der theoretischen und technischen Botanik, die leicht zu einer Pflege der letzteren hin- führen, namentUeh wenn eine lehrende Tätigkeit auf diesem Gebiete hinzutritt. Auch wird man nicht erwarten dürfen, daß sich jeder in allen Zw^eigen der technischen Botanik forschend betätigen wird, sondern es wird auch hier eine gesunde Arbeitsteilung Platz greifen, während die Lehrtätigkeit sich namentlich an kleineren technischen Hochschulen auf alle erstrecken kflnnte. IQ A. Wieler. Ob in dem Persönlichen in absehbarer Zeit eine Änderung zu er- warten ist, muß dahingestellt bleiben und wird zum Teil davon abhängen, wie sich die Fachgenossen selbst dazu stellen. Mehr Aussicht auf Ver- wirklichung scheint mir der Plan zu haben, die technische Botanik in den Unterrichtsbetrieb hineinzuziehen, bzgl, stärker zu betonen. Aller- dings steht derselbe an den technischen Hochschulen unverkennbar im Zeichen der Konzentration. Auch wird jede Vermehrung der Fächer oder auch nur der Stundenzahl störend empfunden. Dem müßte man natürlich Rechnung tragen. Man müßte davon Abstand nehmen, den Unterricht so zu gestalten, wie wir ihn von der Universität her gewöhnt sind, also eine breite botanische Basis zu bieten, etwa in der Vorlesung über allgemeine Botanik, auf welche sich dann die Behandlung der speziellen Gebiete aufbauen würde. Man müßte den umgekehrten Gang gehen, bei Abhandlung der speziellen Gebiete müßte man die einschlägigen allgemeinen Begriffe und Vorstellungen erläutern. Nur für den technischen Chemiker würde ich eine tiefere theoretische Bildung für wünschenswert erachten, und ich würde es für durchaus berechtigt halten, von ihm eine obligatorische Beschäftigung mit der Botanik zu verlangen. Wer sich dem Studium der Naturwissen- schaften widmet, sollte auch Gelegenheit nehmen, einen Einblick in die biologischen Wissenschaften zu erhalten, wo der innere Zusammenhang zwischen allen naturwissenschaftlichen Disziplinen durch die Forschung immer mehr hervortritt. Die Beteiligung des Botanikers an den Vorlesungen über Bau- materialienkunde denke ich mir so, dal5 man dies Kolleg um eine be- stimmte Anzahl von Stunden kürzt, welche dem Botaniker zuzuweisen wären, damit er die Entstehung und den anatomischen Charakter des Holzes, die Stammpflanzen des Holzes und die Holzkrankheiten behandelt. Allerdings müßte man einen Modus finden, daß diese Vorlesungsstunden auch besucht würden. Die hier erhobene Forderung, die botanische Grundlage der Baumaterialienkunde von dem Botaniker lesen zu lassen, steht nicht ohne Analogen da. Die erforderlichen chemischen, minera- logischen und geologischen Kenntnisse erwirbt sich der Studierende beim Chemiker, Mineralogen und Geologen. Auch müßte mein Vorschlag, sollte man denken, von den Dozenten für Baumaterialien als eine an- genehme Entlastung empfunden werden. Für die technische Mykologie würde ich zwei einstündige Vorlesungen vorschlagen — erst die Erfahrung kann darüber entscheiden, wie viel Zeit für dieses Gebiet erforderlich ist. In dem einem Kolleg sollten die allgemeinen biologischen Grund- lagen für das Verständnis der Mikroorganismen und diejenigen speziellen Abschnitte gegeben werden, welche für alle beteiligten Kreise von Be- Die Beziehungen der Botanik zur Technik. 17 deutung sind. Hier wäre auch die Abwässerfrage, die Sandfiltration, die Selbstreinigung der Flüsse, die Röste usw. zu behandeln. Den Gegenstand des zweiten Kollegs würden die speziellen auf der Tätigkeit von Mikroorganismen beruhenden Betriebe bilden. Die Abgrenzung beider Vorlesungen müßte sich aus dem praktischen Bedürfnis ergeben. Das erste Kolleg wäre für die technischen Chemiker, die Betriebs- ingenieure und die Tiefbauingenieure, das zweite Kolleg für die tech- nischen Chemiker bestimmt. Auch sollte Gelegenheit zu bakteriologischen Übungen und eventuell auch zu solchen über Gärungsorganismen ge- geben werden. Am schwierigsten scheint mir die Gestaltung eines zweckent- sprechenden Unterrichtes in der Rohstofflehre zu sein, wenn er als Er- gänzung zu den Vorlesungen über mechanische und chemische Techno- logie gedacht ist, und wenn ein möghchst geringes Maß von Zeit darauf verwandt werden soll. Neben der Vermittelung des botanischen Ver- ständnisses und der botanischen Kenntnisse wäre auch dafür zu sorgen, daß die Studierenden durch eigene Anschauung eine Vorstellung von den Rohstoffen und ihren Eigenschaften gewännen, also gleichzeitig in der Handhabung des Mikroskops unterwiesen würden. Es handelt sich also um eine Verbindung von Vortrag und Übungen. Vielleicht ließe sich der Unterricht am besten so gestalten, daß die mikroskopische Beobachtung in den Mittelpunkt gerückt und an sie die theoretische Er- örterung geknüpft würde. Meine Vorschläge für die technische Mykologie und die Rohstoft'- lehre sollen nur die Mindestforderungen enthalten. Wo die Aufgaben und die Organisation einer Hochschule einen weiteren Ausbau dieser Gebiete ermöglichen oder fordern, wird ja leicht hinsichtlich des Maßes und des Umfanges der Vorlesungen und Übungen das Richtige getroffen werden, es erübrigt sich demnach, an dieser Stelle näher darauf ein- zugehen. In meinen bisherigen Erörterungen habe ich mich darauf beschränkt, die Beziehungen zwischen der Botanik und der Technik darzulegen, welche sich ohne weiteres dem Botaniker aufdrängen; ich muß nun aber noch zrsveier Beziehungen gedenken, auf welche von anderer Seite auf- merksam gemacht wird. Die eine dieser Beziehungen spricht sich in einer Forderung der Diplomprüfungs-Ordnung der Technischen Hochschule zu Aachen für die Ingenieure des Wasserbaues aus ; vermutüch gilt sie für alle technischen Hochschulen Preußens. Danach sollen bei der Hauptprüfung eingehend Boden- und Pflanzenkunde geprüft werden. Zum ersten Male erleben wir es hier, daß die Bedeutung der Botanik für die Technik gerade Jahresbericht der Vereinigung für angewandte ßot.anik V. — 13 A. Wieler. von dieser anerkannt wird und infolge dessen eine Beschäftigung mit ihr von seiten der Studierenden gefordert wird. Man iiat es aber scheinbar nirgends für nötig erachtet, den einschlägigen botanischen Unterricht dem Botanilier zu übertragen. Deshalb ist einstweilen auch noch nicht ersichtlich, was die Prüfungsordnung unter „Pflanzenkunde" versteht. Es darf wohl etwas mehr dahinter gesucht werden als die bloße Kenntnis einiger Pflanzennamen; nach der physiologischen und ökologischen Seite dürfte eine Vertiefung zu erwarten sein, dafür spricht schon die Zusammenstellung mit der Bodenkunde in der Prüfungs- ordnung. Auf die zweite Beziehung unserer Wissenschaft zur Technik wird von forstlicher Seite hingewiesen. Es sind das die Hüttenrauchschäden,, die ihrer Natur nach ein pflanzenphysiologisches Problem sind und des- halb auch nur aus der Natur der Pflanze verstanden und gewürdigt werden können. Auf dem internationalen landwirtschaftlichen Kongreß- in Wien in diesem Frühjahr hat der als Rauchschadensachverständiger wohlbekannte Oberforstrat Karl Reuß in Dessau die „Maßnahmen gegen die Ausbreitung von Hüttenrauchschäden im Walde" besprochen. Nach ihm ist ein Eingreifen durch weitere gesetzliche Maßnahmen überflüssig; die bestehenden Vorschriften würden vollständig ausreichen, um die Hüttenrauchschäden einzudämmen, wenn nur nicht ihre Handhabung ungenügend wäre. „Nicht das Gesetz", sagt er, „sondern eine unrichtige und unge- nügende Anwendung hat die Ausdehnung der Schäden veranlaßt."' Da sich weder die die Betriebe genehmigenden Behörden noch die Gewerbe- aufsichtsbeamten der vollen Tragweite der schädigenden Wirkung der sauren Gase bewußt sind, ihr Verantwortlichkeitsgefühl auch nicht durch die sich oft widersprechenden Sachverständigen-Gutachten geschärft Avird, werden die Vorschriften nicht mit der nötigen Strenge gehandhabt. „Der allgenieine Mangel an Sachverstand ist vor allem anderen die Ursache der Ausdehnung unserer Waldschäden." Zur Beseitigung dieses Mangels fordert Reuß, daß an geeigneten Hochschulen ein Lehrstuhl für Hütten- rauchkunde errichtet werde, „damit Gelegenheit geboten ist, Sachver- ständige und Gewerbeaufsichtsbeamte im Erkennen und Beurteilen der Rauchschäden und der dagegen anzuwendenden Mittel besser auszubilden als bisher". Solche Professuren würden naturgemäß auch die Forschung auf diesem Gebiete wesentlich fördern, aus welchem Grunde der Vor- schlag gleichfalls dankend zu begrüßen sein würde. Sollte er einmal verwirklicht werden, so könnten für diese Professuren nur die technischen Hochschulen in Frage kommen, denn hier studieren die eigentlichen Interessenten an der Frage. Ihr Kreis ist aber viel bedeutender als. Die Beziehungen der Botanik zur Technik. 1^9 Reuß annimmt. Auch die Hüttenleute und technischen Chemiker, die eigentlichen Leiter der schädigenden industriellen Unternehmungen sollten sich mit dem Sachverhalt vertraut machen. Nicht minder kann man den Architekten und Ingenieuren, welche in den kommunalen Dienst übertreten wollen, empfehlen, sich über die Wirkungen des Hüttenrauches und des Steinkohlenrauches auf die Gesundheit der Menschen und auf die Vegetation klar zu werden. Liegt es auch nicht im Interesse der Städte, die Industrie aus ihren Mauern auszuschließen, so sollten sie es sich doch angelegen sein lassen, ihre schädigende Wirkung möglichst einzuschränken. Ein Mittel dazu ist in der Anlage der Städte geboten, indem man die Industrie so lokalisiert, daß die vorherrschenden Winde den Rauch nicht über die Stadt treiben können, wie es bereits in einigen Städten Rheinland-Westfalens geschehen sein soll. Meine Darlegungen haben Sie. wie ich hoffe, davon überzeugt, daß die Beziehungen zwischen der Botanik und der Technik mannig- faltig sind, viel mannigfaltiger als von vorneherein erwartet werden sollte, und daß es sowohl im Interesse der Wissenschaft wie der Tech- nik bzw. ihrer Vertreter liegt, sie in höherem Maße als bisher zu pflegen. 20 ^- Gilg. Die Pharmakognosie als wissenschaftliche Disziplin und ihre Vertretung an den deutschen Hochschulen. Vou Ernst Oilg, E)ahleni bei Berlin. Als ich vor einigen Jahren nach dem Tode des Prof. Gareke das Lehrfach der Pharmiikognosie an der Berliner Universität übernahm, war mir mein Lehrgegenstand nicht neu. Ich hatte schon seit etwa zehn Jahren mikroskopische Kurse abgehalten, in welchen die Drogen in erster Linie berücksichtigt wurden, hielt auch schon viele Semester Vorlesungen über die Anatomie der Drogen. Und doch war mir zu- nächst die Entscheidung sehr schwer, wie weit ich meine Disziplin fassen solle, was wirklich zur Pharmakognosie gehöre. Denn über dieses Gebiet schien ein leichter Schleier gebreitet, es war sehr schwierig, fast unmöglich, zu erfahren, wie Pharmakognosie an den verschiedenen deutschen Hochschulen gelehrt wurde, und die dürftigen Angaben, die ich erhielt, zeigten mir deutlich, daß nirgends eine Übereinstimmung bestand, daß keine Klarheit darüber herrschte, was Pharmakognosie eigentlich ist und welche Bedeutung ihr im Studium des Pharmazeuten zukommt. Nachdem ich mir durch langwierige Umfragen an den einzelnen Hochschulen das notwendige Material gesammelt hatte, hielt ich Ende des vorigen Jahres vor der Deutschen Pharmazeutischen Gesellschaft einen Vortrag über „die Ausbildung des studierenden Pharmazeuten in der Pharmakognosie an den deutschen Hochschulen",') in dem ich haupt- sächlich drei Fragen zu beantworten suchte, nämlich: 1. wie ist heutzutage der BegrifT Pharmakognosie zweckmäßig zu umgrenzen?, 2. wie wird gegenwärtig an den deutschen Hochschulen Pharmako- gnosie gelehrt?, 3. wie sollte Pharmakognosie gelehrt werden? Zu diesem Vortrag sind schon sehr zahlreiche Äußerungen er- schienen, welche teils unbedingt zustimmend, teils mehr oder weniger ablehnend lauteten, durch die aber auf alle Fälle unsere Kenntnis der 1) Ber. d. Dtsch. Pharmazeut. Gesellsch. XVI (1906). p. 414—440. Die Pharmakognosie als wissenschaftliche Disziplin usw. 21 einschlägigen Verhältnisse ganz erheblich gefördert wurde.') Und so sei mir gestattet hier nochmals die Pharmakognosiefrage kurz im Zusammen- hange darzustellen, wobei sich allerdings nicht vermeiden lassen wird, daß ich manches — teilweise wörtlich — wiederhole, was ich in meinem früheren Vortrag schon ausgesprochen habe. Von dem ursprünglich einheitlichen Gebiet der Lehre von den Heilmitteln trennte sich in Deutschland sehr frühzeitig die Pharmako- logie, die Lehre von der Wirkung der Heilmittel, als selbständige Disziplin ab, die naturgemäß dem Mediziner zufiel, während sie für den Pharmazeuten nicht von Wichtigkeit ist. Als dann im Laufe der letzten zwanzig Jahre infolge des gewaltigen Aufschwunges der Chemie mehr und mehr Heilmittel rein chemischer Natur auftauchten, als auch die sog. „wirksamen Substanzen" der Drogen rein dargestellt und ange- wendet wurden, trat ziemlich allgemein eine zweite Spaltung ein: die pharmazeutische C-hemie wurde zu einer besonderen, sehr durch- j;,ebildeten Disziplin, während der Rest der ursprünglichen Lehre von den Heilmitteln, das, was man jetzt allgemein als Pharmakognosie bezeichnet, nur noch gefaßt wurde als die Lehre von der äußeren Gestalt der Drogen, fast allgemein als ein Lehrgebiet zweiten Ranges eingeschätzt und an vielen Hochschulen kaum noch oder doch nur sehr ungenügend gelehrt wurde. Leider — und mir ganz unbegreiflich — blieb diese Bewertung der Pharmakognosie auch noch erhalten, als sich die Verhältnisse im Apothekenwesen ganz wesentlich änderten, als der Apotheker immer seltener und seltener die verhältnismäßig leicht kenntlichen Ganzdrogen bezog, sondern an ihrer Stelle Drogen in stark zerkleinerter oder sogar in Pulverform in die Offizin einführte. Dadurch mußte, da der Pharma- zeut auf der Universität nicht gründlich genug durchgebildet wurde, der unbefriedigende Zustand entstehen, daß der Apotheker selbst nicht mehr imstande war, für die Reinheit seiner Drogen einzustehen, sondern mehr oder weniger vollständig auf die Zuverlässigkeit seiner Bezugsquellen, der Großdrogenhäuser, angewiesen war. Um nur ein Beispiel für diesen das Ansehen des Apothekerstandes schwer schädigenden Zustand anzu- führen, sei auf eine vor kurzem erschienene Mitteilung des Grazer Pharmakognosten Möller hingewiesen, wonach in einer Anzahl Apotheken an Stelle von Digitalis -Blättern die vollständig unwirksamen Verbascum- Blätter geführt wurden. Diesem unleidlichen Mißstande hat denn auch das neue Deutsche Arzneibuch, IV. Ausgabe, Rechnung getragen. Wir finden hier bei fast ') Auf diese Äußerungen werde ich an anderer Stelle ausführlicher ein- gehen. . . 22 E- ^'^^s- allen Drogen neben einer makroskopischen Schilderung auch eine mehr oder weniger ausführliche mikroskopische Beschreibung als Prüfungs- merkmal beigegeben, und deshalb hat der Lehrer der Pharmakognosie die Aufgabe, dafür zu sorgen, daß der Studierende die Methoden der mikroskopischen Untersuchung der Drogen kennen lernt und sie voll- ständig beherrscht. Wir haben also gesehen, daß im allgemeinen an den deutschen Hochschulen die ursprünglich einheitliche Lehre von den Heilmitteln in drei Disziphnen aufgeteilt wurde, die Pharmakologie, die Pharmako- chemie und die Pharmakognosie, die ganz naturgemäß von einem Mediziner, einem Chemiker und einem Botaniker vertreten wurden. Daß es von dieser Regel noch einige wenige, durch besondere Verhält- nisse bedingte Ausnahmen gibt, kommt für unsere Betrachtung nicht in Frage. In meinem früheren Vortrag habe ich schon ausgeführt, daß die geschilderte Entwickelung ganz außerordentlich zu begrüßen ist, daß es als rückständig betrachtet werden muß, wenn an einzelnen Hochschulen noch zwei dieser Disziplinen von einem und demselben Lehrer vertreten werden, also etwa Pharmakologie und Pharmakognosie oder aber Pharmakochemie und Pharmakognosie. Es verdient deshalb als eine sehr bedauerliche Tatsache hervorgehoben zu werden, daß neuerdings in Freiburg i. B. das Lehrfach der Pharmakognosie mit dem der Pharmakologie verknüpft wurde. Die einzelnen Zweige der Natur- wissenschaften, wie z. B. die Chemie und die Botanik, sind im Laufe der letzten Jahre so ausgebaut und vertieft worden, daß die ange- strengteste Arbeit eines Menschen dazu gehört, um einen vollen Über- blick über eine derselben zu erhalten und zu behalten. Ja auch die Disziplinen Pharmakologie, Pharmakochemie und Pharmakognosie haben schon eine solche Selbständigkeit erlangt, verlangen eine so vertiefte Ausbildung und selbständige Arbeit, daß jede einzelne reichUch im- stande ist, das Forschungsbedürfnis eines Mannes zu befriedigen und ihm ständige Anregung zu neuen Arbeiten zu bieten. Vielfach ist behauptet worden, die Pharmakognosie sei eine Wissen- schaft für sich. Ich halte dies für grundfalsch. Die Pharmakognosie, gerade so wie die Pharmakochemie, sind Disziplinen, Zweige von Wissenschaften, die eine von der Botanik, die andere von der Chemie, gerade so wie die vielfach zum Vergleich angeführte Hygiene eine Disziplin der Medizin ist, nicht eine eigene Wissenschaft. Es liegt dies für jeden Denkenden klar auf der Hand. Durch ihre ganze Entwickelung ist die Pharmakognosie in Deutsch- land zu einem Zweige der Botanik und zwar der angewandten Botanik geworden. Sie ist ganz selbstverständlich keine reine Botanik, gerade Die Pharmakognosie als wissenschaftliche Disziplin usw. 23 SO wenig wie etwa die Agrikulturbotanik und viele andere Fächer der angewandten Botanik, sondern verlangt sehr ansehnliche Kenntnisse in ■den sog. Grenzgebieten, vor allem in Chemie; aber die Hauptwissenschaft, die möglichst vollständig beherrscht werden sollte, muß die Botanik sein. Die großen Wissenschaften Botanik und Chemie gleichzeitig kann gegenwärtig kein Mensch mehr in vollem Umfang überblicken, so daß er imstande ist, auf beiden Gebieten forschend und produzierend tätig zu sein. Da nun in Deutschland die Heilmittellehre sich nach früh- zeitiger Abspaltung der Pharmakologie später noch in die Zweige der Pharmakochemie und Pharmakognosie getrennt hat, so ist für jeden Einsichtigen klar, daß schon aus diesem Grunde der Pharmakognost auf dem Boden der Botanik stehen muß, da ja sein Kollege, der pharma- zeutische Chemiker, ganz selbstverständUch seinen Hauptstützpunkt in der reinen Chemie findet. Merkwürdigerweise ist mir dieser von mir vertretene Standpunkt von Tschirch und Hart wich zum Vorwurf gemacht worden. Beide glauben, man müsse zwischen der Lehrtätigkeit und der Porschertätig- keit des Pharmakognosten unterscheiden; in seiner Porschertätigkeit könne er sich aut die Pharmukobotanik beschränken, in seiner Lehr- tätigkeit aber müsse er gleichzeitig Pharmakobotanik und Pharmako- chemie zum Vortrag bringen. Diese Auffassung ist mir vollständig unverständlich. Ich glaube, ein Hochschullehrer sollte nur ein Gebiet ■behandeln, nur darin Studierende unterweisen, welches er vollständig beherrscht, in welchem er selbständig forschend tätig ist. Ich bin der Ansicht, daß dies ganz selbstverständUch ist, daß hierin gerade der prinzipielle Unterschied zwischen einem Hochschullehrer und etwa «inem Gymnasiallehrer besteht, der in mehreren Fächern seine Schüler unterrichtet, ohne daß von ihm eine wissenschaftliche Betätigung erwartet würde. Auch aus einem anderen Grunde ist es nach der Entwickelung der Dinge an den deutschen Hochschulen von Vorteil oder sogar not- wendig, daß der Pharmakognost Botaniker ist, d. h. von der Botanik ausging und durch eingehende Studien über die Besonderheiten seines Faches zum Pharmakognosten wurde. An fast sämtlichen deutschen Hochschulen sind, wie wir gesehen haben, pharmazeutische Chemiker als ordenthche oder außerordenthche Professoren tätig. Diese haben sich in erster Linie mit den chemischen Verbindungen lehrend und forschend zu beschäftigen, die in einer Beziehung zur Pharmazie stehen, sei es in ihrer Anwendung als Arzneimittel, sei es hinsichthch ihres Gebrauchs als technische Hilfsmittel, Reagenzien usw. Diese chemischen Verbindungen werden entweder auf synthetischem Wege hergestellt 24 E. Gilg. oder aus pflanzlichem oder tierischem Rohmaterial, worin sie fertig ge- bildet vorkommen. Diese Rohmaterialien, deren Wirkung an die darin vorkommenden chemischen Substanzen gebunden ist, führen den Namen Drogen, und mit ihrer Charakteristik beschäftigt sich die Pharma- kognosie. So lange eine Charakteristik der chemischen Bestandteile der Drogen in wissenschaftUcher Hinsicht noch nicht mfiglich war, überlief der pharmazeutische Chemiker meist dem Pharmakognosten, der die äußeren und inneren Merkmale zu charakterisieren hatte, die Erwähnung dieser chemischen A^orkommnisse in den Vorlesungen. Seitdem aber die chemischen Bestandteile der Drogen, wie Alkaloide, Glykoside, die ätherischen Öle usw. hinsichtlich ihrer Zusammensetzung und Konsti- tution zum großen Teil erforscht sind und in das System der all- gemeinen Chemie mehr und mehr eingereiht wurden, ist es die Pflicht des pharmazeutischen Chemikers geworden, die chemischen Bestand- teile der Drogen in seinen Vorlesungen über Chemie eingehend zu be- handeln. Dadurch hat der Pharmakognost eine sehr wertvolle Entlastung erfahren. Er kann sich in seinen Vorlesungen auf die Erwähnung dieser chemischen Vorkommnisse beschränken und ist jetzt in der Lage, sich weit eingehender, als es früher möglich war, der Lehre von der Anatomie der Drogen zuzuwenden. Und gerade eine gründliche mikro- skopische Schulung ist die Hauptbedingung, die an einen Pharma- kognosten gestellt werden muß, besonders da in neuerer Zeit immer mehr verlangt wird, daß der Pharmakognost nicht nur die studierenden Pharmazeuten, sondern auch die Nahrungsmittelchemiker in die mikro- skopischen Verhältnisse der Drogen, sowie der Nahrungs- und üenuß- mittel einführt. In meinem früheren Aufsatz schon habe ich gesagt: . . . ich bin sicher, daß die gegenwärtig an den deutschen Hochschulen tätigen pharmazeutischen Chemiker es durchaus ablehnen würden, entweder gleichzeitig die Pharmakognosie als zweites Lehrfach mit zu übernehmen, oder aber gleichberechtigte Kollegen als Pharmakognosten zu er- halten, deren wissenschaftliche Basis dieselbe wie die ihrige ist und die vielfach dieselben oder ähnliche Themata bearbeiten würden: es wäre ia in dem gegebenen Falle eine auch nur einigermaßen scharfe Trennung der wissenschaftlichen Lehr- und Arbeitsgebiete unmöglich durchzuführen. Obgleich diese Ausführungen von mehreren Seiten angegriffen wurden, stehe ich heute ganz genau auf demselben Standpunkt. Ich behaupte, es ist eine Notwendigkeit, daß das alte Gebiet der Heilmittel- lehre unter zwei Lehrer aufgeteilt wird, von denen der eine auf dem Boden der Chemie, der andere auf dem der Botanik steht; ferner, daß ein Pharmakognost auf vorwiegend chemischer Grundlage den an den Die Pharmakognosie als wissenschaftliche Disziplin usw. 25 deutschen Hochschulen tätigen pharmazeutischen Chemikern nur eine Konkurrenz bedeuten würde, während beide, in der richtigen Weise, d. h. bei streng abgegrenzten Fächern, nebeneinander wirkend, einander im besten Sinne ergänzen müssen. Die Herren, welche sich gegen meine Ausführungen gewendet haben, haben fast sämtlich „Parteipolitik" getrieben. Entweder vertreten sie an ihren Hochschulen gleichzeitig Pharmakochemie und Pharmakognosie und sind deshalb der Ansicht, daß kein Grund für eine Änderung vor- läge, oder aber sie stehen dem , pharmazeutischen Chemiker nicht gleich- geordnet gegenüber. Dieser ist Ordinarius und hat dem sog. Pharma- kognosten, der abhängiger Extraordinarius ist, den Auftrag erteilt, das oder jenes Gebiet in seinen Vorlesungen zu behandeln: der Pharma- kognost muß dann ein bestimmtes Feld beackern, darf aber nicht weiter gehen, als es der Ordinarius erlaubt; wenn dann das so zustande gekommene Kolleg mehrere Semester gelesen worden ist, glaubt der Betreffende selbst, daß der Umfang, welchen er der Pharmakognosie erteilt habe, der einzig richtige sei. Es ist kaum denkbar oder besser zweifellos ganz unmöglich, daß bei nicht streng abgegrenzten Fächern gleichberechtigte Kollegen, d. h. solche, die entweder ordentliche oder aber außerordentliche Pro- fessoren an einer und derselben Hochschule sind, friedlich und ersprieß- lich neben einander wirken könnten, wenn sie beide auf dem Boden der Chemie stehen, wenn versucht wird, auf künstlichem Wege einen Gegensatz zwischen pharmazeutischer Chemie und Pharmakognosie zu konstruieren. Es müßte dann eben mit Sicherheit dazu kommen, daß von ihnen oder ihren Schülern gleiche oder ähnliche Themata in wissen- schaftlichen Arbeiten behandelt würden, daß in den Vorlesungen derselbe Gegenstand zweimal behandelt würde usw., kurz, der Reibungsflächen wären so viele, daß ein wissenschaftliches Einanderergänzen fast aus- geschlossen erscheint. Die einzige Möghchkeit einer scharfen Abgrenzung der beiden Lehr- und Arbeitsgebiete beruht darin, daß die beiden Kollegen ver- schiedenen Disziplinen angehören, daß der Pharmakognost von der Botanik ausgegangen ist, während der Pharmakocheiniker — daran wird von vornherein niemand zweifeln — auf dem Boden der Chemie steht. Dann ist auch die Möglichkeit gegeben, daß bei wissenschaft- lichen Arbeiten sich der auf botanischer Grundlage stehende Pharma- kognost bei seinem ihn ergänzenden Kollegen, dem Pharmakochemiker — und natürlich auch umgekehrt — Rats erholt, sobald er auf Fragen stößt, die er mit seinen eigenen chemischen Kenntnissen nicht zu lösen vermag, oder aber, daß die beiden Kollegen eine Frage gemeinsam in 26 ^- G'lg- Angriff nehmen. Es wird dabei, da ja eine scharfe Arbeitsteilung vor- genommen werden kann, nirgends zu Reibungen Itoramen, was — wie sclion ausgefliiirt — bei niclit sciiarf getrennten Gebieten jederzeit der Pall wäre und aucli der Fall sein müßte. Wenn ich ständig behaupte, der Pharmakognost müsse ein voll- ständig durchgebildeter Botaniker sein, so ist dies natürlich so zu ver- stehen, daß er die botanische Wissenschaft absolut beherrscht, aber durch andauernde Vertiefung in die Besonderheiten der Lehre von den Heilmitteln, durch eigene Arbeiten über pharmakognostische Themata zum Pharmakognost geworden ist und sich Liebe und Freude an seinem Wissenszweig erworben hat. Ob er „reiner" Botaniker ist, oder aber früher Apotheker oder Mediziner war, ist für unsere Frage zunächst ganz unerheblich. In Forschung und Lehre findet ein solcher Pharmakognost reichlich, übergenug Gelegenheit zur Betätigung. Es ist ja noch viel zu wenig bekannt, wie schwierig eine richtig ausgeführte mikroskopische Pulver- analyse ist, welche Spezialkenntnisse eine solche Untersuchung verlangt, wenn sie auf unbedingte Sicherheit — und darauf beruht ja allein ihr Wert — Anspruch erheben darf. Noch viel weniger wird gegenwärtig auch gewürdigt, wie rasch ein durchgebildeter Mikroskopiker zum Ziele gelangen kann, wo der Chemiker oft das Vielfache an Zeit gebraucht, um ein häufig nur recht unsicheres Resultat zu erzielen. Ich erinnere hier nur an die Untersuchung der verschiedenen Stärkesorten, sowie der meisten Drogenpulver. Ganz besonders wichtig ist jedoch eine voll- ständige Beherrschung der mikroskopischen Methoden in der Toxikologie. Bei der Konstatierung von Vergiftungen mit Colchicum, Digitalis, Wasser- schieriing u. v. a. m, versagt die chemische Analyse in den meisten Fällen, während eine eingehende mikroskopische Untersuchung, allerdings nur, wenn sie in der richtigen Weise durchgeführt wird, allermeist zum Ziele führen muß. Zur Erlangung der notwendigen Kenntnisse und Methoden, die zur Ausführung solcher mikroskopischen Analysen gebraucht werden, bedarf es einer sehr vertieften Durchbildung. Der Stufengang, der zurückzu- legen ist, muß unter allen Umständen mit einer gründliehen botanischen Schulung, vor allem in der botanischen Mikroskopie, beginnen, und erst, wenn eine vollständige Beherrschung aller oder wenigstens der wichtigsten rein botanischen Objekte und der mikroskopischen Methoden erreicht ist, kann mit Erfolg eine Spezialisierung eintreten, darf weitergeschritten werden zur Untersuchung von Drogen und Drogenpulvern, sowie der mensch- lichen Nahvungs- und Genußmittel, deren Analyse wieder die Kenntnis ■einer besonderen und neuerdings recht vertieften Methodik voraussetzt. Die Pharmakognosie als wissenschaftliche Disziplin usw. 27 Über die Frage, wie wird gegenwärtig an den deutschen Hochschulen Pharmakognosie gelehrt'.' will ich hier kurz hinweg- gehen. Ich konnte in meinem früheren Vortrag schon zeigen, welche Unsicherheit und Ungleichmäüigkeit herrscht in der Bewertung der Wichtigkeit der Pharmakognosie, wie an einzelnen Hochschulen, sogar an sehr hervorragenden, diese Disziplin überhaupt nicht vertreten ist, während sie an anderen Hochschulen einstündig oder aber zweistündig, dreistündig, vierstündig bis sechsstündig gelesen wird, ja an einzelnen Universitäten die Notwendigkeit erkannt ist, das Thema zweisemestrig, und zwar je vier- bis fünfstündig zu behandeln. Genau dieselbe Un- gleichmälMgkeit herrscht auch im Hinblick auf das abzuhaltende phar- makognostische Praktikum. Nach der Lage der Dinge müßte von den Studierenden in drei aufeinander folgenden Semestern je ein mikroskopischer Kursus besucht werden. Der erste sollte ein aligemeines botanisches Praktikum sein, in dem die Studierenden die Theorie der Lehrbücher praktisch kennen lernen; in dem zweiten Kursus sind dann die Ganzdrogen, im dritten die Drogenpulver zu untersuchen und sehr eingehend kennen zu lernen. Gerade diese Drogenunter- suchung wird jedoch an vielen Hochschulen in völlig ungenügender Weise betrieben, obgleich sie für den Pliarmazeuten von allergrößter Wichtigkeit ist. Zweifellos ist dies in erster Linie darauf zurückzuführen, daß diese Praktika fast ohne Ausnahme von den ordentlichen Professoren der Botanik abgehalten werden, welche sich mit pharmakognostischen Fragen noch niemals beschäftigt, die meistens die Vorlesung über Pharmakognosie an einen Assistenten oder jungen Privatdozenton abgetreten haben und „nur der Not gehorchend, nicht dem eigenen Triebe" die pharmako- gnostischen Praktika ankündigen. Welches Interesse bei diesen Herren, deren Hörer doch meist in überwiegender Anzahl Pharmazeuten sind, an der Pharmakognosie und den damit zusammenhängenden Fragen vorhanden ist, trat mir vor kurzem deutlich in Erscheinung. Als ich vom Vorstande der Ver- einigung für angewandte Botanik aufgefordert wurde, auf dieser Tagung in Dresden einen Vortrag über die Pharmakognosiefrage zu haken, nahm ich sehr gerne an. Ich hoffte, daß sich eine Diskussion an- schließen w^ürde, durch die ein allgemeineres Verständnis vom W'esen der Pharmakognosie, eine gleichmäßigere Behandlung dieser Disziphn an den deutschen Hochschulen angebahnt werden könnte. Zu diesem Zwecke schickte ich an sämtliche Dozenten der Pharmakognosie in Deutschland und auch an einige anerkannte Lehrer dieses Faches in der Schw^eiz und in Österreich ein Rundschreiben folgenden Inhalts: 28 E. Gilg. „Von Seiten des Vorstandes der „Vereinigung für angewandte Botanik" wurde angeregt, daß gelegentlich der Tagung in Dresden — und zwar am Montag, dem 9. September, — die Pharmakognosie auf die Tagesordnung gesetzt werden solle. Ich halte diesen Vorschlag für sehr dankenswert; denn Jeder, zu dessen Lehr- und Arbeitsgebiet diese Disziplin gehört, weiß, wie wenig geklärt in Deutschland die Kompetenz- gebiete der Pharmakognosie sind, wie sehr die Ansichten schwanken über die Bewertung der Pharmakognosie als Disziplin im allgemeinen und als Lehrgebiet für den studierenden Pharmazeuten. Eine Aus- sprache über diese Punkte dürfte von großem Interesse und geeignet sein, eine Klärung dieser schwebenden Fragen herbeizuführen. Ich er- laube mir deshalb, an Sie die Anfrage zu richten, ob Sie beabsichtigen, sich an der Tagung in Dresden zu beteiligen, und eventl. geneigt sind, über irgend ein pharmakognostisches Thema einen Vortrag zu halten." Auf dieses Rundschreiben erhielt ich von drei Herren eine zu- sagende Antwort, drei antworteten zweifelhaft, fünf ablehnend; von den übrigen Herren, d. h. also weitaus mehr als der Hälfte, wurde ich nicht einmal einer Antwort gewürdigt. Beati possidentes! Wozu eine Aussprache über Pharmakognosie? Dieses Fach ist ihnen einmal vom Staat übertragen, sie lesen es so, wie sie wollen, resp. können, meist schon seit vielen Jahren ganz in gleicher Weise; eine solche Aussprache könnte ja eine Änderung herbeiführen, diese bedeutete vielleicht Arbeit und muß deshalb möglichst vermieden werden. Quieta non movere! Diesen Verhältnissen gegenüber ist immer wieder auf die sehr zutreffenden Ausführungen Hart wichs hinzuweisen: „Die Anzahl der wöchentlichen Stunden, in denen Pharmakognosie vorgetragen wird, ist eine wechselnde und vielfach ganz unzulängliche. In einer ein- oder zweistündigen Vorlesung z. B, kann dem Pharmazeuten nur mit Mühe und Not so viel gegeben werden, wie notdürftig bei recht nachsichtigen Forderungen im Examen ausreicht. Das ist keine wissenschaftliche akademische Vorlesung, das ist kümmerUcher Examensdrill. In diesen wenigen Stunden wird eben nur das Notdürftigste gegeben, und das muß trocken sein und kann den Studierenden keine Liebe zu ihrer Wissenschaft wecken. Das, was schön und interessant ist an der Pharmakognosie, kann nicht gebracht worden . . . Freilich, ein großer Teil der Studenten wird wohl damit zufrieden sein, wenn sie auf die Pharmakognosie nur wenige Stunden zu verwenden haben, wenn das Heft, das sie geführt haben, recht dünn ist und sich leicht zum Examen einpauken läßt. Die Wissenschaft haben sie dabei gar nicht kennen gelernt." Die Pharmakognosie als wissenschaftliche Disziplin usw. 29 Auch auf die Frage: Wie sollte Pharmakognosie gelehrt werden? soll hier nur kurz eingegangen werden. Es muß vor allem berücksichtigt werden, dat] — wie auch schon von Linde ausgeführt wurde — der Pharmazeut nur zwei Haupt- disziplinen besitzt, die Pharmakochemie und die Pharmakognosie; alle übrigen Studienfächer, also Physik, anorganische, organische und ana- lytische Chemie, allgemeine nnd spezielle Botanik sind nur Hilfswissen- schaften. Während nun die 'Pharmakochemie allgemein als ein ernstes Studium betrieben wird, wird die Pharmakognosie auf den meisten deutschen Hochschulen zurückgesetzt und vernachlässigt, da man ent- weder die Wichtigkeit dieser Disziplin für das Studium des Pharmazeuten nicht erkannt hat oder nicht hat erkennen wollen. Es geht dies — wie wir gesehen haben — zur Genüge daraus hervor, daß an manchen Hochschulen nicht einmal ein Kolleg über Pharmakognosie gelesen wird, w^ährend an anderen Hochschulen eine einsemestrige, ein- bis zweistündige Vorlesung als ausreichend angesehen wird. Der Lehrstoff ist so groß, daß er selbst bei einer großen Stunden- zahl, die an den meisten Hochschulen nicht zu erlangen sein wird, in einem Semester nicht bewältigt werden kann. Denn es darf nicht ver- gessen werden, daß in der Vorlesung vor der speziellen Darstellung der Drogen eine allgemeine Besprechung vorausgeschickt werden muß, worin die zum Verständnis des Besonderen notwendigen botanischen Tatsachen erläutert werden. Es ist, wie jeder Dozent der Pharmakognosie erkannt haben muß, kein Verlaß darauf, daß bei den Studierenden die allernot- wendigsten Grundlagen vorhanden sind; das, w'as in den Vorlesungen über Botanik gehört worden ist, wird zum großen Teil bald wieder ver- gessen und erst in der letzten Zeit vor dem Examen dem Gedächtnis wieder eingeprägt; ferner ist nicht zu vergessen, daß das, was in den botanischen Vorlesungen vorgetragen wird, für den Pharmakognosten sehr vielfach nicht genügend ist. Manches wird hier zu wenig ausführ- lich behandelt, weil es für den „reinen" Botaniker weniger Bedeutung hat. Es sei hier nur an die Stärke, die Aleuronkörner und die Sekre- tionsorgane, sowie an die Entstehung der Sekrete erinnert. Jedenfalls ist zw^eifellos, daß es eine absolute Notwendigkeit ist, diejenigen Kapitel der Botanik zu Beginn einer Vorlesung über Pharmakognosie zusammen- fassend zu behandeln, welche für den Pharmakognosten von spezieller Wichtigkeit sind, wenn Wert darauf gelegt wird, daß das Kolleg ver- standen und zum geistigen Eigentum der Studierenden wird. Mit der Vorlesung über Pharmakognosie muß die praktische, mikro- skopische Untersuchung der Drogen Hand in Hand gehen. Erst hierbei kommt es zu einem wirklichen Verständnis des darüber gehörten und 30 E. Gilg. prägen sich die diesbezüglichen Tatsachen dem Gedächtnis ein. Meiner i\nsicht nach ist weder eine Vorlesung über Pharmakognosie ohne mikro- skopische Übungen, noch mikroskopische Übungen ohne die pharmako- gnostische Vorlesung von praktischem Wert. Erst wenn beide Lern- gelegenheiten einander ergänzen, können günstige Resultate erzielt werden. Daß einem Drogenkursus ein mikroskopisch-botanisches Prakti- kum vorausgegangen sein muß, ist so selbstverständlich, daß kein weiteres Wort darüber zu verlieren ist. Ebenso notwendig ist jedoch auch, daß für diejenigen Studierenden, welche nach der neuen Prüfungsordnung examiniert werden und für die ein Examen in der mikroskopischen Pulveranalyse vorgeschrieben ist, ein dritter Kursus eingerichtet wird, in welchem sie die für die Unkundigen sehr schwierigen, aber für den Kundigen vollen Erfolg versprechenden Methoden kennen lernen, wie Drogenpulver untersucht und mit Zuverlässigkeit identifiziert werden. Die Zeiten sind glücklicherweise vorbei, in welchen ein Pulverunter- sucher, sei er Pharmazeut oder Nahrungsmittelchemiker, seiner Pflicht genügt zu haben glaubte, wenn er einen Blick in das Mikroskop warf und iann verkündete, das zu untersuchende Pulver stamme wahrschein- lich von dem oder jenem Körper. Wir haben jetzt Methoden zur Vor- fügung, die uns gestatten, eine Pulveranalyse ebenso sicher und bestimmt zu beantworten, wie eine normale chemische Analyse. Aber es darf nicht vergessen werden, daß solche Analysen große allgemeine und große spezielle Kenntnisse verlangen und daß zu ihrer Erledigung Zeit gehört, daß eine mit Bestimmtheit auszusprechende Entscheidung — und auf der Bestimmtheit beruht doch allein der Wert einer Analyse — oft Stunden, oft sogar viele Stunden angestrengter Arbeit bedarf. Ich bin am Schlüsse meiner Ausführungen. Sie haben gesehen, daß ich die Spaltung der Heilmittellehre, wie sie in Deutschland fast allgemein eingetreten ist, freudig begrüße, wonach die Pharmakologie dem Mediziner, die Pharmakochemie dem Chemiker, die Pharmakognosie dem Botaniker als Lehrfächer zugefallen sind. Wir haben aber auch erkannt, daß der Pharmakognost nicht ein sog. „reiner" Botaniker sein darf, sondern daß er sich in sein Spezialfach eingearbeitet und auch die Grenzgebiete kennen gelernt haben muß, die die Pharmakognosie in großer Anzahl zu anderen wissenschaftlichen Disziplinen besitzt. Gerade in dieser Hinsicht haben die Vertreter der Pharmakognosie in E)eutsch- land noch sehr viel von den pharmazeutischen Chemikern zu lernen. Diese, sämtlich aus dem Apothekerstande hervorgegangen, kennen natur- gemäß die Bedürfnisse des studierenden Pharmazeuten und haben sich, nach gründlichem Studium der Chemie, ihrem Spezialfache zugewandt. Die meisten Lehrer der Pharmakognosie in Deutschland sind dagegen Die Pharmakognosie nls wissenschaftliche Disziplin usw. 3t meist ganz zufällig, oft fast gezwungen, zu dieser Disziplin gekommen. Sie sind keine Pharmakognosten, sondern reine Botaniker, die niemals in ihrem Fache wissenschaftlich gearbeitet haben, die keine Freude an diesem Teil ihrer Lehrtätigkeit besitzen und deshalb auch dem Studieren- den keine Liebe zu der von ihnen vertretenen Disziplin beizubringen vermögen. Daß der Inhaber eines Lehrstuhls für die Pharmakognosie aus dem Apothekerstande hervorgegangen ist, mag erwünscht, ja sogar von Vorteil sein; für notwendig halte ich indessen diese Forderung nicht, wenn der auf dem Boden der Botanik stehende Pharmakognost sich mit Liebe und Hingabe dem Unterricht in der Erforschung seiner Disziplin widmet und den Umfang und die Art seiner Lehre abstimmt auf die praktischen Bedürfnisse des Apothekerstandes. 32 ^- Volkens. Die Botanische Zentralstelle für die Kolonien, ihre Zwecke und Ziele. Von G. Volkens, Dahlem. Die Botanische Zentralstelle für die Kolonien am Kgl. Botanischen Garten zu Berlin hat sich aus einem Bedürfnis der Praxis heraus ent- wickelt. Den ersten Anstoß zu ihrer Gründung; gab ein vom 30. August 1888 datiertes Schreiben des Gouverneurs von Kamerun, des Herrn V. Soden, an den Fürsten Bismarck, worin er die Bitte ausspricht, die deutschen Konsulate in überseeischen Ländern möchten zur Ein- sendung von Sämereien tropischer Nutzgewächse an einen in Victoria zu schaffenden Versuchsgarton aufgefordert werden. Das Schreiben wurde vom preußischen Kultusministerium an den damaligen stellver- tretenden Direktor des Berliner Botanischen Gartens, Herrn Prof. Dr. Urban, zur gutachtlichen Äußerung weitergegeben und von diesem in dem Sinne beantwortet, daß der Berliner Botanische Garten sich bereit erkläre, als Zwischenstation zwischen den Konsulaten, den Gebern, und den deutschen Kolonien, den Empfängern ökonomischer Gew^ächse, zu dienen und außerdem der tropischen Landwirtschaft in unseren Schutz- gebieten in jeder Weise fördernd zur Seite zu stehen. Eine Eingabe des Fürsten zu Hohenlohe-Langenburg, des Vorsitzenden der Deutschen Kolonialgesellschaft, vom 22. Januar 1889 richtet bald darauf an den preußischen Kultusminister ebenfalls das Gesuch, den Botanischen Garten und das Botanische Museum zu Berlin für kolonialwirtschaftliche Zwecke nutzbar zu machen. In der Antwort wird darauf hingewiesen, daß weitere Vorschläge in der Angelegenheit von dem eben neu er- nannten Direktor des Berliner Gartens. Herrn Prof. Dr. A. Engler, abgewartet werden müßten. Diese erfolgen in einem Schreiben vom 7. Januar 1890. Engler entwickelt darin ein Programm, das für alle späteren Verhandlungen die Grundlage abgegeben hat. Nach ihm sollen der neu zu gründenden Botanischen Zentralstelle im wesentlichen drei Aufgaben zugewiesen w^erden, sie soll durch direkten Verkehr mit den Kolonien diesen teils lebende Pflanzen, teils Sämereien tropischer Nutz- gewächse übermitteln, sie soll alle aus den Kolonien eingehenden lebenden und getrockneten Pflanzen wissenschaftlich bestimmen und Auskunft über ihren Nutzwert geben und sie soll drittens belehrend wirken, in- Die Botanische Zentralstelle für die Kolonien. * 33 dem sie weiteren Kreisen Gelegenheit gibt, die überseeischen ökonomischen Oewächse und ihre Produkte kennen zu lernen. Die Vorschläge Englers, die im einzelnen näher begründet Avurden, führten zu einem am 31. März 1891 zwischen dem preußischen Kultusministerium und der Kolonialabteilung des Auswärtigen Amtes abgeschlossenen und vom Reichstage durch die nötigen Etatsbewilligungen genehmigten Vertrage, mit dem die Botanische Zentralstelle für die Kolonien endgültig ins Leben trat. Der Vertrag hat folgenden Wortlaut: „1. Die Botanischen Anstalten in Berlin, der Botanische Garten und das Botanische Museum, werden eine Botanische Zentralstelle für die Kolonien einrichten, welche die Aufgabe hat, denselben die erforderlichen Sämereien und Pflanzen zur Anzucht zu liefern, den Nutzwert der daselbst gezogenen Pflanzen und Früchte zu bestimmen und sich überhaupt für die botanische Entwickelung der Kolonien nach besten Kräften nutzbar zu machen. 2. Die Bereitstellung eines geeigneten Terrains für die Zentralstelle und die dadurch bedingte Vermehrung der wissen- schaftlichen Kräfte wird von den Botanischen Anstalten auf deren Kosten erfolgen, dagegen verpflichtet sich das Auswärtige Amt, die Kosten für einen Gärtner und für einen Gartenarbeiter, für die Beschaffung von Sämereien, für Betriebsmaterialien, so- wie für Verpackung und Transport zu ersetzen und zwar in der Art, daß dafür ein jährliches Pauschquantum von 3000 Mk. gezahlt wird, jedoch in dem Fall, wo die wirklich erwachsenen Ausgaben in einem Rechnungsjahr weniger als 1500 Mk. oder mehr als 4500 Mk. betragen, eine nachträgliche Erstattung des Betrages unter 1500 Mk. bzw. über 4500 Mk. beansprucht werden kann, des Betrages über 4500 Mk. jedoch nur, wenn darüber vorher eine Verständigung stattgefunden hat. Außer- dem vorpflichtet sich das Auswärtige Amt, den botanischen Anstalten einmalig 3000 Mk. für ein Vermehrungshaus und 500 Mk. für eine Mistbeetanlage zu gewähren. Auch versteht es sich von selbst, daß die Kolonialbehörden stets bereit sein werden, der Zentralstefle gute Herbarexemplare mit Blüten und Früchten, letztere nach Umständen in Alkohol, Holzscheiben und andere Sammlungsgegenstände ähnUcher Art unentgeltlich gegen Übernahme der Verpackungs- und Transportkosten zu liefern. 3. Der Verkehr zwischen der Botanischen Zentralstelle und den Behörden in der Kolonie wird in der Regel durch direkte Korrespondenz erfolgen. Jahresbericht der Vereinigung für angewandte Botanik V. 3 34 Gr. Volken^. 4. Die Geschäfte, welche sich zwischen dem Auswärtigen Amt und dem Kgl. Preu loschen Kultusministerium aus Anlaß dieses Vertrages ergeben, werden durch je einen ständigen Kommissar der beteiligten Ressorts zur Erledigung vorbereitet. 5. Dieser Vertrag tritt mit dem 1. April 1891 in Kraft und bleibt so lange in Geltung, bis eine Kündigung erfolgt ist. Die letztere steht jedem der Vertrag Schließenden in der Weise frei, daß dieselbe vor Beginn des Rechnungsjahres zu erfolgen hat und der Vertrag mit dem Rechnungsjahr sein Ende nimmt." Da in der Folge sich erwies, daß bei dem vermehrten Umfang der Geschäfte mit dem § 2 dieses Vertrages nicht zu wirtschaften war, wurde er am 8. Juni 1898 durch folgenden ersetzt: „Die Bereitstellung eines geeigneten Terrains für diese Zentralstelle und die dadurch bedingte Vermehrung der wissen- schaftlichen Ki'äfte wird von den Botanischen Anstalten auf deren Kosten erfolgen. Dagegen verpflichtet sich das Aus- wärtige Amt als Beitrag zu den sachlichen Ausgaben, Haus- bedürfnissen, Kosten der Erhaltung und Vermehrung der Samm- lungen usw\ jährlich die Summe von 9000 Mk. (1902 auf 10000 erhöht) zu zahlen. Es versteht sich von selbst usw." Die angedeutete Vermehrung der wissenschaftlichen Kräfte be- stand darin, daß ich selbst mit dem Auftrage, meine ganze Tätigkeit kolonialen Aufgaben zu widmen, am 1. April 1898 Herrn Geheimrat Engler unterstellt und als Kustos der Zentralstelle übernommen wurde, nachdem ich schon vorher drei Jahre erst als Volontär, dann als Hilfs- arbeiter am Botanischen Museum tätig gewesen war. Nach dieser Darlegung der Entstehungsgeschichte der Zentralstelle sei es mir gestattet, Ihnen einen kurzen Überblick darüber zu geben, was sie im Verlaufe der letzten 16 Jahre getan, wie sie den ihr zuge- wiesenen Pflichten nachzukommen sich bemüht hat. Ich gliedere diesen Überblick nach den drei Gesichtspunkten, die schon von Engler auf- gestellt worden waren, und bemerke vorausschickend, daß eine ein- gehende Kenntnis der Gesamtleistungen durch ein Studium der Berichte gewonnen werden kann, welche alljährlich seit 1892 als Anlagen zu der amthchen Denkschrift über die Entwickelung der deutschen Schutz- gebiete nebst der Denkschrift über die Verwendung des Afrikafonds ge- druckt und dem Reichstage bei Gelegenheit der Etatsberatungen vorge- legt werden. Die erste Aufgabe der Zentralstelle ist, unsere Kolonien mit ökonomischen Gewächsen zu versorgen, ihnen solche teils lebend teils in Form von Saat zuzuführen. Die Übermittelung der Die Botanische Zentralstelle für die Kolonien. 35 lebenden Pflanzen geschah und geschieht in Wardschen Kästen, die aus- reisenden Gärtnern, Förstern oder sonst Leuton mitgegeben werden, von denen zu erwarten ist, daß sie die ihnen erteilten Instruktionen über die Pflege unterwegs befolgen können und wollen. Die erste Sendung, 10 Kästen mit 66 eingeschlossenen Arten in 261 Exemplaren umfassend, wurde bereits im Juli 1889 nach Kamerun aufgegeben und bildete den Grundstock des Nutzpflanzenmaterials, mit welchem der Viktoriagarten daselbst seine Pforten öffnete. 242 Kästen, die 16500 Exemplare ent- hielten, sind seitdem gefolgt. Im ganzen gingen davon 113 nach Kamerun, 64 nach Ostafrika, 56 nach Togo, 19 nach Neu- Guinea und den SUdseeinseln. Die Empfänger waren natürlich in erster Linie die staatlichen Versuchsgärten und Pflanzungsstationen, so die Botanischen Gärten in Viktoria und Aniani, die Versuchsgärten in Buea, Lome, Sokode, Misahöhe, Daressalam, Kwai, Herbertshöhe und Simpsonhafen, dann aber auch zahlreiche Pflanzungsgesellschaften, Missionen und Private. Über die Sendungen von Saat kann ich mich kurz fassen. Sie erfolgten in den ersten Jahren des Bestehens der Zentralstelle in großer Artenzahl aber in kleinen Portionen, neuerdings umgekehrt in großen Mengen bei geringerer Zahl der Arten. Genaue Angaben kann ich nicht machen, aber Ihnen die Versicherung geben, daß die Ziffer der zur Spedition gelangten Muster ohne Wert, Postpakete und Fracht- sendungen im Laufe der Jahre auf viele Tausende angewachsen ist. Wem verdankt die Zentralstelle nun diese Sendungen? Sie besaß, als sie gegründet wurde, einen nicht unbedeutenden Stock lebender tropischer Nutzgewächse, den ihr der Berliner Botanische Garten zuwies ; sie vermehrte diesen teils durch eine umfassende Anzucht von Steck- lingen, teils durch Kauf, Tausch und in der Hauptsache durch Zu- wendungen, die ihr durch ihre Beziehungen mit den überseeischen Botanischen Gärten fast aller Kolonialmächte zuteil wurden. Erst in einem, dann seit der Übersiedelung nach Dahlem in zwei mit den mo- dernsten Einrichtungen versehenen W^armhäusern ist sie unausgesetzt bemüht, die Lücken auszufüllen, die der Pflanzenbestand einerseits in der Zahl der vertretenen Arten aufweist und die er anderseits durch die Zahl der abgegebenen Exemplare erleidet. Bei der Erwerbung von Saat spielen neben tropischen Gärten, wie dem in Peradeniya, Calcutta, Madras, Singapore, Buitenzorg, Saigon, Jamaica, Trinidad, Georgetown in Guiana und Sidney vor allem die in der ganzen Welt zerstreuten deutschen Konsulate, Generalkonsulate und Ministerresidenturen eine bedeutsame Rolle. Gerade in letzter Zeit sind es besonders diese, die durch ihre der Kolonialabteilung erstatteten und der Zentralstelle zu- gehenden Berichte über Kultur- und Nutzpflanzen ihres Gebiets die Auf- 3 36 G- Volkens. merksamkeit auf wichtige neue Erscheinungen hinlenken und zu deren Beschaffung in Form von Saat mitwirken. Nicht unwichtig endlich hat sich das Buitenzorg-Stipendium erwiesen, indem es die Möglichkeit gibt, den alljährlich nach Java ausreisenden deutschen Botaniker mit Auf- trägen zu betrauen. Mein Aufenthalt daselbst war ganz in erster Linie der Erwerbung von Saat hochwertiger Tropenprodukte gewidmet, ebenso hat auch Herr Geheimrat Engler auf seiner einen großen Teil des tropischen Asiens berührenden Reise die Überführung von Nutzpflanzen nach unseren Schutzgebieten fortdauernd im Auge gehabt. Eine weitere Frage ist: Worauf legt die Zentralstelle bei der Aus- wahl des zur Verwendung kommenden Materials besonderen Wert? Eine Reihe von Gesichtspunkten ist da zu berücksichtigen. Ganz ab- gesehen davon, daß unsere Kolonien nach Klima und Boden sehr un- gleich sind, daß jede einzelne auf das hin, was ihr zugeführt werden kann, für sich betrachtet werden muß, ist daran zu denken, daß ein Botanischer oder Versuchsgarten, ein Plantagenunternehmen, ein Farm- betrieb, eine Verwaltung, die auch auf das Wohl der Eingeborenen bedacht ist, sehr verschiedene Ansprüche stellen und demgemäß auch versorgt zu werden verlangen. Für die Versuchsgärten draußen hat die Zentralstelle das Ziel, sie mit allen Nutzpflanzen zu versehen, die überhaupt Aussicht haben, in der betreffenden Kolonie zu gedeihen. Sie sieht die Aufgabe eines solchen Versuchsgartens darin, es dem Pflanzer zu ermöglichen, zu jeder Zeit von einer zur anderen Kultur überzugehen. Da die Konjunk- turen wechseln, da man nicht wissen kann, was die Zukunft, was die steigende Entwickelung der Technik für Produkte in den Vordergrund rückt, soll er sein Hauptaugenmerk darauf richten, saatgebende öko- nomische Gewächse in denkbarster Mannigfaltigkeit heranzuziehen. Dazu ist nicht nötig, daß er große Areale mit je einer Art bepflanzt, dazu ist erforderlich, daß der gegebene Raum möglichst vielseitig ausgenutzt wird. Er findet dabei Gelegenheit, festzustellen, was an seinem Platze zu normaler Entwickelung gelangt, welche Ansprüche die Kultur stellt, welche Schädlinge sich einfinden, wie die Ernte aufzubereiten ist und so noch vieles mehr, das den Pflanzer in den Stand setzt, aus den ge- machten Erfahrungen Nutzen zu ziehen. — Was ist nun mit Rück- sicht hierauf erreicht? Ich muß Sie da auf die Berichte verweisen, welche die Gouvernements für Deut seh- Ostafrika^ für Togo, Kamerun und Neu- Guinea alljährlich oder gelegentlich erstatten. Wenn Sie die Listen durchsehen, die Auskunft über den Pflanzenbestand der Versuchsgärten in Viktoria, Buoa, Misahöhe, Sokode, Amani und Simpsonhafen geben, und damit vergleichen, was die Zentralstelle diesen Gärten im Laufe Die Botanische Zentralstelle für die Kolonien. 37 der letzten 16 Jahre zugewendet hat, werden Sie konstatieren können, w^elchen hervorragenden Anteil das Berliner Institut an der Ausstattung unserer kolonialen, der tropischen Landwirtschaft dienenden, staatlichen Schöpfungen mit Pflanzenmaterial hat. Der Victoriagarten hat zurzeit gegen 800, Amani 650 Arten von Nutz- und Ziergewächsen in Kultur, sehr viele bereits im blühenden und fruchtenden Alter, und nur einen Bruch- teil davon, von im Lande selbst wachsenden Spezies abgesehen, ver- danken beide einem anderen Geber denn der Zentralstelle. Durch Victoria und Amani bzw. vorher Kwai und Daressalam, ebenso durch Misahöhe und Sokode findet seit Jahren schon eine aus- gedehnte M^eiterverbreitung der wichtigsten Arten durch Saat, Steck- linge und junge Pflanzen statt, so daß in Ostafrika, Togo und Kamerun zurzeit der Stätten nicht wenige sind, wo ein mehr oder weniger an- sehnlicher Stock verschiedenartiger Nutzpflanzen der Ernte entgegen- reift, deren Voreltern ihre Reise in die Kolonie von Berlin aus ange- treten haben. Ich nenne nur einige hervorragende, so von Kautschuk- und Guttabäumen, Hevea hrasüiensis, CastiUoa elastica, Ficus elastica, F. Schlechterf, Manilwt Olaziovii, Palaquium oblongifolium, Payena Leerii, von Faserpflanzen Baumwolle, Ramie, Jute, die Sisalagave, Fourcroya gigantea, Musa textiUs, Rotangpalmen, Carludovica palmata, von technisch wichtige Produkte liefernden Pflanzen Kampfer- und Seifen- bäume, Copernicia cerifera, Gerberakazien, Barbatimao- und Malettbaum, Canaigre, Bambusen verschiedenster Art, von Medizinalpflanzen den Peru- und Tolubalsambaum, Chinabäume, Koka, von Gewürzen Vanille, Zimmt, Pfeffer, Kardamom, Ingwer, Muskatnuß, Nelken, von Genußmitteln Kaffee und Kakao, den mannigfachsten Sorten und Ursprungsländern angehörig, Tee, Tabak und Betelnuß, von Nutzhölzern und Schatten- bäumen den Tiek-, Mahagoni- und Pockholzbaum, Afzelia hijuga, Dutzende von Eukalypten und Kasuarinen, CedreJa odorata, Albizzien, Erythrinen, Caesalpinien und Cassien, Pitliecolohium Saman und Pelto- plwrum dasyrhachis, von Obstarten Ananas, Guajaven, Anonen, Durio zihethinus, Eriobotrya, Persea^ ÄverrJwa, Spondias, NepTtelium, Passi- flora, Oarcinia, Achras Sapota und Citrus-kviQU. Von Zierpflanzen, die der Zentralstelle in den Beständen des Berhner Botanischen Gartens ja besonders reichlich zur Verfügung waren, hebe ich die zahlreichen, allen Weltteilen entstammenden Palmen hervor, welche den Gärten in unseren Kolonien, zum Teil schon im erwachsenen Zustande zum Schmucke gereichen. Hatte die Zentralstelle bei der Versorgung der Versuchsgärten auf ein möglichst vielseitiges Pflanzenmaterial nach eigener Auswahl Be- dacht zu nehmen, so konnte sie sich im Verkehr mit den Forstver- 38 G. Volkens. waltungen unserer Schutzgebiete, mit den dort ansässigen Pflanzungs- gesellschaften und Privaten auf das beschränken, was von dieser Seite an lebenden Gewächsen, Stecklingen und Saat erbeten wurde. Sie hatte Rücksicht zu nehmen auf die Geringfügigkeit ihrer Mittel, sie konnte einem neu auf den Plan tretenden Unternehmen nicht das gesamte Saat- gut liefern, das es brauchte, aber sie konnte doch, besonders in letzter Zeit, dank gelegentlichen Zuschüssen, die ihr durch Vermittelung erst des kolonialwirtschaftlichen Komitees, dann der Deutschen Kolonial- gesellschaft zuteil wurden, vielfach den Wünschen gerecht werden, die an sie herantraten. Es handelte sich dabei zumeist um Neuein- führungen, um Pflanzen, die auf dem gewöhnlichen Handelswege nicht zu beschaffen sind, um hochwertige Sorten verbreiteter Kulturge- wächse, die da oder dort auftauchen und ein allgemeineres Interesse auf sich lenken. Erfolg zu verzeichnen hat die Zentralstelle nach dieser Richtung mit der Einführung des neukaledonischen Kautschukbaums Ficus Schied iteri, der Ficus elastica und zweier neuen Kautschuk liefernden Manihot-Arten aus Brasilien in alle unsere tropischen Schutz- gebiete, mit der Einführung der jetzt aus eigener Saat weiter betriebenen Tiekholz- und Sisalagavenkultur in Togo, mit der Unterstützung der Aufforstungsbestrebungen, die sich in Ostafrika und Togo geltend machen, indem sie Saat des Kampfer-, Malett-, Barbatimaobaums, der brasilianischen Wachs- und Piassavapalme in größeren Massen lieferte, mit der Über- mittelung bester Tee- und Cinchona-Sorten an die Gouvernements- pflanzungen in Buea und Amani, mit der Überführung einer als Nica- ragua-Criollo bezeichneten Spielart des Kakao aus Ceylon nach Togo, Kamerun und Neu-Guinea, mit der Verteilung guter Ananasvarietäten aus Trinidad, mit der Inangriffnahme der Dattelkultur in Südwestafrika und so noch mit einer Reihe für Forst- und Landwirtschaft in unseren Schutzgebieten nicht unwichtiger Bereicherungen des Pflanzmaterials, Er- wähnenswert ist gewiß auch, daß ein Austausch spezifischer Landes- erzeugnisse unter den einzelnen Kolonien selbst angebahnt wurde, in- dem beispielsweise die Kickxia elastica nach überall hin, die Kolanuß von West- nach Ostafrika und Neu-Guinea, die Mascarenhasia elastica umgekehrt von Ost- nach Westafrika, Äßelia hijuga von den Marianen nach Togo und Kamerun gelangte. Ein letzter Zweig der auf Versorgung mit Nutzpflanzen gerichteten Tätigkeit der Zentralstelle wird durch die Bestrebungen dargestellt, auch den Ackerbau der Eingeborenen nach Möglichkeit zu heben. Die besten Sorten des javanischen Wasser- und Bergreises, amerikanische Maisvarietäten gingen zentnerweise nach Ostafrika und Togo, um die einheimischen weniger reich tragenden Spielarten zu ersetzen. Die be- Die Botanische Zentralstelle für die Kolonien. 39 rühmte schwarze Bohne Venezuelas und Brasiliens, die Sojabohne Japans, die Velvetbeans und die Cow peas der Amerikaner, Gemüsepflanzen aller Arten, Kürbisse, Gurken und Melonen gelangten zum schwarzen Kontinent und in die Südsee so oft oder in solchen Mengen, daß nicht überall, aber doch da und dort, ihre Kultur nunmehr als eingebürgert gelten darf. Auch der Futterpflanzen wurde gedacht, in letzter Zeit nicht weniger der Einführung stickstoffspeichernder Gewächse, die den Ertrag der Plantagenkulturen zu steigern bestimmt sind. Lange Jahre hindurch war dem Gouvernement eine Viehhaltung am Kamerunberge fast unmöglich, gepreßtes Heu wurde von den Almen der Schweiz her bezogen; die geglückte Einbürgerung des Ploridaklees machte den miß- lichen Zuständen mit einem Schlage ein Ende. Nicht jedes Samenkorn, das die Zentralstelle ausstreute, ist auf fruchtbaren Boden gefallen. Vieles, sehr vieles ging überhaupt nicht auf, entweder weil es seine Keimkraft während des Transportes verloren hatte, oder weil es in Hände gelangte, die sich nicht ■einmal die Mühe des Aussäens machten. Vieles ist aufgegangen, aber der ständige Wechsel der Personen brachte es mit sich, daß der Nachfolger sich um das nicht kümmerte, was der Vorgänger schuf. Solche Mißerfolge mußten in den Kauf genommen und dadurch ausge- glichen werden, daß immer neue Nachschübe erfolgten. Überschaut man das Facit, so kann die Zentralstelle wohl damit zufrieden sein. Die Zentralstelle hat an zweiter Stelle die Aufgabe, die aus den Kolonien eingehenden Pflanzen wissenschaftlich zu bestimmen und Auskunft über ihren Nutzwert zu geben. Noch ehe sie gegründet war, besaß das Botanische Museum reiche Schätze afrikanischer Pflanzen, und auch die Inseln der Südsee, deren Florenelemente sowohl nach Australien wie zum indo-malayischen Ge- biet hin ausstrahlen, waren seit der Zeit eines Chamisso durch Sammlungen im Herbar gut vertreten. Die Grundlagen zum Ver- gleich mit Originalen, auf dem in einem Museum jede Determination basieren sollte, waren also gegeben. Man ahnte indessen damals noch nicht, welche Fülle unbekannter Pflanzenformen unsere Kolonien noch bargen, man war erstaunt und fast erschreckt zugleich, möchte ich sagen, als nun Ende der 80 er und besonders in den 90 er Jahren des vergangenen Jahrhunderts mit der fortschreitenden Er- schließung der Schutzgebiete die Eingänge sich häuften, als in rascher Polge aus Ost-, West- und Südafrika, aus Neu- Guinea und den benach- barten Inseln Sammlungen mit Tausenden von Nummern einliefen, unter denen die neu zu beschreibenden Arten zum mindesten nach ebenso vielen Hunderten zählten. Man stand vor einer Aufgabe, die nur durch 40 G- Volkens. einmütiges Zusammengehen aller am Botanischen Museum und Garten tätigen wissenschaftlichen Kräfte zu bewältigen war. und sie genügten nicht, neue mußten herangezogen und auch fern von Berlin weilende Spezialisten gewonnen w^erden, um das herbeiströmende Material zu be- arbeiten. Was geleistet worden ist, zeigen ihnen iie letzten 30 Bände der Englerschen Jahrbücher für systematische Botanik, zeigen ihnen Werke und Abhandlungen wie: „Die Pflanzenwelt Ostafrikas und seiner Nachbargebiete ", „Die Hochgebirgsflora Afrikas", „Die Flora Neu- Guineas und der Südsee-Inseln" . „Die Vegetationsverhältnisse der Karo- linen, der Marschallinseln und Kiautschaus", zeigen ihnen endlich die monographischen Bearbeitungen der afrikanischen Moraceen. St^rcu- liaceen, Combretaceen. Sapotaceen und der Gattung StropJia)ithus. Noch ist kein Ende der Eingänge an getrockneten Pflanzen abzusehen und wenn auch viele kleinere und einzelne umfassendere Gebiete in bezug auf ihre Flora als im großen und ganzen bekannt gelten können, so sind andere, wie Deutsch-Südwestafrika, der Westen Ostafrikas, der Osten Togos und Kameruns doch noch weit im Rückstande und machen es vorläufig unmöglich, an eine Zusammenstellung ihrer Vegetations- formen in Gestalt eines Florenverzeichnisses heranzugehen. Allgemeiner unterrichtet sind wir über die einheimischen Nutz- pflanzen unserer Kolonien. Auf sie achtet nicht nur der wissenschaft- liche Sammler, auch der Kaufmann, der Stationsleiter, der Pflanzer und Offizier wendet ihnen sein Interesse zu und erkundigt sich zum wenigsten nach dem Namen. Fast Woche für Woche gehen Anfragen in dieser Beziehung ein und müssen beantwortet werden. Oft dreht es sich um ein einzelnes Objekt, eine Giftpflanze, ein Zauberkraut, ein Nahrungs- mittel, oft aber auch um ganze Zusammenstellungen von Drogen, von Nutzhölzern, von Futterpflanzen der Eingeborenen oder von Produkten, die dem Einsender Aussicht auf eine technische Verwertung in Europa zu bieten scheinen. Manches bleibt wegen UnvoUkommenheit des ein- gelieferten Materials ungeklärt, aber vieles hat doch auch dazu beige- tragen, die Aufmerksamkeit weiterer Kreise zu erregen. Eine Reihe neuer Kautschukspender, Öl-, Fett- und Faserpflanzen wurde auf diese Weise bekannt, die Nährgewächse der Eingeborenen konnten auf ihre verschiedenen Formen und Spielai'ten hin untersucht werden. Nutz- hölzer, Drogen, Harze, Gerbstoftprodukte kamen ans Tageslicht, von denen eins oder das andere sich wohl einmal eine Bedeutung erringen wird. Noch sind zu wenig kolonial-botanisch geschulte Fachleute in unseren Kolonion, noch dämmert es den meisten Beamten drüben nicht auf, welche Verdienste sie sich im Zusammenarbeiten mit der Zentral- stelle um die Kenntnis der Nutzpflanzen ihres Bezirkes erwerben Die Botanische Zentralstelle für die Kolonien. 41 könnten, aber die Anfänge sind doch gemacht, so besonders seit der Gründung Amanis in Ostafrika und in Togo, wo der Gouverneur Graf Zech und seine Bezirksamtmänner Dr. Kersting und Dr. Grüner nach dieser Richtung rastlos tätig sind und die ihnen als wertwoll be- zeichneten Gewächse auch in Kultur nehmen. Ich komme damit zur dritten und letztenAufgabederZentral- stelle. Sie soll belehrend wirken. Sie tut dies schon, indem sie über die Vegetationsverhältnisse in unseren Kolonien und über die Bedeutung ihrer Nutzpflanzen Aufschluß gibt. Das Rüstzeug hierfür besitzt sie in sich selbst und in den Sammlungen des Botanischen Museums. Sie hat aber weiter zu gehen und bedarf dazu einer umfassenden Verwertung der Erfahrungen, die in den Kolonien anderer Mächte gemacht und in zahlreichen Büchern und Zeitschriften niedergelegt sind, sie hat sich mit heimischen staathchen Instituten, mit kaufmännischen Firmen, mit Industriellen, die auf den Bezug tropischer Produkte angewiesen sind, in dauernder Verbindung zu halten, um von diesen belehrt zu werden. Sie hat sich gutachtlich zu äußern, nicht nur den Gouvernements und deren Beamten, den Pflanzern, Missionen und Kaufleulen gegenüber, sondern vor allem auch dem Reichskolonialamt, an welches unausgesetzt Gesellschaften und Private mit neuen Anregungen, mit Vorschlägen, mit Bitten um Auskunft über dies oder das herantreten. Besonders in letzter Zeit, wo das Interesse an unseren Kolonien erfreulicher Weise sichtlich gewachsen ist, vergeht kaum eine Woche, in der nicht irgend ein eingehender Bericht zu erstatten wäre. Da laufen zwischendurch Hölzer, Fasern, Gerbstoffmaterialien, Kautschukproben ein, über deren Güte und Handelswert Firmen zu befragen sind, da sind Kulturan- weisungen zu geben, Schädlinge zu bestimmen, Keimungsversuche zu machen, kurz Aufgaben zu lösen, die alle Zweige der tropischen Land- wirtschaft und der Ausnutzung der vegetabilischen Schätze unserer Schutzgebiete berühren. Die Zentralstelle kann das nicht alles allein machen, sie ist angewiesen auf ein Zusammengehen mit Behörden und Firmen. Die staatliche Stelle für Materiahenprüfung, die Versuchsanstalt für Lederindustrie in Preiberg, die landwirtschaftliche Hochschule in Berlin, die Vereine der Papierfabrikanten, Firmen wie Traun und Steidt- mann & Nagel in Hamburg, Merck in Darmstadt, Gehe in Dresden, Pfaff in Berlin und viele andere müssen herangezogen werden, und es ist mit Dank festzustellen, daß sie bisher noch in keinem Falle ihre Unterstützung versagt haben. Als ganz besonders vorteilhaft hat sich ein Zusammenarbeiten mit der kolonial-chemischen Abteilung des der Zentralstelle räumlich benachbarten Pharmazeutischen Instituts erwiesen. Vor nicht langer Zeit mit einer Subvention aus Reichsmitteln bedacht, 42 Gr. Volkens. ist sie nunmehr imstande, auch kolonial-chemische Fragen allgemeiner Xatur in Angriff zu nehmen. Eine von der Zentralstelle veranlaßte, an alle Gouvernements ergangene Aufforderung, Milchsäfte einzusenden, hat ihr schon Gelegenheit gegeben, sich der Praxis nützlich zu er- weisen und es ist kein Zweifel, daß sie auch in Zukunft allen An- sprüchen, die an sie nach chemisch-technischer Seite hin gestellt werden können, im vollsten Maße gerecht werden wird. In den Kreis der dritten Aufgabe der Zentralstelle fällt endlich die Ausbildung von Gärtnern für den Kolonialdienst, die Ausrüstung wissenschaftlicher Reisender mit botanischem Sammelgerät und die Be- lehrung sowohl der in die Kolonien gehenden Beamten und Privaten, als des Publikums überhaupt. Die Gärtner, die nach körperlicher Brauch- barbefind ung für den Tropendienst vorgemerkt werden, haben sich praktisch in den Anzuchts- und Schauhäusern der Zentralstelle zu be- tätigen und sind angewiesen, an den kolonial-botanischen Vorlesungen teilzunehmen, die ich an der Kgl. Gärtner-Lehranstalt halte. Über 40, von denen eine ganze Anzahl ihren Drang in die Ferne mit dem Leben hat bezahlen müssen, haben bis jetzt draußen Verwendung ge- funden, meist als Gouvernementsgärtner, nicht wenige aber auch als Angestellte von Pflanzungsgesellschaften. Verhältnismäßig wenig Freude hat die Zentralstelle an ihrer Ob- liegenheit, Reisende, Beamte und Offiziere auszurüsten. Viele fühlen sich da berufen, aber wenige sind auserwählt. Die Schwierigkeit des Sammeins in einem feuchten Klima, Mangel an Vorkenntnissen, er- lahmender Eifer bei Überhäufung mit anderen Arbeiten verschulden es, daß nur hier und da einmal das Sammelgerät benutzt wird und das ■eingehende Material die aufgewendeten Kosten lohnt. Die für Belehrung des Publikums getroffenen Vorkehrungen er- strecken sich auf Vorführung lebender tropischer Nutzpflanzen in den Schauhäusern des Botanischen Gartens, auf systematische und nach den einzelnen Kolonien geordnete Zusammenstellungen vegetabilischer Pro- dukte im Botanischen Museum und auf Beteiligung an Ausstellungen. Seit der Übersiedelung der Botanischen Institute nach Dahlem hat in dieser Beziehung Hervorragendes geschehen können. In einem be- sonderen V^^armhause werden im Laufe eines jeden Sommers alle wich- tigeren einjährigen tropischen ökonomischen Gewächse, wie Baumwolle, Jute, Ramie, Reis, Erdnuß, Indigo, Nährpflanzen der Eingeborenen usw. herangezogen und täglich zur Schau gestellt. Davor finden Sie ein größeres Areal mit überseeischen Nutzpflanzen bedeckt, die auch hier im Laufe eines Sommers zur Reife kommen, so mit Sorghum, Hirse, JMais, Futterkräutern, Bataten, Tomaten, tropischen Gemüsearten und Die Botanische Zentralstelle für die Kolonien. 43 Tabak. Zwei weitere Schauhäuser bergen die mehrjährigen Pflanzen, die Kaffeearten, Kakao, Gewürze, Nutzhölzer, die Kautschukproduzenten, Öl-, Fett-, Gespinnst- und Gerbstoffpflanzen, die Obstarten in einer so reichen Auswahl, daß Sie kaum eines der bekannteren, unsere Kolonial- waren und tropischen Rohprodukte liefernden Gewächse vermissen werden. Der speziell den deutschen Kolonien gewidmete Saal im Botanischen Museum befindet sich noch in der Ausgestaltung. Es ist gedacht, ihn so einzurichten, daß die eine Längsseite alles zur Anschauung bringt, was auf die Kultur und Ernteaufbereitung von Plantagenpflanzen, wie Kaffee, Kakao, Tee, Kautschuk, Chinabäumen, Öl- und Kokospalme, Baumwolle, Sisalagaven, in der Hauptsache auf Gewächse also Bezug hat, die mehreren unserer Kolonien gemeinsam sind. Auf der anderen Seite sollen bestimmte Kojen für jede einzelne unserer Kolonien einge- richtet und in diesen das zusammengetragen werden, was sie an be- sonderen eingeführten oder einheimischen Pflanzen und daraus ge- wonnenen Materialien birgt. Eine reiche Bildersammlung, Fabrikate, Tabellen und Modelle sollen in beiden Abteilungen das Verständnis er- leichtern. Material ist reichlich vorhanden; aber bei der geringen Zahl der zur Verfügung stehenden Hilfskräfte geht die Aufstellung nicht so rasch vor sich, als zu wünschen wäre. Ich gelange zum Schluß, meine Herren, und muß ihn notge- drungen mit einem Vortrag verknüpfen, der vor einem Jahre in Ham- burg in dieser Vereinigung der Vertreter der angewandten Botanik unter dem Titel „Tropische Landwirtschaft" gehalten und in deren Jahresbericht abgedruckt worden ist. So sehr ich mit diesem Vortrage in allen seinen Hauptteilen einverstanden bin, so wenig kann ich dies in bezug auf seinen Ausgang, auf die Forderung sein, in die er gipfelt: Die Regierung möge eine Zentrale für tropische Landwirt- schaft als Reichsinstitut im Anschluß an die Biologische An- stalt für Land- und Forstwirtschaft in Dahlem bei Berlin gründen. Es ist bezeichnend, daß der Vortragende, der sonst alle möglichen in der Welt bestehenden Organisationen zur Förderung tro- pischer Landwirtschaft aufzählt und bespricht, die Botanische Zentral- stelle am Botanischen Garten zu Berlin mit keinem Wort erwähnt: sie ist für ihn, der im übrigen den Berliner Garten und das Museum sehr eifrig benutzt, überhaupt nicht vorhanden. Ich will den Gründen für diese auffällige Ignorierung nicht nachgehen, jedenfalls war sie mir mit Veranlassung, Ihnen durch meine heutigen Ausführungen ein Bild da- von zu geben, daß wir in Deutschland denn doch nicht so ganz ohne eine Staatsinstitution sind, die unseren Kolonialverwaltungen, unseren 44 G. Volkens. Pflanzern, unseren heimischen, auf den Bezug von Tropenprodukten an- gewiesenen Industriellen ratend und tatend zur Seite steht. Prof. Warburg wünscht eine Zentrale für tropische Landwirt- schaft, zunächst als Abteilung der Biologischen Reichsanstalt, später, hofft er, werde sich diese zu einem selbständigen Institut entwickeln. Zur Begründung weist er auf die Anstalten hin, die andere Kolonial- mächte geschaffen haben, auf das Department of Agriculture in Washington, das Imperial Institute in London, das Kolonialmuseum in Haarlem. Seinen besonderen Beifall findet Prankreich, das eine Ecole nationale superieure de TAgriculture coloniale, eine Societe fran(,-aise de Colonisation et d'Agri- culture coloniale und schließlich einen Jardin colonial besitzt, dessen Direktor gleichzeitig als Generalinspektor der kolonialen Landwirtschaft Ministerialbeamter ist. Das Department of Agriculture in Washington kann kaum herangezogen werden, schon darum nicht, weil es ja seine Wirksamkeit in einem Gebiet entfaltet, dessen Teile durch Telegraph und Schienenstränge aufs innigste mit der Zentrale verbunden sind. Für die Philippinen hat Amerika ein eigenes Department in Manila ge- schaffen. Daß Prankreich am weitesten vorgeschritten erscheint, wird mit Recht hervorgehoben. Aber ich sage ausdrücklich „erscheint". Aus dem Vorhandensein dreier großen kolonialen Institute in Paris darf doch nicht geschlossen werden, daß Prankreich damit nunmehr den Vogel abgeschossen hat, daß es zur wirtschaftlichen Erschließung seiner Kolonien wirklich richtige und zweckmäßige Maßnahmen getroffen hat. Ich leugne das, ich behaupte, Prankreich wandelt mit seinen Be- strebungen, die Bedürfnisse der tropischen Landwirtschaft in Paris regeln, seine Kolonien von Paris aus entwickeln zu wollen, auf falschen Wegen, auf Wegen, die wir uns hüten sollen, gleichfalls einzuschlagen. England und Holland haben uns Vorbilder zu sein, von deren Schöp- fungen im Mutterlande Warburg nichts weiter anzugeben weiß, als das bescheidene Imperial Institute und das noch bescheidenere Kolonial- museum in Haarlem. Beide Staaten erkannten eben, daß die tropische Landwirtschaft nur da einschneidend gefördert werden kann, wo sie betrieben wird, nicht im Mutterlande, sondern in den Kolonien selbst. Was sie bei sich schufen, sind Auskunftsstellen, Vermittelungsstellen, Zentralstellen, wie Sie sie nennen wollen, Institutionen, deren Haupt- aufgabe darin liegt, den Gouvernements, den Leitern von Versuchs- gärten, den Pflanzenbau treibenden Kolonisten in speziellen Prägen Rat- schläge zu erteilen, Pflanzmaterial zu beschafien und zu verteilen, die gezüchteten oder sonstwie gewonnenen Produkte durch wirkliche in der Praxis stehende Pachmänner auf ihre Qualität und ihren Handels- wert untersuchen zu lassen. Die Botanische Zentralstelle für die Kolonien. 45 Stellen wir uns einmal vor, ein neues, großes Reichsinstitui für tropische Landwirtschaft bestände in Dahlem und greifen wir irgend eine Frage heraus, deren Beantwortung Herr Prof. War bürg für dringend notwendig erachtet, beispielsweise die Frage der Schädlings- bekämpfung. Kann da in Dahlem Ersprießliches geleistet werden? Man kann mit großen Kosten sich eigene Kulturhäuser für Kaffee, Kakao, Kautschukpflanzen, Zuckerrohr, Chinabäume, Öl- und Kokos- palmen anlegen, man kann auch Schädlinge aus den Kolonien in diese Kulturhäuser übertragen, aber dem Schädling wie der Wirtspflanze eine gedeihliche, normale Entwickelung sichern, kann man nicht; man kann beiden nicht die khmatischen Faktoren, ihre Freunde und Feinde, das ganze Milieu bieten, das eine wirksame Bekämpfung des Krankheits- erregers zur Voraussetzung hat. Für die reine Wissenschaft würde vielleicht hier und da einmal etwas herauskommen, eine schöne Ab- handlung mit vielen bunten Tafeln, für die Praxis schwerlich je etwas von Bedeutung. Das Institut würde gut tun. sich von vornherein auf die Diagnostizierung des Schädlings zu beschränken und aus der Lite- ratur anzugeben, was da oder dort für Bekämpfungsmittel und mit welchem Erfolge zur Anwendung gelangt sind. Für eine derartige Auskunft sind aber genug Stätten in Deutschland vorhanden, die ge- nügende Experten und genügende Vergleichssammlungen besitzen und die auch freudig gewillt sind, ihre Dienste anzubieten. Eines neuen Instituts bedarf es dazu nicht. Und so ist es mit einer Unzahl anderer Dinge. Warburg führt die Schattenfrage für tropische Baumkulturen auf, das Problem der Müdigkeit tropischer Böden, des Einflusses vom Tau auf tropische Kulturpflanzen, ich füge hinzu die Dünger- und Be- arbeitungsfrage für tropische Böden, die Fragen nach zweckmäßigster Ernteaufbereitung, die überaus wichtige Arbeiterfrage. Kann eine einzige davon in Dahlem gelöst werden? Um auf die Schädlinge zurückzu- kommen, was würde man von einer Kommune sagen, die zur Be- kämpfung der Brände bedeutende Mittel für ein schönes neues, großes Spritzenhaus bewilligte, dieses Haus aber nicht in der eigenen Stadt, sondern in einer anderen, 1000 Meilen davon entlegenen bauen ließe? Sie sehen, meine Herren, worauf ich hinaus will. Wenn wir die tropische Landwirtschaft in unseren Kolonien heben wollen, so haben wir die Hebel nicht hier in Dresden oder in Dahlem anzusetzen, sondern drüben, in Ost- und Westafrika, in Neu-Guinea und Samoa. Dieser Forderung gegenüber steht alles andere zurück. Jede Mark, die wir drüben in einen Versuchsgarten, ein kolonial botanisches oder chemisches Laboratorium, eine Eisenbahn investieren, wird unvergleichlich viel höhere Zinsen bringen, als wenn wir sie hier für ein Institut verwenden. ^Q G. Volkens. in welchem schließlich doch nur an grünen Tischen gearbeitet wird. Frankreich ist groß in der Theorie, groß im Zentralisieren, aber trotz seiner vielen kolonialen Schöpfungen im Mutterlande, schöpfen ihm doch die englischen und deutschen Firmen, die sich in seinen Kolonien nieder- gelassen haben, den Rahm von der Milch weg. Holland schuf sich sein Buitenzorg und wer das kennen gelernt hat, der weiß, was es be- deutet, der weiß, daß es das Muster abzugeben hat, nach dem wir uns zu richten haben. Ich will nicht näher darauf eingehen. In einem Vortrage, den ich bei Gelegenheit eines Kolonialkongresses hielt.') habe ich seinen Einfluß auf den Plantagenbau in Java und Sumatra ein- gehend geschildert. Wir brauchen nicht einmal ins Ausland zu gehen, um den Wert eines in der Kolonie selbst gelegenen Agrikulturinstituts zu erkennen. Wie haben sich die Verhältnisse in Ostafrika geändert, seitdem Amani besteht. Es ist zu einem Mittelpunkt geworden für alles, was zu dem Landbau in diesem Schutzgebiet in Beziehung steht, und es ist sicher anzunehmen, daß aus ihm, gerade wie in Buitenzorg, ein Kultur- departement hervorgehenwird, das sich den Departements für Justiz, für das Heerwesen usw. ebenbürtig an die Seite stellt. Fragen wir doch ein- mal die in Amani wissenschaftlich und praktisch tätigen Herren — Herren, die im Leben stehen und doch ohne Zweifel als Autoritäten gelten können — , ob sie sich von einem großen tropenlandwirtschaftlichen Institut in Dahlem etwas versprechen. Was sie wünschen, ist im Gegenteil, von Deutschland möglichst unabhängig zu w-erden, und sie sind auf dem besten Wege, das zu erreichen. W^as sie in Europa brauchen, ist allein eine Auskunftsstelle, eine Organisation, die ihnen das Mittel gibt, europäische Sammlungen zu verwerten, und die Bindeglied ist zwischen ihnen und den Verbrauchern dessen, was im Lande erzeugt und nach Europa exportiert wird. Die dringende Notwendigkeit, in jeder unserer Kolonien einen Versuchsgarten anzulegen und soweit ein solcher schon besteht, ihn durch Anghederung von Laboratorien zu einem Institut für tropische Landwirtschaft auszubauen, ist von der Botanischen Zentralstelle schon seit mehr als 10 Jahren immer wieder betont und in Eingaben befür- wortet worden. Die Einsicht des Gouverneurs Graf Götzen hat Amani entstehen lassen, in Kamerun ist es im Anschluß an den Victoriagarten zur Errichtung eines kleinen botanischen und eines chemischen Labora- toriums gekommen, in Neu-Guinea stellt der Garten in Simpsonhafen die ersten Anfänge einer aufsteigenden Entwickelung dar. Togo ist in 0 Bericht des Deutschen Kolonialkongresses vom Jahre 1902. Die Botanische Zentralstelle für die Kolonien. 47 der glücklichen Lage, seit mehr als einem Dezenium zwei naturwissen- schaftlich geschulte Bezirksamtmänner zu besitzen, die für das Pflanzungs- wesen vollstes Verständnis haben und dieses Verständnis auch in die Tat umsetzen. Einen von einem Fachmann geleiteten Garten hat Togo nicht, ebenso wenig Samoa, das Festland von Xeu-Guinea und die kleineren Südseeinseln. Südwest-Afrika und Kiautschau scheide ich von der Betrachtung aus, da beide nach europäischem Muster zu behandeln sind und in erster Linie Landwirtschaftsschulen erfordern Wie Amani weiter auszugestalten ist, das wissen seine Leiter besser als wir. Der Victoriagarten braucht vor allem Selbständigkeit und einen festen von Gouvernementseinflüssen unabhängigen Etat, der so hoch ist, daß er seine wissenschafthchen Kräfte vermehren und seine Laboratorien in bezug auf Bibliothek und Instrumentarium auf eine zeit- gemäße Höhe bringen kann. Alles andere liegt an den Personen, die zur Leitung berufen sind. Hier in Deutschland brauchen wir für die Gegenwart und nächste Zukunft zweierlei, einmal ein Lehrinstitut, das seine Zöglinge mit den Grundbegriffen der tropischen Landwirtschaft ausrüstet und sie dann womöglich, ehe sie in unsere Kolonien gehen, nach Ceylon, nach Indien oder nach Java zu weiterer Information entsendet, und zweitens eine Zentralstelle, die für die Gärten draußen, für die Gouvernements und Pflanzer einen Mittelpunkt abgibt, die auch dem Kolonialamt als Aus- kunftsstelle zur Seite steht. Die Botanische Zentralstelle am Kgl. Bota- nischen Garten zu Berlin, die bisher diesem Zweck gedient hat, braucht nur ausgestaltet zu werden, um auch weitergehenden Ansprüchen gerecht zu werden. Mit einem Etat von 10000 Mark, von denen nur 6000 für sachliche Ausgaben zur Verfügung stehen, sieht sie sich am Ende ihrer Leistungsfähigkeit. Soll sie in der Zukunft mit der steigenden Entwickelung unserer Kolonien gleichen Schritt halten, so ist das ohne eine entsprechende Vermehrung der an ihr tätigen wissenschaft- lichen Kräfte unmöglich. Zu erwägen wäre, ob ihr jetziger Zwitter- charakter als eine vom Reiche unterstützte, aber dem preußischen Kultus- ministerium unterstellte Anstalt beizubehalten ist. In der Tatsache, daß sie dem Reiche ihre Dienste leistet, ihre Beamten aber preußische sind, liegt eine gewisse Unstimmigkeit, wie man neuerdings zu sagen pflegt. Es darf aber dabei nicht vergessen werden, daß in den 16 Jahren ihres Bestehens Friktionen bisher nicht eingetreten sind, und daß eine Zentral- stelle, wie man sie sich auch ausmalen möge, ohne engen Anschluß an den größten deutschen Botanischen Garten und das größte deutsche Bo- tanische Museum, welche zusammen über einen Etat von zirka 200000 M. verfügen, deren Beamte auch größtenteils die Bearbeitung der ein- 48 G. Voljiens. Die Botanische Zentralstelle für die Kolonien. gesandten Pflanzen und die Bureau arbeiten erledigen, nicht zu denken ist. Die Frage, ob Reichsinstitut, ob durch Reichseinflüsse beherrschtes preußisches Institut, ist schließlich eine formale und durch besondere Stipulationen eines Vertrages zu lösende. Eine ständige Vertretung im Kolonialamt zu besitzen, wird für die Zentralstelle, schon zur Ver- minderung der Schreibarbeit, vielleicht einmal wünschenswert er- scheinen. Daß sich ihre Geschäfte ins Ungemessene steigern, ist nicht zu befürchten. In dem Maße, wie sich die Versuchsgärten draußen zu gut ausgerüsteten Instituten für tropische Agrikultur entwickeln, werden sie von Deutschland unabhängiger werden, w^erden sie Berlin nicht mehr brauchen, um sich Saat zu beschaffen, werden sie in Berlin nicht mehr anzufragen nötig haben, wie man in Java Zucker- rohr oder Chinabäume kultiviert. Darum hat es eine gewisse Be- rechtigung, wenn die Botanische Zentralstelle das Ziel ihrer Bestrebungen in dem Wahlspruche sieht: Inserviendo consumor. Franz Muth, Über die Infektion von Sämereien im Keimbett. 49 Über die Infektion von Sämereien im Keimbett. Ein Beitrag zur Samenuntersuchung und Samenzüchtung. Von Franz Muth. Seit mehreren Jahren beschäftige ich mich mit Untersuchungen über die Ursachen der Differenzen, ^) die bei Keimprüfungen von Sämereien nicht selten auftreten. Diese Ursachen können bekannthch verschieden sein, mit die häufigste derselben ist die Infektion der Sämereien vor oder während der Iveimprüfung durch Mikroorganismen. Von diesen kommen in erster Linie Schimmelpilze und Bakterien sowie einige Hefen in Frage. Die Tatsache, dass Samen und Früchte in feuchter, wasserdampf- gesättigter Luft meistens alsbald von Schimmelpilzen befallen werden und dann schlecht oder gar nicht mehr keimen, ist altbekannt. Auch sind besondere Versuche in dieser Beziehung ausgeführt worden, so z. B. von F. Haberlandt^) und von Freiherrn von Tautphöus^). Die Frage, ob und inwieweit die genannten Organismen bei Keimprüfungen nach Massgabe der technischen Vorschriften des Verbandes landwirtschaftlicher Versuchs- stationen im Deutschen Reich für Samenprüfungen die Gleichmässigkeit der Resultate eventuell beeinträchtigen, ist auffallend wenig experimentell verfolgt worden. Nobbe legt einer solchen Infektion im Keimbett keine besondere Bedeutung bei; er sagt in seinem Handbuche der Samenunter- suchung auf Seite 510 nur: „Bei längerer Ausdehnung des Versuchs tritt an dem Apparate, wie an stetig teuchtwarm erhaltenen Körpern bekanntlich überall, bisweilen ein Anflug von Schimmelfäden auf. Ob- schon dieser Anflug den Samen selbst nicht schadet, da nur die Keimungs- ') Vgl. I ter Bericht der Grossh. Badischen Landwirtschaftlichen Ver- suchsanstalt Augustenberg über ihre Tätigkeit im Jahre 1902, erstattet von Prof. Dr. J. Behrens, S. 35 u. 36, II ter Bericht dieser Anstalt über das Jahr 1903, S. 43 — 48, ferner Jahresbericht der Vereinigung der Vertreter der angewandten Botanik, I. Jahrgang 1903, S. 80—87. 2) F. Haberlandt, Wissenschaftlich-praktische Untersuchungen I, 1875, S. 68. 3) Freiherr von Taut phöus, Die Keimung der Samen bei verschiedener Beschaffenheit derselben. München 1876. (Justs Botanischer Jahresbericht 1876, S. 883). Jaaresbericht der Vereinigung für angewandte Botanik V. 4 50 Franz Muth. unfähigen zu schimmeln pflegen, machen wir doch darauf aufmerksam, dass man diesem Umstände dadurch begegnet, dass das Gefäss nach längerem Gebrauch auf eine halbe Stunde in siedendes Wasser gesetzt wird. Zusatz von etwas Salizylsäure erlaubt die Dauer des Wasser- bades wesentlich abzukürzen. Übrigens zeigen nicht nur die zur Keim- prüfung verwendeten Blumentöpfe und F'liesspapier dieselbe Erscheinung; es finden sich selbst Samen, die in Erde gesteckt werden, nach einiger Zeit mit Penicillium besetzt, in der Regel jedoch nur diejenigen, deren Keimkraft bereits erloschen war. Nur solche Lupinen- und Getreide- samen pflegen nach einigen Tagen im Apparat schlüpfrig-schleimig und missfarben zu werden, während direkt neben diesen liegende gesunde Samen sich frischfarbig und etwas trockenhäutig erhalten." In den bereits erwähnten technischen Vorschriften des Verbandes der Versuchsstationen für die Samenprüfungen ist als Schutz gegen zu weitgehende Schimmelbildung die Erneuerung des Keimbetts während der Prüfung nach Bedarf empfohlen. Harz beschäftigt sich in seiner landwirtschaftlichen Samenkunde in einem besonderen Kapitel auf Seite 294 — 298 mit den verschimmelten Samen, ohne indes auf die uns hier interessierende Frage näher einzu- gehen. Er führt dabei die häufigsten von ihm auf Sämereien im Keim- bett beobachteten Schimmelpilze auf; als solche sind angegeben: Peni- cillium glaucum mit Coremium vulgare, Aspergillus glaucus, Asper- gillits fiavus, Asjtergillus nigrescens, Bhizopus nigricans, Miicor Mucedo, Mucor racemosus, Cladosporium penicillioides und andere Cladosporium-kviQn. Torula sacchari und Torula cephalosporioides, Alysidium viride, Cephalothecium roseum, Cephalothecium candidam und Arthrobotrys oligospora, Haploirichum roseum, einige Sfemphylium- und Alternaria- Arten, Ulocladium hotrytis, Stilbum hulhosum und Stysanus stemoniüs. Selten tritt Arthrococcus lactis auf, namentlich hin und wieder, wenn normalen keimfähigen Samen alte und verdorbene beigemischt sind. Harz bemerkt dann noch, dass bei und in sehr feucht liegenden Samen stets Schizomyceten in Menge auftreten. Eingehender hat sich Hiltner^) mit der Frage der Beeinträchtigung der Resultate der Keimprüfung infolge Infektion durch Mikroorganismen beschäftigt. Einen Teil seiner reichen Erfahrung auf diesem Gebiete hat er in seiner Arbeit über die Keimungsverhältnisse der Leguminosensamen und ihre Beein- flussung durch Organismenwirkung niedergelegt. Er kommt dabei zu 1) Hiltner, L., Die Keimimgsverhältnisse der Leguminosensamen und ihre Beeinflussung durch Organismenwirkung (Arbeiten aus der Biologischen Ab- teilung für Land- und Forstwirtschaft am Kaiserlichen Gesundheitsamte, ITI.Band, 1902, S. 1—102). über die Infektion von Sämereien im Keimbett. 51 dem Resultat, dass Infektionen von Sämereien durch Schimmelpilze und Bakterien die Keimresultate im Keimbett und im Boden unter Umständen weitgehend beeinflussen können und dass dieser Umstand die volle Be- achtung der Samenkontrollstationen verdient. Bei meinen eigenen Untersuchungen wollte ich in erster Linie durch orientierende Versuche feststellen, inwieweit durch künstliche In- fektion mit den am häufigsten vorkommenden Schimmelpilzen beim Ar- beiten nach den Verbandsvorschriften die Resultate der Keimprüfungen beeinträchtigt werden, welche dieser Schimmelpilze die gefährlichsten sind und welche der wichtigeren landwirtschaftlichen Sämereien von diesen am meisten gefährdet sind. Zu den Parallelversuchen wurden, wenn möglich, stets dieselben Samenproben verwendet. Auf diese Weise war eine für praktische Bedürfnisse immerhin genügende Sicherheit für die Beurteilung der Resultate in der angedeuteten Richtung gegeben. Die Versuche selbst wurden, wie bereits früher mitgeteilt, in folgender Weise ausgeführt. Die Samen oder Früchte werden in einem kleinen Siebchen unter dem Wasserhahn durch einen kräftigen Strahl etwa 5 Minuten abgewaschen, um dann noch mit sterilisiertem Leitungswasser gründlich abgespült und in solchem 5 Stunden vorgequellt zu werden. Die meisten frischen und guten Sämereien zeigen bei dieser Behandlung und bei entsprechender Vorsicht beim Einkeimen und bei der weiteren Behandlung während der Keimzeit eine geringe oder keine Infektion. Eine Ausnahme in dieser Beziehung machen sehr häufig grössere Leguminosensamen, besonders Lupinen, wie die Samen von Luphms hirsufus, L. mutabilis etc.; bei diesen gelingt es häufig nicht, sie auf die angegebene Weise genügend keimfrei zu machen. Es ist dies natürlich nicht auffallend, da wir besonders durch die Untersuchungen von Hiltner wissen, dass die Leguminosensamen sehr häufig Keime von Mikroorganismen in den inneren Partien, besonders in der Samenschale beherbergen. Immerhin genügt aber im allgemeinen diese Art der Ver- suchsanstellung bei entsprechender Vorsicht während der Keimprüfung und bei genügender Erfahrung, um sich durch Parallelversuche über den Einfluss einer künstlichen Infektion zu orientieren. Diese selbst wurde in der Weise ausgeführt, dass den abgespülten Sämereien bei der Vorquellung eine iVufschwemmung der Sporen der Schimmelpilze resp. eine solche von Bakterien oder Hefen in sterilisiertem W\asser zu- gefügt wurde. Als Keimbett dienten einfache Kuverte aus gewöhnlichem Piltrierpapier in der Grösse von ungefähr 10X12 cm. Diese Kuverte wurden schief in Kästen aus verzinntem Weissblech gestellt. Letztere sind rechteckig, ca. 13 cm breit, 17 cm hoch und von verschiedener Länge, in der Regel 50 cm. Seitenwände und Deckel sind mit zahl- 4* 52 Franz Muth. , ■ -'S O c fcC s .2^ M S §3 "3 iE Ü 3 a d sc c K C 3. 3 0.2 a 5 c K t: s R R R 1 s 0) 1 ■=1 4) SC s £ o ■s« 's 'S w 'S a3 — ■=• >r> Oi ^^ ^^^ ■n 1 1 ^ 6C s c (U bß c a o a CS sc IE 'S ö .3 o Öl U CS S o •st o s 05 SC 1 '3 R •="3 «:= •So :S o CO > '^ _ o ja 0.0 CS a J= S( CS a ^ er iE a S R S K R E R sc % UI lO ,_, -rH --1 CD ICi IC CO lO CO -* 00 t^ O 1^ 2 •73 (S p nemcg 9Il»V>I_ CO '-' CO m CM CO CO .2 E. N O :fi ;3 ~^t UI n.tuiKy '3 apiiusdS .req o o o o o o o o o o o o o o IS g '5 -uiaqos 'e^j'BH % UI lO 05 CD 05 •* iO lo r^ ko t^ CO CM CO O ^4 « Ci Ol CT! CXI 00 CD 00 00 CD ^ t^ CD CD O S 5.;bi iflinpx p ü CS &ß o a ö -1-3 -ä sc c R C s s R s CR« R R K OJ 0) c N C3 -^ #-• S c^- Ol _c pq '3 -IJ ^ o "ST 0) &o % ni J ^ qf^S: über die Infektion von Sämereien im Keimbett. 53 i! •» S '^ a> -^ 1 iCP N 2 O "g ;W^ et 2 ;j IC— I a .2 a- .S .-5 CO m o o CO C35 o lO c— o •:d -H CS QO CO CO 00 OS CO S la Sl^.2 aS^ M o S S S ^ m _ a d CD C-- S.SPa 1^5 « ö a o 'S a äOcS ' M^ a > 2 a a CS a^ — «-a 3 g ^ => C.2 ■3» Ol a a sc a W a S « :ä (C ® a t4 Q Q OS -# 10 CO Ol Ol 10 ^ 0 CO •X! IC 0 0 0 0 '^ 0 0 0 0 ZD 0 -* 0 Ol 05 CO CD ic CC 00 cj oc OS l-^ C5 CS "äi c- ^ cc az a ••o 9 :^ 54 Franz Muth öß aq S 2 ■;< - g U8UIBS 9T"^vS o/u ui nauiBg - - u ü öpnnsaS JBq -^ O *f'S3 o/o in H"^ 1JB.15{U119\I g^ 3 3 •2W CO s CO CO f^ c- in ^ o c 00 CO (M o^ o bC :^2 :^^ i*s' s II S .2^ 'S ffl ?q P-2. ^^ Q> ^ -. +- •- a - » , 2 2 -„-sä -75 c:) M c Uli. S "S % ni uoiung §* 3 a, 8 puusaS .icq CO r- bD 0/0 Ut -ö g uaiiiBg 9inB j "3 pH epnnseS aeq ■^ g -uieqos ■e'^.i'BH M'S 0/0 ni S C/} •2 « 5^ -c ü5 O über die Infektion von Sämereien im Keimbett. 55 M'ö a .'S a CS ax "3 a Qi -5 M KS IUI i^ a OJ :a :cS 2 ^a-;:; t^ Pilz sehr ällt Er ^S1 Q SC Q-s a a ;s S g =2 S '"'S^-^^S =^a^ B ° S « « ^ ►i S : S o 'S « 2f ' ® -^ •S a :a g CO co t^ 00 o 00 s -H X lO o LO o CR CO lO er ^ ^ o O CO ?i CO 1^ CVI X 05 cc o ^ M CO ■ — t— l- l— [^ 05 fe; o ;^ ^ p; ß^ ß^ 2Q .gl 6 56 Franz Muth. 1 ^ •o hl 0) 1 •c P _. — _ 'B c a ,-'* .9 ~ Ä .= .2 ä p 0) fcß o ^ "^ e 5 a © © ■_) s M- .- ö eS bto a WU. 1^ ■S c« diu. s a * C1«'m C4_ a a j^ a 2 a " 1 3 P S §3.2 £ B ? a « ■4) © p Ut a P '■^ a .5 0 ' c s 11 © p p äl P a © © © s .12 2 1 *"> 5 .2^ ^1 ^ s < £ ö £ 3 W) o/o ui t— CO r- 00 CO -f t— CM '^ 00 3 o p CU.3 N (B •- © PJ3 0.2 SS . |s 0 ©_ i3 a £ p ©rs " MP :2^ 1: ©J3 ja 0 .2 ja 2« -i 0 ^ 0 (^p © © ja-=; .2 s 3 g T3 © P. © hl P _© C8 CS © P .2© "o a j^ © '-'ja 5^ a a c p © u p r •'S» S'g " ^a p. f^g OM ^0 Lq'S '© W.S i^ S m M % ni (M CO 'i^ ^ CO CO a> ,_, 0 ia 1- ^ m ^ S 5 i^ n9uiBS eiuBj CO -H --t< Ol ^^ '-' CO ^'V ni ueiHBg aä jBq Infizi Einzog Ergebnis Keimpri apnns ^ ^ 0 0 CO 0 0 0 0 0 -uieqos 'ejjBH % ni OC' t^ 0 ■^ ^ t^ ^ Ci 0 lO ijK.Tiimie^i •^ '" t^ t— -+ X H c^ Ol ^ M) O '^ s—.' C 2 ® ^ s c t r c c s R s .£ S .200 !s s ^^-t <ü _g M ■»3 ,c:) .H o M o/o ut -# t- 00 f- (M -* t~ CO cn ^ naraBg ertiB,^ •^ co -^ CO CM Tj* CO % TII aemea '3 S. epunsa;^ .i«q o o CO UN« O' 10 0 0 0 CM 0 tUDo -nieqos '9WBH o/o ui '-0 CO Ci' CO CO "cc" CO t— c; CD Ij^JXraie^i l't — — Ift CO P 10 00 c- CD 2 * 'S • "oT o SD S CO u s 1-4 .60 1-4 s h4 ^ 1-4 1 ^ h4 a Ol a> TS e "1 o o Ö5 'S .5 b s 1 CO "i CO s 1 h4 •1 ^ e 0 <^ ö Q Q -S g o 1 1 0 6 a 1 'S über die Infektion von Sämereien im Keimbett. 57- reichen runden Öffnungen zur Förderung der Luftzirkulation verseilen. Auf dem Boden des Kastens befindet sich eine Wasserschicht von 1 cm Höhe: über dieser sind an den Seitenwänden Luftöffnungen angebracht und über diesen ein Boden aus Messinggeflecht zum Aufstellen der Kuverte. Der Kasten ist durch Scharniere, die mit verzinntem Eisen- blech eingerahmt sind und in Falzen laufen, die in der Entfernung von 10 cm an den I^ängswänden angebracht sind, in verschiedene Fächer geteilt. An jedes dieser Scharniere werden 2 oder 4 Kuverte schräg angelehnt. Das Feuchthalten derselben erfolgt nach Bedürfnis durch Anfeuchten mit sterilisiertem Leitungswasser mittelst eines grossen Haar- pinsels und vorsichtiges Abtupfen der Kuverte mit Filtrierpapier. Die Kästen werden vor jedem Versuch samt Kuverte durch strömenden Wasserdampf sterilisiert. Zu den im Keimbett am häufigsten auftretenden Schimmelpilzen gehört wohl Rhizopus nigricans Ehrenberg und Cephalothecium roseum Corda. Mit diesen beiden Organismen wurden deshalb zahlreiche In- fektionsversuche ausgeführt, deren Ergebnisse die Tabellen auf S. 52 — 56- wiedergeben. Fassen wir die Keimresultate in unserer Tabelle etwas näher ins- Auge, so sehen wir aus der nachstehenden kleinen Zusammenstellung, dass beide Schimmelpilze die Keimzahlen im Durchschnitt wesentlich heruntergedrückt haben, während die Zahl der faulen Samen durch die Infektion höher geworden ist; der Prozentsatz der harten, nicht ge- keimten, scheinbar guten Samen hat sich durch diese nicht wesentlich verändert. Keim- kraft inO/o Weniger, als die nicht infiziert. Samen Harte, scheinbar gesunde Samen Mehr oder weniger, als die nicht infiziert. Samen in 0/0 Faule Samen in "/n Mehr, als die nicht infiziert, Samen Nicht infiziert 74,70 Mit Rhizopus nigri- cans Ehr. infiziert 68,51 6,19 Mit Cephalothecium roseum Cda. in- fiziert 64,20 10,50 3,70 3,39 4,20 0,31 -}- 0,50 21.60 — 28,10 6,50 31,60 ! 10,00 Cephalothecium roseum ist somit für die Samen und Früchte im Keimbett bedeutend gefährlicher wie Rhizopus nigricans, obgleich letzterer im Keimbett sich ausserordentlich viel rascher entwickelt al& 58 Franz ^lutli. ersterer. Am meisten gefährdet sind bei der Keimprüfung von den zum Versucli herangezogenen landwirtschaftlich wichtigeren Sämereien die Leguminosensamen und von diesen wieder die Lupinensamen, weniger die Cruciferensamen und am wenigsten die Gramineenfrüchte mit Aus- nahme des Maises. Bemerkt sei noch, dass die Keimversuche, zu denen je lüO Körner verwendet wurden, in den Monaten Dezember, Januar und Februar ausgeführt wurden. Die Jahreszeit ist unter Umständen nicht ohne Einfluss auf die Ergebnisse derartiger Keimversuche, worauf wir später noch einmal zurückkommen werden. Die Notizen über die Entwickelung der Keimlinge und des zur Infektion herangezogenen Pilzes beziehen sich auf den Tag der jeweiligen Keimungsenergie. Bei den Sämereien, die in den Verbandsvorschriften nicht aufgeführt sind, ist die Dauer des Keimversuches bei den Bemerkungen über die Ent- wickelung der nicht infizierten Samen angegeben. Die Bemerkungen über die Entwickelung des Pilzes und seine Einwirkung auf die Aus- bildung der Keimlinge beziehen sich stets auf den zur Infektion heran- gezogenen Schimmelpilz, Name der Sämerei Keim- kraft der nicht in- fizierten Körner Keim- kraft der mit As-pe)yiUi(fi lüger in- fizierten Körner in o/o Grad der schäd- lichen Ein- wir- kung Keim- kraft der mit Hüfrijtis cinereii in- I ii zierten : Körner Grad der schäd- licTien Ein- wir- kung Keim- kraft dor mit Pmi- cillilllll. i/laiii-t(iii in- fizierten Körnrr Grad der schäd- lichen Ein- wir- kung Esparsette . Serradella . Gerste Englisches Eaygras . Italienisches Raygras Französisches Raygras Buchweizen . . . . Tabak Hanf . Lein . Oichorie Fenchel , Sl,50 67,25 95,00 88,25 88,50 80,50 79,00 95,00 88,00 100,00 52,00 Möhre . . Wiesenknopf 69,75 80,25 47.50 75,00 56.50 91,00 90,00 93,00 88,00 64,25 92,00 83,00 100,00 44.50 50,00 7i),00 43.50 stark sehr stark stark sehr stark sehr stark stark sehr stark 76,50 40,50 99,50 87,00 89,00 85,50 47,50 90,50 77,00 97,50 24.25 60,00 72,00 33,50 stark sehr stark 0 0 0 0 i sehr ' stark \ 0 stark 0 sehr I stark sehr stark 0 sehr stark 75,50 54,00 95,00 90,00 80,50 8L50 70,00 96.00 85,50 100.00 45,00 0 sehr stark 0 0 0 0 stark gering stark 0 stark 49,00 I ^ - ^ 86,50 .; !» 34,00 1^ I Im Durchschnitt 79,89 74.98 70,02 74.46 über die Infektion von Sämereien im Keinibott. 59 Bin weiterer Infektionsversucli mit Schimmelpilzen ist in vor- stehender Tabelle wiedergegeben. Es wurden zu diesem Aspergillus nigvr van Tiegh., Botrytis cinerea Pers. und PeiiiciUium glaucum Lk. herangezogen. Dabei wurden stets 4 X lOO Körner in der oben be- schriebenen Weise eingekeimt. Bei den Keimkraftzahlen sind sämtliche gekeimten Körner angegeben. Der Rückgang der Zahl der Keimlinge ist ohne weiteres aus der Tabelle ersichtlich; ausser diesem weisen die Keimlinge bei der Infektion häufig sehr weitgehende Schädigungen auf; bei manchen sind die Würzelchen vollständig faul. Der Grad der Beschädigung ist in der Tabelle in einer besonderen Rubrik angedeutet. Am grössten ist die ungünstige Wirkung der Infektion bei Botrytis eiuerea. Aber auch Aspergillus niger wirkt bei einer Anzahl der zum Versuch herangezogenen Sämereien recht deutlich auf die Höhe der Keimzahlen ein. Nachstehend sei noch das Resultat eines weiteren Infektions- versuches mit diesem Schimmelpilz mitgeteilt. Auch hier ist die Keim- kraft im Durchschnitt um 12,70 "/(, gefallen. Bezüglich der Wirkung von Aspe7~gillus niger auf keimende Sämereien sei auch noch auf den Infektionsversuch mit den Farbenvariationen verschiedener Sämereien auf Seite 71 — 7ß verwiesen. Keimkraft der Keimkraft der Die Keimkraft nicht mit Aspergillus der infizierten Bezeichnung der 8ämerei infizierten niger infizierten Samen beträgt Samen in o/q Samen in 0/^ weniger in O/q Gelbklee 93,50 82,75 10,75 Wundklee 85,00 02,25 22,75 Steinklee 71,25 53,25 18,00 Schotenklee, gehörnter . . 78,25 69,75 8,50 Sumpfschotenklee .... 79,25 73,00 (),25 Linsen 97,75 90,50 7,25 Bohnen 99,50 90.75 8,75 Ackerbpörgel . . . . . • 70,50 51,25 19,25 Weitere in derselben Weise mit je 4 X 100 Körnern ausgeführte Infektionsversuche wurden mit Aspergillus glaucu.s Lk., Cladosporium herbarum Pers., Mucor piriformis Alfr, Fischer und mit Fusarium roseum Lk. angestellt. Aspergillus glaucus erwies sich dabei als ziemlich ungefährlich; bei Weissklee, Bastardklee, gehörntem Schotenklee, Sumpfschotenklee, Saatwicken, Linsen, Roggen, Buchweizen, Timothee war nichts Auf- fallendes zu bemerken, bei Gelbklee. Lupinen, Rotklee, Wundklee, Gerste, Riesenspörgel, Cichorie zeigten einige Keimlinge deutlich kranke, glasig 60 Franz Muth. durchscheinende Wurzelspitzen. Eine wesentliche Beeinträchtigung der Keimzahlen trat aber auch bei diesen Sämereien mit Ausnahme des Riesenspörgels und der Cichorie nicht ein. Bei letzterer fiel die Keim- kraft von 52°(o ^^ 45,5%, bei ersterem von 70°/o auf 56°/o. Mit Cladosporium herharmn wurden je 4 X 100 Körner folgender Sämereien infiziert: Rotklee, Weissklee, Bastardklee, Inkarnatklee, Luzerne, Gelbklee, Steinklee, gehörnter Schotenklee, Sumpfschotenklee, Wundklee, Saatwicken, Victoria-Erbsen, Linsen, Bohnen, Weizen, Gerste, Roggen, Timothee, Sommerraps, Winterraps, weisser Senf, Lein, Spörgei, Buchweizen, Cichorie. Eine grössere Beeinträchtigung der Keimkraft und der En(- wickelung der Keimlinge zeigten nur die Bohnen: erstere sank von 98,00 ''/o auf 69,50 ^Iq\ dabei zeigten die Keimlinge durchgehends braune, kranke Wurzelspitzen. Bei den Linsen, dem Inkarnatklee, Gelbklee, Steinklee sowie bei der Cichorie waren einige fruktifizierende Kolonien schon in der zweiten Hälfte der Keimzeit vorhanden; auch Hessen sich nicht selten kranke Wurzelspitzen bei den Keimlingen konstatieren. Letzteres war auch bei der Luzerne, dem Rotklee und dem Wundklee der Fall. Ein wesentlicher Rückgang der Keimkraft oder der Keimungs- energie war aber bei dem Versuch nur bei den Bohnen zu beobachten. Mucor piriformis war bei einem Infektionsversuch mit einer Probe Esparsette, Serradella, enghschem Raygras sowie bei französischem und italienischem Raygras, ferner von Sorgho, Tabak, Hanf, Fenchel, Möhren und gemeinem Wiesenknopf ohne sichtbare, schädliche P]inwirkung. Weder die Keimzahlen noch die Ausbildung der Keimlinge wiesen eine Beeinträchtigung auf. Bezüglich der Keimfähigkeit der Saatproben, die zu diesen In- fektionsversuchen dienten, sei bemerkt, dass es in der Hauptsache die- selben waren, wie bei den auf Seite 58, 59 und 61 tabellarisch zu- sammengestellten Keimversuchen. Die in diesen Tabellen nicht auf- geführten Sämereien waren durchgehends von guter Beschaffenheit und hoher Keimfähigkeit. Mit Fusarium roseum wurde ein Infektionsversuch verschiedener Grassämereien und zwar mit je 100 Körnern angestellt. Die Er- gebnisse sind aus folgender Tabelle (S. 61) ersichtlich. Die Stammkultur des Fusarium roseum Lk., weiches zu diesen und den weiteren Infektionsversuchen verwendet wurde, war von Krals bakteriologischem Laboratorium in Prag bezogen und auf mit Leitungs- wasser durchfeuchtetem, sterihsierten, zerriebenen Schwarzbrot weiter kultiviert worden. Bemerkenswert ist, dass nur auf ganz wenig Körnern die lachsroten Conidienpolster des Pilzes im Keimbett erschienen, obgleich über die Infektion von Sämereien im Keimbett. 61 Name der Sämerei Keimkraft der nicht infizierten Körner in °/o Keimkraft der mit Fusarium roseum infizierten Körner in o/o Grad der sichtbaren Schädigung der Keimlinge Anthoxanthum odoratum L. . . . Alopecurus pratensis L Agrostis stolonifera L Arundo arenaria L Aira caespitosa L Holcus lanatus L Avena elatior L Avena flavescens L Poa pratensis L Dactylis glornerata L Cynosurus cristatus L Festuca ovina L Festuca rubra L Festuca pratensis Huds ßrachypodium silvaticum R. et Seh. Bromus inermis Leyss Lolium perenne L Lolium italicum AI. ßr 32 li 78 66 34 36 68 80 74 74 86 74 16 60 62 64 74 84 22 72 78 84 22 38 62 54 54 56 74 72 12 58 38 64 46 84 0 sehr stark ganz gering 0 sehr stark 0 sehr stark sehr stark gering 0 gering gering sehr stark schwach 0 stark schwach stark Im Durchschnitt 63,11 55,00 die Wirkung der Infektion bei der Mehrzahl der Sämereien in keiner Weise zu verkennen war; ein grosser Teil der Würzelchen der Keim- linge war gelb oder gelbbraun, glasig durchscheinend, gekrümmt und frei von Wurzelhaaren. Die diesbezügUchen Verhältnisse sind in der Tabelle in der Rubrik über den Grad der Beschädigung angedeutet. Man sieht daraus, dass dieser nicht immer proportional der Beein- trächtigung der Keimfähigkeit ist, die im Durchschnitt 8,11 °/o beträgt. Die ungünstige Einwirkung von Fusarium roseum auf keimende Samen ist des weiteren ersichthch aus den Versuchen mit den verschieden ge- färbten und verschieden grossen Hanffrüchten auf S. 78 sowie aus dem auf derselben Seite erwähnten Verhalten der Farbenvariationen einiger Papilionaceen-Samen bei der Infektion mit diesem Pilz. Ausser den Schimmelpilzen sind es bekannthch Bakterien, die den Sämereien im Keimbett und im Boden unter Umständen gefährlich werden können. Es war deshalb von Interesse, auch mit solchen einen Infektionsversuch anzustellen. Die Ergebnisse desselben sind in nach- 62 Franz ]\Iiitli, stehender Tabelle zusammengestellt. Es \vurden jedesmal je 4 X 100 Samen eingekeimt. Gelbklee Wimdklee Steinklee Gehörnter Schotenklee SuÄipfschotenklee . . Wicken Linsen Erbsen Bohnen Lein Raps Cichorie .... Im Durchschnitt 93.50 85,00 71,25 78,25 79,25 98,00 97,75 99,00 99,50 100,00 96,00 52,00 93,00 88,00 70,50 74,50 83,00 98,00 94,00 99,50 56,00 99,00 95,50 49,00 87,46 83,33 88,00 86,00 65,00 72,00.- 74,00 97,50 97,00 100,00 62,00 99,50 93,50 24,50 96,50 82,50 68,50 77,00 79,.50 97,00 98,50 98,50 .54,00 100,00 98,00 50,50 93,50 91,00 60,00 72,.50 83,50 99,00 98,50 99,.50 100,00 100,00 38,50 93,50 85,00 70,00 62,00 73,00 98,50 96,50 93,00 100,00 95,.50 38,00 79.92 83,33 85.09 82,27 Bei vorstehendem Infektionsversuch ist an den Würzelchen der Keimlinge mit Ausnahme derjenigen der Bohnen und der Cichorie nichts Abnormes zu beobachten. Wie aus der Tabelle ersichthch, haben sämtliche Bakterien das durchschnittUche Keimvermögen beeinträchtigt: Bacillus ßuorescpns liqHpfncleus hat die Keimzahlen am weitesten, um 7,54 °/o heruntergedrückt. Es scheint, dass derartige Bakterien, wie auch Miltner festgestellt hat, altersschwachen oder verletzten Samen und Früchten leicht gefährlich werden und diese abtöten können, während sie gesunde und intakte sowie bereits gekeimte Sämereien nicht anzugreifen ver- mögen. Bei den Bohnen und der Cichorie sind, wie bereits hervor- gehoben, kranke Würzelchen vorhanden. Dieser Umstand ist aber jedenfalls in erster Linie wohl nicht auf die Tätigkeit der zur Infektion verwandten Bakterien zurückzuführen, l'iese zeigen in den W'urzeln nämlich neben den Bakterien noch reichlich Pilzfäden. Bei den Bohnen reichte die Saatprobe nicht mehr zu dem Versuche mit Bacillus asterosporus und dem Bakterium aus Trüffelkonserven. Einige andere gemeine saprophy tische Bakterien wurden zu dem In- fektionsversuch mit Linsen herangezogen, der in nachstehender Tabelle 1) Der zu diesem Versuch herangezogene Organismus wurde von Carl v. Wahl aus Trüffelkonserven, die durch denselben verdorben waren, isoliert. Vgl. Centralblatt f. Bak- teriologie und Parasitenkunde, II. Abteilung, XVI. Bd. 1906, p. 503. über die Infektion von Sämereien im Keimhett. 63 Name des zur Infektion der Linsen verwandten Organismus Sichtbare Beeinträchtigung der normalen Entwickelung der Keimlinge ^ -2 S ® a S '" i^ ^ 0 rr-. d t< a 0) CO o IP :d S 0 i- n ®'0 Prozente der icht gekeimten, cheinoar guten men od. Früchte t- d o III gdfe Ph.2 o sc fl CO CS So a =0 rt Genista tinctoria L. grüngelb 44 50 (i 44 50 6 bräunlich grüngelb 34 54 12 32 52 16 braun 40 48 12 34 48 18 dunkelrot 44 48 8 42 48 10 Spartium scoparium grünlich gelb 56 38 6 50 44 6 L. rot 48 34 18 32 48 20 Cjtisus Laburnum grünlich schwarzgelb 86 10 4 82 8 10 L. dunkelschwarzbraun 80 20 — 72 22 6 gelbrotbraun 86 14 — 84 6 10 Lupinus luteus L. grünlich gelb, dunkel marmoriert 06 — 34 48 2 50 rötlich weiss, schwach dunkler marmoriert 94 — () 8() 2 12 rötlich weiss, sehr intensiv dunkel marmoriert 68 8 24 7() 2 22 Lupinus hirsutus L. hell weisslich rot 54 32 14 52 10 38 dunkelrot 42 58 42 58 — Lupinus mutabilis rein hell weiss 88 — 12 80 — 20 Sw. rötlich weiss 74 6 20 82 — 18 Lupinus niger L. rötlich schwarz 12 — 88 4 — 96 dunkel schwarzrot 58 26 16 84 10 6 Lupinus angusti- licht hellgrau 62 2 36 — — 100 folius L. grau 68 — 32 44 — 56 dunkelgrau 74 12 14 48 8 44 Medicago sativa L. grünlich gelb 76 22 2 90 10 . — gelb 98 2 — 100 — — rotbraun 52 — 48 36 — 64 Medicago lupulina grünlich gelb 50 36 14 32 10 58 L. gelb 100 — — 96 — 4 rotbraun 50 8 42 44 — 66 Medicago media grünlich gelb 74 20 () 66 4 30 Pers. gelb 98 2 — 100 — — rotbraun 48 — 52 32 — 68 Trigonella Foenum gelb 76 — 24 ()4 — 36 graecum L. rotbraun 58 — 42 34 — 66 Trifolium pratense hellgelb 90 10 — 92 8 — L. violett 94 6 " 92 8 72 Franz M uth. Name der Sämerei Färbung der Samen oder Früchte Prozente der gekeimten Samen ^ \ oder Früchte -• Prozente der 5^ nicht gekeimten, „. scheinDar guten 3^ Samen od. Früchte ^ Prozente der n> faulen Samen 3^ oder Früchte Infiziert m. Asperr/. niger <» t; oj M)-£ o ' ® 9 S S »H N ^a : N_2 IH O.So |0*=-7!fl'0"2a) Si 1 a " § Trifolium incarna- vveisslich gelb 6() 18 l(j 20 i 80 tum L. (weiss- gelb rötlich 8(j 6 8 16 — 84 blühendj. ! Trifolium repens L. hellgelb 72 26 2 92 8 rotbraun 84 14 2 72 14 14 Trifolium hybridum grüngelb (iO 12 28 40 10 50 L. grünlich braungelb 42 — 58 26 — 74 gelbrot :54 4 62 40 2 58 dunkel violett ()2 — 38 28 — 72 dunkel schwarzgrün ()« 26 6 38 — 62 Trifolium filiforme hell gelbgrün lü 84 — 18 72 10 L. rötlich gelb 86 12 2 22 8 70 Trifolium fragife- gelbgrün 14 86 — 10 90 — rum L. bräunlichgrün 12 88 — 12 88 — rotbraun 58 24 18 46 34 20 Trifolium pannoni- hell weisslich gelb 70 6 18 70 6 24 cum L. braungelb (J2 22 16 24 4 72 dunkelbraungelb 24 24 52 2 8 90 Anthyllis Vulne- Die nicht grüne Hälfte raria L. gelblich weiss Die nicht grüne Hälfte 84 10 6 30 4 66 rötlich gelb :a 26 20 8 — 92 Lotus corniculatus braungelb 38 58 4 36 20 44, L. dimkelbraun 38 24 38 26 30 44 Lotus uliginosus grün 8() 8 6 74 18 8 Schk. V. villosus gelbgrün 70 28 2 84 12 4 hellgelbbraun 9() 4 — 42 14 44 braun 74 22 4 84 8 8 Lotus tetragono- hellrot 98 2 — 78 — 22 lobus L. rot 9(i 2 2 86 — 14 dunkelrot 9(i 2 2 92 — 8 Colutea arborescens braun — — 100 — — 100 L. schwarzbraun 42 \ 52 6 40 50 10 Astragalus baeticus dunkel grünlich gelb 58 40 2 52 32 16 L. gelb G8 26 6 56 34 10 Ornitbopus sativus hell gelbbraun 68 24 8 68 20 12 Brot. braungelb 28 38 34 24 38 38 dunkelbraun 20 28 52 14 27 59 über die Infektion von Sämereien im Keimbett. 73 Name der Sämerei Färbung der Samen oder Früchte Nie n o g2fc §.§s PL|^ O 4) sr Prozente der ^ nicht gekeiniten, __. scheinbar guten 5" Samen od. Früchte ^ Prozente der 5' faulen Samen ^ oder Früchte Piozente der „ gekeiniten Samen ? oder Früchte Infiziert isperg. niger 1 - "^ 1 :»gs» ie2:5 a o «TS d 'j^ N *- d 1 N 0^ In ° -" "m Ö O "3 OJ -Ä 2 a> ' '-' S-ö Hedysariim coro- hell gelblicliweiss 96 4 90 6 i 4 narium L. rotbraun 82 — 18 58 - ! 42 Onobrjchis sativa hellgrün 94 2 4 86 — i 14 Lmk. hellbrami 94 — 6 82 — 18 braun 90 — 10 84 - i 16 schwarzbraunrot 82 14 4 82 4 1 14 Vicia sativa L. grünlich graugelb bräunlich, dicht wolkig 100 — — 100 — ■ marmoriert 100 — — 100 — hellrötlich, marmoriert 94 — 6 90 2 ' 8 dunkelrotbraun 68 10 22 38 — ■ 62 Vicia Faba L. rotbraun 100 — — 85 — 15 grünlichgelbrot 95 5 90 5 5 Vicia silvatica L. grüngelb 52 46 2 46 54 — braungelb 90 6 4 58 32 10 rotbraun 50 10 40 34 4 62 Vicia paunonica braungelb, schwarz Jacq. punktiert 96 — 4 94 2 , 4 dunkelrotbraun 78 — 22 76 6 18 dunkelgrau schwarz. gelb gefleckt 80 — 20 78 6 16 Vicia grandiflora weisslichgelbgrün 100 — — 100 — — Scop. gelbbraun 100 — — 100 — — röthchgelb 100 — — 100 — • Vicia peregrina L. gelbgrün 60 2 38 64 — 36 rotbraun 100 — — 88 10 2 dunkelschwarz, rot- braun 80 4 16 82 6 12 hellrotbraun, dunkel marmoriert 86 — 14 72 16 12 braungelb, dunkel marmoriert 100 — — 100 — — Ervum Lens L. hellgelbgrün 98 — 2 — 100 rötlich gelb 96 — 4 — 100 gelbgrün, dunkel wolkig marmoriert 100 — — — — 100 Ervum Ervilia L. hellgelblich rot löO — — 86 — 14 ' rotbraun — " 100 — 1 100 74 Franz Muth. Name der Sämerei Färbung der Samen oder Früclite Prozente der gekeimten Samen g oder Früchte j^- Prozente der r>- nicht gekeimten, scheinbar guten P, Samen od. Früchte ^3- iert t, Ö 0) CD ® +3 gaf^ N a ci, a-S «TS ' a &, 0.^® 0-4^*7: a o^^oj •-ins ^J^S"' ^<3t3 0,^0 ^ ü-g Q\^£ 0 Pisum sativum L. V. gullosum Rittr. gelb um — — 100 — — (Zuckererbsen, Eiesen- Schwert.) braun 10(1 — 90 — 10 Pisum sativum L. weisslich gelb 100 — 100 — — hortense (Mai- grünlich gelb lOÜ — — 100 — — erbsen) gelb 100 — — 96 — 4 Pisum sativum L. weiss, glänzend 70 80 — 45 5 50 (späte Gold- oder goldgelb 9-) — 5 95 — 5 Wachserbse) grünlich gelb 85 40 25 80 35 35 Pisum arvense L. braun 80 15 5 90 10 — V. vernale. gelbbraun, dunkel gefleckt !)2 6 2 94 6 — schwarz {>') 35 — 70 30 — Lathyrus pratensis gelbgrün, dunkel L. violett gesprenkelt 28 72 — 30 70 — gelb 80 66 4 32 66 2 gelblich braun, dunkel gesprenkelt 24 62 14 20 60 20 hellbraun 56 26 18 48 12 40 grünlich gelb 26 74 — 32 64 4 rötlich braun violett ■46 44 4 32 64 4 Lathyrus sativus L. gelb mit brauner Randung 78 6 16 70 16 14 gelb mit rotbrauner Sprenkelung 75 15 10 90 — 10 grüngelb 78 10 12 76 18 6 Lathyrus hirsutus braun 10 — 90 10 — 90 L. schwarzbraun 86 20 44 34 20 46 Lathyrus hetero- graubraun 86 14 — 10 90 — phyllus L. braun 78 22 — 18 82 — rotbraun 12 58 30 10 56 40 Lathyrus odoratus hellbraun lOO — — 98 — 2 L. dunkelbraun 85 — 15 75 — 25 Orobus coccineus hellrot, dunkel- Mill. schwarzrot getüpfelt 88 12 — 48 28 24 schwarzrot 60 86 4 58 20 22 Cicer arietinum L. weissl ichgelb, runzelig, gross 88 — 62 44' — 56 über die Infektion von Sämereien im Keimbett. 75 Name der Sämerei Färbung der Samen oder Früchte Nicht infiziert „ ^ Infiziert m. Asperg. niger 3 "S ti 0) o 0) •; oder Früchte a-^^tj «"'ä N a ^1 S^ = o> a N 1 TS o > Xi CO Ausgangsprobe Normal behandelte Pflanzen Trocken gehaltene Pflanzen Sehr feucht gehaltene Pflanzen '49,02 17,54 26,72 12,58 26,02 41,41 34,04 15,21 24,81 41,05 39,24 72,21 1 ,759 1,766 1,904 1,854 1,813 1,798 1,782 1,800 1,693 1,697 1,664 1,626 80 Franz Muth. Samen derselben Probe erwachsenen, recht trocken gehaltenen Pflanzen heferten 26,72 "/o violette, 34,04 ^'o hellgelbviolette und 39,24*^/0 hell- gelbe Samen, während bei Verwendung derselben violetthellgelben Farbenvariation die während der Vegetationsperiode sehr feucht gehaltenen Pflanzen 12,58 ^/q violette, 15.21 °/o hellgelbviolette und 72,21 °/o hell- gelbe Samen hervorbrachten. Keimungsenergie Keimkraft in Harte Samen in Faule Samen in in Prozenten Prozenten Prozenten Prozenten ä c O i Ö c c c a 03 03 0) 03 •■ S • B K" "> ■> > '> > > 81, .50 86,00 83,00 84,50 87,25 87,00 13,00 10,25 10..J0 2,50 2,50 2,50 47,50 48,75 38,75 54,00 53,50 51,00 45,75 45,25 47,75 0,25 1.25 1,25 32,25 40,00 35,00 37,75 48..50 46,00 62,25 51,25 53,75 0,00 0,25 0,25 45,00 49,00 42,25 57,00 68,00 69,50 43,00 30,00 30,25 0,00 2.00 0,25 Die Versuche mit den Farbenvariationen der Samen haben aber auch ergeben, dass vielfach eine Korrelation zwischen Samen- und Blütenfarbe, der Intensität der grünen Färbung der Blätter sowie der Widerstandsfähigkeit gegen schädliche Einflüsse besteht. Sehr schön ist eine solche Korrelation bei Lupinus hirsiitus var. coeriileus zu sehen. Die dunkelroten Samen liefern durchschnittlich Pflanzen, die mehr dunkelrote Blüten und satt-dunkelgrüne Blätter tragen, während die mehr weisslichen Samen Pflanzen mit helleren Blüten und hell- gelbgrünen Blättern hervorbringen. Ähnlich sind die Verhältnisse beim Inkarnatklee und beim Bas.tardklee. Bezüglich derartiger Korre- lationen beim Rotklee habe ich in einer vorläufigen Mitteilung') folgendes bemerkt: „Eine wichtige und interessante Frage bei dem Studium der Farben Variationen des Rotklees ist diejenige der Korrelation zwischen Samen- und Blütenfarbe und deren Einfluss auf das Wachstum und den Habitus der, Pflanze. Die diesbezüglichen Versuche und Beobachtungen ergaben, dass ein ausgesprochener Zusammenhang zwischen beiden in der Weise besteht, dass unter sonst gleichen Ver- hältnissen die Farbe der Samen auch bei den Blüten der aus denselben gewachsenen Pflanzen prävaliert. Ferner zeigen Pflanzen mit vor- ^) Vgl. Bericht der Grossh. Badischen Landwirtschaftlichen Versuchs- anstalt Augustenberg über ihre Tätigkeit im Jahre 1903, p. 49. über die Infektion von Sämereien im Keimbett. gl herrschend dunkeh'oten BUlten und mit vorherrschend dunkelvioletten Samen ein rascheres, üppigeres Wachstum, kräftigen dicken Stengel und grössere, dunkelgrüne Blätter, als Pflanzen mit vorherrschend hellen Blüten und hellen Samen. Es unterliegt keinem Zweifel, dass, w^orauf auch M. Fischer in letzter Zeit aufmerksam gemacht hat, bei weiterer Verfolgung dieser korrelativen Verhältnisse sich Rotkleerassen mit kürzerer oder längerer Vegetationsdauer züchten lassen." Bei den Kulturversuchen mit Lupinus Jiirsiitus und mit Inkarnatklee hat es sich gezeigt, dass beim Befall der Pflanzen mit Mehltau die aus den mehr dunkelroten resp. rötlichgelben Samen erwachsenen Pflanzen durchschnitt- lich deutlich widerstandsfähiger gegen den Pilz waren und weniger unter ihm zu leiden hatten als die aus den mehr hellweisslich gefärbten Samen erwachsenen. Derartige Beobachtungen verdienen unsere besondere Be- achtung auch aus Rücksicht für die Bekämpfung von Pflanzenkrankheiten. Bezüghch der Natur des Farbstoffes in den erwähnten Fällen sei noch bemerkt, dass es sich dabei wohl um Chlorophyllderivate handelt, darauf weisen schon die erwähnten Korrelationen hin. Die Grösse der Samen und der Früchte ist nicht selten von Be- deutung für die Keimfähigkeit und den Grad der ungünstigen Beein- flussung durch schädliche Mikroorganismen, wie z. B. auch die Unter- suchungen über die Früchte des Hanfes gezeigt haben. Die Form der Samen und Früchte scheint im allgemeinen weniger Einfluss in der angedeuteten Richtung zu besitzen, wenigstens haben die Versuche bei Luzerne mit langen, bohnenförmigen und mit kurzen, eckigen, scharf abgeschnittenen Samen bei gleicher Färbung bisher keinen ausgesprochenen Unterschied ergeben. Es wurde bereits auch der inneren Eigenschaften der Samen ge- dacht; in dieser Beziehung leicht bestimmbare Grössen liefert z. B. die Er- mittelung des liörnergewichtes und des spezifischen Gewichtes, ferner die des Wasser-, Aschen-, Stickstoff- und unter Umständen des Ölgehaltes. Bei den diesbezüglichen Versuchen mit den Früchten des Hanfes hat es sich z. B. gezeigt, dass die Keimfähigkeit und besonders die gleichmässige Ausbüdung der Keimlinge proportional dem Sinken des Körner- und des spezifischen Gewichtes zurückgeht, und dass dementsprechend auch die Widerstandskraft gegen schädliche Einwirkungen abnimmt. Bei einem Vortrag auf der ersten Generalversammlung unserer Vereinigung in Berlin im Jahre 1903') über die Schwankungen bei Keimkraftprüfungen der Samen und ihre Ursachen habe ich darauf aufmerksam gemacht, dass gerade die bei Keimprüfungen auftretenden 1) Dieser Jahresbericht, I. Jahrgang 1903, p. 80. Jahresbericlit der Vereinigung für ;ingew;indte Botanik V. g2 Fi'anz Math. Über die Infektion von Sämereien im Keimbett. Differenzen im Verein mit dem Aussehen der Saat seiir wichtige Finger- zeige für die Beurteilung einer Probe geben können. Die weiteren Untersuchungen bestätigten diese Ansicht; diese Untersuchungen zeigen aber auch, dass die Pflanzenzüchtung in diesen verhältnismässig leicht zu ermittelnden Eigenschaften und in deren Prüfung durch passende Infektionsversuche eventuell unter Zuhilfenahme höherer Temperaturen und durch Aussaatversuche ein Mittel in der Hand hat, die Wider- standsfähigkeit der Samen und Pflanzen zu prüfen und unter Umständen zu steigern. Es scheint mir ein aussichtsvoller Weg für die Pflanzen- züchtung zu sein, die angedeuteten Verhältnisse weiter eingehend zu studieren, und diejenigen zu ermittelnden Eigenschaften weiter zu ver- folgen, die eine grössere Wuchsfreudigkeit, Lebenskraft und Wider- standsfähigkeit gegen schädliche Einflüsse mit bedingen. Für die Samenkontrolle sind die angedeuteten Fragen ebenfalls sehr wichtig. Der Handel und der Landwirt brauchen als feste An- haltspunkte Zahlen auch bei der Keimprüfung, mit Zensuren allein wird man in der Praxis nicht immer auskommen. Aber den Keim- zahlen kann sich, jedenfalls bei Untersuchungen für Landwirte, ganz gut eine Zensur anschliessen, welche die Keimzahl zu einem Keimbilde ergänzt. Bei den Hanffrüchten z. B. habe ich versucht, eine feste breite Basis für ein solches zu gewinnen'). Es ist dies ein Versuch, wie ich mir einen w^eiteren wissenschaftlichen Ausbau einer der Praxis dienenden Samenuntersuchung vorstelle. Für die Samenkontrolle ist es dann weiter, wäe bereits angedeutet wurde, unter Umständen von groüer Bedeutung, festzustellen, ob die Pilze, die am Saatgut bei der Keimprüfung auftreten, wirkUch diesem anhaften. Mit den Sämereien werden natürlich die Krankheiten ver- schleppt und grosser Schaden angerichtet. Es erwachsen der Samen- kontrolle bezüglich der Untersuchung des Saatgutes auf schädliche Organismen noch manche schwierige Aufgaben. Auch die damit zu- sammenhängende Frage der Desinfektion der Sämereien durch Beizen usw. bedarf noch teilweise der Klärung und vor allem grösserer Berück- sichtigung in der Praxis. Zum Schlüsse sei noch bemerkt, dass die Frage der Intektion von Sämereien durch Mikroorganismen auch insofern noch Interesse hat, als manche Widersprüche in der Literatur bezüglich des Einflusses des Lichtes auf die Keimung der Samen, über die Atmung und die Stoffe in Samen und Keimlingen wohl teü weise ihren Grund in derartigen Infektionen haben. 1) Dieser Jahresbericht, lil. Jahrgang 19(U/0r), p. 121. JR. Ewert. ]Neue Beispiele für Parthenokarpie. 83 Neue Beispiele für Parthenokarpie. Von Dr. R. Ewert, Proskaa. Im vorigen Jahre konnte ich auf der Versammlung in Hamburg «ine größere Anzahl von Äpfeln und Birnen vorlegen, die sich trotz Ver- hinderung der Befruchtung zu vollkommenen Früchten entwickelt hatten. Ich hatte damals schon gesagt, daß diese Jungferntrüchtigkeit aller Wahr- scheinlichkeit nach eine sehr häufige Erscheinung bei unseren ver- schiedenen Obstarten ist. Es gelang mir nun in der Tat, in diesem Jahre (1907) nicht allein die Ergebnisse früherer Versuche zu bestätigen, sondern auch eine Reihe neuer jungfernfrüchtiger Obstsorten aufzufinden. Dabei habe ich alle erdenklichen Vorsichtsmaßregeln zur Verhinderung der Bestäubung getroffen, und doch erhielt ich Früchte von normaler Größe, jedoch ohne Kern resp. mit verkümmerten Kernen (Samenhäuten ohne Embryo). Eine 107 g schwere Frucht der Guten Luise von Avranches hat sich entwickelt trotz Isolierung und Kastration der Blüten und trotzdem die Narben vor dem Aufbrechen der Blüten un- empfänglich gemacht worden waren. So stehen wir vor einer Tatsache, die eine vollständige Um- wälzung in den bisherigen Anschauungen über Fruchtbarkeit und Un- fruchtbarkeit der Obstbäume hervorrufen muß. Ich muß diesmal darauf verzichten, eine größere Anzahl von Jungfernfrüchten vorzulegen und zu besprechen, und beschränke mich ■daher auf einige wenige Beispiele. Auf eine Frage, über die ebenfalls schon in Hamburg diskutiert worden war, will ich nochmals zurück- kommen. Müller-Thurgau hatte behauptet, daß der eigene Pollen, ohne eine eigentliche Befruchtung auszuüben, allein durch das Hineinwachsen seines Schlauches in den jungen Fruchtknoten einen Reiz auf die Fruchtentwickelung auszuüben vermöge, ja* daß ein erstes Anschwellen der jungen Fruchtanlage mitunter ganz allein auf diese Reiz Wirkung zurückzuführen sei. Von der Annahme eines derartigen Einflusses des eigenen Pollens werden wir bei unseren Obstbäumen wohl ganz ab- sehen müssen. Auch alle meine neueren Versuche deuten darauf hin, 6* 84 R. iivvert. daß es Selbstfertilität bei unseren Äpfeln und Birnen gar nicht gibt. Eine größere Wirksamkeit scheint der eigene Pollen beim Stein- obst zu besitzen. Gelegentlich meines Vortrages in Hamburg war auch die Frage behandelt worden, ob Pollenschläuche in frische Wunden des Griffels einzudringen vermögen. Bei meinen diesbezüglichen Versuchen machte ich in diesem Jahre die seltsame Entdeckung, daß abgeschnittene Narben zu regenerieren vermögen. Unterhalb des stehengebliebenen Grift'elendes bilden sich neue Narbenpapillen. Die Frage nach den Ursachen der Fruchtbarkeit resp. Unfrucht- barkeit tritt uns gelegentlich bei allen Obstarten entgegen, und ich habe daher auch ganz generell alle unsere Gartenfrüchte auf ihr selbständiges Fruchtungsvermögen untersucht. Ich kam dabei zu dem folgenden Er- gebnis: Kein selbständiges Fruchtungsvermögen besitzen Erdbeere, Himbeere, Tomate, Johannisbeere. Ein schwaches Fruchtungsvermögen ist vorhanden bei der Stachelbeere, beim Pfirsich, etwas vollkommener bei der Kirsche und der Rebe. In ihrer vollkommensten Form finden wir die Jungfern- früchtigkeit bei Äpfeln, Birnen und Gurken. Bei den Kirschen ist bemerkenswert, daß die kernlosen Früclite kleine und sehr dünnwandige Steine besitzen. Überhaupt geht aus meinen anatomischen Untersuchungen hervor, daß ganz allgemein mit dem Kern die harten Gewebselemente der Früchte, beim Kernobst speziell die des Gehäuses, zurückgehen. Auf die Merkwürdigkeit möchte ich ferner noch hinweisen, daß die Samenknospen auch ohne Befruchtung zu wachsen ver- mögen. Es wachsen aber nicht allein die Samenhäute, sondern der Embryosack geht aller Wahrscheinlichkeit nach ebenfalls in Teilung: denn man findet z. B. im Innern der sogenannten hohlen Kerne der Birnen ein zartes, sehr dünnwandiges Gewebe. Wohl manche rätselhafte Erscheinung gibt es noch in der Blüten- biologie der Obstbäume. Warum ist z. B. der eigene Pollen zur Be- fruchtung untauglich? Führt nicht etwa auch hier ein Fehler in der Versuchsanstellung zu Trugschlüssen? Erwähnenswert ist in dieser Beziehung die neuere Entdeckung von Jost, ') nach welcher z. B. Cytisus Laburnum und Corydalis cava nur dann selbstfertil sind, wenn die Narben der Blüten mechanisch verletzt werden. Letzteres könnte z. B. durch Insekten geschehen. Jedenfalls ist es merkwürdig, daß 1) Jost, Über die Selbststerilität einiger Blüten. (Bot. Zeitung 1907,. Heft V u. VI.) Neue Beispiele für Parthenokarpie. §5 große sortenreine Obstpflanzungen immerhin nocli sehr viele Früchte ijiit wohlausgebildeten Kernen haben, wenngleich sie auch im allgemeinen sehr kernarm sind. Noch manche Frage in der Blütenbiologie unserer fruchttragenden Pflanzen harrt ihrer Lösung, nur ein andauerndes, konsequentes Arbeiten kann auf diesem Gebiete volle Klarheit schaffen. Ich glaube, daß all- mählich eine ganz neue Pomologie auf wissenschaftlicher Grundlage entstehen wird, die Jungfernfrüchtigkeit wird dabei eine hervorragende Rolle spielen. gg L. Bernegan. Die Kolanuss als tropische Kulturpflanze. Von Korpsstabsapotheker a. D. L. Beriiegau, Berlin. Die botanisch und chemisch interessante, wirtschaftlich als Tausch- mittel im afrikanischen Handelsverkehr wertvolle Kolanuß, welche sich die Eingeborenen Afrikas mit eigenartigem naturwissenschaftlichen Sinn und Instinkt als koffeinhaltiges Anregungsmittel aus dem Pflanzenreich ausgesucht und in der Nähe ihrer Hütten und Niederlassungen ange- pflanzt haben, scheint nach den bislang gesammelten Erfahrungen einer vor ca. 10 Jahren angelegten Kolapflanzung im Lagosgebiet gute Aus- sichten als Kulturpflanze zu haben. Als Durchschnittsertrag Tjähriger Kolabäume sollen im Jahre 1906 20 Mark Ernteertrag erzielt worden sein. Da die Pflanzungen in Westafrika mehr und mehr den Kolabaum in Kultur zu nehmen beginnen, möchte ich das Studium der Kola- frage in chemisch wie botanischer Hinsicht besonders empfehlen. J. von Liebig stellte zuerst im Jahre 1867') in der Kolanuß Coffein fest, Heckel und Schlagdenhauffen 1883 neben Coffein noch Theobromin^). Was die botanische Untersuchung betrifft, so zeigen die Arbeiten von 0. Warburg^*), A. Tschirch*) und W. Busse-**), daß trotz der vortrefflichen Monographie von K. Schumann*^) die Frage nach der Stammpflanze der Kolanuß noch nicht geklärt ist. Aus diesem Grunde möchte ich heute bei der Mitteilung über die Erfahrungen betreffs der Kolafrage die Arten auseinanderhalten nach der Samenteilung der Nüsse, als 1. Zweisamige Kolaarten, Cola dispormatica : Art Cola vera K.Schu- mann. ') G. Rohlfs, Reise nach Nordafrika vom Mittelländischen Meer bis zum Busen von Guinea 1865/67. 2) Heckel und Schlagdenhauffen, Des Kolas africains au point de vue botanique, chimique et therapeutique. (Journal de Chimie et de Pharmacie Paris 1883.) 3) Tropenpflanzer 1902, S. 625. i) Flora oder Allgem. Botanische Zeitung, 88. Bd., 1901, 2. Heft. 5) Beiheft zum Tropenpflanzer, Bd. 7, No. 4/5, 1906. 6) K.Schumann, Sterculiaceae, In Engiers Monographien Afrikanischer Pflanzenfamilien und Gattungen. Leipzig 1900, S. 127. Die Kolanuß als tropische Kulturpflanze. 87 2. Mehrsamige Kolaarten (4- u. 5sami^), Cola polyspermatica : Art Cola acuminata (Rob. Brown) oder Sferculia acuminata (Palisot de Beauvaisj. :>._ Die Mitteilung von Tschirch, daß sowohl C. acuminata als C. Vera Samen mit 2 Kotyledonen besitzen, habe ich auf Grund persön- licher Beobachtung in Westafrika nicht prüfen können. Es ist mir nicht gelungen, C. acuminata mit 2 Kotyledonen zu finden. Wenn Schumann angibt, C. vera liefere nur große Kolanüsse, dagegen C. acuminata kleine Kolanüsse, oder Tschirch, C. acuminata wie C. vera besitzen Samen mit 2 Kotyledonen und können also große Kolanüsse liefern, dagegen C. Ballayi Samen mit 4 Kotyledonen liefere wahrscheinlich kleine Kolanüsse, so habe ich das bei den westafrika- nischen Kolaarten nicht bestätigt gefunden. In den Fruchtschoten von C. vera fand ich Nüsse verschiedener Größe, Form und Farbe, wie weiß, weißgelblich, fleischfarben, rosafarben, dunkelkirsch- und purpurrot. Die chemische Untersuchung verschiedener zwei- und mehr- samiger Kolaarten ergab, abgesehen von einem mehr oder weniger großen Gehalt an chloroformlöslichen Stoffen usw. oder einem wechselnden Gehalt von Schleimstoffen (Pektin), keine Unterschiede. Die Alkaloide,. Coffein und Theobromin, der rote und der gelbe Farbstoff, die Gerbsäure und die Fettkörper ergaben dieselben Reaktionen. Nur verhielten sich frische Nüsse anders wie getrocknete, ein Beweis, daß bei der Trocknung der Nüsse chemische Veränderungen entstehen können und die Auf- bereitungsweise der Eingeborenen daher keine einwandfreien Kolanüsse liefern'). Es verhielten sich von zweisamigen Kolanüssen die Mandingo-Kola- nüsse, Art C. vtra Schumann, aus dem Sierra Leone-Liberia-Conacry- gebiet und Aschanti-Kolanüsse, Art C. suMobata Warburg, aus dem Gold- küstengebiet, aus Togo und aus dem Lagosgebiet gleich. Von mehr- samigen Kolanüssen wurden solche aus Kamerun, aus dem Viktoria-,. dem Bammum- und Ebolovabozirk untersucht, ferner aus dem Dahomey- gebiet, Portonovobezirk, Art C. acuminata (P. de B.) R. Br., aus dem Lagosgebiet, C. acuminataSoHen aus dem Agege und Abeokutagebiet^ Die Mitteilung von K. Schumann'^): „In einer Schote findet man oft neben einer roten Nuß eine weiße. Dieselbe ist weit geringwertiger", konnte bezüglich der Geringwertigkeit bei weißen Agege- Kolanüssen nicht bestätigt werden. Im Gegenteil wurden die weißen Kolanüsse in Lagos ») L. Bernegau, Über Kola. (Tropenpflanzer 1900, S. 126.) 2) K. Schumann, Die Kolanuß. (Berichte der deutschen Pharm. Ges. X [1900], p. 67.) ■ . ■. .- .. ■; . ,■ .:•■.. .■ > , . gg L. Bernegau. teurer bezahlt. Die zweisamigen weißen Agege-Kolanüsse wurden haupt- sächlich nach Nupe verkauft. Haussakolahändler teilten mit, daß der König von Nupe die weißen Kolanüsse wegen des Aromas sehr schätzen soll. Ein Kauversuch zeigte, daß die weißen Agege-Kolanüsse nicht das Adstringierende haben, sondern beim Kauen milder herb und im Nach- geschmack aromatischer sind als die roten Nüsse. Anscheinend hängt das mit dem Reifungsprozeß zusammen, infolge der Einwirkung des Fruchtfleisches (Säure- oder Permentwirkung) auf die Gerbsäuren der Nuß. Bei der chemischen Qualitätsprüfung ließ sich bezüglich des besseren Aromas nichts feststellen, desgleichen konnten keine Unter- schiede im Vergleich mit guten zweisamigen Mandingo- und Aschanti- Kolanüssen gefunden werden. Da (nach den Berichten über die Pharmakognostische Literatur aller Länder, herausgegeben von der Deutschen Pharmazeutischen Ge- sellschaft 1900, S. 58) K. Schumann die frischen Nüsse mit Blättern und Blüten für seine Untersuchungen aus Togo bezogen, möchte ich es für nicht sicher erwiesen halten, daß das von Schumann unter- suchte Material von Mandingo- bzw. Sierra Leone-Kolanüssen abstammt, vielmehr halte ich es für wahrscheinlicher, daß die zweisamigen Kola- nüsse von Togo von Aschanti-Kolanüssen abstammen, da der von der Goldküste kommende Sudanhändler Togo auf dem Wege zu den Kola- märkten des Innern passiert. Die auf Veranlassung von Dr. Grüner t, Misahöhe, von mir chemisch untersuchte zweisamige Togo- Kolaart, Kpandukola, Art C. Vera, die 0. Warburg') botanisch untersucht und als C. asterophora Warburg bezeichnet hat, dürfte aller Wahrscheinlichkeit nach auch von Aschanti-Kolanüssen abstammen. Wenn 0. War bürg sagt, die Avatime- Kolanuß, von den Eingeborenen „hanurua" genannt, ist zwar eine minderwertige, aber immerhin noch brauchbare Kolanuß, so dürfte das irrtümlich sein, da nach W. Busse^), welcher die Avatime-Kolanuß botanisch untersucht und C Supfiana Busse benannt hat, diese Avatime- Wasserüola alkaloidlos, mithin überhaupt keine brauchbare Kolanuß ist, ebensowenig wie die Garcinia Cola Heckel, welche kein Coffein ent- hält. Graf Zech^) teilte in seinem die Kolanuß behandelnden Aufsatz über die Avatime- Wasserkola mit, daß nach einem Haussalied: „Der Aasgeier kein Fleisch und die Hanurua keine Kola ist". Aus diesem 1) 0. Warburg, Die Togokolanüsse. (Tiopenpflanzer 1902, No. 112, p. 629.) 2) W. Busse, Beiträge zur Kolafrage. (Tropenpflanzer 1906, No. 4/5. Beiheft.) 3) Graf Zech, Über Kola in Westafrika. (Wissensch. Beiliefte zum Deutsch. Kolonialblatt, 14. Bd., 1. Heft, 1901.) Die Kolanuß als tropische Kulturpflanze. 89 Haussalied geht hervor, daß die Eingeborenen die Wertlosigkeit dieser Avatime-Kolanuß kennen. Die Kolapflanzung Agege, welche ca. 1 Stunde von der Eisen- bahnstation Agege der Strecke Lagos-Ibadan entfernt liegt, ist von einem intelligenten Schwarzen aus dem Ekbastamme, Mr. Rufus Wright nach wirtschaftlichen Grundsätzen angelegt, eine kleine 150 englische Acres große Pflanzung, die intensiv kulturell und ökonomisch bewirt- schaftet wird. Auf der Pflanzung Agege fand ich im Januar 1904 2000 Kolabäume, zu den Arten C. vera und C. acuminata gehörig, neben 40000 Kakao- und 60000 Kaffeebäumchen vor. Als Schatten- und Zwischenpflanzen waren wertvolle, schnell Früchte bringende Pflanzen angebaut, um die Unterhaltungskosten zu vermindern: hochwertige Bananen- und Ananasfrüchte, ferner Süßkartoffeln und Kassava, die als Nahrungsmittel für die Arbeiter dienten, und Baumwolle. Zur Bekämpfung von Schädlingen wurden zahlreiche Hühner und Puter gehalten, die in der Pflanzung frei herumliefen. Wirtschafthch günstig für die Agege- pflanzung, für den Absatz ihrer Produkte und zur Erzielung guter Preise ist ihre Lage in der Nähe von Lagos, dem bedeutenden Kolamarkt West- afrikas. Die Pflanzung kann per Eisenbahn und Wasserweg ihre Pro- dukte nach Lagos verfrachten. Im Januar 1904 wurden in Lagos für 200 Stück frische zweisamige rote Kolanüsse 3,6 Shilling, für 200 Stück zweisamige weiße Kolanüsse 4,6 ShiUing bezahlt. In diesem Jahre bezog ich mehrmals frische Kolanüsse von Lagos, Akkra und Conacry. Für zweisamige rote und weiße Kolanüsse aus Lagos und Akkra wurden 2 Mark für das Kilo, in Conacry 3 Mark für das Kilo gezahlt. Auf der Agegepflanzung stammten die Kolabäume der zweisamigen Sorten von Aschanti-Kola, Art C. vera Schumann, von 0. Warburg C. sublobata genannt (Tropenpflanzer 1902, Heft 12). Die Kolabäume der viersamigen Art waren schon vor Anlage der Wright'schen Pflanzungen wahrscheinhch von den Eingeborenen angepflanzt und stehen gelassen, da diese nicht schleimreichen mehrsamigen l^olanüsse, Art C. acuminata, bei den Jorubaleuten beliebt sind und gut bezahlt werden. Was die Auswahl von Kolaarten für Saatgutzwecke betrifft, so habe ich als Saatgut für Togo und Kamerun nur auserlesene Kau- kolaarten, Mandingo-Kolanüsse aus Sierra-Leone, Art C. vera Schumann, und zweisamige Aschanti-Kolanüsse, Art C. sublobata Warburg, in Liberia und Lagos angekauft. Gleichfalls stammten die vom Botanischen Garten in Lagos und von der Landwirtschaftlichen Versuchsstation Olokumeji bei Ibadan angekauften Kolapflanzen, Gbanja-Kola, von zweisamigen Aschanti-Kolanüssen. 90 L. Bernegau. Die Qualität der irischen Kolanuß beurteilen die schwarzen Kolahändler (Haussaleute) nach Geschmack, Aroma, Wohlbekömmlichkeit und prüfen die Qualität durch einen Kauversuch. Der Kolakenner schneidet die Kolanuß in Scheiben, kaut längere Zeit daran — fast eine halbe Stunde lang — , spuckt den breiartigen Kaurückstand aus und trinkt dann Wasser. Eine gute Kaukolanuß darf 1. nicht schleimig sein und 2. nicht zu adstringierend bitter schmecken. 3. Die Speichelsekretion muß schon nach kurzem Kauen stark an- geregt werden. Darauf beruht die durstlöschende Wirkung, welche die moharaedanischen Kolakauer sehr schätzen, was erklärlich ist, da sie auf ihren langen Wüstenmärschen Durststrecken passieren müssen. 4. Sie muß einen lang anhaltenden, süßlich aromatischen, kakao- artigen Nachgeschmack auslösen, namentlich wenn man nach dem Kauen Wasser trinkt. 5. Nach dem Kolakauen und W^assertrinken muß der Geschmack und Atem gereinigt (desodorisierende Wirkung der Kolagerbsäure), An- regung der Blutzirkulation (durch Coffein und Theobromingerbsäure) und eine erfrischende Wirkung im Allgemeinbefinden wahrzunehmen sein. Kaut man schleimhaltige Kolanüsse, so wird beim Kauen die Mundhöhle schnell mit einem voluminösen fadenziehenden gummiartigen Stärkebrei angefüllt, der durch die Schleimansammlung den weiteren Kauprozeß unmöglich macht und damit die durstlöschende und er- frischende Wirkung verhindert. Wie beim Einkauf von Kafliee, Tee, Zigarren usw. der Kenner durch die Geschmacksprüfung durch Zunge und Nase die Qualität, namentlich das Aroma sicherer bewertet als der Chemiker durch die Analyse, so prüft der schwarze Kolahändler die Qualität der Kolanuß nach der Wirkung des Kauprozesses und sortiert nach dem Ausfall dieser Prüfung die Kolanüsse nach Qualitäten. Der Kolahandel in Westafrika liegt lediglich in den Händen der Schwarzen. Auf Grund dieser Beobachtungen über den Kolahandel empfehle ich Interessenten beim Ankauf von Saatgut die Entnahme von Stich- proben aus der Mitte und dem Boden der Orginalpackung für die QuaUtätsprüfung: a) durch den Kauversuch und b) durch die chemische Untersuchung. Die chemische Untersuchung erstreckt sich auf die Bestimmung 1. der in Chloroform lösUchen Stoffe, 2. der in Alkohol löslichen Stoffe behufs Bestimmung des roten Farbstoffes. Die Kolanuß als tropische Kulturpflanze. 91 3. der in Petroläther löslichen Stoffe behafs Bestimmung des gelben Farbstoffes und der Fette. 4. Es empfiehlt sich ferner ein Destillationsversuch im Vacuum- destillierapparat zur Prüfung flüchtiger aromatischer Verbindungen. Für diesen muß man mindestens 1 Kilo frischer Nüsse verwenden. Das destillierte Kolawasser wird im Scheidetrichter mit Äther mehrmals aus- geschüttelt; die ätherische Lösung wird dann durch Abdestillierung des Äthers getrennt. Bei guten Kolaarten erhält man einen gelben unter dem Mikroskop stark lichtbrechenden harzartigen Körper von würzigem Aroma, dessen weitere chemische Untersuchung ich mir vorbehalte. Bei Untersuchung von frischen zweisamigen Mandingo- und Aschanti-Kolanüssen erhielt ich diesen Körper gleichfalls bei Prüfung mehr- sämiger C. acuminata-SortGn. Als ich trockene Nüsse des Handels der Destillation unterwarf, erhielt ich einen braungefärbten Körper, der den aro- matischen Geruch nicht besaß. Dieser Destillationsversuch mit trockenen Kolanüssen bestätigt den von mir durch die Prüfung des wässerigen Koladekokts mit Salzsäure festgestellten Befund (Unterschied der frischen^ sorgfältig getrockneten und der nach Art der Eingeborenen getrockneten Kolanüsse), daß durch die Trocknung der Kolafarbstoff und die fett- und harzartigen aromatischen Körper chemische Veränderungen erleiden'). Daher ist die Aufbereitung der Kolanüsse nach Art der Ein- geborenen, das Trocknen der Nüsse an der Sonne oder während der Regenzeit durch Erhitzen auf Wellblech zu verwerfen. Rationeller für die Aufbereitung ist die Trocknung der frischen Kolanüsse in Obstdörr- apparaten, wie dem Mayfarthschen Trockenapparat, bei Temperaturen von ca. 70*^, noch besser durch Trocknen im Vacuumtrockenapparat bei 40 bis 50^ C. Durch die Salzsäurereaktion kann man nachweisen, daß bei sorgfältig getrockneten Nüssen der himbeerrote Farbstoff noch auf- tritt, aber nicht so scharf wie bei frischen Nüssen. Das aus trockenen Nüssen der Handelswaren durch Destillation im Vacuumdestillierapparat hergestellte Kolawasser hai muffigen erdigen Geruch wie nach alten Kartoffeln, während aus frischen Nüssen hergestelltes destilliertes Kola- wasser frischen Kartoffelgeruch hat und aromatisch schmeckt. Aus trocknen Nüssen ist durch Extraktion mit Chloroform das^ Coffein schwerer zu entfernen als aus frischen Nüssen. Beim Trocken- prozeß scheint bei der Verdunstung des Wassers ein Teil des Coffeins von der Gerbsäure gebunden zu werden. Die weitere Prüfung durch zahlreiche Extraktionsversuche während- der letzten Jahre in Westafrika ergab, daß man aus frischen, sorgfältig 1) Tropenpflanzer, Jahrg. 1900, Heft 3. 92 ^- Bernegau. vom Baum gepflückten, nicht abgefallenen Kolanüssen bessere Kola- extrakte gewinnen kann als aus trockenen Nüssen. Auf Grund dieser Ergebnisse möchte ich die Verarbeitung frischer Kolanüsse zu Extrakt an den Produktionsorten und die Verschiffung des Extraktes in hermetisch verschlossenen Blechdosen empfehlen. Die Qualitätsprüfung des Kola- extraktes kann durch chemische Untersuchungen kontrolliert werden. Auf Grund der mit frischen und trockenen Kolanüssen gemachten Erfahrungen unternahm ich Konservierungsversuche nach einer anderen Richtung hin, wobei das Ziel war: 1. die Kolanuß möglichst frisch und unverändert zu erhalten, wesentlich für die Verwendung als Kaukola und zur Herstellung von Extrakt, 2. etwaige Kolaschädlinge, namentlich den von mir im Tropen- pflanzer') beschriebenen weißen Kolaspringwurm, der ganze Sen- dungen von Kolanüssen infizieren und entwerten kann, unschädlich zu machen. Verarbeitet man wurmstichhaltige Nüsse zu Extrakt, so erhält man niemals einwandfreie Kolaprodukte. Herr F. Colin aus Conacry, teilte mir über den Kolaschädling folgendes mit: „Es ist sehr schwer, mit Sicherheit wurmstichfreie Kola zu bekommen, da der Wurm plötzlich auftritt und sich während des Transportes erst entwickelt. Diese Wurmkrankheit, Sangara genannt, ist ein großes Hindernis für den Handel mit Kola und muß trotz aller aufgewendeten Sorgfalt stets mit derselben gerechnet werden. Die französische Regierung hat sich seit Jahren damit beschäftigt, eine Konservierungsmethode, welche den Sangara ausschließt, herauszufinden, doch bis jetzt vergebens. Für rein wissenschaftliche Zwecke hat man die Nüsse schon in Spiritus gelegt." Durch die Spirituskonservierung werden die Kolanüsse extrahiert und daher chemisch verändert und als Kaukolanüsse unbrauchbar. Die Konservierungsmethode der Eingeborenen, frische Kolanüsse mit Blättern zu umhüllen, wodurch sie sich längere Zeit frisch erhalten, ist unzweck- mäßig. Die Blätter fangen leicht an zu faulen oder zu gähren, und infizieren dadurch die ganze Sendung. Die Blattkonservierung hat auf die Vernichtung des Kolawurms keinen Einfluß. Für die Blattkon- servierung bei den Eingeborenen ist das Blatt von Thamnatococcus DaniellP) das wertvollste. Kolasendungen, die ich mir durch Blatt- konservierung aus Westafrika kommen ließ, kamen durchweg in ') L. Bernegau, Studien über die Kolanuß im Jorubalande. (Tropen- ;pflanzer 1904, No. 7, p. 368.) 2) Abbildung im Tropenpflanzer 1904, No. 7, p. 355. Die Kolanuß als tropische Kulturpflanze. 93- schlechtem Zustande hier an, viel besser waren die Sendungen im Bastkorb ohne Blattpackung. Die besten Resultate erhielt ich nach folgendem Konservierungs- verfahren: Frische sorgfältig ausgelesene wurmstichfreie Kolanüsse werden in Konservengläser oder Blechdosen gebracht. Die Dosen werden hermetisch verschlossen und im Autoklav 30 Minuten unter- Druck erhitzt. Die Kolanüsse w^erden in der Färbe durch den Koch- prozeß gebleicht, behalten aber ihre Frische und w^erden chemisch nicht oder nur sehr wenig verändert. Stärke und Cellulose werden etwas aufgeschlossen, etwas Feuchtigkeit tritt aus den Nüssen in Form, von Wasser aus. Sind in den Nüssen Würmer enthalten, so werden dieselben durch den Kochprozeß vernichtet und können die übrigen Nüsse nicht mehr infizieren. Bleibt die Dose hermetisch verschlossen,, so halten sich die Nüsse wahrscheinlich unbegrenzt lang. Hat die Dose eine — wenn auch mit bloßem Auge nicht sichtbare — Öffnung und kann Luft eintreten, so treten Schimmelpilze auf, und es tritt Gärung ein. Bei der angegebenen Konservierungsart keimen die Kolanüsse nicht mehr. Für Saatgutzwecke erhielt ich die besten Resultate nach, folgender Konservierungsart; Frische Kolanüsse werden in Dosen oder Gläser gebracht unter Beigabe von 3 Stück Formalintabletten auf ca. 1 Pfd. Nüsse. In der Pormalinatmosphäre hielten sich die Kolanüsse- monatelang frisch. Rote Kolanüsse werden bräunlich infolge der oxy- dierenden Wirkung des Formalins. So konservierte Nüsse bleiben keim- fähig. Tritt Luft in die Gläser, so bilden sich Schimmelpilze, die sich. aber nur ganz allmählich entwickeln. Auf Grund dieser Versuche empfehle ich für die Praxis: 1. Zur Anpflanzung eignen sich die als Kaukolanuß hoch^ wertigen aromareichen zweisamigen Kolasorten, namentlich die Mandingo- und Aschanti-Kolanüsse, die zur Art Cola vera Schumann gehören. 2. Bei der Anlage von Kolapflanzungen ist darauf zu achten,, daß der Boden entsprechende Feuchtigkeit besitzt. Es empfiehlt sich,, die bei der Agegepflanzung gemachten, im Tropenpflanzer näher be- schriebenen Erfahrungen betr. Anzucht von Saatgut und Verpflanzung, der jungen Kolapflanzen in die Pflanzung, Pflanzweite, Beschattung, Be- wässerung, Düngung, Schneiden der Bäume und Bekämpfung von Schäd- lingen zu beachten. 3. Für die Verwertung der wildwachsenden mehrsamigen, zur- Art Cola acuminata gehörigen Sorten und auch der schleimhaltigen Kolanüsse empfiehlt sich die Aufbereitung zu Rohkolaextrakt am Pro- duktionsort, da diese Cola acuminata-'E^ivakiQ am europäischen Markte- g^ L. Bernegau. gute Preise erzielen. Für Anpflanzungszwecke empfehlen sich nur die nicht schleimhaltigen Cola acuminata-Sorten. 4. Wurmstichige Nüsse sind für Extrakte nicht zu verarbeiten, da sie keine einwandfreien Extrakte liefern. Solche Nüsse sind zu verl3rennen. 5. Die Eingeborenen sind anzuhalten, die Kolafrüchte abzupflücken, die Früchte aber nicht zu öffnen, sondern ungeöffnet zur Faktorei oder Pflanzung zu bringen. Die Aufbereitung durch die Eingeborenen ist nicht rationell und daher zu verhindern. 6. Für die Aufbereitung der Kolanuß durch Trocknung empfiehlt sich das Trocknen bei niedrigen Temperaturen im Obstdörrapparat, besser in Vacuumtrockenapparaten, Die getrockneten Nüsse sind in hermetisch verschlossenen Dosen, nicht in Säcken aufzubewahren und zu verschiffen. 7. Für Konservierung frischer Kolanüsse ist die Konservierung in Gläsern oder Dosen durch Erhitzen unter Druck im Autoklav geeignet. Die Kolakultur ist für Togo und Kamerun empfehlenswert, weil der Bedarf an guten Kolanüssen in Afrika enorm steigerungsfähig und die Nachfrage in Europa von Jahr zu Jahr im Wachsen begriffen ist. Nach Ansicht von Kennern Nordafrikas ist für frische Kolanüsse in kon- servierter Form in Marokko, Algier, TripoUs, ferner in der Türkei, in Ägypten, Arabien, besonders Mekka, und Malta, also da, wo Mo- hamedaner wohnen, ein Kolamarkt par excellence für Erzielung guter Durchschnittspreise. In Tripolis stellte ich fest, daß für frische Conacry- Kolanüsse, Art Cola vcra, 6 frs. per Kilo gezahlt wurden. Diese Kola- nüsse waren ein Vorbote des neuen Handelsweges Dakar-Tripolis auf dem Seewege an Stelle des Karawanenweges Timbuktu-Mursuk und zeigen deutlich Frankreichs wirtschaftUche Fortschritte in seinen afrikanischen Kolonien. In Europa, namentlich in England, und in Amerika ist bei der fortschreitenden Temperenzbewegung die Nachfrage nach frischen Kola- nüssen von selten der Industrie für Herstellung alkoholfreier anregender kohlensaurer Fruchtgetränke, der Kakao- und Schokoladenindustrie, der chemischen Fabriken, Apotheken und der technischen Industrien im Steigen begriffen. Eine Überproduktion, wie bei Kaffee, ist bei Kolanüssen voraus- sichtlich in absehbarer Zeit nicht zu befürchten, ebensowenig eine Ge- fährdung der Kulturen durch synthetische Darstellung oder Ersatzstoffe, wie bei dem Indigo- und Cochenillefarbstoffe und vielleicht auch später beim Kautschuk '). Die Technik verwendet synthetisch dargestellte 1) Vgl. Mitteil, von F. Harri es, Zeitschr. f. angew. Chem. 1907, Heft 30. Die Kolanuß als tropische Kulturpflanze. 95 Stoffe, sobald sie einen vollkommenen Ersatz der natürlichen Pflanzen- stoffe bilden und ihre Verwendung finanztechnisch von Nutzen ist. Genuß- und Nahrungsmittel, die synthetisch dargestellt werden, sind schwerer einzuführen — die Coffeinsynthese ist E. Fischer schon vor Jahren gelungen — , weil der Volksinstinkt sie verweigert. Tripolitanische Händler holten bisher Kolanüsse aus Wostafrika auf dem Karawanenwege über Timbuktu oder Kano oder den Tsadsee nach Mursuk. Die Kolanüsse trockneten ein, wurden schimmelig und verdarben. Es wird nicht lange mehr dauern, dann wird der lang- wierige, gefährliche Karawanenweg ersetzt sein durch die bequemere, ungefährlichere Wasser- und Eisenbahnstraße Timbuktu-Dakar des mehr und mehr sich entwiciielnden wichtigen französischen Hafenplatzes in Westafrika. Ohne Krisen wird sich die Verlegung des Karawanen weges, die den Wüstenstämmen, den Berbern und Tuaregs große Zolleinnahmen brachte, wohl nicht vollziehen, um so mehr, als voraussichtlich binnen wenigen Jahren bei der zielbewußten engÜschen Eisenbahnpolitik der Kaufmann von Lagos per Eisenbahn nach Kano fährt und dort seine Geschäftsabschlüsse macht. Die frische Conacry-Kola in Tripolis gibt zu denken und erinnert daran, wie notwendig eine beschleunigte Ausführung der Eisenbahn- bauton in Togo und Kamerun für den deutschen Handel ist, wenn derselbe in Zukunft von den großen Handelswerten Zentralafrikas und des Sudan, die aus Straußenfedern, Ziegenfellen, Elfenbein, Kautschuk und in Zukunft Baumwolle und ihren Nebenprodukten, Cottonöl und Baumwollsaatkuchen, Erdnüssen, Tabak und Vieh bestehen, seinen Teil erhalten will, was notwendig ist für die Zukunft, in der Amerika und Japan am Welthandel naturgemäß mehr teilnehmen werden. 96 L- Bernegau. Akklimatisationsversuche mit Sürskartoffeln. Von Korpsstabsapotheker a. D. L. Bernegau, Berlin. Akklimatisationsversuche mit azorischen, kanarischen und Ma- deira-Sül5kartoffeln wurden veranlaßt durch den wirtschaftlichen Wert der Süßkartoffeln und die Zollfrage. Was die Kartoffel für den deutschen Ackerbau bedeutet, ist auf den Azoren die Süßkartoffel, nämlich eine der wichtigsten Pflanzen wegen des günstigen Einflusses, den sie in der Fruchtfolge auf die Kultur des Bodens ausüben soll, wegen der Er-träge, die sie vom Hektar liefert, wegen ihrer Bedeutung als Nahrungs- und Futtermittel und als Rohstoff für die Industrie. Backversuche mit dem aus Trockenkartoffeln hergestellten Kartoffel- mehl zur Herstellung billiger gesunder Cakes haben befriedigende Er- gebnisse nicht geliefert. Der letzte Punkt regte mich an, die Süßkartoffel auf ihre Backfähigkeit hin zu prüfen, da ich den wirtschaftlichen Wert der Süßkartoffel gelegentlich einer Reise nach den Azoren kennen gelernt.') Zu den Versuchen wurden azorische ßataten nach folgendem Verfahren verarbeitet. Die Süßkartoffeln wurden geschält, auf der Schnitzelmaschine geschnitzelt, dann drei Minuten gedämpft, im Heiß- luftkanal bei niedriger Temperatur getrocknet und auf der Windmühle vermählen. Der Mahlverlust betrug 2°/o. Mit dem so hergestellten Batatenmehl w^urden versuchsweise Cakes aus gleichen Teilen Bataten- und Weizenmehl dargestellt. Die Batatencakes waren schmack- haft und wurden von Fachleuten günstig beurteilt. Die von Herrn Prof. Dr. Thoms, Dahlem, freundhchst ausgeführte Analyse des Batatenmehls ergab folgende Werte: Stärke 42,2 "/o Lösliche Kohlehydrate 39,6 „ (davon Zucker als Dextrose 19,8 °/o) Rohfaser 2,64 „ Gesamtstickstoff 0,778 "jo, entsprechend Eiweiß 3,99 „ 1) L. Bernegau, Die Kultur der Batate auf der Insel Säo Miguel. Azoren. (Tropenpflanzer 1903.) Akklimatisationsversuche mit Süßkartoffeln. 97-* Fett . . . . . •. . . . . .■ 0,55 7o ■-■ •■■:., 11 Asche 3,65 „ v;,'i . :;■> Wasser Rest :■ .■' . :■ ' Die auf Veranlassung des Ministeriums der Landwirtschaft durch Herrn Prof. Dr. Gerlach, Posen, ausgeführte Analyse ergab: Wasser 6,32*^/0 Fett 0,68 „ ■ : '■" ' Rohprotein 5,25 ,. ' Stickstofffreie Ertraktstoffe .... 80,10 „ Rohfaser 3,34 „ Asche 4,31 „ - , 100^0 Die stickstofffreien Extraktstoffe bestehen im wesentlichen aus Tranbenzucker, Stärke, Dextrinen, Pektinstoffen und Gummi. An reinem Eiweiß enthält die Probe 3,25 ^/q; dasselbe ist zu 13^Iq verdaulich. Die gedörrten Batatenschnitzel wurden von Pferden gern gefressen, sie liefern ein gesundes Beifutter für die Pferdeverpflegung und regen 4\e Freßlust der Tiere an. Da backfähige Süßkartoffelmehle guter Qualität zur Herstellung A^on Volkscakes im M'eltmarkt per 100 kg ca. 18 M. erzielen, würde sich für die Kolonien die Batatenkultur sowie die Herstellung von Dörrbataten zu i\usf uhrzwecken empfehlen, wenn der Zollsatz für dieses Produkt ermäßigt würde. Bei dem heutigen Zollsatz für stärkemehlhaltige Dörr- früchte und Mehle ist die Ausfuhr von Dörrbataten aus den Kolonien nicht lohnend. E)ie bisher erzielten Ergebnisse mit Anpflanzungs versuchen von Bataten in Deutsehland haben durchweg wenig betriedigende Resultate geUefert. Die Versuche in Posen, Danzig, in Creisau und Klein-Machnow i. Pomm. sowie auf der Kartoffelkulturstation in Berlin fielen negativ aus. Es wurden keine oder nur kleine Knollen erzeugt. Auf Creisau erfroren die Bataten. Bessere Ergebnisse wurden in der Botanischen Zentralstelle für die Kolonien am Königl. Botanischen Garten zu Berlin, unter Leitung der Herren Geheimer Oberregierungsrat Prof. Dr. Engler und Prof. Dr. Volkens im Jahre 1905 erzielt. Es wurden über ein Pfund schwere Bataten geerntet, im Jahre 1906 war die Batatenernte im all- gemeinen nach Mitteilung von Hern Prof. Dr. Volkens schlecht. Die größten Früchte wurden merkwürdigerweise auf einem ungedüngten Boden erzeugt, der aber auf einem der Sonne zugekehrten Abhang lag. Nach Ansicht des Herrn Prof. Dr. Volkens wird man in E)eutsnhland .Jahresbericht der Vereinigung für angewandte Botanik V. i 98 L. Bernegau. mit der Anzucht von Saatgut allmählich weiter kommen, so daß später von einer Beanspruchung südlicher Gegenden zum Zwecke der Vorzucht abgesehen werden kann. Dies wäre wichtig, denn von 10 Sendungen Saatgut, welche von der Insel Säo Miguel, von Las Palmas, von Teneriffa und Madeira be- zogen wurden, kamen 9 Sendungen in schlechtem Zustande, teilweise verfault an. Nach diesen Erfahrungen beabsichtige ich, im nächsten Jahre mit algerischem, südfranzösischem und spanischem Saatgut zu- nächst in Süddeutschland Pflanzversuche einzuleiten, um zu prüfen, ob eine Batatenart gefunden wird, die sich dem deutschen Klima anpaßt. Der Leiter der Großh. Badischen Hofgartondirektion in Karlsruhe. Herr Graebener, der seine Erfahrungen über die Batatenkultur in der Gartenwelt, Jahrg. 8, 1903, S. 121, niedergelegt hat, hat amerikanische und japanische Batatensorten, eine mit blauen, eine mit gelben und eine mit weißen Knollen angepflanzt. Die Arten sollen schon durch die Verschiedenheit der Blätter leicht erkennbar sein. Herr Graebener hatte die Liebenswürdigkeit, mir über die Erfahrungen mit den amerika- nischen und japanischen Bataten folgendes mitzuteilen: „Ich habe auch bis zum vorigen Jahr alle 3 Arten Jahr für Jahr angepflanzt, da aber die beiden ersteren Sorten sich absolut nicht für unsern zu kurzen Sommer eigneten und nur dünne Wurzeln, keine Knollen machten, habe ich sie definitiv über Bord geworfen; die weiße Sorte liefert jedes Jahr große und dicke Knollen, einzelne davon bis zu 1 Kilo schwer, aber dieselben sind nicht ausgereift. Noch wenn die Pflanzen in voller Vegetation sind, tritt Prost ein, der den oberirdischen Teil der Pflanze tötet und damit dem Wachstum der Knollen ein Ende setzt. Die Folge davon ist, daß solche beim Kochen wässerig sind, fade schmecken und von niemand sonst als mir allein gegessen werden; ich habe die Knollen schon auf verschiedene Weise zubereiten lassen, sie schmecken fast ähnlich wie erfrorene Kartoff'eln. Die Knollen bewahre ich in einem warmen Keller auf, oder im warmen Gewächshaus, in kalten Kellern faulen sie bald. Ein Akkli- matisieren ist so wenig möglich, wie es gelungen ist, Kartoffeln so zu akklimatisieren, daß sie w^enigstens einen Teil unserer Kälte aushalten, sie sind heute noch so wenig hart, wie vor 100 Jahren. Ob es gelingen wird, eine Sorte zu finden oder zu züchten, die in unseren nicht ge- nügend warmen Sommern ihre Knollen gut ausreift, ist vielleicht mög- lich; immerhin ist die Anpflanzung (aus erzogenen Stecklingen) so kompliziert, daß sie nur der Gärtner, nicht auch der Landwirt wird kultivieren können. Akklimatisationsversuche mit Süßkartoffeln. 99 In diesem Jahre stehen meine Bataten infolge des naßkalten Früh- jahres schlecht, und werde ich nur schlechte Ernte haben. Ein Miß- stand bei der Batatenkultur ist ferner, daß die Mäuse, gedeckt durch den Blätterwald, in der Erde großen Schaden anrichten und gerade die größten Knollen ganz aashöhlen. Sollten Sie einmal im Besitz verschiedener neuer Sorten gelangen, so bin ich gern bereit, damit Versuche anzustellen." Die Batate, die auf den Azoren durch fortschreitende Kultur- verbesserung in vorzüglicher Qualität heute erzeugt wird und deren Kultur einen günstigen Einfluß auf den Fruchtwechsel ausüben soll, ist zu Futter- und technischen Zwecken und als Rohstoff für die landwirtschaft- liche Industrie der Kartoffel überlegen, während diese als Speise- kartoffel die Süßkartoffel übertrifft und daher niemals durch die Süß- kartoffel Konkurrenz erleiden wird. Nationalwirtschaftlich würde es ein Fehler sein, wenn man in den Kolonien aus Süßkartoffeln, Mais, Cassava oder anderen stärkemehl- haltigen Früchten Spiritus erzeugen würde, wenn es auch im Interesse der Kolonien liegen würde und technisch mit Leichtigkeit ausgeführt werden kfinnte, denn, da die Einfuhr von Kartoffelsprit in Westafrika enorm groß ist und trotz der hohen Einfuhrzölle und bei der Verwendung für Licht- und Kraftzwecke noch steigerungsfähig sein dürfte, würde der deutsche Karfoffelbau geschädigt werden. Nicht aber würde er betroffen werden durch Einfuhr deklarierter Dörrsüßkartoffeln, da das Kartoffelmehl das Süßkartoffelmehl nicht ersetzen kann, wohl aber das Süßkartoffelmehl in Wettbewerb mit Hafermehl aus russischen, amerikanischen und argentinischen Hafersorten oder mit ausländischen ^laismehlen treten kann. IQO L. Bernegau. Die Verwertung der Samen von Parkia africana. Von Korpsstabsapotheker a. D. L. Hernegau, Berlin. Der Gouverneur von Togo, Herr Graf von Zech, übergab mir Samen der Parkia africana, auch Kaffee des Sudans genannt, mit der Bitte um Prüfung der Verwertungsfrage. Die Eingeborenen Togos stellen aus den Samen von Parkia africana Dauadauakuchen her. deren Zubereitung Hauptmann von Döring') beschrieben hat. Nach S. Pas sarge 2) ist die Parkia africana oder P. higlobosa, zur Familie der Leguminosen gehörig, ein breitästiger Baum mit akazien- ähnlichen Blättern und prachtvollen pfirsichgroßen blutroten Blütenkugeln, der nach E. Gilg^) in Kamerun im Laubbusch und in der Savanne vorkommt. Der Baum soll in den weiten Steppengebieten Togos sehr verbreitet sein, und Togo könnte schon jetzt beträchtliche Mengen von Samen der Parkia africana ausführen, wenn derselbe eine Verwertung im Weltmarkt finden würde. Da bei der Verfütterung von Trockenkartoffeln die Mastfütterung der Ergänzung billiger eiweiß- und fettreicher Futtermittel bedarf, ist jede in den deutschen Kolonien vorkommende fett- und eiweißhaltige Pflanze der Prüfung beachtenswert. Ich bat deshalb den Leiter der landwirtschaftlichen Versuchsstation der Landwirtschaftskammer für die Provinz Westfalen, Herrn Geheimen Regierungsrat Prof. Dr. König in Münster, um Prüfung des Samens der Parkia africana.^) Der Same der Parkia africana aus Togo wurde von mir zunächst auf seinen Gehalt an Alkaloiden, besonders Coffein und ätherischen Ölen untersucht. Der Same enthielt weder Alkaloide noch ätherische Öle, wohl aber war er fettreich und eiweißhaltig. Versuchsweise wurde aus dem Samen ein Mehl mit ca. 20°/o Fettgehalt hergestellt, womit Fütterungsversuche gemacht werden sollen. 1) Amtsblatt von Togo 1907, S. 7 und 8. 2) S. Passarge, Adamaua, S. 810. 3) Übersicht über die auf der deutschen Kamerunexpedition gesammelten Pflanzen, in S. Passarge, Adamaua, S. 'AÜ. 4) Vgl. Amtsblatt für das Schutzgebiet von Togo, 1907. No. 19. Die Verwertung der Samen von Parkia africana. 101 E)ie Darstellung der Dauadauakiiohen zeigt, daß die Eingeborenen die Bereitung eines vegetabilischen käseartigen Nahrungsmittels be- zweckten, was ihnen mit primitiven Mitteln in mancher Hinsicht ge- lungen ist. Als von fett- und eiweißhefernden Pflanzen stammend, kommen in unseren Kolonien in Frage u. a. die Produkte von Erdnuß, Sesam, Öl- und Kokospalme und — bei der hoffentlich schnell fortschreitenden Entwickelung der deutschen Baumwollkultur, deren Nebenprodukte Baumwollsaatkuchen und Cottonöl sind, — Baumwollsaat, deren Ausnützung wesentlich die Rentabilität der Baumwollkultur im Wettbewerb mit der amerikanischen herbeiführen kann. Im Interesse der landwirtschaftlichen Viehhaltung und der billigeren Fleisch- und Milcherzeugung dürfte es liegen, wenn die eiweiß- und fetthaltigen Pflanzen und die daraus zubereiteten Futter- mittel und Fette zu ermäßigten Zollsätzen — besser noch zollfrei — aus deutschen Kolonien eingeführt werden könnten. 102 T. -lohnson. Elektrische Samenprüfung. Von T. Johnson, Royal College of Science, Dublin. In einem im Jahre 1901 vor der Royal Society gehaltenen Vor- trage „An attempt to estimate the vitality of seeds by the Electrical Method" ') hat Dr. A. D. Waller über eine Reihe von ihm ausgeführter Untersuchungen Bericht erstattet. Der Zweck dieser Untersuchungen, bei denen in der Hauptsache Phaseolus-Samen verwendet wurden, war festzustellen, ob der von M'aller (im Augapfel des Frosches) entdecl 0 a,> Psl -r. ö -^t ^ :w f= 1 s or ■-* Si. 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Gelatinenährboden ein üppiges Wachstum mit außerordentlicher Schleimbildung ein. nach einigen Tagen sinkt dieser Schleim infolge der Schwere nach den tiefer liegenden Partien , allmählich sistiert das Wachstum, und nach 10 — 15 Tagen ist von einer Bakterienwucherung nichts mehr wahrzunehmen. Daß dies nicht etwa darauf zurückzu- führen ist, daß sich die Bakterien in einen konsistenten Schleim ein- hüllen und so vom Nährsubstrat getrennt werden, ist hier sehr einfach nachzuweisen; es sind vielmehr die Ausscheidungsstoffe der Bakterien selbst und die Zersetzungsprodukte des Substrats, die eine hemmende Wirkung auf das Wachstum der genannten Kleinwesen ausüben, ich habe in dieser Richtung umfangreiche Untersuchungen angestellt; doch schon auf einfache Weise, indem man den auf einer frischangelegten Gelatinekultur entstandenen ßakterienschleim ganz bzw. zum größeren oder geringeren Teil entfernt, im Dampf steriUsiert und neues Bak terienmaterial auf die schieferstarrten Röhrchen überträgt, wird man er- kennen, daß auf den Impf strichen höchstens noch ganz geringe Bildung eines wässerigen, durchsichtig hellen Schleimes, meist jedoch gar keine Entwickelung in die Erscheinung treten wird. Das gleiche ist zu beob- achten, wenn man die Bakterienmasse mit der obersten Schicht des Nähr- bodens steril entfernt und diesen wieder impft. Von ganz besonderem Interesse erschien es mir, den Einfluß der Ausscheidungsstoffe sogenannter konträrer Bakterienstämme, d. h. solcher, die von miteinander unverträg- lichen Pflanzen, wie z. B. Wicke contra Rotklee, Lupine und Serradella contra Rotklee u, a. stammen, zu prüfen, in der Hoffnung, daß hieraus vielleicht Anhaltspunkte für die Erklärung der angeführten Unverträg- lichkeitserscheinungen zu gewinnen seien. Diese Versuche hatten nega- tiven Erfolg: der Zusatz von sterilen Schleimmassen oder verflüssigten Gelatine- bzw. Agarkulturen — ganz gleich ob von der eigenen oder einer konträren Pflanze stammend — zu frischem, jungfräulichem Nähr- boden übt, vorausgesetzt daß nicht eine ungünstige Beschaffenheit der Konsistenz oder ähnliches den gemischten Nährboden a priori ungeeignet macht, eine schädigende Beeinflussung des Wachstums nicht aus, so- lange sich der Zusatz innerhalb gewisser Grenzen hält; ein Plus des- selben kann aber dem gemischten Nährboden so viel Ausscheidungs- bzw. Zersetzungsstoffe zuführen, daß das Wachstum geschädigt oder von vorn- herein sistiert wird. Es scheinen demnach weniger die Ausscheidungs- stoffe der Bakterien als vielmehr die Zersetzungsprodukte des gelatinösen Nährbodens zu sein, die den letzteren, indem sie in denselben hinein diffun- dieren, geradezu vergiften. Eine Erschöpfung des Nährbodens kommt keines- falls in Betracht, und auch der naheliegende Einwand, daß eine Reaktions- vöränderung des Nährbodens der springende Punkt sei, ist nicht zutreffend. Die Widerstandsfähigkeit d. Wurzelbakterien d. Leguminosen usw. 137 Es ist nun weiter unzweifelhaft, daß bei längerer Kultur auf ge- latinösen Nährböden mit der Entwickelungshemmung eine Abschwächung der Vegetationskraft der Knöllchenbakterien, auf die ich später noch zurückkommen werde, gleichzeitig stattfindet, analog wie bekanntlich Pastour zuerst und schon vor Jahren dies für das Bakterium der Hühnercholera nachgewiesen hat. Bei der fortgesetzten Kultur auf ge- latinösen Nährböden, entstehen bei den Knöllchenbakterien Vegetations- formen, die den in den WurzelknöUchen an der Pflanze normal sich bildenden Bakteroiden konform sind. Ob und inwieweit zwischen diesen unter dem Einfluß ungünstiger Ernährungsbedingungen bzw. der eigenen Stoffwechselprodukte selbst entstandenen, pathologische Erscheinungen darstellenden, bakteroiden Degenerationsformen, wie sie bekanntlich fast alle echten Bakterien unter analogen Umständen bilden, und jenen Produkten, die vermutlich infolge günstiger Ernährungsbedingungen in den Knöllchen selbst ein Wachstum über das individuelle Maß hinaus darstellen, ob zwischen diesen wesentlich zu unterscheiden ist, darauf will ich heute nicht näher eingehen. Für die pathogenen Keime ist der Nachweis einer Schwächung ihrer Virulenz ja leicht zu erbriiigen, da hier die Reinkulturen direkt in die Blutbahn bzw. in das betreffende Organ eingeimpft werden. Ganz anders liegen die Verhältnisse bei den Legu- minosenbakterien, diese müssen erst dem Boden einverleibt werden und zunächst in diesem ihnen ja normalerweise zusagenden Medium mindestens eine Reihe von Generationen verbringen, ehe sie in die Wirtspflanze eindringen können. Diese Zwischenkultur und damit die Natur und Beschaffenheit des Mediums Boden ist daher von sehr wesentlicher Bedeutung für die spätere Wirksam- keit der Knöllchenbakterien. Besonders die Mikroflora des Bodens spielt naturgemäß eine wichtige Rolle; dieselbe ist bekanntlich eine außerordentlich vielgestaltige und ihre Zusammensetzung von den mannigfachsten Momenten abhängig. Die Natur der vorhandenen Kleinwesen spielt aber im Hinblick auf die Bakterienimpfung eine besonders große Rolle deshalb, weil zwischen., den Bakterien gewisser Spezies und den Wurzelmikroben der Legu- minosen Wechselbeziehungen antagonistischer Natur bestehen, welche die Vegetationskraft und die Wirksamkeit der letzteren bis in die Wirts- pflanze hinein wesentlich zu beeinflussen vermögen. Auf die vielfachen Umstände und Bedingungen, die einen Einfluß auf die Zusammensetzung der Mikroflora des Kulturlandes ausüben, näher einzugehen, fällt nicht in den Rahmen meiner Ausführungen: jedenfalls tobt unter diesen Kleinwesen ein sehr energischer Kampf ums Dasein, in dem die künstlich dem Boden eingeführten Knöllchenbakterien ][38 Joseph Simon. eine scharfe Konkurrenz zu bestehen haben und unter Umständen die Gefahr vorhanden ist, daß die letzteren sich überhaupt nicht entwickehi können. Diesem Moment zu begegnen, hat jedenfalls Miltner mit- veranlaßt, bei der von ihm empfohlenen Impfmethode ') den Bakterien Nährstoffe mit in den Boden zu geben, um sie dadurch widerstands- fähiger gegen die ihnen drohende Gefahr zu machen. In der Tat sind unter Umständen günstige Erfolge zu erzielen auf Grund einer derartigen vorsorgenden Beigabe von geeigneten Nährstoffen. Nicht selten erreicht man aber das direkte Gegenteil, indem die in Gestalt von Trauben- zucker. Popton und Milch bestehende Nahrung in viel höherem Maße schädlichen Mikroorganismen zugute kommt und diese zu einem derartig ausgedehnten ^Vachstum b(^fähigt, daß sie die Knöllchenbakterien , noch ehe sie an bzw. in ihre Pflanzen gelangen, mehr oder minder vollständig über- wuchern und den Irnpferfolg ganz oder teilweise vereiteln. Ein derartiges Überwuchern eines der Komponenten ist. ja zahlenmäßig leicht zu konstatieren. Aber nicht immer braucht dasselbe in der Zahl zum Ausdruck zu kommen, unter Umständen ist der schädigende Ein- fluß auf Stoffe zurückzuführen, welche die kontiere Bakterienart aus- scheidet bzw. bildet, und die den Boden als Substrat für die Knöllchen- bakterien ungeeignet machen. Kurz, in jedem Falle, wo im Boden oder am Saatgut schnellwüchsige oder zu den Knöllchen- bakterien in einem antagonistischen Verhältnis stehende Kl ein- wesen vorhanden sind, birgt die Beigabe von Nährsalzen zum Impfstoff eine beträchtliche Gefahr in sich. Ich habe diese Frage experimentell und eingehend geprüft, und auf Grund dieser Untersuchungen sehe ich von der Beigabo von Nährsalzen zu den von Dresden aus zur Abgabe gelangenden Impfkulturen ab.^) Viel wichtiger erscheint es mir, die Knöllchenbakterien in anderer Weise für die ihnen bevorstehende Aufgabe vorzubereiten und indirekt zu unterstützen. Ich kehre zunächst nochmals zu der Kultur der Leguminosen- bakterien auf gelatinösen Nährböden zurück. Der wachstumshemmende und schädliche Einfluß des gelatinösen Substrats in älteren Kulturen ist, wie ich dargelegt habe, zweifellos. Die gewöhnlich geübte Methode, nach welcher der ganze Inhalt eines Kulturröhrchens herausgenommen, in Milch oder einer anderen Flüssigkeit verteilt und so zur Impfung verwendet wird, erscheint mir daher bedenklich. Der mit schädlichen Stoffen durchsetzte Nährboden — Gelatine bzw. Agar — kommt bei der 1) Prakt. Blätter f. Pflan/enbau und Pflanzenschutz 1903, Nr. 33. 2) s'. Sachs, landw. Zeitschrift 1907, Nr. 34, S. 904. Die Widerstandsfähigkeit d. Wurzelbakteiien d. Leguminosen usw. X39 feinen Verteilung und der dadurch bedingten Auslaugung nur noch ener- gischer und allgemeiner zur Wirkung auf die Knöllchenbakterien; bei der Samenimpfung wird die Oberfläche des Saatkorns ebenso wie mit den Bakterien so auch mit diesen dem \\'achstum derselben aach in der Verdünnung mindestens nicht förderlichen Stoffen überzogen, und bei der Einverleibung der Impfflüssigkeit in den Boden wird nicht etwa durch die starke Verdünnung oder Auslaugung die Wirkung der ge- nannten Stoffe völlig kompensiert. Selbst bei der Verteilung von Bakterienschleim für sich allein findet schon eine recht mangelhafte Verteilung der Bakterienindividuen statt, dieselben haften äußerst zähe auf relativ lange Zeit im Boden an den Schleimfäden und bleiben der Einwirkung der wachstumshemmenden Eigenschaften der Zersetzungs- produkte ausgesetzt. Es kommt aber noch ein anderes Moment hinzu: wenn der gelatinöse Nährboden auch durch die Kultur von Knöllchen- bakterien für diese selbst ungeeignet wird, so trifft dies nicht auch für andere Bakterien zu; im Gegenteil, im Boden vorkommende und den Knöllchenbakterien feindliche Bakterienspezies wachsen sehr üppig auf diesem Substrat, und so wird eine Beigabe desselben nur zu sehr ge- eignet sein, die Entwickelung der eingebrachten Leguminosenorganismen zu hemmen, die ihrer Feinde aber zu begünstigen. • Es erscheint daher mindestens als ratsam, nur den Bakterienschleim selbst und nicht auch das Substrat zu Impf- zwecken zu benutzen. Ob aber die Verwendung eines- anderen Mediums für die Fortkultur der Knöllchenbakterien besonders für die Zeit vor der Verwendung derselben als Impfstoff nicht mannigfache Vorteile bieten würde, auf diese Frage werde ich später noch zurückkommen. Ich habe vorhin wiederholt darauf hingewiesen, daß z. T. eine Antibipse zwischen manchen der Mikroorganismen, die im Boden zuein- ander in Wechselwirkung treten, besteht. Dieses Verhältnis erstreckt sich aber noch weiter und übt seinen maßgeblichen Einfluß noch an bzw. innerhalb der Pflanze aus, in welche die Leguminosenbakterien ein- dringen und Knöllchenbildung verursachen. Bei der Entnahme von Knöllcheninhalt auch aus durchaus frisch und gesund aussehenden KnöUchen gehen bekanntlich häufig auf der Platte auch noch andere Bakterienarten auf, und es ist in der Tat eine gar nicht engbegrenzte Flora, die man im Innern der knöUchenartigen Gebilde an den Leguminosenwurzeln ündet. Schon Beyerinck erwähnt dies') und nennt den Bacillus fiuorescens, einen Bacillus Trimethyl- 1) Bot. Zeitung, 1888, S. 749. J40 Joseph Simon. amin, einen proteusartigen Vertreter und andere, deren Vorkommen er als saprophytisch bezeichnet, und die er als nachträgliche Eindringlinge anspricht. Auch Hiltner und Störmer*) haben in einer Reihe von Knöllchen mit nicht zerfließendem Inhalt fast ausnahmslos das septierte Mycel eines Pilzes, der von der Wurzel aus in das Knöllchen eindringt, ge- funden. Aber bereits bei der primären Infektion selbst können neben der je- weils angepaßten Knöllchenbakterienform auch noch andere Bakterienspezies durch die gleiche Eingangspforte, das Wurzelhaar der Pflanze, ein- dringen, und es hängt einerseits von der Vegetationskraft der eigenen KnöUchenbakterien anderseits von der Natur und der Vegetationskraft der fremden Eindringlinge, in erster Linie aber von der Widerstands- kraft der Pflanze, kurz von dem Gesundheitszustande derselben ab, ob jener Gleichgewichtszustand zwischen Wirt und KnöUchenbakterium zu- stande kommt, in dem die Existenz beider eine dauernde Förderung er- fährt. In diesem Falle wie überhaupt unter normalen Bedingungen werden die fremden Eindringlinge von der Pflanze resorbiert; andern- falls können dieselben einen recht wesentlichen Einfluß auf die Wirkung der KnöUchenbakterien ausüben. Durch Impfen mit Mischkulturen kann diese Frage direkt ex- perimentell geprüft werden, und eine Anzahl Versuche ist in dieser Hin- sicht von mir ausgeführt worden. Ich will kurz auf jene Untersuchungen eingehen, die ich eingangs schon einmal erwähnt habe, und die eine Auf- klärung der sogenannten Unverträglichkeit gewisser Kulturpflanzen zu- einander, z. B. daß Klee kurz nach Wicken, Serradella nach Rotklee usw. zu mißraten pflegen, anstreben sollten. In dem einen Falle wurden zu Zottelwicken, im Verhältnis von 1:1, 1 : 10, 1 : 100 gemischt Aufschwemmungen von Bakterien der Zottelwicke selbst und von Rotklee als Impfstoff benutzt; daß in allen Fällen die Basis an Bakterien von Zottelwicke die gleiche war und ebenso die ge- samte Impfmenge, brauche ich wohl kaum zu erwähnen. Es stellte sich nun die interessante Wirkung ein, daß je nach dem Grad der Ver- dünnung eine Impfwirkung, wie sie sich im eintretenden Ergrünen der ganzen Pflanzen ausdrückt, später erst in die Erscheinung trat. In den Erntegewichten kam wesentlich nur bei der stärksten Beigabe von kon- trären Bakterien ein Minus zur Geltung. Interessant war der Knöllchen- besatz an den Wurzeln, am stärksten bzw. am reichlichsten erwies er sich nämlich an den letztgenannten Pflanzen. Die nachteilige Wirkung ist im vorliegenden Falle jedenfalls darauf zurückzuführen, daß 1) Arbeiten d. Biolog. Abteil, am Kaiserl. Gesundheitsamt, Bd. HI (1903), S, 251. Die Widerstandsfähigkeit d. Wurzelbakterien d. Leguminosen usw. 141 die Rotkleebakterien mit in die Wurzelhaare eingedrungen sind und in den entstehenden Knöllchen sich weiter ent- wickelten, jedoch nur auf Kosten der Wirtspflanze ein rein parasitisches Leben geführt haben, ohne an der Stickstoff- assimilation sich zu beteiligen. Es scheint aber auch keine nennens- werte Anpassung an die fremde Pflanze eingetreten zu sein, worauf die äußerst zahlreiche Knöllchenbildung bei stärkstem Zusatz von Rotklee- bakterien hindeutet — die Pflanzen waren eben bestrebt, den Ausfall in ihrer Ernährung zu decken; es ist aber auch möglich, daß StofF- wechselprodukte der Rotkleebakterien einen hemmenden Einfluß auf die spezifischen Mikroorganismen ausgeübt haben. Indem ich darauf hinweise, daß, wie aus der Tabelle über die Art- einheit der KnöUchenbakterien ersichtlich (siehe S, 135) ist, die genannten Bakterienstämme sich gegenseitig nicht vertreten können und in Rein- kultur gegenseitig nicht infektiös wirken, muß es um so auffallender erscheinen, wenn die experimentelle Prüfung ergab, daß bei diesem Un- verträglichkeitsversuch in den Knöllchen an der Wickenpflanze reichlich auch Bakterien von Rotklee vorhanden waren: einfache Ausstrichkul- turen, die Mischkulturen darstellten, lieferten sowohl an Wicken- wie an Rotkleopflanzen reichlich Knöllchenbildung und Impfwirkung. Bei einem anderen Versuch mit Serradella und Lupine einerseits und Rotklee anderseits wurde zwar die gleiche Wirkung "wie oben erzielt, es waren aber andere Ursachen, welche dieselben hervorgerufen haben. Zwischen den Bakterien der letztgenannten Pflanzen besteht ein stärkerer Antagonismus, die Bakterien von Rotklee konnten wenigstens aus den Wurzelknöilchen von Lupine und Serradella und umgekehrt nicht gewonnen werden, wohl aber äußerte sich der Zusatz von in Dampf sterilisierter Schleim- flüssigkeit der Rotkleebakterien schädigend auf die Impfwirkung der Lupine und Serradellabakterien. Schlußfolgerungen möchte ich an diese Beobachtungen jedoch noch nicht knüpfen, bevor die Frage noch nicht weiter geprüft ist. Endlich hat bei diesem letzten Versuche ein Zusatz von fein zer- kleinerten Wurzelmassen der konträren Pflanzen sowohl mit wie ohne Knöllchen und ebenso auch nach vorangegangener Sterilisation im strömenden Dampf eine schädigende Wirkung ausgeübt. Auch hier mr)chte ich mich einer Beurteilung noch enthalten, gleichzeitig aber derauf mehr- fache Beobachtungen gegründeten Vermutung Ausdruck verleihen, daß in der landwirtschaftlichen Praxis die unverträgliche Nachwirkung von Serra- della auf Rotklee teilweise dadurch behoben werden kann, daß man die Pflanzen durchfrieren läßt, bevor man sie unterackert; die durch das Gefrieren hervorgerufene Zerreißung der Gewebe hat eine schnellere 142 Joseph Simon. Verrottung der Serradellapflanzen im Gefolge, worin wohl das fördernde Moment zu suchen ist. Diesbezügliche Gründüngungsversuche werden lioff entlich eine befriedigende Lösung der Frage bringen. Die bereits ausgeführten Arbeiten haben aber jedenfalls interessante Momente ergeben, die sowohl für die Erklärung der erwähnten Unver- träglichkeits- wie auch gewisser Bodenmüdigkeitserscheinungen beitragen dürften, auf die ich gleich weiter eingehen will. Es ist der normale Entwickelungsgang des WurzelknöUchens, daß es schlieOlich Päulniserregern zum Opfer fällt und, nachdem es den Zwecken der Pflanze gedient, seinen Inhalt in den Boden entleert. Dieser Endprozeß setzt jedoch manchmal sehr frühzeitig ein, so daß es trotz KnöUchenbildung nicht zu einer Förderung der Wirtspflanze kommt; man kann sogar unter Umständen beobachten, daß kurz nach der Infektion durch die Leguminosenbakterien noch andere Bakterien in das Wurzelhaar eindringen, unter Zersetzungserscheinungen dem Schleimfaden folgen und das Wurzelhaar zum Absterben bringen; zu einer KnöUchenbildung kommt es gar nicht. In anderen Fällen werden zwar äußerst zahlreiche KnöUchen gebildet, es findet immer und immer wieder Infektion und KnöUchenbildung, aber gar keine oder nur eine geringe Förderung der Wirtspflanze statt. Zur Erklärung dieser Tatsachen scheint das Virulenzprinzip im Sinne Miltners eine zutreffende Beantwortung geben zu kiinnen. In den von mir eben angeführten Fällen treffen diese Erklärungsmomente je- doch nicht zu. Daß nicht die Virulenzverhältnisse die Schuld tragen, ist ja leicht dadurch zu beweisen, daß der benutzte Impfstoff in seiner Wirksamkeit auf andere in geeignetem Boden herangezogene Pflanzen ge- prüft wird; eine Prüfung der aus den KnöUchen gezüchteten Reinkulturen kann natürlich nicht immer ein zutreffendes Bild geben. Ich habe dieselbe trotzdem vorgenommen: die Verwendung von Knöllcheninfus ergab das gleiche schädigende Resultat,') hingegen heferte eine auf Gelatine iso- lierte Reinkultur der vorhandenen Knöllchenbakterien als auffallendes •Ergebnis einen durchaus normalen Impferfolg. Ein Versuch gestattet natürlich keine maßgebhchen Rückschlüsse, und ich möchte annehmen, daß die Knöllchenbakterien doch in der Pflanze sehr wesentlich und zwar durch die Stoft'wechselprodukte der fremden Eindringlinge in ihrer Vegelationskraft geschwächt waren: wenn sie später trotzdem einen guten Impferfolg lieferten, so liegt dies an der zwischengeschobenen Kultur in der Erde, die nach meinen Erfahrungen überhaupt geschwächte Knöllchenbakterienstämme binnen wenigen Generationen in ihrer 1) S. Tabelle S. 157. Die Widerstandsfähigkeit d. Wurzelbakteiien d. Leguminosen usw. ^43 Vegetationskraft erneut. Die erste Ans(;haiiung wird wesentlich durcli die ßeobaclitung gestützt, dal5 in den befallenen nicht zersetzten Knöllchen neben den Fremdbakterien sehr zahlreiche den Bakteroiden ähnliche Ge- bilde vorhanden waren, die doch wohl nur Degenerationsformen der Knöllchenbakterien darstellten . In der Tat sind es jene Kleinwesen, die neben den Leguminosen- bakterien eingedrungen sind und sich ebenfalls im Innern der Pflanze vermehrt haben, welche für die angegebenen Erscheinungen wesentlich die Schuld tragen. Es handelt sich dabei um gewisse Bakterienarten, die ganz allgemein im Ackerboden vorhanden sind; normalerweise in geringer Menge üben sie keinen bemerkenswerten Einfluß aus, findet aber, und zwar durch ganz bestimmte Momente eine Anreicherung der- selben im Boden statt, so treten sie in Wechselwirkung zu den Knöllchenbakterien sowohl im Boden wie auch im Inneren der Knöllchen und üben besonders in ihren Stoffwechselprodukten einen zunächst wachstumshemmenden und degenerierenden Einfluß auf die Knöllchen- bakterien aus. Ursprünglich saprophytisch im Boden lebend, gehen diese Bakterien zu einem parasitischen Lebenswandel über und wuchern in den Fällen, wo sie putride Zersetzungen nicht hervorrufen, lange Zeit im Innern der Pflanze, aber vorwiegend auf Kosten der Knöllchenbakterien und vielleicht gerade auch auf Kosten der von diesen unter Assimilation des Luftstickstolfes gebildeten Eiweißkörper. Die Wirtspflanze selbst wird dabei geradezu intakt gelassen, und, korrekt ausgedrückt, treten die Fremdbakterien weniger als Parasiten der Leguminose als wie als solche der Knöllchenbakterien selbst auf; es handelt sich um eine Antibiose, einen Kampf zwischen dem überlegenen Fremdling und den Knöllchen- bakterien selbst. Sowohl bei V^erwendung von Reinkulturen aus dem keineswegs engumschriebenen Formenkreis von Bakterien, die hier in Betracht kommen, als auch mit Mischkulturen gelang es bei genügendem Zusatz derselben in den Boden vor oder bei der Impfung mit KnöUchenbakterien- Reinkulturen die geschilderten Vorgänge an den W^urzeln der Legumi- nosen experimentell hervorzurufen und die Wirkung auch hochvirulenter Knöllchenbakterien vollkommen hintanzuhalten trotz stattfindender Knöllchen- bildung. Ich maß aber hier beschränkend erwähnen, daß meine dies- bezüglichen Versuche sich bisher nur auf Erbsen und Rotklee er- streckten. Diese Vorgänge sind nun für die Erklärung gewisser Boden- müdigkeitserscheinungen von großer Bedeutung. Es liegt auf der Hand, daß bei der Entleerung der Knöllchen zu Ende der Vegetations- periode eine ungleich größere Menge von Fäulniserregern als von j^44 Joseph Simon. KnöUchenbakierien in den Boden gelangt, wodurch zunächst jedenfalls das bakteriologische Gleichgewicht einseitig gestört wird. Bei rationeller Bearbeitung des Bodens und der nachfolgenden Kultur einer anderen Pflanze wird unter dem Einfluß physikalischer Momente und der Natur der nachgebauten Kulturpflanze ein Gleichgewichtszustand bald wieder her- gestellt, und die aus den KnöUchen stammenden Fäulnismikroben werden bald in ihre normalen Grenzen eingedämmt sein. Wenn aber die betr. Loguminose häufig hintereinander gebaut wird, so findet eine bedeutende Anreicherung der gedachten Mikroorganismen statt, die sie erst befähigt, nunmehr parasitär aufzutreten und jene den Anbau der Leguminose schädlich beeinflussenden Erscheinungen hervorzurufen. Unter dem Ein- fluß ihrer Ausscheidungsstoffe werden diese Bakterienarten zunächst in ihrer sog. Virulenz gestärkt, wie dies ja von anderer Seite für Schimmelpilze nachgewiesen ist, und wie ich es auch für Botrytis bei der Keimlings- krankheit der Levkojen beobachtet habe. Die Natur der Leguminosen- pflanze ist allerdings auch von maßgeblichem Einfluß, und es scheint, daß sie schon allein gewisse Gattungen befähigt, die Entwickelung mancher Zersetzungsmikroben einzudämmen. Bei der Serradella z. B. habe ich jene bei Erbse und Rotklee konstatierte vorzeitige Einwanderung erst- erwähnter Premdbakterien noch nicht beobachten können; dieselbe stellt ja auch eine mit sich selbst verträgliche Pflanze dar, die gerade nach wiederholtem Anbau meist immer besser gedeiht, während bei der Kultur von Erbsen und Rotklee erfahrungsgemäß leicht Bodenmüdigkeit eintritt. Meine seit dem Jahre 1901 ausgeführten Versuche über die sog. Virulenz der Knöllchenbakterien, bei denen ich dem bekannten Passage- verfahren der Mediziner folgte und unter anderem möglichst oft Erbsen hintereinander in demselben Boden zog, trat bald Bodenmüdigkeit ein. wenn die Wurzeln und KnöUchen bzw. deren Inhalt im Boden belassen wurden ; entfernte ich diese aber möglichst quantitativ und wurde die Erde leicht getrocknet, traten Bodenmüdigkeitserscheinungen nicht ein. Überhaupt übt einfache Trocknung bzw. Durchlüftung des Bodens einen meist günstigen Einfluß auf die Zusammensetzung der Bodenflora sowie auf die spätere Entwickelung und Wirksamkeit gewisser Bakterien- arten aus: auch habe ich in Verfolg derselben eine nicht unwesentliche Erhöhung des verfügbaren Nährstoff-, speziell des Stickstoffkapitals kon- statieren können, worauf wieder die Natur des Bodens und der Ursprung, liehe Mikrobengehalt desselben von bestimmendem Einfluß zu sein scheint. In welch hohem Grade im übrigen der Boden normalerweise einen geeigneten Aufenthaltsort für die Knöllchenbakterien der Legumi- nosen darstellt, geht wohl schon daraus hervor, daß auf unseren Böden bei der so oft gebauten Erbse durch eine künstliche Impfung auch Die Widerstandsfähigkeit d. Wurzelbakterien d. Leguminosen usw. 145 .„höchst virulenter" Bakterien ein bemerkenswerter Erfolg selten zu er- zielen ist. In beweiskräftigem Maße wird dies ferner durch die inter- essanten Ergebnisse eines vergleichenden Serradella-Impfversuches (Birkenhain) illustriert. Auf Grund einer mehrere Jahre vorher erfolgten Impfung war eine beträchtliche Impfwirkung auf einem Teil der im Versuchsjahre ungeimpft gebliebenen Parzelle zu konstatieren, und auch dort, wo im Versuchsjahre eine Bakterienimpfung vorgenommen worden, war auf dem Teil des geimpften Stückes, der schon früher einmal eine Impfung und im Versuchsjahre also eine zweite erhalten hatte, doch noch eine bemerkenswerte Förderung a conto der ersten Impfung zu beobachten: Trotz ihres mehrjährigen Verweilens im Boden haben diese erstmalig demselben einverleibten Bakterien sich nicht nur eine starke Vegetationskraft bewahrt, sondern sie haben nach der bekannten Theorie Hiltners schließlich noch eine höhere Virulenz besessen als die zur Neuimpfung verwandten Kulturen. ßodenmüdigkeitserscheinungen der geschilderten Art sind aber bei einem anderen Versuch, den ich noch kurz erwähnen will, recht deut- lich zu erkennen. Bei Untersuchungen über die Deckung des Stickstoff- bedarfs der Pflanzen aus der Atmosphäre, die in 1 cl>m großen in den Boden eingelassenen Klinkerkästen zur Ausführung gelangten, hatte trotz der Befolgung eines rationellen Fruchtwechsels der Ertrag der Legumi- nosen sich von Jahr zu Jahr verringert. Die bakteriologische Boden- untersuchung ließ einen reichen Bakteriengehalt erkennen, darunter auch die typischen Wuchsformen der Leguminosenwurzelmikroben; in erster Linie waren aber Vertreter jener Gruppen nachweisbar, von denen eine schädigende Beeinflussung der ersteren zu erwarten stand. Ein Prüfungs- anbau in sterilisiertem Erde-Sand-Gemisch zeitigte folgende Erntetrocken- gewichte: Versuchspflanze Peluschke- Pisum arvense: 1. Geimpft mit einer Reinkultur von Erbsenbakterien 20,7 g pro Topf 2. „ „ einem Erdauszug aus den Kästen 1 u. 10 4,4 „ „ 3. „ „ desgl., nachfolgend behandelt mit CS.^ 12,0 „ „ 4. „ „ einem Erdauszug aus den Kästen 3 u. 8 6,8 „ „ „ 5. „ „ desgl , nachfolgend behandelt mit CS.2 14,1 „ „ ,, In allen Reihen zeigten die Wurzeln reichlich Knöllchenbildung, am zahlreichsten in den Reihen 2 und 4, in der Ausbildung am besten in der Reihe 1. nach dieser bei 3 und 5. Die bakteriologische Unter- suchung ergab nur in den Knöllehen der Reihen 2 und 4 eine viel- gestaltige Flora der angegebenen Art. Der Versuch scheint mir einwand- frei darzutun, in welch hohem Maße hier die Wirksamkeit der knöUchen- bildenden Organismen durch die Gegenwart anderer beeinflußt worden Jahresbericht der Vereinifrung für angewandte Botanik \'. 1'; J^46 Joseph Simon. ist (2 u. 4), daß forner aber auch die Knöllctienbakterien schon an sich in ihrer Vegetationskraft geschwächt waren, da sie auch nach Abtötung der empfindlichercMi, ihnen feindlichen Keime durch Scliwefelkohlen- stoff in ihren Wirkungen nicht annähernd an die Erfolge der verwandten Reinkulturen heranreichten. Ich bin damit zu der Einwirkung von chemischen Stoffen auf die Knöllchenbakterion gelangt. Bereits vor einer Reihe von Jahren sind an der Versuchsstation Tharandt auf meine Veranlassung und unter meiner Mitwirkung mit Kupfersulfat einerseits, mit Äther, Schwefelkohlen- stoff und Chloroform anderseits umfassende Untersuchungen über den Ein- fluß einer Bodenbehandlung mit den genannten Stoffen auf nachgebaute Pflanzen ausgeführt worden. Über mit den letztgenannten Kohlenstoffen vorgenommene Arbeiten haben Nobbe und Richter bereits unter Be- nutzung der von mir gegebenen Unterlagen in den ,, Landwirtschaft- lichen Versuchs-Stationen" berichtet, und es ist nur auf ein Ver- sehen zurückzuführen, daß mein Name nicht als der eines gleich- berechtigten Mitarbeiters bei dieser Publikation genannt ist. Ich lege auf diese Erklärung nur deshalb Wert, weil ich aus ihr die Berechtigung ableite, auf dem damals eingeschlagenen Pfade weiterzuarbeiten. Da übrigens die Schlußfolgerungen der beiden Referenten sich mit meinen Anschauungen über die Versuchsresultate nicht vollkommen decken, werde ich an anderer Stelle auf diese Versuche eingehender zurückkommen. Die Tharandter Arbeiten waren mit Hafer als Versuchs- pflanze ausgeführt. VorangegangeneUntersuchungen mitÄther und Wasser- stoffsuperoxyd sowie Erbse als Versuchspflanze hatten einen wesentlichen und günstigen Einfluß der genannten Stoffe auf Knöllchenbildung und Impf- wirkung erkennen lassen; nach einer starken Ätherbehandlung war die Knöllchenbildung eine außerordentlich üppige gewesen, das Trockengewicht der Ernte von unbehandelt zu Äther- behandelt verhielt sich wie 100: 141,5. Ich habe in Dresden weitere Untersuchungen über den Einfluß einer Boden- behandlung mit difterenten Zusätzen von CSg auf die gleiche Leguminose ausgeführt. Auf diese Arbeiten gehe ich nicht näher ein, möchte aber die Resultate eines Versuches wenigstens hier mitteilen. CSg-Versuch mit Erbsen, 1906. Substrat: Nichtsterilisiertes mageres Erde-Sandgemiseh (1:10) mit stickstofffreien Nährsalzen. Trockengewichte la = 19,34 / Nicht geimpft, nicht behandelt .... on'70 '^^'^^ ^ Geimpft, nicht behandelt " oo'--iR 45.86 g Die Widerstandsfähigkeit d. Wurzelbakterien d. Leguminosen usw. ^47 Trockengewichte Hl = '^Q 8'S ) Geimpft, 50 cm» CS. pro Topf . . . . ^ " '° 60,38 Geimpft, 100 cm^ CSg pro Topf. . . Geimpft, 150 cm^ Cög pro Topf . . . 150 cm^ CS, pro Topf, 10 Tage nach dem Einsetzen der Keimlinge geimpft . b = 30,53 4a = 0,18 b=: 1,32 5a = 0,67 b= 1,17 6a = 0,31 b= 1,06 100 cm^ CSg pro Topf, 10 Tage nach dem Einsetzen der Keimlinge geimpft. . . ' .rJn.i 40,17 g b = 19,74 \ Der Knöllchenbesatz und die Ausbildung der KnöUchen war in den CSg-Töpfen 3 und 7 a — b ganz außerordentlich, es dürfte hier wohl keinem Zweifel unterliegen, daß der Schwefelkohlenstoff auf die Wurzelbakterien der Leguminosen und ihre Wirksamkeit jedenfalls keinen schädigenden Einfluß ausgeübt hat, ganz gleich, ob derselbe vor oder nach der Impfung dem Boden einverleibt wurde. Daß aber die Päulnismikroben in absoluter Voll- ständigkeit dem Schwefelkohlenstoff zum Opfer gefallen waren, bewiesen die Erbsenkeimlinge; in den Töpfen 4 — 6 war jedes Wachstum aus- geblieben, und ohne äußerlich erkennbare Veränderungen waren die ein- gesetzten Keimlinge im Erde-Sandgemisch verblieben, wie sie eingesetzt waren. ') Untersuchungen über den Einfluß löslicher Kupfersalze wurden be- reits im Jahre 1904 noch an der Versuchsstation Tharandt in Angriff genommen; dieselben gelangen demnächst zur Veröffentlichung und sollen hier nicht weiter berücksichtigt werden,-) da sie sich nur auf Hafer und Senf als Versuchspflanzen beschränkten. Dieselben waren als Vorarbeiten für Studien über die Wirkung der Bordeauxbrühe ge- dacht. Dieser Gegenstand ist ja inzwischen schon anderweit und ein- gehend bearbeitet, wenn auch einer befriedigenden Klärung noch nicht entgegengeführt worden, ich erinnere an die Vorträge von Aderhold, Schander und Ewort. Meine weiteren Untersuchungen haben sich, wie ich gleich bemerken möchte, vorwiegend auf die Wirkung löslicher Kupfer- 1) Die Wirkung des Schwefelkohlenstoffs auf die Kulturpflanze bleibt hier unberücksichtigt; der ganze Versuch wird an anderer Stelle ausführlicher behandelt werden. 2) Besonders erwähnt sei der fördernde Einfluß einer Gabe von 0,01 pro Mille CUSO4 auf nachgebauten Hafer. 10^'^ 5[48 Joseph Simon. salze im Boden im Hinblick auf eine Förderung oder Benachteiligung der Ernährungsbedingungen bestimmter Kulturpflanzen und damit im Zu- sammenhang auf die Mikroflora des Bodens bezogen. Unter Verwendung differenter Mengen von Kupfersulfat gelangten umfangreiche Versuche mit den verschiedensten landwirtschaftlich und gärtnerisch wichtigen Kultur- pflanzen, mit KnöUchen- und Bodenbakterien, endlich auch mit pathogeneii Organismen zur Ausführung. Ich greife einige jener Untersuchungen her- aus, die mit Leguminosen und deren Wurzelbakterien angestellt wurden. Für die Kultur von KnoUchenbakterien auf Gelatine und Agar erhielten letztere Zusätze in Gestalt von Kupfersulfatlösung derart, daß der Gehalt an Kupfervitriol sich verhielt zum Nährboden wie 1 : 500, 1 : 1000. 1 : 5000. 1 : 10 000, 1 : 25 000, 1 : 50 000, 1 : 100 000, 1 : 250 000, 1 : 500 000. 1 : 1 000 000. Geprüft wurden die Bakterien von Phaseolus vulgaris, Trifolium pratense, Fisum sativum, Medicago sativa, Soja hispida, Lupinus ongustifolius und Lupiiius polypliyUus. Das Resultat ist ganz allgemein dahin zusammenzufassen, daß bei der Zugabe von 1 : 500 und 1 : 1000 (die Nährböden sahen dunkelblau bis dunkelgrün aus) jegliches Wachstum der Bakterien aufhörte. Bei sämtlichen anderen Zugaben trat, obgleich auch hier mehr oder minder starke Färbung zu verzeichnen war, üppiges Wachstum und enorme Schleimbildung ein, genau so, wie in den Vergleichsröhrchen ohne Zusatz, so daß von einer Schädigung gar nicht die Rede sein konnte. Auch eine Zugabe von metallischem Kupfer wurde wiederholt geprüft und ergab das gleiche Resultat: Metallisches Kupfer oxydiert an feuchter Luft zu Grün- span (basisch kohlensaures Kupfer), das in den gelatinösen Nährboden hineindiffundiert, trotzdem war auch hier ein geradezu üppiges Wachs- tum zu konstatieren. Daß die Verhältnisse im Boden sich wesentlich analog verhalten, zeigen die in den Trockengewichtszahlen wiedergegebenen Resultate eines mit Erbsen ausgeführten Topfversuches') bzw. die Ergebnisse der Wurzeluntersuchungen desselben. CuSO^-Wirkung auf Erbsen (1906). Substrat: Nichtsterilisiertes mageres Erde- und Sandgemisch (1 : 10) mit stickstofffreien Nährsalzen. la = 13,501 ,. ^, l-'ngeimpft k _ i. ..i -^'^^ § Geimpft ^'"^ ~ J^'^J^ ! 39,26 b= 14,31 !a = 19,57 b = 19,69 \ ') Die Verhältnisse des Kupfersulfatzusatzes beziehen sich auf die Trockengewichte des Erde-Sand-Substrates. Die Widerstandsfähigkeit d. Wurzelbakterien d. Leguminosen usw. I49 Geimpft, Pflanzen eingesetzt, nach 4 Wochen 1 : 10 000 CuSO, ^1 = ^J^'^^ j 39,87 g b = 19,84 \ „ Pflanzen eingesetzt, nach 4 Wochen 1:5000 CuSO, ^"^ ^ ^^'^^ I 41,11 g ' b = 21,46 i 5a = 16,76 j ^, ^^ 1 : 50 000 CUSO4 i b = 17 44 i ^^'"^^ ^' « 1 : 10 000 „ f dann Keim- \ ^ J^'^,3 { 32,58 g pflanzen ein- « _ io 00 ^••5000 „ , gesetzt ,3 T 14,26 I '^ ' '^^ ^ 8a = 2,18 1000 7.04 Auf die Beeinflussung der Erbsenpflanzen brauche ich nicht nsilier einzugehen, es interessiert uns jetzt nur das Verhalten der Legumi- nosenbakterien und hier sprechen die Zahlen für sich. Es muß jedoch noch betont werden, daß an sämtlichen Wurzeln der Pflanzen 3 — 7 sehr zahlreiche und wohlausgebildete KnöUchen vorhanden waren, und daß an den Pflanzen 5 — 7 die Bakterienwirkung erst zu einem späteren Termin einsetzte, da dieselben in der ersten Zeit der Entwickelung durch den Kupferzusatz sichtlich geschädigt im Wachstum zurück- geblieben waren. Es hat also der nachträgliche Zusatz von CuSO^ weder Knöllchenbildung noch Impfwirkung auch nur im geringsten beeinträchtigt, und bei vorangegangener Kupfergabe haben die Bakterien ebenfalls durchaus ihre Schuldigkeit getan, nachdem die Wirtspflanzen den schädigen- den Einfluß des Giftes überwunden hatten. E)aß aber selbst die stärkste Kupfergabo keine nachteilige Wirkung auf die knöUchenbilden- den Erbsenbakterien ausgeübt hat, das bewiesen deutlich die Wurzeln der Pflanzen aus Topf 8a und b. Hier zeigten sämtliche Wurzeln äußerst starke Schädigung: meist hatte die direkt ätzende Wirkung des Kupfervitriols jegliche Weiterentwickelung der Seitenwurzeln hintan- gehalten (entsprechend der geringen oberirdischen Substanzbildung) und zu hypoplastischen Bildungen geführt, welche die Wurzel nur mehr als einen stark gebräunten kienzopfartigen Stumpf erscheinen ließen; stellen- weise waren deutliche Anschwellungen und Pusteln vorhanden, hyper- trophische Wucherungen im primären Gewebe, auf deren histologische Natur und Ätiologie ich anderwärts näher eingehen werde. In ganz vereinzelten Fällen haben aber auch hier noch je 1— 2 Seitenwurzeln die Schädigung überdauert oder nach Festlegung des Cu sich erst j^^Q Joseph Simon. weiter entwickelt und noch ein mehr oder minder beträchtUches Wachs- tum der oberirdischen Pflanzenteile verursacht (in Topf 8 b hatte in kürzester Frist eine Pflanze es noch bis zu einer Höhe von 1,5 m gebracht). In allen diesen Fällen war an den nachträglich gebildeten und normal entwickelten Seitenwurzoln noch reicher Knöllchenbesatz mit z. T. großen, prächtig ent- wickelten und stark verzweigten Gebilden zu konstatieren — also auch hier trotz der hohen Kupfergabe Bakterieninfektion, K n ö 1 1 c h e n b i 1 d u n g und I m p f w i r k u n g I Noch einen Fall aus der Praxis möchte ich anführen: Be seier') hat auf den Cunrauer Moordämmen die Beobachtung gemacht, daß Pferdebohnen, 'die im Jahre vorher mit einer 5°/oigen Kupfervitriol- lösung zur Bekämpfung des Hederich im Hafer bespritzt worden waren, sich durch besonders üppigen Stand und ca. 4 Ztr. höheren Bohnen- ertrag pro Morgen vor den nichtbespritzten Parzellen auszeichneten. Beseler hat dann vergleichende Versuche ausgeführt und quantitativ die Ernteergebnisse ermittelt: es wurden im Mittel von 3 Parzellen geerntet nach Kupfervitriolbespritzung 338 Pfund Stroh und 214 Pfund Körner Summa 552 Pfund. ohne Bespritzung 220 Pfund Stroh und 146 Pfund Körner Summa 366 Pfund. Das ist in der Tat eine recht beachtenswerte Nachwirkung, die der Versuchs- ansteller selbst sehr richtig nicht etwa auf eine direkt fördernde und düngende Wirkung des Kupfersalzes, sondern darauf zurückführt, daß eine Abtötung schädlicher Pilze stattgefunden. Das gleiche nehme ich auch auf Grund meiner eigenen Untersuchungen für manche andere im Verfolg einer Einverleibung von Kupfersalzen auf- tretende fördernde Wirkungen an. Ich meine damit nicht etwa die hemmende Beeinflussung höherer pathogener Pilze, sondern den Einfluß auf die bakteriologische Bodenflora. Eine derartige wesentliche Ver- schiebung des biologischen Gleichgewichts habe ich experimentell immer nachweisen können, sie stellt gewissermaßen ein i\nalogon zu der Wirkung des Schwefelkohlenstoffs und anderer chemischer Agentien dar, indem der Zusatz von Kupfersalzlösungen ein sofortiges erhebliches Zurückgehen des Bakteriengehaltes überhaupt wie besonderer Gruppen von Bodenorganismen im Gefolge gehabt hat. Ganz allgemein ist man zu der Annahme geneigt, daß niedere Organismen gegen die Einwirkung löslicher Kupfersalze durchweg sehr empfindlich seien, eine Schlußfolgerung, die nahe liegt, seitdem schon 1) Dtsch. Landw. Presse 1901, S. 501, und 1902, S. (50. Die Widerstandsfähigkeit d. Wuizelbakterien d. Leguminosen xisw. I5I 1893 Nägeli') in einer sehr interessanten Studie die Tatsache fest- gelegt hat, daß Spuogyra-ZeWen in Kupfersalzlösung von 1 : 1000000000 abstarben, oligodynamische Wirkungen, die Bokorny"^) erst kürzlich wieder vollinhaltlich bestätigt hat. Andererseils ist aber auch nach- gewiesen, daß niedere Pilze verschieden widerstandsfähig gegen lösliche Kupfersalze sind; auf Sproßpilze z. B. wirken dieselben weniger toxisch, die Entwickelung und Gärtätigkeit der Hefezellen im Most wird erst bei einem Kupfergehalt von über 0,15 pro Liter hemmend beeinflußt. Endlich erinnere ich an die mehrfachen Untersuchungen von Ono') und anderen, von denen eine fördernde Wirkung kleiner Giftmengen speziell auch von Kupfersulfat auf Aspergillus niger einwandsfrei festgestellt wurde. Auch der Einfluß von Kupfersalzlösungen auf Bakterien — aller- dings fast ausschließlich pathogene Mikroorganismen — ist recht häufig Gegenstand der Untersuchung gewesen mit dem übereinstimmenden Er- gebnis, daß die vegetativen Formen selbst durch starke Verdünnungen sehr schnell abgetötet werden. Ungleich widerstandsfähiger erwiesen sich die Dauerformen gewisser Spezies; so konstatierten Paul und Kroenig*), daß Milzbrandsporen in 16'^/oiger Kupfersulfatlösung nach IOV2 Tagen noch nicht abgetötet waren. Auch dem Amerikaner Georg Moore^), auf dessen Verdienste ich später noch zurückkommen werde, verdanken wir hübsche Mitteilungen, nach denen man annehmen sollte, daß das Kupfer allein schon durch seine Anwesenheit deprimierend auf alle Krankheitskeime wirkt. Nach seinen Mitteilungen, die auch merk- würdigerweise Eingang in eine unserer pojtulärwissenschaftlichen Zeit- schriften**) gefunden haben, „genügt, wenn ein Wasserreservoir von einem vergifteten Fluß gespeist wird, die Anbringung von Kupferplatten am Eingange des Reservoirs zur Ertötung der Mikroben." ,,Kein Kupfer- schmied ist je an der Cholera gestorben!" sagt Moore — gewiß eine klassische Beweisführung! Die Untersuchungen, die ich in dieser Richtung vorgenommen habe, erstreckten sich nicht nur auf die Wurzelbakterien der Leguminosen, sondern auch auf andere Bodenorganismen, speziell auch auf jene, die ich vorhin eingehender berührt, die zu den Knöllchenbakterien in einem ') Nägeli, Die oligodynamischen Erscheinimgen, 1893. 2) Archiv f. d. ges. Physiologie, Bd. CVIII, 190.'). 3j Siehe Jost, Vorlesungen über Pflanzenphysiologie (]9()4), und Czapek, Biochemie der Pflanzen (1905). *) Zeitschrift f. phj^sik. Chemie 1896. . ; . , 5) U. S. Department of Agriculture, Bull. 64 (1904) und 76 (1905). 6) Himmel und Erde 1906, S. 182. 152 'Joseph Simon. antagonistischen Verhältnis stehen und die Entwickelung und Wirksam- keit derselben hemmend beeinflussen können. Haben die angeführten Versuche mit Erbsen und künstlichen Bakteriennährböden gezeigt, daß die Knöllchenbakterien sehr widerstandsfähig sind, so hat sich umgekehrt ergeben, daß die genannten anderen Bodenorganismen, daß die sog. Säurebildner und Päulnisbakterien und andere ganz allgemein gegen lösliche Kupfersalze äußerst empfindlich sind und schon bei Gaben, die auf das Wachstum der Knöllchenbakterien nicht einmal einen hemmenden Einfluß ausüben, restlos zugrunde gehen. Ich kann diese Präge jetzt nicht weiter verfolgen; sicher erscheint mir aber, daß in dieser Beeinflussung der Bodenflora in günstigem Sinne ein wesentliches Moment enthalten ist zur Erklärung der för- dernden Wirkung von Kupfermitteln auf Kulturpflanzen, daß neben der Annahme einer düngenden Wirkung des Eisen- gehaltes oder einer Reizwirkung, die beide unter Umständen in Betracht kommen, die Beachtung bodenbakteriologischer Gesichtspunkte unabweisbar notwendig ist, wie sie gleicher- weise auch für die Erklärung des schon erwähnten Einflusses einer Schwefelkohlenstoffbehandlung und einer Austrocknung des Bodens in Betracht zu ziehen sind.') Ich komme nunmehr zu den physikalischen Ursachen, welche die Entwickelung und die Wirksamkeit derLeguminosenbakterien zu beeinflussen imstande sind. Es würde zu weit führen, wollte ich auf den Einfluß des Lichtes, extremer Temperaturen, der Feuchtigkeit usw. näher eingehen. Ganz allgemein werden auch diese Wirkungen weit überschätzt, indem man geneigt ist, die beim Studium pathogener Keime gemachten Er- fahrungen auch auf die Verhältnisse bei den Knöllchenbakterien zu über- tragen. Dasistvölligunzutreffend: icherinnereandas bekannteBuchn ersehe Schulbeispiel, daß auf einer dem Licht ausgesetzten und nachher ver- dunkelten Fleischwasserpepton-Agarplatte nur an den Stellen, wo schwarze Papierstreifen das Wort Typhus bildend die Platte bedeckten, Wachstum der Typhusbazillen eintrat. Vergleiche man hierzu Gelatinekulturen von Erbsenbakterien, nachdem die einen dauernd im Licht, die anderen im Dunkeln gewachsen sind, beide werden ein gleich üppiges und ') Wenn Stornier (Sitzung der Ver. f. Angew. Botanik am 10. Sept. 1907) die in Verfolg einer CS.^-Behandlung nachweisbare Stickstoffanreicherung im Boden auf die Leibessubstanz der abgetöteten Organismen zurückführt, so ist dies an sich zweifellos zutreffend, vermag aber die angeführte Tatsache nur zum Teil, keinesfalls aber in ihrem vollen Umfange zu erklären. Auch die Schwefelkohlenstoff Wirkung ist ebenso wie jene löslicher Kupfersalze eine komplizierte Folge verschiedener Faktoren. Die Widerstandsfähigkeit d. Wurzelbakterien d. Leguminosen usw. 153 normales Wachstum zeigen. Weiter weise ich darauf hin, wie wir bei der Kultur von Pflanzen unter sterilen Bedingungen nur zu oft die Erfahrung machen müssen, daß gerade solche von Sonne und Luft gedörrte Wanderer spontane Infektionen hervorrufen und eine unheimliche Vegetationskraft entwickeln können. Eine Wurzel aus dem ungeimpften Topfe 26b des letzten Versuches'), den ich später besprechen werde, illustriert das Gesagte. Während alle übrigen Pflanzen dieses Gefäßes absolut knöllchenfrei sind, befindet sich hier ein prächtiges- Knöllchengebilde direkt am Wurzelhalse einer Pflanze, die durch diese Fremdinfektion dermaßen in ihrer Entwickelung gefördert worden war, daß sie eine Höhe von beinahe 2 Meter erreichte und ein Trockengewicht ergab, das dem der 5 anderen Pflanzen zusammen beinahe gleichkam. In meinen weiteren Ausführungen muß ich mich, ohne die Wichtig- keit anderer Momente damit zurückstellen zu wollen, darauf beschränken,, nur die Resistenz der Bakterien und speziell der Wurzelorganismen der Leguminosen gegen Trocknung allgemein und in ihrer Bedeutung, für die Bodenimpfung zu behandeln. Für gewöhnlich steht fest, daß die vegetative Zelle einer inten- siven Trocknung bald evliegt und abstirbt, sofern sie nicht durch Membranverdickungen u. a. sich zu schützen weiß. Jedenfalls tritt aber ganz allgemein infolge Wasserentziehung eine Entwickelungshemmung stets ein. Bakterien, die jedoch z, B. durch Membranverdickungen (von den Sporen bildenden Organismen sehe ich hier ganz ab) Dauerformen annehmen, sind ungleich resistenter gegen Wasserentziehung, In dieser Hinsicht bestehen ganz bedeutende Artdifferenzen: Typhus-, Diphtherie- und Tuberkelbazillen ertragen nach Löffler wochen- bis monatelang vollständiges Austrocknen ohne Schaden zu nehmen; hin- wieder werden Choleraspirillen durch bloßes Austrocknen an der Luft nach Koch binnen 3 Stunden, nach Gärtner sogar binnen 15 Minuten abgetötet. Der Frage, wie sich in dieser Hinsicht die KnöUchenbakterien verhalten, bin ich schon vor Jahren in Tharandt näher getreten; bei Arbeiten über die Stickstoff quelle auf ärmstem Dünensande der Insel Juist wohlgedeihender Pflanzen hatte ich die große Widerstands- fähigkeit des Azotohacter gegen Trocknung (derselbe verträgt einen monatelangen Aufenthalt im Exsiccator) kennen gelernt, und es mußte wertvoll erscheinen, auch das Verhalten der Leguminosenbakterien in dieser Hinsicht genauer kennen zu lernen. Leider sind die Unter- «) S. Seite 157. 154 Joseph Simon. suchungen damals aus dem Stadium von Vorarbeiten nicht heraus- gekommen. Inzwischen hat der Amerikaner George F. Moore. Physiologist in Charge am Pflanzenphysiologischen Laboratorium des Agrikulture Departements der Vereinigten Staaten in Washington, diese Frage unter- sucht. Ich muß dies wenigstens annehmen, denn in seiner Schrift ,,Soil inoculation for Legumes" ') stellt er zwar ohne Angabe irgendwelchen Untersuchungsmaterials die Behauptung auf, ,,daü die grollen Stäbchen der Pseudomonas radicicolä,'' wie er die Knöllchenbakterien nennt, ,.wenn sie auch keine Sporen bilden, glücklicherweise der Austrocknung auf die Dauer eines Jahres und darüber hinaus widerstehen," und daü ,,sie, wenn sie wieder ins Leben zurückgerufen werden, dieselbe Wirksam- keit wie früher besitzen. Die Trockenheit schadet den Bakterien auf keinen Fall"-). xAuf diesen und einigen anderen gleich kühnen Behauptungen baut Moore eine neue Impfmethode auf, die durch ihre Einfachheit wie durch die vorzüglichen Resultate, über welche der Erfinder in der oben zilierten Schrift berichtet^), direkt frappiert. Zur Schilderung des neuen Impf- verfahrens gebe ich Moore selbst das Wort*): ..Die Methode, die im vergangenen Jahre in dem Department of Agriculture angewendet wurde, bestand darin, daß Watte mit einer -flüssigen Kultur von Knöllchenbakterien gesättigt wurde. Auf diese Weise Vv^erden Millionen von Bakterien von der Watte festgehalten, und, nachdem diese sorgfältig getrocknet ist, bleiben sie wie die Samen schlafeud, um auf die günstigen Bedingungen zu warten, durch die sie wieder belebt werden. Wo es möglich ist, steriles Gebrauchsmaterial zu er- halten und vollkommen den Eintritt von Mikroorganismen zu verhindern, genügt es, die geimpfte Watte in steriles Wasser zu bringen : wenn dann die Bakterien sich im Laufe der Zeit genügend vermehrt und eine entschiedene Trübung der Kultur hervorgerufen haben, ist die Flüssig- keit zum Gebrauch für den Boden fertig. Das würde jedoch zu lange dauern, und es ist auch schwierig, falls man große Mengen von Samen behandeln soll, das Eintreten von anderen Bakterien, Hefen usw., die alle eine schädliche Wirkung auf das Wachstum der Knöllchenbakterien ausüben können, zu verhindern. Deshalb erscheint es am zweck- mäßigsten, das Wasser auf solche Art vorzubereiten. dal5 es das Wachs- ') U. S. Department of Agriculture, Bureau of Plant Industry, RuUetin Nr. 71. Washington 1905. •^) a. a. O. 8. 37. 3) a. a. O. S. 45 u. f. *) a. ü. 0. S. 87 u. 88. Die Widerstandsfähigkeit d. Wurzelbakterien d. Leguminosen usw. 155 tum des gewünschten Bakteriums hegünstigt und dabei doch das Eindringen jener Formen von außen verhindert. Polglich wurden zwei Pakete von Nährsalzen mit der Wattekultur versandt, eins enthielt Zucker, Magnesium- sulfat und phosphorsaures Kali, das andere Ammoniumphosphat. Durch den Zusatz der ersten drei Bestandteile zu dem Wasser, welches die mit Bakterien getränkte Watte enthält, wird eine Lösung gebildet, welche dem Wachstum der Organismen, die gewöhnlich in der Luft enthalten sind, nicht sehr zusagt, wohl aber der Vermehrung der knöUchenbildenden Bakterien sehr förderlich ist. Der Zusatz von Ammoniumphosphat nach 24 Stunden dient dazu, das Wachstum dieser Bakterien noch weiter zu fördern." Es ist dem noch hinzuzufügen, daß Moore auch die bisher gebräuch- lichen gelatinösen Nährböden, weil zu stickstoffreich, als zur Kultur der Knöllchenbakterien ungeeignet verwirft; auf diesen soll ,,ihr Wachstum ge- wöhnlich mit einer sehr starken Reduzierung der Virulenz verbunden sein" ^). Er will ferner beobachtet haben, daß, wenn die so kultivierten Organismen in den Boden gebracht werden, sie die Fähigkeit verloren haben, sich in die Schwärmerform zu verwandeln, die notwendig ist, um ,,in die Wurzel- haare einzudringen. Sie verlieren gleichfalls die Fähigkeit, den atmo- sphärischen Stickstoff zu binden"^). Moore benutzte deshalb einen Nähragar folgender Zusammensetzung: 1"/^ Agar, 1"/q Maltose, 0,1 ^'/o Monokaliumphosphat und 0,02°/o Magnesinmsulphat auf 100 ccm desti- liertes Wasser. Auf die Mooresche Publikation noch w^eiter einzugehen, muß ich mir hier versagen, ich werde dies an anderer Stelle eingehend tun; die Arbeit gibt schon a priori in vielen Punkten einer scharfen Kritik Raum."^) Welch praktischer Wert aber für uns dem Impfstoft Nitro- 1) a. a. O. S. 27. 2) a. a. O. S. 27. -') Wenn trotzdem eine umfassende Prüfung des Moor eschen Impf- stoffes und Impfverfahrens vorgenommen wurde, so geschah dies deshalb, weil uns schon im Herbst 1904 von einem hervorragenden deutschen Landwirt über ausgezeichnete Erfolge berichtet wurde, die in den Verein. Staaten durch Verwendung dieses Impfstoffes erzielt und von ihm selbst konstatiert worden waren, und weil von Seiten einer amerikanischen Firma ,,National-Nitro-Culture Co." unter einem Riesenaufwand an marktschreierischer Reklame dieser Impf- stoff unter der Bezeichnung ,,Nitro-Culture" den deutschen Landwirten als „die größte Entdeckung des .Jahrhunderts'' zu enormen Preisen mit dem Be- merken angeboten wurde, „daß dieses neue, sichere, leichte Verfahren dürres und unfruchtbares Land ohne stickstoffhaltige Düngemittel und fast kostenlos enorm ertras;fähi2; mache.".' Der deutsche Vertreter der genannten Firma 156 Joseph Simon. Culture innewohnt, das dokumentieren die Ergebnisse meiner während zwei Jahren ( 1905 und 1906) ausgeführten diesbezüglichen Vegetations- versuche. Die Resultate habe ich seinerzeit in einer in der Sachs. Landw. Zeitschrift erschienenen Publikation folgendermaßen zusammen- gefaßt: „Wir haben das Präparat ,Nitro-Culture' einer wiederholten Prüfung bei Bohnen, Erbsen, Saatwicken, Rotklee, Luzerne, Pferde- bohnen und Sojabohnen in Gefäß- und Freilandversuchen unterzogen, welche die vollkommene Untauglichkeit desselben einwandfrei ergeben hat. In den meisten Fällen blieb überhaupt jegliche Impfwirkung aus und nur ganz vereinzelt (bei Gefäßversuchen) war eine geringfügige Förderung einzelner Versuchspflanzen zu konstatieren, die jedoch nicht annähernd an jene heranreichte, die eine Impfung mit den von uns reinkultivierten KnöUchenbakterien ohne Ausnahme im Gefolge hatte, und wie wir sie in solchen Fällen mit absoluter Sicherheit zu erzielen gewöhnt sind. Übereinstimmend wurde dieses Resultat durch die mikroskopische und kulturelle Prüfung bestätigt, bei der nur Schimmel- pilze und indifferente Bakterien, aber keine Wurzelmikroben der Le- guminosen nachgewiesen werden konnten. Es muß daher von dem Ankaufe und der Verwendung des Impfstoffes ,Nitro-Culture' nach- drücklich abgeraten werden." Inzwischen sind auch andernorts Unter- suchungen mit dem genannten Bakterienpräparat ausgeführt worden (Remy, Rüssel, Butz u. a.), sämtlich mit negativen Resultaten, und zahlreiche F'eldversucho haben fast au.snahmslos Mißerfolge gezeitigt. Die weiten Gesichtspunkte aber, welche George Moore leiteten, nämlich einerseits wenn möglich eine Steigerung der Vegetationskraft und Wirksamkeit der Leguminosenbakterien zu erzielen, anderseits eine für die praktische Verwendung des Impfstoffes möglichst geeignete Form zur Anwendung zu bringen, sind ja auch die unseren. Jedenfalls mußte es deshalb notwendig erscheinen, die grundlegenden Vorschläge Kultur von Bakterien auf Agar von anderer Zusammensetzung, Vorsendung der Bakterien in eingetrocknetem Zustande, geeignetes Substrat hierzu Watte, einer objektiven Prüfung zu unterziehen. Diesem Zweck diente zum Teil ein umfangreicher Versuch, dem ich hier jedoch nur wenige Worte widmen will;') in der Hauptsache glaubte seiner Sache so sicher zu sein, daß er sich direkt an das Kgl. Sachs. Ministerium wandte mit der Bitte, den Impfstoff einer Prüfung unterziehen zu lassen. 1) Die Versuchsanordnung und die Resultate sind aus der Zusammen- stellung S, 157 ersichtlich; da diese Mitteilungen nur als vorhäufige zu betrachten Die Widerstandsfähigkeit d. Wurzelbakterien d. Leguminosen usw. 157 Ei'nte-Ti'0(ikeiiftewichte des Widers^andsfälii^keits-Versuches 1907. 1. Teil. Versuchspflauze Pisiiiii sativum. t % ^ Erbsen-Bakterien vom Herbst 190G. Gel. -Kult. •« -g ^ letztemal übergeimpft, 10. -Jan. 1907. | Bakterifiii + Wasser + Ki'd- extrakt einge- trocknet .lUf Wattekugelii Bakterien + Wasser eingetrocknet auf Wattekagelii Seide- fäden Erde- Saiid- Bakt. + aiiieri- kaii. Salz- lös^. einge- trockn. auf Hakt. auf Moore Agar kulti- viert 6em. vvatte ilaiin vom K!. FebriLir bis IT. Juni bei I.ichtabscliluss aufbow.ilu't. -^ 2 -Q rr; tSJ r^ rt <» S 'H i ^t > a w Ä — 1 Cß = ^ a a ^ P Pl^ ^ ^ -^ =S t» _« QJ CM ^ ^ _M 0) „h" si _? ^ ü a ü o CS O a n Q QJ N & ^ Xi 0) ^ ,£! :3 j-> a a ~- O O -H N q I;; O S ü .s N ^ :=: rO cti .5 :3 -Q ::3 « (U _J^ CD o ti o b Co O a Ca a s-, N j_i N aj ^ bfl -ts S &c rn a TS 0) bß W P Versuch 1 2 3 k 5 6 7 8 9 10 // /2 7F n Is" 16 IT 18 19 2 0 2/ 22 23 2'^ 25 26 i 1 1 1 l 1 30 \ 29 \ \ ZB 27 \ \ 26 \, V, 25 ^1 » — \ 23 \ _] — 1 — ^ \ 1 22 v-^ jl 21 ll n 10 / 1 1 1 / \ 1 m 1 n ^^1 16 1 1 - 15 \ ■ 1 1 /« 1 l 1 1 13 -- 1 l -^ ^ / 12 — 1 ^ --*v f^ ^ , S/ \ t 11 \ / \ i V \ w 1 9 1 Die Wurzeln von ileu mit einem Sternchen bezeichnoten Versuchsreihen waren knöllchen- Irei, die übrigen besaCseu sämtlich mehr oder minder zahlreiche Knöllchen. J58 Joseph Simon. strebto derselbe einen zuverlässigen Aufschlufi über die Frage an, inwieweit die Wurzelbakterien der Leguminosen das Eintrocknen und das dauernde oder wechselnde Verbleiben in diesem Zustande vertragen. Das letztere betone ich besonders, denn der Gedanke war nicht von der Hand zu weisen, daß die auf der Watte eingetrockneten KnöUchen- bakterien Moores durch den Transport über den Ozean geschädigt bzw. abgetötet worden seien, daß mit anderen Worten der Wechsel der relativen Feuchtigkeit der Luft auf die vegetativen Formen der Knöllchenbakterien schädigend eingewirkt haben kiuinte. An der Hand der Ergebnisse dieses Versuches weise ich auf folgende Momente besonders hin: 1. Auf den geringen Tuterschied in der Wirkung alter Gelatine- kulturen (Reihe 2. 3, 4, 23). Das völlige Eintrocknen auf gelatinösen Nährböden vertragen die Knöllchenbakterien jedoch nicht (1). 2. Das völlige Eintrocknen auf nährstofffreien Substraten, wie sie Watte- und Seidefäden darstellen, bringt die Knöllchenbakterien restlos zum Absterben (10 — 16). 3. Wird hingegen Bodenextrakt der Bakterienaufschwemmung zu- gegeben und diese dann auf Watte zum Eintrocknen gebracht^ so bleibt Lebens- und Vegetationskraft durchaus erhalten, besonders wenn die weitere Aufbewahrung in ab- solut trockenem Raum geschieht (5— 8). 4. Schnelles Trocknen wirkt nngleich schädlicher als langsame Wasserentziehung. Ein Wechsel in der relativen Feuchtigkeit der Luft wirkt auf die eingetrockneten Knöllchenbakterien schädlich und kann unter Umständen ein völliges Eingehen der- selben im Gefolge haben (7 — 9). 5. Die von Moore angegebenen Nährsalze erscheinen als solche nicht geeignet, ihr Zusatz macht die Knöllchenbakterien gegen Trocknung nicht widerstandsfähiger (19 — 20). 6. Der von Moore empfohlene relativ stickstofffreie Nähragar ist zwar zur Vermehrung der Knöllchenbakterien nicht geeignet; das vorzügliche Ergebnis aber, welches gerade mit den auf diesem Agar entstandenen Bakterien erzielt wurde, läßt es dringend notwendig erscheinen, nach dieser Seite hin objektive Untersuchungen fortzusetzen (21 — 22). sind, muß wegen der Details auf die spätere Veröffentlichung im Centralblatt für Bakteriolo2:ie und Parasitenkunde verwiesen werden. Die Widerstandsfähigkeit d. Wurzelbaktei'ien d. Leguminosen usw. 159 Auf die Bedeutung einiger der in den vorstehenden Ausführungen berührten Momente für die Implmothoden sei in folgendem nochmals zusammenfassend hingewiesen: Bei der Verwendung von Gelatine- bzw. .\garkulturen zur Impfung soll das durch die Zersetzungs- und Stoff- wechselprodukte vergiftete Substrat möglichst nicht Ver- wendung finden. An sich erscheint die Kultur auf gelatinösen Nährböden sonst, sofern sie den Bakterien geeignete Wachstumsbedin- gungen bietet, für die Wirksamkeit derselben als Impf- material von geringerer Bedeutung. Die zwischen Impfung und Infektion bzw. Knöllchenbildung im Boden und in der Pflanze verbrachte Zeit und damit die günstige Beschaffenheit des ersteren und der Gesundheitszustand der letzteren sind von maßgeblicher Bedeutung für die Impfwirkung. Die gelatinösen Nährböden sind für die Isolierung der KnöUchenbakterien nicht zu entbehren: für die Portkultur stellen aber auch geeignete Erde und Erdextrakte (mit Mannit und Traubenzuckerzusatz) ein gutes und 'Unter Umständen besseres Substrat dar. KnöUcheninfuse bilden jedenfalls eine ungeeignete Basis. Das eingehende Studium der normal und auch der unter besonderen Verhältnissen im Boden vorkommenden Mikro- organismen bezüglich ihrer Lebensbedingungen, Lebens- äußerungen und ihrer Wechselbeziehungen zu den KnöUchen- bakterien der Leguminosen erscheint dringend geboten» nächst anderem können dadurch Anhaltspunkte gewonnen werden, um auf Grund einer bakteriologischen Bodenunter- suchung die Ursachen mancher Bodenmüdigkeitserschei- nungen erkennen zu können. Schwefelkohlenstoff ist zwar an sich ein wertvolles Hilfsmittel, das biologische Gleichgewicht im Boden in wirk- samer und für den Anbau von Hülsenfrüchten förderlicher Weise zu beeinflussen, für die Praxis im großen kann der- selbe jedoch nicht in Betracht kommen; die Natur der schädigenden Organismen läßt aber von bestimmten Kultur- raaßnahmen (Schaffung besserer Bodendurchlüftung usw.) und Zwischenbau anderer Kulturpflanzen günstige Wirkung erhoffen. 160 'Joseph Simon, Die Widerstandsfähigkeit der Wurzelbakterien usw. Ein Aufgeben bewährter Impfmethoden, und wenn sie auch für die Praxis gewisse Unbequemlichkeiten besitzen, kann natüriich nur dann in Frage kommen, wenn ein einfacheres Verfahren mindestens die gleichen Erfolge verbürgt. Weit entfernt, auf wenige Versuche hin ein neues Verfahren allgemein empfehlen zu wollen, glaube ich doch, daß die Resultate des letztgenannten Versuches im Verein mit den vor- angegangenen Ausführungen bestimmte Hinweise geben, in welcher Richtung eine Vervollkommnung vielleicht zu erzielen sein wird. B. Heinze. Beobachtungen beim Anbau von Serradella und Lupinen usw. Ißl Einige neuere Beobachtungen beim Anbau von Serradella und Lupinen auf schwerem Boden. Von Dr. B. Heinze, Halle a. S. Mit einer Textfigur und Tafel I— IV. (Ans der bakteriologischen Abteilung der Versuchsstation Halle.) Serradella') {Ornitliopus sativus Brotero) und Lupine^) {Lu- pinus albus L., L. luteus h., L. angustifolius L. etc.) sind bekanntlich beide erst vor wenigen Jahrzehnten — wahrscheinlich von Spanien oder Portugal aus — über Prankreich oder Belgien bei uns in Deutschland wieder eingeführt worden, nachdem man diese Pflanzen sicherlich schon in früherer Zeit verschiedentlich angebaut hatte, die diesbezüglichen Ver- suche aber, und zwar besonders diejenigen mit Lupinen, vollständig fehlgeschlagen waren, Beide Pflanzen sind alsdann in der deutschen Landwirtschaft heimisch geworden und nehmen vielleicht den hervor- ragendsten Platz unter den neueren Kulturpflanzen ein. Ihre eigentliche Domäne ist freilich zurzeit immer noch der leichtere, sandige Boden, wie er gerade in Deutschland, über weite Strecken verbreitet, sich vorfindet. Besonders mit Hilfe der gelben Lupine ist man nunmehr auf trockenem Sande, welcher bisher einer extensiveren Kultur kaum für wert erachtet wurde, tatsächlich in den Stand gesetzt worden, relativ große Pflanzenmassen zu produzieren; und auf sandigem Boden mit etwas mehr Feuchtigkeit, als für Lupinen gerade noch ausreichend ist — insbesondere auf sandigem Lehm — , hat sich die Serradella bald einen guten Platz neben der Lupine errungen. Ebenso wie die ij Sie wird auch Krallenklee oder Vogelfuß, auch großer Krallen- klee, Saatvogelfuß, Sandklee, „Klee des Sandes" und Klauenschote genannt. Ihr Name ist jedoch nach Blomeyer (cf. Die Kultur der landw. Nutzpflanzen, Leipzig 1889, Bd. I, S. 576) keineswegs von Serra da Estrella, wie v. König glaubt (cf. Die Serradella, der Klee des Sandes, 3 Aufl., p. 5), abzuleiten, ferner auch nicht von dem französischen Serre, Klaue oder Kralle, sondern von dem spanischen serrar. sägen, serrado gesägt, gezähnt. Auch gibt es den spanischen Namen Serradilla, Sägekraut. Dies ist nach Blomeyer unsere Pflanze. Vielleicht gibt es aber, wie die Pflanze, so auch das Wort im Portugiesischen, w-o es dann freilich Serradela oder Serradilho heißen müßte. Im übrigen ist sie bei uns neuerdings zuerst wohl von ßimpau oder von Neuhauß wieder kultiviert worden. 2) Diese wird bekanntlich auch Feigbohne oder Wolfsbohne genannt. Jahresbericht der Vereinigung für angew.andte Botanik V. 11 IQ2 ß- Heinze. Lupine ist Serradella als Gründüngungspflanze hoch zu bewerten, sie ist aber mehr als die Lupine zugleich auch eine ganz ausge- zeichnete Futterpflanze. Bezüglich ihres Nährwertes steht sie dem Rotklee annähernd gleich und liefert ein gutes, besonders vom Milch- vieh gern genommenes Futter. Vor allem aber werden durch dasselbe kaum irgendwelche Blähungen hervorgerufen. Auf besseren, schwereren Böden hat man nun früher Serradella und Lupinen wohl schwerlich jemals zu einer auch nur einigermaßen freudigen Entwickelung bringen können, die speziellen Versuche in- dessen wohl auch immer leider zu bald wieder aufgegeben. Nur ganz vereinzelt hat man späterhin auf solchen Böden eine leidlich gute Ent- wickelung beobachtet, und erst neuerdings mehren sich solche Beob- achtungen über besonders günstige Entwickelung der genannten Leguminosen'), nachdem uns die bekannten, im allgemeinen auch immer außerordentlich wirksamen Hiltnerschen Kulturen spezifischer Knöllchenorganismen zur Verfügung stehen. I. Einige weitere Beobachtungen beim Serradella- und Lupinenbau. In den letzten 10 Jahren sind nun auch in Halle, bzw. in Lauchstedt auf humosem Lößlehmboden 2) einige nicht unwichtige Beobachtungen in dieser Hinsicht gemacht worden. 1) Vgl. u. a. hierzu A. Koch, Jahresberichte über die Fortschritte Inder Lehre von den Gärungsorganismen, L. Hiltner, Berichte der Agrikultur- botanischen Anstalt zu München, Lafar, Handbuch der technischen Mykologie, und Arbeiten d. Biolog. Abtlg. d. Kaiserl. Ges. -Amtes 1903. 2) Der hier in Betracht kommende Boden ist ein humoser Lößlehm (diluvialen Ursprungs) bester Beschaffenheit: er ist in der Ackerkrume an und für sich schon nicht kalkarm; sein Kalkgehalt wird aber im Untergrunde recht beträchtlich und nimmt niit größerer Tiefe immer weiter zu, so daß unter dem Lößlehmboden, von 1 m Tiefe ab, ein Lößmergel mit ca. 15 — 18% CaCOj steht. Die mechanische Beschaffenheit, wie auch der ursprüngliche Gehalt an Nährstoffen ist mit Ausnahme der P2O5 ein recht günstiger zu nennen, wie aus folgenden analytischen Daten (für Schlag I) ohne weiteres hervorgeht: Nährstoff ■gehalt Mechanisch e Zusammense 31,5 cm 63,0 cm 31,.T cm 63,0 cm Tiefe Tiefe Sieb- Tiefe Tiefe % % nummer 0/0 «/o Stickstoff . . 0,136 0,091 3 mm — — Phosphorsäure 0,098 0,043 2 0,1 — Kali. . , . . 0,320 0,260 1 0,1 — Kalk .... 0,(330 1,240 0,5 „ 0,2 0,1 Magnesia . . 0,510 0.530 0,2 „ 0,9 1,1 F einsand . . 19,2 25,6 Staubsand . . 64,2 61,7 Abschlämm- bare Teile . 1.5,2 11,4 Beobachtungen beim Anbau von vSerradella und Lupinen usw. 163 Maercker') schreibt im 1. Lauchstedter Bericlite (1898) von einem Achtungserfolg zugunsten einer Nitraginimpfung bei (blauen) Lupinen im Gemenge mit Erbsen, Wicken, Bohnen {Vicia faba) als Stoppelgründüngung, ohne leider damals weitere Versuche über den etwaigen Anbauwert der Lupinen anzustellen (1896). Die Länge der Lupinen betrug übrigens 30 -45 cm ohne Impfung, bzw. 40 — 55 cm mit Impfung. 1903 war alsdann von Herrn Prof. W. Krüger im sog. bakterio- logischen Garten der Versuchswirtschaft Lauchstedt im Anschluß an besondere Gründüngungsversuche in Verbindung mit Brache eine Serra- dellaparzelle mehr außer Versuch angelegt worden, und zwar ohne jedwede Impfung. Diese Serradella, als Hauptfrucht angebaut, hatte einen äußerst kümmerlichen Stand. Auf eine etwaige KnöUchen- bildung ist nun allerdings damals gar nicht weiter geachtet worden; soweit ich mich jedoch selbst auf ihren Stand noch besinnen kann, war dieser wohl ein fast noch schlechterer, als die verschiedenen späteren Anbaue (ohne Impfung, bzw. mit Impfung ohne Impferfolg) in den Jahren 1905, 1906 und 1907; eine Knöllchenbildung dürfte als ausgeschlossen gelten. Auch die Farbe der einzelnen Pflanzen — ein helles, stark ins Gelbe spielendes Grün — war derartig charakte- ristisch, daß eine Knöllchenbildung bei dieser Serradella auch ohne besondere augenscheinliche Feststellung tatsächlich als ausgeschlossen gelten kann. Auch Herr Prof. Krüger hält auf besondere diesbezüg- liche Rücksprache hin die Bildung von Knöllchen bei der von ihm 1903 angebauten Serradella für ausgeschlossen. Ein weiterer Anbau im bakteriologischen Garten erfolgte zunächst nicht. Im Jahre 1905 ist alsdann von Schneidewind und Meyer mit Serradella als Gründüngung (und zwar als Gersteneinsaat) ein recht guter Impferfolg erzielt worden. Die mit Hiltnerschem Kultur- materiale geimpfte Serradellaparzelle entwickelte sich im Laufe des Spätsommers noch recht gut, und gab gegenüber der ungeimpft gebliebenen Parzelle einen bedeutenden Mehrertrag und zwar fas die Eine ähnliche Zusammensetzung zeigen auch die verschiedenen anderen Schläge des Lauchstedter (über 200 Morgen großen) Versuchsfeldes; und das ganze Terrain weist zu Versuchszwecken eine vollauf befriedigende Gleich- mäßigkeit und Beschaffenheit auf (cf. hierzu I. Lauchstedter Bericht 1898, S. 22—24). 1) M. Maercker. Erster Bericht über die Versuchswirtschaft Lauch- stedt der Landwirtschaftskammer für die Provinz Sachsen. Unter Mitwirkung von F. Albert, W. Schneidewind und C. Spallek. Berlin (P. Parey) 1898, S. 161. 11* 164 B. Heiuze. auf 1 ha auf 1 ha D-Ztr. in O/o in kg 10,50 „ 1,79 „ 18,80 „ 22,76 „ 2,54 „ 57,81 „ dreifache Menge Frischsubstanz und ungefähr die doppelte Menge Trockensubstanz, wie aus den folgenden Zahlen hervorgeht: Erntemasse Stickstoffernte (Gesamt = N^ frisch trocken auf 1 ha D-Ztr. Ungeimpfte Serradella . . 27,0 ,. Geimpfte Serradella (Kultur Hiltner) 72,5 „ Weiterhin war also nach den vorstehenden Zahlen der N-Ge- winn durch die Impfung von 18,8 kg auf 57,8 kg gestiegen. Im übrigen hatte die ungeimpft gebliebene Serradella (nach einer größeren Anzahl von Stichproben zu urteilen) keinerlei Knolle hen angesetzt und zeigte die typische helle, gelblichgrüne Farbe; die geimpfte Serradella hingegen hatte durchweg reichlich Knöllchen gebildet und wies eine schöne, dunkelgrüne Farbe auf. Der 1906 angebaute Gründüngungshafer entwickelte sich sehr üppig und zeigte auch immerhin auffallende Unterschiede zugunsten der Impfung; infolge heftigen Unwetters lagerte er sich aber derartig, daß das Ernteergebnis kein genaues Bild über den Wert der Grün- düngung gab. Die nach der Gründüngung gebauten Zuckerrüben zeigten keine besonders auffallenden Unterschiede, wie aus folgenden Zahlen her- vorgeht: Zuckerriihen Kartoffeln Auf 1 ha Zucker auf Auf 1 ha Stärke auf nach D.-Ztr. 1 ha; D.-Ztr. D.-Ztr. % 1ha; D.-Ztr. Mehr- ertrag bß Mehr- ertrag bß bß S-i Mehr- ertrag Ohne Grün- düngung . 352,9 — 17,1 60,35 — 137,5 — 16,2 22,28 — Serradella nicht ge- impft . . ;340,:{ - 12,6 17,1 58,19 —2,16 146,1 + 8,6 16.6 24,25 + 1,97 Serradella geimpft . (Kultur Hilt- ner) . . . 363,0 + 10,1 17,4 63,16 + 2,81 168,2 + 30,7 16,9 28,43 + 6,15 Die Differenz im Ertrage zugunsten der Impfung beträgt ca. 7 — 8"/^. Größer war indessen der Unterschied der Kartoffeln in geimpfter Beobachtungen beim Anbau von Sen-adella und Lupinen usw. ^65 und ungeimpfter Serradella; er betrug 16 — 17 ^/g zugunsten der Impfung (vgl. hierzu VI. Bericht über die Versuchswirtschaft Lauch- stedt der Landwirtschaftskammer für die Provinz Sachsen 1907, von Prof. W. Schneidewind, S. 27 und 36). Bei einem größeren Impfversuche wurde alsdann im Jahre 1906 u. a. Serradella als Hauptfrucht angebaut, aber ohne Erfolg; auch konnte (nach einer wiederholt vorgenommenen größeren Anzahl von Stichproben zu urteilen) weder auf den ungeimpften, noch auf den ge- impften Serradellaparzellen irgendeine KnöUchenbildung beobachtet werden. Alle Parzellen wiesen die typische helle, gelbgrüne Farbe auf und lieferten obendrein auch nur einen recht mäßigen Ertrag. Eine Erklärung für das Ausbleiben des Impferfolges läßt sich nicht ohne weiteres geben 'j; auf alle Fälle war das Hiltnersche Kulturmaterial selbst ausgezeichnet, wie aus der ganzen Entwickelung und dem Ernte- ergebnis der entsprechenden Topfkulturen mit demselben Material zu ersehen war. Es betrug die Ernte von je 3 Gefäßen: (unter sich in den Erntezahlen gut übereinstimmend) g g Bemerkungen frisch trocken Boden nicht sterili- hellgrüne, gelblicheFarbe, siert, ungeimpft. . 142,9 30,3 keine Knöllchen. Boden nicht sterili- dunkelgrüne Farbe, sehr siert, geimpft(Kultur reichlicher Knöllchenan- Hiltner) . . . . . 329,9 65,7 satz. Im Anschluß bzw. in direktem Zusammenhange mit sog. Boden- müdigkeitsversuchen wurde alsdann von mir im vorigen Jahre (1906) im sog, bakteriologischen Garten auf der oben erwähnten alten Serradellaparzelle des Jahres 1903 zum zweiten Male Serra- della als Hauptfrucht angebaut und auf einer direkt daneben gelegenen, gleich großen Parzelle zum ersten Male und zwar in beiden Fällen ohne jedwede Impfung. Für beide Parzellen kommt übrigens für die Jahre 1904 und 1905 dieselbe Vorfrucht, nämlich Roggen bzw. Hafer, in Betracht. Im Jahre 1902 trugen beide Par- zellen ebenfalls dieselbe Vorfrucht (Kartoffeln); 1903 trug die eine Par- zelle, wie oben schon hervorgehoben wurde, zum 1. Male Serradella, die andere Parzelle ein Gründüngungsgemisch in Form von Bohnen {Vicia faba), Erbsen und Wicken. 2) 1) Es läßt sich zunächst nur vermuten, daß Düngungszustand und Art der Bearbeitung, ferner Zeitpunkt der Bestellung und vielleicht auch Witterung und Vorfrucht hierbei einen zuweilen maßgebenden Einfluß ausüben. 2) Anmerkung hierzu s. S. 166 unter ')• • ' jgg B. Heinze. In beträchtlicher Entfernung (ca. 100 m) wurden alsdann (ebenfalls im bakteriologischen Garten) im Anschluß an ältere Bodenmüdig- keitsversuche^) u. a. noch 2 bzw. 4 Serradellaparzellen (doppelte Parzelle und zwar mit teilweiser, später vorzunehmender Behandlung mit CSg als Vorbeugungsmittel bei etwa auftretenden Erscheinungen der Bodenmüdigkeit) angelegt; diese erhielten sämtlich bei der Bestellung eine gleichmäßige Bodenimpfung. Trotz der Impfung des Bodens^) mit Hiltnerschem, (nach verschiedenen Topfversuchen zu urteilen) an und für sich vollauf wirk- samen Kulturmateriale, konnte nun auf diesen letzteren Par- zellen — nach einer großen Anzahl von Stichproben zu schließen — nirgends eine Knöllchenbildung festgestellt werden. Bei dem im allgemeinen recht schlechten Stande der Serradella (mit typisch gelb- grüner Farbe) war allerdings ein anderer Befund auch gar nicht zu er- warten. Was nun die beiden vorher erwähnten, ungeimpften Serra- dellaparzellen anbelangt, so konnte auf der nördhchen Parzelle mit erstmaligem Serradellaanbau, gegen die Nachbarparzelle scharf abschneidend, ebenfalls nirgends eine Knöllchenbildung beobachtet werden, eine Tatsache, auf welche auch hier bereits das ganze Aus- sehen und der Stand der Serradella hindeutete. Ganz anders (im Vergleich zur Nachbarparzelle geradezu üppig) warjedochderStand der Serradellaparzelle mit zweitem Anbau. Sämtliche Pflanzen zeigten ein frisches, dunkles Grün und ihre Wurzeln waren durchweg dicht mit KnöUchen besetzt. Die Ernte betrug ungefähr das Doppelte wie diejenige auf der nördlichen Parzelle mit erstmaligem Serradellaanbau. Es wurde nämlich geerntet: 1) Für diesen Vorversuch im Jahre 1906 ergibt sich also von 1902 ab folgende Fruchtfolge: I. n. Nördliche Parzelle Südliche Parzelle 1902 Kartoffeln Kartoffeln 1902 1903 abgeerntete Gründüngung Serradella (1. Anbau) 1903 (Bohnen, Erbsen, Wicken) 1904 Roggen Roggen 1904 1905 Hafer Hafer 1905 1906 Serradella (1. Anbau) Serradella (2. Anbau) 1906 2) Vgl. hierzu: W. Krüger, Zweck und Einrichtung des Versuchs- feldes für bakteriolog. Untersuchungen. (Landwirtsch. Jahrbücher 1907, Bd. 36, S. 377 u. 381: Versuche über die Ursache der Bodenmüdigkeit.) 3) Eine ausschließliche bzw. gleichzeitige Samenimpfung mit Hiltnerschen Kulturen wurde bei diesem Versuche absichtlich nicht vorgenommen. Beobachtungen beim Anbau von Serradella und Lupinen usw. \Q'J an Frischsubstanz an Trockensubstanz (abgeerntete oberirdische p^o jqO qm (oberirdische Masse) Masse) ohne Stoppeln auf der nördlichen Parzelle {\. Anbau) 196,3 kg 48,4 kg, hingegen auf der südlichen Parzelle (2. Anbau) 406,0 „ 94,4 „ Der N-Gehalt der abgeernteten oberirdischen Masse betrug bei Serradella 1. Anbau (ohne Knöllchen) I,20°/o, „ Serradella 2. Anbau (mit Knöllchen) 2,26 °/n und demnach die Gesamt-N-Brnte pro 100 qm bzw. pro ha bei Serradella 1. Anbau (ohne Knöllchen) 0,571 kg 57,0 kg') „ Serradella 2. Anbau (mit Knöllchen) 2,133 „ 213,0 „ ') Hierbei ist allerdings der N-Gehalt der Wurzeln und der Stoppeln ^) noch unberücksichtigt gelassen. Auf alle Fälle dürfte dieser Ertrag an organischer Masse und besonders an N bei Serradella auf schwerem Boden (wenn sie auch hier zunächst allerdings als Hauptfrucht und nicht als Einbau- oder als Stoppelfrucht angebaut ist) doch wohl zweifellos schon ein recht bedeutender zu nennen sein. Dieser Versuch wurde nun im Jahre 1907 in verschiedener Hin- sicht erweitert fortgeführt und gleichzeitig kontroUiert. Zunächst möge indessen bezüglich des oben erwähnten CSg-Ver- suches nicht unerwähnt bleiben, daß hier 1907 merkwürdigerweise sämtliche 4 Parzellen mit 2. Serradellaanbau keine großen Unterschiede im Ertrage aufwiesen, obschon der CSg bereits im Herbst gegeben deutlich ungünstig auf die KnöUchenbildung eingewirkt und der CSg im Frühjahr einige Wochen vor der Bestellung gegeben, die KnöUchen- bildung sogar fast ganz verhindert hatte. Die Erträge selbst hielten sich weiterhin auffallend niedrig. Auf alle Fälle konnte bisher in Lauchstedt im Gegensatz zu anderweitigen diesbezüglichen Beobach- tungen nicht die geringste ertragsteigernde Wirkung des CS2 auf die verschiedensten Leguminosen festgestellt werden, wohl aber bei anderen Früchten.'') Nach den näheren Mitteilungen 1) Diese N-Mengen entsprechen ungefähr 3,7 D.-Ztr. bzw. 13,3 D.-Ztr. Ei- weiß oder einer eventuell ebensogroßen Zufuhr an Salpeter pro ha; d. i. also eine Steigerung über 300%. 2) 1906 ist es leider verabsäumt worden, auch das Wurzelwerk auf seinen N-Gehalt hin zu untersuchen. Nach späteren Beobachtungen und Unter- suchungen würde sich hier alsdann die Gesamt-N-Ernte noch um ca. 6 bis 8 kg bzw. 22 — 24 kg (beim 1. Anbau bzw. 2. Anbau) erhöhen. 3) Einiges mag jedoch in Kürze auch in diesem Berichte über die Be- deutung des CSg für Bodenorganismen und Pflanzen Wachstum er- ■[QQ B. Heinze. über die Ursachen dieser Erscheinung durcli Herrn Dr. Stornier') und nach meinen früheren speziellen Mitteilungen^) braucht hier nicht weiter darauf eingegangen zu werden. Die weiteren Leguminosenversuche^) wurden nun in diesem Jahre derart angestellt, daß Serradella einmal zum 3. Male, dann aber auch wähnt werden, zumal es nach all den bisherigen Versuchen, welche von ver- schiedener Seite über die Wirkung des CSg auf das Pflanzenwachstum angestellt worden sind, schon jetzt kaum noch einem Zweifel unterliegen dürfte, daß dieser Stoff (wofern man nicht späterhin vielleicht überhaupt vor- teilhafter CSa-Derivate oder billige andere, in ähnlicher Weise wirkende Stoffe wird anwenden können) allmählich auch mehr und mehr praktische Bedeutung für die Landwirtschaft gewinnen wird. Nach mannigfachen Versuchen wird nämlich durch eine CSg-Behandlung vielfach eine recht bedeutende Ertrags- steigerung bei Getreide, ganz besonders aber auch bei Hackfrüchten hervor- gerufen, und zwar nicht nur auf schwerem Boden, sondern in hervorragendem Maße auch auf leichten, sandigen Böden. Nach unseren gegenwärtigen Kenntnissen in der CS^- Frage und auch nach meinen speziellen, in Gemeinschaft mit den Herren Dr. Dr. Huf läge, Rahn und John angestellten Versuchen und Beobachtungen bei einer CS.^- Behandlung des Bodecs kommen nun hauptsächlich folgende zwei Punkte zur Erklärung der CS^-Wirkung in Betracht, nämlich einmal eine bald mehr,, bald weniger weitgehende Aufschließung von Mineralstoffen (infolge der Bildung von organischen Säuren wie auch von etwas H2SO4 durch Oxydation von CSjj) dann aber vor allem eine N- Wirkung. Es erfolgt zunächst zwar eine zeitweise, auffallende Unterdrückung der Salpeterbildung, nicht aber der Ammoniakbildung; letztere wird vielleicht sogar im allgemeinen immer gleich kurz nach der Behandlung eine gewisse Steigerung erfahren. Auch eine zeitweise Begünstigung der N-Assimilatio nsvorgänge durch Organismen, besonders durch Azotobakter, kommt zweifellos in Betracht. Vor allem aber muß schließlich auch noch eine vermehrte Auf- schließung von Bodenstickstoff zum großen Teile in Form von niederen Pflanzen- und Organismenzellen durch größere CS^-Mengen berücksichtigt werden: N-haltige Substanzen wie auch mineralische Stoffe können aus den durch CS.^ abgetöteten Organismen und niederen Pflanzenzellen leichter und in beträchtlicheren Mengen austreten; die aus den Zellen in die Umgebung (ins Bodenwasser) diffundierten N- Verbindungen können relativ leicht nitrifiziert werden und infolgedessen überhaupt zu einex* später in verstärktem Maße einsetzenden Nitrifikation beitragen. Vgl. hierzu die ersten diesbez. Mitteilungen von W. Krüger und ß. Heinze in den Landw. Jahrbüchern: „Über das Wesen der Brache, I", ferner die Mitteilungen von B. Heinze in Zentralbl. f. Bakt., Abt. II, 1906 u. 1907, von K. Störmer in diesem Jahresberichte sowie von Loew u. Aso (Zentralbl. f. Bakt., Abt. II, 1908, Bd. 20, S. 47, bzw. Bulletin of the College of Agriculture, Tokyo Imperial University Vol. VII, Nr. 3, 1907). ') Vgl. diesen Jahresbericht S. 113. 2) Centralbl. für Bakteriologie u. Parasitenk., Abt. 11, Bd. XVI und XVIII, 1906 und 1907. 3) Siehe S. 169 u. 170. Beobachtungen beim Anbau von Serradella und Lupinen usw. 169 Plan I. Anbauversuche ohne jede Iiiipfuii^ 1906—1907 von Serradella und o— }— w Lupinen ohne und mit Leguminosenvorfrucht ^ im sogenannten bakteriolog. Garten der Versuchswirtschaft Lauchstedt. ■z 1902 ?3 ! Ä Kartoffeln 1902 1 1903 [<• 190() l^> 1900 ^ •^ [>• 1906 * 's Serradella 1903 '■9 o CS Serra- ^H della Tcf ^H Serradella a ä 1— 1 della « Roggen 1904 1905 c ^ ^ ■^ Hafer 1905 1902 ? ! %> ^ Kartoffeln 1902 0) 1906 « s? « 1906 "" s ■% 1903 f. « J| l>- 1906 ^ !>. * Gründüngung 1903 :3 o Serra- i "W o CS Serra- es < (abgeerntet) "t 1904 vH iH Serradella a 1—1 £- Roggen 1904 o > 1905 della C ^ della 'H Hafer 1905 1902 S « CS Kartoffeln 1902 D « ■-^ ^.^ -u '^ ^ ^^ MM ij ■% 1903 r« 190(i - ii l>. 1906 ^ l>» 1906 a^ Senf 1903 'S 1904 O CJ 1— 1 Bohnen ._ a Bohnen -s o 1—1 Bohnen CS (abgeerntet) Roggen 1904 O — — ^ 0 Sh ^ ^ 1905 -a ^ CZ! Hafer 1905 1902 ^ « CS Kartoffeln 1902 OJ ^— . « M— ^ , V' ^ M— s 1 1903 r>. 190(5 _ 'S l>» 1906 ,:aj t>. 1906 « rt ^ Gründüngung 1903 :3 O .— ö 1 o ^r' 'w c -t 1904 1— 1 Senf _ <1 CS 1-H Senf s CS 1-H Senf CS <] Roggen 1904 o > 1905 ö — < s ». ^ -J ^ Hafer 1905 1902 e «> CS Kartoffeln 1902 (D --^ a> MM .—V -4-9 * ^ MM ^ -% 1903 !>• 1906 [>« 1906 ^ r- 1906 « Ä ^ Kartoffeln 1903 :S o ■^^ © -Ö a 1 1904 iH Senf "2. < 1— 1 Senf B CS 1-H Senf CS -< Roggen 1904 o > 1905 p— ^ ä Si ^ -3 :S a.) Hafer 1905 NB. 1908 Fortsetzung dieser Versuche unter besonderer Berücksichtigung, dass auf Lupinen wieder Lupinen, z. T. aber auch Serradella und umgekehrt nach Serra- della wieder Serradella, z. T. aber auch nach Serradella wieder Lupinen — wie 1907 — folgen (cf. auch Plan IIj. 170 ß. Heinze. Mittelweg ' g Jede Parzelle 2 V» in bi-eit, , ^< 20 m lang ='50 qin ><7.5 m; nacli der Bahuiiaterführung "Bf — y 1906: Vorfrucht Kartoffelu. ^ 3 •5 5^ o§. o 5B — I > 3 t» >< o_ O"? ro » 3 *^ S CD ^O >? 00 S2 5'='« ' 3 ^ CR " Oo ^ r» 5 S =" B ^B O- *^ (K ■- S.B O SO t/3 &-3 ^ CO 2 o. to P 1 IIa D 85 - * S5 P. t7 " Ol 51-1'= ^ o «... 15 S-^-'B ffiT. _?-^ 2 W 5 5 «» ■-' -B 2 cß — ^ ffi S Versuche 1906: Ohue Impfung geblieben 1907 1906: Vorfiucht: Kartoffeln > ^ o" 3 s S! P rt- 0. Ol w Kl <=> 1 CT 1 1 <: w M IM 5 ^ CO ? g ^ t-l t-^ P Ä P SS p B Ol p 0 a>' a P' 0) "^ P *:3 >-« B td ►1 0 ^ g 3 B CP B ■-D >-! & Ol a B P^ *^, C p' P" 0 P- P tu p- c P B 0 N g X X X X P CO i-' — M. g" o o o o 'S II II II II O ;^J CT o ►-»• o CT o o S 3 ^ 9S B ■ 5- D ■2 2. cn? er? ►i >> £•« hd £, g P- B B N B w s- »3 er ?= a> P N SS p. 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In den nicht sterilisierten Töpfen, welche mit Lauchstedter Serradellaerde (2. Anbau) geimpft waren, kam es auch zu einer auffallend beträchtlichen Mehrernte gegenüber den un- geimpft gebliebenen. Wenn erst -i — 6 Wochen später geerntet und die warme Herbstwitterung noch genügend ausgenützt worden wäre, so würden diese Töpfe den mit Kultur Hiltn er geimpften Töpfen im Ertrage (gesarate Pflanzen- masse und Gesamt-N-Ernte) wahrscheinlich wenig nachgestanden haben. Eine schwache Infektion (wenige große Knöllchen) wurde auch in den nicht sterilisierten, ungeimpftenTöpfen beobachtet, während die ungeimpften sterilisierten Töpfe sämtlich keinerlei KnöllchenbiJdung aufwiesen. Die Pflanzen standen durchweg sehr kümmerlich und zeigten sämtlich die typische, gelblichgrüne Farbe als Zeichen der nicht eingetretenen oder einer nicht genügend starken Infektion. Bei allen anderen Töpfen mit reichlicher Knöllchenbildung war die Farbe der Pflanzen durchweg schön dunkelgrün und ihr Stand ein geradezu üppiger zu nennen. Zur besseien Übersicht sind in einer besonderen Tabelle (Nr. 2) zu den direkt gefundenen Zahlenreihen (Erntezahlen, N-O/ß-Zahlen usw.) auch noch weitere „relative Zahlen" hinzu- gefügt, welche angeben, wie groß die geernteten Trockensiibstanzmassen und die Gesamtstickstoflernten sind, wenn die 'entsprechenden Zahlen für die un- geimpft gebliebenen, sterilisierten Töpfe ^= 100 gesetzt wird. Danach erhält man in den günstigsten Fällen die 41/2 bis ca. Sfache Ernte an Pflanzenmasse und die ca. 1'^ '/a bis 22^/2fache Ernte an Gesamt-N (bei Verwendung von Lauchstedter Serradellaerde bzw. von H i 1 1 n e r s c h e m K u 1 1 u r m a t e r i a 1). Tabelle IL Serradellakiiltnreii (Gesamternte 1907 an Trockensubstanz und an N, und relative Zahlen). (Impfversuch in Töpfen; cf. Tabelle I.) Art der Impfung (Nummer) (91—93); (85—87) nicht geimpft (94-96); (88—90) mit Knltnr Hiltner geimpft (um— IU8); ( — ) mit Sandboden iSer- radellaerdc) geimpft (97— yy): (loO— lUüj mit Boden Laacli- stcdt (Löfslehm, Ser- radellaerde) gelmitft Gesamte Pflanzenmasse von 3 sterilisiert Töpfen 14.1 99,7 14,4 23,3 O- CD 73 100 70"i 102 l().5 von 3 nicht steri- lisiert. Töpfen *j *j _a g er qj Cß '-" '3t' 22 1(50 109,2 ()1.8 438 Gesamte Stickstoffmenge von 3 sterilisiert Töpfen 0,144 0,316 0,r)92 ■^ tf -S S X d) •5 -^ bß * •.- (~, ä *J r-H Ö --ß II 100 2,986 ; 2074 219 411 von 3 nicht steri- lisierten Töpfen 0,404 3,255 1 ,928 S^2 ^ 3 X II 280 2260 1339 Beobachtungen beim Anbau von Serradella und Lupinen usw. ^75 Auf alle Fälle tritt bei dem hier erörterten Topfversuche (und zwar in auffallendem Gegensatze zu den noch zu besprechenden und mit demselben Kulturmateriale angestellten Feldversuchen) die Überlegen- heit der Hiltnerschen Kulturen gegenüber der Anwendung von Lauchstedter Serradellaboden als Impfstoff sehr deutlich hervor. Bei später vorgenommener Ernte würde allerdings bei der äußerst günstigen Witterung des Jahres 1907 sehr wahrscheinlich ein ziemlich weitgehender Ausgleich zu beobachten gewesen sein. Weitere Versuche sollen u. a. auch unter Verwendung von Erbsen-, Bohnen-, Kleeboden, besonders aber von Lupinenerde und zwar nicht nur mit schwerem Boden, sondern auch mit leichtem, sandigen Boden als Impfstoff gemacht werden, und diesen sollen sich schließlich noch Impfversuche bei Lupinenkulturen u. a. mit verschiedenen Leguminosenerden, besonders aber mit Serradellaerden (mit schwerem Boden und mit Sandboden) anschließen. Erst dann wird man aach hier mehr Klar- heit über die geeignetsten Bedingungen für eine reichliche Knöllchen- bildung und für die Knöllchenbildung überhaupt gewinnen können. Über die Ergebnisse der oben erwähnten Freilandversuche möge folgendes berichtet werden: Bei den Versuchen ohne Impfung (im sog. hakt. Garten, cf. Plan I, Paiz. ca. 20 qm groß) wurde beim erstmaligen Serradella- anbau weder nach Senf noch nach Bohnen (als Vorfrucht) eine Knöllchen- bildung beobachtet, ebensowenig bei den entsprechenden Lupinenkulturen. Eine reichliche Knöllchenbildung war jedoch durchweg bei den Serradellapflanzen derjenigen Parzellen eingetreten, welche Serra- della zum zweiten und dritten Male trugen; ebenso waren überall viel KnöUchen bei denjenigen Lupinen vorhanden, welche nach 1. und 2. Serra- dellaanbau standen, mit dem immerhin auffallenden Unterschiede, daß die Knöllchenbildung bei den Lupinen auf der Parzelle mit 2. Serradella- bau besonders schön und fast regelmäßig auch an den Pfahlwurzeln der einzelnen Pflanzen und zwar als mantelförmige Umlagerung zu beob- achten war. Auf Tafel L kann man diese Knöllchenbildung gut verfolgen. Die Serradella- und Lupinenpflanzen ohne KnöUchen hatten durchweg die typische gelblich-grüne Farbe, während die Pflanzen mit KnöUchen in reichlicher Zahl immer schön dunkelgrün waren. (Vgl. Taf. IIu.III.) In- folge der günstigen warmen Herbstwitterung entwickelten sich die stehen- gelassenen Serradellapflanzen mit KnöUchen noch um ein beträchtliches Stück weiter, waren teilweise im bakteriologischen Garten außerordentlich buschig und wurden durchschnittlich bis zu 1 m hoch, so daß der Unter- schied gegenüber den sich nur wenig weiter entwickelnden Pflanzen ohne KnöUchen ein sehr großer wurde. (An der Obstplantage wurde die Serradella sogar 125 — 135 cm hoch, allerdings weniger buschig.) Die Aufnahme der Serradellapflanzen (Tafel II: 1. Anbau und 3. Anbau) ist schon ziemlich zeitig gemacht worden (Anfang Juli), so daß leider in ihr die späteren auffallenden Größenunterschiede nicht hervortreten. 176 B. Heinze. Ä l"" ET EJ'ä 2.B er r^ P o- 313.-. p ^ t^ US 10 "bo "-3 "so t« >% u< ^ Wurzeln eiu- =* schl. Stoppel Abgeerntete '^ oberird. Masse Wurzeln ein- schl. Stoppel Abgeerntete ■^ oberird. Masse tS H-i O Wurzeln (Stoppel) Od M^ LO Oberird. Masse t-* 10 H- G(C t« »3 ^ Wurzeln ein- ^ schl. Stoppel ,j- Abgeerntete " oberird. Masse ^ CO o o' £ ^' o 5' ►, p-g la- s'S £• K»l o 2 2 ' B öS P' * jr^ CC^ P 7: es W 3 2. '^ ö c « P Hj..»« B.^ g.5 ® " 1^ ^p^?»H^e O o B •— Ül S^p'^ 2. <» 5' £. p t=^ B crp :!, CCp Wo' a> p n P- ►1 r: B CD p p- Jj; ST" -P -5 C/3 3 P^„ » "^ T? C p ■J ^_ r P " "'S» a> er- ® "1 5> ^ ffl ^ "^ * P 1 ■ 2. t^ ^ 3 B ^ >=:.5g£:c 2 o'g'S'i'g-g.'n! 9= T

5 |f 1 M g B •3 P p « CT!) B ^T" a> ' '—2 i'jq'cD d B 2 2- Beobachtungen beim Anbau von Serradella und Lupinen usw. 177 Die speziellen Ernte- und Stickstoffzahlen finden sich ausführlicher in den Anhangtabellen IV und V zusammengestellt; über die hier in Betracht kommenden wichtigsten Daten, insbesondere auch über die N-Bilanz für die extremen Fälle, gibt jedoch schon die Tabelle III nähere Auskunft. Es wurde nämlich beim 3. Serradellaanbau ungefähr die drei- fache Menge Grünmasse und die ca. 2 '/2 fache Menge Trockensubstanz (461 DZ. bzw. 71 DZ.) geerntet wie beim erstmaligen Anbau nach Senf bzw. nach Bohnen (1.52 DZ. bzw. 29 DZ. pro ha). Etwas weniger groß sind die Differenzen bei den entsprechenden Lupinenkulturen, nämlich im Minimum 335 DZ. und 56,9 DZ., im Maximum 542 DZ. und 95,2 DZ. (cf. auch Plan I S. 169). Der X-Ertrag ist bei Serradella von 52 kg pro ha (im 1. Jahr nach Senf bzw. Bohnen), davon 6 kg Wurzel-N, auf 217 kg pro ha (im 3. Jahr), davon 22 kg Wurzel-N, gestiegen; weniger stark stieg derselbe bei Lupinen, nämlich von 112 kg pro ha (nach Senf bzw, Bohnen), davon 8 kg Wurzel-N, auf 226 „ „ „ (nach Serradella, 2. Anbau), „ 28 „ „ Wie ein BUck auf die zusammenfassende Tabelle 3 ohne weiteres zeigt, dilTeriert der N Gehalt der Serradella und Lupinen mit und ohne Knöllchen nicht nur in bezug auf die Wurzeln, sondern auch in bezug auf das Kraut ziemlich bedeutend; aber auch die Stoppeln (wenn Wurzeln und Stoppeln getrennt bestimmt und untersacht werden) weisen noch nennenswerte Unterschiede auf.. . .. . - - , ... . Es betragt der N-Gehalt der Wurzeln; derStoppeln; des Krautes bei Serradella 1. Anbau (ohne Knöllchen) . . . 1,32" o l^Oß^/o l,860/o bei Serradella 3. Anbau (mit Knöllchen) . . . 3,44% lJ3"/o 3,030 q bei Lupinen 1. Anbau (ohne Knöllchen, nach Senf usw.) ..... L030/o 0,86% 2,040/o bei Lupinen 1. Anbau (mit Knöllchen, nach . . .. ■ r : Serradella) 2,03 o/q 1,22 "/o 2,43 o/o Im übrigen enthielten Serradellawurzeln (nach Abnahme der Knöllchen) 1,52 "|o N' d. i. ca. 10°/o Eiweiß; Serradellaknöllchen selbst (abgelöst) 7,12''/o N, d. i. fast 50°/o Eiweiß; Lupinenwurzeln (nach Abnahme der Knöllchen) 0,99 °/o N, d. i. ca. 6— 8°/o Eiweiß; Lupinenknöllchen selbst (abgelöst) 6,18°/o N, d. i. ca. 40^/0 Eiweiß in der Trockensubstanz. Durch diesen Versuch wird nun vor allem die neuere Miltner sehe Auffassung gestützt, nach welcher Serradellaorganismen und .Jahresbericht der Vereinigung für angewandte Botanik V. 12 178 ■^' Heinze. Lupinenorganismen sich seiir nahe stehen bzw. identisch sind.') Weiterhin spricht dieser Versuch allem Anscheine nach auch für die von Hiltner neuerdings vorgenommene Trennung der Leguminosen- organismen in vorläufig zwei Arten. Ganz ähnliche Resultate wurden alsdann bei einem größeren Frei- landversuche (Parz. 100 qm groß cf. Plan II) gewonnen; durch diesen wurden die vorstehenden Resultate und Beobachtungen zugleich kon- trolliert und im allgemeinen bestätigt. Es wurde nämlich keine Knöllchenbildung beobachtet bei Serra- della ohne Impfung nach Kartoffeln, Hafer, Erbsen und Bohnen, wohl aber vereinzelte, und vor allem eine nur geringe Knöllchenbildung bei Serradella ohne Impfung nach Luzerne. Außerordentlich reichliche Knöllchenbildung war indessen zu beobachten bei Serradella ohne Impfung 1907 nach Serradella (1906: ungeimpft und geimpft ohne Erfolg). Hiermit war auch wieder eine beträchtliche Mehrernte verbunden, nämlich (wie die ausführliche Tabelle VI und die zusammenfassende Tabelle III zeigen) pro Parzelle (100 qm): 490,0 k/s^ frische Pflanzenmasse (72 kg Trockenmasse) gegenüber 285,0 „ „ ,, (44 „ „ ) nach Hafer, 284,8 „ „ „ (42,7 „ „ ) „ Kartoff., 268,0 „ „ „ (— „ „ ) „ Erbsen, 226,0 „ „ „ (37,0 „ „ ) „ Bohnen. Auch Serradella nach Luzerne lieferte auffallend hohe Erträge. Dies erklärt sich jedoch zum Teil dadurch, daß die Luzerne nach dem Abernten stark nachgewachsen und dieselbe vor dem Pflügen nicht erst nochmals geschnitten, sondern mit untergebracht worden war. Auch der N-Ertrag differiert gewaltig und beträgt im Minimum pro ha 74 kg (nach Bohnen), „ Maximum „ „229 „ ( ,, Serradella [2. Anbau]): cf. Tab. IIL Auf den Parzellen 19, 36 und 37 mit 1. Serradellaanbau unter An- wendung des Hiltnerschen Kulturmateriales ist schließlich im Berichts- jahre zwar noch reichliche Knöllchenbildung zu beobachten gewesen, aber die Infektion ist, wie Tabelle VI des Näheren zeigt, erst ziemlich spät erfolgt; infolgedessen ist es auch bis zu dem allerdings etwas früh- zeitigen Erntetermine zu keiner nennenswerten Mehrernte gekommen. Schwach gewirkt hatte alsdann bei erstmaligem Serradellaanbau ohne nennenswerten Mehrertrag eine Bodenimpfung mit Serradella- erde und zwar mit Sandboden; auffallend stark hingegen hatte eine ebensolche Impfung gewirkt, bei welcher Lauchstedter Serra- ') Vgl. hierzu Hiltner und Stornier (Arbeiten der Biologischen Ab- teilung d. Kaiserl. Gesundheitsamtes. Berlin 1:]08). BeobachtuDgen beim Anbau von Serradella und Lupinen usw. 179 dellaerde (2. Anbau ans dem bakteriologischen Garten) verwandt wurde. Es wurde nämlich an Serradella geerntet pro Parzelle (100 qm) an Frischmasse; an Trockensubstanz bei Serradella 1. Anbau ungeimpft 285 kg 44 kg (nach Hafer) bei Serradella 1. Anbau ungeimpft 284 „ 43 „ ( „ Kartoffeln) bei Serradella 1. Anbau ungeimpft 226 „ 37 „ ( „ Bohnen) bei Serradella 1. Anbau geimpft mit Serradellaerde (Lauchstedt) 446 „ 69 „ ( „ Kartoffeln) Weniger gut war der Erfolg bei Verwendung von Lauchstedter Boden als Impferde, auf welchem Serradella erst einmal stand. Der ganze Stand und das Aussehen der Pflanzen war jedoch ein ähnlicher wie bei den oben erörterten Serradellakulturen des bakteriologischen Gartens. (Vgl. auch die heigegebene Tafel II.) Im Gegensatz zu dem oben erörterten Topfversuche zeigten nun diese Versuche für Lauchstedter Boden merkwürdigerweise eine voll- ständige Überlegenheit der Impferde gegenüber dem an sich vollauf wirksamen Hiltnerschen Kulturmateriale. Im übrigen geht wohl unzweideutig schon aus den bisherigon Versuchen eine allmähliche Anpassung der im Boden vorhandenen KnöUchenorganismen, der sogenannten Bodenformen, an Serra- della, wie auch weiterhin an Lupinen hervor. Die Lupinenkulturen (blaue Lupinen) ohne Impf an g standen im allgemeinen ähnlich wie die entsprechenden Serradellakulturen. Nach vielfach vorgenommenen Stichproben war in allen Fällen bei Lupinen nach Erbsen, Bohnen und Kartoffeln keine Knöllchenbildung zu beobachten; der Stand war ziemlich kümmerlich, die Lupinen er- reichten im allgemeinen nur eine Höhe von 80-- 95 cm; nach Kar- toffeln standen sie durchweg ein wenig besser; die Farbe war typisch gelblichgrün. Ausgezeichnet standen jedoch die Lupinen mit schön dunkel- grüner Farbe und durchweg sehr reichlicher Knöllchenbildung nach Serradella als Vorfrucht da (cf. Plan II, Parzelle 17, 18 sowie die Tabellen III, VI und VII und die Tafeln III und IV). Ihre Höhe betrug im Maximum 120 — 122 cm. Fast gleich gut standen auffallenderweise die Lupinen nach Luzerne [ebenso wie oben Serradella') nach Luzerne] ohne jedoch viel und regelmäßig Knöllchen angesetzt zu haben. 1) Übrigens besteht nach verschiedenen, anderweitigen Beobachtungen bekanntlich eine weitgehende Unverträglichkeit der Serradella mit Klee (Rot- klee). Für Lauchstedter und ähnliche Bodenverhältnisse konnten allerdings noch keine besonderen Beobachtungen darüber gemacht werden, ob Serradella und Rotklee tatsächlich zwei miteinander sehr unverträgliche Pflanzen sind. Ebenso hegen noch keine Beobachtungen darüber vor, in welcher Weise 12* 180 B. Heinze. Die mit Kultur Miltner geimpften Lupinen hatten zwar ziemlich reichlich und fast regelmäßig KnöUchen angesetzt; indessen ist auch hier (wie oben bei der Serradella) die Infektion erst relativ spät erfolgt, und infolgedessen ist es auch zu keinem nennenswerten Mehrertrage gekommen. Die Erträge an Grünmasse usw. und vor allem an N zeigen bei Lupinen nicht die großen Unterschiede ■ wie bei Serradella, was wohl zum Teil darin seinen Grund haben mag, daß Lupinen tiefer wurzeln und sich so u. a. auch etwas mehr Bodenstickstoff zunutze machen können. Der Ertrag war pro ha an Frischmasse, an Trockensubstanz im Minimum 322 kg 49,4 kg (nach Erbsen) im Maximum 508 „ 76,0 ,, ( ,, Serradella Der N-Ertrag ist von 75 kg (nach Erbsen) auf 202 kg pro ha (nach Serradella) gestiegen. Näheres über die Ernte, Knöllchenbildung und den N-Gehalt ') des Krautes und der Wurzeln findet sich in der zusammenfassenden Tabelle III sowie in den anhangsweise beigegebenen, ausführlicheren Tabellen VI und VII. Im übrigen mag hier nicht unerwähnt bleiben, daß die in den 1907 angebauten blauen Lupinen in größerer Anzahl vorhandenen weißen Lupinen auf den einzelnen Parzellen ebenso gut standen, wie die blauen und vor allem auch ganz die gleichen Unterschiede bei verschiedener Vorfrucht aufwiesen. Auch vereinzelt vorhandene gelbe Lupinen (ca. 20 Stück pro Parzelle) waren auf den Serradellaparzellen trotz des relativ hohen CaCOg-Gehaltes des Bodens recht gut entwickelt und bei reichlicher Knöllchenbildung im allgemeinen bis zu 85, ausnahmsweise sogar bis zu 90 cm hoch geworden, während dieselben nach Erbsen, Bohnen, Kartoffeln, Senf keine Knöll che n angesetzt hatten und im allgemeinen sich Lupinen nach Rotklee entwickeln, vor allem auch, wenn dieselben bald zum zweiten Male angebaut werden, ferner, wie umgekehrt einige Jahre oder gleich nach Lupinen der Rotklee gedeiht. Beim erstmaligen Anbau von Lupinen und Serradella nach Rotklee dürfte wohl auf Lauchstedter Boden die Entwickelung zunächst ebenso kümmerlich werden, wie bisher nach Erbsen oder Bohnen als Vorfrucht. ') Aus besonderen Gründen, vor allem, um das Tabellenmaterial für den vorliegenden Bericht nicht zu umfangreich zu gestalten, wurden die ausführ- licheren N-Zahlen über Kraut, Stoppeln und Wurzeln (Zahlen über N-Gehalt und über die N-Bilanz;, ebenso die Erntezahlen über Wurzeln und Stoppeln hier fortgelassen. Im allgemeinen sind die N-Zahlen bei Serradella und Lu- pinen nach Kartoffeln, Hafer und auch nach Leguminosen (wie Erbsen, Bohnen, ausgenommen Luzerne) annähernd gleich hoch und bedeutend niedriger, als nach derselben Vorfrucht oder wenn Lupinen nach Serradella standen. Es wurden ähnliche Zahlen gefunden, wie sie in Tabelle III, IV und V und für die einzelnen Vorfrüchte zusammengestellt sind. Die Zahlen werden erst später anderweitig- bekannt gegeben. Beobachtungen beim Anbau von Serradella und Lupinen usw. 181 aach nur wenig mehr als 50 cm hoch geworden waren (cf. hierzu die entspr. Tafeln III und IV). Durch die vorstehenden weiteren Versuche wird also selbst für schwerere Böden wieder bestätigt, daß nach Hiltner(s. oben) Serradella- und Lupinenorganismen sich sehr leicht vertreten können. Freilich sind auf Lauchstedter Boden noch keine Versuche gemacht worden, bei denen nach erstmaUgem Lupinenbau Serradella angebaut wurde. Diese wird sicli jedoch — nach anderweitigen Erfah- rungen auf Sandböden — im nächsten Jahre zweifellos auch hier nach Lupinen bei reichlicher Knöilchenbildung recht gut entwickeln. Zur näheren Orientierung über die Ernte, wie vor allem auch über die äußerst wichtige N-Frage bei den soeben erörterten Serradella- und Lupinenkulturen, können nur ausführhchere Tabellen dienen, welche deshalb hier zum Teil noch anhangweise') beigefügt worden sind. Über den Gesamt-N-Gehalt der besprochenen Leguminosenböden, also über eine ev. kleinere oder größere Zunabme an Gesamt-N, sowie vor allem u. a. auch über die Aufschließung von Bodenstickstoff, also über den Abbau N-haltiger Substanzen, insbesondere über Ammoniak- und Salpeter- bildung haben bisher erst einige wenige A'^orversuche angestellt werden können. Die Versuche werden fortgesetzt und die Ergebnisse später bekannt gegeben werden. In den Knöllchen der Serradella, seltener bei Lupinen, wurden übrigens neben den spezifischen Knöllchenorganismen fast regelmäßig auch Clostridien- und Plektridienorganismen angetroffen.^) Über diese Organismen, wie auch besonders über die spezifischen Knöllchenorganismen, wird jedoch erst später etwas näheres berichtet werden. 1) S. Tab. IV— VII auf S. 182—185. 2) Solche Organismen sind nämlich niuerdings schon von Rodella regelmäßig in den Knöllchen von Leguminosen aufgefunden worden und zwar Olostridium-ähnliche Organismen, welche er mit Clostridium Pastori- antim von Winogradsky indentifizieren zu können glaubt. (Vgl. hierzu: Antonio Rodella, „Die Knöllchenorganismen der Leguminosen", Uentralbl. f. Bakt., Abt. II, 1907, Bd. XVI II, S. 455—461, und dessen ausführ- lichere Abhandlung: „I bacteri radicicoli delle leguminose" mit 6 Text- figuren und Tafeln. Padua [Protherion]). Derartige Organismen traf alsdann Ref. neben sog. Plektridienformen besonders häufig und fast regelmäßig in den Wurzelknöllchen der Serradella, auffallend weniger zahlreich und regelmäßig jedoch in denen der Lupinen an. Auch Rodella konnte in den an ihn ein- gesandten Wurzel-Materialien das Vorhandensein von Clostridium-artigen Or- ganismen feststellen. Für die weitere Klärung der ganzen N-Frage beim An- bau von Leguminosen dürften diese Beobachtungen möglicherweise von großer Bedeutung werden. 182 B. Heinze. fS3 öC i s CS -ii; •73 X! II •« ^ 1 Sl Bemerkungen : öUchenbildung un twickelung (Färb der Pflanzen lidS O :d -o -g « P jij .- .S j= •2 a 2^ 'S d TS '"^ '^ -• § 2 s s '-' " S d iJ Sit 25 ' a "^ •-HO j- o o o 0 0 0 'O 0 0 0 C' — 0 0 C' 0 -g 0GQ a g 00^ o CO t-^ co__ cc cc 00 •ir od CO oj -3" co' cT 00 <*-) 1—" ^^ -— t ""^ •— " f— ' a :0 Ivj -T! a (M CJ CO Ol ^ tu X5 a -3 Mo ^ C30 CO in co' cc 2 S ®a (M Ol Cd -* cc i S ® Ja o ^ ^ =^■3 d m c3 (4 o © 'S •So jq of 0^ 10 ■* cS 3 ■•§ QCel \r: CC s '^ 43 — >M •cc -* Haaptfrnclit Serradella Serradella Serradella Serradella Serradella 1907 1907 (1. Anbau) (1. Anbau) (1. Anbau) (2. Anbau) (S. Anbau) 1 eä ' — ' '^ cö ^ ir! © ^j3 0 c« d = 's 5. <» d a ^ =" Sa e « «•Sä ffl .3 M f^ 'S =« 3 'S fe . SP «3 s-i 0 1905 Hafer Hafer Hafer Hafer Hafer 1905 1904 Roggen Roggen Roggen Roggen Roggen 1904 1903 Kartoffeln Gründüng. Senf (abgeerntet) Gründüng, (abgeerntet) Serradella (1. Anbau) 1903 1902 Kartoffeln Kartoffeln Kartoffeln Kartoffeln Kartoffeln 1902 Ä -< «CB Parzelle Nr. | tij (Serradellaerde) g 248,5 37,3 \ 0? + + .. 46 SerradellaerdeLauch-^' stedt, 2. Anbau 375,0 56,0 1 1 a ö 'S :ö ^^ Sc + +4- +++ + NB. Zeichenerklärung: bedeutet keine KnöUchenbildung „ wenig reichliche bzw. vereinz ++,++ + Knöllchenb. sehr reichl. allgemeine KnöUchenbildung bei mannigfach vorgenommenen Stichproben. Beobachtungen beim Anbau von Serradella und Lupinen usw. 185 Tabelle VII. Liipineiikultureu: Ernte 1907. (An der Obstplantage; cfr. Plan II. 1 J an ._• 1906 Vorfrucht: Lii|>ilieil (1. Anbau) nach Abgeerntete oberird. Masse pro Parzelle (100 qm) frisch trocken kg kg Farbe K Bemerkungen: der Kulturen und nöllchenbildung 1 Länge 28./VI. lO./VIII. pJi^^^;,^, cm Nr. .1 Erbsen (Lup ungeimpft 1907) 297,0 36,2 II il ] oß 0' 0 84 bis 95 Nr. (i Erbseil (Lup. ungeimpft 1907) 284,7 37,10 0 0 85 bis 93 Nr. 11 Bohnen (Lup. ungeimpft 1907) 351,0 43,20 II 0 0 85 bis 105 Nr. 12 Bohnen (Lup. ungeimpft 1907) 344,0 44,72 0 0 78 bis 103 Nr. 17 Serradella (Lup. ungeimpft 1907) 410,2 58,})0 dunkelgrün +++ +++ 116 bis 122 Nr, 18 Serradella (Lup. ungeimpft 1907) 453,1 57,50 +++ +++ 115 bis 120 Nr. 23 Luzerne (Lup. ungeimpft 1907) 422,0 48,00 ziemlich dunkelgrün mit Stich ins Gelbe + + 105 bis 115 Nr. 24 Luzerne (Lup. ungeimpft 1907) 40(5,0 47,50 + + 104 bis. 117 _ Na-. 29 Kartoffeln (Lup. ohne Impfung 1907) 352,0 43,30 mehr gelblichgrün etwas etwas dunkler heller 0 0 92 bis 102 Nr. 30 Kartoffeln (Lup. mit Kultur Hiltner geimpft 1907) 368,0 45,60 + ++ 90 bis 104 + + : NB. Zeichenerklärung: 0 bedeutet keine KnöUchenbildung i bei mannigfach -|- „ wenig reichliche, vereinz. KnöUchenbildung »vorgenommenen -| — I — \- „ sehr reichl., allgemeine KnöUchenbildung) Stichproben. Igß ß. Heinze. II. ZusanniKMifassiiii^- der wichtigsten bisherigen Versnchsergebuisse. Serradella und Lupine, zwei typische Sandbodenpflanzen, entwickeln sich auch auf schwerem Boden unter gewissen Bedingungen so gut, daß ihre Erträge denen auf Sandböden kaum nachstehen, und selbst der relativ h ohe Kalkgehalt des Lauchstedter Lößlehms wirkt keineswegs schädlich. Beide Pflanzen gediehen kümmerlich ohne Leguminosen- vorfrucht mach Kartoffeln, Hafer, Senf), ebenso schlecht nach Erbsen, Bohnen und hatten (nach zahlreichen Stichproben zu urteilen) keine Knöllchen gebildet. Sehr gut entwickelten sich Lupinen nach Serradella und Serradella nach Serradella (2. und 3. Anbau) bei sehr reich- licher Knöllchenbildung und zwar ohne jede Impfung des Samens oder Bodens. Das Hiltnersche Kulturmaterial erwies sich sehr wirksam bei Serradella in Töpfen mit Lauchstedter Boden und zeigte sich im Gegensatze zu Freilandversuchen einer Impfung mit Lauchstedter Serradellaerde (2. Anbau) auffallend überlegen. Im Preilande hatte zwar die mit Kultur Miltner geimpfte Serra- della nach spät erfolgter Infektion auch noch ziemlich reichlich Knöllchen angesetzt, jedoch keine Mehrernte gegenüber un- geimpfter Serradella gebracht. Auch bei Lupinen ohne Legu- minosenvorfrucht hatte Kultur Hiltner späteren Knöllchen- ansatz, aber keine nennenswerte Mehrernte bewirkt. Im Preilande wurde durch e i n e I m p fu n g d e r z u m erstenmal ohne Leguminosenvorfrucht angebauten Serradella mit Lauch- stedter Serradellaerde eine zeitige und außerordentlich reich- liche Knöllchenbildung und weiterhin sogar eine auffallend hohe Ernte erzielt. Eine Impfung mit Sandboden-Serradellaerde blieb ohne nennenswerten Erfolg, wenn auch schließlich noch eine ziem- lich reichliche Knüllchenbildung beobachtet werden konnte. Durch die Versuche erhält allerdings die neuere Hiltner- sche Auffassung allem Anscheine nach eine Stütze, nach welcher wenigstens zwei Arten Knöllchenorganismen unter- schieden werden müssen, und zwar gehören nach ihm zu der einen Art bzw. Gruppe die Organismen von Serradella, Lupine und Soja. Richtiger wird man aber später zunächst wohl nur zwei Rassen von Leguminosenorganismen, ähnlich wie bei den Hefen, unterscheiden können (s. unten). Beobachtungen beim Anbau von Serradella und Lupinen usw. IQ'J Aul" alle Fälle dürften sich auch nach den oben erörterten Versuchen gerade die Organismen von Serradella und Lupine sehr leicht vertreten können; sicherlich stehen sich dieselben sehr nahe, wofern sie nicht überhaupt identisch sind. Alsdann geht aus den verschiedenen Versuchen wohl un- zweideutig hervor, daß auch die spezif. Serradella- bzw. Lu- pinenorganismen im Lauchstedter Boden bereits aligemein vorhanden sind, und zwar als sog. Bodenformen (wahrschein- lich als Erbsen-, Bohnenorganismen usw.) und daß in geeig- neter Weise nur eine allmähliche Anpassung derselben an Ser- radella- und Lupinenpflanzen zu erfolgen braucht und tatsäch- lich auch erfolgt. Schließlich möchte ich auch an dieser Stelle für die bei den Ver- suclien genossene Unterstützung noch meinen besten Dank zum Aus- druck bringen, und zwar den Herren Dr. Graff und Dr. Dorsch für die Untersuchung von Ernteprodukten, sowie besonders Herrn Dr. Huflage, welcher mich bei der Durchführung der Versuche tatkräftigst unterstützt hat. Besonderer Dank gebührt auch noch Herrn Prof, Dr. Schneidewind dafür, daß er der bakteriologischen Abteilung der Versuchsstation weiteres Terrain für die diesbezüghchen, etwas ausgedehnteren Versuche zur Ver- fügung gestellt hat. HI. In welcher Weise läfst sich nun bei unseren beiden Pflanzen eine reichliche Knöllchenbildunj»; ohne jede Impfung näher erklären? Wir haben zunächst gesehen und bei den in den letzten Jahren angestellten Versuchen wiederholt beobachten können, daß Serradella beim erstmaligen Anbau auf Lauchstedter Boden ohne Impfung keine Knöllchen bildet, mögen nun auf den betreffenden Parzellen längere Zeit (zum Teil nachweislich wenigstens 10 Jahre lang) vorher keine Leguminosen gestanden haben, oder mögen diese einige Jahre vorher oder erst im direkt voraufgegangenen Jahre als Vorfrucht angebaut gewesen sein. Auch die Lupinen hatten, wie oben schon hervorgehoben wurde, weder nach Kartoffeln und Senf, noch nach Erbsen, Bohnen als direkter Vorfrucht Knöllchen gebildet. Regelmäßig und auffallend reichlich hatten jedoch Lupinen nach Serradella, und Serradellapflanzen nach Serradella Knöllchen angesetzt, und zwar ohne daß hier zunächst irgend eine Impfung vorgenommen worden wäre. Diese Erscheinung läßt sich für Lauchstedter Boden auch unter Berücksichtigung aller bisherigen Ver- suche nicht ohne weiteres erklären. j^gg B. Heinze. Etwas schwierig ist vor allem die Frage über das „Woher" der spezifischen Serradellaorganismen zu beantworten. Dieselben können natürlich auf das spezielle, ohne jede Impfung gebliebene Feldstück im sogenannten bakteriologischen Garten (1906 mit 1. und 2. Serradella- anbau, 1907 mit 1., 2. und 3. Serradellaanbau und 1. Lupinenanbau) von weiterher „angeflogen" sein, d. h. also mit dem Erdstaube durch Wind und Regen auf die genannten Parzellen übertragen worden sein, und zwar in Form von Hiltnerschem Kulturmateriale. Solche Organismen können zunächst von einem ca. 100 m entfernt liegenden Feldstücke im bakteriologischen Garten herrühren, wo Kultur Miltner zur Boden- impfung ohne Erfolg verwandt wurde (1906), ferner von einem sehr weit entfernt liegenden Stücke, auf Schlag I, wo 1905 mit Kultur Hiltner eine erfolgreiche Impfung der Serradella als Gründüngung (Einsaat, s. oben) vorgenommen war, ferner von einem fast gleich weit entfernten Feldstücke an der Obstplantage, wo Serradella als Hauptfrucht mit an und für sich vollauf wirksamem Hiltnerschen Kulturmateriale geimpft (s. den oben erwähnten Topfversuch), indessen ohne jeden Erfolg angebaut worden war; wenn es auch (u. a. wegen der langen Zeit) sehr unwahrscheinlich ist, so können unsere Organismen schließlich aber auch von dem 1896 auf einem anderen, ebenfalls weit entfernten Feldstücke angewandten Lupinennitragin herrühren. Zur Erklärung der oben hervorgehobenen Wirkung müßte man nun annehmen, daß die wenigen, auf solche Weise zu den genannten Par- zellen gelangten spezifischen Serradella-(oder Lupinen-)Organismen mög- licherweise gerade in der Erde derjenigen Parzelle, welche schon einmal Serradella (ohne Knöllchen) trug, besonders günstige Bedingungen zu einer massenhaften Vermehrung und zur Erlangung einer hohen Wirk- samkeit, gefunden haben; sie hätten nämlich in dem verrottenden Serra- dellawurzelwerke einen besonders vorteilhaften Nährboden zur Ent- wickelung vorgefunden, welcher ihnen auf der Nachbarparzelle fehlte. Nach verschiedenen Versuchen wurde jedoch selbst auf den- jenigen Parzellen keine Knöllchenbildung beobachtet, welche direkt neben den Parzellen mit zahlreichen spezifischen Organismen und reichlicher allgemeiner Knöllchenbildung lagen, es dürfte daher in der Tat der Einfluß einer solchen Infektion wenigstens ohne viel praktischen Wert sein. Eine Übertragung ist zwar nach dem oben Gesagten immerhin auch noch auf weitere Strecken hin möglich; sie muß aber naturgemäß, noch geringeren Wert haben, als in dem soeben angeführten Falle, praktisch also überhaupt kaum noch in Betracht kommen. Neben der sehr geringen Zahl von so übertragenen Organismen muß man übrigens auch berücksichtigen, daß nach den bisherigen Erfahrungen solche Orga- Beobachtungen beim Anbau von Seiradella und Lupinen usw. 189 nlsmen im allgemeinen durch Austroclinen') asw. in ilirer Wirksamkeit ziem- lich stark leiden. Bei alledem ist schließlich noch besonders zu beachten, daß die wenigen so übertragenen Serradelia-(oder Lupinen-)Organismen im Konkurrenzkampfe mit anderen ßodenorganismen, insbesondere auch mit im Boden bereits massenhaft vorhandenen anderen Leguminosen- organismen (nämlich von Erbsen, Bohnen, Klee, Luzerne, Wicken), selbst bei Vorhandensein von Serradellawurzelwerk im Verrottungs- zustande, sich schwerlich hinreichend stark werden vermehren können, um beim 2. Anbau von Serradella eine ausreichende zeitige Infektion und reichliche Knöllchenbildung mit auffallender Mehrernte hervorzurufen bzw. zu erklären. Die Möglichkeit einer so zustande kommenden Infektion und einer weiterhin auf diesem Wege zu erzielenden, eventuell reichlichen Ver- mehrung und hohen Wirksamkeit ist also auf alle Fälle vorhanden; die Wahrscheinlichkeit einer solchen ausreichenden Infektion ist jedoch nach den vorstehenden Erörterungen äußerst gering. Man muß daher eine andere Erklärung über die Herkunft und Wirkung spezifischer Serradellaorganismen im Lauchstedter Boden suchen, welche mehr Wahrscheinlichkeit für sich hat. Hierbei mag es zunächst noch eine offene Frage bleiben, ob es nicht auch noch andere Bodenorganismen gibt, denen die Fähigkeit zu- kommt, in die Wurzeln von Leguminosen, insbesondere auch von Serra- della, einzuwandern und Knöllchen zu erzeugen. Im Lauchstedter Boden sind nun bereits äußerst zahlreich und wirksam die spezifischen Knöllchen Organismen für Bohnen, Erbsen usw. vorhanden, wie dies oben auch schon betont wurde, und man wird natürlich bei diesen Leguminosen in solchem oder ähnlichem Boden durch eine Impfung mit Hiltnerschem Kulturmateriale einen nennenswerten Erfolg zugunsten einer Impfung überhaupt nicht erwarten dürfen und auch niemals erhalten Wenn man unter solchen Verhält- nissen gleichwohl Impfversuche anstellt und die Ergebnisse unrichtig deutet, so werden die wertvollen Hiltnerschen Kulturen nur diskredi- tiert, was leider schon vielfach vorgekommen ist. ■ '.. 1) In einem gewissen Gegensatze stehen hierzu allerdings Untersuchungs- ergebnisse mit anderen Organismen. Aus denselben geht immer wieder hervor, daß die betreffenden Gelatine-, Agarkulturen u. a. selbst durch vollständiges Austrocknen keineswegs derartig leiden, daß sie sich überhaupt nicht weiter entwickeln können. Auf demselben Nährboden erfolgt freüich in den weit- aus meisten Fällen überhaupt keine augenscheinliche Entwickelung mehr; man braucht indessen nur möglichst abweichend zusammengesetzte Nährböden zum Überimpfen zu verwenden und wird dann meist eine recht üppige Weiter- entwickelung beobachten können. X90 ^- Heinze. Bezüglich der spezifischen Serradellaorganismen ist es alsdann schon nach den bisherig(>n Erfahrungen für mich nicht mehr zweifel- haft, daß die im Lauchstedter Boden zahlreich vorhandenen anderen Leguminosenorganismen, besonders die spezifischen Bohnen- und Erbsen- organismen, sich allmählich an das Serradellawurzelwerk anpassen und zwar beim Verrotten desselben, wenn genügende Mengen Kalk vorhanden sind. Da Serradella- und Lupinenwurzeln mehr oder weniger stark in ihrer Zusammensetzung von Erbsen- und Bohnenwurzeln abweichen, so sind die spezifischen Organismen der letzteren allerdings nicht ohne weiteres imstande, in Serradellawurzeln einzuwandern, sich reichlich weiterzuentwickeln und Knöllchen zu erzeugen; sie können auf diesem anderen Nährboden zunächst nicht gedeihen. Anderweitige Beobachtungen haben alsdann immer wieder ergeben, daß gewisse Organismen ' ) bei weiteren Kulturversuchen zunächst über- haupt nicht auf schwach sauren oder gar stark sauren Nährmedien wachsen; bei Zusatz von kohlensaurem Kalk tritt jedoch fast regelmäßig eine auf- fallend gute Entwickelung ein. Nimmt man aber von den CaCOj-Kulturen Impfmaterial und überträgt es auf den entsprechenden ursprünglichen CaCOg-freien, selbst stark sauren Nährboden, so. entwickeln sich die be- treffenden Organismen auch auf stärker sauren Nährboden nunmehr leidhch gut, zuweilen sogar ebenso üppig oder noch üppiger als auf dem sonst verwandten, ganz anders zusammengesetzten, vor allem aber nicht sauren Nährboden. Ein ähnliches Verhältnis liegt meiner Ansicht nach hier bei der Frage vor, warum Erbsen- oder Bohnenorganismen, welche doch auch in sauren Wurzeln vegetieren, nicht ohne weiteres in Serradella- oder Lu- pinenwurzeln einwandern und sich vermehren können. Möglicherweise spielen auch andere Ursachen, z.B. gewisse N- Verbindungen, hierbei mit eine Rolle; in erster Linie aber dürften wohl die genannten Organismen den höheren Säuregehalt der Serradella- und Lupinenwurzeln nicht sofort vertragen; sie müssen sich erst in der soeben erörterten Weise an- passen. Die Beobachtung, daß gerade Serradella- und Lupinenwurzeln im allgemeinen weit mehr organische Säuren enthalten als andere Leguminosen, ist von mir schon wiederholt gemacht worden; genaue quan- titative Bestimmungen haben indessen hier noch nicht vorgenommen werden können. Nach neueren Untersuchungen von Lemmermann^) haben Serradella und Lupinen zunächst tatsächlich einen ähnlich hohen Säure- •) Wie z. B. Azotobacter auf sauren Agar- oder Galatinenährböden. 2) O. Lemmermann, Ernährungsunterschiede der Leguminosen und Gramineen und ihre wahrscheinliche Ursache. (Landw. Versuchsstationen 1907, S. 227.) Beobachtungen beim Anbau von Serradella und Lupinen usw. 191 gehalt ihrer Wurzeln aulzuweisen; vor allem aber ist ihr Säuregehalt auffallend höher als bei Erbsen- und Bohnenwurzeln und beträgt fast das Doppelte von dem der letztgenannten Leguminosen. Bei den Lupinen würde sich schließlich die reichliche Knöllchen- bildung nach Serradella zwanglos aus der ähnUchen Zusammensetzung der Wurzeln hinsichtlich ihres Säuregehaltes erklären, nachdem durch mannigfache anderweitige Beobachtungen weiterhin schon festgestellt ist, daß Serradella- und Lupinenorganismen sich sehr nahe stehen oder identisch sind. Der einwandfreie Beweis für die Erklärung, daß Erbsen-, Bohnen- organismen usw. sich leicht an Serradella bzw. an Lupinen anpassen und schließlich auch bei diesen Leguminosen knöllchenbildend wii-ken, steht allerdings noch aus und kann nur durch besondere Versuche mit sterilisierten Töpfen erbracht werden, welche mit Reinkulturen von Erbsen- oder Bohnenorganismen geimpft werden, nachdem man diese Reinkulturen auf geeigneten Serradella- oder Lupinennährböden weiter- gezüchtet hat. Freilich wird man sich hiernach der neueren Ansicht Miltners, nach welcher, wie oben schon betont wurde, vorläufig wenigstens zwei besondere — im botanischen Sinne streng zu trennende — Arten von Leguminosenorganismen') zu unterscheiden sind, nicht völlig anschUeßen können: man wird vielmehr nur zwei, allerdings weit diffe- renzierte Rassen ein und derselben Organismenart annehmen müssen, wie ja früher auch Miltner selbst die verschiedensten Leguminosenorganismen ledigüch als Anpassungsformen ein und der- selben Organismenart an die einzelnen Leguminosen ansprach und erst durch weitere Untersuchungen zu einer etwas abweichenden Auffassung gekommen ist. IV. Einiges über die Impfung- von Serradella und Lupinen mit Reinkulturen bzw. mit Impferde. Selbst viele praktische Landwirte waren sich schon längst nicht mehr über die Wirkung der sogenannten Knöllchenorganismen und ihren Wert für das Gedeihen der einzelnen Leguminot-en im unklaren; 1) Pur die weitere wissenschaftliche Klärung der ganzen Leguminosen- frage ist natürlich die Frage der Arteinheit oder Artverschiedenheit der sog. Knöllchenorganismen nach wie vor sehr interessant und äußerst wichtig zugleich; inbezug auf die praktische Bedeutung der ganzen Frage spielt jedoch die letztere Fiage, ob wir nur mit verschiedenen Rassen von Knöllchen- organismen oder tatsächlich mit verschiedenen Arten rechnen müssen, eine inehr untergeordnete Rolle. 192 B- Heinze. die hohe Bedeutung derselben ist nunmehr last allgemein erkannt, und man sucht durch geeignete Maßnahmen die Leguminosenkultur zu sichern und möglichst zu fördern. Freilich ist es noch weniger be- kannt oder wird wenigstens noch nicht genug berücksichtigt, daß diese niederen Organismen einmal keineswegs allgemein in genügend großer Zahl und dann vielfach auch nicht in der geeignetsten physiologischen Form, d. h. in der vollauf wirksamen Form, in all unseren Ackerböden vorkommen'). Schon vor längerer Zeit hat man aus dem ziemlich häufigen Mißlingen von Leguminosenkulturen — und zwar selbst bei relativ günstigen Witterungs- und Düngungsverhältnissen — gerade auf diese letztgenannte, wichtige Tatsache geschlossen, welche späterhin durch sorgfältige wissenschaftliche Untersuchungen ihre Bestätigung finden konnte. Infolge dieser Tatsache suchte man nun schon damals durch eine Übertragung von rohem Ackerboden von Feldern, welche die anderweitig anzubauende Hülsenfrucht bereits mit Erfolg ge- tragen hatten, vor allem auf Neuland, diesem die spezifischen Boden- organismen in besonders wirksamer Form und in genügender Zahl zu- zuführen. Durch eine größere Anzahl sehr wertvoller diesbezüglicher Ver- suche ist von Salfeld u. a. die hohe Bedeutung einer solchen Boden- übertragung, also einer Impfung mit Erde, für Hochmoor und Sand- böden, besonders für neukultiviertes Land, nachgewiesen worden. So wertvoll aber diese Methode auch an und für sich ist, so ist ihre Anwendung in der landwirtschaftlichen Praxis zunächst doch mit einigen Schwierigkeiten verbunden, zumal wenn es gilt, die notwendige Impferde aus entfernterer Gegend zu beschaffen. Man sieht sich ge- nötigt, öfters beträchtlich viel Zeit und Mühe anzuwenden, und hat keines- wegs nach Lage der Dinge immer einen sicheren Erfolg zu erwarten, ganz abgesehen davon, daß der ganzen Methode auch noch manche sonstigen, schwerwiegenden Mängel anhaften. Wenn ich auch einer etwaigen, ziemlich weitgehenden Austrocknung der Impf erde während des Transportes und einer dadurch hervorgerufenen, mehr oder weniger großen Schädigung der spezifischen Organismen keinen allzu großen Wert beilege, so ist es meiner Ansicht nach meist recht fraghch, ob die spezifischen Organismen irgend eines Bodens, z. B. eines Lupinen- "oder Serradellafoldes. in Form von Irapferde, in einen vöUig anders ge- arteten Boden gebracht, hier nunmehr auch ohne weiteres beim ersten 1) Daß sie manchen Böden ganz fehlen sollten, erscheint wenig wahrschein- lich, wenn nicht überhaupt ausgeschlossen. In geringer Zahl, eventuell aller- dings in wenig wirksamer oder völlig unwirksamer Form, sind dieselben wohl in allen Böden vorhanden. Wenn man sie bei einigen speziellen Kulturversuchen in irgend einem Boden nicht findet, so beweist dies ja noch keineswegs ihr Felden. Beobachtungen beim Anbau von Serradella und Lupinen usw. 193 Anbau von Lupinen oder Serradella reichliche KnöUchenbildung hervor- rufen, oder ob sich vielmehr diese Organismen alsdann nicht auch erst an die neuen Bodenverhältnisse mehr anpassen müssen, bevor sie ihre volle Wirksamkeit auszuüben vermögen. So konnte wenigstens im Lauchstedter Boden mit einer Sandbodenerde als Impf erde bei Serradella zwar eine noch leidlich gute KnöUchenbildung beim erstmaligen Anbau erzielt werden, aber keine Mehrernte. Auch Zeit, Art und Weise der Impfung, also die ganze Art der Unterbringung der Impferde, dürfte zuweilen nicht ohne größeren Ein- fluß auf den etwaigen Impferfolg und den Ertrag sein. Auch die Vor- frucht wird in manchen Fällen eine gewisse Rolle spielen (z. B. ev. Unverträglichkeit der Serradella mit Klee?). Dadurch, daß alsdann im Jahre 1896 Nobbe und Miltner die Samen- bzw. Bodenimpfung mit Reinkulturen von Leguminosen- knöllchenorganismen in die Praxis einführten, haben sie sich zweifellos ein großes Verdienst erworben, wenn auch die Versuche, welche zunächst in der Praxis mit dem neuen Impfstoff, dem sogenannten „Nitragin", angestellt wurden, die gehegten und vielfach auch übermäßig hoch- gespannten Erwartungen naturgemäß gar nicht erfüllen konnten. Auch ist vor allem erst durch die weiteren, jahrelangen Studien und Versuche von Hiltner die Gewinnung und weitere Kultur hochwirksamer Orga- nismen in derartig erhöhtem Maße gesichert worden, daß man unter Beobachtung besserer Impfmethoden mit den neuerdings in den Handel gebrachten Kulturen innerhalb der durch Witterungsverhältnisse usw. gezogenen Grenzen nunmehr auch fast regelmäßig gute, zuverlässige Ergebnisse erzielt. Deshalb wird man nach all den bisherigen, zum Teil äußerst günstigen Erfahrungen in der ganzen Frage beim Anbau von Legu- minosen, insbesondere auch beim Anbau von Lupinen und Serradella auf schwereren Böden, eine sachgemäße Organismenimpfung als eine sehr wertvolle, kulturelle Maßnahme bezeichnen müssen, deren allge- meine Anwendung sehr zu empfehlen ist, um einen erfolgreichen Anbau möglichst zu sichern, zumal Mühe und Kosten relativ gering sind. Auf einem sogenannten erbsen-, höhnen- oder kloesicheren Felde, wo also die betreff'enden Leguminosen bereits mit gutem Erfolge angebaut waren, ist natürlich irgend eine künstliche Impfung fast ausnahmslos überflüssig. In allen denjenigen Fällen aber, wo eine Hülsenfrucht zum ersten Male angebaut wird, wie die bei uns seltenere Lupine und Serradella, oder wo es sich um Feldstücke handelt, welche überhaupt zum ersten Male zu Gründüngungszwecken in Bearbeitung genommen werden, kann eine Impfung nicht dringend genug angeraten werden. Aus noch nicht näher Jahresbericht der Vereinigung für angewandte Botanik V 13 194 B. Heinze. bekannten Gründen mißlingen aber zuweilen Leguminosen kulturen auch dort, wo sie bereits früher und zwar mit Erfolg gebaut wurden. In solchen Fällen dürfte man mit einer Impfung meist gute Erfolge erzielen. Beim erstmaligen Anbau von Serradella und Lupinen wird man nun im allgemeinen wohl immer besser tun, keine Impferde zu verwenden, besonders wenn man sie eventuell erst aus weit entlegenen Gegenden beziehen muß, sondern die neuerdings außerordentlich wirk- samen Hiltnerschen Kulturen, zumal es ohne weiteres einleuchtet, daß mit Reinkulturen von hochwirksamen spezifischen Organismen — in ähn- licher Weise wie in den Gärungsgewerben oder anderen technischen Be- trieben, z. B. in milchwirtschaftlichen Betrieben — im allgemeinen viel vor- teilhafter gearbeitet werden kann als mit Rohkulturen. Theoretisch ist wenigstens die Verwendung eines Impfstoffes, w^elcher z. B.die für Serradella bzw. Lupinen in Betracht kommenden spezifischen Knöllchenorganismen hochwirksam in Reinkultur enthält, den Rohkulturen zweifellos überlegen, aber auch praktisch wird die Reinkultur in den meisten Fällen den Roh- kulturen, in unserem speziellen Falle also der Impf erde, überlegen sein. Beim weiteren Anbau der genannten Hülsenfrüchte') auf anderen Feldstücken derselben Wirtschaft oder in der Nähe unter ähn- lichen Bodenverhältnissen wird man alsdann im allgemeinen freilich wohl immer ebenso vorteilhaft und vielleicht sogar bequemer Impf erde an Stelle vun Reinkulturen verwenden können. In solchen Fällen ist die Impfung eine einfache, leicht durchzuführende Maßregel, welche früher nur dort größere Kosten verursachte, wo bei Neueinführung einer Hülsenfruchtpflanze die Erde von entfernten Orten bezogen werden mußte. 10—20 Zentner Impferde dürften im allgemeinen vollkommen ausreichend sein für einen Morgen Land. Dabei entnimmt man die 1) Wer freilich beim allerersten Anbau von Serradella und Lupinen in größerem Maßstabe in seiner Wirtschaft auf schwereren oder leichteren Böden absolut keine Hiltnerschen oder nach Hiltner gewonnenen Kulturen zu einer Impfung verwenden will — sei es aus bloßer Bequemlichkeit oder aus Ängstlichkeit, daß die Impfung trotz genauer beigegebener Gebrauchs- anweisung schließlich doch nicht richtig ausgeführt werden und der Erfolg aus- bleiben könnte, oder sei es aus immer noch vorhandenem, nunmehr unberechtigtem Mißtrauen gegen diese Impfmethode überhaupt — , der mag seinen geplanten, umfangreicheren Serradella- oder Lupinenbau noch 1 oder 2 Jahre hinaus- schieben und zunächst ein kleines Stück Feld mit einer der genannten Legu- minosen oder auch mit beiden bestellen und von diesem Felde für die Ver- suche in den folgenden Jahren Impf erde entnehmen; dabei wird es eventuell vorteilhafter und sicherer sein, vorher erst zweimal Serradella oder Lupinen auf demselben Stück in kleinem Maßstäbe anzubauen und dann erst die Erde zum Impfen zu verwenden. Die ganze Methode ist jedoch mit kleineren oder größeren Zeitverlusten verbunden. Beobachtungen beim Anbau von Serradella und Lupinen usw. 195 Erde nicht nur von der obersten Krume, sondern auch von den etwas tieferen Schichten dos betreffenden anderen Feldes, mischt sie am besten erst noch etwas, streut sie mit dem Düngerstreuer oder mit der Hand vor der Saat aus und eggt ein. Will man ein übriges tun, so kann man auch schon vor der Herrichtung des Saatbettes einen Teil Impferde beim Pflügen mit unterbringen. Bei Eintritt ungünstiger Witterung kann die Impferde auch ruhig einige Zeit im gedeckten Räume aufbewahrt werden, ohne dal3 sie an Wirksamkeit viel einbüßt. (Vergl. hierzu u. a. auch die Mitteilungen von Herrn Dr. Simon in diesem Jahresberichte.) VI. Über die etwaige Bedeutung* des Serradella- und Lupiuenbaues auf schwerem Boden für die praktische liandwirtschaft. Nach den überaus bedeutsamen Erfolgen, welche man mit dem Anbau von Zwischenfrüchten, und zwar neben Pütterungs- besonders auch zu Gründüngungszwecken, auf den verschiedensten leichteren Böden erzielt hatte, war natürlich der Wunsch gar bald in den Vorder- grund getreten, die Ergebnisse auch auf die besseren, schwereren Böden zu übertragen; dabei glaubte man sich allerdings von vornherein darüber klar sein zu müssen, daß auf schweren Böden sich schwerlich eine so große Ausdehnung des Zwischenfruchtbaues würde durchführen lassen wie auf sandigen Böden'), Denn im letzteren Palle ist Roggen die auf weite Plächen angebaute Frucht, welcher ja bekanntlich insofern die Hauptbedingung eines erfolgreichen Zwischenfruchtbaues erfüllt, als er frühzeitig das Feld räumt. Auf schwereren Böden tritt an Stelle des Roggens der Weizen mit auffallend längerer Vegetationszeit. Nach Weizen kommen im allgemeinen Zwischenfrüchte nicht in Betracht. Immerhin räumen verschiedene Früchte, wie z. B. Frühkartoffeln, zeitig genug das Feld, um Zwischenfruchtbau zu ermöglichen; auch früh- reifende Wintergerste, 4 — Özeilige Sommergerste, in wärmeren Lagen auch 2zeiUeg Sommergerste und auch in mäßiger Ausdehnung Roggen kommen in Betracht. Aber auch als Einbaufrüchte müssen verschiedene Legu- minosen berücksichtigt, und auf ihren Anbauwert hin noch viel genauer, als es bisher geschehen ist oder geschehen konnte, geprüft werden'^). Als besondere Vorteile der Zwischenkulturen müssen bekannthch folgende Punkte angesehen werden : 1. wird das Unkraut unterdrückt, 2. wird der mechanische Zustand des Bodens ein besserer. 1) Vgl. hierzu auch den 1. Bericht der Lauchstedter Versuchs Wirtschaft. 2) In Lauchstedt z.B. neuerdings Gelbklee und Serradella; s. 5. und 6. Bericht. 13* 19t) ^- Heinze. 3. wird die Zersetzung der Mineralstotfe des Bodens begünstigt, 4. werden N-Verluste durch Auswaschung sehr eingeschränkt, 5. kommt auch mehr (für mikrobiologische Prozesse äußerst wichtige und wertvolle) organische Substanz in den Boden. Mit Bohnen {Vicia faba), Erbsen und Wicken, meist im Gemenge angebaut, hat man ja schon längere Zeit auf schwereren Böden, z. B. auch in Lauchstedt, meist gute Erfolge zu verzeichnen, und sicherlich wird auf solchen Böden der Anbau von Leguminosen als Zwischen- oder Einbaufrucht zur Gründüngung noch eine weit größere, allgemeinere Ausdehnung gewinnen, wofern man erst u. a. auch gerade die mikro- biologischen Prozesse der Verrottung der Grünsubstanz besser als bisher beurteilen gelernt hat, um sie schließlich mehr und mehr beherrschen zu können und in die gerade erwünschte, vorteilhafteste Bahn zu leiten. Nach vieler Ansicht ist es sogar mehr als wahrscheinlich, daß die Gründüngung^) besonders wegen der Zufuhr großer Mengen organischer Substanzen in Zukunft auf schwererem Boden eine größere Rolle spielen wird als auf leichteren sandigen Böden, ihrer bisherigen Domäne. Man wird auf diese Weise imstande sein, auch den schweren Boden noch an humusbildender Substanz anzureichern, ihn physikalisch zu ver- bessern, ihm vor allem aber auf relativ sehr billige Weise reichlich N, den teuersten Dünger, zuzuführen,') wenngleich die erzielten Erfolge natürlich nicht immer so auffallend günstige sein werden wie bei neuerdings verschiedentlich angestellten Versuchen, bei welchen im Vergleiche zu dem Salpeter-N die Kosten des N in Form von Stallmist immerhin noch etwas mehr als die Hälfte, die Kosten des N in Form von Gründüngung in günstigen Fällen jedoch kaum den zwanzigsten Teil von jenem betragen. Gerade die typischen Sandbodenpflanzen, Serradella und Lupinen, wird man nach den bisherigen Erfahrungen allmählich wohl auch auf schwerem Boden recht gut allgemeiner mit Erfolg anbauen können und zwar selbst auf relativ kalkreichen Böden, wie es der Lauchstedter Lößlehm ist. Übrigens ist der Hauptgrund, warum z. B. Serradella in verschiedenen Gegenden nach mannigfachen Mißerfolgen auf schwereren Böden bald wieder verschwunden ist, ganz zweifellos darin zu suchen, daß man diese Pflanze niemals auf demselben Feldstück zum zweiten oder dritten Male angebaut hat, sondern immer auf einem anderen Stück. ') Inbezug auf eine größere Ausdehnung des Anbaues von Leguminosen zur Gründüngung werden freilich auch hier, wie auch in Wirtschaften mit leichterem Boden vielfach noch mancherlei Schwierigkeiten bestehen bleiben, und zwar ii. a. besonders in einer rechtzeitigen Unterbringung der Grünmasse und sorgfältigen Herrichtung des Ackers zur Aufnahme der Saaten. Beobachtungen beim Anbau von Serradella und Lupinen usw. 197 Vor allem werden so Serradella und Lupinen sicherlich hier noch eine größere Rolle spielen, zumal man mit denselben bisweilen schon jetzt Erträge erzielt hat, welche denen auf Sandboden kaum nachstehen. In Lauchstedt sind sogar die Erträge, besonders an N, der Serradella und Lupinen (allerdings als Hauptfrucht) schon auffallend höhere geworden als bei den entsprechenden, gut geratenen Erbsen oder Bohnen. Aller- dings wird man vor allem zunächst die Entwickelung der beiden Pflanzen als Stoppel- oder Zwischenfrucht bzw. als Einbaufrucht, z. B. Serradella in Hafer oder Gerste, Lupinen als Zwischenreihenfrucht bei Kartoffeln, mehr berücksichtigen und erst noch genauer verfolgen müssen, ehe"man beim sachgemäßen Anbau dieser wertvollen Kulturen auf schwerem Boden allgemeiner größere praktische Erfolge wird erhoffen dürfen. Bei Serradella mag nicht unberücksichtigt bleiben, daß bei ihrem Anbau als Hauptfrucht, — eventuell vorteilhaft gemengt mit wenig Lupinen oder mit wenig Roggen oder Hafer, um dem Lagern vorzubeugen und um besser mähen zu können — der erste Schnitt grün oder als Heu gut und vor- teilhaft verfüttert werden kann und bei einigermaßen günstiger Witterung der zweite Schnitt zu Gründüngungszwecken noch vollständig ausreicht. Beim Anbau von Lupinen ist schließlich noch von besonderer Wichtigkeit, daß gerade diese Pflanzen sehr tief wurzeln und so natürlich weit mehr Mineralstoffe aufzuschließen vermögen, als andere Leguminosen. Das auffallendste bleibt jedoch bei beiden Pflanzen die hohe N-Ernte auf Lauchstedter Boden. Im übrigen sind ihre Ansprüche an Boden und Klima wohl bei weitem nicht so hohe, wie es in der Literatur vielfach noch immer hingestellt wird. Über den eventuell großen Anbauwert der beiden Leguminosen auf schwerem Boden können natürlich erst weitere Versuche mehr Klarheit bringen. Erläuterungen zu der Textfigur 1 und zu den Tafeln I— IV. Figur I: Serradella-Wurzelpräparate (in Formaldehydgelatine ein- (S. 172) gebettet), von einem vergleichenden Impfversuche [als Topfversuch mit gewöhnlichem, noch nicht mit Serradella (oder Lupinen) bestellt gewesenem Lauchstedter Ackerboden]. Prü- fung von Hiltnerschem Kulturmateriale und Serra- dellaerden als Impfstoff für sterilisierte und nicht steri- lisierte Töpfe (cfr. hierzu auch Tabelle I u. II). a) Sterilisierte Töpfe, ungeimpft: In allen Töpfen keinerlei Knöllchenbildung. (Entwickelung der Pflanzen sehr kümmerlich; charakteristisch: helle, gelbgrüneFarbe.) b) Sterilisierte Töpfe, geimpft mit Kultur Hiltner: Überall sehr viel Knöllchen. (Sehr guter Stand sämtlicher Pflanzen; charakteristisch: schöne dunkelgrüne Farbe allgemein.) 198 ß- Heinze. c) Sterilisierte Töpfe, geimpft mit Serradellaerde Lauchstedt: In allen Töpfen ziemlich reichliche Knöllchenbildung. (Mäßig guter Stand der Pflanzen; Farbe fast bei allen Pflanzen schön dunkelgrün.) d) Sterilisierte Töpfe, geimpft mit Serradellaerde (Sandboden): In allen Töpfen auffallend weniger reichliche Knöllchenbildung. (Stand der Pflanzen noch auffallend schlecht; einzelne Pflanzen etwas dunkelgrün; Farbe meist noch hellgelblichgrün.) e) Nicht sterilisierte Töpfe, ungeimpft: An einzelnen Pflanzen einige wenige Knöllchen. (Sehr kümmer- liche Ent Wickelung der Pflanzen mit hellgelbgrüner Farbe.) f) Nicht sterilisierte Töpfe, geimpft mit Serradellaerde Lauchstedt: Allgemein sehr reichlich Knöllchen vorhanden. (Pflanzen recht gut entwickelt; Farbe durchweg schön dunkelgrün.) g) Nicht sterilisierte Töpfe, geimpft mit Kultur Hiltner: Überall sehr viele Knöllchen. (Ausgezeichnete Entwickelung der Pflanzen; Farbe allgemein schön dunkelgrün.) NB. Mit Sandboden geimpfte Töpfe (nicht sterilisierte Gefäße) fehlen leider; bei einem Freilandversuche wurde leidlich gute, allerdings späte In- fektion beobachtet ohne auffallend dunkelgrüne Farbe der Pflanzen und ohne Mehrernte (cfr. Tabelle VI). Tafel I: Wurzelpräparate (in Formaldehydgelatine) von einem Freilandversuche ohne jede Impfung. Serradella und blaue Lupinen nach verschiedener Vorfrucht. Serradella 1 — 3 maliger Anbau; Lupinen erstmaliger Anbau. Fig. 1. Serradella, 1. Anbau (nach Senf, Hafer, Kartoffeln bzw. Erbsen, Bohuen usw.): nach mannigfachen Stichproben. Keine Knöllchen (schlechter Pflanzenstand; helle, gelbgrüne Farbe; cfr. Tabelle IV u. Tafel II, 1). Fig. 2. Serradella, 2. Anbau: Allgemein sehr viel Knöllchen (guter Stand der Pflanzen und schöne, dunkelgrüne Farbe; cfr. Tabelle IV u. Tafel II, 2). Fig. 8. Serradella, 3. Anbau: Allgemein sehr viel Knöllchen (Entw. und Farbe der Pflanzen wie bei Fig. 2; cfr. Tabelle IV u. Tafel II, 2). Fig. 4. Lupinen, 1. Anbau (nach Kartoffeln, Senf bzw. Erbsen, Bohnen usw.): nach mannigfachen Stichproben. Keine Knöllchen (ziemlich schlechter Stand und helle, gelblich- grüne Farbe; cfr. Tabelle HI u. V u. Tafel III, 1). Fig. .5. Lupinen, 1. Anbau, nach Serradella, 1. Anbau: Sehr viel Knöllchen (guter Pflanzenstand, schöne dunkelgrüne Farbe; cfr. Tabelle lll u. V, Tafel III, 2). Fig. li. Lupinen, 1. Anbau, nach Serradella, 2. Anbau: Sehr viel Knöllchen (sehr guter Stand der Pflanzen; dunkel- grüne Farbe; besonders charakteristisch: die fast allgemein vorhandene, mantelförmige Umlagerung der Pfahlwurzeln mit Knöllchen, was allerdings auf der Tafel selbst weniger gut zu sehen ist). Tafel II: Serradella. 1. und 3. Anbau ohne jede Impfung; cfr. Tafel I, 1 und 3. Die Aufnahme ist leider sehr zeitig gemacht worden ; daher auch nur relativ geringe Unterschiede in der Ent- wickelung der Pflanzen zu sehen. (Freilandversuche hakt. Garten.) Beobachtungen beim Anbau von Serradella und Lupinen usw. 199 Fig. 1. Serradella, 1. Anbau, cfr. Tafel I, 1: Keine KnöUchen (helle, gelblichgriine Farbe der Pflanzen sehr charakteristisch; schlechter Stand.) Fig. 2. Serradella, 3. Anbau, cfr. Taf. I, 3. Allgemein sehr viel Knöllchen; Farbe der Pflanzen sehr cha- rakteristisch: schön dunkelgrün; sehr gute Entwickelung bis zu 1 m und 1,30 m hoch (cfr. Tabelle IV und VI). NB. Ganz ähnlich war Aussehen und Stand der Serradella 2. Anbaues. Auch nach Luzerne v^^ar Aussehen nnd Stand der Serradella fast gleich gut; Knöllchen w^aren auffallenderweise auch hier angesetzt, wenn auch wenig regelmäßig und reichlich. (Grund der guten Entwickelung siehe oben.) Tafel III: Blaue Lupinen, erstmaliger Anbau ohne jede Imp- fung. (Freilandversuche, Obstplantage.) Fig. 1. Lupinen, 1. Anbau, cfr. Taf. I, 4 ohne Serradellavorfrucht. Keine Knöllchen; helle, gelblichgrüne Farbe sehr charakteristisch; relativ schlechte Entwickelung der Pflanzen, cfr. Tabelle III, V und VII. Fig. 2. Lupinen, 1. Anbau nach Serradella = 1. Anbau: Allgemein sehr viel Knöllchen ; gute, üppige Entwickelung der Pflanzen; schöne, dunkelgrüne Farbe sehr charakteristisch; cfr. Tabelle III, V und VII und Tafel I, 5. Tafel IV: Blaue Lupinen, Parzellenaufnahme zu den auf Tafel III wiedergegebenen Einzelpflanzen (spätere Aufnahme als die der Einzelpflanzen). (Versuche a. d. Obstplantage.) Fig. 1. cfr. Tafel III, Fig. 1 ohne Serradellavorfrucht: Keine Knöllchen usw. Fig. 2, cfr. Tafel III, Fig. 2 nach Serradella als Vorfrucht: Allgemein sehr viel Knöllchen usw. NB. In ähnlicher Weise, wie auf Tafel III und IV wiedergegeben worden ist, standen auf den verschiedenen Parzellen auch die vereinzelt vorkommenden weißen Lupinen; ebenso gut und schlecht standen trotz des relativ hohen CaCOs-Gehalts des Bodens die gelben Lupinen. Weiße und gelbe Lupinen zeigten auch genau dasselbe Verhalten bezüglich der Knöllchen- bildung, wie die vorher besprochenen blauen Lupinen. Fast gleich gut wie nach Serradella standen auffallenderweise die Lupinen auch nach Luzerne, obgleich dieselben hier wenig legelmäßig und reichlich Knöllchen angesetzt hatten (Grund siehe oben). 200 L. Hiltner. Über neuere Ergebnisse und Probleme auf dem Ge- biete der landwirtschaftlichen Bakteriologie. Von Dr. L. Hiltuer, Direktor der Kgl. Agrikulturbotanischen Anstalt München. Seit meiner Übersiedlung von Berlin nach München vor nunmehr 5 Jahren wurde von uns auf dem Gebiete der landwirtschaftlichen Bakteriologie nur wenig mehr veröffentlicht. Der Hauptzweck meiner heutigen Ausführungen soll daher sein, zu zeigen, daß wir doch un- ausgesetzt auch auf diesem Arbeitsgebiete tätig waren, wenn wir auch naturgemäß mit jenen Herren und Instituten, die sich ausschließUch mit landwirtschaftlicher Bakteriologie beschäftigen, bei der außerordent- lichen Vielseitigkeit unserer Anstalt bei weitem nicht mehr konkurrieren können. Ich möchte meine Ausführungen beginnen mit der Erörterung des sogenannten Schwefelkohlenstof f problems. Mit Dr. Störmer ge- meinsam habe ich an der Kaiserl. Biologischen Anstalt zu Dahlem bei Berlin eingehend an der Schwefelkohlenstofffrage gearbeitet, und wir sind dabei, wie aus den diesbezüglichen Veröffentlichungen bekannt sein wird, schließlich zu ungefähr folgenden Ergebnissen gekommen: „Der Schwefelkohlenstoff wirkt störend auf das Gleichgewichts- verhältnis der Mikroorganismen des Bodens, indem die verschiedenen Arten durch den giftigen Schwefelkohlenstoff verschieden stark beein- flußt werden. Manche Arten erfahren eine lange Zeit andauernde Zurückdrängung zugunsten anderer, die sich nun weit mehr als es vorher der Fall war, entwickeln können, und die Folge davon ist, daß nach einem nur kurze Zeit anhaltendem Abfall der Gesamtzahl der Organismen ein außerordenthcher Aufschwung erfolgt. Dieser aber dürfte in ursächlichem Zusammenhange stehen mit der von allen Seiten be- stätigten Erhöhung der Fruchtbarkeit des Bodens durch eine Behandlung desselben mit Schwefelkohlenstoff." Alle speziellen Versuche, die wir ausführten, um die Beeinflussung der einzelnen durch die Schwefelkohlenstoffbehandlung im Boden sich ab- spielendQU Vorgänge zu studieren, führten uns zu der Anschauung, daß es sich im wesentlichen bei der Erhöhung der Fruchtbarkeit des Neuere Ergebnisse usw. a. d. Gebiete d. landwirtschaftl. Bakteriologie. 201 Bodens durch Schwefelkohlenstoff um eine Sticksloffwirkung handle. Diese Anschauung haben wir in unserer Hauptarbeit, die im Jahre 1904 erschienen ist, so gut es uns damals möglich war, zu begründen ge- sucht, indem wir auf alle bis dahin in dieser Richtung gemachten Be- obachtungen hinwiesen und namentUch auf die bereits hauptsächlich durch französische Forscher bekannt gewordene Tatsache aufmerksam machten, daß durch eine Schwefelkohlenstoffbehandlung die Nitrifikation im Boden eine starke Zurückdrängung erfahre; wir selbst konnten das gleiche für die Denitrifikationsbakterien nachweisen. Wenn wir zum Schlüsse unserer gegen 10 Seiten langen diesbezüglichen Auseinander- setzungen noch bemerkten, es sei übrigens für jeden, der seinen Blick für derartige Dinge geschärft habe, schon aus der dunkelgrünen Farbe der auf einem mit Schwefelkohlenstoff behandelten Boden wachsenden Pflanzen zu ersehen, daß hier eine Stickstoffwirkung in Betracht käme, so waren wir uns natürlich dessen bewußt, daß diese Angabe kaum ein neues Beweisglied, sondern nur ein weiteres Indizium darstellen könne. Es muß dies, so selbstverständlich es erscheint, doch ganz be- sonders hervorgehoben werden, weil in einer Kritik, die unsere Arbeit durch Her-^n Professor Behrens in den Mitteilungen der Deutschen Landwirtschafts-Gesellschaft erfuhr, die Sache so hingestellt wurde, als hätten wir es gar nicht einmal versucht, neben diesem Indizium auch einen wirklichen Beweis für die Richtigkeit unserer Behauptungen zu erbringen. Die Hauptsache ist aber jedenfalls wohl, daß wir Recht behalten haben. Durch die inzwischen auch von anderer Seite ausgeführten Versuche ist sowohl das Ansteigen der Bakterienzahl im Boden nach einer Schwefelkohlenstoffbehandlung desselben bestätigt worden, als auch unsere Annahme, daß die Erhöhung der Fruchtbarkeit auf solchen Böden hauptsächlich als eine Folge vermehrter Stickstoffzufuhr anzu- sehen sei. Insbesondere haben Krüger und Heinze für die auffällige Tatsache, daß in einem mit Schwefelkohlenstoff behandelten Boden die Nitrifikation sehr lange zurückgehalten werde, neue und zwingende Beweise erbracht. Im übrigen will ich hier nicht auf eine Besprechung aller jener in den letzten Jahren von anderer Seite über die Schwefelkohlenstoff- frage erfolgten Veröffentlichungen eingehen. Im allgemeinen kann über sie nur ausgesagt w^erden, daß sie zwar vielfach noch recht interessante Einzelheiten brachten, eine wirklich befriedigende, für alle bekannten Tat- sachen genügende Erklärung aber nicht geliefert haben. Es muß dies jedenfalls um so mehr hervorgehoben werden, als die umfangreichen Ausführungen Heinz es im Zentralblatt für Bakteriologie über dieses Jahresbericht der Vereinigung für angewandte Botanik V. 14 2Q2 L Hiltner. Thema, die ganz so gehalten sind wie in einer abschUeßenden Arbeit, weit entfernt davon sind, einen wirkhchen Abschluß zu bringen. Wohin soll es übrigens schheßlich kommen, wenn jeder, der an sich begrüßenswerte Beiträge zu einer Frage liefert, immer wieder diese ganze Frage von A bis Z unter Beibringung oft seitenlanger Zitate und unter Abschweifung auf zahllose andere, mit dem Thema kaum mehr in Beziehung stehende Dinge bespricht! Wir selbst waren uns wohl im klaren darüber, daß unsere Pest- stellungen zwar neue Wege gezeigt hatten tür die Erforschung des Schwefelkohlenstoffproblems, daß sie aber noch lange nicht genügten, dieses Problem als gelöst anzusehen. Ich habe daher mit meinen Münchener Mitarbeitern M, soweit uns noch Zeit dafür übrig blieb, die Untersuchungen fortgesetzt, und zwar hauptsächlich zur Beantwortung folgender Fragen: 1. Ist die Wirkung des Schwefelkohlenstoffs eine spezifische oder können auch andere Stoffe eine ähnliche Wirkung ausüben? 2. Wie läßt sich die Wirkung des Schwefelkohlenstoffs erklären? 3. Welche Folgerungen ergeben sich aus der Schwefelkohlen- stoffwirkung direkt oder indirekt für die landwirtschaftliche Praxis? Was die erste Frage anbelangt, so hatte ich schon von Anfang an die Vermutung, daß der Schwefelkohlenstoft hauptsächlich durch seine giftigen Eigenschaften wirke und daß infolgedessen auch andere giftige Stoffe unter gewissen Bedingungen ähnliche Wirkungen hervor- bringen könnten. Diese Vermutung gründete sich u. a. auf die schon in Tharand im Jahre 1895 von mir gemachte Beobachtung, daß unter bestimmten Umständen auch die Behandlung des Bodens mit arsenig- sauren Salzen eine günstige Wirkung auf das Pflanzenwachstum aus- übt. Im Jahre 1903 haben wir daher mit ausführlichen Topf- und Freilandversuchen begonnen, bei welchen teils arsenigsaures, teils arsensaures Kali in steigenden Mengen dem Boden zugesetzt und die Wirkung auf verschiedene Pllanzenarten, die mehr oder minder lange Zeit nach der Behandlung des Bodens zur Einsaat gelangten. 1) An einigen der in München ausgeführten bodenbakteriologischeii Untersuchungen hat noch Herr Dr. Stornier teilgenommen. Die Hauptmit- arbeiter aber waren: H. Eckardt, vom April 1903 bis Dezember 1904; Dr. A. Kühn, vom Januar 1905 bis Januar 1908 als Bakteriologe; Dr. Gr. Stiehr, vom Oktober 1905 an als Chemiker. Den wesentlichsten Anteil an den Arbeiten hat, wie aus den ausführ- licheren Veröfientlichungen hervorgehen wird, Herr Dr. Kühn genommen. Neuere Ergebnisse usw. a. d. Gebiete d. landwirtschaftl. Bakteriologie. 203 verfolgt wurde. Es trat nun wirklich ein, was ich erwartet hatte, mindestens bei den Topf versuchen. Bei den Freilandversuchen waren von Anfang an zu große Mengen der Gifte gegeben worden, so daß mehrere Jahre hindurch nur schädliche Wirkungen verzeichnet werden konnten. Äußerst interessant aber gestaltete sich die Nachwirkung im Jahre 1906, über die wir in einer austührlichen Veröffentlichung noch berichten werden. Von dem Topfversuch, der in verschiedenster Weise variiert wurde, sei hier nur vorläufig angegeben, daß im Mittel je mehrerer Versuchsreihen pro Topf bei einem Versuch mit Hafer geerntet wurden: wasserfreie Trockensubstanz darin Rohprotei'n 1. ohne AS2O3 10,86 . 1,09 2. mit 0,05 g AS2O3 12,67 1,25 3. „ 0,1 „ „ 11,05 • ■ 1,19 Noch größere Mengen von arseniger Säure wirkten schädlich. Mehr noch als diese Zahlen es dartun, trat die günstige Wirkung geringerer Mengen von arseniger Säure im ganzen Verhalten der Pflanzen hervor; namentlich wies auch hier wieder die dunkelgrüne Farbe der Blätter von vornherein auf eine Stickstoffwirkung, was schließlich auch durch die Analyse bestätigt wurde. Die bakteriologische Untersuchung des Bodens ergab in den Fällen, wo günstige Wirkungen die Folge der Behandlung waren, auch eine Erhöhung der Bakterien- zahl, wenn auch nicht in dem starken Maße, wie bei Schwefelkohlen- stoffbehandlung. Für die auffallend starke Wirkung der arsenigen Säure auf die tierischen Organismen und die Unkrautsamen des Bodens werden wir später ausführlichere, zahlenmäßige Belege bringen. Zahlreiche, mehrere Jahre zunächst auf Freiland, dann auch in Vegetationsgefäßen und im Laboratorium durchgeführte Ver- suche wurden ferner unternommen mit Kresol, bzw. Kresolseifen- lösungen. Die erste Veranlassung zu diesen Versuchen gab eine Entschheßung des Kgl. Ba\^r. Staatsministeriums des Innern, durch die unsere Anstalt beauftragt wurde, festzustellen, ob die für die Behand- lung reblausverseuchter Böden von Moritz vorgeschlagene Kresolseifen- lösung die Ertragsfähigkeit des Bodens vielleicht dauernd oder doch auf sehr lange Zeit hinaus beeinträchtige. Wie ich gegenüber dem Kgl. Staatsministerium in einem vor Erlaß der Entschließung ab- gegebenen Gutachten ausführte, daß das Kresol voraussichtlich eher nützUch als schädlich auf die Fruchtbarkeit des Bodens einwirken werde, mindestens nach einer mehr oder minder langen Inkubationsdauer, so ist es auch tatsächlich eingetroffen. Zunächst wirkten die Kresolprä- 14* 204 ^- Hiltner. parate ungemein schädlich; getötete Regenwürmer und andere größere Tiere bedeckten den Boden, die Unkrautsamen waren meist vernichtet; aber schon nach wenigen Wochen hatte sich die Zahl der Boden- bakterien ungeheuer vermehrt, die ausgesäten Samen von Kulturpflanzen liefen normal auf und gaben eine höhere Ernte als auf unbehandelt gebliebenen Flächen, Die Topf- und Laboratoriums versuche lassen keinen Zweifel, daß auch hier die Erhöhung der Fruchtbarkeit im wesent- lichen als die Folge einer erhöhten Stickstoffwirkung anzusehen ist. Schließlich haben wir bereits im Jahre 1905 auf Freiland auf größeren Parzellen und neuerdings wieder auf anderen Böden und nach etwas anderen Gesichtspunkten Versuche durchgeführt, bei denen überaus zahlreiche Stoffe, vor allem giftig wirkende und solche, die als Abfallprodukte gewonnen werden, bezüglich ihrer Wirkung auf die Bodenorganismen und die Unkrautsamen einerseits, auf die Fruchtbar- keit des Bodens anderseits geprüft wurden. Bei den größeren Freiland- versuchen kamen außerdem auch Stoffe zur Verwendung, die zwar nicht als direkte Nährstoffe der Pflanzen in Betracht kommen konnten, von denen aber vorauszusetzen war, daß sie durch ihren Kohlenstoff- gehalt das Organismenleben begünstigen und dadurch indirekt die Fruchtbarkeit beeinflussen würden. U. a. wurden geprüft: Eisen- und Kupfervitriol, Arsenik, Kaliumchlorat, Kaliumperchlorat, Kaliumpermanganat, Schwefelkohlensioft, Kresol, Karbolineum, Karbolin eumemulsion, For- malin, Äther, Chloroform, Alkohol, Pikrinsäure, Kalkstickstoff, Rohr- zucker, verschiedene Fette u. dgl. Es ist natürlich nicht möglich, auf die sämtlichen Resultate im einzelnen hier näher einzugehen; ich muß mich vielmehr darauf beschränken, die allgemeinen Ergebnisse hervorzu- heben. Es sind dies folgende: 1, Alle giftigen Stoffe, sofern sie nur als solche schließ- lich aus dem Boden wieder verschwinden, sei es durch Verflüchtigung, Zersetzung oder Umsetzung, beein- flussen die Fruchtbarkeit des Bodens nach einer mehr oder minder lang währenden Periode, innerhalb welcher die Giftwirkung sich äußert, günstig. 2. Auch durch Stoffe, die nur als Nährstoffe für Boden- organismen in Betracht kommen, seien dieselben giftig oder ungiftig, können in reicheren Bodenarten günstige Wirkungen erzielt werden, die unter Um- ständen den durch direkte Düngung mit Pflanzen- nährstoffen eintretenden Wirkungen gleich sein können. Schließlich sei darauf hingewiesen, daß wir uns auch mit der Frage beschäftigen, ob ähnliche Wirkungen wie durch Giftstoffe nicht Neuere Ergebnisse usw. a. d. Gebiete d. landwirtschaftl. Bakteriologie. 205 auch durch elektrische Ströme ausgelöst werden können, und daß wir dabei Antworten im bejahenden Sinne erhielten. Auf alle Fälle scheint mir die Möglichkeit vorzuliegen, daß die Ergebnisse aller jener Versuche, die in den letzten Jahren, namentUch in Japan und England, über die Reizwirkung von Mangan- und Uran- salzen, von Kaliumjodid, Cyanverbindungen u. dgl. ausgeführt worden sind, nicht so sehr durch eine direkte Reizwirkung dieser Stoffe auf die Pflanzen, als vielmehr in indirekter Weise, d. h. durch eine Wirkung auf die Bodenorganismen und den Boden, sich erklären lassen. Daß in dem ■einen oder anderen Fall auch direkte Wirkungen solcher Stoffe auf die Pflanzen eintreten können, soll damit nicht in Abrede gestellt werden. Ich darf wohl bemerken, daß ich die oben aufgestellten Sätze in der- selben Formulierung bereits in der Februarsitzung 1906 des Sonderaus- schusses für Bodenbakteriologie der Deutschen Landwirtschafts-Gesellschaft und ebenso in einem im Klub der Landwirte zu Frankfurt a. M. am 31. März 1906 gehaltenen Vortrag zu begründen suchte und demnach die Priorität für sie, soweit sie überhaupt neu sind, beanspruchen darf. Auf die zweite Frage: Wie ist die Schwefelkohlenstoff- wirkung zu erklären?, die ja eigentlich nunmehr nach den bisherigen Feststellungen besser dahin lauten würde, wie die Wirkung giftiger Stoffe im allgemeinen auf den Boden zu erklären sei, scheint ein Teil der Antwort von vornherein gegeben; denn zweifellos muß durch diese Stofte etwas im Boden vergiftet werden, was vorher als eine Hemmung sich geltend machte. Worin aber besteht diese Hemmung? Ist die eingangs erwähnte, für die Wirkung des Schwefelkohlenstoffs von uns aufgestellte Er- klärung, die auf der Störung des Gleichgewichtes zwischen den Boden- organismen fußt, auch heute noch als richtig und als ausreichend an- zusehenfür dasVerständnis der im Boden nach Schwefelkohlenstoffbehandlung erfolgenden Erhöhung der Organismenzahl? Und ferner: Steht diese Erhöhung mit jener der Fruchtbarkeit des Bodens tatsächlich in einem ursächlichen Zusammenhang? Lassen wir zunächst, um Antworten auf diese Fragen zu finden, wieder die Ergebnisse von diesbezüglichen Versuchen sprechen: Zuvor sei aber hervorgehoben, daß wir niemals angegeben haben, es handle sich bei der durch Schwefelkohlenstoff ausgelösten Stickstoff- wirkung um eine Stickstoffsammlung, wie dies allem Anschein nach von manchen Seiten angenommen wird. Alle unsere Beobach- tungen mußten vielmehr zu der Auffassung führen, daß durch Schwefel- kohlenstoff lediglich eine den Pflanzen vorher unzugängliche Stickstoff- 206 L. Hiltner. quelle erschlossen werde, oder mit anderen Worten, daß eine mittelbare- oder unmittelbare Folge der Sohwefelkohlenstoffwirkung die Umwand- lung von festgelegtem Stickstoff in eine von der Pflanze auf- nehmbare Form sei; daß dieser Umwandlung in späteren Stadien unter gewissen Bedingungen auch Vorgänge folgen können, die zur StickstofTsammlung führen, ist aber nicht ausgeschlossen, ja sogar ziemlich wahrscheinlich. Da frühere, noch in Dahlem ausgeführte Versuche ergeben hatten, daß durch Strohdüngung eine Festlegung des Stickstoffs erfolgt, die bei Vegetationsversuchen im Gegensatz zu Freilandversuchen bei Pflanzen, mit großem StickstofTbedürfnis eine ungemein starke Ernteerniedrigung zur Folge hat, so haben wir zunächst einen Versuch ausgeführt, durch den erprobt werden sollte, ob diese P^estlegung des ßodenstickstoffs- durch Stroh bei gleichzeitiger oder späterer Schwefelkohlenstoffgabe wieder aufgehoben werde. Das Ergebnis dieses Versuches bestätigte- die Voraussetzungen, die zu ihm geführt hatten; denn sowohl bei gleich- zeitiger, als nachfolgender Schwefelkohlenstoffgabe unterblieb die schäd- liche Wirkung des Strohes vollständig. Bei der durch Strohdüngung bewirkten Festlegung des Bodenstick- stofts spielen allem Anschein nach Streptothrix- und andere, höhere- Pilzarten die Hauptrolle. Da aber bereits früher von uns der Nachweis erbracht worden ist, daß durch Schwefelkohle nstoffbehandlung im Boden die Streptothrix- Arten eine besonders starke Zurückdrängung er- fahren, so schien durch das Ergebnis dieses Strohdüngungsversuches in der Erkenntnis des Schwefelkohlenstoffproblems ein nicht unwichtiger Schritt vorwärts getan. Hätten wir uns mit diesem einen Versuch be- gnügt, so würden wir jedenfalls gefolgert haben, daß die Schwefel- kohlenstoffwirkung hauptsächlich in der Abtötung jener Organismen begründet sei, die denBodenstickstoff festlegen. Die alte, anscheinend etwas- naive Anschauung, der man gelegentlich in Erörterung über die Ursachen und Beseitigung der Rebenmüdigkeit begegnet, daß nämlich der Schwefel- kohlenstoff die für die Pflanzen schädlichen Organismen beseitige und dadurch die nützlichen fördere, hätte wieder ausschheßlich Geltung erlangt,, wenn auch vielleicht in etwas anderem Sinne, insofern, als es sich nicht, um die Beseitigung von den Pflanzen direkt schädlichen Organismen handelte, sondern lediglich von solchen, die mehr durch ihre Kon- kurrenz und vielleicht durch ein gewisses passives Verhalten,, nämlich durch lange Zeit andauernde Zurückhaltung des Bodenstickstoffs, die Kulturpflanzen benachteiligen. Es ist wohl zweifellos, daß tatsächlich zum Teil die Wirkung des Schwefelkohlenstoffs und anderer Gifte in dieser Richtung liegt; aber N^euere Ergebnisse usw. a. d. Gebiete d. landwirtschaftl. Bakteriologie. 207 es wäre doch recht voreilig, wollte man behaupten, hiermit wäre das ganze Problem gelöst. ". . • • ' ..■. ■ . ., : Um zu entscheiden, ob es sich bei der Wirkung des Schwefel- tohienstoffs auf festgelegten Stickstoff lediglich um Abtötung von Orga- nismen handle, die diesen Stickstoff dem allgemeinen Kreislauf entziehen, haben wir bereits im Jahre 1906 Versuche begonnen, die zugleich darüber Klarheit schaffen sollten, ob etwa der Schwefelkohlenstoff auf gewisse Stickstoffverbindungen einen direkten Einfluß auszuüben im- stande sei. Um von vornherein alles auszuschließen, was die Deutung des Ergebnisses erschweren konnte, benutzten wir zu den entsprechenden Topfversuchen nicht Erde, sondern Ziegelmehl, also ein nur aus mine- ralischen Stoffen bestehendes Medium. Außer der üblichen stickstoff- freien Nährlösung wurde dann das Ziegelmehl mit verschiedenen stick- stoffhaltigen Verbindungen, wie salpetersaures Kali, schwefelsaures Ammon, salpetersaures Ammon, Asparagin, Harnstoff, Amidophenol, Ei- weiß, Humus, meist in äquivalenten Stickstoffmengen, zum Teil mit, zum Teil ohne Beigabe von Zucker als Kohlenstoffquelle, versetzt. Ich lasse hier nur das Resultat eines solchen Versuchs durch die Gegenüber- stellung von je zwei der gewählten Stoffe folgen. Schwefelkohlenstoff wurde teils gleichzeitig mit der Stickstoffdüngung, teils 4 Wochen später zugegeben, und zwar, nachdem vorher eine Impfung mit Erd- ■extrakt stattgefunden hatte. Es wurden geerntet an Trockensubstanz bei Hafer, der mehrere Wochen nach Beginn des ganzen Versuches zur Aussaat gelangt war: Düngung mit Asparagin Amidophenol ohne CS2 6,00 4,46 mit „ 5,74 1,92 ■ . Harnstoff Eiweiß 5,78 7,60 9,87 16,52 Namentlich bei Verwendung von Eiweiß, das in Form von ge- trocknetem Hühnereiweiß benutzt w^urde, als Stickstoffquelle war, wie aus diesen Zahlen hervorgeht, die Wirkung des Schwefelkohlenstoffs eine ganz außerordentliche. Hier konnte es sich aher nicht um Erschließung von Stickstoff handeln, der erst durch Abtötung lebender Organismen wieder in den Kreislauf eingezogen wurde, ja es handelte sich nicht •einmal um Stickstofformen, die nicht auch an sich der Zersetzung zu- gängUch gewesen wären; denn wie sich auch aus dem Vergleich mit den ohne Stickstoff gebliebenen Reihen deutlich ergab, hat das Eiweiß auch in den nicht mit Schwefelkohlenstoff behandelten Töpfen schon eine besonders gute Wirkung auf den Hafer ausgeübt, was natürlich nur durch den hier vor sich gegangenen Abbau der Eiweißkörper er- klärt werden kann. 208 ^- Hiltner. Wir haben ähnliche Versuche auch im laufenden Jahre unter ent- sprechender Variation der Versuchsbedingungen durchgeführt und außer Schwefelkohlenstoff noch die Wirkung von Kresol geprüft. Dabei haben sich die vorjährigen Ergebnisse, namentlich was die Wirkung des Ei- weißes anbelangt, durchaus bestätigt. Einige speziellere Laboratoriumsversucho lassen es sehr unwahr- scheinlich erscheinen, daß diese Ergebnisse zurückgeführt werden können auf eine direkte Wirkung des .Schwefelkohlenstoffs auf Eiweißstoffe. Es bleibt vielmehr kaum eine andere Möglichkeit, als anzunehmen, daft der Schwefelkohlenstoff das gegenseitige Kräfteverhältnis der durch Impfung zugeführten Organismen störte, wodurch das Eiweiß in ganz, anderer Richtung zersetzt wurde wie in den Vergleichstöpfen.') Wie sehr die Art und die Schnelligkeit der Zersetzung oder Um- setzung gewisser Stoffe abhängig ist von der gegenseitigen Gruppierung- der im Boden enthaltenen Organismen und natürlich auch von ihrer Zahl usw., lehren ja in überraschender W^eise die Ergebnisse, zu denen Remy und nach ihm Löhnis gelangt sind bei den Versuchen, die Denitrifikationskraft, das Fäulnisvermögen und andere ähnliche Eigen- schaften der Böden festzustellen durch Übertragung kleiner Mengen der zu prüfenden Erde in entsprechend zusammengesetzte Nährlösungen. Derselbe Boden verhält sich, wie Löhnis gezeigt hat, dabei ganz ver- schieden, je nachdem er vorher bearbeitet worden ist oder nicht, je nach dem Grade also, in dem sich, wie wir wohl sagen dürfen, seine Organismenflora durch irgend eine Beeinflussung des Bodens in bezug auf die Gruppierung der Arten verändert hat. Wir haben auch nicht versäumt, bei unseren Versuchen in den mit Eiweiß und anderen Stickstoft'körpern beschickten Töpfen den Gang und die Schnelligkeit der Zersetzung durch regelmäßig wiederkehrende Ammoniak- und Salpetersäurebestimmungen zu verfolgen. Es ist dies auch geschehen in Fällen, wo wir statt Eiweiß getrocknetes Pilzpulver und ähnliches Material verwendeten. Stets hat sich dabei bestätigt, daß in Gefäßen ohne Schwefelkohlenstoff die Ammoniakbildung etwas rascher einsetzte, der dann jene von Salpeter sehr bald folgte, während sich in den Schwefelkohlen stolftöpfen auf lange Zeit hinaus nur Am- moniak nachweisen Heß. W'odurch diese Unterdrückung der Nitrifikation durch Schwefelkohlenstoffbehandlung des Bodens eigentlich bedingt ist,. 1) Eine dritte Möglichkeit, daß nämlich nach Beginn der Zersetzung entstehende Abbauprodukte mit noch vorhandenem Schwefelkohlenstoff Ver- bindungen eingehen und durch diese dann der Verlauf der weiteren biologischen Vorgänge wesentlich beeinflußt wird, haben wir erst in jüngster Zeit näher ins Auge gefaßt. Neuere Ergebnisse usw. a. d. Gebiete d. landwirtschaftl. Bakteriologie. 209 ist wieder eine Frage für sich, mit der wir uns ihrer Wichtigkeit wegen zurzeit besonders beschäftigen; wahrscheinlich ist es, daß bei dem in anderer Richtung als gewöhnlich erfolgenden Abbau des Eiweißes organische Stoffe entstehen, die eine Tätigkeit der Nitriflkationserreger nicht aufkommen lassen. Vorläufig müssen wir uns jedenfalls mit den festgestellten Tatsachen begnügen. ' ' ' ' Nach wie vor muß ich aber auf Grund dieser Tatsachen be- haupten, daß die Hauptursache für die Wirkung des Schweiel- kohlenstoffs und anderer Gifte gegeben ist in der durch sie bedingten Gleichgewichtsstörung der Bodenorganismen, und ich freue mich, damit einen Satz aufs neue bestätigen zu können, der, Avie ich wohl offen sagen darf, nicht nur durch zahlreiche direkte Be- obachtungen, sondern auch durch ernstes Nachdenken entstanden ist. Hieran reiht sich aber noch eine andere, meines Erachtens nicht minder wichtige Tatsache, nämlich, daß sich Salpeter bei unseren Ver- suchen, in Übereinstimmung mit den Erfahrungen, zu denen schon Deherain und andere Forscher gelangt sind, nicht in allzu großen Mengen im Boden anhäufte: er wird, abgesehen von der Auswaschungs- möglichkeit, die bei unseren Topfversuchen natürlich keine Rolle spielte, sehr bald wieder zum größten Teil von anderen Organismen in Beschlag gelegt. Wir haben dies bei unseren Versuchen besonders eingehend verfolgt und erblicken in dem Umstand, daß bei unterbleibender .Salpeterbildung den angebauten Pflanzen eine erheblichere Menge des aufgeschlossenen Stickstoffs zugute kommt als dort, wo infolge der rasch einsetzenden Nitrifikation gewisse Bodenorganismen mit den höheren Pflanzen in erfolgreiche Konkurrenz treten, indem sie einen beträchtlichen Teil des aufgeschlossenen und als Salpeter dargebotenen Stickstoffs für sich in Beschlag nehmen, eine besonders wichtige Folge der Schwefelkohlenstoffwirkung. ■ -• Nur nebenbei sei bemerkt, daß meines Erachtens das bessere Ge- deihen der Pflanzen in mit Schwefelkohlenstoff behandelter Erde einen zwingenden Beweis für die Fähigkeit der höheren Pflanzen liefert, ihren Stickstoffbedarf auch aus Ammoniak zu decken. Nachdem wir festgestellt haben, daß Schwefelkohlenstoff durch seine das gegenseitige Verhältnis der Organismenarten verändernde Wirkung die Zersetzung von Eiweiß- und anderen Stickstoffkörpern in andere Bahnen lenkt, haben wir uns mit der wichtigen Frage zu beschäftigen, ob denn diese Feststellung praktische Bedeutung besitze, d. h. ob ähnliche Körper auch außerhalb der Leibessubstanz lebender Organismen im Boden ent- halten seien, eine Wirkung auf solche durch Behandlung des Bodens Jahresbericht der Vereinigung für angewandte Botanik V. 15 210 L. Miltner. mit Schwelelkohlenstoff demnach überhaupt in Betracht kommen könne. Die Antwort darauf dürfte nicht allzu schwer fallen. Aus den nicht sehr zahlreichen Versuchen, die sich mit den Formen beschäftigen, in denen der Stickstoff" in den Boden enthalten ist, ist zu ersehen, daß er, abgesehen von seinem Auftreten in Ammoniak- und Salpetersäureform,^ hauptsächlich in Form von Amiden und Aminen, vor allem auch von Aminosäuren, ferner von hochkomplizierten eiweißartigen Körpern,. Nukleinen und dergleichen, sich vorfindet. Namentlich der Moorboden ist in dieserBeziehungetwasnäheruntersuchtworden, dessen „matierenoire" ja bekanntlich unter Umständen einen höheren Stickstoflgehalt aufweisen kann als die Protein körper. Wer jemals ein Hochmoor zu Zeiten gesehen hat, wo der ganze Boden von Pilzfäden durchwuchert erscheint, wird kaum im Zweifel sein, daß mindestens ein Teil dieser Stickstoffkörper in diesen Pilzen abgelagert ist; wer aber die Vergänglichkeit der My- zelien mindestens der meisten solcher Pilzarten, namentlich ihrer als- Schwämme über den Boden tretenden Fruchtorgane, sich vergegen- wärtigt, wird sich weiter sagen, daß sehr bald der größte Teil ihres- StickstolTs in nicht an Organismen gebundener Form im Boden enthalten sein wird. Nicht zu vergessen ist auch, daß in gewöhnlichen Acker- böden zahlreiche Bakterienarten und andere Organismen hoch zusammen- gesetzte Stickstoffkörper bilden, daß sich ferner im Boden Enzyme ver- schiedener Art vorfinden. Werden auch alle diese Stoffe mindestens in einem tätigen Boden wieder angegriffen und zerstört, so verbleibt doch ein mehr oder minder großer Teil schheßlich unzersetzt, sobald sich die Organismen, wenn zwischen ihnen ein Gleichgewichtszustand ein- getreten ist, in ihrer Entwickelung gegenseitig hindern. Aus stickstoffhaltigen Stoffwechsel- bzw. Zersetzungsprodukten, sowie aus Enzymen u. dgl., die sich allmählich auf diese Weise im Boden anhäufen, werden in der Hauptsache die Hemmungsstoffe be- stehen, und erst durch eine tiefgreifende Einwirkung, etwa durch Er- höhung der Luftzufuhr, durch gewisse Düngungen, namentlich durch Kalkdüngungen, und vor allem auch durch Einbringung von Giften in den Boden, wird eine andere Gruppierung der Organismen erfolgen und dadurch für diese wieder die Möglichkeit gegeben sein, die Hemmungs- stoffe anzugreifen und zu beseitigen. Wenn sich dies so verhält, so muß gerade auf kultiviertem Hoch- moorboden Schwefelkohlenstoff besonders starke Wirkungen hervor- bringen, und in der Tat hat sich dies bei unseren Versuchen mit Böden aller Art auch bestätigt gefunden. Es ist bekannt, daß das Schwefelkohlenstoffproblem zwei Seiten hat. Nicht minder interessant und wichtig, als die durch diesen Stoff Neuere Ergebnisse usw. a. d. Gebiete d. landwirtschaftl. Bakteriologie. 211 bedingte Erhöhung der Fruchtbarkeit des Bodens, ist die von Oberlin aufgefundene Tatsache, daß er auch die Rebenmüdigkeit zu be- seitigen imstande ist. Ich selbst habe dies erst Ende Juli dieses Jahres bei Versuchen, die auf unsere Veranlassung in der Nähe von Landau in der Pfalz angestellt worden sind, wieder in überraschender Weise bestätigt gefunden. Nicht so allgemein bekannt dürfte die Tat- sache sein, daß gerade in der Rheinpfalz Schwefelkohlenstoff schon seit mehreren Jahren in großer Menge von den Winzern verwendet wird und zwar, wie sie sagen, zum „Vergiften des Bodens". Während aus- gehauene Weinberge erst einer mindestens 4— 5 jährigen Ruheperiode bedürfen, bevor sie wieder gesunde Reben zu tragen imstande sind, verkürzt sich diese Periode auf wenige Wochen, wenn man den Boden nach dem Aushauen der Stöcke mit Schwefelkohlenstoff behandelt. Von besonders großer praktischer Bedeutung ist diese eigentümliche Wirkung des Schwefelkohlenstoffs, wenn es gilt, in einem Weinborg von sonst noch befriedigendem Stande vereinzelte schlechte Stöcke durch neue junge Reben zu ersetzen. Man könnte nun wohl annehmen, die Wirkung des Schwefelkohlen- stoffs erkläre sich in diesen Fällen dadurch, daß er die Tendenz der überwiegenden Mehrzahl der Bodenorganismen, den Stickstoff festzu- legen, beseitige, aus Gründen, wie wir sie schon kennen lernten. Zum Teil dürfte diese Erklärung auch zutreffend sein; aber sie scheint mir doch nicht vollauf zu genügen. Es scheint vielmehr, daß durch den Schwefelkohlenstoff auch direkt schädliche Stoffe, also eben- falls Hemmungsstoffe, beseitigt werden.') Für diese Auffassung sprechen jedenfalls die Ergebnisse von Ver- suchen über die Bodenmüdigkeit der Erbsen und anderer Leguminosen, über die wir zum Teil, da sie bereits in Dahlem begonnen wurden-, schon kurz berichtet haben. Bei diesen Versuchen stellte sich die auf- fallende Tatsache heraus, daß bei wiederholtem Anbau von Erbsen im Dahlemer Boden zunächst deutlich die Erscheinungen der ßodenmüdig- keit auftraten. Dieselben äußerten sich hauptsächlich in einem sehr starken Befall der Wurzeln durch Bodenorganismen aller Art, der nicht nur eine schwammartige Beschaffenheit der einzelnen Wurzelfasern, sondern dadurch auch eine minder gesunde Entwickelung der oberirdischen ') Vielfach wird auch angenommen, der Schwefelkohlenstoff wirke nur dadurch günstig, daß er die konkurrierenden Wurzeln benachbarter Pflanzen abtöte; dies könnte aber nur jene Fälle erklären, bei denen es sich um Er- satz einzelner Stöcke in Weinbergen handelt, keineswegs aber die Tatsache, daß bei Neuanlage ganzer Weinberge eine mehrjährige Ruheperiode unnötig wird, sobald der Boden eine Behandlung mit Schwefelkohlenstoff erfährt. 212 L. Hiltner. Organe und vor allem eine entsprechende f]rtragsverminderung zur Folge hatte. Besonders deutlich waren diese Bodenmüdigkeitserschei- nungen bei der 2. und 3. Erbsengeneration; eine 4., 5. und 6. Gene- ration aber ließen merkwürdigerweise diese Müdigkeitserscheinungen durchaus vermissen, ja die Pflanzen entwickelten sich sogar nunmehr von einer Generation zur andern besser als je zuvor. Wir haben be- kannthch seinerzeit diese Überwindung der Bodenmüdigkeit zurückgeführt auf die Wirkung von Schutzorganismen, die allmählich immer mehr in den Vordergrund gelangen und die Veranlassung dazu geben, daß die Wurzeln der Erbsenpflanzen eine braune bis schwarze Farbe annehmen. Eine Erde, die unmittelbar aufeinanderfolgend sechs Generationen von Erbsen getragen hatte, wurde nun teils mit Schwefelkohlenstoff, teils mit Ätzkalk behandelt. Die Folge war, daß bei der nächsten Erbsengeneration die schwarze Färbung der Wurzeln vollständig ver- schwunden war und an Wurzeln und oberirdischen Organen die Er- scheinungen der Bodenmüdigkeit aufs neue in heftiger Weise sich zeigten. Durch den Schwefelkohlenstoff und auch durch den Kalk waren demnach entweder die hypothetischen Schutzorganismen vernichtet oder doch außer Tätigkeit gesetzt, oder es waren auf irgend eine sonstige Weise die für die Erbse so günstig gewordenen Verhältnisse wieder zerstört worden. Wir haben damals in derartig mit Schwefelkohlenstoff behandelter Erde außer Erbsen in anderen Töpfen Buchweizen gebaut, wobei sich ergab, daß die SchwefelkohlenstofTbehandlung eines solchen Bodens, die also zur Folge hatte, daß die Erbsen wieder mißrieten, auf den Buch- weizen ungemein günstig einwirkte. Die Umkehrung der Wirkung des Schwefelkohlenstoffs war also eine für die Erbsenpflanze spezifische Er- scheinung. Man könnte geradezu daran denken, daß sich im Dahlemer Boden bei wiederholtem Anbau von Erbsen zunächst auf diese Pflanzen- art toxisch wirkende Stoffe anhäufen, die die Bodenmüdigkeit be- wirken und daß bei fortgesetztem Anbau Antitoxine entstehen, die eben durch den Schwefelkohlenstoff wieder zerstört werden, so daß sich hierdurch die merkwürdige Umkehrung seiner Wirkung erklärt. Übrigens kann auch die durch den Schwefelkohlenstoff" bedingte vermehrte Am- moniakbildung die Erbse vielleicht ungünstig beeinflussen. Sollte sich die erstgenannte Vermutung bei den weiter durchzuführenden Versuchen als zutreffend erweisen, so hätten wir die interessante, aber an sich ja keineswegs überraschende Tatsache vor uns, daß sich im Boden durch gewisse Stoffe nicht nur Hemmungen zwischen den Mikroorganismen- arten ergeben, sondern auch für höhere Pflanzenarten, falls diese mehr- mals rasch hintereinander gebaut werden. Neuere Ergebnisse usw. a. d. Gebiete d. landwirtschaftl. Bakteriologie. 213 Unsere in München fortgesetzten Bemühungen, in diese Fragen mehr Klarheit zu bringen, sind leider bis vor kurzem erfolglos geblieben und zwar, wie wir erst später einsahen, deshalb, weil wir in München zu den Versuchen eine Erde von hohem Kalkgehalt verwendeten. Trotzdem jedes Jahr mindestens zwei Generationen von Erbsen gezogen wurden, haben wir vergeblich auf das Eintreten von Bodenmüdigkeits- erscheinungen gewartet; dagegen hat sich im Jahre 1906 und noch mehr im laufenden Jahre jene eigentümliche Schwarzfärbung der Erbsen- wurzeln, wenn auch nicht in so hohem Grade wie in der fast kalkfreien Dahlemer Erde, wieder eingestellt. Es wird demnach möglich sein, den hier gegebenen, nach meinem Dafürhalten ungemein wichtigen Fragen wieder experimentell näher zu treten. So viel steht jetzt schon fest, daß der schwarze Überzug der Wurzeln aus einem humusartigen Stoff besteht, der durch Schwefel- kohlenstoff direkt in keiner Weise beeinflußt wird. In Dahlem konnten wir außerdem bereits feststellen, daß durch die Impfung mit einem Extrakt aus Boden, in dem die Erbse nach wiederholtem Anbau schwarze Wurzeln bildete, die Bodenmüdigkeit der Erbse in anderen Gefäßen beseitigt wurde und zwar unter vorsichgehender Schwärzung der W^urzeln. Auf alle Fälle haben uns hier die Schwefelkohlenstoffversuche mit Vorgängen im Boden bekannt gemacht, die wohl die größte Beachtung verdienen; denn sie werfen einerseits ein neues Licht auf die Wirkung des Schwefelkohlenstoffs, anderseits lassen sie uns mit der Möglichkeit rechnen, daß es gelingen werde, aus Böden, in denen bestimmte Pflanzen- arten durch fortgesetzten Anbau die Bodenmüdigkeit vollständig über- wunden haben, gewisse Impfstoffe herzustellen, die vielleicht zur prak- tischen Verwendung fähig sein werden. Jedenfalls sind wir in der Lage, schon im kommenden Jahre nicht nur bei der Erbse, sondern auch bei Klee und anderen Leguminosenarten mit derartigen Versuchen beginnen zu können. Ausdrücklich sei schließlich noch hervorgehoben, daß bei der durch giftige Stoffe bewirkten Autschheßung natürlich außer dem Stickstoff auch andere Stoffe wieder in den Kreislauf eingezogen und dadurch den Pflanzen wieder zugänglich gemacht werden können und daß ferner selbstverständlich die verschiedenen Giftstoffe, je nach ihrer chemischen Natur, außer ihrer eigentlichen Giftwirkung auch noch spezifische Pro- zesse auslösen können. Gehen wir endlich zur 3. Frage über, die lautet: Welche Fol- gerungen ergeben sich aus der Wirkung des Schwefelkohlen- stoffs und anderer Gifte für die landwirtschaftliche Praxis? 214 L. Hiltner. Was zunächst die Möglichkeit anbelangt, den Schwefelkohlenstoff direkt bei der Pflanzenkultur zu verwenden, so will ich auf die große Bedeutung, die der Schwefelkohlenstoff bereits im Weinbau gewonnen hat, nur hinweisen und meiner Überzeugung Ausdruck geben, daß dieser Stoff in dem Maße, als er billiger herzustellen ist, auch in der gärtnerischen und landwirtschaftlichen Praxis noch ausgedehntere Ver- wendung finden kann. Wir selbst haben schon seit mehreren Jahren Versuche im Gange, bei denen der Schwefelkohlenstoff angewendet wird zur Behebung der Baummüdigkeit, ferner der Hopfenmüdigkeit, der Meerrettichschwärze und zur Beseitigung der Kohlhernie und dergl. Auch seine kaum übertreflbare Fähigkeit, das Gleichgewichtsverhältnis der Organismen im Boden zu zerstören und dadurch ganz andere Be- dingungen hervorzurufen, namentlich den Eintritt der Nitrifikation auf voraus zu berechnende Zeit zu verschieben, scheint der praktischen Verwertung zugänglich. Inwieweit es sich dabei empfiehlt, den Schwefelkohlenstoff unverdünnt in seiner flüssigen Form wie bisher zu verwenden oder ihn zu emulsionieren, bzw. mit pulver- oder erdförmigen Mitteln, wie Kalk und dergl. zu vermischen, bleibt weiteren Versuchen vorbehalten. Unter den andern von uns geprüften Giften verdienen sicher ver- schiedene auch weiterhin auf ihre praktische Verwendbarkeit erprobt zu werden, sei es als Ersatz für Schwefelkohlenstoff oder zu bestimmten Zwecken, wo das eine oder andere vielleicht noch eher in Betracht kommt. Jedenfalls behalten wir uns vor, in dieser Richtung die bereits seit mehreren Jahren laufenden Versuche noch weiter zu führen. Schon jetzt aber kann ich darauf hinweisen, daß voraussichtlich das Kar- bolineum berufen sein wird, auch in dieser Richtung in der Zukunft eine große Rolle zu spielen. Es hat bei unseren Versuchen die Wirkung des Schwefelkohlenstoffs in verschiedenen Fällen übertrofifen und zwar nicht nur was die Erhöhung der Fruchtbarkeit des Bodens anbelangt, sondern vor allem durch die große Kraft, Bodenschädlinge, insbesondere Unkrautsamen aller Art, zu zerstören. Schon im Jahre 1905 haben wir verschiedene Karbolineumsorten zu derartigen Versuchen mit heran- gezogen und stets mit ihnen die bei weitem besten Resultate im Ver- gleich zu anderen Stoffen erhalten. Der wirklich praktischen Verwendung des Karbolineums zur Be- handlung des Bodens standen bisher aber zwei wesentliche Schwierig- keiten entgegen, nämlich: 1. die schwierige Verteilbarkeit des Stoffes, 2. die verhältnismäßig immerhin lange Zeit, die verstreichen muß, bis sich das Karbolineum im Boden unter der Einwirkung von Organismen zersetzt. Neuere Ergebnisse usw. a. d. Gebiete d. landwirtschaftl. Bakteriologie. 215 Diese Schwierigkeiten lassen sich kaum beseitigen durch Anwen- dung der bekannten Karbolineumemulsionen, denn die die Emulsion be- wirkenden Stoffe, namentlich Seifenlösungen und dergl., vermindern die gerade hier in Betracht kommenden Eigenschaften des Karbolineums in ziemlichem Grade. Was die Zersetzung des Karbolineums im Boden an- belangt, so haben wir bereits feststellen können, daß dieselbe im Sommer, selbst wenn man sehr große Mengen dem Boden einverleibt, ungemein rasch vor sich geht. Für die Praxis aber käme natürhch mehr die An- wendung im Herbst und im zeitigen Frühjahr in Betracht. Gerade zu diesen Jahreszeiten nimmt aber die Zersetzung eine so lange Zeit in Anspruch, daß die Saat nicht mehr zur normalen Frist vollzogen werden kann. Wir haben daher schon in diesem Frühjahr Studien über die Bedingungen, unter welchen die Zersetzung des Karbolineums vor sich geht, begonnen. In diese Versuche wurden auch zahlreiche andere •organische Stoffe, namentlich Kresolpräparate, ferner Kalziumsaccharat, Tannin, Gallussäure, Anilin, Naphtylamin, Kaliumferrocyanid, Cyankali, GlykokoU, Amidophenol usw. eingezogen, namentlich auch zur Entscheidung der Frage, inwieweit dieselben als Kohlenstoffquellen für Bodenorganismen in Betracht kommen können. Mit allen diesen Stoffen sind bisher die Versuche im positiven Sinne ausgefallen; bei jenen, die zugleich stick- stoffhaltig sind, kommt auch der Stickstoff für die Ernährung der Orga- nismen in Betracht. Bezüglich des Karbolineums haben uns diese Versuche zu einem Resultat geführt, das es möglich erscheinen läßt, die beiden genannten, seiner Verwendung entgegenstehenden Schwierigkeiten in höchst ein- facher Weise zu beseitigen und damit die Anwendung des Karbolineums zugleich handlicher zu gestalten. Sobald die zahlreichen Versuche, die wir in dieser Richtung schon angesetzt oder zum Teil für diesen Herbst Torgesehen haben, zum Abschluß gelangt sein werden, werden wir liierüber an anderer Stelle ausführlich berichten. In indirekter Beziehung erscheint mir die Aufdeckung der eigen- tümUchen Giftwirkungen und ihrer Ursachen nicht minder bedeutungs- voll, indem durch sie für manche längst bekannte Tatsachen bessere Erklärungen als die bis jetzt gebräuchlichen gefunden und damit zu- gleich Fingerzeige gegeben werden für eine rationellere Verwendung gewisser Düngemittel. In erster Linie dürfte die ganze Kalkdüngungsfrage in ein anderes Licht gerückt werden; denn es ist zweifellos, daß die indirekten Wirkungen der Kalkdüngung zum großen Teil ebenfalls auf eine durch sie bewirkte Störung des Gleichgewichtszustandes der Bodenorganismen zurückzuführen sind. Die Tatsache, daß Böden mit stärkerem Gehalt 216 L. Hiltner. an kohlensaurem Kalk zu den tätigen gehören, daß auf ihnen gewisse Müdigkeitserscheinungen nicht auftreten u. dgl. wird dem Verständnis noch näher gerückt, als es bisher möglich war. Nicht minder dürfte dies der Fall sein bei den mit der Stallmist- wirkung in Zusammenhang stehenden Fragen. IJaß es nichts Absurderes geben kann, als den Stallmist und andere organische Düngemittel aus- schließlich nach ilirem Gehalt an direkten Pflanzennährstoffen zu be- werten, darüber dürfte wohl jetzt volle Übereinstimmung herrschen; wodurch aber die bedeutsamen, vielfach durch keine andere Düngung ersetzbaren Wirkungen gerade des Stallmistes veranlaßt werden, darauf war bisher keine befriedigende Antwort zu geben. Wohl darf als sicher angenommen werden, daß die organischen Stoffe des Stallmistes an. sich, dadurch, daß sie den Bodenbakterien Nahrung bieten, eine recht wichtige Rolle spielen; haben wir doch auch durch Zusatz von Zucker,, von Fett u. dgl. zum Boden eigentümliche Wirkungen feststellen können. Auch die im Stallmist in überaus großen Mengen auftretenden, ver- schiedenartigen Organismen werden sicherlich im Boden noch z. T. weiter tätig sein, und nicht minder die verschiedenen Enzyme, die nachgewiesenermaßen im Stallmist enthalten sind. Aber ein rechtes Bild von der Art und Weise, in welcher etwa die Organismen und Enzyme des Stallmistes im Boden zur Funktion gelangen, konnte man sich bisher nicht machen. Vergegenwärtigen wir uns aber die von uns festgestellte Wirkung von Giftstoffen, wobei wir ganz davon ab- sehen wollen, daß sich auch im Stallmist Kresole u. dgl. in nicht un- beträchtlichen Mengen vorfinden, so wird uns manches erklärlicher. Kein anderes Medium wird derartig wie der Stallmist imstande sein, im Boden enthaltene Hemmungsstoffe zu beseitigen und dadurch und durch seinen eigenen Gehalt an Organismen und an Nährstoffen bezüglich der im Boden befindlichen Organismen eine vollständige Umwälzung im gegenseitigen Stärkeverhältnis zu bewirken. Ich muß, um diese Verhältnisse noch näher beleuchten zu können, hier auf eine Reihe von Versuchen verweisen, die ein sehr merkwürdiges Ergebnis geliefert haben. Zu bestimmten, hier nicht in Frage kommenden Zwecken haben wir schon vor einigen Jahren Mischungen von ver- schiedenen Erden vorgenommen, die vorher bakteriologisch ziemlich genau untersucht worden waren. Es stellte sich dabei heraus, daß die Mischungen schon nach wenigen Wochen eine ganz auffallende Er- höhung der Bakterienzahl in der Gewichtseinheit aufwiesen, wenn man ausging von der gefundenen Zahl der Organismen in den beiden Komponenten der Mischung. Es wurden fünf-, und selbst zehnmal sa viel Organismen gefunden, als man hätte erwarten sollen; ja in Fällen,. Neuere Ergebnisse usw. a. d. Gebiete d. landwirtschaftl. Bakteriologie. 217 wo wir Gartenerde zu gleichen Teilen mit einem etwas faulig riechenden Sand mit etwa 5 Millionen Bakterien vermischten, erreichte die Zahl der nach 4 — 6 Wochen in 1 g der Mischung enthaltenen Organismen eine Höhe, die über eine Milliarde hinausging. Hier konnte es sich kaum mehr darum handeln, daß etwa durch Vermischung der ver- schiedenen Medien ein Ausgleich von Nährstoffen für die Organismen eintrat, sondern es erscheint uns sicher, auch nach Einzelfeststellungen, auf die ich hier nicht näher eingehen kann, daß die auffallende Er- höhung der Bakterienzahl in den Mischungen ha iptsächlich zurückzu- führen ist auf die durch das Zusammentreffen zweier voneinander recht verschieden zusammengesetzter Organismenhorden besonders weitgehende Beseitigung der gegenseitigen Hemmungsstoffe. Übertragen wir diese Auffassung auf den Stallmist, so müssen wir zu der Anschauung ge- langen, daß seine Wirkung durchaus abhängig sein wird von dem Grade der Verschiedenheit seiner Organismenflora und deren mannigfaltiger Stoff'wechselprodukte von jener des damit zu düngenden Bodens. Ein und derselbe Stallmist wird, unabhängig von seinem Gehalt an Pflanzen- nährstoff'en, namentlich an Stickstoff, recht verschieden auf verschiedene Bodenarten einwirken, und es steht zu erwarten, daß wir, sobald einmal diese Verhältnisse näher erforscht sind, in den Stand gesetzt sein werden, die biologische Zusammensetzung des Stallmistes je nach den besonderen Zwecken, für die er dienen soll, besonders auch nach der Bodenart, in bestimmte Richtungen zu lenken. Beiläufig möchte ich erwähnen, daß uns diese Studien zur Er- probung eines neuen, von uns konstruierten Vegetationsgefäßes geführt haben, durch dessen Verwendung es möglich werden dürfte, die Ergebnisse von Topfversuchen, namentlich von Düngungsversuchen, mit denen auf Freiland mehr in Einklang zu bringen, als es bisher vielfach geschehen kann. Auch die Bedeutung des Humus und der Mycorrhiza, namentlich der ectotrophen Mycorrhiza, erfährt nach meinem Dafürhalten manche Aufklärung, Neben den bisher geschilderten Versuchen, die alle in mehr oder minder näherem Zusammenhange mit dem Schwefelkohlenstoffproblem stehen, haben wir uns in München unausgesetzt auch mit den KnöUchen- bakterien und ihren Beziehungen zuden Leguminosen beschäftigt. In erster Linie möchte ich hier darauf verweisen, daß wir Veranlassung genommen haben, die interessante Mitteilung des Herrn Direktors Guthke- Bergen bei Celle, wonach Serradella und Rotklee miteinander unverträglich seien, zum Gegenstand von Untersuchungen zu machen, die sowohl auf Freiland als in Töpfen angestellt werden. Einen be- 21g L. Hiltner. sonders guten Einblick in die hier maßgegenden Verhältnisse gewährte ein Topfversuch, bei welchem einerseits Serradella, anderseits Rotklee in sterilisierter Erde gezogen wurde. In je mehreren Reihen blieben die Töpfe ungeimpft ; in den andern wurden, und zwar sofort nach der Aus- saat, Impfungen vorgenommen mit Reinkulturen von Rotklee- bzw. von SerradellaknöUchenbakterien. Nach Verlauf von 3 Wochen wurden mehrere bis dahin ungeimpft gebliebene Töpfe ebenfalls mit den zur angebauten Pflanze passenden Bakterien geimpft, und dasselbe geschah bei einem Teil der schon vorher geimpften Gefäße. Die Anordnung geht am besten aus folgender Tabelle hervor, die zugleich die Ergebnisse an Trockensubstanz pro Topf beim Serradellaversuch wiedergibt. Es wurden geerntet: 1. Ungeimpft 135,5 g 2. Sofort bei der Saat und nochmals 3 Wochen später geimpft mit Serradellabakterien . . . 176,0 g 3. Geimpft 3 Wochen nach der Aussaat mit Serra- dellabakterien 174,5 g 4. Geimpft bei der Saat mit Rotkleebakterien, nach 3 Wochen mit Serradellabakterien 118,5 g Man ersieht aus diesen Zahlen zunächst wieder die günstige Wirkung der Impfung von Serradella mit den zugehörigen KnöUchenbakterien; sie hatte fast gleichen Erfolg, ob sie nur einmal oder zweimal aus- geführt wurde. Das uns hier am meisten interessierende Resultat ist aber jenes der Reihe 4; denn es zeigt uns mit überraschender Schärfe, wie durch die vorausgegangene Impfung der Serradella mit Rotklee- bakterien die nachfolgende, für sich allein (in Reihe 3) so wirksame Impfung mit Serradellabakterien vollständig wirkungslos blieb; die betr. Töpfe gaben sogar einen Minderertrag gegenüber ungeimpft. Dies dürfte eine Erklärung der Unverträglichkeit von Rotklee und Serradella bieten. Gelangen die Serradellawurzeln in einen Boden, der von Rot- kleebakterien durchsetzt ist, so werden diese Bakterien zwar durch die Wurzelausscheidungen der Serradella angelockt, sie werden, wie wir dies tatsächlich nachweisen konnten, sich an der Oberfläche der Wurzel anhäufen, aber nun auch jene Stoffe, durch die sie angelockt wurden, so in Beschlag nehmen, daß die nur spärlich vorhandenen, oder gar die erst später hinzutretenden, echten Serradellabakterien gegenüber den in diesem Falle für die Pflanze recht nutzlosen, ja sogar schädlichen Konkurrenten nicht aufkommen können. Auf alle Fälle zeigt dieser Versuch, daß die Leguminosenpflanzen auch beeinflußt werden durch KnöUchenbakterien, die nicht in ihre Neuere Ergebnisse usw. a. d. Gebiete d. landwirtschaftl. Bakteriologie. 219 Wurzeln eindringen, und daß ebenso, wie ich dies schon in einem Vortrag in Eisenach auf Grund vieler anderer Beobachtungen behauptete, auch jene im Boden enthaltenen Knöllchenbakterien, die außerhalb der Wurzel verbleiben, von dieser eine starke Beeinflussung erfahren. In dem erwähnten Vortrag habe ich sogar die Behauptung aufgestellt, es wäre für die Leguminosen in vielen Böden unerläßlich, daß die Pflanzen auch mit den innerhalb ihrer Rhizosphäre im Boden verbleibenden Knöllchenbakterien und anderen, den löslichen Stickstoff festlegenden Organismen in eine Art Symbiose treten müßten, weil anders es sonst nicht möglich sei, daß sie im Zusammenwirken mit den KnöUchenorganismen Stickstoff sammeln könnten. Ich erwähne dies nur, um darauf hinweisen zu können, daß wir es uns angelegen sein ließen, in der Zwischenzeit für diese Behauptung neue Beweise zu finden, und daß dies tatsächlich gelungen ist. Im übrigen muß ich es mir versagen, im einzelnen auf die sonstigen verschiedenen Versuche ein- zugehen, die wir mit Knöllchenbakterien im Laufe der Jahre angestellt haben, teils, weil diese Versuche noch nicht abgeschlossen sind, teils, weil es sich um Fragen handelt, deren Verfolgung zwar sehr aus- sichtsreich erscheint, über die aber im jetzigen Stadium noch wenig gesagt werden kann. Daß unsere Anstalt alljährUch viele Tausende von Reinkulturen von Knöllchenbakterien liefert und daß mit denselben in recht vielen Fällen in der Praxis gute, oft selbst ausgezeichnete Erfolge erzielt werden, ist bekannt. Leider reicht meine Zeit und auch jene meiner iMitarbeiter nicht aus, um die oft recht interessanten und wichtigen Beobachtungen der einzelnen Versuchsansteller einmal zu einer zusammenfassenden Darstellung zu bringen; denn es würde sich hier um die Verarbeitung von vielen Hunderten von Einzelberichten handeln. Nur einen dieser Berichte möchte ich herausgreifen, weil er eine neue, überraschende Tatsache enthält: Herr Rittergutsbesitzer Pflug-Brody führte i. J. 1902 mit von uns gelieferten Kulturen von ErbsenknöUchenbakterien auf einem großen Schlag Impfungen zu Erbsen aus, berichtete aber damals, daß er von einem Erfolg nichts habe wahrnehmen können. Im J. 1906 dagegen teilte er mit, er habe auf jenem Schlag abermals Erbsen ge- baut, und es hätten sich im Laufe der Entwickelung auf den zwei Hälften des Schlags so auffallende Unterschiede gezeigt, daß er, da der Schlag in bezug auf Düngung, Bearbeitung u. dgl. stets gleich behandelt worden sei, wie vor einem Rätsel gestanden sei. Um dasselbe zu lösen, hätte ^er auf den Wirtschaftsplänen genau nachgeforscht, ob nicht doch früher eine Verschiedenheit in der Behandlung stattgefunden habe, und dabei habe er feststellen können, daß gerade dort, wo die Erbsen 220 ^- Hiltner. i. J. 1906 ganz wesentlich besser standen, 4 Jahre zuvor die damals erfolglos gebliebene Impfung ausgeführt worden sei. Es würde jeden- falls von großer Wichtigkeit sein, wenn es gelänge, für diese Beobachtung eine Erklärung zu finden, was vielleicht eher möglich sein wird, wenn noch mehr derartige eigentümliche Nachwirkungen der Impfung bekannt werden sollten. Auf alle Fälle bitte ich jene Herren, die Impfungs- versuche ausführen, hierauf achten zu wollen. Unablässig waren wir bestrebt, soweit als möglich die praktische Verwendbarkeit der Kulturen zu erhöhen; teils durch Verbesserung der Kulturen selbst, namentlich ihrer Nährböden, teils durch weitere Aus- gestaltung des Impf Verfahrens. In letzterer Beziehung möchte ich mindestens verweisen auf Versuche, die nunmehr schon seit 3 Jahren auf verschiedenen Bodenarten unternommen werden zur Prüfung der Frage, ob bei Ausführung der Samenimpfung besondere Nährstoffe der Bakterienflüssigkeit zugeführt werden sollen, und ob die von uns ein- geführten und bisher gebrauchten Nährstoffe, Pepton und Traubenzucker, unter allen Umständen den Vorzug verdienen. Schon an anderer Stelle habe ich kurz darauf hingewiesen, daß sich in dieser Richtung eine große Mannigfaltigkeit gezeigt hat. Auf manchen Bodenarten hat sich die Beigabe von Nährstoffen, die auf den Diluvialböden Norddeutsch- laiids unerläßlich erschienen, nicht nur als zwecklos, sondern sogar als schädlich erwiesen; auf anderen wurden die besten Erfolge mit ganz anderen Stoffen erzielt. Wir werden schon im kommenden Frühjahre in der Lage sein, diesen Verhältnissen Rechnung zu tragen in allen Fällen, wo uns über die Bodenbeschaffenheit der zu impfenden Flächen genauere Angaben gemacht werden. Ebenso sollen die Ergebnisse von Versuchen Berücksichtigung finden, die vermuten lassen, daß die Wirkung der Reinkulturen von Knöllchenbakterien in vielen Fällen gesteigert werden kann durch Beigabe einer anderen Organismenart. Für die Artfrage der Knöllchenbakterien haben wir neues ßelegmaterial zu gewinnen gesucht, indem wir etwa 12 verschiedene Lupinenarten auf den verschiedensten Bodenarten alljährlich bauten und die Knöllchenverhältnisse eingehender studierten. Aus den bisherigen Ergebnissen ist jedenfalls die Folgerung abzuleiten, daß die Frage, in- wieweit bei den verschiedenen Knöllchenbakterien echte Artunterschiede oder nur Varietäten, bzw. spezialisierte und Anpassungsformen vor- liegen, eine recht komplizierte ist. Anlaß zu Versuchen hat auch die auffallende Tatsache gegeben, daß auf den süddeutschen Hochmooren, im Gegensatz zu den nord- deutschen, die Impfung meist völlig zwecklos ist, da auf ihnen alle bisher geprüften Leguminosenarten, mit Ausnahme von Soja, reichlich Neuere Ergebnisse usw. a. d. G-ebiete d. landwirtschaftl. Bakteriologie. 221 und sehr wirksame Knöilchen ohne Impfung bilden. Nicht minder wichtig und allem Anscheine nach in Zusammenhang hiermit stehend, ist die weitere, schon von der Moorkulturanstalt Bernau a. Chiemsee gemachte und von uns ebenfalls bestätigte Beobachtung, daß auf den süddeutschen Mooren, ebenfalls im Gegensatze zu den norddeutschen, die Gründüngung fast bedeutungslos ist. Aus den bisherigen Ergeb- nissen unserer diesbezüglichen Versuche kann ich bis jetzt nur an- geben, daß der Boden der süddeutschen Moore von Leguminosen- knöllchenbakterien, mindestens in den oberen Schichten, vollständig durchsetzt ist. Die Fragen, um deren Entscheidung wir uns bemühen, sind daher: "Wie sind diese Bakterien in den Boden gelangt, und haben sie in ihm, wo doch sicher seit Jahrtausenden Leguminosen nicht ge- wachsen sind, irgend eine Funktion? Gestatten Sie mir zum Schluß noch mit wenigen Worten auf ein neues Gebiet zu verweisen, das sich uns erst in letzter Zeit erschlossen hat. Sie wissen, daß neben der Frage der Stickstoffsammlung durch Leguminosen hauptsächlich die Brachefrage mit dazu geführt hat, daß man der landwirtschafthchen Bakteriologie seit etwa 10 Jahren besonderes Interesse entgegenbringt. Die Deutsche Land wirtschafts- Gesellschaft ins- besondere bekundet dieses Interesse, indem sie an verschiedenen deutschen Versuchsanstalten Brachefeldversuche finanziell unterstützt. Ich will nun nicht auf diese Brachefrage an sich eingehen, denn sie würde ein Vortragsthema für sich bilden können, sondern ich möchte nur darauf verweisen, daß wir bei unseren Studien über die im Brache- boden sich abspielenden Vorgänge auf die Tatsache gestoßen sind, daß im Boden neben Bakterien, Pilzen und Algen aller Art, d. h. also neben pflanzlichen auch tierische Organismen eine sicherlich nicht un- wichtige Rolle spielen. Insbesondere finden sich in den Böden Amöben, Flagellaten und Inf usorien, und zwar oft in einer ganz außerordent- lichen Menge, vor. Mehrere Zoologen, die wir befragten, ob derartige tierische Organismen im Boden eine Rolle spielen könnten, gaben zwar die Erklärung ab, daß dies, abgesehen vielleicht von direkt nassen Böden, vollständig ausgeschlossen sei; denn im gewöhnlichen Ackerboden fehle es an der für die Entwickelung solcher Tiere unbedingt nötigen Feuchtigkeit. Die betreffenden Zoologen nahmen an, das Vorkommen tierischer Organismen im Boden sei ein rein zufälliges, sie seien durch den Wind oder auf sonstige Weise dorthin gelangt und jedenfalls nur in Dauerformen, als Zysten usw., vorhanden. Wir sind jedoch auf Grund unserer Beobachtungen zu ganz anderen Resultaten gekommen. Wie anders als durch die Annahme, daß die von uns aufgefundenen tierischen Organismen in den betreffenden Böden selbst ihre Ent- 222 ^- Hiltner. Ergebnisse a. d. Gebiete d. landwirtschai'tl. Bakteriologie. Wickelung durchlaufen haben, soll es sonst erklärt werden können, daß wir in gewissen Böden bestimmte Arten von Amöben und Flagellaten zu Millionen in 1 g Erde fanden, daß ferner sicherlich die Art der Bodenfauna durchaus abhängig ist von der Beschaffenheit des Bodens. Und könnte schließlich nicht mit demselben Recht angenommen werden, die Algen und selbst die Bakterien wären nicht imstande, im Acker- boden sich zu entwickeln, da sie ja doch ebenso wie die tierischen Organismen auf eine höhere Feuchtigkeit angewiesen sind? Wir hegen jedenfalls nicht mehr den geringsten Zweifel darüber, daß auch die tierischen niederen Organismen im Boden in den Kreislauf der sich dort abspielenden Prozesse mit eingreifen, und haben dafür schon verschiedene Anhaltspunkte. Es ist uns nicht nur gelungen» schon zahlreiche Arten aufzufinden und zu bestimmen, sondern einige von ihnen auch künstlich in flüssigen und auf festen Nährböden zu züchten. Dabei haben sich recht interessante Beziehungen dieser Orga- nismen zu bestimmten Bakterienarten ergeben, die allein schon die Hoffnung rechtfertigen, daß das Studium der Organismenfauna des Bodens wichtige Aufschlüsse mit sich bringen wird. Auch hier scheint übrigens der Schwefelkohlenstoff durch seine Giftwirkung berufen, die Frage zu entscheiden, ob und unter welchen Umständen tierische Organismen im Boden tätig sind. Jedenfalls haben wir schon im Frühjahr genaue Zählungen aller tierischen Lebewesen von den Regenwürmern, Nematoden bis zu den Amöben von mit Schwefel- kohlenstoff behandelt gewesenen und unbehandelt gebliebenen Boden- parzellen vorgenommen. Besonders haben wir den Schwefelkohlenstoff auch benutzt zu der Entscheidung der Frage, ob und zu welchen Zeiten im Bracheboden die tierischen Mikroorganismen wirklich sich betätigen, ausgehend von der Anschauung, daß deren Dauerzustände bei vorsichtiger Versuchsanstellung vom Schwefelkohlenstoff bei weitem nicht so leicht abgetötet werden können, als die aktiven Lebensformen. Auch hierüber werden wir in unseren ausführlichen Veröffentlichungen nähere Angaben bringen. E. Zacharias. Über sterile Johannisbeeren. 223 Über sterile Johannisbeeren. Von ■ E. Zacharias, Hamburg. Unter den im Hamburger Marschgebiet angebauten Johannisbeeren zeichnet sich eine Sorte, die als „Lübecker Johannisbeere" bezeichnet wird, dadurch aus, daß in größeren Kulturen derselben immer hier und da Stöcke auftreten, welche gar keine oder nur sehr wenige Früchte bringen. Von den in Kultur befindlichen roten Johannisbeeren steht nach Maurer^) eine größere Zahl Rihes rubrum, einige R. petraeum nahe, und eine dritte Reihe besitzt Eigenschaften beider in Übergängen und mannigfaltigen Kombinationen. Die von mir untersuchten Lübecker Johannisbeeren (Fig. 1 — 4; Fig. 5 — 7 Blüten einer R. rubrum nahe- stehenden Rasse) hatten glockenförmige Kelche mit bewimperten, innen rotgefleckten Zipfeln, relativ lange Griffel (2,25 mm) und weichhaarige Infloreszenzstiele, wie es für R. petraeum angegeben wird. Die LInfruchtbarkeit der Lübecker ist nach Angabe eines tüchtigen Züchters nicht etwa eine Erscheinung, die sich in höherem Alter der Sträucher oder unter besonderen äußeren Bedingungen einstellt. Sie findet sich vielmehr als konstante Eigentümlichkeit bestimmter Stöcke in Kulturen, die im übrigen gut tragen^). Auch an Sträuchern, die in den Hamburger botanischen Garten verpflanzt worden waren, wurde die Er- scheinung in sukzessiven Jahren beobachtet: Bestimmte Sträucher tragen sehr wenig, andere gar nicht. Die Sträucher blühen reichlich, die Beeren beginnen anzuschwellen, während die jungen Fruchtstiele sich hakenförmig aufwärts krümmen (Fig. 4), werden dann aber früher oder später bei bestimmten Sträuchern alle, bei anderen zum größten Teil abgeworfen. Die Vierländer Züchter nennen solche Stöcke „Af- smiters". In den auf verschiedenen Stufen der Ausbildung abfallenden Beeren findet man immer nur einzelne angeschwollenene Samenknospen. ij Maurer. Die Beerensträucher, ihre Anzucht und ihr Anbau. (Udo Dammers Gartenbaubibliothek 1900.) Vgl. indessen: Janczewski. Bastarde der Johannisbeeren. (Anzeiger der Akademie der Wissenschaften in Krakau, Mathem. naturw. Klasse, Nr. 6, Juli 1901.) 2) Ein anderer Züchter behauptet, daß anfänglich fruchtbare Sträucher in späteren Jahren keine Früchte mehr ansetzen trotz reichlichen Blühens. 224 ^- Zacharias. Die wenigen Beeren, die reif werden, sind meist klein und enthalten zum Teil nur einen reifen Samen. Auch bei schwarzen Johannisbeeren ist schon ähnliches beobachtet w^orden. Infolge einer Anfrage teilt A. Rothe') mit: „300 Stück wurden angepflanzt. Diese blühten bald, setzten aber fast nichts an, nur zwei Sträucher trugen jährlich, meist übervoll. Diese zwei ver- mehrte ich stark, hackte 1899 bis 1900 die 298 anderen Sträucher heraus, und bin nun endlich soweit, jährhch gute Ernten zu haben." Johannes Schroeder bemerkt hierzu am selben Ort: „Wir pflanzten auch schwarze Johannisbeeren, die an feuchten Stellen wild wuchsen, in unseren Garten. Dabei machte ich nun die Beobachtung, daß es trotz sehr reichlicher Blüte tragende und nicht tragende gab. Von sämtlichen Büschen, die wild wuchsen, war uns nur einer bekannt, der Früchte ansetzte, alle anderen waren taub." Die kultivierten, roten und schwarzen Johannisbeeren scheinen sich demnach ähnlich verhalten zu können wie Ribes alpinum. Hier kommen bekanntlich^) männliche, weibUche und Zwitterblüten vor. In den männlichen Blüten sind funktionslose Pistille, in den weibhchen funktions- lose Staubgefäße vorhanden. Männliche Sträucher werden in der gärtnerischen Literatur als B. alpinum sterile, weibliche als R. alpinum bacciferum bezeichnet. Die Pflanze kommt aber auch „unvollkommen zweihäusig" vor, und dementsprechend fand Dybowski') auf einigen Sträuchern Beeren in großer Menge, auf anderen sehr selten und auf wieder anderen gar nicht. Dies würde dem Verhalten der mehr oder weniger sterilen Sträucher der roten Johannisbeeren entsprechen; und man kann annehmen, daß hier mehr oder weniger männliche Sträucher vorliegen. Tatsächlich ist hier guter Pollen vorhanden, wenn auch ziemlich viel verschrumpfte Pollenkörner vorkommen."*) In einer mir vor kurzem zugekommenen Arbeit berichtet Ewert*) über unfruchtbare Johannisbeeren, welche „sich höchst wahrscheinlich ^) A. Rothe. Wenn schwarze Johannisbeeren unfruchtbar sind. (Prak- tischer Ratgeber 1904, Nr. 10.) 2) Vgl. u. a. Kochs Synopsis. 3. Aufl. Herausgeg. von Hallier und Wohlfarth. 1892. 1. Bd., p. 961. Hermann Müller. Die Befruchtung der Blüten. Leipzig 1873, p. 94. Lauche. Dendrologie, p. 537. 3) Dybowski. Über Ribes alpinum. (Weltall. Warschau 1904, Nr. 11.) Referat der polnischen Arbeit im Botan. Centralblatt XOIX (1905), p. 117. *) Bailey (Survival of the unlike p. 351) weist darauf hin, daß schlechter PoUen bei Kulturpflanzen häufiger sei als schlechte Pistille, vgl. ferner Jan- czewski 1. c. 5) Ewert. Eine unfruchtbare Johannisbeere. (Gartenflora 1907.) über sterile Johannisbeeren. 225 von Rihes rubrum ableiten", aus einem Garten bei Görlitz, woselbst sie wie im Hamburger Marschgebiet neben fruchtbaren vorkamen. Ewert führt noch einen weiteren derartigen Fall aus Glasgow an. Ewert stellt fest, daß die Nektarproduktion in den Blüten seiner unfruchtbaren Stöcke, nicht hinter derjenigen der fruchtbaren zurück- stand, und daß ferner der Pollen der unfruchtbaren sowohl auf der eigenen Narbe, als auch in Zuekerlösung keimte. Bei dem Vergleich der Narbeii verschiedener Johannisbeersorten fiel es Ewert sodann auf, daß die Narbenbreite (d. h. die „seitliche Streckung der Narbenflügel", nicht der Umfang der funktionierenden Narbenfläche) bei seiner unfruchtbaren und bei der „kernlosen" geringer ist als bei anderen Sorten. Sie betrug bei der unfruchtbaren 0,71 mm. Etwa dieselbe Narbenbreite (0,75) fand ich bei der Hamburger un- fruchtbaren. Ewert meint nun, daß die geringe Narbenbreite als „ein An- zeichen der Unfruchtbarkeit anzusehen sei". Sorgfältige Untersuchung der in der Umgebung der unfruchtbaren Sträucher stehenden frucht- baren kann indessen erst zeigen, ob diese Meinung zutreffend ist. Zu untersuchen bleibt ferner, wie die unfruchibaren Sträucher in die Kulturen hineingelangen. Die Vierländer Züchter pflegen ihre Kulturen nicht durch Sämlinge zu vermehren. Bei der Sorgfalt und scharfen Beobachtungsgabe, die ihnen eigen ist, kann kaum angenommen werden, daß sie zur Vermehrung unfruchtbare Sträucher heranziehen. Es ist vielmehr mit der Möglichkeit zu rechnen, daß an fruchtbaren Sträuchern unfruchtbare (männliche) Sprosse auftreten, die dann ge- legenthch als Stecklinge in die Kulturen hineingeraten können. Für die Praxis würde sich daraus die Notwendigkeit einer sorgfältigen Prüfung der einzelnen Teile der Sträucher, welchen man Stecklinge entnehmen will, ergeben. Figurenerklärung zur Tafel V. Fig. I — 4. Lübecker Johannisbeeren. Fig. 5—7. Blüten einer im Hamburger botanischen Garten kultivierten, Rihes rubrum nahestehenden Easse. Jahvesbeiichf der Vereinigung für angewandte Hntanik V. \Q 226 Paul Graebner. Über einige nichtparasitäre Pflanzenkrankheiten des Sommers 1907. Von Paul (liraebner, Groß-Lichterfeldo bei Berlin. Im letzten Jahresbericht unserer Vereinigung gab ich eine kurze Übersicht über die wirtschaftsfoindlichen Paktoren der Heide und die sich daraus ergebenden Pflanzonkrankheiten. Es ging aus dieser Arbeit hervor, daß die Mehrzahl der Hemmungserscheinungen bei Kultur- pflanzen des Heidegebietes auf klimatische Einflüsse zurückzuführen ist und zwar auf direkt und indirekt wirkende Paktoren. Zu den letzteren sind die durch die reichliche Peuchtigkeit, durch die stärkeren Niederschläge imd die oft lange Zeit nassen lauen Winter hervorge- rufenen starken Humus- und Moosbildungen zu rechnen, die ihrerseits wieder die Veränderung oder Verschlechterung der oberen Bodenschichten bewirken. Zu den direkt wirkenden Einflüssen sind neben den wechselnden Trocken- und Peuchtigkeitsperioden, die gerade in den hu- mosen Böden doppelt wirksam sind, besonders die unzeitigen Proste im Frühjahr und Sommer zu rechnen, die häufig Schaden anrichten. Der Sommer 1907 war nun besonders deswegen bemerkenswert, weil ein Teil dieser direkt wirkenden Paktoren sich auch auf Gebiete ausdehnte, die sonst zumeist von ihnen verschont bleiben und in denen sich da- durch der Einfluß studieren ließ. Zunächst war ein größerer Teil des Sommers bekanntlich sehr niederschlagreich und neben Nachtfrösten im Mai resp. Juni traten bereits verhältnismäßig frühzeitig im November stärkere Fröste auf, so daß an zwei Nächten das Thermometer in unseren Freilandkulturen in Dahlem auf — 1^ sank. Alle drei Erscheinungen ließen sich in ihren Polgen an den Kulturpflanzen verfolgen und mfigen hier kurz geschildert werden. Was zunächst die Erhöhung der Niederschläge betrifft, so war jhr Einfluß namentlich bei den Steppenpflanzen zu konstatieren und zwar sowohl an den krautarligen als an den holzigen Vertretern trockenerer Florengebiete. Eine Reihe von einjährigen Gewächsen ging ganz oder zum großen Teile zugrunde oder verkümmerte. Bei allen ließ sich typische Wurzelfäule konstatieren. Besonders auffällig war die über einige nichtparasitäre Pt'lanzenkrankheiten des Sommers 1907. 227 P^rscheinung bei einigen (7/eow?^'- Arten und verwandten Gapparidaceen, die ja als beliebte Sommerblumon jetzt häufiger kultiviert werden. Scheinbar ganz üppig gedeihende Pflanzen trockneten plötzlich ein und zeigten dann einen abgestorbenen Stengelgrund und tote Wurzeln. Unter den Glasplatten brach aus den toten Stongelteilen ein üppig wucherndes Pilzmyzel hervor, welches aber, da es ohne Pruchtkörper blieb, un- bestimmbar war. Das Mycel dieses Pilzes spann sich über den Erd- boden hinweg und griff so von Pflanze zu Pflanze über. In den An- fangsstadien der Krankheit sah man, dali der Pilz zunächst die am Stengelgrunde durch den Regen angespülten Boden teilchen durchzog und dadurch schließlich zu einer fast filzigen Masse vereinigte und dann den Stengelgrund selbst an einer Seite angriff und ihn schädigte. Genaue Untersuchung ergab aber, dali auch hier der Pilz ganz augen- scheinlich nur sekundär auftrat, denn erstens war stets ein großer Teil der Wurzelspitzen und zum Teil sogar einige größere namentlich tiefergehende Wurzeln tot und in Fäulnis übergegangen, eh(> der Pilz seines Scharfrichteramtes walten konnte, und zweitens blieben am Kande der Kulturen, auf kleinen Erhöhungen stehende Exemplare, die auch meist kräftiger entwickelt waren, verschont, trotzdem das Pilz- myzel in den Oberflächenschichten des Bodens nachweisbar war. Zuerst erlagen stets die Pflanzen in kleinen Senkungen, in denen das Regen- wasser stärker zusammenlief. Sobald der Pilz den Stengelgrund etwas stärker angegriffen hatte, erfolgte außerordentlich schnell das Absterben und die Verjauchung des ganzen Wurzelkörpers, die ebenso schnell vor sich ging, wenn man an den noch pilzfreien Stellen durch Ab- ringelung eines Teils des Rindengewebes die Saftzirkulation, namentlich die Ableitung dos plastischen Materials in die Wurzeln, störte, also durch eine mechanische Verletzung die Pflanze weiter schädigte. Ganz ähnliche Bilder, nur ohne die Einwirkung eines Pilzes sondern durch einfache Wurzelfäule hervorgebracht, konnten bei einer ganzen Reihe mediterraner und orientalischer Arten namentlich aus den Familien der Compositen, Umbelliferen und Cruciferen beobachtet werden. Auch eine Reihe von ausdauernden Kräutern erlagen der über- großen Sommerfeuchtigkeit, besonders solche, welche die Eigentümlichkeit haben, während des Hochsommers ihr Laub zu verlieren und die sommerliche Trockenperiode ihrer Steppenheimat nur in unterirdischen Organen zu überdauern. Viele von diesen — eine der bekanntesten dürfte außer den Zwiebel- und Knollengewächsen die übelriechende Ferula asa foetida sein — behalten die abgestorbenen Reste der Blätter oder deren unteren Teile, um die Fortsetzungsknospe in sie einzuhüllen. Die mechanischen Elemente dieser toten Blatteile bleiben in festem Ver- 16* 228 Paul Graebner. bände mit der Grundachso und sollen als „Tunica" dienen. In so feuchten Zeiten werden sie aber nicht trocken und beginnen zu faulen: die Fäulnis macht nun nicht am lebenden Gewebe halt, sondern setzt sich, den Gefäßbündeln folgend, sehr bald mehr oder weniger tief in das Innere der Grundachse fort. Von den Leitungselementen aus, die nach dem Abstorben der Blätter, für deren Bündel sie als Zuleitungs- wege dienten, aus der Saftbahn ausgeschaltet sind und dadurch eine geringe Widerstandsfähigkeit zu besitzen scheinen, dringt die Fäuhiis sehr bald in die umgebenden Gewebe, namentlich die parenchymatischen ein, dadurch gröHere Herde erzeugend, die sehr bald bis zu den Ge- fäJibündelteilen der Grundachse selbst vordringen. Wird eine Grundachse in diesem Stadium trocken gelegt, so heilt die Wunde meist durch Ein- trocknen der fauligen Teile und Bildung von Wundparenchym aus; ist die tote Stelle aber bei-eits zu grol5, so daß sie den größten Teil des Querschnitts der Grundachse einnimmt, so geht das Absterben meist weiter vor sich, und hat sich die faulige Flüssigkeit bereits in den Gefäßen nach der Richtung der Hauptknospe zu verbreitet, so hilft meist selbst ein Ausschneiden des toten und kranken Gewebes nicht mehr, die ganze Pflanze fällt der Fäulnis anheim. Für diese Form des Absterbens üeH sich eine große Menge von Beispielen beibringen, es waren namentlich südeuropäische und asiatische, aber auch nordamerikanische Arten: unter den letzteren wui'de besonders die bekannte Zierpflanze Liatris spicata untersucht, die fast gänzlich abstarb. Bei dieser Pflanze ging die Fäulnis von den Wurzelspitzen aus. Die Wurzeln starben nach und nach ganz ab und von ihnen aus drang die faulige Substanz in die Grundachse ein, dort Herde er- zeugend. Zu gleicher Zeit — die oberirdischen Teile begannen da bereits zu welken — faulten auch die Blattreste in die Grundachse ein. Die Blüte der herbstblühenden Knollen- und Zwiebelgewächse war gleichfalls meist sehr dürftig, viele von ihnen waren abgestorben und verschwunden, und wahrscheinlich wird das nächste Jahr noch grö(5ere Verluste er- kennen lassen, die erst durch die fortschreitende Fäulnis während des Winters in die Erscheinung treten ; wenigstens fand ich jetzt im Herbst bei einer ganzen Reihe aufgenommener Zwiebeln, besonders aus den Gattungen Hyacmtlms, Narcissus, FritiUaria, aber auch an den Rhizom- knoUen von Iris usw. große Fäulnisherde, bei einigen Hyacinfhus- war beispielsweise der ganze Zwiebelboden faul, während die Zwiebelschuppen noch erhalten waren, sich aber alle einzeln herauslösen lieOen. Interessant war das Verhalten von Rlwdodendron ponticum- Gartenformen, deren eine ganze Anzahl abstarb. Namentlich in einem jungen mehrjährigen Anzuchtsbeete 3 bis 5 dm hoher Pflanzen zeigten über einige nichtparasitäre Pflanzenkrankheiten des Souiniers 1907. 229 sich im Spätsommer viele tote oder eintrocknende Exemplare. Die Untersuchung ergab folgendes: Bei einer Anzahl scheinbar noch völlig gesunder Exemplare zeigten sich die Wurzelspitzen oder schon ein erheblicher Teil der älteren Wurzehi abgestorben. Es waren dies alles Pflanzen, die in normaler Höhe in den Boden gebracht waren oder deren Stengelgrund doch nur mit einer dünnen Schicht der Erde bedeckt war. Diese bestand im wesentlichen aus zerkleinertem, an der Oberflächonschicht noch ziemlich locker gelagerten Übergangstorf (Grunewald-Erde), der in etwa 4 l)is 5 cm Tiefe schon deutlich dicht geworden war und die Struktur ziemhch verloren hatte. Einige von den richtig gopflanzten Exemplaren gingen auch zugrunde, nachdem sie, wie alle übrigen, im Sommer eine normale EntwickeUmg gezeigt hatten und reichlich mit Blütenknospen besetzt waren. Die Mehrzahl der abgestorbenen Pflanzen war aber zu tief in den Boden gekommen; bis zu 5 cm, also einer doch verhältnismällig sehr geringen Dicke, lag die humose Erde um den Stammgrund an- gehäuft. Schon mit bloßem Auge bemerkte man am eingedeckten Teile der Stämme knotige, bis ca. 1,5 mm dicke Auftreibungen, die nament- lich am Wurzelhalse oft in gröiSerer Zahl auftraten. Auf dem ana- tomischen Bilde erwiesen sich diese Gebilde als krankhaft vergrößerte Ersatzlentizellen, deren Mitte aus stark radial gestreckten, an den Enden abgerundeten, an einem Ende oft fast sackförmig ausgeweiteten, parenehy- matischen Zellen bestanden, die weite Lufträume zwischen sich ließen. An schon abgestorbenen größeren Lentizellen war die ganze Mitte durch Zusammenfallen des Gewebes bis tief in die lebende Rinde hinein röhren- förmig hohl. Die ganze innere Umgebung der Ersatzlentizellen war später stark gebräunt. Außer diesen krankhaft vergr()ßerten Almungsorganen, die analog denen gestaltet sind, wie sie v. Tubeuf in der Forstl. Naturw, Zeitschr. 1906 bei Pinus strobus beschreibt und abbildet, und wie sie auch, wenn auch anders gebaut, sich bei Pinus süvesfris in Moospolstern finden '), war irgend eine erheblichere Deformation der Gewebe, nament- lich der Leitungsgewebe des Stammes, nicht nachzuweisen. Nur war, ebenso wie in den älteren Wurzeln, am Grunde des Stammes der ganze Holzkörper und die Rinde gebräunt. r)ie Bräunung der Rinde hörte aber schon nach wenigen (meist 3—5) Zentimetern über dem Wurzel- hals auf, indem sie sich stellenweise unregelmäßig nach oben zungen- förmig, sich hin und wieder etwas verbreiternd, vorschob. Die Bräunung des Holzkörpers, die besonders in den Gefäßen stark war und dort oft ') Vgl. (Jraebaer in Zeitschr. f. Foi'st- und -lagdwesen, ]H()(>, S. 7u.")ff. 230 Paul Graebuer. ; durch einon (Icutlichen braunen (meist einseitigen) RanQl)elag autfällig wurde, nahm im Innern des Stammes sehr schnell ab, nur in einzelnen Gefäßen weiter nach obeii dringend. Der ganze Querschnitt war bis höchstens 8 cm über dem Wurzelhals gebräunt. Im äußersten Holzteile, also in den Gefäßen des Jahres 1907, aber hatte sich die jauchige Flüssig- keit aus den unteren Teilen meist bis etwa 15 cm im ganzen Stamm- umfang emporgesogen, dort unter dem Cambium einen braunen Ring hervorbringend. Die parenchymatischen Zellen um die Geläße waren meist mit abgetötet. Zuletzt Wciren im obersten Teile nur noch 3 bis 8 Lagen toter brauner Zellen zu sehen. Kinzelne tote Streifen ließen sich bis in die Zweige hinein verfolgen. Eine weitere sehr auffällige Erscheinung war der frühzeitige Laub- fall an einer Anzahl ausländischer Gehölze. Von Straßenbäumen waren es namentlich die Roßkastanien, die bereits während der ersten Hälfte des Oktober an vielen Orten die Blätter fallen ließen und zwar, soviel man hier in der Umgebung konstatieren konnte, an den feuchteren Stellen, während an den hochgelegenen Teilen der Straßen die Blätter bis zu den ersten Frösten sitzen blieben. Auch in den Pflanzungen des botanischen Gartens und in Gärten der Umgebung Berlins war dies an einer Reihe strauch- und baumartiger Gewächse zu beobachten, und zwar waren es ausnahmslos solche Gewächse, die an natürlichen Stand- orten trockene Gelände bewohnen. So verloren beispielsweise eine ganze Anzahl von Leguminosen, besonders Caragana-AHen, Rohinia, in sehr charakteristischer Weise einen großen Teil ihrer Blättchen vor- zeitig. Ähnlich wurde der frühzeitige Laubfall notiert bei einer Reihe von Prunus (Kirschen- und Pflaumenarten), Pirus, namentlich Birnen, Crataegus, Cotinus coggijgria usw. Bei diesen strauchartigen Ge- hölzen war die Erscheinung besonders deutlich gegen Ende des Sep- tember und Anfang Oktober im Arboretum des botanischen Gartens, wo die Arten nach ihrer systematischen Verwandtschaft in Gruppen zu- sammengepflanzt sind. Dort waren iramei' bestimmte Pflanzenarten der genannten Gattungen, die ganz zerstreut zwischen den übrigen standen, am Grunde von einem dichten Kranze gelben Laubes bedeckt, und hatten nur noch wenige Blätter, meist an den Zweigspitzen, zu einer Zeit, als die übrigen noch vollbelaubt dastanden. Soweit ich die Pflanzen zu untersuchen Gelegenheit hatte, fanden sich sehr zahlreiche abge- storbene Wurzelspitzen an ihnen. Als im Spätherbst eine Anzahl von ihnen im botanischen Garten verpflanzt wurde, hatte (Ende Oktober, November) bereits die Bildung neuer Wurzelspitzen begonnen, die alten toten waren aber in allen Fällen noch zu konstatieren. Es scheint mir sicher, daß dieses frühzeitige Absterben des Laubes an diesen über einige nichtparasitäre Pflanzenkrankheiten des Sommers 1697. 231 Pflanzen, die sonst keineswegs zu den friihreifenden gehören, auf die große Feuchtigkeit des Sommers zurückzuführen war; außer den ab- gestorbenen Wurzelspitzen konnte keine sichtbare Krankheitserscheinung gefunden werden. Alle gehörten, wie bemerkt, zu den Bewohnern trockener Orte. Weiter war der Herbst des Jahres 1907 ausgezeichnet durch die sehr schlechte Herbstfärbung derjenigen Gehölze, die durch Ihre sonst prachtvollen Farben zu den Lieblingen der Gärtner geworden sind. Wenigstens in der Umgebung Berlins war das Fehlen des Herbstlaiibes an den meisten Orten außerordentlich deutlich. Selbst bei den amerikanischen Eichen {Quercus coccinea^ Qu. palustris etc.), die bei uns in großen Mengen angepflanzt sind, ging bei den meisten die Färbung von Grün durch ein stumpfes Rotbraun in das Braun des Winters über. Ausnahmen mit lebhafterer Färbung sah ich nur z. B. in einigen sandigen Gärten der Kolonie Grunewald. Unter den sonst prachtvoll gefärbten, ganz frei der Sonne ausgesetzten Gehölzen des botanischen Gartens fehlte die Herbst- färbung mehr oder weniger bei Monis (sonst lebhaft gelb), Liriodend)on (gleichfalls gelb), Berheris (nur einige Formen des B. vulgaris und Ver- wandte zeigten schwache Färbung, B. Thuubergii z. B. blieb fast ganz grün), Evonymus (viele sonst prachtvoll gefärbte Pflanzen blieben ganz grün, einige waren schwach gefärbt), Bhus Cmeist nur an einem Teil der schon im Welken begriffenen Blätter rot). Hex glahra (ziemlich gut gefärbt), Cotinus coggygria (schlecht gefärbt), Acer rubrum (ohne Färbung), A. ginnala (fast ohne Färbung, schnell sich entlaubend), A. negundo (Gelbfärbung fast fehlend), A. campestre (leidlich gefärbt), Aesculus (alle ohne Färbung), Parti lenocissus (gefärbte Blätter, alle schnell abfallend), Liquidamhcr styraciflua (nur untere Teile der Zweige einigermaßen gefärbt), Parrotia Persica (schlecht gefärbt), Spiraea Tliunbergii und 8. prunifolia (schlecht gefärbt), lioa virginicti (ohne Färbung). Die Frostwirkungen während der Vegetation speriode waren gleichfalls recht erheblich. Zunächst trat in einigen Teilen des norddeutschen Flachlandes Ende Mai in zwei xMächten ein ziemlich starker Prost auf, der neben vielen empfindlichen Kulturpflanzen, wie Bohnen usw.. auch einige einheimische Holzgewächse, wie Eiche, Fichte, Tanne usw., erheb- lich schädigte. Selbst im Juni traten noch Streiffröste auf. Die Wir- kungen der stärkeren Fröste des 25. Mai auf die forstlichen Holz- gewächse habe ich in der Zeitschrift für Forst- und Jagdwesen (1908) eingehender geschildert. Besonders geschädigt wurden die Eichon- kulturen; die Fröste töteten z. T. sogar Teile der 2— 3jährigen Zweige ab. Zahlreich waren die Wirkungen an den Knospen- und 232 ^^"1 Graebner. Zweigansatzstellen, wo namentlich die saftroichen parenchymatisehen Teile erfroren waren. Bei der Vernarbung der Prostwunden, die im Spätsommer des Jahres wieder untersucht wurden, ergaben sich neben mehr oder weniger starken Gewebewucherungen, die knotige Anschwel- lungen hervorbrachten, besonders Risse und Spalten in dem toten Ge- webe, wodurch vorzeitig eine rauhe Oberfläche der Zweige geschaffen wurde. In den Rissen und Spalten siedeln sich, wie an iilteren ähn- lichen Stellen nachgewiesen werden konnte, die Flechten in großer Zahl an, so daß gerade die den Frühfrösten am meisten ausgesetzten Pflanzen resp. Bestände den auffälligen Flechtenbehang zeigten. Die in den Nächten vom 6. und 7. November') plötzlich ein- setzende, bis zu — 7° C betragende Kälteperiode machte sich nament- lich dadurch bemerkbar, daß an zahlreichen Gehölzen das noch grüne Laub erfror und im erfrorenen Zustande hängen blieb. Als dann Ende des Monats und Anfang Dezember wieder Tauwetter eintrat, z. T. auch mit einer ungewöhnlich hohen Temperatur, die das Wachs- tum vieler Pflanzen stark anregte, wurde bei der Mehrzahl der Gehölze die Abtrennungsschicht der Blätter nachträglich ausgebildet und bei ganz ruhigem Wetter fiel das Laub in großer Menge herab. Eine große Zahl von Gehölzen behielt indessen ihr Laub auch nach der Zeit der Wärme und noch jetzt, zur Zeit der Jahreswende, konnten eine ganze Reihe von Arten notiert werden, deren Blätter in trocknem, z. T. schon halb verwesten Zustande an den Zweigen hing und nur mit Anwendung von Kraft losgelöst werden konnten. Als solche noch jetzt mit trockenem Laube behangenen, sonst es abwerfenden Arten wurden aufgezeichnet Larrx sihirica, Salix dapli- noides, acutifolia und einige S. daphnoides-Bastarde, Alnus alnohetula A. viridis (einige Sträucher dicht belaubt, andere fast kahl), Castanea sativa (verschiedene dicht belaubt), Deutzia gracilis (namentlich Garten- formen), mehrere /S^/)?r(7ea- Arten, Exochorda grandiflora, Rosa cinna- momea, B. Carolina, Cydonia Japonica, Ruhiis odoraius, Mespilus Germanica (teils mit, teils ohne Blätter), Laburnum vulgare^ Acer rvhrum (teilweise mit Plättern), Cotinus coggygria, Lindera Benzoin, Lepargyrea Canadensis, Corwins alba, Samhucus glauca, mehrere Loiiicera- Arten, besonders L. coerulea in einigen Exemplaren. Die anatomische Untersuchung ergab, daß bei der Mehrzahl der genannten Gehölze die Trennungsschicht zwischen Blattstiel und Stengel nicht ausgebildet war, da sie während der Zeit der Ausbildung ganz oder teilweise erfroren war. L>as abgetötete Gewebe reichte oft in die Blatt- 1) Nach freiiudlicber Mitteilung- von Prof. Dr. Kaßner-Berlin. über einige nichtparabitäre Pflanzeiikranklieiteu dos Soiumers 1!)07. 233 kissen hinein und war mitunter stark zerrissen. Bei den meisten waren naturgemäß die oberen Teile der Zweige stärker mit trockenem Laube behängt, die unteren zum Teil oder auch ganz kahl, bei manchen Exem- plaren jedoch, so z. B. bei einigen zu Salix daphnoides, Cccstcmea. Ci/donia, Mespüus, Laburnum, Lepargijrea, Cornus alba gehörigen, waren oft ganze Zweige beblättert. Bei diesen waren in den oberen Teilen der Zweige die Frostwirkungen ganz erheblich stärker; so war beispielsweise bei Coiimis cocjgygria und bei Cijdonia Japonica der größte Teil der Blattkissen mit abgetötet und eingetrocknet, die Blatt- ansatzstelle saß daher in einer kleinen Vertiefung des Zweiges. Cotirms coggygria bot, wie aus dem vorhergehenden hervorgeht, im letzten Sommer ganz besonderes Interesse. Zunächst machte sich bei dem Perückenstrauch ein frühzeitiger Laubfall bemerkbar, ein großer Teil der Exemplare verlor die Blätter vorzeitig in großer Zahl. Die sitzen- bleibenden Blätter zeigten fast keine nennenswerte Herbstfärbung und erfroren schließlich noch am Zweige sitzend. Augenscheinlich war Cotinus, ebenso wie auch Cgdonia Japonica während des warmen und langen Spätsommers zu neuer Wurzelbildung und neuer Vegetation an- geregt worden und dann vor Abschluß derselben vom Proste überrascht. Daß eine solche Anreizung zu erneuter Vegetation im Herbste vielfach erfolgte, zeigten die im Herbst blühenden Frühjahrsblüher, wie Spiraea Thimbergi/, Forsgthia suspensa, Jasminum mtd/ßorum, Lonicera fra- grantissima u. a. Verbesserungen. S. 14 Zeile 1 v. o. und S. 17 Zeile 6 v. o. imiß es heiUen: Kabiikini;enienr statt ßetriebsingenieur. S. 107 Zeile 3 v. o. Polarisationsstrom statt Tetanisieriingsstrom. S. 111 Zeile 10 v. u. ist einzufügen: (00 o/o). Jahresbericht der Vereinigung für angewandte Botanik V. Tafel 1. Ph (X) ö 03 EH S ^ '^ —I <1 0) 03 Heiuze, Anbau von Serradella und Lupinen. Jahresbericht der Vereinigfuiig für aiigowandtp Botanik V. Tafel 11. Tafel II Anbau versu che ohne jede Impfung 1907 — im Freilande — erstmaliger dritter (bzw. zweiter) Serradella-Anbau nach Senf (bzw. Hafer, Kartoffeln) bzw. nach Bohnen (bzw. Erbsen usw.) öesamtstiekstoflF-Ernte j 52 kg N. (i. Min.), (d. i. ca. 22iJ kg N. (i. Max.); (d. i. ca. pro 1 lia 1907 330 kg N-haltige Substanz 1500 kg N-haltige Substanz (Kraut und Wurzeln)) oder Salpeter) oder Salpeter). Hei uze, Anbau von Serradella und Lupinen. Jahresbericht der Vereinig;ung für angewandie Botanik V. A 11 bau versuche ohne jede Impfung 1907 1 — blaue Lupinen im Freilande — Tafel III 1 I i J erstmaliger Anbau nach Kartoffeln (Senf usw.) bzw Bohnen (Erbsen usw.) öesamtstickstolt^Enite | 75 ^ ^_ ^- ^^-^^ pro 1 lia 1907 ; i7n t„ m_v - (Kraut und Wurzeln) Heinze, Anbau von Serradella und Lupinen ^ , , , d. entspr. ca. 470 kg N-halt. Substanz od. Salpeter. nach Serradella, 1. Anbau, bzw. Serradella, 2. Anbau, 226 kg N. (i. Max.); d. entspr. ca. l.öOO kg N-halt. Substanz od. Salpeter. Jahresbericht der Vereinigiiug für angewandte Botanik V. Tafel IV. Tafel IV Anbauversuche ohne jede Impfung 1907 H^Wk .A.^^K'1 Heinze, Anbau von Serradella und Lupinen. JakresberiiJit drr l^iTPudgimif Hanc/tuvamÜe Botanik V. Taf.V. Fuj.l. r Fig. 5. Hemh- Stichr del. ZacliariaS; Sterile Jo liannisbeereTi F Lazie,Zii?i.j7ist.3epiz7i Verlag von Gebrüder Borntraeger in Berlin SW 11 Grossbeeren Strasse 9 Jahresbericht der Vereinigung für an gewandte Botanik. Ersterfahrgang 1903. Geheftet 4 Mk. Zweiter Jahrgang 1903/4. Geh. 5 Mk. 20 Pfg. Dritter Jahrgang 1904/5. Geheftet 10 Mk. Vierter Jahrgang 1906. Geheftet 14 Mk. Der Jahresbericht verfolgt die Aufgabe der Förderung und Vertiefung der tcissenschaftlichen Erkenntnis im Dienste von Land- und Forstwirtschaft, Handel und Gewerbe durch botanische Forschung. Gerade die landiüirtschaftUch-praktische Botanik ist in kurzer Zeit zu einem Wissenszweig herangewachsen, der bei vollständiger Selbst- ständigkeit in seilten Errungenschaften bereits hervorragend maass- gebend geworden ist für den weiteren Fortschritt auf den bezeich- neten Gebieten. Der Jahresbericht dient daher als Sammelpunkt für die auf landwirtschaftlichen und verwandten Gebieten ausgeführten botanischen Forderungen. Ausführliche Verlagsverzeichnisse gratis und franko. \ ^"ip ^ ■ ''^^y • r '><: X' /^' y-v 4ilfi»^- • 1 / ^J y^ ; ' / ■ ", - m f^ ' : ; '^^%>. fli ''i'\ il V ■' '^^OK 't ^^»•Si /" •. *?ll ^\r\ .^f^ ■T'^i '^ Q' 'ö- ;>'rn' 1*1