.u vr 123 ” MOo!nf i < J DB3: un Tibrarn of tbe Museum OF COMPARATIVE ZOÖLOGY, AT HARVARD COLLEGE, CAMBRIDGE, MASS, Founded bp private subscription, in 1861. he E ren 0 a Or eh, ea > No. 39748. er Di Sn nn nz Neunundvierzigster Jahres-Bericht der Schlesischen Gesellschaft für vaterländische Gultur. Enthält den Generalbericht über die Arbeiten und Veränderungen der Gesellschaft | im Jahre: 1871. — — A gvoslau, 1872. Bei Josef Max und Comp. j Inhalt des 49. Jahres-Berichts. Allgemeiner Bericht über die Verhältnisse und die Wirksamkeit der Ge- sellschaft im Jahre 1871, vom General- Secretair en In, Brio rer re Sohle re Kurze Uebersicht der im Jahre 1871 thätig gewesenen Sectionen: Die naturwissenschaftliche Section. »......... SooSoRo Bee ee Dierentomolosische Section. „Sr = .ennosneeuunneennonnennenc nonen. BRrorsnischel SEcHHon-. 22.2... een seen een nee Diesmediemische Secttom. . 0... .waneesceurunm ME RL, SO ER Fe HERE Die meteorologische Section.. .. »» zennonenocorsunen Ne a 0% Diestechnische Section... an ren aendeneen. U NEE I ua eeie1. Halo etc Beeskongmische Section» er reesee ereeeeenere Die Section für Obst- und Gartenbau..... N A Die historische Section............ RE LA EA Birespadaaosische Section. ......nnooneee un emensencmossaen OR Birespinlelamische Section 2.0. een se de DieStHeheNDechlom. nee ne ee en Die musikalische Section ........ 28 Biiewarchaolipeische Sechlon 2.2 sera snasssasitee en INTER, Bericht über die Kassenverwaltung pro 1370, vom Kassirer Geh. Com- mercienrath Frank . mm: RUN SEINEN Bericht über die Bibliofheken, der Schlesischen Gesellschaft“ im Jahre Sale yon. 1h2l,Oelsmerie: 2:8. 5 2sc an ONIDNHN Bericht über die naturhistorischen Sammlungen der „Schlesischen Gesell- schaft“ im Jahre 187], vom Conservator Prof. Dr. W. Körber, Dr Bo oT Ein ern. r> Bericht über die Thätigkeit der einzelnen Sectionen. I. Naturwissenschaftliche Section. Apotheker Jul. Müller: über Veränderungen des Trinkwassers ......... Prof. Dr. Websky: über Vorkommen eines eigenthümlichen, in Tetraeder- form kryst. Fahlerzes im Zechstein bei Kassel ................ Dr. Carstädt: über das mechanische Wärme-Aequivalent . . ....... Prof. Dr. Poleck: experimentelle Darstellung der continuirlichen Gas- speetra Im, Stereogeop!. „2 .2.2...2,. aan a. SOHLE Oberbergrath Dr. Runge: über das am 22. März bei Inowraclaw erbohrte Bteinsalzlaser „nass N else aa ee Geh. Bergrath Prof. Dr. Römer: über Auffindung eines jurassischen Diluvialgeschiebes' bei Strehlen „u. nl. aodaudsrun. San. Seite 19 26 + II Inhalts-Verzeichniss. . Geh. Bergrath Prof. Dr. Römer: über ein Exemplar der Gattung Recepta- culites aus dem Kohlenkalke von Rothwaltersdorf (Glatz) ....... — Vorlegung der vom Handelsministerium herausgegebenen geo- logischen Karte von Preussen nnd Thüringen etc. (Berlin 1870) und des Bl. III. der geologischen Uebersichtskarte Oesterreich- Ungarns von Ritter von Hauer........ TR EEE — über den Jura von Bartin unweit alias deren ER ; — über ein faustgrosses jurassisches Diluvialgeschiebe mit Ammonites ornatus var. von Nieder-Kunzendorf (Freiburg) ................. — über Auffindung eines dem Rothliegenden untergeordneten Brandschieferlagers bei Wünschendorf (Lauban) durch Herrn RB. Peck:ın Görlitz he a ee a De — über Auffindung unterdevonischer Grauwacken - Sandsteine bei Niewachow.(Kuelee, Bolen)y 202, Se ee Hauptmann A. v. Homeyer: Erinnerungen aus seinem ornithologischen Studienlebent. na Se LE ee Staatsrath Prof. Dr. Grube: über die Gattung Lycastis und ein paar neue Arten derselben Men. Ron oe — zur kritischen Uebersicht das bisher beschriebenen Terebellen und über T. anguicomus und einige Serpulaceen .. -.2.......... — über die Fauna des Baikalsee’s, sowie über einige Hirudineen und Planarien anderer Faunen 2... 02. ne en — Nachträge zu Vorigem und Vorlage einer Lumbrico-nereis giganlea Qf.?, einer neuen Oenone und Serohs. .... ....cun.ee,. 337 II. Botanische Section. Prof, Dr. Ferd. Cohn: über die naturwissenschaftlichen Verhältnisse von BadıEndowa ee le ee ee ale SE — über die naturwissenschaftlichen Anschauungsvorlagen von Gott- hold, Elssner; in’ Eobaun. 2... van. Re are Geh. Med.-Rath Prof. Dr. Göppert: über Einwirkung der Kälte auf die Vegetation. „nl ee ER er: — einige Bemerkungen über das Verhalten der Vegetation im letzt- vexllossenen (1870/71) Winters. 2222.05 Kek Skate — zur Erinnerung an Linne (gelegentlich Aufstellung einer Linne- büste-im botanischen Garten)... v2... EZ ne Oberlehrer Dr. Stenzel: über fossile Palmenhölzer ................... G. Stein: Vorlage des General-Doubletten-Verzeichnisses des Schlesischen botanischen” Tauschverems u 2 ee Mittelschullehrer G. Limpricht: Vorlage der 7. Lieferung seiner Bryo- thecafsılesinca Ele) AMELIE RIESE REKEN» BR Se er — über die Flora von Sagan und Grünberg ..........n.eneenccenn Apotheker Werner: Vorzeigung zweier um einander geschlungener Stämme von Periploca graeca aus Freyhahn (bei Liegnitz) und mehrerer Copal-Einschlüsse....,......... aan SaErBraNe. Geh. Med.-Rath Professor Dr. Göppert: Vorlage ec Stamm- Stücke ‚einer (Odeus revoluta....s. une ouusan eine REBELLEN. Dr. W. G. Schneider: Vorlage einer Sammlung von ihm der Gesell- - schaft geschenkter mykologischer ete. Monographieen .......... Seite. 42 42 43 - 44 44 44 45 47 48 53 56 Inhalts-Verzeichniss. Privatdocen; Dr. Gustav Stenzel: Vorlage verschiedener von ihm auf dem Riesengebirge gefundenen Pflanzen ..... inlhäct:: Prof. Dr. Ferd. Cohn: Vorzeigung merkwürdiger Doppelkirschen aus dem städtischen Hospital-Garten zu Ohlau............22..ucu00enan. Herr E. Junger jun.: über einen merkwürdigen hybriden Rosensämling indrahnltehevErschemmungen Vegan re Herr von Uechtritz: über eine von ihm am Rabenfelsen wei Liebau ent- deckte neue Veilchenart (vorgelesen durch Dr. Engler)....... Prof. Dr, Ferd. Cohn: über Brefeld’s Empusa radicans und E. muscae..... Geh. Med.-Rath Prof. Dr. Göppert: Antrag auf eine Denktafel im Riesen- gehımse, kür Vers. ne. en mad. DIRT Mittelschul-Lehrer Limpricht: über das Vorkommen der Lebermoose im schlesisch - mährischen Gesenke, nebst Verzeichniss der gesam- melten Arten und Anhang: neue schlesische Lebermoose....... Geh, Medieinal-Rath Prof. Dr. Göppert: Vorlage ungewöhnlich grosser Beeren eines Juniperus vom Donnersberg..........eeenen.. 2.2. s Prof. Dr. Ferd. Cohn: Ergebnisse mikroskopischer Untersuchungen des Wassers aus dem Brunnen Grosse Rosengasse 14 (Typhus-Herd) — Grundzüge einer neuen natürlichen Anordnung der krypto- eeimuischen Bilanzen... rne.n...leer es en ae Lee end Beficht über die zweite ausserordentliche Sitzung der Section und Wander- Versammlung der schlesischen Botaniker auf Ulbrichshöhe bei Reichenbach. Apoth. Fick: über geognostische und botanische Verhältnisse des Eulengebirges. Geheimrath Prof. Dr. Göppert über bisher unbekannte Zustände beim Veredeln der Bäume. Forstmeister Tramnitz: über Forstzuwachskunde und die prak- tische Bedeutung des Pressler’schen Zuwachsbohrers und dessen „„mathemat. Aschenbrödel“. Prof. Dr. F. Cohn: über demon- strative Lehrmittel für Volkssehulen. Exeursion in die Anlagen UnADdEITSIBT STARS EEE RR NR RE EEE DR En Prof. Dr, Ferd. Cohn: Bericht über den auf Wimmer’s Grabe errichteten Wenksbein Meereeresuerete area es sale ner nylein Sardinien de Se lee Privatdocent Dr. Gustav Stenzel: Nekrolog des Prof. Dr. Julius Milde nebst Verzeichniss der von Milde veröffentlichten Schriften und der von ihm für -Schlesien zuerst ee oder sicher nachgewiesenen Pflanzen-Arten....-. REN ER SB NN RN Rector Dr. Th. Bach: Nekrolog des Lehrer W. Hilse (vorgelesen vom Secretär der Section), nebst Verzeichniss der von Hilse für Schlesien. neu aufgestellten Arten. . :........- ve:.....02l.J00s. Geh. Med.-Rath Prof. Dr. Göppert: Nekrolog des Geh. Reg.-Rath Prof. Dr. Ratzeburg und des Seminar - Oberlehrer Dr. K. F. Robert BClmeidevs N NENNE DEDHEERIRE NE AS LEIMAE. — über Telekia cordifola im Schlesierthal, über blassgrüne, in Alkohol unveränderliche Früchte von Vaccmium myrtillus und über Mar- silea quadrifoliata am Rudateich bei Rybnik, entdeckt durch Apo- Theker Fritzer AN SERTE N RAN ERN LEN DBR — über die morphologisch- olderzche Partie des hiesigen bota- nischen NGaTtensPt Ina ua SAN rn UNE IE 74 75 82 82 83 89 98 145 IV Inhalts-V erzeichniss Wundarzt Knebel: Bericht über die Verhandlungen der deutschen Natur- forscher-Veersammlung zu: Rostock gel. dar enleleke ieterlelde been Geh. Med.-Rath Prof. Dr. Göppert: über die Aufgabe der botanischen Section hinsichtlich einer schlesischen Kryptogamen-Flora ...... Prof. Dr. Körber: Verzeichniss der dem Henschel’schen Globus aggre- girten botanischen Manuscript - Sammlungen der Schlesischen Gesellschaft ............» ale ER IS te NR SCHEN aka Shi Geh, Med.-Rath Prof. Dr. Göpnent: über die von Hüttenarzt Geisler angefertigte Sammlung von colorirten Abbildungen schlesischer Pilze, über die Pilz-Ausstellungen im botanischen Garten und über die essbaren Pilze der hiesigen Märkte ..............»... Prof. Dr. Ferd, Cohn: Vorlage eines Stückchens sogenannter „Oderhaut“ (Filz von Cladophora viadrina Kg.) :. =»: -eerreceee » EEE Dr. phil. W, G. Schneider: über das sterile Mycelgebilde Ozonium Link und dessen Zusammenhang mit Coprinus - en — über das Sunchitrimm aureum, Schröt. 2.2 euneh Snerın ek eieieehee ee are Geh. Med.-Rath Prof. Dr. Göppert: Vorlage eines riesigen prachtvoll gefärbten Exemplares von Polyporus cürmus. .....ze...... Dr. phil. Langenbach (in Palermo): über die Cultur der Manna- Be und Gewinnung des Manna in Sicilien, vorgelesen durch Geh. Med.Rath Prof. Dr Göppert ...........2....2, Shane er Geh. Med.-Rath Prof. Dr. Goöppert: Conspectus fumgorum Silesiae als erster Beitrag zur schlesischen Kryptogamenflora.................... Prof. Dr. Körber: über die von der deutschen Nordpol - Expedition im Jahre 1870 hauptsächlich aus Grönland mitgebrachten Flechten, — Vorlage einer von ihm angeferligten Typensammlung der Lichenen...... ... u m SE N Er EEE Herr Rud. v. UVechtritz: ee Reh der wichtigsten Funde des )J. 187 ı im Gebiete der Schlesischen Flora, vorgelesen durch Herrn Runen ee BARS 85 Sana Mittelschullehrer Limpricht: über die Moosflora in Oberschlesien. — Vorlegung eines grossen Herbariums pflanzlicher Missbildungen von. Lehrer Zimmermann n Sızlesau. Sa ee B. Stein: Nachträge zur Flechtenflora Schlesiens .......... BE NL ENT — Die Entwickelung des schlesischen botanischen Tausch- Va III. Entomologische Section. Privatdocent Dr. Gustav Joseph: Kritik einiger Darvinistischer An- schauungen im Gebiete der Entomologie.. SE ah Enid — über Fortpflanzungs-Erscheinungen an one. einiger Lepido- pteren im Widerspruche zu Wagner’s Separationsgesetz der Or- ganismen 12.4.2 Wdresolcln Aekkie ala she rer RE RL — Beobachtungen über Lebensweise und Den der in den Krainer Gebirgsgrotten einheimischen Arten der blinden Gattung Machaerites, Leptodirus, Oryotus und Troglorrhynchus „use ..ere20... — einige entomologische Resultate von Spätsommer-Exeursionen in die Umgegend von Triest, — Ueberblick über die in Schlesien bisher bekannten Cycadinen und Orthopteren. ur... socenen.. Seite 145 146 150 154 155 158 159 165 167 167 171 181 Inhalts-Verzeichniss. Dr. Wocke: über das Vorkommen verschiedener Raupen auf Sarro- thamnus, Vieia cassubica und Erdbeere ..... DE NEID 20 WR Hauptlehrer Karl Letzuer: über Lasioderma (Pseudochina) serricorne F., testaceum Duft...... N ee Me RE Hohes tar 3. — Nachträge zu seinem eranikse der Käfer Behlesiene mare Herr Eugen Schwarz: über die Unterschiede von Philonthus aeneus Rossi, ‚succicola Thomson und carbonarius Gyllenhal ....»u...:.rsennnnne € IV. Medicinische Section. Prof. Dr. Ferd. Cohn: über Pilze und Contagien .......:..22:2rcecens Dr. Gscheidlen: über den Ursprung des Harnstoffs im Thierkörper.... Privatdocent Dr. Sommerbrodt: laryngoskopische Demonstration von polypösen Neubildungen im Kehlkopf dreier Patienten ......... Privatdocent Dr. Freund und Dr. Martini: über Behandlungs- weise chronischer Metrorrhagien............-..... eecre.cee 3% Privatdocent Dr. Sommerbrodt: Demonstration einer erbsengrossen gestielten Papillargeschwulst des Kehlkopfs ..........erece.2.. Prof. Dr. Fischer: über Pen im deutsch - französischen ee ea lan lee nee nenne Dr. 0. Berger: Demonstration von meist halbseitigen Sensibilitäts- störungen in Folge von Verwundungen an mehreren Kranken; desgleichen zweier Fälle von Serratus-Lähmung ................ Prof. Dr. Heidenhain: über die Temperatur-Differenz der beiden Herz- hälften und bes die sau a Belle a ker Be SL AB N RE ARE MORE EREDERET Prof. Dr. Fischer: über trophische Störungen nach Schussverletzungen . Apotheker Jul. Müller: weitere Besprechung der therapeutischen Anwen- dung des Quecksilberchlorid-Chlornatrium mit Ueberschuss von Vlamafairi ie re USERN RN Dr. 0. Berger: Demonstration eines Falles von partieller Empfindungs- EEE en ee dehnen Sa Privatdocent Dr. Herm. Cohn: über Enucleation des Auges nach Schuss- werletzumgen a sONIy Be EN ee Prof. Dr. Waldeyer: über Entwickelung der Carcinome .. ......2222... Privatdocent Dr. Nothnagel: über cutane Sensibilitäts - Störungen bei euraleiem..n Da ee ee IR ER Ren Prof. Dr. Waldeyer: über die pathologische Bedeutung der Bacterien, Vibzioneneie.sesn send. 209- eaenralh l ad. u9yi Prof. Dr. Ferd. Cohn: über das Verhalten gekochter Stoffe in u destillirtem Wasser mit und ohne Baumwollverschluss.... ..... Di. A. Horvath aus Kiew: über Erfrierungsversuche ................. Dr. med. Weigert: über Bacterien in der Pockenhaut................. Privatdoc. Dr. Freund: über das Köberle’sche Verfahren gegen retro- lemiornauten I. 428 rise el alas: Privatdoc. Dr. Herm. Cohn: über die Augen von 240 atropinisirten Dorf- sehullamdern). 4% ch nr senihuaaler eh ann l.ahl. Sat. 197 198 199 200 200 200 200 201 202 204 204 205 206 208 208 208 208 VI Inhalts-Verzeichniss. Prof. Dr, Förster: über den Lichtsinn bei Krankheiten der Chorioides und Prof. Dr. Heidenhain: Mittheilungen zur Physiologie des vasomotorischen Nervensystems ı. .n.acmet ne ee ee ee A BE Privatdocent Dr. Freund und Prof. Dr. Waldeyer: klinische und ana- tomische Mittheilungen über eine Missbildung ................. Privatdocent Dr. Soemmerbrodt: über zwei im Kehlkopfinnern ausge- führte Operationen... Caro. alu cin Va se ee RR Geheimer Sanitäts- Rath Dr. Grätzer: über die Armen - nksnlers Breslauis 71870. en er ee ee RER Sy NER Dr. Horvath: über eine neue Methode der en iichen Respiration ohne Trachentoniie tete, ihn ee Privatdocent Dr. Köbner: Erfahrungen über Bein ellion (wiederholte Seceundärinfeetion) zul... Nuclear nel Ach > Prof. Dr. Fischer: Demonstration zweier Missbildungen ...... ........ Privatdocent Dr. Freund: über einen complieirten Fall von chronischer INDERSIOLULETSNELER er -re erlene erbeten alehec Be Ekel NE V. Historische Section. Strafanstalts-Director Dr. Schück: über Christian Thomasius........... Prof. Dr. Reimann: über den historischen Johann von Nepomuk ....... Rector Dr. Luchs: über die oberschlesischen Holzkirchen und Verwandtes Staats-Archivar Prof. Dr. Grünhagen: über die Kriegslasten Schlesiens in: den Jahren 1806 1a en ee A N en Prorector Dr. Maass: über das politische Samen unter Ludwig XIV., Tudwie. XV undeEudawieaRV I en Prof. Dr. Kutzen: über die Schlacht von Striegau oder Hohenfriedeberg und über das Manuscript eines preussischen Offieciers aus jener Zeit. Bericht über die Excursion auf das Schlachtfeld und zu den"Striegauer Baudenkmälern in... er. ae Dh Prof. Dr. Reimann: über den Streit Paul’s IV. mit Ferdinand 1........ Prof. Dr. Kutzen: über das südwestliche Gebiet der Grafschaft Glatz.. Prof. Dr. Palm: über die bei der Beschiessung an a leten ößentlichen Bibliocheken.n.. u. 21.0. u 2m Sa NE VI. Juristische Section. Stadtgerichts-Rath Güttler: über die Reform des Vormundschaftswesens Appellations-Gerichts-Referendar Dr. jur. Teichmann: über die Geschichte der-Adyoeatur. ........2... N a a ee Justizrath v. Wilmowski: über Kriegsbeute .............ecnceeeeeene. Dr. jur. Georg Cohn: über die Reform des Executionswesens .......... VII. Section für Obst- und Gartenbau. Stadtrath Kaufmann E. H. Müller: Bericht über die Thätigkeit der Section im Jahre IST IE IN AN ER ARE BEREREML. 8 Sectionsgärtner Jettinger: über das Zurückschneiden der Wurzeln beim Pflanzen der Obstbäume. an. 22 2 2 SER ER — über das Pflanzen der Obstwildlinge in den Obstbaumschulen .. 227 245 248 Inhalts-V erzeichniss. VII Seite, Kunstgärtner Grunert in Gross-Pniow: Einiges zur Cultur der Tetragonia ezpansa L. (Neuseeländischer Spinat) ....-........euceneecerone 250 hacken des Pomologischen Institus G. Stoll in Proskau: Obstbauliches nebst einem Obstsorten-Verzeichniss ...........eeerr0oeceeoneno 251 Kunst- und Handelsgärtner W. Kühnau: über Fürst Pückler-Muskau auf dem Gebiete der Blumengärtnerei mit besonderer Berücksich- Henne vontschloss- Bramita.... . Hua. BRASS... 2... 256 - Kunstgärtner C. Pfeiffer in Zölling: zur Bepflanzung von Parterres für den BrühlinestlorH.n... 2... ana. ee 260 Obergärtner A. Schütz in Wettendorf (Ungarn): über Freiland-Meloneneultur in Ober- Ungarn unter Zugrundelegung selbstgemachter Er- FADEN IT ee a eesaganie. u Ne 263 En rnberrden \Weimschnitt ©... 0. 22 a as er usanee 266 Kunstgärtner H. Wagner: über ein Mittel und dessen Anwendung zur Vertilsung der Blattläuse in der Baumschule.................. 267 Maschinenfabrik - Besitzer Ernst Hofmann: Beschreibung einer neuen, Feuerungsmaterial ersparenden Heizanlage für Gewächshäuser. ANIEZEIchnune). 2.2 nn Mae she 269 Baumgärtner Sonntag in Zobten: über die Folgen des Winters 1870/71 meden Obstbaummschulen.. nam ss... 271 Hofgärtner W. Peicker in Rauden O./S.: Notizen über die Wirkungen der letztvergangenen beiden Winter 1869/70 und 1870/71 auf die Vegetation in den Gärten Seiner Durchlaucht des Herzogs von Ratibor zu Rauden O,JS...... ee SP Be 275 Kunstgärtner Streubel in Carlowitz: über die Feinde der Spargelpflanze und deren Vertilgung..... a ae sale echten ianeeienee 283 Obergärtner A. Schütz in Wettendorf: über ein empfehlenswerthes Scar- let-Pelargonium zur Verwendung für Teppichgärten und dessen Cullmann 22.022. 2 ae ea en a es 288 Stadtrath Kaufmann E. H. Müller: Bericht über die ne von, Nutz- und Zierpflanzen-Samen im Frühjahr 1871 .............. 289 Seetions-Gärtner J. Jettinger: Cultur-Ergebnisse einiger an Mitglieder der Section vertheilten Gemüsesamen win... sahne: 290 Stadtrath Kaufmann E. H. Müller: statistische Notizen über Sections- garten, Lesezirkel, Schriftenzuwachs und die Section selbst..... 294 VIII. Meteorologische Section. Prof. Dr. Galle: über einige neuere Resultate für die geographischen, meteorologischen und magnetischen Orts-Constanten von Breslau 301 Prof. Dr. Galle: Allgemeine Uebersicht der meteorologischen Beobach- tungen auf der königlichen Universitäts-Sternwarte zu Breslau im Jahres SQL... a a a a. de 313 Nekrolog im Jahre 1871 verstorbener Mitglieder der „Schlesischen Gesellschaft für naberlindischer Culbun en a n 331 Schriften der Gesellschaft. Abhandlungen. Philososophisch-historische Abtheilung. 181. Ein Heft. 77 Seiten. Inhalt: H. Palm, Neue Beiträge zur Lebensgeschichte von Martin Opitz nebst vier ungedruckten Briefen desselben. Ed. Reimann, Papst Paul IV. und das Kaiserthum. Hermann Markgraf, Nachtrag zum Liegnitzer Lehnsstreit 1449 —1469. J. Kutzen, Das südwestliche Gebiet der Grafschaft Glatz oder das Gebiet des Habelschwerdter Gebirges. Abhandlungen. Abtheilungen für Naturwissenschaften und Medicin. 1869/72. Ein Heft. 175 S. mit 2 Tafeln in Kupferstich. Inhalt: J. Schröter, Die Brand- und Rostpilze Schlesiens. . G. Limpricht, Ergebnisse einiger botanischen Wanderungen durch’s Isergebirge. J. Grätzer, Ueber die öffentliche Armen-Krankenpflege in Breslau im Jahre 1870. E. Grube, Mittheilungen über St. Malo und Roscoff und die dortige Meeres- besonders die Annelidenfauna. v. Jacobi, Zweiter Nachtrag zu dem Versuch einer systematischen Ordnung der Agaveen. 9 Allgemeiner Bericht über die Verhältnisse und die Wirksamkeit der Gesellschaft im Jahre 1871, abgestattet in der allgemeinen Versammlung am 29. December 1871 vom Bürgermeister Dr. Bartsch, zur Zeit General-Secretair, I. dem jetzt zu Ende gehenden zweiten Jahre der Btats-Periode von 1870/71 ist in der Zusammensetzung des am 29. December 1869 von der Gesellschaft gewählten Präsidiums eine Veränderung nicht eingetreten. In Folge dessen hatte letzteres die seltene Genugthuung, den 8. December ce, als den Tag besonders auszuzeichnen und festlich zu begehen, an welchem ein Zeitraum von fünfundzwanzig Jahren sich erfüllte, während deren der Präses der Gesellschaft Herr Geheimer Medieinal - Rath Professor Dr. Göppert ununterbrochen durch das einmüthigste Vertrauen immer wieder gewählt, dem Präsidium angehört und auch in diesem eben so einmüthig stets zum Vorsitzenden berufen, dieses Amt unausgesetzt geführt hat. Es konnte daher nicht fehlen, dass der Aufruf des Präsidiums an unsere Mitglieder: ihrem hochverdienten Präses an seinem, in der bis- herigen Geschichte der Gesellschaft einzig dastehenden Präsidial-Jubeltage ihre innige Verehrung und dankbare Anerkennung zu bekunden und zu bethätigen, von nah und fern die allgemeinste und lebhafteste Zustimmung fand. So sah sich das Präsidium bald in den Stand gesetzt zu beschliessen, dass eine von dem Bildhauer Rachner in kararischem Marmor treffend gearbeitele grosse Büste des Jubilars erworben, in unseren Gesellschafts- räumen aufgestellt und in einer am Jubeltage abzuhaltenden allgemeinen Versammlung enthüllt, auch dem Gefeierten ein mit der symbolischen Gestalt des Genius der Wissenschaft gekrönter silberner Tafel - Aufsatz verehrt werde. 1 2 Jahres-Bericht In Ausführung dieses Beschlusses wurde der Herr Jubilar am Abende des 8. Desember ce. in die auf das zahlreichste vereinigte allgemeine Ver- sammlung eingeholt und in derselben zunächst von einem, durch den Secretair der musikalischen Section, Herrn Musik-Direetor Dr. Julius Schäffer geleiteten und von diesem eomponirten Männergesang (Festlied von Goethe) begrüsst, hierauf aber von dem Vice-Präses Herrn Geheimen Regierungs-Rath von Görtz Namens der Gesellschaft die folgende An- sprache gehalten, in welcher der Redner ein lebendiges Bild der um- fassenden Wirksamkeit des Jubilars in markigen Zügen entrollte: Hochgeehrter Herr! Die Mitglieder der vaterländischen Gesell- schaft haben sich versammelt, um bei der Wiederkehr des Tages, an welchem Sie, hochgeehrter Herr, vor 25 Jahren das Präsidium der vaterländischen Gesellschaft übernommen haben, — Ihnen den Aus- ‚druck des Dankes für die erfolgreiche Leitung der Gesellschaft und die Versicherung ihrer aufrichtigen Verehrung darzubringen. Ein Rückblick auf die seit jenem Tage durchlebte Zeit stellt uns recht eindringlich vor Augen, wie grosse Verdienste Sie um die Gesell- schaft sich erworben, wie tief Sie uns zu Danke verpflichtet haben. Die Gesellschaft befand sich damals in einer nicht befriedigenden Lage. Der Mann, der einst, zuerst mit klarem Blicke, die rechten Wege erkannt und bezeichnet hatte, auf welchen die Gesellschaft die Erreichung ihrer Zwecke anzustreben habe, der verdienstvolle Rector Reiche, sahe damals zu dem öffentlichen Bekenntnisse sich genöthigt, dass die einst gehegten und ausgesprochenen Hoffnungen seitdem von der Gesellschaft nicht erfüllt worden seien, und ein amtlicher Bericht des Präsidiums der Gesellschaft selbst bezeichnet die damalige Periode als eine lange Zeit bedenklicher Stagnation. In dieser misslichen Lage suchte man nach einer neuen, frischen Kraft; man suchte den Mann der Situation. Und man fand ihn. In Ihnen, hochgeehrter Herr, wurde er gefunden, und Sie wurden an die Spitze der Gesellschaft gestellt. Alsbald trat ein Umschwung in den Verhältnissen ein. Der neue Präses verstand es, durch gewinnende Anregung und voranleuchtende Thätigkeit die Theilnahme der Gebildeten für die Gesellschaft und in dieser ein frisches Leben zu erwecken. Die Zahl der Mitglieder ver- mehrte sich, neue Sectionen ‘wurden gegründet, schon bestehende erweitert; zahlreiche Versammlungen und in ihnen lehrreiche Vorträge wurden gehalten, öffentliche Vorlesungen für das grössere Publikum, insbesondere den Gewerbestand, wurden veranstaltet und die schon von Reiche bezeichneten Wege eingeschlagen, Kenntnisse dahin zu bringen, wo sie Bedürfniss und sonst nur schwer zu erreichen sind. Die literarischen Produktionen der Gesellschaft wurden in weiteren Kreisen verbreitet, auf den Fittichen des berühmten Namens des Präses machten die Jahresberichte der Gesellschaft die Reise um die eivilisirte der Schles. Gesellschaft £, vaterl, Cultur. 3 Welt. Wo in Europa der Wissenschaft eine Stätte bereitet ist, da wurden Verbindungen, da wurde ein Schriftenaustausch angeknüpft; ja über das ‘Weltmeer hinüber wurde den Culturvölkern Amerikas die Hand gereicht. So wurde der Kampf um das Dasein der Gesellschaft mit gutem Erfolge geführt und eine Stellung wieder erlangt, welche seit Jahren für die Gesellschaft verloren gewesen war. Durch beharrlich fort- gesetzte wissenschaftliche und gemeinnützige Thätigkeit wurde die Gesellschaft zu immer höherer Blüthe gebracht — und jetzt nach 25 Jahren stehet sie der damaligen Stagnation gegenüber in lebens. voller Thätigkeit, mit der verdoppelten Zahl der Mitglieder und eine treuen Schaar wissenschaftlicher Mitarbeiter, mit einer Reihe litera- rischer Publieationen, welche Zeugniss ablegen von ihrer Thätigkeit; — mit einem fast verdoppelten Gesellschaftsvermögen — gekannt und geachtet von den Gebildeten des Landes, gekannt und geschätzt auch im Auslande. Dass die Gesellschaft diesen Standpunkt erreicht hat, verdankt sie vornehmlich ihrem Präses und seiner einsichtsvollen Leitung, verdankt sie Ihnen! Aber die Verdienste dieses Präses um die Gesellschaft beschränken sich nicht auf die allgemeine Leitung der Gesellschaft und die Verwaltung ihrer Angelegenheiten. Auch an der eigentlicheu Geistesarbeit, den wissenschaftlichen Vorträgen in den Versammlungen und an der literarischen Production hat er in hervorragender Weise Antheil genommen. Hier finden wir den Naturforscher, den Gelehrten, Von Jugend auf der Natur und der Wissenschaft von ihr mit ganzer Seele hingegeben, hat er unablässig in ernster Geistesarbeit und in liebevoller Treue geworben um die Erkenntniss der Natur und ihrer ewigen Gesetze. Dafür ist ihm die Gabe verliehen worden, die stumme Sprache der Pflanzen zu verstehen und in innigem Verkehr mit ihnen die Gesetze ihres Daseins zu erkennen; ja es ist ihm Macht gegeben, Pflanzen vergangener Jahrtausende aus ihren steinernen Gräbern herauf- zubeschwören ihnen den Platz anzuweisen, den sie in dem Haus- halte der Natur einzunehmen haben. So ward er ein würdiger Priester der Natur. Mit dem erworbenen Wissen hat er die Wissenschaft be- reichert, hat er die academische Jugend in das Studium der Natur eingeführt und zu ferneren Forschungen ausgerüstet — hat er aber auch die vaterländische Gesellschaft in ihren Versammlungen durch lehrreiche Vorträge derselben erfreut, und ihre Jahrbücher durch werthvolle Beiträge geziert. So hat er — so haben Sie — auch in dieser Richtung der Gesellschaft und ihren Zwecken treu und erfolg- reich gedient. Als Präses der vaterländischen Gesellschaft von Amts- wegen in die Promenadendeputation gestellt, haben Sie dafür gesorgt, dass unsere Stadt, die altehrwürdige Matrone, mit dem frischen Grün der Bäume, mit der Pracht der Zierpflanzen geschmückt und dass dadurch 1* 4 Jahres-Bericht dem lechzenden Stadtbewohner ersehnte Erquickung bereitet werde. Immer und überall haben Sie redlich und beharrlich danach gestrebt, den Schatz des vorhandenen Wissens zu mehren, die Kenntniss von der Natur, die Freude an ihr, die Liebe zu ihr in allen Schichten des Volkes zu verbreiten und sie zum Gemeingut aller Menschen zu machen. In einer Gesellschaft, welche sich zum Zweck gesetzt hat, der Wissenschaft zu dienen und nützliche Kenntnisse zu verbreiten, erscheinen Sie recht eigentlich als der lebendige Träger und Repräsentant der Idee, aus welcher diese Gesellschaft einst selbst geboren worden ist. Als solchen,. als den Repräsentanten der Idee der Gesellschaft, als den bewährten Vorkämpfer für die Verwirklichung derselben feiern wir Sie, hochgeehrter Herr! Für Alles, was Sie im Dienste dieser Idee mit treuer Hingebung und unermüdeter Thätigkeit für die Gesell- schaft gethan haben, bringen wir Ihnen aufrichtigen und innigen Dank. Zu DBethätigung dieser Gesinnung haben wir, einer alten Sitte folgend, Ihr aus Stein geformtes Bildniss in diesen Räumen der Gesell- schaft aufgestellt, als ein Denkmal Ihrer Verdienste um die Gesellschaft und unserer dankbaren Anerkennung dafür — als ein Zeichen der Erinnerung an diesen Tag, da Ihnen und uns vergömnt ist, Ihr fünf- undzwanzigjähriges Präsidial- Jubiläum zu feiern. Und damit es an einem äusseren Zeichen der Erinnerung an diesen Tag auch in Ihrer häuslichen Umgebung nicht fehle, haben wir geglaubt, Ihnen jenes Silberstück verehren zu dürfen, das als ein solches Erinnerungszeichen sich ankündigt, und das wir Sie anzunehmen bitten. — Geehrter Herr, Sie sind im Besitze kostbarer Güter, nach denen edle Menschen streben und rivgen. Sie haben den Ruhm erworben, den die Wissenschaft verleiht; Sie geniessen die Hochachtung, die Liebe, die dankbare An- erkennung Ihrer Nebenmenschen. Möge Ihnen vergönnt sein, dieser Güter noch recht lange bei voller Körperkraft und Geistesfrische sich zu erfreuen. Möge es aber auch der vaterländischen Gesellschaft ver- sönnt sein, noch recht lange der Führung ihres bewährten Präses, des Mannes sich zu erfreuen, von dem sie aus bedenklicher Stagnation zu lebensvoller Thätigkeit und zur Blüthe geführt worden ist. Ja, so sei es! Nach einer Erwiderung des Jubilars, in welcher derselbe lief er- griffen dankte und das Gedächtniss an die verdienten Stifter der Gesell- schaft hervorhob*), schlossen sich hieran die von Deputationen dar- *) Die Erwiderung lautet: Als mich vor gerade 50 Jahren mein verewigter Freund und Lehrer Treviranus in den Kreis dieser Gesellschaft einführte, habe ich ihr bald ganz und gar angehört und meine wärmsten Interessen ihr zu- gewendet, um so mehr dann, als ich, seit 1826, dauernden Aufenthalt in dieser Stadt genommen und mich ihr nicht mehr entfremden liess. Nach Steffens der Schles, Gesellsch, f. vaterl. Cultur., 5 gebrachten Glückwünsche der Vereine für Geschichte und Alterthum Schlesiens, für Geschichte der bildenden Künste, für das Museum schle- sischer Alterthümer und des schlesischen Kunstvereias, worauf der Jubilar noch von dem Sängerchore in einer von dem Herrn Geh. Kabinetsrath Dr. Prosch gedichteten Hymne — nach einem Chor aus Mozarts Zauberflöte gefeiert wurde. Mit einem, mit lebhaften Interesse aufgenommenen durch Form und Inhalt ausgezeichneten Vortrag des Herrn Prof. Dr. Ferdinand Cohn: „25 Jahre aus der Geschichte der Naturwissenschaft“ wurde diese allgemeine Fest-Versammlung geschlossen. — Gegenwärtig zählt die Gesellschaft: 400 wirkliche Mitglieder, 33 Ehrenmitglieder und 203 correspondirende Mitglieder. Unsere Section für Obst und Gartenbau besteht für sich aus 112 ein- heimischen und 256 auswärtigen, zusammen aus 368 Mitgliedern. In diesem Jahre haben wir durch den Tod verloren die wirklichen Mitglieder: 1) den um die Wissenschaft überhaupt, insbesondere aber um die Ver- mehrung und Conservation unserer naturwissenschaftlichen Sammlungen sehr des Unvergesslichen, Abgange zum Secretair der naturwissenschaftlichen Section er- wählt, habe ich vielfach wahrgenommen, mit welcher Theilnahme Stadt und Provinz sich für wissenschaftliche Arbeiten jeder Art lebhaft interessirten, und es da- her später als Präses der Gesellschaft für eine mir selbst höchst erfreuliche Pflicht ge- halten, sie durch Begründung verschiedener Sectionen in neue Bahnen zu führen und eine ausgedehntere Wirksamkeit zu eröffnen. Ich habe mich dabei in der glück- lichen Lage befunden, dass die älteren Mitglieder, die würdigen Stifter Müller und Reiche an der Spitze, keineswegs laudatores temporis acti, mich ermunterten und die Repräsentanten der Wissenschaft, meine academischen Collegen, Aerzte, die gesammte Lehrerschaft mir freundlich und hilfreich entgegenkamen. Die erweiterte Form unserer Mittheilungen führte bei der in jener Zeit immer allge- gemeiner hervortretenden literarischen Vereinsthätigkeit neue Verbindungen mit In- und Ausland herbei, Bereicherungen unserer Sammlungen, unserer Bibliothek, wie denn auch unser Beispiel insbesondere in unserer Provinz Begründung ähnlicher Vereine veranlasste und Vorlesungen für ein grösseres Publikum immer allgemeiner wurden, die zuerst bereits im Jahre 1837 von unserer Gesellschaft ausgingen und sich von hier aus erst im übrigen Deutschland verbreiteten. So also vor- zugsweise getragen durch Ihre ausgezeichnete Mitwirkung und Thätigkeit, der ich mich nur nach schwachen Kräften anzuschliessen bemüht war, ist der gegen- wärtige blühende Zustand unserer Gesellschaft herbeigeführt worden, an welchem sie mir, wie die heutige von Ihnen veranlasste, mich tief ergreifende Feier zeigt, einen allzu ausgedehnten, wahrhaft unverdienten Einfluss zuzuschreiben so gütig sind. Empfangen Sie allerseits unter innigsten Wünschen für das fernere Gedeihen und immer höhere Entwickelung unseres Vereines, nochmals herzlichsten Dank! Das Gefühl tiefster Verpflichtung wird die Erinnerung an den heutigen Tag stets begleiten. 6 Jahres-Bericht verdienten Professor Dr. phil, Milde, 2) den Gymnasial-Oberlehrer Dr. phil. Baumgart, früher Seeretair unserer musikalischen Section, 3) Dr. theol. Heyne, Custos der Dom-Bibliothek, 4) Kunsthändler Karsch, 5) Dr, med. Krause, 6) Buchhändler Maske, 7) Kreisgerichtsrath Loos, 8) Kaufmann Louis Reichenbach, 9) den Kgl. Wirklichen Geheimen Rath Grafen Sedlnitzky, 10) Regierungs-Präsident v. Götz zu Düsseldorf, 11) Guts- _ besitzer Riemann in Wederau, 12) Grafen v. Stosch auf Hartau und. 13) Grafen Georg v. Stosch auf Manze. Es verschieden ferner im Jahre 1871 der k. k..Hofrath, Direetor der k. k. geologischen Rrichsanstalt Ritter Dr. Haidinger, Ehrenmitglied unserer Gesellschaft, sowie die correspondirenden Mitglieder 1) General-Lieutenant a. D. v. Gansauge zu Berlin, 2) Apotheker Güntzel-Beckerin Wohlau, 3) Mittelschul-Lehrer Hilse hier, 4) Sani- tätsrath Dr. med. Junge zu Friedeberg, 5) der Seminar-Oberlehrer a. D. Dr. Schneider in Stolp, 6) Professor Dr. Zeuschner in Warschau und 7) Geheimer Regierungsrath Professor Dr. Ratzeburg in Berlin. Im Jahre 1871 sind folgende 13 Mitglieder neu aufgenommen worden, nämlich die Herren: 1) Apotheker Ende zu Grottkau, 2) Herzogl. Kammer-Präsident v. d.Berswordt zu Oels, 3) Dr. jur. Georg Cohn, 4) Dr. med. Ernst Fränkel, 5) Dr. med. Martini, 6) Ober-Post- Secretair Küster, 7) Kunsthändler Karsch jun., 8) Dr. med. Julius Bruck jun., 9) Pfarrer Spät in Költschen, 10) Georg Graf Stosch- Hartau, 11) Dr. Franz Hulwa, 12) Fabrikbesitzer Fedor Andersson, und 15) Privat-Docent Dr. med. Ludwig Hirt. Z m per} Ehrenmiteliedern wurden ernannt: 1) Herr Geheimer Regierungs-Rath und Director ra minera- logischen Museums Professor Dr. Rose zu Berlin bei seinem fünfzigjährigen Doctor-Jubiläum, 2) der Geheime Ober-Regierungs- rath und vortragende Rath im landwirthschaftlichen Ministerium Herr Heyder und 5) der Wirkliche Geheime Ober-Justizrath und Appellationsgerichts-Chef-Präsident Herr Graf v. Schweinitz zu Posen, bei seiner fünfzigjährigen Amts-Jubelfeier. Das Diplom als correspondirende Mitglieder erhielten: 1) Zweiter Officier des deutschen Nordpol - Expeditions - Schiffes Germania Herr Tramnitz, 2) Herr Dr. Orth zu Halle, 3) Herr Rittergutsbesitzer Dr. Wilkens in Göttingen, 4) der frühere hiesige Handelskammer-Secretair Herr Dr. Alexander Meyer in Berlin und 5) der Königl. Kreisgerichts-Direetor Herr Peck zu Schweidnitz, der Schles. Gesellsch. f. vaterl,. Cultur. 7 Allgemeine Versammlungen fanden 6 statt und wurden in denselben folgende Vorträge gehalten: am 30. December 1870 nach Mittheilung des Jahres - Be- richts pro 1869 durch den General - Secretair trug Herr Biblio- thekar Th. Oelsner die Nekrologe folgender Mitglieder vor: . des Geheimen Ober-Tribunalraths Blumenthal, Geh. Justizrath Lübbe, Regierungs-Rath Schulze, Freiherrn Val. v. Lüttwitz, Kaufmann Adolph Liebich, Geh. Comm.-Rath v. Löbbecke, der DDr. med. Engländer und Harpeck, des Superintendent Königk, Director Kämp, Prediger Dr. Suckow, Seıininar- Oberlehrer Karow, Dr. phil. Max Karow und Dr. jur. Korn; am 13. Januar c. von Herın Professor Dr. Fischer über die freiwillige Krankenpflege im Felde; am 27. Januar c. von Herrn Prorector Dr. Maass: Charak- teristik der neuen französischen Literatur unter dem zweiten Napoleonischen Kaiserreiche in ceulturgeschichtlich -sittlicher Be- ziehung; am 17. Februar c. von Demselben: Nachtrag zu dieser Charakteristik. am 21. April c. von Herrn Professor Dr. Reimann über französische Missachtung der ‘amerikanischen Neutralität im Jahre 1793, und am 8. December ce. zu der oben geschilderten Präsidial- Jubelfeier wie erwähnt von Herrn Professor Dr. Ferdinand Cohn „Fünfundzwanzig Jahre aus der Geschichte der Naturwissen- schaften,“ Oeffentliche Vorträge an den Sonntagen dieses Winterhalhjahrs sind wieder veranstaltet und gefälligst übernommen worden von den Herren Justizrath Fischer, Staats-Archivar Professor Dr. Grünhagen, Dr. med. Heller, Privatdocent Dr. med. Bruck jun., Prorector Dr. Maass, Geheimer Ober-Bergrath, Stadtrath Dr. v. Carnall, Referendar Dr. jur. A. Teichmann, Referendar Dr. jur. Georg Cohn, Privatidocent Dr. med. Hirt, Sanitätsrath Dr. Hodann, Professor Dr. Reimann und Gymnasiallehrer Dr. Weniger. £ Dem unter dem Vorsitze des Herrn Geheimen Medieinal - Rath Professor Dr. Göppert bestehenden Comite für Gründung eines Kunst- Museum ist die erfreuliche Zusicherung der hiesigen städtischen Behörden zugegangen, dass der Bauplatz für das Museum auf dem Terrain des grossen Cürassier-Reitplatzes angewiesen werden solle. In diesem Jahre sind Schriften Seitens der Gesellschaft nicht heraus- gegeben worden; es sind jedoch zwei Hefte Abhandlungen, ein philo- sophisch - historisches und ein Heft aus dem Bereiche der Naturwissen- schaften und der Mediein im Drucke begriffen. 8 Jahres-Bericht Der Schlesische Provinzial - Landtag hat unserer Section für Obst- und Gartenbau zum theilweisen Ersatz der in dem Versuchsgarten er- littenen bedentenden Frostschäden die Summe von 300 Thalern, sowie Se. Excellenz der Herr Minister der landwirthschaftlichen Angelegenheiten auch für dieses Jahr ausser einer einmaligen Hilfe per 200 Thalern eine Unterstützung von 400 Thalern geneigtest bewilligt, wofür auch hier öffentlich Dank abgestattet wird. Im Laufe des Jahres konnte das Präsidium mit inniger Genugthuung zur fünfzigjährigen Amts - Jubelfeier beglückwünschen Seine Excellenz den General - Landschafts - Direetor Wirklichen Geheimen Rath Herrn Grafen Burghauss und den Appellations - Gerichts - Chef - Präsidenten Herın Grafeu Schweinitz, sowie zur fünfzigjährigen Mitgliedschaft be- srüssenden Rittergutsbesitzer Herrn v. Uechtritz-Steinkirch zu Hirsch- berg. Ausserdem wurde Namens der Gesellschaft der Verein für Nassauische Alterthumskunde und Geschichts - Forschung zu Wiesbaden, welcher uns durch den 11. Band seiner Annalen sehr erfreut hatte, zum 5. December c. als dem Tage seines fünfzigjährigen Bestehens auf das Theilnehmendste beglückwünscht. Das Präsidium hat sich bewogen gefunden, dem auf dem Gebiete der Pflanzenkunde mit Erfolg thätigen Lehrer Herrn Limprecht zur Bereisung des Bartsch- Thales eine Subvention zu bewilligen und zum Conservator unserer naturwissenschaftlichen Sammlungen an Stelle des verewisten Dr. Milde den Herrn Professor Dr. Körber ernannt. Die Rechnung für 1870 ist von unserem Schatzmeister Herrn Geh. Commercien-Rath Franck gelegt und zur Revision gelangt. > Die Feier des Stiftungstages unserer Gesellschaft ist wegen der Kriessläufte, welche im Januar noch herrschten, ausgesetzt worden. Ueber die Thätigkeit der Sectionen haben die Herren Secretaire derselben Folgendes berichtet: Die naturwissenschaftliche Section (Secretaire: Herr Staatsrath Prof. Dr. Grube und Herr Geh. Bergrath Prof, Dr. Römer.) hat im Jahre 1871 neun Versammlungen gehalten; in denselben wurden folgende Vorträge gehalten: | den 11. Januar: Herr Professor Dr. Poleck über einige auf Spectral- analyse bezügliche Experimente und Ausführung derselben. Staatsrath Prof. Grube über seinen Aufenthalt in Roscoff im September 1869 und die dortige Meeresfauna. den 1. Februar: Herr Hauptmaun v. Homeyer: Erinnerungen aus seinem ornithologischen Studienleben. | | der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur. 9 Den 22. Februar: Herr Dr. Meusel: über Kieselsäure, Einäscherung des Zuekers und Einwirkung der Salzsäure auf Carbonate. Den 15. März: Herr Geheimer Bergrath Prof. Dr. Römer über ein jurassisches Diluvialgeschiebe bei Strehlen und receptaeulites carbonarius im Kohlenkalk und Vorlegung der geologischen Karte von Preussen und der thüringischen Staaten und des dritten Blattes der geologischen Uebersichtskarte der öster- reichisch-ungarischen Monarchie. Herr Dr. Meusel: über das Paraffin und die Bestimmung der Verbrennungswärme dsr Kohle. Den 5. April: Herr Oberbergrath Dr. Runge über das Salzlager bei Inowraclaw. Herr Geheimrath Prof. Göppert über die Kraft, mit welcher Pilze emporwachsen. Prof. Grube: über die Familie der Terebellen und neue Arten derselben. Den 5. Juli: Herr Prof. Grube: über unsere bisherigen Kenntnisse von der Fauna des Baikalsees und dort von Dr. Dybowsky gesammelt, meistens neue Hirudineen und Planarien, über zwei für Schlesien neue Clepsinen und neue Meeres- Planarien und Anneliden. Den 25. October: Herr Apotheker Jul. Müller; über Veränderungen des Trinkwassers. Den 15. November: Herr Dr. Carstädt: über das mechanische Wärme-Aegqnivalent. Den 13. December: Herr Prof. Römer: über die Kalksteine von Bartin bei Colberg, über untere devonische Bildungen bei Kielee, sehwarze Zechsteinschiefer von Wünschendorf bei Lauban und ein jurassisches Geschiebe von Niederkunzendorf. Herr Prof. Poleck über Diamanten im Xanthophyllit des Ural. Herr Prof. Grube: über die Untersuchung des Baikalsees auf seine Fauna durch Dr. Dybowsky, und die von ihm entdeckten zahlreichen Gammarus, so wie eine neue Wasserassel dieses Sees, ferner über die Isopoden-Gattung Serolis und eine wahr- scheinlich neue Art derselben, schliesslich über Lumbriconereis gigantea Of. In derselben Sitzung wurden zu Secretairen auf’s neue Prof. Grube und Römer gewählt. Die entomologische Section. (Seeretair: Herr Dr. Gustav Joseph.) Die. entomologische Section hielt im Jahre 1871 sieben Ver- sammlungen. In denselben wurden vom Secretair der Section, von 10 Jahres-Bericht Herrn Dr. Wocke, von Herrn K. Letzner, Herın E. Schwarz und zwar am 6. Februar, 20. Februar, 6. März, 20. März, 15. November, 27. November und 11. December Vorträge, coleopterologischen, lepi- dopterologischen, orthopterologischen und homopterologischen Inhaltes gehalten. Zum Seeretair für die bevorstehende Etatsperiode wurde Herr K. Letzner gewählt. Die botanische Section (Secretair: Herr Prof. Ferdinand Cohn.) hat im Jahre 1871 neun ordentliche und eine ausserordentliche Sitzung gehalten, es trugen vor die Herren: Geheimrath Prof. Dr. Göppert: über die im botanischen Garten errichtete Linnebüste, Geschenk des Commissionsrath Wesel — über Erfrieren des Pflanzen — über eine eigentliche Form des Wachholder — über die Aufgaben der botanischen Section — Nekrolog von Ratzeburg und Schneider — Conspectus fungorum sSilesiae — über Cultur der Manna-Esche in Sieilien (eingesandt von Dr. Langenbach in Palermo). Junger morphologische Mittheilungen. Knebel über die Naturfzischerversammlung in Rostock. Körber über die uon der Deutschen Nordpolar - Expedition mit- gebrachten Flechten. Limpricht über die Flora von Sagan nach den Beobachtungen des Stadtgerichtsrath Everken — über die Lebermoose des Gesenke — über die Moosflora von Oberschlesien. Schneider über Ozonium und Synchitrium. Stenzel über den fossilen Palmenstamm — über seltene Pflanzen aus dem Riesengebirge — Nekrolog von Julius Milde. v. Uechtritz über viola porphyrea — über neue Pflanzen der Schlesischen Flora. Werner über interessante Wachsthumsverhältnisse von Pflanzen. Zimmermann in Striegau Monstrositäten verschiedener Pflanzen. Der Seeretair: Naturwissenschaftliche Mittheilungen über Cudowa — über die Elssner’schen Pflanzen - Abbildungen — über monströse Kirschen — über einige Brunnen Breslau's — über das System der Cryptogamen — über ein neu beobachtetes Vorkommen der Oderhaut — Nekrolog von Hilse (eingesendet von Herrn Reetor Bach). Ausserdem fand am 21. Mai zu Ulbrichshöhe und Reichenbach die von der Section einberufene zweite Wanderversammlung der schlesischen Botaniker statt, bei welcher Herr Apotheker Fiek über die Flora der Eule, Herr Geheimrath Göppert über pflanzliche Verwachsungen und Forstmeister Tramnitz über den Pressler’schen Zuwachsbohrer und der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur. 11 Messknecht, der Secretair über Mikroskope für Volksschulen und über die Beziehungen der Bacterien zur Fäulniss vortrugen. In Folge eines Beschlusses der Section vom 8. December 1870 wurde unter den Schlesischen Botanikern und anderen Freunden und Schülern Wimmer’s eine Sammlung veranstaltet, von deren Ertrage ein marmorner Denkstein auf dem Grabe Wimmer’s aufgestelli und am 27. September feierlichst eingeweiht worden ist. In der letzten Sitzung am 14. December wurde der zeitherige Seeretair wieder gewählt. f Die medieinische Section (Seeretaire: Herr Privatdocent Dr. Freund und Herr Professor Dr. Waldeyer.) hat im Jahre 1871 neunzehn Sitzungen abgehalten. In denselben sind von den hier genannten Herren folgende Vorträge gehalten worden: 1) Von Herrn Prof. Dr. Ferdinand Cohn (10. Februar): Ueber die neueren Forschungen in der Pilzlehre und die medieinischen Beziehungen der Mykologie. Von demselben (4. August). 2) Von Herrn Privatdocent Dr. Gscheidlen (10. März): Ueber den Vorsprung des Harzkopfs. 3) Von Herrn Privatdocent Dr. Sommerbrodt (10. März): Demon- stration dreier Fälle von intralaryngealen Tumoren. Von demselben (31. März): Demonstration eines ausgehusteten papillaren Fibroms des Kehlkopfes. Von demselben (3. November): Mittheilungen zur operativen Ent- fernung von Kehlkopfpolypen. 4) Von Herrn Privatdocent Dr. Freund (31. März): Ueber operative Behandlung chronischer Metrorrhagieen (Verschlusss des Muttermundes). Von demselben (23. Juni): Ueber Indicationen zur Avoriotomie. — Zur Aetiologie der Carcinose. = Von demselben (8. September): Ueber die Köberle’sche Ope- ration der retroflexio uteri. Von demselben (20. October): Klinische Mittheilungen über eine Misebildung. Von demselben (15. December); Ueber einen Fall von inversio uteri, Heilung durch Abtragung des fundus mit Neubildung an demselben. 5) Herr Dr. Martini (31. März): Ueber einen durch Verschluss des Mutter - Mundes mit Erfolg behandelten Fall chronischer Metrorrhagie. 12 6) 8 u 9) 10) 11) 12) 12) 14) Jahres-Bericht Von Herrn Prof. Dr. Fischer (28. April): Ueber die von demselben beobachteten Schuss - Verletzungen im deutsch - französischen Kriege. Von demselben (7. Juli): Ueber trophische Störungen nach Schuss- verletzungen. Von demselben (24. November): Demonstration zweier Miss- bildungen. Von demselben (15. December): Demonstration des anatomischen Präparates einer dieser Missbildungen. — Ueber Operation der Blasenspalte. Von Herrn Prof. Dr. Waldeyer (28. April): Demonstration ana- tomischer Präparate von Knochen - Schuss - Verletzungen aus dem deutsch-französischen Kriege. Von demselben (14. Juli): Ueber die Entwickelung der Careinome. Von demselben (28. Juli): Demonstration mikroskopischer Prä- parate zum vorigen Vortrage. Von demselben. (4. August): Ueber die pathologische Bedeutung der sogenannten Bacterien. Von demselben (20. October): Anatomische Mittheilungen über eine Missbildung. Von demselben (15. December): Demonstration der Präparate dreier Missbildungen. Von Herrn Privatdocent Dr. Berger (19. Mai): Neuropathologische Mittheilungen. Von demselben (7. Juli): Dasselbe Thema. Von Herrn Prof. Dr. Heidenhain (26. Mai): Ueber die Ursachen der Temperatur-Differenz des Blutes im rechten und linken Herzen mit Demonstration eines Versuches im physiologischen Laboratorium. ; Von demselben (20. October): Mittheilungen zur Physiologie des vasomotorischen Nervensystems. Von Herrn Medicinalrath Professor Dr. Spiegelberg (9. Juni): Ueber den Geburtsverlauf bei engem Becken. Von Herrn Apotheker Müller (7. Juli): Ueber die Verbindung des Sublimates mit Kochsalz. Von Herrn Privatdocent Dr. Hermann Cohn (14. Juli): Ueber Enucleation des Auges nach Schussverletzungen. Von demselben (6. October): Untersuchungs - Resultate von 240 Dorf-Schul-Kindern in Schreiberau auf Kurzsichtigkeit. Von Herrn Privatdocent Dr. Nothnagel (28. Juli): Ueber eutome Sensibilitätsstörungen bei Neuralgien. Von Herrn Dr. Horwath in Kiew (4. August): Ueber den Einfluss der Kälte auf warmblütige Thiere. der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur. 13 Von demselben (3. November): Ueber eine neue Methode zur Herstellung der künstlichen Respiration ohne T’racheotomie. 15) Von Herrn Dr. Weigert jun. (8. September): Ueber Bacterien in der Pockenhaut. 16) Von Herrn Prof. Dr. Förster (6. October): Ueber den Lichtsinn bei Krankheiten der retina und denen der choriadea. 17) Von Herrn Geheimrath Dr. Grätzer (3. November): Bericht über die Armen-Krankenpflege zu Breslau im Jahre 1870. 18) Von Herrn Privatdocent Dr. Köbner (17. November): Ueber Steinsection mit secundairer Syphilis. Ausser diesen Vorträgen wurde in 2 Sitzungen (den 17. und 24. November) über die zu jener Zeit grassirenden Krankheiten (Masern, Pocken, Scharlach) und die gegen die Weiter-Verbreitung derselben zu empfehlenden Maassnahmen diseutirt. In der letzten Jahres-Sitzung am 15. December wurden die beiden bisherigen Secretaire der Section wieder gewählt und zwar Prof. Dr. Waldeyer mit 22 Stimmen, Dr. Freund mit 20 Stimmen. Beide haben die Wahl angenommen. — Die meteorologische Section (Secretair: Herr Professor Dr. Galle.) hat im Jahre 1871 eine Sitzung gehalten, am 20. December, in welcher der Seeretair der Section einen Vortrag hielt: über einige neuere Resul- tate für die geographischen, meteorologischen und magnetischen Orts- Constanten von Breslau. Der bisherige Secretair wurde für die nächste Etats-Zeit wieder- gewählt, Die technische Section. : (Seeretair: Herr Direator Dr. Gebauer.) Die technische Section hat am 11. December c. eine Sitzung ge- halten, in welcher Herr Dr. Meusel einen Vortrag über die Erkennung der Verfälschung des Petroleums hielt. Die technischen Journale der Gesellschaft wurden den sich betheili- genden Mitgliedern in geordneter Weise zur Kenntniss und Einsicht gebracht. Für die neue Etats-Periode wurde Herr Dr. Meusel als Secretair sewählt. 14 Jahres-Bericht Die Oekonomische Section. (Secretair: Herr Stadt-Forst- und Oekonomie-Rath Dr. Fintelmann.) Die ökonomische Section hat im Jahre 1871 drei Sitzungen abgehalten- In der ersten Sitzung den 30. Januar war ein Vortrag des Herrn Dr. Wilkens auf Pogarth „über den Bau des Magens der Wiederkäuer und seine Verrichtungen“ angekündigt, der aber wegen Behinderung nicht gehalten werden konnte. In der zweiten Sitzung am 30. November wurde zuerst die Wahl des Secretairs für die nächste Etats-Periode vorgenommen; die- selbe fiel auf den bisherigen Secretair. Sodann theilte der Secretair den Inhalt der eingegangenen Schrift- stücke mit und aus dem August-September-Hefte (1871) des amtlichen Vereinsblattes des landwirthschaftlichen Centralvereins der Mark Branden- burg berichtete derselbe über die äusserst interessanten Versuche des Professor Dr. Hellriegel in Dahme „über den Bedarf unserer Getreide- Arten an Wasser zur Production einer vollen Ernte‘, woran sich weitere Besprechungen knüpften. Schliesslich hielt Herr Dr. Hulwa einen einleitenden Vortrag „über den Werth der Rückstände bei den verschiedenen Fabrikationsarten des Rübenzuckers für die Landwirthschaft.“ In der dritten am 19. December abgehaltenen Sitzung gab Herr Dr. Hulwa die Fortsetzung seines in der vorigen Sitzung begonnenen Vortrages. Nachdem der Secretair den Inhalt der eingegangenen Schriftstücke mitgetheilt hatte, kam die Tagesordnung der im Januar 1872 abzuhalten- den Generalversammlung der Delesirten des landwirthschaftlichen Central- vereins der Provinz zur eingehenden Besprechung. Sodann referirte Herr Direetor Körte über den wesentlichsten Inhalt mehrerer Fachzeitschriften, woran sich ebenfalls einschlägige rückhaltige Besprechungen knüpften. Section für Obst- und Gartenbau. (Seeretair: Herr Kaufmann und Stadtrath E, H. Müller.) Im Jahre 1871 hielt diese Seetion neun Sitzungen. In diesen Sitzungen wurde über die inneren Angelegenheiten und laufenden Geschäfte der Section verhandelt, allgemeine gärtnerische Fragen besprochen und hielten Vorträge der Gärtner der Seetion, Herr Jettinger, „über das Zurückschneiden der Wurzeln beim Pflanzen der Obstbäume“, „über das Pflanzen der Obstwildlinge in Obstbaumschulen“, und Herr Kunstgärtner Streubel aus Carlowitz „über die Feinde der der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur. 15 Spargelpflanzen und Mittel zu deren Vertilgung.“ Ausserdem wurden noch eine Anzahl grössere Abhandlungen, kleinere Mittheilungen und Berichte vorgetragen und discutirt, welche den anerkennenswerthen Be- strebungen, die Wirksamkeit der Section zu fördern, verschiedenen resp. Mitgliedern zu verdanken waren. Im Frühjahr dieses Jahres fand an die resp. Mitglieder wiederum die Gratis-Vertheilung ansehnlicher Quantitäten von Sämereien empfehlens- werther Gemüse und Florblumen zum Versuchsanbau statt, welche zum Theil Mitglieder spendeten, theils aus dem Garten der Section, im Uebrigen aber aus den besten Bezugsquellen eutnommen wurden. Die früher gepflesten und die in neuester Zeit wegen Schriften- austausches angeknüpften Verbindungen mit gleichen Vereinen nahmen erfreulichen Fortgang und führten dem in der Section für hiesige Mit- glieder bestehenden Lesezirkel reichhaltiges, belehrendes Material zu; die in demselben in Umlauf gewesenen Schriften wurden der Bibliothek der Schlesischen Gesellschaft überwiesen. In dem Pomologischen und resp. Obst-Baumschul- und Versuchs- garten der Section richtete bedauerlicher Weise die abnorme Kälte des letztverflossenen Winters, noch mehr aber eine den Garten theilweise betroffene Ueberschwemmung mit gleichzeitig starken Nachtfrösten unter den Sämlingen, jungen Veredelungen und besonders den freudig heran- wachsenden Mutterstämmen eine so bedeutende Verwüstung an, dass der Geldwerth des hierdurch gehabten Verlustes, in bescheidenster Weise taxirt, auf nahezu 2000 Thaler veranschlagt werden musste. Zur Reparatur dieses grossen Schadens wendete der Section auf deshalb ergangene Gesuche der Minister für die landwirthschaftlichen Angelegenheiten, Herr v. Selehow Excellenz, ausser der auch in den letzten Jahren bewillisten Subvention von 400 Thalern noch eine solche ausserordentliche von 200 Thlr. gnädigst zu und gewährte die Munificenz hoher Provinzialstände Schlesiens ihr eine Beihilfe in Höhe von 300 Thlr. Nur mit Hilfe dieser dankbarst empfangenen Unterstützungen und in Folge sehr günstiger Verkanfs-Resultate aus den, von den erwähnten Naturereignissen verschont gebliebenen Producten-Beständen des Gartens war es zu ermöglichen, noch in diesem Jahre eine Anzahl Obst - Mutter- stämmehen auf’s Neue zu beschaffen, Sorge zu tragen für Anzucht von Obst-Sämlingen von Edelstämmehen an Stelle der verlorenen, alle im Garten nothwendigen Arbeiten ausführen zu lassen, und einen Capitals- Betrag von ca. 750 Thlrn. in Effeeten und Baarem in Reserve erwarten zu dürfen, für im nächsten Jahre vorzunehmende weiter ergänzende Auschaffungen und zum Ersatz der wegen des gehabten Verlustes in den nächsten Jahren in Aussicht stehenden Mindereinnahmen für verkäufliche Obst - Edelstämmchen, 16 Jahres-Bericht Die Herbeiführung ausreichender Mittel zur Erbauung eines auf das allerdringendste benöthigten Gärtnerhauses in dem Garten der Section muss auch fernerhin deren ernsteste Sorge bleiben. In der letzten diesjährigen Sitzung der Section am 13. December wurden für die Etatszeit 1372 und 1873 einstimmig wieder gewählt: 1) a. Kaufmann und Stadtrath E. H. Müller als erster Secretair, b. Herr Director Inkermann als zweiter resp. stellvertretender Secretair; 2) in die Garten-Commission: a. Herr -Stadt-Forst- und Oeconomie-Rath Dr. Fintelmann, b. Herr Director Inkermann, 3) als Mitglied der städtischen Promenaden-Deputation: Herr Professor Dr. Ferdinand Cohn. Historische Section. (Sebretair: Professor Dr. Kutzen.) Während des Jahres 1871 bat sich die historische Section zwölf Mal versammelt. Ausser verschiedenen kürzeren Mittheilungen und Be- sprechungen kamen hauptsächlich folgende umfassende Abhandlungen zum Vortrage: Am 19, Januar von Herrn Director Schück über Charakter, Bestrebungen und Wirksamkeit des Christian Thomasius. Am 9. Februar von Herrn Professor Dr. Reimann über den histo- rischen Johann von Nepomuk. Am 9. März von Herın Rector Dr. Luchs über die oberachlesieeiien Holzkirchen und Verwandtes. Am 30. März von Herrn Staatsarchivar Professor Dr. Grünhagen über die Kriegslasten Schlesiens in den Jahren 1806 bis 1813. Am 20. April von Herrn Proreetor Dr. Maass über das politische Witzwort der Franzosen unter Ludwig XIV., Ludwig XV. und Ludwig XVI. Am 25. Mai vom zeitigen Secretair der Section Prof. Dr. Kutzen über die Hauptmomente der Schlacht von Striegau und Hohenfriedeberg mit besonderer Rücksicht auf die Eigenthümlichkeit der Gegend. Am 22. Juni von demselben über Friedrichs des Grossen eigene Darstellung seines glurreichen Sieges bei Striegau und Hohenfriedeberg und über ein Manuseript eines preussischen Officiers aus jener Zeit über den Feldzug von 1745. Am 25. Juni Exeursion der Section auf den Schauplatz des erwähnten $Bieges. Am 26. October von Herrn Prof. Dr. Reimann über den Streit Kaiser Ferdinands I. mit Papst Paul IV. der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur. . 17 Am 16. November vom Seeretair der Seetion über den geo- graphischen Charakter des südwestlichen Gebietes der Grafschaft Glatz. Am 14. December von Herrn Prof. Dr. Palm über die bei der Beschiessung Strassburgs vernichteten öffentlichen Bibliotheken. Nach diesem Vortrage in derselben Sitzung Wahl des Secretairs für die nächste Etatsperiods. Der bisherige Seeretair Prof. Dr. Kutzen wurde einstimmig wiedergewählt. Die pädagogische Section. (Seeretair: Herr Realschul-Direetor Dr. Kletke.). In der pädagogischen Section wurden im verflossenen Jahre 1871 zwei Vorträge gehalten. Am 3. November sprach Herr Haupt- lehrer Stütze „über Bedürfnisse und Einrichtung einer Besserungs- schule in Breslau ohne Internat.“ Am 4, December gab der Secretair der Section ein Bild von dem Sehulwesen zu Nürnberg im Jahre 1606, wie dasselbe von dem Nürnberger Reetor M. Georgius Mau- rieius in „Einer schönen Comoedia Von dem Schulwesen“ veranschaulicht wird. Die pädagogische Section muss sich auf Anregung neuer Schul- Ein- riehtungen und Besprechung von Gegenständen beschränken, die ein sanz allgemeines pädagogisches Interesse haben, da die vorhandenen Lehrer- Vereine, Lehrer-Conferenzen und der jüngst begründete „päda- sogische Verein“ zur Besprechung pädagogischer Fragen hinreichend Gelegenheit bieten. In der Sitzung vom 4. December wurde der bisherige Seeretair wiedergewählt. Die philologische Section (Seeretair: Herr Professor Dr. H. Palm.) hat in diesem Jahre 5 Sitzungen gehalten. Es lasen: 1) am 28. März Herr Privatdocent und Gymnasiallehrer Dr. Förster über die Pompejanischen Tempel und die neueste Tempel-Orien- tirungs-Hypothese. 2) am 2. Mai Herr Gymnasial-Lehrer Dr. Einkte auer über Aeschylus’ Choöphoren v. 205 ff. u. v. 302 ff. 3) am 5. September Herr Gymnasial- Lehrer PDen über Catull’s Epithalamien. 4) am 10. Oetober gab der Seeretair Prof. Dr. Palm neue Beiträge zur Lebensgeschichte von Martin Opitz. 2 IS 2 5) Jahres-Bericht am 19. December las Herr Gymnasial-Lehrer Wegehaupt über die Quellen des Nonius. Für die nächste Etatszeit wurde der bisherige Secretair wieder- gewählt. Die juristische Section (Seeretair: Herr Appellations-Gerichts-Präsident Dr. Belitz.) hat im 1) 2) 3) 4) 5) Laufe des Jahres 1871 fünf Sitzungen gehalten, es trugen vor: am 1. März: Herr Stadtgerichts-Rath Güttler „Die Reform des Vormundschaftswesens.‘ am 15. März: Herr Appellations-Gerichts-Referendar Dr. juris Teichmann „über die Geschiehte der Advoeatur.“ am 29. März: Herr Justizrath v. Wilmowski „über Kriegsbeute‘“ am 19. April: Herr Appellations-Gerichts-Referendar Dr. juris Georg Cohn „über die Reform des Executionswesens.‘ In der Sitzung am 20. December wurde der zeitherige Secretair wiedergewählt. Die musikalische Section (Seeretair: Herr Musikdireetor Dr, Schäffer.) hat zwei Sitzungen gehalten, nämlich 1) am Montag den 13. November und 2) am Montag den 27. November. In beiden trug der Secretair eine längere Abhandlung „über den Unterschied der katholischen und protestantischen Kirchenmusik“ vor. In der Sitzung am 27. November wurde der ‚bisherige Seecretair wiedergewählt. Die archäologische Section. (Secretair: Herr Privat-Docent Dr. Alwin Schultz.) Die Section hielt im verflossenen Jahre sieben Sitzungen. 23. Januar Dr. Berthold Müller (als Gast) über die neuesten Ausgrabungen im Stadium zu Athen. 20. Februar Dr. H. Blümner über die Gemälde des Polyquot in der Lesche zu Delphi. 20, März Dr. R. Förster über neuentdeckte Antiken zu Palermo. 24. April der Secretair über die Bildung der lateinischen Buch- staben und die Entstehung des sogenannten deutschen Alphabetes., Kassen-Abschluss für das Jahr 18571. Soll einkommen laut dem Etat pro 1870/71. BP 316 115 alle 296 — | — 36 | — | — 150 | — | — 180 | — | — 6 |— | — 100 | — | — Allgemeine Kasse. Einnahme. An Bestand aus dem vorigen Jahre . ” ” ” ” „ ” Zinsen von Effeeten: von 2400 3. Niederschles.-Märk. Eisenbahn-Pr.-Oblig. a 4% 96 2 „ 1200 , Bresl.-Schweidn.-Freib. Eisenb.-Pr.-Oblig. a 4% 48 » 900 „ Oberschl. Eisenb.-Pr.-Oblig. Lit. E. & 33 Lit. F.& 4 » 8300 „ Preussische Prämien-Anleihe & 31% „» 2000 „ Oberschl. Eisenb.-Pr.-Oblig. Lit. G. . PB] 900 ” ” ” ” ” Beiträgen einheimischer Mitglieder: Pro I. Semester von 281 Mitgliedern & 3 #s SSL y 2.290 Beiträgen auswärtiger Mitglieder: Pro I. Semester von 72 Mitgliedern & 2 . ” II. ” ” 14 ”) a 2 Eintrittsgebühren neuer Mitglieder 11: & 3 mE. Miethsbeitrag vom Schlesischen Kunst-Verein EB) „ > Gewerbe-Verein en » klassischen Musik-Verein Jahres-Beitrag vom hiesigen Magistrat Aussergewöhnliche Einnahmen: Vom Verein für bildende Künste Für Benutzung des Locals . Für Gasbenutzung Zinsen von zeitweise angelegten Geldern ss 2 ” ” MW: Effecten. 311 63 10 PB) 674 2» 7700 ” 843 4: 870 Mn 7700 Baar. rbb A822 8 316 15 | — 1713 | — | — 292 | — | — 3 | — | — 150 I — || — 180 | — | — AO u 100 | — | — 76 15 6 3396 21 2 Ist eingekommen. Ausgabe laut dem Etat pro 1870/71. 20: 600 16 47 Allgemeine Kasse. Ausgabe. Miethe . Honorare und Remunerationen . Gehalt dem Castellan . Neujahrsgeschenk demselben 55 dem Haushälter Heizung Beleuchtung . Unterhaltung der Mobilien und Neuanschaffungen Feuerversicherungs-Prämie . . . Schreibmaterialien . Zeitungs-ÄAnnoncen . Druckkosten . Buehbinder-Arbeiten Porto Kleine Ausgaben ; Naturwissenschaftliche Section . Entomologische Section . Technische Section. . Botanische Section . Bibliothek . Unvorhergesehene Ausgaben Bestand am Schlusse des Jahres 1871: 2400 +,.4% Niederschl.-Märk. Eisenbahn-Prioritäts-Actien. 4% Breslau-Schweidn.-Freib. Eisenb.-Pr.-Oblig. 31% Oberschl. Eisenb.-Prioritäts-Oblig. Lit. E. 1200 „ 900 „, oo, = 2000 vb} 45% 2 ” 300 „ 33% Prämien-Anleihe. Effecten. Ist verausgabt. Baar. "; MM 0 7700 | 953 7700 | 3396 Franck, z. Z. Kassirer der Gesellschaft. 21 — 2 nd nn Kassen-Abschluss für das Jahr 1871. Separatkasse der Section für Obst- und Gartenbau. Einnahme. An Bestand aus dem vorigen Jahre . „ Mitglieder-Beiträgen: von 76 einheimischen . „ 252 auswärtigen. „ Beiträgen für den Lesezirkel: . „ Einnahmen für den Garten und Erträgnisse desselben: Beiträge von 178 einheimischen und auswärtigen Mitgliedern 178 6 — Me — 4% für Erzeugnisse verschiedener Art für Edelobstbäume, Weinreben ete. . BE Zuschuss vom landwirthschaftlichen Ministerium . , Ausserordentliche Subvention von demselben . Subvention von den Schlesischen Provinzial - Ständen pro 1871/72 . „ Extraordinaria: für angekaufte 2 Stück Oberschles. Eisenbahn - Prioritäts- Obligationen Litt. F. im Nominal-Werth von . 162 . 837 . 400 . 200 . 300 ” ” ” ” „ 25 » ” ” Ist | eingekommen. Effecten. Mr 600 ne 600 Baar. Mb 92 351 98 2077 2559 #6 22 26 , Ehe RWÖ"®@W@W@R@Ree__—_ hm Ist veransgabt. Separatkasse der Section für Obst- und Gartenbau, l\rrecen. Baar. “I m MH Ausgabe. Für den Lesezirkel: Journale, und Bucher, ma 0... 2.206 16 Mm —- Golportationt. '... .. 0 m 0. #8 u, — 3 — Buchbinderänpeiten . ern 0. 0 A au 9, Extraordinaria. > 2 oe. 90 » nn — 8. a0 2 Für Sämereien und Reiser zur Vertheilung: Sämereien und Versandtspesen . ir 44 | 20 | 10 Insgemein: BOLLOR 2 ee 2... Dane MATTE 24 Insertionskosten N Kleine Ausgaben . Na N ee Bye Druckkosten; .* +... ee nl 2.0.80... i Angeschatfte Werke und Buchbinderarbeiten ..... 6 „5, —, \ Extraordinaria. =... on 0 Bes. der u. a Extraordinaria: für angekaufte 600 Thlr. Oberschl. Eisenb.-Pr.-Obl. Litt. F. & 98 Thlr. und Zinsen E= 594 | — | — Für den Garten: Gehälter, Löhne und diverse Ausgaben 1205 2: 10 96 6 für 'Sämereien, Edelbäune, Obstbäume. ....... 321, 12,„Il,„ Ka 21026 723 025 bestand; . a all a. ER Ss De © ee. heat 18000 236 |16 | ı1 600 | 2559 |ıs| 3 Franck, z. Z. Kassirer der Gesellschaft. Kasse für die Jahre 1872 und 1873. Einnahmen. Ausgaben. I. | Zinsen von Activ-Capitalien: | . BR U Ba LER TOT NEE 600 | _ von 2400 +3: Niederschl. - Märk. Eisenb. - Prior.- +4 #6 Bl ehonorare, ne ee reirand. ken ee 180 | AR Oblig. Ser. I. a 4 a : E Ku n R 0 a | Gehalt. den Kasten... mt. Be ‚ 1200 ,, Bresl.-Schweidn.-Freib. Eisenbahn. Bu tur | ee ee n 0 ie 2 „900 ,„ Oberschles. Eisenb.-Prior.-Oblig. lit. S S a a BE 3 B.& 31 a RER 31 15 | . A N RT EL NE RA 100 | — „ 900 „ Oberschles. Eisenb.-Prior.-Oblig. lit. | A nL eleuehtunen nen a ne N 95 | — BE N Le 40 15 | #| Unterhaltung, des Mobiliars... en. „ 2000 „ Oberschles. Eisenb.-Prior.-Oblig. lit. | IX. | Feuer-Versicheruns-Prämie or le GBA ne neeneenenennenn = Re nSchreibmaterialien. u... ee ee 5|i — a a 21615 | xT2 | Zeitunge-Annoneenli „u. Bytes ann SERIEN? 45 | — II. I Beiträge von einheimischen Mitgliedern nach der Ende 1871 | DS E Dreck kosten ne a et en N 2005 7 verbliebenen Anzahl von Mitgliedern ......... ...... al | | Be nn la a 69.0 — ill. | Beiträge von auswärtigen Mitgliedern nach der Ende 1871 | N | Bortoieseniin:: YO a0 ram. Di rl Alu r— verbliebenen Anzahl von Mitgliedern................. Doc EX. |. Kleine Ausgaben... on Me N ee eoeneld IV. | Eintrittsgeld neu aufgenommener Mitglieder... ... ..... 36 | = XVI. | Naturwissenschaftliche Section ........... u... 25, |E— V. | Miethe vom hiesigen Kunstverein ....... RE 150 | — XVIL. Entomologische Section ................ A 20,1 VI. | Miethe vom Gewerbe-Verein inel. Beheizungs- und Beleuch- | | EI BiNeehnische*Section we. 22. 2 ee sorı ImnBSkoB len IR eh: 1800 3 XIX | Botanische Section... .. 0... cur neeenneaeee. g 25 | — YlI. | Miethe vom Verein für klassische Musik inel. Beheizungs- NT EP iothelssie) ee ER LE sone undeBeleuchtunaskostenze 0 sn ee 56 —| | Basnianlardı ee url 0 Aare NEL Bee BAU Beütrae vomlhiesisen Masistrat. 0.0... 0. Oo EI | ach Se nuennasi per der Bine Kl, | l | 2850 | 15 2850 | 15 Breslau, den b®eptember 1872. llschaft für vaterländische Cultur. fritz Kutzen, Franck, -Secr. Das Präsidium der Schlesischen @ Göppert, vw. örtz, vw! Präses. Vice-Präses. Gen zweiter Gen.-Secr. Kassirer. der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur. 19 16. October Derselbe über das Münster zu Strassburg. 1. December Derselbe über die Meisterwerke der deutschen Plastik des dreizehnten Jahrhunderts. 18. December Dr. R. Förster legt einige Abgüsse neuentdeckler Venustorsen vor. Hierauf erfolgte die Wahl des Secretairs für die nächste Etatszeit und wurde der bisherige Secretair wiedergewählt. Bericht über die Kassen-Verwaltung pro 1870. Der Kassen - Abschluss des Jahres 1869 ergab für die Allgemeine Kasse einen Baarbestand von 308 Thlr. 15 Sgr. 1 Pf. und einen Effecten- Bestand von 7700 Thlr. Die Einnahmen im Jahre 1870 betrug 2918 Thlr. 12 Sgr. 6 Pf., zusammen 3226 Thlr. 27 Sgr. 7 Pf, Die Ausgaben beliefen sich auf 2739 Thlr. 4 Sgr. 11 Pf., so dass ult. December 1870 ein Baarbestand von 487 Thlr, 22 Sgr. 8 Pf. verblieb. In dem Bestande der Effeeten ist im Laufe des Jahres 1870 eine Veränderung nicht eingetreten. Die Special-Kasse der Section für Obst- und Gartenbau schloss am 31. December 1869 mit einem Baarbestande von 3 Thlr, 2 Pf.; ein Effeeten-Bestand war, nachdem im Jahre 1869 der Rest desselben zu verschiedenen Ausgaben verwendet worden, nicht mehr vorhanden. Die Einnahmen betrugen 1750 Thlr. 8 Ser. 6 Pf, zusammen mit dem Bestande 1753 Thlr, 8 Sgr. 8 Pf., die Ausgaben 1660 Thlr. 16 Sgr. 6 Pf., demnach verblieb Ende December 1870 ein Bestand von 92 Thlr, 22 Sr. 2 PT. Im laufenden Jahre haben weder aussergewöhnliche Ueberschrei- tungen bei der Ausgabe stattgefunden, noch haben sich die Einnahmen wesentlich verändert, so dass auch für das Jahr 1871 ein verhältniss- mässiger Ueberschuss bei der Allgemeinen Kasse zu erwarten, Breslau, den 29. December 1871. Franck, z. Z. Kassirer der Gesellschaft. Bericht über die Bibliotheken der ‚„Schlesischen Gesellschaft“ im Jahre 1871. Bei beiden Bibliotheken hat eine Anzahl von Vereinen dies Jahr noch nicht gesendet, deren Beiträge also dem nächsten Jahre zuzu- schreiben sein werden, Wiederum ward mit mehreren auswärtige I% 20 Jahres-Bericht Tauschverbindung angeknüpft, mit transatlantischen insonders durch die unermüdete Bereitwilligkeit des Herrn General-Consul a. D. Dr. Flügel in Leipzig, mit Gartenbau-Vereinen durch den Herrn Seeretair der Obst- und Gartenbau-Section. Die Vereine der Provinz Schlesien glänzen in ihrer überwiegenden Mehrzahl nach wie vor durch Abwesenheit in den Listen der Bibliothek. Zufolge Ansuchens unseres Präsidiums haben mehre höhere Schulanstalten der Provinz freundlichst ihre Programme gesendet, zumtheil vollständige Reihen derselben; doch haben noch keinesweges sämmtliche jener Aufforderung entsprochen und selbst von einigen hie- sigen ist dies nach wie vor zu beklagen. Der Zuwachs beider Bibliotheken und der zugehörigen Samm- lungen stellt sich auf 878 Nummern in 2208 Bänden, Mappen, Heften oder Blättern (soweit letztere besonders zu zählen und zu katalogisiren waren). Hiervon entfallen auf die allgemeine Bibliothek 489 Nummern in 1250 Bänden oder Heften, auf die schlesische Bibliothek 149 Nummern in 517 A Heften oder Blättern, auf die Sammlungen an Abbildungen und Karten 10 Nummern in 106 Blättern nebst 12 zu Druckwerken gehörigen, zusammen 118. Es treten ferner hinzu die Schenkungen des Herrn Stadtgerichts- Rath Schwürz 96 Werke in 189 Bänden, und der verwittweten Frau Dr. Krause in 134 Nummern, zusammen 230 Nummern in 323 Bänden. Beide sind noch nicht katalogisirt, und wird die erstere überwiegend der schlesischen, die letztere, bei welcher sich 8 Bände Homann’sche Karten befinden, der allgemeinen Bibliothek zufallen. An grösseren Geschenken ist ausserdem des von Herrn Kunst- händler Karsch jun. aus dem Nachlasse seines Vaters, unseres lang- jährigen Gesellschafts-Mitgliedes, übergebenen grossen Albums mit Photo- sraphien hervorragender schlesischer Persönlichkeiten, angefertigt vom Hofphotographen Hrn. Robert Weigelt, zu gedenken; ferner der Herren Quetelet in Brüssel und Dr. Gustavus Hinrich in Jowa-City Nord- amerika, welche Colleetionen ihrer Schriften sandten. Die schlesische Bibliothek ward insbesondere durch antiquarischen Ankauf einiger interessanten Gegenstände, darunter 6 Bände Zusammen- stellungen öffentlicher Actenstücke aus dem vorigen Jahrhundert in Druck und Schrift, sowie durch einige Collectionen kleinerer Sachen, welche Herr Cantor Fietz in Goldberg, jetzt im Elsass, (140 Stück) und Herr Hofrath Krätzig in Brieg übersandten, bereichert. der Sehles. Gesellsch. f. vaterl, Cultur. PA Die Ankäufe für die allgemeine Bibliothek rühren überwiegend von den Lesezirkeln der Sectionen her. Ueber einzelne interessante Eingänge wird bisweilen in den „Schlesischen Provinzialblättern“ Nachricht gegeben. Die Namen der Behörden, Institute, Vereine und einzelnen Per- sonen, welche zur Vermehrung der Bibliothek gütigst beigetragen, sind mit beigefügter Zahl der zugewendeten Stücke nachstehend verzeichnet. Gesellschaftschriften sind durch Tausch - Verband eingegangen von 43 schlesischen (20 Breslau, 23 Provinz), 107 anderweiten deut- schen, 10 amerikanischen, 2 australischen, 2 belgischen, 4 dänischen, 2 französichen, 5 italienischen, 1 luxemburgischen, 4 niederländischen, 1 ostindischen, 23 österreichischen, 9 russischen,*) 2 schwedischen, 7 schwei- zer, 3 siebenbürgischen, 2 ungarischen, zusammen 184 ausserschle- sischen Vereinen, Behörden oder Instituten**). Das ist ein absolutes Mehr von 14 schlesischen (meist Schulen) und 9 ausserschlesischen, zu- sammen 23. Es sandten ein: A. Bei der schlesischen Bibliothek. a. Behörden, Institute, Vereine. Das königl. Oberbergamt 2 Stücke, der Verein für Geschichte und Alterthum Schlesiens 4, der Verein für das schles. Alterthümer-Museum 1, der Verein für Geschichte der bildenden Künste 1, der Verein für schles. Inseetenkunde 7, die Handelskammer 2, der schlesische landwirthschaft- liche Centralverein 2, der schles. Gewerbe-Centralverein 1, der schles. Forstverein 22, . der kaufmännische Verein 2, die kaufmännische Börsen- Ressource 2, die Gesellschaft der Freunde 1, das Matthias-Gymnasium 1, das jüdisch- theologische Seminar Fränkel’scher Stiftung 3, die Realschule . (am Zwinger) 1, die städt. höhere Töchterschule I. 21, die städt. höhere Töchterschule II. 1, die Lindner’sche höhere Mädchenschule 1, die Blin- den-Erziehungsanstalt 1, der Verein für Kinderbewahranstalten 2 — sämmt- lieh zu Breslau; — die ökon.-patriotische Societät des Fürstenthums Schweidnitz-Jauer zu Jauer 1, die Philomathie zu Reichenbach 1; die Gymnasien zu Beuthen OS. 5, Hirschberg 1, Lauban 1, Leobschütz 1, Neisse (kgl. kathol.) 24, dito (städt. evangel.) 15, Oels 1, Oppeln 2, Schweidnitz 5, Sorau 1, Gross-Strehlitz (Progymnas.) 2, Waldenburg 2, die Ritteracademie zu Liegnitz 1; die Real- und höheren Bürgerschulen: zu Görlitz 2, Grünberg 1, Guhrau 5, Kreuzburg 7, Neisse 1, Sprottau 1; die landwirthschaftliche Akademie zu Proskau 1; "das Lehrer-Seminar zu Kreuzburg 3. *) Unter diesen 4 deutsche: zu Dorpat, Mitau, Reval, Riea; 1 schwedische zu Helsingfors; 4 russische: zu Moskau und en **) Eingerechnet 4 mit anderen verbündete Vereine, 22 Jahres-Bericht b. Einzelne Geschenkgeber. Die Herren Oberlehrer Dr. H. Adler 1, Stadt -Hauptkassen - Rendant Beck in Bunzlau 1, Dienstmann Beer 1, Apotheker Rudolph Büttner 1, Cantor Fietz in Goldberg 140, Antiquar Finkenstein 1, Geh. Medieinal- rath Prof. Dr. Göppert 35, Buchhändler Jul. Hainauer 1, Lehrer Klimke in Frankenthal bei Neumarkt 5, Stadtrath H. Korn 1, Buchdruckerei-Be- besitzer Krahn in Hirschberg 2, Hofrath Krätzig in Brieg 11, Rector Dr. Luchs 1, Kaufm. Berthold’ Lessenthin 2, Hauptlehrer Karl Letzner 2, Redacteur Th. Oelsner 82 (und ca. 90 Einzelblätter),, Gymnasial-Ober- lehrer Dr. Peiper 2, Generalmajor a. D. v. Prittwitz 2, Castellan Reisler 11, Diaconus Dr. Schian in Liegnitz 1, Redacteur O. Schönfeld (jetzt in Wrietzen) 3, verwittwete Frau Weitzner 1, Herr Steuerrath a. D. von Winkler in Hirschberg 1. Gekauft wurden 17 Nummern in 46 Bänden oder Heften. Eingetauscht wurden 3 Nummern in ebensovielen Bänden (zwei Fascikel mit vielen Piecen und 1 handschriftlicher Band). ‘ B. Bei der allgemeinen Bibliothek, a. Behörden, Institute, Vereine ete. Der Verein für südslavische Geschichte zu Agram (Zagrebu) 2, der historische Verein von Unterfranken zu Aschaffenburg und Würzburg 1, die schwäbisch-bayrische Gartenbau-Gesellschaft zu Augsburg 1, der Ge- werbeverein der Stadt Bamberg 2, die kgl. sächsische oberlausitzische öko- nomische Gesellschaft zu Bautzen 1, das Curatorium des deutschen Reichs- und preussischen Staats-Anzeigers zu Berlin 3, die kgl. preussische Akademie der Wissenschaften zu Berlin 13, die Universität zu Berlin 8, die Gesellschaft naturforschender Freunde zu Berlin 1, die deutsche geologische Gesellschaft zu Berlin 2, die juristische Gesellschaft zu Berlin 1, der Verein für die Geschichte Berlins 3, der Verein für Siegel- und Wappenkunde zu Ber- lin 3, der Verein zu Beförderung des Gartenbaues in den preussischen Staaten zu Berlin 1, der Gärtnerverein zu Berlin 1, der botanische Verein der Provinz Brandenburg und der angrenzenden Landestheile zu Berlin 1, das Central-Bureau des deutschen Vereines für medicinische Statistik zu Berlin 1, der landwirthschaftliche Provinzial- Verein für die Mark Brandenburg und die Niederlausitz zu Berlin 5, die naturforschende Gesellschaft zu Bonn 2, das Ober-Gymnasium und die damit verbundenen Lehranstalten zu Bistritz in Siebenbürgen 1, die Academia delle scienze dell’ Instituto zu Bologna 12, der landwirthschaftliche Verein von Rhein- preussen zu Bonn 1, der naturwissenschaftliche Verein der preussischen Rheinlande und Westphalens zu Bonn 2, die Universität zu Bonn 48, die Socieiy of natural history zu Boston 2, der historische Verein zu Brandenburg a. d. H. 1, der Verein für Land- und Forstwirthschaft zu Braunschweig 24, der naturw. Verein zu Bremen 2, der Gartenbauverein zn Bremen 2, der landwirthschaftliche Verein für das Bremer Gebiet 1, der naturforschende Verein zu Brünn 2, die Gesellschaft zur Beförderung des Ackerbaues, der Natur- und Landeskunde zu Brünn 13, deren Obst-, Wein- und Gartenbau - Seetion 12, die Academie royale de medecine de der Schles. Gesellseh, f. vaterl, Cultur. 93 Belgique zu Brüssel 12, die Academie royale des sciences, des leitres ei des beaus arts zu Brüssel 6, das Geological Survey Office of India zu Calcutta 10, das Museum of comparative zoologie zu Cambridge (Amerika) 2, das Harward College daselbst 2, die königl. landwirthschaftliche Gesellschaft zu Celle und landwirthschaftliche Akademie zu Göttingen-Weende 3, der erzgebirgische Gartenbau-Verein zu Chemnitz 2, die naturforschende Ge- sellschaft in Graubündten zu Chur 1, die Direction der Gärtner-Lehr-An- stalt zu Cöthen 12, die naturforschende Gesellschaft zu Danzig 1, der Verein für Erdkunde und mittelrheinische geologische Verein und die gross- herzog]l. hessische Centralstelle für Landesstatistik 1, der Anhaltische Garten- bau-Verein zu Dessau 2, der Verein für Geschichte nnd Naturgeschichte der Baar und angrenzenden Landestheile zu Donaueschingen 1, die gelehrte esth- nische Gesellschaft zu Dorpat 2, die naturwissenschaftliche Gesellschaft „‚Isis‘ zu Dresden 5, die photographische Gesellschaft „Helios“ zu Dresden 10, die k. k. Leopoldinisch-Carolinische Akademie der Naturforscher zu Dresden 1, die ökonomische Gesellschaft im Königreich Sachsen zu Dresden 1, der Verein für Erdkunde zu Dresden 2, der baltische Centralverein zu Eldena l, die naturforschende Gesellschaft zu Emden 2, die königl. Akademie gemeinnütziger Wissenschaften zu Erfurt 1, die physikalisch - medieinische Societät zu Erlangen 1, die Universität zu Erlangen 15, die Soc. geografica zu Florenz 1, der physikalische Verein zu Frankfurt a. M. 1, die Sencken- bergische naturforschende Gesellschaft zu Frankfurt a. M. 2, der ärztliche Verein zu Frankfurt a. M. 4, der landwirthschaftliche Central-Verein zu Frankfurt a. ©. 1, der Alterthum - Verein zu Freiberg 2, die Universität zu Freiburg i. B. 12, die naturforschende Gesellschaft zu Freiburg i. B. 1, der Verein für Naturkunde zu Fulda 1, der historische Verein zu St. Gallen 1, die naturwissenschaftliche Gesellschaft zu St. Gallen 2, die Societe d’histoire et d’archeologie zu Genf 3, die oberlausitzische Gesellschaft der Wissenschaften zu Görlitz 1, der thüringische Gartenbau-Verein zu Gotha 1, die königl. Gesellschaft der Wissenschaften und Georg-August- Universität in Göttingen 1, der naturwissenschaftliche Verein in Steier- mark zu Gratz 2, der steiermärkische Gartenbauverein zu Gratz 1, der naturwissenschaftliche Verein für Thüringen und Sachsen zu Halle 6, der naturwissenschaftliche Verein zu Hamburg-Altona 1, der Pomologenverein zu Hannover 10, die naturhistorische Gesellschaft zu Hannover 2, die polytechnische Schule zu Hannover 2, die Societe Hollandaise des sciences zu Harlem 10, das Bureau scientifigue central Neerlandais 1, der natur- historisch-medieinische Verein zu Heidelberg 1, die Sällscapet pro Fauna et Flora Fennica zu Helsingfors 1, der Verein für siebenbürgische Landes- kunde zu Hermannstadt und Kronstadt 3, der siebenbürgische Verein für Naturwissenschaft zu Hermannstadt 3, die Universität zu Jena 15, die medieinisch-naturwissenschaftliche Gesellschaft zu Jena 4, der Verein für thüringische Geschichte und Alterthumskunde zu Jena 5, das Ferdinandeum für Tyrol und Vorarlberg zu Innsbruck 1, der naturwissenschaftlich-medi- einische Verein zu Innsbruck 2, die k. k. Landwirthschaftgesellschaft für Tyrel zu Innsbruck 2, der Verband der rheinischen Gartenbau - Vereine zu Karlsruhe 12, die Universität zu Kiel 2, die Gesellschaft für die Ge- ‚ schichte der Herzogthümer Schleswig, Holstein und Lauenburg zu Kiel 1, die schleswig-holstein-lauenburgische Gesellschaft zur Erforschung vater- ländischer Alterthümer zu Kiel 1, der Gartenbau - Verein in Schleswig- Holstein zu Kiel 4, das naturhistorisehe Landesmuseum in Kärnthen zu 24 Jahres-Bericht Klagenfurt 2, die Universität zu Königsberg i. Pr. 20, die ostpreussische landwirthschaftliche Centralstelle zu Königsberg und der Hanpt-Verein der westpreuss. Landwirthe zu Danzig 2, die kongelige Danske Videnskabernes Selskab zu Kopenhagen 4, die kongelige nordisk Oldskrift Selskab zu Kopen- hagen 5, die kongelige medicinske Selskab zu Kopenhagen 1, die Univer- Sat zu "Kopenhagen 20, die Maaischapij der nederlandsche Leiterkunde zu Leiden 2, die potitechn. Gesellsch. zu Leipzig 1, das Museum Franeisco-Caroli- num zu Linz 1, das Institut royal grand-ducal, section des sciences nat. et math. zu | Luxemburg 1, der naturwissenschaftliche Verein zu Mageburg 2, das Reale In- slituto Lombardo di science e leitere zu Mailand 21, die Gesellschaft zur. Beför- derung der gesammten Naturwissenschaft zu Marburg 1, die Universität zu Marburg 38, der Verein für Pomologie u. Gartenbau zu Meiningen 2, das Roy. Mining Debar in ent of Victoria zu Melbourne 3, die Royal Society of Väctorie zu Melbourne 1, die Curländische Gesellschaft für Literatur und Kunst zu Mitau 1, die Societe imperiale de naturalistes zu Moskau 3, die Socieie imp. d’agriculture zu Moskau 8, die königl. bayerische Akademie der Wissen- schaften zu München 7, der landwirthschaftliche Verein in Bayern zu München 10, der historische Verein von und für Oberbayern zu München 5, der Verein für Freunde der Naturgeschiehte in Mecklenburg zu Neu- Brandenburg 1, die Connecticut Academy of arts and sciences zu New- Haven 2, der Harzverein für Geschichte und Alterthumskunde zu Nord- hausen 2, das Germanische Museum zu Nürnberg 1, der Verein für Naturkunde zu Offenbach 1, die Societe geologique de France zu Paris 2, die Societe imp. et centrale d’horticulture de France zu Paris 1, die academie imperiale de sciences zu Petersburg 11, der königl. ungarische naturwissenschaftliche Verein zu Pest 10, die Societas entomologica Rossica zu Petersburg 2, die Wein- und Gartenbau-Gesellschaft zu Peterwardein ], die Academy of seienees zu Philadelphia 3, die patriotisch - ökonomische Gesellschaft im Königreich Böhmen zu Prag 8, der naturhistorische Verein ,Lotos‘“ zu Prag 1, die köniel. böbmische Gesellschaft der Wissenschaften zu Prag 2, der ‘Verein für Geschichte der Deutschen in Böhmen zu Prag 23, die böhmische Gartenbaugesellschaft zu Prag 1, der zoologisch-mineralogische Verein zu Regensburg 1, .der historische Verein von Oberpfalz und Regensburg zu Regensburg 1, der esthländische Gartenbau-Verein zu Reval 1, der Naturforscher-Verein zu Riga 4, die Universität Rostock 51, der mecklenburgische patriotische Verein zu Rostock 1, die Gesellschaft für salzburgische Landeskunde zu Salzburg 1, der Verein für mecklen- burgische Geschichte und Alterthumskunde zu Schwerin 1, das gross- herzoglich mecklenburgische statistische Bureau zu Schwerin 2, der Verein zur Beförderung der Landwirthschaft zu Sondershausen I, der Pro- vinzial-landwirthschaftliche Verein zu Stade 1, die Gesellschaft für pom- mersche Geschichte und Alterthumskunde zu Stettin 1, das Bureau de la recherche geologique de la Suede zu Stockholm 13, die königl. württem- bergische Centralstelle für Land- und Forstwirthschaft zu Stuttgart 1, der württembergische ärztliche Verein zu Stuttgart }, die polytechnische Schule zu Stuttgart 2, das königl. statistisch - -topographische Bureau zu Stuttgart 1, die Gesellschaft für nützliche Forschungen zu Trier 1, der Verein für Kunst und Alterthum in Ulm und Oberschwaben zu Ulm 4, die Societas regia scieniarum zu Upsala 1, das Ateneo Veneto zu Venedig 2, das In- stituto Veneto di scienze, lettere ed arti zu Venedig 10, die Smithsonian In- stitution zu Washington 4, das Depariment of agriculiure of N.- Am. De Zu ar u a der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur. 35 zu Washinston 4, das United States Patent Office zu Washington 4, das War- Department, surgeon general office zu Washington 1, das Bureau of statistie, Treasury Department zu Washington 8, der Harz- Verein für Geschichte und Alterthumskunde zu Wernigerode 1, die k. k. Akademie der Wissenschaften zu Wien 41, die k. k. geologische Reichs- Anstalt zu Wien 8, die geographische Gesellschaft zu Wien 4, die Universität zu Wien 11, die Centralstelle für Meteorologie und Erdmagnetismus zu Wien 1, die anthropologische Gesellschaft zu Wien 2, der Verein für nassauische Alterthumskunde und Geschichtsforschung zu Wiesbaden 2, der historische Verein für Nassau zu Wiesbaden 1, der nassauische Ver- ein für Naturkunde zu Wiesbaden 2, der polytechnische Centralverein zu Würzburg 2, der fränkische Gartenbauverein zu Würzburg 1, der oberlausitzische Obstbau-Verein zu Zittau 2, die naturforschende Gesell- schaft zu Zürich 1, die antiquarische Gesellschaft zu Zürich 1. bh. Einzelne Geschenkgeber. Die Herren Prof. Dr. Aubert in Rostock 1, Geh. Mediecinal-Rath Prof. Dr. Barkow 2, Dr. Joachim Barrande in Prag 1, Dr. H. W. Berend, Director des gymnastisch - orthopädischen Instituts in Berlin 1, Curt von Bose in Stuttgart 1, Privatdocent Dr. Hermann Cohn 1, Dr. jur. Georg Cohn 1, Dr. med. Danielson in Christiania 1, Dr. Al. Ghirardini, Tribu- nalsrath a. D. in Mailand 1, Geheimer Medieinalrath Prof. Dr. Göppert 6, Direetor K. Fritsch in Wien 1, Professor Dr. Engler in München 1, Major a. D. v. Fils in Ilmenau 1, Wilh. Ritter v. Haidinger (+) in Wien 3, Edle v. Haidinger geb. v. Mohn 1, Dr. Gustavus Hinrich in Jowa- City 17, verw. Frau Apotheker und Gewerbschullehrer Jäkel in Liegnitz 3, die Herren Pastor J. H. Kawall in Pussen bei Riga 4, Professor Dr. A. Kerner, Director des botanischen Gartens in Innsbruck 7, Particulier Richard Kissling 1, Major W. v. Knobelsdorf in Berlin 1, Privatdocent Dr. Kny in Berlin 1, Oeconomie-Com. a. D. Krocker in Berlin 2, Sani- tätsrath Dr. E. Kratzmann, Brunnenarzt in Marienbad 1, Oberbergamts- Assistent Langner 2, Kaufmann Berth. Lessenthin 1, Dr. Ed. Lichtenstein in Berlin 1, Antonio M. Lombardi in Sansevero in Capitanata 1, Buch- händler Joseph Max 3, Antiquar Eman. Mai in Berlin 1, Buchhändler Morgenstern 7, Dr. Ladisl. Netto, Dir. der botanischen Section am Mu- seum in Rio de Janeiro 4, Dr. Ludw. Oelsner in Frankfurt a. M. 1, Re- daeteur Th. Oelsner 1, Prof. Dr. Prestel in Emden 2, General- Major a. D. v. Prittwitz 2, Prof. Quetelet in Brüssel 8, Staatsrath Dr. E. Regel, Director des botanischen Gartens in Petersburg 4, Dr. L. W. Schaufuss in Dresden 1, Dr. W. G. Schneider 26, Dr. W, Sklarek in Berlin 8, Fräul. Marie Stephan 1, die Herren Antiquar Stett 1, Hauptlehrer Stütze 5, Ober-Regierungsrath Freiherr v. Tettau in Erfurt 1, Sanitätsrath Dr. Valentiner in Berlin 12, Lehrer a. D. K. F. W. Wander in Hermsdorf u. K. 10, Forstinspeetor H. C. Weber in Brünn 8, Dr. jur. Weitenweber jun. in Prag 2, Dr. M, Wilckens in Pogarth 1, Dr. med. M. Wocke 1. Gekauft wurden 125 Nummern in 240 Bänden oder Heften. Eingetauseht wurden 6 Nummern in ebensovielen Bänden oder Heften. 26 Jahres-Bericht C. Die Sammlungen der Gesellschaft erhielten nächst zwölf zu bezüglichen Druckwerken gehörigen Karten: von Herrn Geh. Medieinalrath Prof. Dr. Göppert 1 Plan von Breslau, Frau Apotheker und Gewerbeschullehrer Jäkel in Liegnitz 2 Bde. illustr. technische Zeichnungen aus dem Nachlasse ihres Gatten, Herrn Kunst- händler Karsch jun. das obenerwähnte Album (44 Blatt photographische Portraits mit 26 Bll. handschriftlichem Text, 4 Blatt anderweite Portraits mit 1 Bl. Text, gr. Folio), Herrn Maler Prof. Keil 5 Portraits, Redaeteur Th. Oelsner 5 Portraits, Goldarbeiter und Photograph Sachsse in Löwen- berg 2 phot. Bildchen, Lithograph Scheffer 3 Kriegskarten und 12 Blatt Carricaturen v. J. 1870/71, Xylograph Emil Süss 1 Blatt desel. Hierzu treten die noch unkatalogisirten 323 Bände (einschliesslich 8 Foliobände Landkarten) von Herrn Stadt-Gerichts- Rath Schwürz und Frau Dr. Krause. Th. Oelsner. Bericht des Conservators der naturhistorischen Sammlungen der Schlesischen Gesellschaft, (Für 1871.) Nachdem ich von Einem Hochlöblichen Präsidium an Stelle des im Juni d. J. verstorbenen Prof. Dr. Milde unterm 13. Juli ec. zum Custos genannter Sammlungen ernannt worden war, wurde ich am 23. September von dem Präses der Gesellschaft Herrn Geh. Rath Prof. Dr. Göppert im Beisein des Secretairs der botanischen Section Herrn Prof. Dr. Cohn in mein Amt eingeführt und wurden zu diesem Zweck die sämmtlichen in zwei grossen Zimmern aufbewahrten Bestände dieser Sammlungen meiner Obhut überwiesen. Es schien sofort als die erste nothwendige Arbeit an mich heran- zutreten: ein Verzeichniss aller integrirenden Bestandtheile dieser Sammlungen anzufertigen. Denn abgesehen von dem höchst umfang- reichen, in sich geordneten und als Einheit dastehenden grossen Hen- schelschen Herbarium) konnte ein solches Verzeichniss des massenhaft Vorhandenen nirgends von mir aufgefunden werden und ist ein solches überhaupt wohl niemals angefertigt worden, obgleich ohne dasselbe die Benutzung der äusserst zahlreichen mit dem Henschel’schen Herbarium nicht zusammenhängenden anderweitigen Sammlungen eine nahezu illusorische sein dürfte. Ich habe diese Arbeit, soweit es der Winter gestattete, energisch in Angriff genommen und werde hoffentlich im Stande sein, schon im Laufe des nächsten Sommers ein detaillirtes Verzeichniss der der Schles. Gesellsch, f. vaterl. Cultur. 27 vorhandenen Einzelsammlungen, die durch zweckentsprechende Etiketti- rung auch äusserlich von einander gesondert werden sollen, Einem Hoch- löblichen Präsidium einzureichen. Das kleine Geschäft, eine Registrirung der vorhandenen botanischen Manuseripte hat mittlerweile schon jetzt erledigt werden können. Als Geschenke für die Sammlungen gingen während des verflossenen Jahres ein: von Herrn Dr. Rabenhorst in Dresden die neuesten Lie- ferungen seiner Algae Europae und seiner Lichenes Europae, von Herrn Dr. Schneider hier eine Sammlung schlesischer Synchitria auf 25 Quartblättern. Ausserdem steht aus dem Nachlasse des Prof. Dr. Milde die Er- werbung einer sehr werthvollen Sammlung von Gefäss-Cryptogamen in Aussicht, W. Körber. Nunmehr am Ende der Wahlzeit legt das Präsidium sein Amt in die Hände der Wähler mit dem innigen Wunsche nieder, dass die Schle- sische Gesellschaft auf der Bahn gedeihlichen Wirkens unablässig fort- schreiten möge, welche sie unter der Leitung ihres bisherigen hochver- dienten Präses während der letzten 25 Jahre verfolgt hat. i® Bericht über die Thätiekeit der naturwissenschaftlichen Section der Schlesischen Gesellschaft im Jahre 1871 erstattet von Herrn Prof. Dr. Grube und Herrn Prof. Dr. Römer, zeitigen Secretairen der Section. In der Sitzung der naturwissenschaftlichen Section am 25. October 1871 sprach Herr Apotheker Julius Müller über Veränderungen des Trinkwassers. Der Vortragende war von dem Dirigenten des Allerheiligen-Hospitals Herrn Geheimrath Dr, von Pastau im Frühjahre dieses Jahres, als ver- einzelte Fälle von Fleckentyphus in unserer Stadt auftraten, bewogen worden, die Trinkwässer, von denen die Erkrankten getrunken, chemisch und 'mikroskopisch zu untersuchen, um durch die gefundenen Resultate womöglich festzustellen, ob die Trinkwässer in irgend welchen Zusam- menhang mit dieser Epidemie zu bringen wären. Es wurden in Folge dessen untersucht die Wässer der Grossen Rosengasse Nr. 12, Kleine Rosengasse Nr. 5, Viehmarkt Nr. 18, Laurentiusgasse Nr. 13, Neue "Weltgasse 12/13, Friedrich-Wilhelinsstrasse Nr. 26, Ritterplatz, Stockgasse Nr. 7, Ziegengasse Nr. 8. Bei diesen Untersuchungen wurde quantitativ bestimmt: der Gesammt-Rückstand, die organische Substanz, die Schwefel- säure; vor Allem die Salpetersäure und das Ammoniak d. h. die Stofie, die ursprünglich nicht im Brunnenwasser vorhanden, sondern erst in Folge thierischer und menschlicher Auswurfsstoffe in das Wasser ge- drungen sind. — Aus den näher angeführten Resultaten ergab sich, dass die genannten Wässer nach ihren chemischen Bestandtheilen zu den ver- 30 Jahres-Bericht schiedensten der Stadt gehören, dass unter ihnen die besten, „‚wie das des Ritterplatzes,‘“ sowie die schlechtesten „Laurentiusgasse und Rosengasse‘‘ sich befinden. War es auch eine Unmöglichkeit, durch die chemische Analyse den etwaigen Ansteckungsstoff zu finden, so wäre es doch denkbar gewesen — falls derselbe überhaupt im Wasser — irgend eine chemische Ueber- einstimmung, sei es nun im Ammoniak- oder im Salpetersäure-Gehalt zu beobachten. Das war aber keineswegs der Fall; die chemischen Bestand- theile der untersuchten Wässer sind in keinerlei Zusammenhang mit einander zu bringen. — Bei diesen. Untersuchungen aber ergab sich: 1) Dass, je grösser der Gehalt eines Wassers an Salpetersäure, je geringer der an Ammoniak und umgekehrt. Es lässt sich dieses Facetum dadurch leicht erklären, dass das Ammoniak, in welcher Verbindung der Stickstoff zuerst in den Boden gelangt, nach und nach sich zur Salpeter- säure oxydirt. 2) Dass die Wässer des rechten Oderufers reich an Ammoniak, da- gegen arm an Salpetersäure, die des linken reich an Salpetersäure, da- gegen arm an Ammoniak sind. Der Grund dafür liest wahrscheinlich in der verschiedenen Boden-Beschaffenheit; das linke Oderufer besteht namentlich aus derbem, kiesigen Sand, ein Material, das dem Sauerstoff der atmosphärischen Luft reichlich Gelegenheit zur Oxydation bietet; das rechte Oderufer dagegen aus einem thonigen Schlamm begleitenden Schliefsand. Waren nun die Resultate der Analyse keineswegs günstis für die Annahme, dass das Trinkwasser den Ansteckungsstoff enthalten solle, so wäre es doch gewagt, in Folge dessen behaupten zu wollen, das Wasser könne denselben unmöglich bergen, muss doch hierüber in erster Reihe das Mikroskop zu Rathe gezogen werden. Dasselbe wurde nach Kräf- ten benützt; in den Wässern aber, mit Ausnahme des zur Untersuchungs- zeit trüben Wassers der Grossen Rosengasse, wo Bacterien und Monaden leicht zu erkennen waren, nichts irgendwie. Auflallendes gefunden. Er- scheint es auch hiernach als köchst unwahrscheinlich, dass das Trink- wasser als Herd der Ansteckung anzusehen sei, so wird dies geradezu unmöglich, wenn man bedenkt, dass bei den wenigen diesmal aufge- tretenen Fleckentyphus-Fällen angenommen werden müsste, „gerade nur die wenigen Brunnen, von denen die Erkrankten getrunken, hätten den betreffenden Ansteckungsstoff enthalten und gerade nur die wenig Er- krankten hätten den geeigneten Boden zur Entwickelung des Contingents dargeboten. Erfährt man nun noch, dass Leute, die in der vielgenannten Grossen Rosengasse ihre Schlafstelle haben, vielleicht nie, sicher aber nicht aus dem da befindlichen Brunnen Wasser trinken, so verliert die Annahme, das Trinkwasser enthalte den A immer mehr an Wahrscheinlichkeit. Nichtsdestoweniger ist sicher ein gutes Trink- der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur. 31 wasser von der grössten Wichtigkeit, und die Polizei müsste namentlich bei Anlage neuer Brunnen, die bei uns ja überall nicht weit von Cloaken entfernt sein können, auf das Sorgfältigste für ausreichende Umkleidung von Kies, Kohlen ete. und gute Cementation achten. — Der Vortragende zeigte nun mehrere genau analysirte Wässer, die er Ende Mai in mit Glasplatten lose bedeckten Gefässen dem Sonnen- licht ausgesetzt. In allen Wässern hatten sich mehr oder weniger be- deutende Mengen brauner resp. grüner Organismen „Diatomeen und Protococeus- Arten“ entwickelt. Der Grund der verschiedenen Mengen- bildung der chlorophylihaltigen Alge liegt wahrscheinlich in dem ver- schiedenen Ammoniak-Gehalt; so zeigt das Wasser der Friedrich - Wil. helmsstrasse 26, das fast frei von Ammoniak, gar keine chlorophyli- haltige Alge, das des Ritterplatzes mit 0,00087 Gr. Ammoniak im Liter mehr, das der Laurentiusgasse mit 0,0053 Gr. Ammoniak im Liter am meisten grüne Protococeus- Arten. Eine Bestätigung dieser Annahme liefert das Oderwasser des neuen Wasserhebewerkes. Dasselbe ist fast absolut frei von Ammoniak und es hat sich hier in der That nicht die Spur einer chlorophylihaltigen Alge entwickelt. Hierbei sei erwähnt, dass das durch die schönen Filter gezogene Oderwasser als sehr vor- züglich bezeichnet werden muss, sowohl in Bezug auf den höchst geringen Rückstand, den es beim Abdampfen hinterlässt, als auch auf das fast völlige Fehlen des Ammoniaks, der Salpetersäure und der organischen Substanz, Wenn unsere Trinkwässer bei anhaltendem Sonnenschein schon nach wenigen Tagen Entwickelung von Organismen zeigen, so finden wir dies beim Oderwasser des neuen Hebewerkes gar nicht. Bei diesen angestellten Versuchen wurde beobachtet, dass durch die Entwiekelung der Organismen in den Wässern alles Ammoniak ver- schwand, dass das Ende der Entwiekelung mit dem völligen Verschwin- den des Ammoniak-Gehaltes zusammenfiel, dass dagegen die Menge der Salpetersäure nach wie vor ganz dieselbe geblieben. Die niederen Orga- nismen haben also den zu ihrer Bildung nöthigen Stoff nur von Ammoniak, nieht aber von der Salpetersäure genommen. Hierauf zeigte der Vortragende folgende fünf ausgeführte Versuche: Es wurde am 25. August Wasser von dem Brunnen der Stockgasse Nr. 7, dessen Gehalt an Ammoniak und Salpetersäure nicht unbedeutend, dem direecten Sonnenlicht ausgesetzt: 1) Nicht gekocht in einem mit einer Glasplatte lose bedeckten Gefäss. 2) Vorher eine halbe Stunde lang gekocht, ebenfalls in einem lose bedeckten Glase. 3) Nicht gekocht in einem mit gereinigter Baumwolle lose ver- stopften Kolben. 32 Jahres-Bericht 4) Gekocht in mit Baumwolle lose verschlossenem Kolben. 5) Gekocht in einem nach dem Füllen sofort zugeschmolzenen Kolben. Aus diesen Versuchen geht hervor, dass die Bildung der Organismen beim Stehenlassen unserer Trinkwässer theils von den schon im Wasser befindlichen, theils von den durch die Luft in dasselbe gelangten Sporen herrührt, dass die vermittelst der in der Luft enthaltenen Sporen gebil- deten Organismen meist dieselben sind, wie die bei Abschluss der Luft sich bildenden; dass die im Wasser befindlichen Keime beim Kochen getödtet und die in der Luft enthaltenen durch Baumwolle zurückgehalten werden. ; Praktisch verwerthet sollen diese Versuche im künftigen Sommer, wenn die Sonne dieselben begünstigt, werden, insofern als der Vor- tragende dadurch nachweisen wird, ob durch die so sehr gerühmten Kohlenfilter die im Wasser vorhandenen Sporen zurückgehalten werden. Zum Schluss erwähnt der Vortragende, dass er mit Versuchen be- schäftigt, die synthetisch beweisen sollen, ob die in den Trinkwässern sich bildenden Organismen in einem bestimmten Zusammenhang mit den ehemischen Bestandtheilen der Wässer zu bringen seien. Herr Professor Dr. Websky herichtet über das Vorkommen eines eigenthümlichen in Tetraeder-Form krystallisirenden Fahlerzes im Zech- stein bei Kassel, welches durch Herrn Promnitz mitgetheilt wurde. In der Versammlung am 15. November hielt Herr Dr. Carstädt einen Vortrag über das mechanische Wärme-Aeguivalent. Seit dem Beginn der neuen Zeit ist nach Entwiekelung einer rich- tigen Methode der naturwissenschaftlichen Studien durch Baco auf dem Gebiete der Physik eine lebendige Thätigkeit erstanden, die, eine grosse Masse von Thatsachen feststellend, zur Aufstellung von Theorien für einzelne Diseiplinen geführt habe. Namentlich in der Lehre vom Lichte wurden zwei Theorien entwickelt, die Newton’sche Emissions- Theorie, nach welcher das Licht ein-imponderabler Stoff sei, und die Joung- Hugshens’sche, welche die Lichterscheinungen aus den Schwingungen der Aethermolecule, zu erklären suchte. Erst dieses Jahrhundert brachte die Angelegenheit zur Entscheidung, indem durch direete Versuche die Emissionstheorie als falsch nachgewiesen wurde. Damit war, wie durch Lavoisier in der Chemie das Phlogiston, so hier der imponderable Licht- stoff aus der Wissenschaft verwiesen und damit überhaupt ein Misstrauen gegen die Annahme aller Imponderabilien erregt. Ein Theil der Wärme- erscheinungen, die der strahlenden Wärme, ergab sich als identisch mit den Lichterscheinungen und so war ein neuer Zweifelsgrund für die Existenz der Imponderabilien gegeben. der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur. 33 Es herrschten bislang zwei Wärmetheorien, deren eine den Wärme- stoff, das Calorienm, supponirte, die andere die Wärme als eine Art der Bewegung ansah. Nach der ersteren ist die Wärme ein unwägbarer Stoff, durch dessen Zuführung ein Körper wärmer, durch dessen Ent-. weichen der Körper kälter wird. Eine wirkliche Wäimeerzeugung giebt es nicht, ein Körper kann sich nur erwärmen, wenn gleichzeitig irgend ein anderer, der ihm Wärmestoff abgiebt, sich abkühlt. Der Wärme- stoff befindet sich in den Räumen zwischen den Atomen, ein Zuführen desselben treibt die Atome auseinander, Erwärmung vergrössert das Vo- lumen, noch weitere Vermehrung des Caloricums löst den Zusaınmen- hang der Atome, die Cohäsion, macht die festen Körper flüssig, noch weitere Hinzufügung luftförmig. Um die Atome eines Körpers bei der Erwärmung zu- entfernen, war mehr Wärmestoff erforderlich, als bei einem anderen, Erklärung der specifischen Wärme. Durch Pressen und Stoss wird ein Theil des Wärmestoffs aus den Poren getrieben, die Körper erwärmen sich. Gegen diese Theorie erklärten sich schon Baco und Loke, ohne jedoch Beweise ihrer Unrichtigkeit zu liefern. Sir Humphry Davy trat entschieden gegen sie auf und bewies durch Versuche, dass man im luftleeren Raume durch Reiben Eis schmelzen könne, also die zum Schmelzen nöthige Wärme hervorbringen und gleichzeitig einen Körper mit grösserer specifischer Wärme (Wasser) erzeugen könne. Graf Rum- ford beobachtete die enorme Wärmemenge, die beim Kanonenbohren entsteht, zeigte, dass man hierbei Wärme in unbegrenzter Menge hervor- bringen könne und kommt zu dem Schlusse, Wärme könne nichts anderes als Bewegung sein. Hierauf werden die beiden Bewegungstheorien der Wärme ent- wickelt, die Redtenbacher'sche, nach welcher die Körperatome oder Moleceule von einer Aetheratmosphäre umgeben seien, deren radicale Zusammenziehung und Ausdehnung die Wärme hervorriefe, eine um so grössere, je rascher die Bewegung erfolgt; Mangel jeder Bewegung giebt den absoluten Nullpunkt bei — 273° C., und die Clausius’sche, nach welcher die Wärme durch Bewegungen der Körpermoleeule selber er- zeugt werde, Bewegungen, die nach dem Aggregatszustande der Körper sich verschiedenartig gestalten und zur Erklärung der verschiedenartig- sten Wärmeerscheinungen führen. Aus beiden Theorien, über die vorläufig eine Entscheidung noch nicht möglich ist, ergiebt sich die Aequivalenz zwischen Wärme und mechanischer Arbeit als nothwendige Folgerung, nachdem das Princip der Erhaltung der Kraft erkannt ist. Dieses Prineip aufgestellt und so- gleich auf die mechanische Wärme -Aequivalenz angewendet zu haben, ist das Verdienst J. R. Mayer’s in Heilbronn. Seine diese Materie be- - handelnde berühmte Arbeit: „Bemerkungen über die Kräfte der unbe- 3 34 Jahres-Bericht lebten Natur,“ ist im Mai-Heft des Jahrganges 1842 der „Annalen für Chemie und Pharmacie“ von Wöhler und Liebig erschienen und wird vom Vortragenden in ausführlichem Excerpte besprochen. Fast gleich- zeitig (1843) ist der königlichen Gesellschaft zu Kopenhagen von Col- ding eine „Thesen über die Kraft“ betitelte Abhandlung vorgelegt wor- den, die zu demselben Resultate führte. Zu einem Abschluss ist die Frage nach der Grösse des mechanischen Wärme -Aequivalents durch die innerhalb zehn Jahren angestellten Ex- perimental - Untersuchungen des Engländers Joule geführt worden. Der Vortragende erwähnt eine Uebersicht, die Joule selbst in der Einleitung zu seiner letzten Abhandlung hierüber von seinen Arbeiten giebt, be- schreibt dann die zuletzt von Joule zur Erforschung dieser Grösse auf- gestellten Apparate und die gemachten Versuche und Rechnungen und giebt als Resultat die Schlusssätze Joule’s an: 1) Die Wärmemenge, welche durch Reibung von Körpern, starren wie flüssigen, erregt wird, ist immer der aufgewendeten Kraft- menge proportional. 2) Die Wärmemenge, welche im Stande ist, ein Kilogramm Wasser um 1° C. zu erwärmen, erfordert zu ihrer Erregung den Auf- wand einer mechanischen Kraft, die erzeust wird durch den Fall von 423,55 Kilogrammen durch einen Raum von einem Meter. Am 11. Januar gab Herr Professor Dr. Poleck eine experimentelle Darstellung der continuirlichen Gasspectra im Stereoscop. Herr Professor Dr. Galle hatte in der Sitzung der naturwissen- schaftlichen Section vom 7. December v. J. die für die Erforschung der physischen und chemischen Beschaffenheit der Sonne so überaus wich- tigen Ergebnisse der Beobachtungen der Sonnenfinsternisse vom 18. Juli 1860 und vom 15. August 1868 in eingehender Weise mitgetheilt und durch eine Reihe trefflicher Abbildungen nnd Photographien die ver- schiedenen Phasen derselben, die Protuberanzen und die Corona zur Anschauung gebracht. Alle Beobachtungen und namentlich die spectro- skopische Untersuchung dieser Phänomene sowohl, wie jene der Sonnen- flecken gipfeln in dem interessanten Resultat, dass die Sonne ein in hoher Temperatur glühender Körper sei — ob fest, flüssig oder gas- förmig? muss vorläufig noch dahingestellt bleiben —, welcher von einer glühenden, vorzugsweise aus Wasserstoff bestehenden Atmosphäre um- geben ist, deren stürmisch bewegte, unregelmässige Oberfläche in den Protuberanzen oft 3—4000 Meilen hohe Wellen schlägt. Dem Wunsch einer experimentellen Darstellung der diesen Schlüssen zu Grunde lie- genden und durch das Spectroskop gefundenen chemischen Thatsachen der Schles. Gesellschaft f, vaterl, Cultur. 35 kam Professor Poleck nach, indem er die Entstehung der continuirlichen und der Gas- Spectra und die Umkehrung der hellen Linien in letzteren durch das Experiment zur Anschauung brachte. Ein glühender fester oder flüssiger Körper sendet Lichtstrahlen jeder Wellenlänge und Brechbarkeit aus vom äussersten Roth bis zum Violett; in seinem prismatischen Farbenbilde, dem Spectrum, klingen alle Farben- töne, die Reihe derselben ist durch keine Lücken, welche hier als dunkle Linien erscheinen würden, unterbrochen. Ganz anders verhält sich ein glühender gasförmiger Körper. In seinem Licht schwingen nur eine beschränkte Anzahl von Wellensystemen, sein prismatisches Farbenbild besteht daher oft nur in einer einzigen einfarbigen Linie oder ist durch viele dunkle Lücken unterbrochen, es klingen eben hier nur einzelne Farbentöne. So besteht das Spectrum des glühenden Natriumdampfes nur aus einer gelben Linie, jenes des Thallium’s aus einer grünen, des Lithiums aus einer rothen und einer gelben, während im Eisendampf zahlreiche farbige Linien auftreten. Die Lage und Anzahl dieser glän- zenden Linien im Spectrum ist unveränderlich und charakteristisch für denselben Körper und daher gestattet ihr Auftreten in einem Spectrum mit Sicherheit einen Rückschluss auf die chemische Natur des glühenden Gases. Ein eingehendes Studium dieser Verhältnisse durch Kirchhoff und Bunsen hat zur Begründung eines neuen Gebiets der chemischen Analyse, der Spectral-Analyse und zur Entdeckung neuer Metalle geführt. Die Spectren des Natriums, Lithiums und Strontiums wurden gleich- zeitig durch vier Speetroskope verschiedener Construction von Kirchhoff, Mousson, Rexroth und Hofmann beobachtet und die bekannten Speetra der übrigen Metalle durch die bei Lenoir in Wien erschienenen grossen Spectral-Tafeln erläutert. | Aber auch gasförmige Körper, wie Wasserstoff, Sauerstoff und Stick- stoff strahlen Licht aus, wenn sie auf eine hohe Temperatur erhitzt werden, wie dies der Fall ist, wenn elektrische Funken von grosser In- tensität anhaltend durch sie hindurch schlagen. So zeigen die zwischen den Conductoren einer kräftigen Elektrisir - Maschine überspringenden Funken und der Blitz die Farbe des glühenden Stickstoffs und in den sogenannten Geisler’schen Röhren glüht der verdünnte gasförmige Inhalt. Bei der üblichen Construction derselben ist dieses Glühen jedoch nicht intensiv genug, um ein deutliches Speetrum zu geben. Wird dagegen ein kurzes Geisler’sches Rohr in der Mitte zu einem 5—10 Cm. langen Capillar-Rohr verengt, so steigert sich darin die Intensität des glühenden Gases derart, dass sein Spectrum beobachtet werden kann. So besteht das Spectrum des Wasserstoffs aus drei hellen Linien, einer rothen, ent- sprechend der Frauenhofer’schen Linie C, einer grünblauen, entsprechend der Linie F, und einer violetten, entsprechend der Linie G im Sonnen- speetrum. Das Spectrum des Stickstofis zeigt eine Menge heller Linien 3*# 36 Jahres-Bericht im Roth, Gelb, Grün, Blau und Violett. Beide Spectren werden durch einen kräftigen Inductions-Apparat zur Anschauung gebracht. Das eigen- thümlich rothe Licht des glühenden Wasserstoffs fällt vollständig mit der rothen Farbe der Protuberanzen während einer Sonnenfinsterniss zusam- men und die drei hellen Linien im Spectrum derselben coineidiren mit den Linien des Wasserstoff-Speetrums. Sendet ein glühender fester Körper, welcher für sich ein continuir- liches Speetrum giebt, sein Licht durch gefärbte durchsichtige feste, flüs- sige oder gasförmige Körper, so wird ein Theil seines Lichtes absorbirt und je nach der Natur des durchsichtigen Körpers zeigen sich in dem Spectrum der Lichtquelle dann einzelne Theile desselben ausgelöscht, es treten dunkle Linien auf. $o durchziehen, wie der Versuch zeigte, eine Menge schwarzer Linien das Spectrum, wenn zwischen die Lichtquelle und das Prisma ein Glas mit Unter - Salpetersäure - Dampf eingeschaltet wird. Kirchhoff zeigte, dass glühende Gase Lichtstrahlen derselben Gat- tung absorbiren, welche sie selbst im glühenden Zustande ausstrahlen, und gelangte im weiteren Verlaufe seiner Untersuchungen zu dem wich- tigen Satze, dass das Verhältniss zwischen dem Emissions-Vermögen und dem Absorptions-Vermögen einer und derselben Strahlengattung für alle Körper bei derselben Temperatur dasselbe sei, ein Satz, dessen Richtig- keit er ebensowohl durch eine streng mathematische Beweisführung, wie durch eine Reihe von Versuchen erwies. Es absorbirt daher Natrium-, Lithium-Dampf ete. die Strahlen, welche diese Körper als glühende Gase selbst aussenden und wenn das Licht eines weissglühenden Körpers durch Natrium- oder Lithium-Dampf von niederer Temperatur hindurchgeht, so erscheinen in dem Spectrum an denselben Stellen dunkle Linien, wo sonst die hellen Linien der ebengenannten Metalle auftreten würden. Diese Umwandlung der hellen Natrium-Linie wurde an einem von Bunsen construirten Apparat gezeigt, durch welchen eine schmale Natriumflamme von niederer Temperatur, auf eine breite intensive Natriumflamme projieirt, auf diesem gelben Hintergrunde ganz schwarz erscheint. Umgekehrt gelingt es, die dunkle Frauenhofer’sche Linie D im Sonnenspeetrum in eine helle Linie umzuwandeln, wenn diffuses Sonnenlicht durch eine Natrium- Flamme von hoher Intensität hindurchgeht. Das Auftreten derselben Spectrallinien als helle oder dunkle hängt also von der Reinperatir -Dif- ferenz der beiden Lichtquellen ab. So hat man die Coincidenz einer grossen Anzahl der dunklen Frauen- hofer’schen Linien des Sonnenspectrums mit hellen Linien der bekannten chemischen Elemente nachgewiesen und ihre Umwandlung in dieselben durch das Experiment bewirkt. Es erscheint daher der Schluss zwingend, dass die Frauenhofer’schen Linien des Sonnenspeetrums Absorptionslinien sind und dass sie ihre Entstehung nur dem Umstande verdanken können, dass die Lichtstrahlen des glühenden Sonnenkerns, welche für sich ein = u der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur. 37 eontinuirliches Spectrum geben würden, durch eine Atmosphäre hindurch- gehen, welche einen Theil derselben Stoffe als glühende Gase enthält, Die Coinceidenz dieser Linien mit denselben Linien der bekannten Gas- spectra gestattet daher einen Schluss auf die materielle Natur der Sonnen- Atmosphäre, und so hat man in derselben bereits mehr als 16 irdische chemische Elemente, unter ihnen Wasserstoff, Natrium, Eisen, Calcium ete., nachgewiesen. Dies ist der Weg, welchen die Spectral-Analyse zur Erforschung der chemischen Natur der Sonne, der Fixsterne, der Nebel- flecke etc. mit Glück betreten hat und auf welchem sie noch reiche Resultate erzielen wird. In der Sitzung am 5. April sprach Herr Oberbergrath Dr. Runge über das am 22. März um 2 Uhr Morgens bei Inowraclaw im Regierungs- bezirk Bromberg: erbohrte Steinsalzlager. Der sich von Südost nach Nordwest auf eine Länge von etwa 25 Meilen fortziehende polnisch -norddeutsche Soolquellenzug hat schon früh die Aufmerksamkeit der Geognosten und Salinisten erregt. Die einzelnen Punkte, an welchen in Polen Soolquellen zu Tage treten, giebt Pusch im zweiten Theile seiner geognostischen Beschreibung von Polen Seite 263 an; er theilt dort die Analysen mehrerer der durchgängig schwachen (bis 3,8 pCt.) Soolquellen mit und erwähnt, dass die Punkte über Tage sich durch das Auftreten verschiedener Salzpflanzen, sowie durch nach schwachem Regen und darauf folgendem Sonnenschein sich bildenden Salzbeschlag kenntlich machen. Die Soolquellen scheinen zwar ungefähr dem Laufe der Weichsel, von Südost nach Nordwost zu folgen, liegen jedoch keineswegs in einer graden Linie, sondern finden sich vielmehr auf einem Terrain von beträchtlicher Ausdehnung zwischen _ Weichsel und Warthe, von den Ufern des Ner und der Brzura bei Leezyce an bis in die Gegend von Nakel vertheilt. Die Soolquelle bei Sliwnik wurde früher unter der Regierung des Königs Stanislaus August, die Quelle von Slonsk oder Ciechocinek, drei Meilen östlich von Thorn, wurde noch bis in die jüngste Zeit zur Darstellung von Kochsalz und zu Heilzwecken benutzt. Auch auf preussischem Terrain, bei Thorn, bei Slonsk unweit Inowraclaw, im Parchanie-Bruch, in Inowraclaw, bei Schubin und endlich bei Wapno waren seit längerer Zeit Soolquellen bekannt, sowie auch im Sommer ganze Flächen von der charakteristischen ‚Salzpflanze, Salicornia herbacea, roth gefärbt werdeu. Bei Baranowo, unweit Schubin, und bei Slonsk, unweit Inowraclaw, sollen sich sogar noch Spuren alter Salinenanlagen vorgefunden haben. Ausserdem war das Auftreten des Gypses, des gewöhnlichen Begleiters von Steinsalz und salzführenden Schichten, bei Wapno und Inowraclaw von Bedeutung. An ersterem Punkte trat er in mächtigen, steil aufgerichteten Bänken zu 38 Jahres-Bericht Tage; in Inowraclaw war er an verschiedenen Punkten 28, 50 und 100 Fuss unter Tage mit Brunnen und Bohrlöchern erreicht. Auch diese beiden Gypspunkte, Inowraclaw und Wapno, welche sich ca. 100 Fuss über das umliegende Terrain erheben, bezeichneten eine Ausdehnung der salzführenden Schichten in der Richtung von Südost nach Nordwest. Schon in den vierziger Jahren übertrug daher die russische. Regie- rung dem berühmten Bohringenieur Rost die Ausführung einer Tief- bohrung bei Ciechoeinek. Das Bohrloch traf von Tage nieder 69 Fuss Schwimmsand, dann 6 Fuss thonige und mergelige Schichten der Tertiär- formation und stand von 75 bis zu 1172 Fuss Tiefe in theils kreideartigen, theils oolithischen (roggensteinartigen), theils dolomitischen Schichten, welche nach den darin anfgefundenen Versteinerungen unzweifelhaft dem Coralrag angehörten. Der Salzgehalt der Bohrlochwasser betrug nicht mehr als 4—5 pCt. und hatte sich von 600 Fuss Tiefe ab nicht ver- stärkt, so dass die weitere Bohrung eingestellt wurde. Als aber Rost im Jahre 1843 bei der preussischen Regierung die Erlaubniss zur Anlegung eines Soolbades und einer Saline unter dem Namen Elisenbad unweit Thorn, gegenüber dem Einfluss des Drewenz- flusses, der das Holz zum $Siedereibetriebe herbeiführen sollte, nachsuchte, nahm diese die Frage selbst in die Hand, und der verstorbene Berg- hauptmann v. Oeynhausen war es, welcher diese Gegenden zuerst einer gründlichen Untersuchung unterwarf, aus den sämmtlichen Erscheinungen aber den Schluss zog, dass der ganze polnisch-norddeutsche Soolquellen- zug durch eine weit und lagerartig verbreitete Salzformation gespeist werden müsse, welche sich in der Richtung Südost- Nordwest erstrecke, älter sei, als die Wieliczkaer Salzformation, und welche in ihrer norrdwestlichen Erstreckung auch auf die Soolquellen von Colberg, so- wie auf das Hervortreten älterer Jura-Schichten bei Anclam und Fritzow in Pommern hinweise. Hiernach construirte v. Oeynhausen eine von Südost nach Nordwest unter der Bedeckung jüngerer loser Gebirgsmassen sich fortziehende Erhebung älterer Schichten, namentlich der Juraforma- tion, und sah Inowraclaw und Wapno wieder für zwei locale Erhebungen auf dieser Gebirgsfalte an. Schon im Jahre 1841 hatte der verstorbene Bergrath Hoffmann aus Wettin dem Inowraclawer Magistrat, welcher auf dem Marktplatze nach süssem Trinkwasser bohrte, erklärt, dass er keine Aussicht habe, in grösserer Tiefe süsse Wasser zu finden, dass vielmehr die Wasser mit der grösseren Vertiefung des Bohrloches wahrscheinlich immer sal- ziger werden würden und dass möglicherweise unter dem Gyps sogar ein Steinsalzlager vorhanden sein könnte. Dieselbe Hoffnung auf das Vorhandensein eines Steinsalzlagers hegte auch v. Oeynhausen, glaubte sogar an einigen Punkten Erdfälle zu erkennen, wie sie durch die Aus- laugung von Steinsalzlagern zuweilen herbeigeführt werden und schlug der Schles. Gesellsch. £. vaterl. Cultur. 39 einen Bohrlochspunkt vor, welcher nach der damaligen Ausbildung des Verkehrsstrassennetzes, wegen der benachbarten ausgedehnten Waldungen, sowie der unerschöpflichen Paterker Torflager, zwischen Nakel und Schu- bin, bei Baranowo gewählt wurde; während die damals ausserhalb aller Verbindung liegende, holzarme Umgegend von Inowraclaw für einen Salinenbetrieb ebensowenig günstig erschien, wie die Umgegend von Thorn, wo man erwarten konnte, ähnlich wie im benachbarten Ciecho- einek, 1000 Fuss Jura durchbohren zu müssen. Das Baranower Bohrloch wurde 557 Fuss tief, erreichte aber die ältesten festen Gebirgsschichten nicht, auch stieg der Salzgehalt des Bohrlochwassers nicht über 1"/, pCt., so dass im Jahre 1848 theils wegen der politischen Unruhen, theils weil man hoffte, das Salz von den sächsischen Salinen auf der Ostbahn billiger nach jener Gegend zu schaffen, als es aus einer schwachen Soole her- gestellt werden konnte, diese Tiefbohrung, ohne ein entscheidendes Re- sultat abzuwarten, eingestellt wurde. Als die Staatsregierung im Jahre 1868 die Frage wieder aufnahm, wies das Project der Oberschlesischen Eisenbahn, welches Inowraclaw zum Knotenpunkt dreier Eisenbahnlinien ausersehen hatte, sehr bestimmt auf diese Stadt als die geeignetste Localität hin, in welcher man schnell den Gyps und unter diesen die salzführenden Schichten zu erreichen, einen glücklichen Fund aber auch gleichzeitig möglichst vortheilhaft zu verwerthen, hoffen konnte. Nur darüber bestanden Zweifel, ob überhaupt ein Steinsalzlager vor- handen sein würde, oder ob die durchgängig schwachen Soolquellen nicht, wie namentlich Professor Girard annahm, den beim Ablaufen vorwelt- licher Meere zurückgebliebenen Brackwassern resp. dem schwachen Salz- gehalt gewisser Gebirgsschichten ihren Ursprung verdankten. Diese Zweifel wurden hauptsächlich genährt durch die Thatsache, dass der aus- gedehnte westphälische Soolquellenzug nachweisbar nicht mit einem Stein- salzlager in Verbindung steht, und dass, wie in Westphalen, auch die sämmtlichen polnischen und Bromberger Soolquellen sehr schwach waren. Man übersah jedoch hierbei, dass in dem westphälischen Soolquellen- terrain der massige Gyps fehlt, welcher in Wapno und Inowraclaw be- kannt war, und dass dieser in der norddeutschen Ebene nachweisbar der Begleiter von Steinsalz immer dann war, wenn Soolquellen aus ihm zu Tage traten; dass überall, wo man den Gyps der norddeutschen Ebene energisch durehbohrt hatte, das Steinsalz gefunden worden war, wie bei Artern, Stassfurtb, Erfurt, Sperenberg, Segeberg und dass endlich die Soolquellen, welche vor der Erbohrung des Steinsalzes bei Segeberg und Sperenberg zu Tage getreten waren, auch nur einen ganz geringen Salzgehalt gezeigt hatten. Die letztere Erscheinung erklärt sich auch sehr leicht dadurch, dass die oberen Wasser, wenn man ihnen nicht den Zugang wehrt, jede aus der Tiefe hervortretende gesättigte Salzlösung 40 Jahres-Bericht ausserordentlich verdünnen müssen. Der Vortragende hatte daher die Hoffnung nie aufgegeben, im Regierungs - Bezirk Bromberg Steinsalz zu erbohren, wenn er auch dessen Vorhandensein nicht garantiren konnte, weil die Natur sich niemals an ein bestimmtes Schema bindet und alle Erscheinungen sich auch durch einen schwachen Salzgehalt des Gypses selbst ohne ein Steinsalzlager erklären liessen, es konnte das letztere trotz aller Analogien, und so unwahrscheinlich dies auch war, hier doch fehlen. Jetzt ist der glückliche Fund gemacht. Schon in 15 Fuss Tiefe erreichte das an der T'horner Chaussee in der Stadt Inowraelaw selbst angesetzte Bohrloch unter dem Lehm bunte, roth, weiss und grau ge- streifte Thone, welche vielleicht nicht mehr dem Diluvium angehörten, und bei 41!/, Fuss Tiefe ein aus grauen und weissen Kalkbrocken breecienartig zusammengesetztes, reichlich mit Schwefelkies imprägnirtes, sehr festes Gestein. Dasselbe hielt, wie es schien, bis 255 Fuss Tiefe an, doch fanden sich in ihm bei 123 Fuss Tiefe eine 14 Fuss mächtige Lage festen Sandsteins und einzelne schwache Thon- und Gypslagen. Ganz sicheren Aufschluss geben die Bohrnotizen über die Schichtenfolge nicht, weil das Bohrloch in dieser Tiefe wiederholt durch Nachfall litt. Von 255 bis 350 Fuss folgt ein bald rother, bald blaugrauer Thon mit Gyps und Kalknieren, und von 351 bis 415 Fuss Tiefe steht das Bohr- loch im festen geschlossenen Gyps, welcher theilweise auch wasserfrei (Anhydrit) sein dürfte. Unter dem Gyps folgt unmittelbar das Steinsalz- lager, in den obersten Lagen durch Gyps verunreinigt, dann aber nach der von Herrn Dr. Meusel hierselbst ausgeführten Analyse 97 pCt. reines Kochsalz enthaltend. Kali hat die chemische T/ntersuchung bis jetzt noch gar nicht, Magnesia nur in sehr geringen Mengen nachgewiesen. Gegen- wärtig wird schon 120 Fuss tief in Steinsalz gebohrt, ohne dass das Liegende des Lagers erreicht worden ist. Da die über dem Steinsalz durchbohrten Gesteine keine bestimmbaren Versteinerungen gezeist haben, so ist es zur Zeit noch durchaus zweifelhaft, welcher Formation sie an- gehören, und zwar schwankt die Bestimmung in Beziehung auf den Gyps und das Steinsalz vorzüglich zwischen Trias und Zechstein. Es bleibt nur noch übrig, mit wenigen Worten die ausserordentliche ökonomische und volkswirthschaftliche Bedeutung dieses wichtigen Mineral- fundes zu beleuchten. Die. östliche Lage von Inowraclaw an 3 Eisen- bahnen, welche den Absatz nach allen Richtungen hin vermitteln können, sowie die Nähe der Weichsel und des Bromberger Canals sichern der künftigen Salzproduction daselbst ein Absatzgebiet, auf welchem nach der letzten Volkszählung 7'/, Millionen Menschen wohnen. Das Speise- salz ist ein ganz eigenthümlicher Consumtions-Artikel, dessen Verbrauch weder einer Steigerung, noch einer Verminderung unterliegt; selbst in Kriegszeiten und Nothständen sinkt der Consum nicht, weil der Mensch der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur. 41 nicht zum Vergnügen Salz isst, sondern vielmehr durch seine natürlichen Lebensverhältnisse gezwungen ist, jährlich ein bestimmtes Quantum Koch- salz zu sich zu nehmen. In verschiedenen Ländern ist der Consum aller- dings verschieden; er soll in England auf 18, bei den Portugiesen sogar auf 29 Pfund per Kopf und Jahr steigen, in Preussen aber hat man nach einem grossen Durchschnitt einen Consum von 7,75 Kilogramm oder 15%, Pf. ermittelt. Rechnet man hierzu noch zwei Drittel dieses Speise- salzquantums auf den Consum von Vieh- und Gewerbesalz, so ergiebt sich für Inowraclaw ein voraussichtliches jährliches Absatzquantum von 1Y/, bis 2 Millionen Centnern Salz aller Art. Diese Aussicht ist von ganz enormer Bedeutung für die Gegend und für die ganze Provinz Posen; denn an die Salzproduction schliessen sich erfahrungsmässig eine Anzahl chemischer Fabriken; und die Hoffnung, auch noch die für die Landwirthschaft so wichtigen Kalisalze oder Dünge- salze in Inowraclaw zu finden, ist zur Zeit durchaus nicht aufzugeben, vielmehr sprechen einige Anzeichen für deren Vorhandensein, wenn sie auch an dem gegenwärtigen Bohrlochspunkte bis jetzt nicht nachgewiesen sind. Die Salzproduetion von Inowraclaw wird also voraussichtlich ‚in Beziehung auf das Productionsquantum den beiden bedeutendsten Salz- werken zu Stassfurth und Schönebeck ebenbürtis an die Seite treten; 500 Salinenarbeiter und einige 100 Fabrikarbeiter, sowie eine Anzahl intelligenter Techniker werden der Gegend aus dem Westen zuwandern; der Geldumlauf wird sich um Millionen jährlich steigern, die Braunkohlen, welche an mehreren nicht zu entfernten Punkten nachgewiesen sind, werden eine höhere Bedeutung erhalten, und es werden die Segnungen der Industrie, welche neben der Landwirthschaft berufen ist, fleissigen Händen lohnenden Unterhalt zu gewähren, einer Gegend zu Theil wer- den, welche bis jetzt fast ausschliesslich die Landwirthschaft betrieben und industrielle Thätigkeit noch gar nicht kennen gelernt hat. Am 15. März berichtete Herr Geheimer Bergrath Prof. Dr. Roemer über die Auffindung eines jurassischen Diluvial-Geschiebes bei Strehlen südlich von Breslau. a Dasselbe besteht in einem kopfgrossen abgerundeten Stücke von srauem mit sehr feinen haarförmigen Hohlräumen erfüllten kieseligen Kalkstein. Von den Versteinerungen, welche der Block in grösserer ‚Zahl enthält, liessen sich namentlich Gomiomya angulifera Agass., Myoconcha sp., Myopsis sp. und ein kleines wahrscheinlich zu Ammonites cordatus sehörendes Exemplar eines Ammonites bestimmen. Hiernach würde das Gestein, ebenso wie die meisten der in der Mark Brandenburg und in Pommern vorkommenden jurassischen Geschiebe, der Oxford-Bildung an- gehören. Eine besondere Erwähnung verdient dasselbe, weil sich. 42 Jahres-Bericht jurassische Geschiebe in Schlesien bisher nur als grosse Seltenheit ge- funden haben. Für die Mittheilung dieses bemerkenswerthen Geschiebes ist das mineralogische Museum dem bisher in Strehlen wohnenden, seit Kurzem aber nach Polnisch- Wartenberg übersiedelten Herrn Dr. med. Thalheim, welcher sich auch sonst als aufmerksamer Beobachter um die mineralogische Kenntniss der Gegend von Strehlen verdient gemacht hat, zu Dank verpflichtet. Derselbe fand es in einer Kiesgrube bei Klein- Lauden nördlich von Strehlen. Derselbe Vortragende legte ein Exemplar der Gattung Receptaculites aus dem Kohlenkalke von Rothwaltersdorf in der Grafschaft Glatz vor, welches deshalb von Interesse ist, weil es das Vorkommen dieses bisher nur aus Silurischen und Devonischen Schichten bekannten Geschlechts auch im Kohlengebirge nachweist. Der etwas zusammengedrückte, aber sonst wohl erhaltene 2!/, Zoll lange Körper ist nicht scheibenförmig, wie Receptaculites Neptuni, die typische Art des Geschlechts, sondern eiförmig mit wahrscheinlich hohler innerer Längsachse. Die in schiefen Beihen angeordneten rhombischen Täfelechen der Oberfläche nehmen gegen das eine vollständig erhaltene Ende des Körpers allmählich an Grösse ab und werden von mehr langgezogener Form. Wo die Täfelchen aus- gefallen sind, werden horizontale Canäle von gleichem Verlaufe, wie bei R. Neptuni sichtbar. Mit Rücksicht auf das Vorkommen in Schichten des Kohlengebirges wurde die Benennung Receptaculites carbonarius Vor- geschlagen. Das einzige vorliegende Exemplar wurde durch den königl. Berginspector Herrn v. Gellhorn gesammelt und gütigst dem Mineralogischen Museum überlassen. Demnächst wurde vorgelegt: Geologische Karte von Preussen und den thüringischen Staaten im Maassstabe von 1: 25000, herausgegeben durch das königl. preussische Handelsmini- sterium. 1. Lieferung. Berlin 1870. In dieser ersten Lieferung liegt der Anfang eines so umfangreichen geologischen Kartenwerkes vor, wie es bisher noch für kein anderes Land unternommen worden ist. Das nur einen Theil des Kartengebietes begreifende Netz, welches dem Um- schlag der ersten Lieferung aufgedruckt ist, begreift 380 Sectionen, von denen jede, wie die 6 Sectionen der vollendet vorliegenden ersten Liefe- rung, ein grosses Folioblatt bilden wird. Verschiedene Mitarbeiter sind an dem Unternehmen betheilist. Die Direction liegt in der Hand von Professor Beyrich und Bergrath Hauchecorne in Berlin. Die Ausführung der 6 Sectionen der ersten Lieferung ist vortrefflich und gewährt für die sachgemässe Durchführung des ganzen Unternehmens die erfreulichste Aussicht. Endlich wurde auch das jüngst erschienene Blatt III. der Geo- logischen Uebersichtskarte der österreichisch-ungarischen Monarchie nach den Aufnahmen der K. K. geologischen der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur. 43 Reichsanstalt bearbeitet von Franz Ritter von Hauer vorgelegt. Ueber die früher erschienenen Blätter dieser wichtigen Karte war seinerzeit berichtet worden, das gegenwärtig erschienene Blatt hat für Schlesien beson- deres Interesse, weil es die im Süden und Südosten an Preussisch-Schlesien zunächst angrenzenden Theile der österreichischen Monarchie darstellt, Von den sehr entwickelten und schwierigen geologischen Verhältnissen des nördlichen Ungarns erhalten wir durch dieses Blatt zum ersten Male ein klares und übersichtliches Bild. Derselbe Vortragende gab in der Sitzung am 13. December zu- nächst eine Notiz über den Jura von Bartin unweit Colberg. In der Zeitschrift der Deutschen geologischen Gesellschaft Band V., 1853 8. 666 berichtete Herr Oberbergrath Ribbentrop über das Vor- handensein eines bis dahin unbekannt gebliebenen Lagers von oolithischem Kalk bei dem genannten 2), Stunde von Colberg an der Persante ge- legenen Dorfe. R. v. Carnall (a. a. O. 8. 618) bemerkte zu dieser Mittheilung, dass nach den eingesendeten Gesteinsproben und den darin enthaltenen Versteinerungnn der Kalkstein unzweifelhaft demjenigen der oberen Jura-Formation von Fritzow bei Cammin gleichstehe. Später hat A. Sadebeck in seinem Aufsatze über die Jura-Bildungen in Pommern (Zeitschrift der Deutschen geologischen Gesellschaft XVII, 1865 S. 701) den Kalk von Bartin auf Grund einer eingehenden Vergleichung der organischen Einflüsse ebenfalls für wesentlich gleichalterig mit den Schichten von Fritzow erklärt. Durch Herrn Oberbergrath Dr. Runge, welcher die genannte Localität bei Colberg in diesem Jahre besucht und den Kalkstein in mehreren grossen Steinbrüchen aufgeschlossen gefunden hat, wurde dem Vortragenden eine Sammlung von Gesteinsstücken mit Versteinerungen übergeben, welche beweisen, dass ausser den feinkörnig oolithischen Kalkschichten, welche nach Sadebeck Astarte plana, Cerithium limaeforme, Rhynchonella pinguis u. s. w., d. i. bezeichnende Arten der Zone der Astarte supracorallina enthalten, auch noch ein anderes höheres Niveau der Kimmeridge-Gruppe dort vertreten ist. Gesteinsstücke eines diehten, zum Theil kieseligen grauen Kalksteins enthalten nämlich in an- sehnlicher Häufigkeit Exemplare von Exogyra virgula, dem bezeichnenden Fossil der oberen Abtheilung der Kimmeridge-Bildung. Nächst dieser Art ist eine walzenrunde glatte Serpu/a das häufigste Fossil. Auch Am- monites biplex (A. plicatilis), eine Trigonia aus der Gruppe der Fr. clavellata und Ostrea multiformis wurden in denselben Gesteinsstücken beobachtet. Am Kreuzberge bei Berlin wurden durch den Vortragendnn früher Dilu- vial-Geschiebe von grauem Kalkstein gesammelt, welche neben Exogyra virgula am häufigsten eine glatte Serpula enthalten (vergl. Zeitschrift der 44 Jahres-Bericht Deutschen geologischen Gesellschaft, 1862, $. 625. Vielleicht rühren sie aus einer mit derjenigen von Bartin zusammenhängenden Ablagerung her. Derselbe Vortragende legte ein faustgrosses jurassisches Diluvial-Ge- schiebe mit Ammonites ornatus var. (Am. aculeatus Eichw.) vor, welches durch Herrn Dr. Fiedler in der Sandgrube bei Nieder-Kunzendorf un- weit Freiburg aufgefunden wurde. Dasselbe besteht aus einem mit Ver- steinerungen ganz erfüllten braunen kieseligen Kalkstein. Ausser Exem- plaren der genannten Ammoniten - Art sind namentlich Cardium coneinnum und Rhynchonella varians in den Gesteinen häufig. Das Gestein gehört nach den organischen Einschlüssen in die obere Abtheilnng der Kelloway- Gruppe. Geschiebe des gleichen Niveaus sind in den Provinzen Posen und Preussen nicht selten. Gewöhnlich ist dort Ammon. Lamberti der Begleiter des Ammon. ornatus. (Vergl. F. Roemer in Zeitschrift der Deutschen geologischen Gesellschaft, 1862, 8. 624.) Derselbe Vortragende berichtet ferner über die Auffindung eines dem Rothliegenden untergeordneten Brandschieferlagers bei Wünschendorf un- weit Lauban, nach Mittheilungen des um die Aufklärung der geognostischen Verhältnisse Niederschlesiens und der Lausitz mehrfach verdienten Herrn R. Peck in Görlitz. Nach den eingesendeten Gesteinsproben und Ver- steinerungen ist, wie Herr R. Peck auch schon selbst richtig erkannt hat, dieser Schiefer demjenigen von Klein-Neundorf bei Löwenberg durch- aus gleichalterig. Acanthodes gracilis, der Fisch mit den sehr kleinen kubischen ‚Schuppen und den grossen säbelförmigen Brustflossen-Stacheln, Palaeoniscus Wratislaviensis, Cyatheites arborescens u. s. w., die hier wie bei Klein-Neundorf zu den häufigsten Fossilien gehören, beweisen dieses Gleichstehen. Gewisse Lager des leicht in papierdünne Blätter spaltbaren dunkelbraunen Schiefers sind auf den Schichtflächen mit zusammen- gedrückten Schalen der Estheria tenella Jordan dicht bedeckt. Die Lage dieses neu aufgefundenen Vorkommens des Schiefers bezeichnet Herr Peck näher dahin, dass der Aufschlusspunkt eine halbe Meile nördlich von Lauban bei einer Ziegelei in einer Thaleinsenkung sich befinde. Durch dasselbe wird die Verbreitung dieses fisch- und pflanzenführenden Schiefers am Nordostabfalle des schlesischen Gebirges von Schönau im Katzbachthale, wo sie durch E. Becker nachgewiesen wurden, über Klein-Neundorf unweit Löwenberg bis zum Queis hin fortgeführt. Ausser- dem kommen sie freilich auch noch viel weiter westlich, nämlich bei Salhausen unweit Oschatz. im Königreich Sachsen vor, wo sie durch Geinitz mit durchaus übereinstimmenden Merkmalen erkannt wurden. Endlich machte derselbe Vortragende eine Mittheilung über die Auffindung unterdevonischer Grauwackensandsteine bei Nie- wachlöw, nordwestlich von Kielce in Polen. Der Vortragende hatte früher in einem Aufsatze über das Polnische Mittelgebirge oder die Höhenzüge von Kielce (vergl. Zeitschrift der Deutschen geologischen der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur. 45 Gesellschaft S. 667 ff.) gewisse braune Sandsteinschichten bei Bukow- kagora, "/, Meile südöstlich von Kielee, nach den organischen Einschlüssen als wahrscheinlich unterdevonisch bezeichnet. Diese Sandsteine von Nie- wachlöw sind noch bestimmter in dasselbe Niveau zu stellen. Es sind dünn geschichtete dunkele Grauwackensandsteine, welche mit Steinkernen und Abdrücken von Brachiopoden erfüllt sind. Atrypa reticularis und ver- schiedene nicht näher bestimmbare Arten von Leptaena, Spirifer und Rhynchonella sind am häufigsten. Von derjenigen von Bukowkagora ist die Fauna durchaus verschieden. Bemerkenswerth ist noch das Vor- kommen einer Art der Gattung Beyrichia. Aus demselben ist auf ein silurisches Alter der Sandsteine nicht zu schliessen, da auch in der unter- rheinischen Grauwacke oder in der Grauwacke von Coblenz eine Art dieser allerdings vorherrschend silurischen Crustaceen-Gattung sich findet. Der Vortragende bemerkte zum Schluss, dass die vorgelegten Stücke von Niewachlöw durch den Bergingenieur Herrn Hube in Kielce, dem er auch für andere Mittheilungen über die geographischen Verhältnisse der Umgegend von Kielce verpflichtet ist, eingesendet wurden. Der Gegenstand des Vortrages, den Herr Hauptmann A. v. Homeyer am 8. Februar hielt, waren Erinnerungen aus seinem ornithologischen Studienleben. Derselbe lieferte in seiner ersten Abtheilung einige Beispiele über eigen- thümliche Wanderungen und Verbreitung von Vögeln, wobei in erster Linie des Steppenhuhns (Syrrhaptes paradoxus) Erwähnung gethan wurde, welches, die fernen Heimaths-Steppen Asiens verlassend, im Jahre 63 en masse Deutschland besuchte, seine Avantgarden bis in die westlichen Theile Englands und Frankreichs entsendete und dann im Jahre 64 wieder ver- schwand, um muthmasslich nach der Heimath zurückzukehren. Als wahr- scheinlicher Grund dieser Wanderung wurde Wassermangel angenommen. Ein Wanderer anderer Art, für Schlesien von besonderem Interesse ist die Wachholderdrossel (Turdus pilaris), welche, die nordeuropäischen Brutstätten wenigstens theilweise verlassend, bereits im Jahre 1818 sich in Schlesien als Brutvogel ansiedelte und sich von hier aus — vielfach vagabundirend lebend — westwärts bis an den Rhein ausbreitete. Als Grund wurden hier Veränderungen der Witterungsverhältnisse angenommen. Hieran schlossen sich noch einige besonders für Schlesien nennens- . werthe Beispiele betreffs des Girlitzes (Fringilla serinus), des Zwerg- Fliegenfängers (Muscicapa parva) und des Flussrohrsängers (Calamoherpe Sluviatilis). Ersterer hat seine Hauptverbreitung um das Mittelmeer herum, breitete sich bereits vor 50 und mehr Jahren am oberen Rhöne und Rhein bis nach Franken aus und erschien neuerdings, durch Ungarn und 46 Jahres-Bericht Oesterreich nordwärts gehend, ziemlich zahlreich als Brutvogel in Schle- sien, und einzeln in der Provinz Posen. Als Grund wurden veränderte Culturverhältnisse angenommen, besonders betreffs des Gartenbaues. Der Zwerg-Fliegenfänger (vornehmlich ungarisch) lebt auch in den Sudeten (Cudowa) und nördlich in Neuvorpommern und Mecklenburg. Die grossen Buchenwaldungen, welche dieser Vogel verlangt, und welche in vielen Gegenden gänzlich fehlen, dürften am besten sein sporadisches Auftreten erklären. Alsdann wurde des Flussrohrsängers Erwähnung gethan, welcher hauptsächlich bei Pesth und Wien lebt, sich bereits einige wenige Male als Brutvogel in Schlesien gezeigt hat und neuerdings nach den {reff- lichen Beobachtungen des Lehrer Arlt in mehreren Paaren bei Breslau (Strachate) nistet. Den Schluss dieser Abtheilung bildete der Morinellregenpfeifer, der ebenso gut Brutvogel der Hochmoore der östlichen Alpen und der Hoch- moore Schlesiens (Riesengebirge), wie der Tiefmoore Lapplands ist. Als Grund zur Ausgleichung der grossen Breitengradunterschiede wurden die verschiedenen Höhen in den Vordergrund gestellt, wodurch eine bezüg- liche Aehnlichkeit des Klima’s und der Vegetation bedingt wird. Die zweite Abtheilung des Vortrages behandelte einige deutsche Vögel betreffs Nutzens und Schadens. Zu den nützlichen Vögeln gehört unter anderen der Bussard (Buteo vulgaris und lagopus), der Schlangenadler (Circattus gallicus), die kleineren Falken (F, tinnunculus, cenchris und vespertinus), die Eulen (excl. bubo), und zu den schädlichen unter anderen die Würger (Lanius), die Weihen (Circus), die Rallen (Rallus) und die Elster (Pica), während andere Vögel als bald nützlich, bald schädlich bezeichnet wurden, wie die Krähen, der Storch und der Holzheher. Bei Motivirung der vorstehenden Ansichten kam es zu allerlei wechsel- vollen Erläuterungen, so z. B. dass die beiden Schlangenadler (C. gallicus und Gypogeranus serpentarius) gegen den Schlangenbiss nicht giftlest seien; dass der Holzheher (Garrulus glandarius) ein Haupttödter der giftigen Kreuzotter (Pelias berus) sei, wobei auch bemerkt wurde, dass der gemeine Iltis (Mustela foetorius) die im Winterschlaf befindlichen Kreuzottern als Nahrung nımmt; ferner dass die‘ meisten Raubvögel ihre Beute mit den Augen erspähen, wohingegen die Abtheilung Circus sich dabei ihres Ge- ruchs- Organes bedient; dass die Rallen Oophagen seien und dass der Bartgeier (Gypaetus barbatus) verschrieener Weise nicht Kinder fort- schleppe, wohl aber harmlose Schildkröten nnd grosse Röhrenknochen mit in die Luft nehme, sie fallen lasse und das Innere der so Zer- schmetterten als Nahrung nehme. Auch über die Verschiedenartigkeit des Vogelauges, das fähig sei, in grosser Nähe und in grosser Entfernung, bei lichtem Sonnenschein I der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur. 47 und bei der Dämmerung fast gleich gut zu sehen, wurde gesprochen, wie auch über den verschiedenen Flügelbau als Erkennungszeichen des Vogels in der Luft, wie endlich über das intime Seelenverständniss ganz ver- schiedener Vögel untereinander, welches es beispielsweise möglich macht, dass beim Erscheinen eines gefährlichen Raubvogels die Meise des Gar- tens den Warnungsruf der Haushenne versteht. Den Schluss des umfangreichen und wechselvollen Vortrages bildeten die Erläuterungen über die wilde Jagd am Meer und im Gebirge (her- rührend von Anser segetum und Sirix bubo und aluco), über den Schwanen- gesang des Cygnus musicus, über das Meckern der Bekassine, über das Knarren der Spechte und das Schnurren des Nachtschattens (Caprimulgus), was dadurch besonders lebhaft und von grossem Interesse wurde, dass Referent alle diese vielfach höchst eigenthümlichen Naturlaute mit der . eigenen Stimme wiedergab. Herr Professor Dr. Grube berichtete in der Versammlung am 11. Januar 1871 über seinen vorjährigen Septemberaufenthalt in Roscoff und sprach dann über die Gattung Lycastis und ein paar neue Arten derselben. Der Bericht über die Fauna von Roscoff wird in den Abhandlungen der Schlesischen Gesellschaft ausführlich erscheinen. Was die Gattung Lycastis betrifft, welche Savigny ursprünglich für Nereis armillaris Müll. geschaffen hatte, die, wie wir jetzt wohl mit Sicherheit annehmen können, nichts anderes als ein Syllis ist, so benutz- ten Audouin und Edwards den Namen Lycastis für eine von ihr sehr abweichende Annelide, welche jedoch darin mit jenem Thier überein- stimmt, dass sie einästige Ruder mit Rücken- und Baucheirrus besitzt, eine Annelide, die ihren Platz unmittelbar neben Nereis Aud. Edw. (Ly- coris Sav.) findet. Die Bezeichnung Lycastis in diesem Sinne ist allge- mein angenommen, allein die Art, die dieser Gattung zu Grunde liegt, L. brevicornis Aud. Edw., eine Art der frauzösischen Oceanküste, seit jener Zeit nicht wieder gefunden worden. Auch dem Vortragenden ist es weder in St. Vaast noch in St. Malo und Roscoff gelungen, sie zu ent- decken, er hat nur das Exemplar des Pariser Museums zu untersuchen Gelegenheit gehabt, dasselbe, das wohl auch Quatrefages benutzt hat. Um so angenehmer war es ihm, von Herrn Professor Fritz Müller aus Desterro in Brasilien 2 Arten dieser Gattung zu erhalten; die eine be- zeichnet er selbst als solche (L. littoralis), die andere hat er unter eine neue Gattung Paranereis gebracht (P. abiuma). Der Vortragende findet aber für die Einführung einer neuen Gattung nicht genug Anhaltpunkte, sonst müsste auch wohl L. Kttoralis wegen der abweichenden Zahl der Fühlereirren eine solche werden. 48 Jahres- Bericht Beide Thiere stimmen darin mit L. brevicornis überein, dass der Stirnrand breiter als bei Nereis ist und die Stirnfühler besonders bei am- biuma weit aus einander gerückt sind, doch ist der Kopflappen entschieden breiter als lang, die vorderen Augen sind den hinteren viel näher gerückt und statt des oberen Borstenbündels ist nur eine Borste zu sehen oder es fehlt auch diese, die obere Acicula selbst ist deutlich; der sehr kurze Rüssel, kürzer als bei irgend einer Nereis, enthält nur 2 gesägte Kiefer, aber keine Paragnathen. Die Fühlereirren haben ein Basalglied und sind bei L. littoralis ebenso kurz als bei L. brevicornis, aber bei allen Exem- plaren jederseits nur 3 zu finden, bei L. abiuma stehen sie zu je 4 und reichen bis an das 5. Segment. An den Kiefern von L. littoralis zählt man 6, bei L. abiuma 8 Zähnchen, bei jener bleibt der Rückeneirrus gleich klein und ragt über den Borstenköcher nicht hinaus, bei ambiuma ist er anfangs eben so lang als dieser, wächst aber dann an Länge, ist auch seitlich zusammengedrückt, ganz blattförmig und wie der Borsten- köcher schärfer zugespitzt und lässt eine starke Gefäss- Verästelung er- kennen, weshalb man diesem Organ hier wohl Kiemenfunction zusehreiben darf. L. littoralis besitzt 2 kurze Aftereirren, abiuma, von der nur ein Exemplar vorliegt, 2 ganz kurze Stummelchen. Die Borsten .beider haben quergestreifte Stiele wie bei Nereis, sehr zarte Gräten- und etwas gestreckte Sichelanhänge und setzen nur schwache Bündel zusammen. Die Weingeistexemplare von L. Üittoralis sind bei 95 Segmenten höch- stens 20 m. lang, das von L. ambiuma doppelt so lang und breit. Eine vierte Art dieser Gattung, welche Quatrefages anführt L. qua- draticeps Bl. aus Chili würde sich schon durch die mehr drei- als vier- eckige Form des Kopflappens wie durch die Länge des Mundsegments von den erstbesprochenen unterscheiden, auch betrug die Zahl der Seg- mente eines 25 m. langen’ Exemplars nur 69. Am 5. April theilte Herr Prof. Grube einiges aus einer kritischen Uebersicht der bisher beschriebenen Terebellen mit und sprach über Terebellides anguicomus und einige Serpulaceen. Er hob zunächst mehrere neue Arten von Terebella hervor, nämlich T. strepsibranchis, Paulina und annulicornis mit drei Paar und T. sienotaenia, haematina und thuja mit zwei Paar Kiemen. T. strepsibranchis von Herrn Professor Fr. Müller aus Desterro in Brasilien eingeschickt und- T. Paulina Gr. von St. Paul gehören zu den Terebellen, deren Kiemen aus einer Quaste einzelner, nicht weiter ge- theilter Fäden bestehen, deren Borstenbündel weit über die gewöhnlichen Zahlen (17—23 Paar) hinausgehend, schon am 3. Segment beginnen und deren Hakenborsten überall nur einfache Querreihen bilden. Diese Gruppe von Arten würde der Gattnng Neottis Mgn. entsprechen, wenn ihr Cha- rakter dahin geändert wird, dass man von dem ‚Fasciculi setarum per EI Er 2 der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur. 49 tolum corpus obvi““ Abstand nimmt: hierzu fordert auch die Betrachtung der Terebella triferialis Gr., welche Malmgren zur Begründung seiner Gattung gedient hat, selber auf, da dieser Forscher nur ein unvollstän- diges Exemplar dieser Art vor sich hatte: sie besitzt in der That bei einer Zahl von mehr als 100 Segmenten höchstens nur 37 bis 39 Paar Borstenbündel. T. sirepsibranchis, welche im Leben eine graue Färbung, blassviolette Fühler und rothe Kiemen hat, besitzt bei einer Länge von etwa 54 m. (i. West.) 98 Segmente und $1 Paar Borstenbündel, T. Paulina bei einer Länge von circa 47 m. 59 Segmente und 44 Paar Borsten- bündel, bei jener sind die Kiemenfäden länger, etwa gleich 3 Segmentlängen und meist gekräuselt, bei dieser kurz (etwa gleich einer Segmentlänge) und nicht gekräuselt: bei beiden haben die Hakenborsten einen einfachen Schnabel über dem noch eine kurze Scheitelzacke steht, und die Tori nehmen allmählich vom 25. Segment die Gestalt niedriger Flösschen an. T. annulifilis von den Viti-Inseln aus Godeffroy’s Museum fällt auf den ersten Blick durch die dunkelbraun- und dicht geringelten Fühler auf, — eine Zeichnung, die auch im Weingeist sich erhalten hat — ebenso durch jederseits 2 grosse Flankenlappen, die den übrigen hier beschrie- benen Arten fehlen, der vordere am 1., der hintere am 3. Segment. Da auch die Kiemen baumförmig verästelt, 17 Paar Borstenbündel vorhanden sind und unter der 3. Kieme anfangen, die Uneini unter den 10 letzten derselben zweireihig, sonst aber einreihig stehen und eine fünfzähnige Schneide haben, gehört diese Art zur Gattung Loimia Mgn., welche bis- her nur die T. Medusa enthielt. Die 30 hinteren Segmente des 74 m. langen Thieres tragen sehr niedrige Flösschen, die vordersten 14 quer- rechteckige Bauchschilder, deren Breite sehr allmählich abnimmt. | T. stenotaenia, ebenfalls aus Herrn Godeffroy’s Sammlungen, kommt aus Neuholland (Moreton-bay), liegt jedoch leider nur in einem unvollstän- digen Exemplar von 34 Segmenten vor, welche aber alle mit Borsten- bündeln und Hakenpolstern versehen sind: es wäre möglich, dass jene sich bis an das Ende des Leibes fortsetzten, und dann würde diese Art, welche ebenfalls baumartig verästelte Kiemen, aber einfache Uneini trägt, zu den Heteroterebellen Quatrefages gerechnet werden, doch muss dies einer künftigen Entscheidung vorbehalten bleiben. Die Bauchschilder bilden eine sich sehr langsam verschmälernde und bis zum 34. Segment verlaufende Längsbinde, die sehr ansehnlichen Kiemen sind zwar baum- förmig verästelt, nicht quastenförmig, besitzen aber ziemlich lange End- zweige. Die Borstenbündel beginnen am 4. Segment. Der Kopflappen stellt ein grosses seitlich sehr stark eingekrümmtes Blatt dar. Diese Art erinnert in mancher Beziehung an T. dasycomus, die aber viel kürzere Kiemen hat. T. haematina Fr. Müller von Desterro in Brasilien, bluthroth, vorn aufgebläht mit weisslichen Fühlern, ist eine kleinere Art mit durchweg sehr 4 EN We ER ER Fa Er kurzen Segmenten, die in den Mytilusüberzügen der Felsen gegenüber der Rua de Passeio lebt und 18 bis 19 Paar Borstenbündel hat. Sie be- ginnen schon unter dem hintersten Kiemenpaar, d. h. am 3. Segment und enthalten ausser den gewöhnlichen Borsten auch gekniete, den schief-meisselförmigen ähnliche, nur mit noch längerer Spitze. Bauchschilder querrechteckig und meist dreimal so breit als lang, bis zum 12ten Seg- _ ment erkennbar. Die Polster, welche die Hakenborsten tragen, be- ginnen schon am 4. Segment, und verwandeln sich hinten nicht in Flöss- chen, und die nicht kammförmigen Hakenborsten stehen mit Ausnahme der vordersten Polster überall in 2 deutlich getrennten Reihen. Die Kiemen sind niedrig, die vordern strauchartig ausgebreitet mit kurzen, dicken schnell hinter einander getheilten Aesten und sehr kurzen dicken Endzweigen, fast zerschlitzt lappenförmig zu nennen, die hintere beinahe kammförmig. Augenpunkte waren nicht zu bemerken. T. thuja aus dem Godeffroy’schen Museum. Fundort unbekannt; vom Habitus der T. ceristata, was namentlich von den beiden Kiemenpaaren gilt, die den Wuchs einer Cypresse nachahmen, aber einen viel dickeren Stamm haben und noch reichlicher und weiter hinauf belaubt erscheinen. 17 Paar Borstenbündel, wie gewöhnlich erst am 4. Segment, also hinter den Kiemen anfangend. DBorsten alle haarförmig, sehr schmal gesäumt, mit kaum etwas gekrümmter Spitze. Hakenborsten von einfacher Form, vor dem 11. Segment einreihig, dahinter zweireihig, vom 21. Segment an Pinnulae. Bauchschilder bis zum 19. Segment erkennbar, mit sanft ge- krümmtem Vorder- und abgestutztem Hinterrand, von einander abstehend. Der Vortragende erwähnt ferner, dass die Terebella der Novara-Ex- pedition von St. Paul, die er fraglich als identisch mit T. megalonema Schmd. bezeichnet, nach wiederholter Untersuchung, sich von dieser, von der ihm nur die Beschreibung vorliegt, doch wohl schon durch die Form der Hakenborsten unterscheiden lässt, da ihr Schnabel viel kürzer ist, als die Abbildung von Schmarda zeigt, sie stehen in zwei deutlich ge- trennten Reihen. Die Kiemen sind wegen der Kürze des Stammes und der Aeste erster und zweiter Ordnung etwas quastenförmig, aber die Endzweige doch nicht auffallend lang, unter der zweiten sieht man einen kleinen Stummel. Diese Terebella muss daher zu einer eigenen Art T. subeirrata erhoben werden. Dagegen hat die vor Kurzem angestellte Untersuchung einiger gerade am Vordertheil gut erhaltener Exemplare der T. variegata Ehrb. aus dem Rothen Meer dargethan, dass diese Art mit der T. Medusa Sav. zusammen- fällt. Von den grossen Flankenlappen an den vorderen Segmenten war an dem Exemplar, das der Beschreibung zu Grunde lag, nur einer er- kennbar gewesen; die Hakenborsten zeigen bei stärkerer Vergrösserung deutlich 5 Zähne. Ebenso glaubt der Vortragende, die früher von ihm beschriebene T. lutea Riss. des Adriatischen und Mittelmeers sei blos der. 50 Jahres-Bericht BE nl yo 42, | k Ä E der Schles. Gesellseh, f. vaterl. Cultur. 51 Farbe und Grösse nach von T. Danielsseni verschieden, während Malm- gren anderer Meinung ist. ZErstere bleibt in der Regel merklich kleiner als letztere und die dem Vortragenden zugekommenen Exemplare waren sämmtlich gelb, nicht grün. Heteroterebella sanguinea Clap. und T. rosea Gr. (Arch. Naturg, 1860) erweisen sich als einerlei, indem nur zufällig bei dem zur Beschreibung der rosea benutzten Exemplar das zweite Kiemen- paar fehlte, bei neuerlich erhaltenen zeigten sich 3 Paar Kiemen. Professor Grube hatte ferner durch die Güte des Herrn Professor Fı. Müller in Desterro Gelegenheit, dessen Terebellides anguicomus (Arch. Naturg. 1858) aus eigener Anschauung kennen zu lernen und konnte die Anwesenheit von nur 17 Paaren Borstenbündel bestätigen, während T. Stroemii Sars deren 18 besitzt, dem entsprechend ist die Zahl der Segmente, welche den Vorderkörper ausmachen, 19; da zu den borsten- tragenden noch zwei borstenlose hinzukommen, das Mundsegment und das folgende. Letzteres ist breiter als das dritie (oder erste borsten- tragende. Die Hakenborsten,- welche unter dem fünften Borstenbünde] beginnen, sind an diesem Segment nicht nur von anderer Form, als die übrigen, nämlich wie ein Winkelhaken gestaltet mit langer gerader Spitze, sondern auch weniger zahlreich und bedeutend grösser, an den übrigen Polstern zeigen sie die Form, die Malmgren für T. Stroemiü ab- bildet, und dasselbe gilt für die winzigen Häkchen der Flösschen, die an den folgenden 39 bis 46 Segmenten auftreten. Die Fühler zeigen nur an ihrer verbreiterten Endhälfte eine Längsfurche. Von den 4 mit einander verwachsenen Kiemenblättern tragen nur die äusseren Lamellen, von den inneren sieht man bloss hintere Zipfel vorragen. Eine Eigenthümlich- keit dieser Art besteht darin, dass sich der Rücken über dem sechs- ten Borstenbündel zu einem queren Grat erhebt, nach vorn und hinten sanft abfallend, die feinen Querstreifen der Haut laufen hier nicht mehr parallel, sondern convergiren an beiden Enden. An den Segmenten hinter dieser Erhabenheit stehen die Borstenbündel und Polster auf einer schmalen, sich auch über die Bauchfläche fortsetzenden Rippe, die am lebenden Thier vielleicht weniger hervortreten mag. Die Länge der grösseren Weingeistexemplare beträgt 46 m., die Höhe der vorderen Segmente 3 m., an dem Buckel 4 m. In derselben Sendung befand sich eine Protula und eine Serpula, die zur Untergattung Hydroides gehört. Die Protula (Pr. piranga), deren Röhren ausgedehnte Polster in der Nähe des Estreite bei Desterro bil- ‚den, ist sehr klein und von blutrother Färbung, hat aber grünes Blut. Die Länge der Weingeist-Exemplare übertrifft nicht 3 m., wovon mit kleinen Schwankungen ein Drittel auf die Kiemen, ein Drittel auf die durch 2 sich herabziehende Hautlappen geflügelte vordere und ein Drittel auf die hintere Hälfte des Leibes kommen. Die Hautlappen sind nicht so breit, dass sie, über den Rücken geschlagen, einander decken. Die Kiemen 4* a > 52 Jahres-Bericht blätter sind sehr niedrig und tragen jedes 4 mit etwa 10 stumpfen kurzen dicken radü gefiederte gleichlange Fäden mit kurzer dicker Spitze. In der Vorderhälfte des Leibes stehen jederseits 8 Borstenbündel, deren erstes etwa 4 schief-meisselförmige, gekniete Borsten trägt, die übrigen enthalten etwa 5 lineare, nicht gesäumte. In der Hinterhälfte zählt man höchstens 27 Paar weitvorragende, zu je 2—4 stehende, noch zartere Borsten. Die Häkchen, in Reihen von eirca je 50, sind so klein, dass man bei 300 facher Vergrösserung nur eben erkennt, dass sie kamm- förmig sind und gegen 8 Zähnchen besitzen (so wenigstens bei denen der Vorderhälfte). Die ausserordentlich dünnen, noch nicht Y, m. im Lumen haltenden Röhren bilden ein Haufwerk von theils einzelnen, theils und so meistens bündelweise gruppirten, durch einander geschlungenen; die einzelnen Röhrchen, die man höchstens auf 7 m. Länge verfolgen kann, sind sehr zart und streckenweise glatt, streckenweise dicht geringelt. . Die Serpula, ein Hydroides aus der Abtheilung der Zucarpi Mörch hält der Vortragende für H. dirhampha Mörch, welche auch bei St. Thomas vorkommt, wenigstens stimmt die Beschaffenheit des Deckels und der Röhre mit Mörch’s Beschreibung überein, doch erwähnt dieser nicht, dass die Röhren streckenweise an der Rückenseite 3 stumpfe Kiele zeigen, wodurch sie hier nicht rund, sondern dachartlig stumpfwiuklig erscheinen; die übrigen Körpertheile hat Mörch nicht gekannt. Man zählt jederseits 12 bis 14 Kiemenfäden mit nackter Spitze, welche von dem etwa 7,5 m. langen Deckel weit überragt werden. Die Borsten verhalten sich wie bei den Eupomatus des Mittelmeeres: in dem hinteren Leibesabschnitt scheinen bloss Reihen von Häkchen und nur am äussersten Ende des Leibes ein paar sehr feine Haarborsten vorzukommen, allein bei genauerer Unter- suchung entdeckt man neben der Reihe der Häkchen einen kleinen Fächer von 6 sehr kurzen geknieten Borsten. Das längste Weingeist- Exemplar mass 24 m. ohne die 5 m. langen Kiemen, hat vorn eine Breite von etwa 2,5 m., hinten 2 m. und hat gegen 107 Segmente, deren hintere 14 mal und noch breiter als lang waren. Der Deckel war 7,5 m. lang, sein trichterförmiger Theil schwärzlich, die Zahl seiner Zacken 35 oder etwas mehr und die der platten au dem Ende ankerförmigen Stäbchen, die von einem centralen Kreise der vertieften Endfläche des Deckels ent- springen, 12 bis 15. Die Färbung der Kiemen ist nach Fr. Müller ausserordentlich wechselnd und bald einfarbig, schwefel- oder orangegelb, bald violet mit weissen Binden u. a. m. / . Sehwerer ist es dagegen, eine befriedigende Vergleichung eines bei Desterro an Tangen sehr häufigen Spirorbis/mit anderen Arten anzustellen, da sich das Thier so stark in seiner Röhre contrahirt hat, und so brüchig geworden ist, dass man mit dem Zerstören derselben auch seinen Körper stark beschädigt. Diese Röhre, eine Spirale von 3 in derselben Ebene liegenden und einander nur wenig bedeckenden Umgängen, stellt, da die ‚ae. I x der Schles, Gesellsch, f. vaterl, Cultur, 53 beiden ersten Umsänge ausserordentlich niedrig sind, eine tief und breit genabelte Scheibe mit ebener Unterfläche vor: der letzte Umgang ist etwas gerundet dreikantig und eben so breit als der Nabel, misst also zwei Drittel des ganzen Durchmessers, der 1,5 m. beträgt, die Rücken- kante bildet einen linearen, durch seine intensive weisse Farbe von der übrigen Wandung abstechenden und von 2 flachen Hohlkehlen eingefass- ten, nieht in der Mitte, sondern nach innen von ihr verlaufenden Kiel: Diese Hohlkehlen scheinen der am meissten ähnlichen Röhre von Spirorbis antarchica Less. zu fehlen, die auch, da die Abbildung (Less. Cent. Zool. pl. 51 Fig. 2 ec.) wohl nicht vergrössert ist, Scheiben von 5 m. Durchmesser bildet. Bei manchen Röhren unseres Spirorbis gehen von jenem Kiel an der Innenseite in kurzen Abständen von einander weisse (wohl ein wenig erhabene) Querlinien ab, wodurch die Röhre ein etwas ge- sliedertes Aussehen bekommi, an der Aussenwand ist dasselbe nur schwach oder gar nieht angedeutet. Der Deckel ist im Gegensatz zu der opaken Röhre durchsichtig und bildet einen oben flacheonvexen Knopf, in den der Stiel nicht in der Mitte, sondern an der Innenseite übergeht, bei S. antareticus nennt ihn Quatrefages Operculum spatuliforme. Kiemen giebt es jederseits 3, und sie werden vom Deckelknopf merklich überragt. Nach allem Angeführten scheint diese Art noch nicht beschrieben zu sein und mag Spirorbis brasiliensis genannt werden. In der Sitzung der Schlesischen Gesellschaft am 5. Juli sprach Herr Professor Dr. Grube über die Fauna des Baikalsee’s sowie über einige Hirudineen und Planarien anderer Faunen. Was wir von der Thierwelt jenes gewaltigen, an Länge dem Bolt- nischen Meerbusen gleichkommenden, aber noch nicht halb so breiten, ringsum von Gebirgen umgebenen Süsswasser - Beckens wissen, dessen grössere Tiefen noch nicht ermittelt sind, beruht hauptsächlich auf den Mittheilungen von Pallas und Gerstfeldt, welche zugleich das von ihren Vorgängern gelieferte Material sorgfältig benutzt haben, und genügt wohl, uns etwa eine allgemeine Vorstellung von den dortigen Verhältnissen zu machen, ist aber doch nicht so befriedigend, dass wir nicht jeden neuen Beitrag aufs Dankbarste annehmen sollten. Einen solchen hat dem Vor- tragenden neuerlichst Herr Dr. Dybowski zugestellt, der, in jene Gegenden ‚verwiesen, keine Gelegenheit unbenutzt lässt, der Wissenschaft, die schon so tüchtige Proben seiner Beobachtungsgabe und seines Eifers aufzuweisen hat, auch ferner zu dienen. Die von ihm eingesandten Be- wohner des Baikal gehören der Abtheilung der Crustaceen und der Egel und Plattwürmer an, bilden also einen Anschluss an die Arbeiten von Gerstfeldt, der aber auch die Mollusken abhandelt, während Pallas unser In te a 2 a NE Bl a a N Asıs Bu, B 4 - Jahres-Bericht Gewährsmann für die Fische ist. Alles zusammengenommen, erscheint die Fauna dieses theils von schmaleın Vorland, theils von steilabfallenden Ufern umgebenen und viel von Stürmen heimgesuchten See’s, der zwar selten vor dem Januar schon fest zufriert, über dem aber dafür auch im Sommer, wie Pallas beschreibt, nur eine kühle, nebliche Luft herrscht, zwar ziemlich arm, aber interessant durch das Vorkommen von Thieren, die man in ihm nicht erwartet, oder durch einzelne aufiallende Arten. So existirt im Baikal ein Seehund, der zwar nach Radde von der Phoca annellata der nordischen Meere nicht verschieden ist, dessen Vor- kommen jedoch in einem durch so lange Flussläufe, wie der Jenisei mit der Tungusca und Angara sie darbieten, vom Meere getrennten Landsee etwas Befremdendes hat, und auf eine wesentlich andere Gestaltung der Localitäten in früherer Zeit hinweist. Diese Robbe war früher der Gegenstand ergiebiger Jagden, scheint aber allmählich ausgerottet zu werden. Unser Karpfen, der Brachsen, die Zährte und fast alle unsere karpfenartigen Fische, der Aal und unsere Forellen fehlen dem Baikal, dagegen sind in ihm noch mit Bestimmtheit der Kühling (Cyprinss Idus), die Karausche, die Schmerle, der Schnäpel (Coregonus oxyrrhynchus), der Kaulkopf (Cottus gobio) und Coitus quadricornis nachgewiesen, ein Fisch des Eismeeres und der Ostsee, welcher wie der Schnäpel aus der Nord- und Ostsee in die Flüsse steigt. Hecht und Barsch könnten ihrer Ver- breitung nach, und da sie auch in Europa in tieferen Gebirgsseen ange- troffen werden, ebenfalls im Baikal vorkommen. Dagegen fehlen den europäischen Gewässern und bilden recht eigentlich die Baikalfauna: Cypr. lacustris Pall., :Salmo fluviatilis L., 8. erythraeus Georgi, $. corego- noides Pall., Coregonus wimba L. und C. omul Pall. (autumnalis Georgi)» besonders hervorzuheben aber ist der dem Baikal ausschliesslich eigen_ thümliche Fettfisch Elaeophorus buicalensis Pall., ein höchst sonderbarer farb- und schuppenloser, 7 Zoll langer Fisch mit weitgespaltenem Maul, grosser Kiemenspalte, kurzer vorderer und hinterer sehr langer Rücken- flosse, sehr langer Afterflosse und gabeliger Schwanzflosse, aber ohne Bauchflossen, der in grossen Tiefen lebt, selten und nur nach grossen Stürmen todt au die Oberfläche kommt und so fettreich ist, dass beim Auskochen nur die Gräten übrig bleiben. Die Mollusken sind sehr spär- lich vertreten, von Schnecken führt Gerstfeldt ausser unserem Limnaeus auricularius nur neue auf: Paludina baicalensis, Hydrobia Angarensis (auch in der Angara gefunden), Yalvata baicalensis, Choanomphalus sibiricus und Aneylus sibirieus, alle von Maack entdeckt. Von Muscheln kennen wir bisher auch nicht eine Art, die im Baikal selbst gesammelt wäre, doch bewohnt Anodonta anatina den in seiner Umgebung gelegenen Gänsesee, A. cellensis die Angara unterhalb Irkutsk und Cyelas calyculata die obere Tungusca. Eigenthümlich gestaltet sich in Sibirien überhaupt die Verbreitung na 23 der Schles, Gasellsch, f. vaterl. Cultur. 55 der Crustaceen in sofern, als unsere Flusskrebse Astacus Iwwiatilis und sexatiis schon au der Cama aufhören, der A. Dauricus erst im Amur- gebiet beginnt, dafür aber neben unserem Gammarus pulex grosse Amphi- podenformen auftreten, ebenfalls Gammarus-Arten. Dergleichen hat Gerst- feldt aus der Angara 4 und Pallas bereits eine beschrieben, die auch im Baikal selbst vorkommt und an Grösse alle übertrifft, da sie bis 2 Zoll laug wird, G. cancellus, Dieser fügt Dybowski eine zolllange neue eben- falls baikalische hinzu (G. Grubii D.). Sie hat ovale Augen, an den vor- deren 5 Segmenten über dem Epimeren jederseits einen Höker, einen platten mit zwei Reihen kurzer, vom 7. bis 9. Segment ansehnlicherer Stacheln eingefassten weiterhin unbewehrten Rücken und um ein Viertel ihrer Länge verschiedene Endstiele des 13. Fusspaares, die Antennenstiele sind: gleich lang, die Geisseln der oberen Antennen merklich länger als an den unteren. Was die Blutegel i. w. $8., oder die Discophoren anlangt, so wissen wir, dass von europäischen unser Pferdeegel Aulacostomum nigrescens so wie Nephelis vulgaris und Clepsine complanata dem Baikal nicht fehlen, doch hat Dr. Dybowski dem Vortragenden noch mehrere zum Theil sehr auffallende Arten zugestellt, die sich sämmtlich als neu erwiesen: Cl. mollissima, ausnehmend weich und glatt, bleichockergelb mit 4 Reihen weicher glatter rostgelber Rückenpapillen und ähnlichen Randflecken an jedem 3. Ringel, und CI. echinulata Gr., eine im Weingeist weissliche Art, die sich durch 6 Reihen grösserer echinulirter Rückenpapillen auszeichnet, ausserdem aber oben wie unten dieht mit Körnchen bedeckt ist; jene hat 6, diese blos 2 Augen. Dazu kommen 3 Fischegel Piscicola multi- striata Gr., eine gestreckte Form mit grossen Haftscheiben und 4 Rücken- und 5 Bauchlängsstreifen von violetter Farbe, P. torguata Gr. mit sack- förmigem Hinterkörper und von sehr wechselnder Färbung, doch beständig mit einem weissen Halsband hinter den Genital-Oeffnungen, und P. con- spersa Gr., die unserer P. geomeira ähnelt, aber eine mit dunkeln Strahlen, nicht mit einem Kranz von schwarzen Punkten gezierte Endscheibe besitzt. Ausser der von Gerstfeldt beschriebenen Planaria Angarensis und Pl. . guttala befinden sich in Dybowski’s Sendung 2 neue Planarien, eine, wie es scheint, augenlose, jetzt leberfarbige, sehr breit ovale oder vorn etwas schmälere, ungemein kräftige, von der eines der Exemplare 1 Zoll lang ist, Pl. hepatizon Gr., und eine kleinere, rothbranne mit einer schwarzen Längsbinde und 4 sie kreuzenden über den Rücken gleich- -mässig vertheilten ebenfalls schwarzen, an den Enden anschwellenden, den Seitenrand nicht erreichenden (uerbinden Pl. nigro-fasciata Gr. Letztere ist ebenfalls breitoval, aber vorn und hinten kurz und scharf zugespitzt und trägt auf dem dreieckigen, seitlich etwas abgefetzten Stirntheil 2 vorn einander fast berührende, hinten divergirende, meist einfache Bogenreihen von 8 oder mehr Augen. Aehnliche Augenreihen entdeckte der Vor- ED RE NT En a > 56 j Jalıres-Bericht tragende auch: bei Pl. gutlala Gerstf. Auffallend ist, dass sowohl bei dieser als bei Pl. hepatizon der mittlere Slirnrand zuweilen einen deutlich umschriebenen Haftnapf bildet. Von Schwämmen endlich führt Pallas eine Spongia bascalensis in seiner Reise auf, die aber nicht näher beschrieben ist, und seitdem nicht wieder beobachtet zu sein scheint. Als neu für die Schlesische Fauna sind Clepsine suceinea de Fil. und Cl. paludosa Car. zu bezeichnen, beide mit 2 Paar Augen. Im Anschluss an diese Planarien und Hirudineen legte Prof. Grube noch eine Herrn Godeffroy zugekommene Meerplanarie (Leptoplane tuba Gr.) und einen neuen australischen Meerblutegel (Pontobdella papillata Gr.) vor. Die nur 10 m. lange Leptoplana, jetzt blassfleischfarbig, oben mit kleinen braunen Fleckchen überstreut und von einer etwas gezähnten braunen Längsbinde durchzogen, erinnert in der Zeichnung an Z. (Poly- celis) erythrotaenia und P. macrorrhynchus Schmarda, hat aber nicht bloss eine winzige von dem Stirnrande abgerückte aus 2 Reihen bestehende Längsgruppe von Augenpünktchen, sondern auch überaus zahlreiche längs dem ganzen Stirn- und vorderen Seitenrande und einen im Ver- hältniss enormen fast 8 m. langen, am Ende trompetenartig erweiterten Rüssel, das etwas schmäler zulaufende Hinterende des glattrandigen ganz eingerollten Körpers scheint einen kleinen Ausschnitt zu haben. Die Pontobdella papillata zeigt einen plattrunden allmählich bis auf 6 m., dann aber eine kurze Strecke hinter den Genitalöffnungen plötzlich sackartig verdickten, hier 12 m. breiten Körper, an dem man etwa 56 Ringe zählt, jeder 3. Ring. der vorderen Leibeshälfte ist ringsum mit 8 winzi- zigen glatten Papillchen besetzt, und etwas breiter und länger als die dazwischengeschobenen, vom 30. etwa an hören die Papillchen auf. Eben solehe Papillchen trägt der Rand des vorderen Haftnapfes, der kleiner als der hintere ist. Die Genitalien münden zwischen dem 15. und 16. und dem 16. und 17. Ringe. Zeptoplana tuba findet sich bei den Viti-Inseln vor. Derselbe legte der Versammlung vom 13. December Lumbrico- nereis gigantea Qf.? und eine neue Oenone und Serolis vor und theilte, an den Vortrag vom 5. Juli über den Baikal anknüpfend, mit, dass die da- mals von ihm ausgesprochene Hoffnung auf eine gründliche Untersuchung des Baikalsee’s durch Herrn Dr, Dybowski schon in Erfüllung gegangen sei, und dass derselbe in ihm Tiefen von 1000 Meter gemessen habe. Das hiesige zoologische Museum hat bereits sehr werihvolle von dem- selben dort veranstaltete Sammlungen erworben, theils Fische, theils Crusta- ceen. Leiztere bestehen nur aus Amphipoden, lauter Gammarusarten, deren Zahl dem Verzeichniss nach auf mehr als 60 steigt, deren Be- schreibung aber Dr, Dybowski erst vorbereitet, darunter die seltsamsten der Schles, Gesellsch, f, vaterl, Cultur, 57 mit grossen Stacheln und Kielen bewaffneten Arten bis zu der für diese Krebs-Familie riesigen Länge von 2'/, Zoll: ein solches, überdies noch in dem prächtigsten Zinnoberroth und Hellgelb prangendes Exemplar hat das Museum von dem schon Pallas bekannten Gammarus cancellus erhalten, doch giebt es im Baikal daneben auch wiederum ganz kleine glatte Arten, die an den G. pulex unserer Gewässer erinnern. Ausser diesen Gammarusarten beherbergt der See auch eine Wasser- assel, welche Dybowski’s Vorgängern unbekannt geblieben ist: Asellus baicalensis Gr. Sie unterscheidet sish von dem bei uns so gemeinen A. aquaticus hauptsächlich durch die Geissel der äusseren Antennen, an der man nur 18 und zwar gestreckte Glieder zählt, während bei A. aquaticus über 60 nur ganz kurze existiren, ferner durch die 6 seitige Form des Schwanzschildes, der bei letzterem nahezu quadratisch hinten breit ab- gerundet ist, und nicht in das vorhergehende Segment hineintritt und durch die geringere Länge der gabeligen Endanhänge, welche bei A. aquaticus viel länger als das Schwanzschild sind. Die Planarien, von denen der Vortragende Herrn Dr. Dybowski eine neue Sendung ver- dankt, sind zwar keine anderen, als die in der ersten enthaltenen, aber zum Theil ebenfalls durch ihre eolossale Grösse und Derbheit über- raschend: so besitzt er von einer Planaria, welche Angarensis zu sein scheint, ein Weingeist- Exemplar von 2%, Zoll Länge und 1'/, Breite, Maasse, wie sie kaum an den im Meer lebenden Stylochus- und Plano- cerusarten beobachtet sind. Es ist aus einer Tiefe von mehr als 800 Meter heraufgezogen, während Pl. hepatizon in einer Tiefe von 150—300 Meter und Clepsine torguata bis 50 Meter Tiefe gefunden wurde, Hierauf ging der Vortragende zur Betrachtung der Isopoden-Gattung Serolis über, Crustaceen, welche darum so interessant sind, weil man in ihnen eine nahe Verwandtschaft mit den längst ausgestorbenen Trilobiten gefunden haben wollte. Die Aehnlichkeit bezieht sich aber nur auf die Aehnliehkeit der Rückenansicht, die Anwesenheit von Kopf- und Schwanz- schild und dazwischen liegenden beweglichen Segmenten, an denen man einen Mittelrücken und lange spitze Flankentheile unterscheidet, sowie auf die Stellung der Augen oben nahe der Mittellinie, während sie bei den anderen Isopoden an den Seitenrand rücken. Der eigentliche Kopf- schild lässt auch bei Serolis ein Scheitelfeld, welches hier selber die Augen trägt und die Andeutung von Seitentheilen unterscheiden. Das Museum hat eine Art erhalten, welche mit den Beschreibungen der bis- her bekannten 6 nicht übereinstimmt, sich am meisten der $. Brognian- tiama zu nähern scheint, von der leider dem Vortragenden keine Abbil- dung vorliegt, aber durch die Länge der mit der Spitze oder der ganzen Endhälfte frei vortretenden Zacken des Seitenrandes (Epimeren) aus- zeichnet. Die 6te dieser Zacken ragt beim Männchen noch über das Schwanzschild hinaus, die 7te (schon dem Postabdomen angehörige) 58 Jahres-Bericht schneidet mit ihr ab, die Ste äusserst schmale reicht nicht über das erste Dritttheil desselben hinaus. Die abgesetzten Seitenränder des Schwanz- schildes laufen nach hinten in eine (mit der 7ten abschneidende) Zacke aus, und das nach innen von dieser eingelenkte letzte Fusspaar trägt 2 breite spatelförmige Anhäuge. Das ganze Thier ist blattartig zusammen- gedrückt, breiter als lang, der Rücken nicht gekielt, und braun, die Epimeren weiss, beide zierlich mit feinen schwärzlichen Tüpfelchen be- streut, die Mittellinie des Schwanzschildes zeigt einen schwachen mit 2 Zähnchen besetzten Kiel und jederseits eine leicht angedeutete Längs- furche. Auch das Schwanzschild ist breiter als lang, hinten breit ge- rundet. Beim Weibchen ragt die 6te Zacke des Rückenrandes nur so weit, als das Schwanzschild und die 7te weniger als dieses vor. Erweist diese Art sich als neu, so mag sie als $. acutangula eingeführt werden. Endlich lenkte. der Vortragende die Aufmerksamkeit noch auf ein paar Anneliden, zunächst: die durch ihre Länge auffallende Lumbrico- nerets giganteu @Qf., welche er bei St. Malo wiedergefunden zu haben glaubt und von der er selbst ein anderthalb Fuss langes Exemplar beobachtet. Ist seine Vermuthung richtig, so müsste ein Paar Kiefer- plättehen von Quatrefages übersehen sein. Die Anordnung und Beschaf- fenheit dieser Theile stimmt am meisten mit Arabella und insbesondere Cirrobranchia überein und nöthigt, das betreffende Thier von den eigent- lichen Lumbriconereis zu trennen und zu den Prionognathen überzuführen, seine Ruderbildung und Borstenform schliesst es ganz an die Arabellen an, ein blattförmiger Rückeneirrus und Fühler fehlen, weshalb es nicht mit Cirrobranchia vereinigt werden kann, sondern eine eigene Gattung (Maclo- via) bilden muss. An einem Exemplar konnte man ein Paar augen- förmiger Punkte vor dem Hinterrande des Kopflappens bemerken. Der Vorderrand des Mundsegments zeigt 2 Täschchen wie bei Lumbriconereis, das Ende des aus mehr als 300 Segmenten bestehenden Gliedes jeder- seits 2 sehr kurze ungleiche Stummelchen. Als neu zu betrachten ist eine Oenone von den Vit- -Inseln, welche Herr Godeffroy erhalten (0. vitiensis Gr.), deren gestreckt-blattförmigem Rückeneirrus die bei O. lucida vorkommende an beiden Enden sich erwei- ternde Längsfurche fehlt, ebenso wie bei O. diphyliidia Schm., das an dem langen schmalen Träger sitzende .Kieferstück ist aber viel gestreckter als bei dieser Art, und 7 zähnig, und das vorderste einen einfachen Haken darstellende, rechts wie links von gleicher Beschaffenheit, der Rücken- eirrus selbst sitzt auf keinem stielartigen Absatz wie ihn Schmarda dar- stell. Hebt man den Vorderrand des Mundsegments auf, so kommen 2 kleine Nackenpapillen zum Vorschein. LI. Bericht über die Thätigkeit der botanischen Seetion der Schlesischen Gesellschaft im Jahre 1871 erstattet von Ferdinand Cohn, zeitigem Secretair der Section. Die botanische Section hat im Jahre 1871 neun ordentliche und eine ausserordentliche Sitzung gehalten, in denen Folgendes verhandelt wurde: In der ersten Sitzung vom 19. Januar hielt der Secretair Professor - Cohn einen Vortrag über die naturwissenschaftlichen Verhältnisse von Bad Cudowa, der am Schluss dieses Berichts referirt werden wird. In der zweiten Sitzung vom 2. Februar legte der Secretair die beiden ersten Lieferungen der naturwissenschaftlichen Anschauungsvorlagen von G. Elssner in Löbau vor, darstellend den Blüthenbau von Pinus, Viseum, Tilia, Betula, Viburnum und Taxus. Diese, in grösstem Format gehaltenen, für den Schulunterricht bestimmten Wandtafeln zeichnen sich ebenso durch Reichhaltigkeit und Naturtreue der Details, als durch ihren billigen Preis aus (7 Bogen 25 Segr.). Hierauf sprach Herr Geheimrath Prof. Göppert über Einwirkung der Kälte auf die Vegetation. Nach Mittheilungen aus einer Abhandlung über die Kältegrade, welche die Vegetation überhaupt erträgt, die in der botanischen Zeitung von H. v. Mohl und A. deBary Nr. 24 d. J. 1871 abgedruckt ‚5 25 60 J ahres-B ericht ist, hielt derselbe Vortrag über den Moment des Todes der der Einwirkung des Frostes unterliegenden Pflanzen als Antwort auf die Frage: „Wann stirbt die durch Frost getödtete Pflanze, zur Zeit des Gefrierens oder im Moment des Auf- thauens?“ Die Frage, in welchem Zeitraume wohl eine durch Frost getödtete _ Pflanze stirbt, ob während des Gefrierens und Gefrorenseins oder im Moment des Aufthauens, ist bis jetzt noch keineswegs auf irgend eine Weise mit Entschiedenheit beantwortet worden. Gärtnerischen, besonders bei Nachtfrösten im Frühjahr gemachten Erfahrungen zufolge soll dem Erfrieren von zarten Obstbäumen verschiedener Art wirksam vorgebeugt werden, wenn man sie nur möglichst langsam aufthauen lässt und daher namentlich vor direetem Sonnenlicht bewahrt. Das Auf- thauen sei gefährlicher, meint man, als das Gefrieren. Exacte Beob- achtungen hierüber besitzen wir eigentlich nicht. Sie sind auch sehr schwer anzustellen und durch gewichtige Gegenversuche zu erhärten, insbesondere von der Wirkung der stärkeren Erkältung durch Ausstrah- lung gegen den wolkenlosen Himmel zu sondern. Wenn man das Wirken der Natur im Grossen zu Rathe zieht, wie in allen solehen Fällen seschehen muss, gewinnt diese Ansicht nicht an Wahrscheinlichkeit. Welche enormen Verluste müsste alljährlich die Vegetation erleiden, wenn ihre Existenz auf eine so eng begrenzte Widerstandssphäre ange- wiesen wäre. Den jähen Wechsel der Temperatur erleben wir in jedem Winter und in jedem Frühjahre. Wer vermöchte Anpflanzungen von irgend einem Umfange an einem kalten Morgen vor den Folgen des jähen Hereinbrechens der Sonnenstrahlen zu schützen. Die bis jetzt nur selten vorkommenden Beschädigungen durch Frühjahrsfröste müssten zur Regel werden, während sie jetzt doch nur ausnahmsweise vorkommen. In zahlreichen, bereits von mir 1829/30 angestellten und im gegenwärtigen Winter wiederholten Versuchen gelang es mir nicht, die gefroren ge- wesenen Pflanzen zu retten, obschon ich sie unmittelbar aus der kalten Luft in Eis und Schnee brachte und möglichst langsam aufthauen liess. Inzwischen fehlt es nicht an mit noch anderen Pflanzen als mit Bäumen gemachten Erfahrungen und Versuchen (L. C. Treviranus, Karsten, Hoff- mann und Julius Sachs), die zu einem dem meinigen entgegengesetzten Resultate führten. Obschon sich vielleicht diesen Erfahrungen hie und da noch eine andere Seite: abgewinnen liesse, worauf ich hier nicht näher eingehen will, so bleibt es für die Entscheidung einer so bedeutsamen Frage immerhin misslich genug, wenn positive und negative Resultate einander gegenüberstehen. Vielleicht könnte sie dennoch herbei- geführt werden, wenn man Pflanzen fände, die schon im Moment des Gefrierens die Zeichen des Todes erkennen liessen. Dazu bietet sich aber wenig, Aussicht dar, da man es einer gefrorenen Pflanze eben nicht der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur. 61 ansieht, ob sie nach dem Aufthauen lebend bleibt oder schon den Keim des Todes in sich trägt. Zahlreiche Versuche mit buntblätterigen Pflanzen, zu denen ich mich zuerst wandte, führten zu keinem Ziel, doch erreichte ich es endlich auf einem anderen Wege. Clamor Marquart hat schon vor längerer Zeit in eimigen tropischen Orchideen (Phajus grandi- folius und Calanthe veratrifolia) Indigo entdeckt, der aber bekanntlich in der lebenden Pflanze nicht als solcher, sondern als farbloses Iudigoweiss (auch Sehunk als Indiean) vorkommt und erst nach dem Tode des Gewächses als blauer Farbestoff erscheint. Wenn man die milchweissen Blüthen der letzteren Pflanze zwischen den Händen quetscht, werden sie augenblicklich blau, welches Verhalten ich in Vorlesungen benutze, um die Natur und Entstehung des Indigo’s zu demonstriren *). Wenn man die Blüthen gefrieren lässt, gleichviel bei welchem Grade (ich ver- suchte — 3 bis — 16°), so färben sie sich während des Gefrierens an- fänglich blass blau, dann immer dunkler, das Labellum der Blüthe und Operenlum am dunkelsten, während die Pollenmassen, aber diese nur allein, ihre natürliche gelbliche Farbe sowohl während dieses Vor- sanges als nach dem Aufthauen behalten. Das Labellum ist also reicher an Chromogen als die anderen Theile, die Pollenmasse enthält gar nichts davon. Der Frost spielt hier die Rolle eines Reagens und zwar eines empfindlicheren, als die Chemie in diesem Falle aufzuweisen vermag. Die Blüthenstengel mit den weissen Bracteen, desgleichen der gesammte Wurzelstoek färben sich ebenfalls blau. Eben so die grossen schönen Blüthen von Phajus grandifolius mit den äusserlich weissen innerhalb braunen Blättern und oberhalb violett gefärbtem Labellum und die Blüthen von Ph. Wallichü mit nüaneirt orangefarbigem Labellum (deren ursprüngliche Färbung bald zurückgedrängt wird) nur die Pollen- massen behalten wie bei Calanthe ihre natürliche gelbliche Farbe. Die Laubblätter beider Pflanzen werden namentlich bei hohen Kältegraden anfänglich hellgrün und durchscheinend, dann dunkel stahlblau und nach dem Aufthauen dunkel schwarzblau. Die Blätter von Ph. maculatus und Ph. eupreus, die augenblicklich nicht blühen, zeigten dieselbe Erscheinung. Nicht gefrorene Blätter zwischen Papier in einem Zimmer bei + 14° getrocknet, zeigten erst nach 8 Tagen jene dunkle Färbung, woraus her- vorgeht, wie intensiv der chemische Einfluss der Kälte war. . Dass das auch auf die sorgfältigste Weise veranstaltete Aufthauen in Eis und Schnee keine Restitution bewirkte, habe ich wohl kaum nöthig noch anzuführen. Blätter und Blüthen entliessen, wie dies bei allen durch Frost getödteten Pflanzen geschieht, etwas Flüssigkeit, welche die nächste *) Mein Herr College Löwig, dem ich die Blüthen zur Prüfung vorlegte, erklärte sich ebenfalls für den Indigogehalt derselben, 62 Jahres-Bericht Partie des Schnees blau färbte. Auf eine interessante Weise wird diese durch die Kälte bewirkte chemische Analyse durch die Art des Verwelkens oder allmählichen Absterbens von eben noch vorliegenden Blüthen von Phajus grandifolius bestätigt. Das Labellum bläut sich zuerst zugleich mit dem Operculum, dann folgen ziemlich gleichzeitig die übrigen fünf Hüllblättchen, zuletzt erst das Ovarium und Gynostemium. Ich glaube nicht, dass man einen schlagenderen Beweis für die Ent- scheidung derin Rede stehenden Frage als das Resultat dieser Versuche noch aufzufinden vermöchte, dem ich aber mit Rück- sicht auf das oben angeführte Verhalten der Vegetation im Grossen eine all- gemeine Bedeutung beilege und es somit als Regel annehme, dass der Tod beim Erfrieren schon während des Gefriernns, also durch direete Wirkung der Kälte und nicht erst beim Aufthauen oder in Folge des Aufthauens erfolge. Die chemische Wirkung durch die blaue Färbung oder die Bildung des Indigo’s tritt also hier erst nach der Ver- nichtung des. Lebens oder Beseitigung der Lebenskraft ein, welche die chemischen Processe in der lebenden Pflanze beherrscht. Wenn man noch andere dem Pflanzenleben besonders feindliche Stoffe, worunter ausser den Gasen besonders flüchtige Flüssigkeiten nach meinen Erfahrungen gehören, obenan Schwefelkohlenstoff, dann ätherische Oele, Aether einwirken lässt, erhält man gleiche Resultate. Blüthen genannter Orchideen, eingetaucht in diese Flüssigkeiten (Schwefelkohlenstoff, Vachholderöl, Schwefeläther), wurden ebenfalls blau. Sie reagirtenalso ‚auflIndigo, obschon sie selbstverständlich sonst eben nicht als Reagentien auf diesen Stoff anzusehen sind. Concentrirte Lösungen von salzsaurem Morphium und salpetersaurem Sirychnin brachten jene Wirkung nicht hervor, ganz entsprechend den Erfahrungen, welche ich schon vor vier- zig Jahren über den Einfluss dieser Narcotica gemacht habe, worauf ich hoffe, später noch einmal zurückkommen zu können. — (Botanische Zeitung vom 16. Juni 1871.) Da die Temperatur der Atmosphäre an dem Vortragsabend — 7° betrug, bot sich die erwünschte Gelegenheit dar, das in Rede stehende Experiment mit den Blüthen der Calanthe zu zeigen. Früher schon hatte der Vortragende die Section eingeladen, den botanischen Garten zu besuchen, um verschiedene durch die kalte Jahres- zeit veranlasste Vorgänge’zu betrachten, wie die in diesem Winter ganz besonders hervortretenden Frostrisse an Platanen, Linden, Spitzahorn, Kirschbäumen, gewöhnlichen Rosskastanien und rothen Kastanien, die bei einem der letzteren Stämme von 14 Zoll Dicke an 8 Zoll tief sich in das Innere erstreckten, das Verhalten der Vegetation unter dem Schnee und auf schneefreien Stellen, die Wirkung verschiedener Frostgrade an der Achse ein und derselben krautartigen Pflanzen, das Wachsthum von der Schles. Gesellsch. £. vaterl. Cultur. 63 Wasserpflanzen unter der Eisdecke u. s. w., worüber später nähere Mittheilungen erfolgen sollen. Ueber das Vorkommen und Verlauf der Forstrisse besitzen wir bereits von Caspari erschöpfende Beobachtungen ; besonders wichtig ist hierbei die Untersuchung der dadurch im Innern der Stämme hervorgerufenen Veränderungen, die sich nicht bloss auf ein- fache Spaltung des Stammes beschränken, sondern zuweilen bei öfterer Wiederholung selbst bei 2 Fuss dicken Eichen eine wahre Zertrümme- rung in mit dem Verlauf der Markstrahlen in Beziehung stehende Stücke herbeiführen. Im Anschluss an obige Untersuchungen berichtete der Secretair, Professor Cohn, über Beobachtungen, welche er mit Unterstützung des Herrn stud. phil. David im pflanzenphysiologischen Institut: über das Gefrieren der Zellen von Nitella syncarpa in dem ungewöhnlich kalten Februar 1870 angestellt. Kleine Zweige dieser Wasserpflanze wurden in einem flachen Glasschälchen unter einer Wasserschicht von ein Paar Millimeter auf den Tisch eines im Freien aufgestellten grossen Ploessl’- schen Mikroskop gelegt, und bei einer Temperatur von — 20° C. be- obachtet, während durch ein in die Wasserschicht tauchendes feines Thermometer die Temperatur desselben bestimmt wurde. In wenigen Minuten kühlte das Wasser des Glasschälchen sich auf 0°, blieb aber auf dieser Höhe noch eine Stunde, worauf es rasch (in 24 Minuten unter — 5°) sank. Beim Begiun des Gefrierens bildeten sich am Rande und der Oberfläche der Wasserschicht durchsichtige, sägeartig gezackte Eis- nadeln, die unablässig wuchsen und sich durcheinander schoben, während unter und zwischen ihnen sich das Wasser lange flüssig hielt; gleich- zeitig schieden sich auch zahlreiche Luftblasen aus, erst kugelig, durch den Druck der Eiskrystalle aber allmählich in die Länge gepresst und strahlig zwischen den Eiszacken geordnet, so dass die an der Oberfläche wellig gehobene Wasserschicht schliesslich völlig undurchsichtig wurde. Hierdurch wurde natürlich auch die Beobachtung der Nitellazellen wäh- rend des Gefrierens äusserst erschwert, doch wurde ermittelt, dass bei 0° die im Kreis rotirende bekannte Bewegung des Protoplasma noch sehr lebhaft ist und dass sie bei — 2° noch, wenn auch langsam zu erkennen war. Bei noch niederer Temperatur wnrden die Nitellazellen anscheinend von den durcheinander geschobenen Eisnadeln zusammengedrückt, zerquetscht und getödtet. Zweimal wurden jedoch Nitellen aus dem Eise von — 3° aufgethaut, noch lebend und bewegt gefunden. Um den Druck der Eisnadeln zu beseitigen und zugleich das Ge- frieren genauer zu beobachten, wurde am 12. Februar ein Nitellazweig ohne Wasser in ein Glasfläschehen von 5 Millimeter Dieke mit parallel geschliffenen Wänden eingeführt, dessen Oefinung durch ein feines Thermometer und einen Baumwollenpfropf sorgfältig verstopft, wiederum das Glasfläschehen im Freien bei. einer Temperatur von — 16° C, der- 64 Jahres-Bericlit gestalt auf den Mikroskoptisch gelegt, dass die Zellen durch die Wände des Fläschehens hindurch beobachtet werden konnten. Hierbei liess sich die Bewegung in der Zelle verfolgen, bis das in das Fläschehen einge- führte Thermometer — 2° zeigte; als es tiefer (zwischen — 3 und 4) sank, gefror offenbar ein Theil des Zellinhaltes, während gleichzeitig der Primordialscehlauch schrumpfte im sich zu einem faltigen grünen Sack in Mitten der entblössten Zell- haut zusammenzog. Ins Zimmer gebracht, stieg die Temperatur des Fläschehens bald auf 0°, wobei der gefrorene Inhalt der Nitellazellen schmolz, der contrahirte Primordialschlauch sich wieder ausdehnte und die Zellhaut bedeckte; doch war derselbe nunmehr zerstört und nicht mehr lebensfähig. | Hieraus ergiebt sich, dass die Lebensthätigkeiten der Nitellazellen bis 0 ° anscheinend unverändert, bis — 3 ° zwar herabgestimmt, aber noch nicht aufgehoben sind; unter 3° aber tritt eine Zersetzung des Zellinhaltes ein, indem der Primordialschlauch durch Ab- gabe von einem Theile seines Wassers sich zusammenzieht, woraufdasausgetretene Wasser zwischen Zellhaut und Proto- plasmaschicht gefriert. Das verdichiete Protoplasma wird hierbei gleichzeitig, jedoch nicht in allen Fällen, desorganisirt und getödtet. Das Protoplasma der Nitellazellen verhält sich hiernach ganz so wie Hühner- eiweiss, Milch etec., insofern das Wasser aus den Eiweissstoffen ausfriert. An diese Untersuchungen schliessen wir eine Abhandlung, welche Ei Geheimrath Göppert in den hiesigen Be Blättern am . October 1871 veröffentlichte: it, Bemerkungen über das Verhalten der Vegetation im letztver- fiossenen (1870/71) Winter. Der Winter 1869/70 war bis zum Anfang Februar 1870 äusserst mild vergangen, — die niedrigste Temperatur betrug nur — 10°, bis auf ein- mal Anfang Februar 12 Tage lang eine sehr strenge Kälte eintrat, die im Mittel — 13,69 und eine sechstägige Morgentemperatur von — 20 bis 22 bei stets heiterem Himmel zeigte, eine Kälte, wie sie hier, nach | den höchst dankenuswerthen Mittheilungen des Direetors unserer Stern- warte, Herın Prof, Dr. Galle, seit 80 Jahren kaum jemals (nur etwas annähernd 1830) beobachtet worden ist, Ein höchst nachtheiliger Ein- fluss auf die Vegetation war die Folge dieser Kälte. In wissenschaft- licher Hinsicht waren die Beobachtungen dieser Einflüsse sehr interessant, als sich hieraus die intensive Wirkung hoher Kältegrade an und für sich entschieden ergab, die aber doch noch übertroffen wird, wenn nur mo- mentan hohe Kältegrade sich mit andauernd niederen verbinden, wozu der letztvergangene Winter nur zu beklagenswerthe Beläge lieferte. Freilich hatte damals die Gesammt-Vegetation auch vielfach Schaden EEE VOR der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur, genommen, welchen der nun folgende, im Ganzen kühle Sommer nicht auszugleichen vermochte. Ebenso wenig der Herbst, denn der September erschlen sehr rauh nnd schon am 25. d. M, zeigte sich der Reif; die mittlere Wärme von + 0,90° war nur einen Grad geringer als der Durchschnitiswerth, dabei war dieser Monat überaus reich an Nieder- schlägen, die den Mittelwerth um die Hälfte überschritten; man zählte 17 trübe, 3 gemischte und nur 5 heitere Tage. Im October trat keine günstigere Veränderung ein, er war ebenso regnerisch als trübe, die mittlere Wärme betrug nur 6,39 °; so dass die Vegetation, erfüllt mit Feuchtigkeit bei Mangel an direeter Besonnung und Wärme, die zu ihrer Widerstandsfähigkeit erforderliche Ausbildung sicher um so weniger zu erlangen vermochte, als auch der Entblätterungs- process in Folge wiederholter Nachtfröste früher als sonst erfolgt war. Der etwas wärmere November leistete unter diesen Umständen zwar keinen Ersatz, doch erschien die vom Ende des Monats am 30. bis zum 15. December währende Kälte von 4 bis 5° um so weniger Be- sorgniss erregend, als der mit einer 4 Zoll hohen Lage Schnee bedeckle Boden nur in 4 Zoll Tiefe gefroren und nur in der obersten Schicht bis — 1° erkaltet erschien. Ein vom 15. bis 17. December eintretendes . Thauwetter brachte sie zum Verschwinden, doch folgte schon am 18 ten weit energischerer Frost als früher, der nun ununterbrochen bis zum 135. Januar 1371 Mittags währte und am 1. Januar früh 8 Uhr im botanischen Garten ein Maximum von — 25° erreichte, glücklicherweise erst nach vorangegangenem wiederholten Schneeniederschlage. Letzterer hatte diesmal die Höhe von 12” erlangt und ein tieferes Eindringen des Frostes verhindert, so dass selbst an den kältesten Tagen auf der Erdober- fläche nur — 3,5° beobachtet wurden. Nach dem 18. Januar, au welchem sich nur in den Mittagsstunden die Temperatur bis auf + 4° erhob, wobei der Boden dennoch keineswegs aufthaute, herrschte bis zum 15. Februar wieder ununterbrochen Kälte und zwar am 11. in der empfindlichen Höhe von — 21°, worauf dann zwar überwiegend mildere Witterung eintrat, aber dennoch selbst im März noch 12 Frosttage von — 1 bis — 4° vorkamen. Der Boden war im Laufe dieser letzten Frosiperiode viel tiefer gefroren als in der ersten vom 30. November bis zum 13. December: in von Schnee frei gehaltenem Terrain 22 bis 24 Zoll, unter dem Schnee durchschnittlich 12 bis 14 Zoll. Völliges Aufthauen des Bodens in der Tiefe fand in Folge der kalten Märztage erst Ende des letztgenannten Monats statt. Für die über dem Schnee: befindlichen Holzgewächse ward der Frost um so nachtheiliger, weil sein höchster Grad bei völlig heiterem Himmel eintrat, sie somit nach bekanntem physikalischem Gesetz durch Wärmeausstrahlung noch weit unter der Temperatur der Atmosphäre erkalteten. Die häufig damit verbundenen Nord- und Nordostwinde vermehrten diese ungünstige Lage - 6) 66 Jahres -Bericht durch Austrocknung der gefrorenen Zweige in Folge der Ausdünstung des Eises, wodurch auch in viel milderen Wintern nach meinen Beob- achtungen das so häufige Erfrieren der Spitzen der Zweige verursacht wird. Also fast 74 Tage, vom 30. November 1870 bis 15.- Februar d. J., dauerte die eisige Erstarrung der Pflanzenwelt und 6 Wochen lang ward die Vegetation dann noch durch den in der Tiefe an beschatteten Stellen vorhandenen Eisboden*) an freier Entwickelung verhindert, wie dies nach meinen Erfahrungen seit dem Winter 1829/30, in welchem der erstere Zustand vom 12. November 1829 bis 9. Februar 1830 dauerte, kaum mehr stattgefunden hat. Aehnliche traurige Folgen liessen sich be- fürchten, die denn auch in der That nicht ausgeblieben sind. Eine so lang dauernde Suspension des Pflanzenlebens, die in ge- wöhnlichen Wintern nur kurze Zeit oder auch nur theilweise bei eisigem 'Erstarren vorkommt, wirkt um so nachtheiliger, da eine absolute Ruhe der Vegetation in der kalten Jahreszeit ausser in solchem Zustande nicht existirt, denn schon bei einer Wärme von + 1° regt sich die organische Thätigkeit der Zellen. Samen keimen bereits bei + 1,50 bis + 4° oder bereiten sich zum Keimen vor; Wasserpflanzen wachsen selbst unter dem Eise, wie ich zu beobachten Gelegenheit hatte. Unsere Culturen aller Art haben nun in Folge der geschilderten ungünstigen Einflüsse ausserordentlich gelitten, wie die Zusammenstellung der mir von vielen Seiten gütigst mitgetheilten Beobachtungen noch. mehr zeigen wird, doch darf uns dies nicht veranlassen, mit Hinsicht auf die Seltenheit so ausserordentlicher Verhältnisse, wie sie kaum in einem Jahrhundert zum zweiten Male vorkommen, auch nur einen Augenblick in den bereits so umfangreich gewordenen Culturen zu- - rückzugehen, sei es nun hinsichtlich des ohnehin ganz unentbehrlichen und daher fort und fort zu erweiternden Obstbaues oder der seit Jahren so massenhaft eingeführten Zierden unserer Gärten und Anlagen, die überhaupt lange nicht so viel Beschädigung erfahren haben als jene. Die Würdigung aller Beobachtungen wird uns hinsichtlich der Aus- wahl der Gewächse so manche Winke ertheilen, wie vielleicht auch Verbesserungen in den bisher angewandten Schutzmitteln herbeiführen. Obschon ich mir in dieser Hinsicht jeden Zweifel an meiner Competenz sern gefallen lasse, erlaube ich mir doch vor allem auf häufige Verwen- “), Ein dem Eisboden der arktischen Länder vergleichbares Verhältniss oder Entwickelung der Vegetation auf in der Tiefe gefrorenem Boden ist, abgesehen von den Alpen, auch in der Ebene nicht selten; die einjährigen unter dem Schnee erhaltenen Gewächse, auch andere Frühlingspflanzen, namentlich in dicht ge- schlossenen Wäldern, blühen auf dem in geringer Tiefe noch gefrorenen Boden, die schwarze Nieswurz sogar bei noch gefrorenen Wurzeln u. 8. w, ! ; h E 3 €. we; Pr fr, P der Schles. Gesellsch, f. vaterl. Cultur. 67 dung des Schnees zu diesem Zweck hinzuweisen, der wo es geschehen kann, durch keine andere Bedeckung zu ersetzen ist. So oft ich auch mit dem Thermometer die Temperatur der Stroh-, Heu-, Schilf- oder Matten-Umhüllungen prüfte, fand ich kaum bemerkenswerthe Unterschiede von der Temperatur der Atmosphäre, während im Februar 1870 unter einer nur vier Zoll mächtigen Schneelage nach siebentägiger Mitteltem- peratur von — 15,6% nur — 6°, und im vorigen Winter (1871) bei mehr Schnee nur an einzelnen Tagen — 3°, zu anderer Zeit gewöhnlich nur — 1°, auf der Oberfläche der Erde gefunden wurden. Das durch das Niveau des Schnees begrenzte Erfrieren von Stämmen, sowie die mehrfach gemachte Erfahrung, dass die wohlverwahrten Kronen von zur Erde gebeugten Rosenbäumen sich erhielten, während die ausserhalb nur mit Stroh umhüllten Wildlingstämme zu Grunde gingen, sprechen unter anderen auch für diese Behauptung. Grössere Berücksichtigung der herr- schenden Windrichtung und des Schutzes vor Winden, die, wenn ich nicht irre, noch nachtheiliger wirken, als die Wärmeausstrahlung gegen den Zenith, ferner mehr Beachtung dieser letzten Verhältnisse in Bezie- hung auf nahestehende Bäume, Gebäude u. s. w. verdienen auch für bevorstehenden, hoffentlich milderen Winter umsomehr Beachtung, als die Vegetation in ihrer winterlichen Vorbereitung gegen andere Jahre noch zurückgenlieben ist, wie sich dies aus der verspäteten Reife vieler Früchte ergiebt. *) *) An dieser Stelle erlauben wir uns zu registriren, dass im Winter 1869/70 in den Baumpflanzungen, welche den äusseren Rand des Breslauer Stadtgrabens begleiten, der grösste Theil der nordamerikanischen Platanen und Gleditschien, ein Theil der Ailanthus und Robinien erfror; es stellte sich hierbei die auffallende Thatsache heraus, dass in diesen Alleen diejenigen Bäume, welche unmittelbar an der Böschung des Stadtgrabens stehen, fast sämmtlich verschont blieben, während diejenigen, welche dem Strassendamm benachbart standen, grösstentheils zu Grunde gingen und nur hier und da erhalten blieben. Und zwar waren es offenbar die Wurzeln, welche durch den Frost getödtet worden waren, während die über der Erde stehenden Stämme sammt den Aesten und Knospen meist unversehrt geblieben waren, denn mit Beginn der milderen Jahreszeit schlugen siämmtliche Bäume ohne Ausnahme aus und entwickelten ihre Laub- triebe; doch gingen diese letzteren bei den erfrorenen Bäumen nach dürftiger Entfaltung bald ein, indem, wie sich beim Herausnehmen derselben nachweisen liess, ihre Wurzeln gebräunt und abgestorben, und daher nicht im Sande waren, den austreibenden Knospen das nöthige Wasser zuzuführen. Es ergiebt sich hieraus, dass es nicht die extremen Kältegrade der Lufttemperatur waren, welche die oberirdischen Theile der erfrorenen Alleebäume tödteten, sondern dass es der in den Boden eindringende Frost war, welcher die Wurzeln, die vermuthlich in der vorangegangenen milden Witterung bereits ihre Lebensthätigkeit begonnen, oder vielmehr, wie Mohl zeigte, während des Winters nie eingestellt hatten, ver- nichtete. Warum die längs des Wassers gepflanzten Baumreihen dem Frost besser widerstanden, als die an der Strasse stehenden, liess sich dagegen nicht mit b> a a Br re EL a A IE N 68 Jahres-Bericht Endlich sprach Herr Geheimrath Göppert Nachstehendes zur Erinnerung an Linne. Der längst gehegte Wunsch des Vortragenden, unserm botanischen Garten die Zierde einer Büste Linn&’s zu verschaffen, ging durch die Liberalität eines unserer Mitbürger, des kaufmännischen Sensals König]. Commissionsrath Herrn Moritz W esel in Erfüllung, welcher die Mittel zu einer Anfertigung derselben gewährte. Der damit beauftragte Künstler, Herr Bildhauer Rachner hierselbst, hatte dieselbe in kararischem Marmor trefflich ausgeführt, nach einer Photographie des besten Portraits von Linn&, welches sich im Saale der Akademie zu Stockholm befindet und uns durch die Güte des Herrn Prof. Fristedt in Upsala mitgetheilt worden war. Am 23. Mai 1871, am 164. Geburtstage Linue’s, Mittags um 12 Uhr, ward die Büste enthüllt, zu: welcher Feierlichkeit der Herr Curator der Universität Se. Excellenz der Ober- Präsident Graf Stolberg-Wernigerode, $e- Magnificenz der Recior Professor Dr. Stobbe, der Senat und sämmt- liche Professoren der Naturwissenschaften, die Mitglieder des Vereins für bildende Kunst und viele andere hervorragende Persönlichkeiten ge- laden waren, unter folgender Ansprache des Vortragenden: „Mit Ausnahme von Aristoteles hat wohl niemals ein Mann einen so weitgreifenden Einfluss auf die Naturwissenschaften ausgeübt als Linne, dessen souverainem Walten seine Zeitgenossen sich willig unterordneten, und seinen reformatorischen Leistungen unbedingte An- erkennung weihten. ‚Wiewohl die Naturkunde vor Linne schon manche hervorragende Leistung aufzuweisen hatte, so befand sich das Ganze aus Mangel an einem durehgreifenden Prineip in einem wahrhaft Sicherheit ermitteln; nur vermuthen lässt sich, dass eben während der extremen Kälteperiode im Februar die Wurzeln der an der Böschung stehenden Bäume durch den aufliegenden Rasen und Schnee besser gegen das Eindringen des Frostes in grösse Tiefe geschützt waren, als auf dem Strassendamm, wo der Boden nackt lag; die Untersuchungen Göppert’s, welche durch die in der Pariser Akademie im December 1871 angestellten Beobachtungen ihre Bestätigung finden, machen diese Erklärung wahrscheinlich. Hervorzuheben ist noch, dass nur ausländische Bäume 1869/70 durch den Frost getödtet wurden, während die einheimischen Alleebäume (Linden, Rüstern, Birken, Ahorn) nirgends litten, ein Beweis für die bekannte Thatsache, dass selbst Jahrhunderte langer Anbau fremde Gewächse nicht in Wahrheit’ acclimatisirt; selbst Rosskastanien erfroren hier und da, von den Obstbäumen namentlich die veredelten südlichen Varietäten. Hervorzuheben ist noch, dass, während unsere Eichen, Buchen, Fichten niemals durch den Winterfrost getödtet werden, ihre ausgetriebenen Laubknospen im Frühjahr ausserordentlich leicht erfrieren, namentlich im Gebirge finden wir nach Nacht- frösten oft ganze Wälder mit getödteten Laubtrieben; doch wird der Schaden ' durch späteres Ausschlagen in der Regel bald ausgeglichen; die Wurzeln dieser Bäume scheinen nie zu erfrieren, ‚Cohn, Ben rn der Schles. Gesellsch. f, vaterl. Cultur. 69 chaotischen Zustande, ohne inneren organischen Zusammenhang, schwierig aufzufassen, und noch schwieriger Interesse dafür zu ge- winnen. Linne’s ausserordentlichem Genie gelang es wie mit einem Schlage, ja durch ein einziges Werk geringsten Umfanges, diesen Ver- hältnissen ein Ende zu machen. Die scharfsinnige Weise, mit der er die Charakteristik der Naturkörper und ihre von ihm geschaffene Namen- sebung behandelte, führte ihn zu einem System, welches die Welt in Erstaunen versetzte. Wenig fehlt, ja man kann sagen, seine grosse Bescheidenheit war Ursache, dass wir nicht auch in ihm den Gründer des natürlichen Systems zu verehren haben. Er sah sehr wohl ein, dass auf diesem Wege eine höhere Einsicht in die Pflanzenwelt sich eröffnete, stellte auch natürliche Ordnungen auf, ohne sich aber über die dabei leitenden Beweggründe näher auszusprechen, obschon er sogar über die Beziehungen der äusseren Formen zu den Eigenschaf- ten und Wirkungen der Gewächse die klarsten Vorstellungen hatte. Ein unerhörtes Aufblühen der gesammten Naturkunde war die unmittel- bare Folge seiner ausserordeutlichen Leistungen. Zahlreiche Schüler versammelten sich um den auch durch persönliche Liebenswürdigkeit höchst ausgezeichneten Meister, verbreiteten seine Lehren überall und fühlten sich glücklich, die Schätze ihrer Ausbeute seinem Scharfbliek übergeben zu können. Und doch von welchem Zufall hing die Eut- wiekelung dieses die vorangegangenen Jahrtausende überflügelnden Genie’s ab; wenig fehlte und Jahrhunderte dauerte vielleicht noch die Finsteruiss, die er mit der Fackel des Geistes zu bannen bestimmt war. — Linn ward 1707, den 23. Mai, als der Sohn eines armen Landgeistlichen zu Keshult, einem kleinen Dörfehen in Smäland, ge- boren. Schon von frühester Jugend zeigte er ein ungewöhnliches Interesse für Blumen, denen er im elterlichen wohlgepflegten Garten mehr Zeit widmete, als dem Lernen der alten Sprachen in der beeng- ten Studirstube seines Vaters, so dass er nur mit sehr geringen Er- wartungen im 10. Jahre der Schule in Wexie übergeben wurde. Des strengen Vaters Wünschen, die sich auf die Nachfolge in seinem Amte concentrirten, entsprach er auch nach wenig Jahren in so geringem Grade, dass dieser in Verzweiflung über seine getäuschten Erwartungen ihn schon dem Handwerk eines Tischler, Schneider oder Schuhmacher zu übergeben Willens war, wenn sich nicht ein intelligenter Arzt, der eine günstigere Ansicht von seiner Fähigkeit als seine Lehrer hegte, seiner angenommen und erklärt hätte, ferner für ihn sorgen zu wollen, Ein elücklicher Stern leuchtete ihm zwar nun wohl fortan, doch nur selten sah er sich auch in der nächsten Zeit noch von der schweren Sorge der Existenz befreit. Nach Beendigung seiner Studien wurden ihm in Folge eines zarten Verhältnisses zu der Tochter eines Arztes Moraeus, seiner späteren Gattin, die Mittel zur Promotion zu Theil, 70 Jahres-Bericht die man damals im Auslande zu erreichen suchte. Er wandte sich nach Holland; eine kleine längst aufgehobene Universität, Harder- wyk hatte die Ehre, ihm dem Doctorhut zu ertheilen. Nach Ver- öffentlichung seiner ersten reformatorischen Schriften steigerte sich das Interesse für ihn im höchsten Grade, so dass man ihn durch ausser- ordentliche Anerbietungen zu fesseln strebte, die sich auch bei seinem - späteren Verweilen in Paris und London wiederholten. Jedoch nach dreijährigem, für alle Zeiten epochemachenden Aufenthalt führte ihn Liebe zum Vaterlande und die Erinnerung an eingegangene Verpflich- tungen wieder nach Schweden zurück, wo es ihm aber erst im Jahre 1740 nach zum Theil recht widerwärligen Erfahrungen gelang, die botanische Professur in Upsala zu erhalten, fortan der dauernde Sitz seines von den glänzendsten Erfolgen begleiteten Wirkens. Eine lange Reihe von Jahren genoss er hier das Glück, zu den bewundertsten Männern des Jahrhunderts zu gehören, und die Universität mit unver- gänglichem Ruhme zu erfüllen. Nur die letzten Jahre seines Lebens trübten wiederholte Schlaganfälle seine Existenz, denen er endlich am 10. Januar 1771 erlag. Die Huldigung, welche wir ihm, dem Unsterb- lichen widmen, ist in einem botanischen Garten Deutschlands die erste ihrer Art. Dank, aufrichtigen Dank ihrem sütigen Urheber, Herrn Wesel, in dessen Namen und Auftrage ich die Ehre habe, das Monu- ment der Universität und dem botanischen Garten zu übergeben. Möge die Erinnerung und das Beispiel des unsterblichen Mannes stets zu ächt 'wissenschaftlichen Leistungen begeistern.“ Hierauf lud Herr Geh. Rath Prof. Dr. Göppert die Anwesenden zum Besuch eines festlich deeorirten Gewächshauses ein, in welchem eine srosse Anzahl Erinnerungsbläiter Linne’s ausgestellt waren. Eine Samm- lung von Photographien und Handschriften Linne’s, eine getrocknete Pflanze Phlomis Leonurus mit seiner eigenhändigen Unterschrift lagen hier vor, und eine Mappe mit der Inschrift: ‚in memoriam Caroli a Linne,“ herausgegeben in Upsala mit Text von E. Fries, dem Nestor der schwe- dischen Botaniker, enthielt die naturgetreuen Abbildungen seines Geburts- hauses, seiner Wohnorte in seinem vielbewegten Leben, seines Denkmales im Dom von Upsala. Nachdem die Festtheilnehmer diese erinnerungsreichen Seltenheiten besichtigt hatten, fehlte es bei Gelegenheit eines dargebotenen Dejeuner’s nicht an entsprechenden Toasten, denn Jeder freute sich über das so gelungene Monument, welches dem botanischen Garten zu nicht geringer Zierde gereicht. Die etwas mehr als in Lebensgrösse aus weissem kararischem Marmor ausgeführte Büste befindet sich auf einem geschmackvollen 8 Fuss hohen Piedestal von schlesischem Marmor auf einem hervorragenden Platze, so dass sie von einem grossen Theil des Gartens gesehen werden kann. der Schles. Gesellsch, f, vaterl. Cultur, mel: In derselben Sitzung sprach Herr Dr. Stenzel über fossile Paimenhölzer. Nachdem man lange die verschiedenartigsten Versteinerungen, selbst thierischen Ursprungs, als Palmenhölzer bezeichnet hatte, beschränkte Cotta (Deudrolithen 1852) in Folge der Untersuchung des inneren Baues mit der Lupe und noch genauer Unger (de palmis fossilibus 1845), welcher das Mikroskop anwendete, die für die fossilen Palmenhölzer be- stimmte Gattung Fascieulites auf die Reste baumartigen Monokotyledonen, deren Zahl durch Corda, Unger, Göppert, Heer und Watelet seitdem noch vermehrt wurde. Von diesen müssen alle Arten aus Formationen älter als die Kreide ausgeschieden werden, weil sie in keiner erweislichen Zusammengehörig- keit mit den Palmen stehen, wie Fasc. carbonigenus und F. leptoxylon Cord, und. aus der Braunkohlen-Formation einige ausgezeichnete Reste wie F. Hartigu Göpp. und St., welche zu den Yucceen gehört. Es verbleiben dann nach Abrechnung einiger zweifelhaften und Zurech- nung sechs neuer Arten, welche ich der Güte des Herrn Geheimenraths Göppert, des Herrn Dr. Watelet in Soissons und Möller in Wedel (Holstein) verdanke, etwa 30 Arten. Unter diesen finden sich Vertreter von 4 der von Mohl aufgestell- (en Slammformen — nur der eigentliche calamusartige Stamm ist bisher noch nieht fossil gefunden — und Uebergänge zwischen zweien derselben. Es wurden einige der danach aufgestellten Gattungen an Dünn- schliffen unter dem Mikroskop und an Querschnittzeichnungen erläutert. A. Geonomaähnliche Stämme: Geites Moussoni (Heer) B. Mauritiaähnliche Stämme: Pycnois densa (Unger), Fladungi (Ung.), speciosa n. sp., angularıs Stz, (Perfossus Cotta). C. Zwischen Mauritia- und Cocosähnliche Stämme: Xylois antiguensis (Ung.), belgica n. sp., astrocaryoides Ung., Boxbergae Gein. Araeis Washingioni n. sp., owonensis ( Wat.), anomala (Ung.), lacunosa (Ung.), vasculosa n. sp. D. Cocosähnliche Stämme: ©. annulatus (Brongn.). Faseieulites a) crassipes (Ung.), b) didymosolen (Spr.), geanthracis (Göpp. und St.), helveticus (Heer), grönlandicus (Heer), fragilis (Göpp. u. St.). ce) stellatus (Ung.). En Pr De a ee 8 ee ar re Su pr RE ae est Ant auce = [627 Jahres-Bericht d) Cottae (Ung.), Partschii (Ung.), Withami (Ung.), arenarius (Wat.). e) ovala n. sp. Cyelois mississippensis n. sp., varians (Corda), ceylanica (Ung.), Palmacites (Spr.)\, sardoa (Ung.). E. Stammlose Palmenhölzer. Palmacites echinatus (Brongn.) Herr G. Stein überreichte das General-Doubletten-Verzeichniss des Schlesischen Botanischen Tauschvereins. Neuntes Tauschjahr 1870/71; die Pflanzen sind auch käuflich, 2 Thlr. die Centurie. Herr Mittelschullehrer G. Limprieht legte die VII. Lieferung seiner Bryotheca Silesiaca vor, welche Beiträge der Herren Professor J. Milde, Kreisgerichtsrath Everken, Apotheker Geheeb und Fritze, Lehrer J. Zim- mermann und Hellwig und Förster Strähler enthält. Unter den fünfzig Nummern (Nr. 301 — 350) befinden sich grosse schlesische Seltenheiten und kritische Arten, z. B. Weisia Wimmeri, Cynodontium gracilescens und infleeum, Dieranum eireinatum, Dieranodontium aristatum var. falcatum, Brachy- dontium trichodes, Trichostomumn cordatum, Anoeclangium compactum, Grimmia lorguata, Pyramidula, Bryum lacusire, B. Klinggraeffi, B. Mühlenbecki, B. eyclophyllum, Mnium medium, Bartramia Oederi, Myurella julacea, Ano- modon apieulatus ce. fret. et ster., Fontinalis gracilis, Burhynchium megapoli- tanım und Brachythecium Geheebiü Milde e. frei, sowie auch 4, erst nach dem Erscheinen der Bryologia Silesiaca für Schlesien entdeckte Laubmoose, nämlich Sporledera palustris von Bunzlau, Zygodon viridissimus von Rybnik, Orthotrichum appendiculatum von Breslau und Plagiothecium silesiacum von Grünberg. Herausgeber versichert, dass auch die Vorbereitung der VIII. Liefe- rung noch im Laufe des Jahres ihren Abschluss finden dürfte und dass die glückliche Beendigung des ganzen Werkes- als gesichert zu be- trachten sei. In der dritten Sitzung vom 16. Februar hielt Herr Mittelschullehrer Limpricht einen Vortrag über die Flora von Sagan unter Zugrunde- legung der Forschungen des Kreisgeriehtsrath Everken, dessen Samm- lungen vorgelegt - wurden. Hieran schloss sich eine Skizze der Flora von Grünberg, ebenfalls. nach den Beobachtungen von Everken uuter Vorlegung der gesammelten Pilanzen. Herr Apotheker Werner legte zwei um einander geschlungene Stämme von Periploca graeca aus einem Garten von Freyhahn bei Lieg- nitz vor; ferner eine Frucht von Theobroma Cacao, ein Stück Copal mit einem eingeschlossenen Inseet und eine junge Palmfrucht, die im Copal gefunden wurde. der Schles. Gesellsch, £. vaterl. Cultur, 73 Herr Geheimeralh Goeppert legte verschiedene Siammstücke einer Cycas revoluta vor, welche, nachdem sie über 60 Jahr eine Zierde des botanischen Gartens gewesen und mehrere Mal geblüht und sich gegabelt halte, nunmehr abgestorben ist, eigenthümlich sind die 4 concentrischen Holzringe des Stammes. Herr Dr. W. G. Schneider überwies der Bibliothek der Gesell- schaft als Geschenk eine Anzahl von Monographien, meist mykologischen Inhalts. Herr Dr. Stenzel legte vor: Anemone alpina und sulfurea, von ihm am Koppenplan bei der Wiesenbaude gefunden, Listera cordala von Schreiberhau, Viola lutes von der Geierquelle, Geum rivale und Aspidium Oreopteris vom kleinen Teich, Coeloglossum viride von den Teichrändern, Epipogum Gmelini vom Melzergrund, Sedum villosum von den Grenzbauden; ferner Cirsium canum >< palustre, Rubus hirtus, fol. giganteis und R. fruticosus fol. pinnatis von Langenau. Der Secretair Professor Cohn zeigte vor: Sauerkirschen, welche zu 2, 3, 4 und 5 auf einem Stiel sassen; sie stammen von einem Baum aus dem Garten des städtischen Hospitals und Waisenbauses in Ohlau, wel- cher solehe Früchte alljährlich zu Hunderten hervorbriugt, und waren ihm durch den Pastor an der Diakonissen - Kraukenanstalt Bethanien zu Breslau, Herrn Ulbrich übergeben worden; sie sind offenbar aus Blüthen hervorgegangen, welche, nicht wie gewöhnlich ein, sondern mehrere Pistille im Grunde des Kelches tragen. Solche Doppelkirschen sind es ohne Zweifel, auf welche Shakespeare in der Rede der Helena im Sommer- nachtstraum anspielt (Act IIl., Scene 2): „So wuchsen wir zusammen, Wie eine Doppelkirsche, die getrennt Erscheint, und doch vereinigt in der Trennung, Zwei holde Beeren, einem Stiel entwachsen.“ In Folge einer Berathung wurde von der Section der Beschluss gefasst, die nächste Wanderversammlung der schlesischen Botaniker in Reichen- bach (Ulbrichshöhe) im Mai abzuhalten. In der vierten Sitzung vom 2. März 1871 legte Heır E. Junger Jun. den merkwürdigen Fall eines hybriden Rosensämlings (General Jacqueminot) vor, dessen erster Trieb in einem Zeitraume von 6 Monaten eine Endblüthe entwickelte und damit abschloss. Der hypocotyle Achsen- theil dieses Pflänzcehens war gleich der Wurzel braun gefärbt, während der epieotyle Achsentheil, grün und stachellos, nur Köpfehenhaare trug. Auf zwei gegensländigen Cotyledonen folgen in spiraliger Anordnung 6 Laubblättehen, von denen das erste dreilappig, die anderen unpaarig fiedertheilig sind. Ueber dem sechsten Blättehen verbreitert sich der Stengel allmählich und wird endlich zur Kelehröhre. Von den Kelch- a “ re el EHER“ wi 74 Jahres-Bericht blättern war der vierte und fünfte Zipfel zu einem bis zur Hälfte zwei- spaltigen Kelchblatte verwachsen. Die Blüthe besass fünf mohnartige, intensiv rothe Blumenblätter, 17 wohl ausgebildete Staubgefässe, 7 Griffel und war von angenehmen Geruche. Ferner wurde festgestellt, dass die zwei Cotyledonen der Phyllo- blasten zu einem Organ verwachsen können, wie dies aussergewöhnlich durch Wanderung einseitig verwachsene Keimblätter verschiedener Pflan- zen zeigen. Diese aussergewöhnlichen Pseudomonoeotylen, wie dieselben genannt zu werden verdienen, machen keinen Anspruch auf Constanz; Ra- nunculus ficaria ist eine constant auftretende Pseudomonocotyle. Dass das sog. eine Keimblatt dieser Pflanze in Wahrheit durch zwei an den anstossenden Rändern zum Theil zusammengeflossene Keimblattspreiten gebildet wurde, wird durch die klappige Lage der gleich grossen Keiın- blatthälften in früher Jugend und durch die Nervatur dieser Blatthälften genügend erhärtet. Als Anhang zu diesen Erscheinungen wurden einige Beobachtungen an trieotylen Embryonen hinzugefügt und 17 weitere tricotyle Fälle aus anderen Gattungen aufgeführt, so dass zur Zeit dergleichen Bildungen in 66 Gattungen festgestellt sind. Diese 17 Fälle wurden in den Gattungen Ageratum, Amarantus, Arnica, Atriplex, Aubrietia, Centranthus, Convolvulus, Erigeron, Hibiscus, Ilieracium, Laurus, Lonicera, Melampyrum, Phaseolus, Ribes, Sonchus, Trachymene nachgewiesen und an mehr oder weniger zahl- reichen Individuen beobachtet. | Herr Dr. Engler verlas einen von Herrn v. Uechtritz eingesendeten Aufsatz über eine von diesem am Rabenfelsen bei Liebau ca. 1800 bis 2000 Fuss hoch entdeckte neue Veilchenart (Viola porphyrea v. U. n. 8.), welche zwischen V. sciaphila Koch und V., collina Besser in der Mitte steht. Der $eeretair besprach eine von Brefeld so eben erschienene Ab- handlung über Empusa radicans und Empusa muscae; erstere Art, ist specifisch ganz verschieden von der Empusa aulicae Reichh., welche Re- ferent am 30. April 1870 bei Euprepia aulica, in diesem Jahre am Ende März bei Euprepia villica untersucht hatte; in beiden Fällen, deren Kennt- niss er der gütigen Mittheilung des Herrn Universitätszeichners Assmann verdankt, waren die aus dem Winterschlafe herauskriechenden Bären- raupen durch den Pilz in-epidemischer Erkrankung befallen und getödtet worden. Hierauf gab derselbe Bericht über die Schritte, welche wegen des von der Section am 8. December a. p. beschlossenen, auf dem Grabe des Schulrath Dr. Wimmer zu errichtenden Denkmals gethan sind. Herr Geheimrath Göppert trug an, dass an einem hervorragenden Punkte des Riesengebirges eine das Andenken von Wimmer verewigende j R u { der Schles, Gesellsch, f, vaterl. Cultur, 75 Denktafel angebracht werden möge, und sollen auch nach dieser Rich- tuug hin einleitende Massregeln getroffen werden. In der fünften Sitzung vom 16. März berichtete Herr Mittelschul- lehrer Limpricht über das Vorkommen der Lebermoose im schlesisch-mährischen Gesenke, soweit dieselben ihm auf einem flüchtigen Streifzuge durch einen Theil dieses Gebirges im vorigen Sommer bekannt geworden sind. Seit dem Erscheinen der Naturgeschichte der Europäischen Leber- moose von Nees von Esenbeck (1838), dem auch bis jetzt noch unübertroffenen Werke, hat die Kenntniss dieser kleinen Kryptogamen- sruppe innerhalb unserer Provinz nur eine beiläufige Förderung erfahren, wogegen gerade seit jener Zeit die Laubmooswelt bei uns so zahlreiche Freunde gefunden hat, dass unsere Heimath bryologisch so genau auf- geschlossen wurde, wie kein anderes deutsches Gebiet von gleicher Aus- dehnung. — Sei es nun, dass manche unserer Botaniker vor den ersten Schwierigkeiten zurückschreckten, sei es, dass anderen der Abschluss so vollendet erschien, dass sie nur kärgliche Nachlese erwarteten, so bleibt immerhin die Thatsache auffallend, dass jenes classische Werk, welches doch in erster Linie nur schlesische Vorkommnisse berücksichtigt, bei uns auf die weitere Forschung nicht anregender gewirkt hat. Dieser Umstand und die günstige Aufnahme, die meine Bryotheca gefunden hat, reiften in mir den Entschluss, auch unsere Lebermoos-Schätze in ähnlicher Weise auszugeben und dadurch fördernd für das vernachlässigte Studium ein- zutreten. Zu diesem Zwecke beschäftigte ich mich in letzter Zeit ernst- licher mit der Kenutniss dieser Gewächse, wobei mich Herr Dr. Gottsche in Altona bereitwilligst unterstützte. Als erstes Resultat erlaube ich mir, diesen Beitrag vorzulegen, der nur lückenhaft sein kann, weil das Material nur auf einer Reise und wegen des inzwischen ausgebrochenen Krieges mit überstürzender Hast gesammelt wurde, wobei die grösste Aufmerksamkeit noch dazu auf Laubmoose gerichtet bleiben musste, deren ich zur Fortsetzung meiner Bryotheka dringend bedurfte. Dessenungeachtet publieire ich meine Beobachtungen, da es mir in diesem Jahre wahrscheinlich nicht möglich sein wird, sie zu ergänzen. Der Boden, auf dem sich meine Wanderung hauptsächlich bewegte, sind diejenigen Theile des Ostflügels, die ich von meinem Stationspunkte, der Schäferei am Peterstein, bequem erreichen konnte: Oppa-Fall, Alt- vater, Wälder unterhalb der Schäferei, Kessel und die Kammhöhe vom Peterstein bis zum Backofenstein. Dagegen wurde der westliche Theil des Gebirges: rother Berg, Brünnelhaide, Köpernikstein und Fuhrmanns- 76 Jahres-Bericht stein auf dem gewöhnlichen Touristen - Kammwege flüchtig überschritten und erst dem Glatzer Schneeberge längere Zeit gewidmet; doch sind dessen Lebermoose bereite in dem angeführten Nees’schen Werke so gründlich abgehandelt, dass wenig Neues zugefügt werden kann. In dem nachstehenden Verzeichnisse, das nur Standorte angiebt, von denen Belagsexemplare aufgenommen wurden, bilden selbstverständlich die gemeinen Arten, die sich an keine bestimmte Höhe binden, sondern überall an geeigneten Localitäten vorkommen, einen grossen Theil, so Alieularia scalaris, Plagiochila asplenioides, Scapania nemorosa, Jung. obtusi- ‚Jolia, erenulata, bicuspidata ete., Lophocolea bidentata et heterophylla, Chilo- scyphus polyanthus, Calypogeia, Lepidozia, Mastigobryum trilobatum, Ptilidium, Radula, Madolheca platyphylla, Frullania dilatata et Tamarisei, Pellia epi- phylla, Metzgeria furcala, Marchantia ete. Auch wurden von den in unseren Gebirgen allgemein verbreiteten Arten nur wenige, wie Scapania curla, Jung. hyalina, Jg. tersa, Aneura palmata, Trichocolea ete. vermisst, die bei späterer Nachforschung sicher noch aufzufinden sein dürften. Ausserdem werden in Plagiochila inter- rupta, Preissia commutata, Scapania irrigua, Jung. subapicalis, Jg. acuta var. Mülleri, Jg. catenulata, Madotheca rivularis, Fimbriaria pilosa, Scapamia ul- ginosa, Jg. obovata, Jg. orcadensis und Harpanthus Flotowianus, einige in den übrigen Sudeten höchst seltene Arten nachgewiesen, von denen die zwei ersteren an den Kalkgehalt ihrer Unterlage gebunden zu sein schei- nen, während die vier letzteren ausschliesslich Bewohner höherer Ge- birge sind und bei uns sonst nur in den subalpinen Lagen des Riesen- gebirges auftreten. Als neu für Schlesien sind zu bezeichnen: Jg. Horn- schuchiana N. ab E. und Scapania aequiloba Schwaegr., jene bisher nur aus den Alpen und als Jg. bantriensis Hook aus England, Schottland und von Salzburg bekannt, während diese bis jetzt immer auf Kalk beob- achtet wurde. — Wenn auch bei der Lückenhaftigkeit der Beobach- tungen von allgemeinen Schlüssen auf die Verbreitung dieser Gewächse im Gesenke abgesehen werden muss, so bleibt doch immerhin bemerkens- werth, dass keine der rein alpinen Arten wie Gymnomilrium concionatum et coralloides, Jg. sawicola, setiformis und julacea, welche die Felsmassen der riesengebirgischen Kämme bewohnen, an passenden Localitäten des Gesenkes, z. B. am Peterstein, Backofen, Fuhrmannssteine, auf dem Alt- vater und auf der Brünnelhaide aufgefunden werden konnten. Verzeichniss der gesammelten Arten. 1) Sarcoseyphus Ehrharti Corda. Quellbäche der Oppa unterhalb der Karlsbrunner Schäferei (9 Ex.); am Oppa-Falle; Marchquelle am Glatzer Schneeberge. | 3) Sarcosceyphus Funckü N. ab E. ß minor, Sehr verbreitet an Wegen und Fussstegen auf der Hohen-Janowitzer- und Schieferhaide; auf 3) 4) 6) ‘) 9) 10) 11) der Schles. @esellsch. f. vaterl. Cultur. 717 zersetztem Glimmerschiefer im Kessel; Fusswege bei der Marchquelle am Glatzer Schneeberge. Alicularia scalaris Corda. «& major am Oppa-Falle und an Abhängen zwischen Ludwigsthal und Karlsbrunn; $ minor auf zerseiztiem Glim- mer - Schiefer im Kessel und an Fusswegen auf dem Kamme der Schieferhaide. Plagiochila interrupta N. ab E. c. per. an Urkalkfelsen (Quarklöcher) des Marchthales am Glatzer Schneeberge; hier schon durch v. Flotow gesammelt. Plagiochila asplenioides M. et N. Wälder unterhalb der Karlsbrunuer Schäferei; Felsmasse des Backofensteines; P folüs subintegerrinus an Glimmerschieferfelsen im Kessel; d minor e. per. Felsen am Oppa- - Falle. Scapania aequiloba Schwaegr. Steril an kalkhaltigen Glimmerschiefer- felsen im Kessel am 23. Juli 1870; gleichfalls steril auf Urkalk bei den Quarklöchern *) im Marchthale am Glatzer Schneeberge, sowohl an den Felsen, wie auch an den verstreut umherliegenden Blöcken. 28. Juli 1870. Scapania undulata M. et N. A. Folüs denlatis cum perianlhüs: Oppa - Quellbäche unterhalb der Karlsbrunner Schäferei. — Folüs summis dentieulatis: Knoblich- brunnen am Altvater. Folis fere inermibus, per. ore denticulato. Zuflüsse der Oppa im Aufsteigen von Karlsbrunn zur Schäferei. @ major: am Oppa-Falle. & speciosa. Versumpfte Stellen links am Wege zwischen Karlsbrunn und der Schäferei. «@ Wealdbäche zwischen Karlsbrunn und der Schäferei. 8”* Waldbäche unterhalb der Schäferei am Wege nach Karls- brunn. B. B. Scapania uliginosa N. ab E. $. Versumpfte Stellen links am Wege von Karlsbrunn zur Schäferei, 21. Juli 1870. Scapania irrigua N. ab E. Eine kleine Form mit Perianth.; am linken Oppa-Ufer oberhalb des Falles. 25. Juli 1870. Scapania nemorosa L. In den Wäldern um Karlsbrunn. Scapania umbrosa N. ab E. Faulende Baumstämme am Oppa-Falle, in den Wäldern unterhalb der Schäferei, auf dem Kamme zwischen *) Da die hier wachsende Pflanze entschieden zu dieser Art und nicht zu Scapania Bartlingi N. ab E. gehört, so bedarf die Nees’sche Angabe (Hep, europ. IN, B. Pag. 520 et Synops Hepat. pag. 64) einer Correctur. a u | [9 6] 12) 18) 19) Jahres-Bericht Altvater und rothem Berg und im Marchthale, meist c. per. und ge- sellig mit Jg. porphyroleuca. Jungermannia albicans L. «@ major. Schon Wimmer am Hockschar. ß tawifolia. Felsmasse des Petersteins, des Backofen im Kessel und auf der Brünnelhaide. Jg. obtusifoia Hook. Erdige Abhänge zwischen Ludwigsthal und Karlsbrunn c. fret.; dort auch $ purpurascens. Jg. exsecta Schm. Auf dem Altvater (Wimmer); am Grunde alter Stämme am Oppa-Falle; Felsen des Petersteins; Glatzer Schneeberg. Jg. Taylori Hook. Baumstümpfe am Altvater, steril. y anomala. Ueber Sphagnen in Sümpfen auf der Schieferhaide. Jg. subapicelis N. ab E. An den Kalkfelsen um die Eingänge der Quarklöcher. am Glatzer Schneeberge (Nees).. Was ich als diese Art hier zahlreich sammelte, waren nur schlanke sterile Formen von Plagiochila interrupta. Jg. erenulata Sm. An Fusswegen auf dem Altvater; auf der hohen Haide und am Glatzer Schneeberge bei der Marchaquelle. Jg. nana N. ab E. @ major. Im Kessel auf zersetztem Glimmer- schiefer c. per. Jg. obovata N: ab E. Im Kessel auf überrieselten Glimmerschiefer- platten c. per.; feuchte Felsen am Oppa-Falle und an Steinen in den Oppa-Quellbächen c. per. Jg. Hornschuchiana N. ab E. Im Kessel auf feuchtem Glimmer- schiefer unterhalb des Mohrafalles ce. per., gesellig mit Preissia und Fimbriaria. 23. Juli 1870. Jg. lanceolata L. Felsen am Oppa-Falle c. per. Jg. acula Lindenbg..b. Mülleri N. ab E. «& et var. laxa. Beschattete Urkalkfelsen im Marchthale (Ouarklöcher) am Fusse des Glatzer Schneeberges c. per. Die Form $ wurde schon von N. v. E. hier sesammelt. Jg. scutata Web. Auf Erde in den Wäldern zwischen Ludwigsthal und Karlsbrunn und an Baumstümpfen am Wege von Karlsbrunn zur Schäferei. Steril. Jg. inflata Huds. $ subaggregata. Schwimmend in Moortümpeln auf der Schieferhaide oberhalb der Kriech. Jg. oreadensis Hook. Um die Tafelsteine auf dem Altvater (Professor Milde); an den Schwalbensteinen auf dem Glatzer Schneeberge. (Seliger, v. Flotow). Jg. ventricosa Dicks. An Steinen um die Oppa-Quellbäche, am Oppa- Falle, Felsen im Kessel, Peterstein, Backofenstein, Wegränder auf der Schieferhaide, an Steinen im Absteigen vom Fuhrmannsstein nach Goldenstein; Schwalbensteine am Glatzer Schneeberge. 27) 28) 29) 30) 31) 32) 33) ARENA ee der Schles. Gesellsch. f, vaterl. Cultur. 79 Jg. porphyroleuca N. ab E. Modernde Baumstämme in den Wäldern um Karlsbrunn, am hohen Falle (Oppa), auf der hohen Haide und am Altvater, bei Karlsbrunn auch auf Waldboden. A.2 8 3 tenwior wurde schon früher von Professor Göppert am Leiterberge und B. $ contexta von Wimmer am Hockschar gesammelt. Jg. alpestris Schleich. An Felsen im Kessel, am Peterstein, Backofen, Tafelsteine, auf dem Altvater, am Oppa-Falle, auf der Brünnelhaide mit Keimkörnern, Schwalbensteine des Glatzer Schneeberges; auf Erde auf der Hohen- und der Schieferhaide, im Absteigen vom „Fuhrmannsstein nach Goldenstein und auf dem Glatzer Schneeberge. Jg. ineisa Schrad. Auf modernden Stämmen in den Wäldern unter- halb der Schäferei. .Jg. minuta Craniz. 2 protracla. Felsen im Kessei am Peterstein und Backofen. Steril. | Jg. barbata Schreb. A. Altenuata Mart. Steine am Oppa-Falle - B. Flörkei N. ab E. 1. densifolia. Auf Waldboden am Wege von Karlsbrunn zur Schäferei; Tafelsteine auf dem Altvater, Peter- stein und Backofen, hier auch mit Keimkörnern. Die Formen U. & und II. $ schwimmend in Moortümpeln zwischen dem Alt- vater und rothen Berge und am grossen See zwischen Köpernik und Fuhrmannsstein. D. Lycopodioides N. ab E. Faulende Baumstümpfe am Oppa-Falle. Die Form y erispa an Stämmen auf der Schieferhaide, zwischen Altvater und rothem Berg, Knoblich-Brunnen am Altvater und im Marchthale am Glatzer Schneeberge, F. Quinquedentata N. ab E. Felsen im Kessel, am Peterstein, Back- ofen, Tafelsteine auf dem Altvater und Mariannenfels am Glatzer Schneeberge. Jg. catenulata Hüb. Mit Perianth. auf moderndem Holze umgestürzter Stämme in den Wäldern unterhalb der Schäferei, ferner am Oppa- Falle und am Glatzer Schneeberge. Jg. bieuspidota N. ab E. A. «. Auf Waldboden, an faulendeır Stämmen nnd über Sphagnen am Wege von Karlsbrunn zur Schäferei, Tafelsteine am Altvater; A. & viridis auf Fusswegen im Marchthale am Fusse des Glatzer Schneeberges; A. «& fusca: auf Erde auf der hohen Haide. A. y $ uliginosa auf sumpfigem Waldboden unterhalb der Schäferei. — B. ß coneinna auf trockenem Moorboden am Peter- stein oberhalb des Oppa-Falles mit Se, irrigua, Fusswege auf dem Glatzer Schneeberge. Jg. connivens Dicks. c, per. an faulenden Baumstämmen unterhalb der Schäferei, 36) 37) Jahres-Bericht ‚Jg. trichophylla L. Auf Erde, an Stämmen und über Felsen sowohl am Fusse, als auf den höchsten Kämmen des Gebirges an vielen Standorten gesammelt. Lophocolea bideniata N. ab E. In den Wäldern um Karlsbrunn. Lophoecolea heterophylla N. ab E. & communis. Reichlich mit Perianth. auf Waldboden, über Baumwurzeln, am Grunde alter Stämme in den Wäldern um Karlsbrunn, am Oppa-Falle unterhalb der Schäferei, auf dem Kamme zwischen Altvater und rolhem Berg und im March- _ thale. Harpanthus Flotowianus N. ab E. Versumpftie Ufer der Oppa- Quell- bäche unterhalb der Schäferei 2 Ex. 22. Juli 1570; am Oppa-Falle und beim Knoblichbrunnen am Altvater. Chiloscyphus polyanthus Corda. Am ÖOppa-Falle und im Marchthale um die Quarklöcher; ß rivularıs in den Oppa-Quellbächen unterhalb der Schäferei, 5 häufig am Wölfelsfalle am Glatzer Schneeberge. Calypogeia Trichomanis Corda. © communis. Auf Waldboden am Wege von Karlsbrunn zur Schäferei und am Oppa-Falle; über Sphagnen unterhalb der Schäferei; auf zersetztem Glimmerschiefer im Kessel; Hohlwege im Absteigen vom Fuhrmannsstein nach Golden- stein; @ 2 repanda über Moosen im Kessel. Lepidozia reptans N. ab E. Häufig au allen Baumstümpfen bis zu den Kämmen. Mastigobryum irilobatum N. ab E. In den Wäldern bei Karlsbrunn. Steril. Mastigobryum deflexum N. ab E. Felsen am Oppa-Falle. Steril. Bei Wölfelsgrund am Glatzer Schneeberge. Ptilidium eiliare N. ab E. & commune. Baumstämme am hohen Falle (Oppa), Tafelsteine auf dem Altvater, auf Erde im Kessel; « 2 ericetorum: Schwimmend in Moor-Tümpeln zwischen Köpernick und Fuhrmannsstein. Me Radula complanata Dumort. An Buchen in den Wäldern um Karls- brunn und an Felsen im Kessel. Madotheca platyphylla Dum. An Laubholzstämmen und Felsblöcken in den Wäldern um Karlsbrunn, auch an Buchen unterhalb des Fuhr- mannssteines. e Madotheca rivularis N. ab E. Feuchte Glimmerschiefer-Felsen im Kessel, sehr häufig an den trockenen Felsen des Petersteins. Lejeunia serpyllifolia Libert. Felsen im Kessel und am Oppa-Falle. Frullania dilatata N. ab E. Von vielen Standorten sowohl an Baum- stämmen als an Felsen. Frullania Tamarisci N. ab E. An den Felsen des Petersteins häufig. Pellia epiphylla N. ab E. Am Bachufer zwischen Ludwigsihal und Karlsbrunn; Oppa-Quellbäche unterhalb der Schäferei. der Schles. Gesellschaft f, vaterl, Cultur, 81 52) Metzgeria furcala N. ab E. Felsen am Oppa-Falle, am Petersteine und im Kessel. 53) Marchantia polymorpha L. B. alpestris ce. fret. Am Peterstein, am Mauerwerk der Schäferei und an den Oppa-Quellbächen unterhalb der Schäferei. 54) Preissia commutala N. ab E. « major ce. fret. An Glimmerschiefer- felsen im Kessel und von Herrn R. Fritze schon früher an der Strasse über den rothen Berg gesammelt. 55: Fegatella conica Corda. An Felsen im Kessel. Steril. 56) Fimbriaria pilosa Taylor. Auf zersetztem Glimmerschiefer in Fels- spalten des Kessels unterhalb des Mohra-Falles mit schönen Früch- ten, gesellig mit Preissia. Am 23. Juli 1870. Anhang: Neue schlesische Lebermoose. Durch das Eıscheinen der Naturgeschiehte der Europäischen Leber- moose (1838) wurden 120 schlesische Arten bekannt. Die Synopsis Hepa. tienrum (1844) vermehrte dieselben mit Frullania fragilifoia Taylor (Kynast) und Duvalia rupesiris N. ab E. (Arsenikbergwerk im Riesengrunde) zog dagegen Jungerm. anomala Hook als var. y zu Jg. Taylori Hook. Später vereinigte auch Dr. Gottsche die Jg. Mülleri mit Jg. acuta. Seit jener Zeit bereicherte Herr Prof. Milde das Gebiet mit Jung. Mildeana Gottsche (Nimkau und Hasenau bei Breslau) und Chamaeceros fertilis Milde (Gräfen- berg). Heut treten ausser Jg. Hornschuchiana und Sc. aequiloba noch hinzu: Jungermannia Michauxia Web. (Nach Dr. Gottsche synon. mit Jg. densa N. ab E. Hep. Eur. II. pag. 143 et Jg. minuta Dicks. Var. 1 ß. Procera N. ab E. Hep. Europ. II. pag. 444). Mit schönen Früchten an den Adersbacher Sandsteinfelsen im Juni 1867, später auch an den Quader - Sandstein - Felsen im Buchholz bei Löwenberg c. per. gesammelt. Sarcoscyphus densifolius N. ab F. Steril im Riesengebirge an Felsen im Riesengrunde 26. Juli 1869. s Blyttia Lyellü Endl. $. Auf einer torfigen Wiese in der Nähe des Bahn- hofes Nimkau bei Breslau (Prof. Milde am 7. Juli 1870); am rothen Wasser bei Grünberg (Hellwig 28. Aug. 1870). Es beläuft sich demnach die Gesammtzahl der aus Schlesien bekann- ten Lebermoose auf 127, eine verhältnissmässig hohe Ziffer, der aller- dings naeh Mittheilungen des Herrn Dr. Gottsche durch das Vereinigen von Jg. ventricosa, porphyroleuca und exeisa, von Jg. Starckii und divari- cata, von Jg. pumila und Zeyheri ete. eine starke Reduction droht, falls nieht durch spätere Nachforschung noch Ersatz aufgefunden wird. 6 £ Ser aa Mi ee 82 Jahres-Bericht Herr Geheimrath Professor Dr. Göppert legte ungewöhnlich grosse Beeren eines Juniperus vom Donnersberg vor, die von denen des ge- wöhnlichen Wachholder so abweichen, dass mau eine andere Art ver- muthen möchte. Der Secretair Professor Cohn theilte: mit, dass er das Wasser aus dem Brunnen Grosse Rosengasse 14, welcher die ganze dor- tige als Herd typhöser Epidemien berüchtigte Gegend ver- sorgt, seit dem vorigen Jahre fast alle Monate mikroskopisch untersucht und seine Befunde in den von ihm herausgegebenen Beiträgen zur Bio- logie der Pflanzen Heft I. Bresiau, Max Müller, 1870, veröffentlicht habe. Bis Anfang dieses Jahres habe das Wasser noch die frühere Beschaffen- heit gezeigt, zwar belebi von verschiedenen Infusorien, Algen und Pilzen, aber verhältnissmässig klar. Aufmerksam gemacht durch Herin Univer- sitäts-Zeichner Assmann, habe er am 10. März sich wieder 2 Flaschen dieses Brunnens holen lassen und nun eine Verderbniss dieses Wassers constatirt, wie ihm dieselbe in Breslau noch nicht vorgekommen. Das Wasser ist nämlich jetzt trübe, nicht durchsich- tig und wimmelt von zahllosen Bacterien, Vibrionen, Spirillen, Monaden und anderen Gährungsinfusorien; im Wasser schwimmen farblose und geibe Flöckehen, aus Mycelien von Schimmelpilzen gebildet; ununter- brochen entwickeln sich Gasbläschen aus dem Wasser und sammeln sich schliesslich als Schaum auf der Oberfläche, wie bei einer Gährung. Das Wasser hat einen widrig-modrigen Geruch; in der einen Flasche, welche dieht verpfropft ward, um die aufsteigenden Gase zurückzuhalten, zeig- ten diese in Kurzem einen unerträglichen Gestauk; gleichzeitig fing das Wasser an sich schwarz zu färben und verwandelte sich allmählich in eine dintenähnliche Flüssigkeit. Offenbar war das aus dem Wasser auf- steigende Gas Schwefelwasserstoff, resp. Schwefelammonium, welches mit dem im Wasser enthaltenen Eisen sich verbindend, letzteres als schwar- zes Schwefeleisen ausfülltee Ein solcher Zustand erweist, dass das Trinkwasser der Rosengasse 14 gegenwärtig die Beschaffen- heit einer in Fäulniss begriffenen Infusion hat und daher als Getränk unzweifelhaft nicht zulässig ist. Diese Beobach- tung hat zugleich constatirt, dass in den Verhältnissen eines Brunnens zeitweise totale Veränderungen, insbesondere seiner mikroskopischen und chemischen Zusammensetzung erfolgen können, welche auch auf die ge- sundheitlichen Eigenschaften nieht ohne wesentliehen Einfluss sein können. Die Ursache der gegenwärtigen Verderbniss des Brunnens ist noch nicht ermitielt, eine gründliche sanitätspolizeiliche Untersuchung und Abhilfe im Interesse der Gesundheit nicht bloss jener Gegend, sondern der ganzen Stadt dringend erforderlich. *) *) Die Fäulniss des Brunnenwassers hielt an bis zum Mai, worauf sich das der Schles. Gesellsch, £. vater!. Cultur, 833 Hierauf entwickelte derselbe die Grundzüge einer neuen natürlichen Anordnung der kryptogamischen Pflanzen. Die herkömmliche Eintheilung ist grossen Theils traditionell aus Zeiten überkommen, wo Anatomie und Entwicklungs - Geschichte noch wenig erforscht waren; sie giebt Gruppen, welche wie „Gräser, Bäume, Kräuter zumeist äusserliche Merkmale berücksichtigen. Als ein Versuch eines natürlichen Kryptogamen-Systems möge die nachfolgende Uebersicht gelten, welche zuerst in der Hedwigia (Januar 1872) veröffentlicht, hier mit einigen Abänderungen wieder abgedruckt wird. Ciassis I. Thallophytae. A. Gymnogonidiae. Ordo l.!) Schizosporeae.?) Fam. 1. Bacteriaceae (Schizomycetae). Fam. 2. Chroococcaceae. Fam. 3. Öscillariacege. Fam, 4. Nostocaceae. Fam. 5. Rivulariaceee. Fam. 6. Scytonemaceae. Fam. 7. Sirosiphonaceae. Ordo Il. Zygosporeae. Fam. 1. Diatomaceae. °) Fam. 2. Desmidiaceae. Fam. 3. Zygre- maceae. Fam. 4. Mucoraceae. Ordo Il. Basidiosporeae. Sectio I. Hypodermiae.*) Fam. 1. DOstilaginaceae. Fam. 2. Uredinaceae. Sectio 2. Basidiomycelae. Fam. 3. Tremellaceae. Fam. 4. Hymenomycetae (Agaricaceae). Fam. 5. Gasteromycetae (Lycoperdaceae). Ordo IV. Ascosporeae. Fam. 1. Tuberaceae. Fam. 2. Onygenaceae. Fam. 3. Erysiphaceae. Fam. 4. Pyrenomycetae (Sphaeriaceae.) Fam. 5. Discomycetae (Helvellaceae). Fam. 6. Lichenes (excel. Collemaceis). °) Ordo V. Tetrasporeae (Florideae).®) Fam. 1. Bangiaceae. Fam. 2. Dictyotaceae.e Fam. 3. Ceramiaceae. Fam. 4. Nemaliaceae. Fam. 5. Lemaniaceae. Fam. 6. Sphaerococcaceae. Fam. 7. Melobesiaceae. Fam. 8. Rhodomelaceae. Wasser wieder klärte und eine annähernd normale Beschaffenheit zeigte. Gleich- zeitig mit der Verderbniss des Wassers wurde die dortige Gegend wieder von einer Fieberepidemie heimgesucht. Cohn. 6* > 54 - Jahres-Bericht B. Trichogonidiae. Ordo VI. Zoosporeae.?) Fam. 1. Chytridiaceae. Fam. 2. Palmellaceae. Fam. 3. Confervaceae. Fam. 4. Ectocarpaceae. Fam. 5. Sphacelariaceae. Fam. 6. Sphorochnaceae. Fam. 7. Laminariaceae. Ördo VII. Oosporeae. Ri Fam. 1. Volvocaceae. Fam.. 2. Peronosporaceae. Fam. 3, Saproleg- niaceae. Fam. 4. Siphonaceae. Fam. 5. Sphaeropleaceae. Fam. 6. Oedo- goniaceae. Fam. 7. Coleochaetaceae. Fam, 8. Tilopterideae (?). Fam, 9. Fucaceae. Classis II. Bryophytee. Ordo I. Phycobryae. Fam. 1. Characeae.?) Ordo I. Mausci.’) Fam. 1. Riceiaceae. Fam. 2. Phascaceae. Fam. 3. Monocleaceae. Fam. 4. Marchantiaceae. Fam. 5. Jungermanniaceae. Fam. 6. Andreaeaceae. Fam. 7, Sphagnaceae. Fam. 8. Anthoceraceae. Fam. 9. Bryaceae. Classis II. Pieridophylae. !") Cohors I. Trichosporangiae. Ordo Tl. Rılnces. Fam. 1. Dymenophyllaceae. Fam. 2. Gleicheniaceae. Fam. 3. Schi. zaeaceae. Fam. 4. Osmundaceae. Fam. 5. Polypodiaceaee Fam. 6. Cya- theaceue. Ordo Il. Rhizocarpeae. Fam. 1. Salviniaceae. Fam. 2. Pilulariaceae. Cohors I. Phyllosporangiae. Ordo I. Strobilopterides. Fam. 1. Maratliaceae. Faın. 2. Equiselaceae, Fam. 5. Ophioglossaceae. Fam. 4. Lycopodiaceae. ; Ordo II. Selagines. Fam. 1. Isoetaceae. Fam. 2. Selaginellaceae. Der von mir hier veröffentlichte Versuch einer natürlichen Ordnung der Kryptogamen geht zunächst von der Anschauung aus, welche im System der Phanerogamen ohne Widerspruch durchgeführt ist, dass nur Merkmale der Fortpflanzung und Entwiekelungs-Geschiehte bei der Auf- stellung der höheren Abtheilungen (Klassen, Ordnungen) massgebend sind, während die aus dem Habitus, den Vegetationsorganen, der Anatomie der Schles. Gesellsch. f. vaterl, Cultur, 85 und der Lebensweise eninommenen Kennzeichen von secundärer Bedeutung sind und nur bei den Unterabtheilungen berücksichtigt werden können. Es fällt allerdiugs schwer, diesen Grundsatz überall consequent durch- zuführen, da er zu den radicalsten Veränderungen der üblichen Anord- nung zwingt; doch kann offenbar keine Anordnung als natürlich gelten, welche zwei Pflanzenformen weit auseinander reisst, die sich nieht durch ihre Fortpflanzung unterscheiden, oder umgekehrt Formen von verschieden- artiger Entwickelung wegen blosser äusserer oder anatomischer Aehnlich- keit verbindet. Wir müssen eben daran festhalten, dass die verschiedenen Typen der Fortpflanzung und Entwickelung der Pflanzen sich in Formen- kreisen entfaltet haben, welche die verschiedenarligsten Stufen der vege- tativen Geslaltung von den einfacheren bis zu den zusammengesetzteren durchlaufen; dies lässt sich besondeıs klar bei den Florideen nachweisen, bei denen eine sehr charakteristische Fortpflanzungsweise sich in Pflanzen von. dem einfachsten eonfervenartigen Bau (Callithamnion) wie in den höch- sten Gattungen mit gesonderten Achsen und Blattorganen und: mit compli- eirter Anatomie darstellt. Ebenso finden wir bei den Moosen eine sehr wannigfaltige Stufenreihe vegetativer Entwickelung bei grosser Ueberein- stimmung in der Fortpflanzung — freilich wird in den üblichen Systemen, welehe Laub- und Lebermoose auseinanderhalten, eine künstliche Tren- nung der nächstverwandten Familien festgehalten. Die drei grossen Classen, welche ich als Thallophyten, Bryophyten und Pteridophyten bezeichnet, scheinen mir in der That drei verschiedenen Stufen der Pflanzenentwickelung zu entsprechen; die von mir gewählten Benennungen habe ich gerade darum den bisher üblichen vorgezogen, weil sie nur ganz allgemeine Verwandtschaftsbeziehungen andeuten, ohne einem einzelnen Merkmal ausschliessliche Bedeutung beizumessen. Bei den Thallophyten habe ich die allein auf die Fortpflanzung begründete Eintheilung möglichst consequent durchführen zu müssen geglaubt und deshalb die übliche Dreitheilung in Algen, Pilze und Flechten als eine blos auf seeundären (vegetativen resp. physiologischen) Merkmalen be- ruhende aufgegeben. Bei den Thallophyten scheinen mir zwei verschie- dene Typen zu unterscheiden, deren wichtigster Charakter in der An- wesenheit oder dem Mangel von Flimmercilien bei der Fortpflanzung ausgedrückt ist; die Abtheilung, deren Fortpflanzungszellen der Cilien entbehren, bezeichne ich als Gymnogonidiae, die mit solehen Bewegungs- organen versehenen als Trichogonidiae.e Dass ich gerade auf diesen Charakter solchen Werth lege, hängt mit der Auffassung zusammen, welche ich nach Darwin’scher Anschauung von der Entwickelung des gesammten Pflanzenreichs habe, die jedoch auszuführen hier nicht der Ort ist; es scheint mir die bewimperte Schwärmzelle der gemeinschaft- liehe Ausgangspunkt für das Thier- und Pflanzenreich zu sein, die für ihre Entwiekelung auf das Wasser angewiesen ıst, aus dem, wie wir an- in I EI n y u Ye $ ; i pl r er Ex 9 € RENNER, 86 Jahres-Bericht nehmen dürfen, alles Leben hervorgegangen, im Pflanzenreich ist der Schwärmzellenzustand nur in den niedersteun Formen ein länger dauern- der (Volovocaceae, Palmellaceae), bei den höheren Pflanzen ist er vorüber- gehend, entweder nur bei der geschiechtslosen Fortpflanzung (Zoosporeae) oder gleichzeitig auch bei der geschlechtlichen (Oosporeae) erhalten; letz- tere schliessen sich eng an die Moose und Farne, mit denen sie die be- wimperten (männlichen) Fortpflanzungszellen gemein haben; bei den Pbanerogamen ist der Schwärmzellen-Zustand ganz verschwunden. Die Fortpflanzungszellen der von mir als Gymnogonidiae bezeichneten Thallophyten entbehren der eigentlichen Bewegungsorgane (Cilien), aber nicht der Bewegung; dieselbe wird vielmehr in vielen Familien (Bacterien, Diatomeen, Oscillarien) äusserst lebhaft, obwohl deren Ursache sich noch nicht hinreichend sicher hat ermitteln lassen; diese Pflanzengruppe scheint mir einer niederen Stufe zu entsprechen, die auch nach dem Thierreiche ‚hin sich fortsetzen lässt, indem sie sich an die Rhizopoden und deren Verwandte anschliesst. In Bezug auf die Zahl der Familien habe ich mich an die üblichen Systeme gehalten, obwohl dieselben weit entfernt sind, wahrhaft natürlich zu sein; nur monographische Forschungen können hier ein gewisses Gleichge- wicht! sowie eine wirklich natürliche Abgrenzung der Familien ergeben. Eine besondere Schwierigkeit ergiebt sich daraus, dass viele Familien nicht bloss nach einer einzigen, sondern nach mehreren Richtungen hin Verwandt- schaft zeigen; in der linearen Reihe, wie sie in einem System nicht um- gangen werden kann, werden daher stets künstliche und selbst willkür- liche Anordnungen sich ergeben. In Bezug auf die einzelnen von mir gebildeten Gruppen lasse ich einige kurze Erläuterungen folgen, indem ich den Wunsch ausspreche, dass dieselben zu einer Prüfung der von mir berücksichtiglen Prineipien und demnächst zur Anbahnung einer wahrhaft natürlichen Anordnung der Kryptogamen Anregung geben möchten. 1) Die Myxomyceten habe ich hier uese He weil mir die- selben einer abweichenden Verwandtschaftsreihe, den Rhizopoden, anzu- gehören scheinen; vielleicht lassen sie sich als eine eh Seiten- gruppe der Spongien auffassen. 2) Die Schizosporeae sind durch Mangel eigentlicher For organe und eine blos vegetative Vermehrung, durch Quertheilung ihrer Zellen, eharakterisirt; zu den Schizomyceten gehören die Bacterien, nicht die Hefenpilze; sie unterscheiden sich von den Chroococcaceae fast nur durch ihre Bewegung und die Farblosigkeit, so dass sie a Weise mit diesen hätten vereinigt werden müssen. 3) Ob die Diatomaceae hier ihre riehtige Stellung finden, Kai zweifel- haft sein; das Austreten einer contraetilen Protoplasmalamelle durch den Spalt der Kieselschale scheint auf eine Verwandtschaft mit den Rhizo- der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur. 87 poden hinzudeuten;, ich habe hier das Hauptgewicht auf die auch nach den neuesten Forschungen von Pfitzer und Schmitz bei vielen Arten noch festgehaltene Bildung der Auxosporen durch Copulation gelegt, andererseits schien mir ihre Bewegung eine Verwandtschaft mit den Öseillarien anzudeuten. 4) Die Hypodermiae de Bary scheinen mir durch die Fortpflanzung nicht genügend als eine den übrigen Pilzordnungen aequivalente Gruppe unterschieden und ich habe sie daher nur als Section der Basidiosporeae aufgenommen. Die Uredineae schliessen sich unmittelbar an die T’remella- ceae; die Familie der Gasteromycetae vereinigt so verschiedenartige Fort- pflanzungsformen, dass sie wohl in mehrere Familien zerlegt werden müsste. 5) Dass ich die Lichenen nicht mit Schwendener und Sachs als selbstständige natürliche Familie aufgegeben, liegt daran, weil ich mich, irotz der für die Deutung derselben als Consortien von Algen und Pilzen sprechenden Gründe, noch nicht von der Natürlichkeit dieser Auffassung über- zeugen konnte. Mir sind keine Algen bekannt, die sich durch den Einfluss eines Pilzes in Usneen, Cladonien, Cetrarien ete. verwandeln könnten. Nur für die Collemaceen scheint mir durch De Bary, Schwendener Rees der Parasitismus höchst wahrscheinlich gemacht. Consequenter Weise müssten freilich die Lichenen in zwei Familien zerlegt werden, welche, .den Pyreno- myceten und Discomyceten entsprechend, die Gattungen mit angiocarpischen und gymnocarpischen Apothecien unter sich vertheilen; oder es müssten vielmehr, da eben der Thallus der einzige specifische Charakter der Flech- ten ist, die kernfrüchtigen Flechten zu den Pyrenomyceten, die scheiben- früchtigen zu den Discomyceten als Sectionen eingeordnet werden. 6) Ueber die Stellung der Florideen in der Nähe der Ascomyeeten, mit denen auch ihre Befruchtung durch Trichogyne und Spermatien über einstimmt, habe ich mich anderweitig ausführlicher geäussert. Die von mir hier aufgeführten Familien sind willkürlich ausgewählt und entsprechen keineswegs einer natürlichen Ordnung; doch legen alle bisherigen Systeme ein viel zu grosses Gewicht auf die anatomischeu uud morphologischen Verschiedenheiten des Thailus; ein consequent auf die Fructification ge- gründetes Florideensystem wird noch vermisst. = 7) Die Unterscheidung der Zoosporese und Oosporeae beruht darauf dass unter letzter Ordnung eben alle Familien mit Eiern oder Oosporen zusammengefasst sind, bei der ersteren nur geschlechtslose Schwärm-, aber keine befruchteten Oosporen bekannt sind. Ob nicht in Zukunft beide Ordnungen zu vereinigen und vielleicht nur die Fucaceen wegen ihres eigenthümlichen Fortpflanzungstypus abzusondern sind, ist abzu- warten. Es lässt sich allerdings nicht leugnen, dass durch die Pringsheim’sche Entdeckung der Copulation der Schwärmsporen der Begriff der Oosporen . Y7 ss .Jahres- Bericht (befruchteter Eier) in manchen Gattungen und daher auch- ihre systema- tische Stellung zweifelhaft geworden ist. Ob die Tilopteridae wirkliche Eier besitzen, ist auch noch nicht ausgemacht, da die Untersuchungen von Thuret und Aschkenasi noch der Vervollständigung bedürfen. Die Fucaceae nehmen insofern eine eigene Stellung ein, als ihnen die ge- schlechtslosen Zoosporen fehlen; dasselbe findet auch bei den Sphaero- pleaceae statt, 8) Auch nach den neuesten Entdeckungen De Bary’s über die Be- fruchtung der Charen scheint mir deren Stellung unter den Bryophyten gerechtfertigt, wenn sich auch nicht bezweifeln lässt, dass sie eine Ueber- sangsform zu den Thallophyten darstellen. Es scheint mir als Produet der Befruchtung bei den Charen eine Sporogonie der rudimentärsten Ent- wickelung hervorzugehen, die als Maerospore auftritt; vielleicht lassen sich die „Wendungszellen“ als verkümmerte Schwesterzellen der Maero- spore auffassen, aus einer typischen Viertheilung der Eizelle hervorge- sangen. Die sehr einfache Bildung der Sporogonien bei den Phascaceen (Archidium) und Riceiaceen mit ihren wenig zahlreichen grossen Sporen und der nicht zur Ausbildung kommenden oder später verschwindenden Kapselwand bietet den Uebergang von den Charen zu den eigent- lichen Moosen. 9) Die Zweitheilung der Laub- und Lebermoose scheint mir keine wahrhaft natürliche, da sämmtliche Familien der Moose mir nur eine ein- zige Reihe darzustellen scheinen. Dass auf die vegetative Entwickelung in Thallus oder beblätterte Achsen kein Gewicht zu legen, ergiebt schon eine genauere Vergleichung der Jungermanniaceen und Marchanliaceen, die unmittelbar zusammengehören. In einem ähnlichen Verhältniss naher Verwandtschaft scheinen mir die Riceiaceen und Phascaceen zu stehen, wobei natürlich nicht die Vegetationsorgane, sondern die Uebereinstim- mung in der Entstehung und Entwickelung der Sporogonie entscheidend ist. Die Stellung der Andreaeaceae und Sphagnaceae zu den Jungermannia- ceae ist durch die neueste Monographie von Kühn sichergestellt. - Die Anthoceroteae scheinen mir wegen der Columella und des Mangels der Schleuderer nicht 'an den Anfang, sondern an das Ende der Moosreihe zu gehören. 10) Die Eintheilung der Pteridophyten scheint mir darum ganz be- sonders schwierig, weil diese Klasse nur ganz unvollständig in unsere lebende Flora sich hinübergerettet hat. Würden wir die Fortpflauzung und Entwickelungsgeschichte der ausgestorbenen Planzengeschlechter aus der palaeozoisehen und secundären Epoche kennen, so würden uns ohne Zweifel zahlreiche Zwischenglieder zwischen den gegenwärtig äusserst isolirt stehenden, meist nur von einer oder wenigen Gattungen gebildeten Familien der sogenannten Gefässkryptogamen, sowie zwischen diesen, den Gymnospermen und Angiospermen bekannt sein, welche über Br a u nl a ln a Alu la a m der Schles. Gesellsch. f, vaterl, Cultur, 89 den Werth ilırer wechselseitigen, zum Theil nur duukel angedeuteten Ver- wandtschaftsbeziehungen Aufschiuss gewähren könuten. Ich habe hier, abweichend von Sachs, nicht Heterosporen und Isosporen als die beiden Hauptgruppen unterschieden, sondern die Pteridophyten in zwei Cohorten getheilt, je nachdem ihre Sporangien Triehomgebilde oder metamorpho- sirte Blattsegmente, nach Art der Pollensäckchen von Staubblättern sind; letzterer Charakter giebt, wie schon Mohl zeigte, den nächsten Anschluss an die Blüthen der Gymnospermen. Beide Cohorten schliessen je eine Ordnung mit gleichartigen und ungleichartigen Sporen ein; ich habe des- halb an die eigentlichen Farne die Rhizokarpeen angersiht, dabei Russow folgend; die von mir begründete Ordnung der Zapfenfarne (Strobilopte- rides), zu denen ich die Marattiaccen nach der Structur der, Sporangien steilen möchte, führt zu den Selaginellen hinüber; die letztere als beson- dere Familie von den eigentlichen Lycopodien abzutrennen, scheint mir, auch abgeschen von der Heterosporie, durch ihre ganze Entwickelung gerechtfertigt; die Auffassung der lsoöten als selbstständige Familie scheint mir ebenso durch die Entw’ckelung des Embryo’s wie durch ihre mono- eotylische Keimung begründet, trotz ihrer nahen Verwandtschaft mit den dico'ylisch keimenden Selaginellen, bei denen ausserdem die Entstehung des Embryo’s so wesentlich abweichend ist, dass sie eben nur bei den Coniferen ihr nächstes Analogon- findet. Zweite ausserordentliche Sitzung der botanischen Section und Wander. versammlung der schiesischen Botaniker auf Ulbrichshöhe bei Reichen- bach am 21. Mai 1871. Nachdem in der Versammlung zu Königszelt vom 26. Mai 1870 zur Förderung eines innigeren Verkehrs unter den Freunden der schlesischen Pflanzenwelt die alljährliche Wiederkehr einer ausserordentlichen Sitzung der botanischen Section der schlesischen Gesellschaft für vaterländische Cultur besehlossen worden, wurde durch die Herren Geheimrath Professor Göppert, als Pıäses der schlesischen Gesellschaft und Professor Cohn, als Seeretair der botanischen Section, die zweite \Vanderversammlung schlesischer Botaniker auf Sonntag, den 21. Mai nach der Ulbrichshöhe bei Reichenbach einberufen. In Folge dieser Einladung hatten sich am bestimmten Tage die nachstehenden Herren im schönen Saale der eine Meile von Reichenbach entferuten, am Fuss der hohen Eule gelegenen Ulbrichshöhe versammelt: Tramnitz, Forstmeister in Breslau, Peck, Kreisgerichts-Director in Schweidnitz, Hoeger, Conrector an der Realschule in Landeshut, R. Peck, Apotheker in Görlitz, C. Struve, Apotheker in Görlitz, Dr. Böttcher, praktischer Arzt in Görlitz, J. Zimmermann, Lehrer in Striegau, © 90 Jahres-Bericht Rupp, Lehrer in Schweidnitz, Dr. Buch aus Breslau, Max Müller, Verlagsbuchhändler in Breslau, E. J. Müller, Stadtrath in Breslau, Merkel, Lehrer in Breslau, Dr. W. Richter, Realschullehrer in Breslau, Dr. M. Friebe, Realschullebrer in Reichenbach, E. Junger, Gärtner in Breslau, B. Stein, Gärtner in ‚Breslau, R. Fritze, Apotheker in Rybnik, C. Trautmann, Oeconom in Nicolausdorf, 8. Ullbrich, Apotheker in Reichenbach i. Schl. Dr. P. Pinzger, Realschul-Oberlehrer in Reichenbach »i. Schl., T. Ciesielski, Dr. philos. in Breslau, Georg David, Student in Breslau, Oscar Kirchner, stud. phil. in Breslau, Dr. Dieck, Lehrer in Liegnitz, J. Gerhardt, Lehrer in Liegnitz, W.G. Schneider, Dr. phil. in Breslau, H. Hüttig, Gymasiallehrer in Schweidnitz, Dr. Körber, Professor in Breslau, Professor Cohn in Breslau, Dr. Stenzel in Breslau, Gehbeimrath Professor Dr. Göppert in Breslau, G. Limpricht, Lehrer an der Mittelschule in Breslau, Oscar Cohn, Kaufmann in Breslau, re Dr. Brettschneider in Ida-Marienhütte bei Saarau, v. Thielau auf Lampersdorf, Dr. M. Traube in Breslau, Backe, Chemiker in Saaran, Th. Riehters, Chemiker in Saarau, Julius Mülier, Apotheker in Breslau, Rud. Ende, Apotheker in Grotikau, Wolf, Lehrer in Ober-Langenbielau, W. Roth, Weber in Langenbielau, A. Michael, Lehrer in Waldenburg, E. Leisner, Lehrer in Waldenburg, Carl Püschel, Gymnasiallehrer in Waldenburg, Sonntag, Apotheker in Wüstewaltersdorf, Hermann Werner, Apotheker in Breslan, W. Bluhm, Apotheker in Breslau, E. Just, Chemiker in Saarau, C. Knebel, Wundarzt in Breslau, 2 R der Schles. Gesellsch. £. vaterl. Cultur. 9] C. Stenzinger, Apotheker in Breslau, Stoll, Direktor des Kgl. pomolegischen Instituts in Proskau. Professor Dr. Poleck in Breslau, Professor Dr. Förster in Breslau, Dr. Köbner in Breslau. Hierzu in Reichenbach: Pfarrer Spät in Költschen bei Schweidnitz, Lehrer Krail in Költschen bei Schweidnitz, Graf Pilati-Reichenbach Die Sitzung wurde um 10 Uhr durch Herrn Geheimrath Professor Dr. Göppert mit einer Ansprache eröffnet, in welcher er Ursprung und Zweck der gegenwärtigen Versammlung auseinandersetzte und Herrn Forstmeister Tramnitz (Bresiau), sowie Herrn Kreisgerichts - Direetor Peek (Schweidnitz) zu Vorsitzenden vorschlug. Herr Dr. Stenzel (Breslau) übernahm das Amt des Schrififührers. Professor Cohn (Breslau) begrüsste die Anwesenden im Namen der botanischen Section und berichtete sodann über die eingegangenen Schrei- ben, insbesondere der zoologisch-botanischen Gesellschaft in Wien und der naturforschenden Gesellschaft zu Görlitz. Die Leiztere hatte die Herren Apotheker Struve und Peck, sowie Herrn Dr. Böticher als Vertreter zur Sitzung entsendet und gleichzeitig zu der am 3. Pfingst- feiertag, 30. Mai, in Görlitz staitfindenden Versammlung des botanischen Vereins der Provinz Brandenburg eine Einladung an die Mitglieder der schlesischen Gesellschaft, sowie an die auf Ulbrichshöhe versammelten Botaniker erlassen. Eine gleiche Einladung war auch von Seiten des botanischen Vereins der Provinz Brandenburg durch dessen Schriftführer Herrn Dr. P. Ascherson (Berlin) erlassen und die Programme der Ver- sammlung zur Vertbeilung eingesendet worden. Der Secretair der natur- forschenden Gesellschaft der Lausitz, Herr Struve (Görlitz), wiederholte persönlich diese Einladung. Demzufolge ist Herr Professor Körber von dem Präsidium der schlesischen Gesellschaft nach Görlitz deputirt worden. Die Verhandlungen selbst wurden von Herrn Apotheker Fick (Reichenbach) durch einen Vortrag über die geoguostischen und bota- nischen Verhältnisse des Eulengebirges eingeleitet. Derselbe ist in den Sehlesischen Provinzialblättern 1871 erschienen. : Der Pflanzenwuchs ist im Allgemeinen der des übrigen Vorgebirges. Als eigenthümliehe Pflanzen wurden im Thal von Langenbielau Viola b:- ‚flora uud die durch Weber Roth in Langeubielau, welcher der Ver- sammlung beiwohnte, auf Pelusites schmarotzende Qrobanche flava hervor- gehoben. Herr Kreisgerichts Direetor Peek (Schweidnitz) führle noch Ayper:- eum Veronense aus dem Weistritzthal, 1500 Fuss hoch, an. Herr von 92 Jahres-Bericht Thielau (Lampersdorf) hatte schr interessante Wachsthumsstücke aus seinen herrlichen Waldrevieren ausgestellt, welehe am Ende der Sitzung in Augenschein genommen wurden. — Herr Geheitnrath Prof. Göppert hielt einen durch zahlreiche Demonstrationen erläuterten Vortrag über die inneren bisher unbekannten Zustände beim Veredeln der Bäume; dieser Vortrag wurde, vervollständigt am 24. Januar 1872 der Gartenbansection mitgetheilt, worauf wir hier verweisen. Herr Lehrer Rupp (Schweidnitz) bemerkte, dass ein Frostriss in einer Linde in Ober - Weistritz durch wiederholtes Fortschneiden der Rinde zum Verwachsen gebracht worden sei. Herr Forstmeister Tramnitz (Breslau) sprach über Forstzuwachskunde und die praktische Bedeutung und Anwendung ‚des Pressler’schen Zuwachsbehrers. Gestalten Sie mir, meine Herren, das Wort, nicht um einen wissen- schaftlichen Vortrag zu halten, sondern um Ihnen eine einfache Mitthei- lung zu machen, wozu ich mir aber doch erlauben muss, eine kurze einleifende Auseinandersetzung vorauszuschicken. Bekamntlich setzen die Bänme alljährlich an der Peripherie des Stammes und der Aeste eine neue Holzschieht an — den sogenanuten Jahresring. Die einzelnen Jahresringe bleiben auf Querschnitten von ge- sunden Bäumen bis zu deren erstem Lebensjahr zurück in ihren Grenzen deutlich zu erkennen, so dass man hiernach das Alter jeder Holzpflanze sicher bestimmen kann. Für den Forstmann ist es nun von besonderer Wichtigkeit, die Stärke der äusseren jüngeren Jahresringe und deren Massengehalt wäh- rend eines gewissen Zeitraumes von 5, 10, 20 oder mehr Jahren je- weilig ermitteln zu können, um hiernach den periodischen Zuwachs ganzer Holzbestände festzustellen und dessen Verhältniss zu der vorhan- denen Holzmasse anzugeben, worauf im Wesentlichen die Bestimmung des nachhaltigen Abnutzungssatzes zu gründen ist. Für die Pflanzen-Pnysiologen dagegen muss es von grossem Interesse sein, die Ursachen und Wirkungen jederzeit zu erforschen, welche bei der Bildung der Jahresringe stattfinden und mancherlei äusseren Einflüssen unterworfen sind. Jedermann weiss unter anderem, dass iu einem frucht- baren Jahre, nämlich wo Wärme und Feuchtigkeit in einem der Vege- tation günstigen Verhältniss stehen, die Jahresringe der Bäume stärker werden, als in kalten und trockenen Jahren, ferner dass in’ der Regel die Jahresringe an der Sommerseite breiter sind, als an der Winterseite, dass endlich, wenn durch Inseetenfrass oder andere Ursachen die Blätter, als die wesentlichsten Ernährungs-Organe der Bäume vernichtet werden, die Bildung der Jahresringe in der betreffenden Zeit mangelhafter aus- fällt. Diese und viele andere Erscheinungen ziehen mancherlei wissen- te a m A A a un ra u nd Zuge ans am der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur. 93 schaftliche Fragen nach sich, deren Lösung nur durch zahlreiche und genaue Untersuchungen der inneren Baumtheile während der verschiede- nen Jahreszeiten erfolgen kann. Ich will hier nur ein besonderes Bei- spiel hervorheben: Der Professor Forstrath Dr. Nördlinger zu Hohenheim, eine aner- kannte forstnaturwissenschaftliche Autorität, brachte im Jahre 1869 zur forstlichen Ausstellung in Breslau die Querscheibe von einem Hickory- Baum, Juglans oder Carga alba, um die Anzucht dieser Holzart in unseren Wäldern zu empfehlen. An dieser Hickoryscheibe wies nun Nördlinger selegentlich nach, dass die Maikäfer in Süddeutschland eine dreijährige Generation hätten und dass in den Jahren 1866, 1863, 1860, 1857, 1854 ete., welche Maikäfer-Flugjahre gewesen wären, die Jahresringe sich auffallend schwächer ausgebildet hätten. Er sagte nach den steno- graphischen Berichten der Forstseetion wörtlich: „Der Querschnitt trägt deutlich den Kalender unserer Maikäfer- jahre in sich. Der Baum ist geschlagen im Februar 1869. Wir haben sesenwärtig ein solches Maikäferjahr. Der heurige Jahresring würde unzweifelhaft, wie die je um zwei Jahre davon gefirennten früheren, ein schmaler geworden sein. Es ist eine unriehtige Annahme, dass, wenn die Blätter befressen worden sind, der nächste Holzring noch eine gewöhnliche Breite erlange. Unmittel- bar in demselben Jahre lassen die Jahresringe nach." Wenn man eine einzeln stehende Eiche fällen lässt, die gewöhnlich von den Maikäfern stark befressen zu werden pflegen, so wird man ohne Zweifel auf Grund der schmäleren Holzringe die Maikäfergeneration der beireffenden Gegend herauslesen können.“ Diesem Ausspruch gegenüber musste es mir nun auffallen, dass ich kürzlich in den neuesten Verhandlungen des Harzer Forstvereins eine Mittheilung des Professor Forstrath Dr. Theodor Hartig zu Braunschweig, ebenfalls einer forstnaturwissenschaftlichen Grösse von bedeutendem Ruf, fand, die von der Nördlinger’schen Ansicht diametral abweicht. Diese letzte Mittheilung lautet: „In diesem Jahre hat die Raupe von Tortrie viridana in der Um- gegend von Braunschweig und anderwärts die Eichen vollständig ent- blättert. Den ganzen Juni hindurch sind die Bäume kahl gewesen und eine Wiederbegrünung ist erst im Juli eingetreten. Nach dem Wieder- begrünen angestellte Untersuchungen haben ergeben, dass bei kahl- selressenen wie bei nicht abgefressenen RFichen der Jahrring sich ganz gleichförmig gebildet hat — ein Beleg dafür, dass der Jahr- ring im Wesentlichen aus den Reservestoffen des Vor- jahres hervorgeht.“ Hier liegt also eine noch völlig unentschiedene Streitfrage vor, und es wird die Aufgabe der Pflanzen-Physiologen sein, dieselbe zu lösen 94 Jahres-Bericht Dies kann nur durch zahlreiche Beobachtungen des Bildungsganges der Jahresringe in verschiedenen Zeiten geschehen. Zur Untersuchung der Querschnitte von Jahresringen kannte man bisher nur ganz einfache und grobe Mittel und Wege. Man wählte eines Theils hierzu die Schnittflächen der auf den Schlägen im Boden zuriück- gebliebenen Stöcke. Die desfallsigen Beobachtungen litten aber an dem Uebelstande, dass sie gemeinhin nur zu bestimmten Jahreszeiten, nämlich während des Wadels, also in den Wintermonaten vorgenommen werden konnten, wo die Bildung der neuen Holzlagen bereits vollendet war.- Anderen Theils griff man zu der gewöhnlichen Maassregel, dass man mit der Axt Kerbe ‘in die Bäume haute, welche tief genug waren, um die Jahresringe auf dem Horizontalhieb mit dem blossen Auge und mit der Lupe bequem und genau betrachten zu können. Es liegt auf der Hand, dass durch dieses Verfahren die betreffenden Bäume stark beschädigt wurden und dass aus diesem Grunde die erforderlichen Beobachtungen selten so zahlreich vorgenommen wurden, als es zur Erzielung sicherer Resultate wünschenswerih war. | Der Hofrath Max Robert Pressler, Professor an der Forstakademie zu Tharand, hat nun ein kleines sinnreiches Instrument, den sogenannten Zuwachsbohrer erfunden, mit dessen Hilfe man die hier in Rede stehen- den Forschungen leicht, häufig, gründlich und ohne wesentliche Benach- theiligung der zu untersuchenden Bäume vornehmen kann. Dies Instru- ment ist in der Hauptsache ein Hohlbohrer, der aber vermittelst seiner besonderen Construetion, namentlich der beiden äusseren, verschiedenartig gewundenen Schrauben - Schneiden kein Bohrmehl, sondern einen fest zusammenhängenden Bohrspan herausbringt. Ich erlaube mir hier eine Tafel mit daran befestigten Bohrspänen von den vorherrschenden Holz- arten unserer Wälder, sowie den zum Gebrauch fertig zusammengestellten Zuwachsbohrer zur Ansicht herumgehen zu lassen. Bei der heute noch vorzunehmenden Wald-Excursion werde ich Gelegenheit nehmen, die praktische Anwendung des Zuwachsbohrers in allen Einzelhelheiten aus- einanderzusetzen. | Für diejenigen Herren,- welche diesem Gegenstande eine nähere Theilnahme zu schenken geneigt sind, bemerke ich, dass der Professor Pressler ein besonderes Werkehen, betitelt „Zur Forstzuwachs- kunde“ herausgegeben hat, in welchem eine genaue Beschreibung des Zuwachsbohrers und seiner Anwendung mit zahlreichen Illustrationen enthalten ist, und dass ich in der Lage und bereit bin, sechs Gratis- . Exemplare dieser Schrift an eiwa anwesende Liebhaber zu vertheilen. Zum Schluss möchte ich mir noch beiläufg zu erwähnen erlauben, dass von demselben Autor, Professor Pressler, ein anderes, äusserst praktisches Werk mit dem wunderlich klingenden Titel „Das mathe- ..matische Aschenbrödel‘“ existirt, welchem ein Universal-Instrument Be "an iur). 4 oe u ei ne ärzte A az un . A re hie 0 ee a Babe als 1 a Tim aan aa une 1 0 der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur. 95 mathematischer Gymnastik und Anwendung in Schule, Werkstatt, Wald und Feld für humanisiische und gewerbliche Stände jeder Art der soge- zannte „Ingenieur- Messkneeht“ beigegeben ist. Dies Instrumeat mit seiner einfachen und doch fast wunderbaren Einrichtung dient dem Verwaltungsbeamten, dem Forstwirth, dem Kaufmann, dem Fabrikanten, dem Techniker, dem Naturforscher, kurz einem Jeden, der mit mathe- matisch geschultem Geiste arbeiten muss, als Logarithmen-, Kreis-, Sinus-, Cosinus-, Tangenten, Chorden , Reeiproken-, Wurzel-, Potenzen und Renten - Tafel, als Taschen - Theodolit, Transporteur, Winkelkreuz und Höhenmesser, als Nivellirwage, Sonnenuhr und Gott weiss, was für ein Instrument. Ich werde auch diesen Messknecht bei der heutigen Wan- derung als Höhenmesser bei den Baumzuwachs- Ermittelungen anwenden und zu erklären suchen und biete hier ebenfalls von demselben einige Exemplare zur freien Empfangnahme an. Herr Professor Cohn theilte mit, dass das Königliche Oberbergamt seit längerer Zeit in nicht genug anzuerkennender Weise bestrebt sei, zur Hebung der Volksbildung in den Schlesischen Bergwerksdistrikten durch unentgeltliche Ueberweisung demonstrativer Lehrmittel an die dortigen Volksschulen beizutragen. So seien diesen Schulen Sammlungen physikalischer Apparate, zoologische und mineralogische Sammlungen, Wandtafeln ete. gescheukt worden; auf Anregung des Herrn Oberberg- rath Runge ist Vortragender beauftragt worden, eine Sammlung von 40 mikroskopischen Präparaten auszuwählen, welche die wichtigsten und instruetivsten Objecte aus dem Thier- und Pflanzenreich umfassen. Herr Optieus Richard Magen in Berlin, Lindenstrasse 34, hat die Lieferung dieser Präparat- Sammlung, welche in dauerhafter und elegantester Aus- stattung in einem Holzkasten in Buchform enthalten, zum Preise von 7 Thlr. übernommen und fertigt auch die dazu gehörigen Schul - Mikro- skope, welche solid gebaut, eine vortreffliche Vergrösserung von 50 bis 120, ein grosses Gesichtsfeld und eine bequeme Fokaldistanz besitzen und daher für pädagogische Zwecke sich gewiss sehr eignen; sie kosten 10 Thlr. In Folge Aufforderung des Königlichen Oberbergamts hat Vor- tragender für diesen Zweck eine populäre Anleitung zum Ge- brauch des Mikroskops geschrieben, welche in 5 Capiteln 1) die Einrichtung des Mikroskops und Beschreibung seiner Theile, 2) Regeln beim Gebrauch des Mikroskops, 3) Erklärung der Präparate, 4) An- leitung zur Anfertigung mikroskopischer Präparate, 5) den Salon- fuss behandelt. Diese Anleitung wird den Mikroskopen gratis bei- gegeben. Der Salonfuss ist ein von Herrn Rappard, dem Gründer des Mikroskopischen Instituts zu Wabern bei Bern, erfundener, im Centrum durchbrochener versilberter Hohlspiegel, welcher an den Mikroskopkörper nach Art eines Lieberkühn’schen Spiegels angeschraubt wird, und mit einer Einrichtung versehen ist, um ein mikroskopisches Präparat im $, = 96 ‘Jahres-Bericht Brennpunkt des Spiegels zu fixiren. Wird der aus dem Stativ heraus- genommene Mikroskopkörper, mit Objectiv, Salonfuss und Präparat ver- sehen, in die linke Hand genommen und gegen den Himmel oder eine leuchtende Flamme gehalten, so erhält man ein von dem Hohlspiegel genügend erleuchtetes Bild des Öbjeets bei richtiger Einstellung, was die Demonstration von mikroskopischen Präparaten vor einem grösseren Kreise ausserordentlich erleichtert, da das Instrument in die Hand genommen und leicht herumgegeben werden kann. Vorgezeigt wurde der Versammlung ein oben beschriebenes Schul- mikroskop von Magen nebst der Präparatsammlung und einem Exemplar der Anleitung, wie sie durch das Oberbergamt bereits an 30 schlesische Schulen vertheilt worden sind und in den Kreisen des Volkssehulunter- richts sicher Segen schaffen werden. Ferner ein Hartnack’sches Mikro- skoprohr mit Salonfuss zur Demonstration von Präpararaten; der Salon- fuss wird nämlich auf Wunsch des Vortragenden von dem Optiker Magen in einer verbesserten Form so angefertigt, dass er an ein gewöhnliches Hartnack’sches Mikroskop (ohne Stativ) angeschraubt, und daher auch für wissenschafiliche Zwecke in Vorlesungen ete. gebraucht werden kann; Der Preis eines solehen Salonfusses beträgt 2 Thir, | Schliesslich zeigte Professor Cohn eine Anzalıl von Präparaten vor, welche beweisen, dass die Fäulniss nicht auf einer freiwilligen chemischen Zersetzung der organischen Substanz beruht, sondern durch die Thätig- keit von mikroskopischen Organismen (Baeterien) hervorgerufen wird. Ausführlicher ist über diese Beziehungen der Bacterien zur Fäulniss in der Sitzung der medieinischen Section vom 4. August 1871 vorge tragen worden, und wird hier auf den Bericht dieser Section verwiesen. Obwohl noch mehrere Vorträge angemeldet waren, musste. die Sitzung gegen 12 Uhr geschlossen werden, um unter der Führung des gräflichen Förster Sauer, sowie der Herren Oberlehrer Pinzger und Apotheker Fick aus Reichenbach eine Exeursion anzutrefen in die An- lagen von Ulbrichshöhe und durch den zur Majoratsherrschaft Peiskers- dorf (im Besitz Sciner Excellenz des Herrn Oberpräsidenten Grafen von Stolberg) gehörigen Forst. Nach dem von Herrn Forstmeister Tramnitz eingesendeten Bericht bot in forst- und naturwissenschaftlicher Hinsicht die Excursion, wenn gleich durch abwechselnde Regenschauer mehrmals unter- brochen, mancherlei interessante und belehrende Monıente dar. ‘Die Baum- waldungen mussten entschädigen für den Rückstand der durch die an- dauernde Frühlingskälte aufgehaltenen Vegetation der niederen Bodendecke. Der Weg führte zunächst durch mangelhaft bestockte, aber doch schon mehr oder weniger einer sorglichen Forsteultur und merklich hervortretenden Wald- pflege zugeführte Rusticalgrundstücke in den Vorbergen der Eule und durch- schnitt dann den Haupttheil der zur Majoratsherrschaft Peiskersdorf gehörigen Forste Seiner Excellenz des Herrn Oberpräsidenten der Provinz Schlesien vr OR der Schles. Gesellsch, f. vaterl. Cultur. 97 Eberhard Grafen zu Stolberg- Wernigerode. Der fast ein Viertel- jahrhundert hier wirkende gräfliche Förster Sauer übernahm die kundige Führung durch die seiner Obhut anv ertrauten Waldungen. Schönwüchsige . mittelalterliche Tannen- und Fichtenbestände, von Rothbuchen durchstellt, die verschämt und schüchtern nur zum Theil glückende Versuche mach- ten, den düsteren Farbenton der Nadelhölzer mit dem spärlichen Aus- bruch ihres saftgrünen Laubes zu beleben, gewährten günstiger Weise theils den erwünschten Schutz gegen die häufig lästig werdenden atmo- sphärischen Niederschläge und boten anderen Theils eine zutreffende Ge- legenheit für den Fortmeister Tramnitz, um seinen in der vorange- sangenen Sitzung gehaltenen demonstrativen Vortrag über Forstzuwachs- kunde durch die praktische Anwendung des Pressler’schen Zuwachsbohrers zu ergänzen. Die leichte Handhabung dieses sinnreichen Instruments und das überraschend exacte und saubere Ergebniss mehrfacher Bohrungen an .den Stämmen verschiedeuer Holzarten erweckte ein allgemeines leb- haftes Interesse und führte zu der Ueberzengung, dass die derartig ge- wonnenen Bohrspäne in dem völlig unverletzten Zusammenhange der einzelnen Jahresringe unter sich und der eigentlichen Holzsubstanz mit der Cambialschieht und der Rinde sehr geeignete Belagstücke zu ent- sprechenden baumphysiologischen Untersuchungen abgeben müssen. Auf der weiteren Wanderung über steil ansteigende Höhen, welche bei vereinzelt durchdringenden Sonnenblicken entzückende Fernsichten auf die fruchtbaren Gegenden von Reichenbach und Schweidnitz öffneten und durch anmuthige in Waldesstille grünende Thäler zeigten sich dem Auge der oft weglos fortstrebenden Naturforscher mannigfaltige Schöpfun- gen jüngerer waldbaulicher Anlagen. Hier, in einer ausgedehnten, mannshohen und im allgemeinen freudig wachsenden Schonung gemischter Hölzer kämpfte die Eiche mit der sie überragenden und daher beschattenden und verdämmernden Fichte. Aber das Beil oder die Hippe des Waldpflegers ist schon bei der Hand ge- wesen und manche voreilige Fichte musste fallen oder zunächst nach allen Regeln der Vorsicht Wipfel und Zweige opfern, um der werth- volleren Eiche Lieht und Luft und Wachsraum zu gestallen. Dennoch zeigten einige Eichen hin und wieder ein heimlich eingeschlichenes Siech- thum und es dürfte das unwillkürliche Bedenken des hellsehenden Forst- wirths nieht unbegründet erscheinen, dass die Eiche wohl überhaupt auf diesem flachgründigen Gneuss- Boden nicht den ihr specifisch zusagenden Standort haben möchte und daher der genügsameren Fichte nieht durch- weg das Heimatsrecht streitig machen sollte. Dort stehen junge wüchsige Fichten, aus Büschel- und Einzelpflan- zungen heıvorgegangen. Die frei und allein stehenden Pflänzlinge über- treffen in Grösse und Stärke augenscheinlich die kleinen dichten Pflanz- gruppen, und dies ist natürlich, denn sie geniessen nach allen Richtungen [2 98 ! Jahres-Bericht hin ungeschwächt die Tebensmittel einer gesunden Ernährung und Er- ziehung. Es liegt auch kein Grund vor, wie anderoris, wo in hohen Lagen der Schneebruch oder bei starkem Wildstande dessen Verbeissen manche Pflanze als Opfer fordert, die überzähligen Stellvertreter zur Bildung des künftigen Bestandes in reichhaltigen Büscheln aufzuziehen, in deren sich nur die Wurzeln der einzelnen Individuen verschlingen und. ‚gegenseitig beeinträchtigen. Also mag der alte Förster hier immeıhin einzeln pflanzen, aber dabei besorgt sein, entstehende Lücken rechtzeitig durch Nachbesserung auszufüllen. | Endlich kommen noch halbwüchsige Fichtenstangenhölzer, deren ge- drängter Stand ihren Ursprung ans dichten Saaten nieht verkennen lässt. Es ist eine alte Erfahrung, namentlich in Gebirgsforsten, dass bei dem Anbau der Fichte im grossen Ganzen die Pflanzung der Saat entschieden vorzuziehen ist ‘Die Nachtheile der Leizteren hinsichts des durch den ‚engen Schluss geheminten freudigen Gedeihens sind später schwer wieder gut zu machen. Aber hier ist dies genügend erkannt worden, und schon frühzeitig werden Durchforstungen vorgenommen, welche dem Wuchs der jungen Diekungen merklich zu Hilfe kommen. Wenn diese Zwischen- nutzungen in angemessenen Zeiträumen und im zweckentsprechenden Grade sachgemäss wiederholl werden, dann kann die Saat sich leicht selbst rechtfertigen und vielleicht gar in finanzieller Beziehung als vor- zugsweise anwendbar empfehlen. Die andauernde Ungunst des Wetters (rieb zur ungesäumten Rück- kehr. Der Heimweg wurde durch den herrlieben Friedrichsgrund ge- nommen. Trotz der sich mehr und mehr steigernden Eile entging den natürlichen Reizen dieses lieblichen Thales nicht die ihnen gehührende Würdigung. Um 3 Uhr wurde zu Wagen die Rückkehr nach Reichenback, ange- treten, wo ein durch Lieder und Toaste gewürztes gemeinschaftliches Mahl die Versammelten bis zum Abgange des Zuges in heiterer Stim- mung vereinigte. Iu der sechsten Sitzung vom 26. October 1871 berichtete der Secretair über die Einweihung des auf dem Grabe Wimmer”s.enrich- teten Denksteins. In Ausführung eines Sectionsbeschlusses war nach- stehendes Schreiben erlassen und in den botanischen Kreisen Schlesiens sowie an die näheren Freunde Wimmer's versendet worden: „Am 12. März 1868 starb Christian Friedrich Wimmer, nach- dem er als praktischer Schulmann, später als Breslauer Stadt - Schulrath bis an sein Ende segensreich gewirkt und ausgezeichnete Werke aus den verschiedensten Gebieten der Wissenschaft zurückgelassen. Was Wimmer insbesondere durch seine Flora von Schlesien für. die Erforschung der der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur. 99 Pflanzenwelt in unserer Provinz geleistet, bleibt in der Geschichte der Wissenschaft unvergesslich. Die botanische Section der Schlesischen Gesellschaft für vaterlän- ‚dische Cultur hat in ihrer Sitzung vom 8. December 1870 beschlossen, dem ehrenvollen Andenken, welches sie ihrem ehemaligen Secrelair dank- bar bewahrt, dadurch Ausdruck zu geben, dass sie die Errichtung eines Denkmals auf Wimmer’s Grabe in die Hand nimmt, Wir richten daher an alle Schüler und Verehrer Wimmers, sowie insbesondere an die Freunde der schlesischen Pflanzenwelt die ergebenste Bitie, die Aus- führung dieses Unternehmens durch Einsendung von Beiträgen an die Unterzeiehneten fördern zu wollen. Breslau, im Januar 1871. Göppert, Ferdinand Cohn, Präses der Schlesischen Gesellschaft. Secretair der botanischen Section. _ Diese Aufforderung fand in erfreulicher Weise in allen Kreisen An- klang, und es wurde uns eine grosse Zahl von Geldbeiträgen, zum Theil ‚bedentende Summen zur Verfügung gestellt, welche ebenso von der Ver- ehrung, welche Wimmer bei den schlesischen Botanikern genoss, wie von der unverlöschlichen Anhänglichkeit Zeugniss geben, welche er bei seinen Schülern sich erworben. Nachdem die Sammlung 223 Thlr, er- ‚geben, wurde dieselbe geschlossen und dem hiesigen Hofsteinsetzmeister ‚die Anfertigung eines Grabsteins von einfacher, edler Zeichnung über- tragen. Derselbe ist .aus schönem schlesischen Marmor im Charakter einer hellenischen Grabstele ausgeführt und von einer Palmette aus carrarischem Marmor gekrönt; die Vorderseite der Platte trägt die ‚Insehrift: Christian Friedrich Wimmer, geboren zu Breslau, den 30. October 1803, gestorben daselbst, den 12. März 1868. Ueber der Inschrift befindet sich in Relief ein Kranz von Weiden- blättern, ebenfalls aus earrarischem Marmor, an die Lieblingsstudien des Verewigten erinnernd. Der Sockel der Stele trägt die Inschrift: BE Erriehtet von den schlesischen Botanikern, . seinen Schülern und Freunden. Der 27. September war zur Einweihung des Denkmals bestimmt, welches am Grabe Wimmer’s auf dem neuen Friedhof der reformirten ‘Gemeinde aufgestellt war. Nachmittags 4'/, Uhr vereinigte sich am ‚Grabe Wimmer’s die durch gedruckte Circulare eingeladene Trauer-Ver- ‚sammlung; ein Chor hiesiger Lehrer unter Leitung des Herrn Hauptlehrer David Letzner eröffnete die Feier mit einem von Herrn Musikdireetor ‘Schnabel componirten Lied, worauf Herr Hofprediger Faber die Ein- »weihungsrede hielt. Er entrollte in geist- und gemüthvollen Worten ein Zi “4 100 Jahres-Bericht Lebensbild des unvergesslichen Mannes, der sich selbst durch seine Wirk- samkeit als Lehrer, als Leiter des städtischen Schulwesens, wie als Stern der Wissenschaft ein unvergängliches Denkmal gestiftet, dass der hier errichtete Marmor nur als Denkmal unserer Dankbarkeit und Verehrung gelten wolle; die Rede hinterliess bei allen Anwesenden einen tiefen Eia- druck, und ein Choral, ebenfalls von Schnabel eomponirt und von dem Letzner'schen Chor ausgeführt, beschloss in würdiger Weise die pietäts- volle Feier. Nach dieser Mittheilung trug Herr Dr. Gustav Stenzel nachstehen- den Nekrolog des am 3. Juli 1871 zu Meran verstorbenen Professor Dr. Julius Milde vor: Durch den am 3. Juli d. J. in Meran erfolgten Tod des Professor Dr. Julius Milde hat die vaterländische Gesellschaft und in ihr vor ‚Allem die botanische Section eines ihrer tüchtigsten Mitglieder verloren. Nur Wenige haben mit einer gleich rastlosen und erfolgreichen Thätig- keit unsere heimathliche Provinz durchforscht, und nur Wenigen war es wie ihm vergönnt, durch bedeutende Arbeiten allgemeinerer Natur sich einen in den Kreisen der Männer von Fach weit über die Grenzen der Provinz hinaus geachtieten Namen zu erwerben. Und nicht angesehenen oder hochgestellten Vorfahren, nicht der Gunst der Verhältnisse, welche Manche in sorgenfreier Lebenslage gestattet, bei mässiger Anstrengung schätzbare Arbeiten auszuführen, selbst nicht einem hervorragenden Talente, das mit leichter Mühe Bedeutendes schafft, verdankte Milde seine geachtete Stellung, sondern dem, was der Mensch mit dem grössten Rechte sein eigen nennen kann, seinem festen Willen. Dieses ernste, feste Wollen zeigte sich in dem beharrlichen Fleiss, mit dem er Zeit und Kraft für seine wissenschaftlichen Arbeiten verwen- dete, in der Ausschliesslichkeit, mit welcher er dies eine Ziel verfolgte und in der klugen Beschränkung, mit welcher er noch innerhalb seiner Wissenschaft ein begränztes Feld wählte und festhielt, welches er bei seinen Anlagen, seinen Hilfsmittein und seiner Zeit gründlich zu durch- forschen hoffen konnte. Am 2. November 1824 vom unbemittelten Eltern geboren — sein Vater war damals Bombardier, später Rentamis-Kassendiener — würde er jedem billigen Anspruch und sicher auch den Wünschen seiner Eltern Genüge geleistet haben, wenn er, nachdem er die mittleren Gymnasial- klassen erreicht, sich der unteren Beamtenlaufbahn zugewendet und in einer auskömmlichen, aber dunklen Stellung ein nützliches Mitglied der Gesellschaft geworden wäre. Aber das genügte ihm selbst nicht. Schon in den oberen Schulklassen wandte er sich mit Vorliebe den beschrei- benden Naturwissenschaften zu; sich diesen ganz zu widmen, wurde bald das Ziel seiner Wünsche. Freilich konnte dasselbe nur durch grosse Ba a er a Er ne a an a din Lan ze u der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cuitur. 101 Entsagung und eisernen Fleiss erreicht werden. Schon jetzt war er ge- zwungen, sich einen Theil seines Lebensunterhalts auf die mühsamste Weise zu erwerben; auf der Universität war er fast ganz auf seine eigene Arbeit, namentlich auf Siundengeben angewiesen. Dabei wurde ihm das Lernen keineswegs leicht und das bittere Gefühl, hinter Man- chem, welcher, durch häusliche Nachhülfe gefördert, ohne Mühe Besseres leistele, in den Augen der Lehrer zurückzustehen, hätte ihn leicht vom Studium überhaupt zurückschrecken können. Er blieb seinem Ent- schlusse treu. Im Frühjahre 1844, als Milde nach Prima versetzt worden war, begann er seine botanischen Excursionen, über welche er bis 1851 regelmässige Berichte niedergeschrieben hat, deren erster die später hinzugefügte Ueberschrift trägt: ‚In diesem Jahre fing ich überhaupt zu botanisiren an.“ Sein erster Ausflug ging Ende April nach dem damals noch aus- gedehnten und pflanzenreichen Kapsdorfer Goi, wo er zuerst Adoxa Moschatellina fand, und nun folgen in dem einen Sommer nicht weniger als 33 Excursionen, von denen die meisten über eine Meile weit ausge- dehnt wurden, mehrere bis in’s Trebnitzer Gebirge, eine auf den Zobten und Geiersberg. Und schon im nächsten Sommer trat er, noch als Primaner, 20. Juli, früh 6 Uhr, seine „grosse Reise in’s Gebirge an, voll der schönsten Hoffnungen, aber unter sehr ungünstigen Auspicien, denu der Himmel hing voller Wolken, welche sich jeden Augenblick zu er- giessen drohten. Dazu kam noch der das Gehen sehr erschwerende Koih. Trotzdem ging es immer guten Muthes weiter; ich besuchte sogar noch den Koberwitzer Park, und berechnete, dass ich auf meiner Rückseite Dipsacus pilosus würde blühend mitnehmen können. Die erste Pflanze, welche ich in die Botanisirtrommel steckte, war Galega offieinalis vor Jordansmühl. Hier ass ich Mittag und ging dann auf Nimptsch zu, wo ich Echinospermum Lappula auf der Mauer fand. Von jetzt ab hatte ich schönes Wetter, aber die Partie hatte . mich doch sehr angestrengt, so dass ich in dem Dorfe vor Frankenstein (9 Meilen von Breslau) übernachtete.“ & (21.) Den anderen Tag ging es auf den Hartheberg, über die Neisse nach Reichenstein; dann gleich bergauf, bald fahrend, bald gehend nach Thalheim, wo ich Papier zum Pressen kaufte und rüstig auf Schreekendorf zu, in welchem ich auch nach sehr grosser An- strengung um 8, Uhr anlangte. Ein sehr erquickendes Abendbrot und ein fester Schlaf stärkten mich zu neuen Anstrengungen.“ (22) „Erst %/,9 Uhr brach ich auf nach Klessengrund. Wegen ‘sehr starken Regens musste ich in eine Hütte einkehren, wo ich bis 2 Uhr verweilen musste. Hierauf ging ich auf den Schneeberg und zwur nicht auf dem gewöhnlichen Wege, sondern immer am Strome 102 Jahres-Bericht “hinauf, über die Schweizerei nach der Seite nach Altstadt zu mit ihrer herrlichen Vegetation. Erst spät kehrte ich nach der Schweizerer - zurück.‘ TE „23. ging es den Schneeberg hinunter nach Altstadt, Goldenstein; Ramsau auf die Hockschar über die | we (24.) Bründelbaide bis zur Schweizerei auf dem Altvater.. Noch denselben Tag besuchte ich den Gipfel des Altvaters und trotz des srossen hegens den Petersstein.‘ 25. Am anderen Morgen mit einem Führer, der mit drei Schatz- - gräbern nach dem Peterssteine ging, dorthin, dann über die Janno- witzer Haide an den Rand des Kessels. „Hier ging ich ganz allein ohne Weg gerade hinab in denselben. Da das Steigen immer schwie-. riger wurde, ich sogar in grosse Gefahr kam, aus welcher ich mich durch (Anklammern an) Veratrum rettete, so musste ich rechts den weiteren, aber bequemeren Weg einschlagen, da wo sich der Kessel in grosse Wiesenflächen ausdehnt.“ Dann ging es hinauf über die Jannowitzer Haide nach dem Peterssteine zu, aber Nebel kamen und ich verirrte mich so, dass ich an 2 Stunden unnütz herumlief. Von i ‚ der Schweizerei ging es nach Winkelsdorf und Goldenstein, wo die | Pflanzen der ganzen Excursion eingelegt wurden. 26. früh nach Altstadt auf den Schneeberg, nach dem Wölfels- fall bis Habelschwerdt. 27. über Glatz, Wartha, Frankenstein nach Kosemitz (über sechs Meilen). 23. nach Nimptsch; mit einer Fuhre von Jordansmühl nach Bett- lern; im Koberwitzer Park wurde Dipsacus pilosus blühend mitgenom- men. „Um 1,10 Uhr traf ich zu Hause ein, ganz und gar zu- frieden.“ ; ‚rs 50. Schon Mittwoch brach ich wieder früh 7 Uhr nach Zobten auf, von tüchtigem Regen begleitet.“ Um 2 Uhr war er auf dem Engelsberge (5 Meilen in 7 Stunden), um 5 Uhr auf dem Zobten, Abends in Silsterwitz. — 31. wurde der Geiersberg bestiegen. In dieser Weise hat Milde noch Jahre lang, und so weit Amts-Ge- schäfte oder Krankheit ihn nicht hinderten, bis zu seinem letzten Lebens- jahre die Pflanzenwelt seiner Heimath, wie der Gegenden durchforscht, $; in welchen er sich zur Herstellung seiner Gesundheit aufhielt, wie die - Umgebungen von Meran und Razzes. WVie viele Male hat er die ganze 2 Gegend um Lissa, wie er es mehrtals nennt, „unserem Lissa“, den Kapsdorfer Goi, den Fuchsberg bei Schwoitsch, die Trebnitzer Hügel 5 vom Mahleuer Walde bis hinüber nach Deutsch- und Katholisch-Hammer, 2 von Skarsine bis Riemberg und Wohlau, die Gegend von Kottwitz und % Garsuche bei Ohlau; das wenig besuchte Karlsruhe in Oberschlesien, im 4 Süden Wirrwitz und Koberwitz; im Gebirge den Zobten- und Geiers- an re u nl ng Ä a # AN der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur, 103 berg, die Beskiden von Ustron aus, das Gesenke, den Glätzer Schnee- berg, die Umgegend von Neisse, Reinerz und Cudowa, von Salzbrunn und Görbersdorf, das Riesengebirge namentlich von Krummhübel und Petersdorf aus, endlich von Herischdorf, das Hirschberger Thal botanisch durehwandert! Aber auch nur, wer Milde auf seinen Excursionen folgt, bekommt eine Vorstellung davon, mit welcher Beharrlichkeit er eine selbstständige Kenntniss der Natur zu erlangen strebte. Dass zu diesen Exeursionen während der Schulzeit fast jeder freie Nachmittag und viele Sonntage benutzt werden mussten, an denen das Wetter es irgend gestattete, liest auf der Hand. Ja, oft liess er sich selbst durch Regen und die Dunkelheit der Nacht nicht zurückschrecken. Wer einmal ein Paar Stunden auf durchweichten Landwegen sich hat fortarbeiten müssen, wird zu beurtheilen wissen, was es heisst, wenn Milde, wie oben angeführt, den zweiten Tag nach der Rückkehr von seiner. ersten grösseren, anstrengenden Gebirgsreise, früh 7 Uhr, „von tüchtigem Regen begleitet‘ nach Zobten aufbrach. „Trotz abscheulichen Regens‘ ging es ein anderes Mal, an einem Juni-Sonntag, nach dem drei Meilen entfernten Trebnitz, wo im Buchenwalde trotz alles Suchens keine Cephalanthera gefunden wurde (später hat sie Milde dort wieder- holt gesammelt) und wieder nach Breslau zurück. „Sonnabend, 15. Juni 1850“, erzählt er später als Student, ‚in der Nacht um 12 Uhr ging ich ganz allein nach Koberwitz!“ — dann werden Pflanzen ans der Umgegend von Jordansmühl, dann von dem 5!/, Meile von Breslau entfernten Kupfer- berge bei Dankwitz hinter Jordansmühl (z. B. Orobanche rubens), zu-. letzt von dem auf dem Rückwege liegenden Bettlern aufgezählt, so dass. nicht zu bezweifeln ist, dass Milde an demselben Abend wieder in Breslau angelangt ist. Wanderungen nach dem gegen 2 Meilen entfern- ten Lissa am Mittwoch oder Sonnabend Nachmittag gehören zu den. häufig wiederkehrenden Ausflügen; einmal ging Milde noch Dienstag nach der Schule auf die Lissaer Wiesen, um Intybus praemorsus blühend zu holen; einmal noch um %,7 Uhr Abends ebendahin wegen Orchis laxiflora und Triglochin maritimum. Noch manches Mal hat er, wie dies schon vom ersten Jahre an als eine bezeichnende Eigenthümlichkeit seiner Excursionen hervortritt, nach einzelnen seltenen oder für ihn be= sonders interessanten Pflanzen anstrengende Fusswanderungen - unter- nommen. Bei dem 4 Meilen entfernten Vielgut, nach welchem er erst Nachmittags um 1 Uhr aufbrechen konnte, erreichte er den Standort des Cypripedium Calceolus erst mit Sonnenuntergang. „Es steht in dem Walde auf kleinen Kalkhügeln, die gewöhnlich von tiefen Tümpeln um- geben sind. Daher ist es gut, wenn man Wasserstiefeln gebraucht.‘ In Schmollen wurde übernachtet und am anderen Morgen um 104, Uhr langte Milde wieder zu Hause an. Im Herbst 1858 reiste er noch ein- mal nach Gräfenberg, nur um die von ihm früher dort entdeckte 104 Jahres-Bericht Notothylas (Chamaeceros) fertilis noch einmal frisch zu sammeln und ge- nauer zu untersuchen; ebenso durchsuchte er die Sandflächen um Karlo- witz und an den Ufern der Oder bis zu dem 3 Meilen unterhalb Breslau gelegenen Auras mehr als einmal wegen der dort vorkommenden Equi- seten. Aber selten wird wohl eine weite Reise so ausschliesslich der Beobachtung einer Pflanzenform wegen unternommen worden sein, als Milde’s Fahrt nach der Rheinschanze bei Mannheim, um die dort besonders reich entwickelten Equiseta hiemalia an Ort und Stelle kennen zu lernen. „Am 6. August“, so erzählt er selbst, „hatte ich das Doctorexamen bestanden und fuhr schon am 11. August, 29 Thlr. in der Tasche, per Dampf zunächst über Liegnitz, Görlitz, Dresden, Riesa nach Leipzig, wo ich übernachtete, um am anderen Morgen, 12. August, meine Reise, deren Ziel Mannheim war, weiter fortzusetzen.“ Von Leipzig ging es über Halle, Weimar, Kassel nach Marburg, von dort per Post in der Nacht nach Giessen und Friedberg. Den 13. Vormittags langte er mit der Eisenbahn in Frankfurt a. M. an und fuhr ‚sogleich weiter‘ über Darmstadt nach Mannheim. „Nachmittags suchte ich daselbst die Rhein- scharze auf, da die Equiseta hiemalia, welche hier ungemein häufig sind, der Hauptgrund zu meiner Reise waren. Ich fand E. hiemale, E. hiemale var. paleaceum, E. ramosum, E. variegatum in schönen Exemplaren“ nebst zahlreichen Phanerogamen, Den folgenden Tag ging es nach Schwetzin- gen, den 15. unter anhaltendem Regen nach Heidelberg und hier wurde er inne, dass er sich verrechnet und zu wenig Geld mitgenommen hatte. Eı fuhr daher den 16. von Mannheim über Frankfurt nach Friedberg, ging aber von hier die ganze Nacht durch nach Marburg (8!/, Meile) zu Fuss, fuhr dann bis Weimar, wo er übernachtete und kam den 18. Abends in der zehnten Stunde in Kohlfurt an. Von hier ging er wieder die Nacht hin- durch an der Eisenbahn hin bis Bunzlau und von da nach Liegnitz (9%, Meile), von wo er mit dem Dampfwagen 19. Abends in Breslau aulangte. Dabei fand er noch die Zeit, die gesammelten Pflanzen und Käfer zu bestimmen und sich auch ausserdem so umfassende und gründ- liche Kenntnisse im Gebiete der Naturwissenschaften zu erwerben, dass er das Doctorexamen summa cum laude bestand; später für seine selbst- ständigen Arbeiten nicht nur die bis dahin über den Gegenstand bekannt gemachten Beobachtungen bis zu den ersten Anfängen zu verfolgen, die darauf bezüglichen Sammlungen getrockneter Pflanzen und die grossen Herbarıen von Berlin, Wien, St. Petersburg u. a. in einem Umfange zu vergleichen, wie kaum Einer vor ihm, sondern auch durch eigene nament- lich mikroskojische Beobachtungen das Bekannte zu prüfen, weiter an- zuwenden und durch selbst Gefundenes zı erweitern. Es ist dies um so höher anzuschlagen, als Milde nur mit einem Mikroskop beobachtete, welches er schon als Student für 15 Thlr. gekauft hatte, aber er hut h \ F t h E “ A | 2 ar der Schles. Gesellsch. f. raterl. Cultur. 105 mit diesem kleinen Instrument mehr gute Beobachtungen gemacht, als mancher Andere mit grossen Piössl's, Hartnack’s oder Oberhäuser's. Daneben stand er als Custos den naturwissenschaftlichen Sammlungen der schlesischen Gesellschaft vor und hier hat er allen schon durch die Einordnung des grossen Henschel’schen Herbariums zu Stande ge’ braelit, was nur Jemand, der so rasch arbeitete, wie Milde, in so kurzer Zeit durchführen kounte. Endlich — und das nahm seine Kraft am meisten in Anspruch — versah Milde sein Amt als Lehrer — ein Jahr an der Realschule am Zwinger, dann au der zum heiligen Geist, an welcher er Ostern 1853 als sechster College und Ordinarius der Sexta ausgestellt wurde. Er hatte hier wöchentlich 22 Stunden, namentlich Deutsch, Religion, Geographie in den unteren, Physik in den mitileren, Naturgeschichte bis in die oberen Klassen zu unterrichten und erhielt erst in den letzten Jahren durch Be- sehränkung der Stundenzahl auf die Hälfte eine bedeutende Erleichterung. Von Anfang an gab er seine Stunden mit grossem Eifer. Seine bis da- hin regelmässig geführten botanischen Tagebücher enthalten am Schluss die Worte: „‚‚In diesem Sommer trat ich mein Probejahr an, in Folge dessen weniger Excursionen angestellt werden konnten. Aus freien Stücken machte er später mit Denjenigen seiner Schüler, welche für Kenntniss des Pflanzenreichs Interesse zeigten, zahlreiche Exeursionen und erweckite dadurch die Liebe zu weiterer Beschäftigung mit der Natur. Es ist wahr: die Ferien gehörten ihm und in der Schulzeit wurde jede freie Stunde fleissig benutzt; aber doch können wir uns hier der Frage nicht erwehren, wie Milde zu dem Allem Zeit gefunden habe. Vornämlich dadurch glaube ich, dass er für Vieles, was Andere erfreut, zerstreut oder beschäftigt, nur eben so viel Zeit aufwendete, als unver- meidlich war. Er war keineswegs unempfäuglich für die Annehmlichkeiten des geselligen Umgangs. Als Student gehörte er mit mehreren seiner Schul- freunde einer Verbindung an und kam — freilich erst spät nach gethaner Arbeit — gern in die Stammkneipe, wo er oft ausserordentlich aufgelegt war. Der akademische naturwissenschaftliehe Verein, welchem er meh- rere Jahre lang angehörte, verdankt seiner guten Laune eins der besten Gelegenheitsgedichte zur Feier seines Stifiungstages und Manche, welche mit ihm Fahrten oder Wanderungen gewacht haben, erinnern sich der harmlosen Heiterkeit und des munteren Witzes, den er entwickelte, su lange seine Aufmerksamkeit noch nicht dureh naturgeschichtliche Gegen- stände gefesselt war. Aber je länger, je mehr beschränkte sieh diese Stimmung auf einzelne sorgenfreie Stunden, auch ging er, schon um seine Gesundheit zu schonen, des Abends wenig, in den letzten Winteru gar nicht mehr aus. Be) % UNE SE 2 106 Jahres-Bericht Ebenso schränkte sich sein Umgang mehr. mid mehr auf die seiner Freunde ein, welche sein botanisches Interesse theilten. -Bezeichnete er doch schon als Student in seinen Tagebüchern einen Ausflug nach dem Zobten, bei dem nicht viel botanisirt wurde, mit ‚sichtliehem Missver- gnügen als eine „Bummelei.‘ Andererseits führte ihm jene Gemein- samkeit- der Bestrebungen wieder leicht neue Freunde zu. Bei Apotheker Lohmeier in Neisse, mit dem er 1848 auf: dem Altvater zusammengetroffen war, wurde er wiederholt auf’s Freundliehste aufgenommen, so dass er die namentlich an interessanten Equiseten. reiche Umgegend mehrmals durehforschen konute; ebenso von dem.alten: Pastor Kotschy in Ustron, dem Vater des durch seine Reisen: in; Vorderasien bekannten Botanikers Theodor Kotschy. „Im Jahre 1852, so erzählt der schon von der Universität her mit Milde; welcher damals als Hilfslehrer an der Realschule am Zwinger beschäftigt ‚war, befreundete Dr. Hensel, reisten wir nach Ustron, um neue Kräfte aus- den dortigen berühmten Molken zu schöpfen, zugleich auch in der Heff- nung, eine neue Natur zu sehen und ein billiges Leben zu führen, denn- Ustron sollte ja am Ende der Welt unter den Mausefallenhändlern liegen, dort musste Alles um ein blosses „Danke. schön“ -zu.haben sein. Wir kamen an und sahen statt der elenden Hütten prächtige Häuser, ein ge-' waltiges Dorf, grosse Fabrikanlagen, Hüttenwerke,. aber nirgends Sle- vaken, statt deren vielmehr nichts, als elegante Welt. Unser Muth- sank. gewaltig, doch fuhren wir nach den Badeanlagen am Ende des Darfes- und stiegen hier ab. Wir konnten aber nirgends ein Unterkommen finden, denn alle Wohnungen waren schon vergeben; auch hatten wir- längt bemerkt, dass mit dem blossen „, würde auszurichten sein. Wir waren in der T'hat in grosser Verlegen-" heit und dachten schon daran, wieder umzukehren. ne Da fiel Milde ein, dass er ja im Besitze eines Empfehle ke von Göppert an den alten Kotschy, den protestantischen Seelsorger in Ustron sei. Wir sprachen unsere Absieht, ihn aufzusuchen, gegen die. Umstehenden aus, begegneten aber zu unserem Erstaunen überall bedenk- liehen Gesichtern. „Der Mann mit dem steinernen Herzen, von dem ist nichts zu erwarten,‘ sagte der Eiue. „Der schmeisst Ihnen halt 'raus,‘* meinte der Andere, und Alle waren der Meinung, es sei geralhener, nieht erst zu ihm zu gehen. Wir beschlossen jedoch, wenigstens einen Versuch zu machen und Milde hielt sich verpflichtet, seinen Ei brief abzugeben. Wir gingen also. ‚Kotschy aber wohnte am anderen Ende des unendlich na Dane: und je näher wir der Höhle des Löwen kamen, desto mehr sank unser Muth. Wir verspürten nieht geringe Lust, wieder umzukehren, ‚um uns eine Scene zu ersparen; nur die Furcht, ausgelacht zu werden, trieb uns vorwärts, Endlich war die grosse, aber unschöne Kirche erreicht; Danke schön“ hier nieht viel. Kal re as a Dr 2 LK Ba Zi er rk Zn a ae Pa ee a Bl nl a nctee al RE ie Le ea Se a der Schles. Gesellsch. £. vaterl, Cultur. 107 in- kurzer Entfernung ..dahinter befand sich. das Pfarrhaus. Ich fasste Posto auf einer Bank vor der Kirche, da ich einen Besuch von meiner Seite nicht motiviren konnte, Milde aber schwang seinen papierenen Talisman und beschloss, das Abenteuer zu bestehen. Bald war er hinter der Kirche verschwunden und ich erwartete mit Spannung die’ weiteren: Ereignisse. Doch sollte ich nieht lange in Ungewissheit bleiben... Nach‘ kurzer Zeit schon ertönte eine furchtbare Stimme weit hinter der Kirche und ich unterschied deutlich den Ruf: „Na, wo steckt denn der Andere? Hensel hierher! Will der nicht "rein kommen?“ Ich eilte dem Befehle Folge zu leisten und begegnete bald einer imponirenden Persönlichkeit mit langem weissen Haar, mit hohem Cy- linder darauf und angethan mit einem langen schwarzen Kleidungsstück von räthselhafier Form, halb Talar, halb Rock. Milde stand dabei — Sanz unversehrt! Unsere Begrüssung war kurz, aber energisch; Milde winkte mir mit den Augen, es gehe gut! „Kinder,‘“ sagte der gefürchtete Tyrann, „im Dorfe werdet ihr kein Uuterkominen finden, aber wenn Ihr bei mir wohnen wollt, so soll mir's sanz recht sein!“ Ein centnerschwerer Stein fiel von unseren Herzen und wir eilten nach dem Gasthause, das Gepäck zu holen. Schadenfroh kam man uns hier entgegen ınd meinte: „‚Na, Sie sind ja recht schnell wieder zurück!“ Als wir nun aber erklärten, bei Kotschy wohnen zw: wollen, da verwandelte sich die Schadenfreude in Staunen; man gaffte uns an wie Wunderthiere und wir zogen triumphirend ab. ' Kotschy räumte uns einen Saal im ersten Stock ein, ein langes Zimmer mit drei Fenstern in der Front, rechts führte eine Thür in die. Wohnungsräume seiner Familie, links zu seinen eigenen. So waren wir die Vermittler zwischen den herrschenden Gewalten des Hauses. _Doch- ist dieses nicht wörtlich zu nehmen, denn es gab hier nur eine Herr- schaft, die des Hausherrn; alles Andere musste unbedingt gehorchen: Wir wohnten aber nicht bloss hier, sondeın assen auch in der Familie, kurz wurden nur als Mitglieder derselben behandelt; ein Bote musste jeden Morgen aus dem. entfernten Bade die Molken holen und Ustron war für uns das gastliche Pfarrhaus. Wie konnte aber Alles so kommen? Die Antwort wird lauten: Milde, sein botanisches Wissen, sein Mikroskop bewirkten das Wunder. Kotschy war eiu tüchtiger Botaniker und kannte die Flora seiner Gegend sehr genau. Er führte Milde in den Garten und erkannte bald an der Sicherheit, mit welcher dieser die dert angepflanzten Gewächse bestimmte, seine umfassenden und gründlichen Kenntnisse, an der leb- haften Freude, mit welcher er diese und jene, namentlich kryptogamische Pflanze begrüsste, die Liebe, mit welcher er sich dem Studium des Pflanzenreichs hingegeben hatte; ja er fand, dass er selbst von Milde lernen könne. Dies genügte, uns — ich wurde als zoologischer Anhang 1068 Jahres-Bericht betrachtet — die Freundschaft des Greises zu sichern, der niemals eine Gelegenheit, seine Kenntnisse zu vermehren, ungenützt vorüber gehen liess, | Jetzt entwickelte sich ein reges, wissenschaftliches Leben im Pfarr. hause. Wir, Milde und ich, machten täglich Exeursionen, ven denen Milde stets reiche Ausbeute heimbrachte. Kotschy bedauerte es schmerz- lich, seines hohen Alters wegen uns nicht begleiten zu können. Er er- wartete unsere Rückkehr stets mit Ungeduld, um daun sogleich gemein- schaftlich mit uns die gefundenen Schätze einem genaueren Studium zu unterwerfen. Besonders interessirte ihn der Gebrauch des Mikroskops. Die Verschiedenheit des Pollens nach den Arten, die er immer geahnt hatle, erwies sich nun als greifbare Thatsache. Milde wurde nicht müde, mikroskopische Demonstrationen zu halten und so seiner Wissbegierde stets neue Nahrung zuzuführen. | So vergingen Wochen, die ich zu den angenehmsten meines Lebens zähle. Die Buchen- und Tannenwälder der Beskiden rerwandelten sich in den Vorwald ferner Zonen, wir schwelgten in Phantasieen, die uns in eine tropische Natur versetzten. Wie o‘t habe ich in späteren Jahren in den Urwäldern Brasiliens, bei dem erhabenen Rauschen in den Kronen der Araukarien oder unter dem smaragdgrünen Blätterdache baumartiger Farne an jene harmlosen Zeiten zurückgedacht, wo uns an den Ufern der Weichsel Myricaria germanica und Struthiopteris mit Bewun-leruug und den Ahnungen einer tropischen Vegetation erfüllten, Milde war es nicht beschieden, den sehnlichsten Wunsch seines Lebens erfüllt zu sehen. Endlich war die Zeit der Abreise gekommen; die Trennung wurde uns schwerer, als wir gedacht hatten. Die Hausfrau zerdrückfe eine Thräne im Auge und selbst der „Mann mit dem steinernen Herzen“ konnte seine Rührung nicht verbergen. Als wir auf unserem Bauern- wagen nach Teschen fuhren, entdeckten wir in dem. Stroh des Wagens noch manches verborgene Packet mit gebratenen Gänsen oder Enten und so wurde uns die geheimnissvolle Thätigkeit klar, welche’ in den letzten Tagen vor unserer Abreise auf dem Wirthschaftshofe des Pfarr- hauses zu bemerken gewesen war. Hatten wir unsere erste Aufnahme Milde’s botanischem Wissen, so hatten wir die uns so lange gewährte herzliche Gastfreundschaft seiner Anspruchslosigkeit zu verdanken, seinem kindlichen Sinn, der fern voa aller Blasirtheit auch an dem Geringsten seine Freunde hatte und dem die Zuneigung derer, mit denen er im näheren Verkehr trat, nielıt fehlen konnte. Dass dies wirklich so war, lehrt sein Aufenthalt bei Kotschy. Darum war es wohl nöthig, auch diesen seltsamen Mann zu schildern, der mir unter allen Menschen am deutlichsten den Unterschied zwischen Kern und Schale demonstrirt hat.“ ö i der Schles. Gesellsch. f. raterl. Cultur. 109 Wir können dem Urtheil über Milde’s Persönlichkeit nur beistimmen. Seine Bescheidenheit, wegen der er:von Dr. Hodann bei den Stiftungs- festen der entomologischen und botanischen Section, dem Käferessen, den stehenden Beinaman modesius Milde erhielt, war ebenso frei. von jeder -Kriecherei, wie sie sich, namentlich in den letzten Jahren, mit einem berechtigten Selbstgefühl vertrug, das sich auf die vielseitige Anerkennung seiner wissenschaftlichen Leistungen und auf die Bereitwilligkeit stützte, mit welcher man ihm auch aus weiter Ferne enigegenkam, um ihn bei seinen weiteren Arbeiten zu unterstützen. Protestant, religiös und poli- tisch freisinnig —— er hat stets mit der Fortschriftspartei gestimmt — verhehlte er nirgends seine Gesinnung, sprach sie aber auch nicht in einer Weise aus, welche anders Denkende hätte verletzen können. Sein ofienes, schlichtes Wesen, sein reines, uneigennütziges Streben gewannen ihm die Achtung Derer, welche in amtliche oder wissenschaftliche Beziehung’ zu ihm. traten. So stand er nicht nur mit allen schlesischen Botanikern, welehe er kennen lernte, sondern auch mit Alexander Braun, Mettenius, Hofmeister, Caspary, Sanio, Rabenhorst, Fenzl, Reichardt, Juratzka und vielen Anderen in freundschaftlichem Verkehr: ja sein Briefwechsel be- schränkte sich, seine Frau ausgenommen, wohl so gut wie ganz auf Männer seiner wissenschaftlichen Richtung. Anfängern war er stets bereit, namentlich durch Bestimmung von Pflan* zen behilflich zu sein, wo er nur sah, dass das von ihm Gebotene auch fleissig benutzt und so etwas Tüchtiges gefördert werde. Jemand, der ihm Moose brachte, welche Milde ihm bereits wiederholt bestimmt hatte, liess er seine Ungeduld merken, und konnte ihm auf die Frage, er störe wohl, antworten: ‚Mich stört man immer!‘‘ Seine genaueren Freunde nahmen sich, wenn sie ihn mitten in einer Arbeit trafen, ein Buch oder ein Packet Pflauzen vor und warteten, bis er einen Abschnitt machte. Ich selbst habe ihn nur einmal unbeschäftigt getroffen, als ich ihn wenige Tage vor seiner letzten Abreise nach Meran zum letzten Male besuchte. Mit der Kraft war auch der Mutlı und die Lust zur Arbeit geschwunden, bei einem Manne wie Miide wohl ein ebenso bedenkliches Zeichen für sein herannahendes Ende, wie irgend ein körperlicher Zustand. Gesellschaften gab Milde ebenso wenig, wie er sie anderswo auf- suchte, selbst Concerte und Theater besuchte er nur hin und wieder seiner Frau zu Gefallen, Seine erste Frau, eine Tochter des Oberorganisten Freudenberg, hatte er bei seinem Aufenthalt in Reinerz 1853 kennen gelernt, schnell eine lebhafte Zuneigung zu ihr gefasst, sich mit ihr verlobt und sie das Jahr darauf geheirathet. Auch sie musste sich daran gewöhnen, dass Milde bald nach der Hochzeit seine Lieblingsbeschäftigungen, welche ihr anfangs wohl nur als Liebhabereien erschienen, mit Lebhaftigkeit aufnahm und bald wieder fast so ausschliesslich verfolgte, wie früher. Ihre bald ein- 410 “0 sJahres-Berieht tretende Kränklichkeit, wie die Sorge für die Kinder machten ‘< Trichomanes), A. adulterinum (A. Trichomanes-viride), Scolopendrium hybridum (Scolopendrium >< Ceterach offieinarum) und > dium spinuloso-cristatum. Die kleinen Familien der Lyeopodiaceen!P) und Ehrebcdpeitinn haben Milde nur wenig beschäftigt, obwohl er auch hier eine neue Art, Selaginella affınis aufstelliee Für uns Schlesier vom grössten Interesse ist die Entdeckung der Isoetes lacustris im grossen Teich des Riesen- gebirges im Jahre 1866, ein neues so vereinzeltes Vorkommen, dass es unwillkürlich zu gewagten Vermuthungen über die Verbreitung der Ge- wächse herausfordert. Wie Milde seine Untersuchungen über die gesammten Gefäss-Krypto- gamen unserer Provinz schon 1858 in seiner grossen Arbeit über diesen Ge- genstand in den Verhandlungen der Leopoldinischeu' Akademie niedergelegt hatte, so that er dies 1865 für einen weiteren Kreis in den „Höheren Sporen- pflanzen Deutschlands und der Schweiz‘ und zuletzt für Europa, Nord- afıika und die zugehörigen atlantischen Inseln, Kleinasien und Sibirien in seinen ‚„‚Pilices Europae et Atlantidis“. Für das letzte Werk standen ihm N: E der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur. 115 die reichsten Hilfsmittel zu Gebote und indem er mit steigendem Inter- esse die Veränderungen verfolgte, welche viele der beschriebenen Arten bei ihrem Vorschreiten nach dem Süden erleiden, konnte er sich der Frage nicht erwehren, ob hier nicht vor unseren Augen Uebergänge ver- schiedener Arten — wie viele dieser Formen waren als solche aufgestellt worden — ineinander vorlagen. In seinen „Materialien zur Beur- theilung der Darwin'schen Theorie“, welche 1867 in der bota- nischen Zeitung erschienen, kommt er zu dem Eıgebniss, dass einige Arten, wie Blechnum Spicant, Athyrium Filix-femina u. a. trotz weiter Ver- breitung wenig variiren, während andere, z. B. Polypodium vulgare, Chei- lanthes fragrans, Asplenium Ruta - muraria, in von einander entfernten Gegenden in so verschiedenen Formen auftreten, dass er selbst bei mehr als einer erklärt, ces würde sie jeder unbedenklich für besondere Arten halten, wenn nieht bei Vergleiehung zahlreicher Exemplare, namentlich aus. den zwischenliegenden Ländern, Tebergänge sich fänden, welche diese Annahme widerlesten. Ohne Rücksicht fast auf die Bedeutung der irennenden Merkmale vereinigt daher Milde alle noch so verschiedenen Formen, welche durch Uebergänge verbunden sind, in eine Art und findet nun, dass die so begrenzten Arten durch bestimmte und feste Merkmale von einander getrennt sind. Zwischen den auf diese Art. vereinigten Formen finden sieh oft mindestens ebenso grosse Unterschiede, wie zwischen vielen von ihm als wohl begründet angenommenen Arten und es drängt sich doch die Frage auf, ob es nicht naturgemässer wäre, an- zunehmen, dass wir in jenen Formen ebenso gute Arten vor nns haben, wie in diesen, nur dass bei jenen noch die Zwischenformen uns erhalten sind, während diese zwischen den nicht durch Uebergänge verbundenen Arten entweder noch nicht aufgefunden oder nicht mehr vorhanden sind. Vielleicht geht bei den ersteren die Spaltung einer Grundform in mehrere Arten eben noch vor sich, während sie bei den letzteren in der Zeit weit zurückliegt, und die auseinandergehenden Entwicklungsreihen eine festere Gestalt angenommen haben. Betrachtungen wie die, dass die zahlreichen auch von Milde angenommenen Arten der Equiseta hiemalia trotz ihrer ausserordentlichen Verschiedenheit vielleicht doch nur Formen einer und derselben Art seien, mussten selbst Milde bedenklich machen und waren es wohl, die ihn einmal zu der Aeusserung drängten: „Ich habe stets gegen Darwin geschrieben und am Ende habe ich für ihn gearbeitet.‘ *) Erst nachdem Milde die Gefäss - Kryptogamen so weit bewältigt =) Hierbei ist nur an die Darwin’sche Annahme die Entstehung verschiedener Arten aus einer gemeinsamen Grundform, nicht an der Zuchrwehl als Bi der- selben zu denken. 8* rm N Te RB ln re RE a Te A RENTEN SU 4: Y; “. re nd. = a, IR Er 2 % £ 116 Jahres-Bericht ’ hatte, dass er einen gewissen Abschluss in ihrer Erkenntniss erreicht hatte, oder wenigstens, wenn ich so sagen darf, festen Boden unter seinen Füssen fühlte, wendete er, ohne jene darum aus den Augen zu verlieren, seine volle Kraft den Moosen!!) zu. Zum ersten Male trat dies hervor, als er am Geburtstage des Königs im October 1855 nach einer Einleitung über die Wichtigkeit des Tages die Festrede selbst über die Bedeutung und den Nutzen der Moose im Haushalte der Natur hielt. Schon im folgenden Jahre veröffentlichle er seine „Uebersicht der in Schlesien bisher beobachteten Laubmoose, zusammen- gestellt nach den Qnellen und eigenen Beobachtungen‘ und seitdem hat er diesen Gegenstand mit solcher Ausdauer verfolgt, dass er 1869 in seiner Bryologia silesiaca, welche freilich auch ganz Norddeutschland, Jütland, Holland, Baden und selbst die Gegend um München umfasst, zuerst eine erschöpfende Bearbeitung der schlesischen Laubmoose geben konnte. Bei voller Anerkennung der früheren Arbeiten über diesen Gegenstand kann er daher mit Recht als der Vater der schlesischen Bryologie bezeichnet werden. Milde selbst erwähnt mit seiner, von jeder Ruhmredigkeit freien, schlichten Wahrheitsliebe die bedeutenden Vor’ arbeiten, welche namentlich von Albertini, Sendtner und Göppert ausge- führt worden waren, und ihm durch die hohe Freigebigkeit des Letzteren zngünglich gemacht worden, so dass von 346 Arten in der ersten oben erwähnten Uebersicht nur 5 von Milde zuerst in Schlesien gefunden worden sind. Aber jene grosse Zahl war nicht bekannt gemacht, son- dern in handschriftlichen Verzeichnissen oder Privatherbarien niedergelegt, so dass schon hier das Verdienst einer fleissigen und sichtenden Zu- sammenstellung und Veröffentlichung Milde gebührt. Die Bryologie ent- hält aber, zwar nicht allein, aber hauptsächlich durch Milde’s rastlose Bemühungen bereits 457 Arten, zu denen in zwei Nachträgen noch neun Arten kamen, so dass die Gesammtzahl der bei Milde's Tode bekannten Arten 466 beträgt. Jahr für Jahr lässt sich dieser bedeutende Zuwachs in den Jahres-Beriehten der Schlesischen Gesellschaft und seit 1861 in einer Reihe von Aufsätzen Milde’s in der botanischen Zeitung verfolgen Ein Verzeichniss der 83 von Milde selbst zuerst in Schlesien gefundenen Arten, welches ich der Güte des Herrn Limpricht verdanke, der- mich überhanpt bei meiner Arbeit auf’s freundlichste unterstützt hat, schliesse ich an. In ein vortreffliches allgemeines Bild fasste Milde die pflanzengeo- graphischen Ergebnisse seiner Moosstudien zusammen in „Die Verbrei- tung der schlesischen Laubmoose nach den Höhen und ihre Bedeutung für die Beurtheilung der schlesischen Flora. Mit einer tabula bryo-geographica“, welche 1861 in den Verhandlungen der Leopoidinischea Akademie erschien. | \ der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur. 217 Ebenso bedeutend wie die Erweiterung unserer Kenntniss der Moos- flora Schlesiens waren Milde’s Untersuchungen zur genaueren Kenntniss dieser Pflanzen selbst. Folgte er auch, wie bei den Farnen den bahnbrechenden Arbeiten von Mettenius, so hier denen Schimper’s, so geschah das doch stets mit selbstständigem Urtheil auf Grund eigener Forschung. Daher ver- danken wir ihm nicht nur vielfache Beiträge zur genaueren Kenntniss der bekannten, sondern auch die Aufstellung von 15 neuen Laubmoosarten, zu denen noch 9 in Gemeinschaft mit Juratzka aufgestellte hinzukommen: Dicranella decipiens (Hedwigia 1565 p. 32); Barbula pagorum (Bot. Ztg. XX. p. 459); Campylopus Schimperi (Ein Sommer in Südtirol No. 13); Coscinodon humilis (Bot. Ztg. 1864 Beilage); Bryum fallae (Schimper’s Synopsis 1860, p. 691); B. amoenum (Linnaea 1869); Hypnum dolomi- tieum (Ein Sommer in Südtirol 21 No. 2); Brachythecium vineale (Bot- Ztg. 1864 Beil.); Br. vagans (Bryologia silesiaca p. 331, Bot. Zt. 1869); Br. Geheebii (ebenda); Polytrichum (Atrichum) anomalum (ebenda); Campto- thecium insigne (Bot. Ztg. 1861; später zu C. nitens gezogen); Plagio- thecium Arnoldi (Bryol. siles. p. 318; Bot. Ztg. 1869); HAypnum (Ambly- stegium) densum (Bot. Ztg. 1864 Beil.); Bryum Juraizkae (Zool. bot. Ges- 1870). Gemeinsam mit Juratzka: Plagiothecium Schimperi (Rabenhorst Bryotheca Europaea 1862 No. 588); Barbula insidiosae (Bryol. siles. p. 120); B. Haussknechtü; Trichostomum persicum; Entosthodon angusti- folius; Bryum dalachanicum; Atrichium Hausshnechtü; Leucodon caucasicus; Brachythecium umbilicatum, die letzten sieben in den Verhandlungen der zoologisch-botanischen Gesellschaft in Wien vom Jahre 1870. Selbst unter den Lebermoosen !?), welche durch Nees Erinnerun- gen aus dem Riesengebirge bereits eine klassische Bearbeitung erfahren hatten, fand Milde ausser einer neuen Riccia (R. affinis) bei Meran ein in doppelter Hinsicht interessantes Pflänzchen im Jahre 1856 zahlreich bei Gräfenberg. Dasselbe hatte zwar Aehnlichkeit mit der damals in Europa noch wenig bekannten Gattung Notothylas Sull., unterschied sich aber durch mehrere bedeutende Merkmale, namentlich, wie Milde glaubte, durch den Mangel einer Columella in der Frucht. Milde stellte daher für dasselbe eine neue Gattung, Chamaeceros, auf und nannte die Art Ch. fertilis. Lehmann in Hamburg, welcher eine ähnliche Pflanze bei- Karlsbad gefunden, bezweifelte die Berechtigung der neuen Gattung und Milde sah sich, wohl das einzige Mal in seinem Leben, in eine literarische Fehde verwickelt. Er antwortete mit einer „Rechtfertigung des Genus Chamaeceros“, sah sich aber, weil ihm wohl selbst Zweifel aufgestiegen waren, veranlasst, noch einmal nach Gräfenberg zu reisen, wo er die Pflanze sowohl an Ort und Stelle beobachtete, als auch eine Anzahl lebend nach Breslau brachte und bis zur vollen Fruchtreife ceultivirte. Hier überzeugte er sich freilich, dass die von ihm früher übersehene Columella vorhanden sei, und mit der Offenheit, die ihm in solchen R 118 Jahres-Bericht Fällen so wohl anstand, sprach er dies alsbald aus, zog die von ihn aufgestellte Gattung Chamaeceros ein und verwerthete das ihm ausserdem inzwischen zugänglich gewordene Material, namentlich von amerikanischen Pflanzen zu einer gründliehen, durch zwei Doppeltafeln mit sorgfältigen Abbildungen erläuterten Monographie ‘der Subiribus Notothyladeae. Immer bleibt Notothylas fertilis Milde eine seiner interessantesten Entdeckungen. Endlich schliesse ich noch an, dass selbst die Pilze !?) nicht ganz leer ausgegangen sind. Das von Bernstein entdeckte Microstoma hiemale wurde von Milde genauer beschrieben und wiederholt die Aufmerksam- keit auf die schlesischen Trüffeln — falsche und echte — hingelenkt. Für so umfangreiche und gründliche wissenschaftliche Arbeiten wurde Milde nicht nur bei seinen Freunden, sondern auch in weiten Kreisen vielfache Anerkennung zu Theil. Seinen wissenschaftlichen Leistungen verdankte er es, dass die städtischen Behörden mit nicht genug anzu- erkennender Freigebigkeit ihm wiederholt längeren Urlaub nnd in den letzten Jahren eine grosse Erleichterung durch Verminderung seiner Stundenzahl gewährten. Die Königliche Behörde ehrte ihn durch Ver- leihung des Titels Professor, zahlreiche Gesellschaften ernannten ihn zu ihrem correspondirenden, wirklichen oder Ehrenmitgliede und 4 Moose (Fissidens Mildeanus, Bryum Mildeanum, Brachythecium Mildeanum, Tricho stomum Mildeanum), 1 Lebermoos (Jungermannia Mildeana) und eine von hm bei Meran entdeckte Flechte, (Stenecybe Mildeana Krb.) tragen seinen Namen, Und wenn uns in der Trauer darüber, dass ein so strebsamer Geist uns entrissen werden musste, als er noch die volle Fähigkeit und Kraft besass zu wirken und zu schaffen, ein Gedanke trösten kann, so ist es der, dass er selbst nicht lange vor seinem Tode gegen einen Freund aussprechen konnte, dass er die Ziele, welche er sich gesteckt, in der Hauptsache erreicht habe. Mit Recht mag daher das Andenken an den Verewigten uns an das Wort des Dichters erinnern: Dem ernsten Wunsch, dem ungetheilten Streben Wird gern zuletzt der Siegespreis gegeben. Verzeichniss der von Dr. Milde veröffentlichten Schriften. Das folgende Verzeichniss von Milde’s Schriften gründet sich auf Ansicht der Arbeiten selbst. Diejenigen, welche nach Ausschnitten auf- geführt sind, die sich in seinem Nachlass vorfanden, habe ich in den betreffenden Zeitschriften‘ verglichen, so weit mir dieselben zugänglich waren. Einige Wenige habe ich ohne diese Prüfung aufnehmen müssen, und bei ihnen wmöchte sich wohl ein oder der andere Irrihum einge- schliehen haben. Jede Berichtigung oder Ergänzung werde ich dankbar entgegen nelımen und im nächsten Jahres-Bericht der Schlesischen Ber schaft als Nachtrag veröffentlichen. der Schles. Gesellsch. f. vaterl, Cultur, 119 Abgekürzt worden sind folgende, oft wiederkehrende Aufschriften: Schles. Ges. = Uebersicht der Arbeiten und Veränderungen der schle- sischen Gesellschaft für vaterländische Cultur, seit 1850: Jahres- Bericht derselben. Bun ‚bot. V. = Verhandlungen des botanischen Vereins der Provinz Brandenburg und der angrenzenden Länder. Zool.-bot. Ges. = Verhandlungen der k. k. zoologisch - botanischen Ge- sellschaft in Wien. ’ Bot. Zt. = Botanische Zeitung von Mohl und Schlechtendal, später de Bary. ' Nova Acta = Nova Acta Academiae Caes. Leopoldino-Carol. Nat. Curios. 1. Zoologie. Zoologische Mittheilungen aus Meran (Zool.-bot. Ges. 1865 $. 961 ff.), betr. Salamandra maculosa, Cicada argentata, Scorpius germanus, Sc. italicus. Thierwelt Merans (Schles. Ges. 1866 $. 55—59). Ueber Zootoca vivipara (Zool.-bot. Ges. 1870). Ä Die Singeicaden (Programm der Realschule zum Heiligen Geist in Breslau 1366). Mittheilungen aus Görbersdorf (über Drahtwürmer und Eidechsen ete, — Zool-bot. Ges. 1868; Schles. Ges. 1868. S. 147). 2. Botanik, allgemeine. Ueber Sklerenchymzellen (Linnaea 1870 $. 191). Zum Leuchten von Pflanzen (Schles. Ges. 1851 $. 82). Ueber die Reizbarkeit der nl von Drosera rotund. (Bot. Zt. 1852 Sp. 540). 3. Zur Flora Schlesiens und der Umgegend von Meran. _ Ueber Excursionen im Sommer 1853 (Schles. Ges. 1853 8. 164 — 168). Ueber. einige interessante Pflanzen der schlesischen Flora (Ebenda 1857 S. 68, 82). Botanische Notizen aus Schlesien (Zool.-bot. Ges. 1859 $. 132). Verzeichniss neuer Standorte schlesischer Pflanzen (Schles. Ges. 1869. ! $. 120-122). Mittheilungen über die schlesische Flora (Ebenda 1860 $. 71—74). Botanische Mittheilungen aus dem Jahre 1866 (besonders von Krumm- hübel — Schles. Ges. 1866 $. 108—120). Bemerkungen zu einem Aufsatz von Winkler u. s. w. (Märk. bot. V. 1862 $. 290). Bericht über eine .... Reise nach Niederschlesien (Vorgebirge von Jauer bis zum Pitschenberge — Schles. Ges. 13859 S. 37 — 51). Zur Flora von Johannisbad im Riesengebirge (Bot. Zt, 1860 8. 71—73). a en Te Try ba Walt” TREE u ni; . Me zn « e- MA Bu 3 ALTE EN ‘N a % 2 Nik 4 du, . 120 Jahres-Bericht Ein Ausflug nach dem grossen Teich im Riesengebirge (Märk, bot. V. 1867 8. 76—34). Flora des Hirschberger Thales und sporadische Erscheinungen im Pflan- zenreiche (Schles. Ges. 1870 S. 104). Ueber die Flora von Görbersdorf (Schles. Ges. 1863 S. 145—149). Aus der Flora von Reinerz und dem Hummel (Schles. Ges. 1849 8. 76 — Bot. Z. 1853 8. 889). ws Desgl. von Neisse (Ebenda $. 82). Desgl. von Ustron (Oesterr. bot. Wochenbl. 1852 S. 325). Desgl. von Karlsruhe in Oberschlesien (Ebenda 1854 S. 90). Der Hof der Universitätsbibliothek (in Breslau) Ges. 1864 S. 126, 1866 S. 107). Wissenschaftliche Ergebnisse meines Aufenthalts bei Meran Bot. Zt. 1862 5. 429-438, 441—454, 457—460). 4. Phanerogamen. Monstrositäten von Myosurus minimus (Zool.-bot. Ges. 1859 8. 132). Ueber Lemna arrhiza (Schles. Ges. 1849 $. 83). 5. Kryptogamen, allgemein. Bemerkungen über einige Sporenpflanzen der deutschen Flora (Zool. bot. Ges. 1867 8. 825). Kleinere Mittheilungen (Botrych. lanceol., Woodsia glabella, Equis. Telmat. ete. — Bot. Zt. 1865 S. 155). Beiträge zur Kenntniss der schlesischen BEypigenmen (Schles. Ges. 1854 8 64-71). Ueber einige interessante schlesische Pflanzen, besonders Kryptogamen (Schles. Ges. 1856 $. 41) desgl. (Bot. Zt. 1858 8. 547, 349). Mittheilungen über die schlesische peu (Schles. Ges. 1859 S. 51 — Bot. Zt. 1858 $. 347). Desgleichen über die schlesische Moosflora (enthält auch andere Krypto- gamen. Schles. Ges. 1858 $. 70—75). Neue Standorte schlesischer Moose und Farne (Schles. Ges. 1870 8. 121), Ueber Kryptogamenflora der Umgegend von Breslau (Schles. Ges. 1852 Ss. 67—73, Ein Sandfleck bei Karlowitz (ebenda 1864 $. 126). Zur Flora von Cudowa (Schles. Ges. 1864 8. 120—125). | Die Kryptogamenflora Südtirols (Bot. -Zt. 1864 Beilage, 18 sy | R r : 6. Gefüsskryptogamen, allgemein. Materialien zu: Beurtheilung der Darwin’schen Theorie (Bot. Zi. 1866 S. 397—402; 407—410 — 1867 8. 153—56). Filices Europae ct Atlantidis, Asiae minoris et Sibirige. der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur. 121 Tractantur: 1) Filices, Equisela, Lycopodiaceaue et Rhizocarpeae Europae, insular. Madeirue, Canariarum, Azoricarum, Promontori viridis, Algeriae, Asiae minoris et Sibiriae; 2) Monographia Osmun- darum, Bolrychiorum et Equiselorum omnium hucusque cognitorum. Lipsiae 1867. 8°. 3118. Die höheren Sporenpflanzen Europa’s und der Atlantis (Bot. Zt. 1866 S. 137 — 1867 8. 40). Das Wesen der Farnfluora der Atlantis (Bot. Z. S. 417— 423). Zur Farnflora Kleinasiens (Bot. Zt. 1867 8. 292). Europa’s Gefässkryptogamen (Bot. Zt. 1857 8. 474—479). Die höheren Sporenpflanzen Deutschlands und der Schweiz. Leipz. 1865. 8vo. VIII. und 152 $. — Nachtr.: ‘Bot. Zt. 1867 8.40. Verzeichniss der in Schlesien vorkommenden Gefässkryptogamen. (Oest. bot. Wochenbl. 1852 S. 187 fl.). Kritische Uebersicht der schlesischen Gefässkryptogamen mit besonderer Berücksichtigung der Equiseten (Schles. Ges. 1853. Denkschrift zur Feier ihres 50 jährigen Bestehens S. 133—197). Die Gefässkryptogamen iu Schlesien preussischen und öster- reichischen Antheils. 4to. 399 Seiten und 25 Tafeln. (Nova Acta Ace. C. Leop. Car. N. C. Vol. XXVI. p. II.) 1858. Ueber die Vegetation der Gefäss-Kryptogamen der Umgebung von Razzes in Südtirol (Zool.-bot. Ges. 1864 $S. 3—14). 7. Rhizocarpeae. Fur Entwiekelungsgeschichte der Equiseten und Rhizocarpen (Nova Acta 1852, T. XXI. P. IL. S. 613—646, 4 Tafeln. | 8. Farne. Ueber die Spreuschuppen der Farne (Schles. Ges. 1856 8. 44). Ueber einige neue in Schlesien beobachtete Farne (Schles. Ges. 1855 8. 92—95). Filices criticae (1. Bot. Zt, 1866 S. 179 ff.; 2. ebenda S. 309; 3. ebenda S. 384; 4. ebenda $. 392; Nachträge ebenda 1867 8. 40; 5. ebenda 1867 8. 25 u. 89; 6. ebenda $. 52; 7. ebenda 8. 57; 8. ebenda S. 148; 9. ebenda 1868 S. 375; 10. ebenda 9. 201, 449, 882; 11. udn 8. 614. Beber Polypodini: vulgare (Bot. 2. 1866 S. 397 und Märk, bet. V. 1865 8. 201). Gymnogramme leptophylia (Schles. Ges. 1862 S. 50; bot. Zt. 1862 $. 44 ebenda 1864 S. 40). Adiantum capillus Junonis (Bot. 7. 1867 8. 148). u RT Ban 10 De ee Se 1 2 2 | Jahres-Bericht Cheilanthes fragrans (ebenda 1866 8. 397); Ch. Kuhnüi Ienelule 1867 S. 149); Ssovitsiö (ebenda 1368 8. 377) Pteris radiata (Bot. Zt. 1866 $. 180). Ueber Athyrium, Asplenium und Verwandte (Bot. Zt. 1866 $. 373; 1870 9. 329 und 345; Schles. Ges. 1369 $. 81). | Alhyrium filix-fem. var. pruinosa (Märk. bot. V. ‚1866 S. 178); 4A. Schim- peri (bot. Z. 1866 S. 310). Asplenium Adiantum nigrum (Bot. Zt. 1853 8. 914; Oesterr. bot. vw 1853 S. 255) — A. adulterinum (Isis, Dresden 1868 8. 90; Schles. Ges. 1868 S. 71—82; Bot. Zt. 1868 S. 201— 2095 449 bis 455; 882) — A. he evand 1866 8. 309) — A. Bon gaei (ebenda 9. 384) — A. dolosum (Zool.-bot. G. 1864 $. 165 bis 168; Schles. Ges. 1864 $. 109) — A. fissum (Zool.-bot. Ges. 1867 8. 817). — A. Hauslmechtii (Bot.Z. 1866 S. 384 u. 398). — A. lepidum (Bot. Z. 1866 S. 592; 1867 $. 40; Linnaea 1866 = ...8. 161; Zool.-bot. Ges. 1867 8. 817 — 825). — A. Newmenni E (Bot. Zt. 1866 $. 385). — A. Reuleri (Bot. Zt. 1867 8. 148). — A. Trichomanes (ebenda 1866 $..398). Scolopendrium hybridum (Zool.-bot. Ges. 1864 $. 235 — 238 1 Tafel. — Schles. Ges. 1864 8. 109). FE Celerach offieinar. (Bot. Zt. 1866 S. 399). — C. Pozoi (Bot. Zt. 1866 Ä S. 311). si HE RENT Rh Aspidium aemulum (Bot. Zt. 1868 $. 375). — A. dilatatum (Bot. Zt. 1866 8. 400). — A. filiv-mas (ebenda). — Die Radix Panna (ebenda 1856 S. 901), — A. lobatum u. Vw. (Zool.-bot. Ges. 1858 9. 184), — A. nevadense (Bot. Zt. 1868 8. DER A: remotum (Schles. Ges. 1369 8. 82). Cystopleris fragilis (Bot. Zt. 1866 S. 399). — C. sudelica ae Ges. 1855, p. 92). Struthiopteris germanica (Oesterr. - bot.: Machenbl., 1853 8. 260 — -Edgne ..1853 $. 745). Keen a Ragiopteris (Bot. Zt. 1367 S. 57). Onoclea sensibilis, O. orientalis (ebenda). Woodsia Manchuriensis (ebenda 8. 149). Hymenocystis caucasica (ebenda 1866 $. 179). | Monographia generis Osmundae, 134 8. 8°, e.. 8 tab. (Aus Zool.- bot. Ges. 1868). — Fructifieation der Osmunden (Bot.' Zt. 1868 S. 65—73). — Index Osmundarum (ebenda 8. 49-55). — Ueber Osmundaceen (Schles. Ges. 1867 $. 108). — 0. regalis (Bot. Zt. 1866 8. 401; 1867 8. 153; 1868 S. 292; Märk. bet. V. 1367 8. 116). — ‘0. cinnamomea (Bot. Zt. 1867 $. 25 u. >> Ueber Todea und Leptopteris (Schles. Ges. 1870 $. 95). der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur, 193 Monographie der deutschen Ophioglosseen, 24 $. 4° (Pro- gramm der Realschule zum Heiligen Geist 1856). — O0. vulgatum (Bot. Z. 1866 S. 397). Ophioglosseae in: Reise der österreichischen Fregatte Novara etc. Bot. Theil 1. Bd. Sporenpfl. Wien 1870 4° p. 225. Monographia Botrychiorum, 136 8. 8°, 3 Tafeln. (Aus zool.- bot. Ges. 1869). — Nachtr. z. Mon. d. Botr. (ebenda 1870). — Index Botrychior. (ebenda 1868 S. 507—516). — Ueber eine neue Eigenthümlichkeit bei Botr. (Bot. Zt. 1867 S. 238). — Ueber Botr., deren Eintheiluug und Unterscheidung (ebenda 1864 S. 101 107). — Ueber europ. Botr. (Schles. Ges. 1857 8. 73 bis 79). — Botr. boreale (Bot. Z. 1857 8. 880). — B. crassi- nervium u. V. (Nuva Act. XXVI. p. II. S. 757 — 771). — B. lan- ceolatum (Bot. Zt. 1858 S. 69). — DB. matricar., B. simplex, B. anthem. (Zool.-bot. Ges. 1858 S. 94). — B. silaifolium (Bot. Zt. 1866 S. 394). Grammatosorus Blumeanus (Bot. Zt. 1868 8. 614). 9. Equiseten. Monographia Equisetorum, 607 S., 35 Taf. 4° (Nova Acta XXX. 2. Abth. 1867). * De sporarum Equisetorum germinatione, Diss. inaug. 20 8. 8°, ‘2 Taf. 1850. Zur Entwickelungsgeschichte der Equiseten und Rhizocar- peen 33 S. u. 4 Taf. (Nova Acta XXIII. p. II. 1852). Beiträge zur Kenntniss der Equiseten 55 $. u. 3 Taf, (ebenda). Zur Entwickelung der Equiseten (Bot. Z, 1852 8. 537). Das Auftreten der Archegonien aın Vorkeim von Equis. Telmateja (Klora 1852 mit Taf. VII.). Weitere Nachträge zur Kenntniss der Equiseten (Nova Acta XXIV. p. L. S. 63—78, 2 Taf. 4°. Ueber Equiseten (Oesterr. bot. Wochenbl. 1852 $. 187). Equisetensiudien (Bot. Zt. 1865 8. 377. — Schles. Ges. 1866 $. 71). Geographische Verbreitung der Equiseten (Bot. Zt. 1865 8. 157). = Repräsentiren die Equiseten der gegenwärtigen Schöpfungs-Periode ein oder zwei Genera? (Bot. Zt. 1865 $. 297). Conspectus Equiselorum omnium sec. affın. nat. dispos. (Zool.-bot. Ges. 1862 S. 1267). — Index E. (ebenda 1563 S. 233). — Editio altera (ebenda 1864 S. 525). — Nachtrag dazu (ebenda 1865 $. 909.) Beiträge zur Systematik der Equiseten (Schles. Ges. Abhandlungen, Ab- theilung für Naturwissensch. u. Mediein 1861 $. 139—149), vgl. ie I 4 Ua niEe 7 Zen g: 2 5 3 a 3 k 124 Jahres-Bericht kritische Uebersicht der schlesischen Gefäss- Kryptogamen mit besonderer Berücksichtigung der Equiseten (Denkschrift zur Feier des 50 jährigen Bestehens der schlesischen Gesellschaft für vater- ländische Cultur 1853, 8. 183—197). nr Ueber die Equiseta metabola (ebenda S. 198—204). Ueber Equisetenformen (Schles. Ges. 1850 S. 102). — Vermischte Mit- theilungen (ebenda S. 105). Ueber Equiseten (Zool.-bot. Ges. 1862 $. 1241). — Bericht über die Equiseten der Novara-Expedition (ebenda S. 1264). — Equiseta- eeae in: Reise der österreichischen Fregatte Novara um die Erde in den Jahren 1857—59. Botanischer Theil I. Band. Sporen- pflanzen. Wien 1870, 4°, p. 226. — Ueber exotische Equis. (Zool.-bot. Ges. 1861 S. 345 — 365). — Nachtr. dazu (ebenda 1865 S. 225—32). Equiselaceae (in Annales Musei Lugduno-Batavi 1863 8. 393398). Equtsetaceae (in Martius, Flora brasiliensis Fol. S. 650— 643, Taf. 71 URN Equisetum Schaffneri, E. giganteum, E. Huegelii, E. Lechleri, E. myrio- chaetum (Zocl.-bot. Ges. 1861 $. 345—365). — E. difjusum, E. bogotense, E. robustum, E. laevigatum, E. Marti, E. Brasiliense u. a. (ebenda 1862 S. 1241).. Vgl. oben: Ueber Equiseten. . arvense (Oesterr. bot. Wochenblatt 1851 S. 401, 410, 419). . Brawmii (Zool.-bot. Ges. 1862 8. 515). hiemale (ebenda 1363 S. 491; Märk. bot. V. 1863 8. 234). .:inundatum (Schles. Ges. 1851 $. 81). | . imosum, E. fluviatile (Bot. Zt. 1865 8. 241). litorale (Zool.-bot. G. 1858 8. 55). € . palustre (Märk.-bot. V. 1864 S. 191). | Mi . scirpoides (Zool.-bot. Ges. 1863 $. 1099). e . Sieboldi (Annal. Mus. Lugd. Bat. 1863). _ El . silvaticum (Bot. Zt. 18538. 873 —877). | Telmateja (Schles. Ges. 1849 8. 81; Märk. bot. V. 1864 8. 236; bet. Zt. 1865 8. 297). uns Beuisr ksukskuskskbsh ia u ui 10. Lycopodiaceen. Vorkommen von Lycopodium Chamaecyparissus in Schlesien (Schles. Ges. 1851 8. 82). Selaginella helvetica in Schlesien (Schles. Ges. 1866 8. 120). — 8. rupestris (Bot. Z. 1867 8. 155). — 8. mongholica (ebenda $. 52). Isoetes lacustris in Schlesien (Schles: Ges. 1866 $. 103; But. Zt. 1866 8. 263; Linngea 1866 8. 144. N A der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur. 125 1l. Laubmoose. Andeutungen zum Dimorphismus bei Laubmoosen (Bot. Zt. 1865 8. 388) Bryologische Mittheilungen (Linnaea 1869 $. 49; darin: Ueber die Spalt- öffnungen der Moose (ebenda S. 51). — Pflanzengeographische Mittheilungen (ebenda $. 52). Bryologia silesiacaa Laubmoosflora von Nord- und Mittel- deutschland unter besonderer Berücksichtigung Schlesiens „und mit Hinzunahme der Floren von Jütland, Holland, der Rhein pfalz, von Baden, Franken, Böhmen, Mähren und der Umgegend von München. Leipzig 1869. 410 8. 8°. Uebersicht der in Schlesien bisher beobachteten Laubmoose (Schles. ‚Ges. 1856 S. 64—77). Uebersicht über die schlesischen Laubmoose (Bot. Zt. 1861 S. 1—483; enthalteud Kurze Geschichte der schlesischen Moos- kunde, Verbreitung der Moose nach den Höhen, desgl. nach den Gebirgsarten; die wichtigsten Punkte des schlesischen Hochge- birges; Vergleichung mit anderen Moosfloren). Fortgesetzt 1864 S. 49; 1866 $. 81; 1867 $. 313; 1869 $. 208). ; Die Verbreitung der schlesischen Laubmoose nach den Höhen und ihre Bedeutung für die Beurtheilung der schlesischen Flora. Mit 1 Tabula bryo-geographica (Gross - Folio) 48 S. 4° Jena 1861. (Nova Acta XXIX.). Mitiheilangen über die schlesische Moosflora (Schles. Ges. 1858 8. 70 — 1862 S. 67). — Neue oder seltene schlesische Moose (Schles. Ges. 1865 S. 71 und 100; ebenda 1869 S. 82 und 123). Laubmoose der erratischen Blöcke (Schles. Ges. 1867 $. 100; Bot. Zt. 1870 S. 129—134, 9. 145—149). — Moose der Eiszeit (Schles. Ges. 1870 S. 60). Moosvegetation der Torfsümpfe Schlesiens (Bot. Zt. 1860 8. 71). Ueber den grossen Sumpf bei Dankwitz am Kupferberge vor Nimptsch (Schles. Ges. 1858 $. 76). Ueber die Flora der Rabendocken bei Goldberg, des Thales des kleinen Zacken, von Obernigk, Riemberg u. Schebitz (Schles. Ges. 18629.72). Laubmoose in den Karpathen (Bot. Z. 1865 8. 400). Ueber Moose bei Meran (Schles. Ges. 1862 S. 49). Beiträge zur Moosflora des Orients . ... von Juratzka und Milde (Zool.- bot. Ges. 1870. 14 8.) | Ueber kritische Moose (Schles. Ges. 1870 $. 130). _ Die reife Frucht von Pyramidula tetr. (Schles. Ges. 1858 8. 77). Barbula papilloss (Märk. bot. V..1860 9. 209; ebenda 1861/62 9. 296). a a EN TR Wer, N N TAN WM, x REIN 126 Jahres-Bericht Campylopus, Dieran., Dicranodont. (Bot. Zt. 1864 8. 26, 268, 395; ebenda 1870 S. 393 u. 409). Coscinodon (ebenda 1864 $. 192). Bryum fallax (Schles. Ges. 1859 $. 53; Bot. Zt. 1860 8. 126). Atrichum anomalum (Bot. Zt. 1869 $. 323). Fontinalis gracilis (ebenda 1868 $. 221). Anomodon apiculatus (ebenda 1870 S. 168). Brachythec. Geheebi (ebenda 1869 $. 825). Hypnum Mildeanum (ebenda 1860 S. 188). Anatomie und Entwickelung der Torfmoose (Schles. Ges. 1860 8. 67). 12. Lebermoose. Ueber Jungermannia Mildeana (Schles. Ges. 1867 $. 103). Zur Kenntniss von Anthoceros und Blasia (Bot. Z. 1851 S. 629). Chamaeceros fertilis. Novum genuse familia Anthocerotearum. (Nova Acta XXVL p. I. 8. 167—175 mit I Tafel. 4°) — Desgl. (Bot. Zt. 1856 8. 767). -— Rechtfertigung des Genus Chamaeceros gegen Herrn Professor Lehmann (Bot. Zt. 1857 S. 199). — Die Columella von Notothylas (ebenda 1858 8. 344). Ueber das Genus Notothylas (Bot. Zt. 1859 8. 33 — 40; 41—47; 49—55 ‚nebst zwei Doppeltafeln). 13. Pilze. Mantisse zu Bernstein: Microstoma hiemale (Nova Acta XXIII. p. II. 2 8. 4°), Vergl. Schles. Ges. 1858 $. 76, Trüffeln in Schlesien (Bot. Zi. 1864 $. 351). — Schles. Ges. 1864 9. 125; ebenda 1865 S. 71; ebenda 1866 8. 133). En Verzeichniss der von Milde für Schlesien zuerst aufgefundenen oder sicher nach- sewiesenen Pflanzen - Arten. 1. Phanerogamen. Wolffia (Lemna) arrkiza. 2. Farne. ' Asplenium Adiantum-nigrum var. Silesiacum. A.adulterinum, zuerst als Art nachgewiesen, dann selbst gefunden. Polypodium (Phegopteris) Robertianum. Aspidium remotum (Var. von A. Filix-mas). A. Bootü (A. spinulosum-cristatum).: 2 sr 5 24, aeuleatum Sw. (nicht Wimmer’s A: ac) m 0x I Te u re > A a a mi ar; 7 der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur. 127 Cystopteris sudetica wurde als besondere, von :C. montana verschiedene Art nachgewiesen. 3. Equiseten. Equiselum litorale (E. inundatum). E. ramosissimum, E. variegatum. 4. Lyeopodien. Lycopodium complanatum v. Chamaecyparissus. Isoetes lacustris. 5. Laubmoose.”) Weisia rostellata Lindbg. (1858). Cynodontium alpestre Whlbg. (1848). Trematodon ambiguus Hornsch. (1849). Dieranum fulvum Hook (1864). Dicranodontium aristatum Schpr. en flexuosus B. S. (1864). fragilis Dicks. (1360). Fissidens pusillus Wüs. — incurvus Schwaegr. — osmundoides Hedw. -— decipiens de Not. Seligeria Donnü C. Müll. (1859). Pottia Heimüi Fürnr. (1859). Trichostomum_eylindricum C. Müll. (1860). —_ luridum Spruce (1868). — cordatum Jur. (1859). — tophaceum Brid. (1859). — crispulum Bruch. — refleeum Lindbg. (1859). Barbula Hornschuchiana Schultz. — recurvifolia Schmpr. — _inclinata Schwgr. (1859). — papillosa Wils. — intermedia Wis. Grimmia sphaerica B. 8. 1859). — Mühlenbeckiüi Schpr. — Hartmamni Schpr. (1859). *) Das folgende Verzeichniss von Moosen verdanke ich, wie schon oben er- wähnt, der ausgezeichneten Gefälligkeit von Herrn Limpricht. 128 J ahres-Bericht Ulota Drummondü Brid. (1860). — crispula Bruch. Orthotrichum appendiculatum Schpr. Ephemerum cohaerens Hampe (1859). Webera pulchella Schpr. (1859). Bryum lacustre Bland. fallax Milde (1859). — _ cirrhatum Hoppe et H. — atropurpureum W. et M. — Mühlenbeckii Br. et Sch. (1860). — Mildeanum Jur. (1854). — badium Bruch. Mnium subglobosum Br. et Sch. — : Drummondiü Lindbg. — spinulosum Br. et Sch. — cinchdioides Hueb. Philonotis caespitosa Wils. (1862). — calcarea Bruch et Sch. — marchica Brid. Tetrodontium Brownianum Schwgr. (1860). Myurella julacea Br. $. (1848). Anomodon apiculatus Br. et Schpr. (1864). — longifolius Br. et Schpr. _ Anacamptodon splachnoides Brid. (1852). Fontinalis gracilis Lindbg. Lescuraea saxicola Schpr. Heterocladium heteropterum Br. et Schpr. Homalothecium Philippeanum Br. et Schpr. Eurhynchium depressum Br. et Schpr. — murale Br, et Schpr. Plagiothecium Schimperi Jur. et M, — Arnoldi Milde. — Roesei BS. Amblystegium confervoides B. 5. (1859). — radicale B. 8. | — Kochü Bruch. Brachythecium . Mildeanum Schpr.. — Geheebü Milde. | — plicatum Schpr. (1860). Hypnum hygrophilum Jur. (1856). -—- Sommerfeltü Myr. — subsulcatum Schpr. — fertile Sendtn. der Schles. Geselisch. f. vaterl. Cultur, 129 Hypnum pratense Koch. — trifarium W. et M. . — patientiae Lindbg. — giganteum Schpr. — Kneiffüi Schpr. — intermedium Lindbg. — Sendtneri Schpr. Hylocomium Oakesii Schpr. Sphagnum rubellum Wils. — Girgensohnii Russ. — teres Angst. — Lindbergü Schpr. — fimbriatum Wils. Ausserdem hat Milde aus älteren Sammlungen zuerst für Schlesien nachgewiesen: Dieranum Mühlenbeckü B. 8. — cireinnatum Wils. Barbula insidiosa Jur. u. Milde. Amblystegium Juratzkanum Schpr. Hypnum exannulatum Gümb. Grimmia crinila Brid. u. a. 6. Lebermoose. Notothylas (Chamaeceros) ferlilis. Jungermannia Mildeana Gotische. Biyttia Lyellii Hook. | Für Fimbriaria pilosa Tayl. und Grimaldia barbifrons Bisch. fand er die ersten sicheren Standorte in Schlesien. In derselben Sitzung trug der Secretair Prof. Cohn nachstehenden von Herrn Rector Bach verfassten Nekrolog des am 29. März 1871 varstorbenen Lehrers W. Hilse vor: - Einige Mittheilungen über W. Hilse’s Leben. Friedrich Wilhelm Hilse ist den 29. November 1820 zu Nieder- Langenbielau bei Reichenbach in Schlesien geboren als der zweite Sohn Johann Carl Hilse's. Dieser war Weber und Handelsmann; er besass in Bielau ein kleines Haus mit Garien und Land, welches schon längere Zeit in den Händen der Familie war. Der Vater war ein körperlich rüstiger Mann, hatte aber einen tiefen Zug zu Hypochondrie und Melan- cholie, ein Leiden, welches mit den Jahren zunahm und ihn oft fast zu bewältigen schien, so dass er sieh und den Seinen zur Last ward und 9 KR . r = x ® .ä - = e \ 130 Jahres-Bericht lange Zeit nach solchen Anfällen zu seiner Erholung bedurfie. Er starb 1833 in den besten Mannesjahren an der Cholera. Die Mutter, Johanna Elisabeth geb. Burghart, eine herzliche und sorgliche, verständige und thätige Frau, die mit ganzer Seele an den Ihrigen hängt, lebt noch in Langenbielau. ; In einem Alter von 5 Jahren wurde Wilhelm Hilse von seinem Vater der Dorfschule zugeführt, in der er sieh durch seinen Lerntrieb und seine Fähigkeit bald auszeichnete. Besonders gedeihlich entwickelte er sich, nachdem ein junger Lehrer, August Tabor, nach Langenbielau berufen worden war; denn zu diesem fasste er schnell eine grosse Zuneigung, ‘während andererseits dieser Hilse sehr bald als seinen Lieblingsschüler _ betrachtete, auf den er grosse Hoffnungen setzte und dem er unter Anderem auch die grosse Liebe zur Musik einflösste, welche Hilse in hervorragendem‘ Maasse behielt, so lange er rüstig war. Da Tabor ihn nicht auf allen Instrumenten selbst unterweisen konnte, so nahm Hilse noch besonderen Unterricht bei einem Musiklehrer Trost. Weil aber sein Vater keineswegs mit seinen künstlerischen Liebhabereien einver- standen war, so musste er sich nieht nur das Honorar für den Musik- lehrer selbst erarbeiten, sondern auch mit seinen musikalischen Uebungen in die Holzkammer fliehen, wenn der Vater zu Hause war. Dieselbe Energie im Lernen und dasselbe Talent entwickelte Hilse aber auch nach wie vor in der Schule, so dass er für den Lehrberuf bestimmt wurde und nach seiner Confirmation seinem geliebten Lehrer Tabor nach Heidersdorf folgte, wohin dieser 1833 versetzt worden war. Auch hier hatte H. mit allerlei Noth zu kämpfen und musste den grössten Theil seiner Kenntnisse aus Büchern schöpfen, welche er von anderen Leuten geborgt hatte. Es war nämlich damals, wie erwähnt, sein Vater gestorben und seine Mutter ausser Stände, seine bescheidenen Ansprüche zu befriedigen. Rastlos aber arbeitete er und nachdem er genügend vorbereitet war, kam er nach Breslau, um das dortige evangelische Schullehrer - Seminar (1838 — 41) durchzumachen. Von seinen Coetanen war aus jener Zeit nur in Erfahrung zu bringen, dass er ihnen als stiller und bescheidener, aber fleissiger und kenntnissreicher Seminarist erschienen ist. Von einem hervorragendem Trieb und Sinn für die Naturwissenschaften wird weder aus seiner Schul-, noch Seminarzeit etwas Besonderes berichtet.*) Es ist aber kaum zu bezweifeln, dass er sich schon früh auf diesem Gebiete respekiable Kenntnisse erworben hat. Nach Ablauf des seminaristischen Trienniums und nach Absolvirung ‘der JLehrerprüfung kam H, als Adjuvant nach Roesnitz im Kreise Leob- *) In zwei Seminarzeugnissen heisst es: „Naturkunde meist gut, Natur- geschichte von ungleich befriedigendem Erfolge.“ der Schles. Gesellsch. f. vater]. Cultur. 131 schütz in Oberschlesien (2. Mai 1841) und bereits den 1. April 1842 wurde er Verweser des evangelischen Schulamtes in Zauditz *) in der Parochie Rösnitz, wo er bis 1844 blieb. Sein Revisor, Pastor Holtzer, stellt ihm das Zeugniss aus, dass er „sich nicht nur durch einen stillen, anständigen und christlichen Lebenswandel, sondern auch durch gewissen- haften Fleiss und treuen Eifer in seiner Amtsführung die Liebe seiner Schüler, den Beifall der Gemeinde und die volle Zufriedenheit seiner Vorgesetzten erworben habe,‘ er bezeugt ihm ferner ausdrücklich, dass er „viele Fähigkeiten besitze und zu den schönsten Erwartungen berech- tige.“ Das Verhältuiss zwischen Revisor und Lehrer war ein sehr freund- schaftliches; der Umgang mit dem wohlunterrichteten und liebenswürdigen Geistlichen war für Hilse sehr anregend und instructiv; Holtzer’s Biblio- thek bot ihm manche noch nicht gekannten Schätze. Dort sehien ihm auch das Glück einer reinen Jugendliebe zu er- blühen. Als aber diese liebliche Dorf-Idylle zerstört wurde, fühlte er sich in seinem Herzen so getroffen, dass er es nie wieder voll und frei den Eingebungen der Liebe geöffnet hat und bis an sein Lebensende dem Entschlusse des Cölibats treu geblieben ist. Am 5. October 1844 folgte er einem Rufe nach Strehlen. Hier unterrichtete er zuerst in der siebenten Klasse und in der sogenannten Armenklasse der Stadtschule. Sein Fleiss und Eifer, seine Kenntnisse und Fertigkeiten, seine anregende und erfolgreiche Unterrichtsweise, seine verstländige Schulzucht, sein regsamer Sinn für die eigene geistige Fort- bildung, „seh reges Ringen nach Erweiterung seiner Kenntnisse und seiner wissenschaftlichen Bildung“ werden in verschiedenen Zeugnissen aus jener Zeit gerühmt. Ein Strehlener Freund und Vorgesetzter Hilse’s sab mir in einem Briefe vom 6. April 1871 folgende Charakteristik von ihm: „Er war ohne alle Menschenfurcht, unabhängig in seinem Urtheil, treu seiner Ueberzeugung, doch Gründen stets zugänglich und immer be- reit, böse Reste alter Vorurtheile aus seiner Seele zu reissen, mit hoher Achtung vor dem Gesetz, der Ordnung in Natur und Staat; streng nur gegen sich, mild gegen fremde Fehler und Schwächen; erglüht von echter Menschenliebe, die frei von jeder Sentimentalität, auf der Achtung ‘vor dem Recht, auf Glückseligkeit des Einzelnen beruht und in einer bis. zur Selbstverleugsnung gesteigerten Opferfähigkeit sich documentirte, Eine Eigenthümlichkeit vieler hervorragender Geister besass auch er: das Beste und Herrlichste, was er in seinem Berufe gewirkt, die Ueber- tragung seiner für alles Edle glühenden Seele auf seine Zöglinge erkannte ‘er als Thatsache gar nieht an und konnte deshalb auch keinen Werth *) Zauditz ist ein Marktflecken von ca. 1200 Einwohnern, an einem Neben- flüsschen der Zinna im Kreise Ratibor gelegen. ge ir ar + a De EL A Dede ah HT ne vw N N, En 132 Jahres-Bericht darauf legen. Dass er als Lehrer und Erzieher mehr that, als der spiess- bürgerliche Begriff „Schuldigkeit‘“ umfasst, fand er so ganz selbstver- ständlich, dass selbst dieses Bewusstsein ihm keine freudig erhebende Genugihuung bereitete. Dagegen beglückte und erfüllte ihn mit einer Art edlen Stolzes das Resultat seines Strebens und Forschens auf dem Gebiet der Algen- und Diatomeenkunde. In welcher Seligkeit strahlte sein Auge, wenn er seine Schätze mir zeigte oder die Geschichte einer Dekade vortrug. — Seine Gesundheit schien hier unerschütterlich, ob- weh! sein in allen Sümpfen und Pfützen vagabondirendes Leben ihn zu einem gewissen Oynismus verurtheilt hatte. Anstrengungen, Hitze, Nässe, Kälte — nichts schien ihm etwas anhaben zu können. Ein Stück trocken Brot, ein Schluck aus schlammigem Graben genügte ihm auf seinen Wanderungen vollständig.‘ Aus allem :hier Mitgetheilten ersehen wir, dass Hilse in Strehlen nicht nur für die Schule in der gewissenhaftesten Weise gearbeitet hat, sondern auch rastlos gestrebt und geforscht hat, um in die Tiefen der Wissenschaft einzudringen. Daneben verfolgte er aber mit der leb- haftesten Theilnahme die Entwiekelung der politischen und religiösen Verhältnisse im 5. Decennium dieses Jahrhunderts; denu mächtig erregte ihn die nach der Thronbesteigung Friedrich Wilhelms IV. erwachte Be- wegung der Geister. Alle politischen Dichter und Schriftsteller, alle philosophischen und religiösen Kritiker jener Zeit finden wir in seiner Bibliothek vertreten und aus seinem Briefwechsel mit Freunden ersehen wir, welchen mächtigen Eindruck die Schwingungen des Weitgeistes und dessen litterarische Erscheinungen auf ihn machten. Ja, er wird selbst agilatorisch thätig, um die Stellung der Lehrer und der Schule zu einer würdigeren und besseren zu machen. Alle Wehen, alle Schmerzen des „neu heranbrechenden ‚Völkermorgens‘“ hat er bis in die Tiefen seiner Seele durchgekostet, und zurückgelassen haben sie dort ——- jene köstliche Perle der Humanität, die sein schönster Schmuck war und blieb. Die stürmische Erregung und Bewegung scheint immer mehr zurück- zutreten hinter seiner Liebe zu den Naturwissenschaften; in ihnen sucht er Frieden und Versöhnung, wie vorher nach den getäuschten Hoffnungen der Liebe, so jetzt nach den getäuschten politischen Hoffnungen, nach all den Stürmen, die seine Seele durehbraust haben. In jener Zeit der beginnenden Ruhe und Sammlung mag es gewesen sein, dass er Goethe's Werke wiederholt von. Anfang bis zu Ende durchlas, und diese mögen ihn hauptsächlich bestimmt haben, Frieden und Befriedigung in den Naturwissenschaften zu suchen. In dem aber, was er einmal angriff, war er gewohnt und geartet, kein Stümper zu bleiben und so leistet er auf dem Gebiete der Botanik, insbesondere der Kryptogamen bald so Vortreffliches, dass die schlesische Gesellschaft für vaterländische Cultur den stillen und bescheidenen Mann unter dem 15. August 1856 zu ihrem ee ee ch ren ge = er Em na a TR der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur. 133 correspondirenden Mitgliede ernannt „zum Zeichen der Anerkennung des verdienstlichen Strebens, die vaterländische Naturgeschichte zu fördern,“ wie es in dem Begleitbrief Göppert's vom 9. October 1856 heisst. Sehr treffend charakterisirt Prof. F. Cohn seine wissenschaftlichen Arbeiten und Verdienste in folgenden Worten: Hilse gehörte zu dem hochachtbaren Kreise der Volksschullehrer, an denen unser Schlesien stets reich gewesen, welche ihre Musse zu selbst- ständigen wissenschaftlichen Arbeiten benutzen, und denen namentlich die naturwissenschaftliche Durchforschung unseres Vaterlandes ausser- ordentlich viel verdaukt. Hilse war ein geborener Botaniker, denn er - vereinigte unermüdlichen Sammlerfleiss, der ihn fort und fort zu Ex- eursionen antrieb, mit einem scharfen Auge, einer glücklichen Beob- achtungsgabe, und insbesondere der Fähigkeit, die charakteristischen Eigenthümlichkeiten aueh der schwierigsten Pflanzen sicher aufzufassen. Wir wissen nicht, wenn Hilse seine botanischen Studien begonnen, aber wir finden ihn bereits im Jahre 1850 als gründlichen Kenner der Flora seiner damaligen Heimath Strehlen, die er nach allen Richtungen hin durchsucht und in wissenschaftlichem Verkehr mit den Mitgliedern der botanischen Seclion der Schlesischen Gesellschaft, welche den Mittelpunkt für die Erforschung der schlesischen Pflanzenwelt bildet und in deren Schriften er fortan seine Funde sorgfältig registrirt und dadurch auch der zgesammten wissenschaftlichen Welt zugänglich macht — insbesondere mit Wimmer, Wichura und Cohn. Der Bericht der botanischen Section vom Jahre 1853 enthält Hilse’s erste Mittheilungen „über von ihm gefundene seltnere oder für Schlesien neue Pflanzen“; in den Jahresberichten für 1856, 1857, 1858 oder 1859 theilt er seine späteren Entdeckungen mit, und im Jahre 1859 giebt er gewissermassen einen Abschluss seiner bisherigen botanischen Studien in dem ‚.Verzeich- niss der bei Strehlen gefundenen seltneren Phanerogamen und Gefäss- kryptogamen.‘“ Aber Hilse begnügte sich nieht mit der Kenntniss der leiehter zu unterscheidenden und daher gründlicher durchforschten höheren Gewächse, welehe gewöhnlieh ausschliesslich in der Flora berücksichtigt werden; sein wissenschaftliches Streben drängt ihn, seine For- sehungen auf diejenigen niedersten Gruppen des Pflanzenreichs zu con- eentriren, welche bis dahin in Schlesien fast gar nicht gesammelt, aller- dings auch ein ganz besonders scharfes Beobachtungstalent und vor allem eine gründliche Uebung im Mikroskopiren beanspruchen. Zunächst sind es die Laubmoose von Strehlen, die ihn interessiren, und deren Ver- zeichniss er in den Verhandlungen der botanischen Section für 1857 und 1858 bekannt macht; bald aber wendet Hilse sich ausschliesslich der Erforschung der Algenwelt zu. Er findet in Strehlen einen Genossen seiner Studien, den Sanitätsrath und Kreisphysieus Dr. Bleisch, der eben- falls, obwohl von Berufsgeschäften stark in Anspruch genommen, seine b eg er. a ; a sr Sea} 63 154 Jahres-Bericht freie Zeit der mikroskopischen Untersuchung der Familien der Kiesel- zellen (Diatomeen) widmet; und in rühmlichen Wetteifer werden eine Menge seltener oder bis dahin völlig unbekannter Arten dieser wunder- baren Organismen, insbesondere in den Mooren von Geppersdorf aufge- funden. Um auch den höchsten Anforderungen der Wissenschaft gerecht zu werden, wird aus den mühseligen Ersparnissen ein Mikroskop ersten Ranges und eine Bibliothek der kostbarsten Werke über Algen ange- schafft, und bald bringen die Berichte der Schles. Gesellsch. von Hilse die „Beiträge zur Algen- und Diatomeenkunde Schlesiens“ (1860), denen 1862 „neue Beiträge“, 1863 wiederum ein Nachtrag folgt. Endlich erfolgt im Jahre 1865 der Abschluss seiner physiologischen Studien in einem Anf- satze „Beiträge zur Algenkunde Schlesiens“, welche auch die Algen der Umgegend von Breslau, das inzwischen seine Heimath geworden, sowie vieler anderer schlesischer Localitäten, die er bei seinen Exeursionen durchforscht, bekannt macht, die Zahl der von ihm gesammelten und zum grossen Theil erst durch ihn entdeckten oder doch bestimmten Algen auf mehr als 600 erhöht, während die von ihm schon früher ver- öffentlichten schlesischen Diatomeen sich auf etwa 120 beliefen. Dureh seine Algenstudien erhob sieh Hilse über den Standpunkt des blos provinziellen Sammlers, er wurde zum selbstständigen Forscher, der durch Entdeckung und Unterscheidung neuer Arten die Wissenschaft bereichert. Mag auch bei der grossen Unsicherheit, welche unter den mikroskopischen Organismen die Begriffe von Art und Form um- schwebt, der Werth von den zahlreichen neuen Species Hilse’s noch streitig bleiben, so steht doch fest, dass er durch die sorgfältigste Untersuchung und Beschreibung dieser Pflänzchen unsere Kenntniss ebenso von der geographischen Verbreitung, wie der morphologischen Ge- staltung dauernd gefördert, dass erinsbesondere der eigent- liche Begründer der Schlesischen Algenkunde gewesen ist, da die von Anderen, vor und mit ihm, gemachten Studien theilweise unver- öffentlicht geblieben sind, theilweise auf die entwickelungsgeschicht- lichen Fragen beschränkt, jedenfalls nicht in einem grundlegenden Ge- sammtverzeichniss zusammengestellt worden waren. Auch sorgte Hilse selbst dafür, dass die von ihm neuentdeckten Algenarten als Gemeingut der Wissenschaft Jedermann zur Nachprüfung dargeboten wurden. Er trat in Verbindung mit Rabenhorst, dem Herausgeber einer mit Recht weitberühmten und in diesem Gebiete Epoche machenden Samm- lung europäischer Algen, und lieferte zu dieser elassischen Sammlung mit unermüdlichem Fleisse Jahr aus Jahr ein die werthvollsten Beiträge von seltenen uud neuen Algenspecies; mitunter sind ganze Hefte (meist Doppeldekalden) ausschliesslich von Hilse gesammelt und bear- beitet worden, und/haben seinen Namen als einen der fleissigsten und der Schles. Gesellsch. £. vaterl. Cultur. 135 glücklichsten Algensammler in den weitesten Kreisen der botanischen Welt bekannt gemacht. Charakteristisch für Hilse’s pietätvolles Herz ist bei diesen bota- vischen Sammlungen und Bestimmungen, dass er mehrere species novae nach verehrten botanischen Freunden und -Gönnern benennt so 843 Pin- nullaria und 1836 Schizosiphon Rab euhorstii, 1523 Coelosphaerium Wi- churae, 965 Frustularia und 1775 Symphyosiphon Wimmeri, 1021 Epi- Ihemia und 2220 Gloeocapsa Goeppertiana, 962 und 1713 Stauroneis Cohnii. Die umfassendsten Sammlungen sind aus dem Anfang der 60er Jahre, also aus der Zeit vor seiner Uebersiedelung nach Breslau; aber - eine ganze Doppeldekade (2201—20) ist noch im Jahre 1870 vollendet. Zur Kennzeichnung seines in Strehlen entwickelten rastlosen Fleisses diene noch die Mittheilung, dass der dort in je einem Winter durch Auto- didaxie so viel Lateinisch, Englisch und Französisch erlernte, dass er wissenschaftliche Werke, die in einer jener Sprachen geschrieben waren, zu verstehen vermochte. Unerwähnt darf auch nicht bleiben, dass Hilse nicht nur die edle Musica weiter pflegte (zu welchem Zwecke er sich ein gutes Pianoforte anschaffte), sondern auch eine anmuthige poetische Begabung entwickelte, welche in Strehlen so geschätzt wurde, dass man ihn bei allen möglichen sinnigen und unsinnigen Gelegenheiten auch nach dieser Richtung in Anspruch nahm. Im Herbst 1865 kam er nach Breslau. Dort war damals von den städtischen Behörden die Gründung einer Mittelschule in Angriff genom- men worden. Wen anders konnte der Schulrath Wimmer, der ein so ausserordentlich feines Verständniss für menschlichen und pädagogischen Werth hatte, zur Pflege der Naturwissenschaften an dieser hoffnungs- vollen neuen Anstalt berufen, als unseren Hilse!*) Aber passte Hilse überhaupt nicht in ‘das geräuschvolle, liebeleere Treiben einer grossen Stadt, so war er auch keineswegs zufriedengestellt durch die Verthei- lung des Unterrichts nach dem Fachsystem. Schon in Strehlen hatte er sieh dagegen möglichst zur Wehr gesetzt; noch weniger aber behagte es ihm, dass er in Breslau fast ausschliesslich mit naturwissenschaftlichem Unterricht betraut wurde. Wohl war ihm diese Wissenschaft eine hohe himmlische Göttin, und wer Hilsens Herz nicht kannte, musste glauben, es seiihm eine wahre Wonne, seine Schüler in deren Dienst einzuweihen. Doch nein, in seinem Verhältniss zu den Schülern fühlte der herzige Mann weit mehr das Bedürfniss, eine innigere Beziehung zu diesen an- zuknüpfen, sie allseitig zu erfassen und zu veredeln, und das glaubte er in weit höherem Maasse im Klassenunterricht erreichen zu können; die Unterweisung einer einzigen Schulklasse blieb sein pädagogisches Ideal, *) „Ich stelle Ihnen einen Gelehrten vor‘‘ — sagte Wimmer, als er Hilse in den Lehrerrath der Mittelschule einführte. 136 Jahres-Bericht Was er indess auch in einem nach dem Fachsystem geordneten Unterrichte zu leisten vermochte, das hat er zur Genüge an der Mittel- schule bewiesen; ich wenigstens hielt seinen Unterricht stets für einen in seiner Art meisterhaften und habe immer nur die erfreulichsten Resul- tate davon wahrgenommen. In seinen Stunden zu hospitiren, war mir ein pädagogischer Hochgenuss. So vielfach ihn aber auch sein Amt in Anspruch nahm, und so ge- wissenhaft er in demselben arbeitete, gewann er doch immer noch Zeit und Kraft, sein Lieblingsstudium zu pflegen, rastlos zu sammeln und zu forschen. Indess er hatte wohl doch seiner Kraft zu viel zugetraut. Plötzlich fing sie an ihm zu versagen. In dem Sommer 1867 — 1869 traten Schwächezuslände ein, die mit einer an die Leiden seines Vaters erinnernden Schwermuth verbunden waren; in dem Anfall des Sommers n 1869 schien sein ganzes Nervensystem erschüttert zu sein, Eine Carls- 5 bader Cur brachte ihm noch einmal Rrleiehterung; ja er fühlte sich im Winter 1869/70 wieder ganz vollkräftig und zu unserem wahren Herzens- jubel entfaltete er nun in Amt und Wissenschaft von Neuem eine so rastlose und freudige Thätigkeit *), dass Niemand seiner Ahnung Glauben schenken mochte, das alte Leiden werde im Spätsommer 1870 mit er- neuter Kraft wiederkehren. Leider geschah dies; er erholte sich nicht k wieder, sondern fand am 29. März 1871 einen plötzlichen Tod. Seinen Grabhügel ziert ein einfacher Leichenstein, von der Liebe ; seiner Schüler und Amtsgenossen seinem Andenken gewidmet. E ; y b F 4 9 \ Verzeichniss der von Hilse neu aufgestellten Arten. Zusammengestellt aus den Berichten der Schlesischen Gesellschaft. , {Die beigesetzte Nummer entspricht der Ausgabe in den Rabenhorstschen Algen- Decaden.) A. Algen. I. Protococcus Wimmeri Hülse, nov. spec. (1031). 2. Schizolhrix variecolor Rabenh., nov. spec., entdeckt durch Hilse am Galgenberge (Strehlen). u Tre B, Diatomeen. a a Ba a a nn u ih nn 1, Epithemia intermedia Hilse nov. spec. (1026). 2... — 6Goeppertiana Hilse, nov. spec. (1167). 3. Eunolia minuta Hülse, nov. spec. (1167). 4. Cyclotella dubia Hilse; nov. spec. (1022). ee *) Gekenrzeichnet ist dieselbe namentlich durch die selbstständige Bearbei- tung der Rabenhorst’schen Doppeldekade 2201—2220 und durch Anlegung einer Vogelsammlung und Anfertigung einer Menge physikalischer Instrumente in Ver- bindung mit den für Hilse und sein Facıı begeisterten Schülern. der Schles, Gesellsch. f. vaterl. Cultur, 13 1 Pinnularia Rabenhorstü Ililse, nov. spee. (845). — Hilseana Janisch, nov. spec. — sudelica Hilse, nov. spec. (1023). Pinnularia ovalis Hlilse, nov. spec. (1024 a.). Stauroneis Cohnii Hilse, nov. spec. (1713). — undulata Hilse, nov. spee. (963). Pleurostaurum lineare Hülse. (1161). — Janischii HHilse. Synedra campyla Ilse, nov. spee. BR Ö. dr 8. 9. 10. a | Sr] . . —_ ws 1863. | | A: Aloen. 1. Microhalos natans Hilse, nos. spec. 2. Coelosphaerium Wichurae Hilse, nov. spec. (1523). Oedogonium variabile Hilse, nov. spec. (1469). Mougeotia flava Hilse, nov. spec. (1272). — subtilissima Hülse, nov. spec. (1271). Spirogyra fluviatilis Hilse, nov. spec. (1475). -—— . stagnalis Hilse, nov. spec. (1476). Spirogyra sylvestris Hilse, nov. spec. (1531). nom a» w B. Diatomeen. 1. Cymbella minuta Hilse, nov. spec. (1261). 2. Nitzschia Kützingiana Hülse. (1267). Navicula pelliculosa Hilse. (1265). Pinnularia viridis Rab. var. coerulescens Hilse. We 5 1364. 1. Chthonoblastus inerustatus Hilse, nov. spec. 2. Schizosiphon nigrescens Hilse, nov. spec. (1835). 3. — gracilis Hilse, nov. spec. (1770). 4. Symphyosiphon minor Hilse, nov. spec. (1776). : 5. .— Wimmeri Hilse, nov. spec. (1775). 1865. | 5 Mastigonema rufescens Hilse, nov. spec. ! R Cosmocladium pusillum Helse, nov. spec. (1963). Spirotaenia acula Hilse, nov. spec. (1830). Staurastrum silesiacum Hilse, nov. spec. (1826). — amoenum Hilse, nov. spec. a2 08 - a a RE PERLE TEN AR x EEE EHE Se Eu na FE He Te r \ 138 Jahres-Bericht Dazu aus Rabenhorst’s Algendekaden: 1836. Schizosiphon Rabenhorslianus. 1962. Gonalozygon laeve. 1540. Ulothrix lacustris. 2220. Gloeocapsa Goeppertiana. 965. Frustularia Wimmeri. Hilse fand neu für Schlesien: A. Phanerogamen. Inula hirla >< salieina Ritschl. Carex azillaris. : Juncus Tenageja. B, Laubhmoos=. Barbula latifolia. | _Pyramidula teiragona. Hypnum elodes. — Haldani. Herr Geheimraih Göppert gedachte des am 22. October geschie- denen, um Entomologie und Forstbotanik hochverdienten Geheimen Forst- rath Professor Dr. Ratzeburg, sowie des im September verstorbenen Oberlehrer Schneider, früher in Bunzlau, zuletzt zu Stolp in Pommern. Mitten in rastloser litierarischen Thätigkeit starb Geheimer Regie- rungsrath Professor Dr. Ratzeburg am 22. October in Berlin, wohin er sich nach dem Abgange von Neustadt-Eberswalde zurückgezogen hatte. Länger als 40 Jahre wirkte er hier als Professor der Natur- wissenschaften als Lehrer fast sämmtlicher Forstmänner des Preussischen Staates. Hochgeschätzt von Botanikern durch morphologische Schriften, von Aerzten durch seine, obschon vor fast 50 Jahren erschienenen heut noch unübertroffene. medieinische Zoologie und unantastbare Autorität im Gebiete der für das Nationalwohl so wichtigen Forstinseetenkunde. Als klassisch bezeichnet die Wissenschaft schon längst seine auch durch künstlerische Ausstattung ausgezeichneten Werke. Unvergessliches An- denken bewahren ihm seine‘ Familie und zahlreiche Freunde, für die. sein Verlust wahrhaft unersetzlich ist. Auch den Verlust eines Landsmannes haben wir zu beklagen. Dr. phil. K. F. Robert Schneider, Oberlehrer a. D., der im September d. J. zu Stolp in Pommern vollendete. Geboren in Breslau i. J. 1798, kam er schon früh mit dem berühmten Mineralogen, Gründer der Geo- gnosie unserer Provinz, Carl v. Raumer in nähere Berührung, dessen Einfluss auf seine spätere, nicht bloss der Naturwissenschaft, sondern auch der Geographie gewidmete Richtung entscheidend war, widmete sich anfänglich in Wohlau und Aschaffenburg der Pharmacie, später auf der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur. 139 den Universitäten Breslau, Erlangen, München akademischen Studien. 1828 erlangte er eine Anstellung au dem Waisenhaus in Bunzlau, wo ihn die Erforschung der Flora und Gaea der interessanten Umgegend lebhaft beschäftigte. Wir verdanken ilım aus dieser Zeit eine Flora Bunzlau’s und den ersten grösseren Versuch über die Pflanzengeographie unserer Provinz unter dem Titel: Die Verbreitung und Vortheile der schlesischen Pflanzen, nachgewiesen in 14 Gebieten der schlesischen Flora nebst einem Anhang über die Vergleichung der schlesischen mit der britischen Flora und einer botanisch-geognostischen Karte von Bunz- lau. 1838. Letztere, die erste ihrer Art für unsere Provinz, ist leider bis jetzt auch die einzige geblieben. Nächst Beilschmied und M, Elsner gehört er zu den Begründern der schlesischen Pflanzengeographie. Später, namentlich nach seinem Abgange von Bunzlau auf ein Landgut bei Stolp in Pommern beschäftigten ihn vorzugsweise geographische Studien, die Herausgabe grösserer Werke über den preussischen Staat, die ihm ebenfalls ein ehrenvolles Audenken gründen. Schneider gehörte zu den seltenen Menschen, die der Wissenschaft wegen ihrer selbst sich mit Enthusiasmus hingeben und in ihrem Verfolge den grössten Genuss finden. Dabei bei so vielseitiger Bildung und Wissen war er höchst bescheiden, ja formlos, ireu seinen Freunden und seinen einmal für Recht erkannten Ansichten. Herr Geheimrath Göppert bemerkte, dass die von Dr. Schumann in Reichenbach zuerst im Schlesierthal bei Schweidnitz gefundene Telekia cordifolia gegenwärtig daselbst vollkommen wild wachse und legte Zweige und Früchte von Vaccinium Myrtillus mit blassgrünen Beeren vor, deren Farbe in Alkohol sich nicht ändert; sie waren von Herrn v. Thielau auf Lampersdorf einsendet. Herr Dr. Stenzel theilte mit, dass Herr Dr. Stricker vor einigen Jahren bei Krummhübel einen ganzen Busch mit völlig reifen grünen Heidelbeeren beobachtet habe. Herr Geheimrath Goeppert berichtete, dass Herr Apotheker Fritze am Rudateich bei Rybnik die bisher nur aus Süd-Europa bekannte Mar- stilea quadrifoliala entdeckt habe, so dass in Schlesien nunmehr sämmt- liche deutsche Rhizokarpeen gefunden worden sind. Wir schliessen hieran die nachstehenden Mittheilungen, welche Herr Geheimrath Göppert in hiesigen politischen Zeitungen am 19. Juli ver- öffentlichte: Die morphologisch - physiologische Partie des hiesigen botanischen Gartens. Ueber die verschiedenen hier zuerst von mir versuchten Gruppi- rungen der Pflanzen nach ihren physiognomischen Verhältnissen und Verwandtschaften, sowie über einzelne interessante Gewächse u INTER FWEPGER in 3 cr = 2 I { K: ni a 140 Jahres - Bericht habe ich hier schon oft gesprochen, nicht aber über die eigentliche Be- deutung der morphologiseh-physiologischen Partie, deren nun vollständig signirte Aufstellungen dazu bestimmt sind, uns mit den Lebensverhältnissen der Holzgewächse bekannt zu machen, in- soweit dies olıne Hilfe des Mikroskopes zu ermöglichen ist. Jene Grup- pirungen haben insofern jetzt einen Abschluss erlangt, als man nun bei jeder grösseren Familie auf Blechtafeln das \Vesentlichste über dieselben verzeichnet findet, mit steter Rücksicht auch zugleich auf ihr Vorkommen im fossilen Zustande. Das Vorkommen so vieler Repräsentanten der- selben in dem überaus reichen uns so nahe liegenden Tertiärlager von Sehosnitz gab hierzu willkommene Veranlassung. Gruppirungen dieser Art liefern unstreitig höchst belehrende Anschauungen. In grösseren Gartenanlagen lassen sie sich noch viel instructiver einrichten und wer- den daher hoffentlich auch nicht in dem von Breslau vor dem Sehweid- nitzer Thor noch anzulegenden grossen Park fehlen, der dann mit Recht zu Ehren des Begründers der Pflanzenphysiognomik den Namen Hum- boldtshain führen würde. Unsere Beobachtungen über das Leben der Bäume, zu denen wir hier das grosse Publikum führen, beginnen hereits im Winter, Ein in das Innere einer 2 Fuss dieken Weisspappel eivgesenktes Thermo- meter belehrt uns über das Eindringen der Kälte, welche im vergangenen Winter alle Säfte erstarren machte, Gegenwärtig zeigt es, dass die innere Temperatur des Baumes fast stets hinter der des Tages zurück- bleibt. | Unter gewaltigem Koalle entstanden schon im December v. J. bei vielen Bäumen, Ahorn, Linden, Kirschbäumen, insbesondere aber bei den weissen Rosskastanien der Hanptallee und den rothen längs der An- lage der officinellen Gewächse bis zu 2 Zoll breite und weit über die Hälfte des Durchmessers reichende Risse, wie hereingesteckte Holz- und Eisenstifte erkennen liessen. Bei eintretendem Thauwetter schlossen sie sich rasch und fest um dieselben. Der beim Wiedererwachen der Vegetation eintretende Naturheilungsprocess hält sie noch fest und um- giebt sie mit, neuen Holzlagen. Bei den Rosskastanien, bei denen dieser Vorgang schen in früheren \Vintern stattfand, lässt eine hervorragende, in der spiraligen Lage der Holzfaser verlaufende Leiste ihre Spur er- kennen. Auf weiche Weise das Innere dabei leidet, erkennt man in Querschnitten, wovon ein in der Partie auch aufgestellier 187 jähriger Steineichen Abschnitt Zeugniss giebt. Die hier sichtbare Spaltung kann sieh bis zur völligen Zertrümmerung in radiärer Richtung steigern, wie zahlreiche Exemplare zeigen, welche ich in der jüngsten Ver- sammlung des schlesischen Forstvereines in Muskau vorlegte und dabei auf diese bisher noch nicht bekannte nachtheilige Wirkung ser Kälte aufmerksam machte. Erhabene, zuweilen bie 6 Zoll hervor- v ER in a ee EA an er aa Sc a a aan a rm de u in m der Schles. Gesellsch. f, vaterl. Cultur. 141 ragende, spiralig verlaufende Leisten an unseren Bäumen, besonders an den von Frost sehr heimgesuchten Eichen, die man fälschlich oft ‚für Wirkung von Blitzschlägen hält, entstehen aus den Bestrebungen der Natur, die gebildete Spalte oberflächlich zu schliessen, was wohl gelingt, während das geborstene Innere jedoch nieht verwächst, sondern mehr oder weniger schnell und intensiv zu verrotten beginnt. Herrn Forst- meister Tramnitz und Herrn Öberförster v. Ernst verdanke ich inter- essante Pracht-Exemplare dieser Art. Bei Eintritt der Wärme beginnt das Steigen des Saftes. Mit welcher Intensität dies beim Weinstock erfolgt, zeigen die von mir. all- jährlich an der am Wassergraben gelegenen Weinlaube angestellten Ex- perimenie. In deu auf die abgeschniltenen Zweige gesetzten. Glasröhren erhebt er sich bis zur Höhe von 30 Fuss. Nach dem Ausschlagen der Blätter hört dies so bedeutende Steigen auf, die innere oder Cambial- thätigkeit, die die Neubildungen von Zellen und Gefässen vermittelt, be- einnt und erstreckt sich über alle Theile des Baumes. Ein Rückfluss der Bildungsflüssigkeit erfolgt durch die Rinde, wobei man aber an ein wirkliches Strömen derselben nicht denken darf, wie denn auch einige in der Nähe der Partie und anderweitig im Garten angestellte Experi- mente zeigen, dass unter gewissen günstigen Umständen auch der ent- rindete Stamm insbesondere durch die Markstrahlen noch Rinde und Holzlagen zu erzeugen vermag. Den interessantesten Belag für das Herabsteigen des Bildungssaftes ‚bei Eichen liefern die von demselben überwallten, im Scheitniger Park an der Leerbeutler Seite gelegenen Bänke, welche ich schon vor 30 Jahren beschrieben und abgebildet habe. Gleich einer flüssigen Masse hat sich hier die mit Rinde versehene Holzsubstanz über die Bänke er- gossen, während der darunter unmittelbar befindliche Theil des Stammes sieh nieht verdiekte. Es gelang, sie bis jetzt zu erhalten, die jüngere Generation möge sich ferner um die Conservation dieses vegetabilischen -Documentes bemühen, welches seinen Platz schon in Handbüchern der Wissenschaft gefunden hat. Alles, was nun in den Bereich der Cambial- oder Bildungsflüssigkeit gelangt, wird von ihr überzogen und dauernd im Baume befestiget: Zweige und ganze Stämme werden dadurch mit einander vereinigt, wo- von die zahlreiehen in unserer Partie vorhandenen Exemplare, henkel- förmige Verwachsungen der Buchen, von .10—30 Fuss hohen Weiss- und Rothtannen, grossartige Baumschlingen, Neubildungen von Stämmen und Luftwurzeln im Innern von Weiden und Linden u. s. w. Zeugniss geben. Auch fremde Körper, Steine, Knochen, eiserne Ketten und Ge- länder werden umschlossen, wie die am Eingange der Partie aufgestell- ten nachweisen, welche einst ‘den Gartenzaun des ehemaligen General- Landschaftsgebäudes bildeten und mir von dem gegenwärtigen Besitzer 7 75 & er a ya N ee 142 Jahres-Bericht Herrn Kaufmann Lewy gütigst überlassen wurden. Inschriften erfahren gleichfalls dauernde Erhaltung. Da diese Exemplare die Unbill der Witterung im Freien nicht ertragen, verweise ich auf die von mir an 4 Bäumen: 2 Linden, 1 Esche und 1 \Weissbuche angestellten Versuche, an wel- chen man diesen merkwürdigen Vorgang in raschem Vorschreiten beob- achten kann. In die 3 grossen Bäume wurde im August 1869 die Jahreszahl 1869 eingeschnitten, in die Esche das Datum des stets denkwürdigen Tages von Sedan, der 3. September 1870. Diese durch weisse Leinwandstreifen kenntlich gemachten Bäume befinden sich sämmtlich in der an den Kirchhof grenzenden grossen Baumanlage des Gartens. Aeussere Verletzungen, Inerteritichei und dergl. bringen unregel- mässige Ablagerungen der Holzsubstanz zu Wege, mehr oder weniger unförmliche Knollenbildungen an Wurzeln, Stämmen, welche auch zahl- ' reich repräsentirt sind. Das eminenteste Exemplar von einer Esche ver- ehrte Herr von Thielau auf Lampersdorf, bekanntlich Besitzer eines der schönsten und bestgepflegtesten Privatforsten Schlesiens. Von welcher Bedeutung die Wurzel für das Leben der Pflanze ist, zeigt die colossale Wurzel eines nur etwa 2 Fuss dieken Fichten- stammes, welche, obschon hier nur halb vorhanden, nichtsdestoweniger mit ihren zahllosen, mindestens 4—500 Fuss langen Nebenwurzeln und Fasern einen Umfang von 40 Fuss einnimmt. Man könnte hieraus wohl endlich die Ueberzeugung gewinnen, dass das Wüthen gegen dies Haupt- ernährungsorgan der Pflanze beim Versetizen der Bäume im höchsten Grade tadelnswerth erscheint, obschon es leider wohl schwer halten wird, sobald diesem Missbrauch, wie einem verwandten, dem höchst nachtheiligen Beschneiden der Aesie zu steuern Dass ich übrigens mit dieser gewiss nur zu begründeten Meinung nicht allein stehe, möge man aus Schleiden’s neuestem interessanten Werke ‚der Baum und Wald‘ ersehen, der sich $. 42 aber weniger glimpflich als ich, doch vollkommen wahr, über diese Angelegenheit ausspricht. Wie trefflich selbst grössere, aber beim Versetzen nicht beschnittene Bäume gedeihen und nun im :Besitze der natürlichen Krone prangen, kann man im Garten des Herrn Buchhändler Max sehen, der niemals dem eben getadelten Verfahren huldigte. Verwachsungen der Wurzeln der Nadelhölzer, wie sie in jedem Walde zu sehen sind, führen zu dem er Ueber- wallungsphänomen, bei welchen der Stock eines abgehauenen, mit einem noch lebenden in Wurzelverbindung stehenden Baume von diesem fort und fort mit Holzlage überzogen wird. Beispiele von Tannen, Fichten und Lärchen liegen vor, die auch noch durch eine Abbildung erläutert werden. Wurzelartige, wie von Säulen getragene Fichtenstämme bilden sich, wenn in Wäldern, in denen die Ueberreste als der Vegetation ein De A a re I nd a nn der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur, 143 dem Walde wie billig gehörendes Gut ihm auch gelassen und nicht daraus entfernt werden, junge Pflanzen auf abgebrochenen Stämmen keimen und endlich zu ansehnlichen Bäumen anwachsen; worauf in- zwischen die Unterlage verrottet und die dadurch freigelegten Wurzeln gleich Säulen die Stämme hoch in die Lüfte erheben, wie dies unter den Tropen bei Pandanen und manchen Palmen vorkommt. Stämme jeder Grösse und Abbildungen liefern nähern Aufschluss. Das Wachsthum des Baumes ist vollendet, aber das Resultat, die Stärke desselben, ausserordentlich verschieden je nach der Art, Lage und Bodenbeschaffen- heit. Zahlreiche Querschnitte (über 50) illustriren diese Verhältnisse: Man sieht Fichten der Ebene und des höchsten Gebirges, Schnitte von dem 120 jährigen nur 4 Zoll starken Citronenbaume bis zu den fast 500jährigen 5 Fuss breiten Fichten der böhmischen Urwälder, Eichen, Weisstannen, Taxus, Pappeln, Eschen, Ulmen ete. Zu näherer Veran- schaulichung dient unter andern eine Gruppirung eines 72 jährigen Taxus, ‘70 jährigen Myrtenbaumes und eines 120 jährigen Citronenbaumes um eine nur 7 jährige Paulownia, die sie aber alle an Umfang weit über- trifft. Eine in der Nähe aufgestellte, 15 Fuss hohe Schwarzpappel, die es in nur 140 Jahren bis zu dem enormen Umfange von 18 Fuss und der ganz arligen Höhe von 100 Fuss gebracht hatte, dürfte sich vergebens nach ebenbürtigen Wachsthumsgenossen umsehen, zur Zeit aber dennoch nicht die zahlreichen Feinde besiegen, welche sich diesem nur zu hart, ja grösstentheils gewiss grundlos verfolgten Pflanzen - Ge- - schlecht entgegenstellen. Endlieh habe ich auf allen Baumabschnitien von 25 zu 25 Jahres- ringen Messingstifte angebracht, aus deren Entfernungen von einander man sich augenblicklich von den oft sehr auffallenden verschiedenen Graden des Wachsthumes an ein und demselben Stamme unterrichten kann. Ihre genaue Signatur überhebt mich wohl, hierauf näher einzu- gehen. Spiralig gedrehte, wie auch von Inseeten, Vögeln, Wild u. s. w. ver- letzte Stämme vervollständigen die hier erstrebte Einsicht in alle Lebens- verhältnisse der Riesen der Vegetation. In der Mitte der Partie erhebt sich ein Stamm aus dem Braun- kohlenlager von Saara von 36 Fuss Umfang, der grösste aller bis jetzt bekannten fossilen Stämme, umgeben von seinen Aesten, dem Bruch- stücke eines Braunkohlenflötzes, versteinerten Stämmen nebst Abbildun- gen und erläuterndem Text. Ferner von demselben: Ueber eine blühende Agave. "In unseren Gegenden gehört das Blühen einer Agave americana (fälschlich auch Aloe genannt) immer noch zu den Seltenheiten, von ee TE " { a Ba De 2 7 a u 12 a, 7205 Zu 144 Jahres-Bericht denen man gern Kenntniss nimmt. ‚In dem benachbarten, auch sonst durch Schönheiten der Natur und Kunst so ausgezeichneten und vielbe- suchten Sibyllenort beginnt seit einem Monate eine Agave von trefi- licher Erhaltung und Cultur ihren Blüthenschaft zu entwickeln. Gleich einem kolossalen Spargelstengel erhebt er:sich schon über die Blattkrone, wächst täglich je nach wärmerer oder kühlerer Temperatur 4—5 Zoll und dürfte sicher nach seiner vollständigen Ausbildung die Höhe von 20— 25‘ erreichen, wie man aus seiner Stärke und der Ueppigkeit der 12 — 14’ im Durchmesser haltenden Pflanze zu schliessen berechtigt ist. Er gleicht dann mit den horizontalen Aesten und zahlreichen Blüthen, deren wohl mindestens an 2000 zu erwarten sind, einem riesigen Candelaber von wahrhaft majestätischem Ansehen. Die Blüthen sind grünlichgelb und höchst merkwürdig durch die reichliche Absonderung zuckerhaltigen Saftes.. Vollständige Entwiekelung ist abgesehen von störenden Witte- rungs-BEinflüssen erst im August und September zn erwarten, sie kann sich auch bis in den October hin verziehen. Unter diesen Umständen würde sich die Aufstellung der Pflanze in einem eigenen Glaspavillon mit innerer Treppe, wie einst in ähnlichem Falle zu Pilgramshain am meisten empfehlen, um sie in ihrer ganzen Schönheit bewundern zu können. In ihrem Vaterland Mexico hat sie eine grössere, wahrhaft nationale Bedeutung. Ihr Saft liefert das Lieblingsgetränk aller Mexi- caner, den Pulque, die Blaitfasern benutzt man wie Hanf, die äussere Haut der grossen Blätter dient zur Bereitung eines pergamentartigen Papiers. Die Bereitung des Pulque’s geschieht auf folgende Weise: Man schneidet den sich entwickelnden Blüthenstengel heraus, so dass eine napfförmige Höhlung von I— 1, Fuss Durchmesser und Tiefe gebildet wird. In diese strömt nun der Saft, den die Natur zur Bildung des un- geheuren Blüthenstengels bestimmte und zwar in solcher Menge, dass man ihn 1—2 Monate lang täglich 2—3 Mal ausschöpfen muss, was mittelst eines Saughebers geschieht. Der frisch gewonnene Saft heisst Aguamiel, Honigwasser, und wird nun dureh Gährung zu einem erfrischen- den, schwach geistigen Getränke umgewandelt, welchem freilich oft bei unreinlicher Bereitung nach der Angabe der Europäer ein bitterlicher fauliger Beigeschmack nicht fehlen soll. — Dass die Agave verhältniss- mässig erst spät nach Enropa, zuerst nach Spanien, gelangte (1560) und sich von hier aus weiter verbreitete, habe ich in diesen Blättern früher ‘schon erwähnt, sowie auch, dass sie in Schlesien zuerst 1662 im gräflich Oppersdorfer Garten und zwar zum 18. Mal in Europa blühte, später zur Entwickelung gelangte: 1719 in Preus, 1803 in Peuke bei Oels, 1857 in Eekersdorf und 1868 in Pilgramshain und in Jehannisberg. — Der Herr Hofgärtner Ginert in Sibyllenort :hat es übernommen, die in wissenschaftlicher Hinsicht auch interessanten Stadien der Entwiekelung unserer Pflanze genau zu beobachten, Sie fing im August an zu blühen, de Ze a a De Pa hin u le Sole Zugfe N ie e D ET te ur Ba DT der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur. 145 entwickelte sich bis zum Anfang des November. Nähere Beobachtungen sind mir nicht zugekommen. *) In der achten Sitzung vom 9. November berichtete Herr Wundarzt Knebel über die Verhandlungen der deutschen Naturforscher-Versamm- lung zu Rostock, der er beigewohnt hat. Herr Geheimrath Göppert hielt einen Vortrag über die Aufgabe der Botanischen Section; ihr liege es ob, nachdem die Phanerogamen Schlesiens in der Wimmer’schen Flora mustergültig. bearbeitet, auch die Kryptogamen in Angriff zu nehmen; es möge daher von den Mitglie- - dern der Section eine Kıyptogamen-Flora oder zunächst eine Enumeratio bald möglichst veröffentlicht werden. Auch für eine dereinstige neue Bearbeitung der Schlesischen Phanerogamen-Flora sei er bedacht gewesen, handschriftliches Material anzusammeln und wurden 18, in der Bibliothek der Gesellschaft aufbewahrte schlesische Special-Floren vorgelegt, von denen der Custos der Sammlungen, Herr Professor Körber, einen Kata- log angefertigt hat. Von gedruckten, zum Theil erst in neuester Zeit erschienen Floren verdienen besondere Hervorhebung und Anerkennung: Peck, Flora von Schweidnitz, Gerhardt, Flora von Liegnitz, Hoeger, A Flora des Hirschberger Thals, Büttner, über das Flussgebiet der Glatzer Neisse. Als Beitrag zur schlesischen Pilz-Flora wurde vorgelegt eine von dem Hütten- Arzt Geisler in Jacobswalde OS. 1817 — 1827 ange- fertiste Sammlung von colorirten Abbildungen schlesischer Pilze in vor- züglicher Ausführung. *) Im Anschluss an obige Mittheilung erlaubt sich der Unterzeichnete zu be- merken, dass er bei einem Besuch zu Sibyllenort im October den Blüthenschaft der Agave in vollster Entwickelung, in den unteren Rispenästen schon verblüht, fand; aufgestellt in den kuppelartigen Mittelraum des Gewächshauses, welches er bis zur Decke erfüllte, gewährte derselbe einen höchst imposanten Anblick. Hierbei trat die von mir auch anderweitig, zuerst bei Agave Goeppertiana Jacobi, die im Jahre 1860 im Breslauer botanischen Garten zur Blüthe gelangte, sowie auch von Weiss bei Agave Jacgumiana in Lemberg beobachtete Dichogamie der Blüthen recht augenfällig hervor, indem die Staubbeutel früher geschlechtsreif werden, als die Narbe; die ersteren haben längst ausgestäubt, während die drei Narbenlappen noch geschlossen bleiben; erst weit später breiten sich dieselben auseinander und werden unter Ausschwitzen einer süssen Narbenfeuchtigkeit zur Befruchtung tauglich. Die ausserordentliche Menge Honigsaft, welche in der Perigonröhre der Agavenblüthe ausgeschieden wird, ist offenbar dazu bestimmt, Insecten anzulocken, welche die Bestäubung vermitteln, da eine Selbstbefruchtung in den protandrischen Blüthen nicht möglich ist, ohne künstliche Befruchtung - werden daher auch keine Früchte von den in unseren Gärten blühenden Agaven ausgebildet, Auffallend war an dem Sibyllenorter Exemplar auch die Heliotropie der Blüthen; da dasselbe nämlich nur von vorn, nieht aber von oben und hinten Licht empfing, hatten sich die Rispenzweige nicht gleichmässig ausgebildet, wie bei den im Freien blühenden Pflanzen, sondern es hatten sich sämmtliche Blüthen durch Krümmung ihrer kurzen Stiele zum Lichte hingedreht. Cohn, 10 146 Jahres-Bericht Der Custos der Sammlungen der Schlesischen Gesellschaft, Herr Professor Dr. Körber überreichte im Anschluss an den Göppert’schen Vortrag nachstehendes, von ihm angefertigtes Verzeichniss der dem Henschel’schen Globus aggregirten botanischen 1) 2) 3) 4) 5) 6) D 8) 9) 10) 11) 12) 13) 14) 15) 16) 17) 18) Manuscript-Sammlung der Schlesischen Gesellschaft. v. Albertini, kryptogamische Gewächse in Schlesien um Gnaden- berg 1814—1817 und um Gnadenfrey 1819/20 gesammelt. 4°. v. Albertini, Flora montis Gratiarum. 1814—1817. 8°. (Mit einem lateinisch geschriebenen kurzen Vorwort.) v. Albertini, Flora Gnadenfreyensis. 1819/20. 8°. Dazu: (Cata- log; auxiliares tres ad Fl. G. Unverricht, Enumeratio stirpium Phanerogamarum, quae prope Fuer- stenstein sponte proveniuni. 1840. 4°. (Nur der Titel lateinisch.) Güntzel-Becker, Enumeratio florae Wohlaviensis. Nach Wimmer’s Flora 1857 zusammengestellt. 4°. Beilschmied, Verzeichniss der Plantae vasculosae der Umgegenden von Ohlau und von Beuthen a. 0. 4°. v. Ueehtritz, Flora der Umgegend von Friedland, Kreis Walden- burg. 1865. 4°. Straehler (Revierförster), Verzeichniss der bei Görbersdorf vor- kommenden Phanerogamen und Gefäss-Kryptogamen als Ergänzungs- heft zu Uechtritz Flora von Friedland. 1870. 4°. R. Müncke, Flora der Umgegend von Falkenberg O./S. Nach Wimmer’s Flora. IH. Aufl. Bearb. 1859. 4°. J. Spatzier, Verzeichniss der Schlesischen Pflanzen und ihrer Standorte um Jägerndorf. 1842. Fol. Kleinwächter, Zusammenstellung der in der Gegend zwischen Fraustadt und Glogau gefundenen Pflanzen 1364. /, Bogen. J. Leder, Verzeichniss derjenigen phanerogamen Pflanzen, welche in der Tarnowitzer Flora wild wachsen und eultivirt werden. 1860. Fol. Everken, Verzeichniss der Laubmoose um Sagan 4°. 2 Bogen. Limpricht, Uebersicht der im Gebiet der Bunzlauer Flora bisher beobachteten Laubmoose. 1867. 4°. Zimmermann, Verzeichniss der in der Umgegend von Striegau gefundenen Laubmoose. 1866. 4°. el: Laubmoose des Fürstensteiner Grundes und der Hochwald- wiesen bei Salzbrunn. 1 Bogen. Wichura, ein Convolut von 27 blau brochürten @uartheften, ent- haltend morphologische Beobachtungen, Excerpte, nach den Pflanzen- familien geordnete Beobachtungen über Keimnpflanzen ete. Wimmer, ein Convolut loser Blätter und Zeichnungen, grössten- T N W DE a ie a en an z 5 ii der Schles. Gesellsch. £. vaterl. Cultur. 147 theils Algen - Studien enthaltend — sämmtlich in einem schwarzen Pappumschlage mit der Aufschrift: ,‚Algae Siles.‘“ (Studien von . Wimmer.) 19) v. Uechtritz sen., Verzeichniss der Pflanzen seines Herbars. Zwei Hefte in blauem Papier. 20) v. Uechtritz jun., Fundorte der (von ihm) im Gebiete der Schle- sischen Flora aufgefundeuen Laubmoose. 1848. 151 8. in 4°. 21) Idem, Enumeratio plantarum prope Ober-Salzbrunn in Silesia crescen- tium. (Enthält auch die Kryptogamen). Sin. anno. Fol. Ausserdem findet sich folgendes Manuseript vor: Henschel, Facultätsgutachten über die Geheimrath Schmidt’sche Schrift „Die Reform der Medieinalverfassung Preussens“, 1846. (Ein dickes Convolut). Als Beitrag zur schlesischen Pilzflora legte Herr Geheimrath Göppert vor eine von dem verstorbenen Hüttenarzt Geisler zu Jacobswalde O./8. angefertigte Sammlung von colorirten Abbildungen schlesischer Pilze in natur- getreuer Ausführung. Sie wurde ihm von einem Sohne des Verstorbenen, dem Herzoglich Ratibor’schen Rentmeister und Hauptmann a. D. Herrn Geisler zu Ratiborhammer auf ein Jahr gütigst zur literarischen Be- nutzung anvertraut und bildet sicher einen überaus werthvollen Beitrag zu der künftigen Pilz-Flora unserer Provinz. Der verstorbene Verfasser war mit den Gründern unserer Flora, Günther und Schummel, in steter Verbindung gewesen und hatte auch für die Phanerogamen manche interessante Pflanze geliefert, starb aber leider schon sehr früh, im 49. Jahre seines Alters, am 29. April 1826. Die obige Sammlung besteht aus 3 Quartbänden: der eine ist eine Copie des 2. Bandes von Jacob Bolton mit 48 illuminirten Zeichnungen nebst dem dazu gehören- den Text und hat sichtlich nur als Studienmittel gedient, während die beiden andern die für uns werthvollen Originalabbildungen der von ihm in der Umgegend von Jacobswalde im Zeitraum von 7 Jahren, von 1817 bis 1824 gefundenen und zugleich abgebildeten Pilze auf 331 Blättern enthalten. _Ohne Ansprüche auf künstlerische Ausführung, wie sie bei einer etwaigen Edition verlangt werden würde, entsprechen sie insofern ihrem Zweck, als sie so naturgetreu ausgeführt sind, dass man sie ohne Schwierigkeit zu bestimmen vermag, wie dies bereits im Jahre 1823 von dem in Breslau lebenden Botaniker, meinem hochverehrten Lehrer Prof. Dr. L. C. Treviranus versucht ward, dessen damals entworfenes Verzeichniss mir noch im Manuseript vorliegt. Wenige Bestimmungen bedürfen einer Rectification: Tuber cibarium ist nicht richtig, sondern die in Deutschland doch selten, in Oberschlesiens Wäldern in der Umgegend von Lublinitz, Gleiwitz, Rybnik, Ratibor, Neustadt u. a. sehr verbreitete weisse Trüffel Chaeromyces maeandriformis Vittadini, Tuber album Corda oder 10* “ Ehe ir re Aa I 2-9 Ze 4 Baal Zn Zn zes R k 148 Jahres-Bericht Rkizopogon albus Fr. Die ächte schwarze Trüffel, Tuber cibarium, ist bis’ jetzt in Schlesien noch nicht gefunden. Diesen Namen führt fälsch- lich der in ganz Schlesien, vielleicht in ganz Norddeutschland sehr häufige Feldstreuling, Scleroderma vulgare, dessen Genuss in grösseren Quantitäten die Symptome einer Pilzvergiftung herbeiführt, die bei der ausgedehnten Benutzung dieses Pilzes nur deswegen nicht häufiger beob- achtet wird, weil man ihn nicht als Gericht, sondern nur als Würze wie die schwarze Trüffel, also nur in geringeren Quantitäten zu verspeisen pflegt. In einigen, für das grössere Publieum bestimmten Zeitungsartikeln suchte der Vortragende es zu unterrichten und fand sich eudlich veran- lasst, in einem der damals im August (1871) leer stehenden Gewächs- häuser eine Ausstellung obiger Pilze in natura und in Abbil- dungen zu veranstalten, an welche sich nach und nach alle diejenigen anschlossen, welche nach mehrjährigen Erfahrungen auf den hiesigen Märkten feilgeboten wurden. Da das Publicum dies Unternehmen mit Interesse aufnahm, insbesondere die Beamten der Marktpolizei hier eifrig studirten, sollen diese Ausstellungen im bevorstehenden Sommer wieder- holt werden. Folgende an und für sich essbare Pilze kommen bei uns zum Verkauf: 1) „Maipilz,“ Agar. pomonae, im Frühling. 2) „Musseron, Muscherong, Musserien, Derrbehndel,“ Ag. scorodomus, August bis October. 3) „Grün-Reisker, Grünschwappe,“ Ag. ‚flavovirens, im October. 4) „Mileh-Reisker,‘“ Ag. volemus, August. 5) „‚„Rothweisskerz, gemeiner R.,“ Ag. deliciosus, August bis October. 6) „Champignon,“ Ag. campestris, August bis October. 7) „Michaeli-Pilz,‘“ Agariei sp., um Michaeli, klein, braun. 8) „Gahlschwamm, Galuschel,‘“ Cantarellus cibarius, August bis October- 9) Sparassis brevipes, „Feisterling, Fehsterling,“ September, October. 10) Sp. erispa, „Feisterling, Judenbart, Ziegenbart,‘“ September, October. 11-14) „Ziegenbart und Judenbart,“ Clavaria Botrytis, — formosa, —. flava, — . griseg, August, September, 15) Feldstreuling, fälschlich „Trüffel,‘“ Seleroderma vulgaris, August, Sep- tember. 16—17) ‚„‚Morchel,‘ Hevella esculenta, Morchella esculenta, Frühjahr. der Schles. Gesellsch. £. vaterl. Cultur. 149 „Steigerluschel, Steischwamm,“ Hydnum repandum, October. „Steinpilz,‘“ Boletus edulis, nebst Var., August bis October. „Schell- oder Schäl- (?) Pilz,“ Bolet. luteus, desgl. „Hirsepilz,“ Boletus variegatus, Juli, August, September. „Graukappe, Rothkappe,‘ Bol. scaber, nebst Var., August bis October. „Kosauke, Butterpilz,‘“ Bol. subtomentosus, nebst Var., August, Sep- tember. 24) „Eichsteinschwamm,“ Bol. scaber ß. nanus, October. Ausserdem geniesst man in Schlesien: Polyporus umbellatus, „‚Eichhaase.‘“ — frondosus, „Klapperschwamm.“ „Weidenschwamm,‘‘ Polyporus suaveolens. Polyporus sulphureus, September, October. Fistulina hepatica, September, October. Agaricus virgineus Wulf, (?) October. — procerus, Parasolplz. Chaeromyces maeandriformis Vitt, August bis October in Oberschlesien. Ausser dem, wie schon oben erwähnt, schädlichen Scleroderma habe ich giftige Pilze auf unsern Märkten nicht bemerkt, nicht die so giftigen Agaricus bulbosus oder vellereus, welche allenfalls mit Agaricus campestris verwechselt werden könnten. Nicht uninteressant war es, wie aus dem Sitzungsberichte der k. k. zoologisch-botanischen Gesellschaft in Wien 1871 zu ersehen, dass eine von der niederösterreichischen Regierung verlangte, von Dr. H. W. Reich- _ hardt verfasste Uebersicht der auf den niederösterreichischen Märkten verkäuflichen Pilze fast dieselben Arten aufzählt und ihren Genuss ge- stattet. Das Vorkommen der ächten Trüffel wird auch hier in Frage gestellt. In Böhmen scheint sie gleichfalls zu fehlen. In Carlsbad ver- kaufte man dafür im August und September 1871 Seleroderma vulgare, ja sogar Polysaccum Pisocarpium. Die anwesenden Mitglieder der Section sprachen ihre Bereitwilligkeit aus, an der projectirten Kryptogamen-Flora von Schlesien mitzuarbeiten, deren Plan in einer Comite-Sitzung vom 29. December genauer festge- „ stellt worden ist. ‚Der Secretair legte ein Stück sogenannte Oderhaut vor, gefunden: - von Stud. Schumann bei Rothkretscham und gebildet aus dem aus- getrockneten Filz einer Cladophora (viadrina Kg.), sehr ähnlich der von Kundmann im vorigen Jahrhundert beschriebenen, von Göppert in der ehemaligen, leider aufgelösten Sammlung der Bernhardiner Bibliothek. aufgefundenen Wiesewatte. ei ne NEST ee er ee re BF 2 EEE N \ ER a 150 Jahres-Bericht Herr Dr. phil. W. G. Schneider hielt einen Vortrag über das sterile Mycelgebilde Ozonium Link und dessen Zusammenhang mit Oopri- nus-Arten. „Im Februar d. J. erhielt ich durch gütige Uebermittelung des Herrn Apotheker Fritze in Rybnik ein Pilzmycelgebilde, welches Herr Pfarrer Holuby an Balken in einem sehr feuchten Bauernzimmer zu N.-Podlungy bei Trenezin in Ungarn gefunden hatte und worin ich das Ozonium auricomum Link (sehr schön abgebildet in Greville’s Scot. eryptog. Flora Vol. V. tab. 260) erkannte. Ende März d. J. erhielt ich von Herrn Holuby von demselben Standorte Exemplare eines Coprinus, welche auf den strahligen rothgelben Geweben des Ozonium gewachsen waren. Zwar haben schon früher Mycologen, wie Letellier, Fries ete. in dem Ozonium das Mycelium höherer Pilze vermuthet, ohne jedoch das Richtige zu treffen, bis der belgische Botaniker Coemans in seinem Spieilege mycologique No. 2 (1862), worin er 3 belgische Ozonium-Arten charakte- risirt, den Zusammenhang des Ozonium als Mycelgebilde mit Coprinus- Arten nachwies. Demnach würde die Beobachtung des Herrn Pfarrer Holuby einen neuen schätzbaren Beitrag zur Begründung dieser That- sache liefern; doch herrschen noch Differenzen über die auf dem Mycel- gewebe des Ozonium auricomum beobachteten Coprinus- Arten; Coemans hat darauf den Coprinus stercorarius, eine ziemlich kleine, sehr zarte Art gefunden, während die vorliegenden Exemplare aus Ungarn bedeutend grösser, robuster sind und viel eher dem Coprinus deliquescens (Bull.) Fries entsprechen dürften. Leider waren die von Herrn Pfarrer Holuby erhal- tenen Exemplare schon zerschnitten und getrocknet, demnach eine genaue Bestimmung der Art nicht leicht möglich; nach einer beigefügten Zeich- nung zu schliessen, wonach der Stiel nicht bis zum Grunde hohl zu sein scheint, nur der Hut an der Spitze bei jüngeren Exemplaren mit grossen Warzen besetzt ist, passt die Beschreibung des C. deliquescens noch am besten auf meine Exemplare. Um diese Differenz zu lösen, müsste man entweder annehmen, dass aus derselben Ozonium-Art verschiedene Copri- nus-Arten sich entwickeln, oder dass das Ozonium auricomum verschiedene, kaum unterscheidbare Formen bildet, welche verschiedenen Coprinus- Arten angehören. Ferner machte derselbe Mittheilung über das Synchytrium aureum Schröt. und dessen ausserordentlich grosse Verbreitung auf einer bedeu- tenden Anzahl Nährpflanzen aus den verschiedensten natürlichen Familien, so dass dem Vortragenden bereits 70 Nährpflanzen aus 26 Familien be- kannt sind, worauf obige Art vegetirt, und diese Zahl hiermit noch keineswegs erschöpft sein dürfte. Herr Stabsarzt Dr. Schröter vermuthete schon in seiner Monographie der Gattung Synchytrium (Dr. Cohn, Beitr. z. Biologie d. Pflanzen A. I.) bei seinem $. aureum, welches wir auf 3 Nährpflanzen aus sehr verschiedenen Familien auffanden, dass die Syn- chitrien nieht immer auf einzelne Nährpflanzen beschränkt sein möchten, der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur, 151 was sich nun bei vorliegender Art in sehr umfangreicher Weise bestätigt hat und auch noch für einige andere Arten, wenn auch nicht in so extensiver Weise, herausstellen dürfte. Die vorgezeigten Exemplare der zahlreichen Formen des $. aureum stammten alle aus der Gegend von Liegnitz, von Herrn Lehrer Gerhardt gesammelt; eine specielle Lokalität, der Bade. hausgarten in Liegnitz, in dessen feuchten, schattigen Anlagen eine grosse Menge der verschiedensten Pflanzen zusammen wachsen, lieferte ein be- sonders reiches und merkwürdiges Contingent für die Verbreitung des S. aureum auf den verschiedensten Nährpflanzen, nur Gramineen gänzlich ausgenommen. VonsSynchytrium Myosotidis Kühn wurde eine neue ausgezeich- nete Form auf Potentilla argentea L. aus der Liegnitzer Gegend vorgezeigt. Sämmtliche demonstrirte Exemplare wurden dem Herbarium der Schle- sischen Gesellschaft überwiesen. In der achten Sitzung vom 23. November zeigte Herr Geheimrath Göppert ein riesiges, an 20 Pfund schweres und prachtvoll gefärbies Exemplar des Polyporus citrinus, welches auf einer abgehauenen Weide im botanischen Garten gewachsen, aber durch- den Frost getödtet war. Derselbe verlas einen von Herrn Dr. Langenbach in Palermo ein- gesandten Aufsatz über die Cultur der Mannaesche (Fraxinus Ornus) in Sicilien: “Cultur der Manna-Esche und Gewinnung der Manna in Sicilien. Von Dr. phil. Langenbach. *) Vom agronomischen Standpunkte aus wird Sieilien in drei Höhen- zonen eingetheilt, nämlich in die Seezone (zona maritima), mittlere Zone (zona media), und Gebirgszone (zona montuosa). Die erstere, die Seezone, ist charakterisirt durch die Cactusfeige (Opuntia Ficus indica Mill.), Sumach, Orange, Olive, Maulbeerbaum, Wein- stock, Banane, Korkeiche, Palme — in der mittleren Zone erscheinen Pistazie, Mandel, Walnuss, Haselnuss, Apfelbaum, Kastanie, Johannisbrot- baum, Fichte — in der dritten endlich, der Gebirgszone, wachsen Stech- palme, Steineiche, Buche, Tanne, Birke. Die Mannaesche, Ornus europaea Pers., Fraxinus ornus L. (italienisch. orniello da manna oder frassino da manna) pflanzt man am besten in den oberen Theil der Seezone und den unteren der Mittelzone, so dass sie im ersteren Falle neben der Olive, im zweiten neben der Kastanie vor- kommt. Das Grundstück ist so zu wählen, dass es den Strahlen der *) Herr Dr. phil. Langenbach, Verfasser der interessanten Dissertation de flora diluviali, Breslau 1863, verweilte in den letzten Jahren in Sieilien und be- schäftiste sich auf meinen Wunsch unter andern auch mit Untersuchungen über die Manna und ihre Gewinnung. Göppert, 152 Jahres - Bericht Mittagsonne ausgesetzt is. Der Boden soll wenig fruchtbar und nicht gedüngt sein. Die jungen Pflanzen werden aus Samen gezogen und ein Jahr nach der Aussaat auf den ihnen bestimmten Platz gebracht. Der Boden wurde zu diesem Zwecke vorher gepflüst; dann macht man mit Eisenstäben Löcher je in einer Entfernung von 1'/, Meter und so tief, dass ausser der Wurzel noch ein Theil des Stämmehens mit eingesenkt wird. In den ersten Jahren wird der Boden drei Mal umgehackt, später nur zwei Mal und zwar im Januar und Mai. Sind die Bäumchen acht bis zehn Jahre alt, so beginnt die Gewinnung der Manna. Für den Praktiker ist diese Zeit der Ernte sekommen, wenn er das Stämmehen mit Daumen und Mittelfinger gerade umspannen kann. Mit etwas gekrümmten, sehr scharfen, grossen Messern, welche von beiden Armen geführt werden, macht man nun am Fusse des Stämmchens einen Querschnitt durch die ganze Dicke der Rinde; bei den jüngeren Bäumen ist der Einschnitt ein Drittel des Umfanges breit, bei den älteren beträgt die Breite nur ein Viertel des Umfangs. Mit den Einschnitten fährt man, auf der nämlichen Seite nach oben aufsteigend, fort, indem man täglich einen neuen Einschnitt macht. Die Einschnitte sind je um eine Fingersbreite von einander entfernt. Ist eine Seite des Stammes, bis zum Beginn der Aeste, mit Einschnitten bedeckt, so werden dieselben auf der nächstanstossenden Seite in eben derselben Weise ge- macht. Da die Ernte während dreier Monate, Juli, August und September, geschieht, so beträgt die Anzahl der jährlich gemachten Einschnitte gegen neunzig. — Ein Arbeiter pflegt von Morgen bis Mittag vier- tausend Bäume einzuschneiden.”) Aus dem Einschnitt fliesst eine braune Flüssigkeit aus, die nach wenigen Stunden fest und weiss wird. Der Saft erhärtet in der Form von Zapfen oder Stangen, in Sieilien canoli genannt, (Manna *) Herr Dr. Langenbach hatte die Güte, mir ein 25 C.M. langes und 12 C.M. breites Stück der Mannaesche zu überschieken, welches die Spuren der in ver- schiedenen Jahren gemachten, etwas schiefen, 5—8 C. M. langen Einschnitte er- kennen lässt, mit denen man im 10. Jahre an diesem Stämmchen begonnen hat. Die Jahresringe zeigen deutliche Begrenzung, das Holz ist sehr fest und von be- deutendem speeifischen Gewicht. “Bekanntlich eultiviren wir die Mannaesche in unsern Gärten nieht ohne Erfolg, so lange die Temperatur nicht — 20 Grad von einiger-Dauer beträgt. Dann erfriert sie bis auf die Wurzel, aus der sie aber gewöhnlich im nächsten Jahre wieder ausschlägt, wie dies den meisten süd- europäischen Bäumen und Sträuchern zu widerfahren pflegt. ass eine überaus hohe Wärme zur Production der Manna erforderlich ist, zeigt der Umstand, dass ich bei uns, selbst in ungewöhnlich heissen Sommern niemals durch Einschnitte an 8—1lOjährigen Stämmchen Manna zu erhalten im Stande war. Göppert. der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur. 153 cannellata), welche herabgeflossen, entweder der Rinde adhäriren, oder bei der meist geneigten Stellung der Bäume, senkrecht herabhängen. Namentlich in letzterem Falle würden. manche Tropfen auf die Erde fallen, weshalb man dieselben auf untergelesten Stengelgliedern (italienisch pale) der Opuntia Ficus indica auffängt. Das Einsammeln geschieht je in Zwischenräumen von mehreren Tagen, wobei die canoli, wie die ange- klebte, von Rinde und Kaktusstengel abgeschabte Manna (die manna in sorta) in Röhren, welche aus Baumrinde verfertigt sind, gesondert ge- halten werden. Jeder Einsammler trägt deshalb zwei solcher Röhren, die mittelst eines Bandes über die Schultern gehängt sind. Bei regen- losem Wetter löst man die Manna wöchentlich ab; droht Regen, welcher die Manna auflösen und so wegführen würde, so wird schleunigst ge- sammelt. Es befindet sich darum während der Nacht eine Wache in den Anpflanzungen, die bei erwartetem Regen eine Glocke zieht, da- mit alle bereiten Hände das Product möglichst schnell in Sicherheit bringen. Die gesammelte Manna wird etwas an der Sonne getrocknet, und man sucht sie sofort zu verkaufen. Während der Landwirth nur die oben genannten Sorten — manna in canoli und manna in sorta — son- . dert, unterscheidet der Händler deren viele, meist nach Oertlichkeiten benannte. Nach 12— 20 Jahren der Manna-Gewinnung wird der Eschenstamm für dieselbe unergiebig. Man schneidet ihn dann ab, um neue Schösslinge hervortreiben zu lassen, welche man nach 4 —6 Jahren einzuschneiden beginnt; sterilisiren auch diese, so werden sie ihrerseits abgeschnitten. Nach und nach wird aber das Product sehr spärlich, so dass eine andere Cultur an die Stelle treten muss. | Auf einer Hektare *) stehen an 5000 Pflanzen, welche zwischen 80 und 100, im Mittel also 90 Kilogramm Manna liefern. Davon ist etwa der zwanzigste Theil manna in cannoli, d. i. 4"), Kilogramm, wäh- rend 85'/, Kilogramm anna in sorta darstellen. Erstere kostet 16 Lire das Kilogramm, letztere 6 Lire 68 centesini. Das würde demnach für die Hektare 643,14 Lire ergeben. Die Kosten der Anpflanzung und Bewirthschaftung bis zur Gewinnung der Manna (8 Jahre) stellen sich für die Heetare auf 1010 Lire. Berechnet man für diese 6 Procent, also 60,60 Lire und für die dann nöthigen Arbeiten 81,50 Lire, so betragen die Unkosten 142,10 Lire. Von der gewonnenen Manna erhält der Pächter, welcher das Grundstück zwei Mal unzuhaeken und *) Eine Hektare etwas weniger als vier Preussische Morgen. y 3 3 a N 154 Jahres-Bericht. alle Arbeit bis zum Einsammeln der Manna zu leisten hat, die Hälfte. Es bleiben demnach dem Besitzer ni — 321,57 Lire aus dem Verkaufe der Manna, so dass der ihm zufliessende Reingewinn 321,57 — 142,10, d. i. rund 189, Lire beträgt für die Hektare. AufGrund der gegebenen Zahlen beliefe sieh die Boden- rente auf 171, Procent:e Für Deutschland bedeutend, er- scheint sie für sieilische Verhältnisse nicht besonders hoch. Daraus erklärt es sich denn, dass die Cultur der Mannaesche an manchen Orten anderen, grösseren Nutzen abwerfenden Culturen zu weichen fort- fährt. Am meisten wird der Anbau vermindert durch die zu erstaun- lichem Umfange sich steigernde Orangencultur, welche sich in neuerer Zeit selbst auf hoch gelegene Gegenden erstreckt, wenn nur Berieselung und bequemer Absatz der Früchte möglich sind. Um von der Steigerung letzterer Production hier beiläufig eine Vorstellung zu geben, sei erwähnt, dass die Provinz Palermo im Jahre 1854 an Orangengärten (Agru- menti) 4466 Hektaren besass, die einen Bruttogewinn von 16,077,600 Lire ergaben; vierzehn Jahre später, 1868, gab es deren 11,000 Hektaren, welchen eine Bruttoeinnahme von 39,600,000 Lire ent- spricht. Der Rückgang der Mannacultur um Palermo und ähnliche Ver- hältnisse darbietende Oertlichkeiten, wie Messina und Catania, erklärt sich daraus sehr einfach. Der ‚Kampf um’s Dasein“ findet auch bei dieser Thatsache seine eindringliche Illustration. — Die bedeutendste Production der Manna geschieht gegenwärtig bei Cefalu, wo vier Dörfer für 750,000 Lire jährlich erzielen.“ Herr Professor Göppert legte als ersten Beitrag zur schlesischen Kıyptogamenflora einen Conspectus Fungorum Silesiue vor, welchem seine eigenen Funde, die des Herrn Lothar Becker, sowie die in dem Geisler’schen Manuseripte abgebildeten Arten zu Grunde gelegt sind. Herr Professor Dr. Körber besprach die von der deutschen Nord- pol-Expedition im Jahre 1870 hauptsächlich aus Grönland mitgebrachten Flechten, welche ihm von dem Bremer Comite zur Bearbeitung über- geben waren, darunter mehrere neue Arten (Gyrophora Koldeweyi, Gyro- phora Tramnitziana, Buellia Peyeri, Rinodina Pantzschiana, Callopisma groen- landica, Orthospora groenlandica), ganz besonders schön ist auch Usnea melanosxantha. Derselbe legte eine von ihm angelegte Typensammlung der Lichenen vor, welche in eleganter Ausstattung sämmtliche bekannte Arten in typischen Exemplaren in Kästen systematisch an einander ge- reiht enthält. der Schles. Gesellsch. f. vaterl, Cultur. 155 Herr E. Junger legte im Namen des Herrn v. Uechtritz vor: Die wichtigsten Funde des Jahres 1871, im Gebiete der schlesischen Flora, zusammengestellt von Rudolf v. Vechtritz. A. Neue Erwerbungen. Sisymbrium pannonicum Jeg. Breslau, an der steineren Böschung des Oderdammes am Ende der Ufergasse zahlreich mit Lepidium Draba im Mai 1871 von Kabath entdeckt. Sicher nur eingeschleppt. Diplotaxis muralis DI. Mühlgerinne der Neuhammer Mühle bei Proskau in Oberschlesien zahlreich, entdeckt von Stein im August 1871. _Trifolium brachystylos Knaf. fide spec. ab auct. leet. Est forma singularis T. pratensis, flor. pallide roseis, manifeste peduneulatis, dentibus calycinis flores subaequantibus, juveniles longe superantibus; eapitulum exinde comosum, magis elongatum quam in vulgari T. pratensi. Kleinburg bei Breslau. (Uechtritz.) Rubus Sprengelüi W. N. Breslau, Obernisk im schattigen Grunde vom Oberdorfe nach den Sitten, im August 1867. (v. Uechtritz.) Hieracium riphaeum *) Uechtr. Nahe verwandt mit H. prenanthoides, mit dem es bisher bei uns stets verwechselt wurde, unterscheidet sich diese Art gleichwohl leicht durch folgende Merkmale: Stengel niedriger, meist nur 0,20 — 0,40 Meter hoch, weniger dicht beblättert, armköpfig (meist 1—3 köpfig) oder selten armblüthig-corymbös (aber niemals rispig-ebensträussig!). Blätter durchschnittlich kürzer und breiter, dabei starrer und kahler, die oberen eiförmig - lanzettlich oder selbst eiförmig, höchstens halbstängelumfassend, oft nur sitzend, am Grunde abgerundet oder selbst gestutzt, entfernt (nicht genähert) gezähnelt oder bisweilen schwach ausgefressen - ge- zähnelt wie bei H. bohemicum, unterseits nicht gitternetzig, in- dem die Nerven dritter Ordnung nicht deutlich hervortreten, wie dies bei H. prenanthoides der Fall ist. Blüthenstiele steif- aufrecht, wie die Hüllen, mit nur spärlich eingestreuten Drüsenhaaren besetzt. Köpfchen etwas grösser, am Grunde weniger verschmälert. Kronen-Saum schwächer gewimpert. Achaenen kleiner, mit etwas kürzerem Pappus, die hald- reifen rothbraun, die völlig reifen glänzend schwarzbraun, fast schwarz wie bei H. bohemicum; bei H. prenanthoides sind dieselben zuerst bleich, später blassbraun oder stets bleich. Charakteristisch ist es ferner für qaiese Art, dass sich vorzugs- weise nur Individuen mit stylösen Blüthehen finden, bei denen ") Nomen derivatum a Riphaeis montibus i. e. Riesengebirge. u ® der Ligularsaum verkümmert ist, was Ursache gewesen sein mag, dass man sie nicht für eine forma stylosa des H. pre- nanthoides angesehen hat.*) In der Tracht steht das H. riphaeum in der Mitte zwischen H. prenanthoides und bohemicum, es ist aber wie ersteres ein ächtes apbyllopodes Aceipitrinum, uch keineswegs etwa eine Hybride. Die Blüthezeit fällt an gleichem Standort etwas früher (ca. S—14 Tage) als bei H. prenanthoides, gegen Ende Juli bis Ende August. — Im Riesengebirge in der subalpinen Region um 4000 Fuss. Häufig mit H. prenanthoides (ohne H. bohemicum!) am Kiesberge im Riesengrund, hier schon 1857 von mir beobachtet und als besondere Form des H. pren- anthoides unterschieden, ferner veseinzelt und vielleicht herab- geschwemmt im untern Blaugrund bei Gross - Aupa, dagegen zahlreich mit A. bohemicum am Ziegenrücken (Junger als H. prenanthoides stylosum). Von dem schlesischen Abhange des Riesengebirges ist mir ein Standort dieser leicht kenntlichen Pflanze bisher nicht bekannt geworden. — Im Riesengebirge finden sich übrigens aus der Gruppe des H. prenanthoides Vill. nur 3 Arten, H. prenanthoides, H. riphaeum und H. crocatum Fries, non Wimmer (= H. inuloides Tausch), letzteres in der Kessel- grube, dem Originalstandorte von Tausch und am goldenen Reh- horn (Josefine Kablik). — Die östlichen Hochsudeten sind um eine Art reicher; es kommen dort nämlich vor: 1) H. prenan- thoides Vill.,**) 2) H. strictum Fries (H. eydoniaefolium Griseb. nec Vill., nec Koch, allem Anschein nach auch — H. striatum Tausch (in den Ergänzungsblättern zur Flora 1857, ein allen Neueren, wie es scheint, unbekannt gebliebenes Synonym) am Glatzer Schneeberge und im Kessel, 3) H. crocatum Fr. (non Wimmer), Petersstein und Kessel, hierher oder zum folgenden scheint nach der Beschreibung Wimmer’s H. prenanthoides y strietum zu ge- hören, welches auf keinen Fall mit H. siricetum Fr. identisch ist, 4) H. corymbosum Fr. am Abhange des Peterssteines gegen den Kessel mit vorigem. Schulz Bip. identifieirt irrig diese Art mit Tausch’s H. inuloides, welches nach meiner Ansicht mit H. cro- catum Fr. zusammenfällt und von allen diesen Arten am meisten 156 Jahres-Bericht an H. boreale Fr. erinnert, so dass es von Einigen sogar für E E I eine Form dieses letzteren gehalten worden ist. \ ; h 5 N “*) Nur Krause hat sie für ein H. bohemicum stylosum gehalten, wie aus einem E von ihm herrührenden Exemplare vom Kiesberge im Herbarium Schumann her- F vorgeht, or **) Die seltene var. perfoliatum Froel. sah ich sehr schön entwickelt aus dem Kessel, (Winkler.) er der schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur. 157 H. prenanthoides >< riphaeum Uechtr. Tracht, Wuchs und Blattform genau wie bei H. riphaeum, aber der Blüthenstand armblüthig- rispig, die Blüthenstiele und Hüllen starkdrüsig, die Köpfchen kleiner und sämmtlich Blüthehen mit entwiekeltem Ligularsaum tragend. Unreife Achaenen von der Form derer des H. riphaeum, aber bleicher wie an H. prenanthoides, reife sah ich nicht. Spär- lich unter den Eltern am Kiesberg im Riesengrund (Fritze). Den hybriden Ursprung dieser schönen Form, von der ich nur zwei Exemplare gesehen, lassen Consortium und Charaktere wohl un- zweifelhaft erscheinen. _ Hieracium corymbosum Fr.! (H. Eupatorium Grieseb.) Kessel im Gesenke, Y Lehne gegen den Petersstein im Jahre 1867 mit H. crocatum Fr. (M. Winkler.) Carex Michelü Host. Nimptsch, in Hügelwäldchen zwischen Priestram und Gross-Ellgut am 31. Mai 1871 von Fick gefunden. Triticum glaucum Desf. Gipshügel bei Katscher (Wetschky). Stipa pennata L. Nieda bei Görlitz, an einem etwas steinigen Abhange (mitgetheilt von Wetschky). Marsilia quadrifolia L. Rybnik, in Menge in einem Teiche bei Rybniker Hammer, eine halbe Meile nordwestlich von der Stadt, am ‚14. October 1871 von Fritze enideckt. Eine ebenso merk- würdige als unerwartete Bereicherung unserer Flora, fehlt allen Grenzgebieten und war bisher nur aus südlichen Gegenden bekannt. Chara stelligera Bauer. Im Schlawa’er See in Nieder-Schlesien. Juni 1870 (Limpricht). B. Neue Standorte seltener Arten. Thalictrum simplex L. var. T. laserpitüfolium W. herb. (T. tenwifolium Sw. Th. Leyii Löhr) forma ad T. galioidem accedens! Wegrand zwischen Neuhammer und Obora unweit Proskau (Stein). Aldrovanda vesiculosa Lam. In Menge unter Salvinia, Trapa und Riccia natans im Teiche von Neuhammer unweit Proskau (Stein). Der erste Standort am linken Oderufer in Schlesien! Viola epipsila Ledeb. Kosel: Torfwiesen bei Wiegschütz und Reinsch- dorf, stellenweise in grosser Menge. Schon früher von mir von dieser Stelle nach einem einzigen Blatt- Exemplar nachgewiesen. V. palustris >< uliginosa Grab. ist nach einem Exemplare vom Original-Standorte Winow im Herbarium Wimmer’s von V. epi- psila durch die abgerundeten, weniger tief herzförmigen, unter- seits auf den Nerven kahlen Blättern deutlich verschieden und wohl sicher Bastard! 158 Jahres-Bericht Elatine alsinastrum L. Brieg: in grosser Menge in Tümpeln bei den Mili- tair-Schiessständen (Stein). Epilobium anagallidifolium Lam. Bei Bad Schwarzbach im Isergebirge ca. 1400 Fuss ungewöhnlich niedriges Vorkommen (Trautmann). Hieracium pallescens W. K. verum ex Fries (nec Koch nec Wimm.) = H. ‚anglicum Wimm. nec Fries = H. Oreades Wimm. (nec al,) olim! Sparsam in der Kesselgrube im Riesengebirge (Trautmann). Digitalis lutea L. Giraltowitzer Wald bei Kosel (Menzel). Dritter Stand- ort in dortiger Gegend. Euphrasia Uechtritziana Junger et Engler. Bergwiesen bei Flinsberg im Isergebirge (Dr. Schumann). Epipactis latifolia var. violacea Rehb. fi. Löwenberg. Kunzendorfer Kalk- busch (Dresler).. Zweiter Standort im Gebiet! Festuca sciuroides Roth. Obernigk: sandige Böschung im Bahnhofe mit Festuca pseudomyurus und Alsine viscosa (v. Uechtritz). Zweiter Standort im Gebiet von Breslau. Festuca gigantea Vill. var. pseudololiacea m. minor, panieula subsimplex, contracta, folia angustiora, breviora.. Tracht von Fest. Brink- manmi Al. Br.) Obernigk am Ziegelofen östlich den Sitten mit Lolium perenne sparsam (v. Uechtritz). Asplenium adulterinum Milde. "Stein-Kunzendorf bei Reichenbach (Schu- mann). Sicherlich keine Varietät des Aspl. viride, wie Milde später glaubte, sondern wohl eigene Art; eher noch Abart des habituell sehr ähnlichen Aspl. Trichomanes und wie dieses über- winternd. Als nachträglich bekannt gewordene Novitäten sind zu erwähnen: 1) Gentiana obtusifolia W. Bergwiesen bei Wünschelburg (mit und als G. germanica von M. Schultze gesammelt), Wird zwar bereits in den letzten Ausgaben von Garcke’s Flora von Nord- und Mittel- Deutschland als schlesischer Bürger aufgeführt, aber die dort gemeinte Pflanze vom Zobtenberge (G. pyramidalis Nees) ist von der echten G. obtusifoha sehr verschieden und mit G. Amarella näher verwandt. 2) Salvia silvestris L. Schweidnitz: Wiese vor Texas! (Peck). Sicher nur eingeschleppt. In der neunten Sitzung vom 14. December hielt Herr‘ Mittelschul- lehrer Limpricht einen Vortrag über die Moosflora in Oberschlesien, wobei er die von ihm in den Gogoliner Kalkbrüchen, am Annaberg, dem Buchenwald von Czarnosin u. a. OÖ. gefundenen Laub- und Lebermoose vorlegte und das Verhältniss der schlesischen Moose in der Ebene und im Gebirge zur deutschen Moosflora entwickelte. Der Secretär Professor Cohn legte vor: Equisetum Telmateja in Siebenhuben bei Prieborn von $ ä 3 » ” ; # der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur. 159 “ Herrn Lehrer Leisner aus Waldenburg seit 1857 beachtet; Polycarpon tetraphyllon von Lehrer Gerhardt im Siegersdorf bei Liegnitz gefunden; ferner monströse Blüthen von Prunus Cerasus aus dem Waisenhausgarten von Ohlau von demselben Baum, auf welchem sich 2—5 Kirschen auf einem Stiel entwickelt hatten, vorgelegt in der Sitzung vom 16. Februar, die Blüthen unterscheiden sich von den normalen nur dadurch, dass im Kelchboden nicht ein, sondern mehrere vollkommen ausgebildete Pistille sich finden, die sich zu Steinfriichten entwickeln, so dass diese Blüthen die Gattungscharaktere von Prunus und Rubus gewissermassen vermitteln. Aehnliche Entwickelung haben auch die auf einem Stiel beobachteten Doppelpflaumen und -pfirsichen. Ferner legte derselbe ein grosses Herbarium höchst interessanter pflanzlicher Missbildungen vor, welche von Herrn Lehrer Zimmermann in Striegau gesammelt und eingesandt worden sind. Herr Dr. Schneider forderte die Section auf, wie üblich, an dem Stiftungsfest der entomologischen Section Theil zu nehmen, und ist das- selbe in gewohnter Heiterkeit am 30. December gefeiert worden. Nachdem schliesslich der Secretair statistische Mittheilungen über den Besuch der botanischen Section seit dem Jahre 1850 gegeben, wird derselbe für die nächste Etatszeit 1872—74 wiedergewählt. Nachträge zur Flechten-Flora Schlesiens. II. *) Von B. Stein. Abkürzungen: E. = Kreisgerichts-Rath Everken in Grünberg. F. = Apo- theker Fritze in Rybnik. H. = Lehrer Hellwig in Grünberg. Limp. = Lehrer Limpricht in Breslau. Uech. = R. y. Uechtritz in Breslau. Die Standorte ohne Angabe des Finders sind von mir beobachtet worden, Usnea barbata L. f. hirta Ach. Grünberg c. fruct. (H.) U. ceratina Ach. Jankowitzer Forstrevier bei Rybnik. Stereocaulon paschale L. Grünberg. (H.) St. incrustatum Flke. Rybnik, Weg nach dem Rudateiche. St. condensatum Hoffm. Melzergrund. Treppen-Spalten am Schneekoppen- Kegel. *) Der erste Nachtrag erschien im Jahres-Bericht für 1870. ST ER a TE ee 160 Jahres-Bericht Cladonia turgida Ehrh. Sakrauer Berg O./S. (F.) Kupp. (Petri.) Grün- berg. (E.) Neubielau. (Roth). Obernigk. (Uech.) C. rangıferina L. var. alpestris Ach. Altvater. (Bachmann). Evernia vulpina L. Auf den Dächern alter Weinberchütten bei Grün- berg. (E., H.) E. divaricata L. Jankowitizer Forstrevier bei Rybnik. Ramalina calycaris L. C. fruct. Rybnik. (F.) Altvater. (Bachmann.) Zobten. Cetraria fallac Ach. Altvater. (Uech. sen., Bachmann). C. sepincola Ehrh. var. chlorophylia Humb. Grünberg, (H.) Anaptychia eiliaris L. Petersstein, auf Moosen. (Limp.) Sphaerophorus fragilis L. Altvater. (Limp.) Sph. coralloides Pers. Oppaquellen. (Limp.) Nephroma laevigatum Ach. Höllengraben bei Schönau. (Limp.) N. tomentosum Hoffm. St. Peter im Elbgrund. Peltigera pusilla Dill. Kupp. (Petri.) P. horizontalis L. Zobten. P. venosa L. Friedland. (Uech.) Grünberg. (H.) Stieta silvatica L. Löbauer Berg. (Uech. sen.) Zobten. Imbricaria perlata Ach. Steril, um Rybnik häufig. I. sinuosa Sm. Goleow bei Rybnik, steril. Melzergrund, e. fr. Alt- vater, c. fr. (Bachmann). . saxatilis L. y panniformis Ach. Bibersteine bei Warmbrunn. . encausta Sm. Petersstein. (Limp.) . Acetabulum Neck. Rudzinitz-Mühle bei Proskau. . Sprengelü Fike. Ober-Küpper bei Sagan. (E.) Weisse Kühe (Quarz- felsen) bei Krozel am Zobten. I. Mougeotii Schaer. Sagan. (E.) Menegazzia terebrata Hoffm. forma saxicola. An den Quarzfelsen bei Krozel am Zobten, zum ersten Male auf Stein beobachtet. Physeia controversa Mass. An Linden im Akademie-Garten in Proskau, sehr schör. Ph. fallax Hepp. Blitzgrund bei Waldenburg. (E.) Umbilicaria pustulata ‘Hofm. Felsen an der Pantenmühle bei Schweid- nitz. (Uech.) Pannaria fenisjonensis Fr. Am Ziegenrücken im Riesengebirge. (Körber.) P. hypnorum Schaer. Sagan. (E.) : P. mierophylla Sw. Zobten. Geiersberg. Placodium albescens Hoffm. Grünberg. (E.) Psoroma lentigerum Web. Sakrauer Berg O./S. (Uech.) Acarospora glaucocarpa Wahlbg. Sakrauer Berg. (F.) A. smaragdula Wahlbg. Grünberg, an hölzernen Gartenhäusern. Sagan, an Feldsteinen. (E.) Proskau. | u en ee j RR. ö m der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur. 161 A. Steinii Kbr. in schedul. Thallus cartilagineus areolato -squamulosus einereus ]. viridi-cinereus, squamulis adpressis planis integris, extremis sublobulatis, minutis in erustam rimosam aggregatis, protothallo viridulo. Apothecia in una squamula solitaria, innata, minuta, punctiformia, tandem deformiter angulosa, rufa, made- En facta cerasina, subpellueida. Sporae in aseis longe elavatis nume- rosissimae, minutissimae. globosae, monoblastae, hyalinae. An beschatteten Gabbroblöcken dicht unter dem Gipfel des Zobten. Die Flechte nnterscheidet sich von der nächstverwandten € A. smaragdula Wahlbg. durch die grün-graue Farbe des Thallus und die tief eingesenkten Apothecien, deren Scheiben angefeuchtet fast kirschroth und durchscheinend erscheinen. A. Heppü Naeg. Au Kalksteinen im Gebüsch des Floriansberges bei Habelschwerdt. Callopisma aurantiacum Lghtf. y coronatum Kmp. Sakrauer Berg. (F.) C. rubellianum Ach. Auf Serpentin des Geiersberges. Rinodina metabolica Ach. y colletica Flik. Stannowitz bei Striegau, auf Dachziegeln. R. confragosa Ach. Serpentin des Geiersberges. R. Bischofii Hepp. Sakrauer Berg. (F.) Zeora sulphurea Hoffm. Geiersberg, auf Serpentin. . Lecanora subfusca L. Auf nackter Erde mit Baeomyces an einem Graben vor Boguschowitz bei Rybnik. L. Hageni Ach. ß lithophila Wallr. Greifenstein bei Löwenberg. (Dressler.) L. piniperda Kbr. y ochrostoma Ach. Sagan, an Weiden. (E.) Maronea Kemmleri Kbr. Grünberg, an Juglans. (E.) Ochrolechia pallescens L. Sagan. (E.) Icmadophila aeruginosa Scop. Rybnik. (F.) Aspicilia stictica Kbr. Auf Gabbro am Gipfel des Zobten. Phialopsis rubra Hoffm. Eichen im Wilhelmsberger Wald bei’ Proskau. Thelotrema lepadinum Ach. Buchen bei Karlsbrunn im Gesenke. (Bach- mann.) Gyalecta Flotovü Kbr. Sagan, an Linden. (E.) Phlyctis argena Ach. Popelau bei Rybnik. Psora ostreata Hoffm. c. fruc. Ruda-Wald bei Rybnik. Biatoridium monastericum Lahm. Goleow bei Rybuik. Biatorina sambucina Kbr. Sagan, an Saliz fragilis. (E.) _B. pineti Schrad. Grünberg. (Hellwig.) B. vernicea Lghtf. Wettersdorf bei Sagan, an Pfählen. (E.) B. globulosa Fik. Rybnik, an Eichen. (F.) ' B. commutata Ach. ec. fruct. Zackenfall. (Körber.) _B, lenticularis Fw. Mauern in Sagan. (E.) 162 Jahres-Bericht B. proteiformis Mass. $ erysibe Rbhst. Rybnik. (F.) f. incusa. Kbr, Schiessstandmauer in Paruschowitz bei Rybnik. (F.) _ Biatora Wallrothi Spr. Alte Lehmmauer in Marxdorf bei Zobten. . viridescens Schrad. $ putrida Kbr. Goleow bei Rybnik. . rupesiris Scop. var. viridiflavescens Wulf. Sakrauer Berg. (F.) . ambigua Mars. Kanthı. (Uech.) . elachista Kbr. Forstrevier Goleow bei Rybnik, an einem alten Nadel- holzstrunke, . Jungens Kbr. Fürstenstein. Geiersberg. . lucida Ach. Sagan, an Pinus silvestris! (E.) Srunbers, an einer alten Lehmwand. (H.) (B. hyalinella Kbr. Diese bisher nur aus Schlesien bekannte Flechte sammelte ich März 1871 in einigen Exemplaren gemeinschaft- lich mit Callopisma haematites Chaub., an Populus tremula in einem lichten Gehölze bei Chälons s./M.) Tromera Resinae Fr. Goleow bei Rybnik. T. sarcogynoides Mars. _Goleow, aber nie mit der vorhergehenden Art zusammen. Jankowitz bei Rybnik, hier sah ich nur diese Art. Bilimbia faginea Kbr. Goleow bei Rybnik. (F.\ B. Regeliana Hepp. Alte Mauern in Öberstreit bei Striegau. (Fritze und Stein.) | B. miliaria Fr. & lignaria Ach, Jankowitz bei Rybnik, an Pin. silvestris. B. syneomista Kbr. Grünberg. (H.) Hohenbohrau. (H.) Strangospora pimicola Kor. Sagan. (E.) Diplotomma populorum Mass. Pirnig bei Grünberg. (H.) D. alboatrum Hoffm. forma trabinellum Fw. Grünberg. (H.) Buellia ericetorum Kbr. Auf. Grabenauswurf in Thiergarten bei Grün- bee a. Hr . ocellata Fik. Sagan. (E.) . stigmatea Ach. Sagan. (E.) Nimkau. „badia Fr.‘ Rabenfelsen bei Liebau. (Engler). wer. | .Schaereri,D. N. Durch ganz ‘Schlesien verbreitet. Kauz bei Sagan, an Fichten. (E.) Lehnstock bei Rybnik, an Eichen. (F.) Nimkau und Carlowitz bei Breslau, an abgestorbenen Stengeln von Calluna, Thymus, Artemisia und auf Hasenlosung! Catillaria neglecta Kbr. Kalksteine einer kleinen Brücke am Wege von Dometzko nach Proskau. | C. sphaeralis Kbr. _ Moospolster an der Kesselkoppe, Lecidea silviecola Fw. Sagan. (E.) Nesolechia thallicola Mass. Auf Imbricaria caperata an Erlen im Revier. Goleow bei Rybnik. 3 N. ericetorum Fw. In Menge an einem . Grabenrande vor „Boguschowitz, a bei Kybnik, auf N a Wi iu vu wu W: u. u 5 Seele der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur, 163 Megalospora sangwinaria Ach. f. saxicola. Hochstein. (Flotow, in herb. Wimmer.) Rhizocarpon petraeum Wulf f. albicans Fw. Sagan. (E.) Geiersberg. R. geographicum L. 8 lecanorinum Fik. Rabenfelsen bei Liebau. (Engler.) Sarcogyne regularis Kbr. Sagan. (E.) 8. pruinosa Sm. Grünberg, an Gartenmauern. (H) Raphiospora atrosanguinea Schaer. 8 lecidina Kbr. Kupp. (Petri.) R. flavovirescens Mass. Hohenbohrau. (H.) Rybnik. R. viridescens Mass. Lehmmauern in Marxdorf bei Zobten. Seolieiosporum holomelaenum Flik. Erratische Steine um Buchwald bei Sagan. (E.) Se. lecideoides Hazsl. Eichen am Waldhause bei Sagan. (E.) Arthrosporum accline Fw. Sagan, an Weiden. (E.) Schismatomma dolosum Wahlbg. Um Rybnik käufig. Lecanactis biformis Fik. Sagan. (E.) Opegrapha saxatilis DC. Sakrauer Berg. (F.) Zwackhia involuta Wallr. Rybnik. Zobten. Arthonia sorbina Kbr. Gipfel des Zobten, an Acer Pseudoplatanus. Baäctrospora dryina Ach. Eichen im Revier Jankowitz bei Rybnik. Pragmopora amphibola Mass. An Kiefern in Jankowitz. Acolium tigillare Ach. Grünberg. (H.) Calycium gemellum Kbr. in schedul. Thallus laevigatus tenuiter farinosus albus, protothallo byssino coneolori. Apothecia lentiformia atra- disco convexo nudo atro excipulo atro subtus leviter albido pruinoso, stipite valido brevi atro.. Sporae minutae, oblongae, dyblastae, diam. 2—3 plo long. fuseidulae. Die Flechte erinnert an Calyeium pusillum Flik. durch Da gleichsam eingefressenen milchweissen T'hallus. Die kräftigen, sedrungenen, mit breiter, erhaben gewölbter, tief schwarzer Scheibe versehenen Apothecien entspringen meist zu zwei und. mehr aus einem Punkte und sind die Stiele zweier Apothecien nicht selten bis zur Hälfte miteinander verwachsen. Der ausser-: ordentlich schwache, weisse Reif zeigt sich nur auf der Unter-_ seite des Excipulum und fehlt bei älteren Früchten oft ganz. » lenticulare Hoffm. Sagan. (E.) Skarsine bei Breslau. . curtum Borr. Sagan. (E.) . migrum Schaer. $ minutum Kbr. Sagan. (E.) . alboatrum Fik. Sagan. (E.) Rybnik. a ! Cyphelium albidum Kbr. Rybnik. (F.) 0. subtile Pers. Sagan. (E.) €. brummeolum Ach. Sagan. (E.) Rybnik. Ooniveybe crocata Kbr. Forstreviere Goleow und Stein bei Rybnik. 11* ee a en ; . b >. i % a TG Tal A a a A ER 9 -y 5 RE RT 164 Jahres-Bericht Pertusaria ceuthocarpa EB. An alten Buchen im Revier Goleow bei Rybnik. P. alpina Hepp. Czarnosin-Thal am Annaberg O./S., an Buchen. (Kohts.) Die Sporen sind nicht constant zu acht in einem Schlauche, son- dern es finden sich Schläuche mit sechs und sieben Sporen, sogar einen viersporigen Schlauch habe ich gesehen. Die Hepp’sche Art dürfte somit unbedenklich zu cassiren und der P. leioplaca Ach. einzuverleiben sein. | P. fallax Ach. $ variolosa Fr. Eichen bei Sagan. (E.) Acrocordia tersa Kbr. Sagan. (E.) A. scotofora Mass. Sagan, an Populus tremula. (E.) Verrucaria baldensis Mass. Sakrauer Berg. (F.) V. muralis Ach. ß confluens Mass. Kalkstein bei Nimkau. (Bachmann.) Leptorhaphis lucida Kbr. Coseler Wald bei Breslau. L. Wienkampü Bekhs. Sagan, an Salix babylonic.. (E.) Rybnik, an Salix alba. (E.) Microthelia adspersa Kbr. In Lich. sel. exsice. Coseler Wald bei Bres- lau, an Populus tremula. Tichothecium erraticum Mass.. Auf der Kruste der Lecanora alra, Geiersberg. Lecothecium corallinoides Hof. Gausiorowa gora bei Myslowitz. (Nagel.) Sakrauer Berg. (F.) Atichia Mosigü Fw. ß minor Millard.. Auf Tannennadeln: Rabenfelsen bei Liebau. (Engler) Ulbrichshöhe bei Reichenbach, Popelau und Jankowitz bei Rybnik, Zobten, stets steril. Collema byssinum Hoffm. Frauenberg bei Löwenberg. (Dressler.) Reichen- bach. (Roth) Um Grünberg. (H. E.) ‘C. microphyllum Ach. Sagan, an Weiden. (E.) C. cheileum Ach. Durch das ganze Gebiet häufig. C. pulposum Bernh. 8 granulotum Sw. Sakrauer Berg. (F.) C. turgidum Ach. Ruine Neuhaus bei Waldenburg. (E.) C. multifidum Scop. Sakrauer Berg. (F.) Mallotium tomentosum Hoffm. Friedland. (Uech.) Waldenburg. (E.) Zobten. | Polychidium muscicolum Sw. Seagan. (E.) Psorotychia lugubris Mass. Sakrauer Berg. (F.) Melanormia velutina Kbr. e. fruct. Auf dem Hirnschnitt alter Fichten im Revier Goleow bei Rybnik. Einige Apothecien zeigten gut ent- wickelte Sporen, deren Beschreibung ich hier folgen lasse: Sporae in aseis napiformibus octonae, minutae, ovoideo-ellipsoideae, mono- blastae l. oleoso-dyblastae, diam. 2—3plo longiores, hyalinae. Die Sporen füllen meist uur die obere Hälfte der Schläuche. aus, der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur. 165 sie werden sehr bald formlos, zuerst fast hantelförmig, dann stäbchenförmig und krumig zersetzt, so dass der ganze Schlauch mit krumig-schleimiger Masse gefüllt erscheint. Die Entwickelung f des j schlesischen botanischen Tausch- Vereins von B. Stein. Der schlesische botanische Tausch-Verein wurde im Winter 1862/63, auf Anregung R. von Uechtritz, von den Mitgliedern des damaligen jüngeren botanischen Vereins in Breslau, gegründet, zuerst versuchsweise, weshalb mit Ausnahme des verstorbenen Thierarztes Schwarzer in Kuhnern, nur Breslauer zugezogen wurden. Es betheiligten sich im ersten Jahre 15 Mitelieder mit 3466 Exemplaren. Die Tausch-Listen wurden abge- schrieben und bei den Mitgliedern colportitt. Da der Versuch so schön gelungen war, wurden im nächsten Jahre Aufforderungen an die Provinzial- botaniker erlassen. Es betheiligten sich 21 Schlesier mit 3675 Exem- plaren. Im dritten und vierten Tauschjahr waren 26 Mitglieder, nur Schlesier oder frühere Mitglieder, die sich augenblicklich ausserhalb Schlesieus aufhielten. Der Umsatz betrug 3970 und 3250 Exemplare. Im Winter 1866—67, in welchem die Listen autographirt wurden, leitete R. von Uechtritz, auf dem bisher fast alle Arbeit geruht hatte, zum - letzten Male den Verein. 29 Mitglieder sandten 4628 Exemplare ein. _ Im Herbst 1867 musste Uechtritz schwerer Krankheit wegen, die ihn seitdem ununterbrochen an die Stube und oft wochenlang an das Bett gefesselt hat, die Leitung des Vereins niederlegen und Dr. Engler über- nahm dieselbe. Die Betheiligung sank auf 22 Mitglieder mit 3008 Exem- plaren, hauptsächlich wohl deshalb, weil eine Anzahl bisheriger Mitglieder von Breslau verzogen waren oder Stellungen eingenommen hatten, in denen es ihnen nicht möglich war, weiter mitzuarbeiten. Da Engler im Pr folgenden Jahre, aus Mangel an Zeit, den Tausch nicht weiter führen konnte, so übernahm ich von Proskau aus die Leitung des Vereins unter Aare "ab pa > Br ELTERN alla BR BEN ACHTUNG DR NNR ROLE I OIRE RN 91 EBD AER er Re RER UN Er I TER EREETENE 166 Jahres-Bericht dem Namen. ‚„‚Schlesischer botanischer Tausch - Verein“, statt des bisheri. gen „„„Breslauer‘“ botanischer Tausch-Verein. Es betheiligten sich 25 Mit- glieder mit 4780 Exemplaren. Im folgenden Jahre, dem ersten, in wel- chem die Listen gedruckt wurden, nahmen 31 Mitglieder, darunter 14 Schlesier, unter Einsendung von 5799 Exemplaren Theil. Da ich im Januar 1870 meine Stellung in Proskau aufgab, wurde der Versandt der Pflanzen von Rybnik aus, unter bester Unterstützung meines Freundes Fritze bewirkt. Im Winter 1870—71 übernahm Apotheker Fritze in Rybnik die Tausch - Geschäfte, da ich vom Militair - Dienst völlig in Anspruch genommen wurde. Es nahmen Theil 34 Mitglieder, davon 20 Schlesier, mit 5351 Exemplaren. Im eben beendeten zehnten Tausch- jahre ist nun unter Fritze’s Leitung der Verein zu enormer Grösse und Bedeutung gewachsen. Es nahmen 1871 — 72 über 70 Mitglieder unter Einsendung von 17,000 Exemplaren Theil, aus Schlesien hatten sich 27 Botaniker betheiligt. Schon liegen für nächstes Jahr zahlreiche neue Anmeldungen vor, der beste Beweis der allseitig erkannten segensreichen Wirksamkeit des Vereins. ILI. Bericht über die ‚Thätigkeit der entomologischen Section der Schlesischen Gesellschaft im Jahre 1871 erstattet von Dr. Gustav Joseph, zeitisem Secretair der Section. Die entomologische Section war im Jahre 1871 in sieben Sitzungen versammelt, deren erste, fünfte und sechste zu Vorträgen des Bericht- erstatters benutzt wurden. Der Vortrag desselben in der am 6. Februar 1871 stattgehabten ersten Versammlung hatte die Kritik einiger Darvinisli- schen Anschauungen im Gebiete der Entomologie zum Gegenstande. Die Veröffentlichung des einen Theils dieses Vortrages, welcher an mehreren Beispielen vor Augen führte, wie unhaltbar häufig der aus angeblich geo- logischen Befunden gezogene Schluss auf Umbildung der Arten bei sorg- fälliger Prüfung sich erweist, behält sich Berichterstatter für spätere Zeit nach weiterer Vermehrung des einschlägigen Materials vor. Dagegen erlaubt er sich aus dem zweiten, die \Wagner’sche Migrationstheorie be- treffenden, Theile jenes Vortrages nachstehende kurze Mittheilungen zu machen. Weber Fortpfianzungs-Erscheinungen an Varietäten einiger Lepidopteren im Widersprucke zu Wagner’s Separationsgesetz der Organismen. Selbst Diejenigen, welche die Darvin- Wallace’sche Lehre von der natürlichen Züchtung als Ursache der unermesslichen Mannigfaltigkeit der Lebe wesen als richtig anerkennen, sind, falls sie sich des eigenen Nach- denkens nicht ganz entschlagen wollen, genöthigt zu gestehen, dass die natürliche Züchtung nicht die einzige Ursache der Artbildung sein könne, dass nicht nur an den gegenwärtig lebenden, sondern auch an den längst 168 Jahres-Bericht untergegangenen Weseu Charaktere wahrgenommen werden, welehe durch die Darwin’sche Theorie der Natural Selection nicht erklärt werden. n Voraussichtlich durfte es nicht an Versuchen fehlen, die entweder in der : Organisation der Lebewesen oder in ihrer Verkettung mit den Verhält- nissen der Aussenwelt liegenden Ursachen aufzudecken, welche in a anderer Richtung und anderer Weise den Vorgang der Artbildung be- dingen, als dies durch das Prineip des Ueberlebens des Passendsten aus- A gesprochen wird. Von der Erforschuug der in der inneren Beschaffen- 3 heit der Organismen liegenden Momenten der Variation, die der Ver- erbungstendenz feindlich gegenüberstehen würden, haben sich bis jetzt alle R Forscher mit Scheu ferngehalten. Das Gesetz der Vererbung gilt als E etwas Unantastbares. Dagegen muss M. Wagner’s Migrationstheorie oder T Separalionstheorie als Versuch gelten, die räumliche Isolirung in neuer N Umgebung als neues Moment für die Entstehung neuer Arten aus bereits “ vorhandenen darzustellen. M. Wagner hat seine Ansichten in zwei Schriften veröffentlicht, von denen die eine 1868 *), die andere 1870 **) R erschien. In der älteren der beiden Arbeiten sagt Verfasser, dass die durch Auswanderung aus dem ursprünglichen Wohnsitze herbeigeführte räumliche Isolirung einer Thier- oder Pflanzenart wegen der neuen Lebensbedingungen die Entstehung von Varietäten und die Spaltung in neue Arten begünstige. In der Heimath, nimmt M. Wagner an, wird durchschnittliche Uebereinstimmung in der Formation der die Stammart Stammart und den übrigen Varietäten derselben aus den Nachkommen der isolirten Varielät allmählich eine neue Art. Diese Theorie stützt sich demnach $ auf die Annahme, dass durch die in angegebener Weise bewirkte Isoli- rung die Kreuzung 1) mit nicht abgeänderten und 2) mit anders abgeänderten Individuen der Stammart verhindert werde. Derselben Ansicht begegnen wir in der späteren Arbeit, welche der Verfasser am 2. Juli 1870 in einer Sitzung der Bayrischen Akademie der Wissenschaften zu München vorgetragen hat. „Die Isolirung eines Individuum oder Paares“ — wird auf Seite 10 gesagt — „ist bei allen Organismen, darstellenden Individuen, d. i. die Beständigkeit der Gestalt, dadurch 3 bedingt, dass eine Kreuzung sämmtlicher Individuen der Art — mögen ; dieselben nur mit individuellen Abweichungen behaftet sein oder als wirk- ; liche Varietäten auftreten — unter einander ohne Hinderniss, ohne Be- x schränkung stattfindet. Wird nun ein befruchtetes Weibchen einer Varietät f nach einem isolirten Ort durch irgend einen Zufall verschlagen, so bildet K sich nach M. Wagner durch Verhiuderung der Kreuzung mit Individuen der 1 # *) Die Darwin’sche Theorie und das Migrationsgesetz der Organismen von Moritz Wagner. Leipzig 1868. **) Ueber den Einfluss der geographischen Isolirung und Coloniebildung auf die morphologischen Veränderungen der Organismen. München 1870. N sa der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur. 169 welehe durch Kreuzung sich fortpflanzen, die nothwendige Bedingung, also die nächste Ursache, dass eine neue typische Form entsteht.‘ Mit- hin liest auch in dieser Fassung die grosse Wichtigkeit der räumlichen Isolirung in der dadurch bewirkten Verhinderung der Kreuzung zwischen abgeänderten und nieht abgeänderten Repräsentanten der Art, Dass aber diese Kreuzung wirklich verhindert werde, — die Beweise für das Fundament des neuen Gesetzes — sucht man vergeblich in beiden Schriften. Nachstehende Zeilen werden darthun, dass die Voraussetzung einer immer bewirkten Verhinderung der Kreuzung der Nachkommen eines isolirten Individuum mit nicht abgeänderten und anders abgeänder- ten Individuen einer Stammart durch die örtliche Isolirung auf willkür- lichen Annahmen beruht, also irrthümlich ist. \Wagner’s Voraussetzung involvirt zwei Fälle. Denn er sagt nicht, dass das Männchen und das Weibchen des isolirten Paares derselben Varietät augehöre und dass das isolirt angenommene wirksam befruchtete Weibchen von einem Männchen derselben Varietät befruchtet worden sei. Bekanntlich aber vererben sich nicht die Eigenschaften nur des Vaters oder nur der Mutter auf die Nachkommen fort, sondern die Nach- kommen bilden eine Reihe, deren Gros die morphologischen Charaktere beider combinirt, deren eines Ende mehr die des Vaters und deren anderes Ende mehr die der Mutter zeigt. Ausserdem vererbt ein Indi- viduum nicht nur seine eigenen individuellen Eigenschaften, sondern auch morphologische Züge seiner Vorfahren auf seine Nachkommen. Es wür- den sich daher unter der Nachkommenschaft des isolirten Paares oder des befruchteten Weibchens, falls nicht Männchen und Weibchen genau derselben Varietät angehören, Individuen finden, welche sich der unab- geänderten Stammart oder dem anders abgeänderten Männchen nähern. In diesem Falle würde die räumliche Isolirung das angenommene Resultat nicht ergeben. Die Vermischung ungleich abgeänderter Individuen würde schon mit der zweiten Generation beginnen. Nehmen wir im Gegensatze zu diesem Falle an, dass Männchen und Weibchen des räumlich isolirten Paares genau dieselbe Varietät repräsentiren und dass dasisolirte befruchtete Weibchen von einem genau derselben Varietät angehörenden Männchen befruchtet worden ist, so scheint dies für Wagner’s Ansicht günstiger. Bekanntlich hat die Zucht der Hausthiere gezeigt, dass Varietäten einer Art, wenn sıe sorgfältig isolirt werden, die morphologischen Eigenschaften, wodurch sie sich von der Stammart unterscheiden, auf die Nachkommen vererben, wobei aber „anfangs“, d.i. in den ersten Genera- tionen, häufig „später,“ d.i. in den späteren Generationen, immer seltener manche Nachkommen in ihren Eigenschaften einen Rückschlag in die Stamm- art (Atavismus) zeigen. Um nun eine bestimmte Varietät rein zu behalten, muss der Züchter die rückschlägigen Individuen sorgfältig entfernen, also eine Kreuzung mit ihnen unmöglich machen. In der freien Natur da- Sa a ee We 7% EU PER" e PIE rn. EP TUR 170 Jahres-Bericht gegen, also auch an jenem streng isolirten Orte, tritt Nichts der Ver- mischung der rückschlägigen Individuen mit den in bestimmter Weise abgeänderten entgegen. Also ist auch in diesem Falle die Annahme jener Kreuzungsverhinderung eine willkürliche. Weagner’s Voraussetzung wird nur dann wahr sein, wenn zufällig alle nicht abgeänderten oder anders abgeänderten Nachkommen des isolirten Weibehens sterben, ehe sie zur Kreuzung gelangen. Und die willkürliche Annahme dieses Falles könnte nur dann gestattet sein, wenn dieselben zufällig Eigenschaften an sich trügen, welche ihre Existenz in dem neuen Wohnorte gleich un- mittelbar nach der Geburt unmöglich machten. Dergleichen willkürlich angenommene. Zufälle dürfen aber nicht zu Fundamenten von Natur- gesetzen benutzt werden. Dass isolirte Gebiete, Inseln, die durch breite Meeresarme vom Fest- lande oder anderen Inseln, Binnenländer, die durch hohe Gebirgskämme von den Grenzländern geschieden, also geographisch isolirt sind, in der Regel eine mannigfaltige eigenthümliche, ‚‚endemische‘ Fauna haben, wird deshalb durch Wagner’s Migrationsgesetz oder Separationsgesetz nicht erklärt. Dass streng isolirte Repräsentanten einer Varietät nicht diese Varietät allein fortpflanzen, sondern dass sich unter ihren Nachkommen trotz der allergrössten, in der freien Natur in diesem Grade selten möglichen Iso- lirung, andere Varietäten, sogar Individuen des Rückschlages in die Stammart finden, dafür sollen folgende Beispiele zum Beleg dienen. Im April 1854 wurden bei Mestre in der Nähe von Venedig durch Ausroden von alten Weiden eine Anzahl Puppen von Acherontia atropos L. aus der Erde herausgewühlt und bis auf drei, welche in meine Hände gelangten, zerstört. Trotz sorgfältiger Conservirung mussten die Puppen doch auf einer langen Reise durch Tyrol nach meiner Vaterstadt bis zum Juni 1854 Schaden gelitten haben. Zu meinem Bedauern zeigte sich nämlich bald nach meiner Ankunft daselbst eine Puppe verdorrt und kroch aus den beiden anderen ein Pärchen heraus, dessen Flügel ver- krüppelten, so dass es für eine Sammlung nicht brauchbar war. Ich bedauerte dies um so mehr, als sowohl das Männchen, als auch das Weibehen der in Deutschland seltenen Varietät mit nur einer schwarzen Binde auf den Unterflügeln angehörte. Da ich das Paar am nächst- folgenden Tage in Copula fand und das Weibchen mehrere Tage später über 60 Eier legte, hoffte ich nicht Alles verloren zu haben. Wirklich entwickelten sich nach einigen Wochen aus fast sämmtlichen Eiern Raupen, die bei Ernährung mit Kartoffelkraut anfangs gut gediehen, deren Zahl aber allmählich bis zur dritten Häutung Ende Augusts sich sehr re- dueirte.e Von 16 erwachsenen Raupen von gewöhnlicher Farbe und Zeiehnung erhielt ich 11 wohlgestaltete Puppen. Hieraus entwickelten sich schon im September 5 Schmetterlinge, welche sämmtlich der durch der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur. 171 2 schwarze Binden auf den Unterflügeln ausgezeichneten Grundart ange- hörten. $Sieben Puppen überwinterten, wovon vier verdorrten und drei ergaben im Juni 1855 verkrüppelte Schmeiterlinge, wovon ein Weibchen der Varietät mit einer Binde auf den Hinterflügeln angehörte, die beiden andern Schmetterlinge aber so verkrüppelte Flügel hatten, dass nicht zu entscheiden war, ob man die Grundart oder die Varielät vor sich hatte. Ein anderes Beispiel von nutzloser, strenger Isolirung gewährte die Zucht von Smerinthus Populi, der zur damaligen Zeit in Breslau äusserst häufig war. Ohne besonders beliebte Varietäten zu bilden, ändert dies Thier in Grundfarbe und Zeichnung so sehr ab, dass unter Dutzenden von erzogenen Exemplaren kein einziges Exemplar dem andern völlig gleicht. Im Jahre 1852 hatte ich unter einer grossen Zahl von Exemplaren vier erzogen, die sich durch auffallende Dunkelheit der graubraunen Wellenbinden auf Vorder- und Hinterflügeln auszeichneten. Hiervon be- nutzte ich ein nicht ganz fehlerfreies Pärchen zur Zucht. Von mehr als 50 Raupen, welche ich aus Eiern aufzog, erhielt ich 28 Puppen, die bis auf 2 gut überwinterten und im nächsten Jahre nur 3 durch dunkle Binden ausgezeichnete und 23 Individuen mit helleren Binden und einem andern Grundton ergaben. Aehnlich negative Resultate der strengen Isolirung ergaben die Zuchtversuche mit Varietäten von Euprepia planta- ginis, Caja, purpurea und aulica. Ich kann freilich nur von einer Zuchtgeneration sprechen. In keinem von mir beobachteten Falle war das Zuchtergebniss bei strengster Iso- lirung der Wagner’schen Separationstheorie günstig. In der fünften Sitzung am 13. November 1871 theilte Berichterstatter seine Beobachtungen über Lebensweise und Vorkommen der in den Krainer Gebirgsgrotten einheimischen Arten der blinden Gattungen Machaerites, Leptodirus, Oryotus und Troglorrhynchus mit. Dieselben bilden die Fortsetzung der in früheren Berichten ent- haltenen Mittheilungen über Sphodrus, Anophthalmus und Glyptomerus. Von der Gattung Machaerites sind mir bis jetzt aus den Krainer Grotten 2 blinde Arten M. spelaeus Mill. und subterraneus Motsch. bekannt. Die erste grössere 2Y/, Millimeter lange Art, M. spelaeus,*) ist von Miller, als aus der Struger Grotte in Unterkrain stammend, beschrieben worden. Das in F. Schmidt’s Sammlung befindliche Exemplar stimmt mit Miller’s Beschreibung überein. Die am 5. August 1868 in der Grotte Godjama- bei Oberskril nahe der eroatischen Grenze erbeuteten zwei weiblichen und von einigen Krainer Sammlern angeblich in der Grotte von Treffen *) Verhandlungen der zool.-bot. Gesellsch. in Wien 1855. V. p. 509. lets A 172 Jahres-Bericht gefundenen Exemplare sind bei gleicher Breite etwas grösser (21/, Mm.), erscheinen deshalb schlanker. So weit mir bekannt, ist die kleine Zahl der bisher gesammelten Exemplare nur in Unterkrainer Grotten gefunden worden. Feuchte, lehmige Wände oder die Unterseite von Steinen auf dem feuchten lehmigen Boden in mittleren und inneren Grottenräumen bildeten, wie bei der folgenden Art, die Fundstellen. Die zweite kleinere, 1,75 bis 2,2 Millimeter lange Art Machaerites subterraneus Motsch.*) habe ich bis jetzt in der Grotte am Grossgallen- berge, in der Velka pasica am Krimmberge in Oberkrain, in der Nuss- dorfergrotte und mittleren Luger Grotte in Innerkrain gefunden. Es dürften aber noch andere, von Krainer Sammlern geheim gehaltene, Fundorte existiren. Kleine individuelle Abweichungen, wie geringere bis auf 1,5 Mm. reducirte Grösse, stärkeres oder geringeres Hervortreten der Schulter- ecken, geringere Deutlichkeit oder völliges Erlöschen des Nathstreifs an den Flügeldecken, grösseres Abstehen einzelner Fühlerglieder von einan- der, so dass das eine oder das andere wie verlängert erscheint, waren bei allen von mir untersuchten Exemplaren zu bemerken. Auch die entsprechenden Tasterglieder zeigten sich bei den von mir bisher ge- sammelten 6 Exemplaren nicht absolut gleich geformt. Endlich ist auch die Dichtheit und Feinheit der Punktirung etwas variabel. Machaerites plicatulus Schaufuss **), ebenfalls aus einer (welcher?) Krainer Grotte, der sich laut Angabe durch geringere Grösse (1'/, Mm.), Mangel des Nath- streifes an den Flügeldecken, abweichendes zweites und drittes Fühler- glied auszeichnet, den ich aus eigener Anschauung nicht kenne, müsste einem kleinen M. subterraneus äusserst nahe stehen. Auffallend war und ist mir, dass unter den 6 von mir gesammelten Exemplaren kein einziges Männchen sich befand. Alle waren durch die starke Wölbung der Unterseite (sowohl der Länge als der Quere nach) und Abrundung der Spitze des Hinterleibes, sowie durch Aufwärtsgerückt- sein der Analöffnung als deutliche Weibehen charakterisirt. Als ich nun 1865 in der mittleren Lu&ger Grotte in Innerkrain, nicht erheblich weit vom Eingange entfernt, unter einem Steine ein Weibchen von M. subterraneus Motsch. und ein Männchen von Argus Kraatz,***) welches durch abgeflachte Unterseite und deutliches Zugespitztsein des Hinter- leibes, sowie durch abwärts gerichtete Analöffoung als Männchen charak- terisirt war, nahe beisammen fand, da schien mir die Ansicht von Kraatz, dass der mit Augen begabte M. Argus Kraatz das Männchen von M. sub- *) Von Motsch. in seinen Etudes als Bythoxenus subterraneus beschrieben, cfr. Wiener entomol. Monatsschrift 1862 p. 372. — 1863 p. 22. — Berliner entomolog. Zeitschrift Jahrgang VII. 1863 S. 122—125 Tafel IV. **) Revue zoolog. Magaz. 1863 p. 293. *#%*) Berliner entomolog, Zeitschr. Jahrg. VII. 1863 S. 122—125. ee ey Et eng We EEE ee, en DE Ver ed nd ErFat # BET I der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur, 173 terraneus Motsch. sei, sehr plausibel; stand sie doch mit der Angabe de Sauley’s, dass das Männchen von M. Marie Lind. aus den Pyrenäen- grotten mit Augen begabt sei, im Einklange. Ich war mir wohl be- wusst, dass die morphologischen Verschiedenheiten beider Thiere so gross sind, dass sie damit verschiedenen Gattungen hätten angehören können. Doch waren sie wiederum kaum grösser als die Unterschiede zwischen Männchen und Weibchen der Lampyris splendidula L. Nach- dem ich aber 1868 und 1871 einige, durch die vorher angegebenen weiblichen Charaktere ausgezeichneten Exemplare von Argus Kr. in mehreren Grotten von Oberkrain und einige grössere, neue, dem Argus Kr. nahe stehende Arten in beiden Geschlechtern in Unterkrain gesammelt, bin ich zu anderer Ansicht gelangt. Ich bin nun überzeugt, dass M. sub- terraneus Motsch und M. Argus Kraatz. nicht einer Art angehören, son- dern artlich verschieden sind. Männchen und Weibchen von Argus Kr. sind nur durch flache resp. stärkere Wölbung der Unterfläche des Hinter- leibes, Zugespitztsein oder Abrundung desselben und Lage der Anal- öffnung zu unterscheiden, stimmen aber sonst in Form, Stärke und Länge der Fühler überein. Beide Geschlechter zeigen ein verlängertes, verdick- tes erstes und ein verdicktes zweites Fühlerglied. Das letzte Fühlerglied ist stumpf zugespitzt und in keine hellgelbe Spitze ausgezogen. Die Form der Taster stimmt in beiden Geschlechtern überein, sie sind kürzer und schwächer als bei subterraneus und ohne Kerbzähne. Das Halsschild kürzer und an den Hinterecken deutlich eingedrückt. Die vertiefte Quer- linie haben beide Geschlechter von Argus Kr. und einige ihm nahe stehende neue Arten mit M. subterraneus M. gemein. Die Beine sind bei Argus Kr. in beiden Geschlechtern kürzer als bei M, subterraneus. Aus Vorstehendem erscheint es angemessen, den mit Augen begab- ten Argus Kr. nicht ferner mit den blinden Arten Machaerites spelaeus Mill. und subierraneus Motsch in eine Gattung zusammenzufassen. Er reiht sich vielmehr dem Genus Bythinus an und scheint mir mit mehreren bereits bekannten und einigen noch unbeschrievenen Arten dieser Gattung in eine durch hell oder dunkel braungelbe Farbe, lange Taster und Vorkommen in den Vorgrottenräumen ausgezeichnete Gruppe zusammen- zugehören. Den Uebergang von dieser Gruppe zu dem Gros der Arten von Bythinus bildet Bythinus Erichsonii Kiesw. Bythinus Argus Kraatz scheidet somit aus der Reihe der ächten Troglobien aus und ist den Troglophilen zuzuzählen. Von den bekannten Arten der eben bezeich- neten Gruppe nenne ich Bythinus femoratus Aub., B. crassicornis Aub. (= Chaudoirüi Hochh). Von den bisher unbeschriebenen Arten dieser Troglophilengruppe habe ich befreundeten deutschen, französischen und. italienischen Entomologen eine Anzahl von Exemplaren überlassen, welche grösstentheils in die Hände des Herrn F. de Sauley in Metz ge- _ langt zu sein scheinen, der die neuen, durch Grösse (2,5 bis 2,6 Mm.) eo ER" on ER EN ER ee Tr E 174 Jahres-Bericht und Gestalt ausgezeichneten Thiere in seinem demnächst zu erwartenden neuen Pselaphinenwerke beschreiben wird. Um nicht unnöthiger Weise Synonyma zu schaffen, vermeide ich es vorläufig, die Thiere zu benen- nen und zu charakterisiren, obgleich ich deren Veröffentlichung ungern aufschiebe.e. Die neuen Thiere habe ich in den Grotten v Glavinalı unweit Cumpole, in der Grotte von Treffen und am Nanos (Voleja jama) gesammelt. L Die Gattung Leptodirus ist den Krainer Grotten eigenthümlich und daselbst in drei Arten vertreten, 1. Leptodirus Hohenwartii Schmidt (Schmidt: Illyr. Blatt No. 3 1832; Sturm, Deutschlands Fauna, Insecten 1849 Bd. XX. Taf. 376) gehört hauptsächlich mehreren Groiten von Innerkrain an. Ich sammelte das Thier bisher in dem Innenraum der Grotte Zawinka bei Lasze und in zwei Grotten zwischen Sessana und Trebich und kenne Exemplare, die aus der Adelsberger und Magdalenengrotte und mehreren anderen Grotten stammen. Es soll auch einzeln in der Voleja jama bei Pod- kray vorkommen. In der Grotte von Treffen in Unterkrain ist die Species im Aussterben begriffen. In den letzten Jahren sind von Krainer Samm- lern und von mir nur noch Rudimente abgestorbener Exemplare gefunden worden. In Istrien sammelte ich das Thier in der Grotte von $. Servolo und habe von Exemplaren Kenntniss, die in anderen unbenannten Grot- ten in Istrien gesammelt worden sind. In morphologischer Hinsicht ist zu bemerken, dass die Männchen dieser Art ganz so wie die von L, angustatus und sericeus an den Vorderfüssen fünf, die Weibchen vier Fuss- glieder haben. Das Gros der Exemplare gehört der rundlich ovalen Körperform an, die aber nach der einen Richtung hin zu der mehr kugel- förmigen Gestalt des Hinterkörpers (Flügeldecken und Hinterleib), nach der andern Richtung zu der mehr gestreckt ovalen, länglich eiförmi- gen Form hinneigt. Die Farbe kann dabei vom hellen Gelbbraun bis zum tiefsten Nuss- oder Kaffeebraun“*) variiren. Wenn die extreme Kugel- form der Flügeldecken sammt Unterleib sich mit besonders ansehnlicher, die Norm überragenden, Grösse verbindet, so haben wir die herrliche‘ Varietas Schmidt Mill. vor uns. Das andere höchst eigenthümliche und scharf ausgeprägte Extrem der Reihe, die auffallend gestreckt ovale, *) Der in der Jugend der Grottencoleopteren und Grottenarachniden herr- schende Albinismus, der bei dem Olm, den Poduren und Crustaceen der Grotten. das ganze Leben hindurch bestehen bleibt, erscheint bei Leptodirus Hohenwartii Schmidt, Glyptomerus cavicola Müll., Troglorrhynchus anophthalmus Mill., Cyphopthalmus duri- corius Joseph im Alter, wo die Färbung dieser Thiere bis auf einige helle Fleck- chen am Kopfe das dunkelste Rothbraun oder Kaffeebraun zeigt, völlig verwischt. der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur. 175 schmale, länglich eiförmige Form, wobei das Halsschild etwas kürzer erscheint, nenne ich zu Ehren des um die Naturforschung in Krain hoch- verdienten Bürgermeisters von Laibach Herrn Carl Deschmann, des un- ermüdlichen und begeisterten Beförderers wissenschaftlicher Forschungen, varietas Deschmannü. Diese Varietät ist auch noch deshalb merkwürdig, als sie in dem verschmälerten Bau der hinteren Körperpartie einen An- klang zu der Gestalt zeigt, welche in noch weiterer Ausprägung in den beiden folgenden Arten uns entgegentritt. 2. Leptodirus angusiatus Schmidt. _(Sehmidt: Laibacher Zeitung (Feuilleton) No. 146 vom 4. August 1852; Sturm, Deutschlands Fauna, Ins, XXIl. Bändchen 1853 S. 83, Taf. 406.) Der einzige mir bekannte Fundort dieser Art ist die Grotte Voleja jama oder Közia jama am Nanosabhange unweit Podkray, in deren ewig finsteren Innenräumen das interessante Thier in derselben Weise wie sein vorgenannter Stammverwandter in anderen Grotten an feuchten mit feinen Pilzthallusfäden hie und da überzogenen Tropfsteinwänden lebt. Seine bedächtigen Bewegungen, sein Tasten mit den Fühlern: sind wie die des L. Hohenwartü. Es soll das ganze Jahr hindurch, besonders aber vom März bis November beobachtet worden sein. Ich habe die Voleja jama im Juli, August una September besucht und das Thier stets in annähernd gleicher Zahl gesammelt, im September in copula ange- troffen. Ueber seine ersten Entwickelungszustände kann ich ebensowenig wie die Krainer Forscher Etwas mittheilen. Wie bei allen ächten Grot- ten Thieren — Glyptomerus cavicola ausgenommen — lebt die Larve weit verborgener als das vollendete Tier. Das morphologische Verhalten des Lept. angusiatus ist eonstanter als das des Hohenwartü. Obwohl ich die innersten grauenerregenden Räume der genannten Grotte dreimal durchsucht und gegen fünfzig Thiere bei- derlei Geschlechts darin bisher gesammelt habe, so trat mir doch nur und nur einige Mal die Gestaltsvariation entgegen, welche ich 1867 als varietas Robicii*) beschrieben habe. Ich wiederhole, dass ich diese auf-' fallende Varietät bisher nur bei drei Weibchen prägnant ausgebildet (mit sehr starkem Vortreten der sonst nur sehr schwach angedeuteten Seiten- winkel der Flügeldecken, bei einigen Männchen dagegen nur wenig an- gedeutet beobachtet ‚habe. 3. Leptodirus sericeus Schmidt (Schmidt: on Zeitung (Feuilleton) No. 146, Aug. 1852. Sturm, Deutschlands Fauna, Ins., Bd. XXI. Tafel 407) ist in einer Anzahl Grotten von Unterkrain verbreitet. Schmidt ent-, — ...*) Fünfundvierzigster Jahresbericht der schles. Ges, für; vaterl. Cultur S, 170. RE PET 176 Jahres-Bericht deckte dies Thier im Sommer 1852 in der Grotte Goba dol, andere Krainer Sammler fanden dasselbe in den Grotten von Masern, bei Moos- wald im Gotschewer Gebiete und in mehreren Grotten im Hornwalde in der Nähe von Obersteinwand. Ich fand es am 5. August 1868 in der Godjama (Jagdloch) bei Oberskril unweit der croatischen Grenze. Weder an den von mir eigenhändig, noch an den von Anderen gesammelten Exemplaren habe ich bisher irgend eine Gestaltsabweichung bemerkt. Trotz seiner — mit der Gangweise seiner Verwandten verglichen — lebhaftern Bewegungen fällt das Thier ebenso leicht wie diese den Raub- zügen der blinden Grottenspinne Stalita taenaria und des blinden Grotten- scorpions Blothrus spelaeus zur Beute. Den Uebergang von der Gattung Lepiodirus zu der ebenfalls blinden Gattung Adelops bildet die Gattung Oryotus, die zugleich eine vicariirende Form für die in den ungarisch -dalmatini- schen Grotten einheimische Gattung Drimeotus und für die denselben und den Pyrenäengrotten angehörenden Gattung Pholeuon darstell. Die ein- zige bisher entdeckte Art Oryotus Schmidtöi Mill. (Verhandlungen des zoolog.-botan. Vereins in Wien 1856 S. 626—627 Taf. VI) lebt in den Innenräumen der vorgenannten Grotte Voleja jama unter flach aufliegen- den Steinen und an feuchten, den Boden der unheimlichen Grotte be- deckenden, von der Grottendecke herabgestürzten, colossalen Felsstücken, | Das Thier erinnert durch seine ziemlich behenden Bewegungen, die ich von denen des lebhaften Leptinus testaceus unterscheiden, an seine ober- weltlichen Verwandten aus den Gattungen Catops und Colon. Mehr als zwanzig von mir untersuchte Exemplare zeigten nur unbedeutende indi- h viduelle Abweichungen. In Spiritus getödtet erhält das Thier eine matte Oberfläche. Bei jugendlichen, noch weichen Exemplaren krümmen sich leicht die Flügeldecken und lassen das Thier gewölbter erscheinen. Ih habe dasselbe in den Monaten Juli, August und September gesammelt; es soll jedoch in jeder Jahreszeit (selbst im Winter) in der genannten Grotte zu finden sein. Die Gattung Adelops ist in den Krainer Grotten durch sieben bereits bekannte Arten ver- treten, zu denen vielleicht eine achte, noch unbeschriebene Art hinzu- treten dürfte. Sie theilen sich in zwei Gruppen. Zur ersten Gruppe, deren Fühlerkeule aus verlängerten Gliedern besteht, gehören 1. Adelops Milleri Schmidt, (Verhandlungen des zoolog.-bot. Vereins in Wien Bd. V. 1855. 8. 506) die grösste und für A. Bomvouloirü Duv. der Pyrenäengrotten vicariirende, durch die langen Fühler, den gestreckten Körper ausgezeichnete Art, die a der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur. 177 jedoch in Bezug auf Breite des Halsschildes, Länge und Behaarung der Flügeldecken kleine Schwankungen zeigt. Sie ist in Ober- und Inner- krain einheimisch, also weit verbreitet und doch nicht allzu häufig in einer Grotte. Ich nenne folgende Grotten von Oberkrain, in denen ich sie gesammelt habe. Die Grotte Brezen bei Utik unweit Obershiska, die Malo bukovje, Jaklove und Jelenca bei dem Dorfe Babnik, die Grotte von Görtschach unweit Zwischenwässern, die Gipsova jama bei Bischofslack, die Grotten Ljubniska jama und Kevderca auf dem Berge Ljubnik in der Nähe des Dorfes Breznica unweit Bischofslack, die Grotte am Grossgallenberge zwischen Pirnie und Zavrh, die Grotten Zidanca und Spehovka bei dem Dorfe Uranusica, die Podreska jama am Sumberge unweit Vir, die Ihanska jama bei dem Dorfe Jauchen, die Velka pasica am Krimberge bei Oberigg und die Grotte Zijavka am Mokrizberge. Von den Grotten in Innerkrain nenne ich als Fundorte des Adelops Milleri : 4 Grotten in der Umgegend der Eisenbahnstation Franzdorf, von denen die eine nahe am Stationsgebäude, die andere Merzla dol und eine zweite kleinere in tiefster Wildniss einer einsamen waldigen Gebirgs - Schlucht liegt und die vierte Pri zavrh leichter zugänglich ist; die Grotte Kew- kurjewec bei Koschana in einer Wildniss des Karstes, die Grotte bei Parje, die Adelsberger Grotte, die Magdalenengrotte, die Planinahöhle, . die Grotte von Nussdorf, die Grotte merzla jama am Kreuzberge unweit Podlas, die St. Lorenzgrotte unweit der Kirche von Laas.. Eine etwas kleinere Abart mit dichteren Flügelstreifen, gebogenen Mittelschienen und kürzeren Fühlern, die an Kewenhülleri erinnert und vielleicht eine eigene Art ist, sammelte ich in der Grotte von Nussdorf, in der Voleja jama bei Podkray, in einer Grotte bei Sagon, in der Grotte von $. Canzian bei Mataun unweit der Eisenbahnstation Divazza, in der Grotte von Corgnale und in der Grotte von Sessana (Fernece). 2. Adelops Kewenhülleri Mil. soll in der Adelsberger Grotte und in der Grotte Gabrowiza in Inner- krain vorkommen. Ich selbst sammelte diese Art in der Grotte bei Fer- nece unweit Sessana, in der Grotte von $. Canzian unweit Mataun, in der von Corgnale in Innerkrain, in der von 8. Servolo in Istrien — nirgends häufig. 3. Adelops Freyeri Schmidt gehört mehreren Grotten von Oberkrain an, am häufigsten in den Grot- ten Podreska jama und dolga jama am Sumberge, ferner, aber weniger häufis in der Ihanska jama bei Aich, selten in der Bostonova jama, Celeryova jama, Sovenca jama, Cajezova jama unweit Zallog, einigen andern Grotten auf dem Maräutscher Boden. 12 178 Jahres-Bericht 4. 4. ‚globosus Mill. Die kleinste Art, kommt nach Miller in der Grotte Ledenica bei Gr. Liplein in Unterkrain sehr selten vor; ich sammelte dieselbe in we- nigen Exemplaren in der Grotte Skednenza nai Rajturnam und in der bei Podpee im Guttenfelder Thale. 5. 4A. byssinus Schiödte soll in der Adelsberger Grotte vorkommen; ich sammelte diese seltene Art in wenigen Individuen in den Grotten von Lueg und Nussdorf. 6. A. acuminatus Mill. Diese Art sammelte ieh bisher nur in der Grotte von Treffen in Unterkrain. Die zweite Gruppe, bei welcher die Glieder der Fühlerkeule kurz und das achte bis zehnte quer erscheinen, repräsentirt 8. A. montanus Schiödte. Dies Thier hat eine grosse Verbreitung in Ober- und Innerkrain, eine spärliche in Unterkrain. Auf dem Laibacher Schlossberge, bei Veldes am See findet er sich häufig, in dem Eingange zu den Grotten im Seler Hügel bei Gotschee sehr selten unter abgefallenem modernden Laube. In mehreren Orten in Oberkrain wie in den vorderen Räumen der Grotten Ihanska jama bei Jauchen, Velka pasica am Krimberge bei Öberigg, in der Grotte bei Vigaun, ferner in der unteren Grotte von Luäg, an bestimmten Stellen in der Magdalenengrotte ist diese Adelops- Art nicht selten. Durch Abweichungen in Grösse, Behaarung und Wöl- bung entstehen mehrere Varietäten, von denen die V. Hoffmannı am wenigsten den Namen einer solchen verdient. Eine ausgezeichnete Varietät ist durch kräftigere längere Fühler, grössere Flachheit und Breite des ganzen Thieres ausgezeichnet. Möge sie V. forticornis heissen. Sie kommt in der Celeryova jama vor. Eine dritte ist ebenfalls durch ver- imehrte Grösse, besonders durch Verlängerung der Flügeldecken und Vortreten deren Schultern gekennzeichnet: V. longipennis. — In Spiritus getödtete weiche Exemplare werden durch Verbiegen des Brustschildes und der Fligeldecken gewölbter, so dass das Thier kaum zu erkennen ist. An die Gattung Adelops schliesst sich der ebenfalls blinde, in Deutseh- land weit verbreitete, Leptinus testaceus Müll., der aber wie Adelops mon- tanus häufiger ausserhalb, als inne:halb der Grotten vorkommt. Wenn in den Grotten Coleopteren einheimisch sind, welche von dem feinen, aus Pilzthallusfäden bestehenden, Ueberzuge der Tropfisteine oder von abgestorbenen, durch Hochwässer oder Sturmwind in die Grotten ge- S führten vegetabilischen und animalischen Stoffen leben (Silphalen, Psela - der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur. 179 phinen), wenn Coleopteren als ächte Troglophilen auftreten, welehe vom Raube leben (Anophthalmen. Staphylinen), so leuchtet die Möglichkeit der Erfüllung ihrer Existenzbedingungen- leicht ein. Anders ist es mit dem Vorkommen auf Stoffe aus höheren lebenden Pflanzen angewiesener Cureulioniden, die deshalb zu den merkwürdigsten Repräsentanten der Grottenfauna gehören. Troglorrhynchus anophthalmus Schmidt kommt in Grotten vor, welche von starken Baumwurzeln durchdrungen werden, wie in der Grotte am Grossgallenberge und in der von Nuss- dorf, aber dies Thier findet sich auch in der Grotte bei Görtschach und bei Treffen, in welchen Baumwurzeln nicht wahrnehmbar sind. Rechnen wir hierzu die Thatsachen, dass 1) dieses Thier auch ausser- halb der Grotten unter Steinen und an Baumwurzeln subterran gefunden wird und darin 2) mit seinen Gattungsgenossen in den Pyrenäen Troglor- rhynchus Martinii Fairm. und Terricola Linder und in Italien T. latirostris Bargagli (mov. sp.), sowie mit seinen subterran lebenden Verwandten z. B. Raymondia Appennina, longicollis, Sardoa Perris, fossor Aube, Dalarouzei Bris., Perrisii Grenier und Marqueti Aube, sowie etwas entfernter Ver- wandten, wie Cryspharis Raymondü Perris und Alaocyba carinulata Perris übereinstimmt, endlich 3) besonders helle Exemplare im Sommeranfange und sehr dunkle Individuen im Spätsommer an den Decken der Grotten von anderen Forschern und von mir gefunden worden sind. Hiernach scheint mir die Vermuthung gerechtfertigt, dass Troglorrhynchus anophthal- mus seine Entwickelung aus dem Ei zur Larve, Puppe bis zum voll- kommenen Insect nicht in den Grotten durchmacht, sondern im Spät- sommer oder Herbst nach erfolgter Begattung aus den niedrigen in höher gelegene Grottenräume aufsteigt, um durch Ritze in der Decke, durch welche die Tagwässer durchsickern, die Grotten zu verlassen und seine Eier ausserhalb der Grotten an Baumwurzeln abzusetzen, wenn er solche in den Grotten selbst nicht antrifft. Hier entwickeln sich die Larven, gehen ihre weitere Entwickelung zur Puppe bis zum ausgebildeten Thiere ein, das dann durch Ritze in den Decken der Grotten, deren innere Räume aufsucht, um bis nach erfolgter Begattung darin zu bleiben. Dass mehrere Othiorrhynchen als Larven in Baumwurzeln und Wurzeln von krautartigen Pflanzen leben, davon mich zu überzeugen habe ich oft Gelegenheit gehabt. Die an etwa fünfzig Exemplaren bemerkten Gestaltswandlungen be- ziehen sich (abgesehen von der durch das Alter bedingten Farbe vom hellen Gelbroth bis zum dunkelsten Kaffeebraun) auf die Breite der Rüsselspitze, auf die Gestalt des Brustschildes und die Wölbung der Flügeldecken. Erstere erreicht zuweilen eine über die Norm hinaus- gehende Breite. Das Brustschild erscheint — jedoch sehr selten — 12* IE 180 Jahres-Bericht etwas breiter, ferner gröber punktirt, die sonst glatten Zwischenräume rauh oder gerunzelt. Die Flügeldecken endlich erscheinen zuweilen nicht flach, sondern auffallend gewölbt, Durch die Abänderungen ist eine Annäherung an den in Norditalien vorkommenden Troglorrhynchus latirostris Bargagli (n. sp.) angedeutet. Den bisherigen Bemerkungen will ich noch anreihen, dass Krain oder vielmehr das Triestiner Küstenland auch Repräsentanten einer gröss- tentheils augenlosen, ausschliesslich subterranen Fauna besitzt. Auf dem Plateau von S. Servolo, auf welchem der Eingang in die zu der genann- ten Ortschaft gehörende Grotte sich befindet, fand ich unter Steinen eine der Appennina ähnliche Raymondia und einen dem Florentinus ähnlichen Anillus, deren nähere Bestimmung ich mir für spätere Zeit vorbehalte. In der Nähe der Bucht von Muggia bei Zaole fand ich unter einem Steine Leptomastaxw hypogaeus Pirazz. und unter Moos Claviger longicornis Müll., der in Krain fast ebenso verbreitet wie foveolatus Müll. ist. In einer Garten- anlage bei Triest fand ich Langelandia anophthalma Aube auf der Unter- seite eines flach aufliegenden Steines und in dem Mulm eines hohlen Maulbeerbaumes Aglenus brunneus Gyli und Anommatus duodecimstriatus Müll. Es steht zu erwarten, dass sorgfältige Durchforschung der übrigen Theile Istriens und besonders im ersten Frühjahre diese wenigen Bei- spiele, die trotz Ungunst der Jahreszeit (Sommer) aufzufinden mir ge- lungen ist, erheblich vermehren wird. Mit Vorstehendem schliesse ich vorläufig meine Bemerkungen über die den Krainer Grotten eigenthümliehen Coleopteren (ächte Troglobien), welche ich später zu vervollständigen hoffe. Die Coleopteren bilden das Gros der Grottenfauna und subterranen Fauna. Von den übrigen Inseetenstämmen sind darin die Hemipteren, Homo- pteren, Neuropteren und Lepidopteren gar nicht, die Orthopteren, Dipteren und Hymenopteren nur spärlich vertreten. In Bezug auf die Orthopteren bemerke ich, dass Rhaphidophora cavicola Kollar kein ächtes Grottenthier ist, weil es sich auch in Kellern und Bergwerken, sowie in hohlen Bäumen findet. Dagegen ist Anurophorus stillieidu (Thysanuren) zwar mit Augen versehen, aber ein ächter Troglobius. Ich reihe hieran eine neue augenlose Podure Troglopedetes albus nov. sp. mit einem Springschwanz von fast der Länge des Körpers aus den Grotten von Cumpole, Podpee und Gurk in Unterkrain und ein augenloses zuckergastartiges Thier (Lepismatiden) Troglodromicus cavicola nov. sp. aus der Grotte von Lueg in Innerkrain, deren Beschreibung ich mir für spätere Zeit vorbehalte, Ob die in den Grotten bis jetzt aufgefundenen Dipteren Phora aptina Koll. und Gymnomus troglodites Loew ächte Troglobien sind, bleibt noch zu erforschen. Von den an Stalaktiten beobachteten parasitischen Di- der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur. pteren gehören sämmtliche den in Grotten sich aufhaltenden Fleder- mäusen an und zwar Nycteribia biarticulata Herm., dem Rhinolophus hippo- crepis Herm., Nyeteribia Schmidtü Schiner dem Miniopterus Schreibersii Nall, endlich eine noch unbeschriebene Nycteribia dem Vesperugo Kuhlüi Natterer an. Die Hymenopteren endlich sind durch bisher unbeschriebene Species von Dorylus vertreten. Wenigstens halte ich die in Gesellschaft von Ameisen in den vorderen Räumen der $. Canzian-Grotte bei Mataün, der Grotte von Corgnale und von $. Servolo von mir aufgefundenen augen- losen und flügellosen rothgelben Hymenopteren für flügellose Weibchen von Dorylus. Ob sie wirkliche Troglobien sind und nicht auch ausserhalb der Grotten als parasitische Gäste von Ameisen unter Moos oder in hohlen Bäumen vorkommen, dies festzustellen muss späteren Forschungen überlassen bleiben. In der sechsten Sitzung am 27. November theilte Berichterstatter einige der entomologischen Resultate von Spätsommerexceursionen in die Umgegend von Triest (Servola, $. Servolo, Zaole, Mugsia) vom Jahre 1871 mit. Für das Sammeln von Coleopteren und Lepidopteren sind die Monate August und September, während welcher Zeit Berichterstatter in Triest sich aufhielt, nicht günstig. Gleichwohl wurde von ersteren manches werthvolle Thier, wiewohl meist einzeln, erbeutet. Von Coleo- pteren seien erwähnt: Dyschirius salinus Schaum, Anchomenus scrobiculaius F., Dichirotrichus pubescens Payk und lacustris Redt, Trechus subnotatus Dej., ein dem Florentinus ähnlicher Anillus (S. Servolo), ein dem plamipenis nahe stehender Ocypus, Quedius seintillans Grav, einige unbekannte Quedii Lathrobium dividuum Er., Xantholinus glabratus Grav. und relucens Grav. Bledius monoceros Rosenh., Langelandia anophthalma Aube, Anommatus 12 striatus Müll., Aglenus brumneus Gyll., Silesis rutilipennis Ill., eine: der Appennina ähnliche Raymondia, mehrere unbestimmte Sitones und Longi- iars. — In der Grotte von $. Servolo fand Berichterstatter Lepiodirus Hohenwartii Schm., Anophthalmus hirtus und spectabilis m. und Adelops Kewenhülleri Mill. *) Mannigfaltiger und lohnender war die Ausbeute an Cykaden und Orthopteren, für welche die Zeit gerade günstig sich erwies. Ausser einer ziemlich bedeutenden Zahl noch unbestimmter Cykadinen und einer Zahl auch bei uns häufiger Arten fand Berichterstatter folgende: Tettigometra fusca Fieb, obligua Pz., Oliarus pallens Germ., Dyctiophora Europaea L., Mycterodus nasutus H. Schaeff., Issus coleoptratus F., fron- talis Fieb., Hysteropterum obsoletum Fieb., flavescens Oliv., immaculatum Fieb., *) Von der Coleopterenfauna der Triestiner Umgegend besitzt Herr J. von Meiller, Triest, via S. Michele 16, reiche bestconservirte Doublettenvorräthe und ist geneigt, mit Coleopterologen in Tauschverkehr zu treten, 182 Jahres-Bericht reticeulatum H. 8., Lepyromia coleoptrata L., Philaenus spumarius L., linea- tus L., campestris Fll., Macropsis Lanio L., Idiocerus Populi L., varius F., Rhytidolus Germari Fieb., Pediopsis virescens F., nasuta Germ., Agallia venosa Germ., aliena Fieb., Penthimia alra Fieb. einige hübsche Varietäten der auch bei uns äusserst häufigen Tettigonia viridis L., Euacanthus inter- ruptus L., acuminatus F., Aglena ornata Friew., Acocephalus rusticus F. und bifasciatus L., Selenocephalus obsoletus Germ., Allygus atomarius Germ., mix- tus Germ., Opsius stactogalus Am., Cicadula 6 notata Fil., Paramesus obtusi- frons Stäl und Platymetopius undulatus De Geer. Die Orthopterenfauna war durch Arten, welche dem Süden ange- hören, reich vertreten. Grosse Forficulinen z. B. Forficula maritima Gene, ferner F. moesta Gene waren unter Steinen auf den Salinen von Servola zahlreich. Mantis religivsa L. trat in beiden Geschlechtern in grossen prächtig gefärbten Exemplaren auf! Der bei uns an den südlichen Ab- hängen des Altvatergebirges nur ziemlich selten beobachtete Oecanthus pellucens Scop. war auf grossblätterigen Pflanzeu sehr häufig; Rhaphido- phora cavicola Kall. dagegen in einzelnen Exemplaren in der Grotte von S. Servolo. Ephippigera vitium Serv., limbata Fisch., Orphania denticauda Charp., Phaneroptera falcata Scop., Conocephalus mandibularis Charp. waren auf den Triften von Servola ziemlich häufig. Thamnotrizon apterus Fbr., Platycleis griseus Fbr., Decticus albifrons Fbr. in einzelnen Exemplaren. Trysalis nasuta L. auf Trifien an der ganzen Meeresküste häufig, Para- einema bisignatum Charp. dagegen selten. Viele Arten von Stenobothrus und Stauronotus harren noch der Bestimmung. Epacromia thalassina Fbr, am Meeresstrande, Pezotettix alpina Kollar im Boschetto, Pachytilus migra- torius L. und stridulus L., Cuculligeru hystrix Germ., Oedipoda coerulans L. ebenfalls nur einzeln. Daran knüpfte Berichterstatter einen Ueberblick über die in Schlesien bisher bekannten Cykadinen und Örthopteren. In der zweiten Sitzung am 20. Februar machte Herr Dr. Wocke Mitiheilungen über das Vorkommen von Geometra luctuata Hübn., Eupi- Ihecia scopariella auf Sarrothanmus, Depressaria subpropingquata St., Stegano- plycha reconditana Herr. Schaeff., Gelechia Sarrothamnella H. 8., Doriphora carchariella H. an Vieia cassubica L. Nepticula filipendula W., N. inaequalis Hein. in Erdbeerblättern, sämmtlich bei Obernigk beobachtet. In der dritten Sitzung am 6. März hielt Herr Hauptlehrer K. Letz- ner einen Vortrag über Lasioderma (Pseudochina) serricorne F., testaceum Duft. Fabrieius in seiner Ent. syst. I. (1792) p. 241 giebt als Vaterland dieses unter dem Namen Ptinus serricornis von ihm beschriebenen Thieres Amerika und als Aufenthaltsort getrocknete Pflanzen an; Duftschmid, der es in seiner Fauna Austriae (II. 1825) unter dem Namen Phlinus’ testa- } x 12 M ER ER ERST E der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur. 133 ceus beschreibt, hat es von Wien; Sturm in seinem Kataloge 1826 (unter dem Namen Xyletinus rufescens) wieder aus Amerika; Dahl giebt in De- jean’s Kataloge, ed. 3 (sub nom. flavescens) Ungarn, Waltl in litt. (sub nom. ligniperda) Andalusien als Heimath an, Bach (Käferfauna Il. 1854) nennt Crefeld, Düsseldorf, Mainz und Heidelberg als Heimathsorte, von Heyden (Berl, ent. Zeitschrift VIII. 323) hat es mit Rüppell’schen Pflan- zen Sendungen aus Abyssinien erhalten. Mulsant in seinen Terediles, Paris 1866 (vergl. Dr. Kraatz in der Berl. eut. Zeit. XL, 1867, 8. 211) bemerkt, dass das Thier, ursprünglich fremd, sieh in ganz Europa ange- siedelt habe und namentlich von Cigarren lebe; Dr. Stein sagt (Berl. ‘ent. Zeit. XI. 211), dass dasselbe in Brasilien an den Tiabaksblättern srossen Schaden anrichte, indem es dieselben durchlöchere und zur Fabrikation von Cigarren unbrauchbar mache; dass es auch in Colum- bien angetroffen worden sei. — Aus dem Vorstehenden würde sich er- seben, dass das in Rede stehende Thier im heissen Amerika heimisch sei und sich von da über ganz Europa verbreitet habe. Angaben über sein Vorkommen in Asien liegen nirgends vor. Als in Schlesien vorkommend erwähnt den Käfer zuerst Sturm Deutschl., XI. 90, 1857), dann Kelch (1. Nachtr. zu den Käfern Ober- sehlesiens, 1852) unter dem Namen Xyletinus Nicotianae Bach, an welchen letzteren er das Thier zur Bestimmung geschickt hatte. Dasselbe war von Kelch in Ratibor in Varina-Rollentabak aufgefunden worden. . Roger, (Verz. der Käf. Oberschles., 1356), der das Thier irrthümlich unter dem Namen Xyletinus Redtenbacheri Bach aufführt, giebt an, dass es in Rauden in Kisten mit Trabueillos Cigarren einmal in grosser Menge vorgekommen ‚sei. — Von den älteren‘ Breslauer Entomologen ist keine Notiz über das Vorkommen des Thieres in Schlesien vorhanden, doch müssen sie dasselbe gekannt haben, wie die Angabe in Sturm’s Fauna beweist. Meine ersten Exemplare habe ich, soviel mir erinnerlich, nach dem Jahre 1848 in Brasilianischen Käfern aufgefunden (in denen sie ihre Verwand- lung durchgemacht hatten), später Exemplare von Kelch erhalten, nie- _ mals aber habe ich bis zum Jahre 1870 Gelegenheit gehabt, lebende Individuen zu beobachten. Im Sommer dieses eben erwähnten Jahres jedoch hatte ich das Vergnügen, durch die Freundlichkeit des Herrn Kaufmann Maruschke (dem ich hierdurch meinen aufrichtigen Dank ab- stalte), eine Anzahl lebender Exemplare zu erhalten, welche in einer Kiste mit Rhabarber - Wurzeln nach Breslau gekommen waren. Die- selben hatten an diesen Wurzeln nieht unbeträchtlichen Schaden angerichtet, indem sie nebst ihren noch sparsam darin vorhandenen Larven dieselben in unregelmässigen Gängen durchlöcherten und ihre Substanz verzehrten. Da die Kiste in Hongkong in eine ver- löthete / Blechkiste eingeschlossen ‘worden war, so musste das Thier spätestens in Hongkong, jedenfalls also in China, in die Rhabarber ge- 1 84 Jahres-Bericht kommen sein; ja es wäre sogar möglich, dass es selbst schon im nörd- lichen China von derselben Besitz genommen hätte. Merkwürdig ist es übrigens, dass andere zu gleicher Zeit in London und Breslau angekom- mene Kisten mit Rhabarber auch nicht ein Exemplar des Thieres auf- wiesen. Es liess sich dies leicht an dem gänzlichen Fehlen der an der Oberfläche bewohnter Stücke stets vorhandenen kreisrunden Fluglöcher feststellen. — Aus den mir von Herrn Maruschke freundlichst überlassenen Stücken der Rhabarber ist mir nun allmälig eine nicht unbedeutende Zahl des Käfers ausgekrochen, die letzten im December d. J. 1870. Da ich nicht alle Exemplare getödtet hatte, so konnte ich hoffen, das Thier auch im Jahre 1871 noch lebend beobachten und namentlich seine Puppe auffinden zu können, und diese Hoffnung ist auch in Erfüllung gegangen. Nachdem der Käfer vom Juni 1871 an allmälig ausge- krochen war und sich die folgenden Monate ungestört begattet und ver- ınehrt hatte, konnte ich im December 1871 die ersten Puppen beobach- ten, aus denen Ende Januar 1872 die ersten Käfer zum Vorschein kamen. s$eit dieser Zeit hatte ich, wie es bei ähnlich lebenden Insecten immer zu geschehen pflegt, Wochen lang das vollkommene Insect, Puppen, sowie ganz und halb erwachsene Larven zu gleicher Zeit neben einander.*) — Im Dunkeln sitzt der Käfer die meiste Zeit ruhig und stil an den Wänden seines Gefängnisses, an’s Licht gebracht, läuft er sogleich lebhaft und schnell umher, wobei er die Fühler mit grosser Schnelligkeit fortwährend auf- und abwärts bewegt, so dass sie mit ihrer Spitze den Boden berühren, auf dem er wandelt, ganz so, als wollte er denselben dadurch prüfen, und sich von der Passirbarkeit desselben überzeugen. Bei dem Laufen muss das Thier den in der Ruhe nach unten gebogenen Thorax und Kopf nach vorn richten, wodurch sich der erstere an den Seiten (und selbst an seiner Basis) von der Basis der Flügeldecken bedeutend entfernt, was ihm ein ganz verändertes Aussehen giebt. — Die Begattung habe ich nur wenige Male beobachten kön- nen. Das Männchen streichelt die Flügeldecken des Weibchens lange #) Interessant ist es übrigens, dass. nicht in allen Rhabarber-Stücken die Entwiekelung zu gleicher Zeit erfolgtee Während in dem einen (härteren) die ersten Käfer Ende Januar auskamen, geschah dies in 2 anderen (weicheren) am il. und 15. März 1872. Seit dieser Zeit habe ich bis heute (den 20. Juni) aus allen Rhabarber-Stücken fortwährend lebende Käfer in grosser Zahl erhalten. Das erst genannte Stück lieferte allein mehrere 100 Exemplare, von denen heute noch etwa 209 leben. Dasselbe ist aber auch in den 2 Jahren fast ganz auf- gezehrt worden, so dass nur noch die dünnen Scheidewände vorhanden sind, welche Larven und Puppen zu trennen pflegen. — Mehrere Stücken einer Vari- nas-Cigarre, welche ich bereits vor 3 Monaten zu der Rhabarber legte, wurden von den Käfern sofort besucht; einige der letzteren bohrten sich sogar in die- selben ein. | Be Ne NE der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur. 185 Zeit mit seinen Fühlern und besteigt von hinten dasselbe Da es sich jedoch mit seinen kurzen Beinen nicht anhalten kann, so fällt es bei der Bewegung des Weibehens herab und wird von demselben fortgezogen, wie dies bei vielen anderen Käfern, z. B. bei Stenus- und Telephorus- Arten der Fall ist. Die J,arve ist 1%/, —2 Linien lang, weiss oder gelblich-weiss, be- fusst, ziemlich dieht mit langen, gelblichen, weichen, seidenartigen Haaren besetzt, nach Art der Bostrychus-Larven gekrümmt, jedoch so, dass der letzte Theil des Hinterleibes stärker nach dem Bauche zu gebogen ist. Der Kopf ist mit einem gelben Hornschilde bedeckt, gegen den Mund zu dunkler gefärbt, die starken und spitzen Mandibeln mehr oder weniger braun. Die Ocellen sind höchst undeutlich, wahrscheinlich sind nur 1—2 an der Basis der Kinnbacken vorhanden. Fühler fehlen. Die Maxillar-Palpen sind zweigliederig, das letzte Glied ziemlich lang, etwas zugespitzt; die Lippentaster undeutlich zweigliederig, das letzte Glied kurz, mit einer kurzen Borste besetzt. Der Hinterleib besteht aus acht Ringen, welche durch ziemlich tiefe unregelmässige Querrunzeln nur un- deutlich von einander geschieden sind. Der letzte Ring ist bedeutend länger als die übrigen und nicht schmaler als diese, daher die Larve hinten so breit (zuweilen sogar fast breiter) erscheint, als vorn. Anus nur wenig nach hinten vortretend. An jeder Seite des Hinterleibes läuft eine ziemlich stark vertiefte Längslinie hin, welche die Unterseite von der Oberseite scheidet und in deren Nähe die schwer zu erkennenden Stigmen liegen. Die Trochanteren sind lang und stark, Schenkel und Schienen fast gleich lang, durchscheinend, lang behaart. An der Spitze der Schiene steht eine kurze, spitzige, wenig gekrümmte Kralle. Die Larve, mit kleinen Stäubechen der Nährpflanze und trockenen Exerementen, welche in den langen Haaren hängen bleiben, bedeckt, bewegt sich äusserst langsam und unbeholfen trotz ihrer Füsse und dreht sich gewöhnlich von einem Punkte aus nach allen Seiten, wobei sie be- ständig mit dem Munde nach rechts und links Schwankungen macht, jedenfalls um sich durch das Gefühl zu orientiren. — Will sie sich ver- puppen, so macht sie sich von Exerementen, die sie fest zusammenleimt, ein dünnes, elliptisches Gehäuse, jedoch nur auf der Seite, wo sie bloss liegen würde, also z. B von ihrer Nährpflanze keinen Schutz mehr er- halten kann. Auf dem Boden einer Pappsehachtel liegende Exemplare benutzten unten diese zu ihrem Schutze und machten ihr Gehäuse, an diese anschliessend, nur auf der Oberseite. Die Puppe ist schneeweiss, später gelblich-weiss, die Augen braun, ‚später schwarz. Haare sind nirgends wahrzunehmen. Der Kopf ist sehr auf den Bauch niedergebeugt und reicht mit den vorstehenden Kiefer- tastern bis auf die Vorderschienen. Die .Vordertarsen liegen auf dem Bauche an einander, die Flügelscheiden lassen einen schmalen Streif des B% “ oe“ ER Fa ee a y x wi P3 186 Jahres-Bericht Bauches zwischen ihnen. sichtbar werden. An der Spitze der letzteren bemerkt man das äusserste Ende der Hintertarsen, welche also kaum darüber hinausragen. Nur wenig kürzer als die Flügelscheiden sind die Flügeldecken, welche (wie gewöhnlich) die Hinterbeine bedecken. Die beiden vorderen Beine jeder Seite liegen mit Schenkel und Schiene nahe au einander. Hinter ihren Knieen gehen die Fühler (wenig über sie hinausreichend) bis mitten auf die Decken. Der Anus ragt verhältuiss- mässig weit nach hinten vor und ist nach den Geschlechtern verschieden gebildet. Während er (vom Rücken der Puppe aus gesehen) bei dem g' in der Mitte eine längere und beiderseits eine kurze, stumpfe Hervor- ragung zeigt, ‚hat er bei dem 2 in der Mitte eine kurze zu jeder Seite eine längere, schräg nach aussen gerichtete, aus 2 Gliedern (von denen das letzte kürzer und dünner) bestehende Spitze. In der Sitzung vom 11. December gab Herr Hauptlehrer Letzner Nachträge zu seinem Verzeichniss der Käfer Schlesiens. Seit Ende Juni d. J., wo mein „Verzeichniss der Käfer Schlesiens“ erschien, sind, wie dies nicht anders zu erwarten war und von mir auch vorher ausgesprochen worden ist, bis heute (December 1871) bereits eine ganze Anzahl für Schlesien neuer Arten theils neu gefangen, theils aus früheren Fängen durch genauere, in Folge Benutzung neuerer Werke ermöglichte Bestimmung erst jetzt herausgefunden worden; ich erlaube mir, dieselben hier als Nachtrag zur Tauna zusammenzustellen, 1) Bembidium humerale Si., pulchrum Gyl., zuerst von Gerhardt im Juli dieses Jahres bei Lomuitz unweit Schildau auf einer Torffläche (Lomnitzer Haide) im Hirschberger Thale in einem Exemplare ge- fangen, Ende August d. J. von Herru Schwarz und mir an derselben Lokalität in Mehrzahl aufgefunden. Anfang September wurde das Thier von uns auch an den Torfstiehen bei Nimkau (an der nieder- schlesisch-märkischen Eisenbahn) beobachtet. “) Dasselbe scheint demnach an den Torfboden gebunden zu sein und hält sich an den trockenen oder feuchten Stellen desselben zwischen den einzeln stehenden Grasbüscheln oder im Herbsie auch in der lockeren, trockenen Torferde auf. Jedenfalls kommt es auch in der Nähe anderer Torfstiche der Provinz, wenigstens in der Ebene und im Vorgebirge, vor. 2) Heterothops niger Kraats. Von Herrn Schwarz in einer hohlen Popu- lus nigra in der Odervorstadt Breslau’s in einem Stück erbeutet, das er meiner Sammlung zu überlassen, die Güte gehabt hat. *) Im Mai 1872 wurde es von uns an derselben Lokalität in Mehrzahl, im Juni auf dem Torfboden in Kohlfurt in Menge gesammelt, ut Ir Mn RE A Tr ee \ u ID IE VERS En vet Tr er re ER - y n4 Re m 3) 4) 3) 6) 7) 8) 9). 10) 11) 12) 13) 14) der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur. 137 Quedius infuscatus Er. In einem alten Torfstiche in der Lomnitzer Haide von mir in einem Exemplare Ende August d. J. aus Torf- moos gesiebt. Clambus punctulum Gyl. Bei der Ueberschwemmung der Ohla im März d. J. in einem Stücke bei Marienau unweit Breslau von mir gesammelt. *) Comazus dubius Marsh., Enshamensis Steph., in einem Stücke von Herrn Schwarz am 20. Juli d. J. an der Schweizerei auf dem Alt- vater etwa 4000 Fuss über dem Meere in meiner Gegenwart aus fauligem Heu gesiebt. Hister suceicola Thoms. und H. veniralis Mars. ’ Beide wurden bisher von schlesischen und anderen Entomologen mit den verwandten Arten H. cadaverinus und carbonarius vermengt. Ihr Vorkommen in Schlesien ist bis jetzt erst bei Breslau und Lieg- nitz von Gerhardt, Schwarz und mir constatirt.”*) Atomaria rhenana Kraatz. Das Thier wurde bei der Frühjahrs- Ueberschwemmung im März d. J. von mir in zwei Stücken bei Marienan gefangen. Lathridius assimilis Mannh. In der Ebene und im Gebirge bis 4600 Fuss (Wiesenbaude) durch das ganze Gebiet häufig. Diese Art, welche von allen Arten dieser Gattung am häufigsten in Schle- sien vorkommt, wurde bisher für Lathridius minutus gehalten. Aphodius sabulicola Thoms. In der Ebene an mehreren Orten (bei der Frühjahrs- Ueberschwemmung im März d. J. auch bei Marienau) ziemlich häufig. Bisher für eine Form von A. punctato - sulcatus gehalten. Throscus carinifrons Bonv., elateroides Red. Nach Bethe (Stett. ent. Zeit. 1865 p. 236) von Zebe in 2 Stücken in Schlesien gefangen, in der Sammlung des Herrn Dr. Kraatz in 3 schlesischen Stücken vorhanden, von mir auch bei Breslau aufgefunden. Throscus exul Bonv., von mir in 2 Exemplaren, an einem mir nicht mehr genau bekannten Orte, in Schlesien gefangen. Ceuthorhynchus Roberti Schönh. Von mir in 8 Exemplaren in Schle- sien, auch an der alten Oder bei Breslau, aufgefunden. Plectroscelis confusa Boh. In der Ebene und im Vorgebirge, wie es scheint, nicht häufig. Bis jetzt erst bei Breslau (Karlowitz) und Schweidnitz. ”) Ein zweites Exemplar käscherte ich im Mai 1872 an einem Damme bei Ottwitz, 1 Meile von Breslau. **) Dies Thier ist bereits 1868 von dem Berichterstatter unter richtigem Namen als in Schlesien einheimisch demonstrirt worden. ge ee u DE Te RL ee a De = S Ra - ne fr h \ 2 « We En Be nr EEE EN 188 Jahres-Bericht Nach dem Verzeichniss der Käfer Schlesiens betrug die Zahl der schlesischen Käferarten Ende Juni d. J. 4028. Treten nun die vorstehend aufgeführten 14 Arten hinzu, so steigt die Zahl derselben auf 4042. Davon ist aber vorläufig abzuziehen eine Art: Dyschirius rolundipennis Chaud., weleher nach Pfeil’s Angabe in Schlesien einheimisch sein sollte. Die von demselben für diese Art gehaltenen 2 Exemplare sind aber nach der Mittheilung des Herrn v. Rottenberg, des gegenwärtigen Be- sitzers der Pfeil’schen Sammluug, nur helle Exemplare von Dyschirius glo- bosus; demnach zählt die schlesische Coleopteren - Fauna gegenwärtig 4041 Arten. In der Sitzung vom 20. März hielt Herr Eugen Schwarz einen Vortrag über die Unterschiede von Philonthus aeneus Rossi, succicola Thomson und carbonarius Gyllenhal. Thomson erkannte zuerst, dass die von Erichson und Kraatz als Philonthus carbonarius beschriebene Art von dem echten Phil. carbonarius Gylih. verschieden sei und führte daher für die erstere Art den Namen Phil. suceicola ein. In der folgenden Tabelle sind die hauptsächlichsten der von Thomson *) erörterten Unterscheidungsmerkmale der drei einander sehr nahestehenden Arten, Philonthus aeneus, succicola und carbonarius zusammengestellt. 1) Vorletztes Fühlerglied transversal. Halsschild beiderseits leicht eingedrückt. Die Transversal- linie an der Basis des dritten und vierten oberen Abdominal - Segments in der Mitte mit einem Hältehen + un on 1 eu in a a DE — Vorletztes Fühlerglied so lang als breit. Hals- schild beiderseits nicht eingedrückt. Die Trans- versalliniien an der Basis des dritten und vierten oberen Abdominal-Segments in der Mitte ohne Fältehen. — Flügel-Decken dunkel erzfarben. Hinterleib sparsam punktirt und sparsam behaart. Beim 3 sind die Vordertarsen stark erweitert, das sechste Abdominal-Segment unten nicht, das siebente lief ausgerandet . carbonarius Gyllh. 2) Flügeldecken grünlich broncefarben. Hinterleib dieht punktirt und dicht behaart; die Behaarung bräunlich, selten grau. Beim 5 sind die Vorder- nn nn * Scand. Col. II. 157, IX. 146, X. 315. der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur. 189 tarsen stark erweitert, das sechste Abdominal- segment unten breit N das siebente tief ausgeschnitten . . . ee \aeneus; Mossi. — Flügeldecken schwärzlich - grün, wenig metall- glänzend. Hinterleib sparsam punktirt und spar- sam behaart, die Behaarung schwarz oder schwarz- grau. Beim $ sind die Vorder - Tarsen kaum erweitert, das sechste Abdominal-Segment unten breit gerandet, das siebente tief ausgeschnitten . succicola Thoms. Die von Thomson noch angeführten Unterschiede in der Zahl der Punkte neben der Rückenreihe auf dem Halsschilde und der borsten- tragenden Punkte auf dem unteren vierten und fünften Abdominal - Seg- mente scheinen nur von untergeordneter Bedeutung zu sein, da schon eine wenig zahlreiche Reihe von Exemplaren mir zeigte, dass diese Merkmale variabel sind. Alle drei Arten finden sich in Schlesien; Phil. aeneus ist der häufigste, Phil. succicola, dem aeneus an Grösse gleichkommend, ist gleichfalls weit verbreitet aber seltener; er kommt an Flussufern unter faulenden Pilzen, an Aas, an ausfliessenden Bäumen ete. vor; der etwas kleinere Phil. car- bonarius scheint sehr selten zu sein; ich kenne Exemplare von Breslau, Liesnitz, Münsterberg. *) Herr Letzner und ich fanden ihn in der Nähe von Breslau unter einem Haufen faulender Pflanzen. Philonthus tenuicornis Mulsant kenne ich nur aus den kurzen Beschrei- bungen der Herren Seriba (Berl. Ent. Zts. X. 293) und Dr. Kraatz (ibid. XII. 351), aus denen aber hervorgeht, dass der dort beschriebene Phil- onthus tenuicornis unzweifelhaft —= Phil. carbonarius Gyll. und der mit ihm verglichene, für Phil. carbonarius Gyll. gehaltene —= succicola Thoms. ist. Haben demnach die genannten beiden Autoren den echten Phil. tenuicornis vor sich gehabt, so ist dieser als Synonym zu Phil. car- bonarius einzuziehen. *) Auch bei Berlin fand ich diese Art. ee ee Se ee nz IV. Bericht über die Thätigkeit der medieinischen Section der Schlesischen Gesellschaft im Jahre 1871, abgestattet von Herrn Privatdocenten Dr. Freund und Herrn Professor Dr. Waldeyer. zeitisen Secretairen der Section. In der Sitzung vom 10. Februar hielt Herr Professor Dr. Ferdinand Cohn einen Vortrag über Pilze und Contagien. Die Ansicht, dass Pilze die Träger der Gifte, Miasmen oder Con- tagien seien, welche bei endemischen und epidemischen Krankheiten die Infeetion veranlassen, hat bekanntlich seit einer Reihe von Jahren in zahlreichen mikroskopischen Untersuchungen und sogenannten Culturver- suchen eine Stütze und namentlich in ärztlichen Kreisen vielfach Anklang gefunden. Zur Beurtheilung dieser Ansicht sind zwei Fragen auseinander zu halten: I. Sprechen Wahrscheinlichkeitsgründe für die Ansicht, dass Pilze Träger von Contagien seien? II. Event. welche Pilze sind als Contagien bisher nachgewiesen worden? I. Für die erste Frage ist hauptsächlich Nachstehendes zu berück- sichtigen : 1. Die Pilze, obwohl Pflanzen, nähren sich wie die T’hiere, indem sie Sauerstoff ein-, Kohlensäure ausathmen, Wärme entwickeln, und die löslichen Bestandtheile lebender oder abgestorbener Thier- oder Pflanzen- körper assimiliren; durch diese ihre Lebensprocesse desorganisiren die u DE N EN BE N YA R Erb Ant | 192 Jahres-Bericht 1 Pilze ihre Nährorganismen. Viele Pilze wirken nach Moritz Traube's j Bezeichnung als Oxydationsfermente, indem sie ihre Nährstoffe oxydiren, verbrennen. Der Hausschwamm verkohlt den Balken, zwischen dessen A f Fasern er sein Gewebe ausbreitet; die Essigmutter verbrennt den Alcohol : zu Essigsäure, andere Pilzmycelien die’ Gerbsäure zu Gallussäure; die i Pilze der Weinblüthe verderben den Wein durch Oxydation, wenn sie | durch Erwärmen getödtet, wird der Wein haltbar. i 2. Andere Pilze heben die Molecul-Verbindung ihrer Nährstoffe auf, indem sie einen Theil der Atome des Nährstoffes assimiliren, be- wirken sie, dass die übrigen Atome sich in anderen, meist einfacheren Combinationen an einander legen. Die Hefenpilze zersetzen den Zucker, indem sie einen Theil seiner Atome zu ihrer Ernährung verbrauchen, die übrigen Atome sich zu Alkohol und Kohlensäure combiniren. Ge- wisse Pilze erzeugen aus der Nährflüssigkeit Farbstoffe (nach Erdmann und Schröter Anilinfarben, letzterem ist es gelungen, Roth, Orange, Gelb, Grün, Violett, Braun durch Bacterien, die auf der Oberfläche gekochter Kartoffeln schmarotzen, zu erzeugen). 3. Dass gewisse Pilze auch Stoffe produeiren, welche auf den Nähr- organismus nach Art von Giften wirken, ist nach den Erscheinungen, die wir bei der Gallenbildung und Tödtung von höheren Pflanzen durch mikroskopische Pilze beobachten, nicht zu bezweifeln. 4, Alle Epidemien, welche in neuerer Zeit bei Pflanzen, ins- besondere Culturpflanzen, constatirt wurden, sind von mikroskopischen Pilzen erzeugt, die sich auf Kosten ihrer Nährpflanzen in deren Geweben. entwickeln und vermehren; die Infeetion geschieht ausschliesslich durch Uebertragung der Pilzsporen; die tödtliche Einwirkung erklärt sich aus den ad 1—3 zusammengestellten Thatsachen (Rost und Brand, Trauben- und Kartoffelkrankheiten, Mehlthau ete.) Die Verheerungen, welche die” # betreffenden Pilze unter den Pflanzen anrichten, sind vergleichbar denen, welche Heuschrecken oder Maikäfer in den Culturen verursachen; wenn ; hierbei andere, insbesondere klimatische Einflüsse überhaupt in Betracht gezogen werden können, so ist es nur insofern, als dieselben die Ver- mehrung schädlicher Inseeten oder Pilze mehr oder minder begünstigen oder hemmen. Dass ein Theil der Pflanzenepidemien bei uns nur periodisch auf- tritt, von einem Herde aus fortschreitend, sich oft über ganze Welt- 5 theile in Kurzem verbreitet, und nach einiger Zeit wieder abnimmt oder \ verschwindet, scheint darauf zu beruhen, dass die betreffenden Pilze h, nieht bei uns einheimisch, nur durch Zufall eingeschleppt und in unseren % klimatischen Verhältnissen, gleich den meisten ausländischen Pflanzen, nicht die Bedingungen zu dauernder Ansiedelung finden. 5. Ebenso steht fest, dass die bei Inseeten (insbesondere geselligen oder als Hausthiere gezogenen, z. B. Seidenraupen und Stubenfliegen) Val 3 Zen en EEE ugs Br 'n F der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur. 193 beobachteten Epidemieen von mikroskopischen Pilzen erzeugt werden; es ist in neuester Zeit erwiesen worden, dass die Ansteekung nur durch Uebertragung der Pilzsporen geschieht, die von dem an der Krankheit verstorbenen Inseet ausgestreut, auf der Oberfläche eines gesunden Thieres auskeimen und dessen Haut durchdringend, in seine Leibeshöhle eintreten, und dort sich vermehrend und auswachsend, das Blut und die Eingeweide aufzehren und so den Tod herbeiführen (Empusa, Tarichium, Isaria, Cordiceps). I, Wenn diese Thatsachen für die Möglichkeit, ja für eine gewisse Wahrscheinlichkeit zu sprechen scheinen, dass die Epidemieen bei Menschen und höheren Thieren ebenfalls von mikroskopischen Pilzen er- zeugt werden, so sind auf der anderen Seite fast alle bisherigen Ver- 1. In den Epidemieen der Pflanzen und Inseeten sind nur mycel- bildende Pilze beobachtet, welche im inneren Gewebe des Nährorganismus leben, diesen oft vollständig durchwuchern, und meist erst bei der Fruchtbildung nach Aussen dringen. Solehe mycelbildende Pilze sind auch beiın Menschen und höheren T'hieren, aber nur an der Oberfläche auf und im Gewebe von Haut- und Haargebilden beobachtet, wo sie zum Theil krankhafte Erscheinungen eontagiöser Natur verursachen, In den soge- nannten zymotischen und Infeetions-Krankheiten des Menschen sind mycel- bildende Pilze nicht nachgewiesen und offenbar auch nicht vorhanden, weil sie sieh der Beobachtung nicht hätten entziehen können. 2. Grössere Wahrscheinlichkeit spricht für die mycellosen Pilze, Schizomyceten, einfache, äusserst kleine, kugelige, eiförmige, eylindrische, sichelförmig gekrümmte Pilzzellen, die sich durch Quertheilung vermehren und in ihre Glieder zerfallen. Sie werden gewöhnlich als Bacterien, Bacteridien, Vibrionen bezeichnet. Ihre masslose Vermehrung in kürzester Frist bei geeigneter Nahrung, ihr rasches Verschwinden nach dem Ver- brauch derselben, ihre leichte Uebertragbarkeit durch alle möglichen Auswurfsstoffe lässt diese Organismen als Träger von Miasmen und Con- tagien geeignet erscheinen, während ihre ausserordentliche Kleinheit, die sie selbst unter den stärksten Vergrösserungen leicht übersehen lässt, die Schwie- tigkeit ihres Nachweises begreiflich machen könnte. Allerdings treten Schizomyceten auch bei allen Zersetzungs- und Fäulnissprocessen, selbst in gesunden Organismen auf; doch könnten vielleicht die Bacterien der Fäulniss verschiedene, wenn auch bis jetzt nicht mit Sicherheit zu unter- scheidende Arten von denen seien, welche man als Krankheitserreger zu betrachten hätte; die farbstofferzeugenden Bacterien (Monas prodigiosa, Vibrio cyaneus und xanthinus Etr.) scheinen in der That von den farblosen specifiseh verschieden, obwohl unter dem Mikroskop oft schwer zu unter- scheiden. Zu berücksichtigen ist dabei noch, dass beim Milzbrand Bacterien mit grosser Bestimmtheit als Träger der Infeetion erkannt worden sind, dass nach 13 194 Jahres-Bericht Klob die Cholerastühle fast ganz und gar aus freien oder zu Gallert ver- bundenen Bacterien (Zoogloea) bestehen, dass durch die von Chauveau mit der Lymphe der Schafpocken angestellten Diffusions- Versuche mit grosser Wahrscheinlichkeit ermittelt ist, dass die eigentlichen Träger des Giftes äusserst kleine, aber geformte, feste, iu der Flüssigkeit in sehr grosser Zahl vertheilte Körperchen sein müssen, dass in der neuerdings grassirenden Krankheit der Seidenwürmer ebenfalls nur bacterienartige Körperchen im Blut gefunden worden sind. 3. Es ist in neuester Zeit vielfach behauptet worden, die Bacterien seien nur unvollkommene Entwickelungszustände anderer Pilze; doch ist wirklich erwiesen ausser der kettenartigen Verbindung der Zellen nur die Vereinigung durch gallertartige Intercellular - Substanz zu kugeligen, traubigen, flockigen, häutigen Massen (Zoogloea), aus welchen sich die ein- zelnen Zellen wieder mit selbstständiger Bewegung isoliren können. In- wieweit die beweglichen und unbeweglichen Formen freier Bacterien verschiedenen Arten oder Entwickelungs- Stufen entsprechen, ist zweifel- haft; ein Uebergang in sehr dünne Fäden (Leptothrix Robin, Hallier, Hygro- crocis Kg.) ist nur zum Theil erwiesen. Die Angabe, dass Bacterien aus höheren Fadenpilzen als eine besondere Fortpflanzungsform (Micrococeus) ausschwärmen und selbst wieder zu solehen Fadenpilzen (Penicillium, Mucor, Tilletia ete.) auskeimen, widerspricht allen zuverlässigen Beob- achtungen über die Entwickelung dieser Pilze. Den sogenannten Culturversuchen, auf die sich jene Ansichten stützen, kann nicht der geringste Werth beigelegt werden. Wenn aus dem Virus verschiedener eontagiöser Krankheiten, aus dem Blut, Harn, Speichel, Faeces und andern Aussonderungen in den Culturapparaten gemeine Fadenpilze erzogen wurden, so beweist das nicht, dass letztere die Träger des Con- tagium seien, da die Schimmel sich auf dem Nährboden aus einge- schleppten Sporen entwickelt haben können, wie sie sich auf jedem be- liebigen abgestorbenen Thier- und Pflanzenreste entwickeln würden. In der Sitzung am 10. März sprach Herr Dr. Gscheidlen über den Ursprung des Harnstoffs im Thierkörper. Meissner fand in der Leber eines Hundes, der reichlich mit Fleisch gefüttert war, 0,19 Gramme salpetersauren Harnstoff, was auf Harnstoff berechnet 0,092—0,093 Gramme ergiebt. Diese reichliche Harnstoffmenge in der 474 Gramme schweren Hundeleber bewog ihn, da er vergeblich die Lungen und Muskeln und Harnstoff untersucht hatte, den Satz aus- zusprechen, dass die Leber des Säugethiers als die hauptsächlichste Bil- dungs-Stätte des Harnstoffs anzusehen ist. Im Anschlusse an diese Be- hauptung stellte ich im hiesigen physiologischen Institute eine Reihe von Versuchen an, deren Resultat in Kürze folgendes ist. & der Schles. Gesellsch, f. vaterl. Cultur. 195 Ist die Leber die hauptsächlichste Bildungsstätte des Harnstoffs, be- reitet die Leber den Harnstoff, so muss in dem aus der Leber abfliessen- den Blute mehr desselben vorhanden sein, als in dem, welches die Leber noch zu durchströmen hat. Die Versuche ergaben jedoch, dass das Lebervenenblut, direct aus der Leber geholt, nicht harnstoffreicher ist, als das Blut aus irgend einem Gefässbezirke des Thierkörpers. Nach Meissner findet eine Art Spaltungsprocess in der Leber statt, durch welchen sich einerseits Leberamylum, andererseits Harnstoff bildet. Da nun der Zuckergehalt der ausgeschnittenen Leber sich vermehrt, so galt es, zu untersuchen, ob etwas Aehnliches in Betreff des Harnstoffs zu beobachten ist. Eine Harnstoffbildung in der ern Leber nachgewiesen zu haben, behauptet ausserdem Heynsius. Zu diesem Zwecke wurde ein Stück einer frischen Leber sofort auf Harnstoff untersucht. Der übrige Theil der Leber wurde in ein Glas- gefäss mit verschliessbarem Deckel gebracht und 24 Stunden bei Zimmer- temperatur stehen gelassen, nach welcher Zeit ein ähnliches Stück wie das erste abgeschnitten und auf seinen Harnstoffgehalt untersucht wurde. In 6 derartigen Versuchen konnte niemals eine Vermehrung des Harn- - stoffs in dem nach 24 Stunden untersuchten Leberstücke beobachtet werden. Nun wurde Blut von bekanntem Harnstoffgehalte längere Zeit durch die Leber eines eben getödteten Thieres geleitet. Es wurden die Leber- arterie sowie die untere Hohlvene unterbunden, hierauf Canülen in die Hohlvene und die Pfortader eingelegt und dieselben durch Kautschuk- schläuche mit Cylindern in Verbindung gesetzt, welche an einer Rolle zweckmässig befestigt gehoben oder gesenkt werden konnten. Das Blut, welches durch die Leber geleitet werden sollte, wurde in den einen Cylinder gebracht und floss, je nachdem derselbe gehoben oder gesenkt wurde, mit grösserem oder geringerem Druck durch die Leber. War das Blut zum grössten Theile durch die Leber geflossen, so wurde es mit Luft geschüttelt und auf’s Neue durchgeleitet. Das T'hier befand sich in einem grossen Brütofen, die Glaseylinder, welche das Blut ent- hielten, in grossen mit Wasser von 38° C. gefüllten Behältern. Das Blut, welches die Leber durchströmt hatte, wurde reicher an Harnstoff gefun- den. Allein dieser vermehrte Harnstoffgehalt des Blutes rührt nicht da- von her, dass eine Neubildung von Harnstoff stattfand, sondern ist die Folge einer Ausspülung der Leber durch das Blut. Unterbindet man nämlich einen Leberlappen, während man den übrigen Theil der Leber durchbluten lässt und vergleicht den Procentgehalt des Harnstoffs des unterbundenen und des durchbluteten Theils, so findet sich in dem abge- kundenen Leberstücke ungleich mehr Harnstoff als in dem durchbluteten Theile. Der Harnstoff muss mithin ausgespült worden sein und wird 13* a te Seh 3 Er Ten ef Te TE Al a en u er at EEE ee En Zn Fe 196 Jahres-Bericht deshalb im Blute, das die Leber durchflossen, in vermehrter Menge gefunden. Damit waren alle Versuche gescheitert, die in der Absicht unter- nommen waren, den Satz Meissner’'s zu erhärten. Forschen wir nun danach, woher es kam, dass Meissner. diesen Ausspruch gethan, so finden wir den Grund darin, dass Meissner, verführt durch den absoluten Gehalt der Leber an Harnstoff, sich zu dieser Behauptung hat hinreissen lassen. Wir werden keinen Augenblick Anstand nehmen, ihm beizu- pflichten, wenn die gefundene Harnstoffmenge das procentische Verhält- niss ausdrücken würde, aber so ist dieselbe gleich dem absoluten Ge- wichte. Procentisch ist in der Leber nur 0,020 pCt. Harnstoff enthalten, mithin nicht mehr, eher weniger als in dem Blute von verschiedenen Forschern schon gefunden wurde. Wir fanden Harnstoff in allen von uus untersuchten Lebern und können soweit die Angaben Meissner’s über das Vorkommen des Harnstoffs in der Leber vollkommen bestätigen.’ Von den vielen Untersuchungen, welche über den Urspruug des Harnstoffs angestellt worden sind, wollen wir hier nur die besprechen, welche von der Nierenexstirpation handeln. Da man die Nieren im Ver- dacht hatte, dass sie bei der Bereitung des Harnstoffs eine chemische Rolle spielen, so unterband man dieselben oder schnitt sie aus und machte dann quantitative Bestimmungen der im Organismus vorhandenen Harnstoffmengen. Entgegen den Angaben von Zalesky konnten die Ver- suchsergebnisse von Meissner, Voit, sowie Grehant bestätigt werden. Harnstoff wurde nach unterdrückter Harnsecretion in allen Organen in reichlicher Menge gefunden. Die Wirkung der Nierenexstirpation besteht jedoch nicht darin, wie die beiden letzten Forscher schliessen, dass der Harnstoff, der sonst ausgeschieden worden wäre, an der Ausscheidung gehindert worden ist, und sich deshalb einfach aufspeichert, vielmehr werden durch die traumatische Verletzung .der Nierenexstirpation Fieber erzeust und bei Fieber ist die Harnstoff- Production sehr gesteigert. Dieser Einfluss, den das Fieber hat, tritt deutlich hervor, wenn man bei einem Thiere durch subeutane Injection von Eiter Fieber erzeugt und den Procentgehalt des Blutes an Harnstoff vor und nach der Injection vergleicht. Im Blute des fiebernden Thieres ist viel mehr Harnstoff als in dem vor der Injection von Eiter entzogenen. In den Organen wie Leber, Milz ete. fand sich jedoch kein vermehrter Harnstoffgehalt. Um den Ursprung des Harnstoffs zu erforschen, wurden möglichst viele Organe eines und desselben Thieres bei verschiedener Nahrung auf Harnstoff in quantitativer Beziehung untersucht. In den Bereich der Untersuchung wurde Blut aus dem arteriellen und venösen System, die Leber, die Milz, die Lungen, die Nieren, das Gehirn, die Augen- flüssigkeit mit Glaskörper und Linse, die Muskeln, Herzmuskel gesondert, gezogen. In alle diesen Organen und Flüssigkeiten fand sich Harnstoff der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur, 197 und zwar fast überall gleich procentisch vertheilt, mit Ausnahme jedoch der Muskeln, welche in allen Fällen vergeblich darauf untersucht wurden. In Erwägung, dass der Harnstoff im ganzen Körper mit Ausnahme der Muskeln fast gleich procentisch vertheilt ist, dass die Blutmenge, welche in diesen Organen angetroffen wird, zu gering ist, wie besondere Blutbestimmungen ergeben haben, so möchte sich Vortragender dahin aussprechen, dass der Harnstoff überall im ganzen Organismus entsteht, mit Ausnahme der Muskeln. Die nähere Begründung dieser Meinung, sowie die Methode, welche zur Darstellung des Harnstoffs, angewandt wurde, soll die ausführliche - Mittheilung enthalten, welche in wenig Wochen bei Wilhelm Engelmann in Leipzig erscheinen wird. Herr Privatdocent Dr. Sommerbrodt stellt drei Patienten vor, an welchen er laryngoskopisch polypöse Neubildungen im Kehlkopf demonstrirt. 1) Eine 41 jährige Frau, bei welcher seit einem Jahre be- trächtliche Heiserkeit vorhanden, als deren Ursache sich eine ziemlich Srosse, in der rima glottidis flottirende, papilläre Neubildung auf der. vorderen Commissur und dem vordersten Theil des linken wahren Stimmbandes herausstellt; 2) eine 40jährige Frau mit langjähriger Heiserkeit, bei der sich ein mit breiter Basis aufsitzender Schleim- polyp am freien Rande des linken wahren Stimmbandes vorfindet 3) einen 31 jährigen Mann mit °/, Jahr bestehender Heiserkeit, beding- durch einen erbsengrossen, rundlichen Schleimpolyp, welcher dicht unter dem freien Rande des rechten wahren Stimmbandes, ziemt lich in der Mitte desselben seinen Sitz hat. — Der Vortragende besprach im Anschluss hieran die von ihm in Aussicht genommenen Methoden behufs Entfernung der Neubildungen durch Operation. % In der Sitzung vom 31. März sprach Herr Dr. Freund über eine operative Behandlungsweise chronischer Metrorrhagien. Dieselbe besteht im Verschluss der nicht wund gemachten cervix uteri durch Drahtnäthe. Er erzählt einen in dieser Weise behandelten Fall. Herr Dr. Martini berichtet über einen gleichen Fall. Herr Privatdocent Dr. Sommerbrodt demonstrirte eine erbsen- grosse gestielte Papillar- Geschwulst des Kehlkopfes, welche — durch einen heftigen Hustenstoss abgerissen, von einem Kıanken, der 2 Jahre an Stimmlosigkeit und Aihemnoth gelitten, expectorirt wurde. Nach Angabe des Vortragenden befindet sich ein zweites, ganz ähnliches Papillon noch im Kehlkopfe dieses Kranken auf der vorderen Partie des rechten Stimmbandes und soll operativ entfernt werden. In der Sitzung am 28. April sprach Herr Professor Dr. Fischer über Schussverletzungen im deutsch - französischen Kriege. - Fortsetzung 198 Jahnke Besicht der Vorträge in der neunten und zehnten Sitzung von 1870. — Herr Professor Dr. Waldeyer demonstrirte die betreffenden Präparate. In der Sitzung vom 19. Mai stellte Herr Dr. O0. Berger einige Kranke vor zur Illustration einer physiologisch und pathologisch inter- essanten Thatsache, welche ihm bei der Untersuchung einer grossen Anzahl von Verwundeten aufgefallen ist, die verschiedener Störungen wegen der electrotherapeutischen Station im hiesigen Garnisonlazareth zur electrischen Behandlung überwiesen waren. Derselbe fand nämlich in der Mehrzahl der Fälle — die fast nur einfache Muskelschüsse be- trafen — ausgedehnte, meist halbseitige, der Seite der Verwun- dung entsprechende Störungen der Sensibilität, welehe nicht allein die Haut, sondern auch die derselben benachbarten Schleimhäute be- trafen, und eine Abnahme der Sensibilität in allen ihren Qualitäten (Tastsinn und cutane Gemeingefühie) zeigten. Dabei war in mehreren Fällen auch ein Verlust, resp. Abnahme des Geschmack- und Geruch- sinns, sowie hochgradige nervöse Schwerhörigkeit auf dem Ohre der be- treffenden Seite zu constatiren. Bei einer Reihe von Kranken war die Sensibilitäts-Abnahme nur an der verwundeten Extremität und im Haupt- Nerven-Gebiete des benachbarten Nerven - Plexus vorhanden und nur bei wenigen beschränkte sich dieselbe auf das verwundete Glied oder die Umgebung der Narben. Auch das musculäre Gemeingefühl (eleetro- musculäre Sensibilität) sowie der eigentliche Kraftsinn zeigten sich meist vermindert. Proportional dem Grade der Anästhesie war auch die Re- flex-Erregbarkeit herabgesetzt. Bei einem Kranken (welcher vorgestellt wurde) erstreckte sich die Anästhesie auch auf die Knochen, Gelenk- flächen etc., so dass bei ihm die Perception passiver Bewegungen, so- wie das Gefühl für die Stellung der Glieder vollständig verloren ge- gangen war. Trotz dieser completen Anästhesie der rechten Körperhälfte zeigte der rechte Arm und das rechte Bein keine Spur von Coordina- tions-Störungen. Dieser Patient war bisher der einzige, der bald nach der Verwundung (Bajonnetstich durch die Testikel und beide Ober- schenkel und Verletzung des rechten Schenkelbeins) das Gefühl der Taubheit in der rechten Körperhälfte, besonders stark im Gesicht, ver- spürte, während die übrigen Kranken von der objectiv nachweisbaren Sensibilitäts- Abnahme keine Ahnung hatten. Was motorische Lähmungen anbelangt, so war in fast allen Fällen, obwohl schon Monate. seit der Vernarbung der Wunden verflossen waren, ohne Störung der Einzel-Bewegungen, hochgradige Kraftlosigkeit in sämmtlichen Muskeln der verwundeten Extremität vorhanden, was wohl meist auf die längere Unthätigkeit zurückzuführen ist. In diesen Theilen zeigte sich auch eine Herabsetzung der Farado- und Galvano- Contractilität, sowie der Erregbarkeit der Nervenstämme. In einigen ve DE ESER N r Krk 2 er Te 7 NEE A Er, der Schles, Gesellsch. £. vaterl. Cultur, 199 Fällen war auch an der unverwundeten Extremität der betreffenden Seite eine Abnahme der galvanischen Erregbarkeit der Nerven, sowie der Farado- und Galvano-Contractilität der Muskeln zu constatiren, ohne Ab- nahme der motorischen Kraft. Der Vortragende ist mit der weiteren Untersuchung dieses letzten Punktes noch beschäftigt. In zwei Fällen war eine complete motorische Lähmung an einem entfernten und mit der Verletzung in gar keinem Zusammenhange stehenden Gliede vor- handen und zwar bei einem etwa 2 Zoll langen Bajonnetstich der rech- ten Schulter, Lähmung des linken Beines und bei einer Fleischwunde des Nackens Lähmung des linken Armes. — Bei einer Anzahl von Nerven-Schussverletzungen zeigten sich die ausgedehntesten Sensibilitäts- störungen eigenthümlicher Weise nicht. Bei der Häufiskeit und Regelmässigkeit der geschilderten Sensi- bilitäts-Störungen ist die Annahme einer ausserhalb der Verwundung als solcher liegenden Ursache völlig von der Hand zu weisen, zumal auch nach dieser Richtung hin untersucht worden ist. Dieselben sind vielmehr zur Klasse der sogenannten Reflex-Lähmungen zu zählen. Bisher sind nur vereinzelte ähnliche Beobachtungen in einer Abhandlung von Mitchell, Keen und Morehouse mitgetheilt worden, was sich wohl daraus erklärt, dass die Kranken selbst nichts davon wissen und nur methodische Sensibilitäts-Prüfungen zu einem Resultate führen. Was die Erklärung der sogenannsen Reflex- Lähmungen anbelangt, so erwähnt der Vortragende die Theorien von Brown-S&quard und Jaccoud, sowie der neueren diese Frage zum Theil lösenden ex- perimentellen Arbeit von Lewisson und glaubt, die geschilderten Störungen dadurch erklären zu können, dass durch die mit der Ver- letzung verbundene heftige Reizung einer Summe sensibler Nerven gewisse Theile des Centralnervensystems in ihrer Thätigkeit gehemmt, werden. — Der Vortragende stellt noch zwei Fälle von Serratus-Lähmung vor, von denen der eine in der dritten Woche eines Ileo-Typhus, der andere mit einer Parese der portio clavicul. des Cucullaris und des Latissi- mus dorsi vergesellschaftet, durch eine Quetschung der Schulter entstand. In der Sitzung vom 26. Mai sprach Herr Professor Dr. Heiden- hain über die Teemperaturdifferenz der beiden Herzhälften und über die Ursachen derselben. Es wurde durch einen Versuch gezeigt, dass der rechte Ventrikel eine höhere Temperatur besitzt, als der linke, dass dieser Unterschied aber nicht, der bisherigen Annahme gemäss, auf einer Abkühlung des Blutes in den Lungen, sondern vielmehr darauf beruht, dass die Wandung des rechten, dem Zwerchfelle aufliegenden Ventrikels von den unterhalb des letzteren gelegenen Abdominalorganen her Wärme zugeleitet erhält. 200 'Jahres-Bericht | In der Sitzung vom 9. Juni sprach Herr Medieinalrath Professor Dr. Spiegelberg über den Geburtsverlauf bei eigen Becken. In der Sitzung vom 23. Juni sprach Herr Dr. Freund über Indieation und Contraindication der Ovariotomie. Im Anschluss an einen vor 8 Wochen operirten Fall einer 51 jähri- gen Frau, deren seit mehreren Jahren bestehender Ovarialtumor jüngst schnell gewachsen und nach einer Punktion in Entzündung und Eiterung gerathen wär, und welche bis zur Operation in heftigem (Eiterungs-) Fieber sich befunden hatte, "nach der Operation fieberfrei geworden und nach Ueberwindung intereurrenter drohender Paralyse nach 14 Tagen vollkommen genesen ist, wird unter Herbeiziehung zweier ähnlicher Fälle (Keith und Veit) aufgestellt, dass fieberhafter Zustand, welcher von ent- zündlicher Affection des Ovarialtumor herrühit, keine Contraindieation, sondern unter Umständen vielmehr Indication zur Ovariatomie gebe, In der Sitzung vom 7. Juli sprach Herr Professor Dr. Fischer über trophische Störungen nach Schüssverletzungen. Hierauf besprieht Herr Apotheker Julius Müller weiter das im vorigen Jahre in Gemeinschaft mit Herin Dr. Stern zur. therapeutischen Anwendung vorgeschlagene Quecksilberehlorid-Chlornatrium mit Ueber- schuss von Chlornatrium. Er wird dazu veranlasst, @inmal durch sich bisweilen widersprechende Erfolge bei Anwendung dieses Mittels (so wird es im Allerheiligen -Hospital stets vorzüglich vertragen, wogegen | Herr Professor Dr. Förster und Herr Dr. Köbner — freilich bei Zusatz geringerer Mengen Chlornatrium = bisweilen doch auch die unange- nehmen Nebenwirkungen des reinen Sublimat beobachtet haben); zum anderen Male durch einen Aufsatz im Archiv der Pharmaeie, worin der Besitzer einer der grössten chemischen Fabriken, C. Schering in Berlin, das von ihm in Folge der von Stern und Müller in der Berliner klini- u 1.20 Te I schen Wochenschrift veröffentlichten Abhandlung dargestellte Präparat 1 „Aydrargo Natrium chloritum“ wmit Anführung dieser Abhandlung zur j Benutzung empfiehlt. '@ Der Vortragende theilt zuerst kurz nochmals die Gründe mit, die 4 | {) ik ihn bewogen, das Quecksilberchlorid -Chlornatrium mit Uebeischuss von Chlornatrium zu empfehlen und schloss dann aus der Thatsache, dass eine eoncentrirte Eiweis nicht fällende Lösung von 1 Theil Quecksilber- chlorid und 10 Theileh .Chlornatiium beim grossen Verdünnen Eiweiss doch wieder trübe, „die beobachteten unangenehmen $ublimatwirkungen bei Anwendung dieses Mittels rühren nur von der zu geringen Menge zugefügten Chlornätriums her.‘ In der That ist im Allerheiligen-Hospital die Menge des Chlornatriums stets eine bei Weitem grössere gewesen, als die von oben erwähnten Aerzten benutzte. nn le ld at aa nenne han an ns der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur. 301 Was das von Schering dargestellte Präparat betrifft, so verwirft dies der Vortragende. Das Präparat ist die reine chemische Doppel- verbindung von Quecksilberchlorid mit Chlornatrium, enthält in Folge dessen noeh nicht die Hälfte Chlornatrium zum vorhandenen Quecksilber- chlorid, es war also anzunehmen, dass es Eiweisslösung fällen würde. Dies ist nuu in der That der Fall; es hat in Folge dessen das von Schering dargestellte Quecksilberehlorid-Chlornatrium keinen Vortheil vor dem reinen Sublimat. Erst die grössere Menge von Chlornatrium be- dingt das Nichtgefälltwerden der Eiweisslösung und somit auch die leichte Aufnahme im Organismus. J. Müller hat dureh Auflösen von 100 Theilen Chlornatrium und 1 Theil Quecksilberchlorid in Wasser, Filtriren und Abdampfen ein Salz dargestellt, was also in einem Gramm 0,01 Gr. Sublimat enthält. Verschreibt der Arzt von diesem Hydrargyrum bichlor. c. Natre chlörato 6 Gramme auf 180 Gr. Wasser, so nimmt der Patient bei Dosirung von ‚zweistündlich einen Esslöffel“ 0,03 Gramm Suklimat pro die. Der Vortragende ist überzeugt, dass es auch bei dieser grösseren Dosirung, als es früher von ihm vorgeschlagen, gut vertragen und die Dauer der Kur eine kürzere sein wird, Schliesslich erwähnt der Vortragende noch, dass, wenn bei der Schmierkur — wie es mindestens höchst wahrscheinlich — die Wirkung des metaliischen Quecksilbers nur in dem Gelöstwerden desselben ver- mittelst des an Chlornatrium so reichen Schweisses basirt, es gewiss rationeller sei, das zur Heilung nöthige Quecksilber in der leicht assimilir- barsten Form und in der nur gerade erforderlichen Menge dem Organisınus zuzuführen, als eine nicht zu berechnende Menge Quecksilber vermittelst der Schmierkur in den Körper zn bringen. Hierauf demonstrirte Herr Dr. O. Berger einen Fall von partieller Empfindungs-Lähmung. Ein 26jähriger Soldat war in Folge der Erkältungen und Strapazen des Feldzuges erkrankt und zeigte neben einer Reihe motorischer Symptome (Paraparese mit beginnender Ataxie) eine vollständige Analgesie, die nicht allein die Haut der gesammten 'Körperoberfläche, sondern auch die äussern Schleimhäute betraf, während der eigentliche Tastsinn Anfangs vollständig erhalten war, im spätern Verlaufe der Krankheit jedoch, besonders an den unteren Extremitäten, _ wenn auch zunächst noch im mässigen Grade, auch zu leiden anfing. Die Reflex-Erregbarkeit ist allenthalben ebenfalls erloschen, wäh- rend die elecetromuseuläre Sensibilität und der Kraftsion der Muskeln vollständig erhalten sind, ebenso die Perception passiver Bewegungen und das Gefühl für die Stellung der Glieder. — Jedenfalls handelt es sich um eine Rückenmarks- Erkrankung, die vorzugsweise, nach der Schiff’schen Theorie von der Leitung der Gemeingefühle durch die graue Substanz, während der Tastempfindungen in den Bahnen der Hinterstränge sich fortpflanzen — die graue Substanz des Rücken- » RE ET EEE TS re EL RIEEE mien EN ae a 3 en A vr er rt 2 % a 202 Jahres-Bericht marks in ihrer ganzen Längsausdehnung und in der Totalität ihres Quer- schnittes betrifft; doch beginnt der Process bereits auch auf die übrigen Theile des Rückenmarkes, speciell auf die Hinterstränge, sich auszu- dehnen so wie die Entartung auch bereits nach dem Gehirn aufwärts geschritten ist. — Patient klagt über häufige intensive Schmerzen in den analgischen Theilen besonders längs des Rückens und in den unteren Extremitäten, In der zehnten Sitzung vom 14. Juli sprach Herr Privat- Docent Dr. Hermann Cohn über Enucleation des Auges nach Schuss-Verletzungen. Derselbe hat ein Auge in Forbach und zwei im Lazareth zu Heinitz herausgenommen, das erste 4 Tage, die beiden andern 8 Tage nach der Verwundung. Im ersten Falle hatte die Kugel eine tiefe Lochwunde im vorderen Abschnitte des Bulbus hervorgerufen; ein sehr grosses Blut- extravasat unter der Chorioidea und diffuse Vereiterung der Aderhaut selbst wurde anatomisch nachgewiesen. Im zweiten Falle hatte die Kugel das Auge von vorn nach hinten durehbohrt und war im Nacken ausgetreten. Eine breite klaffende Wunde trennte den oberen inneren Quadranten der Hornhaut von den übrigen Theilen derselben. Diffuse eitrige Infiltration der Chorioidea konnte im enucleirten Augapfel nach- gewiesen werden. Im dritten Falle war durch ein Granatstück der ganze vordere Theil des Augapfels verbrannt und zahlreiche Granatstückehen in die Lider und in den oberen Augenbrauenbogen eingesprengt worden. Hier, wie in den ersten beiden Fällen war das Auge vollständig erblin- det, sehr beträchtliche Lidschwellung, Oedem der Bindehaut und Exoph- thalmus vorhanden, so dass unzweifelhaft im Stadium der eitrigen Panophthalmitis operirt wurde. Die Heilung ging in allen drej Fällen sehr schnell von Statten, die rasenden Schmerzen verschwanden unmittelbar nach der Enueleation, die Patienten verliessen schon wenige Tage nach derselben das Bett, von Complicationen mit Meningitis war in keinem Falle die Rede. Die Patienten wurden nach wenigen Wochen entlassen, ein nach den meisten Richtungen hin bewegliches Glasauge konnte eingelegt werden, von sympathischen Erscheinungen auf dem anderen Auge war nirgends eine Spur aufgetreten. Der Vortragende glaubt, dass es als ein Lehrsatz in die Kriegs- chirurgie eingeführt werden müsse, dass jedes Auge, welches eine per- forirende Schusswunde zeige und absolut erblindet sei, sofort prophy- laktisch enucleirt werden müsse, da dadurch eines Theils die langwierige, sehr schmerzhafte Panophthalmitis, andererseits jede drohende Gefahr für das andere Auge am sichersten und einfachsten abgewendet werde. Da einige Fälle von Tod nach Enueleation während der eitrigen der Schles. Gesellsch. f, vaterl. Cultur. 203 Panophthalmitis durch Meningitis von Gräfe, Horner und Mann- hardt sicher beobachtet worden sind, so dürfte, obgleich die von dem Vortragenden mitgetheilten Fälle glücklich abliefen, doch die Enucleation möglichst bald nach der Verletzung, moch bevor die Panoph- thalmitis eintritt, ebenso (wie die Primäramputation bei Zerschmetterung einer grösseren Extremität, wenn zugleich Gefässe und Nerven zerrissen sind) als Primär-Enucleation angezeigt sein. Hierauf theilt der Vortragende noch zwei Fälle mit, in welchen ein Streifschuss höchst eigenthümliche und seltene Veränderungen in der Aderhaut und Netzhaut hervorgerufen und bei welchen er, obgleich jede Spur der bekannten sympathischen Iritis, Iridocyclitis oder Irido- ehorioiditis fehlte, dennoch das contusionirte Auge 5 bis 6 Monate nach dem Gefechte von Le Bourget, wo die Verwundungen vorgekommen waren, heraus nahm. Veranlassung dazu gab eine ohne jede anatomische Ver- änderung in beiden Fällen rein subjeetiv eintretende Abnahme der Sehkraft des anderen Auges. Die Sehschärfe fiel ohne nachweisbare Veranlassung in dem vorher ganz gesunden anderen Auge in dem einen Falle bis auf *%,,, in dem anderen bis auf *%, ,0- Die Aceommodationsbreite verringerte sich von Y/, auf '/), und Y,,. Ein beständiges Flimmern vor dem gesunden Auge hin- derte jede Thätigkeit. Ein Patient gab an, er glaube durch eine in fort- währender Vibration befindliche erwärmte Luftschicht wie durch die Luft über den Prosceniumslampen im Theater zu sehen. Länger als 2 bis 3 Minuten konnte überhaupt bei keiner Thätigkeit mehr ausgehalten werden, weil alsdann Thränen, Stirnschmerz und Röthung des Auges eintrat. Nach der Enucleation fand sich nach Professor Waldeyers anatomischer Untersuchung in dem einen Auge eine ausserordentlich ausgebreitete ehronische Chorioretinitis mit Bildung eines plastischen Exsudats auf der inneren Fläche der Retina mit gleichzeitiger fibröser Entartung der Netz- haut und Atrophie der Aderhaut; in dem anderen ein kleiner eircum- seripter Bluterguss genau unter dem gelben Fleck, welcher die Netzhaut an dieser Stelle faltenförmig emporgehoben hatte. Unmittelbar nach der Enucleation, welche nur wenige Minuten dauerte und deren Nachbehand- lung nur einige Tage in Anspruch nahm, stieg die Sehschärfe in dem- einen Falle von *0, ,, auf *%,,, in dem anderen von %%,, auf 2%o- Die Accommodationsbreite wurde wieder vollständig normal, die Patienten können bei allen Arbeiten lange aushalten und das dieselben höchst beängstigende Flimmern ist total verschwunden. Es folgt hieraus, dass man ausser den bis jetzt angenommenen sympathischen Entzündungs- formen, vielleicht als den frühesten Vorläufer derselben subjective sympathische Erscheinungen, selbst nach kleinen Contusionen, als schleunigst die Enuceleation indieirend betrachten muss. Wenn auch die Nervenbahn, welche die traurigen Erscheinungen von dem ver- u 204 Jahres-Bericht letzten Auge auf das gesunde überleitet, bisher unbekannt ist, so lehrt doch die Erfahrung, dass die Enucleation auf der Stelle alle Beschwer- den vollständig beseitigt. Die Krankengeschichten, die makroskopischen und mikroskopischen Obductionsbefunde, sowie. Epikrisen der beobachteten Fälle sind ausführ- lich mitgetheilt in dem ophthalmologischen Theil des bei Enke in Er- langen erscheinenden, unter der Presse befindlichen Berichtes der frei- willigen Expedition neh dem Kriegsschauplatze. Hierauf sprach Herr Professor Dr. en, er über die Entwicke- lung der one, In der elften Sitzung am 28. Juli demonstrirte Herr Professor Dr. Waldeyer mikroskopische Präparate zum Vortrage zur zehnten Sitzung. Hierauf sprach Herr Privatdocent Dr. Nothnagel über eutane Sensibilitätsstörungen bei Neuralgien. Er theilt mit, dass dieselben zuerst von Tuerk beschrieben, nach seinen Beobachtungen eine constante Begleiterscheinung der Neuralgien seien, wie dies auch schon Traube angegeben. Sie stellen sich dar als Hyperästhesie (richtiger Hyperalgesie) und Anästhesie, welche stets alle Qualitäten des Tiastsinnes betrifft. In der Regel sind die Sensibilitäts- störungen nur gering, selten hochgradig. Sehr oft bleiben sie nicht auf den Hautbezirk des affieirten Nerves beschränkt, sondern erstrecken sich viel weiter, häufig über die ganze betreffende Körperhälfte, Die cutanen Störungen bestehen nieht nur während der Schmerzanfälle, son- dern auch in den freien Intervallen. In fast allen Fällen, so dass es als Regel angesehen werden kann, gestaltet sich das Verhältniss derart, dass die Hyperästhesie bei frischen Neuralgien, die Anästhesie bei schon länger bestehenden anzutreffen ist. Der Vortragende bemerkt, wie er analoge Be nicht nur bei den neuralgischen, sondern überhaupt bei den verschiedenartigsten Schmerzen aus ganz verschiedenen Ursachen habe antreffen können, wenn dieselben eine bestimmte Intensität erreichten und Nervenbahnen betrafen, die andere Zweige zur Haut schicken. | Bezüglich der Erklärung ist dem Vortragenden zufolge die Ursache der cutanen Sensibilitätsstörung in dem Momente des Schmerzes, dem physiologischen Vorgange der Schmerzempfindung zu suchen. Er weist anatomische Veränderungen als Ursache zurück, weil dieselben ver- schiedene Erscheinungen unerklärt lassen. Der Vortragende führt aus, wie der Schmerz, wenn er lange besteht und heftig ist, zu einer Ermüdung der empfindenden Centren führen müsse, und durch diese sei es bedingt, dass Hauteindrücke weniger in- “rn m er : De der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur. 305 iensiv empfunden werden. Umgekehrt bestehe bei frischen Schmerzen eine stärkere Irradiation in den centralen Ganglienzellen ohne schon ein- getretene Ermüdung und daher die Hyperästhesie. Der Vortragende zeigt endlich, wie eine Reihe von Gründen dagegen sprechen, die cutanen Empfindungsstörungen in Veränderungeu (selbst funetionellen) der Nerven- stämme und peripheren Nervenendigungen zu suchen. In der zwölften Sitzung vom 4. August besprach Herr Professor Waldeyer nach einer kurzen Darstellung des Baues jener niedersten organischen Lebensformen, welche wir als Bacterien, Vibrionen u. 8. f. bezeichnen, die pathologische Bedeutung dieser Gebilde, welche nach den bis jetzt bekannt gewordenen Thatsachen eine äusserst mannig- faltige zu sein scheint. Wenn es richtig ist, was jüngst Prof. F. Cohn auf der Jahresversammlung der schlesischen Botaniker nach Wiederholung der von Th. Schwan zuerst angestellten sogenannten Pasteur’schen Versuche ausgesprochen hat, dass die Bacterien geradezu die Ursache jedes Fäulnissprocesses seien, so resultirt schon daraus die ungemeine Wichtigkeit dieser räthselhaften Wesen auch für das Gebiet der Patho- logie. Der Vortragende berührt kurz die bisher über diesen Gegenstand bekannt gewordenen Thatsachen und verweilt besonders bei den un- längst durch von Recklinghausen, Verhandlungen der Würzburger physikalisch - medieinischen Gesellschaft, Sitzung vom 10. Juni 1871, gegebenen Mittheilungen, welehe unsere Aufmerksamkeit in hohem Grade beanspruchen. Hiernach sind die in vielen Fällen von Typhus, Pyaemie und anderen Krankheitsprocessen vorkommenden miliaren Eiterherde, die man bisher nach Virchow’s Vorgange als capilläre Embolien auf. gefasst hat, durch Bacterien bedingt, welche sich in Blutgefässen, Harn. eanälchen, Lungenalveolen ete. ansiedeln. | Der Vortragende hat seit seinen ersten Mittheilungen über das Vor- kommen von Bacteriencolonien in der Leber, dem Magen, dem Pankreas und in den Nebennieren, wo sie sich als sandkorngrosse schwarze Flecke manifestirten, bei einem Falle von acuter difuser Hepatitis, in letzter Zeit wiederholt Beobachtungen gemacht, welche mit den v. Reckling- hausen’schen Erfahrungen übereinstimmen. So beobachtete er miliare Bacterienherde zu vielen Hunderten im Herzfleische bei Pyaemie, wo sie ebenfalls unter der Form kleinster Capillarembolien auftraten. (Rind- fleisch, Lehrbuch der pathologischen Histologie, 1. Auflage, pag. 183, scheint zuerst diese kleinen myoeardischen und subendocardialen Herde richtig gedeutet zu haben.) Ferner kamen in vier Fällen von miliaren abscessähnlichen Herden in den Nieren die Baeterien als einzige Ursache derselben vor; bei einem dieser Fälle, der bereits in Virehow’s Archiv publieirt worden ist, war das Nierenparenehym neben den Bacterien- herden unverändert; in den letzten beiden Fällen, von denen der eine u: a RN Va c- OF CT TEE eur ar on nn Sa DE TR ar an Di N a Ayck * GB za Aal er E > i 206 Jahres-Bericht im Laufe des letzten Winters zur Beobachtung kam, hatte sich bereits um die Bacterien führenden Harncanälchen herum eine interstitielle Eiterung gebildet, wie in den von v. Recklinghausen beschriebenen Fällen. Alle nicht von Bacterien eingenommenen Theile dieser Nieren waren frei. Die Zahl der kleinen bacteridischen Abscesse mochte sich auf einige Tausende belaufen. Weiterhin beobachtete der Vortragende mehrere Fälle von hämorrha- gischer Nephropyelitis bei verschiedenen acuten Infectionskrankheiten, in denen in der Schleimhaut des Nierenbeckens und zwar sowohl in den Blutgefässen, als auch iuterstitiell, Bacteriencolonien gefunden wurden. Ferner gehören die von Buhl und dem Vortragenden beobachteten Fälle von Mykosis intestinalis (Buhl) hierher, bei denen der rasch unter choleraähnlichen Symptomen erfolgende Tod einzig und allein auf die Anwesenheit zahlreicher Bacterien in fast allen Blut- und Lymphbahnen des Körpers, namentlich in den zum Pfortadersystem gehörenden Venen, zurückzuführen war. Es finden sich dabei auf der Magen- und Darm- schleimhaut zahlreiche grosse, furunkulöse Herde, wodurch dieser Process ohne Weiteres charakterisirt wird, denn etwas Aehnliches lässt sich bei keiner anderen Affection des Digestionstractes beobachten. Endlich erinnert der Vortragende noch an eine mehr harmlose Rolle der Baeterien, insofern sie mitunter die einzige organische Grundlage von Conerementen zu bilden scheinen. So ist es seit Langem bekannt, dass im Weinstein der Zähne Vibrionen und Bacterien vorkommen. Nach den hier gewonnenen Erfahrungen giebt es aber Zahn-Weinstein, dessen organisches Substrat, welches nach Behandlung mit Salzsäure in fast gleichem Volumen zurückbleibt, ausschliesslich aus Bacterien besteht. Dasselbe war bei einem haselnussgrossen Rhinoliten der Fall, den Prof. Voltolini zur Untersuchung eingeliefert hatte. Aehnliches findet sich auch in manchen Lungensteinen, Im Anschlusse an die voraufgegangenen Mittheilungen demonstrirte Heır Professor Ferdinand Cohn eine Anzahl Glaskölbchen, in denen gekochte Erbsen, gekochtes Hühnereiweiss ete. mit gekochtem destillir- ten Wasser übergossen und längere Zeit (einige seit Anfang Januar) sich selbst überlassen waren. 1. Durch das Kochen werden zwar die im Wasser etwa vorher vorhandenen oder dem hineingebrachten Stoffe zufällig (durch ‘den Staub) adhärirenden Bacterienkeime getödtet; das Faulen der Erbsen, des Eiweiss etc. aber wird zwar verlangsamt, jedoch durchaus nicht ver- hindert; denn in den offen gebliebenen Kölbehen beginnt sich das Wasser früher oder später (je nach der Lufttemperatur) zu trüben, was von der Entwickelung und Vermehrung der Bacterien herrührt, da diese, auch wenn farblos, ein anderes Lichtbrechungsvermögen, als Wasser zeigen. Schliesslich zerfliesst die organische Substanz in eine faule schleimige je ze \ der Schles. Gesellsch, f. vaterl. Cultur. 307 Masse. Alle diese Vorgänge treten ebenso in ungekochten als in ge- kochten Kölbehen ein, meist schon nach wenig Tagen. 2. Wird ein Kölbehen während des Kochens zugeschmolzen, so bleibt das Wasser durch unbegrenzte Zeit farblos und klar, also auch frei von Bacterien, ebenso bleiben auch die organischen Substanzen völlig unverändert. 3. Ebenso bleibt Wasser klar, also bacterienfrei, und die Fäulniss unterbleibt gänzlich, wenn Kohlensäure in das Kölbehen vor dem Zu- schmelzen eingeführt wird. 4. Wasser bleibt völlig klar und bacterienfrei, und keine Fäulriss tritt ein, wenn der Hals des Kölbehens nach etwa '/, stündigem Kochen mit gewöhnlicher Baumwolle lose verstopft wird. Unsere Versuche haben diese zuerst von Schroeder und Dusch entdeckte Thatsache vollkommen bestätigt. 5. Aus Versuch 2 und 3 folgt, dass gekochtes Eiweiss ete. nicht fault, wenn der Zutritt von atmosphärischer Luft ausgeschlossen ist; aus Versuch 4, dass sich weder Bacterien noch Fäulniss einstellt, wenn Luft zutritt, aber die in ihr enthaltenen Baeterienkeime durch den Baumwoll- pfropf abfiltrirt worden sind. 6. Dass bei Versuch 4 die durch den Baumwollpfropf in das Kölb- chen eingedrungene Luft an und für sich die Fäulniss nicht unmöglich macht, ergiebt sich aus den Versuchen, bei welchen das Wasser durch Schütteln nachträglich mit dem Baumwollenpfropf in Berührung gebracht ist. Hierbei nimmt das Wasser Bacterienkeime auf, welche in der Baum- wolle abfiltrirt waren; die Folge ist, dass während bis dahin das Wasser klar und die organische Substanz unverändert blieb, alsbald sich das Wasser durch Vermehrung der Bacterien trübt und die Fäulniss beginnt und rasch fortschreitet. 7. Aus allen diesen Versuchen ergiebt sich, dass ohne Bacterien keine Fäulniss eintritt, dass durch Abschluss der Bacterien die Fäulniss verhindert, durch Zutritt derselben die Fäulniss eingeleitet, dass sie in demselben Maasse fortschreitet, als sich die Bacterien auf Kosten der faulenden Substanz vermehren. Es ist demnach Fäulniss in gleicher Weise ein von Bacterien ein- geleiteter Process, wie Alkoholgährung von Hefenpilzen ausschliesslich hervorgerufen wird; das Zerfallen stickstoffhaltiger organischer Verbin- dungen in Fäulnissproduete ist in ähnlicher Weise eine Folge der Thätigkeit der Bacterien, als das Zerfallen des Zuckers in Kohlensäure und Alkohol ein Product der Thätigkeit der Hefenpilze ist, 8. Weitere Versuche haben ergeben, dass zum Tödten der im Wasser vorhandenen Bacterienkeime Kochen nicht erforderlich ist, sondern, dass schon ein Erwärmen auf 80° C. (unter Umständen selbst auf 75 °) ge- 208° Jahres - Bericht nügt, um die Entwickelung der Bacterien und die Fäulniss unter Baum- wollenverschluss zu verhindern. 9. Bei einigen dieser Versuche, wo Erbsen-auf 80° Y, Stunde lang erwärmt waren, entwickelte sich au der Oberfläche des Wassers in Kölbehen Penicillium mycel, welches sich: reichlich vermehrte, und auch in der Luft fructifieirte; das Wasser aber trübte sich nieht und auch die Fäulniss unterblieb gänzlich. Hieraus ergiebt sich a) dass eine Er- wärmung auf 80° hinreicht, um Bacterienkeime, nicht aber um Schimmel- sporen zu tödten; b) dass Bacterien keineswegs, wie Hallier behauptet, eine besondere Fortpflanzungsform (Mikrocoeeussehwärmer) von Penieillium sind, überhaupt nicht aus Penieillien hervorgehen, sondern höchst wahr- scheiniich selbstständige Organismen dars‘ellen. Hierauf sprach Herr Dr. A. Horvath aus Kiew über Erfrierungs- versuche, welche er im Laboratorium von Prof. Heidenhain ange- stellt hatte. Es gelang ihm, junge Hunde bis zu + 4,50 C. abzukühlen und die vollkommen scheintodten Thiere durch Erwärmen wieder zum vollen Leben zurückzurufen. Bei Kaninchen und Katzen trat bei + 7,6°, resp. + 9,50 (Rectum) Stillstand der Respiration und der Herzthätigkeit ein; die Muskeln waren sowohl auf direete, als auch auf indireete Reize scheinbar reactionslos, bis auf local unter den Eleetroden eintretende „idiomusculäre Wülste.‘“ Selbst nach einer Stunde gelang es aber durch Erwärmen wieder Herzcontraetionen und Reaction der Muskeln auf di- recte electrische Reize zu erzielen. Der Vortragende macht auf die Be- deutung dieser Thatsache in Bezug auf die Wiederbelebung Erfrorener aufmerksaın. In der dreizehnten Sitzung am 8. September sprach Herr Dr. med. Weigert über Bacterien in der Pockenhaut (vergl. „Centralblatt für medicinische Wissenschaften“ vom 30. September 1871). Dr. Freund kritisirt das Köberle’sche Verfahren gegen retroflexio uteri (laparotomie und Einheilung des wundgemachten Zigam. latum, tuba, ovarium in die Bauchwunde) als unstatthafl. Er zeigt die Möglichkeit einer operativen Behandlung des Leidens vermittelst Blosslegung, Auf- frischung und Vornährung des ligam. rotundum nach mehrfachen Versuchen und Präparationen in cadavere. — Die Technik der Operation ist eine einfache. In der Sitzung vom 6. October sprach Herr Privatdocent Dr. Her- mann Cohn über die Augen von 240 atropinisirten Dorfschulkindern. In Petersburg sind die Augen von 4,358 Schulkindern, ähnlich wie es der Vortragende vor 5 Jahren bei 10,060 Kindern in Breslau vor- E 5 ei 3 g R E ; Si er Mn a ee re hr a A wir der Schles. Gesellsch. f, vaterl. Cultur. 309 nahm, von Dr. Erismann in neuester Zeit untersucht worden. Auch dort ergab sich eine enorme Zunahme der Kurzsichtigen und des Grades der Myopie von Klasse zu Klasse. Die Arbeit Erismann’s hat viele Fehler und viele Vorzüge, welche der Vortragende speciell bespricht. Erismann prüfte alle anscheinend Normalsichtigen (Emmetropen) mit Con- vexgläsern und fand so 43 pCt. Uebersichtige (Hyperopen). Da jedoch die Accommodation der Kinder nicht ausgeschlossen, das Resultat also ziemlich werthlos war, und da kein Wort über den Grad der Ueber- sichtigkeit von Erismann mitgetheilt worden, suchte der Vortragende die wichtige Frage über den Bau des normalen Auges zu lösen, in- dem er 240 Dorfschüler atropinisirte. Dieses Experiment ist bisher noch nie gemacht worden, weil nach Einbringen von Atropin in’s Auge einige Tage Blendung und Unfähigkeit, in die Nähe scharf zu sehen, statlfindet; es müssen dann die schriftlichen Schularbeiten einige Tage ausgesetzt werden; nach 2—6 Tagen ist jedoch ohne jeden Nachtheil und ohne jede Gefahr für das Auge jede Unbequemlichkeit, wovon sich der Vortragende durch wieder- holte Atropinisation seiner eigenen Augen überzeugt hat, beseitigt. Das Atropin lähmt eben vorübergehend die Accommodation; aber auch nur dabei kann mit Sicherheit der Bau des Auges eruirt werden. Eine Kette sehr günstiger Umstände, besonders die Unterstützung des Herrn Lehrer Winkler und des Herrn Dr. med. Worch in Schrei- berhau machte es dem Vortragenden möglich, die Kinder zweier Dorf- schulen daselbst im August dieses Jahres vor und nach Atropinisation zu untersuchen. Damit die Kinder aber nicht genirt wurden, atropinisirte der Vortragende zuerst alle rechten Augen und reiste nach 14 Tagen, als bereits längst die Wirkung des Atropins völlig verschwunden war, nochmals nach Schreiberhau, um alle linken Augen zu untersuchen. Das Atropin wurde in fester Körnchenform in den Bindehautsack des Auges gebracht und die Accommodation völlig oder fast völlig gelähmt. Unter den 480 Augen der 240 Kinder waren nur 4 kurzsichtig, also noch nicht 1 pCt., ganz übereinstimmend mit den Resultaten, welche der Vortragende vor sechs Jahren bei 1486 Schülern in Langenbielau gefunden, 370 Augen, also 77 pCt., konnten ohne Atropin mit Convexgläsern in die Ferne ebenso gut sehen, als ohne solche, waren also facultativ hyperopisch; am häufigsten (26 pCt.) betrug der Grad der Hyperopie (H) Y,0; dann kam H Y,, mit 23 pCt, H Y,, mit 16 pCt, H ,, mit 12 pCt. und stetig weniger, entsprechend den höheren Graden der H- H '/. war der stärkste Grad. Der Durchschnittisgrad von H war etwa Y,,. Ein wesentlicher Unterschied zwischen dem rechten und linken Auge, zwischen Knaben und Mädchen herrschte nicht; ebenso war keine gesetzmässige Abnahme der H. nach Lebensjahren zu constatiren. 14 N = Be ET EN AN, Be PER I a ER RT 210 Jahres-Bericht 199 anscheinend ganz normale rechte Augen wurden nun atro- pinisirt, und nun zeigten sich 198 davon hyperopisch, nur 1 Auge war emmetropisch geblieben, und bei diesem betrug die Aceom- modationsbreite noch A Y,. Hauptsächlich war H Y,, bis H Y,, mit 5l pCt., dann H Y,, bis H !/,, mit 34 pCt. vertreten. Selbst H Y, wurde beobachtet. Der Durchschnittsgrad der so gefundenen totalen Hyperopie betrug etwa '/),. Auch hier kein Gesetz über Abnahme der H nach dem Alter, kein wesentlicher Unterschied zwischen den Geschlechtern. Um jede Spur von Accommodation auszuschliessen, wurde bei der zweiten Reise zunächst die Sehschärfe S von 122 Kindern be- stimmt, und zwar an beiden Augen. Sie ergab das höchst erfreu- liche und überraschende Resultat, dass nur 7 Augen S = | hatten, d. h. eine Schrift, die vom: gesunden Auge auf 20 Fuss gelesen werden muss, anf 20 Fuss lasen, dagegen 38 sie sogar 22—29 Fuss weit, 65 Augen sie 30—39 Fuss, 104 Augen sie 40—49 Fuss und 10 Augen selbst 50—60 Fuss, also dreimal so weit, als sonst sesunde Augen von Siwdkern lasen. Diese glänzenden Sehschärfen wurden nicht nur an ‚Snellischen] son- dern auch an Burchardt’sehen Lesetafeln nachgewiesen. Nun wurde auf diese grossen Distancen die H auf den linken Augen bestimmt und ohne Atropin unter 100 Kindern 64 Hyperopen, mit einem Durchschnittsgrade von H !/;,, und nach Atropin 97 Hyper- open mit einem Durchschnittsgrad von H "/,, gefunden. Die 3 noch emmetropischen Mädchen hatten keine total gelähmte Accommodation. — (Unter sämmtlichen Kindern befand sich kein Farbenblindes.) Es folgt aus diesen Untersuchungen das sehr merkwürdige Resultat» dass das gesunde jugendliche Auge bei Dorfbewohnern nicht wie bisher angenommen wurde, emmetropisch, sondern stets hyperopisch gebaut ist, und dass es schon für die Ferne schwach accommodiren muss. Ausführlicher Bericht über die Untersuchungen nebst den tabella- rischen Belägen wird in Gräfe’s Archiv demnächst erscheinen. Hierauf sprach Herr Professor Dr. Förster über den Lichtsinn bei Krankheiten der Chorioidea und Retina. Der Inhalt des Vortrages findet sich im October-December-Hefte der „Klinischen Monatsblätter für Augen- heilkunde“ von Zehender. In der Sitzung vom 20. October machte Herr Prof. Dr. Heiden- hain Mittheilungen zur Physiologie des vasanatorischen Nervensystems; Herr Privatdocent Dr. Freund: Klinische Mittheilungen über eine Missbildung ; SA ger er re ai a eher: der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur. 911 Herr Professor Dr. Waldeyer: Anatomische Mittheilungen über denselben Fall. In der Sitzung am 3. November berichtete Herr Privat - Docent Dr. Sommerbrodt über zwei im Kehlkopf-Innern ausgeführte Opera- tionen. Der erste Fall betraf einen am linken wahren Stimmbande sitzenden erbsengrossen Polypen (Bindegewebs-Neubildung), welcher seit 2/;, Jahren constante und zunehmende Heiserkeit und bei gewissen Phonationsversuchen Diphthonie verursacht hatte. Der Vortragende operirte wegen linksseitigen Sitzes des Polypen mit der linken Hand. Die Verwendung des ungedeckten Lanzenmessers erwies sich nicht als zweckmässig, deshalb wurde die Operation mit der vom Vortragenden modifieirten Bruns’schen Schlinge ausgeführt. Sofort nach der operativen Entfernung des Polypen waren Sprechen und Singen in normaler Weise möglich. Der zweite Fall betrifft die Operation einer kleinen eystösen Neu- bildung im Rande des linken wahren Stimmbandes (bei dem cand. med. Herrn R.), welche seit 5 Jahren Heiserkeit verursacht hatte. Eine der- artige Neubildung an dieser Stelle gehört zu den grössten Seltenheiten. Die Operation wurde in diesem Falle aus denselben Gründen wiederum mit der linken Hand mit Hilfe des ungedeckten Lanzenmessers ausgeführt. Einfaches Durchschneiden der Cystenwand genügte zu ihrer Beseitigung. Die Stimme ist danach rein und kräftig geworden. Darauf gab Herr Geheimer Sanitätsrath Dr. Grätzer eine Ueber- sicht über die Armen-Krankenpflege Breslau’s im Jahre 1870, welche bald in extenso im Druck erscheinen wird. Hierauf sprach Herr Dr. Horvath aus Kiew über eine neue Methode der künstlichen Respiration ohne Tracheotomie oder etwaige Verletzung, die er an verschiedenen stark eurarisirten Thieren mit Erfolg erprobt hat und deren Anwendung er bei Menschen geübt zu sehen wünscht. Die Methode der Respiration besteht einfach in Einblasung von Luft in die Nasenlöcher, die durch einen Schlauch mit einem Blasebalge in Verbindung gebracht werden. In der Sitzung vom 17. November theilte Herr Privat - Docent Dr. Köbner seine Erfahrungen über Reinfeetion (wiederholte Secundär- infection) mit, verglich dieselben mit den spärlichen Literatur- Angaben und leitete daraus Folgerungen bezüglich der Heilbarkeit der Lues und bezüglich einiger wesentlicher allgemeiner Gesichtspunkte über dieselbe ab. Ausführlichere Mittheilung wird in der Berliner klinischen Wochen- schrift folgen. Hierauf: Discussion über die gegenwärtige Pockenepidemie. 14* I ahres:Bericht ‚ { In der Sitzung vom 24. November: 1) Demonstration zweier Missbildungen durch Herrn Prof. Dr. Fischer. E ® Aehnliche Fälle wie die in der Sitzung vom 20. October. E; 2) Fortsetzung der Discussion über die gegenwärtig herrschende iR Epidemie. ® X In der Sitzung vom 15. December spricht Herr Privat - Docent Be: Dr. Freund über einen eomplieirten Fall von chronischer inversio uteri mit Myom in der Substanz des fundus uteri und perimetectischer Fixa- tion der linken hinteren unteren Wand des uterus am rectum. — Nach möglichst tiefer Abtragung des Myoms wurde durch Eintritt pyämischer Erscheinungen veranlasst der fundus uteri nach vorheriger Abnähung des gi Organs oberhalb des projeetirten Schnittes abgetragen. — Die Reinversion Er. des Stumpfes und die Heilung gingen ohne Störung spontan von statten. gs Bei der vorgenommenen Wahl wurden Prof. Dr. Waldeyer und ‚a Dr. Freund zu Seeretairen wiedergewählt. aA Bericht über die Thätigkeit |der historischen Section der Schlesischen Gesellschaft im Jahre 1871, erstattet von Prof. Dr. J. Kutzen, zeitigem Secretair der Section. Die historische Section versammelte sich während des Jahres 1871 zwölf Mal. In diesen Versammlungen fanden die Vorträge grösserer Abhandlungen der Mitglieder, sowie Besprechungen darüber und Erörterungen verwandter Gegenstände statt. Der wesentliche Inhalt der ersteren ist folgender: In der Sitzung am 19. Januar sprach Herr Director Schück | über Christian Thomasius. Nach kurzer Anführung der deutschen Verhältnisse in Bezug auf die Wissenschaft und ihre Träger nach dem dreissigjährigen Kriege ward der Bildungsgang des Thomasius bezeichnet und seine Wirksamkeit als Staatsrechts - Lehrer, als Reformator der Universitäten, in welchen er deutsche Sprache und deutsches Wesen einheimisch machte, als Gründer des deutschen Journalismus geschildert. Es kamen die Bedrängnisse zur Sprache, welche ihm die Leipziger orthodoxen Professoren bereiteten, sein Anschluss an die Pietisten und deren Vertheidigung durch ihn, und wie er, um der Gefahr, in Haft genommen zu werden, zu entgehen, Leipzig verlassen musste und sich nach Berlin begab, wo er sich der Unterstützung seines Lehrers Pufendorff und der Hilfe von Leibnitz, einem Schüler seines Vaters, erfreute, die den König Friedrich I. auf ihn aufmerksam machten, der ihn fortan schützte, ihm die Erlaubniss ertheilte, 214 Jahres-Bericht sich in Halle niederzulassen und dort Vorträge zu halten, woraus die ‘ Universität Halle hervorging, an der er als Lehrer wirkte, und von wo aus er die Beseitigung der Hexenprocesse bewirkte und Vorarbeiten für die Aufhebung der Tortur machte. Am 8, Februar hielt Herr Professor Dr. Reimann einen Vortrag über den historischen Johann von Nepomuk. Er hatte vor einiger Zeit in einem anderen Verein nach selbst- ständigen Untersuchungen die Geschichte der Legende von 1471— 1671 behandelt, nach welcher ein Prager Canonicus, Namens Johann v. Pomuk oder Nepomuk, 1383 auf Befehl Wenzels in die Moldau gestürzt worden sein soll, weil er das Beichtgeheimniss nicht habe verletzen wollen. Der Vortragende ging nun auf die älteren Quellen über und wies nach, dass ein Mann gleiches Namens und gleicher Stellung zehn Jahre später unzweifelhaft einen solchen Tod erlitten, aber aus einer andern Ursache. Die Notizen der Chronisten über die Veranlassung zu der Greuelthat sind frei- lich mangelhaft, aber wir besitzen ein gleichzeitiges und unverdächtiges Docu- ment, das uns ausführlich unterrichtet, nämlich die Klageschrift, welche der damalige Erzbischof von Prag, Johann von Jenzenstein, im Sommer 1393 dem apostolischen Stuhl in Rom überreicht hat. Nach diesem Actenstücke wurden die Irrungen zwischen dem Kirchenfürsten und Wenzel, in Folge deren der Domdechant blutig geschlagen, der Official Nie. Puchnik und der Vicar Johann von Pomuk grausam gefoltert und letzterer in die Moldau gestürzt worden, eingehend dargestellt. Der Vortragende hielt nur diesen Johann von Pomuk für historisch beglaubigt. Er wies am Schlusse die von Abel aufgestellte Ansicht, der Heilige sei eine Verschmelzung des Vicars Johann und des Reformator Johann Huss, als irrig zurück. | Herr Reetor Dr. Luchs trug in der Sitzung vom 9. März über die oberschlesischen Holzkirchen und Verwandtes vor. Nachdem er die Fachwerkbauten, welche sich in besonderer Schön- heit gegen die Lausitz hin erhalten haben, ausgeschieden, ging er auf die Oberschlesien und den nordöstlichen Grenzkreisen Mittelschlesiens eigen- thümlichen Blockbauten ein. Nicht nur Häuser, Scheuern und Schüttböden wurden dort auf diese Weise früher fast allgemein so hergestellt, sondern namentlich auch Kirchen,’ von denen der Vortragende unter Beihülfe des Herrn Knoblich und insbesondere des Herrn Wetzel gegen 200 nachweisen konnte, während in der Literatur nur 24 bekannt sind. Es wurde dann zunächst ihre Disposition im Allgemeinen veranschaulicht und eine Be- schreibung der Kirchen in theoretisch-praktischer Folge von den einfach- sten bis zu den reichsten Formen gegeben. Letztere seien nicht ohne der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur, 315 Reiz, nicht ohne Schönheit. Der Grund aber zu dieser jene noch heut vorwiegend slavischen Gegenden charakterisirenden Erscheinung wurde in der rückständigen Cultur gefunden. Abbildungen in grösserer Zahl fehlten nicht. In der Sitzung vom 30. März sprach der Staatsarchivar Herr Pro- fessor Dr. Grünhagen über die Kriegslasten Schlesiens in den Jahren 1806—13. In der eigentlichen Occupations - Zeit vom November 18306 bis November 1808, als dem Zeitpunkte, wo die französichen Truppen das _ Land räumten, beziffert sich der Gesammtverlust Schlesiens durch die Franzosen auf 48,381,560 Thaler, einschliesslich der Kriegseontribution von 30,000,000 Frances, das Zehnfache des jährlichen Steuerertrages, nach dem damaligen Werthe der Grundstücke der fünfte Theil des gesammten Grundvermögens.. Von dieser grossen Summe ist nach dem Pariser Frieden nur ein so kleiner Theil zurückerstattet worden, dass derselbe zur Vertheilung sich nicht zu lohnen schien. Es ist daraus der sogenannte Landsiechenhaus-Fonds gebildet worden. Während der Oceu- pationszeit haben sich die in den beiden damaligen Regierungsbezirken Breslau und Liegnitz gebildeten sogenannten General- Comite’s, welche aus Beamten, Grundbesitzern und Kaufleuten zusammengesetzt waren, srosse Verdienste um das Land erworben; dieselben hatten alle Requi- sitions- und Verpflegungssachen zu bearbeiten und fanden da vielfach Gelegenheit, Härten zu mildern, Ausschreitungen muthig entgegenzutreten und überall auf feste Bestimmungen zu dringen, welche der militairischen Willkür gewisse Schranken zu setzen vermochten. Uebrigens hörten auch nach der Räumung Schlesiens im November 1808 die Kriegslasten des Landes nicht auf. Glogau blieb von den Franzosen besetzt, und die Besatzung musste von den Schlesiern verpflegt werden. 1812 kamen dann die Durchmärsche nach Russland und 1813 war Niederschlesien von Ende Mai bis Anfang September Schauplatz des Krieges. Leider besitzen wir in unseren Archiven die Zusammenstellung nicht, welche auf Grund der landräthlichen Berichte über die Lasten dieses Krieges angefertigt worden ist. Die Festung Glogau ist dann erst am 10. April‘ 1814 wieder in preussische Hände gekommen. In der Sitzung vom 20. April hielt Herr Prorector Dr. Maass über das politische Witzwort in Frankreich unter Ludwig XIV,, Ludwig XV. und Ludwig XVI, einen Vortrag. Nachdem der Redner in der Einleitung den verschieden- artigen Entwickelungsgang, welchen das Streben nach einer einheitlichen und absoluten Monarchie in England, Deutschland und Frankreich im e \ } ’4 2 . - 216 Jahres-Bericht sechzehnten und siebzehnten Jahrhundert nahm, kurz dargelegt, zeigte er, wie in diesen und den nächstfolgenden Jahrhunderten das im Munde des Volkes cursirende Witzwort in Prosa und Poesie in Frankreich jene Kritik der Acte der Regierungsgewalt vertrat, welche heutzutage der Presse, den politischen Vereinen und repräsentativen Versammlungen anheimgefallen ist. Dasselbe charakterisirt sich am besten in jenem Ausspruche aus dem vorigen Jahrhundert, welcher selbst ein solches Witzwort ist: La monarchie francaise est une monarchie absolue, tem- peree par la chanson. Freilich handelt es sich hier nicht um die Chan- son als eigentliche Literaturgattung, die vielmehr weit späteren Ursprunges ist, sondern nur um eine Anzahl Couplets, Lazzi’s, Bonmots, Calembourgs, die bei prägnanten Anlässen entstanden, ohne dass man in der Regel ihren Urheber kennt und, was die poetischen anbelangt, natürlich auch ohne Anspruch auf eigentlichen dichterischen Werth sind. Diese Witz- worte wurden dann am Faden der geschichtlichen Ereignisse zusammen- gereiht und mit kurzen historischen Einleitungen versehen, mit Angabe der Quellen, denen sie entstammen (Felibier, Histoire de Paris aus dem vorigen Jahrhundert, Dulaure, Histoire de Paris aus den ersten Decennien dieses Jahrhunderts u. s. w.), vorgeführt und einzelne auch noch näher erläutert. — Als Beispiel dieser Bonmots möge folgendes dienen. In dem für Frankreich so unglücklichen spanischen Erbfolgekriege liess sich der unfähige Marschall von Villeroy unter Anderem auch Cremona in Ober-Italien nehmen. Cremona wurde allerdings bald darauf wieder- gewonnen durch den an Villeroy’s Stelle eingetretenen Herzog von Ven- döme, Villeroy aber blieb kriegsgefangen. Man machte darauf folgendes Quatrain: Sacrebleu! la nouvelle est bonne, Et notre bonheur sans Egal: Nous avons recouvre Cremone Et perdu notre general. Während des Frühsommers bis zu den grossen Ferien versammelte sich die historische Section viermal, nämlich am 25. Mai, 4., 22. und 25. Juni. Für den zweiten der genannten Tage, als den Jahrestag der Schlacht von Striegau und Hohenfriedeberg, hatte sie auf Grund eines früheren Beschlusses eine Exeursion auf den Schauplatz der- selben in Aussicht genommen; allein das Wetter war an diesem Morgen so ungünstig, dass das Unternehmen aufgegeben werden musste, und es wurde der Beschluss gefasst, dasselbe auf den 25. Juni zu verschieben. Dieser Aufschub durfte nicht bereut werden, denn das Wetter war an dem letztgenannten Tage der Exceursion günstig und er brachte den Theilnehmern, zu denen sich in Striegau noch eine Zahl mit Interesse für vaterländische Geschichte erfüllter Herren gesellte, heitere und be- lehrende Stunden. Im Laufe des Vormittags wurde das Schlachtfeld der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur. 317 auf mehreren dazu vorzugsweise geeigneten Standpunkten der Striegauer Berge besichtigt, wobei der Secretair der Section, Prof. Dr. Kutzen, der bereits in den Sitzungen am 25. Mai und 22. Juni zu Breslau zwei Vor- träge über die Hauptmomente der Schlacht, hauptsächlich mit Rücksicht auf das Terrain, gehalten hatte, die nöthigen Erläuterungen gab. Der Nachmittag wurde unter Führung des Herrn Rector Dr. Luchs und dessen erklärenden Mittheilungen der Betrachtung einiger älteren Bau- denkmäler, besonders der grossartigen katholischen Pfarrkirche, gewidmet. Auch hatte Herr Bürgermeister Rauthe, welcher den ganzen Tag über der Gesellschaft seine freundliche Theilnahme schenkte, die Güte, ihr eine grosse Zahl beachtenswerther älterer Kunstgegenstände aus den Sammlungen der Stadt zu zeigen, und der Steinbruchbesitzer Herr Bartsch, sie in seine weitbekannten, umfassenden und sehenswerthen Steinbrüche zu führen und über dieselben in dankenswerther Weise zu belehren. Die Sitzungen der Section im Winter-Semester eröffnete am 26 sten October Herr Professor Dr. Reimann durch einen Vortrag über den Streit Paul’s IV. mit Ferdinand I, welchen jener im Jahre 1558 begann, weil er behauptete, dass Karl V. die Kaiserwürde nicht ohne die Erlaubniss des Papstes habe niederlegen, noch der römische König ohne solche folgen dürfe. Der Gegenstand, über welchen der Vortragende schon früher eine Arbeit in den „For- schungen zur deutschen Geschichte‘‘ veröffentlicht hatte, wurde nach neuen Documenten dargestellt, die theils er selbst im Wiener Archive gefunden, theils Professor Sickel aus demselben bekannt gemacht hatte. Der Auf- satz ist später in den Abhandlungen (Philosophisch - historische Ab- theilung) der Schlesischen Gesellschaft für vaterländische Cultur abgedruckt worden. Während der letzten beiden Monate wurden zwei Vorträge gehalten, nämlich am 16. November vom zeitigen Secretair der Section, Professor Dr. Kutzen über das südwestliche Gebiet der Grafschaft Glatz und am 14, December von Professor Dr. Palm über die bei der Beschiessung Strassburgs vernichteten öffentlichen Bibliotheken. In jenem wurde der geographische Charakter des Gebietes, das als von der Neisse, Reinerzer Weistritz, der Wilden und Stillen Adler oder Erlitz umschlossen angegeben wurde, darin gefunden, dass es nicht bloss in seiner Basis, sondern auch auf der Höhe seiner Oberfläche zu einer 218 Jahres-Bericht umfassenden Masse entwickelt sei, dass ihm also hauptsächlich Plateau- bildung zukomme. Doch diese ist in den drei Abschnitten, in die man es zerlegen kann, nicht in gleicher Weise vorhanden; denn während im südlichen und nördlichen Abschnitte die Hochfläche mehr als centrale Hochmasse die Scheitelfläche des Gebirges füllt, erscheint sie im mitt- leren mehr seitwärts und als begleitend und abhängig von zwei ansehn- lichen hohen Bergmassen (dem Schwarzen Berge und Heidelberge), die sich als dominirende Hauptpunkte des ganzen Bezirks geltend machen. Dass dieses gesammte Gebiet, also das Gebiet des sogenannten Habel- schwerdter Gebirges von der inneren Grafschaft her den Eindruck eines Gebirges macht, rührt hauptsächlich von seinem östlichen und nordöst- liehen hohen Rande her, der sich von der inneren Hochfläche der Graf- schaft wie eine stattliche Gebirgswand abhebt. Aber auch die Thäler des Gebietes, welche in der Mehrzahl von West nach Ost laufen, also Querthäler sind, haben einen ähnlichen gebirgigen Charakter, und da sie, sowohl was landschaftliche Schönheit, als auch was Besiedelung und Anbau betrifft, vor den meisten anderen Theilen des Gebietes bevorzugt sind, so wurde ihnen im letzten Theile des Vortrages besondere Auf- merksamkeit geschenkt. In dem zweiten Vortrage war Folgendes Gegenstand der Erörterung: Es waren zu Strassburg zwei in einem Locale, dem temple neuf, ver- einigte, auf etwa 400,000 Bände geschätzte Bibliotheken, welche bei Be- schiessung der Stadt ihren Untergang fanden: die Bibliothek des pro- testantischen Seminars, deren Entstehung in die Zeiten der Reformation fällt, und die Stadtbibliothek, hervorgegangen aus den kostbaren, der Stadt geschenkten Sammlungen des berühmten Elsässer Geschichts- schreibers Schöpflin (F 1771) und vermehrt namentlich aus den Schätzen der während der Revolutionszeit secularisirten Klöster und der confiseirten Besitzungen der Emigranten des Elsasses. Ihre Bedeutung hatten beide Bibliotheken vor allem durch ihren Reichthum an Handschriften, deren Zahl auf 2400 angegeben wird. Darunter waren wiederum die werth- vollsten die der Elsässer und Strassburger Chroniken. Keine Provinz Deutschlands hat eine gleich grosse Menge von Geschichtsschreibern auf- zuweisen, als das Elsass. Gedruckt ist davon ausser der in Paris auf- bewahrten Klosäner’schen nur die wichtige Königshofener, deren Heraus- gabe die Münchener historische Commission in den Tagen des Brandes so eben vollendet hatte: Ausser all’ diesen unersetzlichen handschrift- lichen Schätzen gingen auch die anderen reichen Sammlungen an ägyp- tischen, griechischen, römischen, celtischen und deutschen Alterthümern, ferner an Münzen, Gemälden, Curiositäten u. s. w. zu Grunde. Zwei Fragen drängen sich bei diesem grossen Verluste für die Wissenschaft auf; ist die Zerstörung der Bibliotheken zufällig oder plan- y En der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur. 919 mässig erfolgt? und was war geschehen zur Erhaltung und Rettung ihres Inhalts? Die erste Frage muss dahin beantwortet werden, dass General von Werder das nächst dem Münster höchste Gebäude der Stadt, in welchem die Bibliotheken aufbewahrt wurden, allerdings mit voller Ab- sicht hat zerstören lassen, wobei er freilich voraussetzen konnte, dass der unersetzliche Theil der wissenschaftlichen Schätze, vor Allem die Handschriften geborgen sein würden. Die Zerstörung galt vor Allem den öffentlichen, nicht den Privatgebäuden, und zu den kirchlichen gehörte die Bibliothek nicht mehr trotz des Namens temple neuf. Dass die städtischen Behörden, die Bibliothek-Verwaltung, die Bibliothekare nichts, ‚absolut gar nichts gethan hatten zur Sicherung und Bergung ihrer Kost- barkeiten, die ja Gefahr laufen mussten, auch wenn dieses Gebäude nicht beschossen worden wäre, das liess sich nicht ahnen. Dass es in in der That so stand, ist ein Beweis für die geringe Würdigung, welche die Stadtbehörden ihrem wissenschaftlichen Eigenthum angedeihen liessen. Darum ist wohl die Wissenschaft, weniger die Stadt Strassburg um ihres Verlustes willen zu beklagen, den zu ersetzen, so weit dies überhaupt möglich ist, Deutschland nicht bloss reich genug ist, sondern auch über- aus willig, wie die jetzt schon in überaus grosser Anzahl eingegangenen - Schenkungen beweisen. Nach diesem Vortrage fand die Wahl des Secretairs der Section für die nächste Etatsperiode, d. h. für die nächsten zwei Jahre statt. Es wurde der bisherige Secretair, Professor Dr. Kutzen, einstimmig wiedergewählt. BETTER | | | | Kae vi Bericht über die Thätigkeit der juristischen Section der Schlesischen Gesellschaft im Jahre 1871, erstattet vor. Appellations - Gerichts-Präsident Dr. jur. Belitz, zeitigem Secretair der Section. Der Vortrag des Herrn Stadtgerichtsrathes Güttler am 1. März c, hatte zum Gegenstande: die Reform des Vormundschaftswesens, Nach einem Ueberblicke über die langjährigen Bestrebungen zur Fortentwickelung des preussischen Vormundschaftsrechts unter Berück- sichtigung der Umgestaltung der soeialen und politischen Verhältnisse und nach einer Darstellung der leitenden Prineipien des jetzt in den drei ver- schiedenen Rechtsgebieten geltenden Vormundschaftsrechts (A. L.-R., französisches und gemeines deutsches Recht) wurde der im Justiz - Mini- sterium ausgearbeitete und im Februar v. J. veröffentlichte „Entwurf eines Gesetzes über das Vormundschaftswesen,‘““ welcher nach berech- tigter Annahme die Grundlage des dem Allgemeinen Landtage vorzu- legenden Gesetzes bilden wird, erörtert. Nach den Motiven zu diesem Entwurfe sollen die bestehenden _ Rechtsverschiedenheiten beseitigt, und es soll für den ganzen Umfang des preussischen Staates ein gemeinsames, auf die durch Wissenschaft und Praxis als richtig anerkannten Prineipien gegründetes Vormundschafts- recht geschaffen werden, bei welchem alles das verwerthet wird, was sich als gut und zweckmässig erwiesen hat. ) | BL ev, . Fr Ä IR de. Raps FERIEN EEE Ne FR x BE ie a KE e 292 J Ares Ber Ht Die Hauptgrundzüge, auf welchen das neue Gesetz beruht, lassen sich dahin zusammenfassen, dass a. die Einwirkung des Staates auf die Oberaufsicht beschränkt, b. der Vormund als selbstständiger Vertreter des Pflegebefohlenen hingestellt und ec. der Familie ein Theilnahmerecht an der Vormundschaft ge- stattet wird. a. Die Organe, durch welche der Staat die Oberaufsicht hr bleiben die Gerichte; unter Hervorhebung aller gegen die Uebertragung der Vormundschaften an die Gerichte aufgestellten Ansichten wurde die Zweckmässigkeit, ja die Nothwendigkeit dieser Einrichtung nachgewiesen. Die Vormundschaftsachen sollen ‚künftig ‚durch Einzelrichter bearbeitet werden; wenn auch diese Arbeitstheilung für die meisten Vormundschaften sich empfiehlt, so wurde doch für grosse Städte und grössere Jurisdietions- bezirke die collegialische Vereinigung der Vormundschaftsriehter als dem E allseitigen Interesse entsprechender nachgewiesen. b. Bezüglich des Amtes des Vormundes ist der leitende Grundsatz ausgesprochen, dass der Vormund kraft des Gesetzes die Vormundschaft selbstständig und mit eigener Verantwortlichkeit zu führen hat ($ 68) und er in allen Vermögensangelegenheiten der gesetzliche Vertreter des Pflegebefohlenen ist. Die Verpflichtung zur Uebernahme einer Vormundschaft ist als eine allgemeine Staatsbürgerpflicht beibehalten; dagegen sind die gewissen Kategorien zugestandenen Befreiungen weggefallen; nur bestimmte Un- fähigkeits-Gründe schliessen von dem Rechte zur Uebernahme der Vor- mundschaft aus. Zum Schutze des Pflegebefohlenen gegen Säumigkeit und Pflichtwidrigkeit des Vormundes kann letzterer von dem Richter zur Bestellung einer Cantion angehalten werden, und bei grösserer Vermögens- verwaltung soll ein Gegenvormund, Hetehien die Thätigkeit des Vor- mundes zu überwachen hat, bestellt werden. | Die schwierige Frage über die Cautionspflicht des Vormundes wurde einer umständlichen Erörterung unterworfen und es wurde auszuführen gesucht, dass die Caution des Vormundes entbehrlich ist, wenn das Ver- mögen des Pflegebefohlenen in gerichtliche Verwahrung kommt. Für die Einführung des Gegenvormundes ist die diesfällige Einriehtung im Departement des Appellations-Gerichts zu Greifswald massgebend ge- 7 wesen. Unter Entwickelung der bedeutenden Schwierigkeiten, welche sich der Bestellung eines tüchtigen Gegenvormundes entgegenstellen, so wie unter Darstellung der unvermeidlich eintretenden Collisionen ent- schied sich der Vortragende für den Wegfall des Gegenvormundes.. ec. Der Familie wird ein Theilnahme-Recht, sowohl an der Führung als an der Beaufsichtigung der Vormundschaft gestattet. Der Familien- rath des französischen Rechts ist nicht aufgenommen. Die nächsten Ver- der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur. 333 wandten haben ein Recht zur Uebernahme der Vormundschaft; ausserdem sollen aber die Verwandten bei wichtigen Angelegenheiten gutachtlich gehört werden. Noch besonders wurden hervorgehoben die Bestimmungen über die religiöse Erziehung und die Beendigung der Vormundschaft durch die Verheirathung der Pflegebefohlenen. Der Theilnahme der Familie an der Vormundschaft ist in dem Ent- wurfe noch eine weitere Ausdehnung durch die Familien-Aufsicht gegeben, indem dem Vater gestattet ist, in einer notariellen oder gerichtlichen Urkunde oder in einer letziwilligen Erklärung einen Familienrath zu er- ‚nennen, welcher an Stelle des Richters den Vormund beaufsichtigt. Diese dem Züricher Civil-Gesetzbuche entnommenen Bestimmungen wur- den umständlich erörtert und deren Zweckmässigkeit dargethan. Die Mitwirkung des Gerichts beschränkt sich hier auf Beurkundung der Be- schlüsse des Familienrathes und auf solche Acte, welche der obrigkeit- lichen Autorität bedürfen, Die Casuistik des Allgemeinen Land-Rechts ist in dem Gesetzent- wurfe vermieden, die leitenden Grundsätze sind klar hingestellt und es lässt sich erwarten, dass das neue Gesetz, als den Anforderungen der soeialen und politischen Verhältnisse entsprechend, die Annahme seitens der gesetzgebenden Factoren finden wird. In der Sitzung vom 15. März sprach Herr Appellations- Gerichts- Referendar Dr. jur. Teichmann über die Geschichte der Advocatur. Von den wenigen über die Rechtsvertretung der Parteien im griechi- schen Processe uns überlieferten Nachrichten ausgehend, behandelte er eingehend die Entwickelungsgeschichte der römischen Advocatur, unter besonderer Hervorhebung der Kaiser- Gesetzgebung, In dem weiteren geschichtlichen Ueberblick beschäftigte er sich hauptsächlich mit der Darstellung der Arbeitstheilung zwischen avoue&s und advocats in Frank- reich, sowie der attorneys und solieitors in England, wobei er auch des englischen Rechtsstudiums in den vier berühmten Inns gedachte, aus denen junge Praktiker in den Stand der barristers übertreten. Schliess- lich entwickelte er die Gründe des Verfalls der Advocatur in Deutsch- land, der auch zu einer missgünstigen Behandlung des Advocatenstandes in der Gesetzgebung führte, In der Sitzung vom 29. März d. J. sprach Herr Justizrath von Wilmowski über Kriegsbeute. Ein historischer Rückbliek zeigte, wie die Griechen, welche im See- räuberthum ihren Ursprung fanden, und die Römer, welche Landräuber 224 Jahres-Bericht waren und blieben, den Grundsatz des rücksichtslosen Beutemachens gegen das Privateigenthum der Bewohner des feindlichen Landes bis zur Aneignung der Personen als Sclaven praktisch übten und philosophisch rechtfertigten. Erwähnt wurde, wie Xenophon mit seinen 10,000 Griechen bei Trapezunt zum Schwarzen Meere zurückkehrend, vorüberfahrende neutrale Schiffe anhielt und gegen Entschädigung zu Seetransportdiensten verwendete, und wie H. Grotius daraus hinsichtlich des Verhaltens zu Neutralen einen völkerrechtlichen Grundsatz formulirte, welcher eine ana- loge Anwendung im jüngsten Kriege bei Verwendung englischer Schiffe 3 zur Sperrung der Seine fand. Nach dem subjectiven, hinsichtlich des Beutemachens kaum vorgeschrittenen Verfahren des Mittelalters stellte daun H. Grotius im 17. Jahrhundert in seinen Werken de jure praedae und de jure belli ae pacis aus Vernunftsätzen und aus der Ueberein- stimmung humanerer Züge der Geschiehte ein Genossenschaftsrecht der _ europäischen Staaten auf, auf dessen Grundlage sich das heutige Völker- recht aufbaute. Die von Grotius angenommenen Prineipien wurden ent- wickelt, und daran anschliessend, die Grundsätze des heutigen Völker- rechts. Letzteres geht vom Rechtscharakter des Krieges als eines zwischen feindlichen Staaten, nicht aber gegen Privateigenthum geführten Processes aus, und gestattet die Oceupation des feindlichen Staatseigen- thums, Kriegsmaterials, Kriegs- und anderer Staatskassen ohne Ent- schädigung; dagegen die des Privateigenthums als nothwendige Expro- priation nur gegen Entschädigung; — wenngleich für den Seekrieg der letztere Grundsatz noch nicht ganz durchgedrungen ist. Kriegscontri- butionen werden theils als Repressalien, theils als antieipirte Kriegskosten- Entschädigung, theils zur Unterdrückung von Feindseligkeiten der Be- völkerung zulässig erachtet. Die active Berechtigung zum Erbeuten hat nur die bewaffnete Macht, jedoch auch der einzelne Soldat für sich hin- sichtlich der Werthobjecte der ihm im Kampfe gegenüberstehenden feind- lichen Personen. | An die Darstellung des heutigen Völkerrechts schlossen sich die Bestimmungen, welche das preussische Landrecht und die früheren und jetzigen preussischen Kriegsartikel über das Beuterecht enthalten, in Ver- bindung mit den Grundsätzen, welche das Obertribunal bei Gelegenheit eines Processes unter den Erben des Fürsten Blücher hinsichtlich einiger aus den Schlössern von Napoleon 1814 und 1815 erbeuteten Gemälde ,. ausgesprochen hat. | | Am 19. April sprach Herr Dr. jur. Georg Cohn über die Beform des Executionswesens. Der Vortragende ging von der Reformbedürftigkeit der preussischen E- Executionsordnung aus, deren Hauptfehler in dem Prineip der richter- der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur. 2935 liehen Leitung zu finden sei; der Mangel eines unmittelbaren Verkehrs zwischen Gläubiger und Executor habe Schriftlichkeit und Langsamkeit des Verfahrens zur Folge. Zahlreiche Reformvorschläge seien gemacht worden; Dernburg habe die Errichtung besonderer Pfändungsämter, Reibnitz sogar die Jury als Organ der Execution empfohlen; auch auf die Ortsbehörden sei hingewiesen worden. Das Bedürfniss der Gegen- wart fordere die Einführung selbstständiger, vom Gläubiger gewählter und ihm verantwortlicher, auf Gebührenbezug angewiesener Gerichts’ vollzieher (huissiers, Gerichtsvögte).. Mit der richterlichen Executions- leitung werde kein germanischer Rechtsgrundsatz aufgegeben, wie die Schöppenverfassung einerseits, das Pfändungsrecht bei ‚‚redlichen, kund- liehen und unlogenbaren Schulden“ andererseits beweise. Die von Mittermaier, Osterloh und von Kraewel gegen das Institut der Gerichts- vollzieher gerichteten Vorwürfe seien durch die Erfahrungen widerlegt; in Frankreich hat der huissier die Revolutionen überdauert, sich praktisch bewährt, am Rhein ist der Gerichtsvollzieher seit mehr als 60 Jahren, in Hannover seit fast 20 Jahren geschützt, neuerdings hat Bayern das Institut von der Rheinpfalz auf das ganze Königreich ausgedehnt. Nur die Frage der Zweckmässigkeit entscheidet, in dieser Beziehung sind die Studien von Jonas über Frankreichs huissiers, die Zeugnisse von Leon- hard und Götting über Hannovers Gerichtsvögte massgebend. Gegen Ausschreitungen bietet eine strenge Auswahl, Prüfung und sorgfältige Controle der Gerichtsvollzieher, sowie eine angemessene Gebührentaxe genügenden Schutz; die hannoveranischen Einrichtungen sind besonders nachahmenswerth. — Der Entwurf der norddeutschen Processordnung hat das Institut der Gerichtsvollzieher für die Mobiliarexecutionen adoptirt, indess das Theilungsverfahren und die Pfändung von Bud m mit Recht dem Gericht vorbehalten. Der Vortragende erörterte sodann unter vergleichender Heranziehung der Processentwürfe von 1848, 1864 und 1866, sowie der wichtigsten geltenden Executionsordnungen die Hauptbestimmungen des norddeutschen Entwurfs über Zwangsvollstreckung, namentlich die executorischen Titel, die Vollstreckbarkeitsklausel, das Einwandsverfahren (procedure en refere), die Executionsmittel der Pfändung, der Administration, des Offenbarungs- eides und der Haft. Unter den executorischen Titeln fehle die Notariats- urkunde mit Pfandklausel, nicht zu billigen sei es, dass es dem Gläubiger verboten, der Vollstreckung in der Wohnung des Schuldners beizuwohnen, mindestens müsse es dem Gläubiger freistehen, durch einen Bevoll- mächtigsten den Gerichtsvollzieher bei jeder Vollstreckungshandlung zu beaufsichtigen. Das durch die Pfändung für den Gläubiger erworbene, auch der Coneursmasse gegenüber wirksame Pfandrecht drohe den Con- eurs illusorisch zu machen und stehe wenigstens in dem Falle, wenn die Sache im Gewahrsam des Schuldners. verbleibe, mit den Grundsätzen 15 x EN N Dkle e - ne 7 A re 226 Jahres-Bericht des Landrechts über Constituirung eines Faustpfandrechts im Widerspruch. Die Landwirthschaft sei in Bezug auf die der Pfändung nicht unter- worfenen Sachen dem Fabrikbetriebe gegenüber bevorzugt; in der Lehre vom Manifestationseid erschiene der Schuldner durch zu grosse Milde begünstiget; die ganze Regelung der Subhastation sei leider der: Parti- eular- Gesetzgebung überlassen; formell sei der Entwurf in der Sprach- reinigung nicht consequent genug vorgegangen. Trotz dieser und noch anderer hervorgehobener Mängel ist die Codifieation ein Fortschritt zur deutschen Reichseinheit, eine wahre Reform des Vollstreckungs- Wesens; französisches und deutsches hKecht sind nicht mechanisch vermischt, sondern einheitlich verbunden, der Entwurf beseitiget mit dem Paritions- befehl unhaltbare Privilegien des Militairstandes, er entlastet den Richter von untergeordneten Arbeiten, er schützt den Schuldner gegen unbe- rechtigste Ansprüche und inhumane Härten, er sichert durch das Institut _ eoneurrirender Gerichtsvollzieher dem Gläubiger eine bereitwillige, schnelle Vollstreckung. v1. Bericht über die Thätigkeit der Section für Obst- und Gartenbau im Jahre 1871 von Kaufmann und Stadtrath E. H. Müller, zeitisem Secretair der Section. In Jahre 1871 hielt die Section für Obst- und Garteubau der Schlesischen Gesellschaft für :. vaterländische Cultur zu Breslau neun Sitzungen. Die erste Sitzung am 25. Januar eröffnete der Secretair mit dem hierauf bewillisten Antrage einer Erhöhung um 25 pCt. des in der letzten Sitzung des vorigen Jahres genehmigten Betrages zur Anschaffung von, in dem bevorstehenden Frühjahr wiederum an die resp. Mitglieder gratis zu vertheilenden Sämereien empfehlenswerther Gemüse und Florblumen, weil die letzte Ernte fast aller Gartensämereien sich im Allgemeinen als ungünstig erwiesen und deshalb die Preise derselben eine nicht unerhebliche Steigerung erfahren haben. Der Gärtner der Section, Herr Jettinger, hielt hierauf einen Vor- trag: „Ueber das Zurückschneiden der Wurzeln beim Pflanzen der Obstbäume“ und „Ueber das Pflanzen der Obst-Wildlinge in den Obstbaumschulen.‘“ — Der städtische Garten-Inspector Herr Loesener legte aus dem Gewächshause der städtischen Promenaden einen Fruchtstand der Aroidee: Monstera Linnea C. Koch (Philodendron pertusum Kth. & Bouche) mit reifen, geniessbar sein sollenden Früchten von ausser- 15* ee Be en ke fe ERS Be N ? a» - a or E nn 3 y Fr a 4 ARE hr 228 Jahres-Bericht ordentlich feinem Aroma vor. Der Secretair, welcher aus eigener Anzucht diese Früchte und ihre Eigenschaften kennt, warnte jedoch vor deren Genusse, weil derselbe ein heftiges Brennen im Munde veranlasse, wel- ches nach den durch Herrn Professor Dr. Ferdinand Cohn schon früher hierüber angestellten mikroskopischen Untersuchungen dadurch entstehe, dass ihr Inneres sehr feine, steife, mit Wiederhaken versehene Haare berge; mit Wein macerirt, seien dieselben jedoch ein Ingredienz zu einer kalten Bowle von ausserordentlich angenehmen, ananasartigem Geschmack und Geruch. ‘Vorgelesen wurde ein Schreiben des zeitigen Vorsitzenden des Gartenbau- Vereins zu Königsberg i./Pr., Herrn Gutsbesitzer Busolt auf Mittelhofen, aus welchem ‚wir die Bestätigung entnehmen, dass spätes Winterobst z. B. Goldreinetten und Winterbirnen in Gefässen (als wel- cher sich derselbe grosser Blumentöpfe bedient) in feinem Sande von nur sehr mässiger F euchtigkeit schichtweise eingelegt und in frostfreiem Raume aufbewahrt, sich ausserordentlich conserviren, ohne zu welken oder an Ansehen und Geschmack zu verlieren, sowie, dass die Samen von Rosa canina zur Anzucht von Wildlingen fast sämmtlich - schon im ersten Jahre keimen,. wenn sie im September gesammelt, gereinigt, mehrmals in reinem, weichen Wasser eingeweicht und dann in stark feuchtem Sande bis‘ zur Aussaat im Frühjahr auf- bewahrt werden. Aus demselben Briefe erfahren wir, dass den sehr harten Winter 1869/70 folgende Obstbaum-Sorten sehr gut aushielten: von Aepfeln: Ripston- und Stein-Peppin, Muscat- und Carmeliter-Reinette, Prinzen- (Nonnen-) Apfel, rother Grafensteiner, gelber Richard, Rothhähnchen, weisser und rother Astrachan, Herfordshire Parmain, Pigeon rouge, Langston’s Sondergleichen, Preussischer Kurzstiel und Preussischer Him- beer-Apfel, welcher nach dem Bericht von Lucas vielleicht der Carmin- Calvill, der Preussische Kurzstiel aber ein ihm unbekannter Apfel sei. Von Birnen: Deutsche National-Bergamotte, einfache Kräuterbirne, Liegel’s Winter-, holzfarbige und Diel’s Butterbirne, Grise bonne Coloma’s, Bezy Montigny, Beurr& d’Angleterre, Blutbirne und Leipziger Rettigbirne. Von Kirschen: Ostheimer Weichsel-, rothe Mai- und rothe Herzkirsche, Von der Natt, eine dort als. rheinische Kirsche bezeichnete Glaskirsche (wahr- scheinlich die rothe Oranienkirsche). Von Pflaumen: die gewöhnliche Haus- und die italienische Zwetsche. Im Weiteren führte Herr Busolt noch an, dass nach der durch einen berühmten Entomologen als wahrscheinlich richtig bezeichneten Ansicht eines dortigen tüchtigen Kohlzüchters die Eier der Erdflöhe nicht in der Erde, sondern in den Ueberresten von Kohl und anderen Cruci- feren zu suchen seien; er selbst lasse daher dergleichen Pflanzenreste u 7 2 N fö der Schles. Gesellsch. f, vaterl. Cultur. 339 weder auf den Erdhaufen bringen, noch untergraben, sondern im Winter dünn auf der Erdoberfläche liegen und im ersten Frühjahr, sobald sie hinreichend trocken sind, verbrennen, und habe seit Einführung dieses Verfahrens viel weniger als früher von diesem kleinen Käfer zu leiden; auch habe er von einem Privatgärtner, dessen Sommer-Levkoyen sich jährlieh durch besonders üppigen, gedrungenen Wuchs und durch Gesund- heit vortheilhaft auszeichneten, erfahren, dass derselbe zu deren Düngung Schweinemist anwende. *) Aus der, seiner Pflege überwiesen gewesenen Baumschule und Obst- garten zu Göllschau theilte Herr Kunstgärtner Katzke (jetzt in Hoch- kirch) mit, dass im vorigen Jahre auch dort die Frühjahrs-V eredelungen von Süsskirschen ungemein von Blattläusen zu leiden hatten und wenn dureh diesen Feind auch nur eine geringe Anzahl getödtet wurden, so doch die meisten verkrüppelten; dagegen sei der Johannistrieb stärker gewesen; da sich die Blattläuse bei der später eingetretenen nassen Witterung sehr bald verloren. In Bezug auf Birnen-Handveredelung bestätigte Herr Katzke die schon vielfach gemachte Erfahrung, dass dieselben im ersten Jahre, wenn die Wildlinge auch ganz gesund und gut bewurzelt waren, dennoch nur kümmerlich treiben, was bei Aepfeln, ebenfalls in der Hand veredelt, nicht der Fali ist. Seine Anfrage, ob es besser sei, Doucin am Platze stehend, als in der Hand zu veredeln? welche dadurch hervorgerufen sei, dass ihm von in der Hand veredelten Doucin schon seit einigen Jahren nur etwä der dritte Theil gewachsen sei, beantwortete der Gärtner der Section, Herr Jettinger dahin, dass das Oculiren von Douein sowohl, als wie von Johannisholz auf dem Platze, jedenfalls empfehlens- werther sei. In seinen Notizen über den Obstgarten hebt Herr Katzke als besonders reich tragend und in Güte empfehlenswerth u. a. hervor die Birnen Fondante ;Sickler, Marie Louise, Bosc’s Flaschenbirne, Grüner Isembert, Coloma’s Herbst-Butterbirne, Gelbe Sommer-Herrnbirne, Chapiau- mont’s Herzogin von Angoul&me, Rothe Bergamotte, Weisse Herbst- Butterbirne, Herbst-Sylvester, Stuttgarter Gaishirtle, Punktirter Sommer- dorn; von Pflaumen: Grosse ungarische, Braunauer Aprikosenpflaume, Grüne Eierpflaume, Normannischer Perdrigron, Diapre, violett und roth, Imperial de Darton, Kirke’s Pflaume, gelbe Katharinen- und Dorell’s Zwetsche. *) Diese Düngung dürfte, wenn überhaupt, doch sicher nur in sehr verdünnter Auflösung anwendbar sein, da Schweinemist, wie bekannt, einer der hitzigsten thierischen Düngstoffe ist. Anmerk. d. Red, a a a A Se Bares) 1 BE ei 230 Jahres-Bericht Herr Kunstgärtner Grunert in Gross-Paniow hatte sich schrift- B lich „zur Cultur von Tetragonia expansa L. (Neuseeländischer Spinat)‘‘ geäussert, und vorgetragen wurde ein von dem Director des Königlichen Pomologischen Instituts zu Proskau Herrn Stoll verfasster und zu weiterer Bekanntgebung freundlichst zur Disposition gestellter Aufsatz, unter dem Titel: „Obstbauliches,“ In der zweiten Sitzung am i5. Februar gab zunächst der Secretair die in unserem vorjährigen Bericht schon mitgetheilten Nach- richten über die Erträgnisse des Pomologischen und resp. Obstbaum- schul- und Versuchsgartens der Section im Jahre 1870, über die am Schlusse desselben sich ergebenen Bestände von Obstbäumen ete., und die sich günstiger gestellten Kassen-Verhältnisse. Brieflich theilte Herr Baumschulgärtner Sonntag in Zobten mit, dass in der dortigen Graf von Nostiz’schen Baumschule und Plantagen nun auch die Nomenclatur des Obstes nach den Bezeichnungen des „Ulustrirten Handbuches von Jahn, Lucas und Oberdieck“ eingeführt sei, und hierbei mit Hülfe der Preisverzeichnisse der Section und einem sol- chem des verstorbenen Medieinalrath Jahn in Meiningen sich ergeben habe, dass mehrere Sorten, welche aus verschiedenen Quellen unter französischen Namen bezogen worden waren, als Synonyma sich ent- puppten, daher unter diesen Namen auch nicht weiter vermehrt werden. Im Weiteren schreibt derselbe: An Herrn Superintendent Ober- dieck sendete ich 1869 und 1870 drei Sorten Aepfel- und Birnfrüchte, die ich hier in starken Bäumen — einen Apfel fälschlich als Grafen- steiner und, wie ich erfahren habe, aus Buchwald bei Hirschberg er- halten — vorfand, und hat diesem Apfel Herr Oberdieck den Namen „Graf Nostitz“‘ beigelegt; Notizen darüber finden sich in dem 6. und 8. Hefte der ‚„Illustrirten Monatshefte von Oberdieck und Lucas Jahrg. 1870.“ Die zweite Sorte als „Zitzer Herrenapfel ‚von einem Schäferei- Director Kuhnitz in Dresden hierhergebracht, ist eine der edelsten Sorten und ganz vorzügliche Tafelfrucht, welche ich noch obigem „‚Graf Nostitz‘ vorziehe, gross, hochgeformt, weissgelblich mit leichten Rostpunkten, Fleisch weiss, fein, locker, saftig, von erhobenem Geschmack; bis December— Januar dauernd; Baum breitkronig, starkwüchsig, Sommer- triebe rothbraun,. mit weissen Punkten zahlreich besetzt, Fruchtholz kurz an zweijährigen Trieben ansetzend; Blatt gross. Herrn Oberdieck war diese Frucht nicht bekannt, weshalb bis auf Weiteres deren obige Be- zeichnung beibehalten werden soll. Die dritte Sorte: „Nemelkör Birn,“ wurde von Herrn General v. Nostiz aus Prag bezogen, von wem, konnte ich nicht ermitteln; sie führte den obigen Namen mit dem Zusatze: oder, „Prager aus Kern gezogene Birn.‘“ Sie ist eine sehr edle December-Birn für die Tafel, deren Aeusseres zwar nicht viel verspricht, dagegen ge- der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur. 231 schält mir aber noch bei weitem über die Weisse Herbst - Butterbirn geht. Frucht mittlerer Grösse, eiförmig, rund, kurz gestielt, dunkelgrün. Fleisch gelblich- weiss, fein, von erhobener Zuckersüsse, delicatem Ge- schmack; Baum in der Jugend starkwüchsig, etwas verworren geästelt als ältererer Kronenbaum, fruchtbar, stark belaubt. Es ist dies diejenige Sorte, welche hier die stärksten Triebe als junge Veredelung macht, dabei sehr gut in die Höhe geht und schöne Stämmehen giebt, weshalb sie sich auch vorzüglich für doppelte Veredelung mit Sorten, welche in der Schule schlecht in die Höhe gehen, eignet. In den Alleen habe ich bereits eine Anzahl Stämmchen dieser Sorte gepflanzt, die hier schon mit 4 Jahren Kronen hatten. Brieflich beklagte der Lehrer und Organist Herr Bragulla in Bischdorf seine äusserst geringe vorjährige Ernte von Gartensämereien, welche ihn an einer Beisteuer zu der an Sectionsmitglieder beabsichtigten Gratis-Vertheilung behindere und meint, die Schuld hieran einer vielleicht allzu starken Düngung mit Knochenmehl zuschreiben zu müssen, nach welcher seine Blumen- und Gemüsepflanzen bis in den Spätherbst zwar im steten Wachsen verblieben, jedoch nur selten Samen ansetzten, der nicht einmal seine Vollkommenheit erreichte. Schon im letzten Jahres-Berichte hatten wir die Freude aussprechen können, dass selbst bei unserem braven Heere in Frankreich unserer Section gedacht worden sei. Einen wiederholten Beweis hiervon gab uns Herr Kunstgärtner Hoffmann, früher in Hochkirch, zur Zeit als wir dies schreiben, in Lilienthal, in dem er von Lagny aus schilderte, mit welcher vorzüglichen Sorgfalt an Mauern und Spalieren die Obst- und Wein-Cultur gepflegt würde, wie vortrefflich im freien Lande ohne allen Schutz dort viele Pflanzen gedeihen, welche bei uns nur in Glas- häusern oder im Freien, doch nur unter guter Bedeckung zu überwintern sind und führt u. a. als Beispiel dafür an, wie er Wellingtonia gigantea Lindl. (Sequoia gig. Torr.) in regelmässigstem Bau und schön blaugrüner Belaubung von 15 bis 20 Fuss Höhe und grosse Exemplare von Abies pinsapo Boiss., deren Stämme 10 Zoll Durchmesser hatten, im freien Lande cultivirt gesehen habe. Herr Kunstgärtner Kuschel in Stolz hatte Blätter eines von ihm aus Samen gezogenen Gynerium argenteum fol. variegatis eingesendet, deren eine lebhaft grüne Längenseite zu der andern ralımweissen scharf abgegrenzt ist, was der Pflanze allerdings ein reizendes decoratives An- sehen giebt. Zugleich bedauerte derselbe, die versprochene Einsendung von mit Früchten besetzten Zweigen des Ficus australis nicht machen zu können, weil eine nothwendige Dislocation der Pflanze, bei welcher einige Hauptwurzeln stark verletzt wurden, das Abwerfen der in ihrer Ausbildung und Reife begriffenen Früchte zur Folge hatte. 232 Jahres - Bericht Gelegentlich der dritten Sitzung am 15. März wurde eine Empfehlung der in dem Atelier des Pomologischen Instituts zu Ringel- heim (Hannover) nach der Natur photographirten und hiernach xylo- graphirten Abbildungen von Pflanzen, Pflanzengruppen und allerlei zur Gärtnerei in Beziehung stehenden Ausschmückungsgegenständen nebst bei- gegebener Probetafel vorgelegt; dieselbe zeigte 29 Abdrücke, von Theilen verschiedener Pflanzen in vorzüglich correcter und sauberer Ausführung, wie solche sich besonders für die Illustration von Pflanzen-Katalogen eignen und giebt das genannte Institut von solchen Xylographien Kupferniederschläge ab, welche mit nur 4 Ssr. pro Quadratzoll rheinisch berechnet werden, ebenso auch farbige Abdrucktafeln von Blumen zu mässigem Preise. In kurzer ‘Ansprache würdigte der Secretair das Andenken an den unlängst verstorbenen Fürsten Pückler-Muskau als den Begründer der modernen Parkgärtnerei und knüpfte hieran den Vortrag eines von dem Kunst- und Handelsgärtner Herrn W. Kühnau hierselbst verfassten und eingesendeten Aufsatzes: „Fürst Pückler-Muskau auf dem Gebiete der Blumengärtnerei, mit besonderer Berücksieh- tigung von Schloss Branitz.‘“ Auch ein Aufsatz des Kunstgärtner Herrn Pfeiffer in Zoelling wurde mitgetheilt: „Ueber Bepflanzung von Parterres für den Frühlingsflor,“ welchem sich die Angabe einer Anzahl nach ihrer Blüthezeit geordneter Frühblüher anschloss, und über innere Angelegenheit des Gartenbau-Verems zu Ratibor gab ein Schreiben dessen zeitigen Secretairs, Herrn Lehrer Oppler in Plania, Kenntniss. Vierte Sitzung am 19. April. Welchen ganz absonderlichen Eventualitäten zuweilen Sendungen in weitere Ferne auf Eisenbahnen ausgesetzt sind, davon gab ein Brief des Garten-Direetors Herrn Bürgel zu Schloss Wittgenstein (Rumänien) Zeugniss. Einem solchen Falle unterlag eine an denselben aus dem Obstbaumschulgarten der Section gemachte Eilfrachtsendung von Obstbäumen fast gänzlich, die Bäumehen wurden auf einem nicht preussischen Grenz-Zollamte, nachdem die Fracht dafür bezahlt war, veruntreut, verschiedene Bahnbeamte theilten sich in die- selben, besonders aber fand man sie, als energisch reelamirt wurde, auf einer weiten Strecke in den Gärtchen der Bahnwärter, und nur ein geringer Theil wurde später halbvertrocknet dem Adressaten ausgehändigt. _ Herr Hofgärtner Götz in Slawentzitz berichtete: Wenn auch der vergangene Winter einigen Schaden an Birnen und Kirschen, beson- ders in Pyramiden anrichtete, so sei derselbe doch bei weitem nicht so bedeutend gewesen, als im Jahre vorher, wo Schnee und Kälte sich schon zu einer Zeit einstellten, als die Jahrestriebe noch nicht ausgereift waren, nach genauer Untersuchung habe er jetzt unter den Aepfelbäumen, von denen ein Sortiment von eirca 160 Sorten ausgepflanzt sei, auch nicht einen einzigen von dem diesjährigen strengen Winter beschädigten der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur. 233 vorgefunden. Zu recht häufiger Anpflanzung auch in so rauhem Klima und so dürftigen Bodenarten wie dort, empfiehlt derselbe die Winter- Dechantsbirn (doyenne d’hiver), welche sehr reichlich schöne, grosse, sehr gute, bis zum Monat April dauernde Früchte trägt, der Baum ge- deiht in jeder Formbildung, besonders auf Wildling veredelt, sehr gut und ist gegen Kälte nicht empfindlich; ferner Esperens Herrnbirn, eine Herbstbirne von feinem Geschmack und für die Tafel, der Baum trägt ebenfalls reichlich und verträgt die Kälte; Baumann’s Reinette ist auch sehr zu empfehlen, schöne, grosse, am Cordon horizontal gezogene Früchte hielten sich bis gegen Ende Februar, während diejenigen vom Hochstamm schon lange vorher verbraucht werden mussten, Von dem Garten-Inspeetor Herrn Becker in Miechowitz waren eingesendet worden: das Verzeichniss von 112 Sorten Kartoffeln, welche im Jahre 1870 versuchsweise von der dortigen von Thiele - Winckler’- schen Garten-Verwaltung angebaut worden waren, nebst einigen Angaben über deren Qualität und das Verhältniss der Ernte zur Aussaat, ferner eine Frucht von Ficus Roxbourghii Wall., einer für geräumige Warm- häuser vortrefflichen Decorationspflanze mit 16 bis 20 Zoll langen und 12 bis 18 Zoll breiten, herzförmigen, langgespitzten, oben glänzend, und fast flaumhaarigen, in der Jugend bräunlichen Blättern, und die einer kleinen Gurke nicht ganz unähnliche Frucht von Crescentia macrophylia Hort. (Kürbisbaum), einer amerikanischen Bignoniacee für das Warmhaus mit 2 bis 3 Fuss langen und 3 bis 4 Zoll breiten Blättern, Brieflich wies Herr Kunstgärtner Katzke in Hochkirch auf eine Beihe von Fehlern hin, welche nur allzuhäufig aus Unkenntniss oder Nachlässigkeit bei dem Pflanzen, aber auch später bei der Pflege der „ Obstbäume begangen werden und wie unzweckmässig es sei, an dieselbe Stelle, auf welcher alte, kranke, abgestorbene Bäume standen, wieder junge Obstbäume, namentlich derselben Gattung zu pflanzen; finde man Mi diese Ungehörigkeit schon oft in den sogenannten Obstgärten, so sei dies doch noch mehr in den Obstalleen an Wegen, besonders aber bei Ergänzungspflanzungen auf Chausseen der Fall und nach alledem wundere man sich dann wohl noch, wenn selbst ganz gesunde, gut bewurzelte, junge Obstbäume in kurzer Zeit absterben. Dessen Anfrage, in welch _ zweckmässigster Weise in den zuletzt bezeichneten Fällen eine Ergänzungs- pflanzung herzustellen sei, erhielt eine Erwiderung dahin: es werde eine solehe wohl nur selten auf einmal, aber doch im Laufe weniger Jahre dadurch am zweckmässigsten bewirkt werden können, wenn in den Baumreihen der Allee oder Chaussee jedesmal in der Mitte zwischen den alterschwachen oder abgestorbenen und zu entfernenden Bäumen und deren beiderseitigen Nachbarn je ein junger Stamm gepflanzt und hier- mit alljährlich so lange fortgefahren würde, bis diese Neupflanzung auf der ganzen Strecke vollständig beendet sei; freilich würden hierbei, je Ds te a a u - KEN N SE ur een ir Sr or‘ 234 Jahres-Bericht nach Umständen, zuletzt vielleicht einige ältere aber doch noch gesnnde Bäume geopfert werden müssen. Das Interesse für Gärtnerei auch in einer kleineren Stadt der Pro- vinz zu heben und zugleich den Blick auf die damaligen ernsten Zeit- ereignisse einem heiteren Bilde zuzuführen, hatte im Herbst 1870 Herr Kunst- und Handelsgärtner Riedel in Löwenberg in seinem neu erbauten Wohnhause eine Ausstellung seiner Garten-Erzeugnisse etc. ver- anstaltet, über welche dessen Bruder, Herr Kunst- und Handelsgärtner hiedel in Goldberg nachträglich speciell berichtete. Nach dessen gefälliger Mittheilung fand dies Unternehmen bei den zahlreichen orts- angehörigen und Besuchern aus der Umgegend in Bezug auf die aus- gestellten Gegenstände selbst, wie auch auf deren Arrangement den ungetheilten Beifall. Der Eingang in das geräumige Ausstellungs-Lokal war durch Blumentische und Gruppen von Ficus und Coleus decorirt, das erste Zimmer enthielt eine Gruppe ausgewählter Blattpflanzen, sowie Gruppen verschiedener blühender Gewächse und eine Tafel mit Sorti- menten abgeschnittener Blumen; ein zweites Zimmer zeigte ganz beach- tenswerthe Sortimente von Tafel- und gutem Wirthschaftsobst, unter- brochen durch mannigfache Blatt- und Blüthenpflanzen, eine Tafel mit abgeschnittenen Rosen in fast 200 der besten neueren und neuesten Rosen, Bouguetts, Blumenkörbehen und ein Aquarium, während in dem dritten Zimmer Sortimente von Kartoffeln, Kürbis, Melonen, Gurken, Getreide, einige andere Früchte und eine kleine Naturalien - Sammlung zwischeu verschiedenen Coniferen aufgestellt waren, Zum Vortrage gelangten noch zwei Aufsätze des Obergärtner Herrn Schulz in Wettendorf (Ungam): „Ueber Freiland-Melonen- Cultur in Ober-Ungarn“ und „Ueber den Weinschnitt.“ In der am 14. Juni abgehaltenen fünften Sitzung brachte der Seeretair zur Kenntniss, dass er für die Section wieder mit zwei Schwester- vereinen zum Zweck des Schriftenaustausches in Verbindung getreten sei, die Schriften derselben den in dem Lesezirkel coursirenden angereiht werden würden und dass Herr Graf v. d. Recke-Volmerstein auf Craschnitz, z. Zt, bei dem Heere in Frankreich einige aus dem Hof- garten in Turin stammende Bohnen einer dort als ausgezeichnet gerühmten Stangenbohne, P. Beroletti (dem Anscheine nach eine Dolichos-Art) ein- sendete, welche mit Ausnahme von 2 Stück zum eigenen, an den Sec- tions-Garten zum Culturversuche übergeben worden wären. Derselbe machte aufmerksam auf die bei Ernst W. Arnoldi in Gotha, dem Herausgeber des rühmlichst bekannten ‚„‚Obstkabinets“, in Lieferungen erscheinenden ‚‚Plastischen Nachbildungen der Schwämme (Pilze)‘“ und empfahl den sich dafür interessirenden Mitgliedern zum Ankauf das ihm von der Redaction der „Illustrirten Berichte“ in mehreren Exemplaren 5 e\ x a insiecin der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur. 2335 a 16 Sgr. übersendete, von der Verwaltung des pomologischen Instituts zu Ringelheim (Hannover) unter dem Titel: „Der Blumengarten und seine Unterhaltung“ herausgegebene, namentlich auch auf die moderne Teppich- gärtnerei Bezug habnnden Heft. Ueber die in seinem Garten beobachteten Folgen des letzten Winters schrieb Herr Apotheker Scholtz in Jutroschin in der Mitte des April u. a.: Ich glaube nicht, dass der vergangene Winter so viele Opfer gekostet, als man annahm erwarten zu müssen, die bedeutende Schneedecke gewährte grossen Schutz. Stipa pennata L. hat wiederum ohne Deekung ausgehalten, ebenso die frühblühenden Varietäten von Chrysanthemum indicum; Opuntia Rafinesgui ist nicht erfroren, sondern an der Wurzel gefault und dann erst erfroren; in gleicher Weise faulte mir im Winter unter dem Schnee, resp. beim Aufthauen sämmtlicher Winter- kohl,. obwohl die Sorte bei mir localisirt ist, dagegen haben einige Pflanzen des seltenen prolifieirenden Kohls, die ich Herrn Garten-Director Jühleke zu verdanken hatte, im Freien sehr gut ausgehalten. Von Pflaumen, mit denen ich mich stark beschäftige, ist ganz hin: die grosse Kirschpflaume, eine liebliche, freilich etwas weiche Frucht; sonst haben nur an einzelnen Aesten gelitten: die grüne Eierpflaume, Schamal’s Herbstpflaume und die Braunauer aprikosenartige. Alle im vorigen Herbst von der Section, sowie aus Potsdam bezogenen Pflaumenbäume kommen gut, während die aus der Liegel’schen Baumschule zu Braunau erhaltenen bis jetzt unbelebt bleiben. Von Pfirsichen hat ohne Ver- packung und freistehend, wenn auch nicht völlig, so doch zufrieden- stellend ausgehalten, eine aus dem Kern gezogene rothe Magdalenen- pfirsich; da sich diese Sorte bekanntlich durch den Kern ächt reprodueirt und wenige Jahre zur Anzucht eines kräftigen Baumes genügen, so ist dieselbe wohl zu empfehlen. Selbst unter sorgfältiger Verpackung sind alle andern Pfirsichsorten, bis auf die eben genannte und die Belle de Doue, welche zwar auch litten, aber doch erhalten blieben und Blüthen- knospen zeigen, total erfroren. Meine Feigen, die braune, rothe, weisse, Col de Signora, macrophylla, quotidienne, hirta sind sämmtlich in dem im Jahres- bericht der Section von 1870 von mir beschriebenen Winterquartiere gut durchwintert, nur allein die grosse languette ist krank, scheint also die weichste zu sein. Die prächtige Theerose Mar&chal Niel ist voll- ständig unversehrt geblieben. Zugleich hatte Herr Scholtz Samen einer Salatsorte zum Versuchs- anbau im Sectionsgarten eingesendet, deren Ursprung ihm zwar unbe- kannt ist, welche er während 12 Jahren aber ununterbrochen verbesserte und von derselben nach den verschiedensten Proben mit anderen $Salat- sorten die Ueberzeugung gewonnen hat, dass es die grösseste, süsseste und schmackhafteste, sich auch als Wintersalat eignende Sorte unter allen ihm bekannt gewordenen sei, weshalb er dieselbe mit dem Namen 7 bh N nr 0% eng Ivy EBEN Sa BR 2 die hiesigen Zeitungen sich bereit. Buchsbaum zeigte nach ‘der Entfernung der Decke stets weitreichende .« > a a a 236 Jahres-Bericht „Jutroschiner Prachtkopf“ belegte. Das Zusammentreffen unglücklicher Zufälle verschuldete es, dass der mit diesem Salat vorgenommene Versuchs- anbau im Garten der Section nur in äusserst geringem Umfange vorge- nommen werden konnte, in dem Garten des Referenten aber ganz resultatlos blieb, weshalb der glückliche Züchter desselben uns durch eine wiederholte gütige Sendung von Samen dieser Salatsorte auf's Neue zu grossem Danke verbinden würde. x + Die sechste Sitzung wurde am 19. Juli abgehalten. Zunächst _ wurde der Hilferuf des Erfurter Gartenbau - Vereins für die im vorigen | Monat durch starke und anhaltende Ueberschwemmung in Noth gerathenen Erfurter Handelsgärtner vorgelesen, dabei darauf hingewiesen, dass in ähnlichem Falle und zwar vornehmlich im Jahre 1854 auch schlesische Handelsgärtnereien aus der jetzt so hart betroffenen Gegend Unterstützung fanden und erklärte der Secretair zur Entgegennahme milder Gaben für jene Veruvuglückten und zu weiterer Verbreitung des Hilferufes durch Herr Ober-Hofgärtner Schwedler in Slawentzitz theilte mit, in P welchem prächtigen Frühlingsflor die von ihm im vorigen Jahre angelegte 3 und im Herbst bereits bepflanzte und beschriebene grosse Blumenterrasse : um das dortige herrschaftliche Schloss gestanden habe, und, dass er jetzt 5 damit beschäftigt sei, eine in dessen Nähe gelegene, 10 Morgen grosse, i wüste Sandfläche durch Bearbeitung und Anpflanzungen dem bestehenden i herrlichen Parke gärtnerisch anzuschliessen. In früheren Wintern liess i Herr Schwedler seine mit den verschiedenen Blumenzwiebeln belegten % Gruppen und Beete, sowie den Buchsbaum mit Fichtenzweigen leicht decken, diese Decke benutzten jedoch die Mäuse als Winterquartier, frassen und verschleppten grosse Mengen von Crocus und Tulpen, die Zwiebeln trieben unzeitig hervor, gaben unregelmässigen Flor und der schadhafte Stellen. Es gab dies Veranlassung, jene Bedeckung im letzten Winter ganz fortzulassen und liess die Entwiekelung der Blumen der unbe- deckt gebliebenen Zwiebeln im folgenden Frühjahr nichts zu wünschen übrig, auch zeigten sich keine Lücken in der Bepflanzung und der Buchsbaum war unbeschädigt geblieben; beides soll daher auch künftig einen Winter- schutz nicht mehr erhalten. Die Kronen der Rosenbäumchen mit Haide- erde bedeckt, gingen mit noch- schön grünen Blättern und ganz gesundem Holz aus dem Winter. In einem Berichte vom Juni a. e. über seine Beobachtungen im Obstgarten und in der Baumschule erhebt auch Herr Kunstgärtner Katzke in Hochkirch seine Klagen über die Folgen des Winters von 1870 zu 1871. Haasenfrass und Frost haben bedeutenden Schaden angerichtet. letzterer auch an älteren Aepfelbäumen, so dass z. B. ein 15 jähriger Hochstamm von Batullenapfel bis an die Wurzel erfror, Ananas-Reinet te hd ya der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur. 937 und Valiser Limonen-Pepping haben arg gelitten, von Glanz -Reinette und Goehrings-Reinette als vierjährige Veredelung auf Goldzeugapfel, ist erstere bis zur Hälfte herunter erfroren, letztere dagegen ganz gut ge- blieben, sämmtliche Schul-Veredelnngen nach schwachem Frühjahrstriebe aber todt. Bei den Birnen ist der Verlust noch viel schlimmer, zwanzig- Jährige Pyramiden von Regentin total erfroren, Napoleon’s Butterbirn arg mitgenommen, in der Schule ganz todt, dasselbe ist der Fall mit Harden- pont’s Winter-, Diel’s-, Dumortier’s- und Holzfarbiger Butterbirn, Erz herzog Ferdinand von Oesterreich, Passe Colmar, Bose’s Flaschenbirn, Forellenbirn. Zur Veredelung gab es daher in diesem Jahre auch nicht viele brauehbare Reiser, bei den Birnen zeigten sich nur die vom Wildling von Motte, Weisse Herbst-Butterbirn und graue Sommer-Bergamotte als ganz gesund, alle andern waren mehr oder weniger schwarz, von diesen . die besten in der Noth verwendet, lassen sie bei schwachem Triebe ge- ringe Hoffnung auf günstigen Erfolg. Pfirsiche sind der Kälte sämmtlich erlegen, die dreijährigen bis zu den mehr als zwanzigjährigen. Die Nuss- bäume sind bis zur Erde erfroren, an alten Bäumen jedoch nur das ein- bis zweijährige Holz. Von den Öbstsaaten sind Aepfel und Kirschen sehr gut, Birnen und Pflaumen dagegen schlecht aufgegangen. Nur der Wein ist gut überwintert. Süsskirschen leiden in diesem Jahre, jedenfalls auch in Folge des starken Frostes, in noch nie beobachtet hohem Grade am Harzfluss, besonders an der Veredelungsstelle und an früheren Ast- schnitten. Hierbei macht derselbe auf die alte Erfahrung wieder auf- merksam, dass bei dem Kirschbaume jeder Gewaltschnitt am übelsten angebracht ist, und äussert sich darüber noch wie folgend: Geht durch Zufall oder sonst wie die obere Knospe des Wildlings verloren und bilden sich hier oder am Stamm Seitentriebe, so müssen von den oberen alle bis auf den stärksten, den man allein stehen lässt, so wie die Triebe am Stamme, sobald sie so weit getrieben haben, dass man sie fassen kann, abgekneipt, nicht aber abgebrochen oder schon vorher die Augen ausgebrochen werden, denn sonst ist hier die Harzfluss-Stelle fertig. Ist ein solcher Trieb übersehen worden, so schneide man ihn auf 3 bis 4 Augen zurück und alles sich an dem Stumpfe zeigende Wachsthum, auch Blätter sind bald zu entfernen; hiermit wird der Zweck erreicht, den Saftzufluss von dieser Stelle abzuleiten und der verbliebene Stumpf kann dann im nächsten Frühjahr ohne Gefahr abgeschnitten werden. Jede Verwundung ist schädlich, je grösser je mehr, und führt, wenn auch nicht sogleich, doch sicher den Harzfluss an der verwundeten Stelle herbei. Wildlinge, welche schon mit dem Harzfluss behaftet sind, kassirt man am besten sogleich ohne erst daran zu operiren. Herr Kunstgärtner Wagner hier sprach über „Ein Mittel und dessen Anwendung zur Vertilgung der Blattläuse in der Baumschule“ und von Herrn Baumgärtner Sonntag in Zobten ge- ) a [3 u 7 h 2 e ; = 238 Jahres-Bericht langten ausführliche Nachrichten ‚‚Ueber die Folgen des Winters 1870/71 in den Baumschulen‘ zum Vortrage. Durch besondere Umstände veranlasst, konnte die siebente Sitzung erst am 10. October stattfinden. Während derselben legte Herr Zimmer- meister Boerner das Modell eines von dem hiesigen Maschinen-Fabrik- besitzer Herrn E. Hofmann neu construirten und von diesem und ihm selbst bereits in Anwendung gebrachten Heizkanals für Gewächshäuser vor, erläuterte dasselbe und versicherte, dass nach den beiderseitigen Erfahrungen mit dieser Neuerung eine ungemein bedeutende Ersparniss des jetzt so theueren Heizmaterials neben schneller, gleichmässiger und lange andauernder Erwärmung erreicht werde. Der Direetor des Königlichen pomologischen Instituts zu Proskau, Herr Stoll, zeigte den Beginn des Winter-Semesters bei dieser Anstalt an, und Herr Apotheker Scholtz in Jutrosehin äusserte sich brieflich _ über einige seiner Gemüseculturen und deren Erfolge, sowie über Ueber- winterung einiger Pflanzen. Geringen Gartenraumes wegen und um dennoch möglichst viel zu ernten, giebt Herr Scholtz der Rand- und resp. Zwischenpflanzung bei den erwünschtesten Erfolgen den unbedingten Vorzug und betreibt dieselbe z. B. in folgender Weise: Erdbeereultur zweijährig; im zweiten Jahre wird schon zwischen die blühenden Erd- beerpflanzen Sellerie ohne Rücksicht auf jene oder diese gepflanzt, Letz- tere hat dadurch Schatten, wächst sehr gut und wenn die Erdbeeren abgeerntet sind, werden die Pflanzen herausgenommen, für das nächste Beet als Gründüngung benutzt und ein frisches Beet Sellerie steht da. Ein anderes Beispiel: Gemüse auf kleinen nur 3—3'/, Fuss breiten Beeten ; da findet sich am Rande zu beiden Seiten eine Reihe Sellerie, welche schon zwischen Salat gepflanzt wurde, die früher am Rande stand, dann folgt je eine Reihe Herbst-Blumenkohl und in der Mitte des Beetes eine Reihe Salat (als Sommersalat, Vollblutforell), gepflanzt zwischen je zwei Wurzeln der ersten Salatpflanzung. Oder, ein Beet hatte im Frühjahr Salat, Porree, Blumenkohl, Kohlrabi und wieder Salat in Reihen, so zeigt dasselbe später Chinesischen Herbstrettig, Endivie und zwei Reihen Salat, von denen die eine für den Sommer, die andere für Herbst- nutzung bestimmt ist; der Porree wird jedoch schon im Juli heraus- genommen und ein zweitesmal mit einiger Vorsicht 1V/, Fuss tief ge- pflanzt, auch wohl in Drainröhren gezüchtet, hierdurch werden ganz unglaubliche Resultate erzielt, an flüssigem Dünger darf es freilich nicht fehlen. Zugleich führte ‘Herr Scholtz an, dass seine Feigenbäume kern- gesund von Früchten strotzen, und es ihm gelungen sei, im freiem Lande ohne Glasdecke kräftige Stecklinge davon zwischen Kohlrabi zu erziehen, auch habe das in diesem Jahre zum ersten Male versuchte Pineiren beim Feigenbaume zur Zweigbildung und zum Fruchtansatz sich vorzüglich bewährt, es sei jedoch sehr zeitig geschehen. a REN Rn DE Eee A r% 2 [20 der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur. 239 Herr Baumgärtner Sonntag in Zobten hatte noch einige nach- trägliche Notizen zu seinem in der letztvergangenen Sitzung vorgetragenen Berichte eingesendet und der Secretair erstattete einen summarischen Bericht über die unlängst von ihm besuchten, zwar ihrem Charakter nach durchaus verschiedenen, aber in je eigener Weise gleich gross- artigen und prächtigen Parks und herrschaftlichen Gärten zu Slawentzitz _ und Rauden O./S. und über die höchst interessante Cultur der Ananas und Musa Cavendishii Hook (Pisang, Banane) mit reifen Früchten, diese in dem Aquarium des Herrn Dr. med. Sugg an letzterem Orte. Einen entgegensetzten Eindruck machten die Obstbaum - Pflanzungen an Wegen in der Gegend des erstgenannten Ortes. In dem hier eben nicht milden Klima und wenig ergiebigen Boden waren in ganz ungeeigneter Weise eine grosse Anzahl edler Birnen und dann von Aepfeln, Sommer- und Winterobst der verschiedensten Sorten, bunt durch einander, in wenig sachgemäss gepflegten, oft kränkelnden oder in irgend einer Weise be- schädigten jungen Stämmchen angepflanzt. Solche Pflanzungnn werden ihrem Besitzer niemals rentiren. Anders dagegen wie solche öfter ander- wärts, namentlich schon seit längeren Jahren im Braunschweigischen an- gelegt und unterhalten werden. Dort wird auf die Anpflanzung nur ganz gesunder Obststämmchen und darauf streng gehalten, dass diese solchen Sorten angehören, welche dem örtlichen Klima und Boden- beschaffenheit erfahrungsmässig angemessen sind, und dass die Anpflanzung einer und derselben Sorte an längeren Wegestrecken geschieht. Die günstigen Folgen hiervon sind, natürlich bei sachkennerischer Pflanzung und Pflege der Bäume, dass durch Frostschäden oder Krankheiten noth- wendig werdendes Ergänzen derselben seltener und nur in geringerem Umfange zu geschehen hat, dass aber auch der Nutzungswerth ein bei weitem erheblicherer wird, weil bei Verpachtung des Obstes derselbe sich leichter übersehen lässt, dem Pächter aber auch geringere Be- wachungs-Kosten erwachsen, wenn längere Strecken auf einmal abgeerntet werden können, als wenn die Bewachung eine längere Zeit erfordert, weil die Bäume zu verschiedenen, oft ziemlich weit aus einander liegen- den Zeiten ihre Früchte reifen. Da, wo grössere Obstbaumpflanzungen bestehen oder angelegt und unterhalten werden sollen, empfiehlt sich un- zweifelhaft auch die Unterhaltung einer den Verhältnissen jener ange- messen grossen Baumschule, in welcher jedoch hauptsächlich nur solche Sorten heranzuziehen sind, mit deren Stämmehen in der Anpflanzung ent- stehende Abgänge wieder ergänzt werden können. In der oben ange- deuteten Gegend wurde keine Obstbaumschule, wohl aber auch der herr- schaftliche Obst- und Gemüsegarten in sehr sorgsamer Pflege gefunden, es darf also wohl angenommen werden, dass die erwähnten Wege -Be- pflanzungen mit diesen, wenn auch in dessen Nähe, nicht denselben Eigenthümer haben oder auch nur unter ein und derselben Obhut stehen. ) ar ul NED REN u 3 AI DI ENDEN 240 Jahres-Bericht Noch gelangte zum Vortrage ein vom Obergärtner Herrn Schütz in Wettendorf (Ungarn) eingesendeter Aufsatz: „Ueber die Cultur des Scarlet-Pelargonium Harry Hickhofer und seine Ver- wendung für die Teppichgärtnerei.“ i In der am 8. November abgehaltenen achten Sitzung übergab Herr Geheimer Medicinal-Rath Professor Dr. Göppert einen von ihm verfassten in dem diesjährigen Bericht über die Verhandlungen der bota- nischen Section abgedruckten Aufsatz: „Einige Bemerkungen über das Verhalten der Vegetation im letztverflossenen Winter. Breslau, den 20. October 1871‘, und legte einen von dem Rittergntsbesitzer Herrn Dr. Heimann auf Benkwitz ihm übersendeten Blüthenstand, der sich auch für die Zimmereultur vortrefflich eignenden Aroidee Monstera Lennea C. Koch (Philodendron pertusum Kih. $ B.) mit dem Bemerken vor, dass das in neuerer Zeit durch den berühmten Reisenden B. Seemann in Mittel Amerika entdeckte Philodendron Griffitianum Seem., welches grosse Aehnlichkeit mit dem bekannten Arum dracunculus L. hat, die bis jeizt bekannt gewordene grösste Aroidee sei, da seine Blüthen- kolben oft eine Länge von mehr als zwei Fuss erreichen. Der erste Lehrer an der Mädchenschule zu Jüterbog, Herr Becker, hatte zu seinem schon in unserem letzten Jahresberichte bekannt gege- benen Mittel zur Vertilgung des dem Obstbau so überaus schädlichen „Frostschmetterlings“ (Acidalia brumata) die folgende nachträgliche Be- merkung eingesendet: | „Will man sein Obst von Maden rein erhalten, so bindet man „schon im August um den Baum die 4 Zoll breiten Brumata-Papier- „unge, und bestreicht sie mit Brumata-Leim; die Raupen der „Obstschabe können dann nicht hinaufkriechen, um sich in den „Rindenrissen einzuspinnen. Ende October, oder, hat man die „Papierringe Anfangs November zum Fange des Frostschmetterlings „wieder bestrichen, Ende November, macht man auf dem Ringe „einen senkrechten Schnitt und löst ihn behutsam los. Dann findet „man an den Bäumen, besonders an grösseren Apfel- und Birnbäumen, „wo der Ring umwickelt war, unter einem Papierfleck die jetzt ein- „gesponnenen, röthlich weissen Raupen des Apfelwicklers (OÖbstschabe „Lortrix pomonana), die man leicht vernichten kann. — Die Raupen „überwintern gern unter diesen Ringen, weil sie vor Feinden und „Kälte mehr geschützt sind. | „Der Falter (Vorderflügel bläulich-grau, mit vielen (uerstrichen, „am Aussenrande ein grosser, sammetschwarzer, inwendig roth ge- „ringelter Fleck) fliegt im Juni; die kleinen Raupen bohren sich im E „Juli in die halbwüchsigen Früchte und verursachen das Fallobst. der Schles, Gesellsch. f. vaterl, Cultur. A „Das ganze Jahr hindurch, oder länger die Papierringe am Baume „sitzen zu lassen, ist daram nicht räthlich, weil die Rinde des Baumes „durch die darunter sich sammelnde Feuchtigkeit, die nicht verdunsten „kann, etwas leidet.‘ Vorgetragen wurde eine von dem Hofgärtner Herrn Peicker in Rauden O./S. verfasste, ausführliche Arbeit: „Ueber die Wirkungen der letztvergangenen beiden Winter 1869/70 und 1870/71 auf die Vegetation in den dortigen Gärten $r. Durchlaucht des Herrn Herzogs von Ratibor.“ In der neunten und letzten diesjährigen Sitzung am 13. December berichtete der Secretair, dass Se. Excellenz der Minister für die land- wirthschaftlichen Angelegenheiten Herr von Selehow die Verhandlungen aus der 17. Sitzungsperiode des Königl. Landes-Oeconomie-Collegii nebst dem Jahresbericht über den Zustand der Landescultur in Preussen, und der Gartenbau-Verein zu Weimar das von seinem Vorsteher, dem Herzogl. Hofgärtner Herrn J. Hartwig verfasste, mit 8 Tafeln Abbil- dungen versehene, werthvolle „Praktische Handbuch der Obstbaumzucht, in 2. umgearbeiteter und vermehrter Auflage, Weimar 1871° einsendeten und beide Werke in dem Lesezirkel in Umlauf gesetzt werden würden, um sodann ihre Stelle in der Bibliothek zu finden. Der Secretair ersuchte um baldige Einsendung der noch rückstän- digen Culturberichte über die im Frühjahr dieses Jahres an die resp. Mitglieder gratis zum Versuchsanbau vertheilten Gemüse- und Blumen- sämereien und berichtele über einen von Herrn Professor Dr. Ferdinand Cohn verfassten und eingesendeten, in der allgemeinen laudwirthschaft- lichen Zeitung ‚Der Landwirth“ vom 1. December d. J., 7. Jahrgang, Nr. 96, enthaltenen, von dem Herrn Autor in der General - Versammlung des Breslauer landwirthschaftlichen Vereins am 21. November d. J. vor- getragenen Aufsatz „Ueber die Vegetation der Rüben im Herbst 1871.“ Herr Kunstgärtner Streubel aus Carlowitz hielt einen Vortrag „Ueber die Feinde der Spargelpflanze und deren Vertilgung“ und legte die patentirte, sehr zweckmässig construirte, daher empfehlens- werthe Baumsäge des Messerschmied M. Kunde in Dresden, Rampische‘ Strasse 16, vor, welche von diesem für den niedrigen Preis von 20 Sgr. zu beziehen ist. Wegen der mit Schluss dieses Jahres zu Ende gehenden, wurde für die nächste Etatszeit 1872--1873 zur Wahl der Functionaire der Seetion geschritten und einstimmig wiedergewählt: Kaufmann und Stadtrath E. H. Müller als Secretair, Herr Kaufmann A. Inkermann als zweiter, resp. stellver- tretender Secretair, | 16 u “ 2 $, =; fer} BEN 2 ef 2 1 re = j = f 242 Jahres-Bericht. ferner in die Garten-Commission. Herr Kaufmann A. Inkermann und Herr Stadt-, Forst- und Oeconomie-Rath Dr. Fintelmann, sowie als Deputirter in die städtische Promenaden - Deputation: Herr Professor Dr. Ferd. Cohn, und nahmen dieselben die Wiederwahl an. Während dieser Sitzungen wurden auch die eingegangenen Preis- verzeichnisse, die Programme für die an verschiedenen Orten bevor- stehenden Ausstellungen von Gartenprodueten und die beiden in diesem Jahre ausgegebenen Lieferungen Nr. 36 und 37 des Obstkabinets von Arnoldi in Gotha zur Kenntnissnahme vorgelegt und besprochen. Mehrfach beschäftigten auch wichtigere Vorlagen über innere Angelegen- heiten der Section. Hierher gehörten u. A. die Entgegennahme des Generalberichts des Secretairs an das Präsidium der Schlesischen Gesell- ‘schaft, über die im Jahre 1870 von der Section gepflogenen Verhand- lungen, dessen Berichte über die neueste Statistik und über den Garten der Section, sowie über die im Frühjahr dieses Jahres durch ihn voll- zogene Gratis-Vertheilung von Sämereien; ferner die Berathung und Feststellung des durch den Secretair entworfenen Einnahme- und Ausgabe-Etats, die Vorlagen der durch denselben geführten Nachweise pro 1870 der Einnahmen und Ausgaben für den Garten der Section und in specie für diese selbst, sowie der von ihm gelegten Kostenrechnung über die so eben bezeichnete Gratis-Vertheilung. Die Dechargirung des Rechnungslegers erfolgte, nachdem Herr Juvelier Herrmann sich der Prüfung der ihm sammt Belägen übergebenen Rechnungen zu unterziehen die Güte gehabt und bei denselben Monita zu stellen keine Veranlassung gefunden hatte. Den Herren Verfassern der vorgetragenen, in den vorstehenden Sitzungsberichten nur ihrer Ueberschrift nach bezeichneten Aufsätze, welche wir weiterhin zu allgemeinerer Kenntniss bringen, finden wir uns zu lebhaftem Danke für deren Einsendung verbunden, nicht minder sind wir aber auch denjenigen resp. Mitgliedern dankbar, welche durch kürzere Mittkeilungen und Notizen ihren Willen zu erkennen gaben, die Zwecke fördern zu helfen, welche von der Section mit ununterbrochen ernstem Eifer im. Interesse, insbesondere der schlesischen Garten- und Obsteultur angestrebt werden. Immer auf’s Neue drängt es uns jedoch hierbei, zugleich die Bitte auszusprechen, dass dergleichen Arbeiten und Mittheilungen auch künftig von solchen praktischen Mitgliedern einge- sendet werden, welche in dieser Weise uns noch gar nicht oder doch nur selten erfreuten. Dieses Ersuchen soll aber namentlich auch an die in. neuester Zeit der Section zahlreich beigetretenen und an solche resp. Mitglieder freundlichst gerichtet sein, welche lediglich aus Neigung, sei der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur. 243 es auf kleinerem Gartenraume, sei es selbst nur im Zimmer, der schönen Flora oder der nützlichen Pomona persönlich huldigen; die Erfüllung des- selben ist um so wünschenswerther, weil die Erfahrung lehrt, dass Beob- achtungen, welche auf nur Weniges im engeren Kreise sich beschränken, oft sorgfältiger angestellt werden können, als da, wo auf reichem und weitem Feld das Interesse nur ein getheilteres und die Aufmerksamkeit weniger auf Einzelheiten gerichtet sein kann, daher auch Mittheilungen der Resultate von dieser Seite sowohl für die grössere Praxis, wie auch für die Wissenschaft werthvoll sein können, jedenfalls aber nicht zu unterschätzen sind. Schon in unserem letzten Jahresberichte hatten wir nicht unerheb- liche Schädigungen zu beklagen, welche der harte Winter von 1869 zu 1870 an jungen Mutterstämmen und in den Pflanzungen des Pomo- logischen und resp. Obst-Baumschul- und Versuchsgarten veranlassten. Dennoch durften am Schlusse des Jahres 1870 wir uns zu der: Hoffnung berechtigt halten, dass die Section nach ihren reichen Vorräthen von Obst-Edelstämmchen und jungen Veredelungen aller Obst- arten, sowie von Wildlingen und Aussaaten nunmehr in der glücklichen Lage sein werde, den nach Ersteren an sie gestellten Anforderungen vollständiger genügen, und dadurch den bisher mit grossen Opfern einge- richteten Garten seiner Erhaltung und wirksamen Fortführung aus dessen eigenen Einkünften näher bringen zu können. Diese Hoffnungen hat, wenigstens für die nächsten Jahre, der Winter 1870/71 in beklagens- werthester Weise herabgestimmt. Wie sehr in diesem Winter ÖObstbaum-Schulen und Pflanzungen durch die lange andauernde ganz abnorme Kälte litten, ja, wie sogar deren manche total erlagen, hat fast ganz Nord- und Mittel- Deutschland erfahren müssen und auch fast sämmtliche unsere Anpflanzungen blieben nicht verschont. Zu diesem Uebel gesellte sich aber ein speciell für unseren Garten noch weit nachtheiliger wirkendes Unglück. Eine im Februar 1871 eingetretene theilweise Ueberschwemmung des Gartens, veranlasst durch Dammüberfluthung in Folge einer ganz ungewöhnlich starken Eisversetzung mit gleichzeitigen scharfen Nachtfrösten führte im Verein mit der vorangegangenen strengen Kälte, nach den später ange- stellten Ermittelungen in demselben den totalen Untergang von nahezu 11,000 Stück bis sechsjähriger, mithin zum Theil schon verwendbarer Hoch- und Formen-Edelstämmchen, einer noch grösseren Anzahl jüngerer Veredelungen und vieler Tausende meist schon veredelungsfähiger Obst- Wildlinge, unter diesen allein von ca. 20,000 Stück zweijähriger starker Birnenwildlinge herbei, welcher Verlust nach der bescheidensten Taxe in’s Gesammt auf mindestens 2000 Thlr. zu veranschlagen war. Ganz besonders hart traf aber der durch dieses Unglück entstandene schwer zu ersetzende Verlust von mehr als 550 Stück, seiner Zeit zur Einrichtung 16* 244 or Jahres-Bericht des Gartens aus den besten Quellen unter sicherer Sortenbezeichnung in Hochstämmen und -Formenbäumen bezogenen Mutterstämmen. In Folge dieses wahrhaften Nothstandes,: und bei den durch die Einrichtung des Gartens äusserst redueirten Geldmitteln der Section. mit welchen die so wünschenswerthe baldige Wiederherstellung desselben nicht zu ermöglichen gewesen wäre, fand das Präsidium der Schlesischen Gesellschaft, auf Antrag des Secretairs sich bewogen, bei Sr. Excellenz dem Minister für die landwirthsehaftlichen Angelegenheiten Herrn von Selchow um eine ausserordentliche einmalige und bei den, für die nächste Zeit einberufenen hohen Provinzial-Ständen Schlesiens ebenfalls um eine Subvention für diese ihre Section zur Wiederherstellung deren pomologischen Gartens und zur vollen Wieder- aufnahme ihres in demselben auf das Landeswohl gerichteten Strebens zu petitioniren. Hierauf wurde der Section zunächst der Vorzug zu _ Theil, dass der Geh. Ober-Regierungs- und vortragende Rath im Ministerium für die landwirthschaftlichen Angelegenheiten Herr Heyder persönliche Ueberzeugung von dem dieselbe betroffenen Unglück nahm, und bald nachher auch durch den Herrn Ressort-Minister von Selchow Excellenz ausser der bereits früher gnädigst bewilligten Sub- vention noch die erfreuliche Ueberweisung einer ausserordentlichen Beihülfe von 200 Thlr. erfolgte, welcher sich eine eben solche von 300 'Thlr. Seitens Hoher Provinzialstände Schlesiens anschloss. — Dieser beiderseitigen Muni- ficenz schuldet die Section die wärmste Dankbarkeit, welcher hiermit Ausdruck zu geben nicht unterlassen werden soll, denn nur mit Hilfe derselben war es möglich, noch in diesem Unglücksjahre selbst, die beschädigten Stellen des Gartens wieder bepflanzungsfähig herzustellen, auch noch einigen Ersatz für das Verlorene neu zu beschaffen und dessen Bewirthschaftung einen ordnungsmässigen Fortgang zu sichern. Der an schon verwendbaren Edelstämmehen gehabte grosse Verlust verschuldete es hauptsächlich, dass den Anforderungen an den Garten der Seetion auch in diesem Jahre bei weitem nicht genügt werden konnte, was ohne denselben mindestens annähernd möglich gewesen wäre, dennoch gewährte dessen Ertrag immerhin noch ein ziemlich günstiges Resultat. Zwar wird für die allernächste Zeit der in das Jahr 1872 übergeführte Vermögens - Bestand der Section einige weitere ergän- zende Anschaffungen in deren Garten zulassen, in welcher Zeit derselbe aber in vollem Umfange den gemeinnützlichen Zwecken der Section wieder dienstbar wird sein können, wird um so mehr ünd lediglich davon abhängen, dass andauernd kräftige Unterstützung hierzu namentlich von Seiten der verehrlichen Mitglieder, aber auch höheren Ortes her wohl- wollend gewährt wird, weil in Folge des erlittenen Unglückes die Ein- nahmen aus dem Garten während der nächsten Jahre sehr erheblich ge- EEE EI FAT DE rs a3 der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur. 945 ringer, daher aus diesen die nothwendigen Ausgaben für denselben kaum zu decken sein werden, ihm leider auch immer noch das Gärtner-Wohn- haus fehlt, dessen Erbauung schon seit einigen Jahren als ein im höch- sten Grade dringend nothwendiges Bedürfniss geschildert werden musste. Wir wollen vertrauensvoll erwarten, dass das nun bald fünfund- zwanzigjährige Bestehen der Section sie zu neuem, ferner segensreichen Wirken kräftige und befestige, damit zugleich, so wie manche vorange- gangene Schwierigkeit, auch die gegenwärtige in muthiger Ausdauer glücklich überwunden werden möge. Ueber das Zurückschneiden der Wurzeln beim Pflanzen der Obstbäume. Von J. Jettinger, Gärtner der Section. Die Monatsschrift für Pomologie und praktischen Obstbau von Ober- dieck & Lucas (1864) enthält einen Aufsatz von F. Marec’s Sohn in Frankreich, über den kurzen Schnitt der Wurzeln bei zu pflanzenden Bäumen. Hauptsächlich handelt dieser Artikel über ganz kurzen Schuitt der starken und mittelstarken Wurzeln und über die gänzliche Entfernung der Faserwurzeln. Die Resultate, welche hiermit erzielt worden sein sollten, waren so verlockend, dass wir einen Versuch nach dieser Rich- tung nicht unterlassen zu dürfen glaubten. In dem darauf folgenden Frühjahr bot sich uns Gelegenheit, bei Neupflanzung von ca. 400 Stück hochstämmigen Kirsch - Wildlingen und 2000 Stück zweijährigen pikirten Birn-Wildlingen einen derartigen Ver- such zu machen. Die Kirschwildlinge hatten unverpackt einen Tag auf dem Transport zugebracht, wohl auch beim Ausheben eine Zeit gelegen; in Folge dessen waren die Faserwurzeln nicht mehr ganz lebensfähig, Die Birnwildlinge dagegen waren kurz vor dem Pflanzen ausgehoben _ worden. Die Wurzeln der Kirschbäume wurden je nach ihrer Stärke auf 4 bis 6 Zoll eingekürzt, beschädigte auch noch kürzer, Faser- oder Saug- wurzeln aber gänzlich entfernt. Mit den Birnwildlingen wurde so ver- fahren, dass die 2 bis 3 Hauptwurzeln, wie sie sich bei solchen Pflanzen von diesem Alter vorfinden, auf 4 bis 5 Zoll eingekürzt wurden, und die sehr zahlreich vorhandenen Faserwurzeln sämmtlich, so gut sie mit der Scheere, deren wir uns immer zum Schnitt der Wurzeln bedienen, zu fassen waren, entfernt. Ein kleiner Theil der Kirschwildlinge wurde 246 Jahres-Bericht wach der gewöhnlichen Methode, mit Hauptwurzeln so lang als möglich 3 und mit Belassung der Faserwurzeln gepflanzt, an den Kronen, da es N fertige Hochstämme waren, welche nur noch der Veredelung bedurften, ; auch nicht geschnitten, sämmtliche Bäume aber tüchtig eingeschlemnt. Die Birnwildlinge wurden auf °/, ihrer Länge eingekürzt. Das Resultat { dieser Pflanzungen war zu unserer Freude ein überraschendes, und sprach $ entschieden zu Gunsten des kurzen Wurzelschnittes. Wenngleich die x Bäume mit länger geschnittenen Wurzeln denen mit kurz geschnittenen während des Sommers im Wachsthum gleichkamen, so trieben diese x doch volle 8 Tage früher als jene. Drei Jahre später — 1868 — bot sich bei Uebersiedelung aus der früheren Obstbaumschule in den jetzigen Garten neue Gelegenheit zur Fortsetzung gleichartiger Versuche. Der Bestand an veredelten Bäumen, welche hierbei zur Verpflanzung kamen, betrug ungefähr 6000 Stück, darunter 3 bis 4jährige Apfel-, Birn-, Kirsch- und Pflaumenbäume, theils _ in Hochstamm, theils Halbhochstämme und Pyramiden. Eine Partie 3jähriger Birnbäume, welche schon beim Pflanzen der Wildlinge dem kurzen Wurzel- schnitt unterworfen waren, zeichnete sich durch ausnehmend schönes Wurzel- vermögen aus. Bei dem Ausheben, dem Transport und im Einschlage hatten die feinen Saugwurzeln mehr oder weniger gelitten und erschienen, in dieser Ansicht durch die bereits gemachte Erfahrung bestärkt, als ganz überflüssige Theile der Bewurzelung, auf dieselben wurde daher beim Pflanzen kein Gewicht gelest und sie vielmehr an ihrem Enstehungs- punkte entfernt. An den Kronen und Zweigen dieser Bäume, wurde, soweit es Kernobst war, mit Ausnahme der beim Transport beschädigten Zweige, gar nicht Beeiiee Auch jetzt wurde wieder eine kleine Arash Bäume’ in Betreff des Sehnittes in der gewöhnlichen Weise behandelt; die stärkeren Wurzeln blieben ca. 1 Fuss lang, die schwächeren, falls sie beim Ausheben nicht verletzt worden waren, auch noch länger, die gut erhalten gebliebenen Faserwurzeln wurden gar nicht beschnitten und ihnen bestmöglichst die natürliche Lage gegeben. Eingeschlemmt oder begossen konnten die Bäume nicht werden. Ende Mai, ungefähr 6 Wochen nach der Pflanzung, wollten wir uns von dem Verhalten der unterirdischen Theile unserer Pfleglinge über- zeugen; an den oberirdischen war die Thätigkeit, mit geringen Aus- nahmen eine ziemlich gleiche. Zu diesem Zwecke wurde die Erde sorg fältig entfernt und wo es ‘nöthig war, auch noch mit Wasser nachgeholfen, um genaue Einsicht zu den Wurzeln zu erhalten. Das Resultat dieser Untersuchungen war über alle Erwartung befriedigend, besonders bei den drei- und vierjährigen Pyramiden. Die jungen Wurzeln erschienen an den kurz geschnittenen Wurzeln fast nach deren ganzer Länge, ebenso auch an den an den Schnittflächen sich gebildeten Wulsten und in einer Er Eu nr aD. Ta ar u der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur. 347 nicht geahnten Menge am Wurzelhalse. An den Bäumen mit, unter Be- lassung der Faserwurzeln, länger geschnittener Wurzel, war die Schnitt- fläche nur gut vernarbt, an den Hauptwurzeln erschienen nur einige junge Wurzeln, die Faserwurzeln aber waren mit einer Menge kleiner junger, Nadelspitzen ähnlichen Wurzeln bedeckt. Hier waren unstreitig die Faserwurzeln, weiche wir bei dem Pflanzen dieser Bäume als unent- behrlich erachteten, die ersten Ernährer der Pflanze. Im zweiten Jahre nach der Pflanzung war der Unterschied am deut- lichsten . wahrnehmbar. Die Mehrzahl der versuchsweise beschnittenen Bäume wurden zum Verkauf ausgehoben. Diejenigen mit kurz beschnit- tenen Wurzeln waren mit ganzen Büscheln solcher in Stärke von Y, Zoll versehen, welche ihrer ganzen Länge nach mit feinen borstenartigen Wurzeln besetzt waren. Die nach der alten Wurzelschnittmethode be- handelten Bäume dagegen hatten höchstens den fünften Theil so viel Wurzeln als jene. Dass mit dem Verhältniss der Wurzeln auch das der Krone und Zweige im Einklange stand, bedarf wohl kaum der Erwähnung. Weitere Versuche wurden dann noch mit ca. 200 Stück vier- nnd fünfjährigen auf Quitte veredelten Birn-Pyramiden, Palmetten und Säulen- pyramiden, ebenso mit ca. 400 Stück Apfel-Cordons auf Johannisholz gemacht. Die Bäume hatten einen vierwöchentlichen Transport auszu- halten gehabt, waren auch ziemlich trocken verpackt gewesen und von sesunden Faserwurzeln war nichts mehr vorhanden. Nach den voraus- segangenen Versuchen mit günstigem Erfolge war kein Bedenken, auch an diesen Bäumen die Faserwurzeln und die Wurzelbüschel, wie sie die Quittenunterlage bildet, gänzlich zu entfernen, auch wurden die Haupt- wurzeln ungefähr auf die schon einige Male angedeutete Länge zurück-, die Kronen, ausser an den beschädigten Theilen aber gar nicht geschnitten. Die Apfelbäumchen auf Johannisholz hatten sämmtlich schlechte Wurzeln, die alle auf 3 Zoll eingekürzt wurden. Das Wachsthum war bei allen diesen Bäumen ein normales, Verluste waren gar keine vorgekommen und eine Untersuchung an den Wurzeln zeigte eine reiche Entwiekelung derselben. Bemerkt muss noch werden, dass der Boden des Sectionsgartens, ein bündiger, feuchter Lehm, der Wurzelbildung und überhaupt für die Baumzucht im Allgemeinen günstig ist. Aus dem Gesagten geht wohl überzeugend hervor, dass Bäume mit kurz geschnittenen Wurzeln und gänzlicher Entfernung der Saugwurzeln eben so gut, wenn nicht sogar besser gedeihen als solche mit lang ge- schnittenen Wurzeln unter Belassung der Faserwurzeln. Ueberhaupt haben die Faserwurzeln und Wurzelbüschel nur eine beschränkte Dauer und sind nach einigen Jahren ganz verschwunden. Es wäre thöricht und könnte verderblich werden, wollte man die Lehre: ‚je kürzer man die Wurzel schneidet, desto mehr junge Wurzeln N ER Er : EEE EEE EEE OH ZEDHEERED 0 SEE DE 248 ' Jahres-Bericht werden erzielt,“ ohne Weiteres verbreiten; vielmehr wird es Sache er- fahrener und verständiger Praktiker sein, dieses Verfahren weiter prüfend zu verfolgen, denn je nach der Baumart, und selbst nach dem Alter des Baumes, wird der Schnitt der Wurzeln Modifieationen unterworfen sein müssen. Vortheile verschiedener Art werden sich beim Wurzelschnitt unzweifelhaft herausstellen. Recht zahlreiche und vorsichtige Versuche, zu denen wir aufmuntern möchten, können in dieser Sache entscheiden. Das Pflanzen der Obstwildlinge in den Obstbaumschulen. Von .J. Jettinger, Gärtner der Section. Fast in jeder Baumschule ist das Pflanzen der Wildlinge vom Saatbeet in die Edelschule verschiedener Art. Hier zieht man Gräben in der für die Wildlinge nöthigen Tiefe und Entfernung, dort wird für jeden Einzelnen derselben in der Entfernung, in welcher man zu pflanzen wünscht, ein Loch gemacht, und wieder anderwärts wird wohl auch blos eine Oeffnung in die Erde gemacht, wie sie eben der in dieselbe ein- gesteckte Spaten grade ergiebt, in diese Oeffnung der Wildling hinein- gezwängt und diese nachher zugetreten. Letztere Methode ist die ver- werflichste, die andere aber, besonders bei Massenpflanzungen, sehr‘ zeitraubend. Unstreitrig hat das Pflanzen, wie es in den Baumschulen in Frank- reich, mit Anwendung einer langen, schmalen Hacke — nebenbei gesagt, vertritt dieses Geräth dort in vielen Fällen die Stelle unseres Spatens — ausgeführt wird, grosse Vortheile. Ein geübter Arbeiter ist im Stande, mit dem Gebrauch einer solchen Hacke grosse Massen in verhältniss- mässig kurzer Zeit zu pflanzen. Allein es kann nun einmal nicht Jeder das Glück haben, seine praktischen Kenntnisse in der Obstbaumzucht in Frankreich auszubilden, und auch nicht jeder Arbeiter hat das Geschick, mit dem genannten Geräth vortheilhaft zu handtiren. Die bedeutende Anzahl alljährlich in dem Garten der Section in die Edelschule auszupflanzender Wildlinge veranlasste nich zum Nachdenken, eine Methode ausfindig zu machen, welche den Spaten beim Pflanzen gänzlich entbehrlich macht. Abgesehen von der Schnelligkeit, mit wel- cher die Arbeit ausgeführt werden sollte, war es auch. zugleich mein Bestreben, eine gewisse regelmässige Ordnung in die zu bepflanzende Fläche zu bringen. Bei dem Pflanzen mit dem Spaten ist dies nur unter i ’ 4 : 4 X N der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur. 349 grossem Zeitaufwand möglich, weil die Erde aus den aufgeworfenen Gräben, oder aus den Pflanzlöchern immer hindernd im Wege ist. Die von mir angenommene Methode besteht einfach darin, dass ich statt dem Spaten das Pflanzholz anwende. Im Jahre 1867 machte ich bei Auspflanzung von ca. 14,000 Stück Wildlingen, darunter einjährige Kirschen-, Pflaumen- und mehrjährige Apfel- und Birn-Wildlingen den ersten Versuch mit derselben, er gelang vollständig und mit günstigem Erfolge so, dass ich seitdem gern dabei verblieb. Es wird vielleicht Mauchem etwas sonderbar erscheinen wollen, Obstpfianzen mit dem Pflanzholz zu pflanzen, besonders wenn man dabei das Wurzelgebilde 2. B. von drei- und vierjährigen Apfel- und recht kräftigen einjährigen Kirsch- Wildlingen, welches bei Letzteren in manchen Bodenarten recht sparrig wird, sich vergegenwärtigt. Bei einjährigen Wildlingen dürften sich überhaupt wohl nur seltener für diese Pflanzmethode Schwierigkeiten finden lassen, bei mehrjährigen dagegen möchte es aber doch Manchem so scheinen, als wenn solche vorhanden wären. Bevor ich mich jedoch über die Vortheile meiner Pflanzmethode äussere, mag noch in Kürze des Schnittes der Wurzeln der zu pflanzenden Wildlinge Erwähnung ‚geschehen. Mehrjährige Versuche und Erfahrung haben mir gelehrt, dass das gänzliche Entfernen aller Seiten- und Faserwurzeln an den jungen Baum- pflanzen nicht im geringsten deren weiteres Wachsthum stört, demgemäss behandle ieh dieselben auch so. Die Wurzeln werden an der ganzen Länge der auf 38 bis 10 Zoll eingekürzten Hauptwurzel und des Wurzel- halses so dicht weggeschnitten, als dies mit einer guten Scheere möglich ist. Von den Zweigen und der Krone wird je nach ihrer Stärke !/, bis die Hälfte weggenommen; nur einjährige Kirschwildlinge werden beim Pflanzen an ihrem Triebe gar nicht geschnitten, denn ist der Sommer günstig, so erhält man aus der Gipfelknospe einen prächtigen Trieb. Sollte diese aber dennoch durch Blattläuse leiden, so holt ein Rückschnitt bis hand- hoch über der Erde das Versäumte im nächsten Sommer wieder nach und werden die Triebe im guten Boden nicht selten 5 bis 6 Fuss hoch. Bei meinem ersten Versuch mit dem Pflanzholz bediente ich mich einer Schnur, an welcher auf je 11/, Fuss Entfernung ein Zeichen ange- _ heftet war, dies sollte die Entfernung der Bäume in der Linie sein. Anfangs ging dies recht gut, aber schon nach kurzer Zeit passten die Linien nieht mehr genau nach allen Richtungen hin. Der Grund hierzu lag wohl hauptsächlich in der Einwirkung der Feuchtigkeit auf die Schnur, vielleicht aber auch darin, dass nach einer gewissen Arbeitszeit dieselbe - nicht mehr so straff sich anziehen liess, als bei Beginn der Arbeit. Um diesem Uebelstande abzuhelfen, wurde in der Drathwaaren- Fabrik des Herrn Algoever hier eine 100 Fuss lange, einer Messkette ähnliche Kette aus sehr starkem Eisendrath angefertigt; deren einzelne Glieder sind Dep = eRTEE DEU SIE RAR Pr 250 Jahres-Bericht durch kleine Ringe von gleich starkem Drath mit einander verbunden und ınessen von der Mitte des einen Verbindungsringes bis zur Mitte des andern genau 1Y, Fuss. An beiden Enden der Kette sind grössere Ringe angebracht, welche man leicht mit der Hand. durchgreifen kann, und so zum Weitertransport der Kette beim Pflanzen dienen. Diese Kette wird, wenn gepflanzt wird, dicht neben die Schnur angelegt, welche die Fluchtlinie angiebtt. Wenn hier noch wieder von einer Schnur die Rede ist, so muss bemerkt werden, dass dieselbe, um eine gerade Linie zu erhalten, absolut nothwendig ist, weil die Kette vermöge ihrer Länge und daraus sich ergebenden Schwere, streng linear zu legen unmöglich ist. Um ganz genau hierbei zu verfahren, ist es nothwendig, vor Beginn der Bepflanzung eines Schlages eine zweite Schnur an dem einem Ende desselben recht straff anzuspannen, welche so lange unbe- rührt bleibt, bis der ganze Schlag bepflanzt ist. Auf diese Schnur kommt bei Beginn einer neuen Reihe jedesmal derselbe Punkt der Drathkette zu liegen, wie bei der vorhergegangenen Reihe; die kleinen Verbindungsringe geben hierzu den Anhaltspunkt. Ist nun die Schnur gespannt und liegt die Kette wagerecht daneben, so theilen 2 Arbeiter die Wildlinge auf der ganzen Linie so aus, dass auf jedes Kettenglied einer zu liegen kommt. Die übrigen Arbeiter pflanzen inzwischen an jedem Punkte, wo sich die Kettenglieder fassen, je einen Wildling mit dem Pflanznolz und treten denselben noch mit dem Fusse fest. Vortheilhaft ist es, von links nach rechts zu pflanzen. Tief gelockertes und gut gegrabenes Land ist bei dieser Pflanz- methode ein wesentliches Erforderniss, um mit dem Pflanzholz leicht in jede benöthigte Tiefe gelangen zu können. Hat man es mit einer schweren Bodenart zu thun, so ist die Bestellung, d. h.. das Umgıaben derselben im Herbst nicht nur rathsam, sondern auch nothwendig. Ge- hörig durch den Winterfrost zersetzt, wird dann das Pflanzen auf die angegebene Weise sich auch leicht machen lassen. Pflanzt man früh genug, sobald das Land einigermassen von der Winterfeuchtigkeit abge- trocknet ist, so wird ein Begiessen oder Einschlämmen der Pflänzlinge nicht nothwendig und ihr Gedeihen ein gesichertes sein. Einiges zur Cultur der Tetragonia expansa L. (Neuseeländischer Spinat). Von Kunstgärtner Grunert in Gross-Paniow. Diese werthvolle Spinat-Art wird in vielen Gartenbüchern und Zeit- schriften empfohlen, auch ihre Cultur eingehend mitgetheilt, mit allem der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur. 351 Recht verdient aber auch die Pflanze diesen Vorzug, denn wenn kein anderer Spinat in heissen Tagen gedeihen will, so ist es dieser, je heisser der Sommer ist, je üppiger wächst derselbe, wenn ihm nur irgend gut sedüngtes Land gegeben wurde und recht viele Feuchtigkeit zuge- führt wird. R Im Allgemeinen geschieht die Anzucht der Pflanzen des Neusee- ländischen Spinats im Warmbeet, von wo sie dann, stark genug, im Mai, wenn keine Nachtfröste mehr zu fürchten sind, ausgepflanzt werden. Mein Culturverfahren ist ein hiervon und in mancher anderen Beziehung abweichendes. Im Herbst, so spät als möglich, November oder December, ‚riehte ich mir in recht gutem Boden und in geschützter Lage des Gar- tens ein Beet in beliebiger Länge her, ziehe auf demselben drei 2 Zoll tiefe Furehen und lege den Samen hinein, bedecke ihn mit derselben Erde und dann das ganze Beet 3 Zoll hoch mit kurzem Dünger. In diesem Zustande bleibt das Beet, je nach der Witterung, bis Mitte oder Ende April liegen, wo dann der Dünger entfernt und das Beet auf- gelockert wird. Im Mai, wenn die Erde schon von der Sonne gehörig durchwärmt ist, laufen die Pflanzen schön auf und werden, wenn sie gehörig erstarkt sind, da, wo sie zu dicht stehen, durchzogen und erfor- lichen Falls weiter verpflanzt. Früher, als zu der oben angegebenen Zeit ausgesäet, keimt der Same zu zeitig, und die jungen Pflanzen gehen im Frühjahr dann zu Grunde. Sollten noch späte Nachtfröste zu be- fürchten sein, so ist es rathsam, die jungen Pflanzen durch Stroh oder Decken zu schützen. Dieses neue Culturverfahren wende ich mit bestem Erfolge schon seit Jahren an, und habe dabei noch den Vortheil, nicht erst die müh- same Anzucht im Mistbeet vornehmen zu dürfen und die dafür nöthigen Fenster zu Besserem verwenden zu können. Viele Pflanzen gehen erst noch im Juni auf, diese gehörig erstarkt, sind, wenn man sie nicht weiter braucht, mit der Wurzel ausgezogen, in der Küche ebenfalls gut verwendbar. Obstbauliches. Von G. Stoll, Director des Königl. Pomologischen Instituts in Proskau. Dass Schlesien, mit einigen Ausnahmen, bisher in der Cultur des Obst- baumes noch weit zurück war, da von keiner Seite etwas durchgreifendes unternommen wurde, ist genugsam bekannt. Nunmehr jedoch steht die recht erfreuliche Thatsache fest, dass hierin eine ernste Wendung zum Guten eingetreten ist. Wie überhaupt im Allgemeinen in Preussen, so 2 Ab RN Du u ARE on BE EN EA OR TERENR AB RR, z EN BEER ET 252 Jahres-Bericht ist namentlich ganz besonders in unserer. Provinz das Interesse für den Anbau und die richtige Pflege des Obstbaumes lebhaft wach gerufen worden, seitdem die Königliche Staats-Regierung diesem wichtigen Zweige der Landeskultur ihre warme Fürsorge angedeihen lässt und zunächst durch Gründung des pomologischen Instituts in Proskau eine Centralstelle geschaffen hat, von der aus nach allen Richtungen Rath, Belehrung und Unterstützung in der Obsteultur ertheilt wird. Sowohl Behörden und Vereine, als auch der grosse und kleine Grundbesitzer werden mit Erfolg darauf hingewiesen, wie verschwenderisch sie handelten und welch grosser Nutzen ihnen dadurch entgangen ist, dass sie Wege, Triften, Gehöfte ete. nur mit ertragarmen Bäumen be- pflanzten oder gar leer stehen liessen, anstatt jeden geeigneten Platz dazu zu verwenden, soviel als möglich Obstbäume anzupflanzen, deren nationalökonomische Dankbarkeit ja, Jedermann einleuchten muss. Eines der Haupterfordernisse für das Gedeihen und die Ergiebigkeit des Obstbaues ist selbstverständlich die Wahl solcher Sorten, die den gegebenen climatischen und Boden - Verhältnissen zusagen und deren Tragfähigkeit und Güte erprobt sind. Was nun diese letztere Eigen- schaft anbelangt, so geben pomologische Handbücher die gewünschte Belehrung; auch hat der deutsche Pomologen-Verein gute Obstsorten zum Anbau in unserem Vaterlande empfohlen. Es soll demnach nicht Zweck dieser Zeilen sein, ein ähnliches, entsprechend erweitertes Ver- zeichniss aufzustellen, es sollen vielmehr mit ganz besonderer Rücksicht- nahme auf Oberschlesien einige, meist bekannte Obstsorten hervorgehoben werden, deren Anpflanzung in dieser Gegend als von dem günstigsten Resultat begleitet sich durchaus bewährt hat. Das mit Schätzen unter der Erde so reich gesegnete Oberschlesien erfreut sich bekanntlich, abgesehen von der durchschnittlich geringeren Bodenbeschaffenheit, in Folge seiner hohen und unzuträglichen Lage keiner besonders günstigen klimatischen Verhältnisse. Der Frühling tritt hier vicht nur um 14 Tage später ein, als in dem übrigen Schlesien, sondern zeigt sich auch keineswegs so frühlingsmässig, als man dem Breitengrade nach, unter dem Oberschlesien gelegen ist, anzunehmen berechtigt wäre; hingegen nimmt der Herbst in Oberschlesien grösstentheils einen um so milderen, angenehmeren Verlauf, als in Niederschlesien. Da es nun natürlich ist, dass solche Obst - Sorten, die schon unter weniger gün- stigen Verhältnissen gut gedeihen, in besseren Lagen innerhalb unseres Vaterlandes eher vortheilhaft sich entwickeln, sofern nicht gerade einige auf besonderen Ursachen beruhende, seltene Ausnahmen zu constaliren sind, so dürfte die nachstehende Aufstellung im weiteren Umfange zur Richtsehnur dienen, und gewiss dadurch wesentlich an Werth und Interesse gewinnen, dass nur solche Sorten verzeichnet sind, die den aussergewöhnlich strengen, letztverflossenen Minten ohne Nachtheil überstanden haben. der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur. 353 An dieser Stelle sei es gestattet, über die Einwirkungen des selten heftigen Frostes auf die Obstbäume während des gedachten Winters Einiges im Allgemeinen kurz zu bemerken. Das Thermometer war mehrere Male bis auf — 27° R. herab- gesunken. Alle Hoffnung auf eine nur einigermassen ergiebige nächste Obsternte war geschwunden; denn die Knospen fast sämmtlicher Obst- bäume, allenfalls Aepfel und die Hauszwetsche (ungarische Pflaume) aus- genommen, zeigten sich beim Zertheilen ganz braun und schienen zerstört; auch das junge Holz der Birn- und Süsskirschbäume war braun, zum mindesten wies es braune Markstrahlen auf; ja selbst älteres Holz der letzteren Sorten zeigte sich vielfach vom Froste mitgenommen. Nach diesen Beobachtungen muss es fast Wunder nehmen, — und zwar um so mehr, als die Knospen sogar zu der Zeit, als ihre Achsen sich schon streckten, sehr angegriffen erschienen, — dass dennoch das Ergebniss der diesjährigen Obsternte in Aepfeln, Birnen, Kirschen und Pflaumen ein gutes, reichliches war. Das der heftigen Winterkälte folgende feuchte, mässig milde Frühlingswetter übte auf die erkrankten Bäume einen so wohlthätigen Einfluss, dass die meisten Schäden ausgeglichen wurden und die weitere Entwickelung kräftig fortschritt. Nur Pfirsich und Apri- kosen, die überhaupt zarter sind, machten eine Ausnahme. Diese trugen selbst in den geschütztesten Lagen sehr spärlich, wenngleich der Frucht- ansatz mitunter kein geringer war. Ein Theil der Früchte fiel bald nach dem Verblühen ab, ein auderer erreichte die Grösse von Wallnüssen, und nur einzelne Exemplare erhielten sich bis zum Reifwerden; aber auch diese gelangten nicht bis zur normalen Ausbildung, sondern blieben hinsichtlich der Grösse und Güte merklich zurück. Bei Pfirsich und Aprikosen hatte der Frost so tief gegriffen, dass die jüngeren Gefäss- bündel in ihren Functionen gehindert waren und der Nahrungssaft ‘den Früchten nicht in genügendem Masse zuströmen konnte. Verzeichniss der näher gedachten Obstsorten. I. Aepfel: 1) Rother Herbst-Calvill trug in diesem Jahre in allen Lagen, in Gärten, auf Triften und an Strassen sehr gut und reichlich. 2) Gestreifter Herbst-Calvill, eine sehr schätzbare Frucht. 3) Danziger Kantapfel, hier Prinzipaler genannt, einer der belieb- testen und am meisten verbreiteten Aepfel; er trägt fast alle Jahre und giebt Früchte von grosser Schönheit und vorzüglicher Güte. Auch in diesem Jahre gab er eine volle Ernte. 4) Virginischer Sommer-Rosenapfel, einer der besten Sommer- äpfel. 5) Weisser Astrakan, hier Augustapfel genannt. u . PB SR EB A a rn ne, Er :; 254 6) 2) 8) 9) 10) 11) 12) 13) 14) 15) 16) 1) 2) 3) 4) Jahres-Bericht Purpurrothe Cousinot- Büschelreinette, hier rothe Reinette, auch Weihnachtsapfel genannt; letztere Bezeichnung, weil dieser Apfel ganz besonders zum Aufputzen des Weihnachtsbaumes dient. Für hiesige Verhältnisse eine der vorzüglichsten Marktfrüchte. Der Baum trägt fast alle Jahre in den verschiedensten Lagen und Bodenarten. viel Böhmischer Jungfernapfel, der gewöhnlich 1 bis 2 Jahre ruht, war in diesem Jahre dergestalt mit Früchten überladen, dass die Bäume gestützt werden mussten. Rother-Winter-Traubenapfel, trug ganz besonders reichlich. Englischer Agatapfel, war mit Früchten überladen. Alant, Grosser, edler Prinzessinapfel. Geflammter weisser Cardinal, hier Pleissner Rambour genannt, ist in Oberschlesien massenhaft verbreitet, und war, wie fast stels, auch in diesem Jahre ein sehr williger Träger. Goldgelbe Sommer-Reinette, hier Citronenapfel genannt. Winter-Goldparmäne, gedeiht ganz vortrefflich und ist als hoch- schätzbare Frucht allgemein anerkannt. Edler Winterborsdorfer; wenn auch, wie ja im Allgeineineu kein besonders williger Träger, war doch in diesem Jahre vielfach mit Früchten behangen. | | Champagner-Reinette, hier wälscher Weinling genannt, eine sehr schätzbare, besonders haltbare Frucht. Weisser Winter-Taffetapfel ist sehr verbreitet und von ausserordentlich grosser Tragkraft. Il. Birnen. Weisse Herbst-Butterbirne, namentlich in guten Lagen be- sonders werthvoll. | Liegel’s Winter-Butterbirne, seit ca. 15 Jahren erst hier ein- geführt, bewährt sich aber sehr gut. Napoleon’s Butterbirne, von höchster Tragkraft. Grumkower Butterbirne, hier Pommersche genannt, eine ganz un- gemein schätzenswerthe Frucht, die in den allermeisten Gärten Ober- schlesiens anzutreffen ist.. Klima und Boden dieser Gegend sagen ihr ganz besonders zu, so dass nirgends durchnittlich so grosse, schöne Früchte anzutreffen ‚sein dürften als hier. (Früchte von 5” Länge und 3 Y,“ Breite sind hier gar nicht selten.) Die vom Rhein, aus Sachsen und Dessau erhaltenen standen auch hinsichtlich der Güte den hie- sigen wesentlich nach. Proskau besitzt eine nicht unbedeutende Anzahl dieser Birnbäume, die trotz ihres Alters von 70—80 Jahren 4 noch kerngesund sind. Die Grumkower gedeiht selbst in ganz der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur. 955 freien, offenen Lagen vortrefflich und verdient die allgemeinste Verbreitung. 5) Grüne Tafelbirne, entschieden eine der kostbarsten zeitigen Sommerfrüchte, die noch weit mehr verbreitet ist, als 6) Punktirter Sommerdorn, der aber auch gar nicht selten anzu- treffen ist und reichlich und gut trägt. 7) Bosk’s Flaschenbirne, namentlich in geschützten Lagen recht tragbar. 8) Salzburger Birne, hier Sommer-, auch Zwiebelbergamotte ge- nannt, in Oberschlesien vielleicht noch mehr, als die Grumkower verbreitet, ist eine ungemein willig tragende geschätzte Sommerbirne. 9) Sehlesische Honigbirne (im pomologischen Handbuche noch nicht beschrieben), eine kostbare Wirthschafts-, namentlich Backbirne. 10) Die Flachsbirne (im pomologischen Handbuche noch nicht be- schrieben), sonst nur wenig bekannt, in Oberschlesien jedoch eine sehr verbreitete, köstliche Sommerbirne. Die Frucht ist der kleinen Blankette nicht unähnlich, aber länger, etwas grösser und von mehr gelber Farbe. Das Fleisch ist abknackend, bei völliger Reife halb schmelzend, von süssem, muskirten, sehr angenehmen Geschmack. Der Baum wird sehr gross, baut sich schön pyramidal und liefert fast alle Jahre höchst reichlich Früchte. 11) Die Liebesbirne, eine hier sehr verbreitete Wirthschaftsbirne. III. Kirschen. Alle die nachbenannten Sorten werden in Oberschlesien besonders eultivirt und liefern sämmtlich guten bis ausgezeichneten Ertrag. 1) Frühe Mai-Herzkirsche, 2) Werder’sche frühe Herzkirsche, 3) frühe bunte Herzkirsche, 4) Gelbe Herzkirsche, 5) Purpurrothe Kuorpelkirsche, 6) Grosse schwarze Knorpelkirsche, 7) Gubener Bernsteinkirsche, 8) Weisse Spanische, 9) Rothe Maikirsche, 10) Spanische Glaskirsche, 11) Kirsche von der Natte, 12) September-Weichsel. IV. Pflaumen. Dieses Obst ist nur in wenigen Sorten angebaut, am häufigsten: 1) Die Hauszwetsche (ungarische Pflaume), 2) die Reineclaude, 3) die gelbe Mirabelle; alle drei, vorzugsweise die erste, sind allgemein ver- breitet, und haben auch im letzten Sommer reiche Ernten geliefert. . Ganz offenbar giebt es noch eine Menge Obstsorten, die in Ober- schlesien mit günstigem Erfolge ceultivirt werden können. Das pomo- logische Institut in Proskau ist nach dieser Richtung hin nach Kräften thätig und wird s. Z. nieht ermangeln, die auf Grund eigener Versuche und Beobachtungen erzielten Resultate zur weiteren Verbreitung gelangen a A Oi he ae Ye Rn ; Pa \ ER Se DE Se Pa 2 04 256 Jahres-Bericht zu lassen. Es sei hiermit ausdrücklich eonstatirt, dass in der obigen Auf- stellung nur solehe Sorten verzeichnet sind, die in dem klimatisch etwas stiefmütterlich bedachten Oberschlesien nicht nur allgemeine Anerkennung gefunden, sondern auch — selbst unter so überaus ungünstigen Verhält- nissen, wie während des letzten Winters — sich so bewährt haben, dass sie zur allgemeinsten Verbreitung empfohlen werden können. Fürst Pückler. - Muskau auf dem Gebiet der Blumengärtnerei mit beson- derer Berücksichtigung von Schloss: Branitz. Von Kunst- und Handels-Gärtner W. Kühnau in Breslau. Es ist eine längst bekannte und bis zum Ueberfluss erörterte That- sache, dass der berühmte Fürst Pückler-Muskau durch die Schöpfungen der majestätischen Parks von Muskau und Branitz Meisterwerke so muster- siltiger Art hingestellt hat, dass dieselben epochemachend auf den Ge- schmack in der Gartenkunst einwirkten. Es liegt nahe, dass ein der- artiges Genie, welches das Feld seines Wirkens nach allen Riehtungen so recht bis in die Details beherrschte, einen für die Aussckmückung seiner Schöpfungen so wichtigen Zweig wie die Blumengärtnerei ist wohl gewürdigt, und ihm seine volle Aufmerksamkeit zugewendet habe. Deshalb dürfte es auch von um so grösserem Interesse sein, den Ge- schmack und den Gesichtspunkt, von denen der Fürst bei der Aus- schmückung seiner Blumengärten ausging, kennen zu lernen, als meines Wissens über dieses Thema noch nichts Näheres bekannt geworden ist. In den Jahren 13856 bis 1858 habe ich die Ehre gehabt, die Stelle eines Blumengärtners des Fürsten zu bekleiden, und da derselbe seine Befehle und Wünsche in Betreff des Pleasure - ground in täglichen Audienzen zwischen 12 und 1 Uhr mir aussprach, so habe ich hinreichend Gelegen- heit gehabt, mir ein kleines Bild der Anschauungen des berühmten Herrn in meinem damaligen Wirkungskreise zu verschaffen, welches ich hier, freilich nur in seinen Hauptzügen, zu skizziren mir erlaube. Der Blumengärtnerei und der Ausschmückung durch Pflanzen ist in Branitz, ebenso wie in Muskau ein ganz bestimmter Bezirk angewiesen, welcher rund um das Schloss herum liegt, und vom Fürsten nach eng- lischer Art, Pleasure-ground genannt wird. Dieser Pleasure-ground ist vom eigentlichen Parke durch ein feines, rasengrün angestrichenes Drath- ’ der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur. 357 gitter abgegrenzt. Wo die Wege nach dem Park führen, sind feine, verschliessbare Draththore angebracht, welche den Begriff der „ausge- dehnteren Wohnung“ andeuten, den der Fürst mit den Worten Pleasure-ground verbindet. Park und Pleasure-ground gehen aber in einander über und sind durch anschliessende Pflanzungen verbunden; aber während der Park ganz den Charakter der Naturwüchsigkeit trägt und einheimische Gehölze, oder von ausländischen nur ganz allgemein eingebürgerte beherbergt, von Blumen höchstens wilde zeigt, während seine Rasenflächen ganz wie Wiesen behandelt und die Wege nur noth- dürftig im Allgemeinen rein gehalten werden, — herrscht im Pleasure- ground die äusserste Sauberkeit, die Wege sind mit feinem gelben Sande bestrent, nirgends vom kleinsten Unkrautpflänzchen unterbrochen, die Rasenplätze werden durch fast alle vierzehn Tage wiederholtes Abmähen kurz und sammetartig fein gehalten, feine, schön blühende oder sonst ausgezeichnete, ausländische Gehölze sind theils einzeln, theils gruppen- weise, theils zu Pflanzungen vereinigt, vertheilt und in ununterbrochener Reihe sind den ganzen Sommer hindurch die in reichlicher Anzahl vor- handenen Blumenbeete mit blühenden Pflanzen geschmückt. Eine Idee, welche der Fürst mit besonderer Vorliebe verfolgte, war es, diese im Pleasure-ground vorhandenen Blumenbeete, Rabatten u. s. w. nach einem bestimmten Plane den ganzen Sommer hindurch zu bepflan- zen, der jährlich zu befolgen sein sollte, und im Winter 1856/57 hat er sich mit der Aufstellung eines solchen beschäftist. Meine in den täg- lichen Audienzen ihm gemachten Vorschläge für die Bepflanzung jedes einzelnen Beetes wurden sehr speciell censirt, wobei der Fürst eine ziemlich umfassende Pflanzenkenntniss zeigte, welche ihn unter den vor- geschlagenen Pflanzen eine sichere und gute Wahl treffen liess. Die Botanik ganz bei Seite lassend, interessirte ihn zumeist immer die Farbe, und erst in zweiter Linie die Form und Haltung der Blumen, und die Präeision, mit welcher er sich die einzelnen Farbentöne vorstellte, haben mich oft in Erstaunen gesetzt. Das Resultat dieser Arbeiten war ein vollständiger, leicht ausführbarer Bepflanzungsplan für den ganzen Pleasur- ground. Derselbe scheint aber später nicht befolgt worden zu sein. Ueber das, was der Fürst im Pleasur-ground zu sehen und erreicht zu haben wünschte, sprach derselbe sich sehr klar aus; im Uebrigen aber bekümmerte er sich gar nicht um die Mittel und Wege, auf: denen ich meine Ziele zu erreichen strebte und erreichte. \Venn ich säete, pflanzte, wenn und wie ich die Vermehrungsgeschäfte besorgte und mir die zur Erreichung des gewünschten Effeetes erforderlichen Pflanzen verschaffte; das Alles war ihm vollkommen gleichgültig. Er verlangte aber, dass das, was geleistet wurde, in vollendeter Weise geschah, und schnitt den Einwand, dass dies oder jenes sich noch besser entwickeln würde, kurz | 17 258 Jahres-B ericht mit den Worten ab: „ich glaube Ihnen gern, dass dies schön wird, aber ich wünsche, dass es schön ist.“ Die Zeit, von welcher an der Pleasur-ground in Blüthe sein musste, war auf Mitte Mai angesetzt. Dieser Termin war ziemlich spät bemessen. Hierin lag eine Eigenthümlichkeit des sonst so strengen Fürsten. Denn nachdem der kahle, blumenlose Winter vorüber ist, sehen doch die meisten Menschen die ersten Frühlingsblumen mit doppeltem Vergnügen. Der Fürst sah wohl auch vor dem genannten Termine blühende Blumen im Pleasur-ground gern, aber er machte keine Ansprüche darauf. Sollte er Freude an seinem Pleasur-ground haben, so musste derselbe an allen Orten gleichmässig fertig sein, kein Blumenbeet durfte leer, die Topf- und Kübelpflanzen aus den Gewächshäusern inussten aufgestellt, die vielen Vasen ausgeputzt, Gebüsche, Wege und Rasenplätze vollkommen sauber sein, und da alles dieses, namentlich das Ansräumen der Topf- pflanzen aus den Gewächshäusern an ihre Sommerplätze, nicht vor Mitte Mai zu bewerkstelligen war, so überliess er die Frühlingszeit bis dahin seinem Blumengärtner gleiehsam als eine Vorbereitungszeit, während deren er sich auf äusserste Sauberkeit im Pleasur-ground beschränkte; daun aber, von Mitte Mai an, mussten die Blumenbeete fortwährend in Blüthe erhalten werden, bis im Herbste die Fröste ein Ende machten. Einen besonderen Werth legte der Fürst auf einen gut unterhaltenen Blumenflor in den Monaten September und October und auch für den Fall eines langen Herbstes musste für einen genügenden Vorrath von Ersatzpflanzen gesorgt sein. Der Fürst sagte oft, dass diese beiden Monate ihm die liebsten im ganzen Jahre wären. Um die Zusammenstellung der Farben auf den Blumenbeeten kümmerte der Fürst sich ganz speciell, und verlangte er in der ersten Zeit meiner An- stellung genauen Bericht, welche Blumen ich auf bestimmte Beete zu pflan- zen gedächte, ehe ich sie bepflanzen durfte, welche Examina mir freilich bald erlassen wurden. Die Blumenbeete wurden zum grossen Theil ring- förmig bepflanzt, mit 2 bis 4 verschiedenen Pflanzenarten, deren Farben sich allerdings gut vereinigen mussten. Hierbei kam allerdings sehr zu Statten, dass die Farben der Blumen so rein sind, dass bei einem einiger- nassen geschmackvollen Arrangement eine Farben-Disharmonie nicht möglich ist. Bei solehen Beeten, die weiter von den Fenstern des Schlosses entfernt lagen, liebte der Fürst grelle Contraste, wie dunkel- blau oder ultramarinblau mit orange, weiss und scharlachroth oder schwarz, roth u. s. w. wie Delphinium chinense und Sedum Aizoon, Tagetes erecta mit dunkellila Astern, Perilla Nankinensis mit weissen Petunien ete, Doch wurden auch viele Beete einfarbig bepflanzt, wie die Rabatten auf der Terrasse mit scharlachrothen Pelargonien; für einfarbige Bepflanzung mit blauen Blumen, welche Farbe der Fürst besonders liebte, war das „Venusbeet“ das grösste, aus 20 kleinen Beeten bestehende Blumenstück a ee En u a a nl a ji‘ n der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur, 359 im Pleasur-ground, mitten auf dem Rasenplatz zwischen Schloss und Veranda, und der „‚Ring um Nimm’s (eines Lieblingshundes) Grab“ be- stimmt. Einige Schwierigkeit bot die Bepflanzung des „Kronenbeetes “ eines arabeskenartigen Blumenstückes auf der Hinterfront des Schlosses, für welches die Farben goldgelb, blau, lila und rosa gegeben waren. Die Bepflanzung der Krone, der Hauptfigur dieses Beetes, mit dem wild- wachsenden Sedum sexangulare, im Monat Juli, machte einen brillanten Effect. Alle diese Bepflanzungen wurden natürlich in der Weise ausgeführt, dass immer zu jeder Zeit, wo die Pflanzen eines Beetes zu verblühen begannen, schon ein entsprechender Vorrath anderer blühender Pflanzen vorhanden war, welche an Stelle der abgeblühten gepflanzt wurden, mochte dies nun bewerkstelligt werden durch Anzucht in Töpfen oder im freien Lande, wo die Pflanzen mit Ballen herausgenommen und auf die Blnmen- beete gepflanzt wurden. Zu diesem Zwecke der Anzucht war im Ge- müse-Garten ein besonderes, ziemlich grosses Quartier bestimmt, welches den Namen „Blumenschule“ erhielt und fortwährend mit allerlei Sommer- blumen und Stauden bepflanzt erhalten wurde, um die entstehenden Lücken immer wieder ausfüllen zu können. Es liegt auf der Hand, dass ein sofortiger genügender Ersatz bei einer so grossen Anzahl, 56, Blumen- beeten, grösstentheils von ansehnlicher Grösse, oft Schwierigkeiten bot. Oft wurden um weniger Tage willen Neupflanzungen vorgenommen, das hauptsächlichste Coatingent für diese also ausgeführten Bepflanzungen boten Sommergewächse und Stauden, die eine so barbarische Behandlung am besten vertrugen. Topfpflanzen, welche, so schön sie sind, und so langdauernd ihr Flor ist, wurden nur in beschränktem Masse angewandt, weil sie meistens erst viele Wochen nach ihrer Auspflanzung sich kräftig entwickeln und in ihrem anfänglichen Zustande den Wünschen und Ausprüchen des Fürsten keinesweges entsprachen. Blattpflanzen liebte er wenig und nur in besonderer Ueppiskeit und hatte im ganzen Pleasur-ground nur ein einziges Beet für solche, und überdies an einer ziemlich versteckten Stelle bestimmt. Dagegen hatte der Fürst eine grosse Vorliebe für gut angelegte Staudenbeete, welche so bepflanzt waren, ‚dass zu jeder Zeit des Jahres ein Theil des Beetes in Blüthe stand, und hat sich oft gefreut über ein solches, dem Fenster seines Schlafzimmers gegenüber gelegenes Staudenbeet. Die Topfpflanzen waren auf der das Schloss rundum umgebenden Terrasse so aufgestellt, dass sie mit Ausnahme der mit im freien Lande stehenden Rhododendron, Mahonien, Kirschlorbeer bekleideten Hinterfront dicht an die Wand anschliessend das ganze Schlossparterre deekten und zwischen den Fenstern durch starke in Kübeln stehende Pflanzen grüne Pfeiler gebildet wurden. Durch gleichmässige Vertheilung der möglichst 17# 260 Jahres - Bericht vielen blühenden Topfpflanzen war für eine anmuthige Unterbrechung dieser grünen Verkleidung gesorgt. Gewächshäuser sind im Pleasur-ground nicht angebracht, weder in Muskau, noch in Branitz, sie scheinen dem Fürsten weniger einen deco- rativen, als ökonomischen Werth gehabt zu haben, insofern sie ihm die Mittel zur Ausschmückung des Pleasur-ground lieferten. Einen wesentlichen Schmuck des Pleasur-ground bildeten verschiedene grosse Vasen zur Aufnahme von Pflanzen in Töpfen, welche nach jedes- maligem Abblühen durch bereitgehaltene Andere ersetzt wurden. Solcher Vasen waren 25 Stück von verschiedener Facon und Grösse, theils auf der Terrasse; theils an den Seiten der Treppen oder auf Postamenten im Rasen angebracht, theils von breiter, flacher, theils von hoher, schmaler Gestalt, von Farbe braun, dunkelgrün, röthlich, steingrau oder vergoldet, 2. B. letzteres am Anfange der vergoldeten Geländer der Treppen- Auf- gänge an der Vorderfront des Schlosses. In Beziehung auf die Ausschmückung seiner Zimmer war der Fürst am anspruchslosesten. Einige wenige, nicht umfangreiche, aber durch Ueppiskeit und Blüthenreichthum ausgezeichnete Exemplare genügten ihm; zwei auf seinem Schreibtische, rechts und links in Porzellantöpfen, und in seinem Wohnzimmer zwei kleine Blumentischehen, jedes mit höchstens 6 Töpfen, und diese Topfpflanzen wünschte er auch nur den Winter über, so lange die Blumenzeit im Freien noch nicht begonnen hatte. Dagegen war auf dem sehr eleganten Treppenflur auf einem Vorsprunge, der zu diesem Zwecke mit Zinkblech ausgeschlagen war, eine Einriehtung zur Aufstellung von Topfpflanzen getroffen, welche einen Flächenraum von etwa 20 Quadratfuss einnehmend, durch das grüne Laub und die lebhaften Farben der Blumen sehr angenehm von dem dunkel eichen- holzfarbig angestrichenen Holzwerk der Umgebung abstach. Blumengärtnerei ist eine Geschmackssache, die Jeder betreibt, wie es ihm beliebt. Ich glaube aber, meinen Mittheilungen dasjenige Interesse beilegen zu dürfen, welches die Persönlichkeit hervorragender Männer einflösst. Zur Bepflanzung von Parterres für den Frühlingsflor. Von Kunstgärtner C. Peiffer in Zölling. Ein Parterre, recht reich mit Frühlingsblühern ausgestattet, kann in manchem Jahre schon im Februar, selbst wenn der Schnee noch die Erde deckt, mit den Erstlingen aus dem Reiche Flora’s erfreuen. Schnell der Schles. Gesellsch. f. vaterl, Cultur. 61 hintereinander erwachen nun die lieblichen Schläfer, jeden Tag bieten sich dem Auge neue Reize, und nicht lange, so hat das Füllhorn voll und ganz, in einer Pracht und Herrlichkeit sich vor uns ausgegossen, deren Lieblichkeit und Anmuth selbst durch den grössten Glanz und die Farbengluth der Sommerflora kaum übertroffen wird. Zur Bepflanzung eines solchen Parterres verwendet man ausschliess- lich Stauden und Zwiebelgewächse, auch wohl als zweijährige Pflanzen behandelte Annuelle, und steht hierin ein so umfangreiches Material zu Gebote, dass die Auswahl nicht schwer werden kann. Ist jedoch, wie dies meistens der Fall ist, der gegebene Platz nicht lediglich zur Früh- ‚lingsflora bestimmt, sondern soll auch bis zum Spätherbst ohne wesent- liche Unterbreehung den grösstmöglichen Effect hervorbringen, dann aller- dings wird es zu dessen Bepflanzung einer sehr sorgfältigen Auswahl und senaueren Kenntniss der Eigenschaften der hierfür verwendbaren Pflanzen bedürfen. Ausserdem aber werden dazu, wenn nicht ein besonderer: Anzuchtsgarten vorhanden ist, unbedingt einige Reservebeete zur Ver- fügung stehen müssen, um die abgeblühlten Frühlingsblüher aufzunehmen und sie durch andere, dort angezogene Pflanzen zu ersetzen. Durch das ein- oder zweijährige Umpflanzen der Stauden werden dieselben aber nieht nur in gutem QCulturzustande erhalten, sondern auch vor Ausartung und Verwildern geschützt werden und den Vortheil leichter Zertheilung behufs Vermehrung gewähren, auch, was ebenfalls nicht zu unterschätzen ist, freie Hand für das Arrangement zur Sommerflora lassen. Das Aufnehmen der Frühlingsblüher empfiehlt sich auch noch be- sonders aus Rücksicht auf Aesthetik. Eine Arabeske z. B. würde jeden- falls bedeutend an gefälligem Ansehn verlieren, wenn man die auf ihr abgeblühten Frühblüher nieht entfernen wollte, denn ihre nicht mehr frische Belaubung würde der beabsichtigten Farbenzusammenstellung und der Frische der Sommerflora störend sein, ihr Verbleiben aber auch das vor dem Einbringen dieser Letzteren nothwendig gründliche Umgraben und Auflockern des Erdreichs unmöglich machen, welcher Umstand nur nachtheilig auf die Entwickelung der später angebrachten Pflanzen wirken würde. Ausnahmefälle, wo das hier Gesagte weniger Anwendung finden könnte, dürften natürlich auch eintreten, z. B. bei grösseren Rabatten oder Gruppen, wo die frühblühenden Stauden, wenn es grössere oder sewöhnlichere sind, in weiteren Zwischenräumen stehen, und wo man in Betreff der Farbenharmonie nicht so strenge Ansprüche macht, ferner, bei einzelnstehenden, sogenannten Solitairpflanzen — Paeonien, einigen Arten Spiraea u. dergl., auch bei Einfassungen, z. B. von verschiedenen Sedum-Arten, Vinca ete. Noch möchte ich darauf aufmerksam machen, dass man bei Anwen- dung frühblühender Staudengewächse zur Bepflanzung von Gruppen oder arabeskenartigen Beeten in Bezug auf die Anzahl der Exemplare ja nicht 262 Jahres-Bericht zu sparsam sei, denn, sind auch die Farben ihrer Blumen recht lebhaft, so sind diese selbst doch meist nur klein; man muss daher mit ganzen Massen einer und derselben Art auftreten, wenn man den gewünschten Effect hervorbringen will. In Nachstehendem will ich einige Frühlingsblüher, nach der Folge ihrer Blüthezeit nennen, wohl wissend, dass meinen Herren Collegen ich nichts Neues bringe, aber doch in der Hoffnung, manchem Gartenfreunde, welcher diesen Reihen seine freundliche Aufmerksamkeit zuwendet, damit vielleicht einen kleinen Dienst zu erweisen. Februarflor: Galanthus nivalis, Helleborus niger, Scilla sibiriea. Erstere und Letztere bekannte liebliche Zwiebelgewächse, welche man schon im Herbst vorher in die Erde zu briugen hat. In strengen, langen Wintern blühen sie erst im März, während Helleborus niger seine grossen weissen Blumen oft schon unter dem Schnee und wenn die Erde noch gefroren ist, entwickelt. Märzflor: Ausser den vorgenannten Zwiebelgewächsen noch die folgenden: Crocus vernus, in den diversen Farben, Fritillaria imperialıs, gelb und orange, Fritillaria Meleagris, gelb und weiss, Muscari (Hyacinthus) racemosus, blau, frühe Tulpen Duc van Toll ete., frühe Tazetten und Nareissen in gelb und weiss; ferner: Anemone hepatica fl. pl., roth und blau, Viola odorata, blau und weiss, einfach und gefüllt, besonders das italienische, das russische; die beiden Species des Letzteren: The Czaar und Russian perfeclion sind ganz besonders empfehlenswerth, indem sie sehr dankbar, und bei günstiger Witterung auch den Winter hindurch Blumen spenden, im October und November aber noch eine Hauptflor geben. — Viola tricolor maxima wird, wenn im August ausgesäet und verpflanzt, von jetzt an seinen schönsten und Hauptflor entfalten und kann wie das Veilchen blühend verpflanzt werden. Aprilflor: Unter Umständen ‚wie im März; dazu kommen von Zwiebelgewächsen: die Hyacinthen und Tulpen, ferner: Iris pumila, Bellis perennis, roth und weiss gefüllt, Omphaloides verna, Primula veris, P. acaulis und Auricula, Vinca minor, blau, rothbraun und weiss. Maiflor: Ausser den letztgenannten Pflanzen blühen in diesem Monat auch: Myosotis alpestris in blau und weiss; ein Sommergewächs, welches im August ausgesäet, auf ein Reservebeet verpflanzt, unsern Winter ohne jede Bedeckung aushält, kann schon blühend auf seinen bestimmten Platz gebracht werden, wo es gewiss Jedermanns Augen er- freuen wird, Einen wundervollen Anblick gewährt diese Pflanze zusammen- gestellt mit der prächtigen Silene pendula, roth, ebenfalls eine Annuelle und wie die vorige zu behandeln, muss jedoch in strengen, schneearmen Wintern etwas bedeckt werden. Auf diese Art eultivirt, blühen diese beiden Pflanzen noch einmal so dankbar nd lange wie die Sommer- pflanzen, worauf ich ganz besonders aufmerksam mache. Ferner: Lychnis der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur, 963 viscaria fl. pl., Dianthus alpinus, Hesperis matronalis, Ranunculus asialieus, Convalarıa majalis, Spiraea japonica. Von etwas höherem Wuchse: Die- Iytra, Paeonia, Clematis erecta, Lilium bulbiferum ete. Gegen Ende des Monats beginnen auch mehrere zweijährige Pflanzen (Biennien) ihren Flor, z. B. Campanula medium fl. pl. blau und weiss, Dianthus barbatus, Anthirrhinum majus, besonders nanum, und viele andere. Ausser den hier angeführten, in meiner langjährigen Praxis mir lieb gewordenen existiren allerdings noch eine grosse Menge gleich werth- voller Frühlingsblüher, doch werden jene bei geschmackvoller Anwen- dung schon hinreichend sein, dem Garten in den Frühlingsmonaten einen ‚aussergewöhnlichen Glanz zu verleihen; die Cultur derselben ist ja so leicht und hinlänglich bekannt, dass ich glaube, nicht erst darauf eingehen zu dürfen, schliesse daher diese Notiz mit dem Wunsche, dass meine Lieblinge eine recht vielseitige freundliche Aufnahme finden und als Vor- läufer der grossen Sommerflora mehr beachtet werden mögen. Die Freiland-Melonencultur in Ober-Ungarn unter Zugrundelegung selbst gemachter Erfahrungen. Von A. Schütz, Obergärtner in Wettendorf (Ungarn). Obgleich Ungarn mit Recht das Land der Melonen genannt wird, so darf man sich doch nicht dem Glauben hingeben, dass für den Me- lonenbau hier überall ein günstiges Klima und zusagender Boden sei; die hiesige Gegend z. B. hat wegen den, sich in einigen Stunden Entfernung hinziehenden steyerischen Alpen eine sehr veränderliche Witterung, und wegen des, auf den Gebirgen sich sehr lange haltenden Schnees im Frühjahr oft eine empfindliche Kälte. Ohnerachtet dessen werden Melonen auf Flächen von der Grösse eines preussischen Morgens sehr häufig cul- tivirt, und widmet man den jungen Pflanzen eine so grosse Sorgfalt, dass ich der Meinung bin, bei gleichem Verfahren müssten auch lohnende Er- folge in Schlesien zu erzielen sein. In Nachstehendem will ich versuchen eine ausführliche Beschreibung der hier angewendeten Cultur zur weiteren Kenntniss zu bringen. Zu Ende des Monat März richtet man in gewöhnlicher Weise einen ein Fenster grossen Frühbeetkasten her und bringt nach dessen Erwär- mung Mistbeeterde in der Höhe von einem Fuss auf. Zu derselben Zeit legt man zwischen Moos die Melonensamen zum Keimen an eine feucht- EL ee ED Fe A 3 264 Jahres - Bericht warme Stelle, am besten auf den Sand des Vermehrungsbeetes. Nach- dem dies geschehen ist, werden würfelförmige Rasenstücke von etwa 3 Zoll Quadrat bereitet und in deren innere erdige Fläche kleine Gruben ausgeschnitten. Die so zubereiteten Rasen werden nun in die Erde des Kastens so weit eingesenkt, dass sie in gleicher Höhe mit. der Erde stehen; haben die in Moos gelegten Melonensamen kleine Keime getrieben (lang dürfen die getriebenen Keime nicht werden), so wird mit dem Auslegen der Samen begonnen. Zu diesem Zweck werden die kleinen Aushöhlungen der Rasenstücke bis zur Hälfte mit sandiger Mistbeeterde angefüllt, die angekeimten Samen zu 2 oder 3 Korn auf dieselbe gelegt und der übrige Raum vollends mit derselben -Erde ausgefüllt. Nach einigen Tagen, wenn die jungen Pflanzen zum Vorschein gekommen sind, ist es gut, noch einige Linien hoch sandige Erde über das ganze Beet aufzutragen; es hat dies den Zweck, dass die Pflanzen kräftiger sich entwickeln und das Wurzelvermögen ein reichlicheres wird. Die Behandlung der heranwachsenden Pflanzen beschränkt sich auf das nöthige Giessen und Lüften, bei Ersterem muss jedoch sehr vor- sichtig verfahren werden, wogegen Letzteres, der Abhärtung der Pflanzen wegen, etwas reichlichen angewendet yrakden kann, als wie "= den der Fenstereultur unterworfenen Pflanzen geschieht. Etwa um den 20, April wird das zur Meloneneultur bestimmte Land tief und locker umgestochen, und in 5 Fuss breite Beete getheilt. In der Mitte dieser. Beete werden je 10 Fuss von einander entfernt, 3 Fuss breite und eben so tiefe Löcher gegraben, diese mit Laub oder Pferde- mist angefüllt und festgetreten und darauf die ausgegrabene Erde in Hügelform so aufgebracht, - dass die obere Fläche des Hügels ..3 Fuss Durchmesser erhält. Auf diese Hügel werden kleine Holzkästchen ge- stellt, dieselben sind einfach aus Brettern zusammengenagelt und haben eine Länge von 1Y, Fuss und eine Breite von ca. 2 Fuss, die Höhe des über die Erde ragenden Theiles beträgt 8 Zoll, die des unteren in die Erde einzusenkenden etwa 5 Zoll. Da zu diesen Kästchen Breitstücke taugen, welche sonst kaum noch Verwendung finden, so braucht man sich nieht genau an die hier vorgeschriebenen Masse zu binden, wenn nur die Kästchen so gross sind, dass die Pflanzen ohne zu grosse Been- sung sich darin ‘ausbreiten können. Wenn es die Witterung erlaubt, so kann schon zu Ende des Monat April oder in den ersten Tagen des Mai mit dem Auspflanzen der Melonen- pflanzen begonnen werden, wobei es sehr vortheilhaft ist, da wo die jungen Pflanzen hin zu stehen kommen, die Erde mit etwas sandiger Mistbeeterde zu mischen. Die Pflanzen werden nun mit möglichster Schonung des Rasenballens aus dem Kasten gehoben, und ohne Zer- theilung auf ihre bereiteten Plätze, bis an die Samenlappen in die Erde. der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur. 2365 gepflanzt, wonach dieselben mässig angegossen und die Kästchen mit gut schliessenden Glasscheiben zugedeckt werden. Da zu dieser Zeit immer noch starke Nachtfröste zu befürchten sind, so werden die Scheiben des Abends mit kleinen Rohrdecken be- deckt, und damit nicht leicht ein Frost eindringen kann, wird um das Kästchen ein Umschlag von Moos gemacht, welches durch kleine einge- steckte Stäbe gegen das Fortwehen des Windes geschützt wird. Auf diese Weise hielten die Melonenpflanzen, welche ich voriges Jahr aus- pflanzte, zwei Nachtfröste von 4° R. aus, ohne Schaden gelitten zu haben. Nach erfolgter Entwickelung des dritten Blattes wird über dem- selben die Spitze ausgebrochen; haben sich die Pflanzen vor dem Aus- pflanzen schon im Kasten so weit entwickelt, so darf dies schon dort geschehen, ein späteres Einbrechen geschieht über dem 5. oder 6. Blatte. In den ersten Tagen nach dem Auspflanzen lässt man die Scheiben auf den Kästchen liegen und giebt, wenn sonnige Tage sind, etwas Schatten. Nach und nach gewöhnt man die Pflanzen an die freie Luft und deckt nur noch des Abends zu; sind keine Nachtfröste mehr zu befürchten, so. werden die Kästchen gänzlich entfernt und die Ranken gleichmässig aus- gebreitef, unfruchtbare Ranken werden entweder ganz beseitigt oder zurückgeschnitten. Der übrige Raum der Beete wird mit Salat bepflanzt und dieselben, nachdem dieser verbraucht ist, nochmals bis an die Hügel flach umgestochen. Um das Abfallen der jungen Früchte möglichst zu verhüten, ist es eine Hauptsache, die Ranken unberührt liegen zu lassen, weil sonst die Haare der jungen Früchte verletzt werden, welches das baldige Abfallen herbeiführt. Im verflossenen Jahre pflanzte ich die ersten Melonenpflanzen am 27. April in’s Freie, eine zweite Auspflanzung nahm ich am 12, Mai vor und wendete zur Bedeckung der Kästchen, da es mir an Scheiben fehlte, nur Rohrdeckel an; beide Pflanzungen brachten einen sehr reichen Ertrag, trotz des ungünstigen, regnerischen Sommers. Zum Schluss will ich noch einige derjenigen Melonensorten nennen, welche hier vorzugs- weise eultivirt werden, es sind dies: Pestener Cantalupen mit gelbem und grünem Fleisch, eine sehr zuckerreiche Frucht, und die Melone von Turkestan, von nur mittlerer Grösse, sehr feinschalig, zuckerreich und vom angenehmsten Aroma; ich eultivire hier noch mit lohnendstem Er- folge die Pariser Glockenmelone und die Melone vom Kaukasus. 266 Jahres-Bericht Ueber den Weinschnitt, Von A. Schütz, Obergärtner in Wettendorf (Ungarn). Die Sicherung einer reichlichen Weinernte hängt hauptsächlich mit von einem gut ausgeführten Schnitte des Weinstockes ab, und will auf Grund selbstgemachter Erfahrungen ich versuchen, unter den Freunden des Weinbaues durch diese meine Darstellung der Methode des kurzen Schnittes der Reben mehr Eingang und damit Vortheil zu verschaffen. Die erste Hauptsache für Erreichung guter Erträgnisse sind jeden- falls: die vollkommene Ausbildung der Blüthenaugen und ein vollständiges Ausreifen des Holzes. Beides erzielt man durch nachstehend angegebenes Verfahren. Um die vollkommene Ausbildung der Blüthenaugen zu fördern, ist es nothwendig, an der jungen Rebe sämmtliche Geiztriebe mit Ausnahme des zuletzt stehenden, bei ihrem Entstehen gänzlich auszubrechen; dieser Endgeiztrieb muss deshalb stehen bleiben, weil derselbe das vorzeitige Austreiben der Blüthenaugen verhindert und deren vollständige Ent- wickelung befördert. Rechtzeitiges Einkürzen und Ausbrechen der Reben befördert das Ausreifen des Holzes; deshalb breche man die jungen Reben schon, wenn sie eine Länge von etwa 2 Fuss erreicht haben, aus, lasse aber, wie schon gesagt, den letzten Geiztrieb ungehindert fort- wachsen, es wäre ‘denn, derselbe würde zu stark, in welehem Falle man ihn ebenfalls einkürzt. Schwächliche Reben kann man auch, wenn sie nur erst die Länge von 1 Fuss erreicht haben, ausbrechen. Am zweck- mässigsten im Herbst, und nur wenn es zu dieser Zeit unthunlich war, im Frühjahr, schneidet man die Reben, je nach ihrer Stärke auf ein oder zwei Augen zurück. — Ein in der hier angegebenen Weise ausgeführtes Verfahren sichert die vollkommene Ausbildung der unteren Augen zu Blüthenaugen und eine stets reichliche Traubenernte. Am besten ;eignet sich der Weinstock für die Form des Herz- stammes (einfache Palmette, sowie zu Cordon horizontale. Hat man alte Stöcke, so thut man gut, deren Reben horizontal auf dem Spalier anzu- heften und nur die jungen Triebe aufrecht aufzubinden und nach vor- stehender Angabe zu behandeln. „Früher Leipziger“ verlangt jedoch einen etwas länger geführten Schnitt. der Schles, Gesellseh. f. vaterl. Cultur, 9367 Ein Mittel und dessen Anwendung zur Vertilgung der Blattläuse in der Baumschule. Von Kunstgärtner H. Wagner in Breslau. Es kann nieht meine Absicht sein, mit dem, was ich hier anführen will, etwas Neues zu bringen, es soll vielmehr dazu dienen, auf die richtige Anwendung eines altbekannten Mittels hinzuweisen, welches aber andernfalls so gut wie nutzlos ist. Vor einigen Jahren wurde mir während des Sommers eine Gärtnerei nebst einer ca. 3 Morgen grossen Obstbaumschule zur Pflege übergeben. Letztere war erst im Entstehen und enthielt meist ein und zweijährige Veredelungen, nur ein geringer Theil war kräftig genug, um später aus- gepflanzt werden zu können. Nahm der Ziergarten zwar die Kräfte des Gärtners sehr in Anspruch, so hatte mein Vorgänger doch sichtlich mehr aus Mangel an Interesse als an Zeit die Baumschule derart vernach- lässigt, dass ich sie voller Unkraut und die Bäumehen mit Blattläusen bedeckt fand. Mein erstes Geschäft war nun, dass ich das Unkraut ent- fernen liess, dann aber brachte ich, um auch die Blattläuse zu vertilgen, welche auf den Aepfel- und Kirschbäumcehen am ärgsten hausten, das bekannte Mittel ,„‚Quassia-Lauge‘“ zur Anwendung und zwar mit dem besten Erfolge. Die meisten Baumzüchter begehen den Fehler, zur Anwendung dieses Mittels weil die Arbeit eben keine anstrengende ist, nur schwache, un- zuverlässige Kräfte, Kinder oder Arbeitsfrauen zu benutzen, sie wird daher nicht, so wie geschenen soll, ausgeführt, deshalb aber auch der damit beabsichtigte Zweck in den meisten Fällen gar nicht, oder doch nur sehr unvollständtg erreicht. Für solehe, welche jenes Mittel doch vielleicht noch nicht kennen sollten, will ich zunächst dessen Zubereitung angeben. Von den Spänen des Quassiaholzes, welche in jeder Apotheke oder Droguenhandlung für geringen Preis käuflich sind, bringt man, je nach Bedürfnis, mehr oder weniger in einen Topf, giesst soviel Wasser darauf, dass auf 1 Pfund dieser Späne etwa 3 Quart Wasser kommen, deckt den Topf zu und lässt das Ganze eine Stunde kochen, das hierbei geringer gewordene Quantum Wasser wird sodann durch Hinzugiessen heissen Wassers er- setzt und die erhaltene braune, etwas übelriechende Brühe, nachdem sie abgekühlt ist, abgeseihet. Die einmal gebrauchten Späne können mit einem Theil frischer Späne auch ein zweites Mal gebraucht werden. 268 Jahres-Bericht Dieser Brühe setze ich eine solche Quantität grüner, sogenannter Schmier- oder Tönnchenseife zu, dass mittelst einiger zusammengebundenen Reiser ein ziemlich starker Schaum geschlagen werden kann, giesse die Mischung in eine Blechkanne, welche der grösseren Bequemlichkeit wegen mittelst eines Riemens oder Schnur wie eine Tasche umgehangen wird, und operire dann in folgender Weise: Da die Blattläuse ihre Brut auch an den Stämmchen absetzen, so bestreiche ich mit dem Schaum der Brühe die Bäumchen sorgfältig von unten herauf bis in die äussersten Zweigspitzen und Blätter. Bei jüngeren Zweigen und Blättern muss man sich jedoch nicht mit dem blossen Bestreichen genügen lassen, sondern es müssen dieselben so lange eingeschäumt werden, bis jeder einzelne Theil gehörig angefeuchtet ist. Rathsam ist es, dies Geschäft nur an hellen, sonnigen Tagen, am wenigsten aber dann vorzunehmen, wenn Regen in Aussicht steht, weil solcher, wenn auch nur schwach, gehabte Kosten und Arbeit vergeblich machen würde. Durch das auf die beschriebene Art geschehene Bestreichen der Bäumchen erhalten die Blätter und jungen Zweige zwar ein schmulzig- gelbes Ansehen, dadurch ist aber die Vegetation durchaus nicht geschä- digt, vielmehr ist es ein Zeichen, dass die Operation nicht erfolglos war. Kommt binnen 3 bis 4 Tagen ein Regen, so verliert dies schlechte Aus- sehen sich von selbst, andernfalls ist es leicht zu beseitigen, wenn die Bäumchen nach dem 4. oder 5. Tage durch eine Handspritze, die ja in keiner Gärtnerei fehlen darf, tüchtig mit reinem Wasser nachgespritzt werden, wonach sie ein ganz gesundes Aussehen erhalten und das junge Holz vollständig ausreift. Nun muss man sich aber nicht etwa der Meinung überlassen, jene einmalige Procedur müsse schon vollständig geholfen kaben. Es ist viel- mehr nothwendig, seine Pfleglinge nach Verlauf einiger Wochen wieder zu untersuchen; findet man dann, dass auf einzelnen Blättern oder Zweigen die Blattläuse sich dennoch wieder zeigen, so muss auf gleiche Weise wie vorher und mit ganz besonderer Sorgfalt verfahren werden, | jedoch nur an den befallenen einzelnen Theilen. i Nach Anwendung dieses Mittels hatte ich im folgenden Jahre de Freude, meine Pfleglinge frei von Ungeziefer und nach tüchtigem Früh- jahrsschnitt einen kräftigen Wuchs entwickeln zu sehen. Auch bei Melonen und Gurken im Mistbeet kann man, wenn die- selben durch nachlässiges Lüften oder versäumtes Reinhalten von Unkraut von Blattläusen befallen sind, das angegebene Mittel anwenden, indem man mit weichem Pinsel Blätter und Ranken, ohne sie zu verletzen, vor- sichtig bestreicht und dann die Fenster beschattet. Nach einigen Tagen müssen jedoch auch diese mit reinem, aber lauem Wasser wieder gut abgespritzt und denselben reichlich Luft gegeben werden. Mit Obst- bäumen und Edelreisern aus verschiedenen Baumschulen, namentlich mit der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur, 969 aus Frankreich bezogenen, kauft man oft genug und besonders an Aepfeln und Kirschen zugleich die Brut der Blattläuse, weshalb sich auch bei diesen das Bestreichen mit jener Mischung empfiehlt. Wird dem von mir vorgeschriebenen Verfahren genau nachgekommen, so wird sich Jeder, der es anwendet, bald von dessen vollständiger guten Wirkung überzeugen und mein Wunsch erfüllt werden, mit Angabe desselben Manchem einen guten Dienst erwiesen zu haben. Beschreibung einer neuen, Feuerungsmaterial ersparenden Heizanlage für Gewächshäuser. (Nebst 1 Blatt Zeichnungen.) Von Ernst Hofmann, Maschinen-Fabrik-Besitzer in Breslau. Bei jeder Gewächshaus-Heizanlage ist es Haupterforderniss, dass eine gleichmässige Wärme erhalten wird. Alle bisher construirten und angewendeten Heizanlagen entsprechen diesem Zwecke nicht, da, sobald das Feuer im Ofen erlischt, die Heiz- kraft der Wärme nachlässt und dann nur diejenige Wärme, welche die Wände aufzunehmen vermögen, ausstrahlt. Die leitende Idee bei der hier zu beschreibenden Heizanlage ist die, ein srosses Wärme-Reservoir zu erhalten, und zwar habe ich dieses Re- servoir in den Wänden der Rauchcanäle gesucht. Die Wände des Rauchcanals sind nicht, wie bisher, aus Kacheln oder Thonröhren, sondern aus Ziegeln hergestellt und zwar sind die Seitenwände und Boden aus 3 Zoll, die Decke dagegen aus 6 Zoll starken Ziegeln ausgeführt. Der Rauchcanal wird in einem vorher anzulegenden Canal, welcher an der inneren Wand des Gewächshauses, womöglich an drei Seiten desselben herumläuft, schwebend hineingebaut, so dass die um den Canal befindliche Luft erwärmt wird, ausserdem noch die vom Rauchcanal ab- sorbirte Wärme aufnimmt und dem Gewächshause nach und nach mittheilt. Die Ausführung geschieht in der Weise, dass man auf dem Boden p. q. die Ziegeln z. in Zwischenräumen t. so aufmauert, dass die obere Fläche r. s. dieser Ziegeln eine Ebene bildet. Auf diese Ziegeln wird der Boden u. v. gemauert, wie im Schnitt A. B. und ©, D. zu ersehen ist, 270 Jahres-Bericht In dem Boden u. v. neben dem Rauchcanal lässt man die Oeffnungen e. e. e. und d. d. d., welehe im Grundriss und Schnitt ©. D. zu ersehen sind, und führt die Wände P. Q. (Schnitt ©. D.) und R. $. (Schnitt A. B.) über demselben auf, welche an der einen Seite an den Haupt- canal und an der anderen Seite an den Rauchcanal dicht anschliessen. Auf diese Wände mauert man die Decke A. B., welche sich mit dem Fussboden des Gewächshauses vergleicht, lässt aber in derselben die Oefinungen a. a. a. und b. b. b. (Grundriss und Schnitt C. D.) und die Oefinungen W. in Entfernungen von 12 bis 15 Fuss. Hierdurch erhält man den Canal L. M. (Schnitt A. B.) und die Canäle a. d., a. d., a. d. und b. c., b. ce., b. ce. (Schnitt C. D.), Die Oeffnungen W. dienen zum Reinigen des Rauchcanals L. M., dieselben werden durch gusseiserne Deckel verschlossen und gut verschmiert. Der Canal ist am Ende, wo er in den Schornstein mündet, durch einen dichten Schieber verschlossen. Die Heizung geht nun in der Weise vor sich, dass man, um die im Rauchcanal in Ruhe befindliche Luft in Bewegung zu bringen, eine Vorfeuerung im Schornstein vornimmt. Hierzu öffnet man den Schieber im Schornstein und unterhält ausserhalb des Schornsteins auf einer Vor- richtung ein kleines Feuer. Diese Vorrichtung muss sich durch eine Thür dicht verschliessen lassen. Die eigentliche Feuerung geschieht wie gewöhnlich auf einem Rost in einer Feuerkammer. Die Feuerungs - Anlage ist mit einer dicht schiessenden Feuer- und Aschenthür zu versehen. Die im Canal p. q. r. s. befindliche Luft wird zuerst von der Unter- seite des Rauchcanals nach und nach erwärmt und theilt sich durch die Oeffnungen ce. c. c. und d. d. d. (Schnitt C. D.) den Canälen a.d., a. d. a. d. und b. ce, b. c.,.b. c. mit, in welchen die Erwärmung weiter vor sich geht und schliesslich dem Gewächshause durch die Oeffnungen a. a. a. und b. b. b. zugeführt wird. Will man dem Gewächshause frische Luft zuführen, so öffnet man die in den Seitenwänden des Gewächshauses befindlichen Oeffnungen X, (Sehnitt A. B.) Diese Oeffnungen X. wiederholen sich in Entfernungen von 10 bis 12 Fuss. Durch das Oeffnen der Thüren X. entsteht in den Canälen a. d., a. d. und b. c., b. c. eine oscillirende Bewegung der Luft. Es strömt gleichzeitig durch die Oeffnungen a. a. a. und b. b. b. Luft aus dem Gewächshause in die Canäle a. d., a. d. undb. e, b. e; diese wird durch die aus x. y. tretende Luft mitgenommen und dem Gewächshause zugeführt. Auf diese Weise findet eine vollständige Aus- nützung der Wärme in den .Canälen a. d., a. d. und b. e., b. e. statt. Hat man die erfahrungsmässig nöthige Menge frische Luft im Gewächs- hause erhalten, so schliesst man die Oeffnungen X. durch eiserne Thüren. Die auf diese Weise im Gewächshause erlangte Wärme erhält sich innerhalb 24 Stunden fast gleichmässig. Die Temperatur während dieser 4 "PA “en Bi nic N BEIEODO i I 2 @ 4 1% 3 £ 8 & OL UN SRH c | | SSTIpunzg av tuyas VORRIENS Ieerrerrerssiverreehsins. ei IE | I 0 0 Bi der Schles. Gesellsch. f, vaterl. Cultur. 971 Zeit sinkt nur um ca. 1°. Nur bei strengen Kälten ist es erforderlich, die Feuerung Früh und Abends vorzunehmen. Bei langen Rauchcanälen ist es Bedingung, um den nöthigen Zug zu erzeugen, einen genügend hohen Schornstein aufzuführen. Ich habe in meinem Kalthause seit sechs Jahren eine solche Heizung im Gange und hat sich dieselbe vollständig bewährt. Dieselbe Heizungs- Anlage ist bei einem Gewächshaus von 71 Fuss Länge und 24 Fuss Breite, dem Grafen Mielzynski in Miloslaw gehörig, und bei Herrn Zimmermeister Boerner hier eingeführt; beide Herren sind mit der Wirkung derselben vollständig zufrieden. Ueber die Folgen des Winters 1870/71 in den Obstbaumschulen, Von Baumgärtner Sonntag in Zobten. Der Herbst des Jahres 1870 war für die Obstbaumzucht gar zu un- günstig. Im October, wo Kälte und Regen fast täglich wechselten, fehlte die Wärme; da am 11. December, Abends 8 Uhr, das Thermometer — 18° R. und den folgenden Morgen — 11° R. zeigte. Dies war für die jungen, nicht ausgereiften Triebe der Obstbäume zu viel. Ich hatte damals noch keine Reiser von Birnen gebrochen und wnrde nun bei diesem Geschäft, als ich am 14. bis 16. December die zur Winter- Ver- edelung benöthigten Reiser sammelte, sehr bald überzeugt, dass schon viele erfroren waren. Dass aber der Frost solchen Schaden, wie ge- schehen, verursachen würde, hätte ich damals nicht geglaubt. Vorzugs- weise sind es wieder die Birnen, die am meisten in der Schule gelitten haben. Von Pyramiden fand ich erst eine starke der „Runden Mund- Netzbirn,“ welche bis in’s sechsjährige Holz zurück gefroren ist, theil- weise hatte eine Pyramide von „Regentin‘“ (Colmar Souverain) gelitten, ganz erfroren waren Bose’s Flaschenbirn und die neue Souvenir de Con- gress (Morell). Von Letzterer erfroren 2 Stück vor 2 Jahren gepflanzte Original-Pyramiden; eine auf Quitte veredelte Mutterpflanze erfror sammt aller auf Quitte veredelten Nachzucht schon vorigen Winter, während diese dreimal als Probereis, sowie die vorher genannten Sorten auf einem alten, dem kalten Winde vollständig ausgesetzten Sortenbaum aufgesetzt, ganz grün geblieben ist, die gemachten jungen Triebe auch nicht grade schwach waren. 272 Jahres-Bericht Am schlimmsten sieht es jedenfalls unter den Veredlungen auf Quitte aus; fast alle älteren Veredelungen sind erfroren, Oculanten, welche im Herbst so schön gestanden, dass ich- fast für jedes Auge garantirt hätte, sind von 400 Stück auf 15 Stück geschmolzen. Als ich Anfangs März löste, fielen die Augen ab, während das Schildchen fest sass; ich copu- lirte so viel als möglich, denn meist zeigte sich das Mark rothbraun und die Rinde fast überall erfroren. Nun war :ich aber auch schlimm mit den Edelreisern bestellt, denn die wenigen von der Winter- Veredelung übrig gebliebenen waren bald aufgearbeitet, die frisch gebrochenen zeig- ten sich als erfroren und unter denjenigen, welche ich deshalb: von Dresden kommen liess, waren auch viele, welche stark gelitten hatten. Selbst umgekehrt, Quitte auf Birne hochstämmig veredelt, sind, ja sogar mit der Unterlage, total erfroren. In den Birnquartieren sieht es gar zu traurig aus, von vielen Sorten sind schwache und starke Triebe bis auf und unter die Veredelungsstelle erfroren. Welche Sorten besonders ge- litten haben, darüber werde ich später berichten. hnat: Unter den Aepfeln haben besonders stark gelitten: ‚Pariser Ram- bour-Reinette“, grosse, starke Pyramiden, ebenso wie jüngere Veredelungen bis auf das alte Holz erfroren sind; dann: „Weisser Winter-Calville“, von diesem erfroren auf Wildling gemachte Oculanten, welche in einem Jahre 41/, Fuss hohe, fast baumstarke Triebe gemacht hatten, während Veredelung auf Johannisholz und ebenso Pyramiden, ‘welche im’ vorigen Jahre von Blattläusen heimgesucht, wenig Triebe gemacht hatten, noch gesund blieben. Ferner haben in den Quartieren gelitten: ein- und zwei- jährige Veredelungen von: Rother Winter- Taubenapfel, Harberts-, Engl. Spital-, Ananas-, Champagner -Reinette, Winter-Gold-Parmaine und fast alle andern einjährigen Veredelungen. Da diese Letzteren jedoch fast sämmtlich eopulirt sind, so bleiben in der Regel, soweit das Holz dort noch gesund ist, ein auch zwei Augen schlafen, aus denen man den neuen Trieb ziehen kann;. schlimmer aber ist es bei den Oculanten, diese erfrieren fast ohne Ausnahme bis auf die Veredelungsstelle und die unteren Augen sind in der Regel nur Blattschuppen, zu schwach, falls sie noch grün sind, den Saft zu verarbeiten, in welchem sie dann ersticken. Von Pflaumen haben namentlich stark gelitten: die Italienische Zwetsche, Grosse grüne Reineclaude, auch Grosse Zucker-Zwetsche, welche mit 3 bis 4 Fuss hohen Trieben bis auf die Unterlage erfrören sind. Auch einige der erst im Frühjahr von Oberdieck in Reisern er- haltenen Sorten als Reineeclaude von Jodoignie, frühe Königspflaume, Normannischer Perdrigon, die gut gewachsen waren, sind total erfroren, wogegen Vietoria-Pflaume mit einjährigen bis 5 Fuss hohen Trieben, Pomeranzen-Zwetsche, Kirke’s Pflaumen, Zahlbruckner rothe Damascenet gut erhalten blieben. In diesem Jahre habe ich wieder eine Sendung ” - der Schles, Gesellsch. f, vaterl. Cultur, 273 ) Pflaumenreiser von Oberdieck erhalten und auf 4 verschiedenen Stellen im Topf in’s Frühbeet, im Quartier niedrig und hochstämmig und auf Sortenbäumen am Spalier und freistehend veredelt. Von Kirschen haben die süssen Sorten mehr gelitten als die sauern, da ich aber nicht das ganze Kirschen-Sortiment beisammen, sondern zum Theil auf mehreren Stellen, in Alleen zerstreut habe, so werde ich darüber später berichten und will’hier nur anführen, dass die Sauer- kirsche ‚Schöne von Choissy‘“ stark gelitten hat. In der Schule haben die Süsskirschen-Unterlagen im 2. Schlage, welche aus dem Kern gezo- sen, jetzt 3 Jahre alt und bis 8 Fuss hoch sind, auch so stark gelitten, dass ich Anstand nehme, sie zu veredeln. Bei Aepfeln, Birnen und Kirschen zeigt sich hier oft erst bei dem zweiten Triebe eine starke Vegetation, während Pflaumen dürre, kurze Triebe machen. Auch an den Pyramiden kann ich die starken Holz- triebe nur durch langen Schnitt vermeiden. Im Sommer weiss man kaum, wohin mit diesen langen, starken Trieben, welche nie Terminalknospen ausbilden, dem Froste am meisten ausgesetzt sind und auch der Frucht barkeit zum Nachtheil gereichen, seibst das Pineiren hilft bei den Spalier- bäumen und Pyramiden nichts und geschieht es zu spät, so erfriert der dann nochmals entstehende Trieb, wodurch häufig die darunter liegenden Augen in Mitleidenschaft gezogen werden. Im Saatquartiere stand die Herbstsaat von Birnen am 20. März sehr schön grün, ich hatte ca. 25 Qu.-R. besäet und auf diese Fläche nur etwa 3 Pfund Apfelkerne zum Schutz gegen Sonnenschein untermengt; die Frühlingsfröste im Anfang des Monats April haben jedoch trotz der Bedeckung mit Fichtenreisern viele junge, erst aufgegangene Pflanzen zerstört. Die Saat selbst bestand aus den ausgewaschenen Samen von Holzbirnen, welche ich im vorigen Herbst in der Nähe, den Scheffel für 6 Sgr. aufkaufte; die Saatfurchen bedeckte ich mit trockenen Fichtennadeln, welche man auf den hiesigen Holzplätzen massenhaft findet, zum Theil aber auch mit alter Holzerde, doch zeigte Letztere sich nicht so brauchbar, weil sie durch ihre lockere Beschaffenkeit der Luft zu viel Zutritt gestattet. Die Bedeckung mit Mutterboden ist hier nicht anzuwenden, derselbe ist bisher unter dem Pfluge gewesen und wird bei starkem Sonnenschein hart, so dass die Pflanzen die Decke nicht durchbrechen können und vermälzen, mit Aus- nahme solcher Stellen, wo etwa die Saat stark gegriffen, die jungen Pflanzen in ganzen Trupps durchbrechen. Für die Kirschensaat war der März mit seinen trockenen Winden sehr ungünstig, sie tritt erst jetzt, Mitte April in’s Keimen, ebenso Schlehen, Ahorn stand im März sehr schön und hoffe ich, unter Bedeckung den- selben zu erhalten. Auch von Acer Pseudoplalanus fol. variegalis, von welchem im Garten alte Hochstämme vorhanden sind, die im vorigen Herbst Samen ausreilten, sind eine Masse aufgegangen, und bin ich be- | [0.=) 274 Jahres-Bericht gierig, ob die Sämlinge sieh constant zeigen werden. Selbst Orataegus oxyacantha, welcher in Menge aufging, hat durch die Frühjahrfröste gelitten. Mäuse hatte ich in meinen Saaten nicht, weil ich die Saat- furchen mit kleingehacktem Wachholder, welchen die Mäuse nicht ver- tragen können, bedeckte; dennoch haben mir diese Thiere vielen Verlust verursacht und zwar durch das Benagen von Wildlingen am Wurzelhalse, besonders in den Einschlägen, in deren Nähe Mohrrüben gestanden hatten, von denen wohl einige stecken geblieben sein mochten. Geklagt wird in hiesiger Gegend sehr über das Erfrieren der Weinstöcke und ganz besonders über das der Rosen, so dass ich fast nicht weiss, wo Letztere zur Befriedigung des Bedarfs hernehmen; mir sind unter Erdbedeekung weder Wein noch Rosen erfroren. Im Uebrigen ist das Frühjahrs- geschäft bis jetzt ein sehr laues gewesen, man kauft vom Händler lieber das Obststämmchen für 5 bis 6 Sgr., und lässt sich betrügen, ehe man in der Baumschule gute und edle, ächte Sorten mit 9 bis 10 Ser. pro Stamm bezahlt. — Bevor es nicht Obstbaumwärter, an denen es so sehr fehlt, in genügender Anzahl geben wird, wird die Hebung der Obsteultur nur sehr geringe Fortschritte machen, denn das Anpflanzen von Vielem ist nicht das geeignete Mittel dafür, sondern die Erhaltung von Vielem und Guten. Sicher helfen Männer aus dem Volke als Baum- wärter den Obstbau weit mehr verbreiten, als es schriftliche Anweisungen nur irgend wie thun können. Die tägliche Erfahrung zeigt es mir nur zu deutlich, dass mit jenem der gemeine Mann sich viel leichter und besser über seine Anliegen verständigt und häufiger dessen Hülfe bedarf und sucht. Im Winter von 1869 zu 1870 hatte ich in meiner Baumschule viele Verluste durch Hasen; dieselbe ist zwar mit einem Zaune umgeben, welcher nur 2'/, Zoll weit gelattet ist, dennoch gaben denselben Krüm- mungen der Latten bequeme Eingänge und selbst die innerhalb dieses Lattenzaunes ganz eng gepflanzte Weissdornhecke, deren Triebe noch zu schwach waren, um die Hasen abzuhalten, fand man häufig von diesen verbissen. Deshalb liess ich im vorigen Herbst den ganzen Zaun auf seiner Aussenseite mit gewöhnlichem geglühtem Rohrdrath horizontal so umziehen, dass kaum 3 Zoll grosse Quadrate durch die Latten und den Drath gebildet wurden und diesen auch alle 6 Fuss Entfernung mit Rohr- stiften anheften; dafür habe ich in diesem Winter jene ungebetenen Besuche nicht mehr gehabt, es war den Hasen trotz aller Mühe nieht möglich durchzubrechen; daher kann ich wohl sagen: probatum est, und nur beklagen, dass dieses Mittel nicht auch das Eindringen des Frostes abhält. Nachträglieh will ieh über die erlittenen Winterschäden noch fol- gendes berichten: Manches hat sich wohl wieder erholt und treibt recht kräftig, aber auch gar manches liebgewonnene Stämmchen fehlt, namentlich der Schles. Gesellsch, f. vaterl. Cultur. 975 von feinen Birnsorten. Die schönen Quartiere mit vor 3 Jahren aus dem Kern gezogenen 6 bis 9 Fuss hohen Kirschstämmehen sind mehr als die Hälfte bis an die Erde erfroren, die überlebenden zeigen schon Harzfluss, so dass ich sie am liebsten künftiges Frühjahr noch abwerfen möchte. Auch auf Prunus Mahaleb veredelte Süsskirschen, die als Pyramiden zu stark wurden, und die in Kronenhöhe vorhanden waren, sind total er- froren; nur die in’s Sauerkirschgeschlecht gehörenden sind in allen Formen gesund geblieben. Von Gehölzen haben besonders Kugel-Acacien so stark gelitten, dass auch fast kein Reis gewachsen ist, welches veredelt . wurde. Ferner sind sehr stark zurückgefroren: Citisus laburnum, Castanea vesca, Liriodendron ete., sogar Crataegus osyacantha fl. rubro und beson- ders fl. elbo pleno, die ca. 6 Fuss hohe, daumenstarke Triebe gemacht hatten, waren in der Baumschule erfroren. Pfirsiche und Aprikosen sind auch hier, wie in der ganzen Umgegend stark vom Froste mitgenommen. Notizen über die Wirkungen der letztvergangenen beiden Winter 1869/70 und 1870/71 auf die Vegetation in den Gärten Sr, Durchlaucht des Herzogs von Ratibor zu Rauden O./S. Von Hof- Gärtner W. Peicker in Rauden 0./8. Zur allgemeinen Erläuterung für dieses Capitel habe ich vor Allem zu bemerken, dass Rauden, und speciell das meinen Wirkungskreis um- fassende Terrain, in Bezug auf climatische und auf Bodenbeschaffenheit, gegen alle übrigen cultivirten Theile unserer Provinz wohl mit eine der ungünstigsten Lagen für horticularistische Zwecke hat. Inmitten eines meilenweiten Wäldercomplexes, an den Ufern des Rudaflusses gelegen, finden in dieser Lage so ungewöhnlich reichliche, feuchte und kalte Niederschläge ihren Ursprung, dass diese, verbunden mit zumeist eben- falls feuchtem Untergrunde, die Vegetation — besonders der exotischen Gehölze — nicht zu dem naturgemässen Abschluss gelangen lassen; mit andern Worten: dass der Holztrieb nicht diejenige Reife erhält, deren er zu einer grösseren Widerstandsfähigkeit gegen Winterkälte bedarf. Und so sind innerhalb kaum mehr als eines Decenniums diesen ungün- stigen Verhältnissen schon eine gar reichliche Zahl schöner Zier- und Nutzgehölze zum Opfer gefallen, die in einer emporblühenden fürstlichen Gärtnerei, wie der hiesigen, wo hohe Munificenz und Kunstsinn dem Gartenfache nach allen Richtungen reiches Interesse widmen — nur 18* E 276 Jahres-Bericht ungern entbehrt werden. Wenn daher manches schöne Gehölz die letz- ten beiden Winterproben hier nicht zu bestehen hatte, so wird dies nach den angedeuteten .Misserfolgen nicht Wunder nehmen. Nichts desto weniger bleibt des Bemerkenswerthen über dieses Thema leider noch genug, zugleich aber auch einige Resultate zu notiren, die nach den vorangegangenen Erfahrungen in entgegengeseiztem Sinne überraschen mussten und in Beziehung hierauf beginne ich mit: Weigelia rosea. Dieser schöne Zierstrauch hat im letzten und zum Theil auch in dem diesem vorhergegangenen Winter bei luftiger Umhüllung mit Solidago-Stroh fast gar nicht gelitten, während dieselben Exemplare bei gleicher Bedeckungsweise und gleichem Standort in früheren, weit milderen Wintern oft bis an die Erde erfroren. Eine Erklärung hierfür glaube ich nur, ausser in den gleich anfangs erwähnten Verhältnissen, in den verschiedenen Altersstadien, d. h. in der, nach frischer Verpflanzung auf gut vorbereitetem, verschieden feuchtem und kräftigem Grunde sich entwickelnden üppigen Triebkraft, resp. in der durch längeren Standort und angrenzende Gehölzgruppen ete. veranlassten Verminderung dieser Triebkraft zu finden. Obwohl auch im vorigen Sommer diese Weigelien meist recht kräftig getrieben hatten, so war doch das Gleichgewicht zwischen Wurzelwerk und oberirdischem Theil kein so gestörtes mehr als bei früherem Zurückfrieren bis an die Erde, und sonach der Jahrestrieb besser ausgereift, als es, zumal bei der letzt- ‚jährigen feuchten Herbst - Witterung den Anschein hatte. Jedenfalls war es mir eine ebenso angenehme als bemerkenswerthe Ueberraschung, ıneine Weigelien nach zwei strengen, und besonders nach dem letzten Winter, so gut erhalten zu sehen, wogegen unzweifelhaft „‚hart“ gehaltene andere Gehölze zum .T'heil bedeutend gelitten hatten. Bemerkt muss noch werden, dass eine gleichalterige Weigelie, wie die erwähnten, aber auf mehr feuehtem Grunde und im Rasen alleinstehend, auch im letzten Winter wesentlich gelitten hat. — Ein nieht minder beliebtes und schönes Ziergehölz: Pirus japonica (Cydonia japonica) zeigte sich bei gleicher Ver- paekung wie die Weigelia, und auf einem freien Standorte im Rasen in früheren Wintern weit weniger empfindlich als Weigelien, litt dagegen im letzten Winter bedeutend, wobei noch die Erscheinung interessan war, dass einzelne Aeste auf ein und demselben Strauche fast gar nicht gelitten hatten, während andere und stärkere Aeste total erfroren waren. Eine Abhängigkeit in. Bezug auf den Standort — die Lage — in diesem selben Strauche konnte nicht herausgefunden werden. Ein Aehnliches war zu bemerken bei: Spiraea prunifolia fl. pl., die eine lockere Umhüllung mit Soli-. dago-Stroh ebenfalls erhalten hatten. Unverpackte und auf feuchterem Grunde stehende KExemplare erfroren in den letzten beiden Wintern bis x der Schles. Gesellsch, f. vaterl, Cultur. oT an die Erde und litten in den andern Wintern meist in den Zweig- spitzen und Blüthenknospen. Deutzia scabra hat in früheren Wintern im Allgemeinen und be- sonders auf trockenem Standorte wenig gelitten, obwohl sie sich immer empfindlicher zeigte, als man anderwärts anzunehmen gewohnt ist. In den letzten beiden Wintern erfroren alle Exemplare ohne Unterschied des Standorts und Alters bis an die Erde, unter Schneedecke. Deutzia erenata fl. pl. dagegen hielt, schwach umhüllt, wie die vorhergehend besprochene Sorte, und auf freiem, trockenem Standorte die letzten beiden Winter ganz gut aus und hat schön geblüht. Deutzia gracilis war durch Schneedecke hinreichend geschützt. Ohne diesen natürlichen, aber mit künstlichem Schutz litt sie im vorigen Winter oft wesentlich. Amygdalus chinensis fl. pl. auf mässig feuchtem und auf trocke- nem Grunde freistehend, litt jeden Winter, wenn auch zumeist nur in den Zweigspitzen und Blüthen. In vorletztem Winter gingen einige Exemplare ganz zu Grunde und die wieder austreibenden erfroren im letzten Winter wieder bis an die Erde. Ebenso erfror Corcherus japonica in einem aufrecht stehend verpackten Exem- plare auf trockenem Grunde freistehend im letzten Winter bis an die Erde; hingegen umgeleste Exemplare hielten sich in früheren und auch im letzten Winter ganz gut. Ribes sanguineum litt in jedem Winter (verpackt) bis an die natürliche Schutzdecke oder bis an die Erde, so dass ich auf die weitere Anpflanzung dieses recht hübschen Blüthenstrauches wohl besser werde verzichten müssen. Dass mir aber von Oytisus laburnum sämmtliche vor 8 bis 10 Jahren und später verpflanzte Exemplare, auf mässig feuchtem wie auf trockenem Grunde und regelmässig in Stroh und Tannenzweige verpackt, bis auf, ein Paar sehwächlich austreibende Wurzeltriebchen erfroren sind, berührte mich weit unangenehmer. Dieser schöne Strauch hatte sich zwar immer empfindlich und etwas schutzbedürftig gezeigt, dennoch aber den vorletzten Winter fast durchgehends passabel ausgehalten und paradirte schon in ganz starken Exemplaren, die zwar im vorigen Sommer spärlich vege- tirten und nicht mehr geblüht hatten, die aber zu der Hoffnung berech- tigten, dass sie sich wieder erbolen würden, wenn nicht der letzte Winter so streng gewesen und den Todeskeim zur Reife gebracht hätte. Einst- weilen ersetzen Caragane arboresceens — die vollkommen hart ist — diesen prächtigen Blüthenstrauch. Colutea arborescens hatte in früheren Wintern selten gelitten. Im letzten Winter erfror alles Hoiz bis an die Schneedecke. Rhus cotinus hielt seit ea. 7 Jahren, jedesmal mit Strohmatten umhüllt, immer gut aus. Im vorigen Winter hat jedoch fast die Hälfte c v9 73 Jahres-Bericht dieses Strauches so gelitten, dass die stark entwickelten Triebchen und mit ihnen der ganze Ast jetzt abgestorben ist. Die andere starke Strauch- hälfte dagegen wächst und blüht kräftig wie immer. Auf mässig feuch- terem Rasengrunde konnte ich dies Gebölz, auch sorgfältig verpackt, durch keinen Winter bringen. Dasselbe war mit Calycanthus frigidus der Fall. Auf trockenem Grunde, frei und durch Gebäude etc. geschützt stehend, hielt dieses beliebte Gehölz schwach umhüllt immer gut aus. Bei Crataegus pyracantha erfroren in anderen Wintern meist nur die Blätter und Zweigspitzen. In den letzten beiden Wintern dagegen alles Holz bis an die Schneedecke. Der künstliche Schutz war der bereits wiederholt erwähnte. Sophora japonica und S. pendula, beide zusammen auf trockenem Grunde und frei im Rasen stehend, litt jeden Winter; die Letztere un- gleich mehr unter Verpackung, während Erstere, nur unten gegen Hasen geschützt, stets und auch im letzten Winter gut ausgehalten hat; Sophora pendula dagegen erfror in diesem Winter ganz. Robinia hispida erforderte hier immer einen künstlichen Schutz und hält so jeden Winter aus. Unverpackt kommt sie nur in ganz gelinden Wintern durch. Robinia viscosa litten nur in jungen, kräftigen Exemplaren, oder in grösseren Bäumen die Spitzen kräftiger Jahrestriebe. Dass aber von Robinia pseudo-Acacia mehrere ganz alte Exemplare im letz-. ten Winter wesentlich gelitten zu haben scheinen, ist jedenfalls weit auffallender. Bignonia Catalpa glaubte ich nach dem letzten Winter gar nicht mehr unter den lebenden Gehölzen sehen zu können, um so mehr freute es mich jedoch, dass sowohl ein ziemlich altes, auf mässig feuchtem Grunde, und ein junges Exemplar auf trockenem Boden, im letzten Frühjahr — wenn auch spät und mit Ausnahme des jährigen Holzes wieder austrieben und üppig weiter wachsen. Unter der gewöhnlichen Umhüllung mit Stroh hielten dieselben Exemplare in milderen Wintern kaum wesentlich besser aus. Mit alleiniger Ausnahme oben erwähnter gemeinen Acacien wurden die bis hierher bereits erwähnten und noch mehrere der folgenden Gehölz- arten während meiner hiesigen achtjährigen Wirksamkeit, hier theils neu an- gepflanzt, grossentheils aber überhaupt hier eingeführt und so glaubte ich auch Ailanthus glandulosa einer Einbürgerung in den hiesigen An- lagen für werth und fähig halten zu müssen. Bis jetzt ist es mir jedoch noeh nicht gelungen, das Prädicat ‚‚einbürgerungsfähig‘“ annähernd be- wahrheitet zu sehen. Seit Jahren säete und pflanzte ich von diesem schönen Gehölze schockweise auf sterilem, rigoltem, trockenem Sande, sowie auf besseren Bodenarten an; im nächsten Frühjahre war ich um der Schles. Gesellsch, f. vaterl. Cultur. 279 Nichts weiter, als dass die erfrorenen Jahrestriebe sich an der Erde, oder je nachdem Schnee lag, etwas höher wieder erneuerten, viele Exemplare auch gänzlich zu Grunde gingen. Wenn mir demnach nicht vielleicht noch der Versuch mit Verpflanzung möglichst alter Exemplare besser gelingt, so werde ich wohl auf die Cultur dieses Parkbaumes ver- zichten müssen und zum Ersatz dafür mein Augenmerk auf Pterocarya caucasica richten. Ein vor zwei Jahren aus Ham- burg bezogenes, an einem Teichufer, jedoch in mässig trockener Höhe angepflanztes Exemplar hat die beiden strengen Winter ohne Bedeckung ganz vollkommen ausgehalten. Dagegen ist wieder für Juglans regia hier ein nicht geeigneter Ort und Klima, um grosse Bäume davon zu ziehen. Alle Anpflanzungen, in jungen wie in möglichst starken Bäumehen werden, verpackt wie unverpackt, in verschiedenen Jahres-Intervallen immer wieder reducirt bis in’s alte Holz, oder bis fast an die Erde. Auffallend aber ist wiederum, dass, nachdem im vorletzten Winter ein auf trockenem Grunde und in geschützter Lage befindliches recht hübsches Stämmchen trotz Strohumhüllung bis an die Erde erfror, während des letzten Sommers einen Busch 3 bis 4 Fuss hoher Schosse machte, die im letzten Winter ebenso verpackt gar nicht gelitten haben, dagegen andere zwischen Gesträuch und etwas feuchter stehende ebensolche Sträucher im vorletzten Winter scheinbar gar nicht, in diesem Winter aber bis an die Schneedecke erfroren waren. Diese waren aber immer unverpackt. Juglans cinerea ist in einem grösseren Baume zwischen anderen Bäumen stehend hier vorhanden und hat seit meiner Beobachtungszeit niemals gelitten. Castanea vesca pflanzte ich in einem recht hübschen Pyramiden- strauch-Exemplare vor fünf Jahren in geschützter und trockener Lage an, schützte es jeden Winter mit Solidago -Strohumhüllung, doch litt es je nach der Strenge des Winters stets mehr oder weniger. Im vorletz- ten Winter erfror es bis an die Erde, trieb darauf einen Busch kräftiger Triebe, die sich im letzten Winter bequem umlegen liessen und so durch Schnee hinreichend geschützt waren. Von Liriodendron tulipifera ist in früherer Zeit, im ehemaligen Klostergarten, ein grosser Baum vorhanden gewesen, der vor vielleicht 20 Jahren — wie man vermuthete, ebenfalls in Folge strenger Winter- kälte — seinen Tod gefunden hat. Junge Anpflanzungen wollten wäh- rend meines Hierseins immer nicht recht aufkommen, doch hat ein vor zwei Jahren wieder neu angepflanztes Bäumehen die beiden darauf fol- genden Winter unter Umhüllung ganz gut ausgehalten. Zu besonderer Freude gereichte es mir, dass Magnolia acuminata für hiesige Verhältnisse als vollkommen hart sich erwiesen hat. Ich pflanzte davon vor ca. 9 Jahren zwei junge 380 Jahres-Bericht Stämmcehen, das Eine auf mässig feuchtem, das Andere auf trockenem Grunde einzeln aus, verhüllte sie bisher jährlich mit etwas Stroh und liess im vorigen Winter nur das Eine — das trockenstehende — ganz unverpackt. Beide Bäumchen haben bis jetzt jeden Winter ohne den mindesten Schaden ausgehalten und sich freudig entwickelt, so dass ich füglich von jeder künstlichen Decke absehen und auch hoffen kann, bald dureh Blüthen erfreut zu werden. Ebenso hat ein vor zwei Jahren au- gepllanztes Exemplar von GFymnocladus canadensis die letzten beiden Winter ohne Decke ausgchalten und nur die Spitze des vorjährigen Triebes etwas gelitten. Ich komme nun zu einer Baumart, über deren Winterhärte — wenigstens so weit es sich um alte Exemplare handelt — man bisher wohl kaum einen:Zweifel hegte, bei der sich aber hier Erscheinungen zeigten, welche interessant genug sein dürften, um sie ausführlicher zu besprechen. Dies betrifft: Platanus occidentalis. Von diesem prächtigen Parkbaume be- fanden sich vor eireca 8 Jahren im hiesigen Park noch vier — ausser einigen jungen Bäumchen, bis dahin überhaupt hier die einzigen — zwischen 30 bis 50 Jahre alte Exemplare. Von diesen vier Bäumen standen die zwei jüngeren unmittelbar an einem schmalen Teichrande, an welchem wiederum unmittelbar ein breiter Weg entlang führt. Ein dritter älterer und grösserer Baum an demselben Teiche, jedoch um mehrere Ruthen vom Ufer entfernt und ca. 6 bis 8 Fuss über dem Niveau desselben, an einem breiten Wege, hatte einen mehr trockenen, schattigen Untergrund, während der vierte Baum an der Östseite einer hohen Kirche zwischen anderen hohen Bäumen, besonders Birken, bis zu einer Höhe von ca. 70 Fuss aufgeschossen ist. Seit einigen Jahren sind diese Birken beseitigt, und die Platane mit ihrem .unverhält- nissmässig langen Stamm und schmalen Krone etwas freier geworden, dennoch aber dureh die Kirchengebäude, eine hohe Linde und eine, ich möchte sagen Rieseneiche andererseits noch so verdeckt, dass sie nur in unmittelbarer Nähe zu sehen ist. Der Untergrund ist trocken und vor mehreren Menschenalteın Gottesacker gewesen. Diese Verhältnisse nun mögen die Ursachen in sich tragen, dass diese Platane von den oben bezeichneten vieren die einzige ist, die bis jetzt nicht durch Winterein- flüsse gelitten hat, noch Erscheinungen zeigte, wie sie an den andern drei Exemplaren beobachtet wurden und die hier noch besprochen werden sollen. Es mögen jetzt sechs Jahre her sein, als die ältere, an dem er- wähnten Teiche stehende, aber von zu viel Feuchtigkeit scheinbar weniger berührte, schön entwickelte Platane später als gewönlich und als die andern Exemplare austrieb, nichts desto weniger durch raschen üppigen Wuchs bald einzuholen sehien, was sie durch späteres Austreiben RE der Schles. Gesellsch, f. vaterl. Cultur. 981 an Zeit verloren hatte. Im Monat Juli desselben Jahres bekamen die Blätter jedoch meist an einer Seite wie faulende Flecken, — einen Pilz oder Aehnliches, wie ich vermuthete, konnte ich nicht bemerken — der Blattstiel und die Blattstielbasis, ja auch das junge Holz wurden stellen- weise fast zugleich davon ergriffen und die mehr als fusslangen Triebe auf dem ganzen Baume entlaubten sich innerhalb kaum 14 Tagen bis auf ein Minimum ihrer Blätter, ohne dass diese beim Herunterfallen schon alle vollkommen welk oder gelb waren. Allmählich zeigten sich junge Triebe an der Basis der eben entlaubten und verwelkenden und bis zum Herbst war dieser Baum wieder voll kräftiger Triebe wie sonst, die aber natürlicher Weise nicht mehr gehörig ausreifen konnten und im folgenden Winter fast total erfroren. Die Folge war, dass im nächsten Frühjahr der Baum noch später austrieb, mitten im Sommer wieder das Laub abwarf und, da ein neuer Trieb sich nicht so bald zeigen wollte, wegen seiner exponirten Stellung in der Anlage bald darauf gefällt wurde; — standen doch nicht fern davon andere schöne, grosse Bäume und an demselben Teiche zwei andere Platanen in schönster Jugendkraft. Aber — o weh! — kaum war der eben besprochene Verlust ver- schmerzt, und die kahlen Erinnerungszeichen an denselben den Holzvor- räthen zugesellt, als auch schon die beiden hoffnungsreichen Exemplare ein bedenkliches (Juantum ihres früheren Laubwerks kranken und fallen liessen, ohne dass indess die Triebe weiter litten, wohl aber theilweise sich noch neue Triebehen bildeten, Der nächste Winter hatte das junge Holz sehr reducirt, aus den unteren „schlafenden‘ Augen brachen die frischen Triebe sehr spät her- vor und gegen Ende des Monats Juli fielen in Folge der fleckigen Er- sehemungen an den Blättern ete. diese um einen beträchtlichen Theil mehr als im Jahre vorher wieder ab, wobei indess der eine der mit den Aesten sich stark berührenden und, wenn man so sagen will, sich in- commodirenden beiden Bäume, sich noch um Wesentliches lebensfähiger zeigte, der fast kahle dieser beiden Störenfriede, der Park- Aesthetik wegen aber noch im selben Sommer seinem Nachbar Platz machen musste. Dieser Letztere nun aber scheint den gewaltsamen Verlust seines geschwisterlichen Kameraden bis heute noch nicht recht ver- schmerzen zu können. Er trieb zwar seitdem jedes Jahr wieder aus, aber noch jedesmal um etwas später als im vorhergegangenen Frühjahr, machte kräftige Triebe, welche Mitte Sommers einen grossen Theil der Blätter unter den bekannten Erscheinungen fallen liessen, er machte abermals neue Triebe, welche nicht ausreiften und im nächsten Winter wieder erfroren. Im vorletzten Frühjahr liess ich nur einen Theil der orösseren Aeste abschneiden in der Absicht, den Baum zu kräftigen ; allein das Resultat blieb dasselbe. Die über die ganze Verästelung des Baumes bis an dessen Stamm vertheilten Sommertriebe erfroren im 282 Jahres-Bericht letzten Winter wieder total und in diesem Frühjahr trieb der Baum erst Ausgangs Juni aus, nachdem ich ihn ca. 4 Wochen vorher hatte noch kurz zurückstutzen lassen. Die jungen Triebe haben gegenwärtig (Ende Juli) schon wieder eine Länge von 12 bis 18 Zoll und ist bis jetzt von dem gefürchteten Krankwerden der Blätter nichts zu bemerken. Die Zu- kunft wird demnach erst lehren, ob es nicht doch vielleicht Uebereilung war, zwei mehr als mannesstarke Platanen - Stämme dem Feuertode geopfert zu haben, die möglicherweise sich doch noch erholt hätten, Endlich sei noch erwähnt, dass eine etwas jüngere kräftige Platane in einem hiesigen Privatgarten an einer Strasse — der Untergrund ist, wie hier im Allgemeinen, vorherrschend eisenhaltiger Alluvialsand — mit den im Park befindlichen und besprochenen zugleich dieselben Symptome zeiste und gegenwärtig sich auch in derselben Verfassung befindet, als die zuletzt erwähnte frisch austreibende, verstutzte; dass ferner der Durchschnitt sowohl der Aeste, als auch zum Theil derjenige des Stammes der kassirten beiden Exemplare ungleich vertheilte dunkelgraue Ringe zeigte, die auf ein temporäres Erfrieren deuten, in Foge dessen wohl endlich bei ungünstigem Zusammentreffen verschiedener Witterungseinflüsse die Reaction auf diese Bäume entstanden sein mag. Merkwürdig ist wiederum auch noch, dass ein an einem anderen Teiche und absolut feucht und freistehendes, unten kaum armstarkes Exemplar bis jetzt gar nicht gelitten hat, während mehrere andere, minder kräftige und scheinbar günstiger situirte Bäumchen bis an die Erde im letzten Winter erfroren sind. Jedenfalls geben diese und im Allgemeinen die Resultate der letzten Winterkälte auf die Vegetation, für den Praktiker, wie für den Pflanzen- physiologen viel zu denken. Wenn ich hiernach noch erwähne, dass von Nadelhölzern hier in Freien Abies Nordmanniana im Halbschatter zwischen hohen Bäumen, Thuja occidentalis in alten Exemplaren in jeder Lage, Pinus canadensis und Juniperus virginiana in gleicher Weise, gar nicht gelitten haben, dass Taxus baccata im Halbschatten, nur in den Blattspitzen, junge Juniperus virginiana und junge Thuja occidentalis aber in den /,„ bis 1 Fuss über den Schnee herausgeragten Wipfelspitzen erfroren sind, so hätte ich zum Schluss nur noch diejenigen Gehölze zu nennen, an denen sich die ungewöhnlich nachtheiligen Wirkungen des letzten Winters besonders bemerkbar machten. Es erfroren z. B. eine Menge Syringa chinensis und persica, zumeist in alten Exemplaren, theils einzelne Aeste ganz, andere partiell. Der grössere Theil hat so ge- litten, dass sich der Haupttrieb von der Wurzel aus bildet, während das alte Holz kümmerlich grünt und nach und nach wohl vollends wird heraus- E=. FE AV EN der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur. 283 geschnitten werden müssen, Jüngere Exemplare zeigten sich viel weniger empfindlich. Ferner haben theilweise gelitten: Lygustrum vulgare, Sambucus nigra lacimiata, Spiraea opulifolia und, wie bereits erwähnt, Robinia pseudo-Acacia in alten Exemplaren. Aus dem hiesigen Gemüsegarten, der alle einzelnen Abstufungen zwischen feuchter und trockener Lage hat, musste fast die Hälfte der Pilaumenbäume (Gemeine Hauszwetsche), zwischen dem Beginn der Trag- fähigkeit und der letzten Tragbarkeit stehend, als bis zum Dürrsein er- froren, abgeschnitten werden. Einzelne sterben noch jetzt ab. Des Schadens, der sich unter den Kernobstsorten, besonders in jüngeren Anpflanzungen und an Obstspalieren herausstellte, will ich hier gar nicht gedenken. Ueber dieses Thema wissen Pomologen vom Fach ausserhalb der Grenzen Raudens sicher auch geuug und eingehender zu erzählen. Unerwähnt darf ich endlich nicht lassen, dass im vorletzten Winter viele Weissbuchen (Carpinus Betulus) im Walde, wie in den Park- pflanzungen recht auffallend, wenn ‚auch nicht bis zum Trockenwerden gelitten hatten, was nach dem letzten Winter jedoch nicht der Fall war. Hiermit schliessend, glaube ich das Wesentliche über das fragliche Thema soweit erwähnt zu haben, als es meine eigenen Beobachtungen umfasst und als es zu anderweitigem Material auf diesem Gebiete zum Theil einen nieht unerwünschten Beitrag liefern dürfte. Die Feinde der Spargelpflanze und deren Vertilgung. Von Kunstgärtner Streubel in Carlowitz. Die Cultur des Spargels im Allgemeinen ist wohl fast jedem Gärtner bekannt, doch um die Feinde desselben haben sich gewiss viele noch gar nicht bekümmert und sind ihnen dieselben unbekannt geblieben. — Bei meinen ausgedehnten Spargeleulturen, welche mehr als 6 Morgen ein- nehmen, habe ich Gelegenheit gehabt, die Feinde des Spargels genügend zu beobachten, und dabei manches Interessante zu erfahren. Beginnt man bei der ersten Entwickelung des Samenkornes, so ist es zunächst die nackte Erdschnecke. Sobald der Samen aufgeht, fressen die Schnecken die jungen Spitzchen weg, das Wachsthum ist vorüber, und das Würzelchen muss neue Anstrengungen machen, um ein neues Stengelchen zu treiben. Bevor dies geschieht, vergeht einige 284 Jahres-Bericht Zeit, während, wenn dies nieht zu geschehen brauchte, die Samenpflanzen schon eintge Zoll Höhe erreicht hätten; gleichzeitig wurden aber auch dureh das Abfressen und durch die erneuete Anstrengung zum Austreiben die Pflanzen geschwächt. Um die Schnecken zu vertilgen, liest man sie frühzeitig des Morgens ab, oder als einfachstes und sicherstes Mittel überstreut man die Beete mit ungelöschtem, pulverisirtem Kalk, so ‘dass die Oberfläche davon weiss wird. Schaden wird den Pflanzen hierdurch nicht zugefügt. Zu- weilen fressen die Schnecken auch die jungen Spargelpfeifen an; um sie zu vertilgen, hilft auch noch ausgelegtes Futter, an dem sie leicht abzu- lesen sind, ebenso hohl gelegte Dachziegeln, unter welchen sie sich gern aufhalten. *) Bekommen die aufgegangenen Pflanzen Blälter, so stellt ein neuer Feind sich ein und richtet oft bedeutenden Schaden an, es ist dies der Spargelkäfer, auch Spargelhähnchen genannt. Von diesem Käfer unterscheidet man zwei Arten, die beide zu einer Gatiung gehören und Aehnlichkeit mit dem rothen Lilienkäfer haben. Die eine Art, der zwölfpunktige Spargelkäfer, hat rothe Flügeldecken und auf jeder 6 schwarze Punkte; die andere Art sieht schwarzblau aus, hat ein rothes Halsschild und gelbliche Flügeldecken, welche durch 4 Punkte und 2 schwarze Kreuze gezeichnet, sind. Der Spargelkäfer ist einer der gefährlichsten Feinde des Spargels und ist im Stande, junge Aussaaten und Auspflanzungen zu vernichten oder doch sehr zu schwächen. Der Schaden wird weniger direet durch den Käfer, als vielmehr durch dessen Larve (im gewöhnlichen Leben fälschlich Raupe genannt) augerichte. Während der heissen Tages- stunden setzt sich der Käfer auf die Pflanzen und legt, wenn er nieht gestört wird, seine Eier längs des Stengels und zwischen diesen und der Basis des Blattes. Nach kurzer Zeit kriechen in grosser Anzahl häss- liche, schmutzig braungrüne Larven aus, welche bis zur Zeit ihres Ein- puppens die Blätter und die Rinde der jungen Pflanzen in kurzer Zeit zernagen; hat dies erst statthaben können, so stirbt der Stengel ab, der Wurzelttock treibt einen neuen Stengel hervor, und Spargelpflanzen, *) Leicht vertilgbar ist die nackte Ackerschnecke auch durch Weizenkleie, in schmalen Streifen auf die Beete oder in die Furchen gestreut, wird sie von den Schnecken gern angenommen, diese schwellen davon aber auf und sterben ab. Den Saft der frisch abgeschälten Rinde von Weidenästen liebt diese nackte Schnecke auch sehr; Stücke solcher Rinde werden des Abends ausgelegt, in der Nacht suchen die Schnecken diese süsse Nahrung, und am frühen Morgen kann man sie in grossen Mengen in den Rindenstücken finden und tödten, Beide Mittel dürften freilich leichter in Gärten, als auf grösseren Feldflächen Anwen- dung finden können. Die Redaction. der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur. 285 welche mehrmals derart geschädigt wurden, geben später nur schwäch- liche Setzlinge. Wie sehon oben bemerkt wurde, erscheint die erste Generation des Spargelkäfers im zeitigen Frühjahr, eine zweite ebenso gefährliche aber im Juli und bis spät in den Herest hinein findet man noch einzelne Käfer. Haben die schon beschriebenen Larven derselben ihre voll- kommene Grösse erreicht, so kriechen sie von den Stengeln in die Erde herab, wo sie sich verpuppen und der kleinen Puppe dann im nächsten Frühjahr die ersten Käfer entschlüpfen. Ein gutes und sicheres Mittel zur Vertilgung der Larven ist das Ueberstreuen der noch vom Thaue feuchten Pflanzen mit pulverisirtem ungelöschtem Kalk, sonst giebt es kein anderes, als sie alltäglich sorg- fältig abzulesen und zu tödten; schon bei ihrer Berührung geben die Larven einen schmutzigen Saft von sich. Die Spargelkäfer selbst kann man nur in der Weise vertilgen, dass man sie von der Zeit an, wo sich die ersten derselben zeigen, des Morgens, wenn es noch kühl ist, durch Ablesen oder Abschütteln auf Tücher fängt und tödtet, oder auch alle Tage, sobald die Sonne scheint, aufsucht und sofort zwischen den Fingern zerdrückt; bei diesem Geschäft aber sich hütet, die jungen Pflanzenstengel zu beschädigen. Sehr oft lässt der Käfer, so wie man sich ihm mit der Hand nähert, sich auf die Erde fallen, wo er sich in einer Vertiefung verbirgt; in diesem Fall muss man ihn aufsuchen, oder er wird nach wenigen Minuten wieder an der Pflanze emporkriechen, wo man ihu dann fänst. Will man sich vor dem Schaden, den diese Käfer anrichten, schützen, so hat man die dagegen hier angegebenen Vorsiehtsmassregeln nicht nur bei den Saatbeeten, sondern auch bei jüngeren wie älteren Pflanzungen des Spargels ernstlich zu beobachten. Ein weiterer Feind, dessen Schädlichkeit nicht unterschätzt werden darf, ist: die Spargelfliege. Zur Zeit, wo die jungen Stengel empor- sprossen, findet man unter denselben solche, die gekrümmt sind. Diese krankhafte Erscheinung rührt von der Spargelfliege her, welche ihre Eier in den Kopf der jungen Spargelsprosse legt, sind dann die Maden den Eiern entschlüpft, so fressen sie sich abwärts bis in den untersten Theil, zuweilen bis in den Kopf der Pflanze. Sticht man einen solchen sekrümmten Stengel aus und schneidet ihn auf, so findet man in seinem Innern stets eine oder mehrere Maden von weisser Farbe mit braunem Kopfe, aus denen später die Spargelfliege entsteht. Die Made verpuppt sich endlich im Innern des Stengels, überwintert dort und ist die etwa 4 Zoll lange Puppe von hellbrauner Farbe. Die Fliege erscheint dann im folgenden Frühjahr sobald der Spargel zu treiben beginnt, und ist teicht erkennbar an ihren buntstreifigen, durchsichtigen und geaderten Flügeln. 286 Jahres-Bericht Die Vertilgung durch Wegfangen der Fliege ist nicht möglich. Das sicherste Vorbeugungsmittel gegen den durch sie veranlassten Schaden ist das Abschneiden der krummen Stengel, welche sodann verbrannt oder in Gülle geworfen werden. Sehr wichtig ist es auch, bei dem Graben des Spargels, dessen in der Erde stehen gebliebene Stümpfe zu entfernen und ebenfalls zu verbrennen. Durch die Entfernung der krum- men Stengel im Sommer und der trockenen Stumpfe beim Graben der Spargelbeete werden in Ersteren die Maden und in Letzteren die Puppen der Fliegen vernichtet und damit den Verheerungen derselben Einhalt gethan. Ein gefährlicher Feind des Spargels ist in manchen Jahren auch der Engerling. Wenn die Engerlinge sich eines Spargelbeetes bemächtigen, so zerstören sie, wenn ihnen nicht Einhalt gethan wird, dasselbe oft gänzlich und in kurzer Zeit. Sie beginnen damit, dass sie vorzugsweise die jungen Wurzeln angreifen, die demzufolge bald absterben, und sind sie hiermit bei einer Pflanze fertig, so fangen sie mit einer zweiten an. Die Engerlinge fressen nur während der schönen Jahreszeit, je wärmer es wird, desto mehr nähern sie sich der Oberfläche und greifen dann den Stammtheil oberhalb der Wurzeln an; im Herbste gehen sie dann wieder mehr in die Tiefe, so dass sie die Kälte nicht erreichen kann, sind sie aber der Zeit ihrer Verwandlung nahe, so gehen sie schon im Juli in die Tiefe, fressen mehrere Wochen vorher am meisten und richten da natürlich den grössten Schaden an. Bekanntlich braucht der Engerling bis zu seiner Verwandlung in den Maikäfer 3 bis 4 Jahre; ist im Früh- jahr die Witterung günstig, so dass das Bierlegen und deren Ausbrüten zeitig erfolgt, so genügen 3 Jahre, ist dagegen das Frühjahr nass und kalt, so dass das BEierlegen und Ausbrüten erst spät geschieht, so bedarf er 4 Jahre. | Wenn ein Engerling an den Wurzeln eines Spargelstockes nagt, so werden die Spitzen der Stengel welk, frisst er längere Zeit, so krümmen sie sich; sobald man solche Anzeichen bemerkt, so muss man nach- graben und den Engerling tödten. Sind die Wurzeln nur unbedeutend angefressen, so leidet die Pflanze wenig, ist dies aber in höherem Masse geschehen, so ist die Pflunze so ziemlich als verloren zu betrachten oder doch sehr geschwächt. Das Schlimmste ist, dass man bis jetzt noch kein Mittel kennt, um die Engerlinge zu vertilgen, oder auch nur abzuwehren, und dass man den Schaden, den sie anrichten, nicht früher gewahrt, als bis er ge- schehen. Von allen Mitteln, welche bisher zur Vernichtung der Enger- linge empfohlen wurden, hat sich keines als von vollständig sicherem und gutem Erfolge erwiesen, oder sie waren überhaupt ganz nutzlos und — Schwindel, der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur. | 287 Das Aufsuchen der Engerlinge ist schwierig und mühsam, aber doch das einzige Mittel von gutem Erfolge. Ein anderes und zuweilen auch sicher wirkendes Mittel zur Vertilgung der Engerlinge ist: sobald man an den oben angegebenen Anzeichen das Vorkommen derselben bemerkt, die obere Erde um die betroffenen Pflanzen zu entfernen und tüchtig mit Jauche zu giessen, wodurch der Engerling getödtet wird; allerdings darf dann ein Nachgiessen von Wasser nicht unterbleiben, da sonst die Pflanze mehr leiden würde, als man ihr zu nützen gedachte. Ein leicht zu beseitigender Feind ist der Maulwurf, nagt er auch keine Spargelpflanzen an und schädigt sie nicht unmittelbar, so wird er er doch dadurch lästig, dass er den Boden durchwühlt und zuweilen Pflanzen bloslegt. Das Wegfangen desselben ist bekannt und sicher; ob es dagegen vortheilhaft ist, darüber will ich nicht urtheilen, fände er keine Nahrung, so würde er weiter gehen; sein Nutzen ist sicher grösser als der etwa durch ihn veranlasste Schaden. Zum Schlusse erwähne ich noch eine Krankheit, welche in diesem Jahre hier an einigen Stellen ganz bedeutend aufirat. Es ist dies der Rost. Es ist erwiesen und bekannt, dass der Rost ein Pilz und nicht die Ursache, sondern die Folge einer im Pflanzenreich, besonders bei Ge- treide, Gräsern u. s. w. hüufig vorkommenden Krankheit ist. Die ge- wöhnlichste Ursache des Rostes ist dieselbe, wie bei anderen an Pflanzen vorkommenden Pilzkrankheiten, plötzlicher und bedeutender Temperatur- wechsel, erzeugt durch kalte Zug- oder heisse, trockene Winde, auch kalte Nächte, kalten Regen, nasskalte Nebel zu ungewöhnlicher Zeit; plötzliche Hitze u. s. w. Durch solche Vorkommnisse wird der Saftlauf der Pflanze gehemmt, ihre äusseren Theile sind nieht mehr im Stande, den Saft gehörig zu verarbeiten, die Rinde wird rissig oder bekommt Punkte, der Zelleninhalt geht in Fäulniss über, und dies ist die Bedin- sung zur Entwickelung der Pilze, so wie es in anderen Fällen die feuchte, warme und dumpfe Luft ist. An jenen kranken Stellen zeigt plötzlich sich der Pilz (Rost). zuerst und verbreitet sich dann bald, oft über die ganze Pflanze, die Bildung des Cambrium hört auf und hiermit auch die regelrechte Ernährung und das Wachsthum der Pflanze, die feinen Blättchen fallen ab und die Pflanzen sehen schlecht aus. Dass unfer solchen Umständen die Pflanzen mindestens bedeutend leiden, wenn nicht ganz zu Grunde gehen, ist natürlich. Ein Mittel gegen den Pilz giebt es nicht, die getödtete Zelle bleibt todt, auf neue gesunde Triebe pflanzt der Pilz durch Ansteckung sich nicht fort; dagegen steht es fest, dass eine vom Pilz befallene, daher nicht mehr regelmässig ernährte Pflanze äusseren Einflüssen weniger Widerstand leisten kann, mithin auch eher geneigt ist, wieder krank zu werden und die Folge dieser erneuten Krankheit wieder neue Pilze 288 Jahres-Bericht sind. Tritt die Pilzkrankheit erst spät, bei fast vollendetem Wachs- thum der Pflanze auf, so macht sie weniger Schaden, als wenn sie in deren grösster Vegetationsperiode erscheint. Ein empfehlenswerthes Scarlet-Pelargonium zur Verwendung für Teppich- gärten und dessen Cultur. Von A. Schütz, Obergärtner in Wettendorf (Ungarn). So reich auch. schon die Auswahl der für die moderne Teppich- gärtnerei verwendbaren Pflanzen geworden ist, so dürfte doch jeder Gärtner und Gartenfreund mit immer wieder neuer Freude eine Pflanze begrüssen, welche durch ihre Schönheit und für diesen Zweck in jeder Beziehung der Cultur würdig ist. Mit vollem Rechte kann man dies von einer Pflanze sagen, welche, obschon keine Neuheit, dennoch bis jetzt viel zu wenig bekannt wurde; es ist dies das Zwerg-Pelargonium „Harry Hickhofer“ — In Nachstehendem will ich versuchen, eine kurze Be- schreibung desselben und seiner Cultur zu geben. Pelargonium Harry Hickhofer erreicht, im freien Grunde ausgepflanzt, eine Höhe von 5 bis 6 Zoll und bildet eine dieht verzweigte Krone, die Blätter sind in fünf grössere, spitz ausgesägte Lappen getheili, durch die Fibern des Blattstieles, welche die Blattscheibe durchlaufen, wird deren Rand sanft nach innen gebogen, und eine schöne braune Zone ziert die lebhaft grün gefärbten Blätter. Schon als kleine Stecklings- pflanze blüht dieses Pelargonium reichlich, und im freien Grunde aus- gepflanzt, gewähren seine leuchtend scharlachrothen, in grosser Menge erscheinenden Blüthen bis in den späten Herbst einen ununterbrochenen Flor. Obgleich dieses Pelargonium als Einfassung anderer Blumengruppen, oder für sich allein zu einer Gruppe verwendet, einen brillanten Effect macht, so eignet es sich doch besonders gut zu Bänderformen in einer Zusammenstellung mit blau (Lobelien) oder mit gelb (Pyrethrum aureum). In dem hiesigen Garten werden jährlich 3000 bis 4000 Stück ausge- pflanzt, und um diese Massen über Winter in dem möglichst kleinsten Raume unterzubringen, stecke ich im August und September die Steck- linge in kleine Kästchen, wo sie leicht wurzeln und stelle dieselben im Winter im Kalthause den Fenstern möglichst nahe auf. Im Februar werden die jungen Pflanzen einzeln in kleine Töpfe gepflanzt, diese in EM wer a. b Y F der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur. 989 warme Kästen eingesenkt und verbleiben sie hier bis zur Auspflanzung in’s Freie. Durch dieses Pelargo nium wird Verbena defiance fast ganz über flüssig, weil der gedrungene Wuchs, die zierliche Belaubung, sowie die Farbe der Blüthe des Ersteren, die Letztere gänzlich in den Hintergrund stellt. — Pelargonium Harry Hickhofer wurde in die hiesige Gärtnerei von England eingeführt, und veranlassten mich seine Vorzüge, besonders die- jenigen, welche es den Freunden der Teppiehgärtnerei bietet, im vorigen Frühjahr meinem Freunde, dem Kunst- und Handelsgärtner Herrn W. Kühnau in Breslau einige Pflanzen desselben zu senden, wo es nun wohl auch zur Ansicht und käuflich zu haben sein wird. Bericht über die Vertheilung von Nutz- und Zierpflanzen-Samen im Frühjahr 1871. Von dem zeitigen Secretair der Section. Die seither alljährlich vorgenommene Gratis-Vertheilung von Samen als empfehlenswerth erprobter Gemüse und Florblumen an Mit- glieder der Section zum Versuchsanbau, war auch für das Frühjahr dieses Jahres beschlossen und dem Secretair deren Ausführung übertragen worden. Die vorjährige äusserst ungünstige Ernte fast aller derartigen Sämereien hatte die Preise der meisten derselben jedoch nicht unerheb- lich gesteigert, und erschien es deshalb geboten, ein um etwas höheres Geldquantum als früher für die Beschaffung der für diese Vertheilung wünschenswerthen zu bestimmen. Den aus den möglichst zuverlässigen Quellen bezogenen Sämereien wurden noch beträchtliche Quantitäten in dem Garten der Section ge- ernteter und zwar namentlich von Hülsenfrüchten hinzugefügt, ebenso einige Sorten Blumensamen durch den Secretair, und waren ausser diesen noch reiche und werthvolle Spenden von dergleichen durch die Herren: Garten-Inspeetor Bürgel, Kunstgärtner Pfeiffer und unseren wohl renommirten Levkojen-Cultivateur, Kunst- und Handelsgärtner G. Teicher in Striegau freundlichst eingesendet worden, wofür denselben hiermit der verbindlichste Dank dargebracht wird. Nachdem die Verzeichnisse der zu vertleilenden Sämereien den vesp. Mitgliedern übersendet worden und mit dem Vermerk deren etwaiger 19 290 Jahres-Bericht Desiderata versehen, zurückgelangt waren, konnte die Vertheilung von 1233 Portionen Gemüsesamen in 78 Sorten und von 1482 Portionen Blumensamen in 95 Sorten in der ersten Hälfte des Monat April an 94 Mitglieder erfolgen, und betrugen die Kosten dieser Gratis-Ver- theilung nach specieller Rechnungslegung zusammen 44 Thlr. 20 Ser. 10 Pfennige. Hierbei finden wir uns leider immer wieder auf’s Neue gedrungen, an die auch in unserem letzten Jahresberichte näher bezeichneten Be- dingungen erinnern zu müssen, unter denen diese Gratis- Vertheilungen, und zu welchem eigentlichen Zwecke sie vorgenommen werden, da dieser nur eben und um so vollständiger erreichbar ist, wenn jene eine allseitig freundliche, bereitwilligere Erfüllung finden, um welche, lediglich aus Gründen der Gemieinnützigkeit, denn hier auch wiederholt recht dringend gebeten wird. Die schweren Schäden, welche der Winter von 1870 zu 1871 den Obstbäumen auch in dem Garten der Section zugefügt hatte, machten es unmöglich, neben jener auch noch eine Gratis-Vertheilung von Obst-Edel- reisern in diesem Jahre offeriren zu können. Cultur- Ergebnisse einiger an Mitglieder der Section vertheilten Gemüse-Samen. Von J. Jettinger, Gärtner der Section. Die Annahme, dass auf einen kalten strengen Winter ein warmer Sommer folgen müsse, hat: im Jahre 1871 als eine durchaus unrichtige sich erwiesen. Beginnen wir beim Monat Mai, so war über Kälte, viele Feuchtigkeit und heftige Winde sich zu beklagen. Eine ziemlich kühle Temperatur hielt mit wenigen kurzen Unterbrechungen bis Mitte Juli an, worauf es endlich warm wurde, freilich für Vieles viel zu spät. Was von Gemüsepflanzen sich zu dieser Zeit erholte und im September seine volle Entwiekelung würde erreicht haben können, erlag in einigen Gegenden im ersten Dritttheil, im, anderen gegen die erste Hälfte dieses Monats einer ziemlich strengen Frostnacht. Die Anzucht von Samen er- litt schon durch den ungünstigen Vorsommer Einbusse, noch mehr aber durch die zeitig eingetretenen Fröste und die darauf im Nachsommer wieder folgende nasse Witterung. Mit einem Worte, die _ meteoro- logischen Verhältnisse des Jahres 1871 waren in der Provinz Schlesien dem Gemüse- wie überhaupt dem gesammten Gartenbau sehr ungünstig. 4 Fr der Schles. Gesellsch. f. vaterl, Cultur. 291 Dies mag zum Theil der Grund sein, aus welchem über nur wenige der im Frühjahr zur Vertheilung gelangten Gemüsesamen die so wün- schenswerthen Culturberichte eingesendet wurden, und diese auch noch mitunter sehr abweichend von einander und lückenhaft waren; war es doch selbst im Garten der Section bei aller Sorgfalt und Pflege wicht möglich, von allen Aussaaten ein sicheres Resultat über höheren ode, geringeren Werth des Productes zu gewinnen. In diesen Umständen . möge die Kürze dieses gegenwärtigen Berichtes Entschuldigung finden. A. Blumenkohl. Die Urtheile lauten den früheren gleich; nur der „Italienische Riesen-‘ wurde, von einigen Seiten verkannt, als Viehfutter verwendet, weil er im Freien keine Köpfe ansetzte. Diese Sorte dürfte in unserem Klima im Freien selten eine Ernte liefern, muss, um eine solche zu erhalten, also immer eingeschlagen werden; am besten geschieht dies in einem nicht zu dunklen, frostfreien Keller, in mässig feuchtem Sand oder Erde. Vorher müssen die Pflanzen natürlich einen gewissen Grad von Vollkommenheit erreicht haben, wenn das Resultat ein befriedigendes sein soll. Dass man dasselbe Verfahren bei allen Blumenkohlsorten anwendet, welche spät angebaut werden und zum Ver- brauch im Winter dienen sollen, ist den Meisten wohlbekannt, doch glauben wir hier wieder besonders darauf hinweisen zu müssen. B. Wirsing. Die schon früher gebauten Sorten kamen auch in diesem Jahre zum Anbau, weshalb bezüglich ihres Verhaltens um so eher auf die Berichte vorangegangener Jahre verwiesen werden kann, da mit nur einigen wenigen Ausnahmen das dort Gesagte sich wiederholte. C. Kopfkohl, Winnigstädter, wird, obschon er nur kleine, aber doch sehr feste Köpfe bildet, als sehr zart und gut hervorgehoben. Das Nichtgedeihen dieser oder jener Sorte hatte seinen Grund in dem massenhaften Auftreten des Kohlweisslings, dem namentlich bei umfangreichem Anbau kaum zu steuern ist. So viele Mittel gegen dieses Ungeziefer auch schon versucht wurden, so hat doch noch keins derselben sich als genügend wirksam erwiesen; das Absuchen der Raupen oder Eier etwa ausgenommen. Von einem befreundeten, erfahrenen Praktiker wurde uns folgendes sich als wirksam erwiesen haben sollende Mittel angerathen: Zur Zeit, wo der Sclmetterling zu fliegen beginnt, nehme man kleine Stückchen Asa foetida, welches in jeder Apotheke zu erhalten ist, wickle diese in dünne Leinwandläppchen und befestige sie an in den Kohlfeldern in nicht allzugrossen Entfernungen von einander einzu- steckenden Stäbehen. Der durchdringende Geruch dieser Substanz soll die Schmetterlinge fern halten. Leider gab es bis jetzt noch keine Ge- legenheit dieses Mittel selbst zu versuchen, da es aber ohne grosse Mühe und Kosten anwendbar ist, so möchten wir doch zum Versuch desselben rathen und zugleich um gefällige Mittheilung der dadurch etwa erzielten Resultate bitten. 13: 392 Jahres -Bericht D. Kopfsalat. 1) Jutroschiner Prachtkopf. Eine von Herrn Apotheker Scholz in Jutroschin seit Jahren gezogene und mit diesem Namen bezeichneten Sorte von grosser Zartheit und Wohlge- schmack; sie bildet schöne Köpfe und verdient alle Empfehlung. 2) Arn- städter Treib- ist eine sich schnell entwickelnde, vorzügliche, für’s Frühbeet sehr schätzbare Sorte. E. Gurken. Nach den im Eingange‘‚dieses Berichts geschilderten Witterungsverhältnissen konnte es nicht anders sein, als dass, wenn auch an einzelnen Orten ziemlich gute Ernten erzielt wurden, dennoch im Allgemeinen die Culturen von Gurken fehlschlugen, was ebenso von Melonen gilt. Unter Fenster gehaltene Pflanzen fristeten, obschon auch ihnen ein freudiges Gedeihen abging, freilich etwas länger ihr Dasein, als solche im Freien stehende. Bei dieser Gelegenheit erlauben wir uns auf den sehr verbreiteten Irrthum aufmerksam zu machen, dass unter den Gurken eine Krankheit herrsche, welche die Pflanzen gegen schädliche Witterungseinflüsse wider- standslos mache. Diese hier gemeinte Krankheit ist aber lediglich erst eine Folge andauernd nasskalter Witterung, welcher alle Pflanzen von zarter Construction erliegen und äussert sich besonders nach Eintritt recht warmer Tage durch das Welkwerden der Blätter zuerst. TUnter- sucht man bei dieser Erscheinung solche Pflanzen, so findet man alle Theile derselben bis tief zum Wurzelhalse gesund, und nur die stärkeren Wurzeln sind von einer Fäulniss ergriffen, welche sich mit rapider Schnelligkeit dem ganzen Wurzelvermögen mittheilt. Nach unserer Er- fahrung befällt dieses Uebel die Pflanzen um so eher, je wärmer und trockener nach langer nasskalter Witterung es bis zu der Zeit ist, in welcher die Pflanzen zu blühen anfangen; ein radieales Mittel gegen das- selbe ausfindig zu machen, ist uns noch nicht gelungen, wenngleich die Ueberzeugung lehrte, dass die Pflanzen gegen solche Unbilden der Wit- terung eine grössere Widerstandsfähigkeit gewannen, wenn ihnen von zarter Jugend an in kurzen Zwischenräumen ein Düngerguss gespendet wurde. Ausser den früher angebautem Gurkensorten, welche sich unter den bestandenen Verhältnissen wie damals verhielten, mögen erwähnt werden: 1) Neue Riesen- aus Nubien. Als sehr interessante, weissfrüchlige, diekfleischige Sorte angepriesen, glaubten wir. ihren Anbau auch ver- suchen zu müssen. Besitzt dieselbe nun zwar die beiden letzteren Eigen- schaften, so ist doch das „Interessante“ an ihr unerklärlich geblieben. — Sollten derartige Anpreisungen im Interesse des Gartenbaues nicht lieber unterbleiben? — Auch wurde diese weisse nubische Riesen-Gurke bei uns trotz sorgsamer Pflege unter Glas kein „Riese“, sondern blieb eine bescheiden dieke, kurze Frucht, wie solehe eben nicht selten sind, dazu noch hohl und erwies sich bei gedrungenem Wachsthum von sehr geringer N PT iR 3 i 70 der Schles. Gesellsch. f£, vaterl. Cultur. 293 Tragbarkeit. Hiernach wird diese Gurke zum Anbau keinesweges zu empfehlen sein. 2) Neue, früheste, kleinlaubige, weissstachelige srüne Schlangen- erwähnten wir im letztjährigen Berichte bereits und bauten sie in diesem Jahre selbst an. Auch diese Gurke entsprach ihrem langathmigen Namen in keiner Beziehung, nicht einmal im Blatt. Unter acht Pflanzen war eine einzige, welche Früchte ansetzte, die das Prä- dieat ‚‚Schlangengurke‘‘ verdienten, von Stacheln zeigten sie aber auch und überhaupt keine Spur. — In solchen eclatanten Fällen, wie den beiden hier angeführten kommt man in die Lage, die Schuld der betref- fenden Samenhandlung allein beizumessen, denn sollte dieselbe auch den Züchter in sofern treffen, dass er sein Product früher an den Markt brachte, bevor dessen Güte und Beständigkeit zweifellos festgestellt war, so dürfte es doch auch Pflicht der Ersteren sein, auf Letzteres neue Sorten vor weiterer Verbreitung noch selbst zu prüfen. F. Erbsen. Die in unserem Bericht pro 1870 angeführten neuen Sorten haben sieh als werthvoll bewährt. Ausser diesen sind diesmal zu erwähnen: 1) Kneifel-Erbse, Ruhm von Cassel. Wird an Ertragsfähigkeit nicht leicht von einer anderen Sorte übertroffen, ist mittel früh, 4 Fuss hoch und bringt grosse Schoten von süssem Ge- schmack. 2) Mark-Erbse, Beste von Allen (Mae Lean’s best of all) reiht sich der vorigen würdig an und ist schr zu empfehlen. 5) Zucker-Erbse, frühe Bretagner, bringt ganz kleine Schoten, die ‚sehr schnell passiren und muss hier als werthlos bezeichnet werden; vielleicht verhält sie sich anderorts besser. G. Busehbohnen. 1) Korbfüller. Diese Sorte wurde auch im Garten der Section versuchsweise angebaut; ihr Ertrag ist mittel- mässig, die Schoten gross, von zartem Geschmack, aber sehr empfindlich gegen nasse Witterung. Leider ranken die Pflanzen so stark, dass wir dieses Uebelstandes wegen diese Sorte nicht empfehlen möchten. 2) Bunte Valentine; vortreffliche, diekfleischige, frühe, reiehtragende Sorte. 3) Buntkörnige weisse Wachs-Schwerdt- hat grosse Schoten von zarter Beschaffenheit, trägt sehr reich und früh und ist wohl die beste unter den niedrigen Wachsbohnen. H. Seorzoner oder Schwarzwurzel, neue russische Rie- sen, wird im ersten Jahre schon verbrauchsfähig. Die Schwarzwurzel wird hier und in der Provinz gar nicht oder doch nur in wenigen herr- schaftlichen Gärten gebaut, obwohl sie an Wohlgeschmack manches andere unserer Gemüse, das ohnehin während des Winters nicht viel Auswahl bietet, übertrifft. Der Anbau ist einfach. Man säet recht zeitig im Frühjahr auf tief gegrabenes lockeres Land in Reihen von 6 Zoil Abstand und verzieht die gekeimten Pflanzen auf dieselbe Entfernung. Ausser Behacken und Reinhalten von Unkraut hat man im ersten Jahre nichts weiter dabei zu thun. In ganz gutem Boden werden die Wurzeln 294 | Jahres-Bericht der Pflanzen im ersten Jahre schon fingerstark, können also verbraucht werden. Wo dies nicht der Fall ist, können sie im folgenden Jahre zur Verwendung kommen. Man hebt alsdann im Herbst so viele Wurzeln aus, als man zu verbrauchen gedenkt und bewahrt sie im Keller in mässig feuchtem Sande auf. Das Ausheben der Wurzeln muss jedoch mit Vorsicht geschehen, damit sie nicht verletzt werden, weil sonst ihr milchiger Saft leicht austritt, die Wurzeln .deshalb leicht faulen oder holzig werden. Auch die Gewinnung von Samen bietet keine Schwierig- heit und geschieht auf den Saatbeeten, nur muss man den Samen in dessen Reifezeit beobachten, weil ihn der Wind leicht forttreibt. Ihre Verwendung für die Küche findet die Schwarzwurzel entweder in Suppen oder als Gemüse, ähnlich wie Spargel zubereitet. Statistische Notizen von dem zeitigen Secretair der Section. In dem voranstehenden Generalberichte wurde geschildert, welche bedeutenden Verluste der harte Winter von 1870 zu 1871 und dessen Folgen auch in dem Pomologischen und resp, Obstbaumschul- und Versuchsgarten der Section herbeigeführt hatte. Dennoch konnten nach Ausweis der Bücher im Jahre 1871 und zwar zumeist an Mitglieder in gesunden Stämmechen und Pflanzen aus dem Garten käuflich abgegeben werden: 2912 Stück Edelstämmchen von Kern-, Stein- und Schalenobst, 6830 Stück diverse Obst- Wildlinge, 1732 Stück Beerenobst- Pflanzen, 195 Stück Weinreben, 12 Stück Zierbäume (Prunus triloba) und 262 Stück Edelreiser verschiedener Obstsorten, Ausserdem waren noch erhebliche (uantitäten von Beerenfrüchten und Gemüsen verschiedener Art zum Verkauf gelangt. Leider verhinderte das sehr feuchte Herbstwetter und eine schon im November sich ausgebreitete starke und andauernde Schnee- decke die Aufnahme der am Schlusse der Saison verbliebenen Bestände des Gartens, weshalb es vorbehalten bleiben muss, erst im nächsten Jahresberichte, bei dafür günstigeren Verhältnissen eine Totalübersicht des vegetabilen Inventarii des Gartens wieder vorzulegen. . Der für Fiesige Mitglieder unter der Leitung des Secretairs bestehende Lesezirkel, zu welchem dieselben einen jährlichen Extra-Beitrag von 1 Thlr. zu leisten haben, zählte im Jahre 1871 — 58 Theilnehmer. In demselhen wurden in Umlauf gesetzt: der Schles. Gesellsch. f. vaterl, Oultur. 295 17 Berichte von Vereinen, mit denen die Section im Schriften- Austausch steht; 17 zum Theil mit Abbildungen versehene deutsche und aus- ländische, grösstentheils auch durch Austausch erworbene Gartenzeitschriften ; 7 in neuester Zeit erschienene Bücher und Brochuren, handelnd über die verschiedensten Zweige des Gartenwesens, Wenn nun für die empfangenen, oft recht werthvollen Tauschobjecte der verbindlichste Dank ausgesprochen und um deren gütige Fortsetzung gebelen wird, so möge an dieser Stelle doch auch ein bescheidenes Monitum gestattet sein. Den geschätzten Schwester-Vereinen, Redactionen und Herausgebern von Zeitschriften, mit denen die Section durch Schriften- Austausch in Verbindung zu stehen die Ehre hat, sendet dieselbe näm- lich stets prompt und regelmässig ihre Jahresberichte; leider aber hat sie sich von einigen derselben nicht immer gleicher gefälliger Berücksich- tigung zu erfreuen. An diese sei nun hiermit das freundlich ergebene Ersuchen gerichtet, eine gleiche Berücksichtigung künftig obwalten zu lassen, um so mehr, als der Werth ihrer Schriften durch deren regel- mässigen Empfang und Vollständigkeit jedenfalls noch erhöht, wieder- holte Erinnerung um Nachsendung des Fehlenden aber nach beiden Seiten hin leicht unbequem wird. Die in dem Lesezirkel in Umlauf gewesenen Schriften wurden der Bibliothek der Schlesischen Gesellschaft, Abtheilung für Obst- und Garten- Cultur übergeben und stehen dort, sowie die älteren dergleichen, nach einem besonderen Reglement zur weiteren Benutzung von dem Custos derselben Herrn Redacteur Th. Oelsner zu Dienst. Es sind dies die nachstehend verzeichneten. Bericht des Thüringer Gartenbau-Vereins zu Gotha, 31., für die Jahre 1868 und 1869. Gotha 1870. | — über die Thätigkeit der Schwäbisch - Bayerischen Gartenbau - Ge- sellschaft in Augsburg, 2. bis 4. Jahrgang: 1867 bis 1869. Augsburg: Cultur, Zur, der Pflanzen für Zimmer und Salons. Vortrag, gehalten in der Sitzung des fränkischen Gartenbau- Vereins zu Würzburg, am 19. Februar 1870. Separat-Abdruck aus ‚,Epheuranken“ (Belletristische Beilage zum „Würzburger Abendblatt‘). i Dietrichs, C. J. G., Anleitung zur Taxation der Obstbäume, Berndorf, Fürstenthum Waldeck. Abgedruckt in F. J. Dochnal’s Anleitung zur Taxation der Obstbäume. Worms 1870. Dippel, Leopold Dr., Die Blaitpflanzen und deren Cultur im Zimmer. Weimar 1869. Dochnahl, Friedrich Jacob, Anleitung zur Taxation der Obstbäume für die Expropriation bei Damm-, Bahn- und anderen Bauten. Eine von 296 Jahres-Bericht der höheren landwirthschaftlichen Lehranstalt in Worms gekrönte Preisschrift. Angefügt sind Arbeiten über dieselbe Frage von C. J. G. Dietriehs in Berndorf, Eduard Robert Fischer in Strehla a. d. E., J. Mertens in Peine, F. W. Sterzing in Stettin. Worms 1870. Doornkaat-Koolman, J. ten., Pomologische Notizen. Nach mehr- jährigen eigenen Beobachtungen und: Versuchen in einer der ex- ponirtesten Gegenden Norddeutschlands zusammengestellt. Bremen 1870. Fischer, Eduard Robert, Ueber Taxation der Obstbäume. Strehla a. d. E., 1868. DBeigedruckt an F. J. Dochnahls Anleitung zur Taxation der Obstbäume. Worms 1870. Garten- und Blumenzeitung, Neue allgemeine deutsche. Heraus- gegeben von Eduard Otto. 25. Jahrgang. Hamburg 1869. Garten-Flora, Monatsschrift für deutsche, schweizerische und russische Garten- und Blumenkunde. Herausgegeben und redigirt von Dr. Ed. Regel. 18. Jahrgang. Erlangen 1869. Gartenfreund, Der, Mittheilungen aus allen Fächern des Gartenbaues. Herausgegeben von der k. k. Gartenbau-Gesellschaft in Wien. 2. und 3. Jahrgang No. 6 bis No. 16. Wien 1868 bis 1870. Gartenschrift, Rheinische, Hauptorgan des Verbandes Rheinischer Gartenbau - Vereine. Herausgegeben von dem Gartenbau Verein für das Grossherzogthum Baden. Red. von H. Goethe. Karls- ruhe 1869. Garten-Zeitung, Anhaltische. Gärtnerische Zeitschrift für Jedermann. Herausgegeben von der Direetion der Gärtner-Lehr- Anstalt zu Cöthen. 5. Jahrgang. Cöthen 1869. — Deutsche, Organ der vereinigten Gartenbau - Gesellschaften von Cassel, Coburg, Erfurt, Glauchau, Görlitz, Jena, Leipzig, Magde- burg, Meiningen und Weimar. Herausgegeben von Th. Rümpler in Erfurt. 7. Jahrgang. Leipzig 1869. — Illustrirte, Eine monatliche Zeitschrift für Gartenbau und Blumen- zucht. Herausgegeben von der Gartenbau - Gesellschaft Flora in in Stuttgart. Red. von Albert Curtin. 13. Jahrgang. Stutt- gart 1869. 2 General-Versammlungs-Bericht der Wein- und Gartenbau-Gesell- schaft in Peterwardein vom 30. Januar 1870. Neusatz 1870. Geschichte, Ueber, Vaterland und Verbreitung der Rose, Die ver- schiedenen Arten der Rose. Ueber Cultur der Rose. 3 Vor- trsge, den Besuchern der Allgemeinen Rosen - Ausstellung zu Darmstadt am 25. bis 27. Juni 1870 gewidmet. Von Ober- Consistorialsecretair Achenbach in Darmstadt, Hofgärtner R. Noack in Bessungen und Hofgärtner Gernet in Jugenheim. Darmstadt 1870. der Schles, Gesellsch, f. vaterl. Cultur, 297 Handbuch, Illustrirtes, der Obsikunde, Herausgegeben von Fr. Jahn, Ed. Lucas und J. G. C. Oberdieck. 6. Bd. 3. Liefrg. Steinobst. Ravensburg 1870. Hartwig, J., M. Neumann. Die Kunst der Pflanzenvermehrung durch Stecklinge, Steckreiser, Absenker ete. Nebst einem Anhang über Verpackung und Transport aller lebendigen Pflanzen und Sämereien in die entferntesten Welttheile, so dass sie viele Monate lang gefahrlos eingepackt bleiben können. 3. Auflage, durchgesehen und vermehrt. Weimar 1870. Jahresbericht, 25., der böhmischen Gartenbau - Gesellschaft, vorge- tragen in der Jahres-Versammlung der Herren Mitglieder in Prag am 11. April 1869 von Dr. Augustin Krell, Secretair. — des Erzgebirgischen Gartenbau - Vereines in Chemnitz, verfasst von Theodor Bader, Seeretair des Vereins, 8. und 9. für 1867 und 1868. Chemnitz 1867/68. | — des Gartenbau- Vereins für die Oberlausitz, 5. bis 8., für die Vereinsjahre 1865 bis 1869. Görlitz 1866 bis 1870. — des Vereins für Pomologie und Gartenbau zu Meiningen, 15. und 14. Heft vom 1. April 1868 bis 1. April 1870. Meiningen 1869/70. — über die Thätigkeit des Stettiner Gartenbau -Vereius im Jahre 1869, erstattet in der General-Versammlung am 10, Januar 1870. Stettin. Illustration horticole, L., Journal special des serres et des jardins etc. Red. par Ch. Lemaire et publie par Ambroise Verschaffelt. Tom. XVI. Gand 1869, Journal de la Socicte imperiale et centrale d’horliculture de France. II. Ser. Tome III. Paris 1869. Kessler, H. F., Dr., Bericht über die Blumen- und Pflanzen- Ausstellung des Gartenban - Vereins zu Cassel vom 8. bis 12. April 1870. Cassel. Kruse, C. A. J., Gärtner in Hamburg. Unter welchen Verhältnissen ist Luftheizung oder Wasserheizung zu empfehlen? Beste Deant- wortung der im Jahre 1869 von dem Verbande rheinischer Gartenbau-Vereine ausgeschriebenen Preisfrage. Karlsruhe _ Lucas, Ed., Dr., Anleitung, Kurze, zur Obstnutzung. I. Der Cyder- oder Obstwein. Kurze Zusammenstellung der verschiedenen Bereitungsarbeiten und Rathschläge zu einer rationellen Dasstel- lung und Behandlung desselben. II. Kurze Anleitung zum Obst- dörren und zur Mussbereitung. Ravensburg 1869. Magazin, Deutsches, für Garten- und Blumenkunde. Zeitschrift für Garten- und Blumenfreunde und Gärtner. Herausgeg. und red, von Dr. Wilh. Neubert. 22. Jahrg. Stuttgart 1869. 298 Jahres-Bericht Mertens, J., Landes-Oekonomie-Rath, Anleitung zur Taxation von Obst- bäumen, in besonderer Beziehung auf Expropriation behufs Bahn- und Damm-Anlagen. Peine in Hannover 1869. (Abgedruckt in F. J. Dochnahl’s Anleitung zur Taxation der Obstbäume. Worms 1870. Mittheilungen des Vereins für Land- und Forstwirthschaft im Herzog- thum Braunschweig. Herausgeg. von dessen Vorstande, red. von dessen Secretair, Kammer-Commissair Schönermark. 37. Jahrg. Braunschweig 1869/70. — über den Anhaltischen Gartenbau-Verein zu Dessau für das Jahr 1869. Dessau 1870. Monats-Berichte der Obst-, Wein und Gartenbau -Section der k. k. mährisch-schlesischen Gesellschaft zur Beförderung des Acker- baues und der Natur- und Landeskunde. 2. Jahrg. 1869. Brünn, Monatsblatt für Gartenbau in den Herzogthümern Schleswig und Hol- stein. Jahrgang 1868 und 1869. Kiel. Monatshefte, Illustrirte, für Obst- und Weinbau. Organ des deutschen Pomologen-Vereins. Red. von Oberdieck, Fehleisen und Lucas. Neue Folge 5. Jahrgang. Ravensburg 1869. Niemann, K. A. C., Der Teppich- Gärtner. Handbuch für Gärtner- und Gartenbesitzer. Mit besonderer Berücksichtigung der Ham- burger Internationalen Gartenbau - Ausstellung. Hamburg 1870, Obstsegen, Der reiche, Kurze Anweisung zu vielfacher und vortheil- hafter Benutzung des Obstes, zusammengestellt von dem Ober- lausitzer Obstbauverein. Zwickau 1858. Protokoll-Auszüge und Verhandlungen der Gartenbau - Gesell- schaft Flora zu Frankfurt a,/M. 20. bis 23. Jahrgang. 1867 bis 1870. Frankfurt a/M. Riimpler, Theodor, Der Obstbau auf dem Lande. Treugemeinte Rath- schläge zur Hebung desselben und kurzgefasste Anleitung, die wirthschaftlich nützlichsten Obstsorten auszuwählen und den Obst- baum anzuschaffen, zu pflanzen und zu pflegen. Ortsvorständen, Geistlichen, Lehrern und Freunden des Obstbaues, sowie allen denen zur Beherzigung empfohlen, welche ein kleines oder grosses Bauergut besitzen oder zu verwalten haben. Erfurt 1870. Seuffert, Notar, Die Flora des Japanesischen Inselreichs. Vortrag, ge- halten in der Sitzung des Fränkischen Gartenbau-Vereines zu Würzburg am 22. Januar 1870. | Stamm-Register vorzüglicher Kernobstsorten für den Canton Bern, nebst kurzer Anweisung zur Pflege der Obstbäume und zu zweck- mässiger Verwerthung des Obstes. Herausgegeben von der Can- tonalen - Commission für Obstbaumzucht. 2. Aufl. Bern 1866. der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur. 399 Sterzing, J. W., Anleitung zur Taxation von Obstbäumen. Stettin. (Abgedruckt in F. J. Dochnahl’s Anleitung zur Taxation der Obstbäume. Worms 1870). Taschenbuch für Pomologen, Gärtner und Gartenfreunde. Herausgegeben von dem Pomologisehen Institut in Reutlingen. 9. Jahrg. Ravensburg 1869. Teichert, Oscar, Veredelungskunst, Die, mit besonderer Berücksichti- gung der Obstbaumzucht. Praktischer Leitfaden für Gärtner und Gartenfreunde, sowie für Land- und Forstwirthe. Berlin 1869. Verhandlugen des 3. Congresses von Gärtnern, Gartenfreunden und Botanikern am 3., 4. und 6. September 1869. Hamburg 1870. Wochenschrift des Vereins zur Beförderung des Gartenbaues in den Königlich Preussischen Staaten für Gärtnerei und Pflanzenkunde. Red. von Prof. Dr. Karl Koch. 12. Jahrgang. Berlin 1369. Zeitschrift, Pomologische, Organ des Hannoverschen Pomologen-Ver- eins 3. und 4. Jahrgang. Hannover 1868 und 1869. Ausserdem noch: Das Obsteabinet von H. Arnoldi in Gotha aus Porzellan - Com- positionsmasse nalurgetreu nachgebildeter Obstfrüchte verschie- dener Art. Herausgegeben unter Controle des Thüringischen Gartenbau-Vereins zu Gotha. 35. und 36. Lieferung. Primo Januuar 1871 zählte die Section für Obst- und Gartenbau Mitglieder: Hiesige. Auswärtige. Summa. 106 254 360 Eliexzu traten im Jahre 1871 .°. ... 5 19 24 111 23 n W384 Dagegen schieden durch Verziehen, zumeist aber durch Ableben aus °. . .. . 5 19 24 Es blieben daher Ultimo December Bestand 106 254 360 Von diesen waren als Mitglieder der Schle- sischen Gesellschaft beitragsfreii . . . 36 9 45 und zahlten zur Unterhaltung des Pomo- £ logischen und resp. Obst- Baumschul- und Versuchsgartens gütigst Extrabeiträge 36 120 157. ii RR REN VILI Bericht über die Thätiekeit der meteorologischen Section der Schlesischen Gesellschaft im Jahre 1371, abgestattet vor. Dr. J. G. Galle. zeitigem Secretair der Section. In der Sitzung vom 20. December hielt der Secretair der Section einen Vortrag über einige neuere Resultate für die geographischen, meteorologischen und magnetischen Orts-Constanten von Breslau. Eine Uebersicht über die wichtigsten für Breslau geltenden meteoro- logischen und magnetischen Zahlenwerthe, wie dieselben aus den Beob- achtungen bis zum Jahre 1854 eich ergeben hatten, wurde von dem Vortragenden am -Schlusse genannten Jahres der Section mitgetheilt und ist in dem Berichte von 1854 $. 103 enthalten. In Betreff der meteoro- logischen, aus einem 64 jährigen Zeitraum von 1791 bis 1854 geschlos- senen Mittelwerthe findet sich sodann eine noch weitere Ausführung- in den 1557 publieirten „Grundzügen der Schlesischen Klimatologie,‘“ welche neben den Angaben dieser Werthe für verschiedene Orte Schlesiens in besonderer Ausführlichkeit auch die für Breslau, gezogen aus den Beob- achtungen auf ‘der hiesigen Sternwarte, enthält. Es sind seitdem über . 16 Jahre verflossen und es schien angemessen und nöthig, einige der damals gewonnenen Resultate durch eine Bearbeitung der inzwischen angesammelten Beobachtungsreihen zu verbessern und einzelne neu auf- tretende Fragen dabei zu diseutiren. 30272 Jahres-Bericht Während des verflossenen 16jährigen Zeitraumes haben neben dem physicalisch - geographischen auch die mathematisch - geographischen Constanten einige kleine Aenderungen erfahren, welche zwar für die ersteren (die klimatologischen Elemente) ohne Einfluss sind, jedoch bei dieser Gelegenheit hier in Erwähnung gebracht werden mögen, da der Gesellschaft über diose Untersuchungen ein besonderer Bericht bisher nicht erstattet worden ist. Die früheren Feststellungen über die geographische Länge von Breslau gründeten sich vornehmlich auf beobachtete Finsternisse und Sternbedeckungen vom Monde, früher die genaueste Methode der geo- graphischen Längenbestimmung überhaupt. Mit Uebergehung einiger älteren auf zu wenige Beobachtungen gegründeten Bestimmungen ist zuerst die Bestimmung des Längen- Unterschiedes zwischen Breslau und Prag zu erwähnen, welche 1805 durch Beobachtung von Pulver-Signalen erlangt wurde, die der General von Lindener im Juli des genannten Jahres auf der Schneekoppe gab und welche auf der hiesigen Sternwarte von Prof. Jungnitz, in Prag vom Canonicus David beobachtet wurden. Die Länge von Prag als bekannt vorausgesetzt, wurde dadurch Breslau um 58m 485,29 östlich von Paris gefunden. Als genauer ist eine Be- stimmung von Hansen aus 22 Sternbedeckungen zu betrachten, die im Jahre 1840 in Schuhmacher’s Astr. Nachr. Bd. XVII. veröffentlicht wurde und 58m 48°,70 mit einer Unsicherheit von + 1,2 ergab. Ebendie- selbe Methode ist nochmals im Jahre 1861 von einem meiner damaligen Zuhörer, dem jetzigen Oberlehrer Herrn Dr. Klinger an der hiesigen Kunst- und Bau-Schule auf 63 in Breslau, Berlin, Altona und Königsberg seit 1837 beobachtete und bis dahin nicht berechnete Sternbedeckungen angewandt worden, von denen 49 als Längenunterschied von Berlin 14m 345,37 ergeben haben. Auf geodätischem Wege durch Verbindung der russischen Dreiecke mit den diesseitigen vom Kgl. Generalstabe in Schlesien gemessenen wurde noch von Herrn Prof. Sadebeck gefunden 58m 485,25 östlich von Paris, oder mit der gewöhnlichen Annahme für den Längenunterschied Paris-Berlin = 44” 14°,0 .... 14” 34°,25, also fast genau mit der Rechnung von Dr. Klinger übereinstimmend. — In- zwischen haben die astronomischen Methoden der geographischen Längen- bestimmung, so unentbehrlich dieselben auf der See geblieben sind, auf dem Festlande aufgehört die genauesien zu sein, seitdem durch die elek- trische Telegraphie die Unsicherheit in der Signalgebung sowohl auf kurze als auf die weitesten Distancen bis auf kleine Bruchtheile einer Zeitseeunde herabgesunken ist und somit die Längenbestimmung an Ge- nauigkeit der Zeitbestimmung nicht mehr nachsteht, welche letztere so gut als fehlerlos von einem Orte zum andern übertragen werden kann. Für Breslau traf es sich sehr günstig, dass im Jahre 1863 die grosse russische Längengradmessung längs des 52. Breitengrades den hiesigen der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur. 303 Ort berührte, wodurch Breslau einer besonderen Expedition zur Er- mittelung des Längenunterschiedes von Berlin überhoben wurde, Dieses grosse, vom Ural bis an die Westküste der britischen Inseln sich er- streckende Unternehmen, welches mehrere Jahre in Anspruch genommen hat und von dem damaligen Obersten, jetzigen General Forsch, Haupt- mann Zylinski und dem damaligen Öbservator der Bonner Sternwarte Dr. Tiele ausgeführt wurde, ist zwar beendigt, jedoch sind die Rech- nungs-Resultate zur Zeit noch nicht definitiv festgestellt. Inzwischen ist auf indireetem Wege eine Mittheilung des Herrn General Forsch mir bekannt geworden, wonach als Länge von Breslau 14m 34°,0 östlich von Berlin sich ergeben hat. Der Längenunterschied Berlins von Paris und von Greenwich ist z. Z. noch nicht mit einer den neueren Ansprüchen völlig senügenden Präcision festgestellt. Indess kann der bei den telegraphischen Bestimmungen der Ditferenz zwischen Paris und Greenwich, Greenwich und Brüssel, Brüssel und Berlin gefundene Unterschied Berlin östlich von Paris 44m 14°,75 I » :„» Greenwich 53 35,38 wohl nur um kleine Bruchtheile der Secunde noch unsicher sein und man wird als genaueste Werthe zur Zeit annehmen können: in Zeit in Bogen Breslau östlich von Berlin ORF1am 34050 733843040 „ » „ Paris 0 58 48,75 = 14 42 1 1,2 » = „ Ferro 2 18 4875 = 54 42 11,2 „ oE „ Greenwich 1 8 a ul 72207 Hierzu kann sodann auch noch die transatlantische Länge gefügt werden, wie dieselbe im Jahre 1866 durch die amerikanischen von Dr. Gould geleiteten Kabel-Signale bestimmt worden ist und wonach Greenwich östlich von Washington 5 8m 12°,39 gefunden wurde, so dass man hat: Breslau östlich von Washington 6% 16m 21°,77 = 94° 5' 264,6. Eine striete Vergleichung aller dieser Werthe mit den früher aus Sternbedeekungen gefundenen ist insofern schwer thunlich und würde der Mühe nicht mehr lohnen, da die dabei benutzten Meridiane einzeln ver- schiedener Correetionen bedürfen; v. Boguslawski nahm in dem zuletzt erschienenen Jahrgange des Uranus 1851 die Länge Breslaus an 0b 14m 348,6 östlich von Berlin, 0 58 486 „ „ıukaris, 15 8.541051 33 „ Greenwich, mithin nur um Bruchtheile der Zeitseecunde von den obigen genauen Resultaten abweichend. ng EINER > 304 Jahres-Bericht Die genaueste und als definitiv zu betrachtende Bestimmung der geographischen Breite von Breslau ist die, welche im Jahre 1862 auf der hiesigen Sternwarte bei Gelegenheit der Einfügung derselben in das Schlesische Dreiecksnetz erlangt worden ist. Diese Bestimmung be- ruht auf zwei von einander unabhängigen Beobachtungsreihen, welehe im Juli und August des genannten Jahres, einerseits von Herrn General Baeyer in Gemeinschaft mit Herrn Professor Sadebeck, andererseits von mir ausgeführt worden sind, mittels eines vorzüglichen, aus der Werksatt von Pistor und Martins in Berlin hervorgegangenen Universal-Instrumentes mit 13 zölligen Kreisen und mikroskopischer Ablesung, welches bereits bei früheren Gradmessungs-Arbeiten (der Verbindung der russischen und preussischen Dreiecke) sich bewährt hatte. Die Uebereinstimmung der von Herrn General Baeyer und von mir erlangten Resultate aus resp. 72 und 69 Einstellungen des Polarsterns und resp. 48 und 20 Ein- stellungen südlicher Sterne ist eine vollständige. Nach der von Herrn General Baeyer mir überlassenen Berechnung beider Reihen wurde ge- funden aus den Beobachtungen von General Baeyer 51° 6° 56,470 —+ 0,088 Galle 51 6 56,478 & 0,125 und somit schliesslich als Endresultat aus veiden Reihen: 51° 6‘ 56'473 + 0,072. Diese Bestimmung bezieht sich auf den bei dieser Gelegenheit auf der Gallerie der Sternwarte aus Backsteinen mit Cement aufgemauerten Pfeiler, der auf einem Bogengurt der bis zu dieser Höhe hinaufgehenden sehr soliden Wölbungen ruht und dessen Festigkeit in dieser grossen Höhe sich auf eine überraschende Weise bewährt hat. Dieser Pfeiler befindet sich 1,1 Fuss südlich von dem Centrum des Sternwartenthurmes, so dass die geographische Breite des letzteren noch um 0,011 grösser oder auf 51° 6° 56,484 + 0,072 anzuehmen ist, oder mit Uebergehung der Hunderttheile der Bogenseeunde: 310 :67,,30.,9. Der vor 1862 nach der Bestimmung von Boguslawski’s mittels minder suverlässiger Instrumente erjangte Werth der Polhöhe von 51° 6’ 56” nähert sich dem obigen Resultate in einer vorzüglich anerkennens- werthen Weise. Derselbe bezeichnet in einem handschriftlichen Bericht vom Jahre 1850 seine Bestimmungen mit dem grossen Repetitionskreise der Sternwarte als zwischen, 56‘ und 57° schwankend und nahm schliess- lich in runder Zahl 51° 6° 56,0 an. Eine nochmalige Discussion der in den Manuseripten der Sternwarte sich findenden Einzel-Resultate lässt mich als Resultat dieser Beobachtungen finden ; 510 6’ 56,233 F R la N hr N der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur. 305 für den damaligen Aufstellungsort an der Südfront; oder für das um 22 Fuss nördlichere Centrum des Thurmes: 510 6° 56,457, demnach dem definitiven Resultate genau gleichkommend, obwohl bis zu einem gewissen Grade zufällig, da die einzelnen Beobachtungsreihen um mehrere Secunden von einander abweichen, Was Breslau’s Höhe über der Meeresfläche betrifft, so ist das definitive Resultat für dieselbe bereits im Jahre 1840 durch das trigono- metrische Nivellement der Oder von Hoffmann und Salzenberg erlangt worden. Das mittlere (untere) Quecksilber-Niveau des Barometers der Breslauer Sternwarte befindet sich hiernach 453,62 Par. Fuss + 3,22 oder 147m,355 + 1%,05 — über dem mittleren Ostsee-Spiegel bei Swinemünde. Andere bemerkenswerthe Punkte sind: der Fussboden des grossen Saales der Sternwarte. . 449,3 Par. Fuss, das steinerne Geländer der Gallerie... v...',465,2 r der Fuss des Universitäts-Gebäudes . . . 365,0 ,, „ die Oberfläche des westlichen Pfeilers auf der Gallerie 469,7 , m die Oberfläche des neuen östlichen Pfeilers . . . 300,8 es die Oeffnung des: oberen Regenmessers der Sant 467,0 (oder über der Erdoberfläche 102,0) die Oeffnung des unteren ne im botanischen Garten. * ano 1,0, 5 der Hof des Rathhauses (Pflaster) a EN ODE 5 des Knopk des Blisabet-Thurmes . . ... 7... 6398 > Aus den in jüngster Zeit ausgeführten neuen Ermittelungen mehrerer von den meteorologischen Constanten mögen hier für jetzt nur einige Resultate für zwei der hierher gehörigen Gebiete heraus- gehoben werden, welche für die klimatologischen Verhältnisse zu den wichtigsten gehören, sich beziehend auf die Temperatur und die Regenmenge. Die bisher 64 Jahre umfassenden mittleren Temperaturen der einzelnen Monate und Jahreszeiten sind nunmehr auf 80 Jahre, bis 1870 inclusive ausgedehnt und stellen sich hiernach, wie - folgt, heraus: 20 300085 Jahres-Bericht Deebr. — 00,86, Januar — 2,50, ( Winter — 19,44, Febr. — 0,92, \ März + 1,39, April + 6,11, | ‘Frühling + 5,99, Mai + 10,48, Juni + 13,20, Juli + 14,42, | Sommer + 13,93, August + 14,14, Sept. + 10,99, Octbr. + 7,05, | Herbst + 6,79. Nov. + 2,31, Als mittlere Jahres-Temperatur für Breslau ergiebt sich + 60,32 R., welcher Werth sich demnach um etwa 0°%,1 gegen die bisherige Annahme erhöht hat. Von einer aus den 12 (für die jedesmalige Mitte des Monats gelten- den) Monats- Werthen entwickelten periodischen Reihe zur Berechnung der Mittel- Temperaturen aller einzelnen Tage des Jahres sind folgendes die ersten Glieder xX= + 6032 + 8%51 sin (x + 2670) + 0%18 sin (2 x + 292°), wo die Winkel x vom 15. Januar an zu zählen sind. Diese Formel stimmt sehr befriedigend mit der früher (Jahresbericht 1854 Seite 103) gefundenen überein. Im übrigen schien der 80 jährige Zeitraum geeignet und gross genug, um auch auf rein empirischem Wege Mittel für alle einzelnen Tage des Jahres zu bilden und so den wahren durchschnittlichen Gang der Tem- peratur in der jährlichen Periode kennen zu lernen. In den Publieationen des Berliner meteorologischen Instituts (Preuss. Statistik, VI. Berlin 1864 sind von Dove bereits die ersten 70 Jahre der Breslauer Beobachtungen mit Benutzung der in den „Grundzügen der Schlesischen Klimatologie‘“ gegebenen Tagesmittel in diesem Sinne bearbeitet worden. Es bedurfte daher nur noch der Hinzufügung von 10 Jahren, um die nachfolgende Tabelle zu erhalten: 307 der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur. A 72 Seer | vurt | rotar el ° 61 — | Fol &87 95.6 vesı | [oe |2eaı | 98 wre GET — || '08 aa — |! 09% v9‘6 zeeL | GEH |86EL | OLeL | 818 oLE Sal — || '6% set — | OL »g< 116 SE | 397 ,92eL | SLIL 808 | 006 ITo + | eal || '8@ SIT — | CO 128 | 98,6 LGel | 09PI | Scet | Sell | 68.2 | 66,1 | ve + | en | 20 08T — 1060 119 866 Eee er Res er Bee 00% v00 — | @BT — 9% wi — | 01 | 80'9 9g0r = Arer = 0.P1.8 kerenz Terär? 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Gesellsch, f. vaterl. Cultur. 31l tungen 1799—1854 ist zu fürchten, dass der noch geringere Werth von 13 Zollen zum Theil mit Unvollkommenheiten des früheren Regenmessers und der Beobachtung behaftet ist. Was die magnetischen Orts-Constanten für Breslau betrifft, so sind die historischen Nachweise über frühere Bestimmungen der magne- tischen Declination, Inelination und Intensität in dem schon ‘oben eitirten Berichte der meteorologischen Section vom Jahre 1854 p. 107 f. enthalten. Seit jener Zeit ist eine vollständige Bestimmung aller drei magnetischen Elemente im Jahre 1858 von Herrn Professor v. Lamont aus München mit dessen Reise-Apparat hier ausgeführt worden, ausserdem von dem Vortragenden wiederholte Bestimmungen der magne- tischen Declination in verschiedenen Jahren, unter andern im Herbst des verflossenen Jahres 1871, mit Apparaten der hiesigen Sternwarte. In von Lamont’s ‚„‚Untersuchungen über die Richtung und Stärke des Erd- magnetismus in Norddeutschland, Belgien, Holland, Dänemark im Sommer des Jahres 1858“ sind Seite 42 für den Anfang des Jahres 1858 die magnetische Deeclination, Inelination und Horizontal-Intensität für Breslau, wie folgt festgestellt: 12° 12,4 66° 8',0 1,8825. Nimmt man (ebenfalls nach Lamont) die jährlichen Aenderungen dieser resp. Elemente an zu og RER 0,0097; so würden folgende Werthe derselben für den Anfang des Jahres 1372 sich ergeben: Declination 20230, Inelination 65° 40°, Horizontal-Intensität 1,920. Für die Declination wurde mit einer Klingert’schen Fernrohr-Boussole der hiesigen Sternwarte auf einem freien Platze ausserhalb des Universi- täts-Gebäudes im vorigen Herbst am 17. October gefunden: 100 22°, demnach innerhalb der Grenzen der täglichen Variation mit dem obigen Resultate übereinstimmend. Im Universitäts- Gebäude selbst ist ein geeigneter eisenfreier Raum zu einer stetigen Bestimmung absoluter magnetischer Declinationen nicht vorhanden. Indess schien es schon seit geraumer Zeit wünschenswerth, wenigstens die früher hier eingerichteten Variations- Beobachtungen für die magnetische Deelination zu erneuern, wie dieselben zur Zeit des Bestehens des Göttinger magnetischen Vereins ausgeführt wurden. Das frühere sogenannte magnetische Cabinet unmittelbar über dem Kaiserthor 312 Jahres-Bericht ist in Folge der sehr vergrösserten Frequenz dieser Durchfahrt, sowie der damit verbundenen Erschütterungen, und abgesehen von anderen Un- vollkommenheiten, von Jahr zu Jahr zur Wiederherstellung dieser Beob- achtungen ungeeigneter geworden. Inzwischen fügte es sich, dass ein mehr östlich gelegenes Zimmer im zweiten Stock des Universitäts- Ge- bäudes im Jahre 1870 disponibel wurde und von dem Kgl. Curatorium temporär für diesen Zweck der Sternwarte überlassen werden konnte: Hier ist nun im October genannten Jahres ein Gaussischer Declinations- Apparat eingerichtet und aufgestellt worden, an dem seitdem regelmässige Beobachtungen der täglichen Variation angestellt werden und somit auch zur Verbesserung von absoluten Deeclinationsbestimmungen wegen dieser täglichen Aenderungen benutzt werden können. Von Anfang November 1870 bis November 1871 haben sich aus diesen Beobachtungen die täglichen Schwankungen der Declination (deren Minimum des Morgens gegen 8 Uhr und deren Maximum Mittags gegen 2 Uhr stattfindet) in Bogen-Minuten, wie folgt ergeben: Januar ° 5'8, Juli 14‘,0, Februar 8,1% August 15,0, März 13,8, September 11,9, April 17028 October ya Mai 14,9, November 9,0, Juni 15,1, December 5,2, so dass das Maximum der Schwankungen in den April, das Minimum in den December fiel, mit dem an anderen Orten beobachteten Gange dieser Variation in der jährlichen Periode ganz übereinstimmend. Nachtrag: Während des Druckes der vorstehenden Mittheilungen erhielt ich den General-Bericht über die Europäische Gradmessung für das Jahr 1871, in welchem auf $. 47 von Herrn General Forsch die resultirende Längen-Differenz zwischen Berlin und Breslau zu 14m 345,14 ah angegeben wird, so dass die auf $. 304 zusammengestellten Längen Breslaus von Berlin, Paris, Ferro, Greenwich und Washington sämmtlich noch um den kleinen Betrag von 08,14 in Zeit oder 2,1 in Bogen zu vergrössern sein würden. Auch diese Berechnung ist inzwischen nur eine vorläufige, wenn auch voraussichtlich die spätere Herleitung des definitiven Resultates nur noch geringe Abänderungen herbeiführen dürfte, der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur, ae) Allgemeine Uebersicht der . meteorologischen Beobachtungen auf der königlichen Universitäts-Sternwarte zu Breslau im Jahre 1871. Höhe des Barometers 453,62 Pariser Fuss über dem Ostseespiegel bei Swinemünde. I. Barometerstand, 1. Temperatur 1871. redueirt auf 0° Reaumur, der Luft, in Graden nach in Pariser Linien. Reaumur. 5 Bi . & = 2 8 . © . 2, eb) Monat. Be El B) g ® EI = ®) 3 ‚Ss 3 = = = BR 3 e= = = RS S © = 3 = 3 13) = 200 ee A RER a Wen 1 BE ze WE = Aa = = A S A = 5 Januar... 31133936 | 18] 326, 401331 70518 |+ 4°1 1!— 18°%,9 |— 5°,84 Februar 1117338 .02 1281 327, ‚60 332, os 7|+ 87 | 11)— 20,0 |— 2,82 März ....... 112025 31 so7sı| ssaealae 138 | a —. Azır 38 Apeil.e..... 12, 335,151 1 325, 27 30,37 17 |+ 15,8 4— 13|-+ 5,06 Ma: 2, 52115 327; 93 331. 49 | 29 + 205 | 13)+ 0,7 |+ 7,55 Jumereı... u: 152.355; ‚60 19] 326 38 330, ‚00 18 |+ 22,5 |13/+ 5,1 [+ 11,90 ll 2. 2 711885; .06 20 326, 44| 531 4 111+ 255 | 22)+ 7,7 |-+ 14,97 August ...... 30| 335, 975 328, 96173321 87 |14 + 24,6 | 31|+ 6,8 1-+ 14.48 September ..| 1 336, 25 |30| 326, 35] 331 74 5/+ 25,5 | 21|+ 1,2 | + 10,96 Oetober ....j14| 337,77 | 2| 32418) 33317 | 8 |+ 146 | 5|— 26 + 475 November ..|20| 337.54 | 9| 326.68] 331,86 | 8I+ 95 | 6l- «as|+ 116 December ..112| 338,82) ı| 32810| 33309 21 + 31[| ı2|— 163 |— 352 Jahr 2... Jahr ......| |340%25] [s2rmis[sseuos] [#255 | | 340%25] [324,18 |332“403 | |+25%5 | |-20%0 + 5%,16 314 Jahres-Bericht II. Feuchtigkeit der Luft.“ IV. Wolken- D 1871. a. Dunstdruck, b. Dunstsättigung, nuuoue Lat in Pariser Linien. in Procenten. Niederschläge. ® Der =) B =) E | ® WS | = = 2 & = © RE Monat |2| 2 |8 & | & |3)2 32 = |5 | |5 [23° 3.0: ei. Er )is Srlkellee he ones Aı 2 |aA| 28 s |aAls |A = = BB TEL = 25 a Tage. = Januar ..... 18.1,25207 2121104228, 01215 100| 2/6490] 9| 2| 20| 144,73 Hebrmarsı. 1027| 3,0970) 20.212 7:50 100 |24|59|83| 4| 3| 21) 16,14 März....... 27| 308| 1) 054| 1,93 ..|100| ıls1|71] ı5\ 6| 10) 444 Al 19) 447\ 6| 103) 2322| 3l100lı8\3ı|70| 6| 7| ız| 28,27 Mai Ser: 28 1.3,83| 8| 1,3881 2,44... 1.9631 |29.65.| 9:6 716) 272206 un 9: ı8| zu | 1208| 3970| 97° 1\36 72, 2 6 oo ar Taler 2 so| z85/21| 3,69] 479|13| 97|.. |s8|82| 10|10| 11) 71,64 August ..... 10 685|27| 2900| 455| ı| se\1a|a2|e8| ıolı3 | 8| 15.2 September..| A| 644|13| 1368| 3.39\22| 9alıs a7|ee| ı2| 8 10) 467 October ....| 8]. 37825). 1,27. 2,351... 96201452771 17033 17021045 November . | 9| 3.26| 5| 0,81| 1,86 100 | 5|35183| 4| 4| 22| 16,72 December ..118| 2,1513) 033| 1,29 100| 3[55/ 85] 3| 5| 18| 11,04 ge. 7,65 | 021] 2,62) 1100| 25 |76 |100| 73 192| 255,19 *) In der diesjährigen Uebersicht sind neben den monatlichen Mittelwerthen der Feuchtigkeit noch die Minima und Maxima beigefügt: der Grad der Dunst- sättigung wie gewöhnlich in Procenten der vollen Sättigung ausgedrückt. Wenn das angegebene Maximum oder Minimum an mehreren Tagen des Monats vor- kam, so ist dies durch Punkte .. angedeutet. V. Herrschende Winde Januar. Die Windesrichtung war vorherrschend Südost, Ost und Süd, seltener (am 5, 6., 12., 13., -20.) West und Nordwest. Die Windstärke durchgängig gering und mässig, mit Ausnahme des starken Westwindes am 20. e- Februar. In der kalten Hälfte des Monats herrschte Südost, in der wärmeren West vor. Letztere Richtung wurde am häufigsten beobachtet, sehr viel seltener die übrigen Richtungen. Die zum Theil sehr starken Westwinde gingen am 19., 22., 24. und 25. in Sturm über; am 14. (am Tage vor dem Uebergauge von der Kälte zur Wärme) herrschte Windstille. Mittlere Richtung Siidwest. ; März. Am 1. Nord, von da ab Südwest, Süd und Südost, vom 16. ab wieder einige Tage Nord, dann Südost, während die kalten Schneeschauer vom 28. ab aus Nordwest kamen. Besonders der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur. 315 stürmisch war der 23. Am häufigsten kamen Südost und Süd vor. Mittlere Richtung Süd. April. Mittlere Richtung Westsüdwest, jedoch mit einem geringen Uebergewicht der südlichen über die nördlichen Winde, welche letzteren sich wiederholt geltend machten, so dass keine einzige Richtung als besonders vorherrschend bezeichnet werden kann. Am seltensten kam der reine Ostwind vor, die übrigen folgten einander in mannigfaltigem Wechsel. Mai. Ueberwiegend mit mässiger Stärke waren West und Nordwest; nur während der wenigen warmen Tage kurz vor Ende des Monats wehte schwacher Ostwind. Mittlere Richtung West- nordwest. Juni. Vorherrschend West und Nordwest, zuweilen unterbrochen durch Ost und Süd. Mittiere Richtung West. Juli. Ueberwiesend W., demnächst Nordwest, häufig auch Südost, Ost und Südwest. Sturm am 21., Windstille am 15. Mittlere Rich- tung West. August. Wie in den beiden vorigen Monaten herrschten West und Nordwest vor, jedoch oft auch unterbrochen durch die entgegen- gesetzten Richtungen Ost und Südost. Mittlere Richtung West- nordwest. September. In der ersten Hälfte des Monats war Ost, in der zweiten West überwiegend, der Anzahl nach einander fast gleichstehend, so dass als Mittelrichtung nur mit einem sehr geringen Ueber- gewicht Südsüdwest gefunden wurde. Stürmisch waren der 18., 19. und 26., windstill der 3. und 11. October. Ueberwiegend Südost und Ost, nächstdem am häufigsten ‘West, jedoch fast nur in der ersten Hälfte des Monats. Mittlere Richtung Südost. November. Am häufigsten Nordwest und Südost, erstere. Richtung um ein weniges überwiegend und besonders in der ersten Hälfte des Monats, letztere mehr in der zweiten Hälfte. Mittelrichtung . mit einem geringen Uebergewicht Nordost. December. Vorherrschend West, nächstdem Süd und Nordwest, mittlere Richtung Südwest. In der letzten Woche des Monats war bei mässiger Kälte theils Windstille, theils schwacher Süd- ost. Am 7. und 3. stürmisches Schneetreiben aus West und Nordwest. VI. Witterungs-Charakter. Januar. Andauernde, strenge Kälte, noch etwas stärker als im vorher- gehenden Monate December, verbunden mit reichlichen Schnee- 816 Jahres-Bericht fällen, jedoch auch vielen ganz klaren Tagen und öfterem starken Reif. Nur um den 18. einige wenige Tage mit Thauwetter. Februar. In der ersten Hälfte herrschte grosse Kälte mit einigen starken Thermometer-Schwankungen (es sank z. B. vom 7. zum 8. das Tagesmittel um 10°), in der zweiten Hälfte Thauwetter mit stürmischen Westwinden. März. Ein in seltenem Grade klarer und. trockener Monat mit hohem Barometerstande und hoher Temperatur, am 28. jedoch bereits in sogenanntes Aprilwetter übergehend. | April. Regnicht, kalt und veränderlich; am 1., 14. und 18. Nordlichter. Mai. Rauh, kalt und regnicht, warm nur vom 24.—29. Noch am Ende des Monats waren manche Bäume unbelaubt, daher ein noch stärkeres: Zurückbleiben der Vegetation als im vorigen Jahre. Juni. Ein kühler und trüber Monat, mit tiefem Barometerstande, vielem Regen und zahlreichen Gewittern. Juli. Ueberwiegend warm, jedoch unter grossen Schwankungen; häufige Gewitter, viel Feuchtigkeit und Regen. ’ August. Ein warmer und ziemlich trockener Monat mit hohem Baro- meterstande, sonst in den meisten Verhältnissen normal. September. Ein trockener, in der ersten Hälfte in seltenem Grade heisser und klarer, in der zweiten dagegen sehr kühler Monat. October. Im Ganzen kalt, auch an den schönen Spätsommer-Tagen 14.—23. erhob sich die Mittagswärme nur wenig über 10°, während in den Nächten mehrere Fröste vorkamen. November. Trübe, nebelig und nasskalt, mit sehr veränderlichen Windesrichtungen und schwankendem Barometerstande, jedoch nur geringen Schwankungen der Temperatur. December. Ein verhältnissmässig trockener Monat; vom 7. bis 10. Schnee, dann einige Tage heftige Kälte, nachher Thauwetter, vom 23. bis zu Ende mässiger Frost, Nekrolog im Jahre 1871 verstorbener Mitglieder der | „schlesischen Gesellschaft für vaterländische Cultur.“ (Auszüglich vorgetragen am 29. December 1871.) Der Wunsch, mit welchem unsere vorjährige Todtenschau abschloss, ist leider in Erfüllung nicht gegangen: wiederum ward die Zahl der diesem Kreise Entrissenen fast doppelt so gross, als der letzte zehn- jährige Durchschnitt (= ce. 11) und selbst als der Durchschnitt der 44 Jahre, über welche die Listen Auskunft geben (= ungefähr 12*/,); und zum vierten Male in ununterbrochener Reihenfolge wiederholt sich sonderbarerweise die Summe von 21. Es verstarben: das Ehrenmitglied Dr. Wilhelm Ritter v. Haidinger zu Wien ( 19. März); die wirklichen Mitglieder Rittergutsbesitzer Rimann in Wederau (+ 31. Jan.), Fürstbischof a. D. Leopold Graf v. Sedlnitzki zu Berlin (+ 25. März), Buchhändler Maske (+ 31. März), Kunsthändler Karsch (+ 7. Mai), Graf Stosch-Hartau (+ 25. Juni), Prof. Dr. Julius Milde (+ 3. Juli), Kreisgerichtsrath Loos (+ 25. Juli), Dr. med. Krause (7 18. Aug.), Kaufmann Louis Reichenbach (+ 2. Sept.), Oberlehrer Dr. Baumgart (+ 14. Septbr.), Regier.-Präsident v. Götz in Düsseldorf (+ 4. Octbr.), Dom-Benefieiat Joh. Heyne (+ 28. Octbr.); Graf Stosch-Manze (+ 29. Oct.) ; die correspond. Mitglieder Prof.Dr. Zeuschner zu Warschau (7 31. Jan.), Generallieutenant a. D. von Gansauge zu Berlin (+ im März), Apoth. Güntzel-Becker zu Wohlau (+ 22. März), Lehrer Hilse, zuletzt in Breslau (+ 29. März), Sanitätsrath Dr. Junge zu Friedeberg a. Q. (+ 27. Juni), Seminar-Oberlehrer a. D. Dr. Schneider in‘ Stolpe ( 22. August), Geh. Regierungs-Rath Prof. Dr. Ratzeburg zu 'Berlin (+ 24. October). 318 Jahres-Bericht Wenden wir zuerst unser trauerndes Gedenken Denen zu, die wir öfters in unserer Mitte sahen und deren dauernde Heimat unsere Stadt war! Ueber das Leben und Arbeiten der beiden Botaniker Milde (Mit- glied seit 1851) und Hilse haben bereits zwei ihnen wissenschaftlich, amtlich und persönlich Nahestehende in so getreuer und eingehender Weise Auskunft gegeben (siehe den Bericht der botanischen Section), dass jede weitere Beifügung ausgeschlossen ist. Ludwig Ferdinand Maske, Sohn des Kaufmanns Ludwig Maske, war zu Breslau am 20. Juli 1808 geboren, empfing seine Schulbildung auf dem hiesigen Magdalenäum, dessen Prima er, durch Familienverhält- nisse zum Verzicht auf das beabsichtigte Rechtsstudium bewogen, im Herbst 1828 verliess, um, ausgerüstet mit einem gediegenen Fundament von Kennt- nissen, als Lehrling in die Buchhandlung seines Onkels A. Gosohorsky einzutreten, in der er auch nach absolvirter Lehrzeit noch bis 1834 als Gehilfe verblieb, worauf er 4 Jahre in Wien bei Schaumburg & Comp. eonditionirte; 1838 nach Breslau zurückgekehrt, trat er wiederum in das Gosohorsky’sche Geschäft ein, wo seine Arbeitskraft und Intelligenz sich bald wiederum in so vortheilhafter Weise geltend machten, dass die Führung des Geschäftes lange Zeit ihm ganz allein anvertraut blieb. Er stand seinem Posten mit grosser Gewissenhaftigkeit vor; nicht selten opferte er den Interessen des Geschäftes die Freuden der Geselligkeit und des Kunst- Genusses, die sich ihm in reichstem Maasse darboten, da er als vortrefflicher Clavierspieler überall sehr willkommen war und zu Concerten gern herangezogen wurde. Am 1. April 1846 übernahm er dann käuflich selbst die genannte Buchhand- Jung nebst der ihr bereits einverleibten „Streit’schen Leihbibliothek“ und brachte das Geschäft bald zu hoher Blüthe. Sein lebhaftes Temperament liess sich daran nicht genügen und trieb ihn, ein neues Feld für seine rastlose T'hätigkeit zu suchen; sein praktischer Blick liess ihn bald er- kennen, dass die Verhältnisse des Platzes für Gründung eines Antiquariats in grossem Styl günstig seien, und so errichtete er im Laufe des Jahres 1851 das heute in weitesten Kreisen bekannte und allgemein geachtete „Antiquariat von L. F. Maske“. Es konnte nicht fehlen, dass er, selbst so thätig, seinen Mitarbeitern ein Vorbild war, dem nachzueifern alle freudig sich bestrebten. Dazu gesellte sich bei jedem bald innige Verehrung und Liebe für den Chef, der sich durch freundliches und herzliches Wesen auszeichnete und in allen geschäftlichen Verhältnissen stets gleichbleibende Humanität walten liess. Bei der zunehmenden Ausdehnung der Geschäfte musste er darauf bedacht sein, den einzelnen Zweigen tüchtige dirigirende Kräfte zuzu- der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur. 319 führen und sich selbst nur die Generaldireetion vorzubehalten. Es gelang ihm sowol für die Buchhandlung als für das Antiquariat intelligente Männer zu finden, welche, durch sein Beispiel ermuntert, ihren Obliegen- heiten mit regstem Interesse nachkamen und in seinem Sinne die vor- - gezeichnete Bahn weiter verfolgten. Das Emporblühen des Antiquariats wurde noch besonders gefördert durch die ausgezeichneten Kataloge, welche von Zeit zu Zeit ausgegeben wurden, zuerst unter den Brüdern Simon (deren einer jetzt Inhaber des Calvary’schen Antiquariats in Berlin ist) und unter Mitwirkung von Prof. August Kahlert und anderen Gelehrten; nicht blosse ephemere Verkaufskataloge, geniessen sie noch heut als literarhistorische und bibliographische Beiträge von Bedeutung bei Gelehrten und Literaturfreunden verdientes Ansehen. Wie durch seine Berufsthätigkeit in allen literarischen Kreisen, hat Maske auch durch sein Privatleben, in welchem sein wahrhaft edler Charakter sich durch zahlreiche schöne Züge stiller Wolthätigkeit be- zeugte, die höchste Achtung Aller, die mit ihm in Berührung traten, sich erworben. Vortrefflicher Familienvater, genoss er das aus dem Familienleben erspriessende Glück mit dankbarem Herzen und in unge- störtem Frieden, den erst das Hiuscheiden der ältestnan Tochter (der Gattin unseres Stadtbibliothekars Dr. Pfeiffer) und bald darauf das der treuen heissgeliebten Lebensgefährtin trübte.e Durch diese Schicksals- schläge aufs tiefste erschüttert, ward er auch körperlich leidend von da an, so dass er in den letzten zwei Jahren nur mit Mühe und oft durch Krankheit unterbrochen seinem Berufe, dem er mit so grosser Treue und Liebe anhing, nachzugehen vermochte, und in diesem Zustande trat an ihn die Nothwendigkeit heran, fast die ganze, sonst auf mehre Schul- tern vertheilte Last wiederum fast allein auf sich zu nehmen, denn der Dienst fürs Vaterland entzog 1870 seinem Geschäfte nicht nur 2 seiner Söhne, deren ältesten er soeben am 1. Juli als Theilhaber aufgenommen, sondern auch den grössten Theil der übrigen Kräfte, denen er in ge- wohnter Humanität die Stellen für die Rückkehr offen hielt. So hat auch er, wenigstens durch eine raschere Verkürzung des Fadens, als sie sonst wohl zu erwarten gewesen wäre, der Wiedergeburt Deutschlands mit seinem Leben Tribut gezollt. Er starb am Ablauf desselben Jahres- tages, 3l. März, welcher den Zeitraum eines 25 jährigen Besitzes seiner Buchhandlung abschloss. Wie sehr Maske am Orte in Ansehen stand, das bekundete die überaus zahlreiche Theilnahme bei seiner Bestattung am 3. April. Im Kreise des deutschen Buchhandels zählt er zu den tüchtigsien Mitgliedern, zu den gediegenen Vorbildern für das jüngere Geschlecht. Mitglied der ,„Schlesischen Gesellschaft‘ war er seit 1862. — 320: . Jahres-Bericht Franz Karsch, geb. am 21. December 1803, war der Sohn eines Glasermeisters in dem Posenschen Städtehen Birnbaum (Mjedzyebod). Des Vaters früh beraubt, kam er kurz nach der Belagerung Breslau’s in Obhut eines hiesigen Anverwandten, ward hier erzogen, lernte die Profession seines Vaters, wonach er denn (etwa im Jahre 1831) mit den bescheidensten Mitteln seine Werkstatt eröffnete und einen Hausstand begründete. Natürliche Einsicht und geistige Regsamkeit liessen ihn aber bald, ohne dass er sich seines Handwerks überhoben hätte, nach Ver-_ vollkommnung, nach Erweiterung der engen Grenzen desselben trachten. Im Jahre 1835 nennt ihn das Breslauer Adressbuch als ‚‚Kunst - Glaser.‘ So zog er denn auch die Goldleisten- und Bilderrahmen - Fabrication, welche sein naher Freund, der Staffirer und Goldschläger E. Melzer in den ersten Dreissigerjahren hier eingeführt hatte, in den Bereich seines Schaffens; nachdem er zuerst mit jenem zusammen gearbeitet, separirten sie sich bei dem wachsenden Umfange des Geschäfts, und Karsch ver- pflanzte nun die Vergoldekunst auch in seine Glaserwerkstatt; so hat er als einer der Ersten mitgewirkt, den bis dahin wenig gebrauchten Gold- rahmen auch hierorts zu einer Alleinherrschaft zu bringen, welche erst in der letzteren Zeit andere Genres wieder neben sich zu dulden be- sonnen hat. Im Jahre 1834 gründete er seine Kunsthandlung, 1850 dehnte er seine Thätigkeit in diesem Zweige bis Berlin aus durch Ueber- nahme der vormals Lüderitz’schen Kunst-Sortimentshandlung, welche er am 1. Januar 1854 an seinen Sohn Gustav abtrat. Im Juli 1842 eröffnete er unter Beirath und Beihülfe des Schlesischen Kunstvereins, der Schles. vaterländischen Gesellschaft und des Schlesischen Künstlervereins und deren hervorragenden Mitglieder, wie Kahlert, Ebers, Resch, Graf Hoverden, in den aufs beste geeigneten Räumen im ersten Stock des Hauses Ohlauerstrasse 74 sein „Museum“, welches Sammelpunkt hiesiger und durchreisender Kunstfreunde ward und stets eine überaus reichhaltige Aufstellung namentlich von Gemälden und Stichen zur Schau und zum Studium darbot, auch mit einer kleinen Bibliothek geeigneter guter Nachschlagewerke ausgestattet war, welche nachmals an die Galerie im Ständehause übergegangen ist. Leider war das Interesse der Breslauer nicht dauernd und ausgiebig genug, um die mit manchen Opfern er- kaufte Forterhaltung dieses Instituts zu ermöglichen: im Juli 1852 schloss es seine Pforten, Aber auch in anderer Weise wirkte Karsch für den gemeinen Nutzen. Bei der Gründung des Breslauer Gewerbevereins 1828 war er eifrig thätig, und die von diesem seit 1832 hier eingeführten „Breslauer Gewerbe - Ausstellungen“, welehe mit den „Kunst - Ausstellungen“ der Schlesischen Gesellschaft resp. des -Kunstvereins Jahr um Jahr wechselten ‘ (beide in den Räumen der Schlesischen Gesellschaft) ‚haben ihn neben Renner und Wolter als ihren Urheber anzusehen. Ja sein Blick gewann Sea der Schles. Gesellsch. £. vater. Cultur. 391 noch weiteren Umfang auch auf diesem Felde: der erste Plan zu einer srossen Provinzial-Gewerbe- Ausstellung ist von ihm ausgegangen, und zwar noch vor einer etwa durch die Londoner Weltausstellung von 1851 gegebenen Anregung, wie der unterm 29. Mai 1850 von Karsch gestellte in den Acten des Gewerbe-Vereins bewahrte Antrag erweist. Mit Vertrauensämtern reichlich beehrt, war Karsch unter Anderem Curator der (durch Hauptlehrer G. Stütze’s Bemühungen in’s Leben serufenen) „Sonntagsschule für Handwerkslehrlinge“, Mitvorsteher der „Bürgerrettungs- (Darlehns-) Anstalt“, und volle 30 Jahre bis zu seinem Hinscheiden Schatzmeister beim .,Schlesischen Kuustverein“. Auch stand er in erster Reihe unter Denen, deren persönliche Thätigkeit bei der Einrichtung der Kunst- Ausstellungen, sowie bei der Aufstellung der Galerie im Ständehause das Erforderliche leistete, und nicht minder be- traute der Vorstand des Kunstvereins zu wiederholten Malen ihn mit seiner Vertretung bei den Berathungen der für den ostdeutschen Aus- stellungs-Cyelus verbundenen Vereine. So über die Grenzen Schlesiens hinaus wirksam und geschätzt, zu- mal von den schlesischen Künstlern, denen Bestellungen und Käufer zuzuwenden er stets als eine seiner liebsten Aufgaben betrachtete, von Kennern und Kunstliebhabern oft zu Rathe gezogen, liess Karsch doch seine bescheidene Glaserwerkstatt niemals stillstehen, aus ihr und unter seiner eigenen Hand ging u. A. die Bedachung des Perrons im Ober- sehlesischen Centralbahnhofe hervor, die erste hiesige Verwendung von dieken Rohguss -Glasplatten, und er setzte dauernd seinen Stolz darein, ein angesehener und geachteter „Handwerker“ zu sein. So war es ja auch in den Blüthezeiten der Künste und der Gewerbe, als beide neid- los Hand in Hand gingen, und erst dann werden wir an ein neues deutsches wahres Kunstleben und sein wirkliches befruchtendes, veredeln- des Eindringen in den Volksgeist glauben dürfen, wenn wieder der Handwerker zum Künstler, der Künster zum Handwerker strebt. Karsch hatte einen starken Hauch von diesem Geiste zur Mitgift empfangen. Kränkelnd unter dem Druck der Jahre und zuletzt fast erblindet, verschied er am 7. Mai 1870. Mitglied der Gesellschaft war er seit 1856. Dauerndes Andenken hat er sich in unseren Sammlungen gestiftet durch sein Album schlesischer Notabilitäten aus Kunst, Wissenschaft und prak- tischem Leben, 44 grosse photographische Portraits, von Robert Weigelt’s künstlerischer Sorgfalt geschaffen und je mit autographer Unterschrift und einer kurzen Biographie der betreffenden Person begleitet, welches der Sohn und Geschäftsnachfolger, Herr Emil Karsch, des Vaters Willen treu ausführend, der Gesellschaft übergeben hat. — Johann Eduard Loos, geb. den 12. Januar 1813 zu Kozmin, Provinz Posen, Sohn des Land- und Stadtgerichts- Assessors Loos (nachmals in 21 Sr Jahres-Bericht Jauer) und Enkel des Hofprediger Loos an der reformirten Kirche zu Breslau, besuchte von Michaelis 1823 bis Ostern 1830 das hiesige Friedrichs- Gymnasium, studirte bis Michaelis 1832 in Breslau und Berlin die Rechte, ward am 27. November 1332 beim Ober-Landes-Gericht zu Breslau als Aus- eultator vereidet, 1836 zum Ober-Landes-Gerichts-Referendar, 1841 zum Ober-Landes-Gerichts-Assessor ernannt, wirkte vom September desselben Jahres bis Ende März 1844 als Hilfsrichter beim Land- und Stadt-Gericht zu Johannisburg (Departement Insterburg), von da ab bis Ostern 1846 _ als Assessor beim Land- und Stadt-Gericht zu Ober -Glogau, bis Ende Februar 1848 ebenso bei dem zu Neustadt O./8., bis Ende September 1858 bei dem Fürstenthums-Gerieht zu Neisse, erhielt am 9. August 1855 seine Beförderung zum Kreis-Gerichts-Rath und wurde am 1. October 1858 an das Kreisgerieht zu Breslau versetzt. Hier hat er sich in amt- lichem Kreise wie in dem unsrigen, dem er seit 1864 angehörte, und als Mitglied des Presbyteriums der (reformirten) Hofkirchen-Gemeinde durch sein mildes und wohlwollendes Wesen die allgemeine Zuneigung erworben. Besondere Theilnahme wandte er auch der Wirksamkeit des Gustav- Adolf-Vereins zu. Liebreich im Umgange, menschenfreundlich gegen Jedermann, hat er im Kreise seiner Collegen den Ruhm hinterlassen, dass sie ihn auch im amtlichen Wirken niemals und unter keinen Um- ständen hart und heftig gesehen. — Der am 18. August dahingeschiedene Dr. med. Robert Krause, Sohn eines hiesigen Raths-Secrelärs, ward im Jahre 1800 geboren. Er hat das Magdalenäum besucht, sodann auf den Universitäten Breslau und Heidelberg Mediein studirt, darauf in Breslau promovirt und die medieinischen Prüfungen abgelegt, in Berlin das Staatsexamen gemacht und dann in seiner Vaterstadt als praktischer Arzt und zwar als Doctor medieinae et chirurgiae sich niedergelassen. Mit Fleiss und Gewissen- haftigkeit ebenso wie mit Erfolg lag er seinem Berufe ob, bis ein schweres asthmatisches Leiden seinem Wirken ein Ziel setzte. Die Ge- sellschaft, deren Mitglied er seit 1831 war, verdankt der Güte seiner Wittwe die Schenkung eines erheblichen Bücherbestandes aus seinem Nachlasse (s. vorn den Bibliotheksbericht). — Ludwig Reichenbach wurde am 7. April 1815 hierorts geboren und hat in unserer Stadt neben seiner kaufmännischen Thätigkeit ein um- fassendes gemeinnütziges Wirken nach den ‚verschiedensten Richtungen entwickelt; das allgemeine. Vertrauen, das er sich dadurch bei seinen Mitbürgern erwarb, berief ihn zu einer grossen Zahl von Ehrenämtern, denen er sich auf das gewissenhafteste widmete und in denen er stets die Gelegenheit wahrnahm, durch versöhnendes Eingreifen und durch wohlwollende Theilnahme Gutes zu schaffen, Durch lange Jahre war er der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur. 333 Mitglied des Stadtverordneten-Collegiums und mehrer städtischen Depu- tationen; als Direetor der Neisse-Brieger Bahn hat er dieser seine Thätig- keit gewidmet bis sie in königliche Verwaltung überging; ebenso war er Director der Breslauer Gas-Actien-Gesellschaft bis zu deren Uebernahme durch dieCommune; dem Verwaltungsrathe der Oberschlesischen Eisenbahn- Gesellschaft und des Schles. Bankvereins gehörte er bis zu seinem Tode an. Ganz besonders hat er sich auch um die Gründung und Erhaltung des Bres- lauer zoologischen Gartens verdient gemacht, durch welchen er seinen Mit- bürgern nicht bloss einen erfreulichen Aufenthaltsort im Freien, sondern auch durch die Beobachtung der Thierwelt einen neuen Quell der Be- lehrung zu schaffen hoffte; er hat als Vorsitzender des Verwaltungs- rathes diesem Institut bis zum Lebensende sein förderndes Interesse be- thätigt. Mitglied unserer Gesellschaft war er seit 1865. Während eines Badeaufenthalts in Marienbad erlitt Reichenbach im Juli dieses Jahres den. ersten Anfall emer Herzkrankheit, die ihn, nach scheinbarer Wieder- herstellung, in Warmbrunn am 2. September durch einen Herzschlag plötzlich und unerwartet aus dem Kreise der Seinen entriss. Die allge- meine Theilnahme, die sich bei seiner Beerdigung in Breslau am 4. Sep- tember bekundete, zeugte von der Verehrung, welche sich der Ver- storbene durch seine Herzensgüte, seine Wohlthätigkeit, seinen Gemeinsinn und durch seine warme Empfänglichkeit für alle edlen Bestrebungen in den weitesten Kreisen erworben hatte. — Felix Expedit Baumgart, verst. am 14. September, Mitglied seit 1847, und eines der activsten in der musikalischen Section, hat in seinem nahen Freunde, Pıof. Palm, einen Biographen gefunden, auf dessen aus- führliche, den edlen, liebenswürdigen, unermüdlich strebensvollen Mann nach dem ganzen Bilde seines Lebens, Arbeitens und seiner Leistungen dar- stellende Arbeit wir nur verweisen können (sie ist gedruckt im 8. Heft XI. Bandes der „Schles. Provinzialblätier‘‘, 1872 August), indem wir den kürzeren Nachruf, welcher bald nach Baumgart’s Hinscheiden aus der- selben Feder geflossen (Schles. Ztg. 1871 No. 439) hier folgen lassen. Geboren am 13, Januar 1817 zu Gross-Glogau, gebildet auf dem dortigen katholischen Gymnasium, entwickelte der Verstorbene schon früh neben den schönsten Anlagen für die Wissenschaften auch vorzüg- liehe Begabung für die Musik, die von dem dasigen treffliehen Dom- organisten Schnabel zeitig erkannt, sorgsam gepflegt und ausgebildet wurde, so dass schon der Knabe und Jüngling bei bedeutender tech- nischer Fertigkeit im Clavier- und Orgelspiel sich fleissig der Composition hingeben konnte. Messen von ihm selbst mit voller Instrumentation dürften noch heut in der Domkirche zu Glogau in Uebung sein. Gleich tüchtig vorgebildet auf den Gebieten der Wissenschaft und Kunst, bezog Baumgart im Herbst 1836 die Universität Breslau. Genöthigt, für seinen 21* 324 Jahres - Bericht Unterhalt selbst zu sorgen, gab er sich trotz Zeit und Kräfte raubenden Privatunterrichts mit grösstem Eifer ebenso philologischen als musikalischen Studien hin. Die letzteren erfuhren durch Mosewius und den als Musik- lehrer an der Universität damals höchst anregend wirkenden Dom-Orga- nisten Wolf die erfreulichste Förderung, beide Männer hatten kaum jemals einen fruchtbareren Boden für ihren Unterricht gewonnen und wetteiferten nun in der Pflege des bedeutenden Talentes ihres Schülers. Ruhte nun auch in dieser Zeit die producetive Thätigkeit Baumgart’s, so entwickelte er doch seine Fertigkeit im Orgelspiel zur Meisterschaft und verliefte sein musikalisches Wissen und Erkennen in ausserordentlichem Grade. Und doch beirieb er gleichzeitig auch die gründlichsten wissen- schaftlichen Studien. Die Professoren Ambrosch und Haase hegten und pflegten den jungen Philologen mit grosser Vorliebe, der als Mit- glied des philologischen Seminars ihre Aufmerksamkeit durch gediegenes Wissen, wie durch die Schärfe seines Denkens auf sich gelenkt hatte. Im Jahre 1842 wurde er nach Vertheidigung seiner Dissertation De Fabio Pictore antiguissime Romanorum historico zum Doctor promovirt. Kurz darauf hatte er das Glück, als Hauslehrer die Familie des Prof. Bern- stein auf ein Jahr nach Italien zu begleiten und dort die anregendsten und bleibendsten Eindrücke für sein Leben zu empfangen. Nach seiner Rückkehr entschied der frühe Tod seines Lehrers W olf über die nächste Wendung seines Lebens; von Mosewius und Professor Braniss aufs wärmste empfohlen, wurde er der Nachfolger Wolfs in dessen Eigen- schaft als Lehrer des Orgelspiels und des Generalbasses an hiesiger Universität und als Regierungs- Commissar für die königlichem Patronat zustehenden Orgelbauten in der Provinz. Die philologisch - pädagogische Laufbahn schien damit für ihn verschlossen, denn eine Aushilfe, die er 1843 und 1344 als Lehrer am königlichen Matthias - Gymnasium leistete, war nur vorübergehend, da ihm seine neue Berufsthätigkeit nicht erlaubte, die Vorbereitungen zum Staats-Examen zu Ende zu führen. Mit ebenso viel Gewissenhaftigkeit als Erfolg lag er seinen musikalischen Aemtern ob; ausser akademischen Schülern bildete er stets noch eine Anzahl Zöglinge des katholischen Schullehrer-Seminars zu Orgelspielern aus und unterstützte seinen Collegen Mosewius treulich in der Leitung des hie- sigen „Instituts für Kirchenmusik.“ Nach aussen machte er sich durch höchst gründliche Aufsätze in musikalischen Zeitschriften bekannt, während er in unserer Stadt zuletzt als eine ihrer ersten musikalischen Autoritäten bereitwillig und uneigennützig durch Rath und That für Förderung der höchsten Aufgaben der Kunst thätig war. Vielfach also in Anspruch genommen, setzte er gleichwohl seine wissenschaftlichen Studien in aller Stille fort und überraschte seine Freunde plötzlich im Jahre 1853 durch eine glänzend bestandene Prüfung zum Gymnasial- Lehrer. In Folge dessen nahm er seinen Lehrerberuf von neuem auf Bene iur.‘ der Sehles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur. 325 und wurde nach Ablegung seines Probejahres 1854 als Collaborator und im folgenden Jahre als ordentlicher Lehrer am königlichen Maithias- Gymnasium angestellt. Seine Tüchtigkeit bewirkte, dass er sehr bald den Unterricht auf den obersten Stufen, mit ihm aber auch ein ausser- ordentliches Mass von Arbeit überkam, deren Bewältigung neben seiner anderen Berufsthätigkeit ihm nur der höchste Fleiss und die grösste Selbstbeherrschung möglich machten. Nichtsdestoweniger übernahm er nach dem Tode seines ihm innigst befreundeten Collegen, des Musik- Directors Mosewius, noch stellvertretend die Leitung der Breslauer „Sing- Akademie‘ und führte sie bis zum Eintritt eines Nachfolgers zu allge- meinster Befriedigung fort. Die Leitung der ebenfalls von Mosewius begründeten „Männer-Liedertafel“ fiel ihm dauernd zu. Für sie hat er eine Anzahl der reizendsten vierstimmigen Männergesänge componirt, ausgezeichnet zum Theil durch köstlichen musikalischen Humor; sie lassen die Scheu bedauern, mit der er stets seine übrigen Compositionen von der Veröffentlichung zurückgehalten hat. Nur eine treffliche Ausgabe der Clavier: Sonaten, Rondos u. s. w. von Philipp Emanuel Bach, mit einer die feinste Kennerschaft und musikalische Gelehrsamkeit bekundenden Einleitung verdankt ihm die musikalische Welt, ausserdem vortreffliche Aufsätze in Zeitschriften und den Verhandlungen der „Schlesischen Ge- sellschaft“, deren musikalischer Section er nach Mosewius’ Tode ebenfalls bis in die neueste Zeit (1869/70) präsidirte. Wahrhaft bewundernswerth ist die Kraft, mit welcher Baumgart neben so bedeutender Thätigkeit auf dem Gebiete der Kunst auch seinem Berufe als Lehrer oblag und auch hierin durch die Gediegenheit seines Wissens, durch die Klarheit seines Geistes, den Ernst und die sittliche Lauterkeit seines Charakters das Höchste leistete, Vermochte er es auch nicht, noch durch umfassen- dere philologische Schriftstellerei den Reichthum seines Geistes zu be- kunden, so hat er doch theils durch manche feine, seinen Freunden mit- getheilie Beobachtungen, theils durch sein Schulprogramm vom Jahre 1870: „Ueber die Betonung der rhyihmischen Reihe bei den Griechen“ auch seine wissenschaftliche Bedeutung reichlich documentirt. Zu solch ungewöhnlicher Thätigkeit, die nach dem Tode des Direc- tors Wissowa bis ans Unglaubliche noch gesteigert wurde, brachte Baum- sart sehr unzureichende Körperkräfte mit, deren Schwäche er öfter zu erliegen drohte. Nur seiner zähesten Willenskraft war es möglich, der eigenen Gebrechlichkeit und den schweren häuslichen Leiden, die ihm beschieden waren, Trotz zu bieten. Bis zum vorigen Jahre trug er die sesammte Arbeitslast und entsagte einem Theil seiner Aemter, dem an _ der Universität und der Regierung, erst als ihn die sichtliche Abnahme seiner Kraft unabweislich dazu drängte. Während der Schulferien er- krankte er bedenklich; in Salzbrunn suchte er Heilung, aber am 14. Sep- tember ereilte ihn dort der Tod. Nur einer kleinen Anzahl seiner 326 Jahres-Bericht Freunde und Collegen machte die Entfernung und die Kürze der Zeit es möglich, zur Beerdigung des trefflichen Mannes zu eilen. Friede seiner Asche und Ehre seinem Andenken! Johannes Nep. Anton Franz Heyne, + am 28. October, eines der ältesten Mitglieder der Gesellschaft (seit 1836), war geboren am 9. Mai 1804 zu Leobschütz, genoss einer äusserst :strengen häuslichen Erziehung und erhielt seine erste Ausbildung in der dortigen katholischen Stadtschule, wo er schon in den ersten Jahren solche Anlagen entwickelte, dass er zur Belohnung und Aufmunterung seines Fleisses mehrfach Prämien und anderweite Auszeichnungen empfing. Seit 1815 besuchte er das königl. katholische Gymnasium zu Neisse, zeichnete sich hier namentlich im Latein aus und’ verfasste schon als Schüler der oberen Klassen einen „Leitfaden zur Grammatik“, sowie bei festlichen Gelegenheiten die üblichen lateinischen Carmina. Seit Michaelis 1824 studirte er in Breslau Theologie, gab hier durch Abfassung mehrer Dissertationen über dogmatische T'hesen seine besondere Befähigung für theologische Studien kund, ward im October 1827 in das Priesterseminar aufgenommen, empfing schon am 7. April 1828 die Priesterweihe, fungirte demnächst als Caplan in Alt-Reichenau, in Schweidnitz (wo er bei Gelegenheit der Jubelfeier des evangelischen Pastors Lehmann eine lateinische Dichtung veröffentlichte), in Grüssan, wo er sich vorzugsweise, durch mancherlei Umstände begünstigt, ernsten Studien hingab. Ausser verschiedenen kleineren Arbeiten veröffentliche er dort die .„‚geschichtlichen Notizen über die aufgelöste ehemalige fürstliche Cistereienser- Abtei Grüssau.‘ Nach 7 jähriger Amtsführung wurde ihm am 2. October 1834 die Ver- waltung der mit Auflösung bedrohten Parochie Giessmannsdorf bei Landes- hut übertragen, der er bis zum Frühjahr 1843 vorstand. Obwohl von dieser Zeit ab für Heyne eine Periode bitterer und schmerzlicher Er- fahrungen begann, unterbrach er doch nicht seine Studien, suchte und fand in ihnen und in einem ausgedehnten literarischen Briefwechsel den Trost für mancherlei trübe Stunden. Im März 1843 schied er aus Giess- mannsdorf, um als Kreisvicar nach Neumarkt zu gehen, wo er, weniger angefeindet, umfassendere schriftstellerische Arbeiten ausführte und u. A. die „Geschichte der Stadt Neumarkt“ schrieb, Dann ward er nach Wohlau, dann als Pfarradministrator nach Köben a./O., später als Kreis- viear nach Lossen bei Trebnitz versetzt. Endlich, am 14. Februar 1857, kam Heyne als Beneficiat der Kapelle der heiligen Elisabet und, seinen Wünschen entsprechend, Custos der Dombibliothek nach Breslau, wo er bis zu seinem Ende wirkte. Hier öffneten sich seiner wissenschaftlichen Neigung die Quellen, deren er auf den verschiedenen bisherigen Stationen seines Lebensweges entbehren gemusst, und ob ihm auch nicht immer die wünschenswerthe Schärfe der Kritik beiwohnen mag, so ist doch sein Name der Schles. Gesellsch. f. vater], Cultur. 327 durch wichtige, fleissige Arbeiten untrennbar mit der schlesischen Geschichts- schreibung, insbesondere der Kirchengeschichte verbunden. Unter seinen grösseren Schriften ist vor Allem zu erwähnen die „documentirte Ge- schichte des Bisthums und des Hochstifts Breslau‘, reich an bisher ungedrucktem urkundliehen Materiale, von welcher im Verlage von W. @. Korn 3 Bände erschienen; an dem Vollenden des 4. Bandes ist der unermüdliche Forscher, der auch hier durch mancherlei uner- freuliche Erfahrungen schmerzlich berührt wurde, durch seinen Heim- gang behindert worden; doch liegt, wie man hört, die Arbeit bis zum. Jahre 1800 fertig vor und hat der Druck bereits begonnen. Viel- leicht fügt es ein günstiges Geschiek, dass eine verständnissvolle Hand sich dieser, wie seiner etwa begonnenen übrigen Arbeiten ausführend an- nimmt; doch darf man darauf wenig Hoffnung hegen, da es ja durch- gehendsüblicher Missbrauch ist, dienachgelassenen Papiere Verstorbener, selbst fertige Manuscripte nicht ausge- schlossen, eiligst und oft noch ehe die Leichen kalt gewor- ‚den, zu verwüsten — eine Thatsache, wovon uns die trau- rigen Spuren fast bei jedem Schritte begegnen. — Als ein Mann von Fleiss und wissenschaftlichem Sinne hat Heyne an allen Orten, denen, in so verschiedenen Gegenden der Provinz, sein wechselvolles Amtiren ihn zuführte, die localen Quellenschätze aufgesucht und sammelnd benutzt, an denen die Eintagsfliegen, welche ihre Zeit angenehmer zu verwerthen wissen, mit bücherstaubscheuer Trägheit vorübergehen, und so sind, ausser der Ausbeute für sein späteres grösseres Werk, auch eine Anzahl (zumtheil oben erwähnter) monographischer Arbeiten — über Grüssau, Neumarkt, Köben, Wohlau ete. — aus seiner Hand hervorgegangen. Anderweit ist zu erwähnen als eine seiner gelungen- sten Leistungen die Geschichte der Barmherzigen-Brüder-Klöster Schlesiens, als Jubiläumsschrift des Breslauer Klosters erschienen, wie er auch die Grundregeln des Ordens nach dem heiligen Augustin zam Gebrauche der Novizen übersetzte und herausgab; ferner als eine seiner letzten Schriften die Geschichte des kurfürstlichen Orphanatrophiums und Waisenhauses zu Breslau, ebenfalls Jubiläumsschrift (1870); ungerechnet viele einzelne Aufsätze historischen Inhalts in den alten Schlesischen Provinzialblättern, dem katholischen Kirchenblatte, der Zeitschrift des Schlesischen Geschichts- vereins und in Tagesblättern. Mit Anfertigung von Registern des Dom- Archivs, eine das Mass einer blossen Nebenarbeit überschreitende Auf- gabe, ist er zum Ziele nicht gekommen, und es harrt diese, wie die von weiland Ign. Ritter begonnene Katalogisirung der Dombibliothek, noch der sehr wünschenswerthen vollendenden Kräfte. Heyne’s wissenschaftliches Streben fand seitens der hiesigen Hoch- schule ehrende Anerkennung, deren katholisch -theologische Faeultät ihn beim Universitäts-Jubiläum 1861 in die Zahl der Ehren-Doctoren einreihte, 328 Jahres- Bericht und auch amtliche Würdigung der Verdienste, die er sich um die Kirchen- geschichte des Bisthums erworben, ward ihm zutheil durch ein päpstliches Breve vom Jahre 1869. Bis in sein 67. Jahr fungirte Heyne als Vorstandspriesier der alten „marianischen Bruderschaft Breslauer Bürger‘‘, welcher er allsonntäglich Nachmittags in der Seminarkirche „Exhortationen‘‘ hielt, wie er auch oft- mals vertretungsweise die Kanzel bestieg.. Mit den steigenden Jahren mochte wohl auch seine Verstimmung wachsen, so dass er, nach aussen ziemlich verschlossen und fast mürrisch erscheinend, seinen Verkehr auf engste Kreise beschränkte und auch in unseren Sitzungen, wie in denen des schlesischen Geschichtsvereins immer seltener gesehen ward. Ueber eines unserer ältesten Mitglieder (seit 1824), den am 31. Januar verstorbenen, in die Mitgliederliste als „Amtmann“ eingeführten Guts- besitzer G. Leberecht Rimann eine genügende biographische Nachricht zu erhalten, blieb leider selbst auf wiederholte Anfrage bei nächsten Angehörigen versagt. Er war früher Pächter oder Verwalter von We- derau, nachmals Kreisdeputirter und Besitzer der Güter Wederau, Blu- menau und Falkenberg im Kreise Bolkenhain, Baritsch im Kreise Jauer, die nun an seine beiden Söhne übergegangen sind. Tüchtiger Land- wirth, hat er die gedachten Güter, die mit zu den besten des Kreises Bolkenhain gehören, in hohen Flor gebracht. Seit langen Jahren scheint er ganz zurückgezogen gelebt zu haben, hatte bereits an einen seiner Söhne verpachtet und ward selbst in der Kreisstadt nur selten gesehen. — Der am 29. October verstorbene Graf George von Stosch (-Manze), als ältester Sohn des Direetors der Breslau-Briegischen Fürstenthums- Landschaft Graf Stosch - Manze am 24. November 1828 in Manze bei Bohrau geboren, empfing eine vortreffliche Erziehung zuerst von seiner von ihm zärtlich geliebten Mutter, die ihm wie allen seinen Geschwistern ein Vorbild der höchsten Tugenden war. Auf der Ritterakademie zu Liegnitz und auf der Universität zu Berlin machte er seine Studien, worauf er ins väterliche Haus zurückkehrte. Nach des Vaters Tode (1863) übernahm er die elterlichen Güter, die er schon seit 1849 be- wirthschaftete, und vermählte er sich mit Gräfin Valerie v. Zedlitz- Trützschler. Stets bereit, dem allgemeinen Wohle zu dienen und gemeinnützige Bestrebungen zu fördern, fehlte es ihm bald an Wirkungs- stätten zur Bethätigung dieses Strebens nicht und sehen wir ihn als Vor- sitzenden des strehlener landwirthschaftlichen Vereins und des schlesischen Schafzüchter-Vereins, als thätiges Mitglied des schlesischen landwirth- schaftlichen Centralvereins, "als Landesältesten, als Abgeordneten zur Provinzialsynode, und 1866 wie 1870/71 als Hauptmann wieder im Heeresdienste activ, überall als ein Muster der Pflichttreue sich erweisend, als welches er schon in der Jugend stets seinen Geschwistern vorgeführt DZ Un a tn der Schles. Gesellsch. £. vaterl. Cultur. 329 ward. Seine praktischen und bahnbrechenden Hauptverdienste um unsere Provinz liegen auf dem Gebiete der Bienenpflege, einem hier auch jetzt noch viel zu wenig geübten Zweige der Wirthschaft. Schon früh hatte er die volkswirthschaftliche Bedeutung einer rationell betrie- benen Bienenzucht erkannt; er selbst gehörte zu den hervorragendsten Bienenzüchtern der Provinz und hat diesen Zweig der Landwirthschaft mit Wort und That aufs eifrigste gefördert, sein ausgedehnter und muster- hafter Bienenstand wurde öfters von Belehrungsuchenden in Augenschein genommen. Er war langjähriger Freund der „Eichstädter Bienenzeitung‘“ und seiner fleissigen Feder verdankten wir in früheren Jahren, wo er noch Musse zu schriftstellerischer Thätigkeit fand, viele werthvolle Auf- sätze über Theorie und Praxis in der Bienenzucht. Jedes Jahr hielt er an den Pfingstfeiertagen auf seinem Bienenstande Vorträge, verbunden mit praktischen Demonstrationen, die zahlreich, zumtheil, von Bienen- züchtern aus weiter Ferne besucht waren. Seinem Einfluss und seiner Initiative verdanken wir die amı 23. Februar 1868 erfolgte Begründung des „Schlesischen General-Vereins der Bienenzüchter“‘, welche Vereinigung, der sich schon 17 Special- Vereine zugesellten, in den wenigen Jahren bereits sehr segensreiche Früchte für die Provinz und darüber hinaus getragen. Sein Verlust als Vorsitzender erschien in diesem Kreise uner- setzlich, die Trauer um ihn war, wie zahlreiche Zuschriften constatiren, allgemein. Am 7. October präsidirte er das letzte Mal zu Breslau dem Generalverein; schon einige Tage darauf raffte in früher Morgenstunde ein Nervenschlag unerwartet rasch dieses reiche, an Körper und Geist kräftige Leben dahin. Den nach Tausenden zählenden Besuchern der 27. Wanderversammlung deutscher Land- und Forstwirthe zu Breslau im Jahre 1369 wird sich sein Bild fest ins Herz geprägt haben, da er hier als Vorsitzender der Section für Bienenzucht wie in einigen anderen Seetionen äusserst thälig war. Unserer Gesellschaft gehörte er seit 1851 an. Auch ein Vaterbruder des Vorgenannten, Felix Heinrich Anton Graf Stosch, Mitglied der Gesellschaft seit 1842, ist in diesem Jahre, den 25. Juni, auf seinem Gute Hartau bei Sprottau verstorben. Seine Brüder: Georg Graf Stosch auf Manze, + 1863, Director der Breslau - Briegischen Fürstenthumslandschaft; Stanislaus, auf Löwen bei Brieg; Hans auf Pol- nisch-Kessel, Director der Glogau-Saganer Fürstenthums - Landschaft, — sind ihm insgesammt vorangegangen, die letzten beiden kinderlos; sämmt- lich Söhne des 1798 bei der Erbhuldigung in den Grafenstand erhobenen königlichen Kammerherrn Hans Gottlieb v. Stosch (+ 1821) und einer Tochter des Staatsministers Grafen Hoym. Felix Graf Stosch war geboren zu Breslau am 18. Juni 1795 als dritter Sohn des Ebengenannten. Er empfing seine Schulbildung auf dem Pädagogium zu Halle. Seine Jugendzeit fällt in die Jahre der schweren 330 Jahres-Bericht Erniedrigung Deutschlands, und eben zur Universität gelangt, folgte er mit beiden älteren Brüdern dem Aufrufe des Königs und trat als Frei- williger in das damalige leichte Garde-Cavallerie-Regiment, kämpfte mit bei Dresden, Bautzen und Leipzig und erwarb sich in dem Gefechte bei Hainau das eiserne Kreuz 2. Klasse. Am 2. Juni 1813 zum Officier er- nannt, nahm er theil an dem Feldzuge von 1814, zog auch 1815 mit in Paris ein, wurde mit dem russischen Annen-Orden decorirt und diente bis October 1817 in dem seit 1815 formirten Garde -Ulanen- Regiment, nahm dann seinen Abschied, setzte seine juristischen Studien in Heidel-_ berg, Göttingen und Berlin fort, und arbeitete bis zum Jahre 1825 am Berliner Stadtgericht, daneben mit lebendigstem Interesse den verschieden- sten Wissenschaften, insbesondere dem Studium der Musik zugewandt, die ihm, einem gewandten Cellospieler, bis in sein spätestes Alter eine Quelle reinster Freude war. Gegen Ende des genannten Jahres aus dem Justizdienst scheidend, verlegte er seinen Wohnsitz nach dem Rittergute Hartau bei Sprottau, das ihm nach seines Vaters Tode zugefallen war, widmete sich mit Eifer dessen Bewirthschaftung, dem in der Landwirth- schaft sich entfaltenden neuen Leben mit Interesse folgend, namentlich auch in wirkungsreicher Weise bestrebt, die Ablösung der bäuerlichen Reallasten in gütlichem, beide Theile zufriedenstellendem Wege auszu- führen, und bekleidete in den Jahren 1851—57 das Amt eines Landes- ältesten der Glogau-Saganer Fürstenthums-Landschaft. Tief beugte ihn der Tod zweier Söhne, deren einer den bei Gravelotte empfangenen Wunden erlag, und nach nur wenigen Monden folgte er diesem in’s Grab. — Blicken wir weiter in unserer Provinz um, so vermissen wir seit dem 22. März ein fleissiges Mitglied, den Apotheker Heinrich Güntzel- Becker in Wohlau, geboren den 20, October 1798 ebenda, Sohn des Stadt-Physicus und Apothekers Dr. Güntzel.e. Er genoss seine Schul- bildung in der sogenannten lateinischen Bürgerschule des Ortes bis 1813, trat dann einstweilen in die väterliche Apotheke als Lehrling ein, setzte von 1815 bis 1818 in Breslau bei Olearius seine Lehrzeit fort, blieb in üblicher Weise noch ein Jahr als Gehilfe bei demselben, machte sodann einen einjährigen Cursus an dem ehemaligen pharmazeutischen Institute des Prof. Trommsdorf in Erfurt durch, conditionirte hierauf 1'/, Jahr in Nürnberg, 2 Jahr in Bern, wo er sich vorzüglich der Botanik widmete, was denn bis zu seinem Ende seine Lieblings - Beschäftigung geblieben ist. Nach dem 1825 in Berlin abgelegten Staats-Examen kehrte er in sein välerlich Haus zurück als Geschäfts - Theilnehmer seines Stiefvaters Apotheker Becker, der ihn im Jahre 1838 adoptirte, woher sein Doppel- name, der im Gebiete der schlesischen Pflanzenkunde einen guten Klang hat. Die Schriften der Gesellschaft enthalten Beiträge von ihm in den der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur. 331 Jahres-Berichte von 1842: „Kalkstein mit Abdrücken von Dikotyledonen- Blättern gefunden bei Wirsingawe“, und von 1850: „Notiz über von ihm aufgefundene seltene oder für Schlesien neue Pflanzen“. Zu seiner hand- schriftliehen Nachlassenschaft gehört eine Flora der Umgegend von Wohlau. — | In gleich hohem und noch rüstigem Alter ward uns und den Genesungsuchenden in unserer Provinz am 27. Juni entrissen der Bade- arzt von Flinsberg, Sanitätsrath Dr. med. Carl Wilhelm Junge zu Friede- berg a. Q. Er stammte aus der Medieinerstadt Erlangen, wo er am 16. März 1797 geboren ward, Sohn eines Buchdruckers aus Giesmanns- dorf in der Lausitz (Kr. Sprottau?), an welche Herkunft sich seine Be- züge zu Schlesien knüpften. Seine geistige Ausbildung erhielt er zuerst in einer Elementarschule, dann auf dem Gymnasium der Vaterstadt; er lernte gut und hatte es, als er die Heimat verliess, bis Tertia gebracht. Schon früh (1805) verlor er die Mutter, und so siedelte sein Vater, als ‘er von einem Schwinden des Augenlichts heimgesucht ward, zu seiner in Röhrsdorf bei Friedeberg a. Q. verheiratheten Schwester über, die dort, Wittwe, eine ländliche Besitzung hatte. So kam Junge nach Schlesien, ein kleines, mageres Bürschehen von schwächlicher Leibesconstitution. Aber das Leben in Schlesien gedieh ihm gut. Sein Pathe und naher Verwandter, der Kaufmann Johann Gottfried Kluge zu Greifenberg und dessen Gattin nahmen sich seiner besonders an und brachten ihn „den Tag nach Johanni 1810“ auf das Gymnasium zu Hirschberg, wo er wiederum die Tertia bezog. Damals war eben noch liebevoller Zusam- menhalt in den Familien, der kalte Hauch der Selbstsucht hatte noch nicht das Leben so weit vergiftet wie heut, wohlhabende Leute fanden eine innige Freude daran, ärmeren Anverwandten die fördernde Hand zu reichen, und auch die „Pathen“ hatten noch nicht vergessen, was eigentlich ihres Amtes und ihrer Berufung ist — Fälle, die man heut- zutage bereits genöthiget ist unter die Merkwürdigkeiten zu schreiben. Im denkwürdigen Jahre 1813 rückte Junge nach der Prima. Der geniale Rector Körber, Proreetor Besser und der noch lebende oder erst kürzlich als Proreetor a. D. verstorbene Ender waren u. A. seine Lehrer. Im Jahre 1814 verlor Junge auch den Vater. Am 18. April 1815 trat er unter die freiwilligen Jäger; aber die Abtheilung, bei der er stand, lag den ganzen Sommer im Thale Neinstädt, in Wusterhausen und Wol- mirstädt und kam nicht mit zum Schlagen. Im December heimgekehtt, sing Junge abermals aufs Gymnasium und studirte dann von Ostern 1816 bis 1819 zu Breslau, in welchem Jahre er nach einer Reise über Heidel- berg, Speier und den Rhein hinab bis Coblenz Michaelis die Universität Erlangen bezog. Dort verlobte er sich mit seines Vaterbruders, auch eines Buchdruckers, Tochter; 1821 bereiste er die Schweiz, 1822 promovirte er 332 Jahres-Bericht in Erlangen, besuchte dann die Heimat, absolvirte 1823 in Berlin sein Staatsexamen und ward, von Greifenberg aus, im Jahre 1824 Badearzt zu Flinsberg. „Gekannt, geliebt und verehrt weit hinaus über den Kreis seiner unmittelbaren ärztlichen Wirksamkeit, war Junge (wir reden mit den Worten eines ihm gewidmeten öffentlichen Nachrufes) ein Mann von hoher geistiger Begabung, von biederem deutschem Sinn, von seltener Harmonie seines Wesens, das Jeden sympathisch berührte, der ihn näher kennen zu lernen Gelegenheit fand. Seit beinahe fünfzig Jahren erfüllte er seinen ärztlichen Beruf, für den er im vollsten Umfange befähigt war, ebenso gewissenhaft wie uneigennützig unter Armen und Reichen ohne Unterschied der Person, und das zahlreiche Trauergefolge, welches seine Gruft umstand, legte Zeugniss ab von dem liefen und allgemeinen Schmerze, den sein Heimgang bei Alt und Jung verursacht hat. Seine vielseitige Bildung, sein scharfer Verstand, sein lebhaftes Interesse für Kunst und Wissenschaft, sein empfänglicher Sinn für Naturschönheiten machten den Umgang mit ihm zu einem wahrhaft fesselnden und regten ihn selbst ohne Tnterlass dazu an, seine reichen Gaben zur Freude für sich und im Dienste seiner Mitmenschen auch auf andern Gebieten zu verwerthen als auf dem seiner ärztlichen Praxis. Mancher treffliche Aufsatz in verschiedenen, selbst in theologischen Zeit- schriften (so auch im „Schlesischen Protestantenblatt‘“) ist aus seiner Feder geflossen. Die Macht der Rede, Humor und Satyre standen ihm zugebote, und noch in seinem späteren Alter übte er die Landschafts- malerei mit wirklicher Genialität.‘‘ — Wie fast in jedem dieser Züge, so auch in dem letzterwähnten ist Junge dem verstorbenen Professor Karl Friedrich Mosch verwandt und es war kein Wunder, dass innigste Freundschaft die beiden Männer ver- einte, die in dauernder Verbindung blieben auch als Mosch, tief ver- stimmt, von der: Aussenwelt sich gänzlich abgeschlossen, Friedeberg ver- lassen und in Herischdorf eine kleine Villa sich erbaut hatte. Junge war alter Burschenschafter und wir verdanken ihm werthvolle Memoiren aus jener Zeit (gedruckt in den „‚Schlesischen Provinzialblättern“ Bd. VI., 1867), und er hat zu Denen gehört, welche die Ideale ihrer Jugend nicht vergassen, auch nicht sie in blossen schönen Empfindungen verschweben liessen, sondern von ihnen Praxis machten im Dienste des Gemeinbesten und die Strenge sitllicher Gesinnung, das offene Bekenntniss der Ueberzeugung, die Treue der Freundschaft festhielten bis ans Ende. Seine Verdienste um die Commune Friedeberg sind un- vergessen, fast ein Halbjahrhundert, und davon beinahe 30 Jahre als Stadtverordnetenvorsteher, hat er ihr seine Thätigkeit gewidmet, durch klares Eindringen in den Geist der Städteordnung entwickelte er rasch deren segensreiche Keime, weckte einen Bürgersinn, der sich dauernd durch der Schles, Gesellsch. £. vaterl. Cultur. 333 kräftige Einmüthigkeit bekundet, bei Sammlungen und anderen Diensten für löbliche Zwecke offene Hand hat, ächten Patriotismus pflegt. Nicht mit dem Wort allein, auch mit dem Beispiel ging er voran, Die in den Dreissigerjahren auf wüsten Erdreich angelegte Promenade ist unter seiner Pflege zu einer Zierde der Stadt geworden. Die Verwaltung des kleinen Stadtforstes, der heut eine Haupt - Einnahmequelle der Commune, setzte er in einen regelrechten Betrieb. Den Armenkinder-Beschäftigung- Verein, der in vielen Orten der Provinz Nachahmung gefunden, hielt er mit unermüdeter Ausdauer gegen widerstrebende Tendenzen aufrecht, so dass er feste Wurzeln schlagen und sich als höchst wohlthätige Ein- richtung erweisen konnte. Scehriftstellerisch in seinem Fach ist Junge — der auch Ehrenmit- slied der Görlitzer ‚„‚Naturforschenden Gesellschaft“ war — besonders in der Berliner „‚Medieinischen Zeitung“, der Berliner „Allgemeinen medi- einischen Central-Zeitung‘ und der Wiener „‚Medieinischen Zeitung“ auf- getreten. Dort sind auch seine Arbeiten über „Rademachers Erfahrungs- heillehre‘“ und „zur T'herapie des 17, Jahrhunderts“ gedruckt. Besonders erschienen ist seine „Unterstützung der Aerzte“ und eine Monographie von Flinsberg (1862). Auch im Felde der schönen Literatur hat er sich versucht mit zwei Novellen: „Onkel und Neffe“ und ‚Die dunkle Blume“. Anderem, fast allen Richtungen des Wissens angehörig, besonders aber zur Mediein und zur Religion und Theologie, ward durch die umfassen- den Berufsgeschäfte die letzte Handanlegung versagt. Was er über Flinsberg Handschriftliches hinterlassen, ward seinem Nachfolger an dorti- sem Heilquell übergeben. — Alexander v. Götz ward geboren am 20. Decbr. 1805 zu Breezinke (Kreis Namslan), welches damals im Besitze seines Vaters, des Justizrath a. D. von Götz war. Er besuchte das Gymnasium zu Oels und konnte bereits in seinem 16. Jahre die Universität beziehen; er studirte zu Göt- tingen und Halle, arbeitete als Auseultator, Referendar und, nur dureh ein halbjähriges Commissorium in Posen unterbrochen, als Assessor bei dem Stadtgerichte und sodann bei dem Appellationsgerichte zu Ratibor unter den Präsidenten Kuhn und v. Frankenberg, von Letzterem, dem jetzigen Wirkliehen Geheimen Rath Appellations-Gerichts-Präsidenten a. D. auf Nieder-Schüttlau, als tüchtige Kraft besonders gewürdigt, so dass zwischen beiden Männern hinfort ein Band gegenseitiger Zuneigung und Hochachtung bestand. Im Jahre 1833 vermählte er sich mit einer Freiin von Rottenberg; zum Kreis-Justizrath (eine jetzt aufgehobene amtliche Stellung) bei dem damaligen Land- und Stadtgericht des Kreises Wohlau ernannt, trat er dieses Amt jedoch nicht an, nahm vielmehr 1838 seinen Abschied, wurde Landschaftsyndieus bei der Oberschlesischen Fürsten- thumslandschaft zu Ratibor, gab aber 1340 diese Stellung wieder auf, 334 Jahres-Bericht um sich der Bewirthschaftung des seiner Gattin durch den Tod ihres Vaters zugefallenen Gutes Pommerswitz im Leobschützer Kreise zu wid- men, wohin er mit der Familie übersiedelte. Er ward zum Landes- ältesten dieses Kreises und zum Abgeordneten für den Provinziallandtag 1846 gewählt. In Folge dessen geschah 1847 unter dem Ober- Präsi- denten v. Wedell sein Wiedereintritt in den Staatsdienst, und zwar zu- nächst als Hilfsarbeiter bei der Regierung zu Breslau. Hier übertrug ihm 1849 Oberpräsident v. Schleinitz die Regelung der Angelegenheiten und die Unterbringung der durch den Hungertyphus im Jahre 1847/48 der Fürsorge der Staats- Regierung anheimgefallenen oberschlesischen „Iyphuswaisen“ und fungirte er in dieser ihn nun fast ausschliesslich beschäftigenden Sache zugleich mit dem Regierungs- und Schulrath Polomsky (+) als Commissarius des Oberpräsidenten, griff mit grosser Umsicht und Energie, unter steter Gefahr der Ansteckung, überall per- sönlich ein, stiftete viel Gutes und Zweckmässiges — ein Wirken, das vielleicht von Aussenstehenden nicht in seiner ganzen Aufopferung und Tragweite gewürdigt werden konnte. Er bereiste auch in demselben Jahre mit einem Regierungs-Baumeister Belgien, um dort die Einrichtung von Waisenhäusern als Vorbilder für die in Oberschlesien zu errichtenden kennen zu lernen. In ebendem Jahre zum Regierungsrathe ernannt, hat er von da ab als Justitiarius bei der „Abtheilung des Innern“ an der hiesigen Regierung fungirt, wurde 1357 zum Ober-Regierungsrath und Dirigenten ebendieser Abtheilung ernannt, 1865 aber zum Regierungs- Vice -Präsidenten; 1867 ward er als Chef-Präsident an die Regierung zu Cöslin, und Anfang September 1871 an die zu Düsseldorf versetzt, wo ihn, nachdem er kaum vier Wochen dies Amt verwaltet hatte, am 1. Oetober an seinem Schreibtische der Schlag traf und am 4. desselben Monats ein unerwarteter Tod ihn ereilte. Der Verstorbene, Mitglied der Gesellschaft seit 1856, bewies sich in seinem Wirken und Walten als ein sehr befähigter, klarer Kopf, ein Mann von seltener Arbeitskraft und vorzüglichem Verwaltungstalente, ausgestattet mit einem wohlwollenden Herzen und grosser Gerechtigkeitsliebe, so dass er sich stets der Anhänglichkeit und Anerkennung seiner Untergebenen zu erfreuen hatte; im amtlichen Verkehr mit dem Publikum von zuver- lässiger, nicht bloss schönredender Zuvorkommenheit; im Umgange ein liebenswürdiger Gesellschafter; in der Familie voll reichen Gemüths und aufmerksamer Sorgfalt. So ist sein Tod für die engeren wie für die weiteren Kreise seines Wirkens ein zu früher zu nennen. — Fast unter uns verschollen war der Name des Fürstbischofs Leopold v. Sedlnitzki, als derselbe bei dem am 25. März erfolgten Hinscheiden des Mannes wieder an unser Ohr drang, durch eine grossarlige Stiftung sich fest in das Andenken der Provinz prägend und durch die Wechsel- - der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur. 335 fälle seines Lebensganges geeignet, gerade die Aufmerksamkeit der Gegen- wart wiederum auf ihn hinzulenken. Maria Leopold Ignaz Friedrich Wilhelm Joseph Hyaeinth Ceslaus Johannes-Nepomuk Fidelis Vineenz Franz de Paula |Innocenz Victor, Sohn des Reichsgrafen Joseph Odrowons v. Sedlnitzki, eigentlich Odrowonez-Siedlnicki v. Choltie (Choltitz), Herrn zu Geppersdorf, Nassedl, Wronin, Löwitz ete., wurde geboren am 29. Juli 1787 zu Geppersdorf, bei Tropplowitz, hart an der Grenze gegen Oestreich auf schlesischem Boden gelegen. Hiernach berichtiget sich die Angabe des amtlichen Bisthums- Schematismus nnd des Herausgebers der Autobiographie des Grafen: er ist von Geburt Preuss.-Schlesier. Die Mutter war eine geb. Gräfin Haugwitz. Die väterliche Familie, Glied eines der ältesten Geschlechter Mährens, reicht weit in die heimische und östreichische Geschichte hinauf. ‚Beide Eltern waren im römisch-katholischen Glauben erzogen, demselben mit allem Ernste zugethan undsahen ihn als den einzigen Weg des Heiles an, ohne darum weniger liebevoll gegen Andersdenkende zu sein. Bei dieser Gesinnung war es natürlich, dass sie selbst ihren Kindern nicht nur das beste Beispiel gaben, sondern auch deren Erziehung römisch katholischen Geistlichen anvertrauten und sie in diesem Glauben zu befestigen suchten‘ — dies sind des Sohnes eigene Worte. Die ganz katholische Umgegend war reich an Geistlichen, zählte mehre Klöster, das Haus des Grafen war gastfrei, so wurden auch die Geistlichen zu gern gesehenen täglichen Besuchern, ein, auch zwei Klostergeistliche befanden sich stets anwesend, um der Mutter und Grossmutter täglich die Messe zu lesen, die Erzieher des Knaben waren ebenfalls Theologen, und so kam es, dass, zumal ausser einer Schwester alle Geschwister um Jahre über sein Alter hinaus waren, ein grosser Theil seiner Jugend in der Umgebung von Geistlichen ver- floss. Bereits dem Elfjährigen ward, ‚‚nach der damaligen missbräuch- lichen Sitte“, eine Breslauer Domherrnstelle erworben und er, mit Dom- herrnornat und Kreuz angethan, in der Pfarrkirche zu Tropplowitz durch den Weih-, nachmaligen Fürst-Bischof v. Schimonski feierlich geweiht und tonsurirt, unter königlichem Dispens für den Homagial-Eid bis zu erreichter Grossjährigkeit, und vier Jahre später erhielt er, unter dem nämlichen Dispens, durch den Fürstbischof v. Hohenlohe die Investitur für ein Canonieat bei der Collegiatkirche zum heiligen Jacobus und Nicolaus in Neisse. £ AIU dies hinderte jedoch nicht, dass die Fähickeiten des Knaben, die zuerst in Folge der ungeeigneten Methode eines der Lehrer: nicht eben zum Vorschein kommen wollten — zu seinem Glück übrigens, denn es gab dies Zurückbleiben einen Dämpfer ab für die mit dem Dom- herrnhabit erwachte grosse Vorstellung von seiner Würde — in der Stille eine Richtung nahmen, die unter solehen Umständen nicht zu erwarten war und selbst den Eltern anfänglich unbekannt blieb: die auf die Natur- 336 Jahres-Bericht wissenschaften. Und zwar geschah dieses unter dem unmittelbaren Ein- tlusse der schönen Naturumgebung selbst. Die Reize des Geppersdorfer Thales und seiner nahen Bergwelt wirkten von früher Jugend mächtig auf sein Gemüth, die Eindrücke davon blieben treu bis in sein spätes Alter und noch da erinnerte er sich deutlich ‚der Seliskeit, die er zu Zeiten im Genusse dieser Natur empfand und die sich in den lebhaftesten Aeusserungen kundgab“. So lockte ihn denn als Lernstoff Alles, was sich auf die Natur bezog, kräftig an, und er gewann sich in Naturgeschichte, Physik, mathematischer Geographie, später auch in der Astronomie durch Privatstudium Kenntnisse, die, als sie eines Tages zum Vorschein kamen, Freude und nun fast Ueberschätzung bei den Seinigen erresten. Die seinem Gemüth eingepflanzte religiöse Richtung „drängte aber sein Inneres dahin, die Herrlichkeit und den Reichthum der Natur auf ihren Schöpfer zu beziehen, seine Grösse, Weisheit, Allmacht und: Liebe sich anschau- lich zu machen und sein Herz ihm zuzuwenden,‘“ — „und diese eigen- thümliche Lage führte ihn, trotz seiner heitern Stimmung und eines ‚grossen Hanges zum Vergnügen, in eine entschieden contemplative Rich- tung.“ Sie bewirkte aber auch, dass er die historische Seite des Wissens in einer sowol für die harmonische innere Ausbildung, wie für die spätere Studienbahn unzuträglichen Weise vernachlässigte, welche Versäumniss dann eifrig nachgeholt werden musste. „Die geschichtlichen Thatsachen (schreibt er), der fortwährende Wechsel im Leben der ein- zelnen Menschen und Völker, das Treiben der Leidenschaften, alles dies erschien mir in seiner Beschränkung in Zeit und Raum als ganz unter- geordnet in Vergleich mit der unendlichen Grösse, Gesetzmässigkeit, Un- wandelbarknit und Schönheit der göttlichen Schöpfungen. Mich beseelte die tiefste Verehrung vor dem Schöpfer, der Myriaden von Welten aus dem Nichts hervorgerufen und sie in wunderbarer Weise leitet, der die Unendlichkeit seiner Geschöpfe mit Liebe umfasst und jedes seinem Ziele zuführt. lch bewunderte daher aın meisten dıe Männer, welche in dieses Heiligthum eindrangen und die tiefen Mysterien desselben zu deuten vermochten. Sie schienen mir unendlich erhaben über alle Histo- riker und Philologen. Der überwältigende Eindruck, den der gestirnte Himmel auf jedes Gemüth macht, musste sich noch erhöhen, da ich ihn in seiner Unermessliehkeit, in seiner Ordnung und Gesetzmässigkeit kennen lernte.‘“ Als, eine Bestätigung der Kepler’schen Gesetze, eine erste Erfüllung der von Kepler in unserem Planetensystem wahrgenommenen Lücke, der erste Asteroide entdeckt wird (1. Januar 1801), da erscheint ihm Kepler nicht nur als das grösste Genie, sondern als ein Prophet. Als er aber die Ueber- setzung Stolberg’s von Platon’s Dialogen nebst seinem Vorwort an seine Söhne in die Hand bekommt, da „geht ihm ein neues Licht auf“, er selangt zur Ueberzeugung von der grossen Binseitigkeit und Mangel- haftigkeit seiner bisherigen Studien, gewinnt einen tiefen Eindruck von der Schles. Gesellsch. f, vaterl. Cultur. 337 der Wichtigkeit auch der sprachlichen und historischen Kenntnisse, und durch Fleiss erreicht er, dass er die Prüfung der Reife ausgezeichnet besteht und beim Antritte der Universität (Michaelis 1804) den ersten Cursus des Triviums überspringen kann. Die damalige, von den in „‚Schulbrüder‘‘ umgewandelten Ex-Jesuiten geleitete hiesige katholische Hochschule ‚„Leopoldina“ umfasste nur die theologische und die philosophische Facultät, war noch ganz in alter scho- lastischer Weise eingerichtet, mit Hörzwang, Zusammenleben in Convieten und genau vorgezeichnetem fünfjährigen Lehreurs. Nur Priester waren Lehrer. Aber der Mechanismus dieses streng geregelten Uhrwerks ver- mochte nicht den erwachten Geist einzuschnüren, unter den lebhaftesten inneren Kämpfen rang dieser durch die Zweifel einer ihm hier entgegen- tretenden mehr äusserlichen Natur- und Gottes-Anschauung zur Versöhnung sich durch, und grade die alten, wie unsere deutschen Klassiker waren es,. welche dazu beitrugen, seine Naturanschauung mehr zu vergeistigen, während die eingehendere Vertiefung in die heilige Schrift, die er anfäng- lich in üblicher Weise nur als Material für Belegstelien zur Sitten- und Pflichtenlehre und den kirchlichen Dogmen gelesen hat, zu einem „‚W ende- punkte in seinem Leben“ führt, und zwar unter dem Einflusse der religionsphilosophischen Vorträge, welche Kayssler, früher katholischer Geistlicher und Professor an der Leopoldina, dann Docent in Halle, dort zur reformirten Gemeinde getreten, nun Professor und Proreetor am hie- sigen reformirten Gymnasium, ein Mann von christlich gläubigem Stand- punkte, vor einem grösseren Zuhörerkreise hielt und zu deren Besuchung — „ein merkwürdiges Zeichen jener Zeit‘ nennt es Sedlnitzki selbst — der Regens seines Convicts, ehemaliger Jesuit, ihn selber animirte. „Dieser liess sich (schreibt Sedlnitzki) durch Kayssler’s evangelisches Bekenntniss nicht hindern, seiner mit Achtung zu gedenken, und auch andere Professoren, darunter ein alter ehrwürdiger Exjesuit, lebten in aufrichtiser Freundschaft mit ihm innig verbunden.“ Die Belagerung Breslau’s treibt den jungen Mann eine Zeit lang in seine Heimat. Im Jahre 1808 wird er zum Licent. philos. und zum Cand. theol., 1809 zum Baccalaureus theol. promovirt, nachdem er summa cum laude ‚‚de authentia Vulgatae versionis“ disputirt hat. Durchgedrungen, wie er meint, zu einer völligen Einheit seiner philosophischen, religiösen und kirchlichen An- schauungen an der Hand der bedeutendsten Geister seiner Kirche, deren vieler aus der Vergangenheit: wie aus seiner Gegenwart er namhaft mit Danken gedenkt, lebt er der Ueberzeugung, „dass die katholische Kirche, auf dem apostolischen Grunde ruhend, und nach Heiligkeit strebend, ‚allein die wahre sein könne, und von Gott bestimmt, einst alle Con- fessionen in sich wieder zu vereinigen.“ Ihrem Dienste will er sich wid- men. 1809—11 empfängt er die Priesterweihen. Schwankend zwischen der Neigung zum Landpfarrer oder zum Lehramt an Schule und Hoch- 22 338 Jahres-Bericht schule, im Entschluss zu letzterem durch sein heftig beginnendes Brust- leiden wieder zurückgeworfen, Berufungen nach Oestreich im Gefühl der Treue für Diözese und Staat, in denen er erzogen, zurückweisend, er- greifi er mit Freuden die vom Fürstbischof Hohenlohe unerwartet ihm dargebotene Stelle als Assessor und Secretär im Vicariatamte. Der Contrast des praktischen Lebens mit seinem bisherigen beschaulichen wirkt trübend auf ihn; sein treuer Lehrer und Freund Rohowsky wird durch Wort und Beispiel ihm Stütze. Nun kommt er in Confliete, weil er, unter fürstbischöflicher Billigung, an den Bestrebungen zu Verbreitung der Bibel theilnimmt. Dann wird er, unbeschadet seines bisherigen. Amts, als Mitarbeiter in’s königliche Regierungscollegium und Provinzialeon- sistorium (jetzt Provinzial-Schuleollegium) berufen und erstrebt hier ein friedliches Zusammenwirken kirchlicher und staatlicher Behörde. Bereits 1811 (mit zurückgelegtem 24. Jahre) als ordentliches Mitglied in das Dom- eapitel eingetreten, ward er 1830 durch den Minister v. Altenstein als erwähl- ter Dompropst confirmirt und durch den Bischof von Ermland, Fürsten von Hohenzollern, eingeführt. Nach Schimonski’s Tode (1835) trafihn sofort die einstimmige Wahl des Capitels zum Bisthumsverweser und, obwol schon jetzt anonyme Gegewirkungen durch Pamphlets und Zuschriften laut wurden, wider sein Erwarten alsbald ebenso zum Nachfolger auf dem fürstbischöflichen Stuhle, und zwar per acclamationem, ‚was bis jetzt noch nicht vorgekommen war und als der gewissenhafte Ausdruck des grössten Vertrauens angesehen werden musste.“ Die Acclamation wiederholte sich sogar auf die von Sedlnitzki dargelegten Gegengründe. Inzwischen aber hatte die herrschende Richtung in der katholischen Kirche eine Wendung senommen, welche mit ihrer Hervorkehrung des geschärften Confessionalismus, auch wenn es keine amtlichen Zusammenstösse gegeben hätte, auf einen Mann wie Sedlnitzki, der in der Zeit friedlichsten Miteinanderlebens der Confessionen, innigen Verkehrs zwischen Männern verschiedener Glaubensmeinungen heran- gereift war, der überdies in einer an innerstem Leben reichen Skala der Ent- wiekelung, deren einzelnen Momenten hier zu folgen den Raum weit über- schreiten würde, sich eine der nackten äusseren Formel widerstrebende Selbstständigkeit errungen hatte, nicht anders als schmerzlich wirken konnte. Aber bereits unmittelbar darauf setzte jenes Spiel unterirdischer Kräfte gegen ihn sich fort, welches nun ein reiches, aber nicht wol- ihuendes Capitel im Leben Sedlnitzki’s füllt, selbst vor dem Missbrauch noeh unpublieirter ‚Schriftstücke ‚und vor andern Dingen nicht zurück- scheute, die Sedlnitzki „bis dahin unter ehrlichen Leuten für unmöglich gehalten hatte“, seinem Wirken Hemmuisse legie, und es schliesslich unmöglich machte, dass Sedlnitzki in dem Confliete zwischen Kirche und Staat wegen der „gemischten Ehen“ mit seiner Darlegung von der alt - sanetionirten Verfahrungsweise in Schlesien sowie von den durch das numerische Verhältniss der beiden Confessionen hier bedingten Zu- 1 en 2 der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur. 339 ständen durchdringen konnte, unsere Provinz von den Reibungen und Stürmen frei zu halten, die in Rheinland und Posen ihre Bahn genommen hatten. Der grössere und erfahrenste Theil des Diözesan- klerus war hierin mit ihm in Uebereinstimmung, zum Heile der Provinz die zeitherige Praxis auch ferner festzuhalten, weiche „zu ihrem Funda- mente hatte die Beschlüsse der Coneilien zu Constanz und Basel, die gallicanischen Artikel, welche in Deutschland allgemein angenommen waren, die Bestimmungen des Westfälischen Friedens und die verschie- denen landesherrlichen Gesetze“, und zwar wie sie schon unter östreichi- scher Herrschaft bestanden hatten unter Zustimmung Roms wie der Fürst- bischöfe und des Capitels.. Ganz unerwartet aber erhielt er auf dem seltsamen und nach den bestehenden Vereinbarungen nicht zulässigen geheimen Wege des Doppeleinschlusses, zuerst in dem Briefe einer ihm bekannten Gräfin, dann in dem einer ihm nicht nahestehenden Herzogin, ein- Schreiben des Papstes Gregor XVl, dessen Aechtheit er um eben dieses Verfahrens willen anzweifelte. Nachdem er sich über diese ver- gewissert, widerlegte er die darin enthaltenen Denunciationen und An- klagen, aber erfolglos. Die Erwiderung, Grundsätze der bedenklichsten Art aussprechend, „schenkte den Zeitblättern und Pamphlets mehr Glauben, als den Aussagen des Bischofs selbst ohne Untersuchung der Wahrheit“. Er sah nun „keinen Ausweg, die der Diözese drohende Gefahr zu besei- tigen, als indem er sein Amt niederlegte und es einem Manne einräumte, dessen Aussagen mehr Aussichten hätten, beachtet zu werden“. Um so schwerer wurde ihm der Entschluss des Scheidens aus einer für ihn in vieler Beziehung glücklichen Lage, als es der erste Fall dieser Art seit den Zeiten der Reformation war, und als Friedrich Wilhelm IV. persönlich in ihn drang, das Vorhaben nicht auszuführen. Vom Könige nun zum Wirklichen Geheimen Rathe ernannt, mit der Verpflichtung, seinen Wohnsitz in Berlin zu nehmen, siedelte er Ende 1840 dorthin über, um an den Arbeiten des Staatsrathes, dessen Mitglied er bereits war, theilzunehmen; den Sommer verlebte er gern in seinem ge- liebten Schlesien, meist auf dem von ihm erworbenen Gute Gross - Säge- witz, auch nachdem er dasselbe an den ihm verwandten Grafen Harrach wieder verkauft hatte. Mit derselben Geräuschlosigkeit, welche er mög- lichst bei den früheren Vorgängen seines Lebens wahrte und nach Voraus- gang ebenso strenger innerer Arbeit und Selbstprüfung, trat er im April 1863 zur „evangelischen“ Kirche über, nicht zu einem ihrer Sonder- bekenntnisse, einfach indem er eines Sonntags an der Abendmahlsfeier in der Friedrichwerderschen Kirche theilnahm. Wer den inneren Ent- wickelungsgasg des Mannes verfolgt hat, dem wird klar, dass dies nur ein Vollzug früh gegebener Veranlagung ist: bereits die während der Universitätszeit, wie dann wiederholt imıner fester als Fundamental- anschauung. ausgesprochenen Gedanken sind dieselben, auf denen der 23* 340 . Jahres-Bericht evangelische Glaube fusst, und es bedurfte nur noch des Umstandes, dass er „auch da ‚Kirche‘ finden lernte, wo er sie früher nicht zu erkennen vermochte‘. Diese trat ein durch nähere Bekanntschaft mit der herrn- hutischen Brüdergemeinde. In seiner Selbstbiographie — mit Actenstücken, nothwendigen Er- gänzungen und einem Bildniss des Verblichenen herausgegeben durch einen ihm im Leben Nahestehenden (Berlin 1872) — hat er ein Ver- mächtniss hinterlassen, welches nicht allein durch die darin aufgerollten äusseren Lebensmomente, sondern zumal durch die inneren, in denen sich auf dem Grunde einer ernstbewegten und heilsuchenden Seele ein ganzes Zeitalter spiegelt, dazu bestimmt scheint, gerade in der Gegenwart die allgemeinste Beachtung auf sich zu ziehen und so die Person des einem stillen Wirken zugethanen Autors wider seinen Willen in den Mittelpunkt des Interesses zu rücken. Ä | Er selbst ist am 25. März 1871 nach kurzer Krankheit durch einen Gehirnschlag heimgerufen worden. Eine seiner Hauptsorgen schon im Amte war die für Hebung der Vorbildung des Geistlichenstandes. So erwirkte er von König Friedrich Wilhelm II. die bedeutende Schenkung von eirca 40,000 Thlrn. zur Erweiterung des Klerikal-Seminars (Alumnates) in Breslau. Gleicher Tendenz sind die drei von ihm gegründeten Stiftungen für evangelische Jünglinge. „Neben seiner ausgedehnten Privatwolthätigkeit behielt er (sagt sein Biograph) klaren und weiten Blicks das Ganze des Volkswoles im Auge und strebte, in nachhaltiger, fester geordneter Weise mit seiner Thätigkeit an dem Punkte einzusetzen, von dessen Gedeihen, wie er erkannte, die Zukunft unseres Volkes grösstentheils abhängen muss, nämlich der glücklichen Vereinigung christlichen Sinnes und Lebens mit gründlicher geistiger Bildung der begabteren nachwachsenden Jugend.“ So entstanden noch bei seinen Lelizeiten, nachdem er auf Reisen viel- fältig Vorbilder in Augenschein genommen, 1862 in Berlin das „Paulinum“, eine Pensions- Anstalt für Gymnasiasten, welche darin „neben einem in der zerstreuenden grossen Stadt so wichtigen wohlgeordneten Familien- leben auch Förderung für ihre Studien erhalten sollen‘; so 1869 ebenda das „Johanneum“, ein ähnliches Hauswesen für evangelische Theologie Studirende, ‚damit sie in der theueren geräuschvollen Stadt billiger in der Stille in einem fruchtbaren Gemeinschaftsleben unter angemessener Leitung, aber ohne Beschränkung der akademischen Freiheit ihren Studien obliegen können“; so sind durch letztwillige Verfügung 80,000 Thlr. zur Begründung einer gleichen Anstalt für die evangelischen Theologen der Breslauer Universität bestimmt. Für Halle hat Sedlnitzki, soweit mündliche Mittheilung richtig, schon in früheren Jahren ein Stipendium gestiftet. Testamentarisch hat er ferner 2000 Thlr. zur Anschaffung theologischer Werke für Geistliche auf gering dotirten Stellen Schlesiens nn u der Schles. Gesellsch, f, vaterl, Cultur. 341 und 40,000 Thlr. zur Anstellung evangelischer Hilfsgeistlichen in weit- läufigen schlesischen Parochien ausgesetzt. Unserer Gesellschaft hat er seit 1830 als wirkliches Mitglied ange- hört, durch seine Vorliebe für die Naturwissenschaften, deren Pflege und Förderung in ihr eine so fruchtbare Stätte hat, ihr gewiss auch geistig, nicht bloss durch das Mitgliedsdiplom zugethan. — Wiederum ein Gleichalteriger, lange Jahre unserer Provinz in ge- segneter Lehrwirksamkeit angehörig, ist der am 22. August verstorbene Seminar-Öberlehrer a. D. Dr. K. F. Robert Schneider, dessen durch unsern Herrn Präses bereits im Berichte der „‚Botanischen Section“ ($. 138) ehrend Erwähnung gethan ward. Er ist geboren im Jahre 1793 am 20. August zu Breslau, Sohn eines Kaufmanns und Börsensensals. Schon auf dem Gymnasium zeigte er die seinen späteren Lebensgang beherrschende und leitende Vorliebe für Naturwissenschaften, welche bald noch entschiedener hervortrat, als Professor Karl v. Raumer ihn, den Knaben, auf beson- dere Empfehlung seiner Lehrer unter seine Schüler aufnahm. Mit be- sonderer Vorliebe gedachte Schneider noch im Greisenalter an diesen ersten Unterricht in der Mineralogie. Dem strebsamen, durch das ein- fache strenge Leben im elterlichen Hause abgehärteten und thatkräftigen Jungen war es die beste Erholung am Ende der fleissig benutzten Schul- woche, mit seinem 2 Jahre älteren Bruder, den gleiche Interessen erfüll- ten, die Stadt zu verlassen und im Anschauen der Natur, im -Suchen und Sammeln ihrer Wunder sowol im Mineral- wie im Pflanzenreiche sich Feierstunden zu schaffen. Die Vermögensverhältnisse seiner Eltern erlaubten nicht die Erfüllung der Wünsche, die der Jüngling hegte, sich dem Studium der Natur- wissenschaften zu widmen, und so lernte er in den Jahren 1815—21 die Apothekerkunst und zwar zu Wohlau, also als Güntzel-Becker’s Nachfolger. Als Provisor verweilte er dann einige Zeit in Aschaffenburg, und dankbar erkannte er noch in späteren Jahren an, wie er auch hier, wenngleich langsam, doch mit liebevoller Förderung dem Ziele zugeführt ward, das er sich gesteckt hatte, Mit einer kleinen ersparten Summe bezog er die Universität und vollendete in Erlangen das in Breslau begonnene Studium. An diesen beiden Orten entsprangen und befestigten sich die beiden Hauptrichtungen und Interessen, welche fortan sein Leben beherrschen; die Liebe für die Kirche und für die Wissenschaft, und dort trat er in Freundschaftbeziehungen, die zumtheil über das Grab hinaus Werth und Bedeutung behielten. In Breslau gehörte er, obgleich Student der Natur- wissenschaft, doch unter die Schüler Scheibel’s, dessen Lehre von der Kirche seine eigenste Ueberzeugung bis zum Sterben wurde. In Er- langen, wohin ihn besonders der dorthin berufene Karl v. Raumer zog, trat der fleissige, unbemittelte Student bald in das angenehmste Verhält- a: A Jahres-Bericht niss zu den Professoren und Koryphäen der Wissenschaft, und wie lieb diesen der forschende und frische Jüngling war, davon gaben sie Zeug- niss durch allerlei Werke der Liebe. Prof. Döderlein übertrug ihm die Aufsicht über seine Söhne, und nachdem bekannt geworden, wie die geringen Einnahmen des Studenten demselben mancherlei Entbehrungen an nöthigsten Bedürfnissen auflegten, wurden ihm viele Erleichterungen zutheil. Die schönste Anerkennung aber fand der Jüngling nach beendetem Studium in der Aufforderung der Professoren, das Doctor-Examen zu machen, wobei ihm alle sonst übliehen Kosten geschenkt wurden. Während dieser Studienzeit gewährten ihm weite wissenschaftliche Fusswanderungen in die an Naturschönheiten so reichen Nachbarlande der Schweiz Erholung. Noch in seinem spätesten Alter, ja noch auf seinem letzten Krankenlager erzählte er mit leuchtenden Augen und dem Eifer der Jugend davon, seinen jungen Zuhörern die Vortheile jener Art des Reisens rühmend, wobei alle Eindrücke sich fest einprägen, und den stillen, dauernden Genuss, den solches Schauen gewährt. Von ganz be- sonderer Wichtigkeit aber wurde ihm 1824 die Reise durch Italien bis Neapel und durch das südliche Frankreich mit seinem väterlichen Freunde und Lehrer Prof. Heinrich v. Schubert. Ausser der reichen Ernte für sein Studium sammelte er da auch reiche Schätze für das Gemüth. Innig verbunden mit v. Schubert, theilte er mit ihm jene Anschauungweise, die den Schöpfer in dem Werke findet und verehrt und jedes irdisch Schöne in dem Sinne betrachtet: „Alle gute Gabe kommt von Oben, vom Schöpfer des Lichtes.“ Dankbar sprach er noch auf seinem letzen Lei- denslager aus: er sei bewahrt geblieben vor allem Materialismus und habe darum an seinen Studien eine reine Freude und unverzängliche Befriedigung gefunden. Nach Beendigung dieser Reise war Schneider noch einige Zeit an einer Erziehungsanstalt in Nürnberg thätig, folgte dann einem Rufe an das Seminar zu Weissenfels und kurze Zeit darauf 1828 nach Bunzlau an die dortigen Lehranstalten. Auch von hier aus machte er Reisen, bei denen ihn vorzugsweise wissenschaftliche Interessen leiteten, besuchte, als ihm 1838 seine erste Gattin gestorben, Bayern noch einmal, lernte einige Jahre später bei einem Besuch der Ostseeküste seine zweite Gattin kennen. Kirchlichen Ansichten treu, welche Anderen zu anderer Zeit die Pforten zur Beförderung wurden, erntete er, wie die Dinge damals lagen, viele Verdriesslichkeiten in Folge derselben; aber obgleich er um dessen willen äusserst unsicher im Amte stand, lehnte er doch mehre ehrenvolle Berufungen ins Ausland ab, einem der Grundprineipien seines Charakters gemäss: „Ausharren in Trübsal!‘“ Mit dem Regierungsantritte Friedrich Wilhelms IV. gestalteten diese Verhältnisse sich wieder besser, Neben seinen Amtsarbeiten fand sein reger Fleiss noch immer Zeit zu literarischer Thätigkeit; so arbeitete er für das ihm zunächstliegende der Schles. Gesellsch. f. vater], Cultur. 343 Bedürfniss als Lehrer eine „Heimatskunde von Schlesien“ und eine Flora von Bunzlau, später das grössere, geographisch - statistische Werk „Der Preussische Staat in geographischer, statistischer, topographischer und militärischer Hinsicht. Ein Hand- und Hülfsbuch für jeden Stand.“ (2. Ausg. 1834. 3., gänzlich umgearbeitete und stark vermehrte Ausgabe Breslau 1840 bei G. Ph. Aderholz, 630 $. gr. 8%), dem damaligen Kron- prinzen (Friedrich Wilhelm IV.) dedieirt; ein in den nicht durch die Zeit veränderten Partieen noch heut werthvolles Buch, in seinem ersten Ent- wurfe wesentlich für den Lehrer berechnet, während der kleine „Leitfaden für den geographischen Unterricht in der preussischen Vaterlandskunde“ und die „Kleine preussische Vaterlandskunde“ (Bunzlau 1835, Appun, und Breslau 1839, Aderholz) für die Hand der Schüler bestimmt waren. Ferner verfasste er eine Schrift „der naturkundliche Unterricht“, Bresları 1837, eine Experimental-Physik (Dresden 1842), ein Lesebuch in 3 Ab- stufungen für die Jugend, die durch Göppert (s. vorn) gewürdigte Arbeit über „die Verbreitung und Vertheilung der schlesischen Pflanzen ete.‘ ‚nebst Karte, und mit Aufwand der Arbeitskraft mehrer Jahre eine grosse Erdbeschreibung, deren zweite Auflage ganz zu beenden ihm leider der Tod versagt hat. Auch eine ‚„Wandkarte des heiligen Landes‘ gab er heraus (Dresden 1843). In den Jahren 1848—50 trat zu seinen Berufs- arbeiten die Leitung verschiedener patriofischen Vereine, welcher er sich als treuer Königsdiener nicht entziehen wollte. Leider aber litt seine Gesundheit unter den vielen Arbeiten derartig, dass er um seine Ent- lassung einkommen musste, die ihm 1851 ehrenvoll unter Verleihung des Rothen Adlerordens IV. Classe gewährt ward, worauf er sich auf einen Land - Aufenthalt nach Pommern zurückzog, immer noch. literarisch thätig, sodann bei wiedererlangten Kräften 1854 nach Stolp (Stolpe) übersiedelte und hier fleissig an verschiedenen geographischen Werken arbeitete, später auch die Redaction einer patriotischen Zeitschrift, der „Zeitung für Hinterpommern“, Organ des dasigen „conservativen Vereins‘ übernahm. Eine seltene Elastieität des Geistes und Körpers blieb bis in so hohes Alter ihm erhalten; noch als 70 jähriger Greis unternahm er Tagemärsche durch Feld und Wald, ohne Weg und Steg, um Material für eine Flora von Pommern zu sammeln, welches er leider nicht mehr benutzen und zusammenstellen konnte. Tiefstes Leid war den letzten zwei Jahren seines Lebens noch vorbehalten: bei einem kaufmännischen Unternehmen seines Sohnes betheiligt, verlor er sein Vermögen. Dieses allein hätte ihn nicht so tief gebeugt; das aber, dass auch Andere da- durch geschädigt wurden und ihm keine Aussicht blieb, diesen Schaden einst zu ersetzen, brach seine Lebenskraft. In das engste Familienleben zurückgezogen (auch seine zweite Gattin war bereits 1861 gestorben), lebte er fortan mit ungeschwächtem Interesse nur noch den Wissenschaften; sie waren die ihm von Gott gelassenen Freudenquellen. In Betrachtung 344 Jahres-Bericht seiner Mineralien, die ihm doppelt lieb waren, seit sie durch die hoch- herzige Handlungweise der Stolper Lehrer nebst einem grossen Theile seiner Bibliothek aus der gerichtlichen Auction ihm wiedererstanden waren, — bei Auffinden einer seltenen Pflanze, im Gespräch über wissen- schaftliche Gegenstände zeigte sich zwar immer noch jene bewunderns- werthe Frische des Geistes, die ihn so liebenswürdig machte; wie schwer er aber unter den Prüfungen der letzten Jahre gelitten, offen- barten die Phantasien seiner letzten Krankheit, die, aus kleiner Erkältung rasch in Typhus und Unterleibs-Schwindsucht umschlagend, nach viertel- jahrlangem Leiden in ein leichtes und freundliches Ende ohne Todes- kampf auslief. Bei vollem Bewusstsein nahm er Abschied von der Erde, für deren Schönheit selten Jemand soviel Sinn und Verständniss gehabt, wie grade er, und ging dahin in seinem festen Glauben, die Herrlichkeit zu schauen, auf welche er gehofft. | Die wissenschaftliche Bedeutung seiner Thätigkeit ist a. a. O. (siehe S. 139) durch unsern Präses klargestellt. Nächst der unsrigen haben auch die „Oberlaus. Gesellsch. der Wissenschaften“, die ‚‚mineralogische Societät““ zu Jena und die .„botanische Gesellschaft“ zu Regensburg Schneider zu ihrem correspondirenden Mitgliede ernannt. Wie die drei Vorhergehenden nur eine Zeit lang unserer Provinz angehörig, jedoch nicht, wie sie, auch durch die Geburt, war Hermann v. Gansauge, geb. am 21. April 1799, Sohn des Gutsbesitzers und (evan- gelischen) Domcanonieus v. Gansauge, zu Gross-Mühlingen im Anhalt- Bernburgischen; ein Mann, der mit der vollen fachmännischen Ausbildung eine reiche und vielseitige Wissenschaftlichkeit verband, wie wir dies im preussischen Offizierstande, dem er angehörte, nicht selten, und wahr- scheinlich häufiger antreffen, als in irgend einer anderen Armee. Des Vaters schon im 5. Lebensjahre durch den Tod beraubt, durch vormund- schaftliche Schuld des hinterlassenen Vermögens verlustig, war er um so mehr auf die eigene Arbeit angewiesen. Das Gymnasium zu Magdeburg, wo er seine Schulbildung erhalten sollte, verliess er 1813 heimlich, erst 14 Jahre alt, um dem königlichen Aufrufe zu folgen; vom nächsten Truppen- theile wegen Schwächlichkeit abgewiesen, wandte er sich nach Schlesien, dem er durch seine Mutter, eine geb. Gräfin Henckel von Donners- marck, verbunden war, trat hier in das Corps der Donischen Kosacken, machte die Gefechte bei Jüterbog und Zahna, wo er Zeuge der wunder- baren Errettung Tauentzien’s vor drohender Gefangenschaft war, die Schlachten bei Dennewitz und Leipzig, dann seit November 1813 als frei- williger Jäger im pommerschen Husarenregimente den Feldzug durch Holland mit, ward, als ihm zum Lohn bewiesener Tapferkeit die Wahl zwischen eisernem Kreuz und Öffizierpatent freigestellt, im Februar 1814 Lieutenant, noch nicht 15 Jahre alt, und nahm, im Mai ejd. a. als Adjutant zum der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur, 345 2. pommerschen Landwehr-Cavallerie-Regiment eommandirt, mit diesem am Feldzuge von 1815, der Schlacht von Belle- Alliance und der Ein- nahme von Paris theil. Nach dem zweiten Pariser Frieden ward er in’s brandenburgische Cürassierregiment versetzt und nahm 1818 zweijährigen Urlaub behufs geschichtlichen, cameralistischen und naturwissenschaftlichen Studiums auf der Berliner Universität. Seit 1823 sehen wir ihn als Premier-Lieutenant im Cadettencorps, 1829 als Rittmeister im 2. Cürassier- Regiment und nun beurlaubt zu einer Reise mit dem Prinzen Biron von Curland nach dem Süden, wo ihm reiche Gelegenheit ward zu Befriedigung seines Wissenstriebes. Zurückgekehrt und in’s 2. Garde- Ulanen-Regiment versetzt, schloss er mit der Tochter eines angesehenen Partieuliers, J. M. Fränkel, ein Ehebündniss, dessen innige Herzens- gemeinschaft und edelstes häusliches Glück erst sein Tod gelöst hat. Nunmehr erst trat er als militärischer Schriftsteller hervor und ward in Folge davon 1835 an die allgemeine Kriegsschule berufen, wo er neben v. Roon und v. Griesheim als Lehrer, später auch als Mitglied der Studien- direetion wirkte und gleichzeitig im grossen Generalstabe beschäftiget war. 1842 Major geworden, 1843 im Berliner Strassenkampfe wie in vertraulichen Aufträgen mit Umsicht und Hingebung thätig, dann mit dem 4. Cürassier-Regi- ment an Bekämpfung des Polenaufstandes in Posen, 1849 am Feldzuge in Baden betheiliget, ward ihm nach Einnahme von Rastatt die militärisch wie politisch wichtige und schwierige Stellung als dortiger Commandant über- tragen, in welcher er das dadurch ihm bewiesene besondere Vertrauen zu höchster Anerkennung rechtfertigte. Im Jahre 1850 Oberstlieutenant, mit Führung des brandenburgischen Cürassier-Regiments beauftragt, betrat er 1851 als Commandeur des 2. Ulanen-Regiments (Gleiwitz) wiederum Schlesien, ward Oberst, und 1853 als Commandeur zum 1. Cürassier-Regiment nach Breslau versetzt, das er jedoch schon im Sommer 1854 als Com- mandeur der 15. Cavallerie-Brigade (Köln) wieder verliess. 1855 ward er Generalmajor und Commandant von Köln, in dieser Stellung, wo er sich wieder aufs erfolgreichste bewährte, auf Wunsch des Prinzen von Preussen auch dann verbleibend, als (1858) sein Avancement zum Divisions - Com- mandeur an der Reihe war. 1359 Generallieutenant. In Folge öfteren körperlichen Leidens nahm er 1861 den unter Stellung z. D. ihm ge- währten Abschied, begleitet von den Zeichen höchster Anerkennung, und siedelte nach Berlin über, wo er nun ganz seinen wissenschaftlichen Bestrebungen lebte, ein geachteies Mitglied wie der unsrigen, so mehrer gelehrten Gesellschaften. Wenige Gebiete des Wissens sind ihın fremd geblieben; nicht minder zogen auf der einen Seite Geschichte, besonders vom militärischen Standpunkte, Alterthümer, Münzkunde, wie auf der anderen besonders Mineralogie und Botanik ihn an, und was er trieb, erfasste er nicht mit blosser Flüchtigkeit des Dilettanten, obwol er in grösster Bescheiden- heit stets nur ‚den Rang eines solchen in Anspruch nahm. Wie er an 346 Jahres-Bericht allen Orten seines wechselreichen Amtswirkens an deren geistigen Be- strebungen theilgenommen und nicht nur in dem seiner Leitung anver- trauten Offieiercorps ein Vorbild ernsten Strebens, sondern in der Gesell- schaft überhaupt ein Mittelpunkt gehobenen anregenden Verkehrs geworden war, so schöpfte er auch aus solcher Geselligkeit, wie aus weiteren, seinen wissenschaftlichen Neigungen dienenden Reisen stets neue Frische. Mit hoher Befriedigung begrüsste er den Aufschwung und die Erfolge. der preussischen auswärtigen Politik seit dem schleswig-holsteinschen Kriege, _ beiheiligte sich noch selbst mit grosser Hingebung an den Liebesthaten für die Armee in dem grossen Jahre 1870, sah die deutschen Siege, ° während schon ein todbringendes Steinleiden ihn hingestreckt hatte, und erlebte noch die Befreiung von den Sorgen um die bedrohte Stelluug vor Belfort und’ um seinen dort commandirenden Stiefbruder General v. Tresckow. Am 15. Februar,*) dem Tage vor der Uebergabe der Festung, schied er aus dem ihn verehrenden Kreise. Als Schriftsteller hat er sich zuerst eingeführt durch „Kriegswissen- schaftliche Analecten‘‘ (1832), worin er u. A. „vergleichende Betrach- tungen über wichtige Reitersiege“ und „Reiseberichte von Schlachtfeldern aus den Jahren 1822—1830‘ gab. Dann folgte die bei den Historikern sehr geachtete Schrift „Veranlassung und Geschichte des Krieges in der Mark Brandenburg im Jahre 1675“ (1854), eine Frucht archivalischer Studien, wie genauester localer Terrainforschungen; und im Jahre 1840, gewissermassen als Jubelschrift, „Das brandenburgisch-preussische Kriegs- wesen 1440, 1640, 1740“, ebenfalls durch eine Fülle urkundlichen Materials werthvoll. An der „Militärischen Literaturzeitung‘ und der „Zeitschrift für Wissenschaft und Geschichte des Krieges“ war er fleissiger Mitarbeiter. Doch ist er auch ausserhalb seiner Fachstudien literarisch thätig gewesen. So z. B. durch eine Mittheilung über Taxus baccata in der „Botanischen Zeitung“ von 1862. Ausführlicheres findet sich in dem Nekrologe, welchen der Geh. Regierungs-Rath Dr. Ludwig Hahn in der „N. Prss. Ztg.“ (vom 18. März?) ihm gewidmet, und dem, welchen Prof. Dr. Koch in seiner „Wochenschrift des Vereins zu Beförderung des Gartenbaues“ veröffentlichen wird. Sein schönes Herbarium hat Gansauge letztwillig für ein wissen- schaftliches Institut des preussischen Staats in den Provinzen seines Wirkens, Schlesien, Brandenburg oder Rheinland, bestimmt, und ist das- selbe, in der Ueberzeugung, dass es dort der Wissenschaft am meisten Nutzen bringen werde, dem königlichen Herbarium in Berlin übergeben worden. — Hr *) Hiernach ist die Angabe von $. 317 zu berichtigen. v7 re ee der Schles, Gesellsch, f. vaterl. Cultur, 347 Unter unsern Auswärtigen steht billig obenan, nicht nur als Ehren- mitglied der Gesellschaft, sondern auch, darf man sagen, als ein solches unter den deutschen Naturkundigen überhaupt, Wilhelm Ritter v. Haidinger, der Schöpfer einer neuen Aera der Naturwissenschaften im östreichischen Kaiserstaate, der Sohn eines gleich ihm als Mineralog genannten Vaters (Karl Haidinger, Bergrath und Prof. der Mathematik und Bergbau- kunde, + in Wien, Verfasser eines „Entwurfs zur systematischen Ein- theilung der Gebirgsarten‘‘ zwei Jahre vor Werner’s epochemachendem Werke). Nur 2 Jahre vor seines Vaters Tode ward Wilhelm Haidinger seboren, am 5. Februar 1795, zu Wien, in einem Hause, welches im Volksmunde ‚der Schubladkasten“, eigentlich aber „goldener Strauss‘ hiess. Von einer verständigen Mutter erzogen, im Familienverkehr die modernen Sprachen sich aneignend, durch den in das elterliche Haus eingeführten Frdr. Mohs früh für die Mineralogie entflammt, begleitete er. nach vollendeter Gymnasialbildung diesen 1312 nach Graz an das vom Erzherzog Johann gegründete ‚„Johanneum‘“, dort ebenso Schüler wie Mitarbeiter seines Lehrers und dessen Genosse auf seinen wissen- schaftlichen Excursionen und auf der Reise zu Werner in Freiberg. Auch hierhin folgte dann Haidinger 1817 seinem nach Werner’s Tode an dessen Stelle berufenen Lehrer und half ihm bei den Vorarbeiten zu seinen mineralogischen Werken, namentlich beim Messen und Zeichnen der Krystallformen für den „Grundriss der Mineralogie“. 1822 begleitete er den Grafen August Breuner auf einer Reise über Süddeutschland und Frankreich nach England und Schottland, durch die Niederlande und Norddeutschland, und folgte 1323 dem Rufe des Banquiers uud Minera- logen Thomas Allan als Erzieher seines Sohnes nach Edinburg. Dort veröffentlichte er seine ersten Arbeiten in englischer Sprache, deren er sich auch während der nächsten sieben Jahre in seinen Schriften aus- schliesslich bediente. Mohs’s „‚Grundriss‘‘ übersetzte er ebenfalls in’s Englische (1825), mit Zusätzen und Berichtigungen. Mit dem jüngeren Allan bereiste er 1825 und 26 Norwegen, Schweden, Dänemark und Norddeutschland bis Berlin, wo der Winter im Verkehr mit Rose, Wöhler, Magnus, Mitscherlich, zumtheil mit Arbeiten in des Letzteren Laboratorium zugebracht ward; weiter über Freiberg, Westdeutschland, die Alpen, Wien, Norditalien und Frankreich. Im Herbst 1827 von Edinburg zurückkehrend, vermied er in schönem Zartgefühl, ein öffentliches lehrendes Auftreten neben seinem inzwischen als Professor nach Wien berufenen Lehrer Mohs an- zustreben, da er sich indessen, unter den englischen Einflüssen, von den Einseitigkeiten der mineralogischen Dogmatik desselben freigemacht, und mannigfachen Widerspruch nicht hätte vermeiden können. Er zog vor bei der von seinen beiden Brüdern zu Elnbogen in Böhmen betriebenen grossen Porzellanfabrik sich wissenschaftlich zu betheiligen. Erst nach Mohs’s Tode hat er sich (in seinem „Handbuch der bestimmenden Minera- 348 Jahres-Bericht logie‘ über jene Motive seiner Zurückgezogenheit andeutungsweis geäussert, 1829 erschien seine erste grössere Arbeit in deutscher Sprache, die „An- fanggründe der Mineralogie“. Nach Mohs’s Ableben (1839) trat Haidinger als kaiserlicher Bergrath in den östreichischen Staatsdienst (1840), durch Vermittelung des Fürsten August Longin Lobkowitz, welcher bei der von ihm geleiteten „‚kaiserlichen Hofkammer im Münz- und Bergwesen“ eine neue Mineraliensammlung angelegt hatte und den ihm auf einer Reise bekannt gewordenen Haidinger mit deren Ordnung und Aufstellung betraute, was für Haidinger Anlass nicht nur zu Abfassung mehrer Schriften, sondern auch zur Haltung von Vorträgen ward, zu denen Jüngere Bergbeamte und Schemnitzer Akademiker einberufen wurden, Die Summe dieser Veranstaltungen gewann sich allmählich den Namen „K. k. montanistisches Museum“, und aus diesem ist nachmals die gross- artig ausgestattete, wissenschaftlich und praktisch fruchtbare „k. k. geo- logische Reichsanstalt‘“ entstanden. Haidinger war einer der Ersten in Oestreich, welche die Verbindung wissenschaftlicher Kräfte zu gemeinsamem Wirken als dringende Forde- rung der Zeit erkannten, und ihm ward das Glück, diese Forderung gegen die „Feinde der freiwilligen Arbeit“, ‚gegen die schwersten Be- denken der Polizeistaatsweisheit“ durchzuringen. (Auch auf unserem Boden ist ja dieser Kampf, obwol mehre Jahrzehende früher, auszufechten gewesen!) Angeregt durch seine Vorlesungen im montanistischen Museum, trat gegen Ende 1845 unter seiner Genehmigung eine Anzahl der Zu- hörer zusammen, um durch wechselseitige Vorträge aus ihren Fächern sich zu unterrichten, und Haidinger entwickelte diesen willkommenen Keim rasch zu der von ihm schon längst gewünschten Vereinigung, in welcher wissenschaftliche Thatsachen von den Forschern selbst bekannt- gemacht werden sollten; als ,‚Verein von Freunden der Naturwissen- schaften in Wien“ trat sie im April des folgenden Jahres in’s Leben und veröffentlichte ihre wöchentlichen Sitzungsberiehte in der „Wiener Zei- tung“. Für damals in Oestreich unerhörte Vorgänge! Bald schritt sie auch zu werthvollen selbständigen Publieationen. Um nach den Schwie- rigkeiten der ‚‚„behördlichen Genehmigung“ auch die der Ueberwachung zu besiegen, musste Haidinger dem Vereine den Charakter einer Art Universitas scientiarum geben, alle Zweige der Naturwissenschaften, selbst die Mathematik in’s Programm aufnehmen, ‚‚damit nicht später eine Statuten- widrigkeit herausgespürt werde, wenn der Verein sich etwa neben dem Gestein des Bodens um Das, was darauf lebt und webt, kümmert.“ Als man aber endlich angesichts der Arbeiten des Vereins „von staatlicher Seite der Besorgniss sich entäusserte, dass ein wissenschaftlicher Verein etwas Gefährliches sei, und allmählich auch der Vermuthung Raum zu geben begann, dass er etwas Nützliches sein könne‘ — da war für Haidinger’s Beharrlichkeit der Zeitpunkt gekommen, jenes cumulative ae BYSR.T We. der Schles. Gesellsch. f. vater], Cultur. 349 Arbeitgebiet nach und nach einzelner Zweige zu entlasten, zu deren selbstständiger Organisation; und so specialisirte sich (1849) nicht nur unter seinem persönlichen Einflusse, von den wirkenden Kräften des Vereins getragen, die „geologische Reichsanstalt“, sondern auch (1855) die Wiener ‚Geographische Gesellschaft“; nicht minder aber hat Hai- dinger durch persönliche Anregung, hat der Verein durch seine Leistungen daran Antheil, dass der schon früher angestrebte Gedanke an eine „‚Aka- demie der Wissenschaften‘‘ 1846/47 unerwartet zur That wurde. Unmit- telbar vor der Revolution von 1848, am 2. Februar d. J., hielt diese ihre glänzende Eröffnungssitzung. Wenn man erwägt, dass der weitere zeit- semässe Ausbau dieser Akademie, wie die Gründung der geologischen Reichsanstalt, eines Institutes, das in Europa nicht seines Gleichen hat, aus dem Jahre 1849 datiren, also noch mitten aus der Zeit der Stürme und Erschütterungen in Oestreich; dass wir ferner seitdem eine kaiser- liche Centralanstalt für Meteorologie und Erdmagnetismus, eine kaiser- liche Commission zur Erhaltung der Baudenkmale, und auf dem Gebiete freier wissenschaftlicher Vereinigung einen zoologisch - botanischen Verein und einen Alterthums - Verein dort entstehen sahen, gleichwie wir auch die bekannten ausgezeichneten, vielseitigen Leistungen der kaiser- lichen Hof- und Staatsdruckerei, sowie die Expedition der „Novara“ nicht vergessen dürfen, — so tritt uns einerseits die Vergleichung mit der kühnen Schöpfung der Berliner und Breslauer Hochschulen in Preussen, freilich unter noch weit zerrütteteren politischen Zuständen, und anderer- seits die Hoffnung nahe, dass in dem sonderbaren Nachbarreiche der sermanische Geist noch sein von innen heraus lebengebendes Gewicht nicht ganz eingebüsst habe; denn nur er ist thatsächlich solcher Ent- schliessungen und solcher Schöpfungen fähig, und Haidinger gebührt vor Vielen das Verdienst, diese schöpferischen Kräfte gesammelt, erschlossen, . Ihren Bewegungen Anstoss gegeben zu haben. Dass Haidinger unter den ersten ernannten Akademikern war und an die Spitze der „geologischen Reichsanstalt‘‘ gestellt wurde, ist selbstverständ- lich. Sein Leben war (sagt M. A. Becker) „reich an Thaten und merk- würdig arm an verfehlten Wünschen“. „‚‚In einem Staate, wo die unfertigen Verhältnisse jede Zuversicht auf den Fortbestand des Bestehenden, auf die Sicherung des Gegründeten ausschliessen, wo jede wirkende Kraft, ihr Zweck und Streben sei noch so heilig, sich versehen muss, vom Rost des Vorurtheils benagt zu werden, das man hier aus der Nationalität, dort aus dem Religionsbekenntniss, heut aus politischer Ansicht, morgen sogar aus der Stellung des Wirkenden holt; in einem 'solchen Staat gehört es gewiss unter die seltensten Erscheinungen, wenn ein bedeutender Mann den Trost und die Freude über das von ihm Geschaffene mit in’s Grab nimmt. In dieser neidenswerthen Lage war Wilhelm Haidinger.‘“ Noch im Jahre 1860 drohte von einem „mächtigen Gegner geistigen Fort- 350 Jahres-Bericht schritts der geologischen Reichanstalt Untergang aus Ersparungrücksichten“ ; aber zur Ehre Oestreichs und zur Genugthuung Haidinger’s rettete der Reichsrath die herrliche Schöpfung. Im Jahre 1866 trat Haidinger in den erbetenen Ruhestand; doch war die noch folgende Frist „vielleicht die ruheloseste seines Lebens“, denn jeder Tag dieser ‚Zeit von intensiv vulkanischem Gepräge mit ihren Erschütterungen und Meteoren“ brachte dem ‚‚Nestor der öst- reichischen Naturforscher‘‘ neue Eindrücke, denen er sich mit Lebhaftig- keit hingab, und weckte ihm neue Gedanken. Sein Motto war das Schiller’sche „Nie ermüdet stillestehen!“ Sein Todestag ist der 19. März; er starb nach kurzer Krankheit. Vielfache äussere Ehren knüpften, nächst dem Titel eines k. k. Sections- (d. i. Ministerial-)' und Hofraths, Prof. und zwiefachen Doctors und einer im Jahre 1856 geprägten grossen goldenen Denkmünze, sich an seinen Namen, unter anderen die Mitgliedschaft des preussischen Ordens pour le merite; eine grosse, Zahl gelehrter Akademieen und Vereine, deutscher wie ausländischer, hatte ihn zu dem Ihrigen gemacht, bei der Leopoldo- Carolina war er einer der Adjuneten. Gross auch ist die Reihe seiner veröffentlichten Arbeiten. Ueber sie giebt, namentlich soweit sie in eng- lischer Sprache verfasst oder in den Schriften der „Freunde der Natur- wissenschaften“ zerstreut sind, der nun, nachdem er so manchem ver- dienten Landsmanne ein biographisches Denkmal errichtet, auch heim- gegangene Paul Alois Klar in seiner ‚‚Libussa‘“ einen dankenswerthen Nachweis. Seine im Jahre 1858 veröffentlichte liebenswürdige Lebens- skizze Haidinger’s und das von M. A. Beck er, dem Redacteur der ‚‚Mit- theilungen der Wiener geographischen Gesellschaft“ (N. F. IV. Nr. 6; auch im Separatabdruck), veröffentlichte, von der schärferen Luft der Neuzeit durchwehte Nachwort geben ein sich wechselseitig ergänzen- des Bild. Der ersteren ist ein im Stich von Carl Mayer in Nürnberg nach Kriehuber sehr schön ausgeführtes Bildniss des damals Zweiund- sechzigjährigen beigefügt. Nachweis anderweiten Quellenmaterials, sowol für sein Leben, wie für die Kunde seiner literarischen Thätigkeit liefern beide Darstellungen in dankenswerther Fülle. — Fremd unserer Provinz und nur durch das Mitgliesband uns ver- bunden, war Ludwig Zeuschner, oder, wie die Polen den Namen sich mundgerecht gemacht haben, Zejszner. Er ist 1807 in Warschau geboren und hat dort und in Krakau gewirkt; die Polen zählen ihn dem- nach zu den Ihrigen, denn es ist ja bekannte Weise unserer liebens- würdigen Nachbarvölker in Ost, West und Nord, das deutsche Element, an dessen Bildungsquellen sie zwar fort und fort schöpfen, in herab- würdigendster Weise darzustellen und zu schmähen, aber dabei jedes Stück davon, das ihnen nützt und sich aceommodirt, als ihr nationales web der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur. 351 Eigenthum mit Beschlag zu belegen. Zeuschner, dessen Dentschthum übrigens, obwohl er beide Sprachen redete und schrieb, zweifellos ist, hat seine Schulbildung zwar auf dem Warschauer Lyceum genossen und dann 2 Jahre an ebendortiger philosophischer Faeultät studirt; die 3 fol- genden Jahre naturwissenschaftlichen Studiums aber gehören Berlin und Göttingen an, allwo er auch promovirte. Nach mehrfachen Reisen, im Interesse wissenschaftlicher Forschung unternommen, ward er Professor der Mineralogie. an der Jagellonen - Universität und nachdem er etwa 3 Jahre (1829/33) an derselben docirt, Director des Bergwesens im Frei- staat Krakau. Im Jahre 1857 an die neueröffnete medieinisch-chirurgische Facultät nach Warschau berufen, las er dort zeitweise ein Jahr lang über Mineralogie, ging aber, unter Aufgabe dieser T'hätigkeit, auch hier zum Bergwesen über und beschäftigte sich dabei hauptsächlich mit geognosti- schen und geologischen Studien. Er führte die Karpaten- Forschungen von Stanislaus Staszie und Georg Bogumil Pusch weiter. Des Letz- teren Werk „Kurzer geognostischer Ueberblick über Poleu und die nördlichen Karpaten, oder Beschreibung der äusseren Gestaltung und inneren Zusammensetzung dieses Landes“ ist deutsch geschrieben und durch den Warschauer Prof. Adam Kitajewski in’s Polnische übersetzt worden (,Krötki rys geognostyczny Polski i Karpat pödnoenych, czyli opisanie zewnelrznego uksztadcenia i zewnetrznego skdadu tego kraju“. Warschau 1330.) Als Zeuschner’s Schriften über die Karpaten und das Tatragebirge (ob ursprünglich in polnischer Sprache abgefasst, wissen wir nicht) finden wir genannt: Pomiary barometryczne Tatröw z dodaczeniem poröwnaw- czych wzgledem Krakowa spostrzezen meteorolegieznych (Barometrische Höhen- messungen der Tatraberge nebst vergleichenden geologischen Beobach- tungen; Krakau 1839). Rzut oka na budowe geologiesna Tatrow i wzniesien od nich röwnoleg®ych (Ueberblick der geologischen Formationen der Tatra and ihrer Parallelketten; Warschau 1842). Nowe lub niedokdadnie opisane gatunki skamieniadosei Talrowych (Neue oder noch nicht genau beschriebene Gattungen von Versteinerungen in der Tatra; Warschau 1846). Mono- grafiezny opis wapienia lasowego w Tatrach i pozylegdych pasmach Kar- paczkich (Beschreibung der in Kalk versteinerten Wälder in den Tatra- bergen und den anliegenden Karpatenketten; Krakau 1852). Nicht auf Karpatenstudien bezügliche Schriften Zeuschner’s nennt unsere Quelle (die Warschauer illustrirte Wochenzeitung ‚‚Ktosy‘“ (die Aehren) vom 28. November 1867) mit dem Bemerken, dass sie grösstentheils auch in deutscher Sprache erschienen seien, weshalb wir uns hier mit der Auf- führung der deutschen Titel begnügen, welche jedoch keineswegs die Arbeiten Zeuschner’s erschöpfen, vielmehr durch zahlreiche andere in deutscher und französischer Sprache zu ergänzen sein werden. „Ueber Entstehung und Alter der Basaltformation“ (Warschau 1829). „System der Mineralien nach den Grundsätzen von Berzelius“ (Krakau 1833). 352 Jahres-Bericht „Paläontologie“ 1. Theil. (Warschan 1844). „Geologie, gemeinfasslich bearbeitet‘ (Krakau 1856). ,‚Kurze Beschreibung von Wieliezka in ge- schichtlicher, geologischer und bergmännischer Hinsicht“ (Berlin 1843). „Ueber miocene Gipse und Mergel im Südwesten des Königreichs Polen“ (Warschau 1862). ,‚Ueber die Jura-Formation an den Ufern der Weichsel“ (Krakau 18341). „Anfangsgründe der Mineralogie nach dem System von Gust. Rose‘“ (Warschau 1861). Was Zeuschner’s Arbeiten über die Tatra betrifft, so fassen sie neben dem mineralogischen auch das ethnographische Moment in’s Auge» und er, der Zögling germanischer Bildung, war es, der die Bewohner dieser Berge in ihrer Eigenart für deren slavische Landsleute so zu sagen erst entdeckte, denen diese poetischen Gestalten, da selten einige von ihnen nach .der Hauptstadt sich verirrten, bis dahin nur von der Bühne her bekannt waren, wo sie am Ende des vorigen Jahrhunderts der Dichter Wojeiech (Adalbert) Bogustawski in einer Oper (?) als eine angestaunte unerhörte Neuigkeit ihnen vorgeführt hatte, ohne damit anzuregen, dass man sich eingehender mit ihnen beschäftige. Zeuschner lieferte ein genaues Bild von diesen ‚„Kierpcarzen‘‘, wie die Krakauer sie sewöhnlich nennen, ihrer Art und Eigenthümlichkeit, beschrieb ihre Lebensweise, ihre Gewohnheiten und sammelte unter ihnen einen reichen Schatz von Liedern und Sagen, und schloss so die Tatra erst auf, nicht nur ihrem Innern nach, sondern auch in ihrem, vor 20 Jahren fast noch minder als dieses bekannten ethnographischen Leben. Zeuschner ver- öffentlichte sein Werk zuerst in der „Warschauer Bibliothek‘ (Biblioteca Warzawska) von 1845 unter dem Titel: „Piesni ludu Podhalan, ezyli görali Tatrowych polskich poprzedzone wiadomoscia o Podhalanack“ (Volks- lieder der Podhalanen oder der polnischen Bergbewohner der Tatra, eingeleitet durch eine Mittheilung über die Podhalanen); in demselben Jahre noch erschien es auch im Sonderabdruck. Seine letzte Arbeit, „über Terebrateln und Rhynchonellen“, steht in der No. 294 (Bd. XII. 1871) der ‚„‚Kdosy“‘, welcher er sie vor seiner letzten Reise nach Krakau, von der er nicht mehr wiederkehren sollte, übergeben. Am 3. Januar dies. J. ward er bald nach seiner Ankunft in Krakau überfallen und durch Erwürgung gemordet. Ein glänzendes Begräbniss, an dem sich alle wissenschaftlichen Gesellschaften der Stadt betheiligten, gab Zeugniss von dem Ansehen, das er auch dort genossen. Mehr aber, als in seiner Heimat, ist, wie “ Redaction der ‚„Kdosy‘“ selbst gesteht, sein Name im Auslande a obwol jene ihm eine genauere Kenntniss des eigenen Landes in geologischer und montanistischer Beziehung verdankt. — In Berlin am 16. Februar 1806 geboren ist Julius Theodor Christian Ratzeburg. Bereits durch seinen Vater, welcher Professor und zugleich Apotheker an der königlichen Thierarzneischule war und sich durch eine der Schles. Gesellsch. f, vaterl. Cultur, 353 „Zoopharmakologie‘“ (2. Auflage von Schubarth) und eine lieferungweis nebst Herbarium vivum erscheinende „Gewächskunde für Freunde der Landesökonomie und Thierarznei‘‘ (Berlin 1797) bekannt gemacht hat, ist dieser Name in den Naturwissenschaften vertreten. Schon mit 8 Jahren durch den Tod der väterlichen Leitung beraubt, hatte der Knabe doch ihr bereits die für sein ganzes Leben dauernde Vorliebe für die Pflanzen- kunde und eine Grundlage der Befähigung für dieselbe zu danken. Zu- folge Wiederverheirathung seiner Mutter nach Königsberg i. ‚Pr. versetzt, besuchte er dort vom 12. Jahre ab das Collegium Fridericianum, wo J. G. Bstyak (in der Literatur rühmlichst vertreten durch seine Natur- al der höheren Thiere mit besonderer Berücksichtigung der Fauna Prussica von Lorek, durch eine Naturgeschichte des Elchwilds und botanisch-kritische Bemerkungen über die Gräser, besonders die Getreide- arten) höchlich fördernd auf ihn wirkte, namentlich durch, „praktischen“ Unterieht, d. h. durch Excursionen und Repetitorien, denen Ratzeburg darum, besonders, wenn sie mit gutem Zeichenunterrichte verbunden sind, mit Recht ein grosses Gewicht beilegt, ‚zu allen Zeiten wirksamer als der theoretische, bloss speeulative Unterricht in der Klasse“. „Hätte ich (sagt er) in meinem Leben von der Botanik nichts weiter erlangt, als die Königsberger Pflanzenkenntniss, so hätte ich diese doch besser für's Leben ausnutzen können, als eine etwa in der Jugend er- langte „‚Zellenkenntniss.“ Gleich günstig urtheilt er über die von Bäsak für die Mineralogie erhaltene Anregung und erklärt den Umstand, dass er sich erst spät in seinem Leben der Entomologie zugewandt, dadurch, dass ihm eben hierfür Bagak's Anleitung gefehlt habe. Mit einer feurigen Pietät, wie man sie heuf”wol nur selten noch bewahrt, nennt Ratzeburg in einer durch Humor und Offenherzigkeit gewürzten Autobiographie, deren Benutzung durch die gütige Vermittelung des Herrn Regier. - Rath Ober-Forstmeister Tramnitz für diese Blätter gestattet war, seine trefflichen Lehrer und beklagt, dass er, Familienverhältnissen folgeleistend, bereits vor erlangter Reife sie verlassen gemusst; auch dem nachmals (in dem Pietisten-Skandal) schwer beschuldigten Ebel stellt er ein Ehrenzeugniss aus, dessen freie Authentieität wol zur Modification des Urtheils über diesen Mann geeignet sein dürfte. Die weiter besuchten Gymnasien zu Posen und Berlin (,‚Gr. Kloster‘) boten zum Vorschreiten in den Natur- wissenschaften ihm nichts. Doch vermochte er bei Wahl des Berufes diesen nicht zu entsagen, und so ergriff er die Pharmacie, „dem locken- den Beispiele so vieler durch die Apotheke gebildeten Naturforscher, wie Hagen, Liebich, Göppert etc. folgend“. In dem noch auf den alten Fuss eingerichteten Laboratorium Wendland’s erlernte er die praktische Chemie, dabei Zeit erübrigend, das Geleistete auch theoretisch zu ver- arbeiten, Vorlesungen zu hören, wissenschaftliche Anstalten zu besuchen und in den grossen Gärten Berlin’s Pflanzen zu sammeln, wobei er, 23 354 Jahres-Bericht „wenn auch nur dureh Routine“, Kenntniss der Familien, der Pflanzen- geographie, und Uebung im Ansprechen und Behalten von Pflanzen er- langte. Hierbei sich zu bescheiden, war aber für Ratzeburg unmöglich, und so bezog er 1821 die Universität, um nun mit wahrem Heisshunger über die für ihn reich sprudelnden neuen Quellen menschlichen Wissens zunächst auf dem Gebiete der Naturforschung herzufallen“, besonders Zoologie und die damals ausgezeichnet vertretenen medicinischen Fächer frequentirend (‚Männer wie Hufeland, Hecker, Rust, Graefe, Neumann, Behrends finden sich wol so leicht nicht wieder zusammen“). Er merkte aber bald, dass ihm in der Zwischenzeit ‚‚eine gute Portion von den humanioribus abhanden gekommen sei.“ Dies und das bisher erlassene Abiturientenexamen holte er nun nach, hörte Böckh, K. Ritter, Benecke, Schleiermacher ete., und dankte in kurzem seiner „verbesserten Latinität‘‘ den Gewinn eines Preises durch eine Arbeit über das Thema ‚‚Quaenam inter ubrumque sexum discrimina locum habent, praeter generationis organa‘. Zwischenzeiten seines 5 jährigen akademischen Studiums würzte er durch Reisen theils in die deutschen Gebirge, theils zum Besuche fremder Musen- sitze (Halle, Göttingen, Dresden), überall mit Gleichstrebenden, Aelteren wie Altersgenossen, bereits Verbindungen anknüpfend, die zumtheil später ihre Früchte tragen sollten; so mit Göppert (wie Ratzeburg genau an- merkt) am 15. September 1822 in der Wiesenbaude. Hier trafen, wie Dr. Ascherson mittheilt (der den Vorgang jedoch in’s folgende Jahr verlegt), auf einer wissenschaftlichen Reise Ratzeburg und sein Freund, der jetzige Petersburger Akademiker J. F. v. Brandt aus Berlin mit Göp- pert aus Breslau zusammen und schlossen dort, von gleichem Streben durch- glüht, von gleichen Interessen getragen, einen Freundschaftsbund für das Leben. Sie verabredeten scherzweis, nach 50 Jahren sich auf der Schneekoppe wiederum zu vereinigen, und trennten sich, jeder mit dem ernsten Vorsaize im Herzen, dem gegenseitigen Versprechen nachzu- kommen. Aber schon im nächsten Jahre, als Göppert 2 Semester in Berlin studirte, fanden die drei später zu Grössen ersten Ranges ausge- bildeten Gelehrten sich wieder zusammen, demselben Ziele entgegen- gehend und im gemeinschaftlichen Wirken und Forschen ein inniges Band knüpfend, das in der That nur durch den Tod des Einen nun gelöst worden ist. Als Ratzeburg 1825 promovirte, waren die beiden Freunde seine Opponenten. Zur Dissertation wählte er einen Gegenstand, bei dem er eigen Erarbeitetes verwerthen konnte (,Animadversiones ad Pelo- riarum indolem definiendam spectantes“ 2 Hefte 4°, im Buchhandel er- schienen), wobei ihm leider, der Kosten wegen, ein sehr bedeutendes Material an Zeichnungen und Notizen unverwerthet in Händen blieb. Ratzeburg habilitirte sich in Berlin mit einer Arbeit über die Ana- tomie des Bibers und der — von beiden Humboldt’s besuchten — Antritts- rede „‚de nivis et glaciei formis‘‘, verbündete sich literarisch mit Brandt, Se der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur. | 355 kam in das Haus Wilh. v. Humboldt’s, und hatte überdies das Glück, während Ehenberg’s grosser Humboldt-Reise in dessen Atelier in der Universität Künstlerarbeiten und Herbar zu beaufsichtigen. Mit dem Frühjahr 1830 beginnt eine neue Periode im Leben Raize- burg’s, in welche das nächste Jahrbuch des Schlesischen Forst- vereins ausführlichere Blicke thun lassen wird: die Forst-Akademie ward, und zwar plötzlich, von Berlin nach Neustadt-Eberswalde verlegt und ihm die Professur für sämmtliche Naturwissenschaften bei derselben übertragen. Nunmehr spitzte sich alle seine Arbeit in der Richtung auf das neue sie verwerthende praktische Ziel zu; wie sehr aber war ihm dabei förderlich, dass er in allen drei Reichen der Natur heimisch geworden, wie sehr so manche dabei gemachten Studien und Erfahrungen — so z. B. dass er anatomische und botanische Typen aus den verschiedensten Thier- und Pflanzenklassen studirt hatte, so dass er sie fast aus dem Kopfe zeichnen konnte, was ihm jetzt, bei den ihn vielfältig überstürzenden Arbeiten, höchlichst zustatten kam, wie nicht minder seine Sammlungen, die ihre Anfänge schon auf Königsberg zurückführen, in Berlin ansehn- lich vervollständigt (das Herbar besonders durch ausgezeichnete und zum- theil sehr seltene exotische Pflanzen), nun, da andere nicht zugebote standen, rasch mit nach Neustadt übersiedeln mussten, wo sie auch nach des Begründers Abgange als ein eben so zahl- wie werthreicher Schatz verblieben sind. In seinem neuen Wirkungskreise, ‚‚mit Leib und Seele Lehrer“, ver- fuhr Ratzeburg gemäss dem schon angedeuteten Grundsatze: die Praxis, das Studium im Freien war ihm eine Hauptsache; daher häufige, zweck- mässig geleitete Excursionen, deren Ergebnisse er seit 1846 zur Recapi- tulation für die Studirenden, Winters und Sommers, im Excursionsbuch „Grünbuch“ eintrug. ,Nur was auf Excursionen gefunden und mit blossem Auge oder mit Lupe demonstrirt werden kann, muss ‚(auf der Forstakademie) vorgetragen werden, denn nur Das kann der Fachmann brauchen uud nachmachen“ — Dies stellt er als Grundlage seiner Methode hin, und eine 40 jährige Bethätigung, in der er viele Gene- rationen tüchtiger Forstmänner herangebildet, scheint ihm Recht gegeben zu haben. Ausgesprochen über den Betrieb des Naturunterrichts als einen Zweig der Forstpädagogik hat er sich in seinem Buche ‚‚die Natur- wissenschaft als Gegenstand des Lernens, des Unterrichts und der Prü- fung“ (1849), worin er seine Erfahrungen über die zwecekmässigste Art des Illustrirens, eine Anleitung zum Reisen mittheilen, die Concentration des forstlichen Unterrichts zur Anschauung bringen, und darlegen will, wie verwandte Fächer sich anschliessen, wie und wo Forst-, Garten- und Landwirthschaft grenzen. Er selbst war vom Beginn seines Amtes an eifrigst beflissen, seine Erfahrungen auch bald ‚im Walde selbst“ zu vermehren, unternahm zahlreiche Reisen zu forstlichen Besichtigungen 356 Jahres-Bericht und hatte manche seiner Untersuchungen im Freien mit schweren, lang- ‚jährigen Leiden zu bezahlen. Er gab sich seiner Wissenschaft mit voller Seele hin, auf seinen vielen Reisen kannte er kein anderes Interesse, als sich durch Naturbeobachtung oder durch Umgang mit Fachgenossen zu belehren. Seine Schriften sind ausgezeichnet durch Sammelfleiss, scharfe Beobachtung, selbstständiges Urtheil. ,„Obwol er (sagt Ascherson) in seinen botanischen Arbeiten stets den praktischen Gesichtspunkt festhielt und sich gegen manche neuen Richtungen kühl und selbst ablehnend verhielt, so ist doch aus denselben in vieler Hinsicht auch für die reine Wissenschaft reicher Gewinn zu schöpfen.“ Ostern 1869 trat Ratzeburg in den Ruhestand und kehrte wieder „zu einer mehr sedentären‘‘ Lebensweise in Berlin zurück, „um das früher im Drange von ‘Wald- und Amtsgeschäften versäumte Literarische nach- zuholen“, noch als Greis körperliche und geistige Frische, die Forscher- lebhaftigkeit des Jünglings sich wahrend. Ein mehre Tage vernach- lässigter ausgetretener Bruchschaden endete am 24. October unerwartet dies rastlos thätige Leben, das auch die nothwendig gewordene Operation nicht zu verlängern vermochte. — Neben zahllosen Abhandlungen, Recensionen und Nekrologen in akademischen Acten, in naturwissenschaftlichen, medieinischen, forstlichen Zeitschriften und dem von den Professoren der Berliner medicinischen Facultät herausgegebenen encyklopädischen Lexicon ist die Reihe grösserer Schriften Ratzeburg’s nicht gering. Mit Brandt gab er für ihre gemein- samen Vorlesungen über Pharmakologie in Verbindung mit Naturgeschichte (wie sie später nicht wieder gehalten worden sind) eigens construirte Tabellen heraus, ebenfalls mit Brandt gemeinsam die noch heut unüber- troffene ,„„Medicinische Zoologie“ (1829), Fortsetzung von Hayne’s Dar- stellung der Arzneigewächse, und einen nach natürlichen Familien ge- ordneten Auszug hieraus (1829 —48, 4 Bände). 1842 veröffentlichte er „Forstnaturwissenschaftliche Reisen“. Ratzeburg’s „Abbildung und Be- schreibung der in Deutschland wild wachsenden und in Gärten im Freien ausdauernden Giftgewächse“ (1834) ist allgemein als das vorzüglichste Originalwerk über diesen Gegenstand anerkannt. Seine ‚„Naturgeschichte der Forstinsecten“ (1839—44, 5 Bde) gilt für epochemachend namentlich in biologischer Hinsicht. Dem folgten die „Ichneumone der Forstinseeten“ (1844—52, 3 Bde.) In „Die Unkräuter und Standortsgewächse“ (1857, 1860, 2 Bde.) giebt er eine Naturgeschichte der für den Forstmann wich- tigen wildwachsenden Pflanzen; in „Die Waldverderbniss‘‘ (1866; 6 Auf- lagen, stets neu bearbeitet) eine Darstellung der durch die Angriffe schäd- licher Thiere an den Waldbäumen bewirkten pathologischen Veränderungen. Die Herausgabe seines unbeendet hinterılassenen Werkes, des „‚Forstwissen- schaftlichen Schriftsteller-Lexicons“, hat Dr. Ascherson übernommen, selbiges wird wol auch eine vollständigere Aufzeichnuug von Ratzeburg’s a a in _ ame": 9 - r der Schles. Gesellsch. £. vaterl. Cultur. 357 eigenen Schriften bringen, als sie hier möglich. Ausserdem finden wir nekrologische Mittheilungen über Ratzeburg in Bernard Danckelmann’s „Zeitschrift für Forst- und Jagdwesen“ IV. Bd. S. 307 und in Grunert’s „Forstlichen Blättern“ I. Jahrg. Heft 2. ,Hochgeschätzt von Botanikern wegen seiner morphologischen Arbeiten, unantastbare Autorität im Gebiete der für das Nationalwol so wichtigen Forst -Inseetenkunde‘‘ nennt ihn Göppert; „als klassisch bezeichnet die Wissenschaft schon längst seine auch durch künstlerische Ausstattung hervorragenden Werke.“ Vielfach und nicht immer mit dem schuldigen Danke sind sie excerpirt worden. Von der Wissenschaft aber ward ihm dieser neben dem des Staates (Titel: „Geh. Regierungsrath“, mehre Orden) durch Benennung mehrer Species im Thier- und Pflanzenreiche nach seinem Namen. Druckfehler - Berichtigungen. Seite 9, Zeile 10 von oben lies: der Kohle. Seite 10, Zeile 13 von oben: eigenthümliche statt eigentliche. Seite 10, Zeile 13 von oben: Naturforscherversammlung. Seite 11, Zeile 22 von unten: Ursprung des Harnstoffes. Seite 11, Zeile 12 von unten: Ovariotomie. Seite 139, Zeile 6 von oben: Vertheilung statt Vortheile. Seite 210, Zeile 3 von unten: vasomotorischen. Druck von Grass, Barth & Comp, (W. Friedrich) in Breslau, ‚BENMUNDUNRY) 431 —— — — m — Sm m