Kibrarp of the Museum OF |

COMPARATIVE ZOÖLOGY,

AT HARVARD COLLEGE, CAMBRIDGE, MASS,

Founded by private subscription, in 1861.

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Zoveiundruündizigesver

Jahres-Bericht

der

Schlesischen Gesellschaft

für vaterländische Gultur.

Enthält

den Generalbericht über die Arbeiten und Veränderungen der Gesellschaft

im Jahre 1S7#.

—— GT

Breslau. G. P. Aderholz’ Buchhandlung. _ m 1875.

Inhalt des 52. Jahres-Berichtes.

Seite,

Allgemeiner Bericht über die Verhältnisse und die Wirksamkeit der Ge-

sellschaft im Jahre 1874, vom General-Secretair, Staatsanwalt Vllech LE a ee Re ar eruke Barren 1

Kurze Uebersicht der im Jahre 1874 thätig gewesenen Sectionen:

E Diernatuzwassenschaftliche) Sechone er u rl een, 5 Se entomolosische, Section 2. Sn nee ea 6 v botanischer Jechiong® rn. 2 ta ehe SS ar helle older. 6 = meteorologischessechona kr. sn ol Serge ee a 7 Mi vaedieinise kensectionge er ee Eee er er 8 asection Tür Obst- und) Gartenbau 42... Aus aeuneue Aaaee n 10 Pr lechnischen necuan ara act Ser Te er el ae 11 PerhistorischeDection unse near ee ee: 11 OR JURIS schen Seh One rer ee ee. an Re uloloeischen Sechone ns een eerr 11 musikalische, Sechion.r Pa 20 Sea a 12 ne archäologische®se chion m „un Ben. ae ee a 12

Bericht über die Kassen-Verwaltung pro 1873, vom Kassirer, Geh. Com- HIER ZIe NEAR ACH eher. 12

Bericht über die Bibliotheken der Gesellschaft im Jahre 1874, vom Bibliothekar) LocharsDeckern en... ee 13

Bericht über die naturhistorischen Sammlungen der Gesellschaft für das Jahr 1874, vom Conservator Prof. Dr. Koerber ............... 19

Bericht über die Thätigkeit der einzelnen Seetionen.

I. Naturwissenschaftliche Section.

Geh. Bergrath Dr. Prof. Römer: über die geologischen Verhältnisse des Gotthard-Tunnels; desgl. über das Donez’er Steinkohlengebirge und einen am Kitzelberge bei Kauffung gefundenen Bären-Unter- VElEH KT REDE RE ODE TE EURE RRERE ORTEN

über Erwerbungen des mineralogischen Museums während der jüngsten Zeit und im Besonderen über diejenige der Göppert- schen Sammlung fossiler Pflanzen; desgl. über einen Unterkiefer des Elasmotherium Fischeri Desm. und einen in Schlesien gefundenen Schödelides, Moschusochsens 00. a

Geh. Bergrath Prof. Dr. Römer: über eine mit Knochen ausgestorbener Säugethiere erfüllte Höhle bei Olkusz im Königreich Polen; desg]. über Blitzröhren und ein neues Vorkommen gediegenen Kupfers bes Borncheny unterm Hioherziedebern 2 nee

Dr. Ottokar Feistmantel, Assistent am mineralogischen Museum: über das Vorkommen der Noeggerathia fohosa im Steinkohlengebirge Ober-

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II Inhalts -V erzeichniss,

Dr. Ottokar Feistmantel: über ein neues Vorkommen von silurischen Diluvialgeschieben bei Lampersdorf ............u2..222ccncneee

Dr. Th. Liebisch: über die mineralogische Zusammensetzung des Gesteins von der Ostseite des Schäferberges bei Gottesberg..............

Prof. Ferd. Cohn: über mikroskopische Organismen in der Luft......... Geh. Rath Prof, Dr. Göppert: über den sogenannten goldenen Stollen bei Rein EVA NN 2, HR A. BREMER SANT NE AN

über die Beziehungen der Stigmarien und Sigillarien der Stein- kohlenformation.tm: 221. 1.211 BUERRNIRERN 2ER NINE HEELIRE VRRLHNR

über die Gründung der Heilquellen von Jastrzemb und Goczalkowitz und Öberschlesiens Reichthum an Steinkoblen...................

Geh. Med.-Rath Prof. Dr. Lebert: über Wasserspinnen des Genfer Sees... Dr. G. Joseph, Docent an der Universität: über kraniologische Diagnostik der: amerikanischen Affengattungen.. ... m... na... Staatsrath Prof. Dr. Grube: über Melanismus bei Säugethieren ......... über Comephorus baicalensis und Coregonus maraena ...........22....

über die Lebensweise und Fortpflanzung des Aals ..............

über die Fortschritte in der Kenntniss der Phyllopoden in den letzten zweinDeeennien #2: 2.40: 1..222. 2292 ae

über die Familie der Aphroditeen (Hermionea und Sigalionina) ..

Nachtrag zur Uebersicht der Lycerideen im Jahresbericht für VSTarp Dane ne: aan en ns A SEEN BAUT ENNE

II. Bericht über die Thätigkeit der botanischen Section.

Dr. Gscheidlen, Privatdocent: über biologische Verhältnisse der Bacterien Lothar Becker: über Pilze Australiens nnd Djawas................... Schilderung der Vegetation des Sprottebruches..................

Dr. Schumann: über die Anatomie der Samenschale von (amna......... B. Stein: über Reizbarkeit der Blätter von Aldrovanda vesiculosa .........: Dr. Stenzel, Oberlehrer: Ausflug nach der kleinen Koppe.............. Dr. Schneider: über neue Beiträge zur schlesischen Pilzflora aus der Fa- mie der Ushlaemeen und Unedineen are 2 en an

Prof. Dr. Koerber: über die Schwendener-Bornet sche Flechtentheorie... Limpricht, Mittelschul-Lehrer: über die Laubmoose der Hohen Tatra ... Geh. Rath Prof. Dr. Göppert: Berichtigungen in Betreff des Scolopendrium, Pieris hieracioides, nebst Bericht über abnorme Kartoffeln .........

Bericht über die 5. Wanderversammlung der schlesischen Botaniker zu Camenz am 31. Mai 1874. Director Winkler: über die Vegetation

der Sierra Nevada. Geh. Rath Prof. Dr. Göppert: über die Ge-

schichte der Gärten. Obergärtner B. Stein legt Lathraea clandestina,

Cytisus Adami, Nymphaea alba mit rosenrothen Blumen, Bastfasern

von Asclepias Cornuti ete. vor. "Prof. F. Cohn: Demonstrationen

betr. Samen, welche zwischen feuchtem Lackmuspapier keimen,

und den Sachs’schen Versuch. Prof. Dr. Kroker in Proskau:

Bericht über ein neues, an Diatomaceen sehr reiches Schlamm-

lager zu Pallowitz (Rybnik). Dr. O. Kirchner: Zusammen-

stellung der im Diatomeen-Mergel von Orzesche beobachteten Diatomeen. Kaufmann R. Jäschke: Bericht über Dr. G. Hie- ronymus’Reise in Tucuman etc. Geh. Rath Göppert: Bericht des

Apoth. Wetschky in Gnadenfeld über seine Reise in Unter-Italien

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a a nun,

Inhalts -Verzeichniss.

Geh. Rath Göppert legt vor: v. Thümen’s Herbarium oeconomieum mycolo- gieum und den Prospect von dessen begonnener Mycotheca unwersahs ete.

„Prof. F. Cohn: über die Algen in den Thermen von Johannisbad und Tanideeksit.2. 3: 007: REED. ON a VASEN IT

Bericht über Prof. Hieronymus’ Untersuchungen betr. die Ent- wickelung der Wurzelspitze bei Gramineen und Üyperaceen......

Lehrer Gerhardt in Liegnitz: Die Grundseen bei Arnsdorf, und Nova der Flora .von, Lieonitz aa La Rn. Oberbergamts-Secretair Langner: über Abnormitäten bei dicotylen Samen G. Limpricht: Novitäten aus der Laubmoosflora der Hohen Tatra....... Geh. Rath Göppert: über Einwirkung des Frostes auf die Gewächse .... R. v. Uechtritz: Die bemerkenswerthesten Ergebnisse der Durchforschung der schlesischen Phanerogamenflora im Jahre 1873.............. Biographie des Generals Albano v. Jacobi; dessen wissenschaftlicher N achlasser ern See DE a N

III. Bericht über die Thätigkeit der entomologischen Section, erstatttet von dem Secretair derselben, K. Letzner.

C. Fiekert: über die schlesischen Arten des Araneidengenus Clubiona Latr... Gutsbesitzer Naacke: die lepidopterologische Fauna der Reinerzer Gegend EDremed. VWocke: tin Schlesien. neue bepidopteren... ................ Hauptlehrer K. Letzner: über Käfer, welche ihre Verwandlung in Mehl- wiEmhecken‘ durchmachenin. rn A A

-—— Larve und Puppe des Gnathocerus cornutus L.......:.............-

über Lebensweise einiger Cryptophagus-, Lathridius- und Corticaria- PN NASEN BAER AR A

_ Strophosomus obesus Marsh. als Waldverderber ....................

über den Status der Coleopterenfauna Schlesiens Ende 1874 .....

über die geringe Verbreitung der die schlesischen Coleopteren be- teeitenden® Biteratur OWN ET EN ee 2

rnubers Metastemmal qubtular Bis: 202: an se ee

IV. Bericht über die Thätigkeit der medicinischen Section,

abgestattet von den zeitigen Secretairen, Professor Dr. Freund und

Professor Dr. Gscheidlen.

Dre Bandauzuber endemische, Buenperalneber,.... eu... Sanitätsrath Dr. Biefel: über den Werth der klimatischen Winterkuren bei kungenschwindsueht 2... rs Boa en ne er Med.-Rath Prof. Dr. Spiegelberg: über die differentielle Diagnose der cystischens Myomerdesulteruss Mate er an:

Dr. Landau: über Magen- und Darmblutung bei Neugeborenen.......... Dr. Moritz Traube uud Dr. Gscheidlen: über Fäulniss und den Wider- stand der lebenden Organismen gegen dieselbe ................

Prof. Poleck: über gerichtlich-chemische Analyse im Anschluss an einen interessanten Iorensischen Haller een ner ee

Dr. H. Cohn: über Vorarbeiten für eine Geographie der Augenkrankheiten Dr. Osc. Berger: über progressive Muskelatrophie und progressive Bul- barkern-Paralyset. 1 Mal ar AD EHLERS BR SEN N EN RR.

demonstrirt 2 Männer mit angeborenem Defect der Brustmuskeln

IV Zuhabe -Verzeichniss.

Prof. Dr. Heidenhain: über den Vorgang der Harnabsonderung ........ Dr. Sommerbrodt: über seine Anwendung der comprimirten oder ver- dünnten Duiltt, n.e DR SU EE

demonstrirt ein von ihm construirtes Stativ mit Lampe als eine Ergänzung zum kleineren Thobold’schen Kehlkopfspiegel......

Prof. H. Cohn: über Hemiopie bei Hirnleiden ...................n....... Dr. L. Landau: über die Beziehung der Fäulnissbacterien zu den Wund- fiebern und accidentellen Wundkrankheiten .....................

Geh. Sanitätsrath Dr. Grätzer: über die Breslauer Cholera-Epidemie des

Jahres 1873..... Be TREE DRBRR TITTEN SE EN Dr. Th. Körner: über einen Fall von Entfernung einer seit fast 8 Jahren im Korper beimdlichen /Gewehrkugeltan.n 2200 MER. Dr. Marle: über physiologische Untersuchungen und klinische Erfahrungen über Supkmat MI. AI II EEE FLTIN IE Geh. Rath Prof. Lebert: über klimatische Sommer- und Winterkuren bei Brustkrankheiten ee ee RE Se Med.-Rath Prof. Fischer: demonstrirt eine angeborene lipomatöse’ Ver- STÖSSETUNG ......u-nneenseenennsanrer nenne une seen enennnnn: Dr. Weigert: demonstrirt conservirte Recurrensfäden ................... Dr. Krauskopf: zur Beurtheilung der Wirkung des pneumatischen Apparats

Prof. Freund: Gedächtnissrede auf S. Fischer, prakt. Arzt in Breslau ..

über die pathologische Diathese der serösen Häute..............

Dr. Maas: über die Exstirpation des Kehlkopfes......................... Med.-Rath Fischer: demonstrirt ein Careinom des Oesophagus........... Dr. Fränkel: über die Combination von Hypoplasie der weiblichen Genital- Organe: mit !Chlorose# >... 02. JENE EN RS MEER ee a Ne

Dr. Grützner: physiologische Untersuchungen über Harnsecretion........ über eine neue Methode, Ptyalin quantitativ zu bestimmen.......

Dr. Berger: über Gelenkneuralgien mit Bemerkungen zur Behandlung der Ischias und der therapeutischen Verwerthung des Coroton-Chloral-

Hydrats an NR. PR NEO RATEN DH URR In A Med.-Rath Fischer: über Exstirpation der Scapula..................... 33 demonstrirt ein seltenes Fussgeschwür ..........-. --22.--2200-

Dr. Gscheidlen: über den Nachweis des Rhodans in thierischen Secreten und das Vorkommen desselben im Harn........................ Apotheker Jul. Müller: über die antiseptische Wirkung der Salieylsäure gegenüber der Carbolsäure und praktische Anwendung der ersteren Med.-Rath Fischer: demonstrirt einen Fall von Bulbärparalyse mit pro- Soressiver Muskelatrophie... v2. on. 0 ee rere

Prof. Voltolini: über ein neues Kehlkopfspeculum .............-....... Dr. Martini: über doppelseitige Hydroenephrose......................... Dr. Gscheidlen: über die Widerstandsfähigkeit des Organismus gegen Fälinass.. a ne ee ee ee BR ee

Dr. Litten: Untersuchungen über den Verschluss der Art. mes. sup. und das Zustandekommen des hämorıhagischen Infarets des Darms...

Dr. Berger: über, sehnellende; Bingen, 0.1... 2.2 eLE ee Dr. Gscheidlen: demonstrirt 1) einige Vorriehtungen die bei Respirations- versuchen von Bedeutung sind, 2) über die Knop’sche Methode,

3) eine neue Form der Noäö’schen Thermosäule ................

Inhalts-Verzeichniss.

V. Bericht über die Thätigkeit der historischen Section, erstattet von Direetor Dr. Reimann, Secretair derselben.

Oberlehrer Dr. Bobertag: über Ziegler’s asiatische Banise und Lohen- stein’s Arminius und Thusnelda........... RR AERN De en Priv.-Docent Dr. Th. Lindner: über den schwäbisch-rheinischen Städte- Ibundbiszums JahrslSSs Asse. U A Archivrath Prof. Grünhagen: über die Besitzergreifung Schlesiens durch Rriedrich densGrossemen gr un. ED. BUS AL an. Director Reimann: iiber den Abfall Livlands vom deutschen Reich ...... Archivrath Prof. Grünhagen: über Schlesien in den nächsten Monaten nach dewischlaehtibei Mollwitz N. 238 20. UEBORT NARI Ausflug von Mitgliedern der Section nach Münsterberg und Heinrichau.... Prof. Dr. Lindner: über die Erwerbung Ungarns durch Sigismund ...... Dr. Bobertag: über die Tragödie bei den schlesischen Dichterschulen ... Prof, Dr. Palm: über die Zusammenkunft der schlesischen Fürsten und Ständenim"Octhoberlo20 RE N ER Rn DR IRE NO RE Prof. Dr. Kutzen: über die mährisch-schlesischen Sudeten...............

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VI. Bericht: über die Verhandlungen der Section für Obst- und Gartenbau

vom Kaufmann und Stadtrath E. H. Müller, Secretair derselben.

Prof. F. Cohn: über die Beziehungen der Pflanzenphysiologie zur Blumen- enlturzundA@artenkunst Ra I Geh. Rath Prof. Göppert: über in Wassergläsern gezogene Hyacinthen und die Temperaturverhältnisse, unter welchen Samen keimen und Bilanzens wachsen te ee N ET INES NEIN Kunstgärtner Friekinger in Laasan:, demonstrirt neue Varietäten von Primula chinensis und spricht über die Cultur des Eupatorium guate- malense und des Ageratum Wendland ........2.22.22222022eneeeennnn Lehrer Oppler in Plania: über die dort betriebene Korbflechter-Industrie und ein Verfahren, schwer keimende Samen bald zum Keimen zu RE oe Kehren Baal nehrkee he DR Obergärtner O. Lorenz in Bunzlau: Bemerkungen zu seinem Aufsatz über den Sperling und über seine Versuche, Cydonia japonica auf Weiss- donıWzu vere de Inktnne ERNEST. N N eh nee Obergärtner O0. Lorenz in Bunzlau: über die Behandlung der Stangen- bohnen und Levkoyenpflanzen .....: OB N REITER Seile Ober-Hofgärtner Schwedler in Slawentzitz: Erfahrungen in Betreff künst- licher Dunemitbele er ME RN. Apotheker M. Scholtz in Jutroschin: Zubereitung der Tomate als dauerndes COMPOSITE SR? RE LT HRS SL TEEN. Kunstgärtner R. Grubert in Roschkowitz: über die Gurke „Rollison’s Melegraphtra. Da Pe N N ee AR RL rn Herr Junge: über’ die genannterl@urke’.. 10 ‚nen vollen msn. Geh. Rath Prof. Göppert: demonstrirt Hyacinthen in mit Strychnin ver- Siftetem Wasser. tn. RE rt Juwelier Herrmann: Erinnerungen an die Wiener Weltausstellung 1874 . Hofgärtner Peucker in Rauden O.-$.: über neuere empfehlenswerthe Gaxtengeräthe,.. 7 u N ee a en ee

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VI Inhalts-Verzeichniss.

Hofgärtner Goetz in Slawentzitz: empfiehlt die Herbstpflanzung der Obst-

EIN ONE er rar ATS DD RNHGENDRD Por usleie Drahtwaarenfabrikant Algoever: demonstrirt Kolben von Crosby sweet corn Juwelier Herrmann: legt Erstlingsfrüchte vor. ..................2.. 200. Geh. Rath Prof. Göppert: über Varietäten der Kiefer und Eiche ........ Gartendirector Gireoud in Sagan: Verbenen-Samen zum Keimen zu bringen Kunstgärtner Kühnau: über gefüllte Antirrhinum majus .......-....-:r0r.: Stadtrath E. H. Müller: Mittheilungen über das Ableben des Handelsgärtners

Galleicher iniStriegau ic. 2a a Geh. Rath Prof. Göppert: über das Paquet’sche Verfahren, mit Erde zu

hoch bedeckte Bäume zu neuem Wachsthum zu bringen ........ Apoth. M. Scholtz in Jutroschin: über eine Meerrettigpflanze mit weissem

Blattstiele andere Beispiele von weisspanachirten Blätter ..... Obergärtner Schütz in Wettendorf (Ungarn): die Coniferen in der Land- schäftseärtnerei . nee ann HE AH LERT SSR re

C. Becker, Mädchenschul-Lehrer in Jüterbog: für Obstbaumbesitzer...... Bericht des Secretairs, betreffend die Section im Jahre 1874.............. C. Friekinger: über Eupatorium guatemajense als Winterblüher...........- Apoth. M. Scholtz in Jutroschin: Zubereituug der Tomate als dauerndes Compet HAN FEDER al NAH re A Ar IR OR Obergärtner J, Janauschek in Banat-Komlos (Ungarn): Hochstamm-Cultur des: Plumbago 'eapensis! IR... .m Sr EB nn er Hofgärtner W. Peicker in Rauden O.-8.: Einiges über Gartenwerkzeuge . Kunst- und Handelsgärtner W. Kühnau: Bemerkungen über ein von ihm gezüchtetes Antirrhinum majus fl. pl. ....... RN Apoth. M. Scholtz in Jutroschin: eine neue prachtvolle Zierstaude (Armo- Far, Sahvanvan.) nn ee rn. eek: Na EEE Lehrer F. H. Hiller in Brieg: über die Hindernisse der Obsteultur ete. .. Kunstgärtner ©. Pfeiffer in Zölling: Beitrag zur Erziehung wurzelächter Iiosen ausySamentee va Ara ee re ee Ober-Hofgärtner Schwedler in S$lawentzitz: eine kleine Reiseskizze...... Apoth. M. Scholtz in Jutroschin: Beiträge zur Kenntniss solcher Pflanzen, welche im Winter wenig oder gar keines Lichtes bedürfen...... A. Schütz, Obergärtner in Wettendorf (Ungarn): die Coniferen in der lyandschaftseärtnerer. A... an ak Meere Asa Kunstgärtner J. Siegert in Lissa i. Schl.: Beobachtungen über den Frost- schmetterling

re

Apoth. M. Scholtz in Jutroschin: Abermals gegen den Sperling.........

Zimmermeister ©. R. Krause: Birnenstämmchen aus Stecklingen resp. DERKELN DEZODEN NE TE EL EN ER EEE EL

J. Jettinger, Gärtner der Section: Culturergebnisse einiger an Mitglieder der Seetion veriheilten Gemüsesamen...............2....r ce. Stadtrath Müller, Secretair der Seetion: Statistische Notizen.............

VII. Bericht über die meteorologische Section,

erstattet vom Secretair derselben, Prof. Dr. Galle. I STARS RI Ken „LOS BAR

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Allgemeiner Bericht

über

die Verhältnisse und die Wirksamkeit der Gesellschaft im Jahre 1874, abgestattet in der allgemeinen Versammlung am 30. December 1874 von

dem Kgl. Staatsanwalt v. Uechtritz,

zur Zeit General-Secretair.

In der am 2. Januar 1874 unter dem Vorsitz ihres verehrten Präses des Geh. Medizinalrath Prof. Dr. Göppert abgehaltenen allgemeinen deli- berativen Versammlung der Schlesischen Gesellschaft für vaterländische Cultur erfolgte für die Etatszeit 1874/1875 die Wiederwahl der bisherigen Mitglieder des Präsidii mit Ausnahme des von Breslau verzogenen Herrn Oberbürgermeister Hobrecht, an dessen Stelle Herr Professor Dr. Poleck neu gewählt wurde.

Das Präsidium bestand hiernach für die neue Etatsperiode aus den Herren:

1) Geh. Regierungsrath Bürgermeister Dr. Bartsch,

2) Appellationsgerichts-Präsident Dr. Beelitz,

3) Geh. Oberbergrath Berghauptmann a. D. Dr. v. Carnall, 4) Geh. Commerzienrath, Stadtrath Franck,

5) Professor Dr. med. Förster,

6) Director d. Kgl. Bauschule Dr. Gebauer,

7) Geh. Med.-Rath Professor Dr. Göppert,

8) Geh. Reg.-Rath, General-Landschaftssyndieus v. Görtz, 9) Kgl. Kammerherr Graf von Hoverden-Plencken, 10) Professor Dr. phil. Kutzen,

11) Geh. Reg.-Rath Professor Dr. Löwis,

12) Dr. phil. Reetor Luchs,

9 J ahres - Bericht

13) Stadtrath und Kaufmann E. H. Müller, 14) Professor Dr. phil. Poleck, 15) Staatsanwalt v. Uechtritz.

Das neu gewählte Präsidium constituirte sich am 6. Jauuar d.J. und wählte durch Aecclamation wiederum:

‚Herrn Geh. Med.-Rath Prof. Dr. Göppert zum Vorsitzenden, Herrn Geh. Reg.-Rath v. Görtz zu dessen Stellvertreter,

den Kgl. Staatsanwalt v. Uechtritz zum ersten,

Herrn Prof. Dr. Kutzen zum zweiten General-Secretär, und Herrn Geh. Commerzienrath Franck zum Kassirer.

Dem Präsidium war es nicht beschieden, das Ende des Jahres ohne schmerzlichen Verlust zu erleben. Herr Geh. Oberbergrath und Stadtrath Dr. v. Carnall, ein Mann, der durch unermüdliche und erfolgreiche Thätigkeit für die Wissenschaft, für die Provinz und Vaterstadt, beson- ders auch für unsere Gesellschaft seit Jahren gewirkt hat, wurde ihm nach kurzem Kranksein am 17. November durch den Tod entrissen. Und wenn die Gesellschaft auch bereits in den Tagesblättern die Trauer über ihren schmerzlichen Verlust ausgesprochen, so sei doch auch an dieser Stelle Ausdruck gegeben der Trauer um den Hingang dieses auch für uns un- ersetzlichen Mannes, welcher der Gesellschaft seit 1857, dem Präsidium seit 1869 mit reger Theilnahme und der Fülle seines Wissens angehört hat.

Ausserdem verlor die Gesellschaft durch den Tod:

die wirklichen Mitglieder: Partikul. Barchewitz, Dr. med. Fischer, Kaufm. Hildebrand, Geh. Commerzienrath v. Kulmiz, Pastor Letzner, Dr. med. Schiller, Dr. med. Sanitäts-Rath Viol, Dr. Vollrath, Lehrer an der Gewerbeschule in Brieg;

ferner das Ehrenmitglied General der Infanterie v. Jacobi in Berlin, der eine so lange Reihe von Jahren hindurch unserer botanischen Section zu besonderer Freude und Zierde gereichte;

und endlich die correspondirenden Mitglieder: Dr. phil. Dingler in Augsburg, Apotheker Koch in Oppeln, Dr. Mädler, Prof., Kaiserl. Russ. Wirkl. Staatsrath a. D. in Bonn.

Durch Ausscheiden verlor die Gesellschaft im Laufe des Jahres 3 Mitglieder.

Dagegen sind in dem Jahre 1874 der Gesellschaft Mitglieder neu hinzugetreten, nämlich die Herren:

Dr. med. Bröer, -— Banquier Moritz Cohn, Dr. med. Gold- schmidt, Dr. med. Gottschalk, Dr. med. Eduard Juliusburger, Regierungsrath Lampe, Dr. med. Rein- bach, Dr. med. Oscar Riegner, Kaufmann Leopold Schöller, Appellationsgerichtsrath Witte, Eisenbahn- Director Max Stappenbeck, Dr. med. P. Juliusburger, Apotheker Dr. phil. Pannes, Dr. med. Marle, Professor

der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur. 3

Dr. phil. Dorn, Dr. med. Gustav Fränkel, Rentier Overweg, Oberbürgermeister von Forckenbeck, Dr. med. Gustav Förster, Dr. med. B. Riesenfeld, Dr. med. Stadt-Bezirksphysikus Jacobi, Commissionsrath Eduard Vetter, Dr. med. Schnabel, Dr. med. Grossmann, Geh. Mediz.-Rath u. Professor Dr. med. Biermer, Dr. mec. Lasinski, Dr. med. Albert Stempel, Obrist u. Com- mandeur der 6. Artilleriebrigade Köhler, Banquier und Rittergutsbesitzer Julius Schottländer, Kaufmann Oskar Philippi, Fabrikdireetor in Eiehberg Otto Krieg, Pfarrer und Kreisschulinspector in Klutschau Mücke, Dr. phil. .Director der chemischen Fabrik in Saarau Richters, Dr. phil. in München Carl Güttler, Oberbergrath Althands, Dr. med. Litten, Assistent am pathologischen Institut.

Zum Ehrenmitgliede wurde, als er von Breslau nach Bevay über- siedelte, Herr Geh. Med.-Rath Professor Dr. Lebert ernannt.

Das Diplom als correspondirende Mitglieder erhielten:

Herr John Hutton Balfour, Dr. med., Professor der Botanik an der Universität in Edinburgh, Herr Berthold Stein, Garten- Inspector in Innsbruck.

Die Gesellschaft zählt mithin gegenwärtig 441 wirkliche Mitglieder, 186 correspondirende Mitglieder, 30 Ehrenmitglieder.

Die Section für Obst- und Gartenbau besteht für sich aus: 115 ein- heimischen, 291 auswärtigen, in Summa aus 406 Mitgliedern.

In diesem Jahre wurde der Gesellschaft die gewiss seltene Freude zu Theil, zwei seiner verdientesten Präsidialmitglieder, am 21. Mai den Geh. Reg.-Rath Bürgermeister Dr. Bartsch, am 26. November Herrn Geh. Reg.-Rath Generallandschaftssyndikus v. Görtz zur goldenen Jubelfeier als Diener des Staates und der Commune zu begrüssen. Die Gesellschaft sprach dem Geh. Rath v. Görtz in einem von Herrn Baurath Lüdecke künstlerisch ausgestatteten Schreiben ihren Glückwunsch aus; Herrn Geh. Rath Dr. Bartsch, welcher der Gesellschaft seit 1837 angehört und in den Jahren 1844 bis 1871 ihr und dadurch der Wissenschaft als General-Seeretär seine ausgezeichnete Thätigkeit gewidmet hatte, über- reichte die Gesellschaft ihre goldene Medaille für Verdienste um die Wissenschaft.

Die Gesellschaft erhielt als werthvolles Geschenk von ihrem correspon- direnden Mitgliede, Hofrath und Präsident der Gartenbau - Gesellschaft zu Triest, Herrn Ritter von Tommassini, ein Exemplar der Medaille, welche zur Feier seines 80 jährigen Geburtstages daselbst geprägt worden ist. Eine besondere Freude war es für unsere Gesellschaft, dass in den Tagen vom 18. bis 24. September d. J. die 47. Versammlung deutscher Natur- forscher und Aerzte in Breslau tagte; den Mitgliedern der Gesellschaft

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4 J RT ericht

war es hierdurch ermöglicht, sich an der Versammlung zu beiheiligen, und Eindrücke zu empfangen, die belehrend und belebend auf ihre eigene Thätigkeit in der Gesellschaft zurückwirken müssen. Es war daher ein Bedürfpiss für die Schlesische Gesellschaft für vaterländische Cultur, die Versammlung durch einen Festesgruss zu begrüssen, welcher von Herrn Professor Dr. Körber auf höchst dankenswerthe Weise verfasst, eine kurze Geschichte unserer Gesellschaft enthält (Festgruss der Schlesischen Gesellschaft für vaterländische Cultur an die 47. Verssmmlung deutscher Naturforscher und Aerzte: Breslau, den 18. September 1874). Unsere Gesellschaft hatte den Abgang ihres Bibliothekars, Redacteur Theodor Gelsner zu bedauern, welcher durch Krankheit genöthigt war, die mit srossem Fleiss und Eifer verwaltete Stelle niederzulegen. In Folge dessen wurde Herr Lothar Becker als Bibliothekar angestellt.

Im Jahre 1874 ist durch die Schlesische Gesellschaft für vaterländische Cultur neben dem Jahresberichte für 1873 ein Heft Abhandlungen ihrer philosophisch -historisehen Abtheilung herausgegeben worden, enthaltend:

Schmidt: Ein Urtheil des zur Untersuchung der Motive der im Jahre 1807 erfolgten Capitulation der Festung Schweidnitz eingesetzten Kriegsgerichts.

F. Bobertag: Analysen der Romane Georg Wicrams und Proben aus den ältesten Drucken.

Grünhagen: Dr. Samuel Gottlieb Scholtz’s sauna: Tagebuch aus dem ersten Schlesischen Kriege.

In diesem Jahre hat nur eine Allgemeine Versammlung, und zwar am 2. Januar stattgefunden, in welcher, nachdem der Generalbericht durch den General-Secretär erstattet worden war, der Bibliothekar Herr Redacteur Theodor Oelsner den Nekrolog vortrug von folgenden im Jahre 1873 verstorbenen Mitgliedern:

Prorector Professor Dr. Marbach, Apotheker Lohmeyer, Stadtgerichtsrath Dobersch, Major a. D. v. Keltsch auf Kurzwiitz, Buchhändler Josef Max.

Oeffentliche Vorträge sind in der Zeit vom 23. November 1873 bis Ende Februar 1874 in dem durch die Königliche Universität mit dankens- werther Bereitwilliekeit zur Verfügung gestellten Musiksaale auf Veran- stalten der Gesellschaft durch die Herren:

Kreisphysikus Prof. Dr. Friedberg, Prof. Dr. Gierke,

Staatsarchivar Prof. Dr. Grünhagen, Geh. Oberbergrath v. Carnall, -— Prof. Dr. Richard Förster, Dr. med. Heller, Privatdocent Dr. Gscheidlen, Prof. Dr. Erd- mannsdörfer, u. Prof. Dr. Brentano

gehalten worden. In dem Winterhalbjahre 1874/1875 werden in Folge Präsidial- beschlusses derartige öffentliche Vorträge nicht stattfinden.

der Sehles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur. / 5

Die Rechnung der allgemeinen Kasse und die über die besondere Kasse der Section für Obst- und Gartenbau ist für das Jahr 1873 durch den Schatzmeister Herın Geh. Commerzienrath Franck gelegt, und dem Schatzmeister nach erfolgter Revision Decharge ertheilt worden.

Die Vermehrung und Vervollständigung der Gesellschafts-Bibliothek und der naturwissenschaftlichen Sammlung wird durch die Berichte des Bibliothekars Herrn Lothar Becker, und des Conservators der Sammlung Herrn Prof. Dr. Körber dargelegt.

Ueber die Thätigkeit der einzelnen Sectionen haben die Sections- Secretaire Folgendes berichtet:

Die Naturwissenschaftliche Section (Secretaire: Herr Staatsrath Prof. Dr. Grube und Geh. Bergrath Prof. Dr. Römer) hat sich im Laufe des Jahres 1374 9 mal versammelt. Es hielten Vorträge: in der

1. Sitzung den 21. Januar, Geh. Bergrath Prof. Dr. Römer: Ueber die seognostischen Verhältnisse des St. Gotthardstunnels, über das Kohlenbecken des Donetz und einen ‚bei Kauffung gefundenen Unterkiefer von Ursus spelaeus. Geh. Medieinalrath Prof. Dr. Göppert: Ueber den göldnen Stollen bei Reinerz. Staatsrath Prof. Dr. Grube: Ueber einen in Schlesien geschossenen schwarzen Haasen.

. Sitzung den 25. Februar, Geh. Medizinalrath Prof. Dr. Lebert: Ueber eine in grossen Tiefen des Genfer Sees lebende Wassermilbe.

3. Sitzung den 15. April, Prof. Dr. F. Cohn: Ueber Untersuchung der

Luft mit Rücksicht auf die in ihr enthaltenen Sporen und Keime.

4. Sitzung den 13. Mai, Prof. Grube: Ueber den jetzigen Stand unserer Kenntniss von der Fortpflanzung der Aale, über die Gruppe. der Sigalioniden nnd Licidia Savignyi.

. Sitzung den 24, Juni, Prof. Grube: Ueber Comephorus baicalensis und andere dem zoologischen Museum in neuerer Zeit zugekommene interessantere Fische.

6. Sitzung den 4. November, Prof. Römer: Ueber eine Knochenhöhle in Polen, über Blitzröhren aus der Gegend von Boleslaw und gediegen Kupfer von Friedberg in Schlesien. Prof. Grube: Ueber die Fortschritte in der Naturgeschichte der Phylloxoden in den letzten 20 Jahren und eine neue Antemia.

. Sitzung den 18. November, Privatdocent Dr. Joseph: Ueber eraniolo- gische Diagnostik der amerikanischen Affengattungen. Dr. Feist- mantel: Ueber das Vorkommen von Nögerrathia foliosa im Kohlen- gebirge Oberschlesiens. Prof. Grube: Ueber einen in mehr

[SS

an

I

6 Jahres-Bericht )

als 9000 Fuss Höhe entdeckten Branchipus aus Transcaucasien

(Br. Raddeanus) und den bei Danzig kürzlich gestrandeten Finnfisch.

8. Sitzung den 2. December, Dr. Liebisch: Ueber den sogenannten Syenitporphyr von Gottesberg. Dr. Feistmantel: Ueber Vor- kommen von silurischen Diluvialgeschieben bei Lampersdorf. Prof. Grube: Ueber die Gruppe der Aphroditen, über die Gattung Scrotis und eine neue Art derselben und eine Larve von Dermatobia aus dem Schenkel eines Menschen.

9. Sitzung den 16. December, Prof. Göppert: Ueber Pflanzen der Steinkohlenformation und die Gründung von Jastrzemb. Pro- fessor Grube: Ueber eine Oestridenlarve (Cephenomyia) aus der Luftröhre des Cervus pygargas (des Sibirischen Rehes).

Die entomologische Section (Seeretair: Herr Hauptlehrer K. Letzner) hat wegen längerer Kränklichkeit, resp. Krankheit, einiger ihrer Mitglieder i. J. 1874 nur zu 4 Sitzungen sich versammeln können, in denen folgende Vorträge gehalten worden sind: 1) Herr C. Fickert: Ueber die (17) schlesischen Arten des Spinnen- Genus Clubiona Latr., darunter C. Seidel n. sp. 2) Der Kgl. Forstmeister Herr Graf Matuschka: Ueber die im August d. J. in der Schweiz von ihm gesammelten Käfer. 3) Herr D. J. Naake: Ueber die Makro-Lepidoptern-Fauna der Umgebung von Reinerz. 4) Herr Dr. Wocke: Ueber 10 für Schlesien neue Falter-Arten. 5) Der z. Secretair: a. Ueber mehrere sich in den menschlichen Wohnungen entwickelnde Coleoptern. b. Ueber Larve und Puppe des Gnathocerus cornutus Fab. ce. Ueber mehrere Anfang October d. J. von ihm auf dem Riesen - Gebirge gefangene seltenere Staphylinen. d. Ueber den Status der Coleoptern-Fauna Schle- siens am Ende d. J. 1874. e, Ueber den Reichthum der Käfer- fauna Thüringens und der Schweiz.

Die botanische Section (Secretair: Herr Prof. Dr. Ferdinand Cohn)

hat im Jahre 1874 neun ordentliche und eine ausserordentliche Sitzung gehalten; es trugen vor die Herren:

Bibliothekar Lothar Beeker: über Pilze aus Batavia und Austra- lien über die Flora des Sprottebruchs.

Privatdocent Dr. Gscheidlen: Kritisches und Experimentelles über Bacterien.

der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur. 7

Geh. Rath Prof. Dr. Göppert: über das angebliche Vorkonmen

von Sceolopendrium in Schlesien über monströse Kartoffeln über Einfluss der Kälte auf die Vegetation über die neueste Diatomeenplatte von Moeller über eine Fruchtrispe der Weinpalme.

Prof. Dr. Körber: zur Abwehr der Schwedener Bornet’schen Fleehten- theorie,

Oberbergamtsseeretair Langner: über abnorme dicotyle Samen. Mittelschullehrer Limpricht: über einen Ausflug in die Tatra über die Moosflora der Tatra.

Dr Schumann: Beiträge zur Entwickelungsgeschichte nz Gattung Canna.

Dr. phil. W. G. Schneider: Novitäten der Schlesischen Pilzflora. Oberlehrer Dr. Stenzel: über eine Excursion nach der kleinen Koppe.

Der Secretair der Section: über Monas Okeni über die Alpen von Landeck und Johannisbad.

Ferner kamen zur Vorlesung die von correspondirenden Mitgliedern an die Section eingesendeten Mittheilungen, von:

Herrn Lehrer Gerhard in Liegnitz: über die Grundseen von ns dorf bei Liegnitz.

Prof. Hieronymus zu Cordova in Argentinien: über die Entwicke- lung der Wurzelspitze bei Gramineen und Cyperaceen.

Botanischer Garteninspector B. Stein zu Innsbruck: über die Reiz- barkeit der Blätter von Aldrovanda vesiculosa.

In der ausserordentlichen Sitzung und Wanderversammlung der Schle- sischen Botaniker, welche am 31. Mai zu Camenz in Schlesien abgehalten und von 110 Theilnehmern besucht wurde, trugen vor die Herren:

Director Winkler: über die Sierra Nevada in Spanien.

Geheimrath Prof. Göppert: über die Geschichte der Gärten.

Garteninspeetor B. Stein: über blühende Pflanzen des Berliner botanischen Gartens.

Prof. Cohn: über einige pflanzenphysiologische Versuche.

Ferner kamen zum Vortrag die Mittheilungen der Herren:

Prof. Kroker in Proskau: über ein neues Lager von diatomeen- reichem Mergel in Oberschlesien.

Prof. Hieronymus: Bericht über eine wissenschaftliche Reise nach den östlichen Provinzen von Argentinien.

Die meteorologische Section (Seeretair: Herr Prof. Dr. Galle)

hat im verflossenen Jahre 1874 keine Sitzungen gehalten. Von dem unterzeichneten Secretair der Seetion wurde für den Jahresbericht die

8 Jahres -Bericht

sewöhnliche Uebersicht der auf der Sternwarte ausgeführten meteorolo- gischen Beobachtungen geliefert.

Medieinische Section.

(Secretaire: Herr Prof. Dr, Freund und Herr PrivatdocentDr.Gscheidlen.)

l. Sitzung den 16. Januar 1874. 1) Herr Dr. Landau: Ueber Wochen- bettsfieber. 2) Herr Sanitätsrath Dr. Biefel: Ueber klimatische Kurorte und die Einwirkung derselben in der Lungenschwindsucht.

2. Sitzung den 6. Februar 1874. 1) Herr Medieinalrath Prof. Dr, Spiegel- berg: Ueber Diagnose der Cystomyome des Uterus und die Ausschälung derselben aus der Peritonealumhüllung nach voraus- gegangener Laparotomie. 2) Herr Dr. Landau: Ueber Magen- Darmblutungen bei Neugeborenen.

3. Sitzung den 18. Februar 1874. Herr Dr. M. Traube: Ueber die fäulnisshindernden Eigenschaften des lebendigen Organismus.

4. Sitzung den 20. Februar 1874. Herr Prof. Dr. Poleck: Ueber gerichtlich- chemische Untersuchungen im Anschluss an einen interessanten forensischen Fall.

5. Sitzung den 27. Februar 1874. 1) Herr Privatdocent Dr. Cohn: Grund- züge einer Geographie der Augenkrankheiten. 2) Herr Privat- docent Dr. Berger: a. Ueber progressive Muskelatrophie (Demonstration); b. Ueber angeborenen Defeet des grossen Brustmuskels (Demonstration).

6. Sitzung den 6. März 1874. 1) Heır Prof. Dr. Heidenhain: Zur Physiologie des Hirn. 2) Herr Privatdocent Dr. Sommerbrodt: Weitere Beobachtungen Hber;i die Wirkung des Waldenburg’schen

\ Apparates.

7. Sitzung den 13. März 1874. 1) Herr Privatdocent Dr. Cohn: Ueber Hemiopie bei Hirnleiden. 2) Herr Dr. Landau: Versuche über die Beziehung der Fäulnissbacterien zu den Wundfiebern und zu den septischen Wundkrankheiten.

3. Sitzung den 10. April 1874. 1) Herr Geheimrath Dr. Grätzer: Statistik

der Cholera-Epidemie in Breslau im Jahre 1873. 2) Herr Dr. Th. Körner: Vorstellung eines Mannes, dem K. neulich eine im Jahre 1366 erhaltene (baierische) Kugel entfernt hat.

9. Sitzung den 24. April 1874. Herr Dr. Marle: Physiologische Unter- suchungen und klinische Erfahrungen über Sublimate,

10. Sitzung den 1. Mai 1874. Herr Geheimrath Prof. Dr. Lebert: Ueber klimatische Curen bei Brust-Krankheiten.

11. Sitzung den 22. Mai 1874. 1) Herr Medieinalrath Prof. Dr. Fischer: Demonstration einer (angeborenen) lipomatösen Vergrösserung des rechten Beines an einem Smonatlichen Kinde. 2) HerrDr. Weigert:

der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur. 9

Ueber Conservirung der Obermeyer’schen Recurrens-Fäden. (Demonstration.)

12. Sitzung den 5. Juni 1874. Herr Dr. Krauskopf: Beiträge zur Wirkung des pneumatischen Apparates.

13. Sitzung den 3. Juli. 1) Herr Prof. Freund: Ueber die pathologische Diathese des Peritoneums. 2) Herr Dr. Maas: Ueber Exstir- pation des Kehlkopfs. 3) Herr Medieinalrath Fischer: Demon- stration eines Careinoms im Oesophagus.

14. Sitzung den 17. Juli. 1) Herr Dr. Fräukel: Ueber Combination von Aplasie der weiblichen Genitalorgane mit Chlorose nebst Demonstrationen, 2) Herr Dr. Grützner: Untersuchungen zur Physiologie der Harnsecretion.

15: Sitzung den 24, Juli. 1) Herr Dr. Grützner: Ueber eine neue Methode das Ptyalin im Speichel quantitativ zu bestimmen. 2) Herr Dr. Berger: Zur Lehre von den Gelenkneuralgien nebst Bemerkungen zur Behandlung der Ischias.

16. Sitzung den 7. August. 1) Herr Medieinalrath Fischer: Ueber Exstirpation der Scapula. 2) Herr Dr. Gscheidlen: VUeber den Nachweis des Rhodans in thierischen Secreten und das Vor- kommen desselben im Harn.

17. Sitzung den 16. October. Herr Apotheker Müller: Ueber die antiseptische Wirkung der Salieylsäure gegenüber der Carbolsäure und praktische Anwendung der ersteren.

18. Sitzung den 20. November, 1) Herr Medicinalrath Fischer: a. Demon- stration eines Falles von Bulbärparalyse mit progressiver Muskela- trophie. b. Schicksal eines fremden Körpers in der Trachea. 2) Herr Prof. Voltolini: Ueber ein neues Kehlkopfspeculum.

19. Sitzung den 27. November. 1) Herr Dr. Martini: Ueber doppel- seitige Hydronephrose. 2) Herr Dr. Gseheidlen: Ueber Fäulniss und das Schicksal in den Körper gelangter Bacterien.

20. Sitzung den 4. December. Herr Dr. Litten: Versuche über den Verschluss der Arteria meseraica superior.

21. Sitzung den 18. December. 1) Herr Dr. Berger: Ueber schnellende Finger. 2) Dr. Gseheidlen demonstrirt a. eine Vorrichtung bei Respirationsversuchen nach Pettenkofer und Vört; b. den Hüfner’schen Apparat zur Bestimmung des Harnstoffs; ce. die Noösche Thermosäule,

In 21 Sitzungen sind 40 Vorträge gehalten worden, und zwar von: Herrn Privatdocent Dr. Landau 3, Sanitätsrath Dr. Biefel 1, Medieinal- rath Prof. Dr. Spiegelberg 1, Dr. M. Traube, Prof. Dr. Poleck1, Herrn Prof. Dr. H. Cohn 2, Privatdocent Dr. Berger 4, Prof. Dr. Heiden- hain 1, Privatdocent Dr. Sommerbrodt 1, Geh. Rath Dr. Grätzer]l, Dr. Theodor Körner 1, Dr. Marle 1, Geh. Rath Prof. Dr. Lebert 1,

10 a Be

Medieinalrath Prof. Dr. Fischer 5, Dr. Weigert 1, Dr. Krauskopfl, Prof.Dr. Freund 1, Privatdocent Dr. Maas 1, PrivatdocentDr. Fränkell, Dr. Grützner 2, Privatdocent Dr. Gscheidlen 5, Abotheker Müller 1, Prof. Dr. Voltolini 1, Dr. Martini 1, Dr. Litten 1.

Section für Obst- und Gartenbau. (Secretair: Stadtrath E. H. Müller.) Im Jahre 1874 hielt diese Section 11 Sitzungen. ‘Es wurden Vorträge gehalten: von Herrn Prof. Dr. Ferdinand Cohn: Ueber die Beziehungen der Pflanzen- Physiologie zur Pflanzenkultur;

von Herrn Geh. Medieinalrath Prof. Dr. Göppert: Ueber Keimungen verschiedenen Temperatur-Verhältnissen ;

von Herrn Kunstgärtner Friekinger in Laasan: Ueber Eupatorium Guatemalense und Ageratum Wendtlandi als Winterblüher;

von Herrn Juwelier Herrmann: Ueber die 5. temporäre Gartenbau- Ausstellung der Wiener Weltausstellung im Jahre 1873.

Ausserdem wurden längere Abhandlungen, kürzere Mittheilungen und Berichte auswärtiger und hiesiger Mitglieder vorgelesen, gegeben und discutirt, über die laufenden Geschäfte der Section und deren innere Angelegenheiten und über allgemeine gärtnerische Fragen verhandelt.

Durch Mitglieder der Section gespendete, in dem Garten der Section geerntete und aus verschiedenen Quellen bezogene Sämereien empfehlenswerther Gemüse und Zierpflanzen wurden auch im Frühjahr dieses Jahres wieder zum Versuchsanbau an eine grössere Anzahl Mitglieder gratis vertheilt.

Dem unter den hiesigen Mitgliedern bestehenden Lesezirkel gärt- nerischer Schriften wurden auch diejenigen Schriften zugeführt, welche von gleichen Vereinen mit denen die Section in ununterbrochener Ver- bindung steht, empfangen wurden, und der Bibliothek der Schlesischen Gesellschaft das in demselben in Umlauf gewesene Material überwiesen.

Der Pomologische und resp. Obstbaumschul- und Ver- suchsgarten, zu dessen Unterhaltung die durch Königl. Ministerium für die Landwirthschaftlichen Angelegenheiten genädigst bewillisten Subven- tionen für das vorige und für dieses Jahr dankbarst empfangen wurden, konnten mit Hülfe dieser und ausserordentlicher Beiträge von Mitgliedern in der vorgeschriebenen rationellen Weise ungestört weiter bewirthschaftet werden; auch waren die Erträgnisse desselben befriedigend.

Die Kassen-Verhältnisse der Section haben zwar nach Deckung der laufenden Ausgaben auch in diesem Jahre einen erfreulichen Auf- schwung gewonnen, es gestatten dieselben aber leider immer noch bei weitem nicht, den längst dringendst benöthigten Bau eines Gärtnerhauses in dem Sectionsgarten.

der Schles. Gesellsch. f, vaterl. Cultur. 11

Die technische Section (Secretair: Herr Dr. Ed. Meusel) hielt im Laufe des Jahres 1874 eine Sitzung; der Secretair besprach das neue Phosphoritvorkommen in Böhmen und die Quelle von Königsdorf- Jastrzemb. Die historische Section (Seeretair: Direetor Professor Dr. Reimann) hat im Jahre 1874 neun Sitzungen gehalten, es trugen vor die Herren: Oberlehrer Dr. Bobertag: Ueber Zieglers asiatische Banise und Lohensteins Arminius und Thusnelda. Prof. Dr. Lindner: Ueber den schwäbisch-rheinischen Städtebund ; bis z. J. 1384. Archivrath Prof. Dr. Grünhagen: Ueber die Besitzergreifung Schlesiens durch Friedrich den Grossen, Director Prof. Dr. Reimann: Ueber den Abfall Livlands vom deut- . schen Reiche. x Archivrath Prof. Dr. Grünhagen: Schlesien in den nächsten Monaten nach der Schlacht bei Mollwitz. Prof. Dr. Lindner: Ueber die Erwerbung Ungarns durch Sigismund. Oberlehrer Dr. Bobertag: Ueber die Tragoedie bei den schlesischen Dichterschulen. Prof. Dr. Palm: Ueber die Zusammenkunft der schlesischen Fürsten und Stände im October 1620. Prof. Dr. Kutzen: Die mährisch-schlesischen Sudeten (das sogenannte Gesenke) in ihrer Eigenthümlichkeit und ihrer Einwirkung auf menschliche Verhältnisse.

Die juristische Section (Seeretair: Appellations-Gerichts-Präsident Dr. Belitz) hielt im Laufe des Jahres 1874 3 Sitzungen.

Am 4. März sprach Herr Prof. Dr. med. Neumann über psycho- logische Reflexionen über den Entwurf zur Civil-Process-Ordnung.

Am 6. Mai Herr Staats- Anwalt Prof. Dr. jur. Fuchs sprach über die Stellung des Vorsitzenden im Criminalprocess unter Berücksichtigung des Entwurfs der Reichs-Strafprocessordnung.

Am 9. December hielt Herr Prof. Dr. med. Neumann einen Vortrag über den Kullmann’schen Process.

Die philologische Section (Secretair: Prof. Dr. Palm) hat im Laufe des Jahres sich 3 mal versammelt und hielten Vorträge: 1) Den 6. Januar Prof. Dr. Hertz: Ueber Studien und Stil des Ammia- nus Marcellinus.

12 Jahres- Bericht

2) Den 10. Februar Oberlehrer Dr. Bobertag: Ueber die Amadis- romane.

3) Den 30. März Proreetor Dr. Maass: Ueber die religiösen, politischen und persönlichen Beziehungen in Miltons Epos.

4) Den 19. Mai Proreetor Dr. Sehück: Ueber Boccaceios Darstellungen aus der alten Geschichte.

5) Den 30. Juni Prof. Dr. Förster: Ueber Libanios und zwei neu entdeckte Declamationen desselben.

6) Den 8. September Gymnasiallehrer und Privatdocent Dr. Blümner: Ueber die Bereitung des Papiers bei den Alten nach Plinius XIH $ 74.

7) Den 27. October Gymnasiallehrer Dr. Müller: Ueber die von Plutarch de facie lunae cp. 19 erwähnte Sonnenfinsterniss.

8) Den 13. December Prof. Dr. Palm: Ueber die in Tyrol neu ent- deckte Heimath Walther’s von der Vogelweide.

Die musikalische Section (Seeretair: Musikdireetor Dr. Julius Schäffer)

hat im Jahre 1874 eine Sitzung gehalten am Donnerstag den 22. October. In derselben hielt Herr Dr. Carl Fuchs aus Berlin einen Vortrag über sein zur Zeit noch ungedrucktes Buch ‚‚System der claviaristischen Thatsachen‘“. ; Die archäologische Section (Secretair: Prof. Dr. Alwin Schultz) hielt im Laufe des Jahres 1874 zwei Sitzungen, und trugen folgende Herren vor: 12 am 16. Februar Herr Prof. Dr. Hertz über einige Terracottenfiguren römischer Schauspieler aus dem britischen Museum. Der Secretair legte Heuszlmanns Ausgrabungen im Erzbisthum Kalocsa vor (Leipzig 1873). Herr Dr. Müller legt Jorbeck Herabilder vor. Am 15. Mai sprach Herr Prof. Dr. phil. Riehard Förster über die aldobrandinische Hochzeit.

Bericht üder die Kassenverwaltung pro 1873.

Der Kassenabschluss des Jahres 1872 ergab für die Allgemeine Kasse einen Baarbestand von 920 Thlr. 7 Sgr. 8 Pf., und einen Eifeeten-Bestand von 7700 Thlr.

Die Einnahmen im Jahre 1873 betrugen 3209 Thlr. 21 Sgr., gegen das Vorjahr, in welchem dieselben 3152 Thlr. 1 Sgr. 9 Pf. betragen haben, 57 Thlr. 19 Sgr. 3 Pf. mehr.

SE 4 u eu

a ran a

Kassen-Abschluss für das Jahr 1574.

Soll einkommen | laut dem Etat pro 1874/75. MP 366 | 1900 | 300 | -— | 601 | 150 | | Be 56 |— | 1001 ı

Allgemeine Kasse.

Einnahme,

An Bestand aus dem vorigen Jahre

Zinsen von Effecten: von 2400 Niederschles.-Märk. Eisenbahn-Pr.-Oblig. 34% 96 A: 1000 ‚, Bresl.-Schweidn.-Freib. Eisenb.-Pr.-Oblig. 24% 40 ,, 1200 „> » „a4 2% 54 EUR Oberschl -isenb. Pr. -Obliemkie Ben al, 2.51, , 900 „, » » b) Lit. F. a 41%. 40 "a 3) „.. 300 Preussische Pin. Anleihe a 31, % Eel0l a, „, 2000 Oberschl. Eisenb.-Pr.-Oblig. Lit. G. a 4,%. 90 100”, Sehles. Bankvereins-Anth. Dividende. ... 6 Beiträgen einheimischer Mitglieder: Pro I. Semester von 294 Mitgliedern & 3 g . 882 I. sl4 a 3 Da 942 ch} Beiträgen auswärtiger Mitglieder: Pro I. Semester von 72 Mitgliedern & 2 2: 144 ag: Duo b2) l » al, I,» u. [0 » a 2 150 eh Eintrittsgebühren neuer Mitglieder: 37 & 3 Miethsbeitrag vom Schlesischen Kunst-Verein . en 55 5 ® Gewerbe-Verein 5 Br » klassischen Musik -Verein . Jahres-Beitrag vom hiesigen Magistrat. Aussergewöhnliche Einnahmen: ge We ZP Vom Verein für bildende Künste 17 Für Benutzung des Locals . 4 Für Gasbenutzung. 3 2 ; 17 22226 Zinsen von zeitweise re (ein 5 25 22

Ist eingekommen.

Effecten.

8300

368

1824

63

3151

Baar. MM #P 12 7 15| 24 6 23 8800 [sis 22 | 1 1

|

Ausgabe 1 ° nme, Allgemeine Kasse. 1874/75. A 72 Ausgabe. 600I|—|—.| Miethe. le 180 | |— | Honorare und Remunerationen . 400|— |—| Gehalt dem Castellan 15 |— | | Neujahrsgeschenk demselben ae = dem Haushälter 100|— | Heizung 95|— |—| Beleuchtung ee 10|— | Unterhaltung der Mobilien an Nelanschaffıngen ; 30\,— —| Feuerversicherungs-Prämie 15|— | | Schreibmaterialien . 150 |— |— | Zeitungs-Annoncen . 900 I|— | | Druckkosten \ 80 || Buchbinder-Arbeiten . 40I1—|—-| Porto ; 25/|—|—| Kleine Ausgaben 1 25|— || Naturwissenschaftliche Beation } 20 | | —- | Entomologische Section. 60|—|__-| Technische Section 301—!_—- | Botanische Section. 2—|_-| Oeconomische Section |— |__| Historische Section. 80 |—| Bibliothek : 262 || Unvorhergesehene Anssnbeh Bestand am Schlusse des Jahres 1874: 2400 #5. 4% Niederschl.-Märk. Eisenbahn-Prioritäts-Obligationen. 1000 4% Breslau-Schweidn.-Freib. Eisenb.-Pr.-Oblig. ‘1200 41,% » » 900 3Y,% Oberschl. Eisenb.-Prioritäts-Oblig. Lit. R. 900 4% » » »„ Lit F. 2000 41,% » Lit. G. 300 ,„,„ 31,% Prämien-Anleihe. 100 ,,, Schles. Bankvereins-Anth.

TE EEE

Franck, z. Z. Kassirer

Ist verausgaht.

der Gesellschaft.

Effecten Baar 6: gu PM = co = ge Mn 7) ara ae zus ge = ie. 2 ee 83|28| 6 1428 26 = 20 Da, re aa 118|29 | 6 ie 1739| 25| 4 87. 19 39 = 38: Er a B: Re - =, EN | net I ee _ De = aa a = 299,17 | 6 88300 13 | 22 | 10 8800 | 3151 | 22 | ı

Kassen-A bschluss für das Jahr 1S74.

Ist eingenommen,

Ist verausgabt,

Separatkasse der Section für Obst- und Gartenbau. |ürcen] Baar Separatkasse der Section für Obst- und Gartenbau. une! Baar Einnahme. a Ausgabe. % iM

HinkdeniDesezirkell |

AnWBestendrans klem’vongen- Jahre 0.0.0200. na 00 89 | 29 | 10

JourualerungdeBilchenn. er ce SE | Golportage de.) ME RER OT ads el —_ Buchbinderarbeit . EDER IT ge eg

Extraordinanian. MUB. eu ee ee 20 | |

Mitglieder-Beiträgen: vons g3reinhemmtachenwas lag 2 u ve SD ISHRUSWALUDENARE TEL Te re en. I

Nämereien zur Gratis-Vertheilung:

Sameneienra I re NE Se ater | Empfangs- und Verlondinen Ehe En . W2SEe- LONG, 11 | |

Beiträgen für den Lesezirkel:

DOnu Re Miteliedenn) Analuaz 33%. 0.30 Cam m Rt Ra 22.2 AR Dear: re OU

Einnahmen für den Garten und dessen Erträgnisse:; ; | Insgemein: | Porto 4 Sr ee ee & Draseliukie abe 20, SP | 946 | Inserbionskoptenugsg. I 7.0. ep enge 005,210

Druckkosten. . . RN N EEE ae 18,28 Angeschaffte Werke Bo ee ee Ne KleimexAusgabengys. 72.23 ee aa 3

; Extwaordinanas. 2 mai N ee ld Extra-Beiträge zum Bau des Gärtnerhauses von 10 einheimischen und aus-

I 10 2 | wärtigen Mitgliedern ... . ....... = 28 u a = . . . . . . . . . . . . 4 55 den Garten: | Subvention von dem landwirthschaftlichen Ministerium u: ein are 5 Gärtnergehalte und Wohnungsmiethen ... . ....... 48 346 4% | | N a

Beiträge von 42 einheimischen Mitgliedern . . . 2 2 2 2.2 .2.2...48 5 192 auswärtigen en u rn I

für Edelobst-Bäume, Sträucher, Weinreben. ..... 1019 13

De ierzchiedene, Gerien Broduete Teer,

= N nee £ , a Arbeitslöhne. . . . en eu ae rue SE ae ET Dungstoffe incl. alielolier 3 188 4.209,00, | Zinsen des Effecten-Bestandes: Sämereien, Obst-Wildlinge, Edel-Bäume, Heikekin Pilahzet 168er „5 | von 1300 5 4", % Oberschl. Eisenb.-Prior.-Oblig. für 1 Jahr . 58 1: 15 %% Baulichkeiten und Utensilien) I 2... „teenlE Oo | » 800 4 4'/,% Breslauer Stadt-Obligationen für 1 Jahr. . 36 er aamnlitengs madl Due usien en ee a ln | » 200 + 4% Schles. Rentenbriefe für 1 Jahr ......8,— De N | ne 102 als | == \ 1613 | 9 | 2 in 1873 irrthümlich in Ausgabe zu viel verrechnetes Porto. . . 2 2 220. Ser; I u „, angelaufie/Hffeoten!: | angekauften 4% Schles.,Rentenbriefen.. . . . Be a 200 #4. 4% Schles. Rentenbriefe & 971,% und Zinsen 198 2. 10 u 8 | ns 3,% Oberschl. Eisenb.-Prior. OHR. ne. WÜLE, 600 +5. 31), % Oberschl. Eisenb.-Pr.-Obl. & 864, % u. Zins. 518 7 5

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Bestand .

|

2398 | 12 7 2900 EITEETTERTEREE 12

-1

Franck, z. Z. Kassirer der Gesellschaft.

der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur. 13

Die Ausgaben beliefen sich auf 2953 Thlr. 1 Sgr. 10 Pf. im Vorjahre auf 3185 Thlr. 1 Sgr. 7 Pf. demnach um 231 Thlr. 29 Sgr. 9 Pf. weniger.

Der Effeeten-Bestand der Allgemeinen Kasse hat sich im Jahre 1873 um 1100 Thlr. vergrössert und beträgt nunmehr 8800 Thlr. Durch diese Kapitals- Anlage reducirte sich der Baarbestand am 31. December 1873 auf 5 Thlr. 12 Sgr. 7 Pf.

Die Specialkasse der Section für Obst und Gartenbau schloss am 31. December 1872 mit einem Effeetenbestande von 1300 Thlr. und einen Baarbestand von 43 Thlr. 9 Sgr. 2 Pf.

Die Einnahmen im Jahre 1873 betrugen 2732 Thlr. 13 Sgr. 9 Pf., die Ausgaben, einschliesslich der Ausgabe für eingekaufte 300 Thlr. Effecten, 2685 Thlr. 23. Sgr. 1 Pf., und es verblieb am 31. December 1873 ein Effectenbestand von 2100 Thlr. und ein Baarbestand von 89 Thlr. 29 Sgr. 10 Pf.

Wesentliche Veränderungen haben im laufenden Jahre weder bei der Einnahme, noch bei der Ausgabe stattgefunden. Der Effectenbestand ist unverändert geblieben.

Breslau, den 30. December 1874.

Franck, z. Z. Kassirer der Gesellschaft.

Bericht über die Bibliotheken der Schlesischen Gesellschaft

im Jahre 1874.

Nachdem der seitherige Bibliothekar wegen Krankheit sein Amt auf- segeben, hat der Unterzeichnete zuvörderst es sich zur Aufgabe gestellt, neben Erledigung der laufenden Geschäfte die Katalogisirung der seit Jahren von den Herren Schwürz, Kramer, Krause, Krüger u. A. geschenkten Bücher vorzunehmen, welche die Zahl von e. 2300 Bänden, Heften, Karten u. s. w. repräsentiren. Er hat damit bereits den Anfang gemacht, doch werden selbstverständlich viele Monate vergehen, ehe die Arbeit gethan ist. '

Die Bibliotheken haben in diesem Jahre einen Zuwachs von 730 Journalnummern in 2115 Bänden, Heften, Blättern und einer Münzsamm- lung, bestehend aus 197 Stück, erhalten. Davon kommen

auf die allgemeine Bibliothek 605 Nummern in 1745 Bänden und Heften,

auf die schläaische Bibliothek 114 Nummern in 349 Bänden und Heften,

auf die Sanıhlimgen von Karten u. a. Abbildungen 10 Nummern in 20 Karten und Blättern.

14 Jahres-Bericht

Die Zahl der Vereine, Institute oder Behörden, von denen Einsen- dungen erfolgten, belief sich auf 257. Davon kommen auf Schlesien 45 (23 auf Breslau, 22 auf die Provinz), auf das übrige Deutschland 120 (17 auf Berlin), auf den österreichischen Staat 21 (12 auf Wien), die Schweiz 11, Italien 10, Frankreich 5, das Grossherzogthum Luxemburg 3, Belgien 5, Holland 4, England 3, Irland 1, Norwegen, Schweden und Dänemark je 1, auf Russland 11, die Vereinigten Staaten Nord-Amerikas 10, Asien und Australien je 1. Die Zahl der ausserschlesischen beträgt mit- hin 212.

Es sandten ein:

A. Bei der schlesischen Bibliothek.

a. Behörden, Institute, Vereine.

Das königl. Oberbergamt 2 Stück, der Verein für das schlesische Alterthümer-Museum 4, die Handelskammer 1, der schlesische Gewerbe- Centralverein 1, der schlesische landwirthschaftliche Centralverein 5, der kaufmännische Verein 1, der Verein für schlesische Insektenkunde 2, die Universität 60, das Matthias-Gymnasium 1, das Magdalenen-Gymnasium 1, das Friedrichs-Gymnasium 5, das jüdisch- theologische Seminar Fränkel’scher Stiftung 3, die Realschule I. (am Zwinger) und II. (z. heil. Geist) je 1, die städtische höhere Töchterschule I. (Taschenstrasse) und II. (Ritterplatz) je 1, die Blinden -Erziehungsanstalt 1, das Taubstummen -Institut 1, die Zwinger- und Ressourcen -Gesellschaft 2, das Institut für hilfsbedürftige Handlungsdiener 1, der Verein zur Erziehung hilfloser Kinder 1, der Verein für Ueberwachung von Dampfkesseln 1, sämmtlich zu Breslau; ferner die ökonomisch-patriotische Societät der Fürstenthümer Schweidnitz und Jauer i, der Gewerbe- und Gartenbau-Verein zu Grünberg 1, der wissenschaftliche Verein und die höhere Bürgerschule zu Striegau je 1, der allgemeine landwirthschaftliche Verein zu Oels 5, die Philomathie und das katholische Gymnasium zu Neisse je 1, die Gymnasien zu Bunzlau, Glatz, Neustadt O/S., Waldenburg, Lauban, Schweidnitz und Wohlau je 1, das zu Oppeln, Patschkau und Strehlen je 2, das Gymnasium zu Hirsch- berg 6, die Ritter-Akademie zu Liegnitz 1, die Realschule I. Ordnung zu Landeshut 1, die Realschule zu Reichenbach 6, die höhere Bürgerschule zu Löwenberg 3, die zu Guhrau 1.

b. Einzelne Geschenkgeber.

Die Buchhandlung Aderholz 2, die Herren Adolf Freyhan 1, Geh. Med.-Rath Prof. Dr. Göppert 5, Literat C. Krause 4, Kaufmann Lasswitz 1, Geh. Rath Löwig und Med.-Rath Spiegelberg (Geschäftsführer f. d. Natur- forscherversammlung) 1 Fascikel, enthaltend 55 Nummern, Stadtrath H. E. Müller eine bedeutende Anzahl*), Kaufmann Jul. Neugebauer 2,

*) Hinsichtlich einer grösseren Zahl von Einsendungen, die sich auf beide Bibliotheken vertheilen, war der Geschenkgeber nicht mehr zu ermitteln, nachdem der bisherige Bibliothekar seine Thätigkeit eingestellt hatte. Auf die schlesische Bibliothek kommen davon 21 Nummern in 112 Bänden, Heften und Blättern.

der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur. 15

Director Painer 1, Kastellan Reisler 1, Gymn. Richard Reisler 2, sämmtlich in Breslau; ferner die Herren Bürgermeister Paul Dengler in Reinerz 1, Rector Drescher in Gr.-Glogau 1, Stadtschuldireetor A. Gellrich zu Landeshut 1, Oberst Wilh. v. Knobelsdorff, Commandeur des 1. ost- preussischen Grenadier-Regiments 1, Redacteur Koras zu Pless 2, Pastor Lorenz zu Brieg 2, Hauptmann Hans v. Prittwitz und Gaffron zu Oels 3, Diakonus Dr. R. Schian zu Liegnitz 3, Ober-Postseeretair R. Schück zu Danzig 2, H. v. Thielau auf Lampersdorf 1, Benno v. Winkler in Hirschberg 1.

Gekauft wurden 5 Nummern in 17 Bänden und Heften.

Eingetauscht wurden 3 Nummern in ebenso vielen Bänden.

B. Bei der allgemeinen Bibliothek.

a. Behörden, Institute, Vereine.

Koninglijke Akademie van wetenschappen zu Amsterdam 6, der Annaberg- Buchholzer Verein für Naturkunde zu Annaberg 1, die schwäbisch-bayerische Gartenbau-Gesellschaft zu Augsburg 1, der naturhistorische Verein daselbst 1, der historische Verein für Schwaben und Neuburg zu Augsburg 2, der Gewerbeverein der Stadt Bamberg 4, der historische Verein zu Bamberg 2, die naturforschende Gesellschaft zu Basel 1, die kgl. preussische Akademie der Wissenschaften zu Berlin 4, die Universität 7, die kaiserl. deutsche Admiralität 3, das hydrographische Bureau derselben 6, die Gesellschaft naturforschender Freunde 1, die deutsche geologische Gesellschaft 4, die juristische Gesellschaft 1, der Verein für Heraldik und Genealogie 1, der Verein zur Beförderung des Gartenbaus in den preussischen Staaten 2, der botan. Verein f. die Prov. Brandenburg und angrenz. Landestheile 2, der Verein zur Beförderung des Gewerbfleisses in Preussen 1, der deutsche Landwirthschaftsrath 1, das Laudes-Oekonomie-Collegium 1, der Verein für die Geschichte der Stadt Berlin 2, das kgl. preussische geodätische Institut 4, die Berliner medieinische Gesellschaft 1, der Berliner Gärtner- Verein 1 sämmtlich zu Berlin; Accademia delle scienze dell’ Istituto zu Bologna 3, der landwirthschaftl. Verein von Rheinpreussen zu Bonn 2, der naturhistorische Verein der preussischen Rheinlande und Westphalens daselbst 2, die Universität daselbst 56, Socieie des sciences physiques et naturelles zu Bordeaux 4, Boston Society of natural history zu Boston 5, American Academy of arts and sciences daselbst 2, der landwirthschaftliche Centralverein des Herzogthums Braunschweig zu Braunschweig 3, der naturwissenschaftliche Verein zu Bremen 3, der Gartenbauverein daselbst 1, der Landwirthschafts-Verein für das Bremische Gebiet daselbst 2, die Gesellschaft zur Beförderung des Ackerbaus, der Natur- und Landeskunde zu Brünn 3, Academie royale de medecine de Belgique zu Brüssel 12, Societe malacologique de Belgique daselbst 4, Academie royale des sciences, des lettres et des beaux arts de Belgique daselbst 1, Geological Survey Office of India zu Caleutta 4, Museum of comparative zoology zu Cambridge (Amerika) 7, die kgl. Landwirthschafts - Gesellschaft zu Celle 2, Societe nationale des sciences naturelles zu Cherbourg 1, Videnskabernes Selskabet zu Christiania 2, die Universität daselbst 2, die naturforschende Gesellschaft Graubündens zu Chur 1, die naturforschende Gesellschaft zu Danzig 1, der allgemeine Gewerbe-Verein daselbst 4, der Verein für Erdkunde und mittelrheinische geologische Verein zu Darmstadt 1, der historische Verein für das Gross-

16 Jahres-Bericht \

herzosthum Hessen daselbst 5, der Verband rhein. Gartenbauvereine z. Z. daselbst 1, der Gartenbauverein daselbst 1, die gelehrte esthnische Gesell- schaft zu Dorpat 2, das kgl. sächsische statistische Bureau zu Dresden 14, die naturwissenschaftl. Gesellschaft „‚Isis‘“ daselbst 2, die photographische Gesellschaft „‚Helios‘“ daselbst 1, die Gesellschaft für Natur- und Heilkunde daselbst 2, die ökonomische Gesellschaft im Königreich Sachsen daselbst 2, der kgl. sächsische Alterthumsverein daselbst 1, Royal Irish Academy zu Dublin 2, die Realschule I. Ordn. zu Düsseldorf 1, der baltische Central- Verein zu Eldena 3, die naturforschende Gesellschaft zu Emden 1, der Verein für Geschichte und Alterthumskunde von Erfurt zu Erfurt 1, die physikal.-mediein. Societät zu Erlangen 3, die Universität daselbst 17, die Senckenbergische naturforsch. Gesellschaft zu Frankfurt a. M. 5, der . physikalische Verein daselbst 1, der Verein für Geschichte und Alterthums- kunde daselbst 5, der landwirthsch. Centralverein zu Frankfurt a. O. 1, der historisch - statistische Verein daselbst 1, die praktische Gartenbau- Gesellschaft in Bayern zu Frauendorf 1, der Freiberger Alterthumsverein zu Freiberg 1, die naturforsch. Gesellschaft zu Freiburg i. Br. 1, der . Verein für die Geschichte des Bodensees zu Friedrichshafen 2, der historische Verein zu St. Gallen 1, Societe de physique et d’histoire naturelle zu Genf 1, Societü di lettere e comversazioni scientifiche zu Genua 3, die oberhessische Gesellschaft für Natur- und Heilkunde zu Giessen 1, die oberlausitzische Gesellschaft der Wissenschaften zu Görlitz 1, der Magistrat daselbst 1, die kgl. Gesellschaft der Wissenschaften zu Göttingen 1, der historische Verein für Steiermark zu Gratz 3, der akademische Leseverein daselbst 3, der k. k. steiermärkische Gartenbauverein daselbst 1, der naturwissen- schaftliche Verein in Steiermark daselbst 1, die geschichtsforsch. Gesell- schaft in Graubünden 1, Oberbehörde der Waldenser Kirche in Italien (zu Guastalla?) 1, der naturwissenschaftl. Verein für Sachsen und Thüringen zu Halle 2, der Gartenbauverein daselbst 1, der naturwissenschaftl. Verein zu Hamburg 1, die Wetterauische Gesellschaft für die gesammte Natur- kunde zu Hanau 1, der historische Verein für Niedersachsen zu Hannover 2, die polytechnische Schule daselbst 1, sSociete hollandaise des sciences zu „Harlem 5, der naturhistorische medieinische Verein zu Heidelberg 1, der Verein für siebenbürgische Landeskunde zu Hermannstadt 8, Gymnasium A.C. daselbst 1, der siebenbürgische Verein für Naturwissenschaft daselbst 2, die Universität zu Jena 60, die medieinisch-naturwissenschaftliche Gesell- schaft daselbst 5, das Ferdinandeum für T'yrol und Vorarlberg zu Inns- bruck 1, der naturwissenschaftliche medicinische Verein daselbst 1, der landwirthschaftliche Centralausschuss für Tyrol und Vorarlberg und Garten- bauverein daselbst 3, der akademische Leseverein daselbst 1, der Garten- bauverein für das Grossherzogthunm Baden zu Karlsruhe 2, der naturwissen- schaftliche Verein daselbst 1, der Verband rheinischer Gartenbauvereine daselbst 1, die Universität zu Kiel 1 (sämmtl. Dissertat. in 1 Bd.), die Gesellschaft für die Geschichte der Herzogthümer Schleswig, Holstein und Lauenburg zu Kiel 2, der naturwissenschaftliche Verein für Schleswig- Holstein daselbst 1, Verein für Gartenbau in den Herzogthümern Schleswig und Holstein daselbst 1, Comite de l’organisation du 3me congres archeologique zu Kiew 1, die Universität zu Königsberg 19, die ostpreussische landwirth- schaftliche Centralstelle und der Hauptverein westpreussischer Landwirthe daselbst 2, Kongelige Danske Videnskabernes Selskab zu Kopenhagen 3, die Universität daselbst 7, der botanische Verein zu Landeshut i. B. 2, Neder-

der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur. 17

landsche botanische Vereeniging zu Leiden 1, De Maaischappij; der Neder- landsche Letterkunde daselbst 4, die k. sächsische Gesellschaft der Wissen- schaften zu Leipzig 6, das Museum für Völkerkunde daselbst 1, das statistische Bureau der Stadt Leipzig 1, Royal Society zu London 2, British Association for Ihe advancement of science daselbst 1, die Kgl. Commission für die Londoner Ausstellung 1373 daselbst 3, der naturwissenschaftl. Verein für das Fürstenthum Lüneburg zu Lüneburg 2, SocietE royale d’horticulture zu Lüttich 1, Federation des societes d’horticulture de Belgique daselbst 1, der Acker- und Gartenbau-Verein im Grossherzosthum Luxemburg 1, Societe de Botanique du Grand-Duche de Luxembourg daselbst 1, Inst. grand- ducal de Luxembourg daselbst 1, Academy of sciences, arts and letters zu Madison in Wisconsin 2, Wisconsin State Agricultural Sociely daselbst 2, der naturwissenschaftliche Verein zu Magdeburg 2, die Gesellschaft zur Beförderung der gesammten Naturwissenschaften zu Marburg 10, die Univer- sität- daselbst 42, Royal Society of Victoria zu Melbourne 1, Societü dei naturalisi zu Modena 1, Societe imperiele des naturalistes zu Moskau 3, Societe imper. d’agrieulture daselbst 4, Socieie archeologique de Moscow daselbst 1, die k. bayerische Akad. der Wissenschaften zu München 6, der historische Verein von und für Oberbayern daselbst 2, der landwirth- schaftliche Verein in Bayern daselbst 3, der historische Verein zu Münster 1, Societe des sciences de Nancy zu Nancy 1, der Verein für Freunde der Naturgeschichte in Mecklenburg zu Neu-Brandenburg 1, Connectitut- Academy zu New-Haven 1, Orleans County Soc. of natural sciences zu New-Orleans 1, das germanische Museum zu Nürnberg 2, die naturhist. Gesellschaft daselbst1, der offenbach. Verein für Naturkunde zu Offenbach 2, Socidte centrale d’horti- culture de France zu Paris 1, Societe geologique de France daselbst 1, Academie imper. des sciences zu St. Petersburg 2, die kaiserl. botanische Gesellschaft daselbst 2, Direct. des kaiserl. botanischen Gartens daselbst 1, die kaiserl. archäologische Gesellschaft daselbst 1, der landwirthschaftl. Provinz.-Verein für die Mark Brandenburg und die Ndr.-Lausitz zu Potsdam 4, der naturwissen- schaftliche Verein „‚Lotos‘“ zu Prag 1, die kgl. böhmische Gesellschaft der Wissenschaften daselbst 7, der Verein für die Geschiehte der Dentschen in Böhmen daselbst 9, k. k. Sternwarte daselbst 3, der Verein deutscher Aerzte daselbst 2, Verein für Natur- und Heilkunde zu Pressburg 1, der deutsche Pomologenverein zu Ravensburg 2, der zoologisch-mineralogische Verein zu Regensburg 1, der historische Verein von Oberpfalz und Regensburg daselbst 1, der deutsche Pomologenverein zu Reutlingen 1, die Gesellschaft für Geschichte und Alterthumskunde der Östseeprovinzen Russlands zu Riga ], der Naturforscherverein daselbst 2, der allgemeine Gärtnerverein zu Ringelheim 1, die Universität zu Rostock 66, Societü geografica Italiana zu Rom 7, die Gesellschaft für salzburgische Landeskunde zu Salzburg 1, die schweizerische naturforschende Gesellschaft zu Schaffhausen 1, der historisch- antiquarische Verein des Kanton Schaffhausen daselbst 1, der Verein für meceklenburgische Geschichte und Alterthumskunde zu Schwerin 1, der Verein zur Beförderung der Landwirthschaft zu Sonders- hausen 1, die landwirthschaftlichen Provinz.-Vereine für das Fürstenthum Lüneburg und die Landdrostei Stade zu Stade 2, der Entomologenverein zu Stettin 1, der Gartenbauverein daselbst 1, Kongl. Svenska Vetenskaps Akademie 14, die Gesellschaft für pommersche Geschichte und Alterthümer zu Stralsund und Greifswald 2, die polytechnische Schule zu Stuttgart 2, das kgl. statistisch-topographische Bureau daselbst 2, die kgl. Württem-

2

18 J De

bergische Centralstelle für die Landwirthschaft daselbst 2, der Verein für vaterländische Naturkunde in Württemberg daselbst 1, die Gesellschaft für nützliche Forschungen zu Trier 2, R. Istituto tecnico zu Udine 1, Stazione sperimentale agraria di Udine daselbst 1, der Verein für Kunst und Alter- thum in Ulm und Oberschwaben zu Ulm 2, Regia societas scienliarum zu Upsala 1, R. Istitulo Veneto di scienze, leitere ed arti zu Venedig 4, Aleneo Veneto daselbst 5, Accademia d’agricoltura, arti e commercio zu Verona 2, Office of Ihe Surgeon General zu Washington 6, Board of Trustees of Public Schools of the City of Washington 1, Smithsonian Institution daselbst 2, der Harzverein für Geschichte. und Alterthumskunde zu Wernigerode 2, die k. k. Akademie der Wissenschaften zu Wien 20, die k. k. geologische Reichsanstalt daselbst 22, die geographische Gesellschaft daselbst 1, die Universität daselbst 3, die k. k. zoologisch-botanische Gesellschaft daselbst 1, der Ieseverein der deutschen Studenten daselbst 1, die öster- reichische Gesellschaft für Meteorologie daselbst 6, die k. k. Centralanstalt für Meteorologie und Erdmagnetismus 2, die k. k. Landwirthschafts- Gesellschaft daselbst 1, der Alterthumsverein daselbst 1, die permanente Commission der europäischen Gradmessung daselbst 1, die Gartenbau- Gesellschaft daselbst 2, der V-erein für nassauische Alterthumskunde und Geschichtsforschung zu Wiesbaden 1, der polytechnische Centralverein für Unterfranken und Aschaffenburg zu Würzburg 2, die Universität daselbst 42, die physikalisch-medieinische Gesellschaft daselbst 4, der historische Verein von Unterfranken u. Aschaffenburg zu Würzburg 1, die Gesellschaft für vaterländ. Alterthümer zu Zürich 1, die naturforschende Gesellschaft daselbst 4, die Universität daselbst 31, der akademische Leseverein daselbst.

b. Einzelne Geschenkgeber.

Die Herren: Dr. R. Sadebeck 1, Karl Kletke 1, Geh. Rath Prof. Ehrenberg 1, Hauptmann Freih. v. Fircks 2, Dr. W. Sklarek 1, Dr. G. v. Boguslawski 1, die Redaction ‘der deutschen Reichs-Offertenzeitung 1, sämmtlich zu Berlin; ferner die Herren: Prof. H. Rühle zu Bonn 1, Prof. Dr. A. 5. Ulrich zu Bremen 1, die Buchhandlung G. P. Aderholz 3, die Allgemeine Deutsche Lehrerversammlung 3, das Öberbergamt 1, die Herren Proreetor Dr. Carstädt 1, Pastor v. Cölln 2, Prof. Dr. F. Cohn 2, Geh. Med.-Rath Prof. Dr. Göppert 11, Apotheker C. Hensel 13, Dr. Gustav Joseph 5, Stadtgerichts - Kanzlist ©. Koschwitz 1, Oberbergamts- Sekretair Langner 7, Antiquar Lesser 1, Hauptlehrer David und Karl Letzner 11, Stadtrath Müller eine grössere Zahl,*) Oberpräsident Freiherr v. Nordenflycht 2, Hauptmann Th. Ochsz 1, Red. Th. Oelsner mehrere, Prof. Dr. H. Palm 1, Kastellan Reisler 2, Julius Reisler 2, Superintendent emer. Wolff 1, sämmtlich zu Breslau, Oberpostsekretair R. Schück zu Danzig 1, Postdireetor v. Levetzow zu Darmstadt 1, Prof. Dr. Prestel zu Emden 1, Pfarrer Jos. Klein zu Gläsendorf bei Schreibendorf mehrere, Schröder, Michelsen u. Comp. zu Hamburg 1, J. G. Oberdieck, Super- intendent zu Jeinsen 1, F. de Müller zu Melbourne 1, Dr. Oeitinger, Arzt in München 2, Louis Pigorini zu Parma 1, Joachim Barrande zu Prag 1, die Redaetion der pomologischen Blätter zu Troja bei Prag 1, die Herren Pastor J. H. Kawall zu Pussen 9, Graf Ferdinand Kuenburg zu Troppau 1,

*) Für 45 Nummern (in 117 Bänden, Heften oder Blättern) der allgemeinen Bibliothek war, aus bereits angeführtem Grunde, der Geber nicht zu ermitteln.

der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur. 19

Prof. Fischer v. Waldheim zu Warschau 1, Prof. Dr. Neugebauer daselbst 15, Karl Fritsch, Vicedirector der k. k. Anstalt für Meteorol. und Erd- magnetismus zu Wien 2, Alexander Skofitz daselbst 3, Prof. Tschermak daselbst 3, Prof. Dr. M. Wilckens daselbst 2, Consist.-Raih Heinrich zu Wiesbaden 2. Gekauft wurden 57 Nummern in 292 Bänden und Heften. Eingetauscht wurden 5 Nummern in 6 Bänden und Heften.

C. Die Sammlungen der Gesellschaft

erhielten folgenden Zuwachs:

Geologische Uebersichtskarte der österreichischen Monarchie (12 Blatt) von der k. k. Reichsanstalt zu Wien, eine geologische Karte von einem Theile von Idaho Montana und Wyoming, Geber unermittelt; ferner eine Eisenbahnkarte von Deutschland vom Consist.-Rath Heinrich zu Wiesbaden ; 2 Exemplare einer Kopie der Indschrift auf dem von Schlesiern zu Ehren M. Opitz von Boberfeld errichteten Denkmale nebst Gustav Adolphs Portrait vom Ober-Postdireetor R. Schück zu Danzig, eine Darstellung des Kriegerdenkmals auf dem Kirchberge bei Landeshut i. Schl. vom Stadtschuldireetor A. Gellrich daselbst, ein Bändchen Landschaftsbilder und ein colorirtes Gemälde: „Der Bär auf der Orgel“, Geber unermittelt; endlich eine Sammlung von 197 Münzen vom Pfarrer J. Klein zu Gläsen- dorf bei Schreibendorf.

Loth. Becker.

Bericht des Conservators der naturhistorischen Sammlungen der schlesischen Gesellschaft für vaterländische Cultur für das Jahr 1874.

Die im Anfang des Jahres begonnene Revision des inneren Zustandes des Henschelschen Herbariums, wobei zunächst einige der wichtigsten exotischen Pflanzenfamilien untersucht wurden, ergab das Resultat, dass die vor mehreren Jahren erfolgte Sublimatisirung der Pflanzen dieselben bis jetzt vollständig vor Insectenfrass bewahrt habe, dass dagegen der Staub in bedenklicher Weise in die Pflanzenpackete sich einzunisten beginnt. Es wird sich empfehlen, mit der Zeit in den vom Staube am meisten mitgenommenen Packeten die betreffenden Pflanzen in frische Papierbogen umzulegen.

Bei Gelegenheit der im September in Breslau stattgehabten 47. Natur- forscher-Versammlung wurde das 1872 in Druck erschienene Verzeichniss der botanischen Sammlungen der Gesellschaft an die einzelnen Mitglieder der botanischen Section der Naturforscher - Versammlung vertheilt und haben in Folge dessen auch einige fremde Botaniker die Sammlungen in Augenschein genommen.

Die Benutzung der Sammlungen seitens hiesiger wie auswärtiger (in Berlin, Bremen und Strehlen ansässiger) Botaniker war eine ziemlich rege.

2x

20 J ahres-Bericht

An Zuwachs für die Sammlungen ist zu nennen: Dr. Rabenhorst, Algen Europas. Decade 236, 237; Dr. Schneider, Sammlung schle- sischer Pilze (Fortsetzung) auf 54 Quartblättern; Wundarzt Knebel, Portrait des verstorbenen Major Dr. v. Flotow; Dr. Rabenhorst, Index in Gottsche et Rabenhorst Hepat. Europ. exsicc. Dec. 1—55, Dresden 1872; Idem, Index in Rabenh. Bryothec. Europ. fasc. 1—24. Dresden 1872; Lehrer Unverricht, Beiträge zur Spätherbstflora des Jahres 15872. (Manuseript, 54 Seiten in 4.); Pfeiffer, Nomenclator botanicus I. 19—25 und I. 17—325.

Breslau, im December 1874. Dr. 6. W. Körber.

I. Bericht

über die

Thätigkeit der naturwissenschaftlichen Section der Schlesischen Gesellschaft

im Jahre 1874.

Herr Geheimer Bergrath Professor Dr. Roemer berichtete in der Sitzung am 21. Januar

über die geologischen Verhältnisse des Gotthard-Tunnels

und erläuterte dieselben durch Vorlesung der gerade rechtzeitig erschie- nenen sehr lehrreichen geologischen Karte des Gotthard-Gebietes von K. von Fritsch (Beiträge zur geologischen Karte der Schweiz, herausgegeben von der geologischen Commission der schweizerischen naturhistorischen Gesellschaft auf Kosten der Eidgenossenschaft, 15, Lieferung. Das St. Gotthard- Gebirge, mit einer geologischen Karte und 4 Tafeln von Karl von Fritsch. Bern 1873.) und durch eine Anzahl von Gesteins- stücken aus den Anfängen des Tunnels selbst.

Der Tunnel, welcher bekanntlich die Orte Geschenen im Reuss-Thale und Airolo im Tessin- Thale in gerader Richtung und in einer Längen- erstreckung von zwei geographischen Meilen (14,900 Meter) verbinden soll, wird den Gebirgsstock des St. Gotthard in solcher Weise quer durchschneiden, dass über ihm sich eine gegen 1000 Meter mächtige Bergmasse befinden wird, da die Sohle des Tunnels 1100 Meter und die Passhöhe der jetzigen Fahrstrasse 2093 Meter über dem Meeresspiegel liegen. Die Gesteine, welche man in dem Tunnel antreffen wird, werden aller Wahrscheinlichkeit nach dieselben sein, aus denen der Gebirgsstock sich an der Oberfläche zusammengesetzt zeigt. Dieses ist nun durchaus vorherrschend Gneiss in verschiedenen Varietäten und mit Einlagerungen von Hornblende- und Diorit-Schiefern. Nur im Urseren-Thale bei Ander- matt treten Bericit- und Chlorit-Schiefer auf, Der durchaus vorherrschende

22 J ee

Gneiss ist im Ganzen von grosser Härte und Festigkeit und wird den Bohrarbeiten viel grösseren Widerstand entgegenstellen als in dem 1'/, Meilen langen Mont-Cenis-Tunnel, der fast ganz in schiefrigen Sedimentär- Gesteinen von geringer Festigkeit steht, zu überwinden waren. Von be- sonderem Interesse wird bei dem Fortschreiten der Tunnel-Arbeiten auch die Entscheidung der Frage sein, ob die merkwürdige und in ihrer Er- klärung grosse Schwierigkeit bietende fächerförmige Schichtenstellung des Gneisses und der eingelagerten krystallinischen Schiefergesteine, derzufolge die Gneiss-Schichten in der Achse des Gebirgsrückens fast senkrecht stehen, nach Norden und Süden aber gegen die Achse geneigt erscheinen, in dem Tunnel ebenso wie auf der Oberfläche des Gebirges nachweisbar ist. Durch einen vom wissenschaftlichen Standpunkte sehr dankbar an- zuerkennenden Beschluss des schweizerischen Bundesrathes ist die Ein- richtung getroffen, dass von den verschiedenen Gesteinen, welche der Tunnel durchfahren wird, Gesteinsproben geschlagen werden sollen, die zu Sammlungen vereinigt an wissenschaftliche Institute in und ausserhalb der Schweiz abgegeben werden sollen. Durch die Fürsorge unseres Cultus- Ministeriums ist auch für das hiesige mineralogische Museum der königl. Universität eine solche Sammlung gesichert worden. Die Gesteinsstücke, welche vorgelegt wurden, gehören der ersten unlängst eingetroffenen Suite dieser Sammlung an. Es sind kunstgerecht geschlagene Stücke ver- schiedener Gneiss-Varietäten, deren Fundstellen durch genaue Angabe der Entfernung vom Nord- oder Süd-Portale des Tunnels bestimmt be- zeichnet sind.

Demnächst wurde vorgelest: Flötzkarte des Donezer Stein- kohlengebirges, unter der Leitung von G. von Helmersen entworfen von den Berg-Ingenieuren Gebrüdern von Nossow, Antipow, Scheltonoschkin und Wassiljew. 2 Blätter. St. Peters- burg 1872. (Titel und Ortsnamen russisch.)

Das Steinkohlengebirge nimmt im europäischen Russland zwar sehr srosse Flächenräume ein, aber der Kohlenreichthum entspricht nicht dieser srossen Verbreitung der kohlenführenden Formation oder wenigstens ist er bisher nieht nachgewiesen. Namentlich in den vorzugsweise industriellen mittleren Gouvernements sind Kohlenflötze von gleicher Güte und Mäch- tigkeit wie derjenigen der deutschen Kohlen-Bassins bisher nieht bekannt. Das werthvollste Kohlenbecken Russlands ist offenbar dasjenige des Donez- Gebietes. Hier sind Flötze von ansehnlicher Mächtiskeit und von sehr guter Qualität der authraeitischen Kohle in weiter Ausdehnung nach- gewiesen und zum Theil schon im Abbau befindlich. Da zugleich reiche Lager von gutem Thoneisenstein vorhanden sind, so sind hier die Haupt- bedingungen für eine bedeutende Eisen-Industrie gegeben. Durch mehrere neue Eisenbahnen, welche von Taganrog in zwei verschiedene Theile des Gebietes führen, ist für den Absatz der Kohlen das Asowsche Meer und

der Schles. Gesellschaft f. vaterl. Cultur, 23

damit auch das schwarze Meer und das Mittelmeer eröffnet, ein Umstand, der bei der Kohlenarmuih der Mittelmeerländer diesem Kohlenbassin in der Zukunft eine grosse Bedeutung verspricht. Es lag deshalb alle Veran- lassung vor, von diesem wichtigen Gebiete eine möglichst genaue Flötz- karte herstellen zu lassen. Der Name des um die geologische Kenntniss und den Bergbau Russlands hoch verdienten Generals von Helmersen, welchem die Leitung dieses Unternehmens übertragen war, bürgt dafür, dass die Aufnahmen mit Gewissenhaftigkeit und Sachkenntniss ausgeführt wurden. Ausser den Kohlenflötzen sind auf der Karte auch die Sandstein- und Kalksteinlager, sowie die Eisenerzlager und die Bleiglanz-Vorkommen verzeichnet. Ein deutsch geschriebener kurzer Bericht v. Helmersen’s erläu- tert in klarer Darstellung die allgemeinen Verhältnisse des Kartengebietes.

‘Endlich legte derselbe Vortragende den wohl erhaltenen Unterkiefer eines Bären vor, welcher in den Marmorbrüchen am Kitzelberge bei Kauffung im Katzbach- Thale unlängst gefunden wurde. Derselbe fand sich in einer durch den Betrieb der Steinbrüche aufgeschlossenen Höhle, welche einen seitlichen Eingang nicht besass, wohl aber nach oben eine jetzt mit Kalksinter und Letten ausgefüllte Oeffnung gehabt haben mag. Eine grosse Anzahl Bein-, Rippen- und Wirbelknochen, welche an- scheinend von demselben Thiere, wie der Unterkiefer herrühren, lag mit dem Unterkiefer zusammen. Ob der Unterkiefer der noch jetzt lebenden Bären-Art oder dem Höhlenbären (Ursus spelaeus) angehört, ist nicht leicht zu entscheiden, da die beiden neuerlichst von vielen Forschern nur als Varietäten betrachteten und jedenfalls sehr nahe stehenden Arten vor- zugsweise nur nach dem Stirnprofil unterschieden werden. Die Dimen- sionen des fraglichen Unterkiefers sind viel kleiner als bei dem aus- gewachsenen Höhlenbären und er könnte deshalb, wenn er zu dieser Art gehört, nur von einem jüngeren Thiere herrühren. Die Erhaltungsart des Unterkiefers und der übrigen Knochen ist ganz diejenige echt fossiler Knochen und namentlich hängen sie stark an der Zunge. In jedem Falle ist daher durch diesen Fund das in Schlesien bisher unbekannte Vor- kommen eines fossilen Bären in einer Kalksteinhöhle nachgewiesen worden. Der Herr Bergwerks-Direettor Promnitz in Jauer hat sich durch die Mittheilung dieser fossilen Knochen, sowie auch der näheren Umstände, unter welchen dieselben gefunden wurden, um das mineralogische Museum der Universität und um die geologische Kenntniss der Provinz verdient gemacht, was der Vortragende dankbar hervorhob.

Derselbe berichtete in der Sitzung am 13. Mai 1874 über Erwerbungen des mineralogischen Museums während der jüngsten Zeit und im Besonderen über diejenige der Göppert'schen Sammlung

fossiler Pflanzen.

Diese durch den Sammeleifer des Geh. Medieinal-Rath Professor Dr.

Göppert während eines vierzigjährigen Zeitraumes zusammengebrachte

24 ae

Sammlung umfasst gegen 11,000 Exemplare aus allen geologischen For- mationen und, ist jedenfalls die umfangreichste jemals von einem Privat- mann gegründete Sammlung versteinerter Pflanzen,

Abgesehen von zahlreichen seltenen und durch vorzügliche Erhaltung ausgezeichneten einzelnen Stücken beruht der dauernde wissenschaftliche Werth der Sammlung namentlich in dem Umstande, dass sie fast sämmt- liche Original-Exemplare der in den zahlreichen Schriften Göppert’s über fossile Pflanzen beschriebenen Arten enthält. Im Besonderen gilt dies von den zahlreichen in dem grossen Werke über die Permische Flora beschriebenen Arten. Für Breslau hat die Sammlung einen eigenthüm- liehen Werth, weil die Mehrzahl der darin enthaltenen Arten von Schle- sischen Fundorten herrührt und sie damit zugleich ein wichtiges Material für die geologische Kenntniss der Provinz einschliesst. Bei diesem Werthe der Sammlung ist es als ein besonders glücklicher Umstand anzusehen, - dass es gelungen ist, dieselbe für das mineralogische Museum unserer Universität zu erwerben. Auf den Antrag des Vortragenden an das königl, Ministerium wurde sie im Februar d. J. für die Summe von 6000 Thlr. gerade in dem Augenblicke angekauft, als der Abschluss eines Verkaufes der Sammlung in das ferne Ausland unmittelbar bevorstand. Durch die Erwerbung der Göppert’schen Sammlung ist unser mineralogisches Museum mit einem Schlage eines der reichsten an fossilen Pflanzen geworden. Gegenwärtig ist man in dem Museum damit beschäftigt, dieselbe auf- zustellen und einzuordnen, eine umfangreiche Arbeit, welche noch bis zu Ende dieses Jahres die wissenschaftlichen Arbeitskräfte des Museums fast ausschliesslich in Anspruch nehmen wird.

Derselbe Vortragende legte demnächst einen 2!/, Fuss langen Unterkiefer der Elasmotherium Fischeri Desm. im Gypsabguss vor. Bisher waren nur der von Fischer ursprünglich beschriebene Unterkiefer und einzelne später aufgefundene Backzähne dieses riesenhaften Thieres be- kannt. Vor zwei Jahren wurde dann ein fast ganz vollständiger neuer Unterkiefer in dem Flussbette der Atruba bei Chräschtschowka im Stawropol’schen Kreise des Gouvernements Ssamara entdeckt, welcher durch Trautschold für das Museum der Petrowsky’schen Ackerbau-Akademie bei Moskau erworben wurde. Von diesem Unterkiefer ist der vorgelegte Abguss genommen. Das Interesse des neuen Fundes beruht, abgesehen von der grossen Vollständigkeit des Unterkiefers, namentlich auf der ge- nauen Constatirung der Fundstelle und der Art des Vorkommens. Der Unterkiefer fand sich nämlich zusammen mit Knochen von Elephas primi- genius, Rhinoceros tichorhinus, Bos priscus, Cervus megaceros u. s. w. Das Thier ist also ein Glied der gewöhnlichen diluvialen Säugethier-Fauna ge- wesen. Die systematische Stellung des Elasmotherium betreffend, so ge langt Brandt (Observotiones de Elasmotherii reliquüs; cum tab. 5. Mem. And. Imp. 8. Petersb. VII. Serie Tom VIII.) am Ende seiner eingehenden Unter-

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suchungen zu dem Schlusse, dass das Thier entschieden zu der Familie der Rhinoceroten gehöre, aber in seinem Zahnbau zugleich eine gewisse Verwandtschaft mit Eqguus und mit Elephas erkennen lasse.

Derselbe legte endlich einen in Schlesien gefundenen Schädel des Moschusochsen (Ovibos moschatus Blainv., Bos Pallasii v. Bär) vor. Der Schädel, obgleich unvollständig, lässt deutlich die bezeichnenden Merkmale der Art und namentlich die durch eine schmale Furche ge- trennten rauhhöckerigen breiten Ansatzflächen der Hornbasen erkennen. Bisher waren nur vier Funde von Resten dieses heute noch im arktischen Nordamerika heerdenweise wild lebenden, während der Diluvialzeit aber zusammen mit dem Rennthiere über ganz Mittel-Europa bis in das süd- liche Frankreich hin verbreiteten Wiederkäuers bekannt geworden und in Schlesien war das Vorkommen desselben bisher überhaupt nicht nach- gewiesen. Der Vortragende erkannte den Schädel als solchen unter den vorzugsweise durch die Bemühungen des Professor Otto zusammen- gebrachten fossilen Wirbelthier-Resten des anatomischen Instituts der hie- sigen Universität. Der nähere Fundort war leider aus dem Kataloge nieht zu ermitteln, aber nach der Erhaltungsart des Schädels, welche mit der- jenigen von gewissen gleichfalls im anatomischen Institute aufbewahrten fossilen Knochen von Kamnig bei Münsterberg übereinstimmt, ist der gleiche Fundort auch für den Schädel mit Wahrscheinlichkeit anzunehmen.

In der Versammlung am 4. November berichtete Herr Geh, Bergrath Professor Dr. Roemer

über eine mit Knochen ausgestorbener Säugethiere erfüllte Höhle bei Olkusz im Königreich Polen.

Dieselbe ist etwa 2!/, Meile (17 Werst) südöstlich von Olkusz in einem felsigen Thale mit trockener Thalsohle gelegen. Der geräumige spaltenförmige Eingang der Höhle befindet sich an der linken Thalwand etwa 25 Fuss hoch über der Sohle des Thales an einem frei aufragenden Felsen von hellgrauem Jura-Kalkstein. Ein eigenthümliches, fast regel- mässiges, viereckiges, fensterförmiges Loch über der Eingangsöffnung wird die Höhle immer vor anderen in derselben Gegend vorhandenen Höhlen kenntlich machen. Die Höhle erstreckt sich mit wechselnder Höhe und Weite und zuweilen zu domförmigen Gewölben sich erweiternd mehr als tausend Schritt weit in den Fels hinein. Die Wände sind mit einer glänzenden Rinde von Kalksinter überzogen. An einzelnen Stellen zeigen sich auch zapfenförmige Bildungen von Kalksinter, aber so schöne Sta- laktiten, wie sie die Zierde anderer Höhlen im Kalkstein bilden, wurden nicht bemerkt. Der Boden der Höhle wird durch eine zum Theil mehrere Fuss dieke Schicht schwarzer Erde mit grösseren oder kleineren Schollen von Kalksinter gebildet. In dieser schwarzen Schicht liegen die Knochen und Schädel der fossilen Wirbelthiere. Bei weitem am häufigsten sind diejenigen des Höhlenbären (Ursus spelaeus). An den wenigen und be-

96 ae ericht

schränkten Punkten, an denen man bisher den Boden der Höhle auf- gegraben hat, sind bereits Hunderte von den grossen Eckzähnen dieser Thiere, sowie Wirbel- und Rippenknochen und einzelne fast vollständige Schädel zum Vorschein gekommen. Wenn man erwägt, wie klein der bisher untersuchte Theil des Bodens der Höhle ist, so darf man auf das Vorhandensein der Ueberreste von mehreren hundert Individuen des Höhlenbären in der ganzen Höhle mit Wahrscheinlichkeit schliessen. Ausserdem wurden Eckzähne des wilden Ebers und Knochen mehrerer kleinerer Säugethierarten beobachtet. Bei weiterer Ausräumung der Höhle werden ohne Zweifel noch andere Arten von grösseren Säugethieren zum Vorschein kommen. Es ist begründete Aussicht vorhanden, dass eine solche in nächster Zeit erfolgt. Ein deutscher Unternehmer hat nämlich neuerlichst das Eigenthum der Höhle in der Absicht erworben, den an organischen Bestandtheilen reichen Boden der Höhle auszuräumen und als - Dungmittel zu verwerthen. Im Besonderen rechnet er dabei auch auf die in manchen Theilen der Höhle hoch aufgehäuften Exeremente von Fleder- mäusen. Diese Thiere bewohnen nämlich in unglaublicher Menge das Innere der Höhle. In gewissen grösseren Weitungen der Höhle sind sie in vielen Hunderten, ja Tausenden von Individuen an der Decke auf- gehängt und bilden zum Theil, indem sich ein Individuum an das andere anklammert, fusslange von der Decke herabhängende traubenförmige Bündel. An solchen Stellen finden sich vorzugsweise die zum Theil mehrere Fuss hohen Anhäufungen der Exeremente. Sie bilden eine aus schwarzen glänzenden Körnern bestehende, völlig geruchlose, lockere Substanz. Uebrigens sind mehrere andere der in derselben Gegend und namentlich in der Umgebung von Oicow bekannten Höhlen schon vor einigen Jahren durch die Untersuchungen des Herın von Zawisza in Warschau (Recherches archeologiques en Pologne par Jean Zawisza, Warszawa 1874) als knochenführend nachgewiesen worden. Eine der von ihm be- schriebenen Höhlen, die sogenannte Mammuthhöhle, ist namentlich durch die Menge der darin gefundenen Knochen des Elephas primigenius be- merkenswerth. In einer anderen sind Knochen und Geweihe des Renn- thiers häufig und mit denselben zusammen, finden sich Feuersteingeräthe (flint implements) der Ureinwohner und weitere Beweise, dass diese mensch- lichen Höhlenbewohner gleichzeitig mit dem Rennthier und dem Höhlen- bären diese Gegenden bewohnten. Schliesslich wurde von dem Vor- tragenden noch hervorgehoben, dass das Vorkommen dieser Knochen- höhlen in dem jurassischen Höhenzuge Polens die auffallende, in den petrographischen und paläontologischen Merkmalen der einzelnen Gesteins- schichten bestehende Uebereinstimmung mit dem schwäbischen und frän- kischen Jura noch vervollständigt, denn sie gleichen in Form und In- halt durchaus den süddeutschen Höhlen und namentlich denjenigen Frankens.

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Es wurde ferner über ein neu enidecktes Vorkommen von Blitz- röhren oder Fulguriten, d. i. der eigenthümlichen, durch Einschlagen des Blitzes in den Sand entstehenden, innen gefritteten Röhren, bei Starezynow, unweit Olkusz im Königreiche Polen, unter Vorlegung von Exemplaren berichtet. Der Fundort ist eine der trostlosen Sandflächen, welche sich an dem westlichen Fusse des jurassischen Höhenzuges zwischen Olkusz und Czenstochau in zum Theil meilenweiter Ausdehnung erstrecken. Keinerlei Erhebung oder eigenthümliche Gesteinsmasse, welche eine be- sondere Anziehung für den Blitz bilden könnte, ist dort vorhanden, son- dern der Punkt des Vorkommens befindet sich inmitten der wagerechten, aus losem Flugsande bestehenden, völlig vegetationslosen Sandfläche. Eine bedeutende Anzahl von Blitzröhren ist hier auf einer Fläche von wenigen Morgen gefunden. Eine derselben wurde bei einem gemein- schaftlich mit Herrn General-Direetor Körfer in Kattowitz im Monat Oc- tober dieses Jahres ausgeführten Besuche der Localität in Gegenwart des Vor- tragenden vier Fuss tief ausgegraben, ohne dass das untere Ende der Röhre erreicht oder auch nur eine erhebliche Abnahme in der Dicke nach der Tiefe zu bemerkt wurde, Die Dicke der Röhren schwankt zwischen 1 Zoll und wenigen Linien. Die Oberfläche ist ganz wie bei den Fulguriten anderer Fundorte mit unregelmässigen höckerigen Längswülsten bedeckt. Auch Abzweigung von Seitenästen, wie sie anderwärts vorkommen, wurde mehrmals von Herrn Revisor Schneider in Kattowitz, welchem der Vor- tragende noch für die Mittheilung einiger vollständiger Röhren verpflichtet ist, beobachtet. Es wurde zuletzt noch an die Thatsache erinnert, dass Blitzröhren zuerst aus Schlesien beschrieben wurden, und zwar von Massel im Fürstenthum Oels, durch Pastor Herrmann in seiner 1711 in Brieg erschienenen Maslographie, freilich ohne dass deren Entstehung durch Ein- schlagen des Blitzes schon bestimmt erkannt wurde.

Derselbe Vortragende legte endlich Exemplare eines neuen Vor- kommens von gediegenem Kupfer von Börnchen, einem !/, Meile westlich von Hohenfriedeberg gelegenen Dorfe, vor. Dieselben wurden beim Graben eines Brunnens im Hofe des Bauers Kasper in einer Tiefe von 60 Fuss gefunden und gaben zu einer Muthung auf Kupfererz Veranlassung. Bis jetzt ist freilich das Vorkommen ein sehr beschränktes und den Abbau nicht lohnendes. Ganz dünne, lebhaft metallglänzende, blechförmige La- mellen, kaum dicker als Schreibpapier, liegen zwischen Blättern des grünlich-grauen Thonschiefers. Die Form der blechförmigen Lamellen ist ganz ähnlich wie diejenige des wohlbekannten Vorkommens bei Rhein- breitbach bei Linz am Rhein. Nach der Art, wie in einem der vor- liegenden Stücke der Thonschiefer mit weissem Quarz verwachsen: ist, erscheint es wahrscheinlich, dass das Vorkommen des Kupfers an das Aufsetzen eines schmalen Ganges oder Trums von Quarz in dem Thon- schiefer gebunden ist. Schliesslieh wurde von dem Vortragenden noch

38 a, ra erwähnt, dass er die vorliegenden Stücke theils dem königliehen Ober- Bergamte, theils dem Herrn Professor Poleck, der sie durch Herrn Apo- iheker Brosig erhalten, verdankt.

Herr Dr. Ottokar Feistmantel, Assistent am mineralogischen Museum, sprach in der Sitzung am 18. November

über ein interessantes Vorkommen einer fossilen Pflanzenart in

Oberschlesien, nämlich über das Vorkommen von Noeggerathia foliosa Stbg. im ober- schlesischen Steinkohlengebiige, wodurch es wohl möglich wird, wenig- stens einen Theil des erwähnten Kohlenterrains mit einigen Kohlen- ablagerungen in dem Nachbarlande Böhmen zu parallelisiren.

Wie bekannt, war die Noeggerathia foliosa Sibg. bis jetzt nur aus dem böhmischen Kohlengebirge angeführt.

Zuerst beschrieb sie Sternberg in seinem Versuch einer Darstellung der Flora der Vorwelt, doch kannte er ihre Lagerstätte nicht und führt den Fundort nur ungenau und unrichtig folgendermassen an: „in schisto hithantracum in circulo Beraunensi.‘“

Diese Angabe ging dann in einige der nachfolgenden allgemeinen Werke über, und auch noch in neuester Zeit hat Prof. Schimper in seinem: „Traite de Palaeontolog. veget.‘“ diese Fundortangabe wiedergegeben, ob- wohl schon andere Fundorte bekannt wurden. Ettingshausen führt die Noeggerathia foliosa Stbg. 1854 (in seiner Steinkohlenflora von Radnitz) aus dem Radnitzer Kohlenrevier an. Doch erst später kam sie in grösserer Häufigkeit vor und wurde ihre richtige Lagerstätte erkannt. Sie ist nämlich fast ausschliesslich auf die oberen Zwischenmittel der Oberflötzgruppe bei Radnitz beschränkt und war dieses bestimmte . Vorkommen bei der Parallelisirung der einzelnen, in der Umgegend von Radnitz abgelagerten kleineren‘ Mulden sehr massgebend, sie gehört hier also dem Hauptflötze an.

Ein zweites häufiges Vorkommen ist in dem Kladno-Rakonitzer Kohlenrevier im Nordwesten von Prag beobachtet worden.

Auch hier erwies es sich, dass die Noeggerathia folosa Stbg. aus- schliesslich in den Zwischenmitteln des Hauptflötzes im Liegendflötzzuge vorkomme, und zwar besonders in dem westlichen Theile desselben bei Rakonitz, wodurch dieser eben mit der Oberflötzgruppe bei Rad- nitz in gleiches Niveau gebracht wird.

Das Radnitzer Oberflötz ist aber durch zwei andere constante Merkmale auch mit dem Liegendflötz der Pilsener Ablagerung in Analogie zu bringen nämlich durch den kaolinreichen Sandstein der Radnitzer Ablagerungen und durch bestimmte kleine wurmförmige Körperchen, die ein bestimmtes Zwischenmittel des Radnitzer Hauptflötzes charakterisiren diese beiden Schichten wurden im Pilsener Becken ebenfalls vorgefunden so dass also die Radnitzer, Kladno-Rako-

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nitzer und Pilsener Ablagerung in den erwähnten Flötzzügen analoge Bildungen sind.

Nun fanden sich in der Sammlung des Herrn Geheimrath Göppert auch einige Reste dieses interessanten Fossils vor und zwar bis jetzt 3 Stück, von denen besonders eines folgende genaue Fundortangabe trägt: „Vom Leopoldflötz der Leopoldsgrube bei Ornontowitz in Oberschlesien.“ Der Vortragende hatte sich bisher nicht genauer über die Verhältnisse des Ortes orientiren können, nur soviel kann er angeben, dass die Schichten bei Ornontowitz, dem sogenannten 4. Flötzzuge, dem Nicolaier Revier, oder den sog. hangendsten Flötzen Oberschlesiens angehören. Der Schiefer scheint hier auch auf eine Zwischenmittelschicht zu deuten.

Daraus ergiebt sich nun die interessante und wichtige Thatsache, dass:

1. Noeggerathia foliosa Stbg. nun auch ausserhalb Böh- mens vorkommt und

2. dass wenigstens jener Antheil des oberschlesischen Kohlenterrains, der dieses Petrefaect enthält, mit den eben erwähnten böhmischen Ablagerungen ana- loger Bildung sei, was immerhin von besonderer Wich- tigkeit ist.

Neben Noeggerathia foliosa Stbg. dürfte nur noch die Noeggerathia fla- bellata L. und Hit. eine gute Art dieser Gattung sein, während die übrigen Arten mit den langen, nur einzeln bekannten Blättern eher zu Cordaites gehören dürften, der sich von Noeggerathia wesentlich durch die Blatt- stellung unterscheidet. i

Derselbe Vortragende sprach am 2. December

über ein neues Vorkommen von silurischen Diluvialgeschieben bei Lampersdorf (am Eulengebirge).

Derselbe hatte nämlich vor einiger Zeit auf Veranlassung und Ein- ladung des um die Kenntniss seiner Umgegend so verdienten Herrn von Thielau einen Ausflug nach Lampersdorf unternommen, um von da die einzelnen interessanten Punkte zu besuchen. Bei dieser Gelegenheit wurde er auch auf das Vorkommen einer Sandgrube mit silurischen Diluvial- geschieben aufmerksam gemacht.

Dieselbe liegt zwischen Lampersdorf und Raudnitz, ganz nahe am letzteren Orte und südwestlich davon, hart am Fusse des Eulengebirges. Die ganze Sandablagerung hat keine besondere Ausdehnung, wenigstens wie man nach den äusseren Umrissen schliessen kann.

Hauptgesteine, die hier vorkommen, sind nordische Granite mit rothem Feldspath und schwarzem Glimmer, ausserdem andere grünsteinartige und quarzige Gesteine; diese mit vielem Sande gemengt.

Die interessanteren Gesteine darunter sind jedoch Kalkgeschiebe, die unter diesen beigemengt vorkommen.

30 J ahres-Bericht

Die Form dieser Kalkgeschiebe ist meist eine flach linsenförmige, seltener sich mehr der kugeligen oder knolligen nähernde in jedem Falle sind aber die Geschiebe an der Oberfläche abgeschliffen. Neben diesen zwei vorherrschenden Formen giebt es natürlich noch andere, mehr oder weniger unregelmässige und verzerrte.

Was die Grösse der Geschiebe anbelangt, so übersteigen sie selten die Faustgrösse, meist sind sie darunter.

Die Farbe der Kalkgeschiebe ist auch eine verschiedene, doch herrscht die graue vor; aber manchmal findet man auch anders gefärbte, als röth-

liche, gelbliche, grünliche und andere; dies hängt wohl auch theilweise

mit dem grösseren oder geringeren Grade der Verwitterung zusammen, so dass die frischen (weniger verwitterten) Gesteine gewöhnlich graue Farbe zeigen, während an den mehr verwitterten sich dann die Zwischen-

farben zeigen.

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Das wichtigste Merkmal dieser Geschiebe ist die Petrefaktenführung. Diese ist nach den erwähnten Eigenschaften der Geschiebe auch eine ver- schiedene, und zwar derart, dass die mehr festen (kugelisen) Geschiebe weniger Petrefakte (oder gar keine) enthalten, während sie in den platten- förmigen ziemlich häufig vorkommen; diese scheinen die eigentlich petre- faktenführende Schicht gewesen zu sein.

Die Ausbeute war ziemlich lohnend und die Bestimmung ergab fast alle Arten, die Geheimrath Prof. Römer (in seiner Zusammenstellung der verschiedenen als Diluvialgeschiebe vorkommenden Gesteine, 1863, Zeitschr. d. D. geol. Ges.) für diese Art Geschiebe (siehe später) anführte, ausser- dem noch einige andere interessante. Es ergaben sich, in systematischer Reihe angeführt, folgende:

Von Crinoiden: Bruchstücke, die nur zu Cyathocrinus gehören können; doch ist die Art nicht zu bestimmen.

Von Bryozoen: Pülodietya lanceolata Lonsd. etwa drei Exemplare.

Von Brachiopoden: Diseina antigqua, ziemlich häufig; Chonetes striatella de Kon., der häufigste Brachiopode, charakteristisch für diese Ge- schiebe; Rhynchonella nucula, eine zierliche Art, auch ziemlich häufig; Orthis elegantula, seltener; Atrypa reticularis in einem Exemplar; Leptaen« (Strophomena) depressa, ein sehr gut erhaltenes Exemplar, früher nicht vorgekommen.

Von Bivalven: Avicula retroflexa, zwei Steinkerne, wie es bei dieser Art in diesen Geschieben gewöhnlich der Fall ist.

Von Cephalopoden: Steinkern eines Orthoceras.

Von Pteropoden: Ein Tentaculites.

Von Crustaceen (Entomostraeeen): Beyrichia tubereulata Boll., ein ungemein häufiger, zierlicher Schalenkrebs, manche Stücke ganz erfüllend, das häufigste Fossil, für diese Geschiebe charakteristisch; Beyrichia Wilckensiana Jones, seltener; Leperditia phaseolus, eine kleine Art, die nur

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auf diese bezogen werden kann; ZLeperditia (?) marginata Keyserl. sp., eine grosse Form, die nur auf diese Art bezogen werden konnte, ein ziemlich interessantes Vorkommen, nicht häufig.

Von Trilobiten: Phacops Downingiae, in einigen guten Kopf- und Schwanzschildern.

Von Anneliden: Ein Rest, der sich nur auf die Art Serpulites lon-

gissimus Murch. beziehen lässt ziemlich interessant.

Von Fischen: Onchus tenuistriatus Agass. (Fischstachel) in einem Exemplare.

Dies ist das eine Vorkommen von Kalkgeschieben. Nach den eben

aufgezählten Petrefakten gehören diese Geschiebe dem Obersilur, und zwar der Gruppe der Kalksteine vom Alter der Schichten auf der Insel Gotland und speciell dem sog. Beyriehienkalk an, der ja durch Beyrichia tuberculata, Chonetes striatella und Rhynchonella nucula charakte- risirt wird.

Neben diesen Kalkgeschieben kamen, aber ungemein selten, noch einige vor, die dunkler, dichter, aber auch etwas thoniger waren. Diese enthielten auch, wenn seltener, einige Petrefakte, und zwar:

Von Graptolithen: Monoprion Ludensis (Grapt. priodon) in einigen Bruchstücken.

Von Cephalopoden: Ein Orthoceras, wohl O. gregarium, wie es eben in diesen Geschieben mit Monoprion Ludensis vorzukommen pflegt.

Was die Stellung dieses Gesteins anbelangt, so gehört es als sog. Graptolithenkalk mit dem vorigen zu derselben grossen Abtheilung (nämlich Obersilur, Kalksteine vom Alter der Schichten auf der Insel Gotland); doch ist nicht sicher erwiesen, ob es jünger oder etwas älter als der Beyrichienkalk ist.

In derselben Sitzung sprach Herr Dr. Th. Liebisch über die mineralogische Zusammensetzung des Gesteins von der Ostseite

des Schäferberges bei Gotitesberg, welehes nach dem Vorgange von Zobel und R. v. Carnall Syenitporphyr genannt wird. Die Feldspathgemenstheile des grobkörnigen Gesteins sind Orthoklas und ein in schmalen leistenförmigen Krystallen auftretender Plagioklas. Die dunkelgrünen Gemengtheile bestehen nicht, wie bisher angenommen wurde, nur aus Hornblende, sondern aus vorwaltendem Augit, Hornblende und serpentinisirtem Olivin. Der Augit ist in den verwitterten Gesteinspartien in eine schmutzig grüne Substanz umgewandelt. Kleine Schüppchen eines schwarzen Glimmers nehmen im Vergleich mit dem Auftreten des Augit nur in untergeordnetem Maasse an der Zusammen- setzung des Gesteins Theil. Bemerkenswerth sind die zahlreichen feinen lebhaft glänzenden Apatitnadeln, welche das Gestein in allen Richtungen durchspiessen und zuweilen schon mit unbewaffnetem Auge erkennbar sind. Das Gestein ist reich an Magneteisen. Da mikroskopische Quarz-

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körnchen nur sehr sparsam in dem Gestein vertheilt sind, so kann das- selbe ohne Bedenken den quarzfreien Gesteinen angereiht werden.

Im Hinblick darauf, dass die Structur des Gesteins eine gleichmässig körnige ist und mit Rücksicht auf den bedeutenden Augitgehalt hält der Vortragende sowohl die ältere Bezeichnung „Syenitporphyr“ als auch die neuerlichst von Herrn Möhl, welchen der Vortragende auf das in Rede stehende Gestein bei Gelegenheit der letzten Naturforscher - Versammlung aufmerksam machte, vorgeschlagene Benennung „‚Minette“ für unzutreffend. Die am nächsten hinsichtlich der mineralogischen Zusammensetzung wie des geologischen Alters verwandten Gesteine dürften unter den bis jetzt noch nicht zergliederten Eruptivgesteinen der englischen Steinkohlen- formation zu suchen sein.

Herr Professor Ferdinand Cohn hielt einen Vortrag

über mikroskopische Organismen in der Luft, welcher in ausführlicherer Bearbeitung von ihm unter dem Titel „Un- sichtbare Feinde in der Luft“ in der dritten allgemeinen Sitzung der 47. Versammlung deutscher Naturforscher und Aerzte zu Breslau am 24. September 1874 behandelt und im Tageblatt der Naturforscher-Ver- sammlung vollständig abgedruckt ist. Wir beschränken uns daher hier auf ein Resum& des wesentlichen Inhalts:

Wie unser Erdball nur auf der Oberfläche einer äusserst dünnen Rindenschicht, scheint auch von dem grenzenlosen Lufimeere nur die der Erde zunächst aufliegende Schicht dem Leben zugänglich zu sein und im Uebrigen den Namen eines todten und verödeten Oceans zu verdienen, den Homer dem Pontus gab. Aber wir kennen das Luftmeer noch nicht genau genug, und je geringer unsere Kunde war, desto besser eignete es sich zum Tummelplatze der Phantasie. Der Erste, der durch seine wissenschaftliehen Untersuchungen zu dem Schlusse kam, dass auch der Luftraum von Leben erfüllt sein könne, war Leeuwenhoeck. In der Mitte des September 1675 untersuchte er, wie er in einem noch ungedruckten und in der Bibliothek zu Leyden aufbewahrten Briefe an Constantin Huyghens berichtet, von ihm vor einigen Tagen aufgefangenes Regen- wasser mikroskopisch und fand darin eine grosse Zahl lebender Geschöpfe verschiedener Art, von denen er in Uebereinstimmung mit Anaxagoras’ Ansicht annehmen musste, dass sie sich aus Keimen entwickelt hätten, die in der Luft vorhanden waren. Frisches Regen- oder Schneewasser zeigte nämlich keine Thiere, sie erschienen nach einigen Tagen und vermehrten sich, zumal wenn das Himmelswasser auf gestossenen Pfeffer oder andere Pflanzenstoffe gegossen wurde, von Tag zu Tag ins Ungeheure. Die Kunde von dieser Entdeckung erschien den Zeitgenossen märchenhaft. Kein anderes der damaligen Mikroskope reichte aus, diese nie früher ge- sehenen Geschöpfe sichtbar zu machen. Als aber der Präsident der London R. $., Robert Hooke, der Entdecker der Pflanzenzellen, am

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der Schles. Gesellschaft f. vaterl. Cultur. 33

16. November 1677 erklärte, es sei ihm gelungen, ein Mikroskop zu bauen, mit dem er im Pfefferaufgusse die Leeuwenhoek’schen Geschöpfe gesehen habe, und die Gesellschaft sieh von der Richtigkeit dieser Angabe überzeugt hatte, wurde ein Protocoll aufgenommen, das unter Anderen Christoph Wren, der Erbauer der Paulskirche, und Nehemias Grew, der Begründer der Pflanzen- Anatomie, unterschrieben, und die Existenz einer unsichtbaren Welt im Wasser stand fest. Aber waren diese Geschöpfe wirklich aus der Luft gekommen? Noch heute fehlt es nicht an Gelehrten, welche, ungeachtet der entgegenstehenden Ergebnisse der bedeutendsten Forscher, an die Entstehung der einfachsten Thiere und Pflanzen durch sogenannte Urzeugung glauben. Zwar weiss jetzt jede Hausfrau, dass sie das Schimmeln ihrer eingemachten Früchte durch sorgfältiges Kochen und hermetischen Verschluss auf dieselbe Weise verhindern kann, wie dadurch die verschiedensten Speisen in Blechbüchsen conservirt werden, aber eine vollständige Gewissheit von der Existenz von Keimen in der Luft können alle diese Versuche nicht gewähren. Die Keime müssen in der Luft selbst nachgewiesen werden. Wir wissen durch die sog. Sonnenstäubchen,,. dass die Luft von ausserordentlich kleinen Körperchen erfüllt ist, aber man kann sie in schwebendem Zustande wegen der steten Bewegung nicht mikroskopisch untersuchen, und sie vollständig zu gewinnen, ist nicht leicht. Zunächst lag es, den Staub zu durchforschen, der sich aus der Luft ablagerte, und Ehrenberg ist durch diese Untersuchung zu unerwar- teten Ergebnissen gelangt, in dem er unteranderem nachwiess, dass sich zu ge- wissen Zeiten bei sehr heftigem Säd oder Südwest, besonders wenn der- selbe im Winter lang anhaltenden Nord oder Nordost verdrängt, Staub aus fern liegenden Gegenden, der sogenannte Passat- oder Meteorstaub, dem unserigen beimischt und sich im Winter auf die schneebedeckten Flächen ganzer Länder ablagert. Dem Vorgange Ehrenberg’s folgend, hat der Vortragende schon im Jahre 1849 in Gemeinschaft mit Göppert den zu Breslau in Zimmern, Bibliotheken und auf Thürmen (Elisabeth- thurm) angehäuften Staub gesammelt und einen Bericht über den mikroskopischen Befund bereits im Jahresbericht unserer Schlesischen Gesellschaft von diesem Jahre veröffentlicht. Auch Passatstaubfälle sind mehrfach in unserer Provinz beobachtet worden.

Aber wir wissen nicht, ob Alles, was in der Luft schwebt, sich im Staubeniederschlägt, welcher vielmehr nur durch den gröbsten Absatz gebildet zu werden scheint. Man suchte deshalb Mittel, den Luftinhalt vollständig zu gewinnen. Schröder und v. Dusch in Heidelberg hatten 1854 bemerkt, dass bei ausgekochten, leicht verwesbaren Substanzen weder Schimmel- bildung, noch Gährung, noch Fäulniss eintritt, wenn man den Hals der Flasche mit Baumwolle verstopft. Sie schlossen daraus, dass Baumwolle ein Filtrum für die Luft bilde, und Tyndall konnte 1868 nachweisen, dass die durch Baumwolle getriebene Luft vollständig filtrirt werde, indem ein

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elektrischer Strahl, der in der ungereinigten Luft wegen der darin schwe- benden .Körper, die er beleuchtet, siehtbar ist, in einer mit filtrirter Luft gefüllten Röhre unsichtbar blieb. Schwierig blieb es indess, den an der Baumwolle hängenden festen Luftinhalt zu gewinnen. Da kam Pasteur auf den Gedanken, statt der gewöhnlichen Baumwolle Schiessbaumw.olle zu nehmen, die in Aether zu dem bekannten Collodium löslich, in letz- terem alles aus der Luft Herausfiltrirte enthalten musste. Einen anderen Weg schlugen Pouchet und Maddox vermittelst des sog. Aeroskops ein. Sie treiben Luft durch einen Trichter gegen eine mit Glycerin klebrig gemachte Glasplatte, an der dann ein Theil des Luftinhalts kleben bleibt. Alle diese Methoden haben indess den Nachtheil, dass man sich dabei nicht überzeugen kann, ob lebensfähige Substanzen aus der Luft ge- wonnen sind. Der Redner, den diese Frage besonders interessirte, ver- suchte es daher, die Luft zu waschen, indem er Luft dureh eine Nähr- lösung aspirirte, die die Entwickelung der etwa darin enthaltenen Keime förderte, oder sie durch ein vorher ausgeglühtes Filtrtum von Glaswolle oder Asbestfaser trieb und das Filtrum dann in die Nährlösung legte. Auf diesen verschiedenen Wegen, die ein im Wesentlichen gleiches, nur nach Ort und Zeit wechselndes Ergebniss boten, haben wir nun eine ziemlich vollständige Kunde von dem Luftinhalte gewonnen. Die meisten Sonnenstäubchen stammen aus dem Mineralreiche; zunächst Kieselstäubchen, d. h. feinster Sand; häufig kommen auch Kalktheilchen, selbst Körper- reste mikroskopischer Schalthiere aus der Kreide vor; sehr reich ist die Luft, zumal im Winter, in Städten an Kohlensplittern aus dem Rauche. Mit diesen Hauptbestandtheilen mischen sich feine Stärkemehlkörner, Trümmer unserer abgenutzten Kleidungsstücke oder der Thierkörper, Fäserchen von Leinwand, Baumwolle, Wolle, Leder, Schmetterlings- schuppen, Haare von Pflanzen und Thieren und kleine Daunenfäserchen. Sehr häufig findet man im Frühling und Sommer PBlumenstaub, d.h. Pollenkörner, zumal von Laub- und Nadelhölzern und Gräsern, bisweilen so massenhaft, dass sie als sogenannter Schwefelregen niederfallen.

Aber weit wichtiger, weil beständiger und zahlreicher, als der Blüthen- staub, sind die in der Luft enthaltenen Keime von Pilzen, Flechten und Algen; Sporen von Moosen und Farnkräutern lassen sich selten nach- weisen; dagegen fehlen niemals die Coridien von Schimmelpilzen, ins- besondere Penieilium und Aspergillus, sowie Hefepilze (Saccharomyces) und häufig finden sich auch Sporen von Brand- und Rostpilzen, von Sphae- riaceen und andern auf Pflanzen schmarotzenden Pilzen. Schon dies ge- nügt, um zu beweisen, dass die Keime zu den verschiedenen Gährungs- processen, so wie zu den meisten Pflanzenkrankheiten, welche in gewissen Fällen zu wahren verderblichen Epidemieen anwachsen, durch die Luft ausgestreut werden. Ungleich schwieriger ist es, die Erreger der Fäulniss und anderer Zersetzungen, die Bacterien, in der Luft nachzuweisen. Sie sind

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so winzig, dass sie dem Auge desmikroskopischen Beobachters leicht entgehen. Aber wir wissen, dass sie über Dünggruben und Oloaken massenhaft auf- steigen. Obwohl die Bacterien in der Regel mehr durch Wasser, als durch die Luft verbreitet werden, so hat Vortragender in der Waschflüssigkeit von Luft doch zu wiederholten Malen Bacterien, darunter sehr eigenthümliche, über die anderweitig berichtet werden wird, erhalten. Nachdem in neuester heit festgestellt ist, dass auch bei Thieren und Menschen gefährliche Krank- heiten häufig von dem Auftreten mikroskopischer Pilze begleitet sind, und sich zum Theil erweisen lässt, dass sie davon herrühren, lag es nahe, auch die Verbreitungsweise dieser meist epidemischen Krankheiten auf die Zerstreuung unsichtbarer Pflanzenkeime durch die Luft zurückzuführen. Vortragender referirt über eine ihm freundlichst vom Verfasser über- sendete, in dem Chicago Medical Journal Januar 1874 erschienene Ab- handlung des Dr. John Bartlett „über eine Sumpfpflanze der Fieber- niederungen des Missisippi (Missisippi River Ague Bottoms) mit allgemeiner Betrachtung über ihren Zusammenhang zu Malariakrankheiten“. Diese dureh eine Abbildung kenntlich gemachte Pflanze ist eine grüne Alge Botrydium (Hydrogasirum) und in der That eine Bewohnerin über- schwemmten und feuchten Bodens, wo sie in Gemeinschaft mit der in der Abhandlung erwähnten sternförmigen Pflanze (Riceia glauca, erystallina) auch in Europa und insbesondere in Deutschland, auch bei Breslau, ver- breitet ist; doch ist ihre Entwickelung vom Verfasser nicht richtig erkannt, und ihr Zusammenhang mit der von Salisbury 1866 beschriebenen soge- nannten Fieberpflanze von Ohio, Gemiasma, ebenso wie ihr directer Ein- fluss auf Erzeugung der Malariakrankheiten sehr problematisch.

Auch bei der Frage von der Entstehung und Verbreitung anderer epidemischer oder eontagiöser Krankheiten hat das Vorkommen von Pilz- sporen und Bacterien in der Luft die Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Die im Auftrag der englischen Regierung in Indien durch die Hrn. Cunningham und Lewes über die Verbreitung der Cholera angestellten systematischen Untersuchungen der Atmosphäre haben zwar ein negatives Resultat er- geben, aber der Redner, welcher ausführlich über die höchst dankens- werthen und bis jetzt in kritischer Methode und consequenter Durch- führung unübertroffenen Arbeiten dieser Forscher (Mieroscopic examination of ihe air. Caleutta 1873) veferirt, hält gleichwohl die Sache nicht für er- schöpft. Nach seinen Untersuchungen athmet ein erwachsener Mensch täglich etwa 1000 keimfähige Schimmelpilzsporen ein. Dass diese sich nichtalle entwickeln, und auch die, welche sich etwa entwickeln, dem Körper nicht wesentlich schaden, steht ausser Frage. Aber es ist bei dem gegen- wärtigen Standpunkte der Untersuchung, ausserordentlich schwer, unter den in der Luft nachweisbaren Keimen die vielleicht wenigzahlreichen zu erkennen, welche Erreger von Krankheiten sein können. Das Streben der Hygiene nach reiner Luft und gutem Wasser findet schonin den bisherigen Beobachtungen eine

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rationelle Begründung. Halten wir fest an der Hoffnung, dass in nicht zu langer Zeit die Naturforscher den Aerzten Mittel angeben können, um die unsichtbaren Feinde, welche uns in Erde, Wasser und Luft umgeben, erfolgreicher zu bekämpfen.

Herr Geh.-Rath Prof. Dr. Göppert sprach den 21. Januar

über den sogenannten goldenen Stollen bei Reinerz.

Während seines mehrwöchentlichen Aufenthalts in Reinerz im August 1873 habe er die schon seit längerer Zeit bekannte, jetzt aber erst wieder zugänglich gemachte, unter dem Namen des goldenen Stollens be- kannte natürliche Höhle besucht, deren Eingang sieh ungefähr 1000 Fuss unter dem Gipfel der hohen Mense, zur Linken an dem von Grunewald nach Gränzendorf führenden Fahrwege in etwa 2650 Fuss Seehöhe befindet.

Sie wurde bereits am Anfange dieses Jahrhunderts bekannt und von dem damaligen Bade- und Brunnen- Arzt Dr. Blottner in Reinerz beschrieben (Schles. Provinzialblätter 1801, 2 St. Febr. p. 124. D. Welzel Molken- und Brunnen-, Bade- und Kuranstalt von Reinerz 1841, 2 Th. p. 71), jedoch hat man sich seit jener Zeit wenig um sie mehr bekümmert. Erst vor einigen Jahren. bildete sich unter der Leitung des Herrn Oberförster Crelinger ein Comite, welches unter mannigfachen Opfern an Zeit und Geld, auf höchst anerkennungswürdige Weise den ganz verschütteten Zugang wieder eröffnete, dem von der hohen Mense herabkommenden, in die Höhle selbst mündenden Bache eine andere Richtung gab und das Innere weithin von dem durch ihn bewirkten glim- merreichen Gebirgsschutt befreite. Weitere Unterstützung hofft das Comite von dem Ministerium zu erhalten, wozu sich bis jetzt aber leider noch keine Aussicht eröffnet hat. Indem ich hinsichtlich ihrer Beschrei- bung auf die oben genannte Schrift verweise, bemerke ich, dass diese Höhle als eine durch Auswaschung entstandene Gebirgs- spalte anzusehen ist, welche schon jetzt wegen ihrer Ausdehnung dem Geognosten einen grossartigen Einblick in die inneren Strueturver- , hältnisse des aus abwechselnden Schiehten von Glimmer, Thonschiefer, Gneis mit Einlagerung von körnigem Kalk oder Urkalk bestehenden krystallinischen Gesteines gewährt und bei weiterem Verfolge noch inter- essantere Resultate liefern dürfte. Wir setzen hinzu auf weniger kost- spieligem Wege als die in die Alpen in unsern Tagen mit soviel Aufwand von Geld und Kräften bewerkstelligten Ein- und Durchsehnitte des Mont Cenis und Gotthard, die sich vorzugsweise auch doch nur in Schichten- wechsel der krystallinischen Gesteine bewegen.

Stalaktitenbildungen wurden noch nicht aufgefunden, offenbar nur weil man trotz der bereits zu 6—800 Fuss Länge eröffneten höchst geräumigen Gänge noch nicht bis an das Ende der Höhlen gelangt ist und sich dergleichen auch nur in grösseren Räumlichkeiten finden dürften, die gegenwärtig zum Theil noch mit Gebirgsschutt erfüllt sind. Derselbe wird

der Schles. Gesellsch. £. vater. Cultur. 37

von Zeit zu Zeit von einem von der hohen Mense aus etwa 1000 Fuss herabkommenden, in die Höhle direct mündenden Bach theils direct herbeigeführt, theils fort und fort von den Wänden ausgewaschen, also die Höhle durch ihn erweitert aber unter Umständen auch wieder ver- schüttet, da er zuweilen, wie man an den in 6—8 F. Höhe an der Decke klebenden Blüthenkätzehen und Zweigen erkennen kann, sicher oft den ganzen Raum mit seinen Gewässern erfüllte. Paläohistorische Gegenstände hat man zur Zeit noch nicht entdeckt, dürften auch vielleicht überhaupt nicht vorhanden sein.

Einer unverbürgten Angabe nach sollen sich ausgedehntere Räum- lichkeiten in den hinteren Theilen der Höhle befinden, deren Zugang erst vor etwa 30-40 Jahren verschüttet worden sei. In der Tiefe tritt der Glimmerschiefer sehr zurück und sehr fester körniger Kalk, ein schöner weisser Marmor, der vortreffliche Politur annimmt, wie die vorgelegten Proben zeigten, herrscht vor, so dass Stützen zur Befestigung der Ge- wölbe nicht nothwendig erscheinen. Ueberall ist die Höhle so geräumig, dass man aufrecht wandeln kann. Die Luft ist gesund und vollkommen athembar. Ein zweistündiger Aufenthalt in derselben verursachte mir keine Athmungsbeschwerden.

Fernere Untersuchungen dieser offenbar, wie schon erwähnt, durch Auswaschung gebildeten, sich vielleicht Meilenweit erstreekenden Gebirgs- spalte, erscheint sicher in geognostischer Hinsicht sehr wünschenswerth. Naturfreunde haben aus reiner Liebe zur Wissenschaft die Arbeit be- sonnen möge die Behörde nicht verfehlen, sie zu unterstützen.

Herr Prof. Dr. Göppert sprach in der Sitzung den 16. December über die Beziehungen der Stigmariaz u Sigillarien der Steinkohlenformation.

ÖObschon durch die Entdeckungen der Herren E. M. Binney und Dawson festgestellt ward, dass die bis dahin als selbstständige Pflanze betrachtete Stigmaria ficoides als solche nicht, sondern nur als Wurzel- stück von Sigillarien anzusehen ist, was auch mit meinen Beobachtungen ganz übereinstimmt, erscheint es doch immerhin von ausnehmender Wichtiskeit dahin gehörende Beobachtungen zu sammeln, um jene hier und da immer noch angefochtene Thatsache gegen jeden Zweifel sicher zu stellen. Eine solehe vorireffliche Beobachtung verdanke ich dem Herrn Steiger Krichler über einen im Bau der Hochberggrube bei Waldenburg ge- fundenen Stamm in einem Bericht an den Bergwerksinspector Herrn Kühnel, welcher die Güte hatte mir denselben mitzutheilen und ich hier unverkürzt folgen lasse:

(Es handelt sich hier zum Beweise der Zusammengehörigkeit der Stigmaria und Sigillaria um Nachweisung gewisser äusserer Kennzeichen, da wir über die, freilich vor allem entscheidende Identität ihrer anatomischen Structur bereits genau unterrichtet sind, nämlich um den stets an der Basis der längsriefisen Sigillarien Stämme sich vollziehenden Uebergang in den Bau

38 Jahres-Bericht

der Stigmarienoberfläche druch allmählige Planirung der tiefen Längs- furchen und gleichzeitiges Verschwinden der länglichen, durch drei Ge- fässbündel ausgezeichneten Narben, an deren Stelle nur die runden mit einer kleinen kegelförmigen Hervorragung in der Mitte versehenen der Stigmaria zum Vorschein kommen.) Der Bericht also lautet:

„Der Stamm, welcher an seinem untern Ende 1 Meter im Durch- messer hat, verschwächt sich auf je 50 Centim. Höhe um 10 Centim. (4 Zoll), so dass derselbe bei 350 Centim. Höhe noch 30 Centim. Durch- messer hat.

Der Stamm ist zur Zeit bis auf diese Höhe blos gelegt, setzt aber noch weiter in das Hangende fort.

Der Stamm ist von einer 2 Millim. starken Kohlenrinde umgeben, welche an einzelnen Stellen, an denen der Stamm Längsquetschungen erfahren, bis 10 Millim. anwächst.

Auf der entrindeten Oberfläche zeigen sich Längsriefen, welche von oben nach unten der Anzahl nach abnehmen, jedoch allmälig breiter und tiefer werden, bis sie ea. 50 Centim. über dem Wurzelende sich zu verflachen beginnen und dann ganz verschwinden.

Die Blattnarben sind zwischen 2 und 3 Meter Höhe des Stammes am grössten und deutlichsten ausgeprägt, haben eine ovale, oben und unten abgestumpfte Form, deren Gefässbündelnarben an beiden Seiten sichelförmig gekrümmt sind, während die Narbe in der Mitte gerade erscheint.

Die Blattnarben sind 3 Millim. breit, 5 Millim. hoch und stehen mit 15 Millim. gegenseitiger Entfernung.

Diese Blattnarben werden zwischen 2 und 1 Meter Entfernung vom Wurzelende immer schmäler und weniger tief, so dass sie bei kaum 1 - Millim. Breite, 5 Millim. Höhe und 15 Millim. gegenseitisem Abstand, nur noch ein striehförmiges Aeussere zeigen. Weiter nach unten ver- schwinden sie ebenso wie die Längsfurchen.

Narben, welche an den Wurzeln bei einem andern gleichartigen Sigillarienstamme im Liegenden des zweiten Flötzes von dem Unterzeichneten deutlich ausgeprägt beobachtet wurden, waren kreisrund, naptförmig vertieft und zeigten in der Mitte eine nabelförmige Erhöhung.

An dem vorliegenden Stamme waren dieselben leider nicht aufzu- finden, da sich auf dem Schieferthone nur undeutliche, verschwommene Eindrücke zeigten.

Die Wurzeln bildeten vom Stammende aus eine homogene Kohlen- fläche über den darunter liegenden sehr festen Schieferihon von 5 bis 10 Millim. Stärke, welche an einzelnen Stellen bis zu 50 Millim. Mäch- tigkeit anwuchs.

Der Stamm ist bis auf 2 Meter Höhe von Schieferthon umgeben, welcher Abdrücke von Lycopodites, Selagineen und Fruchtähren der Sigillarien enthällt. Dieser Schieferthon wird von Sandstein überlagert.

der Sehles. Gesellsch. £. vaterl. Cultur. 39

Die Ausfüllungsmasse des Stammes selbst besteht auf seiner ganzen Länge aus Sandsteinmasse von verschwindend kleinem Korn.“

Mit Rücksicht auf obige Angabe geht aus dieser Beschreibung hervor, dass hierein ganz ausgezeichneter Belagfür denorganischenZusammen- hangderStigmariaund Sigillaria vorhanden war, den ich aber leider trotz der ausserordentlichen Bereitwilligkeit der genannten Herren mir den- selben zu beschaffen, nicht zu erlangen vermochte, indem kurz vor meinen zu der Bergung desselben bestimmten Besuche die ganze Stelle unrettbar zu Bruche ging und Alles zertrümmert wurde.

Den unermüdlichen Forschungen der geehrten Herren gelang es später noch den unteren Theil eines ähnlichen Sigillarienstammes zu entdecken und auch zu fördern, der die oben genannten charakteristischen Kennzeichen, wenn auch nieht so deutlich auf seinem unteren schon in vielästige Wurzeln über- gehenden Theile erkennen lässt. Eine prachtvolle Photographie desselben, wie auch eine zweite von einem Lipidodendronstamme wurde vorgelegt, für welche ich Herrn Inspector Kühnel nochmals verbindlichst danke. Wir dürfen hoffen diese interessanten Stämme in Original bald hier zu sehen.

Nach meinen Beobachtungen haben die Sigillarien eben also vereint mit den Stigmarien den grössten Antheil an der Masse der Steinkohle genommen. Sie treten aber schon früher auf wie in der unteren Kohlen- formation, und in der unteren devonischen Formation, was man bezweifeln wollte, und nach Lesquereux sogar in der unteren silurischen Formation bei Scorillo in Ohio mit einer Art, die zwischen Sigillaria Leski und 8. Menardi, sehr ausgesprochenen Formen, in der Mitte steht. (Amerie. Journ. Jan. 1874, p. 31—34.) Nach oben gehen sie über die permische For- mation nicht hinaus. Sie beschränken sich somit recht eigentlich auf die palaeozoische Formation, und repräsentiren sie in morphologischer Hin- sicht auf eine höchst ausgezeichnete fast beispiellose Weise.

Wo finden wir wohl eine Pflanze von solcher Form und Organisation. Wir sehen sie nach meinen Beobachtungen (Permische Flora 1865, Seite 186 und 286) sich entwickeln mit einer, einige Zoll grossen rundlichen Knolle mit fleischigen Blättern ähnlichen und in regelmässigen Spiralen gestellten an der Spitze diehotonen Wurzelfasern, die Knollen selbst ferner sich allmälig in eylindrische später gablige Zweige ausdehnen, offenbar bestimmt, in schlammigem moorigem Boden wenigstens einige Zeit hindurch ein unterirdisches Leben zu führen (ähnlich den Wurzelstöcken mancher Oro- banchen). Dann bald entsteht an irgend einem Punete dieser rhizomatösen oft über 30 F. langen oft unter einander verwachsenden Verzweigungen, gleich wie von einem punetum vegetationis, ein mächtiges kuppelförmiges Gebilde, aus dem sich nun der eigentliche in seinem Aeussern ganz ver- schiedene cylindrische mit grasartigen, schmalen Blättern dicht bedeckte quirlästige und dichotome Stamm bis zu 60—80 F. Höhe erhebt. In seinem

40 Jahres - Bericht

Innern kommt er nicht etwa, ei man aus der Beschaffenheit seiner Iyeopodienartigen Fruchtähren wohl zu schliessen sich berechtigt fühlen dürfte, mit dem einfachen Bau der Lycopodiaceen überein, sondern zeigt eine viel höhere und zusammengesetztere Structur: Ein von Mark- strahlen durchsetzter aus radiär gelagerten Treppengefässen bestehender Holz-Cylinder erinnert an Farn- und Gymnospermen und nur das umfang- reiche Parenchym der Rinde und die von ihm nach den Blättern sich abzweigenden Gefässbündel an Verwandtschaft mit den Stämmen der Lycopodien. Dabei war das Vorkommen der Sigillarien ein so .geselliges und massiges, wie nur irgend eines der heutigen wälder- bildenden Bäume sein kann, indem sie vorzugsweise die Masse der Stein- kohle bildeten, welche dort nur in erheblicher Mächtigkeit vorkommt, wo die begleitenden Schieferthone und Sandsteine mit ihren Resten erfüllt sind, jedoch auf ein geringes Quantum zurücksinkt, wenn, wie in der

untern Kohlen- und in der permischen Formation Sigillarien,, inel. Stig-

marien, zu den Seltenheiten gehören. Wir können daher wohl mit Gewissheit behaupten, dass es niemals auf der Erde eine Familie mit so vielen Eigenthümlichkeiten und dabei so ausgedehntem geselligen Wachsthum wie die Sigillarien ge- geben hat, die auch fast ganz ohne Analogie geblieben ist, mit Ausnahme der ihrähnlichen Pleuromoia des bunten Sand- steines als derjenigen Formation, die wie die paläozoische Periode, allein noch Typen des Gewächsreiches besitzt, für welche man sich bis jetzt vergebens nach analogen Gebilden umgesehen hat. |

Der eigentliche Typus der Sigillarien hat eben so wenig wie der der Lepidodendren oder der baumartigen Lycopo- diaceen nach dem Schlusse der paläozoischen Formation eine Weiterentwiekelung erfahren, sondern ist in dieser voll- ständigen Combination so vieler Pflanzengruppen erloschen und nur nach einzelnen Richtungen noch erhalten, jedoch in Familien, welehe wie die Sigillarien und Lepidodendren sich nicht etwa später entwickelten, sondern mitihnengleich- zeitisschonals@liederderersten Landfloravorhanden waren.

Herr Geh.-Rath Dr. Göppert sprach in der Sitzung vom 16. De- cember über

Gründung der Heilquellen von Jastrzemb und Goczalkowitz und

Oberschlesiens Reichthum an Steinkohlen.

Anknüpfend an einen verwandten Vortrag, den er in der allgemeinen Versammlung der schlesischen Gesellschaft am 26. Februar 1866 gehalten hatte (44. Jahresbericht d. schles. Gesellsch. f. v. Cult. im Jahre 1866, Breslau 1867, S. 52—55), kam er auf die Gründung der beiden ge- nannten wichtigen Badeorte zurück, weil selbst die seit jener Zeit über

der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur. 41

beide Orte erschienenen Schriften das Thatsächliche derselben nicht erwähnen. Sie erfolgte, nachdem er nachgewiesen, dass die kostspieligen zum Zwecke der Auffindung von Salz veranlassten Bohrversuche sich schon längst nicht mehr in der allenfalls noch Hoffnung gebenden Braun- kohlen-, sondern in der Steinkohlen-Formation bewegten, die zu solchen Salzfunden nicht mehr berechtigt. Hierdurch sah sich das Königliche Ministerium bewogen, jene Bohrversuche aufzugeben und die den Bohr- löchern entquellenden, so überaus gehaltreichen und wirksamen Mineral- quellen an beiden Orten der Benutzung zu Heilawecken zu übergeben im November 1859.

Bei der Untersuchung der in so grosser Tiefe ermittelten Steinkohlen fand der Vortragende, dass sie sich als Backkohle erwies, die man bis dahin nirgends weiter in Oberschlesien als auf der Königl. reservirten Königs- und Louisengrube kannte.

Diese nur der Behörde mitgetheilte Entdeckung blieb nicht unbe- rücksichtigt, sondern wurde bald, und zwar mit grösstem Vortheil von den dabei Betheiligkeiten, durch Kauf und Verkauf zu bergmännischen Unternehmungen benutzt, die nun, wie man hört, in einigen Confliet mit dem Besitzer der Heilquelle gerathen sind, da allerdings durch allzugrosse Nähe des Bergbaues in Ergiebigkeit der Quelle beein- trächtigt wird. Uebrigens unterliegt es gewiss keinem Zweifel, dass bei der grossen Aehnlichkeit der Flötzlagerung von Jastrzemb mit der von Goezalkowitz, die sich auch auf die Beschaffenheit der Kohle als backende erstreckt, der ganze trennende Zwischenraum ähnliche unschätzbare Kohlenlager birgt, worauf, wie ich höre, nur deshalb Schürfe noch nicht erfolgten, weil dies im Bereiche des Fürstenthum Pless liegt, in welchem ohne Erlaubniss des Besitzers dergleichen nicht verliehen werden dürfen. Von grösstem wissenschaftlichem aber auch praktischem Interesse ist der Bohrversuch, welcher auf landesherrliche Rechnung auf der Königs- grube schon seit mehreren Jahren angestellt und im Jahre 1866, nach- dem man bereits die ungeheure Tiefe von 2000 F. erreicht hatte, vor- läufig beendiget worden ist. In 680 F. Tiefe durehbohrte man ein 8 F. mächtiges Kohlenlager, in 1044 F. eines von 40 Zoll, und endlich noch ein Drittes von 2'/, F. Mächtiskeit in einer Tiefe von 1711°/, F., also noch in 1571 F. Tiefe unter dem gegenwärtigen Betriebe, ohne damit jedoch das Ende der Kohlenformation, also des ganzen Ober- sehlesischen Kohlenlagers erreicht zu haben, denn aus 1959 F. Tiefe brachte man noch einen schieferthonigen Sandstein mit Stigmaria ficoides (Wurzel der Sigillaria), eine der Hauptleitpflanzen der productiven Steinkohlenformation heraus, wie sie eben nur in der- selben vorkommt, und sich nach meinen Beobachtungen im Aeussern von der des unteren Kohlengebirges oder des Kulm auffallend unter-

42 Jahres-Bericht

/ scheidet, welchen man sonst wohl als das Liegendste der gesammten obersehlesischen Kohlenformation erwarten durfte,

Ich habe diese für die Bestimmung der Mächtigkeit der oberschle- sischen Kohlenformation überaus wichtigen Exemplare meinem Herren Col- legen dem Director unseres Mineraliencabinets Herrn Geh.-Rath Prof. Dr. Remer übergeben, der auch noch das Profil der Gesammtbohrung erhalten soll, welches ich Herrn Geh. Bergrath Meitzen verdanke, der mich stets auf das Bereitwilligsie und Wirksamste in meinen Unter- ‚suchungen unterstützte..

Diese Funde machen es, meiner Ansicht nach, leicht begreiflich, warum man jetzt überall unter den gegenwärtigen Bauten in grösster Tiefe, ja selbst unter jüngeren Gebirgsarten, wie unter dem Muschelkalk mäch- tige Lager von in einer Tiefe von 500 F. fast überall vorhandener backen- der Kohle entdeckte und auch sicher noch weiter gegen W. und NW., sowie das Gebiet des Muschelkalks reicht, etwa zwischen Rauden, Peiskretscham, Ujest u. s. w. entdecken wird. In der That soll ja auch bereits in der Nähe von Klein-Patschin bei Peiskretscham, also an dem nördlichen Rande des Steinkohlenbeckens, ein, wenn auch nicht gar mächtiges Steinkohlen- flötz erbohrt worden sein. Das Vorhandensein zahlreicher Kohlenflötze unter den gegenwärtigen Bauten und selbst ihr Zusammenhang unter der Oberfläche von mehr als 100 Quadratmeilen lässt sich kaum bezweifeln. Sorgfältige Vergleichung der Kohle der erbohrten Flötze, nicht blos nach ihrer physikalisch-chemischen Beschaffenheit, sondern auch nach ihrem Inhaltan fossilen Pflanzen werden oftim Stande sein, etwaige aufsteigende Zweifel über Identität der Flötze zu lösen.

Alles spricht für den wahrhaft unerschöpflichen Kohlenreichthum Oberschlesiens, der auch für die ausgedehnteste Production noch in die fernste Zukunft keine Verminderung, geschweige Erschöpfung besorgen lässt. Nur am Nordrande bei Tost und dem Südrande des grossen Stein- kohlenbeckens, an welchen beiden Punkten das Grundgebirge, der flötz- leere Sandstein, Grauwacke oder Kulm hervortritt, sollte man endlich aufhören nach Steinkohlen zu suchen, was ich schon vor länger als 20 Jahren widerrieth aber ohne Erfolg, da man immer noch durch Schürf- versuch ein jenen Gegenden viel Geld verschwendet, und von jedem schwärz- lichen Schiefer grossen Bergsegen erwartet, während ein kleiner winziger Abdruck der von mir als Leitpflanze bestimmten und überall bereits als solche anerkannten Abdrücke, vor dem Vergeuden von Tausenden bewahrt hätte. Von den früher bei Gogolin, über der Grenze des nördlichen Randes der Formation, angestellten Versuchen war der Lage der Sache nach nichts zu erwarten, wie denn auch wirklich unmittelbar schon unter den Schichten des bunten Sandsteins der oben erwähnte flötzleere Sandstein angetroffen worden ist.

der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur. ! 43

Herr Geh. Medieinalrath Professor Dr. Lebert hielt in der Ver- sammlung der naturwissenschaftlichen Section am 25. Febr. einen Vortrag über Wasserspinnen des Genfer See’s.

Eine Gesellschaft von Naturforschern hat sich mit der Untersuchung und Beschreibung sämmtlicher Thiere und Pflanzen beschäftigt, welche im Genfer See vorkommen. Ich bin von meinen Collegen aufgefordert worden, die Wasserspinnen dieses Gebietes zu beschreiben. Ich habe dies zum grossen Theil nach lebenden Thieren im Canton Waadt und später nach den mir von dort nach Breslau geschiekten Thieren thun können, von denen manche noch 3 Wochen nach ihrer Ankunft nach Breslau sehr munter und lebendig waren.

Diese kleinen Thierchen leben im Schlamm des See’s in einer Tiefe, welche zwischen 25 und über 300 Meter schwankt. Ihre Bewegungen sind sehr lebhaft und betragen bis auf 4—5 Millimeter in der Secunde, also etwa 4 Mal ihre Körperlänge. Ich habe auch zahlreiche Bier der- selben untersucht und in der Eihülle grosse Diatomeen (Navicula) gefun- den, sowie auch an den Fühlern und Tasterın der lebenden Thiere Dia- tomeen (Gomphonema) schmarotzen. Aber auch ihrerseits können Hydrach- niden im Innern der grossen zweischaaligen Süsswasser-Muscheln (Anodonta, Unis) parasitisch leben.

Von den verschiedenen Arten, welche ich beobachtet habe, beschränke ich mich heute nur auf ein, sowohl als Gattung wie als Art, von mir neu aufgestelltes Thier, welches ich „„Campognatha Foreli‘“ genannt habe.

Diese kleinen 1—1!/, mm grossen Thiere haben eine plumpe, ku- gelige Form mit langen, dünnen Beinen; ihre Farbe ist eine scheckige, braunrothe und weisse; letztere schwankt je nach der Vollheit oder Leere eines, diesen Farbstoff enthaltenden Exeretionsorganes. Die Augen sind stets vier, zwei eng aneinander liegende auf jeder Seite, jedes Paar von dem andern um ein Drittel der Körperlänge entfernt, alle von dunkler Färbung mit durchsichtiger Hornhaut, deren Richtung der Augenachse entspricht. Die Taster, ungefähr von der halben Beinlänge, sind sechs- gliedrig, haben am dritten Gliede einen seitlichen Zahn und in den End- gliedehen drei keilförmige Chitinstifte. Die Tasterbewegung ist mehr eine rudernde, besonders von oben nach unten und von vorn nach hinten, nur das Eindgliedehen hat auch Seitenbewegungen. Die Beine scheinen von vorn nach hinten an Länge zuzunehmen, jedoch ergeben genaue Messungen des Skeletts nicht das zunnehmende Längenverhältniss von 1.2.3.4, sondern das von 2 . 1 länger, 3 . 4 etwas kürzer, aber gleich, und zwar identisch mit dem ersten Paar, so dass also das zweite das längste ist. Das Endglied der Beine trägt zwei Hauptkrallen und eine Nebenkralle; erstere habe ich bei starken Vergrösserungen öfters gezähnt gefunden, und man sieht Muskeln, welche die Krallen in eine Krallenhöhle zurückziehen oder aus derselben hervorschnellen können.

44 J ahres - Bericht

} J Das letzte Glied des vierten Beinpaares kann auch eine mehr pfriemen- förmige Gestalt mit rudimentären Krallen zeigen, und man sieht, wenn die Tbiere dem Absterben nahe sind, ein eigenthümliches Zittern der Krallen, welches durch Krampf dieser Muskeln bedingt ist.

Das für die genauere Kenntniss der Thiere so nothwendige Skelet- tiren bewerkstellige ich durch Ausziehen der Kalksalze mit 1—2procent. Salzsäure-Mischung. Nach vollständigem Auswaschen bringe ich dann die Thiere in 15procentige Kalilauge. Sind sie nun durchsichtig geworden, ..so werden sie wieder ausgewaschen und entweder in Glycerin für die mikroskopische Untersuchung ausgebreitet, oder es wird ihnen nun auch noch durch absoluten Alkohol alles Wasser entzogen, alsdann werden sie zu noch grösserer Durchsichtigkeit in Kreosot gelegt, um dann in Canada- balsam eingelegt zu werden. Erst später wird das mit einem Glas- oder Glimmerblättehen bedeckte Präparat durch einen Lack abgeschlossen, am besten durch weingeistige, mit Anilin gefärbte Schellacklösung.

In den so präparirten Hydrachniden sieht man sehr schön die feine, bald mehr eirculäre, bald mehr bündelartige Streifung einzelner Theile des Innern, wahrscheinlich Chitinleistehen zum Ansatz der Muskelfasern. Sehr deutlich sieht man auch das Haftnapfschild mit den sechs doppelt con- turirten Haftnäpfen, drei zu jeder Seite, zwischen denen die Geschlechts- öffnung liegst. Nur durch diese Präparation sieht man gut die Mund- organe, vor Allem die an ihrer Basis stark gekrümmten, am freien Rande gezähnelten Kiefersicheln mit ihrem Grundgliede. Man constatirt, dass der ganze Mundapparat dem der höheren Spinnen durchaus analog. ist. An den Tastern unterscheidet man deutlich sechs Glieder, von denen das dritte seitlich einen Zahn trägt und das sechste am Ende in den drei . keilförmigen Stiften die Krallenrudimente. Die Sternalplatte ist nicht frei wie bei den höheren Arachniden, sondern in zwei Theile getheilt, der eine als Grundtheil für die beiden vordern Beinpaare, der andere für die beiden hinteren, und zeichnet sich namentlich das vierte Paar durch sein grosses, dreieckiges Grundglied aus.

Am Schlusse bespricht der Autor die systematische Stellung der Hy- drachniden und verwirft die Eintheilung derselben nach der Augenzahl, da alle von ihm untersuchten zwei Augenpaare zeigten, was auch mit andern neueren Beobachtungen übereinstimmt. Sämmtliche Arten der Wasserspinnen müssen übrigens nach den angegebenen Methoden wieder von neuem gründlich untersucht werden, bevor die Eintheilung und die systematische Stellung der Einzelnen festgesetzt werden kann.

Herr Dr. 6. Joseph, Docent an der Universität, sprach in der Sitzung am 18. November 1874

über kraniologische Diagnostik der amerikanischen Affengattungen.

Gegenüber dem hohen Grade von Wichtigkeit, den die Gestaltungs-

zustände der Thiergruppen, welche auf der Stufenleiter der Lebewesen

der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur. 45

die Grenznachbarn des Menschen sind, bei Beurtheilung morphologischer Verhältnisse des letzteren haben müssen, sind die amerikanischen Affen nur selten Gegenstand eingehenderer anatomischer Studien gewesen, viel seltener als ihre an Anzahl und Ansehnlichkeit ihnen überlegenen asia- tischen und afrikanischen Verwandten. Durch die Resultate genauerer morphologischer Studien wird auch die zoologische Diagnostik sieheren Boden gewinnen.

Die Affen der neuen Welt lassen ganz besonders an dem Bau ihres Schädels charakteristische Merkmale wahrnehmen, welche den Formver- hältnissen der Affen der alten Welt und der bisher bekannten Menschen- racen fremd sind und von denen hier nur einige erwähnt werden sollen. So ragt das Stirnbein mit seiner Stirnplatte weit zwischen die Scheitel- beine, die Kranznath bildet ein mehr oder weniger spitzes und nur bei Nyctipithecus stumpfes V, während die Orbitalplatten des Stirnbeins, nach- dem sie die Siebbeinplatte umgrenzt haben, hinter der letzteren sich wieder einander nähern oder sogar über dem vordern Keilbein (Spina ethmoidalis des planum sphenoidale) zusammenstossen. Die Scheitelbeine erlangen sowohl nach vorn, als auch nach hinten eine viel grössere Ausdehnung als bei den Affen der alten Welt und dem Menschen. Der äussere Ge- hörgang behält auch bei ausgewachsenen Individuen seine embryonale reifförmige Gestalt. Das Foramen rotundum und ovale, sowie andere Gebilde an der Paukenhöhlenwand des Vestibulum labyrinthi bleiben von aussen nach Wegnahme des Trommelfelles sichtbar. Das Foramen ovale erscheint auffallend vertielti, so dass die Basis und der grössere Theil der Schenkel des Steigbügels darin verborgen ist. Das Jochbein, und zwar dessen Orbitalplatte zeigt eine auffallende Erweiterung besonders nach hinten und geht in der Regel mit dem vordern Rande des Scheitelbeins eine (den Schädeln der asiatischen und afrikanischen Affen und des Men- schen fremde) Nathverbindung ein. Nach aussen erscheint es bauchig

' aufgetrieben. Die grossen Keilbeinflügel werden von der Verbindung mit

Stirnplatte des Os frontis und Scheitelbein meist ausgeschlossen. Bei der Gattung Ateles wird jene Verbindung häufig durch einen dazwischen ge- schobenen Nathknochen unterbrochen nnd verschmilzt dieser Nathknochen zuweilen mit dem Stirnbein, von dem er dann, wie ein zungenartiger schmaler Zapfen nach abwärts ragt. Letzteres Formverhältniss ist bei der Gattung Mycetes zur Regel geworden. Bei Nyctipithecus erreichen die grossen Keilbeinflügel mit schmaler Spitze die Scheitelbeine. Dadurch wird der Zustand angedeutet, welcher bei den Affen der alten Welt und beim Menschen weiter ausgebildet erscheint. Durch die Erweiterung der Augenhöhle lateralwärts erhält letztere eine auffallende Gestalt, welche in der Gattung Nyctipithecus am meisten ausgeprägt ist. Sie erinnert an das Verhalten der Orbita bei Hylobates unter den Affen der alten Welt. Das bei Hapale, Nyctipithecus und Ateles am hintern Rande der Orbital-

46 J ahres-Bericht

platte des Jochbeins befindliche schlitzförmige Loch, wodurch die Augen- höhle mit der Schläfengrube in Verbindung bleibt, deutet auf den Zu- stand des Mangels der äusseren Augenhöhlenwand der Halbaffen, bei denen beide Räume von einander nicht durch eine knöcherne, sondern durch eine weiche elastische Scheidewand geschieden sind. Die Mem- bran, welche jeden Schlitz bei frischen Schädeln der amerikanischen Affen schliesst, enthält dieselben Gewebsbestandtheile wie letztere, ist also als Rest derselben zu betrachten. Die Verbindung der Orbitalplatte des - Jochbeins mit dem entsprechenden Scheitelbeine und die in andern Fällen sie vertretende zungenartige Zapfenbildung am Stirnbein wird den Schädel der Affen der neuen Welt auch dann noch von dem der Affen der alten Welt unterscheiden lassen, selbst wenn das sonst gute Kennzeichen, die Anwesenheit von 3 Vorbackenzähne und 3 Backenzähnen, wegen jugend- lichen Alters des Individuum im Stiche lässt.

Bekanntlich ordnen sieh die amerikanischen Affen in 2 wmngleiche Abtheilungen, in die kleinere der Bärenäffehen (Arctopithecini) mit 3 Vor- backenzähnen und 2 Backenzähnen und die grössere der Plattnasen (Plathyrrhini) mit 3 Vor- und 3 Backenzähnen in jeder Kieferhälfte im er- 'wachsenen Alter. In der Reihe der letzteren bilden in Bezug auf Schädel- umfang, Grösse des Gesichtswinkels und Lage des grossen Hinterhaupts- loches die Gattungen Chrisothrix und Mycetes schroffe Gegensätze, welche durch die Formverhältnisse der dazwischen liegenden andern Gattungen einigermassen vermittelt werden. In Bezug auf ihre Diagnostik soll hier nur einiges hervorgehoben werden.

Die Abtheilung der Bärenäffehen (Hapale) ist durch Kleinheit des Körpers auch in erwachsenem Zustande und durch das eben angegebene Kennzeichen von der zweiten Abtheilung geschieden. Die vordere Oeffnung der Augenhöhlen ist erheblich mehr seitwärts gerichtet als bei den Gat- tungen der 2. Abtheilung und erinnert an die Lage derselben bei den Halbaffen. In Bezug auf Gesammthabitus des Schädels reiht sich Hapale den Gattungen Chrysothrix -und Nyetipithecus der 2. Abtheilung an.

Chrisothrie zeichnet sich durch Durchbrochensein der Scheidewand der Augenhöhle aus, im Gegensatze zu der ihr an kleiner Statur der Arten nabestehenden Gattung Callithrie, deren Unterkieferwinkel auffallend er- weitert und herabgezogen erscheint. Bei der Gattung Nyctipitheeus ent- sprechen enorm erweiterte Augenhöhlen, in denen die grösste Breite des Schädels liegt, grossen rundlichen eulenartigen Augen. Die grossen Keil- beinflügel ragen, wie angegeben, mit schmaler Spitze aufwärts bis zu den Scheitelbeinen. Der Pocessus coronoideus des Unterkieferastes ragt schmal weit aufwärts mit nach hinten umgebogener Spitze. Die breiten aufge- triebenen ÖOberkiefer verleihen der Gattung Brachyurus, welehe durch Kürze des Schwanzes und auffallend seitliche Lage der Nasenlöcher be- kannt ist, eine eigenthümliche Physiognomie. In der Gattung Pithecia

DIE

der Schles. Gesellsch. f. vaterl.. Cultur. 47

laufen die Leisten der stark gewölbten Stirn, abweichend von allen übrigen Gattungen, schnell zu einem starken Scheitelkamm zusammen. In der Erweiterung des Unterkieferwinkels steht Pithecia der an Gestalt viel kleineren Gattung Calkthrix nahe. In der Gattung Cebus erscheint der Schädel ovalkugelig mit ansehnlichem Innenraum. Der 1. Vorbackenzahn des Unterkiefers ist grösser als der 2., der 2. und 3. breiter als lang, der 3. abgerundet, viereckig ete. Kraniologisch lassen sich 7 Arten sondern, welche nach der stärkeren oder schwächeren Ausbildung der Eckzähne in 2 Abtheilungen zerfallen.

Durch sehr kurze, breite Nasenbeine, scharf vorspringende Orbital- ränder, stark gewölbte Jochbogen, hohen Unterkiefer mit sehr breitem aufsteigenden Aste differirt Lagothric von der verwandten, vorgenannten Gattung. Ateles, durch Verkümmerung des Daumens an die den Affen der alten Welt angehörende Gattung Semnopithecus erinnernd, zeichnet sich durch breite Schneidezähne, an Grösse zunehmende obere und untere Vorbackenzähne und au Grösse abnehmende quadratische obere Backen- zähne, so wie durch die vorher erwähnten Nathverhältnisse zwischen der Jochorbitalplatte, dem Stirnbeine und Scheitelbeine aus. Die bei andern Gattungen angedeutete lamellenartige Ausbreitung der oberen Kante des Felsenbeins ist bei Ateles in auffallendster Weise vermehrt. Die Knochen- lamelle ist auch nach hinten ausgebreitet, aber von den Lineae transversae eminenies der innern Fläche des Hinterhauptbeins ebenso wie medialwärts von der Knochenlamelle der Gegenseite durch eine breite Lücke getrennt. Das dadurch entstehende knöcherne Tentorium cerebelli ist also hinten un- vollständig und dadurch von dem Verhalten desselben bei den Carnivoren verschieden.

Der robuste Körperbau der Gattung Muycetes spiegelt sich auch im Schädel ab. Durch den auffallend kleinen Gesichtswinkel, durch die Lage des grossen Hinterhauptsloches nicht an der Schädelbasis, sondern an der hintern Schädelwand, durch den, zu der blasenartigen Auftreibung des Zungenbeinkörpers in Beziehung stehenden, unförmlich erweiterten Unter- kieferwinkel, durch die an Grösse zunehmenden untern Baekenzähne wird den zu dieser Gattung gehörenden Arten ein unverkennbares Gepräge aufgedrückt.

Die vom Vortragenden mitgetheilten Befunde wurden durch De-

monstrationen erläutert, welche sich über alle Gattungen Nyctipithecus ausgenommen erstreckten und die verschiedenen Altersstufen berück- sichtigten.

Herr Staatsrath Prof. Grube machte in der Sitzung am 21. Januar einige Mittheilungen über Melanismus bei Säugethieren, indem er die sich darbietende Gelegenheit benutzte, den Anwesenden einen äusserst dunkelfarbigen nach gewöhnlichem Sprachgebrauch als schwarz zu be-

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zeichnenden Haasen zu zeigen, der auf einer vom Herrn Grafen Chamare bei Frankenberg veranstalteten Treibjagd geschossen und von Herrn Conser- vator Tiemann ausgestopft war. Kopf, Füsse, Schwanz dieses Fxemplars von Lepus tinidus waren durchaus schwarz, der Bauch schiefergrau, die langen Rückenhaare in der Mitteschwarz, an beiden Enden grau gefärbt. Diese, gewiss in Deutschland höchst seltene Färbung bei Haasen so!l nach einer dem Vor- tragenden von glaubwürdiger Seite in Dorpat gemachten Mittheilung im Mohilew’schen Gouvernement häufiger begegnen, doch fragt sich, ob sie hier nicht etwa auf Lepus variabilis zu beziehen ist. Pallas sprieht von einer im nordöstlichen Russland und Sibirien vorkommenden Varietät mit glänzend schwarzer Ober- und röthlicher Unterseite. Dem Albinismus gegenüber scheint die ausnahmsweise schwarze oder doch auffallend dunkle Färbung der Thiere wenig verbreitet, doch kennen wir eine ganze Reihe von Säugethieren, bei denen dieselbe theils ganz sporadisch beobachtet wird, theils an manche Gegenden besonders gebunden erscheint, ohne jedoch auch hier durchgängig aufzutreten. So giebt es schwarze Exem- plare von Bartfledermäusen (Vespertilio mystacinus), Backenchörnchen (Tamias striatus), Hamstern, Wasserratten (Arvicola amphibius), wilden Kaninchen und Bären (Ursus arctos), auch von Damhirschen, schwarze Panther und Jaguare, Wölfe und Füchse, und man ist in früheren Zeiten geneigt gewesen, diese zum Theil als eigene Arten zu betrachten, wie denn auch wohl die Luira aterrima von Pallas eine blosse schwarze Varietät der Lutra vulgaris, keine eigene Art ist. Die schwarze Hausratte ist dagegen in der That und durch sichere Kennzeichen von der semeinen Wander- ratte zu unterscheiden, die andern genannten schwarz gefärbten Thiere aber werden jetzt wohl ziemlich allgemein als blosse Farbenvarietäten - angesehen. Interessant ist es immerhin, der geographischen Verbreitung dieser Färbung nachzugehen. Vom schwarzen Jaguar wurden Rengger mehrere Felle in Paraguay vorgelegt, schwarze Leoparden, von denen der Vortragende selbst einen in einer Menagerie zu sehen Gelegenheit hatte, sind in Java zu Hause. Bei beiden Katzen ist der Grundton der Färbung nur ein sehr dunkles Braun, da man die schwärzlichen Flecken- zeichnungen hindurch erkennt. Was die mehr nordischen Thiere betrifft, so hat zuerst Professor von Baer darauf aufmerksam gemacht, dass, wenn man in Sibirien nach Osten geht ihre Dunkelheit zunimmt, und dass sich durch die Schwärze des Pelzwerks, welche besonders und namentlich auch beim Zobel geschätzt wird, Daurien auszeichnet, doch ist hinzuzu- fügen, dass diese dunkle Färbung gegen die Küste des Ostmeeres hin meistens wieder abnimmt. Im Amurlande werden die Eichhornehen, die bei uns im Sommerkleide so entschieden rothbraun auftreten, nach Mid- dendorf und L. v. Schrenk braunschwarz, oder wie im Nertschins- kischen Gebiet und namentlich am untern Argun ganz schwarz, im Winter schwarzgrau, eine Färbung, die die transbaiealischen Jäger davon herleiten,

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dass solche Eichhörnchen sich besonders von Schwämmen nähren sollen. Der Dachs una der Pfeifhaase (Lagomys hyperboreus) werden dort eben- falls dunkler, und auch beim gemeinen Igel fand dort Schrenk die Stacheln schwärzer als bei dem europäischen. Für die schwarzen Bären werden keine bestimmten Distiiete angegeben, man hat aber das fest- gestellt, dass die Gebirgsthiere lichtere Färbungen tragen als die Be- wohner der Ebenen. Der schwarze Wolf wird noch von Cuvier als eigene Art (Canis Lycaon) aufgeführt: er ist sowohl im südlichen Europa, auf den Pyrenäen, als im nördlichen, doch immer nur einzel angetroffen, und auffallender Weise öfters mit einzelnen weissgefärbten Stellen, wie man sie auch bei schwarzen Füchsen und oftmals bei Hunden wahrnimmt; aber von den nordamerikanischen Wölfen giebt Richardson an, dass sie am Saskatchewan und Missouri und in Florida häufig schwarz ge- funden werden. Sehr dunkle dem C. Lycaon sich nähernde Wölfe scheinen dem südlichen Theil des Amur und seinen rechten Zuflüssen eigen, während die Steppenwölfe sehr gelbgrau, selbst röthlich sind. Der schwarze Fuchs endlich, dessen Pelzwerk einen so hohen Werth hat, be- sonders wenn die Haarspitzen silberweiss glänzen, gehört zu den grossen Seltenheiten. Professor v. Middendorf konnte im Stonowoigebirge nur ein einziges Fell zu Gesichte bekommen, für das er 150 Silberrubel ver- geblich bot. Unter den Vorräthen der Petersburger Pelzhändler, deren Durchmusterung einen wahren Genuss bietet, sah der Vortragende auch einen Pelz von schwarzem Fuchs, der noch keinesweges von erster Qua- lität war und doch 4000 Silberrubel kosten sollte; die schönsten wan- dern meist an den kaiserlichen Hof und gehören zu den kostbarsten Ge- schenken des Monarchen. Aber auch für den schwarzen Fuchs werden gewisse Gegenden angeführt, in denen er häufiger als sonst vorkommt, so die Ostküste Kamschatka’s, welche zu Stellers Zeiten jährlich mehrere lieferte, auf den Fuchsinseln sollen die schwarzen öfter als die rothen begegnen, und Sachalin soll an schwarzen reich sein.

Was die Vögel anlangt, so sind dem Vortr. nur wenige Beispiele von Melanismus bekannt: und zwar nur bei Fringilliden, dem grünen Girlitz, gemeinen Gimpel, Blutfink und Stieglitz, welche durch anhaltende Fütterung mit Haufsamen diese Färbung erhalten sollen, auch werden ‚schwarze Haussperlinge angeführt.

In der Klasse der Reptilien weiss man von Echsen und Schlangen, dass sie zuweilen sehr dunkle oder schwarze Färbungen aunehmen. Nach Milde’s Angabe erscheint häufig so die lebendig gebärende Eidechse (Zootoca vivipara) bei Gerbersdorf in unserer Provinz, und von der Kreuz- otter giebt es eine schwarze Varietät, die man früher als eine eigene Aıt, Pelias Prester, ansah. Sie scheint in manchen Gegenden Deutschlands selien. Lenz, der sich so vielfach mit der Kreuzotter beschäftigt hai, ist dieser schwarzen Otler niemals begegnet, er erhielt sie aber aus

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Hildesheim, vom Grenzgebirge Böhmens und Sachsens und vom Riesen- gebirge. Wie Prof. Heller dem Vortragenden mittheilte findet sie sich in Tyrol vorherrsehend auf den Alpenpässen, weshalb sie dort auch Jochviper genannt wird. Aber auch in nördlichen Flachländern wie in den russi- schen Ostseeprovinzen und ÖOstpreussen ist sie bekannt. Interessant ist, dass auch bei den Schlangen heisser Länder der Melanismus nicht aus- geschlossen ist: so bildet Smith in seinen Illustrations of the zoology of Sonth Africa eine vollkommen schwarze Varietät der dortigen Brillen- schlange Naja haje ab.

Es ist sehr zu bedanern, dass der hier vorgelegte schwarze Haase nach dem Schlosse des Herrn Grafen Chamar& zurückwandern muss: in dem zoologischen Museum von Breslau würde er gewiss die Verwunderung zahlreicher einheimischer und fremder Besucher erregt haben.

Herr Appellationsgerichtsrath Witte fügte hinzu, dass er von dem bei Käfern beobachteten Melanismus ein ausgezeichnetes Beispiel an dem in Griechenland vorkommenden Calosoma Merlini habe, der nichts anderes als ein schwarzer Calosoma sycophanta sei.

Herr Prof. Grube legte in der Sitzung am 24. Juni dem zoologischen Museum in letzter Zeit zugekommene, theils auffallend gestaltete, theils sonst interessante Fische-vor, unter anderen ein Exemplar vom Fettfisch des Baikalsees (Comephorus baicalensis Pall.) und von der Madui-Maräne (Coregonus maraena Bloch).

Letztere verdankt das zoologische Museum der freundlichen Ver- mittelung des Herrn Rittergutsbesitzers Max von dem Borne und des

Herrn von Schmiedeberg. Sie kommt aus dem Maduisee bei Stargard in.

Pommern, ausser einigen kleineren Seen Mecklenburgs und der Neumark dem einzigen Gewässer, welches diesen Fisch beherbergt, während seine Verwandte, die kleine Maräne (C. albula L.) so viel verbreiteter und häufiger ist und nicht nur in Schlesien und der Mark, sondern auch in

der Provinz Preussen und Liefland vorkommt, wo sie unter dem Namen.

Räps geht. Doch sind viele Zoologen der Ansicht, dass die Bodenranke (Coregonus fera Jur.) der Schweizer Seen von der Madui-Maräne nicht zu trennen sei. Beide gehören zu den wohlschmeckenudsten und gesuchtesten Fischen des süssen Wassers und leben nur in Seen, die mit dem Meere keine Verbindung haben, und zwar in grossen Tiefen.”) Dagegen ist

C. omul Pall., von dem gleichfalls ein Exemplar vorgelegt wurde, wie

unser Schnäpel (C. oxyrrhynchus L.) ein Wanderfisch und zwar der in

*; Neuerdings hat das zoologische Museum durch die grosse Freundlichkeit des Herrn Max von dem Borne auch die neue, von Prof. Peters aufgestellte Art von Coregonus (ÜC. generosus) erhalten, die in dem Pulssee in der Neumark vorkommt.

der Schles. Gesellschaft f, vater]. Cultur. Sul

das Eismeer mündenden Ströme Sibiriens: er lebt im Baikal in so un- geheurer Menge, dass er ein Hauptnahrungsmittel der Umwohner bildet und seine in den letzten Jahrzehnten bemerkte Abnahme der Regierungs- behörde grosse Sorge verursacht. Die Fische des Baikal und der sibi- rischen Stromgebiete sind in den Museen nichts weniger als häufig; das unsere besitzt eine ganze Reihe solcher, die Dr. B. Dybowski dort ge- sammelt, theils schon von Pallas beschriebene, wie Cyprinus labeo und den in rasch strömenden Gewässern lebenden Salmo coregonoides, theils erst von Dybowski entdeckte, wie den dunkelgefleekten Cottus baicalensis und 4 andere Arten dieser Gattung.

Der merkwürdigste Fisch des Baikalsees aber, den wir besitzen, ist der Fettfisch (Comephorus baicalensis), ein Fisch von gesireckter Gestalt mit grossem Kopf und 2 Rückenflossen, von denen die hintere sehr viel länger, der Afterflosse entsprechend, alles wie bei Callionymus, weshalb ihn Pallas auch zuerst unter diesem Gatiungsnamen aufführte, allein die Kiemenöffnung ist ungemein weit, die Schwanzflosse ausgeschnitten, die Brustflossen ausserordentlich lang (bei unserem 6zölligen Exemplar 24, Zoll, also über /, der T'ootallänge), die vordere Rückenflosse niedriger als die hintere, Bauchflossen fehlen gänzlich und die Haut trägt weder Schuppen noch andere Harttheile, die ganz nach oben gerückte Seitenlinie ist eine blosse Rirme, welche schon ein Stück vor der Schwanzflosse aufhört. Der 1?/, Zoll lange Kopf ist aber ganz platt, die Nasenöffnungen einfach, das Maul breit und niedergedrückt, die Kiefer auch auswendig mit einer diehten Bürste feiner kurzer Zähnchen besetzt, wie der Vomer und die Gaumenbeine, die Knocheuplatten des Kiemendeckels sehr dünn und durch- siehtis und durch breite Zwischenhaut verbunden und an den Kiemen- bogen sieht man nur 1 Reihe weitläufig stehender kurzer fasi fadenförmig auslaufender Kiemenblätftchen. Dies alles und der Mangel der Schwimm- blase entfernt den Feitfisch auch von den Gadoiden, an die er ebenfalls erinnert. Man glaubte früher, dass er auch keine Blinddärme aın Pylorus besässe, aber Günther hat sie nachgewiesen und der Vortr. kann die Fünfzahl derselben bestätigen. Von dem grossen Fettreichthum des Fisches überzeugt man sich noch jetzt schon durch die blosse Berührung, löst man ein Stückchen Haut ab, so quillt das Fett in Tropfen hervor. Dies ist das einzige, was man von ihm benutzt. Pallas erzählt, dass beim Kochen desselben nichts als Fett und Gräten übrig bleiben. Der ganze Fisch ist ungemein zart und lebt in grossen Tiefen, weshalb man ihn nur nach grossen Stürmen am Ufer ausgeworfen findet. In seinem System hat ihm Günther seinen Platz zwischen den Schleimfischen und den Trachypteriden angewiesen, welche letztere ebenfalls eine nackte Haut, lockeres Fleisch, zarte Gräten Appendices pyloricae und eine weite Kiemenöffnung haben und in grossen Tiefen leben, aber Meerfische sind, Bauchflossen, jedoch keine Schwanzflosse besitzen und nur eine sehr lange Rückenflosse haben.

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Pallas wusste nur, dass dieser Fettfisch in sehr grossen Tiefen des Baikal- sees vorkommt, und erhielt ihn nur in Exemplaren, welche bei grossen Stürmen an’s Ufer geworfen waren, Dr. Dybowski hat ihn durch Grund- netze aus diesen Tiefen selbst herausgeholt und giebt dieselben auf 900 Meter an.

Hiernach wurden noch mehrere von Dr. Klunzinger gesammelte Fische des Rothen Meeres vorgelegt, unter denen einer der auffallendsten Synanceia verrucosa Bloch, ein 'I'hier von widerwärtigem Aussehen mit winzigen, schwer erkennbaren Augen, welches nach jenem Naturforscher mit seinen breiten Brustflossen mehr kriecht als schwimmt, und dessen Färbung je nach den Umgebungen, in denen es lebt, heller oder dunkler sein soll. Eine Verwundung durch seine Rückenstacheln wird schmerzhafter als ein Scorpionstich geschildert, indem bei ihrem Eindringen angeblich ein milchiger Schleim in die Wunde tritt, dem man diese Wirkung zuschreibt.

Derselbe Vortragende sprach in der Versammlung am 13. Mai über die Lebensweise und Fortpflanzung unseres Aals (Anguilla fluviatilis).

Obwohl dieser Fisch ein allgemeineres Interesse erregt, ist dennoch das, was Heckel und Kner und von Siebold in ihren Naturgeschichten der deutscheu Fische so vollständig darüber zusammengestellt haben, so wenig in das grössere Publikum gedrungen, dass immer wieder die Zei- tungen Mittheilungen bringen, die den bisherigen Erfahrungen wider- sprechen: so neuerlich eine aus Rostock, dass dort ein Aal lebendige Junge geboren habe. Aeltere Beobachtungen dieser Art sind dahin be- riehtigt, dass Rundwürmer in der Bauchhöhle oder der Schwimmblase dieses Fisches für die Jungen gehalten waren; die eben erwähnte Meldung - aber lief dahin hinaus, dass eine sogenannte Aalmutter Zoarces viviparus, ein in der That lebend. gebärender Fisch, für einen Aal gehalten war, was auch die dem Vortr. durch freundliche Vermittelung des Herrn Pro- fessor Aubert zugestellten vermeintlichen Jungen bestätigen. Noch nie- mals sind junge Aale in dem Leibe ihrer Mutter gefunden worden. Vor einiger Zeit brachte Herr Fischhändler Lehmann hierselbst einige wurm- förmige in Schlamm gehüllte Körper, die derselbe in einem trocken ge- wordenen Aalbehälter angetroffen, dem Vortragenden mit der Frage, ob dies etwa junge Aale sein könnten; es waren aber nur abgestorbene Ueberreste von Gordien oder verwandten Würmern. Es hat lange ge- währt, ehe man die Eierstöcke im Aal nachgewiesen und es war unter den deutschen Zoelogen erst H. Rathke vorbehalten, dieselben in den beiden manschettenartig gefalteten, an den Seiten des Darms liegenden Organen zu erkennen und die in ihrer Fettmasse eingebetteten, ungemein kleinen Eichen von dieser zu unterscheiden. Eine neuere Mittheilung schreibt diese Entdeckung einem älteren Italiener Mondini zu. Rathke that dar, dass die Eichen von jenen Organen in die Bauchhöhle fallen

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müssten, aus der 2 winzige Oeffnungen sie hinausführen. Aber auch ihm selang es ebensowenig als anderen, Aale mit männlichen Genitalien zu finden und es blieb nur die Vermuthung übrig, dass man diese Fische blos zu einer Zeit untersuche, in der die Spermatoiden noch nicht ent- wickelt und die Zellchen, in denen sich dieselben bilden, von den Eichen noch nicht zu unterscheiden seien. Alle Beobachtungen wiesen darauf hin, dass das Legen der Eier und deren Befruchtung im Meere vor sich sehe, da die erwachsenen Aale vom October bis December demselben zueilten, ein Zug, auf den die Fischer an den in das Adriatische Meer mündenden Gewässern ihre Fangmethode bauen, indem sie den Aalen diesen Weg abschneiden. Dagegen sah man niemals erwachsene Aale wieder von der Mündung stromaufwärts ziehen, sondern nur ganz junge Thiere von 2. bis 3 Zoll Länge und dunkelbrauner Farbe, und zwar im Früh- jahr; doch ist merkwüidiger Weise diese in Norditalien sehr bekannte, auch in England, Skandinavien und Dänemark wahrgenommene Erscheinung in Deutschland erst einmal und zwar an der Elbe beobachtet worden. In neuester Zeit aber haben Crivelli und Maggi Untersuchungen angestellt, die zu einem ganz unerwarteten, den bisherigen Vorstellungen von der Fortptlauzung der Aale widersprechenden Resultat führten, dem nämlich, dass es in der That keine männlichen Aale gäbe, weil diese Fische Zwitter seien, und ausser den Eierstöcken auch einen (bisweilen 2) Hoden besitzen, ein Organ, über dessen Bedeutung kein Zweifel entstehen könne, da sie in ihm sich bewegende Spermatozoen gesehen, ja sie behaupten sogar, dass eine Selbstbefruchtung stattfinde. Ercolani hat diese Resultate bestätigt, Canestrini dagegen Bedenken erhoben*) und man muss eine weitere Prüfung derselben von anderen Beobachtern abwarten. Da wir bereits eine Fischgattung kennen, die Gattung Serranus, deren drei mittel- meerische Arten Zwitterbildung zeigen, so haben die Crivelli’schen Beobachtungen die Wahrscheinlichkeit nicht von vornherein gegen sich. Unter allen Umständen scheint die Wanderung der geschlechtsreifen Aale nach dem Meere eine Nothwendigkeit für ihre Fortpflanzung. In Land- seen, die mit dem Meere in keiner Verbindung stehen, sollen sich diese Fische durchaus nicht fortpflanzen, und dies wäre eine Thatsache, die

-auch in unserer Provinz ihre Bestätigung oder Widerlegung finden könnte.

Eine andere Frage, deren Beantwortung der Vortragende anregen möchte, ist die, ob Aale wirklich auf Uferwiesen oder -Feldern beobachtet sind. Es wird nicht nur dies sehr allgemein behauptet, sondern auch, dass sie besonders gern auf Erbsenfelder gingen und sogar Erbsen frässen,

‚während doch die Nahrung, auf die der Aal nach der Beschaffenheit seiner

Zähne gewiesen ist, nm Würmern und anderen Wasserthieren besteht.

*) Auch Dr. Syrski, der Director des Triestiner Museums, hat vor kurzem die Crivelli’schen Beobachtungen angegriffen.

54 Jahres- Bericht J

Dass diesem Raubfisch auch Erbsen zur Nahrung dienen sollten, ist durch nichts bewiesen, doch bezweifelt v. Siebold auch überhaupt, dass er auf’s Land geht. Dagegen kann der Vortragende augenblicklich nur ein Zeug- niss eines glaubwürdigen Mannes beibringen, der an der Weichsel bei Warschau einen Aal auf dem grünen Flussufer gesehen hat und einen Angler, damit beschäftigt, einen Ring von Sand um ihn zu schütten, um sein Eintschlüpfen zu verhindern und ihn dann mit einer herbeigeholten Düngergabel zu tödten. Allgemein wird wiederholt, dass dieses Heraus- kriechen der Aale auf das Land nur bei Nacht oder am frühen Morgen beobachtet sei. Was die Verbreitung des Aales betrifft, so steht jetzt fest, dass dieser Fisch nur in den Gebieten der Flüsse vorkommt, die in die Ost- und Nordsee, den Atlantischen Ocean und das Mittelmeer münden, und wie v. Siebold nachgewiesen, dem Donaugebiet gänzlich fehlt. Letz- teres gilt auch von allen Flüssen, die in das Schwarze, Asow’sche und Caspische Meer gehen.

Herr Professor Grube gab am 4. und 18. November eine kurze Uebersicht

über die Fortschritte in der Kenntniss der Phyllopoden (i. e. $,)

in den letzten 2 Decennien.

Diese meist in solchen Bodenvertiefungen vorkommenden Krebs- thierchen, welche durch Regen oder schmelzenden Schnee sich mit Wasser füllen und durch dessen Verdünstung wieder trocken gelegt werden, hatten in Bezug auf ihre Fortpflanzung den Naturforschern viel zu denken auf- gegeben. Während die-nacktleibigen und einige der mit einer muschel- ähnlichen 2klappigen Rückenschale versehenen Formen beide Geschlechter

und in ziemlich grosser Zahl in derselben Lache liefern, war es bei den .

übrigen Niemand gelungen, Männchen zu finden, erst 1857 entdeckte Prof. Kozubowski die Männchen von Apus und erst vor ein paar Jahren wurden von Prof. Claus und zwar bei einer australischen Art die Männ- chen von Limnadia nachgewiesen. Diese Entdeckungen konnten gleich- wohl die Behauptung von Siebolds von der Existenz einer Parthenogenesis bei diesen Thieren nicht widerlegen, denn die unablässig fortgesetzten genauesten Untersuchungen dieses Forschers thaten dar, dass in der Be- völkerung einer und derselben sich wiederbildenden und dann verschwin- denden Lache oft viele Jahre hinter einander blos Weibchen vorkommen und Eier legen, die also unmöglich befruchtet sein konnten und sich doch

in der nächsten mit dem Wasserzutritt beginnenden Periode zu voll-

ständigen Thieren entwickelten. In anderen Localitäten, wie z. B. gerade bei Breslau, erscheinen dagegen nicht blos Weibchen, sondern gleich- zeitig auch Männchen, freilich meist spärlich, in manchen Jahren aber auch häufiger; während also in jenen aus den unbefruchteten Eiern nur weibliche Thiere hervorgingen, entstanden hier männliche und weibliche, letztere, nach Brauer’s Ansicht wohl deshalb, weil nicht alle Eier einer

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Pfütze befruchtet werden. Die früher einzeln gemachten Versuche, Apus, Estherien und Branchipus aus den im Boden einer ausgetrockneten Pfütze enthaltenen Eichen im Aquarium zu züchten, sind in den letzten Jahren vielfach angestellt und die Züchtungsmethode von Dr. Brauer so genau angegeben, dass man sie mit Sicherheit anwenden kann. Immer gelingt die Züchtung am leichtesten, wenn man Schollen solches Pfützenbodens vollkommen trocknet, ehe man sie mit Wasser bedeckt; man kann die Eier dann selbst der Winterkälte aussetzen, ohne dass sie zu Grunde gehen. Indem man auf diese Weise die ganze Lebensgeschichte eines Phyllopoden sich auf seinem Zimmer abwickeln lässt, gelangt man zur vollständigen Kenntniss aller Perioden derselben, von den frühesten Larven- zuständen an, die einem Beobachter in der freien Natur so oft entgehen, bis zur Paarung, und erfährt so, wie lange jede Art bis zu ihrer Ge- schlechtsreife braucht. Auch die in Salinen lebenden schalenlosen Formen, die Artemien, sind von Leydig und Siebold auf’s Eingehendste studirt worden und es hat sich wie bei Apus herausgestellt, dass die meisten Localitäten ausschliesslich sich durch Parthenogenesis fortpflanzende Weib- chen liefern, dass aber an anderen beide Geschlechter vorkommen, ganz im Gegensatz zu den so ähnlichen Branchipus des süssen Wassers, wo Männchen und Weibchen stets zusammen gefunden werden, erstere sogar in der Regel recht zahlreich sind. Es bestätigt sich ferner, dass die Ar- temien nicht blos festschalige Eier legen, sondern auch lebende Junge gebären können. Die anatomischen Untersuchungen erstreekten sich be- sonders auf die Schalendrüse und deren Ausführungsgang und auf den Bau der Genitalien.

Was unseren Fortschritt in der Kenntniss der Phyllopodenformen betrifft, so ist die Zahl der Arten bedeutend angewachsen, so dass gegen- wärtig bereits über 70 aufgezählt werden; die Zahl der Gattungen ist dieselbe geblieben, nämlich 3 mit einer muschelähnlichen zweiklappigen Schale, Limnetis, Limnadia und Estheria, 2 mit einem Kückenschilde, der aber anfangs noch etwas zusammengeklappt ist und sich erst bei späteren Häutungen ausbreitet, Apus und Lepidurus, und 2 nacktleibige, Artemia und Branchipus (nach der Gestalt der Antennen der Männchen in Branchipus, Chirocephalus, Streptocephalus und Branchionecta getheilt). Die so viel- fach abweichenden marinen Nebalien hat Claus von den Phyllopoden aus- geschieden.

Wie sich die Verhältnisse, unter denen die Phyllopoden leben, überall wiederholen, so sind auch diese merkwürdigen Thiere selbst über alle Welttheile verbreitet, von den arktischen Regionen an bis unter die Tropen, doch hat man auf der südlichen Hemisphäre bisher nur ein paar Arten und zwar in Australien entdeckt. Um so erwünschter war die Zusendung einer Artemia von H. Wrzesniowsky in Warschau, welche derselbe aus Callao von einem sehr eifrigen Sammler, Herrn Jelski, erhalten hat

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(A. Jelskii Gr). Dass es eine Artemia und nicht ein echter Branechipus ,‚ muss man aus der auffallend flachen Form der unteren (2 gliedrigen) Antennen der Männchen und aus den sehr kurzen Schwanzblättchen schliessen, wie sie nur bei Artemien vorkommen; auch ist noch besonders angegeben, dass sie in Salzwasser lebt, was ebenfalls für die Artemien charakteristisch ist. Sie unterscheidet sich von allen ihren Verwandten durch die grosse Zahl der Borsten an jenen Schwanzblättchen (gegen 20) und deren Auftreten an beiden Rändern, sowie dadurch, dass 9 fusslose ' Segmente vorhanden und diese durchaus nicht gestreckt sind, der Innen- rand des 2. dreieckigen Antennengliedes ist ganz gerade, der Aussenrand nicht convex, vielmehr etwas concav, das Knöpfehen am Grundgliede sehr klein. Männchen und Weibchen sind meist 5 mm lang und die fusslose Partie des Leibes nicht länger als die mit Füssen versehene.

Hieran knüpfte der Vortragende noch einige Bemerkungen über die verticale Verbreitung der Phyllopoden. Von den meisten Arten aller Gattungen kann man wohl annehmen, dass sie in der Ebene vorkommen, im Niveau des Meeres oder wenig höher, oder auch wohl auf eigentlichen Hochebenen; ersteres gilt namentlich von den in Salinen und Salzseen lebenden Artemien und den im brakischen Wasser gefundenen Estherien, letzteres kann man von gewissen Localitäten vermuthen, die weit land- einwärts und in gebirgigen Gegenden liegen; doch finden sich auch ein- zelne Angaben von Funden in ansehnlicheren Höhen des Gebirges selbst; so traf O. G. Sars den Apus cancriformis in Norwegen in einer Höhe von 3100 Fuss, und O. Vogt den Branchipus diaphanus in den Alpen über 4000 Fuss hoch; beides Arten, die sonst nur in der Ebene vorkommen. Nach einer dem Vortragenden soeben von Dr. Radde zugegangenen Mit- - theilung hat nun dieser gegenwärtig mit der Bereisung der Kankasusländer beschäftigte Forscher ‘einen Branchipus in einer Höhe von mehr als 9000 Fuss an einer Quelle des Bing gol-dagh entdeckt. Die betreffende Art ist sonst noch nirgend gefunden und da sowohl Männchen als Weib- chen eingeschickt sind, lässt sie sich mit Schärfe von den verwandten (vorzugsweise in tropischen und subtropischen Ländern lebenden) unter- scheiden. Diese neue Art (Br. Raddeanus Gr.) gehört zur Gruppe der Streptocephalus Baird, da die unteren hornförmig gekrümmten Antennen des Männchens dreigliedrig sind. Jede derselben trägt ausser einem griffel- förmigen Basalfortsatz des Innenrandes einen ähnlichen breiten, durch Zapfen gefiederten und zusammenrollbaren oberen Anhang, wie er bei mehreren Branchipus vorkommt, verbreitert durch einen ansehnlichen am Rande gezähnten Lappen, aber der Endhaken selbst ist weder gabelig gespalten, noch gesägt, noch sonst bewaffnet, sondern einfach und leicht ausgehöhlt. Diese wunderbar zierlichen, zum Ergreifen der Weibchen dienenden Organe messen ein ganzes Dritttheil der übrigen Körperlänge, welche 9 mm beträgt.

ist

der Schles. Gesellschaft f. vaterl. Cultur. ai

Das Fehlen des Stirnfortsatzes unterscheidet diesen Branchipus von allen anderen Streptocephalen mit Ausnahme des B. dichotomus Baird, bei dem ein solcher wenigstens nicht angegeben ist.

Herr Professor Grube hob in den Sitzungen der Schlesischen Ge- sellschaft am 13. Mai und 2. December das Wichtigste hervor aus den folgenden

Bemerkungen über die Familie der Aphroditeen (Gruppe Hermionea und Sigalionina.).

Savigny’s Familie der Aphroditeen, welche alle mit paarigen Rücken- schuppen versehene Anneliden und ausser ihnen die Gattung Palmyra umfasst, wird von ihm dadurch charakterisirt, dass 2 übereinander liegende, mit ihrer Schneide einander zugekehrte Kieferpaare vorkommen und die Rückencirren und Kiemen am 2., 4., 5., 7. und den folgenden unpaarigen Segmenten bis zum 23. oder 25. fehlen und ist so auch von Audouin und Milne Edwards aufgefasst, nur dass diese Forscher die Grenze, bis zu welcher jene regelmässige Abwechselung stattfindet, unbestimmt liessen und auf die Existenz der Kiemen keinen Accent legten. Zugleich son- derten sie die beschuppten und die nackten Gattungen in 2 Abiheilungen. Ich habe in meiner Arbeit über die Familien der Anneliden diese Son- derung aufgenommen, Quatrefages aber hat darauf 2 Familien begründet, die Aphroditea (Aphroditiens) und die Palmyrea (Palmyriens).

Die Familie der Aphroditeen im älteren Sinne steht allen anderen dadurch gegenüber, dass die Ausstattung der Segmente und Ruder weder eine durchweg gleichfarbige noch wie bei vielen Limivoren eine nach ganzen Körperabschnitten verschiedene ist, sondern regelmässig segmentweise alternirt, mag dies nun blos in der vorderen Körperpartie oder durch die sanze Länge des Leibes stattfinden. Dies gilt auch von der Gattung Palmyra, der allerdings Elytren fehlen, die Organe, in welchen sich jene Alternation am augenfälligsten ausspricht, wir stossen aber anderer- seits in der Reihe der Elytrentragenden auf solche Formen, in welchen die Elytren auf ein Minimum der Ausbildung sinken wie bei Hermenia verruculosa, so dass nur noch ein kleiner Schritt bis zu ihrem gänzlichen Verschwinden übrig bleibt. Es ist ferner zu beachten, dass bei den Palmyren ähnliche sich über den Rücken ausbreitende Fächer.von starken gekrümmten Borsten auftreten, wie sie den Aphroditen eigenthümlich sind und sonst nirgend vorkommen. Die Bildung des Kopflappens, des Mund- segnients und der Ruder bei den Palmyreen zeigen nichts von den Elytren

_ tragenden Anneliden Abweichendes und dasselbe gilt von dem Magen und

Darm, doch scheinen die Kiefer weiter nach hinten als sonst gelegen und werden bei Chrysophetalum, welches der Gattung Palmyra am nächsten steht, von Ehlers stiletförmig und nur in der Zweizahl augegeben. Von Paleanotus giebt Schmarda auch nur 2 und zwar gezähnte Kiefer an,

58 Jahres- Bericht )

doch ersieht man aus der Figur, dass dieselben gabelförmig sind, 2 auf einem gemeinsamen Stiel sitzende Zinken. Eben jene Gattung Chryso- petalum weicht aber von Palınyra darin ab, dass ihre Ruder alle gleich- artig ausgestattet, alle mit Paleen und Rückeneirren versehen sind; sie würde sich nicht in das Gesetz der Aphroditeen fügen und scheint daher die Sonderung der Palmyraceen als eigene Familie zu rechtfertigen, deren Charakter dann in dem gänzlichen Mangel der Elytren, dem Vorkommen von fächerförmig gestellten Paleen (nach oben hin verbreiterten starren .goldglänzenden Borsten) und den bald alternirend, bald an allen Rudern auftretenden Rückeneirren bei einer mit den Aphroditeen übereinstimmen- den Bildung des Kopfendes zu suchen wäre. Darnach könnte dann auch die von Ehlers aufgestellte Familie der Chrysopetaleen mit der schon von Kinberg geschaffenen der Palmyraceen vereinigt werden. Bei ander- weitig so übereinstimmender Organisation scheint mir die starke Be- tonung der in manchen Formen fehlenden Alternation der Rückeneirren nicht mehr geboten, und eine deshalb vorzunehmende. Spaltung weniger räthlich. |

Nach Ausscheidung der Palmyracea umfasst also die Familie der Aphroditea i. e. $. nur Anneliden mit Elytren und mit einer wenig- stens in der vorderen Partie des Leibes entschieden ausgesprochenen Ab- wechselung in den Anhängen der Segmente oder ihrer Ruder (Elytren, Kiemen oder Kiemenansätze, Rückeneirren, obere nach dem Rücken ge- kehrte Borsten), welche nur an einer Stelle, an dem gleichartig und zwar mit Elytren ausgestatieten 3. und 4. Segment eine Ausnahme erleidet, einem hinten in das Mundsegment hineingedrückten Kopflappen mit 1 bis 3 Fühlern und 2 Unterfühlern (Subtentacula, Palpi), jederseits 2 Fühler- eirren, einem mit 2 übereinander stehenden Kieferpaaren bewaffneten Rüssel, getrennt- oder verwachsen 2ästigen Rudern, einem hartwandigen Magen und einem mit paarigen Blindsäcken versehenen Darm. Als Kiemen bezeichnet Savigny bei den Aphroditen und Polyno@n kleine paarige Erhöhungen und Ausstülpungen der Rückenwand, an derselben Stelle, an welcher die anderen Segmente die Elytren tragen; sie sind aber durchaus . nicht allgemein, vielmehr im Ganzen nur selten nachweisbar und ihre respiratorische Function ist nicht dargethan, weshalb ich sie schon in der Abhandlung über die Familien der Anneliden als blosse Elytrenstummel bezeichnet habe. Die meisten Beschreiber übergehen sie ganz mit Still- schweigen; Quatrefages sagt, dass sich die Blindsäcke des Darmkanals dort hineinlegten, dies könnte aber doch wohl nur von den Aphroditen, nicht von den Polynoen gelten, da jene Erhöhungen bei letzteren viel zu schmal dafür sind. Sehr beachtenswerth ist, was Claparede von dem unter der Elyfrendecke über den Rücken des Leibes nach hinten fliessen- den Wasserstrom und den Mange! verästelter Blutgefässe bei den Her- mionen und Polyno@n sagt. Mettenheimer (Schriften d. Senkenbergischen

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Gesellschaft 1853) spricht dagegen nur von einem Eindringen des Meer- wassers in die Bauchhöhle und zwar durch die feine Oeffnung an der Spitze der Hautwärzchen bei Aphrodite aculeata.

Der Körper kann kurz oder lang wurmförmig sein, die Zahl der Segmente auf ein bestimmtes Maass beschränkt bleiben oder sich mit dem Heranwachsen merklich vermehren, die hintere Partie (bald länger, bald kürzer als die oben charakterisirte vordere) jene Abwechselung in der- selben oder in veränderter nicht immer regelmässiger Art fortsetzen. Die Abwechselung selbst bezieht sich bald auf alle oben bezeichnete Organe, bald nur auf einige derselben, gewöhnlich nur auf Elytren und Rücken- eirren, und diese Verschiedenheit, verbunden mit auffallenderen Eigen- thümlichkeiten, namentlich der Ruderbildung, tritt uns hauptsächlich in 5 schon. länger bekannten Gattungen entgegen: Aphrodite L. (Cw.), Polyno& Sav., Acoetes Aud. $ Edw., Pholoe Johnst. und Sigalion Aud. $ Edw. Kinberg betrachtet dieselben als Typen eben so vieler Familien und fügt noch eine 6te hinzu, die Iphionea, allein die letzteren stehen den Polynoön so nahe, dass man keine dringende Veranlassung findet, sie von ihnen zu trennen: das sogenannte Tuberculum faciale, ein zwischen den Subtentacula unter dem Kopflappen gelegener Vorsprung, der den Polyuoen fehlt, ist bei ihnen schwach ausgebildet, die dort nackte Schneide der Kiefer bei ihnen gezähnelt und der unpaare Fühler, den die Polyno&n besitzen, fehlt ihnen gänzlich; allein die Zahl der Fühler wechselt auch innerhalb der anderen Familien. Die Pholoideu ferner lassen sich, wie auch Malmgren gethan, den Sigalioninen einreihen, und so würden, da die Palmyracea schon besprochen sind, nur 4 Familien übrig bleiben: die Aphroditea i. e. 8., Polynoina, Acoetea und Sigalionina und auch diese könnte man, mit Claparede übereinstimmend, lieber als Unterabtheilungen einer grossen Familie Aphroditea mit der oben gegebenen Charakteristik auffassen. Doch würde jedenfalls noch eine Unterabtheilung hinzuzufügen sein: Olaparedes Polylepidea, die an allen Segmenten Elytren tragen.

Diese 5 Unterabtheilungen lassen sich mit einigen Abweichungen von Kinberg folgendermassen einander gegenüberstellen und übersehen:

A. Die einen Segmente mit Elytren, die anderen, dazwischenliegenden mit Rückeneirren versehen, keine zusammengesetzte Borsten.

a) Zwischen die Elytren tragenden Segmente schiebt sich in der vor- deren Körperpartie immer je 1 Segment mit Rückeneirren, in der hinteren meist je 2 solche oder es fehlen hier alle Elytren.

Hermionea (Aphroditacea Kbg.), Körper kräftig, vierkantig, oval oder kurz wurmförmig, mit feinwarziger Haut und fächerförmig ausgebreiteten Stachelborsten oder Stacheln auf den Seiten des Rückens. Nur 1 Fühler. Stirnwulst zwischen den Unterfühlern ansehnlich. Augen an einem kurzen Stummel. Ites Ruder mit 2 Fühlereirren und Borsten. Obere und untere

60 Jahres- Bericht

Borstenköcher weit auseinanderstehend. Baucheirrus des 2. Ruders wenig länger als die anderen. Kiefer nie hornig, statt ihrer halb knorpelige Plättehen oder auch diese nicht bemerkbar. Randpapillen des Rüssels in gedrängt mehrfacher Reihe. (13—18 Elytrenpaare.)

Polyonina. Körper oval, kurz- oder lang-wurmförmig. 2 oder 3 Fühler. 4 in einem Viereck sitzende Augen, Stirnwulst klein oder fehlend. Ites Ruder mit 2 Fühlereirren, fast immer ohne Borsten. Baucheirrus des 2ten Ruders verlängert. 2 Aftereirren. Oberer und unterer Borstenköcher an einem gemeinsamen Ruder. Kiefer hornig, hakig, gezähnelt oder ungezähnelt, Papillen am Rüsselrande in einfacher Reihe (12— 20 und mehr Elytrenpaare).

b) Zwischen die Elytren tragenden Segmente schiebt sich in der ganzen Länge des Körpers nur immer je 1 Segment mit Rückeneirren,

Acoetea. Körper lang wurmförmig. 2 oder 3 Fühler. 2 langgestielte Augen. Kein Stirnwulst. lies Ruder mit 2 Fühlereirren mit oder ohne Borsten. Baucheirrus des 2ten Ruders verlängert. Oberer und unterer Borstenköcher an einem gemeinsamen Ruder. Kiefer hornig, hakig, ge- zähnelt. Randpapillen des Rüssels in einfacher Reihe, die mittlere oben und unten verlängert (39—93 Elytrenpaare).

B. Die Elytren tragenden Segmente des vorderen Körpertheiles mit oder ohne eirrusförmigen Rückenanhang (Kieme Clap.) und abwechselnd mit solchen, die blos einen solchen Rückenanhang tragen oder nackt sind, in der hinteren Körperpartie lauter Elytrentragende mit oder ohne Rückenanhänge. Ruder 2ästig, Borsten theils einfach, theils zusammen- gesetzt, selten blos einfache (bei Eulepis).

Sigalionina. Körper lang wurmförmig. 1 oder 2 Fühler. Augen sitzend 2 oder 4 in einem Viereck. Kein Stirnwulst. Ites Ruder mit 2 Fühlereirren und Borsten, sich ganz nach vorn zwischen den Kopflappen und die Unterfühler schiebend. Baucheirrus des 2ten Ruders verlängert. Oberer und unterer Borstenköcher an einem gemeinsamen Ruder. Borsten mannigfach und reich entwickelt, an demselben Ruder einfache und zu- sammengesetzite. Kiefer hornig, hakig, ohne oder mit einem Zähnehen (50 und mehr Elytrenpaare).

C. Alle Segmente tragen Elytren.

Polylepidea. Körper lang wurmförmig. Nur I Fühler. Kein Stirn- wulst. 1tes Ruder mit 2 Fühlereirren ohne Borsten. Baucheirrus des 2ten Ruders nicht verlängert. Oberer und unterer Borstenköcher an einem gemeinsamen Ruder. Borsten zusammengesetzt. Hornige Kiefer und eirrenförmige Rückenanhänge werden zwar nicht bei der Beschreibung von Pelogenia, wohl aber bei Lepidopleurus erwähnt, ohne dass von einer Alternation die Rede ist.

der Schles. Gesellschaft f. vaterl. Cultur. 61

Hermionea.

Die Repräsentanten dieser Gruppe zeichnen sich durch einen meist kräftigen, von nur wenigen Segmenten gebildeten Körper aus, ihre Zahl übersteigt nirgend 44 und die hinteren sind auffallend kürzer als die vor- deren, im Bereich der einfach alternirenden Elytren belegenen. Da die oberen und unteren Borstenköcher merklich auseinanderstehen, wird die Seitenwand ziemlich hoch, wobei jedoch die Breite merklich zu über- wiegen pflest und die ovale Form die vorherrschende ist. Dem ent- sprechend gewinnt dann auch der von dem Kopflappen zum Munde herab- steigende Vorsprung (das Tuberculum faciale Kinbergs) eine nicht un- bedeutende Höhe und nimmt die Form eines verticalen Kammes an. Das 1. Ruder verlängert sich seltener stark nach vorn, und ähnelt, da es Borsten trägt, "mehr den folgenden, doch fehlt ihm das untere Borstenbündel, der Baucheirrus des 2. Ruders erscheint weniger fühlerförmig. Was diese Abtheilung ferner besonders auszeichnet, ist die Stärke der Borsten, von denen die im Bauchköcher und einige im Rückenköcher stehende wegen ihrer starren Spitze mit Recht den Namen Stacheln verdienen; diese kommen immer nur in geringer Zahl vor, andere sind kaum weniger stark, aber säbelförmig gekrümmt, bald ebenfalls mit starrer, bald mit feiner biegsamer Spitze, und sie bilden bei mehreren ausgebreitete, die Elytren bedeckende Fächer, was zum Theil auch von den Stacheln eilt; bei manchen Thieren dieser Abtheilung endlich kommen ausserdem ganz zarte haarartig-biegsame Borsten vor, die zum Theil sich mit denen der be- nachbarten und gegenüberliegenden Bündel zu einem lockeren oder dich- teren Rückenfila verweben, wie man ihn sonst in keiner Annelidenfamilie antrifft Ganz eigenthümlich dieser Gruppe ist, dass auch in dem Vor- kommen der bezeichneten Borstenformen und Stacheln der oberen Köcher segmentweise eine Abwechselung auftritt, während sich doch dieselbe in den anderen Gruppen nur in den Elytren, Rückeneirren und anderen weichen Anhängen ausspricht. Abgesehen von den Borstenformen sind es hier gleichzeitig aber auch die Elytren und Rückeneirren, welche alter- niren, in dem vorderen Theile des Körpers in einfacher Aufeinanderfolge, vom 25. Segment an so, dass je 2 Segmente mit Rückencirren auf 1 elytrentragendes folgen. Die hintersten tragen nie mehr Elytren. Die Augen, bald 2, bald 4, siizen jederseits auf einer Erhabenheit, oft auf einem deutlichen Stiel, den einzig vorhandenen Fühler in die Mitte nehmend, oder auf dessen verdickter Basis, und obschon der Rand des ausgestülpten Rüssels wie bei den übrigen Gruppen mit einer Reihe paralleler Blättehen besetzt ist, zeigen sich doch die Kiefer viel weniger entwickelt, von minder harter Substanz und niemals hakenförmig gekrümmt.

Die hierher gehörigen 5 Gattungen lassen sich am übersichtlichsten nach der Gestalt der Stacheln im unteren Köcher gruppiren:

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62 Jahres - Bericht /

a) Die Stacheln des ventralen Köchers (Bauchstacheln) mit einfacher Spitze. Aphrodite. Die Bauchstacheln 3zeilig, kurz, stark; die dorsualen Köcher aller Segmente mit einem die Elytren bedeckenden Fächer län- gerer starker Stacheln und ausserdem mit 2 Büscheln seitlich gerichteter haarartiger Borsten, die der anderen Segmente noch mit einem dritten obenstehenden Büschel ähnlicher, zu einer Rückendecke verfilzter, unter der die Elytren verborgen sind. 2 Augen auf sehr niedrigem Höckerchen.

b) Die Bauchstacheln mit fein gefiederter Spitze.

Laetmonice. Die Bauchstacheln nur zu je 3 und sehr lang. Die Rückenköcher der elytrentragenden Segmente mit einem die Elytren be- deckenden Köcher starker gekrümmter Borsten, nach aussen davon mit einem Bündel langer Stacheln mit Widerhaken an der Spitze, die Rücken- höcker der anderen Segmente mit einem Bündel nach der Seite ge- richteter stärkerer Borsten und einem anderen von haarartigen Borsten darunter. Die Elytren gewöhnlich unter einer von Schleim und Meer- schlamm gebildeten Decke verborgen. 2 kurz gestielte Augen.

c) Die Bauchstacheln mit zwei- oder mehrzähniger Spitze.

c! 2 Augen auf der verdickten Basis des Grundgliedes des Fühlers sitzend.

Aphroyenia. Der Rückenköcher aller Segmente mit einem nach der

Seite gerichteten Fächer langer am Ende hakenartig gekrümmter Borsten, die der elytrentragenden Segmente ausserdem mit einem oberen Bündel haarartiger Borsten.

c? Jederseits 2 Augen an einem Stiel.

Pontogenia. Die Rückenköcher aller Segmente mit einem fächer- förmigen, zum Theil die Elytren bedeckenden Bündel starker gekrümmter Borsten und einem Bündel haarförmiger, theils seitlich gerichteter, theils zu einer zarten Rückendecke verfilzter Borsten, unter der die Elytren liegen. Körper minder breit.

Hermione. Die Rückenköcher der elytrentragenden Segmente mit einem Fächer starker gekrümmter Borsten vor den Elytren und einem seitliehen Bündel langer nach hinten gerichteter Stacheln mit Widerhaken

an der Spitze, die der anderen Segmente mit einem seitlichen Borsten-

bündel. Gar keine Rückendecke ausgebildet.

Aphrodite L. Cuv. (Halithea Sav. Lam.)

Quatrefages zieht auch Laetmonice zu dieser Gattung. Die Zahl der Elytrenpaare ist bei den meisten Arten 15 und die Zahl der Segmente 39, doch beschreibt Quatrefages eine auch sonst vielfach abweichende Art von Neuseeland, A. squamosa, mit nur 12 Elytrenpaaren und 27 Segmenten,

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und zwei, deren Vaterland unbekännt, mit 14 Elytrenpaaren und 33 Seg- menten.

Dies gilt von A. centetes Qf. und A. modesta Qf., die sonst von A. aculeata und auch unter einander nicht leicht zu unterscheiden sein müssen, bei A. centetes soll aber die Rückendecke (fornix pilosus) aus 2 Schichten bestehen und von zahlreichen Stacheln durchbohrt sein, bei modesta ist letzteres weniger der Fall (in der Diagnose heisst es sogar fornix pilosus integer), auch sollen die seitlichen Borstenbüschel bei der ersteren zwar, wie A. aculeata, flottiren aber weiss mit kupfrigem Glanz, bei modesta zwar irisirend, aber sehr kurz sein. Eine dritte Art A. talpa Qf. von Neuseeland mit nur 32 Segmenten aber 15 Elytrenpaaren scheint durch die Kleinheit und runde Gestalt der Elytren, welche sich kaum in der Mittellinie des Rückens berühren, gut charakterisirt, die eigenthümliche wie gegliederte Beschaffenheit der Borsten in den seitlichen oberen Bün- deln habe ich auch bei einem Exemplar von A. aculeata aus dem Mittel- meer beobachtet.

Von der südamerikanischen A. echidna Qfg. kennen wir blos die hückendecke, welche sich durch auffallend dicke braune Haare auszeichnet, auch scheinen die Borsten der seitlichen oberen Bündel nur kurz und wenig farbenspielend.

Von den übrigen Arten wissen wir, dass sie 15 Paar Elytren und gewöhnlich 39 Segmente besitzen, doch habe ich bei einem grossen Exemplar von A. aculeata auch 43 gezählt. Diese Art, die ältest be- kannte, ist so gut beschrieben, dass ich auf sie nicht näher eingehen darf, doch widersprechen sich Savigny und Audouin und Edwards darin, dass jener das obere der 2 den Rückenfilz bildenden Haarbüschel den elytren- tragenden Segmenten, diese dagegen denen mit Rückeneirren zutheilen ; meine Exemplare bestätigen die erstere Angabe. Was die Verbreitung betrifft, so kann ich Malmgren und Claparede nur beistimmen, dass die Aphrodite aculeata sowohl im Mittelmeer als im Atlantischen Ocean und der Nordsee vorkommt v. Martens hat ein Exemplar auch bei Madeira gefunden und dass die A. sericea Sav. und borealis Johnst. mit ihr vereint werden müssen. Kleine Exemplare von A. aculeata, die ich von Arendal erhalten, zeigten mir so spärliche irisirende Haare, dass es auf den ersten Anblick

‚befremdete. Alle erwachsenen, die ich an den Küsten des Adriatischen

Meeres und des Kanals (bei St. Vaast) beobachtet, prangten im lebhafiesten Farbenspiel der haarförmigen Borsten; die grössten, die Malmgren und ich erhalten, massen im Weingeist 115 mm, doch giebt Blainville auch Längen von 5—6 Zoll an, was man wahrscheinlich nur auf Maasse an lebenden beziehen darf.

Risso’s Beschreibung seiner nur 24 mm laugen ovalen A. aurata mit nur 32 Segmenten, lässt fast vermuthen, dass er auch nur eine kleine A. aculeata vor sich gehabt. |

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Ausserdem sind noch 2 südamerikänische Arten sorgfältig von Kinberg beschrieben: A. alta von Rio Janeiro, eine auffallend hohe ovale Art mit kurzen, den Rückenfilz nicht überragenden Stacheln und kurzem, an Länge den Kopflappen nicht erreichenden Fühler, und A. longicornis aus der Nähe der la Platamündung, beide mit kreisrundem Kopflappen. Die letztere steht durch die ausserordentliche Länge ihres Fühlers ganz allein: er hat fast die halbe Länge der wie immer sehr ansehnlichen Subtentacula, während er bei allen auderen dies Maass bei weitem nicht erreicht und höchstens eben so lang oder wenig länger als der Kopflappen ist.

Aphrodite sondaica ist eine neue Art, deren Heimath das nördliche Borneo sein soll. Das einzige Exemplar mit 39 Segmenten, 80 mm lang, an der breitesten Stelle zwischen den Bauchköchern 22 mm, mit ihnen 26,5 mm breit, vollständig erhalten, wahrscheinlich in nicht starkem Weingeist aufbewahrt und deshalb platter als im Leben, besitzt eine von Furchen verschiedener Richtung durchzogene, mit sehr vereinzelt stehenden unansehnlichen Wärzchen besetzte Haut und fällt sogleich dadurch auf, dass man vergeblich nach den sonst durch den Rückenfilz hervorragenden schwarzbraunen Stacheln sucht, statt ihrer entdeckt man Fächer von an- sehnlichen, aber doch nur halb oder \, so dieken, leicht gekrümmten, in eine ganz biegsame feine Spitze auslaufenden und dem Rückenfilz an- gedrückten oder von ihm ganz umwebten farbenspielenden Borsten; da- hinter und längs dem ganzen Rande des oberen Borstenköchers zieht sich ein breiter dieker Schopf von zarten, sehr biegsamen, sanft irisirenden, meist dicht wit Schmutz bekleideten Borsten, welcher an den $Seg- menten mit Elytren weiter hinaufgeht und durch seine obere Partie die Bildung des sehr festen, mit Meerschlamm untermischten Rückenfilzes. veranlasst, sonst aber ein ganz geschlossenes Bündel darstellt, so dass die Oeffnungen des Filzes, welche durch die Abstände dieser auf einander folgenden Bündel entstehen, sehr scharf umschrieben sind. Der herab- steigende Stirnkamm ist nur mit schwachen Wärzchen versehen, der Fühler sehr kurz, nur 1 mm lang, '/, kürzer als der hinten verschmälerte Kopflappen und ohne deutliches Basalglied, ebensowenig mit einer ab- geseizten Spitze, die 2 blassen Augen sitzend, die Unterfühler sind 9 mm lang, das 1. Ruder springt sehr wenig vor und seine Cirren verdienen wegen ihrer Kürze kaum den Namen Fühlereirren, während weiterhin die Rückeneirren wohl 3mal so lang als sie werden (bis 7,5 mm) und nur wenig hinter den Subtentacula zurückstehen. Die Bauchköcher und ihre in 3 Reihen stehenden dunkelbraunen Borsten und Cirren zeigen keine Abweichung von A. aculeata, doch sehe ich in der untersten Reihe meist 9 bis 11 (statt 8). Die grossen, sich überdeckenden Elytren, jederseits 15 an der Zahl, sind sehr weich, zart, zum Theil sackartig zusammen- gefallen, rundlich, farblos und hin und wieder mit schwärzlichen Flecken versehen, die des lten Paares klein, läuglich, abgerundet dreieckig.

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Was endlich die schon oben erwähnte A. squamosa Qf. betrifft, so weist vieles in der- Beschreibung mehr auf einen Polyno&@ (Lepidonotus) als auf eine Aphrodite hin, namentlich das Fehlen des Rückenfilzes, die Vereinigung der Borstenköcher zu einem Ruder, auch die Beschaffenheit des Rückeneirrus und des Aftersegments, die Zahl der Elytren und Seg- mente. Es ist nur der unpaare Fühler beschrieben.

Laetmonice Kbsg.

Die Laetmonicen ähnen in dem Gesetz der Vertheilung von Stacheln und Borstenbündeln an elytrentragende und dazwischenliegende Segmente durchaus den Hermionen und unterscheiden sich von ihnen wesentlich nur durch die grosse Länge und die Gestalt der nicht zweizinkigen, sondern an der Spitze gefiederten Bauchborsten, eine Gestalt, welche nur noch an den Borsten im Rückenruder der Eupompen und Panthalis wiederkehrt.

Man kannte bisher von dieser Gattung nur 1 Art:

L. filicornis Kbg., welche von Bohuslän längs der norwegischen Küste bis Finnmarken hinaufsteigt. Ich kann eine zweite hinzufügen:

L. violascens Gr., in einem einzigen Exemplar vorliegend, angeblich aus dem Chinesischen Meer (vom Naturalienhändler Salmin erhalten). Sie zeigt nicht die Rückendecke über den Elytren, welche Kinberg in die Charakteristik der Gattung aufgenommen hat, ich finde dieselbe aber auch bei einem Exemplar von L. filicornis nicht, während meine anderen sie besitzen. Jedenfalls scheint sie nicht einerlei mit der bei Aphrodite und Pontogenia vorkommenden, denn ich kann in ihr nicht eine Verfilzung von Haaren, sondern nur einen geronnenen mit Meerschlamm vermischten Schleim erkennen, welcher sich daher leicht in Stücken ablöst oder ganz verloren gehen kann. Der Hauptunterschied von L. filicornis liegt in der Kürze des Fühlers, der sogar hinter den Fühlereirren zurücksteht und etwa nur ", so lang als die Unterfühler ist. Die Elytren haben einen entschieden wenn. auch blass violetten Ton, und sind durchweg abge- rundet viereckig, quergezogen mit schmälerem Aussen- als Innenrand, die mittleren nieht nierenförmig, die vordersten und hintersten der 15 Paare an Grösse merklich abnehmend. Ich zähle 33 Segmente, die Haut ist weisslich und mit kleinen schwachen Wärzchen bedeckt. Sowohl die ge- krümmten Borsten, deren Fächer vor den Elytren sitzen, als die langen an der Spitze jederseits mit 4 Widerhaken bewaffneten Stacheln, welche nach aussen daran stehen, sind hellgelb, ebenso die seitwärts gerichteten vollen Borstenbündel der mit Rückeneirren versehenen Segmente, sie ziehen sich an ihren Köchern seitlich herab und die Borsten der untersten Partie werden sehr fein, bilden aber keine flottirende Franze. Ein oberes Bündel haarförmiger Borsten, welche sich auf dem Rücken verwebten, ist nicht zu finden, Augen nicht erkennbar, wohl aber ein kleiner rund- licher Höcker rechts und links neben dem starken Basalgliede des an der

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66 Jahres - Bericht

Spitze angeschwollenen Fühlers. Die Rückeneirren sind diesem ähnlich, die Baucheirren äusserst dünn und kurz. Die Länge des vorliegenden Exem- plars beträgt 20 mm, die Breite mit angedrückten Rückenstacheln, welche nach hinten an Länge zunehmen, 13 mm, zwischen den Bauchköchern gemessen nur 5 mm (im Maximum).

Hermione Sav. Kbe. Quatrefages nimmt diese Gattung, die Savigny eigentlich nur als Untergattung von Aphrodite mit dem obigen Namen bezeichnete, in einem etwas weiteren Sinne als Kinberg, indem er ihr auch die Gattung Aphrogenia einverleibt, deren Art er als Hermione alba einfügt. Von letz- terer abgesehen finden wir bei Quatrefages 5 Arten verzeichnet:

Neben Hermione hystrie Sav., welche Savigny nur aus dem Mittelmeer kannte, stellt Quatrefages eine zweite: H. fallax Qf., die blos dem At- lantischen Ocean angehören soll. Bei H. fallax soll der Fühler mit den Unterfühlern ziemlich gleich lang, bei H. hystrix kürzer als diese, bei jener die Spitze der langen am Ende mit Widerhaken besetzten Rücken- borsten gerade, bei letzterer gekrümmt, bei jener die Bauchstacheln zwei- zinkig, bei letzterer dreizinkig sein, ausserdem werden jener mittelmässig grosse, letzterer grosse Elytren, jener ein ovaler, dieser ein verlängerter Körper zugetheilt. Ich kann aus eigener Erfahrung mittheilen, dass bei den Hermionen des Adriatischen und Mittelmeeres sowohl zwei- als drei- und selbst vierzinkige Bauchstacheln vorkommen und dass ich den Fühler zuweilen noch nicht halb so lang als die Unterfühler gefunden habe, auch ist der Körper hinten bald mehr bald minder verlängert. Ich kann mich daher nicht veranlasst sehen, die noch übrig bleibenden Unterschiede für so wichtig zu halten, um darauf 2 verschiedene Arten zu gründen. Was Claparede von dem Vorkommen oberer haarförmiger, zu einem lockeren Rückengewebe sich vereinigender Borsten sagt, habe ich auch bereits in einer früheren Arbeit angegeben.*)

Aphrodite hystricella Qfg., im Atlas zu Cuvier’s Regne animal pl. 19 Fig. 1 abgebildet, ist später von Quatrefages selbst**) als einerlei mit A. hystric Sav. erklärt, und dieselbe im Atlas zu der Histoire naturelle des Anneles wiederholte Figur mit letzterem Namen bezeichnet.

Hermione Kinbergi @f., (Aphrodite hystricella? Qf. Kbg.), ebenfalls aus dem Mittelmeer und zwar von der syrischen Küste, erklärt Quatrefages

für eine besondere Art. Die Unterschiede von H. hystrix, die aus Kinberg’s -

Beschreibung hervorgehen, bestehen in der geraden, nicht gekrümmten Spitze der Bauchstacheln, welche 3 Zinken (bei H. hystri« 2 bis 4) haben, in der Zahl von nur 3 und 4 (bei hystriex 4 und 5) Widerhaken und in

*) Grube zur Anatomie und Physiologie der Kiemenwürmer p. 51. **) Hist. nat. des Anneles I pg. 207.

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der Anwesenheit von divergirenden sehr zarten Streifen (striae) der Elytren, während bei H. hystrie sowohl divergirende als horizontale Kanälchen (camaliculi) vorkommen sollen, dort werden in den Elytren zerstreute ovale, hier gerundete Zellen angegeben; bei H. Kinbergi sollen die Fühlerecirren gleich lang, bei hystrix ungleich lang sein, und ihr Borstenköcher tritt bei jener weiter als bei dieser vor. Quatrefages legt noch auf die Länge des Fühlers ein Gewicht, der bei H. Kinbergi beinahe so lang als die Unterfühler ist, bei hystrix von ihm als sehr klein (minima) angegeben wird. Dies: letztere widerlegt aber Kinberg’s Abbildung der H. hysirix (Eugenies Resa Annul. Taf. II. Fig. 4 B.) und meine eigene Untersuchung; in der Figur von Audonin und Edwards Aun. sciene. nat. XXVII pl. 7 Fig. 3 ist der Fühler offenbar nicht vollständig. Aber auch die oben angegebenen Unterschiede machen es mir noch zweifelhaft, ob H. Kinbergi eine eigene Art ist.

Hermione erinaceus ()f. aus dem Rothen Meere und H. Mathei Qf. von Isle de France besitzen nach Quatrefages nicht 15 Elytrenpaare, wie H. hystrix, sondern nur 13, und bei erinaceus wird ausdrücklich angegeben, dass nur die 10 ersten in der gewohnten Weise mit den Rückeneirren alterniren, die 3 letzten aber iimmer je 2 Segmente mit Cirren überspringen, A. erinaceus hat gleich lange Fühler und Unterfühler, 33 Segmente und an den Rückenköchern aller Segmente nach aussen und unten ein breit- gezogenes Bündel feiner Borsten, die Rückenstacheln 2 und 3 Widerhaken.

Bei H. Mathei ist der Fühler auffallend kurz und dünn, die Unter- fühler sehr lang und dick, die Rückenstacheln jederseits mit 3 Wider- haken versehen.

Zu diesen Arten treten 2 neue:

H. bicolor Gr., nachträglich unter Ehrenberg’s Ausbeute von Tor am Rothen Meere gefunden, 1 Exemplar, 20 mm lang, der H. hystrix sehr ähnlich, zunächst dadurch auffallend, dass die nieht schmal und tief, son- dern sanft und breit ausgeschnittene Ansatzstelle der leicht violet schim mernden Elytren durch ihre grau-bläuliche Farbe scharf absticht. Die Fläche der Elytren zeigt unter dem Mikroskop dieselbe überaus feine und ‚diehte gegen den Rand hin laufende Parallelstreifung mit eingestreuten winzigen Körnchen (Zellchen Kbg.), die Kinberg von seiner H. hystricella abbildet, abweichend von H. hystric. Die kleinen annähernd kreisrunden Elytren des ersten Paares sind am Aussenrande und auf dem grössten Theile der Oberfläche mit kurzen fadenförmigen Papillen beseizt, wie sie sonst vou keiner Speeies bekannt sind. Den Rand des Rüssels besetzt ein sehr diehter Kranz dünner, jetzt bandförmiger, am Ende gabelig ge- spaltener Papillen, ähnliche finden sieh auch bei HM. hystrixe ich habe sie schon früher als Blätter beschrieben (zur Anatomie .und Physiologie der Kiemenwürmer 1838 p. 55) von anderen Zovlogen sehe ich sie

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68 J A - Bericht

nicht erwähnt sie scheinen aber bei H. hystrix verhältnissmässig grösser und an den Enden breiter.

Hermione malleata Gr., von Prof. Semper im Philippinenmeer entdeckt, in einem nur 16 mm langen Exemplar mit 34 Segmenten und 15 Paar Elytren vorliegend, zeichnet sich in mehrfacher Hinsicht aus, vor Allem dadurch, dass an der. Basis der sehr grossen weit über die Mittellinie greifenden Elytren ein kleiner gelblicher blattförmiger, und an den eirren- tragenden Segmenten auf derselben Stelle ein ähnlicher, aber gabel- ' förmiger oder fast hammerförmiger Fortsatz vorkommt (als Elytrenstummel anzusehen); die gerundet trapezoidalen Elytren sind so durchsichtig, dass beiderlei Organe sehr deutlich durchschimmern. Nach aussen von den hellbraunen Rückenstacheln sitzt ein sich ihnen anschliessendes seitwärts gerichtetes Borstenbündelchen, an den Segmenten mit Rückeneirren, deren Köcher weiter vorspringt und breiter ist, ein viel ansehnlicheres. Diese Borsten sind eben so dünn, als die gekrümmten, die den Fächer vor den Elytren bilden, und blässer als die Stacheln.. Der Fühler, nur etwas über 2mal so lang als der kreisrunde Kopflappen, wird an Länge schon von dem unteren Fühlereirrus, noch mehr von dem oberen und dem noch längeren Unterfühler übertroffen, und hat wie die Fühler- und Rückeneirren eine etwas abgesetzte kolbige Spitze, Augen sind nicht zu erkennen, wohl aber die beiden kurzen Stielchen, an denen sie sitzen könnten. Die Rückenstacheln haben 3 und 4. Widerhaken, die Bauch- stacheln 2 Zinken. Baucheirren wie immer sehr kurz. Der Leib länglich, nicht oval, nach vorn und hinten ziemlich gleich verschmälert.

Pontogenia Clap. Bisher war nur eine Art dieser Gattung bekannt:

P. chrysocome Ciap., zuerst von Baird als Hermione chrysocome be- schrieben, früher schon von O. G. Costa in seiner Fauna del regno di Napoli als Hermione hystrix abgebildet. Da dieselbe einen langgegliederten Fühler besitzt, ist diese Eigenthümlichkeit von Clapartde in die Charaktere der Gattung aufgenommen. Bei einer zweiten neuen Art ist dies nicht der Fall, weshalb ich oben den Charakter geändert. Diese zweite Species ist:

P. indica Gr., sowohl von Martens (bei Singapore?) als von Semper bei Bohol (Philippinen) gesammelt. Sie erreicht eine Länge von 26 mm bei einer Breite von 6 mm ohne Borsten und 7,5 mm mit denselben. Die bei England und im Mittelmeere vorkommende P. chrysocome hat 36 Segmente und 15 Paar Elytren, P. indica dagegen 43 bis 44 Segmente und 18 Paar Elytren; bei jener ist der Fühler ein gutes Stück kürzer als die Subtentacula (Annel. Chetopodes du golfe de Napl. pl. 1 Fig. 3), bei P. indica dagegen fast eben so lang oder länger als sie und die Fühler- eirren ebenfalls weit gestreckter, da sie eben so weit vorragen als jene;

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bei beiden Arten verdicken sich der Fühler und die Fühler- und Rücken- eirren gegen das Ende und tragen hier eine deutlich abgesetzte, gestreckt keulenförmige Spitze, und die Unterfühler sind dicht mit fadenartigen Pa- pillen besetzt. In beiden bestehen die auf dem Rücken stehenden Fächer aus breiten, sanft gekrümmten, spitzen und am convexen Rande mit einer Reihe Zähnchen besetzten goldig glänzenden Borsten, aber bei P. chrysocome sind dieselben viel zahlreicher, gegen 40, bei P. indica dagegen zähle ich nur etwa 18 bis 22. Nach aussen von diesen Säbelborsten am Seiten- rande des Köchers und hinter denselben auf dem Rücken sitzt ein breit- gezogenes sehr diehtes Büschel von ganz zarten haarförmigen, jene zum Theil an Länge übertreffenden Borsten, von denen die hinten und oben sitzenden sich zu einer leichten Rückendecke verweben. Auch dies gilt von beiden Arten, ebenso dass die Bauchstacheln, zu je 3 bis 4 stehend, in 2 Zinken auslaufen.

Die Elytren von Pontogenia indica nehmen von der Mitte gegen beide Körperenden hin an Länge bedeutend ab und werden hier elliptisch, in der Mitte aber sind sie abgerundet dreieckig, in die Länge gestreckt, von vorn nach hinten gerichtet, der Mittellinie parallel und diese mit ihrem Vordertheil berührend.

Aphrogenia Kbg.

Diese Gattung mit Hermione zu vereinen, wie Quatrefages thut, scheint mir theils wegen der so eigenthümlichen, an der Spitze hakig nach oben gekrümmten Borsten der Rückenköcher, theils wegen der oben er- wähnten Lage der Augen nicht räthlich.

A. alba Kbg., von den Antillen die einzige Art, Herd einem zolllangen Exemplar beschrieben, hat 15 Paar nur an den Stan von einem Haar- filz bedeckte, sich in der Mittellinie überragende und, nach Taf. II Fig. 6 A der Eugenia-Anneliden zu urtheilen, auch von Stacheln überdeckte Elytren, in Fig. 6 F sind diese Stacheln nicht angegeben; an dem ansehnlich vor- gestreckten Ruder, das die Fühlereirren trägt, sind keine Borsten abge- bildet, was eine Ausnahme von der Regel sein würde, Die Haare, die den seitlichen Rückenfilz bilden, sollen gewimpert sein und nur an den elytrentragenden Segmenten vorkommen. Die Bauchborsten, meist 2, sind zweizinkig mit gekrümmter Endzinke.

Die Gattung Milnesia Qf. soll sich von Hermione durch das Fehlen des unpaaren Fühlers und den Mangel der grossen Stacheln vor den Elytren unterscheiden, diese aber die vorderen Segmente unbedeckt lassen. Quatrefages sagt von M. nuda selbst, sie habe ganz das Ansehen einer Polynoö; ich möchte sie der Beschreibung nach wirklich für eine solche halten.

II. Sigalionina.

Wenn in der Reihe von Formen, welche die grosse Familie der Aphroditen zusammensetzen, die eben besprochene Gruppe an dem einen Ende steht, nehmer die Sigalioninen das andere ein. Hier finden wir

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statt der geschlossenen kräftigen, auf eine geringe Zahl von Segmenten beschränkten Gestalten mit vielen Segmenten versehene, langstreckige, leicht zerreissende, die dort getrennten, jederseits 2 Zeilen bildenden Borstenköcher zwar noch auseinanderstehend, aber doch an gemeinsamen weit vorragenden Rudern sitzend, denen der Rückeneirrus mangelt, die aber dafür ausgebildete, oft mit eirrusartigen Anhängen versehene Köcher- lippen besitzen, statt der Stacheln zarte, im oberen Köcher einfache, im unteren zusammengesetzte (zuweilen mit einfachen) oder in beiden ein- fache Borsten, statt der glattrandigen Elytren solche, die namentlich am Rande mit winzigen, zuweilen zierlich verästelten Papillen besetzt sind, statt der unter den Elytren versteckten Elytrenstummel oder sogenannten Kiemen (Sav.) über den Seitenrand des Rückens hinaustretende, mit Wimpereilien besetzte eirrusförmige Organe (Kiemen Clap.), statt des durch- gehend einzelnen Fühlers eine nach den Gattungen wechselnde Zahl von I bis 3 Fühlern. An dem oberen Borstenköcher ist noch das auffallend, dass er meist horizontal gestellt ist, während der untere senkrecht steht, und an dem ersten ganz nach vorn gerichteten, gewöhnlich borsten- tragenden Ruder, dass es sich über die Subtentacula schiebt und diese von dem Kopflappen trennt.

Dass alle Segmente hinter dem 26ten oder schon hinter dem 23ten Elytren, gewöhnlich auch Kiemen tragen, ist oben bereits in erster Linie

hervorgehoben.

Die frühere Gattung Sigalion Aud. u. Edw. hat Kinberg in 4 gespalten: Sigalion i. e. 8., Leanira, Sthenelais und Phammolyce; ich füge noch eine fünfte: Eulepis hinzu und ziehe auch Conconia Schmd. und, wie es. Malmgren thut, Pholoe hierher. Diese 7 Gattungen lassen sich in folgender Art übersichtlich sruppiren:

A. Kiemen fehlen, Elytren an den vorderen Segmenten abwechselnd, an den hinteren durchweg auftretend.

Pholoe Johnst. Körper wenig gestreckt, mit ca. 40—70 Segmenten. Nur 1 einfacher Fühler. 2 Paar Augen. Erstes Ruder mit 2 Fühlereirren ohne Borsten. |

Man kennt nur 2 Arten und zwar blos aus den europäischen Meeren: Ph. minuta (Aphrodite minuta Fabr., über deren Synonyme und Beschreibung. s. Malmgren, Nord. Hafs-Annal. p. 89), die hauptsächlich in dem aretischen Meere verbreitet, aber auch an der englischen und dänischen Küste ge- funden und von mir noch im Kanal beobachtet ist, und Ph. synophthalmica Clap. (Ann. chetop. Napl. p. 79), aus dem Golf von Neapel, die sich von jener besonders durch die jederseits verschmolzenen Augen unterscheiden soll, auch trug das einzige Exemplar dieser Art, welches untersucht wurde, 1 Elytrenpaar auf dem 1. Segment, was so ungewöhnlich ist, dass man

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in der That an eine Missbildung denken möchte, und die Antennen (ver- muthlich sind die Fühlereirren darunter mit verstanden) waren an der Basis angeschwollen. In den Papillen der Elytren scheint mir kein Unter- schied von Ph. minuta ausgesprochen.

B. Blattförmige, an Cirren erinnernde, aber auf dem Rücken sitzende Organe nur in der vorderen Partie des Leibes vorhanden und zwar hier mit den Elytren abwechselnd, in der hinteren an allen Segmenten blos Elytren.

Eulepis Gr. 3 Fühler, diese kurz, die seitlichen am Stirnrande, der unpaare weiter nach hinten. Beide Köcher mit einfachen Borsten, der obere mit zweierlei Borsten.

Die Art, nach welcher diese Gattung aufgestellt ist:

E. hamifera Gr., von Professor Semper im Philippinenmeer entdeckt, liegt mir in einem 37 mm langen und ohne Ruder bis 4,5 mm breiten Exemplar mit 60 Segmenten vor. Die Elytren treten bis zum 21sten Segment nach dem Gesetz der Polyno@n, dann 2 bis 3 Segmente über- springend und vom 34sten an an allen auf, die vorderen und hinteren kleiner und abgerundet 3- oder 4eckig, öfters mit leichter Randkerbe, die mittleren ansehnlich verlängert, alle glatt und meist auch glattrandig, mit sanftem Farbenspiel, die Mitte des Rückens überdeckend. Die Bauch- eirren haben die Form eines ovalen Blattes mit scharf abgesetzten kurzen Endfädchen und ähnliche, nur grössere Organe sitzen auf dem Rücken der Segmente, welche mit den elytrentragenden abwechseln und zwar genau an derselben Stelle wie die Elytren, man kann sie weder mit den

Kiemen der Sigalioniden noch mit den hückeneirren der Hermioneen, sondern nur mit deren Elytrenstummeln vergleichen. Die Aftereirren sind überraschend lauge, durch Papillchen staudige Fäden, die Fühler kürzer als der Kopflappen, weniger vorragend als die Platte des ersten Ruders, die glatten Unterfühler noch über die Borsten desselben weit hinausragend. Von den Borsten des oberen Ruders sind die einen ganz linear glatt und sehr zart, die anderen glänzend braun, lebhaft irisirend, merklich stärker, kürzer und scharf knieförmig umgebogen, im unteren Ruder alle Borsten gleich, dunkler braun, sehr stark, gerade und scharf zugespitzt, Augen waren nicht zu finden.

C. Kiemen vorhanden, in der vorderen Partie des Leibes mit den Elytren alternirend, in der hinteren mit ihnen zusammen an allen Seg- menten vorhanden, im oberen Köcher Haar-, im unteren zusammengesetzte Borsten.

2 winzige Fühler am Stirnrande, zuweilen auch noch ein unpaarer, eben so kleiner, hinterer.

Sigalion s. str. Elytren auch die Mitte des Rückens bedeckend, zart, am Aussenrande mit zerschlitzten Papillen gefranzt.

72 Jahres-Bericht }

Nur 1 Fühler, dieser über den Stirnrand hinausragend und auf einem Grundgliede.

Psammolyce Kbg. Fühler einfach, ansehnlich, Elytren die Mitte des Ruckens frei lassend, am Rande gefranzt, mit Papillen bedeckt, welche zum Anheften von Sand- und anderen Körperchen dienen.

Sthenelais Kbg. Fühler mit 2 Läppchen am Grunde, ansehnlich. Elytren mit einfachen oder zerschlitzten Randpapillen gefranzt oder glatt- randig, mit keinen fremden Körperchen bedeckt. Ruder oft mit wim- pernden Polsterchen des Rückenrandes. Köcherlippen meist mit eirrus- _ förmigen Anhängen. Elytren überall den Rücken ganz bedeckend.

1 Fühler, sein Ursprung von der Mitte des Kopflappens bis zur Stirn angewachsen.

Leanira Kbg. Elytren nur den Rücken des Vorderleibes in der Mitte nicht bedeckend, mit oder ohne Randpapillen, mit keinen fremden Kör- perchen bedeckt.

Sigalion Aud. et Edw. (s. str. Kbg.)

Um bei der Theilung dieser Gattung im Sinne von Audouin und Milne Edwards den alten Namen nicht untergehen zu lassen, hat Kinberg denselben für die Sigalion-Arten beibehalten, welche in der Anwesenheit von 2 Fühlern mit dem in den Annales des sciences naturelles Tom. XXVII p- 441 beschriebenen Sigalion Mathildae übereinstimmen. Die Charakteristik und Abbildung desselben (pl. IX Fig. 1—10) passt aber nicht zu der im Atlas zu Cüvier’'s Resne animal abgebildeten Sigahion Mathildae. In der Erklärung dieser zweiten Figur hat nun Milne Edwards sich selbst cor- rigirt, indem er sagt, dass ihm bei der ersten Beschreibung der unpaare . Fühler und die Augen, welche die Figur in Cuvier’s Regne animal zeigt, entgangen seien, allein Quatrefages hat in dem Pariser Museum das Original- Exemplar der ersten Beschreibung aufgefunden und diese bestätigt, und man muss daher von jener Selbstverbesserung absehen und wie Quatrefages jenen zweiten Sig. Mathildae, welcher eine Sthenelais ist, mit einem anderen Beinamen belegen (Sthenelais Audouinii Qf).

Ausser dem ersten Sigalion Mathildae von den Chansey-Inseln enthält

die Gattung Sigalion noch folgende Arten: 8. sguamatum d. Ch. Clap. - Annal. Napl. p. 86 pl. 3 Fig. 2 aus dem Mittelmeer, $. Edwardsiü Kb. (Eugen. Res. Annul. p. 30 Taf. IX Fig. 41) von der la Platamündung und eine neue S. Antillarum Gr., lauter sehr bleich gefärbte, weissliche Arten mit zarten Elytren.

Der von mir beschriebene Sig. Mathildae stimmt mit $. arenosum d. Ch. überein, besitzt 2 Paar Augen und, wie ich später mich überzeugt, auch ein Paar Borsten mit einfachem, gestreckten zweispitzigem Sichelanhang, doch bin ich noch zweifelhaft, ob er trotz den von Claparede angegebenen Unterschieden nieht dennoch mit $. Mathildae Aud. $ Edw. zusammenfällt.

der Schles. Gesellschaft f. vaterl. Cultur. 73

Was 8. Edwardsi betrifft, so ist er 8. arenosum sehr ähnlich, hat aber nur 2 Augen und seine Elytren sind der Abbildung nach oblong und sanz abgerundet, während ich sie bei S. arenosum quer viereckig finde, mit abgerundeter hinterer Innenecke, der Aussenrand ist viel breiter als der Innenrand, auch sind die gezackten Papillen desselben entschieden sefiedert und haben jederseits mehr Zacken (8 bis 12) als die Figur von S. Edwardsü zeigt.

S. Antillarum unterscheidet sich von 8. Edwardsü durch die Vierzahl der Augen und einen sehr winzigen, mitten zwischen denen des vorderen Paares sitzenden Fühler, um dessen willen ich nicht eine neue Gattung aufstellen möchte; auch kann ich unter den Borsten des unteren Astes keine mit einfachem Sichelanhang finden, doch ist an der Mehrzahl der Borsten. das Endstück abgebrochen und ein sicheres Urtheil daher nicht möglich. Die Gestalt der Elytren stimmt mit S. arenosum überein.

Psammolyce Kbg.

Was die Psammolycen sehr augenfällig von den anderen Gattungen unterscheidet ist die Incrustation der Elytren sowohl als des Mittelrückens, der aber dieselbe wohl nicht eigenen Haftpapillen verdankt, sondern sie durch den sich ausbreitenden Schleim der Elytrenpapillen erhält. Für das Ver- ständniss der Artbeschreibungen von Quatrefages ist nothwendig zu be- merken, dass er die Subtentacula oder Palpen abweichend von seiner Auf- fassung bei Sthenelais als einen vierten unteren Fühlereirrus des ersten Ruders auffasst und ich habe bei Ps. rigida denselben Fehler begangen. Jenes Ruder hat nur 3 Cirren. Der untere Ruderast trägt nur eine Art zusammengesetzter Borsten, ihr Anhang ist sichelförmig oder dieser Form nahekommend; gegliederte lange Anhänge kommen gar nicht vor. Quatrefages zieht auch die Gattung Leanira Kobg. hierher.

Von dieser abgesehen werden 6 Arten genannt: Ps. arenosa d. Ch., Ps. Herminiae Aud. u. Edw., beide aus den europäischen Meeren, Ps. rigida Gr. aus dem Rothen Meere, Ps. Petersii Kbg. von Mozambique, Ps. flava Kbg. bei Rio Janeiro und Ps. albicans Qf. vom Archipel der Bissayos. Die letztere ist nicht scharf genug charakterisirt, namentlich fehlt die Be- schreibung der Borsten des Baucheirrus, Augen konnten nicht wahr- genommen werden.

Ps. arenosa aus dem Mittelmeer und Ps. Herminiae von der Westküste von Frankreich sind einander so ähnlich, dass sie vielleicht zusammen- fallen, aber nicht blos Andouin und Edwards, sondern auch Quatrefages, der Ps. Herminiae häufig gefunden, sprechen weder von Augen noch von Franzen am unteren Ruderast, welche beide an allen anderen Arten beobachtet sind, und nur bei Ps. albicans von Quatrefages nicht erwähnt werden,

74 Jahres-Bericht

Ps. rigida stimmt darin mit jenen Arten überein, dass der Fühler so weit als. die längeren Cirren des ersten Ruders vorragt und der Anhang der Bauchborsten eine kurze Sichel mit einfacher Spitze ist, ihre Augen stehen in einem Quadrat, bei arenosa sind sie einander ganz nahe gerückt. Das Exemplar ist auf der Oberseite mit weissen und rothen Conchylien- fragmenten incrustirt, darunter sehr ansehnliche, an ein Paar sehr zu- sammengesetzten Haftpapillen hängende.

Bei Ps. Petersi und flava ist die Spitze des betreffenden Anhbanges eingeschnitten, dort nur wenig, hier bis über die Mitte desselben. Jene hat 4 jederseits genäherte, diese nur 2 Augen und einen Fühler, der den ansehnlichen langen oberen Cirrus des ersten Ruders noch überragt.

Sthenelais Kbg.

Die Gattung erkennt man meistens leicht an der Anwesenheit der beiden Läppchen, welche rechts und links von dem Fühler entweder an seiner Basis oder auf dem Kopflappen nahe dem Stirnrand sitzen, und welche schon von Milne Edwards bei sSigalion Mathildae im Atlas zu Cuvier’s Regne animal abgebildet, aber nicht gedeutet, von Rathke als Appendices, von Kinberg aber als seitliche Antennen bezeichnet wurden. Ehlers beschreibt sie als blattartige Schuppen und ihre Gestalt ist aller- dings niemals drehrund wie ein Fühler, und da sie bei manchen Arten am Fühler selbst sitzen, hat man keinen Grund, sie als Antennen zu deuten. Ausserdem finden sich bei einigen 2 grössere ebenfalls nach vorn gerichtete, löffelförmig ausgehöhlte verticale Blätter unterhalb des Kopf- lappens vor dem Munde nach innen von den Subtentacula, welche gegen einander gekrümmt und von Ülaparede als euillerons cephaliques genannt sind und von denen er meint, dass ihre obere Partie von den Beschrei- bern als seitliche Antennen aufgefasst sei. Dies will mir nicht einleuchten, denn bei Sigalion limicola, wo beiderlei Organe existiren, hat sie Ehlers durchaus von einander gesondert dargestellt (Ehl. Borstenwürmer Taf. IV Fig. 6, 7) und der S$tirnrand liegt dazwischen, ich muss vielmehr an- nehmen, dass jene erst beschriebenen Läppchen, welche auch die Figuren von Milne Edwards und Rathke zeigen, bei Sthenelais cienolepis (Clap. Annel. Napl. pl. 4 Fig. 1A) und bei Sth. leiolepis (pl. 4 Fig. 3) gar nicht existiren, wogegen Rathke die viel grösseren unteren cuillerons cephaliques nicht erwähnt. Es ist ferner zu erwähnen, dass Ehlers die durch ihre Länge und Stärke auffallenden Subtentacula als Baucheirren des ersten. Ruders beschreibt. Dass sie von manchen Autoren ebenso bei Psammolyce angesehen waren, ist dort bereits erwähnt. Nach meiner Meinung hat auch bei Sthenelais das erste Ruder nur 3 cirrenförmige Anhänge. Die Subtentaeula sind Organe, die durch die ganze Familie der Aphroditacea hindurchgehen und auffallend ist nur die Vorschiebung des ersten Ruders bei den Sigalioniden oberhalb derselben, während sie bei den Polynoen

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der Schles. Gesellschaft f. vaterl. Cultur, 75

und Aphroditen ganz frei daliegen. Bei vielen Sthenelais-Arten kommen auf dem Rückenrande der übrigen Ruder 2 mit Cilien besetzte Polsterchen, oft auch noch ein drittes an der Seitenwand des Körpers über dem Ruder vor. Claparede hat sie zuerst ausführlich beschrieben, sie sind aber nicht

ausschliesslich den Sthenelais eigenthümlich.

Die eirrenförmigen Anhänge an den Lippen der Borstenköcher treten bei vielen Thieren dieser Gattung in grosser Zahl auf, diese Zahl scheint aber bei derselben Art nicht constant, vielmehr je nach den Körper- gegenden zu wechseln, ist daher nur mit Vorsicht als Artmerkmal zu be- nutzen. Was die Borsten betrifft, so zeigen sie meistens eine sehr reiche Entwickelung und man kann nicht selten viererlei Formen derselben unter-

scheiden, was bei keiner anderen Gattung beobachtet ist; die einfachen

haarförmigen Borsten des oberen Köchers pflegen dicht quergestreift, ge- sägt und emporgekrümmt zu sein. Die Elytren sind sogleich von Anfang an so gross, dass sie auch die Mitte des Rückens bedecken.

Das Genus Sthenelais ist reicher an Arten als alle übrigen:

a. Neben oder an dem Fühler sitzen keine Blättchen (nach Claparede).

Diese Abtheilung würden die 4 von Claparede (Annel. Napl.) des Mittelmeeres bilden: Sth. dendrolepis mit gefiederten, fuliginosa und cienolepis mit einfachen, kürzeren Randpapillen und leiolepis ganz ohne Randpapillen der Elytren.

b. Am Grundgliede der Fühler oder auf dem Kopflappen daneben sitzt ein Blättchen. e

In dieser Abtheilung wiederholen sich alle oben angegebenen Bil- dungen des Randes der Elytren, nach denen man die Arten am leichtesten und sichersten gruppirt, da bei jeder Art in der Länge des ganzen Kör- pers nur eine dieser Bildungen vorkommt, während die Form der Elytren sich ändern kann.

b!. Am Aussenrande der Elytren eine Reihe einfacher Papillchen, ‚wie kurze Griffel oder schmal dreieckige Zacken.

a. An den Ruderästen eirrenförmige Anhänge oder Papillen:

Sthenelais artieulata Kbg. von Rio Janeiro, St. Blanchardi Kbg., Val- paraiso, Sig. limicola Ehi. aus dem Adriatischen Meere, Sigalion leiragonum Örsd. (Leanira tetragona Mgn. Nord. Hafs-Annul.) von Bohuslän bis Finn- marken verbreitet, $. Boa Johnsi. von den englischen Küsten, Sigalion Idunae Rathke vom südlichen Norwegen, der französischen Kanalküste (St. Malo) und dem Mittelmeere, sth. longipinnis Ehrb. u. Gr. aus dem Rothen Meere, sth. trivittata Gr. von Valparaiso, Sth. Mülleri Gr. von Desterro in Brasilien, Sth. diplocirrus Gr. von Upolu.

76 J ahres-Bericht

9. Ruderäste ohne eirrenförmige Anhänge oder Papillen:

Sth. Helenae Kbg. von St. Helena; hierher scheinen den Abbildungen nach auch Sth. Edwardsü Qf. von Boulogne und Sth. Audouim Qf. (= Si- galion Mathildae Edw. Cuv. Regne anim. pl. 20 Fig. 1) von den fran- zösischen Küsten zu gehören.

b?. Aussenrand der Elytren ohne Papillen:

Sih. laevis Kbg. von Eimeo, Sth. luwuriosa Gr., auf den Philippinen von Prof. Semper gesammelt.

Von diesen Arten sind bei Sth. dendrolepis, fuliginosa, clenolepis, leiolepis, articulata, Idunae, triviltata, diplocirrus entweder an der Seiten- wand des Leibes oberhalb des Ruders oder auf dem Rückenrande von diesem selbst oder an beiden Stellen winzige Wimperkissen beobachtet.

Sth. Audowmni Qf. (= Sigalion. Malhildae Edw. Cuv. Regne anim.) und Sthenelais Edwardsü Qf. kenne ich nicht aus eigener Anschauung und ver- mag sie nach den Beschreibungen nicht sicher zu unterscheiden; beide scheinen statt Franges en digitations an dem Elytrenrande, wie sie bei Sigalion Mathildae Aud. et Edw., Qf. vorkommen, nur einfache Randpapillen zu tragen. Die Figur zeigt bei Sth. Edwardsüi 4, bei Sth. Audowm nur 3 Augen, allein die vorderen beiden können leicht durch die seitlichen Blättehen des Fühler-Basalgliedes verdeckt sein, wenn der Kopflappen mehr nach vorn geneigt war; auf die mehr dreieckige Form des letzteren möchte ich nicht zu viel Gewicht legen, doch scheint in der Form der Borsten einige Verschiedenheit zu liegen. Eine Vergleichung beider Arten mit Sth. Idunae Raihke würde sehr erwünscht sein.

Sigalion limicola Ehl. aus dem Quarnero und Leanira tetragona Mgn. (Sigalion tetragonum Oersd.) von Bohuslän und Dröbak in Norwegen sind jedenfalls beide echte Sthenelais und sehr nahe verwandte Arten, wenn sie nicht zusammenfallen, wie ich glauben möchte. Sie besitzen beide einen Fühler, dessen Grundglied jederseits das für die Sthenelais (i. S. Kinbergs) charakteristische Läppchen trägt. Von beiden habe ich Exem- plare vor mir, von limicola ein Exemplar aus Triest, mit der Beschreibung von Ehlers ganz übereinstimmend, von telragona eines von Bohuslän aus dem Stockholmer Museum. An letzterem finde ich 2 Paar Augen, die Malmgren bei seinem Exemplar vermisste, und 2 Flimmerpolsterchen, während Malmgren deren 3 angiebt. Malmgren giebt ferner in der Be- schreibung zwar Cirri tentaculares utringue 4 an; dies utringue scheint aber nur ein Druckfehler, da er nur 2 jederseits abbildet und auch weiterhin nur von 1 oberen und 1 unteren spricht, ich sehe jederseits blos 2. Ein Unterschied zwischen beiden Arten besteht aber darin, dass Ehlers bei Sth. limicola nicht die Wimperpolsterchen erwähnt, die Malmgren bei tetragona gesehen hat, Örsted aber freilich nicht darstellt. Dass übrigens

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der Schles. Gesellschaft f. vaterl. Cultur. 77

Örsted’s Art, obwohl er ihre Elytren mangelhafter Erhaltung wegen nicht beschreiben konnte, mit Malmgren’s Leanira tetragonia einerlei ist, scheint mir nicht zweifelhaft.

Was Sigalion Idunae Rathke betrifft, den er bei Molde in Norwegen, ich im Adriatischen Meere gefunden, so möchte ich glauben, dass Malm- sren’s Vermuthung, diese Art falle mit Sigalion Boa Johnst. zusammen, ganz begründet ist. S. Idunae zeigt im unteren Ruderast hauptsächlich Sichelborsten mit einfachem 2spitzigem Anhang, ausserdem auch einige nicht zusammengesetzte, lanzettförmige, beiderseits gesägte und die Zahl der eirrenförmigen Anhänge an den Ruderästen erreicht nicht eine solche Höhe als bei Sth. limicola, die statt jener beiden Borstenformen fast nur zusammengesetzte mit grätenförmigem gegliederten Anhange hat; auch sind die Elytren von $. Idunae durchgehends mehr nierenförmig und der Rückenrand des Ruders trägt 2 Wimperläppchen. Rathke erwähnt keine Augen, ich habe aber an meinen Exemplaren 2 Paar bemerkt.

Sth. Mülleri n. sp. unterscheidet sich von der ebenfalls mit nicht quer- gestreiften Haarborsten versehenen brasilianischen Sth. articulata durch die ungegliederten Subtentacula, den Mangel der Papillen an der Unterseite der quergezogenen, mit 8. limicola übereinstimmenden Elytren der hinteren Körperhälfte, von beiden durch das Vorkommen auch sichelförmiger An- hänge und zwar mit einfacher Spitze an den Borsten des unteren Ruderastes.

Sth. longipinnis n. sp., die in derselben Gruppe steht, hat dieselben Borstenformen wie Sth. Idunae (also namentlich Sichelanhänge mit ge- spaltener Spitze), aber viel gestrecktere Ruder (ohne Wimperläppchen), an deren unterem Aste unten ein breiterer Lappen hervortritt, die eirren- förmigen Anhänge sind nur auf 1 oder 2 an jedem Köcher beschränkt. Augen waren nicht erkennbar, das 2te und 3te Ruder waren entschieden nach vorn gerichtet. Die Elytren theils breiter, theils weniger breit, mit ausgeschnittenem Vorderrande, die vorderen mit gebräuntem und alle mit ge- franztem Aussenrande,und mit conischen mikroskopischen Papillchen bedeckt.

Sth. trivittata n. sp. Borsten und Elytren von ähnlicher Beschaffenheit wie bei Sth. longipinnis, aber an der Innenhälfte ockergelb, an der äusseren weiss mit schwärzlichem Mittelfleck, so dass die ganze Oberfläche des

Rückens 3 gleich breite Längsbinden zeigt, deren mittlere gelb, deren

äussere weiss und schwärzlich und deren Grenzen schwärzlich sind. Auf

| dem Seitenrande des Leibes sitzen 2, auf dem Rückenrande des Ruders

1 Wimperläppchen, an beiden Köchern mehrere Papillen und der Bauch-

_ eirrus hat oben an seiner Basis einen kleinen Hübel. Die Bauchseite ist

lebhaft rothgelb gefärbt.

Sth. diplocirrus n. sp., mit 2 Wimperläppehen an der Seitenwand des Leibes und durchscheinenden Elytren, aber von ähnlicher Besehaffenheit wie bei der vorigen, zeichnet sich dadurch aus, dass nach innen am Baucheirrus noch zwei ähnliche, aber kürzere Anhänge sitzen und er selbst von Grund aus

78 Jahres-Bericht sabelig ist, der äussere kurze Ast verdickt sich keulenförmig. Die Kieme der nicht elytrentragenden Segmente ist unter der Spitze mit einigen Pa- pillehen besetzt und hat einen Basalanhang; die Ruderäste tragen viele kürzere und längere eirrenartige Anhänge, im unteren nur zusammen- gesetzte Borsten theils mit Sicheln, theils mit langen langgliedrigen An- hängen, beide mit gespaltener Spitze.

Sth. luwuriosa, mit glattrandigen, durchsichtigen, gerundet dreieckigen oder trapezoidalen und dann am Vorder- und Hinterrande leicht aus- geschnittenen Elytren, zeigt sehr zahlreiche eirrenförmige Anhänge an beiden Ruderköchern und am unteren nur zusammengesetzte Borsten mit gesägten Grätenanhängen, im oberen ausser den Haarborsten mit wimperartigen Zähnchen auch noch feinere glatte. Dieser letztere ist weniger ausgebreitet als der untere, die Augenpaare auf keinen Er- höhungen; hierdurch, wie durch die Form der durchaus nicht nieren- förmigen Elytren und den Mangel doppelspitziger Borstenanhänge ist diese Art von Sth. laevis unterschieden.

Da Leanira Yhleni Mgn. (Annul. polychaeta p. 17) mit Ausnahme der Elytren und Augen in allen Stücken mit L. tetragona übereinstimmen soll, muss sie wie diese zur Gattung Sthenelais Kbg. gehören. Die Elytren sind oblong eiförmig und glattrandig, von den Augen 2 Paar vorhanden, doch ist schon bei Sth. tetragona erwähnt, dass ich an meinem Exemplar der- selben ebenfalls 2 Paar Augen gefunden habe.

Leanira Kbs.

Von den Leaniren kennt man nur 3 Arten, da wir L. teiragona Mgn. und L. Yhleni zu Sthenelais gezogen haben. Diese 3 Arten sind alle exotisch und stimmen darin überein, dass die Elytren der vordersten Segmente sehr klein sind und die de entgegengesetzten Reihe lange nicht erreichen; die folgenden aber rasch wachsen und dann auch bald den Rücken ganz bedecken, auch ist das erste Ruder nur mit wenigen Borsten ausgestattet, weshalb seine beiden Cirren mehr an die Fühlereirren der Polyno&n erinnern; die Fühler selbst sind kurz; im Uebrigen zeigen diese Thiere den Habitus der Sigalionen und Sthenelais.

L. Quatrefagei Kbg. von der Mündung des la Plata ist die einzige Art mit glattrandigen ovalen oder schief eiförmigen Elytren und Papillehen auf dem oberen Ruderast, aber ohne Wimperläppehen. Der schmal drei-

eckige Anhang der Ben des unteren Ruders hat eine gesägte Schneide

und einfache Spitze. Die beiden anderen Arten sind neu: L. tenera Gr., von den Viti-Inseln Herrn Godeffroy zugeschickt, und

L. festiva Gr., von den Philippinen, von Herrn Professor Semper gefunden,

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der Schles. Gesellschaft f. vaterl. Cultur.. 79

beide mit Papillen an dem Elytrenrande, welche bei jener nur ein paar kurze Aestchen zeigen, bei dieser hingegen einen ganz kurzen, fächerartig in längere Aeste getheilten Stamm darstellen, die Elytren sind bei beiden nieht breiter als lang, die ersten kreisrund, die nächstfolgenden stark ab- gerundet-dreieckig, die übrigen vorn stark und breit ausgeschnitten; die rostrothe Einfassung der Elytren lässt L. festiva auf den ersten Blick von tenera unterscheiden. Die Anhänge der unteren Borsten sind bei beiden Sicheln oder verlängert, mit gespaltener Spitze, aber nicht gesägt, der obere Borstenköcher trägt bei L. tenera nur einen stärkeren fingerförmigen Fortsatz, bei L. festiva mehrere zarte cirrenförmige Anhänge und der Baucheirrus ist länger, so dass er über den Rand des unteren Köchers hinausragt. An der Basis der Kiemen von L. tenera habe ich einen kurzen unteren, Auswuchs bemerkt, der der anderen Art fehlt, und bei beiden 4 in einem queren Rechteck stehende Augen, während L. Quatrefagei nur 2 besitzen soll. In den Fühlern finde ich keinen erheblichen Unterschied, alle 3 sind ziemlich gleich kurz vorragend, etwa so lang als der rund- liche Kopflappen, aber der unpaare an sich länger, da er weiter nach hinten entspringt. L. festiva erreicht eine Länge von 90 mm bei einer Breite von 4 mm mit den Rudern und hat 177 Segmente.

D. Rückeneirren (Schmarda) vermuthlich Kiemen (Ehlers) an allen Segmenten vorhanden, Elytren an den vorderen Segmenten nur ab- wechselnd, an den hinteren durchweg auftretend.

Conconia Schmd.

Bisher ist nur I Art ©. coerulea Schmd. (Neue Turbell. Rotat. Annelid. U. p. 150 Taf. XXXVII Fig. 319) von Chile bekannt.

Coneconia steht insofern ganz eigenthümlich da, als an allen Segmenten Rückeneirren vorkommen sollen, schliesst sich aber in der Ruderbildung und Elytrenvertheilung den Sigalioninen an. Schmarda giebt 7 Fühler an, die längsten zu äusserst gelegenen scheinen mir Subtentacula, die zwischen ihnen und dem unpaaren Fühler befindlichen Fühlereirren zu sein; das erste Ruder ist nicht näher beschrieben.

Nachtrag zur Uebersicht der Lycorideen im Jahresbericht für 1873 p. 53.

Unerwähnt geblieben ist die Gattung Micronereis Olap. (Beobacht. über Anatomie wirbelloser Thiere 1863 p. 57, Taf. XI, Fig. 5—7), die nur auf einer und zwar in einem Exemplar beobachteten Art M. variegata Clap. von St. Vaast aufgestellt ist. Diese Gattung weicht von den eigent-

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lichen Lycorideen ganz ab durch den Mangel der Stirn- und Unterfühler und der Cirren an den Rudern, deren Aeste sehr scharf getrennt sind, auch steht unter den (jederseits 4) Fühlereirren schon ein einästiges Ru- Paragnathen scheinen dem mit 2 Kiefern versehenen Rüssel zu

J spresBolicht

derchen.

fehlen. Zieht man Micronereis zu den Lycorideen, so muss der Charakter

dieser Familie den oben genannten Abweichungen entsprechend erweitert

werden.

II. Bericht

über die

Thätigkeit der botanischen Section der Schlesischen Gesellschaft im Jahre 1874.

Die botanische Section hielt im Jahre 1874 neun ordentliche und eine ausserordentliehe Sitzung, in welchen Nachstehendes verhandelt wurde:

In der ersten Sitzung vom 15. Januar 1874 sprach Herr Privatdocent Dr. Gseheidlen über einige biologische Verhältnisse der Bacterien im Anschluss an einen Vortrag des Professor Cohn und demonstrirte einen kleinen Apparat, der gestattet, Mischungen bacterienhaltiger Flüssigkeiten bei Abschluss der Luft vorzunehmen.

Herr Lothar Becker zeigte 133 Pilzskizzen vor, die er in Australien (Vietoria) angefertigt hatte, sowie die des leuchtenden Pilzes (Agaricus himpidus, var.) und des Hymenophallus indusiatus, beide auf Djava gezeichnet. Diese Skizzen sind Illustrationen zu seiner „Beschreibung australischer Pilze“, welche der berühmte Pilzkenner Prof. Fries in Upsala die Güte hatte, einer Durchsicht zu unterwerfen. Danach kommen in Victoria ausser vielen anderen europäischen Arten auch folgende vor: Polyporus igniarius (an Casuarinen), sguamosus, cinnabarinus (an Casuarinen, Acacien, Euca- Iypten, Banksien), Boletus scaber, luridus, Agaricus campestris, semiglobatus, fimetarius, stercorarius Schum., earbonarius, conferlus, melaleucus, phalloides Fr., gemmatus, fascicularis, mutabilis, procerus nebst merkwürdiger Mon- strosität, wobei statt der Lamellen ein krauses Labyrinth erscheint; ferner Morchella esculenta ß, Peziza badia ß, aeruginosa, Lycoperdon pusillum Batsch, Stemonitis fusca, Aethalium septicum, Aecidium ranunculacearum, Mucor Mucedo, Uredo segelum. Von neuen Arten ist eine Art Clathrus (C. albidus) er- wähnenswerth, die, abgesehen von der Farbe, dem Cl. cancellatus sehr nahe steht.

32 Jahres - Bericht /

Herr Dr. Schumann sprach über die Anatomie der Samenschale von Canna; die oberste Schicht ist eine Epidermis mit Spaltöffnungen, darunter eine gefärbte, über dieser eine gerbsäurehaltige Schicht; die Spaltöffnungen sind sehr gross und der Quere nach gestellt.

In der zweiten Sitzung vom 29. Januar sprach Herr Lothar Becker über seine im vergangenen Sommer im Auftrage der Schlesischen Gesell- schaft in das Sprottebruch unternommene Excursion. Er gedachte seiner wiederholt vergeblichen Bestrebungen, die von Mattuschka u. A. ange- gebenen Standorte der Osmunda, Struthiopteris und Himantoglossum um Parchau ete. wieder aufzufinden. Es gelang jedoch dem Förster Schulze in Teichvorwerk, dem er eine Beschreibung der Osmunda hinterlassen, nach Verlauf von 14 Tagen das Vorhandensein derselben im Parchauer Forste nachzuweisen. Nach einem kurzen Blick auf die Vegetation der Heide (Scelerotium Clavus wurde auf Heleocharis palustris bei Kl.-Krichen, Scabiosa suaveolens bei Neudeck gefunden), entwarf derselbe eine Schil- derung jenes Bruches. Seitdem dieses in den Besitz des Herzogs von Augustenburg gelangte, hat es eine grosse Veränderung erfahren, indem zahlreiche Gräben dasselbe trockener ‚gelegt haben, wodurch die Aus- beufung der Torflager in grosser Ausdehnung ermöglicht worden ist. Kolossal ist die Menge der Stämme, die in denselben begraben liegen: 5—14 Klaftern Holz auf dem Morgen. An Stellen gehören sie Erlen, Birken, ‚Weiden, Fichten, Kiefern an anderen Eichen, Buchen, Rüstern, Haselstauden an. In der Tiefe von 1 Fuss wurde die wohlerhaltene Puppe von Zygaena trifolü und Samen von Genista tinctoria (?) angetroffen.

Der eingehenden Betrachtung über die stufenweise Bildung der Torf- sümpfe folgte eine Schilderung der Vegetation, worunter Stellaria crassifolia Ehrh. neu für Schlesien ist. Die interessantesten Stellen sind: Der Fuchs- berg und seine Umgebung bei Magdalenen-Au (Quariz) mit Calama- grostis neglecta (auch anderwärts häufig), Carex limosa, dioeca, paradoza, strieta, graeilis Wi., lipsiensis, disticha, ampullacea, Dianthus superbus, Polygala amara, Sedum villosum, Belula pubescens, Ophioglossum, Limnochloe pauciflora ; ferner der Nordrand bei Pudel, wo Iris sibirica, Triglochn maritimum, Carex_ tomentosa, Cirsium rivulare, Neottia, Sanicula, Astrantia, Polygala amara, - Rubus saxalilis vorkommen. Arnica, die noch 1849 bei Cosel nicht selten war, ist fast verschwunden. Arctostaphylos (Bärentraube)

i ER EN S a

etz

charakterisirt die steinigen Waldhöhen um Primkenau, und ist auch auf

den Dreigraben bei Neuvorwerk (mit Geranium sanguineum und Anemone Pulsatilla) sowie am @uarizer Heidevorwerk anzutreffen, während die „weissen Berge‘ bei Petersdorf wegen des Polysaccum Pisocarpium be- suchenswerth sind.

Sehr artenreich ist der Waldeomplex zwischen Petersdorf und dem Bober; er birgt unter Anderem in sich: Osmunda (1849 an zwei Stellen

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noch zahlreich), Lycopodium Selago, amnotinum (in grosser Ausdehnung), Polypodium Dryopteris, Ledum, Elaphomyces granulatus, Polyporus Schweinizüi, indurescens n. sp., Agaricus involutus.

Schliesslich ward der grossen Eiche bei Petersdorf gedacht, die schon vor 1849 auf Landkarten verzeichnet ward, sowie eines Baumes derselben Art in Nieder-Gläsersdorf von wohl 4'/, Fuss Durchmesser.

Der Secretair zeigte Exemplare von Azolla Caroliniana in Spiritus vor, welche er von Prof. Strassburger aus Jena erhalten; in den Luft- höhlen der Blätter finden sich Nostoeschnüre.

Ferner kam zum Vortrag ein Aufsatz, welchen der Obergärtner im Berliner botanischen Garten, Herr B. Stein (jetzt Inspector am k. k. botanischen Garten zu Innsbruck)

über Reizbarkeit der Blätter von Aldrovanda vesiculosa eingesendet hatte:

. Am 12. August v. J. machte ich von meinem damaligen Wohnorte Popelau bei Rybnik O/$. aus mit den Zöglingen der dortigen Ackerbau- schule eine Exeursion nach dem eine Viertelstunde entfernten Niedob- schützer Teiche, der neben einer Anzahl anderer schöner Sumpf- und Wasserpflanzen Aldrovanda vesiculosa in Massen beherbergt. Aldrovanda ist in mehreren der grossen Teiche um Rybnik in Menge vorhanden, kommt aber nur selten, wie es scheint nur nach warmen trockenen Som- mern, zur guten Blüthenentwickelung.

Der Sommer 1873 schien indess allen Ansprüchen des seltenen Bür- gers unserer Flora genügt zu haben und wir fanden an den sonnigen seichten Stellen des Niedobschützer Teiches unzählige blühende oder halb- entwickelte Früchte tragende Aldrovanda.

Um einigen botanischen Freunden Gelegenheit zu geben, das interessante Pflänzchen einmal lebend zu sehen, sammelte ich davon, unter Beihilfe meiner Schüler, eine Botanisirbüchse voll und obgleich wir nur blühende Exemplare aufnahmen, war die allen Ansprüchen eines Tauschvereins entsprechende Trommel in kaum einer halben Stunde gefüllt.

Um die Blüthen selbst ordentlich beobachten zu können, eultivirte ich von dieser Ausbeute einige hundert guter Exemplare in grossen eisernen Schüsseln in den Fenstern meiner Wohnung, der vollen Ein- wirkung der Morgen- und Mittagsonne ausgesetzt. Bei der näheren Beobachtung der Pflänzchen fiel mir auf, dass die Blätter bald geschlossen, bald mit ausgebreiteter Spreite vorkamen und dass die beiden aneinander- gelegten Hälften der geschlossenen Blätter nicht selten kleine Wasserthiere oder Holzstückchen, Pflanzenüberreste etc. einschlossen. Bei der dadurch offenbar bewiesenen Bewegungsfähigkeit der Blatthälften verfiel ich natür- lich bald auf den Gedanken, eine etwaige Reizbarkeit zu erproben, um so mehr, als die Form des Aldrovanda-Blattes so ausserordentlich an eine verkleinerte Dionaea erinnert. Mit einem feinen Platindrathe, der mir

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34 Toltpes - Bericht

gerade zur Hand war, berührte ich die innere Fläche eines geöffneten Blattes und hatte die Freude, ein sofortiges, schnelles Zusammenklappen erfolgen zu sehen. Jedes offene Blättehen zeigte die Reizbarkeit vor- züglich schön, so dass ich im Stande war, diese hochinteressante Er- scheinung meinen Schülern an einer schlesischen Pflanze auf das Beste zu zeigen. Um die Zeit festzustellen, welche ein gereiztes Blatt geschlossen bleibt, nahm ich dieke Stecknadeln und liess ihre Köpfe von den Blättehen einschliessen. Nur einmal fiel schon nach 18 Stunden die Nadel heraus, meist wurde sie länger als 24 Stunden festgehalten. Das Wasser hatte bei diesen Versuchen eine Temperatur bis zu 50°R., mit der sinkenden Wärme verminderte sich die Bewegungsfähigkeit und bei 10° R. fand ich überhaupt kein offenes Blatt mehr. Beim Herausnehmen der Pflanzen aus dem Wasser schliessen sich alle Blätter und ist also eine Beobachtung ausserhalh des Wassers nicht möglich.

Anfänglich überzeugt, nur zufällig eine schon bekannte Thatsache wieder gesehen zu haben, und ausserdem von meinem Amte gerade sehr in Anspruch genommen, unterliess ich leider weitere Beobachtungen und als ich dann nach Einsicht der Aldrovanda-Literatur und gütigen Mit- theilungen der Herren Professoren F. Cohn und Caspary erfuhr, dass über Reizbarkeitserscheinungen an Aldrovanda noch gar nichts bekannt ist, hatte ich bereits meine Uebersiedelung von Popelau nach Berlin vollzogen und die Jahreszeit war so weit vorgeschritten, dass ich mir frisches Untersuchungsmaterial nicht mehr besorgen konnte.

Da aber die Rybniker Standorte von Breslau aus so -bequem zu erreichen sind und dort in dem unermüdlichen Erforscher der Flora Ober- schlesiens, Apotheker Fritze in Rybnik, jedem fremden Botaniker ein so erfahrener und liebenswürdiger Führer stets mit aufopfernder Bereitwillig- keit zur Seite steht, so wird hoffentlich die vorstehende Notiz genügen, falls Freund Fritze nicht selbst die weiteren Beobachtungen machen wird, bald genauere Untersuchungen an frischem Material am natürlichen Standorte angestellt zu sehen.

Für die Herren aber, welche Aldrovanda ceultiviren wollen, hier noch die Bemerkung, dass die Pflanze nur gut gedeiht: in flachen Schalen, bei öfters erneuertem Wasser, unter der unmittelbaren kräftigen Einwirkung der Sonne. Tiefen Schatten und kaltes Wasser verträgt sie nicht und geht ohne Sonne rasch zu Grunde.

Berlin, botan. Garten, Januar 1874. B. Stein, Obereärtner.

In der dritten Sitzung vom 13. Februar übergab Herr Knebel ein Portrait des Major v. Flotow für die Portraitsammlung der botanischen Section.

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Herr Oberlehrer Dr. Stenzel hielt folgenden Vortrag: Ein Ausflug nach der kleinen Koppe.

Wer sich, wie ich, wiederholt längere Zeit im Riesengebirge auf- gehalten hat, den lockt es wohl natürlich, auch die weniger betretenen Stellen des Gebirges aufzusuchen. Als eine solche liegt von Krummhübel aus die kleine Koppe da; ein mächtiger Felsen am Ostabhange über dem Melzergrunde und mehrere grosse Steinfelder zwischen dem Knieholz der nördlichen Abdachung konnten vielleicht auch eine oder die andere interessante Pflanze beherbergen, vielleicht eine der Arten, welche nach älteren Nachrichten im Melzergrunde vorkommen sollten, wie Woodsia hyperborea oder Allosorus erispus, seit langer Zeit aber von keinem Bo- taniker dort wieder aufgefunden worden sind.

Wer jedoch einmal versucht hat, eine grössere Strecke durch dieht verwachsenes Knieholz vorzudringen, wird es begreiflich finden, dass mehrere in früheren Jahren von mir gemachte Versuche, vom Gehänge- wege oder vom Wolfshau aus den Gipfel zu erreichen, von mir auf- gegeben worden waren. In diesem Sommer versuchte ich es vom Koppenplane aus. Diese mächtige Hochfläche fällt nach Norden mit einer breiten Abdachung, dem Gehänge, steil ab, welche von dem langen Rücken des von der Hampelbaude herabziehenden Seifenberges bis zur kleinen Koppe reicht. Diese selbst springt etwas nach Nord- osten vor und erscheint daher von Krummhübel und vom Wolfshau aus als ein flacher, aber spitzer Kegel; wer sie dagegen von dem gleich hohen Koppenplane aus betrachtet, der sieht in ihr nur die unter einem spitzen Winkel nach Nordost vorspringende Ecke dieser Hochfläche, von welcher sie nur durch die anfangs ganz flache, nach dem Melzergrunde hin tief uud scharf eingeschnittene Rinne geschieden wird, in welcher die kleine Lomnitz bergab stürzt.

Diese überschritten wir eine Strecke oberhalb des Lomnitzfalles und stiegen auf der gegenüberliegenden Grasfläche schnell bergan. Der am Bache in seltener Ueppigkeit wuchernde Pflanzenwuchs nahm schnell ab; fast nur noch Hieracium alpinum unterbrach in grösserer Zahl das ein- förmige, matte Grün. Von einem Wege war nichts zu sehen. Wir suchten durch das Knieholz den nächsten Grasfleck zu erreichen und indem wir uns immer an dem, dem Melzergrunde zugewendeten Rande der nach der kleinen Koppe selbst hinziehenden Hochfläche hielten und hier und da schwachen Spuren eines Fussweges folgten, gelang es uns durch abwechselnde Strecken von Knieholz und Grasstreifen bis nach dem

‘einen, nahe dem Gipfel liegenden Steinfelde vorzudringen, welches sich

hier ein Stück nach dem Melzergrunde hinunterzieht. Die mit Flechten bekleideten losen Steinblöcke und Platten lagen in mehreren Schichten über einander, so dass fast nur am Rande vereinzelte Grasbüschel die

86 IRNAGE - Berieht

öde Fläche unterbrachen. Desto überraschender war es mir, gerade hier prachtvolle Büsche von Allosorus erispus zu erblicken, welche in ausser- ordentlicher Ueppigkeit aus den Ritzen und Spalten zwischen den losen Steinen hervorkamen. Wo diese nur flach über einander liegen, bleiben die Pflanzen klein; die Blätter werden nur 9—10 cm hoch, die Stiele sind nur etwa 1'/,mal so lang als die Blattfläche. Die ippigsten Stöcke aber wurzelten so tief, dass mehrere grosse Blöcke weggehoben werden mussten, um sie frei zu legen. Hier waren die Blätter bis gegen 30 cm "hoch mit etwa 19 cm langen Blattstielen, die also noch einmal so lang waren als die Blattfläche.*) Von besonderen Formen fand ich ausser solchen Blättern, an welchen einzelne Fiederchen noch breit, flach, am Rande nur gekerbt waren, während die übrigen regelmässige frucht- tragende Abschnitte bildeten, wie sie von Milde (die Gefässkryptogamen Schlesiens in Nova Acta Acad. C.L. C. XXVI. pars II. $.481) beobachtet worden sind, auch ein Blatt, welches in seiner unteren Hälfte vollkommen gleich den unfruchtbaren Blättern gebildet war, während die obere Hälfte eben so gut ausgebildete fruchtbare Fiederchen trug.

Der Farn ist auf der böhmischen. Seite des Riesengebirges von der Kesselkoppe und verschiedenen Stellen des Riesengrundes: Teufelsgärtchen, Abhang des Brunnenberges, Sommerlehne des Aupengrundes (Milde a. a. O. 8. 482), auf der schlesischen Seite bisher nur aus den Schneegruben be- kannt, wo er namentlich in der grossen zahlreich vorkommt.**) Ausser- dem führt Milde hier noch ohne nähere Angabe des Finders die Melzergrube an. Man versteht darunter gewöhnlich den Abhang des Koppenplanes vom Koppenbach an der Schneekoppe bis zur kleinen Lomnitz. Dort habe ich Allosorus, wie auch die ebenfalls von da früher angegebene Woodsia hyperborea bisher vergeblich gesucht; auch von Anderen scheinen beide dort nicht mehr gefunden worden zu sein und weder Wimmer noch Garcke (8. Auflage) haben diesen Standort auf- genommen. Von der Melzergrube ist das oben erwähnte Steinfeld durch den tiefen Einschnitt der kleinen Lomnitz und den oberen Theil des

Melzergrundes getrennt, so dass es zum mindesten sehr zweifelhaft bleibt, ob Allosorus hier früher schon gefunden worden ist.

In dem Wunsche, die Verbreitung desselben weiter zu verfolgen, suchten wir noch die kleineren ähnlichen weiter nach Norden gelegenen Steinflächen auf. Ich fand den Farn sowohl auf der nächsten derselben, wenn auch viel sparsamer, als auch jenseits der Spitze der kleinen Koppe um den einzelnen, am Nordostabhange liegenden Felsen, dessen ich anfangs gedacht habe. Weiter hinab möchte der Farn hier wohl nicht vorkommen;

*) Dreimal so lang als die Blattfläche, wie Milde (in Gefässkrypt. Schlesiens S. 480) angiebt, habe ich den Blattstiel nie gefunden,

**) Wo der von Schwenckfelt angegebene „Rauschengrund“ liegt, ist mir nicht bekannt.

der Schles. Gesellschaft f. vaterl. Cultur. 87

seine Höhengrenze würde dann hier zwischen 1350 Meter, der Höhe des ersten Steinfeldes, das wenig niedriger liegt als die Spitze der von Prudlo zu 4330 Fuss angegebenen kleinen Koppe, und, freilich nur nach un gefährer Schätzung, 1250 Meter, der Höhe des einzelnen Felsen, liegen.

Von diesem kehrten wir nach dem Gipfel zurück, welcher so dicht mit Knieholz bewachsen ist und sich dabei nach dem Koppenplan hin so allmälig abdacht, dass man den höchsten Punkt kaum sicher herausfindet. Nur von einigen Steinblöcken aus gewannen wir über das dichte Gestrüpp, welches den ganzen Vordergrund verdeckte, hinweg eine weite Umsicht. Nun wendeten wir uns der entgegengesetzten Abdachung zu. Auch hier konnten wir durch lange Strecken Knieholz nur vorwärts kommen, indem wir auf die unten fast wagerecht sich ausbreitenden Stämme und Aeste traten,. mit beiden Händen die aufrechten Aeste zur Seite bogen und so langsam fortschritten. Besonders hinderlich wurden uns hier und da ab- gestorbene Stöcke, welche ihre zackigen und knorrigen Aeste und Zweige nach allen Seiten ausstreckten, die ganz dürr und daher zu starr waren, um sie zur Seite zu biegen. Mit ihren längst entrindeten, weissen, vom Wetter und der Sonne gebleichten Zacken, rings umgeben von frisch srünenden Knieholzsträuchern, machten diese Stöcke einen eigenen, fast unheimlichen Eindruck. Dicke Torfmoospolster unterbrachen an dieser etwas feuchteren Seite zuweilen das Gestrüpp und erleichterten das Fort kommen, so dass wir endlich an der Stelle, wo der Gehängeweg den Koppenplan erreicht, wieder auf einen betreienen Pfad gelangten.

Von den Steinfeldern, auf welchen wir den Allosorus erispus gefunden, sahen wir gegenüber, jenseits des Melzergrundes, den gewaltigen Rücken sich erheben, welcher sich von der Schneekoppe nach der schwarzen Koppe hinzieht und bald als Ziegenrücken, bald als Riesenkamm, als Schmiedeberger oder endlich als Forstkamm bezeichnet wird. Der letzte Name wird wohl angemessener mit Mosch dem Kamme über den Forstbauden zwischen dem Tafelstein und der obersten Grenzbaude bei- gelegt, den Prudlo (Höhenmessungen in Schlesien S. 144) als Forstberg bezeichnet; der Name Schmiedeberger Kamm würde seiner Lage nach demselben Kamme zukommen; Ziegenrücken heisst schon all- gemein der schmale Grat zwischen dem Weisswasser- und Langen Grunde auf der böhmischen Seite. Die Benennung Riesenkamm würde daher immer noch die beste sein, obgleich sie freilich dem ganzen Riesengebirgs- kamme mit gleichem Rechte zukommen würde. Wünschenswerth wäre es jedenfalls, dieser Verwirrung von. Namen und Orten ein Ende zu machen und der jährlich von Tausenden, welche den Weg zwischen der Koppe und den Grenzbauden zurücklegen, begangenen Strecke einen festen Namen zu geben.

Vom Koppenbache an der Schneekoppe bis nahe an den Himmel- seifen an der schwarzen Koppe ist der ganze dem Melzergrunde zuge-

88 Jahres - Bericht

wendete Abhang vom Kamme herunter bis nahe an die obere Baumgrenze eine völlig kahle Fläche, nur an wenigen Stellen durch kleine grüne Flecke oder Streifen von Knieholz unterbrochen, welche sich von unten heraufziehen. Diese Fläche schien den Steinfeldern an der kleinen Koppe in jeder Beziehung so ähnlich, dass fast mit Gewissheit auch Allosorus crispus hier erwartet werden konnte. Zweifelhaft war nur, ob der offenbar mit losem Geröll bedeckte steile Abhang zugänglich sein werde. Einige Tage nach dem Ausfluge auf die kleine Koppe wurde der Versuch gemacht. Vom Wolfshau aus verfolgten wir den am westlichen Fusse der schwarzen Koppe allmälig in die Höhe führenden Weg, überschritten den Himmelseifen, an welchem hinauf ich früher einmal den Kamm an der schwarzen Koppe erstiegen hatte, und gelangten nach einigen Irrfahrten auf den flachen, mehrere hundert Schritt breiten Absatz, welcher hier den nach dem Melzergrunde abfallenden Abhang des Riesenkammes auf eine lange Strecke hin unterbricht. Zwischen Schonungen, dann durch den frischen Hau ging es bis an den Rand des Hochwaldes, in welchem eben Holzfäller mit dem Zersägen von Stämmen beschäftigt waren. Hier, nicht gar weit unter der oberen Baumgrenze besteht der Wald grossentheils noch aus prachtvollen, im losen Bestande aufgewachsenen Riesenfichten, wie man sie nicht an vielen Stellen des Gebirges mehr antrifft. Durch die Ungunst des Bodens und des Wetters gehen so viele aufwachsende Bäumchen zu Grunde, dass die kräftigen übrig bleibenden einen seltenen Reichthum der Beästung entwickelt haben; weiter am Kamm hinauf reicht derselbe bis nahe an den Boden und erschwert das Fortkommen ausser- ordentlich. Durch Wäldchen von Alpenfarn (Athyrium alpestre) von üppigem Wuchs stiegen wir auf hier und da sichtbaren Spuren von Fusspfaden rasch bergan und gelangten durch die an der ganzen Lehne vom Seifen- bache bis nach der schwarzen Koppe besonders stark entwickelte Ebereschenregion endlich an das lange ersehnte Knieholz, dessen erste _ baumartig aufstrebende Sträucher wir freudig begrüssten. Noch üppiger als am Westabhange der kleinen Koppe wucherten hier weit ausgedehnte Polster von Torfmoosen zwischen und auf den gewaltigen Felsblöcken, zwischen denen das Knieholz sich hervordrängte; und hier verloren wir die letzten Spuren menschlicher Tritte. Nach kurzem Klimmen erblickten wir links über uns das Ziel unserer Wanderung: das grosse Steinfeld.

Auf diesem stiegen wir über die Knieholzgrenze hoch hinauf, etwa bis

auf die halbe Höhe von dieser nach dem Kamme; und hier hatten wir einen Anblick, wie ihn das Riesengebirge an keiner anderen Stelle bietet. Der Rücken des Kammes selbst war uns, ebenso wie der Koppenkegel durch die Wölbung des Abhanges verdeckt, und so weit das Auge reichte, nach rechts, links und oben, erbliekte es nichts, als die kahle, mit grösseren und kleineren Schollen von Glimmerschiefer bedeckte Fläche. Selbst der Waldrand unten hob sich nur als ein schmaler Streifen von

der Schles. Gesellschaft £, vaterl. Cultur. 89

dem gegenüber liegenden Abhange der kleinen Koppe ab. Alle Steine sind mit Krustenflechten überzogen, in den Ritzen haben sich hier und da Cladonien angesiedelt, aber keine Blume, kein Grashalın, nicht einmal ein srünes Moos sprosst zwischen den losen Steinen hervor. Auch von Allosorus war nirgends eine Spur zu erblicken. Lockend allein lagen nach dem Abhange der Schneekoppe hin einige, schon vom Melzergrunde und vom Koppenplane aus in frischem Grün lachende kleine Oasen da. Wir wendeten uns daher nach diesen hin. Unterwegs kamen wir an einigen Stellen vorbei, welche deutlich die Entstehung dieses ungeheuren Stein- meeres erkennen liessen. Ein bis zwei Meter hohe, noch anstehende Felsblöcke waren bereits durch Verwitterung tief zerklüftet; die schräg aufgerichteten Platten waren zum Theil durch enge Risse, die unteren bereits. durch handbreite Spalten losgeirennt, darunter lagen schon los- gebrochene, doch noch ziemlich frische, auf den Kluftflächen mit Flechten wenig bewachsene Schollen von verschiedener Grösse. So hat sich offen- bar der hier mit den Schichtenköpfen anstehende Glimmerschiefer nach und nach in Trümmer aufgelöst, welche den Abhang in verschiedener

‘Mächtiskeit bedecken; von den zu steilen Flächen sind sie herabgerollt

oder gerutscht und die ganze Oberfläche hat längst eine solche Neigung erhalten, dass kein Stück mehr weit hinabrollt. Ich habe an verschiedenen Stellen grosse Steine hingeworfen: sie rollten nur wenige Schritte ab- wärts und blieben dann liegen. Die ganze Wand ist daher, ich habe sie wenigstens auf eine grosse Strecke weit durchmessen, bei nur einiger Vorsicht ohne alle Gefahr zugänglich, wenigstens von unten her. Von oben her könnte man möglicher Weise, wie überall, an eine unerwartet steile Stelle kommen, obwohl ich nirgends eine solche bemerkt habe.

Endlich erreichten wir den sich hoch hinauf ziehenden Knieholz- streifen unfern der Schneekoppe und hinter ihm den einen der von fern leuchtenden grünen Flecke aber nichts von den erwarteten Alpen- pflanzen war zu sehen! Nichts als diehtes Gras; unter den Knieholz- büschen Torfmoos und einige Büsche von Aspidium spinulosum var. dila- iatum! Vielleicht bieten die noch weiter nach dem Koppenbach hin lie- senden grünen Stellen eine reichere Ausbeute; eine Flora, wie sie das Teufelsgärtehen oder auch nur der Kessel der nahen Melzergrube bieten, ist auch dort schwerlich zu erwarten.

Einen bleibenden Eindruck hat dagegen die Betrachtung in mir zurück- gelassen, dass auch an jenem Grasplatze keine Spur davon zu finden war, dass je ein Mensch ihn betreten. Auf dem eben überschrittenen Stein- meere würden Schneewehen, Regen und Stürme selbst künstlich auf einander geschichtete Steinplatten wohl bald herabstürzen; aber hier hätten doch Fussspuren oder irgend eine Zerstörung, wie sie so oft vom Men- schen zurückgelassen wird, von früherem Betreten Kunde geben können aber, was mehr wiegt, als dies zu welchem Zwecke sollte Jemand

90 J Hau - Bericht diese abgelegene Stätte besucht haben? Ein ähnliches Gefühl der Ein- samkeit,. ja der Abgeschiedenheit von der Welt hatte ich bei einer un- vergesslichen Wanderung mit dem verstorbenen Professor Milde und Dr. Beinling empfunden, als wir aus dem Hochwalde aufsteigend durch das Knieholz zwischen den Spornhübeln unter der grossen Schneegrube uns mühsam emporarbeiteten. Dort schlüpften wenigstens noch einige kleine Vögel piepend durch das Knieholz hier war nichts Lebendiges zu sehen. Rascher, als vorher beim Steigen brachen wir uns hinabwärts durch Knieholz, Ebereschen und zum Theil furchtbar verwachsenen Hochwald Bahn und wanderten durch den Melzergrund, in landschaftlicher Beziehung die Perle des schlesischen Riesengebirges, nach Krummhübel zurück.

Im Anschluss an diesen Vortrag beschloss die Section, bei dem Prä- sidium der Gesellschaft den Ankauf eines Anaeroidbarometers zu beantragen, welcher für pflanzengeographische Bestimmung an die Mitglieder verliehen werden kann.

Herr Dr. phil. W. G. Sehneider machte Mittheilungen über einige neue Beiträge zur schlesischen Pilzflora aus den Familien der Ustilagineen und Uredineen, theils im Liegnitzer Kreise, theils im Riesengebirge von Herrn Lehrer Gerhardt gefunden: Ustilago urceolorum Tul. auf Carex Schreberi; Urocystis occulta Rbh. auf Secale cereale; Urocystis pompholygodes

Rabh. auf Ranunculus repens; Thecaphora affinis n. sp. in den Früchten von

Astragalus glyeyphyllos; Puceinia Compositarum Mart. auf Crepis virens; Puceinia Tragopogonis Corda auf Scorzonera humilis; Uromyces apiculatus Lev.? auf Anthyllis vulneraria; Uromyces apiculatus? auf Oytisus Laburnum;

Uromyces punctalus Schroet. auf Astragalus arenarius; Uromyces Plumbaginis

n. sp. auf Plumbago europaea; Aecidium Betae Kühn; Peridermium elatinum Schm. et K. auf Abies pectinata; Endophyllum Sedi Lev. auf Sedum aere; Cronartium Paeoniae Cast. auf Paeomia officinalis bei Breslau; Melampsora salieina Lev. Uredo-Form auf Salix repens; Caeoma Orchidum Link., sehr selten, auf Orchis latifolia; Caeoma Ribesü Link. vereinzelt auf Ribes alpinum ; Uredo Cerastiüi Schlecht. auf Stellaria glauca und auf Malachium aquaticum ; Uredo Pyrolae Mart. auf Pyrola wniflora; Aecidium Grossulariae Del. auf Ribes nigrum und vereinzelt auf Ribes aureum; Aecidium Parnassiae Grav. ein einzelnes Exemplar auf Parnassia palustris; Aecidium Bellidis auf Bellis perennis.

sellschaft bestimmter schlesischer Pilze vor: Synehytrium Taraxaci de By

Ferner legte derselbe noch eine Anzahl für das Herbarium der Ge-

et Wor. auf Taraxacum offieinale; Synchytrium Mercurialis Fuck. auf Mer-

curialis perennis; Peronospora Viciae Beck. auf Ervum pisiforme; Cystopus candidus Lev. auf Raphanus sativus; Podisoma Juniperi Sabinae Fr. auf Juniperus Sabina; Cronartium asclepiadeum Fr. nebst Uredo Vincetoxici Del. auf Cynanchum Vincetoxicum; Puceinia Asari Link. auf Asarum europaeum;

der Schles. Gesellschaft £. vaterl, Cultur. 91

Puecinia Aegopodü Link; Puceinia Adoxae Deland; Pucceinia Circaeae Pers; Puceinia Asparagi Del.; Aecidium albescens Grev. auf Adoxa moschatelling ; Aecidium Pulmonariae v. Niessl., zu Puccinia straminis Fuck. gehörig; Puceinia Menthae Pers. auf Mentha piperita var. erispa; Puccinia Pimpinellae Link; Puceinia Dianthi Tul.; Uredo Lychnidearum auf Melandryum album; Caeoma Mercurialis Lk.; Xenodochus carbonarius auf Sanguisorba offieinalis; Perider- mium Pini auf Pinus sylvestris; Scleroderma vulgare Fr. und Scl. verrucosum Pers.; Geaster hygromelrieus Pers., Geaster fimbriatus Fr., Geasier fornicatus Pr.; Tulostoma mammosum Fr.; Physoderma gibbosum Wallr. auf Anthriscus Cerefolium und auf Chaerophyllum ; Choeromyces maeandriformis Vitt.; Helvella esculenta Pers.; Morchella conica Pers.; Peziza tuberosa Bull.; Pez. aurantia Ord.; Trochila Dehnü Rabh. auf Potentilla norvegica; Craterellus cornucopioides Pers.; Auricularia Sambuei Mart.; Calocera viscosa Fr.; Polyporus fomen- tarius Pr.; Trameles suaveolens Fr.; Cantharellus lobatus Fr.; Lenzites betulina Fr.; Zasmidium cellare Fr.

In der vierten Sitzung vom 26. Februar hielt Herr Prof. Dr. Koerber einen Vortrag

über die Schwendener-Bornet’sche Flechtentheorie.

Der Vortragende kann sich nicht davon überzeugen, dass die Gonidien des Flechtenthallus selbstständige Algen sein, die Hyphen dagegen und die Apotheeien einem parasitischen Pilze angehören sollen. Die Flechten- hyphen verhalten sich chemisch anders als die Fäden der Pilzmycelien, ebenso die Asci, welche bei den Flechten geschichtet sind, bei Pilzen nicht. Oft sieht man auf Bäumen, z. B. im hiesigen botanischen Garten, Massen grüner Algen, aber keine Flechten, umgekehrt wachsen auf dem Hochgebirge, z. B. der Schneekoppe, zahllose Flechten; aber weder Algen noch Pilze werden gefunden. Nach der Ansicht des Vortragenden sind ‚vielmehr die Flechten-Gonidien im Stande, auch ausserhalb des Flechten- Thallus sich zu vermehren und selbst durch Schwärmsporen sich fort- zupflanzen. Solche frei vegetirende Flechten-Gonidien sind von den Al- - sologen irrthümlicher Weise als selbstständige Algengattungen betrachtet und in ihre Systeme eingereiht worden.

An den Vortrag des Herrn Prof. Koerber knüpfte sich eine lebhafte _ Diseussion, an welcher sich insbesondere die Herren Prof. Goeppert und Cohn betheiligten. Von beiden wurde ausgesprochen, dass ihnen anfangs die Schwendener’sche Theorie aus pflanzengeographischen und anderen Gesichtspunkten unwahrscheinlich erschienen, dass sie aber ins- besondere nach Vergleichung der Lichenenpräparate, welche Herr Bornet aus Antibes einzusenden die Güte gehabt hat, an dem Parasitismus der _ Flechten kaum noch zweifeln könnten.

92 J a, - Bericht

In der fünften Sitzung vom 12. März hielt Herr Mittelschullehrer Limpricht einen Vortrag

über die Laubmoose der Hohen Tatra.

Der berühmte schwedische Botaniker Wahlenberg war der erste, der mit bekannter Meisterschaft in seiner Flora Carpatorum (1813) auch für das weitere Studium der Mooswelt dieses Gebirges eine sichere Grundlage schuf. Unter den von ihm aufgeführten 130 Arten (eine für damalige Zeit bedeutende Zahl) finden wir bereits grosse Seltenheiten verzeichnet, darunter einige, deren Wiederentdeckung bis jetzt nicht gelungen ist, so Tetraplodon mnioides Br. Eur. (Splachnum urceolatum Wahlb.), Anoeclangium aqualicum Hedw. und Aulacomnium turgidum Wahlb. Nach langer Pause bringt v. Lobarzewsky in ‚„Muscorum frond. species novae Haliciensis‘ (Wien 1847) die ersten Beiträge durch einige neue Arten, deren Werth theilweise noch räthselhaft ist.

Im Jahre 1856 bereist R. v. Uechtritz die Hohe Tatra, hat aber das Missgeschiek, seine Moosausbeute zu verlieren, und nur Splachnum sphae- ricum wird durch ihn nachgewiesen. 1865 giebt M. Kuhn in den Ver- handlungen des bot. Vereins für die Provinz Brandenburg ein Verzeichniss der meist im Koscielisko-Thale gesammelten Moose, darunter ist neu Mnium orthorrhynchum leg. P. Ascherson, sehr fraglich dagegen Hymenost. tortile Schw. In demselben Jahre erscheint in den Verhandlungen der zool.-botan. Gesellschaft in Wien von Dr. A. Rehmann: „Versuch einer Aufzählung der Laubmoose von Westgalizien.“ Hier werden mit theil- weiser, zwar nicht durchweg kritischer Benutzung der Wahlenberg’schen Angaben und mit Benutzung der Beiträge von Haszlinzsky, Schliephacke, Kalchbrenner ete. für das ganze Gebiet ca. 300 Arten nachgewiesen, darunter viel neue Bürger für die Hohe Tatra.

Ein Jahr darauf veröffentlicht Haszlinzsky in den Verhandlungen des Vereins für Naturkunde zu Pressburg eine Bearbeitung der Laubmoose Nordungarns. Leider ist diese Arbeit, die bereits 340 Arten angiebt, ; durchweg ungarisch geschrieben. Davon hat mir der Verfasser selbst als Irrthümer bezeichnet: Grimmia torquata, G. sulcata, Dieranum Scottianum, Pottia erinita, Eurhynchium myosuroides und Pterogonium gracile; auch Ulota curvifoha einer früheren Angabe zählt gewiss hierher, da sie diesem Ver- zeichnisse fehlt. Nach Haszlinzsky’s brieflichen Mittheilungen ist ferner Pleuridium subulatum = P. alternifolium, Cynodontium gracilescens Ü. al-. pestre und Barbula laevipila = B. papillosa.

Wichtige Beiträge bringt unser Landsmann, Apotheker R. Fritze, in „Eine Karpathenreise‘“ von R. Fritze und Dr. H. Ilse (Verhandl. der zool.- botan. Ges. Wien 1870), dessen von ihm auf wiederholten Tatrareisen gesammeltes Material seiner Zeit Milde noch revidirte. Als seine Ent- | deckungen für die Tatra sind zu betrachten: Gymnostomum calcareum, @. |

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rupestre, Dieranum spurium, D. Mühlenbeckü, Fissidens decipiens, Seligeria iristicha, S. recurvata, Grimmia conferta, G. alpestris, G. Tergestina, G. mon- tana, Orthotrichum cupulatum, Tayloria serrata, Leptobryum pyriforme, Webera polymorpha, Bryum Duvalü, Lescuraea saxicola, Orthothecium intricatum, Pla- giothecium Mühlenbeckii, Amblystegium Sprucei, Hypnum pallescens, H. Vaucheri und H. ochraceum.

Inzwischen sind von Haszlinzsky für die Tatra nachgewiesen, aber noch nicht veröffentlicht worden: Platygyrium repens; Pottia latifolia (Stirn- berg, Rothe Lehm, Eisernes Thor), Anoectangium compactum ß depauperatum, Altwalddorfer Felsenwand (var. brevifolium Jur. sammelte ich an der Granatenwand über dem Felka-See); Barbula gracilis, Lange -See- Thal; Dieranum Sauteri, Drechselhäuschen; Brachythecium Mildeanum bei Kesmark.

Demnach sind unter den Laubmoosen, die ich 1873 auf einer 14tägigen Reise in den Central-Karpathen sammelte, nur nachstehende als neue Bürger für die Tatra zu bezeichnen: Dicranella cerispa Schimp., unteres Kohlbachthal; Leptoirichum vaginans Sull., in der Nähe. des Wantasteins unterhalb des Gr. Fischsees; Trichostomum crispulum Bruch., steril im Koseielisko-Thale; Orthotrichum stramineum Hornsch., häufig um Podszpady; Grimmia sulcata Sauter, Felka-See; Webera gracilis De Not., Felka-See und Kleine Kohlbach; Webera Breideri Jur., Kopa-Pass; Splachnum ampullaceum (Dill), zwischen Podszpady und Jaworina; Philonotis adpressa Ferg. (Form von Ph. fontana), Kleine Kohlbach, steril; Timmia austriaca Hedw. und T. norvegica Zett., beide steril im Kosecielisko-Thale; Neckera Besseri Jur., steril, Demanowa-'T'hal bei Lipto St. Miklos und zwischen Sarpanec und Zdar; Thuidium decipiens De Not., steril im Demanowa-Thale und unter- halb des Gr. Fischsees; Heterocladium dimorphum Br. & Sch., in alpinen Lagen häufig, doch steril; Cylindrothecium concinnum De Not., Demanowa- Thal, steril; Brachythecium laetum Br. Eur., ebenda, steril; B. Starkü Br. & Sch., häufig in der Waldregion der Tatra, auch efr. wie um Schmecks; B. Geheebü Milde, steril auf Buchenwurzeln am Wege von Jaworina nach dem Gr. Fischsee; Eurhynchium striatulum (Spruce.), Demanova-Thal, Kos- eielisko-Thal und zwischen Sarpanec und Zdar, steril; E. Vaucheri Schpr., Koseielisko-Thal und Quellen des weissen Dunajee bei Zakopane, steril; Hypnum intermedium Lindb., Demanowa-Thal, steril; H. stramineum Dicks, zwischen Podszpady und Jaworina und unterhalb des Gr. Fischsees, steril, und Sphagnum subsecundum Nees, steril um Schmecks.

Aus der Tatra sind mir bis jetzt überhaupt 322 Laubmoose bekamnt, die sich zumeist auf das Gebirge selbst beschränken, da die Ebene am Fusse desselben zu wenig durchforscht ist. Darunter sind 22 meist rein alpine Arten, die den mitteldeutschen Gebirgen fehlen, wohl aber (excl. Philonotis alpicola Jur. (einer Form von P. fontana), Dicranum neglectum Jur. (einer Form von D. Mühlenbeckü), Ulota Rehmannü Jur. und Trichostomum

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giganteum) in Skandinavien beobachtet wurden; redet man daher von einer bryologischen Verwandtschaft zwischen den hereynischen Gebirgen und den nordischen, so hat man auch die Hohe Tatra in diesen Kreis mit einzuschliessen.

Herr: Geheimrath Prof. Dr. Goeppert bemerkte, dass nach Mit-

theilung des Pastor primarius Pauli, der vom Lehrer Büttner in der Sitzung vom 6. November 1873 angegebene Fundort des Scolopendrium bei Greifenberg auf einem Irrthum beruhe, da das Scolopendrium wie die anderen in seiner Umgebung erwähnten Pflanzen im Parke angepflanzt seien. Gleichzeitig berichtigte derselbe einen Fehler in dem Referat über die Sitzung der botanischen Section vom 6. November 1873, wo unter den von Herrn Geh. Regierungsrath v. Wechmar zwischen Luzerne beobachteten Unkräutern anstatt Pieris hieracioides Helminthia (Picris) echioides auf- zuführen ist, die Goeppert selbst schon 1822 unter ähnlichen Verhältnissen in Jena gefunden hatte.

Derselbe berichtete über eine Sendung des Herrn Reinek aus der Domäne Ober-Johnsdorf (Grossherzogthum Weimar), enthaltend zahlreiche junge Kartoffeln, welche sich im Innern von Mutterknollen befanden und diese aufgesprengt hatten; eine ähnliche Erscheinung schildert Michelsen von Hildesheim, der jedoch die jungen Kartoffeln von aussen einge- drungen hält. 3

Prof. Cohn legte ein Fläschehen mit Wasser vor, welches ihm Herr Dr. Hirsch aus Kahla (Thüringen) von einem dortigen Wassertümpel zu- j geschickt, dasselbe ist klar, hat aber einen röthlichen Absatz, der durch- { geschüttelt das Wasser roth färbt; die Ursache ist die merkwürdige am = 18. September 1838 von Ehrenberg bei Jena entdeckte Monas Okeni. i

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Ausserordentliche Sitzung der botanischen Section.

Fünfte Wander - Versammlung der Schlesischen Botaniker am 31. Mai 1874 zu Camenz in Schlesien.

Zahlreicher denn je hatte sich in diesem Jahre die Versammlung der & Schlesischen Botaniker im Saale des Schwarzen Adler zu Camenz vereinigt, wohin die mit dem Frühzuge der Breslau-Warthaer Bahn Ankommenden eine durch den prinzlichen Gutsinspeetor Herrn Kiel freundlichst gestellte stattliche Wagenreihe geführt hatte.

Um 10'/, Uhr eröffnete der Präses der Schlesischen Gesellschaft, Herr e Geheimrath Prof. Dr. Goeppert, die Sitzung, indem er die aus allen # Theilen unserer Provinz, von Görlitz bis Rybnik, erschienenen Mitglieder En |

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begrüsste und Herrn Prof. Dr. Koerber (Breslau) zum Tagespräsidenten, die Herren Geh. Medicinalrath Prof. Dr. Haeser (Breslau), Dr. Moritz Traube (Breslau), Kreisphysikus Sanitätsrath Dr. Bleisch (Strehlen), Conservator Dr. Peek (Görlitz), Apotheker Fritze (Rybnik), Fabrik- Director Winkler (Giessmannsdorf) zu Vicepräsidenten vorschlug; Herr Öberlehrer Dr. Stenzel übernahm das Schriftführeramt.

Der Landrath des Frankensteiner Kreises, Herr Held, hiess die Ver- sammlung herzlich willkommen und sprach die Hoffnung aus, dieselbe bald wieder in seinem Kreise begrüssen zu können. Nachdem auch der Secretair der botanischen Section, Prof. Cohn, begrüssende Worte an die zahlreichen Gäste der Section, welche allen Berufskreisen angehören, gerichtet und die angemeldeten Vorträge angekündigt, forderte der Tages- Präsident, Prof. Koerber, zur Nameneinzeichnung der Anwesenden auf, und ertheilte zuerst das Wort an Herrn v. Thielau (Lampersdorf bei Frankenstein), welcher den Präsidententisch mit zwei waldfrischen Riesen- bouquets aus seinen Forsten im Eulengebirge geschmückt hatte. Derselbe überreichte der Section zwei Druckschriften, welche er zur Gratisvertheilung an die Mitglieder auf seine Kosten hatte drucken lassen: 1) eine Ab- handlung über die Folgen äusserer Verletzungen der Bäume, insbesondere der Obst- und Eichenbäume, einen Auszug aus dem grösseren Werke des Herrn Geheimrath Prof. Dr. Goeppert; 2) eine Schrift des Weber- meisters Roth zu Langenbielau: „Die Laubmoose und Gefässkryptogamen des Eulengebirges mit einer pflanzengeographischen Uebersicht des Floren- gebietes. Diese Schrift, dem Herrn v. Thielau dedieirt, führt 149 Laub-

moose und 19 Gefässkryptogamen auf, welche der Verfasser sämmtlich selbst gesammelt und bestimmt hat.

Hierauf hielt Herr Director Winkler (Giessmannsdorf bei Neisse) einen Vortrag über die Vegetation der Sierra Nevada, - die derselbe im vorigen Jahre in Gemeinschaft mit Apotheker Fritze _ (Rybnik) botanisch durchforscht hatte.

Wenn wir uns einem unbekannten Ziele zuwenden, so pflegt wohl die Phantasie vorauszueilen und sich Bilder davon zu entwerfen, welche der Wirklichkeit wenig entsprechen. Dies fand ich wieder beim Anblick

_ der Nevada-Kette bestätigt; ein schneebedeckter Gebirgszug in einem so heissen Lande wie das südliche Spanien, der sich, in nicht allzu grosser Entfernung vom Meere, bis zu 11,000’ emporthürmt, berechtigt wohl zu den kühnsten Erwartungen in Betreff der gigantischen Grossartigkeit seiner Erseheinung. Diese Erwartung wurde nicht ganz erfüllt, einmal wegen

des Umstandes, dass die Sierra Nevada fast von allen Seiten durch andere

_ mächtige Gebirgszüge umlagert ist, welche den freien Ueberblick hindern,

oder doch erst in allzugrosser Ferne gestatten, und zweitens wegen der

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ungemein heiteren und reinen Luft des Südens, die unser an den nörd- lichen Himmel gewöhntes Auge über Höhen und Entfernungen mächtig täuscht. Von Granada aus gesehen, dem einzigen Punkte, wo man einen umfassenden Ueberblick des ganzen Nordabhanges hat, welcher sich fast unmittelbar an der Wega (der fruchtbaren Ebene, welehe die Stadt um- giebt) steil emporhebt, bietet die Nevada-Kette ohngefähr die Ansicht des Riesengebirges von Warmbrunn aus betrachtet; man glaubt in 4—5 Stun- den bequem die Gipfel zu erreichen, braucht aber in der That 11 bis 12 Stunden dazu.

Die Gebirge Südspaniens charakterisirt vor Allem der gänzliche Mangel an Wald, öd und starr erheben sie sich über die lachend grünen Gefilde ihrer Umgebung, aber die schimmernde Gluth der südlichen Sonne stattet sie doch mit einem so entzückenden Farbenglanz aus, dass der schroffe Contrast auf eine dem Auge angenehme Weise gemildert wird.

Der Hauptkörper der Nevada besteht aus Gneis, die höchsten Kuppen aus Glimmerschiefer mit reichlich eingesprengten Granaten, und die Vor- berge bis zu 6—7000’ Höhe aus Kalk. Hier ist die Fundgrube für die prächtigen bunten Marmorsorten, weiche man in den alten Kirchen Granadas zu bewundern Gelegenheit findet. Das Gebirge ist reich an Kupfererzen; sowohl in den bekannten Alpujaras, der hügeligen Hochebene, welche die Nevada von den Küstengebirgen trennt, findet sich Kupfererz, als auch auf den Höhen des Centralstockes selbst; unter dem Gipfel des Baranco de Vacares, wo in einer Erhebung von nahezu 9000’ ein überaus mäch- tiger Gang von Kupfererz zu Tage tritt, den man gegen den felsigen Ab- hang des Mulahacen zu stundenweit verfolgen kann. Vor 16 Jahren bildete sich eine Gesellschaft zu seiner Ausbeutung, aber die Schwierig- keiten, welche die .unwegbare Höhe und der Mangel an Brennmaterial dem Unternehmen bot, waren zu bedeutend im Verhältniss der vor- handenen Mittel; den angelegten Saumpfad zerstörte das Wasser, die Zechenhäuser verfielen, und was in anderen mehr ceivilisirten Ländern Tausenden von Menschen Erwerb und Wohlstand zu gewähren vermöchte, liegt hier unbenützt, wie ein vergrabener Schatz.

Der schon erwähnte Mangel an Wald übt, wie leicht ersichtlich, auf die Existenz grösserer Thiergattungen einen recht ungünstigen Einfluss; Bären, Hirsche und Rehe sind längst nicht mehr vorhanden, nur der Wolf findet sich noch, und auf hohen Felsengraten die wilde Ziege; sie hat eine habituelle Aehnliehkeit mit dem Steinbock, wird auch vielfach als soleher bezeichnet, und verwegene Jäger stellen ihr ebenso eifrig nach, wie der Gemse in den Alpen, da ihr Fleisch als Delicatesse betrachtet und gut bezahlt wird. Zur niederen Jagd könnte man noch das wilde Kaninchen, das rothe Rebhuhn und auf den Hochkämwmen das Schneehuhn rechnen. So arm an Arten und Individuen nun auch die Fauna in Bezug

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auf die grösseren T'hiere ist, so überaus reich und mannigfach ist sie an kleineren Thiergattungen. Abgesehen von den zahllosen Singvögeln, welche die buschigen Flussthäler bewohnen, und der Menge von Eidechsen, die an den Felsen herumkriechen, staunt man oft über die Fülle der Insecten, die schwirrend und summend die Luft durcheilen. Nirgend sah ich so zierlich geformte schillernde Libellen, prächtig bunte Schmetterlinge, auf- fällig geformte und gefärbte Käfer und Fliegen, als in der Nevada und ihrer Umgebung, und ich bin der Meinung, dass gerade in letzterer Be- ziehung noch viel des Schönen und Seltenen zu erforschen bleibt.

Aus der Mannigfaltigkeit des Inseetenlebens lässt sich der sichere Schluss ziehen, dass auch die Quelle, aus welcher es die Bedingungen seiner Existenz zieht, dass die Vegetation eine ebenfalls reich gestaltete ist, und in der That bietet auch kein Punkt Europas, schon vermöge seiner geographischen Lage einen so günstigen Boden für die Eutwickelung und das Gedeihen der verschiedenartigsten Pflanzenformen als gerade die Sierra Nevada. Noch bei dem Dorfe Guegar in mehr als 3000’ Seehöhe erheben sich an sonnigen Felsen die stolzen Schäfte der Agave americana, und wenige 1000 Fuss darüber wuchern an schmelzenden Schneefeldern die grossaugigen Zwergblumen des hohen Nordens. Es drängen sich die verschiedensten Vegetationsgebiete gleichsam in- und durcheinander und erfüllen die Thalwände mit einer so schwellenden Blüthenpracht, wie ihn wohl kaum der sorglichst gepflegte Garten bietet. Fast alle Eridtheile und alle Länder Europas haben hier gleichsam Repräsentanten ihrer Flora gestellt, das nahe liegende Nordafrika selbstredend die meisten; aber auch das ferne Asien fehlt nicht, indem u. a. Ranunculus demissus DC., welcher die alpinen Kämme Persiens und des Libanon bewohnt, auch auf den Höhen der Nevada seine Heimathslälte findet, Amerika wird durch Agave americana, Opuntia vulgaris ete. vertreten, und will man auch hiervon ab- sehen, da ihre frühere Einführung feststeht, so ist doch zweifellos ur- sprünglich die Potentilla pensilvanica L. Campanula mollis L., Prunus prostrata Labill. schmücken auch die Hochgebirge Griechenlands und Dal- matiens; aus unseren Sudeten finden sich u. a. Aconitum Napellus L. und Sazxifraga oppositifolia L., es fehlt nicht der reizende Schmuck des oberen ‚Innthales, die prächtige Ononis rotundifolia und Saponaria ocymoides L. Gemeinsam den Alpen, dem hohen Norden und der Nevada angehörig wären z. B. Alchemilla alpina L., Androsace imbricata Lamk., Gentiana alpina Vill., Pedieularis vertieillata L., Ranunculus glacialis L. ete, zu nennen, und von den räumlich am nächsten gelegenen Pyrenäen: Carduus car- linoides Gou., Erinacea pungens Bois, Eryngium Bourgati Gou., Ononis ara- gonensis Asso, Ranunculus angustifolius DC., Senecio Tournefortü Lap., Vicia Pyrenaica Pour. u. a.

Genügen diese kurzen Andeutungen schon, um die Fülle des Materials zu ermessen, welche dem Botaniker beim Belreten der Nevada gleichsam

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entgegen strömt, so liegt doch das Hauptinteresse weniger in diesen Be- wohnern fremder Gebiete, als in den eigenthümlichen Nevada-Pflanzen, welche speeiell nur hier ihren engen Verbreitungsbezirk haben. Ihre An- zahl ist sehr bedeutend und die Aufzählung aller würde weit über die Grenzen dieser Zeilen hinausführen, es mag genügen, nur einige wenige zu nennen, welche sich entweder durch ihren originellen Typus dem Auge aufdrängen, oder durch die Menge ihrer Individuen zur Charakteristik der Vegetation beitragen. Zu den Ersteren rechne ich z. B. Echium albicans Lag., das sich zwar auch auf anderen Bergen Spaniens findet, aber nir- gend diese ausgeprägte Form zeist als hier, ferner Adenocarpus decorticans Bois., im oberen Thale des Jenil fast baumartig auftretend, und durch die herumflatternden Rindenfetzen ganz fremdartig aussehend ; Cirsium gregarium Willk., unserem Cirsium acaule sehr nahestehend, aber in diehtgedrängten Gruppen zusammen wachsend und gleichsam Inseln in der übrigen Vege- tation bildend; Haenselera granatensis Bois., eine kleine, nur auf Spanien beschränkte, mit den Hyoserideen verwandte Pflanzengruppe; Nepeta reti- culata Dof., mit papierartigen, zierlich netzadrigen Kelehblättchen; Reseda complicata Bory, dichte, verworrene, graugrüne, besenartige Halbsträucher bildend, und endlich die seltene, nur am schmelzenden Schnee gedeihende ampferblätterige Ranunkel (Ranunculus acetosellaefohus Bois.).

In zahlreicher Verbreitung auf den höheren alpinen Flächen, und diese sicher als der Nevada - Kette zugehörig charakterisirend, finden sich z. B. Artemisia granatensis Bois., spanisch Manzanilla genannt und von den Umwohnern als Theeaufguss bei allen Magenleiden vielfach benützt, ferner die purpurblüthige Anthyllis Webbiana Hook, Erigeron frigidus Bois., Jasione amethystina Lag., Linaria glacialis Bois, Koniga Lagascae Webb., Leontodon Boryi Bois, Lepidium siylatum Lag., Senecio Boissieri DC. und die ungemein zierliche Viola nevadensis Bois., die gesellig mit Linaria glaneosa Bois. und Saxifraga mixta ß nevadensis sich in die Schieferformation fast bis zum Gipfel des Pieacho und Mulahacen hinaufzieht. An allen schmel- zenden Schneefeldern findet sich die silberblätterige Plantago nivalis Bois. gesellig mit der glänzend fleischrothen Armeria splendens Bois. Nicht un- interessant ist auch das Vorkommen von Carum vertieillatum Koch in einer Höhe von mindestens 3000‘, vom Mulahacen in der Richtung gegen Trevelar am Rande kleiner Bäche. Einige der Arrieros kannten die Pflanze und behaupteten, dass der Aufguss davon ein untrügliches Mittel gegen Steinbeschwerden sei. Viel kann man allerdings auf solche Behauptungen nicht geben, denn die Spanier gehen wie alle Naturkinder von der Idee aus, dass der liebe Gott jedes Ding nur für einen bestimmten, dem Men- schen dienstbaren Zweck geschaffen haben müsse, selbstredend gelten alle wohlriechenden Kräuter in ihren Augen als heilsam, und die erste Frage, E die sie an den Sammler riehten, ist immer die: zu was nützt diese Pflanze? E:

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Dass es der Nevada an Wäldern fehlt, wurde schon oben erwähnt; an vereinzelten Punkten finden sich jedoch kleine Bestände von ver- schiedenen Pinus- und Quercus- Arten, die aber immer mehr gelichtet werden und schliesslich ganz verschwinden müssen, wie es der stolzen Pinus Pinsapo Bois. ergeht, die früher auf der Sierra Yunguera mächtige Forsten bildete und jetzt bald zu den ausgestorbenen Baumarten wird gezählt werden müssen. Waldähnliche, mit: Castanea verca L. bestandene Flächen trifft man an der Südseite des Gebirges, am ausgedehntesten bei dem reizend gelegenen Badeorte Longeron, wo sie die Vorberge bis 4000’ Höhe bedecken. In der oberen Thalregion gedeihen auch unsere hei- mischen Obstsorten; man trifft dort kleine, aber ganz wohlschmeckende Kirschen, während Aepfel und Birnen einen wenig angenehmen holzigen Geschmack haben. An Bauholz fehlt es fast ganz und man nimmt als - Unterlage für die Dächer, welche speciell in den Alpujaras ganz flach und mit dieker Bodenschicht bedeckt sind, so schwache und krumme Stangen, wie man es an anderen Orten nimmer wagen würde. Brennholz liefern die verschiedenen Cytisus und Sarothamnus ähnlichen Sträucher, welche die Bergiehnen oft stundenweit bedecken und auf dem Rücken der Saumthiere nach den benachbarten Ortschaften zum Verkauf gebracht werden. Der Getreidebau steigt weit in die Berge hinauf; wo Triticum durum und turgidum nieht mehr gedeihen will, nimmt Triticum vulgare seine Stelle ein. Weizenfelder finden sich bis 6000° Höhe, Roggen und Gerste bis 7000‘, ja ich sah noch ein allerdings kleines und recht dürftig stehendes Roggenfeld bei 7500° Höhe und den letzten Culturversuch bei 8500‘ Er- hebung an dem Baranco de Vacanes, wo ein Ziegenhirt an einer ge- schützten Stelle sich mehrere Beete mit Tabak bepflanzt hatte. Die Pflanzen waren damals (am 4. August) etwa,handhoch und versprachen dem genügsamen Raucher immerhin noch einen mässigen Ertrag dieses ihm unentbehrlichen Genussmittels.

Die höchsten Kuppen der Nevada-Kette sind bekanntlich der Picacho _ de Veleta mit ca. 10,700° und der Mulahacen mit ca. 11,000’; ihre Be- steisung ist insofern umständlich und beschwerlich, als man alles zur Nahrung und Nothdurft Erforderliche auf Lastthieren mit sich hinauf schleppen muss, aber Gefahr ist damit nieht verbunden. Bis fast an die ‚Gipfel heran kann man reiten und hat dann noch etwa 1'/, Stunde über mächtige Schieferplatten hinaufzuklettern, ähnlich wie beim Faulhorn in der Schweiz, nur dass dort der Schiefer mehr dem Verwittern ausgesetzt ist, als in der Nevada, wo er eine festere Fügung besitzt. Nach dem Pieacho de Veleta führt sogar eine Art Saumpfad, der sich dadurch ge- bildet hat, dass eine Anzahl Arieros für den Bedarf der Conditoreien in Granada auf Eseln und Maulthieren täglich eine Quantität Schnee herab- bringen. Man reitet auf der Wasserscheide zwischen den Flüssen Jenil und Monachil aufwärts, umgeht den pflanzenreichen Berg Dornago und

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kommt schliesslich auf den langgestreckten und allmälig ansteigenden

Rücken des Picacho. Zwei Unannehmlichkeiten sind dabei zu überwinden,

der fast gänzliche Mangel an Trinkwasser und die Schwierigkeit des

Nachtquartiers. Zwar haben die Hirten in ca. 9000° Höhe, an einen

grösseren Felsen angelehnt, mittelst zusammen getragener Steine eine Art

OÖbdach gebildet, aber es ist so niedrig, dass ınan hinein kriechen muss,

und bietet kaum so viel Raum, dass 2 Menschen eng bei einander liegen

können. Trifft es nun, dass Hirten, Jäger oder Leute, welche Manzanilla

suchen, von dem einzigen geschützten Punkte bereits Besitz ergriffen

haben, so erübrigt nichts, als dass man unter freiem Himmel campirt,

was bei einer Temperatur, die wohl jede Nacht unter Null sinkt, nicht

gerade zu den Annehmlichkeiten gehört. Zum Mulahacen gelangt man

am bequemsten von der südlichen Abdachung aus, indem man den Thälern

folgt, an welchen die Gebirgsdörfer Treveles oder Pitres liegen, jedoch

kann man seine Besteigung auch von Granada aus auf der Nordseite be-

werkstelligen. Man reitet etwa 5 Leguas im Thale des Jenil aufwärts,

überschreitet dann eine ziemlich steile Höhe, welche ein Nebenflüsschen

des Jenil von diesem trennt, und gelangt zu dem Baranco de Vacares,

an dessen Lehne man bis ca. 8500’ aufsteist. Von diesem Punkte aus kann man zwei verschiedene Wege einschlagen, der eine ist für Maul-

thiere gangbar, führt über die Passhöhe zur Laguna de Vacares, umgeht

im Bogen den Felsenrücken des Alcaraba und bringt den Reisenden nach etwa Sstündigem Ritt an die Südseite des Mulahacen-Kegels. Der zweite

Weg ist nur für Fussgänger practicabel, zwar etwas unbequem, aber

gänzlich gefahrlos, was schon daraus hervorgeht, dass ich ihn in grösserer

Gesellschaft zurücklegte, bei welcher sich auch mehrere Damen befanden.

Ich kann diesen Weg Jedem empfehlen, dem das Klettern über Felsen-

trümmer nicht gar zu schwer fällt, er zieht sich am nördlichen steilen

Abhange des Alcaraba und Mulahacen bis gegen den Felsenrücken hin,

weleher oberhalb der Laguna larga den Picacho de Veleta mit dem Mu-

lahacen verbindet, führt bei einer ganzen Anzahl kleiner Alpenseen und

Cascaden vorüber, bietet herrliche Landschaftsbilder und ist die Haupt- fundgrube hochnordischer Pflanzenarten. Man braucht zur Wanderung

von den Vacares bis zu dem erwähnten Felsenrücken ea. 6 Stunden und von da bis zum Gipfel noch 2 Stunden.

Wenn ich mehrfach den Ausdruck „Weg“ gebrauche, so muss man dies natürlich nur im figürlichen Sinne nehmen, selbst die Bezeichnung Saumpfad wäre ‚noch viel zu verwegen; dergleichen moderne Verkehrs mittel sind in Spanien nicht üblich, es reitet oder geht eben Jeder dort,

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wo ihm das Terrain hierzu für zulässig erscheint.

In dem Thale, in welchem die Quellen des Jenil liegen, wird man das Erhebungs-Centrum der Nevada-Kette sucheu müssen; auf der einen Seite desselben, gegen den Mulahacen zu, ist die ganze steile Lehne mit

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Felsentrümmern bedeckt, auf der anderen Seite senkt sich der Picacho, scheinbar vom Gipfel aus gespalten, in jähem schneebedeekten Absturz mehrere tausend Fuss tief in das Thal, dessen oberer Theil der Coral de Veleta genannt wird. Man gewahrt deutlich, dass die Felsenschichten auf beiden Seiten des Thales gegen den Horizont aufsteigen, und es liegt die Vermuthung nahe, dass die Nevada einst höher war als gegenwärtig, dass sich ihr höchster Punkt etwa dort befunden haben muss, wo die Hauptquellen des Jenil liegen, und dass die grosse Blase, welche die Erde hier auftrieb, später wieder in sich zusammen gesunken ist. Vulkanische Steinarten bemerkt man nicht, wohl aber existirt im Coral de Veleta eine warme Quelle; um ausgegrabene Pflanzen von den anhängenden Boden- theilen zu reinigen, schweifte ich dieselben in einem der vielen kleinen Rinnsaale ab, welche dem Schneeabhange enteilen, und fand das Wasser desselben im Verhältniss zu den übrigen ganz warm; gern hätte ich den Ursprung aufgesucht, aber die Sonne neigte sich bereits dem Untergange zu, und ich hatte noch über 1000‘ aufwärts zu klettern, um den zum Nachtquartier ausersehenen Punkt vor eintretender Dunkelheit zu erreichen. Die Aussicht von einer der höchsten Spitzen ist bei günstigem Wetter unbeschreiblich grossartig; als ich den Picacho de Veleta bestieg, bevor- zugte mich das Glück hierin auf eine seltene Weise, kein Lüftchen wehte, der Himmel war goldklar, von der sogenannten Calina, einem Höhenrauch ähnlichen Gebilde, welches gewöhnlich in heissen Sommertagen den Ho- rizont umdüstert, keine Spur zu bemerken, und die Steinblöcke, die man auf der höchsten Kuppe, die nur für wenig Menschen Raum bietet, sitz- artig zusammengestellt hat, waren von den Strahlen der Sonne angenehm durchwärmt. Beim Aufsteigen deckt der vorliegende Gipfel den Umblick bis zu den letzten Schritten, dann hat man plötzlich ein Panorama vor sich, wie wohl kein zweites in Europa. Unmittelbar zu den Füssen gähnt der schwindelnde Abgrund des Coral de Veleta, in den glänzend weissen Schneemantel gehüllt, und aus ihm erhebt sich, auf der entgegengesetzten Seite, die dunkle Felsenpyramide des Mulahacen noch um 300‘ höher als der Picacho selbst. An ihn reihen sich zahllose Bergkuppen im weiten Halbkreise, scheinbar zu einem Ganzen gehörig, und doch durch Form und Färbung als verschiedene, oft weit von einander getrennte Gebirgs- züge charakterisirt. Man braucht längere Zeit, um sich nur einigermassen in diesem Labyrinth zurechtzufinden, aber man hat doch vergleichbare Gegenstände vor sich, an welche die Phantasie sich anzuklammern ver- mag; wendet man jedoch den Blick nach Süden, dann scheint es, als ob Gedanke und Sinn den gewohnten Dienst versagten, man starrt gleichsam bewusstlos in ein Unergründliches, und erst allmälig hebt sich der Schleier von den geblendeten Augen, und unwillkürlich denkt man an den Aus- spruch Antonios in Tasso: „Wenn ganz was Unerwartetes begegnet, wenn unser Blick was Ungeheures sieht, dann steht der Geist anf eine Weile

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stil, wir haben nichts, womit wir das vergleichen.“ Der breite Strom, der sich dort zu unseren Füssen hinwindet, es ist das Mittelmeer, und das Silberband am jenseitigen Ufer die schäumende Brandung an der afrikanischen Küste, dahinter hebt sich das Flachland Maroccos wie ein gelbgrauer Streifen ab, und den Horizont begrenzt in nebeliger Ferne, aber in seinen Umrissen ganz deutlich erkennbar, das mächtige Hoch- gebirge des fernen Atlas. Schwelgend im Genuss dieses wunderbaren Bildes bemerkt man kaum, wie rasch die Stunden entschwinden, und wenn die Nothwendigkeit der Rückkehr herantritt, verlässt der Fuss nur zögernd die geweihte Stätte, von der man gleichsam zwei Welttheile überblickt.

Es drängt sich nun die Frage auf nach den Menschen, welche diese herrliche Natur umwohnen, und da kann man im Allgemeinen nur Gutes sagen, sie sind, wie alle Andalusier, ein hübsches, heiteres und gutmüthiges Völkehen, die mit einer wahrhaft rührenden Liebe an ihren Kindern hängen; mehrfach machte ich die Bemerkung, dass ein Landbewohner, welcher auf seinem mageren Esel Gemüse zur Stadt brachte, in einem der Grünzeugkörbe auch ein kleines Kind mit eingepackt hatte, welches er dann und wann herausnahm, es mit glückstrahlenden Augen betrachtete und innig an sein Herz drückte. Zu diesen gewiss lobenswerthen Eigen- schaften gesellen sich leider andere, wenig empfehlenswerthe: die Leute stecken voll abergläubischer Formen, sind träge und haben keinen Begriff von dem Werthe der Zeit. Hat man eine Excursion vor und bestellt den Arriero, um die erste ermüdende Strecke noch in der Kühle des Morgens zurückzulegen, um 3 oder 4 Uhr früh, so kann es vorkommen, dass er entweder gar nicht erscheint, wenn ihm mittlerweile ein leichterer Verdienst geboten wird, oder doch 2—3 Stunden später. Das Beladen eines Lastthieres mit den nöthigen Reiserequisiten dauert länger als bei uns das Beladen eines ganzen Fuhrmannswagens. Jedes einzelne Stück wird zehnmal von allen Seiten betrachtet und weitläufig besprochen, auf- gelegt und wieder abgenommen, und der arme Reisende sieht die schönste Tageszeit in nutzloser Vergeudung dahin schwinden und muss wegen solch . entsetzlicher Bummelei seine Tour in der drückendsten Sonnengluth an- treten. Die frühere Biederkeit und Anspruchslosigkeit der Gebirgsbewohner, welche noch Willkomm in seinen celassischen naturwahren Schilderungen hervorhebt, hat sich leider in den letzten 25 Jahren gänzlich verloren, alle haschen nach leichtem Gewinn, und der Reisende, besonders wenn er der Landessprache nicht vollkommen mächtig ist, wird als reicher Engländer angesehen, den man nach aller Möglichkeit zu rupfen beflissen ist. Nirgend bin ich ärger geprellt worden, als in Guegar, dem höchst- gelegenen Dorfe auf der Nordseite. In der schmutzigen Fonda des Ortes, wo es nach Landessitte weder Tisch noch Stuhl, noch Messer oder Gabeln giebt, musste ich mit meinem verehrten Freunde und Reisegefährten Herrn

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Fritze für ein sehr bescheidenes Nachtquartier und 3 Mahlzeiten, be- stehend aus Schinken und Eiern, in schlechtem Oel gesolten, die Kleinig-. keit von 8 Duros oder 11°/, pr. Thaler zahlen. Es gehört ein gewisser Grad von stoischer Gleichsiltiskeit dazu, um bei solehen Vorkommnissen seine Gemüthsruhe zu bewahren und von dem vorgesteckten Ziele nicht abzugehen, doch liessen sich die beregten Uebelstände grösstentheils ab- wenden, wenn mehrere Männer, welehe die verschiedenen Zweige der Naturwissenschaft eultiviren, sich zu einer gemeinsamen Expedition ver- binden wollten. Mit eigenen Pferden oder Maulthieren, die immer wieder zu verwerthen sind, mit einem passenden Zelt ausgerüstet, was man überall dort aufschlägt, wo es die Umstände erfordern, vermeidet man die un- nützen weiten Märsche, die schlechten Fonden und die Unzuverlässigkeit der Arrieros. So viel des Gediegenen auch bereits über die südspanische Bergkette und speciell über die Nevada veröffentlicht worden ist, so glaube ich doch, dass noch viel des Interessanten zu erforschen übrig bleibt und dass eine solche Expedition, zu der ich hierdurch anregen möchte, nicht nur für die Theilnehmer eine unendlich genussreiche, son- dern auch für die Wissenschaft eine recht erfolgreiche werden müsste, da die einzelne Kraft niemals das zu erreichen vermag, wie die vereinte.

Hierauf hielt Herr Geheimrath Prof. Dr. Goeppert einen nur in ge- drängtester Kürze folgenden Vortrag

über die Geschichte der Gärten.

Er schilderte die griechischen und altrömischen Gärten, deren Typus mit seinen geradlinigen Hecken, Sculpturen und Wasserkünsten, aus den Schilderungen des jüngeren Plinius bekannt, noch heut in Italien sich fort- gepflanzt hat, obwohl die Charakterbäume des modernen Italien, Orangen, Agaven u. a., erst später eingeführt worden sind.

Im Mittelalter wurden die Gärten wenig gepflest, man hielt sich in der Burg, die Anlage blieb steif; der Reichthum der Gewächse nahm erst nach der Entdeckung Amerikas zu. Ludwig XIV. begründete in dem von Le Notre angelegten Garten von Versailles einen neueren Stil, der auch in Deutschland nachgeahmt, am vollkommensten in Schönbrunn bei

Wien erhalten ist. In Schlesien besteht ein kleiner Rest zu Pischkowitz.

Im 16. Jahrhundert war es der Garten Laurentius Scholz in Breslau, im 17. die Gärten mehrerer heut noch blühender Adelsfamilien, welche von dem Vortragenden schon früher in seiner Geschichte der schlesischen Gärten beschrieben worden sind.

Nur ein Werk über diesen Zweig vaterländischer Culturgeschichte war ihm bis jetzt noch nicht zu Gesicht gekommen, die Beschreibung des Scultetus’schen Gartens, in welchem später Friedrich der Grosse 1741 verweilte, während seine Truppen die Besetzung von Breslau ausführten.

104 Jahres- Bericht Sie wurde von Gottfried Benjamin Hanke, einem königl. polnischen Se- eretair, verfasst und dem Besitzer, Herrn Scultetus, gewidmet.

Ein in Leipzig verfertigtes allegorisches Titelkupfer, ein beigegebener Plan und Verzeichniss der darin unter anderen cultivirten Agrumen (Orangen und Citronen wie es scheint mehr als 100) giebt Zeugniss von der alten Herrlichkeit dieser Anlage, deren letzte Spuren erst in dem letzten Jahrzehnt durch die nächst der Eisenbahn zur linken Seite erbauten Ge- bäude der Neuen Schweidnitzerstrasse vernichtet worden sind.

Die Verbreitung des neuen Gartenstils, von England ausgehend, wurde begünstigt durch die im vorigen Jahrhundert im Grossen stattfindende Einführung amerikanischer Gehölze (Weihmuthskiefer, Platanen, Robinien u. s. w.), welche Freistellung der schönen Bäume erforderte. Die Zu- nahme der neueren Einführungen wurde erwähnt und der Hauptreformatoren und Schöpfer des neueren Gartenstils dieser Anlagen gedacht.

Zur Erläuterung des Vortrages dienten zahlreiche Abbildungen älterer, französischer, englischer und deutscher Gartenanlagen, sowie das Pracht- werk über die Promenaden von Paris von Alphauds.

Herr Obergärtner Berthold Stein (Berlin) legte interessante lebende Pflanzen vor:

1) Lathraea clandestina, im Berliner botanischen Garten eultivirt;

2) eine Vergrünung der Anemone nemorosa, woselbst die Staubgefässe in Laubblätter verwandelt sind;

3) den merkwürdigen Bastard Cytisus Adami, nebst den Stammarten Cytisus Laburnum und CO. purpurea;

4) die Bastarde: Ajuga reptans und pyramidalis (Thüringen), Saxifraga

decipiens und granulata (desgl.), Melandryum vespertinum und diurnum (Berlin),

Salixc daphnoides und repens (Königsberg);

5) Nymphaea alba mit, rosenrothen Blüthen;

6) Bastfasern von Malven (Malva silwestris), Wolfsmilch (Euphorbia palustris), sowie von Asclepias Cornuti (syriaca L.), welche nach einem neuen, vom Chemiker Deininger in Berlin erfundenen und von dem Inspeetor des königl. botanischen Gartens, Bouche&, auf verschiedene Pflanzen angewendeten Verfahren zur Gewinnung von Gespinnstfasern praktische Verwendung finden.

Herr Geheimrath Goeppert bemerkt, dass die rosafarbene Seerose von Unverricht bei Myslowitz gefunden worden ist.

Prof. Cohn erinnert daran, dass die sogenannte syrische Seidenpflanze (Asclepias Cornuti) schon oft, insbesondere auch in Schlesien im vorigen Jahrhundert im Grossen behufs Gewinnung einer seidenartigen Gespinnst- faser angebaut, jedoch habe Dr. Hugo Meitzen, welcher auf seine Veranlassung die Faser der Asclepias in seiner Inaugural-Dissertation untersucht, nachgewiesen, dass die Seidenhaare der Samen allein gar nicht

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der Schles. Gesellschaft f. vaterl. Cultur. 105

verspinnbar seien, in Verbindung mit Baumwolle zwar ein feines, aber so brüchiges Gespinnst geben, dass nach einiger Zeit die Asclepiasfaser durch Zersplitterung aus dem Garn ausstäube; die Bastfasern seien, wenn auch in geringerem Maasse, ebenfalls brüchig, und ihre Reinigung zu schwierig und kostspielig.

Herr Stein bemerkt, dass das auf hydrostatischem Druck beruhende Verfahren von Deininger die früheren Mängel der Aselepiasfaser beseitigt.

Hierauf. macht Prof. Cohn folgende Demonstrationen:

1) Lässt man Samen (Gerstenkörner) zwischen feuchtem Lackmus- papier keimen, so heften sich die Wurzeln dicht an das Lackmuspapier und färben dasselbe so intensiv roth, dass man selbst von der Rückseite den Verlauf der Wurzeln in hellrothen Linien auf dem blauen Grunde sich abzeichnen sieht. Durch wiederholten Zusatz von blauer Lackmus- tinetur erhöht man die Jutensität der rothen Färbung, welche die Aus- scheidung einer starken, nicht flüchtigen Säure durch die Wurzel evident macht, welcher mit Recht die Lösung der im Boden absorbirten, an sich zum Theil unlöslichen Nährstoffe der Pflanze zuzuschreiben ist.

2) Befestigt man einen beblätterten (Weiden-) Zweig luftdicht in dem einen Schenkel eines U-Rohres, den man mit durch Anilin geröthetem Wasser füllt und giesst in den anderen Schenkel Quecksilber, so wird das Wasser von dem transpirirenden Zweige allmälig vollständig und mit solcher Kraft aufgesaugt, dass nach etwa 8 Tagen das Quecksilber min- destens 10 Centimeter hoch gehoben wird (Sachs’scher Versuch); allmälig färben sich die Hauptnerven der Blätter roth; Schnitte zeigen, dass aus- schliesslich die Bast- und jüngeren Holzbündel des Stengels und der Blätter bis zur Zweigspitze gefärbt werden. Zu dieser Demonstration wurde ein nach den Angaben des Redners von dem Optiker Richard Magen (Berlin $.) gefertigtes Handmikroskop (Salonfuss) benutzt, welches, von Hand zu Hand eireulirend, der ganzen Versammlung die Anschauung gestattete.

Hierauf theilte Prof. Cohn im Auftrage des Prof. Dr. Kroker in Proskau einen Bericht über ein neu aufgefundenes, an Diatomaceen sehr reiches und ausgedehntes Schlammlager zu Pallowitz bei Orzesche (Kreis Rybnik OS.) mit.

„In diesem Frühjahr erhielt ich unter Zusendung von drei grösseren Schlammproben von der v. Tiele-Winkler’schen Verwaltung des oben genannten Dominiums die Mittheilung, dass sich daselbst ein Schlammlager in erheblicher Mächtigkeit befinde, über dessen landwirthschaftliche Be- nutzung zur Düngung Auskunft gewünscht wurde. Nach näherer Erkun- digung verbreitet sich dies Lager in einem Teiche von zwölf Morgen und liest in einer wechselnden Mächtigkeit von drei bis sechs Fuss. Die tieferen Schichten enthalten einen eisenhaltigen Torfmoor, aus welchem auch die Krume der oberhalb und unterhalb des Teiches liegenden Wiesen besteht. Zu beiden Seiten des Teiches befinden sich Aecker des leich-

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106 Jahres- Bericht )

testen Sandbodens, welche sich nach Nordost zu starken Anhöhen erheben. Letztere sind theilweise unterbrochen von einem kleinen, aber kräftigen Quellengebiete. Der Hauptzufluss zu dem Teiche und Sehlammlager tritt durch eine moorige Wiesenfläche aus den ausgedehnten Forsten, welche Sandboden und ebenfalls ein Quellengebiet mit Tlorfmoor enthalten. In den passenden Zeiten des Jahres berieselt ein von einem Bach benutztes Wasser, ehe es in den betreffenden Teich tritt, eine künstlich gebaute Wiese von 17 Morgen und wirkt ausserordentlich günstig auf das Pflanzen- .. wachsthum. Ausserdem tritt in den Teich das Wasser eines kleinen, unterhalb eines hochgelegenen Dorfes befindlichen '/, Morgen grossen Teiches. Das Wasser des 12 Morgen grossen Teiches, sowie das von zwei anderen in der Nähe desselben liegenden Teichen, zusammen 60 Morgen Fläche einnehmend, wird nun ebenfalls zur Berieselung einer grossen Kunstwiese von 82 Morgen benutzt und wirkt namentlich auf den näheren Systemen ebenfalls sehr günstig auf das Wachsthum der Pflanzen.

Nach diesen Mittheilungen liesse sich allerdings vermuthen, dass auch der Schlamm für Düngungszwecke bei den nahen leichteren Böden gut verwendbar sein möchte und es wurden die drei von verschiedenen Stellen entnommenen Proben desselben einer genauen chemischen Untersuchung unterworfen. Sämmtliche Proben zeigten ziemlich homogene, im luft- trockenen Zustande graue leichte Massen, welche unter dem Mikroskop bedeutende Mengen von Kieselalgen zu erkennen gaben. Die Reaction der drei Schlammproben war eine schwach saure.

Die chemische Analyse ergab folgende Resultate:

A. Der frische Schlamm ergab in Probe I. Probe II. Probe II. Wasser...” 2%. NE. ENCN: EN LO,ZD 80,50 78,10 Trockensubstanz............. 21,75 19,50 21,90

B. Der Iufttroekene Schlamm enthielt in Probe I. Probe II. Probe II.

Vasen u N u ee 3,500 3,250 3,600 Organische Substanz ......... 30,066 34,416 34,600 Eisenoxyd und etwas Thonerde 2,450 0,450 0,400 Bisenoxydul ....7..02. dr: 1,440 0,800 1,836 Kalkerder ne Sn en a 1,030 0,562 0,633 Magnesiar zn ars Ba a 0,110 0,191 0,122 Kali. u 3 Sea oa 0,053 0,050 0,049 Phosphorsäure .... ..n..rn.. 40.085 0,098 0,128 Kieselsäure, löslich in Alkalien 29,104 21,470 20,140 ‚Uhon, Sand Seien. .0rr. 32,162 38,713 38,487

100,000 100,000 100,000 Stickstoff ; das 1,178 1,115 1,150

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der Schles. Gesellschaft f. vaterl,. Cultur. 107

Hiernach ist, wenn die lösliche Kieselerde als nur von Diatomaceen herrührend angenommen wird, was ohne wesentlichen Fehlschluss wohl erlaubt ist, ein Viertheil bis ein Fünftheil der lufttrockenen Schlammmasse als mineralischer Theil der Algen zu betrachten und es wird bei dem verhältnissmässig hohen Gehalt von Phosphorsäure und Stickstotf nach zweckmässiger Vorbereitung ein nützlicher Gebrauch der Schlammmassen als Düngungsmittel gemacht werden können. Die Qualität der Kiesel- scelette hat überdies durch die ausserordentliche Mannigfaltigkeit derselben hervorragendes Interesse und hat Herr Dr. Kirchner es übernommen, später hierüber Näheres mitzutheilen.

Proskau, den 27. Mai 1874. Prof. Krocker.

Zusammenstellung der im Diatomeen-Mergel von Orzesche, Kreis Rybuik, beobachteten Diatomeen

von Dr. Oskar Kirchner, Assistent am pflanzenphysiologischen Institut der landwirthsch. Akademie Proskau.

1) Melosira varians Ag. 2) M. distans Kitz. 3) M. Roeseana Rabh., ist in Schlesien bis jetzt noch nicht aufgefunden worden. 4) Surirella splendida Ktz. 5) Epithemia gibba Ktz. 6) E. Wesiermanni Kiz. 7) E. Zebra Ktz., darunter Formen, die wohl zu der Abart intermedia Wartm. gestellt werden müssen. 8) Himantidium pectinale Ktz. 9) H. Tetraodon Breb. 10) Cymbella Lunula Hise. 11) Amphora ovalis Ktz. 12) Cocconema cymbiforme Ehrb. 13) Encyonema caespitosum Ktz. 14) Cocconeis Placentula Ehrb. 15) C. Pediculus Ehrb. 16) C. depressa Ktz. 17) C. striolata Rabh. (?) 18) Fragilaria virescens Ralfs. _19) Diatoma vulgare Bory. 20) Synedra Ulna Ehrb. 21) S. capitata Ehrb. 22) Navicula rhynchocephala Ktz. 23) N. binodis Ehrb. 24) N. Amphirhynchus Ehrb. 25) N. mesolepta Ehrb. 26) N. Semen Ehrb., ist bereits von Bleisch in dem fossilen Diatomeenlager von Pentsch bei Strehlen nachgewiesen worden (Bericht der Schles. Gesellsch., botan. Section, 1869 S. 6). 27) N. biceps Ehrb., wenigstens stimmt. die Form genau mit der Abbildung in Rabenhorst, Süsswasser-Diatomaceen Taf. VI. Fig. 49, doch ist die Art wegen der nur mangelhaft vorhandenen Beschreibungen nicht mit Sicherheit festzustellen. Die aufgefundenen, nicht zahlreichen Exemplare zeigen einen schwach ausgeprägten Central- und keine Endknoten. Die Hauptseite ist mit feinen divergirenden Streifen versehen, welche vom Rande bis an die Mittellinie verlaufen. 28) Pinnu- laria nobilis Ehrb. 29) P. maior Rabh. 30) Pinnularia viridis Rabh. 31) Pleu- rosigma acuminatum Grun. 32) Stauroneis lanceolata Ktz. 33) St. Rotacana, Rabh. (?) 34) Gomphonema acuminatum Ehrb. 35) G. coronatum Ehrb. 36) G. Augur Ehrb. 37) G. constrictum Ehrb. 38) G. rotundatum Ehrb. 39) @. anglicum Ehrb. 40) Meridion circulare Ag. 41) Tabellaria fenestrata Ktz. 42) T. ventricosa Ktz. 43) T. amphicephala Ehrb.

Zahlreiche Spongiennadeln, wenig Phytolitharien!

108 J Bin - Bericht

Diese Diatomeenmasse zeigt also eine Reichhaltigkeit von Formen, wie wenig andere, darunter aber nur wenig ausgezeichnete Arten; die meisten sind in der hiesigen Umgegend sehr häufig lebend zu finden, Keine einzige Art kann man als in der Masse vorherrschend bezeichnen, am häufigsten kommen die Melosiren, Fragilaria und Gomphonema, auch Üocconeis striolata vor.

Unter Gomphonema dürfte doch wohl @. coronatum Ehrb. als eine gute Species zu betrachten sein; ich habe es hier nicht selten lebend in ' Torfgruben beobachtet, ohne Uebergänge aus seiner charakteristischen Form in die des verwandten G. acuminatum zu finden.

Die Tabellarien finden sich in der grössten Mannigfaltigkeit der Grösse und Dicke, doch scheint T. amphicephala gleichfalls eine ausgeprägte Species zu sein, die sich ausser den kopfförmigen Enden und die nicht plötzlich verbreiterte, sondern allmälig anschwellende Mitte der Hauptseite, nament- lich durch die sehr deutliche, divergirende Streifung derselben auszeichnet.

Die in obigem Verzeichniss mit einem (?) versehenen Formen stimmen mit Abbildungen und Diagnosen nicht genau überein, stehen aber den bezeichneten Arten am nächsten, obwohl sie vielleicht davon zu trennen sind,

Hierauf theilte Prof. Cohn einen von Herrn Kaufmann R. Jäschke (Breslau) ihm übergebenen Bericht mit: „über die im Auftrage der Re- sierung von Argentinien von Herrn Dr. Georg Hieronymus aus Görlitz, gegenwärtig Professor der Botanik an der Universität Cordoba, als Be- sleiter des Prof. Lorenz, unternommene Erforschungsreise in die Nord- provinzen der Republiken Tucuman, Salta, Jujui bis Tarifa in Bolivien und Oran am Rio Vermejo, sowie einen Theil des Gran Chaco. Die Reise wurde im September 1872 mit einer wohlausgerüsteten Truppe von 21 Maulthieren und der nöthigen Dienerschaft angetreten von der Cor- dobaer Salzsteppe aus, die einen Theil der ungeheueren Niederung des Paranagebietes einnimmt. _

Anfangs October gelangte man nach Catamarea; Lorenz überschritt : bei Mercedes die Einsenkung zwischen der Sierra de Alto und Ancaste, während Hieronymus tief ins Gebirge hinein die pflanzenreiche Cuesta de Pucara bis zu den von Director Dr. Schiekendanz geleiteten Kupfer- bergwerken von Andalgala besuchte; beide Reisende vereinigten sich Ende Januar 1873 in Tucuman. Diese Reise lieferte reiche Pflanzenschätze ; nur /,, des Bodens ist mit Zuckerrohr (Canna), Mais und Orangen be- baut, während tropischer Urwald und von wilden Pferden und Rindern belebte Grassieppen das Uebrige einnehmen.

Hierauf wurde der Rio Juramento und Salado überschritten und der Nevado de Castello mit üppigem Alpenflor (Caeteen, Asclepiadeen, Pipe- raceen) bis 16,000’ Höhe erstiegen; die Spitze war nicht erreichbar. Das

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der Schles. Gesellschaft f. vaterl. Cultur. 109

Gestein enthält Versteinerungen, Terebratula, Pecten, Eneriniten; auch Spuren von Gold wurden gefunden.

Ueber Campo Santo, wo neben Zuckerrohr und Orangen auch Ba- nanen, Anonen, Chirimoja und andere tropische Früchte gebaut werden, singen die Reisenden nach Jujuy mit seinen üppigen Wiesen, dessen Vieh- zucht und Handel nach Bolivia und Peru durch die projeetirte Eisenbahn grossen Aufschwung erlangen wird.

Anfang Juni 1873 waren die Reisenden, nachdem sie das Hochplateau der Puna (10—12,000°) durchzogen, zu dem im Quellgebiet des Rio Vermejo belegenen Tarija herabgestiegen, dessen 8000 Einwohner (meist römischer Abkunft) lebhaften Handel nach Chile durch die Wüste Atakama per Lama und Esel treiben. Die Stadt liegt auf Pampasthon, in dem Schluchten von 20 bis 40 Meter Tiefe ausgewaschen sind.

Am 9. Juni machten die Reisenden sich auf den Weg über Sa Cruz de la Tierra nach Gran Chaco, besuchten die Palmenwälder von St. Jose an einer von Alligatoren, Wasserschweinen und Wasservögeln belebten Lagune; am 29. Juni wurde der Rio Vermejo überschritten; am 30. Juli Oran mit grossen Orangenhainen besucht, das am 22. October 1871 durch ein Erdbeben zerstört worden ist. Die Umgebung ist herrlicher Urwald, zwar arm an Palmen und Baumfarnen, doch reich an Nutzhölzern (Cedrela odorata) und zahlreichen roth und gelb blühenden Lianen.

Am 12. August 1873 erreichte man Dragones, eine Militär-Colonie im Gebiet der wilden Indianer; bis zum 25. September wurde die äusserst interessante Umgebung durchforscht, daun aber der Rückweg angetreten; in Salta ein grosses Erdbeben erlebt; Lorenz kehrte im Januar, Hieronymus Ende Februar 1874 nach Cordoba zurück.

Gesammitresultat der Reise sind eirca 50 nach Cordoba gesendete Kisten mit Vegetabilien, Insecten, Amphibien, Fischen, Säugethieren (Affen), Hölzern und Petrefacten. Nach Griesebach, der die Bearbeitung der Pflanzen übernommen, sind mindestens '/, derselben neu. Prof. Lorenz und Hieronymus beabsichtigen in einem grossen illustrirten Werke die neuen Arten abzubilden und zu beschreiben.

Geh. Rath Goeppert erwähnte noch eines interessanten Reise- berichts, den der jüngste Reisende in Unter-Italien und Sieilien, Herr Apotheker Wetschky in Gnadenfeld, ihm eingesendet, welcher sich unter anderen auf die weniger besuchten, an der Nordküste östlich von Cefalu gelegenen Heidewälder bezieht.

Wir geben hiervon folgenden Auszug:

Am 11. April bildeten die an der Nordküste östlich von Cefalu ge- legenen Heidewälder das Ziel unserer Excursion. Wir verliessen am frühen Morgen das Städtchen Castelbuono und erreichten in 2 Stunden das Meeresufer und zugleich die von Palermo nach Messina führende

110 Jahres-Bericht

Strasse, welche wir in östlicher Richtung verfolgten. Sie führt stets in der Nähe des Meeres am Abhang der bis ungefähr 500° sich erhebenden felsigen Berge hin, die zum Theil mit Gebüsch von Quercus Ilex, Pistacia Lentiseus und Cytisus triflorus bedeckt, zum Theil auch rasige Plätze trugen, auf denen massenhaft Asphodelus ramosus und fistulosus, Teiragono- lobus biflorus, Lotus eylisoides, vereinzelt Optrys tenthredinifera und arachnites vorkamen; kleine nach dem Meer sich ergiessende Bäche waren an ihren steinigen Rändern mit diehten Oleandergebüschen umsäumt, welches hier unsere Weiden vertrat. Unterhalb des Ortes Pollina begannen die der Nordküste Sieiliens eigenen Heidewälder, oft von bedeutender Ausdehnung, am Strand des Meeres beginnend, bis zu 500° ansteigend, die unseren nordischen Heidewäldern doch in manchen Punkten ähnelten. Der mit Sand und Heideerde bedeckte Boden brachte höchstens hohe Gewächse von trockener Natur hervor, mit holzigem Stengel und immergrünem, oft balsamisch riechendem Laube. Coniferen und Filices fehlten ganz, ebenso die Vaceinien und Calluna vulgaris, welch letztere jedoch durch Erica arborea einigermassen ersetzt wurde. Den Hauptbestandtheil des Waldes indess bildeten: Pistacia Lentiscus, Cistus monspeliensis, Phyllirea latifolia und angustifolia, Myrtus italica, Daphne Gnidium, Oytisus infestus und ©. villosus, die grösstentheils in schönster Blüthe standen.

Der Wuchs dieser Pflanzen war meist so dicht, dass der Erdboden selbst, vielleicht deshalb von aller niedrigeren Vegetation, wie Gramineen entblösst war; nur COytinus Hypocistis? mit scharlachrothen Blüthenknospen (auf Cistus monspel. schmarotzend) war hier zu finden. Lichte Plätze waren selten und diese waren dann meist in grossen Mengen von blühender Lavandula Stoechas eingenommen, oder es befanden sich dort seichte Wassertümpel, an denen Juncus hybridus, acutus und Gerardi, Isolepis Saviana, Seirpus Holoschoenus und noch einige andere noch nieht bestimmte Cyperaceen vorkamen.

Die sandigen Wegränder, oft von den dichtesten und üppigsten Agaven- hecken umsäumt, waren massenhaft mit Bellis annua, Plantago Bellardi, Psyllium, macrorhiza, Coronopus und Serraria, Erax pygmaea, Paronychia hispanica, Polycarpon tetraphyllum, Tordylium apulum, Iris Sisyrinchium und Silene fuscata überzogen, denen sich ab und zu noch Aira Cupaniana, Poa bulbosa, Briza maxima, Lamarckia aurea, Catapodium loliaceum, Lagurus ovata, Serapias Lingua und 8. cordigera, Tetragonolobus purpureus und Astragalus hamosus beigesellten.

Beim Dorfe Finale fanden diese Heidewälder durch die Mündung des Fiume Finale einen Abschluss oder eigentlich nur Unterbrechung.

Die Abhänge des breiten Flussbettes, hier „fumare‘“ genannt, waren mit der üppigsten Vegetation bekleidet. Die prächtige Smilax mauritanica, Cistus villosus und salvifolius, die schon genannten Phillyreen und Pistacien,

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der Schles. Gesellschaft f. vaterl. Cultur, 111

Salix pedicellata, Ruscus aculeatus, Rubia peregrina und Solanum Sodomaeum bildeten oft undurchdringliche Dickichte.

Prächtige Oliven, Manna-Eschen und Johannesbrotbäume spendeten erwünschten Schatten und hie und da erhob sich eine stattliche Dattelpalme.

Das mit Oleander und Tamarix africana oft weit bedeckte steinige ‚oder sandige Flussbett selbst bot neue Abwechselung in der Flora. Hier waren oft massenhaft: Matthiola trieuspidata, Medicago marina und messa- nensis, Philipaea ramosa, Ranunculus muricatus, Geranium malacoides, Erodium ibium, Trifolium tomentosum, stellatum, subterraneum, Cherleri, Ornithogalum collinum?, Helichrysum italicum, Anchusa italica, Erigeron riscotum, Muscari comosum und botryoides, Bellevalia romana, Iris tuberosa, Salvia verbenaca, Asparagus albus, Vieia grandiflora, Anemone coronaria, Hedysarum capitatum und coronarium, Onobrychis eaput galli, Seriola actuensis, Thrincia tuberosa, Ornithopus ebracteatus und compressus, Urospermum Dalechampiü, Asphodelus fistulosus und luteus, Arundo Pliniana, Euphorbia terracina, Characias und die schönsten bis 6 Fuss hohen Bäumchen von E. dendroides.

Eine von Herrn Oberlehrer Dr. Stenzel (Breslau) angekündigte Ab- handlung über die vertikale Verbreitung der schlesischen Gefässkryptogamen wird im Jahresberichte für 1875 abgedruckt werden.

Die Sitzung wurde, nachdem die Namen der Anwesenden, 110 an Zahl, verlesen, durch den Vorsitzenden um 12%, Uhr geschlossen, sodann wurde unter freundlicher Leitung des Inspector Herrn Kiehl ein Rund- gang angetreten durch die mit seltenen Prachtpflanzen, namentlich Orchideen, gefüllten herrschaftlichen Gewächshäuser, den schattigen Klosterhof, in dessen Mitte die Stiftskirche mit ihren Erinnerungen an Friedrich den Grossen, dann den Berg hinauf auf die Albrechtshöhe, welche in eine Parkanlage umgeschaffen, eine überraschende Aussicht auf den blauen Gebirgszug der Sudeten, vom Altvater bis zur Eule bietet, im Vorder- srunde den Warthapass, den die Bahn überschreitet. Der Schluss der Exeursion führte zu dem im gothischen Rohbau ausgeführten, von 4 runden Thürmen flankirten, wahrhaft fürstlichen Schlossbau, dessen Terrassen- Anlagen, im edelsten italienischen Gartenstil, in Grossartigkeit nicht viele ihres Gleichen finden möchten.

Von der obersten Stufe, die durch einen geschmackvollen Teppich- garten geschmückt, führt eine imposante Freitreppe zu einer offenen, auf mächtige Granitpfeiler gestützten Halle, welche die Facade des Schlosses, den beherrschenden Mittelpunkt eines entzückenden Gebirgspanoramas, umzieht. Um 3 Uhr sprangen die grossen Fontainen; dann versammelte sich die Gesellschaft zu gemeinschaftlichem Mittagessen im Saale des Schwarzen Adler, wo der Tagespräsident Prof. Dr. Koerber den Toast auf Se. Majestät den König und Kaiser ausbrachte; Herr v. Thielau hielt den Trinkspruch auf den Präsidenten der Gesellschaft Prof. Goeppert,

112 Jahres - Bericht

Prof. Koerber auf Herrn Inspector Kiehl, Geheime Rath Goeppert auf den Senior der Gesellschaft Herrn v. Thielau, Prof. Cohn auf den Tages- und die Vicepräsidenten der Versammlung; hieran knüpften sich noch eine Reihe heiterer Festreden, welche die Versammlung bis gegen 6 Uhr an die Tafel fesselten. Um 6°/, Uhr wurde die Heimfahrt ange- treten; der Genuss der reizenden Gegen. und der Pracht der Frühlings- Vegetation war durch das herrliehste Maiwetter begünstigt worden.

Vorher war der Präses der Gesellschaft Herr Geheimrath Goeppert von dem anwesenden hohen Besitzer von Schloss Camenz Prinzen Albrecht K. H. zu einem Besuche eingeladen worden.

In der sechsten Sitzung vom 29. November legte Herr Geheimrath Goeppert die neueste Lieferung des von Baron T'hümen herausgegebenen Herbarium oeconomicum mycologieum, sowie den Prospeet der von dem- selben in Angriff genommenen Myeotheca universalis vor, welche für die Schlesische Gesellschaft angekauft werden soll. Derselbe legt die Schriften der Gesellschaft für Landesdurcehforschung des Königreich Böhmen vor, ferner ein schönes Exemplar des Geaster fornicatus von Scheidelwitz.

Professor Ferdinand Cohn hielt einen Vortrag

über die Algen in den Thermen von Johannisbad und Landeck nebst einigen Bemerkungen über die Abhängigkeit der Flora vom Salzgehalt.

Schon im Jahre 1862 machte ich der botanischen Section in der

Sitzung vom 4. December Mittheilung über die Algen, welche spinnweben-

artig den ganzen Felsgrund des Georgenbassins zu Landeck überziehen,

und die mir damals durch die Güte des Geheimen Sanifätsrath Dr. Langer im November zugeschickt worden waren. Diese Algen werden als farb- lose, schleimige Massen durch die Gewalt des Wassers von dem Boden des Bassins nach der Oberfläche getrieben und setzen sich nach einiger Zeit wieder als kreideweisser, schleimig faseriger Absatz nieder. Schon damals constatirte ich, dass die Flaschen mit Landecker Wasser, in welchen diese Algen enthalten waren, beim Oeffnen einen starken Geruch nach Schwefelwasserstoff entwickeln; dieser Geruch verlor sich, sobald das Wasser behufs Untersuchung der Algen in eine offene Schüssel ge- sossen wurde, erzeugte sich aber von Neuem, nachdem die Algen in die

Flasche zurückgebracht worden waren. Ich schloss damals aus diesen

Beobachtungen, dass der im Landecker Wasser frei vorkommende Schwefel- wasserstoff seinen Ursprung dem Einfluss der Algen verdanke, welche durch ihren Vegetationsprocess die in der Quelle aufgelösten Schwefel- verbindungen zersetzen (Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für 1862 p- 83, Hedwigia 1863 Nr. 12 p. 80). Herr Prof. Lothar Meyer, jetzt in Carlsruhe, damals Docent an hiesiger Universität, welcher im Februar 1863

der Schles. Gesellschaft f. vaterl. Cultur. 113

eine Analyse der Landecker Quellen vornahm, wies in der That nach, dass dieses Wasser über fünfmal mehr freien Schwefelwasserstoff (Georgen- bad 5,07 C. C., Marienbad 7,24 C. C. in einem Liter Wasser) enthielt, nachdem dasselbe zugleich mit den Algen 4 Monate lang in verschlossenen Glasflaschen aufbewahrt worden war, als das frische Thermalwasser, welches nur 0,92—1,65C.C. freien HS enthält, und dass es dann sehr stark nach diesem Gase roch, während dasselbe Wasser, ohne Algen aufbewahrt, geruchlos und frei von Schwefelwasserstoff war; er erklärte es für zweifellos, dass die Algen die im Wasser enthaltenen schwefelsauren Salze zu Schwefelwasserstoff resp. Schwefelnatrium zu reduciren vermögen, und für sehr wahrscheinlich, dass überhaupt der Schwefelwasserstoff der Quelle durch jene Algen er- zeugt werde. (Chemische Untersuchung der Thermen. zu Landeck in der Grafschaft Glatz. Journal für praktische Chemie XCI. I.)

Ich selbst habe darauf im Jahre 1865 gezeigt, dass der schneeweisse, schleimig fädige Ueberzug, welcher sich in einem Seeaquarium auf dem mit Kies belegten und im Laufe der Zeit mit zersetzten T'hier- und Pflanzen-

resten bedeckten Grunde desselben bildet, die Steine überzieht und an Stengeln und Aesten grösserer Seepflanzen emporkriecht, reichlich Schwefel- wasserstoff entwickelt; daher wird nicht nur der eisenhaltige Sand in der ganzen Umgegend geschwärzt, sondern auch Thiere und Algen in der Nähe, sei es durch Mangel des Sauerstoffs, sei es durch Einathmen des giftigen Gases, getödtet (Hedwigia 1865 Nr. 6 p. 81). In dem weissen Ueberzuge des Seeaquariums hatte ich zwei neue Arten der Oseillarineen- Gattung Beggiatoa erkannt; die Alge der Landecker Thermen hatte ich ebenfalls als eine Beggiatoa leptomitiformis (?) bestimmt, und unter diesem Namen in den Rabenhorst’schen Algendecaden sub Nr. 1813 ausgegeben, obwohl ich die charakteristische Bewegung der Beggiatoen damals nicht beobachten konnte. In meinem Aufsatz über Entstehung des Travertin in den Wasserfällen von Tivoli (Leonhards Jahrbücher für Mineralogie 1364 p. 580) habe ich die Vermuthung ausgesprochen, dass aller freier Schwefelwasserstoff in Mineral-, namentlich Thermalquellen aus der Zer- setzung von Sulphaten und Sulphiden durch Beggiatoen und andere Oscillarineen herrühre. In einer Abhandlung über Phycochromaceen (Max Schultze, Archiv für mikroskopische Anatomie 1867) bin ich auf diesen Ursprung des freien Schwefelwasserstoffes in den verschiedenartigsten Ge- wässern ausführlicher zurückgekommen.

Im Juli 1874 erhielt ich durch die Güte des Herrn Geh. Sanitätsrath Langer eine neue Zusendung von Landecker Wasser mit den darin vor- kommenden Algen, die in bekannter Weise spinnwebenartig fluthende weisse Häutchen bildeten. Während aber die im, November 1862 von

' mir hier und die im Februar 1863 von Prof. Nawrocki auf meine Bitte ' in Landeck an Ort und Stelle untersuchten Algenfäden sämmtlich unbe- weglich waren, liess sich diesmal mit Bestimmtheit nachweisen, dass die

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114 Jahres - Bericht

farblosen dunkelkörnigen Fäden eine äusserst lebhafte und kräftige, ge- wissermassen schlängelnde und kriechende Bewegung besitzen, wie sie alle Oseillarien und ganz insbesondere die farblosen Beggiatoen charak- terisirt. Es kann daher die Alge der Landecker Quelle nunmehr mit Be- stimmtheit als Beggiatoa und zwar als Species leptomitiformis bezeichnet werden, so weit überhaupt eine sichere Unterscheidung der Beggiatoen- Arten möglich ist.

Zwischen den stärkeren flexilen Fäden dieser Beggiatoa fanden sich wiederum die dünneren, körnerlosen Fäden einer anscheinend verschiedenen Art, die ich schon früher als Hygrocroeis nivea Kg. aufgeführt habe. Die Anwesenheit von nicht ganz spärlichen Bacterien (Baeillus), Amoeben und Infusorien (Monaden, Vorticellen, Cyclidien), Fragmenten von Leinen- und Baumwollenfäserehen etc. ist wohl der starken Frequenz der Quellen im Sommer zuzuschreiben. Irre ich nicht, so kam auch die Schale einer kleinen Entomostracee (Cypris?) zur Beobachtung.

Bei längerem Stehen nahm die weisse Algenmasse eine grünliche Färbung an, indem sich eine schon im Winter 1863 beobachtete span- grüne Leptothrie (aeruginea Kg.?) im Lichte besonders vermehrte, gleich- zeitig mit einem blaugrünen Chroococeus.

Im Sommer 1874 nahm ich auch Veranlassung, die Therme von Johannisbad in Böhmen auf die in ihr vorkommenden Algen zu unter- suchen. Obwohl dieselbe in ihrer Temperatur (23—29° C.), ihren äusseren und zum Theil auch in den chemischen Verhältnissen, sowie in den thera- peutischen Wirkungen den Landecker Quellen ähnelt, so unterscheidet sie sich doch auffallend durch die Algen-Vegetation. Die Johannisbader Quelle tritt aus dem kiesbelegten Grunde eines quadratischen, mit Marmorquadern rings eingefassten Bassins mit solcher Mächtigkeit hervor, dass in der Minute ca. 400 Liter des klarsten, blauen, lauen Wassers herausfliessen ; doch habe ich im Bassin selbst während eines vierzehntägigen Aufenthalts im August keine Spur von farblosen Algen gefunden; auch zeigen die steinernen Wände des Bassins nur einen minimalen Sinterüberzug und keinen grünen Algenanflug. Dagegen ist der Ausfluss des Badewassers, welches in einer steinernen Rinne abgeleitet wird, mit dicken dunkelgrünen Polstern gemeiner Oseillarien bedeckt, wie sie sich in allen warmen Ab- flüssen, auch in denen der Dampfkessel aus den Fabriken, in gleicher Weise entwickeln, während in Landeek nach den mir gemachten Angaben keine grünen Oscillarien in den Abflüssen gefunden werden. Interessant ist das Vorkommen von Chantransia violacea zwischen den Oseillarien- polstern von Johannisbad.

Offenbar steht mit: dem Fehlen der weissen Beggiatoen in Johannisbad im direeten Zusammenhange die Thatsache, dass während in Landeck sich freies Schwefelwasserstoffgas im Wasser findet, die in Johannisbad in der Quelle ziemlich reichlich aufsteigenden Gasblasen völlig geruchlos sind, #

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der Schles. Gesellschaft f. vaterl. Cultur. 115

und wie schon die Kablik’sche Analyse erwies, nur aus ca. 16,53 % O. und 83,67 % N. mit einer Spur freier Kohlensäure (nach Wolff 15,93 O., 83,97 N., 0,002 CO,) bestehen. Dagegen enthalten die Thermen von Landeck keinen freien Sauerstoff, da derselbe offenbar zur Reduction des Schwefelwasserstoffes verbraucht wird.

Wodurch erklären wir es uns aber, dass von zwei so ähnlichen Quellen, wie Johannisbad und Landeck, die eine freien Schwefelwasserstoff und farblose Beggiatoen enthält, während beide Eigenthümlichkeiten der anderen Quelle fehlen?

Offenbar ist die Ursache einzig und allein in der chemischen Zu- sammensetzung zu suchen, die zwar bei beiden Thermen durch eine grosse Armuth an fremden Bestandtheilen, wie in allen sogenannten Wildbädern, charakterisirt, doch gewisse Unterschiede zeigt. Landeck enthält eine ver- hältnissmässig bedeutende Menge von schwefelsaurem Natron (0,0687 bis 0,0522 Grm. krystallisirtes schwefelsaures Natron im Liter nach L. Meyer), während Johannisbad, so weit dies aus den aus älterer‘ Zeit stammenden Analysen erkennbar, an Sulfaten arm ist (0,019 Grm. NaO SO, im Liter).

Nun sind aber die Mineralquellen in Bezug auf ihre Algenvegetation als Nährlösungen zu betrachten, bei denen selbst minimale Verschieden- heiten der chemischen Zusammensetzung von Einfluss sind; es ist anzu- nehmen, dass die farblosen Beggiatoen nur bei einem grösseren Gehalt des Wassers an Sulfaten gedeihen, während die grünen Oseillarien offen- bar auch in einem an Sulfaten armen Wasser sich üppig entwickeln. Dass die Beggiatoen wieder an der Entbindung des freien Schwefelwasser- stoffes wesentlich betheiligt sind, haben wir schon oben hervorgehoben.

Wohl in allen sogenannten Schwefelthermen (Warmbrunn in Schlesien, Aachen, Baden im Aargau, Bäder der Euganeen und der Pyrenäen ete.)

sind die weissen Schleimmassen der Beggiatoen nachgewiesen worden, während dieselben in Quellen ohne Schwefelwasserstoffgas meines Wissens durchaus fehlen.

Neue und überraschende Beziehungen der Beggiatoen zum Schwefel- wasserstoff wurden mir im Verlauf des Winters 1874 in Folge einer

Sendung von Wasser bekannt, welches Herr Dr. Engen Warming in Copenhagen aus mehreren an der Seeländischen Küste vorhandenen und mit verschiedenartigen Thierchen und Wasserpflanzen belebten Lachen zuzuschicken die Güte hatte.*) Die Flaschen entwickelten beim Oeffnen einen äusserst penetranten Geruch nach Schwefelwasserstoff, der wochen- lang anhielt; an der Oberfläche des Wassers bildete sich ein gelblich-

_ weisses Häutchen, das unter dem Mikroskop aus krystallinischen

Körnchen bestand, und am Grunde setzte sich allmälig ein weisses

Pulver ab; beide Substanzen erwiesen sich als präcipitirter

Schwefel, der offenbar aus dem Schwefelwasserstoff durch Oxydation

*) Mitgetheilt in der Sitzung der botanischen Section vom 4. Februar 1875. g*

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116 Jahres - Bericht

an der Luft abgeschieden worden war. In dem Wasser selbst fanden sich zahlreiche mikroskopische Organismen, theils Beggiatoen, theils Monaden, theils Spirillen von ganz ungewöhnlicher Grösse, welche mit der Ehrenberg’schen Ophidomonas sanguinea identisch und mit Flimmergeisseln versehen sind. Alle diese Organismen enthalten in ihrem Inneren zahlreiche Körnchen, welche bei durehgehendem Lichte schwarz, bei refleetirtem weiss erscheinen, und mit den zu freien schwim- menden Häutchen angehäuften Schwefelkryställchen sich chemisch und optisch identisch erweisen; sie sind daher ebenfalls als Schwefelkörnchen zu betrachten. Cramer hat zuerst erkannt, dass die Körnchen in den Fäden j der Beggiatoen, welche die heisse Quelle von Baden im Aargau bewohnen, Schwefel seien; unsere Untersuchungen weisen darauf hin, dass das Vor- kommen von Schwefelkörnehen in lebenden Zellen ein weit verbreitetes sei, und dass höchst wahrscheinlich alle mikroskopischen Pflanzen und Thiere, welche in HShaltigem Wasser leben und deren Inhalt durch die dunklen Körnchen auffallend charak- terisirtist, regulinischen Schwefelinihren Zellen abscheiden. Ein grosser Theil der dunkelkörnigen Organismen, welche in sulfat- haltigem Wasser auf modernden Pflanzen leben, besitzt eine auffallende pfirsiehblüthrothe Farbe (am längsten bekannt bei Monas vinosa, M. Okeni, M. erubescens, Clathrocystis roseopersicina);, es ist zu vermuthen, dass auch diesem Pigment eine gemeinschaftliche Ursache zu Grunde liegt. Noch nicht aufgeklärt freilich ist der chemische Process, vermittelst dessen sulfat- haltiges Wasser. bei Gegenwart gewisser Organismen, insbesondere von Beggiatoen, freien Schwefelwasserstoff entwickelt, und durch welchen andererseits in den Zellen dieser Algen der regulinische Schwefel in Körnchen redueirt wird; ich behalte mir vor, an einer anderen Stelle auf

diese interessanten Fragen ausführlicher zurüekzukommen.

Die schön spangrüne Algenvegetation von Carlsbad, welche zwar ebenfalls der Verwandtschaft der Oscillarineen angehört, aber sich durch , h ganz eigenthümliche Gattungen und Arten auszeichnet und zur Bildung a des Kalksinters wesentlich beiträgt (vergleiche meinen Aufsatz über die Algen des Carlsbader Sprudels, Abhandlungen der Schles. Gesellschaft 1862), scheint an einen reicheren Gehalt von löslichen Kalkmagnesiacarbonaten gebunden, und fehlt ebensowohl in den Quellen von Landeck wie von Johannisbad. Das Wasser der letzteren setzt nur beim Rinkochen Kalk- sinter ab. 4

denen des süssen Wassers fast durchweg speeifisch unterscheiden. Bei geringerem Salzgehalt werden die Seealgen kleiner, spärlicher und gehen in die Formen des Brackwassers über, welche wieder zu denen des süssen

der Schles. Gesellschaft f, vaterl. Cultur, li

Wassers den Uebergang vermitteln. Im norddeutschen Binnenlande besitzen die Salinen, die stärkeren und schwächeren Soolquellen, Salzbäche und salzigen Seen, soviel bis jetzt bekannt, sämmtlich wenigstens einzelne Arten der ma- rinen und maritimen Flora; ich selbst habe im Jahre 1857 nachgewiesen, dass ein salzhaltiger Bach bei Sondershausen nicht blos in seiner Um- ‚gebung eine echte Strandflora, sondern auch in seinem Gewässer zwischen Ruppia rostellata und Zanichellia palustris eine grosse Menge oceanischer Diatomeen besitzt: Bacillaria paradoxa (schon vor. mir von Bulnheim dort gefunden), Chaetoceros Wighami, Nitzschiella Closterium, Pleurosigma aestuarü, Amphiprora alata, Surirella Gemma und andere. Gleichwohl schien es, als könne diese Anwesenheit mariner Diatomeen mitten im Binnen- lande nicht durch die Hypothese erklärt werden, durch welche man das Vorkommen von phanerogamen Seestrandpflanzen auf salzhaltigem Terrain sonst wohl zu erklären geneigt ist, nämlich als Reste der Vegetation des ehemaligen Diluvialmeeres, welches in der Vorzeit die mitteldeutschen Ebenen bedeckte, bei seinem Rückzuge aber nach den heutigen Küsten an einzelnen Punkten gewissermassen verlorene Posten zurückgelassen habe. Nach den von Herrn Prof. Thilo Irmisch in Sondershausen mir gemachten Mittheilungen ist der Salzgehalt jenes Baches durchaus nicht marinen Ursprungs, sondern von den Salzlagern abzuleiten, welche dort im Gips des Zechsteines nachweislich vorhanden sind (Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für 1857 p. 96). Will man daher das Vorkommen der oceanischen Diatomeen in jenem kleinen Bache mit dem Diluvialmeere in Zusammenhang bringen, so müsste man eben annehmen, dass beim Zurückweichen desselben zahlreiche Salzlachen auf dem Boden des Binnen- landes übrig geblieben seien, wie sie auch heute bei der Ebbe überall am Strande sich bilden; dass in diesen Lachen auch marine Algen und insbesondere Diatomeen so lange sich reichlich vermehrten, als das Wasser senügenden Salzgehalt behielt, während dieselben mit dem Aussüssen des Wassers allmälig untergingen und durch Süsswasserformen ersetzt wurden; nur an solchen Stellen, wo in Folge unterirdischer Salzlager dem Wasser sein Salzgehalt verblieb, vermochte sich die oceanische Diluvialflora in ähnlicher Weise bis auf die Gegenwart zu erhalten, wie etwa die polare Flora der Diluvialzeit auf den alpinen Felsen unserer Hochgebirge wegen des analogen Klimas bis zum heutigen Tage fortvegetirt, während sie in den tieferen Regionen längst verschwunden ist.

Ist diese Vermuthung richtig, so würden Salzboden und Salzquellen auf ‚tertiärem oder älterem Terrain in der Regel keine marine Vegetation zei- gen können, da ja bis hierhin das diluviale Meer sich niemals erstreckt hat, also auch seine Strand- und Wasserflora nicht so weit vorgedrungen sein kann. So viel mir bekannt, sind von diesem Gesichtspunkte aus die Salinen der mitteleuropäischen Gebirge und der Alpen noch nicht auf ihre mikrosko- pische Algenflora untersucht, und nur bei meinem Aufenthalt in Reichenhall

113 Jahres - Bericht )

im Jahre 1863 habe ich selbst die in den Gradirwerken und deren Ab- flüssen sich entwickelnden Diatomeen gesammelt, jedoch keine einzige charakteristische Meeresform daselbst aufgefunden, während die salzhaltigen Gewässer von Thüringen und Sachsen so reich an solchen sind. Ebensowenig konnte ich in der angrenzenden Phanerogamenflora irgend welche charakteristische Strandgewächse auffinden. Um darüber grössere Klarheit zu erlangen, habe ich mich an den ausgezeichneten Kenner der europäischen Flora Herrn R. v. Uechtritz mit der Anfrage ge- wendet, was wohl über die Vegetation der Salzquellen in den Alpen, in Oberschlesien, Posen und Polen bekannt sei; derselbe hat mit gewohnter Bereitwilligkeit mir eine ausführliche Antwort gegeben, welche ich wegen ihres allgemeinen Interesses hier aufzunehmen mir erlaube.*)

„Eine Salzflora findet sich ebensowenig bei Wieliezka, wie an den Steinsalzlagern der Alpenkette (Reichenhall, Berchtesgaden, Hall in Nordtyrol, Bex im Waadt) und wohl überhaupt nirgends, wo die oberen Bodenschichten nieht schon einen, wenn auch nur schwachen Salzgehalt zeigen.“*) Letzteres muss aber an anderen Orten der Krakauer Gegend der Fall sein, da sich bei Sydzina, speciell zwischen Sydzina und Skawina im ehemaligen Wadowicer Kreise Westgaliziens (südlich von Krakau), schwache Spuren einer Halophytenflora zeigen, angedeutet durch Giyceria distans, Triglochin maritimum, Melilotus den- tata, Lepigonum medium und angeblich auch die nördlichere und central- deutsche Salzpflanze Blysmus rufus, die ‚zunächst von unserem Ge- biete erst bei Berlin und bei Exin in der nordöstlichen Provinz Posen auftritt. Die drei erstgenannten wachsen ja auch um Breslau, nur Le-

Ba Er a m DE a m u

pigonum medium ist in Schlesien noch nicht gefunden, welches übrigens

trotz seiner Armuth an bestimmt nachgewiesenen Salzstellen einige Ha- lophyten vor dem in. dieser Hinsicht sehr armen Galizien***) voraus hat, so z. B. Glaux maritima, Bupleurum tenuissimum, Plantago maritima. Der sonst fast kosmopolitische, an allen Salzstellen vorkommende, übrigens auch auf notorisch von Salzgehalt freiem Boden vorkommende Samolus Valerandi und Juncus Gerardi, von dem dasselbe gilt, fehlen Galizien und

*) Mitgetheilt in der Sitzung vom 11. März 1875.

**) Dagegen wachsen einzelne halophile Arten, wie Plantago maritima, Glyceria distans, Apium graveolens, Samolus Valerandı, in den Thälern der Alpenkette,

z. B. in Tyrol, auf salzfreiem Boden, doch wohl nirgends alle an einem Punkte zusammen, meist jede Art für sich allein und nur die in ganz Tyrol sehr gemeine Pl. maritima kommt mitunter wie in Oberinnthal und in Untervintschgau mit Glyceria

distans vor; ebenso sind die schlesischen Halophyten meist isolirt, auf der Glaux-

Wiese vor Lissa dagegen ist sicher Salzboden, wenn auch nur mit sehr schwachem

Salzgehalt.

***) Die Salzquellen der Ostearpathen bei Drohobye beherbergen zwar noch f

Salicornia und Lepigonum, aber weder Glyceria distans noch Triglochin.

der Schles. Gesellschaft f. vaterl. Cultur. 119

Schlesien gleichzeitig. Auch das Königreich Polen ist sehr arm an Ha- lophyten, die sich nur auf zwei Gegenden der westlichen Landeshälfte ver- theilen, im Südwesten auf einige salzige Tümpel des Gips- und Kalk- gebirges am Süd- und Südostabhange des Sandomir-Plateaus, speciell in der Gegend von Busk, Pinezöw und Solec, wo Triglochin maritimum, Glyceria distans, Glaux, Lepigonum medium, Melilotus dentata, welche sich

‚alle nebst Salicornia herbaces auch wieder im nordwestlichsten Theile des

Landes in der Nähe der Posener Grenze finden, speciell in der Nähe der Weichsel bei Ciechocinek unweit Wloclawek, wo sich auch eine Saline befindet. Plantago maritima und Bupleurum tenuissimum, beide in Schlesien nur im äussersten Nordwesten und auf notorisch salzfreiem Boden, fehlen auch in Polen. Der bekannteste Halophyten-Standort in Posen ist Slonawy bei Exin im Reg.-Bez. Bromberg, wo Salicornia, Blysmus rufus, Lepigonum medium und marginatum, Glaux ete. vorkommen. Gegenüber dem Reichthum der Halophytenfiora unserer beiden südlichen Grenzländer Böhmen und Mähren, deren Salzstellen nicht Chlornatrium, sondern vorzugsweise schwefelsaures Natron und Magnesia enthalten, ist die Flora aller 4 Länder an Halophyten so arm, dass es leicht hält, in Mähren z. B. Localitäten zu finden, wo mehr Salzpflanzen wachsen, als in Schlesien, Posen, Polen und Galizien zusammengenommen. Uebrigens scheint der Einfluss des Salzgehaltes im Boden schon innerhalb einer relativ geringen Zeit einen Einfluss auf die Vegetation auszuüben. Als ich im August des Jahres 1863 den Soolgraben des Goczalkowitzer Bades deshalb inspicirte, bemerkte ich, dass, soweit der Geschmack das Wasser als noch stark salzhaltig documentirte (der Graben geht eine erhebliche Strecke bis zur Weichsel durch Felder), an einigen einheimischen Pflanzen eine Veränderung bereits wahrzunehmen war. Atriplex patula zeigte so fleischige Blätter, wie sonst nie bei uns und wie anderwärts nur an Salinen oder am Strande, von Lepigonum rubrum war nur die fette, habituell sehr an L. medium erinnernde Salzform und zwar zahlreich vertreten und Plantago major präsentirte sich in einer Form, auf die ich schon damals in den Verh. des bot. Vereins für die Provinz Brandenburg aufmerksam gemacht habe, deren wahre Bedeutung ich aber erst später in Erfahrung brachte. Es ist dies die sogenannte P. intermedia Gilibert, P. Winteri Wirtgen, P. major 8 intermedia Lange, eine auch anderwärts auf Salzboden beobachtete niedrige, aber kräftige Varietät mit am Grunde stark behaarten aufsteigenden Schäften, kurzen Aehren und gegen die Basis grobgezähnten dieklichen Blättern. Dass sich dort aber einmal eine wirkliche Salzflora einstellen sollte, ist mir mehr als unwahrscheinlich, da die Localbedingnisse dazu fehlen.‘ Aus obigen Mittheilungen leuchtet ein, dass eine Special-Untersuchung der Flora salzhaltiger Gegenden, welche jedoch die ganz besonders charakteristischen Algen und namentlich die mikroskopischen Organismen der Gewässer einzuschliessen hat, in pflanzengeographischer Beziehung

120 Anen -Berieht

von besonderem Interesse ist, und vielleicht auch auf die Vorgeschichte unseres Erdtheils belehrende Streiflichter wirft.

Hierauf berichtete Prof. Cohn über die wissenschaftlichen Arbeiten des Prof. Georg Hieronymus in Cordova (Argentinien). Derselbe hat im Anschluss an seine Untersuchungen über Centrolepideen sich mit der Entwiekelung der Wurzelspitze bei den Gramineen und Cyperaceen be- schäftigt, deren Ergebnisse er in folgenden Sätzen resumirt:

1) Der Vegetationspunkt der Wurzel der Gramineen und Cyperaceen wird von einer Scheitelzellgruppe eingenommen, welehe im Wesentlichen die Form der einzelnen Scheitelzellen der Farne etc. reprodueirt.

2) Dermatogen (Periblem Strassburger) hat mit dem Periblem ge- meinsame Initialen.

3) Das Plerom hat besondere, tiefer liegende Initialen.

4) Die Wurzelhaube wird nicht durch Dermatogen-Verdoppelung Sebildet, sondern durch eine einfache über den Dermatogen- und Periblem- Initialien liegende Zellschieht (cambiales Calyptrogen) gebildet.

5) Ich bin geneigt, die Zelle, die Tafel IH, Fig. 12 und 13 meiner Centrolepideen-Arbeit, für eine Scheitelzelle für den ganzen Wurzel- körper von Centrolepis zu halten, während die Calyptrogen-Zelle hier die Wurzelhaube bildet.

Diese Resultate schliessen sich an die inzwischen von Janczewski publieirten, dem Verfasser noch unbekannt gebliebenen Untersuchungen an.

Zum Vortrag kam hierauf eine von Herrn Lehrer Gerhardt in Liegnitz eingesendete Abhandlung über die Grundseen bei Arnsdorf.

Ausser dem westlich von Liegnitz gelegenen Jakobsdorfer und See- dorfer See giebt es nordwestlich von dem letzteren, "/, Stunde davon noch zwei kleinere Seen: die. Arnsdorfer „Grundseen‘“. Eigentlich ge- hören sie zur Domaine Seedorf, doch liegen sie Arnsdorf, dem Ausgangs- punkte der Eisenbahnlinie Arnsdorf-Gassen, so nahe, dass die obige Be- zeichnung ganz gerechtfertigt erscheint.*)

Der grössere von beiden, 10 Minuten nördlich von Mittel-Arnsdorf gelegen, dürfte nach ungefährer Schätzung 200 Schritt breit und 300 Schritt

lang sein. Der kleinere ist in diesen Dimensionen nur halb so gross.

Beide sind durch höher liegende Felder fast ganz umgeben und kaum fünf Minuten von einander entfernt.

Die nach Norden gerichteten Abflüsse Zuflüsse fehlen vereinigen sich nach kurzem Lauf in einem gewesenen, jetzt mit Gesträuch dicht

*) Von Liegnitz am schnellsten zu erreichen via Station Steudnitz.

5: E:

der Schles. Gesellschaft f. vaterl, Cultur. 121

bewachsenen Torfstiche, von wo sie dem Arnsdorfer Wasser und mit diesem vereinigt dem Schwarzwasser zufliessen.

Ein zweiter, umfangreicherer und noch gegenwärtig benutzter Torf- stich liegt den Seen ebenfalls ganz nahe, jedoch südlich davon und steht mit ihnen ausser Verbindung.

Zweifelsohne sind die erwähnten Torfstiche einst ebenfalls Seen ge- wesen, so wahrscheinlich wie es ist, dass beide Seen successive vertorfen werden, da es an ihren Ufern an Torfbildnern nicht fehlt.

Es lag mir daran, vor Allem die Vegetation, namentlich die Gefäss- pflanzenflora dieser zur Liegnitzer Localflora zu ziehenden und den schle- sischen Botanikern wohl noch unbekannten Seen einigermassen genügend kennen zu lernen und benutzte dazu und zwar unter freundlicher Führung meines localkundigen Freundes und Collegen Herrn Lehrer Angermann aus Arnsdorf den 15. und 22. Juli 1874, also eine Zeit, die es in Folge. der so lange hier herrschenden Trockenheit gestattete, dem Wasserspiegel reeht nahe zu kommen, was sonst gar nicht oder nur mittelst langer Wasserstiefeln möglich ist.

Da beide Seen dieselbe Uferbeschaffenheit haben, so genügt die Be- schreibung des einen. Ich wähle den grossen Grundsee.

Es führt zu ihm von der Arnsdorfer Windmühle aus ein bequemer, leicht zu findender, kurzer Fusssteig. Nach wenigen Schritten betritt man seine wiesengrüne, ziemlich einförmige Umgebung. Der Wasserspiegel wird nur von Westen aus dem Blicke durch Gesträuch entzogen.

Die Tiefe des Wassers soll nach Aussage des Pächters geringer sein, als die seines schlammigen Grundes. Die Fischerei ist nur in den wär- meren Monaten ergiebig, wahrscheinlich ziehen sich die Fische in den übrigen Monaten unter das stark überragende, länger warm haltende Ufer zurück.

In der Mitte ist der ovale Wasserspiegel vegetationsleer, gegen die Ufer aber reich mit Nymphaea und Nuphar bedeckt, die beide eben prächtig blühten.

Noch näher dem Ufer erscheint Scirpus lacustris, Typha latifolia, Spar- ganium ramosum, Acorus calamus, Equisetum limosum, Carex ampullacea und Menyanthes trifohiata.

Das Ufer selbst zeigt in unmittelbarer Nähe des Wassers vor- herrschend Cieuta, Salix cinerea und Carex pseudo-cyperus. Dahinter er- hebt sich auf Polstern ausser Salix cinerea« noch Strauchwerk von Alnus glutinosa und Rhamnus frangula, sowie Betula pubescens.

Unten um die Stämmchen steht in prächtigen Wedeln und zahlreich Aspidium eristatum neben A. Thelypteris. Zwischen dem Gesträuch stösst man auf Carex acuta, pseudo-cyperus und ampullacea, auf Peucedanum pa-

122 J al - Bericht

lustre, Hydrocotyle vulg., Cicula virosa, Olinopodium vulg., Lycopus europaeus, Mentha aqualica, Galium palustre, Solanum dulcamara, Geramium palustre, Comarum palustre, Rubus nemorosus, Lysimachia vulgaris, Hypericum tetrap- terum, Lytrum Salicaria und Ranunculus Lingua. h

Der an diesen nur mit grosser Vorsicht passirbaren Vegetationsgürtel sich anschliessende, oft nur wenige Schritte breite Schaukelboden zeigt die Vegetation ähnlicher Localitäten in der Tschocke bei Kunitz. So findet sich hier zahlreich Carex limosa, tereliuscula, Oederi, striela und dioica, Calamagrostis stricta, Agrostis camina, Triglochin palustre, Juncus ar- tieulatus, Sagina nodosa, Stellaria glauca, Epilobium palustre, Pedieularis pa- lustris, Scutellaria galericulata, Cardamine pratensis, Caltha palustris, Galium uliginosum (oft mit grünen Corollen), Salix repens, Comarum und Menyanthes, und von Gefäss-Kryptogamen Equisetum limosum und Aspidium Thelypteris in zwergisen Formen. Ausser diesen Arten ist als Novität für die Liegnitzer Flora noch Drosera anglica zu nennen, die hier häufig wächst. Allgemein verbreitet ist von Lebermoosen Marchantia polymorpha.

Der überall gefahrlose Wiesengürtel, welcher sich an die vorige Zone entweder ohne wahrnehmbare Grenze anschliesst oder durch eine geringe Terrain-Erhebung davon sich deutlich unterscheiden lässt, zeigt folgende Charakterpflanzen: Ophioglossum vulg., Carex stellulata, flava, panicea und glauca, Eriophorum latifolium, Seirpus silvaticus, Molinia, Phragmites, Dan- tonia, Anthoxanthum, Briza media, Aira, Holcus lanatus, Triglochin palustre,

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Luzula multiflora, Galium Mollugo, palustre und uliginosum, Parnassia, Linum catharticum, Polygala vulg., Ajuga reptans, Prumella vulg., Selimum Carvifolia, Potentilla Tormentilla, Rhinanthus minor, Euphrasia memorosa, Lotus uliginosus, Lathyrus pratensis, Caltha, Thymus Serpyllum, Campanula rotundifolia, Suceisa pratensis, Cirsium palustre, Leontodon hastilis, Centaurea Jacea, Plantago lan- $ ceolata und media. |

Am kleinen, östlich vom vorigen gelegenen See wächst genau das- selbe und nur Achillew Ptarmica, Thalietrum angustifolium, Populus tremula und Salix fragilis scheinen hier zuzutreten, Pflanzen, die auch der mit diesem See in Verbindung stehende Torfstich zeigt. Die diesen letzteren deekenden Gesträuche zeichnet neben gemeineren Arten Salix pentandra aus.

Der grössere, südlich vom kleinen See gelegene Torfstich zeigt die den Torftümpeln eigenen gewöhnlichen Arten: Hydrocharis, Potamogeton

natans, lucens und gramineus, Utricularia vulg., Spargamium ramosum, Myrio- phyllum verticillatum‘ und Chara fragilis. In ihrer Umgebung findet man häufig Eupatorium, Spiraea Ulmaria, Epilobium hirsutum, parviflorum und palustre, Lysimachia vulg. und Nummularia, Valeriana offic., Carex pseudo- 7 cyperus, ampullacea, vesicaria und teretiuscula, Juncus conglomeratus, Seirpus silvaticus, Hydrocotyle, beide Typha, Oenanthe Phellandrium, Comarum, Salie rubra und cinerea, Rumex Hydrolapathum, Phalaris arumdinacea, Glyceria |

der Schles. Gesellschaft f. vaterl, Cultur. 123

spectabilis, Viola palustris, Hypericum tetrapterum, Berula, Thaletrum angusti- folium, Cirsium oleraceum und palustre, Alnus glutinosa, beide Beiula und Lycopus europaeus.

Mit Rücksicht auf die Liegnitzer Localflora ist hervorzuheben, dass von Seltenheiten die Seen mit der bekannten Kunitzer Tschocke gemein haben Carex limosa und teretiuscula und Calamagrostis strieia, wit dem Koischwitzer See Aspidium eristatum und dass ihnen eigenthümlich ist Drosera anglıca.

Da die gegebenen Mittheilungen erst das Besultat der Erstlings- Excursionen sind, so ist möglicherweise noch eine kleine Nachlese zu erwarten.

Von endophytischen Pilzen habe ich nur wahrgenommen: Peronospora nwea auf Thysselinum palustre, Ustilago longissima auf Glyceria spectabilis, Tilleia Caries häufig auf Triticum vulgare, Puceinia Rumieis auf Rumex Acetosa (auch noch als Aecidium), Puceinia Umbelliferarum auf Thysselinum palustre, Puceinia arundinacea auf Phragmites, Puccinia Caricis auf Carex Pseudo- Cyperus, Melampsora Lim auf Linum catharticum und Aecidium Ranuneula- cearum auf Ranunculus Lingua, also eine verschwindend kleine Zahl, die bei ausschliesslicher Beobachtung leicht um ein Bedeutendes sich ver- mehren würde.

Von Käfern lieferte Carex cinerea den Cryptocephalus decempunctatus und var. bothnieus, Cr. pusillus und Wasastjerni, Eeirrhinus affınis, Blater praeustus und Hoplia argentea. Von Cirsium palustre klopfte ich Larinus planus und mit dem Köscher strich ich: Ceuthorhynchus floralis, hirtulus, aeneus, asperifoliarum und assimilis, Stenus bigultatus, Apion cerdo, Hookeri, Eroi und morio, Anolium nitidum, Antherophagus silaceus, Corticalis truncatella, Bayous lutulentus, Tachyusa coarctata, Stelonophus brunnipes, Cyphon variabilis, Cyrtusa minuta, Sybinia primita, Crepidodera impressa Fabr. und Donaia var. Sagittariae.

Nova der Flora von Liegnitz,

als Nachtrag zu meinem Verzeichniss der bei Liegnitz wildwachsenden Gefässpflanzen.

1. Polypodium Dryopteris L. Prist bei Panten.

Xanthrum spinosum L. An einem Lattenzaune der Glogauer Vorstadt im Jahre 1871 zahlreich.

3. Echinops bannatieus. ‘Seit mehr als 30 Jahren (nach Angabe des Ortsgeistlichen) an der Strassenseite der Pfarrgartenmauer zu Hoch- kirch verwildert und zahlreich.

4. Gentiana campestris L. Auf einer Wiese der Hessberge.

5. Galeopsis versicolor Curtis. Im nördlichen Peist an der Schönborner Grenze sehr einzeln.

194 Jahres - Bericht

6. Euphrasia nemorosa Pers. Sehr häufig an den Grundseen bei Arnsdorf. 7. Chaerophyllum aureum L. Zwischen der Alt-Becekerner Oelmühle und dem Rinnständer am Wege. 8. Drosera longifolia L. Grundseen bei Arnsdorf. 9. Polycarpum telraphyllum. In Siegendorf am Dorfwege, stellenweise häufig. 10. Epilobium virgatum Fries. In einem Haue auf den Hessbergen häufig mit montanum. 11. Circaea Iuteliana L. Im Dorf-Erlicht bei Bienowitz. 12. Onobrychis sativa Tournef. An einem Damme neben Feldern ober- halb Liegnitz. Die Zahl der notirten Arten beträgt jetzt für die Flora von Liegnitz 1052.

Neue Standorte seltenerer schlesischer Gefässpflanzen

von J. Gerhardt in Liegnitz.

1. Aspidium eristatum. Grundseen bei Arnsdorf.

2. Botrychium rutaefolum Al. Br. Auf preussischer Seite am Wege von den Grenzbauden über die schwarze Koppe, auf letzterer in kleinen Trupps.

3. Calamagrostis neglecta. Grundseen bei Arnsdorf.

4. Carex limosa und teretiuscula ibid.

5. Luzula pallescens. Stadtforst bei Station Neurode (Kr. Lüben) und in den Hessbergen.

6. Goodyera repens. Kieferwald bei Neurode.

7. Salix pentandra. Arnsdorf.

8. Sagina apetala. Gemein bei Siegendorf und Fellendorf, häufiger als procumbens.

9. Elatine triandra. In einem abgelassenen Teiche der Lomnitzer Haide (Kreis Hirschberg) zahlreich.

10. Agrimonia odorata. Nicht selten an einer Stelle in der „Freiheit“, einem Laubgebüsch bei den Kunitzer Ziegeleien. 5

11. Trifolum striatum. Sehr häufig am Wege bei der Primkendorfer Windmühle.

In der Sitzung vom 12. November 1874 hielt der Assistent am bo- i. tanischen Garten Herr Dr. Carl Schumann einen Vortrag: Beiträge zur Entwickelungsgeschichte der Gattung (anna. #

Hierauf legte Herr Prof. Koerber seine so eben erschienene Schrift: „Zur Abwehr der Schwendener-Bornet’schen Flechtentheorie‘ vor und cab ein mündliches Referat über dieselbe. Fi

der Schles. Gesellschaft f. vaterl. Cultur. 125

In der Sitzung vom 26. November hielt Herr Oberbergamts-Seeretair Langner einen Vortrag

über Abnormitäten bei dicotylen Samen, insbesondere aus der Familie der Caesalpinieen.

Im vergangenen Sommer habe ich in hiesigem botanischen Garten eine scheinbare Doppelfrucht von Medicago orbieularis All. beobachtet, die thatsächlich aus zwei freien, lediglich in der unteren Hälfte um einander, im Uebrigen aber getrennt gewundenen Hülsen besteht. Auf der unteren semeinschaftlichen Hälfte, in welcher zwischen den beiden untersten Win- dungen der Stiel des zweiten Hülschens verborgen ist, sind die oberen freien Hülsenhälften schräg aufrecht an einander gelehnt, so dass die Gesammtfrucht dreiseitig gestaltet ist. Die Windungsrichtung in allen Theilen der Frucht ist, von der Fruchtbasis aus gesehen, entgegengesetzt . der Drehung eines Uhrzeigers. Diese Doppelfrucht ist offenbar derart entstanden, dass zwei Blüthehen einander so nahe standen, dass die Hülschen bei Beginn ihrer Einrollung sich umschlangen und nun genöthigt waren, wenigstens einige Windungen um einander herum zu legen. Be- günstigt wird ein solcher Vorgang speciell bei dieser Art dadurch, dass nach Urban hier die spiralige Einrollung der Hülsen erst nach Bestäubung der Blüthe und dann noch verhältnissmässig langsam von Statten geht.

Ueber embryonale Formen und Anomalien einiger Caesalpinieen wurde unter Vorlegung von Belags-Exemplaren Folgendes mitgetheitt:

Biembryonale Samen wurden mehrfach beobachtet, und zwar mit freien Keimlingen bisher nur bei Gleditschia triacanthos, mit verwachsenen Keimlingen bei Gl. triacanthos, sinensis und ferox. Die beiden Keimlinge - sind meistens etwas ungleich; die vier Cotyledonen liegen in der Mehr- zahl der Fälle flach aufeinander. Der Grad der Verwachsung ist ver- sehieden. In einzelnen Fällen sind die Gefässbündelringe der hypocotylen Axen noch vollständig ausgebildet, und zeigen im Querschnitt eine 8; in anderen Fällen sind sie nur zu etwa °/, vorhanden; der Rest hat sich in Folge der Verwachsung mit der Nachbaraxe nicht ausbilden können. In einem Falle war die Verwachsung der beiden Keimlinge offenbar nicht in gleicher Höhe der Keimlinge erfolgt; auf dem Querschnitt durch den bypocotylen Keimtheil waren die Gefässbündelkreise beider Axen voll- ständig durch Zellgewebe getrennt. Dieser Doppelkeimling hatte übrigens nur drei Samenlappen, welche flach aufeinanderlagen; anscheinend waren die beiden inneren Samenlappen mit einander vollständig verwachsen. In einem tetracotylen Doppelkeimling wurde die Wurzel nicht auf der Mieropyleseite des Samens, sondern auf dessen Scheitelseite vorgefunden ; zwei Cotyledonen endeten in kleine Spitzchen, welche in die Mieropyle des Samens hineinragten.

126 Jahres - Bericht

Trieotyle Keimlinge wurden zahlreich unter Samen von Gleditschia triacanthos, sinensis var. horrida, caspica, monosperma und Fontanesü und Cereis Siliquastirum beobachtet. In den meisten Fällen dieser Art ist ein Samenlappen so gebildet und gelagert, wie es in den dicolylen Keim- lingen Regel ist; die beiden anderen Samenlappen sind dagegen meistens etwas kleiner, als der erste, und demselben derart aufgelagert, dass man in ihnen die beiden Hälften des zweiten Samenlappens erkennt. Fälle, in denen die drei Cotyledonen als gleichwerthig anzusehen sein möchten, sind unter den von mir bisher untersuchten Caesalpinieen nicht vor- gekommen. Ein Keimling von Gleditschia ferox zeigte auf dem Quer- schnitt im oberen Drittel des Samens drei flach auf einander liegende Cotyledonen; die beiden äusseren waren der eine schmäler, der andere breiter, als der in der Mitte zwischen beiden liegende dritte Samenlappen. Auf weiter nach der Wurzel zu liegenden Querschnitten zeigten sich die beiden äusseren Cotyledonen vollständig vereinigt; ein Durchschnitt in der Nähe der Wurzel bot nicht die charakteristische Lagerung eines trieotylen Keimlings, woraus zu schliessen ist, dass hier lediglich ein Keimling mit zwei ungleich ausgebildeten Samenlappen vorliegt, deren srösster in der oberen Hälfte sich gespalten hat.

Dieotyle Keimlinge mit abweichender Lagerung der Samenlappen wurden ziemlich zahlreich unter den Samen verschiedener Gleditschien- Arten beobachtet; diese Abweichungen bieten nur selten Anlass zu be- sonderen Bemerkungen; es soll deshalb hier nur ein Keimling von Gle- ditschia triacanthos hervorgehoben werden, dessen Samenlappen eine rund-

liche Eiweissmasse einhüllten, ein derartiges Auseinandertreien der Coty-

ledonen und Dazwischenlagerung von Eiweiss kommt sehr selten vor.

Ein Verwachsen beider Cotyledonen auf den einander zugewandten Flächen wurde einmal bei Gleditschia triacanthos beobachtet. An der Basis der Cotyledonen auf deren Seitenkanten war deutlich die Grenze zwischen den Samenlappen zu erkennen, die nach oben zu aber bald gänzlich ver- schwand. Nach der Spitze zu nahm übrigens auch die Dicke der vereinigten Cotyledonen merklich ab. In einem anderen Keimlinge der- selben Art waren die Samenlappen an den Kanten desselben inserirt und jeder von der eine Kante repräsentirenden Mittellinie her nach den Flächen desselben hin zusammengefaltet. Die Samenlappen waren übrigens nicht senau in gleicher Höhe der Keimlingsaxe befestigt.

Einzelne Keimlinge von Gleditschia inermis und caspica hatten nicht, wie gewöhnlich, ovale, sondern eiförmige Samenlappen.

Nicht selten sind Keimlinge von Gleditschia triacanthos schon in der Samenhiülle ganz oder theilweise grün gefärbt. Bei Poinceiana Gilliesüi habe ich ebenfalls zwei grüne Keimlinge beobachtet. In diesen Fällen tritt die grüne Färbung nur als Ausnahme auf; bei Amorpha fruticosa ist sie Regel;

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der Schles. Gesellschaft f£. vaterl. Cultur. 127

im Allgemeinen sind jedoch grüne Keimlinge unter den Leguminosen selten; vorherrschend sind sie gelb oder weiss gefärbt.

Pseudomonocotyle Keimlinge habe ich mehrfach bei Gleditschia tria- canthos und zweimal bei G. Fontanesi angetroffen. Die Oehrchen an der Basis des einzigen Keimlappens haben in allen diesen Fällen ihre normale Lage auf der Aussenseite des Keimlings verlassen, sich, wie zum Schutz des sonst frei liegenden Keimknöspchens, auf die Vorderseite des Keim- lines herüber gewendet und sich dort zugleich stärker als sonst ent- wickelt. Der hypocotyle Keimtheil kommt dadurch vollständig auf die Rückenseite des Embryo zu liegen. Fast in allen mir vorliegenden Fällen überdeckt ein Oehrchen das andere mehr oder weniger vollständig, wäh- rend bei normalen dieotylen Embryonen die Oehrchen je eines Samen- lappens .sich nicht einmal berühren. Ein Keimknöspchen war nur bei einem Keimling von @. triacanthos sichtbar. Ein anderer solcher Keim- ling derselben Art zeigte neben sehr unregelmässiger Ausbildung des Samenlappens eine höchst eigenthümliche Form des hypocotylen Keim- theiles. Von dem tiefsten Punkte des Keimlappens entspringt zunächst ein sich sofort horizontal umbiegender dünner Axentheil, welcher sehr rasch und ziemlich unvermittelt in die eigentliche, ziemlich normal ge- bildete hypocotyle Axe übergeht. In allen diesen Fällen sind Rudimente eines zweiten Keimlappens nicht vorhanden. Die Bildung des letzteren muss hiernach, wenn überhaupt begonnen, doch sehr frühzeitig gänzlich unterbrochen worden sein, weil sonst die Lagerung der Keimblattöhrehen in der angegebenen Weise nicht hätte erfolgen können. Diese Lagerung bleibt trotzdem höchst bemerkenswerth, weil sie in allen mir vorliegenden Fällen eingetreten ist; es scheint, als ob in diesen Oehrchen ein latentes Streben, sich nach vorn zu lagern, vorhanden ist, welches aber für ge- wöhnlich durch die gegenüberstehende gleich grosse Kraft neutralisirt wird. Nur so lässt sich meines Erachtens in zufriedenstellenaer Weise erklären, dass in allen diesen Keimlingen die Lagerung der Oehrchen nicht nach dem Vererbungsgesetze erfolgt ist,

Anomale Wurzellagen sind mehrfach beobachtet worden. Bei einem Keimlinge von Gleditschia triacanthos war das sonst in der Keimlingsaxe liegende Würzelchen fast rechtwinkelig nach der einen Seite gebogen. Die Wurzel eines Keimlings von G. sinensis lag auf dem Scheitelende des Samens, auf der raphefreien Seite desselben, und war ihr Ende von den Samenlappen verhüllt. In einem Samen von @. triacanthos lag der Keim- ling schräg zur Längsaxe ‘des Keimlings, mit der Wurzelspiize dem Scheitel des Samens zugewendet; die Wurzel lag hier der Rapheseite des Samens an. Ein Keimling von G. sinensis hatte zwar das Würzelehen auf der Nabelseite des Samens liegen, die Axe des Keimlings war aber schräg zur Samenaxe gestellt, so dass das Würzelchen etwas unterhalb des Nabels auf der Rapheseite aus den Cotyledonen heraustritt und sich

123 J Ahren - Bericht

von hier nach dem Scheitel des Samens zu der Cotyledonenkante anlegt, also gekrümmt und von der Mieropyle weggewendet, verläuft. In einem Samen der G. macroacantha war der Keimling nahezu quer auf die etwas verkürzte Längsaxe des Samens gelagert; der hypocotyle Keimtheil endete an der Raphekante des Samens in der Miecropylehälfte. desselben. End- lich habe ieh in einem Samen von Copaifera officinalis das Radieularende des Samens auf der Scheitelseite des Samens, etwas unterhalb des Randes auf einer der breiten Seiten desselben liegend gefunden. In den wenigen von mir untersuchten -Samen dieser Art war Eiweiss nur am Wurzelende zu finden, woselbst es zwischen die Samenlappen und den hypocotylen Keimtheil eingelagert war. Durchsehnitte in dieser Region zeigten dem- semäss die hypocotyle Axe von den umgebenden Basaltheilen der Samen- lappen durch einen Eiweissring getrennt. An dieser Stelle habe ich bei keiner anderen der von mir untersuchten Arten Eiweiss angetroffen.

In den teratologischen Werken von Jäger, Moquin-Tandon und Masters sind Fälle derartiger abnormer Keimlingslagen nicht erwähnt. Dennoch ist bereits gegen Ende des vorigen Jahrhunderts ein derartiger Fall beobachtet und abgebildet worden. In Bronn’s ‚de formis plantarum leguminosarum primitivis et derivatis‘“ (Heidelbergae 1832) findet sich Seite 110 hierüber Folgendes: 3. De Hymenaeä verrucosü denique, cujus semen docimus Gaertner ul suberectum, embryonem ul antitropum describere videtur, patel‘ ex icone celmi De Lamark‘, illum specimen fruclus incomplelum anomalo nec na- turali seminis situ habuisse‘“ —" Gaertner II p. 344 t. 155. "Lam. ill. gen. II tab. 330. 2. d.‘“ Gaertner hat hiernach den fraglichen Samen wegen seiner, dem normal anatropen Eizustande nicht entsprechenden Keimlings-

lage für orthotrop gehalten, und damit eine in seinem Falle nicht un-.

mögliche Erklärung versucht. Für die von mir dargelegten Fälle ist die dieser Erklärung zu Grunde liegende Annahme einer mehr oder weniger unvollständig gebliebenen Anatropie des Eichens nicht zutreffend. Sämmt- liche hier in Betracht zu ziehenden Samen waren durchaus normal ge- baut; auf der einen Seite des Nabels zeigte sich eine der Micropyle ent- sprechende leichte Vorwölbung der Samenschale, auf der anderen Seite der Raphestrang; hiernach kann ein Zweifel an der vollendeten Anatropie der Samen nicht stattfinden. Die derselben widersprechende Lagerung der Keimlinge kann meines Erachtens nur so erklärt werden, dass eine nicht in unmittelbarer Nähe der Micropyle entstandene Eizelle sich zum

Keimling entwickelt hat. Die Möglichkeit eines solehen Vorganges ist

durch die Beobachtungen von Hofmeister und Sachs an Funkia, Scabiosa und Citrus (Sachs Lehrbuch der Bot. IV. Aufl. $. 561) ausser Zweifel gestellt.

Die vorgeführten Anomalien kommen nicht gleich häufig unter einer gegebenen Zahl von Samen vor, wie aus folgenden Daten über die von mir in dieser Beziehung näher untersuchte Gleditschia triacanthos zu ent-

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der Schles. Gesellschaft f. vaterl. Cultur. 139

nehmen ist. Es fand sich unter 201 Hülsen nur eine Doppelhülse vor, deren Carpelle in der unteren Hälfte mit offenen, sonst aber mit ge- sehlossenen Carpellrändern verwachsen waren; diese Doppelhülse ist nicht weiter untersucht worden. Die übrigen 200 Hülsen enthielten 3243 Samen, darunter 58 trieotyle, 15 unregelmässig gebaute dieotyle, 2 anomal ge- lagerte dieoiyle, 4 pseudo-monocotyle und 6 Doppelkeimlinge. Unter letzteren fanden sich vier freie und zwei verwachsene Keimlingspaare, von denen das eine anomal im Samen gelagert war.

Vorgelegt wurden schliesslich noch einige freigelegte Keimlinge von Bauhinia maculata, Cassia laevigata, grandiflora, corymbosa und tomentosa, Biancaea (Caesalpimia) scandens und Hymenaea Courbaril, die zu folgenden Bemerkungen veranlassten. Bentham und Hooker geben in den „Genera plantarum“ unter Anderem als einen Familien-Charakter der Caesalpinieen eine gerade oder nur selten etwas schräg gestellte Wurzel an; eben- daselbst werden unter den Ausnahmen einzelne Arten von Bauhinia mit etwas schräg gestellter Wurzel aufgeführt. In den vorgelegten Samen der Bauhinia maculata war allerdings das Würzelchen schräg gegen die Keimlingsaxe gestellt, aber nicht nach der Rapheseite zu, sondern von ihr weggewendet; dieser Fall kann hiernach nicht als Uebergang zu der Keimlingsform der Papilionaceen aufgefasst werden. Uebergänge zu dieser Keimlingsform finden sieh aber nicht selten und in verschiedenen Graden unter den vorgelegten Keimlingen der oben genannten Cassia-Arten, be- sonders schön bei C. corymbosa und laevigata.

Die Keimlinge von Biancaea scandens zeichnen sich durch starke Ent- wiekelung des fast die halbe Länge der Cotyledonen erreichenden Keim- knöspchens aus; im Zusammenhange damit steht die geringe Ausbildung des hypocoiylen Keimtheiles.. An der Basis der Plumula zeigten sieh an einzelnen Exemplaren in rinnenförmigen Vertiefungen der Axe Achsel- sprosse eingesenkt. Von Hymenaea Courbaril wurden zwei Keimlinge vor- gelegt, welche auf Durchschnitten die Form eines Andreaskreuzes zeigten. Diese Form ist dadurch entstanden, dass auf den Rückenflächen und an den Seitenkanten des Keimlings je eine rundliche Ausbuchtung im Keimlings- _ körper sich gebildet hat. Der Keimling ist von einer dünnen Schale, einer dunkelbraunen Masse, welche auch die Buchten ausfüllt, umgeben. Wie diese Masse zu deuten, ist mir unklar geblieben. Nach Bentham und Hooker sind die Samen von Hymenaea eiweisslos,; andererseits hat diese Masse wenig oder gar nichts Eiweissartiges. Im Uebrigen erwähnen _ genannte Autoren nichts von der eben besprochenen eigenihümlichen Keimlingsform, welche dagegen von Bronn in dessen ‚de formis plantarum

leguminosarum ete.“ Seite 110 mit folgenden Worten beschrieben wird: „In Vicieis, in Sophor& tomentosä et in Hymenaed embryo ad cotyledonum , marginem alterum aut utrumgue ab integumenti (hih aut aliä) protuberantiä | impressus est,“ Sehr fraglich bleibt in diesem Satz die Deutung der Pro-

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1350 Jahres-Bericht

tuberanz, d. i. der dunkelbraunen, den Keimling einhüllenden Substanz, als Theil eines inneren Integuments.

Herr R. von Uechtritz richtete durch Vermittelung des Herrn Limprieht an die Section die Anfrage, ob vielleicht eins der Mitglieder Auskunft zu geben vermöge über das Jahr, in welchem Schummel die Alchemilla fissa als neue Art aufgestellt habe, da die Priorität dieses Namens gegenüber von Alchemilla pyrenaica Desf. (1821) neuerdings be- stritien werde.

Herr Mittelschullehrer G. Limpricht erstattete einen vorläufigen Bericht. über

„Novitäten aus der Laubmoosflora der Hohen Tatra.“

Auf seiner zweiten Tatrareise im Juli 1874 lernte derselbe einige Punkte dieses Gebirges kennen, die er 1873 unberührt gelassen hatte, so den Cho& in den Liptaner Alpen, den Kriwan, das Hochthal der grossen Kohlbach, den polnischen Kamm, das Rostoki-Thal und die polnischen Fünf-Seen, den Havran, Novy und den Fuss des Gebirges um Podspady. Wenn auch auf diesen Wanderungen viel gesammelt und notirt wurde, so bieten diese Bruchstücke immer noch kein genügendes Material, um ein vollständiges bryologisches Vegetationsbild zu entwerfen und allgemeine Schlüsse über die Verbreitung der Laubmoose im Tatra zu ermöglichen; deshalb seien nur seltenere oder für das Gebiet neue Arten hier erwähnt.

Das wichtigste Ergebniss der Reise ist das Wiederauffinden zweier schon von Wahlenberg nachgewiesener, später aber vergeblich gesuchter Arten, nämlich von Aulacomnium turgidum (Wahlenb.) steril und von Tetra- plodon mmioides Br. & Sch. (Splachnum urceolatum Wahlenb.) wie die Ent- deckung des nordischen Hypnum norvegicum Br. & Sch. steril, sämmtlich salizischerseits am polnischen Kamme in einer Höhe über 6000%.

Aus der reichen Kalkflora des Cho& (850 w. Klft. h.) in den Liptauer Alpen sind bemerkenswerth: Pottia latifolia (Schwaegr.), Mnium orthorrhyn- chum, Meesea alpina, Timmia austriaca, Orthothecium rufescens, Eurhynchium striatulum, E. Vaucheri, Hypnum reptile, H. Vaucheri, H. fastigiatum; ferner Encalypta rhabdocarpa Schwaegr., Barbula mucronifolia Schwaegr., Bryum archeum Br. & Sch., Hypnum dolomiticum Milde und Lescuraea striata Schwaegr.; die fünf letzteren sind neu für Nord-Ungarn und beschränken sieh, aus- genommen Lescuraea, auf die Felsen am Gipfel des Berges. 4

Um die Seen in der grossen Kohlbach (6500‘) sind neben den sewöhnlichen, meist sterilen Arten granitischer Hochgebirgslagen, wie Dieranum elongatum, D. albicans, Grimmia contorta, G. spüralis, Polyinichum sexangulare z. Th. fr., Lescuraea saxicola, Heterocladium dimorphum, Hyl comium Oakesii ete., auch andere wie Grimmia mollis st., @. elatior fr Conostomum boreale fr. und Plagiothecium nitidulum Wahlenb. wıehr ode minder zahlreich vertreten.

der Schles. Gesellschaft f. vaterl. Cultur. 131

Die bryologischen Resultate einer Kriwan-Besteigung von Pod Bansko aus blieben weit hinter den Erwartungen zurück und konnten uns für die Anstrengungen nicht entschädigen. Die Moosflora des Kriwan- Gipfels zeigte mit derjenigen der Schlagendorfer Spitze die grösste Ueberein- stimmung; Massen von Grimmien, darunter G. alpestris fr., G. contoria fr., Racomitrien, Dieranum albicans, D. elongatum, beide steril, Desmatodon lati- fohus fr. ete., an Wasseradern Andreaea nivalis, Grimmia mollis steril und Brachythecium glaciale waren vorzugsweise vertreten. Am Kopa-Sattel, wo Wahlenberg Tetraplodon mnioides sammelte, wuchs neben Splachnum sphaericum, das hier, wie überall im den Hochlagen, soweit Rinderheerden weiden, häufig ist, auch Tayloria serrata.

Desto lohnender war die Ausbeute am polnischen Kamme (6889 h.). Ausser der Passhöhe selbst (hier Aulacomnium turgidum) finden wir hier polnischerseits in einem ausgedehnten Hochthale bei 6000’ vielversprechende Oertlichkeiten, die im Spätsommer reiche Fundorte für Brya abgeben müssen. Leider war erst wenige Wochen vor meinem Besuche am 15. Juli der Schnee geschmolzen; was ich jedoch an unreifen Webera- Arten (W. Ludwigü, W. polymorpha, W. acuminata, W. cucullata) beim raschen Vorwärtseilen hier aufnahm, berechtigt zu weiteren Erwartungen. Neben den oben erwähnten Novitäten besitzt der polnische Kamm in seinen höheren Lagen ebendieselben Arten, welche die granitische Alpen- region des Tatra charakterisiren, so Grimmia mollis, G. alpestris, D. albi- cans, Brachythecium glaciale, Andreaea nivalis etc. Erwähnenswerth ist hier das Vorkommen von Diphyscium foliosum bei 6000’.

Eine Exeursion nach den polnischen Fünf-Seen war ziemlich unergiebig, nur im Rostoki-Thale wurde Plagiothecium Schimperi als neu für die Tatra entdeckt. Der Wasserfall (4966) und die Umgebung des grössten Sees boten wenig mehr als Hylocomium Oakesi, Piychodium pli- catum, Pseudoleskea atrovirens, Hypnum callichroum, H. sarmentosum, Po- Iyirichum sexangulare, Oligotrichum Hercynicum, Bartramia ithyphylla, Dieranum Starkü, D. falcatum, Racomitrium protensum etc.

Ein achttägiger Aufenthalt in Podspady gab Gelegenheit, die Kalk- 'flora der östlichen Tatra (Novy und Havran) genauer kennen zu lernen, ‘doch blieb ein Besuch des pflanzenreichen Drechselhäuschen auf eine ‚spätere Reise verspart. Die Moosflora dieser nordöstlichen Kalkalpen, ‘die mit der anderer Kalkgebirge ein übereinstimmendes Gepräge besitzt, ist grossentheils durch Apotheker R. Fritze erschlossen worden, weshalb (ich mich auf die neuen Erwerbungen beschränke. Neu für die Tatra sind: I Dieranella Grevilleana Br. & Sch. in den Thalkesseln am Nordabfall des |Havran; Grimmia anodon Br. & Sch. fr. häufig an der Jaworinka-Wand, seltener am Novy; Brachythecium vagans Milde mit 2 Blüthen, gesellig mit !Timmia bavarica Hessl. in Höhlen am Novy; Barbula insidiosa Milde fr.

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1393 pahres-Bericht

im Thalkessel zwischen Novy und Havran, ebenda auch Cylindrotheeium concinnum De Not. steril (der vorjährige Standort liegt im Liptau); Zygodon, viridissimus Dicks. und Buxbaumia indusiata Brid. (ersterer auch von R. Fritze) in den Wäldern um Podspady; Burhynchium strigosum Br. & Sch. und Amblystegium Juratzkanum Schimp. in der Nähe von Podspady; Sphagnum lawifolum C. Müll. und Leucobryum glaucum L. mit zahlreichen Toorf- und Sumpfmoosen in den ausgedehnten Hochmooren bei Hovanyezewa und Czirleszko nahe Podspady. Nach mündlieher Mittheilung sammelte R. Fritze auf moorigen Alpenweiden unterm Havran-Gipfel Dissodon Frölichianus (Hedw.), so dass ‘die Zahl aller aus der Tatra und den Liptauer Alpen bekannten Laubmoose zur Zeit 340 Species beträgt.

In der neunten Sitzung vom 14. December theilte Herr Geheimrath Prof. Göppert Bruchstücke aus seinem im Erscheinen begriffenen Werke

“über Einwirkung des Frostes auf die Gewächse

mit, worüber er wie schon im Jahre 1829/30, aber auch wieder 1870—74 viele Beobachtungen und Versuche angestellt hatte.

I. Ueber das Aufthauen gefrorener Gewächse.

Wenn die Temperatur über steigt, wird der gefrorene Saft der Pflanzen wieder flüssig; ein Theil verdunstet und scheidet sich alsbald auf der Oberfläche als ihauähnlicher Ueberzug aus. Eine wesentliche Verschiedenheit stellt sich aber nur heraus, je nachdem die Pflanze die Einwirkung des Frostes überlebt hat oder ihr unter- legen ist. Im ersteren Falle erlangen die Blätter ihre vorige Farbe und Stellung wieder. Die glasartige Durchsichtigkeit verliert sich und die gebogenen Stiele und Blattflächen kehren iu die frühere Stellung zurück.

Am auffallendsten zeigt sich dies im Winter bei der ausdauernden Euphorbia Lathyris, wie schon Linne beobachtete, und bei Frühlingsfrösten bei Fritillaria imperialis, deren Stengel sich fast horizontal zur Erde legt, in einem Grade, wie ich es bei keiner anderen Pflanze beobachtet :habe.

Milchende Pflanzen wie Euphorbia geben bei etwaigem Einschneiden wieder Milch. 3.

Eine völlig verschiedene Reihe von Erscheinungen beobachten wir aber bei den durch Frost getödteten Pflanzen. Im Allgemeinen bedeeken sich auch hier die Blätter, namentlich krautartiger Gewächse, mit Feuchtigkeit Tropfen an Tropfen, sie werden welk, hängen schlaff an dem auch geneigten Stengel herab, bekommen ein ganz eigenthümliehes, meist fast gekochtes Aussehen, verändern auf mannigfaltige Weise ihre Farbe und Durchsiehtigkeit und vertrocknen selbst bei mässiger Wärme | ausserordentlich schnell, wobei sie gewöhnlich eine bräunliehe oder | schwärzliche Farbe annehmen. Die Stelle der Milchsäfte nimmt eine wässerige Flüssigkeit ein, die das ganze Vegetabil erfüllt. Der Chemismus |

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der Schles. Gesellschaft f. vaterl. Cultur. 133

übt nun überall seine Wirkung aus; Cellulose, das Protoplasma, Stärke- mehl, Chlorophyll und andere organische in der Zelle oder im Zellsaft enthaltene Bestandtheile werden zersetzt, daber im Allgemeinen die Bräunung und endlich Schwarzwerden der Blätter, Anfang einer Art von Humifieation. Im Einzelnen treien aber doch in sehr vielen Pflanzen- familien mancherlei Abänderungen, vorzüglich hinsichtlich der grünen Farbe, auf, welche eine besondere Beachtung verdienen, als sie recht augenscheinlich die Verschiedenheit des hierbei besonders in Betracht kommenden grünen Farbestoffes in den einzelnen Gewächsen und zugleich auch die chemische Wirkung der Kälte überhaupt beweisen. Wir wissen zwar, dass alle solche Erfahrungen ihre eigentliche Bedeutung erst durch genaue mikroskopische Untersuchung ihrer Farbestoffe, vorzugsweise des grünen, erhalten, zögern aber doch nieht auch diese unvollständigen, aber in solcher Ausdehnung noch nicht gemachten Beobachtungen mitzutheilen, um sie der Beachtung zu empfehlen, da man sich jetzt mehr als früher mit den grünen Farbestoff betreffenden Forschungen beschäftigt. Gar keine sichtliche Veränderung erfährt das Chlorophyll 'bei Selaginellen, unbedeutend bei Farnen, die, inclusive selbst tropischer und subtropischer Farne -(an 100 Arten wurden untersucht), nur wie getrocknete Pflanzen im Herbarium erscheinen; von Monocotyledonen werden einzelne Aroideen (Arum brasiliense, macrophyllum, Pothos cerassinervia und lanceolata) dunkel- grün, viele Gräser, namentlich tropische Panicum, Kyllinga, Panicum varie- galum, ebenso von Cyperaceen Oyperus alternifolius, ferner Ruscus, Palmen, Dracaeneen wenig verändert, Lilium, Irideen, die Allium-Arten färben sich weiss, Nareissineen, wie Hemerocalls fulva, graminea und flava weissgelb, Hemeroc. coerulea, alba, sowie die einjährigen Tradescantien und Com- melinen glasartig durchscheinend, Zingiberaceen (Hedychium, Alpinia, Amomum, Globba) braungrün, die Canneen undurchsichtig schwärzlich braun, von Orchideen Calanthe veratrifolia und Phajus- Arten dunkelstahl- blau und zwar nicht nur die Blätter und Blüthen, sondern auch die Wur- zeln und Stengel.

Die Gymnospermen (Cycas, Zamia, Dioon, Macrozamia, Ceratozamia, Eincephalarios u. a.), Coniferen aller Familien zeigen meist ein blasseres Grün, grössere Mannigfaltigkeit der in Rede stehenden Erscheinung, wie zu erwarten, die unendlich zahlreicheren Dieotyledonen. Bei Blättern der Bäume und Sträucher von einiger Festigkeit könnte man vielleicht die gelbliche oder gelblichbraune Färbung, die rothe bei Acerineen, den nordamerikanischen Eichen und einzelnen Crataegus, bei krautartigen, ins- besondere einjährigen Gewächsen (Solaneen, Boragineen, Compositen, Chenopodiaceen, Papilionaceen) die braune als die überwiegend häufige bezeiehnen. Jedoch fehlt es auch hier nicht an zahlreichen Ausnahmen, wohin fast alle lederartigen etwas fest gebauten Blätter der allerverschie- densten Familien gehören, desgleiehen die Laurineen (namentlich Cam-

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phora, Cinnamomum), Proteaceen (Dryandra, Grevillea, Protea, Banksia, Agnostus, Hakea u. a.), Passerina, von Kuphorbiaceen Aucuba, Myrsineen, Menispermeen, Illicineen, Terebinthaceen (Pistacıa Lentiscus, vera, Tere- binthus), Polygaleen (P. latifolia), Ericeen (Erica), Rhododendra, Myrtaceen (Leptospermum, Melaleuca, Myrtus, Metrosideros, Eugenia, Callistemon), Caesal- pineen (Ceratonia Siligqua), Mimoseen (Acaciae spp.), deren auch durch sehr hohe Kältegrade getödteten Blätter nur etwa wie wohl getrocknete Her- barium-Exemplare aussehen, Blätter der Elaeagneen, wie Elaeagnus, Hip- pophae, rollen sich nach innen und fallen mit unveränderter Farbe ab, Cruciferen in merkwürdiger Uebereinstimmung weisslich gelb, Rutaceen (Ruta, Zygophyllum, Guajacum, Diosma, Correa), Nymphaea lutea, Menyanthes nymphaeoides nur etwas blasser grün, ebenso andere Wasserpflanzen, wie Ceratophyllum. Bei buntfarbigen Blättern bemerkt man übrigens während des Gefrierens keine Veränderung und nach dem Aufthauen, wenn auch die allgemeinen Erscheinungen der Hinfälligkeit, doch keine Diffusionen an den gefärbten Stellen, d. h. die Flecken, gleichviel welcher Gestalt, stets an derselben‘ Stelle so scharf begrenzt wie früher, wie z. B. bei den so zierlich gefleckten Sonerila margaritacea, Bertolonia guttata, und zuweilen unverändert, wenn sie roth oder weiss waren. Ueberhaupt scheint die rothe Farbe nicht blos bei Blättern, sondern auch bei Blüthen diejenige zu sein, welche sich bei hohen Kältegraden am dauer- haftesten erweisel, ja sie steigert sich sogar bei schwachen, den Pflanzen nicht tödtlich werdenden Frösten bei der erst seit einigen Jahren aus Brasilien eingeführten Alternanthera spathulata, die allenfalls vorübergehender nächtlicher und frühmorgentlicher Erkaltung unter widersteht. Rothe Flecken oder rothe Unterflächen sind oft noch sichtbar, wenn auch alle anderen Farben verändert wurden, so unter bräunlicher Färbung der grünen Theile bei Erioenema marmoreum, Alloplectus speciosus, Bertolonia guttata, Cissus marmoreus, porphyrophyllus und amazonicus; roth und grün waren am besten unter allen Dracaena Jacquini, nobilis, dann oft Caladium bicolor und Cissus marmoreus erhalten. Weisse Blattränder schwanden bei ? Pandanus javanicus, weisse Flecken wurden undeutlich bei Ruellia varians, ; Piper, blieben bei Panicum variegalum im Vereine mit der grünen Farbe; ebenso weisse Flecken und Streifen bei Seindapsus pietus und Pteris tri- color. Die gelblichen, die Nerven begleitenden Streifen bei Sanchezia nobilis, Croton chrysostietum hatten sich mit etwas Grau gemischt. | Diese Beispiele, welche ich leicht noch vermehren könnte, mögen genügen, um Physiologen und Chemiker auf die hohe Bedeutung der Kälte als Untersuchungsfactor aufmerksam zu machen, deren Einwirkung hier’ ungeahnte Verschiedenheiten in den sonst so gleiehförmig erscheinenden

bindung mit anderen Untersuchungsweisen an interessanten Ergebnissen

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der Schles. Gesellschaft f. vaterl. Cultur. 135

sogenannte Krautgeruch der durch Frost getödtetlen Pflanzen, der der sesammten Farnfamilie eigenthümliche zeigt bei getrockneten einst er- frorenen nach Jahren noch ungewöhnliche Intensität.

Die Höhe der Kältegrade, bei denen diese Versuche angestellt wur- den, waren verschieden, jedoch stets ausreichend und so andauernd, um das wirkliche Erstarren zu bewirken, wie ich namentlich hinsichtlich der lederartigen Blätter bemerke.

Was nun die Blüthen anbelangt, so färbten sich die verschieden- artigsten weissen, gelblichen und roihen Blüthen braun; viele zeigten sich jedoch weniger empfindlich als Blätter, entwickelten sich noch weiter, nachdem selbst die Blätter ganz getödtet waren, offenbar nur in Folge der noch wohlerhaltenen Wurzeln, wie bei Zinnia, Tageles, Lopezia, Rud- beckia triloba und digitata, Anthemis, Buphthalmum, Solidago, Aster, selbst A. chinensis, Centaurea, Senecio elegans, Bidens leucantha, Salvia lanceolata, Galinsoga parviflora, Hyssopus nepetoides, Nicandra physaloides, Georgina variabilis; Vernoniq noveboracensis, Eupatorium purpureum und ageratoides, Cornus sanguinea trieben aus ihren blattlosen Stengeln später noch Blüthen.

II. Ueber die Fähigkeit krautartiger Gewächse, Kälte zu ertragen.

Die Einleitung zu den nun folgenden Veränderungen, welche die Vegetation durch Verminderung der Temperatur erleidet, bildet gewisser- massen der Laubfall unserer Bäume und Sträucher. Er erfolgt unter den bekannten Erscheinungen freiwillig, so zu sagen, ohne Einwirkung der Kälte oder in Folge derselben. In beiden Fällen stellen sich aber häufig Ausnahmen ein, deren Ursache in localen Umständen oder in den ver- schiedenen Windrichtungen und Stärke derselben, wie auch in inneren Lebeusverhältnissen der Bäume zu suchen sind. Wenige Kältegrade, wie 4—7°, reichen jedoch bei uns vollkommen hin, um vollständige Ent- blätterung zu Wege zu bringen, die sich bei uns in der Regel im Laufe des Novembers zu vollziehen pflegt. Zur Feststellung des individuellen Verhaltens der einzelnen Holzgewächse eignet sich nicht jede herbstliche Witterung, sondern nur diejenige, in der ein allmälig gradweises Eintreten viederer Temperatur, abwechselnd mit frostfreien Zwischenräumen, statt- findet, wie z. B. in der herbstlichen Zeit der Jahre 1870 und 1871 der Fall war. Früh und plötzlich eintretende herbstliche Kälte von —4° und darüber, welche bei der Mehrzahl den Laubfall veranlasst, ist natürlich nicht geeignet, die Widerstandsfähigkeit der einzelnen zu ermitteln, die schon bei geringerem Kältegrade zu Grunde gehen. Von einjährigen Pflanzen werden geschädigt bei —1—1,5° nächtlicher Temperatur: Coleus Verschaffelti nebst Varietäten, vielleicht die empfindlichsten unserer ge- wöhnlichen exotischen Sommergewächse. Bei —1,5° erfrieren theilweise

136 Jahres-Bericht )

die Blätter, nieht die Blüthen, von Cucumis sativus, Oueurbita Pepo (nicht ©. lagenaria), Phaseolus nanus und coceineus, Uhdea pinnatifida; bei Perilla chinensis, Canna indica, Ocymum basilicum, Georgina variabilis, Ni- candra physaloides; bei —2—3°: Holeus Sorghum, Zea Mays, Amarantus Iricolor, Chenopodium Quinoa, Impatiens, Cueurbila lagenaria, Solanum Lyco- persicum, Wigandia, Uredalia, Bidens leucantha, Tropaeolum majus, Bieinus communis, Albersia; ebenso die Blätter von (anna indica, discolor, Caladium antiquorum; bei —4° auch die von Gunnera, Atropa Belladonna, Phytolacca, Boeconia.

Alle diese Pflanzen befanden sich ohne Schutz vor Bäumen, auf [reierem Terrain; unter Bäumen erfroren die Canneen, Ricinus, Perilla, Heliotropium litten nieht bei —2°, sondern erst bei —4° wie ich mit ziemlicher Sicherheit ermittelte, also behaupten kann, dass jene Deckung die Einwirkung um —2° zu vermindern im Stande war. Nach vielfältigen Erfahrungen tritt jene Affeetion nach gedachten Kältegraden so sicher ein, dass man aus ihnen auf die Anwesenheit derselben zu. schliessen sich be- rechtigt halten darf und man sie daher als wahre Reactionspflanzen betrachten und bezeichnen könnte.

Die einjährigen Pflanzen vorstehender Beobachtung starben ab, weil ihnen die von dem Frost gar nicht berührte Wurzel wegen Vollendung

ihres Lebenseyklus keinen Ersatz zu bieten vermochte; die wenigen hier genannten perennirenden Gewächse werden dadureh nicht berührt. Ein sehr grosser Theil derselben, wovon wir schon anderweitig gehandelt, behält in milden Wintern eine Anzahl Wurzelblätter, oder verliert sie auch in härteren, ohne dadurch im mindesten an der Entwickelung im Frühjahr behindert zu werden. Insofern nun bei allen mit dem unteren . Theile der Achse in der Erde befindlichen Pflanzen der Schutz, den sie dadurch geniessen, in Anschlag zu bringen ist, kann man fast nur durch direete Versuche den wahren Grad der Widerstandsfähigkeit eines Ge- wächses gegen die Kälte ermitteln. Jedoch auch hier stellen sich so viele Schwierigkeiten entgegen, dass man selbst die erlangten Resultate, so viel Mühe und Aufmerksamkeit auch verwendet wurden, nur mit einiger Re- serve aufzunehmen hat. Die Verschiedenheit der individuellen Verhält- nisse tritt hier ganz ausserordentlich hervor: Pilze, so verschieden an Form und Struetur, verhalten sich hiernach auch auf verschiedene Weise. | Die ausdauernden, holzigen, an Bäumen wachsenden Polypori scheinen, wie auch schon Fries angiebt, für Kälte ganz unempfindlich zu sein, da sie bis zum höchsten Norden hinauf die Baumvegetation begleiten. Gleiches lässt sich wohl nicht von den wasserreichen fleischigen Formen dieser 4 Pflanzengruppe erwarten. Im Gewächshause eultivirte jüngere Champignons ertrugen ohne Nachtheil zwar 24 Stunden lang eine Temperatur von —5°, starben aber bei Fortsetzung des Versuches nach 48 Stunden, nachdem sie 72 Stunden der gedachten Temperatur ausgesetzt worden waren. Der

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umfangreiche, aber ziemlich wasserhaltige Polyporus sulphureus gefror bei und war nach dem Aufthauen getödtet. Flechten verhalten sich noch dauerhafter wie jene holzigen Pilze, wie sich nicht nur aus ihrem Vorkommen auf Bäumen und Sträuchern an der Grenze der Baumvegetation, sondern auch auf Felsen des hohen Nordens und der höchsten Berge unseres Continents ergiebt, auf denen sie noch in 11—20,000 Fuss Höhe leben, ja nach Wahlenberg’s Beobachtungen können mehrere (Nephroma polaris, Peltidea crocea, Parmelia siygia, Gyrophorae werden genannt) wie auch einige Polytrichen (Gilbert’s Annalen 41. Bd., Flora lappon.) eine ganze Vegetationszeit mit Schnee bedeckt sein, ohne dadurch getödtet zu werden.*)

Ob sich alle Flechten, namentlich die laubigen, wie die Peltideen, ähnlich verhalten, ist nicht bekannt. Da sich lebende Flechten von todten in ihrem Aeusseren so wenig von einander unterscheiden und Culturen auch missglücken, ist hier auf dem Wege des Versuches kaum etwas zu erreichen. Insofern nun nach den Beobachtungen der Schweizer Meteoro- logen auf den höchsten Punkten die Kälte nicht so bedeutend ist, als man glaubt, darf man sieh auch nicht wundern, mit Rücksicht auf ihre Verbreitung im hohen Norden, dass Flechten bis auf die höchsten Gipfel der Alpen steigen, wo ihnen an den frei liegenden steilen Kanten und Abhängen der Gesteine der Schutz des Schnees fehlt, der nicht hoch genug anzuschlagen ist. Hinsichtlich der Algen, so spottet bekanntlich der Färber des rothen Schnees auf den Alpen und im hohen Norden (Protococeus) wohl jedem Kältegrade. In einem mit ihm mittelst einer Eismaschine angestellten Versuche, in welchem er von 11—1 Uhr sich in einer Temperatur von —36° befand, ward seine spätere Entwickelung nicht gehemmt. Er befand sich auf seinem, bei uns gewöhnlichen Stand- orte, auf einem Granitbruchstücke.

Auf Diatomeen äusserten nach Schumann’s Beobachtungen 20° keinen nachtheiligen Einfluss (Schriften der physik.-ökonom. Societät in Königsberg, 1862, 3. Jahrg. 2. Heft). Er nahm ein auf freier Wiese ge- frorenes Stück Erde bei 20° ins warme Zimmer und liess es aufthauen. Eine halbe Stunde darauf sah er mehrere Schiffechen in lebhafter Be- wegung. Die zarteren Confervaceen, wie Conferva fracta, Spirogyra, star- ben dagegen schon nach einfachem Erstarren ihrer Flüssigkeit, desgleiehen bei nach Cohn’s Beobachtungen die den Algen verwandten Charen.

Laubmoose scheinen auch zu den gegen diese Einflüsse unempfind- lichsten Gewächsen zu gehören. Rasen von Barbula muralis, die ich in dem so harten Winter von 1870/71 frei von Schnee hielt, wurden da-

*) Grisebach vermuthet dies auch von den arctischen Weiden, nicht ganz un- wahrscheinlich, wenn man bedenkt, dass Robert Kann in Nordgrönland unter dem ' 78. Gr. nur im Juli die Mitteltemperatur über Null fand.

138 Jahres-Bericht N

durch nicht im mindesten belästigt, ebensowenig die Hypnum squamosum, Polytrichum undulatum, commune, welche mit Protococeus zu obigem Ver-. suche verwendet wurden.

Ueber das Verhalten von Lebermoosen habe ich keine Er- fahrungen.

Immerhin beachtenswerth, wenn auch gerade nicht auffallend, er- scheint die grosse Empfindlichkeit der Wurzeln höherer Gewächse, ich sage nicht sehr auffallend, insofern sie wegen ihrer Lage im Boden nie- mals sehr niedrige Temperaturen erfahren können. Bereits im Jahre 1829 fand ich, dass Wurzeln von Helleborus niger, viridis, Valeriına Phu bei 15° erfroren. Inzwischen gehen sie schon bei viel niedrigeren Kälte- sraden zu Grunde, wie mich im jüngsten Winter angestellte Versuche lehrten, und zwar bei —$ bis 10°, und auch sogar die Wurzeln des Braunkohls, Brassica oleracea, während Stengel und Blätter lebend blieben. Bei gleicher, also —8 bis 10°, durch 24 bis 48 Stunden andauernder Temperatur sterben Zwiebeln von Nareissus Tazelta, poeticus, Hyaeinthus orientalis, Tulipa Gesneriana, Colchium variegatum, ja sogar C. autumnale, ferner Allium Porrum, ascalonicum, Cepa, letztere vielleicht schon bei 8°, Allium sativum dagegen erst bei —16°, Wurzeln von Typha schon bei 6%, Acorus Calamus bei 16°, Cicuta virosa, welehe in meinen im Jahre 1829 angestellten Versuchen schon bei —15° erlror, zeigte sich _ dieses Mal geradezu auch gegen die höchsten Kältegrade 22° unemplind- ° lich, vielleicht in Folge verschiedenen Entwickelungszustandes.

Einjährige Pflanzen wie Senecio vulgaris, Thlaspi, Lamium purpureum, amplewicaule, Alsine media, Poa, Euphorbia, Peplis und Sonchus oleraceus erfroren ohne Schneeschutz bei 10°, unter Schneebedeckung erhielten sie sich aber den ganzen Winter,

Den höchsten Grad von Widerstandsfähigkeit zeigen die wenigen krautartigen Pflanzen, welche mit ihren über die Oberfläche der Erde sich erhebenden Stengeln-im Laufe des Winters sich erhalten, wie Helle- borus foetidus, Brassica oleracew und Euphorbia Lathyris, wovon ich früher schon gesprochen habe.

der Schles, Gesellschaft f. vaterl. Cultur. 139

Die bemerkenswerthesten Ergebnisse der

Durchforschung der schlesischen Phanerogamenflora im Jahre 1573,

zusammengestellt von

R. von Ueechtritz.*)

A. Für das Gebiet neue Arten und Varietäten,

Ranunculus radians Bevel (R. trichophyllus ß anomalus Godron Fi. de Lorr.). Zuerst 1865 in einem Tümpel unweit Krittern bei Breslau von mir gefunden, neuerdings (1873) in einer Lache im Basaltbruche von Rautke bei Falkenberg in Oberschlesien (J. Plosel). Ob diese Form, welche meines Wissens bisher nur in Westeuropa (in Deutschland von F. Schultz in der Rheinpfalz) beobachtet worden ist, als eigene Art oder, wie Godron und F. Schultz meinen, nur als Varietät des R. trichophylius mit Schwimmblättern zu betrachten sein wird, ist mir noch nicht hin- länglich klar geworden; dieselbe verbindet mit den kleinen Blüthen des R. trichophyllus, mit dem sie auch in den Früchtehen im Wesentlichen übereinstimmt, beinahe die Gestalt der Schwimmblätter des R. triphyllos Wallr. (BR. Petweri Koch ex p. seil. ß major; R. confusus vieler deutschen Floristen, auch Uechtritz im Jahresbericht der Schles. Ges. 1866, nicht Godron). Bei Kritiern kommt der R. radıans in einem kleinen Wasser- loche ohne andere Batrachien vor, dagegen faud sich in einem benach- barten eben so tiefen Tümpel R. trichophylius in der typischen Form ohne Schwimmblätter sehr zahlreich. Bei Falkenberg sammelte Plosel beide Formen gemischt, doch R. radians vorherrschend,**) ausserdem in dem- selben Wasserloche noch R. aqualtilis var. submersus G. et G. (R. submersus Hiern.), eine auch um Breslau stellenweise häufige, wie es scheint allerdings speeifisch von R. aquatilis verschiedene Form ohne Schwimmblätter, die von Unkundigen nicht selten mit dem weit klein- blüthigeren R. trichophyllus Chais (R. paueisiamineus Tausch) oder selbst öfter mit R. divaricatus verwechselt wird.

*) Manuseript im April 1874 eingeliefert, konnte jedoch nicht mehr in den Jahresbericht für 1873 aufgenommen werden.

**) Im Jahre 1874 dagegen fanden sich dort nur Pflanzen ohne Schwimm- blätter vor; der Tümpel war in diesem Jahre fast ausgetrocknet. Dieses Factum spricht allerdings entschieden für die Richtigkeit der Ansicht Godron’s und Schultz’.

140 J ae - Bericht

R. irichophylius Chaix ß Drouetii Marsson (R. Drouetü F. Schultz). _ Verschieden vom T'ypus durch den zarteren Wuchs, mindere Grösse, durch die ausserhalb des Wassers stark pinselförmig zusammen- fallenden dunkler grünen Blätter, deren Zipfel mehr verlängert sind, ferner durch längere und schmälere, nicht so stark bauchig erweiterte Blatt- scheiden und die meist spärlicher behaarten oder selbst kahlen, etwas undeutlicher bespitzten Früchtehen. Im Gegensatz zu dem Tümpel, Gräben und überhaupt stehende Gewässer liebenden T'ypus der Art findet ‚sich diese bemerkenswerthe Varietät mehr in fliessendem Wasser, selbst in reissenden klaren Bächen. Zuerst 1854 in einem schnell fliessenden Bache um Klein-Rake bei Breslau von mir gefunden, damals irrig für eine Varietät des R. /luitans gehalten; hier eine robustere grosse Form mit stark verlängerten Internodien. Ausserdem von Fritze um Rybnik bei Czernitz und in der Ruda bei Paruschowitz, sowie um Miedar bei Tarnowitz beobachtet; namentlich stellen die Exemplare von letzterem Standorte diese Varietät sehr ausgeprägt dar, die übrigens trotz ihres abweichenden Aussehens mit der Grundform durch evidente Zwischen- glieder eng verbunden ist.

Fumaria Schleicheri Soyer-Willem. (teste el. Haussknecht) = F. acrocarpa Petermann (F. Wirtgeni autor. nonnull. nec Koch). Auf Aeckern des Thonmergel- und Kalkbodens, oft in Gesellschaft von F. Vaillantii Lois. und bisher meist mit dieser Art bei uns verwechselt, der sie näher kommt als der F. officinalis. Sie unterscheidet sich gleichwohl durch die grösseren und langgespitzten Kelchblätter, durch die dunkel rosafarbenen, nie bleichen Kronen mit verschmälerter, etwas längerer Röhre und durch die zwar kugeligen, aber selbst gegen die Reife noch deutlich kurz- gespilzten Schötehen. Namentlich kenntlich aber ist die F. Schleicheri durch die verlängerten; schlanken, gegen die Spitze hin kaum verdicekten Fruchtstiele, welche das zugehörige Deckblättehen drei- bis viermal an Länge übertreffen. Auch ist das Laub zarter und minder blaugrün, we- nigstens bei den Exemplaren der Breslauer Gegend. Bisher beobachtet in der centralschlesisehen Ackerebene südlich von Breslau, hier, wie es scheint, häufiger als F. Vaillantü, bis jetzt bei Magnitz und Koberwitz 4 (Uechtritz 1854 als F. Vaillantii), bei Koberwitz auch später von Engler 6 sefunden, der sie im Jahresbericht von 1864 als F. Wirtgeni aufgeführt & hat, sodann fast in derselben Gegend bei Wirrwitz (H. Heidenreich), Ausserdem um Oppeln (Grabowski im Herb. Sonder als F. Vaillantii, teste Haussknecht), z. B. am Moritzberge und an der Strasse nach Schulenburg, meist mit der dort sehr häufigen F. Vaillantii (Uechtritz).

Stiellaria crassifolia Ehrh. Im Torfmoor südlich vom Fuchs- berge bei Quaritz zwischen Gross-Glogau und Sprottau (,„Sprottebruch“) mit Betula pubescens und Carex dioeca, schon 1849 von Lothar Becker entdeckt, Vermuthlich noch an anderen Punkten der ausgedehnten Prim-

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der Schles. Gesellsehaft £f. vaterl. Cultur. 141

kenauer Brüche und überhaupt wohl noch an ähnlichen Localitäten des nordwestlichsten Gebietes.

Epilobium Krausei Uechtr. (alsinaefolium >< palustre?) Am kleinen Teiche im Riesengebirge (Krause, im Herb. der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur).*)

E.roseum Schreber var. angustifolium Uechtr. Blätter schmal länglich-lanzettlich bis schmal-lanzettlich, bei 4—6 Deeim. Länge etwa 6—12 mm breit, am Grunde mehr oder weniger lang in den Blattstiel verschmälert. Unter der Grundform auf Gartenland der Ohlauer Vor- stadt in Breslau; aus Samen gezogen erhielt sich diese Varietät voll- kommen unverändert.

Libanotis sibirica (©. A. Meyer (L. intermedia Ruprecht). Von Fritze schon 1872 auf den Dolomithügeln zwischen Imielin und Dzieckowitz südlieh von Myslowitz gefunden, unter L. montana und mit deutlichen Uebergängen zu dieser, daher sicher nur ihre osteuropäische Localform. (Westlinie von Westpreussen (Weichselgebiet), durch: Posen, das süd- östliche Oberschlesien nach Mähren, hier im südöstlichen Landestheile, 2. B. um Ceid, von mir nicht selten bemerkt, neuerlich auch in Böhmen.

Hieracium Pilosella L. var. niveum J. Müller Aargov. Zwer- gig; die Blätter unterseits dicht weissfilzig, oberseits stark borstig, Köpfe 3—4mal kleiner als beim Typus, zu dem sich indessen Uebergänge finden. Mit der Originalpflanze vom Schlosse Tourbillon bei Sion übereinstimmend bei Obernigk am Pilz in den Sitten (Uechtritz). Die Bestimmung verdanke ich der Güte des Prof. E. Fries.

H. aurantiacum >< Pilosella (H. Moritzianum Hegeischw. et Heer, H. Sauteri Schz. Bip.; H, Hausmanni Rehb. fil., H. versicolor Fr., aber nicht H. stoloniflorum W. K., wie Nägeli, Neilreich und Rehmann wollen; dies letztere ist entweder eine rothblühende Form des H. stoloniflorum Fr. (ex p.), Wimmer (H. flagellare autor. recent.)**) oder ein Bastard dieser Art mit H. aurantiacum; vergl. Oestr. bot. Z. 1873 Nr. X... Nach einer münd- lichen Mitiheilung meines seligen Freundes Ritschl schon früher einmal von ihm in Gesellschaft Wimmers auf den Saalwiesen bei Landeck ge- funden; neuerlich (August 1873) von Trautmann in zwei Exemplaren in der Kesselgrube des Riesengebirges unter den Eltern. Unsere Pflanze ist

*) Ueber dieses und E. scaturiginum Wimmer ist Ausführlicheres in der Oestr. bot. Zeitschrift (XXIV. Jahrgang p. 241) berichtet worden.

*#) Ob auch Rchb. fl. saxon. ist mir noch zweifelhaft, denn Rchb. fil. (Icon. tab. 110) bildet als H. stoloniflorum Wk. eine offenbar hybride Form ab, allem An- schein nach H. pratense > Pilosella; auf dieses bezieht sich wohl auch die auf p. 54

, gegebene Diagnose, bei welcher unter den Synonymen AH. flagellare Rehb. fl. sax. ' eitirt wird. Bei den Standorten werden beide Pflanzen vermengt; so beziehen ' sich z. B. die schlesischen Fundorte auf die richtige Species, nicht auf den Bastard.

149 Jahres- Bericht /

niedrig, 1,5 —2,0 Dem. hoch, am Grunde mit verkürzten oder wenig ver- längerten, denen des Il. Pilosella ähnlichen oberirdischen Läufern; Stengel in der unteren Hälfte einblätterig, ein- bis zweiköpfig, mit genäherten kurzgestielten Köpfen; die Bekleidung aus zahlreichen langen weisslichen, am Grunde schwarzzwiebeligen, etwas weichen Borsten und kurzen, gegen die Spitze des Stengels hin ziemlich diehten grauen Sternhaaren gebildet, denen oberwärts zugleich kurze schwärzliche Drüsenhaare beigemengt sind. Blätter lanzettlich, spitzlich, von der Färbung derer des H. aurantiacum, beiderseits und am Rande mit zerstreuten längeren weissen Borstenhaaren, unterseits zugleich ‚mit lockerer Sternhaarbekleidung; die jungen Blätter unterseits nicht selten ziemlich dieht weissgrau-filzig, doch wird später die Bekleidung lockerer und die Blätter erscheinen beiderseits grün. Köpfe fast von der Grösse derer des H. Pilosella. Hüllblätter spitz, schwärz- lich, die inneren mit breiterem, blassgrünem Rande, ziemlich dieht von längeren weisslichen Haaren rauhhaarig, mit eingestreuten kurzen schwärz- lichen Drüsen und spärlichen Sternflocken. Die äusseren Zungenblüthen intensiv roth, die inneren dunkel orangegelb.

H. argutidens Nägeli (H. ramosum der früheren Münchener Flo- risten, nicht W. et Kit). Am Költschenberge bei Schweidnitz von F. Peck als H. vulgatum? mitgetheilt; mit der Münchener Originalpflanze der Haupt- sache nach übereinstimmend, übrigens wie diese selbst vielleicht noch in den Formenkreis des polymorphen H. vulgatum zu verweisen und wahr-

scheinlich häufiger im Gebiete. Stengel bei der schlesischen Pflanze

spärlich behaart oder fast kahl, am Grunde mit 4—6 eine Rosette bil- denden Blättern, ausserdem zerstreut beblättert, meist 2- bis 3blätterig.

Blätter oberseits lieht grün, sehr zerstreut behaart oder fast kahl, unter-

seits blasser, weichhaarig, am Mittelnerv mit stärkerer Bekleidung und öfter fast zottig, länglich oder länglich-lanzeitlich, mit zahlreichen (6—8) fast gleich grossen, an der Spitze schwarzdrüsigen, ziemlich spitzen Zähnen; die unteren Blätter in einen kurzen, meist zottigen Stiel verschmälert, 5—6 cm lang, 1,5—2 cm. breit. Blüthenstand armköpfig - rispig; Köpfehenstiele ziemlich kurz (2—3 em lang), weissgrau-filzig, meist drüsenlos. Hüllblätter mit kurzen schwarzen drüsenlosen (oder nur schwachdrüsigen) und eingemischten weissgrauen Härchen, spitz, vor dem Aufblühen das Köpfchen merklich überragend.. Zungenblüthen kall, intensiv goldgelb. Griffel trübe russfarben.

Orobanche procera Koch (O. Cirsü Pr., O. pallidiflora ß Cirsü

Ascherson Fl. von Brandenbg.). Landeshut: auf Cirsium palustre im Reussen- dorfer Forst in einem Thälchen auf feuchtem Waldboden einer jungen noch sehr grasreichen Fichtenpflanzung in etwa zwei Dutzend Exemplaren von Conreetor Höger Ende Juni 1873 meist verblüht aufgefunden. Unsere Pflanze, welche ich durch den Entdecker lebend erhalten habe, ist mit der pommerschen und preussischen vollkommen identisch und stimmt

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der Schles. Gesellschaft f. vaterl. Cultur, 143

auch mit den Beschreibungen gut überein, bis auf die auf dem Rücken nicht violette oder röthliche, sondern (wohl in Folge des sehr schattigen Standortes!) einfarbig blass-ochergelbe Blumenkrone. Nach Caspary’s Ansicht wären diese und O. pallidiflora W. ei Gr. vielleicht identisch, aber die Beschreibung und der abweichende Standort der letzteren (Ackerland in waldloser Gegend) sprechen nicht zu Gunsten dieser Annahme. Leider ist das Original-Exemplar von Koberwitz bei Breslau im Wimmer’schen Herbar nieht mehr vorhanden und die Pflanze in neueren Zeiten dort nicht wieder beobachtet worden, denn dass die von Scholtz für O. pallidiflora gehaltene Orobanche von Gurwitz bei Br. nichts weiter als eine bleich- und lockerblüthige Form von O. Galü ist, habe ich bereits früher gezeigt. Bueks O. palhdiflora von Frankfurt a. O. scheint von O. Cirsü Fr. ver- schieden und daher möchten beide Pflanzen mindestens mit Ascherson als Varietäten einer Art aufzufassen sein, der alsdann der Name O. pallidiflora W. et Gr. als der älteste gebühren würde.

Veronica anagalloides Guss. 8 dasypoda Uechtr. Stengel am Grunde von etwas gekräuselten drüsenlosen Haaren kurzzottig, oberwärts kahl. Die Blüthenstiele, Kelehe und Kapseln zerstreut mit drüsentragenden feinen Härchen bekleidet, wie bei der typischen Form. Mit dem Typus um Nittritz bei Grünberg (Hellwig). Die lockereren Fruchttrauben, die zur Zeit der Fruchtreife am Grunde fast wagerecht abstehenden oder wenigstens aufsteigenden, nicht wie bei V. Anagallis mehr oder weniger aufrecht unter spitzeem Winkel abstehenden Blüthenstiele und die den Kelch merklich überragenden rundlich.elliptischen,*) seltener elliptischen, an der Spitze vor dem Aufspringen nur undeutlich ausgerandeten Kapseln bieten gute zur Trennung der Y. anagalloides von V. Anagallis vollkommen geeignete Merkmale, während das Vorhandensein oder Fehlen der Drüsen- bekleidung keineswegs constant ist. So fand ich einmal an einem Acker- graben bei Brocke unweit Breslau zahlreiche ungewöhnlich hohe und üppige zu V. Anagallis gehörende Exemplare mit durchweg zerstreut drüsenhaarigen Blüthenstielen und aus Belgien und England habe ich sogar Exemplare der V. Anagallis mit drüsigen Blüthenstielen, Kapseln und Kelchen gesehen (hierher gehört V. anagalliformis Borean ji. du Centre II p. 489, in adnotatione),;, umgekehrt findet sich nach Gussone

*) Die schlesische V. anagalloides, obwohl unbedingt von V. Anagallis L. verschieden und in allen übrigen Stücken mit der südeuropäischen Pflanze völlig übereinstimmend, zeigt im Gegensatze zu letzterer, deren Kapseln oft länglich- elliptisch sind, meist nur rundlich-elliptische, oft selbst fast abgerundete und in dieser Hinsicht alsdann denen der V. Anagallıs fast gleiche, aber stets den Kelch merklich überragende, minder deutlich ausgerandete Kapseln. Die Form der Kapsel scheint also nicht charakteristisch für diese Art, so wenig wie die drüsige Bekleidung.

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V. anagalloides auch in einer drüsenlosen Form. Uebrigens existirt auch von V. Anagallis eine der oben beschriebenen Varietät der V. anagalloides ganz analoge Abart dasypoda, die ich ebenfalls in keiner der vielen von mir deshalb zu Rathe gezogenen Floren erwähnt finde. Ich habe die- selbe einmal zahlreich an der Margarethenmühle in Breslau gefunden und von Dr. Engler wurde sie im Strassengraben zwischen Breslau und Gross- Mochbern beobachtet. |

Ausserdem wurden die bei uns noch nicht beobachteten Südenropäer Ammi majus L. und Helminihia echioides Gärtn. im Gesellschaft von Centaurea solstitialis inn September-1872 von Dr. Schumann auf Luzerne- feldern um Ernsdorf bei Reichenbach eingeschleppt gefunden. Desgleichen im November 1873 die nordamerikanische, in Deutschland schon mehr- fach beobachtete, aber irig für A. maritima L. gehaltene Ambrosia artemisiaefolia L. auf Kleestoppelfeldern bei Szezepanowitz vor Oppeln (J. Plosel).

Dagegen ist eine früher (von Wimmer im Jahresbericht der vaterl. Gesellsch. 1859 p. 29) als schlesische Pflanze bekannt gemachte Art vor- läufig wieder aus unserer Flora zu streichen, nämlich Ajuga pyrami- dalis L., indem die damals (18. October 1859) von Hilse im Ziegen- srunde bei Strehlen gefundene Ajuga nach Ausweis des im Wimmer’schen Herbar aufbewahrten Original-Exemplars nur zu den öfter im Herbste vereinzelt zur Blüthe gelangenden Nachwuchs-Individuen der A. genevensis gehört.

B. Neue Fundorte.

Pulsatilla patens Mill. Beuthen a. O.: mit P. vernalis in der

Haide bei Hohenborau (Hellwig), der erste Standort für den Reg,-Bezirk Liegnitz. Arabis hirsuta A Strehlen: Gebüsche bei Pentsch (Kabath). Cardamine amara L. subsp. multijuga Uechtr. (forma hir- suta) 0. Opieü Presi fl. cech. &; C.. amara y subalpina Koch. Brunnen-

berg im Riesengebirge 1361 (Junger), übrigens schon in früheren Zeiten

ebendort von Opiz gefunden, also nicht, wie man bei uns allgemein an- nahm, auf die Ost-Sudeten beschränkt. Mir selbst ist dieser Standort noch 1872 unbekannt gewesen, wo ich über die C. Opicü im XIV. Jahrgange

der Verhandlungen des bot. Vereins für die Provinz Brandenburg Aus-

führlicheres berichtet habe. Im Riesengebirge findet sich die Pflanze im Gegensatz zu den Ost-Sudeten in einer schon den Brüdern Presl bekannten, aber später vernachlässigten ganz kahlen Form (C. crassifolia Opitz), die von der gewöhnlichen ©. amara sofort durch die grössere Zahl der Blättehenpaare zu unterscheiden ist und auf die erst neuerdings fast gleieh- zeitig mit mir Prof. Celakowsky aufmerksam gemacht hat. Diese nament-

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der Schles. Gesellschaft f. vater]. Cultur. 145

lich im Bache bei der neuen schlesischen Baude mit Rumex alpinus, am Brunnenberge etc. Der Angabe Wimmer’s, dass Nasturtium offieinale am Planurberge im Riesengebirge vorkommen soll, liegt nach Ausweis seines Herbars eine Verwechselung mit Cardamine amara zu Grunde.

+ Rapisirum rugosum All. Das ehedem von Rupp an den Schweidnitzer Festungswerken gefundene Rapistrum gehört nach einem

Original-Exemplare zu dieser, in neueren Zeiten in Nord- und Mittel-

Deutschland bisweilen verschleppt beobachteten Art, nicht zu R. perenne All., wie von Anderen angegeben wurde.

Viola sepincola Jordan? Grasgärten in Proskau und Jaschkowitz, Kr. Oppeln (Stein). Die Pflanze von hier mit schwachem, aber deutlichem Wohlgeruch, doch sonst im Ganzen mit den Exemplaren von anderen schlesischen Standorten ziemlich übereinstimmend. Sommerblätter und Kapseln des Proskauer Veilchens habe ich nicht: gesehen.

+ V. cyanea Celak. Dieses früher von mir für V. suavis M. B. genommene, in den Vorstädten Breslaus und in einigen Dörfern der nächsten Umgebung mitunter völlig eingebürgerte Veilchen fremden Ur- sprungs, welches hier auch nicht selten in Gärten gebaut wird, ändert, wie ich mich im Sommer 1573 mehrfach überzeugt habe, mit schwach und unregelmässig pubescirenden Kapseln ab. Für gewöhnlich sind sie im Gegensatz zu denen der verwandten, aber schon durch die dunkle Blüthenfarbe von Weitem unterscheidbaren V. odorata völlig kahl.

Elatine Alsinastrum L. Grottkau: Parkteich von Koppitz (J. Plose)).

7 Malva moschata L. Eingeschleppt mit Luzerne um Gültmanuns- dorf bei Reichenbach und zwischen Gräben und Günthersdorf bei Striegau 1873 (Dr. P. Schumann).

Ononis spinosa L. fl. albo. Wegränder bei Falkenberg (J. Plosel).

Medicago minima Bartalini var. brachyodon Rchb. forma pubescens Webb. (teste cl. Urban in litt.), eine seltene, bei uns noch nicht beobachtete Abaıt mit kleineren, meklich kürzer bedornten Hülsen, bei Grünberg an Abhängen im Mangschthale (Th. Hellwig).*)

Potentilla silesiaca Uechtr. Grünberg: sonniger Abhang an der Lawaldauer Chaussee (Hellwig).

+ Spiraea tomentosa L. Torfstiche bei Falkenberg zahlreich ver- wildert (J. Plosel). Zu dieser aus Nordamerika stammenden, leicht kennt- liehen Art gehört übrigens auch die früher von Baenitz um Görlitz eben- falls auf Torfstichen verwildert beobachtete und irrig für 8. Douglasii Hooker ausgegebene Pflanze.

Circaea intermedia Ehr. Grünberg: schattiges Bachgemäuer bei der Hummelmühle (Hellwig).

*) Dort selten und 1874 nach der Mittheilung des Finders nicht bemerkt; am Damrauer Berge die typische Form. 10

146 Jahres - Bericht

Scabiosa suaveolens Desf. Wittgenauer Berge bei Grünberg und Waldhügel der Lippner Haide bei Deutsch-Wartenberg (Hellwig). Polk- witz: Waldwege gegen Neudeck (Lothar Becker).

Inula hirta L. Bremberg bei Jauer spärlich (Lehrer Scholz).

Helichrysum arenarium DC. forma leucocephala (Hüllblätter blass gelblich-weiss, fast weiss). Breslau: am Rande des Mirkauer Busches 1872 (Dr. P. Schumann).

Cirsium lanceolatum Scop. var. C.nemorale Rehb. Auf Hauen am Buch- und Storchberge bei Görbersdorf (Strähler).

Centaurea austriaca W. (Ü. phrygia L. vera). Wiesen am Geiers- berge bei Tampadel, eine schmalblätterige Form (Kabath). Auf diese Art bezieht sich vielleicht die ältere Angabe, dass C. phrygia aut. germ. (C. pseudophrygia C. A. Meyer) am Geiersberge vorkommen soll.

+ C. solstitialis L. Reichenbach: auf einem Luzernefelde zwischen Ernsdorf und Bertholsdorf 1872 (Dr. Schumann). Vergl. oben.

Crepis setosa Hall: fil. Reichenbach: eingeschleppt mit Luzerne bei Gültmannsdorf 13873 (Schumann).

Hieracium pratense >< stoloniflorum. Schweidnitz: Weg nach Nieder-Grunau unter den Eltern (F. Peck).

H. gothicum Fr. Aupengrund am Fusse der Koppe (Trautmann).

H. riphaeum Uechtr. Melzergrund (Zimmermann), also auch auf der schlesischen Seite des Riesengebirges.

H. albinum Fries. Am Krkonos im Riesengebirge (Aseherson). In der kleinen Schneegrube, dem Knaf’schen Original- Standorte,“ neuer- dings mehrfach, u. a. von Trautmann, wiedergefunden.

Campanula Trachelium L. forma parviflora (Kronen bei 12 bis 15 mm Länge etwa 10—12 ınm breit). Schweidnitz: häufig auf der Promenade (F. Peck). E

Lithospermum arvense L. floribus caerulescentibus (da ‚per- mixtum Jordan). Grünberg: Aecker des Marschfeldes (Hellwig). Ueber- haupt, wie es scheint, im nördlichen Schlesien und in den angrenzenden N Theilen der Provinzen Posen und Brandenburg ziemlich verbreitet, um i Breslau dagegen selten und vereinzelt, z. B. bei Lissa (Schummel), Dürrgoy (Ueehtritz).

Solanum miniatum Bernh. Reichenbach (Schumann).

Linaria genistifolia Mill. In einer Sandgrube bei Königszelt (Lehrer Scholz), hier wohl nur von Striegau aus verschleppt. |

Veronica opaca Fr. Görbersdorf, auf Krautfeldern (Strähler). Bei uns, wie es scheint, häufiger im Vorgebirge als in der Ebene, wo sie die bei Weitem seltenste Art der Agrestes ist. #

+ Mimulus luteus L. Schweidnitz: an der Weistritz zwischen Kroischwitz und Polnisch-Weistritz (F. Peck).

der Schles. Gesellschaft f. vater]. Cultur. 147

Lindernia pyzidaria All. Im verflossenen Spätherbst ungewöhn- lich zahlreich und zum Theil in sehr kräftigen Exemplaren an der Oder bei Zedlitz bei Breslau (U.).

Euphrosia caerulea Tausch (E. majalis Jordan teste Junger, BE. Uechtritziana Junger et Engler). Görbersdorf: an einer einzigen Stelle am Wege nach dem Storehberge (Strähler).

Lamium maculatum L. fl. albo. Schweidnitz: an der Peile vor Nitschendorf (F. Peck).

Utricularia minor L. Rybnik: blühend im Niedobschützer Dort- teiche (Stein).

Alnus glutinosa > incana Krause (A. pubescens Tsch.). Görbers- dorf: am Mühlgrunde bei Gotischalls Ruhe und am Buchberg - Erlicht (Strähler).

Salix myrtilloides L. Friedland: in einem kleinen Bergtorfuoor rechts vom Merkelsdorfer Wege gegen die Rosenberge mit 8. aurita und S. repens (var. incubacea et var. argentea) in zwergigen, wie es scheint nicht blühenden Sträuchern (Fick).

8. aurita >< myrtilloides Wimmer. In mehreren Formen mit der vorigen; ebendaselbst scheinen nach Fick auch Bastarde von S. myr- üülloides und S. repens vorzukommen.

S. aurita > repens Wimm. 2 Buchbergwiesen bei Görbersdorf (Strähler).

S. Caprea >= silesiaca Wimm. 2 Ober-Reimswaldau bei Char- loitenbrunn am Viebigwege gegen den Buchberg, dann gegenüber dem Zuckerberge am Ende’schen Feldwege (Strähler).

S. aurita > silesiaca Wimm. © Ober-Reimswaldan, an der Dorf- strasse, dann am alten Viebigwege gegen den Buchberg und am Ende- schen Raine gegenüber dem Zuckerberge (Strähler).

8. aurita >= Caprea Wimm. 2 Görbersdorf: unter den Eltern am Waltersdorfer Kirchsteige (Strähler).

S. aurita >< cinerea Wimm. 2 Görbersdorf, ein starker Strauch an Scholzbauers Graben gegen den Storchberg (Strähler).

- 8. einerea >< viminalis Wimm. 2 Am Seidel’schen Mühlwehre bei Niederwaltersdorf bei Friedland mehrere Sträucher (Strähler).

Typha angustifolia i ß T. elatior Bönningh. (T. gracilis Rehb.

nec Jordan). Männlicher und weiblicher Blüthenstand durch ein ziemlich

gestreektes Internodium getrennt, der letztere sehr verlängert, oft schmäler

als der männliche (bei den extremsten Individuen bei 2 Dem. Länge kaum

4 mm breit!). Blätter sehr schmal, nur 3—5 mm breit, aussen nur schwach

eonvex, innen flach. Dabei die ganze Pflanze oft ebenso robust als die 10*

148 Jahres - Bericht

typische Form; habituell sehr ausgezeichnet; -—- Mirkau bei Breslau en, Uechtritz), Falkenberg: Teiche bei Ellgut-Tiliowitz (J. Plosel).

Allium Scorodoprasum L. Breslau: sparsam in Gebüschen an der Oder vor der Gröschelbrücke (Kabath).

Muscari comosum Mill. Breslau: zahlreich auf trockenen Wiesen des Oderalluviums hinter Ransern (Kabath), ein ungewöhnliches Vor- kommen dieser bei uns fast ausschliesslich sandiges Culturland liebenden Pflanze.

Juncus effusus > glaucus Schnitzlein et Frickh. (I. diffusus Hoppe). Schweidnitz: an der Weistritz hinter der Eisenbahnbrücke bei Kroischwitz (F. Peck). Die Exemplare von hier zeigen lichter braune, kaum glänzende, zum Theil selbst matte Blattscheiden, einen mit ununter- brochenem Marke erfüllten liehter grünen und wie bei J. effusus fein ge- rillten Halm, viel lichter gefärbte Perigone, kurze, breit eiförmige, plötz- lich gespitzte Vorblätter und stehen somit im Gauzen dem J. effusus näher, während die von anderen schlesischen Standorten weit mehr dem J. glaueus zuneigen, obwohl das Mark des Halmes auch bei diesen zumeist ununter- brochen oder nur schwach und unregelmässig unterbrochen erscheint.

Carex atrata L. var. CO. aterrima Hoppe. Melzergrund (Zimmer- mann), übrigens schon von Celakowsky von mehreren Standorten aus dem Riesengebirge im Prodromus seiner böhmischen Flora aufgeführt. (Zuerst in den Sudeten von A. Winkler im Kessel des Gesenkes unterschieden.) Ist ohne Zweifel nur Varietät von C. atrata, da sich deutliche Zwischen- formen finden. Bei uns scheinen Exemplare, bei denen sämmtliche Charaktere der C. aterrima vereinigt sind, namentlich solche mit ober- wärts ausgeprägt rauhem Halme, wie sie in der. Alpenkette und in den Central-Karpathen häufig vorkommen, im Ganzen selten; häufiger sind die mit breiteren, durchaus braunschwarzen Deckschuppen und dem Habitus der ©. aterrima, aber glattem oder doch nur sehr undeutlich rauhem Halme, also die Uebergangsform (C. sudetica Opiz2).

C. pulicaris L. Grünberg: Steimbach’s Vorwerk (Hellwig).

Koeleria glauca DC. Rohrbusch bei Grünberg (Hellwig); nach Kabath auch am Pitschenberge gesen Ingramsdorf. |

Calamagrostis stricta Nutt. Häufig im Primkenauer Bruche bei Krampf, Pudel, Kosel und Quaritz (schon 1849, Lothar Becker). He:

Avena praecox PB. Lippener Haide bei Deutsch - Wartenberg u (Hellwig). 7

Aspidium Braunii Spenner. Klessengrund am Glatzer Schnee- berge mit A. lobatum sparsam (J. Plosel). #

Asplenium Adiantum nigrum L. var. argutum Kaulfuss (teste | Milde). Reichenbach: Serpentinfelsen bei Steinkunzendorf im Eulengebirge mit A. Serpentini und A. adulterinum (Dr. Schumann). Unter den vom Finder mitgetheilten prachtvollen Exemplaren fand sich auch ein jeden- \

der Schles. Gesellschaft £, vaterl, Cultur. 149

falls zur. Subspeecies Onopteris Heufler gehöriger Wedel mit aus- gezeichnet entwickelter Spreite und verhältnissmässig kurzem Wedelstiel, vermuthlich das A. davallioides Tausch.

Lycopodium complanatum L. var. L. Chamaecyparissus 4. Braun. Oppeln: Wälder um Kupp mit der Grundform (Petri und M. Firle).

Beim Abdruck des Berichtes für 1872 haben sich einige störende Druckfehler eingeschlichen, die hiermit verbessert werden. Bei Petasites

officinalis var. fallax m soll es heissen statt Kronen. .... blaurosa: blassrosa, ebenso bei Cirsium acaule > lanceolatum Näg. statt schwache....spinnwebige Hüllen: schwach sp. H.; statt Drosera

angliea et rotundifoha: D. anglica >< rotundifolia. Bei Gentiana germanica für auf dürren Wurzeln: auf dürren Hügeln. Endlich ist bei den Standorten des Ornithogalum tenuifolium Guss. zu lesen: Kupferberg bei Danckwitz statt Danckerith; die Pflanze von diesem Standorte gehört in der That, wie ich mich später in meiner Sammlung überzeugt habe, zu der Gussoneschen Art, nicht zu ©. umbellatum L. O. nutans L., welches in Wimmer’s Flora von Schlesien (3. Ausgabe) p. 118 dort angegeben wird, findet sich nicht an jenem Standorte, son- dern eben nur. O. tenuifolum Guss. und ist jener Angabe ein Schreibfehler des Finders zu Grunde liegend gewesen.

Hieran schliessen sich folgende als im Jahre 1874 aufgefundene oder unterschiedene, für Schlesien neue Arten oder Varietäten: ”)

1) Rosa alpina >< tomentosa Strähler. Ein kräftiger Strauch bei Görbersdorf gegen den Storehberg (Strähler). Im Gegensatz zu den früher z. B. bei Schmiedeberg beobachteten Formen, deren hybride Natur fraglich ist, scheint die Görbersdorfer Rose in der That, wie schon der Finder richtig erkannt hat, ein echter Bastard. Ueber diese und ihre Beziehungen zu den verwandten Rosenformen wurde vom Vortragenden ausführlicher berichtet; er hält sie für identisch mit R. vestita Godet.

2) Epilobium Lamyi F. Schultz. Hinterbusch bei Friedland (Fiek.), eine früher nur aus westlicheren Gegenden bekannte, mit E. ad- natum Grisebach (E. tetragonum autor.) und E. virgatum Fr. verwandte Art, die später von Ref. für das südliche Scandinavien nachgewiesen wurde, aber auch dem östlicheren Centraleuropa nicht fehlt, wie der vor einigen Jahren durch Celakowsky erfolgte Nachweis ihrer ziemlich ausgedehnten Verbreitung im nördlichen Böhmen darthut, mit welcher der oben er- wähnte erste schlesische Standort in offenbarem Connex steht.

3) Hieracium ex affinitate H. prenanthoidis. Eine noch weiter zu prüfende, jedenfalls für unser Gebiet neue Form vom goldenen Reh-

*) Mitgetheilt in der Sitzung vom 11. Februar 1875.

150 Jahres - Bericht

horn bei Schatzlar im böhmischen Riesengebirge (Höger). Habituell fast zwischen II. prenanthoides und H. golhicum Fr. stehend. |

4) H. salicifolium Fries. (!) Eine die echten Prenanthoidea mit der Gruppe der Foliosa verbindende ausgezeichnete, bisher nur aus dem süd- lichen Norwegen bekannte Art, die sich am meisten an H. corymbosum Fries anschliesst, von welcher sie jedoch durch Blattform und bleiche Achänen ete. leicht zu unterscheiden ist. An Basalt der kleinen Schnee- grube (Stein) und in der Melzergrube des Riesengebirges (Höger).

5) Antirrhinum Oroniium L. var. parviflorum Lange. Breslau: Felder um Woischwitz (Uechtritz) und um Peterwitz bei Strehlen (Hilse).

6) Panicum sanguinale L. foliis variegatis. Der Phalaris arundinacea picla ete. analoge Form auf Gartenland am Lehmdamm (Junger).

Von neuen Fundorten interessanterer Arten oder Varie- täten sind unter anderen zu erwähnen: Cardamine amara L. var. C. Opizii Presl. Landeck: Ufer der weissen Biele am Formberge (J. Zimmermann). Lepidium Draba L. Schweidnitz: beim nörd- lichen Viaduet (F. Peck), jedenfalls nur zufällig eingeschleppt. Viola pumila Chaix (V. pratensis M. et K.) var. fallacina Uechtr. Wiesen um Falkenberg in Oberschlesien zugleich mit einer Bastardform mit V. canına (CV. canina >< pumila Uechtr.) von J. Plosel gefunden. Diantihus Armeria >< deltoides Lasch. Schedlau bei Falkenberg

(derselbe), Alsine viscosa Schreber var. glabra Marsson,

Schlawa (Limpricht), Fasanerie bei Grünberg (Th. Hellwig). Nicht mit A. tenuifolia Whlg. zu verwechseln, wie dies in N.-O.-Deutschland öfter

zu geschehen pflegt. Cerastium brachypetalum Desp. Bremberg

bei Jauer (F. W. Scholz). Ulex europaeus L. An einer bewaldeten Berglehne bei Oberweistritz bei Schweidnitz (K. G.-Director F. Peck), hier sicher nur gepflanzt, wie nach Mittheilungen J. Plosels bei Ottmachau, Trifolium striatum L. Wilhelmshöhe bei Bolkenhain mit Potentilla

inclinata (B. Fick), Sorbus torminalis Crantz. Jauer: Janusberg

und Breiterberg bei Klonitz, hier auch blühende Bäume (J. Zimmermann). . Epilobium Dodonaei Vill. Neisse-Ufer bei Patschkau (E. Fick). Scabiosa lucida Vill. Tössthal im Gesenke (J. Plosel). Matricaria discoidea DC. Reichenbach (Dr. Schumann). Hieracium pratense > stoloniflorum. Wiesen im Freudengrunde bei Görbersdorf (Strähler).

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EEE

Hieracium gothicum Fr. Langer Berg bei Donnerau (Firle),

Raspenau bei Friedland (E. Fick), Rehhorn bei Schatzlar häufig (Höger); von sämmtlichen Standorten mehr oder weniger typische Formen. H. corymbosum Fr. var. pachycephalum Fries (in lit.). Im Gesenke auf der Janowitzer Haide und im Kessel (E. Fick). H. inuloides Tausch var. angustifolium. Altvater (Fick), eine merkwürdige in

die analogen Formen des H. corymbosum, wie es scheint, übergehende,

der Schles. Gesellschaft f, vater. Cultur. 151

von dem nordischen H. crocatum weitaus verschiedene Varietät. H. floribundum >< Pilosella (forma). Rothkretscham bei Breslau (Uechtritz), entstanden aus H. Pilosella und H. floribundum var. pseudo-pratense Uechtr., einer üppigeren, höheren und langblätterigen, minder blaugrünen, dabei stärker behaarten, habituell an A. pratense erinnernden, aber dureh ‚die licehtgrünen Hüllen ete. leicht von diesem zu unterscheidenden Varietät des H. floribundum, die in hiesiger Gegend nicht selten ist. H. glo- meratum Fr. Moisdorf bei Jauer (F. W. Scholz). H. poliotrichum Wimmer. Jauer: Bremberg (F. W. Scholz), Moisdorfer Schlucht selteu (J. Zimmermann). Campanula Rapunculus L. Loos bei Grünberg (Th. Heliwig); €. Trachelium var. parviflora. Görbersdorf (Strähler). Pyrola media Sw. Bolkenhain: Laubberg bei Gräbel (E. Fick). Pulmonaria angustifolia >< officinalis Krause. Bremberg bei Jauer (F. W. Scholz). Scrophularia Scopolii Hoppe. Saalwiesen bei Landeck (J. Zimmermann), neu für die Grafschaft Glatz; das west- lichste Vorkommen dieser südöstlichen Art in den Sudeten. Veronica prostrata L. Friedland: an Rainen zwischen der Kolberei und Göhlenau (E. Fiek); eine bei uns äusserst seltene Art, die im Zeiskengrunde bei Freiburg, wo sie Langner entdeckte, neuerlich nicht wieder aufgefunden scheint. Orobanche Cirsii Fries, die erst 1873 bei Landeshut von Höger für unser Gebiet entdeckt wurde, ist 1874 bereits von H. Fick (sen.) im Bienwalde bei Bolkenhain und zwar zahlreich auf Cirsium oleraceum und C. palustre schmarotzend gefunden worden. Utricularia neglectia Lehm. Rybnik: um die Rudamühle (Fritze). Aristolochia Clema- titis L. Bolkenhain: am Ufer der wüthenden Neisse bei Rohnstock, zuerst von Dr. Schumann aus Reichenbach dort gefunden; vielleicht nur aus dem dortigen Schlossgarten, der in der Nähe des Standortes gelegen ist, früher verwildert; nach mündlicher Mittheilung Kabath’s auch bei Habelschwerdt und zwar zahlreich und allem Anschein nach völlig wild beobachtet. Thesium pratense Ehr. Landeshut: am Hochwalder Berge, wo diese in den Sudeten sehr seltene Art von Krause entdeckt wurde, nach Höger jetzt sehr spärlich, dagegen noch an einem weiteren Standorte bei Haselbach aufgefunden. Salix caprea >= silesiaca Wimm. 5 Liebau: an einem Feldwege unter dem SW.-Abhange des - Einsiedierberges (Höger). 8. cinerea = silesiaca Wimm. 2 Reinerz: Weistritzufer bei der Eisenschmelze (E. Fick), ein äusserst seltener Weiden- Bastard.. Muscari comosum Mill. Neumarkt: sehr zahlreich auf einem Kartoffelfelde (Klimke), überhaupt im westlichen Theile der mittel- schlesischen Ebene weit verbreitet, aber die Oder gegen N. wenig über- ‚schreitend und hier die Nordgrenze seiner Gesammtverbreitung findend. Carex Ohmülleriana O. F. Lang (brizoides >< remota). Rybnik: unter den Eltern in Gebüschen der Nacinnawiesen, der dritte schlesische Standort (Trautmann). CO. leporina var. argyroglochin. Heidelberg

152 Jahres - Bericht /

bei Görbersdorf (Strähler). Aspidium eristatum Sw. Falkenberg: beim Fasanhause in Erlbüschen (J. Plosel), A. lobatum $w. Birn- bäumel (M. Firle); sehr selten in der schlesischen Tiefebene. -— Endlich Scolopendrium vulgare Sm. an schattigen Felsen der Moisdorfer Schlucht bei Jauer (F. W. Scholz), durch welchen Fund dieser schöne Farn der schlesischen Flora definitiv gesichert wird.

Schliesslich *) ist es mir noch gelungen, mich von der Existenz zweier neuer Rosen zu überzeugen, deren erste allerdings schon vorher längst als bei uns verkommend vermuthet wurde, Es ist dies Rosa cortifolia Fries, eine in Schweden häufige, in Norddeutschland seltene, aber im Alpenzuge, zumal in der Schweiz wieder häufiger in der Bergregion auf- tretende Rose aus der Verwandtschaft der R. canina var. dumetorum. Als sicher hierher gehörig vermag ich Exemplare zu bezeichnen, die mir Herr Zimmermann aus Striegau schon 1872 als R. canina gesendet und die ich ihm damals als R. canina >< tomentosa bezeichnet hatte; vielleicht gehören auch schon früher von Junger um Neundorf bei Löwenberg gesammelte Fruchtexemplare hierher, wegen der kurzen Fruchtstiele, der abstehenden oberhalb etwas aufrechten, nicht wie bei R. dumetorum nach dem Ver- blühen zurückgeschlagenen Kelchzipfel; auch sind die Bracteen meist blait- tragend; dagegen stimmen die Blätter der jährigen Triebe mehr mit denen der R. dumetorum überein, da sie am Grunde breiter, oft fast undeutlich herzförmig sind, während sie bei R. corüfolia meist gegen die Basis ver- schmälert sind. Die zweile neue Art ist R. Reuteri Godet, gleich- falls eine mit R. canina verwandte, jedoch kahle und daher nur mit den typischen Formen der letzteren zu eonfundirende Form. Sie unterscheidet sich von canina durch die geraden oder nur schwach gebogenen, nicht eigentlich gekrümmten Stacheln, durch die gedrungene Inflorescenz, die sehr kurzen Blüthenstiele, die in den grossen blatttragenden Braeteen ver- borgen sind, durch die nach dem Verblühen abstehenden oder etwas auf- gerichteten, nicht zurückgeschlagenen, erst gegen die Fruchtreife hin, nicht schon vor der Färbung der Frucht abfälligen Kelchzipfel, durch lebhafter rothe Petalen etc. Die Trugdolden sind meist 3- bis 4blüthig, die seit- lichen Früchte sind kurzgestielt, fast kugelig, aber etwas nach oben zu verschmälert, die mittelständige Frucht ist verkehrt-eiförmig elliptisch, beinahe sitzend. Unsere Pflanze, die mir von Strähler als eine eigen- thümliche Varietät der R. canina von Görbersdorf mitgetheilt wurde, weicht

von dem Typus, wie er in der Schweiz und in Tyrol sich findet, durch

die Blattform ab; die Blätter sind kleiner, dabei spitz, nicht stumpflich und wenig von denen der canina verschieden. Die Rosa Reuteri Godel scheint eine Gebirgsrose, verbreitet in den Alpen, aber auch im Harz (von

*) Mitgetheilt in der Sitzung vom 11. März 1875.

der Schles, Gesellschaft f. vaterl. Cultur. 153

Wallroth) und in Ostpreussen beobachtet, ferner in England, den Vogesen, Frankreich und Savoien, Schweiz, Tyrol. Deseglise hat sie im Journal of Botany (März 1874) monographisch bearbeitet und stellt als ersten Namen R. vosagiaca Desportes für sie auf; R. glauca Villaris und R. alpiphila Arvet-Touvet sind weitere Synonyme, ebenso R. monticola $ Reuter: Rapin ete. Wahrscheinlich gehört hierher auch R. canina rubicunda W. et Grb. von Schmiedeberg.

In Bezug auf die in der Sitzung vom 26. November: 1874 angeregte Prioritätsfrage ist von Seiten des Herrn Apotheker Werner ermittelt worden, dass das in seiner Offiein seit langer Zeit aufbewahrte Exemplar von „Günther und Schummel, Herbarium vivum plantas in Si- lesia indigenas exhibens“ in seiner mit der Jahreszahl 1819 versehenen Centurie IX die Alchemilla fissa Schummel, nebst einer mit ‚‚nobis“‘ bezeich- neten Diagnose, vom kleinen Teiche und der kleinen Schneegrube bringt, wodurch die Priorität des Schummel’schen Namens constatirt ist. Die betreffende Centurie wurde in der Sitzung vom 14. December vorgelest; Herr Werner erbot sich, sein Exemplar der Günther’schen Centurien, welches die Pflanzen in der ursprünglichen Ordnung enthält, der Schles. Gesellschaft tauschweise zu überlassen.

Am 2. November 1874 erlitt die botanische Section einen schmerz- lichen Verlust durch den nach mehrjährigen Leiden zu Berlin erfolgten Tod ihres Ehrenmitgliedes, des Generals der Infanterie z. D. Albano von Jacobi. Schon in jüngeren Jahren, insbesondere durch den Verkehr mit seinem Landsmann, dem Fürsten von Salm-Dyk, dem Monographen der Gattungen Aloe, Mesembrianthemum, der Cacteen und anderer Fettpflanzen, zum Sammeln und Beobachten dieser Gewächse angeregt, hatte Jacobi zuletzt mit jener rühmlichen Selbstbeschränkung, die selbst den Dilettanten Bedeutendes zu leisten befähigt, sein Interesse auf die Familie der Agaveen _ eoncentrirt. Wenn schon früher eine freundschaftliche Verbindung mit A. de Bary, die in Frankfurt begonnen, in Halle mit Liebe weiter ge- - pflest wurde, ihm auch für die wissenschaftliche Seite der Botanik In- teresse eingeflösst hatte, so begann er nach seiner Versetzung nach Breslau im Jahre 1864, im Anschluss an die hiesigen Botaniker, sich mit bewunderungswürdiger Energie in die wissenschaftlichen Prineipien der Botanik, auf denen die Beurtheilung der Verwandtschaftsverhältnisse, die Unterscheidung von Species und Varietät beruht, einzuleben, insbesondere auch mit den feineren Structurverhältnissen der Blüthen- und Fruchtbil- dung sich vertraut zu machen; und indem er selbst das Mikroskop als Hilfsmittel zu seinen Studien zu verwerthen lernte, gelang es ihm, aus

154 ia - Bericht

dem enthusiastischen Pflanzenliebhaber sich zu einem Monographen von wissenschalftlicher Bedeutung auszubilden. Mit besonderem Interesse ver- folgte er die Bestrebungen unserer botanischen Section, deren Sitzungen er nie versäumte, die er durch Vorträge und Mittheilungen erfreute. Der Eindruck seiner ehrenhaften Persönlichkeit, die stets mit Humanität und liebenswürdiger Bescheidenheit gepaart war, gewann ihm die Herzen auch der Fernerstehenden. Tief vermisst wurde daher v. Jacobi in unserem Kreise, als er im Jahre 1869 nach Posen, bald darauf nach Berlin ver- setzt wurde. Er blieb jedoch stets mit unserer Gesellschaft in literarischer Verbindung, indem er derselben von Zeit zu Zeit von seinen rasilos weiter geförderten Untersuchungen Mittheilungen machte, die in den Sitzungs- beriehten und Abhandlungen unserer Gesellschaft abgedruckt wurden. Im Jahre 1870 nöthigten ihn die Fortschritte seiner Krankheit, mit schwerem Herzen seinen Abschied aus dem Militärdienst zu nehmen, in dem er nicht blos in den verschiedensten Stufen des Artilleriedienstes, zuletzt als General-Inspeeteur der Festungen und der Artillerie des 6. und 5. Armee- Corps, sondern auch als militärischer Schriftsteller sich ausgezeichnet hatte,

Was A, v. Jacobi als Militär geleistet, darüber giebt der im Militär- Wochenblatt vom 18. November 1874 (59. Jahrgang Nr. 93) erschienene Nachruf aus der Feder des General-Lieutenant v. Troschke Bericht; eine mit warmem Herzen geschriebene Schilderung seiner Persönlichkeit, wie sie in seinen botanischen Studien zu Hause wie auf seinen wissenschaft- lichen Reisen, bei seinen Durchforschungen der Agaven in botanischen Gärten, in den durch ganz Europa zerstreuten Sammlungen einzelner Lieb- haber und auf den internationalen Garten-Ausstellungen zur Geltung kam, giebt ein in holländischer Sprache veröffentlichtes Schriftchen seines gleich- strebenden Freundes, des Herrn De Jonghe van Ellemet.

Der General v. Jacobi hatte unserer Stadt Breslau auch nach seiner Versetzung eine besonders treue Anhänglichkeit bewahrt; schwer war ihm das Scheiden von einem Orte geworden, wo, wie er selbst sagte, er so viel freundliche Aufnahme und collegialische Unterstützung und Belehrung gefunden hatte, wie kaum irgend wo anders. Bis wenige Wochen, ja Tage vor seinem Tode hegte er noch immer die Hoffnung, auf einige Tage nach Breslau reisen und dort seine Freunde wiedersehen zu können.

Deshalb glaubten die Frau Wittwe und der einzige Sohn des Dahin- geschiedenen, den wissenschaftlichen Nachlass an keiner würdigeren Stelle aufbewahren zu können, als in der Schlesischen Gesellschaft, in deren Kreise, wie er stets dankbar anerkannte, seine Forschungen die ein- sehendste Förderung gefunden hatten. Es ist der innigste Wunsch der Hinterbliebenen, dass das reiche Material wo möglich noch benutzt werden

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könne, um das von dem General v. Jacobi begonnene Werk zur Vollendung

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zu bringen; sie knüpften daher an ihre Schenkung die einzige Bedingung, dass die v. Jacobi’schen Sammlungen Jedem, der sie behufs einer solchen

der Schles. Gesellschaft f. vaterl. Cultur. 155

Arbeit zu benutzen wünsche, auch nach Auswärts zur Disposition gestellt werden.

Zur Würdigung v. Jacobis als Botaniker bringen wir zum Schluss einen Auszug aus dem Nachruf, welchen der Präses unserer Gesellschaft, Herr Geheimrath Göppert, unserem geschiedenen Ehrenmitgliede in der Sitzung der botanischen Section vom 21. Januar 1875 widmete:

„Botanische Gärten, auch die umfangreichsten und bestdotirten, sind zur Zeit nicht mehr im Stande, das ganze Pflanzenreich durch ihre Cul- turen zu repräsentiren; Mittel und Raum fehlen hierzu. Es kann daher nur im höchsten Grade erwünscht sein, Lücken dieser Art durch Private ausgefüllt zu sehen. Ein solches Verdienst erwarb sich der General der Infanterie Herr Albano von Jacobi, der, sonst noch rüstig nach Mass- gabe seines Alters von 69 Jahren, einer localen schmerzhaften Krankheit am 2. November 1874 erlag. Den Orduungen der Cacteen, besonders aber den von der botanischen Welt bis zu seinen Forschungen vernach- lässigten Agaven widmete er eine ausgezeichnete, von grossen wissen- schaftlichen Erfolgen begleitete Thätigkeit, wie sie wohl selten einer solehen Pflanzengruppe zu Theil geworden ist. Wenn auch begünstigt durch äussere Umstände, liess sich doch nur auf häufigen, durch seine amtlichen Verhältnisse wie begreiflich höchst erschwerten Reisen das ‚hierzu erforderliche Material sammeln. Autopsie bei diesen überdies so umfänglichen und selten blühenden Gewächsen erschien dringend noth- wendig, wie auch fortdauernde Beobachtungen über ihre Wachsthums- verhältnisse, die einen nur schwer zu übersehenden Einfluss auf die Vegetationsorgane ausüben und somit der genauen systematischen An- ordnung die grössten Hindernisse bereiten. Es gelang ihm endlich, fast alle in neuester Zeit nach England, den Niederlanden, Belgien und Frank- reich introdueirten und in vielen Privat- und botanischen Gärten zerstreut ‚vorhandenen Arten lebend um sich zu versammeln, die er dann auch mit grösster Sorgfalt pflegte und Mühe und Kosten nicht scheute, sie bei seinen in Folge dienstlicher Verhältnisse erfolgten Wohnortsveränderungen, wie der zärtlichste Familienvater die Seinigen, mit sich zu nehmen. Nach seinem Tode sind sie wohl grösstentheils Eigenthum des Berliner botanischen Gartens geworden, der überdies auch schon wohl die bedeutendsten Sammlungen derselben besitz. Auch wir haben noch bei seinen Lebens- zeiten viele erhalten, so dass an 70 Arten von Agaven hier gepflegt werden. Endlich gelangte er dahin, eine systematische Uebersicht nach bestimmten, als beständig von ihm ermittelten Merkmalen entwerfen zu können, auf deren vorzüglichste hingewiesen ward. An 216 Arten, darunter 61 von ihm. hinzu gebrachte, lagen vor, deren vorläufige Be- schreibung er unter dem bescheidenen Titel: „Versuch zu einer systema- ‚tisehen Ordnung der Agaven‘“ in den letzten Jahren seines Lebens ver- öffentlichte (Otto’s Hamburger Garten- und Blumenzeitung 10. Heft 1864/65,

156 f ahres-Bericht wie in den Abhandlungen der Schlesischen Gesellschaft für vaterländische Sultur), leider aber nicht vollendete, am wenigsten in der beabsichtigten von zahlreichen Abbildungen begleiteten Form. Glücklicherweise ist das hierzu erforderliche Material in seiner ganzen Ausdehnung vorhanden und von der hinterlassenen Frau Wittwe Excellenz der Schlesischen Gesell- schaft zu wissenschaftlicher Disposition gestellt worden, die es sich an- gelegen sein lassen wird, es auf gewissenhafte, solehem Vertrauen ent- sprechende Weise wissenschaftlich zu verwerthen. Es besteht, nach dem Berichte des Custos .der botanischen Sammlungen der Schles. Gesellschaft, Herrn Prof. Dr. Körber, aus: 1. einem sehr voluminösen, für die Zwecke der Schlesischen Gesellschaft geschriebenen, aber nur theilweise zum Druck gelangten Manuseript:

Versuch zu einer systematischen Ordnung der Agaveen von General-Major v. Jacobi.

Das umfangreiche Schriftstück enthält im Besonderen:

a) auf 5 Bogen eine von Jacobi’s Hand geschriebene kurze Ein- leitung und Uebersicht, die später in der eigentlichen Arbeit umgearbeitet wieder vorkommt;

b) die eigentliche Arbeit, 325 Folioblätter, also 670 beschriebene Folioseiten umfassend, unter dem besonderen Titel: „Uebersicht, Charakteristik der einzelnen Arten und Anmerkungen zu den einzelnen Arten“; N

c) Nachtrag zu der eigentlichen Arbeit, 44 Folioseiten (von Castellan | Reisler’s Hand geschrieben). $

2. Materialien zu Jacobi’s Arbeit über die Agaveen, 7 haltend Excerpte, einstweilige Skizzen, Briefe, Studien, Zeichnungen ete., die Jacobi zu der sub 1 genannten Arbeit ebenso wie die meisten der übrigen Nummern verwendet haben mochte. E

©

1 . Binem Convolut Abbildungen von Agaveen 2 Cacteen. 4. Einem Pappearton in Riesenfolio, enthaltend eine sehr grosse Sammiung von Photogr aphien von Agaveen. (Sehr werthvoll.) 5. Einer in grüner Leinwand eingebundenen Mappe, enthaltend von Jacoh stammende Bleistiftzeichnungen von Agaveen. 5

E =.o . . = 5 14

6. Weitere Materialien zu Jacobis Agave-Studien, darunter auch 2 fo} {

zwei von fremder Hand geschriebene Ahnetlundee 1. über die | Agave, welche Knollen statt der Blüthen hervorbringt, und 2. E schreibung der mexikanischen Agaven. “3

lich die din Boschannerin betreffend. (Wichtig.)

der Schles. Gesellschaft f. vaterl. Cultur. 157

8. Allerhand sehr werthvolle Materialien, Studien, Briefe (nament- lich auch solehe von Göppert und Cohn) aus den letzten Lebensjahren Jacobi’s (bis 1872). Darunter auch ein von J. verfasstes Verzeichniss der in seinem Besitz befindlichen (cf. Nr. 4) Photographien und Ab- bildungen von Agaveen.

9. 43 Flaschen mit Agave-Blüthen in Spiritus. Sehr werthvoll. Nur bei 7 Fläschchen ist eine systematische Bestimmung der betr. Blüthe nicht vorhanden.

"Ausserdem verschiedene Convolute, Photographien, Briefe ete. enthaltend.

Einfach in seinem ganzen Wesen und anspruchslos, freuten wir uns stets, ihn in unserer Mitte zu sehen, und schliessen uns dem Endspruche seines Biographen, General-Lieutenant v. Troschke, in vollster Ueber- zeugung an:

Die lange ehrenvolle Laufbahn, in welcher der Hiugeschiedene nie aufgehört hat, das Beispiel höchster Gewissenhaftigkeit und Rechtschaffen- heit, verbunden mit dem ehrenhaftesten Sinne und grosser- dienstlicher Tüchtigkeit, zu geben, zeigt ihn wohl berechtist zu dem von ihm er- korenen Wahlspruche:

Semper idem.

Vielen, sehr Vielen wird sein Gedächtniss theuer sein. Friede

seiner Asche.‘

" Fe

IM. Bier echt

über die Thätigkeit der entomologischen Section im Jahre 1874,

erstattet von

K. Letzner,

zeitigem Secretair.

Die entomologische Section hat im Jahre 1874, wegen längerer Krank- heit oder Kränklichkeit einiger Mitglieder, nur zu 4 Sitzungen sich ver- sammelt, in welchen entomologische Mitiheilungen gemacht oder Vorträge gehalten wurden von den Herren: Bibliothekar C. Fickert, Graf Matuschka, Gutsbesitzer Naake, Studiosus Penzig, Dr. med. Wocke und dem zeitigen Secretair.

Herr €. Fickert hielt am 30. November folgenden Vortrag

über die schlesischen Arten des Araneidengenus Clubiona Latr.

Das zu den Drassiden, Sackspinnen s. str., gehörige Genus Olubiona Latr. zeichnet sich vor seinen nächsten Verwandten dadurch aus, dass das vierte Beinpaar das längste ist, der Cephalothorax glatt (nicht gerieselt), die Lippe um /, kürzer ist, als die Maxillen, und die Patellen beider Hinterpaare nur hinten je einen Stachel haben. Ausserdem ist für dieses Genus die mäuserothgraue Färbung des Abdomens charakteristisch. Die meisten Arten des Genus leben auf Gesträuch, wo sie sich gewöhnlich an den Spitzen von Zweigen sackförmige Gespinnste anlegen und auf Beute lauern, weniger häufig- kommen sie auf Bäumen, sehr selten (ausser im Winterquartier) unter Steinen vor. Man kennt im Ganzen ungefähr fünfzig Arten, welche dem Genus Olubiona angehören; dieselben kommen ausser in Europa im nördlichen Afrika und in Nord- und Südamerika vor. Von diesen 50 Arten sind inel. einer neuen 17 schlesisch, eine gewiss bedeutende Anzahl, englisch sind nach dem neuesten Cambrigde’schen

160 ji - Bericht

Kataloge 14, schwedisch 11, italienisch 12, französisch nach Eugene Simon 9 Arten, somit hat Schlesien bei weitem mehr Arten aufzuzählen als irgend ein anderes Faunengebiet Europas.

Olubiona pallidula Cl., überall.

Olubiona holosericea De Breslau auf Sumpfpflanzen.

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Olubiona germanica Thorell, überall unsere gemeinste Art. Olubiona lutescens Westring, stellenweise häufig. Clubiona lerrestris Westring, ziemlich überall. Olubiona erratica C. Koch, überall im Nadelholz. . Clubiona brevipes Blackw., Breslau ziemlich selten. . Clubiona compta C. Koch, Riesengebirge, Kohlfurt, Obernigk, Neustadt, Lausitz, selten. 9. Clubiona trivialis CO. Koch, im Nadelholz häufig. 10. Clubiona pallens ©. Koch, Lausitz. 11. Olubiona grisew L. Koch, Lausitz, Breslau. 12. Olubiona montana L. Koch, Riesengebirge. 13. Olubiona coerulescens L. Koch, Ohlau. 14. Olubiona reclusa Cambridge, Elbgrund, Lausitz. 15. Clubiona frutetorum L. Koch, Lausitz, Breslau. 16. Olubiona alpica L. Koch, Riesenkamm. 17. Clubiona Seideli nov. spec. S flavescens thorace nigromarginalo ab- domine murino maculis obliquis vie conspieuis.

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Der Cephalothorax des bis jetzt allein bekannten Männchens ist so lang als Patella und Tibia des 4. Beinpaares, verkehrt eiförmig, vom Hinterrande steil ansteigend, in den Seiten gewölbt, fast elanzlos, ziem- i lich dieht behaart, die Mittelritze deutlich, die Augen der Vorderreihe gleich gross und gleich weit von einander entfernt, die Mittelaugen der ; Hinterreihe weiter von einander als von den Seitenaugen entfernt, in den Cephalothorax eingebettet. Die vorderen Seitenaugen oval, die übrigen rund.

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Der Cephalothorax ist hellbräunlich, gelbgrau behaart, fein schwarz gerandet, jedes Auge schwarz geringelt, zwischen den Miitelaugen ein’ schwarzer Fleck. 4;

Die Mandibeln sind so lang wie Metatarsus I, an der Basis so die wie Femur I, wie der Thorax gefärbt und behaart. Die Krallen lang, in | der Mitte gebogen. Die Lippe ist in der Basis eingezogen, die Vorder- hälfte fast kreisrund, sie ist braunroth, vorn weiss gerandet. Die Maxillen sind hell bräunlichgelb, schwarz gerandet. Sternum oval, hinten "Fi

bräunlich, ohne deutliche Behaarung.

Das Abdomen sehr lang eiförmig, in der Mitte am breitesten, glanz- | los, an der Basis der gewöhnliche Schopf längerer Haare, ausser diesen lassen sich selbst bei starker mikroskopischer Vergrösserung nur einzelne | graue Härchen erkennen. Die Grundfarbe des Abdomens ist rothbraui a

der Schles. Gesellschaft £f. vaterl. Cultur. 161

mit den gewöhnlichen helleren Bogenlinien, die Bauchseite zeigt vier hellere Längslinien. Spinnwarzen bräunlich, grau behaart.

Das vierte Glied des Tasters endet aussen in einen breiten aus- gehöhlten Fortsatz, ähnlich wie bei Cl. trivialis. Die Tasterdecke ist ge- wölbt, dicht grau behaart. Die Ausführung des Tasterdrüsencanals kurz dreieckig, kaum aus dem Bulbus hervortretend. : Einige Windungen des Canals im Chitin deutlich sichtbar. Die drei ersten Tasterglieder gelb- weiss, das vierte und die Decke etwas bräunlich. Der Bulbus dunkel- braun. Der Taster ist nicht bewehrt.

Die Beine einfach, gelblich weiss, im Verhältniss lang. Das vierte Paar unbedeutend länger als das erste. Alle Tarsen und Metatarsen mit Scopula.

Bestachelung: I. II. Femur oben 1.1.1. vorn 1. Tibia unten 2. 2. Metatarsus unten 2.

II. Femur oben 1. 1. 1. vorn 1. Patella hinten 1. Tibia vorn 1. 1. hinten 1. 1. unten 1.1.

IV. Femur oben 1.1. Patella hinten 1. Tibia vorn 1.1. hinten 1.1. unten 1. 1. ,

Länge des Cephalothorax 5 mm.

Ein Exemplar dieser neuen in die Verwandtschaft der lutescens-Gruppe gehörigen Art wurde in dem für Arachnologen so ergiebigen Fürstenwalde bei Ohlau gefangen. Ich erlaube mir sie nach dem ersten schlesischen Arachnidensammler Cl. Seideli zu benennen.

Herr Graf Matuschka zeigte am 16. November eine Anzahl von interessanten Käfern vor, welche er im Sommer d. J. an den Abhängen des Titlis in der Umgegend des Klosters Engelsberg in der Schweiz ge- sammelt hatte.

Herr Gutsbesitzer Naacke gab in der Versammlung am 30. Novbr. Beiträge zur lepidopterologischen Fauna der Gegend von Reinerz. Der Vortrag lautete also:

Die lepidopterologische Fauna der Reinerzer Gegend.

Ueber Reinerz in seiner Umgegend als interessanter Fangplatz für Lepidopteren hat sich schon Zeller in der Stettiner entomologischen Zeit- schrift Jahrgang 1841 und Standfuss in der Zeitschrift für Schlesische Inseetenkunde Jahrgang 1850 ausgesprochen. Der Letztere hat damals mit grossem Fleiss und in erschöpfender Weise die dortige Fauna mit 276 Macrolepidopteren und 175 Microlepidopteren, in Summa mit 451 Arten nachgewiesen.

Dies veranlasste mich in den Jahren 1873 und 1874 die Reinerzer Fauna neuerdings in Betreff der Macrolepidopteren zu durehforschen.

Als derselben neu zutretend vermag ich anzuführen: Colias ab. 2 Werdandi Zett., Lycaena Meleager Esp. (Stdfs.), Lycaena Arcas Rott., Ne-

11

162 J ae - Berieht

meophila var. Hospita 8. V., Lasiocampa var. Lobulina Esp., Lophopterys Carmelita. Esp. und Cueulla Esp., Ptilophora Plumigera Esp., Pygaera Pigra Hufn., Hadena Gemmea Tr. (Stdfs.), Hadena ab. Latruncula Lang., Mania Maura L., Mithymna Imbecilla F., Calocampa Solidaginis Hb., Lithocampa Ramosa Esp., Cucullia Scrophulariae Capieux, Hypena Proboseidalis L., Eugonia Autumnaria Wernb., Selenia Bilunaria Esp., Lythria Purpuraria L. und Ortholitha Plumbaria F., in Summa 21 Arten, wodurch sich die Reinerzer Fauna auf 472 Arten erhöht,

Es wird von einigem Interesse sein, das Auftreten der Arten in den beiden Jahrgängen gegen einander zu halten.

Im Allgemeinen war das Jahr 1873 artenreicher und die Arten traten durchgängig 14 Tage früher auf als 1374, wo eben eine Verspätung gegen die natürliche Flugzeit stattfand. Während 1873 Lycaena Euphemus Hb. und Arcas Rott., Melanagria Galathea L., Erebia Ligea L., Pararge Maera L., Macroglossa Bombyliformis O. und Sphins Convolvuli L. massig vor- handen waren, flogen 1874 nur deren Typen, oder wurden gar nicht be- merkt. Dagegen traten 1874 häufig und gegen das Vorjahr häufiger auf: Colias Palaeno L., Apatura Iris L., Limenitis Populi L., Zygaena Pilosellae Esp. und Filipendulae L., Bomolocha Fontis Thnb. und Odezia Atrata L. Von Raupen: Arctia Caja L., Calocampa Solidaginis Hb., Lithocampa Ramosa Esp., Bomolocha Fontis Thnb., Hypena Proboscidalis L., Rumia Luteolata L., Lygris Populata L., Cidaria Sordidata F. und auf Stachys sylvatica, aber nur auf dieser Pflanze, ebenfalls häufig eine mir unbekannte Spannerraupe. Am meisten besetzt mit Spannerraupen waren: Acer campestre, Sorbus Aucuparia, Lonicera nigra, Vaccinium Myrtillus und uliginosum und letztere Pflanze am meisten in der zweiten Hälfte des Augusts.

Von Lepidopteren wurden, soweit es zu meiner Kenntniss gelangt, am zahlreichsten erbeutet: Colias Palaeno 130, Limenitis Populi 71, Apatura Iris 7 Stück; von Raupen: Calocampa Solidagimis 40, Lithocampa Ramosa über 100, Bomolocha Fontis 30 und Hypena Proboscidalis 40 Stück.

Was die Erscheinungszeit der gesammelten T'hiere anbelangt, so hatte Palaeno, entgegen der sonst üblichen Zeit, welche um den 24. Juni fällt, seinen Glanzpunkt vom 2. bis 4. Juli. Der Fang ist bei stillem, trübem Wetter mit einzelnen Sonnenblicken höchst belohnend, während das im Jahrgang 1850 der Zeitschrift für Schlesische Inseetenkunde empfohlene Abklopfen des Schmetterlings bei Sonnenuntergang von den dortigen Birken ebenso mühsam als wenig dankbar ist. Der viermalige zweistündige Be- such der Seefelder brachte die obeu angegebene Anzahl von 130 Stück,

bis endlich die Lust zum Mehrfange erlahmte; die Thiere waren fast alle #

rein und nur verschwindend wenige unbrauchbar, das Verhältniss der Männer zu den Weibern stellt sich wie 4 : 1, unter den Weibern befand

sich ein ab. Werdandi Zeit. Limenitis Populi erschien den 9. Juli, eigen- E

der Schles. Gesellschaft f. vaterl. Cultur. 163

thümlicherweise eine Woche früher als voriges Jahr, der Schmetterling scheint bei trockenem Wetter lange in der Puppe fertig aushalten zu können, ein einziger, wenn auch nur kurzer Regen bringt den ganzen Bestand binnen zwei Tagen aus der Hülle. Von den 71 erbeuteten Männern wurden 26 am ersten Tage des Auskommens, der Rest an den zwei folgenden Tagen gesammelt. Die Taugstelle war eine schmale Fahr- strasse von einer halben Stunde Länge; aber nur die Männer gehen zu Thale, die später erscheinenden Weiber verlassen nicht die einschliessen- den Berge und sind so sparsam, dass trotz tagelanger Mühe nur 2 Stück gesehen wurden. Nach diesem Ergebniss würde sich das Verhältniss der Männer zu den Weibern wie 100 zu 3 stellen. Populı will kurz nach dem Ausschlüpfen genommen sein, auch nur ein Tag Flug und das Thier ist eingerissen oder unansehnlich, von den 71 Stück werden trotz des zeitigen Fanges kaum 30 Stück Tauschobjecte sein. Das trockene Weiter dehnte dieses Jahr die Flugzeit auf zehn Tage aus, während im ver- flossenen sie sich auf einen einzigen Tag beschränkte.

Bei Apatura Iris ist es noch schwerer, ein reines Exemplar zu er- langen; von den im August bald nach Erscheinen erbeuteten 7 Stücken war nur eins tadellos. Lycaena Optilete Knoch war dieses Jahr gar nicht und Coenonympha Tiphon Rott. nur schwach vertreten.

Was nun das Raupenleben anbelangt, so waren die häufigen Arctia Caja, gegen die Gewohnheit, nicht mit Ichneumoniden besetzt. Calocampa Solidaginis wurde nur auf der Westseite des Altarberges ziemlich zahl- reich gefunden. Obgleich mir aus Ochsenheimer und Treitschke Band V Zusatz pag. All bekaunt war, dass Solidaginis eine Mordraupe sei, so glaubte ich doch nicht zu einem so trostlosen Erziehungsresultate, wie geschehen, zu gelangen. Von 40 Stück kamen nur 2 Stück aus und be- deutend kleiner als die in der Freiheit erscheinenden. Käinpfe wurden zur Tageszeit nicht wahrgenommen, ebensowenig waren sterbende oder angefressene Raupen oberhalb der Erde zu finden, auch gingen die in verschiedenen Grössenstadien gesammelten Raupen ihrem Grössenverhält- niss nach in die Erde. Bei Revision der untergegebenen Erde fanden sich aber nur zwei Puppen und der Ueberrest in vertrockneten Raupen. Es lässt sieh daher nur annehmen, dass die Kämpfe zur Nachtzeit statt- finden und die Verwundeten sofort in die Erde gehen, um dort zu ver- enden. Hier kann nur Einzelnzucht helfen, die aber in der Fremde zu umständlich ist.

Lithocampa Ramosa, deren Erscheinungszeit sonst Ende Juli und in

die ersten Tage des Augusts fällt, trat erst am 20. August und zwar als

' kleines Räupchen auf. Das Thier, welches nur auf Lonicera nigra und xylosteum vorkommt, erstreckt sich nicht auf das ganze Lonicerengebiet ı um Reinerz, sondern beschränkt sich nur auf drei Fundplätze, die ich im

11*

164 J Anrecht

Verein für Schlesische Inseetenkunde 1373 auch näher bezeichnet habe. Die Ausbeute dieser Fundplätze war innerhalb der Jahre 1873 und 1874 fast unverändert und sehr lohnend. Die jungen Raupen, netto 100 Stück, wurden ohne Verzug‘ gesammelt, um sie möglicherweise der Besetzung N mit dem der Art eigenthümlichen Ichneumon zu entziehen. Ramosa hat im Raupenstande, eine Vegetationszeit von 5 Wochen, mit Ende der dritten und in der vierten Woche verliert die Raupe den Ichneumon durch den After und geht innerhalb 5 Tagen zu Grunde. Trotzdem nun die Raupen wenige Tage nach dem Ausschlüpfen aus dem Ei gesammelt waren, so starb doch das volle Drititheil den Ichneumontod. Ramosa nimmt übrigens

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jede Gartenlonicera- Art, ebenso Symphoricarpus racemosa an und ge- deiht dabei. N Hypena Proboscidalis war in der zweiten Hälfte des Juni im ganzen Gebiete auf Urtica dioica verbreitet, die gesammelten 40 Stück kamen ä Mitte August sämmtlich aus. 6 Von Arten, die dieses Jahr schwach vertreten waren, sind anzuführen: 2

Pulla silesiaca, welehe Anfang Juli in wenigen Exemplaren flog und auch gleichzeitig in lebenden Raupensäcken vorhanden war. Von Psyche Standfussi sind nur Säcke bemerkt worden. Sobald nach einem Regen die Spitzen von Vaceinium uliginosum und Calluna vulgaris trocken werden, vermag man durch Abschöpfen die Säcke leichter zu gewinnen, als durch Absuchen. Die Raupe von Piilophora Plumigera war dieses Jahr fast zur Seltenheit geworden und kam sie vor, so war sie mit Ichneumoniden be- setzt. Diphthera Ludifica L., welche hier stets zerstreut und nicht zahl- reich auftritt, wurde trotz aller Mühe nur in 7 Exemplaren gefunden. Plusia Tripartia Hufn., von denen sonst der Weistritzgrund etwa 40 Stück ' liefert, kam nur in 4 Stücken vor. Numeria Pulveraria und Selenia Bilu- naria, beide hier auf Lonicera nigra, fehlten ganz. %

Anzuführen und bemerkenswerth wäre noch, dass eine entweder von Acer campestre oder Lonicera nigra in den Schirm geklopfte Raupe von Lophopterya Carmelita Esp. sofort lebhaft Lonicera nigra zum Futter nahm; leider ging sie später an Ichneumoniden ein. Da in der Literatur, so weit sie mir bekannt, nur Betula alba als Futterpflanze angeführt ist, so wird y dieses Factum für den Sammler von Werth sein.

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ne hi „znan m

Herr Dr. med. Wocke hielt am 16. Novbr. folgenden Vortrag über N Für Schlesien neue Lepidoptern. n

Epichnopteryx Ardua Mann, beschrieben in den Schriften des zoologisch-botanischen Vereins zu Wien 1867 p. 19, aus den österreichischen | Hochalpen, fliegt auch auf kahlen Hochflächen des Altvatergebirges und am Glatzer Schneeberge im Juli. Die von mir auf der hohen Haide m

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Gesenke gefangenen Stücke unterscheiden sich weder in Grösse noch n

der Schles. Gesellschaft £. vaterl, Cultur. 165

der Farbe der dünnen Beschuppung von den von Mann erhaltenen Exem- plaren vom Gross-Glockner. An.der Südostseite des Gipfels des Glatzer Schneeberges und auf dem kleinen Schneeberge traf ich im Juli dieses Jahres die Raupen zahlreich an. Sie lebten auf trockenen, fast nur mit Festuca ovina bewachsenen Stellen, wie es schien nur an diesem Grase, und waren auch die Säcke mit dürren Halmstücken desselben bekleidet. In der Grösse waren die Raupen sehr verschieden, die meisten waren schon vollkommen erwachsen, andere kaum zur Hälfte, doch glaube ich sicher, dass alle schon eine Ueberwinterung durchgemacht hatten. Die mitgenommenen Raupen benagten in der Gefangenschaft fast alle in ihren Bereich gekommenen Pflanzen und verschmähten selbst nicht die Nadeln von Larix, sie liefen bis Anfang October lustig herum und’ sitzen jetzt lose angeheftet an den Wänden ihres Behälters.

Acidalia Moniliata F. Wurde von G. Wocke auf Wiesen bei Troppau im Juli in mehreren Exemplaren gefunden.

Depressaria Rubescens Hein. Ich griff am 18. October dieses Jahres im Mahlner Walde ein Exemplar, das mit Heinemann’s nach einem einzelnen Stück gemachten Beschreibung genau übereinstimmt. Heinemann stellt die Art mit Laterella, Carduella und Incarnatella zusammen, von ‚welchen sie sich leicht genug durch die weissen Punkte am Querast unter- scheidet, vergleicht sie aber gar nicht mit Scopariella, mit der sie in allem Wesentlichen vollkommen übereinstimmt, namentlich in den weissen Punkten am Querast, der weissen Aufblieckung der beiden vorderen Punkte und der Bezeichnung der Palpen. Die etwas hellere Färbung des Wurzel- feldehens und des vorderen Theiles des Vorderrandes kommt auch bei Scopariella vor und ich glaube deshalb, dass die alleu übrigen deutschen Entomologen bis jetzt unbekannt gebliebene Rubescens als unbedeutende Abänderung zu Scopariella gezogen werden muss,

Bryotropha Glabrella Hein. hatte ich unter Exemplaren von Senectella in meiner Sammlung stecken, mit welcher Art ich sie zusammen in der ersten Hälfte des Juli bei Mirkau am Saume eines Kiefernwaldes gefangen habe.

Br. Affinis Dgl. und Br. Umbrosella Z. fliegen beide um Breslau nieht selten im Juni und Juli, letztere Art besonders in Sandgegenden bei Tage am Boden versteckt.

Doryphora Morosa u Ein Stück bei Breslau im Juni ge- fangen.

D. Sepicolella HS. Bei Breslau ziemlich selten in Sandgegenden im Mai. Die sechs von mir gefangenen Stücke gleichen ganz dem von Heinemann beschriebenen, in meinem Besitz befindlichen Exemplare und ändern unter einander nur etwas in grösserer oder geringerer Dunkelheit der Grundfarbe.

166 Jahres - Bericht J

D. Rumicetella Hofm. Diese von Hofmann bei Prag entdeckte Art wurde in diesem Jahre auch von Eppelsheim in der baierischen Pfalz erzogen und von mir bei Breslau erzogen und gefangen, sie hat also wahrscheinlich eine weite Verbreitung. Ich fand die Raupe im April bei Mirkau auf dürrem Sandboden in Rumex acetosella minirend und erhielt den Falter im Mai, gefaugen habe ich ein Stück der zweiten Generation Ende Juli.

Aplota Palpella Hw. wurde in einem Exemplare von Herrn Joh. Czegley in Troppau auf der dortigen Promenade an dem Stamme einer Pyramidalpappel gefunden.

Hauptlehrer K. Letzner machte folgende Mittheilungen:

1. Ueber Käfer, welche ihre Verwandlung in Mehlwurmhecken durehmachen.

Nachdem im Herbst vor. Jahres Herr Gymnasial-Direetor Dr. Fiekert in einer Mehlwurmhecke den Gnathocerus cornutus L. in mehreren lebenden Exemplaren entdeckt hatte, gelang es mir durch freundliche Vermittelung des Herrn Stud. C. Fiekert Anfang Februar d. J. eine solche Hecke zu erwerben. Bei der genauen Durchsicht derselben fanden sich darin fol- sende Käfer: 1) Gnathocerus cornutus L., 2) Tenebrio molitor L., 3) Hy- pophloeus Ratzeburgü Wism., 4) Hypophloeus depressus F., 5) Tribolium ferrugineum F., ein in Breslau sehr seltenes Thhier, 6) Sitophilus granarius L., 7) Sitophilus Oryzae L. Später (im Juni) entwickelten sich aus den vorhandenen Larven: 8) Attagenus pellio L., 9) Altagenus megatoma F. In einer anderen, ein zweites Gefäss bewohnenden Hecke fand Herr C. Fiekert Ende April: 10) Attagenus pantherinus Ahr. (in 3 lebenden Stücken), 11) Anthrenus museorum L., 12) Trogosita mauritanica L., 13) Co- rynetes ruficollis F., 14) Ptinus fur L. Im Laufe des Jahres vermehrten sich besonders Gnathocerus und Tribolum sehr stark, so dass ich wohl Hunderte von Exemplaren hätte fangen können.

2. Ueber Larve und Puppe des Gnathocerus cornutus L.

Die ersten 3 von Herrn Director Dr. Fickert aufgefundenen, mir geneigtest überlassenen, lebenden Stücke von @n. cornutus L. (ein JZ und 2 2) setzte ich in ein besonderes Glas, etwa zur Hälfte mit Weizenmehl und Weizenkleie gefüllt; sie begatteten sich und im Mai und Juni waren eine grosse Anzahl cylindrischer, weisslicher, beweglicher Larven von allen Grössen (2—11 mm) vorhanden. Die Verpuppung erfolgte, ohne dass die Larve ein Gespinnst oder eine Höhlung mit festerer Wand be- reitet hätte, und die ersten Käfer kamen im August aus. Im Herbste g: dieses Jahres lebten die 3 oben erwähnten Thiere noch; ich trennte sie E

der Schles. Gesellschaft f. vaterl, Cultur. 167

von den Larven und setzte sie in ein anderes Glas, wo sie sich aufs Neue begatteten. Im December starben die beiden Weibchen, das Männ- chen dagegen lebte (eine bei Käfern bisher wohl noch nieht beobachtete Erscheinung) noch im April 1875, zu welcher Zeit sich in dem von ihm bewohnten Glase eine Menge von Larven vorfanden, von denen die grössten fast ausgewachsen, die kleinsten etwa 2 mm lang waren. Da Gernet. Hor. ent. Ross. VI mir nicht zu Gebote stehen, ich daher zu beurtheilen ausser Stande bin, ob die Larve des in Rede stehenden Thieres genügend bekannt ist, so erlaube ich mir nachstehend eine Be- schreibung der Larve und Puppe desselben anzufügen.

Die Larve, 10—11 mm lang und kaum 1 mm dick, ist verhältniss- mässig dünn, überall mit einer pergamentartigen Haut bedeckt, daher ziemlich hart und steif (ähnlich der des Tenebrio molitor), weiss oder gelb- lieh, eylindrisch, nach beiden Enden unbedeutend verschmälert (nach hinten jedoch etwas mehr, als nach vorn) und befusst. Die Fühler sind dreigliederig, das J. und 2, Glied gleich dick, das 2. fast 4 Mal so lang als das Basalglied, das 3. sehr dünn, ahlförmig,; etwa halb so lang als das 2. Glied, an der Spitze mit einem mehr als zweimal so langen steifen Haare besetzt. Kopfschild und Oberlippe sind durch tiefe Eindrücke sehr deutlich abgegrenzt, letztere vorn mit einer Reihe längerer Härchen versehen. Die starken Tasterstämme stehen unter den Fühlern und tragen an der Aussenseite ihrer Spitze je einen dreigliederigen Kinn- ladentaster, dessen I. Glied unbedeutend kürzer als die übrigen, und dessen Endglied sanft zugespitzt ist, an der Innenseite (neben dem Taster) die an der Spitze (und zwar an der Innenseite) mit starken, kurzen Borsten besetzte Lade. Die Lippentaster sind kürzer als die Maxillartaster und dreigliederig. Die Beine sind verhältnissmässig stark und lang, namentlich die Hüften, welche an der Aussenseite mit einer Reihe steifer, nach unten (dem Schenkel zu) kürzer werdenden Borsten besetzt sind. Die Schienen sind wenig länger als die Schenkel, allmälig verdünnt und mit einer einfachen, spitzen Kralle besetzt. Abdomen aus 8 gleich langen, an beiden Enden etwas eingezogenen Ringen und dem etwa halb so langen Analsegment bestehend. Ober- und Unterseite dieser Segmente sind jederseits durch zwei nahe an einander stehende, sanft eingedrückte Längslinien getrennt, welche zwischen sich eine sanft erhabene Längslinie emportreten lassen. Auf dem Rücken hat jedes Segment jederseits (etwas näher am Vorder- als am Hinterrande) ein sanftes, punktartiges Grübchen, und auf der Mitte eine feine, mehr oder

weniger tief eingedrückte Längslinie. Der Kopf und die 3 Brust- segmente sind unfern des Seitenrandes mit einzelnen längeren Haaren besetzt. Das Analsegment endet auf der Oberseite in eine nach oben

gebogene Spitze, welche (namentlich an ihrem Ende) mit. steifen, starken Borsten besetzt ist, auf der Unterseite in zwei, senkrecht nach unten

168 J ahres -Bericht

stehende, eine Gabel bildende, mit stumpfen Enden versehene Spitzen. Jedes Bauchsegment trägt (von der oben erwähnten, eingedrückten Seitenlinie etwas nach innen) auf dem hinteren Drittel jederseits ein län- geres Haar.

Die Puppe ist 4—4'/, mm lang, weiss. Der Thorax ist mit einer zarten, am Hinterrande viel tiefer eingedrückten Mittellinie versehen und am Vorder- und Seitenrande mit zahlreichen, ziemlich dicht stehenden Höckerchen besetzt, deren jedes ein Haar trägt. Aehnliche Höckerchen stehen, unregelmässig vertheilt, auf der Oberfläche des Thorax vom Vorderrande weiter‘ nach hinten zu bis etwa zu ein Drittel oder der Hälfte der Thoraxlänge. Dieselben nehmen an Grösse nach hinten allmälig ab, während ihre Entfernung von einander zunimmt, so dass sie sich allmälig verlieren. Die Beine liegen wie gewöhnlich bei Käferpuppen, die 2 letzten Bauchsegmente und der Anus ragen über die Spitze der Hinter- tarsen hinaus. Die auf den vorderen Beinen unfern der Knie liegenden Fühler reichen bis zu den Schenkeln der Mittelbeine. Die Flügel- scheiden lassen an ihrer Spitze auf dem Bauche zwischen einander nur Raum für die Tarsen, und reichen bis etwa zur Mitte der Hintertarsen hinab. Sie werden bis auf ein sehr schmales Streifehen an ihrer Spitze von den längsgestreiften, sie nur unbedeutend überragenden Scheiden der Deckschilde bedeckt. Die Knie der Hinterbeine treten an dem 3. Abdominal-Segmente nur unbedeutend unter den Flügeldeckenscheiden hervor und sind (von der Rückenseite der Puppe aus) nur mit ihrer äussersten Spitze sichtbar. Das Analsegment ist (namentlich unten) mit zerstreuten Haaren besetzt und läuft auf der Oberseite in eine ziem- lich lange, scharf-spitzige Gabel aus, welche am Ende sanft nach oben gekrümmt ist. Die Bauchsegmente sind auf ihrem Rücken durch ziemlich tiefe Kerben von einander getrennt und mit äusserst kurzen, zerstreuten Härchen dünn bekleidet. Ueber ihre Mitte läuft eine zarte, erhabene Längslinie. Der Seitenrand derselben ist bei jedem Segmente fast senkrecht und in bedeutender Höhe aufgebogen, und steht demnach (wegen der oben erwähnten Kerben von den anderen Segmenten durch einen Zwischenraum getrennt) flügelartig über den Rücken empor. Die nach oben stehende Kante dieser Flügel ist in der Mitte jedes Segmentes ein wenig ausgerandet, also tiefer als am Vorder- und Hinterrande, und

mit zahlreichen kleinen Höckerchen besetzt, deren jedes ein Dornenhaar i

trägt. Das Höckerchen am Vorderrande ist das höchste und ist mit einem bedeutend längeren Haare gekrönt. Diese Bildung haben nur die ersten 7 Segmente, das 7. schon einfacher, indem der flügelartig aufgebogene Rand niedriger und in der Mitte am höchsten ist. Das 8. Segment ist nur klein und unter dem 7. fast verborgen. Die männliche Puppe zeigt auf der Mitte der Stirn 2 neben einander stehende Höckerchen, und die stark flügelartigen Erweiterungen des Kopfes, welche den männlichen

der Schles. Gesellschaft £. vaterl. Cultur. 169

Käfer auszeichnen, unter diesen (von oben gesehen), als 2 lange, weit von einander entfernte Hörner an den Seiten des Kopfes nach vorn stehend, die grossen starken Oberkiefer.

3. Ueber Lebensweise einiger Cryptophagus-, Lathridius- und Corticaria- Arten.

Im Januar dieses Jahres erhielt ich durch die Freundlichkeit des Herrn Geometer Hoffmann eine grosse Anzahl von Larven, Puppen und Käfern, welche derselbe in einem wenig geheizten Zimmer seiner Wohnung in der Nähe des Fensters auf den die Tapeten dicht bedeckenden Schimmel- pilzbildungen gesellig lebend gesammelt hatte. Bei genauerer Durchsicht fanden sich von Käfern: Cryptophagus acutangulus Gyl., Lathridius anthra- cinus Mannh., L. assimilis Mannh., L. scitus Mannh. und Corticaria pubescens Il. Unter der grossen Anzahl von Larven konnte man die dem Crypto- phagus angehörenden leicht an den beiden Spitzen, in welche der Leib auf der Oberseite endigt, von den Lathridius-Larven unterscheiden. Die letzteren zeichneten sich auch noch dadurch aus, dass sie einen viel lang- sameren Gang besitzen, da sie den Alter als Nachschieber gebrauchen, also an die Fläche, auf der sie gehen, anheften. Ausserdem fand sich neben den Larven noch eine sehr kleine hellweisse Milbe. Aus den Larven, welche sich in kurzer Zeit verpuppten, sind keine anderen, als die oben genannten Käferarten hervorgegangen. Bei dieser Gelegenheit konnte ich mich übrigens auf’s Neue überzeugen, dass die Lathridius- Arten sich nur sehr langsam ausfärben. Unter den etwa 200 lebenden Stücken, welche ich gleichzeitig neben einander hatte, waren lange Zeit alle Farben- töne vom hellsten Gelb bis zum dunkelsten Braun vertreten. Viele Exemplare starben, ohne ihre Ausfärbung vollendet zu haben.

4. Ueber Strophosomus obesus Marsh. als Waldverderber.

Am 16. Juni d. J. sendete Herr Forstsecretair Karsunky in Bernstadt durch Herrn Lehrer Barth II. ebendaselbst eine Anzahl des Strophosomus obesus Marsh. zur Bestimmung ein, und berichtete darüber Folgendes: Der beifolgende Käfer zeigt sich im Mai und frisst einzig und allein die jungen Triebe und die sich entwiekelnden jungen Nadeln der eben gepflanzten einjährigen Kiefern, und zwar so lange, bis eine Verholzung der Triebe eintritt. Er ist über die ganze Culturfläche verbreitet und die befallenen Pflanzen erliegen grösstentheils der Folge des Frasses. Durch diese Beobachtung wird das, was Ratzeburg über die Schädlichkeit seines Cur- eulio Coryli (worunter er Strophosomus Coryli F. und Str. obesus Marsh. versteht) auch für junge Kiefern berichtet (Forstins. I, 104; Waldverderbn. II, 374), vollkommen bestätist. Das überall sehr häufige Thier lebt eigentlich auf Laubholz, namentlich auf Haselnuss und Birken (ausnahms-

170 Jahres - Bericht )

weise auch auf jungen Eichen und Buchen), und greift wohl nur aus Noth

die Nadelhölzer an. Wie eine spätere freundliche Mittheilung des Herrn Forstseeretair Karsunky ergab, war die von dem Käfer angegriffene Kieferneultur vorher mit schlechtwüchsigen Birken bestanden gewesen, und an oder unter deren trotz des Rodens in der Erde zurückgebliebenen Wurzeln hatte sich das Thier entwickelt, das, bei seinem Unvermögen zu

fliegen und schnell zu laufen, nun natürlich das einzige ihm gebliebene

Nahrungsmittel: die Kiefernadeln, verzehren musste, wenn es nicht dem Hungertode verfallen wollte. Dass es dabei die zarten Blätter den harten vorzog, war wohl natürlich.

Interessant für mich war es, zu erfahren, ob in Gesellschaft des Strophosomus obesus auch gleichzeitig der ihm so sehr verwandte Str. Coryli F. sich befunden habe; meinem, dem Herrn Forstsecretair Karsunky ausgesprochenen Wunsche, eine grosse Menge des schädlichen Käfers zu sehen, entsprach derselbe auf das Freundlichste, und sendete mir unter dem 5. Juli eine kleine Anzahl desselben, mit dem Bemerken, dass das Thier gegenwärtig fast ganz verschwunden sei, und die beifolgenden Exemplare die Beute zweier Knaben seien, welche einen halben Tag

darnach gesucht hätten. Es waren nur Stücke von Strophosomus obesus

und einige Exemplare von Brachyderes incanus L.

5.

Derselbe zeigte mehrere Staphylinen vor, welche er Anfang October

d. J. im Riesengebirge in der Nähe der Hampelbaude und auf dem Koppen-

plane meist im Winterquartiere gefangen hatte; es waren darunter: Phi-

lonthus laevicollis Lac., Quedius boops Var. alpestris Redt., @. punctatellus Heer, @. monticola Er., Arpedium troglodytes Kiesw., Stenus flavipes Er., Megarthrus depressus Payk., Tachinus marginellus F. und andere.

6. Ueber den Status der Coleoptern-Fauna. Schlesiens am Ende des Jahres 1874.

Am Ende des vor. Jahres belief sich, nach dem Jahresbericht der

Schles. Gesellschaft pro 1873, die Zahl der in Schlesien heimischen Käfer-

Arten auf 4115. Dazu traten im Laufe des Jahres:

1) Ochthebius rufomarginatus Er., von Herrn Lehrer Gerhardt mehrfach

bei Liegnitz aufgefunden.

2) Callicerus obscurus Grav., ein Stück bei der Frühlings - Ueber-

schwemmung der. Katzbach (Gerhardt).

3) Homalota luridipennis Mannh., ein weibliches Stück bei Liegnitz 4

(Gerhardt).

4) Quedius nigriceps Krtz., von Herrn Kupferstecher Habelmann in s Berlin auf dem Hochstein auf einer feuchten, mit Moos bewachsenen Wiese

in mehreren Stücken im August d. J. erbeutet.

der Schles. Gesellschaft f, vaterl. Cultur. ikzal

5) Lathrobium ripicola Kiesw. In den Sammlungen bisher mit L. boreale und geminum vermengt, zuerst von Herrn Lehrer Gerhardt unter- schieden.

6) Olophrum rotundicolle Sahlb., von Herrn Kupferstecher Habelmann in Berlin auf dem Iserkamme bei Flinsberg im August d. J. in Mehrzahl gefangen. | 7) Olophrum consimile Gyl., vor mehreren Jahren von mir in 2 Stücken auf dem Riesengebirge gefunden.

8) Pienidium Gressneri Gillm., in dem Mulm hohler Eichen unfern der Berghäuser, Kreis Liesnitz, sehr selten (Gerhardt).

9) Ptilium affıne Er., unter schimmelnder Jäte und an zum Trocknen aufgehängter Wäsche, sehr selten (Gerhardt).

10) Ptilium discoideum Gillm., in hohlen Eichen in Gesellschaft des Püil. Gressneri, ziemlich häufig (Gerhardt).

11) Elachy& abbreviatellus Heer, curtus Gillm., unter schimmelndem Unkraut (Jäte), besonders unter Bäumen, bei Liegnitz, selten (Gerh.).

12) Brachypterus Linariae Cornel. In der Ebene und im Vorgebirge, ziemlich häufig; bisher für Var, von Br. gravidus Ill. gehalten. Oesterr. Schlesien, Breslau, Trebnitzer Hügel, Liegnitz, Schweidnitz.

13) Epuraea Fussii Reitt., von mir in einem Stücke bei Breslau auf- gefunden. |

14) Epuraea suturalis Reitt., in der Ebene und im Vorgebirge, bis jetzt selten. Paskau (Reitter), Liegnitz (Gerhardt), Breslau (ich).

15) Meligethes Ozwalinai Reitt. Bereits vor einigen Jahren fand ich unter Mel. viridescens ein Stück dieser Art in meiner Sammlung ohne Angabe des Fundortes, wagte jedoch nicht, dieselbe als in Schlesien heimisch aufzuführen, da sie mehr dem Süden anzugehören scheint; im Jahre 1874 fand auch Herr Lehrer Gerhardt ein Exemplar derselben unter M. viridescens, daher wohl mit Weahrscheinlichkeit angenommen werden kann, dass das Thier in Schlesien vorkomme. Weitere Beobachtungen werden Gewissheit darüber verschaffen.

16) Meligeihes Letzneri Reitt., bis jetzt nur von Herrn Reitter und vor mehreren Jahren von mir in Schlesien aufgefunden.

17) Cathartus advena Walt. Von diesem Thiere besitze ich ein Stück, welches der 1833 verstorbene Reetor Köhler unter den in seiner letzten Lebenszeit gefangenen Käfern stecken hatte, wagte aber nicht, es in die schlesische Fauna aufzunehmen; im April dieses Jahres siebte Herr Gerhardt ein Stück bei Liegnitz an dem Graben einer sumpfigen Wiese aus Moos und Gerölle.

18) Cryptophagus grandis Er., von mir in einem Stücke in der Uim- gegend von Breslau.

19) Cryptophagus Milleri Reitt., von Herrn E. Reitter bei Paskau un- weit Friedeck (im Fürstenthum Teschen) entdeckt.

172 j ahres- Bericht

20) Atomaria plieicollis Mäkl., bei Breslau und Liegnitz nicht selten; von den schlesischen Entomologen bisher für A. umbrina und impressa gehalten.

21) Atomaria procerula Er., von Herrn Reitter bei Paskau, von mir am Altvater im Juni beobachtet.

22) Atomaria atrala Reitt., von mir auf der Spitze des Hochwaldes 2600 Fuss über dem Meere im Juni in einem Baumstutzen in Mehrzahl gefunden.

25) Atomaria contaminata Er., im Riesengebirge ein Stück (Gerhardt).

24) Atomaria. Hislopi Wollast., ein Stück (Gerhardt).

25) Atomaria Barani Bris., ein Stück (Gerhardt).

26) Holoparamecus caularum Aub. Unter schimmelnder Jäte bei Liegritz in einem Stücke von Herrn Gerhardt entdeckt.

27) Corticaria obscura Bris. und 28) Corticaria Mannerheimü Reitt., beide in je einem Stücke von mir bei Breslau erbeutet.

29) Dryophilus rugicollis Muls. % R., vor mehreren Jahren von mir in einigen Stücken im Altvater-Gebirge (hoher Fall) gefangen.

30) Otiorhynchus perdix Germ., von Herrn Kaufmann Georg Wocke

in einem Stücke bei Troppau gefangen und freundlichst meiner Sammlung |

überlassen. 31) Apion aleyoneum Germ., auf Rüstern bei Liegnitz häufig (Gerhardt).

32) Longitarsus rubiginosus Foudr., seit einigen Jahren von mir an

mehreren Orten bei Breslau (Karlowitz, Schottwitz, Friedewalde) .in 7 Exemplaren, von Herrn Gerhardt ebenfalls in mehreren Stücken bei Liegnitz aufgefunden.

33) Longitarsus cerinus Foudr., ebenfalls vor einigen Jahren in 5 Stücken von mir in der Umgegend von Breslau geschöpft.

Rechnet man diese 33 Arten zu den oben angegebenen 4125 hinzu, so stellt sich die Zahl der schlesischen Käferarten Ende 1874 auf 4148.

7. Ueber die geringe Verbreitung der die schlesischen Coleoptern betreffenden Literatur.

Nachstehend erlaube ich mir ein Beispiel anzuführen, wie wenig die die schlesische Coleoptern-Fauna betreffende Literatur verbreitet und be- kannt ist. Herr W. Koltze in Hamburg sagt in einem Aufsatze, über-

schrieben: Eine entomologische Exeursion durch die Grafschaft Glatz in

das Riesengebirge (Berl. ent. Zeitschr. 1873 p. 209), dass er in dem eben-

genannten Gebirge den Leistus montanus erbeutet habe, und dass seines Wissens dies Thier in Schlesien noch nicht gefangen worden sei. In meinem Verzeichniss der Käfer Schlesiens, das von Herrn Dr. Kraatz in

der Berl. ent. Zeitschr. mehrfach erwähnt worden, also Herrn Koltze nicht unbekannt geblieben sein kann, heisst es von diesem T'hiere: Bis jetzt

der Schles. Gesellschaft £. vaterl. Cultur. 1073

nur im Riesengebirge in einer Höhe von mehr als 4000 F. unter Steinen ziemlich selten; Koppenkegel, Teichränder, hohes Rad, Schneegrubenränder, Weigelstein.. An allen diesen Orten habe ich das T'hier seit dem Jahre 1345 selbst gesammelt (ebenso ist es nach dieser Zeit von inner- und ausserschlesischen Entomologen aufgefunden worden); bekannt war es den schlesischen Entomologen jedoch schon vor dem Jahre 1830, dieselben verwechselten es aber mit Leistus spinibarbis F. oder mit Leistus rufo- marginatus Duft.

8. Ueber Metastemma (Prostemma Lap., Nabis Ol.) guttula F.

Ein Stück dieses seltenen Thieres fing Herr Dr. Wocke unter nie- derem Gesträuch im Sande bei Parchwitz im Mai d. J., ein zweites Stück Herr Guisbesitzer Naake bei Bad Gleichenberg in Steiermark. Beide Exemplare (welche die genannten Herren meiner Sammlung zu überlassen die Gewogenheit hatten) haben verkümmerte Flügeldecken, indem die Halbdeeken mit den weissen Zeichnungen ganz fehlen.. Nur der kleine schwarze Fleck hinter dem Schildchen ist vorhanden, aber nicht so scharf dreieckig, wie ihn Hahn (W.anzenart. Ins. B. 2, Heft 1, Figur 150) ab- bildet. Der Thorax ist oben nicht stahlblau, sondern schön grün, glän- zend, auf der Unterseite schwach blau schimmernd; der Hinterleib schwarz, stark quer gerunzelt, bei dem einen Exemplare schwach grünlich, bei dem anderen bläulich schimmernd. Vorderbeine ganz roth (wie die Deck- schilde), genau wie sie Hahn abbildet, die Mittel- und Hinterbeine aber nicht gleichmässig roth, sondern die Spitze der Schenkel und der grössere Theil der Schienen schwarz, also fast, wie H.-Schäffer sie bei Prostemma Buessüi (VU, 5, Fig. 661) abbildet. Bei dem Parchwitzer Stücke dehnt sich die schwarze Färbung bei den Mittelschienen so sehr aus, dass nur noch die Knie roth bleiben. Das Thier würde demnach wohl zu der von Herrich-Schäffer in Hahn’s wanzenart. Ins. Bd. 8, Heft 3, $S. 59 er- wähnten, von Waga in Warschau eingesendeten Art gehören, „welche sich von dem unentwickelten P. guitula nur durch das schwarze End- dritttheil der vier Hinterschenkel unterscheidet.‘

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IV. Bericht

über die . Thätigkeit der medieinischen Section der Schlesischen Gesellschaft im Jahre 1874,

abgestattet von

Professor Dr. Freund und Professor Dr. Gscheidlen,

zeitisen Secretairen der Section.

In der Sitzung vom 16. Januar sprach Herr Dr. Landau im An- schluss an eine von dem Vortragenden beobachtete Endemie von Puerperal- Fieber und eine grössere Anzahl sporadischer Erkrankungen im Wochen- bett, die auf einer Infeetion beruhten und berichtet über die Anschauungen,

zu denen er nach einer genauen Analyse dieser Fälle gekommen ist. Nach den Forschungen in der letzten Zeit könne darüber kein Zweifel herrschen, dass beim sogenannten bösartigen Wochenfieber eine direete Ansteckung durch Finger oder Instrumente der hilfeleistenden Hebamme oder Arzt die Ursache desselben sei. Nur die in der letzten Zeit gerade auf dieser theoretischen Basis hervorgegangenen Anschauungen, dass die loealen Processe an und in den Genitalien das Wesentliche und die all- gemeinen Vorgänge im Blutleben das Nebensächliche seien, bedürfen einer ' Correctur. Nicht blos sei der Befund in einigen Fällen von Puerperal- Fieber in der Leiche in makroskopischer und mikroskopischer Beziehung (ein negativer, sondern eine selbst in allen Fällen vorgefundene Ver- "änderung an den Genitalien würde das Wesen des Puerperal-Fiebers zu (erklären nicht im Stande sein. Der Befund in klinischer und anatomischer | Beziehung wäre erklärt durch Veränderungen, die das Blut, d. h. seine / Zellen und seine Intercellular-Substanz betreffen, die durch das eingeführte (Gift selbst chemisch verändert, die einzelnen Gewebe und Organe in ihrer normalen Ernährung stören. Für dieses Gift die in letzter Zeit in dem ! Blute und in den Geweben des Puerperal-Fiebers mitunter vorgefundenen | Bacterien anzusehen, sei verfrüht. Im Uebrigen könne die sogenannte

176 Jahres - Bericht

Parasiten-Theorie getrennt von der chemischen Theorie bei Infections- Krankheiten eben so wenig irgend welchen Aufschluss geben, als über die Natur des Gährungsprocesses.

Mag das Gift nun sein, welches es wolle, mag es an Fäulniss - Bac- terien oder specifische Bacterien gebunden, oder in einer bisher für uns noch nicht darstellbaren Weise vorhanden sein, in jedem Falle gelangt es bei der Einführung in den wunden Geburtscanal entweder direet oder in- direct durch Imbition oder Diffusion in die Bindegewebsspalten und Lymph- räume einerseits, andererseits in die Venen. Hieraus ergiebt sich die Manmnigfaltigkeit und Verschiedenheit in den einzelnen Fällen, in denen das Gift bald schneller (Venen), bald langsamer (Lymphgefässe) in den Kreislauf geräth und auf diesem Wege bald Veränderungen in den mit dem Lymphapparat zusammenhängenden Geweben, Peritonäum, Pleura u. s. w., bald Veränderungen in den Venen an Ort und Stelle, Phle- bothrombose in den breiten Mutterbändern, Uterus-Venen oder an ent- fernten Orten, Phlebothrombose an den Schenkeln, oder endlich das viel- gestaltige Bild der sogenannten embolischen Pyämie hervorruft. Natürlich sind die Puerperal-Fieber nicht immer rein lymphatischer oder rein venöser Natur, häufig combiniren sich die Formen in mannigfaltigster Weise. In beiden Fällen können locale Störungen, d. h. Dyphteritis der äusseren oder inneren Genitalien vorkommen. Durch das Studium des Puerperal- Fiebers belehrt, erkennt der Vortragende einen genetischen Unterschied #. zwischen der von den Chirurgen streng geschiedenen Septoämie und N Pyämie nicht an. Das Wort Pyämie lässt er aus ethymologischen Grün- den fallen. Da das Gift ein septisches, zieht er für alle diese Zustände den Namen Septhämie vor, die das eine Mal eine Septhämia venosa, das Es andere Mal eine Septhämia Iymphatica, endlich eine gemischte Septhämie ist. Dass das Gift nicht immer in demselben frischen, wirksamen Zustande eingeführt wird, sondern selbst so faulen kann, dass es unwirksam wird, ist bekannt.

Hierauf sprach Herr Sanitätsrath Dr. Biefel über den Werth der klimatischen Winterkuren bei Lungenschwindsucht. Die klimatische Behandlung der Lungenschwindsucht schon im Alterthum auf beschränktem Terrain ausgeübt führte sich seit eirca 100 Jahren wieder in ausgedehntem Massstabe ein. Diese moderne Kli- matotherapie stützt sich auf die Kenntniss der Zusammensetzung der Luft, während die ältere nur auf Wechsel der Jahreszeiten. Anfangs glaubte man freilich, dass allein die Wärme massgebend sei, und hielt jeden Ort, wo Orange und Palme gedieh, für heilsam. Aber bald lernte man kennen, dass jene Orte ebenso von der Schwindsucht heimgesucht werden, wie der Norden. Viel später nahm man auch eine Erd- und Luftzone an, die

RETRR

der Schles. Gesellschaft f. vater]. Cultur. 177

werden. Es zeigte sich, dass für Eintheilung der Klimate: Wärme, Feuchtigkeit und Luftdruck die Hauptrolle spielen. Darnach unterscheidet man 1) feuchtwarme oder sedative Klimate, besonders Madeira, Pau, Venedig, Pisa, Corsica; 2) trockenwarme oder exeitirende, z.B. Cairo, Palermo, Riviera von Cannes bis Mentone; 3) indifferente, d. h. Kli- mate mit sehr mildem kurzem Winter und im Ganzen gleichmässig, so an den Schweizer Seen; 4) trocken kühle mit niedrigem Luftdruck, besonders die alpinen und subalpinen stärkenden Klimate. Die verschiedenen Klimate werden nach ihren physikalischen Eigenschaften theoretisch und dann in praktischer Beziehung zur Lungenschwindsucht durchgenommen. Active, das heisst fortschreitende Formen der Lungenschwindsucht passen nur in sedative, die chronischen und stationären Formen nur in exeitirende Winterklimate. Es muss individuell ausgewählt werden, bei vorherrschen- der Blutleere und Verdauungsschwäche zieht man stets die Orte mit kurzem milden Winter den winterlosen vor. Die Lungenschwindsucht muss bei der Behandlung einheitlich betrachtet werden. Man könne nicht nach den verschiedenen Combinationen von Tuberkulose, Entzündung und fei- neren Gewebsvorgängen die Behandlung jedesmal differenziren, am we- nigsten die Klimabehandlung, sondern müsse sich an den Verlauf halten. Der Vortragende skizzirte kurz die Hauptvertreter der einzelnen Klimate und ging zur Winterbehandlung der Schwindsucht im Norden über. Hier sei vor allen Dingen das trocken-kühle, gleichmässige Höhenklima, wel- ches in gut geleiteten Anstalten, aber nur in solchen, bei mit Blutleere und Verdauungsstörungen ehronisch verlaufender Schwindsucht Vieles ge- leistet habe. Nur dürfen keine zu schwachen und bereits eonsumirte Kranke hingeschickt werden. Genannt wird Görbersdorf, Davos, Bormio. Dobell hat eine Winterjagdsaison im Minnesotathal empfohlen. Weiter suche man in Amerika das mehrere Meilen umfassende Gosemith Vally zu einem Kurort für alle Jahreszeiten einzurichten.

Ein Urtheil über den verschiedenen Werth der Klimate ergiebt, dass

keins derselben specifisch die Tuberkulose heile, sondern dass alle nur

wirken, indem sie die günstigen Bedingungen einer passenden Atmosphäre und den beständigen Luftgenuss ermöglichen. Es ist ganz einseitig, die Abhärtungskur allein oder die Gymuastik allein als Heilmittel hinzustellen. Es müssen vielmehr eine Menge nützlicher Einflüsse combinirt und zur Methode der Behandlung vereint werden. Dahin gehören bald mehr bald weniger ein gutes Pensionatswesen, oder Pensionate unter völlig ärztlicher Aufsicht, wie Görbersdorf, beständiger Luftgenuss zu den richtigen Tages- zeiten; passende Pflege, passende Diät, welche bei activer und passiver Schwindsucht durchaus verschieden sein müsse, Kaltwasserabreibungen bei acliver, ganze kurze Regendouchen bei stationärer Schwindsucht. Im Süden, wo es oft sehr an den socialen Annehmlichkeiten fehlt, sei bei Schwerkranken stets ein Begleiter erwünscht. Eine solche methodische

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178 ae Bericht

Durehführung der Behandlung müsse überall gewissermassen international gehandhabt werden. Bei speeieller Durchmusterung der Indieationen fand sich, dass es meist fehlerhaft ist, sehr Schwerkranke nach dem Süden zu schicken; diese müssen in der Familie behandelt werden. Eigentliches Objeet der Klimatotherapie sind die Anfänge der Lungenschwindsucht, welche der Vortragende aufführt, und die Constitutionsschwäche. -— Für viele Kranke ist es am Besten, wenn man ihnen ein Privatklima im Hause einrichten kann. Sie müssen dann zwei grosse Zimmer ganz allein be- wohnen, und das eine stets abwechselnd lüften. Im Uebrigen ist die passende Methode aufs Strengste in der ganzen Lebensweise durchzuführen, gerade als befänden sich die Patienten in einem ärztlichen Pensionat oder klimatischen Kurort. Auch die Behandlung durch bestimmte Arzneien müsse mit mögliehster Consequenz ohne häufigen Wechsel durchgeführt werden ete. Die Engländer haben mit grossem Erfolg Asyle für noch heilbare Schwindsüchtige auf dem Lande gebaut, wo dieselben in ge- trennten Zimmern nach strenger Methode leben. Dies empfehle sich, während das Zusammenlegen der Kranken in den Hospitälern nieht nütz- lich sein könne ete,

In der Sitzung vom 6. Februar sprach Herr Mediecinalrath Prof. Dr. Spiegelberg unter Mittheilung eines von ihm vor Kurzem operirten Falles über die differentielle Diagnose der eystischen Myome des Uterus, welche aus der Beschaffenheit der probotorisch entzogenen Flüssigkeit der Neubildung, aus der massenhaften und sofortigen Gerinnselbildung in jener positiv gestellt werden kann. In der Operation selbst kam ein bis dahin nicht geübtes Verfahren, die Ausschälung von der Bauchhöhle. aus mit Naht der Serosa und Drainage zur Anwendung. (Nähere Beschreibung in dem- vom Vortragenden herausgegebenen Archive für

Gynäkologie, VI. Bd.)

Hierauf sprach Herr Dr. Landau über Magen- und Darmblutung bei Neugeborenen.

Diese Krankheit, unter dem Namen Melaena schon von Hippokrates allerdings blos beim Erwachsenen bekannt, hätte erst: seit vorigem Jahr- hundert die Aufmerksamkeit erregt. Sie sei aber nicht blos aus diesem Grunde und wegen ihrer Seltenheit, sondern wegen ihres bis jetzt unau- geklärten Ursprungs interessant. Der Symptomen-Complex ist ein em- facher, 2 bis 8 Tage nach der Geburt beginnen die bis dahin gesunden Kinder schwarze Massen (Blut) peros und per anum oder durch beides zu

entleeren._ Dieser ersten Attaque folgten dann in der Mehrzahl der Fälle noch mehrere und bei meist zu spät eintretender Hilfe der Tod. Die

Fälle von sog. Melaena spuria, in denen das Blut erst secundär durch Herabfliessen aus Mund und Nase in deu Magen geflossen oder in denen

der Schles. Gesellschaft f. vaterl. Cultur. 179

Blut in utero geschluckt worden, oder in denen das Blut ebenso wie auf der äusseren Haut in den Verdauungstractus extravasirte, wie beim morbus maculosus Werlhofi, zieht der Vortrageude hier nicht in Betracht.

Was den anatomischen Befund bei der Melaena vera betrifft, so war der bis vor kurzer Zeit von fast allen Beobachtern als ein negativer ge- schildert, eine Blutungsquelle aus einem grösseren Gefäss nie nolirt wor- den, bis in den letzten Jahren mehrere Obductionen Ulcerationen im Magen und Zwölffingerdarm mit deutlicher Arrosion einer kleinen Arterie nachwiesen. Auch ein vom Vortragenden Ende vorigen Jahres in der hiesigen gynäkologischen Klinik beobachteter Fall ergab den eklatanten Befund eines runden Duodenal-Geschwüres.

Fast alle früheren Beobachter, auch die, denen die Ulcerationen im Intestiualtractus nicht entgangen waren, legten den Beginn der Erkrankung ins intrauterine Leben. Der Vortragende bekämpft diese Ansichi und führt aus, Jass die Ulcerationen secundär nach der Geburt entstanden, die pri- mären Vorgänge in dem Circulations- resp. Respirations-Apparat zu suchen seien. Die Ulcerationen beruhen auf Embolien. Die zugehörigen Thromben seien in der Nabelvene resp. im Duct. arter. Botalli zu suchen.

Zur Erzeugung dieser Processe müsse man einen von Anfang an ge- störten Athmungsprocess, wie er auch von allen Beobachtern bei diesen Fällen constatirt worden ist, annehmen.

Das sei auch der Grund, weshalb man weitere Embolien im kleinen Kreislaufe resp. Lungen gar nicht dabei finden dürfe; die gestörte Aus- bildung dieses sei eben eine nothwendige Bedingung zur Erzeugung dieser Krankheit. Eine Ausführung dieser Ansichten wird der Vortragende in einer besonderen Arbeit geben.

In der Sitzung vom 13. Februar referirte Herr Dr. Moritz Traube über in Gemeinschaft mit Herrn Privat-Docenten Dr. Gscheidlen an- gestellte Versuche über Fäulniss und den Widerstand der lebenden Organismen gegen dieselbe.

Ueber die Ursache der Fäulniss sind zwei Hypothesen aufgestellt worden:

1) von Liebig, der sie davon herleitet, dass, wenn die Lebenskraft die organischen Verbindungen zu beherrschen aufgehört hat, der Stick- stoff der Eiweisskörper vermöge seiner Affinität zum Wasserstoff das Wasser unter Ammoniakbildung zersetzt;

2) von Schwann, der die Fäulniss der Wirkung mikroskopischer Or- sanismen zuschreibt, die man in allen fauligen Stoffen findet.

Obgleich die erstere namentlich unter den Chemikern noch viele An- hänger zählt, so ist doch nur die letztere nach den Versuchen von Schwann, van den Broek, Pasteur, Burdon-Sanderson als die allein richtige zu be- trachten. Es erleiden nämlich die leicht zersetzbarsten Körper, wie Blut,

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180 J oe - Bericht

Muskeln, Speichel, Harn, Eiweiss, Eigelb, Eiter, auch ohne vorher gekocht zu sein, selbst bei Anwesenheit von Sauerstoff, keine Fäulniss, wenn man Sorge trägt, den Zutritt organischer Keime von Aussen her abzuhalten, ein Beweis, dass den Eiweisskörpern an sich die Fähig- keit der Selbstzersetzung abgeht. ;

Es wurde näher auf die Burdon-Sanderson’schen Versuche eingegangen, welche darthun, dass die die Fäulniss der Thierstoffe verursachenden Mi- krozoen, die Bacterien, nicht, wie man bisher annahm, hauptsächlich aus der Luft stammen, sondern vorzugsweise im Wasser vorhanden sind und an der Oberfläche aller Gegenstände haften.

Auf Grund dieser Erfahrungen haben die Vfr. ein sehr einfaches, für ihre weiteren Untersuchungen sehr förderliches, vom Referenten näher beschriebenes Verfahren aufgefunden, Blut der direct aus den Blutgefässen unter Abhaltung von aussen zutretender Bacterienkeime in Glasröhrchen aufzufangen. In solchen Glasröhrehen fault normales Blut selbst nach Monaten nicht. f

Nachdem festgestellt ist, dass die Fäulniss nur von der Einwirkung von Mikrozoen herrührt, ist auch die oft aufgeworfene, bisher unbeant- wortet gebliebene Frage nach der Ursache der Widerstandsfähigkeit lebender Organismen gegen die Fäulniss die Frage: „animai cur vivit et non pulrescit‘“ in ein neues Stadium getreten. Diese Widerstandsfähig- keit kann nur darin ihren Grund haben, dass die, der beständigen Ein-

wirkung jener überall verbreiteten Baeterien ausgesetzten Thier-Organismen-

antiseptische Eigenschaften, d.h. die Fähigkeit besitzen, jene mikroskopischen Wesen und deren Keime zu vernichten.

Während man bisher meist von der Voraussetzung ausgegangen war, .

dass faule Stoffe auch auf die Organismen septisch wirken müssten, haben Vfr. umgekehrt die Frage zu beantworten gesucht, ob und in wie weit die lebenden Thier-Organismen in ihrem Leibe Fäulniss-Bacterien zu ver- nichten im Stande sind. Die Versuche ergaben Folgendes:

1) Warmblüter (Kaninchen und Hunde, namentlich letztere) vertragen die Injection erheblicher Mengen bacterienhaltiger Flüssigkeiten in’s Blut ohne dauernden Nachtheil. Durch diese 'T'hatsache allein schon ist er- wiesen, dass lebende Organismen sich gegen Fäulnissbaeterien wesentlich anders verhalten als todte, die durch die kleinsten Mengen jener Mikrozoen durch ihre ganze Masse hindurch in Fäulniss versetzt werden.

2) Arterielles Blut nach der oben erwähnten Methode einem Kaninchen

entnommen, dem .24 oder 48 Stunden vorher 11, C. C. bacterienhaltiger Flüssigkeit in die Jugularis injieirt worden waren, faulte selbst nach Mo- naten nicht ein Beweis, dass die injieirten Bacterien innerhalb der kurzen Zeit bereits vernichtet waren.

3) Die Fähigkeit, Fäulnissbacterien unwirksam zu machen, besitzt

das cireulirende Blut nur bis zu einem gewissen Grade. Injection sehr

der Schles. Gesellschaft f. vaterl. Cultur. 131

grosser Bacterienmengen in’s Blut überdauern Kaninchen und Hunde meist kaum 24—48 Stunden. In dem kurz vor dem Tode entnommenen Blut sind dann nach obiger Methode Keime von Fäulnissbaeterien nach- zuweisen.

4) Welchen Bestandtheilen oder Eigenschaften das lebende Blut die "Fähigkeit verdankt, Fäulnissbacterien zu vernichten, gelang den Verfassern trotz zahlreicher Versuche nicht, zu ermitteln. Vermuthlich ist es der ozonisirte Sauerstoff der Butkörperchen, dem (ähnlich wie dem ener- sisch wirkenden Sauerstoff des übermangansauren Kalis) —- diese Bigen- schaft zukommt.

Gewöhnlicher (inactiver) Sauerstoff befördert, wie darauf bezüg- liche Versuche ergaben, die Fäulniss ungemein.

5) Nach den mitgetheilten Versuchen sind die Fäulnissbacterien nicht jene infieirenden Giftstoffe, die man bisher für so gefährlich ansah. Sie sind ihrer Wirkung nach wesentlich verschieden von den contagiösen Bacterien, die z. B. den Milzbrand, die Pocken, die Pyaemie verursachen. Die Fäulnissbacterien wirken nicht infieirend, sondern, da sie sich im le- benden Organismus nicht vermehren können, nur so weit, als ihre che- mische Thätigkeit reicht. Contagiös wirken nur jene Bacterien, die sich im lebenden Organismus vermehren können, und deren kleinste Menge deshalb hinreicht, eine specifische Entwicklung hervorzurufen. Nach Davaine genügt schon der 100,000ste Theil eines Tropfens Milz- brandblut, das bekanntlich eine Bacteridie (Bacillus anthracis) enthält, um in einem gesunden Thiere Milzbrand hervorzurufen.

Auf dem Umstand, dass die Fäulnissbacterien, wenn sie nicht in zu grosser Menge in den Organismus gelangen, in diesem- zu Grunde gehen, beruht der Bestand der gesammten organischen Welt. Vermehrten sie sich in den lebenden Thieren ebenso leicht, wie in den todten, oder, wie die Milzbrandbaeterien in den lebenden Warmblütern, so würden die Thiere bei der enormen Verbreitung der Fäulnisskeime der Fäulniss zu keiner Zeit entgehen können und ein Thierleben wäre überhaupt un- denkbar.

6) Der Gegensatz der Fäulnissbacterien gegen die contagiösen zeigt sich auch darin, dass erstere die letzteren vernichten. Es ist durch zahl- reiche Beobachtungen erwiesen, dass contagiöse Stoffe durch Fäulniss un- schädlich gemacht werden.

7) Auch in dem Magensaft besitzen die höheren Thiere ein mächtiges _

Antisepticum. Fäulnissbacterien, seiner Wirkung ausgesetzt, werden ge- tödtet, wie daraus hervorgeht, dass sie sich dann in Pasteur’scher Lösung, einem ihre Entwickelung höchst begünstigenden Medium, nieht mehr vermehren.

182 Jahres- Bericht ) In der Sitzung am 20. Februar hielt Herr Professor Poleck einen Vortrag über

gerichtlich-chemische Analyse im Anschluss an einen interessanten

forensischen Fall.

Einleitend bemerkte der Vortragende, dass die schwer wiegende Be- deutung der Resultate einer gerichtlich-chemischen Analyse für den An- geklagten wohl nie unterschätzt worden sei, dass man jedoch über ihren _ Werth als Beweismittel zu verschiedenen Zeiten verschiedene Meinungen gehabt habe. Während der Nachweis des Phosphors, Arsens und der metallischen Gifte fast stets nur durch ihre Abscheidung in Substanz, wo- möglich in metallischer Form, als geführt angesehen wurde, sah man die Erfüllung dieser Forderung bezüglich der Pflanzengifte fast als aussichtslos an. Die berüchtigten Giftmorde des Grafen Bocarme, welcher Nicotin, und des Arztes Couty de la Pommerais, welcher Digitalin zur Ausführung seines Verbrechens benützte, bezeichnen einen wichtigen Wendepunkt in der Entwickelung der toxieologischen Untersuchungen, einerseits durch Auffindung oder vielmehr Consolidirung einer allgemeinen Methode zum Nachweis der Pflanzengifte und andererseits durch Heranziehung des phy- siologischen Experiments zur weiteren Charakterisirung der auf chemi- schem Wege abgeschiedenen Stoffe. Später wurde auch wiederholt die Ansicht vertheidigt, dass das Krankheitsbild der Vergiftung, ihr Symp- tomen-Complex in vielen Fällen allein ausreiche, um die Natur des Giftes zu constatiren. Die letztere Ansicht dürfte jedoch, mit Ausnahme der Intoxicationen durch Infectionsgifte, schon um deshalb nicht als ein vor Gericht entscheidendes Beweismittel angesehen werden, weil der objective Thatbestand zur Zeit der Beobachtung keiner weiteren Controle unter- worfen werden kann und daher bei dem Mangel aller andern Anhalts- punkte der subjeetiven Auffassung ein zu srosser Spielraum gewährt ist. Es wird daher die Abscheidung des Giftes stets in den Vordergrund treten müssen und dann erst werden die chemische Reaction, das physiologische

Experiment und der Sectionsbefund gleichberechtigt neben einander treten _ und in dem Krankheitsbild die erwünschte Ersänzung und Bestätigung finden. Die nothwendige Arbeitstheilung bei derartigen Untersuchungen zwischen dem Gerichts-Chemiker und dem Gerichts-Arzt wird daher in

letzter Instanz wieder zur gemeinsamen Arbeit in der gegenseitigen Kritik

der gewonnenen Resultate.

Zur Begründung der eben ausgesprochenen Ansichten benützte der

Vortragende einen interessanten forensischen Fall, in welchem er als Ge- richts-Chemiker fungirte und welchen er später ausführlich zu veröffent- lichen gedenkt. Es war ihm hier die erwünschte Gelegenheit geboten klar zu legen, welche Anforderungen man gegenwärtig an gerichtlich-

der Schles. Gesellschaft f. vaterl. Cultur. 183

chemische Untersuchungen stellen dürfe und welche Resultate erreicht werden können.

Es lag in dem angegebenen Falle der Verdacht eines Giftmordes der Schwiegermutter vor. Die Ausgrabung der Leiche, welche bereits 5 Mo- nate in der Erde lag, wurde angeordnet. Die Section ergab nichts Auf- fallendes, doch wurde auf die Angabe der Zeugen hin, dass Rattengift im Hause gewesen, die Frau ohne ärztliche Behandlung und rasch ge- storben, die chemische Untersuchung der Leichentheile angeordnet. In dieser konnten weder Phosphor, Arsen oder metallische Gifte, noch über- haupt ein anderes sogenanntes unorganisches Gift nachgewiesen werden, dagegen wurden bei der Untersuchung auf Pflanzengifte, deren Methode in ihren Grundzügen klargelegt wurde, drei Opium-Alkaloide, Narcotin, Codein und Morphin aufgefunden. Die aufgefundenen Mengen waren be- züglich der beiden ersten Körper nur minimale, aber bei Morphin doch der Art, dass ein Objeetiv-Glas mit einigen mikroskopischen Morphin- Krystallen dem Bericht beigelegt werden konnte. Narcotin und Codein konnten nach der Art ihrer Abscheidung und ihren Reactionen mit Digi- talin und Atropin verwechselt werden, doch gab das gerade für diese Körper charakteristische physiologische Experiment ein negatives Resultat.

Das Gesammtresultat der Analyse liess keinen Zweifel an der An- wesenheit von Opium in der Leiche und es war nun durch die weitere gerichtliche Untersuchung die Frage zu beantworten, wie und ob in einer, lelale Wirkung bedingenden Menge das Gift in den Körper der Verstor- benen gelangt sei? In dem betreffenden Bericht war an unreife Mohn- köpfe der Tod war im August erfolgt au Absud derselben und an ärztliche Verordnung von Opium-Tinetur erinnert worden. Organtheile von Mohnköpfen oder Saamen waren in den Contentis des Magen nicht nachzuweisen, folglich blieben nur die beiden anderen Fälle übrig. Durch die von dem köngl. Sanitätsrath und Kreisphysikus Dr. Utting in Grottkau mit grosser Umsicht angestellten Nachforsehungen wurde das actenmässig feststehende Resultat gewonnen, dass die Denata während ihrer Kraukheit bis zum Tode bei vollem Bewusstsein gewesen und ohne jedes Symptom einer Opium-Vergiftung, vielmehr augenscheinlich an Kolik gestorben sei, dass sie aber während ihrer Kraukheit wiederholt braune Tropfen von ihrer Nachbarin erhalten und nach dem Genuss derselben stets etwas Ruhe gefunden habe. Dr. Utting stellte nun durch Vernehmung dieser Nachbarin fest, dass er selbst der letzteren diese Tropfen zur Beseitigung von kolikartigen Schmerzen verschrieben habe und dass in ihnen Opium- tinetur enthalten gewesen sei. Damit war der Sachverhalt aufgeklärt und die Probe für die chemische Untersuchung gewonnen. Unter der An- nahme, dass die Tropfen die für einen Tag zulässige Dosis Opiumtinetur enthalten haben, 5 Gr., entspricht diese 0,5 Gr. Opium und darin sind wieder 0,05 Gr. Morphin enthalten. Da nach der Aussage der Zeugin

184 a

nur ein Rest der Tropfen zur Verwendung gelangte und bei der che- mischen Analyse auch nur ein Theil der Untersuchungs-Objecte in dieser Richtung untersucht wurde, so spitzt sich dadurch die Schärfe des Nach- weises noch mehr zu. Die Widerstandsfähigkeit der Opium-Alkaloide gegen Fäulnissprocesse ist übrigens schon durch andere Beobachtungen festgestellt und findet hier nur aufs Neue ihre Bestätigung. Auch kam dem Nachweis in der Leiche gewiss der Umstand zu Statten, dass die Tropfen unmittelbar vor dem Tode der Kranken wiederholt gereicht . worden waren, und durch Eintritt desselben weiteren Veränderungen der Opium-Alkaloide im lebenden Organismus rechtzeitig ein Ziel gesetzt wurde. Diese so empfindlichen Untersuchungs-Methoden werden von der srössten Bedeutung für pharmakodynamische Arbeiten werden, da sie die Wanderungen und Veränderungen einer grossen Anzahl von heroischen Arzneimitteln im Organismus und seinen Sekreten mit Leichtigkeit zu ver- folgen gestatten. Der Vortragende ventilirte zum Schluss noch die Frage wem vorzugsweise die Ausführung gerichtlich chemischer Untersuchungen anzuvertrauen sei? Kenntniss und Beherrsebung der chemischen Analyse als soleher und der eigenthümlichen toxicologischen Methoden ist die nothwendige Voraussetzung für diese Thätigkeit, aber nicht die einzige Forderung. Es treten als solche hinzu: Vertrautheit mit dem Gebrauche des Mikroskops und Spektroskops, botanische und pharmakologische Kennt- nisse und Bekanntschaft mit den in den Gewerben gebräuchlichen Che- mikalien ete., also allgemeine Waarenkunde. Weder der Arzt noch der sogenannte reine Chemiker können diesen Anforderungen genügen, wohl

aber ist in dem ganzen vorschrifismässigen Gange der theoretischen und

praktischen Ausbildung des deutschen Pharmaceuten die Möglichkeit ge- boten, sich in allen Aufgaben dieses Gebiets zurecht zu finden und diese Möglichkeit ist in der Thatsache zur Wirklichkeit geworden, dass in Deutschland alle gerichtlichen Chemiker von Bedeutung, fast alle Docenten derselben aus der Schule der Pharmacie hervorgegangen und die Gerichte in dieser Beziehung zunächst an die Apotheker gewiesen sind. Dies Ver- hältniss wird dauernd erhalten, aber doch in der Art reformirt werden müssen, dass der Staat analog dem Institut der Kreis-Physiker ständige Geriehts-Chemiker aus den Apothekern für grössere Bezirke anstellt und

diesen die Ausführung aller in dies Gebiet schlagenden Arbeiten inel.

jener der öffentlichen Gesundheitspflege und Sanitäts-Polizei von Amts- wegen zuweist, dafür aber auch, wie bei den Kreis-Physikern, den be- sonderen Nachweis der theoretischen und praktischen Befähigung für diese Arbeiten verlangt.

Die deutsche Pharmacie ist durch ihre Organisation und ihre Erzie- bungs-Resultate bis jetzt die Pflanzschule der Chemie und namentlich der praktischen Chemie, sowie der Botanik und der Pharmakognosie, gewesen.

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der Schles. Gesellschaft f. vaterl. Cultur. 185

Diese bewährte Organisation wird festgehalten und weiter entwickelt, die wissenschaftliehen Anforderungen an den Stand werden der Zeit ent- sprechend gesteigert werden müssen. Man schlägt aber jetzt in der Ge- setzgebung den entgegengesetzten Weg ein und die consequenten Folgen dieser Bestrebungen in pejus werden nach Decennien ihre verhängniss- vollen Früchte auf ganz anderen Gebieten, als auf jenen der Pharmacie tragen, grade so wie die Verordnungen, welche in den fünfziger Jahren den naturwissenschaftlichen Unterricht von den Gymnasien so gut wie ver- drängten, jetzt in dem augenscheinlichen Mangel an Lehrern und Docenten der Naturwissenschaften bitter empfunden werden.

In der Sitzung am 27. Februar sprach Herr Privatdocent Dr. Herr- mann Cohn über

Vorarbeiten für eine Geographie der Augenkrankheiten.

Während alle anderen Zweige der Augenheilkunde sich der grössten Blüthe erfreuen, existirt noch nicht einmal eine Andeutung für eine Geo- graphie der Augenleiden. Die Grundlage kann nur durch sorgfältige Be- richte aus allen Augenheilanstalten der Welt geliefert werden. Der Vor- tragende bespricht im Einzelnen die grosse Reihe von Fehlerquellen, welche den Schlüssen aus den bisherigen Berichten anhaften, kann aber trotzdem die Ansicht vieler Fachgenossen nicht billigen, dass jede Statistik einer Anstalt nur Selbstberäucherung und unzuverlässig sei. Er unter-. scheidet 3 Arten von oculistischer Statistik:

1) Reclame-Statistik, sie geht von Privataustalten aus, die ihre armen und reichen Kranken addiren, um in den Localblättern das Publikum mit grossen Zahlen auf sich und ihren Zulauf aufmerksam zu machen. Diese Zahlen sind werthlos, weil uncontrolirbar und auf Gewinn berechnet. |

2) Wohlthätigkeits-Statistik; hierher gehören die Ziffernbe- richte, welche die Augenheilanstalten für Arme besonders heraus- geben und an die Wohlthäter vertheilen; aus diesen Berichten bringen die Zeitungen Auszüge, um den Anstalten mehr freiwillige Beiträge zu schaffen. Diese Berichte haben einen humanen Zweck und können der Wissenschaft nützlich werden.

3) Wissenschaftliche Statistik; das ist die beste Art. Sie bläst nicht in die laute Trompete für das grosse Publikum, sie verbirgt sich in einer nur für Fachmänner verständlichen Abhandlung, so die aus- gezeichneten Arbeiten von‘Mooren in Düsseldorf, Arlt in Wien, Coe- eius in Leipzig, Pagenstecher in Wiesbaden.

Durch Beantwortung eines-Fragebogens, den der Vortragende an alle Augenärzte versenden wird, könnte jeder Fachgenosse an den Ver- arbeiten für eine Geographie der Augenkrankheiten sich betheiligen. Die

186 4 I - Bericht

für die Beantwortung nötlhigen Auszüge aus den Anstalts-Journalen seien eine namentlich für die Assistenten sehr lehrreiche Arbeit; auch würden j die Mittheilungen dadurch, dass sie nicht der Dirigent, sondern der Assi- stent giebt, an Glaubwürdigkeit und Objectivität gewinnen, wie dies bei- spielsweise schon Coceius und Wecker für ihre operativen Resultate gezeigt haben. r

Das Schema, welches Vortragender vorschlägt, wird bald in einer besonderen Brochure erscheinen, in welcher auch die Differenzpunkte in den bisherigen Berichten, in denen jeder Autor auf eigene Faust Sta- tistik macht, besprochen werden. Dem augenärztlichen Congress bleibt | es vorbehalten, das einstweilen entworfene Schema event. zu verbessern, da ja nur durch freiwilliges Uebereinkommen in der Nomenelatur und Eintheilung der Krankheiten das Ziel erreicht werden kann.

Aus den 36 Berichten, welche der Vortragende von zuverlässigen Aerzten erhalten, und welche 111,691 Augenkranke besprechen, konnte er feststellen, dass die Erkrankungsziffer der einzelnen Theile des Auges und seiner Umgebungen auf 1000 berechnet folgende ist: Binde- haut 290, Hornhaut und Sclera 201, Refraction und Accommodation 110, Lider 101, Iris und Aderhaut 59, Linse 56, Sehnerv und Netzhaut 47, Muskeln 34, Augapfel und Augenhöhle 29, Thränenorgane 25, Glautom 9 und Glaskörper 5. Die Verletzungen waren in vielen Berichten nicht gesondert aufgeführt; daher die höchst unwahrscheinliche Durchschnitts- E ziffer 34 Procent. Y

Interessant ist das Ergebniss einer an dieser ungeheuren Zahl von Kranken angestellten Berechnung über die procentarische Erkrankungs- ziffer der einzelnen Theile des Augapfels. Unter 100 Erkrankungen des Augapfels würden danach 45 auf die Bindehaut, 31 auf die Horn- haut, nur 9 auf Iris und Aderhaut, 8 auf die Linse und 7 auf die Netz- haut kommen. Die Erkrankungen nahmen also überall sehr auffallend von der Oberfläche des Augapfels nach seinem Innern hin ab.

Doch-sind die bisherigen Berichte absolut unzureichend, ım die Mor- bilitätsziffer für die einzelnen Länder zu bestimmen. Man kann nicht einmal die Gesammtzahl der in einem Jahre in einer Provinz behandelten Augenkranken bis jetzt angeben. Im nächsten Vortrage wird der Ver- fasser näher auf seine Vorschläge eingehen.

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Hierauf sprach Herr Privatdocent Dr. Oscar Berger über pro- gressive Muskelatrophie und progressive Bulbärkern-Para- Iyse, und erörtete vorzugsweise die Frage nach der eigentlichen Natur und dem Wesen der progressiven Muskelatrophie. Seit den ersten a beiten über diese Krankheit divergiren die Ansichten der Autoren über | den primären Ausgangspunkt derselben im Wesentlichen nach zwei Rich- |

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der Schles. Gesellschaft £. vaterl. Cultur. 187

{ungen, indem die Einen das Leiden als eine primäre Myopathie, die Anderen als eine primäre Neuropathie auffassen zu müssen meinten.

Vor wenigen Monaten ist eine mustergiltige und durch eine Menge Details von hohem wissenschaftlichem Interesse ausgezeichnete Monographie der progressiven M-A. von Prof. Friedreich in Heidelberg erschienen, welcher seine schon vor länger als 10 Jahren ausgesprochene Ansicht nun in ausführlichster Weise und mit Zugrundelegsung eines reichen eigenen Beobachtungs-Materials vertheidigend, für die primär myopathi- sche Natur der progress. M.-A. und deren vom Nervensystem unabhän- gigen Genese in die Schranken tritt.

Der Vortragende vertheidigt den Ausführungen Friedreich’s gegen- über den Standpunkt des neurotischen Ursprungs und kommt zu dem Sehlusse, dass eine kritische Analyse der anatomischen und klinischen Details der progressiven M.-A. die Annahme einer spinalen Grundlage der Krankheit wahrscheinlich macht. Es werden im Einzelnen alle von Friedreich gegen diese Theorie vorgebrachten Beweisgründe zu wider- legen versucht und namentlich auch seine Argumente für die secundäre Natur der vorgefundenen spinalen Veränderungen der Kritik unterworfen und als von nicht stringenter Beweiskraft erachtet.

Der Vortragende berichtet sodanı über 12 von ihm selbst beobach tete Fälle von progressiver Muskelatrophie, von denen drei vorgestellt werden. Der eine von diesen zeichnete sich besonders dadurch aus, dass sich zu ihm (hochgradige Atrophie der oberen Extreiitäten) alle Symptome der Bulbärkern-Paralyse hinzugesellt haben. In einem anderen acut ent- standenen Falle hatte sich die hochgradige Atrophie der Muskulatur beider Arme allmälig zurückgebildet und es restirt nur eine doppelseitige Para- lyse des nervus radialis. Ein Fall entstand im Anschluss an eine Dy- senterie, ein anderer ist bemerkenswerth durch seine Compliceation mit Sclerodermie, in mehreren anderen gingen der Atrophie vasomoto- rische Störungen (Erscheinungen von arteriellem Gefässkrampf) voraus. Bei einer Patientin mit Muskelatrophie an der linken oberen Extremität und beiden Oberschenkeln besteht Lipomatose der Wadenmuskulatur, Incontinent. Urin., Ephidrosis unilateralis uad vollständige Anosmie. Die copiöse Salivation bei der Bulbärkern-Paralyse erklärt der Vortragende durch eine Reizung der im verlängerten Mark von Eckhard und Grützner nachgewiesenen Speichel-Centren. Die Beobachtungen werden dem- nächst ausführlich publieirt werden.

Der Vortragende demonstrirt ferner zwei Männer mit angeborenem Defeet der Brustmuskeln. In dem einen Falle (36jähr. Arbeiter)

- fehlt die Portio sterno-costalis des Pectoralis major destr. bei mässiger Hyper-

trophie der Portio clavieul. und gleichzeitig geringerer Entwickelung des Pannieul. adipos. der die rechte vordere Brusthälfte bedeckenden Haut der Brustwarze, des Warzenhofes und besonders des Haarwuchses. Der

158 Jahres - Bericht / Pectoralis minor ist deutlich erhalten, wie namentlich die elektrische Unter- suchung erweist. In dem zweiten Falle (23jähr. Tischlergeselle) ist der Defeet ebenfalls rechtsseitig, hier fehlen jedoch beide Portionen der Pectoral. maj-

und der Pectoralis minor, so dass an den oberen Zwischenrippen-

räumen die Betheiligung der Intereostalmuskeln bei den einzelnen Respira- tionsakten genau beobachtet werden kann. In beiden Fällen mangelt jede Funetionsstörung; es vicariirt vorzugsweise die vordere Portion des Delta- muskels, ohne dass dieser irgend eine Abweichung von der Norm zeigt, Diese letztere Thatsache erklärt sich vielleicht durch die so frühzeitige Erziehung dieses Muskels zu Leistungen, denen er für gewöhnlich nicht vorsteht. Irgend welche sonstige Bildungs-Anomalien sind in den be- treffenden Familien nicht vorhanden. Fälle der ersteren Art sind wieder- holt beschrieben, vollständiger Mangel beider Portionen des grossen Brustmuskels (II. Fall) scheint noch nicht beobachtet zu sein.

In der Sitzung am 6. März berichtete Herr Prof. Dr. Heidenhain über. Versuche, die er in Gemeinschaft mit Herrn stud. med. A. Neisser

über den Vorgang der Harnabsonderung

x angestellt hat. Das Resultat derselben, welches in einer experimentellen

Beweisführung für die Richtigkeit der Bowmannschen Theorie der Harn-

seeretion besteht, wird demnächst ausführlich in dem Pflüger’schen Archiv für Physiologie mitgetheilt werden.

Hierauf berichtet

Herr Privatdocent Dr. Sommerbrodt, dass er bis jetzt 35 Kranke mit comprimirter oder verdünnter Luft behandelt habe: 16 litten an Emphysem resp. Asthma, 16 an selbstständigen Bronchialcatarrhen, 2 an Exspirations-Insufficienz, 1 an Exsud. pleur. Da der Vortragende

sich hierbei von dem hohen Werthe des pneumatischen Apparates für die

Behandlung von Lungenerkrankungen überzeugt hat, so glaubt er sich im Interesse der Sache verpflichtet schon jetzt einige Resultate mitzutheilen und wählt dazu 5 besonders prägnante, mit comprimirter Luft be-

handelte und geheilte Fälle von Luftröhrencatarrh, theils selbst-

ständiger Art, theils mit Lungenemphysem complieirt. An 3 verschie- denen Kranken wurde beobachtet, dass die momentane Einwirkung bei starker Dyspnoe eine sehr beträchtliche war und ferner, dass über den ganzen Thorax verbreitete schnurrende und sibilirende rhonchi nach ein- maliger Inhalation von comprimirter Luft (1/,, Atmosph.) binnen 24 Stunden

verschwanden. Die bedeutenden momentanen Wirkungen erklärt der Vor- u

(ragende durch die sofortige Verminderung des negativen Druckes der

FA Lungen auf das Herz und die grossen Gefässe bei Zufuhr von comprim. E' |

Luft, acınal die Herzaction energischer, die Aspiration venösen Blutes

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zum Thorax geringer werde. In Folge dessen werde auch die Decarbo- nisirung des Blutes sofort erhöht, der respiratorische Central-Apparat we- niger durch CO, gereizt und hierdurch subjeetive und objective Dyspnoe schnell vermindert. In einem Falle wurden durch Mitbenutzung von Exhalation in verdünnte Luft bei einem seit 2 Jahren bestehenden Em- physem die um einen Interc. R. nach abwärts verschobenen Dämpfungs- srenzen der Leber und des Herzens in ihre normale Lage zurückgebracht. In einem ferneren Fall wurde bei einem 19jährigen Mädchen ein seit 2 Jahren bestehender, über alle Theile der Lungen verbreiteter Bronchial- catarrh beseitigt, der von Anfang an mit vierwöchentlicher, 2 Tage lang dauernder bedeutender Steigerung, verbunden mit höchster Athemnoth, offenbar als eine Form von m. vicaria auftrat. Alle Zeichen des Bronchialeatarrhs, vor allen Dingen aber der Anfall, sind durch Swöchent- liche Behandlung mit comprimirter Luft verschwunden. Schliesslich gelang es bei einem 22jährigen Mädchen, dessen Vater und Schwester tubereulös gestorben, und bei welchem Cat. ap. d. ohne Zeiehen von Ver- ‚diehtung des Gewebes neben 3monatlichem Enterocat:;: mindestens seit 2 Monaten bestand, nach Beseitigung der Darmaffection den Cat. ap. d. durch 8malige Inhal. von compr. Luft gänzlich zu entfernen und den an- fänglich negativen Inspirationsdruck von 40 Mm. Ho. auf 122 Mm. in 4 Wochen zu heben, während der positive Exspirationsdruck seine an- fängliche Höhe von 40 Mm. beibehielt. Entsprechend diesen Ergebnissen ist das Allgemeinbefinden ein durchaus gutes. geworden. Auf die schliess- . liche Mitbenutzung von Inspiration verdünnter Luft in solchen Fällen legte der Vortragende besonderen Werth, da es sich hierbei um eine, wenn auch nur beschränkte Verwendung des wichtigen Factors vom Höhen- Clima handle, jedenfalls aber hierdurch die kräftigste Gymnastik für die inspiratorischen Muskeln gegeben sei. In allen 5 Fällen blieb jede medicamentose Behandlung der Lungen-Affectionen ausgeschlossen.

Nach diesem Vortrage demonstrirte Dr. Sommerbrodt ein von ihm eonstruirtes, sehr leicht transportables Stativ mit Lampe als eine Rr- gänzung zum kleineren Thobold’schen Kehlkopfspiegel, welche Herr Instrumentenmacher Härtel in Etuis liefert.

In der Sitzung am 13. März sprach Herr Professor Dr. Hermann Cohn über Hemiopie bei Hirnleiden.

Er hat in fünf Fällen Halbsehen nach Schlaganfällen oder Kopfver- letzungen beobachtet und legt die mit dem Perimeter gefundenen Gesichis- feldzeichnungen vor. Bisher existirt in der ganzen Literatur nur eine solche Zeiehnung von Förster. In vier Fällen fehlte bei den Augen die linke Hälfte des Gesichtsfeldes, in einem die rechte. Der letzte betraf

190 Jahres- Bericht

einen l5jährigen Knaben, welcher durch eine Bodenlucke mit dem Kopfe voran, eine Treppe herabgestürzt war; nach mehrwöchentlicher völliger Bewusstlosigkeit erwachte er mit sehr schlechtem Sehvermögen und ab- soluter Farbenblindheit. Das nach 3 Monaten festgestellte Halbsehen heilte im Laufe von etwa 10 Wochen vollständig ohne Medieamente; nur ein einziger Fall von Heilung ist bisher beobachtet worden und zwar von v. Gräfe. -- Alle gezeichneten Gesichtsfelder ergaben die bis jetzt unbekannte Thatsache, dass auch auf der Hälfte des Gesichtsfeldes, wel- ches vorhanden war, grössere oder geringere Defecte existirten, In Folge dessen ist es unmöglich eine Halbkreuzung der Sehnerven anzunehmen, gegen welche auch die neueren anatomischen Untersuchungen von Mandelstamm, Michel und Brown-Söquard sprechen. Frei- lich sind auch die Erklärungen dieser Forscher auf die vorliegenden Fälle kaum anzuwenden; vielmehr scheint es nöthig, den Verlauf der Sehnerven- fasern vom Chiasma bis in die Netzhaut, über den man noch sehr wenig weiss, jetzt genauer zu sludiren. —— Der Vortrag wird in einem Fach- journal mit den Abbildungen erscheinen.

Hierauf referirte Herr Dr. L. Landau über von ihm angestellte Versuche

über die Beziehung der Fäulnissbacterien zu den Wundfiebern und acci- dentellen Wundkrankheiten.

Nachdem schon längst augenommen worden war, dass das Blut und manche Gewebe bei Infectionskrankheiten schon bei Lebzeiten in Fäulniss übergehen, ja eine Krankheit „Sethämie‘‘ dieser Annahme ihren Namen. zu verdanken hat, lag es nach der Entdeckung, dass blos niederste Or- ganismen (Baeterien) Fäulniss verursachen, sehr nahe, dieselben nament- lich mit den Krankheiten in direeten Zusammenhang zu bringen, bei denen diese auf Wunden ceonstatirt war. Dies ist denn auch, nachdem Vogel im Jahre 1854 nachgewiesen zu haben glaubte, dass Blut lebender, ‚an Sephämie Erkrankter faule un Ammoniak und Schwefelwasserstofigas entwickele und nachdem zahlreiche Pathologen und Chirurgen (Waldeyer, Recklinghausen, Klebs, Heiberg, Hüter u. A.) Baeterien, theils im Blute Lebender, theils im Blute und den Geweben von Leichen mehrfach nach- gewiesen und gefunden hatten, ‚dass bei Injeetion von isolirten Bacterien © Dephämie entstehe, in der prägnantesten Weise geschehen. Dazu kam, | dass noch in ei Zeit auch im chemischer Beziehung durch Versuche $ von den Herren Dr. Traube und Dr. Gscheidlen der Beweis beigebracht worden ist, dass nach Injection grosser Quantitäten fauler bacterienhaltiger \ Flüssigkeiten das solchen Thieren selbst nach längerer Zeit u # und unter Cautelen aufbewahrte Blut in Fäulniss überginge. Dasselbe | war, weun die Annahme richtig ist, dass die ins Blut gedrungenen Fäul- E

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der Schles. Gesellschaft f. vaterl. Cultur. 191

nissbacierien -- denn nur solche haben Klebs, Hüter u. A. im Auge die eigentliche direete materia peccans beim Wundfieber, Sephämie, Pyämie, Puerperalfieber darstellen, bei diesen Krankheiten zu erwarten. Die Ver- suche des Vortragenden mussten in dieser Beziehung diese Frage ent- scheiden. Er entzog, bei an den verschiedenartigsten Wundkrankheiten, einfachem Wundfieber, Sephämie, Pyämie, Diphteritis, Gangraen, Trismus und Puerperalfieber Erkrankten, durch einen Aderlass Blut und fing es in desinfieirten Röhrchen auf. Es ergab wider Erwarten das Resultat, dass diese verschiedenen Blutarten selbst nach Monaten nicht in Fäulniss übergingen, ein Beweis, dass entgegen der ‘obigen Annahme und der An- gabe Vogel’s die Fäulnissbaeterien die directe schädliche Ursache der genannten Krankheiten nicht sind; dass sie der wundkranke Organismus _ ebenso wie der gesunde vernichtet, d. h. ihre specifischen Eigenschafien aufhebt. Bei zwei Blutproben je zweier organisirender Menschen trat Fäulniss ein. Es drängt sich hiernach die Vermuthung auf, die noch durch zahlreiche Versuche zu erhärten ist, dass der Uebergang vom Leben zum Tode, d. h. zur Fäulniss sich nicht plötzlich etablire, sondern unter gewissen für die Aufnahme von Bacterien günstigen Umständen das Ver-- mögen des Organismus, die auf ihn eindringenden Bacterien zu vernichten, sehon in den letzten Lebensstunden allmälig erlischt. Eine dritte Ver- suchsreihe bezog sich auf die früher gleichfalls im bejahenden Sinne be- antwortete Frage, ob die hypothetischen niederen Organismen der conta- giösen Krankheiten (Masern, Typhus, Scharlach), die sicher constalirten Milzbrandbacteridien, Typhus Reccurrens, Spirillen, Pockenbacterien Fäul- niss verursachen. Mit Ausnahme von Milzbrandblut, hat der Vortragende auch das Blut bei diesen Krankheiten nach dieser Richtung hin untersucht und ist zu dem sicheren Resultate gekommen, dass die bisherige Annahme,

dass die niedern specifischen Organismen zugleich organische Materie

tödten und zersetzen, während die gewöhnlichen Fäulnissbaeterien blos

- todte organische Substanz zersetzen, falsch ist.

In der Sitzung am 10. April sprach Herr Geheimer Sanilätsrath Dr. Grätzer

Ueber die Breslauer Cholera-Epidemie des Jahres 1873.

Der Vortragende hob zunächst hervor, dass die vorjährige Epidemie die kleinste gewesen, welche Breslau heimgesucht hat. Sie umfasste

- während eines dreimonatlichen Zeitraumes nur 59 Personen, wovon 37 (62,7%) auf das weibliche und 22 (37,3%) auf das männliche Ge-

schleeht entfielen. Die Gesammtmortalität betrug 66,1%; die Sterblich-

keit bei den Weibern 64,1%, bei den Männern 35,9%. Unter den Er- krankten waren die meisten im Alter von 20—40 Jahren, während zu

den Todesfällen das 30.: 40. und 50.—60. Lebensjahr das stärkste Con-

192 J ahres - Bericht

tingent stellte. Der Krankheitsprocess verlief bei den Männern acuter, als bei den Weibern, hatten dieselben aber den zweiten Tag glücklich hinter sich, trat fast stets Genesung ein. Bei den Weibern verlief der Process weniger rapide, es kamen aber auch in den späteren Tagen noch vielfach Todesfälle vor. Die Genesung erfolgte meist zwischen dem 5. und 7. Tage. Die Epidemie begann am 20. Juni, erreichte rasch in drei Dekaden ihren Höhepunkt (11. Juli) und fiel dann unter einigen wellen- förmigen Schwankungen während 7 Dekaden. Sie beschränkte sich im Allgemeinen auf einen sehr kleinen Theil der Stadt, den Bürgerwerder, das diesen Stadttheil begrenzende rechte Oderufer, wo die nach der Oder abfallenden Gassen infieirt wurden und den entsprechenden Theil des linken Oderufers. Die meisten Erkrankungen und Todesfälle kamen in den ersten drei Dekaden vor.

Der Vortragende gab nun ausführliche Daten über die Verbreitung der Epidemie in den einzelnen Strassen und Häusern und schilderte die einzelnen Haus- und Stubenepidemien. Zur Aetiologie der Cholera über- gehend konnte er doch auch diesmal einen bestimmten Grund für die . Entstehung derselben nieht angeben. Eine Einschleppung von Aussen konnte nach dem vorliegenden amtlichen, Material nicht angenommen werden. Der Annahme, dass ein gleichzeitiges ‘oder unmittelbar vorher- gehendes Zusammtreffen von Wärme und Feuchtigkeit anzuklagen sei, konnte sich der Vortragende gleichfalls nicht anschliessen. Auch die übrigen gebräuchlichen Theorien über die Entstehung der Cholera er- wiesen sich höchstens für einen Theil der Fälle zutreffend. Dagegen war die Frage interessant zu ventiliren, warum gerade in unserer sonst prä- disponirten Stadt die Cholera diesmal nicht festeren Fuss fassen konnte.

Der Vortragende constatirte, dass diese erfreuliche Erscheinung zu- sammenfalle mit der Einrichtung des neuen Wasserhebewerks oder mit seinem chemisch reinen, auch zum Trinken gut verwendbaren Wasser (ähnlieh der Beobachtung in Halle a. $.), der Canalisirung der Ohlau, dem Reservoir so vieler Schmutz-, Zersetzungs- und Fäul- ' nissheerde und der frühzeitigen und energischen Beseitigung aller Dinge, welche der Verbreitung des Choleragiftes Vorschub leisten konnten. Der Vortragende glaubt daraus mit gutem Recht die Aufgabe ableiten zu dürfen in analoger und gleicher Weise mit allen Massregeln ®: vorzugehen, welche die Salubrität fördern können. Fortschritte in der Behandlung der Seuche wurden auch diesmal nicht gemacht. Die mehr- mals angewandte Carbolsäure erwies sich nutzlos.

Hierauf sprach Herr Dr. Th. Körner über einen Fall von Eutfer- ; 3 nung einer seit nahezu 8 Jahren im Körper befindlich gewesenen Gewehr- j kugel mit Vorführung des Operirten. Derselbe, der jetzige Gefangenen- aufseher R. machte im Jahre 1866 den deutschen Krieg bei der Mainarmee |

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mit und erhielt am 22. Juni im Gefecht bei Uettingen einen Gewehrschuss. Die Kugel, aus eiwa 2000 Schritt Entfernung gekommen, schlug etwas hinter der Axillarlinie, etwa in der Höhe des unteren Winkels des linken Schulterblattes ein und ging unter der Haut und Muskelschicht quer bis auf die andere Seite, wo sie rechts dieht neben der Wirbelsäule in gleicher Höhe stecken blieb. In den verschiedenen Lazarethen, in welche der Verwundete nach einander kam, heilte die Eingangsöffnung sowie der ganze Schusscanal langsam zu, ohne dass die Kugel hatte entfernt werden können. Der Patient wurde Ende 66 als geheilt vom Militär entlassen, veirichtete dann, durch 4 Jahre auf dem Lande lebend, die gewöhnlichen ländliehen Arbeiten, wurde 1870 zum Gefangenenaufseher hier ernannt und versalı auch diesen Dienst völlig bis zum Frühjahr 1873. Da be- gannen sich Zeichen einer Lungenaffeetion einzustellen, welche in wech- selnder Heftigkeit den R. nur zeitweise dienstunfähig machten. Er be- merkte zugleich, dass die Kugel sich abwärts zu senken begann. Im Herbst 1873 hustete er 2 kleine, etwa ®/, Zoll lange und 2 Linien breite Knochensplitter aus. Im Beginn d. J. kam R. in die Behandlung des Vortragenden. Derselbe constatirte, dass die Kugel ziemlich oberflächlich an der rechten Seite der Wirbelsäule auf dem oberen Rande des Darm- beines aufsass. Wegen des bestehenden fieberhaften Zustandes konnte die Entfernung derselben nicht gleich vorgenommen werden. Als jedoch gegen Mitte März d. J. die Lungenaffeetion an Heftigkeit etwas nachgelassen hatte, wurde am 17. März die Kugel relativ leicht entfernt. Die Wunde heilte rasch zu; die Lungenaffection verblieb bis jetzt. Die Kugel war der Länge nach völlig abgeplaitet und zeigte deutlich den Eindruck der Rippe, an der sie, sich plattdrückend, hingeglitien war.

In der Sitzung am 24. April sprach Herr Dr. Marle über das Thema; Physiologische Untersuchungen und klinische Erfahrungen über Sublimat.

Der Vortragende hob zunächst hervor, dass schon früher und auch in neuester Zeit die Combination des Sublimat mit Kochsalz zu therapeu- tischen Zwecken besonders nachdrücklich empfohlen wurde. Voit war nämlich vom chemischen Standpunkte aus zu der Annahme gelangt, dass der Sublimat, um nicht im alkalischen Blute als unlösliches Quecksilber- oxyd gefällt zu werden, sich in ein Doppelsalz von Sublimat und Koch- sala umwandeln müsse. Ferner wurde als Vorzug dieser Combination geltend gemacht, dass Sublimat mit einem Ueberschuss von Kochsalz im Gegensatz zum reinen Sublimat keine Fällung von Eiweis in thierischen Flüssigkeiten erzeugen sollte. Die therapeutische Wirksamkeit sollte durch diese Combination so beträchtlich gesteigert werden, dass bereits relativ kleine Mengen Quecksilber die Heilung der Lues bewirken - sollten.

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194 Jahres - Bericht

In einer Beobachtungsreihe von 128 Fällen wandte der Vortragende auf der äusseren Abtheilung des Hospitals zu Allerheiligen den Sublimat theils für sich, theils unter Zusatz mässiger Kochsalzmengen innerlich an. Es ergab sich als Resultat, dass weder in Bezug auf gastrische Beschwerden, noch in Bezug auf Mundaffeetionen eine irgendwie in die Augen springende Differenz obwaltete. Auch die Heilungsdauer der Lues erfuhr durch den Zusatz von Kochsalz keine wahrnehmbare Abkürzung.

Der Vortragende hat ferner den Einfluss des Sublimat, des 'Koch- salzes und der Combination beider Körper auf die künstliche Magen- verdauung geprüft. Es ergaben sich folgende, in gleicher Weise für Fibrin und gekochtes Hühnereiweiss giltige Resultate:

1) Zusatz selbst kleiner Mengen von Sublimat zu einer Ver- dauungsflüssigkeit hemmt die Ueberführung in Peptonein intensivem Grade.

2) Zusatz etwas grösserer Mengen Sublimat zu schwacher Verdauungsflüssigkeit vermag die Verdauung völlig aufzuheben.

3) Sublimat in Verbindung mit kleinen Mengen von Koch- salz wirkt nicht viel intensiver als gleiche Mengen Sublimat ohne diesen Zusatz.

4) Selbst grössere Kochsalzmengen verlangsamen die künst- liche Verdauung nur in sehr mässigem Grade.

5) Die gleichzeitige Einwirkung von mässigen Mengen Sublimat und Kochsalz in etwas grösseren Dosen besitzt eine sanz besonders verdauungswidrige Eigenschaft. Der ver- dauungshindernde Rinfluss ist so bedeutend, dass er sich nicht allein aus dem blossen Zusammenwirken der angewendeten Mengen von Sub- Fi limat und Kochsalz erklären lässt. E

Zur Erläuterung dieser Resultate übergehend, bemerkt der Vortra- sende zunächst, dass Sublimat für sich in mässiger Concen- tration der gewöhnlichen Annahme entgegen, die allein der Einwirkung N des Sublimat auf alkalische Hühnereiweisslösung entnommen ist, weder in schwach saurer Hühnereiweisslösung, noch im filtrirten Magen- saft verdauender Thiere eine Eiweissfällung hervorruft. Die Con- centration des Sublimat kann eine weit stärkere sein, als sie je innerlich zu therapeutischen Zwecken in Anwendung kommt. Der Vortragende hat ferner nachgewiesen, dass trotz der so intensiven Hemmung der Ver- dauung eine Zerstörung des Pepsins durch den Sublimat nieht statt- findet. Dagegen sei es höchst wahrscheinlich, dass die chemische Ver- 4 bindung des Sublimat mit den Eiweisskörpern die Widerstandsfähigkeit der letzteren gegen die Einwirkung des Pepsins steigert. Die Ursache der nur mässig verlangsamenden Einwirkung des Kochsalzes beruht auf

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einer Schrumpfung der Eiweisskörper, die, wie bereits Brücke hervor- gehoben hat, in saueren Flüssigkeiten erheblicher ausfällt. Den so mächtig die Verdauung störenden Einfluss des Sublimat im Verein mit etwas grösseren Kochsalzmengen anlangend, glaubt der Vortragende annehmen zu dürfen, dass die chemische Verbindung des Sublimat mit dem durch die Kochsalzeinwirkung geschrumpften Eiweiss für die Ueberführung in Peptone ganz besondere Schwierigkeiten darbietet.

Aus diesen Versuchen ergiebt sich die Erklärung für die praktische Regel, dass schwache Verdauung die innerliche Anwendung des Sublimat eontraindieirt, und die Folgerung, dass beim innerlichen Gebrauch des Snblimat sowohl stark kochsalzhaltige Nahrung, als die Verbindung des Sublimat mit stärkeren Kochsalzdosen zu vermeiden ist. |

Ein entschiedener Vorzug der Combination des Sublimat mit Koch- salz ergab sich dagegen bei der subeutanen Injection. Der Vor- tragende stellte vorher fest, dass in der alkalischen Körperlymphe Sublimat mit entsprechenden Kochsalzdosen keine Fällung von Serum- albumin bewirkt, wohl aber der reine Sublimat. In einer grösseren Anzahl von Fällen, wo Sublimat und Sublimat mit Kochsalz gleichzeitig in der- selben Dosis an symmetrischen Körperstellen eingespritzt wurden, stellte sich heraus, dass fast ohne Ausnahme auf der Seite des Sublimat mit Kochsalz die Schmerzhaftigkeit eine geringere war und dass die nicht selten nach reinen Sublimat-Injeetionen zurückbleibenden Binde- gewebsknoten entweder gar nicht aufiraten, oder doch einen ge- ringeren Umfang zeigten.

In der Sitzung am 1. Mai hielt Herr Geheimrath Prof. Dr. Lebert einen Vortrag

Ueber klimatische Sommer- und Winterkuren bei Brustkrankheiten.

Der Vortragende äusserte sich im Wesentlichen wie folgt:

Bei der Behandlung chronischer Brustkrankheiten spielt die Hygiene eine Hauptrolle. Von grösster Wichtigkeit ist es daher, dieselbe dem Zustande der. Ernährung und den äusseren Verhältnissen der Kranken anzupassen. Hier ist praktisch vor Allem der Unterschied zwischen eutro- phischen und dystrophischen Krankheiten festzuhaiten. Zu der ersten Gruppe mit gutem oder leidlichem Allgemeinbefinden gehört der chronische Katarıh mit seinen Folgen, der Erweiterung der Lungenbläschen (Eimphy- sem), der der Luftröhrenverzweigungen (Bronchiectasie), so wie auch die sich in die Länge ziehende einfache Brustfellentzündung. Zu den dys- trophischen Brusterkrankungen, denen mit darniederliegender Ernährung der Athmungsorgane und des ganzen Körpers und früher oder später - drohenden Erscheinungen der Entkräftung der Abmagerung und des Zehr- fiebers, gehören vor Allem die tuberkulösen Brustaffeetionen, sowie auch

13*

196 Jahres- Bericht J

die ehronische eitrige Brustfellentzündung. Gegen diese verschiedenen Zustände können richtig gewählte klimatische Sommer- und Winterkuren sehr nützlich werden, wenn wir auch bisher eine überzeugende und sichere Statistik in dieser Beziehung nicht besitzen. Selbst für die dystrophischen, tuberkulösen Brustkrankheiten steht jedoch fest, dass Besserung, langer Stillstand, selbst Heilung merklich häufiger zu Stande kommen, als man früher angenommen hat.

Vor Allem ist hier noch zu bemerken, dass chronische Erkrankungen der Athmungsorgane in den ärmsten, mittleren und sehr thätigen Schichten der Gesellschaft am häufigsten sind, und dass die Zahl ihrer Opfer viel mehr mit der socialen Höhe, als mit der atmosphärischen abnimmt. Es ist daher sehr verfehlt, die klimatischen Kuren hauptsächlich für Wohl- habende und Reiche zugänglich zu machen.

Die schon vor Jahren von mir angeregte Idee, ländliche Colonien in gesunder Lage, mit guter Milch, für Schwindsüchtige einzurichten und da- durch den für sie viel weniger günstigen Einfluss selbst gut organisirter Hospitäler zu ersetzen, hat zwar in weiten Kreisen Anerkennung gefunden, aber besser wäre die nicht schwierige Verwirklichung in engeren Kreisen,

Nach meiner Ueberzeugung wirken die vortrefflichen Kurorte Schle- siens, welche von Brustkranken sehr besucht werden, hauptsächlich als klimatische, und bieten den grossen Vortheil guter Einrichtungen und meist trefflicher, gerade auf diesem Gebiete erfahrener ärztlicher Leitung. Sie werden daher immer ihre Stellung behaupten und man wird sich so- gar überzeugen, dass ein längerer Aufenthalt dort durchschnittlich viel wohlthätiger wirken wird, als der gewöhnlich zu kurze von wenigen Wochen.

Für die weniger bemittelten Kranken, selbst für mässig Wohlhabende mit grosser Familie, ist nun ein solcher Aufenthalt, und besonders auch 3 ein längerer mit nieht geringen Opfern verbunden. Da die Molken un- bedeutende Nebensache sind, Milch überall auf dem Lande zu finden ist, können die nicht reichlich mit materiellen Hilfsmitteln Ausgestatteten durch einen langen Landaufenthalt in geschützter Lage, mit leidlichem ; Comfort und guter Milch, wenn möglich im Vorgebirge und in Waldes nähe von Ende Mai bis Ende August mit gutem Erfolge, mit mässigen ® Opfern, mit der Möglichkeit des Familienlebens und häufiger angenehmer : Besuche, auf dem Lande viel mehr Heil finden, als durch eine 3—4- wöchentliche Badekur. Es ist daher Aufgabe aller Aerzte, die Topographie ihrer Gegend genau zu durchforschen, um derartige passende Oertlichkeiten zu finden.

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Vom Seeklima habe ich in unseren Breiten, trotz entgegenstehender 3 Autoritäten, nicht viel dauernd Gutes durch längeren Aufenthalt gesehen. Von viel grösserer Bedeutung ist in den verschiedensten europäischen

der Schles. Gesellschaft f. vaterl. Cultur. 197

Ländern der Bergaufenthalt im Sommer. Ist auch eine Immunitätsgrenze für Schwindsucht nach der Höhe nicht anzunehmen, zeigt z. B. die Krank- heit auf nicht unbeträchtlicher Höhe, wo die Industrie den Ackerbau und die Viehzucht ersetzt hat, eine bedeutende Verbeitung, so wirkt doch der ' Aufenthalt auf einer Höhe von 600—1500 Meter und darüber, bei län- gerer Dauer nicht selten sehr günstig. Schon das bayerische Hochland, das Salzkammergut, besonders auch Tirol, bieten zahlreiche, herrlich ge- legene und gut eingerichtete Localitäten. Nirgends jedoch besteht eine so grosse Auswahl mit so guten Einrichtungen für längeren Aufenthalt wie in der Schweiz. Durchschnittlich ziehe ich auch in dieser den Auf- enthalt von 6 bis 800 bis 1000 Meter Höhe vor; indessen bietet das noch höher gelegene Davos, sowie das Dorf St. Moritz einen durch die Erfahrung bewährten guten Sommeraufenthalt für Brustkranke.

Ich komme nun zu dem Hauptgegenstande dieses Vortrages, zu den klimatischen Winterkuren.

Vor Allem beschränkt man ihre Anwendung viel zu sehr auf Tuber- eulose. Chronische Katarıhe, Lungenemphysem, Bronchialerweiterung, Brustfellentzündungen mit Ueberresten von Erguss oder mit grosser Schwäche und Blutleere nach längerer Dauer finden in wärmerem Klima nicht selten viel mehr Erleichterung als Schwindsucht. In Bezug auf Tubereulose schicke man nicht Kranke mit Fieber und vorgeschrittener oder rasch fortschreitender Krankheit fort und wähle nur die Fälle mit auffallender Prädisposition, aber noch fehlender oder geringer Krankheits- entwickelung, Patienten mit langsam verlaufendem Process oder mit mo- mentanem Stillstand.

Man glaube jedoch nicht, dass diejenigen, welchen die Reise nach den mehr oder weniger entfernten klimatischen Kurorten finanziell nicht möglich ist, sich in einer sehr ungünstigen Lage befinden. Ich habe nicht wenig an ausgesprochener Tubereulose Leidende ohne Luft- und Klima- wechsel, die einen gesund werden, die anderen zu einem langen und be- friedigenden Stillstande gelangen sehen. Wie gross ist andererseits die Zahl Derer, welche fern von den Ihrigen im klimatischen Kurorte ihrer Krankheit erliegen! Man mache sich daher nicht zu grosse Illusionen über den Erfolg der Reisenden und hüte sich, Denen, welche nicht reisen können, eine trübe Prognose aus diesem Grunde zu stellen. Der Auf- enthalt muss vom Herbst bis in den Mai dauern und nehme ja Jeder warme Kleidung mit, da rasche und bedeutende Abkühlungen im Winter noch weit nach dem Süden Europas zu vorkommen. Auch giebt es über- all eine Reihe von Tagen, an denen Ausgehen unvorsichtig ist und wähle man überall nur die Mitte des Tages und die frühen Nachmittagsstunden zum Spazieren im Freien. Mit dem Sitzen in freier Luft sei man über-

_ all vorsichtig.

198 Jahres-Bericht )

In Bezug auf die Wahl herrscht grosse Verwirrung. Hohes Berg- klima, Davos, Engadin, wird von gewichtigen Autoritäten empfohlen; jedoch ist eine viel gründlichere Statistik als bisher nöthig, um ihren Nutzen festzustellen, bevor wir aus dem Norden viel Phthisiker für den Winter nach Davos schicken.

Weit nach dem Süden, Sieilien, Madeira, Aegypten, Algier, rathe ich nur ausnahmsweise Kranke zu schicken. Es steht fest, dass je weiter südlich, desto schneller verderblich oft die Schwindsucht ist und geben ' die Berichte der englischen und französischen Seemannschaften und Co- lonien hierfür die 'schlagendsten Beweise. Aus Brasilien und von den Antillen schiekt man die Kranken nach Europa zurück, sobald Phthisis eonstatirt ist. Selbst die näher liegenden Kurorte der Riviera haben meinen Erwartungen weder in der ärztlichen Erfahrung noch bei meinem Besuch entsprochen. Der Nordländer findet dort viel weniger den ihm nöthigen Comfort;. Heizung, Betten ete. lassen in Bezug auf Wärme- bedürfniss viel zu wünschen übrig und an vielen Orten ist das Trinkwasser schlecht. Cannes ist noch einer der besten Kurorte dieser Gegenden.

Sehr empfehlenswerth und dem Mittelklima, welches ich vorziehe, sich nähernd, sind einzelne sehr geschützt liegende Orte der Umgegend von Genua, Nervi und besonders Pegli, während das windige Genua ganz zu widerrathen ist. Venedig ist in Ober-Italien nach meiner Erfahrung ein ziemlich geeignetes Klima. f

Im Allgemeinen ziehe ich jedoch das weniger warme, weniger er- schlaffende Klima der Mittelstationen Süd-Tirols, der südwestlichen Schweiz mit ihren für den Nordländer sehr angemessenen und bequemen Einrich- tungen vor, so Meran, Gries, Bozen in Süd-Tirol, so die Bucht von Clarens und Montreux, sowie Bex im Waadtlande und schliessen sich

hieran einzelne Kurorte Süd-Deutschlands als sehr empfehlenswerthe kli-

matische Winterkurorte an, so namentlich Wiesbaden und auch Baden-

Baden. Man mache sich überhaupt klar, dass kein Klima speeifisch

wirkt, dass Ruhe, Entfernung von aufregenden Eindrücken, von aufreibender Thätigkeit, gute Hygiene vor Allem der Zweck der Entfernung vom Hause 'sind und dass, bei einer Krankheit, bei welcher Schwäche und Erschöpfung so sehr zu fürchten sind, ein eher tonisirendes Klima, wenn auch weniger warm, dem oft sehr erschlaffenden des eigentlichen Südens vorzuziehen ist und dass es in jeder Hinsicht nachtheilig ist, wenn der - Contrast zwischen dem Winteraufenthalt und der Heimath des Kranken ein zu greller ist. Genaue Auskunft über alle diese Punkte, sowie über die verschiedensten Loealitäten habe ich in meiner Klinik der Brust- krankheiten gegeben.

der Schles. Gesellschaft f. vaterl. Cultur. 199

In der Sitzung am 22. Mai demonstrirte Herr Med.-Rath Professor Dr. Fischer eine (angeborne) lipomatöse Vergrösserung

des rechten Beines an einem Smonatlichen Kinde.

Hierauf Demonstration conservirter Recurrensfäden

von Herrn Dr. Weigert.

In destillirtem Wasser und vielen anderen Substanzen verlieren die Reeurrensfäden, wie der Vortragende bereits früher entwickelt hatte, nicht nur ihre Bewegung, sondern sie gehen auch sehr schnell zu Grunde, so dass auch von den abgestorbenen Spirochäten nichts mehr zu sehen ist. Zu ihrer Conservirung wurden dieselben Stoffe angewandt, die auch das thierische Protoplasma in seiner Form erhalten. Es mussten dabei frei- lich die Stoffe ausgeschlossen werden, die eine zu starke Gerinnung be- wirken (Alcohol ete.). In der That fanden sich in der Müllerschen Flüssig- keit und in der Ueberosmiumsäure vortreffliche Mittel für eine Conser- virung der fraglichen Gebilde, die darin ihre geschlängelte Form vollkommen

bewahren.

In der Sitzung am 5. Juni sprach Herr Dr. Krauskopf: Zur Beurtheilung der Wirkung des pneumatischen Apparates.

Die bis jetzt gesammelten Erfahrungen über die therapeutische Be- deutung des Apparats sind noch nicht hinreichend, um jetzt schon ein ‚definitives Urtheil über den Werth oder Unwerth desselben auszusprechen ; allein es ist zu fürchten, dass durch die Veröffentliehungen einzelzer Enthusiasten, die in dem Apparat auf Grund der angeblich erzielten glän- zenden Resultate ein Universalmittel gegen alle Brustkrankheiten ge- funden zu haben glauben, sehr viele Enttäuschungen vorkommen werden und der Apparat mit dem Guten, das durch ihn wirklich erzielt wird, bald vergessen sein wird. Es ist deshalb wichtig, dass eine grosse Reihe aber nüchterner und objectiver Erfahrungen mitgetheilt werden, damit die bestimmten Grenzen für die sichere Wirkung des Apparats festgestellt werden können. Nach den bisher vom Vortragenden gesammelten Er- fahrungen glaubt derselbe die Anwendung des Apparats beschränken zu müssen 1) auf Emphysematiker, bei denen eine bedeutende, wenn auch vorübergehende Besserung erzielt wird, 2) auf Personen mit phthisischem Habitus und schwach entwickelten Thoraxmuskeln, damit durch Uebung die Muskeln gekräftigt, der Thorax erweitert und namentlich die oberen Lungenpartien ausgedehnt werden, so dass der Apparat als ein vorzüg- liches Gymnasticum wirken kann. Alles, was darüber hinausgeht, ist

200 Hannes - Bericht

illusorisch. Dieser Ausspruch geschieht nicht allein auf Grund der bei allen andern Krankheiten der Brustorgane erhaltenen negativen Resultate, sondern ist zugleich physiologisch begründet. Waldenburg sagt nämlich ganz richtig, dass durch Einathmung comprimirter Luft der negative Lungendruck vermindert und dadurch Herz und Gefässe entlastet werden; er erwähnt aber nicht, dass dadurch zugleich das Volumen der einzelnen Herzabschnitte vermindert werde, sowie auch das Volumen der Venen und Arterien; hierdurch aber werden die aus der Entlastung gezogenen Consequenzen zum grössten Theile paralysirt, wozu ausserdem noch die “sehr beträchtliche Thoraxerweiterung und deren Einfluss auf den Cir- eulationsapparat hinzukommt. Ebenso wird durch Einathmen verdünnter Luft der negative Lungendruck verstärkt und dadurch Druckkraft dem Herzen entzogen; aber es wird wiederum nicht angeführt, dass auch zu- gleich die einzelnen Herzabschnitte und Gefässe im Volumen erweitert sind; denn hierdurch und zugleich durch die verringerte Contractionskraft der Herzabschnitte wird die vermehrte Aspiration des Venenblutes nach dem rechten Herzen ausgeglichen. Es bleibt nur noch zu wünschen übrig, dass durch Sammlung weiterer Erfahrungen die oben niedergelegten An- sichten bestätigt resp. modifieirt werden.

In der Sitzung am 3. Juli hielt Herr Professor Freund eine

Gedächtnissrede auf S. Fischer, praktischen Arzt dahier.

Hierauf sprach derselbe:

Ueber die pathologische Diathese der serösen Häute.

Dieselbe gründet sich auf die Natur des Bauchfelles als eines Lymph- sackes. Im Anschluss an diese Erkenntniss wurde die Prophylaxis und Therapie der Erkrankungen des Peritoneums besprochen.

Weiter berichtete Herr Privatdocent Dr. Maas:

Von der Exstirpation des Kehlkopfes,

welche Operation Billroth im Jahre 1873 zuerst vollzog und die er selbst bei einem männlichen Individuum auszuführen Gelegenheit hatte. Ferner demonstrirt derselbe den von Billroth und Gussenbauer angegebenen künst- lichen Kehlkopf.

Schliesslich zeigte Herr Medicinalrath Fischer ein

Carcinom des Oesophagus.

der Schles. Gesellschaft f. vaterl. Cultur. 201

In der Sitzung am 17. Juli sprach Herr Privatdocent Dr. Fränkel:

Ueber die Combination von Hypoplasie der weiblichen Genitalorgane mit Chlorose.

Vortragender knüpft an die 1872 erschienene Virchow’sche Arbeit über die Chlorose und die damit zusammenhängenden Anomalien im Ge- fässapparate, insbesondere über Endocarditis puerperalis, an. Virchow er- klärte hierin nach seiner pathologisch -anatomischen Erfahrung es für in hohem Grade wahrscheinlich, dass angeborene oder in frühester Jugend erworbene Anomalien im Gefässapparate der Chlorotischen (Microcardie und Stenose der Aorta) regelmässig vorhanden sind, er neigt sich ferner der Ansicht zu, dass der primäre Mangel des Blutes und des Gefäss- apparates auf die Ausbildung des Sexualapparates wirke, dass mithin die Chlorose nicht an die Zustände des Geschlechtsapparates gebunden sei» dass diese letzteren vielmehr nur ihre Manifestation begünstigen, dass mit einem Worte die Chlorose eine congenitale oder auf, in frühester Jugend erworbener Disposition beruhende Krankheit, mithin an Sich unheilbar sei.

Vortragender stellt hingegen einen Fall vor, wo die Veränderungen im Sexualapparate das Primäre, die im Blute das Secundäre zu sein scheinen, und wo sich gar keine Veränderungen des Gefässapparates nach- weisen lassen.

A. J., 26 Jahr alt, hat nie menstruirt. Sie war früher gesund, hatte im 16. Jahre Scarlatina und klagte nach dieser Zeit stetig über Kreuz- schmerzen, die in regelmässigen Intervallen von 4 Wochen wiederkehrten und auf das Heftigste sich steigerten. Erst eirca 2 Jahre nach Eintritt dieser unzweifelhaften Molimina menstruationis zeigten sich bei ihr die ersten Symptome der Chlorose, die seitdem continuirlich zunahmen. Im April 1874 constatirte der Vortragende hochgradige Chlorose, konnte jedoch keinerlei Veränderungen im Gefässapparate auffinden. Dagegen hatte Pa- tientin sehr mangelhaft entwickelte Mammae, Mangel der grossen Labien, rudimentäre Entwiekelung der Nymphen und Chioris, nur geringe Andeutung der Columnae rugarum vaginal., Uterus foetalis, 3", em lang, höchstwahr- scheinlich rudimentär entwickelte Ovarien, allgemein und gleichmässig zu enges Becken (Verkürzung aller Maasse um circa 2 cm), sehr engen Arcus pubis, sehr steile und hohe (9 cm) vordere Beckenwand.

Vortragender schliesst hieraus, dass es neben den 3 von Virchow aufgestellten Kategorien von Fällen von Chlorose (1. Chlorose ohne grö- bere Abweichung im Sexualapparate, 2. Zustände von mangelhafter Aus- bildung des centralen Theils des Gefässsysteins bei gleichzeitiger sexualer Hypoplasie und 3. excessive Entwicklung des Geschlechtsapparates bei derselben Mangelhaftigkeit des Gefässsystems) auch noch eine 4., vielleicht seltenere, als die vorigen Gruppen von Chlorosen gebe, nämlich: Con-

202 Jahres-Bericht

genitale oder in frühester Jugend erworbene sexuale Hypoplasie ohne Betheiligung des Gefässapparates und mit erst secundär entwickelter Chlorose. |

Diese Fälle erscheinen dem Vortragenden als prognostisch günstiger; sie sind heilbar, wie der vorgestellte Fall beweist, der in Zeit von 3 Monaten durch entsprechende diätetische und pharmaceutische Behandlung geheilt wurde. Dagegen blieb der Uierus trotz monatelanger methodischer Son- dirung, trotz wiederholter Einführung von Laminariastiften, warmer reizender Douchen, Bäder und Clysmata auf seiner, der zweiten Hälfte des Fötal- lebens entsprechenden Entwickelungsstufe stehn; die Patientin menstruirte nicht, auch nicht nach Swöchentlicher Behandlung des Uterus mit dem constanten und indueirten Strome durch Herrn Dr. Berger.

Vortragender bespricht alsdann einen zweiten Fall von Chlorose bei einem 20jährigen Mädehen, wo sich neben Kleinheit des centralen Gefäss- systems und infantilem Uterus auch Hypoplasie der Lungen vorfand. In letzteren entwickelte sich eine rechtsseitige Spitzenpneumnoie, die auf das innige Verhältniss der Phthise zur Chlorose hinwies.

Im Uebrigen bestand in diesem letzteren Falle trotz des Uterus infantilis, der wahrscheinlich nach im 2. Lebensjahre durehgemachter Cholera und Typhns in seiner weiteren Entwiekelung gehemmt wurde, excessive Me- norrhagie. Es entspricht dies also nicht der Annahme Virchow’s, dass bei Chlorotischen mit mangelhafter Entwieklung des Sexualapparates Amenorrhoe, bei anderen mit excessiver Ausbildung der Genitalien auch excessive menstruale Blutungen sich vorfinden.

Hierauf berichtete Herr Dr. Grützner von

Physiologischen Untersuchungen über Harnsecretion.

Die Thatsache, dass selbst bei sehr niedrigem Blutdruck, bei dem an und für sich nie Harnabsonderung stattfindet, die Nieren doch durch ge- wisse Mittel dazu angeregt werden können, bildete den Ausgangspunkt von Untersuchungen, die Vortragender auf Anregung des Herrn Professor Heidenhain im hiesigen physiologischen Institut anstellte. Die Resultate derselben sind kurz folgende:

1) Herabsetzung des Blutdruekes durch Abtrennung des ver- längerten Markes sistirt die Harnsecretion in den allermeisten Fällen voll-

ständig.

2) Erhöhung des Blutdruekes durch Reizung des verlängerten E; Markes vermittelst elektrischer Ströme oder Athmungssuspension wirkt

beschleunigend auf die Harnsecretion nur dann, wenn der Blutdruck eine | gewisse Höhe nicht überschreitet. Jede weitere Steigerung hat

völligen Stillstand der Absonderung zur Folge.

der Schles. Gesellschaft f. vaterl. Cultur. 203

3) Wird durch Einspritzung gewisser Mittel (Harnstoff, salpetersaures, harnsaures Natron etc.) bei Thieren mit unversehrtem Mark der Blut- druck nur wenig über die Norm erhöht, so sondern die Nieren viel mehr Harn ab, als sie bei demselben oder gar höherem Druck wenn er durch Reizung des Markes hervorgebracht wird zu secerniren pflegen. Weitere Erhöhung des Blutdruckes (durch Reizung des Markes) zieht auch bei Anwesenheit jener Stoffe im Blut völligen Stillstand der Seeretion nach sich.

4) Einspritzung obiger Mittel in das Blut von Thieren, deren Mark durchschnitten ist, steigert ebenfalls den Blutdruck und regt die ganz darniederliegende Thätigkeit der Nieren (s. 1.) wieder an, wenn von vorn- herein der Blutdruck nicht allzu niedrig war.

Erklärt wird das sub 2 und 3 erwähnte Aufhören der Harnabson- derung bei sehr hohem Druck durch Contraction der Nierenarterien und somit verringerte Blutzufuhr zu den betreffenden Organen. Denn

1) erblassen die Nieren bei starker Reizung des verlängerten Markes und werden blänlich, nachdem die Reizung einige Zeit vorüber, erscheinen sie wieder in ihrer ursprünglichen kirschrothen Farbe;

2) sind beweisend für diese Deutung die Erfolge der einseitigen Durch- trennung der Nierennerven. i

Werden durch diese Operation die Nierengefässe einer Seite gelähmt und wird dann durch Reizung des verlängerten Markes der Blutdruck gesteigert, so secernirt die operirte Niere um so stärker, je höher der Blutdruck steigt, während die andersseitige wenig, oder bei allzu hohem Druck (und stark contrahirter Arterie) gar keinen Harn absondert.

Einführung von salpetersaurem Natron in das Blut eines so operirten Thieres hat eine auf beiden Seiten annähernd gleiche und stär- kere Secretion zur Folge, als selbst die ist, welche man nach Durch- reissung der Nerven und hochgradiger Steigerung des Blutdruckes erreicht.

Eigenthümlich auf die Nieren wirkt die Digitalis. Lauder Brunton und Power fanden kürzlich, dass nach Einführung von Digitalis in den Organismus vermehrte Harnabsonderung immer erst dann eintritt, wenn der durch dieses Mittel erhöhte Blutdruck zu sinken beginnt, oder schon um ein Beträchtliches gesunken ist. Nach obigen Erfahrungen suchte Vortragender die Erklärung dieser Thatsache in demselben Umstande, der auch bei anderweitiger Blutdrucksteigerung eine Sistirung der Harnabson- derung bedingt, nämlich in der starken Contraetion der Nierenarterien. Durchreissung der Nierennerven sollte hierüber Aufschluss verschaffen.

Es zeigte sich nun, dass 1) eine starke Harnabsonderung völlig zum Stillstand gebracht wird, sobald das Mittel einigermassen den Blutdruck erhöht hat und 2) dass diese Sistirung eintritt, gleichgültig ob die Nierennerven erhalten oder durehrissen waren. Salpeter-

204 a - Bericht

saures Natron vermag meistens die Nieren wieder zu lebhafter Thätigkeit anzuregen, Erhöhung des Blutdruckes durch die sub 2 erwähnten Mittel ist erfolglos.

Die Digitalis beeinflusst also entweder direet die Nierengefässe, un- abhängig von ihren Nerven, oder die seeretorischen Elemente der Niere selbst.

In der Sitzung am 24. Juli sprach Herr Dr. Grützner: Ueber eine neue: Methode Ptyalin quantitativ zu bestimmen.

Da ebenso wie gewöhnliche Stärke auch blaue Jodstärke durch Ptyalin in Zucker umgewandelt wird und diese Umwandlung um so rascher geschieht, je mehr caeteris paribus Ferment in Thätigkeit ist, (Cohnheim, Paschutin), so glaubte Vortragender in der mehr ‚oder weniger schnell eintretenden Entfärbung der Jodstärke ein bequemes Mittel zu besitzen, um die Mengen des wirkenden Ferments zu beurtheilen.

Dies ist nun auch der Fall, wenn man entweder durch gewisse Stoffe (verdünnte Essigsäure ete.) die Wirkung eines im Speichel vorhandenen, die Jodstärke entbläuenden Körpers aufhebt oder sollte dies nicht gut ausführbar sein, wenn man nach einer Dauer des Prozesses die Menge der noch nicht umgewandelten, aber möglicherweise entfärbten Stärke dadurch bestimmt, dass man durch Salpetersäure die Reaction des Jod’s auf die Stärke wieder hervorruft. Die dann eintretenden Farbenunter- schiede ermöglichen mit Leichtigkeit die Abschätzung der geringsten Unter- schiede in den Zuckermengen, die durch irgend eine andere Methode ohne weiteres nicht nachgewiesen werden können.

Alsdann hielt Herr Privatdocent Dr. Berger einen Vortrag:

Ueber Gelenkneuralgien mit Bemerkungen zur Behandlung der Ischias und der therapeutischen Verwerthung des Coroton-Chloral-Hydrats.

‘Der Vortragende hat seit seinem im vorigen Jahre publieirten Auf- :satze über Gelenkneuralgien (Berlin. klin. Wochenschrift‘) wieder eine Reihe von Fällen beobachtet, von denen drei ihres therapeutischen Interesses wegen mitgetheilt werden. Es erfolgte in diesen durch die An- wendung des elektrischen Stromes (theils starke cutane Faradisation, theils Durchleitung des galvanischen Stromes durch das Gelenk) eine sehr prompte dauernde Heilung und die curative Bedeutung der Rlektrieität konnte in diesen Fällen keinem Zweifel unterliegen. Von 13 Fällen des Vortragenden betreffen 6 früher ganz gesunde Individuen; es erhellt daraus die Einseitigkeit der Auffassung, welche das Uebel fast ausschliess- lich nur als Theilerscheinung der Hysterie betrachtet wissen will. Manche Fälle von sogenannten „chronischem Gelenkrheumatismus“, namentlich

der Schles. Gesellschaft f. vaterl. Cultur. 305

monartikuläre Formen, dürften sich bei eingehender Untersuchung als Neuralgien herausstellen.

In Betreff der Behandlung, der (peripheren) Ischias, von welcher der Vortragende 86 Fälle beobachtet hat, über die Genaueres in ätiolo- gischer, semiotischer und anderer Beziehung in einer ausführlichen Arbeit über die Pathologie und Therapie der Neuralgien berichtet werden wird, bemerkt derselbe, dass, abgesehen von den Fällen, in denen der Krankheit nachweisbare mechanische Ursachen zu Grunde lagen und dem- gemäss die Erfüllung der Indicat. causal. obenan stand, die elektrische Behandlung zweifellos den ersten Rang einnimmt. Von den 86 Fällen (62 Männer, 24 Frauen, 45 linksseitig, 41 rechtsseitig, 3 mal doppelseitig, peripher —) gehörten 73 in die Rubrik der „rheumatischen“ Ischias und von diesen wurden 62 durch die Elektrieität dauernd wieder hergestellt. Der Beweis der Heilwirku ng des elektrischen Stromes sründet sich namentlich auf die grosse Zahl derjenigen Fälle, in denen die Atfeetion, trotz aller möglichen Behandlungsmethoden, schon viele Monate bestand und nach wenigen Sitzungen eine auffallende Besserung erfolgte. Meist genügte kurze Zeit zur vollständigen Herstellung. Post hoc propter hoc war in der Mehrzahl der Fälle so demonstrativ, dass auch bei nüchternster Kritik die Heilwirkung zweifellos erscheint. Fast in allen Fällen wurde der Erfolg von anderen Collegen mit constatirt. Die nicht geheilten Fälle betreffen zum Theil solehe, in denen die Behandlung ab- gebrochen wurde; in 3 Fällen einseitiger Ischias, die jeder Behandlung, auch dem faradischen und galvanischen Strome, hartnäckig wider- standen, entwickelte sich nach langer Zeit ein spinales Leiden. Im Gegensatze zu den Angaben der Mehrzahl der Elektrotherapeuten hält der Vortragende möglichst starke cutane Faradisation im Ge- biete des neuralgisch erkrankten Nerven (+ feuchte Elektrode stabil an der Lendenwirbelsäule, Dauer 3—8 Minuten) für die beste Methode der elektrischen Behandlung der „rheumatischen Ischias“, welche oft auch da von raschem Erfolge begleitet war, wo der galvanische Strom im Stich liess. Ist die cutane Faradisation erfolglos, so pflegt auch der galvanische Strom ohne Nutzen zu sein. Eine ausreichende physiolo- gische Erklärung für die Heilwirkung starker eutaner Faradisation lässt sich, zumal bei der geringen Einsicht in das eigentliche Wesen der Neu- raleien und bei der ungenügenden Kenntniss der Einwirkung des fara- dischen Stromes auf die physiologischen Eigenschaften der Nerven nicht geben. Jedenfalls wirkt diese Methode keineswegs als blosser Haut- reiz, sondern wahrscheinlich theils durch Herabsetzung der Reizempfäng- lichkeit des erkrankten Empfindungsnerven durch excessive Erregung (wofür der Vortragende als Analoga die nach seinen Beobachtungen günstigen Wirkungen sehr starker faradischer Ströme beim Spasmus fa- cialis anführt), theils durch reflectorisch hervorgerufene Veränderungen

206 Jahres-Bericht )

der allgemeinen und besonders der localen Cireulation. Der letzteren Wirkung kommt wahrscheinlich der Hauptantheil des Heileffeetes zu. Der von Duchesne zuerst gegen Neuralgien empfohlenen Methode der starken eutanen Faradisation wird namentlich von M. Meyer und von Leube (in dessen vortrefflicher, von den Autoren wie es scheint un- sekannter Inaugural-Dissertation Tübingen 1862) das Wort geredet. Der Vortragende hat in neuerer Zeit auch von täglich mehrmaliger Anwendung der faradischen Hautreizung bei Ischias gute Erfolge ge- ‚sehen und glaubt, dass durch diese Methode vielleicht die Behandlungs- _ dauer in harinäckigen Fällen abgekürzt werden kann. Auch bei an- deren Neuralgien bewährt sich die cutane Faradisation, mit Ausnahme des Tic doulour., wo die Procedur mit zu grosser Schmerzhaftigkeit ver- bunden ist.

Die hypodermatische Anwendung der Narcotica wirkt fast aus-

nahmslos nur palliativ, wie die zahlreichen Erfahrungen des Vor-

tragenden beweisen, im Gegensatze zu den Angaben vieler Autoren über deren eurative Bedeutung. „Heilend“ wirken sie eben nur in frischen Fällen. und es dürfte schwer fallen für diese den wirklichen Heileffeet nachzuweisen. Die von Lagrelette neuerdings besonders empfohlenen hydrotherapeutischen Proceduren haben sich dem Vortragenden nicht bewährt. Schliesslich berichtet der Vortragende über das zuerst vom Professor Liebreich empfohlene Coroton-Chloral-Hydrat, über

dessen sehmerzstillende und schlafmachende Wirkung er eine Reihe von

therapeutischen Erfahrungen gesammelt hat. Es hat sich ihm bei schmerz- haften Affeetionen der verschiedensten Art, vorzugsweise bei Neuralgien,

besonders Tie doulour., bei neuralgischen Schmerzen der Tabeliker, bei E

Schlaflosigkeit aus den verschiedensten Ursachen, so u. A. bei nächtlichen stenocardischen Anfällen in einem Falle von Aorten-Insuff,, u. A. m.

als Palliativum vortrefflich bewährt. Es wirkt oft schmerzstillend ohne dass Schlaf eintritt, während die sedative Wirkung des Choralhydrat

nach den Beobachtungen des Vortragenden meist nur bei schlafbewirken-

den Dosen eintritt. Als Schlafmittel genügen Dosen von 0,5—1 Gramm,

. als stillendes Mittel mehrmals täglich 0,1—0,2 Gramm, am besten in

Pulverform. Die von Baker empfohlenen Dosen von 0,06 sind zu ge- 5

ring. Nur in einem Falle bewirkte das Mittel gastrische Störungen, sonst wurde es gut vertragen, besonders wurden weder Kopfschmerzen, noch

Uebelkeit selbst nach grossen (Schlaf-) Dosen beobachtet.

Bei seinen unläugbaren Vorzügen vor dem Morphium und dem

Chloralhydrat empfiehlt es der Vortragende den Collegen zu weiteren = ,

Versuchen.

b; ER

der Schles. Gesellschaft f. vaterl. Cultur. 207

In der Sitzung-am 7. August sprach Herr Medicinalrath Dr. Fischer Ueber Exstirpation der Scapula und demonstrirte ein seltenes Fussgeschwür,

Malum perfor. ped.

Weiter sprach Herr Privatdocent Dr. Gscheidlen:

Veber den Nachweis des Rhodans in thierischen Secreten und das Vor- kommen desselben im Harn.

Vortragender bedient sich zum Nachweis des Rhodans z. B. im Speichel gewöhnlichen Filtrirpapiers, das mit verdünnter Eisenchloridlösung und etwas Salzsäure getränkt wird. Bringt man auf derartig vorbereitetes Papier etwas Speichel, so tritt sofort an der benetzten Stelle eine rothe Färbung auf. Vortragender hat den Harn von 22 Personen untersucht und stets in demselben Rhodan gefunden, so dass er nicht ansteht, den- selben als constanten Bestandtheil des menschlichen Harns anzusprechen.

In der Sitzung am 16. October hielt Herr Apotheker Julius Müller einen Vortrag:

Ueber die antiseptische Wirkung der Salieylsäure gegenüber der Carbol- säure und praktische Anwendung der ersteren.

Der Vortragende schützte sich zuerst vor einem ihm möglicher Weise zu machenden Vorwurf: Professor Kolbe in Leipzig, der seine neue Be- reitungsweise der Salieylsäure in Erdmann’s Journal Band 11 und 12 dieses Jahres bekannt macht, bittet nämlich in dem Aufsatz die Chemiker, ihm ein Jahr lang die Bearbeitung über Salieylsäure zu überlassen. J. Müller hat wegen Veröffentlichung seiner Versuchsweise bei Professor Kolbe an- gefragt und von demselben die Antwort erhalten, dass sich das erbetene Privilegium nur auf rein chemische Arbeiten, nicht aber auf physiologische beziehen sollte.

Zuerst nun erwähnte der Vortragende die frühere Bereitungsweise der Salieylsäure aus dem Gaultheriaöl; des hohen Preises des letzteren wegen kosteten noch Anfang dieses Jahres 10 Gr. Salieylsäule 1 Thlr. Kolbe, der schon im Jahre 1860 mit Lautemann das Prinecip der neuen Bereitungsweise entdeckt, dieselbe aber erst vor Kurzem vereinfachte, lässt jetzt die Salieylsäure bereiten durch Einleiten von Kohlensäure in Phenolnatrium d.i. eine durch Erhitzen von Natronlauge mit krystallisirter Carbolsäure erhaltene trockene Masse. Es entsteht basisch salieylsaures Natron, aus welehem in Wasser gelöst durch Zusatz von Salzsäure die Salieylsäure ausgefällt wird.

208 Jahres- Bericht

)

Prof. Kolbe hat diese Bereitungsweise speciell-Herrn Dr. v. Heyden in Dresden übergeben und bereitet letzterer die Salieylsäure jetzt im Grossen, das Pfund zu 5 Thlr. In Folge der Zersetzungsproducte beim Erhitzen der Salieylsäure dieselbe spaltet sich in Kohlensäure und Carbolsäure -— untersuchte Kolbe dieselbe auf etwaige antiseptische Eigen- schaften und fand, dass die Salieylsäure Gährung und Fäulniss im bedeu- tenden Grade hemmt; er giebt in seiner schönen Arbeit an, dass Harn bei Zusatz von wenig Salicylsäure nicht fault, Traubenzucker bei Gegen- wart von Hefe nicht gährt, Fleisch nicht fault, Amygdalin trotz Anwesen- heit von Emulsin ‚sich nicht spaltet, Bier nicht sauer wird, Milch selbst nach Zusatz von Salieylsäure 1: 2500 36 Stunden später als sonst ge- rinnt, dass endlich Professor Thiersch in Leipzig die Salieylsäure auch für chirurgische Zwecke mit bestem Erfolge angewandt. Der Vortragende hat nun die angeführten Versuche wiederholt und zwar stets mit Parallel- Versuchen bei Zusatz von gleichen Mengen Carbolsäure und hat die Wirkung der Salieylsäure noch auf das Ferment des Speichels, der Leber und des Magens ausgedehnt. Er hat gefunden, dass Salicylsäure die Gäh- rung der Traubenzuckerlösung bei Zusatz von Hefe wie die Carbolsäure

bei einer Verdünnung von 1:1000, ja bei noch grösserer Verdünnung

hemmt; dass Harn bei einem Zusatz von 0,1% Salieylsäure wie bei 0,1% Carbolsäure nicht fault; der Harn behielt auch nach. längster Zeit die saure Reaction. Stäbehen-Bacterien wurden in keinem der Versuche gefunden. Ein wesentlicher, nicht zu verschweigender Unterschied jedoch zeigte sich hier: in dem Harn, mit 0,1% ja auch mit 0,2% Salieylsäure versetzt, traten schon nach acht Tagen eine Menge Hefezellen auf, eine Erscheinung, die bei Zusatz von Carbolsäure 0,1% nicht zu bemerken | war. Dieselbe Wahrnehmung machte der Vortragende bei Leber, die in 0,1% bis 0,2% Salieylsäure- und in 0,1% bis 0,2% Carbolsäure-Lösung gelegt wurde. Eine eigentliche Fäulniss trat bei keinem Versuche ein; die mit Salieylsäure versetzten Flüssigkeiten zeigten aber nach einiger Zeit ebenfalls eine Menge Hefezellen, deren Wirkung auch an dem ein- tretenden eigenthümlichen sauren Geruch zu bemerken war. Diese Er- scheinung zeigte sich bei den mit Carbolsäure versetzten Flüssigkeiten

nicht. Man muss demnach trotz der bedeutenden Hemmungsfähigkeit der

Salieylsäure auf die Gährung bei Zusatz von Hefe, der Carbolsäure doch

eine grössere Widerstandsfähigkeit für die Aufnahme der Sporen zuschreiben

als der Salicylsäure.

Der Vortragende ging nun zu den unorganisirten Fermenten über: 4 er zeigte, dass die Salieylsäure die Umsetzung des Amygdalins durch Emulsin in Verdünnungen von 1 : 500 völlig verhindere, dass zu der- selben hemmenden Wirkung 10% Carbolsäure nöthig wären; dass Milch bei Zusatz von 0,04% Salieylsäure mindestens 36 Stunden später gerinne als ohne Zusatz; der Carbolsäure diese Wirkung bei solchen und ge-

der Schles. Gesellschaft f. vaterl. Cultur. 209

ringeren Verdünnungen nicht zukäme; dass bei Zusatz von 0,2% Salicyl- säure das Ptyalin auf seine Umsetzungskraft zur Stärke sehr beeinträchtigt, bei 1% Salieylsäure die Zuckerbildung so gut wie gehemmt würde; Carbolsäure braucht nun zur Erreichung desselben Zweckes 10%: dass das Leberferment auf das in der Leber vorhandene Glycogen bei einer Verdünnung von 1 :200 Salieylsäure nicht umsetzend wirke, Carbolsäure verhindert diese Umsetzung erst bei einer Concentration von 10%; dass endlich ebenfalls Pepsin in seiner verdauenden Kraft durch Salieylsäure 1 : 1000 so gehemmt würde, als wenn nur der vierte Theil des vor- handenen Pepsins zur Wirkung käme, ja bei einem Zusatz von Salicyl- säure 1 : 250 die verdauende Kraft des Pepsins so gut wie aufgehoben würde. Carbolsäure hemmt zwar auch die Pepsin-Wirkung, doch noch in einer Ooncentration von 1 : 500 nur so, als wenn die Hälfte des vor- handenen Pepsins zur Wirkung küme.

Diese physiologische Thatsache stimmt aber nicht mit der Wirkung im Organismus überein; der Vortragende hat wiederholt 0,25—0,5 Gramm Salicylsäure genommen, ohne Verdauungsstörungen zu bemerken, er hat öfters Kaninchen am Tage 0,5 Salieylsäure gegeben, ohne dass dieselben ihren Appetit verloren hätten. Man kann sich dies wohl nur durch das schnelle Ausgeschiedenwerden der Salieylsäure aus dem Organismus er- klären; schon nach zwei Stunden ist die Salieylsäure durch verdünnte Eisenchloridlösung im Harne nachzuweisen.

Stellt man alle diese vorgeführten Versuche zusammen, so ergiebt sich, dass die Salicylsäure eine die Gährung und Fäulniss mächtig hemmende Substanz ist und dass sie die Wirkungen der sogenannten unorganisirten Fermente ungleich stärker aufhält, als dies die Carbolsäure thut. Der Vortragende erklärt sich dies durch die zur Wirkung der Carbolsäure gleich- sam sich addirende saure Eigenschaft der Salieylsäure; bekanntlich reagirt die Carbolsäure nicht sauer.

Was nun die Nutzanwendung der Salieylsäure betrifft, so ist der Vortragende der Ansicht, dass die Salieylsäure gewiss eine bedeutende Zukunft haben, sie aber die Carbolsäure doch nicht verdrängen werde; denn abgesehen von dem bei Weitem billigeren Preise der Carbolsäure kommt derselben das sich Mischen mit Oel und Glycerin in jedem Ver- hältniss zu Gute; dann aber namentlich wirkt die Carbolsäure vermittelst ihrer Flüchtigkeit nicht nur da, wo sie den zu desinfieirenden Körper un- mittelbar berührt, sie nützt auch noch im weiteren Umkreise.

Die Salicylsäure hat auf der anderen Seite den Vorzug, dass sie nieht riecht und- nicht reizt, dass man sie direet als Pulver aufstreuen kann und dass sie innerlich genommen ohne jede Nebenwirkung ist. Sie löst sich in 300 Theilen Wassers, in nur 4 Theilen Aleohols, in 50 Theilen heissen Oels, wie in 50 Theilen heissen Glycerins, ohne sich beim Er- kalten auszuscheiden. Glycerin befördert auch die Löslichkeit im Wasser

14

210 J - Bericht

so dass man sich eine wässrige Lösung 1 : 100 darstellen kann, wenn { man 1 Theil Salieylsäure mit 15 Theilen heissen Glycerins löst und zu dieser Lösung dann 85 Theile Wasser fügt. 4

Jedenfalls wird die Salieylsäure abgesehen von der Nutzanwen- dung in der Hauswirthschaft medieinisch mit Vortheil da angewendet werden, wo man jetzt die Carbolsäure benützt und wird die Salieylsäure namentlich auch in der Chirurgie sich als eleganter Ersatz für die Carbol- säure empfehlen. |

Zum Schluss liest der Vortragende noch, gleichsam zur Rechtfertigung seines im vorigen Jahre öffentlich gemachten Vorschlages: ‚‚Carbolsäure ö in der gehörigen Verdünrung als Präservativ für Cholera zu benützen“, den letzten Satz der Kolbeschen Arbeit vor. Derselbe lautet:

„Es wäre gewiss der Mühe werth zu versuchen, welche Wirkung kleinere oder grössere Dosen von Salieylsäure, bei den ersten Anzeichen ausbrechender Cholera den Patienten innerlich gegeben oder injieirt, auf den Verlauf der Krankheit ausüben.“

In der Sitzung am 20. November demonstrirte Herr Medieinalrath Fischer einen Fall von

Bulbärparalyse mit progressiver Muskelatrophie

‘und beriehtet von dem Schicksal eines fremden Körpers in der Trachea.

Hierauf sprach Herr Professor Voltolini

Ueber ein neues Kehlkopfspeculum.

In der Sitzung am 27. November sprach Herr Dr. Martini Ueber doppelseitige Hydronephrose, sowie Herr Privatdocent Dr. Gscheidlen

Ueber die Widerstandsfähigkeit des Organismus gegen Fäulniss.

Vortragender berichtet von Versuchen über dieses Thema, von denen E ein Theil bereits in der Sitzung am 13. Februar von Herru Dr. Traube mitgetheilt wurde. f

Aus diesen Versuchen zieht Vortragender folgende Schlüsse: 2 1) Organische fäulnissfähige Substanzen halten sich bei Abschluss der | in der Luft vorhandenen Keime Jahre lang unzersetzt. A 2) Im lebenden Blute, dem frischen Hühnereiweiss und in der Regel in der Galle sind keine morphologischen Gebilde oder Fermente vor handen, welche die Fäulniss derselben veranlassen könnten. F 3) Die Fäulniss stickstoffhaltiger Körper unter Gestank wird stets durch Bacterien eingeleitet. Mit Entfernung derselben aus der faulenden 1 Flüssigkeit hört der Fäulnissprocess auf. z

der Schles. Gesellschaft f. vater]. Cultur. 31]

4) Von den Warmblütern werden filtrirte faule bacterienhaltige Flüssigkeiten, wenn sie nicht in zu grosser Menge auf einmal in den Kreis- lauf gebracht werden, ohne Störung des Allgemeinbefindens ertragen.

5) Die Menge der faulen bacterienhaltigen Flüssigkeit, welche von einem Thiere ertragen wird, schwankt in engen Grenzen. Dieselbe steht in direetem Verhältniss zu der Blutmenge.

6) In lebendes eirculirendes Blut eingebrachte Bacterien können da- selbst eine Zeit läng leben. Die Bacterien werden entweder aus der Blutbahn herausgeschafft oder daselbst vernichtet. Das Unschädlichwerden der Bacterien im Blute ist jedoch nicht das Werk eines Augenblickes, sondern das Blut braucht dazu eine gewisse Zeit, wie daraus hervorgeht, dass das Blut 2—3 Stunden nach der Injection in Fäulniss übergeht, nicht aber, wenn 24 Stunden nach der Injection verstrichen sind.

7) Dem Magen kommt das Vermögen zu, Fäulnissfermente zu ver- nichten, der schleimfreien Galle den Fäulnissprozess aufzuhalten.

Vortragender meint, es möchte verführerisch sein auf Grund dieser theils neuen, theils neu fundirten Thatsachen eine Hypothese über den Be- stand der organischen Natur aufzustellen, allein bei unserm fragmentarischen Wissen über die Lebensbedingungen der Bacterien muss ein derartiges Unterfangen als verfrüht bezeichnet werden.

In der Sitzung am 4. December berichtete Herr Dr. Litten von

- Untersuchungen über den Verschluss der Art. mes. sup. und das Zustande- kommen des hämorrhagischen Infarcts des Darms.

Es existiren in der Literatur eine Reihe wohlconstatirter Fälle von hämorrhagischem Infaret des Darms nach Embolie der Art. mes. sup., trotzdem letztere mit zahlreichen arteriellen Anastomosen versehen ist. Analoge Verhältnisse sind, wie zahlreiche Versuche ergeben haben, bei einzelnen T'hierklassen vorhanden, so bei Hunden und Kaninchen. Auch hier tritt mit constanter Regelmässigkeit trotz der zahlreichen Anastomosen jedesmal ein hämorrhagisches Infaret des Darms und Mesenteriums auf, wenn die Art. mes. embolisirt, resp. unterbunden wird.

Der Infaret kommt in derselben Weise zu Stande, wie es von Cohn- heim für die Organe nachgewiesen ist, welche mit Endarterien versehen sind. Der Vorgang ist folgender: Unmittelbar nach der Ligatur der Ge- krösader steht die Circulation im gesammten Stromgebiete der unterbun- denen Arterie augenblicklich still, um bis zum Tode des Thieres nicht wiederzukehren. Von der Pfortader aus tritt Blut rückläufig in das Ver- ästelungsgebiet der Ven. mes. sup. ein, was anatomisch möglich ist, da - keine Klappen in den Darmvenen vorhanden sind.

Inzwischen erliegen die Gefässwände der Capillaren und kleineren Venen einer molekularen Veränderung, welche die Folge der mangelhaften

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313 J I - Bericht

Ernährung mit Ohaltigem Blut ist. Sobald diese weit genug gediehen ist, treten unter dem Druck des rückläufigen Venenstroms massenhafte Blu- tungen in das Gewebe des Mesenterium und Darms auf, welche einer Diapedesis ihre Entstehung verdanken. Diese im Verein mit der Necrose, welche die Folge der Anämie ist, bilden den hämorrh. Infaret.

Dieser schliessliche Effect der Embolie zusammen mit den detaillirten Vorgängen, durch welche der Infaret zu Stande kommt, führen zu dem Schluss, dass die obere Gekrösader eine Endarterie darstellt. Injections- versuche lehren aber, - dass sie keine Endarterie im anatomischen Sinne ist, da es gelingt, das Stromgebiet derselben von der Aorta aus zu injieiren, wenn vorher die betreffende Arterie unterbunden wird. Es ist jedoch der Injeetionsdruck ungleich stärker als die Herzkraft. Da letztere niemals genügt, um den Darm nach der Ligatur der Mes. mit arteriellem Blute zu versehen, so ist man berechtigt, der Art. mes. sup. die Function einer Endarterie zuzuschreiben (funetionelle Endarterie).

Hiefür sprechen ausser den erwähnten noch folgende Thatsachen:

1) Nach der Ligatur giebt die angeschnittene Arterie keine Blutung,

2) Emboli, welche in den Stamm der Arterie eingebracht werden, bleiben daselbst liegen, ohne in die Circulation zu gerathen,

3) Nach der Ligatur injieirt indigschwefelsaures Natron von der Ven. jugularis aus den Darm absolut nicht.

4) Wenn die Ligatur nach einiger Zeit gelöst wird, so füllt sieh das Stromgebiet der Arterie augenblieklich bis in die kleinsten Aeste und es beginnt wieder die lebhafteste Pulsation.

Diese Ergebnisse sind bei den zahlreichen Anastomosen, welche

zwischen der Art. mes. sup. und der Art. creliaca einerseits und der Mes. . 7

inf. andererseits existiren, nur möglich wegen eines Missverhältnisses zwischen Druck und „Widerstand.

1) Der Druck steigt nach der Unterbindung der Arterie um 20—25 mm Hg. und hält sich stundenlang auf gleicher Höhe. Dies beweist, dass die Operation nicht druckerniedrigend wirkt, und dass auch nur eine mässige Quantität Blutes rückläufig aus der Ven. port. in die Vena mes. geflossen sein kann.

2) Injeetionsversuche lehren, dass weder die Blutbahnen nach Unter-

bindung der Mes. absolut zu klein sind, um ausschliesslich auf dem Wege der Anastomosen gefüllt zu werden, noch dass es sich um eine bedeutende refleetorische Verengerung der letzteren in Folge von starken sensiblen Reizen handelt, welche mit der Operation verknüpft sind. 4 Physiologische Mittel reichen nicht aus, um dies Missverhältniss auszu- gleichen, weder solche, welche druckerhöhend wirken (Transfusion, Aorten- unterbindung) noch solche, welche den Widerstand vermindern (Durch- schneidung des Splanchnicus). Dagegen giebt es in der foreirten Injection ein ausreichendes Mittel, um dies Missverhältniss auszugleichen. |

der Schles. Gesellschaft £. vaterl, Cultur. 213

Es gelingt nämlich, nach Unterbindung der Mes. die Arterien des Darms von der Carotis aus zu injiciren unter einem Druck von 300—350 mm Hg. Selbst bei so starkem Druck werden nur die grösseren Aeste gefüllt und es bleiben die Capillaren vollständig leer.

Möglicherweise würde sich die Circulationsstörung, welche nach der Ligatur der Mes. eintritt, im Laufe der Zeit, d. h. nach Tagen, ausgleichen. Es müsste aber diese Ausgleichung, ohne bleibenden Schaden zu hinter- lassen, schnell zu Stande kommen, da der Darm nach einer nur 2stündigen Arterienunterbindung schon der Neerose verfällt.

Die genaueste Vergleichung dieser am Thierversuch gewonnenen Re- sultate mit den pathologischen Erfahrungen hat in klinischer und anato- mischer Beziehung durchaus analoge Verhältnisse ergeben, so dass man berechtigt ist, die obere Gekrösader auch beim Menschen für eine functionelle Endarterie zu halten. Eine Embolie derselben führt ebenfalls zu einem tödtliehen hämorrh. Infaret des Darms. _

Weitere Versuche haben gezeigt, dass die Art. mes. sup. die einzige funetionelle Endarterie, sowohl beim Menschen, als bei’ Hunden und Ka- ninchen darstellt.

In der Sitzung am 18. December hielt Herr Privatdocent Dr. Berger einen Vortrag über schnellende Finger.

Vortragender stellte zunächst 2 Kranke vor und besprach mit zu Grundelegung von fünf eigenen Fällen dieser bisher nur höchst selten be- obachtenden Affeetion dieselbe ausführlich, in symptomatologischer, gene-_ tischer und therapeutischer Beziehung. Der Vortrag wird in exienso in der Deutsch. Ztschr. f. prakt. Mediein publieirt werden.

Weiter demonstrirte Herr Privatdocent Dr. Gscheidlen

1) einige Vorrichtungen, die bei Respirationsversuchen von Bedeutung sind, sprach

2) über die Methode Knop’s, den Stickstof@gehalt organischer Sub- stanzen mit unterchlorig und unterbromigsaurem Natron zu ermitteln und wies den Apparat vor, den Hüfner zur Ermittelung des Harnstoffes im Harne ersonnen. Schliesslich zeigte Vortragender

3) eine neue Form der Noöschen Thermosäule Diese Säule war dem Vortragenden von den Herren Winkler und Jenke zur Prüfung überlassen worden. Vortragender überzeugte sich von der bedeutenden elektromotorischen Kraft dieser Säule und sprach sich dahin aus, dass die- selbe wegen ihrer Leistungsfähigkeit, Compendiosität und zweckmässigen Einrichtung bestens empfohlen zu werden verdient.

Ir

V. Bericht

über. die Thätigkeit der historischen Section ‘der Schlesischen Gesellschaft im Jahre 18574,

erstattet von

Director Dr. Reimann,

zeitisem Secretair der Section.

In der Sitzung am 22. Januar sprach der neue Secretair sein Bedauern aus, dass der frühere Seeretair, Herr Professor Dr. Kutzen, bei der letzten Wahl sich nicht habe bewegen lassen, dieses Amt wieder zu übernehmen, und dankte dann demselben für die langjährige musterhafte Führung der Geschäfte.

Hierauf hielt Herr Oberlehrer Dr. Bobertag einen Vortrag über Zieglers asiatische Banise und Lohensteins Arminius und Thusnelda. Er vervollständigte heut seinen am 15. October vorigen Jahres ge- haltenen Vortrag über die zweite Schlesische Dichterschule und den Kunst- roman des XVII. Jahrhunderts. Nachdem er eine kurze Uebersicht über die Entwicklung des Prosaromans in Deutschland bis zur Mitte des XV. Jahrhunderts vorangeschickt, entwickelte er in gedrängter Analyse den Inhalt und den Charakter der zwei genannten Romane; zur Veranschau- liehung des Gesagten dienten ausser gelegentlichen Hinweisungen, die der Inhaltsangabe eingestreut wurden, Proben aus den Texten der Ausgaben von 1688, beziehungsweise 1689, welche vorgelegt wurden.

In der Sitzung am 19. Februar sprach der Privatdocent Dr. Theodor Lindner |

über den schwäbisch-rheinischen Städtebund bis zum Jahre 1384.

Nachdem der Vortragende auf die Bedeutung der Städtebinde im All- gemeinen hingewiesen hatte, erörterte er die Entstehung des schwäbischen

216 ui Bericht

Städtebundes im Jahre 1376 und dessen Entwickelung im glücklichen Kampfe gegen den Kaiser und Eberhard von Württemberg. König Wenzel folgte in den ersten Jahren seiner Regierung dem Einflusse der Kurfürsten deren Beistand er bedurfte, um das Schisma beizulegen und die beab- sichtigte Romfahrt anzutreten; daher war er nicht zu bewegen, den Bund anzuerkennen, suchte ihn vielmehr durch Errichtung von Landfriedens- bündnissen zu sprengen. Die Entstehung der Rittergesellschaften ver- - anlasste im Jahre 1381 ebenfalls die rheinischen Städte, in einen Bund zusammenzutreten, der sich alsbald mit dem schwäbischen vereinigte, Beide nahmen mehr und mehr an Umfang zu, aber die Ungleichheit der Interessen war von vornherein bedenklich. Als Wenzel, bewogen durch Kücksichten der Familienpolitik, den Römerzug aufgab, wandte er sich von der einseitigen Begünstigung der Fürsten ab und nahm eine ver- mittelnde Stellung ein, so dass im Juni 1384 die Heidelberger Stallung errichtet wurde, die nichts als ein Waffenstillstand zwischen beiden Par- teien war. Die thatsächliche Lage der Dinge wurde nicht verändert, das gegenseitige Misstrauen blieb bestehen, so dass der Confliet unver- meidlich wurde.

In der Sitzung am 12. März sprach Herr Archivrath Professor Dr. Grünhagen

über die Besitzergreifung Schlesiens durch Friedrich den Grossen.

Er erörterte zunächst die Motive, welche letzteren zu dem Unter- nehmen bewogen, und schilderte dann den Verlauf der Kriegs-Operation,

besonders eingehend auf die Vorgänge in Breslau, welche die Stadt ohne eigentlichen Widerstand in die Hände der Preussen fallen liessen, hierauf .

die Erstürmung Glogaus am 9. März und endlich die Schlacht bei Moll- ; witz am 10. April, welche ausführlich beschrieben wurde. E

In der Sitzung am 23. April hielt Direetor Reimann einen Vortrag über den Abfall Livlands vom deutschen Reich.

Er schilderte die Unterhandlungen mit Schweden, Dänemark und . hauptsächlich mit Polen, sowie die kriegerischen Ereignisse von 1560 und die durch den Herzog Magnus von Holstein herbeigeführten inneren Zer- würfnisse, gestützt auf eigene archivalische Forschung und auf das fünf Bände starke Werk des Professor Schirren, welches eine Fülle von wich- tigen Actenstücken, in musterhafter Form herausgegeben, enthält.

In der Sitzung am 13. Mai sprach Herr Archivrath Professor Dr. Grünhagen über Schlesien in den nächsten Monaten nach der Schlacht bei Mollwitz. Der Vortragende entwarf ein Bild der Stimmungen, welche sich in Schlesien im Laufe des Krieges herausgebildet hatten, und bei welchen

der Schles. Gesellschaft f. vaterl, Cultur, DEU

die Parteinahme für oder gegen Preussen meistens doch von dem religiösen Bekenntnisse abhängig erschien, am wenigsten vielleicht in Breslau, wo die untere Volksklasse und die Zünfte durchgängig preussisch gesinnt waren, während die Kaufmannschaft und der Rath schon aus Furcht vor einem möglichen Umschlag sich mit Wien möglichst gut zu stellen suchten und durch ihre Connivenz nach dieser Seite hin die österreichisch gesinnte Partei in der bekanntlich von den Preussen nicht militärisch besetzten Stadt sehr empor kommen liessen. Dieselbe sandte schliesslich Ende Juli eine directe Aufforderung an den österr, Befehlshaber Neipperg, sich der Stadt durch Ueberrumpelung zu bemächtigen. Wirklich folgte Neipperg diesem Wunsche, verliess die Neisser Gegend, wo er sich seit Mollwitz in starken Defensivstellungen gehalten und zog langsam nach dem Franken- steinischen. Aber Friedrich durchschaute seine eigentliche Absicht, ver- leste ihm den Weg nach Breslau und liess, um sich vor ähnlichen An- schlägen für die Zukunft zu sichern, durch einen mit bewundernswürdiger Präeision ausgeführten Handstreich am 10. August die Stadt besetzen, deren Neutralität nun damit ihr Ende erreicht hatte.

In derselben Sitzung war vorher beschlossen worden, am nächsten Sonntag den 17. einen Ausflug nach Münsterberg und Heinrichau zu machen. Da das Wetter Sonnabend den 16. sehr schlecht war, fuhren nur 15 Mitglieder hin, die dann von den Münsterberger Herren sehr freundlich empfangen wurden. Vereint gingen sie unter Führung des Kauf- manns Herrn Nickel, der sich um das Gelingen der Partie sehr verdient gemacht hat, auf einen nahen Hügel, der eine weite Aussicht bot; sie be- sichtigten dann die kath. Pfarrkirche, besuchten auf einen Augenblick das evang. Seminar, wo sie Herr Musikdireetor Mettner durch einige Lieder, die er von den Zöglingen vortragen liess, hoch erfreute. Dann fuhren sie nach Heinrichau, wo sie über die Ankunft des Herrn Pastors Dr. Schimmelpfennig aus Arnsdorf grosse Freude empfanden. Nach der gemeinschaftlichen Mahlzeit begaben sie sich nach dem Kloster und trafen hier zu ihrer höchst angenehmen Ueberraschung mit Herrn Professor Dr. Kutzen zusammen. Es wurden nun das Kloster, jedoch nur von aussen, der Garten und der Park besichtigt und alsdann trennten sich die Breslauer Herren von ihren Münsterberger Freunden und kehrten be- friedigt nach der schlesischen Hauptstadt zurück.

In der Sitzung am 29. October hielt Herr Professor Dr. Lindner einen Vortrag

über die Erwerbung Ungarns durch Sigismund.

Nachdem schon früher zwischen Karl IV. und dem Könige Ludwig dem Grossen von Ungarn Verhandlungen über die Verlobung SigismundS mit Maria, der Tochter Ludwigs, geführt worden, kam dieselbe im Juni 1579

318 J iii - Bericht

auf einer Zusammenkunft des deutschen Königs Wenzel mit Ludwig in Altsohl zu‘ Stande. Vergebens versuchte Sigismund nach dem Tode Ludwigs auch die polnische Krone zu erlangen; er scheiterte an dem Widerstande der Polen, welche in der Abneigung der Elisabeth, der Mutter Marias, gegen Sigismund Unterstützung fanden. Sigismund musste selbst aus Ungarn weichen. Elisabeth wollte Maria mit einem franzö- sischen Prinzen verheirathen, aber ihr Plan scheiterte an der schnellen Dazwischenkunft Sigismunds. Doch musste sich dieser wieder nach Böh- men zurückziehen, als der König Karl von Neapel, von ungarischen Edlen herbeigerufen, in Ungarn erschien und sich am 31. December 1385 zum Könige dieses Landes krönen liess. Karl wurde aber schon im Februar 1386 auf Anstiften Elisabeth’s ermordet, und König Wenzel, der persön- lich nach Ungarn zog, brachte eine Versöhnung der Königin mit Sigismund zu Stande. Indessen wurde dieser erst am 31. März 1387 zum Könige von Ungarn gekrönt, nachdem Elisabeth und Maria inzwischen in die Ge- fangenschaft der Anhänger Karl’s gerathen waren, in welcher erstere er- mordet wurde.

In der Sitzung am 12. November hielt Herr Oberlehrer Dr. Bobertag einen Vortrag über

„Die Tragödie bei den schlesischen Dichterschulen“.

Er charakterisirte die Tragödien des A. Gryphius, Lohenstein und E

ihrer Genossen nach ihrer Technik und ihrem poetischen Werthe. Ihre literarhistorische Bedeutung wurde als eine sehr geringe bezeichnet und

die Gründe davon nachgewiesen. Schliesslich bekämpfte der Vortragende .

die Ansieht von R. Prutz, wonach die Haupt- und Staatsactionen des endenden 17. und beginnenden 1% Jahrhunderts mit den Tragödien der Schlesier im Zusammenhang stehen sollen, und wies, auf das Wesen der Haupt- und Staatsaetionen eingehend, nach, dass sie nicht nur anderer Art, sondern auch anderen Ursprunges als jene seien, wobei er sich den Ansichten F. Devrients über diesen Punkt anschloss.

In der Sitzung am 26. November las Herr Professor Dr. Palm

Ueber die Zusammenkunft der schlesischen Fürsten und Stände im October 1620.

Es war dieser Fürstentag eine Folge der Kriegsereignisse in Böhmen und den Lausitzen, wo im September und October der Herzog Maximilian von Bayern und der Kurfürst von Sachsen ihren Auftrag, die vom Kaiser abgefallenen Länder zum Gehorsam zurückzuführen, in Ausführung brachten. 2

Die Schlesier hatten vollauf zu thun, theils ihrem Könige Friedrich und 7

ihren Conföderirten die schuldige Hilfe mit Truppen, Proviant und Gelde

der Schles. Gesellschaft £f. vaterl. Cultur. 319

zu leisten, theils für ihre eigene Sicherheit und Kriegsbedürfnisse Vorsorge zu treffen. Sie wussten, dass nach Unterwerfung der Lausitzen- der Kur- fürst von Sachsen seine Commission auch auf Schlesien ausdehnen würde. So hatten sie denn einen Theil ihres geworbenen Volks, sowie der unter dem Namen des zwanzigsten Mannes aufgebotenen Landwehren (auch De- fensiöner genannt), nach den Lausitzen unter dem Commando des Mark- grafen Johann Georg von Jägerndorf entsenden müssen, von wo die bei der am 5. October erfolgten Eroberung von Bautzen gefangen genommenen aber entlassenen 7 schlesischen Fähnlein am 22. dieses Monats in die Um- gegend von Breslau zurückkehrten. Hier forderten sie von den seit dem 5. versammelten Ständen ihre Soldreste in stürmischer Weise. Die Bei- legung dieser Meuterei machte dem Ober-Landeshauptmann und den Ständen ebenso viel Sorge, als die Beschaffung der Geldmittel, da die bisherigen Massregeln den Bedürfnissen bei weitem nicht genügten. Der Vortragende berichtete theils nach dem Inhalte der von ihm herausgegebenen Fürsten- tagsacten, theils nach einem ausführlichen Protocollbuche über den Gang der Verhandlungen, die ausser der Geldfrage noch andere Massregeln be- trafen. Die zuletzt beschlossenen Steuern betrugen 10% der sogenannten Ansage (Indietion) sc. von dem jährlichen Einkommen der Grundbesitzer in 4 Terminen einzubringen, ferner 9 Groschen vom Hundert alles Baar- vermögens und 18 bis 36 Groschen vom Hundert des Werthes aller Handelswaaren der Kaufleute. Dabei war den Besitzenden gestattet, jene Besteuerung ihres Vermögens ohne Declaration in das zum Empfange be- stimmte Behältniss zu thun, eine Form die noch heut an manchen Orten, z. B. in Bremen in gewissen Fällen üblich ist und grosse Bürgertugend voraussetzt. Auch über die Vorgänge in Böhmen und die Schlacht am weissen Berge wurde berichtet, durch welche letztere der grosse Bau jener Conföderation in dem Grade erschüttert wurde, dass er in wenig Wochen vollends zusammenbrach.

In der Sitzung am 10. December hielt Herr Professor Dr. Kutzen einen Vortrag

Ueber die mährisch-schlesischen Sudeten oder das sogenannte Gesenke.

Der wesentliche Inhalt desselben war folgender: Das Gesenke ist der südöstliche Theil der Sudeten, gehört in seinen eüdlichsten Abschnitten Mähren, in den inneren Oesterreichisch-Schlesien und nur in den äussersten nördlichen und nordöstlichen Ausläufern und Absenkungen Preussisch- Schlesien an. Sowohl von West nach Ost, als auch von Süd nach Nord beträgt seine Ausdehnung etwa 10 Meilen. In seinen verticalen Dimen- sionen nimmt er seinen Rang unmittelbar hinter den erhabensten Kuppen und mächtigsten Rücken des Riesengebirges ein. Im dieser nordwest- lichen Hälfte ist das Gebirge zugleich versehen mit lang gezogenen Berg-

220 Jahres - Bericht ) kämmen, die einzelne Kuppen tragen von mehr als 3000 bis 4000 Fuss

Seehöhe. Als Hauptrücken ragt hervor der Altvaterkamm, dessen Kamm-

höhe fast überall beträchtlicher ist, als 4000 Fuss. Der oberste Theil ist sanft abgerundet, fast durchweg über der Grenze des Baumwuchses, mit oft weiten gras- und moosbewachsenen Flächen, über welche sich die dominirenden Kuppen mit sehr geringer Neigung erheben. Nicht selten

werden wir auf dem Gebirgsrücken überrascht durch hier und da fası

vertical emporragende, rings isolirte Felsmassen oder auch scharfe Fels- _ kanten, die sich mehrere hundert Schritte weit fortziehen; ferner durch Moore und Sümpfe an Stellen, wo wir sie nicht suchen würden, über 4000 Fuss hoch.

Der erwähnte Hauptkamm enthält »icht allein die bedeutenderen Er- hebungen: vielmehr laufen von ihm überall Querrücken nach verschiedenen Seiten aus. Die Thäler, die den ganzen Rücken umrändern, erreichen eine Seehöhe von 1500—-2000 Fuss.

Auf gewissen hohen Standpunkten lassen sich deutlich an 4 Stellen merkliche Erhebungen der Kammlinie unterscheiden, so dass durch sie letztere von Nordwest nach Südost in 4 Abschnitte getheilt werden kann: 1) in den Abschnitt der Hochschaar, 2) der Brüdl-Heide oder des Rothen Y Berges, 3) des eigentlichen Altvater-Stockes, und 4) der Janowitzer Heide. Innerhalb dieser vier Abschnitte finden wir 13 Erhebungen, die über 4100 Fuss messen und unter denen die Altvaterkuppe den höchsten Punkt des ganzen Gesenkes, weleher 4654 österr. Fuss hoch liest, enthält.

v1. Bericht

über die

Verhandlungen der Section für Obst- und Gartenbau im Jahre 1874,

von

Kaufmann und Stadtrath E. H., Müller,

zeitisgem Secretair der Section.

Die Seetion für Obst- und Gartenbau der Schlesischen Gesellschaft für vaterländische Cultur zu Breslau hielt im Jahre 1874 elf Sitzungen.

Die am 7. Januar stattgehabte erste Sitzung eröffnete der Se- eretair durch eine kurze Ansprache mit der Bitte: nach Wiederaufnahme seines aufs Neue anvertraut erhaltenen, aber von Jahr zu Jahr arbeits- reicher werdenden Ehrenamtes, ihm in Ausübung desselben auch möglichst kräftig hilfreich zu sein; die Herbeiführung neuer Mitglieder jederzeit sich angelegen sein zu lassen und durch Haltung von Vorträgen und Einsen- dungen von Abhandlungen oder Mittheilungen über gemachte lehrreiche Wahrnehmungen, Beobachtungen und Erfahrungen von irgend welchem gärtnerischem Interesse, zu weiterer gemeinnützlicher Verbreitung der- selben, die Zwecke der Section auch ferner erspriesslich fördern zu helfen.

Hierauf theilte Herr Prof. Dr. Ferd. Cohn das Wissenswertheste aus dem Programm für eine internationale Gartenausstellung und gleich- zeitigen internationalen botanischen Congress mit, welche in der Zeit vom 12. bis 24. Mai d. J. zu Florenz stattfinden würden und verband hiermit einen Vortrag: „Ueber die Beziehungen der Pflanzen- physiologie zur Blumeneultur und Gartenkunst“. Herr Vor- tragender führte aus: Die Letztere befolgt in ihrer Praxis Traditionen, die sich von Generation auf Generation vererben und zum Theil bis in die Anfänge der menschlichen Cultur sich zurück verfolgen lassen. Die Methoden unserer Gärtner beim Veredeln, Beschneiden, beim Düngen und

323 Jahres - Bericht Treiben lassen sich bereits bei Römern und Griechen, ja in der noch ülteren Cultur der Karthager und Babylonier nachweisen.

Die Pflanzenphysiologie dagegen, eine Schöpfung der letzten zwei Jahrhunderte, hat sich unabhängig von der Praxis entwickelt, wie um- gekehrt die Letztere bisher nur wenig Notiz von der Lehre der Wissen- schaft nimmt; während in der Mediein, in der Technik und selbst in der Landwirthschaft längst anerkannt ist, dass der praktische Erfolg allein durch eine möglichst inuige Verbindung mit der Wissenschaft gesichert wird, herrscht in der Gartenkunst eine reine Empirie und Tradition und die wissenschaftliche Botanik erhält nur sellen Anregung durch die Er- fahrungen der Praktiker. Untersuchungen, wie die von Goeppert, über die physiologischen Nachtheile der bei den Gärtnern üblichen Methoden des Schneidens und Schulens sind in der botanischen Literatur leider ver- einzelt. In Wirklichkeit ist jeder Blumentopf, in dem eine Pflanze hinter dem Fenster gezogen wird, ein pflanzenphysiologisches Experiment; denn indem die Pflanze in einfachere, leichter controlirbare Verhältnisse ge- bracht wird, wie sie in der freien Natur sich nie finden, giebt sie Ver- anlassung zur Erforschung ihrer Lebensgesetze, deren Kenntniss und Ver- ständniss wiederum für die Praxis von wesentlichem Nutzen ist.

Der Herr Vortragende theilte mit, wie er an einem einfachsten Bei- spiel, bei den in Gläsern gezogenen Hyaecinthen, die physiologischen Be-

ziehungen festzustellen suchte, in denen die wichtigsten Factoren des

Pilanzenlebens, Licht und Feuchtigkeit, zur Entwickelung der Wurzeln, Blätter, Blüthen und Brutzwiebeln stehen. Er constatirte den Wasser- verbrauch der Hyacinthe von Tag zu Tag, vom ersten Legen der Zwiebel im October bis zum Welken der Blätter im Mai; es stellte sich heraus, dass im Gegensatz zu_den Samen, welche vor dem Keimen eine grosse, aber bestimmte Menge Wasser einsaugen, die Zwiebel im Boden nur sehr wenig Wasser aufnimmt, da sie einen grossen Wasservorrath den ganzen Sommer hindurch -innerhalb der Schalen festhält. Auch während des Treibens der Wurzeln und der ersten Entwiekelung des Blattkegels im . November und December wird nur sehr wenig Wasser aufgenommen, obwohl die Wurzeln im Glase in das Wasser eintauchen. Eine Zwiebel von 42 Gramm Gewicht absorbirte in den ersten zwei Monaten durch- sehnittlich nur °/, Gramm täglich; erst mit dem Beginn der Blüthen-

entwickelung nimmt der Wasserverbrauch sehr erheblich zu, bis auf

5 Gramm pro Tag; noch grösser ist der Wasserverbrauch, wenn während und nach dem Verblühen die bis dahin meist zurückgebliebenen Blätter auswachsen, wozu täglich über 7 Gramm Wasser aufgenommen werden; _ mit dem Welken der Blätter siukt auch die Wasseraufnahme durch die Wurzeln wieder und hört bei dem Einziehen der Zwiebel im Mai völlig auf.

der Schles. Gesellschaft £. vaterl. Cultur. 223

Auch hatte der Herr Vortragende das Verhältniss näher zu bestimmen gesucht, in welchem die Wasseraufnahme der Hyacinthenwurzeln zu der Temperatur und Feuchtigkeit der Luft, vor allem aber‘ zu dem Wachs- thum der Zellen in Blättern und Blüthen steht. Das organische Material zur Entwickelung des Blüthenschaftes und der Blätter nimmt die Hyacinthe ausschliesslich aus den während der Vegetationsperiode des vorhergehenden Jahres in der Zwiebel aufgespeicherten Stoffen; nur das Wasser erhält sie zum grössten Theile durch die Wurzeln; daher eine ohne Wurzeln getriebene Hyacinthe zwar zum Blühen kommen, aber nur einen ver- kümmerten Schaft treiben kann. Dagegen können die Blätter ohne Zu- fuhr anorganischer Nährstoffe nicht genug assimilirbare Bildungsstoffe produeiren, um in der Zwiebelbrut für das nächste Jahr hinreichende Reservestoffe aufzuspeichern; daher die in Gläsern getriebenen Hyacinthen nach dem Blühen meist zu Grunde gehen. Versuche mit Nährstoff- lösungen haben noch kein günstiges Resultat gegeben. Neben dem Wasser ist die Wärme der Hauptfactor für die Entwickelung der Hya- einthen, wobei festgestellt wurde, dass die Wurzeln ein anderes Wärme- quantum bedürfen als die Blätter, diese wieder ein anderes als die Blüthen. Durch zweckmässige Vertheilung des für die Blüthen erforderlichen Wärme- srades lässt sich die Blüthezeit beschleunigen oder retardiren. Die Einzeln- heiten dieser Versuche, die auch für die Praxis lehrreich sind, sollen ander- wärts veröffentlicht werden.

Im Anschluss an diesen Vortrag führte Herr Geh. Rath Professor Dr. Goeppert noch an, dass Hyaeinthenzwiebeln auch ohne alle weitere Wurzelentwickelung zu ziehen und zur Blüthe zu bringen seien, wenn man sie umgekehrt mit der Wurzelbasis nach oben und mit der Spitze nach unten gerichtet auf ein mit Wasser gefülltes Glas bringt. Schon im Jahre 1336 habe er dieses Verfahren benützt, um die Unschädlichkeit ge- wisser Gifte für das Pflanzenleben nachzuweisen. Blätter und Blüthen nehmen ohne Benachtheiligung dieselben auf, die Pflanze blüht im Wasser und die Würzelehen der Zwiebelbasis bleiben unentwickelt.

Derselbe gab ferner an: ebenfalls habe er früher schon in Bezug auf die Temperaturverhältnisse, bei welchen Samen keimen und Pflanzen wachsen, gefunden, dass bei + R. Samen von Comelina sativa noch keimen und diese zu solchen Versuchen sich noch besser eignen als die- jenigen der Gartenkresse, weil sie überhaupt noch schneller als diese, ja früher als die aller andern Gewächse überhaupt keimen. Um das un- unterbrochene Fortwachsen bei niederer Temperatur nachzuweisen habe er im Winter 1871/2 Wasserpflanzen, wie Nymphaea alba, Limnanthemum nymphoides, Anacharis Alsmastrum gewählt, welche bei + 2 bis R. unter dem Eise vom 10. December 1871 bis 20. Februar 1872 sich ent- wiekelten, wiewohl nur 1 bis 2 Zoll sich verlängerten. Nur das völlige Erfrieren der Säfte beendeie das Wachsthum.

224 Jahres - Bericht

Herr Kunstgärtner Frickinger in Laasan, ein wohlrenommirter

Züchter neuer Varietäten von Primula chinensis und sorglicher Cultivateur

derselben, hatte ein ausgezeichnet schönes Sortiment dieser von ihm aus selbst gewonnenen Samen gezogener Pflanzen, grossentheils mit gefüllten Blumen aufgestellt; gelegentlich dessen Herr Geh. Ratı Goeppert er- wähnte, mit welchen hiergegen unscheinbaren Blüthen diese Primula etwa um das Jahr 1820 eingeführt wurde. Unter Vorlesung von Blüthenrispen des Eupatorium Guatemalense hielt Herr Friekinger noch Vortrag: „Ueber die Cultur dieses prächtigen, aber “viel zu wenig beach- ‚teten, doch aber für die Bouquetbinderei werthvollen Winterblühers und des als solcher ebenfalls sehr empfehlenswerthen Ageratum Wend- landi.“

Zu der am 21. Januar abgehaltenen zweiten Sitzung hatte der derzeitige Oberpräsident Herr Freiherr von Nordenflycht die Gewogen- heit, eine grössere Anzahl Exemplare einer kleinen populär gehaltenen Schrift: „Wie sollder Landmann seinen Obstbaum behandeln?“ zu übersenden, welche demnächst an vornehmlich für Obstbau sich interessirende Mitglieder ausgegeben und versendet wurde.

Herr Lehrer Oppler in Plania berichtete über die an diesem Orte und dessen Umgegend schwungvoll betriebene Korbflechten-Industrie. Derselbe schreibt: ‚Die der hiesigen Gegend nahen, grossen Oderufer- Werder sind meist mit Salz caspica, vitellina, pruinosa, triandra, vimmals, incana und fragilis besetzt. Zur Zeit des Schnittes werden deren Stäbe und Ruthen sogleich ihrer Verwendbarkeit nach sortirt, zu Fassbänden wie feiner und gröberer, weisser und grüner Flechtarbeit. Hier in Plania beschäftigen sich eirca 200 Arbeiter in den Familien mit Korb- und Stuhl- flechtarbeit aller Art fast nur allein aus geschälten, weissen Ruthen, zu- weilen in Verbindung mit spanischem Rohr; feinere Arbeit wird jedoch nur auf Bestellungen angefertigt. Die grosse Menge der hier fertig ge- stellten Flechtwaaren findet willigen Absatz besonders in den oberschle- sischen Hüttengegenden aber auch nach Oesterreich, Russland uud russisch Polen, nach letzteren beiden, häufiger Grenzsperre wegen in neuerer Zeit ‘jedoch weniger. Die ungeschälten, grünen Ruthen werden in den Nachbar- orten zu Flechtwerk für die-Haus- und Feldwirthschaft verarbeitet.“

Ferner berichtete Herr Oppler nach eigener Erfahrung: schwer ' keimende, hartschalige Samen, z. B. Crataegus, Rosa canina im Herbst ge- sammelt, mit einer angemessenen Quantität frischer Pferdeäpfel gemischt, in einem Sack über Winter in einen Laubhaufen im Garten gebracht und im Frühjahr den so präparirten Samen in ein Mistbeet in fein gesiebte Erde 3 gesäet, keimen schon im Mai und Juni, während dies ohne diese Procedur erst in ein und mehr Jahren geschieht. So wie zerkleinerte Wachholder- zweige in die Saatfurchen gebracht z. B. Obstsaaten, vor Mäuseschaden

Be

der Schles. Gesellschaft f. vaterl, Cultur, 325

beschützen, empfiehlt Herr Oppler für den gleichen Zweek auch, solche in den Frühbeeten anzubringen und Feigenbäume, besonders wenn sie gegen den Frost in die Erde gebracht werden, nachdem sie mit Kalk- wasser bestrichen wurden, in Wachholderzweige einzubinden. Die sehr empfindlichen Mäuse fliehen die spitzen, stechenden Nadeln des Wach- holder.

Noch übergab Herr Geh. Rath Professor Dr. Goeppert den Extra- Abdruck aus den damaligen hiesigen Zeitungen eines Aufsatzes, welcher die Anzeige des Präsidii der Schlesischen Gesellschaft vom 30. August 1847 von der Constituirung der Section für Obst- und Gartenbau, deren Statut und eine Einladung enthält zu recht zahlreicher Betheiligung bei dieser Section aus dem Bereiche der ganzen Provinz, weil diesem, als ein für dieselbe tiefgefühltem Bedürfniss anerkanntem Vereine zur Erreichung seines Zieles eine möglichst grosse Theilnahme auch ausserhalb des Kreises der Schlesischen Gesellschaft nothwendig sei.

In der dritten Sitzung am 19. Februar gab Herr Obergärtner OÖ. Lorenz in Bunzlau aus besonderem Anlass brieflich zu dem von ihm verfassten, in unserem letzten Jahresbericht mitgetheilten Aufsatz „über den Sperling etc.“ wiederholt die Versicherung ab, dass seine dort gemachten Angaben durchaus keine irrthümlichen waren, und dass nicht er allein, sondern auch ein anderes dortiges Mitglied der Section in ihren Gärten sich oft überzeugten, wie die Sperlinge vom Frühjahr bis zur Erntezeit (wo sie dann mehr auf die Felder gehen) sehr emsig und mit srosser Vorliebe Engerlinge und die Larven anderer Inseeten aufsuchen und verzehren, oder ihre Jungen damit füttern.

Im Weiteren berichtete Herr Lorenz, dass seine im Frühjahr an- gestellten Versuche, Cydonia japonica durch Copulation auf Crataegus Oxy- acantha in Töpfen zu veredeln, misslungen seien; zwar wären die Ver- edelungen auf 3 bis 4 Zoll Länge gewachsen, fingen jedoch dann zu welken an, eingen in Fäulniss über und gänzlich zu Grunde; seine An- nahme, dass die Temperatur des Warmhauses hieran die Schuld getragen habe, scheine jedoch nicht richtig gewesen zu sein, denn von später im Freien veredelten 18 Stück seien zwar 13 Stück recht gut angewachsen, hätten auch einige recht kräftige Reiser getrieben, aber auch diese wären unerachtet der denselben gewidmeten Sorgfalt sämmtlich wieder während des Sommers abgestorben, nur eines habe sich kümmerlieh bis zum Herbst erhalten.

Ferner machte Herr Lorenz noch folgende Mittheilungen:

1) Auf allen Saatbeeten von Stangenbohnen liess ich früher, wie ich es gelernt hatte, die untersten Taschen als Samenträger stehen, die Folge war, dass der Fruchtansatz sehr bald sein Ende hatte. Bei Privatpersonen, welche lieber sämmtliche Schoten grün in der Küche verbrauchen und

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den Samen kaufen, bemerkte ich aber, dass diese von ihren Stangenbohnen stets längere Zeit wie ich grüne Bohnen pflücken konnten. Hierdurch veranlasst habe ich nun schon seit einigen Jahren „zur Verlängerung der Tragbarkeit der Stangenbohnen‘“ mit bestem Erfolge folgende einfache Methode angewendet: Auf Beete von 1!/, m Breite setze ich zwei Reihen Stangen in je 46 em Entfernung von einander ein und lege im Ringe um die Stange 6 bis 8 Bohnen, damit nun aber Luft und Sonne hinreichend Zutritt zu den Beeten finden, ziehe ich dieselben von Süd ‚nach Nord, lege nur-2 Beete Stangenbohnen nebeneinander, hierauf wenigstens 3 Beete.-Buschbohnen oder anderes Gemüse und dann wieder 2 Beete Stangenbohnen; hierdurch wird ein bedeutend grösserer Ertrag von Schoten gewonnen. Um nun aber auch die Verlängerung der Trag- barkeit grüner Bohnen zu erzielen, lasse ich auf den Beeten, welche zum Grünpflücken bestimmt sind, keine Samenschoten hängen, weil die Pflanzen dadurch immer wieder zu neuer Blüthe und Fruchtansatz gereizt werden und kann auf diese Weise, selbst bei frühem Anbau, grüne Bohnen pflücken bis der Frost sie zerstört. Die Beete, welche ich zur Samen- zucht bestimme, behalten bis zu der Höhe wo man sie bequem erlangen kann, alle ihre Schoten und werden nur die höher hängenden zum Grün- verbrauch abgepflückt; diese Samenträger sind in guten Sommern gegen Ende August erschöpft und sterben ab. Von Stangenbohnen baue ich vorzugsweise: die mittellange Schwert-, die grün- und die gelbschotige Brech-, und die schwarzsamige mit silbergrauen Schoten aus Algier; Letz- tere ist sehr früh und reichtragend.

2) „Um gesunde Levkojenpflanzen. zu ziehen“ besäe ich einen nur noch lauwarmen Mistbeetkasten mit dem Levkojensamen, drücke denselben mit einem Bretehen sanft an, bestreue ihn dann mit feingesiebter Erde so, dass eben nur die Samen bedeckt sind und säe dann Majoran darauf, beide Samensorten so dick, als ich es von jeder allein {hun würde. Der rasenartig nachwachsende Majoran verhindert durch Kühlung und Auf- saugen etwa zu grosser Feuchtigkeit das Brandigwerden und Faulen der Levkojenpflanzen. Künstliche Erdmischung verwende ich hierbei nicht, sondern nur gewöhnliche Frühbeeterde. Auf diese Weise habe ich immer sesunde Levkojenpflanzen und zugleich den Vortheil, dass der Kasten doppelten Nutzen liefert, weil der Majoran erst langsam nachwächst wenn die Levkojenpflanzen schon fortgenommen sind; diese wurden aber bald brandig wenn die Majoranaussaat einmal unterblieb.

Vorgelesen wurden, von Herrn Ober-Hofgärtner Schwedler in Slawentzitz eingesendet: „Erfahrungen, mitgetheilt zur War- nung für diejenigen, welche genöthigt sind bei ihren Cul- turen künstliche Düngmittel in Anwendung zu bringen.“ Derselbe schreibt:

der Schles. Gesellschaft f. vaterl. Cultur. 337

1) „Um meine T'opfrosen noch vor Eintritt des ersten Triebes zu ver- setzen, liess ich im Februar d. J. 8 Karren Lauberde, 3 Karren alten Häuserlehm, 1 Karre grobgesiebte Holzkohle, 1 Karre feinen gewaschenen Sand auf einen Haufen bringen und setzte diesem etwa eine halbe Karre von Hornmehl hinzu. Nachdem dieses alles gründlich gemischt, auch noch durchgesiebt worden war, wurde mit dem Verpflanzen begonnen.“

„Schon nach dem ersten Angiessen verbreitete sich ein übler Geruch, welcher bald das ganze Haus erfüllte. Im März gab ich mehr Wärme, liess täglich einige Stunden lüften und mehrmals wöchentlich mit lauem Wasser spritzen um die Rosen zum Austreiben anzuregen. Es eut- wickelten sich auch bald Triebe, jedoch schwächlich und verkrüppelt, so wie deren Blätter, welche bald schwarz wurden und abfielen. Diese unliebsame Wahrnehmung veranlasste mich meine Rosen auszutopfen, wobei ich sämmtliche Wurzeln bis zum Stamme schwarz fand. Ich liess nun Alle in den freien Grund seizen, mehrere erholten sich hier wohl wieder, jedoch mehr als die Hälfte derselben starben total ab.“

„Ich folgere hieraus, dass erstens diese Art Düngung nicht im ruhenden Zustande der Pflanzen angewendet, zweitens, dass sie nur in noch ge- geringerer Menge gegeben werden darf, und drittens, dass es besser sei sei, diese Arten Düngstoffe aufgelöst, den Pflanzen in Zwischenräumen von 8 bis 14 Tagen zuzuführen.‘

2) „Seit langen Jahren bezog ich aus einer benachbarten Gärtnerei Torf, welcher in Stücken von Haselnussgrösse unter Haideerde gemischt und auch auf den Boden der Töpfe eine Lage gegeben, bei Coniferen an- gewendet wurde, weil dies eine lebendigere Vegetation und ein schönes dunkles Grün erzeugte. Der Vorrath dieses Torfes war verbraucht, ich liess mir drei weitere Fuhren kommen und wendete davon nach obiger Angabe wieder bei meinen Topf-Coniferen an. Ungefähr 3 Wochen nach dieser Verpflanzung zeigten sich an den feineren Species die feineren Triebe braun werdend. Bei näherer Besichtigung der Exemplare drang mir ein vom Topfe ausgehender saurer, schwefeliger Geruch entgegen und veranlasste mich dies, ein solches kränkelndes Exemplar gründlich zu untersuchen. Leider stellte sich hierbei heraus, dass der zuletzt an- gewendete Torf eine grosse Menge Eisen-Oxyd und Schwefel enthielt. Später erst erfuhr ich von meinem Nachbar, dass dieser Torf von einem anderen Lager als der vorher erhaltene entnommen wurde.“

„Zwar liess ich sofort eine andere Verpflanzung sämmtlicher Topf- Coniferen vornehmen, hatte aber dennoch den Tod mehrerer seltenen und kostbaren Species zu beklagen. Der noch vorhandene Torf und die mit einem Theil desselben gemischte Erde wurde in eine Vertiefung in der Nähe einer Gehölzgruppe gebracht und leicht mit Erde bedeckt, es ist auf dieser Stelle aber jetzt nach längerer Zeit immer noch ein schwe- feliger Geruch bemerkbar und weder Gras noch Unkraut dort empor ge-

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223 Jahres - Bericht /

kommen. Noch bemerke ich, dass es dem ausgezeichneten Cultivateur, Herrn A. Ullrich in Rosenthal bei Breslau, nach mir gewordener Mit- theilung, vor einiger Zeit mit seinen Rosen in gleicher Weise wie mir mit den Coniferen erging.‘ *)

„Hieraus erhellt wohl zur Genüge, wie nützlich es wäre, wenn die zu den QCulturen zu gebrauchenden, noch nicht erprobten Erdarten, vorher einer chemischen Analyse unterworfen würden und jeder Gärtner die hierzu er- forderliche Wissenschaft sich anzueignen bestrebt sein möchte.“

Ferner wurden zum Vortrag gebracht: ein Aufsatz des Apotheker Hertn M. Scholtz in Jutroschin: „Zubereitung der Tomate (Liebesapfel) als dauerndes Compot“ und briefliche Mittheilungen des Kunstgärtner Herrn R. Grubert in Roschkowitz und des Kunst- gärtner Herrn RE. Junge in Schönbrunn über die Gurke, Rollison’s Telegraph. Wie abweichend die Urtheile über diese noch neuere Gurkenart sind, und dass im Handel mit deren Samen wohl auch, seien es absichtliche oder unabsichtliche Täuschungen mit unterlaufen, dürfte sich aus jenen Mittheilungen zur Genüge erweisen. Herr Grubert schreibt nehmlich: „Von den erhaltenen am 24. April in Töpfe gelegten Samen habe er, diese ins Frühbeet gestellt, drei Pflänzchen erhalten, von denen er das Eine am 23. Mai in ein kaltes Frühbeet, die beiden Andern ins freie Land pflanzte. Alle 3 Pflanzen wuchsen üppig; die im Früh- beet unter Fenster gehaltene Pflanze setzte auch recht reichlich Früchte an, hielt aber nicht lange aus und diese waren, weil ganz krumm ge- wachsen und sehr schnell gelb und blatterig geworden, ganz unbrauchbar, während die beiden Pflanzen im freien Lande zwar nicht so reichlich Früchte wie jene trugen, diese aber fast gar nicht gebogen eine Länge bis zu 45 cm erreichten, eine sehr dünne Schale hatten und von äusserst feinem Geschmack waren, so dass er diese Sorte für eine sehr schöne Gurke für das freie Land erachten müsse.“

Dagegen theille Herr Junge folgendes mit: „Im Jahre 1867 offerirten Erfurter Samenhandlungen eine englische Treibgurke unter dem Namen „hollison’s Telegraph“. In der mir anvertrauten Gärtnerei wird bedeutende Gemüsetreiberei betrieben und liess ich mir desshalb von dieser neuen Gurke sogleich Sameu kommen; von den erhaltenen 2 Korn zeigte sich nur das Eine keimfähig, es entwickelte sich die junge Pflanze aber rasch und üppig und erntete ich von derselben reichliche, sehöne Früchte.

*) Auch ich habe böse Erfahrungen mit Torf gemacht. In einer ersten Sen- dung Torf aus Oberschlesien gedichen Orchideen, Farne ete., bei denen derselbe angewendet wurde, ganz prächtig, während eine zweite Sendung von ganz gleichem äusseren Ansehen wie jene, deren Stücke aber in nicht langer Zeit steinbart und schwarz wurden, sämmtlichen Pflanzen, zu denen dieser Torf ver- wendet wurde, binnen Kurzem uurettbar den Tod brachte. E. H. Müller.

der Schles. Gesellschaft £. vaterl. Cultur. eu)

Telegraph halte sich somit bewährt, Samen davon hatte ich aber leider nicht gewonnen und musste im folgenden Jahre wieder welchen ver- schreiben. Nun versuchte ich den „Telegraph“ zur Früheultur im Ananas- hause und dies gelang mir so vollständig, dass ich diese Treibgurke, nachdem ich sie auch als eine der frühesten kennen gelernt hatte, seit- dem mit Vorliebe im Auanashause wie im Frühbeete eultivire.. Voll- kommen reifen Samen erntete ich aber nur 3 Korn, aus denen ich im folgenden Jahre zwar wieder ausgezeichnet schöne Früchte erzielte, mit der Samenernte aber wieder kein Glück hatte und daher im vierten Jahre (1871) nochmals Samen aus Erfurt bezog. Dieser nun verschriebene Same keimte vortrefflich, die Pflanzen wuchsen auch kräftig, doch aber wurde mir nur zu bald klar, dass meine Zöglinge nicht ächt seien. So- fort liess ich mir anderwärts her Samen kommen, aber auch mit diesem konnte -ich nieht zufrieden sein, denn obwohl die Früchte von diesem meist recht schön waren, so fehlte doch mein Lieblinge, der Telegraph. Endlich im Juni fand sich unter einer späteren Pflanzung eine ächte Pflanze, auf welehe nun meine ganze Aufmersamkeit gerichtet wurde und von der ich auch so glücklich war eine kleine Quantität keimfähigen Samen zu gewinnen. In den folgenden Jahren war es mein Bestreben den Samen dieser Gurke möglichst rein zu halten, ich musste aber dennoch bemerken, dass wenn er auch gute Sämlinge lieferte, diese Sorte dennoch sehr leicht ausartet.‘

„Lelegraph ist seitdem den meisten meiner Herren Collegen be- kannt, auch von Vielen schon wieder cassirt worden, welche ihm das gerade Gegentheil von Lob spendeten; hauptsächlich wird ihm grosse Empfindlichkeit zur Last gelegt, weil die Früchte im Frühbeete leicht anfaulen. Auch ich machte im ersten Jahre diese Erfahrung; der reich- liche Fruchtansatz entschädigte aber diesen geringen Verlust; desshalb und weil Telegraph beim Frühtreiben überhaupt noch von wenigen an dern Schlangen - Treibgurken übertroffen sein dürfte, strafe ich ihn auch nicht mit Verachtung, sondern werde ihn stets in Ehren halten. Früchte dieser Treibgurke wurden auf den verschiedensten Ausstellungen prämürt und waren neben anderen Sorten sicher niemals das Mindergute in der Collection.“

„Der Wuchs der Pflanze ist ein sehr kräftiger, der Fruchtansatz seh” früh und reichlich, doch will sie in Betreff des Giessens vorsichtig he- handelt sein und liebt nach meiner Erfahrung so lange als möglich die Fenster, nach deren Fortnahme ihr freudiges Gedeihen nachlässt. Die Frucht selbst ist von schlankem Bau, wird aber bei guter Cultur ziemlich stark, erhält eine Länge von 60 cm und darüber und besitzt einen äusserst feinen Geschmack; ihr Kernhaus ist ein sehr schwaches, die Samenernte daher auch nicht so reichlich wie bei vieleu andern Treibgurken. Zweck dieser Zeilen ist, dazu beizutragen, dass die Gurke „Telegraph‘“

230 Jahres -Bericht

da, wo sie schon verdammt aha wieder zu den ihr gebührenden Ehren aufgenommen wird und dort wo sie sich einbürgerte, noch lange in gutem Ansehen bleiben möge.“

Zur Kenntnissnahme wurde noch vorgelegt: Ein Preis-Ausschreiben von 100 Mark des Gartenbau-Vereins zu Darmstadt für ein bewährtes, im Grossen und unter allen. Verhältnissen anwendbares, billiges Mittel gegen den Rosenpilz, sowie der von dem Grossherzoglichen Hofgärtner in Bessungen, Herrn Rudolph Noack herausgegebene, recht empfehlens- werthe „Immerwährende Garten-Kalender“.

Vierte Sitzung am 11. März. Mitgetheilt wurden: Ein Schreiben des Königl. Landwirthschaftlichen Ministeri, enthaltend die Bekannt- machung der im Mai a. c. in Verbindung mit einem botanischen Congress zu Florenz stattfindenden internationalen Ausstellung für Gartenbau und die Bekanntgebung des Anfangs April a. c. bei dem Königl. Pomologischen Institut zu Proskau beginnenden Sommer-Semesters.

Herr Geh. Rath Prof. Dr. Goeppert hatte, um seiner in einer der letzten Sitzungen gegebenen Zusicherung zu genügen, zwei von ihm eul- tivirte Exemplare ins Wasser hinein, ohne Wurzelbildung entwickelter Hyaeinthen ausgestellt, von welchen das Eine mit Strychnin derart ver- giftet war, dass kleine Vögel von dem Genusse der Blätter bald starben, während diese Vergiftung der Pflanze selbst irgend welchen Nachtheil nicht gebracht hatte. Die von einem auswärtigen Mitgliede brieflich gestellte Anfrage über Vermehrung der sogenannten „Aschpflauzen‘“, (Cineraria, Centaurea, Artemisia) wurde dahin beantwortet, dass dieselbe am besten durch Stecklinge zu gewinnen sei. ;

Herr Juwelier Herrmann trug vor: „Erinnerungen an die bei der Wiener Weltausstellung am 3. October v. J. eröffnete 5. tem- poräre Ausstellung des Gartenbaues, in Obst und Trauben bestehend, und an die noch vorhanden gewesenen gärtnerischen Anlagen und Pflanzen- gruppen‘, wobei derselbe den prächtigen Anblick hervorhob, welchen die vom Obergärtner Herrn J. Janauscheeck zu Komlos im Banat eingesendeten, hochstämmig gezogenen verschiedenen Pflanzen, z. B. Lantana in meh- reren Varietäten, Cassia floribunda, unter diesen ganz besonders aber die in voller Blüthe stehenden Plumbago capensis-Bäumchen boten. Der Herr Vortragende knüpfte hieran die Anweisung zur Cultur hochstämmiger Exemplare dieser schönen strauchartigen Pflanze, welche ihm auf sein Ersuchen mit anerkennenswerther Bereitwilligkeit und der Genehmigung zu deren Veröffentlichung durch den Herın Cultivateur ertheilt worden war.

Ausserdem wurden noch vorgetragen: 1) Eine längere Abhandlung des Hofgärtner Herrn Peucker in Rauden O0.-8. „über neuere emfehlenswerthe Gartengeräthe“ unter Vorlegung eines von dem-

der Schles. Gesellschaft £. vaterl. Cultur. ' 231

selben eingesendeten Spaten und eines sogerannten „Grabenbeiles““ (Kantenhacke) neuer Construction; 2) Ein Schreiben des Hofgärtner Herrn Goetz in Slawentzitz, in welchem die Herbstpflanzung von Obstbäumen empfohlen wird. Nachdem der Herr Correspondent zuerst vor später Herbstpflanzung von Obstbäumen in nassen, kalten und schweren Böden gewarnt hat, weil hier die an den Wurzeln entstandenen Schnitt- flächen bei eintretender Kälte nicht früh genug verheilen können und des- halb die Wurzeln auch leichter zur Fäulniss neigen, äussert derselbe sich dagegen zu Gunsten der Herbsipflanzung in leichten, trockenen Boden- arten, bemerkt jedoch dabei nach langjähriger eigener Erfahrung, dass falls auch hier, aus irgend welcher Veranlassung, die Pflanzung nur erst sehr spät im Herbst erfolgen könne, als wohl bewährtes Mittel es sich empfehle bald nach Pfllanzung der Bäume, soweit deren Wurzeln reichen, um die- selben eine 7 bis 10 em dicke Lage kurzen Düngers oder Streu auf- zubringen, weil damit die Wurzeln vor dem Eindringen strenger Fröste geschützt werden, zugleich aber auch im Frühjahr die oft zu zeitig ein- tretende Vegetation zurückgehalten wird.

Gelegentlich der fünften und der sechsten Sitzung am 22. April und resp. 8. Juli legte in der ersteren Herr Drathwaaren-Fabrikant Al- goever im vorigen Jahre hier in seinem Garten gereifte Kolben des hellgelben, kleinkörnigen Zucker-Mais (Crosby sweet Corn) vor, dessen Samen von R. H. Alten in New-York durch ihn bezogen worden war, und präsentirte zugleich ein mit besonders saubern Clich6ös ausgestattetes Preisverzeichniss derselben Firma über Pflanzen und in deren Fabrik angefertigte Gartengeräthe, indem er diese ihrer, nach seiner eigenen Er- fahrung vorzüglichen Güte und Preiswürdigkeit wegen empfahl; in der letzteren wurden durch Herrn Obergärtner Zahradnik in Kamienietz eingesendete Zweige einiger in den dortigen Waldunugen durch ihn auf- gefundenen und in den Park versetzten hübschen fremdartig erscheinenden Nadelhölzer und einer Eiche vorgelegt, welche zu näherer Beurtheilung au Herrn Geh, Rath Prof. Dr. Goeppert übergeben wurden.

Am 30. September wurde die siebente diesjährige Sitzung ge- halten. Herr Juwelier Herrmann hatte durchaus normal gebildete Hıst- lingsfrüchte ausgelegt: des Alantapfel, der Grumkower Birne und der Birne Herzogin von Angoul&me, letztere im Gewicht bis 46 Neuloth (Deegr.), entnommen von jungen, aus dem Obstbaumschulgarten der Section bezogenen Zwergstämmehen. Zur Kenntniss wurden die Dankschreiben hoher Behörden gebracht, für die denselben übersendeten Jahresberichte pro 1873.

Ueber die in der letztvorangegangenen Sitzung vorgelegten, durch Herrn Zahradnik eingesendet gewesenen Baumzweige äusserte Herr Geh.

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Rath Prof. Dr. Goeppert seine Meinung in Folgendem: Die sogenannte Sehlangen- (Peitschen-) Fichte ist nichts weiter als eine gewöhnliche Fichte mit sehr langen, ruthenförmigen, astlosen Zweigen, welche dem ganzen Baume ein eigenthümliches fast araucarien-artiges Aeussere ver- leihen. Mit der kugelwüchsigen, kleinnadeligen Kiefer und der gespreizt- wüchsigen Pinus lariw mit bläulichen Nadeln verhält es sich ebenso, auch sie sind nur Wachsthums-Varietäten, wie sie Boden- und Standort-Ver- hältnisse oft mit sich bringen. Namentlich aber variirt die Kiefer bald mit dunkelgrünen, bald mit graugrünen Nadeln in vielen Zwischenformen, Freiwillige Ausartungen und Abweichungen vom Normaltypus kommen überall vor, es sind‘ dies Varietäten, die sich in jedem grösseren Walde finden, in dem einen so, in dem andern so und daher nur locales Interesse haben. Von unserer gemeinen Eiche führt man jetzt an 120 Varietäten, welche man vollständig nach einzelnen Zweigen nicht beurtheilen kann, be-

sonders da, wo, wie in dem vorliegenden Falle, der Zweig einer bei uns wild.

gewachsen sein sollenden Eiche vorliegt, mit der sie, obschon auch mit ganzen Blättern versehen, dennoch keine specifische Aehnlichkeit haben. Ganz- blättrige Formen befinden sich auch unter unseren wildwachsenden Eichen und dahin könnte vielleicht die des Herrn Zahradnik gehören. Weder zu Quercus Robur noch pedunculata kann man sie zählen, sondern nur zu der amerikanischen Quercus Pinus, der sie am nächsten kommt, obschon zur Entscheidung der Identität Anschauung des vollständigen Exemplars und vor Allem Früchte gehören. Auch 9. Pinus variirt in Amerika selbst so sehr, dass mehrere dortige Botaniker sie m 4 bis 5 Arten zerlegen, die sich grösstentheils auch in unseren Gärten befinden. Es waltet hier sicher ein Irrthum ob; wahrscheinlich stammt jene Eiche aus einer alten Cultur, welche eben ins Vergessen kam, wozu oft nur eine geringe An- zahl von Jahren gehört. Hierfür dürften auch folgende Fälle sprechen.

Vor etwa 20 Jahren meinte unser verstorbener Oberforstmeister v. Panne-

witz die ächte Kastanie hier acclimatisren und mit Vortheil bauen zu können, wozu er sich zunächst den bekannten Eichenwald, die Strachate, (an der Oder gradeüber von Treschen) erwählte. Schon nach wenigen Jahren erfroren die Bäumchen der ächten Kastanie grösstentheils bis auf einige, welche aus der Wurzel austrieben und die ein hiesiger, sonst ganz kenntnissreicher Botaniker mit Staunen betrachtete und flugs drucken liess, dass die Kastanie auch hier wild wachse, welche Meinung ich na- türlich dureh Mittheilung des wahren Sachverhältnisses beseitigte. Ein Lehrer hatte mir vorigen Sommer mitgetheilt, dass ein bisher in Schlesien nur wenig verbreitetes Farnkraut, Scolopendrium, bei Greiffenberg wild wachse; ein Anderer berichtigte dies und wies nach, dass dasselbe an- gepflanzt und vor einigen Jahren aus Steyermark dahin gebracht worden sei.

Aus einem Briefe des Garten-Direetor Herrn Gireoud in Sagan theilte der Secretair das Folgende mit: In der Regel wird darüber ge-

der Schles. Gesellschaft £. vater]. Cultur. 333

klagt, dass Verbenen-Samen nicht aufgeht; dies liegt aber lediglich an dem betreffenden Gärtner. Den im Herbst geernteten Verbenen-Samen säe ich gegen das folgende Frühjahr in einen lauwarmen Kasten, giesse nach gemachter Aussaat stark an und lasse den Kasten mit hölzernen Laden bedeckt so lange stehen bis die Samen zu keimen anfangen, wo dann natürlich Licht und später auch Luft nicht fehlen dürfen. Verbenen bedürfen also viel gleichmässige Feuchtigkeit um zu keimen.

Noch gelangte zum Vortrag ein Aufsatz des Kunstgärtner Herrn Kühnau „über gefüllte Antirrhinum majus.

In der am 21. October stattgefundenen achten Sitzung machte

der Seeretair Mittheilung von dem am 2. d. Mts. erfolgten Ableben eines _ der ältesten Seetions-Mitglieder, des vorzugsweise durch seine Anzucht ausgezeichneten Samens von Levkoyen und neuer Spielarten derselben weit über die Provinz hinaus rühmlichst bekannten, auch um die Section in vielfacher Beziehung wohl verdienten Kunst- und Handelsgärtner Herrn Gustav Teicher in Striegau, dessen Andenken durch Erheben von den Plätzen geehrt wurde. Zugleich konnte aber auch die erfreuliche Nachricht gegeben werden, dass dessen Söhne und bisherigen Mitarbeiter, die Herren Ludwig und Paul Teicher, das Geschäft ihres verblichenen Vaters übernommen haben und ganz in dessen Sinn und Weise unter der zeitherigen Firma gemeinschaftlich fortzuführen beabsichtigen.

Brieflich theilte Herr Garten-Inspector Becker in Miechowitz mit: ,‚Der englische Gärtner Vietor Paquet giebt an, dass zu tief ge- setzte oder durch Erdaufschüttungen zu hoch mit Erde bedeckte Bäume sich dadurch erhalten und zu neuem Wachsthum bringen lassen, wenn man an dem Stamme derselben, etwa 5 bis 6 cm unter der Erdober- fläche ein Stück Rinde im ganzen Umfange des Stammes ablöst, wodurch sich an dieser Stelle ein Wulst bilde, aus welchem neue Wurzeln schlagen.“ Auf das Ersuchen des Herrn Becker um Auskunft, ob gleiche Erfahrungen schon anderweit gemacht wurden, erwiderte Herr Geh. Rath Professor Dr. Goeppert:

„Was die Beobachtung des Herrn Paquet betrifft, so verdient sie immerhin alle Beachtung, wenn man es auch stets zu vermeiden hat Bäume allzutief unter das Niveau des Bodens zu bringen; sie leiden dann Wassermangel, weil, merkwürdig genug, auch der stärkste Regen nur in mässige Tiefe unter den Boden dringt. Kann man dies nun durch Neubildung von Wurzeln, an dem von der Erde bedeckten Stammtheil ersetzen, so sorgt man für die fernere Erhaltung des Baumes. Neu- bildung dieser Art auf natürlichem Wege, ohne jede künstliche Hilfe, habe ich bei Pappeln und Weiden beobachtet, ohne jedoch im Stande zu sein die Länge des verschütteten Theiles anzugeben, ferner bei Fichten (Pinus Abies) auf hohen Gebirgen, wie auf unserem Riesengebirgskamm

234 Jahres -Bericht

und in den Alpen. Ueberall kommen an dem unteren Theile, bis zu mehr als 30 cm Stammhöhe Seitenwurzeln zum Vorschein, die sogar zu Stämmen: auswachsen, worauf ich schon im Jahre 1850 in einem in der Berliner Gartenzeitung enthaltenen Aufsatz aufmerksam machte und darauf einen Vorschlag zur Vermehrung kostbarer Coniferen gründete, Dass dergleichen aber sogar bei sehr alten Fichten, wenn sie verschüttet werden, in niedrigeren Gebirgen vorkommt, zeigt ein kolossales Exemplar von unserem Zobten, eine Hauptzierde unseres physiologischen Kabinets. Ob man nun die Natur durch Entfernung eines Stückes Rinde unter dem Boden in ihrem Walten zu unterstützen vermag, lässt sich vom theore- lischen Standpunkte von vornherein weder verneinen noch bejahen, son- dern nur allein durch das Experiment entscheiden. Nach den durch Han- stein in Bonn angestellten Experimenten unterliegt es keinem Zweifel, dass oberhalb des Ringelns Wurzeln vorkommen. Er setzte geringelte Zweige ins Wasser und beobachtete es an diesen. Auch früher schon, 1791, wurde ähnliches beobachtet, wovon Ratzeburg (dessen Waldverderbniss

3. Bd., $. 228, 1868), welches Werk sich in der Bibliothek der Schle-

sischen Gesellschaft befindet, die Abbildung reprodueirt. Vollen Ersatz für die Funetion des von der Natur verliehenen Wurzelsystems wird man aber auf diesem Wege, wenn man den beabsichtigten Wurzeltrieb auch erreicht, gewiss nicht erlangen.‘

Herr Apotheker M. Scholtz in Jutroschin hatte ein Blatt einer von ihm im vorigen Jahre in einem Bauerngarten aufgefundenen wilden

Meerrettigpflanze (Armoraria sativa) mit weissem Stiel, rein weiss breit

umrandet, auf der mittleren grünen Fläche mit aschgrauen Verwaschungen sezeichnet und hierzu schriftlichen Berieht über deren Auffinden und von ihm vorgenommene Untersuchungen über deren weitere Cultur eingesendet. Ebenso Herr Obergärtner Zahradnik in Kaminietz einen Zweig einer in den dortigen Waldungen von ihm aufgefundenen Kiefer, deren Nadeln theils weiss, theils grün, theils weiss und grün sind. Sind wir richtig informirt, so hat Herr Baron v. Richthofen auf Carlowitz, dessen Coniferen-, Rosen- und Spargel-Culturen in gutem Rufe stehen, durch seinen sehr tüchtigen Ober- gärtner Herrn Streubel diese Kiefer behufs ihrer Vervielfältigung erworben. _ Beiden Spielarten dieser so ganz von einander verschiedenen Pflanzen dürfte,

falls sie eonstant bleiben, richtig angewendet, in der Garten- resp. Park- F

Decoration eine grosse Zukunft bevorstehen. Herr Stadt-, Forst- und Oeko-

nomie-Rath Dr. Fintelmann knüpfte hieran die Mittheilung, vor einigen

Jahren in den Peiskerwitzer städtischen Forsten einen Acer campestre, an welchem einzelne Zweige rein weisse Blätter hatten, und einen Kirsch-

baum mit zum Theil weiss panachirten Blättern gefunden zu haben. Bei

Veredelung mit Letzterem sing die Panachirung wieder zurück; Verede-

lungen von Ersterem konnten aber nieht vorgenommen werden, da die F

hierzu abgeschnittenen weiss beblätterten Zweige dureh -Nachlänsigkeib

der Schles. Gesellschaft f, vaterl. Cultur. 335

verloren gingen. Auch Herr Jettinger, der Gärtner der Section führte an, dass in dem Sectionsgarten vor einigen Jahren unter den Aepfelsäm- lingen ein weiss panachirtes Exemplar sich zeigte, dasselbe wurde im folgenden Jahre verpflanzt, behielt diese Eigenthümlichkeit, wurde leider jedoch im dritten Jahre gestohlen.

Es wurden vorgelegt: durch Herrn Obrist-Lieutenant a. D. Manger eine mächtige Traube des nur am Spalier in günstiger Lage reifenden „schwarzen Muscat Hambro“, von Herrn Juwelier Herrmann Trauben von „rothen Trollinger‘‘ und durch Herrn Bildhauer Daehmel ein in seinem Garten gewachsenes Exemplar des „Riesen-Bovist‘‘ (Lycoperdon giganteum Fries) im Gewicht von 1 Ko. 35 Decgr., welcher Pilz zuweilen in Gärten und auch im Felde, jedoch nur selten vorkommt und der im frischen, jugendlichen Zustande, bevor noch die Sporen sich entwickelt haben, essbar ist.

Vorgetragen wurde der von Herrn Kunstgärtner C. Pfeiffer in Zölling eingesendete Aufsatz: „Beitrag zur Erziehung wurzel- ächter Rosen aus Samen.“

Die neunte Sitzung am 11. November wurde eröffnet mit dem Vortrage einer längeren Abhandlung des Lehrer Herrn Hiller in Brieg: „Zur Förderung der Obsteultur“, in welcher die drei Fragen: a. Welches sind die Hindernisse des Aufschwunges der Obsteultur? b. Was kann der Lehrer zur Hebung derselben thun? ce. Ist die Obstbaumzucht auch in der Stadtschule zu lehren? nach bestimmten Richtungen hin be- antwortet werden. Derselben folgte der Auszug einer Reise-Skizze des Ober-Hofgärtner Herrn Schwedler in Slawentzitz nach Süddeutschland bezüglich einiger dortiger grossen Gartenanlagen.

Der Sectionsgärtner Herr Jettinger legte vor: 1) Früchte der „Maibirne‘“ (Bezi Mai, de Jonghe), einem jungen Säulen-Pyramiden-Stämm- chen des Obst-Baumschulgarten der Section entnommen, welches von Baltet Freres in Troyes bezogen wurde; diese Birne ist neueren Ursprungs und ihre Güte roch nicht hinlänglich festgestellt, sie in recht warmer Lage an Spalier zu pflanzen scheint rathsam. 2) Koppsel’s „‚frühe weisse Rosenkartoffel“, eine noch neue mittelfrühe, im Sectionsgarten versuchs- weise eullivirte Sorte von grosser Fruchtbarkeit, deren ziemlich grosse, plattrunde Knollen an kurzen Stolonen dicht um den Stock liegen; daher zu empfehlen, 3) Eine von Herrn Kunstgärtner Schmidt in Stephans- dorf übersendete ganz ungewöhnlich lange und starke Wurzel des Meer- rettig, als Beweis dafür, dass sich nicht in Bayern und Württemberg allein) sondern auch in Schlesien bei tauglichem Boden und richtigem Culturver- fahren, wirklich schöne Wurzeln dieser Pflanze erzeugen lassen.

Die Frage, wann pflanzt man am besten seine Obstbäume? kehrt immer wieder und hängt in manchen Fällen allerdings von Boden und

236 J ah res-Bericht

anderen örtlichen Verhältnissen ab; die irrthümliche Meinung, dass überall die geeignetste Zeit zur Anpflanzung von Obstbäumen das Frühjahr sei, herrscht aber vielseitig immer noch vor. Zur Entkräftung dieser Meinung und um den Beweis zu führen, wie vielmehr eine möglichst frühe Herbst- pflanzung für ein rascheres Anwachsen und besseres Gedeihen junger Obstbäumchen sich empfehle, machte Herr Jettinger noch aufmerksam auf die an zwei zur Stelle gebrachten Pflaumenbäumchen und einem Apfel- Pyramidenstämmchen, welche beide schon Mitte October in dem Garten der Section ausgehoben und in Einschlag genommen werden mussten, ‚seitdem eingetretene, deutlich ersichtliehe Bildung neuer zahlreicher Faserwurzeln, die ganz sicher nur erst im Frühjahr des folgenden Jahres kegonnen hätte, wenn die Stämmchen erst zu dieser Zeit ausgehoben und wieder gepflanzt worden wären. Hierzu bemerkte derselbe noch, dass dem Zustande des Bodens allerdings Rechnung zu tragen und die Herbst- pflanzung lieber in zu trockenen als zu feuchten Boden zu machen sei, auch sei es besser schadhafte Wurzeln, wenn sie nicht total ruinirt sind, zu belassen, da dieselben dennoch weiter wachsen. Wie wichtig die Herbstpflanzung sei, gehe auch schon daraus hervor, dass die berühmten Pomologen und Obstzüchter: Van Hutte, Baltet und Ed. Pynaert diesen Gegenstand gelegentlich des in den ersten Tagen des April v.J. zu Gent abgehaltenen internationalen Pomologen-Congresses eingehend erörterten.

Noch wurden einige kleine gärtnerische Notizen des Lehrer Herım Oppler in Planıa zur Kenntniss gebracht.

Vorgelegt wurden in der zehnten Sitzung am 2. December durch Herrn Obergärtner Stiebeiner in Stolz eingesendete Blätter von Tropaeolum Lili Schmidt mit auf deren innerer Oberfläche deutlich in Ge- stalt eines Kleeblattes hervortretender, dreitheiliger, dunkelgrüner, breit mattweissgrünlich umrahmter Zeichnung. Derselbe berichtete hierzu, dass er aus Samen, den er im v. J. selbst gewonnen hatte, einige Pflanzen erhielt, deren sämmtliche Blätter fast ganz gleiche Zeiehnung hatten und ein reizendes Ansehen boten, leider sei er jedoch durch die Nachlässigkeit ‚eines Gehilfen um dieselben gekommen und besitze gegenwärtig nur noch drei Stecklinge, die er jedoch zu erhalten und von ihnen auch wohl Ver- mehrung heranziehen zu können hoffe. |

Zum Vortrage gelangten: von Herrn Obergärtner Schütz in Wetten- dorf (Ungarn) eingesendet, ein Aufsatz: „Die Coniferen in derLand- schaftsgärtnerei“ und von Herrn Apotheker M. Scholtz in Jutro- 'schin umfassende Mittheilungen über die Erfolge seiner Versuche „zur Kenntniss soleher Pflanzen, welche im Winter wenig oder 3 sar keines Lichtes bedürfen“. Durch diese Versuche hat Herr Scholtz unzweifelhaft ein beachtenswerthes Verdienst, hauptsächlich um solche Pflanzenfreunde sich erworben, welche nicht in der Lage sind, in

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einem Gewächshause, oder selbst nur in Wohnungsräumen eine grössere Anzahl Pflanzen mit Sicherheit überwintern zu können; seinem wieder- holten, auch in unseren beiden letzten Jahresberichten ausgesprochenen, bisher leider unberücksichtigt gebliebenen Ersuchen, dass auch Andere gleiche Versuche machen und deren Ergebnisse zur Nutzanwendung in weiteren Kreisen der Section bekannt geben möchten, lieh der Secretair daher sehr gern betonenden Ausdruck und möchte dasselbe zu möglichster Erfüllung hiermit nochmals in freundliche Erinnerung empfohlen haben.

In der elften und letzten diesjährigen Sitzung am 16. December wurde u. a. Kenntniss gegeben von dem Aufruf zur Errichtung eines Denkmals für den im Jahre 1866 zu München verstorbenen, auch um das Gartenwesen durch Einführung einer sehr grossen Anzahl neuer Zier- und Nutzpflanzen, besonders aus Japan, hoch verdienten Herrn Ph. Freiherrn von Siebold in seiner Vaterstadt Würzburg, wobei der Secretair zur Annahme von Beiträgen sich bereit erklärte.

Vorgetragen wurden: 1) Eine Abhandlung des Herrn C. Becker, ersten Lehrer an der Mädchenschule zu Jüterbog, „Für Obstbaum- besitzer“, betreffend einige den Obstbäumen schädliche Schmetterlings- raupen und deren Vertilgung durch den von ihm bereiteten, sehr empfehlens- werth befundenen Brumata-Leim. 2) Von Herrn Kunstgärtner Siegert in Lissa „Beobachtungen über den Frostschmetterling“. 3) „Gegen den Sperling“; eine Erwiderung des Herrn Apotheker M.Scholtz in Jutroschin und 4) von Herrn Zimmermeister Krause: „Anzucht von Birnstämmcehen aus Senkern“.

Wenn nun aus den vorstehenden Sitzungsberichten hervorgehen dürfte, dass die Thätigkeit der Section, in Sonderheit einer Anzahl ihrer resp. Mitglieder, auch im Jahre 1874 in regem Fortschreitem nicht er- müdete, so fühlt diesen gegenüber zunächst der Secretair zu aufrichtigem Danke sich verbunden für das damit zu erkennen gegebene gemeinnütz- liche Interesse und die ihm in diesem geleistete Hilfe, wobei jedoch nicht verschwiegen bleiben soll, dass gleiche Anerkennungen solchen Interesses jener Mitglieder ihm auch selbst aus weiteren als der Section angehörenden Kreisen geäussert wurden. Er findet in letzterem Umstande einen Grund mehr, die freundliche Erfüllung seiner Bitte erhoffen zu dürfen, dass jene resp. Mitglieder auch künftighin, wie die in der letzten Zeit der Seetion sich neu angeschlossenen und auch diejenigen, namentlich praktizirenden resp. Mitglieder, welehe zeither in dieser Beziehung Zurückhaltung zeigten,

238 Jahres - Bericht

sich in der Folge geneigt finden lassen werden an solebem gemeinnütz- liehem Wirken durch gefällige Mittheilungen ihrer gärtnerischen Wahr- nehmungen, Beobachtungen und Erfahrungen, oder in ihnen sonst zweck- dienlich erscheinender Weise mehr und mehr sich zu betheiligen. Dabei möge die wiederholte Bemerkung gestattet sein, dass bei sonst lehrreichen oder interessanten Mittheilungen, wenn es gewünscht werden sollte, für deren Veröffentlichung eine geeignete Redaction bereitwilligst vorgenommen werden wird.

Schon früher wurde einmal darauf hingewiesen, dass fast sämmtliche

in den Jahresberichten der Section erscheinende Aufsätze und selbst

kleinere Mittheilungen eine durchaus freiwillige Aufnahme in den ver- schiedensten gärtnerischen und dahin einschlägigen Zeitschriften finden und wie dies sehr wohl als ein ehrendes Zeugniss für die Autoren jener, wie für die Seetion selbst angesehen werden, mithin auch ein Sporn mehr zu solcher auch literarisch thätiger Theilnahme an den Arbeiten der Section sein möge. War ersteres in der Section schätzenswerther, ihre Bestre- bungen anerkennender Weise auch fernerhin der Fall, so konnte es ihr dabei doch nicht unbemerkt bleiben, dass öfters Original-Artikel, welche sie in ihren Jahresberichten brachte, in einige gärtnerische und landwirth- schaftliche Zeitschriften ohne, ja auch mit unrichtiger Quellenangabe und ohne ihre oder der Herren Autoren Genehmigung übergingen. Solche unliebsame Bereicherungen an ihrem Eigenthum will die Section für Obst- und Gartenbau der Schlesischen Gesellschaft für vaterländische Cultur nicht ferner dulden; so erfreuend und ehrend es ihr auch nach wie vor sein wird, in ihren Jahresberichten enthalten gewesene Aufsätze oder kleinere Mittheilungen in den verschiedenen Zeit- schriften mit Angabeihrer Firma als Quelle zur weiteren Verbreitung abgedruckt zu finden, wird sie daher in der Folge nicht unterlassen, in ihren nächsten Jahresberichten wenigstens diejenigen Zeitschriften, resp. Zeitungen namhaft zu machen, welche dem nicht nachkommen. Jedem das Seine! \

Im Uebrigen wurden während der stattgehabten Sitzungen die ein- ‚gegangenen Preisverzeichnisse vorgelegt, die empfangenen Ausstellungs- Programme besprochen, und die Betheiligung an diesen Ausstellungen empfohlen, auch die erhaltenen neuesten Lieferungen des Obstkabinets von H. Arnoldi in Gotha vorgewiesen und über die in denselben ent- haltenen naturgetreu nachgebildeten Früchte verschiedener Obstgattungen in Bezug auf Cultur und Tragbarkeit discutirt, doch musste die Be- schliessung über den Antrag auf dessen geeignete, leicht übersichtliche Unterbringung aus wirthschaftlichen Gründen vertagt werden. Ebenso unterlagen wichtigere innere Angelegenheiten der Section, wie z. B. der diesjährige Einnahme- und Ausgabe-Etat der Berathung und Beschluss- ® nahme, sowie am Schlusse des gegenwärtigen Berichtes noch nähere An-

der Schles. Gesellschaft f. vaterl. Cultur. 339

gaben folgen aus den Nachrichten welche der Secretair erstattete über die durch ihn auch in diesem Jahre vollzogene Gratis-Vertheilung empfehlenswerther Nutz- und Zierpflanzen-Sämereien und über den Betrieb und Zustand des Gartens der Section und deren Statistik. Die durch den Secretair aufgestellten und vorgelegten Berech- nungen der Kosten jener Vertheilung und über die vorjährigen Einnahmen und Ausgaben für die Section selbst und für deren Garten wurden von Herrn Obrisi-Lieutenant a. D. Manger nebst Belägen zur Prüfung über- nommen und nach deren Richtigbefinden dem Rechnungsleger Decharge darüber ertheilt.

Es ist nun in Bezug auf den Pomologischen und resp. Obst- baumschul- und Versuchsgarten an erster Stelle und in dankbarster Weise hervorzuheben, dass zu dessen Erhaltung Ein Hohes König- liehes Ministerium für die landwirthschaftlichen Angelegen- heiten die zeither huldvoll gewährte Subvention auch für die Jahre 1873 und 1874 gnädigst überweisen liess.

Die Bewirthschaftung des Gartens erfolgte nach wie vor planmässig mit aller Energie, auch namentlich in Berücksichtigung der Erhaltung po- mologisch durchaus richtiger Namensbezeichnung der verschiedenen Obst- sorten auf das sorgfältigste. Die zu Mutterbäumen bestimmt gewesenen zum Theil aus Frankreich und Belgien bezogenen Bäumchen hatten, wie dies seiner Zeit berichtet wurde, die harten Winter 1870 und 1871 nicht überstanden, es wurde daher vorgezogen in der Folge die Mutterstämme selbst durch Veredelung mit aus den möglichst sichersten Quellen ent- nommenen Edelreisern herzustellen ; diese bis in die neueste Zeit ver- mehrten, der Raumersparniss wegen meist in Säulen-Pyramidenform er- ziehenden Mutterstämme, ebenso die älteren wie die jüngsten zum Ver- triebe bestimmten Pflanzungen von Edelstämmechen zeigten auch in diesem Jahre ein gesundes und kräftiges Wachsthum. Von Jenen waren jedoch die verwendbaren Edelreiser noch bei weitem nicht ausreichend für den eigenen Bedarf im Garten, weshalb das Verlangen der Mitglieder nach solchen nur im aller beschränktesten Masse befriedigt werden konnte, der wachsende Bedarf an Letzteren und das von Jahr zu Jahr zunehmende Vertrauen zu diesen Producten des Gartens documentirte sich aber in diesem Jahre, wie weiterhin nachgewiesen werden soll, durch Aufträge, zu meist von Mitgliedern aus allen Gegenden der Provinz und selbst darüber hinaus der Art, dass spätere Bestellungen nicht vollständig, ja überhaupt in befriedigen könnender Weise nicht mehr ausführbar waren, daher theilweise oder ganz abgeschrieben werden mussten. Zum Theil aus gleichem Grunde, aber auch um den Mitgliedern jederzeit möglichst gerecht zu werden, kam die Section in die Lage eine officielle Anfrage, ob und unter welchen Bedingungen sie die Bepflanzung mit Obstbäumen

240 Jahres- Bericht

aus ihrem Garten der fisealischen Chausseen hiesigen Bezirks und deren Pflege übernehmen wolle? dankend ablehnen zu müssen. Können die hier geschilderten Umstände als günstige bezeichnet werden, so bleibt um so ernstlicher zu beklagen, dass auch am Schlusse dieses Jahres eine tröstliche Aussicht sich noch nicht eröffnete, den un- erlässlichen Bau des Gärtnerhauses nebst Zubehör in dem Garten, im nächstfolgenden Jahre ausführen zu können, weil einerseits freiwillige Bei- träge zu demselben von Mitgliedern nur noch nnerwartet sparsam ein- ‚gingen, anderntheils ein Königl. Ministerium für die landwirthschaftlichen Angelegenheiten die an Hochdasselbe für diesen Zweck gerichtete Pe- tition um Gewährung eines unverzinslichen Darlehns, oder um Erhöhung der zeither gnädigst gewährten Subvention, mittelst hoher Rescripte vom 20. Jannar und 10. September 1874 wegen Mangel zur Verfügung ste- hender Mittel abschläglich beschieden hat, die für den gleichen Zweck inzwischen eingeleiteten Verhandlungen mit hiesiger Königlichen Regierung um Gewähr irgend welcher Unterstützung aus der bei Hochderselben ver- walteten Freiherrn v. Kottwitz’schen Stiftung zur Hebung und Förderung der Obsteultur in Schlesien, der bedingten Gegenleistungen wegen, aber bis jetzt zu einem erwünschten Resultate auch noch nicht führten. Wie der anliegende Kassenbericht nachweist, haben die Kassenver- hältnisse der Section im Jahre 1874 zwar wiederum sich verbessert. Um jedoch den Garten den Zwecken, denen er dienen soll, auch vollständig "nutzbar zu machen, d. h. ausser einer sorgfältisst unterhaltenen Obst- baumsehule, in welcher die Edelstämmchen nur unter durchaus richtigen pomologischen Namen erzogen werden, in ihr auch, unserer Provinz noch gänzlich fehlende Obstbaum-Wärter heranzubilden, durch welche dem wirthschaftlich so einträglichen Obstbau in derselben nur allein in ausgedehntem- Maasse aufgeholfen werden kann, ist jetzt vor allem Andern die thunlichst schleunige Erbauung des Gärtnerhauses unbedingtes Erforderniss. Unter den obwaltenden Umständen wird des- halb die wiederholte freundliche ergebene und recht dringende Bitte an die resp. Mitglieder gerichtet, hierzu ihre weitere gütige Beihilfe, zu . deren Entgegennahme der Secretair jederzeit bereit sein wird, möglichst reichlich ‚spenden zu wollen. ie Zum Schluss dieses Berichtes mag noch erinnernd erwähnt sein, dass, um die auswärtigen resp. Mitglieder vor der jetzt sehr hohen Gebühr für Postnachnahme zu bewahren, dieselben ersucht wurden, ihre Beiträge künftig in den ersten Tagen des Januar jeden Jahres einzusenden; nur diejenigen Beiträge sollen auch in der Folge durch Postnachnahme ein- gezogen werden, welche nicht bis zum 15. Januar eingingen. 5

der Schles. Gesellschaft f. vaterl. Culiur. 941

Eupatorium Guatemalense als Winterblüher. Von

C. Friekinger, Kunsigärtner in Laasan.

Im Jahre 1844 war ich Gehilfe im Königl. bot. Garten zu Breslau. Wir erhielten zu der Zeit durch Tausch Sämereien aus dem St. Peters- burger bot. Garten. Unter diesen befand sich auch ein Päckchen be- zeichnet: Eupatorium spec. de Guatemal:. Die Samen wurden ausgesäet und von diesen Letzteren erzog ich auch bis zum Herbst recht hübsche kräftige Pflanzen. Die scheinbar hartholzigen Stängel, die prächtigen, . dunkelgrünen, scheinbar harten Blätter dieser Pflanzen liessen vermuthen, dass sich dieselben als gute Decorationspflanzen für das Frigidarium eignen würden. Die grössere Anzahl derselben wurde auch dorthin gebracht und nur einige wenige, kräftige Pflanzen aus Vorsorge.in ein gemässigtes Warmhaus. Wie zweckmässig dies war, zeigte sich sehr bald. Als die trüben und nasskalten Novembertage kamen, wurden die im Kalthaus untergebrachten Pflanzen dieses Eupatorium in kürzester Zeit wurzelkrank, Blattwerk und Stängel welkten und nur kränkliche Pflanzen brachte ich durch den Winter, während die im Warmhause eingestellten freudig fort. wuchsen und im December kräftige Blüthenrispen entwickelten.

Von dieser Zeit an habe ich dieses Eupalorium so liebgewonnen, dass ich es bis heutigen Tages noch gern eultivire. Ich habe dasselbe vielseitig empfohlen und vielfach verbreitet, aber sonderbar, man findet diese Pflanze dennoch selten in unseren Gärten eultivirt und doch ist deren Cultur so einfach und leicht, dass die geringe Mühe, welche man darauf zu verwenden hat, im Vergleich zu dem Werthe, den die Pflanze für den Markt und für den Blumengärtner bietet, kaum in Anrechnung gebracht werden kann. Ich behaupte, dass eine grosse Anzahl gut cul- tivirter Eupatorium Gualemalense in einem mässig warmen Hause eine solche Fülle blendend weisser Blumen entwickeln, dass dessen Aublick im De- cember und Januar gewiss ein ausserordentlich prachtvoller sein und der Markt- und Blumengärtner in dieser blumenarmen Zeit nicht in Verlegen- heit um frische Blumen sein würde. Die Beschaffung geeigneter Ein- richtung, diese Pflanze in grossen Mengen zu ceultiviren, ist eine sicher lohnende.

Die Stecklinge des Eupatorium Guatemalense schneide ich im Frühjahr von den kurzen gedrungenen Zweigen, in ein erwärmtes Beet gesteckt, bewurzeln sie sich in 10 bis 14 Tagen. Sind noch Fröste zu fürchten, so pflanze ich die bewurzelten Stecklinge in passende Töpfe. Ist später Frost nicht mehr zu erwarten, dann bereite ich im freien Lande ein mit

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242 J a - Bericht

verrottetem Frühbeetdünger gut gedüngtes Beet vor, pflanze darauf, etwa 30 bis 52 cm ins Gevierte, die ausgetopften Pflanzen und ist das Beet sodann nur vom Unkraut rein zu halten. Während trockener Zeit ist den Pilanzen viel Wasser zu reichen und wenn sie kräftig werden, sind sie anzubinden, damit Regen oder Wind sie nicht umlest, wodurch sie ein- seitig und unansehnlich werden. Wird dies Wenige gehörig besorgt, so wachsen die Pflanzen ohne jeden Schnitt bis zum Herbst in schöner, pyramidaler Form heran, dass es eine Lust ist dieselben einzutopfen; es ‚geht dies um so leichter, da die Pflanzen guten Ballen halten. Natürlich müssen die Töpfe in. den Ballen entsprechender Grösse genommen werden denn wären jene zu klein, so müsste dieser zu sehr beschnitten werden, was zur Folge haben würde, dass die Pflanze viele Blätter wirft, dadurch unscheinlich wird, auch keine kräftigen Blumen hervorbringt. Hatte im Frühjahr andere nothwendigere Arbeit das rechtzeitige Schneiden der Stecklinge verhindert, dann nahm ich die alten Pflanzen, zertheilte wenn möglich, sorgfältig die Ballen, schnitt die holzigen Stängel stark zurück, pfllanzte die so hergerichteten Exemplare auf ein wie oben angegeben zu- bereitetes Beet und hatte dann im Herbst ebenfalls schöne Pflanzen zum Eintopfen, welche ebenso prächtig blüheten als die aus Stecklingen ge- zogenen.

Gegen Rauch, Dampf und trockene Wärme sind die Blätter des Eupatorium Guatemalense äusserst empfindlich, sie welken und fallen als- bald ab, wenn die Pflanzen von dem Einen oder dem Andern betroffen werden; natürlich ist dann auch deren Flor ein sehr geringer. In meinem Warmhause habe ich eine Vorrichtung zur Champignon-Treiberei, wird z. B. hierzu der Pferdedünger gepackt und kommt derselbe dann noch- mals in zu starke Erhitzung, so kann sicher darauf gerechnet werden, dass die Pflanzen alle Blätter verlieren und ein reiches Blühen derselben nicht zu erwarten ist. Zugleich möchte ich noch auf eine andere Pflanze aufmerksam machen, welche sich auch als Winterblüher behandein lässt und dann als solcher ebenso werthvoll ist, als das Eupatorium Guatemal., aber auch ganz dessen gute wie schlechte Eigenschaften besitzt. Es ist dies das Ageratum Wendlandü. Soll diese Pflanze jedoch im Winter blühen, so dürfen die Stecklinge erst Ende Juni gemacht werden, wogegen die im zeitigen Frühjahr gemachten Stecklinge sich bestens für Landgruppen verwenden lassen und bis spät in den Herbst reichlich blühen.

der Schles. Gesellschaft f. vaterl. Cultur. 343

Zubereitung der Tomate (Liebesapfel) als dauerndes Compot,

Guter Rath mit etwas Kochkunst. Von

Apotheker Mortimer Scholtz in Jutroschin.

Wenn mangelhafte oder gänzliche Fehlernten von Obst- und Beeren- früchten eintreten und die Preise dieser durch die Oebstlerinnen über alle Begriffe vertheuert werden, schaut wohl manche Hausfrau trüben Blickes in ihrer Speisekammer um, in der es an dem verlangten Compot zu der winterlichen Mittagsmahlzeit, d. h. einer Erinnerung an den Sommer fehlen wird.

Wie leicht jedoch wäre solcher Ausfall zu ersetzen, wenn im All- gemeinen nicht das Neue, Fremde oder Unbekannte so schwer Eingang bei den Menschen fände. Wir dürfen nur an Rhabarber denken, an dieses herrliche Frühlingscompot und können versichert sein, dass von 1000 Menschen es kaum 100 kennen und viele von einem Gruseln be- fallen werden, wenn sie nur den Namen hören und die Wirkung der medieinischen Art dieser Pflanzengattung sich vergegenwärtigen. Und doch könnte gerade der Rhabarber ein überaus billiges Handelsgeinüse werden, wenn er mehr gekannt, also mehr verlangt und darum mehr an- gebaut würde. Ein Gleiches ist es mit dem Liebesapfel und so oft auch schon darüber gesprochen und geschrieben wurde, er findet doch nur spärlich Eingang in die Küchen unserer Hausfrauen. Weil dies jedoch ein nicht gut zu machendes Unrecht ist, fühle ich mich berufen hier noch- mals die Ehre dieser Frucht zu retten und bitte meine Rathschläge, welche praktischer, jahrelanger Erfahrung entspringen, nicht ad acta zu legen. Gerade in Jahren, in welchen Vieles im Garten missrathet, ist die Kennt- niss von der richtigen Verwendungsweise des Liebesapfels eine grosse Wohlthat für Besitzer leergebliebener Einmachekruken, denn es giebt nichts Wohlschmeckenderes als richtig eingelegte Tomatos oder Liebes- äpfel. Bitte, wollen sie mich freundlichst anhören.

Man nehme eine beliebige Menge Zucker, gute Raffinade und giesse so viel ganz starken Essig darauf, dass er sich gerade vollsauge. Dies setze man übers Feuer und noch ehe das Gemisch kocht, was zum Ge- lingen dieser so einfachen Einmacheweise gar nicht nöthig ist, nehme man die vorher abgewaschenen völlig reifen Früchte zur Hand, theile sie in 2 Theile, sind sie sehr gross, in 4 Theile der Länge nach d.h. in der Weise, dass man den Punkt, an welchem der Stiel der Frucht sass, mitten durehschneidet, also an ihm den Schnitt beginnt. Man lege nur

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so viele zerschnittene Früchte in die Zuckerlösung, dass sie auf der Ober- fläche schwiminend diese gerade bedecken. In ganz kurzer Zeit beginnen sie an ihren Schalen zu platzen und sieht man dies, so nimmt man solche Früchte mit einem Löffel heraus und legt sie ins Einmacheglas, auf dessen Grund man bereits nicht zu wenig Nelken und Zimmt gestreut hat. Sind alle Früchte aus der kochend heissen Zuckerlösung herausgenommen, so legt man wieder Neue hinein, beobachtet dasselbe Verfahren wie vorher und setzt dies so lange fort, bis die Kruke voll ist, oder so lange man Früchte hat. Die Zuckerflüssigkeit hat sich währenddem durch den Saft der Früchte sehr verdünnt und man verdickt sie, indem man gerade wieder soviel Zucker hinzu thut als man Anfangs nahm. Nach ein- maligem Aufkochen übergiesst man die bereits in die Kruke gelegten Früchte mit dem Zuckersafte; was von diesem nicht in die Kruke geht, kann zu andern häuslichen Zwecken dienen. Man verbindet nun mit reiner Blase und stellt das Ganze beiseite. Alle 3 bis 4 Tage schüttelt man dann leise um, bis alle Früchte sich senken. Somit ist das Compot fertig, braucht weder nochmals gekockt zu werden noch verdirbt es so leicht, wenn nur der Verschluss ein guter ist. Zwei Jahre hält es unter Gummiverschluss ohne Verderben aus.

Was die Früchte selbst anlangt, so habe ich vielerlei Sorten probirt und werde darüber Folgendes sagen. Der grosse rothe Liebesapfel ist nieht ganz vortheilhaft zum Einmachen, weil er eben zu gross ist und durch seine vielen Höker mancherlei Unannehmlichkeiten verursacht. Der gelbe kirschförmige ist zu saftig, zu wenig fleischig und daher ebenfalls nicht zu empfehlen. Die gelbe, pflaumenförmige Sorte ist schön und gut aber zu unfruchtbar, um zum Anbau empfohlen werden zu können. Am besten in jeder Beziehung ist die rothe birnförmige Sorte. Die Frucht ist sehr fleischig, lässt sich gut halbiren und zieht in der Zuekerflüssigkeit überaus leicht durch. Der Strauch ist sehr fruchtbar, bringt stets und sicher reife Frucht und sollte dies dennoch nicht ganz gelingen, so reift die Frucht im Zimmer ohne zu faulen immer nach. Man lasse sie schön roth werden. Recht wohl können in grossen Töpfen im Zimmer Exem- plare dieser Sorte herangezogen werden; theils zieren sie durch ihre hübsch geformten Blätter und ihre Früchte, theils bringen sie Nutzen. Mit Leichtigkeit kann sich jeder Liebhaber seinen Bedarf an Früchten also auch ohne Garten beschaffen, zumal die Pflanze recht geduldig ist. Man gebe in solchem Falle grossen Topf, gewöhnliche Gartenerde und alle 6 Tage etwas in Wasser aufgelösten Leim oder etwas Aehnliches, jedoch nicht zuviel salzhaltige Flüssigkeiten, weil davon schon am Stocke die Früchte gern faulig werden, was sonst selten eintritt. Die neue amerikanische, glatte, rothe Sorte ist nächst dem die beste zum Ein- machen; es ist eine ganz reizende Frucht mit schönem derben Fleische; jedoch scheint ‘sie etwas später zu reifen als andere Sorten, welche bei

der Schles. Gesellschaft f. vaterl. Cultur. 945

uns schon seit längerer Zeit eultivirt werden. Wohl wird sich indessen der Fehler der späteren Reife dureh fortgesetzte Cultur ausgleichen lassen.

Sollten nun die Hausfrauen endlich anfangen die besprochene Frucht mehr zu benutzen, so erwüchse dadurch auch dem Gemüsegärtner eine neue Einnahme. Das Eine wie das Andere wünsche ich von Herzen und wäre es mir in Anbetracht der guten Sache sehr lieb, wenn die von mir besprochene Methode der Verwendung der Früchte recht weit und all- semein durch alle Gartenzeitungen und gemeinnützigen Blätter bekannt würde. Viel Freude würde es mir endlich bereiten, von einem oder dem Andern, der meine Rathschläge in diesem Punkte befolgt hat, einmal zu- stimmende Nachricht zu erhalten.

Hochstamm-Cultur des Plumbago capensis Thbg. Von

Obergärtner J. Janauschek in Banat-Komlos (Ungarn).

Um Plumbago capensis, ein Strauch, in hochstämmigen, d. h. baum- artisen Exemplaren zu erziehen, bedarf es schon einiger Aufmerksamkeit. Bei gewöhnlicher Cultur treibt dieser Plumbago viele, bis 2 Fuss hohe Sprösslinge aus der Erde, welche vom Frühjahr bis in den Herbst in reichen Endähren schöne hellblaue Blumen tragen. Diese Eigenschaft brachte mich, obschon diese Schösslinge nur schwach und ruthenförmig sind, auf die Idee, dennoch den Versuch zu machen auch aus dieser Pflanze hoehstämmige, lange blühende Bäumchen zu ziehen. Zu meiner Freude ist mir dies nach und nach gelungen und haben schon seit vielen Jahren solche Bäumchen die Bewunderung bei mir durchreisender Kenner erregt, wie sie auch reichen Beifall auf der Wiener internationalen Ausstellung fanden.

Zur Anzucht solcher Bäumehen nehme man gegen Ende Apınil ein- jährige Stöcke, welche in ziemlich kleinen Geschirren gezogen waren, verpflanze sie mit unbeschädigtem Ballen in grössere Gefässe und stelle diese über Sommer in ein luftiges Glashaus. Nach kurzer Zeit werden aus dem Ballen neue, stärkere Triebe hervorbrechen; von diesen T'rieben zwiekt man die schwächeren ab, behält nur den stärksten und stutzt auch nun erst das vorjährige Stämmchen etwas zurück. Dem neuen Triebe wird sodann ein Stab gegeben um ihn nach und nach anbinden zu können, macht derselbe Seitenzweige, so werden diese etwas gestutzt, aber nicht ausgebrochen, weil sie zur Kräftigung des ohnehin schwachen Stämmchens

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beitragen, welchem auch, sobald es Blüthenknospen in seiner Krone an- setzt, diese ausgebrochen werden müssen, worauf sich gleich wieder frische, die Krone verstärkende Nebentriebe bilden. Eben so sind alle aus dem Wurzelhalse entspriessenden Triebe sogleich knapp abzunehmen und ist dies besonders nach dem zweiten Sommer, wenn die Bäumchen aus dem freien Grunde herausgenommen worden sind, zu beobachten. Wenn nöthig, so können im ersten Sommer nochmals grössere Geschirre gegeben werden. Bei solcher Cultur erreichen die Stämmchen bis zum September schon eine Höhe von 1 bis 1’, Meter und kann man sie, wenn die gewünschte Höhe hiermit erreicht ist, dann schon blühen lassen; sie werden zur Ab- härtung noch einige Wochen an geschützter Stelle ins Freie gebracht, gegen Anfang October aber in ein halbwarmes Haus von + 6—10° R. zur Ueberwinterung geräumt. Sind dann im folgenden Mai Fröste nicht mehr zu befürchten, so können die Stämmchen in sonnige, warme Lage ins Freie ausgepflanzt werden, wo der Reichthum ihrer hübschen Blüthen

lange Zeit hin das Auge erfreuen wird. Nach ihrer Wiederaufnahme im .

Herbst werden die längeren Triebe etwas gestutzt und die Bäumchen wieder in Töpfe gesetzt in denen sie dann auch öfter selbst im Winter noch blühen.

Will man Plumbago capensis in buschiger Pyramidenform ziehen, so müssen besonders im zweiten Jahre die stärkeren Seitentriebe öfter zu- rückgezwickt werden und man lässt: sie erst gegen den Herbst blühen. Im Uebrigen macht diese Pflanze bezüglich des Bodens und der Tem- peratur kaum mehr Ansprüche als Lantana, Cassia, Heliotropium u. dergl. Am besten gedeiht sie in einer guten Laub-, Mistbeet- oder Composterde, weche aus Sand, Humus und Lehm besteht.*)

.*) J. F. W. Bosse’s vortreffliches ‚Vollständiges Handbuch der Blumengärtnerei, dritte sehr vermehrte und verbesserte Auflage, Hannover 1861,“ sagt über Plumbago capensis Thbg. folgendes: Obschon dieser Strauch sich im Kalthause durchwintern lässt, so wächst und blüht er doch am besten im Warmhause oder Zimmer bei + 10—12°. Pflanzt man ihn im Warmhause in ein Erdbeet und giebt im Sommer reichlich Wasser und Luft, so wird er sehr buschig, 8&—10 Fuss hoch und liefert eine grosse Anzahl prächtiger Blumenähren. Im Kalthause durchwintert, blüht er nur kümmerlich; in diesem Falle pflanze man Anfang Juni einige Exemplare an einer warmen Stelle ins freie Land. Fette Mistbeeterde und Lauberde, gleichtheilig und mit Sand gemischt. Vermehrung durch Stecklinge. (Anm. d. Red,)

BENT.

der Schles, Gesellschaft f, vaterl. Cultur. \ 947

Einiges über Gartenwerkzeuge. Von Hofgärtner W. Peicker in Rauden O/8.

Welche beachtenswerthe Rolle sute und zweckmässige Werkzeuge auch in der Gärtnerei spielen, ist jedem einigermassen erfahrenen Praktiker nur zu bekannt, als dass es, diesem gegenüber, eines besonderen Hin- weises darauf bedürfte. Dass aber auch im Allgemeinen diese Wichtigkeit mehr und mehr erkannt wird, beweisen sowohl das zunehmende Be- dürfniss, als auch die von Jahr zu Jahr verbesserten oder neu ersonnenen und fabrizirten Artikel in diesem Zweige. Gar mannigfaltig ist in dieser Beziehung das Material bereits angewachsen, das man sowohl auf jeder gärtnerischen Ausstellung in natura vorgelegt oder zu Hause in Catalogen bildlich oder beschrieben dargestellt findet, so dass es selbst Geübterenı bald schwer werden dürfte, immer das für seine Verwendungszwecke Ge- eisnetste ohne Schaden herauszufinden. Ausserdem aber hat wohl auch noch so mancher Gärtner oder Privat-Praktiker im Gartenfache, diese oder jene selbst ersonnene und erprobte Specialität von Gartenwerkzeugen im Gebrauch, welche im Uebrigen noch wenig oder gar nicht auf irgend welchem publizistischen oder merkantilen Wege so verbreitet ist, als sie es verdiente. Auf einige, wie ich glaube, in diese Rubrik zu zählende Werkzeuge aufmerksam zu machen, und so denselben eventuell den Weg zu verbreiteterer Erprobung, Beurtheilung und Verwendung anzubahnen, soll die Aufgabe der folgenden Zeilen sein.

Eines der Haupiwerkzeuge in der Gartencultur ist gewiss der Spaten oder das Grabeisen. Alle Grabspaten ich habe hierbei besonders die unseren im Auge haben zunächst das charakteristische gemeinsam, dass Stiel und Spaten zusammen verbunden, in ihrer centralen Längs- richtung mehr oder minder genau eine grade Linie bilden und dass die Eisenfläche des Spatens für sich, in ihrer Breiterichtung muldenförmig etwas gebogen construirt ist. In diesen beiden Eigenschaften zunächst weichen dieselben nun am wesentlichsten von demjenigen Werkzeuge ab, das ich unter dem Namen „Steehschüppe‘ zur Zeit des Antritts meines hiesigen Postens, zum Theil schon in der hiesigen Gärtnerei, be- sonders aber beim ökonomischen Kunstwiesenbau angewendet fand und das ich seitdem beiläufig seit 13 Jahren im ganzen Umfange des mehr und mehr ausgedehnten Bedarfs, anstatt des gewöhnlichen Grab- spatens in dieser Gärtnerei mit solch gutem Erfolge anwende, dass es mich nur Wunder nimmt, wie ein solches Werkzeug noch keine weitere

248 Jahres-Bericht

)

Anwendung in der Gärtnerei im Allgemeinen gefunden hat und noch von

keiner renommirten Werkzeugfabrik acceptirt und offerirt wurde,

Die westphälische „Stechschüppe‘ wie ich sie, der bis jetzt

mir bekannten einzigen Bezugsquelle wegen nenne ist vor Allem aus einem guten Stahl entsprechend stark construirt,; sie hat eine Länge von 26 bis 28 cm, eine mittlere Breite von ca. 18 cm, welche nach oben (nach dem Stiele zu) sich um ca. !/, cm verschmälert, nach unten zu um ebensoviel verbreitert und so, bei einer mittleren Stärke von 12—13 mm die Form eines länglichen Vierecks hat. Während nun die Vorderfläche der Schüppe ganz horizontal eben, ist die Fläche der Rückseite in der Mitte nur durch eine, nach den Seiten und nach unten ganz flach ver- laufende, die grössere Widerstandsfähigkeit bezweckende Längsrippe, die nach oben in den 2 cm langen 2'/, bis 3 cm breiten und '/, em starken Tüllenhals und von diesem in die eigentliche Tülle übergeht, kaum merk-

lich unterbrochen wird. Diese Tülle nun und das ist ein wesentlicher

Unterschied ist an der kurzen Uebergangsstelle zur Schüppe, also an dem bereits bezeichneten Tüllenhals, um soviel nach oben, resp. nach vorn gebogen, dass sie mit der Schüppenfläche einen Winkel von eirca 150° bildet, die Abbiesung von der graden Linie demnach 30° beträgt. Der in diese Tülle eingebrachte, am besten aus geeignet krumm gewach- senem, untersten Stammtheil 7 bis 10 cm starker junger Birken her- gestellter, ea. 1 m lange Stiel, welcher einerseits durch das Tüllenloch nicht hindurch ragt, sondern dasselbe nur reichlich ausfüllt, also mit der unteren Schüppentläche gar nicht in Berührung kommt, biegt andererseits von der Tülle aus in schwachem Bogen etwas in die mit der Schüppen- längsfläche eorrespondirende Richtung ab und macht in dieser Gestalt das ganze Werkzeug für wohl so ziemlich alle in der Gärtnerei vorkommende, bisher ‘dem gewöhnlichen Spaten zugemuthete Erdarbeiten in vervoll- kommneter Weise gut handtierlich.

Ich will nun zwar nicht behaupten, dass der gewöhnliche eiserne Spaten dieser Schüppe gegenüber ganz verwerflich, oder auch nur, dass er m jedem Falle ganz entbehrlich sei, sondern erkenne vielmehr seine Zweckmässigkeit gern da an, wo es sich nur um einfache Umgrabearbeit und damit bedingte gute und leichteste Umwendung des „‚Stiches‘ handelt, zu welchem Zwecke ausserdem ein gewöhnlicher Grabspaten ungleich billiger zu beschaffen ist, wohl aber behaupte ich, dass, wo ein solches Bodenbearbeitungs-Werkzeug möglichst mannigfaltigen Verwendungs- zwecken, beibequemster und zugleich widerstandsfähigster Handhabung gleich gut dienen soll und dienen kann, es nach meinen Erfahrungen vor- läufig nichts Besseres giebt, als die in Rede stehende Stechschüppe. Für Schacht-, Graben-, Verladungs-, jegliche Gehölzverpflanzungs-, Rasenstech- auch Rasenlege-Arbeiten, überall habe ich die Stechschüppe praktischer gefunden, als den geradstieligen, muldenförmigen Grabspaten. Hiernach

or EEE

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komme ich zu dem Schlusse, dass dieses Werkzeug ganz besonders jedem Landschafts-, Park- und Baumschul-Gärtner, der es erprobte und seine Leute daran gewöhnte, bald ebenso unentbehrlich werden wird, als dies bei dem Kunstwiesenbau, dem es jedenfalls seinen Ursprung verdankt, be- reits der Fall ist.

Der gebräuchliche Grabspaten mag meinetwegen für die oben er- wähnten Zwecke, also z. B. besonders im Gemüsegarten, einen kleinen Vorzug, vielleicht nur den der Billigkeit haben und sonach dort an seinem Platze sein, wo jedoch beiläufig bemerkt wie hier, dieser Cultur- zweig nicht ausschliesslich oder hauptsächlich, sondern vielmehr nur neben- bei in verhältnissmässig kleinem Theile das Beschäftigungsterrain eines Gärtners ausmacht, da habe ich den Spaten, ohne die mindeste Lücke zu bemerken, als ganz entbehrlich befunden. |

Das Verdienst, dieses warmempfohlene Werkzeug hier eingeführt zu haben, gebührt dem bereits verstorbenen Herzoglichen Wiesenbaumeister Hoffmann. Derselbe, ein Westphale und tüchtiger Praktiker in seinem Fache, bezog diese Schüppen (welche beim Kunstwiesenbau in sehr ver- schiedenen Breiten von 7 bis 20 cm gebraucht werden) anfänglich von einem Verwandten aus seiner Heimath, nach dessen Tode aber von der Firma J. H. Schnell in Klafeld bei Siegen, welche seitdem auch meine einzige mir bekannt gewordene Bezugsquelle blieb und kostet eine Schüppe gebräuchlicher Grösse 1'/, bis 11/, Thlr. Mehrere von mir gemachte Versuche, solche Schüppen von hiesigen Schmiedemeistern angefertigt zu erhalten, hatten immer nur das sehr mangelhafte Resultat, dass zwar die äussere Gestalt, nicht aber die vorzügliche Qualität, also vor Allem nicht die nöthige Widerstandsfähiskeit des Werkzeuges, bei entsprechender Leichtigkeit desselben erreicht wurde. In der richtigen Härte, ohne Sprödigkeit, und der eigenthümlichen Verarbeitung des hierfür nöthigen Stahles scheint die Hauptschwierigkeit vollständig genügender Herstellung zu liegen.

Da die oben genannte Firma diese Schüppen nur nach längere Zeit vorhergegangener Bestellung als nebensächlichen Theil ihres Geschäfts anfertist und liefert, so wäre es jedenfalls sehr zweckförderlich und er- wünscht, wenn auch andere renommirte Fabriken, welche die Anfertigung von allerhand Gartenwerkzeugeu entweder überhaupt, oder doch als mit hineingezogene beliebte Speeialität betreiben, auch die Anfertigung dieser Schüppen in die Hand, und zu deren möglichst ausgedehnter Verbreitung, in ihre Magazine, Kataloge und Expositionen aufnehmen möchten. Ohne Zweifel dürfte solchen Etablissements es weniger schwer werden, mög- lichst genau dieselbe gute Qualität herzustellen, als die aus der erwähnten Originalbezugsquelle von mir bezogene.

Hiernach gehe ich zu einem anderen Werkzeug über, das mit der eben mehr besprochenen Stechschüppe gleichen Ursprung hat. Es ist

250 J ahres - Bericht /

das sogenannte „Grabenbeil“ oder die „Kantenhacke“. Dieses Werkzeug hat vor den in Gärtnereien gebräuchlichen, in mehrfacher Form bekannten Kantenstechern den Vorzug, dass es ausser zu einfachem Ab- stechen oder Abhacken der Rasenkanten, auch zugleich zum Abschälen des abgestochenen Rasenrandes ete. in horizontaler Richtung dient und so als eine sehr wesentliche Verbesserung angesehen werden kann.

Während an der einen Seite der runden Stieltülle des Grabenbeiles das halbimondförmige schneidige Beil sich befindet, ist an der andern ent- gegengesetzten Seite desselben eine circa 18 bis 20 cm lange und circa 7 cm breite, rodehackengleiche, leichte dünne Hacke angebracht, welche in einem Winkel von eirca 45° nach dem Stiele zu gebogen ist und so beim Gebrauch in fast horizontale, also gerade in die richtige Lage kommt, um bequem und gut nicht nur die abgehackten Rasenkanten, sondern auch das aus denselben in den dadurch begrenzten Weg hinein wachsende Gras, oder weiter daneben leicht gedeihende sonstige Unkraut, mindestens in Hackenbreite abzuschälen und mit geschiektem, unbedeu- tendem Schwunge von der Kante ab in den Weg zu werfen, wo durch die weitere Beseitigung dieses Abraumes durch Rechen ete. in einer Weise erleichtert und beschleunigt wird, dass der Weg von der Rasenkante sich in sauberster Art abgrenzt. Bei der beschriebenen Zusammensetzung hat dieses Werkzeug auch grade den richtigen Gewichtsschwung um die Sicherheit des Hiebes zu fördern. Selbstverständlich findet es bei jeder sonstigen Rasenabstecharbeit seine ebenso zweckmässige Verwendung. Gutes Marterial ist natürlich auch bei dieser Rasenhacke ein Haupt- erforderniss;, ein Exemplar derselben kostet jetzt bei der erwähnten Firma 1 Thlr. 20 Sgr. und sind alle auch sonst von derselben durch mich be- zogenen Werkzeuge von gleicher vorzüglicher Güte.

Weiter möchte ich aufmerksam machen auf einen, in Gärtnereien ebenfalls vielleicht noch nicht genug bekannten eisernen Rechen, welcher, wie die Kantenhacke wiederum mehr nur ein Werkzeug des Parks, resp. der Wieseneultur ist, aber gleiche Empfehlung verdient. Derselbe weicht in seiner Construction von dem sonst gebräuchlichen eisernen Rechen nur darin ab, dass die ca. 10 bis 13 em langen eisernen Zinken unmittelbar an der Austrittstelle des sie tragenden hölzernen Balkens von ihrer bis dahin rechtwinkeligen Stellung zum Stiel, gegen denselben um 30 bis 35° abgebogen sind und dadurch beim Gebrauch ebenfalls eine mehr liegende Stellung erhalten.

Bei Anlage von Rasenplätzen findet dieser Rechen seine zweck- mässigste Verwendung, indem er dazu dient, das für die Grasansaat be- stimmte Terrain sowohl unmittelbar vor der Einsaat bestens planirend und reinigend abzurechen, als auch nach der Saat entweder überhaupt, oder bei grösseren Flächen nach der Egse vervollständigend den Samen N einzurechen und bei diesem Gebrauch, neben bequemer, leichter Hand-

der Schles. Gesellschaft f. vaterl. Cultur. 351

habung ein ungleich tiefes Eingreifen der Zinken in den Boden zu ver- hindern, somit also das möglichts gleichmässige Unterbringen des Samens und den ganzen Erfolg der Ansaat zu fördern.

Als sogenanntes Jätemesser verwende ich mit Vortheil ein gut ge- stähltes, 15 bis 20 cm langes, oben 6 em breites, nach unten dolchartig zugespitztes Instrument mit gedrechseltem Griff. Gehörig geschärft, dienen die beiden schneidigen Seiten besonders noch dazu, die Rasenränder um kleine Blumenbeete und um sogenannte Scheibenpflanzen, hochstämmige Rosen ete. scharf abzuschneiden und die Erde zu lockern.

Endlich uoch will ich eines kleinen Hand-Pflanzentransport- wagens Erwähnung thun, den ich vor ein Paar Jahren nach meiner spe- ciellen Angabe anfertigen liess und der sich seitdem sehr bewährt hat- Derselbe hat eine Gleisspur von etwa 65 cm Breite bei einer Länge von etwa 95 cm, zwischen Vorder- und Hinterachse gemessen. Auf die eisernen in Holz liegenden Achsen des, im Uebrigen in gewöhnlicher _ Weise construirten Untergestelles sind entsprechend kräftige Federn und auf diese noch ein 2"/, em starker, die 40 cm hohen Hinterräder um ca. 8 cm überragender Holzaufsatz angebracht, auf welchem endlich der eigent- liche Tragkasten oder die Tragplatte aufgeschraubt ruht. Dieselbe reicht bei 86 em Breite und 1%, m Länge nach allen Seiten um 7 und resp. 15 cm über die Räder hinaus und ist ringsum mit 15 cm hohen dünnen Brettern eingefasst, um sowohl das Herunterfallen der Topfgewächse mög- lichst zu verhindern, als auch, um den Wagen für diverse andere Zwecke zu befähigen. Sehr passend dient mir dieser Wagen bei rauher, kalter Witterung, also besonders im Winter zum Transport empfindlicher Pflanzen aus einem Gewächshause in das andere, vornehmlieh auch nach dem mehr entfernten herrschaftlichen Schlosse, für Blumentische ete. Ein, je nach der Höhe der zu transportirenden Pflanzen in mehrere Höhentheile zer- legbarer, gut schliessender Kasten, in welchen in solchen Fällen die Pflanzen zu stehen kommen, passt genau in die beschriebene Tragplatte und lässt sich so, gegenüber manch anderen Transportversuchen am sichersten und leichtesten transportiren.

Die angegebene Breite dieses leicht durch ein bis zwei Jungens trans- portabeln Wagens gestattet es, denselben auch nöthigenfalls sammt Kasten durch die Thüre eines Gewächshauses zu fahren und so die Verladung der Pflanzen auch innerhalb eines solchen zu ermöglichen. Dass ein so eonstruirter Wagen nicht eine besonders kunstvoll ersonnene Neuheit ist, will ich gern zugeben; auch bezweifle ich nicht, dass er in mehr oder minder ähnlicher Art da und dort schon längst bekannt sein mag, gleich- wohl aber hielt ich ihn hier für erwäbnenswerth, weil ich ihn sehr prak- tisch finde, noch nie aber einen ähnlichen in Gärtnereien. oder sonst wo gesehen oder angewendet fand.

352 ü Jahres- Bericht Me /

Nach diesen hier erwähnten Speeialitäten, will ich mich zum Schluss nur noch kurz zu einigen bekannteren Instrumenten wenden. Wenn gleich die seit der Hamburger Ausstellung im Jahre 1869 unter dem Namen Hydronette jetzt schon ziemlich verbreitete Handspritze einen vorzüg- lichen Fortschritt unter den bis dahin bekannt gewesenen Instrumenten dieser Art repräsentirt, so dürfte diese Spritze doch insofern noch ver- besserungsbedürftig sein, als das Siebehen des Spritzenkopfes nicht ganz flach, sondern etwas convex geformt, auch die Sieblöcher zahlreicher, gleichmässiger vertheilt und von gleicher Grösse sein sollten. Vielleicht ‘sind an neueren Exemplaren diese Fehler schon vermieden.

Unten den Baumsägen ziehe ich die, im Dittmar’schen Kataloge unter Nr. 37 notirte, die sogenante Hohenheimer mit gepolstertem Biegel- griff, den andern Biegelsägen vor. Von den Garten- oder Rosen- scheeren finde ich die ziehendschneidende, wenn sie zugleich nicht un- bequem gross ist, sehr ‚zweckmässig. Auch die sogenannten Blumen- und Trauben-Präsentirscheeren sind für die einschlagenden Geschäfte recht vortheilhaft. Das aus der Dittmar’schen Fabrik, Katalognummer 107 als grosse Grasscheere mit kleinen Rädchen bezogene Instrument hat sich mir entfernt nicht als probat für seinen Zweck erwiesen, vielmehr finde ich nach wie vor zum Rasenabscheeren die gewöhnliche, nur zu diesem Zweck etwas grössere Schafscheere als das Beste. Endlich noch erwähne ich der Dittmar’schen Gartenmesser, welche ihre Beliebtheit und besten Ruf in vollstem Masse verdienen, insofern, als meiner Meinung nach, speciell unter den Krummmessern, welche sich neben bester Qua- lität durch vorzügliche Form auszeichnen, die Sorte mit rundem Holzgriff (jedoch ohne Hammerplatte) neben schönster Einfachheit, dasjenige der vollkommensten Form ist und noch das übertrifft, welches als „nach der Hand geformt‘‘ offerirt wird. Die Krummmesser mit Säge etc. und flacher Schale sind zwar in ihrer Art recht zweckmässig, doch wird bei dem Ge- brauch der Messerklinge die Hand durch die geschlossene Sägeklinge bald i belästigt. Mit einem nur noch flüchtigen Hinweis auf die zweckmässigen Raupenscheeren (jedoch in möglichst leichtester Grösse) und auf die unter Nr. 81d offerirte Pflanzenkelle derselben Fabrik schliessend, so würde schon dadurch etwa Mangelhaftes vermieden werden, wenn das bisher Gesagte zu einer Anregung auf weitere Erörterungen in diesem Kapitel dienen kann,

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Bemerkungen über ein von mir gezüchtetes Antirrhinum majus fl. pl. Von

Kunst- und Handelsgärtner W. Kühnau.

Das in der Sitzung der Section am 12. Noveinber v. J. vorgezeigte Antirrhinum hat so viel Interesse erregt, dass ich mich veranlasst sehe, hier einige darauf bezügliche Bemerkungen nachzutragen.

Dieses Antirrhinum ist aus einer Aussaat gemischter Antirrhinum- Sorten hervorgegangen, welche ich im Jahre 1871 machte. Unter un- gefähr 500 Sämlingen zeigte sich im Spätsommer eine Pflanze mit halb- gefüllten Blüthen. In der Hoffnung Samen von dieser Pflanze zu erhalten schnitt ich keine Blumen davon ab, sondern liess sie ganz ausblühen und machte die Bemerkung, dass aus den Knospen der Reihe nach um so vollkommener gefüllte Blüthen sich entwickelten, je später sie aufblühten. Samen hingesen erhielt ich nicht, indem in den gänzlich verkrüppelten Kapseln nicht ein Körnchen davon enthalten war.

Dieses gefüllt blühende Exemplar überwinterte ich im Topfe, machte im Frühlinge Stecklinge davon und pflanzte sie, sowie die Mutterpflanze auf ein gut gedüngtes Beet aus. Die Füllung blieb nieht nur constant, sondern wurde sogar noch besser an den Stecklingen, als an der Mutter- pflanze. Der Wuchs war kräftig, buschig, indem von der Wurzel aus sich mehrere Triebe bildeten, das Holz stark, die Blüthentrauben lang; die Farbe blieb dieselbe, die Röhre weiss, der Saum dunkelroth mit gelb ge- mischt. Die Grösse übertraf die der gewöhnlichen Antirrkinum um das Doppelte. Von Samen war keine Spur vorhanden, sämmtliche Befruch- tungsorgane hatten sich in Blumenblätter verwandelt und es bildeten sich nicht einmal verkrüppelte Samenkapseln.

In derselben Weise verhielten sich die wieder gemachten Stecklinge auch im vergangenen Jahre und nun bot ich den Herren Haage & Schmidt in Erfurt mein Antirrhinum zum Kauf an, weil mir bekannt ist, dass diese Firma sich vorzugsweise mit der Verbreitung werthvoller Neuheiten be- schäftist. Ich sandte den Herren einen blühenden Zweig mit einigen be- gleitenden Worten. Sie schrieben mir zurück ‚dass ihnen dies Antirrhinum sehr interessant gewesen wäre, dass aber zu bedauern sei, dass es keinen Samen brächte; bereits früher aufgetauchte gefüllt blühende Antirrhinum hätten sich gleichfalls nicht samenbringend erwiesen und wären deshalb nicht in den Handel gekommen, aus diesem Grunde bedauerten sie auch, mir kein Gebot auf mein Antirrhinum machen zu können“,

254 Jahres- Bericht

Ich meinerseits hatte die Unfruchtbarkeit dieser gefüllt blühenden Varietät für kein Hinderniss in ihrer Verbreitung gehalten, weil man da, wo es sich um Beibehaltung bestimmter Farben und Formen handelt (ich nenne als Beispiel nur die Petunien), sich allgemein lieber der Anzucht aus Stecklingen, als aus Samen bedient. Neu und interessant war mir jeden- falls, dass gefüllte Varietäten schon früher dagewesen sind. Inzwischen ist mein Antirrhinum. noch in meinem alleinigen Besitz.

Gleichzeitig sei hier noch erwähnt, dass das Jahr 1871 mehrere ähn- ‚liche Abnormitäten hier hervorbrachte. Eine Digitalis purpurea trug an der Spitze der Blüthentraube eine sehr grosse anfrechtstehende Blume mit regelmässig fünfspaltigem Saum, welche ähnlich der Datura Knightüi, ausser einer doppelten Krone noch eine halbe Füllung zeigte. Hier war also nicht allein die wunderbare Veränderung einer unregelmässigen zwei- lippigen Blüthe in eine regelmässige, wie wir bisher nur bei den auf- rechten Gloxinien sahen, vorhanden, sondern auch noch eine Füllung. Diese Blüthe brachte aber keinen Samen. Auch einfache Convolvulus tricolor brachten in jenem Jahre mehrfach vollkommen gut gefüllte Blüthen. In den darauf folgenden Jahren habe ich von solchen Monstrositäten nichts gesehen.

Eine neue prachtvolle Zierstaude. Von

Apotheker Mortimer Scholtz in Jutroschin.

Nicht Jedem, der da botanisiren geht, und das sind denn doch recht Viele, ist es in unseren von botanischen Häschern durchfurchten deutschen Gauen beschieden eine Pflanze zu finden, welehe noch niemals gefunden wurde. Es ist das Wörtchen „niemals“ freilich nicht so streng zu nehmen; denn da man sagt, dass unter Gottes Sonne schon Alles dagewesen sei, so wird wohl auch ein solches Pflänzchen schon dagewesen, schon ge- funden worden sein; der Unterschied ist nur der, dass es vielleicht nicht in die richtigen Hände gelangte. Nun diesmal gelangte es in die rich- tigen Hände uud ich freue mich darüber von ganzem Herzen. Die Ge- schichte dieser Pflanze möge hier folgen.

Im Herbst des Jahres 1873 unternahm ich eine botanische Exeursion in unsere Wälder und passirte mit leerer Trommel auf dem Nachhause- | wege ein im Forst belegenes kleines Dorf. Gewohnheitsmässig sah ich

der Schles. Gesellschaft f. vaterl. Cultur. 955

über die niedrigen Zäune in die Gärtechen der Bauern, um zu beobachten wie weit sie ihre Culturen ausdehnen oder, präeiser gesagt, was sie cul- tiviren. Da sah ich besonders Erfreuliches allerdings noch nicht, immer dasselbe: Kraut und Rüben und vielleicht eine verwahrloste Gurkenpflanze. Ländlich, sittlich! In einem Gärtehen wucherte verwilderter Meerrettig in srösstem Umfange und unter der Menge dieser blattreichen Pflanzen be- merkte ich plötzlich ein zollhohes, weissblättriges Dingelchen, eine durch Selbstaussat entstandene junge Meerrettigpflanze mit fast ganz milchweissen Blättern. Trotz der Gefahr, mit dem Besitzer des Grundstücks in Collision zu gerathen, sprang ich im Nu über den Zaun. Das geübte Auge hatte sich nicht getäuscht, ich hatte eine prächtig weiss gefärbte Meerrettigpflanze, eine Armoraria sativa (Cochlearia Armoraria L) folüs eleganter margimalis mihi vor mir. Ich hob das kleine Geschöpf aus der Erde und brachte es in meinem Garten glücklich durch den Winter.

In den Topf gepflanzt und unter gehöriger Pflege ist es jetzt bereits ein stattliches Exemplar geworden, von welchem jedes Blatt und jeder erscheinende Wurzeltrieb constant gefärbt ist. Ich beschäftige mich seit langer Zeit aus Liebhaberei mit bunten Blaitpflanzen und kenne davon eine ganze Reihe; noch aber kenne ich kein Blatt, welches soviel der weissen Farbe an sich hat, wie das der oben genannten Pflanze und welches sich dabei durch seine Grösse auszeichnet. Von kleinblättrigen Pflanzen besitzen wir viele weisspanachirte Varietäten, von grossblättrigen sehr wenige.

Indem ich mir erlaube der verehrlichen Section ein solches nur fast mittelgrosses Blatt, getrocknet, einzusenden, lege ich für diejenigen Mit- glieder, welche es zu sehen nicht die Gelegenheit hatten, eine kleine Be- schreibung, desselben hier nieder. Das Blatt hat einen weissen Stiel und ist breit rein weiss eingefasst, während der mittlere Theil der Blattfläche grüne Farbe und Verwaschungen mit Aschgrau zeigt. Jedes Blatt ist gleich- mässig panachirt, selbst das kleinste und ein Busch solcher Blätter, wie diese Armoraria ihn bildet, ist von einem überaus prächtigen Eindruck.

Bedenken wir nun, dass diese Pflanze vollständig hart ist und von srosser Dauer, so glaube ich mit Recht behaupten zu dürfen, dass mein Findling, mein jetziges Pflegekind, eine grosse Zukunft hat. Mein Topf- exemplar sieht prachtvoll aus, aber prächtiger noch wird sich die Pflanze im freien Lande entfalten. Man wird sie in Kübeln zur Decoration von Treppen verwenden, man wird sie in grossen und kleinen Gärten mit gleicher Liebe pflanzen und pflegen. Es bedarf keiner Worte, um es darzutbun, in welchem ausgedehnten Massstabe eine so reizend gefärbte und dabei so harte Pflanze verwendet werden kann und sollte ich nach Jahren vielleicht einmal in einem Garten eine Blattpflanzengruppe mit einem Kranze meiner Armoraria eingefasst finden, so wird mir dies eine

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grosse Freude und Genugthuung sein. Vor der Hand will ich nur wünschen sie zu erhalten und Vermehrung erlangen zu können; dann sei sie den Pflanzenfreunden überantwortet. Sollte ich mich aber dennoch geirrt haben und die Pflanze schon bekannt sein, so wolle man meine Freude über ihren Fund nachsichtig beurtheilen.

Welches sind die Hindernisse des Aufschwunges der Obsteultur? Was kann der Lehrer zur Hebung derselben thun? Ist die Obstbaumzucht auch in den Stadtschulen zu lehren? Von Lehrer F. H. Hiller in Brieg.

Auf die Beantwortung der obigen Fragen einzugehen, schien mir wesentlich zur Erforschung der Ursachen, warum die Obsteultur, besonders unter den kleinen ländlichen Besitzern durchaus nieht vorwärts will. So oft dieses Thema schon behandelt wurde, um so weniger habe ich mir verhehlt, wie gewagt es ist mit so hausbackener Waare hervorzutreten. Indess solche Verhältnisse entziehen sich so oft der näheren Beobachtung. und weil der Einfluss der Seetion ein so weit gehender ist, so meinte ich, vielleicht am ehesten durch Mittheilung des Nachstehenden der Obstbaum- zucht in unserer Provinz. zu nützen.

Es ist von den betreffenden Behörden sehr richtig, sich um Förderung des Obstbaues an die Lehrer zu wenden, aber die gestellten Anforde- rungen richten sich regelmässig auf Erziehung von Bäumen und damit können noch Jahrhunderte vergehen, ohne dass das Geringste erreicht wird. An Baumschulen fehlt es nicht, wohl aber an Kenntniss und Interesse für Obsteultur.

Nur in wenigen Gegenden unserer Provinz können wir in Wirklichkeit von Obsteultur sprechen, wie jeder weiss, welcher Gelegenheit hatte Obst- gärten und Anlagen in weiteren Kreisen zu sehen. Bedürfte es aber noch eines Beweises, dass dem so ist, so würden die wiederholten Aufforde- rungen zur Förderung derselben einen ausreichenden Beleg dafür geben, dass die Obsteultur viel zu wünschen übrig lässt. Nur in sehr /kleinen Distrieten steht sie auf einer der Zeit einigermassen entsprechenden Höhe; sogar in herrschaftlichen Gärten finden wir grösstentheils gut eultivirte Zierpflanzen aller Art und erbärmliche Obstbäume. Ohne Nachweiss,

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welche bedeutende Einnahmequelle dadurch verloren geht, lässt es mit Sicherheit auf Uneultur der Bewohner schliessen, wo Garten- und Obst- eultur keinen oder seringen Eingang gefunden hat. Um die Mittel zur Hebung der Obsteultur zu finden, wird es vor Allem nöthig sein, die Hindernisse kennen zu lernen, welche den Aufschwung lähmen und ihm entgegenstehen. Die erste Frage würde demnach die sein:

Welches sind die Hindernisse des Aufschwunges der Obsteultur? Zunächst ist es (in Schlesien) die Art und Weise des Nachtwachtdienstes, welche äusserst hemmend auf die Obsteultur einwirkt. Dieser Dienst wird von den Knechten und Tagelöhnern (Inwohnern) ge- leistet. Ausser zu allerhand Liebesaffairen wird diese Zeit während der Obstreife oder noch Unreife zur Plünderung der Obstgärten benützt. Ge- schieht .es nieht von den Wachthabenden selbst, so weiss der Mitknecht recht gut, dass er sicher ist, ungestört seinen Nachtwanderungen zu ge- dachtem Zwecke folgen zu können. Am Morgen findet der Besitzer als- dann die Bäume beraubt und junge, oft kaum tragfähig gewordene Bäum- chen zerbrochen oder für Jahre hinaus oder für immer verdorben, wie ich es selbst wiederholt erlebt habe. Diese Einrichtung würde somit vorerst um jeden Preis zu beseitigen sein. Diesem Uebelstande folgt die Unkenntniss in der Pflege des Baumes. Seit Jahrhunderten werden auf demselben Raume, womöglich auf demselben Platze, also auf völlig er- schöpftem Boden dieselhen Obstbäume gepflanzt. Ist ein Birnbaum um- gehauen, so wird in das Loch, aus welchem der Stumpf gerodet wurde, frisch weg ohne Weiteres wieder ein Birnbaum gepflanzt! Mit dem be- kannten Motto: ‚„‚Auf schlechtem Raum pflanz einen Baum‘, ist der Obst- baumzucht nicht wenig Schaden gemacht worden. Für den Obstbaum kann im Gegentheil kein Raum gut genug sein! Allerdings lässt sich der schlechteste Raum so herstellen, dass der Obstbaum gedeiht, dann ist er aber eben kein schlechter Raum mehr. Weiter ist es die falsche Art, in welcher der Landmann immer wieder zur Obstbaumzucht aufgemuntert ‚wird. Immer nur wird auf den Gewinn hingewiesen, welcher ihm daraus erwachsen soll. Dass dieser erst nach Jahren zu erwarten und oft sehr zweifelhaft ist, weiss jeder Baumzüchter, und es heisst dem Landmann denn doch zu wenig Verstand zutrauen, dass er nicht beurtheilen könne, wie andere Cnlturpflanzen mit geringerer Mühe oder doch mit grösserer Sicherheit bedeutenderen Ertrag gewähren. Obgleich Ueberproduction des Obstes unmöglich ist, so ist es doch bekannte Thatsache, dass es in reichen Jahren wenig gilt, weil die Vorbedingungen zur Preisregulirung fehlen, andernfalls bleibt Nichts zum: Verkauf. Der Hausbedarf wird nicht in Anschlag gebracht, denn wäre es nicht da, so würde es nicht gegessen! Hierzu kommt Unkenntniss der werthvollen Sorten des Tafel- und Wirth- schaftsobstes und derjenigen Sorten, welche für den jeweiligen Boden, Lage und sonstige Verhältnisse passen und daraus entspriugende that-

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sächliehe Unfruchtbarkeit. Kräftige Bäume bringen oft viele Jahre keine

Frucht, woraus endlich der Glaube entsteht, in diesem oder jenem Orte

gedeihen: Obstbäume überhaupt nicht,

Was kann der Lehrer für Hebung der Obsteultur thun? Grösstentheils würde die Antwort aus dem Vorhergegangenen hervorgehen. Aber die Anforderungen an die Lehrer seitens der Behörde gehen von sanz andern Gesichtspunkten aus, und so dürfte es zuerst nöthig sein diese zu beleuchten, um zu sehen, ob auf diesem Wege dem Ziele näher . zu kommen ist. Ist ein Rescript der Behörde ergangen, so kommt auch sehon ein eifriger Pomologe, der möglicher Weise selbst noch keinen Baum gezogen, mit einer aus guten und schlechten Gartenbüchern zusammen- gestoppelten Schrift und detaillirtt dem Landschullehrer ganz genau, wie er Obstbäume säen, ziehen, verpflanzen, veredeln u. s. w. soll, und wie er mit geringer Mühe bald ein reicher Mann werden kann. Und wenn dies Letztere noch immer nicht der Fall ist und die Obsteultur auf diesem Wege keine Fortschritte macht, so muss doch irgendwo ein Haken sitzen, da ja so häufig über den Materialismus der Lehrer geklagt wird. Nach meiner Erfahrung gehört aber zur Erziehung von Obstbäumen, wie sie dem Lehrer zur Pflicht gemacht wird, also zur Anlage einer Baumschule unbedingt dreierlei. 1) Ein gut umfriedeter Garten, 2) nicht unbedeutende Geldmittel und 3) ausreichende Zeit zur Wartung.

Ueber welches von diesen drei Bedingnissen verfügt der Lehrer? Sind alle Gärten im Dorfe gut umzäunt, so ist es gewiss der Schulgarten nicht. Unter 10 Schulgärten habe ich immer 9 gefunden, deren Um- zäunung zahmen und wilden Thieren wenig oder gar kein Hinderniss ent- gegensetzte. In Stunden ist dann, wie mir selbst geschah, verdorben, was jahrelange Mühe und Geld geschaffen. Geld —, nun Geld ist ja das, woran die Lehrer regelmässig Ueberfluss an Mangel haben, und es gehört, wie ich kurz nachweisen will, ein gut Stück dazu. Die meisten Pomo- logen haben die Ansicht verworfen, und meine Erfahrung bestätigt es, dass Bäume auf magerem, kalten Boden gezogen, zur Anpflanzung be- sonders zu empfehlen sind. Je schlechter der Boden war, auf dem ein Obstbaum erwuchs, desto schwerer wird er bei der Verpflanzung an- wachsen und um so später zum Fruchttragen kommen, noch öfter lange dürftig vegetiren, bis er endlich eingeht. Tief cultivirt und humusreich muss der Boden sein, auf dem Obstbäume gezogen werden sollen, denn nur in diesem entwickeln sich reichlich Harwurzeln, die wesentlichste Be-

dingung freudigen Wachsens und Gedeihens. Die Kosten einer derartigen

Bodencultur belaufen sich aber auf die Qu.-R. = ca. 14 Qu.-Mtr. bei

1 Mtr. tiefem Rigolen, nebst dem erforderlichen gut verrottetet Dünger

auf ca. 9 M., also pro 1 Morgen ca. 25Y, Ar auf ca. 1620 M. ohne

Saat, Wildlinge, Edelreiser und sonstige Unkosten. Dieses Kapital bleibt, 2

der Schles. Gesellschaft f. vaterl. Cultur. 959

aber 5 Jahre zinslos, denn erst nach dieser Zeit werden die ersten Stämm- ‚chen verkäuflich.

Welcher Lehrer vermag nun aber die hier oben genannte Summe aufzuwenden? wer würde ihn bei Versetzung, oder seine Hinterlassenen bei seinem Tode entschädigen? Kleine Flächen lohnen aber erst recht nieht die aufgewendeten Kosten, Zeit und Mühe. Zuletzt ist bei der aus- reichenden Zahl wirklich guter Baumschulen kein Mangel an jungen Obst- bäumen und die Preise genügend herabgedrückt. Dem Lehrer würde die Anlage solcher vielleicht sogar zu widerrathen sein, was jedoch nicht ausschliesst, eine Anzahl Bäume für Unterrichtszwecke zu erziehen.

Ist auf die angegebene Weise eine erspriessliche Einwirkung des Lehrers zur Förderung der Obstbaumzucht nicht zu erwarten, und die bisherigen Erfolge geben den unumstösslichsten Beweis dafür, so wird seine Thätigkeit sich vielmehr auf die Beseitigung der eingangs erwähnten Hindernisse richten müssen. Obrigkeitliche Verfügung, die gegenwärtige Einriehtung des ländlichen Nachtwachtdienstes zu beseitigen, würde rascher zum Ziele führen, doch auch dem Lehrer wird es möglich sein seinen Einfluss zur Abschaffung derselben®zur Geltung zu bringen. Werden dem Landmann die Nachtheile klar und eindringlich vorgeführt, welche ihm dieser Wachtdienst bringt, dass ihm durch Anstellung eines nüchternen verlässlichen Wächters weit grössere Sicherheit seines Eigenthumes er- wächst, dass er von dem Knechte, welcher die Nacht gewacht, keine ordentliche Arbeit verlangen kann, dass die durch diesen verlorene Ar- beitszeit schon einen Theil der Löhnung eines besoldeten Wächters er- giebt, da ferner dieser Wächterposten, vielleicht auch in Verbindung mit dem Gemeindedienerposten, bei Gewährung freier Wohnung und einiger Naturalien, gebracht, keine grosse Last auferlegen würde, so dürfte die Beseitigung jenes Hindernisses in den meisten Fällen unschwer herbeizu- führen sein und das Beispiel eines Ortes nicht ohne Nachfolge bleiben.

Ist dieses erste Hinderniss hinweggeräumt, so wird es nicht nöthig sein den Landmann einzig und allein auf den Gewinn, welcher ihm aus dem Obstbau erwachsen kann, hinzuweisen; es wird dieser nicht fehlen, die reichlichere Obstgewinnung würde Anstalten zur richtigen Obstnutzung hervorrufen und durch diese auch lohuende Preise erreicht werden.

Das beste Mittel jedoch und die Aufgabe des Lehrers wird sein: „Interesse an der Obstbaumzucht zu erwecken“. Jeder besser situirte Landmann hat jetzt schon ein Blumengärtechen an seinem Hause; er will damit seinen Fortschritt in der Bildung documentiren. Selten finden wir aber einen gut gepflegten Obstbaum. Ist ein schön gezogenes Zwerg- oder Cordon-Bäumchen, eine Birn- oder Aepfelpyramide aber nicht die schönste Gartenzierde? Dafür würde das Interesse des Landmanns zu gewinnen sein; dann, und wenn die Erhaltung der Früchte erst mehr ge-

as

I60 Jahres-Bericht

sichert ist, derselbe auch erkennt, welche Sorten er zu pflanzen hat, um gesunde, schöne Bäume und reichlichen Ertrag zu gewinnen, wird sich auch der Sinn für den Hochstamm und ausgedehntere Pflanzung finden. Hierzu zu gelangen, giebt es nun ein ebenso interessantes, als leicht aus- führbares Mittel, nämlich die Erziehung der Probe- oder Sortenbäume.

Die Menge der vorhandenen empfehlenswerthen Obstsorten in ein- zelnen Baumexemplaren zu prüfen, ist räumlich geradezu unmöglich und dennoch hängt von der Beobachtung einer möglichst grossen Anzahl der- ‚selben die Zukunft der Obsteultur ab. Jeder Ort, ich möchte behaupten fast jeder Garten bedingt seine eigenen Obstsorten, weil Lage, Boden’ beschaffenheit etc. einen ausserordentlichen, bisher noch viel zu wenig beachteten Einfluss auf die Gesundheit der Bäume und den Geschmack der Früchte ausüben. Das Verdienst der deutschen Pomologenversamm- lungen, welches sie durch die Auswahl der zur allgemeinen Anpflanzung empfohlenen Sorten erworben haben, wird dadurch nicht geschmälert, wenn ein Theil dieser Sorten hier und dort nicht gedeiht, andere dagegen viel besser sind. In meinem zuletzt besessenen Garten waren z. B. Ananas- und Orleans-Reinette, Bource klanc, Bonchretien, Regentin, Isam- bert völlig unbrauchbar, dagegen Rewal’s Birnapfel, rother Stettiner, rö- mische Schmalzbirne, Franz Il. ganz vorzüglich, während die Erstgenannten auf ihrem früheren Standorte tadellose Früchte geliefert hatten, auch ihr Wuchs und Gesundheit auf dem neuen Standorte nichts zu wünschen übrig liessen. Pflanzt der Landmann nun für seinen Garten unpassende Sorten, so kommen diese unverdient, mit denen, welche sie empfohlen hatten, nebst Züchter und dem ganzen Obstbau in Misseredit. Die Probe- bäume aber zeigen, welches die passenden Sorten sind.

Ausser dem Nutzen gewähren die Probe- oder Sortenbäume aber auch Vergnügen; wem sollte es nicht Freude machen in seinem be- schränkten Garten 50 und mehr Obstsorten zu besitzen und beobachten zu können? In gar manchem Gärtehen steht ein kräftiger, gesunder Birn- oder Apfelbaum, der werthlose Früchte trägt, oder dessen Besitzer Jahr um Jahr vergeblich auf Früchte hofft. Wie unschwer könnte ein .soleher Baum durch Veredelungen zum schönsten Sortenbaume umgewan- delt werden, der unwiderleglich bezeugte, welche Sorten es sind, die hier gebaut werden müssen. Das Vorurtheil gegen Bäume mit vielen Sorten, dass ihre Dauer eine kurze sei, dass eine Sorte der andern Eintrag thue, oder frühe und späte Sorten sich nicht zusammen vertragen, kann ich aus langjähriger Erfahrung widerlegen. Bäume, welche vor 25 Jahren mit den verschiedensten Sorten veredelt wurden, sind heute noch kerngesund und reichtragend.. Während die eine Sorte reif war, stand die ändere noch ganz grün, ohne sich in der Entwickelung beirren zu lassen.

Mit Vorliebe und gutem Erfolge habe ich bei Birnen solehe Bäume veredelt, welche quittenähnliches Laub haben, z. B. Kirchberger’s frühe

der Schles. Gesellschaft f. vaterl. Cultur, 261

Winterbirne. Diese an sich werthlos, giebt in kurzer Zeit einen kräftigen, gesunden, prächtig geformten Baum, widersteht der Kälte ausgezeichnet und alle darauf veredelten Sorten wachsen vortrefflich. Beiläufig sei be- merkt, dass es mir scheinen will, als ob Sorten, welche auf bereits ver- edelte Bäume veredelt wurden, merklich grössere und schmackhaftere Früchte brachten, ja sogar reichtragender waren. Ich habe desshalb bei Pflanzung von Obstbäumen von der Sorte ganz abgesehen und nur Ge- sundheit und reiche Bewurzelung in Betracht gezogen, wobei ebenso ich, wie diejenigen, denen ich es gerathen, gut gefahren. Ein Zeitverlust er- wuchs durch die Umveredelung nicht, denn sie war das Werk einer Stunde, während der Baum andern, ohne diese Rücksicht gepflanzten, um Jahre vorauseilte.

In der Voraussetzung, dass die Lehrer mit der Pflege und Behand- lung der Obstbäume vertraut sind, würde ich denselben höchstens die Werke der berühmten Pomologen: Oberdieck, Müller, Lukas ete. empfehlen. Nur bezüglich der Umveredelung zu Sortenbäumen und der Düngung der Obstbäume erwähne ich aus meiner Erfahrung noch, dass zur Veredelung möglichst die Copulation und nur dann das Pfropfen in die Rinde an- zuwenden ist, wenn bei alten Bäumen zu weit vom Stamm abzukommen wäre. Düngung habe ich nur flüssig gegeben. In Entfernung von 1'/, bis 2 Mtr. vom Stamm liess ich zu diesem Behufe einen ca. 50 cm tiefen und eben so breiten Graben machen, denselben mehrmals mit Gülle voll- siessen und nachdem sie eingezogen war, wieder zuwerfen. Am kräftig- sten wirkten die flüssigen Stoffe aus den Apartements und bei Aepfeln diejenigen aus Schlachthöfen. Auf die Jahreszeit habe ich dabei gar keine Rücksicht genommen, sondern nur auf die Witterung, indem ich nur bei gut durchfeuchtetem Boden, nie aber bei trockener Witterung düngen liess. Die Wirkung war jederzeit vorzüglich und die Bäume in meinem Garten reichlich mit Früchten besetzt, wenn die der Nachbar- särten leer standen.

Hieraus ergiebt sich, worauf der Lehrer seine Thätigskeit zur För- derung der Obsteultur zu richten hat, und wird der Lehrer am meisten wirken, der es versteht den Landmann auf dessen schönen Obstgarten eben so stolz zu machen, wie dieser es auf seine Pferde, Wagen, grosses und kleines Vieh und Anderes ist.

Ist die Obstbaumzucht auch in der Stadtschule zu lehren? Diese Frage erscheint auf den ersten Blick als eine sehr müssige. Auch ist sie bisher stets nur als solche betrachtet worden, denn die Prüfungs- protocolle sämmtlicher Stadtschulen der Monarchie dürften in der Rubrik „Obstbaumzucht“ wohl kaum einen anderen Vermerk zeigen, als das lei- dige „vacat“.

Abgesehen davon, dass sich auch in den grössten Städten nicht wenige Häuser befinden, welche einen Garten oder geräumigen Hof haben,

362 Jahres - Bericht

wo Platz für einen Obstbaum wäre, so ist dies in den meisten Provinzial- städten der Fall, auch bleiben ja nicht alle Schüler Stadtbewohner und der Unterricht in der Obstbaumzucht darum mindestens nicht überflüssig, aber ich erachte denselben als eins der wichtigsten Erziehungsmittel. ‘Es ist bekannte Thatsache, dass der Unterricht in der Botanik nur in äusserst seltenen Fällen Liebe zur Pflanzenwelt erweckt. Wer hätte nicht ge- sehen, dass die meisten Schüler wenig Theilnahme, sehr oft sogar Wider- willen dagegen zeigen. Die Ursache zu untersuchen gehört nicht zu meiner Aufgabe, aber sicher würde dieselbe Erscheinung zu Tage kommen, wenn der Unterricht in der Obstbaumzucht in gleicher Weise ertheilt würde, wie zumeist der botanische, das ist, wenn der Gegenstand der Anschauung gerade so zum Fenster hinausgeworfen würde, wie bei letz- terem die ausgerupfte Pflanze.

Der ganze Prozess der Entwickelung des Baumes, der Veredelung ete. muss sich vor den Augen des Kindes vollziehen, wenn dessen Interesse am Obstbau für die Dauer geweckt und seine Liebe dafür gewonnen werden soll. Diesem entspricht aber die Topfeultur der Obstbäume völlig. Wer bei Ausstellungen oder in Gärten die Freude und Bewunderung ge- sehen hat, welche Erwachsene und Kinder über ein tragendes Obstbäum- chen an den Tag legten, kann nicht im Zweifel sein, dass der Unterricht im Obstbau auch in der Stadt am rechten Orte ist.

Die Ursache, dass die Obsteultur in Töpfen bisher nieht über ein- zelne kleine ‚Versuche hinaus gekommen ist, liegt ausser der Unkenntniss der Behandlung solcher Bäumehen wesentlich daran, dass der Napf oder Kübel, welchen es durch jährlich nöthig werdendes Umpflanzen bean- sprucht, zuletzt Dimensionen annahm, welche sein ferneres Halten räum- jich unbequem und schwierig machten. Der Erdballen ist jedoch nichts weiter als das Reservoir der Nährstoffe für die Pflanze, da sie die Erde selbst nicht consumirt, das fortwährende Umpflanzen aber nur deshalb nöthig, weil jene in der Erde enthaltenen Stoffe aufgezehrt sind. Der Ballen eines Topfes von 21 bis 26 cm Weite und verhältnissmässiger Tiefe genügt aber, die erforderliche Nahrung zu gewähren. Ein solches Gefäss ist aber leicht unterzubringen und transportabel. Die Zuführung der Nährstoffe in flüssigem Zustande macht keine Schwierigkeit und gilt dafür auch hier das früher über flüssige Düngung Gesagte. Diese ge- ruchlos zu machen ist allbekannt, auch ist Guano mit Vortheil zu ver- wenden. Sorten von starkem Wuchs dürfen selbstverständlich zur Topf- eultur nicht verwendet werden.

Für solche Topfbäumchen ist jedes Fensterbrett benützbar, oder es bedürfte in der Klasse nur eines Gestelles vor ein gegen Morgen oder Mittag liegendes Fenster nebst Lüftungsvorrichtung, deren geringe Kosten kaum in Betracht zu ziehen sind. Ausser dem erziehlichen Einfluss, wel-

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chen der Unterricht in der Obstbaumzucht auch in der Stadtschule üben würde, dienen die aufgestellten Bäumehen als Luftverbesserer und sollten Pflanzen schon deshalb in keiner Klasse fehlen. Verbindet der Lehrer damit die Anleitung zur Cultur einiger Blumen, besonders in Mädchen- sehulen, so würde der segensreiche Erfolg nieht ausbleiben und sich bald an Gärten und Promenaden zeigen. Die für diesen Unterricht aufgewen- deten Kosten würden an Wächtern und Zerstörungen erspart werden, welche Letztere der bisherige botanische Unterricht wenig oder gar nicht

vermindert hat.

Beitrag zur Erziehung wurzelächter Rosen aus Samen. Von Kunstgärtner C. Pfeiffer in Zölling.

Dr. W. Neubert’s Deutsches Garten-Magazin Jahrg. 1872, Heft 1 und 3 -— enthält einige höchst bemerkenswerthe, interessante Notizen über die Anzucht wurzelächter Rosen aus Samen. Diesen Mittheilungen zufolge ist es einigen, nur auf Zimmercultur beschränkten Rosenfreunden gelungen, aus dem Samen einer Remontant- und einer Theerose Pflänzchen zu er- zielen, welche nicht nur wenige Monate nach der Aussaat schon geblüht, sondern kurze Zeit danach auch ihren Charakter als Remontantrose ge- zeigt haben. Die Blumen derselben sind jedoch als sehr klein bezeichnet. Da ich diese Vermehrungsmethode bisher noch nicht angewendet hatte, so beschloss ich, hiermit einen Versuch zu machen und möge es mir ge- stattet sein, die hierüber gemachten Erfahrungen in Folgendem mit- zutheilen.

Im Laufe des Sommers vorigen Jahres liess ich einige, auf einer kleinen Gruppe im Freien stehende wurzelächte Remontantrosen nach dem Verblühen unbeschnitten, um hiervon Samen zu gewinnen, was auch bei Marechal Gaspard de Valliere, die bekanntlich gern Samen ansetzt, recht gut gelang. Im Monat November wurden die Früchte gesammelt, die Samen herausgenommen, sofort in eine Schale ausgesäet und in ein warmes Gewächshaus gestellt. Schon nach drei Monaten, also im Februar dieses Jahres kamen die ersten Pflänzchen zum Vorschein.

Die jungen Pflänchen wurden sorgfältig pickirt, ganz nahe an das Licht gebracht, wobei sie sehr niedrig aber auch recht schwach blieben.

264 Jahres-Bericht

So standen sie -bis Ende April und hatten in ihrem Wachsthum nur we- nige Fortschritte gemacht, kaum dass das grösste Pflänzehen 5 bis 6 em Höhe erreicht hatte. Meine gehegten Erwartungen waren unter diesen Umständen bedeutend herabgesunken. Da, endlich schien sich bei dem grössten Pflänzchen ein Knospenansatz bemerkbar zu machen, ich setzte es behutsam in ein kleines Töpfehen von 5 cm Durchmesser und wartete mit der grössten Spannung der Dinge, die da kommen sollten. Ich hatte mich nicht getäuscht, es entwickelte sich wirklich eine Knospe, welche im Monat Mai sich vollständig ausbildete und vom 1. Juni ab, also gerade ‚während der Pfingstfeiertage ihre herrlichen Reize entfaltete. Man denke sich nur ein niedliches Miniaturpflänzchen von ca. 6 cm Höhe mit einem kleinen Blätterkrönchen, aus welchem auf verhältnissmässig langem Stielehen eine prächtige Rose prangte, gewiss eine schöne Pfingstfreude. Die Blume war durchaus nicht klein, im Gegentheil, fast mehr als mittel- gross, becherförmig gebaut, hatte in der Form grosse Aehulichkeit mit einer Theerose, das Colorit war das schöne Rosa der Mutterrose Marechal Gaspar de Valliere.

Nachdem dieselbe einige Tage geblüht, wurde die Blume abgeschnitten, das Pflänzehen mit den übrigen Jugendgenossen, welche noch keine Knospen angesetzt hatten in einen Frühbeetkasten ohne Fenster ausgepflanzt und hier einer sorgfältigen Pflege unterworfen. Hier kräftigten sich die Pflänzchen ungemein schnell, wurden buschig und bald zeigten sie alle Knospenansatz, was sich im Laufe des Sommers mehrmals wiederholte; unser Pfingströschen blühte noch dreimal, jedesmal mit 4 bis 5 Blumen gleichzeitig. In Farbe und Bau zeigten alle die gleiche Abstammung, doch war leider die schön becherförmige Form verloren gegangen, auch waren die Blumen etwas kleiner und verblühten rasch. Gegenwärtig sind die Pflanzen eingetopft, zur Ueberwinterung im ÖOrangeriehause unter- gebracht, worauf im nächsten Sommer die Beobachtungen fortgesetzt werden sollen. |

Vorstehende Methode ist wohl geeignet jedem Rosenfreunde auf eine bequeme Art und Weise viel Vergnügen zu gewähren, zur Cultur im Grossen jedoch und wo man nieht auf Erzielung neuer Sorten bedacht _ ist, wird die Vermehrung durch Steeklinge immerhin den Vorzug behalten.

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Eine kleine Reise - Skizze. Von

Ober-Hofgärtner Schwedler in Slawentzitz,

in den ersten Tagen des August 1874, nachdem ich meine hiesigen gärtnerischen Geschäfte für einige Zeit hinaus geregelt hatte, wurde mir durch meinen hohen Gebieter, den Herrn Fürsten zu Hohenlohe-Oehringen, Herzog von Ujest Durchlaucht, die Vergünstigung zu einer Reise, um die hauptsächlichsten Gärtnereien Süddeutschlands sehen und der in der letzten Hälfte desselben Monats zu Leipzig statthabenden grossen Ausstellung als eingeladener Preisrichter beiwohnen zu können.

Mein erstes und directes Ziel war Öehringen, um das in meinen jungen Jahren mir liebgewordene Lustschloss Friedrichsruhe vor meinem Ende noch einmal zu sehen. Die Lage desselben ist reizend, die mit Laubhölzern bewaldeten Höhen, die Wiesenthäler und Schluchten, alles eiebt dem Ganzen den Charakter einer prachtvoll verschönerten Land- schaft, für welche es nur wenig Kunst bedürfte, um ein Paradies daraus zu schaffen. Hier hatte ich Gelegenheit in auffallender Weise wahr- zunehmen und mich zu überzeugen, wie viel schneller und üppiger auf diesem Boden, in diesem milderen Klima alles wächst, als in der Gegend meines jetzigen, langjährigen Wirkungskreises, denn Obstbäume, wie alle anderen Gehölzarten, welche ich vor 42 Jahren dort eigenhändig gepflanzt hatte, waren mächtig heran gewachsen. Nachdem ich jedes Plätzchen in dem ausgedehnten Park besucht hatte, schied ich, vielleicht auf Nimmer- wiedersehen, mit dem schon oft gehegten und ausgesprochenen Wunsche, dass ich dort mit den reichen Mitteln, welche hier verwendet wurden, hätte schaffen können.

Stuttgart, welches ich vor 27 Jahren zum letzten Male sah, war da- mals, wie das ganze württembergische Gartenwesen, ohne gärtnerischen Ruhm. Wie anders ist es seitdem geworden, was inzwischen dort ge- schaffen wurde, überstieg alle meine Erwartungen. Da ist z. B. der frühere Stadtgraben, wenn auch erst seit 5 bis 6 Jahren in eine höchst sehenswerthe gärtnerische Schöpfung umgewandelt worden. Auf einem verhältnissmässig eng begrenzten Raume wusste der Künstler, Herr Garten- Inspector Wagner ein. wahres Paradies zu schaffen. Nächst diesen be- zaubernd schönen Anlagen ist der Schlossplatz mit seinen prächtigen Coniferengruppen, Teppichbeeten, herrlichem Rasen, der Königsstatue und dem Cascadenbrunnen hervorragend; dann der Separatgarten der Königin am Residenzschlosse, wie auch der ehemalige botanische Garten mit seiner sinnreichen Eintheilung im modernen Styl und ausgedehnten Gewächs-

266 Jahres- Bericht

häusern wit ihren Sammlungen ausgezeichneter Pflanzen, welche Herr Hofgärter Lehmann zu erweitern noch immer bemüht ist. Natürlich unter- liess ich nicht, nach dem benachbarten Canstadt zu fahren, um die eigen- artigen Anlagen bei dem maurischen Bade, Wilhelma und Villa Berg zu sehen. Erfüllt- von den gewonnenen Eindrücken und liebreichsten Er- innerungen dampfte ich dem Schwarzwalde entgegen, um an der Quelle der schönen blauen Donau mich wiederzufinden.

Donaueschingen, Sitz des Fürsten Carl Egon Fürstenberg, Bruder meiner hohen Gebieterin, war auf Einladung des hohen Herrn zu einem dreitägigen Aufenthalt. bestimmt. Hier traf ich in dem Hofgärtner Kirchhoff nicht nur einen liebenswürdigen Collegen, sondern unter seiner Pflege auch eine besonders an Orchideen reiche Pflanzensammlung. Der Park ist gross und hat schöne Wasserpartien, welche mit dem seltensten Ge- flügel belebt sind. Von hier fuhr ich nach Carlsruh. Der Schlossplatz in seiner Ausdehnung, regelmässigen Eintheilung, die umfangreichen ge- schmackvollen Verzierungen, der botanische Garten mit seinen eisernen srossen Häusern und reichen Pflanzenschätzen setzten mich in Staunen.

Nachdem ich auch diese schönen Bilder in mein Gedächtniss auf- genommen hatte, wendete ich mich ohne anderweiten Aufenthalt nach Frankfurt a. M. zur Durchschauung des mir so vielfach als besonders sehenswerth geschilderten dortigen Palmengartens. Wenngleich nun dieser eine Nachahmung des Kölner Flora-Gartens ist, so sind doch die dort etwa vortretenden Mängel hier möglichst vermieden und deshalb die Scenerien und Deeorationen viel reicher, so dass ich recht überrascht war, als ieh das Ganze unter Leitung der Herren. Director Sismayer und Inspector Heus, beides liebe alte Bekannte, besichtigte und von denselben über die theils schon in Angriff genommenen, theils weiter projectirten Ausführungen vollständig ünterrichtet wurde. Das Ganze, die landschaft- liche, wie auch die Teppichgärtnerei bekunden hier, dass das heidenmässig viele auf diesen Garten aufgewendete Geld doch aber sehr sinnige Ver- wendung fand und noch findet. Da die Gartenanlagen in Carlsruh, Wies- baden, Homburg ete. meist den Ideen Sismayer’s entsprungen sind, so ähneln die Decorationen in ihrer Ausführung jenen auch sichtlich. Bei den Teppichanlagen spielen die Succulenten überall eine Hauptrolle und machen als leichte Arabesken grossen Effect.

Wegen mangelnder Zeit konnte ich mein liebes Cassel leider nicht besuchen, weil ich am 20. August in Leipzig sein musste, um dort einem Rufe als Preisrichter bei der grossen Pflanzenausstellung mit werthen Collegen, z. B. aus Berlin, München, Frankfurt a. M. Folge zu geben. Die Arbeit war nicht leicht und beanspruchte einen vollen Tag; zwar angestrengt von derselben gab ich aber doch dem Drängen meines Freundes Paul nach und fuhr noch mit ihm nach Halle um sein Revier, den dortigen botanischen Garten zu sehen. Flüchtig ging es dann aber über Dresden

der Schles. Gesellschaft f. vaterl. Cultur. 367

und Breslau wieder nach Hause, von wo aus nur noch die Ausstellungen in Oppeln und Ratibor und die Gärtnereien in Neudeck und Miechowitz besucht wurden, um nach diesem Allen meine Vorbereitungen für die Winterarbeiten zu treffen.

Beiträge zur Kenntniss solcher Pflanzen, welche im Winter wenig oder gar keines Lichtes bedürfen.

Von Apotheker M. Scholtz in Jutroschin.

Im Anschlusse an meine früher im Schoosse der Section niedergelegte Bitte, dazu beizutragen, dass wissenschaftlich festgestellt werde, welche Pflanzen im Keller, mit oder ohne Licht während des Winters aushalten, kann ich allerdings mir nicht vorenthalten, dass die Aufgabe keine ganz leichte ist. Einmal erfordert sie Opfer, sodann kommen so viele Klauseln dabei in Betracht, die ein absolut richtiges Urtheil beeinträchtigen, dass man nur mit Vorsicht die Arbeit in die Hand nehmen kann. Unmöglich wird endlich die Arbeit von Einem allein nennenswerth gefördert werden können, vielmehr müssen Männer, welche Liebe zu Forschungen und Be- obachtungen haben und welche in der Lage sind solche Proben anzustellen, ihre Hand dazu reichen. Möchte das doch recht bald und vielseitig geschehen, damit das Werk der Allgemeinheit Nutzen bringen kann.

Ein Anfang muss in allen Dingen gemacht werden und so will ich dies denn heute unternehmen. Fine systematische Eintheilung bei Nennung der Pflanzen wolle man jetzt aber noch nicht verlangen; diese kann erst bei vielem Material erreicht werden und bitte ich zu verzeihen, wenn ich bei meinen nachstehenden Notizen über die Erfolge meiner auch während der Winter 1872/3 und 1873/4 fortgesetzten bezüglichen Ver- suche also bunte Reihe mache.

Lassen Sie mich zunächst über solche Pflanzen berichten, welche sanz ohne Licht im trocekenen Keller bei mir aushielten. Hier würden zuerst alle harten Holzpflanzen zu nennen sein; ich hatte zu diesem Zwecke folgende Arten in Töpfen verwendet: Deutzia, Prunus japon., Syringa, Forsythia, Oydonia japon., Kerria, Ribes sanguinea, Cytisus Laburn., Rhus laciniata, Hibiscus 10 Sorten, Orataegus, Salix 2 Sorten, Weigelia, Ligustrum vulg. fol. var., Lonicera Brachypoda fol. var., Cornus mascula, C. sanguinea Jol. var. und C. sibirica fol. var., Pyrus malus fol. var., Prunus domest. fol.

268 J ahres - Bericht

var., Sambucus niger elegans und fol. var., Berberis vulg. fol. purp., Evonymus alropurp. und latifol., Tamarix germanica, Liriodendron tulipif., Mangnolia purp., Fraxinus excelsior, Symphoricarpa vulg. fol. variegatis. Diese hielten durchweg im Finstern gut aus; nur schoss Deutzia Zweige und Blüthen, Sambucus und Ribes starke Triebe. Im Februar ans Licht gebracht, er- holten letztere Beide sich rasch, Deutzia nicht; diese war krank geworden und blieb es. Lonicera Brachypoda fol. var. trieb auch und von drei Exemplaren starben zwei.

Vorzüglich halten sieh im finstern Keller bis zum Eintritt des Früh- jahres alle Feigensorten des Geschlechtes Ficus carica, ebenso Fuchsia wenn man ihr alle Blätter nimmt und sie zeitig im Frühjahr in einen lichten Keller bringt; von 100 Sorten und Töpfen verlor ich keinen; auch hält die Hortensia sich gut im finstern Raume; sodann von Cacteen: Opuntia und Cactus alatus. Viele Cactus-Arten standen mir nicht zu Ge- bote, jedoch hielten sich 5 Töpfe ganz ausgezeichnet, so dass auch nicht eine Spur von Fäulnies zu bemerken war. Sie blühten reichlich. Halten sich die Hybriden von Cereus u. A. eben so gut, so würde dies wichtig sein, weil dadurch der Sammler von Cacteen aller Sorge und Mühen der Pflege im Winter überhoben wird und Platz erspart und erübrigt für Pflanzen, welche des Lichtes bedürfen.

Schwieriger war die Probe mit Pelargonien, von welchen ich nur Scarlets heranzog. Ich habe mich viel mit, ihnen ‘gemüht und zwar in erster Reihe dadurch, dass ich vor dem Einräumen in den finstern Keller ihnen alle Blätter nahm; erschienen sodann im Keller neue Blätter, so wurden sie stets abgezwickt und faulende Stielchen der Blätter sorgfältig abgenommen. Faulte im Winter ein ganzer Ast, so schnitt ich ihn bis zur Faulstelle ab und zerdrückte und zermalmte dann einen weiteren Theil tüchtig mit, den Fingern. Es mag diese Procedur komisch erscheinen, ist mir aber durch die Erfahrung mehrerer Jahre als richtig bekannt geworden. Schneidet man nur, so fault nämlich der Ast (NB. im Keller) dennoch weiter, zermalmt man ihn, so trocknet in den meisten Fällen die Stelle gut und der Ast, resp. die ganze Pflanze ist gerettet. Es mag Keller geben, in denen sich Pelargonien stets gut halten, wie es solche giebt, wo Leichname austrocknen statt zu faulen; in den meisten Fällen wird die Ueberwinterung immer gefährlich sein. Hat man gute seltene Sorten, so wird die Methode der Stecklings-Ueberwinterung im lichten Raume vor- zuziehen sein. Ich machte den Versuch mit nur 30 bis 40 Töpfen ver- sehiedener, einjähriger, ‘niedrig gehaltener Pelargonien; davon hat sich die Hälfte gesund erhalten, unter diesen auch einige buntblättrige Sorten.

Von meiner so reichhaltigen Epheu-Colleetion habe ieh mieh nur zum Versuchen im ganz finstern Keller mit einigen Sorten entschliessen können, während die übrigen ca. 40 Töpfe in vielen Sorten, im lichten Keller vortrefflich durehwinterten. Ins Finstere stellte ich nur Hedera algeriensis

der Schles. Gesellschaft f. vaterl. Cultur. 369

fol. var., microphylia flava, Heli fol. varieg., Doneratiensis und hibernica viridis, davon krankte bald und war nicht zu retten: algeriensis fol. var. und microphylla flava; augenscheinlich sind beide zu zarter Natur.

Will ich Obstbäume in Töpfen als besondere Kategorie anführen, sie gehören eigentlich zu den harten Holzpflanzen, so sei erwähnt, dass der Weinstock, Pfirsich-, Pflaumen-, Apfelbaum, welche zum Versuch ge- nommen wurden, vortrefflich im finstern Raume aushielten.

Von Coniferen nahm ich gegen 50 Sorten und Töpfe zum Versuche. Fast alle erkrankten mehr oder weniger und starben grösstentheils. Mein Sortiment, das ich der Güte lieber Gönner verdanke, schmolz dadurch zusammen wie ein Licht im Ofen und dennoch heisst es in einem Werke Jaeger’s, des bekannten gärtnerischen Schriftstellers, dass Thuja, Cupressus u. a. Coniferen gut im Keller aushielten. Ich glaube es nicht; denn auch die im lichten Keller befindlichen Sorten wurden die Beute eines sich einstellenden Schimmels und gingen meist verloren. Sonderbar ist es, dass Thujopsis borealis (syn. Chamaecyparis nutkanensis) in mehreren Exemplaren kerngesund blieb, ebenso die langnadlichen Sorten, wie Pinus Cembra, Picea excelsa. Ganz gesund blieb auch Pinus Nordmanniana. Die Juni- perus-Arten krankten sehr, während Callitris quadrivalvis, welche erkrankt war, im Sommer bald wieder in gute Vegetation kam. Die Blätter ab- werfenden Coniferen, wie Gingko biloba (Salisburia) und Taxodium distichum blieben ganz gesund. Mit Larix will ich erst künftig den Versuch machen.

Einheimische Farren in Töpfen hielten vortrefflich aus. Starke gut holzige Exemplare von Cuphaea starben im Finstern ab. Folgende Pflanzen blieben in gleicher Situation jedoch gesund: Nerium Oleander, Pittosporum undulatum, alle buntblättrigen Evonymus-Arten mit Ausnahme der seltneren, grossen, reizend schönen weissblättrigen, welche ohnehin sehr hakel ist, sodann Citrus, Araha spinosa, Agave americana, Rosen in Töpfen, Yucca filumentosa und recurvata, andere Yueca-Arten werden jeden- falls auch aushalten, Clematis im Topf trieb jedoch zu zeitig aus, ebenso und zu sehr Chrysanthenum indicum, weshalb es besser ist Letzteres in Erde im Freien einzuschlagen. Ganz vorzüglich bewährte sich Laurus nobilis im finstern Raum. Sie verlor nicht ein Blatt. Ich habe einmal eine Stecklingspflanze im Alter von zwei Jahren durch Zufall den ganzen Winter im Wasser und zugleich im Finstern stehend gehabt, das Wasser stand über den Topfrand, doch war und blieb die Pflanze gesund. Ferner hielten im finstern Keller gut aus: Funkia, Epilobium hirsutum fol. var., beiläufig eine ganz reizende Siaude, Myrsine africana, Vinca major fol. var., Cissus heterophylla, Olea fragrans, diverse Iris-Arten, Corynocarpus laevigatus, Eryihrina und diverse Mahonia. Holzige Lantana hielten theils aus, theils starben sie, Libonia floribunda hielt zwar aus, krankte aber und wollte Lieht um zeitig zu blühen. Veronica ging stets zurück, Myrtus

270 Jahres - Bericht

/ communis, com. minor und dieselbe mit variegirten Blättern wurden krauk, Letztere starb. Es starben bald: Leucophyto Brownü, Aralia Sieboldi, Agapanthus umbellatus fol. var., Escallonia macranha, Metrosideros, Phygelios capensis, Pittosporum umbellatum, Salvia offieinalis tricolor, Gazania splendens, Pentstemon und Hibiscus Cooperi (tricolor).

Unempfindlich gegen den Mangel an Licht zeigten sieh auch die Dracaenen, wobei ich selbstverständlich nur von den härteren und mehr volksthümlichen Sorten spreche, als da sind: congesta, rubra, brasiliensis, cannaefolia ete. Dracaena nutans blieb gesund und eine kranke, ziemlich alte brasiliensis, welche den ganzen Sommer vorher gekrankt hatte, er- holte sich sichtlich. Dagegen starb Dr. indivisa im Keller; dies schreibe ich jedoch einer Wurzelfäulniss zu, welche wahrscheinlich schon vorher eingetreten war, sie war zu nass gehalten worden. Dracaena Draco, stricta und Guilfordii will ich zu weiteren Versuchen erst heranziehen. Möchten inzwischen doch Andere mit den bunten Dracaenen z. B. ferru- ginea, terminalis rosea etc., welche ich noch nicht besitze, Versuche an- stellen, denn ich bezweifle nicht im Geringsten, dass sie eben so. gut aushalten wie congesta und die andern oben genannten Sorten. Diese ver- loren kein Blatt, wuchsen vielmehr ruhig weiter; ihre bleichen Triebe grünten sich bald, als sie im März ins Zimmer kamen und später aus- gepflanzt behielten sie ihre Gesundheit in hohem Grade. Mir scheint das Resultat in Betreff der Dracaenen von grossem Interesse und feststehend, dass für Freunde derselben, denen Ueberwinterungsräume mangeln, der Anschaffung von vielen dieser Pflanzen, welche sich im Sommer so sehr zur Decoration in Salons eignen, kein Hinderniss im Wege steht, wenn sie nur einen nicht zu kalten Keller besitzen, welcher nicht an Feuchtig- keit leidet. |

Sämmtliche Töpfe mit- Liliaceen, Hemerocallideen und knolligen resp. zwiebligen Irideen etc. wurden im Herbst, nass wie sie waren, gleichviel ob ihre Ruheperiode schon eingetreten war oder nicht, in den finstern Keller gebracht, und so den ganzen Winter bis zu Anfang Mai belassen. Was daran von grünen Blättern im Laufe des Winters braun wurde, wurde abgeschnitten, was grün oder bleich wurde geschont. Die Töpfe waren im Frühjahr vollständig ausgetrocknet, aber alle Pflanzen gesund. Manche Sorten, wie z. B. Crinum capense, Tritonia Uvaria, Zephyranthes candida hatten die Blätter erhalten. Von 50 Versuchstöpfen war alles erhalten, nur Polyanthes tuberosa in zwei Töpfen war abgestorben, während Amaryllis formosiss. gesund blieb. Die schöne Hemerocallis Kwanso fol. var. et flore pleno, hakel, wie alle panachirten Pflanzen der Hexandria, verlor zwar ihr hübsches Aussehen, blieb aber gesund und trieb seitdem munter aus. Einzelne Exemplare von Lilium lancifolium trieben aus, an- dere nicht; ich liess sie ruhig wachsen, ohne sie zu giessen. Lilum auratum hielt sich vortrefflich, sowie überhaupt alle Lilien mit Ausnahme

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von candidum. Ich besitze seit mehreren Jahren eine gefüllte weisse Lilie, eultivire sie probeweise im Topfe, kann sie jedoch nicht dazu veranlassen sich meiner Herrschaft und meinen Verhältnissen anzubequemen. Ihre Zwiebel will im Winter kalt liegen; die Luftschicht im Keller, welche den Topf umgiebt, ist für sie zu warm, sie treibt unhaltbar aus und ist im Frühjahr in Folge dessen eine kraftlose Pflanze. Man könnte das leicht umgehen es würde dies aber gegen die Prineipien sein, welche ich meinen Versuchen zu Grunde lege.

Bei dieser Gelegenheit_glaube ich auf einen pflanzenphysiologischen Irrthum aufmerksam machen zu dürfen. Sehr viele Besitzer von Zwiebel- gewächsen in Töpfen schneiden im Herbst die Blätter ab, um eine künst- liche Ruheperiode zu Wege zu bringen. Ich halte dies für unpraktisch und: irrthümlich und ohngefähr gerade so, als ob der Arzt einem Menschen, der an Schlaflosigkeit leidet, einen Schlag auf den Kopf giebt, um ihn besinnungslos zu machen. Wir müssen das Grün an den Pflanzen lassen, selbst wenn wir sie ins Finstere stellen. Die Blätter ernähren die Zwiebel noch lange und stärken und kräftigen sie, während die gewaltsame Ent- nahme derselben unbedingt eine nicht natürliche Saftstockung hervorruft. Geht dies nieht immer durchzuführen, wie z. B. bei Gladiolen, so schneide man wenigstens nur einen Theil der Blätter ab, oder halbire sie.

Die Yucca-Sorten hielten sich im finstern Raume sehr gut und von Palmen wurden folgende Arten der Probe unterworfen: Latania borbonica,

Phoenix dactilifera und sylvestris, Chamaerops humilis und excelsa, Corypha

australis, Jubaea spectabihs, Ahapis flabelliformis. Das Resultat war in- sofern günstig, als die Pflanzen sich zwar gesund erhielten und auch zum Theil neue Wedel trieben; sie hatten jedoch dadurch empfindlichen Schaden gelitten, dass die alten und grösseren Wedel zum Theil schwarz wurden; ja bei Phoenix sylvestris waren alle alten Wedel verloren. Ob dies Ver- halten allein in dem Mangel an Licht seine Begründung findet, wage ich heute noch nicht zu entscheiden, bezweifle es indess, denn sehr leicht könnte die Schwärzung der Wedel auch durch andere Ursachen hervor- gerufen sein. Neue Versuche müssen darüber belehren.

Der in der Gartenliteratur so fleissige Herr Jaeger sagt in einem seiner Werke, dass die Dex-Arten sich im Winter in Kellern nicht er- hielten; sie sterben zwar nicht ab, sagt er, verlieren aber alle Blätter, Aus Achtung vor den reichen Kenntnissen dieses Mannes hatte ich ihm bisher gefolgt, und in Folge dessen im Frühjahr lauter kranke Ilices ge- habt. Die im letzten Winter mit Ilex-Arten angestellten Versuche haben vielmehr ergeben, dass sie ganz vorzüglich im Keller aushalten.

Im lichten Keller hielten gut. aus: alle Arten Aucuba, selbst die feineren, ferner Buxus, Rhododendron, Viburnum Tinus und Phillyrea media. Rhamnus alaterans und Ligustrum ovalifol. fol. aurea macul. dagegen hielten

372 Jahres - Bericht /

nicht aus. Hier starben mir auch von reich bewurzelten Nelkenstecklingen mehr als zwei Drittel ab. | Hiermit hätte der Bericht über meine letzten Versuche sein Ende erreicht. Schon bei dem geringfügigen Resultate dieser Versuche ergiebt sich die Wahrnehmung, dass nicht immer eine gewisse Pflanze wegen Mangel an Licht- und Lufteireulation ihren Tod findet, sondern es sehr oft nur die Wurzel ist, welche im gleichen Masse erkrankt, als wie die Lebensthätigkeit der Pflanze zwangsweise unterdrückt wird, und in Folge dessen das Absterben des Individuums bewirkt.

Die Coniferen in der Landschaftsgärtnerei. Von | A. Schütz, Obergärtner in Wettendorf (Ungarn).

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So wie in der Natur diejenige Landschaft einen angenehmern Ein- druck auf uns hervorbringt, deren bewaldetes Terrain eine grossse Mannig- faltigkeit im Bestande seiner Holzarten darbietet, und wie es besonders das Geschlecht der Nadelhölzer ist, welche in Vereinigung mit den Laub- gehölzen den Charakter wirklicher Schönheit verleihen, ebenso gilt dasselbe in jeder Beziehung von einem Landschaftsgarten. Nur durch geschmack- voll angebrachte Coniferen-Gruppen, benimmt man dem Garten seine Ein- förmigkeit und bringt einen dem Auge so wohlthuenden Contrast und diejenige Ruhe hervor, welche gleichsam als höherer Friede über der Landschaft schwebt.

Wenn auch die bei uns eingeführten ausländischen Coniferen ihrer Schönheit und Mannigfaltigkeit in Wuchs und Belaubung wegen in un- seren Gärten eultivirt werden, so lassen sich doch wegen deren Kost- spieligkeit grosse Anpflanzungen davon nicht immer ausführen, wohl aber können dieselben als Solitärpflanzen oder in kleinen Gruppen doch auch Aufnahme im Garten finden. Unsere einheimischen Nadelhölzer können also fast nur bei Anpflanzungen im grossen Styl zur Verwendung kommen, und das für sie bestimmte Terrain sollte stets eine hügelige Form haben, und wo die Natur diese nicht geschaffen hat, lässt sie sich leicht dureh Abgrabungen und Erhöhung des Bodens herstellen. Es erhöht dies nicht allein die Schönheit der ausgeführten Coniferen-Pflanzungen, sondern trägt ausserdem noch zu deren freudigerem Wachsthum bei; ja mehrere der bei uns eingeführten Coniferen gedeihen sogar nur dann gut, wenn sie

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auf einen auch selbst nur ganz sanften Abhang gepflanzt werden. Wieder- holt hatte ich Gelegenheit zu beobachten, dass auf gleich gutem Boden Picea Pichta, Abies nobilis und Nordmanniana, an einen sanften Abhang gepflanzt, weit freudiger gediehen, als die auf ebener Fläche gepflanzten ; wahrscheinlich giebt es aber noch viele Sorten, denen die Gestaltung des Bodens nicht gleichgültig ist, über welche zuverlässige Erfahrungen jedoch noch fehlen, oder nicht bekannt genug sind. Dass Laubhölzer den über- wiegend grösseren Theil im Herstellung von Anlagen ausmachen müssen, bedürfte wohl nicht erst der Erwähnung, nur sollte man da, wo Nadel- holzpflanzungen angelegt werden, diese auch stets dominiren lassen.

Wurde ein zur Anlage von Coniferen-Gruppen geeignetes Terrain gefunden, oder künstlich geschaffen, so wird bei der Bepflanzung zunächst darauf zu achten sein; dass unsere einheimischen Gattungen gewöhnlich nur in einer Art in einer grösseren Gruppe auftreten und nur hin und wieder ein einzelnes Exemplar einer anderen Sorte am Rande der Contur angebracht wird, was dann mit Vortheil geschehen kann. Von nicht zu unterschätzender Wichtigkeit ist auch die Höhe der Pflanzen welche hierbei zur Verwendung kommen. So gewährt es einen malerischen Anblick, wenn an eine ältere Pflanzung eine bedeutend jüngere angeschlossen wird; ja man kann solehe Anschlüsse zwei- bis dreimal und öfter in mehr- jährigen Zwischenräumen wiederholen. Solche Gruppen wirken durch die verschiedenen Abstufungen der Höhe, wie durch den Contrast der Farbe und des Wuchses gleich gut; unsere heimische Fichte, Picea excelsa giebt davon ein besonders günstiges Beispiel. An eine so grosse Gruppe mögen sich dann in angemessener Entfernung kleinere Gruppen von Fichten, Tannen oder Kiefern anschliessen und nimmt die ovale oder runde Form derselben sich oft recht vortheilhaft aus. |

Die Uebergänge, welche die Zusammengehörigkeit mehrerer auf einem weiten Terrain angelegter Gruppen zu einem harmonischen Ganzen her- stellen, wählt man am besten aus denjenigen Arten, welche keinen zu hohen Wuchs haben. Es lassen sich hierzu am besten Taxus baccata und seine Varietäten, so wie Pinus Unghus pyrenaica, Juniperus virginiana, Sabina, oxycedrus, communis, hybernica und andere mehr verwenden. Je- doch auch die Laubgehölze müssen ihre Verwendung dabei finden und vor Allen diejenigen Sorten, welche durch auffallende Färbung der Blätter einen starken Contrast hervorbringen. So gewährt es einen angenehmen Anblick, wenn kleine Gruppen Eleagnus argenteus und Fagus sylvatica atropurpurea in einiger Entfernung von einer grossen Coniferen-Gruppe auftreten; ebenso Hippophae rhamnoides mit Betula alba und um dem Bilde einen südlichen Charakter zu verleihen Juniperus pseudo-sabina als Py- ramide gezogen; Letzterer muss jedoch an einem Stabe gezogen werden, weil er sonst ebenso wie J. Sabina auf der Erde kriecht und sich ein- wurzelt. Allem Anschein nach lassen sich von Juniperus Sabina auf solche

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374 Jahres - Bericht

Weise auch Pyramiden ziehen, wenn dieselben auch keine solche Höhe erreichen dürften als diejenigen der pseudo Sabina. Diese Juniperus-Py- ramiden bedürfen, um ihre Form beizubehalten, keines Zurückschneidens und sehen einer Cypresse täuschend ähnlich.

Nachdem ich in Kürze und im Allgemeinen einiges über Coniferen-

Anpflanzungen anführte, möchte ich noch einige Sorten erwähnen, welche die hiesigen Winter, theils mit, theils ohne Bedeckung aushalten. Be- merken muss ich aber zuvor, dass während meines hiesigen vierjährigen ‚Aufenthalts die Kälte in zwei Wintern eine Höhe von 15,20 und 21° R. erreichte und so volle vier Wochen hindurch anhielt, das Frühjahr sehr veränderlich ist und öfter im März und April sehr warme Tage einer plötziichen Kälte von 4 bis R. weichen; nur der Sommer bringt grosse Wärme, welche in der Sonne 40 bis 42°, im Schatten 32 bis 36° R. er-

reicht, wobei jedoch nicht selten eine Abkühlung um 8 bis 10° während

einiger Tage vorkommt.

In einem solchen Klima gedeiht Wellingtonia gigantea recht gut und hält die Winter ohne jede andere Bedeckung als diejenige einer grossen etwa 32 cm hohen Scheibe von Nadelstreu als Schutz der Wurzeln aus. - Diese Bedeckung bleibt auch während des Sommers liegen, um den Boden vor allzustarker Austrocknung zu bewahren. In sehr strengen Wintern kommt es freilich vor, dass der Gipfeltrieb der Wellingtonia erfriert, jedoch ist das von keinem wesentlichen Nachtheil, da. der zunächst stehende Seitentrieb sich bald wieder als Gipfeltrieb bildet. Unter einer Bedeckung oder Einbund von Rohr und als Wurzelschutz eine starke Schicht Laub, halten ferner aus: Cedrus Deodora, Libani und atlantica. Biota aurea, B. aurea elegantissima und semper aurea bleiben ebenfalls ohne Bedeckung. Letztere ist besonders hart und eine der effectvollsten Biota-Arten. Cryp- tomeria japonica leidet indess stark von harten Wintern, sie bleibt dann ‚wohl einige Jahre lang am Leben, kümmert aber stets und geht dann doch endlich zu Grunde. Dagegen gedeiht Crypiomeria elegans recht gut und hält die Winter, mit nur einer schwachen Wurzeldeckung aus. Cu- pressus Lawsoniana und seine Varietäten, sowie Pinus excelsa, Picea Pin- sapo, Retinospora pisifera und ericoides, Chamaecyparis plumosa aurea er-

hielten keine Bedeckung und blieben stets gesund, nur verliert Pieea

Pinsapo öfter den Gipfeltrieb; nach meiner eigenen Erfahrung war dies aber auch in den gelindesten Wintern, wie z. B. in dem von 1872 zu 735, in welchem nur während einer Nacht Kälte eintraten, bei einigen Exemplaren der Fall, wohingegen während eines früheren Winters mit 21° Kälte ein Exemplar seinen Gipfeltrieb vollkommen gesund behielt. Als sicher kann überhaupt wohl angenommen werden, dass die Coniferen weit weniger von der Kälte, als von der Sonne leiden, weshalb man sie im Winter eher gegen Letztere als gegen Erstere schützen möchte. Vor-

theilhaft ist es, um Coniferen keine Scheiben zu graben, weshalb man,

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wenn es auch nach der Pflanzung des Giessens wegen nötlig sein sollte, die Erde sich doch bald wieder mit Rasen bewachsen lassen soll, um das zu starke Austrocknen des Bodens zu verhüten.

Als besonders empfehlenswerth zur Anpflanzung ins Freie, verdienen ausser den bereits angeführten noch folgende erwähnt zu werden: Pinus

- ponderosa, laricia taurica, Beardsley, Unghus, rigida, Picea Douglasü, Alc-

oquiana, orientalis, Menziesü, Abies firma, lasiocarpa, bracteata, nobilis, Fraseri, Nordmanniana, grandis, cephalonica, canadensis, Regina Amalia, morinda eilieica, Seiadopytis verticillata, Cupressus laete virens und Iycopodioides. Frei- lich stehen alle diese genannten, den ersten Winter hier im Freien und muss mithin ihre Widerstandsfähigkeit gegen Kälte erst erprobt werden, Weitere Anführung schöner Sorten unterlasse ich, da ja Cataloge nöthigen Aufsehluss geben. Erwähnen will ich nur noch, dass der hiesige Gräflich Erdödy’sche Garten von Freiland-Coniferen eine Sammlung von 130 Sorten besitzt, und schliesse mit dein Wunsche, dass alle Gartenfreunde soviel als möglich den Coniferen einen Raum gönnen, da sie eine der grössten Zierden sind, zugleich aber auch vielen Stoff zur Belehrung und Er- forschung bieten.

Beobachtungen über den Frostschmetterling (Reifmotte). (Ph. Geometra (Acidalia) brumata).

Von

Kunstgärtner J. Siegert in Lissa i/Schl.

Die Raupen des Frostschmetterlings kamen in den Jahren 1869 und 1870 in dem, meiner Pflege anvertrauten Obstgarten und zwar auf Aepfel- bäumen nur erst vereinzelt vor, traten aber dann im Frühjahr 1872 so massenhaft auf, dass nicht eine Blüthe zu voller Entwickelung gelangte, sondern gleich zusammengesponnen wurde, um als erste Nahrungsmittel und zugleich als schützendes Dach für ein bis vier Räupchen zu dienen, welche nach ihrer Erstarkung herauskrochen und über die Blätter der Bäume so herfielen, dass nach 3 bis 4 Wochen nicht mehr ein gesundes Blatt auf denselben war. Die Blätter der meisten Bäume waren wie ver- sengt und boten diese einen überaus traurigen Anblick dar. Einzelne Aepfelbäume, welche vorher ganz gesund waren ‚wurden krank, der zweite Trieb kam nur sehr sehwach zum Vorschein, wurde nicht reif und den

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276 Jahres- Bericht

darauf folgenden Winter starben 5 Stück 20 bis 25jährige Bäume ganz ab, während noch mehrere fortkränkeln.

Um dieser Calamität Einhalt zu thun, liess ich von Herrn Lehrer Becker in Jüterbog 10 Pfund seines Brumata-Leimes kommen, vertheilte die Hälfte davon an hiesige Obstgärtenbesitzer, gab denselben die nöthigen Anweisungen dazu und legte am 31. October 1372 um meine sämmtlichen Bäume die Papierringe, welche ich am folgendeu Tage vermittelst eines Pinsels ziemlich stark mit dem genannten Leime bestrich. Schon am ‘Abend desselben Tages hatte ich die Freude zu sehen, dass viele Schmetter- linge an den Ringen klebten, etwa ?/, Männchen und '/;, Weibehen. Am folgenden Abende war der Fang noch reichlicher, so dass an starken Bäumen bis 200 Stück klebten. Am 3. November hatte der Brumataleim schon viel von seiner Klebrigkeit verloren, denn ich bemerkte, dass viele Mäunchen zwar im ersten Augenblick kleben blieben, doch sich oft wieder losmachten und wegflogen, während die Weibchen noch grösstentheils hängen blieben. Den folgenden Tag bestrich ich die Ringe mit frischem Leim und weil derselbe nicht ausreichte, die übrigen mit Theer. Der Fang war ebenso reichlich, ja theilweise besser, da die Hälfte Weibchen da- runter war, ja oft mehr Weibchen als Männchen.

Einen Unterschied zwischen den Bäumen, welche Ringe mit Theer hatten, und denen, welche mit Brumataleim bestrichen waren, habe ich hinsichtlich des Fanges nicht wahrgenommen. An Kleb-Kraft und Dauer ist der Brumataleim aber unbedingt dem Theer überlegen und kann ich ihn nur empfehlen, da derselbe nach dem zweiten Anstrich 3 bis 4 Tage anhielt, während der Theer nur zwei Tage so klebrig blieb, dass kein Inseet darüber hinweg konnte.

Hinsichtlich des Preises stellt das Verhältniss sich aber doch anders. Das Pfund Brumataleim kostete mich mit Porto ete. 17Y, Sgr. Ich verbrauchte das Erstemal zum Bestreichen der Ringe von ca. 190 Bäumen von 1'/, Zoll bis 1%, Fuss Durchmesser 3'/, Pfund Leim, gleich 2 Thlr. 1 Sgr. 3 Pf., während ich für 6 Sgr. Theer ebensoviele Ringe bestreichen konnte; rechne ich nun auch, dass ich diesen alle zwei Tage frisch auf- streichen musste, während der Leim 3 bis 4 Tage anhielt, so ist Letzterer doch zu theuer, um in grösseren Obstgärten und Alleen angewendet zu werden und deshalb der Theer vorzuziehen. Nur muss darauf geachtet werden, dass der Theer nicht über die Streifen herunter läuft, weil sonst die von ihm berührien Stellen leicht brandig werden. Nachtheile für die Bäume habe ich im Uebrigen nicht wahrgenommen, denn obschon ich während des vergangenen Sommers einen Theil der Ringe mit Brumata- Leim und einen andern Theil der mit Theer bestrichenen an den Bäumen liess, so fand ich doch keinen Unterschied und kein Brandigwerden unter den Theerringen.

der Schles. Gesellschaft f. vaterl. Cultur. 377

Die Flugzeit des Frostschmetterlings war vom 1. bis 12. November sehr stark, von da ab liess sie nach und hörte am 20. ganz auf. Ich habe während der Zeit vom 1. bis 9. November ca. 14,000 Schmetter- linge gefangen, davon die Hälfte Weibchen. Letztere hatten bei Unter- suchung mit der Lupe 100 bis 180 Eier, welche, weun ein günstiges Jahr zum Auskommen derselben eingetreten wäre, hingereicht hätten die Bäume vollends zu vernichten. Nach dem 9. November verhinderten mich Ge- schäfte, das Aufstreichen auf die Ringe etc. persönlich zu überwachen; in Folge dessen waren noch eine Menge Weibchen an den Bäumen hin- auf geklettert, welche ihre Eier an die Blattknospen gelegt hatten, des- halb entwickelten sich die jungen Raupen auch in diesem Frühjahr immer- hin noch so reichlich, dass nur Einzelne meiner Obstbäume in voller Blüthe prangten, während die Andern keinen erfreulichen Anblick ge- währten. Glücklicherweise vegetirten die Räupchen nur einige Zeit und starben fast alle ab, ehe noch die Zeit ihrer Verpuppung gekommen war; hauptsächlich mochte wohl der starke Spätfrost hierzu beigetragen haben. Hiernach erholten sich die Bäume recht gut, setzten massenhaft Blüthen- knospen an und liessen ein günstiges Obstjahr hoffen, umsomehr, als ich weder hier noch in der Umgegend im Juli bemerkte, dass sich Raupen des Frostschmetterlings, wie in dem vorangegangenen Jahre an Fäden herunter liessen, was damals so arg war, dass man beim Gehen im Park den Rock mit Raupen ganz übersäet bekam. Auch war im November der Frostschmetterling nur vereinzelt anzutreffen.

Bei dem Abnehmen der Papierringe von den Bäumen fand ich, nament- lich im December 1872 unter denselben in weissem Gespinnst eine Menge gelblich weisser Raupen mit hellbraunem Kopf vor. Herr Lehrer Becker in Jüterbog hält dieselben für „Obstmaden“, diejenigen des Tortrix po- monana, welche sich Ende Juli und im August einspinnen und sehr gern den Schutz unter den Papierringen aufsuchen. Leider habe ich versäumt mir Einige aufzubewahren, um den Schmetterling kennen zu lernen.

Abermals gegen den Sperling. Von

Apotheker Mortimer Scholtz in Jutroschin.

Obwohl der Kreis unseres Vereins nicht zum Ausgleich von Streitig- keiten benutzt werden darf, so muss ich, nur der guten Sache wegen nochmals gegen Monsieur Sperling plaidiren. In dem Jahresbericht unserer

278 "Jahres - Bericht Section pro 1873 findet sich nämlich ein Artikel: „Für den Sperling ete.‘“ in welchem der Herr Autor den Spatz zu seinem Ölienten gemacht hat, und das ist mir Veranlassung einige Irrthümer aufzudecken, welche sich bei seiner Vertheidigung bemerklich machen. Der Herr Autor wolle mir das nicht übelnehmen. | Freilich ist Vieles für und wider den Sperling geschrieben worden und wird noch Vieles geschrieben werden, bis die Abhilfe erreicht ist. Man schreibt dabei aber eigentlich nur im volkswirthschaftlichen Interesse und manch armer Ackerbauer, welcher seine Hirse, seine Gerste durch die Sperlinge deeimirt sieht, würde uns herzlichen Dank für unsere Be- mühungen sagen. Wäre der Sperling ein Insectenfresser reiner Race, so würden wir an unseren Bäumen wenig Raupen, am Weinstock wenig küsselkäfer, an den Rosen wenig Junikäfer bemerken. Der Sperling sucht ihnen keinen ab; er ist nur ein Näscher im strengsten Sinne des Wortes und aus diesem Grunde frisst er einige Rosenblattläuse, weil sie süss schmecken, einige Maikäfer weil sie ihm gerade munden. Ich darf die von dem Herrn Autor des oben bezeichneten Artikels gemachte Beobachtung nicht autasten, erlaube mir aber dennoch darauf hinzudeuten, dass möglicher Weise ein Irrthum vorliegt. Ist es nicht wahrscheinlieher, dass die hinter dem Pfluge herlaufenden Vögel Samen- körner gesucht und gefunden haben, von allerlei Unkraut, welches den Acker im Sommer vorher besäet hatte? Auch ich lebe unter lauter Ackerbesitzern und unter Tausenden von Sperlingen, aber noch niemals hat mir ein Ackersmann die Nützlichkeit des Letzteren, wenn er ackert, geschildert, vielmehr ihn hundert Mal verwünscht. Noch gestern sah ich ein Gerstenfeld, welches trotz Dutzender von Vogelscheuchen so von diesen Spitzbuben verheert wurde, dass der Besitzer sich veraulasst sah, die Gerste halbreif abzumähen. Dass ist überall dasselbe und die That- sache ist unbestreitbar. | Nieht aus Hunger frisst der Sperling Blüthenknospen von Obstbäumen und Beerensträuchern ‚oder ruinirt er Salat- und Erbsenpflanzungen, rein aus Naschhaftigkeit und Uebermuth. Mein Nachbar füttert Jahr aus Jahr ein eine Menge Gänse im Koben und füttert dabei eine gute Anzahl Sperlinge mit; sie lassen es sich am Gänsekoben bei gutem Hafer wohl sein und haben sie sich satt gefressen, so setzen sie sich auf meinie ganz in der Nähe befindlichen Zwergspflaumenbäume und fressen die saftigen Blüthenknospen aus. Das ist nicht Hunger, das ist Feinschmeckerei, aber zum Schaden des Gemeinwohls. Wenn die Sperlinge jenes Herrn Autor hinter dessen Pfluge hergehen, so beweist das vielmehr, dass sie hungrig sind; denn der scheue und vorsichtige Vogel meidet den Menschen, wo er kann, und nur die Noth kann ihn zwingen zutraulich oder vertrauungsvoll zu sein. Es ist wohl möglich, dass er hinter dem Pfluge, wie gesagt wurde, auch einige Salatwürmer und Erdraupen vertilgt hat; ob dieser

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Umstand aber damit in Verbindung zu bringen sei, dass der Nutzen bei den Gemüsepflanzungen sofort in die Augen fiel, bezweifle ich. Vielmehr dürfen wir die Thatsache nicht vergessen, dass seit einigen Jahren die Entwiekelung beider Sorten Inseeten sehr gehemmt gewesen ist, wahr- scheinlich durch klimatische Einflüsse, so dass die Anzahl dieser T'hiere seit einem Jahre überall äusserst gering ist im Vergleich zu ihrem massen- haften Vorkommen in anderen Jahren.

Dass der Sperling andere Vögel in seinem Bereiche nicht gern duldet, ist seinem neidischen, missgönnenden Charakter ganz entsprechend und ebenfalls allgemein bekannte Thatsache. Vor wenigen Wochen beob- achtete ich, wie ein Sperling die jungen Schwalben eines Schwalbennestes aus diesem herauswarf trotz der Gegenwehr der alten Schwalben und dieses selbst bezog. Vor wenigen Tagen sah ich, wie einige Sperlinge

ein Rothschwänzchen erbarınungslos verfolgten. Wer insectenfressende

Vögel in seinem Garten nistend haben will, vertilge den Sperling; nur dann erreicht er seinen Zweck. Ich befehde ihn ohne Unterbrechung und habe die Freude sogar in meinen hochstämmigen Rosen nützliche Vögel ihre Nester bauen zu sehen. Meine Rothschwänzchen sind so zahm, dass man auf wenige Schritte sich ihnen nähern kann und einige Kröten halten mir den Garten von Ungeziefer rein; freilich muss ich fleissig nachhelfen. Gegen alle Arten Mäuse hilft mit Strychnin vergiftetes Getreide.“)

*) Der Unterzeichnete gestattet sich, diesem ihm sehr zusagenden Artikel fol- sendes beizufügen. Eines Versuches halber wurden im September 1874, 820 Weizen- und ebensoviel Roggen-Pflanzen mit wohlgefüllten Aehren mitten unter andere Pflanzen des botanischen Gartens cultivirt, wo es natürlich nicht blos an Samen verschiedener Art, sondern auch nicht an Raupen in den die Felder ein- schliessenden Bäumen und Sträuchern fehlte. Nichts desto weniger wählten sich die Sperlinge allein nur jene Aehren aus und zwar zu meinem Erstaunen so gründlich, dass aber auch nicht ein einziges Korn an diesen, wegen ihrer ge- ringen Menge leicht zu controlirenden, Aehren mehr zu finden war. Die Schluss- folgen überlasse ich zu ziehen, Um aber ein- für allemal mit dieser Frage, über Nutzen oder Schaden des Sperlings zu Ende zu kommen, bleibt nur ein einziger Weg, alle andern Beobachtungen (die meinigen inclusive) führen nicht zum Ziel als alle 14 Tage mindestens ein Paar Sperlinge in ein und derselben Gegend mit gemischter Vegetation, Acker- und Gartenland, zu öffnen, um sich von dem In- halt ihres Magens zu überzeugen, wie auch schon vorgeschlagen aber bisher eon- sequent noch nicht durchgeführt wurde. Dies wird entscheiden was sie zu sich nehmen. | Goeppert.

280 Jahres-Bericht /

Birnenstämmehen aus Stecklingen, resp. Senkern gezogen. Von

Zimmermeister ©. R. Krause.

Früher hatte ich mich mit Roseneultur beschäftigt, ich wollte es aber auch einmal mit der Obsteultur und zwar in Töpfen versuchen. Ich hatte mich unterrichtet, dass zu dieser Cultur für Birnen die Quitte die ge- eignetste Unterlage sei, entnahm daher von einem Gärtner drei Stück dergleichen Ausläufer, welche jedoch nur äusserst wenig Faserwurzeln hatten. Es war dies um die Mitte des Monat Februar, ich verschaffte mir einige Birnreiser, welche ich auf diese Quittenschösslinge copulirte, diese in Töpfe pflanzte und in meinem Arbeitszimmer am Fenster einen jeden mit einem Glase bedeckte; ich hatte die Freude, dass alle drei Copulanten freudig wuchsen und ich im 4. oder 5. Jahre, genau weiss ich es nicht mehr anzugeben, meine Topfbäumchen Früchte tragen sah.

An den Unterlagen fiel mir jedoch auf, dass sie mit den aufgesetzten Reisern gleiche Stärke behielten, was bei richtigen Quittenunterlagen nicht der Fall ist, sondern in der Regel die Unterlagen schwächer bleiben als das aufgesetzte Reis. Ich war daher neugierig zu erfahren, was es doch für eine Unterlage sei und schnitt daher die Veredelung herunter, damit die Unterlage austreiben sollte; dies geschah auch, ich erkannte aber zu- gleich, dass die Unterlage nicht Quitte sei: deshalb pflanzte ich den Stock mit den gemachten Trieben in das Land und senkte dieselben ab, indem ich sie ein paar Mal umdrehte und mit einem Häkchen in die Erde be- festigte. Im nächsten Frühjahr sah ich nach, die eingelegten Triebe hatten einige sehr spärliche Faserwurzeln gemacht; dennoch schnitt ich sie von der alten Pflanze los, topfte den einen ein und setzte ein Edelreis auf,

was auch wuchs. Es ist dies bis jetzt nur ein schwaches Bäumchen ge-

blieben, hatte jedoch im Frühjahr viele Blüthen, die aber erfroren und daher keine Früchte angesetzt haben.

Den andern Steckling resp. Absenker pflanzte ich ins freie Land um zu sehen was daraus werden würde. Im nächsten Frühjahr entwickelte sich zunächst des Wurzelhalses ein recht kräftiger Trieb, ich schnitt alles übrige Holz hinweg und so gestaltete sich aus diesem Triebe ein recht stattliches Bäumchen, dass eine Höhe von 6 m und einen Stammumfang von 23 cm hat. Das Bäumehen kann jetzt 11 bis 12 Jahr alt sein. Im vorigen Jahre entdeckte ich an demselken die ersten Blüthenknospen und zwar in ziemlicher Anzahl, sie blühten im Frühjahr, nur hatte der Frost eine Menge davon zerstört. Im August habe ich davon 8 Früchte geerntet und sind dies nicht Quitten, sondern Birnen.

der Schles. Gesellschaft f. vaterl. Cultur. 281

Es ist demnach der Beweis geliefert, dass es Birnensorten geben muss, welche sich durch Stecklinge vermehren lassen, und dass dies kein Zufall ist, beweist, dass es mir ohne alle Schwierigkeiten und ganz auf dem gewöhnlichen Wege gelungen ist, fünf Reiser zur Bewurzelung zu vermögen.

Das Bäumchen ist schlank, der Wuchs kräftig und pyramidal, an den Zweigen sind jedoch starke Spitzen. Hiernach könnte es den An- schein haben, dass der Urstamm vielleicht ein Sämling war. Die Frucht hat viel Aehnlichkeit mit der Bergamotte, auch gleicht der Geschmack dieser, der Stiel ist lang und dünn und die Frucht etwas gestreckter, die Fär- bung jedoch diejenige der Bergamotte, dagegen das Fleisch nicht so kernig sondern zarter. |

Cultur-Ergebnisse

einiger an Mitglieder der Section vertheilten Gemüsesamen. Von

J. Jettinger, Gärtner der Section.

Wie in dem letzt vorangegangenen Jahre, so waren auch im Jahre 1874 die Klagen über die Witterungsverhältnisse allgemein und um so gerechtfertigter, als in dem weitaus grössten Theile unserer Provinz fast volle drei Monate von Mitte Juni bis Anfang September entweder gar kein Regen oder nur in so geringer Menge fiel, dass für die Pflanzen- welt ein Vortheil daraus nicht entstand. Nicht allein dem Gemüsebau waren diese Verhältnisse nachtheilig, sie berührten den Obstbau ebenfalls. Winterobst, namentlich Aepfel, erreichten ihre normale Grösse nicht, und ein grosser Theil derselben fiel vorzeitig ab; Pflaumen, insbesondere die Hauszwetsche, waren kaum wiederzuerkennen und auch der Geschmack liess zu wünschen übrig.

Nachstehend das Resultat aus den eingegangenen Culturberichten, sowie

. der eigenen Wahrnehmungen der auf dem Versuchsfelde des Seetions-

gartens angebauten Gemüsearten.

A. Blumenkohl. Pariser Salomo. Derselbe wird allgemein ge- lobt, besondere Vorzüge jedoch nicht hervorgehoben.

B. Sprossenkohl. Niedriger Verbesserter. In einem früheren Bericht wurde derselbe bereits erwähnt. Auch diesmal sind ihm die Ur-

9823 Jahres - Bericht theile günstig, nur traten häufigere Klagen über schlechtes Keimen der Samen auf.

C. Winterkohl. 1) Dippe’s feingekrauster niedriger, 2) niedriger krauser Bangholm Beide Sorten werden als sehr zier- liche Pflanzen erwähnt, deren Geschmack jedoch von dem unseres ge- wöhnliehen niedrigen Winter-Braunkohl nicht abweichen soll.

D. Spinat. Grossblättriger flämischer. Wird als eine sehr ertragreiche, zartschmeckende Sorte empfohlen.

E. Salat. Rudolph’s selber früher. Eine ganz gute Sorte, ohne jedoch merkliche Vorzüge oder Abweichungen von schon bekannten

Sorten zu zeigen; eignet sich nur fürs Land.

F. Salatrübe (Beete) Osborn’s schwarzrothe. Ist gut und von mildem Geschmack.

G. Zwiebeln. 1) Silberweisse von Valence. Von zartem, deli- katem Geschmack und ihrer Dauerhaftigkeit wegen sehr zu empfehlen. 2) Amerikanische Wethersfield. Ihrer geringeren Haltbarkeit wegen weniger empfeblenswerth. 3) Neue Bedfordshire Champion. Kann den Liebhabern scharf schmeckender Zwiebeln empfohlen werden.

H. Stangenbohnen. 1) Lederfarbige Riesen aus Japan. Allem Anschein nach scheint dies die früher unter dem Namen „Riesen-Butter aus Japan‘ im Handel gewesene zu sein, die jetzt mit wenig verändertem Namen neu auftaucht; übrigens wird sie empfohlen. 2) Neue cana- dische Express. Dieser Sorte geschah schon im vorjährigen Bericht Erwähnung, ein nochmaliger Anbauversuch lässt sie als ganz werthlos er- scheinen. Dagegen soll auf die Mont d’or und die blauschotige Speckbohne hiermit wiederholt aufmerksam gemacht und diese beiden Sorten empfohlen worden sein. Letztere Sorte gedeiht auch in rauheren Lagen und bringt Ertrag bis Nachtfröste sich einstellen; das Vorurtheil gegen die blave Farbe der Schoten schwindet, sobald man sie erst ein- mal gegessen hat. |

I. Erbsen. Das über die in dem vorjährigen Bericht aufgeführten Sorten ausgesprochene Urtheil bestätigte sich auch bei dem zweiten An- bauversuch vollkommen.

K. Kartoffeln. Die aus Amerika neu eingeführten Kartoffelsorten

sind meist recht werthvoll. Als neuere Einführungen wurden in dem

Garten der Section vorzugsweise angebaut: 1) Extra early Vermont, Sie steht der „Early Rose‘ sehr nahe, ist aber bedeutend früher als diese. 2) Compton’s surprice. Eine blaue Sorte, spät aber von grosser Tragbarkeit. 3) Kopsel’s frühe weisse Rose (Deutsche Züchtung). Gewiss wird sich diese vorzügliche Sorte’ sehr bald bei uns

N

der Schles. Gesellschaft f. vaterl. Cultur. 383

einbürgern. Eine genauere Beschreibung der aufgeführten Sorten und ihrer Charaktere kann füglich an dieser Stelle unterbleiben, weil fast sämmtliche Fachschriften und Preisverzeichnisse genauere Angaben darüber enthalten.

Statistische Notizen

von

dem zeitigen Secretair der Section.

Für die diesjährige unentgeltliche Vertheilung von Sämereien empfehlenswerther Gemüse und Florblumen an Mitglieder zum Versuchs- anbau waren in der Sitzung am 21. Januar 65 Thlr. bewilligt und der Secretair damit und mit deren Beschaffung betraut worden. Denen hierzu aus dem Sectionsgarten entnommenen Samen dort versuchsweise cultivirter Hülsenfrüchte und aus sich früher bewährten Quellen bezogenen Sämereien, hatten in sehr dankenswerth anzuerkennender Weise die resp. Herren Mitglieder: Bürgel, Fölkel-Brieg, Friekinger, Gildner, Gireoud) Grubert, Opitz, Pfeiffer, Riedel, Schlieben-Ratibor, Schneider- Royn, Sehütz-Wettendorf und Teicher-Striegau, auch der Gartenbau- Verein zu Ratibor durch seinen Secretair Herrn Oppler kleinere und grössere Partien einer erheblichen Anzahl zum grossen Theil recht werth- voller Sorten hinzugewidmet, welche der Secretair aus seinem Garten um noch einige vermehrte.

Wie üblich, wurde ein Verzeichniss dieser Sämereien an die Mit- glieder versendet um hiernach deren bezügliche Desiderata zu erfahren. Nach denselben wurden an 114 Mitglieder 1326 Portionen Gemüse- und 2314 Portionen Blumen-Samen, Erstere in 122, Letztere in 199 Sorten ausgegeben; es erforderte aber dieses durch die freundlichen Spenden der Obengenannten sich über alle Erwartung gesteigerte Quantum auch einen um 8 Thlr. 20 Sgr. höheren als den anfänglich dafür bewilligten Kosten- aufwand, wobei noch zu bemerken ist, dass einige Desiderata nicht er- füllt werden konnten, weil bei denselben von den resp. Bestellern über- sehen worden war ihren Namen und Wohnort anzugeben.

Reeht bedauerlich ist, dass den wiederholten Bitten immer noch sehr spärlich nachgekommen wird, die diesen Sämereien beigelegten Schemas zu Berichten über deren Cultur und Werth, genügend sorgfältig ausgefüllt, zurückzusenden. Wird in Berücksichtigung genommen, welchen beträcht-

284 Jahres - Bericht

lichen Aufwand an Geld, Zeit und Mühe diese alljährigen Gratis-Ver- theilungen erfordern, und wie die damit beabsichtigte Gemeinnützlichkeit im wünschenswerthen Maasse nicht erreicht werden kann, Kenntniss darüber zu erlangen und zu verbreiten, welche, namentlich Nutzpflanzen, für be- stimmte Bodenverhältnisse und unter welchen Culturbedingungen zum An- bau besonders empfehlenswerth sind, so wird man zu der Ueberzeugung gelangen müssen, dass, wie im vorigen Jahre schon angedeutet wurde, es besser sei diese Vertheilungen, deren einzelne Posten ihrem käuflichen Werthe nach in der Regel diejenigen eines Jahresbeitrages bei weitem übersteigen, gänzlich einzustellen oder doch seltener vorzunehmen, wenn die resp. Empfänger, die mit der Entbietung der Sämereien zugleich ein- gehende Verbindlichkeit einer solchen Berichterstattung öfters gar nicht, oder nur sehr mangelhaft erfüllen.

Betreffend den Pomologischen und resp. Obstbaumschul- und Versuchsgarten ist an dieser Stelle noch anzuführen:

Als aus demselben verkäufliche Produete wies das im Herbst dieses Jahres ausgegebene Preisverzeichniss nach: Obstwildlinge ver- schiedener Art und unter pomologisch nur richtiger Namensbezeichnung 29 Sorten Aepfel, 32 Sorten Birnen, 45 Sorten Kirschen, 25 Sorten Pflaumen, sowie 25 hier auch in minder günstigen Jahren am Spalier reifender Sorten Wein, 40 Sorten Stachel-, 12 Sorten Johaunis-, 9 Sorten Himbeeren, 3 Sorten Brombeeren, 13 wirklich werthvolle Erdbeersorten und Prunus triloba. i

Verkauft wurden aus demselben im Jahre 1874 ausser Gemüsen, Beerenfrüchten und abgeschnittenen Rosen: rare

4975 Stück Obst-Wildlinge, 3917 Edelstäimmchen von Kern- und Steinobst, 4806 Stück Beerenobst- Sträucher und Pflanzen, 258 Stück Weinreben, 30 Stück Rosa pomifera und 1287 Stück diverse Zier-Bäume und Sträucher

und blieben am Schlusse ‚desselben Jahres im Bestand: ‚eirca 40,000 Wildlinge verschiedener Obstsorten, 21,440 Edel- stämmehen von Kern- und Steinobst, 1550 Beerenobst-Pflanzen, 492 Weinreben, 70 Rosa pomifera und 1213 verschiedene Zier- Bäume und Sträucher,

ausser diesen aber noch als Mutter-Stämme und resp. Pflanzen: 235 Sorten Aepfel, 91 Sorten Birnen, 51 Sorten Pflaumen, 18 Sorten Kirschen, 24 Sorten Weinreben, 25 Sorten Haselnüsse in je ebensoviel Stück und ferner 10 Sorten Himbeeren, 60 Sorten Stachelbeeren, 10 Sorten Johannisbeeren, 6 Sorten Brombeeren und 19 Sorten Erdbeeren.

Zum Bau des Gärtnerhauses hatten in diesem abgelaufenen Jahre an Extra-Beiträgen gütigst eingesendet die Herren: Steiger Bombick in

der Schles. Gesellschaft f. vaterl. Cultur. 2385

Consol. Eisenbahngrube (2. Rate) 1 Thlr., Rittergutsbesitzer Geisler auf Gabersdorf 1 Thr., Domainenpächter Jungfer 5 Thlr., Pfarrer Kluge in Schönfeld 1 Thlr., Kaufmann P. Methner in Landshut 1 Thlr., Geh. Reg.-Rath Freiherr v. Minutoli-Woldek auf Friedersdorf 2 Thlr., Graf Schlabrendorf auf Seppau 10 Thlr., Bäckermeister Schmidt hierselbst 5 Thlr., Obergärtner Schütz in Wettendorf (Ungarn) 2 fl. 26 kr. ] Thlr. 9 Sgr. und Kaufmann Toepffer in Maltsch 1 Thlr., zusammen 28 Thlr. 9 Sgr., wofür denselben der verbindlichste Dank ausgesprochen wird.

Im Jahre 1874 wurden in dem für die hiesigen Mitglieder gegen einen Extra-Beitrag von 1 Thlr. eingerichteten, unter der Leitung des Secretairs stehenden Lesezirkel, welcher 67 Theilnehmer zählte, in Umlauf gesetzt:

16 Berichte von verwandten Vereinen,

23 zum Theil mit vorzüglichen Abbildungen versehene deutsche und fremdländische Zeitschriften gärtnerischen Inhalts,

6 über verschiedene Zweige des Gartenwesens handelnde, kürzlich er- schienene Bücher und Brochüren.

Ein grosser Theil derselben ging im Wege des Schriften-Austausches mit gleichartigen resp. Vereinen und von Redactionen ein, Andere von den Herren Geh. Rath Prof. Dr. Goeppert, Direetor des pomologischen Instituts zu Reutlingen Dr. Ed. Lucas und Landesältesten v. Thielau. An jene ergeht die freundliche Bitte um die Fortsetzung ihrer so iuter- essanten als lehrreichen Zusendungen, welche gern Erwiderung finden werden, während diesen noch besonders verbindlicher Dank für die gütigen Zusendungen ausgesprochen wird.

Die hier nachfolgend verzeichneten, in dem Lesezirkel in Umlauf ge- wesenen Schriften, wurden der Bibliothek der schlesischen Gesellschaft, Abtheilung für Obst- und Gartencultur überwiesen, aus welcher dieselben durch deren Custos Herrn Lothar Becker nach einem besonderen Re- glement zu weiterer Benutzung stehen.

Annalen des Acker- und Gartenbau-Verein im Grossherzogthum Luxem- burg. 19. Jahrg. Luxemburg 1872.

Arboriculture, L’., Revue de Fruitiere, ormementale et forestifiere. Journal spe-

cial de Pomologie et de Dendrologie, ou Recueil des faits et obser-

vations se rapportant a lhistoire, la description et la culture de ve-

getaux ligneux utiles ei d’agrement, propres au Climat de l’Europe

central. Publication mensuelle, edite par l’Etablissement horticole de

Freres Simon-Louis, & Plantieres pres Metz. Jahrg. 1872. Nancy.

Bauernfreund, Der Luxemburger. Kaleuder für Acker- und Gartenbau

für das Jahr 1873. 19. Jahrg. Herausgegeben vom Acker-

286 Jahres - Bericht

und Gartenbau-Verein des Grossherzogthums Luxemburg. Luxem- burg 1873. Blätter, Berliner, für Gärtnerei und Landwirthschaft. Beiblatt zur „Deut- schen Reichs-Offerten-Zeitung“. Redaction von Klar & Thiele. 1. Jahrg. Berlin 1872. Pomologische. Monatschrift für Pomologie, Wein-, Gemüse-, Hopfenbau und Kellerwirthschaft. Redaet. von Karl Horacek. 2. Jahrg. Prag 1872. Deutscher Pomologen-Verein. Rechenschaftsbericht über die Geschäfts- führung des Vereins im Jahre 1872/3. 13. Vereinsjahr. Entstehung, Die, des Parks von Babelsberg. (Extra-Abdruck aus der „Besonderen Beilage‘‘ des Deutschen Reichs- Anzeigers und Königl. Preussischen Staats-Anzeigers.) Berlin 1872.

Flore des Serres et des Jardins de !’ Europe ete., publie et edite par Louis van Houtte. .2. Serie. Grand edition. Tom XIX. Gand 1872/4.

Gärtner-Vereins-Blatt, Deutsches. Organ sämmtlicher Gärtner-Vereine Deutschlands. Herausgegeben von P. Graebner in Ringelheim. 1. Jahrg. Salzgitter 1872.

Garten- und Blumenzeitung, Neue allgemeine Deutsche. Herausgeg. von Ed. Otto. 28. Jahrg. Hamburgs 1872.

Garten-Flora, Monatsschrift für deutsche, schweizerische und russische Garten- und Blumenkunde. Herausgeg. und red. von Dr. Ed. Regel. 21. Jahrg. Erlangen 1872, nebst Beilageheft. Nachtrag zum Ver- zeichniss der botanischen Autoren für Botaniker, Freunde der Pflanzenkunde und Gärtner. Von Carl Salomon. Erlangen 1873.

Gartenschrift, Rheinische. Hauptorgan des Verbandes Rheinischer Garten- bau-Vereine.e Herausges. von dem Gartenbau-Verein für das Grossherzogthum Baden. Red. von Rudolph Noack. 4. Jahrg. Karlsruhe 1872.

Garten-Zeitung, Illustrirte. Eine monatliche Zeitschrift für Gartenbau und Blumenzucht. Herausges. von der Gartenbau-Gesellschaft Flora in Stuttgart. Red. von Lebl. 16. Bd. Stuttgart 1872.

Handbuch, Illustrirtes, der Obstkunde. Herausgeg. von Fr. Jahn, Ed. Lucas, J. G. C. Oberdieck. 8. Band, 2. Lieferung. Aepfel und Birnen. Ravensburg 1873.

Jahrbuch für Pomologen, Gärtner und Gartenfreunde. Herausgeg. vom Pomologischen Institut in Reutlingen durch Dr. Ed. Lucas. Neue Folge des Taschenbuchs für Pomologie. 2. Jahrg. (der ganzen Reihe 12. Jahrg.). Ravensburg 1872.

Jahresbericht des Erzgebirgischen Gartenbauvereins in Chemnitz, 13. für 1872. Chemnitz 1873.

der Schles. Gesellschaft £. vaterl. Cultur. 287

Jahresbericht des Gartenbau-Vereins für Bremen und seine Umgegend, 16. Bremen 1873.

des Gartenbau-Vereins für die Oberlausitz, 11. Görlitz 1872.

Illustration horticole, L’. Revue mensuelle des Serres et des Jardins ete. Pu- bliee sur la direction de J. Linden et red. par Ed. Andre ete. Tom XIX. Bruxelles 1872.

Journal de la Societe centrale d’hortieulture de France. 2. Ser. Tom VI. Paris 1872.

Lucas, Ed., Dr., Die Taxation der hochstämmigen Obstbäume an Strassen, auf Feldern, in Obstgärten. Leipzig 1872.

Die General-Versammlung des deutschen Pomologen-Vereins in Braunschweig 1872.

Magazin, Deutsches, für Garten- und Blumenkunde. Zeitschrift für Garten- und Blumenfreunde und Gärtner. Herausgeg. und red. von Dr. W. Neubert. 25. Jahrg. Stuttgart 1872. -

Mittheilungen der Section für Gartenbau des Landwirthschaftlichen Central- Vereins des Herzogthums Braunschweig. 3. Jahrg. 1872. Braun- schweig 1873.

der Section für Obstbau des Landwirthschaftlichen Central-Vereins des Herzogihums Braunschweig. Red. von Medieinalrath Dr. Engel- brecht. 3. Jahrg. 1873. Braunschweig 1873.

des Landwirthschaftlichen Central-Vereins des Herzogthums Braun- schweig. Herausgeg. von dessen Vorstande, red. von dessen Secretair, Kammer-Commissär Schoenermark. 40. Jahrg. Braun- schweig 1872/3. |

Monatsberiehte der Obst-, Wein- und Gartenbau-Section der k. k. mäh- risch-schlesischen Gesellschaft zur Beförderung des Ackerbaues und der Natur- und Landeskunde. 5. Jahrg. Brünn 1872.

Monatsblatt für Gartenbau in den Herzosthümern Schleswig und Holstein. Jahrg. 1872.

Monatshefte, Illustrirte, für Obst- und Weinbau. Organ des deutschen Pomologen-Vereins. Red. von Oberdieck und Dr. Ed. Lucas. Neue Folge 8. Jahrg. Ravensburg 1872.

Nattermüller, C. A., Referat über die diesjährige Obstausstellung des Thü- inger Gartenbau-Vereins, mit Anknüpfung an die von demselben beschiekte Ausstellung in Braunschweig, sowie über die daselbst abgehaltene VI. Allgemeine Versammlung deutscher Pomologen, Obst- und Weinzüchter. (Separat-Abdruck aus der Gothaer Zei- tung. Gotha 1872.

288 Jahres - Bericht

Peicker, E. R., Vorsteher der Obstbaumschule in Hertwigswalde. An- leitung zum Baumsatz und zur richtigen Auswahl der Obstsorten - als Vorbedingung für einen gewinnreichen Betrieb des Obstbaues. Frankenstein.

Rechenschafts-Bericht über die Thätigkeit der schwäbisch-bayerischen Garteubau- Gesellschaft in Augsburg. Jahrg. 1871 und 1872, Red. vom Schriftführer.

Rümpler, Theodor, Der landwirthschaftliche Obstbau. Kurz gefasste An- leitung zur Wahl, Beschaffung, Pflanzung und Pflege der wirth- schaftlich nützlichen Obstsorten 2. verbesserte Aufl. Berlin 1872.

Schwab, W., Die Obstbaumzucht in Töpfen. Darmstadt.

Verhandlungen der 18. Sitzungsperiode des Königl. Landes-Oeconomie- Collegiums nebst dem Jahresberichte über den Zustand der Landeseultur in Preussen für das Jahr 1871. (Separat-Abdruck aus den landwirthschaftlichen Jahrbüchern 1, 2.) Berlin 1872.

des Vereins für Pomologie und Gartenbau in Meiningen, ent- haltend: die Anpflanzung und Pflege der Obstbäume an freien und an geschützten Lagen mit geeignetem Boden. XVI. Heft. Meiningen 1873.

und Mittheilungen der k. k. Landwirthschafts-Gesellschaft in Wien. Jahrg. 1872. Wien.

Witte, H., Das Blatt. Eine monographische Schilderung des Baues und der Bedeutung desselben. Aus dem holländischen übertragen von A. M. C. Jongkindt-Coninck. Ravensburg 1872.

Wochenschrift des Vereins zur Beförderung des Gartenbaues in den Königl. Preussischen Staaten für Gärtnerei und Pflanzenkunde. Red. von Prof. Dr. Carl Koch. 15. Jahrg. Berlin 1872.

Zeitung, Deutsche Reichsofferten--. Herausgegeben von Klar und Thiele. Berlin 1874.

Ausserdem noch:

Das Obstkabinet von H. Arnoldi in Gotha aus Porzellan-Com- positions-Masse naturgetreu nachgebildeter Obstfrüchte verschie- dener Art. Herausgeg. unter Controlle des Thüringischen Garten- bau-Vereins zu Gotha. 41. uud 42. Lieferung.

der Schles. Gesellschaft f. vaterl. Oultur.

Primo Jauuar 1874 zählte die Section für

289

Hiesige. Auswärtige. Summa.

und schieden dagegen, grössten Theils durch oda re ee das rn

Es blieben daher Ende Decbr. 1874 Bestand

Von diesen sind als Mitglieder der Schle- sischen Gesellschaft beitragsfrei........... und zahlen zur Unterhaltung des Pomolo- gischen und resp. Obstbaumschul- und Ver- suchs-Gartens gütige Extra-Beiträge.......

116 278 394,

3 27 30, 119 305 424.

6 23 29. 113 282 395. 41 10 51 42 152 194.

19

Allgemeine Uebersicht der

meteorologischen Beobachtungen auf der königlichen Universitäts-Sternwarte zu Breslau |

im Jahre 18714.

Höhe des Barometers 453,62 Pariser Fuss über dem Ostseespiegel bei Swinemünde.

I. Barometerstand, II. Temperatur 1874. redueirt auf Reaumur, der Luft in Graden, nach in Pariser Linien. Reaumur. 5 ® a 8 Monat. 5 2 s ‚& E =] = =] E 5 = 5) ES I = = S = S = Seal ae = Januar 32: 7 1338.27 | 27 1827,80 13833“,29 [21 | + 7°%6 | 10 | -— 99,6 | + 0°,18 Februar ....[11| 337,76 | 8| 324,93 | 332,90 |17 + 60 | 3| 10,7 |— 0,40 Milz 3| 340,16 |20| 325,21 | 333,20 [28| + 13,6 |16|— 7,1|-+ 1,79 Anl 28| 335,21 \11 | 326,14 | 330,72 |22| + 17,9 |28| 08 |+ 704 Mal. 31 0333,55 | 9 325.04 | 35046 131 | z ısı 812 08 | 72 an 2. a| 335,76 |29 328,41 | 33273 | 2| + 245 14| x 39 + 13,40 me 9| 334,86 |30| 328,38 | 332,37 121) + 259 | 1|+ 9,4 | + 16,64 August ..... 20| 336,22 | 6| 328,13 | 331,86 [14 + 24,5 |28| + 45 |-+ 13,08 September..|15| 336,54 112) 327,37 | 3322,81 | 3, + 25,4 |15| + 42 | + 13,47 October ....|26| 337,16 | 3| 325,60 | 332,72 | 1 + 20,1 1291 0,5 |+ 8,58 November ..| 8| 338,06 |20| 323,58 | ssı51ı |s | + za lı5|— 81 |-+ 050 December ..|28| 336,42 | 9| 322.06 | 329,10 | 1 + 711/281 98 Ne 1.11 Jain! 2.0.0.8. 340‘.16 322.06 1331,98] | 25°,9 10°,7 | + 5°,90

399 Jahres- Bericht

Juli; 4| 787|19| 2,08)°4,61| 24 |100 2019| 60 August...| 4| 6,00|25| 1,25| 4,02] 18 |100)25|25| 67 September|17 | 5,63| 6| 242| 3,94 ıı | 94 3126| 65

III. Feuchtigkeit der Luft. IV. Wolken-

1874. a. Dunstdruck, b. Dunstsättigung, Baulıng und in Pariser Linien. in Procenten. Niederschläge.

= {eb} 5 2 © A= - > - = o R=| . | 151% |5)|5 2512| 8|8|3 3 585 Monat. IS | = = = = 3: |s|12121=7.2 |3| eIisce | 881.8: 48) | alles} seen Aa ER ERS Eu ne he) Lehe Z2&

| Tage. 15 Februar ...|17| 2,44\10) 0,45| 1,70] 4mall 1001 10 |54| 86] 6| 8| 14| 12,12 März... .* 30| 3.28) 4| 0,80| 1,79] 6mall 1002629] 75| 9| 6| 16| 20,08 April... 25| 4,64|28| 1,37) 2,83|| 4mall 100| 24 |34| 76] 4| 8| 18| 25,19 Mai 30) 52314) 1,05) 2,61] 2mall 1001 35,29|66| 9) 7| 15| 15,40 Juni 3| 720,12) 1,84) 3,86 16 | 99 9|28| 62| 15) 7| 8! 32,69 9|

Januar ...|20) 3,05 | 10] 0%,74 | 1,74 ı8 |100|27 | 54 : 10| 3) 18) 3454

October ..|19| 4,8622! 1,69) 3,1211mal 100) 7|26| 74| 14 11| 12,92 November| 8| 3,27|15| 0,92] 1,8614mal 100,11 |51| 88 19| 12,57 December | 1| 2,60/)28| 0,71) 1,59|| Small 100 7151| 88 | 25 36,38 Jahr ..... Immg7) |0445 | 281 1001 | 19 174,2] 105 187 | 173 Ias54478

V. Herrschende Winde.

Januar. Vorherrschend W und SW, nächstdem O und SO. Als mittlere z

Richtung ergab sich SW.

Februar. Am häufigsten W, dann NO und SO; mittlere Riehtung WSW.

März. Von den Winden wehte am häufigsten W, dann O, SO, NW. Mittlere Richtung WSW.

April. Vorherrschend war WNW; nächst W und NW wehten am häu- figsten NO und SO. Mittlere Richtung NW.

Mai. Nächst NW wehten am häufigsten W, NO und O. Mittlere Riech- tung NNW.

Juni. Der Wind wehte nahezu gleich oft aus SO und W, dann am häu- figsten aus NW. Mittlere Richtung WNW.

Juli. Am häufigsten SO, nächstdem NW, N, W, NO und fast während des ganzen Monats mit geringer Stärke, so dass die berechnete mittlere Richtung NO nur mit einem sehr geringen Uebergewicht nach dieser Seite hin sich ergab.

der Schles. Gesellschaft £. vaterl. Cultur. 393

August. Vorherrschend W, dann NW und SW. Mittlere Richtung W.

September. Am häufigsten SO und SW, nächstdem W, 8, SW. Mittlere Richtung SSW.

October. Stark überwiegend SO, dann am häufigsten W, SW, S. Mittlere Richtung 8.

November. Vorherrschend NW und W, dann SO, oft auch $ und SW.

| Mittlere Richtung WSW.

December. Vorherrschende Richtungen waren W, NW, SW besonders . in der Zeit des anhaltenden Schneefalles, sonst auch oft SO und O0. Mittlere Richtung SW.

VI. Witterungs- Charakter.

Januar. Luftdruck und Wärme über dem Mittel, mit starken Schwan- kungen; sehr wenig Niederschläge, namentlich noch immer wenig Schnee.

Februar. Bis zum 18. westliche Winde, dann eine Woche NO, später SO. Schnee fiel etwas reichlicher als in den vorhergehenden Monaten, war jedoch nicht lange andauernd. Gesammtbetrag der Niederschläge normal.

März. Luftdruck hoch, besonders in der ersten Woche, dann wieder- holte starke Schwankungen; ebenso auch starke Temperatur- Schwankungen. Gegen Ende des Monats viele Regenschauer und stürmisch. Die Niederschläge überstiegen den Mittelwerth; vom 1l. bis 15. noch ziemlich viel Schnee.

April. Luftdruck niedriger, Wärme und Feuchtigkeit jedoch höher als im Mittel; die Temperatur sank in den letzten 4 Tagen sehr tief (in 2 Nächten etwas unter den Gefrierpunkt) unter häufigen Regen-, Schnee- und Graupel-Schauern.

Mai. Ungewöhnlich kalt, noch am 16., 17., 18. Schnee, wodurch die Entwickelung der Vegetation sehr verspätet wurde. Auch der Luftdruck war vorwiegend niedrig. Quantum der Niederschläge unter dem Mittel.

Juni. Viel heiteres Wetter, Luftdruck hoch und wenig schwankend. Wenig Feuchtigkeit und anfangs auch wenig Niederschläge, erst in der Nacht vom 29. zum 30. fiel ein starker Gewitterregen (2, Zoll Regenhöhe), der die Regenmenge des ganzen Monats über den Durchschnittswerth brachte.

Juli. Einer der schönsten, wärmsten und stetigsten Sommermonate, die’ seit einer langen Reihe von Jahren hier vorgekommen sind, jedoch trocken. Barometer und Thermometer wenig schwankend. Starker Regen (1!/, Zoll Regenhöhe) in der Nacht vom 24. zum 25. Dunstdruck normal.

20

294 Jahres - Bericht /

August. Die Wärme unter dem Mittel bei unbeständigem Wetter, häufige 3

Regenschauer, an einigen Tagen mit Graupeln; das Quantum der- Niederschläge blieb jedoch unter dem Mittel.

September. Sehr warm (+ 25°%4 am 3., gegen Ende des Monats an 7 Tagen noch über 20°) und trocken bei heiterem Wetter, Luft- druck etwas schwankend, jedoch meist über dem Mittelwerthe.

October. Gleichfalls warm und trocken, erst in der letzten Woche ge- ringere Wärme und nebliges Wetter. Luftdruck unter Schwan- kungen etwas über dem Mittelwerthe. Die Höhe der Nieder- schläge erreichte durch einen Gewitterregen am 3. den normalen - Werth.

November. Wärme unter dem Mittel bei meist trübem nebligen Wetter. Luftdruck in den ersten 9 Tagen hoch, dann fast immer tief. Die Feuchtigkeit der Luft war über, das Quantum der Nieder- schläge jedoch unter dem Mittel. Vom 12. ab sgrösstentheils Schnee, der sich nicht erheblich ansammelte. Am 15., dem Tage des Maximums der ‚Kälte, sehr starker Rauhreif, auch sonst des Morgens oft Reif und starker Nebel.

December. Sehr tiefer Barometerstand und ungewöhnlich starker Schnee- fall, der fast während der ganzen zweiten Hälfte des Monats an- dauerte und ein Quantum des Niederschlags ergab, wie es sonst nur in den Sommermonaten vorzukommen pflegt. Temperatur normal. Fast stetig trübes Wetter. In der Zeit des starken Schneefalles bei NW reicher Ozon-Gehalt der Luft, der während des Herbstes sehr gering gewesen war.

Druck von Grass, Barth & Comp. (W. Friedrich) in Breslau.

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