W: | H 2 De en re Su - #;, N : ? eu Wi > Vihrary of ibe Museum OF COMPARATIVE ZOÖLOGY, AT HARVARD COLLEGE, CAMBRIDGE, MASS. N SR ps RN nN The sift of o A { I Vodar - | enklihka Kar | 1} No. en \/NOax. 50, [X ] [23 Fünfundsechzigster Jahres-Bericht der Schlesischen Gesellschaft für vaterländische Oultur. Bent Et den Generalbericht über die Arbeiten und Veränderungen der Gesellschaft im Jahre 1887. nn — — " un are ee Breslau. G. P. Aderholz’ Buchhandlung, BB, $ jr * > ’ N a e 8:4 on RK NCH Y / en x D) steloalleae IN & 5 44 R A R has aid ih Inhalt des 65. Jahres-Berichtes. Seite Allgemeiner Bericht über die Verhältnisse und die Wirksamkeit der Gesellschaft im Jahre 1837, abgestattet vom General-Secretair, Staats- EEE EHEN ERCHHE LENZ NE RE ee NN. I ea Eniüthek hen naeh nee IX Bericht des Schatzmeisters über den Kassenabschluss pro 1887 ............ XI Verzeichniss sämmtlicher Mitglieder der Schlesischen Gesellschaft für die BER uon, 1888 Und SRG erlernen ae series nen Xu Heidenhain, Gedächtnissrede zur Feier des hundertjährigen Geburtstages DL N eek Brei Seller 1 Bericht über die dritte Wanderversammlung (Neisse) der Schlesischen Ge- I A ee ERS 16 Bericht über die Thätigkeit der einzelnen Seetionen. I. Medieinische Section. Alexander: Ueber Fischvergiftung mit Vorstellung von Kranken......... 49 Asch und Weinhold: Demonstrationen neuer Instrumente und Apparate. 91 Asch: Demonstration (exstirpirte Milz)......--.......---eceencereenenen- 78 Biondi: Ueber die Entwickelung der Samenfäden beim Menschen .......- 39 —— Demonstration von Gehirnpräparaten ........ zr.see-ereeeeneeeerenn 56 — Ueber eine neue Methode der mikroskopischen Untersuchung des Blutes 74 — Ueber die Art der Vermehrung von weissen Blutkörperchen bei Leu- Bensichene. Aunaleen: BB NE slasseiis m ssaline ee se a). Born: Ueber die Furchung des Eies bei Doppelbildungen ..............+- 79 — Mittheilungen über Definirebenen ...............»....srereeenennenn 90 Filehne: Ueber die local-anästhesirende Wirkung von Benzoylderivaten. 33 Fischer: Demonstrationen (carcinomatöse Geschwulst, einige Fälle von Deus,wua: wa ad lee re orte. 95 Inhalts-Verzeichniss. Seite Fritsch: Demonstrationen (Uterus mit Myomen, Uterus von einem Kaiser- SCHWER). ee 52 Heidenhain: Ueber Resorption von Wasser im Dünndarm .............. 35 — Zur Physiologie der Schleimhäute des Dünndarms .................- 98 Hirt: Ueber Symptomalogie und Therapie der Hysterie .................. 56 Kaufmann: Demonstration von einem grossen Myom des Uterus, einem STOSSEN. SiLuspraparatı 2 Very ee 51 — Demonstration von einem frischen Fall hochgradiger Syphilis des Schädels. un. ara nn er a NE Be De EEE 52 Lubarsch: Ueber die neueren Arbeiten über Thrombose................ 50 Maxtell: Zur Rherapie der Eungentubereuloser 2 2 pre ee 52. 91 - Neisser: Ueber die neuesten Fortschritte in der Syphilistherapie......... 38 — Ueber einen merkwürdigen Haarausfall bei einer Hysterischen........ 57 — Zur Kenntniss der antibacteriellen Wirkung des Jodoforms........... 57 Ponfick: Demonstration einer Geschwulst mit den Merkmalen von Fibro- Adenoma... cr ee rn ee ee: N ER de ou han, 38 — Ueber die neueren Untersuchungen bezüglich des Zustandekommens der Vergiftungssymptome nach dem Genusse von Kali oder Natron ehloricum: 2 a2 MIEIPIRIEDIEN „RL EARIDERTETERREN ISETEDENSIFERIEREN REEUEEE 52 Riegner: Exstirpation einer wandernden Gystenniere...............22... 60 — Ueber Lithotripsie in einer Sitzung (Litholapaxie) nach Bigelow...... 67 Röhmann: Ueber Secretion und Resorption im Dünndarm............... 73 — Ueber die Zusammensetzung des Blutes in verschiedenen Gefäss- PLOVINZEN A: nee ER OO 93 Rosenfeld: Ueber Stoffwechselbeobachtungen ................ccecce2.o. 66 — Veber'die'Diasnoserdes Djabetes nn... un 2 Aus ee 95 Steinschneider: Ueber den Sitz der gonorrhoischen Infection beim Weibe 49 Wernicke: Ueber einen Fall von progressiver Muskelatrophie ........... 53 — Vorstellung eines 57jährigen Kranken mit Paraparese der Unter- extremitäten und Lähmung mit Atrophie umschriebener Muskelgebiete an. beiden Armen... 22 ne ee ee Re DA II. Section für öffentliche Gesundheitspflege. Gohn: Notizen über Schulhygiene in Constantinopel..................... 100 Förster: Ueber ein Prismen-System zur besseren Beleuchtung ........... 99 Simm: Ueber Schulhygiene bei epidemischen Erkrankungen............... 99 III. Naturwissenschaftliche Section. Althans: Ueber physikalische Versuche an einem Gasometer ............ 107 — Ueber Glacial-Erscheinungen in der Gegend von Strehlen............ 230 — Interessantes Vorkommen olivinreichen Basaltes ........cccccccucen. 253 Inhalts-Verzeichniss. \ E Seite Auerbach: Zur Klarstellung des Elastieitätsbegriffes .................... 132 e BiymamaelektrischeöVersucher ar. SESTEUTEB, BEDA Sn WII, 22: 183 Gürich: Fragmente schwarzen Turmalins aus Afrika .......... 2... 230 — Kreideversteinerungen aus Südwest-Afrika ............2...2ccr222... 921 — Vorlegung von paläontologischen Neuigkeiten aus Oberschlesien ..... 292 — Ueber recente und fossile Gonchylien von Mossamedes, Südwest- EI FREE UI EEE ER RER INS EIS SIAN. 246 Hintze: Ueber krystallographische Untersuchung der Brom- und Chlor- Additionsproducte von Kohlenwasserstoffen der Terpengruppe........ 211 — Ueber künstlichen Magnesiaglimmer................. Be 215 — Ueber Auffindung von Zinkblende als Drusenmineral im Striegauer ARE Arztes Sec 239 Jolles: Ueber maassanalytische Methode zur Bestimmung des Mangans... 150 EEE BEREIHEAEEHEIN. -.% are warn ee een une el 100 Eebeber das fette Oel. der Hirsefrucht....-..........un e20u un caneae 181 Kosmann: Ueber das Vorkommen eines als Bogheadkohle zu bezeichnenden Becaasehieferssinsdet. ach N la ir alh-2 195 = Weber krystallisirte Thomasschlacken. un... 2.2.1.0 2.02. 196 — Ueber Hydratisirung der unorganischen chemischen Verbindungen und die Constitution der wasserhaltigen Mineralien ...........cssr2222... 200 — Neuere Aufschlüsse über das Vorkommen der Chromeisenerze in Nieder- Be aa an a RD BEER RE RENT I 298 — Neuere Untersuchungen über die Verbreitung des Vanadins .......:... 232 — Geschliffene Marmorplatten aus Vilmar a. d. Lahn und von Seitenberg Bew Wandeck:.s4204r.302020:: BORWRREIEHN Rah SIE AEER RD, 236 — Ueber die Ursachen der Iso- und Dimorphie im Anschluss an den Wassergehalt der Mineralien und anorganischen Salze............... 937 — Jrisirende Kalkspathkrystalle aus Niederschlesien .............-:..... 951 Kunisch: Ueber die zwei jüngsten Tiefbohrungen von Breslau..........- 253 — Ueber das sparsame Vorkommen von Galeit-Krystallen im oberschlesi- En A Te ge ER NINE BGRDRSEN OL 954 Meyer: "Zum Gedächtniss an Gustav Kirchhoff................22.. 00... 172 — Ueber die Bestimmung der inneren Reibung einer Flüssigkeit........ 173 Poleck: Ueber Zucker, Formose, Saecharin u. S. W........--....s.n.20:0» 103 — Ueber das Vergilben des Papiers und den Nachweis von Holzschliff.. 129 — Vorlegung der Elemente Germanium und Gallium ........-....r..r.: 151 — Chemische Analyse der Wilhelmsquelle in Obersalzbrunn...........- 152 — Ueber die flüchtigen Bestandtheile der Wurzel und des Wurzelstockes von. Asarum euröpaeum - .: WE. DNS DI VERD AMIIDERNISEN 156 — Ueber die chemische Natur des ätherischen Oels von Asarum canadense 167 — Ueber die Fabrik ätherischer Oele von Schimmel u. Co. in Leipzig .. 190 — Vorlegung von ostindischer Chinarinde................... SRNERNIRTIZ Inhalts-Verzeichniss. Seite Poleck: Tropfstein aus chemisch reinem kohlensauren Kalke ............ . 230 Richter: Ueber eine neue chromogene Atomgruppirung..s...... zcrere.- 176 Römer: Krystalle von Sylvin, Stufen von Tarnowitzit, Auffindung von Pro- triton petrolei, Rhinoceros tichorhinus bei Trebnitz ................. 194 — Geologische Ergebnisse eines Bohrloches in Proskau OS............- 199 — Geologische Ergebnisse einer Tiefbohrung bei Schladebach unweit Mersebürs..n. referat NIE LEER 199 — Schwefelkrystalle von Truskawice in Galizien. ...........e22eceeecr- 200 — Ein neues Vorkommen devonischer Gesteine auf der Westseite des polnischen Jurazuges.. ua... Anus ee 233 — Ueber den Meteoritenfall bei Djati-Pengilon auf Java................ 934 Weber: Ueber die Theorie des Bunsen’schen Photometers ..............- 108 — Ueber Gewitter-Erscheinungen und Blitzschutz ...................... 138 Werner: Ueber Essigäther, welcher Amylalkohol, Fuselöl, enthielt ....... 129 IV. Botanische Section. Gohn: Ueber die physikalischen Eigenschaften des Tabaschir ..........-. 258 — Vorlegung von Scribner, Report on the fungus........... a TE 964 — +Weber Mandrasora gadasiıss-B. saaktsnragrn. 190: grukzkerbrii Saat 285 — Bericht über die Enthüllungsfeier der Göppert’schen Büste auf der Breslauer»Promenade x: sah ara a ash Men Akt Jans 305 Engler: Ueber die Flora’ der. Insel Socotra.. ........ur.2c02. u .usnreehilee 264 Fiek: Resultate der Durchforschung der schles. Phanerogamenflora (18357) 309 Hieronymus: Ueber Tephrosia heterantha Griseh. ................-....- 255 — Ueber einige Algen des Riesengebirges... . .....\.....2....Jeobisiänk edel. 293 v. Krassnow: Versuch einer Entwickelungsgeschichte der Pflanzenwelt im ‚entral-Thian-Schan - eidsatekercns Best Hakan 300 Limpricht: Ueber Th. Gümbel’s Beiträge zur Entwickelungsgeschichte der Laubmoose: Hr: „ie PA 2 Rate BE TE N ACRR SBRE = 258 Pax: Ueber die Blüthenbildung der Gapparidaceae.................rere- 265 Schröter: Beiträge zur Kenntniss der nordischen Pilze ................. 266 Sonntag: Ueber die Diatomeen der Umgegend von Wüste-Waltersdorf:... 958 Stenzel: ı DebersOderhölzer.. m... sen 2 u ee 297 Stein: Ueber Flechten vom Congo und aus dem Orient und über Stro- phanthus Bedienii 3... nr aasneee e 965 V.. Entomologische Section. Letzner: Ueber die Verwandlungsgeschichte des Otiorhynchus sulcatus F. 340 — Metallbraun gefärbte Arten von Anthaxia.....u.=zr.222e es ene une. 344 77 „Rhinoneus ‚albieinetus ‚bei: Liegnitzi.;. ol antall- aduelnndb- ei sale. 344 — Sylvanus frumentarius aus Sämereien von Palermo. ..............:.- 344 —- Zugänge zur schlesischen Goleoptern-Fauna (1887) ».......20.msss00.: 344 Inhalts-Verzeichniss. Seite VI. Geographische Section. Galle: Biographische Mittheilungen über den Physiker Chladni........... 347 — Allgemeine Uebersicht der meteorologischen Beobachtungen auf der Universitäts-Sternwarte zu Breslau (1887) .............2..2.2222220... 348 Partsch: Ueber die Fortschritte der geographischen Erforschung Griechen- Kane um letzien® Jahrzehniesn. en I A 346 VII. Archäologische Section. Schmarsow: Ueber ein im Nationalmuseum zu Florenz befindliches Hoch- BELLE TEA Eee A NE DER A N en ee 353 VII. Section für Staats- und Rechtswissenschaften. Heinsius: Rückblicke auf die ersten Gütertarife der Oberschlesischen Eisen- DE N 0 a 398 Honigmann: Ueber die Wohnungsfrage mit specieller Berücksichtigung ELTERN SEE EN SER ARE 359 IX. Section für Obst- und Gartenbau. Stein: Bericht über die Verhandlungen (1887) :............--reeresse.0. 361 Nekrologe der im Jahre 18837 verstorbenen Mitglieder der Schlesischen Ge- Ballsckhast fir waterländische Gultur... ar rs.o..2 202. enden nanen 395 i F KR: 20 hal AN I; Alsdal: nöksen of a an 9 e BEN ED vr reR öhetch) Sarlmaı Erle ab b hoc, Kogon] Kaglı NIBL, Eu ER knolß 1 eu N One 2 YA OBEN Hanlc: rn, vol ae Dia: EN A SEEN EI Er laonft gi inewnael ae il ” B ta doetın. arlostortt nsrldaidgeraead Tan KEN R MOTOR sıiearaale ij: kubı m ii RIREN ST h Sn p: ara u... Beh zseithananuk nnkbeuanlnolich mine el 1 rherkar BEL ee a da Diane aa ‚sonst ein, deiloi ai 5 ala Hook Din rad Er: m 3 ar u saw er aa W wökkhe! al i atadO Aoh Slkiwlrellig) naleie oh in. A AR el Sr RI RAT MER Ah R 7 SntolHstardität), sur a ai ON. ih sol) se ER ann: Ba “ r RGE Dr ee en ne ‚bi a a ia a sNchhE Bu N KENSE Tel a ENDET: MORE Rn £ Allgemeiner Bericht über die Verhältnisse und die Wirksamkeit der Gesellschaft im Jahre 1887, abgestattet in der allgemeinen Versammlung am 19. December 1887 von Staatsanwalt von Vechtritz, z. Z. Generad-Secretair. Die Schlesische Gesellschaft für vaterländische Cultur hat auch in dem zweiten Jahre der nunmehr abgelaufenen Etatsperiode unter der Leitung ihres verehrten Präses, Geh. Medieinalrathes Professor Dr. Heidenhain in althergebrachter Weise fortgewirkt auf dem Gebiete der Wissenschaft überhaupt und in gemeinnütziger Thätigkeit für die heimathliche Provinz. Sie und insbesondere das Präsidium erlitt einen schmerzlichen Verlust durch das am 13. Januar d. J. erfolgte Ableben des Directors der städtischen Töchterschule Dr. phil. Hermann Luchs, eines Mannes, der sich als Forscher auf dem Gebiete der Schlesischen Geschichte und Alterthumskunde, vor allem als Begründer des Museums Schlesischer Alterthüimer um unsere Schlesische Heimath und die Wissenschaft die hervorragendsten Verdienste erworben hat. Die Gesellschaft erlitt einen weiteren schmerzlichen Verlust durch das Ableben des Pastor em. Dr. Schimmelpfennig, welcher in der Zeit vom 1. Juli 1879 bis Ende des vorigen Jahres das Amt des Bibliothekars der Gesellschaft mit treuer Sorgfalt verwaltet hat und allen, welche die Gesellschaftsbibliothek be- nützten, durch sein freundliches Entgegenkommen lieb und werth ge- worden ist. . Ausserdem verlor die Gesellschaft durch den Tod nachstehende Mitglieder: Kaufmann Gustav Bock, Kaufmann Albert Pfeiffer, Amtsgerichtsrath Gomille, Sanitäts-Rath Dr. med. Hirschfeld, Dr. med. Langendorf, Kaufmann Moritz Tietze, Dr. med. Wolff, Sanitätsrath Dr. med. Friedländer, Professor Dr. pbil. Kambly, 1887. a II Jahres - Bericht Pastor em. Löschke, Forstmeister Gericke, Banquier Oppenheim, Geh. Sanitätsrath Dr. med. Blümner, Apotheker Hoffmann, Gebeimer Regierungsrath Frhr. von Rottenberg und Kreisgerichtsrath a. D. von Treutler. Dagegen wurden im Jahre 1887 als wirkliche Mitglieder neu aufge- nommen die Herren: Dr. med. Reinkober, Professor Dr. phil. Schäfer, Professor Dr. phil. Eduard Meyer, Ober-Regierungsrath Dr. Heinsius, Professor Dr. von Miaskowski, Commerzienraih J. Kauffmann, Professor Dr. med. Flügge, Professor Dr. Hintze, Sanitätsrath Dr. med. Meyer, Dr. med. Wolffberg, Stadtbaurath Plüddemann, Land-Bau- inspector Walthausen, Staatsanwalt Nentwig, Rentier J. Hirschel, Apothekenbesitzer Fritsch, Banquier von Wallenberg-Pachaly, Kaufmann $S. Kaufmann, Hofjuwelier E. Somme6, Director Dr. phil. Neefe, Gerichts- Assessor Dr. jur. Keil, Kaufmannn Ed. Gradenwitz, Kaufmann Albert Jaffe, Fabrikbesitzer J. Manasse, Kaufmann S. Haber, Regierungsrath Frank, Rechtsanwalt Dr. jur. Honigmann, Kaufmann A. Guttmann, Partieulier Hermann Schultze, Senats- präsident Rocholl, Fabrikbesitzer J. Paulsen, Professor Dr. Frhr. von Stengel, Gerichts-Assessor Franz Werther, Stadtrath Georg Martius, Banquier Ignatz Bruck, Kaufmann Karl Rosenthal, Apotheker Oscar Reymann, Hoflieferant J. Grosspietsch, Dr. phil. Neustadt, Regierungsrath König, Regierungsrath a. D. Director Guttmann, Kaufmann J. Schlesinger, Banquier Albert Holz, Kaufmann Adolf Friedenthal, sämmtlich in Breslau; Dr. phil. Jäkel in Strassburg i./E. und Gymnasial-Oberlehrer Dr. Fiebig in Beuthen OS. Die Zahl der Mitglieder der Gesellschaft stellt sich gegenwärtig auf: 327 wirkliche einheimische, 96 wirkliche auswärtige, 33 Ehrenmitglieder und 158 eorrespondirende Mitglieder. Unsere Section für Obst- und Gartenbau zählt für sich: 64 ein- heimische und 179 auswärtige Mitglieder. Nachdem auf Grund des Beschlusses in der Generalversammlung vom 28. April 1885 unter dem 15. Juni 1886 zwischen der Schlesisehen Gesellschaft für vaterländische Cultur und der Königlichen und Universitäts- bibliothek ein Vertrag dahin abgeschlossen worden war, dass die Gesell- schaft die ihr gehörige Bibliothek auf die Zeit von 10 Jahren unter Wahrung ihres Eigenthumsrechtes der Königl. und Universitätsbibliothek mit der Befugniss, die Bücher während der angegebenen Zeit gleich den eigenen zu behandeln und zu benützen, überlässt, wogegen die Kgl. und Universitätsbibliothek sich verpflichtete, die Gesellschaftssehriften gleich ihren eigenen aufzubewahren, zu catalogisiren und wenn nöthig der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. II binden zu lassen, hat die Ueberführung der Bibliothek der Gesellschaft in die Räume der Königl. und Universitätsbibliothek in den ersten Monaten d. J. stattgefunden. Den Mitgliedern der Gesellschaft ist in diesem Vertrage das Recht eingeräumt worden, wenn sie sich als solche ausweisen, die Bücher der Königl. und Universitätsbibliothek ohne Bürgschaft zu entleihen. Am 26. October d. J. fand in den Gesellschaftsräumen eine Ver- sammlung von Mitgliedern derselben und solcher Herren, welche der- selben beitraten, zu dem Behufe statt, eine Section der Gesellschaft für Staatswissenschaften ins Leben zu rufen, Die Section wurde unter dem Namen „Section für Staats- und Rechtswissenschaften‘ gegründet und zu Secretairen dieser Section wurden die Herren Professor Dr. von Miaskowski, Professor Dr. Freiherr von Stengel, Senatspräsident Rocholl und Landgerichts-Direetor Witte gewählt. An Stelle des verstorbenen Herrn Rudolf von Uechtritz wurde Herr Dr. Pax zum Custos der naturwissenschaftlichen Sammlungen gewählt. — In diesem Jahre und zwar am 19. Juni 1887 ist eine Wanderver- sammlung der Schlesischen Gesellschaft für vaterländische Cultur in Neisse abgehalten worden. Herr Geh. Medieinalrath Professor Dr. Biermer sprach unter allseitigem Interesse über die Oertel’sche Behandlungs- methode. Herr Sanitätsrath Dr. Grempler skizzirte die Aufgabe der prähistorischen Forschung und wies an der Hand des Sacrauer Fundes ihre Bedeutung, speeiell für Schlesien, nach. Herr Professor Ferdinand Cohn sprach über die Verkieselung der Cautorinde und über die Aetio- logie der Malaria. Herr Professor Schneider sprach über die durch Nematoden besonders an unseren Culturpflanzen hervorgerufenen Pflanzen- krankheiten. Herr Professor Dr. Hirt entwickelte die Möglichkeit, die Rückenmarksehwindsucht zu heilen, wenn die Behandlung früh genug eingeleitet wird. Herr Professor Dr. Hermann Cohn demonstrirte eine Modell-Sammlung von Schulbänken, welche nach den Beschreibungen und Zeichnungen von Herrn Gymnasial-lehrer Ludwig Baron angefertigt worden sind. Er empfahl mit grossem Nachdruck besonders für Breslau die Anstellung von Schulärzten. Allgemeine Versammlungen sind im Jahre 1887 einschliesslich der heutigen deren zwei abgehalten worden. Am 17. December d. J., dem hundertjährigen Gedenktage des um die Wissenschaft und unsere Gesell- schaft hochverdienten Gelehrten, Professor Dr. Purkinje hielt der Präses der Gesellschaft, Herr Geh. Medieinalrath Professor Dr. Heidenhain dem Andenken dieses Gelehrten vor dessen lorbeerbekränztem Bilde die Gedächtnissrede. Im Jahre 1887 ist seitens der Schlesischen Gesellschaft für vater- ländische Cultur der vierundsechszigste Jahresbericht und als Ergänzungs- a* IV Jahres - Bericht satz zu demselben: „Zacharias Allerts Tagebuch aus dem Jahre 1627, herausgegeben von Dr. Julius Krebs‘ veröffentlicht worden. Die Rech- nung für das Jahr 1887 ist von unserem Cassirer, Herrn Stadtrath Bülow gelegt und ist demselben nach vorgängiger Revision Decharge ertheilt worden. Ueber die Thätigkeit der einzelnen Sectionen haben die Herren Sections-Secretaire folgendes berichtet: Die medieinische Section (Secretaire: Geh. Medieinal-Rath Prof. Dr. Fritsch und Medicinal-Rath Prof. Dr. Ponfick) hat 18 Sitzungen gehalten und zwar am 14. Januar, 28. Januar, 12. Fe- bruar, 19. Februar, 1. April, 21. April, 29. April, 13. Mai, 27. Mai, 10. Juni, 24. Juni, 15. Juli, 29. Juli, 5. August, 4. November, 25. No- vember, 9. December und 15. December. Originalvorträge haben gehalten die Herren: Filehne, Heiden- hain, Biondi, Ponfick, Neisser, Alexander, Steinschneider, Lubartsch, Kaufmann, Fritsch, Martell, Wernicke, Hirt, Rieger, Rosenfeld, Röhmann, Born, Asch, Fischer. Am 9. Deeember wurden für die Etatsperiode 1887/88 die Herren Ponfiek und Fritsch wieder zu Secretairen gewählt. Die Section für öffentliche Gesundheitspflege (Seeretaire: Geh. Medicinalrath Professor Dr. Biermer, Professor Dr. Förster und Bezirks-Physikus Dr. Jacobi) hatte im Jahre 1887 zwei Sitzungen: In der ersten Sitzung vom 18. November sprach Herr Dr. med. Simm „über Schulhygiene bei epidemischen Erkrankungen.“ In der zweiten Sitzung vom 16. December machte Herr Geheimer Medicinalrath Professor Dr. Förster eine kurze Mittheilung über bessere Erleuchtung von Zimmern durch Prismen-Systeme. Sodann sprach Herr Professor Dr. H, Cohn ‚über Scehulhygiene in Constantinopel.“ Zum Schluss fand die Wahl der Secretaire für die nächste Periode statt, wo- bei die bisherigen durch Acelamation wiedergewählt wurden. | Naturwissenschaftliche Section. (Seeretaire: Geh. Bergrath Prof. Dr. Römer und Geh. Regierungsrath Prof. Dr. Poleck.) Die Section hat sich im Jahre 1887 neunmal versammelt und sind nachstehende Vorträge gehalten worden: 1) Sitzung am 12. Januar: Geheimer Bergrath Professor Dr. Römer über neue schlesische mineralogische und paläontologische Funde. — der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. V Privatdocent Dr. Kosmann über Vorkommen von Boghead - Kohle im Kohlenrevier von Neurode, — Dr, Kassner über Laetueerin und Pani- col. — Dr. Kunisch über den Granatenfund auf der Dominsel. 2) Sitzung am 16. Februar: Geheimer Bergrath Professor Dr. Römer über Tiefbohrung bei Proskau und Merseburg und über die Ozokerit-Gruben in Galizien. — Geheimer Rath Professor Dr. Poleck über Zucker, Formose, Saecharin und analoge Verbindungen. — Geheimer Bergrath Althans über physikalische Versuche zur Aufklärung einiger dunklen Punkte auf aerodynamischem und meteorologischen Gebiete. — Professor Dr. L. Weber über die Theorie des Bunsen’schen Photo- meters, 3) Sitzung am 23, März: Apotheker Werner über die Prüfung des Essigaethers. — Privatdocent Dr. Kosmann über Hydratisirung che- mischer Verbindungen und die Constitution der wasserhaltigen Mineralien. — Professor Dr. Hintze über die erystallographischen Verhältnisse der Chlor- und Bromadditionsproducte der Terpene, über Tabashir, über künstlichen Magnesiaglimmer und über die Faltungstheorie der Gebirge. — Privatdocent Dr. Gürich geologische Mittheilungen über Südwest- Afrika. — Geheimer Rath Professor Dr. Poleck über das Vergilben des Papiers und Nachweis von Holzschliff in demselben nach Dr. Wurster. 4) Sitzung am 11. Mai: Privatdocent Dr. F. Auerbach über den Begriff der Elastieität. — Professor Dr. L. Weber über Blitzableiter. — Geheimer Rath Professor Dr. Poleck über das aetherische Oel von Asarum europaeum. 5) Sitzung am 9. Juni: Dr. Jolles über die massanalytische Be- stimmung des Mangans. — Professor Dr. Hintze über Zinkblende. — Privatdocent Dr. Gürich über einige neue palaeontologische Funde aus Oberschlesien, — Privatdocent Dr. Kosmann über den Chromeisenstein von Grochau bei Frankenstein. — Geheimer Rath Professor Dr. Poleck über die Analyse der Wilhelmsquelle in Obersalzbrunn und über Ger- manium und Gallium, 6) Sitzung am 27. Juli: Professor Dr. L. Weber über einige neue physikalische Apparate. — Geheimer Rath Professor Dr. Poleck über den Kalksinter eines Breslauer Springbrunnens und über Asarumöl. — Geheimer Bergrath Althans über Glacialerscheinungen in der Gegend von Strehlen. — Dr. von Chrustschoff über ein von ihm entdecktes neues Metall Russium. — Privatdocent Dr. Kosmann über die Ver- breitung des Vanadins. 7) Sitzung am 19. October: Geheimer Rath Professor Dr. Römer über ein neues Vorkommen devonischer Gesteine auf der Westseite des Polnischen Jurazuges und über einen neuen Meteoriten. — Privatdocent VI Jahres - Bericht Dr. Kosmann über den Marmor von Seitenberg bei Landeck. -—— Pro- fessor Dr. von Richter über eine neue chromogene Atomgruppirung. 8) Sitzung am 16. November: Privatdocent Dr. Kosmann über Umlagerung im Molecül durch Aufnahme von Wasser. — Professor Dr. Hintze über einige neue schlesische Mineralien. — Privatdocent Dr. Gürich über die geologischen Verhältnisse von Mossamedes in Südwest- Afrika. — Dr. Kassner über das fette Oel der Hirsefrucht. — Geheim- rath Professor Dr. Poleck über die Fabrik ätherischer - Oele von Schimmel & Co. in Leipzig und über deutsches Rosenöl. 9) Sitzung am 14. December: Geheimrath Professor Dr. Römer über neue schlesiche palaeontologische Funde. — Geheimer Rath Pro- fessor Dr. Poleck über die künstliche Darstellung von Borneo-Campher, Cumarin, Helitropinedi und über die Chinarinden-Culturen in Java und Ostindien. — Privatdocent Dr. Auerbach über die kritische Touren- zahl bei dynamo-electrischen Maschinen. — Privatdocent Dr. Kosmann Beobachtungen an Kalkspaterystallen. — Geheimer Bergrath Althans Beobachtungen am Basalt aus der Gegend von Langenöls. — Dr. Kunisch über Tiefbohrungen in Breslau und Kalkspaterystalle im Muschelkalk von Oberschlesien. — Generalagent Langenhan über den Unterkiefer eines fossilen Sauriers aus dem unteren Muschelkalk von Gosolin. Die botanische Section (Seeretair: Professor Dr. Ferdinand Cohn) hat im Jahre 1887 neun Sitzungen gehalten; es trugen vor die Herren: Direetor der agricultur-botanischen und Samencontrollstation Dr. Eidam: Ueber Krankheiten der Runkelrüben; über Coemansia spiralis; über neue Brendel’sche Modelle; Professor Dr. Engler: Ueber die Flora der Insel Soeotra; über die Flora des Herrero- und Damaralandes; Vorlage der Araceae exsie- catae et illustratae und anderer floristischer Werke; Apotheker Fiek (Hirschberg): Neue Beiträge zur Schlesischen Pha- nerogamenflora aus dem Jahre 1886; Professor Dr. Hieronymus: Ueber dimorphe Blüthen aus Süd- amerika; zwei neue Algen des Riesengebirges; A. von Krasnow (St. Petersburg): Geobotanische Erforschung der Hochalpenflora des Central-Thian-Schan; Lehrer an der höheren Bürgerschule G. Limpricht: Beiträge zur Anatomie der Laubmoose; über neue schlesische Laubmoose; Privatdocent Dr. Pax: Ueber Blüthenmorphologie der Capparida- ceae; über orientalische Acerarten; über grönländische Pflanzen; Oberstabsarzt Dr. Schröter: über arktische Pilze; der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. VII Apotheker Sonntag (Wüste-Waltersdorf): Ueber die Diatomaceen- Flora. des Eulengebirges; Professor Dr. Stenzel: Ueber Oderhölzer; Kgl. Garteninspector B. Stein: über die von Ledien am Congo und von Bornmüller im Orient gesammelten Flechten; über Strophan- thus Ledienii; Der Secretair der Section: über die physikalischen Bigenschaften des Tabaschir; über Knollen von Rquisetum palustre aus Grönland; über Mandragora. Bei der am 8. December stattgefundenen Wahl wurde für die Etats- zeit 1883/89 der bisherige Secretair wiedergewählt. Die entomologische Section (Secretair;: Rector emer. K. Letzner) hat sich in dem abgelaufenen Jahre 13587 wegen Krankheit des Secretairs nur zu 3 Sitzungen versammelt, in denen die Vorträge von dem Secretair gehalten wurden, über die der ausführliche Bericht das Nähere ent- halten wird. Die geographische Section (Seeretair: Geh. Reg.-Rath Professor Dr. Galle) hat im Jahre 1887 eine Sitzung am 30. November gehalten. In der- selben hielt Herr Professor Dr. Partsch einen Vortrag über die Fort- schritte der Erforschung Griechenlands im letzten Jahrzehnt. Der Secretair der Section machte einige biographische Mittheilungen über den Physiker Chladni, seine Reisen und sein Lebensende hier in Breslau. Für die neue Etatszeit wurde der bisherige Secretair wiedergewählt. Die archäologische Section (Seeretair: Professor Dr. Schmarsow) hat im Jahre 1887 eine Sitzung am 27. Januar gehalten. In derselben hielt der Secretair der Section Herr Professor Dr. Schmarsow einen Vortrag über die Entwiekelung und Gesetze der Reliefkunst, Die historische Section (Seeretair: Director Professor Dr. Reimann) hat im Jahre 1837 folgende Sitzungen gehalten: 1) Herr Gymnasial- und Religionslehrer Dr. Sprotte: Wanderungen in Palästina, 2) Herr Professor Dr. Caro: Ueber das Verhältniss der Persönlich- keit Machiavellis zu seinen Schriften, VIII Jahres- Bericht 3) Herr Arechivar Dr. Pfotenhauer: Nicolaus von Popplau als Reisender und Diplomat. : 4) Herr Geheimer Rath Professor Dr. Grünhagen: Die ersten Preusser in Glogau und Breslau 1741. 5) Der Seeretair: Ueber die Stellung Friedrichs des Grossen zu den Rittergutsbesitzern und dem Landvolk. 6) Der Secretair: Ueber Friedrichs des Grossen Bestrebungen zur Hebung der Industrie seiner Länder. 7) Herr Geheimer Rath Professor Dr. Grünhagen: Der kleine Krieg in Schlesien im Sommer 1741 und die Besetzung Breslaus durch die Preussen. 8) Der Seeretair: Friedrich der Grosse und sein Generaldirectorium im Streit über Monopol und Schutzzoll. 9) Herr Geheimer Rath Professor Dr. Grünhagen:; 1. Biographische Skizze des Ministers von Reden, des Begründers des oberschlesischen Bergbaues. 2. Oesterreichische Anschläge auf Breslau und Schweidnitz im Sommer 1741 nach Mittheilungen aus dem Wiener Reichs-Kriegs- Archive. Abgedruckt sind Nr. 3 in der Allgemeinen Deutschen Biographie, Nr. 4, 7, 9 in der Schlesischen Zeitung; Nr. 5, 6, 8 bilden Abschnitte aus dem Ende des Jahres 1887 erschienenen zweiten Bande der Neueren Geschichte des Preussischen Staates von E. Reimann, Breslau, den 26. October 1887. In Folge der in der Anlage beiliegenden Einladung zu einer vor- läufigen Besprechung bezw. zur Constituirung einer Section der Schle- sischen vaterländischen Gesellschaft für Staatswissenschaften hatten sich im Local der Gesellschaft eine grössere Anzahl von Herren eingefunden. Dieselben wurden von Herrn Professor Dr. von Miaskowski be- grüsst und mit dem Zwecke der Versammlung des Näheren bekannt ge- macht. Auf Vorschlag des Herrn Geheimen Commerzienraths Heimann wurde Herr Professor Dr. von Miaskowski zum Vorsitzenden der Ver- sammlung gewählt. Derselbe ernannte den Unterzeichneten zum Schrift- führer und eröffnete die Generaldiseussion über die Bildung der Section. Es äusserten sich Herr Landgerichts-Direetor Witte, Herr Geheimer Medieinalrath Professor Dr. Biermer, Herr Staatsanwalt von Uechtritz- Steinkirch, Herr Amtsgerichtsrath Dr, Lunge, Herr Regierungsrath Frank, Herr Regierungsrath Hermann, Herr Freiherr Professor Dr. von Stengel. Auf Antrag des Herrn Amtsgerichtsraths Dr. Lunge wurde be- schlossen, der zu gründenden Section den Namen „Section für Staats- und Rechtswissenschaften‘‘ zu geben, der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur, IX Eine Anzahl der Erschienenen erklärte durch Einzeichnung in die beiliegende Liste ihren Beitritt als Mitglieder der Section. Der Vorsitzende erklärte die Section für constituirt. Es wurde beschlossen, vier Secretaire der Section zu wählen. Es wurden die Herren Professor Dr. von Miaskowski, Professor Freiherr Dr. von Stengel, Senatspräsident Rocholl, Landgerichtsdirector Witte zu Seeretairen gewählt. Dieselben nahmen die Wahl an. Es wurde ferner beschlossen, dass die Section sich je nach dem Er- messen der Secretaire alle 14 Tage oder alle 4 Wochen versammeln soll. Die Bestimmung des Tages und der Stunde bleibt den Secretairen überlassen. Bei jeder Versammlung soll ein wissenschaftlicher Vortrag gehalten werden, an diesen sich eine Discussion knüpfen und durch ein Resume des jeweiligen Vorsitzenden abgeschlossen werden. Die Sitzungen der Section sollen durch die Presse unter gleichmässiger Berücksichtigung aller Richtungen bekannt gemacht werden, Hierauf wurde die Versammlung von dem Vorsitzenden geschlossen. V. Ww, 0. Dr, Miaskowski, _ Dr. Honigmann, Professor, Rechtsanwalt. “Die Section für Obst- und Gartenbau (Seeretair: Königl. Garten-Inspector B. Stein) hat im Jahre 1887 neun Sitzungen abgehalten, in welchen die Vorträge theils von dem Secretair, theils von den Mitgliedern Richter, Sutter, Schütze und Schmidt gehalten wurden. Gewählt wurden für die nächsten zwei Jahre als Secretair: Garten- inspector B, Stein, als Stellvertreter: Landschaftsgärtner Richter. Bericht über die Bibliothek. Nachdem am Schlusse des Jahres 1886 die Ueberführung der gesammten Bücher-Sammlungen der Schlesischen Gesellschaft, gemäss dem Vertrage vom 15. Juni 1886, in die Räume der Königlichen und Universitäts - Bibliothek vollendet war, verblieben in den Localen der Schlesischen Gesellschaft ausser 6 Mappen Bach’scher Zeichnungen und den meteorologischen Beobachtungen aus der Provinz Schlesien von Büchern nur eine vollständige Reihe der von der Schlesischen Gesell- schaft herausgegebenen Schriften und die dazu gehörigen Doubletten. x Jahres - Bericht Letztere Bestände sind, abgesehen von einigen wenigen Schriften, immer noch zahlreich genug, um im Tausch oder im Kauf einzeln oder in ziemlich geschlossenen Reihen abgegeben werden zu können. Die im Laufe des Jahres 1887 eingegangene Litteratur wurde gebucht und an vier Terminen von der Königlichen und Universitäts - Bibliothek durch deren Vertreter, Herrn Dr. Dorsch, gegen Empfangsbescheinigung übernommen. Es wurden übergeben: am 13. April 1887 Nr. 1—-203, am 6. Juni 1887 Nr. 204— 361, am 28. September 1837 Nr. 362 — 456 und am 2. Februar 1888 Nr. 457 —611 des Verzeichnisses. Da jedoch unter einer Nummer oft verschiedene Bände derselben Gesellschaft gebucht und die im Laufe des Jahres zugesendeten akademischen Schriften (insgesammt 1129) nicht einzeln eingetragen, sondern jeder Universität nur nach der Stückzahl zugeschrieben wurden, so beziffert sich der Zuwachs für die Bibliothek während des verflossenen Jahres auf ca. 2000 einzelne Bände und Hefte. In ganz erfreulicher Weise hat sich in diesem Jahre der Schriften- austausch gehoben; denn es sind demselben nachstehende Gesellschaften neu beigetreten: Aachener Geschichtsverein in Aachen, Königl. Preuss. geologische Landesanstalt und Bergakademie in Berlin, ; Königl. Preuss. meteorologisches Institut in Berlin, Physiologische Gesellschaft in Berlin, Verein für Naturwissenschaft zu Braunschweig, Academia National di ciencias in Cordoba (Amerika), Royal Physical Society of Edinburgh, Verein für Geschichte und Alterthümer der Grafschaft Mansfeld zu Eisleben, Soeiete des naturalistes in Kiew, Medieinisch -naturwissenschaftliche Section des Siebenbürgischen Museum- Vereins in Klausenburg, Verein für Erdkunde in Leipzig, Gesellschaft für Morphologie und Physiologie in München, College of Medieine, Imperial University, Tokyo (Japan), Tromsö-Museum in Tromsö, Naturwissenschaftlicher Verein des Harzes in Wernigerode. Demnach unterhält gegenwärtig die Schlesische Gesellschaft mit 330 Gesellschaften (Akademien, Universitäten, Vereinen etc.), wovon 176 dem Deutschen Reiche, 45 Oesterreich- Ungarn, 87 dem übrigen Europa und 22 den aussereuropäischen Erdtheilen angehören, einen regelmässigen Schriftenaustausch. Als Geschenkgeber haben sich im verflossenen Jahre um die Bibliothek verdient gemacht: der Magistrat zu Breslau und die Kassen-Abschluss für das Jahr 1857. Ist eingenommen Separatkasse der Section für Obst- und Gartenbau. |ngccien Baar | 2 NM A Einnahme. rn a ea An Bestand aus dem Jahre 1886 . 22900 614 | 35 „ Mitglieder-Beiträgen: von 41 einheimischen Mitgliedern & 3 #M 1233 .M — % „ 164 auswärtigen 3 DE, an 5. ka '„ Beiträgen für den Lesezirkel: von 26 Mitgliedern & 3 M. | 0 — 73 — „ Einnahme für den Garten und Erträgnisse desselben: | Extra-Beiträge zur Unterhaltung des Gartens: von 23 hiesigen Mitgliedern 98 M — % 9 94 auswärtigen „ N i Erträgnisse des Gartens: | für Edelobstbäume, Sträucher, Weinreben 4476 NM 63 „ verschiedene Garten- Produete BU BD AO — 5147 | 48 „„ Subventionen: von dem Schlesischen Provinzial-Landtage . — 1650 — „» Zinsen von Effeeten und div. Zins-Eingänge. \üge | — 22900) 9036 | 83 Separatkasse der Section für Obst- und Gartenbau. Ausgabe. Für den Lesezirkel: Ist verausgabt Journale und Bücher. 195 M — % Colportage . ; IS Buchbinderarbeit ed Behaordihada ; Son or „„ Sämereien zur Gratis-Vertheilung: Sämereien, Empfangs- und Versendungs-Spesen. „ Insgemein: Porto . 109 M 25 % Insertions- und Druekleosien, Aloe Ealr: Angeschafite Werke . A105 Kleine Ausgaben 356 „ 95 Extraordinaria AI „ den Garten: Gärtnergehalte, Heizung und Beleuchtung . . 1640 HM 38 A) Arbeitslöhne . 2890 ld Dunsstoffe incl. Aabrlahne 380m, aulann; Sämereien, Obst-Wildlinge, Euler, mm und Pflanzen . = 2230:,,000:: Baulichkeiten und Oben iten 2200027280 Porto und Extraordinaria. 682 210 Kassen-Bestand für das-Jahr 1838 Effecten Baar M M u — 339 | 50 n 341 | 40 — 0 11992055 _ 6814| 98 232900 5838| 60 22900 | 9036 | 83 Stein, z. Z. Seceretair der Section. Kassen-A bschluss für das Jahr 185857. Ist eingekommen Allgemeine Kasse. Effecten Einnahme, a An Bestand aus dem vorigen Jahre . 40900 An Zinsen von Effecten . _ An Beiträgen einheimischer Mitglieder: Pro I. Semester von 275 Mitgliedern & 9 M. . 45 M —% el, ” „294 > I . 2646 „ — , An Beiträgen auswärtiger Mitglieder: Von 97 Mitgliedern . = Miethsbeitrag vom Schlesischen Gewerbe-Verein. an 55 „ klassischen Musik-Verein -— 2 von verschiedenen Vereinen etc. — Jahres-Beitrag vom hiesigen Magistrat . Sr Aussergewöhnliche Einnahmen: Eialnabenubzungg Se ee DTM Verkaufte Drucksachen u. s. w. 1157,, 609.5 Erstattete Auslagen . EV erinin . Valuta für zur Rückzahlung gelooste Oberschlesische Prioritäts - Obli- gationen. i au — Vorschuss . er 40900 Baar A 144 383 300, 9369 % 45 45 96 46 Effecten Baar Ausgabe. HM N, Für Vorschuss aus dem Jahre 1886 . A — 1702 | 48 »„ Miethe einschliesslich Wassergseld. . . . . BET a a | 2100 „ Honorare und Remunerationen 5 — 300 | — Gchaltlzdem- Gastellanstund. Bension = 1300 | — » Neujahrsgeschenk dem Haushälter . — a = „ Heizung. —_ 302 | 69 „ Beleuchtung . — 392 | 92 iS beach hing der Mobilien und Nerankehefiungen u re — 389 | 60 „ Feuerversicherungs- Prämie . _ 26 | — aschreibmatenalteng ee Mu en — 69| — „ Zeitungs-Annoncen — 114 80 » Druckkosten . : — 2249 | 06 „ Buchbinder-Arbeiten . — Lan 38 es ortor i —- 148 | 46 „ Kleine Aussahen I — 131 | 50 „ Naturwissenschaftliche Slehon, 5 EAU REDEN — 35 , 40 „a Bntomolosischessection 1. 2 2... er — 5 | 80 „ Archäologische Section — 5 | 80 „„ Botanische Section — 63 | 75 »„„ Medieinische Section — 44 | 20 Su blyotenischesse@tionn a. 2. ne. —_ 11 | 80 „„ Geographische Section. — 5 | 60 „ Staatswissenschaftliche Section . — 6 80 „ Historische Section . na — 2535| — „ ablioines. an.» 1 er ee a ir a2 | = .„ Unvorhergesehene Auseıhen i I — 511 | 42 „ Zur Rückzahlung gezogene Obsrechlesische Eee Oak . |. 300 u Bestand am Schlusse des Jahres 1887. _ — | — 16000 # 4% cons. Preuss. Anleihe. 5100 4 4% Niederschl.-Märk. Eisenbahn-Prioritäts-Obligationen. 6000 M 31, % Preussische Staatsanleihe. 2700 M 3 % Oberschl. Eisenb.-Prioritäts-Oblig. Lit, E. 2400 M 4% 1. 5 5: Jill 7500 M 4% 55 0 bin (er 600 MH 31,% Prämien-Anleihe. 300 „JL Schlesische Bankvereins-Antheile. 4060| — | — 40900 | 9869 | 46 Ist verausgabt Allgemeine Kasse. Bülow, z. Z. Schatzmeister der Gesellschaft. t u R ye u | | | er nn AIRES. | Er = ; “2 SEELE rl Eh 00€ adsense ss f 2 5 rn. AN Se asllehwenh 9 toi 4 ® . Me een eisrlarenl oh gbhadaardat! £ ERi;:, eg Re mar € ' rn sis Vader undosrastdar. > in heat) arbeiten. + R Bone. adsiladöwsgrawsuh! Etat der Einnahmen und Ausgaben der Alljneinen Kasse für die Jahre 1888 und 1889. Einnahmen. Mark. Ausgraben. Mark. ZmSEnsvonsRllecten en here Ira EIS e a 2260 Beiträge: IS =Hionorare und Remunerationenn... se a, 300 a. Einheimische: 300 a 18 Mark ...... INS ZGehalt dem2 Kastellansımdabension 1300 b. Auswärtige: 95 & 6 Mark... ...... INFE @Neujahrsseschenkoe.,.... An... et ee 9 Jahresbeitrag des Magistrats ..........-v-2onrscoreennnnn : Vreletlemungs Materialen... euer 300 Miethen: VE Beleuchtung. pe una a a erg Masern: 300 OMA SIE tat ee VII. | Unterhaltung der Mobilien, Neu-Anschaffungen ........... 20 - Schlesischen Gewerbe-Verein ....... NA HletersViersicherunes Pramiersa. zer A ee egrer. 30 - verschiedenen Vereinen............ 1X | Schreibmaterialien.#- Sa Men. BU RR ESEL KOT BE 80 Aussergewöhnliche, Einnahmen... uns o.ece.. Bea EZeitunes Annoncen er ee 400 RM Druckkosten E28: PR. een eelie. ine Meelen: Sa 2300 KiezBuchbinderarbeiten.. er en mn ER IR NE 200 SKONTITRBE STROM er a a eg 200 XIV. |; KleinesAuslageny Barssanlene em oh. Serker Jar Bom! 100 NOZeı Bürsdiverser SecHonene ee 150 RO2BaleBıbliotei eure. 5 22.20 a a a a 80 RI | AUnyorhergesehener Ausgaben . u. ur re ee ee 321 Summa der Einnahme Summa der Ausgabe 8850 Breslau, den Juni 1888, Das Präsidium der Schlesischen Gellschaft für vaterländische Cultur. Heidenhain, Biermer, v. Ufiritz, Witte, Bülow, Präses. Vice-Präses. G#-Secr. zweiter Gen.-Secr. Schatzmeister. NR VRADE Kr e agb en at Peer der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. XI Herren: Direetor Dr. Conwentz in Danzig, Freiherr von Fircks in Berlin, Geheimrath Professor Dr, Galle in Breslau, Dr. Honig- mann in Breslau, Regierungsrath Krönig in Breslau, Verlagsbuch- händler Max Müller in Breslau, Professor Dr. Penzig in Genua, Director E. Regel in Petersburg, Professor Schübeler in Christiania, Friedrich Siemens in Berlin und Dr. Zacharias in Hirschberg. Den gütigen Gebern sei hiermit im Namen der Schlesischen Gesellschaft der wärmste Dank abgestattet. G. Limpricht, Bibliothekar. Bericht über den Kassen-Abschluss pro 1887. Am Schluss des Jahres 1886 war vorhanden ein Bestand von Effeeten im Nominal-Werthe von 40 900 Mark, dagegen ein Vorschuss in Höhe von 1702 Mark 48 Pf., so dass das Vermögen bestand in 39197 Mark 52 Pf. Im Laufe des Jahres 1887 erreichten die Einnahmen eine Höhe von 9869 Mark 46 Pf. einschliesslich eines Kosten- Vorschusses von 89 Mark 56 Pf., die Ausgaben dagegen die Summe von 9869 Mark 46 Pf. und von 300 Mark aus dem Effecten-Bestande in Folge ge- schehener Verloosung von 300 Mark Oberschlesischer 4proc. Prioritäts- Obligationen zur Baarzahlung am 1. Januar 1887. Somit ergiebt sich, dass am Schluss des Jahres 1887 vorhanden war ein Bestand von Effecten im Nominal- Werthe von 40 600 Mark, hiervon ist abzusetzen der Kosten- Vorschuss von 89 Mark 56 Pf., so dass also am 31. De- cember 1887 40510 Mark 44 Pf, als Kapital - Vermögen verbleibt und hat sich dasselbe gegen das Vorjahr um 1312 Mark 92 Pf. ver- mehrt. Breslau, den 18. März 1888. Bülow, z. 7. Schatzmeister. XI Jahres - Bericht Verzeichniss sämmtlicher Mitglieder der Schlesischen Gesellschaft für vaterländische Cultur. Für die Etatszeit von 1888 und 18839. Die römischen Ziffern hinter den Namen bezeichnen die Sectionen (I. die medi- einische, II. die hygienische, III, die naturwissenschaftliche, IV. die botanische, V. die entomologische VI, die geographische, VII. die historische, VIII. die archäo- logische, IX. die musikalische, X, die Section für Staats- und Rechtswissenschaft, denen die betreffenden Herren beigetreten sind. Die Sitzungen der einzelnen Sectionen werden jedesmal durch die Zeitungen bekannt gemacht; übrigens haben nach $ 5 der Statuten alle Mitglieder der Gesellschaft das Recht, an denselben theilzunehmen. Präsidium der Gesellschaft. A. Vollziehender Ausschuss. Herr Geheimer Medieinal-Rath, Professor, Direetor des physiologischen Instituts, Dr. med. Heidenhain, Präses. — Geheimer Medieinalrath, Direetor der medicinischen Klinik und Poli- klinik, Professor Dr. med. Biermer, Vice-Präses, — Staats-Anwalt v. Uechtritz, General-Secretair. — Landgerichts-Direetor E. Witte, zweiter General-Secretair. — Commerzienrath und Stadtrath Paul Bülow, Schatzmeister. B. Directoren. Herr Cohn, Ferdinand, Dr. phil., Geheimer Regierungsrath, Professor, Director des botanischen Museums. — Förster, Dr. med., Geh. Mediecinalrath und Professor, Director der ophthalmiatrischen Klinik. — Grünhagen, Dr. phil., Geheimer Archiv-Rath und Professor. — v. Korn, H., Stadtrath und Buchhändler. — Löwig, Dr. phil., Geheimer Regierungs-Rath, Professor, Direetor des chemischen Laboratoriums, Herr Herr der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. RI. Poleck, Dr. phil., Geh. Regierungs-Rath, Professor, Direetor des pharmaceutischen Instituts, Rosenbaum, F. W., Commerzienrath, Handelsrichter und Kauf. mann, Schmidt, Ober-Regierungs-Rath a. D. Traube, Moritz, Dr. phil. et med. Weber, General-Major z. D. C. Secretaire der Sectionen. Biermer, Dr. med., Geh. Medieinalrath und Professor, I. Secretair der hygienischen Section, Cohn, Ferd., Dr. phil., Geheimer Regierunssrath, Professor, Secretair der botanischen Section. Förster, Dr. med., Geh. Medieinalrath und Professor, Director der ophthalmiatrischen Klinik, II. Secretair der hygienischen Section. Fritsch, Dr. med., Geh. Medicinalrath u. Professor, Secretair der medieinischen Section. Galle, Dr, phil., Geh. Regierungs-Rath, Professor, Director der Sternwarte, Secretair der geographischen Section. Jacobi, Dr. med., Privat-Docent und Königl. Bezirks-Physikus von Breslau, III. Secretair der hygienischen Section. Letzner, K., Reetor emer., Secretair der entomologischen Section. v. Miaskowski, Dr., Professor, Secretair der Section für Staats- und Rechtswissenschaft. Peiper, Dr., Gymnasial-Oberlehrer, Secretair der philologischen Section. Poleck, Dr., Geh. Regierungs-Rath und Professor, Direetor des pharmaceutischen Instituts, II. Seeretair der naturwissenschaft- lichen Section. Ponfick, Dr. med., Medieinalrath und Professor, Direetor des patho- logischen Instituts, Seeretair der medieinischen Section. Reimann, Dr. phil., Professor, Director des Realgymnasiums zum heiligen Geist, Seeretair der historischen Section. Rocholl, Oberlandesgerichts-Senats-Präsident, Seeretair der Section für Staats- und Rechtswissenschaft. Römer, Dr. phil., Geheimer Bergrath, Professor, Director des mineralogischen Museums der Universität, I. Seeretair der natur- wissenschaftlichen Seetion. Schäffer, Julius, Dr. phil., Königl. Professor und Musikdirector, Secretair der musikalischen Section, i Schmarsow, Dr. phil., Professor, Seeretair der archäologischen Section. XIV Jahres - Bericht Herr Freiherr v. Stenge!, Dr., Professor, Secretair der Section für Staats- und Rechtswissenschaft. — Stein, B., Inspector des Königl. botanischen Gartens, Secretair der Section für Obst- und Gartenbau. — Witte, Landgerichts - Director, Secretair der Section für Staats- und Rechtswissenschaft. D. Für die Bibliothek und die Museen. Herr Galle, Dr. phil., Geh. Regierungs-Rath, Professor. — Limpricht, Lehrer an der höheren Bürgerschule. Custos der Bi- bliothek. — Pax, Dr. phil., Privat-Docent, Custos der Herbarien und der natur- wissenschaftlichen Sammlungen. Die Bibliothek und die Museen sind jeden Mittwoch von 3—5 Uhr Nachmittags geöffnet. A: Wirkliche einheimische Mitglieder. 1. Herr Alexander, Dr. med. I. II. 1885. 2. — Althans, Geh. Ober-Bergrath. 1. III. 1874. 3... — Arent, Oberst a. D. IIL VII. 1866. 4. .— A sch Dr. med.. L.. U: 21857. 5. — . Auerbach, L., Dr. med., Professor. 71.11.) 1856: 6. — Auerbach, Felix, Dr. phil., Privat-Docent. III. 1886. 7. — Baer, Oswald, Dr. med. I. 1881. 8. — Bauch, G., Dr. phil., Oberlehrer der höheren Bürgerschule Nr22., N112201883. 9. — Beblo, Carl, Stadtrath und Fabrikbesitzer. III. 1872. 10. — Beck, Otto, Kaufmann. 1880. 11. — Becker, Directorial-Assistent am Schles. Provinzial-Museum. VIII. 1886. 12. — Bellier de Launay, Friedrich, Rechtsanwalt und Notar. X. 1884. 13. — DBiermer, Dr. med., Geh. Medieinalrath, Professor, Direetor . der medieinischen Klinik und Poliklinik. II. X. 1874. 14.., —, ; Blubhm,>W Apotheker. II. IV. .1875: 15. — Bobertag, Dr. phil., Privat-Docent, Oberlehrer am Realeym- nasium zum heiligen Geist. VII. 1872. 16. — Bock, Joh. Andr., Fabrikbesitzer und Apotheker. III. 1853. 17. — Böttner, F., Dr. phil., Gymnasiallehrer. VII. 1883. 18. — Born, Dr. med., Professor und Proseetor. I. I. 1875, der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultnr. DXOV/ 19. Herr Bröer, Max, Dr. med. I. II 1874. 20. — Bruck, Julius, Dr. med., Privatdocent. I, I, 1871. 21. — Bruck, Leonh., Banquier. VI. X. 1880. 22. — Bruck, Ignatz, Banquier. X. 1887. Be Birchler, Drzphil: II. IEEi1885; 24. — Bülow, Paul, Commerzienrath und Stadtrath. X. 1866. 25. — Buchwald, Dr. med., Privatdocent, dirigirender Arzt des Wenzel-Hancke’schen Krankenhauses. I. I. 1878, 26. — Burchardt, Dr. med., dirigirender Arzt der Schlesischen Augen-Heilanstalt. I. I. 1873. 27. — Carliezek, O., Rentier. II. 1886. 28. — Caro, Georg, Dr. jur., Kaufmann. - VII..X.. 1877. 29. — Caro, Siegmund, Dr. med., Sanitätsrath. I. IL. 1868. 30. — Caro, Jacob, Dr. phil., Professor. VII. VII 1886, 3l. — Carstädt, Dr. phil., Reetor an der höheren Bürgerschule 1. N: 4 1870. 32. — Freiherr v. Chrustschoff, Constantin, Dr. phil. III. 1884. 33. — Cohn, Ferdinand, Dr. phil., Geheimer Regierungsrath, Pro- fessor, Direetor des pflanzenphysiologischen Instituts und des botanischen Museums. II. IV. 1852. 34. — Cohn, Hermann, Dr. med. et phil., Professor. I. II. 1864, 35. — Diekhuth, Gustav, Bürgermeister. X. 1884. 36. — Dieck, Dr. phil., Hauptmann, Oberlehrer an der städtischen höheren Töchterschule am Ritterplatz. III. 1875. 37. — Dittrieh, Fürstbischöfl. Ober-Consistorial-Rath., X. 1863. 38. — Dpyhrenfurth, Dr. med. I. I. 1879. 39. — Eekhardt, Wilhelm, Kaufmann. IV. 1879. 40. — Eger, Dr. med. I. II. 1873. 41. — Ehrlich, Eugen, Kaufmann und Fabrikant. X. 1879. 42. — Eicke, Dr. med., Besitzer der Irren- Anstalt in Pöpelwitz. HAI. 1881. 43. — Eidam, Eduard, Dr. phil., Direetor der Versuchs- und Samen- eontrolstation. IV, 1875. 44, — Elias, Dr. med., Sanitätsrath. I. II. 1875. 45. — Elsner, Dr. phil., Redacteur. III. VIL 1840. 46. — Engler, Dr. phil., Professor, Direetor des Königl. botanischen Gartens. IV. VI. 1870. 47. — Freiherr von Falkenhausen, Rittmeister a. D. auf Wallis- furth bei Glatz. VI. 1877. 48. — Fechner, Dr. phil., Professor und Gymnasial-Oberlehrer. VI. 49. — Fendler, Justizrath, Rechtsanwalt und Notar. X. 1881. 50. — Fiedler, Dr. phil., Direetor der Königl. Ober-Realschule. III. 1859. XVI Jahres - Bericht 51. Herr Filehne, Dr. med., Professor. I. 1886. 52. 98. 54. 55. 96. a7. 98. 59. 60. 61. 62. 63. 64. 69. 66. 67, 68. 69. 70. 2. 72. 73. 74, 75. 76. 77. 78. 2% 80. 81. 82. 83. Flügge, Dr. med., Professor. 1I. 1887. Finger, Dr., Regierungs- und Schulratb. III. 1882, Fischer, Dr. med., Geh. Medieinal-Rath, Professor, Direetor der chirurgischen Klinik. 1. 1870. Förster, Dr. med., Geh. Medieinalrath, Professor, Direetor der ophthalmiatrischen Klinik. I. I. 1855. Frank, Felix, Regierungs-Rath., X, 1837. Franke, Dr. phil., Lehrer am Realgymnasium zum heiligen Geist. III. 1886. Fränkel, Ernst, Dr. med., Privat-Docent. I. II. 1871. Fränkel, -Gustav, Dr. med. I. II. 1874. Fränkel, $., Dr. med. I. 1831. Fraustädter, Justizrath und Rechtsanwalt. X. 1879. Freund, Justizrath und Rechtsanwalt, X. 1865. Freund, M. B., Dr. med., Privat-Docent. I. II. 1884. Friedensburg, Ferd., Oberbürgermeister. X. 1880. Friedenthal, A., Kaufmann. X. 1887. Friedländer, Sieg., Dr. phil., Professor. II. IV. 1831. Friedländer, Joseph, Kgl. dänischer Consul und Banguier. X. 1869. Friedländer, Julius, Stadtrichter a. D., Director der Bres- lauer Wechslerbank. X. 1879. Friedlieb, Dr. theol., Professor. VII. 1847. Frief, Alfred, Königl. Gewerbe-Rath, Aichungs- und Fabrik- Inspector. II. 1875. Fritsch, Dr. med., Geheimer Medicinal-Rath, Professor, Di- rector der geburtshilflichen Klinik. I. II. 1882. _ Fritsch, Apothekenbesitzer. III. X. 1887. Fuhrmann, Wilhelm, Dr. med., Sanitätsrath, Direetor der Provinzial-Hebammen-Lehranstalt. I. II. 1879. von Funke, Walter, Dr., Professor, Direetor des landwirth- schaftlichen Instituts. IV. 1881. Galle, Dr. phil., Geh. Regierungsrath und Professor, Director der Sternwarte. VI. 1852. Goldschmidt, Heimann, Dr. med. I. II. 1874. Goldschmidt, Michael, Kaufmann. 1870. Gottschalk, Jacob, Dr. med. I. II. 1874, Gottstein, Dr. med., Privat-Docent. I. II. 1866. Gradenwitz, Ed., Kaufmann. X. 1887. Grätzer, Dr. med., Geh. Sanitätsrath., I. II. 1839. Grempler, Dr. med., Sanitätsrath. I, II. 1854. Grosspietsch, J., Hoflieferant. X. 1887. der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. Xvl 84. Herr Grünhagen, Dr. phil., Geheimer Archiv-Rath und Professor. 85. 86. 87. 88. 89. 9. 31; 92. 93. 94. 95. 96. IT. 95. 99. 100, 101. 102, 103. 104. 105, 106. 107. 108. 109. 110. 111. 112. 113. 114. Na, 7851. Grüttner, Oscar, Kaufmann. IV. 1883. Grund, Max, Kaufmann. X. 1880. Guttmann, Regierungs-Rath a. D., Direetor der Breslauer Diseontobank. X. 1887. Guttmann, Albert, Kaufmann. X. 1887, Gscheidlen, Richard, Dr. med., Professor, Director des städtischen chemischen Untersuchungsamtes. I. II. 1868. Haber, Siegfried, Kaufmann. X. 1887. Härtel, H., Fabrikant chirurgischer Instrumente. I. II. 1873. Hainauer, Hermann, Kaufmann. IH. III. 1866. Hainauer, Julius, Commissionsrath, Buchhändler. IL X. 1871. Hannes, Dr. med. I. II. 1873. . Hecke, Oscar, Dr. med., Arzt am Barmlerz. Brüderhospital. 1. II. 1880. Heidenhain, Dr. med., Geheimer Medieinalrath, Professor, Direetor des physiologischen Instituts. I. U. 1859. Heilborn, Max, Dr. med. I. II. 1876. Heimann, Dr. med. 1. IL 1877. Heimann, Geh. Commerzienrath., X. 1885. Heinsius, Ober-Regierungs-Rath. X. 1887. Heller, Dr. med. I. IL. 1853. Hensel, Paul, Stadtgerichtsrath a. D. II. VII. 1877. Hepner, Dr. med. 1. II. 1873. Hermann, Regierungs-Rath und Eisenbahn - Direetor. X. 1386. Herrmann, Moritz, Juwelier. IV. VII. 1875, Hieronymus, Dr., Professor. IV. 1884. Hiller, Dr. med., Stabsarzt. I. IL. 1883. Hintze, Dr. phil., Professor. IH. 1887. Hirschel, J., Rentier. IV. X. 1887. Hirt, Ludwig, Dr. med., Professor. HIESS Prinz Carl zu Hohenlohe-Ingelfingen, Durehlaucht, Königl. Landrath a. D. auf Klein-Droniowitz bei Lublinitz. X. 1866. Holdefleiss, Dr. phil., Professor, Dirigent der Versuchs- station des landwirthschaftl. Central-Vereins für Schlesien, HeAy. 11809 Holz, Albert, Banquier. X. 1887. Honigmann, Dr. Jur., Rechtsanwalt. X. 1837. XVill 115. Jahres - Bericht Herr Hübner, Geh. Regierungs - Rath und General - Landschafts- Syndieus a. D. X. 1854. Hübner, A., Stadtrath und Kaufmann. X. 1856. Hulwa, Franz, Dr. phil., vereideter Chemiker. II. 1871. Jacobi, J., Dr. med., Privat-Docent, Bezirks-Physikus von Breslau. 1.1. 18% Jaffe, Albert, Kaufmann. X. 1887. Jänicke, Arthur, Dr. med. I. II. 1880. Jänsch, Rudolf, Dr. med. I. 1873. Jäschke, R., Kaufmann. IV. 1881. Janicke, Otto, Dr. med., dirigirender Arzt des Augusta- Hospitals. I. U. 1880. Immerwahr, Emil, Commerzienrath und Kaufmann. X. 1865. Jünger, A., Buchhändler. VII. X. 1884, Juliusbers, Isıdor, Dr. med. 1.211 71870: Juliusburger, Eduard, Dr. med. I. II. 1874. Junger, Ernst, Kunstgärtner. IV. 1872. Kabilerske, Dr.med. 1217701853 Kauffmann, J., Commerzienrath., X. 1887. Kauffmann, $., Kaufmann. X. 1887. Kaumann, Stadt-Baurath. I. 1875. Kayser, Dr. med.! 1..1W.2 185% Kayser, Johann, Dr., Dompropst. VIII. 1884. Keil, Dr., Gerichts-Assessor, X. 1887. Kemna, Julius, Fabrikbesitzer. X. 1880. Kempner, Dr. med., Sanitätsrath. I. I, 1873. Kirsch, Oberst/a.2D2 2111.521885% 'Kletke, Dr. phil., Director der Realschule am Zwinger a.D. LIT. VI. 1852. Klopsch, Dr. med., Geh. Medicinal-Rath, Professor, Director der orthopädischen Heilanstalt. I. II. 1860. Kny, Dr. phil., Professor, Director des physiologischen In- stituts der landwirthschaftlichen Akademie in Berlin. IH. 1869. Köbner, Hugo, Dr. med. I. II. 1880. Köhler, General-Major z. D. VI. VII. 1874. Körber, W., Dr. phil., Gymnasiallehrer. VI. VIII. 1883. Körner, Theodor, Dr. med. I. I. 1875. Körner, Paul, Fabrikbesitzer. X. 1885. Kohn, Richard, Dr. med. I. II. 1884. Kolaczek, Dr. med,, Privatdocent. I. - 1875. Korn, Königl. Oekonomie - Rath und General - Seeretair des Landwirthschaftl. Central-Vereins für Schlesien. X. 1866. der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. SUR 150. Herr v. Korn, H., Stadtrath, Kaufmann und Buchhändler. IH. VIL. 151. 152. 153. 154, 155. 156. 157. 158. 159. 160. 161. 162. 163. 164. 165. 166. 167. 163. 169. 170. 171. 172. 173. 174. 175. 176. 17. 178. 1853. Kosmann, Dr., Königl. Bergmeister a. D., Privat-Docent. III. 1882, Krebs, Dr. phil., ordentlicher Lehrer an dem Realgymnasium am Zwinger. VII. 1873. Krönig, Regierungs-Rath. X. 1887, Krocker, Dr. med., Geh. Sanitätsrath. I. I. 1835. Krocker, Dr. phil., Professor. III. IX. 1881. Kroner, Traugott, Dr. med., Privatdocent. I. II. 1879. Kunisch, H., Dr. phil., Lehrer an der katholischen höheren Bürgerschule. III. VI. 1883. Lange, Dr. med,, Sanitätsrath. I. II. 1853. Langenhan, A., Bezirks-Bevollmächtigter und Vertreter der Lebens-Versicherungsbank für Deutschland in Gotha. II. IV.277881. Lauger, Dr. med., Sanitätsrath. 1. II. 1868. Lasinski, Dr. med. I. 1874. Lebek, Th., Apotheker. II. III. 1884. Leppmann, Arthur, Dr. med., Assistenzarzt nm Allerheiligen- Hospital. I. II. 1882. Lesser, Adolf, Dr. med., Professor. I. 1886. Letzner, K., Recetor emer. III. IV. 1855. Limpricht, @., Lehrer an der höheren Bürgerschule Nr. 2. IVEINSTT. Lion, Dr. med. 1. II. 1869. Löwig, Dr. phil., Geh. Regierungsrath und Professor, Director des chemischen Laboratoriums. IH. 1853. Lorinser, Dr., Canonieus und Ober-Consistorialrath. IV. 1859. Lühe, W., Amtsgerichts-Rath und Hauptmann. VIIERE 1884. Lunge, Carl, Dr. jur., Amtsgerichts-Rath. X. 1880, Magnus, Hugo, Dr. med., Professor. 1. 1021882. Manasse, Julius, Fabrikbesitzer. X. 1887. Markgraf, Dr. phil., Professor, Stadt - Bibliothekar und Archivar. VII. VII. 1865. Martius, Georg, Stadtrath., %. 1887. Martini, Dr. med. et phil. I. 1871. Martins, Königl. Reichs-Bank-Direetor. 11.091873. . Maschke, Dr. phil., Medieinal-Assessor und Apotheker. II. Ill. 1855. ba 210. Jahres-Bericht . Herr Graf von Matuschka, Königl. Forstmeister a. D. IV. V. 1872. i Merkel, E., Lehrer am Realgymnasium zum heiligen Geist. IT. SiN. 01884. Methner, Dr. med., Geh. Sanitätsrath. I. II. 1867. Metzdorf, Dr., Professor. I. II. 18831. Meyer, OÖ. E. Dr. phil., Professor, Director des physi- kalischen Cabinets. III. 1878. Meyer, Ed., Dr. phil., Professor. VII. 1887. Meyer, Dr. med., Sanitätsrath. I. 1887. v. Miaskowski, Dr., Professor. X. 1887. Milch, Benno, Commissionsrath und Director der Breslauer Baubank. II. X. 1863. Morgenstern, Buchhändler. X. 1861. Müller, Max, Verlagsbuchhändler. III. IV. 1869. Müller, Julius, Apotheker. II. II. 1873. Müller, Ernst, Oberamtmann. V. 1866. Mugdan, Joachim, Kaufmann, X. 1877. Neefe, Dr., Director des städtischen statistischen Amts. vu. X. 1837. Neisser, Albert, Dr. med., Professor. I. II. 1882. Nentwig, Staatsanwalt. X. 1887. Neumeister, Dr. med. I. II. 1872. Neustadt, L., Dr. phil. VII X. 1887. Niche, Edmund, Apotheker. IV. X. 1885. Freiherr Juneker von Ober-Conreut, Regierungs - Prä- sident..,, VIL.. ...1877. Oberdieck, Dr. phil., Direetor des Königl. Matthias - Gym- nasiums. VII. VIII. 18833. Pannes, Dr. phil., Apotheker. II. HI. 1874. Partsch, Carl, Dr. med., Privat-Docent. I’ 1880. Paulsen, Julius, Fabrikbesitzer. X. 1887. Pax, Ferdinand, Dr. phil., Privat-Docent. IV. 1885. Peiper, R., Dr. phil,, Gymnasial-Oberlehrer. VI. VII. 1867. Plüddemann, Stadt-Baurath. I. X. 1887. Poleck, Dr. phil., Geh. Regierungs -Rath und Professor, Director des pharmaceutischen Instituts. II. IH. 1868. Ponfick, Dr. med., Medicinalrath, Professor, Direetor des pathologischen Instituts. I, II, 1878, Poppe, Oscar, Rechtsanwalt. X. 1887. ; Potocky-Nelken, Moritz, Banquier. X. 1879. 236. 237. ‚238. 239. 240. 241. 242. der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. XXI . Herr v. Prittwitz und Gaffron, Regierungs-Referendar a. D. ln &C3: Grafv. Pückler, Königl. Wirkl. Geheimer Rath, Excellenz, Vice-Ober-Schlosshauptmann, General-Landschafts-Direetor und Königl. Kammerherr. X. 1875. Graf v. d. Recke-Volmerstein, General-Landschafts-Re- präsentant und Königl. Kammerherr. III. VII. 1862. Beich,0Carlz Di.üumed:ast 1141875: Reichelt, Const., Dr. med. I. II. 1880. Reimann, Dr. phil., Director des Realgsymnasiums zum heiligen Geist und Professor. VII. IX. 1847, Beinbach) Dr. med. 1. Il. 1874. Reinkober, Dr. med., Königl. Kreiswundarzt. I. Il. 1337. Reymann, Oscar, Apotheker. X. 1887. Richter, Albrecht, Dr. med. I. II. 1875. Riehter, Dr. med., Medieinalrath und Professor. 1. U. 1872. Richter, Bruno, Kunsthändler. X. 1886. Richter, H., Landschaftsgärtner. IV. 1887, v. Richter, V., Dr. phil., Professor. III. 1883. Riegner, Oscar, Dr. med., Primär-Arzt am Allerheiligen- Hospital, I. II. 1804 Riemann, Paul, Kaufmann. %. 1880. Riesenfeld, B., Dr. med. I. 1874. Riesenfeld, E., Dr. med. I, II. 1887. Graf v. Rödern, Gerichts-Assessor a. D. X. 1861. Römer, Dr. phil,, Geh. Bergrath und Professor, Director des mineralogischen Museums. IH. 1855. Röpell, Dr. phil., Geh. Regierungs-Rath und Professor. VI. 1843. Rocholl, Oberlandesgerichts-Senats-Präsident. oe. 1837 Rosemann, Dr. med. I. 1877. Rosenbach, Dr. med., Professor, Primär- Arzt am 'Aller- heiligen-Hospital. 1. 1878. Rosenbaum, F. W., Commerzienrath, Handelsriehter und Kaufmann. II. X. 1880. Rosenfeld, Georg, Dr. med. .I, 1886. Rosenthal, Carl, Kaufmann. X. 1887. Roux, W., Dr. med., Professor. I. 1884. Rügner, Dr. med. I. Il. 1870. Sack, Ober-Regierungsrath a. D. X. 1866. Sandberg, Ernst, Dr. med. I. ]1. 11806. Schäfer, Dietrich, Dr. phil., Professor, VII, 1887. XXI Jahres-Bericht 3. Herr Schäfer, Friedrich, Dr, med. I. II. 1881. Schäffer, Julius, Dr. phil., Professor und Musik - Director. IX. 1861. Seherner, Dr. phil., Privat-Docent. III. 1859. Schieweck, Dr. phil., Lehrer der ev. höheren Bürgerschule 1. 1IV.22218795. Sehlesinger, Dr. med. I. II. 1831, Schlesinger, Julius, Kaufmann. X. 1837. Schlockow, J., Dr. med., Sanitätsrath und Kreis- Wundarzt. I. II. 1884. Schmarsow, Dr. phil., Professor. VII. 1885. Schmeidler, Dr. med. I. Il. 1870. Schmidt, Carl, Baurath, X. 1877. Schmidt, H., Ober-Regierungs-Rath a. D. VII. X. 1885. Schmidt, Hartmann, Dr. phil., Professor und Proreetor am Realsymnasium am Zwinger. Il. 1884, Schmiedel, Dr. med., Bezirks-Physikus der Stadt Breslau. I. 11.291882. Schnabel, Dr. med., Sanitätsrath, dirigirender Arzt des Barmherz. Brüder-Hospitals. I. II. 1874. Schneider, Dr. phil., Professor, Direetor des zoologischen Museums. III. V. 1881. Schneider, W. G., Dr. phil. IV. V. 1844. Schöller, Leopold, Commerzienrath und Kaufmann. X. 1874. Schönborn, Dr. phil., Oberlehrer an dem Realsymnasium zum heiligen Geist. VII. X. 1875. Schönlein, Dr. med., Assistent. I. 1886. Schott, M. G., Kaufmann und Fabrikbesitzer. X. 1879. Schottländer, Julius, Banquier und Rittergutsbesitzer. X. 1874. Schröter, Dr. med., Ober-Stabsarzt, Privat-Docent. I. IV. 1880. Schube, Theodor, Dr. phil. IV. 1886. Schück, Dr. phil., Professor und Prorector a. D. VII. 1847. Schulze, Dr. phil., Assistent am thierchemischen Institut. 111. 886. Schultze, Hermann, Partieulier. X. 1887. Scehwahn, Dr. med., Ober-Stabsarzt und Stadt-Physikus. I. II. 1883. Schweitzer, Hermann, Banquier. X. 1863. Seidel, Hermann, Fabrikbesitzer und Kaufmann. X. 1872. Senftleben, Dr. med., Stabsarzt im 1, Schles, Grenadier- Regiment Nr. 10. I. II. 1876. | der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur, OU 273. Herr von Seydewitz, Dr., Königl. Wirklicher Geheimer Rath, 274, 275. 276. 277. 278. 279. 280. 2831. 2832. 283. 234. 285. 286. 237. 288. 289. 290. 291. 232. 293. 294. 295. 296. 297. 298. 299. 300, 301. 302. 305. 304, 305. 306. Ober-Präsident der Provinz Schlesien nnd Curator der Kgl. Universität, Excellenz. X. 1880. Dilmeumarn, Dr medial! 1897. Sm m, Belix,#Drssmed:s/T.. I. 1876: Simon, Hermann, Dr. med. I. II, 1885. Skene, Carl, Fabrikbesitzer. X. 1880. Skutsch, Dr. med., Sanitätsrath, I. II. 1870. Soltmann, Dr. med., Professor. I. IL. 1873. Somme&, Emil, Hofjuwelier. X. 1887. Sommerbrodt, Dr. med., Professor. I. II. 1865. Spiegel, Steindruckereibesitzer. II. III. 1868. Stein, Berthold, Inspeetor des botanischen Gartens. II. IV. 1880. Steinitz, 8., Dr. med. 1. II. 1877. v. Stengel, Freiherr, Dr., Professor. X. 1887. Stenzel, Dr. phil., Professor und Oberlehrer an dem Real- Gymnasium am Zwinger. IV. VI. 1858. Stern, Emil, Dr. med., Kreis-Wundarzt, I. II. 1875. Steuer, Philipp, Dr. med. I. Il. 1875. Strube, Dr. med., Generalarzt des VI. Armee-Corps. TOR 1885. Thümmel, K., Apotheker. U. IV. 1880. Toplitzs.Th., Dr. med..ST>M. „1875. Traube, Moritz, Dr. phil. et ned. II. III. 1866. Treu, Professor, Direetor des Königl. Friedrich-Gymnasiums. VI. 1884. Trewendt, Ernst, Verlagsbuchhändler. Il. IV. 1880. Tschackert, Dr., Provinzial-Schulrath. VII. 1883. v. Tsehepe, Ober-Bergrath. III. 1864. v. Uechtritz, Kgl. Staatsanwalt. VII. X. 1865. Ulrich, Dr., Medicinal-Assessor und Departements-Thierarzt. IE IV.8. 18703: Viertel, Dr. med. I. II. 1875. Völker, Hermann, Fabrik-Director. Xearlaal. Volkmann, W., Dr. phil., Gymnasiallehrer. vIIl. 1883. Voltolini, Dr. med., Professor. Ia21R 2 1861. v. Wallenberg-Pachaly, Gotth., Banquier und Consul von Schweden und Norwegen. X. 1887. Walter, Stadtrath und Rittergutsbesitzer auf Eisenberg. II. 1855. Waldhausen, Land-Bauinspeetor. IV. 1887. Weber, Generalmajor z. D, I.. VI» 41868 XXIV 10, . Herr . Herr Jahres-Bericht Weber, L., Dr., Professor. IIL: 1885. Weisgert, Dr. med. I. IL 1837, Weinhold, Carl, Dr. phil., Professor. VII. 1886. Weiske, Dr. phil., Professor. I. II. 1881. Weissstein, A., Dr., Apothekenbesitzer. I. II. 1878. Werner, Hermann, Apotheker. II. HI. IV, 1868. Wernicke, C., Dr. med., Medieinalrath, Professor. I. 1885. Werther, Adolf, Commerzienrath. X. 1866. Werther, Franz, Gerichts-Assessor. X. 1887. Wiener, Max, Dr. med,, Professor. I. 1879. Wiskott, Theodor, Fabrikbesitzer und Kaufmann. X. 1872. Wiskott, Max, Fabrikbesitzer und Kaufmann. X. 1872. Witte, Ernst, Landgerichts-Direetor. V. X. 1874. Vioecke, Di med. EV 21847 Wolff, Paul, Kaufmann. IV. 1870. Wolff, Dr. med., Geh, Regierungs- und Mediemalrath. I. H. 1865. Wolffberg,, Dr. med. ok 15 41,85% Wollner, Dr. med,, Sanitätsrath. I. 1876. Wüstefeld, Apotheker. II. IV. 1882. Graf York von Wartenburg, Paul, Majoratsbesitzer auf Klein-Oels. X. 1866. Zopf, ordentl. Lehrer an dem Realgymnasium zum heiligen Geist, INA. Ned. B. Wirkliche auswärtige Mitglieder. v. Ammon, Öber-Bergrath in Kattowitz. 1885. Alter, Dr. med., Direetor der Provinzial - Irrenanstalt in Leubus. 1886. Becker, C., prakt. Arzt in Liesnitz,. 1886. Braune, Ferd., Oekonomie-Rath und Rittergutsbesitzer auf Kriekau bei Namslau. 1854. Elbrandt, Major a. D, in Liegnitz. 1886. Felsmann, Dr. med. in Dittmannsdorf, Kreis Waldenburg. 1855. Fiebig, Dr., Gymnasial-Oberlehrer in Beuthen 08. 1887. v. Forekehbeck, Max, Dr. jur., Oberbürgermeister in Berlin. 1874. Frank, Erich, Rittergutsbesitzer auf Mittel-Stradam bei Stradam. 1885. Frankenbach, Dr. phil., Reetor in Liegnitz. 1886. 41. 12. der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. XXV Herr v. Frankenberg-Ludwigsdorf, General-Major z. D. auf Nieder-Schüttlau. 1870. — Frerichs, Dr. med., Assistent an der medieinischen Klinik in Marburg. 1378. 3. Gewerbe-Verein für Gleiwitz und Umgegend in Gleiwitz. 1872. . Herr Grossmann, Dr. phil., Arehivrath und Archivar des Königl. Haus-Archivs in Berlin. 1870, — Grotsfend, Dr. phil., Stadt-Archivar in Frankfurt a. M. 1872. — Grünhagen, Wilh., Apotheker in Trebnitz in Schl. 1881. — Harschkamp, Gustav, Redacteur in Liegnitz. 1886. — Harttungs, Helmuth, Apotheker und Stadtrath in Jauer. 1886. — Heimann, Max, Dr., Rittergutsbesitzer auf Wiegschütz bei Cosel 08. 1865. — v. Hellmann, Dr. jur., Stadtrath und Rittergutsbesitzer auf Schloss Dalkau bei Quaritz. 1854. — Hellwich, Hermann, Hauptmann a. D. in Liegnitz. 1886. — Hennet, Dr. med., Ober-Stabsarzt in Görlitz. 1869. — NHirche, Apotheker in Landeck. 1881. — Hirsch, Landgerichtsrath in Oels. 1885. — Freiherr v. Huene, Hauptmann a. D. auf Mahlendorf bei Grüben. 1869. — Jäkel, Otto, Dr. phil. an der Akademie in Strassburg im Elsass. 1887. — Jochmann, Gas- und Wasser-Director in Liegnitz. 1886. — Kahlbaum, Dr. med., Director der Heilanstalt in Görlitz. 1882. — Kleudgen, Dr. med., Director der Irrenanstalt in Obernigk. I, 1881. — Konauer, A., Pfarrer in Reinbeek in Holstein. 1881. — Kölling, Heinrich, Dr., Superintendent und Pastor in Roschko- witz bei Pitschen. 1872, — Koffmane, Gustav, Lie. theol., Pastor in Kunitz. 1881. — Kossmann, Amtsrichter in Liegnitz. 1886. — Krause, Dr. med., Geh. Sanitätsrath in Liegnitz. 1886. — Kramsta, Richard, Rentier in Dresden. HI. — v, Kramsta, Georg, Rittergutsbesitzer ın Frankenthal. 1880. — Kreusehner, Rudolf, Steuerrath in Liegnitz. 1886. — Krieg, Otto, Fabrik -Direetor in Eichberg bei ‚Sehildau. 1874. — Kühn, Julius, Dr. phil., Geh. Regierungs-Rath und Professor in Halle, 1858. e XXVI Jahres - Bericht 40. Herr v. Kulmiz, Paul, Dr. phil. und Rittergutsbesitzer auf Con- 41. 42. 52. radswaldau bei Saarau. 1864. Kuschbert, Dr. med., Leibarzt des Herrn Fürsten von Pless in Pless. 1878. Lange, Stadtrath und Kaufmann in Liesnitz. 1886. Langner, Dr. med., Geh. Sanitätsrath und Brunnenarzt in Landeck. 1864. Latzel, J., Fabrikbesitzer in Barzdorf bei Schwammelwitz. 1859. Ledermann, Wilh., Geh. Commerzienrath in Berlin. 1879. Lehmann, Dr., Professor, Direetor in Kiel. 1884. Lüddecken, Ernst, Dr. med. in Liegnitz. 1886. Markusy, H., Dr. med. in Freiwalde a. ©. 1874. Mattheus, Banquier in Liesnitz. 1886. Mücke, J., Pfarrer und Kreis-Schulen-Inspector a. D. in Gross-Strehlitz. 1874. Müncke, Dr. phil., Apotheker in Berlin NW. 1866. Neisser, Dr., Sanitätsrath in Liegnitz,. 1886. Nissen, Leo, Dr., Lieutenant und Rittergutsbesitzer auf Neu- kirch, Kreis Breslau. 1885. Oelsner, Ludwig, Dr. phil., Professor in Frankfurt a. M. 1853. Oertel, Ottomar, Oberbürgermeister in Liegnitz. 1886. Peltasohn, Rechtsanwalt und Notar in Liegnitz. 1886. Pfeiffer, Dr. phil., Apotheker in Liebau in Schl. 1879. 58. Philomathische Gesellschaft in Glatz. 1856. Philomathie in Reichenbach in Schl. Se. Durchlaucht der Herzog von Ratibor, Fürst von Corvey, 59. 60. 61. Prinz von Hohenlohe-Waldenburg-Schillingsfürst in Rauden, 1856. Herr Richters, Dr. phil., Director der chemischen Fabrik in Saarau. 1874. Röder, Dr. med., Geh. Sanitätsrath in Deutsch-Lissa bei Breslau. 1872. Röhricht, W., Rechtsanwalt in Liegnitz. 1886. Rother, J., Fabrikbesitzer und Stadtrath in Liegnitz. 1886. Rosenberg, Heinrich, Dr. in Liegnitz. 1886. Schirmer, Dr. med., Sanitätsrath und Kreis- Physikus in Grünberg. 1862. Schneider, Ehr., Stadtrath und Kaufmann in Liegnitz. 1886. Schöffer, Kaufmann’in Liegnitz. 1886. der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. XXVJI 69. Herr Schumann, Carl, Dr. phil., Custos am Kgl. botanischen 70. [ie 72. 73, 74. 75. 76. UI. 78. 29. 80. 81. 82. 83. 54, 85. 86. 87. 88. 89. 90. Jr. 92. 93. 94. 95. 96. Museum in Berlin. 1875. Schumann, H., Kgl. Hofapotheker in Liegnitz. 1886. Schwarz, Reichsgerichts-Rath in Leipzig. 1865. Schwarz, Fr., Dr., Professor in Eberswalde, III. IV. 1883. Schwarz, C., Kaufmann in Liegnitz. 1886. Schultze, E., Dr. med. in Görlitz. 1879. Sehlinke, Gustav, Fabrikbesitzer in Liegnitz. 1886. Sioli, E., Dr. med., Director der Provinzial-Irren-Anstalt in Bunzlau. 1886. Sonntag, Apotheker in Wüstewaltersdorf. IV. 1886. Stadthagen, Dr. med., Sanitätsrath, Kreis - Physikus in Liegnitz.. 1886. Stahr, Dr. med., praktischer Arzt und Rittergutsbesitzer auf Wilxen bei Obernigk. 18831. Steinfeld, Siegm., Banquier in Liegnitz. 1886. Stoll, E., Kgl. Oekonomierath, Director des pomologischen Instituts in Proskau. 1866. Graf v. Stoseh, Georg, Kreisrichter a. D. auf Hartau bei Langheinersdorf. 1871. Süssbach, Dr. med., Sanitätsrath in Liegnitz. 1886. v. Tempsky, Hermann, Rittergutsbesitzer auf Baara bei Schmolz. 1872. Trautmann, W., Apothekenbesitzer in Liegnitz. 1886. Troska, Albrecht, Dr. jur., Gerichts-Assessor a. D. in Leob- schütz. 1882. Unverricht, H., Dr. med., Professor in Jena. 1881. Völkel, Betriebsführer und Obersteiger in Kohlendorf bei Neurode. 1860. Vüllers, A., Güter- und Bergwerks-Direetor in Paderborn. 1886. Waeber, R., Erster Seminarlehrer in Liegnitz. 1836. Walter, Th., Di. med. in Liegnitz. 1886. Websky, Egmond, Dr., Commerzienrath in 'Wüstewalters- dorf. 1882. Weltzel, Augustin, Geistlicher Rath und Pfarrer in Tworkau bei Kreuzenort. 1860. Winkler, Fabrik -Direetor a. D. in Giessmannsdorf bei Neisse. 1867. Wissowa, Dr. phil., Professor in Marburg. 1886. Ziegler, Heinrich, Pastor prim. in Liegnitz. 1886, XXVI u . © 69 24, Jahres-Bericht © Ehren-Mitglieder. Herr Airy, @. B., Königl. Astronom und Director der Sternwarte in Greenwich. Aubert, Dr. med., Professor in Rostock. Beyrich, Dr. phil., Professor, Geheimer Bergrath, Director der geologischen Landesanstalt in Berlin. Bunsen, Dr. phil, Professor, Grossherzogl. Wirkl. Geheim- rath, Excellenz, in Heidelberg. de Candolle, Alphons, Dr., Professor in Genf. Dudik, Dr., mährischer Landeshistoriograph in Brünn. Duflos, Dr. phil., Geh. Regierungsrath und Professor in Anna- berg im Königreich Sachsen. Duncker, Dr., Geh. Ober-Regierungsrath in Berlin. Freund, W. A., Dr. med., Professor in Strassburg i. E. Geinitz, Dr. phil., Geh. Hofrath, Director des Königl. Mine- ralien-Cabinets in Dresden. Grützner, Dr. med., Professor in Tübingen. v. Hauer, Franz, Dr., K.K. Hofrath und Intendant des K.K. naturhistorischen Hof-Museums in Wien. Heine, Dr., Director der Ritter- Akademie und Domherr in Brandenburg a. H. Heyder, Geh. Ober-Regierungsrath und vortragender Rath im Ministerium der landwirthschaftl. Angelegenheiten in Berlin. Hooker, Sir J. D., Director des Kgl. botanischen Gartens in Kew bei London. Le Jolis, Aug., Dr., Direetor der Societ& nationale des seiences naturelles in Cherbourg. Knoblauch, Dr., Geh. Regierungsrath und Professor, Präsi- dent der Kaiserlich Carolinisch - Leopoldinisch Deutschen Akademie der Naturforscher in Halle. Lister, Sir, Dr., Professor in London. Lov&n, Dr., Professor der Zoologie in Stockholm. Menzel, Professor, Mitglied des Senates der Kgl. Akademie der Künste in Berlin. Müller, Carl, Dr. phil. in Halle a. S. Baron von Müller, Ferdinand, Dr., Professor, Director der naturhistorischen Erforschungs-Commission für Australien in Melbourne. Freiherr von Nordenflycht, Königl. Ober-Präsident der Provinz Schlesien a. D. v. Regel, Dr., Kaiserlich russischer Wirkl. Staatsrath, Direetor des botanischen Gartens, Excellenz, in St. Petersburg. 25. 26. 27, 28. 29. = 30. — 3. 32. 33. jr > DD . Herr der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. XXIX Herr Baron v. Richthofen, Ferdinand, Dr., Professor in Leipzig. Roth, Dr. med., General-Arzt der sächsischen Armee in Dresden. Rotter, Dr., Landes-Prälat und Abt der Benedictiner-Abtei in Braunau. Schönwälder, Dr. phil., Professor in Görlitz, v. Staff, genannt v. Reitzenstein, Kgl. General-Lieutenant a. D., Excellenz, auf Conradsreuth bei Hof in Bayern. Virchow, Dr., Geh. Medieinalrath und Professor in Berlin, Waldeyer, Dr. med., Geh. Medieinalrath, Professor, Director der Anatomie in Berlin. Wattenbach, Dr. phil., Geh. Regierungsrath und Professor in Berlin. Willkomm, Dr., Professor, Direetor des botanischen Gartens in Prag. D. Correspondirende Mitglieder. Abegg, Dr., Geheimer Sanitätsrath, Direetor des Kgl. Heb- ammen-Lehrinstituts in Danzig. Amo y Mora, Don Marianna del, Dr., Professor in Granada. Ardissone, Francesco, Professor der Botanik an der land- wirthschaftliehen Akademie und Director des botanischen Gartens an der Brera in Mailand. Arzruni, A., Dr. phil., Professor in Aachen. Ascherson, P., Dr. phil., Professor der Botanik in Berlin. Augustin, Wirklicher Geh. Ober-Finanzrath in Karlsruhe. Freiherr v. Babo, A. W., Director der k. k. önologischen und pomologischen Lehranstalt in Klosterneuburg bei Wien. Bachmann, Dr., Privatdocent in Prag. Bail, Dr., Professor am Realsymnasium und Direetor der natur- forschenden Gesellschaft in Danzig. Bleisch, Dr. med., Kreis-Physikus und Sanitätsrath in Strehlen. Blümner, Dr. phil., Professor in Zürich. Böttiger, Dr. phil., Professor und Hofrath in Erlangen, Borzi, A., Dr., Professor der Botanik in Messina. Bosshard, Adolf, Präses des Schweizerischen Obst- und Wein- bau-Vereins in Pfäffikon bei Zürich. Briosi, Dr., Professor der Botanik in Pavia. Broca, Dr., Chirurgien des Höpitaux, Professeur agrege ın Paris. Budge, Dr., Professor in Greifswald. DOOR Jahres - Bericht 18. Herr Bürkli-Ziegler, Stadt-Ingenieur in Zürich. 19. — DBuhse, F., Dr. med., Secretair des naturhistorischen Vereins in Riga. 20. — Üelakovsky, Ladislav, Dr., Professor der Botanik in Prag. 21. — Claus, Dr., Professor der Zoologie in Wien, Direetor der zoologischen Station in Triest. 22. — Conwentz, Dr., Director des Westpreussischen Provinzial- Museums in Danzig. 23. — Crede&, Dr. med., Geh. Hofrath, Professor in Leipzig. 24. — Danielssen, Dr., Chef-Arzt am Lungegaards-Hospital in Bergen (Norwegen). 25. — Daubre&e, Dr., Mitglied des Instituts in Paris. 26. — Debey, Dr. med. in Aachen. 27. — v. Döller, Major, Vice-Präses des Karpathen-Vereins in Kes- mark (Ungarn). 28. — Dohrn, Anton, Professor Dr., Director der zoologischen Ver- suchsstation in Neapel. 29. — Dazierzon, Pfarrer in Karlsmarkt bei Stoberau. 30. — Effner, M., Curatus in Leubus. 3l. — Eitner, Robert, Redaeteur der Monatshefte für Musikgeschichte in Berlin. 32. — d’Elvert, k. k. Finanzrath in Brünn. 33. — Freiherr v. Ettingshausen, Const., Dr., Professor in Graz. 34. — Eulenberg, Dr., Geh. Ober-Medieinalrath und vortragender Rath im Ministerium für geistliche, Unterrichts- und Medi- einal-Angelegenheiten in Berlin. 35. — Favre, Alphonse, Dr., Professor in Genf. 36. — Faye, F. C., Dr. med., Professor, Director der geburtshilf- lichen Klinik, Leibarzt Sr. Majestät des Königs von Nor- wegen, Präsident der Societ& de Me&deeine in Christiania. 37. — Feldhoff, Conreetor in Osnabrück. 38. — Feldt, Dr. phil., Professor in Braunsberg. 39). — Fetu, Anastasius, Dr. med., Medicinalrath in Jassy. 40. — Fiek, E., Apotheker in Hirschberg i, Schl. 41. — Freiherr v. Fircks, Königl. Hauptmann in Berlin. 42. — Fischer v. Waldheim, Dr., Professor der Botanik und Director des botanischen Gartens in Warschau. 43. — Flechsig, Dr. med., Hofrath zu Bad Elster. 44. — Förster, Richard, Dr. phil., Professor in Kiel. 45. — Friedländer, Carl, Dr. med., Professor in Berlin. 46. — Fristedt, Dr., Professor in Upsala. 47. — Freiherr v. Friesen, Präses des Landes-Obstbau-Vereins für das Königreich Sachsen auf Rötha bei Leipzig. der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur, XXXI . Herr Fritze, R., Gutsbesitzer auf Rydultau bei Czernitz OS. Gaerdt, Garten-Direetor in Berlin (Moabit). Gerhardt, Lehrer in Liegnitz. Freiherr v. Gildenfeld, Präses des Vereins für Gartenbau für die Herzogthümer Schleswig-Holstein in Kiel. Görlich, Pfarrer in Liebenthal. Gottsche, C. W., Dr. med. et chir., praktischer Arzt in Altona. Griepenkerl, Oekonomie-Rath in Braunschweig. Günther, Siegmund, Dr., Professor, Custos am naturwissen- schaftlichen Museum, South Kensington, London. Guhrauer, Dr. phil., Gymnasial-Direetor in Lauban. Hagen, Dr. phil., Professor in Königsberg. Hagen, Dr., Professor in Berlin. Hartig, Robert, Dr., Ober-Forstrath, Professor in München. Haszlinsky, Dr., Professor in Eperies (Ungarn). Henneberg, Dr., Professor, Director der landwirthschafti, Versuchs-Station in Göttingen. Hering, E., Dr. med., Professor in Prag. Hernando y Espinosa, Don Benito, Dr., Professor in Granada. Herzog, Dr. phil., Medieinal-Assessor, Apotheker in Braun- schweig. Hoffmann, Dr. phil., Director des botanischen Gartens, Ge- heimer Hofrath, Professor in Giessen, Hoyer, Dr., Wirklicher Staatsrath, Professor, Excellenz in Warschau. Huyssen, Dr., Berghauptmann und Geheimer Ober- Bergrath in Halle a. 8. Jühlke, Hofgarten-Direetor der Königl. preussischen Gärten in Potsdam. Just, Dr., Professor in Carlsruh in Baden. Kanitz, Dr., Professor, Director des botanischen Gartens in Klausenburg. Kenngott, Dr. phil., Professor in Zürich. Kerner v. Marilaun, Anton, Dr., Professor, Director des botanischen Gartens in Wien. Kirchhoff, Dr. phil., Geheimer Regierungsrath, Professor in Berlin, Kirehner, Dr. phil., Professor in Hohenheim, Kleefeld, Dr. med., Sanitätsrath in Görlitz. Klein, Dr. theol., Pfarrer in Gläsendorf bei Schreibendorf. Knothe, Dr., Professor am Kadettenhause in Dresden. Koch, R., Dr. med., Geh. Resierungsrath am Kaiserl. Ge- sundheits-Amt in Berlin. 100, 101, 102. 105. 104, 105. 106. 107. 108. 109. 110. 111; 112. 113. Jahres-Bericht Köbner, Dr. med., Professor in Berlin. Kraatz, G., Dr. phil. in Berlin. Kraus, J. B., k. k. Münz- und Bergwesens - Hofbuchhaltungs- Official in Wien. Krauss, Dr., Professor, Ober-Studienrath in Stuttgart. Krone, Hermann, Privatdocent der Photographie am Königl. sächsischen Polytechnikum in Dresden. Küchenmeister, Dr. med., Medieinalrath in Dresden. Kühne, Dr. med., Professor in Heidelberg. Kützing, Dr. phil., Professor in Nordhausen. Kummer, Dr. phil., Professor, Geheimer Regierungsrath in Berlin. Lehmann, Apotheker in Bunzlau i. Schl. Leimbach, Dr., Professor, Präses der botanischen Gesell- schaft Irmischia in Arnstadt i. Thür. Lesquereux, Leo, in Columbus (Ohio). Liehtheim, Dr. med., Professor in Bern. Lindner, Dr. phil., Professor in Münster. Litten, Dr. med., Professor in Berlin. Luther, Dr., Astronom in Bilk bei Düsseldorf. Meyer, Alexander, Dr. jur. in Berlin. Baron v. Müller, J. W., Dr., Director des zoologischen Gartens in Brüssel. Müller-Strübing in London. Nawrocki, Dr., Professor in Warschau. Neubert, Wilh., Dr. phil. in Stuttgart. Neugebauer, Dr. med., Professor in Warschau. Neuland, Kgl. preuss. Oberst a. D. in Berlin. Neumann, Dr. med., Kreis-Physikus in Berlin. Nothnagel, Dr., Professor in Wien. Orth, A., Dr. phil., Professor in Berlin. Paur, Dr. phil. in Görlitz. Peck, Dr. phil., Conservator der Museen, Inspector des bota- nischen Gartens in Görlitz. Peek, Landgerichts-Präsident a. D. in Görlitz. Penzig, Dr. phil., Professor und Direetor des botanischen Gartens in Genua. Petzold, Dr. med., Wirklicher Staatsrath und Professor, Excellenz in Dorpat. Pinzger, Dr., Gymnasial-Direetor in Saalfeld. Pistor, Dr., Regierungs- und Medieinalrath in Frankfurt a. O. Prange, Geh. Regierungs-Rath a. D. in Breslau. Pringsheim, Dr. phil., Professor in Berlin. der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur, XXXIMN 114. Herr Radius, Dr. med., Geh. Hofrath, Professor in Leipzig. 115. 116. kL7;, 118, 19. 120. 121. 122. 123. 124. 142. 143. Rayer, Me: med., ‚Menibre de instiln et de l’Academie de M£decine, Erde de la Soci6t& de biologie in Paris. Rühle, Dr. med., Professor und Geheimer Medieinalrath in Bonn. Runge, Dr. phil., Geh. Bergrath in Dortmund. Saccardo, P,. A., Professor der Botanik in Padua. v. Sachs, J., Dr., Hofrath, Professor, Direetor des bota- nischen Gartens in Würzburg. Sadebeck, R., Dr., Professor in Hamburg. Sandberger, Fridolin, Dr., Professor in Würzburg. Baussure, Henri, Dr., Professor in Genf. Schmidt,J.F., Dr., Proreetor des Gymnasiums in Schweidnitz. Schneider, Fritz, Dr. med., Stabsarzt der Niederländisch- Indischen Armee a. D. in Surabaya (Java). Schöbel, Pfarrer in Ottmuth bei Gogolin. Schomburg,R., Professor, Direetor des botanischen Gartens in Adelaide (West-Australien). Schuchardt, Dr. phil., Fabrikbesitzer in Görlitz. Schultz, Alwin, Dr. phil., Professor in Prag. Schwendener, Dr., Professor in Berlin. Senoner, Dr., Bibliothekar der k. k. geologischen Reichs- Anstalt in Wien. Sonderegger, Dr., Sanitätsrath in St. Gallen. Sorauer, Dr. phil., Dirigent des pflanzenphysiologischen Instituts in Proskau. Stache, Dr., k. k. Bergrath und Reichsgeologe in Wien. Strähler, Fürstlicher Oberförster in Theerkeute bei Wronke (Posen). | Stur, k. k. Ober-Bergrath und Direetor der k. k. geologischen Reichsanstalt in Wien. v. Tiehatscheff, Kaiserl. russischer Kammerherr in Paris. Temple, Rudolf, Bureau-Chef der General- Assecuranz in Pest. Tietze, Dr. phil., Reichsgeologe in Wien. Todaro, Augustin, Dr., Professor, Direetor des botanischen - Gartens in Palermo. Tscehackert, Dr., Professor in Halle. Verneuil, Chirurgien des Höpitaux, Professeur agrege in Paris. Wartmann, Dr., Direetor in St. Gallen. Weeber, k. k. Landes -Forstinspeetor und Forsttaxator in Brünn. (& XXXIV Jahres-Bericht 144. Herr Wegehaupt, Gymnasial-Oberlehrer in Gladbach. 145. — 146. — 141. — 148. — 149. — 150. — 191. — 152. — 159. — 154. — Da, , — 156. — 157. — 158... — Weigert, Dr. med., Professor in Frankfurt a. M. Wenck, Eduard, emerit. Pfarrer in Herrnhut, Sachsen. Weniger, Dr., Gymnasial-Director in Weimar. Wetschky, Apotheker in Gnadenfeld OS. Wilckens, Dr. med., Professor an der Hochschule für Boden- eultur zu Wien. v. Wilmowsky, Geh. Justizrath in Berlin. Wiesner, Dr. k. k. Professor und Director des pflanzen- physiologischen Instituts der Universität in Wien. Winkler, Geh. Kriegsrath in Berlin W. Wittiber, Dr., Professor, Secretair der Philomathie in Glatz. Wittmack, Dr., Professor, Custos des landwirthschaftlichen Museums in Berlin. Wittrock, Dr., Direetor des Reichsmuseums in Stockholm. Wood, Dr., Professor, Präsident der Philosophical Society in Philadelphia. Freiherr v. Zigno, Achilles, Podesta von Padua. Zimmermann, Lehrer in Striegau. der Schles. Gesellschaft für vaterl, Cultur. xXXV Verzeichniss der Mitglieder der Section für Obst- und Gartenbau. Seeretair: Herr B. Stein, Inspeetor des botanischen Gartens. Stellvertreter: Herr H. Richter, Landschaftsgärtner, A. Einheimische. 1. Herr Beblo, C., Stadtrath, Kaufmann und Fabrikbesitzer, 2: — Blottner, Königl. Polizei-Secretair. 3. — Bock, J. A., Fabrikbesitzer und Apotheker, 4. — Brieger, Kunst- und Handelsgärtner. 5. — Caro, Georg, Dr. jur., Kaufmann. 6. — Cohn, F., Dr. phil., Geheimer Regierungsrath, Professor, Direetor des botanischen Museums. 7. — Cohn, Max, Blumen-Bazar. 8. — v. Drabizius, Baumschulenbesitzer. 9. — Eckhardt, W., Kaufmann. 10. — Engler, Dr., Professor, Direetor des botanischen Gartens. ll. — Erekel, Kunst- und Handelsgärtner. 12. — Flatau, Sigismund, Kaufmann. 13. — Gosse, L., Todtengräbermeister. 14. — Grüttner, O., Kaufmann. 15. — Guillemain, F., Kunst- und Handelsgärtner. 16. — Haase, E., Brauereibesitzer. 17. — Hainauer, Hermann, Kaufmann. 18. — Heinze, städtischer Parkinspeetor in Scheitnig. 19. — Herrmann, M., Juwelier. 20. — Hofmann, E., Maschinenfabrik-Besitzer. 21. — Hulwa, F., Dr. phil., vereideter Chemiker. 922. — Jäschke, R., Kaufmann. 23. — Junger, H., Kunst- und Handelsgärtner. 24, — Kärger, C. H., Kaufmann. 35. — Kaiser, Handelsgärtnereibesitzer. XXXVI © (Ser (dr Te ar ae el ee Here IE 02 © nn - © 0) [0 » Ber) oO © a m — aoaue Jahres - Bericht Herr Kipke, P., Brauereibesitzer. v. Korn, H., Stadtrath und Buchhändler. v. Korn, P., Rittergutsbesitzer. Krocker, Dr. med., Geh. Sanitätsrath. Landsberg, L., Commerzienrath, Stadtrath und Banquier. Lauterbach, H., Kaufmann. Lion, Dr. med. Lösener, städtischer Garten-Inspector. Marck, B. M., Banquier. Graf Matuschka, Königlicher Forstmeister a. D, Milch, B., Commissionsrath und Kaufmann. Möslinger, O., Particulier. Mohr, Gymnasiallehrer. Mrosowsky, C., Kunstgärtner. Mrosowsky, J., Kunstgärtner. Neddermann, C., Kaufmann und Fabrikant. Graf von Pückler, Wirklicher Geheimer Rath, Exeellenz, Vice-Ober-Schlosshauptmann, General-Landschafts-Direetor und Könislicher Kammerherr. Reder, R., Fabrikdirector. Richter, Landschaftsgärtner. Riemann, Paul, Kaufmann, Riemann, Wilh., Director. Schmidt, A., Kaufmann. Schröter, Dr. med., Ober-Stabsarzt, Privatdocent. Schütze, $., Obergärtner. Seidel, H., Kaufmann und Fabrikbesitzer. Senzky, Kunst- und Handelsgärtner. Stein, B., Königlicher Garten-Inspector. Sutter, Landes-Bau-Inspector, Hauptmann a. D. Techell, B., Kaufmann. Tripke-Ellsnig, Rittergutsbesitzer. v. Uechtritz, Königlicher Staatsanwalt. v. Wallenberg-Pachaly, G., Banquier, Consul von Schwe- den und Norwegen. Weber, Generalmajor z. D. Freiherrw. Wilcke, A: Winkler, F., Maurermeister, Wiskott, M., Kaufmann und Fabrikbesitzer. Wiskott, Tb., Kaufmann und Fabrikbesitser. v. Wrochem, Landesältester. Zwicklitz, V., Kaufmann und Fabrikdireetor. Herr der Schles. Gesellschaft für vater]. Cultur. XXXVJ B. Auswärtige. Antast, E., Rentier in Ober-Poppschütz bei Neustädtel. Arnold, G., Lehrer in Grüneiche bei Breslau. Baudiss, P., Kunstgärtner in Luttroetha bei Sagan. Behnsch, R., Baumschulen-Besitzer in Dürrgoy bei Breslau. Bombik, M., Obersteiger in Ferdinandgrube bei Kattowitz, Boring, J. &., Particulier in Poischwitz bei Jauer. Bragulla, Lehrer und Organist in Bischdorf bei Pitschen. Braun, C., Hofgärtner in Camenz bei Frankenstein. Brettsehneider, Dr. phil., Direetor in Tarnau bei Ingrams- dorf. Brieger, Hauptmann a. D., Schloss Schüsselndorf bei Briesg, Bromme, H., Vereinsgärtner in Grünberg i. Schl. Bruck, Heinr., Dampfmühlenbesitzer in Leobschütz. Bürgel, Fürstlicher Garten-Direetor in Schloss Wittgenstein bei Bacau in Rumänien. Büsing, O., Director der Breslauer Strassen-Eisenbahn-Actien- Gesellschaft zu Breslau in Kleinburg bei Breslau. Freiherr v, Czettritz- Neuhaus, Landesältester, Land- schafts-Direetor auf Kolbnitz bei Jauer. Dosterschill, C., Hauptlehrer in Alt-Tarnowitz bei Tarnowitz, Drazny, Amtmann in Schoppinitz OS. Dubiel, E,, Färber und Baumschulenbesitzer in Ohlau. Duttenhofer, ©. F., Rittergutsbesitzer in Stasin bei Dubin. v. Eck, Major a, D., Rittergutsbesitzer auf Kahlau bei Guhrau. Eichler, ©., Königl. Garten -Inspector, Stadtrath a. D. in Grünberg i. Schl, Endelt, Rittmeister, Rittergutsbesitzer in Kiekrz bei Ro- kietniea (Posen). Fengler, F., Kunstgärtner in Hausdorf, Kr. Waldenburg i. Schl. Fitzner, W., Fabrikbesitzer in Laurahütte OS. Forehmann, A., Culturtechniker in Brieg. Fox, J., Garten- ee in Neudeck OS. V. Ba, -Ludwigsdorf, H., geb. v. Frankenberg- Ludwigsdorf, auf Nieder-Schüttlau bei Schüttlau. Friedel, H., Ingenieur in Saarau. Frost, L., Hiährer in Hermannsdorf bei Lissa i. Schl. Galle, C., Kunst- und Handelsgärtner in Trebnitz. Ganzel, H., Berg-Inspector in Georggrube bei Rosdzin. Garbe, A., Lehrer und Cantor in Ober-Bielau bei Rothen- wasser, Korb Görlitz. XXXVII 48. > We} on x a © 15) ZN - w . I OS on ON an an [1 a oO B 61. x ann: (er) Han (SC) . . ° . D> 3 . . Herr '. Frau Herr Jahres - Bericht Gartenbau-Verein in Ratibor. Frau Geissler, L., Commerzienräthin in Peterswaldau. Gireoud, H., Garten-Direetor in Sagan, Gössel, W., Superintendent in Günthersdorf, Kreis Grünberg in Schlesien. A. Gräfin von der Goltz, geb. v. Usedom, auf Melochwitz bei Militsch. Goy, €. S., Kaufmann in Pitschen. Grossmann, O., Obergärtner in Warmbrunn. Grüger, A., Obergärtner in Silberkopf bei Ratibor. Grünhagen, W., Apotheker in Trebnitz. Hachmeister, C., Schlossgärtner in Rohnstock. Graf v. Harrach, E., auf Klein-Krichen bei Lüben. Haupt, ©., Kgl. Gartenbau-Direetor und Ingenieur in Brieg. Heimann, M., Dr., Rittergutsbesitzer in Wiegschütz bei Cosel O8. Hempel, Baumeister in Pitschen. Reichsgraf zu Herberstein, $., Freiherr v. Neuberg und Guttenhaag, K. K. Kämmerer u. s. w. zu Gratz, auf Grafen- ort bei Habelschwerdt. Hicketier, C., Herzoglicher Geheimer Domainenrath und Generalpächter in Liebethal bei Wangern. Hiller, F. H., Lehrer in Brieg. Himmelstoss, H., Kunstgärtner in Lortzendorf bei Mettkau, Graf von Hochberg, B., auf Rohnstock. Hofmann, E., Fabrikbesitzer in Protschkenhain bei Mettkau. Durchlaucht Hugo Fürst zu Hohenlohe-Oehringen, Herzog von Ujest auf Slawentazitz. Freiherr von Humbracht, auf Rengersdorf. Jänisch, H., Dr. med. in Jauer. Kabelitz, C., Schlossgärtner in Radenz bei Koschmin. Kambach, Reehnungsrath in Görlitz, Katzke, W., Kunstgärtner in Bolkenhain. v. Kessel, Rittergutsbesitzer auf Ober-Glauche bei Trebnitz. Kiefert, Lehrer in Floriansdorf bei Mettkau. Klimm, Rentmeister in Ober-Stradam bei Stradam. Klings, P., Hoflieferant in Berlin, Unter den Linden 19. Klose, F., Baumschulenbesitzer in Spalitz bei Oels. Kluge, Pfarrer in Nieder-Schönfeld, Reg.-Bez. Lieonitz. Kölling, H., Dr., Superintendent in Roschkowitz bei Pitschen. - Fräulein v. Kramsta, M., Rittergutsbesitzerin auf Muhrau bei . Herr Striegau. Krügell, H., Pastor in Thiemendorf bei Steinau a. O. der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. XXXIX 68. Herr Kühnau, W., Kunsteärtner. 69. 70. 71. 72. 73. 74. 75. 76. ® 78. 79. 80. 81. 82. 83. 84. 85. 86. 87. 88, 89, 90. 91. 92. 93. 94. 95. 96. 97. 98. Laser, Th., Architekt und Maurermeister in Krotoschin. Linz, Joh., Maschinenfabrik-Besitzer in Rawitsch. Leschick, F., Fabrikbesitzer in Schoppinitz. v. Lieres, Königl. Landrath, Landesältester und Landschafts- Direetor, auf Gallowitz bei Rothsürben. v. Lieres und Wilkau, Rittergutsbesitzer auf Pasterwitz bei Wangern. v. Lieres und Wilkau, Rittergutsbesitzer auf Gnichwitz bei Canth. Löw, G., Apotheker in Stroppen bei Gellendorf, Lorenz, O., Obergärtner in Bunzlau i. Schl. Mache, P., Kunstsärtner in Költschen bei Schweidnitz. v. Machni, Rittergutsbesitzer in Hirschberg i. Schl. Graf Magnis auf Eekersdorf. Marx, H., Fürstbischöflicher Commissarius und Erzpriester in Miechowitz. Matzurke, Chemiker und Chef des chemischen Laboratoriums in Borsigwerk OS. Meihner, P., Kaufmann und Fabrikbesitzer in Landeshut in Schl, Meyen, Rittergutsbesitzer in Brodek bei Sohrau O8. Freiherr, v. Minutoli- Woldeck, Geh. Regierungsrath, auf Friedersdorf bei Lauban. Müller, Ernst, Gutsbesitzer in Papelhof bei Hünern. Müller, O., Superintendent in Michelau bei Böhmischdorf. Nitsche, M., Gutsbesitzer in Neu-Altmannsdorf bei Münster- berg. Nitsche, Ed., Schlossgärtner in Laband O8. Nitschke, Rittergutsbesitzer in Girlachsdorf bei Nimpisch. v. Obernitz, J., Major a. D., Rittergutsbesitzer auf Machnitz bei Wiese. v. St. Paul, Corvetten-Capitain z. D., Hofmarschall in Fisch- bach in Schl. Pavel, Pastor in Gränowitz bei Mertschütz. Peieker, W., Hofsgärtner in Rauden OS. Petrick, O., in Ober-Weistritz. Perschke, städtischer Kirchhof-Inspector in Gräbschen bei Breslau. Pfeifer, Cantor und Lehrer in Ober-Pritschen bei Fraustadt in Schl, | Pfeiffer, C., Kunst- und Handelsgärtner in Sprottau. Pflaume, F., Kunstgärtner in Ober-Weistritz.. 116, 117; 118. 119. 120. 131. 122. 123. 124, 125, 126, . Herr . Frau . Herr Jahres - Bericht Pförtner v.d. Hölle, Rittergutsbesitzer und Landesältester auf Schmarker- Ellguth bei Stroppen. u Graf Pilati, O., Major auf Schlegel. Plosel, J., Obergärtner in Falkenberg OS. Graf v. Praschma auf Schloss Falkenberg OS. v. Prittwitz und Gaffron, Königl. Kammerherr, Major a. D., Landesältester auf Moisdorf bei Jauer. Gräfin Pückler, A., Ehren-Stifisdame zum Heiligen Grabe, auf Frankenthal bei Militsch. Pulst, C., Rittergutsbesitzer in Twardawa OS. Radler, Landesältester und Kreisdeputirter in Polnisch-Jägel bei Strehlen. Graf v. d. Reeke-Volmerstein, Rittmeister, Landes- ältester und Generallandschafts-Repräsentant auf Kraschnitz. Graf v. d: Recke-Volmerstein auf Louisdorf bei Ol- bendorf. Gräfin Reichenbach, geb. Gräfin Bethusy-Hue, zu Festenberg. Reil, Rittergutspächter in Chorulla bei Gogolin. Reimann, Th., Gerbermeister in Brieg. v. Reinersdorf-Paczensky, Rittmeister a. D., Majorats- herr auf Ober-Stradam bei Stradam. Retter, H., Premier - Lieutenant und Rittergutspächter in Wendzin bei Schirokau, Kr. Lublinitz. Reuning, H., Rittergutsbesitzer in Dippelsdorf bei Zobten, Kreis Löwenbersg. Freiherr v. Richthofen auf Carlowitz bei Breslau. Ritter, J., Pastor in Friedersdorf a. Qu. bei Langenöls, Kr. Lauban. Rittltausen, Pastor in Lampersdorf bei Steinau a. ©. Rother, Garten-Director in Reisen, Posen. Rudolph, G., Kunstgärtner in Frankenthal bei Neumarkt. Sachs, P., Rittergutsbesitzer in Wiltschau bei Rothsürben. v. Balisch, Rittergutsbesitzer auf Postel bei Militsch. Sauer, J., Apotheker in Cudowa. Graf Schack von Wittenau, A., gen. Graf v. Dankel- mann, in Beuthen a. O, Graf Schaffgotsch, H. U., Königlicher Kammerherr auf Koppitz. Graf Schaffgotsch, L., Freier Standesherr auf Kynast ete. zu Warmbrunn. v. Scheliha, Rittergutsbesitzer, Landesältester auf Per- schütz, der Schles. Gesellschaft für vaterl Cultur. XLI 127. Herr Graf v. Schlabrendorf und Seppau, Erb-ÖOber-Land- 128. 422. 130. 151. 132. 133. 134. 135. 136. 137. 138. 139. 140, 141, 142. 143. 144, 145. 146. 147, 148, 149. 150. 151. 152, 153. 154, 155. baumeister, Majoratsherr auf Seppau bei Quaritz. Schlegel, F. W., Kunstgärtner in Graienort bei Habel- schwerdt. Schlieben, J. T., Kunst- und Handelssärtner in Ratibor. Schmidt, P., Kunstgärtner in Ober-Stephansdorf. Schmula, A., Hüttenbesitzer in Waltershütte bei Nicolai OS. Schnabel, R., Baumschulenbesitzer in Ohlgut bei Münster- berg. Schönfelder, A., Wirthschafts - Inspeetor in Alt - Schliesa bei Wangern. Scholtysek, J., Pfarrer in Grossstein bei Gosolin. Scholtz, M., Apotheker in Jutroschin. Scholz, H., Pfarrer in Schwedeldorf. Schröter, B., Majorin, auf Wättrisch bei Heidersdorf. Schütz, A., Fürstl. Hofgärtner in Margarethen am Moos bei Trautmannsdorf, Nieder - Oesterreich. Siebenhaar, F., Kunst- und Handelsgärtner in Hirschberg. Siegert, J., Wanderlehrer in Liegnitz. Stahr, Rittergutsbesitzer, prakt. Arzt, Dr. med. in Wilxen bei Obernigk. Stanke, W., Obergärtner in Gräbschen bei Breslau. Stefke, E., Apotheker in Lissa bei Breslau. Stephan, J., Vorsteher der Provinzial - Gärtner - Lehranstalt in Koschmin, Posen. Stiebeiner, A., Kunstgärtner in Planowitz bei Rudzinitz. Stittner, H., Kunstgärtner in Cammerau bei Schweidnitz. Stittner, J., Kunst- und Handelsgärtner in Raczkow bei Zduny. Stoll, G., Oekonomierath, Direetor des Königlichen pomo- logischen Instituts in Proskau. Strauss, H., Cantor und Lehrer in Conradsthal bei Salz- brunn. Strauwald, H., Kreis-Obergärtner in Gnadenfeld. Streicher, R., Obergärtner des Gartenbau - Vereins in Gnesen. - Streubel, W., Kunst- und Handelsgärtner in Hassitz bei Glatz. Strzebin, A., Schiehtmeister und Amtsvorsteher in Alten- burg bei Merzdorf. Teicher, L., Kunst- und Handelsgärtuer (in Firma G. Teicher) in Striegau. Teicher, P., Kunst- und Handelsgärtner (in Firma G. Teicher) in Striegau. d XLIlI 156. VON. 158. 159. 160. 161. 162. or» . . . fer) . bh de de ben Sl N SS | 178 179. Herr Jahres-Bericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. v. Tempski, H., Rittergutsbesitzer auf Baara bei Schmolz. lieh R., in Jauer. ee C. F., Brauereibesitzer in Liegnitz. Töpffer, C., Kaufmann in Maltsch a. O. v. Treutler, O., Kreisgerichtsrath a. D. in Neu-Weissstein bei Waldenburg. Verwaltung des v. Lestwitz’schen Fräulein - Stiftes in Tsehirnau bei Bojanowo. : Vogel, W., Kunst- und Handelsgärtner in Carlowitz bei Breslau. Wagener, Dr. med., in Stadt Königshütte. v. Wallenberg- Pachaly, C., Rittergutsbesitzer auf Schmolz. Walter, Stadtrath a. D. und Rittergutsbesitzer auf Eisenberg bei Strehlen. Walter, R., Hausbesitzer und Stadtkoch in Scheitnig bei Breslau. Websky, E., Dr. phil, Commerzienrath in Wüstewalters- dorf, Weikert, Pastor in Gross-Wandriss bei Mertschütz. Weinhold, E., Kunst- und Handelsgärtner in Hirschberg. Weiss, F. W., Banquier in Reichenbach i. Schl. Freiherr v. Welcezeck, B., Kaiserl. Legations-Seeretair a. D., Majoratsherr auf Laband OS. Wenzel, J., Materialien-Verwalter in Myslowitzgrube bei Myslowitz. Werner, F., Bergverwalter in Myslowitz. Wiessner, Pastor in Gross-Wilkau bei Nimptsch. Winter, C., Obergärtner in Heinrichau bei Münsterberg. Wothe, C., Pastor in Oberniek. v. Zaluskowski, Major a. D., Land- und Armenhaus- Direktor in Schweidnitz. v. Zawadzky, F., Landesältester auf Jürtsch bei Canth. Zimmermann, O., Gutsbesitzer u. Beigeordneter in Nimptsch., Seetions-Versammlung von Zeit zu Zeit Mittwoch Abends um 7 Uhr. Die resp. Mitglieder dieser Section ersucht der Secretair dringend, ihm etwaige Veränderungen ihres Wohnortes anzuzeigen. Allgemeine Sitzung der Schlesischen Gesellschaft für vaterländische Cultur am 17. December 1887 zur Feier des hundertjährigen Geburtstages von Joh. Ev. Purkinje. In dem mit dem lorbeerumkränzten Bilde Purkinje’s geschmückten grossen Sitzungssaale hielt der Präses der Gesellschaft, Geh. Medieinal- Rath Professor Heidenhain folgende Festrede: Meine Herren! Ich habe mir die Ehre genommen, Sie zu einer allgemeinen Sitzung unserer Gesellschaft einzuladen, um ein Wort pietätvoller Erinnerung einem Manne zu widmen, der heute vor 100 Jahren geboren, fast ein Menschenalter hindurch unserer Gesellschaft, wie der Universität Breslau angehört hat, ein wahrer Pionier auf einem damals erst neu zu er- obernden wissenschaftlichen Gebiete und trotzdem heute selbst hier am Orte wenig mehr gekannt und wenig genannt, — Joh. Ev. Purkinje, der eigentliche Schöpfer der mikroskopischen Anatomie in Deutschland, der zugleich zuerst die Physiologie zum Range einer selbständigen Naturwissenschaft erhoben. Wenn Verdienste, wie ich sie in diesen Worten kurz bezeichnet habe, in der heutigen Literatur mehr als billig der Vergessenheit an- heimgefallen sind, so liegt der Grund wohl vorzugsweise darin, dass unserer jetzigen Generation in ihrer unermüdlichen productiven Schaffens- freudigkeit auf dem Gebiete der Naturwissenschaften und der Mediein der historische Sinn mehr und mehr abhanden gekommen ist. Aber es ist, denke ich, grade Sache der Schlesischen Gesellschaft, was in Schlesien zu der allgemeinen wissenschaftlichen Bewegung beigetragen worden, nicht in Vergessenheit gerathen zu lassen, sondern für uns selbst wie für die Geschichte der Wissenschaft in treuem Gedenken zu bewahren. 1887. > Jahres - Bericht _ Purkinje’s Leben und Wirken vor einer Versammlung zu schildern, die sich nicht blos aus Fachmännern, sondern auch aus Laien auf naturwissenschaftlichem und medieinischem Gebiete zusammensetzt, ist keine leichte Aufgabe; denn seine bahnbrechenden Leistungen liegen zum guten Theile innerhalb eines Kreises, welchem die Laienwelt sehr fern steht. Aber auf der andern Seite erfreut das Bild Purkinje’s als eines Mannes von ausgeprägter Individualität, von erfrischender Origi- nalität des Denkens und bewundernswürdiger Ausdauer des Handelns, und so wird dasselbe für Alle ein Interesse haben, welche ihre Theil- nahme eigenartigen und selbständig produetiven Naturen zuzuwenden geneigt sind. Heute vor 100 Jahren also wurde Purkinje zu Libochowitz bei Leitmeritz in Böhmen geboren. Seine Wiege stand in einer ezechischen Bauernstube. Als er, ein Knabe von 10 Jahren, seinen Vater verlor, gab ihn seine Mutter in ein von Piaristen geleitetes Chorknaben - Institut zu Niecolsburg in Böhmen. Dieser Schritt, ihn scheinbar weit abführend vor seinen späteren Wegen, sollte für ihn zum Segen werden, denn er erlernte dort die deutsche Sprache und erhielt auf dem dortigen Gymnasio seine erste allgemeine Bildungs. Eine ezechische Wissenschaft gab es in jenen Tagen noch nicht; deshalb war die Kenntniss des Deutschen für Purkinje eine unentbehrliche Vorbedingung einer wissenschaftlichen Zukunft. Anfangs gewöhnte Purkinje sich so sehr an die Stille des Kloster- lebens, dass er sich für den geistlichen Stand bestimmte, Im Alter von 18 Jahren in den Piaristen-Orden eingetreten, verbrachte er 3 Jahre an den Collegien zu Altwasser und zu Strassnitz in Mähren, zuletzt zu Leitomischl in Böhmen. Während dieser Zeit gerieth er in Berührung mit der deutschen Philosophie; namentlich scheint Fichte einen besonderen Einfluss auf seine Entwiekelung gewonnen zu haben, der dahin führte, dass er kurz vor Empfang der priesterlichen Weihen aus dem geistlichen Orden austrat, um in Prag Philosophie zu studiren. Aber dort vollzog sich bald ein neuer Wandel: von einem Baron Hildebrandt, in dessen Hause er von 1810 — 1812 als Erzieher fungirte, mit den nöthigen Mitteln versehen, ging er zur Mediein über, bereits in einem Alter, welches das gewöhnliche Alter Studirender weit überragte. So erklärt es sich, dass Purkinje schon während dieser Zeit seines medieinischen Universitäts - Studiums zum selbständigen Denker und Forscher heranreifte. Denn seine im Jahre 1819 heraus- gegebene Doctor - Dissertation: „Beiträge zur Kenntniss des Sehens in subjeetiver Hinsicht“ verschaffte ihm schnell ein ausserordentliches Ansehen. Sagt doch Goethe in seinen Annalen vom Jahre 1820, jenes Werk habe ihn besonders aufgeregt, so dass er dasselbe ausgezogen und mit Noten versehen habe. — Gleich nach der Promotion übernahm der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 3 der junge Doctor nunmehr die Stellung eines Assistenten an der Anatomie in Prag, in welcher er bis zur Berufung nach Breslau verblieb. An der medieinischen Faecultät der im Jahre 1811 begründeten Breslauer Hochschule bestand von vornherein ein eigener Lehrstuhl für Physiologie und Gewebelehre oder, wie letztere zu jener Zeit hiess, all- gemeine Anatomie, damals und noch für mehrere Decennien die einzige selbständige physiologische Professur in Deutschland, während an allen anderen Universitäten nur der Professor der Anatomie beiläufig auch ein physiologisches Colleg las. Als der ursprüngliche Vertreter der Physiologie an unserer Hochschule, Profossor Bartels, im Jahre 1821 nach Marburg berufen wurde, schlug die Facultät dem Minister von Altenstein Herrn Gruithuisen in München als Nachfolger vor. Trotz der Befürwortung dieser Denomination durch den damaligen Universitäts - Curator Herrn Geh. Ober - Regierungs - Rath Neumann wurde Purkinje berufen, von Rust und von Alex. von Humboldt auf Goethe’s Anregung an den Minister empfohlen. Goethe hatte Purkinje infolge seiner Promotionsschrift zu einem Besuche nach Weimar eingeladen. In Goethes Annalen von 1822 heisst es: „Herr Purkinje besuchte uns und gewährte einen entschiedenen Begriff von merkwürdiger Persönlichkeit und unerhörter Anstrengung und Aufopferung.“ Die Breslauer Facultät war mit dieser Vocation so wenig ein- verstanden, dass sie dem Minister gegenüber jede Verantwortung für dieselbe ablehnte; sie erfuhr für diese Kühnheit eine ausserordentlich entschiedene, von dem damaligen Universitäts-Referenten Joh. Schulze eoneipirte Zurückweisung. Purkinje’s Ernennung zum Prof. ord. erfolgte durch den König am 11. Januar 1823, mit einem Gehalte von 800 Thlr. Im nächsten Sommer begann er seine hiesige Thötigkeit. Die äusseren Verhältnisse waren derselben zunächst wenig günstig, Die durch seine Anstellung gekränkte Facultät unterstützte seine Bestrebungen in keiner Weise. Seine Einnahmen reichten für seine Bedürfnisse trotz seines anerkannt überaus bescheidenen Lebens so wenig aus, dass er sich fast jedes Semester von dem Curator Gehalts- vorschüsse ausbitten musste. Ungeachtet dieser drückenden äusseren Schwierigkeiten verfolgte Purkinje vom Antritte seines Lehramtes an mit eiserner Consequenz ein hohes Ziel, das Ziel, der physiologischen Wissenschaft die Grundlage zu einer selbständigen und unabhängigen Entwickelung zu verschaffen, bis er nach Jahrzehnte langem Kampfe das Mittel zu dieser Reform, die Begründung eines eigenen physiolo- gischen Institutes erreicht hatte. Und die Wissenschaft bedurfte einer solchen Wandlung! In Deutschland, wie schon erwähnt, — und ähnlich war es auch in 1° f Jahres - Bericht —x anderen Ländern — lag die Pflege und der Unterricht der Physiologie in der Hand der Anatomen und wurde von ihnen als Nebensache behandelt. Hier und da wandte einer dieser Gelehrten der physiolo- gischen Wissenschaft ein besonderes Interesse zu, so Albrecht von Haller im vorigen Jahrhundert. Aber die Methoden, das Getriebe des lebenden Organismus zu erforschen, waren zu unvollkommen; die Untersuchung beschränkte sich meist auf planlose Viviseetionen. Kein Wunder! Denn die physischen Vorgänge in dem Organismus sind physikalischer und chemischer Natur. Die Chemie war im Anfange dieses Jahrhunderts eben erst durch die Feststellung der constanten Verbindungsgewichte der Elemente auf die Grundlagen der heutigen exacten Wissenschaften gestellt, und die Physik hatte so grosse Bereiche, wie das der galvanischen Electrieität eben erst zu erobern begonnen, Diffusion, Eleetromagnetismus u. s. f. waren noch unbekannt. Für die physiologische Forschung waren also die zureichenden physikalischen und chemischen Hilfsmittel noch nicht geboten, So kam es, dass sie, wie Purkinje sich einmal äusserte, im vorigen Jahrhundert nur ein etwas geistigerer Commentar der Anatomie wurde, im Anfange dieses Jahrhunderts von der herrschenden Naturphilosophie zu einem anderen Extrem, zu einer beinahe überirdischen Selbständigkeit emporgeschraubt war. Es sei nun Zeit, dass sie von ihren Höhen in ihre ursprüngliche, zwar irdische und materielle, aber lebendige Existenz zurückkehre. Dieser Lage der Dinge entsprach denn nun auch der Unterricht. Während der Anatom seinen Schülern die Organe demonstrirte, der Physiker und Chemiker vor den Zuhörern experimentirte, waren die Vorlesungen über Physiologie überall rein theoretischer Natur und beschränkten sich oft auf das Diktiren ausgearbeiteter Hefte. Einen so unbefriedigenden Zustand der Wissenschaft, die kaum noch diese Bezeichnung verdiente, traf Purkinje an. Sein Entschluss, ihn zu ändern, stand bei ihm von vornherein fest. Er selbst schreibt in späteren Jahren (1841) an R. Wagner in Göttingen: „Ich erkannte, bald nach dem Antritte meines hiesigen Lehramtes, dass nach meiner Stellung als eigener Lehrer der Physiologie und nach dem Gefühle des eigenen Berufes meine Amtsführung mit blosser historischer Ueber- lieferung des von Andern Geleisteten und mit blossen theoretischen Speenulationen sich nieht würde genügen lassen. Ich fing deshalb schon im Jahre 1824 an meine theoretischen Vorlesungen mit einem experi- mentellen Collegium zu begleiten. Ich begann dieses auf eigenes tisico. Der Direetor der Anatomie, Professor Otto, räumte mir ein Zimmer im alten Anatomie - Gebäude ein, der damalige Prosector Sehrig war mir bei seiner Vorliebe für Chirurgie freundlich zur Hand, auch des Anatomiedieners Hilfe war mir nieht versagt. Auf den Antrag des Herrn Curators erhielt ich meine Auslagen, die etwa in 50 Thlr. der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 5 bestanden, ersetzt. Die Bitte, einen besonderen Etat für die Physiologie zu errichten, wurde nicht gewährt.“ So entstand in Breslau im Jahre 1824 das erste physio- logisehe Experimental-Colleg Deutschlands, — in demselben Jahre, in welchem Liebig nach Giessen berufen wurde, wo er sich bald ähnlich wie Purkinje zunächst aus Privatmitteln die Bedürfnisse für den praktischen Unterricht in der Chemie beschaffte. Welch’ einen gewaltigen Schritt jene That Purkinje’s bedeutet, kann nur ermessen, wer die spätere Entwickelung der medieinischen Wissenschaften vor Augen hat. Denn aus der experimentellen Physio- logie entstanden später durch Traube und Virchow die experimentelle Pathologie, sodann die experimentelle Arzneimittel-Lehre und in unseren Tagen die experimentelle Hygiene. Wenn heute Deutschland bezüglich der Entwickelung der medieinischen Wissenschaft ohne alle Frage in erster Reihe steht, so liegen die Keime jenes rastlosen Fortschrittes in der Begründung des experimentell-physiologischen Unterrichtes durch Purkinje. Der Beginn seines Weges war damit betreten; doch sollte die Bahn noch schwierig und rauh genug werden. Vor Allem, es gelang ihm Anfangs nicht, sich in seinen Vorlesungen Anerkennung zu ver- schaffen. Nach allen vorliegenden schriftlichen Aeusserungen in deu Acten des hiesigen Curatorii und des Ministerii, sowie nach dem Zeugnisse noch lebender Schüler war es Purkinje’s Sache nicht, durch seinen mündlichen Vortrag zu fesseln und anzuregen, und dieser Mangel wurde von der noch immer übel gestimmten Facultät, namentlich von dem Anatomen Otto so sehr betont, dass der Universitäts- Curator im Jahre 1825 den Antrag an den Minister stellte, neben Purkinje noch Treviranus mit physiologischen Vorlesungen zu beauftragen. Glücklicher Weise wurde dieser drohende Schlag durch die Einsicht des Universitätsreferenten im Ministerio Joh. Schulze abgewandt. Purkinje hatte an das Ministerium über die Verwendung der ihm für Demonstrationszwecke bewillisten 50 Thlr. einen Bericht gesandt, welcher einen so günstigen Eindruck machte, dass der Curator unter Ablehnung seines Antrages den Befehl erhielt, Purkinje die besondere Zufriedenheit des Ministers bezüglich seiner Demonstrationen und wissen- schaftlichen Forschungen auszudrücken. Man erkannte eben höheren Ortes mit riehtigem Blicke, dass Purkinje’s Stärke nicht sowohl in dem systematischen Colleg, als in der scharfsinnigen productiven Unter- suchung und ganz besonders in der persönlichen Anleitung einzelner Schüler zu wissenschaftlichen Arbeiten bestehe, deren schon damals mehrere vorlagen. Mit glücklichem Takte wünschte man die Ent- wickelung des Unterrichtes nach dieser Seite hin möglichst zu fördern. 6 Jahres-Bericht Aber es sollte noch lange währen, bis es Purkinje vergönnt war, eine umfassende derartige Thätigkeit zu entwickeln. Denn vorerst wurde er durch einen Streit mit Otto genöthigt, seinen Vorlesungs- und Demonstrationsraum in der Anatomie aufzu- geben. Ein im dritten Stockwerke des Universitätsgebäudes, zwischen Professoren-Wohnungen und dem damaligen physikalischen Hörsaale gelegenes kleines Zimmer diente als Ersatz. Aber die Nase der Nach- barn wollte die Physiologie nicht neben sich dulden und bedrohte ihre ohnehin kärgliche Existenz auf jede Weise. Trotz aller Ungunst dieser Verhältnisse gewannen die Vorlesungs- Demonstrationen allmälig so sehr an Ausdehnung und Anklang, dass auf die Dauer mit jenem einzigen Raume, in welchem Instrumente, Thiere, Abfälle bunt neben einander untergebracht werden mussten, un- möglich auszukommen war, und so stellte Purkinje im Mai des Jahres 1831 an den Universitäts-Curator Herrn Neumann zum ersten Male den Antrag auf Begründung eines eigenen physiologischen Instituts. Mit diesem Antrage beginnt überhaupt die Geschichte der physio- logischen Institute. Die in kurze, markige Worte gefasste Motivirung ist noch heute von hohem Interesse, weil sie, um mit Goethe zu reden, die merkwürdige Persönlichkeit Purkinje’s treffend charakterisirt. „Die Physiologie ist heutzutage, so heisst es, von den müssigen Speculationen voriger Jahrzehnte glücklich zurückgekommen und hat sich den realen Wissenschaften zugewendet, Sie fordert von diesen nicht blos literärische Hilfe, sie erwartet nicht blos Resultate von diesen, sondern sie will thätig in sie eingreifen. Der Physiologe muss als Physiologe Physik, Chemie und Organik treiben können, wenn in diesem Theile der Naturwissenschaften positive Resultate gewonnen werden sollen. Wenn die Physiologie, obgleich selbständig wie jede andere Wissenschaft, eine gewisse reale Existenz von der mitunter sehr prekären Liberalität anderer Institute, die das Herkommen schon seit langer Zeit befestigt hat, erbetteln soll, kann ohnmöglich etwas gedeihen und es muss endlich auch der frischeste Muth sinken. Wenn es zweckmässig ist, die Physiologie als eigenes Fach neben Anatomie, Zoologie u. A. auf der Universität geltend zu machen, so ist es ebenso consequent und enierweiseh wissenschaftlichen Administration würdig, ihr eine reale Existenz und Organe thätigen Producirens zur Ausstattung zu geben.“ = solcher Entschiedenheit und Wucht redet einer vorgesetzten Fun er Sea an, der von ua Wahrheit dessen, was er Aeikcde au erek auf das Breite durchdrungen ist. Den Pau er Ernst und die Ueberzeugungstreue, welche re pe te re A spricht, gleichwohl von der Noth- ae Biss p Oh u Institutes nicht überführt, Er über- Je 8 Denkschrift nicht einmal dem Ministerio, sondern der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. m wies den Petenten kurzweg ab. Selbst nicht die mit Instituten so reich ausgestattete Universität Bonn, ja, keine einzige deutsche Universität, nicht einmal die Berliner, habe ein solches Institut, welches mit einer besonderen Präparaten - Sammlung, mit besonderen anatomischen und chirurgischen Instrumenten, mit chemischen Vorrichtungen, besonderen Aufwärtern und Assistenten und dergl. m. versehen wäre. Purkinje möge deshalb bescheiden sein und den Antrag stellen, wenn ein neues Anatomie - Gebäude errichtet würde, ihm in dem alten ein bis zwei Zimmer für seine Vorlesungen und Demonstrationen zu geben. Freilieh wäre das schon ein Fortschritt gewesen. Allein als das neue Anatomie-Gebäude (1833/34) fertig war, wusste der Anatom Otto es einzurichten, dass ihm das alte als Amtswohnung übergeben wurde, und die Physiologie ging leer aus. Um so bedauerlicher, als Purkinje's Lehrthätiskeit mit Bezug auf die Unterweisung Studirender zu eigenen wissenschaftlichen Untersuchungen so sehr gestiegen war, dass das Zimmer im Universitätsgebäude die Zahl der Arbeiter nicht mehr fasste, Unter diesen Umständen entschloss sich Purkinje zu den grössten persönlichen Opfern, um der Physiologie, unabhängig von dem Staate, eine Arbeitsstätte zu bereiten. ,‚Es hatte mich“, so berichtete er später an R. Wagner in Göttingen, „nach dem Laufe menschlicher Dinge vielfaches Hausunglück durch Sterbefälle getroffen. (Es waren mehrere Glieder seiner Familie an der Cholera gestorben.) Mein Quartier wurde halb leer und es zog die Physiologie in die leeren häume ein.‘ Nieht ohne ein Gefühl der Ehrfurcht kann man auf den Mann zurück- blieken, der, selbst in fortwährender finanzieller Bedrängniss, dem wissen. schaftlichen Gedanken, welcher sein ganzes Leben durchdringt, so grosse Opfer zu bringen nicht zögerte, Opfer, die er nicht blos sich persönlich, sondern auch seiner Familie auferlegte. Denn als einige Jahre später ein neuer Universitäts Curator bei dem Ministerio die Begründung eines physiologischen Institutes beantragte, schilderte derselbe dem Minister den kläglichen Zustand der Purkinje’schen Wohnung in den beweg- liehsten Worten: „kein einziges Zimmer sei frei von Gläsern, Geräth- schaften, Präparaten gewesen, der Gesundheitszustand der Bewohner ernstlich gefährdet.‘ So sah die Stätte aus, an welcher Purkinje einen bedeutenden Theil der heutigen Physiologie erschuf, die mikroskopische Gewebelehre, denn gerade hier in seiner Wohnung sind unter seiner Leitung alle jene bahnbrechenden Arbeiten seiner Schüler entstanden, welehe, noch vor Schwann, den Grund zu der heutigen Gewebelehre legten. Das zusammengesetzte Mikroskop selbst war bereits in den ersten Decennien des 17. Jahrhunderts erfunden worden. Glückliehen und scharf- sichtigen Beobachtern, wie dem Holländer Leuwenhoek, hatte die fleissige Benutzung desselben manche schöne Frucht gezeitigt, so die 8 Jahres - Bericht Te Entdeckung der rothen Körperchen des Blutes, der Samenfäden u. s. f, Eine systematische Verwendung des Instrumentes zur Untersuchung der elementaren Formbestandtheile des Organismus hatte noch nicht statt- gefunden. Nur Treviranus hatte sie im Jahre 1816 versucht, aber mit so viel Missgeschick, dass er unter dem Mikroskop als Elemente des Körpers nur Fasern, Kügelchen und eine formlose Masse unterschied. Der Gesammtschatz des damaligen mikroskopischen Wissens ist durch E. H. Weber in seiner allgemeinen Anatomie zusammengefasst; er sah spärlich genug aus. Dass hier unendlicher Gewinn für einen eifrigen Schatzgräber zu finden sei, war Purkinje vom Beginne seiner Thätig- keit nicht zweifelhaft. Schon Mitte der zwanziger Jahre hatte er mittelst des einfachen Mikroskopes wichtige Entdeckungen gemacht. Dies Hilfsmittel war aber wenig zureichend, und so stellte Purkinje im Jahre 1830 an den Curator Neumann den Antrag auf Anschaffung eines Mikroskopes aus der Werkstatt des Optikers Plöss| in Wien für den Preis von 200 Thalern. Der Herr Curator aber trug Bedenken, für einen Professor allein die Bewilligung eines so theueren Apparates höheren Orts zu beantragen. Purkinje möge sich mit dem Physiker Steffens, dem Astronomen Jungnitz, dem Anatomen Otto, dem Botaniker Nees von Esen- becek zu einer gemeinschaftlichen Petition verbinden. Das Mikroskop solle dann an einem allen diesen Herren zugänglichen Orte zu gemein- samer Benutzung aufgestellt werden! Indess gelangte Purkinje doch im Juni 1832 in den ausschliesslichen Besitz des ersehnten Forschungs- mittels. Der Ausdruck seiner Befriedigung und Freude findet sich in dem schon erwähnten Schreiben an R. Wagner mit folgenden Worten niedergelegt: „Mit der Acquisition des Plössl’schen Mikroskops im Sommer 1832“ — so schreibt P. an W. — „begann für meine physiologische Wirk- samkeit eine neue Epoche. Jeder, der das Mikroskop ernstlich in Ge- brauch gezogen, weiss, dass unser Auge dabei eine Potenzirung, erlangt, die alle Grenzen des gewöhnlichen Sehens durchbricht und uns allenthalben neue Welten entdecken lässt. Mit wahrem Heisshunger durchforschte ieh nun in kürzester Zeit alle Gebiete der Pflanzen- und Thierhistologie und erlangte die Ueberzeugung der Unerschöpflichkeit des neu gewonnenen Stoffes. Fast jeder Tag zählte neue Entdeckungen und ich fühlte bald das Bedürfniss, mein gesteigertes Auge auch Anderen zu theil werden zu lassen und mich an ihrer Sehfreude zu erfreuen. Auch wollte ich die gegebene Gelegenheit benützen, öffentlich und durch lebendiges Beispiel zu zeigen, in welcher Art ein physiologisches Institut durch Gewinnung neuer Bearbeiter der Wissenschaft wirksam und ge- meannfizig werden kann. $8o entstanden eine Reihe physiologischer Dissertationen, die an demselben Instrumente, meist im eigenen Hause, der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 9 von Doetoranden der Mediein gearbeitet wurden und wodurch nament- lich die Kenntniss der Elementartheile des Organismus vielfach gefördert wurde. Ich fand selbst Anregung durch die jungen Kräfte und es gelang mir so mancher glückliche Fund, namentlich als ich mit einem so ex- quisiten Talente als das Valentin’s mich verbündete.“ Während Purkinje trotz aller äusseren Ungunst in voller Schaffens- freudiskeit der Wissenschaft neue Bahnen wies, trat ein für seine Bestrebungen folgenschweres Ereigniss ein. Das Curatorium der Uni- versität ging an den_ Geh. Ober-Regierungsrath Heinke über, der die Leistungen des genialen Gelehrten in weit höherem Maasse als sein Vor- gänger zu würdigen wusste. Bald nach seinem Amtsantritte beantragte er bei dem Ministerium für den „bescheidenen, überall zurückgedrängten und doch so anerkannten P.‘ eine feste jährliche Summe von 200 Thlr. für seine Demonstrationen. Durch die Bewilligung derselben ermuthigt, stellte Purkinje zum zweiten Male, im Jahre 1836, den Antrag auf Errichtung eines besonderen physiologischen Institutes, welcher von dem Curator auf das Wärmste befürwortet wurde. Die 20 Folioseiten umfassende Denkschrift, durch welche er seinen Antrag motivirte, ist von allerhöchstem Interesse. Leider verbietet es die Zeit, eine auch nur annähernde Darstellung ihres Inhaltes zu geben. Aber es verdient doch zur Charakteristik des wissenschaftlichen Stand- punktes Purkinje’s und seiner Lehrthätigkeit hervorgehoben zu werden, dass er in seinen Vorlesungen in der damaligen Zeit bereits ein System befolgte, welches jeder heutige Physiologe ohne weiteres zu dem seinigen machen könnte: er theilte seinen Vortrag in die physiologische Morpho- logie, die physiologische Physik, physiologische Chemie, physiologische Dynamik und physiologische Psychologie; alle diese Collegia stattete er mit einer Fülle modernster Demonstrationen aus, für die er freilich nur einfache Hilfsmittel verwenden konnte: er mass den Blutdruck am lebenden Thiere, erklärte die Mechanik des Kreislaufs und der Athmung durch Modelle, mass lange vor Hutchinson die Athmungsgrösse durch ein zwar rohes, aber genügendes Spirometer, zeigte Reizversuche an Muskeln und Nerven u. s. f., u. s. f. Noch in der ersten Hälfte der fünfziger Jahre habe ich in der physiologischen Vorlesung von Volk- mann gar keine und später bei Joh. Müller sehr spärliche Vorlesungs- versuche gesehen. Die Purkinje’sche Denkschrift erfuhr sehr schnell seitens des Ministerii eine zustimmende Antwort. Aber bevor ein Bauplatz ermittelt, die Bausumme von 3300 Thalern flüssig gemacht und der Bau vollendet war, vergingen noch mehrere Jahre: erst am 8. November 1839 wurde an Purkinje das erste physiologische Institut der Welt übergeben. Aber welch’ ein Haus! Wer von der Albrechtsstrasse aus die Catharinenstrasse hinuntergeht, bemerkt unmittelbar hinter der Domini- 10 Jahres-Bericht kanerkirche ein niedriges, einstöckiges Gebäude, welches seinen Giebel der Strasse zukehrt. Es steht am Eingange des Grundstückes der Ana- tomie; zwei hohe Kirchen und die Häuser der Strasse entziehen ihm alles direete Sonnenlicht; schwere Fuhrwerke erschüttern seine Mauern, an denen Feuchtigkeit fortwährend emporkriecht. Heute hat es nur noch die Bestimmung — als akademischer Carcer zu dienen! Dass Purkinje sich mit einem derartigen Bau zufrieden erklärte, kann seinen Grund nur darin gehabt haben, dass es ihm nach 17jährigem vergeblichen Harren nun endlich wichtig schien, einen Anfang mit einer selbständigen physiologischen Anstalt zu machen, der Errungenschaft eines langen, an Mühen und Enttäuschungen reichen Strebens. Und nun ist es höchst überraschend, dass nach Erreichung des heiss ersehnten Zieles seine wissenschaftliche Produetivität plötzlich sinkt. Während sein eigenes Haus die Geburtsstätte zahlreicher und hochbedeutender Arbeiten gewesen, sind aus dem Institute nur wenige literarische Leistungen hervorgegangen. Purkinje fühlte diesen Niedergang selbst. Fast melancholisch sagt er in einem Berichte an den Minister Eich- horn aus dem Jahre 1844: „Es war eine Periode zwischen den Jahren 1350 und 40, vor der eigentlichen Erriehtung des physiologischen In- stitutes, wo eine Art physiologischer Schule hier in Breslau zu existiren schien. ... Seitdem mir die Errichtung des Institutes nachgegeben, hat sich das Quantum der mir zu Gebote stehenden Geistes- und Ge- ımüthskraft grösstentheils an der Materialität der Herstellung desselben erschöpft. Dennoch unternahm ich jedes Jahr eine Untersuchung ... ., eine grosse Menge fruchtbarer Arbeiten aber und auch die weitere Aus- führung früherer erwarten ihre Erledigung, sobald die hierzu nöthige Musse und Ruhe gekommen sein wird.“ Aber diese Musse und Ruhe kam nicht mehr, weder hier in Breslau, noch später in Prag, wohin er im Jahre 1850 berufen wurde. In Breslau beschäftigte ihn in seinem Institute wesentlich die Her- stellung von Unterrichtsmitteln. Heute ist jedes anatomische wie physio- logische Institut mit einer Sammlung mikroskopischer Dauerpräparate ausgerüstet. Vor Purkinje untersuchte man nur im frischen Zustande die Teile des Organismus. Purkinje brach die moderne Bahn, indem er Einschlussmittel suchte und zum Theil fand, in welchen er Präparate zu eonserviren trachtete. Der heute allgemein benutzte Canadabalsam ist zuerst durch ihn eingeführt worden, damals für Schliffe von Knochen und Zähnen, Aber viel mehr: das erste Mierotom ist zu jener Zeit im Breslauer Institut benutzt worden. Die objecetive Darstellung mikro- skopischer Bilder auf weissem Grunde mittelst Drummond’schen Kalk- lichtes, ja, di ixi ; > Ja, die Fixirung derselben auf Daguerre’sche Platten wurde dort geübt oO 5 der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 11 Wunderbar genug, dass Purkinje alle jene originellen Methoden, die seiner Zeit weit vorauseilten, nicht verfolgte und ausbeutete. Sie sind vergessen worden, um erst in unseren Tagen als etwas Neues von Anderen wieder aufgefunden zu werden. Vielleicht lag der Grund für diese auffallende Erscheinung darin, dass um jene Zeit Purkinje sich einem ganz anderen Thätigkeitsfelde zu widmen begann: er trat als Nationalezeche in eine eifrige national- politische Thätigkeit ein, die ihn später in Prag ganz und gar absorbiren sollte. Doch bevor wir ihm dorthin folgen, ist es zweckmässig, seiner wissenschaftlichen Arbeiten einige Augenblicke zu gedenken. Purkinje gehörte um jene Zeit zu den fruchtbarsten und gedanken- reichsten Forschern. Neue und originelle Ideen beschäftigten ihn fort- während, oft in so raschem Wechsel, dass er zu eingehender Durch- arbeitung des Gedachten und Gesehenen nicht kam. Zum Theil liegt hierin der Grund, dass seine Arbeiten viel weniger Eindruck machten und sich Einfluss verschafften, als sie es ihrem Inhalte nach verdienten. Eine andere Ursache ist in der anspruchslosen Weise ihrer Veröffent- liehung zu finden: in den Sitzungsberichten der Schlesischen Gesellschaft, in lateinischen Doetor-Dissertationen, in Tageblättern von Naturforscher- Versammlungen muss man sich vieles zusammensuchen, was ein heutiger Entdecker zuerst einer vorläufigen Mittheilung in einem Centralblatte und sodann eines ausführlichen Aufsatzes in irgend einem Archiv für werth erachten würde. In der geistigen Arbeit lag Purkinje’s wesent- liches Interesse. Ruhm für seine Untersuchungen einzuernten, dieser Gedanke hat ihn früherhin niemals beschäftigt. Erst in späteren Jahren, als er kaum noch produetiv wirksam war, liess er Verzeichnisse seiner Schriften theils selbst, theils durch seine Assistenten drucken. Im Grossen und Ganzen zerfallen seine Arbeiten in zwei Haupt- gruppen: die eine umfasst die Untersuchungen auf dem Gebiete der sub- jeetiven Empfindungen, die andere die Forschungen auf dem Gebiete der Morphologie. Die erste Gruppe füllt, wenn auch nicht ganz ausschliesslich, die Periode von 1819—32 aus, d. h. bis er in den Besitz des ersten Plössl’schen Mikroskops gelangte. Zwei Bändchen: „Beiträge zur Kenntniss des Sehens in subjectiver Hinsicht‘ schildern eine Welt bis dahin unbekannter optischer Erscheinungen; noch heutige Forscher zehren an den Früchten jener Untersuchungen, in denen sie immer Neues und Ueberraschendes auffinden. Was im tief dunklen Raume das Auze erschaut, was ein elektrischer Strom, ein mechanischer Druck, eine schnelle Bewegung an Gesichtserscheinungen hervorzaubert, ist dort mit unübertroffener und unnachahmlicher Treue geschildert. Für den Laien am Interessantesten ist das reizende von Purkinje entdeckte Phänomen der Aderfigur im Auge, welches sich schwer beschreiben, 12 Jahres - Bericht aber leicht demonstriren lässt. In das gleiche Gebiet gehören Pur- kinje’s Studien über den Schwindel, welcher durch schnelle Drehung‘ des Körpers um seine Achse hervorgerufen wird; die optischen und motorischen Erscheinungen desselben sind meisterhaft charakterisirt. Die Ursache der Schwindelempfindung wird in Verschiebungen, Dehnungen und Zerrungen der Hirnmasse im Schädel bei der schnellen Achsen- rotation gesucht — eine heute freilich kaum noch haltbare Deutung. Während die besprochenen Schriften Purkinje’s mehr oder weniger Beachtuug gefunden, ist eine andere Abhandlung desselben, wohl die hervorragendste auf dem Gebiete der Sinnesorgane, fast ganz verloren gegangen, seine Breslauer Habilitationsschrift: „Commentatio de examine physiologico organi visus et systematis eutanei. Vratisl. 1823“, dazu bestimmt, dem Arzte an dem Beispiele des Auges zu zeigen, wie er ein Organ untersuchen müsse, um ein ausreichendes Urtheil über sein nor- males oder abnormes Verhalten zu gewinnen. Die Anweisung erstreckt sich auf alle Theile des Auges von der Hornhaut bis zu der Netzhaut. Aber es tritt in dieser Arbeit recht hervor, dass Purkinje mehr dazu geschaffen war, Gedanken anzuregen und fein zu beobachten, als das Gedachte und Beobachtete fruchtbar weiter zu verfolgen. So ist es ge- schehen, dass eine Fülle der wichtigsten Thatsachen, welche in jenem Schriftehen beschrieben sind, vergessen wurde, um erst nach Jahrzehnten durch Andere von Neuem aufgefunden zu werden. Das Sehen der äusseren Objeete kommt dadurch zu Stande, dass die von ihnen ausgehenden Lichtstrahlen sich auf der Netzhaut des Auges zu einem Bilde der Gegenstände vereinigen. Die Einsicht, wie dieses Bild zu Stande kommt, ist nur möglich, wenn man genau die Krümmung der Vorderfläche der Hornhaut und der beiden Kugelflächen der Krystall- linse kennt, Purkinje hat das Mittel gefunden, jene Krümmungen zu messen, Er beobachtete, dass die drei Kugelflächen von äusseren Ob- Jeeten Spiegelbilder entwerfen und schlug vor, die Grösse dieser Bildchen mit dem Mikroskope zu messen, um dadurch den Grad der Krümmung der spiegelnden Flächen zu bestimmen. Die Spiegelbildchen einer Kerzenflamme sind in seiner Schrift genau abgebildet. Und doch wurden sie vergessen, bis 14 Jahre später der Pariser Augenarzt Sanson sie wieder auffand. Sie wurden nach mehr als 30 Jahren die Grundlage der bahnbrechenden Untersuchungen von Helmholtz über die Licht- breehung im Auge. Welches Aufsehen machte es in den fünfziger Jahren, als Helm- h oltz den Augenspiegel entdeckte, auf dem die ganze heutige Augen- heilkunde beruht. Bei diesem Instrumente 'kommt es zunächst darauf an, das zu untersuchende Auge in seinem Innern für den Beobachter zu erhellen, so dass sein für gewöhnlich dunkler Hintergrund sichtbar werden kann. Purkinje beschreibt in seiner Schrift zu diesem Zweeke der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 13 fast genau dasselbe Verfahren, welches 30 Jahre später Helmholtz anwandte. Nirgends in der Litteratur habe ich die Purkinje’sche Erfindung erwähnt gefunden. Reich an Gedanken ist also die erste Reihe von Arbeiten Pur- kinje's auf dem Gebiete der Sinnesphysiologie; reicher noch die andere, . welche sich auf morphologischem Gebiete bewegt. Schon die ersten Anfänge dieser Untersuchungen erregten das grösste Aufsehen: Seine Entdeekung des Keimbläschens im Hühnerei (1825) und eine bofanische Arbeit, welche im Jahre 1830 von der Pariser Akademie gekrönt wurde. Als Purkinje im Jahre 1832, wie erwähnt, in den Besitz des Plössl’schen Mikroskops gelangte, da begann eine Reihe bahnbrechender Untersuchungen, die sich fast über ein Jahrzehnt erstreekt und noch vor Theodor Schwann die Grundlagen für die heutige Kenntniss der mikroskopischen Bestandtheile des Körpers legte. Jedes Jahr brachte neue Entdeckungen, die zum grossen Theile in Doctor-Dissertationen niedergelegt wurden: die Ausführungsgänge der Schweissdrüsen auf der Haut, der Bau der Knorpel, Knochen, Zähne, die embryonale Ent- wiekelung der letzteren, die Zusammensetzung der Wand der Blutgefässe wurden zum ersten Male klar gelegt. Von allen Funden machte das grösste Aufsehen die Entdeckung der Flimmerbewegung bei Wirbel- thieren, die er, in Verbindung mit Valentin, nach allen Richtungen hin in so mustergiltiger Weise untersuchte, dass späteren Beobachtern wenig mehr zu thun übrig blieb. Den Höhepunkt productiver Thätigkeit erreichte er auf der Versammlung der Naturforscher zu Prag im Jahre 1837; er überschüttete seine Section mit Funden allerersten Ranges: ich nenne die Entdeckung der Magendrüsen, der Structur der Nerven- fasern, an denen er den Achseneylinder auffand, und die Wahrnehmung von Nervenzellen in den verschiedensten Theilen des Gehirns, die er mit ihren zahlreichen Fortsätzen vortrefflieh beschrieb und abbildete, und denen er ihre Stellung in dem Nervensystem richtig anwies: sie seien Centralgebilde, die sich zu den Nervenfasern verhalten möchten wie Kraftcentra zu Kraftleitungslinien; sie seien Sammler, Erzeuger und Vertheiler des Nervenagens. Diese Fülle des Neuen, welches Purkinje’s forschendem Auge aufgegangen war, hat es vielleicht bewirkt, dass er einen grossen Ge- danken nicht weiter verfolgt hat, der, auf der Prager Versammlung von ihm ausgesprochen, selbständig 2 Jahre später von Theodor Schwann entwickelt wurde und dem Letzteren einen der ersten Plätze in den Annalen der Wissenschaft gesichert hat Es ist ja heute allgemein be- kannt, dass die Organe des thierischen Körpers aus Zellen bestehen oder doch entstehen. Aber früher als für den thierischen, war für den pflanzlichen Organismus dieses Strueturprincip aufgefunden und seine Giltigkeit für den Thierkörper wurde erst im Jahre 1839 durch Schwann 14 Jahres - Bericht in seiner berühmten Schrift: ‚Ueber die Uebereinstimmung in der Struetur und dem Wachsthum der Thiere und der Pflanzen‘ nachge- wiesen. Nun, zu Prag sprach Purkinje es aus, dass das Innere vieler Organe, besonders der Drüsen, sowie der Ueberzug vieler Membranen aus „„Körnern mit einem Centralkorn‘“‘ (wir würden heute sagen, Zellen mit einem Kern) bestehe, und da die Pflanze ganz aus Körnern zu- sammengesetzt sei, dränge sich von selbst die Analogie in dem Bau- prineip der beiden Reiche auf. Bald nach der Prager Versammlung begann der Bau und die Ein- richtung des physiologischen Institutes. In diese Zeit fallen noch einige Arbeiten von Schülern Purkinje’s; in dem ganzen Jahrzehnt nach der Eröffnung der Anstalt ist nur noch eine einzige Doctor-Dissertation unter seiner Leitung erschienen. Auch er selbst hat wenig mehr von Bedeutung publieirt, ja, selbst seine früherhin sehr rege Betheiligung an den Verhandlungen der Schlesischen Gesellschaft liess ganz und gar nach. Die Gründe für dieses unerwartete Sinken seiner schöpferischen Thätigkeit sind schon oben angedeutet: er wandte sich mehr und mehr national-slavischen Bestrebungen zu, die ihn in den letzten beiden Jahr- zehnten seines Lebens in Prag ganz und gar absorbiren sollten. Im Jahre 1850 kehrte Purkinje nach Prag zurück, an wissen- schaftlicher Anerkennung und Ehren reich. Seine materielle Lage ge- staltete sich bei einem Gehalte von 2500 Gulden überaus viel günstiger als in Breslau. Was er hier erst nach jahrelangem vergeblichen Be- mühen erreicht hatte, die Errichtung eines physiologischen Institutes, wurde ihm von dem österreichischen Ministerio sofort bereitwilligst ge- währt, so dass er dasselbe am 6. October 1851 mit einer Rede eröffnen konnte, in welcher er sich über den Begriff der Physiologie und über die Errichtung physiologischer Institute in ähnlicher Weise aussprach, wie früherhin in seinen Denkschriften an das preussische Ministerium. (Vergl. die Eröffnungsrede in der Prager Vierteljahresschrift, Band 33, Seite 1, 1851.) | Das Institut war geräumiger als das Breslauer, die Dotation höher, in Joh. Czermak wurde ein vorzüglicher, leistungsfähiger Assistent gewonnen. Alles war für einen Mann, der reiche Erfahrungen über die Leitung von Institutsarbeiten gesammelt hatte, wie Purkinje in Breslau, auf das denkbar Günstigste vorbereitet. Aber in der ganzen Zeit bis zu seinem Tode (28. Juli 1869) hat Purkinje nichts Wesentliches mehr auf naturwissenschaftlichem Gebiete geleistet. Sein ganzes Inter- eo Fa he der ezechischen Nationalität zu, wie Br er, ie egonnen. Schon dort ‚hatte er früherhin ver- gen aus dem Deutschen ins Czechische geliefert Paare Spaziergang 1829, Torquato Tasso’s befreites Jerusalem 1834, Schiller’s lyrische Gedichte 1841), der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 15 In Prag, wo er sich „Purkyne‘“ schrieb, nachdem er mehrere De- cennien hindurch sich „Purkinje‘ genannt hatte, wurde er der wesentlichste Begründer einer böhmischen naturwissenschaftlichen Litteratur, indem er mit Krejei von 1853—64 die naturwissenschaftliche ezechische Zeitschrift „Zivat herausgab, welche eine bedeutende Anzahl zumeist populärer Ab- handlungen von ihm enthielt. In den böhmischen Landtag gewählt, trat er mit an die Spitze der jungezechischen Partei. Der Gedanke der Be- gründung einer cezechischen Universität fand in ihm einen lebhaften Ver- fechter, Bestrebungen, die ihm als Dank das Ehrenbürgerrecht von nicht weniger als 21 cezechischen Ortschaften eintrugen. Denselben genauer nachzugehen kann nicht im Zwecke des heutigen Vortrages liegen. Die Fortentwickelung des physiologischen Instituts und des physio- logischen Unterrichts zu Prag kamen auf diese Weise natürlich zu kurz. Jahre lang erschienen in den medieinischen Blättern von Wien Klagen über das Darniederliegen der Physiologie an der Hochschule Böhmens; zwischen den Gegnern und den czechischen Vertheidigern Purkinje’s entspann sich ein hässlicher Zeitungsstreit. Unter diesen Umständen ist es nicht zu verwundern, dass bei dem österreichischen Ministerio der Gedanke auftauchte, in der Person des Professors v. Vintschgau (jetzt in Innsbruck) Purkinje einen Adlatus zur Seite zu geben, Indess ver- weigerte Purkinje die Aufnahme desselben in sein Institut so ent- schieden, dass der Plan fallen gelassen wurde. Für uns ist jene letzte Periode Purkinje’s eine wenig interessante und erfreuliche, Gern lenken wir von ihr unsern Blick zurück in jene Zeit, in welcher er der Unsrige war, Grosses erstrebend, Grosses schaffend, fruchtbarsten Samen in die junge Generation streuend, die ihn verehrungsvoll umgab. Er verdient es, dass das Andenken seines Namens hochgehalten werde in der Wissenschaft, hoch hier in Breslau, wo er in voller Schöpferkraft seiner Zeit den Ruhm der jungen Hochschule so mächtig förderte. Es ist Purkinje vergönnt gewesen, das hohe Alter von 82 Jahren zu erreichen. Als er am 28, Juli 1869 das Zeitliche segnete, legte die gesammte ezechische Nation auf seinen Sarg den Lorbeer des Patrioten nieder, Deutschland aber pries in dankbarer Verehrung den Mann, der in seinen besten Lebensjahren für die deutsche Wissenschaft einen hoch- bedeutenden Fortschritt begründete. 16 Jahres - Bericht II. Wanderversammlung der Sehlesischen Gesellschaft für vaterländische Cultur Neisse am 19. Juni 1887. Der prächtige Sonntagsmorgen führte etwa 70 Mitglieder der Schle- sischen Gesellschaft mit dem Schnellzuge der Oberschlesischen Eisen- bahn über Brieg nach Neisse, wo dieselben, nebst den auf den Zwischen- stationen hinzugekommenen Gästen, auf dem Bahnhofe von den Mit- gliedern der Neisser Philomathie empfangen und begrüsst wurden. In mehr als vierzig bereitstehenden Equipagen ging es dann in flotter Fahrt durch Neisse hindurch nach der Sellerie, jenem reizenden Berggarten, welcher seinen Namen der Erinnerung an den Begründer des schönen Platzes, Oberst v. Selle, verdankt. Die Wagen hielten an dem impo- santen Kriegerdenkmal, welches, auf einer hoch über das Neissethal herausragenden Bergspitze gelegen, von seinem Fusse aus einen be- zaubernden Rundblick auf das Neissethal und den gesammten Kessel, sowie die Bergwelt des mährisch-schlesischen Gesenkes gewährt. Tief unter dem Beschauer zieht zwischen dicht bebuschten Ufern die Neisse dahin, gesegnete Feldgelände wogen im Aehrensehmuck, links liegt die Häusermenge der Stadt Neisse mit ihrem wechselvollen Thurmschmuck In blauen Contouren ragt links im Hintergrunde die Bischofskoppe auf, dann folgen die Vorberge des Gesenkes, aus deren Mittellücke die runde Kuppe des 1400 m hohen Altvaters hervorragt, während links die massige Hockschar ihren breiten Rücken bis 1350 m erhebt. . Zur Orientirung dienten den Gästen lithographische Karten,; welche die zahl- reich anwesenden Offiziere des 23. Regiments in liebenswürdigster Weise erläuterten. Unter Vorantritt der Artillerie-Kapelle sing es dann in langem Zuge den Berghang hinab in den Garten der Sellerie. Hier begrüsste der Seeretair der Philomathie, Oberlehrer ‚Dr. Rose, in herzlicher Weise die Gäste, und ihm schloss sich mit warmen Worten Oberst v. Weiss- huhn, Commandeur des 23. Regiments, au. Geheimrath Heidenhain der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 17 dankte in kurzen Worten für die Einladung in das prächtige Local und die vorbereitete opulente Erholung, sowie die Gewährung der Militair- musik, deren Klänge die Marschirenden gestärkt habe. In ungezwungem, heiterem Verkehr verlief die Frühstückspause in dem schönen Garten, dann wurden die inzwischen im Thal angekommenen Wagen bestiegen, und um 11 Uhr wurde durch Feld und Gehüsch nach Neisse gefahren. In Neisse wurde der Wagenzug durch die Berlinerstrasse auf den Ring geleitet, dieser völlig umfahren, um den Gästen im Fluge die archi- 'tektonischen Schönheiten des alten Rathhauses und der Kirchen zu zeigen, dann ging der Weg nach der ,Erholung‘‘, deren grosser Saal sammt den Gallerien die Zahl der Zuhörer kaum fasste. Hier bewill- kommnete Bürgermeister Warmbrunn die Gäste Namens der Stadt Neisse, hervorhebend, wie man es allseitig anerkenne, dass das abseits der grossen Strasse gelegene stille Neissethal zu dieser Versammlung gewählt worden sei. Der Blick über die Gegend habe gewiss Jeden erfreut und die Rundfahrt durch die Stadt den Kommenden gezeigt, welche Sympathien die Bewohner Neisses ihnen entgegenbringen. Hierauf entgegnete der Präses der Gesellschaft, Geheimrath Heiden- hain, mit folgenden Worten: Meine Herren! Gestatten Sie mir, als dem augenblicklichen Ver- treter der Schlesischen Gesellschaft, zunächst im Namen derselben einige Worte des wärmsten Dankes an die Bewohner dieser freundlichen, historisch so denkwürdigen Stadt, an die Mitglieder der Philomathie, welche uns in so überaus liebenswürdiger Weise die gastliche Stätte für die heutige Versammlung bereiteten, an die Militair- und Civilbehörden, die uns mit so freundlichem Gruss an Ohr und Auge empfingen, an Sie Alle, die durch Ihr Erscheinen uns Ihre Theilnahme für unsere Be- _ strebungen bekunden. Wenn wir in unsere wissenschaftlichen Verhand- lungen in gehobener Stimmung eintreten, so verdanken wir dieselbe der lebhaften Empfindung, . dass wir unter Ihnen nicht als lästige Eindringlinge betrachtet, sondern als willkommene Gäste gern gesehen werden, und das ist der liebste Gruss, welchen Sie uns entgegenbringen können. Wanderversammlungen sind in früheren Jahren von unserer bota- nischen Section allein unternommen worden; in dem heutigen Umfange, unter Theilnahme aller naturwissenschaftlichen und medieinischen Sectionen zum ersten Male vor zwei Jahren, damals in Heinrichau, wo wir die Ehre hatten, mehrere Mitglieder der Philomathie unter den Anwesenden zu begrüssen. Das Bedürfniss zu solehen Vereinigungen ausserhalb Breslaus hat sich herausgestellt, weil in den letzten Jahrzehnten die Beziehungen zwischen der Schlesischen Gesellschaft und den Bewohnern der Provinz, wir dürfen es uns nicht verhehlen, sich mehr und mehr gelockert haben. Und doch bedürfen wir der Anlehnung an Freunde und Gönner in der 1887, 9) 18 Jahres - Bericht Provinz, wenn die Schlesische Gesellschaft der bei ihrer Gründung ge- stellten Aufgabe gerecht werden soll: der Aufgabe, das Land und seine Bewohner in allen wichtigen Beziehungen zu erforschen, auf natur- wissenschaftlichem, historischem, soeialem Gebiete, und durch ' Ver- breitung der gewonnenen Kenntnisse beizutragen zur Förderung der geistigen wie der materiellen Interessen unserer Mitbürger. So wurde der Zweck der Schlesischen Gesellschaft bei ihrer Grün- dung im Jahre 1803 formulirt. Seit aber im Jahre 1809 die Gesellschaft sich in Fachseetionen gliederte und namentlich seit nach Begründung der Breslauer Universität zahlreiche Mitglieder der Hochschule sich dem Vereine anschlossen, verband die Schlesische Gesellschaft mit dem Charakter einer gemeinnützigen Provinzial-Gesellschaft sehr bald den anderen einer Breslauer gelehrten Corporation, und der letztere, ich möchte sagen akademische, Zug ist, wie ich bereits auf der vorjährigen, Liegnitzer Wanderversammlung hervorzuheben die Ehre hatte, der mehr und mehr vorwiegende, wenn auch keineswegs der alleinherrsehende geworden. Ich habe aber auch damals betont, dass wir entschlossen seien, fortan das ursprüngliche Ziel der Gesellschaft, in gemeinnütziger Weise für unsere Provinz zu wirken, wiederum mehr in den Vorder- grund treten zu lassen, und ich halte die Wanderversammlungen für die gegebene Gelegenheit zu einem Berichte darüber, was in den einzelnen Jahren nach dieser Richtung hin geschehen. Als den wichtigsten Schritt des letzten Jahres möchte ich hervor- heben, dass die Schlesische Gesellschaft ihre reichhaltige, über 60 000 Bände umfassende Bibliothek der öffentlichen Benutzung zur Disposition gestellt hat. Bisher in den eigenen beengten Räumen unserer Gesell- schaft aufgestellt und nur zwei Mal wöchentlich je zwei Stunden ge- öffnet, konnten unsere Bücherschätze nur in sehr begrenztem Umfange fructifieirt werden. Im vorigen Winter ist zwischen der Schlesischen Gesellschaft und der Königlichen Universitäts-Bibliothek ein Vertrag ab- geschlossen worden, nach welchem unsere Bibliothek unter Wahrung des Eigenthumsrechtes der Gesellschaft in die Räume der letzteren über- geführt, dort in besonderen Zimmern geordnet und der Verwaltung der Universitäts-Bibliothek unterstellt worden ist, so dass sie jetzt unter denselben Bedingungen, wie letztere, täglich Jedermann offen steht. Den Mitgliedern der Gesellschaft aber ist das besondere Vorrecht geworden, auf Grund ihrer Mitgliedskarte nicht blos unsere, sondern die gesammte Universitäts-Bibliothek ohne den sonst erforderlichen Bürgschein benutzen zu dürfen. Wir glauben mit dieser Aenderung den gesammten litteratur- bedürftigen Bewohnern unserer Provinz einen wesentlichen Dienst ge- leistet zu haben, um so wichtiger, als unsere Bibliothek eine grosse Zahl von Werken enthält, die ausserhalb derselben in Schlesien nicht existiren und in deren Besitz wir durch Tauschverkehr mit 170 deutschen der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 19 und 150 ausserdeutschen gelehrten Gesellschaften gelangten. Ein Ver- zeichniss derselben enthält unser eben im Drucke befindlicher Jahres- bericht. Ein anderes, dem öffentlichen Nutzen im vorigen Jahre gewidmetes Unternehmen war eine im Herbste veranstaltete Ausstellung gärtnerischer Erzeugnisse der Provinz, welche unsere Section für Obstbau und Garten- eultur veranlasst hat. Gar Manchem von Ihnen wird, denke ich, eine angenehme Erinnerung von jener Ausstellung geblieben sein, bei welcher die wissenschaftliche und die ästhetische wie die gewerbliche Seite der Gartenkunst gleiche Berücksichtigung fanden. In den Verhandlungen der einzelnen Sectionen ist neben der all- gemeinen gelehrten Thätigkeit sehr vielfach provinziellen Interessen Rech- nung getragen worden. Mitglieder der botanischen Section haben zwei bereits früher be- gonnene Unternehmuugen provinzieller Natur im Laufe des letzten Jahres stetig fortgeführt: die Bearbeitung einer Flora der schlesischen Krypto- gamen und die mit Unterstützung der Provinzialverwaltung ins Werk gesetzte Durchforschung der schlesischen Moore. In der naturwissenschaftlichen Section sind nicht weniger als 12 Vorträge über mineralogische und geologische Verhältnisse Schlesiens gehalten worden, welche in unserem Berichte zur Publikation gelangen. Die beiden medicinischen Sectionen verfolgten in ihren 22 Sitzungen im Allgemeinen speciell wissenschaftliche Zwecke. Als aber der un- heimliche asiatische Gast, die Cholera, sich unseren Grenzen nahte, traten beide Sectionen wiederholt zusammen, um zu berathen, welche Vorsichtsmassregeln nach dem heutigen Stande der wissenschaftlichen Erkenntniss den Gemeindeverwaltungen und den Haushaltungsvorständen zu empfehlen seien, um den Koch’schen Baeillus zu bekämpfen. Die historische Section hat ihr warmes Interesse für die Geschichte der Provinz durch Herausgabe des inhaltreichen Tagebuches eines Schlesiers, Zacharias Allert, aus der Zeit des 30jährigen Krieges be- kundet. Wir haben diese Arbeit als Ergänzungsheft zu unserem Jahres- berichte gedruckt, und ich nehme mir die Ehre, das erste Exemplar, welches in die Oeffentlichkeit gelangt, der Philomathischen Gesellschaft für ihre Bibliothek zu überreichen, Mögen Sie, hochverehrte Anwesende, aus dieser kurzen Skizze der Thätigkeit unserer Gesellschaft während des letzten ‘Jahres entnehmen, dass es uns mit dem Vorsatze, unsere Bestrebungen im Sinne der Stifter unseres Vereins provinziellen Interessen nach Kräften zuzuwenden, voller Ernst ist, Aber wir verhehlen uns freilich nicht, dass unsere Kräfte nicht ali- zuweit reichen. Es giebt auf d&m Gebiete der Provinzialforschung zahl- reiche Aufgaben wichtigster Art, welche sich von Breslau aus allein 9# 230 Jahres-Bericht - nieht lösen, sondern nur dann angreifen lassen, wenn es uns gelingt, in der Provinz selbst im Kreise ihrer intelligenten Bevölkerung Theil- nahme für dieselben zu erwecken und uns ihre Unterstützung mit Rath und That zu sichern. Welche Ausbeute z. B. verspricht eine systematische Durchsuchung des Bodens nach prähistorischen Documenten in einem Lande, in welchem slavische, germanische, selbst asiatische Stämme hin- und hergeworfen wurden, durch welches dereinst eine grosse römische Handelsstrasse führte. Bis jetzt sind Funde auf diesem Gebiete haupisächiich dem Zufalle anheimgestellt. Wo sie in die rechten Hände gelangen, da bringt ratio- nelle Forschung mitunter die grössten Schätze zu Tage, wie Ihnen nach- her ein Vortrag des Herrn Sanitätsraths Grempler zeigen wird. Aber unendlich Vieles wird verstreut und geht verloren; eine feste Organi- sation zur Ausbeutung unserer Provinz in prähistorischer Beziehung würde zur Lösung der wichtigsten Probleme führen. Eine Section unserer Gesellschaft würde den geeignetsten Mittelpunkt für eine gemeinsame Arbeit bieten, wenn sie auf Mitarbeiter in der Provinz rechnen könnte. Nicht minder setzt die Beantwortung vieler volkswirthschaftlicher und soeialer Fragen ein Zusammenwirken von Kräften in der ganzen Provinz voraus. Bei uns haben Vorbesprechungen für die Begründung einer solehen Section im nächsten Herbste stattgefunden, welche ihre Thätigkeit nicht blos allgemein wissenschaftlichen Gegenständen, sondern auch localen Fragen widmen wird. Um aber Fragen von solchem Umfange und solcher Tragweite in Angriff zu nehmen, bedürfen wir der engsten Fühlung und des engsten Zusammenhanges mit unseren Mitbürgern in der Provinz. Einen solchen Zusammenhang herzustellen, ist der wesentliche Zweek unserer Wander- versammlungen. Ihr zahlreiches Erscheinen, meine Herren, erweckt in uns den frohen Glauben, dass Sie unsere Bestrebungen billigen. Lassen Sie mich hoffen, dass unsere heutige Znsammenkunft ein gemeinsames Wirken anbahne im Interesse unseres grossen, schönen und in vieler Beziehung so eigenartigen Schlesierlandes. Indem Geheimrath Heidenhain hiermit die Sitzung eröffnete, schlug er vor, als Tagespräsidenten den Secretair der Philomathie, Herrn Ober- lehrer Dr. Rose, zu wählen, und als Beisitzer aus Neisse die Herren Gymnasial-Director Dr. Schröter, Realgymnasial-Direetor Dr. Gallien, Bürgermeister Warmbrunn, aus Breslau Geheimrath Poleck, Geheim- ath Römer und Oberbürgermeister Friedensburg, welche Wahlen durch Acelamation bestätigt wurden. Als Secretaire wurden berufen Dr. Röhmann für die medieinischen* Dr. Eidam für die anderen Vorträge, der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 9] Oberlehrer Dr. Rose übernahm dankend den Vorsitz mit dem Hin- weis darauf, dass diese Ehre nicht seiner Person, sondern der Philo- mathie erwiesen werde, und proclamirte die auf früberen Versammlungen eingeführte Norm, dass kein Vortrag die Dauer von zehn Minuten über- schreiten dürfe. Naturwissenschaftliche Vorträge. Herr Geheimrath Professor Römer erläutert in kurzer Skizze die geologische Beschaffenheit der näheren und entfernteren Umgegend von Neisse. Die Stadt liegt in dem ziemlich breiten Fluss- thal der Neisse, dessen Boden eine etwas einförmige Zusammensetzung zeigt. Die Thalsohle wird vom Alluvium eingenommen, das Diluvium beginnt mit dem steigenden Terrain an den Abhängen. Zwischen beiden Schichten lässt sich die Grenze nur mit Hilfe der Pflanzen- besonders aber der Thierreste festsetzen, welche in dem unserer jetzigen Erd- periode unmittelbar vorhergehenden Diluvium vorkommen. Auch bei Neisse hat man solche Thierreste zu Tage gefördert, wie die im an- stossenden Pavillon von der „Philomathie‘“ ausgestellten, mächtigen Knochen (Oberkiefer, Schulterblatt und Stosszähne) des Mammuth, Elephas primigenius, beweisen. Nächst dem Mammuth ist das Rhinoceros tichorhinus für das Diluvium typisch, welches ebenfalls nicht weit von hier gefunden wurde. Der Vorsitzende der Philomathie in Neisse, Herr Dr. Rose hat ausführlich über die Reste des Mammuth in einer Abhandlung Bericht erstattet. Im Neisser Diluvium begegnen wir zahlreichen und grossen aus Dänemark und Schweden durch das Eis herbeigeführten erratischen Gesteinsblöcken. Im Diluvium lassen sich zwei Theile unterscheiden, die für die Landwirthschaft von Wichtigkeit sind: der näher an Neisse gelegene Sand und der weiter abliegende Lehm (Löss genannt), welcher sich ähnlich wie im Rheinthale durch seine besondere Fruchtbarkeit auszeichnet und bis an das Gebirge hinzieht. In Ober- schlesien erkennen wir die verschiedene Fruchtbarkeit der beiden Oderufer an dem rechts liegenden Sand und dem links, z. B. bei Neustadt und Leobschütz, abgelagerten Löss. Die Gebirgs- Formationen um Neisse sind viel interessanter als die des Thales und aus viel älteren festen Gesteinsarten zusammengesetzt. Die südlich liegenden Gebirge gehören dem sogen. Urgestein an; sie bestehen wie bei Zuckmantel aus versteinerungslosem Gneis, Glimmer- schiefer, Granit; auch der Altvater ist hierher zu rechnen. Daselbst finden sich Erzlagerstätten, Kupfer- und Schwefelkiese, bei Zuckmantel ein altes Goldbergwerk, wie denn Gold überall vorkommt, wegen seiner feinen Vertheilung jedoch zur Ausbeute nicht lohnend ist. Die Bischof- koppe baut sich aus Thonschiefer und Sandstein auf, und diese Schichten zeigen im Verlauf ihres Aufsteigens unzählige Faltungen. Auch sliedern 22 Jahres-Bericht sie sich in glimmerhaltige Quarzite und in die fossilienhaltigen, welche besonders in Oesterreich-Schlesien vorkommen. Es sind unterdevonische Sehiehten und die gefundenen Fossilien — Muscheln, Schnecken — besitzen mit denen des Taunusgebietes grosse Aehnlichkeit. Oestlich von Neisse liegt Thonschiefer und Grauwackenschiefer, als Engelsberger Grauwacke bezeichnet, und bis nach Mähren ausgedehnt. Auch in diesen mitteldevonischen und den Formationen der linken Rheinseite gleichenden Schichten finden sich hie und da Versteinerungen. In diesem Gebiete fehlen jedoch auch nicht Andeutungen von oberdevonischer Schichtenbildung. Es folgt endlich zwischen Neustadt und Jägerndorf die viele tausend Fuss dicke Schichte des Kohlengebirges, die zum Theil als Dachschiefer ausgebeutet wird. Kohlen lassen sich jedoch darin nicht finden, ; Herr Geheimrath Professor Dr. Biermer: Wenn ich zum Thema meines heutigen Vortrages die Oertel’sche Behandlungsmethode nehme, so wähle ich damit ein populäres, modernes Thema, ein Thema, welches nicht nur die Aerzte, sondern auch die Laienwelt interessirt. Fette Leute giebt es überall und niemand spricht mehr von Oertel als diese. Der Ursprung von Oertels Therapie ist folgender: Oertel, ein senial angelegter Arzt, hatte sich als Kind einen Wirbelbruch zugezogen, ein Höcker war zurückgeblieben, es war eine Verengerung des Thorax eingetreten. Diese war für Herz und Lunge nicht gleichgiltie. Als Studiosus hatte er sich dem Biertrinken ergeben, er wurde fetter, er liess das Trinken nicht. Bald war das Herz nicht mehr im Stande seine gewöhnliche Arbeit zu verrichten. Es stellten sich Athembe- schwerden ein. Als ingeniöser Mann dachte er über seinen Zustand nach und kam auf folgende Idee: Mein Leiden rührt her vom vielen Biertrinken. Durch das Biertrinken habe ich nicht nur meine Fettleibigkeit, es ist auch die Ursache für meine Herzbeschwerden. Ich habe meinem Herzen zu viel zugemuthet. Das Trinken bat die Blutmenge vermehrt und damit ist auch die Arbeitsleistung meines Herzens gesteigert worden. Ich werde das Trinken einstellen und meinen Herzmuskel durch Bergsteigen stärken. Er ging nach Tegernsee. Er lebte diät, trank möglichst wenig, übte seine Muskeln besonders durch Bergsteigen. Und siehe da. Die Oedeme gingen zurück, die Athembeschwerden liessen nach, er wurde magerer und gewann wieder eine gute Gesundheit. Jetzt machte er, ein Mann der Wissenschaft, sich daran seine eigene Krankengeschichte zu publieiren, er versuchte das, was er an sich selbst beobachtet, wissenschaftlich zu begründen — und daraus wurde sein Buch. der Schles. Gesellschaft für vaterl, Cultur. 23 Dieses Buch ist viel gelesen und verschieden beurtheilt worden. Die meisten Anhänger fand es unter denjenigen Aerzten, die an solchen Orten praktieirten, welche zu Terrainkurorten geeignet waren. Solche wurden allenthalben gegründet, zum Theil unter Mitwirkung von Oertel selbst. Alles war für Oertels Theorie. Auch Aerzte in anderen als Terrainkurorten, besonders auch die Aerzte auf dem Lande. Alles wurde plötzlich nach Oertel behandelt. Nicht nur die Fettsucht, sondern auch die Herzkrankheiten mit Klappenfehlern u. a. m., hierunter nur zu häufig Fälle, welche für diese Behandlung vollkommen un- geeignet waren. Gerade dies gab mir Veranlassung, diesen Vortrag hier zu halten. Betrachten wir einmal Oertels Lehre vom theoretischen Stand- punkte aus. Ist es richtig, dass, wenn dem Organismus viel Wasser zugeführt wird, auch die Blutmenge zunimmt? Oertel hat dies durch Experimente nicht bewiesen. Im Gegentheil, Versuche von Physio- logen haben gezeigt, dass, wenn man in’s Blut Flüssigkeit einspritzt oder solche in grossen Quantitäten vom Darme resorbiren lässt, das Blut in ganz wunderbarer Weise eine unveränderte Zusammensetzung behält. Das Blut entledigt sich sehr schnell eines Ueberschusses an Wasser, indem es dasselbe den Nieren zuführt, welche es nach aussen hin abscheiden, oder indem es dasselbe an die umgebenden Gewebe abgiebt, welche vorübergehend reicher an Wasser werden, dasselbe aber sehr bald wieder verlieren, wenn die Weasserausscheidung durch die Nieren normal ist. Auch Beobachtungen von Leichtenstern und Base sind der Oertel’schen Hypothese nicht günstig. Nach Oertel soll diese Vermehrung der Blutmenge sehr wesentlich betheiligt sein an dem Zustandekommen der Stauung im Venensystem. Aber wir haben viel näher liegende Ursachen für dieselbe in den Herz- affectionen oder Nierenerkrankungen. Also, wenn wir das Blut durch Trinken nicht wasserreicher machen können, so wird das Blut auch dureh Dursten nieht entwässert werden können, Auch hier beweisen die Untersuchungen der Physiologen, dass selbst bei lang andauernder vollständiger Entziehung der Nahrung die Menge des Blutes im Verhältniss zum Körpergewicht nur wenig ab- nimmt. Und dock kann man eine entfettende Wirkung der Flüssigkeits- entziehung nicht leugnen, Praktisch gilt der Satz: „Viel Trinken macht fett,““ Das ist aber schon im Jahre 1863 von Dancel betont worden. Auch ich habe schon vor dem Erscheinen des Oertel’schen Buches immer nach dem Grundsatze behandelt, dass die Menschen nicht vom Essen sondern vom Trinken fett werden. Wenn ich fette Frauen examinirte, so fragte ich: haben Sie Appetit? essen Sie viel? „Ich esse wenig.“ Trinken Sie viel? „Ich trinke nur sehr wenig. Gar 24 Jahres- Bericht kein Bier, keinen Wein.“ Aber Wasser werden Sie doch trinken? ‚Ja Wasser trinke ich viel, mindestens zwei Liter täglich.“ i Wenn man solchen Leuten das Wasser entzieht, so werden sie magerer. Darin hat also Oertel recht, wenn auch die theoretische Begründung dieser praktischen Erfahrung eine falsche ist. Die Be- förderung des Fettansatzes durch das Wassertrinken kann sich vielleicht so erklären, dass bei reichlicher Ernährung durch das Wassertrinken die Bedingungen für die Verdauung und Resorption (möglicherweise auch für den Stoffaustausch innerhalb der Gewebe) günstigere werden. Es darf aber nicht verschwiegen werden, dass die Eintziehung des Wassers für die Entfettung nicht nothwendig ist. Bei gewissen Ent- fettungskuren, ich erinnere nur an Banting, wird das Trinken nicht verboten. Nun komme ich zum Bergsteigen, Unzweifeilhaft hat das Berg- steigen einen sehr wesentlichen Einfluss auf den Organismus. Es wirkt sehr energisch auf die Cireulation. Das Herz wird zu stärkerer Arbeit angeregt, die Athmung wird frequenter. Das Herz schleudert das Blut mit grösserer Energie in das Gefässsystem, der Druck in den Arterien steigt, das Blut fliesst mit grösserer Geschwindigkeit durch die Capil- laren, die Belastung des Venensystems wird eine geringere. Aber bedarf denn der Herzmuskel einer solehen Anregung? verträgt er dieselbe überhaupt? Diese Frage muss in jedem Falle genau überlegt werden. Der Herzmuskel darf nicht so ohne Weiteres mit irgend einem anderen Muskel, der ruhen und durch Ruhe an seiner Function einbüssen kann, verglichen werden. Der Herzmuskel arbeitet stetig. Es besteht ein Gleichgewicht zwischen seiner Arbeitsfähigkeit und seiner Arbeits- leistung. Wenn aus dem einen oder anderen Grunde die zu leistende Arbeit so gross wird, dass er sie kaum noch bewältigen kann, und wir eine Compensationsstörung befürchten müssen, dürfen wir ihm da durch das Bergsteigen eine noch grössere Arbeit zumuthen? Es ist riehtig: Nieht nur Gesunde, auch viele Kranke fühlen sich unter dem Einflusse des Bergsteigens wohler. Vorher bestandene Be- schwerden verschwinden, sie werden gesunder. Nur vor einer zu grossen Generalisation muss man sich hüten. Das Bergsteigen mag für viele fette Leute gut sein, wenn das Herz nur von Fett überlagert, nicht der Muskel selbst fettig entartet ist. Es mag gut sein in Fällen, wo durch eine Beengung des Thorax die Lungen in ihrer Ausdehnung behindert sind, es mag gut sein bei Leuten, die infolge ihrer sitzenden Lebens- weise sozusagen athemfaul geworden sind. Hier wirkt das Bergsteigen anregend auf das Herz und die Lungen. Aber das Herz muss gesund, nicht krank sein. Es dürfen keine Klappenfehler vorhanden sein. der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur, 35 Oertel hat auch bei diesen das vorsichtige Bergsteigen empfohlen. Aber gerade hier muss man mit besonderer Sorgfalt die Fälle aus- wählen. Jede Neigung zu einer Compensationsstörung verbietet das Bergsteigen. Das Bergsteigen ist zu verbieten in allen denjenigen Fällen, wo Athmungsbesehwerden oder Beschwerden von Seiten des Herzens die Symptome für Nieren- oder Gefäss- Erkrankungen sind. Mir sind wiederholt von Aerzten auf dem Lande Patienten zu- geschiekt worden, um mich zu consultiren, ob sie in einen Terrainkurort gehen sollten, Leute mit ausgesprochener Herzhypertrophie und chro- nischer Nierenentzündung. Was soll hier das Bergsteigen nützen? Solehe Leute mit einer Nierenaffeetion, ja überhaupt alte Leute mit selerotischen Gefässen vertragen nicht einmal die Wasserentziehung. Nach den Beobachtungen von Rosenfeld in Stuttgart wird bei ihnen durch die alleinige Weasserentziehung der Harn eiweisshaltig. Bei Arterioselerose kann das Bergsteigen auch dadurch gefährlich werden, dass unter dem Einfluss der Blutdrucksteigerung eine Ruptur der brüchigen Gefässe eintritt. Es sind Fälle bekannt, wo gerade in Terrain- kurorten Leute an Apoplexien zu Grunde gingen, Wir sehen also: wir müssen vor der Oertel’schen Behandlungs- methode einigermassen warnen, wenn wir auch durchaus nicht verkennen, dass sie in gewissen gut ausgewählten Fällen heilsames zu leisten vermag und in diesem Sinne einen Fortschritt in unserer Therapie bezeichnet. Professor Ferdinand Cohn demonstrirte die Rinde einer Moquilea, eines Baumes aus der Familie der Chrysobalanaceae, von der Insel Trinidad, welche er durch freundliche Vermittelung des Dr. Theodor Schuchardt in Görlitz erhalten hatte. 1857 machte Crüger in der Botanischen Zeitung bekannt, dass die Asche dieser Rinde unter dem Namen Cauto von den Indianern zu Thongeschirren verarbeitet werde; nach Crüger’s von Wieke bestätigten Analysen enthält die Asche der Cautorinde bis 96 pCt. Kieselsäure; 10 Pfund Rinde enthalten 3 Pfund Kieselsäure. Die Beobachtungen Crüger’s über die vollständige, von Innen nach Aussen vorschreitende Ausfüllung der parenchymatischen und selerenehymatischen Gewebe der Rinde durch Kieselsäure, unter allmählicher Verdrängung der Cellulose, konnten bestätigt werden; diese Rinde bietet daher ein noch immer ohne Analogie dastehendes Beispiel des Versteinerungsprocesses in einem lebenden Baume dar, welches von den weit bekannten Arten der Kieselabscheidung in den Pflanzen gänzlich abweicht. Cautorinde ist von Schuchardt in Görlitz käuflich zu beziehen. Hierauf hielt derselbe einen Vortrag über die Aetiologie der Malaria, Die Erkenntniss derselben ist dadurch verwirrt worden, 26 Jahres-Bericht dass man bisher gewöhnlich in stagnirenden Gewässern oder Sümpfen den alleinigen Entstehungsort der Malaria suchte und dem ent- sprechend in Mikroorganismen des Sumpfwassers die Keime der Malaria- fieber vermuthete. Aber jeder Besucher Italiens wird die Beobachtung gemacht haben, dass daselbst allerdings die Sumpfigegenden auch von Malaria heimgesucht werden, und zwar ganz besonders die Sümpfe in der Nähe des Meeres mit brackischem Gewässer; aber ebenso häufig und noch häufiger herrscht die Malarie auf den Höhen, auf ganz trockenem, offenem Terrain, wie in Gärten, in Wäldern und ganz besonders auch auf Ackerland. Die Städte des alten Latiums und Etruriens, in denen, soweit sie der Malaria wegen überhaupt noch be- wohnbar sind, 70 pCt. der Todesfälle von Malaria herrühren, sind alle auf Bergen erbaut. Die Villa Hadrian’s, ein berüchtigter Malariaort, liegt im Sabiner Gebirge fast so hoch wie Schloss Fürstenstein. In Rom selbst sind die niederen Quartiere des Alluvialterrains, welche theilweise sogar der Tiberüberschwemmung ausgesetzt sind, dicht be- völkert und relativ gesund, während die Hügel, der Palatin, der Aventin, der Lateran, die Villa Doria Pamphili, die Villa Mellini auf dem Monte Mario u. s. w. der Malaria wegen erst im Spätherbst bewohnbar sind, und selbst die Promenaden des Monte Pineio werden mit Sonnenunter- gang ungesund und deshalb verlassen, während der tief gelegene Corso und die Piazza Colonna bis tief in die Nacht belebt bleiben. Alle diese Erscheinungen finden Erklärung in den von Klebs und Tommasi- Crudeli gemachten Untersuchungen über den Träger des Malariaferments, Baeillus malariae. Im Jahre 1879 entdeckten diese Forscher in der Luft der römischen Campagna einen eigenthümlichen Baecillus in Gestalt dünner, kurzer oder auch zu längeren Fäden aufwachsenden und in den Gliedern je eine ovale Spore erzeugenden Stäbchen, der sich auch, ob- wohl meist spärlicher, in den Gewässern der Malariagegenden nach- weisen liess; durch Einimpfung dieses Bacillus wurde bei Thieren Fieber hervorgerufen. In seinem im vorigen Jahre erschienenen Buche „I elima di Roma, Rom. Löschner 1886“ weist Tommasi- Crudeli darauf hin, dass Baeillus malariae ein sehr weit verbreiteter Spaltpilz sei, welcher sich vorzugsweise in mässig angefeuchtetem und dann aus- trocknendem Erdboden, bei weitem spärlicher dagegen im Wasser entwickelt. Seine Vermehrung und Sporenbildung wird durch Berührung mit der Luft und durch höhere Temperatur ausserordentlich gefördert, steht dagegen bei niederer Temperatur und bei Bedeekung des Bodens still. Durch Thau oder schwache Regen angefeuchtetes Terrain, in welchem sich der Malariabacillus entwickelt und Sporen gebildet hat, verwandelt sich beim Austrocknen in Staub, mit dem die Baecilluskeime massenhaft in die Luft und auf diese Weise auch in den menschlichen Organismus gelangen, den sie mit Malariafieber infieiren. Dagegen. ver- der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. Dr hindert der Abschluss des Bodens von der Atmosphäre, geschehe der- selbe nun durch Gebäude, durch Strassenpflaster oder selbst nur durch dichten Rasen, die Verbreitung der Malaria, viele Theile Roms, die noch 1870 wegen der Malaria unbewohnt waren, . wie der Quirinal und Es- quilin, sind in den letzten 15 Jahren gesund geworden, nachdem die Bauten der neuen Quartiere den Boden bedeckt hatten. In den letzten Jahren wurden die Ergebnisse von Klebs und Tommasi-Crudeli vielfach angezweifelt und andere Mikroorganismen, wie das sog. Plasmodium Malariae, als Träger der Malaria - Infeetion bezeichnet; von anderer Seite ist dieses Plasmodium als eine krankhafte Veränderung der Blutkörperchen in Folge des Fiebers, nicht als dessen Ursache, erklärt worden, Bei Gelegenheit eines Aufenthaltes zu Pola im April d. J. lernte Vortragender einen jungen Arzt, Dr. Schiavuzzi, kennen, welcher sich im letzten Jahre eingehend mit Untersuchungen über die Malaria der Umgegend von Pola beschäftigt hat. Wie anderwärts, so giebt es auch bei Pola Localitäten, die von Malaria infieirt, und andere, die gesund sind; mit Hilfe der Koch’schen Apparate, sowie einfacher von ihm selbst erfundener Methoden untersuchte Schiavuzzi die Luft an Malariaorten bei Pola, und fand daselbst constant den Bacillus malariae in grösster Menge, und zwar um so reichlicher, je höher die Luft- und Boden-Temperatur und dem entsprechend die Intensität der Malaria stieg, während in der Luft von fieberfreien Stellen der Baeillus fehlte; ebenso wenig fand sich der Malariabacillus in den Gewässern von Pola, nament- lich den schnellfliessenden; nur im Wasser infieirter Localitäten kam derselbe, wenn auch seltener, vor. Dr. Schiavuzzi hat den aus der Luft aufgefangenen Malariabacillus in Gelatine- und Agareulturen voll- ständig rein gezüchtet, mit demselben weisse Kaninchen geimpft und dadurch Fieber erzeugt, welche den Typus der Malariafieber mit drei- tägigem oder häufiger eintägigem Verlauf zeigten, wie die Temperatur- curven erweisen. Bei der Section fanden sich die bekannten Anzeichen der Malaria: Milzanschwellung, schwarze Pigmentbildung und amöboide Degeneration der rothen Blutkörperchen. In der Milz, den Lymphdrüsen und, wenn auch seltener, im Blut wurden die nämlichen Bacillen nach- gewiesen und durch Züchtung vermehrt, durch welche die Infection geschehen war. Vortragender erhielt von Dr. Schiavuzzi sämmtliche von ihm hergestellten Präparate aus der Luft und den Gewässern von Pola, sowie Proben seiner Reinculturen des Baeillus malariae und der pathologisch-anatomischen Befunde; er ist daher in der Lage, in Ueber- einstimmung mit Professor Tommasi-Crudeli die exacte Ausführung der Schiavuzzi’schen Untersuchung zu bestätigen, aus denen derselbe den Schluss zieht, dass das Malariafieber aus der Infeetion vermittelst des Bacillus malariae entsteht, der im feuchten, aber nicht mit Wasser 2 Jahres - Bericht [0 #) bedeckten Boden der Malariagegenden bei höherer Temperatur massen- haft sich entwiekelt und von hier in die Luft gelangt. Die Arbeit von Schiavuzzi wird im 2. Heft des V. Bandes der vom Vortragenden herausgegebenen Beiträge zur Biologie der Pflanzen veröffentlicht, wo auch Photogramme der Reineultur des Malariabacillus beigefügt sind. Herr Sanitätsrath Dr. Grempler skizzirt die Aufgaben der prä- historischen Forschung und weist an der Hand des Sacrauer Fandes ihre Bedeutung speciell für Schlesien nach. Er demonstrirt Tafeln, auf denen die Fundstelle bei Sacrau selbst und die dort aus- gegrabenen Gegenstände aus Thon, Bronce, Silber, Gold und Glas ab- gebildet sind. Er schliesst mit dem Wunsche, dass die Prähistorie, der heute zum ersten Male unter der Aegide der Schlesischen Gesellschaft für vaterländische Cultur das Wort gestattet worden sei, auch in Neisse thatkräftiges Interesse finden möge. Herr Professor Schneider sprieht über die durch Nematoden besonders an unseren Culturpflanzen hervorgerufenen Pflanzenkrankheiten, welche viel häufiger sind, als man es bisher annehmen konnte. Wenn die Nematoden in Masse auftreten, so richten sie sehr bedeutenden Schaden an. An den Weizenähren verursachen sie Anschwellungen in Form von Gallen, welche dicht erfüllt sind mit den Würmern und die Körnerbildung vollständig unterdrücken. Die Krank- heit tritt bei uns seltener auf, viel häufiger ist sie in Italien und Eng- land, wo oft die ganze Ernte dadurch vernichtet wird. Immerhin kommt das Uebel auch bei uns häufig genug vor; trifft man auf einem Felde Weizenpflanzen mit leicht gekräuselten Blättern, so hat man es sicher mit Nematoden zu thun. Sehr verderblich wirken die Nematoden der Zuckerrübe, welche sich an deren Wurzeln in Gruppen festsaugen und das Weiterwachsen der Rübe vollständig aufhalten. Zum Glück ist diese Krankheit in den letzten Jahren weniger heftig bei uns auf- getreten, Die Nematoden befallen aber nicht blos Culturpflanzen, sondern auch alle anderen Gewächse und ein Beispiel hierfür bietet das vom Vortragenden demonstrirte Edelweiss, dessen Form durch Nematoden verunsfaltet worden ist und dessen Blätter mit gallenartigen Auswüchsen bedeckt sind. Dieses kranke Edelweiss hat Vortragender aus Berchtes- gaden mitgebracht, wo er bei einem Händler Hunderte von kranken Exemplaren herausfand. Die Nematoden-Krankheit bei Graphalium Leonto- podium ist schon von A. Braun beobachtet worden und insofern inter- essant, als durch diese fern von menschlichen Wohnorten an schwer zugänglichen Höhen wachsende Pflanze die Meinung widerlegt wird, dass solche Krankheiten nur Folge der Cultur und der einwirkenden Hand des Menschen seien, der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 99 Herr Geheimrath Professor Poleck gedenkt der vielfachen geistigen Anregung, welche er bei seinem früheren Wirken in Neisse als Apo- theker und Lehrer an der dortigen Realschule durch die Sitzungen der Philomathie genossen habe, bis vor jetzt 20 Jahren seine Uebersiedelung nach Breslau erfolgte. Derselbe spricht über das in letzter Zeit viel genannte, aber jetzt gar nicht im Handel vorkommende Saecharin, welches süss schmeckt wie Zucker, ohne jedoch ein solcher zu sein. Saccharin ist vielmehr ein Product der Kohlenwasserstoffe im Steinkohlentheer und es wird gewonnen durch Behandlung von Toluol mit Schwefelsäure, Phosphor- ehlorid, Ammoniak und Oxydation mit übermangansaurem Kali. Das Saecharin hat die Zusammensetzung C,H, 2 NH und ist ein Ortho- 2 sulfaminbenzoesäureanhydrid. Es ist vollständig unschädlich und ohne physiologische Wirkungen, jedoch in Wasser sehr schwer löslich, so dass die Hoffnungen, es werde den Zucker ersetzen, ganz aussichtslos sind. Wohl aber dürfte es den Diabetikern nützlich sein. Vortragender legt Mischungen von Saecharin mit Stärkemehl vor, 1 zu 600, welche süss wie Zucker schmecken. Eine andere demonstrirte Verbindung ist neuerdings unmittelbar durch Synthese hergestellt worden und zwar ein Kohlenwasserstoff, eine Art von Traubenzucker, die als Ausgangspunkt ihrer Herstellung den Holzgeist hat unter Zuhilfenahme von glühendem Platindraht. Endlich spricht Vortragender über die Ursachen der schnellen Verderbniss und Verfärbung unserer heutigen Papiersorten und über die Mittel zur Erkennung solcher wenig haltbaren Producte. Besonders der Gehalt an Holzschliff bewirkt baldige Zer- setzung des Papiers und man kann die Menge darin durch mit Para- dimethyldidimyin getränkte, reine Papierstreifen ermitteln, weil dieselben bei Holzschliffgegenwart durch Oxydation und Umwandlung in einen fuchsinartigen Körper roth gefärbt werden. Man hat zum Vergleich eine ganze Anzahl Papiere untersucht und eine Farbenskala hergestellt von solchen, die gar keinen Holzschliff enthalten, bis zu denen, die, wie manche unserer Zeitungen, fast ganz daraus bestehen. Nach den Unter- suchungen von Wiesner in Wien soll übrigens zur Beleuchtung von Bibliotheken nicht elektrisches, sondern Gaslicht verwendet werden, weil die ultravioletten Strahlen am meisten auf die Färbung des Papiers ein- wirken. Die heutigen Papiersorten sind nach den angestellten Ermitte- lungen sehr verschiedenartig zusammengesetzt, weshalb ihre Untersuchung vor der Anwendung sehr nothwendig erscheint. Interessant ist es, dass an 70 000 Exemplare von Schriftstückeu, die vor noch nicht langer Zeit in alten ägyptischen Gräbern gefunden wurden, nicht aus Papier bestehen, 30 Jahres-Bericht sondern aus Leinfasern hergestellt sind und heute noch zum Schreiben dienen könnten. ! Herr Professor Dr. Hirt: Das Bild der Rückenmarkschwindsucht sei seit der elassischen Sehilderung von Romberg ein wohlbekanntes. Die Krankheit, einmal ausgebildet, mit dem charakteristischen Hahnen- tritt. den laneinirenden Schmerzen, den Seh- und Blasenstörungen erkenne auch der Laie unschwer. Er wisse, dass diese Krankheit unheilbar sei. Anders dagegen im Anfangsstadium. Romberg habe gesagt, das Bild sei ein ungeheuer wechselndes; zuweilen sei es vollkommen unmöglich, “eine Diagnose zu stellen. Seit jener Zeit habe die Wissenschaft Fort- schritte gemacht. Es sei möglich, die Rückenmarkschwindsucht bei genauer Untersuchung schon in ihren Anfängen zu erkennen. Die Ataxie und Blasenbesehwerden könnten fehlen, auch das Fehlen der Sehnen- reflexe sei kein absolut sicheres Zeichen. Wie sei es möglich, sie doch zu erkennen? Von den Franzosen sei auf die Erkrankung der peri- pheren Nerven aufmerksam gemacht worden. Bisher sei aber noch nicht genügend betont, dass diese Erkrankung besonders charakteristisch für das Anfangsstadium der Tabes sei. Ausserordentlich früh könnten sich Erkrankungen im Bereich sämmtlicher Gehörnerven einstellen. Störungen im Gebiet der Augenmuskelnerven (Doppeltsehen) könnten mitunter eins der ersten Symptome sein. In anderen Fällen leidet Jemand jahrelang an einem sogenannten Rheumatismus, bis sich als Zeichen einer Er- krankung des Centralnervensystems (Kernerkrankung des neryus X) dauerndes Erbrechen einstelle. Es sei also möglich, die Tabes in ihrem Beginn zu erkennen, es sei auch möglich, sie wirksam zu bekämpfen. Vor fünf Jahren habe Rumpf in Bonn mitgetheilt, er könne Tabiker heilen und zwar durch Faradisation des Rückenmarks. Noch zweckmässiger sei die Behandlung mit dem combinirten Strome. Wenn die Behandlung früh genug ein- geleitet würde, könne man grosse Erfolge erzielen, Professor Dr. H. Cohn demonstrirt eine Modellsammlung von Schulbänken, welche nach den in den Publicationen der letzten 25 Jahre mitgetheilten Beschreibungen und Zeichnungen von Herrn Gym- nasiallehrer Ludwig Baron angefertigt worden sind. C. benutzt die Gelegenheit, um mit grossem Nachdruck auf die Forderungen der Aerzte, wie sie in einer Eingabe der hygienischen Section der Schlesischen Gesellschaft an den Magistrat von Breslau, betreffend die Anstellung der Schulärzte, ausgesprochen worden sind, hinzuweisen. Herr Königl. Garten-Inspector Stein demonstrirt ein mit Blüthen- knospen versehenes Exemplar der echten Rose aus dem Thale von Kasanlyk am Südabhang des Balkans im östlichen Bulgarien; während Rosa damascena das indische Rosenöl, Rosa moschata das persische Rosen- wasser liefern, ist es diese Rose, von der das europäische Rosenöl der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 3] kommt. Sie ist höchst wahrscheinlich unsere alte Centifolie, nur be- günstigt durch die für sie dort herrschenden Verhältnisse. Die Rose war wegen des Verbotes ihrer Ausfuhr um so schwerer zu bekommen, als jeder Versuch, dieselbe zu exportiren, mit Lebensgefahr verbunden ist. Etwa 600 kg Blüthen geben 1 kg Rosenöl. Der Vortragende ver- las die celassischen Schilderungen der Rosengärten von Kasanlyk aus den türkischen Reisebriefen unseres grossen Feldmarschalls Grafen Moltke. Die vorgerückte Zeit gestatte es nicht, noch einige weitere ange- meldete Vorträge anzuhören. Nach beendeter Sitzung wurden die Sehens- würdigkeiten der Stadt besichtigt. Um 2, Uhr begann das Diner, an welchem 118 Personen theilnahmen, in dem auf Anordnung des Masgistrats festlich geschmückten Stadthause. An den durch den Präses der Schlesischen Gesellschaft, Geheimrath Heidenhain, in schwung- vollen Worten ausgebrachten Kaisertoast schlossen sich Tischreden von Professor Ferd. Cohn auf die „Schwestergesellschaft Philomathie“, Gymnasiallehrer Dr. Schröter auf das Präsidium der Schlesischen Ge- sellschaft, Geheimrath Biermer auf die Stadt Neisse, Bürgermeister Warmbrunn auf die Stadt Breslau, Bergmeister Kossmann auf die voraufgegangenen Redner, Oberbürgermeister Friedensburg auf die anwesenden Offiziere, Generalmajor Weber auf den Secretair der Ge- sellschaft. Mit dankerfülltem Herzen für die überaus liebenswürdige Aufnahme, welche die Mitglieder der Schlesischen Gesellschaft in Neisse gefunden, schieden dieselben gegen 6 Uhr von der freundlichen Stadt und ihren Bewohnern; der unter ihnen verlebte Tag wird noch lange in ihrer Erinnerung fortwähren. a u zu N E j- t a ER - - % N “ hr NL Er N Gl Al SR , k 2 u Se RAR! fi a. 5 > \ Br ER Ta tere. K NNENSERTEN 3 - Ex te j ER S ß j ’ ALSTER ur vo Dar v Ye 84 \ 2IH Sue f in BEN j ATAERE, Er 8 sn en, Lu \ 2 } ! Bean ge 7: Bericht über die Thätigkeit der medicinischen Section im Jahre 1887, erstattet von den zeitisen Secretären der Section Fritsch und Ponfick. Sitzung vom 14. Januar 1887. Herr Filehne hält einen Vortrag Ueber die local-anästhesirende Wirkung von Benzoylderivaten. Bevor Lewin seine Beobachtungen über Kawa-Kawa mittheilte, hatten bereits, auf der Suche nach einem Surrogate für das damals noch sehr kostspielige Cocain, zwei Forscher, O.Bergmeister und E. Ludwig, fast sämmtliche gebräuchliche Alkaloide auf eine etwaige — wenn auch nur annähernd ähnliche — local-anästhesirende Wirkung geprüft: sämmt- lieh mit negativem Erfolge; nur das Apomorphin zeigte einige Andeutung hiervon — allerdings aber erst nach Application relativ so kolossaler Mengen, dass die alsdann eintretenden Resorptionserscheinungen seine praktische Anwendung unmöglich machen würden, selbst wenn es nicht schon wegen der Unzuverlässigkeit seiner localen Wirkung hinter dem Cocain vollständig zurückstehen müsste, Obschon V. glücklicher im Auffinden von local-anästhetisch wirkenden Substanzen gewesen ist, so hat doch auch seine Untersuchung noch kein praktisch verwerthbares Surrogat des Cocains geliefert; aber sie hat einerseits gezeigt, in welcher Richtung ein solches zu finden ist, und hat wohl andererseits aufgedeckt, welchem chemischen im Cocainmoleküle vertretenen constitutiven Prineipe die local-anästhesirende Wirkung zu- zuschreiben sein dürfte. Bei dieser Untersuchung hat derselbe sich der unermüdlichen Unterstützung seitens der Farbwerke Meister, Lucius, Brüning in Höchst a. M. zu erfreuen gehabt. Die Herren Directoren 1887. 3 34 Jahres-Bericht derselben und insbesondere sein Freund Dr. von Gerichten haben sich ihm hierdurch zu besonderem Danke verpflichtet. Die Ausgangsideen zur Untersuchung des V. waren folgende: 1. Durch dieselben Agentien, welche (unter Wasseraufnahme) aus dem Atropin die Tropasäure und das Tropin abspalten, werden, wie Lossen zeigte, aus Cocain Benzoesäure und Eegonin (neben Methyl- alkohol) gewonnen, und aus den beiden Constituenten einerseits des Atropins und andererseits des Cocains kann durch wiederum gleiche Reactionen (unter Wasserabgabe) das ursprüngliche Alkaloid wieder hergestellt werden. (Beim Cocain ist noch ein Methyl einzuschalten.) Schon dieser Punkt schien genügend, um innerhalb der Atropin- gruppe nach Analogien für die Cocainwirkung zu suchen. 2. Das Atropin galt früher — vor dem Auftauchen des Cocains — als ein allerdings wenig promptes locales Narcoticum, z. B. bei schmerz- haften Entzündungen der Cornea, bei Rhägaden ad anum, bei Cardialgien zumal in Folge von Ulcus ventrieuli simplex u. s. w. 3. Gegenüber der local entschieden leicht reizenden Wirkung des Atropins am Auge (Hyperämie, selbst Entzündung nach Einträuflung ins Auge) hatte sich das Homatropin als ganz reizlos erwiesen. 4. Das Homatropin entsteht aus Mandelsäure und Tropin unter den- selben Bedingungen, welche Tropasäure und Tropin zu Atropin ver- einigen. 5. Die Mandelsäure steht in der Mitte zwischen Tropasäure und Benzoesäure: „COOH .C00H C,H,.COOH C,H,CH“ C,H,CHX OH CH, OH a Mandelsäure Tropasäure Versuche zeigten mir nun, dass das Atropin eine zwar mässige, aber zweifellose, — Homatropin dagegen eine wesentlich ausgesprochenere lähmende Einwirkung auf die Peripherie der sensiblen Faser besitzt. Andererseits erwies sich V. das aus dem Cocain gewonnene Eegonin, welches ihm von Herrn Lossen auf seine Bitte zu überlassen war, als gänzlich wirkungslos. Es war daher offenbar, dass nicht das Eegonin als solches im Cocain das anästhesirende Prineip darstelle, son- dern erst. durch seine Verkuppelung mit der Benzoesäure local- anästhetisch wirksam sei. V. will dementsprechend vorläufig diese -‚Verkuppelung mit der Benzoesäure als das wesentliche und wirkende gelten lassen; und ver- muthete, sich auf die Thatsache stützend, dass im Atropin die analoge Einordnung der Tropasäure eine deutliche aber doch noch mässige local- anästhetische Wirksamkeit resultiren lässt, während das Homatropin als Product der gleichen Einfügung der Mandelsäure schon energischer in der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 35 dieser Richtung eingreift, dass in der Reihenfolge Tropasäure — Mandel- säure — Benzoesäure ein Uebergang von eomplieirterer aromatischer Säure zur einfachsten gegeben ist, dass das Benzoyltropin — d. i. das Resultat der Verkuppelung der Benzoesäure mit dem Tropin — noch deutlicher als Atropin und Homatropin local-anästhetisch wirksam sein werde. Das Experiment bestätigte diese Erwartung vollständig. Das Ben- zoyltropin erwies sich exquisit local-anästhesirend. Es hat nebenbei (und nur dieses war bisher von ihm bekannt) die stark pu- pillenerweiternde und deutlich accommodationsschwächende Wirkung aller Tropeine. Hiernach musste die weitere Vermuthung entstehen, dass das Eegonin im Coeainmoleküle eine ziemlich indifferente Rolle spiele, und dass es gelingen möchte, bei Substituirung des Eegonins und des Tropins durch andere ähnliche "Alkaloide eocainartig wirkende Körper zu erhalten. Es wurde in den Laboratorien der Höchster Farbwerke eine Reihe von Benzoylderivaten hergestellt, welche V. untersuchte; so die Benzoyl- derivate des Morphins, Hydrocotarnin, Chinin, Cinchonin, Methyl- triacetonalkamin. Mit Ausnahme der (übrigens fast unlöslichen) Benz- hydroxamsäure — dem Produete der Einwirkung von Hydroxylamin auf Benzoylchlorid — waren alle von ihm untersuchten Benzoylderivate von ausgesprochener cocainartiger Wirkung. Am wirksamsten zeigte sich neben dem Benzoyltropin das Benzoylmethyltriacetonalkamin — dann kam das Benzoylchinin, — am schwächsten erwies sich das Benzoyl. morphin. Hierauf spricht Herr Heidenhain Ueber Resorption von Wasser im Dünndarm. Der Inhalt des Vortrags wird später im Zusammenhang mit einer Besprechung der Dünndarmresorption im Allgemeinen veröffentlicht werden, Sitzung vom 28. Januar 1887. Herr Biondi hält einen Vortrag Ueber die Entwickeluug der Samenfäden beim Menschen. Die Samenkanälchen des Menschen enthalten, ebenso wie bei den Säugethieren, vor der Pubertätsperiode nur eine Art von runden Zellen, in einfacher oder doppelter Reihe der Wandung angelagert, nach dem Lumen zu spärlich und unregelmässig in einer Grundsubstanz eingebettet. An diesen Zellen lassen sich, was ich ausdrücklich hervorheben möchte, weder in Bezug auf Grösse der Zelle, Beschaffenheit des Protoplasmas, noch hinsichtlich des Kerns und Kernkörperchens Verschiedenheiten .nach- weisen. 3* 36 Jahres - Bericht Ein ganz anderes Bild bieten Hoden von der Pubertätsperiode an dar. Hier finden wir gleichfalls runde Zellen, aber in Säulen ange- ordnet, welche in radialer Richtung in den Kanälchen aufgestellt sind. In jeder Säule lassen sich 3 Zonen von Zellen unterscheiden, die, ver- schiedenen Stadien der Entwiekelung entsprechend, auch verschiedene histologische Charaktere zeigen. In der peripheren Zone liegen runde Zellen mit feinkörnigen Protoplasmaleib und einem kleinen Kern und Kernkörperchen, die ich, in Analogie mit den entsprechenden Zellen bei anderen Säugethieren, als Stammzellen bezeichne. In der mittleren Zone finden wir wir etwas grössere, gleichfalls runde Zellen (Mutter- zellen); sie zeigen die verschiedensten Phasen der Karyokinese. Die centralen Zellen (Tochterzellen) sind beträchtlich kleiner als die Zellen der peripheren Zone und besitzen einen kleinen Kern. Auf Grund unserer Befunde bei anderen Säugern, nehmen wir auch für den Menschen an, dass diese drei verschiedenen Arten von Zellen des reifen Hodens aus den ursprünglichen gleichartigen Zellen des unreifen Hodens her- vorgegangen sind. Die Entwickelung des Spermatozoides geschieht in folgender Weise: aus einer Stammzelle wird zunächst eine Mutterzelle und aus dieser verschiedene Tochterzellen. Das Spermatozoid entsteht nur aus der letzteren Zelle und zwar ausschliesslich aus dem Kern derselben, während das Zellprotoplasma frei wird und die Masse bildet, in welche die Spermatozoiden eingebettet sind. Nachdem sich aus den nach dem Lumen des Samenkanälchens zu gelegenen Tochterzellen die Sperma- tozoiden gebildet haben, wandeln sich die Mutterzellen der mittleren Zone in Tochterzellen um, und auch aus diesen bilden sich Sperma- tozoiden. Die Stammzelle der peripheren Zone dagegen kann, aber muss nicht nothwendigerweise die Umwandlung in Mutterzellen und Tochterzellen eingehen. Wir sehen daraus, dass, im Gegensatz zur Ratte, die Stammzelle bei Menschen erhalten bleiben kann, und die Bildung der Spermatozoiden dagegen, wie bei anderen Säugern, von dem Lumen nach der Peripherie des Samenkanälchens fortschreitend statt- findet. — Auf diese Weise entsteht an Stelle jeder Zellensäule ein Bündel von Samenfäden mit der peripheren Stammzelle, die in diesem Falle Fusszelle genannt wird, Bevor der Tochterzellkern sich in einen fertigen Samenfaden um- durchläuft er 5 Stadien, die ich mit folgenden Namen belegt ıabe: I. Kernwanderung. Zuerst rückt der Tochterzellkern gegen den nach der Kanälehenwand zu gerichteten peripheren Pol, und die bisher runde Zelle nimmt eine ovoide Gestalt an, ss g. Der ganze Chromatin-Inhalt des Kerns m äussersten Pol des Kerns an, welcher dadurch der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 37 stark verdickt erscheint und sich intensiv färbt, im Gegensatz zu dem übrigen durchsiehtigen und wenig tingirten Theil des Kerns. In diesem Stadium scheidet sich deshalb der Tochterzellkern in 2 Abschnitte: in einen chromatinhaltigen und einen chromatinlosen Abschnitt. Das Zellprotoplasma dagegen beginnt zu zerfallen, um die oben geschilderte freie Masse zu bilden. 3. Kopfbildung. Während der centrale chromatinlose Abschnitt des Kerns immer mehr oval, länglich und stark lichtbreehend wird, zeigt der chromatinhaltige an der äussersten Spitze einen ovoid und zuge- spitzten Knopf, der die erste Andeutung des Kopfes repräsentirt. Da- durch differenzirt sich der Kern in drei untereinander durch ihre ver- schiedene Farbenreaction gut charakterisirte Theile. In Saffaranin-Prä- paraten erscheint der centrale Theil des Kerns vollständig durchsichtig, der mittlere Theil intensiv roth und der äusserste, zuletzt gebildete nur blass röthlich. 4.-. Schwanzbildung. In diesem Stadium beginnt in der Mitte des geschilderten durchsichtigen Theils des Kerns die erste Andeutung eines centralen äusserst feinen Fädchens, welches den ersten Anfang des Schwanzes darstellt. 5. Freiwerden. Das Fädehen wird nunmehr länglich, durchbohrt die Kernmembran und bildet sich zum Schwanz aus, der Knopf dagegen nimmt an Grösse zu und gleicht einem Spermatozoidenkopf, mit dem Schwanze verbunden durch das oben erwähnte Mittelstück. Auf diese Weise haben wir ein vollständig entwickeltes Spermatozoid, das ab und zu um den Schwanz herum auch Ueberreste der Kernmembran kragen- artig trägt. Erst nach der vollendeten Bildung beginnt die Ausstossung der Spermatozoiden, die auch beim Menschen durch die Expansionskraft der Nachbarzellen von Statten geht. Auch die Fusszelle wird mit ihnen ausgetrieben. Sie nimmt dadurch eine ovale Gestalt an, zeigt ein äusserst zartes, fast durchsichtiges Protoplasma und einen kleinen, länglichen, fast chromatinfreien Kern. Es scheint, dass die aus der Stammzelle entstandene Fusszelle, nachdem sie alle Zellen einer Säule produeirt hat, nunmehr ihre Lebenskraft eingebüsst habe und als todte Masse ausgestossen wird. Während der Ausstossung finden wir in den Samenkanälchen die von Sertoli als epitheliale Zellen, von Merkel als Stützzellen und von Ebner als Spermatoblasten bezeichneten Gebilde. Diese betrachte ich auf Grund meiner Untersuchungen nicht als praeexistent, sondern als Kunstproducte. Wie ich bei anderer Gelegenheit (s. Archiv f. Mikroscop. Anatom. Bd. XXV $. 594—620) nachgewiesen habe, nehmen die Samenfäden in Gemeinschaft mit dem unverbraucht ge- 38 Jahres- Bericht bliebenen Protoplasma und der Fusszelle durch erhärtende Agentien diese verschiedenen Formen an. ii Kürzlich hat Benda eine besondere Stützzelle in den Samen- kanälchen beschrieben, welche, ohne genetisch von den beschriebenen runden Zellen abzuweichen, sich dadurch unterscheidet, dass sie vor der Umwandlung der Tochterzellen zu Spermatozoiden mit ersteren sich durch feine Fäden, einer Garbe ähnlich, verbindet, erst nach dieser Ver- bindung beginne die Umwandlung der Tochterzellen zu Spermatozoiden. Von diesem ganzen Vorgang, den Benda als Copulation bezeichnet, konnte ich mich weder beim Menschen, noch beim Säugethier überzeugen. Die äusserst feinen Fäden von Benda entsprechen den Spuren, die die Samenfädenköpfe bei ihrer Ausstossung in der oben erwähnten Proto- plasmamasse hinterlassen haben. Die Stützzelle dagegen ist nichts anders als die ursprüngliche nicht in Samenfäden umgewandelte Stammzelle. Hierauf demonstrirt Herr Ponfiek eine kleine Geschwulst aus der Brustdrüse eines jungen Mädchens mit den charakteristischen Merk- malen des fibrosarkoma (Fibro-Adenoma) mammae. Er macht auf die sich aus ihrem Entwickelungsmodus ergebende Leich- tigkeit der Entfernung und auf das vollkommene Unbetheiligtbleiben des übrigen Drüsenkörpers, sowie des Gesammtorganismus aufmerksam. Sodann zeigt er einen Amputationsstumpf des Oberarms vor mit mehreren birnenförmigen Neuromen. Sitzung vom 12. Februar 1837, Herr Neisser spricht Ueber die neuesten Fortschritte in der Syphilistherapie. Nach kurzen einleitenden Worten über die wachsende sociale Be- deutung der Syphilis und die dementsprechende Wichtigkeit jedes thera- peutischen Fortschrittes gegen diese stetig um sich greifende Volks- seuche, geht er über zur Besprechung der Therapie im primären Stadium. Er stellt hier folgende Thesen auf: I. Jedes der Syphilis verdächtige Local-Leiden soll so zeitig wie möglich durch energische Localbehandlung zerstört oder durch tiefe Exeision entfernt werden. Selbst wenn die Diagnose Lues noch zweifel- haft, kann dieser Eingriff nur nützen. Denn a. liegt keine syphilitische Infeetion vor, so ist der kleine operative Eingriff zum mindesten ohne Nachtheil, | b. liegt Syphilis vor, so kann dieselbe zweifellos durch Exeision (oder ähnliche Verfahren) ein für alle mal beseitigt werden. In der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 39 jedem Falle ist eine nachträgliche mehrmonatliche Beobachtungs- zeit erforderlich. 2. Auch ausgebildete Primäraffeete sollten, wo der ana- tomische Sitz es gestattet, tief exeidirt werden. Der Vortr. ist von der Ueberzeugung durchdrungen, dass dieses Verfahren in vielen Fällen den gewünschten Erfolg, Totalheilung der $., erzielt habe. Leider kann nie ein Erfolg sicher vorausgesagt werden und daher entschliessen sich — mit Unrecht — Aerzte und Patienten selten zu der kleinen harmlosen, leicht per prim. heilenden Operation. Wo übrigens nachträglich die Syphilis doch eintritt, soll sie vielen Beobachtungen zufolge milder verlaufen. Sind die primären Lymphdrüsen auch schon erkrankt, sollen auch diese, wenn möglich, mitexstirpirt werden. 3. Findet keine operative Behandlung statt, so ist eine bessere als die bisherige Behandlungsweise mit Calomel und ClNa-Wasser, oder mit Empl. hydrarg. noch nicht gefunden worden. — Zur Allgemeinbehandlung übergehend, so erklärt sich der Vortr., ohne auf die Argumente für seine Ueberzeugung einzugehen, für folgende Lehre: 1. Die Allgemeinbehandlung soll wesentlich eine mercurielle sein. Das Hg ist das einzige Medicament, welches das Syphilisvirus selbst angreift und vernichtet. Alle übrigen Mittel und Methoden: Jod- präparate, Bäder, Schwitzkuren u. s. w. sind nur Hilfsmittel neben der Hs-Behandlung, welch letztere selbstverständlich die Individualität des Organismus strenge zu berücksichtigen hat. 2. Die Allgemeinbehandlung soll nie eher beginnen, als bis die Diagnose: Syphilis über jeden Zweifel erhaben feststeht. Demn: bleiben nachträglich bei unsicheren, aber sofort behandelten Fällen Allgemeinerscheinungen der Syphilis aus, so bleibt es auf Jahre hinaus zweifelhaft, ob dies Ausbleiben durch die Behandlung der Syphilis zu Stande gekommen oder auf einen diagnostischen Irrthum zurückzu- führen ist. 3. Die Allgemeinbehandlung soll nie vor dem vierten Krankheits- jahre beendet werden, gleichviel ob nochSymptome auftreten oder nicht. Sie besteht aus häufig wiederholten energischen Haupt- und milderen Nebenkuren, die stets durch mehrwöchentliche resp. mehrmonatliche Pausen getrennt, je nach der Constitution des Kranken und dem Ver- lauf der Krankheit geleitet werden. Dass diese Anschauung sich immer mehr Bahn bricht, hält der Vortr. für den wesentlichsten Fortschritt der letzten Jahre. Bei so häufig sich wiederholenden Kuren spielt aber die Methode der einzelnen Kur eine wichtigere Rolle als früher, es bedarf dazu 40 Jahres - Bericht nicht nur sicherer und wirksamer, sondern auch bequemer Methoden. Die bequemsten, am leichtesten durchzuführenden Kuren waren bisher die internen Verabreichungen von Hg. Der Vortr. empfiehlt als am besten vertragen Sublimat-(0,03—0,04 p. die)Lösungen mit 10facher CINa-Menge in Milch nach der Mahlzeit zu nehmen. — Hierbei ist aber die Dosirung (Resorption im Darmkanal?) unsicher und die Kur von der Zuverlässigkeit des Kranken abhängig. Diesen Mangel vermeiden Injeetionen mit löslichen Hg-Salzen (welehes unter den vielen in den letzten Jahren empfohlenen Präparaten gewählt werde, ist gleichgiltig); eine Methode, die jedoch durch die Nothwendigkeit täglicher Application unbequem wird. Ihre Wirkung ist sicherer und intensiver als die der internen Medieation, aber erreicht nicht den Wert der Inunctionskur, welche bisher als die wirksamste aller antiluetischen Hg-Methoden galt. Indessen ist ihre vollkommene und genaue Durchführung nicht leicht, oft sogar sehr schwierig und es ist deshalb die Wiedereinführung der alten Scarenzio’schen Calomel- Injeetionen (resp. andrer ungelöster, erst im Organismus sich lösender Hg-Salze) als ein noch lange nicht genügend gewürdigter, sehr wesent- licher Fortschritt zu begrüssen. — Ausführlicher auf diese Methode eingehend, betont der Vortr. als besondere Vorzüge: 1. Die eminente Bequemlichkeit: 4-6 Injeetionen in Inter- vallen von je $—10 Tagen sind eine gute, energische Kur. 2. Den überraschend schnellen und sichren Erfolg, der in unzähl- baren Beobachtungen von den verschiedensten Autoren constatirt ist und sicher feststeht. Der Vortr. stellt auch in Bezug auf die Wirksamkeit diese Kur eher über als unter diejenige der Inunctionskur. Störend waren bisher die hin und wieder an der Injeetionsstelle auftretenden localen Entzündungsprocesse, die aber, seit der Vortr. das Calomel (vapore parat.) in Ol. Olivar. (1,0—10,0; 1 CC pro Injeet.) suspendirt, viel seltener und unbedeutender auftreten, als bei früheren wässrigen oder glycerinhaltigen Calomel-Suspensionen. Während dadurch für sehr energische Hauptkuren gut gesorgt war, war man für mildere Nebenkuren immer noch auf die interne — jedenfalls unzuverlässigste — Behandlung angewiesen. Doch ist auch in dieser Hinsicht in dem von Lang empfohlenen Ol. einereum zweifellos ein guter Ersatz vorhanden. Es wird über die zahlreichen und erfolg- reichen Versuche mit diesem Injectionsmittel später berichtet werden. Die von Unna empfohlene Binwickelung mit Emplastr. hydrag. wendet der Vortr. bei Erwachsenen selten an, hält sie aber in der poli- klinischen ärmeren Kinderpraxis für die sicherste (von der Sorg- samkeit der Pflege unabhängige) und wirksamste Methode. Von den der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 41 meist gebrauchten Sublimatbädern glaubt der Vortr. nichts erwarten zu dürfen. — Auch die interne Calomelbehandlung dürfte den Vergleich mit den Einwickelungen nicht aushalten. Neben der Allgemeinbehandlung ist sorgsamst die Localbehand- lung aller syph. Eruptionen, auch der zu selten beobachteten Drüsen, im Auge zu behalten. Gegen trockne papulöse und squamöse Formen, sowie gegen wenig secernirende Ulcera ist nach wie vor das Emplastr. mercur. zu verwenden, auch Chrysarobin ist oft nützlich. Schleimhaut- plaques pinselt man mit Sublimat-Benzoetinetur (1 : 100). Für ulceröse Formen ist statt Jodoform das Bismuth. oxyjodicum wirksam. Weniger leistet das Jodol. Was die Stomatitis anlangt, so weist der Vortr. auf den hier zwischen den Syphilidologen und Ophthalmologen bestehende Divergenz hin. Letztere z. B. Foerster sahen besonders gute Erfolge bei solchen Kuren, bei denen Stomatitis auftrat, während sonst dieselbe nur als störende, vermeidbare und sorgsamst zu vermeidende Complikation gilt. Vielleicht bildet Entzündung der Mundschleimhaut eine Art „Ableitung“ srade von dem erkrankten Auge oder es ist die bei jeder Stomatitis ipso facto einwirkende allgemeine Entziehung von nützlichem Einfluss. Zur Mundpflege dienen die adstringirenden Tineturen (Tet. gallar., Myrrh., ratanh., spilanth.) mit einigen Tropfen Ol. Menth. piper.; bei beginnendem Speichelfluss ist frühzeitige Verabreichung von Atropin zu empfehlen. Für Mereurial-Uleerationen verdient die von Gerhardt angegebene Bromwasserstoffsäure entschiedene Empfehlung. Zur Jodbehandlung übergehend, weist der Verf. erst auf die Noth- wendigkeit hin, bei schweren Fällen grössere Dosen Jk. (oder JNa.) zu geben; gewöhnlich würde — selbst bei den eigentlich nie energisch genug zu behandelnden Hirn- und Rückenmarksfällen viel zu wenig verordnet; 6 und 8 und 10 Gramm p. die sind nöthig und werden vorzüglich (namentlich in Milch) vertragen. Langsamer als Jk. wirkt Jodol, das bis zu 2,0 p. die (4 X täg- lich 0,5) gegeben werden kann; Wirkungen wie Nebenwirkungen zeigen sich milder, als beim Jodkalium. Jodoform eignet sich in Oel-Suspension (1: 6) vorzüglich zu voll- kommen schmerzlosen, übrigens sehr wirksamen subeutanen Injectionen (2 CC. p. die). Erscheinungen von leichtem Jodismus (Schnupfen, selbst Oedeme) verdienen keine Beachtung und machen keine Unterbrechung der Jod- behandlung erforderlich. Gleichzeitige Gaben von Bromkalium oder Extr. Belladonnae sind oft nützlich; aber auch ohne dies schwinden fast stets trotz fortgesetztem Jod-Gebrauchs diese Nebensymptome. In schweren Fällen hat sich die von Ehrlich empfohlene Sulfanilsäure sehr gut bewährt. 42 Jahres-Bericht Die Frage: wann sollen die Jodpräparate gegeben werden? beant- wortet der Verf. dahin, dass sie im Frühstadium ihm durchaus ent- behrlich scheinen, im Spätstadium aber den sogen. gummösen Formen segenüber absolut unentbehrlich. Ein wesentlicher Fortschritt ist auch hier die um sich greifende Anwendung eombinirter (Hg. und J.) Kuren, Abgesehen von der schnelleren Beseitigung momentaner, in diesem Stadium meist bedrohlicher Zustände erfüllen sie auch die Auf- gabe (durch das Hg.) die Krankheit selbst, nicht nur (wie das Jod) die Symptome zu behandeln, resp. zu heilen. Schliesslich betont nochmals der Vortr., dass er Bäder, Schwitz- und Trinkkuren, die Holztränke u. s. w. zwar für sehr werthvolle Hilfsmittel für die Syphilisbehandlung halte, aber eben nur für Hilfs- mittel neben der unersetzlichen Hg-Behandlung. Fine besondere Rolle spielt letztere bezüglich der Beseitigung der Vererbungsfähigkeit der Syphilis. Man hat demgemäss vor der Ehe, während der Gravidität u. s. w. in allen verdächtigen Fällen energisch vorzugehen. Der Erfolg ist ein überraschend sicherer und wie viel bisher nach dieser Richtung hin durch Unterlassung einer ausreichend intensiven und rechtzeitigen Therapie gesündigt worden, lehrt die sich häufende Erfahrung von der Bedeutung der ererbten Syphilis für Organ- erkrankungen aller Art. Speciell sind es eine Unzahl von bisher uner- klärliehen Gehirn-, Rückenmarks- und Visceral-Erkrankungen im kind- lichen und jugendlichen Alter, deren hereditär-syphilitischer Ursprung immer deutlicher klar wird. Sitzung vom 19. Februar 1887. Herr Alexander hält nachfolgenden Vortrag Ueber Fischvergiftung mit Vorstellung von Kranken. M. H. Die Gelegenheit, Ihnen heute drei sehr interessante und lehrreiche Fälle vorstellen zu können, verdanke ich der Freundlichkeit unseres hiesigen Collegen Dr. Hübner, welcher diese Fälle mir zur Be- obachtung und Behandlung in der Poliklinik überwiesen hat. Diese Fälle verdienen Ihre Aufmerksamkeit nicht nur deshalb, weil sie an und für sich in Breslau sehr selten vorkommen (wenigstens schliesse ich dies daraus, dass ich bei dem sehr reichen Kranken- materiale der hiesigen medieinischen Klinik und Poliklinik, welches mir seit 6 Jahren zu Gebote steht, derartige Fälle noch nicht gesehen habe), sondern auch deshalb, weil sich an dieselben sehr wiehtige pathologische und aetiologische Fragen anknüpfen. Es handelt sich um die gleichzeitige und im Wesentlichen auch gleichartige Erkrankung von drei Personen, des Ziegelmeisters K., seiner Frau und seiner drei Jahre alten Tochter, aus Friedewalde bei nd der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 43 feld. Herr K. hat ausserdem noch ein zehn Monate altes Kind, welches stets gesund geblieben ist. Ich werde mir zunächst erlauben, Ihnen in aller Kürze die Kranken- geschichte mitzutheilen. Herr K., welcher früher stets gesund war, er- krankte am 31. Januar d. J. Vormittags 9 Uhr ganz plötzlich in Peters- dorf bei Breslau, wohin er sich am Tage vorher begeben hatte. Die Erscheinungen dabei waren folgende: Zuerst bemerkte er, dass das Auge blöde wurde, dass er nicht mehr ordentlich sah und dass sich eine grosse Trockenheit im Munde und eine vollständige Unfähigkeit zum Schlingen einstellte. An demselben Tage erbrach er auch zwei Mal, das Erbrochene bestand nur in dem Tags zuvor genossenen Essen. Schon am ersten Tage stellte sich Doppelsehen ein. Endlich hatte er auch sofort ein brennendes Gefühl im Magen, welches sich nach oben zu längs der Speiseröhre bis in den Mund erstreckte. Acht Tage darauf stellten sich auch Störungen der Harnausscheidung ein, er liess äusserst wenig Urin und das auch nur nach langem Pressen. Der Stuhlgang war von Anfang an ganz ausser- ordentlich retardirt. Wegen dieser Krankheits- Erscheinungen kehrte unser Patient Mitt- woch den 2. Februar d. J. wieder in seine Heimath zurück und hörte dort zu seinem Erstaunen, dass auch seine Frau und sein ältestes Kind zu derselben Zeit, und zwar zu derselben Stunde wie er, und in ganz ähnlicher Weise erkrankt seien. In der That boten die Frau und das Kind ebenfalls Sehstörungen, Brennen und Trockenheit im Munde, Schling- lähmung, Stuhlverstopfung und Verminderung der Harnsecretion, sowie Störungen der Harnausscheidung dar. Gebrochen hat die Frau nicht, dagegen hat das Kind schon am 29. Januar zweimal gebrochen, musste schon am 30. Januar zu Bett gelegt werden, soll Hitze gehabt, phantasirt und über Augenschmerzen geklagt haben. Alle diese Symptome bestanden noch, als die Patienten in Behand- lung des Herrn Collegen Hübner kamen. Letzterer behandelte sie in sehr zweckmässiger Weise mit Abführmitteln und goss dem Manne und der Frau Eserin in die Augen, wodurch die sehr weiten Pupillen verengt und das Sehvermögen soweit, wenn auch nur vorübergehend, gebessert wurde, dass die Patienten wieder lesen konnten. Ich selbst sah die Patienten flüchtig am 14. d. Mts. Eine genaue Untersuchung derselben am 15. d. Mts. ergab Folgendes: Bei dem Manne: Pupillen beide etwas mehr als mittelweit, während dieselben Tags vorher noch beinahe ad maximum erweitert waren, rechte Pupille etwas eckig. Beide auf Lieht fast vollkommen reactionslos, da- gegen verengern sich beide deutlich, wenn auch schwach, bei der Con- vergenz. Die oberen Augenlider hängen beide ziemlich weit und schlaff herunter und können auch nicht vollständig erhoben werden. Die 44 Jahres-Bericht Prüfung der Augenbewegungen ergiebt starke Defecte der Beweglich- keit und zwar bleibt der Hornhautrand am rechten Auge beim Blick nach Aussen um 4 mm, beim Blick nach Innen um 3 mm von der Lid- eommissur entfernt, ganz ebenso verhält sich das linke Auge. Der Blick nach oben und nach unten war wenig beschränkt. Patient gab Doppel- bilder in jeder Entfernung an. Es ergab sich also doppelseitige Ptosis, Mydriasis, Accommodations- lähmung und eine fast vollständige Lähmung beider Nervi abducentes und oculomotorii (wie sich später herausstellt auch der Trochleares). Ferner ergab die Untersuchung des Mannes eine eigenthümlich livide Färbung der Zunge mit Resten von Soor darauf (Tags vorher war die Soor-Entwiekelung stärker und wurde durch mikroskopische Untersuchung die Natur des Belages sicher gestellt). Die Schleimhaut des harten und weichen Gaumens, wie auch der hinteren Rachenwand war intensiv geröthet, auf der letzteren fand sich eine kleine Blutung, auch klebte an der hinteren Rachenwand etwas zähes, schleimiges Sekret. Im Uebrigen war die ganze Mundhöhle sehr trocken. Druck am Halse in der Gegend des Oesophagus war sehr schmerzhaft. Die Untersuchung der Brust- und Bauchorgane ergab völlig normalen Befund, Magen und Darm waren auf Druck nicht empfindlich. Die Schlinglähmung war für feste Speisen noch eine vollständige, dabei gab der Mann an, dass es ihm an Speichel fehle, um einen trockenen Bissen gehörig zu durchfeuchten. Temperatur 36,8, Puls regelmässig mittel voll, 78 Schläge pre Minute. Urin von dunkelgelber Farbe, sauer, frei von Eiweiss und Zucker. Die Haut war auffallend trocken, Patient will seit Beginn seiner Krankheit nicht mehr geschwitzt haben. Die Frau bietet im Wesentlichen dieselben Symptome dar, nur dass die Lähmungen der äusseren Augenmuskeln fehlen, sie hat eben- falle eine Mydriasis mit Accommodations - Lähmung, Schlinglähmung, Harnbeschwerden und Stuhlverstopfung. Das Kind hatte eine Mydriasis, sonst anscheinend keine weiteren Augensymptome, auf Accommodationslähmung konnte bei dem jugendlichen Alter des Kindes nicht untersucht werden. Ich habe seitdem die Kranken unter beständiger Beobachtung gehabt, es hat sich in dieser Zeit nicht viel geändert. Nur sind die Pupillen bei allen dreien kleiner geworden, reagiren aber auf Licht nur träge. Heute traten jedoch bei dem Manne zahlreiche glänzend weisse, scharf begrenzte Beläge am weichen Gaumen auf, welche sich leicht abstreifen lassen, aus einer weichen schmierigen Masse bestehen und nach ihrer Entfernung eine stark geröthete, aber sonst nicht veränderte Schleimhaut als Unterlage darbieten. Mikroskopisch zeigte sich der Belag zusammengesetzt aus abgestossenen Epithelien der Mundhöhle, der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 45 Nachdem Sie nun die Krankengeschichte der Patienten kennen gelernt und das Krankheitsbild, welches die Patienten gegenwärtig dar- bieten, gesehen haben, fragt es sich, was ist die Ursache dieser merk- würdigen Erkrankung? Es unterliegt nach der mitgetheilten Kranken- geschichte keinem Zweifel, dass es sich um ein Gift handelt, welches im Hause des Herrn K. auf die drei Patienten einwirken konnte, während das jüngste 10 Monate alte Kind dieser Schädlichkeit nicht unterlag. Dies weist schon ohne Weiteres auf die Nahrung als die Quelle der Vergiftung hin. Höchst wahrscheinlich handelt es sieh in unseren Fällen um eine Vergiftung durch verdorbene Heringe, wenigstens steht so viel fest, dass unsere Kranken in der ganzen Woche vor der Erkrankung weder Wurst noch Käse, noch anderes Fleisch, ausser etwas Schinken gegessen haben. Der letztere, von welchem die Patienten noch Vorrath haben, soll von tadelloser Beschaffenheit gewesen sein, wird auch auf einem luftigen Boden aufbewahrt und ist auch von anderen nicht zu der Familie K. gehörigen Personen ohne Schaden gegessen worden, dagegen haben die Patienten in der letzten Woche vor ihrer Erkrankung wiederholt Salz- heringe gegessen und zwar haben sie dieselben bereits seit 14 Tagen in ihrem Besitze. Die Heringe werden in einem thönernen Topfe über- einandergeschichtet aufbewahrt im Wohnzimmer, welches täglich geheizt wird. Noch am Tage vor der Erkrankung, Abends 9 Uhr, haben die drei Personen zusammen einen Hering gegessen und zwar sonst nichts als Brod. Auch am 28. Januar hatten die Leute Hering zum Abendbrod gegessen und schon in der folgenden Nacht war das Kind erkrankt. Von diesem selben Hering behaupten die Patienten, dass er gut ausge- sehen, wie gewöhnlich gerochen und gut geschmeckt habe. Ein mir zu- gesandter Hering aus demselben Topfe bot durchaus nichts auffallendes dar. Was mich vorzüglich veranlasst, eine Vergiftung durch Heringe anzunehmen, das ist der Umstand, dass die letzte der Erkrankung vorausgegangene Mahlzeit nur aus Hering bestanden hatte, dass erfahrungs- gemäss die Incubations-Dauer derartiger Vergiftungen nur eine kurze ist und dass die bei unseren Kranken beobachteten Symptome mit den in anderen Fällen von Fischvergiftung beobachteten vollständig überein- stimmen. Bei weitem am häufigsten kommen Fischvergiftungen in Russland vor und zwar handelt es sich dabei immer um Vergiftungen durch Fische von der Gattung Aceipenser, welche in rohem Zustande eingesalzen und dann aufbewahrt werden. In Deutschland kommen Fisch- vergiftungen allem Anschein nach viel seltener vor, doch konnte vor einigen Jahren Herr Professor He#mann Cohn!) über mehrere Fälle !) Hermann Cohn, Sehstörungen bei Vergiftungen durch Wildpastete und Hecht. Separat-Abdruck aus Knapp-Hirschbergs Archiv für Augenheilkunde IX. 46 Jahres-Bericht von Fischvergiftung berichten, welche in Oppeln vorkamen und bei- denen die Ursache gesalzene und dann gebackene Hechte waren. Im Jahre 1884 kam eine grössere Anzahl derartiger Vergiftungen in Saal- feld in Ostpreussen vor, in Folge des Genusses von Fischen, welche 5—6 Tage in Essig gelegen hatten. Diese Saalfelder Fälle, welche zum Theil tödtlich verliefen, sind von Professor Schreiber?) in Königs- berg i. Pr. sehr eingehend studirt und ausführlich publieirt worden. Was die Natur des in unseren und ähnlichen Fällen wirksamen Giftes anbetrifft, so nimmt man seit langer Zeit ein solches an, welches durch eine eigenthümliche Zersetzung des Eiweisses bei beschränktem Luftzutritt aus dem Fischfleisch entsteht, also ein- Gift, welches zu den Fäulnissbasen oder Ptomainen gehört. Doch sind diese Zersetzungspro- duete, soweit sie dargestellt sind, zum Theil nicht giftig oder, soweit sie giftig sind, rufen sie durchaus keine Erscheinungen hervor, welche an Fischvergiftungen erinnern. Eine grosse Aehnlichkeit besteht unzweifelhaft zwischen dieser Ver- giftung und der Atropin-Vergiftung, doch sind auch die Unterschiede so bedeutend, dass von einer Identität gar nicht die Rede sein kann, Eine sehr grosse Aehnlichkeit haben ferner diese Fälle von Fisch- vergiftung mit den in Deutschland etwas häufigeren Wurstvergiftungen, doch möchte ich das Fischgift und das Wurstgift bei aller Aehnlich- keit in den Wirkungen doch nicht für ganz identisch halten, wenn die- selben auch offenbar einander sehr ähnlich sein müssen. Möglicherweise entstehen auch diese Gifte unter der Einwirkung ganz bestimmter Bacterien auf Fischfleisch resp. auf Wurst. Bezüglich des Fischgiftes ist darüber bisher nichts Thatsächliches bekannt, dagegen hat ganz neuerdings Professor Nauwerk°) in Tübingen aus giftigen Würsten, welche eine Wurstvergiftung mehrerer Personen bewirkt hatte, Mikro- Organismen verschiedener Art gezüchtet und zwar einen sehr schnell wachsenden Baeillus, welcher die Nährgelatine schnell verflüssigt, und einen Coccus von sehr langsamem Wachsthum. Da ich die Arbeit von Nauwerk, welche in einem Württembergischen Lokalblatt erschienen ist, nur aus einem Referate kenne, so weiss ich nicht, ob mit diesen Mikroorganismen Infectionsversuche gemacht worden sind. Nauwerk giebt an, dass er den Bacillus auch aus dem Darm des gesunden Schweins habe züchten können. Die Bedeutung dieser Bacillen für die Wurstver- giftung scheint vorläufig auch noch recht fraglich zu sein. Die Erscheinungen, welche unser Patient Herr K. darbietet, sind ferner aus dem Grunde sehr bemerkenswerth, weil sie auf eine centrale E) E ?) Schreiber, Ueber Fischvergiftung, Berliner klinische Wochenschrift 1885 No. 11 und 19. ee ‚) Nauwerk, Med. Correspondenzbl ; Wr ärztli - Velöins: 188. Noch, pondenzblatt des württemb. ärztlichen Landes der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 47 Ursache der Augenmuskellähmungen hinweisen. Eine derartige Augen- muskellähmung, bei welcher die Seitwärtsbewegungen des Bulbus hoch- gradig gestört, dagegen die Convergenz vollkommen normal ist, kann nur darauf beruhen, dass das Centrum für die Augenbewegungen in seitlicher Richtung in seiner Function beeinträchtigt, dagegen das Convergenzeentrum nicht beeinträchtigt ist. Eine Einwirkung des Giftes auf die peripheren Nerven oder Muskeln ist unter solchen Umständen ganz ausgeschlossen. Andererseits kann man wieder aus den bei Herrn K. beobachteten Augen- muskellähmungen, bei denen die Convergenz vollständig erhalten ist, schliessen, dass Convergenz und seitliche Augenbewegungen vollkommen setrennte Centra im Gehirn besitzen, welche sich einem und demselben Gifte gegenüber ganz verschieden verhalten. Wahrscheinlich beruht auch die Schlinglähmung auf Läsion der Nervenkerne, die Verminderung der Speichelsecretion, die vollkommene Vernichtung der Schweisssecretion, die colossale Trägheit des Darms, die Dysurie und Obligurie auf einer Functionsstörung der nervösen Centralorgane. Nachträglicher Zusatz: Herr Geheimrath Förster hatte die Güte, die Kranken auf meine Bitte am 16. Februar 1887 zu. unter- suchen. Auch Herr Dr. König, damals Assistenzarzt der Universitäts- klinik für Augenkranke, hatte die Freundlichkeit, dieselben- auf meinen Wunsch wiederholt zu untersuchen. Ein mir von dem letztgenannten Herrn Collegen freundlichst mitgetheilter Bericht über den Befund lautet folgendermaassen: I. August K. zeigte am 16. II. 87 folgenden auf beiden Augen fast gleichen Befund: das obere Lid hängt etwas herab, bei Bewegung nach aussen bleibt der äussere Cornealrand 4 mm von der Commissur, nach innen erreicht links der innere Cornealrand knapp den unteren Thränen- punkt, am R. A. überschreitet er ihn um ein Minimum. Nach oben und unten ist die Bewegung ziemlich ausgiebig, aber erreicht nicht ganz das normale Maass. Trochlearis-Wirkung (Raddrehung der Cornea) ist nicht zu sehen. Beim Blicke geradeaus leichte Convergenz-Stellung (das R.A. steht etwas höher), gleichnamige Doppelbilder, die beim Blicke nach beiden Seiten sich von einander entfernen. Die Pupillen reagiren träge und die Accommodation ist erheblich beeinträchtigt, mit + 15 wird Sn. IL von 8 bis 12“ gelesen. $. — 20/40, mit + 40 = 20/20. Es sind also paretisch auf beiden Seiten der Oculomotorius in allen Zweigen, der Abducens und der Trochlearis. Auffallend ist aber dabei die ausserordentlich gute Convergenzfähigkeit bis auf 4 em, wobei der innere Cornealrand beiderseits etwas weiter nach innen bewegt werden kann, als bei der Lateralbewegung. Auch die Pupillen reagiren auf Convergenz viel prompter und ausgiebiger als auf Licht. Im übrigen sind die Augen objectiv normal und $. wie oben angegeben — 1. Am 19. U. ist der Befund hinsichtlich der Beweglichkeit derselbe, die 48 Jahres-Bericht Aecommodation ist heute noch etwas weniger kräftig, mit — 15 Sn. In in 12‘ Nahpunkt. Die heute (19. II.) nachgeholte Gesichtsfelduntersuchung ergiebt für Weiss beiderseits normale Grenzen, für die drei Hauptfarben roth, |grün und blau weder eine merkliche Hinknsteis noch centrale Scotome. Am 22. II. ist die Beweglichkeit und Pupillenreaetion, wie am 19., aber die Diplopie ist verschwunden und kann auch mit rothem Glase in keinem Theile des Bliekfeldes hervorgerufen werden. Mit abwärts brechen- dem Prisma besteht in der Mittellinie Muskelgleichgewicht, aber rechts und links gleichnamige Diplopie. 25. II. Beweglichkeit nach innen und aussen etwas besser. Pu- pillen reagiren auch auf Licht gut. 10. II. L. A. Bei Bewegung nach aussen bleibt der Corneal- rand noch 1 mm von der Commissur, nach innen erreicht der innere Pupillarrand den unteren Thränenpunkt. R. A.: Nach aussen bleibt der Cornealrand 2 bis 3 mm von der Commissur, nach innen, wie am L. A., Sn. In in 8°“ Np. ohne Glas. Convergenz und Pupillenreaction gut. II. Frau K. bot am 16. II. folgenden Befund: An den äusseren Augenmuskeln keine Störung, Beweglichkeit nach allen Richtungen normal, dagegen träge Pupillenreaction auf Licht und Parese der Accom- modation. Sn. Ij, wird ohne Glas gar nicht, III. v. 12 bis 24” gelesen. Die Prüfung für die Ferne ergiebt auf jedem Auge $. — 20/40, + 60 verschlechtert. 19. II. auf jedem Auge $. — 20/30, III 8“ Np. G. FE. normal. 22. II. Pupille reagirt beiderseits schon ganz prompt auf Licht, wie auf Convergenz. Der Zustand der Accommodation ist leider nicht mehr notirt worden. II. Kind K. 16. II. Ein Beweglichkeitsdefect der äusseren Augen- muskein liess sich ebenfalls nicht nachweisen, aber die Pupillen reagirten träger als normal. Eine Prüfung der Accommodation liess sich mit Sicherheit nicht ausführen. Bezüglich des weiteren Krankheitsverlaufes und abgesehen von dem Verhalten der Augen sei kurz noch folgendes bemerkt: Bei Herrn K- findet sich am 21. II, notirt: Röthung im Rachen und am Gaumen noch sehr bedeutend, Zunge nicht mehr livid, keine Beläge im Halse. Schlingen von aufgeweichter Semmel und aufgeweichtem Brod mit Nachtrinken von Flüssigkeit ist möglich. Speichelseeretion etwas vermehrt, aber noch immer zu gering. Nach dem Essen oder Trinken etwas Aufstossen. Stuhlgang immer nur nach Abführmitteln, Dysurie nur noch gering, Urin reichlicher. Patellarreflex deutlich vorhanden. Frau K. 21. I. Noch zu wenig Speichel, doch mehr wie früher, Schlingbeschwerden noch wie beim Manne, Aufstossen nach dem Eisen oder Trinken, keine Dysurie mehr. Ark nur nach Abführmitteln. der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 49 Patellarreflex beiderseits gut. Ocdem an den Füssen (in Folge von Gravidität). Urin eiweissfrei. Kind K. 21. II. Schlingbeschwerden wie bei den Eltern. Patellar- reflexe vorhanden; Stuhlgang nur nach Abführmitteln. Herr K, 7. III. Schlingvermögen normal, nach dem Essen tritt Quetschen in der Magengegend ein, keine Dysurie mehr, Stuhlgang nur nach Abführmitteln. Ganz leichte Pharynsgitis. Frau K. 5. III. Schlingvermögen gut, doch wird Fleisch, und alles Fette wieder erbrochen. Schleimhaut der Mundhöhle und des Rachens ‘nur noch wenig geröthet, ohne Auflagerungen. Patientin klagt über ein Brennen am Boden der Mundhöhle unterhalb der Zunge, woselbst jedoch nichts Abnormes zu sehen ist. Keine Oedeme, keine Dysurie, Stuhl- verstopfung wie früher. Das letzte Symptom, welches im Laufe der Reconvalescens verschwand, war die äusserste hartnäckige Obstruction, welche zur Folge hatte, dass alle drei Patienten während dreier Monate nicht ein einziges Mal spontanen Stuhlgang hatten. Das Kind erkrankte noch vor völliger Wiederher- stellung ziemlich schwer an Masern, Frau K., welche z. Z. der Ver- siftung im 5. Monat schwanger war, gebar am normalen Ende der Schwangerschaft ein lebendes gesundes Kind. Die Behandlung bestand in der Verabreichung von Calomel und ver- schiedenen anderen Abführmitteln, eine Zeit lang wurde Natron sali- eylieum gegeben. Die Halsorgane wurden längere Zeit mit dem In- ductionsstrome elektrisirt. Keines dieser Mittel schien eine Wirkung auf den Krankheitsverlauf zu haben. Mitte April waren die Patienten vollkommen wieder hergestellt. Hierauf spricht Herr Steinschneider Ueber den Sitz der gonorrhoischen Infection beim Weibe. Um die controverse Frage festzustellen, welche Stellen der weih- liehen Genitalien von der gonorrhoischen Erkrankung befallen zu werden pflegen, hat St. die von der polizeilichen Controle mit frischen venerischen Affectionen eingelieferten Puellas publicas auf der Klinik Neisser’s sorgfältigen, wiederholten Untersuchungen unterzogen. Es wurden 57 Fälle untersucht, in einem jeden Falle an zehn bis vierzehn Tagen hintereinander die Seerete der Urethralschleimhaut, der Vulvovasginal- drüsen, der Vagina, der Cervix und des Uterus vorsichtig entnommen und auf Gonoeoecen untersucht. $t. fand 34 mal frische, 3 mal alte Gonorrhoe. Das Urethralseeret enthielt in den 34 frischen Fällen Gonoeoceen, in den 3 alten Fällen nicht. Im Seeret der Bartholin’schen Drüsen wurden sie einmal, in der Cervix 16 mal unter den 34 frischen, 2 mal unter den 3 alten Fällen, im Uterusseeret 3 mal unter 6 frischen, 1887. 4 + 50 J Abres Bereit 1 mal unter 2 alten Fällen, in dem von der Vulva, dem Präputium Clito- ridis, von der Vagina abgestreiften Secrete wurden sie niemals gefunden (mit Ausnahme einer Vaginalblenorrhoe bei einem stuprirten, neun- jährigen Kinde). Aus diesen Untersuchungen zieht St. folgende Schlüsse: 1. In allen Fällen von gonorrhoischer Infecetion wird zunächst die Urethra, in einem grossen Theile derselben (etwa 47 pCt.) die Cerviealschleimhaut, in einer nicht unbedeutenden Anzahl die Ausklei- dung der Gebärmutterhöhle, zuweilen die Bartholin’schen Drüsen be- fallen. 32. In allen Fällen frischer Gonorrhoe ist auch eine Urethritis. gonorrhoica vorhanden. Mag das Secret der Urethra auch zuweilen spär- lich und nicht eitrig sein, es enthält dennoch Gonococcen; Harnröhren, ‚ welehe gesund erscheinen, erweisen sich also bei genauer Unter- suchung als der Sitz eines „latenten“ Trippers. Es giebt also eine der männlichen „chronischen Gonorrhoe‘‘ entsprechende „‚weibliche chronische Urethralgonorrhoe.““ 3. Lange Zeit, nachdem die Gonocoecen aus dem Urethralsecret verschwunden sind, können sie sich noch im Cervix und im Corpus uteri vorfinden, ohne unumgänglicher Weise den Fortbestand entzündlicher Affeetionen dieser Theile im Gefolge zu haben. Auch der Cervix uteri ist demnach ein Hauptsitz der chronischen Gonorrhoe. 4. In der Schleimhaut der Vulva und der Vagina siedeln sich Gonococeen bei Erwachsenen nicht an. Ihr Vorhandensein im Seerete derselben ist wahrscheinlich nur darauf zurückzuführen, dass sie von benachbarten, blenorrhoisch affieirten Schleimhäuten dahin gelangt sind. Sitzung vom 1. April 1887. Herr Lubarsch hält einen Vortrag Ueber die neueren Arbeiten über Thrombose. Nach einer kurzen Besprechung der älteren Lehre über die Thrombose, welche dann durch Virchow, Zahn, Brücke und Al. Schmidt wesentliche Aenderungen erfuhr, besprieht Vortr. besonders die Arbeiten von Eberth und Schimmelbusch, welche einerseits die Betheiligung der Blutplättehen an der physiologischen Blutgerinnung Bizozzero gegenüber leugnen, andrerseits aber den Blutplättchen bei der patho- logischen Thrombose dieselbe Rolle zuertheilen, welche man bisher den weissen Blutkörperchen zuschrieb. Nach ihnen ist der Thrombus nicht das Product einer wahren Coagulation, sondern wird durch eine Conglutination der Blutplättchen hervorgerufen, welehe vorher eine viscöse Metamorphose erlitten haben, Obgleich an der Richtigkeit ‚der durch sorgfältige Experimente gestützten Beobachtungen nicht ge- zweifelt werden kann, so sind die Einwände gegen die Deutung derselben « der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 51 um so zahlreicher. Die Einwände, die Weigert und Hanau gemacht haben, beziehen sich vornehmlich auf die Frage, ob überhaupt ein ab- soluter Gegensatz zwischen Coagulation und Conglutination zu machen sei und ob ferner der experimentelle Thrombus von E, u. Sch. dem pathologischen menschlichen Thrombus gleich zu stellen sei. Weigert bestreitet dies vor allem auf Grund seiner anatomischen Unter- suchungen, die er mit Hilfe einer neuen Färbemethode vornahm. Er konnte mit derselben in frischen und älteren Thromben so grosse Massen von fädigem Fibrin nachweisen, dass er an den Beziehungen der Thromben zur echten Blutgerinnung nicht zweifeln kann, er schliesst daher, dass die reinen Ablagerungen von Blutplättchen keine echte Thromben, sondern nur Vorstufen derselben sind. Von noch einschneidenderer Bedeutung sind die Bedenken, die Löwit gegen die Lehre von E. und Sch. geltend macht. Auch er bestreitet keineswegs die Richtigkeit der Beobachtungen von E. u. Sch., er leugnet aber überhaupt die Prae- existenz der Blutplättehen im Blute und hält sie auf Grund zahlreicher ‘chemischer Untersuchungen für Globulinausscheidungen der weissen Blut- körperchen. Vortr., der eigne experimentelle Untersuchungen über die Thrombose nicht angestellt hat und nur auf Grund einiger anatomischer Untersuchungen die Angaben von Weigert völlig bestätigen muss, kann auch seinerseits nur zugeben, dass es E. u. Sch. keineswegs gelungen ist, die Einwände gegen die Praeexistenz der Blutplättehen zu widerlegen. Ihre Angabe, dass die kernhaltigen, schon von Zahn be- schriebenen spindelförmigen Elemente des Froschbluts Blutplättehen seien, sei noch keineswegs bewiesen, vielmehr bliebe es immer noch wahrscheinlich, dass dieselben weisse Blutkörperchen darstellten. So interessant daher auch die Beobachtungen von E. u. Sch, seien, und so sehr vor allem auch ihre erneute Betonung der Stromverlangsamung für das Zustandekommen der Thrombose als Verdienst angerechnet werden müsse, so kommt Vortr. doch zu dem Schluss, dass eine wesentliche Klärung der Lehre von der Thrombose durch die Arbeiten der genannten Autoren nicht geliefert ist. Hierauf demonstrirt Herr Kaufmann zunächst ein grosses Myom des Uterus und bespricht eine an dieser Gesehwulst vorliegende Art von regressiver Umbildung, nämlich die Erweichung, die zu eystoider Umwandlung führte. Mikroskopische Präparate zeigten genau das von Virchow (Onkologie Bd. III $. 115, 116) definirte Verhalten der erweichten Stellen. Sodann stellte er ein grosses Situspräparat vor, das nach der von Grawitz (Tagebl. d. Berlin. Naturforschervers.) empfohlenen Conservirungsmethode behandelt und vor vielen Wochen WE 52 Jahres - Bericht eingelegt war. Die Farbe der Organe (es handelte sich um ein Careinom der Flexura eoli sin. mit Durchbruch in die Milz und durch die linke Nierenkapsel) war noch recht gut differenzirt, wenn auch das frische Roth mehr einem Braunroth Platz gemacht hatte. Die Consistenz, be- sonders der Schleimhäute, war merklich verringert. Im Anschluss an einen frischen Fall von hochgradiger Syphilis des Schädels zeigt er an einer Reihe von Präparaten der reichhaltigen Sammlung des pathologischen Instituts die verschiedensten Formen luetischer Knochen- veränderungen. Sitzung vom 21. April 1887. Herr Ponfick giebt eine Uebersicht über die neueren Untersuchungen bezüglich des Zustande- kommens der Vergiftungssymptome nach dem Genusse von Kali oder Natron chloricum. Er schliesst sich dabei im Wesentlichen den von Marchand ent- wickelten Anschauungen an und hebt in Bestätigung der Angaben dieses Forschers hervor, dass die Veränderung der rothen Blutkörperchen, welche zweifellos bereits während des Lebens erfolge, als der Mittel- punkt des ganzen Symptomen-Complexes zu betrachten sei. Einen aller- dings nur sehr theilweisen Grund für die grossen Meinungsverschieden- heiten, welche in dieser Frage zu Tage getreten sind, erblickt er in der auffälligen Ungleichheit der Wirkungsweise von quantitativ sehr nahe- stehenden Dosen des Arzneimittels. Diese noch immer nicht vollkommen aufgeklärte Erscheinung dürfte, wie er glaubt, am wahrscheinlichsten auf das wechselnde Maas von Füllung zurückzuführen sein, welches der Magen im Augenblicke der Einverleibung gerade darbietet. Hierauf demonstrirt Herr Fritsch einen Uterus mit Myomen im fünften Monat der Schwangerschaft exstirpirt und einen Uterus von einem Porro’schen Kaiserschnitt stammend. Sitzung vom 29. April 1887. e Herr Martell hält einen Vortrag Zur Therapie der Lungentuberculose. In der an diesen Vortrag: sich schliessenden Discussion werden von den Herren Ponfick, Rosenbach, Eger, Alexander, Neisser, Buchwald, Rosenfeld, Simm, Spitz, Asch, Kayser, Freund, Schmeidler Bedenken gegen die von dem Vortragenden geltend ge- der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 53 machten Anschauungen über die Therapie der Lungentubereulose erhoben. Die Section fasst auf Antrag der Herren Rosenbach-Asch ihre Be- denken in nachfolgendem Beschluss zusammen: Die Section hält die yon Herım Martell gegebene Begründung der Tubereulosen-Therapie nicht für begründet, hält es aber für angezeigt, die Angelegenheit durch eine Commission prüfen zu lassen, Sitzung vom 13, Mai 1887. Herr Wernicke stellt vor l) einen Fall von progressiver Muskelatrophie. Das 14jährige schon entwickelte Mädehen stammt von einer Mutter, die eine gesunde Muskulatur hat, aber erst kürzlich von einer schweren 11), Jahre dauernden Melancholie wieder hergestellt ist. Ihr Vater, ein Onkel und eine Tante mütterlicherseits sollen eine auffallend schlechte Körperhaltung gehabt haben. Bei der Patientin war zuerst vor 4'/, Jahren auffällig, dass sie sich beim Erlernen des Schlittschuhlaufens äusserst ungeschickt verhielt. Seit 3 Jahren ermüdete sie leicht, hatte Schwierig- keit beim Treppensteigen, knickte beim Gehen bisweilen unversehens ein und fiel hin, ohne sieh dann selbst aufrichten zu können. Diese Erscheinungen kamen so allmälig und nahmen so gleichmässig zu, dass sie erst vor 1 Jahre als krankhaft erkannt und ärztliche Behandlung aufgesucht wurde. Im August 1886 war der Befund folgender: Die Körperhaltung schlaff, mit Neigung zu Lumbo-dorsal-lordose. Nirgends auffallende Atrophie, Muskulatur der Hüften und Unterextremitäten im Gegenutheil anscheinend sehr entwickelt, wenigstens im Verhältniss zu den Oberextremitäten. Hochgradige Schwäche der gesammten Muskulatur der Unterextremitäten und der Bauchmuskeln, dabei tritt die erstere bei Innervation abnorm voluminös und abnorm hart, athletenhaft hervor, besonders an den Waden und an den Oberschenkeln. Die Beuger des Unterschenkels, Beuger und Strecker des Hüftgelenks sind am meisten geschwächt, fast gelähmt. Keine Sensibilitätsstörungen, keine fibrillären Zucekungen, keine Entartungsreaction, keine spinalen Symptome. Die Behandlung bestand in Faradisation der betroffenen Muskulatur und vor- sichtiger Muskelsymnastik. Dabei hat sich die Functionsstörung nur wenig gebessert, die Hypertrophie an den Muskeln der Unterextremitäten ist erheblich zurückgegangen. Jetzt tritt sie nur an den Waden und an der Beugeseite der Oberschenkel dann hervor, wenn die betr. Muskeln stärker innervirt werden, z. B. einen Widerstand zu überwinden haben. Die abnorme Härte und Hervorwölbung der Muskeln hält dann auch abnorm lange an. Bei der Demonstration macht der Vortragende besonders auf die Eigenthümlichkeit des Ganges aufmerksam, Derselbe ist ähnlich, jedoch 54 Jahres - Bericht prineipiell verschieden von demjenigen, der durch congenitale Luxation der Hüftgelenke bedingt ist. Er beruht hier auf Lähmung der Glutaei medii. Ausserdem wird demonstrirt, dass sich die Muskeln des Schulter- gürtels anfangen an der Atrophie zu betheiligen, ohne dass ein hyper- trophisches Stadium bei ihnen vorangegangen ist. Die Serrati antiei magni erweisen sich beiderseits als fast gelähmt, die Latissimi dorsi als paretisch. Der Fall reiht sich am besten unter die juvenile Form progressiver Muskelatrophie, welche Erb beschrieben hat. Er liefert einen in- teressanten Beitrag zu der von Erb ausgesprochenen Vermuthung eines inneren Zusammenhanges zwischen dieser Krankheit und der von Duchenne zuerst beschriebenen Pseudo - Hypertrophie der Muskeln. Denselben Zusammenhang hat der Vortragende wiederholt beobachtet, wie vorgezeigte Photographien von früheren Beobachtungen beweisen; auch in den Abbildungen von Duchenne lässt sich, wie der Vortr. hervorhebt, neben der Muskelhypertrophie an den Beinen eine Atrophie im Bereiche des Schultergürtels z. Th. nicht verkennen. Die Gangstörung dürfte für die Gesellschaft von besonderem Interesse sein, weil sie schon früher einmal von Liehtheim demonstrirt: worden ist. In dem Lichtheim’schen Falle, der zur Section kam, wurde damals zur eigenen Ueberraschung des Autors der Nachweis geführt, dass das Rückenmark vollständig intaet war. Es ist inzwischen zur allgemeinen Anerkennung gelangt, dass in Fällen, wie dem demonstrirten ebenso wie der von Leyden geschilderten hereditären, der von Erb geschilderten juvenilen und der von Duchenne beschriebenen juvenilen Form progressiver Muskelatrophie die Vorderhornzellen des Rückenmarks sowie überhaupt das Nervensystem nicht erkrankt gefunden werden, vielmehr eine selbstständige Erkrankung der Muskulatur dabei vorliegt. Besonders die Untersuchungen von Dejerine haben das über jeden Zweifel gestellt. 2) einen 57jährigen Kranken mit Paraparese der Unterextremitäten und Lähmung mit Atrophie umschriebener Muskelgebiete an beiden Armen. An den Unterextremitäten alle Bewegungen möglich, aber langsam und abgeschwächt, Gang nur unterstützt möglich, auch Stehen nur kurze Zeit ohne Unterstützung möglich. Keine Ataxie, bei passiven Bewe- gungen etwas Steifigkeit, Sehnenreflexe gesteigert. Sensibilität in allen Qualitäten gut erhalten, die Sphineteren fungiren gut. An den Ober- extremitäten geschehen die Bewegungen im Schulter- und Ellenbogen- Gelenke zwar langsamer und schwächer als normal, aber doch recht ausgiebig, eine ausgeprägte Lähmung besteht nur an den Händen und Fingern und zwar sind Handgelenk und Finger beiderseits in gewissen Contraeturstellungen fixirt, wie sie im Verlauf einer Ulnaris- und Radialis- der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 55 lähmung allmälig zu entstehen pflegen. Die Radialisstellung besteht rechts, die Ulnarisstellung dagegen links; rechts können Handgelenk und die ersten Phalangen der Finger nicht gestreckt werden, die zweiten und dritten Phalangen sind hyperextendirt, links sind die Finger in sogenannter Klauenstellung durch Hyperextension der ersten und Flexion der zweiten und dritten Phalangen. Rechts ist dementsprechend die Radialseite des Vorderarms, links sind die Interossei für den Augen- schein atrophisch. Sensibilitätsstörungen und andere Lähmungen sind nicht vorhanden. Der demonstrirte Status bildet den Ausgang eines viel schwereren Zustandes. Der 57jährige Pt., Fuhrwerksbesitzer, bis dahin gesund, aber strammer Potator, war am 17. August des vergangenen Jahres, wohl im berauschten Zustande, mit dem Wagen gegen einen Prellstein ange- fahren und von seinem Sitze heruntergeschleudert worden. Er wurde vollkommen bewusstlos und aus einer 2 cm langen, bis aufs Periost reichenden Stirnwunde blutend, ins Hospital gebracht, roch nach Schnaps. Nach Wiederkehr des Bewusstseins bestätigte Pt, obige Angaben und zeiste eine fast vollkommene Lähmung des Rumpfes und aller 4 Extre- mitäten, leichte Nackensteifigkeit und Druckempfindlichkeit der Nacken- muskeln, Gefühl von Ameisenkriechen an den Händen, Füssen und den Unterschenkeln, Druck auf die Muskeln daselbst ebenfalls empfindlich. Athmung ungestört, absolut keine Störung im Bereich der Hirnnerven. Nach anfänglicher Harnverhaltung Lähmung der Sphincteren, Sensibilitäts- störung sehr gering, bestand ausser den Paraesthesien in leichter Ab- stumpfung des Berührungsgefühls an den Fusssohlen, Schmerzempfindlichkeit dagegen eher gesteigert, besonders an den Unterextremitäten. Langsame ziemlich gleichmässige Besserung bis auf den jetzigen Zustand, nur zeit- weilig von Fieberbewegungen mit schmerzhafter Anschwellung einzelner Gelenke unterbrochen. Wirbelsäule zeigte niemals eine Empfindlichkeit, Formveränderung oder sonstige Spuren einer Verletzung. Der Vortragende nimmt an, dass eine Blutung ins Halsmark statt- gefunden habe. Dafür spricht zunächst die Aetiologie: das Trauma bei einem älteren, dem Potus ergebenen Manne, während doch eine Wirbel- verletzung auszuschliessen war, dann der Verlauf, der sich durch eine Rückbildung der Lähmungen auszeichnet, wie sie der Erweichung durch Myelitis niemals beizuwohnen scheint. Ferner das Verhalten der Reflexe: bei transversaler Myelitis des Halsmarkes pflegen dieselben abnorm ge- steigert zu sein, hier waren sie von Anfang an eher abgeschwächt. Auch das Verhalten der Sensibilität, welehe nur ganz vorübergehend überhaupt Störungen und auch diese nur geringfügig zeigte, besonders war die Schmerzempfindlichkeit eher gesteigert. Der Sitz der Blutung wird durch die Lähmungen im Radialis- und Ulnarisgebiete gekenn- 56 Jahres-Bericht zeichnet, er wird in der Cervicalanschwellung des Rückenmarks zu suchen sein. Die Behandlung bestand in localer Faradisation der gelähmten Muskulatur. Hierauf folgte von Herrn Biondi eine Demonstration von Gehirnpräparaten. Sitzung vom 27. Mai 1887. Herr Hirt spricht Ueber Symptomatologie und Therapie der Hysterie, indem er über 3 von ihm behandelte Fälle referirt. Der erste betrifft eine 38 jährige, aus belasteter Familie stammende Patientin, die zuerst vor 18 Jahren während der Gravidität Anfälle von Bewusstseinsverluste hatte; 2 Jahre später stellten sich Gehstörungen ein, denen im Jahre 1876 eine vollständige infolge von Schreck auigetretene Lähmung beider Beine folgte. Diese besteht noch heute unverändert, wobei die Unter- extremitäten, völlig atrophisch geworden, schwere Sensibilitätsstörungen und Verlust des Muskelsinns erkennen lassen. Alles Genossene wird sofort nach der Aufnahme völlig unverdaut wieder erbrochen, Stuhl erfolgt allmonatlich 1 mal, die tägliche Urinmenge beträgt 80 bis 100 cem., specifisches Gewicht 1015 bis 1018, Bestandtheile normal. Sehr merk- würdig sind die von der sogen. Grashey’schen Aphasie gefolsten hysteroepileptischen Anfälle, welche 1 bis 1'/, Stunden dauern und die von Charcot beschriebenen Stadien erkennen lassen; der aphasische Zustand dauert 3 bis 4 Stunden. Die Therapie war bisher völlig machtlos; Hypnotisirungsversuche mussten, weil die Patientin beim Fixiren eines glänzenden Gegenstandes immer sofort in einen Anfall verfiel, aufge- geben werden. Der zweite Fall bezieht sich auf eine 22 jährige, ebenfalls heriditär belastete Frau, welche seit 9 Monaten erkrankt an hochgradigem Nystag- mus und einer Contractur des Quadratus lumborum leidet, welche das Eigenthümliche besitzt, dass sie nur in der aufrechten Körperstellung vorhanden ist, in ruhiger Bettlage aber verschwindet. Die bei der Patientin alltäglich genau zu derselben Stunde, nämlich früh um 9 Uhr auftretenden Anfälle sind kataleptiforme, sie treten plötzlich, ohne aura auf, ergreifen sämmtliche Gelenke des Körpers, welche so steif werden, das auch die kleinste Bewegung unmöglich ist; dabei wird der Mund rüsselförmig gespitzt, Sensibilität ist vollständig erloschen. Nachdem a Stunden in dieser Weise verstrichen sind, schreit Patientin in 3 ver- schiedenen Absätzen, und das Bewusstsein kchrt unter lebhaftem Zwinkern mit den Augenlidern und Nachlass der Starre zurück. Faradische der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 57 Pinselung hat die Contraktur des Quadratus lumborum fast zum Ver- schwinden gebracht, ist aber gegenüber den Anfällen resultatlos geblieben. Der dritte Fall, den der Vortragende vorstellt, betrifft ein 18 jähriges Mädchen, welches seit 4 Jahren an epileptischen Anfällen leidet; die Patientin ist ausserordentlich leicht hypnotisirbar und zeigt während der Hypnose eine totale auf alle Empfindungsqualitäten sich erstreekende Anaesthesie, welche im wachen Zustande nur andeutungsweise vorhanden ist. Wiederholentlich sind trophische Störungen in Form von Gelenk- erkrankungen aufgetreten. Unter dem Einfluss grosser Bromdosen sind die Anfälle seltener geworden, ohne dass die Sensibilitätsstörungen ver- schwunden wären. Im Anschluss an diese 3 Fälle verbreitet sich der Vortragende über hysterische Sprachstörungen und Muskelcontrakturen, hysterisches Er- brechen und den im Verlauf der Hysterie auftretenden Nystagmus. Hierauf spricht Herr Neisser Ueber einen merkwürdigen Haarausfall bei einer Hysterischen. Der Vortragende berichtet über einen Fall, den er ‚vor wenigen Tagen durch die Güte einiger Collegen zu sehen Gelegenheit hatte. Ein 14 jähriges, seit Jahren hochgradig hysterisches Mädchen, klagte plötzlich über büschelförmigen Haarabfall an vorher eminent schmerz- haften Stellen der Kopfhaut. Sie bezeichnete vorher die empfindlichen Bezirke, von denen sich nachher die losen Haare abnehmen liessen. Auch nach Applikation des elektrischen Stromes an solch vorher be- zeichneten Schmerzstellen nahm sie in Gegenwart des Arztes Büschel von Haaren ab. Aus der Untersuchung namentlich der mikroskopischen, ging evident hervor, dass die Kranke aus unerfindlichen Gründen sich die Haare abschnitt; denn überall waren an denselben und zwar an beiden Enden der „‚abgebrochenen‘“ Büschel grade, scharfe Schnittflächen, nirgends die unregelmässigen Bruchenden und Spitzen eines ausgerissenen oder abgebrochenen Haares, sichtbar. — Als die Patientin merkte, dass man sie durchschaut hatte, meinte sie: eine weitere Beobachtung sei über- flüssig; sie habe das sichere Gefühl, dass das Ausgehen der Haare jetzt aufhören werde. Sitzung vom 10. Juni 1887. Herr Neisser bringt Beiträge Zur Kenntniss der antibacteriellen Wirkung des Jodoforms. Der Vortragende hat die seit der Arbeit von Heyn und Rovsing so vielfach besprochene Frage nach der antibacteriellen Wirkung des Jodoforms im weitesten Umfange geprüft. Er hat zunächst mit 15 der verschiedensten Bacterienarten — sporenbildende und sporenfreie Bacillen, 58 Jahres- Bericht Staphylocoecen, Diplococeen, Spirillen (Cholera, Finkler-Prior) ete, — in Culturen experimentirt und ist dabei bei den mannigfaltigsten Nährböden (Pepton-Fleischwasser—Agar-Agar und -Gelatine, Fleischbrei, Milch, Hühnereiweisslösung, Emulsionen von Mandelmilch mit und ohne Zusatz von Fleischbrühe) zu dem Resultate gekommen, dass sich die verschiedenen Mikroorganismen der antiseptischen Kraft des Jodoforms gegenüber sehr verschieden verhalten. Wirklich getödtet wurden höchst auffallender Weise nur die Spirillen der asiatischen Cholera; diese aber erlagen dem deletären Einflusse des Jodoforms mit grosser Regel- mässigkeit und Schnelligkeit; bei den anderen Bacterienarten konnte nur eine im Einzelnen sehr differente Entwickelungshemmung constatirt werden. Dass dieser Effeet des Jodoforms aber ein rein chemischer ist, dass mechanische Verhältnisse hier gar keine Rolle spielen, konnte durch eine Reihe von Controlversuchen mit anderen Pulvern, u. A. auch mit dem als Verbandmittel ebenfalls so sehr gerühmten Jodol und Bismuthum subnitrieum bewiesen werden; nur Calomel gab aus leicht ersichtlichen Gründen positive Resultate. Am geringsten war der Einfluss des Jodo- forms auf den Bacillus pyocyaneus und fluorescens liquefaciens. Aber nicht blos quantitative Veränderungen in dem Wachsthum der Mikroorganismen vermag das Jodoform hervorzurufen; beim Milz- brandbacillus zeigte sich auf Agar-Agar auch eine sehr auffallende qua- litative Veränderung im Wachsthum. Es bildeten sich unter der Jodoformwirkung statt der sonst so charakteristischen Herde kleine, glatte Colonieen und es machte sich vor Allem eine merkwürdige Auf- knäuelung der peripheren Fädenenden bemerkbar. Von zweifellos noch grösserer Bedeutung sind die Modificationen, welche das Jodoform auf die wichtigste der physiologischen Eigen- schaften der Bacterien, auf ihre pathogenen Wirkungen auszuüben vermag. Wurden Thiere mit einer Mischung von frischen Milzbrandorganen und Jodoform geimpft, so starben dieselben — je nach der Menge des miteingeführten Jodoforms — mehr oder weniger verspätet; ja einige Male blieben sie überhaupt am Leben. Freilich handelte es sich hier nur um eine Behinderung des Wachsthums der eingeführten Mikroorganismen im Thiere selbst; denn davon abgeimpfte Culturen waren wieder in vollem Maasse virulent. Eine wirkliche Abschwächung der Virulenz des Baeill. anthraeis konnte aber erzielt werden dadurch, dass derselbe zu- nächst ausserhalb des Organismus dem Einfluss des Jodoforms ausgesetzt wurde. Solche Culturen waren zwar, wie in jedem einzelnen Falle nachgewiesen wurde, vollkommen wachsthumsfähig, aber sie ver- mochten trotzdem Mäuse und Kaninchen gar nicht oder nur in einer die normale Frist mehr weniger übersteigenden Zeit zu tödten; dass mit solchen Culturen geimpfte und am Leben gebliebene Thiere nachträglich der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 59 eine gewisse Immunität gegen virulenten Milzbrand aufwiesen, das konnte als vollgiltiger Beweis dafür erbracht werden, dass das erst; ein- geführte Virus in der That ein abgeschwächtes gewesen war. Noch eclatanter trat eine solehe Abschwächung bei den Mikroorganismen der Bacteriensepticaemie, der Hühnercholera, der Mäusebacillenseptieaemie und des Schweinerothlaufs ein. — Auch bei Desinfeetionsversuchen der Vagina und stark eiternder Unterschenkelgeschwüre durch Jodoform konnte der Vortragende eine zweifellose Verminderung besonders der Staphylococcen erzielen; niemals aber schwanden alle Mikroorganismen. Einen Beweis für die Bedeutung, welche auch bei der Jodoform- frage die Wechselwirkung zwischen den thierischen Geweben auf der einen Seite, den Entzündungserregern und den chemischen Agentien auf der anderen Seite besitzt, giebt die Beobachtung ab, dass sich nicht blos dann, wenn man einfach jodoformirte Hollundermarkkugeln nach dem Vorgange Marehand’s in die Peritonealhöhle von Kaninchen einführt, um diese herum niemals Riesenzellen bilden, sondern dass dies auch dann nieht geschieht, wenn man solehe Kugeln mit Terpentinöl tränkt und so durch chemischen Reiz eine starke entzündliche Schwarte er- zeugte; niemals finden sich in solehem Gewebe Riesenzellen, wenn das Material aseptisch war und eben diese Asepsis konnte in den Mar- ehand’schen Versuchen das Jodoform bewirken. Weiterhin hat sich der Vortragende mit der Frage beschäftigt, auf welchen chemischen Vorgängen die an sich nicht zu bezweifelnde, wenn auch in ihrer Bedeutung sehr verschieden zu schätzende Wirkung des Jodoforms beruht. Die verschiedenen Lösungen des Jodoforms haben, wenn sie noch frisch und unzersetzt sind, keine grössere Wirkung, als das Pulver selbst. Es muss sich also in jedem Falle, wo sich die Be- deutung des letzteren geltend macht, um eine Zersetzung desselben handeln. Jodalkalien, wie sie sich aus freiwerdendem Jod und den Salzen des Nährbodens bilden könnten, haben nach den Versuchen N.s keine antibaeterielle Wirkung; ebensowenig können die jodsauren Salze — wenn sie auch als Zusatz zum Nährboden diesen manchmal unge- eigneter machen — bei dieser Frage in Betracht kommen. Jodlösungen, wie sie in verschiedener Form geprüft wurden, bedürfen, um wirken zu können, eines so hohen Concentrationsgrades, dass sie an sich eben- falls im Organismus eine Rolle nicht spielen können. Dagegen konnte der Annahme, dass das Jod in statu nascendi eine besondere antibacterielle Kraft zu entwickeln vermöge, eine thatsächliche Unterlage geschaffen werden. Zusatz von Jodkali nämlich und Wasserstoffsuperoxyd zu Bacterieneulturen wirkte relativ stärker, als fertige Jodlösungen von höheren Concentrationen, als dem Gehalt an freiwerdendem Jod bei der obigen Combination entsprechen würde. Besonders in sauren Nährböden war diese Wirkung eine sehr kräftige — vielleicht, weil sich dann 60 Jahres-Bericht die noch energischer wirkende Jodwasserstoffsäure bildet, welche freilich im Organismus höchstens als ganz flüchtiges Uebergangsproduet ent- stehen könnte. Nachdem dann der Vortragende die verschiedenen Momente, welche die Zersetzung des Jodoforms bewirken können, so die Entstehung aetiven Sauerstoffs, naseirenden Wasserstoffs ete. besprochen hatte — auch diese waren in einer Anzahl von Experimenten geprüft worden —, wen- dete er sich zu der Frage, ob die Bacterien an sich im Stande seien, Jodoform zu spalten; es gelang ihm in der That, diese Frage im positiven Sinne zu entscheiden; denn auch in Culturen, welche allen anderen jodoformzersetzenden Einflüssen (Licht ete.) entzogen waren, konnten nach einiger Zeit des Bacterienwachsthums Jodalkalien nachgewiesen werden — ein Beweis, dass Jod frei geworden war; bei Gegenwart von Licht freilich und in sauren Nährlösungen war diese Jodoformspaltung am beträchtlichsten. Ob dabei die durch Bacterien häufig bedingte Veränderung der chemischen Reaction des Nährbodens, ob die von ihnen eingeleiteten Reductionsvorgänge oder die von ihnen gebildeten „‚„Ptomaine“ bei der Jodoformzersetzung die wesentlichste Rolle spielten, konnte durch die zahlreichen darauf gerichteten Versuche des Vortragenden nicht ent- schieden werden. Ueberhaupt betont derselbe am Schluss seines Vor- irages, dass bei der ausserordentlich grossen Menge von Einzelfragen, die dem Beobachter bei der Untersuchung der Jodoformwirkung täglich und stündlich entgegentreten, bei der Verschiedenheit dieser Wirkung unter verschiedenen Bedingungen und verschiedenen Mikroorganismen gegen- über, bei der Langwierigkeit und Mühseligkeit der Einzelversuche — dass bei alledem für eine einzelne Arbeitskraft die Lösung der Jodoform- frage ganz unmöglich sei; er sei sich wohl bewusst, auch nur aphoristisches Material zur Erreichung dieses Zieles beigebracht zu haben, aber es sei zu hoffen, dass man mit Hilfe solcher Detailforschung über die Wider sprüche, die hier zwischen Theorie und Praxis noch bestehen, würde ins Klare kommen können. Sitzung vom 24. Juni 1887. Herr Riegner berichtet von einer Ezstirpation einer wandernden Cystenniere. Es handelt sich um eine 30jährige Frau P. Sch., die bis zu einer im Jahre 1875 erfolgten normalen Entbindung im Wesentlichen stets gesund und vollkommen arbeitsfähig gewesen sein will. Seit dieser Zeit klagte sie theilweise über ziehende Schmerzen im Kreuz und Unterleib, die sie indess in ihrer Thätigkeit als Gutswirthschafterin nicht störten, bis sie 1880 von einer steinernen Treppe fiel und dabei besonders heftig auf die linke Seite in der (egend der unteren Rippen aufschlug. Wegen der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 61 starker Schmerzen im Leibe und Benommenheit musste sie einige Tage das Bett hüten. Seitdem traten häufiger ziehende Schmerzen in der linken Lendengegend auf, die nach der Seite und dem linken Beine zu ausstrahlten und zeitweise sich so steigerten, dass sie zu längerer Bett- ruhe gezwungen wurde. Gleichzeitig mit diesen Anfällen stellten sich Magenbeschwerden ein: Schmerzen, Appetitmangel und häufiges Erbrechen, gegen die sie vergeblich ärztliche Hülfe in Anspruch nahm. Langes Beitliegen brachte alle diese Beschwerden immer für einige Zeit zum Schwinden, doch wurden sie allmälig so häufig und heftig, dass Patientin ihren Dienst aufgeben musste und sich am 14. September 1886 auf die innere Station des Allerheiligen-Hospitals aufnehmen liess. Von Seiten des Harnapparates will sie nie Störungen bemerkt haben, ihr Stuhl dagegen war immer obstipirt, die Menstruation regelmässig. Im Hospital wurde als objeetiver Befund ein mässiger Blasen- katarrh und ein als vergrösserte Wanderniere ausgesprochener beweg- licher Bauchtumor constatirt, von welchem Patientin selbst vorher nie etwas gemerkt hatte. Die tägliche Urinmenge schwankte zwischen 1500 und 2000 cbem. Der Blasenkatarrh wurde erfolgreich mit Ausspülungen von Arg. nitr. 1:1000 behandelt, gegen die von Seiten der beweglichen Bauchgeschwulst veranlassten Beschwerden Bandagen vergeblich an- "gewandt. Ende November 1836 wurde die Patientin daher behufs eines even- tuellen operativen Eingriffs auf die Abtheilung des V. verlegt und hier folgender Befund aufgenommen: Grosse, kräftig gebaute Person mit gut entwickeltem Fettpolster und etwas blasser Gesichtsfarbe. Die Untersuchung des Thorax ergiebt nichts Abnormes, insbesondere sind keine Zeichen einer Herzhypertrophie vorhanden; der Leib weich, in der Magengegend mässig empfindlich. In der linken Regio hypochondriaca fühlt man eine durch die schlaften Bauchdecken leicht abtastbare Geschwulst von derber Consistenz, an- nähernd eiförmiger Gestalt und anscheinend glatter Oberfläche ohne deutlich wahrnehmbare Einkerbung. Ihr Längsdurchmesser wird auf etwa 18, die Breite auf 10—12 cm geschätzt. Im Stehen sinkt der Tumor weiter nach vorn und unten und lässt sich bis zum Nabel vorschieben, im Liegen kann er leicht unter den linken Rippenbogen, sowie gegen die Lendengegend reponirt und hier vom Rücken aus neben der Masse des Jacrolumbalis zwischen Rippen und Crista von der andern Hand palpirt werden. Dabei zeigt sich die Geschwulst wenig empfindlich und von Därmen überlagert. Ein Dämpfungsunterschied in beiden Nierengegenden ist nicht zu constatiren, auch wenn die Geschwulst nach unten disloeirt wird. Die rechtsseitige Niere ist nicht zu fühlen, also wohl nieht wesentlich vergrössert. Der Urin, von strohgelber Farbe, mittlerem spee: Gewicht (zwischen 1007 62 Jahres - Bericht und 1020 schwankend), neutraler oder schwach saurer Reaction, zeigt stets eine mässige Trübung, die sich annähernd gleich bleibt, jedenfalls während langer Beobachtungszeit niemals grössere Schwankungen gezeigt hat. Der filtrirte Urin enthält kein Eiweiss, Blut ist niemals darin be- merkt worden. Das Sediment enthält neben Blasenepithelien zahlreiche Eiter- und spärlich rothe Blutkörperchen, Nierenepithelien und Harn- canäleheneylinder sind niemals zu finden. Die Urinmenge schwankte zwischen 1500 und 2000, betrug innerhalb 4 Wochen 2 mal 3000 ebem. Pat. ist stets fieberfrei gewesen, Appetit leidlich gut, Stuhlgang träge. Harnbeschwerden werden durch den noch bestehenden mässigen Blasen- katarrh, welcher trotz Ausspülungen mit verschiedenen Flüssigkeiten nicht ganz schwindet, gar nicht veranlasst. Doch sind die durch den Tumor bewirkten Leiden, heftig ziehende, nach unten ausstrahlende Schmerzen in Lendengegend und Unterleib, welche sofort wieder auf- treten, wenn Pat. das Bett verlässt, und von keinerlei Versuch, durch Bandagen die Geschwulst zu fixiren, günstig beeinflusst werden, so un- erträglich, dass die Pat. selbst dringend nach operativer Abhülfe verlangt. Die wiederholte Untersuchung und lange Beobachtung liess keinen Zweifel darüber, dass es sich um eine wandernde Nierengeschwulst handelte. Fraglich war nur die Natur der letzteren. Man konnte an eine Hydro- resp. Pyonephrose, eine carcinös degenerirte oder eine einfach hypertrophische, von dieker Fettkapsel eingehüllte Wanderniere denken. Gegen die erste Annahme sprach der während der fünfmonat- lichen Beobachtungszeit stets gleich gebliebene Umfang, die Abwesenheit jeglichen Fiebers, der constant geringe, wohl nur auf Cystitis zu be- ziehende Eitergehalt des Urins. Ebenso liess das mangelnde Wachsthum, die geringe Empfindlichkeit, die scheinbar glatte Contour, und vor Allem das Fehlen jeder Hämaturie und jeder Kachexie die Malignität der Geschwulst mit ziemlicher Sicherheit ausschliessen. So war V. denn geneigt, eine einfach vergrösserte Niere anzunehmen, wie sie ja bei Beweglichkeit derselben nicht selten beobachtet wird. V. bemerkt, dass er versuchte die Ureteren zu sondiren, um sich über die Qualität der Nieren und namentlich den Gesundheitszustand der rechten möglichste Gewissheit zu verschaffen. Indessen gab die Uretensonderung nach Pawlick’s Methode kein eindeutiges Resultat. Am 8. Februar d. J. schritt V. zur Operation, nachdem der Darm Tags zuvor gehörig entleert und ein Bad gegeben war. Die Pat. wurde mit der rechten Bauchseite auf eine dieke Rolle gelagert, um den Raum zwischen linkem Rippenbogen und Beckenrand möglichst zu vergrössern, und unter Anwendung der üblichen antiseptischen Cautelen der Simon- sche Lumbarschnitt von der 11. Rippe bis zur Crista ilei am äusseren Rande des Sacrolumbalis geführt. Nach Durchtrennung des vorderen und hinteren Faseienblattes dieses Muskels, des Quadratus lumborum und der Schles. Gesellschaft für vaterl, Cultur. 63 schliesslich der den retroperitonealen Raum abschliessenden Faseia endo- thoraeica präsentirte sich die von einem Assistenten vom Bauche her in die Wunde gedrückte von ihrer Capsula adiposa eingehüllte Nieren- geschwulst. An ihrer ganzen sichtbaren Oberfläche schimmerten dieke blaue prall gespannte varicenähnliche Windungen durch die Umhüllung, welche im ersten Augenblick für colossale Venen gehalten wurden. V. glaubte nun doch einen malignen Tumor mit enormer Gefässent- wiekelung vor sich zu haben, der natürlich die Nephreetomie nothwendig forderte, spaltete daher vorsichtig die ganze Kapsel und löste dieselbe so weit angängig von der Geschwulstoberfläche ab. Jetzt freilich er- kannte V. seinen Irrthum. Es lag ein höckeriger, an der ganzen Öber- fläche von prall gespannten, meist bläulich durchschimmernden kleineren und grösseren Cysten eingenommener Tumor, also eine cystisch de- generirte Niere vor. Wiewohl V. sich der Gefahr bewusst war, welche in Folge der häufig beobachteten Doppelseitigkeit der Cystennieren hier mit der Nephreetomie verknüpft war, und er sich namentlich an einen ganz ähnlichen durch Urämie letal verlaufenen Fall von Bergmann erinnerte, mochte er doch nicht auf halbem Wege stehen bleiben, weil die vollständig entartete, offenbar nur noch sehr wenig secernirendes Parenchym enthaltende Niere kaum noch nennenswerth functionirt haben konnte, und er zu der Annahme berechtigt war, dass die andere Niere schon längst für sie vicariirend eingetreten sei. So schritt V. denn zur Exstirpation. Dazu bot indess bei der Grösse der Geschwulst der Längs- schnitt bei Weitem nicht Raum genug, und es wurde daher an der Grenze seines mittleren und unteren Drittels ein etwa 12 cm langer Querschnitt durch die ganze Mitte der Bauchwandung geführt, der freilich eine erhebliche Anzahl Unterbindungen nöthig machte. Dabei wurde, ‘da die Niere durch ihre Mobilität sich einen grossen Sack gebildet hatte, das Peritoneum nur in geringer Ausdehnung angeschnitten und sofort durch einige Catgutnäthe wieder vereinigt. Auch jetzt war die Aus- schälung und Entwickelung des Tumors, namentlich seines oberen, von einer grösseren Cyste eingenommenen Poles noch recht mühsam. Mit der unteren Hälfte, namentlich in der Nähe des convexen Nieren- randes war die Fettkapsel so fest verwachsen, dass ein Theil derselben mit entfernt werden musste. Schliesslich gelangte V. an den Hilus, führte zwischen Ureter und Nierengefässen mittelst einer Aneurysmanadel einen doppelten starken Seidenfaden durch, schnürte nach beiden Seiten zu und legte darunter noch eine eireuläre Massenligatur, Beim Abtrennen des Tumors liess V., um jedes Abgleiten auszuschliessen, einen Theil des Nierenbeckens am Stumpfe stehen. Die Stielfäden wurden lang belassen. Nach sorgfältiger Blutstillung durch Unterbindung vielfacher Kapselgefässe, Ausspülung der grossen Wundhöhle mit Sublimat 1: 5000, Jodoformirung und Versenkung des Stiels wurde ein in Form einer 64 Jahres-Bericht langen breiten Binde aufgerollter Jodoformgazestreifen eingelegt, und das Ende desselben an der Kreuzungsstelle der beiden Schnitte herausgeführt. Diese selbst wurden im übrigen sorgfältig vernäht, und zwar im Bereich der queren Bauchwunde erst versenkte Muskelcatgutnäthe angelegt, um die Entstehung eines Bauchbruches zu verhindern. Darüber grosser eireulärer Verband mit Sublimatgaze und Holzwollwatte. Damit waren nahezu 2 Stunden vergangen. Der Blutverlust war relativ gering gewesen, die Chloroform-Morphium-Narkose gut verlaufen. Patientin erwachte bald aus der Narkose, hatte einen guten Puls und klagte über Schmerzen in der linken Seite und Uebelkeit, die sich im Laufe des Tages zu mehrmaligem Erbrechen schleimiger grünlicher Massen steigerte. Es wurden dreistündlich 10 Tropfen Opiumtinetur, Eisstückehen und esslöffelweise Wein verordnet. Die Nacht wurde durch starken Durst und Uebelkeiten, wohl nur Wirkung des Chloroforms, gestört Die Abendtemperatur‘ betrug 38,6 bei 120 Pulsen, die Temperatur am Morgen des folgenden Tages 37,6. Leib nur links druckempfindlich. Die äusseren Verbandschichten waren durchtränkt und wurden deshalb gewechselt, während der grosse Jodoformtampon bis zum 15. Februar, also 7 Tage liegen blieb und dann erst durch einen kleineren ersetzt wurde. Mit einiger Angst wartete V. nun darauf, ob auch die andere Niere jetzt ihre Schuldigkeit thun würde, denn davon hing ja vor Allem der Ausgang ab. Aber schon die ersten 24 Stunden beruhigten ihn darüber und bestätigten seine Annahme, dass die zurückgelassene Niere schon früher die wesentliche Arbeit geleistet hatte. Die der Genauigkeit halber in der ersten Zeit mit dem Katheter entleerte Urinmenge betrug schon am ersten Tage 390 cbem bei einem spec. Gewicht von 1019,5, stieg am 2. und 3. Tage auf 1000 und 1200, am 4. auf 2070 und schwankte von da ab zwischen 1500 und 2000 bei einem spec. Gewicht von 1013» bis 17. Der erst entleerte Urin war leicht blutig gefärbt. Die Temperatur war des Morgens annähernd normal, schwankte des Abends in den ersten 4 Wochen zwischen 38 und 38,5, stieg nur einige Male auf 39°. Der Verbandwechsel musste wegen starker Sekretion ziemlich häufig erfolgen. Die Wundhöhle reinigte sich rasch, granulirte gut und füllte sich bald aus. Im Bereiche der Näthe erfolgte Prima intentio. Der vor der Operation bestandene leichte Blasenkatarrh hielt sich wochenlang in denselben Grenzen, bis er endlich auf Gebrauch von Salol (pro die 2,0, im Ganzen 30,0) definitiv verschwand, so dass jetzt der Urin völlig klar, ohne jeden Eitergehalt ist, auch in Bezug auf seinen Harnstoffgehalt ein ganz normales Verhalten zeigt. Albuminurie ist auch nach der Operation niemals beobachtet worden. Anfang März begann Patientin zeitweise das Bett zu verlassen und klagte zuerst beim Gehen über Schmerzen im linken Beine, die indess bald nachliessen. der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 65 Der definitive Schluss der Fistel trat erst nach der am 28. April erfolgten Ausstossung der Stielunterbindungsfäden ein. Seitdem ist die Wunde fest vernarbt, Patientin ohne alle Beschwerden, bei ausge- zeichnetem Appetit und vollkommen arbeitsfähig. Sie hat an Körper- gewicht erheblich gewonnen und macht den Eindruck blühender Gesundheit. Hierauf demonstrirte V. die exstirpirte Niere. Dieselbe hat ein Gewicht von 600,0, misst in der grössten Länge 18, in der Breite 12, in der Dicke 9 cm, im Umfange 30 resp. 40 cm. Die Oberfläche ist durchweg von Cysten in allen Grössen eingenommen, die einen theils hellen, klaren serösen, theils bräunlichen oder bläulichen hämorrhagischen Inhalt durchschimmern lassen. Namentlich findet sich am oberen Pol und in der Mitte der Hinterfläche näher dem convexen Rande zu eine apfelgrosse Cyste. Auch der Querdurchschnitt zeigt die ganze Niere durchsetzt von verschieden grossen Cysten, die theilweise mit ziemlich dieken Wandungen und mit vorspringenden Trabekeln versehen sind und anscheinend nur spärliches Nierenparenchym zwischen sich lassen. Nur in der Mitte der Hinterfläche war dasselbe etwas reichlicher vorhanden und konnte zu mikroskopischen Schnitten verwerthet werden. Cortical- und Marksubstanz sind makroskopisch nicht zu unterscheiden, die Nieren- kelche etwas erweitert, sonst normal. Der Inhalt der Cysten wurde leider erst am Spivituspräparate untersucht. Er bestand aus ziemlich gut erhaltenen rothen Blutkörper- chen, reichlicheren gelblich gefärbten Trümmern von solchen, amorphen geronnenen albuminoiden Massen und Cholestearinkrystallen. Harn- bestandtheile, namentlich Harnstoff konnte nicht darin gefunden werden. Die aus der noch erhaltenen Nierensubstanz von Herrn Kauffmann gütigst angefertigten mikroskopischen Schnitte sind, wie an den aufgestellten Präparaten ersichtlich, überall von zahlreichen kleinen Cysten durchsetzt, welche zum Theil direet unter der verdickten Nieren- kapsel liegen, dieselbe hervorwölben und mit einer einfachen Lage polygonaler Zellen ausgekleidet sind. Sie enthalten hier und da der Wand anhaftende feinkörnige Massen. An manchen Cysten ist der “_ Uebergang aus Harncanälchen deutlich zu erkennen. Die Mehrzahl derselben, der geraden sowohl wie der gewundenen, ist erweitert, stellen- weise in rosenkranzförmiger Anordnung. Die Epithelien in diesen Er- weiterungen zeigen vielfach schwach oder gar nicht gefärbte Kerne, verwischte Contouren und ein körnig-sulziges Netzwerk als Protoplasma. Viele Zellen sind hier von der Wand abgehoben und in feinkörnig- sulzige Massen oder in Bluteonglomerate eingebettet, welche die Canäl- ehen ganz oder theilweise verstopfen. Aus Glomerulis hervorgegangene Cysten konnten nicht nachgewiesen werden. Die ersteren sind von sehr verschiedener Grösse und Beschaffenheit in Bezug auf Dicke der Kapseln und Reichthum an Kernen. Viele sind atrophirt, manche vielleicht etwas 1887. ) 66 Jahres - Bericht grösser als normal. In einzelnen Kapselräumen liegen mattglänzende Massen von annähernd halbmondförmiger Gestalt, in welchen wenig blass- gefärbte Kerne zerstreut sind. In der Umgebung mancher atrophischer Glomeruli ist eine starke kleinzellige Wucherung zu constatiren, namentlich direkt unter der Nierenkapsel. Im Uebrigen sind zahlreiche kleinere und grössere Heerde von Rundzellen durch Rinden- und Marksubstanz verstreut und folgen zuweilen ziemlich genau dem Verlauf der Vasa recta und geraden Harneanälchen. Die Arterien zeigen vielfach eine beträchtlich verdiekte Intima. Im Anschluss an vorstehende Mittheilung berichtet Herr Rosenfeld ‚Ueber Stoffwechselbeobachtungen, welche er bei dieser Kranken anstellte.e Da, wie Herr Riegner er- wähnte, ursprünglich nieht die Nephreetomie, sondern nur die Nephror- rhapbie geplant war, so wurden vor der Operation Untersuchungen über die Gesundheit der zurückzulassenden Niere nicht angestellt. Als nun bei der Operation sich die Nothwendigkeit herausstellte, die Niere zu exstirpiren, und constatirt wurde, dass eine eystische Degeneration höchsten Grades bei der einen Niere vorlag, da war es bei der häufigen Doppelseitigkeit dieser Erkrankung ein schwerer Zweifel, ob die andere Niere gesund oder functionstüchtig genug sei, um die Leistung der anderen Niere mit übernehmen zu können. V. versuchte mit Hülfe der Urin- untersuehungen in dieser Frage Klarheit zu erringen. Es zerfiel diese Frage in zwei Theile: 1. Ob die zurückgelassene Niere functionstüchtig genug sei, um die Leistungen der exstirpirten Niere zu übernehmen? 2. Hatte überhaupt die exstirpirte Niere noch funetionirt? Die Resultate der Beobachtung fasst folgende Tabelle zusammen: Menge | Speci- N-Bestim- Chlor- Tage des fisches mung Bestim- R we Harns Gewicht | g mung ans 1 890 1019 8,7 9,9 Stark 2 1020 1018 15,1 3,0 Stark 3 1290 1017 14150 2,6 Stärker 4 2070 1017 14,8 4,8 Stark 5 1775 1015 24,8 02 Stark 6 1550 1016 20,4 9,3 ganz schwach 1 1125 10138 10,5 8,9 0 8 1230 1018 12,4 7,8 0 Wie man sieht, fand mit Ausnahme des zweiten Tages erst eine geringe immer stärker werdende Ausscheidung statt, die die Norm er- reichte und schliesslich so hoch wurde, dass sie durch die Ausscheidung der Retentionsbestände wohl erklärt werden dürfte. Es ist zu schliessen, der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 67 dass die exstirpirte Niere noch nicht ganz ihre Functionen eingestellt hatte — wofür ja auch die Theilchen erhaltenen Parenchyms sprechen — und dass die zurückbleibende Niere diesen Rest von Funetionen allmälich übernommen hat. Sicher ist der Schluss, dass die zurückbleibende Niere den grössten Ansprüchen an ihre Leistungsfähigkeit gewachsen ist. Eine Niere, die 25 g Stickstoff an einem Tage ausscheiden kann, ist in Maximo funetionstüchtig.. Ob sie aber ganz frei von eystischer Degeneration sei, kann wohl selbst nach diesen Leistungen nicht aus- geschlossen werden. Dass der mikroskopische Befund in Beziehung auf diese Frage negativ ist, kann nicht als beweiskräftig für die Abwesenheit von Cysten angesehen werden, da diejenigen Partieen, welche derartig entartet sind, abgeschlossen, ohne Ableitungswege sind und somit keine Zeichen ihrer Degeneration in den Harn gelangen lassen, Bemerkt wird, dass der Jod, welcher im Harn gefunden wurde, aus dem Jodoform stammt, mit welchem die Wunde ausgestäubt wurde. Die Deutung der Verstärkung der Jodreaetion kann im Sinne der unten gegebenen Anschauung erklärt werden, kann aber auch auf das Weichen des Shok’s zurückgeführt werden. Hierauf hält Herr Riegner einen weiteren Vortrag Ueber Lithotripsie in einer Sitzung (Litholapaxie) nach Bigelow. Schon vor einigen Jahren hatte ich die Absicht, das Thema der Steinzertrümmerung hier einmal zur Discussion zu stellen, meine Er- fahrungen darüber kurz mitzutheilen, und besonders auch das Verfahren der sofortigen Ausspülung der Trümmer zu demonstriren, wurde indess durch äussere Verhältnisse daran gehindert. Jetzt, nachdem die Bigelow’sche Methode, die von ihm sogenannte Litholapaxie, die Zertrümmerung des Steines in einer Sitzung in Narkose mit nach- folgender Entleerung der Blase vermittelst seines Aspirators, schon längst in aller Munde und allbekannt ist, wird es Ihnen vielleicht unzeitgemäss erscheinen, wenn ich heute darauf zurückkomme. Indess ist die Frage doch wieder eine brennende geworden, seitdem durch Aussprüche von berufenster Seite die Existenzberechtigung der Lithotripsie bedroht wird und v. Volkmann sogar soweit ging, letztere als eine für unsere anti- septische Zeit nicht mehr passende Methode zu bezeichnen. Gestatten Sie mir daher, ganz kurz im Anschluss an einen in voriger Woche operirten Fall dieselbe hier zu besprechen. Es handelte sich um einen 62 Jahr alten Bauergutsbesitzer H., welcher schon seit mehreren Jahren über Blasenbeschwerden klagte, gegen die vergeblich Brunnenkuren ete. verordnet waren. In der letzten Zeit nahmen Harndrang, Schmerzen beim und nach dem Uriniren und namentlich die Blutabgänge so erheblich zu, dass er sich aufs neue ärztlich untersuchen liess. Der mir als sehr tüchtig bekannte College konnte einen Stein in der Blase nicht con- H* 68 Jahres - Bericht statiren, hielt das Vorhandensein eines solchen aber für äusserst wahr- scheinlich und wies ihn deshalb an mich. Bei der Einführung der Thompso.n’schen Steinsonde in der gewöhnlichen Position war nichts zu fühlen, erst als ich bei hochgelagertem Becken den Schnabel des Instru- mentes ganz nach unten drehte und damit den fundus genau abtastete, traf ich sofort auf einen in der Ausbuchtung hinter der vergrösserten Prostata liegenden beweglichen, dem Anschlag nach sehr harten, also wahrscheinlich aus reiner Harnsäure bestehenden Stein, den ieh auf mindestens Wallnussgrösse taxirte. Der Urin enthielt zwar Blut- und Eiterkörperchen, reagirte aber noch schwach sauer. Am vorigen Dienstag schritt ich, nachdem der Patient durch Morphiumchloroformnarkose tief betäubt war, zur Lithotripsie, die Anfangs, weil der Stein seiner un- günstigen Lage wegen nicht leicht zu fassen war, ihre Schwierigkeiten hatte. Nachdem ich aber einmal den letzteren mit nach unten gedrehtem Instrument in seinem grössten Durchmesser zerdrückt hatte, gelang die weitere Zerquetschung der Stücke, ohne dass ich den Lithotriptor zu entfernen brauchte, Schlag auf Schlag, und als ich grössere Trümmer nicht mehr fühlte, schritt ich zur Evacuation der Steinfragmente mittelst des Aspirators, die in kurzer Zeit vollständig gelang. Die ganze Operation dauerte freilich über eine Stunde. Patient entleerte Abends und am nächsten Morgen noch meist blutig gefärbten Urin mit mässigen Schmerzen, fühlte sich aber so wohl, dass er durchaus aufstehen wollte und sogar von seiner Abreise sprach. Ich hielt ihn selbstverständlich noch zwei Tage zu Bett, entleerte früh und Abends die Blase mit dem Nela- ton’schen Katheter und spülte sie mit Borsäure aus. Der Urin war schon am Abend nach dem Operationstage wieder vollkommen hell und reagirte sauer, In den nächsten Tagen trat wieder eine leichte Trübung ein, die Jetzt indess vollkommen normalem Verhalten Platz gemacht hat. Bei einer vorgestern vorgenommenen Revision mit der Sonde und noch- maliger Aspiration der Blase war nichts mehr zu entdeeken. Patient ist von allen Beschwerden frei. Der Stein bestand aus reiner Harnsäure und hatte ein Gewicht von 12 Gramm. ® Ich dächte, eine bessere Methode als diese, womit es gelingt ohne jede Verwundung auf natürlichem Wege einen Menschen von einem immerhin ganz erheblichen harten Stein so rasch zu befreien, dass er eventuell schon am 3. oder 4. Tage nachher wieder seinen Geschäften nachgehen kann, dürfte man sich kaum wünschen. Auch der gelungenste Medianschnitt, von der seetio alta ganz zu schweigen, erfordert immerhin mindestens 14 Tage bis zur vollstän- digen Heilung und zwingt den Patienten so lange das Bett zu hüten. Ich glaube, die fanatischsten Vertheidiger des Steinschnittes würden, der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 69 wenn sie selbst das Unglück hätten einen Blasenstein zu acquiriren, und sie vor die Wahl gestellt wären, ob sie lieber durch blutige Operation oder per vias naturales davon befreit werden wollten, ‘das letztere gewiss vorziehen. Und diesem Umstande wird die Lithotripsie auch trotz aller Gegenreden ihren ferneren Triumph über die Lithotomie zu verdanken haben. Es ist den Kranken gewiss nicht zu verdenken, wenn sie an den Chirurgen die Forderung stellen, sie wenn irgend möglich auf unblutigem Wege von ihren Leiden zu befreien. Dieser hat daher auch die Ver- pfliehtung, sich mit dem Verfahren bekannt zu machen, und dazu gehört eben nur etwas Uebung, eine leichte Führung des Instrumentes, und vor Allem etwas mehr Geduld, als vielleicht manchem an rasches opera- tives Handeln gewöhnten Operateur zu eigen ist. Die Gefahren des Eingriffs sind bei der nöthigen Vorsicht minimale und jedenfalls erheblich geringer als bei den Steinschnitten, namentlich der sectio alta, we einfach schon die Statistik ergiebt. So hatte Thompson unter 110 Lithotomirten 39, also 35 %, unter 672 Lithotripsirten dagegen, unter welchen noch dazu 595 Männer über 59 Jahre alt waren, nur 43, also 6'/, %, Todesfälle. Br, Allerdings darf man auch bei der Lithotripsi vernachlässigen, und es j Methode i > A nwendung der pu öseste Desinfieirung der In- * und Füllung der Blase mit antiseptischen ete. gezogen. Eigentliche Gefahren bietet die Lithotripsie wohl nur bei hochgradiger Cystitis und Pyelitis, aber hierbei vermag auch der Steinschnitt oft nicht mehr zu helfen und ist von schlechtester Prosnose. Trotzdem sollte man diesen in solchen Fällen, wenn man überhaupt noch operiren will, immer vorziehen, weil man damit gleichzeitig eine Blasendrainage herstellt, wie ich sie oft allein schon bei schlimmeren Cystitisformen durch den Medianschnitt erstrebe. Paralyse der Blase bildet meiner Ansicht nach keine Contraindication gegen die Litholapaxie, jetzt wo man ja die gesetzten Trümmer sofort vollständig entleeren kann; ich habe sie in solchem Falle schon mehr- fach mit gutem Erfolge ausgeführt. Dagegen hat dieselbe gewiss auch ihre ganz bestimmten Grenzen, die man ungestraft nicht überschreiten darf. Diese liegen einmal in einer gewissen Grösse und Härte der Steine, indess kommen in letzter Be- ziehung wohl nur die Oxalatsteine in Betracht. Der einzige Fall, der mir nach Lithotripsie im Anfange ihrer Ausübung starb, betraf einen sehr harten und so grossen Stein, dass er kaum in den Schnabel des Instrumentes 70 Jahres - Bericht hineinging, bei gleichzeitig bestehender jauchiger Cystitis und wahrschein- lich auch Pyelitis. Derselbe hätte nur durch sectio alta operirt werden sollen. Eine fernere Contraindication bildet zu jugendliches Alter. Obwohl in der letzten Zeit namentlich in Russland auch mehrfach Kinder mit gutem Erfolge lithotripsirt worden sind, würde ich selbst es niemals wagen, weil der kindliche Blasenhals sehr vulnerabel ist, unangenehm auf längere Eingriffe reagirt und die immerhin erforderlichen kräftigen Instrumente nicht verträgt. Zudem giebt gerade bei Kindern der Median- schnitt die besten Resultate. Endlich ist natürlich die Methode nicht zu brauchen beim Vorhanden- sein ausgedehnter organischer Strieturen und bei eingekapselten Steinen. In allen diesen Fällen ist die sectio alta die allein berechtigte Operation. Bei Frauen macht die Litholapaxie, wenn die Steine nicht enorme Grösse besitzen, in Verbindung mit der Simon’schen foreirten Dilatation der Harnröhre jede blutige Operation gewiss überflüssig.e Ich war zweimal in der Lage, hier die Zertrümmerung auszuführen, und darunter einmal einen ziemlich grossen Stein mit Oxalatkern ohne jede Reaction zu. entfernen. Was aber den Hauptvorwurf betrifft, den man noch beständig der = .Lithotripsie zu machen pflegt, die im Vergleich zum Schnitt viel er- heblichere Gefahr der Reeidive, so halte ich ‚gerade diesen für voll- kommen unberechtigt. Einmal sind Recidive auch bei der sectio mediana nicht ausgeschlossen, namentlich wenn man den Stein seiner Grösse wegen vor der Extraetion zertrümmern muss, ebenso wenn man wegen ver- grösserter prostata und hochstehender Blase letztere trotz alles Gegen- druckes vom Bauche her gar nicht mit dem Finger erreichen kann und also mindestens ebenso mit der Zange im Blinden in der noch dazu eng eontrahirten Bla&e herumtappen muss, um den Stein zu fassen, wie dies die Gegner der Lithotripsie vorzuwerfen pflegen. Davon konnte ich _ mich noch vor Kurzem wieder gelegentlich eines medianen Steinschnittes bei einem alten Manne überzeugen. Aber selbst nach der sectio alta, wo doch die Blase dem Gefühl und Gesicht ganz offen daliegen sollte, sind Reeidive beobachtet. Von einem solchen Falle hat mir erst neulich ein College berichtet. Nachdem vorher von anderer Seite der hohe Steinschnitt gemacht war, musste er ein Recidiv mit dem Lithotriptor entfernen. Ich kenne aber gar keine geeignetere Methode, auch den kleinsten Trümmer in der Blase nachzuweisen resp. sofort zu entfernen, als die Anwendung des Bigelow’schen Aspirators. Derselbe verräth sofort das Vorhandensein eines selbst kleinen Conerements durch das Charakteristische Anschlagen des letzteren. Wenn man es sich also ur a ern ne eher ieh zu beruhigen, als bis Alles entfernt ist n den eingeführten Evacuationskatheter anklappt, so der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 7) ist man auch vor Reeidiven geschützt. Noch sieherer geht man, wenn man die Blase noch mehrmals in längeren Zwischenräumen auf diese Weise revidirt. Bei einem 76jährigen Herrn aus Breslau, welcher einen eneystirten Stein in seiner Blase beherbergt, dem nur durch die von ihm refüsirte seetio alta beizukommen wäre, mit vollständiger Blasen- paralyse und Phosphaturie, bildeten sich früher durch Niederschlag an dem vorhandenen immer wieder neue grosse Steine, so dass er fast jährlich 1—2 mal lithotripsirt werden musste, in der ersten Zeit von Ivanchich, zuletzt 5 mal von mir. Er nennt ein ganzes Steinberg- werk sein eigen, das er wie einen kostbaren Schatz sorgfältig hütet, und von welchem er mir nur für heute einen Theil zur Demonstration geliehen hat. Seitdem ich ihn dazu vermocht habe, sich regelmässig alle 6 Wochen einmal die Blase auspumpen zu lassen und dabei fast regelmässig einige Phosphateoneremente entleere, hat sich ein grosser Stein nicht wieder gebildet, und der früher scheussliche Blasenkatarrh erheblich gebessert. So nenne ich denn mit Gussenbauer die Litholapaxie das rationellste und schonendste Verfahren, welches den Steinschnitt immer mehr zu ersetzen berufen ist, je frühzeitiger die Steine erkannt und dem Operateur zugewiesen werden. Die Bigelow’sche Methode bedeutet jedenfalls einen enormen Fortschritt der alten Lithotripsie gegenüber, und erst durch ihre Anwen- dung kann die Zertrümmerung in wirkliche Coneurrenz mit dem Schnitt treten und über denselben triumpbiren. Früher, wo man es als Axiom hinstellte, die Sitzungen möglichst abzukürzen und auf wenige Minuten zu beschränken, weil man jedes längere Verweilen der Instrumente in der Blase für sehr gefährlich hielt, waren bei grösseren Steinen oft 10 und mehr Sitzungen erforderlich, die sich über ebensoviele Wochen ausdehnten. Ausserdem erhöhten die zurückbleibenden Trümmer die Gefahr durch Reizung der Blase und Verschlimmerung resp. Erzeugung eines Blasenkatarrhs oder weiter in die Harnwege hinaufreichender Entzündungen. Schliesslich war das Entleeren der scharfen Trümmer durch die Harnröhre für die Patienten recht schmerzhaft und unangenehm, führte nicht selten auch zu Verstopfungen der Urethra, und war bei irgend insufficienten Blasen nicht vollständig möglich. Alle diese Uebelstände sind durch die Litholapaxie beseitigt, bei welcher der Patient schmerzlos und mit einem Schlage von seinem Steine befreit wird. Die Methode hat gelehrt, dass die Blase auch stunden- langes Eingreifen, wenn nur die Trümmer vollständig sofort entfernt werden, sehr gut und noch besser verträgt, als die oft wiederholten Sitzungen mit Zurücklassen der Fragmente. Hat man aus irgend welchem 722 Jahres - Bericht Grunde die Narkose zu scheuen, so kann man sich jetzt mit Vortheil der Coeaineinspritzung in Blase und Harnröhre bedienen. Freilich wird die Zertrümmerung vicht immer und ausnahmslos in einer Sitzung gelingen, namentlich bei sehr grossen Steinen, und wenn man Grund hat, eine zu lange Narkose und zu lange Dauer des Eingriffs zu scheuen. Meist aber wird dann eine zweite und dritte Sitzung vollkommen ausreichen, und das Wichtigste an der Methode bleibt doch immer die sofortige Heraus- schaffung der gesetzten Trümmer, Leider fehlte es mir an der Zeit, meine Fälle von Lithotripsie für heute genauer zu siehten und zusammenzustellen, doch würden das ja nur trockene und Sie laugweilende Daten gewesen sein. Was die Wahl der Instrumente betrifft, so kann ich zunächst die Thompson’sche Steinsonde, die zugleich als Katheter dient und eine Untersuchung bei verschiedenen Füllungsgraden der Blase ohne Ent- fernung des Instrumentes gestattet, nicht genug empfehlen. Man sollte nie versäumen, auch mit ganz umgedrehtem Schnabel den Fundus der Blase zu durchtasten, dann wird einem ein Conerement nicht so leicht entgehen. Den von Bigelow eigens für seine Methode angegebenen Lithotriptor habe ich bald wieder verlassen, weil er zu klobig und schwer zu hand- haben, auch ganz überflüssig ist, und bin zu den leichteren und elegan- teren Thompson’schen resp. Charriere’schen Instrumenten zurück- gekehrt. Die letzteren sind mir unter Umständen, namentlich bei sehr harten Steinen, noch lieber, weil sie kräftiger anfassen und wirken; sie haben allerdings den Nachtheil, dass ein Assistent den Schlüssel hand- haben muss. Lithotriptoren mit ganz durchbrochenen weiblichen Armen ziehe ich den andern vor, weil sie am wenigsten eine Verstopfung mit Trümmern gestatten und daher niemals vor beendigter Sitzung aus der Blase entfernt zu werden brauchen. An Stelle des ursprünglich von Bigelow angegebenen recht theuren Aspirators habe ich mir durch Herrn Instrumentenmacher Hörig hier einen viel billigeren und sehr praktischen Apparat anfertigen lassen, der ausgezeichnet fungirt und Jede Unsauberkeit und Durchnässung zu vermeiden gestattet, Von den Evacuationskathetern wähle ich den stärksten, welcher die Harnröhre noch zu passiren vermag, worin die letztere übrigens in der Narkose Unglaubliches leistet. Nöthigenfalls muss das orifieium externum etwas eingekerbt werden. Sehr vortheilhaft verwendet man oft den ganz geraden Evacuationskatheter, der sich meist ohne Mühe wie ein gebogener einführen lässt, (Folgt die Demonstration der Instrumente und Auspumpung von Steintrümmern aus einem die Blase darstellenden Glaskolben mittelst des Aspirators.) der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 73 Sitzung vom 15. Juli 1887. Herr Röhmann spricht Ueber Secretion und Resorption im Dünndarm. Im Anschluss an die Untersuchungen Gumilewski’s wurden an Hunden mit Thiry-Vella’seher Darmfistel Resorptionsversuche mit Stärke, Traubenzucker, Rohrzucker und Peptonen gemacht. Zu diesen Versuchen dienten drei Hunde, von denen sich des einen schon Gumilewski bedient hatte. Die excidirte Darmschlinge entstammte bei dem einen Hunde dem Jejunum, bei den beiden anderen dem unteren Theile des Ileums. Vortragender beschreibt I. die Beschaffenheit und Menge des Darmsaftes. Am Darmsaft hat man zu unterscheiden einen flüssigen Antheil und die in demselben suspendirten ‚„schleimigen Massen“. Die Darmflüssig- keit, das Product der Lieberkühn’schen Drüsen, reagirt durch kohlen- saures Natrium alkalisch, es enthält geringe Mengen von Eiweiss und Chloriden. Die „schleimigen Massen‘ bestehen aus verschiedenartigen zelligen Gebilden, theils mehr oder weniger veränderten Epithelien der Darm- schleimhaut, theils leueocytenähnlichen Zellen. Ein Vergleich des „Darm- saftes‘* bei den verschiedenen Hunden ergab, dass im oberen Theil des Dünndarms nur geringe Mengen eines alkalischen Secretes, im unteren Theil dagegen erheblich grössere Mengen alkalisch reagirender Flüssig- keit abgesondert wurden. Hierbei wurde die schon von Gumilewski beobachtete Thatsache bestätigt, dass in derselben Darmschlinge das zu verschiedener Zeit abgesonderte Seeret immer denselben Prozentgehalt an kohlensaurem Natrium (etwa 0,44°/,) aufwies. Die zelligen Elemente schienen im oberen Theil reichlicher zu sein. Das Verhältniss zwischen diesen und der Flüssigkeit bedingt die Consistenz des Darmsaftes. Im oberen Theile des Dünndarms quellen die zelligen Massen in der geringen Menge des Secretes nur unvoll- kommen, der „Darmsaft“ ist gallertig, schleimig; im unteren Theile dagegen hat das Gesammtseeret der Darmschleimhaut in Folge Ueber- wiegen des flüssigen Antheils den Charakter einer trüben, wässrigen, mit gallertigen Flocken gemischten Flüssigkeit. II. Die diastatische Wirkung des Darmsaftes und die Resorption von Stärkekleister. Der obere Theil des Dünndarms enthält ein Ferment, welches gekochten Stärkekleister mit grosser Energie im Zucker überführt, der untere dagegen nur Spuren eines solchen. In Folge hiervon wird Stärke im oberen Theil des Dünndarms in grossen Mengen (z. B. in einer Stunde 50 cem eines 2, Stärkekleisters, resorbirt, im unteren nur in viel geringerem Maasse. 74 Jahres - Bericht II. Das Inversionsvermögen des Dünndarms und die Resorption von Rohrzucker. Für den Rohrzucker ergeben sich ähnliche Verhältnisse wie für r Stärke. Im oberen Theil des Dünndarms findet sich ein invertirendes Ferment, im unteren dagegen fehlt dasselbe. Die Resorption von Rohr- zueker ist im oberen Theil des Dünndarms eine grössere als im unteren. IV. Die Resorption von Traubenzucker scheint im oberen und unteren Theil des Dünndarms gleich gut zu sein. V. Pepton verhielt sich ähnlich wie Traubenzucker. VI. Gleichzeitig mit der Resorption von Stärke, Rohr- und Traubenzucker, sowie Pepton findet, wie dies bereits Gumilewski für die Resorption von Wasser, Kochsalz und schwefelsaures Natrium be- schrieben hat, stets eine Secretion von Darmsaft statt, und zwar ist dieselbe auch hier unter den gleichen Bedingungen stets (auch für Salze z. B. schwefelsaures Natrium) im oberen Theile des Dünndarms geringer als im unteren. VII. Auf Grund von theoretischen Erwägungen, die sich auf die Einzel- heiten der mitgetheilten Versuche stützen, kommt Vortragender zu dem Schluss, dass für die Secretion und Resorption im Dünndarm die Gesetze der Filtration und Osmose nicht von wesentlicher Bedeutung sind. Beide Prozesse sind bedingt durch die Lebensäusserung von Zellen, d. h. in letzter Instanz durch die sich in ihnen abspielenden chemischen Vorgänge. Hierauf berichtet Herr Biondi Ueber eine neue Methode der mikroskopischen Untersuchung des Blutes. Bisher verfügte man über zwei Methoden für die Untersuchung der morphologischen Bestandtheile des Blutes oder, besser gesagt, der or- ganischen Flüssigkeiten, sowohl unter normalen, wie pathologischen Be- dingungen. Die eine ist die Methode der frischen, die andere die der trocknen Präparate. Mit jener ist es nicht möglich, ein gutes Demonstrationspräparat aufzubewahren, mit dieser kann man die histo- logischen Bestandtheile nicht intakt erhalten. Es schien mir daher nothwendig, eine Methode aufzufinden, die mir gestattete, die Flüssigkeiten auf das Genaueste zu studiren, analog der- jenigen, welche man gemeinhin für die Untersuchung der Gewebe an- wendet. Mit anderen Worten, ich ging darauf aus, das Blut wie ein festes Gewebe zu behandeln und von demselben Schnitte herzustellen. Als Material für die Untersuchung wählte ich das Blut von Amphibien und Säugethieren und suchte zunächst die anatomischen Constituentien desselben zu fixiren, und dann ein Einschlussmittel irgend welcher Art für dieselbe ausfindig zu machen, Der Versuch einer Fixation mit der Müller’schen Flüssigkeit und mit der ganzen langen Reihe von doppeltehromsaurem Salz hatte kein der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 75 Resultat, weil das freie Eiweiss des Plasmas hierbei niedergeschlagen wird. Ebenso erging es mit der Flüssigkeit von Kleinenberg, wie der von Flemming, mit Sublimat, Alcohol, Pierinsäure und Gold- präparaten, Osmiumsäure allein giebt, wenn sie in stärkerer Concen- tration (2 /,) und kurze Zeit hindurch einwirkt (1—24 $t.), vorzügliche Fixation, ohne sonstige Nachtheile. Suspendirt man nämlich einen Tropfen Blutes in 5 cem einer Osmium- säurelösung, so erscheint die Lösung im Reagensglas vollkommen klar. Die Beobachtung eines Tröpfchens einer derartigen Mischung in frischen Präparaten unter dem Mikroskop zeigt die rothen und weissen Blut- körperchen in ihrer Form erhalten. Die Blutplättehen im Säugethier- blute sind isolirt und gut sichtbar, wie bei keinem anderen Fixations- mittel. Das Protoplasma der rothen Blutkörperchen der Amphibien (Salamandra, Triton, Axolotl, Frosch) erscheint von leicht brauner Färbung und zeigt in ausgezeichneter Weise die fein granulöse Structur. In dem Kern kann man das Fadennetz, die lacunären Räume und Körnungen gut er- kennen, so wie man sie in jeder gut conservirten Zelle zu beobachten pflegt. Nachdem auf solche Weise die Fixation der körperlichen Bestand- theile des Blutes erreicht war, ging ich zu der Einbettung über. Am besten, allen Anforderungen entsprechend und frei von Missständen erwies sich mir die Einbettung in Agar-Agar, einer Art pflanzlicher Gallerte, aus Gracilaria lichenoides und Gigartina speciosa. Zu diesem Zwecke lässt man 2 Th. Agar in 100 Th. distillirtem Wasser aufquellen und bei Zimmertemperatur 24 St. hindurch erweichen; sodann erwärmt man die Mischung und lässt sie auf dem Sandbade aufkochen 4—6 St. Nachher wird die Agarlösung in lange und schmale Glascylinder einge- gossen, in welchen sie 12—24 St. bei einer Temperatur von eirca 50—60° verweilt. Hierbei trennt sich die Agarlösung in 2 Schichten, von denen nur die obere nach Neutralisation und Filtration, als Ein- bettungsmittel benutzt wird. Die so bereitete Agarmasse wird nun in kleine Reagensgläser in Dosen, wie sie für die einzelnen Blutprüfungen erforderlich ıst, d. h. 5 cem vertheilt. Man verschliesst die Gefässe mit Watte und sterilisirt dieselbe während 3 Tagen eine halbe Stunde täglich im Dampfapparat. Um nun mit dieser Substanz einen Blutsehnitt anzufertigen, wählt man Blut vom Frosch, als einem leicht zur Verfügung stenenden Ver- suchsthiere, und verfährt folgendermaassen: Direet nach der Enthauptung des Thieres lässt man das Blut von den Gefässen in die fixirende Flüssigkeit einfliessen. Gewöhnlich lasse ich nicht mehr als 2 Tropfen Blutes in 5 eem Osmiumsäure (2 °/,) fallen, die ich sofort durch einige zweckmässige Bewegungen des Glases in Be- rührung mit der ganzen Lösung zu bringen suche. Je schneller dies geschieht, um so leichter zerstreuen sich die einzelnen Elemente des 76 Jahres - Bericht Blutes und vor Allem die Blutplättehen, deren grosse Neigung zur Ver- klebung untereinander unmittelbar nach ihrem Austritt aus dem lebenden Blutgefässe bekannt ist. Nach Ablauf der für die Fixation nöthigen Zeit nimmt ‚man, nach- dem die vorsichtigen Bewegungen des Glasgefässes wiederholt wurden, mittelst einer Pipette mit breiter Oeffnung —5 Tropfen der Mischung von Blut und Osmiumsäure heraus und lässt sie in Agar, welches man vorher gelöst und bei einer Temperatur von 35—37° flüssig erhalten hat, hineinfallen. In dieser Mischung werden sodann die Blutkörperchen durch kreisförmige Bewegungen des Reagensglases um seine Axe gut vertheilt, worauf das Ganze in Papierkästen gegossen wird, wie sie bei Paraffineinbettung üblich sind. Nachdem die Erstarrung der Masse ein- getreten ist — und dies ist nach wenigen Minuten der Fall — so befreit man dieselbe von der Papierhülle und bringt sie entweder als Ganzes oder nachdem sie in kleine Stücke zerlegt ist, zur Härtung in 85° Alcohol. So behandelt nimmt die Masse schon nach wenigen Tagen eine Consistenz an, welche derjenigen der amyloiden Leber gieich ist und sie befähigt, nach dem Binschluss in Hollundermark sich in feine Schnitte mit dem Mikrotom zerlegen zu lassen. — Um noch feinere Schnitte zu erhalten, wie wir sie bei der Paraffineinbettung gewöhnt sind, kann man die Agareinbeitung mit Paraffin combiniren und zwar in folgender Weise: Nachdem das Stück des Agar mit dem Blut vollkommen gehärtet ist, bleibt es einen Tag in Bergamotöl und kommt von diesem direet in Paraffin, welches im Wärmekasten bei einer Temperatur von 45° flüssig erhalten wird. Hier verbleibt das Präparat 1—2 Stunden, worauf man es wie gewöhnlich in Papierkästen in Wasser erhärten lässt. Da das Agar ganz von Paraffin durchtränkt ist, so lassen sich mit dem Mikrotom die feinsten Schnitte herstellen; man befreit dieselben vom Paraffin mit den üblichen Lösungsmitteln und kann nun den Schnitt der Färbung unterziehen. Die ganze Dauer der Präparation mit diesem Einschlussmittel bis zu dem Momente, in welchem das Blut schnittfähig geworden ist, beträgt nicht mehr als 5—6 Tage. Wie man oben sah, reichen wenige Stunden für die Fixation in Osmiumsäure hin, während der Rest der Zeit für die Härtung in Aleohol nothwendig ist. Man erzielt die letztere am besten, wenn man kleine Agarstücke in eine reichliche Menge 85°. Alcohols bringt und diesen in den darauf folgenden 3—4 Tagen einmal täglich wechselt. Zwar würde man den nämlichen Zweek viel schneller er- reichen können, wenn man absoluten Aleohol verwenden wollte, aber eine beschleunigte Härtung ist, wie ich mich überzeugen konnte, nicht von Vortheil, weil sie eine Schrumpfung der peripheren Schichten des Agar veranlasst und somit die Einwirkung auf die central gelegenen Theile erschwert. Ausserdem scheint es auch, dass der absolute Aleohol der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. m dem Agar einen leichten Grad von Brüchiskeit verleiht, dem man übrigens dadurch begegnen kann, dass man dem Agar 3 °/, Gelatine zusetzt. Will man eine Einbettungsmasse mit dieser Modification herstellen, so muss man die Gelatine nach der vollkommenen Lösung dem Agar hinzufügen, um die spätere Erstarrung des Gemisches nicht zu erschweren, da be- kanntlich der letztere Uebelstand durch langes Kochen der Gelatine sich einstellt. Der Blutschnitt kann nun die verschiedenen aleoholischen und wässerigen Färbeflüssigkeiten passiren, von da in alle Entfärbungs- mittel gebracht werden (Wasser, Alcohol, Glycerin, Essigsäure), sodann die erforderliche Entwässerung, Aufhellung durchmachen, ohne irgend welche Veränderung zu erleiden. Unter den Mitteln, welche man gewöhnlich für die Aufhellung der Schnitte anwendet, ist ausschliesslich das Xylol von schädlichem Einflusse auf den Agarschnitt, indem es bewirkt, dass derselbe sich zusammenrollt. Eine solche üble Einwirkung geht vollständig dem Nelkenöl, dem ÖOriganumöl, dem Bergamotöl, Creosot ete. ab. Die Entfärbung mit Jod oder mit Anilinöl, welche von Weigert für die Erkennung des Fibrins in Geweben empfohlen worden ist, findet auch eine praktische Anwendung bei der Einbettung mit Agar. — Wenn man genau die Zeit der Einwirkung 'innehält und die erforderlichen Vorsichtsmassregeln zur Anwendung bringt, so kann man für die Färbung der Schnitte fast alle Färbemittel mit Erfolg gebrauchen. Die sichersten Resultate ergaben Methylgrün, Methylenblau, Fuchsin, Safranin ete. In- dem man zunächst Methylenblau und dann Eosin oder Eosin und dann Methylgrün wirken lässt, erhält man deutliche Farbencontraste nicht nur zwischen den weissen und den rothen Blutkörperchen, sondern auch zwischen Protoplasma und Kern ein und desselben rothen Blutkörperchens, Auch bei gleichzeitiger Anwendung mehrerer Färbesubstanzen (wie z. B. Gemische von Aurantia, Eosin und Indolin in Glycerin) sieht man Doppel- färbungen auftreten. Ebenso kann man Hämatoxylin mit Erfolg be- nutzen, indem man den Schnitt zunächst für 5 Minuten in eine 0,5%, Hätnatoxylin- und dann in eine wässerige Alaunlösung (1 : 300) bringt. Hierbei färbt sich der Kern der rothen und weissen Blutkörperchen blau, während das Protoplasma ungefärbt bleibt. Die anderen Präparate des Hämatoxylins, wie die von Böhmer, Grenacher und Renaut (Eosinhämatoxylin) leisten die gleichen Dienste, Das Agar fixirt nur die intensiven Anilinfarbstoffe (z. B. Gentianaviolett) und auch diese mit einer grossen Neigung sie wieder abzugeben, derart, dass es leicht möglich ist, den Schnitt mittelst Aleohol oder eines anderen Entlärbungs- mittels farblos zu machen. Ist nun der Schnitt gefärbt und aufgehellt, so wird er je nach Belieben in Canadabalsam oder Damarlack eingeschlossen. Jahres - Bericht — [0 2} Vortheile der Agareinbettung. Mehr als lange Auseinandersetzungen es vermögen, kann ein Ver- gleich eines Blutpräparates nach der alten, bisher fast ausschliesslich üblieh gewesenen trocknen Methode und einem gut gelungenen Agar- präparate von den Vorzügen der letzteren Methode überzeugen. Ich bin gern bereit, allen denjenigen, welche sich hierfür interessiren, derartige Präparate zur Verfügung zu stellen. Die rothen Blutkörperchen erscheinen inmitten einer durchsichtigen Grundsubstanz ganz ohne Zacken und Runzeln, vollkommen in ihrer Form erhalten, wie im circulirenden Blut. Sie: behalten ihre ovale characteristische Gestalt mit wohl differenzirtem Protoplasma und Kern. Im Inneren des ersteren sieht man keine auffallenden Figuren, wie sie von der Fällung des Eiweiss erzeugt werden, und wie man sie bisher in jedem trockenen Präparate hat sehen können. Ausserdem ist mit dieser Methode die Möglichkeit gegeben, leichter als bisher die ver- schiedenen Formen der Microcyten und Macrocyten zu fixiren und zu differenziren; zum ersten Mal ferner hat man Gelegenheit, die Blut- plättehen in Dauerpräparaten zu erhalten. Die Anwendung dieser Methode braucht sich aber nicht allein auf die Untersuchung des normalen Blutes zu beschränken, sondern kann auf die anderen thierischen Flüssigkeiten ausgedehnt werden. So erhielt ich mit ihm gute Resultate bei der Untersuchung der Veränderungen der Kerne von Eiterkörperchen eines heissen Abscesses. Auch der Inhalt von Eehinoeoeceneysten, Hydrocele, Ovariencysten, von Spina bifida nach dieser Methode untersucht, lässt die histologischen Elemente, welche in ihnen suspendirt sind, in distineter Weise erkennen. Die Zoologen werden gleichfalls von dieser Methode für das Studium der Infusorien vortheilhaften Gebrauch machen können. Endlich kann die Agarmethode ein noch grösseres Feld der Anwendung bei der mikroseopischen Prüfung der Organsäfte besonders von dem Knochenmark finden. In dieser Hin- sicht habe ich vorzügliche Ergebnisse mit der Einbettung von Hodensaft gehabt. In solchen Präparaten konnte ich mit grosser Deutlichkeit, was mit den bisherigen Methoden nicht möglich war, die einzelnen Metamorphosen, welche die Samenzelle durchläuft, bevor sie sich zu einem fertigen Spermatozoiden umwandelt, verfolgen. Schliesslich demonstrirt Herr Asch eine am 24. Juni e. einer Multi- para von 31 Jahren (seit 6 Wochen gravida) exstirpirte Milz. Die Operation (Bauchschnitt in der. linea alba) bot keine besonderen Schwierigkeiten, die Heilung verlief glatt, die Schwangerschaft erlitt keine Unterbrechung. Die Untersuchung des Tumor (25 cm lang) ergab ein Lymphosarkom. Blutbefund vor wie nach dem Eingriff normal. der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 79 Sitzung vom 29. Juli 1887, Herr Born hält einen Vortrag Ueber die Furchung des Eies bei Doppelbildungen. Im Folgenden will ich über Untersuchungen vorläufig berichten, welehe mich in letztem Frühjahr längere Zeit beschäftigt haben. Ich bin mir vollkommen bewusst, dass die bisher erreichten Resultate hie und da unvollständige sind; da diese Beobachtungen aber erst nach Jahresfrist weiter geführt werden können, und ich nicht einmal genau weiss, ob ich im nächsten Jahre wieder über das zu denselben erfor- derliche, erhebliche Quantum von Zeit und Mitteln verfügen kann, halte ich es für angezeigt, mitzutheilen, wie weit ich auf einem, soweit ich sehen kann, noch ganz jungfräulichen Boden bei dem erstjährigen Ver- suche gelangt bin. Mein Ausgangspunkt war der von Roux, Pflueger (und früher schon von Newport) für den Frosch erwiesene Satz, dass die erste Furche im regulären Falle das Material des Eies, beziehungsweise das des Eikernes, in zwei symmetrische Hälften so zertheilt, dass die ‘ Ebene der ersten Furche und die spätere Medianebene zusammenfallen. Dieser Satz hat nach Agassiz und Whitmann wahrscheinlich auch für die Knochenfische Gültigkeit. — Wenn das Ei durch die erste Furche definitiv in eine rechte und linke Hälfte getheilt wird, so liegt der Gedanke nahe, dass in den Fällen, in welchen ein doppeltes oder gar mehrfaches „Rechts“ und „Links“ vorhanden ist, d. h. bei Doppel- und Mehrfachbildungen diese doppelte oder mehrfache Zertheilung des Eies auch sogleich bei der ersten Furchung einsetzt, dass man also hier anstatt einer einfachen, eine doppelte oder gabelig gestaltete erste Furche erwarten dürfte. Eine weitere Ueberlegung zeigte freilich, dass die erste Furche bei Doppelbildungen unter gewissen Voraussetzungen durchaus nieht von dem gewöhnlichen Typus abzuweichen braucht; es sei auch sogleich bemerkt, dass das vorläufige Ergebniss meiner Untersuchungen dieser letzteren Annahme günstig ist; jedenfalls schien mir aber die ganze Frage, an die sich eine Menge wichtiger anderer Erwägungen über die Doppelbildungen anknüpfen lassen, der Prüfung werth. Von vornherein war darauf zu verzichten, die Untersuchung an den Eiern des Frosches, für die der Roux-Pflueger’sche Satz am vollkommensten bewiesen ist, auszuführen, aus dem einfachen Grunde, weil bei den Amphibien Doppelbildungen zu den grössten Seltenheiten gehören. Ich musste mich nach den bisher bekannten Daten sogleich den Knochenfischen zuwenden. Die am häufigsten embryologisch unter- suchten Knochenfische, die Salmoniden, deren Bier sich durch ganz be- sondere Grösse auszeichnen, kamen wegen der Undurchsichtigkeit der Eihüllen in Wegfall. Von den übrigen einheimischen Knochenfischen so Jahres - Bericht waren alle Arten ausgeschlossen, deren Eier an einander kleben; das sind fast alle Sommerlaichfische. Es blieb also nicht viel Anderes übrig als der Hecht, der sich denn auch als ein ganz vorzügliches Objeet für meine Untersuchungen erwiesen hat. Natürlich waren trotzdem eine sanze Reihe technischer Schwierigkeiten zu überwinden, welche theils in den Eigenthümlichkeiten der Hechteier selbst lagen, wie z. B. die erosse Durchsichtigkeit des Keimes, theils in dem Wesen von der- gleichen Versuchen, welehe nur in der kurzen Laichperiode der Thiere ausführbar sind, ihren Grund hatten. Diese Schwierigkeiten tragen die Schuld, dass die im Folgenden mitzutheilenden Resultate des ersten Jahres noch unvollkommen geblieben sind. Der erste Versuch, den ich im vorigen Jahre am Ende der Laich- periode (vom Februar bis Anfang April, je nach der Witterung ver- schieden) mit Hechteiern anstellte, ergab in einigen Beziehungen sogleich ein sehr günstiges Resultat. Die künstlich befruchteten Eier entwiekelten sich zum bei Weitem grössten Theile in drei Tagen soweit, dass die Form des Embryos mit oder ohne Reagentien leicht erkennbar war; es fanden sich unter 1217 entwickelten Eiern nicht weniger wie 45 Doppel- bildungen, also beinahe 3,7 pCt. Der erste Fehler, den ich machte, war . die Annahme, dass bei allen Hechtweibehen die Procentzahl der Doppel- bildungen ebenso gross sein würde. Das ist nieht der Fall. Die Procentzahl ist bei verschiedenen © ungemein verschieden. Erst viel- leicht das fünfte oder sechste 2, das man untersucht, ergiebt die wünschens- werthen hohen Procentzahlen (3 pCt.). Die meisten zeigen bedeutend weniger, etwa 0,2—0,5 pCt. Wenn man aber erst unter 200-500 Eiern erwarten darf, eine Doppelbildung, resp. deren erste Anlage bei der Furehung zu finden, so sinkt die Wahrscheinlichkeit, dass man dieselbe unter den 1000—1200 Eiern bemerkt, die man in der Zeit zwischen erster und zweiter Furche mit genügender Genauigkeit durchzusehen ver- mag, auf ein zu geringes Maass. Ganz anders natürlich, wenn man unter 1000 Eiern anstatt 2 30—40 Anlagen von Doppelbildungen er- warten darf, Das zweckmässigste Verfahren ist demgemäss von etwa einem halben Dutzend Hecht 2 gleichzeitig Probeeier zu befruchten, diese aufzuziehen und nach 3 Tagen zu bestimmen, welche Eigruppe die meisten Doppelbildungen enthält; das Q, von welchem dieselben stammen, wird dann zu den weiteren Versuchen benutzt. Sämmtliche Eiproben nissen womöglich mit dem Sperma desselben Sg befruchtet sein. Zu der Erkenntniss, dass diese Methode die zweckmässigste sei, bin ich «rei gegen das Ende der Laichperiode gelangt, so dass mir dieselbe in diesem Jahre noch von keinem grossen Nutzen gewesen ist. Ein sehr EREREE Vorzug des Hechtes für diese Versuche ist auch, dass, wenn man g und 2 getrennt in fliessendem Wasser hält, man demselben Weibehen 8 bis 14 Tage lang mit gleichem Erfolge täglich etwa der Schles. Gesellschaft für vaterl. Qultur. 81 1000 Eier entnehmen und mit dem Sperma desselben 3' befruchten kann. Bei dem eben Gesagten habe ich einen Satz als richtig voraus- gesetzt, der auch erst bewiesen werden musste, der aber in den Ver- suchsergebnissen in der That eine ziemliche Bestätigung gefunden hat, nämlich der Satz, dass in verschiedenen Portionen von Eiern eines und desselben Hechtweibcehens die Procentzahl der Doppelbildungen an- nähernd die gleiche bleibt. Es ist dies bis zu einem gewissen Grade in der That der Fall. Von 2 2 wurden an aufeinanderfolgenden Tagen im Ganzen 5 Portionen untersucht, die 720, 479, 521, 503, 900 ent- wiekelte Eier enthielten. In denselben fanden sich in derselben Reihen- folge aufgezählt 0,14, 0,21, 0, 0,4, 0,2 pCt. Doppelbildungen. Der Unterschied zwischen O0 und 0,4 pCt. erscheint auf den ersten Blick etwas erheblich. Man muss aber bedenken, dass, wenn wie bei diesem 9, erst unter etwa 500 Eiern im Durchschnitt eine Doppelbildung angetroffen wird und die Gesammtzahl der untersuchten Eier 500 nur um Weniges übersteigt, sich in einer solchen Portion ebenso leicht einmal keine, wie zwei Doppelbildungen vorfinden können. 2 3 zeigt folgende Zahlen: entwickelte Eier . . . 820 472 842 274 ‘ dazu gehörige Ei uisahl der Doppelbildungen . . . 0,25 0 0 0 © 6 in derselben Weise ae 663427 1.194,5..595,,:200 3,2 1 3,2 1 Q 11in derselben Weise geordnet 279 100 60 302 490.623 0,384..0%7 0,03, 0,2.0,14 Zu No, 11 muss ich freilich hinzufügen, dass unter 116 Eiern dieses @ sich einmal drei Doppelbildungen fanden. Es steht aber im Protokoll verzeichnet, dass es nicht ganz sicher ist, ob in diesem Falle nicht eine Verwechselung mit Eiern eines andern Weibchens vorlag. Inwieweit die Differenz bei Weibchen 6 — 1 pCt. und 3 pCt. — auf dem Einfluss verschiedener, zu der Befruchtung gebrauchter 3 beruht, bedarf einer besonderen, auf diesen Punkt gerichteten Untersuchung. Sehr erheblich scheint nach meinen bisherigen Erfahrungen der Einfluss des männlichen Theils nicht zu sein. Ebenso bedarf es besonderer Ar- beiten, um die Frage nach dem Einfluss des Alters der Eltern, der grösseren oder geringeren Reife der Geschlechtsproducte u. s. w. auf die Häufigkeit der Doppelbildungen genauer festzustellen. Jedenfalls ergaben sich jetzt schon die für die Möglichkeit, unserer Frage überhaupt näher zu treten, fundamental wichtigen Sätze, dass bei einzelnen Hecht 2 die Procentzahl der Doppelbildungen über 3 steigt, dass man mit genügender Sicherheit darauf rechnen kann, diese enorme Procentzabl in allen Ei- portionen desselben 2 annähernd wiederzufinden, und dass man das- selbe 2 1—2 Wochen lang täglich zu dergleichen Versuchen benutzen kann. 1887. » Jahres - Bericht In hV Die Methode des Versuchs, die sich nach mancherlei Missgriffen als die beste erwies, ist folgende: Am Morgen des ersten Tages (des Befruchtungstages) werden einem 9, das, wie vorher erwiesen, eine hohe Procentzahl von Doppelbildungen besitzt, eirca 1000 Eier trocken ab- gestrichen und mit dem Samen eines bestimmten g' vermischt: dann wird sogleich Wasser hinzugefügt und die Bier '/, bis ', Stunde ruhig stehen gelassen. Darauf kommt die Schale mit den Eiern in ein grösseres Gefäss mit Wasser, dessen Temperatur durch darin liegendes und um- gelagertes Eis auf ',—3° C. gehalten wird. Unter diesen Umständen beginnen die Eier nach 20—24 Stunden mit der ersten Furche. Man kann also am nächsten Morgen früh mit der Beobachtung beginnen und hat den ganzen Vormittag vor sich. Ein noch wichtigerer Grund, diese Versuchsanordnung zu wählen, ist der, dass bei hoher Temperatur die Form der ersten Furche eine für die Beobachtung ungünstigere wird, indem dieselbe nicht durch den ganzen Keimhügel geht, sondern nur die Spitze desselben betriff. Auch sind bei rascher Entwickelung die Stadien, in denen man die einzelnen Eier findet, wenn man dieselben beim Eintritt der ersten Furche, um das Fortschreiten der Entwickelung zu hemmen, in die Kälte bringt, viel mehr von einander verschieden, als bei langsamer Entwickelung. Sowie das Eintreten der ersten Furche constatirt ist, wird das Wasser durch eingelegtes Eis soweit als irgend möglich abgekühlt und die Eier in Portionen von 30—80 unter der Lupe bei auffallendem und durchfallendem Licht möglichst rasch und genau auf Form und Zahl der Furchen untersucht. Zuerst machte mir die grosse Durchsichtigkeit der Eier sehr viel zu schaffen; durch Abblenden lässt sich aber bei durchfallendem Licht sehr viel gewinnen. Am günstigsten für die Untersuchung ist das mittlere Stadium der ersten Furche, bei dem die beiden Segmente voll- ständig von einander getrennt sind und sich etwas von einander zurück- gezogen haben, so dass sie wie zwei kleine Kegel neben einander auf dem Dotter liegen. Dieses Stadium muss man also abpassen und so lange, wie möglich, festzuhalten suchen. Es gelingt dies ungefähr 3 Stunden. Alles das erfordert natürlich Uebung. Bei genügender Uebung kann man in der Stunde ungefähr 300—400 Eier untersuchen. Nach Ablauf der 3 Stunden verbietet sich die weitere Untersuchung schon durch die hochgradige Ermüdung. Einen Mituntersucher von hinreichender Zuverlässigkeit habe ich- bisher nicht gefunden; ein solcher würde na- türlich den Erfolg verdoppeln. Alle Bier, die sich regelmässig und einfach gefurcht zeigen, werden in einem Gefäss gesammelt; diejenigen aber, welche irgend eine Besonderheit aufweisen, werden, nachdem das Furchungsbild rasch skizzirt ist, unter besonderen Nummern einzeln gehalten. Die Hauptmasse der einfach und regelmässig gefurchten Eier kann nun, wie mich die Erfahrung gelehrt hat, mit recht günstigem Er- der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 83 folge während des ersten und auch wohl noch des zweiten Tages nach Ein- tritt der Furchung in flachen Glasschalen von genügender Grösse im warmen Zimmer gehalten werden, vorausgesetzt, dass man das Wasser früh und Abends wechselt. Sobald aber die Dotterkugel mehr als zur Hälfte umwachsen ist und die Ausbildung des Embryos beginnt, steigt das Sauerstoffbedürfniss des Eies so hoch, dass bei mangelnder Durch- lüftung des Wassers eine deutliche Hemmung der Entwiekelung eintritt. Ich brachte die Eier dann auf Haarsiebe, welche in gut durchlüfteten Aquarien schwammen. So gelingt es, mehr als 90 pCt. der einfach gefurchten Eier bis zur vollen Ausbildung des Embryos zu erhalten. Da ich aber alle diesbezüglichen Erfahrungen erst allmälig mir erwerben musste, gelang dies keineswegs von vornherein. Ich habe meist nur 70 pCt. der Eier bis zu dem gewünschten Stadium aufziehen können, mitunter noch weniger. Schimmelbildung auf den Eiern ist das am schwierigsten zu vermeidende Uebel. Es ist nicht vortheilhaft, die Entwiekelung bis zur Ausbildung des Embryos sich in kälterem Wasser längere Zeit hinziehen zu lassen, denn je längere Zeit vergeht, umsomehr greift die Schimmelbildung um sich. Bei höherer Wassertemperatur kann man die lebenden Eier am dritten Tage sehr rasch auf das Vorkommen von Mehrfachbildungen durchprüfen. Will man sich die Sache noch leichter machen, so tödtet man die Eier in Pierinschwefelsäure oder dergleichen und bringt sie, sobald sich die Embryonalanlage trübt, ins Wasser zurück. Bei letzterem Verfahren kann man sogar die Lupe entbehren und wird kaum eine Doppelbildung übersehen. Die isolirten Eier werden entweder jedes in einem besonderen Schälchen in stehendem Wasser aufgezogen, welches Verfahren für ein einzelnes Bi ganz gute Dienste leistet, oder in kleine, entsprechend nummerirte Gazesäckchen einge- bunden und mit auf das Haarsieb ins Aquarium gebracht. Da ich nicht -im voraus wissen konnte, welche Abweichungen von der Norm bei der Bildung der ersten Furche den Doppelbildungen entsprechen würden, musste ich am Anfang alle vorkommenden Abweichungen isoliren. Ich will die Resultate der betreffenden Beobachtungen hier gleich voraus- schieken. Ein einfacher Embryo bildet sich in folgenden Fällen, in denen die erste Furche etwas von der Norm abweicht: 1) Die erste Furche schneidet nicht durch die ganze Dieke des Keimhügels hindurch (meist bei höheren Wassertemperaturen und entsprechend rascher Ent- wickelung; s. ob.). Es schnüren sich alsdann zwei kleine Theilstücke von dem Keimhügel ab. 2) Die erste Furche durchtrennt den ganzen Keimhügel, die Theilstücke sind aber mehr oder weniger ungleich. 3) Die erste Furche durchtrennt die ganze Dieke des Keimhügels, es bleibt aber neben den beiden Furchungsabschnitten ein meist etwas niedrigerer Protoplasmaabschnitt von sehr verschiedener Grösse übrig; der Durchmesser desselben kann den der Furchungsabschnitte erreichen. 6* 34 Jahres - Bericht 4) Es bleibt ein Protoplasmastück von wechselnder Grösse übrig, das aber an die beiden Furchungsabschnitte gar nicht oder nur in sehr geringer Ausdehnung anstösst. (Namentlich Fall 3 kann das Bild einer gablig ge- theilten Furche vortäusehen, doch unterscheidet man denselben von diesem ebenfalls vorkommenden Falle meist dadurch, dass in Fall 3 der an der Furchung unbetheiligte Protoplasmarest niedriger ist, als die Furchungs- abschnitte.) 5) Die Theilstücke sind ungleich und die Theilungsebene steht schräg zur Dotteroberfläche. Der Gipfel des einen Furehungsab- schnittes ist dann häufig hakenförmig über den andern, niedrigeren hinweggebogen. Die Furche kann so schräg verlaufen und die Theil- stücke können so ungleich sein, dass man das sonderbare Bild erhält, dass an einer Seite des stumpfkegelförmigen Keimhügels eine kleine Polzelle aufzusitzen scheint; auch aus solchen Riern entwickeln sich regelmässige, einfache Embryonen. 6) Die erste Furche verläuft nieht gerade, sondern winklig gekniekt. 7) Die Oberfläche des Keimhügels erscheint so uneben, dass ein deutliches Furchungsbild nicht erkennbar ist. .Der Keimhügel sieht dann mitunter wie mehrfach getheilt aus. Es braucht kaum hinzugefügt zu werden, dass auch von den Eiern, welche diese Besonderheiten zeigen, eine ganze Anzahl zu Grunde geht; beweisend sind gerade die Fälle, in denen dieselben sich entwickeln. Unter den sehr zahlreichen isolirten Eiern aus den verschiedensten Versuchen fanden sich nur in zwei Fällen Doppelbildungen, die aber für unsere Frage nichts bewiesen. Der eine gehört unter No. 7. Der Keim- hügel sah uneben, beinahe wie grob mehrfach zertheilt aus; ein sicheres Bild der Furchung war nicht zu gewinnen. Daraus entwickelte sich eine zweiköpfige Doppelbildung. Ich habe oben schon erwähnt, dass aus ebenso gestalteten Eiern auch ganz einfache Embryonen hervorgehen (Versuch vom 17./3. 87). Im zweiten Falle waren 4 Eier, die dasselbe Furchungsbild darboten, in einem Schälchen vereinigt. Man sah nach der Zeichnung einen sehr grossen Furchungsabschnitt und daneben an- scheinend zwei sehr viel kleinere, die sich unter einander berührten, von denen aber nur der eine an den grossen angrenzte. Von diesen 4 gleich- gestaiteten Eiern (Versuch vom 21./3. 87) entwickelten 3 einen einfachen Embryo, das eine aber eine Doppelbildung, bei der die Theilung schon weit hinten am Rumpfe begann. Es ist mir ganz klar, dass hier eine Combination von No. 2 und 3 vorlag: ungleiche Theilung des Keim- hügels und Uebrigbleiben eines geringen Protoplasmarestes neben dem kleineren Furchungsabschnitt. Sehr häufig kamen wirklich primär drei- und vierfach getheilte Eier vor, bei denen es ganz sicher war, dass es sich nicht etwa um ein rascheres Eintreten der zweiten Furche handelte. In Eiportionen, die ganz kalt gehalten wurden, sieht man dann genau zu der Zeit, wenn die Majorität der Eier sich einfach theilt, bei einzelnen eine gablig der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 35 gestaltete oder zwei sich überkreuzende Furchen auftreten, die den Keimhügel in drei, resp. vier ganz gleich grosse Theilstücke zerlegen. Es vergehen dann noch zwei bis drei Stunden, ehe an den einfach ge- theilten Eiern die zweite Furche auftritt, so dass über die Deutung der Erscheinung gar kein Zweifel bestehen kann. Diese Eier, von denen ich weit über 100 isolirt habe, gehen unter allen Umständen vor Ent- wiekelung des Embryos zu Grunde. Man kann sich denken, dass ich der Erhaltung derselben ganz besondere Mühe gewidmet habe, es war aber alles vergeblich. Am frappantesten ist die Erscheinung bei den vier- theiligen Eiern, weil bei den dreitheiligen immer noch eher Verwechselung mit gewissen Fällen, die zu Nr. 3 gehören, möglich ist. — Diese Er- fahrusg war mir übrigens nicht so ganz neu; ich hatte viele Froscheier (und zwar nicht nur bastardirte) mit primärer Kreuzfurche isolirt; nie hatte sich aus diesen ein Embryo entwickelt. Bei manchen Hecht- weibchen sind die primär viertheiligen Eier besonders häufig, Ueber die Deutung dieser Erscheinung werde ich unten sprechen. Wie verhält es sich nun mit dem Auftreten von Doppelbildungen (ich habe überhaupt nur eine Dreifachbildung gesehen) unter den als einfach und regelmässig gefurcht befundenen Eiern? Ich war schon überrascht, als ich gleich bei den ersten Versuchen auch unter diesen Eiern einige wohlausgeprägte Doppelbildungen fand (z.B. bei 2 2), unter 479 entwickelten Eiern 1, ein andermal unter 503 2 Doppelbildungen; bei 2 3 unter 820 entwickelten Eiern 2, u. s. w. Da es sich aber in diesen Fällen um 2 handelte, bei denen die Procentzahl der Doppel- bildungen eine sehr niedrige war, so dass im Durchschnitt vielleicht erst auf 500 Eier eine Doppelbildung kam, so konnte ich die Möglichkeit nicht von der Hand weisen, dass das eine oder die zwei Eier doch Besonderheiten bei der Furchung dargeboten hatten, die mir aber unter der grossen Zahl der regulären Eier entgangen waren. Die Sache änderte sich aber, als mir späterhin zweimal 2 mit grosser Procentzahl von Doppelbildungen unter die Hände geriethen. Es sind dies 2.5 und 6 meines Registers. Mit der Zeit hatte ich auch eine sehr grosse Uebung in der Beobachtung der ersten Furche erlangt. Das 2 5 (Versuch vom 27./3. 87) war riesig gross. — Von 711 als einfach gefurcht gefundenen Eiern desselben hatten sich nur 289 entwickelt; unter diesen waren 20 Doppelbildungen. Am folgenden Tage wurden von demselben % 1153 Eier als einfach gefurcht befunden. Es ist besonders notirt, „dass die- selben so sorgfältig‘ durchgesehen sind, dass sich unter den 1153 als einfach gefureht erkannten Eiern sich keine Doppelbildung finden dürfte“: Es entwickelten sich 922 Eier und unter diesen 16 Doppelbildungen! Von 2 6 wurden am 27./3. 87 2 Portionen Eier, die mit verschiedenen 3 befruchtet waren, beobachtet. In der einen Portion wurden 903 einfach gefurcht befunden, 595 entwickelten sich, darunter 19 Doppelbildungen; 6 Jahres- Bericht [02] in der andern Portion wurden 778 einfach gefurcht befunden, 700 ent- wickelten sich, darunter 7 Doppelbildungen. Von demselben 2 No. 6 hatte ich am 29./3. 87 1244 einfach gefurchte Eier isolirt; 663 ent- wickelten sich, unter diesen 21 Doppelbildungen. Fast in allen diesen Fällen ist im Protokoll bemerkt, dass die Untersuchung der ersten Furche sehr leieht war und mit grosser Genauigkeit geschah. Im letzten Falle z. B. waren überhaupt fast gar keine Abweichungen von der Norm aufzufinden, Ich kann nun auf das Bestimmteste versichern, dass bei einem Procentgehalt an Doppelbildungen, wo auf ungefähr 30 ent- wiekelte Eier eine Doppelbildung kam, eine irgend merkliche Abweichung in der Furchung dieser Doppelbildungseier mir nicht entgangen sein konnte. Ich habe, wie oben ausgeführt, selbst unbedeutende Ab- weichungen regelmässig isolirt. Das Resultat ist oben schon gegeben. Die Eier, welche als einfach und regelmässig gefurcht zusammengelegt wurden, boten sicherlich keine bemerkbare Abweichung vom normalen Furchungsbilde dar. Es bleibt also nur der Schluss übrig: Diejenigen Eier, welche zu Doppelbildungen werden, bilden eine eben- solche einfache und regelmässige erste Furche, wie die- jenigen, aus denen ein einfacher Embryo hervorgeht. Mit dieser Erfahrung war nun die Möglichkeit, dass der innere Vor- gang bei der ersten Furchung der Eier, aus denen Doppelbildungen her- vorgehen, derselbe sei, wie bei den überbefruchteten Seeigeleiern von Hertwig und Fol/!, ausgeschlossen. Bei diesen Eiern theilte sich der aus der Vereinigung des Eikernes mit zwei Spermakernen entstandene Furchungskern sogleich in vier Tochterkerne. Dieser Theilung des Kernes musste dann eine vierfache Theilung des Eies selbst folgen, was bei den Hechteiern, aus denen die Doppelbildungen hervorgingen, sicher nicht der Fall war. Eine nähere Ueberlegung lehrte aber, dass eine andere Möglichkeit noch nicht ausgeschlossen war. Es konnten in diesen Eiern von vornherein zwei Furchungskerne vorhanden gewesen sein; stellen sich die aus diesen hervorgehenden Kernspindeln aus irgend einem uns unbekannten Grunde einander parallel ein, so fallen die zwischen den Tochterkernen auf- tretenden Furchen in eine zusammen und diese musste für die äussere Betrachtung als eine einfache, regelmässige Furche imponiren. In diesem Falle hätte man aber beim Eintritt der Furchen zweiter Ordnung einen Unterschied von dem regulären Bilde wahrnehmen müssen. Es ist dann nämlich in jedem Furchungsabschnitt erster Ordnung nicht ein Kern, wie bei den einfachen Eiern, sondern es sind zwei Kerne vorhanden. Beim Eintritt der Furchen zweiter Ordnung müssten demgemäss nicht 4 Theil- stücke, sondern 6 entstehen. Bei der Prüfung dieser Frage, an die ich natürlich erst gegen das Ende der Laichperiode gelangte, bin ich dieses Jahr zu keinem vollständig sicheren Abschluss gelangt. Ich habe, wenn der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 87 ich mieh so ausdrücken darf, vorerst nur die subjective Ueberzeugung gewonnen, dass bei den Eiern, aus denen Doppelbildungen hervorgehen, auch die Furchen zweiter Ordnung einfach verlaufen; eine objective Sieherheit gewährt das vorliegende Material nicht. Die Lösung dieser Frage ist schon dadurch technisch schwierig, dass selbst bei intensiver Eisbehandlung der Zeitraum, .der zwischen dem Eintritt der Furchen aufeinanderfolgender Ordaung verläuft, mit der höheren Ordnungszahl immer kleiner wird. Unter allen Umständen ist der Zwischenraum zwischen dem Eintritt der Furchen erster und zweiter Ordnung bedeutend grösser, als der zwischen den Furchen zweiter und dritter Ordnung. Ein viel schlimmerer Umstand aber war der, dass es mir nicht gelang, in den letzten acht Tagen der dies- jährigen Laichperiode (vom 1. bis 7./4.), die mir für diese Untersuchung noch zur Verfügung standen, ein Hecht © mit hoher Procentzahl von Doppelbildungen zu bekommen. Bei dieser Untersuchung wurden alle mehr als viertheiligen Eier abgesondert aufgezogen. Fünf-, sechs- und achttheilige waren zu der- selben Zeit, wo alle übrigen viertheilig sind, gar nicht selten zu finden. Ein Theil derselben entwickelt sich einfach. Es kommt hierbei die oben erwähnte Schwierigkeit in Betracht, dass, sobald sich die Untersuchung etwa in die Länge zieht, sehr leicht einzelne Furchungsstücke in der Theilung vorauseilen und so eine mehrfache Theilung vortäuschen können. Die bei weitem grössere Majorität dieser Eier aber geht zu Grunde, Es ist mir kein Zweifel, dass dieselben sich aus den Eiern entwickelt haben, welche sich primär drei- oder vierfach theilten, obgleich mir der direete, übrigens künftig zu erbringende Nachweis dafür fehlt. Man müsste bei derselben Eiportion die erste Furche beobachten, alle drei- oder vierfach oder sonst abnorm gefurchten Eier eliminiren und naclı Ausschaltung dieser bei dem Rest auch die zweite Furche durchprüfen, eine Aufgabe, die von einem Beobachter allein kaum mit Sicherheit gelöst werden kann. Dass die primär vierfach getheilten Bier bei der Furehung zweiter Ordnung sogleich in acht Stücke zerfallen, habe ich direct beobachtet. Ausser den mehr als viertheiligen Eiern wurden auch alle Eier mit andern Abweichungen der Furchung isolirt, z. B. diejenigen, bei denen die vier Theilstücke nicht um einen Mittelpunkt, sondern längs einer Linie gruppirt lagen, Ueber das Resultat werde ich sogleich be- richten. Am 7./4. 87 früh 9 Uhr fanden sich Eier von 2 11, die am Morgen des vorhergehenden Tages befruchtet waren, im Anfang der Viertheilung. Dieselben werden sogleich in frisches Eiswasser (/, °C.) gebracht und die Untersuchung begonnen, Dieselbe dauert bis gegen 12 Uhr. Dann beginnen die ersten Eier sich weiter zu theilen, und der Versuch wird 38 Jahres - Bericht unterbrochen. Es wurden 355 abgesondert, welche, wie das Protokoll sagt, alle ganz deutlich in einfacher Kreuztheilung waren, Am 10.J4, haben von diesen 355 Eiern 302 (85 pCt.) den Embryo gebildet. Trotz der sorgfältigen Auslese fand sich unter diesen doch eine schöne Doppel- bildung. Wichtiger ist das Resultat, das bei diesem Versuche einige der wegen irgend einer Abweichung isolirten (gezeichneten) Eier lieferten. In einem Schälehen waren 11 Eier vereinigt, welche alle nur 4 Theil- stücke zeigten. Diese Theilstücke lagen aber nicht, wie gewöhnlich, um einen Mittelpunkt gruppirt, sondern lagen in einem leichten Bogen neben einander. 6 von diesen 11 blieben bis zur Bildung des Embryos in dem Schälchen, 5 davon zeigten einen einfachen Embryo; eines war ab- gestorben; die 5 anderen kamen einzeln numerirt in Gazesäckchen. Von diesen 5 ging eins verloren, eins hatte gar keinen Embryo entwickelt, eins war abgestorben, das vierte zeigte einen einfachen Embryo, das fünfte aber eine schöne Doppelbildung Von 7 Eiern also, die genau dasselbe Furchungsschema und zwar nur 4 Theilstücke gezeigt hatten und welche isolitt worden waren, hatten sich 6 einfach, 1 zu einer Doppelbildung entwickelt! -—— In einem anderen Schälchen waren 2 Bier gleicher Furchungsart vereinigt, die sich dadurch auszeichneten, dass 5 Theilstücke vorhanden waren; zwei derselben waren aber noch nicht vollständig getrennt. Die Eier waren, wie das Protokoll besagt, erst 11 Uhr 54 Minuten gefunden worden; man geht also sicher nicht fehl (vergl. oben das über die Zeitverhältnisse dieses Versuchs Gesagte), wenn man annimmt, dass die eine unvollkommene Theilung als Beginn einer Furchung dritter Ordnung aufzufassen ist. Von diesen beiden Eiern hatte sich das eine einfach, das andere zu einer Doppelbildung entwickelt. Am folgenden Tage wurden von demselben 2 noch 514 Eier ausgesucht, die sich alle regelmässig vierfach gefurcht zeigten. Von diesen hatten sich am 11./4.491 (91 pCt.) entwiekelt. Auch unter diesen fand sich eine Doppelbildung. Obgleich die oben ausführlich beschriebene Erfahrung, dass sich von 7 sicher als viertheilig beobachteten Eiern 6 einfach entwickelten, eins aber zu einer Doppelbildung wurde, ganz besonders grosses Ge- wicht besitzt, betrachte ich die Frage nach der Form und Zahl der Furchen zweiter Ordnung bei den Doppelbildungen nicht als vollkommen abgeschlossen und muss für die Entscheidung derselben auf die hoffent- lich im nächsten Jahre anzustellenden Versuche verweisen. Es ist oben schon auseinandergesetzt, dass, wenn die Doppel- bildungseier sich so furchen, dass zuerst zwei, dann aber gleich sechs Theilstücke entstehen, man in diesen Eiern 2 von vornherein räumlich getrennte primäre Furchungskerne annehmen muss. Es ist dies kaum anders vorstellbar, als unter der Annahme, dass Doppelbildungen, wie schon mehrfach vermuthet, aus Eiern mit 2 Keimbläschen hervorgehen. der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur, 89 Dass die aus diesen entstandenen beiden weiblichen Vorkerne auch durch zwei Spermatozoen befruchtet werden müssten, ist wohl ohne Weiteres verständlich. Beı Hecht 2, welche über 3 pCt. Doppelbildungen zeigen, ist diese Frage einer direeten Prüfung zugänglich. Wenn man von einem solchen 200 bis 300 Eier auf Schnitten untersucht, müsste man mit grosser Wahrscheinlichkeit 6—9 Eier mit doppelten Keimbläschen oder nach der Befruchtung mit 2 Kernen etc. finden. Freilich würde eine derartige Untersuchung ebenso mühevoll wie zeitraubend sein. Es liest nun nahe, diese Untersuchungen an den durchsichtigen pelagischen Fischeiern anzustellen, an denen man den Vorgang der Befruchtung am lebenden Ei direet unter dem Mikroskop beobachten kann. Dem steht nur die Erfahrung von Agassiz und Whitmann entgegen, dass bei diesen Fischen Doppelbildungen extrem selten zu sein scheinen, doch behalte ich mir vor, nach Erledigung der Frage am Hecht auf dieses Material zurückzukommen. Ich persönlich halte dafür, dass bei denjenigen Eiern, aus denen Doppelbildungen hervorgehen, nicht nur, wie ich sicher bewiesen zu haben glaube, die erste, sondern auch die zweite Furche, wie bei den gewöhnlichen Eiern abläuft, dass also bei der Furchung erster Ordnung 2, bei der zweiter Ordnung 4 Theilstücke, wie regulär, entstehen. Es frägt sich nun, wenn diese Anschauung sich als richtig erweist, wie ist dieselbe zu verstehen? Ich sehe nur einen Ausweg. Die erste einfache Theilung dieser Eier, aus denen Doppelbildungen entstehen, muss einen anderen Werth besitzen, als bei den gewöhnlichen Eiern. Bei diesen ist dieselbe eine differenzirende Kerntheilung. Mag durch dieselbe das Kernmaterial für die rechte und linke Körperhälfte oder für vorn und hinten geschieden werden, niemals sind die Tochterkerne einander eongruent, sondern höchstens symmetrisch gestaltet. Es giebt aber späterhin im Organismus, sogar fast ausschliesslich, Kerntheilungen, bei denen die Tochterkerne im Wesentlichen congruentes Kernmaterial enthalten. Es sind dies alle Kerntheilungen in Zellen fertiger Gewebe, also die Theilungen hoch specialisirter Kerne. Wenn sich eine Leberzelle in zwei theilt, so besitzen beide Tochterkerne dieselben oder congruente Qualitäten. Bei den Doppelbildungen, so muss man annehmen, ist aus- nahmsweise die erste Theilung des Eies eine congruente; in beide Theil- stücke tritt die volle Hälfte der Qualitäten des Mutterkernes in con- gruenter Anordnung über. Erst durch die zweite Theilung wird dann die Differenzirung in rechts und links resp. vorn und hinten geliefert. Es ist erklärlich, dass sich die Furchung eines solchen Eies äusserlich in nichts von der eines gewöhnlichen zu unterscheiden braucht. Die erste Furche ist einfach und regelmässig, die zweiten sind ebenso, der Werth der ersten Theilung ist aber ein anderer, als im gewöhnlichen Falle. Die Erfahrung, dass diejenigen Doppelbildungen, welche, abgesehen von 0 Jahres - Bericht ihrer Verbindung durch den Dotter, vollkommen von einander getrennt sind, bei Weitem die Minderzahl bilden, dass bei den allermeisten Doppelbildungen ein grösserer oder geringerer Theil der hinteren Körper- hälfte einfach ist, zwingt zu der Annahme, dass zwischen den beiden Modi, nach denen die erste Furchung des Eies stattfinden kann, ein Uebergang insofern vorhanden sein muss, als sich in vielen Fällen ein Theil des Kernmaterials eongruent (und zwar immer der für die vordere Hälfte bestimmte), der andere different theilt. Von der duplieitas posterior sehe ich vorläufig ab, weil ich derselben bei meinem Materiale noch nicht begegnet bin. Die ganze Betrachtung liesse sich durch einige Farben- schemata, auf die ich aber hier verziehten muss, sehr leicht viel an- schaulicher machen. Ich will nur noch hervorheben, dass ich so zu ganz derselben Anschauung über die erste Entwiekelung der Doppelbildungen gelangt bin, wie Weissmann in seiner neuesten interessanten Schrift „Ueber die Zahl der Richtungskörper und über ihre Bedeutung für die Vererbung“, Januar 1887 p. 71. 72. Die Eier, welehe primär sich drei- oder vierfach theilen, gehen meiner Erfahrung nach unfehlbar zu Grunde. Ich halte es für wahrscheinlich, dass es sich bei diesen in der That um Ueberbefruchtung handelt, die zwar eine mehrfache Zertheilung des Eies, aber nicht einen doppelten Organismus hervorzurufen im Stande ist. Bei den Froscheiern, bei denen die Zahl der eingedrungenen Spermatozoen an den Pigmentsträngen noch während der Furchung erkennbar ist, hoffe ich das direet nachweisen zu können. Welehes freilich die Umstände sind, welehe ein Ei zu einer eon- gruenten, statt einer differenzirenden ersten Theilung veranlassen, darüber lässt sich bis jezt wenig sagen. Dass diese Umstände in der Constitution des Eies selbst begründet liegen, wird durch die Thatsache wahrschein- lich gemacht, dass es Hecht 9 mit hoher und solcher mit niedriger Procentzahl von Doppelbildungen giebt. Es liesse sich durch weitere Versuche auch entscheiden, ob das eine inhärente Bigens&haft des be- treffenden 2 oder eine der bestimmten Laichperiode eigenthümliche sei. Freilich erfordern all diese und ähnliche sich aufdrängende Fragen durch Jahre hindurch fortgesetzte Untersuchungen. Aber auch über das Wesen des Vorgangs der zu Doppelbildungen führt, lässt sich vielleicht künftig mehr erfahren, wenn man die Thatsache, dass es Hecht © mit der hohen Procentzahl von 3,5 zu Doppelbildungen bestimmten Eiern giebt, berücksichtigt und die Untersuchung von mehreren Hundert solcher Eier nicht scheut, oder wenn man unter den pelagischen Fischarten mit dureh- sichtigen Eiern nach einer Art mit häufigen Doppelbildungen sucht. Hierauf macht derselbe einige kurze Mittheilungen über Definirebenen. der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 91 Sitzung vom 5. August 1887. Die Commission, welche am 29. April e. in Folge eines Vortrags des Herrn Martell „Zur Therapie der Lungentubereulose‘‘ gewählt war, erstattet nachfolgenden Bericht über die Ergebnisse ihrer Ermittelungen: „Die Commission hat sich nach dem ihr vorgeführten Material und aus den von ihr herbeigeholten statistischen Mittheilungen nicht über- zeugen können, dass die von Herrn Dr. Martell geübte Behandlungs- weise der Tubereulose irgend einen besonderen therapeutischen Erfolg gehabt hat; sie muss vielmehr constatiren, dass in vielen Fällen be- stimmter Nachtheil für die Kranken entstanden ist. Die Commission hat ferner die Ueberzeugung gewonnen, dass eine weitere Verfolgung der Angelegenheit zu einem anderen als dem gewonnenen Resultat nicht führen kann und schlägt demgemäss der Section vor, die Angelegenheit ad acta zu legen.“ Hierauf demonstriren die Herren Weinhold und Asch neue Instrumente und Apparate aus der Frauenklinik. Sitzung vom 4. November 1887. Herr Biondi hielt einen Vortrag Ueber die Art der Vermehrung von weissen Blutkörperchen bei Leucaemischen. Abgesehen von der Grösse und Zahl der weissen Blutkörperchen in leucaemischem Blut, vermag noch mehr die Verschiedenheit, welche die Leucocyten in Bezug zu ihren Kernen darbieten in Erstaunen zu setzen. Beim ersten Anblick erscheint eine Orientirung gegenüber einem so ausserordentlichen Formreichthum des Kerns kaum möglich, doch lässt sich bei einer aufmerksamen Prüfung und Zusammenstellung der einander gleichen Form der Eindruck gewinnen, dass trotz der Mannigfaltig- keit eine bestimmte Gesetzmässigkeit in der Formation besteht, und dass alle Formen, wie es scheint, in einem scheinbar genetischen Zu- sammenhang untereinander stehen. Die am häufigsten zu Gesicht kommende Form, welche, wie man wohl sagen kann, der Hälfte aller weissen Blutkörperchen eigen ist, ist die mit einem vollkommen runden und verhältnissmässig kleinen Kern. Eine zweite Form, die im Verhältniss zu der ersten seltner ist, besitzt grösseren und ovalen Kern. In anderen Fällen zeigt der Kern die Gestalt einer Bohne, Niere oder eines Hufeisens. Die zweite erwähnte Form scheint somit plötzlich eine Aenderung durchgemacht zu haben, welche in einer Einbuchtung der einen von beiden breiten Kernseiten besteht, und zwar 99 Jahres - Bericht in der Art, dass die eingebuchtete Seite näher dem Centrum des Zell- leibes liegt. Bei einer vierten Abart von Kernen hat sich immer in dem- selben Sinne die ähnliche Formveränderung vollzogen. Der Kernbogen kann sich so sehr verlängern und auswachsen, dass er in Kreisform er- scheint. Das Hauptinteresse bei dieser Kernform nimmt die Anordnung der chromätischen Substanz in Anspruch. Man beginnt nämlich, während das Protoplasma der Zelle sehr hell ist und die Kernmembran unver- ändert bleibt, eine Verdickung an mehreren Stellen der chromatischen Substanz des Kerns wahrzunehmen. Dementsprechend theilt sich die senannte Substanz gewöhnlich in 2—3, seltner 4—6 Gruppen. Bei einer 5. Kernform beobachtet man in dem von der Kernmembran um- schlossenen Raum vollkommene Bildung von Segmenten aus der chroma- tischen Substanz, zwischen der man lange und helle Strecken achro- matischer Substanz findet. Bei einer sechsten Abart von Leucoeyten findet man inmitten eines durchscheinenden Protoplasma zwei oder mehrere Kerne, von verschiedener Grösse, jede von einer besonderen Membran begrenzt, doch alle durch Brücken von achromatischer Substanz ver- bunden. Wenn man diese Form mit der vorangehenden vergleicht, so wird man keine andere Differenz, ausser der des Verschwindens der Kernmembran wahrnehmen. Dieses Verschwinden findet sich, wie es mir scheint, nicht im ganzen Umfang des Kerns selbst, sondern nur ent- sprechend den verbindenden Zügen zwischen der Masse der chromatischen Substanz. In Folge dessen konnte es scheinen, dass der Tochterkern, welchen das Fragment darstellt, ausser einem mehr oder weniger aus- gedehnten Theile der chromatischen Substanz auch noch einen Theil der Membran des Mutterkerns als Erbstück von demselben erhält. Die siebente Kernform schliesslich unterscheidet sich von dem letzten be- schriebenen durch einen vollkommenen Schwund der achromatischen Sub- stanz. Die einzelnen Kerne sind fast immer rund, haben Kernmembran, Netzstructur und bleiben in dem primitiven Zellprotoplasma, welches mit unbestimmten Conturen und äusserster Durchsichtigkeit seine nahe Auflösung zu erkennen giebt. Aus Gründen, die bei Gelegenheit der ausführlichen Arbeit besprochen werden sollen, scheint es, dass diese verschiedene Kernform der Leucocyten auf einen wahren Theilungs- vorgang der Leucoeyten hindeuten. In Folge dessen wird man wohl für die Theilung der weissen Blutkörperchen fünf Stadien annehmen müssen: 1. Vermehrung der chromatischen Substanz des Kerns in Ruhe. Veränderung der Form des Kerns. Beginn der Spaltung der chromatischen Substanz. Vorgeschrittene Spaltung derselben. Auflösnng der Kernmembran und freiwerden der Tochterkerne. ap wM der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 93 Hierauf spricht Herr F. Röhmann Einiges über die Zusammensetzung des Blutes in verschiedenen Gefäss- provinzen. (Nach Versuchen des Herrn cand. med. Karl Bornstein.) Auf Grund einer Anregung von Herrn Geheimrath Heidenhain sollte die Frage, ob Fett ausser durch die Chylusbahnen auch direkt durch die Pfortaderwurzeln aus dem Darme fortgeführt werde, durch eine vergleichende chemische Analyse des in den Darm ein- und des . aus demselben abfliessenden Blutes zu entscheiden versucht werden. Methode der Untersuchung: Mittelgrosse Hunde wurden, nachdem sie einen, zum Theil auch mehrere Tage vorher gehungert hatten, mit sehr grossen Mengen von Fett, überwiegend Schweinefett, gefüttert. Zur Zeit des Versuches (4.—5. resp. 12.—16. Verdauungs- stunde) befanden sie sich, wie die Injection der Chylusgefässe des Mesenteriums lehrte, in voller Resorption. Die TThiere wurden durch subeutane Morphiumeinspritzung und, wenn nöthig, noch durch Chloroform tief narcotisirt, eine Canüle in die Carotis gelegt, das Abdomen geöffnet und durch eine Milzvene ein langes Glasrohr, das an seinem oberen Ende mit einem durch einen Quetschhahn geschlossenen Gummischlauch versehen war, bis zur Pfortader vorgeschoben. Durch diese Operations- methode wurde Pfortaderblut ohne das Blut aus der Milz erhalten. Zur Fettbestimmung wurden etwa 500 g Alcoh. absol. in einem Kolben abgewogen. In diesen liess man aus der Pfortader bezw. Carotis unter Umschütteln bis zu einer vorher angebrachten Marke annähernd 50 g Blut einfliessen. Die darauf folgende Wägung ergab das genaue Gewicht des abgezapften Blutes, Das Blut blieb unter Alcohol bis zum folgenden Tage stehen, wurde durch Glaswolle filtrirt, das auf dem Triehter bleibende Gerinsel mit 200 ce Aether ausgewaschen. Alcohol und Aether werden auf dem Wasserbade verdunstet. Der Aetherrückstand wurde mit Aether aufgenommen, wobei Salze (Chloride, Phosphate und Sulfate), sowie Zucker ungelöst zurückblieben, die ätherische Lösung in ein Erlenmeyer’sches Kölbehen gebracht. Dieses wird an dem Soxhlet’schen Apparat befestigt, welcher den gesammten Blutrückstand nach dem Trocknen auf dem Wasserbade und sorgfältigen Zerreiben in der Porzellanschale behufs vollkommener Erschöpfung mit Aether auf- nahm. Nach drei- bis vierstündiger Extraction wurde der Aether ver- ' dunstet, der im Kölbehen bleibende Rückstand im Wasserbade eine Zeit lang getrocknet, mit wasserfreiem Aether aufgenommen, in ein kleines gewogenes Becherglas filtrirt, der Aether wieder verdunstet und das Zurückbleibende eine halbe Stunde bei 100° ©. getrocknet. Nach dem Abkühlen über Chlorealeium ward Becherglas nebst Fettinhalt gewogen. — Beide Blutportionen wurden stets nebeneinander in absolut gleicher 94 Jahres - Bericht Weise verarbeitet. — Das Resultat der Versuche ergiebt sich aus folgender Tabelle. Trocken- Fettgehalt | Fettgehalt = 3 in 100 No. en ae een Bemerkungen. 0 sammtblut ; Pfort- Carotis. |Pfortader,| Carotis. .|Pfortader. Garotis.| der. a a ns rk II. | 25,10 | 24,93 | 0,894 | 0,857 | 3,56 | 3,57 | 12.—16. Verdauungs- II. | 22,17 | 22,68| 0,697 | 0,684 | 3,15 | 3,02 stunde. IV. 19.56 72050), 0 = —_— | — V. | 22,52 | 23.251 0,953 0,850 | 4,23 | 3,66 1. 0200 | Bea — 1 I — —_ ee — VIIL| 16,14 | 15,58] 0,780 | 0,880 | 4,83| 5,65|| , . werd IX. | 20,87 | 21,03] 0,711 | 0,696 | 3,41 | 3,31 a Aral x 1.20.58 2252) 0504 0.54| 2,50 053 u X 172959) 22 621] 08060. 0650 a2 Sieht man von Versuch VII, in welchem noch während des Auf- fangens des Blutes Gerinnung in der in der Milzvene liegenden Canüle eintrat, sowie von Versuch VIII, in welchem sich ein ganz abnorm geringer, vermuthlich mit irgend einem Fehler der Versuchsanordnung (zu tiefe Narkose?) in Zusammenhang stehender Trockenrückstand in Carotis und Pfortader fand, ab, so ergiebt sich als überraschender Befund: dass mehr Fett in der Carotis als in der Pfortader vorhandenist. Die gestellte Frage, ob Fett ausser durch die Chylus- gefässe auch durch die Pfortaderwurzeln resorbirt wird, lässt sich demnach durch Bestimmung des Fettgehaltes im Blute nieht entscheiden. Die gemachten Beobachtungen gaben aber die Veranlassung zu unter- suchen, ob in ähnlicher Weise wie der Darm auch andere Organe die Fähigkeit besitzen, einen Theil des im Blutstrome zugeführten Fettes zurückzuhalten resp. zu zerstören. Es wurde in einer Reihe von Fällen der Fettgehalt im Blute der Art. carotis mit dem der Vena cava inf. verglichen, ferner der Fett- gehalt in art. und vena femoralis, sowie im rechten Herzen bestimmt. Die an sich noch nicht zahlreichen Versuche, die demnächst weiter geführt werden sollen, wiesen darauf hin, dass nieht nur in der Darm- ' wand, sondern auch in den anderen Organen dem eintretenden Blut eine ERBEN Menge Fett entzogen wird. Die Bestimmung des Gesammt-Trocekenr bekam ergab, dass derselbe in der Pfortader grösser als in der Carotis, in der Vena femoralis grösser als in der Art. femoralis, in der Vena cava inf. grösser als in der Carotis ist. Auch auf die Erklärung dieser Beobachtungen hofft der Vortragende später zurückzukommen, der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 95 Sitzung vom 25. November 1837. Herr Rosenfeld hält einen Vortrag Ueber die Diagnose des Diabetes. Vortragender hebt hervor, dass bei der häufigen Zweifelhaftigkeit der Zuckerproben zwei Fragen zu beantworten sind, erstens, ob Zucker sieb in dem zu untersuchenden Harn vorfindet, zweitens, ob mit dem Nachweis kleiner Mengen Zuckers wirklich etwas Pathologisches erkannt worden sei. Bei Besprechung der ersten Frage weist der Vortragende darauf hin, dass die Häufigkeit zweifel- hafter Reactionen auf der Verwendung unpraktischer, für den Speeialfall wenig geeigneter Proben beruht. Zwar wäre es gleichgiltig, mit welcher Probe man bei 5 °/, Zucker den Nachweis desselben versuchte, um aber Mengen unter '/, %, nachzuweisen, dazu seien die Reactionen häufig nicht scharf genug, noch gäbe ihr positiver Ausfall eine genügende Sicherheit. In diesen beiden Beziehungen der Schärfe und Sicherheit unterzieht V. fast sämmtliche Zuckerproben der Untersuchung. Die Kaliprobe nach Heller ist einfach und nach Eintritt voll- ständiger Braunfärbung durchaus sicher. Dagegen tritt diese Braun- färbung bei Harn mit weniger als 1 °, Zucker schon nicht mehr deutlich auf, und nur 0,5 °%, ige Zuckerharne lassen sich nicht mehr vom gesunden unterscheiden. Die Trommer’sche Probe ist,*wie allgemein bekannt, nur be- weisend, wenn eine Ausfüllung von Kupferoxydul noch vor dem Kochen oder bei Beginn des Kochens reichlich erfolgt. Reductionen des Kupfer- oxyduls nach dem Kochen geben ea. 60%, der Harne,. Der oben eıwähnte klassische Ausfall der Probe tritt aber nur bei einem Zucker- gehalt von 0,25 %/, ein. Bei geringerem Zuckergehalt finden sich nur Reduetionen, die schwer oder gar nicht von der vieler normalen Harne zu unterscheiden sind. Die Probe mit der Feling’schen Lösung hat zwar kaum eine höhere Empfindlichkeit, giebt aber seltener die auffallenden Nach- reductionen, Hierbei ist noch die leichte Zersetzlichkeit derFehling’schen Lösung störend. Die kalte Modifieation der Probe mit Fehling’scher Lösung ist durch lange Dauer umständlich, ergiebt zwar etwas bessere Resultate in Bezug auf Schärfe, hat aber die Unsicherheit der Reduetions- probe überhaupt und ist ihrer langen Dauer wegen für die Praxis nicht zu verwenden, Die von Seegen angegebene Methode des Kohlenverfahrens, wobei der Harn auf gut wirksame Knochenkohle gegossen, das Filtrat aufgefangen wird und auch die Waschwässer der Kohle untersucht 98 Jahres - Bericht werden, ergiebt zwar auch eine Empfindlichkeit bis zu 0,1 %, Zucker, kann aber ebenfalls Anspruch auf grössere Sicherheit nicht machen. Die von Rubner angegebene Reaction mit Bleiacetat und Ammoniak hat eine Empfindlichkeit bis zu 0,1 %,, ist etwas um- ständlich, aber anscheinend ziemlich sicher. Die von Molisch angegebenen Reactionen mit eh und Schwefelsäure und Thymol und Schwefelsäure sind sehr gefällige, aber ziemlich unsichere Reactionen mit einer Empfindlichkeit bis höchstens 0,05 %,. Re Die Probe mit Pikrinsäure und Kalilauge nach nen. hat eine Empfindlichkeit bis zu 0,25 %,, ist aber an und für sich unsicher und in den Grenzreaetionen um so schlechter zu beurtheilen, als die beiden Reagentien Pikrinsäure und Kalilauge allein schon eine Röthung ergeben, wie sie ähnlich die Zucker-Reaction schärfer hervorruft. Die Probe mit Diazobenzolsulfosäure nach Pentzold hat eine Empfindlichkeit bis 0,05 °%,, ist aber mehrdeutig, dauert ungefähr eine Viertelstunde. Ein hinzukommender Nachtheil ist die Explosions- fähigkeit des Reagens. Agertim’s Reaction mit Goldcehlorid un Kalilauge — 5 Tropfen Urin, 5 Tropfen Y, procentiges Goldehlorid und 3 Tropfen 20procentige Kalilauge, leicht erwärmt, geben eine rothe Färbung — hat eine ganz immense Empfindlichkeit, die wir bis '/;,, %, verfolgt haben, ist aber naturgemäss bei der leichten Zersetzlichkeit des Gold- chlorids nicht sicher. P Böttcher’ a welche in der Form anzustellen ist, dass der Harn mit kohlensaurem Natron in Substanz zu sättigen ist, worauf erst eine Taschenmesserspitze Wismuth hinzugefügt und ca.2—3 Minuten erwärmt wird, hat eine Empfindlichkeit 0,1—0,125 °/,, wird nicht beeinflusst von den gewöhnlichen redueirenden Substanzen des Harns, auch von einem ziemlich reichlichen Eiweissgehalt nicht gestört und ist als die beste der Reducetionsproben zu bezeichnen. Gleichwohl ist sie bezüglich ihrer absoluten Beweiskraft mit der Un- sicherheit behaftet, wie Reductionsproben überhaupt, da diese ja nur im Stande sind, eine redueirende Substanz nachzuweisen, welche nicht noth- wendig Zucker zu sein braucht. Die im Rufe grosser Sicherheit und Empfindlichkeit stehende Gährungsprobe beurtheilt der V. ganz im Sinne der Einhorn’schen Arbeit, Virchows Archiv, Bd. 102. Man muss erst die absorbirte Luft aus dem Harn heraustreiben, den erkalteten Harn dann mit Hefe versetzen. Wenn man auch so 0,05 °, Zucker nachweisen kann, so wird man immer zweifelhaft sein können, weil immer das Control- gläschen eine kleine Luftblase aufweisen wird. Nach Erfahrungen des V. ist diese Luftblase, welche der Selbstvergährung der Hefe ange- der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 97 hört, zu vermeiden, wenn man die Gährungsprobe nicht über - 6 Stunden ausdehnt. Gleichwohl wird einer ganz kleinen Luftblase immerhin der Zweifel anhaften, ob sie nicht doch von der Selbstver- gährung hervorgerufen sein könnte. Letztere vermochte V. auszuschalten, indem er statt der gewöhnlichen Presshefe Reinculturen einer der auf saurem Zucker-Agar wachsenden Hefen, nachdem diese auf Kar- toffeln übertragen war, verwendete. Die Empfindlichkeit der Gährungs- probe in dieser Form übersteigt nicht 0,05 /, und ist schwankend in ihrer Wirksamkeit, da mitunter die Gährung überhaupt ausbleibt, die ungebeure Mühe und lange Dauer der Reaction gestaltet das Verfahren zu einem praktisch schlecht verwerthbaren. Die von Worm-Müller und Rosenbach angegebene Combi- nation der Gährungsprobe und Reductionsprobe, darauf be- ruhend, dass eine Reduction, welche von Traubenzucker ver- anlasst ist, verschwinden muss, wenn man den Trauben- zucker durch Gährung zerstört, ist für minimale Zuckerwerthe nicht vollständig sicher. Erstens giebt es Harne, welche, vorher reductions- frei, nach der Gährung Reductionen ergeben. Zweitens lässt sich in den Harnen, welche Unterschiede in der Reaction vor und nach der Gährung zeigten, nicht mit Sicherheit mit anderen Methoden Zucker nachweisen, Das von Fischer gefundene, von Jacksch für den Harn ange- wandte Phenylhydracin ist dagegen, da es Kıystalle von Phenyl- glycosazon, deren Schmelzpunkt bestimmbar ist, producirt, von ausser- ordentlicher Schärfe, bis zu 0,03 und 0,025 °/, und selbst ohne Schmelzpunkt-Bestimmung von annähernd vollendeter Sicherheit, Nun entstand die Frage, ob mit Erkennung von Zuckerin Spuren mit dieser Probe etwas Pathologisches nachgewiesen wäre. V. giebt einen Ueberblick über den Meinungsstreit in der Frage der normalen Glycosurie. Bas Phenylhydraein könne das Bestehen einer normalen Glycosurie unterstützen, denn bei etwa 17 Y, gesunder Menschen hat Vortragender Phenylglycosacon-Krystalle im Harn gefunden. Um nun zu erkennen, ob im fraglichen Falle Diabetes vorliegt, ist somit der Nachweis von Zucker in kleinen Mengen nicht ausreichend, und V. hat die von Worm-Müller angegebenen Unter- schiede im Verhalten gesunder und diabetischer Personen nach Verab- reichung gewisser Kohlehydrate herangezogen. Es ist aber nicht gleichgiltig, welches Kohlehydrat gegeben wird. Stärke erscheint beim gesunden Menschen nicht im Harn, Rohrzueker dagegen erscheint wenn überhaupt, dann als Traubenzucker im Harn, entgegen der Worm-Müller’schen Ansicht. Somit ist das zweckmässigste dia- gnostisch verwerthbare Kohlehydrat Weissbrot, welches aber in grosser Menge Morgens nüchtern genossen werden muss. 1887. 7 Jahres - Bericht de [0 2) Es sind zwei Gruppen ganz gesunder Menschen untersucht worden, solche, die niemals auch nur Spuren von Zucker im Harn aufwiesen, und solche, die ab und zu Zuckerspuren mit Phenyl- hydraein nachweisbar im Harn zeigten. Beide Gruppen wiesen nach Verabreichung von 160 gr. Weissbrot nicht die geringste Steigerung ihres Zuckergehalts auf. Dagegen zeigt V. an einem ganz frischen Falle von Diabetes, dass der Harn, welcher vorher absolut frei von Zucker ist, nach Genuss von 160 gr. Weissbrot 1,3 gr. Zucker enthält. Solche geringe Ausscheidungen von Zucker verlangten eben die Verabreichung von viel, wenigstens 160 gr. Weissbrot. Mit Hilfe der Untersuchung des Harns nach derartigem Weissbrotgenuss durch die gewöhn- lichen und gröberen Reactionen könne mit Sicherheit das Bestehen von Diabetes erkannt werden. Sitzung vom 9. December 1837. Herr Heidenhain macht Mittheilungen über Versuche, die er zur Physiologie der Schleimhäute des Dünndarms im hiesigen physiologischen Institute angestellt hat. Die Mittheilung der Ergebnisse dieser Versuche folgt, sobald dieselben abgeschlossen sind. Bei der hierauf stattfindenden Wahl der Secretäre wurden die bis- herigen Secretäre wieder gewählt. Sitzung vom 15. December 1887. Herr Fischer stellt im Hörsaal der kgl. chirurgischen Klinik im Allerheiligenhospital zunächst eine Frau vor, bei welcher er wegen einer am Nabel durchgebrochenen eareinomätösen Geschwulst eine handteller- grosse Partie vom Fundus des Magens bis zum Duodenum und ein finger- langes Stück des Colon transversum mit Erfolg reseecirt hatte, Danach berichtete er über einige Fälle von Ileus, hervorgerufen durch im Darme incarcerirte grosse Gallensteine, unter Demonstrirung eines solchen, sowie über Perityphlitis in Folge von Kothsteinen. Nächstdem wurde ein junger, halberwachsener Mensch vorgestellt, der sich durch Laugenätzung einen narbigen Verschluss der Speiseröhre zugezogen und aufs Aeusserste abgemagert war, da er nur noch vom Mastdarm her ernährt werden konnte. Es wurde ihm daher eine Magen- fistel angelegt, welche nicht nur eine rasche Besserung der Ernährung zur Folge hatte, sondern auch bald ein erfolgreiches Bougiren der Strietur von oben her ermöglichte. ER Bericht über die Thätigkeit der Section für öffentliche Gesundheitspflege im Jahre 1887, erstattet von den Herren Geh. Medieinalrath Prof. Dr. Biermer, Geh. Medieinalrath Prof. Dr. Förster und Königl. Bezirks-Physicus Privat-Docent Dr. Jacobi zeitigen Secretairen der Section. In der ersten Sitzung vom 18. November sprach Herr Dr. Simm Ueber Schulhygiene bei epidemischen Erkrankungen. Der Vortragende theilt einen Fall mit, in welchem die Meldung von Scharlachfieber in einem auch zu Schulzwecken dienenden Wohngebäude erst so spät zur Kenntniss des zuständigen Sanitätsbeamten gekommen ist, dass für die Zukunft eine Aenderung des Meldewesens in dieser Richtung nothwendig erscheine. Die Versammlung beschliesst auf den Antrag des Herrn Professor Dr. H. Cohn, sämmtliche Aerzte der Stadt Breslau zu ersuchen, Fälle von Scharlach und von Diphtheritis in Häusern, in welchen sich Schulen befinden, sofort dem zuständigen Polizei-Physieus schriftlich anzuzeigen. In der zweiten Sitzung vom 16. December theilt Herr Geh. Medicinalrath Prof. Dr. Förster mit, dass er jetzt in seiner Klinik ein Prismen-System zur besseren Beleuchtung eines Zimmers habe anbringen lassen, welches sich im Rahmen an der obersten Fensterscheibe befinde X 100 Jahres - Bericht und auf sonst dunkle Plätze Himmelslicht gelangen lasse. Die Kosten für die Einrichtung an einem Fenster betragen zur Zeit noch 150 Mark. Sodann bringt Herr Prof. Dr. H. Cohn Notizen über Schulhygiene in Constantinopel. Schliesslich erfolgt die Wahl der Secretaire für die nächste Etats- periode. Es werden die bisherigen Seeretaire wiedergewählt. III. Bericht über die Thätigkeit der naturwissenschaftlichen Section der Schlesischen Gesellschaft im Jahre 1887 erstattet von Herrn Geh. Bergratli Prof. Dr. Römer und Herrn Geh. Regierungsrath Prof. Dr. Poleck, zeitigen Secretairen der Section. I. Physik und Chemie. Sitzung am 12. Januar 1887. Der Assistent am pharmaceutischen Institut Herr Dr. Kassner theilte die Resultate seiner Untersuchung des Lactucerins mit. Die Firma Gehe & Co. in Dresden hatte im Laufe des Jahres 1885 Herrn Professor Poleck eine grössere Quantität der in Benzin löslichen Bestandtheile des deutschen Lactucariums zur Verfügung gestellt, welche dadurch erhalten worden waren, dass man den eingetrockneten rohen Milchsaft von Lactura virosa L. zur Entfernung der medieinisch unwirk- samen Bestandtheile bis zur Erschöpfung mit Benzin behandelt hatte. Der Rückstand dieses Benzin-Auszuges war reich an Kautschuk, enthielt aber neben diesem das 1844 von Thieme entdeckte Lactucerin in nicht unbe- trächtlicher Menge. Um das reine Lactucerin darzustellen, wurde dieser Rückstand wieder- holt mit Alkohol ausgekocht und die abgeschiedenen gelben Krystalle in Aether gelöst. Diese Lösung wurde mit wässeriger Kalilauge geschüttelt, die klare ätherische Schicht abgehoben, filtrirt und mit Weingeist ver- mischt, bis eine geringe bräunliche Trübung entstand, welche abfiltrirt wurde, worauf dann aus dem Filtrat das Lactucerin durch Wasser in 102 Jahres-Bericht schneeweissen mikroskopischen Nadeln gefüllt wurde. Der Schmelzpunkt der’ wiederholt umkrystallisirten Substanz lag bei 210°. Im Kohlensäure- strom war es etwas flüchtig und die so erhaltenen weissen Blättchen schmolzen bei 210° C. Die Elementar-Analyse führte zu nachstehender Zusammensetzung in 100 Theilen: gefunden | berechnet für 1. N. Mittel end & SO 80,24 80,58 81,06. H. 11,00 11,13 11,06 10,67. 0. 8,08) 8,63 8,36 8,37. 100,00 100,00 100,00 100,00. Durch Schmelzen des Lactucerins mit Kaliumhydroxyd wurde stets ein Körper erhalten, welcher bei 160-—162° C. schmolz, mochte das Lactucerin vorher möglichst gereinigt oder noch ziemlich roh dieser Operation unter- worfen worden sein. Sowohl die ersten, wie die letzten aus dem wein- geistigen Auszuge der Kalischmelze erhaltenen Krystalle zeigten denselben Schmelzpunkt, so dass ich das Reactionsproduct, abgesehen von dem darin enthaltenen Kaliumhydroxyd und Kaliumacetat, als einen völlig einheitlichen Körper auffassen musste. Er wurde rein dargestellt, indem die Kalischmelze so lange mit Wasser ausgelaugt wurde, als dieses noch etwas löste uud die Lösung alkalisch reagirte, dann wurde der getrocknete Rückstand in Aether gelöst und die Lösung nach Zusatz von Alkohol mit wenig Wasser vermischt. Auf diese Weise wurden lange verfilzte Krystallnadeln erhalten, welche wiederholt aus Alkohol umkrystallisirt wurden. Sie besassen stets den Schmelzpunkt 160-—162°. ; Zu 100 Theilen wurden gefunden berechnet für 1. 1. ml. G5:5,0 C. 81,00 81,03 81,01 81,24. Ha 10,70 10,62 10,67 10,41. 0: 2823 8,35 8,32 8,35. 100,00 100,00 100,00 100,00. Durch Behandlung dieses alkoholartigen Körpers mit Essigsäureanhydrid wurde sein Essigsäureester dargestellt, welcher durch Umkrystallisiren aus Alkohol in rein weissen warzenförmigen Krystallen vom Schmelzpunkt 198—200° erhalten wurde. Seine Zusammensetzung entsprach der Formel C,; Bis OBIELCEL gefunden berechnet für I. M. im Mittel obige Formel GC. 77,59 76,96 177,27 77,00. FH. 40,57 9,13 9,65 9,40, 0. — — — 13,60. re —— 100,00. der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 103 Dieser Essigäther ist unlöslich in Wasser, er wird nur von heissem Alkohol in ziemlicher Menge aufgenommen, sehr leicht aber von Aether, Chloroform und Schwefelkohlenstoff. Dieser Aether sowohl, wie der Lac- tucerylalkohol drehen die Ebene des polarisirten Lichts nach rechts und der erstere in 100 mm langer Röhre 3° 40‘, der letztere 2° 3°. In beiden Fällen war 0,5 gr Substanz in 10 cc Chloroform gelöst. Wenn wir die gegenwärtig erhaltenen, so wie die früheren Resultate von Lenoir und Hesse mit der eben festgestellten Formel des Lactuceryl- Alkohols vom Schmelzpunkt 160 — 162° — er soll im weiteren Verlauf Laetucol genannt werden — vergleichen, so stellt sich heraus, dass die Formel des Lactucerins nach Abzug der Essigsäure fast genau das Doppelte von jener des Laetucols sein würde. Wenn wie beim Schmelzen des Lactucerins mit Kaliumhydroxyd eine Änlagerung von Wasser annehmen, so würde dieser Prozess durch nachstehende Gleichung ausgedrückt werden: " &%sH,, % + 2H,0 = CH, COOH —+ C,,H,, OH -+ GC, ,H,, OH + 2H,. Dieses Auftreten von Wasserstoff würde in der That bei dem Schmelzen des gereinigten Lactucerins mit Kaliumhydroxyd nachgewiesen. Alle diese Thatsachen sprechen dafür, dass das Molekulargewicht des Laetucerins grösser ist, als Hesse‘) es in der Formel (G,,H,, 0, annimmt, - und ferner dafür, dass das Lactucerin (C,;H,,0, beim Schmelzen mit Kali in essigsaures Kalium und in 2 Molekule Lactucol zerlegt wird, Sitzung am 16. Februar 1887. Herr Geheimrath Professor Dr. Poleck sprach über Zucker, Formose, Saccharin und analoge Stoffe. Er leitete seinen Vortrag mit der Bemerkung ein, dass die wissen- schaftlichen chemischen Arbeiten der Gegenwart sich vorwiegend mit dem Aufbau chemischer Verbindungen aus einfacheren, beziehungsweise aus den chemischen Elementen beschäftigen, und dass es stets als ein glänzender Erfolg angesehen werde, wenn es gelingt, eine im Lebensprocess der Pflanzen und Thiere entstandene Verbindung auch künstlich, ohne Mit- wirkung der Organismen darzustellen. Waren vor Mitte unseres Jahr- hunderts nur einzelne Fälle eines derartigen Aufbaues bekannt, so mehrten sich dieselben von Jahr zu Jahr. Die chemische Synthese beherrscht jetzt fast alle Arbeiten, und die Probleme der künstlichen Darstellung der Kohlenhydrate, der Alkaloide, wie Chinin, Morphin, der Farbstoffe der Pflanzen ete. stehen in erster Linie. Bei diesen Erfolgen hat man zu unterscheiden, ob die im Laboratorium dargestellten Körper identisch mit den Naturprodueten sind, wie dies bei den Farbstoffen des Krapps, dem *) Annal. d. Chemie, Bd. 234 5. 243. 104 Jahres-Bericht Alizarin und Purpurin, ferner dem Indigo, Vanillin etc. der Fall ist, oder ob sie bei gleicher Zusammensetzung ihnen nur in den chemischen Eigen- schaften gleichen, wie dies bei der künstlich dargestellten Aepfelsäure, Weinsäure etc. stattfindet, deren Lösungen die Fähigkeit abgeht, den polari- sirten Lichtstrahl abzulenken, während die Naturproducte sie besitzen; oder endlich den Fall, wo der Körper nur in einer hervorstechenden Eigen- schaft dem Naturproduct gleicht, ohne dessen Zusammensetzung und chemisches Verhalten zu besitzen, wie bei dem gegenwärtig vielgenannten Saecharin. Dieses theilt mit dem Rohrzucker nur den intensiv süssen Geschmack, während ihm die analoge Zusammensetzung und alle übrigen Eigenschaften desselben fehlen. Anders verhält es sich mit der süssschmeckenden Formose, welche durch CGondensation des Methylaldehyds, eine der einfachsten chemischen Verbindungen, entstanden, in der That bezüglich ihrer Zusammensetzung und in vielen Eigenschaften dem Fruchtzucker, der Levulose gleicht, ohne jedoch wie diese den polarisirten Lichtstrahl abzulenken und gährungs- fähig zu sein. Oscar Löw') in München hat uns mit diesem interessanten Körper bekannt gemacht und sein chemisches Verhalten studirt. Er baut sich aus der einfachten chemischen Verbindung, dem Formaldehyd (Ameisensäure- aldehyd) CH,O durch Polymerisirung auf. Es entsteht zuerst die drei- fache Molekel, C,H,O, das Trimethylenoxyd und aus diesem durch noch- malige Verdoppelung der Molekel das Hexamethylenoxyd, die Formose. Die Darstellung des Trimethylenoxyds nach der Methode von Löw und ihr chemisches Verhalten wurde der Section experimentell vorgeführt. Ein starker, durch eine Wasserluftpumpe unterhaltener Luftstrom geht zuerst durch concentrirte Schwefelsäure, dann in eine, zur Hälfte mit reinem Holzgeist, Methylalkohol, gefüllte Flasche. Das Luftführungsrohr darf nicht eintauchen, sondern mündet über der Oberfläche des Alkohols, welcher zweckmässig auf 30 — 40°, aber nicht höher erhitzt wird. Mit Methylalkoholdampf beladen gelangt der Luftstrom in ein schwer schmelz- bares Glasrohr von circa 30 cm Länge, in welcher sich ein 5 cm langer, aus Kupferdrahtnetz gewundener Cylinder befindet, hierauf in eine 300 bis 400 ce fassende leere Vorlage und aus dieser endlich durch zwei zur Hälfte mit Wasser gefüllte Flaschen. An der Stelle, wo sich das Kupfer- drahtnetz befindet, ist das Glasrohr mit einem Messingdrahtnetz umgeben und wird hier mit einer Flamme mässig erhitzt. Es tritt im Innern so- fort lebhaftes Glühen ein, wenn der Alkoholdampf das Kupferdrahtnetz berührt und sobald die Operation im Gange ist, bedarf es dieser äusseren Erhitzung nicht mehr. Das glühende Kupfer wirkt als Sauerstoffüberträger ‘) Journal f. praktische Chemie, 1886. 33. Bd. S. 321. der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 105 und dieser oxydirt den Methylalkohol zunächst zu der gasförmigen Ver- bindung CH,O, welche sich dann sofort zu C,H, 0, Trimethylenoxyd polymerisirt und sich zum Theil in der leeren Flasche als farblose Flüssig- keit verdichtet, theils in dem Wasser der beiden darauffolgenden Flaschen sich auflöst. Es ist sehr wahrscheinlich, dass das Trimethylenoxyd im Wasser als ein Glycol sich löst, welches dann beim Abdampfen Wasser abspaltet. Man kann die Menge des in Lösung gelangten Formal- dehyds durch Ueberführung in Hexamethylentetramin bestimmen, indem man die Lösung mit kohlensaurem Ammon im Wasserbade abdampft. Man erhält blendend weisse Krystalle C,H,,N,, welche intensiv süss schmecken. Die Condensation zu Formose findet durch Caleiumhydroxyd bei ge- wöhnlicher Temperatur statt. Man verdünnt die Formaldehydlösung so weit, dass sie nur 3—4 pÜt. dieses Körpers enthält, lässt sie dann mit etwas überschüssiger Kalkmilch unter häufgem Umschütteln eine halbe Stunde stehen und filtrirt. Das Filtrat muss mit Caleiumhydroxyd nahezu oder ganz gesättigt sein. Man erkennt den Fortgang der Condensation an der zunehmenden Schnelligkeit der Reduction der alkalischen Kupferlösung. Ist der stechende Geruch des Formaldehyds verschwunden, dann wird mit Oxalsäure neutralisirt und das Filtrat zum dünnen Syrup eingedampft, dieser mit dem gleichen Volumen starken Alkohol vermischt, wodurch der grösste Theil des gleichzeitig entstandenen ameisensauren Kalks heraus- krystallisirt. Das Filtrat wird nun zum dicken Syrup eingeengt, in dem mehrfachen Volumen Alkohol gelöst und dann Aether zugesetzt, wobei die Formose als zähe Masse ausfüllt. Die Formose, C,H,,0,, schmeckt intensiv süss, an Rohrzucker er- innernd, sie reagirt neutral und krystallisirt nicht. Im nahezu wasser- freien Zustande ist sie in absoluten Alkohol wenig, in Aether nicht löslich. Ihre Reductionsfähigkeit ist °/,, der Dextrose, sie ist optisch inactiv. Wird die Formose bei 120° so lange erhitzt, bis Gewichtsconstanz eintritt, so verliert sie eine Molekel Wasser und nimmt einen intensiv bitteren Geschmack an. Bei 150° geht dieser Process sehr rasch vor sich, Es entsteht das von - Tollens entdeckte Methylenitan, C,H,,0,;; welches, wie es scheint, nicht mehr in Formose zurückzuführen ist. Durch zweiprocentige Schwefelsäure büsst die Formose ihre Reductions- fähigkeit ein, concentrirte Salzsäure bildet beim Erwärmen Huminsubstanzen, wie bei Leonlose und Rohrzucker. Gegen Alkalien ist sie empfindlicher wie Dextrose, sie bräunt sich mit ihnen in der Kälte und das Reductions- vermögen verschwindet. Sie verhindert die Fällung des Kupferhydroxyds durch Kaliumhydroxyd und reducirt schon in der Kälte Kupferoxyd und ammoniakalische Silberlösung. Aus Gold- und Palladiumchlorid, sowie aus Kaliumquecksilberjodid werden die Metalle abgeschieden, basisches Wismutnitrat bei Gegenwart von Natriumcarbonat geschwärzt, Ferrid- 106 Jahres - Bericht cyankalium und Eisenchlorid bei Gegenwart von Alkalı reducirt, ebenso Kaliumpermanganat und indigschwefelsaures Natrium. i Mit Essigsäureanhydrid im zugeschmolzenen Rohr bei 100° einige Stunden erwärmt, entsteht Monacet- und Triacetformose, welche sehr bitter schmecken. Bei Behandlung mit Salpetersäure entsteht Oxalsäure, aber keine Schleimsäure und, wie es scheint, auch keine Zuckersäure, und mit nas- cirendem Wasserstoff weder Mannit noch Duleit, sondern syrupöse, schwer zu charakterisirende Körper. Die Formose wird durch Hefe nicht in Gährung versetzt, wohl aber liefert sie durch Spaltpilze Milchsäure und auch kleine Mengen Bern- steinsäure. Während die Formose in der That nach ihrer Zusammensetzung, C,H,,0,, und ihrem chemischen Verhalten den Kohlenhydraten und unter diesen der Zuckergruppe zuzuzählen ist, verdankt das Saccharin nur seinem intensiv süssen Geschmack diesen Namen. Dieser Körper wird auf einem umständlichen Wege aus dem Toluol des Steinkohlentheers gewonnen. Toluol wird mit concentrirter Schwefelsäure bei einer Temperatur, - welche 100° nicht übersteigen darf, in seine Sulfosäuren übergeführt. Diese werden zunächst in das Caleium- und dann in das Natriumsalz ver- wandelt und das letztere mit Phosphorchlorid, PCl,, gemischt und unter beständigem Umrühren ein Chlorstrom über das Gemisch geleitet. Nach Beendigung der Umsetzung wird das entstandene Phosphoroxychlorid, POCI,, abdestillirt und das Gemisch der Chloride stark abgekühlt. Das Paratoluolsulfochlorid krystallisirt aus, die Orthoverbindung bleibt flüssig und wird durch ÖOentrifugen abgesondert. Diese letztere Verbindung wird durch trockenes Ammoniakgas oder durch Mischen mit Ammoncarbonat in das Orthotoluolsulfamid übergeführt, welches bei seiner Schwerlöslichkeit in Wasser vom Salmiak durch Auswaschen befreit wird. Durch Oxydation mit stark verdünnter Kaliumpermanganatlösung, wobei die Flüssigkeit be- ständig neutral erhalten werden muss, wird das Amid in die Sulfamin- benzoesäure übergeführt, welche bei ihrer Abscheidung aus dem Kalium- co NH, Benzoe- salz das Anhydrid dieser Säure, das Saccharin C,H, Ian 2 säuresulfinid bildet. Das Saccharin, welches in srösseren Quantitäten vorgelegt wurde, ist ein weisses krystallinisches, in Wasser schwer lösliches Pulver, ein Theil in 220—230 Theilen Wasser von 25° C., welches in den kleinsten Mengen intensiv süss schmeckt. Die Lösung von einem Theil Saccharin in 70000 Theilen Wasser besitzt dieselbe Süssigkeit, wie eine Lösung von einem Theil Rohrzucker in 250 gr Wasser. Es ist daher 280 Mal süsser, als der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 107 der letztere, und theilt diese Süssigkeit auch anderen Stoffen mit. Eine Mischung von einem Theil Saccharin mit 2000 Theilen Stärkezucker gleicht vollständig dem Rohrzucker. Da durch directe Versuche im physiologischen Institut zu Turin und in den Universitäts-Kliniken von Berlin, Heidelberg u. s. w. die Unschäd- lichkeit des Saccharins in denjenigen Quantitäten, in denen es der Nahrung als Süssstoff beigemengt wird, festgestellt und gleichzeitig gefunden wurde, dass es seiner Abstammung von der Benzoesäure, wenn auch nur schwache, antiseptische Eigenschaften verdankt, so wird es bei seiner enormen Süssig- keit vielfache Verwendung finden. Das Saecharin ist kein Kohlenhydrat und keine Zuckerart, denn es enthält Stickstoff und Schwefel, es ist ein indifferentes Genussmittel, einen Nährwerth besitzt es nicht, auch kann es nicht als Arzneimittel angesprochen werden, dagegen hat es den Diabetikern, in deren Diät alle Kohlenhydrate, Zucker, Stärkemehl u. s. w. ausgeschlossen werden, wiederum den Genuss süsser Speisen verschafft. Hier ist es mit Erfolg angewandt worden. Herr Geheimer Bergrath Althans berichtete über physikalische Versuche an einem Gasometer der hiesigen Gasanstalt behufs Aufklärung einiger dunkler Punkte auf aerodynamischem und meteorologischem Gebiete. Diese Versuche erfolgten im Auftrage der Preussischen Schlagwetter- Commission und mit Genehmigung des Herrn Ministers der öffentlichen Arbeiten im Herbst der Jahre 1884 und 1885. Ihre Ausführung in einem zweckentsprechend grossen Maassstabe wurde durch die thatkräftige Be- theiligung der städtischen Gas- und Wasserwerks-Verwaltung an dem Unter- nehmen ermöglicht. Die Schwierigkeiten gleichzeitiger Messung der aus dem Gasometer ausströmenden Luftmenge in deren Rauminhalt und in deren Wirkung auf die zur Beobachtung der Windstärke dienenden In- strumente, Anemometer und Pitotröhre, wurden durch Verwendung elektro- magnetischer Apparate nach neuer Methode sehr glücklich überwunden. Die Ergebnisse sind in wissenschaftlicher Hinsicht von nicht zu unter- schätzender Bedeutung, nicht allein zur Beurtheilung mehrerer bis dahin unaufgeklärter Fragen der Wetterversorgung (Ventilation) von Bergwerken, sondern auch zur Berichtigung irrthümlicher Voraussetzungen der Wetter- kunde (Meteorologie). Redner wies die Vorzüge der von dem Civil-Ingenieur C. Kley in Bonn verbesserten Verwendung der bis dahin vernachlässigten Pitotröhre zur Messung starker Luftströme in Gascanälen und in der Atmo- sphäre, besonders der Intensität der Windstösse bei Stürmen, gegenüber den bis dahin gebräuchlichen Instrumenten nach. Nach seinen Beob- achtungen stellt sich die überraschende, von französischen Berg-Ingenieuren bereits aus einzelnen Wahrnehmungen gefolgerte Thatsache unumstösslich heraus, dass die bisher gebräuchlichen Windmess-Instrumente; beim Berg- 108 Jahres- Bericht bau der Casella- Anemometer, bei der Wetterkunde, u. a. auch auf der deutschen Seewarte zu Hamburg, das Robinson-Schalenkreuz um so mehr in ihren Angaben übertreiben, je stärker der Windstrom ist. Diese Ueber- treibung erreicht für eine Windgeschwindigkeit von 8 m in der Secunde bei ersterem Instrumente 12 pCt., von 25 m in der Secunde bei letzterem sogar mehr als 50 pCt. gegen die Wirklichkeit, weil die bis dahin all- gemein befolgte Aichungsmethode auf unhaltbaren Voraussetzungen beruht, Auch einige andere Ergebnisse sind von Bedeutung für gewisse Berech- nungen der Widerstände der Luftbewegungen durch Verengungen in Canälen und durch Rohrleitungen, indem die bisher dafür gebräuchlichen, auf hypothetischer Grundlage aufgebauten, mathematisch - physikalischen Formeln zu falschen Resultaten führen. Ueberall zeigte sich übrigens eine bemerkenswerthe Uebereinstimmung im Verhalten der gasförmigen mit dem der tropfbaren Flüssigkeiten. In Bezug auf die Gesetze der Wasser- und Luftbewegung in Rohrleitungen, welche für die Gas- und Wasserwerke der Neuzeit eine noch stetig wachsende Bedeutung erlangen, behielt sich Redner weitere Mittheilungen vor. Den zahlreichen Herren, unter deren sachkundiger Mitwirkung diese wichtigen Ergebnisse erlangt sind, namentlich dem Gas- und Wasserwerks- Director Schneider, dem Gaswerks-Inspector Trappe, den Oberlehrern Dr. Em. Glatzel und Dr. Alw. Glatzel, dem Oberbergamts-Markscheider Binder und dem Assistenten an der hiesigen Sternwarte, Felix Körber, ist Redner für ihre freundliche Hilfeleistung zu besonderem Danke verpflichtet. Herr Professor Dr. L. Weber sprach über die Theorie des Bunsen’schen Photometers. Es ist eine sehr auffällige Thatsache, dass angesichts der grossen Verbreitung und ausgedehnten praktischen Verwendung, welche das in- geniöse Bunsen’sche Photometer gefunden hat, dennoch die Theorie des- selben eine wenig entwickelte ist. Wenn man sich auf die in den bis- herigen Entwickelungen der Theorie vorhandenen Formeln beschränkt, so ist man 1. nicht einmal sicher, in gewissen Fällen grobe, sogar für die Praxis unerträgliche Fehler, welche 10 pCt. des Messungsresultates und darüber erreichen können, zu vermeiden, und 2. entbehrt man auch jedes Anhaltes, um diejenigen physikalischen Verhältnisse zu übersehen, von denen der Empfindlichkeitsgrad des Instrumentes abhängt. Im Folgenden soll nach genannten beiden Richtungen hin eine Ergänzung der bisherigen Theorie, soweit dieselbe sich auf die Ver- gleichung homogener Lichtquellen bezieht, gegeben und im Anschluß an den zweiten Punkt auf eine Beziehung psychophysischer Natur hin- gewiesen werden. Die Beobachtungsmethode des Bunsen’schen Photometers lässt be- kanntlich mehrfache Modificationen zu. Dieselben beziehen sich zu- der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 109 meist darauf, ob beide Lichtquellen, welche zu vergleichen sind, in festem Abstande aufgestellt werden, während der Schirm bei der Einstellung ver- schoben wird, oder ob die eine Lichtquelle und der Schirm fest aufge- stellt und die andere Lichtquelle verschoben wird, oder ob der Schirm sammt einer Lichtquelle verschoben wird. Obwohl diese Methoden durch mehrere technische Nachtheile oder Vortheile untereinander verschieden sind, so führen sie doch mit Bezug auf die nachfolgenden Erörterungen zu gleichen Resultaten, und es soll deswegen an der ersteren Einstellungs- art, bei welcher beide Lichtquellen in unveränderlichem Abstande stehen, zur Fixirung der Vorstellungen festgehalten werden. Die Einstellung des Schirmes kann im Allgemeinen an drei ausge- zeichneten Punkten der Photometerbauk erfolgen. . An zweien dieser Punkte tritt ein Verschwinden des Fleckes (des transparenteren Theiles) ein. Je nachdem dies Verschwinden an der von dem Beobachter aus ge- legenen linken oder. rechten Seite des Schirmes erfolgt, seien diese Punkte mit Z und R bezeichnet. Ein dritter ausgezeichneter Punkt ist derjenige, an welchem beide Seiten des Schirmes den Fleck in gleichem Hellig- keitscontraste gegen seine Umgebung zeigen. Dieser Punkt liegt im Allgemeinen!) zwischen L und R und sei mit M bezeichnet. Bezüglich der Lage von ZL und R sind zwei Fälle zu unterscheiden. Entweder nämlich liegt, wie das bei den gebräuchlichsten Schirmen der Fall. ist, L rechts von M, und R links von M, so dass die Reihenfolge der drei Punkte: RML wird. Ein derartiger Schirm sei als negativer bezeichnet. Oder die drei Punkte liegen, wie meines Wissens bei den Töpler’schen Schirmen der Fall ist, in der Reihenfolge: LMR. Ein solcher Schirm sei als positiver bezeichnet. Ob ein Schirm positiv oder negativ ist, hängt von den relativen Albedo- und Transparenz- Coöfficienten des Schirmes und des Fleckes ab. Es kann daher auch sehr wohl der Fall eintreten, dass alle drei Punkte in einen zusammenfallen. Das äussere Kennzeichen eines positiven oder negativen Schirmes besteht darin, dass bei positiven Schirmen der Fleck in der Mitteleinstellung M hell auf dunklerem Grunde und bei negativen Schirmen dunkel auf hellerem Grunde erscheint. Um Missverständnisse zu vermeiden, sei darauf hin- gewiesen, dass bei manchen?) Arten des Photometerschirmes die als Fleck !) Die abnormen Fälle, in denen man durch eine absichtlich sehr stark ge- machte Ungleichheit beider Seiten des Schirmes die Lage des Punktes M ausser- halb des Intervalles L R erhalten kann, kommen für die Praxis nicht in Betracht und haben auch kein weiteres theoretisches Interesse. 2) Diese Schirme werden dadurch hergestellt, dass auf transparentes Papier ein Streifen oder Fleck mit nicht transparenter weisser Farbe aufgetragen wird, 110 Jahres - Bericht auftretende Partie geringere Transparenz besitzt, als der übrige Theil des Schirmes, wie z. B. bei den auf mehreren Gasanstalten gebräuchlichen Photometern der Fall ist. In solchem Falle kehrt sich natürlich das eben genannte Charakteristicum für positive und negative Schirme um. Ich will indessen wie bisher, so auch im Folgenden unter dem Fleck immer die transparente Partie des Schirmes verstehen, und unter der Bezeichnung Schirm schlechtweg die weniger transparente Partie des Schirmes, also die Umgebung des Flecks. Mit Rücksicht auf die genannten drei ausgezeichneten Einstellungspunkte sind bekanntlich folgende drei Messungsmethoden im Gebrauch: 1) Man stellt auf einen der Punkte L oder R ein, z. B. auf Z, und macht einen zweiten Versuch, bei welchem die vorher links befindliche Lichtquelle J durch eine zweite mit ihr zu vergleichende J, ersetzt wird. Dieses Substitutionsverfahren erfordert demnach eine constante, rechts auf- gestellte Hilfs- oder Vergleichslichtquelle und giebt die Beziehung zwischen J und J, mittelst zweier Einstellungen Z. | 2) Man macht beide Einstellungen Z und R und findet hieraus die Beziehung zwischen der links aufgestellten Lichtquelle J und der rechts aufgestellten J,. Hierzu sind also gleichfalls zwei Einstellungen er- forderlich. 3) Man stellt auf den Punkt M ein und findet durch diese eine Ein- stellung die Beziehung zwischen J und J.. Von diesen drei Methoden ist die erstgenannte die vorzugsweise von Bunsen selbst angewandte und selbstverständlich einwurfsfreie. Die Anwendung der Methoden 2) und 3) wird, soweit mir bekannt ist, durchweg unter der Voraussetzung gemacht, dass beide Seiten des Schirmes bezüglich ihrer Albedo- und Transparenz-Coöfficienten gleich be- schaffen seien. Diese Voraussetzung ist nun nach meinen Erfahrungen thatsächlich nicht blos selten erfüllt, sondern auch überhaupt schwer realisirbar; und die unter derselben Voraussetzung abgeleiteten bekannten Rechnungsformeln sind demzufolge mit Fehlern behaftet, deren Betrag ein recht bedeutender werden kann. Herleitung der Rechnungsformeln. Zum Beweise dieses Sachverhaltes ist eine Herleitung der Rechnungs- formeln nothwendig unter der allgemeineren Annahme, dass beide Seiten des Schirmes verschiedene Albedo und Transparenz besitzen. Es sei u die auf die linke Seite des Schirmes bezogene Albedo, x die auf dieselbe linke Schirmseite bezogene Transparenz des Schirmes. Die Constante ww be- stimmt demnach denjenigen Helligkeitsantheil, welchen die linke Schirm- seite der links aufgestellten Lichtquelle I verdankt, und z denjenigen An- theil, welchen dieselbe linke Schirmseite der rechts aufgestellten Licht- der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 111 quelle J, verdankt. In gleicher Weise seien mit w und 7 die auf die linke Seite des Flecks bezogenen Coäfficienten bezeichnet. Die entsprechen- den Grössen für die rechte Seite des Schirmes und die rechie Seite des Fleckes seien u,, z, u, 7%. Diese Coöfficienten nehmen für verschiedene Richtungen, unter denen der Beobachter auf den Schirm sieht, im allgemeinen variable Werthe an. Es würden diese Co£fficienten nur dann constant sein, wenn sowohl Schirm als Fleck dem bekannten Lambert'schen Emanationsgesetz völlig gehorchten. In diesem, thatsächlich wohl kaum realisirbaren Falle würde auch die gewöhnlich gemachte Annahme zutreffen, dass, wenn man etwa noch mit « die entsprechenden Absorptions-Coäfficienten bezeichnet: (1) ut +te=]1 ist. Die Variabilität der Grössen w und z mit der Beobachtungsrichtung kann indessen für das Folgende unberücksichtigt bleiben, wenn immer nur eine Beobachtungsrichtung, nämlich die zu beiden Schirmseiten sym- metrische und durch Diaphragmen leicht festzuhaltende berücksichtigt wird. Nur muss man in diesem Falle von der Benutzung der Gl. (1) Abstand nehmen. Die Einführung dieser Grössen u und z verträgt sich übrigens mit den von Lommel und Seeliger gegebenen schärferen Auffassungen der Albedo. Bezeichnet man noch mit H und H’ die vom Beobachter wahrgenom- menen Helliskeiten der linken Seite des Schirmes und der linken Seite des Fleckes, sowie mit H, und H,’ die entsprechenden Grössen der rechten Seite, ferner mit J und J, die Intensitäten der links und rechts befind- lichen Lichtquellen und mit r und r, die Abstände des Schirmes von beiden Lichtquellen, so hat man, abgeseben von einem sich überall fort- hebenden Proportionalitätsfactor: Ju Tr / Jw der \ IE ya u a, bt, == RE Eu = ] (2) - , | _ JM, Je, ‚__ Jılı Jı, ie ee a id: Fe Für eine Einstellung des Schirmes auf den Punkt Z wird H= H' und daraus EB T—ır? iltig fürL: J= —— J; Da. oder, wenn man noch das stets wiederkehrende Verhältniss r?/r, * mit E bezeichnet, (3) gillig für L: J= very E...J,, und ebenso, (4) ern 287 112 Jahres-Bericht wenn hierin E, das nun beobachtete neue Verhältniss r?/r, * ist. Durch Multiplieation und unter der Voraussezug u; ru; u mm; tr, würde hieraus die gewöhnliche Formel: (5) J=VERJ, folgen. Anderenfalls hebt sich der erste Quotient nicht fort. Fügt man jedoch in dem letzteren Falle, nämlich der ungleichen Be- schaffenheit beider Seiten des Schirmes, noch zwei weitere Einstellungen hinzu, welche man durch Umdrehung des Schirmes innerhalb des Photo- metergehäuses erhält, eventuell durch Beobachtung vom der Rückseite der Photometerbank nach umgesetztem Gleitklotz, und bezeichnet man die nun ahgelesenen Verhältnisse r?/r, * mit E, und E,, so erhält man leicht: 4 (6) Ve AD, Saal SR, d. h. unter Verdoppelung der Beobachtungen L und R und Vertauschung der Schirmseiten erhält man durch vorstehende Formel (6) eine von der Beschaffenheit der Schirmseiten un- abhängige Beziehung zwischen der zu messenden Lichtquelle J und der etwa als Einheit betrachteten Lichtquelle J,. Zu einem ähnlichen Resultate gelangt man bei Benutzung der dritten Messungsmethode, bei welcher die Mittelstellung M beobachtet wird. Man stellt hier auf gleiche Helligkeitscontraste ein, d, h. man macht die Ver- hältnisse. 7°/H und H,'/H, einander gleich. Es könnte vielleicht in Frage kommen, ob nicht vielmehr auf gleiche Differenzen 4’ — H und HA,’ — AH, eingestellt werden müsse, um den Eindruck gleicher Contraste zu erhalten. Diese Frage ist indessen mit Rücksicht auf das E. H. Weber ’sche psycho- physische Grundgesetz zu verneinen, nach welchem die Empfindung des Unterschiedes zweier Reize dem Verhältnisse der letzteren und nicht deren Differenz proportional verläuft. Man erhält zunächst aus den Gleichungen (2), indem man wieder das für die Einstellung M beobachtete Verhältniss »?/r, ? mit E bezeichnet: EN JW + JtTE (7 ——- => Er . 7) H Nun und: (8) H,' Zu Ne H, Jm, E+ Je, !) Nebenbei bemerkt, ergiebt sich aus diesen Gleichungen die Bedingung da- für, wann ein Schirm positiv oder negativ ist. Setzt man zu diesem Zwecke J— J, und nimmt beide Schirmseiten von gleicher Beschaffenheit, so wird E=1, und es folgt, dass für H’ > H, also für positive Schirme « + 7 > au + r oder 7 zZ » — w sein muss. Umgekehrt muss für negative Schirme - r>u-+tr oder z —z < u—w sein. Hieraus ergiebt sich weiter die auf den ersten Blick überraschende CGonsequenz, dass bei den gewöhnlich benutzten negativen Schirmen, welche aus Papier mit Fett- oder Paraffinfleck bestehen, die Absorption im Flecke aan in da ae 2 N a 23 der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 113 Setzt man nun H/H — H,/H,, so ergiebt sich für .J die quadra- tische Gleichung: (9) Ip + IJEm — 9) + NEM = 0, worin zur Abkürzung: Bi ie — ur, er, m Timm, Det I um gesetzt ist. Löst man nach J auf, so verschwindet der mit J, E zu multi- plieirende Wurzelausdruck nur unter der Voraussetzung, dass beide Seiten des Schirmes gleich beschaffen sind. In diesem Falle wird nämlich pP = 91; = — Ps, und dadurch erhält man die gewöhnlich ge- brauchte Formel: (10) = ZH Im allgemeineren Falle ungleicher Schirmseiten kann man die Grössen u, €... fortschaffen, wenn man noch eine zweite Einstellung M mit um- gekehrter Schirmlage macht. In der Formel (9) vertauschen dann p, und p, Platz und Vorzeichen und p, und p, ihren Platz. Das beobachtete Verhältniss r?/r,* sei E\. Man hat dann, wenn noch die ganze jetzt un- veränderte Gl. (9) mit — 1 multiplieirt wird: (9a) Jp, + JIE (% — 2) + JE, >. Aus (9) und (9a) folgt leicht: (11) KeiyEnB’.d; d. h. unter Verdoppelung der Beobachtung M bei Vertauschung der Schirmseiten erhält man durch vorstehende Formel (11) eine von der Beschaffenheit der Schirmseiten unabhängige Beziehung zwischen der zu messenden Lichtquelle J und der etwa als Einheit betrachteten Lichtquelle J.. Die Empfindlichkeits-Coäfficienten. Wie aus der Betrachtung der Formeln (5), (6), (10), (11) hervorgeht, hängt der Fehler des Messungsresultates /.J in einfacher Weise ab von dem bei Ermittelung der Grössen E begangenen Fehler SE. Es ist nämlich im Falle der Formel (10), also bei einer einzigen Ab- lesung M: Id. IE (12) nn A E eine grössere ist, als im nicht gefetteten Papiere. Die Tränkung des Papieres mit Fett bewirkt also zwar eine grössere Transparenz, vermindert aber in noch höherem Grade die Albedo. Mit Berücksichtigung der Gleichungen (3) und (4) folgt hieraus weiter, dass für positive Schirme die Reihenfolge der 3 Einstellungs- punkte LM R und für negative Schirme RM ist. 1887. 6) 114 Jahres-Bericht Ferner im Falle der Formel (5), wenn man die bei E und E, begangenen Fehler einander gleich setzt: (13) N lyao ebenso im Falle der Formel (11): (14) nn FT Be und endlich im Falle der Formel (6): 4 (15) 1, In allen Fällen kommt es mithin darauf an, den procentischen Fehler einer Beobachtung E zu ermitteln, um hieraus denjenigen von .J aus einer der Gleichungen (12). bis (15) zu berechnen, Je nachdem sich eine Einzelbeobachtung E auf einen der Einstellungs- punkte Z und R oder auf den Einstellungspunkt M bezieht, sind die den Werth 4E/E beeinflussenden Grössen verschieden. Dieselben bestehen einerseits aus einem rein physikalischen von den Grössen u =... ab- hängigen Co£fficienten, also einem dem gerade benutzten Schirme eigen- thümlichen Empfindlichkeits-Coäfficienten, andererseits aus einer von der individuellen Beschaffenheit des beobachtenden Auges abhängigen Grösse, welche der Unterschiedsschwelle entweder für zwei gleich hell zu machende benachbarte Flächenstücke oder für zwei einander gleich zu machende Helligkeitscontraste entspricht, je nachdem eine Einstellung Z, R oder eine solche M gemacht wird. Diese Unterschiedsschwellenwerthe seien im ersten Falle bezeichnet mit /(H’/H), resp. /(H,'/H,) und im zweiten Falle mit A((H’/H)/(H,'/H,)), oder wenn man H’/H = g setzt und (H/H)/(H,'/H,) = Q, mit 49, Ag, AQ. Mittelst der Gleichungen (7) und (8) lässt sich 4/E/E in seiner Be- ziehung zu a und 4Q angeben. Zu diesem Zwecke kann man in (7) und (8) J, = 1 setzen und die rechten Seiten der beiden Gleichungen bezeichnen als $(E) und , (E). Dann ist: = gp(B), 4 = 9 (2). Differentiirt man diese Gleichungen und bildet den für g = 1, resp. für g, = 1, d. h. also für die Punkte L und R geltenden Specialwerth von dY(E)/OE, resp. dp, (E)/dE, so erhält man: ame AE (16) giltig für L: — = F.dag, der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 115 wenn 1/F = E(dy(E)/dDE),—- ı gesetzt wird. Die Ausführung der Differentiation von (7) ergiebt unter Berücksichtigung von Gleichung (3): f u T 1 MHz (1m en le Breıı Ebenso wird: RANE A (18) siltig für R: = — F.4g, worin F, durch Differentiation von Gleichung (8) und unter Berücksichti- gung von Gleichung (4) erhalten wird zu: \ u T 19 Be 1 1 _ en (19) my —ı a3 CAT T Das negative Vorzeichen in letzter Gleichung erklärt sich daraus, dass sich für die Einstellung R die Werthe H in umgekehrtem Sinne ändern als für die Einstellung ZL. Wir gelangen daher bezüglich der beiden Einstellungspunkte Z und R zu folgendem Resultate: Der zu erwartende procentische Fehler JE/E ist 1) pro- portional der dem Beobachter eigenthümlichen Grösse der Unterschiedsschwelle 4(H’/H), 2) proportional dem durch‘(17) und (19) näher angegebenen Factor F\, resp. F\, welcher ledig- lich abhängt von der physikalischen Beschaffenheit des Schir- mes, und dessen reciproker Werth deswegen als der für die Einstellungspunkte L und R giltige Empfindlichkeits- Goeffi- cient des Schirmes bezeichnet werden möge. Der günstigste, also kleinste Werth von F kann, wie aus (17) und (19) unmittelbar ersichtlich, nicht kleiner als 1 werden, steigt vielmehr, wie spätere Zahlenbeispiele zeigen werden, in der Regel auf das Doppelte bis Vierfache jenes Minimalwerthes. Zu einem ähnlichen Resultate gelangt man bezüglich der Mittelein- stellung M. Hierfür ist mit Beibehaltung der vorigen Abkürzungen: net N p,(E) Differentiirt man diese Gleichung und bildet den Specialwerth o/dE(Y(E)/y,(E)) für Q = 1, so erhält man: ° (/Yy(E) AE AN a ee H 0E\y, (B)/o=ı £ (20) oder giltig für M: 2 I ABA CH 1 d /9(B) ‘ \ wenn: — —=E#E. gesetzt wird. 5 dE Yı y, (E) [aliz=än S* 116 Jahres - Bericht Die Berechnung des hier angedeuteten Differential-Quotienten, welche mittelst der Gleichungen (7) und (8), sowie unter Benutzung der für die Einstellung M geltenden Gl. (9) auszuführen ist, ergiebt einen aus den Grössen 1 €... in umständlicher Weise gebildeten Werth. Zur Abkürzung werde gesetzt J = P.E, worin P den aus Gl. (9) folgenden Wurzel- werth bedeute. Es sei ferner gesetzt: PR=Pu td, BeBRH- TR rem, Dry u ee Man erhält dann 5 R) p(E) % ar IaNU, ar ZN zart also: DEN, (EVo-ı 8 PP, | | Pa (21) f= — Pl, a a Bol Dieser etwas mühselig zu bildende Ausdruck wird wesentlich verein- facht, wenn man beide Schirmseiten von gleicher Beschaffenheit annimmt. Die hieraus entstehende kleine Unrichtigkeit kann rücksichtlich des Empfind- lichkeits-Coefficienten als verschwindend betrachtet werden, was übrigens durch numerische Ausrechnung in einem speciellen Falle besonders be- stätigt wurde. Durch diese vereinfachende Annahme wird P= 1: ae — u: t= rt, u. s. w. und nach einigen Reductionen: 1 uw — T Tt— u ee Die Gleichungen (20) und (21a) geben also das Resultat bezüglich einer Einstellung M: (21a) Der zu erwartende procentische Fehler 4E/E ist 1) pro- portional der dem Beobachter eigenthümlichen Grösse der Unterschiedsschwelle 4((H’/H)/(H, /H,)), 2) proportional dem durch (21) resp. (21a) näher angegebenen Factor f, welcher lediglich abhängt von der physikalischen Beschaffenheit des Schirmes, und dessen reeiproker Werth deswegen als der für den Einstellungspunkt M giltige Empfindlichkeits-Co£ffieient bezeichnet werden möge. Der günstigste, also kleinste Werth von f kann, wie aus (21a) hervor- geht, nicht kleiner als '/, werden. Derselbe steigt in der Regel auf das Doppelte bis Vierfache jenes Minimalwerthes, wie aus den weiter unten angegebenen Zahlenbeispielen hervorgehen wird. Für die zweckmässigste Herstellung der Schirme ergiebt sich aus (16) und (20) die Vorschrift, die Coäffieienten F und f mög- liehst klein zu machen. Zufolge der Gleichungen (17) und (21a). wird dies sowohl für die Einstellungen Z und R, als auch für die Einstellung M dadurch erreicht, dass w und = möglichst klein, w und z’ möglichst gross der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 117 gewählt werden. Der beste Schirm wird demnach aus einem möglichst matten, weissen, undurchsichtigen Carton bestehen, während gleichzeitig der Fleck möglichst transparent und von geringster für die Beobachtungs- richtung in Betracht kommender Albedo gewählt wird. Hierbei ist freilich vorausgesetzt, dass die Grösse des Unterschieds- schwellenwerthes 4g, resp. /Q eine für jeden Beobachter unveränderlich gegebene sei. Dies trifft thatsächlich insofern nicht ganz zu, als beide Grössen fg und 4/Q davon beeinflusst zu werden scheinen, mit welcher Schärfe die Grenze zwischen Fleck und Schirm hervortritt. Bei voll- kommener Schärfe tritt ein völliges Verschwinden des Fleckes ein, und der Werth von 49 wird hier ein möglichst kleiner. Sobald jedoch das Grenzgebiet zwischen Fleck und Schirm die geringsten Inhomogenitäten aufweist, wird die Einstellung erschwert. Aehnliches gilt für die Ein- stellung M. Es ist mithin erklärlich, dass die durch passende Wahl der Grössen uw 7... erreichten Vortheile theilweise wieder verschwinden, wenn es nicht gleichzeitig technisch erreicht wird, jene Grenzlinien in aller Schärfe herzustellen. Bei ungleicher Dicke des Schirmes und des Fleckes wird es nicht gerade leicht sein, diese letztere Bedingung zu erfüllen, während wieder bei gleichmässiger Dicke, also z. B. bei einem eigentlichen Fett- oder Paraffinflecke die vorhin genannten günstigsten Verhältnisse für nut... schwer zu erzielen sind. Um den Empfindlichkeitsgrad eines Bunsen’'schen Photometers mit demjenigen anderer Photometer zu vergleichen, muss man für die letzteren die unseren Gleichungen (16) und 20) entsprechendon Relationen auf- suchen. Man findet beispielsweise für das Wild’sche Polarisations-Photo- meter (abgesehen von derjenigen Form desselben, bei welcher Interferenz- streifen beobachtet werden) das Foucault’sche oder auch das verwandte, von mir beschriebene Milchglasplatten-Photometer ') leicht. = ==. 1.44, worin 4J/J mit Rücksicht auf G]. (12) unmittelbar an Stelle des früheren AE/E gesetzt werden kann. Dem in Gl. (16) auftretenden Coöfficienten F entspricht also bei diesen Photometern jener Minimumwerth 1, welchem F sich beim Bunsen’schen Photometer nur mehr oder weniger stark nähern kann. Wenn mithin F beim Bunsen’schen Photometer thatsächlich Werthe von 2 bis 3 und darüber erreicht, so würde aus diesem Grunde eine zwei- bis dreimal so geringe Empfindlichkeit zu erwarten sein. Dagegen scheint beim Bunsen’schen Photometer der Werth 4q ein kleinerer zu werden, wohl infolge der ausserordentlich innigen Be- rührung und Umschliessung derjenigen beiden Flächenstücke, deren gleiche Helligkeit abgeschätzt werden soll. Hierdurch wird der durch den höheren 1) Vgl. Wied. Ann. 20 p. 326. 1883. 118 Jahres - Bericht Werth des Coöfficienten F bedingte Nachtheil jedenfalls verringert. Die auf die Mitteleinstellung M bezügliche GI. (20) hat einen Coäfficienten f, dessen theoretisch denkbarer Minimumwerth auf '/, heruntergeht, nnd der thatsächlich auch, wie ich gefunden habe, etwas unter 1 herabgedrückt werden kann. Wäre nun 4Q, also die Unterschiedsschwelle für Hellig- keitscontraste von gleicher Grösse mit /g, so würde hierdurch die Mög- lichkeit einer grösseren Empfindlichkeit des Bunsen’schen Photometers im Vergleich mit den übrigen, vorhin genannten Photometern schon mit Rücksicht auf den Coöfficienten f gegeben sein. Nach den von mir ge- machten Beobachtungen wird jedoch im Allgemeinen /Q grösser als 4g, so dass dadurch wieder der Vortheil des kleineren 7 vernichtet wird. Die psychophysischen Maassbestimmungen. Wie aus den Gleichungen (16) und (20) hervorgeht, lassen sich die dem Beobachter eigenthümlichen Präcisionsmaasse für Abschätzung gleicher Helligkeiten und für Abschätzung gleicher Helliskeitscontraste, nämlich: JEW WEL ) IE 7H,) berechnen, sobald eine experimentelle Bestimmung des procentischen Be- obachtungsfehlers 4E /E und eine directe experimentelle Bestimmung der Empfindlichkeits-Co6fficienten F und f gemacht werden kann. Der Beobachtungsfehler kann nach der Methode des mittleren Fehlers durch zahlreiche Einstellungen des Bunsen’schen Photometers in den drei Stellungen Z R M ohne weiteres, wenngleich nicht ohne Berück- sichtigung eines später zu besprechenden Uebelstandes vorgenommen werden. r 4=47 und A = Zur Bestimmung der Coöfficienten F und f ist ein zweites Photometer erforderlich. Ich habe dazu das von mir beschriebene Milchelasplatten- Photometer benutzt. Mit Hilfe dieses Apparates ist es sehr leicht, die Verhältnisszahlen der Grössen u €... zu bestimmen, und diese genügen, wie aus (17) und (21a) hervorgeht, zur Berechnung von F und f. Diese Versuche sind natürlich so anzuordnen, dass genau diejenigen speciellen Werthe von u =... gemessen werden, welche auch für die Sehrichtung des am Bunsen’schen Photometer Beobachtenden und mithin für die obigen Entwickelungen in Betracht kommen. Es wird diese Bedingung dadurch erfüllt, dass in eben dieselbe Symmetrielinie, in welcher sich das Auge des am Bunsen’schen Photometer Beobachtenden befindet, der dreh- bare Tubus des Milchglasplatten-Photometers gestellt und abwechselnd auf Fleck oder Schirm gerichtet wird. Durch zeitweise Ausschliessung des von rechts oder links auf den Schirm fallenden Lichtes findet man leicht die Verhältnisse u/w, Ü/e, m/w, ©, /%, @/w, ©, /, welche zur Berechnung von f = F bereits ausreichen. der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 119 Die Beobachtungen mit dem Bunsen’schen Photometer er- möglichen also eine sehr bequeme Bestimmung zweier psycho- physischen Grössen, nämlich der Unterschiedsschwelle für ° zwei Helligkeiten und der Unterschiedsschwelle für zwei Helligkeitscontraste, sowie auch die Bestimmung des Ver- hältnisses beider Grössen 4JQ/44. Die Resultate einiger Versuchsreihen. Im Anschlusse an das Vorausgegsangene erlaube ich mir, die Resultate einiger Versuche anzuführen, welche ich gemeinschaftlich ınit Herrn Dr. Michalke kürzlich angestellt habe. Es handelte sich bei diesen Versuchen darum, 1) über die Grösse desjenigen Fehlers Aufschluss zu erhalten, den man begeht durch Nichtberücksichtigung ungleicher Beschaffenheit beider Schirmseiten, 2) die Empfindlichkeits-Coöfficienten einiger Schirmsorten zu bestimmen und 3) die im letzten Abschnitt erwähnte psychophysische Maass- bestimmung zu versuchen. Die Versuche wurden auf einer optischen Bank gemacht, welche ich bereits früher hatte anfertigen lassen, und welche eine sehr genaue Ab- messung der Entfernungen, allenfalls bis auf '/, mm zuliess. Die Länge der Bank wurde auf 2 m redueirt, und in diesem Abstande wurden zwei offene miteinander zu vergleichende Gasflammen aufgestellt, welche aus demselben Gasrohre gespeist und ausserdem durch einen Suckow’schen Druckregulator constant erhalten wurden. Durch Ablothung wurden die Flammen genau über die Endpunkte der in einer Versenkung der Bank liegenden Meterstäbe eingestellt. Die Flammen erhielten durch passende Regulirung des Hahnes möglichst der Kreisfläche sich nähernde Form. Auf einem durch Rollen leicht verschiebbar gemachten Gleitstück befand sich das von Herrn Ad. Krüss bezogene Photometergehäuse. Aus dem- selben liess sich der Schirm herausnehmen und durch andere ersetzen. Die Beobachtungen mit jedem Schirm wurden in Reihen von je 10 Ein- stellungen gemacht, wobei zwischen jeder Einstellung eine stärkere Ver- schiebung des Gleitstückes vorgenommen wurde. Ich begann mit 10 Ein- stellungen Z, machte dann 10 Einstellungeu M und endlich 10 Einstellungen R, während Herr Dr. Michalke die Ablesungen auf dem Maassstabe und die Notirungen von der Rückseite der Bank aus machte. Sodann wurde durch Umdrehung des Photometergehäuses um genau 180° die Schirmseite vertauscht, und nun wurden drei entsprechende Serien von Einstellungen durch Dr. Michalke gemacht, während ich die Ablesungen und Noti- rungen besorgte. Die Zeitdauer der Einstellung wurde mögiichst gleich- mässig inne gehalten, und zwar so, dass circa 18 Minuten zu 30 Ein- stellungen verwandt wurden. Nach Beendigung dieser Beobachtungen wurden die Verhältnisse u/w, «/e, ı/e . . . bestimmt. Zu diesem Zwecke war in den drehbaren Tubus des Milchglasplatten-Photometers, und zwar 120 Jahres - Bericht möglichst nahe dem Reflexionsprisma, ein kreisförmiges Diaphragma ein- gesetzt, dessen Durchmesser etwas kleiner als die Hälfte des Fettflecks war, und dessen Oeffnung durch die verticale Kante des Reflexionsprismas halbirt wurde. Nach Entfernung aller Gläser aus dem drehbaren Tubus konnte man denselben alsdann so stellen, dass die linke Hälfte des Gesichtsfeldes entweder auf den Fleck oder den Schirm gerichtet war, während durch Verschiebung der im festen Tubus des Photometers befindlichen Milchglas- platte beide Hälften des Gesichtsfeldes gleich hell gemacht wurden. Die Ablesung ergab dann sofort ein relatives Maass der Helliskeiten von Fleck und Schirm und somit auch das Verhältniss beider. Das Milchglasplatten- Photometer war unmittelbar an das Bunsen’sche Photometer rechtwinklig zur optischen Bank herangeschoben, und durch passende tiefschwarze Schirme war der Zutritt seitlichen Lichtes ausgeschlossen. Es war nur noch nöthig, den Schirm des Bunsen’schen Photometers derart zu beleuchten, - dass die Helligkeiten von Schirm und Fleck entweder nur von reflectirtem oder von transparentem Lichte herrührten. Dies liess sich zur Bestimmung der beiden Verhältnisse u/w” und «/r einfach dadurch erreichen, dass der Zutritt des Lichtes zum Schirm des Bunsen’schen Photometers auf einer Seite durch eine vorgesetzte Kapsel versperrt wurde. Zur Bestimmung von w/“ wurde mittelst der voraufgegangenen Beob- achtungen der Einstellungspunkte M diejenige Stelle der Bank aufgesucht, an welcher von beiden Gasflammen gleiche Lichtmengen auf den Schirm fielen. Nun wurde abwechselnd der Lichtzutritt zum Schirm von rechts und von links gesperrt, so dass bei Einstellung auf den Fleck nur das von rechts kommende transparente Licht beobachtet wurde und bei Einstellung auf den Schirm nur das von links kommende reflectirte. Aus mehreren derartig auf der linken Seite des Bunsen’schen Photometers abwechselnd gemachten Beobachtungen ergab sich dann w/e und ebenso durch Beob- achtung auf der rechten Seite das Verhältniss u, /r, . Auf solche Weise wurden acht verschiedene Schirmarten untersucht, nämlich: Nr. 1. Schirm nach Töpler’schem Muster aus einem mit kreisförmigem Ausschnitte versehenen Stück weissen Schreibpapieres, auf welches von beiden Seiten je ein Stück Pauspapier gelegt wurde. Diese drei Blätter wurden in durchaus glattem Zustande zusammen in die Fassung des Photo- metergehäuses ohne gegenseitige Verklebung hineingeschoben. Nr. 2. Der Schirm bestand aus zwei dünnen, rein weissen Cartons mit zwei genau gleichen kreisförmigen Ausschnitten, welche aufeinander gelegt wurden. Zwischen die Cartons wurde ein Stück Pauspapier gelegt. Nr. 3. Schirm von Ad. Krüss zusammen mit dem Photometergehäuse vor 2 Jahren bezogen, Derselbe bestand aus matt weissem, dünnem _ u DE Zu der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 121 Schreibpapier mit kreisrundem Paraffinfleck. Die beiden Seiten des Fleckes hatten etwas verschiedenen Glanz. Nr. 4. Desgleichen ein mir im Anfang dieses Jahres freundlichst von Herrn Dr. H. Krüss gesandter Schirm aus mattem, ganz schwach grau- blauem Papier mit Paraffinfleck bestehend. Nr. 5. Ein absichtlich auf beiden Seiten ungleich gemachter Schirm, bestehend aus einem Stück weissen Carton mit kreisförmigem Ausschnitt und einem einseitig darauf geklebten, nicht ausgeschnittenen Stück Paus- papier, welches auf der Aussenseite durch Einreiben mit Graphit schwach grau gefärbt war. Nr. 6. Ein Schirm, dessen beide Seiten möglichst gleich gemacht wurden. Derselbe bestand aus zwei mit den gleichen Papierseiten nach aussen zusammengeklebten Stücken weissen Schreibpapiers mit kreisförmi- gem, nach dem Zusammenkleben gemachtem Ausschnitt. Auf beiden Seiten wurde je ein Stück Pauspapier, und zwar auch mit derselben Papier- seite nach aussen geklebt und durch Pressung tadellos glatt und eben gemacht. Nr. 7. Schirm aus zwei mit kreisförmigem Ausschnitt versehenen Stücken weissen Schreibpapieres, dazwischen Pauspapier. Alle drei Blätter waren miteinander verklebt und gut gepresst, und die Ränder der Aus- schnitte wurden auf das Genaueste zur Deckung gebracht. Nr. 8. Dieser Schirm war sammt dem dazu gehörigen Gehäuse durch Vermittelung des Herrn Collegen Gscheidlen von dem hiesigen städtischen Gesundheitsamte entliehen. Der Schirm bestand hier aus geöltem Papier, und die sonst als Fleck auftretende Partie bestand aus einem horizontalen, durch weisse Farbe auf beiden Seiten hergestellten Streifen, welcher quer über den ganzen Schirm verlief. Bei diesem Schirme werden im Folgenden die gestrichenen Coöfficienten z = entsprechend der Festseizung auf Seite 110 auf den Schirm und w z auf den Streifen bezogen werden. In der folgenden Tabelle möge beispielsweise ein Satz von 10 Beob- achtungen wiedergegeben werden. Die Columne 1 enthält die 10 directen Ablesungen r auf der Photometerbank, von der links stehenden Golumne an gerechnet, Columne 2 die zugehörigen Distanzen 200 — r. In der dritten Columne stehen die hieraus berechneten Werthe log r?/(200 — r)? — log E. Die vierte Columne enthält die Fehler 4 log E. Aus den Werthen dieser Columne ist der mittlere Fehler nach der Formel 4, = V A’) (n — 1) berechnet, wo n die Zahl der Beobachtungen, also hier. = 10 ist. Aus dem mittleren Fehler 4 log E ergiebt sich dann der in den früheren Formeln auftretende Werth 4 E/E durch Division mit dem Modul der Briggi’schen Logarithmen, und durch Multiplication mit 100 derselbe Werth in Procenten der gemessenen Grösse. 122 Jahres - Bericht Tabelle a A. Februar 1887. Schirm Nr. 1. Einstellungspunkt M. Y 200 — r log E (—-10) 4lgE 93,4 106,6 9,8852 —- 0,004 93,4 106,6 9,8252 + 0,004 94,0 106,0 9,8957 —- 0,015 93,4 106,6 9,8852 -+- 0,004 93,0 107,0 9,8782 —z0003 99,6 107,4 9,8713 = 00 93,4 106,6 9,8852 —. 0,004 99,4 107,6 9,8678 — .0,013 gan On 9,3695 — 0,011 93,5 106,5 9,8860 —- 0,006 Mittel 93,2 9,8810 4 log E = 0,0090 A E/E = 2,1 püt. Für die ferneren Berechnungen kommen aus solchem Satze nur die beiden fettgedruckten Zahlen in Betracht. Zunächst mögen in folgender Tabelle 2 alle auf die nämliche Weise erhaltenen Mittelwerthe r zusammen- gestellt sein. Dieselben befinden sich unter den Ueberschriften ZL, M, R, bezogen auf die drei charakteristischen Einstellungspunkte. Die Ueber- schriften Vorderseite und Rückseite geben die Stellung des Beobachters an. Sämmtliche Beobachtungen an der Vorderseite sind von mir gemacht, mit Ausnahme der Beobachtung am Schirm Nr. 7, welehe von Herrn Collegen F. Auerbach ausgeführt wurde. Auf der Rückseite beobachtete nach erfolgter Umdrehung des Photometergehäuses Herr Dr. Michalke. Aus je einem Werthe M und je zwei zusammengehörigen Werthen Z und R wurde nach den gebräuchlichen Formeln, resp. (10) und (5) das Intensitäts- verhältniss der beiden Gasflammen berechnet. Diese Werthe sind in den vier nächsten Columnen zusammengetragen. Endlich enthalten die beiden letzten Columnen die nach den richtigeren Formeln (11) resp. (6) berech- neten Intensitäten. der Schles. Gesellschaft für vaterl, Cultur. 123 Tabelle 2. & = M R Berechnet J Ber. J Datum | = nach@l.(10)]nach GI. (5) [aı. an] cı.(0 % | Vor- |Rück-| Vor- |Rück-| Vor- |Rück-| Vor- |Rück-| Vor- | Rück- M|LR ders. | seite | ders. | seite | ders. | seite | ders. | seite | ders. | seite 4. Febr 87,9 87.2| 93,2| 92,6| 97,0 95,5| 0,760 0,743, 0,754/0,706| 0,751| 0,731 | 102,21102,0] 98,5, 94,4 94,5. 89,7| 0,941|0,789 0,936/0,858] 0,866] 0,896 108,6106,0] 93,6, 88,2 78,5, 75,9] 0,7740,649) 0,766 0,689| 0,709| 0,726 1 2 3 - 4 | 99,51101,9| 90,4) 93,9] 83,8 84,8] 0,681/0,783| 0,717,0,764| 0,730| 0,742 14. = 4 1104,7106,2] 97,3) 98,6] 89,7) 89,8] 0,897/0,946| 0,894/0,922] 0,921) 0,909 - 4 1105,91107,4] 98,01101,3] 89,2) 92,9] 0,923|1,012| 0,905 1,003| 0,951) 0,966 5) 6 7 8 115,7) 72,71112,6| 74,6j114,4 74,0| 1,662/0,353) 1,835.0,3341 0,766, 0,785 89,8, 89,0) 99,4 102,61110,5.111,9] 0,975|1,107| 1,00311,020| 1,040 1,013 110,81111,3]103,31104,0] 94,7| 95,2] 1,140 1,171| 1,118/1,140]| 1,155| 1,129 104.,7|106,0| 99,5.102,3| 95,5, 97,31 0,981/1,096| 1,006 1,070] 1,037, 1,037 NB. Der in Col. 5 fettgedruckte erste Werth 98,2 ist der in Tab. 1 ge- wonnene. Zu dieser Tabelle ist zunächst zu bemerken, dass die für die ver- schiedenen Schirme und an verschiedenen Tagen erhaltenen Intensitäten untereinander abweichen. Der Grund hierfür liegt darin, dass die Speisung der beiden Gasflammen durch verzweigte Gummischläuche erfolgte, deren relative Länge mehrmals geändert wurde. Ausserdem war auch die Oeff- nung des gemeinsamen Hahnes von Tag zu Tag eine variable, was gleich- falls Aenderungen der relativen Helligkeit verursachte. Man erkennt nun sofort, dass die nach den gebräuchlichen Formeln Gl. (10) und Gl. (5) berechneten Werthe sehr stark untereinander ab- weichen, während die nach Gl. (11) und (6) berechneten Werthe nur kleine Abweichungen besitzen. Diese letzteren erklären sich zum Theil noch dadurch, dass für ihre Berechnung die Einstellungen zweier Beob- achter combinirt wurden, was namentlich wegen der Mitteleinstellung M kleine persönliche Differenzen mit sich bringt. Am auffallendsten ist der Unterschied der verschiedenen Berechnungsweisen natürlich beim Schirm Nr. 5, dem absichtlich mit ungleichen Seiten hergestellten. Hier differiren die nach den gebräuchlichen Formeln berechneten Werthe um das Fünf- fache, besitzen also Fehler von 200—300 pÜt., während die nach Gl. (11) und (6) berechneten Werthe nur noch um weniger als 3 pQt. von einander abweichen. Die folgende Tabelle 3 enthält die mittelst des Milchglasplatten-Photo- meters gefundenen Verhältnisszahlen der Grössen u ©....- Die einzelnen Zahlen wurden aus 6—-9 abwechselnd auf Schirm und Fleck gemachten Einstellungen berechnet. Zur Berechnung des Coöfficienten f nach der 124 Jahres - Bericht Formel Gl. (21a) wurden die Mittelwerthe aus den Beobachtungen auf der rechten und linken Schirmseite gebildet, wie des Näheren aus den Ueber- schriften ersichtlich ist. Tabelle 3. Alabe ı GR | 5 a= == d= =jia=-b=- = dh-= ed = ulw | Ele ale T/wW|a/ei | a | la | ma sl | m/s ı 1171| 348 | (ası)| (124)| 1388 | 1,57 | 358 | (Asa)| duım)| 1,35 3 454 | > —_ (2,33)| 1,95 4,01 > = — 1,61 3 1,92 , 1,71 | (2,74), (1,21)| 1,60 1,83 1,86 (2,76) | 1,23 | (1,48) 4 1,93 | 3,91 | (6,18) | 1,10 — 1,84 3,51 (9,42) 1,13 — o 3,23 | 9,83 | 26,34 | 1,21 1139 8,16 8,55 1853 |" = 6 1 1,75 110,76 |d6,38)| 1,52 | — | 1,66 710,97 \(i1e7)| 153 | — 7 | 376 | 647 (asa6)| 1,83 | 1 326 Easy) zn 8 1,35 | 2,66 | 4,94 | 0,74 — 1,43 | 12 5,36 | 0,72 >: = Berechnete Mittelwerthe | Berechnet nach Gleichung ER | en eo | | | am |e—w 1 1,64 3,88 4,82 1,20 9,81 SA A 1,24 2 4,32 — — — 1,28 133 0,71 0,65 3 1,88 1,78 9,13 1,22 3,47 3,66 1,77 0,54 A 1,89 3,41 5,80 1,11 9,47 3,62 | 1,32 0,84 5 2. ar ER Et .» E% s 6 1,70 | 10,86 | 19,12 1,52 9,44 262 | 0,98 1,84 7 3,51 | 694 12,17 1,80 1,54 1,62 0,87 0,56 8 1,41 9,69 5,15 0,73 4,99 3,90 1,92 1,20 Die eingeklammerten Zahlen sind berechnet. Die letzte Columne in dieser Tabelle bezieht sich auf die Anmerkung p. 112. Diese Werthe charakterisiren den Schirm, insofern er ein positiver oder negativer ist. Im ersteren Falle sind die Werthe (? —r)/(u— u) > 1 im zweiten Falle < 1. Man erkennt ferner die sehr grossen Verschiedenheiten, welche bei verschiedener Constructionsweise für die Grössen w [w u..s: w., ‚sowie auch für die Empfindlichkeits-Coeffieienten resultiren. Die letzteren sind den Werthen f und F reciprok, und es sind daher die Schirme mit kleinstem f oder F die besten. der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 125 Die Tabelle 4 (p. 126) giebt eine Zusammenstellung der für die ein- zelnen Beobachtungsreihen gefundenen mittleren Fehler /E/E, sowie der in Tabelle 3 bereits aufgeführten Coöfficienten FF, f und aus beiden Werthen berechnet nach Formel Gl. (16), (18) und (20) die Werthe der Unterschiedsschwellen /qg und /Q. Endlich sind aus den für die Ein- stellungspunkte Z und R gesondert berechneten Werthen /q und Jg, Mittelwerthe /q und hieraus die Verhältnisse JQ / fg berechnet. Aus der Tabelle 4 müsste sich nun zunächst eine Relation zwischen den Empfindlichkeits - Coäfficienten der einzelnen Schirme und den beob- achteten mittleren Fehlern ergeben. Es müssten nämlich die Schirme mit kleinstem f resp. F (also mit grösstem Empfindlichkeits - Coäfficienten) die kleinsten mittleren Fehler aufweisen. Diese Beziehung ist indessen durch die Concurrenz mehrerer in unregelmässiger Weise einwirkender und der theoretischen Erörterung sich entziehender Umstände so sehr getrübt worden, dass sogar derjenige Schirm Nr. 8, welcher die ungünstigsten Coefficienten besitzt, nur kleine mittlere Fehler gegeben hat. Man erkennt auch unmittelbar aus den Columnen 4g, fg, und /Q, dass die hier ver- zeichneten Werthe, welche, abgesehen von rein individuellen und zeitlichen Schwankungen, einigermassen constant hätten ausfallen müssen, offenbar noch durch andere als die theoretisch in Betracht gezogenen Umstände beeinflusst sein müssen. Ein solcher Umstand ist bereits früher (p. 117) erwähnt, nämlich die Inhomogenität des Grenzgebietes zwischen Schirm und Fleck. Dies war besonders bei dem Schirm Nr. 2 der Fall. Die Einstellungen Z und R und etwas auch die Einstellung M wurden dadurch erschwert. Trotzdem hat dieser Schirm keinen grossen mittleren Fehler gegeben, und zwar des- wegen nicht, weil seine Empfindlichkeits - Coefficienten die günstigsten waren. Ein zweiter Umstand könnte in der Grösse der Flecke gesucht werden. Dieselbe war jedoch bei allen Schirmen bis auf Nr. 4 und Nr. 8 die gleiche, nämlich 16 mm Durchmesser. Der Fleck auf Nr. 4 hatte 20 mm Durchmesser. Ich habe den Eindruck gewonnen, dass diese Grösse nicht so bequem für das Auge ist, als die kleinere von 16 mm, wenigstens nicht in dem von mir benutzten Photometergehäuse. Von grösserem Belang ist jedenfalls ein dritter Umstand gewesen, welcher in derjenigen Beobachtungsmethode begründet ist, durch welche die mittleren Fehler gewonnen werden sollten. Fast alle Schirme besitzen minimale Inhomogenitäten der Helligkeit nicht blos im Grenzgebiete zwischen Fleck und Schirm, sondern auch auf den Flächen, namentlich des Fleckes. Auf solchen Stellen haftet der Blick während des Einstellens und Ab- schätzens beinahe unwillkürlich, und das der eigentlichen Abschätzung unterliegende Hauptkriterium gleicher Helligkeit, resp. gleicher Helligkeits- Tabelle 4. Datum 4. Februar A. - Io IS W voco W Jahres - Bericht 126 Schirm EN [erKerXer) HI HE HE HE HI In wo DD [0,0% 0) SI SI Beob- achter SS By Sy SSSSEN Sy Sy Sy SAS BASS SI OTot m DVrekD( IS H& Dom owNÄı Mittel AE/E Ag dq |aıE/E 4Q pdt. pdit. p&t. pGt. pCt. 2,8 0,89 0,89 21 1,49 2,1 0,67 0,96 3,1 1,49 2,2 1,65 1,88 3,3 3,26 3,1 2,33 9,10 11 1,56 3,5 1,0% 1,11 1,4 0,79 3,1 0,92 0,76 1,6. 0,90 9,3 0,88 1,18 9,6 1,97 41 1,56 1,24 2,0 1,52 4,7 1,79 1,80 9,7 9,05 9,8 1,07 0,90 31 9,35 2,3 0,88 1,04 3,1 1,59 2,2 0,84 0,88 1,9 1,44 22 =. = 0,8 0,84 9,8 1,07 0,86 2,4 9,58 1,4 0,53 0,71 9,4 2,53 2,0 1,23 1,42 1,0 1,16 1 1,05 1,67 0,8 0,93 1,9 0,49 0,47 1,4 0,73 7 0,44 0,36 1,9 0,99 Der fettgedruckte Werth 2,1 ist der in Tabelle 1 berechnete. 1,67 1,55 1,7& 0,74 0,71 1,18 1,67 1,21 1,14 2,61 1,53 1,64 der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 127 contraste wird erweitert und complicirt durch die gleichzeitigen mehr oder weniger bewusst gemachten Beobachtungen jener minimalen Flecke im Fleck. Wenngleich nun im Anfang einer Beobachtungsreihe unzweifelhaft das Hauptkriterium allein für die Einstellung entscheidend ist, so wird doch bei den folgenden Beobachtungen eine gewisse Unsicherheit, welche bei der letzten Feineinstellung jeder Beobachtung eintritt, oft dadurch ent- schieden werden, dass man in dem Wunsche, genau nach gleicher Methode und gleichen Kriterien einzustellen, mehr oder weniger bewusst wieder dieselben Nebenkriterien aufsucht. Im Grunde genommen würden diese letzteren, die ja auch nur aus Helligkeitsdifferenzen bestehen, wieder zu ähnlichem Messungsresultat führen. Allein es scheint, dass, je zahlreicher die verglichenen Flächenelemente sind, und je mehr sie an Helligkeit ab- gestuft sind, das Auge ein um so prägnanteres Bild der Helligkeitsverhält- nisse der verglichenen Flächen gewinnt, was dann bei der schnell wieder- holten Einstellung leichter wieder aufzufinden ist. Diese Auffassung scheint mir besonders unterstützt zu werden durch die auffallend kleinen Fehler des Schirmes Nr. 8. Der querüber verlaufende Streifen verschwand in den Einstellungen Z und R niemals ganz auf seiner ganzen Länge. Man musste sich deswegen schon bei der ersten Beobachtung entscheiden, welche Stelle man bei der richtigen Einstellung verschwinden lassen wollte. Selbst- verständlich behält man nun während 10 in circa 6 Minuten gemachten Einstellungen das so gewonnene Biid im Gedächtniss und bemüht sich dasselbe bei jeder neuen Einstellung möglichst genau zu reproduciren. Der einfache psychische Vorgang der blossen Abschätzung zweier gleich heller oder gleich confrastirender Flächen wird durch diese Verhältnisse jedenfalls compiicirt und der so beobachtete mittlere Fehler ist nicht mehr völlig identisch mit dem in den Gleichungen (16) und (20) auftretenden Werthe AE/E. Es wäre dies vielleicht zu vermeiden gewesen, wenn nicht 10 Einstellungen Z hintereinander, dann zehn solche M u. s. w. beobachtet wären, sondern in der Reihenfolge L, M, R und dies zehnmal wiederholt eingestellt wäre. Da sich diese Erwägungen erst nach Abschluss der Be- obachtungen herausstellten, so hätte eine Ausschliessung der störenden Umstände nur durch Wiederholung aller Beobachtungen bewirkt werden können. Die in Tabelle 4 aufgeführten psychophysischen Maassbestimmungen AQ/4g verlieren deswegen gleichfalls an Sicherheit. Wenn man indessen nach den Beobachtern getrennt die Mittel aus sämmtlichen Werthen 4g, 4Q und 4Q/4g nimmt, so zeigt sich wenigstens zwischen den Beob- achtern Weber und Michalke leidlich gute Uebereinstimmung, wie aus der Tabelle 5 zu entnehmen ist. 128 Jahres-Bericht Tabelle 5. LLLL————————————————————————— Ag °% AQ °% 4Q|4Ag Schirm Ww M W M we N 0,89 0,96 19 | 189 7 EN D) 1,88 9,10 3,96 1,56 1,74 0,74 3 1.11 0,76 0,79 0,90 0,71 1.18 4 1,18 1,94 1,97 1,52 1,67 1,21 k 1,80 0,90 9,05 9,35 1,14 9,61 % 1,04 0,88 1,59 1,44 1,53 1,64 6 0,86 0,71 9,53 9,53 2,94 3,56 7 1,49 ix: 1,16 Br. 0,82 ® g 0,47 0,36 0,73 0,99 1,56 9,75 Isa 0:99 1,73 1,60 1,53 1,90 mn 1,71 1. vo Hiernach würde sich also beim Bunsen’schen Photometer die Unter- schiedsempfindlichkeit für Helligkeitscontraste zu derjenigen gleicher Hellig- keiten verhalten wie 1,71 :1. Die Resultate der angestellten Versuche sind sonach: Bei Benutzung des Bunsen’schen Photometers muss, mit Ausnahme der auf reiner Substitution beruhenden Beobachtungsmethoden, eine Vertauschung der Schirmseiten (event. Vertauschung der verglichenen Flammen oder Umkehr des Photometergehäuses) vorgenommen werden, falls nicht beide Schirmseiten genau gleich beschaffen sind. Letzteres ist in der Regel bei den in der Praxis angewandten Schirmsorten nicht der Fall. Durch directe Bestimmung der Reflexions- und Transmissions-Co&ffi- cienten des Schirmes lassen sich die Empfindlichkeits - Coöfficienten des Bunsen’schen Photometers ermitteln. Die reciproken Werthe derselben übersteigen bei den in der Praxis gebräuchlichen Schirm- sorten den theoretisch möglichst kieinsten Werth um das Zwei- bis Vierfache. Dieselben sind einer beträchtlichen Reduction fähig. Die Beobachtung der drei Einstellungspunkte L M R nebst der empirischen Bestimmung der Empfindlichkeits-Coöffieienten lässt zwar eine Auswerthung des psychophysischen Verhältnisses zwischen den Unterschiedsempfindlichkeiten von Helligkeitscontrasten und gleichen Helligkeiten zu, erfordert jedoch eine in den vorstehenden Versuchen nicht gemachte Berücksichtigung gewisser störender Nebeneinflüsse, welche sich bei schneller Aufeinanderfolge der einzelnen Beobachtungen geltend machen. der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 139 Sitzung am 23. März 1887. Herr Apotheker Werner demonstrirte einige Proben von im Handel bezogenem Essigäther, welcher Amylalkohol, Fuselöl, enthielt. Die Pharm. Germ. Ed. II giebt als Zeichen der Güte und Reinheit des Essigäthers an: den Siedepunkt von 74°—76° (C., ein spec. Gew. von 0,900—0,904, neutrale Reaction, die Eigenschaft, beim Vermischen mit gleichem Volumen Wasser nur !/, seines Volumens zu verlieren, voll- kommene Flüchtigkeit und einen eigenthümlichen angenehmen Geruch. Wird die letzte Probe in der Weise angestellt, dass man einige Tropfen des zu prüfenden Aethers auf Filtrirpapier verdunsten lässt, so verliert sich nicht bei jedem Essigäther nach dem Verdunsten der Geruch, sondern es bleibt mitunter ein sehr deutlicher Geruch nach Amylalkohol zurück. Wird solcher Essigäther in der Weise mit concentrirter Schwefelsäure geprüft, dass man zunächst eine I—2 cm hohe Schicht Essigäther in das Proberöhrchen giebt, und lässt dann ein ungefähr gleiches Volumen Schwefelsäure an der Wandung des Glases vorsichtig herablaufen, so zeigt sich an der Berührungsfläche sofort eine dunkle, fast schwarze Zone, welche in dem Maasse, als Aether und Säure sich mischen, nach beiden Seiten an Breite zunimmt und in der Aetherschicht nach oben hin heller wird, und diese durch die ganze Masse violett färbt. Der deutlichste Be- weis, dass der Essigäther fuselhaltig ist. Ob nun diese Färbung vom Amylalkohol allein herrührt, oder ob weitere Zersetzungsproducte desselben noch mitwirken, ist noch nicht festgestellt. Reiner, aus gutem, rectificirtem Weingeist bereiteter Essigäther hinter- lässt nach dem Verdunsten keinen Geruch und bleibt beim Vermischen mit concentrirter Schwefelsäure vollkommen farblos. Eine quantitative Bestimmung des Amylalkohol liess sich leider nicht anstellen, weil das dem betreffenden Handlungshause zur Verfügung ge- stellte Präparat der Fabrik sofort zurückgeschickt worden ist. Die in der Pharmakopoe vorgeschriebene Prüfung des Essigäthers nimmt auf diese bedenkliche Verunreinigung keine Rücksicht und daher betonte der Vortragende die Nothwendigkeit, diese Prüfung auch stets auf einen Gehalt an Fuselöl auszudehnen. Herr Geheimrath Professor Dr. Poleck machte einige Mittheilungen über das Vergilben des Papiers und den Nachweis von Holzschliff, indem er sich auf die Resultate der wissenschaftlichen Untersuchungen von Dr. Wurster in Berlin und Dr. Wiesner in Wien bezog. Es ist eine ebenso bekannte wie wenig angenehme Thatsache, dass in neuerer Zeit gewisse Sorten Papier rasch vergilben, sich bräunen und damit ihre Festigkeit einbüssen, dass selbst in geschlossenen Büchern nach kurzer Zeit die beschnittenen Ränder einen gelben bis gelbbraunen Saum 1887. 9 130 Jahres-Bericht erhalten, dessen Intensität nach innen zu abnimmt. Wiesner hat nun durch exacte Versuche gezeigt, dass dies Vergilben nur bei Papieren statt- findet, welche Holzstoff, speciell Holzschliff, enthalten, dass dieser Vorgang an die Gegenwart von Luft, Licht und Wasserdampf, wie ihn jede auch scheinbar völlig trockene Luft enthält, geknüpft ist. In der Torricelli’schen Leere findet selbst im directen Sonnenlicht kein Vergilben statt, wohl aber sofort, sobald man atmosphärische Luft zutreten lässt. Es ist daher das Vergilben ein Oxydationsprocess, bei welchem die sogenannten incrustiren- den Stoffe der Holzfaser, nach Wiesner das Vanillin und Coniferin, vor- zugsweise mitwirken, während sie in der Baumwollen- und Leinenfaser nicht enthalten sind und bei der Darstellung der Cellulose durch die chemische Behandlung des Holzes mit Alkalien und sauren schwefligsauren Salzen fast ganz entfernt werden. Das so behandelte Holz verhält sich dann wie reiner Zellstoff, es vergilbt nicht und muss daher scharf vom Holzschliff unterschieden werden, welcher nur durch mechanische Zer- reissung der Holzbündel gewonnen wird. Wiesner hat ferner durch directe Versuche gezeigt, dass nur die stark brechbaren Strahlen des Sonnen- lichts im Violett diese Wirkung auf den Holzstoff ausüben, während im Roth bis Grün des Sonnenspectrums diese Wirkung gar nicht eintritt. Da das Leuchtgaslicht sehr arm, dagegen das elektrische Bogenlicht sehr reich an violetten Strahlen ist, so ist nach Wiesner’s Ansicht die Be- leuchtung von Bibliotheken durch Gaslicht jener durch elektrisches Licht vorzuziehen. Wurster bestätigt im Grossen und Ganzen diese Beobachtungen von Wiesner und erklärt sie durch die von ihm beobachtete Activirung des Sauerstoffs im Holzstoff, Bildung von Ozon und auch von Wasserstoff- superoxyd, welche einmal durch das im Papier fein zertheilte Harz bei der sogenannten vegetabilischen Leimung und dann durch die vorstehend er- wähnten incrustirenden Substanzen der Holzfaser, Vanillin und Coniferin, bedingt wird und damit die Oxydation und den endlichen Zerfall der Holz- faser einleitet. Je grösser der Gehalt des Papiers an Holzschlifl, um so intensiver treten diese Erscheinungen auf, daher werden Bücher mit werth- vollem Inhalt schon seit Jahren auf holzschlifffreies Papier gedruckt, Da- gegen theilt Wurster durchaus nicht die Ansicht von Wiesner bezüglich der Verwendung von Gaslicht in den Bibliotheken, weil nach ihm die Ver- brennungsproducte des Leuchtgases, unter denen sich, durch dessen Am- moniak- und Schwefelgehalt bedingt, stets kleine Mengen Schwefelsäure und salpetrige Säure befinden, einen ungleich verhängnissvolleren Einfluss auf das Papier ausüben, als die im elektrischen Licht enthaltenen blauen und ultravioletten Strahlen. Unter solchen Umständen ist es von Wichtigkeit, den Holzschliff im Papier auch seiner Menge nach zu bestimmen, während man schon früher durch Anilin, Sulfanilsäure u. s. w. seine Anwesenheit zu erkennen ver- der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 131 mochte. Wurster hat nun in dem von ihm dargestellten Dimethylpara- phenylendiamin C,H, an, welches, an sich farblos, durch Ein- 2 wirkung von Oxydationsmitteln mit grösster Leichtigkeit in einen fuchsin- artigen Farbstoff übergeht, ein geeignetes Mittel zum quantitativen Nach- weis von Holzschliff im Papier gefunden und den Besitzer der renommirten chemischen Fabrik in Görlitz, Dr. Th. Schuchardt, veranlasst, dasselbe in Form von Reagenspapieren in den Handel zu bringen, gleichzeitig mit einer Farbenscala, welche auf Grund von zehn Papiersorten mit bekanntem Gehalt an Holzschliff durch die Intensität ihrer Farben von blassrosa bis tief rothbraun in zehn Nuancen den steigenden Procentgehalt des im Papier vorhandenen Holzschlifis angiebt. Der Vortragende demonstrirte unter Vorlesung des betreffenden chemischen Präparats die Anwendung dieses Reagenspapiers, von welchem ein kleines Blättchen mit Wasser be- netzt zwischen zwei Lagen des zu untersuchenden Papiers gebracht bei Gegenwart von Holzschliff eine Färbung annimmt, welche im angefeuchteten Zustande mit der Farbenscala verglichen werden muss. Eine Anzahl der- artiger auf Holzschliff geprüfter Papiere, welche alle Nuancen der Scala zeigten, wurden vorgelest. Schliesslich gedachte der Vortragende noch auf Grund eines Berichts im „Naturforscher‘‘ der durch Dr. Wiesner ausgeführten mikroskopischen und chemischen Untersuchung des unter dem Namen ‚Papyrus Erzherzog Rainer“ berühmt gewordenen Documentenschatzes, welcher vor einigen Jahren zu El Faijuhn in Mittel-Egypten aufgefunden wurde und welcher neben mehr als 50000 auf Papyrus, Pergamenten und Thierhäuten ge- schriebenen Stücken auch zahlreiche Papiere enthielt, welche die gegen- wärtige Technologie als „gefilzte‘‘ oder „geschöpfte‘“‘ Papiere bezeichnen würde. Diese Papiere sind die ältesten, welche man kennt. Nach sicheren Datirungen stammen dieselben aus dem 8. und 9. Jahrhundert unserer Zeitrechnung, einige sind jünger, andere scheinen älter zu sein. Diese Papiere sind nicht nur sämmtlich beschrieben, sondern befinden sich noch jetzt im beschreibbaren Zustande, sie enthalten daher noch ihren Leimstoff und zwar war dieser nicht thierischer Leim, sondern Stärkekleister. Sie bestanden nicht, wie man dies von den ältesten Papieren bisher glaubte, aus unversponnener Baumwolle, sondern aus Leinenfasern. Und so stellte Wiesner das für die Paläographie interessante Resultat fest, dass die ältesten bekannten Papiere aus Hadern, entweder blos aus Leinenfasern oder aus einem Gemenge von viel Leinen und wenig Baumwolle mit Stärke- leimung bestanden. Diese Papiere haben sich durch mehr als 1000 Jahre im brauchbaren Zustande erhalten, während im grellen Contrast zu ihnen die Gegenwart uns mit Papiersorten beschenkt hat, welche schon nach wenigen Decennien, um nicht Jahre zu sagen, sich der weiteren Benutzung durch Zerfallen entziehen. hR 132 Jahres-Bericht Sitzung am 11. Mai 1887. Der Docent an der Universität, Herr Dr. F. Auerbach, hielt einen Vortrag zur Klarstellung des Elasticitätsbegriffes. Die äussere Veranlassung zu den folgenden Betrachtungen wurde mir durch vielfache Fragen geboten, welche von Seiten der Vertreter ver- wandter Wissenschaften an mich gerichtet worden sind, und welche den Begriff der Elastieität zum Gegenstande haben. In der That leidet dieser Begriff unter einer eigenthümlichen Unklarheit beziehungsweise Unsicher- heit, welche ursprünglich dadurch entstanden ist, dass der, ich möchte sagen, sprachgebräuchliche Begriff der Elastieität mit dem wissenschaftlichen sich durchaus nicht deckt. Es möge genügen, in dieser Hinsicht vorläufig nur ganz kurz auf-das Beispiel des Kautschuks hinzuweisen, welches im gewöhnlichen Leben als ein Stoff von ganz besonders grosser Elasticität angeführt zu werden pflegt, während er eine im wissenschaftlichen Sinne des Wortes im Gegentheil sehr geringfügige Elasticität besitzt. Wichtiger ist es, dass die erwähnte Unsicherheit des Elastieitäts- begriffes in die Wissenschaft selbst eingedrungen und nicht ohne Einfluss auf die wissenschaftliche Litteratur, insbesondere auf die Lehrbücher der Experimentalphysik geblieben ist. In der Mehrzahl derselben wird bei der Einführung der Elastieität folgendermassen zu Werke gegangen. Zunächst wird die Elastieität definirt als die Fähigkeit der Körper, nach dem Aufhören einer deformirenden Kraft wieder in ihren ursprünglichen Zustand zurückzukehren. Es handelt sich nun weiter darum, für diese Fähigkeit ein Maass zu finden. Hierzu dient der Elastieitäts-Coöfficient oder auch sein reciproker Werth, der Elastieitätsmodul. Dabei wird ersterer definirt als die Verlängerung, welche ein aus dem betreffenden Stoff hergestellter, 1 m langer und 1 qmm dicker Stab unter (d. h. während) der Zugwirkung von 1 kg erfährt, letzterer als dasjenige Gewicht, welches den gedachten Stab um 1 m verlängert, oder, richtiger gesagt, verlängern würde, wenn die Gesetze der Elasticität bis zu so colossalen Verlängerungen Giltigkeit behielten'). Während also die Elastieität als eine Erscheinung definirt wird, welche‘ nach dem Auf- hören der Kraft auftritt, handelt es sich bei dem Elastieitäts-Coöfficienten (und ebenso bei dem Elasticitätsmodul) um den Zustand während des Wirkens der Kraft; es kann also unmöglich dieser das Maass jener sein. Um diesen Widerspruch zu heben, kann man entweder die obige Definition der Elastieität fallen lassen und sie derjenigen des Elasticitäts- i ) Manche Physiker gebrauchen Co&fficient und Modul in derselben Bedeutung, nämlich in derjenigen, welche oben dem Modul gegeben ist. der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 133 modul anpassen, oder man kann gerade umgekehrt die obige Definition des Moduls fallen lassen und sie derjenigen des Elasticitätsbegriffs selbst anpassen. Es ist leicht einzusehen, für welche dieser beiden Möglich- keiten man sich zu entscheiden habe. Die einfachere, fundamentalere und wichtigere Eigenschaft der Körper bezieht sich hier, wie überall, auf ihr Verhalten während des Wirkens äusserer Kräfte; ihr Verhalten nach dem Aufhören derselben kommt erst in zweiter Linie in Betracht. Demgemäss ist die obige Definition des Moduls beizubehalten, an die Stelle derjenigen des Elasticitätsbegriffs aber, wie es auch in den Lehrbüchern und Mono- graphien mathematisch -physikalischen Charakters meist geschieht, folgende zu setzen: Elasticität ist die Fähigkeit der Körper, der deformirenden Wirkung äusserer Kräfte Widerstand entgegenzusetzen; man kann sie auch geradezu als diesen Widerstand bezeichnen. Da nun von diesem Wider- stande die durch den Elastieitäts-Coöfficienten angegebene Verlängerung, resp. das vom Modul angegebene Gewicht abhängt, so ist nunmehr jener Coefficient resp. Modul in der That ein Maass der Elasticität. Erwägt man ferner, dass, je grösser jener Widerstand, desto kleiner die Verlängerung, d. h. der Elasticitäts-Coöfficient, dagegen desto grösser das verlängernde Gewicht, d. h. der Modul sein wird, dass also die Beziehung zwischen Elastieität und Elastieitäts-Coöfficient eine umgekehrte, dagegen diejenige zwischen Elastieität und Elastieitätsmodul eine directe ist, so wird man nicht zögern, dem Elasticitätsmodul als Maass der Elasticität den Vorzug zu geben. Die folgende Tabelle enthält die Elasticitätsmoduln einiger Stoffe, Eisen 21000 Blei 1800 Stahl 19000 Holz 1000—3000 Kupfer 12 000 Kautschuk 2'). Silber 7 000 Eisen ist also der am meisten, Kautschuk der am wenigsten elastische Stoff. Ist hiernach der wissenschaftliche Begriff der Elasticität festgestellt, so erhebt sich nunmehr die Frage nach der Bedeutung des sprachgebräuch- lichen Elastieitätsbegriffs.. Bleibt man wiederum beim Beispiel des Kaut- schuks stehen, so sieht man ein, dass zunächst die Dehnbarkeit des Kautschuks in Betracht kommt. Da nun die Dehnbarkeit zum wissen- schaftlichen Elastieitätsbegriff offenbar im umgekehrten Verhältniss steltt, so würde, wenn die Dehnbarkeit den sprachgebräuchlichen Elasticiläts- begriff erschöpfte, dieser letztere geradezu das Gegentheil vom wissen- !) Nach den Untersuchungen von Villari (Nuovo Cim. (2) Bd. 1 und Pogg. Ann. 143 (1871) ist allerdings der Elastieitätsmodul des Kautschuks keine Con- stante, sondern grossen Schwankungen unterworfen; für die vorliegenden Betrach- tungen genügt es aber, den obigen Mittelwerth einzuführen. 134 Jahres - Bericht schaftlichen Begriffe sein. Das ist nun aber (von den rohesten Vorstellungen abgesehen) nicht der Fall; es muss zur Dehnbarkeit noch etwas hinzu- kommen, damit ein Stoff im Sprachgebrauche als elastisch bezeichnet werde. Der Zustand des Körpers während des Wirkens der Kraft ist aber durch den’Modul bereits vollkommen bestimmt; das, was hinzukommt, kann sich also nur auf das Verhalten nach dem Aufhören der Kraft beziehen. Nach dem Aufhören einer deformirenden Kraft kehrt der Körper in seinen ursprünglichen Zustand zurück, falls jene Kraft, beziehungsweise die von ihr erzeugte Deformation eine gewisse Grenze nicht überstiegen. -Um diese Eigenschaft der Körper zahlenmässig auszudrücken, kann man zwei ver- schiedene Fragen aufwerfen, nämlich diejenige nach dem Grenzgewicht, welches eben noch keine dauernde Wirkung zurücklässt, und die Frage nach der Verlängerung, auf welche eben noch eine vollständige Rückkehr zur ursprünglichen Länge folgt!).. Was zunächst die erste dieser beiden Grössen, das Grenzgewicht betrifft, so ist für dieselbe die wissenschaftliche Bezeichnung Elasticitätsgrenze eingeführt. Für diejenigen Stoffe, für welche in der obigen Tabelle die Elastieitätsmoduln angegeben wurden, hat die Blasticitätsgrenze folgende Werthe: Eisen 32 Blei 0,3 Stahl 43 Holz 1--5 Kupfer 12 Kautschuk 0,1). Silber 11 Wie man sieht, nimmt auch in dieser Tabelle Kautschuk nicht nur nicht die erste, sondern sogar die letzte Stelle ein, d. h. das Kautschuk erfährt eine dauernde Verlängerung schon durch ein kleineres Gewicht als alle übrigen Stoffe. Hieraus folgt, dass die Gewichtsgrenze nicht das Maassgebende für die im sprachgebräuchlichen Sinne hohe Elasticität des Kautschuks sein kann. Es bleibt also nur die andere Möglichkeit übrig, die Verlängerungsgrenze muss das Maassgebende sein. Um nun diese Ver- längerungsgrenze zu finden, braucht man nur die Erwägung anzustellen, dass sich zwei Gewichte verhalten, wie die von ihnen erzeugten tempo- rären Verlängerungen, dass sich also die Zahlen unserer zweiten Tabelle zu den Zahlen unserer ersten Tabellen verhalten müssen wie die Grenz- verlängerung zur Verlängerung durch den Modul, d. h. zur Einheit. Aus dieser Proportion folgt, dass man, um die Grenzverlängerung zu erhalten, !) Streng genommen wird es eine bestimmte derartige Grenze freilich nicht geben, sondern die dauernde Deformation wird schon bei kleinen Kräften statt- finden und nur erst bei grösseren merklich werden. Man ist daher überein- gekommen, von einer dauernden Verlängerung zu sprechen, wenn dieselbe min- destens 0,5 mm auf 1 m Gesammtlänge beträgt, ?) Eine genauere Bestimmung dieser Zahl bleibt künftigen Versuchen vor- behalten. der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 135 die Elasticitätssrenze durch den Elastieitätsmodul zu dividiren hat. Es ergiebt sich auf diese Weise die folgende Tabelle der Grenzverlängerungen, d. h. derjenigen temporären Verlängerungen, welche eben schon dauernde Verlängerungen hinterlassen. Eisen 0,0015 Blei 0,0002 Stahl 0,0023 Holz verschieden Kupfer 0,0010 Kautschuk 0,0500 )). Silber 0,0016 In Worten: ein Kautschukfaden von 1 m Länge kehrt nach Ver- längerungen bis zu 50 mm noch in seinen ursprünglichen Längenzustand zurück, bei Stahl ist diese Zahl 2,4 mm, bei den übrigen Stoffen noch kleiner. Wie man sieht, nimmt in dieser Tabelle Kautschuk die erste und — worauf gleichzeitig hingewiesen werden möge — Stahl die zweite Stelle ein. Dies entspricht vollkommen dem sprachgebräuchlichen Sinne des Elasticitätsbegriffs. Man kann daher sagen: Elasticität im sprachgebräuchlichen Sinne des werte: ist diejenige temporäre Verlängerung, welche nach dem Auf- hören der verlängernden Kraft eben noch keine (oder, was dasselbe ist, eben schon eine) dauernde Verlängerung hinter- lässt. Mit der vorstehenden Betrachtung hängt die nun folgende nur lose zusammen, nämlich nur insofern, als sie ebenfalls eine weitverbreitete Be- grifisunsicherheit zu beseitigen geeignet ist; im Uebrigen gewinnt sie ein selbstständiges Interesse durch das Resultat, zu welchem sie führt, und welches in einer übersichtlichen Classification aller Stoffe nach der Anzahl der ihnen eigenthümlichen Constanten besteht. Die angedeutete Unsicher- heit bezieht sich auf einen für die Klasse der Gase häufig angewendeten Ausdruck, wonach man dieselben als elastische Flüssigkeiten bezeichnet. Es frägt sich, ob bei dieser Bezeichnung der sprachgebräuchliche oder der wissenschaftliche Sinn des Wortes elastisch gemeint sei; und es frägt sich dann weiter, was es überhaupt mit der Elastieität der nicht im festen Aggregatzustande befindlichen Stoffe auf sich habe. Die analytische Mechanik behandelt die Bewegung der Körper rein analytisch und fässt von den Körpern selbst nur die Eigenschaften des Masseninhalts und der räumlichen Configuration ins Auge; das einzige, was sich ändert, ist der Ort, an welchem sich die einzelnen Theile des Körpers befinden. Die analytische Mechanik hat es demgemäss nur mit einer ein- zigen stofflichen Constanten zu thun, nämlich mit der auf die Raumeinheit bezogenen Masse, d. h. mit der Dichtigkeit. In Wirklichkeit ist aber kein Körper von starrer innerer Beschaffenheit und räumlicher Configuration; !) Setzt man, gemäss den Versuchen von Röntgen, den Modul für Kautschuk zu 0,1 an, so wird diese Zahl sogar noch viel grösser. 136 Jahres-Bericht äussere Kräfte bringen Veränderungen an ihm hervor, welche sich nicht durch Bewegungen des Körpers als eines Ganzen darstellen lassen. Man kann zwei Arten derartiger Veränderungen unterscheiden; ist nämlich jene äussere Kraft normal gegen die Oberfläche gerichtet, so besteht ihre Wir- kung in einer Volumenänderung oder Compression; ist sie tangential zur Oberfläche gerichtet, so besteht ihre Wirkung in einer Gestaltsänderung oder Deformation. Es ist anzunehmen, dass sich die verschiedenen Stoffe hinsichtlich beider Veränderungen verschieden verhalten werden; einem jeden Stoffe wird ein bestimmter Widerstand gegen Compression und ein bestimmter Widerstand gegen Deformation eigenthümlich sein — Wider- stände, welche als neue, für den Stoff charakteristische Constanten zu seiner Dichtigkeit hinzutreten werden. Auch liegt die Vermuthung nahe, dass hierbei das Verhalten der einem bestimmten Aggregatzustande an- gehörigen Stoffe ein ähnliches sei und sich geradezu jeder dieser Aggregat- zustände von den übrigen durch sein eigenthümliches Verhalten gegen Compression und Deformation unterscheiden wird. Betrachten wir zuerst die tropfbaren Flüssigkeiten, so sehen wir, dass ihr Widerstand gegen Compression sehr gross, also ihre Gompressibilität sehr klein, dagegen ihr Widerstand gegen Deformation sehr klein, also ihre Deformabilität sehr gross ist; und es giebt zahlreiche Natur- erscheinungen, bei welchen man geradezu die Gompressibilität als unendlich klein, die Deformabilität als unendlich gross betrachten kann. Eine solche Flüssigkeit, die man ideale Flüssigkeit nennen kann, hat also (von der Dichtigkeit ein für allemal abgesehen) überhaupt keine specifische CGon- stante. Rei einer weiteren Klasse von Erscheinungen darf man zwar die Com- pressibilität der Flüssigkeiten ebenfalls vernachlässigen, nicht aber den Widerstand gegen Deformation, d. h. gegen seitliche Verschiebungen der Theilchen. Man nennt diesen Widerstand bekanntlich Zähigkeit oder innere Reibung und die betreffende Constante die Reibungsconstante. Dies ist also die einzige, einer zähen, incompressiblen Flüssigkeit specifisch eigenthümliche Constante. Aehnlich, aber doch in einem wesentlichen Punkte gerade entgegen- gesetzt, verhält es sich bei den Gasen. Der Widerstand gegen Deformation, d. h. tangentiale Verschiebungen der Theilchen, ist hier wie dort sehr klein, kann bei einem idealen Gase vernachlässigt werden und wird bei einem zähen oder reibenden Gase durch die Reibungsconstante gemessen. Der Widerstand gegen Compression dagegen ist hier nicht wie bei den tropfbaren Flüssigkeiten unendlich gross, die Gase lassen sich mehr oder weniger leicht comprimiren. Es scheint, dass die Bezeichnung der Gase als elastische Flüssigkeit ursprünglich entstanden ist im Hinblick auf den sprachgebräuchlichen Elasticitätsbegriff; man wollte ausdrücken, dass, ähn- lich wie Kautschuk ausserordentlich leicht gedehnt, die Gase ausser- der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 137 ordentlich leicht comprimirt werden können und dass sie alsdann mit grosser Gewalt sich wieder ausdehnen, wie das Kautschuk sich wieder zu- sammenzieht. Diese Anschauung muss jedoch bei näherer Betrachtung als eine missverständliche bezeichnet werden. Die zur Compression der Gase erforderliche Kraft ist nämlich durchaus nicht klein, sondern sogar, im Vergleich zu der zu comprimirenden Masse, sehr gross; die Gase sind also elastisch im wissenschaftlichen Sinne des Wortes. In jedem Falle wird man für diese Elasticität der Gase eine specifische Grösse einführen müssen und es ergiebt sich somit das Resultat, dass ein ideales Gas eine, ein zähes oder reibendes Gas zwei specifische CGonstanten hat. Bei festen Körpern treten Vereinfachungen dadurch, dass einer oder beide betrachteten Widerstände sehr klein oder sehr gross wären, nicht auf; eine weitere Complication aber entsteht dadurch, dass bei den festen Körpern im Allgemeinen nicht nur der Widerstand in normaler Richtung ein anderer als in tangentialer ist, sondern dass es in beiden Fällen noch auf die besondere Richtung dieser Normalen oder Tangente in Beziehung zur Körpergestalt ankommt. Nur bei den unkrystallinischen Körpern ist dies nicht der Fall; ihr Verhalten wird also durch zwei Constanten voll- kommen bestimmt.‘) Bei den Krystallen hingegen richtet sich die Zahl der Gonstanten nach den Symmetrie- und Analogie-Verhältnissen und steigt für feste Körper ganz allgemeinen Charakters auf 36 an. Die folgende Tabelle giebt eine übersichtliche Classification sämmt- licher Stoffe nach der Zahl der specifischen Constanten. Diese Zahlen sind daneben gesetzt, bei einigen Stoffklassen auch noch in Klammern die- jenigen Zahlen, auf welche sich jene reduciren, wenn man die von Poisson seiner Elastieitätstheorie zu Grunde gelegte Molecularhypothese acceptirt; es muss jedoch bemerkt werden, dass diese Hypothese durch die neuesten Untersuchungen an Boden mehr verloren als gewonnen hat. Tabelle der specifischen Gonstanten der Körper (von der Dichtigkeit abgesehen). BB I NN Eee RE ee useecennenene 22er N Isrgelieilus sis geek iarirshechrt ri SEEN re es Hi Ser ee ee Kuga IRRE Eng ES each Meder BIBETYStAllIHIScCHer. Tester KOtperte. ...sueeeeseaneanenee cn Fester Körper mit drei Symmetrieebenen und drei äquivalenten SE Feel de TR 3 (2) = ww - NO CH fe) () a vo ') Mit dieser Zweizahl stimmt die Zweizahl der in der Elastieitätstheorie auftretenden sogenannten Elastieitäts - Constanten unkrystallinischer Körper über- ein; ob und auf welche Weise es jedoch möglich sei, diese letzteren beiden mit den beiden Eigenschaftten der Compressibilität und der Deformabilität in Beziehung zu bringen, ist gegenwärtig noch controvers und muss einer besonderen Unter- suchung vorbehalten bleiben, 138 Jahres-Bericht 1 ‚, Hexasonaler Kuystallu! Ban RESET. EIGNET Pre 6 8. Körper mit Symmetrieebenen und zwei äquivalenten Achsen. 7 (4) 9, "RhomboedrischerlKrystalia2R. aaa. BEN Rt ER: 8 10. Körper mit zwei oder drei senkrechten Symmetrieebenen ... 12 (6) 11. ‚Körpenmitleinerlsymmetrieebeneriir. anseu ner re 20 19. Körper :ohnelispecielle' Bigenschaften en en Mr 36 Herr Professor Dr. Leonhard Weber machte Mittheilungen, betreffend die im Auftrage des Elektrotechnischen Vereins zu Berlin ausgeführten Untersuchungen über Gewitter-Erscheinungen -und Blitzschutz. Die Berathungen des vom Elektrotechnischen Vereine zu Berlin für die Untersuchung der Blitzableiterfrage gebildeten Unterausschusses haben es als wünschenswerth erscheinen lassen, auch von Seite des Experimentes denjenigen Fragen näher zu treten, welche bei der Untersuchung atmos- phärischer elektrischer Entladungen noch als offene oder erst theilweise erledigte betrachtet werden mussten. Selbstverständlich sollten hierbei von vornherein auch solche Untersuchungen ins Auge gefasst werden, die zwar mit der zunächst vorliegenden Frage nach den Schutzmitteln der Gebäude gegen den Blitz keine unmittelbare Berührung hatten, welche dagegen mittelbar auch von praktischer Bedeutung zu werden versprachen, sofern daraus etwa Aufklärungen über den Ursprung und die Eigenschaften der atmosphärischen Elektrizität überhaupt zu erwarten waren. Die im Laufe des Sommers 1886 angestellten bezw. eingeleiteten Versuche, welche mit Hilfe der Munifizenz des Herrn Staatssecretairs des Reichspostamtes unternommen werden konnten, sind als vorläufige zu betrachten und der nachfolgende Bericht konnte im Wesentlichen bereits in der Sitzung des Elektrotechnischen Vereines vom 26. October 1886 vorgetragen werden. Ueber die inzwischen erfolgte Fortsetzung der Versuche muss ich mir weiteren Bericht vorbehalten. Die Versuche bestanden einerseits in der Aufstellung paarweiser Blitzableiter an exponirten Stellen des Riesengebirges, andererseits in der galvanometrischen Beobachtung derjenigen Ströme, welche sowohl bei heiterem Himmel als zur Zeit eines Gewitters aus Blitzableitern oder aufwärts gerichteten anderen in Spitzen oder Flammen endigenden Leitern zwischen Erde und Atmosphäre übergehen. Der Aufstellung der paarweisen Blitzableiter lag der Gedanke zu Grunde, den Einfluss einzelner Theile eines Blitzableiters insbesondere zunächst der Spitze dadurch zu ermitteln, dass zwei in allen übrigen Theilen und Beziehungen gleiche Blitzableiter dem Blitzschlage ausgesetzt und beobachtet würden. Aus den in längeren Zeiträumen zu erwartenden Relativzahlen der Einschläge in die eine oder andere Stange würde alsdann ein Maass für die Wirksamkeit der einen oder anderen Spitzenart ab- ee a na ie a A an 2 a u ne iu u der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 139 geleitet werden können. Um die speciellere Anordnung dieser Versuche hat sich insbesondere Herr Professor E. Reimann in Hirschberg sehr verdient gemacht. Derselbe wählte drei auf dem Kamme des Riesen- gebirges gelegene, notorisch oft von Blitzschlägen heimgesuchte Stellen aus, und zwar die Schneekoppe, einen Platz bei der Spindlerbaude und einen solchen in der Nähe der Schneegrubenbaude. Die hierfür bestimmten, von Herrn Bönsch in Hirschberg angefertigten Apparate wurden in dankenswerthester Bereitwilligkeit durch die Gräflich Schaffgotsch’sche Kameralverwaltung auf den Kamm geschafft. Dieselben bestanden an den erstgenannten beiden Orten aus je zwei in 5 m Distanz aufgestellten 6 m hohen Telegraphenstangen. An jeder Stange war, durch Telegraphen- isolatoren gestützt und isolirt, ein Blitzableiter angebracht, welcher in 1'/), bis 2m Höhe eine durch Kupferkugeln begrenzte Unterbrechungsstelle besass. Die Erdleitung war bei jedem Paar eine gemeinsame. Die Grösse der Unterbrechungsstelle war durch Schrauben regulirbar und die Spitzen konnten durch aufgeschraubte Endstücke variirt werden. Bei der Schneegrubenbaude war nur die Abänderung getroffen, dass beide Leitungen an derselben Stange befestigt waren. Was nun die Art der Beobachtung betrifft, so war der Apparat auf der Spindlerbaude gewissermassen zu einem selbstregistrirenden gemacht, indem beide Unterbrechungsstellen durch Abschmelzdrähte überbrückt waren. Es brauchte also hier nur von Zeit zu Zeit nach stattgefundenen Gewittern nachgesehen zu werden, ob die Abschmelzdrähte noch intakt seien. An den beiden anderen Orten waren ständige Bewohner der Bauden beauftragt, auf etwaige Funkenbildung an den Unterbrechungs- Stellen zu Zeiten eines Gewitters ihre Aufmerksamkeit zu lenken. Da die Aufstellung der Apparate erst Ende Juni beendet war, so ist ein grosser Theil der 1886er Gewitter nicht mehr in Betracht gekommen. Daher ist auch nur je eine Beobachtung von Funkenbildung bei den Schneegruben und auf der Koppe zu Stande gekommen. An ersterem Orte wurde am 26. Juli während °/, Stunden ein be- ständiger Funkenstrom, dessen einzelne Funken nicht zu zählen waren, von den Bewohnern der Baude und etwa 30 Touristen beobachtet. Die Schlagweite betrug hier 3 bis 4 mm. Die Funken entwickelten sich nur an demjenigen Ableiter, der in eine Kohlespitze endigte, während an dem anderen auf gleiche Unterbrechung und mit einer Platinspitze versehenen nichts bemerkt wurde. Leider hat sich nachträglich herausgestellt, dass die Kohlespitze um einige Centimeter höher stand als die Platinspitze, so dass hierdurch das Ergebniss getrübt ist. Auf der Schneekoppe wurden die Apparate während meiner An- wesenheit am 28. Juni aufgestellt, und zwar an dem westlichen Rande des Koppenplateaus. Am 1. Juli schlug nun daselbst der Blitz in den Blitzableiter der preussischen Baude und verschmähte somit die allerdings 140 Jahres - Bericht einige Meter niedriger gelegenen Spitzen der Versuchsblitzableiter. Da ausserdem die Erdleitung der Versuchsblitzableiter trotz der 1 qm grossen Platte eine sehr schlechte war, so wurde auf eine Verbindung der Erd- platte der Versuchsblitzableiter mit denjenigen des Koppenhauses, sowie der auf die Koppe führenden Telegraphen-Erdleitungen Bedacht genommen, eine Verbindung übrigens, welche, wie aus den Details des Blitzschlages vom 1. Juli hervorgeht, gleichzeitig im Interesse der preussischen sowohl wie der österreichischen Baudenblitzableiter und der beiderseitigen Tele- graphenapparate lag. Diese Verbindung wurde theils bereitwilligst von der k. k. österreichischen Telegraphenverwaltung, theils nach Genehmigung der Königl. Ober-Postdirection in Liegnitz während meiner zweiten Anwesenheit Ende August hergestellt. Dieser besseren Verbindung mit der Erde mag es zuzuschreiben sein, dass am 15. September von dem Telegraphisten Kirschschläger während eines Gewitters an der Unterbrechungsstelle des einen Blitzableiters eine Entladung in einer Schlagweite von 1'/, em beobachtet wurde. Die Spitze dieses Ableiters bestand aus einer mit 16 Kupferspitzchen besetzten Kupferkugel, während der andere Ableiter eine einfache Platinspitze hatte. Was den am 1. Juli stattgehabten Blitzschlag betrifft, so möge hier zunächst erwähnt werden, dass die zahlreichen früheren Blitzschläge auf der Koppe grösstentheils die auf den beiden Giebeln der Baude befindlichen Auffangstangen getroffen haben, während die in der Mitte stehende meist verschont war. So war auch der letzte vorjährige Blitzschlag in die Stange des westlichen Giebels gefahren und hatte die Platinspitze sehr bedeutend zerschmolzen. Dieselbe war in diesem Jahre durch eine vom Ingenieur Leder gelieferte Kohlespitze ersetzt. Der Blitzschlag am 1. Juli hat nun die mittlere Platinspitze sehr bedeutend zerschmolzen, während an der Kohlespitze keinerlei Spuren bemerkbar waren. Wenngleich diese an den drei Stationen gemachten iraknngeee der Zahl nach noch gering sind, so scheinen doch im Wesentlichen schon diejenigen Bedingungen erfüllt zu sein, welche bei fortgesetzter Beobachtung Schlüsse bezüglich der den Spitzen zukommenden oder nicht zukommenden Wirkung erwarten lassen. Voraussichtlich wird auch eine geringe für die Folge beabsichtigte Erhöhung der Versuchsblitzableiter die Zahl der Ein- schläge beträchtlich erhöhen. Bevor ich nun zur Beschreibung der von mir unternommenen gal- vanischen Messungen übergehe, erlaube ich mir in Kürze den Hinweis, dass die gebräuchlichen elektrostatischen Messungsmethoden mit mancherlei Schwierigkeiten verbunden sind. Ohne mich hier auf eine eingehende Kritik derselben einzulassen, die um so precärer sein würde, als auch die galvanischen Messungen von Fehlerquellen nicht frei sind, wird doch so viel gesagt werden können, dass die elektrometrischen Apparate entweder an eine Benutzung in wohleingerichteten Laboratorien gebunden sind oder der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 141 zu ungenau, oder nur für beschränkte Gebiete der zu messenden Potentiale geeignet sind. Insbesondere tritt für alle ausserhalb des Laboratoriums benutzten Elektrometer die Schwierigkeit einer verlässlichen Isolation als eine oft gar nicht zu beseitigende und mitunter auch gar nicht zu kontro- lirende Fehlerquelle hervor. In der Meinung, dass derartige Uebelstände weniger bei galvanischen Messungen vorkommen würden, und ferner in der Erwägung, dass die von letzteren unmittelbar gelieferte Grösse der Stromintensität nicht blos an sich, sondern auch als Ergänzung zu der elektrometrisch direkt gefundenen Potentialdifferenz von Werth sei, habe ich unter verschiedenen Verhältnissen derartige galvanische Messungen mit empfindlichen Apparaten begonnen. Die Versuchsanordnung war durchweg so, dass von einem in Spitzen oder Flammen endigenden und der Atmosphäre exponirten Leiter eine isolirte Leitung zum Galvanometer und von diesem zur Erde geführt war. Ich überzeugte mich zunächst durch Versuche auf dem flachen Dache meiner in der Vorstadt Breslaus gelegenen Wohnung, sowie auch von dem physikalischen Observatorium der Universität aus, dass schon eine einzige Kerzenflamme in der geringen Höhe von kaum 1 m über dem Dache bei völlig heiterem Himmel messbare Ströme gab. Dieselben waren allerdings sehr klein. Wenn ich als Einheit des Strommaasses den mil- lionsten Theil eines Milliampere, etwa zu bezeichnen durch ua zu Grunde lege, so betrug die Stromstärke meist nur einige Einheiten und erreichte bei einem mit zarten Zirruswolken leicht überflogenen Himmel den Werth 18. Das dabei benutzte Galvanometer war ein von Plath gebautes mit astatischem Nadelpaar. Dasselbe hatte 10000 Windungen, einen Widerstand von 1608 Ohm. Bei einem Scalenabstand von etwa 2 m entsprach der mittels Kommutators doppelseitig gemachten Ablenkung von 1'mm eine Stromstärke von drei jener kleinen Einheiten. Als statt der einen Flamme deren acht aus einem 1 m langen horizontalen Brennerrohre brennend angewandt wurden, stieg die Strom- stärke im Mittel aus mehreren abwechselnd gemachten Messungen auf das 3'/,-fache. Die Anwendung einer Petroleumfackel, wie sie die Feuerwehr benutzt, ergab noch eine weitere Steigerung des Stromes, die am 25. März bis zu 144 ua ging. Da ich es für möglich hielt, dass derartige in geringer Höhe über dem Erdboden bezw. den Dächern gemachte Versuche auf hohen und steilen Bergspitzen wesentlich stärkere Ströme liefern würden, begab ich mich in Begleitung des Herrn Dr. Michalke am 30. April auf den Gipfel des 729 m hohen Zobten, des bekanntlich ganz isolirt aus der Ebene aufsteigenden, in Breslaus Nähe gelegenen Berges. Das Wetter gestaltete sich ungünstig und auch unbequem, insofern wir den Gipfel des Berges mit halbgeschmolzenem Schnee bedeckt und von Nebel eingehüllt fanden. Trotzdem wurde auf dem zu geodätischen Vermessungen hergerichteten 142 Jahres - Bericht höchsten Plateau das Galvanometer nebst Fernrohr und Skala aufgestellt. An den Pfeilern des hölzernen Geländers daselbst wurden 6 Wachsfackeln befestigt, welche mit Draht durchflochten waren. Die beobachtete Strom- stärke schwankte zwischen 23 und 94 wa. Hieraus war nun vor der Hand weder auf eine erheblich stärkere noch auf eine erheblich schwächere Ausströmung als in der Ebene zu schliessen. Ich entschloss mich deshalb, um gleich den erreichbar extremsten Fall zu prüfen, für mehrere Tage auf die 1603 m hohe Schneekoppe zu gehen, die ich am 26. Juni gemeinschaftlich mit Herrn Professor Reimann und Herrn Cand. Langner aus Hirschberg bestieg. Das auch zu den früheren Messungen benutzte Galvanometer wurde in dem Telegraphenbureau der böhmischen Baude aufgestellt, und der vom Galvanometer zur Erde führende Draht wurde an die Erdleitung der österreichischen Linie angeschlossen. An einem alten, am südlichen Rande des Koppenplanums befindlichen Holzgerüste wurde eine der mit- gebrachten Wachsfackeln befestigt und von hier aus, durch Porzellanstifte isolirt, eine blanke Drahtleitung zum Fenster des Bureaus und ferner ein Kautschukdraht durch das Fenster bis zum Galvanometer verlegt. Das Wetter war nur am Vormittag des 27. und ganz in der Frühe des 28. leidlich klar und von Gewitterwolken frei, jedoch nicht frei von einer schwachen Zirrusdecke. Da die Aufstellung und Justirung der Apparate eine ziemlich lange Zeit in Anspruch nahm, habe ich nur wenige Beobachtungen bei heiterem Wetter machen können. Dieselben ergaben bei Benutzung einer Fackel Ströme bis zu 32 wa, also auch Ströme von der Grössenordnung der in der Ebene beobachteten. Auf die Messungen während des Gewitters und bei Nebelwetter auf der Koppe komme ich nachher zurück. Zuvor möchte ich eine andere Versuchsreihe erwähnen, durch welche - ich zu ermitteln hoffte, wie sich die aus feinen Spitzen ausströmende Elektrizitätsmenge zu der aus Flammen strömenden verhielt. Ich stellte 150 feinste Nähnadeln in einem Kranze von 1 m Durchmesser auf dem Dache meiner Wohnung auf. Dieselben ergaben keine merkliche Spur eines Stromes, während eine einzige Kerze das Galvanometer deütlich ablenkte. Eine Flamme hat demnach, wie übrigens auch sonst bekannt, eine unvergleich viel grössere Ausströmungskraft als eine Metallspitze. In Fortsetzung dieses Versuches benutzte ich das mir von Herrn v. Funke freundlichst eingeräumte, sehr frei gelegene flache Dach des landwirth- schaftlichen Institutes. Gleichzeitig stellte mir Herr Metzdorf sein in demselben Gebäude befindliches Wiedemann’sches Galvanometer in zuvor- kommenster Weise zur Verfügung. An Stelle einer Vermehrung feiner Metall-Spitzen versuchte ich, Pflanzen isolirt aufgestellt der Atmosphäre zu exponiren. Es leitete mich hierbei gleichzeitig die Erwägung, dass, wenn es möglich wäre, diejenigen der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 143 Ströme zu messen, welche einen Baum von der Wurzel bis zur Spitze und von hier hinein in die Atmosphäre durchsetzen, hieraus weitere Schlüsse theils bezüglich des Einflusses bewaldeter Gegenden auf die elektrische Ladung der Luft, theils auch bezüglich der localen Variationen des Erdmagnetismus zulässig sein würden. Ausser mehreren kleinen Koniferen und Akazien stellte ich eine etwa 2', m hohe Kiefer auf, welche sich, in einen grossen Korb verpflanzt, den Sommer über frisch erhielt. Die Pflanzen standen auf einer durch Por- zellanglocken isolirten Bretterschicht. Ein Kautschukdraht führte von hier längs der Aussenmauer des Gebäudes zu dem im Parterre befindlichen Galvanometer. Die Erdableitung führte zur Wasserleitung. Nach der sehr zeitraubenden Beseitigung einiger Fehlerquellen ist es mir nicht gelungen, bei völlig heiterem Himmel mit Sicherheit eine Ausströmung aus den Pflanzen zu messen. Es bestanden jene Fehlerquellen in einem sich entwickelnden Eigen- strome der Leitung, welcher auftreten musste, sobald der nach dem Dache führende Draht nicht völlig isolirt war. Alsdann bildete nämlich die Wasserleitung, der Draht und die mit letzterem in Berührung stehende Mauer einen geschlossenen Stromkreis mit elektromotorischen Kräften. Eine solche nicht völlige Isolation trat nun bei Regenwetter ein, wenn die Umspinnung des Kautschukdrahtes nass wurde. Es mussten in Folge dieses nicht gleich am Anfang erkannten Umstandes eine grosse Zahl von Beobachtungen als unbrauchbar verworfen werden, und nur solche Be- obachtungen blieben verwerthbar, in denen der beobachtete Strom eine entgegengesetzte Richtung hatte als jener Eigenstrom der Leitung. Ich übergehe zunächst auch hier die bei Regen und Gewitter auf dem landwirthschaftlichen Institute gemachten Beobachtungen, um derjenigen .Versuche zu gedenken, durch welche es gelang, auch bei völlig heiterem Himmel wesentlich stärkere Ströme zu erzielen. Es waren dies einige mit Drachen angestellte Experimente. Die merkwürdigen, an die Messungen Sir William Thomsons sich gut anschliessenden Resultate, zu denen Herr F. Exner durch seine elektroskopischen Messungen an der Erdoberfläche und im Ballon gelangt ist, haben eine sehr beträchtliche Zunahme des Potentials mit der Höhe — 600 Volt für 1 m — ergeben. Herr Exner erklärt dies bekanntlich aus einer negativen Ladung der Erde. Bei klarem, windstillem Wetter, wenn durch aufsteigende, negativ geladene Wasserdämpfe keine Störungen eintreten, würde hieraus eine der Erdoberfläche parallele Lagerung der Schichten konstanten Potentiales folgen. Jeder Erhöhung der Erdober- fläche würden die Schichten sich anschmiegen müssen, uud zwar in der Weise, dass über den höchstgelegenen Punkten jene Niveauflächen dichter gedrängt sein und das negative Potentialgefälle in vertikaler Richtung bier grössere Werthe erreichen müsste. 144 Jahres- Bericht Demzufolge bereitete ich bei einer zweiten, Ende August unternom- menen Expedition auf die Koppe entsprechende galvanometrische Messungen vor. Ein von den Herren Hartmann u. Braun für unsere Gewitter- beobachtungen besonders konstruirtes Galvanometer wurde mitgenommen, ausserdem ein Papierdrachen und etwa 230 m Schnur, welche durch eingeflochtenen feinsten Lahn leitend gemacht war. Auf der Koppe installirte ich das Galvanometer im böhmischen Telegraphenbureau und legte von den oberen isolirten Theilen der oben erwähnten beiden Versuchsblitzableiter Leitungen ins Bureau, so dass nach Belieben entweder die eine, oder die andere, oder keine derselben zum Galvanometer und von hier aus zur Erde geleitet werden konnten. Diese Aufstellung sollte dauernd bleiben und abgesehen von etwaigen Drachen- versuchen, zur Beobachtung der beim Gewitter aus den Spitzen der Ableiter strömenden Elektrizität dienen. Während meines mehrtägigen Aufenthaltes trat nun leider der für die Koppe äusserst seltene Fall ein, dass bei absolut klarem Himmel fast voll- ständige Windstille war. Die geringen, am Morgen einsetzenden Luftströme stiegen am Koppenkegel auf und an der entgegengesetzten Seite herab und hatten eine so geringe Mächtigkeit, dass alle Versuche, den Drachen auf- zubringen, scheiterten. Auch ein leichterer, schnell gefertister Drachen liess sich nur für so kurze Momente hinaufbringen, dass Messungen nicht ausführbar waren. Erst nach meiner Abreise ist es dem Koppenwirth, Herrn Pohl, zweimal gelungen, den Drachen steigen zu lassen. Die auf isolirter Unterlage befestigte Schnur wurde zu dem oberen Theil eines der Blitzableiter geführt und der entsprechende Draht im Telegraphenbureau an das Galvanometer gesetzt. Nach den Aufzeichnungen des beobachtenden Telegraphisten Kirch- schläger fanden dabei Ablenkungen des Galvanometers von 2 bis 4, ein- mal sogar bis zu 7 cm statt. Der Skalenabstand betrug 1,13 m, die Con- stante war 3060 ua für 1 cm Ausschlag bei 1 m Skalenabstand. Dem- nach hätten die Ströme eine Intensität von 5 400 bis 10 800 und einmal sogar von 19000 ua erreicht. Der benutzte, von einem Schüler des Herrn Professor Reimann ge- fertigte Drachen war etwa 1,20 m hoch, bestand aus Pergamentpapier, und war längs des Randes mit Graphitpulver eingerieben. Ausserdem ver- mittelten Stanniolstreifen die Ueberleitung zur Schnur. Später, gegen Ende September, hat Herr Professor Reimann, welcher im August leider ver- hindert wurde, mich zu begleiten, nochmals eine Koppenfahrt unternommen, fand jedoch ebenfalls Windstille vor, so dass er den inzwischen zerfetzten und von ihm reparirten Drachen nicht aufbringen konnte. Ein von ihm gemachter Versuch, eine Rakete steigen zu lassen, welche durch einen dünnen Draht mit dem oberen Theile des Blitzableiters communicirte, hat merkwürdigerweise keine Ablenkung des Galvanometers ergeben. der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 145 Inzwischen bereitete ich auch in Breslau Experimente mit Drachen vor, welche insofern ein sehr befriedigendes Resultat gegeben haben, als sich daraus mit Sicherheit eine sehr beträchtliche Zunahme des Potentiales mit der Höhe ergeben hat, welche nahezu die Grössenordnung der Exner- schen Zahlen erreicht. Der zuerst benutzte Drachen hatte eine Höhe von 1,20 m und eine Breite von 75 cm, war mit Zeug überzogen und am Rande mit Silberpapier eingefasst. In den Schwanz waren gleichfalls und zwar 120 Büschel aus Silberpapier eingeflochten. Die leitende Schnur hatte eine Länge von etwas über 200 m. Am 27. September wurde der Drachen ausserhalb der Stadt in die Höhe gebracht bei fast ganz klarem Himmel, an welchem nur ganz schwache und im Zenith fast keine Zirri sichtbar waren. In Folge der verhältnissmässig schweren Schnur stieg der Drachen nur bis zu einer Elevation von 25°. Die entsprechende Höhe betrug einige SO m. Es wurden nun, als die Schnur mittels sehr gut') isolirter gläserner Handhabe gehalten wurde, Funken aus derselben ge- zogen, welche merkliche, bis weit in den Körper hinein fühlbare Wirkungen hatten. Auch bei späteren Wiederholungen wurden bei klarem Himmel und etwa derselben Höhe des Drachens Funken aus der Schnur gezogen. Am 6. Oktober wurde bei dem schwachen Unterwinde ein geliehener srösserer Papierdrachen an die leitende Schnur gesetzt und der Schwanz aus Silberpapier angebunden. Das mitgenommene Plath’sche Galvanometer zeigte eine Ablenkung von 6° bei einer Drachenhöhe von 152 bis 164 m, entsprechend einer Elevation von 45 bis 50° Als statt des dauernden Abflusses durch das Galvanometer ein Funkenmikrometer mit Kugeln von 2 em Durchmesser eingeschaltet und durch meinen Körper abgeleitet wurde, ergab sich eine Schlagweite von I mm und die Entladungen trateu mit grösster Regelmässigkeit alle 6 Secunden ein. Als die Schnur um 50 m verkürzt wurde, so dass bei gleichbleibender Elevation der Drachen 110°bis 115 m hoch war, betrug die Ablenkung etwa 2°, die Funkenlänge 0,6 mm, und zwar folgten sich die Entladungen alle 7 Secunden. Diese Galvanometerablesungen waren übrigens nur roh geschätzt, da sich an der betreffenden Localität eine Fernrohrbeobachtung nicht gut einrichten liess. Am folgenden Tage, den 7. October, wurden jedoch genauere Messungen mit Fernrohr und Scala gemacht von der Veranda einer am äussersten Nordrande der Stadt einsam gelegenen und wenig besuchten Restauration, der sogenannten Villa Liebich aus. Herr Dr. Michalke hatte für Her- stellung eines etwas grösseren, 1,46 m langen und 1,07 m breiten Zeug- drachens. Sorge getragen?) Der herrschende Ostwind war ausgezeichnet !) Der Glasstiel war noch mit einem Ringe von Siegellack überzogen, welcher kurz vor den Versuchen durch eine SpiritusfInmme gezogen wurde. 2) Die Zahl der in den Schwanz eingeflochtenen Silberpapierbüschel wurde auf 165 vermehrt. 1837. 10 146 Jahres - Bericht gleichmässig, so dass nach Belieben die Schnur eingeholt und losgelassen werden konnte. Die Elevation blieb auch innerhalb kleiner Grenzen zwischen 40 und 46° constant bei variabler Höhe, dementsprechend waren auch die Galvanometerablesungen sehr constant. Es wurde hin und zurück bei verschiedenen Schnurlängen beobachtet und schliesslich noch einmal schnell die ganze Länge der Schnur ab- gelassen. Es ergaben sich der zeitlichen Reihenfolge nach die folgenden zusammengehörigen Werthe der Höhe h des Drachens, berechnet aus der Schnurlänge und der Elevation des Drachens, sowie der Stromintensität :: h i in Metern in ua, — #72 1072 Ampere A5 27 71 61 107. 451 140 1 078 115 6927 78 957 41 40 139 1939. Während der von 3 Uhr 45 Min. bis 5 Uhr 25 Minuten angestellten Beobachtungsreihe hatte sich der im Anfang mit leichtem Zirrostratus über- zogene Himmel mehr und mehr, namentlich im Zenith, völlig gelichtet. In diesem Umstande ist also nicht blos eine Erklärung für die gegen das Ende der Beobachtungsreihe eingetretene Zunahme der Strömung zu suchen, sondern es ergiebt sich auch zugleich daraus, dass die Zunahme des Potentials mit der Höhe nicht etwa auf Rechnung der aus Eisnadeln be- stehenden Zirri zu setzeu war. Die Versuchsanordnung war eine so ein- fache, dass grössere Fehlerquellen völlig ausgeschlossen waren. Vor der an isolirtem Handgriff gehaltenen Drachenschnur wurde direct ein in der Luft schwebender Draht an die Klemmschraube des Galvanometers gesetzt. Letzteres war noch kurz zuvor auf seine Empfindlichkeit geprüft. Ausser den galvanischen Messungen wurde bei den einzelnen Höhen die Schlag- weite gemessen. Diese war bei im Mittel 140 m Höhe 1 mm, und zwar 14 Entladungen in der Minute. Dieser Schlagweite würde nun eine Potentialdifferenz von etwa 5000 Volt entsprechen, Wenn man dazu die (allerdings diseutable) Annahme macht, _ dass der Ausbreitungswiderstand des Drachens bei derselben Windgeschwindig- keit einen constanten, von der Stromstärke unabhängigen Werth besitzt, so würde sich für die letzten 30 m zwischen den Höhen von 110 und 140 m, entsprechend der Vermehrung des Stromes im Mittel von etwa 535 auf 1 078 Einheiten, eine Vermehrung des Potentiales von 2500 auf 5 000 ergeben, also für 1 m eine Zunahme von 83 Volt. der Schles. Gesellschaft für vater!. Cultur. 147 Eine am 15. October wiederholte Versuchsreihe bestätigte im All- gemeinen das frühere Resultat. Nur war es an diesem Tage nicht mög- lich, wegen des etwas unregelmässigen Windes den Drachen auf constanter Höhe zu halten. Der herrschende Nordwind trieb einzelne Kumuli schnell vorüber, welche eine Gesammtbewölkung von 6 bis 7 darstellten. Der da- zwischen sichtbare Himmel war tiefblau und am Anfang völlig frei von Zirruswolken. Die Stromstärke war eine sehr schwankende zwischen den Grenzen 407 und 2260. Die Elevation des Drachens lag zwischen 30 und 40°, entsprechend den Höhen 100 und 129 m. Ob eine gegen das Ende der Beobachtungen an dem Schwanz befestigte Lunte eine Verstärkung des Stromes bewirkte, hat wegen der Schwankungen, sowie mit Rücksicht auf die beginnende Zirrusbewölkung nicht mit Sicherheit festgestellt werden können. Auch ein am 16. October bei heiterem Himmel gemachter Versuch musste in Folge unregelmässigen Windes sehr bald wieder aufgegeben werden. Es wurde jedoch bei einer Höhe von 140 bis 150 m eine Strom- stärke von 2440 und eine nur schätzungsweise beobachtete von über 3260 (dem gerade vorhandenen beobachtbaren Maximalwert) ermittelt. Eine mir von Herrn Reimann mitgetheilte Drachenbeohachtung hat bei etwa derselben Schnurlänge eine Schlagweite von 1 cm gegeben. Alle diese Versuche geben nun eine, wenn auch vorläufig nur approximative Bestätigung der auf elektrometrischem Wege gefundenen Re- sultate, wonach eine sehr schnelle Zunahme des Potentials mit der Höhe im Betrage von mehreren Hundert Volt bei klarem Wetter vorhanden ist. Es ist hier darauf hinzuweisen, dass die längs der ganzen Schnur in Betracht kommende Ausströmung die elektrostatisch gemessene Grösse der Potentialdifferenz kleiner erscheinen lässt, als wenn jene Ausströmung nicht vorhanden wäre. Dagegen tritt bei der galvanischen Messung um- gekehrt eine Verstärkung des Stromes durch jene Ausströmung ein, wie das leicht herzuleiten ist.'!) Ob man nun aus dieser Zunahme des Potentials auf eine negative Ladung der Erde schliessen oder aber in den vermuthlich sehr constanten Luftströmungen höherer Schichten nach entsprechenden elektromotorischen Kräften forschen soll, möge zunächst unerörtert bleiben. In allen Fällen wird die Vorstellung festzuhalten sein, dass sich der auch als elektrische Niveaufläche zu betrachtenden Erdoberfläche Schichten constanten Potentials auflagern, welche über den gleichmässig ebenen Theilen der Erde als parallele Schichten erscheinen und sich allen Hervorragungen in grösserer Dichte anschmiegen. Für weitere Folgerungen und eventuelle Anwendungen wird es dabei gleichgiltig sein, ob man, wie bisher, das Potential der Erde !) Die Versuche aus dem folgenden Jahre, über welche später berichtet werden wird, haben in der That ergeben, dass dieser Umstand von grossem Belang ist. 10* 148 Jahres-Bericht — Null setzt und dasselbe nach der Höhe zu wachsend positiv annimmt, oder ob man dem Potential der Erde einen sehr hohen negativen Werth giebt und diesen nach der Höhe zu kleiner und kleiner von negativem Vorzeichen werden .lässt. Dass in der That über isolirten Bergkegeln die Niveauflächen dichter gedrängt liegen, scheint auch durch eine 1886 von Herrn Exner auf dem 1780 m hohen Schafberge gemachte Beobachtung bestätigt zu werden. Er fand dort, wie ich einer brieflichen Mittheilung entnehme, das enorme Potentialgefälle von 2000 Voltmeter. Derartige hohe Spannungen müssen sich nun auch schon für kleinere erhöhte Punkte, wie Thürme, Blitzableiterspitzen u. s. w., zeigen, zu Zeiten eines Gewitters oder auch blosser gewitterartiger Wolkenbildungen. Es treten hier jedoch mannigfache Complicationen ein, insbesondere auch die durch Wolkenbildung gegebene Möglichkeit, dass das Potentialgefälle von oben nach unten negativ wird. Dies kann z. B. eintreten, wenn eine be- trächtlich ausgedehnte Wolke schräg nach oben gelagert ist. Das obere Ende ist dann negativ. In diesem letzteren Falle geht auch bei Ausströmungsversuchen mit Flammen oder Spitzen der positive Strom von der Erde zur Atmosphäre an solchen Stellen, welche unter dem negativen Wolkentheile liegen. Meine diesbezüglichen Beobachtungen waren folgende: Am 5. April wurde auf dem magnetischen Observatorium in Breslau mit einer Benzinkerze beobachtet. Es war zuerst positiver Strom vor- handen. In NW. stand dichtes, gewitterhaftes Gewölk, im Zenith einzelne Kumulostrati. Als von NW. her die grössere zusammenhängende Wolken- masse ihre Ausläufer bis ins Zenith erstreckte, trat negativer Strom ein; gleichzeitig fielen grosse Regentropfen. Als der Himmel sich dann auf- klärte, trat wieder positiver Strom ein. Auf dem landwirthschaftlichen Institute wurden bei grosstropfigem, gewitterartigen Wolken entströmendem Regen negative, aus den Pflanzen iretende Ströme bis 120 ua beobachtet. — Bei wirklichem Gewitter und Regen traten insbesondere zweimal von Herrn Metzdorf beobachtete dauernde negative Ströme bis zu 1728 ua ein und vielfache heftige, kurz- dauernde sowohl positive als negative Stromstösse. Auf der Koppe war am 28. Juni der Himmel von früh bis 10 Uhr mit Zirrus bedeckt, welcher an Stärke successive zugenommen hatte. Es wurden schwache positive Ströme beobachtet. Als um 10 Uhr 30 Min. im ©, sich dunkler und scheinbar tiefer Kumulostratus und Nimbus von gewitterhaften Ansehen bildete, traten negative Ströme ein. Dieselben nahmen an Stärke wieder ab, als dichtere und tiefere Wolken im Zenithe vorübergingen, und es traten abwechselnd positive und negative Ströme auf. Als 1 Uhr 20 Min. -die tiefen, scheinbar der Ebene aufliegenden Wolken aus SO. und S. der Koppe näher kamen, ohne jedoch den Kegel Ger Schles. Gesellschaft für vater!. Cultur. 149 einzuhüllen, wurde wiederholt Donner notirt, und es trat ein lebbafter negativer Strom ein, unterbrochen von einzelnen starken positiven Strom- stössen. Als nun bald darauf der Koppenkegel von Wolken leicht ein- gehüllt wurde, nahm der negative Strom ab und blieb während des ganzen Nachmittags über positiv, während leichte Nebel ununterbrochen über die Koppe fortjagten. Leider ist der absolute Werth der hier beobachteten, zum Theil beträchtlichen Ströme nur approximativ ermittelt, da eine durch den Anschluss der Erdleitung an die Telegraphenleitung bewirkte unvor- hergesehene Fehlerquelle die Beobachtungen beeinflusste. ') Entsprechende, von Fehlern freie Beobachtungen habe ich jedoch an den Gewitterabenden des 24. und 25. August in Breslau gemacht. Auf dem Giebel des südlichen, nach der inneren Stadt zugewandten Flügels des Universitätsgebäudes war neben dem Blitzableiter und denselben etwas überragend eine isolirte Kohlenspitze aufgestellt, von welcher mittels iso- lirten Drahtes eine Leitung in mein Laboratorium zum Galvanometer und von hier zur Erde geführt war. Ich benutzte ein Siemens’sches Glocken- Galvanometer, welches etwas überaperiodisch war. Als das Gewitter anzog, wurde die Nadel unruhig, es traten kleinere Zuckungen und Ablenkungen ein. Dieselben nahmen einen deutlich ausgeprägten Charakter an, als das Gewitter sich unter lebhaftem Blitz und Donner mehr und mehr näherte. Gleichzeitig mit jedem Blitz trat eine momentane Zuckung, entsprechend einem positiven Strome ein, dann begann die Nadel negativ abgelenkt zu werden. Diese Ablenkungen zeigten also einen continuirlichen negativen Strom. Derselbe nahm ganz allmählich an Stärke zu, bis dann plötzlich ein neuer Blitz mit entgegengesetztem Stromstoss erfolgte. Durch Umlegen eines Commutators wurde die Möglichkeit einer directen magnetischen Einwirkung ausgeschlossen. Dieses abwechselnde Spiel ging mit grösster Regelmässigkeit eine halbe Stunde lang fort, indem sich bei zunehmender Nähe der Blitze sowohl die continuirlichen Ströme als auch die Zuckungen vergrösserten. Die grösste continuirliche Ablenkung betrug 9 mm, ent- sprechend einer Stromstärke von fast genau 1000 wa. Die grösste, un- mittelbar hierauf folgende Zuckung betrug 22 cm. Eine analoge Beobachtung, wenn auch etwas schwächer, habe ich noch an zwei anderen Tagen gemacht. Sogar sehr entfernte Blitzschläge, welche weder gehört noch gesehen wurden, scheinen sich deutlich in beobachteten Zuckungen abzuspiegeln. Was nun diese Beobachtungen betrifft, so ist der continuirliche Strom derjenige, welcher aus der Spitze austrat, dagegen sind die Stromstösse !) Diese! Fehlerquelle wurde durch die beim Nebelwetter mangelhaft ge- wordene Isolation der Porzellanglocken bewirkt, konnte aber ihrem Hauptbetrage nach dadurch in Rechnung gezogen werden, dass bei allen Beobachtungen zwischen Erde und Galvanometer ein eommutirbares Chromsäure-Element eingeschaltet war. 150 Jahres-Bericht offenbar Rückschläge in der Leitung. Die Elektrieitätsmenge derselben zu berechnen, würde kein Interesse haben, da dieselbe von der Capacität der Leitung abhängt. Ich habe dagegen versucht, die Potentialdifferenz zwischen Erde und Spitze des Blitzableiters zu berechnen. Zu diesem Zwecke wurde das Galvanometer durch einen accessorischen, in einiger Distanz aufgestellten Magnetstab zunächst genau aperiodisch gemacht. Durch grössere, mit einem Condensator gegebene Stromstösse zeigte sich, dass die Ablenkungen mit und ohne Magnet nur sehr wenig verschieden waren. In dem genau aperiodischen Zustande ist nun die Grösse des momentanen Ausschlages dem Integralstrome proportional. Ich lud nun die Leitung mit einer Batterie von 25 Volt und liess die Ladung plötzlich durch das Galvanometer mittels Morsetasters abfliessen. Dasselbe gab einen Ausschlag von 1 mm. Demnach war die Ladung beim Gewitter, als 320 mm Ausschlag erfolgten, 220 mal so gross gewesen, war also so be- schaffen, als wenn damals zwischen Erde und Blitzableiterspitze 25 x 220 Volt —= 5500 Volt eingeschaltet gewesen wären. i Aus den im Vorstehenden beschriebenen galvanıschen Messungen geht nun hervor, dass dieselben in der That angewandt werden können, um die zu Zeiten eines Gewitters aus Blitzableiterspitzen fliessenden Ströme zu messen und demnach bei fortgesetzter Beobachtung mit verschiedenen Arten von Spitzen charakteristische Unterschiede derselben erkennen lassen werden. Bezüglich des bei heiterem Himmel stattfindenden Zustandes der Atmo- sphäre, der als der normale bezeichnet werde, lassen es die bisherigen Resultate als wahrscheinlich erscheinen, dass die unausgesetzt aus den un- zähligen Spitzen des mit Vegetation bestandenen Landes austretenden oder richtiger von denselben eingesogenen Ströme in ihrer Gesammtheit Wir- kungen ausüben, welche nicht blos für den elektrischen Zustand der Atmo- sphäre, sondern vielleicht auch für jene Erdströme von Einfluss sind, welchen von einem zweiten Unterausschusse des Elektrotechnischen Vereins und speciell von dem Herrn Staatssecretair des Reichspostamtes eine so sorgfältige Beachtung geschenkt wird. Wegen etwaiger technischer Ausnutzung der bei normalem Zustande in der Atmosphäre vorhandenen grossen Potential-Differenzen dürften in- dessen die Erwartungen nicht zu hoch zu spannen sein. Sitzung am 9. Juni 1887. Herr Dr. Jolles besprach eine maassanalytische Methode zur Bestimmung des Mangans. Er theilte die Resultate mit, welche er bei der experimentellen Prüfung der in Vorschlag gebrachten maassanalytischen Methoden zur Be- stimmung des Mangans erhalten hatte, wobei er die Volhard’sche Methode der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 151 und die mannigfachen Modificationen, welche dieselbe in den letzten Jahren erfahren hatte, einer eingehenden Betrachtung unterzog. Er schlug dann eine neue Methode zur maassanalytischen Bestimmung des Mangans vor, welche darin gipfelte, neutrale resp. schwach saure Manganoxydullösungen, deren Mangangehalt bestimmt werden soll, zu einer abgemessenen Menge einer schwach alkalischen Kaliummanganatlösung von bekanntem Gehalt unter stetem Schütteln des Gefässes hinzuzufügen. Wie die Analysen ergaben, entsteht ohne Zusatz eines Zinksalzes ein von Manganoxydul freies Mangandioxyd, das sich zu Boden setzt und das Erkennen der End- reaction an dem Verschwinden der grünen Farbe der überstehenden Flüssig- keit leicht ermöglicht. Im Weiteren ging Redner auf die titrimetrischen Methoden des Kobalts ein, deren Anwendbarkeit bisher an dem Umstande scheiterten, dass sie gegenüber den gewichtsanalytischen Methoden sich als wenig vortheilhaft erwiesen. Der Vortragende empfahl das Kobalt maass- analytisch mit einer alkalischen Kaliummanganatlösung von bekanntem Titer zu bestimmen, welche Methode auf dem Principe beruht, dass bei obiger Reaction eine unlösliche, leicht sich zu Boden setzende Verbindung von manganigsaurem Kobalt entsteht, welche die constante Zusammensetzung CoMnO, besitzt. Herr Geheimrath Professor Dr. Poleck legte Proben der Elemente Germanium und Gallium vor, welche ihm für diesen Zweck von Herrn Dr. von Chrustschoff über- geben worden waren, und verband damit eine eingehende Erörterung des periodischen Systems, welches die chemischen Elemente nach steigender Grösse ihres Atomgewichts in Reihen ordnet, in denen nach bestimmten Intervallen Elemente mit analogen Eigenschaften wiederkehren und ihre physikalischen und chemischen Eigenschaften daher als Functionen der Grösse ihres Atomgewichts erscheinen. Für dieses gesetzmässige Verhalten war die Entdeckung des Galliums und Germaniums ein neuer gewichtiger Beweis, denn sie füllen zwei Lücken in der vierten Reihe des periodischen Systems aus. Dadurch war ihr gesammtes pbysikalisches und chemisches Verhalten im Voraus bestimmt, und da das eine in seinen Eigenschaften dem Aluminium, das andere dem Silicium entsprechen musste, so nannte in dieser Voraussicht Mendelejeff schon 1870 das erstere Ekaluminium, das andere Ekasilieium. Im Jahre 1875 entdeckte Lecocq de Boisbaudran in einer französischen Zinkblende das erstere und nannte es Gallium und im vorigen Jahre fand Professor Winkler in Freiburg das zweite in einem seltenen Silbererz, dem Argyrodit, und nannte es Germanium. Die im Jahre 1870 vorausbestimmten Eigenschaften wurden dann durch das Ex- periment lediglich bestätigt, die Atomgewichte der beiden Elemente füllen diese beiden Lücken im System aus. 152 Jahres-Bericht Das Gallium ist weiss, metallglänzend, besitzt ein specifisches Gewicht von 5,9 und schmilzt schon bei 30 Grad. Sein chemisches Verhalten gleicht jenem des Aluminiums. Im Spectrum 2 blaue Linien. Das Germanium steht in seinen Eigenschaften zwischen dem Silicium und Zinn. Es besitzt eine weiss-graue Farbe, Metallglanz und krystallisirt regulär. Sein speeifisches Gewicht ist 5,47, sein Schmelzpunkt 900 Grad. Im Spectrum eine charakteristische rothe und blaue Linie. In seinem chemischen Verhalten gleicht es den beiden vorstehend genannten Elementen, seine Chlorverbindungen sind bei 72 Grd. und 86 Grd. siedende Flüssig- keiten, seine höchste Sauerstoffverbindung eine Säure analog der Kiesel- und Zinnsäure. Herr Geheimrath Professor Dr. Poleck theilte die von ihm ausgeführte chemische Analyse der Wilhelmsquelle in Obersalzbrunn mit. Im Thale des Hellebachs von Obersalzbrunn zwischen dem Bahnhof Sorgau und Altwasser an der Freiburger Eisenbahn befindet sich östlich von der Bahnlinie an den westlichen Abhängen des Tannenberges eine Mineralquelle, deren Wasser schon seit längerer Zeit in der Umgegend gern getrunken und zu Heilzwecken benutzt wurde. Da diese Quelle ein analoges Verhalten wie die Kronenquelle in Salzbrunn zeigte, so liess der gegenwärtige Besitzer einen Brunnenschacht abteufen, die Quelle sorgfältig fassen und von seitlichen indifferenten Zuflüssen abschneiden. Nach den aus dem Brunnenschacht geförderten Gesteinen beurtheilt, entspringt die Quelle aus Gmneiss-Conglomeraten, wie sie sich an der Grenze der dort auftretenden devonischen Grauwacke und des Gneisses vor- finden. In 24 Stunden liefert die Quelle 20 860 Liter, ihre Temperatur beträgt 7,5° C. Der Wasserspiegel im Brunnenschacht erscheint im Ganzen ruhig, nur ab und zu entwickeln sich einige Gasblasen. Das Wasser selbst war völlig klar, farb- und geruchlos.. Beim Schütteln desselben mit Luft in halb- gefüllten Flaschen machte sich kein Geruch nach Schwefelwasserstoff be- merkbar. Der Geschmack des Wassers ist angenehm erfrischend und, der Zusammensetzung des Wassers entsprechend, schwach alkalisch-salzig und und nur wenig eisenhaft. Dieser letztere geht beim Aufbewahren verloren, da sich die geringe Menge Eisencarbonat als Eisenhydroxyd am Boden der Flasche absetzt. Im Uebrigen hält es sich vortrefflich. Blaues Lackmuspapier wurde vom Wasser schwach geröthet, nach dem Abdampfen dagegen rothes Lackmuspapier stark geblaut. Das Wasser für die quantitative Analyse wurde in Flaschen mit Glas- stopfen und in Ballons gefüllt und die Analyse sowohl, wie das Eindampfen grösserer Wassermengen im Laboratorium des pharmaceutischen Instituts der Universität zu Breslau ausgeführt. Die Bestimmung der Kohlensäure der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 153 nach der Methode von Fresenius wurde an der Quelle vorbereitet, das Eisen ebendaselbst durch Titriren mit Kaliumpermanganat bestimmt. Alle Be- stimmungen wurden doppelt ausgeführt und das Verhalten des Wassers wiederholt controlirt. Durch die Analyse wurde in wägbarer Menge nachgewiesen: Kalium, Natrium, Lithium, Calcium, Magnesium, Eisen, Mangan, Chlor, Schwefel- säure, Kieselsäure und Kohlensäure; in nicht wägbarer Menge: Jod, Brom, Ammoniak, Phosphorsäure, Salpetersäure, Nickel. Es konnten nicht nach- gewiesen werden: Arsen, Strontium, Baryum, Borsäure und Titansäure. Organische Substanzen waren nur in sehr geringer Menge vorhanden. Quantitative Analyse der Wilhelmsquelle. Es wurden bei der Analyse nachstehende Originalzahlen erhalten: 1. Je 1000 gr Wasser hinterliessen in zwei Versuchen 1,1304 gr und 1,1120 gr, im Mittel 1,1254 gr bei 180° getrocknetem Abdampf- rückstand, welcher sich bei stärkerem Erhitzen bis zum Glühen kaum färbte, daher nur sehr geringe Mengen organischer Substanzen enthielt. 2. Die beiden Abdampfrückstände mit verdünnter Schwefelsäure im Ueberschuss verdampft und in einer Atmosphäre von Ammoncarbonat schwach geglüht lieferten 1,4139 gr und 1,4119 gr, im Mittel 1,4129 gr Sulfate. 3. Je 1000 gr Wasser lieferten 0,1284 gr und 0,1263 gr Chlorsilber, im Mittel entsprechend 0,0315 gr Chlor. 4. Je 1000 gr Wasser lieferten 0,475 gr und 0,476 gr Baryumsulfat, im Mittel entsprechend 0,1959 gr Sulfat (SO,). 5. Je 2000 gr Wasser gaben 0,051 gr und 0,051 gr Kieselsäure, in 1000 gr sind daher enthalten 0,0255 gr Kieselsäure. 6. 2000 gr Wasser lieferten 1,647 Alkalichloride und 0,0820 sr Kalium-Platinchlorid. 7. 41 Liter Wasser lieferten 0,179 gr Lithiumphosphat, in 1000 gr Wasser sind daher 0,00417 gr Lithiumcarbonat enthalten. 8. a. 1000 gr Wasser lieferten 0,181 gr Caleiumcarbonat und 0,119 Magnesiumpyrophosphat. b. 1000 gr Wasser lieferten 0,1806 gr Caleiumcarbonat und 0,118 Magnesiumpyrophosphat. 9. 1000 gr Wasser verbrauchten an der Quelle 8 ccm einer Kalium- permanganatlösung, von welcher 1 cem 0,00056 gr Eisen enthielt. Dies entspricht 0,0064 gr Eisenoxyd und 0,00928 gr Eisencarbonat. 10. 41 Liter Wasser lieferten 0,0585 gr Schwefelmangan, entsprechend in 1000 gr Wasser 0,00188 gr Mangancarbonat. 154 Jahres - Bericht 11. In derselben Menge Wasser wurden unwägbare Mengen Jod, Brom und Phosphorsänre nachgewiesen. 12. In 1000 gr Wasser wurden 0,0002 gr Ammoniak und Spuren von Salpetersäure, aber kein Albuminoidammon nachgewiesen. 13. a. 560,9 gr Wasser gaben mit Aetzkalk behandelt 0,684 gr Kohlen- säure. b. 516,0 gr Wasser gaben mit Aetzkalk behandelt 0,627 gr Kohlen- säure. Dies entspricht im Liter 1,2195 und 1,2132 gr Kohlensäure, im Mittel daher 1,2163 gr. 14. Aus Nr. 3, 4, 6 und 7 ergiebt sich der Gesammtgehalt des Natriums im Liter zu 0,3189 gr. Davon sind gebunden an Chlor an Schwefelsäure mithin an Kohlensäure 0,0204 sr, 0,0899 - 0,2086 - 0,3189 gr. zusammen Es sind mithin im Liter Wasser 0,48022 gr Natriumearbonat enthalten. 15. Nach Nr. 13 sind in 1000 gr Wasser im Mittel..... 1,21635 gr Kohlensäure enthalten. Es entsprechen: 0,48022 gr Natriumcarbonat 0,19933 gr Kohlensäure, 0,00417 - Lithium 0,00247 0,18082 - Calcium 0,07956 0,08967 - Magnesium 0,04697 0,00928 - Eisen 0,003523 0,00188 - Mangan 0,00072 = Pr = z Kohlensäure. zusammen 0,33257 gr Die doppelte, den Bicarbonaten Kohlensäuremenge abgezogen entsprechende De me De, VER RE 0,66514 = bleibt für freie Kohlensäure 0,55121 gr. Diese 0,5512 gr freie Kohlensäure entsprechen bei der Temperatur der Quelle und dem mittleren Barometerstande von 740 mm in Salzbrunn 278,75 ccm freier Kohlensäure. Aus diesen Daten berechnet sich nachstehende Zusammensetzung der Wilhelmsquelle. Sie wird controlirt durch den Versuch Nr. 9, die Ver- wandlung sämmtlicher Chlormetalle und Carbonate in Sulfate, wie aus der Nebeneinanderstellung der betreffenden Resultate hervorgeht, in welcher die Carbonate als Monocarbonate und sämmtliche Salze wasserfrei be- rechnet sind. der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 155 In 1000 gr Wasser der Wilhelmsquelle sind enthalten: Chlornatrium 0,05190 gr berechnet als Sulfat 0,06299 er, Kaliumsulfat 0,01499 - - = = 0,01499 = Natrinmsulfat 0,27759; »= = = = 0271159 = Natriumcarbonat 0,48022 = - - - 0,64331 - Lithium 0,00417 = - - - 0,00619 - Calcium 0,18082 - = - HD AHIEE = Magnesium 0,08967 - = = - .0,12800 = Mangan 0,00188 - - - - 0,00246 = Eisenoxyd 0,00640 - - - - 0,00640 - Kieselsäure 0,03550 = - - 0025502 Summa 1,13314 gr 1,41334 gr. In Nr. 1 direct gefundener Abdampfrückstand 1,12540. In Nr. 3 direct bestimmte Sulfate 1,4129. Unter Berechnung der Carbonate als Bicarbonate und sämmtlicher Salze ohne Krystallwasser ergiebt sich daher nachstehende definitive Zu- sammensetzung der Wilhelmsquelle in 1000 gr verglichen mit der Kronen- quelle in Salzbruun. Wilhelmsquelle Kronenquelle Chlornatrium 0,05190 gr, 0,05899 gr, Kaliumsulfat 0,01499 = 0,04086 = Natriumsulfat 0,27759 = 0,18010 = Natriumphosphat Spuren 0,00036 = Natriumbicarbonat 0,76110 - 0,87264 = Lithiumbicarbonat 0,00766 = 0,01140 - Caleiumbicarbonat 0,29293 - 0,71264 - Magnesiumbicarbonat 0,15585 - 0,40477 - Strontiumbicarbonat - 0,00280 - Eisenbicarbonat 0,01424 - 0,00913 = Manganbicarbonat 0,00289 = 0,00181 = Kieselsäure 0,092550 = 0,03460 = 1,60465 gr, 9,33057. gr, freie Kohlensäure 278,75 ccm, . 849,4 ccm. In unwägbarer Menge sind vorhanden Brom, Jod, Phosphorsäure, Salpetersäure, Ammoniak, Nickel. Die chemische Zusammensetzung der Wilhelmsquelle stellt sie in die Reihe der alkalischen Säuerlinge und ihr Gehalt an Natrium- und Lithium- carbonat den übrigen Quellen des Salzbrunner Thals an die Seite. Diese analoge Zusammensetzung lässt auf einen gemeinsamen Ursprung in der Tiefe schliessen und die Verschiedenheiten in der Zusammensetzung sind zum Theil nur bedingt durch die Natur der oberen Schichten, welche die Quellen durchströmen und wahrscheinlich auch durch seitlich hinzu- tretende indifferente Wasseradern, welche das Mineralwasser verdünnen. 156 Jahres-Bericht Sitzung vom 27. Juli 1887. Herr Professor Dr. L. Weber demonstrirte eine Anzahl physikalischer Apparate, und zwar zunächst ein von Lambrecht in Göttingen neuerdings her- gestelltes Instrument, welches, aus einem Haarhygrometer und einem Thermometer bestehend, in bequemer Weise sämmtliche hiermit gegebenen meteorologischen Daten abzulesen gestattet und von dem Fabrikanten als Polymeter bezeichnet wird. Derselbe erläuterte sodann das der Wheatstone’schen Brücke zu Grunde liegende Gesetz durch ein nach dem Schema des Wheatstone’schen Vierecks aufgebautes System von Glascapillaren, durch welches in völliger Analogie mit der elektrischen Strömung ein Strom atmosphärischer Luft hindurchgeleitet wurde. Dem Galvanoskop der Brücke entsprach ein 'Wassermanometer. ; Im Anschlusse hieran wurde ein von Hartmann u. Braun in Frank- furt a. M. hergestellter sehr compendiöser Apparat vorgelegt, welcher zu Widerstandsbestimmungen polarisirbarer Leiter bestimmt ist und auf jener von Kohlrausch angegebenen Modification der Wheatstone’schen Brücke beruht, bei welcher Wechselströme durch das Viereck fliessen und an Stelle des Galvanoskops ein Telephon in Anwendung kommt. Endlich wurden einige Modificationen v. Beetz’scher Trocken- Elemente vorgezeigt. Herr Geheimrath Prof. Dr. Poleck legte einen blendend weissen Tropfstein aus chemisch reinem Calciumcarbonat vor, welcher sich in dem Abflusscanal des Springbrunnens auf dem Neumarkt in Breslau ge- bildet und an dessen Entsehung wohl auch der Kalkgehalt des Mörtels oder Cements seinen Antheil hatte. Derselbe Vortragende berichtete hierauf im Anschluss an frühere Mittheilungen über eine von Herrn Andreas Petersen aus Kopenhagen im pharmaceutischen Institut der Universität ausgeführte chemische Unter- suchung der flüchtigen Bestandtheile der Wurzel und des Wurzelstocks von Asarum europaeum L.') Asarum europaeum L. hat schon frühzeitig die Aufmerksamkeit auf sich als Arzneipflanze gezogen. Schon im ersten Jahrhundert nach Christus wird bei Dioscorides eine Pflanze "Aoapov besprochen, und dieselbe wird in Mathiolis: „Commentari in sex libros Pedanii Dioscoridis Ana- ) Diese Arbeit ist später als Dissertation, Breslau 1888, und mit allen ana- Iytischen Belägen und Litteraturangaben im Archiv der Pharmacie, Januar 1888, vollständig abgedruckt, der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 157 zarbei de materia medica“, Venedig 1565, berücksichtigt. Auch in dem auf Veranlassung Carls des Grossen im Jahre 812 zusammengestellten „Capitulare de villis et hortibus imperialibus‘“ ist eine Pflanze „‚vulgigina‘ - oder „vulgago‘“ zum Anbau vorgeschrieben, welche von Meyer in seiner „Geschichte der Botanik“ für Asarum europaeum gehalten wird. Mit seinem deutschen Namen „Hazelwurz‘“ finden wir Asarum in dem der Aebtissin Hildegard zugeschriebenen, unter dem Namen „phycica“ be- kannten Werke aus dem 12. Jahrhundert. Die daselbst als Asarum oder Aserum bezeichnete Pflanze ist dagegen nach Meyer unsere gewöhnliche Glechoma hederacea L. In der späteren Litteratur finden wir, dass sehr oft von Asarum gesprochen wird, und sowohl das Kraut als der Wurzelstock und Wurzeln desselben scheinen ziemlich oft sowohl von den Aerzten wie als Volksmittel verwendet gewesen zu sein. Es war besonders als Brechmittel und als Niesspulver, dass dieselben Verwendung fanden, und in den Arzneibüchern des 17. und 18. Jahrhunderts werden ihre Eigenschaften oft besprochen. Es musste natürlich gleich auffallen, dass die betreffenden Pflanzentheile stark riechende aromatische Bestandtheile enthalten, und diese Stoffe sind es wohl auch gewesen, welche die Aufnahme der Pflanze in den Arznei- schatz bewirkten. Neumann giebt an, dass ein zu starkes Trocknen die Wurzel aller ihrer Kräfte beraube, und vergleicht dieselbe mit der Radix Ipecacuanhae mit der Bemerkung, das die chemische Analyse beider Wurzeln übereinstimme. Asarum wurde doch nach und nach von der Ipecacuanhawurzel verdrängt und spielt wohl jetzt kaum mehr eine Rolle als Arzneimittel, wie denn auch die chemischen Untersuchungen nie Stoffe von therapeutischem Werthe in demselben nachgewiesen haben. Von den flüchtigen Bestandtheilen des Wurzelstockes und der Wurzeln ist der feste, krystallisirte Bestandtheil, das Asaron, mehrfach Gegenstand wissenschaftlicher Untersuchung gewesen, während die flüchtigen Antheile des ätherischen Oeles bis jetzt eine eingehende Bearbeitung nicht gefunden haben. Gräger beschreibt das ätherische Oel als eine gelbliche Flüssigkeit, leichter als Wasser, von brennend scharfem Geschmack und baldrian- ähnlichem Geruch. Blanchet und Sell untersuchten ein von Gräger erhaltenes alkoholisches Extract der Wurzel, welches eine dicke Masse abgesetzt hatte. Dieselbe wurde mit Wasser destillirt, wodurch nur wenig flüchtiges Oel erhalten wurde, während eine ölige, dickflüssige Masse zurückblieb, die, über Kalkhydrat rectifizirt, ein Oel lieferte, das viel Asaron absetzte. Nachdem das Oel von den Krystallen getrennt war, wurde es mit Chlorcaleium getrocknet und analysirt. Die Analyse ergab 75,41 pCt. € und 9,76 pCt. H; das Oel war somit kohlenstoffreicher und sauerstoffärmer als das Asaron. Auf Grund dieser Thatsachen meinen 158 Jahres - Bericht Blanchet und Sell ‚‚fast mit Sicherheit‘ annehmen zu dürfen, dass das Asaron ein Hydrat des Asarumöles ist, indem G,H,0 + H,O = GH, ,0, Asarumöl Asaron. Dass diese Annahme eine völlig unberechtigte ist, liest auf der Hand, denn erstens weichen die bei der Analyse gefundenen Zahlen bedeutend von denjenigen für die Formel C,H,O, berechneten ab (75,41 statt 79,65 pCt. GC und 9,76 statt 7,32 pCt. H), und zweitens konnte nach dieser Darstellungsweise nur ein Gemisch von den verschiedenen Be- standtheilen des Oeles erhalten werden. Mit den neueren Untersuchungen über das Asaron ist diese Auffassung auch nicht in Uebereinstimmung zu bringen. In der späteren Litteratur ist nichts über das Oel veröffentlicht, so dass dasselbe als sehr mangelhaft bekannt erscheint. Nur findet sich bei Flückiger die Angabe, dass dieses Oel einen hochsiedenden blauen Antheil enthält und dass es spezifisch schwerer als Wasser ist. Die Hauptmenge des zu dieser Arbeit verwandten Materials wurde im Herbste 1886 auf Veranlassung des Herrn Professor Poleck in der chemischen Fabrik der Herren Schimmel u. Co. in Leipzig dargestellt und bestand aus 1500 g einer als ,„Oleum asarı germaniei“ signirten Flüssigkeit. Das Oel war durch Dampfdestillation aus Wurzeln deutscher Herkunft dargestellt. Das Oel besteht aus einer dickflüssigen, stark braun gefärbten, etwas trüben Flüssigkeit. Der Geruch derselben war von demjenigen des ersten Oeles etwas verschieden, süsslich aromatisch, nicht unangenehm. Die Reaction war vollständig neutral, und auch nicht durch Rectification oder längeres Stehenlassen oder Destillation mit Wasserdämpfen nahm es eine andere Reaction an. In den gewöhnlichen Lösungsmitteln der ätherischen Oele, Alkohol, Aether, Petroläther, Schwefelkohlenstoff, Chloroform, war es vollkommen und leicht löslich. Ein auf Filtrirpapier getupfter Tropfen liess einen bleibenden gelblichen Fettfleck zurück. Das spezifische Gewicht des durch Chlorcaleium getrockneten Oeles wurde mittels des Pyknometers bei 15° C. als 1,046 gefunden. Durch Abkühlung in einem Kältegemisch, bestehend aus Eis und Kochsalz, dessen Temperatur auf — 17° C. herunterging, wird das Rohöl steif und salbenähnlich, doch ohne eine Ausscheidung und ohne Zeichen von Krystallisation zu geben. Dasselbe war mit dem Oele der Fall, nach- dem die unter 200° siedenden Bestandtheile abdestillirt waren, doch war die Consistenz dann etwas fester. Dagegen gab das rohe Oel beim Stehen in der Winterkälte nach und nach eine ganz bedeutende Ausscheidung von Krystallen, die sich an den Seiten und dem Boden der Flasche als eine feste Kruste ansetzten. Nach der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 159 wiederholten Umkrystallisationen aus Alkohol zeigten diese dann rein weissen Krystalle den Schmelzpunkt 61°, resp. 43°, und gaben sich so als Asaron zu erkennen. Das Oel verhielt sich gegen eine concentrirte Lösung von Natrium- hydroxyd und gegen Eisenchlorid indifferent. Durch alkoholische Kalilauge wurde es nicht verseift, und ebensowenig gab es mit einer gesättigten Lösung von Natriumbisulfit eine krystallinische Ausscheidung. Die Behand- lung mit Phenylhydrazin gab ein negatives Resultat. Phenole, Ester, Alde- hyde und Ketone waren daher nicht vorhanden, Aldehyde um so weniger, als kein Bestandtheil des Oeles beim Erhitzen mit neutraler oder schwach ammoniakalischer Silberlösung eine Reduction der letzteren hervorrief. Das Oel musste daher lediglich aus neutralen Stoffen ohne stark ausgeprägte chemische Eigenschaften bestehen. Das Oel besass keinen constanten Siedepunkt, obwohl die grössten Mengen des Destillats bei 170° und zwischen 235—260° erhalten wurden. Was bei höherer Temperatur überging, schied nach längerem Stehen immer Asaron aus, besonders rasch, wenn die höher siedenden Fractionen auf flachen Schalen in dünnen Lagen ausgebreitet wurden. Die Fraction von 235—260° gab keine solche Ausscheidung, in dieser muss daher der Hauptbestandtheii des Asarumöles gesucht werden, umsomehr, als bei einer Probeoxydation einer kleinen Menge derselben nicht die Oxydationsproducte des Asarons, sondern eine im unreinen Zustande bei 175° G. schmelzende Säure erhalten wurde. Da die directe Fractionirung des Oeles, wesentlich in Folge der leichten Zersetzbarkeit der höher siedenden Antheile, keine reinen Producte geben konnte, so wurde die Destillation mit Wasserdampf versucht. Auf diese Weise wurden aus 1000,0 gr des Rohöles ca. 160,0 gr eines auf Wasser schwimmenden und eine geringe Menge des schweren Oeles erhalten, während in dem Destillationskolben ein schwerflüssiges, stark dunkel ge- färbtes, trübes Oel zurückblieb, welches beim längeren Stehen fortdauernd starke Krusten von dunkel gefärbtem Asaron abschied. Das leichte Oel hatte auch keinen constanten Siedepunkt, es wurde ' daher bei gewöhnlichem Druck fractionirt, wobei das Destillat sich be- sonders reichlich unter 175° C. und zwischen 240—260° ansammelte. Zwischen diesen Temperaturen gingen nur kleinere Mengen, augenschein- lich Gemische, über. Der erste Hauptbestandtheil war leichter als Wasser, beinahe ganz farblos, während der andere specifisch schwerer und gelblich war. Auf Filtrirpapier hinterliess nur der letztere Antheil einen bleibenden Fleck. Terpen des Asarumöles. Die Fractionen 160—175°, 175—185° und 185—200°, von welchen die erstere 45,0 gr betrug, während die Quantität der anderen viel kleiner 160 Jahres - Bericht war, waren sämmtlich sehr bewegliche, hellgelbe bis farblose, stark licht- brechende Flüssigkeiten von scharf aromatischem Geruch. Nach dem Trocknen durch Chlorcaleium wurden sie mit kleinen Scheiben blanken Natriums zusammengebracht. Die erste Fraction veränderte sich dabei nur wenig, während die beiden anderen zu gelbbraunen, schmierigen Massen wurden. Nach kurzer Zeit wurde rectifieirt und so eine wasserhelle, leicht bewegliche Flüssigkeit gewonnen von angenehmem, lavendel- oder rosmarin- ähnlichem Geruche und scharf aromatischem Geschmack. Ihr specifisches Gewicht war 0,863 bei 19,5° C., ihr Siedepunkt 162—165° C., bei welcher Temperatur sie bis zum letzten Tropfen überging. Die Analyse ergab: Gefunden Berechnet für 1. 1. CHlEhk G 87,96 88,14 88,23 H 11,66 12.19 11,76 Die Dampfdichte wurde im Vietor Meyer’schen Apparat bestimmt; sie wurde gefunden zu 68,3, berechnet 68, woraus die Formal C,,H,, für das Terpen folgt. | Die optische Activität wurde mit einem Wild’schen Polaristrobometer bestimmt, als Lichtquelle diente eine Natriumflamme. Die Ablenkung bei 20° G. und 100 mm Säulenlänge beträgt 25°%,7 links. Die schönen Resultate der Untersuchungen der Terpene von Wallach wurden benutzt, um die Natur dieses Terpens näher kennen zu lernen. Da dasselbe mit Brom ein flüssiges Monobromsubstitutionsproduct, G,.H,,;Pr, von angenehmem feinen Terpentingeruch gab, da es ferner nach seiner Invertirung bei 250° im zugeschmolzenen Glasrohr ein krystallisirtes Dipententetrabromid erhalten wurde, während salpetrige Säure kein Ad- ditionsproduct gab, so war durch dieses Verhalten die Identität des Terpens mit dem Pinen von Wallach festgestellt, mit welchem es auch den ‚Siede- punkt, 162—165°, gemeinsam hatte. Der Hauptbestandtheil des Asarumöles. Die höher siedenden Bestandtheile des Oeles waren sowohl in den leichten und in den schweren mit Wasserdampf erhaltenen Destillaten, wie auch in den Rückständen der Wasserdampfdestillation enthalten. Aus den letzten beiden Rohfractionen schied sich beim Stehenlassen in der Winter- kälte Asaron in festen, krystallinischen, meist dunkel gefärbten Krusten aus. Nach Beseitigung derselben wurde das Oel in einem mit der Wasser- luftpumpe verbundenen Apparat bei einem Quecksilberdruck von 300 mm destillirt, wobei sich keine Zersetzung des Oeles geltend machte. Nach sehr oft wiederholter und zeitraubender Arbeit wurde aus sämmtlichen Melactinnen dasselbe Oel erhalten, welches schliesslich beinahe vollständig zwischen 247°—253° überging. der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 161 Das innerhalb enger Grenzen um 250° siedende Oel war schwach gelb gefärbt und ziemlich dünnflüssig, es destillirte unverändert. Asaron konnte darin nicht nachgewiesen werden. In einem Kältegemisch ging es in eine salbenähnliche Masse über, ohne vollständig zu erstarren. Auf Filtrirpapier gab es einen Fettfleck, welcher nach längerer Zeit nicht voll- ständig verschwunden war. Das specifische Gewicht wurde 1,055 bei 15°C. gefunden. Die Verbrennungen wurden im Sauerstoffstrom ausgeführt und im Mittel von drei Analysen erhalten: Gefunden Berechnet für C,,H,,C0, 13,997 74,16 H ,; 8,26 7,87 0, 17,19 27,91 100,00 100,00 Die Bestimmung der Dampfdichte nach V. Meyer, wobei zur Erlangung einer constanten Temperatur statt einer constant siedenden Flüssigkeit ein Luftbad zur Verwendung kam, dessen Temperatur auf 280° C. erhalten wurde, gab in zwei Versuchen 87,3 und 93,5, während sich aus der Formel G,,H,,0, die Zahl 89 berechnet, womit die gefundenen Zahlen überein- stimmen. Verhalten dieses Oeles gegen Halogene. Die Halogene wirken alle sehr stark auf das Asarumöl. Chlor, in das Oel und seine Lösungen eingeleitet, zerstört dasselbe gänzlich. Brom wird anfangs lebhaft absorbirt, und zwar ohne Auftreten von Bromwasser- stoff; nach einiger Zeit färbt sich aber das Oel sehr dunkel, geht in eine dunkelgrüne, schmierige Masse über und eine lebhafte Entwickelung von Bromwasserstoff macht sich bemerkar. Es war unmöglich, zu krystalli- nischen Producten zu gelangen, und das Resultat war nicht besser, wenn beide Körper als Lösungen in Tetrachlormethan verwendet wurden, eine Methode, wodurch es bekanntlich gelingt, aus dem Asaron ein krystallinisches Diadditionsproduet zu erhalten. Auch wurde versucht, das Brom als Gas mittels eines Kohlensäurestromes einzuleiten, aber vergebens; immer wurden dieselben unerquicklichen Producte erhalten. Jod bildet mit dem Oel braune, klumpige Niederschläge, die nicht zu reinigen waren. Jodwasserstoff bildet, wie überhaupt die Halogenwasserstoffe, keine festen oder krystallisirten Verbindungen mit dem Oel, sondern wirkt in anderer Weise darauf ein, indem es Jodmethyl abspaltet. Dies geschieht bei Anwendung von überschüssiger concentrirter Jodwasserstofisäure von 1,7 spec. Gewicht und Erhitzung des Gemisches in einem Destillations- apparat bei 150° im Paraffınbade. Es destillirt eine schwere Flüssigkeit über, welche zunächst mit Wasser gewaschen, dann mit Quecksilber und einer verdünnten Lösung von Natriumthiosulfat behandelt wurde. Mit 1837, 11 162 Jahres-Bericht Chlorcaleium getrocknet, ging diese Flüssigkeit vollständig farblos bis zum letzten Tropfen bei 44° C. über und besass den charakteristischen süss- lichen Geruch des Jodmethyls. Eine nach der Methode von Carius ausgeführte Jodbestimmung gab 89,02 pCt. Jod, während CH,J 89,44 pCt. Jod enthält. Diese Abspaltung von Jodmethyl kann ihre Ursache nur darin haben, dass das Oel eine oder mehrere Methoxylgruppen — OCH, — enthält. Die Abspaltung erfolgt im Sinne der Gleichung: ROCH, + JH = ROH -+ CH,J. Die Anzahl dieser Gruppen kann durch Wägung des ausgeschiedenen Methyljodids bestimmt werden. Dazu eignet sich vortrefflich die von Zeisel angegebene Methode, nach welcher eine gewogene Menge der Substanz mit concentrirter überschüssiger Jodwasserstoffsäure in einem Kohlensäure- strom erhitzt und das gebildete Jodmethyl, von freiem Jod und mitgerissenem Jodwasserstoff durch in Wasser aufgeschlemmten amorphen Phospor be- freit, in alkoholischer Silbernitratlösung aufgefangen wird. 1. 0,264 sr Oel gaben 0,604 gr Jodsilber — 0,365 gr —= 138 plt. Jodmethyl, 2. 0,224 gr Oel gaben 0,530 gr Jodsilber — 0,323 gr — 144 plt. Jodmethyl. Wenn aber eine Verbindung C,,H,,0, eine OCH,-Gruppe enthält, so müsste sie 78,5 pCt. Jodmethyl geben, bei zwei OCH,-Gruppen dagegen 159 pCt. Die gefundenen Zahlen zeigen zwar keine vollständige Ueber- einstimmung, liegen aber doch der letzten Zahl viel näher, so dass wir hier zwei Methoxylgruppen annehmen müssen. Die Ursache der mangel- haften Abspaltung liegt wohl darin, dass das schwarze Reactionsproduct noch unangegriffene Theile des Oeles einhüllt und so eine vollständige Einwirkung verhindert. Die Thatsache, dass das Oel wirklich zwei Methoxyl- gruppen enthält, wird durch sein Oxydationsproduct bestätigt. Verhalten gegen salpetrige und Salpetersäure. Das Oel ist durch die Fähigkeit charakterisirt, sich mit salpetriger Säure zu einer festen krystallinischen Verbindung zu vereinigen, welche im reinen Zustande feine gelbe Nadeln vom Schmelzpunkt 115° C. dar- stellt. Die Stickstoffbestimmung nach der Methode von Dumas gab 11,3 plt. Stickstoff, während die Formel C,,H,,0,N,0, 11,03 pCt. Stickstoff ver- langt. Concentrirte und rauchende Salpetersäure wirken unter sehr starker Erhitzung, welche sich bis zur Entzündung und Zerschmetterung der Ge- fässe steigern kann, auf das Oel ein. Verdünnte Säure wirkt beim gelinden Erwärmen kräftig ein, Die Säure färbt sich roth, das darüberstehende der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 163 Oel ebenfalls, es wird zähe und harzähnlich. Wird die Operation in diesem Stadium unterbrochen, so erstarrt das Oel zu einer festen, harzähnlichen Masse von gelber Farbe. Aus dieser Masse konnte eine geringe Menge einer krystallinischen Säure isolirt werden vom Schmelzpunkt 178°, welche jedoch bei der Oxydation des Oels mit Kaliumpermanganat in weit grösseren Quantitäten sich bildete. Die anderen Producte der Einwirkung waren Kohlensäure, Oxalsäure und Gyanwasserstoff. Oxydation mit übermangansaurem Kalium. Je 20 sr des Oeles wurden in einem geräumigen Kolben mit einem Liter Wasser tüchtig geschüttelt und damit im Wasserbade auf ungefähr 50° erhitzt. Es wurde sodann nach und nach in kleinen Portionen die gleiche Menge übermangansauren Kaliums zugesetzt und häufig geschüttelt. Die Oxydation ging anfangs lebhaft, doch ohne Entwickelung von Kohlen- säure, später aber langsamer. Nach vollständiger Entfärbung und Ab- kühlung wurde vom ausgeschiedenen Braunstein abfiltrirt und das Filtrat hingestellt. Aus diesem schieden sich niemals, auch nicht, wenn heiss filtrirt wurde, wie es bei dem entsprechenden Filtrat aus Asaron der Fall ist, Krystalle aus. (Bei einer so vorsichtigen Oxydation hätte das Aldehyd C,oH,,0, sich gewiss gebildet, wenn Asaron in nennenswerther Menge vorhanden gewesen wäre.) Der Braunsteinniederschlag, der noch ölige Tropfen enthielt, wurde weiter oxydirt, bis eine merkbare Reduction des Chamaeleons nicht mehr stattfand. Die vereinigten alkalischen Filtrate wurden jetzt auf ein geringes Volumen eingedampft. Während des Eindampfens zeigte sich ein feiner vanillinähnlicher Geruch, ganz wie wenn man Safrol oxydirt. Der Braun- steinniederschlag wurde bei gewöhnlicher Temperatur getrocknet und dann mit Aether und Alkohol im Wasserbade extrahirt, um eventuell im Wasser unlösliche Oxydationsproducte zu erhalten. Solche wurden dabei nicht gefunden. Die eingedampfte alkoholische Flüssigkeit war von weingelber Farbe und gab keine krystallinische Ausscheidung. Beim Ausschütteln mit Aether giebt es an diesen nur schmierige Stoffe in sehr geringer Menge ab. Wurde dagegen die Flüssigkeit mit einer stärkeren Säure — mit Rücksicht auf die weitere Untersuchung wurde Phosphorsäure angewendet — übersättigt, so schied sich in amorphen Flocken schnell eine Säure aus, welche sich dadurch von der bei der Oxydation von Asaron gewonnenen verschieden zeigt, dass sie bedeutend schwerer in heissem Wasser löslich ist; auch wird sie beim Uebersättigen augenblicklich gefällt, während die aus Asaron erhaltene Säure gewöhnlich 'erst nach einiger Zeit auskrystalli- sirt. Gleichzeitig entwickelte sich eine bedeutende Menge Kohlensäure. Die ausgeschiedene feste Säure ist leicht löslich in siedendem, ver- dünnten Alkohol und scheidet sich beim Erkalten in gelben, nadelförmigen F1* 164 Jahres - Bericht Krystallen vom Schmelzpunkte 176° wieder aus. Nach wiederholter Um- krystallisation aus heissem, 5Oprocentigen Alkohol war sie ganz weiss ge- worden und der Schmelzpunkt bei 180° ein constanter. Diese Säure wird nur bei vorsichtiger Oxydation gebildet, bei sehr kräftiger Einwirkung geht die Oxydation schnell weiter. Die Verbrennungen führten zu nachstehenden analytischen Resul- taten: I. 0,1855 gr Substanz gaben 0,0925 gr Wasser und 0,407 gr Kohlensäure. II. 0,1725 er Substanz gaben 0,087 gr Wasser und 0,377 er Kohlensäure. Die erhaltenen Zahlen stimmen sehr gut mit der Zusammensetzung (OCH,), der Dimethylprotocatechusäure (Veratrumsäure) C,H, COOH: Berechnet für Gefunden lan T NM. C 59,35 59,84 59,60 H 5,49 5,54 5,604 (0) 35,16 En — 100,00 Auch der Schmelzpunkt 180° stimmt mit demjenigen der Veratrum- säure. Um die Identität dieser Säure mit Veratrumsäure noch weiter festzu- stellen, wurde die Analyse des Silbersalzes und die Abspaltung von Jod- methyl unternommen. Das Silbersalz wurde auf dem gewöhnlichen Wege dargestellt; die Säure wurde in Ammoniakwasser gelöst und das überschüssige Ammoniak durch Erwärmen verjagt. Die Flüssigkeit wurde mit salpetersaurem Silber gefällt, wodurch ein in feinen Nadeln krystallisirendes Salz erhalten wurde, welches bei 100° getrocknet wurde. I. 0,432 gr Silbersalz gaben 0,161 gr Silber = 37,27 pÜt. Ag. II. 0,188 gr Salz gaben 0,070 g& Silber — 37,33 pCt. As. Die Formel C,H,AgO, fordert 37,37 pCt. Silber. | Bei der Abspaltung von Jodmethyl wurden nach dem oben angegebenen Zeisel’schen Verfahren folgende Zahlen erhalten: I. 0,333 gr Substanz gaben 0,880 gr AgJ, welches 159 pCt. ab- gespaltenen Jodmethyls entspricht. II. 0,192 gr Substanz gaben 0,496 gr AgJ, welches 155 p(t. ent- spricht. Für Veratrumsäure berechnet sich eine Ausbeute von 156,0% püt. Jodmethyl, was mit dem Gefundenen sehr gut übereinstimmt. der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 165 In dem Kölbehen, worin diese Jodmethylabspaltung vorgenommen wurde, blieb eine dunkelbraune Flüssigkeit zurück. Aus dieser krystalli- sirte bei Abkühlung eine Säure in schönen glänzenden Krystallen heraus. Nach einmaliger Umkrystallisation schmolzen diese Krystalle bei 198° C., nachdem sie bei einer etwas niedrigeren Temperatur ihr Krystallwasser abgegeben hatten und dadurch undurchsichtig geworden waren. Dieses Verhalten ist für Protocatechusäure charakteristisch. In Alkohol gelöst, gab sie mit Eisenchlorid die für diese Säure charakteristische grüne Farbe und wurde jetzt eine sehr verdünnte Lösung von kohlensaurem Natron zugesetzt, so veränderte sich diese Farbe durch blau nach und nach in roth. Von einer Elementaranalyse, sowie von einer näheren Identificirung der Protocatechusäure konnte unter diesen Umständen ab- gesehen werden. Ihr Auftreten ist der schlagendste Beweis, dass die bei 180° schmelzende Säure wirklich Veratrumsäure ist, indem sie aus der- selben nach folgender Formel entsteht: C,H, (OCH,), COOH — 2HJ — 2CH,J —- C,H, (OH), COOH. Ausser Veratrumsäure hatten sich auch bei der Oxydation andere Säuren gebildet. Die mit Phosphorsäure stark übersättigte Oxydations- flüssigkeit gab ein sauer reagirendes Destillat, in welchem nur Essigsäure nachgewiesen werden konnte, deren Silbersalz analysirt wurde. 0,356 gr Silbersalz gaben 0,228 gr Silber. Der Silbergehalt be- rechnet sich hieraus auf 64,04 püt. Die Formel CH, COO As fordert 64,67 pCt. Ag. Wenn höhere Fettsäuren anwesend gewesen wären, so hätten ihre Silbersalze entstehen müssen, Da Silberpropionat aber kaum 60 pCt. Silber enthält und die höheren fett- sauren Silbersalze noch weniger, so können diese nicht anwesend ge- wesen sein. Der Destillationsrückstand enthielt ausser Phosphorsäure noch Oxal- säure. Diese wurde in bekannter Weise nachgewiesen. Betrachten wir die Resultate der vorstehenden Untersuchung des Hauptbestandtheils des Asarumöles, so geht aus den Elementaranalysen und Dampftdichtebestimmungen hervor, dass die empirische Formel desselben C,,H,,0, sein muss. Um die Constitution dieses Oeles zu beurtheilen, sind die Resultate der Oxydation in erster Reihe maassgebend. Bei der Oxydation mittelst Kaliumpermanganat wurde eine wohlbekannte aromatische Säure, nämlich Dimethylprotocatechusäure, erhalten. Diese Oxy- dation lässt sich am einfachsten durch folgende Formel ausdrücken: C,H,,0, + 40, = 6H,,0, + 260, 2H, 0. Da nun die Dimethylprotocatechusäure folgende Constitution hat: C,H,(OCH,), COOH, so kann man daraus den Rückschluss ziehen, erstens, dass das Oel den Benzolrest = C,H, enthält, zweitens, dass die zwei Methoxylgruppen der 166 Jahres - Bericht Veratrumsäure schon in dem Oel enthalten sind. Diese letzte Annahme wird dadurch bestätigt, dass es wirklich gelingt, aus dem Oel mittelst Jod- wasserstoff Jodmethyl abzuspalten, wenn auch die Menge desselben etwas hinter der berechneten zurückblieb. Es bleibt also, wenn das Oel die empirische Formel C,,H,,0, hat, nur noch eine Atomgruppe C,H, übrig, welche wir uns als das so oft in Pflanzenstoffen vorkommende Allyl vor- zustellen haben. Hierfür sprechen folgende Umstände: Erstens entsteht bei der Oxydation Essigsäure in grösserer Menge, nach der Formel RI CH=CH— CH, + 20, = RCOOH — COOH — CH, — da ja bekanntlich bei Oxydationen die Spaltung von Molekülen vorzugs- weise da geschieht, wo eine doppelte Bindung vorhanden. ‚Zweitens spricht die Bildung eines Additionsproductes mit salpetriger Säure für die An- wesenheit der Allylgruppe, denn solche bilden sich, nach unseren jetzigen Kenntnissen, vorzugsweise, wo eine ungesättigte Atomgruppe vorhanden ist, besonders oft bei Allylverbindungen, wie Anethol u. a. Das Verhalten gegen Brom, das erst lebhaft addirt wird, spricht auch für dieselbe An- nahme, obgleich es nicht gelang, ein reines Additionsproduct mit einem Moleküle Brom zu erhalten. Die Bildung von Oxalsäure bei der Oxydation ist auf Spaltung des Benzolkernes zurückzuführen. Die Stellung der Seitenketten in dem Moleküle dieses Oeles ist durch die Bildung der Veratrumsäure gegeben, die C,H,sruppe befindet sich also in der Stellung (1), die zwei Oxymethylgruppen zu jener respective in der Para- (4) und Meta(3(stellung. Da das Asaron dieselben Seitenketten ent- hält und ausserdem nur noch eine OCH,sruppe, so dürfte es wahrschein- lich sein, dass nur die Stellung der letzten Gruppe in dem Asaronmoleküle abweichend ist. Nach diesen Ausführungen glaube ich mich zu der Annahme be- rechtigt, dass das Asarumöl zum grossen Theil aus der Verbindung C,H,C,H, (1) OCH, (3) OCH, (4) besteht, welche mit dem Methyläther des Eugenols identisch ist, eine Verbindung, die bisher nicht in der Natur aufgefunden, dagegen mehrmals synthetisch dargestellt wurde. Die über 300° siedenden Bestandtheile des Asarumöles. Bei den Fractionirungen des Asarumöles fand immer bei hoher Tem- peratur — gegen 300° — eine bedeutende Zersetzung statt. Es blieb in der Retorte ein stark gefärbtes braunes Oel oder Harz zurück, und die übergehenden Theile waren intensiv grün bis blau gefärbt. Durch Auf- bewahren wurde die Farbe unscheinbar, bei wiederholter Rectification kehrte sie aber mit früherer Stärke zurück. Es erwies sich aber dennoch durch- aus aussichtslos, aus diesen Producten irgend einen reinen Körper dar- zustellen. der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 167 Solche grüne bis blaue Oele sind bekanntlich in sehr vielen ätherischen Oelen enthalten und unter verschiedenen Namen, wie Cörulin (Glad- stone) und Azulen (Piesse) beschrieben worden. Was man von ihnen weiss, ist indessen nur wenig. Bruylants meinte, das grüne Oel in ValerianaofficinalisL. als Borneoloxyd C,,H,,O identificiren zu können. Aus dem blauen Bestandtheil des Oeles von Artemisia Absinthium L., welches nach Beilstein und Kupfer ein Polymer des in demselben Oele vorkommenden Bestandtheiles C,,H,,0, erhielt Wright mittelst Zink- chlorid oder Phosphorsulfid Cymen (Cymol), C,,H,,. L. Kopp erhielt aus der sogenannten Resina guajaci peruviana vel aromatica, einem Harze von vollständig unbekannter Abstammnng, ein blaues Oel, welches nach der Formel (,,H,,O zusammengesetzt war und durch Reduction mit Natrium einen Kohlenwasserstoff C,,H,, gab. Von andern Pflanzen, wo solche Oele vorkommen, bemerke ich Matricaria Chamomilla L., Artemisia nobilis L., Arnıica montana L., Pimpinella nigra Wildenow, Acorus Calamus L., Ferula Sumbul Hooker, Pelargonium roseum Willd, Pogostemon Patchouly Peliet., Achillaea Millefolium L., Gi-resina asa foetida, Gi-resina galbarum ete. Es liegen jedoch keine Anhaltspunkte vor, wonach man das grüne Oel von Asarum europaeum L. mit einem dieser Oele vergleichen oder gar identificiren könnte, und es ist in der That schwierig, sich von der Rein- heit eines solchen Destillats zu überzeugen, besonders wenn, wie hier, ein Bestandtheil des Oels vorhanden ist, welcher bei 296° siedet. Die hier in Rede stehenden Oele zeigten auch sehr oft eine grössere oder kleinere Ausscheidung von Asaron. Hieran wurden noch einige Bemerkungen “über die chemische Natur des ätherischen Oels von Asarum canadense L. geknüpft. Asarum europaeum L. wird in dem nördlichen Amerika durch die nahe verwandte Art Asarum canadense L. vertreten, eine Art, welche ihr in der That so nahe steht, dass man darüber in Zweifel gewesen ist, ob hier zwei Arten oder nur zwei Varietäten vorliegen. Nach Power und Baillon scheinen jedoch beide als gute Arten aufgefasst werden zu müssen. Bei dieser nahen botanischen Verwandtschaft ist es um so eigenthümlicher, dass die chemischen Beziehungen der beiden Pflanzen nicht unerheblich von einander abweichen, wie es auch aus der medicinischen Verwendung beider hervorgeht. Während nämlich Asarum europaeum hauptsächlich als emeticum und purgans Verwendung fand, hat Asarum canadense nur mild stimulirende und diaphoretische Wirksamkeit. Das ätherische Oel des letzteren ist hellgelb, leicht beweglich, von eigenthümlich ingwerähnlichem Geruch, welcher von jenem des europäischen Oels wesentlich verschieden und viel angenehmer war, es wird in der Parfümerie verwendet. 168 Jahres - Bericht Nach Power enthält das Oel kein Asaron, sondern einen mono-_ valenten flüssigen Alkohol, C,„H,;0, isomer mit Borneol, welchen er Asarol nennt. Er kommt in zwei Modificationen vor. Er ist in dem Oele als zusammengesetzter Aether der Essigsäure und wahrscheinlich Baldrian- säure enthalten. Diese Ester machen den Hauptbestandtheil des Oels aus, aber daneben kommt noch in geringer Menge ein bei 163° siedendes Terpen und ein bei 249° — 252° siedender neutraler Bestandtheil, sowie schliesslich noch ein bei 275° und höher siedender Antheil von tiefblauer Farbe vor. Im Besitz einer nur kleinen Menge dieses Oels konnte Herr Petersen die Angaben von Power lediglich bestätigen. Es gelang ihm auch nicht, Asaron aus demselben abzuscheiden, dagegen wies er die Identität des Terpens und der durch die Oxydation der bei 245 — 260° siedender An- theile des Oels entstehenden Säure mit der entsprechenden, aus dem Oel von Asarum europaeum erhaltenen Verbindungen nach, während es ihm nie gelungen war, einen zusammengesetzten Aether aus dem letzteren Oel abzuscheiden. Es liegt also hier die interessante Thatsache vor, dass zwei botanisch einander so nahe stehende Arten von Asarum zwar gemeinschaftliche Be- standtheile enthalten, aber in der chemischen Constitution ihrer Haupt- bestandtheile doch wesentlich verschieden von einander sind. Herr Dr. K. v. Chrustschoff machte hierauf eine vorläufige Mit- theilung über Russium. Als ich vor zwei Jahren die Identität der in Gesteinen viel verbreiteten Zirkone und Titanmineralien vermittelst eines mikrospectroskopischen Ver- fahrens nachzuweisen suchte, hob ich in der betreffenden Abhandlung ') hervor, dass in mehreren Fällen ausser den Linien des Zirkoniums, Titans, Si- lieiums, Aluminiums und Eisens, andere Spectralstreifen beobachtet wurden, welche ihrer Stellung nach mit keinem mir bekannten Elemente zu coin- eidiren schienen und am ehesten noch mit dem Funkenspectrum des Zinns eine allgemeine Aehnlichkeit verriethen. Bald darauf beschrieb ich?) aus dem Zirkongranitporphyr von Bencha ein reguläres, in Würfel krystalli- sirendes Mineral, welches unter gewissen Umständen mit Zirkon zugleich abgeschieden werden konnte und ganz eigenthümlich mikrochemische Re- action gab. Um zunächst die Natur dieses Körpers .(Benchit) festzustellen, wurden grössere (uantitäten Gestein (5 k) in Arbeit genommen und mit Flusssäure behandelt, bis sich nichts mehr löste. Das Residuum enthielt aber jetzt weniger Benchit als das erste Mal und somit scheint die dunkle ’) Cfr. Bull. Soc. Min. t. VIII, 1884, p- 243. ”) Cfr. Bull. Soc. Min. t IX, 1886, p. 143. der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 169 Gesteinsvarietät von Bencha viel reicher an diesem Mineral zu sein. Die gewonnene Menge genügte dennoch, um abermals jene problematischen Spectrallinien hervorzubringen und um — was sehr wichtig ist — zugleich die Anwesenheit des Thoriums (im Residuum) nachzuweisen. Da das fragliche Spectrum einem der aussergewöhnlich seltenen Stoffen, wie Scandium, ‚Samarium, Thulium, Ytterbium ete. angehören konnte, habe ich mir diese Substanzen theils selbst aus den betreffenden Mineralien rein dargestellt, theils waren die Entdecker derselben so liebenswürdig, mich mit Material zu versorgen, aber nirgends habe ich entfernt Aehnliches zu constatiren vermocht. Als ich vollends das Spectrum des Zinns neben das unbekannte stellte, zeigte es sich deutlich, dass für keine der Zinn- linien Coineidenzen stattfanden und dass beide Spectren nur eine allgemein harmonische Aehnlichkeit aufwiesen. Es war angezeigt, zum Vergleich auch das Funkenspectrum des Thoriums herbeizuziehen; zu diesem Zwecke musste ich mir in erster Linie absolut reine Thoriumpräparate verschaffen. Glücklicherweise standen mir von früher her noch fast 2 Kilo amerikanischen thoriumhaltigen Monazits (von Foote in Philadelphia zu chemischen Zwecken bezogen; leider aber erschien das Material ein Gemisch von Monaziten verschiedener Fundorte, denn nach der Farbe konnte man verschiedene Stücke unter- scheiden) zu Gebote. Die daraus nach einer gewissen Methode abgeschiedene Thorerde zeigte nun höchst überraschender Weise neben unzweifelhaften Thoriumlinien jenes problematische Spectrum. Demnach schien es, dass die Thorerde durch einen unbekannten Körper verunreinigt sei. Die grosse Menge des Materials konnte natürlich nur portionsweise verarbeitet werden und ich wandte verschiedene Trennungsmethoden an, so dass ich ver- schiedene Präparate erhielt: schwefelsaures Salz, durch Einengen der schwefelsauren Lösung (Wöhler); — unterschwefligsaures mit Schwefel gemischtes Salz, durch Kochen der neutralen oder schwach salzsauren Lösung der Erden mit unterschwefligsaurem Natron (Hermann); — oxal- saures Salz, — von wem diese Methode stammt, ist mir unbekannt — dieselbe beruht auf der Löslichkeit des Thoriumoxalats in concentrirtem, heissem, oxalsaurem Ammon und der Schwer- fast Unlöslichkeit der oxal- sauren Cerit- und Yttererden in oxalsaurem Ammon, sowie ferner auf dem Umstand, dass die in Lösung gegangenen kleinen Mengen der letzteren beim Verdünnen mit viel Wasser und Stehenlassen vollständig niederfallen, während Thorerde klar gelöst bleibt und mit Säuren abgeschieden werden kann (Bunsen). Noch eine vierte Methode (Clerc, etwas modificirt von mir) kam zur Anwendung: mit schwefelsaurem Kali wird Thorerde zugleich mit Cerit- oxyden abgeschieden und auf diese Weise fast stets vorhandene kleine Mengen von Yttererden entfernt; hierauf werden Thor- und Ceriterden in salpetersaures Salz verwandelt und dessen Lösung nun mit schwefelsaurem 170 Jahres-Bericht Natron behandelt, wobei die schwefelsauren Natrondoppelsalze der Cerit-- erden allein niederfallen, da sie in einer concentrirten Glaubersalzlösung so gut wie völlig unlöslich sind, während das Thorerdenatrondoppelsalz in Lösung geht (100 Th. kalt gesättigtes schwefelsaures Natron lösen 4 Th. Doppelsalz, Clerc), und mit Oxalsäure abgeschieden werden kann. Die nach der dritten Methode, d. h. mit oxalsaurem Ammon, ab- schiedene Thorerde gab das fragliche Spectrum besonders deutlich; daher wurde folgende Betrachtung angestellt: die fragliche Substanz theilt mit der oxalsauren Thorerde die Eigenschaft der Löslichkeit in concentrirtem oxalsaurem Ammon, einer Lösung, die sich beim Verdünnen mit viel Wasser nicht trübt; — hingegen scheint unterschwefligsaures Kali keine fällende Wirkung auszuüben, d. h. die Substanz bleibt mit CGeritoxyden in Lösung. Demnach wurden diese letzteren nach möglichst vollkommener Ab- scheidung der Thorerde (nach einer der anderen Methoden) als oxalsaure Salze gefällt; ein aliquoter Theil der Oxalate wurde nebenbei auf Be- ryllium, Aluminium, Magnesium, Zirkonium, auf gewöhnlichem und spec- troskopischem Wege wiederholt geprüft, und deren Abwesenheit völlig constatirt; der übrige noch nasse oxalsaure Niederschlag wurde mit heiss gesättigtem oxalsaurem Ammon gekocht, die vom ungelösten abfiltrirte Lösung nach völligem Erkalten in viel Wasser gegossen und 48 Stunden in der Ruhe stehen gelassen. Die abermals filtrirte Lösung wurde nun tropfenweise mit verdünnter Salpetersäure versetzt und zwar so lange als die milchige Trübung noch zunahm. Der zuert rein weisse, später etwas ins graue und gelbliche spielende schleimige Niederschlag setzt sich ausser- ordentlich schwer zu Boden, so dass 8 Tage zum klaren Absetzen er- forderlich waren. In der klaren schwefelsauren Lösung dieses Nieder- schlags brachte Ammon einen gelatinösen, gelblichgrauen Niederschlag her- vor, welcher nun in Salpetersäure gelöst wurde. Diese mit Wasser ver- dünnte und mit Oxalsäure fractionirte Lösung gab schliesslich einerseits eine geringe Menge einer offenbar noch mit Thorerde verunreinigten Erde und andererseits eine Substanz, deren Farbe schwer zu präcisiren ist, eine Mischfarbe von gelblich, rosa und grau. Die farblose, klare, schwefelsaure Auflösung dieser letzteren Erde scheidet beim Kochen keine Spur irgend eines Salzes ab (Unterschied von Thorerde), beim Erkalten der eingeengten Lösung krystallisirt vielmehr das schwefelsaure Salz in feinen, farblosen, wahrscheinlich monoklinen Prismen (n. d. M. löschen einige Nadeln longitudinal, andere unter etwa 15° zu ihrer Längs- d. h. Prismenaxe aus). Die Krystalle lösen sich schwer und langsam im kalten, leicht und rasch in heissem Wasser. Beim starken Glühen geht die Säure fort und der ursprüngliche Körper bleibt zurück. Die verschwindend kleine Menge der neuen Erde genügte leider bis- => u wenig genauen Bestimmungen; ihr allgemeines Verhalten ist dem- jenigen der Thorerde ähnlich; dadurch dass man die Russiumerde mit der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. a Kohle mischt und mit trockenem Chlor glüht, entsteht ein dem Thorium- chlorid sehr ähnliches, schwer flüchtiges, gelbes Chlorid, welches sich in Wasser löst und im trocknen Zustand auf Kohle!) ein ganz eigenthüm- liches, specifisches Funkenspectrum liefert. Dieses Spectrum zeigt allerdings eine gewisse harmonische Aehnlichkeit mit demjenigen des Zinns. Die mit Ammon aus Lösungen gefällte Erde löst sich leicht in Säuren, selbst in organischen; die ameisensaure Lösung gicht beim Verdunsten kleine, farblose, sehr glänzende Krystallkörner, die allem Anscheine nach rhombisch sind; aus einer buttersauren Auflösung erhält man feine, bieg- same Nadelchen, welche einen Filz bilden und deren Kıystallsystem noch nicht bestimmt werden konnte. Behufs der Reduction des Metalls aus der Russiumerde wurden sehr viele Versuche, die wiederum leider mit Substanzverlust verbunden waren, angestellt. Es gelang weder mit Kohle, Alkalimetallen, noch mit Wasser- stoff die Erde zu zerlegen. Endlich nach langem Herumtappen verfuhr ich mit Erfolg folgendermaassen; ein 5 em hoher Cylinder aus reinster Gaskohle mit einer cylindrischen Bohrung von '/, em wurde mit einem Gemenge von mit Kochsalz geschmolzenem, dann pulverisirten Chlorid mit Magnesiumpulver (sodass, wenn man bei der neuen Erde eine der Thor- erde analoge Constitution supponirt, nur der vierte Theil des ganzen muth- maasslich vorhandenen Metalls sich reduciren könnte) gefüllt, mit einem genau fassenden Kohlenpfropfen verschlossen, der Kohlencylinder in ein passendes, hermetrisch verschliessbares Schmiedeeisengefäss gesetzt und das ganze einer möglichst starken Rothgluth ausgesetzt. Das graue pulverige Produet wurde geschlämmt, das schwerste Residuum rasch mit Säuren ab- gespült und wieder gewaschen; das dem metallischen Thoriumpulver sehr ähnliche, aber allem Anscheine nach nicht krystallinische Metall zeigt einen matten schwachen Metalleglanz, wenn man dasselbe in einem Achatmörser, oder noch besser Stahlmörser, stark drückt und schleift; in die Flamme des Bunsenbrenners gebracht, verbrennt es mit einem intensiv weissen Glanze. In verdünnten Säuren scheint sich das Pulver wenig zu lösen, in concentrirten dagegen löst es sich unter stürmischer Wasserstoff- entwickelung. Um womöglich zusammenhängende Massen zu erhalten, versuchte ich das Pulver unter einer Kochsalzdecke im Leclerque-Forquignosi’'schen Ge- bläseofen mit Sauerstoff zu schmelzen; dies gelang in einem aus reiner Thonerde hergestellten Tiegelchen nicht, das ganze verbrannte mit inten- sivem Glanze. Daher stellte ich einen Kalkeylinder mit einer Bohrung her, in welche ein ebenfalls mit einer Bohrung und Pfropfen versehener Kohlen- eylinder hineingepasst wurde; nachdem eine gewisse Menge des Metall- pulvers in den Kohlenceylinder gebracht war, wurde derselbe mit einem !) Nach meiner Methode, cfr. Bull. Soc. Min. t. VII, 1884, p. 243. 172 Jahres-Bericht möglichst dicht schliessenden Kohlenpfropfen versehlossen, in den grösseren - Kalkeylinder gestellt, mit Kalkbrei zugeschmiert und sehr langsam ge- trocknet, damit keine Risse entstehen. Diese Vorrichtung ist endlich 6 Stunden lang im Leclerque-Forquignosisschen Ofen der lebhaften Weiss- eluth ausgesetzt worden. Das Metallpulver war oberflächlich heller ge- worden — scheinbar doch etwas oxydirt — im Innern aber schien das- selbe wenig verändert, bloss zusammengesintert; mit der Loupe jedoch konnten einige nicht völlig runde Kügelchen von etwa !/, mm Durch- messer herausgesucht werden. Dieselben sind sehr hart, fast nicht elastisch, denn sie lassen sich kaum merklich zusammendrücken und zerspringen bei starkem Schlagen mit dem Stahlbolzen; der Bruch ist sehr feinkörnig, matt metallisch glänzend und die Farbe mit derjenigen des leicht an- selaufenen Bleies zu vergleichen. Mit solchen Körnchen konnte die speeifische Gewichtsbestimmung nicht besonders genau vorgenommen werden; das Metall scheint leichter als Thorium. Die verschwindend kleine Menge der neuen Erde genügte mir bisher nur zu diesen vorläufigen Bestimmungen, d. h. gerade dazu, um zu con- statiren, dass ein neuer Körper, den ich Russium benenne, vorliegt. Nahe lag übrigens die Vermuthung, dass vielleicht auch andere seltene Mineralien, die neben den Cerit- und Yttererden auch Thorerde führen, ebenfalls Russium enthalten. Ich bin daher gegenwärtig damit beschäftigt, die hierher gehörenden Mineralien auf Russium zu prüfen und muss leider gestehen, dass ich nur in zwei Fällen in den mir zu Gebote stehenden Mengen Trübungen, d. h. unwägbare Spuren habe finden können. Der schwedische Monazit ist jedenfalls russiumfrei. Allenfalls müssten grössere Mengen der betreffenden Mineralien, die ich im Augenblick leider nicht zu beschaffen im Stande bin, darauf verarbeitet werden. Ich hoffe übrigens, dass ich mıt dem Material, welches ich noch besitze, Atomgewichtsbestimmungen werde ausführen können. Sitzung am 19. October 1887. Herr Professor Dr. 0. E. Meyer eröffnete die Sitzung mit den Worten: Es ist Ihnen, meine Herren, bekannt geworden, welchen schmerzlichen Verlust die Wissenschaft vorgestern durch den Tod Gustav Kirchhoff’s erlitten hat. Ich will es hier nicht unternehmen, die ganze Grösse dieses Mannes zu schildern und ein Bild seines Lebens und Wirkens zu ent- werfen. Nur daran will ich erinnern, dass wir hier in Breslau besonderen Grund ha ad . e . ar haben, um seinen Tod zu trauern; denn Kirchhoff gehörte einst der ulesigen Universität an, und es wird sich noch Mancher von Ihnen se Sg > ty x a > e = E s cs anregenden Vortrages und der fesselnden Liebenswürdigkeit seines esens eri ser , 20 2 ınnern. Als er nach Breslau kam, war er ein junger Mann der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 173 von 26 Jahren, welcher schon damals einen guten Namen erworben zu haben sich rühmen durfte‘); seine Verdienste lagen hauptsächlich auf dem Gebiete der mathematischen Physik, und das darf auch besonders von derjenigen Arbeit seiner jüngeren Jahre gesagt werden, welche seinen Namen in weiteren Kreisen, nicht nur unter Physikern, sondern auch bei den Technikern, bekannt gemacht hat, von seiner Untersuchung über die Gesetze, nach welchen die Verzweigung elektrischer Ströme sich regelt. Die Arbeiten, für welche Kirchhoff den höchsten Ruhm geerntet hat, die von ihm und seinem Freunde Bunsen gemachten Untersuchungen und Entdeckungen über die Spectren, die Erfindung der Spectralanalyse und die Erforschung der Sonne, fallen in eine spätere Zeit, als er Breslau schon verlassen hatte und nach Heidelberg übergesiedelt war; aber wir wollen nicht vergessen, dass schon hier in Breslau die Freundschaft ge- knüpft wurde, welche beide Männer im Leben und zu gemeinsamer Arbeit eng verband. So bleibt Breslau der Ort, an welchem die jungen Freunde durch wechselseitigen Einfluss sich zu der geistigen Grösse entwickelten, welche sie bald darauf in Heidelberg in gemeinsamer Arbeit offenbarten. Wie viel dem einen und wie viel dem anderen von ihren Entdeckungen zu danken ist, lässt sich nicht feststellen; so innig sind beider Gedanken mit einander verwebt. Aber nicht selten erkennt man Kirchhoff’s Geist an der mathematischen Denkweise, welche ihm stets eigen geblieben ist, und zwar mehrfach gerade in den wichtigsten Grundlagen der kühnen Schlüsse. Als Beispiel brauchen wir nur die Proportionalität zwischen Emission und Absorption anzuführen, welche mathematisch als nothwendig bewiesen und experimentell als zutreffend erkannt werden musste, ehe eine Spectralanalyse der Sonne zulässig war. So bedurfte es des Zu- sammenwirkens der beiden Forscher, des genialen Bunsen und seines mathemathisch denkenden Genossen. Kirchhoff’s Grösse beruhte stets, nicht blos in den mathematisch - physikalischen Untersuchungen seiner jungen und seiner letzten Lebensjahre, auf der mathematischen Klarheit seines Kopfes. Hierauf sprach derselbe Vortragende über die Bestimmung der inneren Reibung einer Flüssigkeit nach Coulomb’s Methode. Zur Messung der inneren Reibung einer Flüssigkeit oder der Kraft, welche zur Ueberwindung der Cohäsion nöthig ist, wenn zwei ungleich schnell sich bewegende Schichten einer Flüssigkeit über einander fort- gleiten, hat man verschiedene Methoden angewandt. Das einfachste Verfahren besteht darin, dass man die Flüssigkeit durch eine lange enge ) In einer bei den Acten der philosophischen Fakultät befindlichen Be- werbung um die Breslauer Professur. 174 Jahres-Bericht Röhre, an deren Wandung sie haftet, fliessen lässt und die in einer bestimmten Zeit ausgeströmte Menge misst. Ausserdem hat man zu dem- selben Zwecke die Schwingungen eines in der Flüssigkeit hängenden Körpers beobachtet und aus der mit der Zeit eintretenden Abnahme der Schwingungsweite auf die von der Flüssigkeit auf den Apparat ausgeübte Reibung geschlossen. Unter den verschiedenen Formen, welche man dem schwingenden Körper gegeben hat, zeichnet sich durch die Einfachheit der Ausführung die von Coulomb gewählte einer ebenen kreisförmigen Scheibe aus. Die Goulomb’sche Scheibe hing in horizontaler Lage an einem in ihrer Mitte befestigten Drahte, um welchen als Drehungsaxe sie Schwingungen ausführen konnte, ‚welche ohne Ortsveränderung in einfachen, durch die Drillung des Aufhängungsdrahtes unterhaltenen Drehungen um den Mittelpunkt bestanden. Dabei erfahren die Schwingungs- bögen eine allmähliche Dämpfung durch die Reibung, welche die obere und die untere Fläche der Scheibe von den ihr zunächst gelegenen Schichten der Flüssigkeit erfahren, während diese nächstbenachbarten . Schichten wiederum durch die Reibung an den über oder unter ihnen in weiterem Abstande von der Scheibe liegenden Schichten in ihren Be- wegungen gehemmt werden. Diese Auffassung des Vorganges habe ich in meiner vor etwa 30 Jahren verfassten Erstlingsarbeit!) zum mathematischen Ansatz gebracht, indem ich die Reibung berechnete, welche innerhalb der Flüssigkeit zwischen horizontalen, kreisförmig begrenzten Schichten derselben ausgeübt und von Schicht zu Schicht auf die Scheibe des Apparates übertragen wird. Die Grösse des Umkreises dieser horizontalen Schichten nahm ich gleich dem der Scheibe selbst an, indem ich glaubte, dass die Reibung an dem schmalen Rande einer solchen Schicht zu vernachlässigen sei gegen die auf die Kreisfläichen wirkenden Reibungskräfte, wenigstens wenn der Durchmesser der Scheiben hinreichend gross ist. Diese Rechnung führte zu einer, an meinen damaligen Beobachtungen?) geprüften Formel für das logarithmische Deerement & der Amplituden, welche annäherungsweise 4 a nr V2 rn n.oT geschrieben werden kann, wenn R der Halbmesser der schwingenden Scheibe, M ihr Trägheitsmoment, T ihre Schwingungsdauer, sowie 7 der teibungs-Coäfficient und g die Dichtigkeit der Flüssigkeit ist. Als ich nach dieser Formel aus dem beobachteten Decremente & die Reibungsconstante 7 der untersuchten Flüssigkeit berechnete, erhielt ich Zahlenwerthe, welche ziemlich nahe mit denjenigen übereinstimmten, welche aus Hagen’s und Poiseuille’s Versuchen über die Strömung 3) Grelle’s Journal, Bd. 59. ?) Poggendorff’s Annalen, Bd. 113. der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 175 durch Capillarröhren hergeleitet wurden. Doch ergaben meine Schwingungs- Beobachtungen durchweg etwas grössere Zahlen. Der Grund dieser Abweichung war nicht schwer aufzufinden; es lag klar auf der Hand, dass er nicht in Fehlern der Messungen zu suchen war, sondern in der Unzulänglichkeit der Theorie und der aus derselben hergeleiteten Formel. Jedoch gelang es mir damals nicht, die Rechnung in grösserer Strenge durchzuführen. - Der Mangel der Theorie besteht darin, dass nicht alle Wirkungen der inneren Reibung in Rechnung gezogen wurden. Es wurde, wie ich schon andeutete, nur die Reibung zwischen den horizontalen Flüssigkeitsschichten über und unter der Scheibe berücksichtigt; aber ich stand wegen der Schwierigkeit der Rechnung davon ab, diejenige Reibung mit zu berechnen, welche die Scheibe selbst und die über oder unter ihr liegenden kreis- runden Schichten von den sie äusserlich umgebenden Flüssigkeitsmassen erleiden. Da dieser Theil der Reibung in der Rechnung nicht beachtet worden war, in den Beobachtungen jedoch sich bemerklich machte, so musste der Schein entstehen, als sei der Reibungs-Üoefficient grösser, als er in Wahrheit ist. Nun hat kürzlich Dr. Walter König!) zu meiner oben angeführten Formel ein Correctionsglied hinzugefügt, so dass sie lautet: 7 Rt R° Ionen, im! aneT+raganT Er begründet diese Abänderung aber nicht durch eine Theorie, welche die meinige an Strenge überträfe, sondern nur durch gewisse Schlüsse aus Analogien, deren Zulässigkeit bezweifelt werden dürfte, wenn nicht die numerische Vergleichung mit seinen Beobachtungen zu dem gewünschten Ziele führte, dass die aus Schwingungs - Beobachtungen hergeleiteten Zahlenwerthe mit den aus Strömungsversuchen erhaltenen genau überein- stimmen. Hierdurch wurde ich veranlasst, meine Rechnungen noch einmal wieder aufzunehmen, und es gelang mir, die Theorie um einen Schritt weiter zu fördern. In meiner Rechnung, welche ich an anderer Stelle?) mittheile, habe ich freilich auch jetzt noch nicht alle Reibungskräfte, welche streng genommen in Betracht gezogen werden sollten, voll berücksichtigt, aber doch bis zu einem für die praktische Anwendung genügenden Grade. Durch die innere Reibung der Flüssigkeit breitet sich die Bewegung von der Scheibe her nach allen Richtungen hin so aus, dass sie über oder unter der Scheibe in nahezu senkrechter, ausserhalb des Scheibenrandes in beinahe wagerechter Richtung von Schicht zu Schicht übergeht. Dem- gemäss habe ich an allen über oder unter der Scheibenfläche gelegenen !) Wiedemann’s Annalen, Bd. 32. 2) Sitzungsberichte der Münchener Akademie 1887; Wiedem. Ann., Bd. 32. 176 Jahres - Bericht Stellen der Flüssigkeit, wie früher, nur die Reibung zwischen horizontalen ebenen Schichten berücksichtigt; ausserhalb des Randes aber habe ich jetzt auch die Reibung auf vertical gedachten, die Scheibe umschliessenden Cylinderflächen mit in Rechnung gezogen. Durch diese Vervollständigung der Theorie wird bewirkt, dass in die Formel für das Decrement & der Amplituden ein weiteres Glied eintritt, und zwar zeigt sich, dass dieses wirklich die von König verlangte Form, wie sie oben angegeben wurde, annimmt. Ich habe nicht unterlassen, die neue theoretisch bewiesene Formel auch durch die Erfahrung zu prüfen, indem ich sie mit meinen früher schon veröffentlichten Beobachtungen verglich. Sie bewährte sich bei dieser Probe sehr gut, indem sie stets für den Reibungs-Ooäfficienten einen Werth lieferte, welcher mit den nach anderen Methoden ermittelten Zahlen- werthen derselben Grösse recht befriedigend übereinstimmte. Die neu berechneten Werthe sind kleiner als die früher angegebenen. Der Unter- schied ist, wie ein Blick auf die neue Formel lehrt, keineswegs unerheb- lich, wenn der Flüssigkeit ein grosser Werth des Reibungs-Coäfficienten 7 oder ein geringer Werth der Dichtigkeit o angehört. So kommt es, dass sich besonders für Oel, sowie auch für Luft jetzt beträchtlich kleinere Werthe herausstellen, als ich sie in meinen ersten Abhandlungen ange- nommen hatte. Herr Professor Dr. v. Richter sprach über eine neue chromogene Atomgruppirung. Bei der Darstellung von Dinitrophenyl-acetessigsäureester C,H, (NO,), - GH(CO ..CH,).CO, .C,H, durch Einwirkung von o-p-Dinitrobrombenzol C,H,(NO,),Br auf Natriumacetessigester erhielt ich als Nebenproduet eine Verbindung, welche in heissem Alkohol fast unlöslich, bei 153—154° schmilzt . und in bemerkenswerther Weise die Eigenschaft besitzt, sich in Natron- oder Kalilauge mit intensiv dunkelblauer Farbe zu lösen. Wiederholt hatte ich bei analogen Nitroverbindungen durch Alkalien blaue oder violette Fär- bungen wahrgenommen; hier lag die Aussicht vor, bei der in reichlicher Menge entstehenden und sehr beständigen Substanz, die Ursache der Blau- färbung und die sie bedingende Atomgruppirung zu ermitteln. Eine nähere Durchsicht der Litteratur ergab, dass derselbe Körper schon im Labora- jorium von Wislicenus dargestellt und von Heckmann als das weisse krystallinische Product beschrieben worden ist‘). Er fand den Schmelz- punkt desselben bei 150,5°, constatirte seine Blaufärbung durch Alkalıen und ermittelte für ihn die einfachste atomistische Formel GHRNO. ur die in metallglänzenden Schuppen sich abscheidende, in Wasser mit dunkel- blauer Farbe lösliche Kaliumverbindung desselben stellte er die Formel ) Heckmann, Ann. d. Chemie, Bd. 220, p. 137. der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 177 C,,H,.K,N,0O,; auf. Dementsprechend nimmt er für den freien weissen Körper die verdreifachte empirische Formel 3 @H,N,0, = 0,,H,,N,0,; an. Er meint, derselbe entstehe „aus drei Molecülen Dinitrophenyl -acet- essigsäureester wahrscheinlich dadurch, dass dieselben zunächst in drei Moleeüle Dinitrophenylessigsäure übergeführt und letzteren durch die Ein- wirkung der alkoholisch - alkalischen Flüssigkeit je 1 Atom Sauerstoff ent- zogen würde‘ '): 3 GH,N0, —30 = G,H,N0,; Dinitrophenyl-essigsäure Weisser Körper. Diese verwickelten Beziehungen, nach welchen die Blaufärbung einem Körper von sehr complicirter Constitution zukommen würde, entwirren sich in einfachster Weise. Es erwies sich, dass der fragliche Körper einfach den Aethylester der Bi-dinitrophenyl-essigsäure darstellt, welchem die verdoppelte empirische Formel 2 0,H,N,O, (s. oben) zukommt: er NO. — Nr we CH.CO,.C;H, Bi-dinitrophenyl-essigsäureester. Durch Ersetzung des Wasserstoffs der CH-Gruppe durch Alkalimetalle, bei der Einwirkung von Aetzalkalien, deriviren die mit intensiv blauer Farbe in Wasser und Alkohol löslichen Alkaliverbindungen. Es ergiebt sich das aus folgenden Beziehungen: Bei der Darstellung des fraglichen Körpers wurde zunächst bemerkt, dass er bei Anwendung von überschüssigem Dinitrobrombenzol in reich- licherer Menge gebildet wird. Ich versuchte daher seine Darstellung durch nochmalige Einwirkung von Dinitrobrombenzol auf die Natriumverbindung des zunächst gebildeten Dinitrophenyl-acetessigsäureesters, gemäss der Gleichung CO.CH, C,H,(NO,),Br + C,H,(NO,),. CNa< no, ‘on C,H, (NO,),\_ CO .CH, CH, (NO, ler ca, + NaBı Bi-dinitrophenyl-acetessigester. In der That wird durch diese Reaction der Körper in sehr reichlicher Menge (gegen ?/, der theoretischen) gebildet, so dass dieselbe am besten zur Darstellung des Körpers dienen kann. Dieser Synthese entsprechend konnte der Körper als Bi-dinitrophenyl -acetessigsäureester angesprochen werden, mit der molecularen Formel C,;H,,N,O,,, welche einen der Formel C,;H,,N,0,, = 2. C,H,N,0,) sehr nahen Procentgehalt besitzt: !) Ann. d. Chem., Bd. 220, p. 139. 1887. 12 Jahres - Bericht 178 = A6 46,7 ee EN, 14 3,0 Et 19 9,8 N, 56.0. ou N, Be Od Kiss Onin 1606700384 FETEN 420 100 Es erwies sich indessen, dass dem Körper die von Heckmann auf- gestellte empirische Formel C,H,N,O, oder CG,,H,,N,O,, zukommt. Eine Erklärung hierfür ergab sich in der Annahme, dass durch Abspaltung der Acetylgruppe der Bi-dinitrophenyl-essigsäureester, welcher die. erforderte Formel G,,H,,N,O,, besitzt, gebildet worden ist: C,H,(NO,) „>. 00x. CH 6 DENO in LO a ee ne u co, me + CH, .C0,H Bi-dinitrophenyl-essigsäureester. Eine solche Abspaltung der Acetylgruppe bei analogen Verbindungen ist schon mehrfach beobachtet worden. So wird nach Jones!) aus dem Diacetylessigsäureester (C,H,O), .CH.CO, . C,H, durch Natriumaethylat wie auch durch Wasser schon bei gewöhnlicher Temperatur eine Acetyl- gruppe unter Bildung von Acetessigsäureester abgespalten. Ebenso wird nach Japp und Klingemann’) bei der Einwirkung von Diazobenzolchlorid auf Natrium-methylacetessigester die Acetylgruppe verdrängt. Auch für die directe Bildung von Bi-dinitrophenyl-essigsäureester bei der Einwirkung von nur einem Molecul Dinitrobrombenzol (s. oben) finden sich mehrfach Analogien vor. So entstehen nach Lellmann°) bei der Einwirkung von einem Molecül Para- oder Ortho-nitrobenzylchlorid auf Natrium-malon- säureester fast ausschliesslich die entsprechenden Bi-nitrobenzyl-malon- säureester. Dass im vorliegenden Falle ebenfalls eine Abspaltung oder Verdrängung der Acetylgruppe stattfindet, dass der fragliche Körper die ihm von mir zugeschriebene Constitution besitzt, wird zunächst dadurch erwiesen, dass derselbe, in ganz analoger Weise wie aus Acetessigsäureester, auch aus Malonsäureester erhalten werden kann, indem in diesem Falle eine Carbonyl- gruppe verdrängt wird. Bildung des Körpers aus Malonsäureester. Dieselbe erfolgt ähnlich wie beim Acetessigsäureester in geringen Mengen schon direct bei der Einwirkung von nur einem Molecül Dinitro- ‘) Annalen der Chemie, Bd. 226, p: 215. ?) Ber. d. cheın. Ges., Bd. 20, 2949. ?) Ibid. Bd. 20, 434, der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 179 brombenzol; besser bewirkt man die Bildung in zwei Phasen. Man lässt zunächst ein Molecul Dinitrobrombenzol auf Natriummalonsäureester in alkoholischer Lösung beim Erwärmen einwirken; nach dem Verdünnen mit Wasser gewinnt man ein Oel, aus welchem beim längeren Stehen sich eine krystallinische Masse abscheidet. Dieselbe besteht hauptsächlich aus Dinitrophenyl-malonsäureester und enthält häufig in geringer Menge den _ fraglichen, in Alkohol fast unlöslichen, in Alkalien mit blauer Farbe lös- lichen Körper. Die grösste Menge des Dinitrophenyl-malonsäureesters bleibt indessen im rückständigen Oel, im unveränderten Malonsäureester gelöst. Sehr leicht und vollständig gelingt die Abscheidung des Dinitrophenyl- malonsäureesters in folgender Weise. Das als Oel abgeschiedene Reactions- product wird direct mit überschüssiger concentrirter Natronlauge zusammen- gerieben; es gesteht dann zu einer braunschwarzen krümeligen Masse — der Natriumverbindung des Dinitrophenyl-malonsäureester, während der unveränderte Malonsäureester verseift wird. Diese Natriumverbindung ist in nicht zu sehr verdünnten Alkalien unlöslich und wird auf Glaswolle abgesaugt. Sie löst sich in reinem Wasser mit intensiv rothbrauner Farbe, unter Rücklassung des bei der Reaction unverändert gebliebenen Dinitro- brombenzols. Aus der filtrirten Lösung wird durch Säuren (auch Kohlen- säure) der Ester in fast reinem Zustande ausgefällt. Der Dinitrophenyl-malonsäureester C,H,(NO,), .CH(CO, .C,H,), welcher meines Wissens bisher noch nicht beschrieben worden ist, ist in warmem Alkohol oder Aether sehr leicht löslich und krystallisirt in dicken, schwach gelblichen Prismen, die bei 51° schmelzen. Eine von Herrn Stud. Drossbach ausgeführte Analyse bestätigte die aus der Ana- lyse und den Eigenschaften des Körpers erschlossene Zusammensetzung. Der Ester löst sich in verdünnten Alkalien mit intensiv rothbrauner Farbe und wird durch Säuren wieder unverändert abgeschieden. Eine nähere Untersuchung dieses Esters und seiner Derivate soll später erfolgen. Durch nochmalige Einwirkung von Dinitrobrombenzol auf die Natrium- verbindung des Dinitrophenyl-malonsäureesters entsteht, in ganz ähnlicher Weise wie aus dem Dinitrophenyl-acetessigester und in nähezu gleicher Menge, derselbe blaufärbende Körper, der mithin beiden Synthesen gemäss nur den Bi-dinitrophenyl-essigsäureester darstellen kann: C,H,(NO,),Br -+ C,H,(NO,), .CNa(C0, .C,H,), + H,O = C,H, (NO,) HNO CH.CO,.C,H, + CO, - NaBr + (,H,.OH Bi-dinitrophenyl-essigsäureester. Ein weiterer Beweis hierfür soll durch die Synthese des Körpers aus Dinitrophenylessigsäureester C,H, (NO,), .CH,..CO,.C,H, und aus Bi- dinitrophenyl-methan [C,H,(NO,),],CH, erbracht werden. Zunächst ergiebt sich ein solcher aus der Zusammensetzung des Natriumsalzes. 12* E 180 Jahres - Bericht NachHeckmann hat die Kaliumverbindung dieFormel C,,H,;K,N,O, ;, welche 11,07 pCt. Kalium verlangt (gefunden wurden von ihm durch- schnittlich 11,2 pCt.), während die Kaliumverbindung des Bi-dinitrophenyl- essigsäureesters mit der Formel C,,H,,KN,O,, 85 pCt. Kalium enthalten sollte. Es kommt jedoch hierbei in Betracht, dass das Kaliumsalz seiner Darstellung nach etwas Kali enthalten konnte. Ferner kann möglicher Weise ein basisches Kalıumsalz vorliegen, ähnlich wie auch das Benzol- azonitroaethan C,H, .N, . CH(NO,).. CH, nach V. Meyer!) nur basische Salze mit zwei Aequivalenten der Metalle bildet. Bei der Genauigkeit der factischen Angaben Heckmann’s konnte nur bei der Natriumverbindung ein anderes Resultat erwartet werden. Man erhält das Natriumsalz sehr leicht in fester, gut charakterisirter Form, wenn man zu der filtrirten dunkelblauen wässerigen Lösung Natronlauge hinzufügt, bis die blaue Farbe fast verschwunden. Es scheidet sich dann nach einigem Stehen das auch in verdünnter Natronlauge schwer lösliche Natriumsalz in metallglänzenden, goldschimmerden Blättchen ab, die auf dem Filter rasch abgesaugt und im Exsiecator getrocknet dasselbe Aus- sehen zeigen. Das Salz ist sehr hygroskopisch und absorbirt auch rasch Kohlensäure; beim Erhitzen verpufft es gegen 80°, ebenso beim Erhitzen mit concentrirter Schwefelsäure. Zur Analyse wurde es daher in Wasser gelöst, mit Schwefelsäure zerlegt und das Filtrat eingedampft. 1) 0,4890 gr Substanz gaben 0,0985 gr Na,SO, — 6,5 pCt. Natrium. Eine zweite Analyse wurde mit der Substanz einer anderen Dar- stellung ausgeführt. 2) 0,775 gr Substanz gaben 0,135 gr Na,SO, = 5,6 pCt. Natrium. Da das Salz seiner Darstellung nach etwas Natron enthalten muss, so stehen diese Zahlen wohl in genügender Uebereinstimmung mit der Formel C,;H,,NaN,O,,. welche 5,2 pCt. Natrium verlangt. Es sei hier nochmals auf das bemerkenswerthe Verhalten der Alkali- verbindungen hingewiesen. Die intensiv dunkelblaue Lösung entfärbt sich an der Luft, indem durch die Kohlensäure das Salz zerlegt und die freie Substanz unverändert abgeschieden wird. Tränkt man Fliesspapier mit der blauen Lösung, so entfärbt es sich rasch und ist nach dem Austrocknen völlig farblos. Durch kohlensaure Alkalien wird es nicht verändert, durch Aetzalkalien aber intensiv blau gefärbt, so dass es sich als Indicator zur Bestimmung der Aetzalkalien neben kohlensauren Alkalien eignet. Seine Anwendbarkeit in der Alkalimetrie soll durch weitere Versuche ermittelt werden. Aus dem Dargelegten ergiebt sich, dass die chromogene Natur der besprochenen Verbindungen auf der Ersetzbarkeit des Carbin-Wasserstofis !) Bericht der chemischen Gesellschaft, Bd. 8, p. 1076. der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 181 durch Metalle und der Bindung des Kohlenstoffatoms an Dinitrophenyl- gruppen beruht. Durch Eintritt von nur einer Dinitrophenylgruppe ent- stehen Körper, welche braunrothe Salze bilden, wie CO.CH CO, .C,H = > C,H, (NO,), . CH co,. C,H, und (,H,(NO,), . CH co, C,H, Dinitrophenyl-acetessigester Dinitrophenyl-malonsäureester, während bei Eintritt von zwei Dinitrophenylgruppen blaue Salze gebende Chromogene' gebildet werden, wie C,H, (NO, ). HNO" = UREOSS C,H, Bi-dinitrophenyl-essigester. Der Einfluss der Acetyl- und Carbonylgruppen scheint nur in der Er- höhung der Aceidität des Carbinwasserstoffs zu bestehen. Analog constituirte Substanzen müssen ein ähnliches Verhalten zeigen. Ich habe das in Betreff der Blaufärbung zunächst an dem leicht darstell- baren Bi-dinitrophenyl-methan [C,H,(NO,), ,CH, constatirt. Dasselbe wird, wie vorausgesetzt, durch alkoholische Alkalilösungen intensiv violettblau gefärbt; es entstehen hierbei offenbar Salze, die indessen wegen der wenig aciden Natur des betreffenden Carbinwasserstoffs wenig beständig sind. Die aufgeführten chromogenen Körper können zu der Gruppe der Nitrofarbstöffe gerechnet werden; es ist aber zum ersten Male constatirt, dass Nitroverbindungen, ohne eine specifische geschlossene chromophore Gruppe zu enthalten, blau gefärbte Salze bilden. Aus den dargelegten Grundlagen erschliessen sich nach verschiedenen Richtungen Aussichten auf weitere Arbeitsgebiete. Sitzung am 16. November 1887. Der Assistent am pharmaceutischen Institut, Herr Dr. Kassner, theilte die Resultate seiner Untersuchung des fetten Oels der Hirsefrucht mit. Das Hirseöl, über dessen krystallisirbaren Gemengtheil, das Panicol, bereits früher Mittheilungen gemacht wurden, besteht zu 95 pCt. aus einer flüssigen Oelsäure. Letztere wurde durch Abscheidung aus ihrem äther- löslichen Bleisalz rein dargestellt. Sie bildet eine nicht unangenehm riechende, schwach gelbliche Flüssigkeit, welche sehr begierig aus der Luft Sauerstoff aufnimmt und sich damit nach einiger Zeit in eine erst fadenziehende, später feste Masse umwandelt, wobei eine Bleichung der Säure stattfindet. Die Säure wurde daher unter Abschluss der Luft auf- bewahrt. — Die Elementar-Analyse des reinen Products ergab die Formel C,,H,,0, als einfachsten Ausdruck. Indessen zeigte die Analyse des 182 Jahres-Bericht Silber- und Natriumsalzes der Säure, dass diese mindestens 3 Atome Sauer- - stoff enthalten, also wahrscheinlich die Formel C,,H,,0, besitzen müsste. Ueber die Richtigkeit dieser Annahme konnten nur die Spaltungsproducte der Säure Näheres ergeben. Es wurde daher zunächst ihre Oxydation mittelst Kaliumpermanganat, darauf in einer anderen Probe die Einwirkung schmelzenden Kalis versucht. Als Producte der Oxydation erhielt der Vortragende in der Hauptmenge Capronsäure C,H,,0, und eine Säure von der empirischen Formel C,,H,,(OH),O, ; in geringerer Menge zeigte sich ein in glänzenden Blättern krystallisirender, bei 107—108° C. schmelzender Körper, dessen Elementar- Analysen am besten mit der Formel C,H,,O, stimmten und den der Vor- tragende für eine Oxycapronsäure ansah. Es wurde hervorgehoben, dass bei der Oxydation das Auftreten von Ameisensäure und Essigsäure nicht beobachtet wurde. Bei dem Schmelzprocess mittels Kalihydrats wurden im Gegensatz zu jener Versuchs-Reihe grosse Mengen Essigsäure ('/, des Molekulargewichts der Hirseölsäure erhalten), ferner als Hauptproduct Laurinsäure G,,H,,0, erhalten; daneben trat ein alkoholartiger Körper auf, welcher mit Essig- säure-Anhydrid eine Verbindung lieferte, deren Natur, wie jene des Körpers G,H,,0, indessen noch weiterer Prüfungen bedarf, um ihre chemische Structur mit Sicherheit feststellen zu können. Die erhaltenen Resultate lassen sich wie folgt verwerthen. Die Hirseöl- säure, eine notorisch ungesättigte Säure, kann erfahrungsgemäss nur an der Stellung der doppelten Bindung durch die Oxydation gespalten sein. Wenn nun als Hauptproducte der Spaltung und Oxydation Capronsäure (,H,,0, und der Körper C,,H,,(OH),O, auftreten, so kann die ursprüng- liche Säure nur 20 Atome Kohlenstoff enthalten haben und wäre die Formel derselben dann (,,H,,0;. Diese Formel ist daher an Stelle der oben als wahrscheinlich auf- gestellten C,,H,,O, zu setzen, was zulässig ist, da auch die Resultate der Elementar-Analyse bei so hohen Molekulargrössen nur geringe Verschieden- heiten besitzen. Die Constitution der Hirseölsäure ergiebt sich aus den Produeten der Kalischmelze. Die Laurinsäure C,,H,,O, ist normaler Structur, sie muss mit der gleichzeitig gebildeten Essigsäure C,H,O, aus einem gemeinschaft- lichen Kern von der hypothetischen Formel C,,H,,0, gebildet worden sein. Dieser lieferte bei der Oxydation mit Kaliumpermanganat die Säure C, ‚H,,(OH),O,, folglich besitzt diese die rationelle Formel CH, CH(OH)CH(OH)(CH, ), „ COOH. Soweit wäre die Constitution der Hirseölsäure klar gelegt, bezüglich des anderen Theiles der letzteren, welcher bei der Oxydation Capronsäure C,H,,0, lieferte und welcher vermuthlich eine Alkoholgruppe enthält, sind der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 183 die Untersuchungen noch nicht beendet. Die Constitution der ganzen Säure würde bis jetzt durch nachstehende Formel auszudrücken sein: C,H,,(0H)C = CH — CH = CH — (CH,), „COOH. ” K} = rl RL Constitution unbekannt. Sitzung am 14. December 1837. Der Docent an der Universität, Herr Dr. F. Auerbach, theilte die Resultate seiner Dynamoelektrischen Versuche mit. 1. Einleitung. Unter den epochemachenden Fortschritten der Elektrizitäts-Wissenschaft, welche die moderne Elektrotechnik begründet haben, sind es zwei, welche besonders hervorgehoben zu werden verdienen. Wenn man paradox sein wollte, könnte man sagen: der erste dieser Schritte bestand in der Ein- führung, der zweite in dem Wiederaufgeben der magnetelektrischen Maschine. Verständlicher ausgedrückt handelt es sich bei dem ersten Punkte um die Erkenntniss, dass die galvanischen Batterien zur Erzeugung technisch brauchbarer elektrischer Ströme aus verschiedenen Gründen weit weniger geeignet sind, als die magnetelektrische Maschine, bei welcher die elektrischen Ströme bekanntlich durch rotirende Bewegung von Draht- spulen unter dem Einflusse starker Magnete erzeugt werden. Indess auch die magnetelektrische Maschine erwies sich in der Praxis als ihrer Aufgabe durchaus nicht gewachsen, und zwar insbesondere des- halb nicht, weil die Herstellung von Stahlmagneten mit wachsender Grösse derselben unverhältnissmässig schwierig und kostspielig wird. Unter diesen Umständen war die zweite Erkenntniss von fundamentaler Wichtigkeit, dass es nicht erforderlich ist zur Erzeugung des magnetischen Feldes Stahl- magnete anzuwenden, sondern dass es genügt, weiche Eisenmassen an Stelle derselben zu setzen und den Spulendraht oder dessen Verlängerung nach der Art der Wickelung von Elektromagneten um jene Eisenmassen herumzuführen. Es tritt dann die bekannte Wechselwirkung ein, jene Spur von Magnetismus, welche alle Eisenmassen besitzen, erzeugt ein ganz schwaches magnetisches Feld, in den in ‚diesem Felde rotirenden Spulen entsteht in Folge dessen ein schwacher Strom, der somit auch die Eisen- massen umkreist, letztere, und somit auch das Feld, werden daher stärker magnetisch, in den Spulen wird ein stärkerer Strom indueirt u. s. w. Diese Wechselwirkung wird als dynamoelektrische bezeichnet, und die betreffende Modification der magnetelektrischen Maschine heisst die dynamoelektrische Maschine. Sie ist es, welche in den meisten Ge- bieten der Elektrotechnik eine dominirende Stellung einnimmt. 154 Jahres- Bericht Es ist daher nicht zu verwundern, dass seit der Erfindung dieser Maschine, besonders aber in den letzten zehn Jahren, zahlreiche Unter- suchungen in der Absicht angestellt worden sind, theils die Art und Weise zu studiren, auf welche der dynamoelektrische Entwickelungsprocess zu stande kommt, theils die Gesetze festzustellen, welche nach Be- endigung dieses Processes, also im Zustande des dynamoelektrischen Gleichgewichtes, wie es im regulären Betriebe der Maschine stattfindet, eiltig sind. Diese Untersuchungen haben in einigen wesentlichen Punkten nicht zu übereinstimmenden Ergebnissen geführt. Zwei solche Punkte mögen hier Erwägung finden. Ueber die Zeitdauer des dynamoelektrischen Processes haben insbesondere Herrig, Frölich und Stern gearbeitet; es lassen aber weder die Zahlen verschiedener Beobachter, noch selbst die verschiedenen Zahlen von Stern eine deutlich bestimmte Gesetzmässigkeit erkennen. Andererseits hat Frölich für den Fall des dynamoelektrischen Gleichgewichtes das Gesetz ausgesprochen, dass die Stromstärke nur von dem Verhältniss der Tourenzahl zum Widerstande abhängig sei, und zwar nach Art einer linearen Function; diesem Gesetze ordnen sich aber die Ergebnisse mehrerer anderer Beobachter durchaus nicht unter. Diese Widersprüche müssen grossentheils einem nicht klar genug erfassten und nicht genügend berücksichtisten Punkte in der Grundlegung der Theorie zugeschrieben werden. Die erste Voraussetzung für den dynamoelektrischen Process ist, wie wir sahen, eine Spur von Magne- tismus; dieselbe kann grösser oder kleiner sein, bei Maschinen, die regel- mässig betrieben werden, wird es sich sogar überhaupt nicht mehr nur um eine Spur, sondern um einen mehr oder weniger beträchtlichen, vom letzten Betriebe zurückgeblieben, und daher als remanent bezeichneten Magnetismus handeln. Für den Techniker hat die Untersuchung dieses remanenten Magnetismus und seines Einflusses kein hervorragendes In- teresse, weil bei dem üblichen kräftigen Betriebe der Maschine jener in der dynamoelektrischen Wirkung, die ihn an Stärke weit übertrifft, ge- wissermassen aufgeht. Um so grösser ist aus den angeführten Gründen das wissenschaftliche Interesse, welches mit besonderer Berücksichtigung des remanenten Magnetismus ausgeführte dynamoelektrische Versuche be- anspruchen dürfen. Der Verfasser hat sich daher entschlossen, eine Anzahl derartiger Untersuchungen auszuführen, von denen die erste, bereits vollendete hier folgt. 2. Die kritische Tourenzahl. (Die Versuche ausgeführt in Gemeinschaft mit Hertn stud. phil. Köbner.) Schon die erste der gedachten Untersuchungsreihen hat zu einem durchaus unerwarteten Ergebnisse geführt. Die Annahme nämlich, dass zur Einleitung des dynamoelektrischen Processes das Vorhandensein eines noch so kleinen remanenten Magnetismus genüge, hat sich, und zwar der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 185 sowohl bei einer Gramme’schen als auch bei einer Siemens’schen Maschine als irrig erwiesen. Es ist hierzu vielmehr ausserdem noch er- forderlich, dass die Tourenzahl einen gewissen Werth über- steige, und dieser Werth hängt seinerseits (von willkürlichen Aenderungen des Widerstandes zunächst abgesehen) von der Grösse des remanenten Magnetismus ab. Es existirt also bei dynmamo- elektrischen Maschinen das, was man die kritische Tourenzahl zu nennen berechtigt ist. Setzt man die Maschine mit einer Tourenzahl, welche kleiner ist, als die, dem vorhandenen remanenten Magnetismus entsprechende kritische, in Gang, so findet eine dynamoelektrische Ent- wickelung so gut wie gar nicht statt. Dabei handelt es sich, wie schon hier bemerkt werden möge, durchaus nicht etwa um zufällige und unregelmässige Erscheinungen, wie sie von einigen Seiten z. B. durch die Ausdrücke „kleben, stecken bleiben u. s. w.‘ des Magnetismus gekenn- zeichnet worden sind, sondern um Vorgänge, welche sich zahlenmässig mit der bei dynamoelektrischen Versuchen überhaupt erreichbaren Genauigkeit darstellen lassen. Der Beobachtung wurden, wie gesagt, zwei verschiedene Maschinen, nämlich eine ältere Gramme’sche mit Hauptschlusshaltung und eine Compoundmaschine neuester Form von Siemens u. Halske zu Grunde gelegt. Die von den Polen der Maschine ausgehenden Drähte konnten mit Hilfe von Stöpselumschaltern nach Belieben mit einer galvanischen Batterie, mit einer mehrere Zimmer entfernt aufgestellten Tangentenbussole mit Spiegelablesung oder mit einem noch weiter entfernten Widerstands- messer verbunden werden. Die Tangentenbussole diente zu doppeltem Zwecke: zur Messung der Stromstärke und zur Messung des remanenten Magnetismus. In ersterer Hinsicht ergab sich durch Vergleichung mit einem Ampermeter von Kohlrausch, dass der Strom von 1 A in dem Beobachtungsfernrohr eine Scalenablenkung von 486 mm hervorrief; nun zeigte das Ampermeter des Weiteren, dass bei vollem (nicht übermässigem) Betriebe ohne Einschaltung von Zusatzwiderständen ein Strom von 28 A bei der Gramme’schen, resp. von 15 A bei der Siemens’schen Ma- schine resultirte; die entsprechenden Bussolenausschläge würden also, wenn sie messbar wären, 13600 resp. 7400 betragen. Man sieht, dass die Bussole in dieser Form zur Messung der dynamoelektrischen Ströme gänzlich ungeeignet ist, was hier indess nicht in Betracht kommt, da es sich bei jeder Beobachtung nur darum handelt, zu constatiren, ob ein dynamoelektrischer Strom existirt oder nicht. Andererseits ist es gerade die grosse Empfindlichkeit der Bussole, welche sie zur Messung des remanenten Magnetismus geeignet macht. Diese Messung erfolgte nämlich durch Messung der magnetelektrischen Ströme, welche sich in der rotirenden Spule unter dem Einflusse des remanenten Magnetismus der Maschine entwickelten; ist bei der Tourenzahl n, und dem Widerstande w» die Stärke 186 Jahres - Bericht des magnetelektrischen Stromes i,, so ist nach einer schon von den früheren Beobachtern benützten Formel der remanente Magnetismus U WW N, Eigentlich hätten bei diesen Bestimmungen die Schenkelwindungen aus- geschaltet werden müssen; es war dies jedoch bei der Gramme’schen Ma- schine nicht gut thunlich, und auch bei der Siemens’schen musste man sich darauf beschränken, den Nebenschluss auszuschalten. Um trotzdem sicher zu sein, dass nur der remanente Magnetismus gemessen wurde, liess man die Maschine mit der kleinsten Tourenzahl gehen, deren der Dampfmotor fähig war. Der remanente Magnetismus 0,000035 entsprach alsdann der Scalenablenkung 0,5 mm, liess sich also noch ganz gut messen.'!) Schliesslich ist zu erwähnen, dass der Widerstand nach der Wheatstone’schen Methode, die Tourenzahl mittels eines Tourenzählers bestimmt wurde. Jeder einzelne Versuch begann nun damit, dass der Maschine der gewünschte Werth von R gegeben wurde. Es geschah dies, indem der Strom einer passenden Anzahl von Elementen in geeigneter Richtung während einer durch Uebung ausfindig gemachten Zeitdauer durch die Maschine hindurchgeschickt wurde; in die Siemens’sche Maschine wurde statt dessen, weil zu viele Elemente nothwendig gewesen wären, einige Mal der Strom der Gramme’schen Maschine geschickt. War der Zweck nicht völlig erreicht, so folgte eine zweite schwächere Bearbeitung u. s. w. Es stellte sich bald heraus, dass man auf diese Weise die Maschine mit grosser Präcision beherrscht und beispielsweise auch den Werth R = 0 mit so grosser Genauigkeit erzielen kann, dass die Maschine ohne Weiteres überhaupt nicht angeht. Ist nunmehr ein bestimmter Werth von R hergestellt, so wird die Maschine mit irgend einer Tourenzahl » in Gang gesetzt. Es zeigt sich dabei in allen Fällen bis auf einen, gleich zu besprechenden, dass der Ausschlag der Bussolennadel entweder sehr klein oder sehr gross ist; in letzterem Falle bleibt die Scala nur höchst selten im Gesichtsfelde, fast steis verschwindet sie mit grosser Vehemenz. In diesem Falle möge die Stromstärke, da es auf ihren Werth nicht ankommt, als unendlich (&) bezeichnet werden. Es unterliegt keinem Zweifel, dass es sich in diesem Falle um einen dynamoelektrischen Strom handelt. In dem anderen Falle, in welchem der Ausschlag sehr klein ist, ist derselbe zwar immerhin beträchtlich grösser als der, welcher unmittelbar vorher bei Bestimmung von R beobachtet wurde; das Plus erklärt sich aber zum bei weitem grössten Theile daraus, dass die Tourenzahl jetzt eine grössere ist. Die 1 In Fe) . 5 3 ) Spätere Versuche ergaben, dass in Folge der Mitwirkung der Schenkel doch die Zahlen etwas zu gross wurden; man muss demgemäss in der unten folgenden Tabelle die kleinen R um 10 pCt., die mittleren um 12 pCt., die grossen um 15 pCt. reduciren. der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 187 Hauptsache ist: es entsteht in der grossen Mehrzahl der Fälle durchaus kein Zweifel, ob der Ausschlag in die Klasse der kleinen oder in die Klasse der grossen zu rechnen sei. Zuweilen aber — und das ist der vorhin aufgesparte Fall — tritt ein ganz eigenthümlicher Vorgang ein; es erfolgt zunächst ein Ausschlag, der augenscheinlich zur Klasse der kleinen Ausschläge gehört; statt aber wie gewöhnlich, von kleinen Schwankungen um die Mittellage abgesehen, constant zu bleiben, wächst dieser Ausschlag, und zwar immer schneller, bis schliesslich das Scalenbild aus dem Gesichtsfelde verschwindet. Der Vorgang dauert mehrere, oft zahlreiche Secunden. Diese Beobachtungen lassen keine andere als die folgende Deutung zu: Unterhalb einer gewissen Tourenzahl wirkt die Maschine nur als magnetelektrische, oberhalb derselben dagegen als dynamoelektrische Ma- schine; dort findet die Entwickelung des dynamoelektrischen Processes nicht, oder so gut wie nicht, hier findet sie statt; an der Grenze beider Gebiete, bei einer bestimmten Tourenzahl, findet die Ent- wickelung zwar schon statt, aber sie geht vergleichsweise äusserst langsam von statten. ’ Es ist gleich hier noch eine Bemerkung anzuschliessen, welche geeignet ist, Aufschluss darüber zu geben, warum dieses höchst eigen- thümliche Verhalten bisher nicht erkannt worden ist. Die Trennung der beiden Gebiete, von denen die Rede war, und ihr Uebergang ineinander sind desto schroffer, je kleiner der remanente Magnetismus der Maschine ist, werden dagegen desto allmählicher, je grösser derselbe ist, und bei den recht beträchtlichen remanenten Magnetismen, welche die Dynamo- maschinen im regulären Betriebe fast immer zurückbehalten, ist der Gegensatz, wenn auch zweifellos vorhanden, so doch immerhin für den Beobachter insoweit verschleiert, dass man ihn durch diese Versuche mit starken remanenten Magnetismen allein nicht ausfindig machen würde. Die ausführliche, zahlenmässige Wiedergabe der Versuche wird an anderer Stelle erfolgen. Hier möge nur Folgendes bemerkt werden. Die wesentliche Aufgabe besteht darin, die Werthe der kritischen Tourenzahl N für so viele Werthe von R zu bestimmen, dass sich die „Curve der kritischen Tourenzahlen“ (R Abscissen, N ÖOrdinaten) construiren lässt. Hierzu müsste man z. B. für ein gegebenes R die Maschine zunächst mit irgend einer Tourenzahl n in Gang setzen; dieses n wird nun selbst- verständlich nicht das gesuchte N sein; um aber dieses zu finden, dürfte man nicht etwa einfach die Tourenzahl so lange ändern, bis sich vor den Augen des im Fernrohr Beobachtenden jener eigenthümliche, der kritischen Tourenzahl charakteristische Vorgang abspielt; denn das ursprünglich gewählte R hat sich ja schon nach dem ersten Versuche in ein anderes verwandelt. Man müsste also nach jedem Versuche das ursprüngliche R wieder herstellen, und zwar so oft, bis N ermittelt ist; schliesslich müsste 188 Jahres - Bericht man für jedes andere R ebenso verfahren. Dieses Verfahren ist nun aber offenbar viel zu weitläufig, als dass es sich durchführen liesse, insbeson- dere, wenn es sich darum handelt, dasselbe System von Versuchen dann auch noch unter Einschaltung von Zusatzwiderständen und für ver- schiedene Maschinen zu wiederholen. Aus diesem Grunde wurde folgendes viel einfachere Verfahren eingeschlagen. Statt für ein gegebenes R das zugehörige, durch eine Versuchsreihe der geschilderten Art zu findende N in der üblichen Gestalt eines kleinen Kreuzes in das Coordinatennetz einzutragen, führte man die Bestimmung von N gar nicht aus, sondern trug für jeden einzelnen Versuch den Werth von n in Gestalt eines kleinen Pfeiles in das Netz ein, so dass die Spitze desselben den betreffenden Ort einnahm; und zwar ın Gestalt eines Pfeiles nach oben oder nach unten, je nachdem der betreffende Werth von n sich für das zugehörige R als zu klein (< N) oder als zu gross (> N) erwiesen hatte. Dabei brauchten die Versuche in Bezug auf R nicht systematisch, sie durften vielmehr beliebig und mit Rücksicht auf die Einfachheit der Manipulation auf einander folgen. Nach Einzeichnung einiger Pfeile hatte man überdies begreiflicher Weise schon Anhaltspunkte genug, um die » nicht mehr ganz blindlings zu wählen. Es zeigte sich, dass auf diese Weise zwanzig bis vierzig Versuche genügten, um die Curve zwischen den Pfeilen der einen und der anderen Art mit grosser Genauigkeit hindurch führen zu können. Es muss hier genügen, eine kleine Tabelle anzuführen, welche aus jenen Curven abgeleitet ist, und für einige runde Werthe von R die zu- gehörigen Werthe von N in absolutem Maasse angiebt, und zwar für die Gramme’sche (G) und für die Siemens’sche (S) Maschine. R N (G) N ($) 0,00000 co ee) 0,00003 380 = 0,00006 345 : 1535 0,00010 306 1440 0,0002 987 1972 0,0003 379 1196 0,0005 968 1059 0,001 943 974 0,002 192 917 0,003 141 862 . 0,005 39 748 0,006 0 Ar 0,01 — 466 0,02 — 0 Der Verlauf beider Curven ist, von ihrer Lage abgesehen, ganz der gleiche. Sie beginnen in der Abscissenaxe in unendlicher Höhe, haben der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 189 dieselbe also zur Asymptote; das heisst nichts anderes, als: wenn die Ma- schinen gar keinen remanenten Magnetismus besitzen, gehen sie über- haupt nicht an. Die Curven fallen dann zunächst steil und gegen rechts oben concay ak, von einem gewissen Punkte an jedoch sanft und genau geradlinig, bis sie schliesslich in einem gewissen Punkte die Abseissen- axe schneiden. Für rem. Magnetismen, welche grösser sind, als der diesem Schnittpunkt entsprechende, ist also die kritische Turenzahl 0, d. h. die Entwickelung des dynamoelektrischen Prozesses tritt bei jeder Tourenzahl ein. Es darf nicht verschwiegen werden, dass die Schnittpunkte selbst nicht beobachtet wurden, weil aus äusseren Gründen weder mit R so weit hinauf, noch mit N so weit hinabgegangen werden durfte; man kam jedoch erstens diesen Punkten ziemlich nahe, zweitens ist, wie gesagt, die Gerad- linigkeit des zweiten Theils der Curven eine recht exacte, und drittens ist ja aus der Erfahrung bekannt, dass eine eben erst in vollem Betriebe gewesene Maschine selbst bei langsamster Handdrehung einen verhältniss- mässig starken Strom liefert. Was die Vergleichung der beiden Maschinen auf Grund der erhaltenen Curven betrifit, so entbehrt dieselbe deshalb eines besonderen Interesses, weil die Maschinen aus sehr verschiedenen Zeiten stammen und sehr ver- schiedene Dimensionen im Ganzen und in den Einzelheiten haben. Eine Ausnahme macht die in der That eine Beantwortung verdienende Frage: wie verhält sich der dem erwähnten Schnittpunkte entsprechende Werth von R zu demjenigen, den die Maschine zu besitzen pflegt, wenn sie in regelmässigem Betriebe gewesen ist, resp. wenn sie wieder in Betrieb ge- setzt werden soll? Dieser „Betriebswerth‘‘ von R ist natürlich kein ganz constanter; im Durchschnitt aber ist er bei der Gramme’schen Maschine gleich 0,008, bei der Siemens’schen gleich 0,002. Erinnert man sich nun, dass der Schnittpunktswerth von R bei der Gramme’schen Maschine gleich 0,006, bei der Siemens’schen aber gleich 0,02 ist, so findet man folgenden Gegensatz zwischen den beiden, sonst gleich sich verhaltenden Maschinen: bei der Gramme’schen ist der Betriebswerth von .R grösser, bei der Siemens’schen ist er kleiner als der Schnittpunktswerth. Schliesslich sei in Kürze der Versuche gedacht, welche unter Ein- schaltung von Zusatzwiderständen angestellt wurden. Je grösser dieser Widerstand ist, desto höher liegt, wie zu erwarten, die Curve; ihr quali- tativer Verlauf bleibt aber ungeändert. Das hier dargelegte, eigenthümliche Verhalten der dynamoelektrischen Maschine, bei kleinem oder mässigem remanentem Magnetismus, den dynamoelektrischen Prozess nur dann zu entwickeln, wenn die Touren- zahl (bei gegebenem Widerstande) mindestens einen gewissen, von der Grösse jenes Magnetismus abhängigen Werth hat, bedarf der Erklärung. Es muss jedoch vorläufig genügen, auf die folgende Betrachtung hinzu- weisen. Der dynamoelektrische Prozess besteht, wie wir sahen, aus einer 190 Jahres - Bericht Reihe successiver Einzelwirkungen, wird also auch mathematisch sich (ausser in geschlossener Form) in Form einer Reihe darstellen lassen. Das erste Glied dieser Reihe repräsentirt den magnetelektrischen Strom, das zweite so zu sagen den dymamoelektrischen Strom erster Ordnung u. s. w. Es wird nun von den Umständen abhängen, ob diese Reihe eine rasch convergente oder eine langsam convergente ist (eine divergente kann sie erfahrungsmässig nicht sein). Im ersten Falle wird die Gesammtsumme der Reihe den Werth des ersten Gliedes möglicher Weise nicht be- trächtlich übersteigen (wie z. B. in der Reihe 1 + 1/10 -+ 1/100 u. s. w.), d. h. der Gesammtstrom wird sich, wie das oben für n< N der Fall war, nicht erheblich vom magnetelektrischen Strom unterscheiden. An- derenfalls kann die Summe der Reihe ein sehr Vielfaches vom Werthe des ersten Gliedes werden (wie z.B. in der Reihe 1 -+ 9/10 + 81/100 + u. Ss. w.); d. h. der dynamoelektrische Strom kommt in einer den magnet- elektrischen vielfach übertreffenden Stärke zur Ausbildung. Herr Geheimer Rath Professor Dr. Poleck beschloss die Sitzung mit der Schilderung eines Besuchs der in ihrer Art einzigen und grössten Fabrik ätherischer Oele von Schimmel u. Co. in Leipzig, deren Besitzer, Herr Fritzsche, sie auf den gegenwärtigen Höhepunkt ihrer Leistungsfähigkeit gebracht und mit seinen Fabrikaten auf den inter- nationalen Ausstellungen die höchsten Auszeichnungen erzielt hat. Alle ätherischen Oele werden hier durch Destillation mit gespannten Wasserdämpfen gewonnen, zu welchem Zweck nicht weniger als 76 Destillir-Apparate aufgestellt sind, von denen eine Anzahl stets der Fabri- kation derselben Oele dient und zum Theil von wahrhaft kolossalen Dimensionen ist, so jener zur Verarbeitung des japanischen Kampheröles dienende Apparat, welcher 25 000 Liter fasst und nicht weniger als 500 Kisten Kampheröl in einer Füllung aufnimmt. Zwei Kühler von je 36 Quadratmeter Oberfläche dienen zur Condensation des Destillats, welches denselben in zwei mächtigen Strahlen entströmt. Die Jahresproduction des leichten Kampheröls beträgt gegenwärtig ca. 250 000 kg. Von der Grossartig- keit der Fabrik zeugen die hier verarbeiteten Quantitäten von Anis, Fenchel, Kümmel, Koriander, Ajowakümmel, welcher letztere das Thymol liefert. Die Fabrik ist im Stande, täglich 7000 kg Anis zu verarbeiten mit einem Ertrage von ca. 200 kg ätherischem Oel. Die Preisliste der Firma weist nicht weniger als 100 Vegetabilien auf, deren ätherische Oele in der Fabrik gewonnen werden, und unter ihnen eine Anzahl, deren flüchtige Bestandtheile man vorher noch nicht gekannt hatte, sowie überhaupt Herr Fritzsche allen wissenschaftlichen Wünschen auf diesem Gebiet in höchst liberaler Weise entgegenkommt und sie unterstützt. Interessant ist die Gewinnung des Bittermandel- und des Senföls. Die bitteren Mandeln werden gemahlen und ihr fettes Oel, im Jahre ca. 30000 kg, in mächtigen | der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 191 hydraulischen Pressen mit sinnreicher mechanischer Vorrichtung zum Füllen gewonnen, die Presskuchen werden dann anf ätherisches Oel verarbeitet und die Rückstände der Destillation zum Viehfutter verwandt. Sowohl bei dieser, wie bei der Destillation des Senföls und auch anderer stark riechender Oele werden die schädlichen Dämpfe durch zweckmässig con- struirte Ventilatoren über das Dach hinaus ins Freie geführt. Diese Venti- latoren sowohl, wie eine ganze Anzahl von Wurzelschneidemaschinen, Samenquetschen, Pulvermühlen u. s. w. werden durch eine Hauptbetriebs- maschine von 40 Pferdekräften in Thätigkeit gesetzt, während andererseits eine grosse Ammoniak-Eismaschine die Abscheidung der festen Bestand- theile der Oele, des Safrols, Thymols, Kamphers u. s. w. durch Abkühlung besorgt. Aber neben den ätherischen Oelen aus Pflanzen werden noch eine Anzahl Riechstoffe zum Theil aus Steinkohlentheerproducten künstlich dar- gestellt, so die Essence de Mirban, das Nitrobenzol, von welchem die vor- handenen Apparate eine monatliche Production von 5000 kg gestatten. Der Borneo-Kampher von Dryobalanops aromatica, einem prachtvollen, auf Borneo und Sumatra wachsenden Baum aus der Familie der Dipterocarpeen, dessen Stamm sich ohne Aeste bis 150 Fuss erhebt und eine dichte Laub- krone mit schönen weissen wohlriechenden Blüthen trägt, kommt nicht in den europäischen Handel, sondern wird in Ostasien verbraucht. Er ver- hält sich in chemischer Beziehung zu dem bei uns ausschliesslich gebräuch- lichen Japan - Kampher von Cinnamomum Camphora wie ein secundärer Alkohol zu seinem Oxydationsproduct, einem Keton. Er kann daher durch Behandlung des Japan-Kamphers mit reducirenden Mitteln, durch Zufuhr von Wasserstoff, aus diesem dargestellt werden. Die genannte Fabrik führt dies im Grossen aus und erhält dabei ein dem Borneo-Kampher identisches Product, welches wegen seines an Ambra erinnernden Geruchs schon Ver- wendung in der Parfümerie findet. Ein anderes Product der Fabrik, das Heliotropin oder Piperonal, der Aldehyd der Piperonylsäure, wird aus der Piperinsäure des schwarzen Pfeffers dargestellt und gleicht in seinem Geruch vollständig dem bekannten Parfüm der Heliotrop-Pflanze. Interessant sind noch einige aus Theerproducten in der Fabrik ge- wonnene wohlriechenbe Körper, wie das Cumarin, der Riechstoff der Tonka- bohne, der Samen von Dipterix odorata Willd. (Coumarouna odorata Aubl.), einer Papilionacee Guiana’s, des Ruchgrases, Anthoxantum odoratum, des Waldmeisters u. s. w., welches aus Salieylsäurealdehyd und Essigsäure- anhydrid dargestellt wird, ferner das Wintergrünöl von Gaultheria pro- cumbens, einer in Nordamerika wachsenden Primulacee, welches künstlich aus Salieylsäure und Holzgeist gewonnen wird; das künstliche Bitter- mandelöl, der Benzaldehyd, welcher durch Chlorirung und Oxydation des Toluols, das Vanillin, welches aus dem Eugenol, dem Hauptbestandtheil 192 Jahres-Bericht des Nelkenöls, durch Behandeln mit Essigsäureanhydrid und Oxydiren durch Kaliumpermanganat fabrikmässig gewonnen wird. Der Vortragende legte der Section als interessantes und neuestes Pro- duct der Fabrik 0,5 kg deutsches Rosenöl vor. Bekanntlich wird dasselbe für den europäischen Bedarf fast ausschliesslich in Bulgarien an den Süd- abhängen des Balkan in ca. 120 Dörfern gewonnen. Das persische und indische Rosenöl kommt nicht in den europäischen Handel. Der Mittel- punkt dieser bulgarischen Industrie ist die Handelsstadt Kazanlık am süd- lichen Ausgange des Schipka-Passes. Das Oel wird in diesen Distrieten mitten in den Rosengärten und in einfachster Weise in kupfernen ver- zinnten Destillirblasen aus Rosenblättern dargestellt, welche an demselben Tage gepflückt worden sind. Die Ausbeute wird auf 0,16—0,4 kg aus 1000 kg Rosenblättern geschätzt. Der ganze Distriet producirte in den letzten 7 Jahren durchschnittlich 1850 kg Oel, im Jahre 1887 2400 ks, dessen Preis gegenwärtig 700 Mark für das Kilo beträgt. Es gelangt über Konstantinopel, jedoch nie unverfälscht, meist mit Geranienöl versetzt, in den europäischen Handel. Da die Rose, aus deren Blüthen in den Balkanländern das Oel ge- wonnen wird, nicht, wie man früher glaubte, die Rosa damascena und Rosa moschata Miller, sondern, wie es scheint, nur eine Varietät der bei uns sehr gut gedeihenden Rosa centifolia ist, so lag der Gedanke nahe, diese auch in Deutschland zur Gewinnung von Rosenöl zu benützen. Dieses Problem ist von Herrn Fritzsche gelöst worden. Nach den im vorigen Jahre gelungenen ersten Versuchen sind in diesem Jahre bereits ca. 2 kg Rosenöl und 3000 kg Rosenwasser in seiner Fabrik producirt worden. Dieser Ertrag wird sich in den nächsten Jahren mindestens verdreifachen, wenn die in nächster Nähe von Leipzig liegenden und mit Rosen be- pflanzten 25 Morgen Land ertragsfähig werden. Bei der Eigenartigkeit der Rosenöl-Fabrikation ist es durchaus nothwendig, den Anbau der Rosen um die Fabrik zu concentriren, da die frischen Blätter, aus denen das Oel allein gewonnen werden kann, keinen weiteren Transport vertragen. Durch die Anregung zu diesen Culturen hat sich Herr Fritzsche zweifellos den Dank der Stadt Leipzig verdient. ' Das der Section vorgelegte deutsche Rosenöl unterschied sich durch einen feineren Wohlgeruch und durch einen grösseren Gehalt von festen Bestandtheilen, Stearopten, von dem türkischen Oel. Während dieses bei einer Temperatur von 18—20° flüssig wurde, verflüssigte sich das deutsche Oel erst bei 28° C. Obwohl die deutschen Rosen mehr als noch einmal so viel Oel — auf 1000 kg frische Blätter 0,5 kg Oel — lieferten, stellte sich doch sein Preis fast doppelt so hoch, wodurch die Reinheit des tür- kischen Oels auch hierdurch wesentlich in Frage gestellt wird. Dass man in Bulgarien die deutsche Coneurrenz bereits fürchtet, geht aus einem von der Schles. Gesellschaft für vater, Cultur. 193 der dortigen Regierung unlängst erlassenen Ausfuhrverbot der Rosen- sträucher hervor. Ausser dem obenerwähnten 0,5 kg deutschem Rosenöl im Werthe von 700 Mark hatte Herr Fritzsche dem Vortragenden noch 0,5 kg Iris- Oel im Werthe von 500 Mark, aus den Rhizomen der Veilchenwurzel, Iris florentina L., und 0,5 kg Bisamkörneröl von Moschusgeruch im Werthe von 450 Mark aus den Samen von Abelmoschus moschatus Moench, einer in Aegypten, in Ost- und Westindien wachsenden Malvacee, in liberalster Weise zur Verfügung gestellt. Die beiden letztgenannten Vegetabilien geben nur 0,2 pÜt. ätherisches Oel, daher ihr hoher Preis. Die beiden zuletzt genannten Oele sind auch bei gewöhnlicher Temperatur fest, das Bisam- körneröl grossblättrig krystallisirt. Ihre chemische Zusammensetzung ist nur sehr ungenügend studirt, fast noch unbekannt. Derselbe Vortragende legte dann noch ein Prachtexemplar einer ostindischen Chinarinde von Cinchona suceirubra vor, welches das pharmaceutische Institut der Droguerie-Handlung von Kathe in Halle verdankt. Die Rinde war 60 cm lang, in vier Windungen gerollt, deren Breite zusammen 40 cm betrug, und 5 mm dick. Der Vortragende erinnerte dabei an die Verdienste des deutschen Botanikers Hasskarl, welcher im Jahre 1853 auf Veranlassung der hol- ländischen Regierung Stecklinge und Samen in den Wäldern von Bolivia, der Heimath der Cinchonen, sammelte und 1854 den ersten Anbau der- selben in Java leitete, wo sich ganz analoge klimatische und Höhen - Ver- hältnisse wie in Bolivia vorfanden. Wenige Jahre später, 1861, wurden durch Markham in Vorderindien und auf Geylon diese Gulturen mit bestem Erfolge unternommen. Das Schälen der Bäume wird jetzt in völlig rationeller Weise ausgeführt, die entrindeten Stellen mit Moos bedeckt und durch dieses Verfahren Rinden mit einem Alkaloidgehalt von 13 püt., darunter bis 11,6 pCt. Chinin aus der Cinchona Calisaya Ledgeriana, er- zielt, während ein Gehalt von 3,5—4 pCt. in den bolivianischen Rinden als ein sehr hoher galt. Die Cultur der Chinabäume in Ostindien ist voll- ständig gelungen und hat im Handel die südamerikanischen Rinden fast sanz verdrängt. Im Jahre 1882 zählte man in den Culturen von Bengalen ca. 4°/, Millionen Bäume und auf Java 3'/, Millionen. 1887, 13 194 Jahres - Bericht II. Mineralogie, Geologie und Paläontologie. Sitzung am 12. Januar 1837. Herr Geh. Bergrath Professor Dr. Römer legte Kıystalle von Sylvin (Chlor-Kalium) aus dem Steinsalzbergwerke von Inowrazlaw bei Bromberg vor, welche ihm, wie dankbar anerkannt wurde, durch den Königlichen Berg- Referendar Herrn Kuhna mitgetheilt wurden. Es sind faustgrosse, wasser- helle Spaltungsstücke, bei denen auf einer oder zwei der Seitenflächen deutlich bis zollgrosse Krystalle hervorragen. Die letzteren sind Würfel mit Abstumpfung der Ecken durch das Octaöder. An einigen Krystallen wurden sehr schmale, die Gombinationskanten zwischen Würfel und Octa- @der abstumpfende Flächen eines lcositetraäders wahrgenommen. Das Vor- kommen gleicht durchaus demjenigen von Stassfurt. Nach Angabe des Herrn Kuhna wurden die Krystalle von ihm auf der 150 Meter-Sohle in einer grösseren Krystalldruse gefunden. Uebrigens sollen auch an anderen Punkten der dortigen Grube solche Krystalle vorgekommen sein. Der Einsender bemerkt auch noch, dass einige von ihm untersuchte Krystalle völlig frei von Natrium waren. Derselbe leste Stufen von Tarnowitzit vor, welche neuerlichst im Felde des Adler-Schachtes der Friedrichsgrube bei Tarnowitz vorgekommen sind. Dieselben zeigen deutliche mit Bleiglanz auf feinkörnigem grauen Dolomit aufgewachsene Krystalle von bedeutender Grösse und noch näher zu beschreibendem Witherit-ähnlichen Habitus. Das Mineralogische Museum verdankt dieselben der gefälligen Mittheilung des Herrn Bergrath Koch in Tarnowitz. Derselbe berichtet ferner über die Auffindung von Protriton petrolei Gaudry ın den dem unteren Rothliegenden angehörenden rothen Plattenkalken des Oelberges bei Braunau. Das einzige bisher bekannte Exemplar ist nur mässig gut erhalten, aber doch sicher bestimmbar. Die Länge beträgt etwa 35 mm. Soweit die Art der Erhaltung eine nähere Vergleichung erlaubt, ist die Uebereinstimmung mit Exemplaren von Autun vollständig. Derselbe Vortragende legte endlich Schädel- und Extremitätenknochen von Rhinoceros tichorhinus aus dem Diluvium von Trebnitz vor. Der Fundort der Knochen ist der Eisenbahneinschnitt, welcher die von Ost nach West sich erstreckende Anhöhe.in der Feldmark Raschen der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 195 ganz in der Nähe des Trebnitzer Buchwaldes durchschneidet. Sie lagen etwa 7 m tief in einer dem Lehm untergeordneten Kiesschicht. Der Um- stand, dass sowohl Schädel- als Extremitätenknochen gefunden wurden, lässt schliessen, dass das ganze Skelett des Thieres dort abgelagert war. Die Knochen waren durch den Eisenbahn-Bauunternehmer Herrn O.Bandke an Herrn Professor Dr. Hasse eingesendet und von diesem dem Vor- tragenden gütigst für das Mineralogische Museum mitgetheilt worden. Es wurde noch bemerkt, dass in der Nähe von Trebnitz vor einigen Jahren schon ein anderer Fund von Knochen des Rhinoceros tichorhinus gemacht wurde (vergl. Jahresbericht der Schles. Ges. f. 1880, p. 133). Im Ganzen sind jetzt 11 verschiedene Fundorte von Knochen dieses ausser Elephas primigenius für die Diluvialzeit bezeichnendsten Thieres aus Schlesien be- kannt geworden. Herr Dr. Kosmann berichtete unter Vorlegung eines Handstücks über das Vorkommen eines als Bogheadkohle zu bezeichnenden Brand- schiefers, welcher aus der Steinkohlen -Formation der Rudolf-Grube im Köpperich- thale bei Neurode stammt. Daselbst tritt in der Sohle des 28. Flötz eine dem Flötze angewachsene Bank von 25—30 cm Stärke eines schwarz- braunen Schiefers auf, welcher von feinsten Schmitzen von Glanzkohle parallel der Schiehtung durchwachsen ist. Für die verkäufliche Förderung als unverwerthbar verworfen, wurde derselbe bislang von den Bergleuten als Heizmaterial gern benutzt, so dass die Grubenverwaltung (des Grafen W. v. Magnis) sich veranlasst sah, der Untersuchung des Schiefers näher zu treten, und mit derselben den Berichtenden beauftragte. In der tech- nischen Analyse (eine Elementar-Analyse wurde nicht verlangt) ergab sich folgende Zusammensetzung des Brandschiefers: Aschengehalt 32,18, Kohlen- substanz 67,82 pCt. (Die schottischen Oelschiefer enthalten 24 pCt. Asche und darüber.) Die Verkokungsprobe im Platintiegel ergab 38 pÜt. flüchtige Bestandtheile, daher 29,82 pCt. festen Kohlenstoff. Darnach besteht die Kohlensubstanz aus 43,96 pCt. festem Kohlenstoff und 56,04 pCt. ver- gasungsfähigen Bestandtheilen, d. h. Wasser und Kohlenwasserstoffen. Bei der trockenen Destillation wurden von den 38 pÜt.. gasförmigen Bestandtheilen (des Rohmaterials) nur 30,4 pCt. ausgebracht, welche aus 4,4 pCt. Wasser und 26 pCt. Theerölen bestanden. Das Wasser muss zum grössten Theile, ca. 4 pCt., als Hydratwasser dem Thonerdesilicat des Aschenrückstandes entstammend angesehen werden; dasselbe enthielt 0,175 pCt. Ammoniak (NH,), würde also, auf das aus der Kohlensubstanz herzu- leitende Wasser bezogen, ein Ammoniakwasser von c4. 1,9 Ammoniakgehalt ergeben haben. Die Theeröle wurden der fractionirten Destillation unterworfen und lieferten an Destillationsproducten in 100 Theilen Ei 196 Jahres - Berichi bei dem Siedepunkt von 60— 90° C. 3,78 pCt. Naphta oder Benzin, E ge e - 140—160° GC. 3,44 eirnure - - 200-2100 C. 13,99. | Mruchtöle, = j8: £ - 330—240° GC. 10,44 = Schmieröl, sit at 5 - 300—315° GC. 35,50. - Paraffın (Vaselin), Rückstand, Theerpech 33,16 = Summa 99,54 püt. Der hochsiedende Kohlenwasserstoff bildete bei 17,5° GC. (Zimmer- temperatur) eine consistente, schmalzartige, wachsgelbe Masse. Die Zu- sammensetzung der Theeröle nähert sich derjenigen des Rohpetroleums und der Theerproducte von der Braunkohlendestillation. Das bezeichnete Vorkommen ist das erste. derartige aus den Steinkohlenbecken Deutsch- lands, im Besonderen Schlesiens, bekannt gewordene und in seiner chemi- schen Zusammensetzung, wie geschehen, charakterisirte.e Anstatt, wie bisher, unverwerthbar und deshalb werthlos zu erscheinen, wird dieses Fossil nicht verfehlen, zur Entwickelung und Bereicherung der schlesischen Steinkohlenindustrie beizutragen. Derselbe Vortragende legte eine Stufe krystallisirter Thomasschlacken, d. h. Schlacken von dem basischen Stahlerzeugungsverfahren nach Thomas- Gilchrist des Eisenwerks zu Hörde bei Dortmund vor, als Belegstück des in neuerer Zeit vielfach besprochenen vierfach phosphorsauren Kalks. An der Stufe sind sowohl braune, bis zu 1 cm Seite grosse, quadratische Tafeln zu beobachten, deren Seitenkanten von den Flächen des Längs- und Querprismas zugeschärft sind, sowie kleinere, länglich säulenförmige Krystalle von sechsseitigem Querschnitt, entstanden durch die Abstumpfung der vorderen Endkante des Hauptprismas, welche von mehr bläulicher Farbe sich zu federartigen Büscheln vereinigen; da beide Arten von Krystallen dieselbe chemische Zusammensetzung zeigen, so scheint nach den bisherigen Untersuchungen die Substanz als dimorph erachtet werden zu müssen. Die wiederholten Untersuchungen von Hilgenstock!) zu Hörde, von v. Groddeck und Brookmann?) zu Clausthal, ist die Zusammensetzung der Schlackenkrystalle wie der Schlacke selber als dem Caleiumtetraphos- phat entsprechend befunden worden, mit 38,79 pCt. P,O, und 61,21 pCt. CaO, und hat Hilgenstock°), der Director des Hörder Werks, auf Grund seiner mehrjährigen Beobachtungen und directen Versuche nach- gewiesen, dass die Bildung des Tetraphosphats eine Vorbedingung für den normalen Verlauf des Stahlerzeugungsprocesses ist. Das Phosphoreisen des ') Stahl und Eisen, 1883, S. 498, *) Ebenda 1884, S. 141. °) Ebenda 1886, S, 595. der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur, 197 Roheisens setzt sich zu Ferrotriphosphat um vermöge der durch den Ge- bläsewind eintretenden Oxydation und ist, indem man durch den Zuschlag von Aetzkalk wie durch das basische Futter der Convertirbirne die Phospor- säure aus der Eisenverbindung abzuscheiden sucht, hierzu die Bildung eines Galeiumtriphosphats nicht ausreichend, sondern diejenige des Tetra- phosphats erforderlich; das Triphosphat der Kalkerde würde durch Phospor- eisen eine Reduction der Phosphorsäure und Rückbildung erleiden. Würde in dem Process nur die Bildung von Tricaleiumphosphat stattfinden, so würden an Zuschlagskalk nur S—9 pCt. (vom Gewicht des zu verblasenden Roheisens) erforderlich sein; so werden aber 18 pCt. desselben verbraucht, welche Menge allerdings durch ein neueres Verfahren von Dr. Scheibler') auf 12 pCt. ermässigt worden ist. Die Bildung von Tetraphosphat des Calciums ist im Anfang der Ver- blaseperiode reichlicher als gegen Ende derselben, wo wieder die Bildung von Triphosphaten unter Eintritt von Eisenoxydul zustande kommt; daher besitzt die Thomasschlacke der ersten Periode im Durchschnitt 29,23 P,O, (— 12,77 P) und 7,19 Fe, am Schlusse des Processes nur 18,25 P,O, (= 7,94 P) und 19,10 Fe; daneben Magnesia, Thonerde und Aetzkalk. Sowohl letzterer bedingt das Zerfallen der Thomasschlacke an der Luft als auch die leichte Zersetzbarkeit des Caleiumtetraphosphats durch die Kohlen- säure der Luft unter Bildung von Biphosphat und Caleiumcarbonat: Ca,P,0, -+ 2 C0, = C3,P,0, + 2 CaCo,. Das Bestehen des Tetracaleiumphosphats darf hiermit als festgestellt erachtet werden und hat die Chemie mit dieser bisher nicht bekannten Phosphatstufe als zu Recht bestehend zu rechnen. Die Stellung des Tetra- phosphats in der Reihe von Phosphatverbindungen ergiebt sich aus folgender schematischen Zusammenstellung: Das Tetraphosphat als eine vierbasische Verbindung charakterisirt sich als ein echtes Pyrophosphat, d. h. als eine feuerbeständige und dem Schmelzflusse entstammende Säurestufe, und ist desbalb der Pyrophosphorsäure als der gleichfalls vierbasischen Säure des Phosphors zu parallelisiren. Die Pyrophosphorsäure entspricht dem Schema, mit 4 Hydroxylgruppen. Tritt in diese Verbindung Caleium s „ H ein, so werden je 2 Wasserstoffatome durch ein Molekül en. Caleium vertreten. Die Triphosphorsäure enthält © kin droxylgruppen in je 2 gleichen Hälften vertheilt, zwischen vr OH welchen die Bindung der beiden äusseren Sauerstoffatome durch 1 Molekül Ca die Verbindung der beiden Gruppen herbeiführt. In der Tetraphosphorsäure hat man sich jedes Wasserstofi- atom durch ein Molekül Ca unter Hinzunahme der erforderlichen Sauer- ‚ !) Dieses neuere Verfahren (vergl. Berichte der Deutschen chemischen Ge- sellschaft 1886) besteht darin, dass der Zuschlagskalk in 2 Portionen zugesetzt wird; zwei Drittel desselben werden vor dem Einlassen des Roheisens in die 198 Jahres - Bericht stoffmoleküle ersetzt zu denken; man erhält für die verschiedenen Caleium- phosphate folgende Schemata: Biphosphat Triphosphat Tetraphosphat Ö Ö 0—Ca On. 070.8 2 Ratel = po/o > ER nes ee So Oo ‚a oder 0 Ca EO 20, 7 a ” u Ce POZ-O BOOT PO=-0— en Ne SR No—Ca Nach diesem Schema zeigt das Tetraphosphat sowohl den Parallelismus mit dem Biphosphat als auch die Ableitung aus dem Triphosphat, indem das vermittelnde Calcıummolekül durch 2 solcher Moleküle ersetzt wird, welche an die äusseren Sauerstoffatome treten, und nunmehr die Verbin- dung der beiden gleichwerthigen Gruppen durch ein äusseres Sauerstoff- molekül stattfindet. Diese gleichsam exponirte Stellung einmal des Calcium-, zum anderen des Sauerstoffmoleküls deutet die Beweglichkeit in dem wechselseitigen Hergange des Schlackenbildungsprocesses an; das Sauer- stoffmolekül des Tetraphosphats hat die Tendenz, fortgesetzt den Phosphor des Phosphoreisens zu oxydiren und Phosphorsäure zu bilden, welche alsbald von dem exponirten Calcıummolekül des Triphosphats aufgenommen und gebunden wird. Dieser das ganze Schlackenbad allmählich durch- dringende und die Umwandlung desselben vollziehende Vorgang ist durch- aus zu vergleichen mit demjenigen des Puddelprocesses zur Erzeugung von Stabeisen und der dem Eisenoxydul bezw. Eisenoxyd zuertheilten Rolle, indem das Eisenoxydul durch den Zutritt der Luft vermöge des Durch- rührens der geschmolzenen Massen stetig oxydirt wird, das Eisenoxyd aber durch die basische Schlacke reducirt wird, so dass der frei werdende Sauerstoff zur Verbrennung des Kohlenstoffs, bezw. Phosphors im Roheisen verwendet wird. Sitzung am 16. Februar 1887. Herr Geh. Rath, Professor Dr. Römer legte zunächst eine von Herrn Dr. Otto Zacharias an die naturhistorische Section eingesendete Schrift vor: Faunistische Studien an westpreussischen Seen. Mit einer Tafel. Danzig 1887. Separat-Abdruck aus den Schriften der natur- forschenden Gesellschaft zu Danzig. N. F. VI, Bd. IV. Es werden in dieser Schrift die Ergebnisse einer im Sommer 1886 im Auftrage des Birne eingesetzt und wird bis zur Sättigung desselben geblasen, wobei eine eisen- arme und phosphorsäurereiche Schlacke erzeugt wird, welche man durch Kippen der Birne ablässt; das letzte Drittel Kalk wird dann eingetragen und zu Ende ge- blasen, wobei eine phosphorsäurearme und an Eisen reichere Schlacke entsteht, welche zum Hochofen zurückgeht. der Schles. Gesellschaft für vater]. Cultur. 199 botanisch-zoologischen Vereins der Provinz Westpreussen ausgeführten zoologischen Untersuchung der westpreussischen Seen mitgetheilt. Die Untersuchung bezog sich namentlich auf die mikroskopischen niederen Thierformen der Entomostraken, Hydrachniden, Räderthiere, Turbellarien und Protozoen. Die beobachteten Arten werden aufgezählt und die Ver- breitung der Arten in den einzelnen Seen nachgewiesen. Derselbe sprach über die geologischen Ergebnisse eines zum Zwecke von Wasser- gewinnung auf dem Grundstücke des Königl. Pomologischen Instituts in Proskau in Oberschlesien in der Ausführung begriffenen Bohrlochs. Nach den bis zu einer Tiefe von 212 Meter vorliegenden Bohrproben wurden in diesem Bohrloche auschliesslich lose, mit Säuren lebhaft brausende graue Kalkmergel durch- stossen. Dieselben zeigen eine für die bedeutende Mächtigkeit auffallende Gleichförmigkeit der äusseren Merkmale. Nur in den grösseren Teufen, etwa von 200 Meter an, zeigt sich eine gewisse Verschiedenheit, indem die Mergel zahlreiche kleine Quarzkörner aufnehmen und sandig werden. Wenn man nun nach diesen Bohrproben, welche der Vortragende der. ge- fälligen Mittheilung des Herrn Dr. A. Jentsch in Königsberg verdankt, das Alter der durchstossenen Gesteinsschichten zu bestimmen sucht, so gelangt man unter Berücksichtigung der geologischen Verhältnisse des an- srenzenden Gebietes zu der Ueberzeugung, dass das Bohrloch seiner ganzen Länge nach in turonem Kreidemergel steht. Diese in der Gegend von Oppeln auf beiden Seiten der Oder in hügeligen Erhebungen verbreitete und durch zahlreiche Versteinerungen in ihrem Alter sicher bestimmte Schichtenfolge tritt nämlich auch nördlich von Proskau nochmals in einer kleinen Partie zu Tage. Organische Einschlüsse zur Bestätigung dieser Altersbestimmung waren in den Bohrproben leider nicht nachweisbar, Die grosse Mächtigkeit des in dem Bohrloche durchstossenen Kreidemergels erscheint im Vergleich mit dessen Verhalten bei Oppeln sehr auffallend, denn dort beträgt die Mächtigkeit nur gegen 30 Meter, und unter ihm folgen cenomane sandige Kreideschichten. Diese werden wohl auch bei Proskau bei dem weiteren Abteufen des Bohrloches angetroffen werden, und wahrscheinlich deuten die sandigen tiefsten Bohrproben schon den Anfang derselben an. Derselbe sprach ferner über die geologischen Ergebnisse der im Auftrage der preussischen obersten Bergbehörde bei Schladebach unweit Merseburg ausgeführten Tiefbohrung nach brieflichen Mittheilungen des Herrn Professor Dr. K. v. Fritsch in Halle. Die untersten in diesem tiefsten aller bekannten Bohrlöcher 200 Jahres-Bericht (1748,40 M.) angetroffenen Schichten sind Dolomit und rother, grauer und grüner Thonschiefer. Da dieselben keine deutlichen Versteinerungen geliefert haben, so ist ihr Alter nicht mit Sicherheit bestimmbar, wird aber mit Wahrscheinlichkeit als oberdevonisch angenommen. Die wichtigste durch das Bohrloch festgestellte Thatsache ist nach K. v. Fritsch der Umstand, dass die Schichten mit der Flora und Fauna der steinkohlen- führenden Bildung von Wettin, welche den Ottweiler Schichten im Saar- brückschen gleichzustellen sind, auf einer sehr mächtigen Schichtenreihe von rothen Schieferthonen, Sandsteinen und Conglomeraten aufruhen, die offenbar mit den Ablagerungen, welche man bei Leipzig, Wettin und im Mansfeldschen mittleres oder unteres Rothliegendes genannt hat, überein- stimmt. K. v. Fritsch glaubt, dass diese Bildung als ein sehr mächtiges, aber kohlenarmes Aequivalent der unteren Ottweiler Schichten anzusehen ist, vielleicht aber auch Schichten des eigentlichen productiven Kohlen- sebirges begreift. Derselbe legte endlich Schwefel-Krystalle aus den Ozokerit-Gruben von Truskawice in Galizien vor. Es sind haselnuss- bis wallnussgrosse, ringsum ausgebildete lose Krystalle der gewöhnlichen CGombination von P, n, s und ec. Sie sind ganz von Ozokerit umhüllt gewesen und Theile desselben haften auch noch an den Krystallen. Das ganze Ansehen der Krystalle gleicht zum Verwechseln demjenigen von Perticara bei Rimini, wo die Krystalle zum Theil in Asphalt eingewachsen sind. Auch faustgrosse derbe Stücke von Schwefel kommen im Ozokerit von Truskawice vor. Der Vortragende ver- dankt die Krystalle der gütigen Mittheilung des Herrn Wycezynski in Truskawice. Sıtzung am 23. März 1887. Herr Bergmeister Dr. Kosmann, Docent an der Universität, ent- wickelte die Grundzüge einer neuen Theorie | über die Hydratisirung der unorganischen chemischen Verbindungen und die Constitution der wasserhaltigen Mineralien. Die jetzige Lehre über den Wassergehalt der Mineralien, welche, je nach dem zeitigeren oder späteren Austreten gewisser Antheile von Wasser bei Erwärmung oder Erhitzung der Substanz, zwischen sog. Krystall- wasser und Gonstitutionswasser unterscheidet, erscheint, wie sie an sich an innerer Unwahrscheinlichkeit leidet, mit den neueren An- schauungen über die gleichmässige Constitution des chemischen Moleeüls unvereinbar. Schon Laspeyres (1873), aber weit folgerichtiger vor ihm v. Kobell haben darauf hingewiesen, dass in Folge des Austretens von Wasser die dasselbe einschliessende Substanz eine Veränderung erleidet; der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 301 dass mithin für das leichter oder schwerer austretende Wasser nicht die Beschaffenheit dieses maassgebend sei, sondern die Art der Verbindung, in welche die Substanz nach Austritt der Wassers übergeführt werde. Leider ist es seitens dieser Forscher nur bei den Andeutungen verblieben, und hat namentlich v. Kobell nicht zu entziffern vermocht, welche Ver- bindung die durch die Wasserentziehung veränderten Salze darstellen. In neuerer Zeit hat P. Groth in seiner ,‚Tabellarischen Uebersicht der Mineralien‘ einer Entzifferung der basischen Hydroxyde und wasser- haltigen Salze durch Einfügung von Hydroxylgruppen und Säureresten in die Gonstitutionsformeln der Mineralien nachgestrebt, aber dieses Ver- fahren hat des Systems ermangelt und erscheint daher mehrfach lückenhaft. Es bedarf kaum des Hinweises, einer wie grossen Inconsequenz die bisherige Anschauung und die darauf beruhende Art, die chemischen Formeln der Mineralien zu schreiben, sich schuldig macht, wie sie be- wusster oder unbewusster Weise für manche Substanzen zu höchst un- gleichmässig geformten Formelausdrücken führt und damit die Ueber- sichtlichkeit der Thatsachen erschwert; ganz abgesehen davon, dass die Schreibweise der Formeln auf keinen bestimmten Principien beruht. Man hat neuerdings angefangen, sich für die Schreibweise der Formeln der basischen Hydroxyde mit den Principien der neueren Ghemie in Einklang zu setzen; aber ob man zu schreiben hat Al,H,O, oder Al,(OH),, H,Gu 0, oder Cu(OH),, darüber herrscht keine feste Vorschrift. In dem minera- logischen Lehrbuch von Naumann-Zirkel (11. Aufl. 1881) finden sich die wasserführenden Glieder geschrieben: bei dem Tagilit H,CuO, -- 2ag, bei dem Erinit 2H, Cu O,, welches offenbar ganz übereinstimmende Aus- drücke sind, nämlich im Tagilit = H,Cu (OH), und im Erinit = Cu,(OH),, d. h. es ist im Tagilit 1 Mol. Wasserstoff (H,) an Stelle eines Molecüls Cu getreten, die Hydratstufe ist dieselbe verblieben. Für den Mangel der Verbindung der bisherigen Theorie mit den Thatsachen sind ein schlagendes Beispiel die Hydroxyde der Thonerde, der Hydrargillit Al,H,O, und der Diaspor Al,H,O,: Der erstere verliert bei 200 ° 2 Mol. Wasser und geht damit in die letztere Verbindung über. Da man aber zu betrachten hat: Al>(OH), A>O den Hydrargilit—= (OH), und den Diaspor = >(OH),, Al>(OH), Al>O so ist es offenbar, dass in dem Hydrargillit das Hydratwasser sich in ganz demselben Zustande der Bindung befindet wie in dem Diaspor, nur dass im zweiten in Folge der Erhitzung an Stelle der 4 Hydroxylgruppen 2 Sauerstoffmolecüle getreten sind. Die ganze Schwierigkeit, vor welcher die Mineralchemiker in einer Umgestaltung der Lehre bisher zurückgeschreckt sind, besteht darin, den 202 Jahres-Bericht Vorgang zu erklären, vermöge dessen die Wasserstofl- und wasserstoff- haltigen Molecüle in die Mineralien und Salze gelangen, und die Art der Bindung, in welcher dies geschieht; und doch giebt die neuere Chemie ganz bestimmte Principien dafür an die Hand, indem sie für die Deutung der Hydroxyde der Basen und der Hydrate der Säuren sich der Hydroxyl- gruppen bedient. Man hat die Erscheinungen bekannter chemischer That- sachen nur in ihrer Consequenz zu verfolgen oder in Zusammenhang zu bringen, um die sämmtlichen Vorgänge einer ausgedehnten und alle Theile der Substanz erfassenden Hydratisirung zu erklären. Beginnen wir mit dem Element: Kalium zersetzt Wasser unter Entwicklung von Wasserstoff KR, + H0O=KO —H.. Kalı hydratisirt sich in fernerer Berührung mit Wasser zu K,0 + (HOW), — K,(0H), + H,0, auch dieses Kalihydrat’ verbindet sich noch weiter mit Wasser H,K,O, + (HOH), = H,K,(OH), -— 2H,0 —= H,K,(OH),. Betrachtet man, wie in ähnlicher Weise sich Natrium, Aetzkalk, caust. Masnesia, auf 1000° erhitzte Thonerde, ferner Schwefelsäure hydratisiren, so entwickeln sich bei diesen chemischen Vorgängen ganz bedeutende Wärmemengen. Bei der Zersetzung des Elements (Kalium, Natrium) kommt diese Wärme derjenigen des elektrischen Stromes gleich, welche das Wasser in seine Componenten zerlegt. Bei der sich darauf ein- leitenden Hydratisirung äussert die sich entwickelnde Wärme in einer Um- setzung der Molecüle des Wassers und bewirkt eine Gruppirung derselben. Ohne das Volumen zu ändern, begeben sich die Molecüle in die Stellung (H—OH), und durch diese Umsetzung erhalten die so auf der Grenze der Spaltung gehaltenen Atome des Wasserstoffs und Molecüle des Hydroxyls eine grössere Beweglichkeit. Der durch die Wärmeentwicklung hervor- gerufene Zustand der Erregung der Wassermolecüle verdient sehr wohl die Bezeichnung als polarisirtes Wasser oder hydratisirter Wasserstoff; und da das Molecül des Wasserstoffs —= H,, so ist das. Molecül des hydratisirten Wasserstoffs — H,(OH),. In dieser Zuständlich- keit werden also die Hydroxylgruppen befähigt, sich von dem Wasserstoff des Wassermolecüls zu trennen und sich mit den Sauerstoffmolecülen der zu hydratisirenden Verbindung auszutauschen, während dieser Sauerstoff “ mit den zurückbleibenden Wasserstoffatomen wieder Wasser bildet. Bei fortgesetzter Hydratisirung aber tritt der überschiessende Theil von Wasser- stoffatomen mit in die Verbindung ein. Auch mit Rücksicht auf dieses Sauerstoffmoleeül wird für die Hydratisirung stets ein Doppelmolecül Wasser |H,(OH), | erfordert. (Ich habe hier schon zu bemerken, dass bei der Hydratisirung der Halogenverbindungen die Wasserstoffatome an CI, Br, J treten.) der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 203 Man hat bei der Betrachtung der basischen Hydroxyde nun immer bei der ersten Sättigungsstufe des Oxydes Halt gemacht, ohne die Vor- gänge weitergehender Hydratisirung zu verfolgen, und dieser Umstand ist es, welcher einer Entwicklung der Lehre entgegengestanden hat. Wenn aber, wie gezeigt, bei der Bildung der ersten Hydratstufen Wärme ent- wickelt wird, welche eine Erregung der Wassermolecüle zur Folge hat, so ist es klar, dass diese Erregung nicht eher zur Ruhe, d. h. zur Ausgleichung kommen wird, als bis jene Wärmemengen so weit redueirt sind und die Temperatur so weit abgekühlt ist, dass das .Gleichgewicht zwischen den reagirenden Molecülen hergestellt ist. Dies ist der Zustand der grössten Contraction der ent- stehenden Lösung oder hydratischer Verbindung, und je nachdem die Lösungswärme dieser Hydrate beschaffen, kann diese Ausgleichung erst unter O ° zu Stande kommen. Damit ist auch gesagt, dass, wenn das Hydrat auf oder über Null erwärmt wird, es schon wieder zerfällt. Wie wir nun oben gesehen, entsteht aus dem wasserfreien Kalihydrat durch fortgesetzte Hydratisirung die Verbindung H,K,(OH),. Das Natron- hydrat geht aber in seiner Hydratisirung noch weiter und bildet das Hydrat H,Na,(OH),. Es sind dies die Verbindungen, welche in den Lehr- büchern als die bei O0 ° aus den conc. Laugen sich ausscheidenden Körper KHO + 2H,0 und NaHO —+ 3 .H,0 bezeichnet werden; aber für die Herleitung dieser Verbindungen und über deren Zusammenhang mit dem ersten Hydroxyd dieser Basen hat es bisher der richtigen Deutung ermangelt. Und warum krystallisirt das Natronhydrat (nach obigen Formeln) mit 2 Mol. Wasser mehr als als das Kalihydrat? Antwort: Weil die Lösungswärme des Kalihydrats K,(OH), eine grössere ist, wie diejenige des Natronhydrats, nämlich 12 460 : 9780. Bei dem wiederholten Eintritt von Wassermolecülen in die Verbindung erreicht die Hydratisirung des Kali den Nullpunkt der Erregung schneller, als diejenige des Natrons, nämlich im Verhältniss von 5: 7. Es ergiebt sich, dass der Endpunkt der Hydratisirung Verbindungen von gleicher Moleculargrösse anstrebt, denn das Moleculargewicht der Verbindung K,O +5H, O ist —= 184 und von N,0 + 7H,0 ist = 188. Diese Ergebnisse sind von nicht zu unterschätzender Bedeutung. Wie diese Polyhydrate für sich bestehen, so begegnen wir ihnen wieder in den Alaunen, im- Glaubersalz und anderen Salzen. Von den Metallen der alkalischen Erden bilden Baryum und Strontium, von den Hydraten Ba (OH), und Sr (OH), ausgehend, Hydratisirungsstufen bis zu den Verbindungen H, Ba (OH),,, weil deren Lösungswärmen bis zu — 14000 cal. herabgehen. Caleium und Magnesium bilden nur die ersten Hy- droxyde Ca (OH), und Mg (OH),, weil dieselben in Wasser schwer löslich sind. Erst unter dem Einflusse der Zersetzung durch Säuren — ersteres nur 204 Jahres - Bericht mit den Halogen- und Stickstoffsäuren — erfolgt die weitere Hydratisirung zu den Hydraten H, Ca(OH), und H,Mg (OH),. Aehnlich wie die letzteren verhalten sich die Metalle der Eisen- Zinkgruppe, indem auch deren kräftige Hydratisirung — wie allmählich allerdings auch durch längere Einwirkuug von Wasser und Luft — erst II durch den Angriff von Säuren bewirkt wird. Von dem Hydroxyd R(OH), schreitet die Hydratisirung zu der Stufe H,R(OH),, und erst durch die Hinzufügung weiterer Lösungswärmen, welche durch die Verbindung des Hydrats mit Säuren — wie mit alkalischen Laugen — hervorgebracht werden, vermögen weitere Molecüle Wasser (HOH), in die Verbindung einzutreten. Diese letzten Hydratmolecüle Wasser stehen je nach der Art des betreffenden Metalls in festerem oder lockerem Bindeverhältniss ET zu letzterem, je nach der Höhe der Wärmetönung des Oxydes RO; es II entstehen so die Hydrate H,R(OH),. Dies dürfte die Zusammensetzung der Niederschläge von Ferro-, Zink-, Kobalt- und Nickeihydroxyd aus den Lösungen durch stärkere Basen sein, nicht das erte Hydrat R(oH),. Der auf. die Isomorphie mit der entsprechenden Hydratstufe der Alkalien hinweisende Formelausdruck lässt entnehmen, weshalb das Zinkoxydtrihydrat in Kalilauge — und Am- monium — löslich ist, während die anderen, zu höherer Oxydation ge- neigten Hydrate von den Alkalien gefällt, aber von Ammoniak gelöst werden. Durch Kochen wird dem Zinktrihydroxyd Wasser entzogen, und fällt deshalb beim Kochen aus der Kali-, resp. Ammoniumlösung das niedere Hydrat H,Zn(OH), heraus. Die Hydratisirung der Sesquioxyde geht, wenn wir zunächst Alumi- nium, Eisen und Mangan betrachten, nicht pari passu vor sich, da in der Thonerde nur der 3-werthige, in den Eisenoxyden der 2- und 4-werthige, in den Manganoxyden der 2-werthige Charakter neben dem 3- werthigen sich geltend macht. Das erste Hydrat ist dasjenige, in welchem von den 3 Sauerstoffmolecülen eines hydratisirt auftritt: JJI R>0O ı111> (OH), ,: daher R>O Al,0, (OH), Fe, 0,(0H), Mn,0,(OH), ') Diaspor Göthit Manganit ı) Es ist daher unzulässig, in diesen Formeln, wenn man die Indices kürzt, eine 1-wertbige Gruppe AlIO (resp. FeO, MnO) anzunehmen und zu schreiben: AIO.HO, wie dies Groth thut; man musste vielmehr schreiben: Al. O(OH), der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 305 In der zweiten Hydratstufe treten 2 Sauerstoffmolecüle hydratisirt auf, und es bilden sich: Al,O (OH), Fe,0(OH), Mangan Bauxit Xanthosiderit vacat. In dem dritten Hydrat sind alle 3 Sauerstoffmolecüle durch Hydroxyl- gruppen vertreten; das Mineralreich kennt nur den Hydrargillit Al,(OH),. Zwischen diesen Hydratstufen steht das Brauneisenerz mit je 3 Sauer- stoff- und 3 Hydroxylpaaren Fe>o0O Fe> (OH), >(0OH, — >oO Fe>0O Fe > (OH), Bemerkt sei hier schon, dass neben dem selbstständigen Auftreten der Verbindung Al,O,(OH), des Diaspors dieses Glied im Euklas, sowie dass das Glied Al,O(OH), im Kaolin und Wavellit wieder vertreten erscheint. Da die Verbindung des ersten Hydrats mit nur einem Paar Hydroxylen eine höhere Wärmetönung besitzt als das dritte Hydrat, in welchem sämmtliche Sauerstoffmolecüle hydratisirt sind, so ist nothwendig zur Zersetzung des ersteren eine grössere Wärmemenge erforderlich, als für diejenige des letzteren, und ist aus diesem thermo-chemischen Verhalten zu entnehmen, dass die Art der chemischen Bindung des in den Hydrar- gillit eingetretenen Wassers keine andere ist, als im Diaspor. Die Bildungswärme des Hydrats Al,(OH), ist eine so beträchtliche, dass sie die weitere Zerlegung und Hydratisirung ermöglicht. Dieselbe erfolgt nach der Gleichung: H,Al, (OH), . O, + (HOH), = HAI, (OR), or 4H,0. Die Formel H,AI,(OH),, stellt die Zusammensetzung desjenigen Hydrats dar, welches durch Ammoniak aus seinen Lösungen gefällt wird, es enthält 55,21 pCt. Wasser, Ausser als selbstständiger Verbindung ist dies Hydrat im Alaun vertreten. Eisen und Mangan liefern in den ent- sprechenden Niederschlägen dasselbe Hydrat. Während aber für die Thonerde der mit dem letzten Hydrat des Kali isomorphe Formelausdruck H,Al,(OH),, und H,K,(OH), das Verhalten begründet, dass dieses Hydrat der Thonerde sich in Kalilauge löst und in seiner Constitution auch durch Kochen keine Veränderung erleidet, ist es dasselbe mit dem Ferri- und Manganihydrat nicht der Fall, weil denselben durch das Kochen mit Kali- lauge Wasser entzogen wird. Der hellrothe Niederschlag von Ferrihydrat wird durch Kochen mit Kalilauge in der That brauner und es entsteht das Hydrat Fe,(OH),. Von den Metallen der Silbergruppe kommt zunächst nur das Kupfer in Betracht. Es bildet sich das Hydrat Gu(OH), und weiter das zweile Hydrat H,Cu(OH), (siehe oben beim Tagilit). Dieses zweite Hydrat stellt 206 Jahres-Bericht sich in dem hellgrünen, durch Kalihydrat in Kupferlösungen erzeugten Niederschlage dar, welcher, durch Kochen eines Molecüls Wasser beraubt, in das schwarze Hydrat Cu(OH), übergeführt wird. Man ersieht schon hieraus, dass in dem zweiten Hydrat die Bindung des zweiten Molecüls Wasser nur eine lockere ist. In der That bildet das Kupferoxyd keine weiteren Hydrate, da die Wärmetönung des Kupferoxyds und des ersten Hydrats (45138 bezw. 37520 cal.) eine viel niedrigere ist, als die der Metalle der Eisen - Zinkgruppe. Sehr lehrreich ist die Hydratisirung der Schwefelsäure! Aus dem Anhydrid spaltet sich zunächst 1 Molecül Sauerstoff ab: 1. S0, 70 (10H), — 50,0), 2150; normal- oder wasserfreie Schwefelsäure, Siedep. 330°; 9. SO’//(0H), 0 HOM), —S0(0H,° 7 11,0 | TetrahydroxyIschwefelsäure, schmilzt bei 8,5°, scheidet bei 205° Wasser aus; 3. S(OW), |O + (HOW), — S(OH), + 3,0, Hexahydroxylschwefelsäure, giebt bei 195° Wasser ab; Maximum der Contraction im Gemisch mit Wasser. Diese in die Lehrbücher übergegangene Darstellung des Vorganges der Hydratisirung darf als die Grundlage und der Ausgangspunkt unserer Theorie erachtet werden. Hydrate der Verbindungen von Säuren und Basen oder der Salze. Für verschiedene Salze des Mineralreichs mit geringem Wassergehalt ist mit mehr oder weniger Erfolg eine Deutung der Con- stitution der wasserhaltigen Molecüle versucht und erreicht worden. Sie scheiterte jedoch bisher bei höherem Wassergehalt der Substanz. Unter den Mineralien wie den künstlichen anorganischen Salzen haben nun die Sulfate mit ihrem hohen Gehalt an Wasser so recht eigentlich die piece de resistance gegen jedwede Interpretation gebildet, weshalb sie hier einen ersten Angriffspunkt abgeben sollen. Für die Darstellung des Eisenvitriols galt bisher stets die Gleichung: Fe + H,50, + xH,0 = H, + (FeSO, + 7H,0). Diese Gleichung ist nicht zutreffend. Da es zur Lösung des Metalls verdünnter Schwefelsäure, also eines Hydrats der Säure bedarf, so ergiebt sich die Gleichung: Fe + S(OH), + H,O = H, + Fe(OH), -+ SO(OH),. Ferner: Fe(OH), + S(OH), = H,Fe(OH), — SO (OH).- Man ersieht, es bildet sich ein Salz der Tetrahydroxylschwefelsäure. Die bei der Digestion des Metalls sich entwickelnden Wärmemengen bewirken dessen Hydratisirung so weit, bis sich dieselbe mit derjenigen des Säure bildenden Theils in das Gleichgewicht gesetzt hat; man erhält der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 907 daher zunächst die Formel H,Fe (OH), — SO (OH),. Die Reaction ist aber nicht erschöpft, die Lösungswärme des Salzes (— 4510 cal.) ist eine weiter herabgehende, als diejenige seiner Theile einzeln, und so dient dieser Wärmeüberschuss zu weiterer Hydratisirung des Eisenoxyduls. Es werden daher noch weitere 2 Molecüls Wasser aufgenommen, welche nach Berthelot’s Gesetz, dass diejenige Verbindung entsteht, welche die grösste Energie entwickelt, eben an das Ferrohydrat gehen. Die schliessliche Formel des Eisenvitriols lautet daher: H,Fe(OH),SO (OH), oder zusammen- gezogen: H,FeSO(OH), .- Bei den Basen, welche Sesquioxyde bilden, stehen, wegen des 3-werthigen Charakters derselben, die beiden letzten Wassermolecüle in festerer Bindung mit Metallhydroxyd; dieselben, Eisen und Kobalt, bilden die Vitriole mit klinorhombischer Krystallform. Bei den anderen Basen, Zink, Nickel, Magnesia, ist diese Bindung der letzten Molecüle keine so feste, daher sie auch leichter verwittern. Dieses sind die Vitriole der rhombisch krystallisirenden Gruppe, deren Lösungswärmen geringere sind als die des Eisenvitriols, nämlich: Zink - Nickel - Magnesiavitriol —4260 cal. — 4250 cal. — 3800 cal. und so zeigt sich beim Zinkvitriol und beim Bittersalz, dass dieselben in einer Lösung von 70 resp. 30° Wärme nur mit 6 Molecüls Wasser, mithin als H,RIT(OH),SO(OH), oder H,RT!SO(OH), krystallisiren. Also hic haeret aqua! Nunmehr giebt sich auch die Aufklärung an die Hand, weshalb der Kupfervitriol nur mit 5 Molecül Wasser krystallisirt! Da das Kupferoxyd kein höheres Hydrat bildet als H,Cu(OH),, so entsteht für den Kupfer- vitriol die Formel: H,Cu(OH),—SO(OH), oder H,CuSO(OH), so einfach und symmetrisch, wie sie nur gedacht werden kann. Die Lösungswärme erreicht nur — 2720 cal., mithin müssen die im Salze gebundenen Antheile von Wasser bei höherer Temperatur fortgehen als in jenen anderen Vitri- olen. Im Zinkvitriol geht 1 Molecül H,O bei 50° fort, die anderen 5 entweichen bei 100°; im Kupfervitriol werden 4 Molecül H,O bei 100° ausgetrieben. Das Salz, welches also vom Zinkvitriol oder Kupfervitriol nach Erhitzung auf 100° zurückbleibt, hat dann die Zusammensetzung: (für Kupfer) Cu(OH),SO .O, — Cu(OH),SO,, d.h. es ist ein Hydrat des wasserfreien Kupfer- (resp. Zink-) Sulfats, von isomorpher Zusammensetzung mit Polyhalit, Kieserit und Syngenit. Da die Gruppe der Vitriole sich als Salze der Tetrahydroxylschwefel- säure erweist, so führt dies sofort auf den Gedanken, dass es auch Salze der normalen wie der Dihydratschwefelsäure geben muss. Nach den bisher geltenden Ansichten wurden die Salze angesehen als Verbindungen, ım welchen die basischen Elemente an Stelle der Wasserstoffatome der Säure 208 Jahres - Bericht eingetreten oder in welchen dieselben mit Säureresten zusammengetreten sind. Jedenfalls war man gewohnt, die Salze anzusehen als Verbindungen, welche aus den Lösungen, in welchen sie enthalten waren, als feste Substanzen unter Ausschluss der vor Eingehen der Verbindung ihren Componenten anhaftenden Wassermolecüle auskrystallisirten, auch wenn dies unter Aufnahme von Krystall- oder Gonstitutionswasser geschah. Eine solche Anschauungsweise schloss überhaupt von vornherein aus, eine richtige Auffassung von der Art des in die Krystallmolecüle des Salzes eintretenden Wassers aufkommen zu lassen. Wir sehen nunmehr, dass die basischen, wie Säure bildenden Hydroxyde, auch der höchsten Hydratisirungsstufen, wie sie für sich einer gesonderten Existenz fähig sind und als für sich gesättigte Verbindungen erscheinen, auch mit einander in Verbindung zu treten vermögen unter Beibehaltung ihres sesammten Verbindungs - Wassers und sich damit, wie sie vorher in Lösung den Zustand der grössten Contraction repräsentirten, auch zu festen Krystallen bilden. Ihre grössere oder geringere Fähigkeit der Zersetzung ist das Kennzeichen der lockeren Bedingungen ihres Aufbaues. Als Salze der normalen Schwefelsäure bieten sich dar: 1. Gyps CaSO, + 2H,0, zu schreiben als Ca(OH),SO,(OH), oder CaS0O,(OH), d.h. ein hydratisirtes normales Sulfat. Die Formel lässt erkennen, warum der Gyps, bei Erhitzung auf 300° seines Wassers beraubt, dasselbe mit Heftigkeit wieder aufzunehmen ver- mag: die Substanz enthält nach der Wasserentziehung Aetzkalk und Schwefelsäureanhydrid, ist also in hohefh Grade caustisch ge- worden, um sich in Wasser mit Intensität abzulöschen. Schreitet die Erhitzung weiter vor, so treten die Elemente inniger zusammen: es bildet sich Sulfatanhydrid, welches in Wasser nicht löslich ist. Auch ergiebt sich aus der Formel, weshalb der Gyps in heissem Wasser weniger löslich ist als in kaltem, indem das heisse Wasser dasjenige der Substanz auszutreiben strebt, wodurch dieselbe schwer löslicher wird. 2. Blödit Na,Mg($0,), . AH,O = a | 280, (OH), 3. Brochantit Cu,(HO),50, — ? CU (OB), | SO,(0H), — — 2(Cu, (OH), 0)SO, (OH), . Die Zusammenziehung dieser Formel in Cu,SO,(OH), lässt die eigentliche Constitution und Zugehörigkeit des Brochantits nicht er- kennen. Zu den Salzen der Hexahydroxil- oder Dihydratschwefelsäure ge- hören die Salze mit den Gehalten von 10 und mehr Moleeüle Wasser, also: der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 209 1. Glaubersalz Na,SO, + 10 ag — H,Na,(OH),S(OH),, mithin zu- sammengesetzt aus dem Tetrahydrat des Natrons und der Dihydrat- schwefelsäure. Da sich nach dem vorigen die Hydratisirung auf basischer und saurer Seite symmetrisch vollzieht, so befinden sich 2 Molecüle Wasser in lockerer Bindung: H,Na,(OH),S(OH), CHOR), Dies sind die beiden Molecüle Wasser, welche aus der Lösung des Salzes schon bei der Erwärmung über 33° austreten. Von da ab vermindert sich die Löslichkeit des Salzes mit zunehmender Tem- peratur. Da das Meleculargewicht des Salzes —= 392 ist und sich bei 33° Wärme in 100 Th. Wasser 327 Th., bei 100° 238 Th. (genauer 322 und 232 Th.) lösen, so sind bis zu letzterer Temperatur 5 Molecüle Wasser ausgetreten, und ist das Salz H,Na,(OH),SO(OH), entstanden. 2. Die Alaune; Kalialaun K,Al,(SO,), + 24H,0 ordnet sich zu H,K,(OH),S (OH), — H,Al,(OH), ,(S(OH),),, eine sehr gleichmässige Formel, deren Isomorphie zwischen den Constituenten des Kali- und Thonerdehydrats schon oben bemerkt wurde. Mit Natron giebt die Alaunverbindung ein weniger leicht aus der Lauge krystallisirendes Salz, und dürfte dies darin seine Ursache baben, dass das Natron mit dem höheren und dem Thonerdehydrat nicht isomorphen Hydrat eintritt und infolge dessen zuerst ein anderes Salz bildet, welches erst durch Erwärmung die Umsetzung erleiden muss, um als Alaun krystallisiren zu können. So wie die Schwefelsäure, giebt nun auch in den Halogenverbindungen, wenn sie hydratisirt werden, wässrige Salzsäure und Fluorwasserstoffsäure den Säure bildenden Theil ab. Der Bischofit MgCl, . 6H,O erscheint von der Constitution H,Mg(OH),(HCl),, in welchem Salz 4 Mol. H,O vermöge der entwickelten Lösungswärme an Mg(OH), gehen, also von der Formel: Mg (OH), (HC]),, N(HOH), finden, 2 Molecüle Wasser aber in lockerer Bindung, weshalb das Salz zerfliesslich ist. Das selbstständige Bestehen des Hydrats H,Mg(OH), ist aus dem Früheren bekannt. In dem Carnallit KC1.MgCl,..6H,0 — HK(OH),(HCl) + H,Ms(OH), (HCl), erscheint durch den Eintritt des Kalihydrats die 4-wertige Gruppe (HOH), ersetzt; ebenso sind im Tachy- drit: CaCl .2MgCl, . 12H,0O 4% Molecüle Wasser durch das Glied H,Ca(OH), (HCl), ersetzt, so dass dessen Formel lautet: H, Ca(OH), (HCI), + 2 [(H,Mg(OH), (HCl), |. Unter den basischen Chloridhydraten ist der in seiner Zusammensetzung dem Brochantit analoge Atakamit zu nennen, h . Cu (OH nach Groth — Cu,(OH),Cl, nach meiner Theorie — ne HCl, so dass sich zwei vierwerthige Gruppen in Bindung be- 1887, 14 210 Jahres-Bericht eine die Constitution des Salzes, den natürlichen Verhältnissen gemäss erklärende Formel. — Für die wasserhaltigen Carbonate und Phosphate darf ich, um hier nicht zu ausführlich zu werden, schon jetzt andeuten, dass diese unter denjenigen Verbindungen auftreten, welche als solche der bisher im Mineralreich nicht bekannten Orthokohlensäure, sowie der vierbasischen Phosphate anzusehen sind. Von den hydratischen Phosphaten sei vor der Hand hier nur der Wavellit angeführt als eins derjenigen Minerale, dessen Formel zur Zeit in den Lehrbüchern zu den verwickelsten gehört: 2 AL,P,O, AL,H,O, einmal als Au ra | [PO(OH), |,, d. h. bestehend aus 2 Molecülen 273 | —+ 9aq. Nach unserer Theorie könnte er aufgefasst werden hydratisirten Aluminiumorthophosphats mit 1 Molecüle Thonerde. Da es aber unwahrscheinlich, dass in einem so vielfach hydratisirten Körper 1 Molecüle einer wasserfreien Verbindung enthalten sein könnte, so ist es richtiger, den Wavellit anzusehen als 3[Al, .O(OH), | |PO(OH), |,, d.h. als ein Hydratorthophosphat des Bauxits. Der basische Charakter der Substanz liegt also nicht in dem Sauerstoffverhältniss zwischen Base und Säure, sondern in dem basischen Verhalten des Thonerdehydrats. Wir entnehmen bei dieser Gelegenheit, dass die Gruppe |Al, . O(OH), | 4-werthig ist, also 4 innere Bindungen besitzt: Aus der Reihe der Hydrocarbonate seien als Beispiele angeführt: 1. Malachit CuCO, — CuH,0, und 2. Kupferlasur 2CuCO, -+ CuH,0,. Es ergeben sich die Formeln: a I | co, — (Cu,(OH),CO, und ad 2. Cu(OH), 2 CuO Eine ganz andere, gegen die bisherige klärende Auffassung kommt durch die Einfügung zutreffender Hydratisirungsstufen unter den Silicaten zu Stande. Ich wähle den Kaolin und den Serpentin, welche einer guten Deutung bisher durchaus widerstanden. Beide Silicate werden als 1Y/,-Si- licate mit 2 Mol. H,O angesehen; Kaolin = Al,Si,0O, + 2H,0, Serpentin = Mg,Si,0, + 2H,0, Formeln, welche die beiden Substanzen, wenngleich der Krystallform ent- behrend, als isomorph erscheinen lassen, was sie nach der Art ihrer Ent- stehung, d. h. als „Producte der letzten Verwitterung“, in der That sind. Es erweist sich alsbald, dass 200, = Cu, (01), (00,).. der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 91 der Kaolin der Formel Al, . O(OH), 2 (SiO,) = Al,Si,0,(OH),, der Serpentin der Formel De )1l 9 SiO, —= Mg,Si,0, (OH), entspricht. Mithin ist Kaolin ein Metasilicat des Bauxits, Serpentin das- jenige des basischen Magnesiumhydroxyds; im Serpentin entweichen 2 (OH) bei mässiger Erhitzung. Diese Formeln lassen zugleich erkennen, wie durch Austritt eines Moleküls Kieselsäure H,SiO, aus dem Kaolin - sich Andalusit, aus dem Serpentin Magnesiumdrittelsilicat bildet, welches als solches, mit Aluminiumdrittelsilicat vereinigt, iu den Turmalinen auftritt. Nicht unterlassen darf werden, darauf hinzuweisen, wie das Aluminium- tetrahydrat H,Al,(OH),, eine dem Drittelsilicat, die Hydrate H,R(OR),, eine den metakieselsauren Salzen ganz analoge Zusammensetzung haben, wenn H, durch 1 Mol. des vierwerthigen Siliciums und die 10 Mol. (OH) durch 5, bezw. 6 Mol. (OH) durch 30 ersetzt werden. Es deutet dieses Verhalten die Wege an, wie die scheinbar unlöslichen Substanzen in der Form von Hydraten aufeinander einwirken und jene nach Austritt des Wassers zu den am schwersten löslichen gehörenden Verbindungen und Krystallen entstehen können. Eine in ihrer Constitution zu den räthselhaftesten Verbindungen ge- hörende ist der Euklas, da das Wasser desselben erst in starker” Glühhitze entweicht. Die Formel des Euklas ist: H,Be,Al,Si,O,, (Rammelsberg) oder Be,Al,(OH),(SiO,), (Groth). Das eine Molekül (OH), weist unmittel- bar auf das Monohydrat der Thonerde, und so erhält man: Al,.O 2B d.h. es ist im Euklas ein Metasilicat des Diaspors und ein Orthosilicat des Berylliums verbunden. Der Euklas äussert daher in Bezug auf den Wassergehalt dieselben Eigenschaften wie der Diaspor. Die hier vor- getragene Theorie dürfte geeignet sein, auch für die Constitution der Zeo- lithe eine bessere Deutung als bisher geschehen zu bringen. Der Gegenstand ist sowohl für gewisse Kapitel der Mineralogie, als auch für die allgemeinen chemischen Theorien der Bildung der Salze von so einschneidender Bedeutung, dass ich mir vorbehalte, denselben weiter zu verfolgen. Herr Professor Dr. Hintze berichtet über seine krystallographische Untersuchung der Brom- und Chlor- Additionsproducte von Kohlenwasserstoffen der Terpengruppe. Seit ungefähr 2 Jahren ist Herr Professor Wallach in Bonn mit der chemischen Untersuchung und Classifieirung der Terpene beschäftigt, von Kohlenwasserstoffen gleicher empirischer Formel, welche einen wesent- lichen Bestandtheil der sogenannten ätherischen Oele bilden. In Bezug 14* (OB), 9 (8i0,) — Be,A1,8i,0, (OM),, 212 Jahres-Bericht auf diese Terpene hatte vorher in der Litteratur eine ziemliche Unklarheit geherrscht. Im Laufe der Zeit war nämlich eine grosse Reihe solcher gleich zusammengesetzter Verbindungen von der empirischen Formel C,H, resp. G,,H,, beschrieben worden, welche je nach ihrer Herkunft verschiedene Namen trugen, ohne dass: ausreichende Versuche darüber vorlagen, ob alle jene Körper, welche auch theilweise den ungefähr gleichen Siedepunkt besitzen, wirklich von einander verschieden wären. Ein be- sonders exactes Unterscheidungsmittel wurde nun durch den Umstand ge- funden, dass die Terpene zum Theil sich mit Brom, beziehungsweise auch Chlor und Jod, oder deren Wasserstoffsäuren zu gut krystallisirenden Ad- ditionsproducten vereinigen, deren physikalische Untersuchung dann die Identifieirung oder Unterscheidung der betreffenden Kohlenwasserstoffe mit viel grösserer Sicherheit ermöglichte, als die chemische Untersuchung allein. So wurde schon vor zwei Jahren vom Vortragenden durch krystallo- graphische Untersuchung festgestellt die Identität der Bromadditionsproducte der bei 175 ° C. siedenden Terpen-Kohlenwasserstoffe folgender ätherischer Oele: des Kümmelöls, des Citronenöls, des Pomeranzenschalenöls, des Erigeronöls, des Fichtennadelöls, des Dillöls, welche also alle dasselbe Terpen enthalten, nunmehr als Limonen bezeichnet, wegen des wichtigen Vorkommens dieses Terpens in den Limonen. Verschieden von diesem Terpen ist, wenn auch von derselben empirischen Zusammensetzung, ein anderes vom Siedepunkt bei 181° G., jetzt als Dipenten bezeichnet, welches enthalten ist im Wurmsamenöl, Wachholderbeeröl, Eukalyptusöl, Campher- öl, in dem durch Hitze invertirten gewöhnlichen Terpentinöl und im Kaut- schuk, wie ebenfalls durch die krystallographische Identifieirung der ent- sprechenden Bromverbindungen nachgewiesen wurde. Der Name Dipenten ist von Herrn Prof. Wallach vorgeschlagen worden, weil dieser Kohlen- wasserstoff G,,H,, durch Polymerisirung aus dem schon bei 38 ° C. sieden- den, bei trockener Kautschukdestillation gewonnenen Isopren (Penten) von der Formel C,H, entsteht. Eine wesentliche physikalische Verschiedenheit jener Terpentetrabromide des Limonens und Dipentens findet nun aber auch in der Krystallform ihren Ausdruck. Letztere ist zwar bei beiden rhombisch, jedoch ist das Dipententetra- bromid holo@drisch, das Limonentetrabromid aber ausgesprochen hemie- drisch; die Lösung des ersteren ist nun optisch inactiv, die des letzteren activ, d. h. sie dreht die Schwingungsebene des polarisirten Lichtes, und zwar nach rechts. Auch bei der weiter bis jetzt von Herrn Wallach fortgesetzten chemischen Untersuchung der Terpene hat sich die vom Vortragenden ausgeführte krystallographische Bestimmung der krystallisirbaren Verbin- dungen wiederholt als zuverlässig leitende und controlirende Hilfsmethode erwiesen, und andererseits auch interessante Beiträge zur Erkenntniss des Zusammenhangs zwischen Krystallform und chemischer Constitution ge- der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur., 313 liefert. Die Mittheilung der Resultate im Einzelnen muss natürlich einer krystallographischen Fachzeitschrift vorbehalten bleiben. Hier mögen nur kurz die krystallographischen Beziehungen von drei Haloidverbindungen eines im schwedischen und auch im russischen Terpentinöl vorkommenden Terpens, des bei 174° C. siedenden Sylvestrens angedeutet werden, welches von Atterberg entdeckt und benannt, von Wallach aber weiter eingehend untersucht wurde. Das Sylvestren vereinigt sich mit 2 Mole- külen Salzsäure, resp. Bromwasserstoffsäure, zu den Additionsproducten Sylvestrenhydrochlorid C,,H,, - 2H CI und Sylvestrenhydrobromid C,H}; - 2 HBr, aber auch mit 4 Bromatomen zu Sylvestrentetrabromid G,,H,,Br,. Aeusserlich sind die Krystalle aller 3 Verbindungen vollkommen ähnlich, monosymmetrisch dünntafelförmig nach einer zur Symmetrieebene senk- rechten Fläche, und in die Länge gestreckt nach der Symmetrieaxe, eine Ausbildung, wie sie im monosymmetrischen System gerade nicht häufig ist, unter den Mineralien bekanntlich besonders charakteristisch für den Epidot. In den Winkeln selbst weichen aber das Sylvestrenhydrochlorid und das Hydrobromid mehr von einander ab, als dies sonst gewöhnlich bei den entsprechenden Chlor- und Bromverbindungen der Fall zu sein pflegt. Am meisten unverändert ist die Molekular-Anordnung in einer Richtung geblieben, welche weder der Symmetrieaxe parallel ist, noch in der Sym- melrieebene liegt, sondern schief dazu. Noch viel bedeutender als bei der Ersetzung der Chloratome durch Bromatome, wird die Krystallform ge- ändert durch den wasserstoffersetzenden Eintritt von 2 weiteren Brom- atomen in das Molekül des Sylvestrenhydrobromid, beziehungsweise durch Addition von 4 Bromatomen zum Sylvestren. Aber auch hier ist es be- sonders wieder eine Richtung und zwar die ganz analoge wie oben, in welcher durch die constant gebliebenen Flächenwinkel sich dieselbe Molekular-Anordnung documentirt. Solche Axen der Structurconstanz sind auch bei anderen Körpern, welche in morphotropischen Beziehungen stehen, schon beobachtet worden, doch liegen sie gewöhnlich in einer krystallo- graphischen Symmetrieaxe oder senkrecht dazu, wie dies namentlich bei morphotropisch differenzirten Derivaten der aromatischen Verbindungen gefunden wurde. Derselbe Vortragende berichtete ferner über seine Untersuchung der Brechungsquotienten des Tabaschir, der in indischem Bambus abgelagerten Kieselsäure, mit deren Studium sich neuerdings Herr Professor Dr. Ferd. Cohn eingehend beschäftigt und auch unserer Gesellschaft darüber Mit- Iheilung gemacht hat. Bezüglich der übrigen Eigenschaften des Taba- schir darf wohl also auf jene Mittheilungen des Herrn Professor Gohn verwiesen werden. Zur Bestimmung der Brechungsquotienten wurde ein etwa haselnuss- grosses Stück Tabaschir mit Terpentinöl imbibirt und dann zu einem Prisma verschliffen, mit einer brechenden Kante von 45° 4“ Die 214 Jahres - Berieht Brechungsquotienten für grünes Thallium- und gelbes Natriumlicht wurden mit dem dazu geeigneten Babinet’schen Reflexionsgoniometer mit Hori- zontalkreis bestimmt, und gefunden das Minimum der Ablenkung: oNar= 1933112722: also! ini Bin? 4698 unduolT] =1231143° ws —ır 17 201309: Als jedoch, wie üblich, die Einstellungen und Ablesungen wiederholt wurden, ergab sich die eigenthümliche Thatsache, dass das Minimum der Ablenkung und damit also der Brechungsquotient schon nach einigen Minuten geringer geworden waren, bei unveränderter brechender Kante. Es wurden nach und nach abgelesen die Einstellungen für Natriumlicht 0" 28, 10,,.0 alsosenı — 21970000 ve 112: 1.4649 330 48 1.4567 > 2% 1. 4336. Alsdann war das Prisma durch die Verdunstung des Terpentinöls un- durchsichtig geworden, hiermit aber auch die Erklärung für die Ver- änderlichkeit der Brechungsquotienten gegeben. Das Prisma war nur durch die Durchtränkung mit Terpentinöl durchsichtig geworden, der Brechungsquotient also eine Function der Brechungsquotienten von Terpen- tinöl und Tabaschirsubstanz. Der Brechungsquotient des Terpentinöls beträgt für die Natriumlinie 1. 4744. Aus obigen Zahlen ergiebt sich, dass der Brechungsquotient der Tabaschirsubstanz selbst geringer sein muss; es wird also der Brechungs- quotient des getränkten Prisma mit dem Terpentinöl-Verlust fallen. Der Versuch wurde mit demselben Erfolg mehrfach wiederholt. Nach einigen Tagen jedoch wollte es nicht mehr vollkommen gelingen, das Prisma durch Imbibiren ganz durchsichtig zu machen. Ausserdem aber wurde dann beobachtet, dass bei brechender Kante wie Anfangs — 45° 4‘, das Minimum der Ablenkung von 21° 59° nach und nach auf 22° 2, 22° 11° bis auf 22° 13° wieder stieg, letzteres entsprechend n = 1. 4456. Auch dafür aber ist die richtige Erklärung wohl nahe liegend. Das Prisma wurde zur Messung mit Glasplatten belegt, die mit Canadabalsam angeklebt wurden. Bei der wiederholten Terpentinöl-Durchtränkung wurde natürlich der Canadabalsam vom Terpentinöl gelöst, und theilweise auch vom Tabaschirprisma aufgesogen. Ganz im Einklang mit den Beobachtungen des Herrn Professor Ferd. Cohn ist aber nur immer je eine Substanz zur Pellueidisirung des Tabaschirs geeignet, ein Gemisch von Substanzen aber nicht. Daher der immer grössere Widerstand gegen die Pellueidisirung des Prisma. Ausserdem ist aber bekanntlich der Brechungsquotient des Canadabalsam (= 1.532) grösser als der des Terpentinöls; sind also beide im Tabaschir aufgesogen, muss der Brechungsquotient durch Terpentin- verlust etwas steigen. der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 315 Durch grössere Aufnahme von Canadabalsam wurde aber auch eine körperliche Ausdehnung des Prismas nach längerer Zeit (etwa 14 Tagen) erzielt: die brechende Kante hatte von 45° 4‘ auf 45° 44° zugenommen, das Minimum der Ablenkung betrug für Na d = 33° 511,‘, also n = 1.4686. Ein mit Kieselsäure getränktes Stückchen Tabaschir, dem natürlichen Hydrophan noch ähnlicher, brauchte viel längere Zeit, als das ursprüng- liche Tabaschir, um durch Terpentinöl-Durchtränkung durchsichtig zu werden; es gelang erst nach 10 Tagen. Alsdann wurde daraus auch ein Prisma geschliffen, welches bei einer brechenden Kante von 55° 3° ein Minimum der Ablenkung für 20 30% 7 n —= 1. A649 Na0,— 30° 9° ne 714631 ergab. Auch hier wurde mit dem Terpentinöl-Verlust ein Abnehmen des Brechungsquotienten beobachtet, aber in geringerem Grade, d nach und nach —= 29° 53',‘, 29° 49' und vor dem Undurchsichtigwerden — 929° 42‘, also n = 1.4584. Dieses hydrophanähnliche Tabaschir hat also augenscheinlich schwerer und weniger Terpentinöl aufgenommen, und seine Brechungsquotienten sind weniger davon beeinflusst. Herr Professor Dr. Hintze legte weiter künstlichen Magnesiaglimmer vor, in kleinen Blättchen und Schuppen, dargestellt von Herrn Baron von Chrustschoff im chemischen Laboratorium des mineralogischen Instituts durch Zusammenschmelzen von gepulvertem homogenem Basalt- glas (geschmolzenem Nephelinbasalt vom Rossberg bei Darmstadt) mit Kieselsäure, Fluorsilieiumkalium und Fluoraluminium mit den Bestand- theilen des Glimmers. Durch Zusatz von Borsäure zu Basaltglas, Kiesel- säure, Fluorsiliciumkalium und Fluoraluminium war in der Schmelze die Bildung von Quarz erzielt worden. Endlich machte Professor Hintze noch Mittheilung von einer an ihn gelangten Zuschrift des Herrn Dr. L. Eyrich in Mannheim. Redner hatte in einem, im vorigen Herbst in Coblenz gehaltenen Vortrage „der Mittelrhein und sein Vulkangebiet“ (später abgedruckt im Januarheft 1887 der ,„Gaea“) als Urheber der sogenannten „Faltungstheorie“ Süss und Heim genannt, welche bekanntlich allgemein als solche anerkannt werden. Es braucht kaum daran erinnert zu werden, dass im Gegensatz zu der von Humboldt, Leop. von Buch und Elie de Beaumont vertretenen Hebungs- theorie, nach welcher die Gebirge durch radial von unten nach oben wirkende Druckkräfte erzeugt wurden, durch die Arbeiten von Favre, Dana, Baltzer und Mojsisowiez, besonders aber von Süss und Heim, viel- mehr die Vorstellung ausgebildet worden ist, dass die Massen- und Ketten- gebirge, bestehend aus Faltensystemen der äussersten Erdkruste, durch 216 Jahres - Bericht Horizontalschub in der Erdrinde hervorgebracht sind. Die Ursache liegt in der fortdauernden Abkühlung und dadurch bewirkten Contraction der Kernmasse der Erde, wie gleichsam die Haut eines austrocknenden Apfels sich runzelt und dem schwindenden Fleische nachsinkt. Herr Dr. Eyrich macht nun darauf aufmerksam, dass eine mit dieser modernen Faltungstheorie ganz übereinstimmende Anschauung sein 1867 verstorbener Freund und Lehrer Carl Friedrich Schimper aus- gesprochen hat; diese findet sich niedergelest in den Verhandlungen der Versammlung deutscher Naturforscher zu Erlangen im Jahre 1840. Dass diese Priorität Schimper’s ganz dem Gedächtniss der lebenden Geologen entschwunden scheint, und sich wohl in keinem Lehrbuch ‘erwähnt findet, wird leicht erklärlich durch die ungünstigen Umstände, unter welchen die Ansichten Schimper’'s den Fachgenossen mitgetheilt wurden. Es war nämlich Leop. von Buch selbst, welcher die Abhandlung Schimper’s auf der Naturforscher-Versammlung zu „Erlangen 1840 vorlas und ver- urtheilte. Herr Dr. Eyrich schreibt über die Sache Folgendes: „schimper war im Jahre 1840 im Auftrage des damaligen Kronprinzen Max von Bayern mit der Durchforschung der bayerischen Kalkalpen be- schäftigt, konnte selbst an der Versammlung in Erlangen nicht persön- lichen Antheil nehmen und schickte deshalb einen Bericht über die Er- gebnisse seiner bisherigen Forschungen zur Vorlage in den Sitzungen ein. Der auf die vorliegende Frage sich beziehende Theil des Reiseberichts, also die von Schimper gezogenen Schlussfolgerungen seiner Beobachtungen und Untersuchungen finden sich auf Seite 99 und 100 der Erlanger Ver- handlungen vom Jahre 1840, lautend wie folgt: Pag. 99: ,,,, — ich breche von diesem Thema ab, um das Wich- tigste von den Schichtungsrichtungen, von Streichen und Fallen anzu- deuten, die ich aufs Sorgfältigste beobachtet habe, wo ich nur war, und wobei freilich die Beaumont’sche Lehre vom Parallelismus übel weg- kommen muss, da sich ergiebt, dass ungleichartige Richtungen wesent- lich zusammen gehören, und gleichzeitig intendirt waren. Uebrigens sieht man, wie ich noch hinsichtlich der Constitution der Massen bei- fügen will, dass neben der rohen plutonistischen Ansicht, die übrigens es doch mit der Erklärung gewisser Facta aufnehmen will, (Pag. 100) um welche die Wassermänner blos herumrudern, — noch eine Auf- fassung existiren kann und nothwendig Platz greifen muss, die auf Be- obachtung und Erwägung des ganzen (Cyclus zusammengehörender Phänomene sich gründet, und nicht eine nur beiläufig erfasste impo- nirende Einzelheit allein in Rechnung bringt. Mit dem Streichen und Fallen der Schichten ist es gerade auch so. Es ist, im Angesicht der Alpen, eine unbegreifliche Lächerlichkeit, den mechanischen Charakter dieser Erhöhungen, Durchgänge und Stutzungen der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur, 317 in Abrede stellen zu wollen. Milliarden von Bergspiegeln und Harnischen in allen Gesteins-Nüancen, vom harten, dichten und feinkörnigen Kalk bis zum Mergel und Conglomerat der Molasse und der Braunkohlen- Schichten, legen allein schon hinlänglich lautes Zeugniss ab — aber nichts ist weniger der Fall, als dass der Anstoss zur Hebung von etwas ausgegangen, das heraus brechen wollte. Alle von mir in den schweizer Alpen, im Jura und in den bayerischen Alpen gesehenen Verhältnisse widersprechen einer solchen Annahme direct, die an gewissen Stellen blos äusserlich richtig erscheinen kann. Alles aber beweist, dass die Erhebung sowohl gewölbter als imbricirter geschichteter Massen in Folge jenes Horizontal-Druckes entstanden ist, den sich eine schwere Erdrinde selbst geben musste, als der Erdkern, auf dem sie aufliegt, kleiner wurde. Es ist dies nicht eine Annahme, die man bei Erwägung ‘“ der alpinischen Verhältnisse dahingestellt sein lassen kann; nein, es ist fast jeder kleine Bezirk schon so beschaffen, dass etwas anderes als Horizontaldruck gar nicht zulässig erscheint. Dass dann bei den er- folgenden Auf- und Einstülpungen auch ein Unterstes herauskommen muss, ist naturnothwendig, eine Folge des Ausweichens im Grossen, und wenn dabei eingeklemmter und gequetschter Brei der Tiefe durch Klüfte hervortritt, so ist nicht er das hebende, sondern gehoben durch das, was sich in zerbrochenen Falten zusammengethan und geselzt hat. Diese Ansicht muss einleuchten, sobald die von mir beobachteten That- sachen in graphischen Darstellungen klar vor Augen liegen, und aus gehöriger Würdigung der ihr zu Grunde liegenden, überall wieder- kehrenden Facta, auf welche die gangbaren Theorien nicht einmal bei- läufig eine Anwendung finden, weshalb man auch gleichsam blind für dieselben geblieben ist, gehen hoffentlich ganz weue und allgemein wichtige Erklärungsmittel hervor.“ “ ') „Es ergiebt sich klar hieraus, dass Dr. Garl Friedrich Schimper schon vor 46 Jahren das ausgesprochen, klar und deutlich ausgesprochen hat, was die heutige „Faltungstheorie‘“ lehrt. „Es ist klar, dass eine solche Ansicht, die mit den Lehren jener Zeit absolut nicht im Einklange stand, als Ketzerei verworfen werden musste, und dieses durch den Mund Leopold v. Buch’s ausgesprochene Verdam- mungsurtheil war es, welches Schimper’s damalige Stellung in München !) Eine Anmerkung besagt noch: „Die hier beigefügten Durchschnitts-Zeich- nungen schienen ohne Beeinträchtigung des Verständnisses beim Abdruck weg- gelassen werden zu können“ und pag. 101 findet sich: „Zweite Sitzung am 21: September: 1) Dr. Zehler las vor Allem den obenstehenden Aufsatz des Herrn Dr. Schimper vollständig vor, worauf Herr v. Buch einige beurtheilende Bemerkungen folgen liess“, über deren Inhalt aber leider nichts Schriftliches ‚vorliegt. ! 18 Jahres-Bericht und in der Wissenschaft schwer schädigte und von grossem Einfluss und unheilvoll nachhaltiger Wirkung auf Schimper’s Gemüthsstimmung für lange Zeit ward. Schimper, dessen umfassender Scharfblick sich in der Be- urtheilung der Thatsache nicht geirrt hatte, und der ihn befähigte, eine grosse Reihe scheinbar weit auseinander liegender Erscheinungen und Er- fahrungen durch einen causalen Gedanken zu verbinden und dem der Erscheinung zu Grunde liegenden Gesetze nachzuspüren, wurde durch die ihm damals gewordene schroffe Abfertigung schwer gekränkt und bei seiner Eigenthümlichkeit, eine für ihn klare und gründlich erkannte Sache nur einmal zu behandeln und dann seinen stets regen Geist wieder neuen Wissenschaftsgebieten zuzuwenden, war es für ihn eine Unmöglichkeit, nochmals später in Form einer zweiten wissenschaftlichen Abhandlung über denselben Gegenstaud zu sprechen und Irrthümer und Widersprüche der Gegner zu entkräften! „Allein das abfällige Urtheil Leopold v. Buch’s konnte ihm die Un- richtigkeit seiner eigenen Ansicht nicht beweisen, und obwohl es ihn von weiteren grösseren Publikationen in Bezug auf Entstehung und Erhebung der Alpen abhielt, bin ich doch noch weiter in der Lage, ein Paar andere Stellen aus seinen Schriften zu eitiren, die meine ausgesprochene Ansicht . von seiner Priorität wesentlich unterstützen. „Einige neuere Publikationen gebrauchen zur Erläuterung der durch Abkühlung und Zusammenziehung der Erdmasse hervorgebrachten Faltung der Oberfläche das Bild eines austrocknenden Apfels. Nun dieses Beispiel rührt gerade von Schimper her — er gebraucht nur statt des Apfels — eine Birne! „Ich bringe auch hierfür den Beleg; er ist dem ersten Bande der „Gedichte“ von Carl Fr. Schimper, Erlangen 1840, bei Ferdinand Enke, entnommen und findet sich dort pag. 300 unter der Aufschrift: „Gebirgs- bildung“. „Bruder des Zeus, Neptun, Dreizackausreckender, und Du, Schmiedender Sohn, Vulkan, wollt ihr die Herrschaft der Welt? Neptunisten dahier und Vulkanisten, die Losen, Schleichen sich, in Theorie! auf zu dem Adler am Fels. Aber es reicht schon noch, dass der Donnerer blitzt, und sie purzeln, Plutonisten sodann, nieder in tiefstes Geklüft. ; Wiederum gleich theoretisch gesprengt von den Meistern ist Alles, Pluto’s Thor fährt auf vor der gedunsenen Kunst. Äolus, was kannst Du? Sie tändeln mit ganzen Gebirgen, Die sie herunter hinauf treiben mit Brei von Granit. Aber es kommt zum Glück nun hilfreich Pallas Athene, Scheucht das Gelichter und schafft Frieden und freien Verstand. Hungernde führt sie zum Koch, der die Speisen bereitet mit Feuer, Aber mit Wasser zugleich, wenn er das Rohe gekauft. der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur, 919 Lechzende lehrt sie zur Zeit klug meiden das Wasser und labt sie Besser mit Eis, das hoch fern im Gebirge gefror. Kindlichem Blick aufhelfend ersinnt sie ein anderes Beispiel, Zeigt mit Gebirgen bedeckt eine verhuzelte Birn. Wiedergeboren, befreit und besonnener finde die Neuzeit, Was schon die alte geahnt, künftige sicher besitzt. Runzeln beloben sie noch als strotzende Fülle der Jugend: Grosses Geschlecht, das so ritterlich zart sich erweist! Das galiläische Folter verübt an dem Sänger der Eiszeit, Oder mit Diebssinn ihn, Tiefes verflachend, bestahl, Während Aglastergeschwätz einer diebischen Elster die Menge Ehrlich und dumm und stumm oder bektatschend bestaunt! Grosses Geschlecht, dir bleibt auch Grösseres immer zu klein noch: Auch die Entfernung ist gross zwischen dem Grossen und Dir! „Bedürfen diese Zeilen, die offenbar in innigem Zusammenhange stehen mit den Ereignissen in Erlangen und überall eine feine Ironie hindurch- leuchten lassen, einer weiteren Erörterung oder sprechen sie nicht schon an und für sich klar zur Sache — so klar, wie ihr Titel „Gebirgs- bildung‘? Ich habe schon oben angedeutet, dass Schimper’s stets reger und neue Zweige des Wissens anbahnender Geist ihm nie gestattete, noch länger bei einer für ihn erledigten Sache zu verweilen und an anderer Stelle gezeigt'), in welch’ origineller Weise er oft irgend eine bedeutsame Wahrnehmung, eine wissenschaftliche Hypothese oder eine klar erkannte Wahrheit zur allgemeinen Kenntniss zu bringen suchte und dass er hierfür nicht die sonst in den Naturwissenschaften übliche Form der Monographie, sondern die etwas eigenthümliche Gewandung des Lehrgedichtes, des Sonettes u. s. w. wählte. Aber durch Schimper’s ganzes Wesen, so streng logisch auch sein Geist angelegt und geschult war, zog eben mil- dernd und verschönend, mit den Härten und Schroffheiten der äusseren Form aussöhnend, ein tiefer poetischer Drang, eine kindlich reine An- schauung der Natur, die ihn auch unwiderstehlich zum Dichter, zum Dichter in des Wortes vollster und edelster Bedeutung, machten! „So geht in eigenartiger Doppelnatur neben dem Naturforscher Schimper auch der Dichter einher, dem die göttliche Muse den Griffel in die Hand drängt, um bald im Lehrgedicht, bald im Sonett, im Lapidarstyl, dem Auge des Eingeweihten klar in kurzen Zügen die Geschichte einer grossen Ent- deckung zu skizziren. „Im Jahre 1847 (im September) hat Schimper zur 14. Stiftungsfeier des Mannheimer Vereins für Naturkunde eine Festgabe „Blick auf die Naturwissenschaften“ veröffentlicht, mit der Bemerkung, „eine Deposition, !) Ueber Eintheilung und Succession der Organismen u. Ss. W. Mannheim 1884. Jahresbericht des Mannheimer Vereins für Naturkunde, 320 Jahres- Bericht auf die der Autor einmal zurückkommen wird“ — eine ziemlich lakonische Niederlegung bedeutender und vielseitiger Forschung und Speculation. Ich entnehme diesem Schriftehen, welches im 2. Bande der Gedichte von K. F. Schimper (Mannheim 1846, Heinrich Hoff) ebenfalls enthalten ist, die folgende beweiskräftige Stelle: Die Aendrung des Volumens, Andrang des Faltenthumes, Des Riesendruckes Stauung, Entladung, Bergaufbauung, Mit Hitz- und Frosteffecten, Den längst von mir entdeckten, Sie sind Privatgeschichte, Davon die Hauptberichte Auf Schmettertafeln stehen: Ihr habt nur nachzusehen! Die steh’n zu Millionen Im Felswerk aller Zonen u. s. w. Kürzer als mit den Worten ‚die Aendrung des Volumens, Andrang des Faltenthumes, des Riesendruckes Stauung, Entladung, Bergaufbauung“ lässt sich die neue Theorie nicht wiedergeben! „Es lässt sich nach allem Angeführten wohl nicht mehr daran zweifeln, dass Dr. Carl Fr. Schimper schon im Jahre 1840 mit den durch Leopold v. Buch, Beaumont, Humboldt u. s. w. vertretenen Ansichten entschieden gebrochen hatte, voll und ganz auf dem heutigen Standpunkte dieses Zweiges der Wissenschaft angelangt war und es ist nur zu beklagen, dass die dem Originalberichte von 1840 beigefügten Zeichnungen damals nicht zum Ab- drucke gelangten und verschwunden sind — eine Anmerkung in den Verhandlungen (Pag. 94) sagt: „Die hier beigefügten Durchschnitts- Zeichnungen schienen ohne Beeinträchtigung des Verständnisses beim Ab- drucke weggelassen werden zu können.“ „Es folgt aber weiter, dass somit Schimper erstmals die Lehre von der Erhebung der Gebirge, speciell der Alpen, durch Seitendruck aufgestellt, dass er zuerst gegen die Annahme der Hebung durch eruptive Bildungen u. s. w. aufgetreten und es erscheint mir als sicher, dass die moderne Theorie in ihren Grundprineipien mit der Schimper’schen Lehre, wie sie in den Erlanger Acten niedergelegt ist, übereinstimmt.“ — So weit Herr Dr. Eirich. Der betreffende Bogen der Erlanger Verhandlungen des Jahres 1840 wurde vom Vortragenden vorgelegt. \ Dr. Gürich legte etwa zollgrosse, unregelmässig begrenzte Fragmente schwarzen Turmalins aus Afrika vor. Er verdankt dieselben der freundlichen Vermittelung seines früheren Reisegefährten, des Entomologen Herrn Staudinger. Aehnliche Stücke der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. Joa fanden sich nach der Mittheilung des Reisenden in grosser Zahl beim Ab- stiege von der nördlich von Panda sich erhebenden Gebirgskette in der Nähe des Passes von Kukui. Panda liegt 8 Tagereisen nördlich von Loko am Benu@, nordöstlich von der Mündung dieses Flusses in den Niger. Als Muttergestein des Turmalin wird Granit angegeben. Ein ganz ähnliches Vorkommen grosser Turmaline wird von Pechuel-Loesche aus dem Granit- sebiete östlich der Walfischbay in Südwest-Afrika angegeben. Derselbe legte einige Kreideversteinerungen aus Südwest-Afrika vor. Dieselben befanden sich unter einer umfangreichen Collection quar- tärer Conchylien vom Strande aus der Nähe von Mossamedes, welche das Rheinische Mineralien-Comptoir von A. Krantz in Bonn dem Vortragenden zur Bestimmung überlassen hatte. Der Fundort ist St. Nicolau, unter 14° 23° s. Br., unterhalb des 3 km von der Küste am rechten Ufer des gleichnamigen Flusses auftretenden Basaltes. Die vorliegenden Reste sind ausschliesslich Zweischaler und zudem theilweise nur als Steinkerne erhalten. Das Gestein ist ein poröser, rother, sehr kalkiger Sandstein. Am zahlreichsten sind Reste einer Trigonoarca; Steinkerne und Abdrücke des Schlosses lassen die generische Bestimmung als gesichert erscheinen; der allgemeinen Form nach zeigen die Stücke eine gewisse Uebereinstimmung mit Tr. Trichino- politensis Forb. aus der oberen Kreide Indiens (Stoliczka, Cretaceous Fauna of Southern India. Pelekypoda Taf. XX), unterscheidet sich jedoch durch die schlanke Form und die mehr nach vorn gerückten Wirbel von dieser Art. Es liegen ferner einige Cyprinen vor, die mit ebendaselbst (Taf. IX) abgebildeten Cyprina Forbesiana (Stol.) übereinstimmen. Zwei deutliche, in körnigen Kalk umgewandelte, dieser Art sehr nahe stehende Cyprinen- Schalen waren mit augenscheinlich falschen Fundortsangaben versehen. Ein Steinkern von Crassatella, ein Steinkern von Chama, mehrere von Exogyra, die mit der von Stoliczka abgebildeten Ostracina einigermaassen vergleichbar ist, haben die Höpfner’sche Fundortsangabe: Küstenorte in der Nähe von Mossamedes. Da diese Reste ein etwas anderes Aussehen haben, als die von St. Nicolau angegebenen Trigonoarca und Cyprina, so ist an- zunehmen, dass sie von einem anderen Fundort oder wenigstens aus einer anderen Schicht als jene stammen. Die nächsten in West-Afrika bekannten Kreidevorkommnisse sind die von den Eloby-Inseln und dem gegenüberliegenden Festlande unter dem Aequator, sowie von einem Punkte südlich von Mossamedes unter 110, s. Br. An beiden Orten ist Cenoman durch Ammoniten nachgewiesen. Ob das Vorkommen von St. Nicolau auch dem Cenoman zuzurechnen ist, lässt sich aus den vorhandenen Resten nicht ersehen, die Möglichkeit, dass die Schichten höheren Horizonten angehören, ist nicht ausgeschlossen, Jahres - Bericht bo bo bo Sitzung am 9. Juni 1887. Herr Professor Dr. Hintze berichtete über die Auffindung von Zinkblende als Drusenmineral im Striegauer Granit. Auf einer Excursion nach Striegau gelangte der Vortragende in den Besitz einer kleinen Stufe, einem Drusenraum des Granits der Fuchsberge entstammend, wesentlich bestehend aus Albit, mit Kalifeldspath, wenig Quarz, reichlich Hornblende, ohne Glimmer. Auf dem Albit sitzt ein Kıystall von Zinkblende, welche von Striegau noch nicht bekannt ist. Der Zinkblende-Krystall stellt ein Tetraöder von 4 mm Kantenlänge dar, mit glänzenden Flächen, ganz untergeordnet das matte Gegentetraäder. Auf den glänzenden Tetraäderflächen erheben sich orientirt, aber in un- regelmässiger Vertheilung und verschiedener Ausdehnung oktaödrische Sub- individuen, welche dadurch die Hauptgestalt des Krystalls einigermaassen entstellen. Die Subindividuen, bei welchen sich, wie angedeutet, beide Tetraöder im Gleichgewicht befinden, sind durchaus glänzend und zeigen auch das Dodekaeder und ein Pyramidenoktaöder, welches durch Messung als }331$| 30 = (a:a:3a) bestimmt wurde: (111) : (331) gemessen — 21° 44, berechnet = 22° 0". Da nach den neueren Untersuchungen Glanz und Flächenausdehnung zur Unterscheidung positiver und negativer Formen nicht brauchbar sind, andererseits der vorliegende Krystall, so lange er Unicum ist, nicht zu den allein maassgebenden Aetzversuchen verwendet werden darf, so kann vor- läufig nicht entschieden werden, ob die Hauptgestalt des Krystalls dem positiven oder negativen Tetra&der angehört. Jedenfalls aber zeigen die Subindividuen sowohl das positive als das negative Deltoiddodekaäder k }331, während an anderen Zinkblenden nur das negative k }331| der üblichen Stellung beobachtet worden ist. Die Farbe der Striegauer Zinkblende ist schwarzbraun,. wie diejenige der von Neudorf am Harz. Herr Privatdocent Dr. Gürich legte einige paläontologische Neuigkeiten aus Oberschlesien vor. 1. Eine Platte Schieferthon mit etwa 6 40-45 mm grossen Fischschuppen aus dem Steinkohlengebirge der Alfredgrube bei Laurahütte O/S. Dieselbe stammt aus der marinen Schicht unter dem Sattelflötz, wurde von Herrn Steiger Tietze seiner Zeit aufgefunden und durch Herrn Bergrath Möcke dem Vortragenden übermittelt. Die Form der Schuppen ist unregelmässig elliptisch: bemerkenswerth ist die der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 395 Sculptur. In derselben Weise wie Geheimrath Prof. Dr. Ferd. Römer die in der Rudolphgrube bei Neurode gefundenen und zu Rhizodus Hibberti Ag. bezogenen Fischschuppen (Zeitschr. d. Deutsch. Geol. Ges. 17. 1865 p. 272) beschreibt, lassen sich auch an den vorliegenden Schuppen zwei Regionen unterscheiden, die sich der Grösse nach wie 1:3 oder 1:4 verhalten. Die kleinere Partie bildet einen Sector, reicht nicht ganz bis zur Mitte und weist eine gröbere Sculptur auf, deren Elemente vor- herrschend in radialer Richtung angeordnet sind; zu dem scheint dieser Theil der Schuppen dicker und von weniger compacter, wahrscheinlich blasiger Structur gewesen zu sein. Der übrige Theil der Schuppen ist mit sehr feinen, dicht gedrängten Körnchen besetzt, die in der Mitte regellos, nach den Rändern zu mehr radial sich anordnen und am äussersten Rande in radiale Streifen zusammen fliessen. Der einzige Unterschied der vorliegenden Schuppen von den Niederschlesischen besteht darin, dass die Körnelung der grösseren Schuppenregion der ersteren bei weitem feiner ist als bei letzteren. Da also eine völlige Uebereinstimmung nicht zu constatiren ist, so mögen die oberschlesischen Schuppen einst- weilen als Rhizodus cf. Hibberti Ag. bezeichnet werden. 2. Ein Fragment eines Fisches aus dem Muschelkalk von Gogolin ; es umfasst ausser dem Kopfe nur den vordersten Theil der Brustregion. Das Thier ist etwa den dritten Theil so gross als der von Dr. Kunisch beschriebene Dactylolepis Gogolinensis und gehört voraussichtlich einer anderen Art an. 3. Mehrere auf Saurichthys zu beziehende Reste aus dem Muschel- kalk. Zunächst liegt ein Schädelfragment vor, das die Schnauzenspitze und den grössten Theil der Schädeldecke umfasst, mit der Gaumenfläche im Gestein und mit der Stirnseite nach oben liegt. Es rührt aus einem Bruche von Krappitz her. Die Gesammtlänge beträgt 175 mm, davon fallen 85 mm auf die Schnauze, die vorn sehr schnell sich schnabelartig verjüngt, 5 mm von der Spitze 5 mm breit ist und sich von da bis zum hinteren Ende der Schnauze bis auf 17 mm gleichmässig verbreitert. Der Schädel selbst ist flach gedrückt; sein Umriss verläuft folgendermassen: In den ersten 16 mm der Längenerstreckung verbreitert er sich geradlinig von 17—30 mm, diese Strecke bezeichne ich hier als Stirnabfall; dieser Rand ragt beiderseits über das Niveau des Schädels hervor, als ob der Knochen stärker wäre oder eine darüber befindliche verticale Knochenwand denselben hervorgestülpt hätte. Dann folgt auf die Länge von 36 mm eine Strecke, die ich hier der leichteren Orientirung wegen als Stirnfläche bezeichne, mit einer sehr flachen Einbuchtung beiderseits sich bis auf 46 mm verbreiternd, dann auf 7 mm eine plötzliche Verschmälerung auf 37 mm. Der Rest verbreitert sich sehr allmälig und ist hinten etwas zugerundet. 224 Jahres-Bericht In der Mediane ist das Fragment hinten tief ausgebuchtet. Die -Er- haltung betreffend, ist der vordere Theil der Schnauze ganz erhalten, also deren obere Aussenseite entblösst, dann ıst die ziemlich dicke Knochen- decke weggebrochen und man sieht in der hinteren Hälfte der Schnauze zum Theil die Gesteinsmassen, zum Theil die Gaumendecke von ihrer oberen, also inneren Seite. Vom Schädelfragment ist der hintere linke Flügel weggebrochen, aber aus dem Abdruck im Gestein ist zu ersehen, dass der Umriss auf dieser Seite, demjenigen der rechten völlig entsprach. Von der unteren Schädeldecke ist an dem vorliegenden Stücke nichts wahrzunehmen. Der vordere Theil der Schnauze besteht augenscheinlich aus einem Stück ohne Nähte. An der inneren Gaumenfläche erkennt man beiderseits die von oben rinnenartig vertieften Oberkiefer, dann folgt beiderseits nach innen ein schmaler Spalt; den Mittelraum nimmt ein schmaler ebenfalls rinnenförmig vertiefter Knochen ein, der vorn mit dem Oberkiefer beiderseits verwächst. Am Schädel sind Nähte nicht zu er- kennen; nur an den beiden hinteren Ecken der hier sogenannten Stirn- fläche ist ein sehr schmales dreieckiges Knochenstück mit einer deutlichen Naht in der Längsrichtung angefügt. Wohl lässt die schwache Seulptur der Schädeldecke in kleinen runden Grübchen und schwachen strahligen Furchen bestehend einige Ossificationscentren erkennen, aber die vielfachen Brüche der Knochendecke machen ein specielleres Eingehen unmöglich. Eine feine Granulation, wie sie von anderen Saurichthysschädeln angegeben wird, ist hier nicht zu erkennen; es entspricht: dieselbe jedenfalls einer äusserst dünnen Knochenschicht, die im vorliegenden Exemplare nicht erhalten ist. Der vorliegende Schädel nähert sich in seinen Dimensionen und der allgemeinen Form am meisten der Abbildung von Saurichthys apicalis Ag. in Münster’s Beiträgen Bd. 1 Taf. 14 Fig. 1, sodass er wahrscheinlich der- selben Art angehören wird, obwohl sich dies nach der Abbildung allein und bei der schlechteren Erhaltung des Münster’schen Exemplars nicht besimmt feststellen lässt. Leider lässt sich auch bei der Erhaltung unseres Exemplars mit Sicherheit kaum sagen, wo die Augenhöhlen zu suchen sind; vielleicht hinter dem „Stirnabfall“ am vorderen Ende der Stirnfläche; übrigens würde auch diese Stelle der vorderen Einbuchtung bei Saurichthys tenuirostris entsprechen, die höchst wahrscheinlich als Augenhöhlen auf- zufassen sind. Ausser dem Schädel liegen noch zwei Unterkiefer vor, die entweder derselben oder einer sehr nahestehenden Art angehören. Der eine, ein Fragment von 65 mm Länge, stammt aus Gogolin; er rührt aus dem vorderen Theile der Schnauze, ist aber vorn und hinten verbrochen. Die Kieferäste sind vorn mit einander fest verwachsen; im Querschnitt ergiebt dieser Theil des Kiefers ein schlankes Dreieck, dessen nach unten gekehrte Spitze ein wenig abgestutzt ist. Etwas unterhalb des dicken Oberrandes der Schles. Gesellschaft für vateri. Cultur. 325 des Unterkiefer-Knochens ragt auf dessen Innenseite eine Leiste schräg nach innen und oben und bildet so mit dem Oberrande des Kiefers eine Rinne. Die Zähne von der bekannten Form stehen nun so, dass sie aussen mit dem ÖOberrande des Kiefers verwachsen sind und mit dem Fusse in der Rinne stehen. Sie stehen nicht dicht gedrängt und sind von wechselnder Grösse. Der andere Unterkiefer stammt aus dem Steinbruch am Königshütter Wasserthurm an der Chaussee nach Beuthen. Das Frag- ment umfasst den hinteren Theil des Unterkiefers mit Gelenkköpfen und ist 105 mm lang. Die Bezahnung ist dieselbe wie bei vorigem Exemplar; die Zähne stehen etwas schief nach innen geneigt, die inneren Leisten stossen vorn in der Mediane zusammen, weiter hinten zeigen sie eine scharfe Um- biegung nach unten. Die Theile des Unterkiefers befinden sich alle in ungestörter Lage, obgleich die Knochenverbindung keine sehr feste gewesen zu sein scheint. Der flache Oberrand der Kiefer steigt hinten allmählig bis zum Gelenk an. Die Höhe des Knochens beträgt am vorderen verbrochenen Ende 9, an seiner höchsten Stelle 15 mm. Was die Sculptur des vorderen Theils anlangt, so ist auf den Aussenwänden eine dünne Schicht erhalten, die sehr flache, undulöse oben und unten nach vorn gekrümmte Rippen aufweisst; in einer mittleren unregelmässigen Längslinie stossen diese Rippen von oben und unten zusammen. Auf der Unterseite verlaufen sie in eine netzartige Sculptur. Auf der Oberseite neben den Zähnen ist der Knochen vielleicht mit warziger Oberfläche versehen gewesen. Dieser vordere grosse Theil ist das Dentale. Das Articulare hat hinten in seiner oberen Ecke, dem höchsten Punkte des ganzen Kiefers, eine Art Rolle von 7 mm Breite, vor welcher auf der einen Seite eine wannenartige Vertiefung herauspräparirt ist; letztere diente augenscheinlich zur Aufnahme eines Gelenkkopfes; vorn ist das Artieulare mit seiner Aussenseite an die Innenseite des sich schuppig verdünnenden Dentale befestigt. Ein anderer Knochen, das Angulare, hat seine Lage an der stumpfgerundeten unteren Hinterdecke des ganzen Kiefers; es hat, nach dem erhaltenen Fragment zu urtheilen, die Gestalt eines stumpfen Dreiecks, das seine längste Seite (35 mm) nach oben und in sanftem Abfall nach vorn richtet. Hinten und oben ist es mit dem Artieulare verwachsen, vorn legt es sich schuppig an die Innenseite des Dentale an. Aussen zeigt es eine sehr zierliche strahlige Seulptur, deren Ausgangspunkt in der hinteren unteren Ecke sich befindet. Der Abstand der beiden äusseren Enden der Rollen beträgt 43 mm; der Umriss des Kiefers ist derartig, dass er von vorn nach hinten erst allmählich, zuletzt sich stärker verbreitert und vor dem hinteren Ende noch eine flache Ausbuchtung hinweist. Dieser Unterkiefer würde nur dänn zu dem oben geschilderten Schädel passen, wenn die Eingelenkung des Unterkiefers an den hinteren Ecken der „Stirnfläche‘ 1887. 15 226 Jahres-Bericht erfolgte, das ist aber nicht wahrscheinlich, und es wird demnach dieser zweite Oberkiefer einer zweiten, nahestehenden Art angehören. Der erst- geschilderte Unterkiefer ist auf ein kleineres Individuum zu beziehen; die Art muss vorläufig unentschieden bleiben. Ein weiteres Fragment von Krappitz gehört ohne Zweifel zu Saurich- thys (2) sp. n. Eck. (Ueber die Formationen des bunten Sandsteins und des Muschelkalks in Oberschlesien, Taf. II Fig. 5.) Das Fragment umfasst das vorderste Schnauzenende in einer Länge von 17 mm. Das vordere Ende ist auf 3 mm Breite plötzlich abgestuzt; der Kiefer scheint vor seiner Einbettung ins Gestein, vielleicht sogar noch bei Lebzeiten des Thieres etwas verstümmelt zu sein. Von hier aus nimmt das Fragment bis zum hinteren :verbrochenen Ende bis zu 5 mm an Breite zu. Das Mittelfeld der Unterseite ist ganz wie bei dem Original- Exemplar zu der Eck’schen Figur unregelmässig mit kleinen Kegelzähnen besetzt, auf deren Spitze ein noch stumpferer Schmelzkegel aufgesetzt ist; der untere Rand des Schmelzkegels tritt über das Niveau des Zahnkegels heraus, so, dass im Profil gesehen der Schmelzkegel wie aufgesetzt, resp. die Zahnbasis unter dem Kegel wie zusammengeschrumpft erscheint. Auf den scharf abgesetzten Seitenfeldern, den eigentlichen Kieferknochen, steht nur eine Reihe grosser -Zähne, deren Kronen sämmtlich weggebrochen sind. Das Fragment zeigt auf der Oberseite eine flache Längsfurche und ist sowohl dort, wie auf den Seitenflächen mit verschieden grossen Wärzchen un- regelmässig besetzt. Endlich liegt noch ein Unterkieferfragment von 55 mm Länge vor, das aus dem grossen Bruch von Madzejkowitz bei Königshütte stammt. Es ist vorn und hinten verstümmelt, die Kieferäste sind etwas gegen- einander verschoben, es weist aber deutliche Unterscheidungsmerkmale auf, die es von den vorherbeschriebenen Arten entfernen. Einmal wächst der Kiefer nach hinten schneller an Höhe an, vorn ist er 7 mm, am hinteren Ende 14 mm hoch. Am wesentlichsten ist aber das Verhalten der Zahn- flächen: Die Hauptzähne stehen in einer unregelmässigen Reihe auf der Oberkante des Kieferknochens, dahinter erhebt sich ein Polster von etwa 3 mm Breite, das sich innen nach unten umkrümmt und völlig mit dicht gedrängten Warzen besetzt ist; von letzteren scheinen sich die kleinen Zähne, die zwischen oder auch neben den Hauptzähnen der Kieferreihe stehen, nur durch das Schmelzkrönchen zu unterscheiden. Wenn sie an- gebrochen sind, erscheinen sie beide nur als hohle Emporstülpungen der äussersten Knochenlage. Auch die untere Fläche der Kiefer ist in gleicher Weise gewarzt; dagegen zeigen die Seitenflächen eine ähnliche Seulptur, wie es von dem grossen Unterkiefer vom Königshütter Wasser- thurm geschildert worden ist. Diese breiten Warzenkissen innerhalb der Zahnreihen legen die Vermuthung nahe, dass auch der zugehörige Ober- kiefer eine entsprechende Einrichtung besass. Einigermaassen diesen An- der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 3937 forderungen entsprechen würde der von Eck publicirte Oberkiefer. : Ge- hört also der eben beschriebene Unterkiefer nicht einem ganz neuen Typus an, so ist mit grösster Wahrscheinlichkeit seine Zugehörigkeit zu der von Eck abgebildeten, aber unbenannten Art anzunehmen. Abgesehen von dem angeführten Grunde, stimmt auch die Art und Weise der Be- warzung und das Verhalten der Zähne auffallend überein. Schon Eck hatte nur mit Zweifel den von ihm beschriebenen Ober- kiefer zu Saurichthys gestellt; der muthmaasslich dazu gerechnete Unter- kiefer würde auch eine generische Lostrennung von Saurichthys er- heischen. Wegen des noch zu unvollständig vorliegenden Materials soll dieselbe indess hiernach nicht durchgeführt werden. Jedenfalls würden aber die beiden Genera trotz der abweichenden Bezahnung einander nahe verwandt sein. Des weiteren halte ich es für sehr wahrscheinlich, dass die zierlichen Schädel von Saurichthys tennirostris Münst. einen dritten generischen Typus repräsentiren, der auch zur Familie der Saurichthyden zu stellen wäre. Wenigstens scheint mir H. v. Meyers erste Angabe über diese Art (Palaeontographica BI, pag. 201) insbesondere über deren Zahn- losigkeit zu bestimmt aufzutreten, als dass mir seine zweite Annahme (Neues Jahrb. 1851, pag. 679) wahrscheinlich erschiene; möglicherweise gehört der daselbst auf tennirostris bezogene Unterkiefer zu einer Art aus der Verwandtschaft des S. apicalis. Auf die Frage der systematischen Stellung der Saurichthyden überhaupt soll hier vorläufig auch nicht ein- gegangen werden, ist doch von dem hinteren Theil des Schädels, sowie von dem ganzen übrigen Skelett des Thieres nichts bekannt. 4%. Eine Hautknochenplatte aus dem Muschelkalk von Gogolin. Dieselbe stammt aus einem der südlichsten Brüche in der Nähe des Sacrauer Kalkofens. Das Fragment ist 10 cm lang, 55 mm breit und quer, wie es scheint, in der Mitte abgebrochen. Auf dem Querbruch ist die Platte in der Mitte 8 mm diek; nach „hinten“ wird sie allmählich dünner. ,Vorn“ lässt der Querbruch eine ansehnliche Verdiekung erkennen, die als untere Längsleiste, längs des „Vorderrandes“ aufzufassen ist. Da sie z. Th. in Gestein verborgen ist, lässt sie sich nicht mit völliger Sicherheit wahrnehmen. Diese angenommene Vorderseite ist die längste Seite des trapezoiden Umrisses. Der Hinterrand convergirt mit dem Vorderrande nach dem erhaltenen Ende zu und biegt sich, ehe er die gleiche Länge wie dieser erreicht hat, im stumpfen Winkel nach dem erhaltenen Seitenrande um, der unter einem nahezu‘ rechten Winkel mit dem Vorderrande in einer scharfen Ecke zusammenstösst. Der Umriss ist an Hinter- und Seitenrand in Folge der Verflachung des Knochens nicht scharf, wogegen der Vorderrand in Folge der Verdickung scharf abgesetzt ist. Er ist am abgebrochenen Ende, der angenommenen Mitte des Stückes, schwach nach aussen gewölbt, nach dem Ende zu schwach eingebuchtet, am Ende wieder bis zu der * 15 398 Jahres-Bericht scharfen Seitenecke vorgezogen. Die Oberfläche der Platte ist flach ge- wölbt, nach vorn steiler als nach hinten und seitwärts abfallend. Die Seulptur ist grob und unregelmässig netzig maschig, nach den Rändern zu radial auslaufend; der Ausgangspunkt ist die weggebrochene Vorder- ecke, die angenommene Mitte der Vorderseite. Die Netzmaschen, nicht unter 8 mm lang, sind stark rhombisch ausgezogen, am schärfsten ist ihre Begrenzung an der nach dem Ausgangspunkt gerichteten Ecke; die Begrenzung der entgegengesetzten Ecke ist verwaschen. Zudem ist in den ' meisten Maschen in der erst genannten Ecke ein nach dem Centrum zu gerichtetes nadelstichartiges Loch erkennbar. Die die Maschen begrenzen- den Rippen haben keine gradlinigen Ränder und sind namentlich nach dem Hinter- und Seitenrande zu flach gewölbt. Längs dieser Ränder sind eigentliche Maschen nicht mehr vorhanden. Die Form des Fragments zu ergänzen, dürfte nicht räthlich sein. In der obigen Darstellung wurde der Anschaulichkeit wegen angenommen, dass das Fragment die rechte Hälfte eines symmetrischen Knochens darstellt. Es ist indess auch möglich, dass das ÖOssificationscentrum eine unsymmetrische Lage einnahm, oder wo- möglich ganz in einer Ecke lag. Aus demselben Grunde ist auch die Be- stimmung des Knochens eine schwierige. Bemerkenswerth ist die Angabe von H. v. Meyer (die Saurier des Muschelkalks pag. 78) über Xestorrhytias; die Sculptur des unter diesem Namen bezeichneten Schädeldeckfragmentes bietet einige Anklänge an das vorliegende Stück. Zu den Schädeldeck- knochen scheint dieses indess nicht zu gehören und unter den bekannten Mastodonsaurusschildern lässt sich eine analoge Form nicht herausfinden. Form des Schildes und Verlauf der Sculptur erinnern vielmehr an Schilder wie der von H. v. Meyer zu Belodon (Palaeontographica. XVII, Taf. 28, Fig. 4) oder der von Huxley zu Steganolepis gerechnete Haut- knochen (Quart. Jour. B XVII, 1859, Taf. 14, Fig. 2), wenngleich diese beiden letzteren keine untere Leiste, wohl aber eine obere Verdickung, einen glatten Knoten im ÖOssificationscentrum haben. Es werden daher zur Bestimmung dieser Platte weitere Funde abzuwarten sein. Herr Bergmeister Privat-Docent Dr. Kosmann machte Mittheilung über neuere Aufschlüsse betreffend das Vorkommen der Chromeisenerze in Niederschlesien. Seit langer Zeit sind auf den Abhängen des Harteberges und des Grochberges bei Grochau, südlich von Frankenstein, Gerölle und Findlinge von Chromit (Chromeisen) bekannt, welche zum Theil eine bedeutende Menge von Chrom enthalten, deren Herleitung aus einem anstehenden Lager dieses Gesteins bisher indessen nicht glücken wollte. Auf Betreiben des Berg-Ingenieurs A. Reitsch, eines in Freiberg ausgebildeten Schlesiers, sowie auf Veranlassung der gräflich Deym’schen Verwaltung ist nun kürz- lich auf der südöstlichen Seite des Harteberges ein Versuchsschacht ab- der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 3239 geteuft worden, welcher bis zu 20 m Tiefe ein zu Tage gehendes Chrom- erzlager von 0,5 m, allmählich zu 1 m Mächtigkeit wachsend, und ausser- dem in nördlicher Richtung einfallend eine ältere Arbeit (vom Anfange dieses Jahrhunderts) verfolgte, welche an einer Verwerfung abgesetzt hatte, für deren Ausrichtung die damalige bergmännische Kunst nicht ausgereicht hatte. Man erschürfte an diesen Punkten ein vielfach mit einem serpentin- artigen Silicat (von M. Websky als „Grochauit‘“ benannt) verwachsenes Chromerz mit einem Gehalt von 19—26—29—40 pCt. Chromoxyd. Mit den geringhaltigeren Erzen hat man vor der Hand keinen Absatz zu er- zielen vermocht, und man wird sie, um sie absatzfähiger zu machen, einer Aufbereitung unterwerfen, welche technischen Schwierigkeiten kaum be- gegnen dürfte. Die Untersuchung des Terrains hat am Harteborn erkennen lassen, dass derselbe der Ausfluss eines alten, verbrochenen Stollens ist, über welchem ein Zug tiefer Löcher (Pingen) in stetiger Richtung sich anschliesst, andererseits alte, verraste Schutthalden, und im Anschluss daran grössere, grabenartige Weitungen; nach denselben zu schliessen, müssen hier Mineralien in grösserer Menge gewonnen worden sein. Die Einstellung der Arbeiten auf dem gräflichen Gutsgebiete — der Chromeisenstein gehört zum Grundbesitze und unterfällt nicht dem Regal- bergbau — veranlasste Herrn Reitsch, den Findlingen auf dem nordöstlichen Abhange des Harteberges nachzugehen. Die mit Schürfgräben eröffnete Untersuchung war von dem Erfolge begleitet, dass man auf einen uralten Bergbau stiess; zunächst auf einen alten Stollen von über 1 m Höhe, welcher, ohne Anwendung von Pulver getrieben, ein mehrhundertjähriges Alter verräth, dessen Forttrieb an der Härte des Gabbrofelsens Halt gemacht hatte, Die Fortsetzung der oberflächlichen Schürfarbeiten in der Richtung des Stollens führte in etwa 20 m Entfernung zur Auffindung eines Chrom- erzlagers, zugleich aber auch eines alten Schachts, welcher aufgezogen wurde und sich in ziemlich geräumigen Dimensionen bis zu 9 m Tiefe niedergebracht erwies. In demselben steht das Chromerz 0,5 m stark in vorzüglicher Beschaffenheit an; denn dasselbe hat in der chemischen Analyse einen Gehalt von 50 pCt. Ghromoxyd gezeigt. Aus dem Schacht wurden neben losen Erzstücken eine Menge altes Holz und ein vollstän- diges Haspelgeviert mit Haspelstützen und Rundbaum nebst Haspelhörnern aus Holz herausgeschafft. Es hat also auch an dieser Stelle ein uralter Bergbau bestanden, und das herausgeschaffte Erz ist zu irgend einer Art Eisen auch verschmolzen worden, wiewohl von solcher Arbeit keinerlei Spuren mehr sich nachweisen lassen. Die letzt beschriebene Stelle des neu eröffneten Bergbaus gehört jenem Gebiete an, welches durch die Ge- winnung des werthvollen Magnesits, welcher neben der wichtigen Ver, wendung als bestes Material für die Bereitung von Selterswasser neuerdings eine so hochwichtige Rolle in der Herstellung des feuerfesten Futters für die Converter im Thomasstahl-Verfahren spielt, eine langjährige Bearbeitung 230 Jahres - Bericht gefunden hat und daher für unsere Industrie von nicht zu unterschätzender Bedeutung ist. Der Magnesit steht hinsichtlich seiner Bildung als secun- däres Product der Gabbrogesteine, welche das Massiv der bezeichneten Berge bilden, mit dem Ühromeisensteine in enger Beziehung; denn man findet den Magnesit als Ablösung oder dünne Schale auf den beiderseitigen Saalbändern des CGhromerzlagers. Das Chromerz hat aber in den letzten Jahren, neben der Verwendung zur Darstellung der chromsauren Salze und gefärbten Gläser, eine steigende Beachtung für die Darstellung von Chromstahl in der Form von ÜChromeisen (Ferrochrom mit 35—40 püt. metallischem Ghrom), sowie als Ausfütterungsmaterial der Stahleonverter oder der Flammofenherde gefunden. Erwägt man schliesslich, dass als ein feineres Zersetzungsproduct aus der Umbildung des Gabbros auch opal- artige Mineralien (Halbopale, Jaspis, CGhrysopras) in lagerhaftem Vorkommen angetroffen worden sind, welche bei fortschreitender Entwickelung des Bergbaues auch Berücksichtigung finden werden, so haben wir auf verhält- nissmässig engem Raum ein hoffnungsvolles Gebiet schlesischer Erde vor uns, welches dem heimischen Bergbau neue Schätze eröffnet. Der Vortragende legte ferner Belegstücke von nickelhaltigem Schwefel- kies in Kieselschiefer und von Schwerspath vor, welche auf der Ferdinand- Grube bei Hausdorf im Liegenden der Steinkohlenflötze gefunden wurden und im Fortschreiten desselben Vorkommens auftreten, welches aus den feuerfesten Thonen der Ruben-Grube bei Neurode bekannt ist; nur dass an dieser letzteren Stelle nickelhaltiger Kupferkies, Nickelkies (Millerit) und nickelhaltiger Markasit gesondert auftreten. Sitzung am 27. Juli 1837. Herr Geheimrath Professor Dr. Poleck legte einen blendend weissen Tropfstein aus chemisch reinem kohlensauren Kalk vor, welcher in dem Abflusscanal des Springbrunnens auf dem Neumarkt sich gebildet und an dessen Entstehung wohl auch der Kalkgehalt des Mörtels oder Gements seinen Antheil hatte. Geheimer Bergrath Althans vervollständigt seine schon in einer früheren Sitzung mitgetheilten Beobachtungen über Glacial-Erscheinungen in der Gegend südlich von Strehlen und südwestlich vom Rummelsberg. Das dort aus der diluvialen Decke von Sand und Lehm hervortretende, aus Gneis, Glimmerschiefer und Granit bestehende feste Gestein bildet sanft gewölbte, allmählich von Strehlen nach dem Rummelsberg aufsteigende Hügel, charakteristische Rundhöcker wie im südlichen Theile von Skan- dinavien. Dieselben können nur durch darüber hinweggleitende Gletscher der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 331 auf diese Weise abgekämmt sein, da sowohl die härtesten als die weicheren Papas n mit dem Messer glatt abgeschnitten auf den Hügeln ent- weder freiliegen oder nur mit einer handhohen Ackerkrume bedeckt sind. Die sanften Thalmulden zeigen eine stärkere Lehmdecke. Ausser der über das Niveau des Diluvialmeeres sich erhebenden Kuppe des Rummelsberges treten nur wenige vereinzelte Klippen festen Gesteins auf niedrigeren Hügeln zu Tage, wie die Quarzitkuppe zwischen Polnisch-Neudorf und Göppersdorf. Bei Ober-Podiebrad und Teppersdorf treten im Gneis und Glimmer- schiefer dicke Bänke eines sehr reinen Quarzits auf, welcher steinbruch- artig zum “Strassenbau, namentlich aber zum Absatz an Waldenburger Clas- und Porzellan-Fabriken gewonnen wird. In dem grossartigen Kärger- schen Granitbruch westlich Strehlen und in der Ebene bei Strehlen selbst liegt über dem Grundgebirge eine schwache Decke von vorherrschend nordischen Geschieben, einer Schuttmoräne angehörend. Bei Pogorth und Dobrischau finden sich bis zu dem Scheitel des von Nord nach Süd sanft ansteigenden Höhenrückens mächtige, oben glatt geebnete Lehmlager der Grundmoräne. Der südliche Absturz von diesem Kamme ist steil. Am Fusse desselben, im Dorfe Sackerau, finden sich mächtige, ringsum ab- geschliffene Quarzitblöcke. Es sollen solche in grosser Menge auch auf der Höhe des Bergrückens lose im Lehm eingebettet liegen und dort zum Strassenbau ausgegraben werden. In dem von Lehm gebildeten fruchtbaren breiten Ohlethale bei Schön-Johnsdorf und Heinrichau herrschen unter den Findlingen die nordischen Geschiebe wieder vor. Hiernach ist anzunehmen, dass die ringsum geschliffenen Quarzitblöcke, welche als Findlinge bei Sackerau auftreten, durch das vorschiebende Gletschereis von weiter nördlich gelegenen, früher klippenartig vortretenden Quarzitlagern abgebrochen und in der Grundmoräne nach Süden geschleppt worden sind. Diese Blockanhäufungen mussten selbstredend in der Nähe der Quarzitlager gegen die nordischen Geschiebe in der Grundmoräne vor- herrschen, weiterhin aber gegen letztere wieder zurücktreten. Derselbe Vortragende legte ferner die drei ersten Sectionen der oberbergamtlichen 1: 50000 Karte des oberschlesischen Bergwerksareals vor, von welchen die 1. (Tarnowitz-Beuthen) bereits im Buchhandel er- schienen ist, die 2. (Zabrze-Königshütte-Kattowitz-Nicolai) demnächst er- scheinen wird und die 3. (Rybnik-Loslau-Sohrau) zum Stiche geht. Prospeet der oberbergamtlichen Kartenwerke ist bei dem hiesigen Königlichen Ober- bergamte zu haben. Schliesslich wies derselbe auf den erfreulichen Fortschritt der karto- graphischen Aufnahme der Provinz Schlesien seitens der königlichen Landes- aufnahme hin, welche fast beendet ist und von welcher die 1: 25000 Messtischblätter mit ihrer überaus werthvollen Darstellung des Oberflächen- 2239 Jahres - Bericht 2 295 veliefs in Höhenschichten nach Norden bereits über den Breitengrad von Breslau hinaus im Buchhandel zu dem billigen Preise von 1 Mark für das Blatt erschienen sind. Der Docent an der Universität, Herr Bergmeister Dr. Kosmann, gab schliesslich eine Uebersicht über die nach neueren, zum Theil eigenen Untersuchungen sich ergebende Verbreitung des Vanadins. Nach einer historischen Erörterung über die Entdeckungen des Va- nadiums durch Sefström in den Taberger Eisenerzen und des Vanadium- oxyds durch Wöhler in dem Braunbleierz von Zimopan wurde das Vor- kommen des Vanadins der bisherigen Kenntniss nach als ein ziemlich beschränktes bezeichnet; es wurde von Kersten in den Schlacken der Mansfeldischen Kupferöfen, von Patera in der Pechblende (Uranerz) von Joachimsthal nachgewiesen, und aus letzterer auch in grösseren Mengen dargestellt. Die chemischen Eigenschaften des Vanadiums verweisen das- selbe in dieselbe Gruppe mit Phosphor, Arsen, Antimon, Uran. Die An- näherung seines Atomgewichts an dasjenige des Chroms (51 bezw. 52) erklären die Verwandtschaft zu demselben und das gemeinsame Vorkommen beider. Die chemischen Beziehungen erklären das isomorphe Verhalten des Vanadins zu den angegebenen Elementen und die Fähigkeit, als vicariirender Bestandtheil in den entsprechenden mineralischen Verbindungen aufzutreten. Der Vortragende hat das Vorkommen von Vanadin nun in Schlesien an drei Stellen nachgewiesen: in den kobalt- und nickelführenden Kupfer- kiesen im Karlınit der Ruben-Grube bei Neurode, in den Chromeisensteinen des Hartebergs bei Grochau, und höchst merkwürdiger Weise in einem Brunnenwasser auf dem Grundstücke des Herrn Zimmermeister Worbs zu Strehlen. Es ist hiermit das Auftreten des Vanadium in geschwefeltem wie in gesäuertem Zustande, dort als Vertreter für Arsen, hier in Verbindung mit Chrom, und endlich in hydratisirter Verbindung als Bestandtheil des Wassers nachgewiesen. Die weitere Verbreitung erhellt aus der Auffindung des Vanadins in den aus Thonen von Greppin bei Bitterfeld gefertigten Mauerziegeln, welche Professor Leger im Jahre 1876 gelang. Als fast steter Begleiter der Phosphorsäure wurde Vanadium in den zur Darstellung von Thomaseisen verwendeten Erzen nachgewiesen, so in Le Creusot, und ferner von Stead und Ridsdale in den Thomasschlacken der North Eastern Steal Company bei Middlesborough. Neuerdings wurden vanadinsaure Blei- und Zinkerze von Fletcher in Arizona in den Vereinigten Staaten, auch mit Arsen- und Phosphorsäure gesellt, in solcher Menge gefunden, dass eine technische Verwendung dieser Erze zu billigen Preisen hat ermöglicht werden können, und-werden Vanadinsäure und ihr Ammoniaksalz bei der Anilinschwarz-Fabrikation verwendet. der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 233 Sitzung am 19. October 1887, Geh. Bergrath Prof. Dr, Römer berichtete über ein neues Vorkommen devonischer Gesteine auf der Westseite des Polnischen Jurazuges. Bei den Aufnahmen für die geologische Karte von Oberschlesien wurden ganz unerwartet drei kleine Partien von devonischem Kalk in der Umgebung des etwa vier Meilen östlich von Tarnowitz in Russisch-Polen gelegenen Städtchens Siewierz aufgefunden, welche sich inselartig isolirt aus den ringsum verbreiteten Keuper-Thonen erhoben und von anderen grösseren Gebieten devonischen Gesteines weit getrennt liegen (vergl. Römer: Geologie von Oberschlesien S. 32—36 und die geologische Karte von Oberschlesien). Das Gestein dieser Partien ist dunkler, dichter Kalk- stein und Dolomit. Korallen und Brachiopoden, und unter den letzteren namentlich Stringocephalus Burtini, beweisen die Zugehörigkeit des Ge- steins zum Devon, und zwar zu dessen mittlerer Abtheilung. Ein Gestein gleichen Alters hat sich nun auch bedeutend weiter südlich, nämlich bei dem zu dem Gute Klucze gehörenden 1'/, Meile nördlich von Olkusz gelegenen Vorwerke Gliny gefunden. Auf dem Blatte Königshütte der geologischen Karte von Oberschlesien ist bei Gliny eine ganz kleine Muschelkalk-Partie angegeben, die auch in der Geologie von Oberschlesien S. 131 Erwähnung findet. Gerade bei dieser wurde das devonische Ge- stein angetroffen. Man verdankt die Auffindung desselben Herrn Ludwig Mauve, Bergwerksdirector in Sielee, welcher bei dem Schürfen nach etwaigen Erzvorkommen in der kleinen Muschelkalk-Partie das fragliche Gestein in einer Tiefe von 5 Metern unter der Oberfläche antraf und das- selbe auch sogleich als wahrscheinlich devonisch bestimmte. Dasselbe ist nach den von Herrn Mauve eingesendeten Gesteinsproben ein beim Zer- schlagen bituminös riechender, weiss gefleckter, dunkelgrauer Dolomit. Die etwa 5 Millimeter im Durchmesser haltenden, runden, weissen Flecke des Gesteins erwiesen sich bei genauerer Prüfung als die Querschnitte einer walzenrunden kleinen Koralle, welche auf angeschliffenen Flächen und in Dünnschliffen die innere Structur so deutlich erkennen liess, dass die generische und specifische Bestimmung mit Sicherheit möglich war. Es ist Amphipora ramosa E. Schulz. (Caunopora ramosa Phillips: Palaeoz. foss. p. 19, tab. 8, fie. 22 (1841); Calamopora filiformis Ferd. Römer, Geologie v. Oberschlesien, p. 33, tab. 1, fig. 1 (1870); Amphipora ramosa Eug. Schulz: Die Eifelkalkmulde von Hillesheim, p. 90, tab. 22, fig. 5—7, tab. 23, fig. 1 (1883); All. Nicholson: A Monograph of British Stromatoporoids (Palaeontogr. Loc. Vol. XXXIX) p. 109, tab, IX, fig 1—4 (1885).) 234 Jahres - Bericht In der Eifel erfüllt diese Art nach E. Schulz in massenhafter Zusammenhäufung die obersten Schichten des oberen Stringocephalenkalks. Dasselbe Fossil gehört nun auch bei Dzwiwki unweit Siewierz zu den häufigsten Arten. Die cylindrischen Stämmchen erfüllen dort in dichter Zusammenhäufung den Kalkstein, ganz so wie es auch in der Eifel und in Devonshire der Fall ist. Die Gleichalterigkeit des Dolomits von Gliny mit dem Kalkstein der Gegend von Siewierz ist dadurch erwiesen und zugleich werden beide in das gleiche geologische Niveau, wie die in der Eifel durch Amphipora romosa bezeichneten Schichten zu stellen sein. Ob der Dolomit bei Gliny eine grössere Verbreitung besitzt, wird durch weitere Untersuchungen zu ermitteln sein. Das Auftreten devonischer Schichten an dieser Stelle macht es aber schon jetzt wahrscheinlich, dass auch in dem fünf Meilen langen Zwischenraum zwischen Gliny und Siewierz noch an anderen Punkten in geringer Tiefe unter der Ober- fläche devonische Schichten vorhanden sind und vielleicht verbreiten sie sich sogar unter den jurassischen und triassischen Ablagerungen über die ganze Ausdehnung dieses Zwischenraums. Fragt man bei dem Vorkommen von Gliny nach dem etwaigen Zusammenhange mit einem grösseren de- vonischen Gebiete, so wird man, wie bei den Partien von Siewierz, nur an das sogenannte Polnische Mittelgebirge in der Gegend von Kielce denken können, und es mit diesem als äussersten westlichen Ausläufer in Ver- bindung bringen. Derselbe legte ein 463 Gramm schweres Stück eines am 19. März 1884 bei Djati-Pengilon auf der Insel Java gefallenen Meteoriten vor, welches dem mineralogischen Museum als ein werthvolles Geschenk der Regierung von Niederländisch Indien vor Kurzem zugegangen ist. Der Fall des fraglichen Meteoriten wurde von fünf javanischen Ein- geborenen beobachtet. Derselbe fand um 44/, Uhr Morgens mit lebhaftem Leuchten und mit zischendem und donnerähnlichem Geräusch statt. Merk- würdiger Weise war in geringer, nur etwa 16 Kilometer betragender Entfernung und nur 5", Monate früher, nämlich am 3. October 1883, ın demselben Kreise Njawi der Residentschaft Madioen ein anderer Meteor- steinfall beobachtet. Derselbe ist von Professor Baumhauer beschrieben worden und veranlasste denselben, als ihm der neue Fall bekannt wurde, zu der freilich irrthümlichen Annahme, dass eine Verwechslung mit dem früheren Falle vorliege. Der neuere Meteorit schlug beim Niederfallen 3 Meter tief in den Boden ein und wurde schon wenige Tage nach dem Falle, nämlich am 23. März, durch einen Privatmann ausgegraben. Von diesem erwarb ihn die Regierung und er befindet sich nun in dem Museum der Berg- Verwaltung in Batavia. Das Gewicht betrug 166 Kilogramm. Die Gestalt der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 335 ist eine unregelmässig parallelipipedische mit einzelnen grossen, flachen Eindrücken. Das äussere Ansehen ist nicht so sehr dasjenige eines Meteoriten, als vielmehr eines feinkörnigen Andesit -Blocks mit einer dünnen braunen Verwitterungsrinde, wie dergleicben in den Flüssen und in dem rothen vulkanischen Thone des betreffenden Theils von Java häufig vorkommen. Es fehlt die verschlackte Rinde, wie sie bei Meteoriten ge- wöhnlich und namentlich auch bei dem in derselben Gegend 5'/, Monate früher gefallenen deutlich ausgebildet ist. Erst bei genauerer Untersuchung erkennt man auf der Oberfläche zerstreute Anhäufungen von schwarzen kleinen Körnchen, welche das Ansehen der sonst gewöhnlichen verschlackten Rinde zeigen. Der Meteorit gehört zu den steinartigen. Das ergab schon das specifische Gewicht, welches zu 3,7 bestimmt wurde (3,747 beim Wägen einer kleinen Probe, 3,731 beim Wägen des ganzen Steins). Aus einem fein gepulverten Stücke liess sich 10 pCt. Nickeleisen mit dem Magnet ausziehen. Der nach Entfernung des Nickeleisens bleibende Rückstand bestand aus Olivin und Bronzit und hiernach ergab sich eine Zusammensetzung von Nickeleisen — 10 püt., Olivin — u E Bronzit = A A Eine später von J. W. Retgers ausgeführte Analyse eines anderen Stückes ergab ausser den genannten Bestandtheilen 5 pGt. Schwefeleisen und 0,1 pGt. Chromeisen. Wenn diese Analyse 21,3 pOt. Nickeleisen, also mehr als das Doppelte der ersten Probe ergab, so ist dies nur dadurch zu erklären, dass das Nickeleisen in der Masse des Steins sehr ungleich vertheilt ist und für die Analyse ein vorzugsweise eisenreiches Stück benutzt wurde. Das für den ganzen Stein ermittelte specifische Gewicht weist darauf hin, dass der durchschnittliche Eisengehalt sich dem durch die vorläufige Probe ermittelten von 10 pGt. nähert. Die mikroskopische Untersuchung in Dünnschliffen ergab, dass der Stein zum grossen Theile aus einem krystallisch körnigen Aggregate von sehr hellgrünem bis wasserhellem Olivin und von Bronzit besteht. Kleine Theilchen von Nickeleisen, Troilit (Schwefeleisen), sehr vereinzelte Körnchen von schwarzem Chromeisen und endlich einige aus einem schmutzig weissen Silicat bestehende runde oder längliche Körper (Chondren) sind regellos in die Hauptmasse eingestreut. Hiernach wird der Meteorit zu den krystallinischen Chondriten von Brezina in die 26. Gruppe seiner jüngsten Eintheilung der Meteoriten, in welche die Meteoriten von Erxleben, Rich- mond u. s. w. gehören, gerechnet. Auf den Vorschlag des Herrn Renard, Chef des Bergwesens in Niederländisch Ost-Indien, ist das eine Ende des Meteoriten abgesägt und in 24 Stücke getheilt, welche durch die Regierung von Niederländisch Ost-Indien an wissenschaftliche Institute in liberaler Weise als Geschenk vertheilt worden sind. In der Schrift: De Meteoriet 236 Jahres - Bericht van Djati Pengilon (Java) door den Mijningenieur R. D. M. Verbeek (over- gedrukt uit het Jaarbook van het Mijnwesen N. O. 1886) sind alle auf den Meteoriten bezüglichen Thatsachen, wie sie vorstehend auszugsweise an- gegeben wurden, mitgetheilt. Auf zwei Tafeln sind Abbildungen des Steins in '/, natürlicher Grösse gegeben und auf einer Uebersichtskarte durch rothe Punkte die Fundstellen der bisher von der Insel Java bekannt ge- wordenen Meteoriten bezeichnet. Die Zahl derselben beträgt 5. Bei allen, mit Ausnahme eines einzigen, sind der Zeitpunkt und die näheren Umstände des Falls genau bekannt. Der Docent an der Universität, Herr. Bergmeister Dr. Kosmann legte mehrere geschliffene Musterplatten von Marmor aus Vilmar a. d. Lahn in Nassau wie von Seitenberg bei Landeck in Schlesien vor, um daran einige Bemerkungen zu knüpfen, wie durch die Gestaltung der natürlichen, d. h. der geognostischen Verhältnisse in den beiden, sich gegenüber und getrennt liegenden Gebieten des preussischen Staats und zugleich des Deutschen Reichs die Typen der dort gewonnenen und bearbeiteten Marmorarten ganz verschiedene seien und in Folge dessen, je nach Geschmack und Art der Verwendung, auf dem Markt in Concurrenz zu treten berufen sind. An der Lahn besteht von Wetzlar bis unterhalb Diez ein grosses und verbreitetes Gebiet massiger devonischer Kalksteine, welche dem unteren Mitteldevon angehören und in zahlreichen Brüchen, in mächtigen Bänken von dichtem Gefüge und verschiedenster Färbung gebrochen werden; es herrschen, neben ganz schwarzen, graue und tief roth gefärbte Kalksteine vor; ihr marmorirtes Gefüge erhalten sie durch die Einlagerung fossiler animaler Reste, namentlich von Encriniten mit ihren weissen, in Kalkspath verwandelten Stielgliedern, dann Corallen und Spongien, deren gewellte und zickzackförmig gewundene Anwachs- lamellen ein reich gegliedertes Muster liefern. Die Kunst der Bearbeitung ist in den Werkstätten zu Vilmar und Diez sehr weit gediehen, wovon. die vorgelegten Platten Zeugniss geben; aus Vilmarer Marmor gelangen zur Zeit mehrere Säulen für das neue hiesige Postdirections-Gebäude zur Anlieferung. In dem Ostgebiete, in Schlesien, sind es die den krystallinischen Schiefern der Sudeten und des Glatzer Gebirges eingebetteten krystal- linischen Kalksteine, welche Gegenstand der Marmorgewinnung sind, so bei Kunzendorf südlich Neisse und in der Umgebung von Landeck. Hier werden nur weisse, hell- bis dunkelgraue und bläulichgraue Kalksteine von späthig-krystallinischem oder körnigem Gefüge gewonnen, die durch eingelagerte Gemengtheile (wie Glimmer, Eisenoxyd, Grafit u. s. w.) ihre Färbung und durch die Lagerung und Vertheilung derselben ihre Marmorirung erhalten. Die reinsten Abänderungen, allerdings nur in } der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 357 schwachen Bänken auftretend und daher nur‘ zu Werkstücken von nicht zu grossem Umfang sich eignend, bietet der prinzliche Bruch zu Seitenberg; es kommen hier reine weisse und fleischrothe (von Mangan- Carbonat gefärbte) Schichten vor. — Die eigenthümliche krystallinisch körnige Beschaffenheit des Materials macht hier eine ganz andere Be- handlung desselben zur Erzielung einer dauerhaften Politur erforderlich, so dass letztere nicht den glasartigen, durchsichtigen Charakter der Politur auf jenen Nassauischen Marmor - Platten, sondern eine mehr firnissartige Beschaffenheit aufweist, welche im äusseren Anschein jener anderen aller- dings nachsteht. Sitzung am 16. November 1887. Der Docent an der Universität, Herr Bergmeister Dr. Kosmann, ver- . breitete sich über die Ursachen der Iso- und Dimorphie im Gefolge der von ihm aufgestellten Theorie über den Wassergehalt der Mineralien und anorganischen Salze. Anknüpfend an die in der Sitzung am 23. März d. J. vorgetragenen Ansichten entwickelte der Vortragende Folgendes: Die Aufnahme von Wasser in den chemischen Körpern oder ihren Verbindungen ist mit einer Wärmeentwickelung verbunden und wird durch Wärmeentwickelung be- fördert, gleichviel, ob diese Wärme durch den chemischen Vorgang der Entstehung der wasserhaltigen Verbindung selbst, durch den elektrischen Strom oder durch eine sonstige äussere Wärmequelle erzeugt wird. Es bilden sich auf diese Weise Hydrate der einfachen Verbindungen, Basen wie Säuren, welche ihrem Wesen nach bekannt sind, als KOH, H,SO,, HNO,, Ae,0, mit 1, 2 und 3 Mol. Wasser. Es ergiebt sich jedoch aus dem Vorgang der Zerlegung des Wassers, welche das Werk der Wärme- entwickelung ist, dass diese Hydrate nach der Molekularformel zu schreiben sind und dass das Wasser ihnen in der Form eines Paares von Hydroxyl- gruppen, äquivalent einem Molecül Hydroxyl eingefügt ist, mithin sind diese Hydrate K,(OH)?, SO,(OH)?, N,0,(0OH)?, A1,0,(0OH)? u. s. w. So wie nun für diese einfachen Hydraten eine Zerlegung des Wassers statt hat, so findet dieselbe in fortschreitendem Maasse mit der Bildung weiterer Hydratisationsstufen statt, von denen wir bei den stärksten Basen Hydrate mit 9 Mol. Wasser kennen (Kalium, Natrium, Baryum, Strontium) und T deren Zusammensetzung durch die Formeln H,R,(0M)' — H,R,(OH)'" bezeichnet sein würde. Das Maass der Wasseraufnahme ist bedingt einmal durch die Energie der Wärmeentwickelung, welche sich in der Höhe der Verbindungswärme oder Wärmetönung kundgiebt, und zum andern durch die Lösungswärme, d. h. jene Wärmemenge, welche aus der Sättigung des entstandenen Hydrats mit Wasser für eine bestimmte Stufe der Hydrati- 938 Jahres-Bericht sation und der damit verbundenen Wärmeabsorption resultirt. Abgesehen von einigen apothermischen Verbindungen (welche meist wasserfreie Salze bilden), stellt sich das Verhältniss zwischen Verbindungs- und Lösungs- wärme derartig heraus, dass, je höher die Verbindungswärme ist und dem- gemäss je eine energischere Wasseraufnahme stattfindet, letztere von einer desto niedrigeren, oftmals weit unter Null herabgehenden, Lösungswärme begleitet ist; und es lässt sich aus dem grösseren oder geringeren Werthe der Lösungswärme erkennen, nicht nur, in welchem Umfange die Wasser- aufnahme eingetreten ist, sondern auch, in welchem Grade das so chemisch aufgenommene Wasser mehr oder weniger gebunden ist. Denn selbst- redend muss, wenn die Beendigung der Wasseraufnahme durch eine tief unter Null herabgehende Lösungswärme bedingt, also mit grosser Ab- kühlung verbunden ist, für das so gebildete Hydrat eine geringe Tempe- raturvermehrung hinreichend sein, um eine theilweise Zersetzung des- selben hervorzurufen; indem eine solche Zersetzung eines wasserhaitigen Salzes schon an der Luft bei gewöhnlicher Temperatur vor sich geht, wird dieser Vorgang als Verwitterung bezeichnet. Es ist daher zu ersehen, dass bei dem Vorgange der Wasseraufnahme oder der Hydratisation von der ersten Wärmeerresung bis zur Beendigung der chemischen Reaction ein stetig fortschreitender, zusammenhängender Verlauf stattfindet, dessen Beschliessung sich durch eine Ausgleichung der entwickelten Wärmeenergie mittels der geschehenen Wasseraufnahme kenn- zeichnet: man könnte also sagen, dass die erregte molekulare Wärme der betreffenden Verbindung durch die vorhandene Wassermenge abgelöscht wird, oder auch, dass das in Hydratisation erregte Molekül in Wasser er- tränkt wird. Damit ist auch erklärt, sowohl, dass für manche Salze die höheren Hydratisationsstufen durch warmes Wasser oder durch Kochen zersetzt werden (Glaubersalz, Vitriole), als auch, dass durch künstliche Ab- kühlung eine weitere Aufnahme von Wasser erzielt werden kann (Kochsalz nimmt bei — 10° C. 2 Mol. Wasser auf). Der Verlauf der Wärmeentwickelung und der auftretenden Lösungs- wärmen ist allerdings insofern kein gleichmässiger, als die entwickelten Wärmemengen nicht in allen Zwischenstufen des Processes in gleichen Proportionen erscheinen und daher nicht in einer ungestört verlaufenden Curve fortschreitend zu denken sind; es bilden sich vielmehr für gewisse Stufen der Hydratisation Hydratverbindungen von bestimmterer Beschaffen- heit und festerer Zusammensetzung, und diese Hydrate kennzeichnen sich durch eine stärkere oder mindere Ansammlung von Wärmeenergieen, so dass die Veränderung der Werthe eine sprungweise ist und die ent- sprechende Curve durch Erhöhungen oder Vertiefungen angedeutet sein würde. Es geht also aus dieser Betrachtung hervor, dass in den wasserhaltigen Verbindungen für sämmtliche Moleküle Wasser dieselbe Art der chemischen der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 339 Bindung vorliegt, dass aber der Grad der chemischen Affinität bedingt ist durch den Werth der der betreffenden Hydratisationsstufe entsprechenden Verbindungs- bezw. Lösungswärme. Daraus folgt, dass, wenn man um- gekehrt eine Hydratverbindung durch Zuführung von Wärme entwässert, gewisse Moleküle Wasser schon bei Anfangstemperaturen entweichen, dass bei einem Ueberschuss von Wärme wasserhaltige Salze in dem sogenannten „Krystallwasser‘‘ schmelzen, weil dieses nicht so schnell verdampfen kann, als es ausser Verbindung gesetzt wird, und dass schliesslich die Er- wärmung bei Hydratstufen anlangt, welche eine so hohe Verbindungswärme besitzen, dass zu ihrer Zersetzung grössere Wärmemengen erfordert werden. Es ist aber einleuchtend und entspricht dem Gesetze von der Erhaltung der Kraft, dass, um das Anhydrid aus einem entsprechenden Hydrat zu erhalten, zur Zersetzung des letzteren so viel Wärme- energie erforderlich ist, als die Verbindungswärme bei der Bildung desselben betragen hat. Damit ist nun auch gesagt, dass aus der Gleichartigkeit der chemischen Bindung der Wassermoleküle sich ergiebt, dass die Unterscheidung zwischen „chemisch gebundenem‘ oder „Constitutions“- (Halhydrat-) Wasser und „Krystall“- oder „Hydratwasser‘ hinfällig werden muss; jeder Wassergehalt in einem wasserführenden Mineral oder Salz ist „chemisch gebundenes Wasser“. Wie nun jene stärkeren Basen der Bildung hoher Hydratstufen fähig sind, so gelangen die schwächeren Basen, wie Calcium und die Metalle der Magnesium-Zinkgruppe, und zwar meist nur mittels der Wärmeerregung bei ihrer Verbindung mit Säuren, zu dem Hydrat RO +5H0 = H,R(0B)®, ein Hydrat von solcher Häufigkeit, dass es für eine grosse Anzahl von Basen, namentlich der Magnesium-Zinkgruppe, als typisch angesehen werden kann. Auf der anderen Seite begegnet man bei den Hydroxyden dieser Metalle einer Art von Hydraten, die wir als „gepaarte‘ oder besser als „polymere‘ Hydrate zu bezeichnen haben. Sie entstehen entweder da- durch, dass niedriger hydratisirte Salze der Metalle noch ein Molekül Metalloxyd aufzunehmen vermögen, oder dass bei fortschreitender Erhitzung des Monohydroxyds ein niedrigeres Hydrat unter Umlagerung des Moleküls -entsteht. Auf diese Weise sind die in basischen Carbonaten, Siliecaten, Sulfaten und Chloriden vorhandenen Glieder zu erklären, wie 3MgO + 2H,0, 2CuO + H,0, 2ZnO + H,O; es sind dies eben polymere Hydrate mit vorhandenen inneren Bindungen, also 2 Ms(OH)’ Cu(OH)’ Gr | MsO GuO ZnO — Mg,0.(00)! — C0.(00)? — 71,0. (0M)? (in Serpentin) (in Malachit) (im Kieselzinkerz). Als freies Mineral begegnet uns als solches polymere Hydrat, welches durch meine Erklärung erst die richtige Deutung empfängt, der Pyro- 340 Jahres-Bericht chroit, welcher in den Lehrbüchern bisher immer als ısomorph mit dem Brucit Mg(OH)? hingestellt wurde. Rammelsberg bemerkt aber in seiner Mineralchemie, dass die Analyse des Pyrochroits denselben als von der Formel H,Mn,O, erscheinen lasse. Für eine solche empirische Formel erschien bislang eine entsprechende Constitution des Minerals nicht deu- tungsfähig; nach unserer Theorie erhalten wir das Hydrat Mn,O.(OH)°. Bei der Gruppe der Sesquioxyde stellt sich, wie ich früher bemerkte, ein übersichtlicher Parallelismus in folgenden Verbindungen: mit 1 Mol. H,O, AI,0,(0H)’ Fe,0,(OH)’ Mn, O, (OH) (Diaspor), (Göthit), (Manganit) er d, Al, O(OH)* Fe,O.(OH)‘ vacat (Bauxzit) (Xanthosiderit), a3 SE EIS) Al, (OH)® Fe, (OH)® Mn, (OH) ° (Hydrarsillis) (chem. Niederschl.) (chem. Niederschl.) ferner: Fe,O, . (OH)® (Brauneisen). Jeder dieser Hydratstufen entspricht eine bestimmte Verbindungswärme, welche mit wachsendem Wassergehalt sich erniedrigt. Es geht aber ferner aus der Gestaltung der Formel hervor, dass mit der Abspaltung des hydra- tisirten Sauerstoffmoleküls in den verschiedenen Hydratstufen eine Um- lagerung im Molekül gegenüber dem ursprünglichen Anhydrid und zu dem voraufgehenden Hydroxyd vor sich geht. Wenn es nun sich um die Dar- stellung der Anhydride der obigen Hydrate handelt, so ist es ersichtlich, dass für jedes derselben der zur Austreibung des Wassers erforderliche Wärmegrad bis zu dem Punkte erreicht werden kann, dass das nach Aus- tritt des Wassers verbleibende Sauerstoffmolekül in der abgespaltenen Stellung verbleibt. Damit ist die Umlagerung im Molekül auch für den wasserfreien Zustand vollzogen; und wenn, angesichts der Anzahl von Hydroxylgruppen, das Monohydroxyd zweiwerthig und die übrigen Hydrate folgend je vier- und sechswerthig sind, so folgt daraus, dass auch im wasserfreien Zustande es eine zwei-, vier-, sechswerthige Thonerde, Eisen- oder Manganoxyd geben muss. In der That hat schon P. Groth zur Erklärung der Dimorphie zwischen Disthen (Cyanit) und Andalusit auf das Vorhandensein einer verschiedenen Gruppirung der Thonerde-Moleküle hingewiesen, indem er für den Disthen die Gruppe (AlO),, für den Andalusit die Gruppe Al(AlO) annahm. Diese Hypothese erhält vorliegend ihre naturgemässe Begründung: Im Disthen ist die zweiwerthige Thonerde Al,O,.O, im Andalusit die vierwerthige Al,O.O, vorhanden, und es bildet sich demgemäss im Disthen das Meta- silicat Al,O, . SiO,, im Andalusit das Orthosilicat Al,O . SiO,. Unter den anderen Sesquihydroxyden fehlt das vierwerthige Hydrat des Mangans Mn,O . (OH), als Mineral; aber das Anhydrit desselben ist der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 341 bekannt: es ist dies der Braunit — Mn,O.0,, für dessen von Eisen- glanz und Korund abweichende Form bisher die Erklärung gefunden wurde, derselbe entspreche der Verbindung MnO, MnO,. Der viergliedrig krystalli- sirende Braunit stellt sich als vierwerthiges Manganoxyd heraus, und würde nach dieser Analogie auch der Hausmannit, Mn,O,, nunmehr nach der Formel Mn,O, .. 0, zu deuten sein. Diesen Erscheinungen der Dimorphie steht ganz analog diejenige, welche die dimorphen Bildungen der antimonigen Säure liefern. Es findet sich die Verbindung Sb, O, als Valentinit im rhombischen System, als Senarmontit im regulären System krystallisirend. Wie bekannt, bildet die antimonige Säure zwei Hydrate, mit 1 und 3 Mol. Wasser, für welche sich daher die Zusammensetzung nach den Formeln zeit Mol. EH,0. — .Sb,0,(0H) mit 3 Mol. H,O — Sb, (OH)® an die Hand giebt. Nach Analogie der vorigen Sesquihydroxyde muss das Hydrat Sb,0,(OH)? eine höhere Verbindungswärme liefern als die nächst höhere Hydratstufe, und dementsprechend auch das Anhydrid Sb,0, . O eine höhere Wärmetönung besitzen als das Sesquioxyd Sb,O,. Nun hat Fischer (} Freiburg) gezeigt, dass vor dem Löthrohr an den heisseren Stellen der Kohle die prismatischen, an den kälteren die regulären Krystalle sich ansetzen, oder, wie der Hüttenmann sich ausdrückt, die prismatischen Krystalle gehen heisser wie die regulären. In der That werden nach neueren Untersuchungen bei dem Uebergange der prismatischen Krystalle in die reguläre Form Sb,O, 1200 cal. frei. Wir können damit den Be- weis so gut wie erbracht ansehen, dass die Bildung der beiden Zustände der Sb,O, einer molekularen, aus den Hydraten derselben abzuleitenden Umlagerung zuzuschreiben ist, in welcher die Gruppirung Sb,0, ..O der rhombischen, Sb,O, der regulären antimonigen Säure zukommt. Wir können uns weiter vorstellen — und dadurch tritt die Beziehung des Krystallsystems zum formularen Ausdruck in ganz besondere Bedeutung —, dass der physikalischen oder mechanischen Anordnung des Moleküls für das reguläre Sb,O, ein Kern Sb, entspricht, welcher in drei Richtungen eine gleichwerthige, auf je ein Atom oder ein halbes Molekül des zwei- werthigen Sauerstoffs gerichtete Anziehung ausübt, während in dem pris- matischen Sb,0, .O ein Kern Sb,O, von tafelförmiger Ausdehnung vor- liegt, von dem jederseits in einer zur Ebene der Tafel senkrechten, axialen Richtung ein halbes Sauerstoffmolekül angezogen wird. Die im Vorstehenden erörterten Verhältnisse müssen in analoger Weise für die dimorphe Bildung der mit dem Antimonoxyd arsenigen Säure (el Claudetit und Arsenolith) statthaben, wiewohl Hydrate derselben zur Zeit nicht bekannt sind. 1 1887. 6 242 Jahres-Bericht Ich darf heute schon andeuten, dass für die Di- und Trimorphe der Formen der Titansäure nach einer Erklärung auf ähnlicher Basis zu suchen ist, für welche die verschiedenen Hydrate der Zinnsäure die Handhabe bieten werden. Aus den bisher angeführten Beispielen ist zu ersehen, von welcher Be- deutung die Lehre von der Wasseraufnahme der Mineralien auch für die rechte Deutung der Constitution und der Entstehung der wasserfreien Mineralien sein muss. Unter den Hydraten der Basen wurden als von Wichtigkeit bezeichnet diejenigen von der Formel Sun, (OH),. Es ist hier die Verbindung des Kaliumpenthydroxyds H,K, (OH), mit dem isomorphen Hydrate der Thonerde H,Al, (OH),,, welche Beachtung verdient als eine Verbindung, welche in einer Anzahl von Salzen wiederkehrt, wie in den Alaunen, den Feldspathen, dem Leucit. Der Kalialaun mit 24 Mol. Wasser, als Hydrat der Hexahydroxyl, Schwefelsäure, stellt sich dar in der Formel Eon SON u H,AI,(OH),, . (S(01)6), Wenn man in der Formel en HAI, (OH), , sämmtliche Wasserstoffatome zu je 4 durch 1 Mol. Si ersetzt, so erhält man die Formel des Orthoklas = K,Al,Si,0,,; da die 2 Mol. Si an Stelle der vorderen 8 Wasserstoffatome einen Platz unter den Basen be- anspruchen, so stellt sich die Constitutionsformel des Orthoklas dar als K, Al, Si, Mit dieser sich so naturgemäss ergebenden Formel ist der Streit, ob die Orthoklas-, bezw. Albitformel verdoppelt werden dürfe, um die Iso- morphie des Albits mit Anorthit nachzuweisen, zu Gunsten Streng’s und Tschermak’s entschieden; die Formel ist in keiner anderen als der dem ganzen Molekül der Basen entsprechenden Form zu schreiben. Es ist auch im weiteren sodann erklärlich, wie anstatt der vorderen 2 Mol. Si gleichwerthige Moleküle der Gruppe CaAl, in diese Verbindung eintreten können, um bei der gleichzeitigen Ersetzung von Na, durch Ca den Anorthit entstehen zu lassen. Nimmt man das nächst niedere Hydrat der Gruppe K,Al,, also H,K, (OH), | (SiO,),- H, Al, (OH), und lässt in analoger Weise die H-Atome durch äquivalente Mol. Si er- setzen, so erhält man die Formel des Leucits — K,Al,Si,0O,,, welche nach obigem die Constitutionsformel ergiebt K, Al, ? (SiO,); ; Si der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur, 943 diese Formel aber stimmt mit derjenigen des Granats vollkommen über- ein, indem die Moleküle K,Si durch 3 Ca (bezw. Ms, Fe) ersetzt werden. Auf diese Weise erklärt sich zum ersten Male die Isomorphie zwischen Leueit und Granat; für die Uebereinstimmung der krystallographischen Formen dieser beiden Minerale vermöge ihrer chemischen Constitution war bislang keine Deutung gegeben, weil der Granat als Orthosilicat mit dem Leueit als Metasilicat keine Analogie der Zusammensetzung zu bieten schien. Es verhält sich demnach Orthoklas zum Anorthit wie Leucit zum Granat. Eine weitere Betrachtung führt uns zur Vergleichung kieselsaurer mit analog zusammengesetzten kohlensauren Salzen. Die Säuren des Si und C zeigen in ihren Verbindungen eine vollkommene Analogie; wenn wir da- her kennen die Säure SiQ, + H,O = SiO(OH)? als Metakieselsäure und Säure SiO, + 2H,O = Si(OH)* als Orthokieselsäure, so müssen auch vorhanden sein CO . (OH)? Metakohlensäure und C(OH)' Orthokohlensäure. Unter den festen Salzen der Kohlensäure sind indessen nur solche des zweibasischen Kohlendioxyds bekannt oder vielmehr, die Lehranschauungen besagen, dass in allen Carbonatverbindungen das Kohlen- dioxyd als zweibasische Säure vorhanden sei. Ich möchte behaupten, dass dieser anscheinende Sachverhalt nur eine Folge bisheriger Auffassung über die Constitution der Mineralien ist. Es wird z.B. das Kieselzinkerz als ein basisches Silicat angesehen, von der Formel Zn,SiO, — H,O; dasselbe empfängt aber als Hydrat die Zn(OH, Zn Formel SiO, und stellt sich somit als ein eigentliches Ortho- silicat dar. Ganz übereinstimmend mit demselben zeigt sich = a der ale u Malachit zusammengesetzt Cu,CO, + H,O, nämlich als a )e C0,, und würde somit als der Repräsentant eines Orthocarbonats anzusehen sein. Erst diese Constitutionsformeln lassen eine, bislang nicht hergeleitete, Isomorphie dieser Verbindungen hervortreten; es erweist sich zwar, dass das Kieselzinkerz rhombisch, der Malachit monoklin krystallisirt, es ‚sind jedoch die hier in Betracht kommenden Abweichungen von geringfügigen Belang: der Winkel $ beim Malachit ist = 89° 57°, weicht mithin vom Rechten nur um 3° ab; im übrigen sind die Axenverhältnisse nach P. Groth) beim Kieselzinkerz a:b:c = 0,7835:1: 0,4778, beim Malachit Hera cH — 0,7823 : 1: 0,4036. u Die Uebereinstimmung dieser Elemente ist eine zu nahe, um dıe Iso- morphie beider Minerale von der Hand zu weisen. ae Die Verhältnisse der den verschiedenen Hydratstufen eigenthümlichen Wärmeenergieen geben nun auch die Möglichkeit, an der Hand dieser 16* 244 Jahres-Bericht Thatsachen für die Ursache der Dimorphie zwischen Kalkspath und Ara- gonit eine Erklärung zu geben. Es ist bekannt, dass G. Rose nachge- wiesen hat, ‘dass das Kalkcarbonat als Kalkspath aus kalten Lösungen, in der Form des Aragonits aus heissen Lösungen gefällt werde; es ist ferner bekannt, dass beim Auflösen in Säuren der Aragonit grössere Wärme- mengen entwickelt wie Kalkspath; es liegt mithin, meinen obigen Aus- führungen gemäss, im Aragonit eine dichtere Modification des Kalkcarbonats vor, und lässt sich aus den Versuchen G. Rose’s entnehmen, dass die heisse Lösung auf die Zusammensetzung ‚des gefällten Niederschlags wasser- entziehend wirken muss. Man hat daher im Aragonit das aus einer nie- drigeren Hydratisirungsstufe abzuleitende CGarbonat anzusehen, während der Kalkspath aus einem höheren Hydrat entsteht. Für diese Hydrate bieten sich die Formeln: Aragonit H,Ca(OH), . CO. (OH),, Kalkspath H,Ca(OH), . C(OH),, und, indem daraus die Wassermoleküle austreten, verbleiben die festen Salze von der Constitution; Arasonit — CaCO .0O,, Kalkspath — Cal0,. Wir erkennen aus der ersteren Formel die dichtere Beschaffenheit des Aragonits. In der That ergiebt sich die Verbindungswärme des Aragonits zu 69520 cal, des Kalkspaths zu 40930 cal. Aus Mangel an Zeit musste der Vortragende darauf verzichten, auf die beabsichtigte Erörterung der anscheinend unvollkommenen Isomorphie der Carbonspathe einzugehen, welche ebenfalls ihre Erklärung in den ver- schiedenen Wärmetönungen der CGarbonate der verschiedenen Basen findet. Professor Dr. Hintze legte einige Mineralien vor, welche das Mineralogische Museum dem Sammeleifer des um die Auffindung schon mancher schlesischer Mineralvorkommen verdienten Herrn Gutsbesitzers Mende in Lomnitz verdankt. Aus dem Kalklager von Riemendorf, etwa 17 km SOS. von Löwen- berg, stammt ein Kalkspathkrystall von 5°, em Länge und 6 cm Dicke. Der Krystall ist an sich farblos, aber wegen weisslichtrüber Stellen und ganz matter Oberfläche nur schwach durchscheinend.. — Combination: 0112| — 4, R, $1010{ oR, !2131! R3. Das Hauptrhomboeder tritt nicht als Krystallfläche, sondern nur als Spaltungsfläche auf. Die Flächen von }0112$ — °), R sind am ausgedehntesten ausgebildet, nicht viel weniger aber die Prismenflächen; die Skalenoederflächen treten dagegen zurück, sind aber noch immer so gross, dass nirgends am Krystall die Prismenflächen zu verticalen Kanten zusammenstossen. Der vorliegende Krystall ist als solcher unter den schlesischen Kalk- spathen des Mineralogischen Museums das hervorragendste Stück ge- worden. Eingeschlossen enthält der Kalkspath einige wasserhelle Quarz- krystalle. der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 345 Aus demselben Riemendorfer Kalklager stammen auch ein paar Brocken derben Quarzes, theilweise noch mit Kalk bedeckt. Im Quarz liegen stark gestreifte, platte, gebogene Rutil - Prismen, bis 15 mm lang und 2,5 mm breit. Als Begleiter des Vorkommens von Scheelit am Kiessberge (alias Kistberge) im Riesengrunde wird schon in der ersten Beschreibung dieses Vorkommens von Herrn Ferd. Römer!) der Flussspath erwähnt, als „durchsichtige kleine Würfel von blass grünlichgrauer Farbe.“ Zuweilen zeigen die Flussspath - Krystalle von dort auch ziemlich gross ausgebildet das Dodekaeder und untergeordnet auch das Oktaeder. Neuerdings ge- langten nun, und zwar ebenfalls durch Herrn Mende aus Lomnitz, Stufen aus dem Riesengrund an das Museum, auf denen sich neben Scheelit und Quarz blassgrünliche, vollkommen durchsichtige Flussspath- Krystalle von 3--5 mm Durchmesser fanden, welche neben 1100| © O & und }110}| © O im Gleichgewicht und untergeordnetem 111) O mehr- fache, wenn auch schmale Pyramidenwürfelflächen zeigten. Die Messungen führten auf die Formen }210! © 0.3, }310! © 03, }10.3.0| © O ',, a Eee At! 210) © O4, entsprechend den Winkeln berechnet beobachtet 210 7211054 30%58% 30° 30’ I 722003, 104er 293 AH! 99° 39° 1002032.0 2 .110.= 98°17: DS an 3102:,110 —S 2635341 | IbR ar Ol ll (210) : (110) = 18° 26’ m x OM 16° 36’ Natürlich könnte man auch für die von den berechneten Winkeln stark abweichenden Neigungen nähere Formen mit complieirteren Symbolen - supponiren, wie etwa }14#.5.0| mit der Neigung zu le 29) un, oder !950| mit der Neigung zu }110| = 16° 57°. Aber abgesehen davon, dass man, um eine wirklich befriedigende Uebereinstimmung zwischen beobachteten und berechneten Winkeln zu erzielen, schon zu bedenklich irrationalen Parameter - Verhältnissen greifen müsste, so kenn- zeichnen sich die beobachteten Flächen auch durch ihre unsymmetrische Vertheilung an den Kıystallen als Vicinalflächen. Von vieinaler Gliederung frei sind die Dodekaederflächen, welche glatt und einheitlich erscheinen. Weit weniger gilt das von den Würfelflächen. Diese zerfallen theils in vieinale Pyramidenwürfelflächen, für welche die Neigungen (110) : (100) — 43° 12‘, eigentlich — (110): (318. 10.0) und = 43° 45’, eigentlich = (110): (458 . 10.0) 1) Zeitschrift der Deutschen geolog. Gesellschaft 1863 p.. 607, 246 Jahres - Bericht abgelesen wurden, — theils zeigen sie feine Zwillingslamellen nach einer Oktaederfläche eingeschaltet, und zwar nur je einer Diagonale parallel- laufend. 2 An einem Krystall fand sich auch eine Fläche des Ikositetraeders 1322| 7,0% berechnet gemessen BSR D)E=r1126; 119.30) (223), (LO) — 302377 29° 30' | Man sieht, dass die Fläche in die Lage eines vicinalen Achtund- vierzigflächners verschoben ist, dem nach den Winkeln das Symbol (144 . 156 . 225) entsprechen würde. Herr Privat-Docent Dr. Gürich legte recente und fossile Conchylien von Mossamedes, Südwest-Afrika, vor. Dieselben waren mit einer grossen Anzahl Gesteinsstücken 1882 von Höpfner gesammelt und vom Mineralien-Comptoir von Dr. A. Krantz in Bonn dem Vortragenden zur Bestimmung überlassen worden. Unter den zahlreichen losen Schalen befinden sich einige Arten, die zum Theil mit völlig recentem Aussehen erhalten sind, zum Theil als subfossil bezeichnet werden müssen oder in eine verdeckende Kruste von Kalktuff eingehüllt sind oder endlich als Steinkerne und Abdrücke in gewissen Gesteins- - stücken wiederzuerkennen sind. Diese werden demnach als quartär zu bezeichnen sein. Zu diesen quartären Ablagerungen gehören also: Bänke loser Conchylienschalen, die Senilienbank und die Dosinienschicht; erstere be- steht aus hellgrauem Kalk, stellenweise mit kleineren und grösseren Quarz- geröllen angefüllt, mit Steinkernen und Abdrücken von recenten Arten, unter denen namentlich Arca senilis L., eine gewöhnliche recente Art der westafrikanischen Küste, häufig ist. Die Dosinienschicht weicht petro- graphisch etwas von der Senilienbank ab und führt namentlich eine grosse Varietät der Dosinia d’Orbignyi Dunker, eine gleichzeitig recent vorkommende Trochita, sowie eine Tellina-Art. Die vorliegende Sammlung enthält aus quartären Ablagerungen 29 Lamellibranchiaten und 42 Gasteropoden. Lamellibranchiata. 1. Ostrea Forskali Gu. Recent. Incrustirt. Fossil. Grösste Höhe 100 mm, Breite 80 mm. Zahlreich. Ostrea plicatula Gmel. Fossil. Grösste Länge 80 mm. Einzeln. Ostrea cf. Gingensis Schlot. (Cyruussi Pyr. [Reeve]). Fossil. Mehrfach. Ostrea cf, lamellosa Lam. Fossil. Mehrfach. Anomia costata Brocchi (cf. Hörnes!). Incrustirt. Fossil. Rippen 16—30, Oberfläche mit blättrigen Anwachsstreifen, Form sehr con- stant hochgewölbt, vorn flügelartig umgebogen. Grösste Länge 160 mm, Höhe 130 mm. Sehr zahlreich. pw m 29. jet . Sep der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 947 Hinnites cf. corallinus Sow. Incerustirt. 130 mm breit; etwas höher. Mehrfach. Pecten pusio L. Subfossil. Einzeln. Spondylus gaederopus L. Incerustirt. 120 mm breit. Mehrfach. Lima inflata Ch. Subfossil und in der Dosinienschicht. Mehrfach. Mytilus ingens sp. n. Incrustirt. Etwa 290 mm hoch. Mehrfach. Arca senilis L. Fossil, incrustirt und in der Senilienbank. Sehr zahlreich. Arca sp. Fossil. Der A. larbata ähnlich, aber flacher, Wirtel mehr aufragend, weniger eingerollt. Einzeln. Arca sp. In der Dosinienschicht. Der A. Gambiensis Reeve am nächsten stehend, aber vordere Hälfte weniger hoch. Einzeln. Lueina contraria Dunker. Incrustirt. Zahlreich. Lueina sp. In der Dosinienschicht. 55 mm gross. Mehrfach. Chama sinistrorsa Brocchi (Gryphina Lam.). Incrustirt. Einzeln. Cardium ef. costatum L. In der Senilienbank. Die Bestimmung der Steinkerne nicht genügend sicher. Mehrfach. Cardium ringens Ch. In der Senilienbank. Mehrfach. Dosinia d’Orbignyi Dunker var. major. Incrustirt und in der Do- sinienschicht. Grösste Höhe 41 mm. (Eigene Art?) Sehr zahlreich. Dosinia cf. obliquata E. Roemer. Inerustirt. Mehrfach. Dosinia hepatica Lam. Incrustirt. Mehrfach. Dosinia sp. In der Dosinienschicht. Sinus ist steiler gestellt als bei D. d’Orbignyi. Einzeln. Donax elongatus Lam. Recent und in der Senilienbank. Mehrfach. Tellina strigosa Gmel. In der Dosinienschicht. Sehr zahlreich. Lutraria elongata Gray. In der Dosinienschicht. Mehrfach. Mactra cf. triangula Renier. (Hörnes!) Recent. Einzeln. . Mactra sp. Incrustirt. Klein, 13—14 mm hoch, fast gleichseitig. Zahlreich. | Ä Tugonia anatina Gm. (guineensis Reeve). In der Dosinienschicht. Einzeln. | Panopaea Aldrovandi Lam. Incrustirt. 165 mm lang. Einzeln. Gasteropoda. Murex trunculus L, Recent und incrustirt, Grösste Höhe 110 mm hoch. Einzeln. Murex cornutus L. Inerustirt. 120 mm hoch. Mehrfach. Purpura haemastoma L. Recent und inerustirt. Zahlreich. Purpura gigantea Reeve. Incrustirt. 190 mm hoch. Sehr zahlreich. Purpura neritoidea Lam. Fossil. Einzeln. Pseudoliva plumbea Ch. Fossil und inerustirt. Schlankere und ge- drungenere Formen. Sehr zahlreich. 248 Jahres- Bericht Triton suceinetum Reeve (Reeve: Tab. X. Fig. 32). Fossil und in- crustirt. Mehrfach. Ranella marginata Brugn. Fossil und incrustirt. Mehrfach, Nassa Kraussiana Dunker. Subfossil. Mehrfach. Conchelix eitrinum Reeve. Recent. Einzeln. Oliva sp. Fossil. Aehnlich ©. jaspidea Gmel. Einzeln, Terebra sp. Fossil. Aehnlich Faval, Adamson: Hist. nat. du Senegal Taf. 4 Fig. 5, aber grösser, schlanker. Einzeln. Pusionella Nifat Adamson. Inerustirt. Mehrfach, Pusionella Nifat forma elatior. Sehr zahlreich. Pusionella carınata n. sp. Wie vorige, aber Umgänge oben scharf gekielt, letzter Umgang auch unten stumpf gekielt; Wandung unten mehr eingezogen; Canal kürzer. Mehrfach. Pleurotoma obesa Reeve. Fossil. Einzeln. Pleurotoma mitraeformis Valene. Incerustir. Weniger schlank als bei Reeve. Einzeln. Conus papilionaceus Brug. Fossil und incrustirt. 140 mm hoch. Zahlreich. Conus testudinarıus Mart. Incrustirt. Mehrfach. Conus genuanus L. Inerustirt. Mehrfach. CGonus cf. cuneolus Reeve (catus?). Fossil. Einzeln. Conus simplex Reeve. Incrustirt. Mehrfach. ‘onus mercator L, Fossil. Mehrfach. Conus miser. Boiv. (Weinkauf in Küster. Taf. 41 Fig. 11.) Strombus bubonius Lam. Inerustirt. Bis 130 mm hoch. Sehr zahl- reich. Cypraea arabica L. Inerustirt, Einzeln. Cypraea cf. tigris L. Incrustirt. Einzeln. Cypraea cf. mappa L. Incrustirt. Einzeln. Natica fulminea Gmel. Inerustirt. Mehrfach. Trochita sp. Recent, fossil und incrustirt, auch in der Dosinien- schicht. Form und Skulptur der Art ist sehr variirend, bald an Tr. radıans Lam., bald an Tr. spirata Forl. erinnernd; vielleicht die afrikanische Varietät eine Zwischenform der beiden einander sehr nahestehenden Arten. Sehr zahlreich. Crepidula hepatica Desh. Incrustirt. Mehrfach. Turritella tricarinata (Eglisia) Reeve. Incrustirt. Mehrfach. Turritella ef. bicingulata Lam. In der Senilienbank. Mehrfach. Cerithium vulgatum L. Subfossil. 34 mm hoch. Mehrfach. Cerithium fuscatum L. (Reeve). Fossil. Mehrfach. Cerithium radula L. (Reeve). Fossil. Mehrfach. Fissurella australis Krauss. Fossil. Mehrfach. der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 949 37. Fissurella sp. Fossil und incrustirt. F. scutellum nahestehend, aber centrale Oefinung nur ',—'/, der Gesammtlänge; Schale flach, Seiten etwas concav. Mehrfach. 38. Patella nigropunetata Dunker. Recent und fossil. Sehr variirend. Zahlreich. 39. Patella scutellaris Lam. var. (= P. Lowei d’Orl.: Dunker. Index molluse. Guin. Taf. VI Fig. 1—3). Recent. Einzeln. 40. Patella sp. Recent. P. scutellaris ähnlich, höher gewölbt, Seiten- ränder nicht aufliegend, schlanker. Mehrfach. 41. Patella sp. Fossil. Vielleicht Patella Adamsoni: Dunker. Mehrfach. 42. Bulla ampulla L. Incrustirt. Mehrfach. Zahlreiche Stücke eines anderen Gesteins, eines hellgrünen Mergels, sind ebenfalls völlig angefüllt von den Steinkernen und Hohldrucken einiger weniger Arten mit grosser Individuenanzahl. Da die Arten mit lebenden nicht identificirt werden konnten, so wird dieser Carditen- mergel, wie ich das Gestein nenne, als tertiär anzusehen sein, zumal auch Kreideformen darunter nicht vertreten sind. Die Arten sind: 1. Gardita sp. Die Schale ist quer oval, mässig gewölbt, ungleich- seitig, bis 2 cm lang; die Vorderlänge verhält sich zur Gesammtlänge wie 30 bis 40 : 100. Vordere Unterecke zugerundet; hintere Unter- ecke ausgezogen. Auf den Steinkernen sind etwa 10, an den Ab- drücken etwa 15 Rippen zu zählen, von denen die vorderen gerundet, die hinteren im (Querschnitt dreikantig sind. In jeder Klappe be- finden sich zwei spitzwinklig convergirende Zähne; die rechte Klappe zeigt eine schmal dreieckige Zahnplatte. 2. Arca sp. Sehr zahlreich. Umriss trapezoidisch, Vorderrand weniger nach vorn geneigt als der Hinterrand. Die Schale ist stark gewölbt, die hintere Hälfte mehr als die vordere. Wirbel vorn mehr seitlich zusammengedrückt als hinten. Auf den Seitenflächen verläuft eine flache Furche vom Wirbel zum Bauchrande. Grösste Höhe des Stein- kerns 60 mm, Dicke 55 mm und Länge 80 mm. Das Schloss ent- hält etwa 15 Zähne jederseits; die letzten —5 sind winklig um- gebogen. Ligamentfeld schmal, vertical gestreift. 3. Cardium sp. Mehrere Steinkerne aus der Gruppe des C. edule. 4. Grepidula sp. Zahlreiche Steinkerne einer schmalen hochgewölbten Art, bis 50 mm lang. Ausser den im Sitzungsbericht vom 23. März 1887 erwähnten Kreide- vorkommnissen sind noch einige andere, wahrscheinlich ebenfalls cretaceische Gesteine zu erwähnen, unter denen namentlich der Turitellen- kalk (cfr. Zeitschrift der Deutschen Geol. Gesellschaft) eine ausgedehntere Verbreitung hat. Aus dem sandigen Kalk östlich von Fasenda Vital auf dem Monte Cavalleiros (Petermann’s Geogr. Mitth. 1888 p. 31) sind "annen- lich ein schmales hochgewölbtes Cardium mit etwa 90 Rippen, sowie eine 2350 Jahres - Bericht Trigonia mit radial stachligen, knotig schuppigen Rippen zu erwähnen. Von Pta. Giraul, dem Cap am Nordende der Bay von Mossamedes, liegen feste kalkige Sandsteine mit Turritellen und einer bemerkenswerthen Venericardia vor. Auf der schiefen Schale strahlen 12 schwache, nach binten verschwindende Rippen aus. Von den beiden winklig zusammen- stossenden Zähnen der rechten Klappe ist der hintere stärker und aussen fein quer gestreift. Sitzung am 14. December 1887. Geh. Rath Professor Dr. Römer legte Stücke von hellgrauem schiefrigen Thon mit Blattabdrücken von Laubholzbäumen, namentlich der Gattungen Carpinus und Quercus, aus den Thongruben von Gross-Pogul bei Dyhernfurth an der Oder vor. Das Vorkommen gleicht ganz demjenigen von Schosnitz bei Canth, und anscheinend sind auch die Blattabdrücke mit den dort vorkommenden der Art nach identisch. Die geringe Zahl von Fundorten, an welchen in der über ganz Niederschlesien, mit Ausnahme des Gebirges, unter der Diluvial-Decke verbreiteten Braun- kohlen führenden Tertiär - Bildung bisher solche Blattabdrücke bekannt geworden sind, wird hierdurch um einen neuen vermehrt. Der Vortragende verdankt die Kenntniss desselben der gefälligen Mittheilung des Herrn Oberlehrers H. Oberdieck. Derselbe legte ferner Fossilien vor, welche in dem Gebirgsmittel zwischen den Marie- und Valesca - Flötzen im Felde der consolidirten Heinitz-Grube bei Beuthen neuerlichst vorgekommen sind. Es sind theils pflanzliche, theils thierische Reste. Unter den ersteren sind namentlich zusammengedrückte kleine Fruchtzapfen von Lepidodendron (Lepidostrobus) und Fragmente von Stammstücken von Lepidodendron häufig. Unter den thierischen Versteinerungen ist ein kleiner, nur etwa 12 mm langer Zweischaler vorherrschend. Derselbe ist mit einer Art identisch, welche zuerst auf dem Egmont -Flötze der Charlotte - Grube bei Czernitz be- obachtet und von dem Vortragenden (Geologie von Oberschlesien p. 76) als Modiola CGarlotae bezeichnet wurde, und welche sich seitdem an vielen anderen Orten Oberschlesiens und Polens, namentlich auf der Concordia- Grube bei Zabrze, 22,14 m unter Pochhammer - Flötz (nach der Be- obachtung von Kosmann), auf der Laurahütte - Grube im Liegenden des Glückflötzes (nach demselben Beobachter), auf der Ferdinand - Grube bei Kattowitz und im Grubenfelde Hermann bei Gancarka, unweit Slawkow in Polen, immer in geselliger Zusammenhäufung der Individuen gefunden hat. Die Versteinerungsmasse ist bei allen Fossilien ein dunkelbrauner Thoneisenstein. Dieselben wurden durch Herrn Schichtmeister Beyers- dorf eingesendet, welcher auch zuerst das bemerkenswerthe Vorkommen beobachtete, der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur., 351 Derselbe berichtete endlich über die Auffindung eines bisher noch nicht unter den norddeutschen Diluvial - Geschieben beobachteten silu- rischen Kalksteins mit Trinucleus ceriodes Ang. und Remopleurides quadrilineatus Ang. Das Gestein ist ein hellgrauer, dichter, compaeter Kalkstein, etwa von der Beschaffenheit wie derjenige der Sadewitzer Geschiebe. Die Kopfschilde von Trinucleus ceriodes stimmen in der kugeligen Form der Glabelle und der Wangen und in der Schmalheit des weitmaschigen Randsaums mit der Beschreibung und Abbildung Angelin’s gut überein. Vier Exemplare des Kopfschildes liegen dicht nebeneinander in dem Gestein. Von Remopleurides liest nur der mittlere Theil eines Kopfschildes ohne die Augen vor. Es zeigt die beiden Paare feiner Seitenfurchen, welche nach Angelin für die Art bezeichnend sind. Da beide Trilobiten - Arten in Schweden der von Angelin als Regio Tri- nucleorum bezeichneten Abtheilung des Unter-Silur angehören, so wird . auch das Geschiebe aus Schichten gleichen Alters herrühren. Anstehend ist ein kalkiges Gestein gleicher Art in Schweden nicht bekannt. Die Herkunft des Geschiebes bleibt daher vorläufig ungewiss. Nur ein einziges wenige Kubikzoli grosses Stück liegt vor. Es wurde durch Herrn Bergrath von Gellhorn, dem der Vortragende schon für viele andere Beiträge zur Kenntniss der Diluvial-Geschiebe verpflichtet ist, bei Frankfurt a. O. gefunden. Herr Dr. Kosmann legte vor: Irisirende Kalkspathkrystalle von der Vulkan-Grube bei Ober-Schmiedeberg im Riesengebirge, und Umhüllungs - Kalkspathe vom Mühlberg bei Kauffung im Katzbachthale. Auf der seit mehreren Jahren in Fristen gelegten Magneteisenstein- Grube Vulkan bei Ober-Schmiedeberg wurden im Jahre 1884 in einer grösseren mit Kalkspath ausgefüllten Kluft Krystalle gefunden, von denen viele ein im Innern derselben auftretendes irisirendes Farbenspiel zeigten, wie solches u. a. an gewissen Krystallen von Andreasberg im Harz in ausgezeichneter Weise bekannt ist. Die Krystalle der Vulkan - Grube besitzen die Form eines sehr spitzen Rhomboeders, auf dessen Seitenkanten die Flächen des ersten stumpferen Rhomboeders gerade aufgesetzt sind, eine sehr häufig beobachtete Form, sind von rein weisser, milchiger Farbe und schwach durchscheinend bis durchsichtig klar. Um den Ursprung des Irisirens zu ermitteln, wurden aus den so beschaffenen Krystallen Spaltungskörper, von den Flächen des Hauptrhomboeders begrenzt, dar- gestellt und zeigte sich schon an diesen, dass die Farbenerscheinungen eine Folge von Druck sein müssen, unter dessen Einfluss die Bildung der Krystalle stattfand, da diese Krystalle in den drei Richtungen, parallel zu den Rhomboederflächen, das Licht nicht gleichmässig fortpflanzten, sondern mehr oder wenig durchscheinend sich verhielten. Es wurde ferner be- obachtet, dass einer der Blätterdurchgänge eine durchaus glatte Oberfläche 2592 Jahres-Bericht mit vollkommenem Glasglanz besitzt, dass die links dieser Fläche des Hauptrhomboeders liegende Spaltungsfläche nicht so gut spaltete, sondern einige Unebenheiten aufwies, während auf der rechts liegenden dritten Rhomboederfläche eine Anzahl paralleler Linien, gleich feinen Riefen, vor- handen sind, welche, in der Richtung der längeren Diagonale verlaufend, den Cobinations-Kanten des ersten stumpferen Rhomboeders entsprechen. Bereitet man sich nun ein Plättchen durch Abspalten desselben parallel dem vollkommensten Blätterdurchgange, welches also von den Flächen des letzteren begrenzt wird, und dreht dasselbe im auffallenden Lichte um eine Axe, welche mit der Polkante des Hauptrhomboeders parallel geht, so blitzen bei gewisser Neigung des Blättchens helle Regen- bogenfarben aus demselben hervor, und wenn man in dieser Stellung das Plättchen unter der Lupe betrachtet, so sieht man ein Netzwerk von kleinsten Rhomboedern, welche unter dem Einfluss polarisirten Lichtes in Prismenfarben erglänzen. Man erblickt auf diese Weise die Gesammtheit kleinster Rhomboeder, aus denen der Krystall aufgebaut ist. Bei näherer Betrachtung beobachtet man nun, dass in dem Kalkspath- krystall lineare, zu einander parallele Anwachsstreifen vorhanden sind, in denen ganz helle durchsichtige mit minder klaren Bändern abwechseln, und durchsetzen diese Streifen das Plättchen in der Richtung parallel zum ersten stumpferen Rhomboeder; ausserdem zeigt sich aber ein System von feinsten Kanälen nach zwei Richtungen, welche einen sehr stumpfen Winkel mit einander bilden und diagonal zu den Anwachsstreifen liegen; sie verlaufen daher in der Richtung der Endkante des ersten stumpferen Rhomboeders, Es liegen mithin hier alle Erscheinungen vor, welche in ihrem Zusammenhange und Wirkungen den Beobachtungen von Reusch in Tübingen entsprechen, indem derselbe im Jahre 1867 durch Pressen in Krystallen von isländischem Doppelspath Zwillingslamellen hervorbrachte, sowie denjenigen von G. Rose über die im Kalkspath vorkommenden hohlen Kanäle (Abhandl. d. Berl. Akad. d. Wissensch. 1868). Es bestätigt sich hiernach, dass in Folge eingetretenen Druckes in den Krystallen Zwillingsbildungen entstanden sind, vermöge deren der eintretende Lichtstrahl von verschiedenen Rhomboederflächen reflectirt wird und in Folge der Doppelbrechung in verschiedenen Strahlen von ungleicher Wellenlänge austretend, das Farbenspiel erzeugt. Die bei der Kluftausfüllung für die Krystallgebilde des Kalkspaths eingetretenen Druckerscheinungen zeigen sich im weiteren, wie an Beleg- stücken zu ersehen, in der Bildung von körnigem Kalkspath d. h. in aneinander gepressten und in ihrer Entwickelung behinderten Krystall- anhäufungen, sowie von Schieferkalk, also in feinsten schiefrig angeordneten Lamellen ausgebildeter Kalkstein, zum Theil krummschalig aufgebogen und Bruchstücke von pegmatischem Granit einschliessend. der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 953 Die Kalkspathe aus den Kalkbrüchen des Mühlbergs bei Kauffung stammen gleichfalls aus einer Kluftausfüllung des Gesteins, deren Bildung gleichsam als die Absätze einer versteinernden Quelle anzusehen sind. Dieselben lassen mehrere, in der Zeitfolge verschiedene Bildungen von Krystallen erkennen. Die Krystalle jüngster Bildung bilden Umhüllungs- krystalle auf den älteren Krystallen, haben sich aber in ihrem Aufbau der durch das ursprüngliche Hauptrhomboeder gegebenen ÖOrientirung an- geschlossen. Indem die älteren Krystalle in der Form des Skaleoeders des Hauptrhomboeders auftreten — dieselben sind von einer feinen Schicht Eisenglimmer überdeckt — bilden die Umhüllungskrystalle das Skalenoeder nächst höherer Ordnung, dessen Seitenflächen in den Kanten des Haupt- skalenoeders liegen; die Flächen des ersten stumpfen Rhomboeders bilden die Endigung dieser Skalenoeder zweiter Ordnung, sind also auf den Seitenkanten aufgesetzt. Wie diese Krystalle in der Art ihrer Anwachsung bemerkenswerth, so fallen sie auch dadurch auf, dass sie die Spitzen etlicher älterer Skalenoeder kuppenartig bedecken, als wären sie aus kleinen Tröpfchen herauskrystallisirt. Die betreffende Stufe wurde dem Mineralo- gischen Museum der Königl. Universität überwiesen. — Geh. Bergrath Althans machte auf ein interessantes Vorkommen olivinreichen Basaltes in einem Steinbruche von Frau Oberamtmann Ackermann dicht am Bahnhofe Langenöls aufmerksam. In dem Steinbruche ist der Contact mit dem von dem Basalte durchbrochenen Schiefer - Gebirge aufgeschlossen. Grosse Blöcke eines ähnlich olivinreichen Basaltes finden sich in südlicher Richtung bis Neu - Warnsdorf und Stöckicht an den. Feldwegen von Friedersdorf und Langenöls, besonders aber in grosser Zahl in den nach Friedersdorf und Neu - Schweidnitz führenden Thalschluchten zerstreut. Die Richtung und das Zusammen -Vorkommen mit grossen Quarzit- Geschieben des Diluvium lassen auf Verschleppungen durch Gletscher der . Eiszeit schliessen. Herr Dr. H. Kunisch berichtete über die zwei jüngsten Tiefbohrungen von Breslau, welche vergangenen Herbst zum Zweck der Förderung unterirdischen Wassers nicht ohne Erfolg niedergebracht wurden. Das eine Bohrloch befindet sich auf dem Grundstücke der Actien - Gesellschaft „Archimedes“ (Märkische Strasse 72), das andere im Hofe der Actien -Sprit - Fabrik (Lange Gasse). Die Ergebnisse haben die von dem Vortragenden über die unter- irdischen Wasser - Horizonte von Breslau bereits 1885 (63. Jahresbericht Seite 152) ausgesprochene Meinung im Wesentlichen bestätigt. In beiden Bohrlöchern wurde die obere Grenze des Tertiär-Gebirges in einer Tiefe von 40 —45 m angetroffen. 254 Jahres - Bericht Derselbe Vortragende legte einen Humerus (Oberarmknochen) eines diluvialen Säugethieres (Bos primigenius?) vor, welcher jüngst im Sande am Wehre der Lohe bei dem Dorfe Lohe, unweit Breslau, aufgefunden wurde. Derselbe sprach schliesslich über das sparsame Vorkommen von Caleit-Krystallen im oberschlesischen Muschelkalke und legte unter anderen eine aus dem Steinbruche des Herrn Kluczny zu Krappitz stammende Stufe vor, welche wohl die schönsten Krystalle enthält, die bis jetzt aus dem genannten Gebiete bekannt geworden sind.. Neben mehr als fünfzig wasserhellen, hirse- bis graupekorn- grossen Kryställchen, welche zu genauen Messungen geeignet erscheinen, sind auf einer gelblichgrauen Kalkstein - Unterlage aufgewachsen zwei wasserhelle, ungefähr zolllange und fingerdicke Krystalle von prismatischem Habitus. Die sechsseitige Säule zeigt in ihren Endigungen ziemlich deutlich zwei stumpfe Rhomboeder und ganz untergeordnet Skalenoeder. Bei genauerem Zusehen gewahrt man, dass die scheinbar einfachen Krystalle in der That Contact - Zwillinge mit parallelen Axensystemen sind. Die deutlich erkennbare Zwillingsgrenze liest genau in der halben Höhe des hexagonalen Prismas und erhöht das symmetrische Aussehen der Krystallkörper. Von Herrn General-Agenten A. Langenhan wurde ferner die rechte, nahezu vollständige Unterkieferhälfte eines Placodonten (Sauriers mit Platten- oder Pflasterzähnen), wahrscheinlich des Placodus gigas (Agassiz), aus dem unteren Muschelkalke von Gogolin OS. mit drei sehr schön erhaltenen grossen Backen-Zähnen und darunter befindlichen, zum Theil sichtbaren Ersatz-Zähnen vorgelegt. — Das seltene Stück gelangte mit einigen anderen Muschelkalk-Petrefakten durch die Güte des Herrn Elsner, Directors der Gogoliner Kalk-Actien-Fabrik, in den Besitz des Genannten. Ursprünglich war das Unterkiefer - Fragment so in den sehr . harten Muschelkalk eingebettet, dass nur die Ersatz-Zähne im Kiefer zu sehen waren, die pflasterartig aneinander stehenden Backen-Zähne aber erst mit Mühe blosgelegt werden mussten, was indess in befriedigender Weise gelang. Das Vorkommen von Placodus-Zähnen wurde schon 1847 durch Mentzel und später durch Dr. H. Eck in seinem Werk über den bunten Sandstein und Muschelkalk Oberschlesiens 1865 nachgewiesen; doch blieben Kieferstücke immer selten. der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 355 IV. Bericht über die Thätigkeit der botanischen Section der Schlesischen Gesellschaft im Jahre 1887, erstattet von Professor Dr. Ferdinand Cohn, Zeitigem Secretair der Section. Die Botanische Section hat im Jahre 1887 9 Sitzungen ge- halten. In der ersten Sitzung vom 13. Januar hielt Herr Professor Dr. Georg Hieronymus einen Vortrag über Tephrosia heterantha Grisebach. Diese interessante Papilionacee aus der Tribus der Galegeae wurde von Herrn F. Schiekendantz im westlichen Bett des Flusses von Naecimientos in der Provinz Catamarca der Republik Argentina im Februar 1873 aufgefunden und von Grisebach in den Symbolae ad Sloram argentinam $. 101 und 102 beschrieben. Obgleich Grisebach, welcher die Pflanze vom Vortragenden erhielt, von diesem auf die zwei verschiedenen Arten von Blüthen der Pflanze schriftlich aufmerksam gemacht worden ist, und er daraufhin der Pflanze den Artnamen T., heterantha beigelegt hat, so sind doch merkwürdigerweise nur die ansehnlichen chasmogamen Blüthen von demselben an der angegebenen Stelle beschrieben worden. Dennoch besitzt gerade das im Göttinger Herbar liegende Individuum kleistogame Blüthen in gutem Zustande und reichlicher Anzahl. Der Vortragende hatte Gelegenheit dieses Exemplar neuerdings eingehender Untersuchung zu unterwerfen und giebt hier die Resultate derselben, 256 Jahres-Bericht Tephrosia heterantha ist eine einjährige Pflanze, welche eine spindel-- förmige, wenig verzweigte Hauptwurzel und einen kurzen Hauptstengel besitzt, an welchem zahlreiche Blätter eine nach allen Seiten hin strahlende Rosette bilden. Die Blätter sind unpaarig gefiedert, mit Ausnahme der eiförmigen Kotyledonen. Die untersten Blätter sind klein und besitzen, ausser dem unpaarigen Endblättehen, meist nur ein Fiederblättehenpaar. Die weiter oben stehenden Blätter haben jedoch zwei und drei Blättchenpaare und sind langgestielt. Von der Mitte des 'Stengels nach oben zu nehmen die Blätter wieder an Grösse ab. Die verkehrt eiförmigen, fast kreisförmigen Blättehen sind kurzgestielt. Die Nebenblättchen sind linear zugespitzt und bis über die Hälfte mit dem Blattstiel zu einer kurzen Blattscheide verwachsen. In den Achseln der Blätter stehen nun die einseitwendigen Blüthentrauben, eine jede mit etwa 2—5 Blüthen. Die Blüthen der in den Achseln der unteren Blätter stehenden Trauben sind klein und kleistogam, die der, in den oberen Blattachseln stehenden Trauben, relativ gross, chasmogam und werden zweifellos durch Insecten bestäubt. Die Hauptachse der Trauben mit kleistogamen Blüthen ist sehr verkürzt und an der einen Seite mit der Blattscheide bis etwa zur Hälfte dieser verwachsen. Beide Blüthenarten stehen in der Achsel von kleinen Deck- schuppen, auf kurzen Stielen, an welchen 1—2 winzige Vorblättchen sitzen. Der dem Gattungs-Charakter entsprechend gebaute Kelch erreicht bei den kleistogamen Blüthen etwa nur ein Drittel der Länge des Kelehes der chasmogamen Blüthen. Die Blumenblätter der kleistogamen Blüthen sind ausserordentlich reducirt, erreichen kaum die Länge des Kelches, sind anscheinend von weisslicher Farbe, oder ganz hyalin und relativ schmal, wobei sich jedoch die dem Gattungs - Charakter ent- sprechenden Grundformen noch erkennen lassen, während die Petalen der chasmogamen Blüthen ihren Kelch etwa um das Doppelte überragen, dem Gattungs-Charakter entsprechend wohl ausgebildet sind, und im Leben anscheinend schön violette Gründfarbe haben, doch so, dass die basalen Theile heller gefärbt sind und die Fahne in der Mitte des basalen Theiles einen gelben Fleck besitzt. In den kleistogamen Blüthen sind nur die 5 episepalen Staubblätter vorhanden. Die Filamente dieser Staubblätter sind fast ganz frei, indem nur ein ganz kleiner Theil der- selben an der Basis zu einem leicht übersehbaren Ringe verwachsen ist. Etwas über der Mitte sind die Filamente zur Zeit der Befruchtung nach Innen zu eingebogen, jedoch ist die Anthere wieder mehr oder weniger aufrecht gestellt. Das Ovar erreicht kaum die Länge des Kelches und finden sich in demselben nur 2 oder 3 Samenanlagen. Der Griffel besitzt nur an der Spitze ein schwaches Haarbüschel und ist etwa halb so lang, 'als das der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cuitur. 957 Ovar. Zur Zeit der Bestäubung findet sich derselbe in dem noch fast geschlossenen Kelch nach dem Blüthengrunde zu umgebogen und zwar an der oberen Blüthenseite. Die Staubblätter finden sich zu dieser Zeit auch meist nach dieser Seite zu gebogen, so dass die Antheren der Narbe möglichst nahe gebracht sind. Die Antheren sind kleiner, als die der Staubblätter der chasmogamen Blüthen. Dieselben enthalten nur wenig Pollenkörner, und diese treiben die Pollenschläuche durch die Antherenwand hindurch in die Narbe. Die Bestäubung ist demnach kleistantherisch. (Vergl. Ascherson in Bericht. d. Deutsch. botan. Gesellsch. 1884 p. 235). Das Androecium und Gynoecium der chasmogamen Blüthen ist im wesentlichen nach dem Gattungs-Charakter gebaut. Das fahnenständige Staubblatt ist an der Basis frei, dieht über derselben mit der Röhre der übrigen 9 Staubblätter auf kurze Strecke verwachsen. Diese Röhre ist etwa ebenso lang, wie die freien oberen Theile der Filamente. Die Antheren sind 3—4 Mal so gross, als die der kleistogamen Blüthen. Zu erwähnen ist ferner, dass der Griffel fast die Länge des Ovars erreicht, in der oberen Hälfte dicht mit Haaren besetzt ist, und zur Zeit der Bestäubung in fast einem rechten Winkel nach der Blüthen- oberseite abgebogen ist. Das Ovar enthält ca. 15 Samenanlagen. Dem- nach werden wohl auch reife Schoten der chasmogamen Blüthen mehr Samen enthalten, als solche der kleistogamen, und bedeutend länger sein. Leider fehlen reife von chasmogamen Blüthen stammende Schoten an den Exemplaren, Der Vortragende verglich sodann mit Thephrosia helerantha Gr. die von Ascherson (Il. ec.) näher untersuchte amphicarpe Form von Vieia augustifolia Reich. Letztere erzeugt in lockerem, spärlich be- wachsenem Sandboden an besonderen unterirdischen Ausläufern ebenfalls kleistogame Blüthen. Der Vortragende vermuthet, dass auch Thephrosia heterantha im Sande gewachsen ist, da Schickendantz als Fundort das Flussbett des Rio Nacimientos erwähnt und die nur zeitweise Wasser führenden Betten der Flüsse von Catamarca grösstentheils sandig sind, selbst noch innerhalb der Vorberge. Oeftere Ueberschüttung durch Sand, sei es, dass dieselbe durch schnell vorübergehende Wasseran- sammlungen oder durch Wind bewirkt wurde, mögen wohl die Pflanze zur Bildung von kleistogamen Blüthen in den unteren Regionen ihres Hauptstengels veranlasst haben. Im Anschluss daran besprach der Vortragende auch noch die interessante Cardamine chenopodifolia Pers., deren kleistogame Blüthen er Gelegenheit hatte, mit Grisebaceh und Drude zu Aulhanstne Jen, (Vergl. Gött. Nachr. 1878 p. 332), sowie Lilaea subulata H. B. K., über welche er bereits an anderen Stellen Ausführlicheres mitgetheilt hat. (Verel. Sitzungsber. der Gesellsch. naturf. Freunde zu Berlin vom 1887. ” 258 Jahres - Bericht 21. Mai 1878) und (Actas de la Acad. Nac. Argent. en Cördoba, vol. IV.) Der Lehrer an der höheren Bürgerschule, Herr G. Limpricht, legte vor und besprach die Schrift von Gümbel, Theodor, Der Vorkeim, Beiträge zur Entwickelungsgeschichte der Moospfianzen; S. A. Nov. Act. Ac. Cn. Leopold. nat. cur. 1853. Mit 2 Tafeln, worin manche, als Entdeckungen der neuesten Zeit angesehene Beob- achtungen, z. B. das Achsenkreuz und Grundquadrat in der Mooskapsel- anlage, die Ansicht, dass das chlorophyliführende Schwammparenchym derselben zu ihrer Ernährung beitrage, bereits niedergelegt sind. Gegen- über v. Haberliandt betont Vortragender "die Beständigkeit der ana- tomischen Merkmale und die daraus folgende Wichtigkeit derselben für die Systematik der Moöse. In der zweiten Sitzung vom 3. Februar übergab der Königl. Garten-Inspector Herr Berthold Stein ein Portrait von Rudolph von Uechtritz im Namen der Mutter des Verstorbenen; dasselbe soll im Sitzungszimmer, in dem sich bereits die Bilder mehrerer um die Ge- sellschaft verdienter Mitglieder befinden, aufgehängt und der Geberin der Dank der Gesellschaft ausgesprochen werden. Professor Ferdinand Cohn hielt einen Vortrag über die physikalischen Eigenschaften des Tabaschir, über welchen bereits im Bericht des vorigen Jahres im Anschluss an einen am 28. October 1886 gehaltenen Vortrag referirt worden ist. Derselbe legte Knollen von Equisetum palustre aus Grönland vor, mitgetheilt durch Herrn Pfarrer Wenck (vergl. den Bericht der bot. Section vom 25. November 1886). Unser correspondirendes Mitglied Herr Apotheker Sonntag hielt einen Vortrag über die Diatomeen der Umgegend von Wüste-Waltersdorf und ihre Be- ziehungen zu den geographischen Verhältnissen des Eulengebirges. Die Hohe Eule, ca. 3000‘ hoch, besteht der Hauptsache nach aus Gneis, ist umgeben von Vorbergen und Hügeln, nach Osten aus Porphyr von verschiedener Zusammensetzung und Farbe, Serpentin, Hornblende- gestein, Gabbro, granitähnlichem Gneis bestehend, nach Süden aus Schiefer und Hornblendegestein, Muschelkalk, dem sich der Kohlensand- stein des Neuroder Kohlenreviers, Kalkstein, Rothsandstein, Porphyr anschliessen, welche letzteren sich nach Westen fortsetzen, Serpentin- adern enthaltend und mit Melaphyr nach West-Nord zu in Kohlensand- der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 359 stein des Waldenburger Kohlenreviers endigen. Porphyr ist theils Quarz-, theils Thonporphyr. Nach Norden bestehen die Vorberge in weiter Strecke aus Gneis mit verschiedenen Porphyr- und Granitadern, Rothsandstein, Serpentin, Hornblendeschiefer, Grauwacke, in grösserer Entfernung Glimmerschiefer, Kalkstein. Der Rücken der Hohen Eule bildet eine Fläche von weiter Aus- dehnung, ist bis auf geringe Unterbrechung bewaldet, während meist nur die oberen Theile der Vorberge Wald besitzen; grosse Flächen der- selben und Thäler sind urbar gemacht. Auf und an den Bergen sind Quellsümpfe, aus denen Bäche sich mehr oder weniger nach allen Rich- tungen in die Thäler ergiessen und hier zu den grösseren Gebirgswässern werden. Der Eulenkamm namentlich ist reich an solehen Sümpfen mit manch- mal viel Eisenoxyd, welche oft Tümpel enthalten, und hier ist eine reiche Fundstelle von Diatomeen. Höhe und Lage haben grossen Ein- fluss auf Gattungen und Arten derselben. Während einzelne Arten, die auf dem Eulenkamme häufig und in förmlichen Colonien vorkommen, sich nur vereinzelt in niederen Vorbergen finden, giebt es andere Arten, die nur im Thale gefunden wurden, manche, die sehr vereinzelt auch in höheren Bergen sich finden, viele dagegen gar nicht. Es ist hier nur meine Absicht, die Aufmerksamkeit von Forschern auf dieses Gebiet zu lenken, welches einen grossen Reiehthum und Fülle von den verschiedensten Arten besitzt, die hochinteressant sind und durch ihre grosse Mannigfaltigkeit besonders lohnend gefunden werden. Es kommen nicht allein Colonien einzelner Gattungen vor, son- dern auch Colonien verschiedener Gattungen; diese haben sich mit der Zeit so angehäuft, dass sie an manchen Orten als Diatomeen-Lager angesehen werden könnten, die nicht fossil, sondern noch lebend sind, Ganze Familien zeigten sich in einzelnen Teichen, die bei späterem Nach- suchen verschwunden waren, weil inzwischen die Teiche geräumt und mit dem Schlamm bis auf geringe Reste ausgeworfen waren. In Sumpftümpeln fanden sich zusammenhängende, irgendwo fest- gehaltene wolkige Massen, z. B. Odontidium mierodon freischwimmend; an Coniferen kettenförmig aneinanderhängend und funkelnd wie Brillanten, im klaren Quellwasser: Tabellaria fenestrata, flocculosa, venlricosa, an den grünen Algen festsitzend sternförmig Synedra radians u. 5. W. — z sonders in Gebirgsbächen im Thale in langen Zöpfen wogend: Melosira varians, scheinbar nicht jedes Jahr gleich; denn in anderen Jahren wunder in ähnlichen Zöpfen, an Steinen festsitzend, an derselben uels Dune oblusum fast in gleicher Menge gefunden, im Jahre darauf wieder Melosıra varians in Zöpfen, und in daran hängendem feinsten Schlamme massen- haft Oyelotella opereulata. An Oladonia-Arten waren festsitzend Gomphonema, yes 260 Jahres-Bericht Coceoneis, Synedra; Cymbella-Arten in verschiedener Grössenentwickelung, welche sonst freischwimmende Arten wie Cymatopleura Solea, elliptica, Pinnu- laria radiosa, Navicula cuspidata, Amphora, Synedra, Stauroneis-Arten ein- geschlossen enthielten, während andere grüne Algen völlig frei davon waren, besonders wurde dies häufig bei Spirogyra beobachtet. Im Schaume fanden sich Haufen von Synedra, Gomphonema, Amphora u. s. w. In der grünen Haut waren Mengen von Fragilaria capucina, virescens u. a, Offenbar müssen sich in diesen Gewässern beträchtliche Mengen von Kieselerde, die für die Bildung der Diatomeenschalen verwendet wird, in Lösung befinden. Auf welche Weise entsteht nun in der Natur diese Lösung der Kieselerde? Unsere bisherigen Kenntnisse ge- statten uns hierüber kaum Vermuthungen auszusprechen, Wir wissen, dass sich der kohlensaure Kalk leicht in kohlensäure- haltigem Wasser löst; es wird angenommen, dass die Kohlensäure des doppeltkohlensauren Kalkes durch den Vegetationsprocess von Pflanzen verbraucht, dadurch wieder unlöslicher einfachkohlensaurer Kalk ab- geschieden wird, der sich als Kruste auf Pflanzen, wie z. B. Characeen, ansetzt und hier auch Diatomeen einbettet. Beiläufig bemerke ich, dass ich von 17 Arten von Characeen die Kruste untersuchte und hierbei in einzelnen Arten eine solche Menge von vorwiegend Synedra- und be- sonders Epithemia-Familien fand, dass dies eine sehr bevorzugte Lager- stätte sein muss. Ich bin soeben dabei, die Fundorte zusammenzustellen von der sehr srossen Zahl derjenigen Diatomeen, welche ich in drei Jahren mit allem Eifer gesammelt habe. Diese Zusammenstellung wird sich auf die Hohe Eule mit etwa 2—3 meiliger Umgebung nach allen Richtungen beschränken und werde ich dabei Lagen- und Bodenverhältnisse berücksichtigen. — Alles dies steht im Verhältniss zu der kurzen Zeit, in der ich meine Erfahrungen nur erst sammeln konnte, zu den geringen Hilfsmitteln, welche mir sonst zu Gebote standen, was allein gehoben wurde durch Rath und Unterstützung erst durch Herrn Sanitätsrath Dr. Long und dann speciell durch Herrn Professor Dr. Ferdinand Cohn und Öber- Stabsarzt Dr. Schröter, die so überaus freundlich mir gestatteten, sehr viel und oft ihren gütigen Rath und Hilfe in Anspruch zu nehmen und wiederhole ich nochmals, dass ich nur wünschte, durch diese Andeutungen Jüngere, erfahrenere und kenntnissreichere Männer zu veranlassen, dass sie sich bewogen finden möchten, dieses Gebiet genauer, als ich es konnte, zu durchsuchen, um noch viel Neues, was ich wohl in sichere Aussicht zu stellen allen Grund habe, zu finden und zu bestimmen. der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 261 Herr Dr. Eidam berichtete über seine Untersuchungen zweier Krankheits- Erscheinungen, die an den Wurzeln der Zuckerrübe in Schlesien seit letztem Sommer ziemlich häufig vorgekommen sind. Die eine Erkrankung hat sich als echte, durch einen Pilz hervor- gerufene Infeetions-Krankheit herausgestellt, in deren Beginn man an den Rübenwurzeln äusserlich dunkelbraune Flecken bemerkt, die sich rasch vergrössern und ins Innere vordringen; beim Durehschneiden der Rüben zeigen sich die Flecken vom gesunden weissen Gewebe durch eine hellbräunliche Mittellinie abgegrenzt. Diese Krankheit ist schon lange bekannt; sie wurde von F. Cohn im Jahresbericht d. Schles. Ges. für 1853 p. 98 ausführlich geschildert und von Kühn in seinem Buch: „Die Krankheits-Erscheinungen der Culturgewächse“ p. 232 auf einen Pilz, Rhizoctonia Betae, zurückgeführt, Diesen Pilz hat Vortragender in Nährlösungen (verdünntem Pflaumen- deeoct) rein eultivirt, auch ergab sich, dass er nicht nur die aus- sewachsenen, sondern auch die jungen Rübenwurzeln befällt und dass sogar die zarten Würzelchen der Rübenkeimlinge von ihm gebräunt, erweicht und getödtet werden. Dünne Scheiben der erkrankten Rüben wurden auf Objectträgern in Wassertropfen eingelegt; schon am andern Tage zeigte sich das in den abgestorbenen braunen Zellen befindliche Myeel an der Trennungszone des kranken und gesunden Zellgewebes nach letzterem üppig hingewachsen, zum Theil war es als Luftmycel frei hervorgetreten. Dabei stellte sich heraus, dass Membran und Inhalt der Rübenzellen bereits desorganisirt und gebräunt worden, bevor noch die Pilzhyphen direet bis zu ihnen vorgedrungen sind, dass also das Mycel wahrscheinlich durch Ausscheidung eines Fermentes sich den Nährboden erst vorbereitet, ähnlich wie es de Bary bei den durch Botrytis einerea resp. durch Selerotinia hervorgerufenen Pflanzen-Krankheiten neuerdings beobachtet hat. In den nächsten Tagen wurde. das Luftmycel ziemlich reichlich, so dass es nun rein und frei vom Rübengewebe in klare Pflaumenabkochung übertragen werden konnte. Dort verzweigte es sich rasch und wuchs in breiter Fläche heran; die Hyphen waren farblos, später bräunten sie sich vielfach und an einzelnen Stellen kamen kleine braune selerotienartige Verflechtungen zu Stande. Irgend welche Art von Fructification erfolgte jedoch an dem Mycel nicht, es blieb vollständig steril und desshalb musste auch die nähere Bestimmung der Art des Pilzes unterbleiben und demselben der vorläufige Name Rhi- Mit dem eultivirten Mycel wurden dieselben erkrankten so dass demnach zoctonia zunächst belassen werden. gesunde Rüben sowie Rübenkeimlinge angesteckt; nach dem Eindringen der Hyphen und sie starben ab, der Pilz unmittelbar als Urheber der Krankheit zu gelten hat. 262 Jahres - Bericht Die zweite beobachtete Krankheits - Erscheinung der Zückerrübe hat in ihrem Entstehen nichts mit einem Pilze zu thun, die Ursache ist hier vielmehr, wie es scheint, auf ungünstige physikalische Ver- hältnisse zurückzuführen. Die Rüben bekamen, noch auf den Feldern stehend, am Kopf Spalten und Risse, in welchen sich Wasser stagnirend ansammeln konnte. - Die Risse vergrösserten und vertieften sich dann und es bildete sich schliesslich inmitten der Rübe durch Fäulniss ein grosser Hohlraum mit schwarzer Wandung aus. Beim Feuchtlegen solcher Rüben in Glasschalen begannen die noch lebendigen Parenchym- zellen derselben an zahlreichen Stellen sich durch Theilung zu vermehren und grosse wülstige Hervortreibungen in Form schöner Kallusbildungen zu entwickeln. Solche Rüben sowie die von der Rkizoctonia befallenen werden der Versammlung vorgelegt. Dr. Eidam zeigte sodann Präparate eines von ihm entdeckten Schim- mel-Pilzes, dessen zierlicher Bau näher beschrieben und durch Zeichnungen erläutert wurde. Er kam auf einer feuchtgelesten alten Pferdedecke in Form spärlicher Flöckcehen zur Entwickelung und wurde als eine neue Art der von van Tieghem in den Annal. d. se. nat. Bot. Ser. V. Tom 17, 1873 aufgestellten Gattung Coemansia bestimmt, von welcher bisher nur eine Species, die auf Rattenkoth wachsende schwefelgelbe ©. reversa van Tieshem mit bis 6 mm eorossen Conidienträgern bekannt gewesen ist. Die in Rede stehende neue Art wird von Bidam als Coemansia spiralis benannt; ihre weissgrauen Conidienträger erreichen nur eine Länge von 2 mm. Das Mycel des Pilzes ist reich verzweigt und septirt, farblos, im Alter schwach hellbräunlich, an einzelnen Stellen ist es mit kleinen klammerartigen Ausstülpungen versehen. An den Orten der Fruetifieation wird. der Myceldurchmesser etwas breiter und die Conidienträger er- heben sich, in Gruppen beisammen stehend, als septirte an der Basis gerade aufstrebende, dann aber in schraubiger Spirale gedrehte un- verzweigte Hyphen mit unten breiten, nach oben zu immer schmäleren Windungen, so dass die Peripherie der Spirale einen sehr schlanken zugespitzten Kegelmantel darstellt. Rings am ganzen Umfang der Spirale stehen wie an einer Wendeltreppe dicht beisammen nach allen Seiten die eigentlich conidientragenden Basidien von merkwürdiger und ziemlich complieirter Zusammensetzung, Jedes Basidium besitzt eine horizontal von der Spirale abgehende Stielzelle, am Ende derselben erheben sich senkrecht oder fast senk- recht in einer Reihe 4—5 Basidialzellen, von annähernd platt würfel- förmiger Gestalt; immer die nächsthöhere derselben ist gegen die vorhergehende verschmälert, die oberste Zelle erscheint am kleinsten der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 363 und trägt oft noch einen kurzen hackenförmigen Fortsatz, Sämmtliche Basidialzellen treiben und zwar auf ihrer Aussenseite in horizontaler Richtung je eine grössere Anzahl äusserst feiner Sterismen, und erst auf den letzteren kommt je eine farblose lang spindelförmige Conidie zu stehen. Man hat also an jedem Basidium eine horizontal von der Spirale abgehende Stielzelle, dann eine Reihe von senkrecht nach oben aufgerichteten Basidialzellen, sodann eine Reihe von wiederum horizontal abgehenden, äusserst zahlreichen Sterigmen zu unterscheiden, auf welch letzteren dann in gleicher Richtung die Conidien in Form einer dichten Gruppe beisammen stehen. Die Spiral-Hyphe des Coni- dienträgers endet an ihrer Spitze mit einem conidientragenden Ba- sidium. Die reifen abgefallenen Conidien der Coemansis sniralis ähneln unter dem Mikroskop dünnen Krystallnädelehen; sie sind an beiden Enden scharf zugespitzt und haben eine Länge von 10—12 Mikrom. und in ihrer Mitte eine Breite von 0,8—1 Mikrom. Nach Aussaat in Mist- deceoet schwollen die Conidien etwas an und trieben feine Keimschläuche hervor; leider gelang es aber nicht, die Entwiekelung des Pilzes in aer Nährlösung über kümmerliche Mycelbildung hinaus fortzuführen. Nach van Tieghem (Annal. d. se. nat. Bot. Ser. VI. Tom 1, 1875) ist es wahrscheinlich, dass Coemansia ebenso wie die verwandten Gattungen Kickxella, Martensella, Dimargaris und Dispaira den parasitisch auf Mucoraceen lebenden Pilzen zugerechnet werden muss. Dr. Eidam legte vor und besprach folgende neue, nach seinen Zeichnungen und Präparaten in der Fabrik von Robert Brendel in Berlin, Kurfürstendamm 101, fertig gestellte botanische Modelle: Die Blüthen von Zea Mays, Juglans regia, Ricinus communis Acer campestre (ein Beispiel der Heterostylie), Potentilla Tormentilla, Hyoscyamus niger, ein Modell des vegetativen Theiles und der Fortpflanzungs-Organe von Chara fragilis, durchsichtig aus Gelatine angefertigt; ebenso Querschnitte der Fruchtknoten von Pisum sativum (einfächerig), Hyoscyamus niger (gwei- fächerig), Hypericum perforatum (dreifächerig), Linum usitatissimum (fünf- fächerig), endlich als T'ypen zweier Gruppen der Umbelliferen den Quer- schnitt der Frucht von Conium maculatum sowie den der Frucht von Foeniculum capillaceum, Herr G. Limpricht legte vor: Chalubinski, F., Enumeratio muscorum tartrensium, Warschau 1886. In der dritten Sitzung vom 17. Februar hatte Herr Professor Dr. Engler im grossen Sitzungs-Saale eine Ausstellung der Flora des Herero- und Damaralandes veranstaltet, bei der die Sammlungen von Alerto zu Grunde gelegt waren. Er knüpfte an dieselbe ein an- 264 Jahres-Bericht schauliches Bild der dürftigen Küsten -Vegetation, charakterisirt dureh Acanthosicyos horrida, und der fruchtbaren landeinwärts gelegenen Ge- biete. Hierauf hielt derselbe einen Vortrag über die Flora der Insel Socotra. Ferner legte derselbe vor: 1. Das von ihm zusammengestellte grosse Werk: Araceae exsiccatae et illustratae. 2 Bde. Gr. Folio; enthaltend die Original-Exemplare und Zeichnungen der von ihm bearbeitelen Gattungen und Arten dieser Familie. 2. Ball, John, Notes of a Naturalist in South America. London SO Br. 3. Macoun, John, Catalogue of Canadian plants. Part. I. Polypetalae. Montreal 1883. 3°. 4. Müller, Ferdinand von, Description and illustration of the myoporinous plants of Ausiralie. Melbourne 1886. 4. 5. Kerner v. Marilaun, Oesterreich-Ungarns Pflanzenwelt. Wien 1886. 6. Zahlreiche Cataloge der Oolonial and Indian Eschibition. London 1886. 7. Treub, Ueber die Prothallien von Lycopodium Phlegmaria aus: Ann. du jard. botan. de Buitenzorg. Vol. V. Leyden 1886. 8. 8. Die erste Lieferung des von ihm und Prantl herausgegebenen Werkes: „Die natürlichen Pflanzen - Familien.“ Leipzig. Engel- mann. Professor Ferdinand Cohn leste vor: Scribner, F. L., Report on the fungus diseases of the Grape vine Departement of agriculture. Washington 1886. 7 Tab. und hob hervor, dass die Vereinigten Staaten von Nord-Amerika uns dadurch überflügelt haben, dass von Seiten der Regierung durch offieiell beauftragte Commissarien regelmässige Jahres- Berichte, über die Beschädigungen der Felder, Gärten und Wälder durch Insekten und Pilze publieirt, und dass allgemein verständlich geschriebene und mit lehrreichen Abbildungen ausgestattete Schriften über die Schädlinge unserer Culturen in landwirthschaftlichen Kreisen amtlich verbreitet werden, während bei uns trotz der enormen Verluste, welche der Nationalwohlstand durch schädliche Insecten und Pilze Jahr aus Jahr ein erleidet, weder die Behörden noch die landwirthschaftlichen Vereine sich darum kümmern, sondern es dem zufälligen guten Willen einzelner Beobachter überlassen, Nachrichten zu sammeln oder Mittel zu ihrer Bekämpfung aufzusuchen, ! der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 365 In der vierten Sitzung vom 3. März legte Professor Cohn vor das soeben vollendete Werk unseres Ehrenmitgliedes Willkomm, Forstliche Flora von Deutschland und Oesterreich. Leipzig 1887. Herr Privatdocent Dr, Pax hielt einen Vortrag über die Blüthenbildung der Capparidaceae. Der Vortragende zeigte an einer grösseren Zahl von Diagrammen, dass es möglich sei, die Blüthen aller Capparidaceae auf einen ge- meinsamen Grundplan zurückzuführen, wie er etwa bei manchen Cleome- Arten deutlich vorliegt. Das Andröceum besteht allerwärts aus vier, zwei zweigliederige Kreise bildenden Staubblättern, durch Dedou- blement gehen aus diesem Grundtypus die vielgliederigen Andröceen vieler Capparidaceae hervor. Bei denjenigen Formen, welche den Grundplan nicht mehr durch die Anordnung ihrer Glieder erkennen lassen, lehrt das Studium des Gefässbündelverlaufs, dass auch hier die zahlreichen Staubblätter aus der Verzweigung von vier Gliedern her- vorgehen. Im Einzelnen verhalten sich die vier Staubblätter beim Dedoublement sehr verschieden. Sodann besprach der Vortragende die Rolle, welche die Achse an der Blüthenbildung der Capparidaceen nimmt, unter Vorlage zahlreicher Original-Zeiehnungen, — Das Nähere findet man in einer in Engler’s Jahrbüchern Bd. IX, erschienenen Abhandlung über diesen Gegenstand. (Beiträge zur Kenntniss der Capparidaceae.) Derselbe demonstrirte eine Sammlung grönländischer Pflanzen, welche von Herrn Th. Holm gesammelt und dem Vortragenden freund- lichst übersandt worden waren, und legte sodann interessantere Ahorn- Formen aus Bosnien vor. Schliesslich legte derselbe vor die Zusammenstellung der in Schlesien im Jahre 1886 neu aufgefundenen Phanerogamen von unserem correspondirenden Mitgliede Herrn E. Fiek in Hirschberg, welche bereits im Jahres-Bericht der botanischen Section für 1886 abgedruckt worden ist, In der fünften Sitzung vom 17. März sprach der Königliche Garten-Inspector Herr B. Stein über Flechten vom Congo und aus dem Orient. Derselbe sprach hierauf über Strophanthus Ledienii Stein, welchen Herr Ledien vom Congo mitgebracht und dem botanischen Garten hier zur Cultur übergeben hat. 266 Jahres- Bericht In der sechsten Sitzung vom 27. October hielt Herr Ober- Stabsarzt Dr. Schröter einen Vortrag: Beiträge zur Kenntniss der nordischen Pilze. 3. Systematische Zusammenstellung der im Juli und August 1885 von mir in Nordland, Tromsö und Finnmarken in Norwegen gesammelten Pilze. Im Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für 18385 hatte ich eine Uebersicht über die mykologischen Ergebnisse einer von mir im Jahre 1885 nach Norwegen unternommenen Reise gegeben. Nachdem die ge- nauere Durchsicht der Befunde beendet ist, stelle ich im Folgenden die- jenigen Pilze, welche ich in dem jenseits des Polarkreises gelegenen Gebiete gesammelt habe, systematisch zusammen. Das Verzeichniss be- läuft sich auf 179 Arten, von denen bei Bodö (67° 17’ n. Br.) 46, bei Harstadhavn (Hindö, Lofoten, ca. 68° 48°) 13, bei Tromsö und im Tromsöthale (69° 38‘) 112, bei Hammerfest (auf der Kvalö, 70° 40’) 6, auf Magerö (Nordcap, 71° 10° n. Br.) 40 Arten gesammelt wurden. In demselben Jahre, kurz vor mir, hatte Professor Warming auf einer Fahrt nach dem Nordcap ebenfalls eine Anzahl Pilze gesammelt, welche von Professor Rostrup bestimmt worden sind. Dies Verzeichniss begreift 97 Arten (51 bei Tromsö, 7 Altenfjord, 11 Bosekop, 17 Kaa- fjord, 1 Talvik, 4 Vasbottenfjord, 2 Sakkabani, 2 Hammerfest, 2 Nord- cap). Durch einen günstigen Zufall sind nur 29 Arten in beiden Ver- zeichnissen gleich, so dass also das Gesammtergebniss der auf diesen kurzen Reisen in Nord-Norwegen aufgefundenen Pilze auf 239 zu stehen kommt. Myxomycetes. l. Ceratium mueidum (Persoon). 31. 7. Tromsö, im Birken- walde. 2. Arcyria incarnata (Persoon). 28. 7. Tromsöthal. 3. Lycogala Epidendron (Linne). 28. 7. Tromsöthal, 31. 7. Tromsö im Birkenwäldchen, 29. 7. Hammerfest, auf Birkenrinde an einem Dache. | 4. Trichia inconspicua (Rostafinski). 31. 7. Tromsö im Birken- walde, 5. Physarum cinereum (Batsch). 30. 7. Magerö, Schlucht bei der Landung zum Nordcap, auf dürren Kräuterstengeln. Chytridiei. 6. Physoderma Menyanthis De Bary. Auf ee. trifoliata, . 8. Bodö, Weg nach dem “ aeloulmıag der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 967 Entomophthorei. 7. Empusa Muscae Cohn. 1, 8, Bodö, Auf einer grösseren Fliege, im Freien, Peronosporacei. 8. Plasmopara pusilla (de Bary). Auf Geranium silvaticum. 7. Tromsö im Birkenwalde, 30. 7. Magerö, Schlucht am Nordcap. 9. Plasmopara nivea (Unger). Auf Archangelica officinalis 30. 7. Magerd, Schlucht am Nordeap. 10. Plasmopara densa (Rabenhorst), Auf Alectorolophus minor. 25. 7. Bodö. ll. Bremia Lactucae Regel.| Auf Salidago Virgaurea. 31. 7. Tromsö, im Birkenwalde. 12, Peronospora Viciae (Berkeley). Auf Viecia Cracca. 27. 7. Harstadhavn, 31. 7. Tromsö. 31. 13. Peronospora Alsinearum (aspari. Auf Cerastium triviale. 25. 7. Bodö. Auf Cerastium trigynum 29. 7. Hammerfest. Auf Stellaria media 1. 3. Bodö, Weg nach dem Pfarrhause; 29. 7. Hammerfest, Strasse der Stadt. 14, Peronospora parasitica (Persoon). Auf Capsella bursa pastoris. 31. 7. Tromsö, Strassen der Stadt. 15. Peronospora Ficariae Tulasne. Auf Ranunculus repens. 31. 7. Tromsö. 16. Peronospora affinis Rossmann. Auf Fumaria offieinalis. 1. 8. Bodö, Weg nach dem Pfarrhause. 17. Peronospora Trifoliorum De Bary. Auf Trifohum repens. al. 75: Tromsö; 18. Peronospora violacea Berkeley. Auf Knautia arvensis. 1. 8. Bodö, am Pfarrhause. 19. Peronospora Rumicis (Corda), Auf Polygonum aviculare 1. 8. Bodö, am Pfarrhause; 31. 7. Tromsö, in der Stadt. Auf Rumex Acetosa 27. 7. Harstadhavn, 28. 7. Tromsöthal, 31. 7. Tromsö. 20. Peronospora Urticae (Libert). Auf Urtica urens. 1. 8. Bodö, Weg nach dem Pfarrhause. 21. Peronospora alta Fuckel. Auf Plantago major. 31. 7. Tromsö, in der Stadt. Protomycetes, 22. Protomyces macrosporus Unger. Auf Carum Carvi. 1. 8. Bodö, am Pfarrhause. 23. Protomyces pachydermus Thümen. Auf Tarawacum offieinale. 28. 7. Tromsöthal. Ustilaginei. 24. Ustilago Bistortarwm (de Candolle). In den Blättern von Polygonum viviparum. 31. 7. Tromsö, im Birkenwalde. 268 Jahres - Bericht 25. Ustilago Goeppertiana Schroeter. In den Blättern von Rumex Acetosa (arifolius?) 30. 7. Magerö, Schlucht am Nordeap. — Sporenpulver sehr hellviolett, fast fleischfarben, Sporen 10—12 q breit, Membran feinmaschig, Maschen etwa 1 u breit. 26. Ustilago Warmingii Rostrup. Auf Rumex domestieus. 27. 7. Harstadhavn, 28. 7. und 31. 7. Tromsö. — Der Pilz ergreift alle Theile der Nährpflanze, besonders ausgebreitet findet er sich in den Blättern und den Blüthentheilen, aber auch in den Stengeln. In den Blüthen, und zwar gewöhnlich in allen Blüthen eines ganzen Blüthenstandes, sind Perigone, Staubfäden und Fruchtblätter ergriffen, verdickt und vergrössert. Die Sporen sind kuglig oder elliptisch, 6—9 1. breit, das Epispor sehr engmaschig (Maschen kaum 1 1 breit), hellviolett. — Bei Ustilago Parla- toria, welche in ihrem Auftreten diesem Pilze sehr ähnlich ist, haben die Sporen meist 11—13. ı Durchm., die Maschen des meist dunkleren Epispors 2 u Breite. 27. Ustilago violacea (Persoon). In den Staubbeuteln von Silene acaulis. 30. 7. Magerö, Schlucht vor dem Nordcap und Plattform desselben. 28. Sphacelotheca Hydropiperis (Schumacher). An den Frucht- knoten von Polygonum viviparum 25. 7. Bodö, 28. 7. Tromsöthal, 30. 7. Magerö, Schlucht am Nordcap. 29. Entyloma Calendulae (Oudemans). Auf Hieracium sp. 31.7. Tromsö, im Birkenwalde. 80. Tuburcinia Trientalis Berkeley ei Broome. Auf Blättern und Stengeln von Trientalis europaea. 23. 7, Tromsöthal. Uredinei. 31. Uromyces Polygoni (Persoon). Auf Polygonum aviculare, 25. 7. Bodö. 32. Uromyces Trifolii (Hedw. fl). Auf Trifolium repens. 1.8. Bodö, Weg nach dem Pfarrhause, 33. Uromyces Phacae (Wahlenberg). Auf Astragalus alpinus. 1. 8. Bodö, am Pfarrhause (Aeeidium). 34, Uromyces Acetosae Schroeter. Auf Rumex Acetosa. 25. 7. Bodö, (Aeeidium, Uredo und Uromyeces.) 35. Uromyces Aconiti Fuckel. Auf Aconitum septentrionale. 25. 7. Bodö. (Aeeidium,) 36. Uromyces Solidaginis (Sommerfel). Aut Solidago Virgaurea. 28. 7. Tromsöthal, 37. Puececinia Calthae Link. Auf Caltha palustris. Bodö 25. 7, (Aeeidium), 1. 8. (Uredo- und Teleutosporen). 38. Puceinia Pimpinellae (Strauss). Auf Pimpinella Sazxifraga. 1. 8. Bodö, am Pfarrhause. (Aecidium.) der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 969 39. Puceinia Lampsanae (Schultz). Auf Crepis paludosa. 27. 7. Harstadhavn. (Aeeidium.) 40. Puccinia Poarum Nielsen. Auf Tassilago Farfara. Aecidium, 25. 7. Bodö, 28. 7. Tromsöthal, 31. 7. Tromsö. 41. Puceinia silvatica Schroeter. Auf Taraxacum offieinale. Aeei- dium. 1. 8. Bodö, 28. 7. Tromsöthal. Auf Carex sp. Teleutosporen. 27. 7. Harstadhavn. 42. Puceinia Hieracii (Schumacher). Auf Taraxacum offieinale. 27. 7. Harstadhavn, 28. 7. Tromsöthal, 31. 7. Tromsö, Auf Carduus crispus. 1. 8. Bodö. 43. Puccinia Bistortae De Candolle., Auf Polygonum viviparum. 25. 7. Bodö, 27. 7. Harstadhavn, 28. 7. Tromsöthal, 31. 7. Tromsö, Birkenwald. 44. Pucceinia Veronicarum De Candolle. Auf Veronica alpina. 28. 7. Tromsöthal, 29. 7. Kvalö (bei Hammerfest). 45. Puccinia Saxifragae Schlechtendal. Auf Saxifraga_stellaris. 29. 7. Kvalö (bei Hammerfest). 46. Puccinia Fergussoni Berkeley et Broome. Auf Viola epipsila. 25. 7. Bodö, 28. 7, Tromsöthal, 31. 7. Tromsö, Birkenwald, 47. Puecinia Trollii Karsten. Auf Trollius europaeus. 28. 7. Tromsöthal, 30. 7. Magerö, Schlucht am Nordeap. 48. Puceinia scandica Johanson 1886 (Pucc. Epilobi De Can- dolle 1815). Auf Epilobium alpinum. 31. 7. Tromsö, im Birkenwalde. — Ich finde, wie Johanson, zur Teleutosporen, welche in kleinen, rund- lichen, später oft zusammenfliessenden Häufchen auf der Unterseite der Blätter vorbrechen. Die Sporen selbst sind eiförmig, meist 30—35 w lang, die obere Zelle am Scheitel abgerundet und sehr wenig verdickt, 18—22 u breit, an der Scheidewand stark zusammengezogen. Die Membran erscheint im trockenen Zustande fein punktirt, angefeuchtet glatt, matt braun. Der Stiel ist sehr zart, farblos. — Von der auf Epi- lobium teiragonum, E. montanum u, a. vorkommenden Puceinia (Eupuceinia) Epilobü (De Candolle 1805: Aceidium E.) unterscheidet sich dieser Pilz ausser dem Mangel der Aceidium- und Uredo-Fruchtform auch durch die Grösse und Form der Teleutosporen, welche bei P. Epilobüw nur 25—30 w lang, mit glatter, dunklerer, am Scheitel kappenförmig ver- diekter Membran versehen sind. — Dagegen stimmt der von Jr zZ schriebene Pilz ganz überein mit P. Epilobii De Candolle (Flore frangaise VI, Paris 1815, $. 61) auf Epilobium origanifolium, welche DC, zuerst aus den Pyrenäen erhielt. Ich/habe mehrere Exemplare, an verschie- denen Orten in Frankreich (von E. Lamy bei Limoges und von A, Bre- bisson bei Falaise) gesammelt, verglichen, und keinen IUnIESeL Et) von der in Norwegen gesammelten Form gefunden. Natürlich kann ds De Candolle’sche Name nicht bestehen bleiben; neben der P. Epilobii 270 Jahres-Bericht (De Cand.) eine P. Epilobii De Cand. oder etwa P. Epilobi origanifoli De Cand. beizubehalten, würde nur zu Verwirrungen führen. 49. Puccinia alpina Fuckel. Auf Viola biflora. 28. 7. Tromsö- thal. 50. Puccinia Geranii silvatici Karsten. Auf Geranium silvaticum. 27. 7. Harstadhavn, 28. 7. Tromsöthal. 5l. Gymnosporangium juniperinum (Linne). Auf Pirus aucu- paria. Aecidium. 25. 7. Bodö. 52. Trachyspora Alchemillae (Persoon). Auf Alchemilla vulgaris. 25. 7. Bodö, 27. 7. Harstadhavn, 28. 7. Tromsöthal, 31. 7. Tromsö, 30. 7. Magerö, Schlucht am Nhegp. 53. Triphragmium Ulmariae (Schumacher). Auf Ulmaria penta- petala. 1. 8. Bodö, Weg nach dem Pfarrhause. 28. 7. Tromsöthal. 54. Phragmidium Rubi (Persoon). Auf Rubus sp. 25. 7. Bodö (Uredo). 59. Phragmidium subcorticium (Schrank... Auf Rosa canina, 1. 8. Bodö, am Pfarrhause. 56. Phragmidium Rubi Idaei (Person). Auf Rubus Idaeus. 28. 7. Tromsöthal. (Aecidium.) 57. Melampsora farinosa (Persoon). Auf Salix phylicifolia. 28.7. Tromsöthal. Auf Salix lapponica. 28. 7. Tromsöthal, 31. 7. Tromsö. 58. Melampsora mixta (Schlechtendal). Auf Salix reticulata. 23. 7. Tromsöthal. 59. Melampsora betulina (Persoon). Auf Betula verrucosa. 28. 7. Tromsöthal. 60. Melampsora pustiulata (Persoon). Auf Epilobium palustre. 28. 7. Tromsöthal. 61. Melampsora Pirolae (Gmel.).. Auf Pirola minor. 31. 7. Tromsö, im Birkenwalde., 62. Chrysomyza Empetri (Persoon). Auf Empetrum nigrum. 27. 7. Harstadhavn, 28. 7. Tromsöthal, 29. 7. Hammerfest. 63. Uredo Polypodii Persoon. Auf Phegopteris Dryopteris. 28. 7 Tromsöthal, 31. 7. Tromsö. 64. nem a Sasifragarum (De Candolle). Auf rege aizoides. 30. 7. Magerö, Schlucht am Nordcap. 65. Aecidium Sommerfeltii Johanson. Auf Thalictrum alpinum, 25. 7. Bodö, 28. 7. Tromsöthal, 30. 7. Magerö, Schlucht am Nordeap. 66. Aecidium Parnassiae Schlechtendal. Auf Parnassia palustris. 25. 7. Bodö,. 67. Aecidium Saussureae. Auf Saussurea alpina. 25. 7. Bodö, 27. 7. Harstadhavn. — Von dem Aceidium auf Taraxacum nicht zu unter- scheiden, der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 971 Basidiomycetes. 68. Exobasidium Vaceinii Woronin. Auf Vaceinium Vitis Idaea. 28. 8. Tromsöthal. 99. Typhula scelerotioides (De Candolle). Auf alten Stengeln von Archangelica officinalis. 30. 7. Magerö, Schlucht am Nordceap. — Schmutzig rostfarben, trocken bräunlich, hornartig. 70. Clavaria vermicularis Scopol. 1. 8. Bodö. Zwischen Gras auf einer Wiese am Pfarrhause, 71. Hypochnus centrifugus Leveille. 31. 7. Tromsö, im Birken- walde auf Birkenrinde. 72. Tomentella fusca (Persoon). 31. 7. Tromsöthal, im Birken- walde auf einem Birkenstumpfe. 73. Stereum rugosum Persoon. Auf Birkenholz. 31. 7. Tromsö, Birkenwald. 74. Stereum purpureum Persoon. Auf Birkenholz. 31. 7. Tromsö, Birkenwalld. 75. Polyporus igniarius (Linne). Auf Betula verrucosa. 31. 7. Tromsö, Birkenwald. 76. Polyporus brumalis (Persoon). Auf Betula verrucosa. 28.7. Tromsöthal. 77. Boletus scaber Bulliard. 25. 7. Bodö, 28. 7. Tromsöthal, 31. 7. Tromsö, Birkenwald. 78. Boletus edulis Bulliard. 25. 7. Bodö, 28. 7. Tromsöthal. 79. Coprinus atramentarius (Bulliard). 31. 7. Tromsö, in der Stadt. 80. Russula integra (Linne). 25.7. Bodö. 81. Hygrophorus virgineus (Wulf). 28. 7. Tromsöthal. 82. Hygrophorus conicus Scopoli. 1. 8. Bodö, Wiese am Pfarrhause. 83. Cortinarius acutus Persoon. 31. 7. Tromsö, Birkenwald. 84. Psilocybe foenisecii (Persoon). 25. 7. Bodö, 31. 7. Tromsö. 85. Psilocybe bullacea (Bullard). 28. 7. Tromsöthal. 86. Panaeolus fimicola Fries. 25. 7. Bodö. 37. Psalliota campestris (Linne). 28. 7. Tromsöthal. 88. Crepidotus depluens (Batsch). 31. 7. Tromsö, Birkenwald. 89, Galera tenera (Schaefer). 25. 7. Bodö, 31. 7. Tromsö. 90. Galera Hypnorum (Batsch). 31. 7. Tromsö, Bursengald, 91. Naucoria furfuracea (Persoon). 23. 7. Tromsöthal. R 92, Hebeloma erustuliniforme (Bulliard). 28: BD: Tromsöthal. 93. Inocybe lacera Fries. 25. 7. Bodö, 31. 7. Tromsö, Birken- wald. : i 94. Pholiota mutabilis (Schaefer). Auf Betula. 31. 7. Tromsö, Birkenwald. 272 Jahres - Bericht 95. Pholiota praecox (Persoon). 25. 7. Bodö, 31. 7. Tromsö,_ 96. Nolanea pascua (Persoon). 31. 7. Tromsö. 97. Leptonia lampropus Fries. 25. 7. Bodö. 98. Omphalia fibula Bulliard. 28. 7. Tromsöthal. 99. Omphalia pyxidata Bulliard. 28. 7. Tromsötbal. 100. Mycena pura (Persoon). 28. 7. Tromsöthal. 101. Mycena galericulata Schaeffer. 51. 7. Tromsö, Birken- wald. 102. Collybia dryophila Bulliard. 28. 7. Tromsöthal. Gasteromycetes. 103. Lycoperdon gemmatum Batsch. 31. 7. Tromsö, Birken- wald, 104. Bovista plumbea Persoon. 283. 7. Tromsöthal. 105. COrucibulum vulgare Tulasne. 28. 7. Tromsöthal. Discomycetes. 106. Exoascus Pruni Fuckl. An den Früchten von Prunus Padus. 1. 8. Bodö, am Pfarrhause. 107. Exoascus Betulae Fuckel. Auf Blättern von Betula verru- cosa. 1. 8. Bodö, Weg nach dem Pfarrhause. 108. Peziza pustulata (Hedwig). 31. 7. Tromsö, Birkenwald. 109. Peziza rutilans Fries. Auf Jungermannia. 30. 7. Auf der Höhe des Nordcaps. 110. Peziza equina Mueller. Auf Kuhmist. 28. 7. Tromsöthal. 111. Helotium virgultiorum (Wahl). Auf Birkenzweigen, 31. 7. Tromsö, Birkenwald. 112. Helotium cyathoideum (Bulliard). Auf alten Stengeln von Archangelica offieinalis. 31, 7. Tromsö, 30. 7. Magerö, Schlucht am Nordcap. 113. Helotium crispulum Karsten. Auf alten Stengeln von Rumex Acetosa. 30. 7. Magerö, Schlucht am Nordeap. — Becher sehr kurz gestielt. Haare bis 5 breit, stark gekrümmt, ohne Scheidewände, Ende stumpf abgerundet. Schläuche eylindrisch-spindelförmig, 30—33 lang, 4—5 w breit, Sporen spindelförmig, 6—7 y lang, 4—5 1 breit, Paraphysen fadenförmig, 1—2 y breit. 114. Lachnum virgineum (Batsch). Auf einem Birkenstumpfe. 31. 7. Tromsö, Birkenwald. 115. Lachnum bicolor (Bulliard). Auf Zweigen von Betula. 28. 7. Tromsöthal. 1 116. Orbilia leucostigma Fries. Auf Birkenholz. 31. 7. Tromsö, Birkenwald. der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur., 973 117. Calloria fusarioides Berkeley. Auf alten Stengeln von Archangelica offieinalis. 30. 7. Magerö, Schlucht am Nordcap. 118. Ascobolus furfuraceus Persoon. Auf Kuhmist. 28, T. Tromsöthal. 119. Ascobolus immersus Persoon. Auf Kuhmist. 28. 7. Tromsöthal. 120. Mollisia cinerea (Batsch). Auf Betula. 28. 7. Tromsö- thal. 121. Mollisia junciseda Karsten — juneinella. Auf Eriophorum. 30. 7. Magerö, Schlucht am Nordcap. 122. Mollisia atrata (Persoon). Auf Vicia Cracca. 30. 7. Magerö, Schlucht am Nordcap. 123. Mollisia Karstenii (Saccardo). Auf Grasblättern. 28. de Tromsöthal, 30. 7. Magerö, Schlucht am Nordeap. 124. Tapesia fusca (Persoon). Auf Birkenzweigen. 28. 7. Tromsöthal. 125. Pseudopeziza Ranunculi (Wallroth). Auf Trollius europaeus. 30. 7. Magerö, Schlucht am Nordcap. 126. Heterosphaeria Patella (Tode). Auf alten Stengeln von Archangelica officinalis. 30. 7. Magerö, Schlucht am Nordcap. 127. Duplicaria Empetri (Fries). Auf Empeirum nigrum, 29. 7. Bei Hammerfest. Hysteriacei. 128. Lophoder mium arundinaceum (Schrader). Auf Grasblättern. 30. 7. Magerö, Schlucht am Nordeap. 129. Lophodermium versicolor (Wahlenberg). Auf Blättern von Salix sp. 30. 7. Magerö, Schlucht am Nordcap. 130. Hypoderma commune (Fries). Auf abgestorbenen Stengeln von Rhodiola rosea. 30. 7. Magerö, Schlucht am Nordcap. Pyrenomycetes. 131. Nectria episphaeria (Tode). Auf alten Lagern einer Valsacee an Birkenzweigen. 31. 7. Tromsö, Birkenwald, = 132. Nectria lichenicola (Cesati). Auf Peltigera sp. Conidien: Illosporium earneum Fries. 31. 7. Tromsö, Birkenwald. 133. Melanospora (?) pleiospora n. sp. Auf Hasenmist. De. Tromsö, Birkenwald. — Peritheeiam halb eingesenkt, kuglig, mit Amen, kegelförmiger Mündung, etwa 0,3 mm breit. Wandung schwarz, dünn, glatt. Schläuche eylindrisch - elliptisch, fast sitzend, m beiden aa wenig verschmälert, 65 —80 p lang, 10—12 K breit, vielsporig (meist 16— 24). Sporen unordentlich zweireihig,, elliptisch, 8 —10 W us 5—6 u breit, einzellig; Membran jung oliyenbraun, reif schwarzbraun. Paraphysen zahlreich, fadenförmig, zusammenfliessend. 6 1887. 274 Jahres - Bericht 134. Melanospora aculeata Hansen. Auf Hasenmist. 31. 7. Tomsö, Birkenwald. — Sporen 6—7 wu lang. 3—4 q breit. 135. Sordaria macrospora Auerswald. Auf Hasenmist. 31.7. Tromsö, Birkenwald (unreif). 136. Sordaria coprophila (Fries). Auf Hasenmist. 23. 7. Tromsöthal. 1357. Sordaria decipiens Winter. 28. 7. Tromsöthal. 138. Sporormia minima Auerswald. Auf Hasenmist. 31. 7. | Tromsö, Birkenwald. 139. Sporormia ambigua Niessl. Auf Hasenmist. 28. 7. Tromsö- thal. 140. Sporormia intermedia Auerswald. Auf Kuhmist. 28.7. Tromsöthal. 141. Sporormia. oetomera Auerswald. Auf Hasenmist. 31. 7. Tromsö, Birkenwald. 142. Rosellinia aquila (Fries). Auf Birkenholz. 28. 7. Tromsö- (hal. 143. Melanomma pulvis pyrius (Persoon). Auf Birkenholz. 1. 8. Bodö, 28. 7. Tromsöthal. 144. Bertia moriformis (Tode). Auf Betula. 28. 7. Tromsöthal. 145. Sphaerella maculiformis (Persoon). Auf alten Blättern von Betula verrucosa. 1. 8. Bodö, 28. 7. Tromsöthal. 146. Sphaerella genuflexa Auerswald. Auf alten Blättern von Salix reticulata. 30. 7. Magerö, Schlucht am Nordcap. — Sehläuche büschelig, zu 10—15 in einem Perithecium, sackförmig, unter der Mitte am breitesten, 60—70 u lang, 20—22 1 breit. Sporen 20—25 1 lang, 7—8 1 breit, an beiden Enden abgerundet, mit vier grossen Oel- tropfen. : 147. Sphaerella Viciae n. sp. Auf alten Stengeln von Piecia Cracca. 30. 7. Magerö, Schlucht am Nordeap. — Peritheeien 0,3 u breit, eingesenkt, mit der schwarzen, kurzen, warzenförmigen Mündung vorragend. Schläuche zahlreich in einem Peritheeium (über 20), büschelig, eylindrisch-spindelförmig, kurz gestielt, 55—65 j lang, S—11 breit. Sporen zwei- oder schief einreihig, spindelförmig, 13—15 p lang, 4—5 breit, zweizellig, in der Mitte etwas eingeschnürt, nach den abgerundeten Enden verschmälert, farblos. 148. Venturia ditricha (Fries). Auf alten Blättern von Betula verrucosa. 28. 7. Tromsöthal. 149. Venturia glomerata Cooke var. disseminata. Auf abge- storbenen Blättern von Geranium silvaticum. 30. 7. Magerö, Schlucht am Nordeap. — Perithecien über die ganze Blattunterseite zerstreut, eingesenkt, 60—80 y breit, kuglig, niedergedrückt, am Scheitel mit zahl- reichen, bis 33 w langen, 4 w breiten, schwarzen Borsten besetzt. der Schles. Gesellschaft für vater]. Cultur. 275 Schläuche sitzend, 26—30 w lang, 5—7 { breit, achtsporig. Sporen länglich - keulenförmig, 8—9 pn lag, 3 1 breit, zweizellig, sehr hell selb-grün. 150. Leptosphaeria Silenes acaulis De Notaris. Auf Blättern von Silena acaulis. 30. 7. Magerö, auf der Höhe des Nordeaps. 151. Leptosphaeria Doliolum Persoon. Auf alten Stengeln von Archangelica offieinalis. 31. 7. Tromsö, 30. 7. Magerö, Schlucht am Nordcap. 152. Leptosphaeria culmonum Auerswald var. mierospora. Auf trockenen Grasblättern. 30. 7. Magerö, Schlucht am Nordeap. — Peri- thecien kuglig, eingesenkt, 0,5 mm breit, mit deutlicher warzenförmiger Mündung vorragend. Schläuche cylindrisch-keulenförmis, 75 w lang, 12 u breit. Sporen fast elliptisch, innen abgeflacht, 15—16 lang, 6-7 ya breit, vierzellig, gelbbraun. 153. Zeptosphaeria culmicola (Fries). Auf abgestorbenen Gräsern. 28. 7. Tromsöthal. 154. Leptosphaeria culmifraga (Frie). Auf abgestorbenen Gräsern. 28. 7. Tromsöthal. Var. minor. 30. 7. Magerö, Schlucht am Nordeap. — Schläuche 75—90 u lang, 9—12 w breit. Sporen 7 bis Izellig, 24—27 m lang, 4—5 qw breit. 155. Pleospora vulgaris Niessi. Auf abgestorbenen Stengeln von Rhodiola rosea. 30. 7. Magerö, Schlucht am Nordeap. — Sporen 15 bis 17 y lang, 6 bis 7 breit, mit 3—5 Querscheidewänden. 156. Pyrenophora setigera Nies. Auf alten Stengeln von Archangelica offieinalis. 30. 7. Magerö, Schlucht am Nordeap. — Schläuche eylindrisch, 90—100 y lang, 11—14 u breit. Sporen schief einreihig, 17—22 ı. lang, 8—10 y breit, mit 95—6 Querscheidewänden. 157. Pyrenophora trichostoma (Fries). Auf trockenen Gras- blättern. 30. 7. Magerö, Schlucht am Nordeap. — Haare bis 200 u lang, unten 6—8 u breit. Schläuche bis 250 w lang, 40—45 u breit. Sporen 40—45 yı lang. 158. Gnomonia setacea (Persoon). Auf alten Blättern von Betula verrucosa. 1. 8. Bodö, 28. 7. Tromsöthal. 159. Gnomonia borealis n. sp. Auf alten Stengeln von Geranium silvalicum. 30. 7. Magerö, Schlucht am Nordeap. — Perithecien weit verbreitet, aber zerstreut stehend, von der Oberhaut bedeckt, diese vor- wölbend, bis 0,6 mm breit, kugelig, niedergedrückt, schwarz, mit etwa 0,2 mm langer, schnabelförmiger Mündung aus der Oberhaut vorbrechend. Schläuche sehr zahlreich, lanzettlich, sitzend, 44—50 Br lang, a ir breit, achtsporig. Sporen zweireihig, elliptisch-spindellörmig, al W lang, 4—5 y breit, an den Enden abgerundet, in der Mitte schwach ein- Ä Inhalt mit 2—4 Oeltropfen; Membran farblos. geschnürt, zweizellig; ee 276 Jahres - Bericht 160. Hyposylon multiforme Fries. Auf Aesten von Betula verru- cosa. 28. 7. Tromsöthal. 161. Phyliachora Poae (Fuckel). Auf Poa sp. 31. 7. Tromsö, Birkenwald (unreif). E 162. Dothidea ribesia (Persoon). Auf Ribes rubrum. 1. 8. Bodö, in einem Garten der Stadt. Sphaeropsidei. 163. Phoma herbarum (Westendorp). Auf abgestorbenen Stengeln und Hüllkelchen von Saussurea alpina. 30. 7. Magerö, Schlucht am Nordcap. 164. Phoma acutum (Fries)? Auf abgestorbenen Stengeln von Vieia Cracca. 30. 7. Magerö, Schlucht am Nordeap. — Perithecien ziemlich regelmässig rundlich, 0,5—0,5 mm breit, etwas zusammen- gedrückt, mit ziemlich starker, schwarzer, glatter Wandung und langer, schnabelförmiger Mündung. Sporen elliptisch-spindelförmig, 4—5 lang, 1 w breit. 165. Septoria Oruciatae Roberge et Desmazieres. Auf lebenden Blättern von Galium boreale.. 27. 7. Harstadhavn. — Peritheeien ohne deutlich begrenzte Flecke, einzeln oder geselligs, gelbbraun. Sporen fadenförmig, 40—50 u lang, 2—2,5 jı breit, Enden stumpf, als gelbliche Ranken ausgestossen. 166. Rhabdospora pleosporoides Saccardo. Auf abgestorbenen Blattstielen von Trollius europaeus. 30. 7. Magerö, Schlucht am Nordcap. 167. Asteroma Salicis Roberge et Desmazieres. Auf lebenden Blättern von Salix Caprea. 27. 7. Harstadhavn., Melanconiei. 168. Marsonia Violae (Passerini). Auf Blättern von Viola bijlora. 28. 7. Tromsöthal, 31. 7. Tromsö, Birkenwald, Hyphomycetes. 169. Ramularia Virgaureae Thümen. Auf Solidago Virgaurea. 28. 7. Tromsöthal. 170. Ramularia obligua (Cooke). Auf Rumex crispus. 25. 7. Bodö,. 171. Didymaria didyma (Unger). Auf Ranunculis repens. 51. 7. Tromsö,. 172. Bostrichonema Polygoni (Unger 1836; B. alpestre Cesati). Auf Polygonum viwiparum. 25. 7. Bodö, 28. 7. Tromsöthal. 173. Cylindrosporium pratense (Saccardo). Auf Rumex Acetosa. 28. 7. Tromsöthal. der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. Dr 174. Cladosporium herbarum Person. Auf abgestorbenen Kräuterstengeln. 30. 7. Magerö,. 175. Helminthosporium subulatum Nees. Auf Birkenrinde. 28. 7. Tromsöthal. — Rasen locker. Hyphen unten 11, oben 6—7 w breit. Sporen eylindrisch-ellyptisch, oben abgerundet, unten oft etwas verschmälert, meist vier-, oft auch fünfzellig, 22—26 p lang, 9—11 u breit, schwarzbraun. 176. Botrytis cinerea Persoon. Auf Sclerotium durum. 30. 7. Magerö, Schlucht am Nordcap. Fungi steriles. 177. Sclerotium durum Persoon. Auf abgestorbenen Stengeln von Saussurea alpina und Archangelica officinalis. 30.7. Magerö, Schlucht am Nordcap. 178. Sclerotium fulvum Fries. Auf Grasblättern. 25. 7. Bodö, 31. 7. Tromsö,. 179. Sclerotium speireum Fries? Auf abgestorbenen Blättern und Stengeln von Vicia Cracea. 30. 7. Magerö, Schlucht am Nordeap. — Gesellig, unter der Oberhaut durchschimmernd, rundlich, abgeflacht, etwa 0,5 mm breit und 0,3 ı hoch, in der Mitte gewöhnlich eingedrückt. Aussenhaut schwarz, Mark weiss, 180. Depäzea suecica n. f. Auf lebenden Blättern von Cornus suecica. 28. 7. Tromsöthal. — Flecke auf der Oberseite am deut- liehsten, doch auch auf die Unterseite dringend, rundlich oder elliptisch, 2—4 mm breit, gelbbraun, von weitem, dunkelvioletten Hofe umzogen, oft mehrere zusammenfliessend, in der Mitte mit einem oder mehreren schwarzen Perithecien. Sporen nieht beobachtet. 4. Einige Pilze aus Labrador und West-Grönland. Herr Prediger E. Wenck in Herrnhut i. 8. ist als ausgezeichneter Kenner der Flora von Labrador und Grönland bekannt. Seine Verbin- dungen mit den Missionären der Stationen der Herrnhuter Gemeinden in diesen Ländern haben ihn in den Stand gesetzt, sich eine reiche Sammlung der Flora dieses nordischen Gebietes zu erwerben und die Kenntniss derselben durch weitreichende Mittheilungen an viele Botaniker zu verbreiten und zu fördern, Das freundliche Entgegenkommen, welches mir Herr Wenele schon wiederholt durch Zusendung von Pilzen aus fernen, schwer zugänglichen Landstrichen gezeigt hatte, führte mich dazu, ihm die Bitte vorzulegen, mir die Durehsicht seiner aus Labrador und Grönland erlallenen Pflanzen zu gestatten, um dieselbe in Bezug auf pilzliche Parasiten zu unter- suchen. In bereitwilligster Weise sandte mir Herr Wenck seine Samm- 278 Jahres - Bericht lung zu, und ich faud in der That auf diesen Pflanzen eine Anzahl Pilze, welche ich in dem nachfolgenden Verzeichnisse zusammenstelle. Herr Dr. Pax in Breslau hatte die Freundlichkeit, mich einige im Juli und August 1886 von Herım Th. Holm au der Westküste von Grönland gesammelte Pflanzen zu gleichem Zwecke durchsehen zu lassen. Die Pilze, welche ich auf diesen gefunden, sind in das Verzeichniss ein- geschlossen. Obgleich das folgende Verzeichniss nicht gerade gross zu nennen ist, so kann ich das Ergebniss dieser Herbar - Durchsicht als ein recht befriedigendes ansehen, weil ja bei dem Einsammeln der Exem- plare in keiner Weise auf Sammeln von Pilzen Rücksicht genommen war, im Gegentheil war wahrscheinlich darauf geachtet worden, krank erscheinende Exemplare auszuschliessen. In Anbetracht dessen, dass aus den genannten Ländern noch so wenig Pilze bekannt gemacht worden sind, ist auch ein kleiner Beitrag zu ihrer weiteren Kenntniss als Er- weiterung der Erkenntniss der nordischen Pilzvegetation anzunehmen. — Die Durchsicht der Phanerogamen hat mir die Ueberzeugung gegeben, dass sich auch in diesem Gebiet zahlreiche Pilze werden finden lassen, wenn ihnen einmal Aufmerksamkeit geschenkt werden wird. Nament- lich lässt sich auf ihnen eine grosse Anzahl von parasitischen Usti- lagineen, Uredineen und Pyrenomyceten erwarten, weil dieselben Nähr- pflanzen, welche in anderen. Theilen des nordischen Gebietes reich mit derartigen Parasiten besetzt sind, dort nicht fehlen. Auch die mist- bewohnenden Pilze, deren Anzahl selbst im hohen Norden kaum weniger beträgt als in der gemässigten Zone, dürften reich vertreten sein. Das Verzeichniss umfasst 45 Pilzarten, von denen 29 auf Labrador, 19 in Grönland gesammelt wurden. 5 sind als neue Formen beschrieben, 9 waren aus dem hochnordischen Gebiete noch nicht bekannt (davon 7 auch im mittleren Europa, 2 bisher nur in Nord-Amerika beobachtet). Von den übrigbleibenden 36 Arten sind 26 auch auf dem nordischen euro- päischen Festlande, 11 auf Island, 9 auf Spitzbergen, 6 auf Nowaja- Semlja gefunden worden, Zur geographischen Orientirung sei als ungefähre geographische Lage der einzelnen Punkte Folgendes bemerkt: Labrador: Hopedal 55° 30° n. Br., 60° w. L., Nayn 96°1205h = 62 # Okak 57° 40° 0 62% = Hebron 584: 10egazin 6 West-Grönland: Frederikshaab 62° z 50 liste Lichtenfels 63° = 50%,350° ww. Ey. Neu-Herrnhut 64° - 52° - Sukkertoppen 65° 25° - 53° z Holstenborg 67° : 53% 40° = der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 279 Ustilaginei. 1. Ustilago Caricis (Persoon). Auf Carexrupestris. Insel Skarn- sak bei Holstenborg in Grönland. 1. 8. 86. Th. Holm. — Auf Carex livida. Okak. 1856. Herb. Wenck. (Auch aus Island bekannt.) Uredinei. 2. Pueccinia Rubigo-vera (De Candolle). Auf Arundo lapponica. Nayn auf Labrador. Herb. Wenck. — Uredo- und Teleutosporen. — Aus Island und Spitzbergen noch nicht bekannt. 3. Uredo ledicola Peck. Auf Ledum latifolium. Okak. leg. Meyer. Herb. Wenck. — Aceidium Ledi Auerswald. Hebron. Aus Herb. Auers- wald. — Dieser Pilz unterscheidet sich von der Uredo-Form der Chryso- mysa Ledi (Alberlini et Schweiniz) sehr merklich. Er bricht immer nur auf der Oberseite der Blätter in rundlichen oder länglichen, fast spaltenförmigen Häufchen hervor, die in kleinen Gruppen oft kreisförmig nebeneinander stehen. Die äussere Lage der Sporen ist oft zu einem Pseudoperidium verbunden, und fast inhaltslos, Die Sporen sind be- ständig sehr viel grösser als bei Uredo Ledi, meist 28-.--35 (einzelne bis 44) u lang, 25—30 u breit (bei U. Led meist nur 22—26 1 lang, 14—23 y breit), ihre Membran dieker, mit stäbchenförmigen Auflage- rungen, — Dieser Pilz auf Ledum latifolium ist in den Vereinigten Staaten Nordamerikas an mehreren Orten gefunden worden, von Peck auf Mt. Marey in den Adirondacks, von Faxon und Farlow auf dem Mt. Washington in den White Mountains. Farlow') fand an demselben Ledum auch Uredo-Häufehen auf der Unterseite der Blätter, deren Sporen der typischen Uredo Ledi gleich waren. Auch fand er an dem gleichen Standorte ein Aecidium auf Abies nigra, welches sich von Aeci- dium abietinum Albertini et Schweiniz, das die Aceidien - Frucht von Chrysomysa Ledi ist, nicht unterscheiden lässt. — Der aus dem Herbar Auerswald stammende Pilz ist dem oben beschriebenen gleich. Basidiomycetes. 4. Exobasidium Vaceinii Woronin. Auf Blättern von Vaceinium uliginosum. Hopedal auf Labrador. Herb. Wenck. (Aus Spitzbergen und Island noch nicht bekannt.) Discomycetes. 5, Helotium Scutula (Persoon) var.:ß suspectum (Nylander) Karsten. Auf alten Blättern von Carex caespitosa. Lichtenfels in West-Grönland, Herb. Wenek. (Bisher im arktischen Gebiet noch nicht beobachtet.) 1) F. G. Farlow, Notes on some species of Gymnosporangium and Chryso- myxa of the United States (Proceedings of the American Academy of arts and sciences. 1885. S. 320). 280 Jahres - Bericht 6. Mollisia graminis (Desmazieres). Auf alten Blättern von Arundo lapponica. Nayn auf Labrador. (Von Spitzbergen und Island noch nicht bekannt.) 7. Mollisia junciseda Karsten. Auf Juncus caespitosus. Am Fels „Suckertoppen‘“ im West-Grönland. Th. Holm. .(Von Spitzbergen und Island nicht bekannt.) — Schläuche 60-65 u lang, 11—13 ı breit. Sporen spindelförmig, 22—24 1 lang, 5—4 w breit. 8. Trochila ignobilis Karsten. a. Auf Carex stylosa.. Bei Fre- derikshaab, West-Grönland. leg. C, A. Mey. Herb. Wenck. — Sporen 15 { lang, 3—4 u breit, — b. Auf Carex vulgaris. Bei Frederikshaab, West-Grönland. 16. 8. 86. Th. Holm. — c. Auf Carex rariflora. Am Fels „Sukkertoppen“, West- Grönland. 11..7. 86, Th. Holm. (Aus Spitzbergen und Island nicht bekannt.) 9. Trochila diminuens Karsten. a. Auf Carex atrata. Lichten- fels, West-Grönland. Herb. Wenck. — b. Auf Carex caespitosa. Lichten- fels, West-Grönland. Herb. Wenck. — c. Auf Carex rupestris. Insel Ikernak bei Holstenborg, West- Grönland. 1. 8. 1886. Th. Holm. — Paraphysen keulenförmig, Keule spitz, bis 22 w lang, bis 7 w breit, bräunlich. (Von Spitzbergen kekannt.) 10. Rhylisma Andromedae (Persoon). Auf Blättern von Andro- meda polifolia. Okak auf Labrador. Herb, Wenck. (Aus Spitzbergen und Island nicht bekannt.) 11. Rhytisma salicinum (Persoon). Auf lebenden Blättern von Salic cordifolia. Hopedal auf Labrador. Herb. Wenck. — (Aus Island bekannt.) Hysteriacei. 12. Lophodermium arundinaceum (Schrader). Auf Koehleria subspicala. Hebron auf Labrador. leg. Weiz 1855. Herb. Wenck., — (Von Spitzbergen und Island bekannt.) 13. Lophodermium caricinum (Roberge). Auf Carex hyperborea. Am Fels „Sukkertoppen‘“, West-Grönland. 9. 8; 1886. Th. Holm. — (Von Spitzbergen und Island nicht bekannt.) 14. Lophodermium sphaeroides (Albertini et Schweiniz), Auf abgestorbenen Blättern von Ledum latifolium. Okak auf Labrador. leg. Meyer. Herb. Wenck. (War aus dem arktischen Gebiete noch nicht bekannt.) Pyrenomycetes. 15. Laestadia rhytismoides (Berkeley). Auf Dryas integrifola Nayn, Okak auf Labrador. leg. 1859 Horlacher, Herb. Wenck. (Von Island und Spitzbergen bekannt.) 16. Sphaerella punctiformis (Persoon). Auf abgestorbenen Blättern von Potentilla salisburgensis. Lichtenfeld, West-Grönland. leg. der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur, 3831 Tietzen 1855. Herb. Wenek. — Perithecien gesellig oder zerstreut auf der Oberseite der Blätter, 60—80 y breit. Schläuche eylindrisch, nach unten verschmälert, 283—33 pn lang, 9—12 1 breit. Sporen zweireihig, spindelförmig, 9—10 lang, 3 y breit, farblos. — Wiewohl das Vor- kommen dieses Pilzes auf Blättern von krautartigen Pflanzen nicht an- gegeben wird, zögere ich doch nicht, die vorliegende Form hierher zu stellen, weil die Maasse ziemlich gut übereinstimmen. Sph. pseudo-maculi- Jormis (Desmazieres) unterscheidet sich auch wenig, zumeist durch die dichter in Flecken gestellten Peritheeien, vielleicht auch durch schmälere Schläuche (nach Saceardo 25—35 w lang, 4—5 wu breit). (Aus Spitz- bergen und Island nicht bekannt, doch gehört vielleicht die in Island auf Alchemilla gefundene Sph. vulgaris hierher.) 17, Sphaerella inconspicua Schroeter. An trockenen Frucht- stielen von Andromeda tetragona. Hopedal, Nayn, Okak auf Labrador. Herb. Wenck. (Von Spitzbergen und Island nicht bekannt.) 18. Sphaerella Stellarinearum (Rabenhorst) Karsten. Auf ab- gestorbenen Blättern von Stellaria Edwardsi. Okak auf Labrador. leg. 1859 Horlacher. Herb. Wenck. (Auf Spitzbergen auf derselben Nähr- pflanze gefunden, kommt auch auf Island vor.) 19. Sphaerella Iridis Auerswald. Auf abgestorbenen Blättern von Iris versicolor. Hopedal auf Labrador. 1857. Herb. Wenck. (War -bisher aus den arktischen Gebieten nicht bekannt.) 20. Sphaerella suxatilis Schroeter. Auf abgestorbenen Blättern von Carex pedata. Okak auf Labrador. 1866. Herb. Wenck. (Aus Spitzbergen und Island nicht bekannt.) 21. Sphaerella Wichuriana Schröter. Auf Carex rotundata. Neu- Herrnhut, West-Grönland. leg. Kögel. Herb. Wenck. (Auch aus Island bekannt.) 22. Sphaerella Tassiana De Notaris. a. Auf Arenaria biflora. Nayn auf Labrador. leg. Meyer. Herb. Wenck. b. Auf Alsine verna var. hirta. Okak auf Labrador. leg. 1858 Borsoö. Sporen 22 j. lang, 6 px breit. — c. Auf abgestorbenen Kelchen von Silene acaulıs. Nayn auf Labrador. leg. 1868 Weiz. Herb. Wenck. Sporen 17—19 u lang, 5—6 y breit. Schläuche 70 p lang, 17—20 4 breit. — d. Aue abge- storbenen Stengeln von Rumex Acetosella. Lichtenfels, West- Grönland. Herb. Wenck. Sporen 22—28 p lang, 6—7 y breit. Schläuche 70 lang, 15 p breit. — e. Auf Agrostis strieta. Okak auf Labrador. Herb, Wenck. — f. Auf Phleum alpinum. Friedenthal, Neu - Herrnhut, West- Grönland, Herb. Wenek. (Auch anf Spitzbergen und Island sehr ver- breitet.) : 23. Didymella hyperborea (Karsten). Auf abgestorbenen Blättern von Andromeda tetragona. Okak, Nayn auf Labrador. Sporen 11—13 2382 Jahres-Bericht lang, 6—6,5 fu breit. Die anderen Maasse ganz so, wie sie Karsten an- giebt. (Vorher nur von Spitzbergen bekannt.) 5 24, Leptosphaeria Silenes acaulis De Notaris. Auf abge- storbenen Blättern von Silene acaulis. Nayn auf Labrador. 1868 leg. Weiz. Herb. Wenck. Schläuche 60—70 y lang, 15 w breit. Sporen 26—32 ( lang, 5—6 1 breit. (Auch von Spitzbergen und Island be- kannt.) 25. Leptosphaeria caricinella Karsten. Auf Carex hyberborea. Am Fels „Sukkertoppen“, West-Grönland. 9. 8. 1886. Th. Holm. — Stimmt vollständig mit der Beschreibung von Karsten überein. Die grossen Sporen sind anfangs fast farblos, später hellbraun. (Vorher nur von Spitzbergen bekannt.) 26. Pleospora stenospora n. sp. Auf alten Blättern und Blattstielen von Anemone parviflora. Nayn, Okak auf Labrador. Herbar Wenek. Perithecien etwa 200—300 1 breit, mit kegelförmisem Halse vorragend, kahl. Schläuche 90 u lang, 26 y breit. Sporen 353—38 lang, 11—14 u breit, nach beiden Enden stark verschmälert, mit 8 Querscheidewänden und mehreren Längstheilungen, sehr dunkelbraun. — Von Pi. herbarum, der sie sonst am nächsten zu stehen scheint, wohl durch Form und Farbe der Sporen verschieden. 27. Pleospora herbarum (Persoon).. Auf alten Stengeln von Oxytropis uralensis forma arctica. Hebron auf Labrador. Schläuche 90 bis 110 p lang, 24—28 1 breit. Sporen 28—33 1 lang, 14—16 w breit. (Auch auf Spitzbergen und Island sehr verbreitet.) 28. Pleospora vulgaris Miessl. b. disticha Saccardo. Auf Blatt- stielen von Potentilla salisburgensis. Lichtenfels, West-Grönland. leg. 1555 Tietzen. Herb. Wenck. Perithecien sehr klein, zerstreut, oben 90 u breit, 10—12 Schläuche enthaltend. Schläuche eylindrisch, unten verschmälert, kurz gestielt, 70—80 w lang, 20—22 1 breit, achtsporig. Sporen zweireihig, elliptisch oder unten etwas schmäler, 20—24 u lang, 10—12 u breit, mit 5—6 Querscheidewänden und 2—3 Längstheilungen, dunkelkastanienbraun. — Diese etwas abweichende Form stellt vielleicht eine besondere Species dar. (Pl. vulgaris kommt auch in Island vor.) 29. Pleospora discors (Montagne). Auf Carex nardina. Proenen, West-Grönland. 21. 7. 1886. Th. Holm. (Bisher aus dem Gebiete noch nicht bekannt.) Schläuche eylindrisch - sackförmig, 130 w lang, 22 p breit. Sporen 24—30 y lang, in der oberen Hälfte 11—14, in der unteren 9—11 p. breit, in der Mitte tief eingeschnürt, mit 7 Quer- scheidewänden und 3 Längstheilungen; 2reihig. 30. Pleospora Elynae (Rabenhorst),. Auf Carex scripoide.. Am Fels „Sukkertoppen“. 11. 7. 86. Th. Holm. Perithecien etwa 200 y, breit, mit kegelförmiger Mündung vorragend, schwarz glänzend, glatt der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 383 mit wenigen (etwa 10) Schläuchen. Schläuche sackförmig, 120—130 lang, 35—40 y breit. Sporen 2reihig, 35—40 p lang, 15—20 y breit, mit 8—9 Querscheidewänden und 3—4 Längstheilungen, gelbbraun. (Aus Spitzbergen und Island nicht bekannt.) 31. Pleospora vagans Niessl, Auf abgestorbenen Blättern von Calamagrostis lanceolata. Hopedal auf Labrador. leg. Elsner 1855. Herb. Wenck. Schläuche 80—90 y lang, 15—17 j breit. Sporen elliptisch-spindelförmig, 21—24 n lang, 8—9 (u. breit, mit 5 Querscheide- wänden. (Aus dem Gebiete bisher nicht bekannt.) 32. Pleospora macrospora Schroeter. Auf abgestorbenen Blät- tern von Hierochloa alpina. Am Fels ‚„Sukkertoppen“, West-Grönland, 11. 7. 1836. Th. Holm. (Aus Spitzbergen und Island nicht bekannt.) 33. Pyrenophora hispida (Niessi.), Auf abgestorbenen Stengeln von Draba arabisans.. Okak auf Labrador. 1858 leg. Barso&. Herbar Wenck. — Haare am Scheitel bis 100 p lang, Schläuche 30—100 1 lang, 22—25 y breit. Sporen 22—25 w lang, 10—13 w breit, mit 7—8 Querscheidewänden, dunkelbraun. (Aus Spitzbergen und Island nicht bekannt.) 34, Claviceps purpurea Tulasne, Selerotium. Auf Calamagrostis groenlandica. Neu-Herrnhut in West-Grönland. Herb. Wenck. — (Aus Island und Spitzbergen noch nicht bekannt.) 35. Microthyrium arcticum Oudemans. Auf abgestorbenen Blättern von Potentilla salisburgensis. Lichtenfels in West-Grönland. 1855 leg. Tietzen. Herbar Wenek. (Bisher nur von Nowaja-Semlja bekannt.) Sphaeropsidei. 36. Phoma herbarum Westendorp. Auf abgestorbenen Stengeln von Pisum maritimum. Okak auf Labrador. 1859 leg. Horlacher. Herb. Wenek. (Von Island bekannt, von Spitzbergen nicht.) 37. Asteroma Epilobii Fries. Auf Stengeln von Epilobium an- gustifolium. Lichtenfels, West-Grönland. 1866 leg. Arnstadt. Herbar Wenck, (Aus Island und Spitzbergen noch nicht bekannt.) 38. Ascochyta Oxytropidis n. f. Auf abgestorbenen Blattstielen von Oxytropis uralensis. Hebron auf Labrador. Herb. Wenck. — Peri- thecien unregelmässig zerstreut, ohne Fleekenbildung, etwa 0,25 u breit, schwarz. Sporen länglich - elliptisch, fast stäbchenförmig, oft, ebwas ge- bogen, an den Enden abgerundet, I—11 lang, 2,5—3 {u breit, farblos, in der Mitte mit einer Scheidewand. 39, Hendersonia tenella n, f. Auf abgestorbenen Blättern von Alsine verna var. hirta. Okak auf Labrador. 1858 leg. Barsoe. — Peri- thecien klein, zerstreut, schwarz. Sporen spindelförmig, oft hin und her gebogen, 20—25 p lang, 3—4 jı breit, an den Enden stumpf abgerundet, mit 3 Querscheidewänden; Membran hell olivenbraun. Jahres-Berichi DO on H= 40. Staganospora Luzulae (Westendorp).. Auf Blättern von Luzula spicata. Nayn auf Labrador. Herb. Wenck. (Bisher aus dem Gebiet noch nicht bekannt.) 41. Septoria minuta n. f. Auf Blättern von Luzula spicata. Liehtenfels in Grönland. 1857. Herb. Wenck. — Perithecien 40—60 Durchmesser, schwarz, ohne Vergrösserung einzeln kaum erkennbar, in grösserer Zahl zusammenstehend, unregelmässige, nebelartige Flecke bildend. Sporen spindelförmig, sichelförmig gekrümmt, an den Enden zugespitzt, 17—20 1 lang, 2—2,5 breit, farblos. Auf Elyna Bellardi. Felsen Sorfarpiak bei Holstenborg in Grönland. 1. 8. 86. leg. Th. Holm. Perithecien sehr klein, oft zu breiten schwarzen Linien zusammen- fliessend. Sporen 16—20 lang, 2,5—3 p breit, sichelförmig ge- krümmt. — Aehnliche Formen sind Sept. punctoidea Karsten (1884) und Sept. simplex Schroeter (1881). 42. Septoria emaculata Peck et Curtis. Auf Blättern und Stengelu von Pisum maritimum. Lichtenfels in Grönland. 26. 6. 64. leg. Arnstadt. Okak auf Labrador. 1859 leg. Horlacher. Herb. Wenck. — Perithecien zerstreut, ohne scharf begrenzte Flecke, kuslig, eingedrückt, etwa 200 u breit, schwarz, mit deutlicher, warzenförmiger Mündung. Sporen faden- förmig, 66—90 p. lang, 1—3 u breit, oben etwas breiter, schwach ge- bogen, farblos. 45. Leptostroma virgultorum Saccardo 8 rubimum Karsten. Auf abgestorbenen Stengeln von Rubus Chamaemorus. Okak auf Labrador. 1886 leg. Barso&e. Herb. Wenck. — Perithecien ziemlich dichtstehend, elliptisch oder fast kreisförmig, 120—200 w lang, 90—120 ww breit, schwarz, glänzend, mit strahligem Gefüge, durch einen Längsspalt ge- öffnet. Sporen stäbchen- oder spindelförmig, 5—6,5 w lang, 0,5 u breit, farblos. (Aus Island und Spitzbergen noch nicht bekannt.) 44, Leptostroma Luzulae Libet. Auf Blättern von Luzula spicata. Nayn auf Labrador. Herb. Wenck. (Aus dem Gebiete bisher nicht bekannt.) Melanconiei. 45. Gloeosporium Ledi n. f. Auf Blättern von Ledum latifolium. Okak auf Labrador. leg. Meyer. Herb. Wenck. — Sporenlager auf der Oberseite des Blattes, etwa 0.3 mm breit, schwärzlich, einzeln oder in geringer Zahl (zu 2—5) auf einem weisslichen Flecke zusammenstehend, welcher von einem breiten, braunen Saum umgeben ist. Sporen eylin- drisch - keulenförmig, 11—13 p lang, 4 p breit, farblos, auf kurzen geraden Sterigmen. — In Gesellschaft von Lophodermium sphaeroides. \ der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur, 285 Professor Ferdinand Cohn sprach über Mandragora. Die Mandragora gehört zu denjenigen Pflanzen, an die sich ein nieht geringes ceulturgeschichtliches Interesse knüpft, nicht blos der Eigenschaften wegen, die sie in Wahrheit besitzt, sondern in noch höherem Grade wegen der Kräfte, die der Volksglaube ihr zuschrieb. Naehweislich von der Zeit des Hippocrates (5. Jahrhundert vor Christus) bis in das erste Jahrhundert der römischen Kaiserzeit ist die Mandragora nur eine der vielen Gift- und Heil-Pflanzen aus dem an offieinellen Gewächsen so reichen Arzneischatz der griechischen Aerzte; sie diente theils als Schlafmittel, theils als Anaestheticum vor chirurgischen Operationen, Schneiden und Brennen, damit die Patienten in bewusstlosem, lethargischen Zustande den Schmerz nicht empfänden. Die hypnotische Wirkung der Mandragora war sprichwörtlich; man sagte von einem schlaftrunkenen Menschen, er sehe aus als hätte er Man- dragora getrunken. Angewendet wurde vorzugsweise die Wurzel, und zwar die braune saftige Rinde, da das weisse Mark unwirksam ist; der Saft der Wurzelrinde wurde ausgepresst oder ausgekocht, und allein oder meist in Wein oder Essig gegeben; doch besitzen Blätter und Früchte die nämlichen, wenn auch geringere Kräfte. Zu denselben Zwecken als Hypnoticum und Anaestheticum, wurde auch der Wurzel- extraet anderer Solanaceen angewendet. Die von Dioseorides und Plinius in fast wörtlicher Uebereinstimmung und mit genauer Dosirung gegebene Schilderung von den Wirkungen des Mandragora -Saftes lässt keinen Zweifel, dass es sich um Intoxicationen durch Atropin handelt, das zwar in der Mandragora chemisch noch gar nicht nachgewiesen ist, dessen Anwesenheit aber aus den berichteten Wirkungen sich erschliessen lässt. Schon Theophrast giebt an, dass Mandragora in zu starker Dosis tödtlich sei. Eine chemische Untersuchung der Mandragora, die auch praktisch verwerthbare Resultate in Aussicht stellt, be- halten wir uns vor. Theophrast und Dioscorides deuteten an, dass Mandragora auch ein Bestandtheil der Liebesträuke sei, was sich wohl aus vs sinnlichen Aufregung und den Hallueinationen, welehe bei A zopins Vergiftungen beobachtet werden, zu erklären scheint. Mandragora führt daher auch den: Namen: Circekraut, Circaea (Plin. et I) Joiki- nius übergeht diese Verwendung, da er grundsätzlich die Namen der aphrodisischen, abortiven und toxischen Mittel verschweigt, Denen der berühmte Besieger des Mithridates, Lucullus, durch einen ne (philtrum) vergiftet worden sei. Doch scheinen gerade dıe nen Beziehungen der Mandragora uralt, wenn anders die „Dudaim“ der Genesis und des Hohen Liedes mit Recht als Liebesäpfel (Mandragora- Beeren) gedeutet werden, wie dies schon die LXX gethan. 286 Jahres - Bericht Die alten Wurzelgräber und Kräuterhändler, welche den griechischen Aerzten ihre Heilmittel zu liefern hatten, liebten es, ihre Geschäfte in Geheimniss zu hüllen und das Sammeln der Arzneiwurzeln unter mystischen Gebräuchen vorzunehmen, die vermuthlich den Preis der Waare erhöhen und vorwitzige Concurrenten abschrecken sollten. Auch das Ausgraben der Mandragora-Wurzeln sollte nur unter wunderlichen Ceremonien geschehen, über die sich Theophrast lustig macht; doch kennt weder er noch Plinius, der doch mit besonderer Vorliebe alle _Wunderberichte über Heilkräuter gesammelt, die Fabeln, welche in den folgenden Jahrhunderten von Osten vordringend, die Mandragora um- spinnen, als die wissenschaftliche Naturbeobachtung im römischen Reiche mehr und mehr verloren ging, und gleichzeitig mit den mystischen Religionen des Orients, auch die Sterndeutung und die anderen Zauber- künste der Syrer, Perser und Aesypter mehr und mehr sich der Gemüther bemächtigten. Die Geschichte von einer wunderbaren Wurzel, Baaras oder Bataritis, die in einem Thale von Ost-Palästina wachse, ihren Ort wechsle und nur durch gewisse unästhetische Mittel in der Erde festgehalten werde, die des Nachts wie ein Stern leuchte und nur durch einen Hund aus der Erde gezogen werden dürfe, welcher dabei sein Leben verliere, während die ausgerissene Wurzel ohne Gefahr berührt werden könne — diese Fabel wird uns zuerst von Josephus (1. Jahrhundert n. Chr. berichtet, aber sie wird von ihm noch nicht auf die Mandragora be- zogen, sondern auf eine magische Wurzel, der die Kraft zukommt, bei blosser Berührung die bösen Dämonen aus Besessenen auszutreiben. Auch bei Aelian, der im folgenden Jahrhundert (um 180) dieselbe Geschichte von der Wurzel Aglaophotis oder Cynospastos erzählt, die auch Glyeiside genannt werde, ist darunter nicht die Mandragora, sondern vermuthlich die Paeonia gemeint. Erst im fünften Jahrhundert können wir nachweisen, dass die Mandragora als die geheimnissvolle Wurzel angesehen wird, die nur durch das Opfer eines Hundes gefahrlos aus der Erde geholt werden könne. In dem unter dem Namen des Codex Constantinopolitanus, vel byzan- tinus bekannten Prachteodex des Dioscorides, der gegen Ende des 9. Jahrhunderts in Constantinopel für die Kaiserstochter Juliana Anieia geschrieben wurde und der sich jetzt in der Wiener Hof- Bibliothek befindet), ist auf einer der künstlerisch ausgeführten Miniaturen, welebe dem eigentlichen Text vorgeheftet sind, Dioscorides in weissem Professorentalar dargestellt, auf der goldnen Cathedra unter einem Säulenporticus sitzend, während die wissenschaftliche Forschung (Heu- !) Vergl. meine eingehende Schilderung dieses Codex im Jahresbericht der Schlesischen Gesellschaft für 1881, Sitzung der botanischen Section, S. 302. der Schles. Gesellschaft für vaterl, Cultur. . 987 resis) mit der einen Hand ihm die Mandragora-Pflanze überreicht, in der anderen an einem Strick den erdrosselten Hund hält, der die Wurzel aus der Erde gezogen. Auf einem zweiten Bilde erläutert die Heuresis dem vor der Staffelei sitzenden Maler die Mandragora, die dieser auf eine goldgerahmte weisse Tafel abzeichnet. Dass letzteres auch in Wirklichkeit stattgefunden, beweisen die Abbildungen, welche die zweite, noch ältere und bessere Dioscorides-Handschrift der Wiener Bibliothek (Codex neapolitanus) enthält. Während nämlich der Codex byzantinus an der Stelle, an welche nach der alphabetischen Ordnung die Mandragora gehört, eine Lücke zeigt, die erst im 12. Jahr- hundert durch eingeheftete Blätter in kleinerem Format und anderer Handschrift ergönzt wurde, enthält der Codex neapolitanus an der nämlichen Stelle neben dem Text noch zwei Abbildungen, als männliche und weibliche Mandragora (pavöpdyopas &ppev und YYjAu) bezeichnet. Bei der weiblichen Mandragora sind auf dem Scheitel der braunen Wurzel zwei lanzettliche kleine Blätter und eine Dolde langgestielter dunkelvioletter Glockenblumen sichtbar, deren Saum fünfzähnig und deren Grund von dem halbsolangen Zipfeln des fünftheiligen Kelches umgeben ist. An zwei längeren Stielen sind bereits kleine rothe Früchte entwickelt, von den linearen Kelchzipfeln um das Doppelte überragt. Die Abbildung stellt unverkennbar Mandragora aulummalis Spreng. (M. officinarum Bert.) dar. Bei der männlichen Mandragora sieht man acht weit grössere lanzettliche, am Rande wellige, schön geaderte Wurzelblätter und dazwischen eine Dolde von acht langgestielten rothen kugelrunden Früchten, die an der Basis von den um die Hälfte kürzeren Kelehzipfeln umgeben, am Scheitel von gleichlangen gekrümmten Griffeln gekrönt sind. Die Pflanze stellt sich als die zweite der mediterranen Mandragora- Arten, M. vernalis Bert. dar. Vermuthlich hatte der Maler jene Figuren im Spätherbst gezeichnet, wo M. autumnalis in Blüthe stand, während von M. vernalis nur Früchte vorhanden waren. Die Abbildungen bestätigen demnach die Deutung, welche schon die ältesten Commentatoren des 15. und 16. Jahrhunderts von den beiden bei Plinius und Dioseorides fast gleichlautend beschriebenen Mandragora- Arten gegeben, indem sie in der männlichen oder weissen, die jetzt als Mandragora vernalis Spr. bezeichnete, in der weiblichen oder schwarzen die Mandragora autumnalis Bert. erkannten; erstere war sehon von Alters her in Italien (zuerst beschrieben bei Tragus), letztere von Clusius 1576 bei Cadix aufgefunden worden. Die sexuellen Namen erklären sich daraus, dass als männlich und weiblich bei den Alten nieht Verschiedenheit des Geschlechtes, sondern kräftigere und zartere Arten unterschieden werden sollen (wie z. B. Filz mas und Filix femina), während die Bezeichnung sehwarz und weiss sich bei ihnen nicht 288 ! Jahres-Bericht auf die genau entsprechenden Farben, sondern auf helle und dunkel- farbige Blüthen bezieht (wie bei weisser und schwarzer Niesswurz oder weissem und schwarzem Veilchen von denen das erstere unserem . Levgoy, das letztere dem Märzveilchen entspricht). Gleichwohl haben die Namen der männlichen und weiblichen Mandragora zu einer Fabel Veranlassung gegeben, deren erste Spuren sich schon im Anfang der römischen Kaiserzeit zeigen, die aber in ihrer vollständigen Ausbildung erst in der Zeit jener Dioscorides-Handschriften, also im 5. Jahr- _ hundert sich aus den Abbildungen nachweisen lässt. Während nämlich Dioscorides und Plinius von den Mandragora-Wurzeln nur eine einfache mit der Wirklichkeit zutreffende Beschreibung gaben, dass zwei oder drei ellenlange, aussen braune saftige, innen weisse holzige Wurzeläste um einander geschlungen sind, finden wir bei Columella von der Mandragora . bemerkt, dass sie halbmenschlich (hemi- homo) sei, und das dem alten Pythagoras untergeschobene, ver- loren gegangene Buch von den Wirkungen der Pflanzen, das schon Plinius eitirt, scheint sie nach einer Glosse der Wiener Dioscorides- Handschrift als menschenähnlich (av$pwropoppog) bezeichnet zu haben. Aber bis zu der Zeit, wo jene Abbildungen gemalt wurden (5. Jahr- hundert), ist die Fabel bereits weiter ausgebildet; denn die Wurzel der weiblichen Mandragora (M. autumnalis) gleicht in der Abbildung einem Weibe, die der männlichen (M. vernalis) einem Manne. So ins Fabelhafte ausgeschmückt, gelangt die Kunde von der Mandragora aus dem antiken Zeitalter in das Mittelalter und aus ihrer mediterranen Heimath in die Länder jenseits der Alpen. Aber aus der in ihren naturhistorischen und medieinischen Eigenschaften bekannten Solanacee, aus der von den Aerzten und Giftmischern verwendeten Drogue ist eine mythische Zauberwurzel geworden, die nur in der Phantasie existirt, und an welche die den verschiedensten Ländern und Zeiten entstammenden Sagen gewissermassen ankrystallisiren. Ursprüng- lich wohl nur den Gelehrten, d. h. den Aerzten, den Mönchen und Geistlichen bekannt, denen die Mandragora wegen ihrer Erwähnung im alten Testament, bei Josephus und den arabischen Commentatoren des Dioscorides besonderes Interesse einflösste, aus ihrem Kreise aber allmählich auch in die Volkskunde (/olklore) aufgenommen, wird die Mandragora auf deutschem Boden schon früh mit der alt- germanischen Sage von den Alraunen in Verbindung gebracht. Nach Grimm, Deutsche Mythologie, wurden unter Alrüna (wohl aus Aliruna, Alioruna; auch die Aurinia aus Tacitus Germania wird hierher gezogen) ursprünglich die weisen, allwissenden, weissagenden, zauberspruch- kundigen Frauen der altgermanischen Vorzeit bezeichnet; durch eine Umwandlung ‚die mehr die lebendige Volkssage als ältere Sprach- denkmäler fortgepflanzt zu haben scheinen“ nahm Alrüna später die der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 289 Bedeutung eines teuflischen Geistes und schliesslich die einer Zauber- Wurzel in Menschengestalt an. Eine Münchener Glossen - Handschrift aus dem 10. Jahrhundert übersetzt bereits ahd. die Dudaim der Genesis mit mandragora — alrüna. Seit dem 13. Jahrhundert wird stets Mandragora und Alraun als synonym gebraucht. Die heilige Hildegardt (12. Jahrhundert) und Albertus Magnus (13. Jahrhundert) berichten von der Mandragora nicht blos alle Wundergeschichten, die Josephus von seiner Baaras, Aelian von der Oynospastos erzählten, sondern haben diese Fabeln noch durch mancherlei Zuthaten späteren Ursprungs ausgeschmückt. Nachweislich seit dem 10. Jahrhundert glaubt man, dass die Alraun als Galgen- männchen aus dem Samen eines Gehänsten wachse, dass sie beim Ausziehen durch einen schwarzen Hund wie ein Kind schreie, weshalb der sie sammeln will, sich die Ohren verstopfen müsse, um das Jammern nicht: zu hören u. dgl. m. Im Verlaufe des Mittelalters wurde aus dem Alraun ein Talisman, ein Hausgeist oder Fetisch, der dem Besitzer Glück bringt, den Armen Gold, den Verliebten Gunst schafft, den Gebärenden beisteht, der aber sepflest und gekleidet werden muss, wenn er nicht Unheil stiften soll. Hier und da ist es einem Alraun gelungen, in einen Kirchenschatz einzudringen; später wurden die Alraune von den Hexenrichtern ver- folgt; selbst Jeanne d’Are wurde bei ihrem Verhör gefragt, was sie mit ihrem Alraun angegeben (quid fecit de mandragora sua); noch 1603 wurde eine Frau in Romorentin hingerichtet, weil sie einen Alraun besass, und 1630 zu Hamburg drei Weiber ausgepeitscht, die Alraune verkauften. Allerdings hatten die Alraune des Mittelalters niehts mehr gemein mit der wirklichen Mandragora, die in ihrem natürlichen Vorkommen niemals die Alpen überschreitet, und daher den Völkern Mittel-Buropas kaum jemals zu Gesicht gekommen war. Aber den Glauben von den Zauberkräften des Alraun machten sich Landstreicher, Kräutermänner und selbst Mönche zu nutze, indem sie aus grossen Wurzeln der Zaunrübe (Bryonia) oder des Rohrs (Arundo oder Phragmites) menschenähnliche Gebilde sehnitzten und dieselben im Geheimen theuer verkauften. Die Botaniker, schon die Kräuterbücher des 15. Jahrhunderts, dann Tragus, Fuchsius, Amatus Lusitanus, Matthiolus eifern vergeblich gegen diesen Missbrauch; Tragus, welcher versichert, er habe eine wirkliche Mandragora nie gesehen, giebt die Kunstgriffe an, dureh welche die Marktschreier bei ihren als Alraune zugestutzten Wurzeln den Haarwuchs vermittelst eingesteckter und zum Keimen gebrachter Gersten- körner nachahmen; Matthiolus erzählt, dass die Alraune in Rom für 25—30 Goldoulden verkauft wurden. Ein Leipziger Bürger erhandelte einen solchen Alraun noch 1675 beim Scharfrichter für 64 Thaler. Beit- 1887. 19 290 Jahres- Bericht dem ist freilieh der magische Ruf des Alraun, wie der medieinische der Mandragora ganz und gar verschollen. Vortragender spricht schliesslich die Bitte aus, falls sich noch irgendwo in einer alten Sammlung ein Alraun vorfinden sollte, denselben dem botanischen Museum unserer Universität zu überlassen. Am Schluss des Vortrages, für welchen die literarischen Nachweise in einem Anhang zu der im Druck befindlichen sechsten Auflage der „Sitten- Geschichte des römischen Kaiserthums von L. Friedländer‘ gegeben _ werden sollen, zeigte der Redner die von ihm in Oxford copirten Ab- bildungen der beiden Mandragora-Arten (femina — M. aulumnalis und mas — M. vernalis) aus der Dioscorides- Handschrift (cod. neapol.) der Wiener Hofbibliothek. Wie Vortragender bereits in der Sitzung der botanischen Section vom 27. October 1881 (Jahres - Berieht der Schlesischen Gesellschaft für 1881, S. 302) berichtet, wurden die Abbildungen der beiden Pergament - Codices (C. byzantinus und neq- politanus) von 1763—66 auf Befehl der Kaiserin Maria Theresia, und auf Antrag von van Swieten in Kupfer gestochen, jedoch ‘ deren Veröffentlichung auf Betrieb von N. J. Jaequin unterlassen, und nur zwei Abdrücke der Kupfer - Platten gemacht, von denen der eine an Linn, der andere an den Herausgeber der Flora Graeca, Sibthorp geschickt wurde. Vortragender hat bei seinem Aufenthalt in England, im Herbst 1887, diese beiden Exemplare besichtigt. Das an Linn& gesandte ist mit dem botanischen Nachlass Linn&’s von James Edward Smith, dem ersten Präsidenten der Linnean Society, (ge- stiftet 24. Mai 1788) erstanden worden und befindet sich jetzt in der Biblio- thek der Linnean Society, Burlington House, Piccadilly, London. Es ist ein Band, Oblong-Folio, in grau marmorirtem Carton-Umschlag; auf der Innen- seite des Cartons steht geschrieben: „‚Dioscoridis Icones plantarum e Museo Caesareo“, darunter mit Bleistift „only two copies struck off.“; dieses Exemplar enthält 142 Abbildungen in schwarzem Kupferstich, jede auf einem Querfolioblatte; neben jedem Bilde eine lateinische Notiz in Jacquins Handschrift, welche die Farben der Originale angiebt; da- runter der griechische Name der dargestellten Pflanze (z. B. Apısoloyix spoyyvan — flos rubellus est, radix nigra). Das zweite, einst an Sibthorp gesandte Exemplar dieser Pflanzen-Abbildungen befindet sich jetzt in der Bibliothek des Botanischen Gartens zu Oxford (33. c. 5), an dem Sibthorp einst Professor gewesen, ist also nicht an Jacquin zurück- gegeben worden, wie ich in meinem Vortrag vom Jahre 1881, gestützt auf eine Notiz in Pritzel’s Thesaurus, angegeben hatte. Dieses Exem- plar ist bei weitem vollständiger; denn es enthält 412 Abbildungen, zusammen gebunden in einem starken Papp-Bande, Quer-Gross-Folio, unter dem Titel: Plantarum Dioscoridis Icones 412 ex Mss. Dioscoridis Constan- tinopolitano, Vienna. der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 391 Diesem Exemplar sind eine Anzahl geschriebener Blätter vorge- heftet, die theils von Sibth orp, theils von seinem Nachfolger Daubeny herzurühren scheinen. Es wird darin bemerkt, dass die auch hier über jeder Abbildung beigeschriebenen Angaben über die Farbe der dargestellten Pflanzen aus dem bei der Linnean Society be- wahrten Exemplar copirt seien und von Jemand herrührten, der die Wiener Originale vor Augen gehabt habe. Dagegen seien die griechischen Namen der Pflanzen, welche unter jeder Abbildung stehen, von Jacquins eigener Hand geschrieben. Ferner ist dem Oxforder Exemplar vorgeheftet ein gedrucktes Ver- zeichniss der von Dioscorides aufgeführten Pflanzen, die mit einiger Sicherheit von Sibthorp (Flora Graeca), Lindley (Appendix to the Flora Graeca) und Anderen bestimmt worden sind, nach den natürlichen Fami- lien (nach De Candolle) geordnet, mit kurzen Bemerkungen über die zu den Namen gehörigen Abbildungen, z. B.: Ranunculaceae. Name given by | Reference to Dios-| Modern botan. Character of the Dioscorides. corides. Name Drawing in the dxoyırov Erepov | lib. 4 cap. 77. | Aconitum Napellus | Vienna Mscpt. vel Lycoctonon. Tolerably like. Den Beschluss macht ein Verzeichniss der Pflanzenabbildungen, welche Sibthorp nicht mit lebenden Pflanzen zu identifieiren vermochte, sowie eine Zusammenfassung nach natürlichen Familien (Ranunculaceae 13, Berberideae 2, Nymphaeaceae 2 ete., Unbestimmbar 47 — in Summa 412 Abbildungen). Die von Daubeny handschriftlich zugefügte Charakterisirung der Ab- bildungen giebt kurze Urtheile, wie Figure good, tolerably like, bad, no resemblance, fielitious. Letzterer Ausdruck solle bedeuten, dass der Maler die von Dioseorides gemeinte Pflanze nicht gekannt und dafür die Ab- bildung einer anderen, ganz und gar nieht verwandten Pflanze gebracht habe, wenn er in solchem Falle nicht gar sie aus der blossen Phantasie malte. In anderen Fällen sei die Abbildung, wie schlecht, roh und ungenau sie immer auch sei, doch offenbar entweder nach der Pflanze selbst ent- worfen, oder von einer nach der Natur gemachten Abbildung abgemalt, und gebe dann Zeugniss, soweit es eben reicht, für die Pflanze selbst, welche Dioseorides unter dem von ihm gegebenen Namen verstanden wissen wollte. Nach Angabe des Titels sind die Kupferplatten in Auen nach den Bildern des Codex constant. gestochen. Doch wird bei auapanov folgendes bemerkt: „Die Abbildungen des Cod, neap. seien älter und kleiner; die des Cod. Byz. seien ohne Zweifel erst aus dem Cod. neap. eopirt und dabei habe der Copist seiner Kunst und seinem Talent zu 19* 292 Jahres-Bericht viele Freiheiten verstattet (pietor art; suae et gemio nimium indulsit), da- gegen scheinen die Bilder des Cod. neap. nach lebenden Pflanzen ge- macht oder doch von einem correeteren Vorbild eopirt zu sein. Es sei daher beim Stechen der Kupferplatten, wenn ein bemerkbarer Unter- schied in beiden Codices vorhanden ist, neben das Hauptbild aus der einen, auch noch ein Zweig aus der anderen Handschrift zugegeben worden, wie z. B. bei @uapanov unter B.‘ Dass übrigens die Figuren der beiden Mandragoraarten nicht, wie im _ Titel des Oxforder Bandes angegeben, aus dem (od. consiantinop., sondern aus dem Cod. neap. entnommen sind, ist schon darum selbstverständlich, weil im Cod. const. die Mandragora gar nicht abgebildet ist. In meinem Vortrage vom 27. October 1881 habe ich nachzuweisen gesucht, dass die ersten Originale der in den Wiener Codices uns er- haltenen antiken Pflanzenabbildungen wahrscheinlich sehon im Zeitalter der Ptolemäer in Alexandrien nach lebenden Pflanzen farbig gemalt, und seitdem fort und fort von mehr oder minder geübten Copisten wieder- holt, dabei aber mehr oder weniger verändert, verunstaltet und sti- lisirt worden sind. Für unsere Mandragorabilder lehrt der Augenschein, dass dieselben einem ursprünglich naturgetreuen Original nachgezeichnet, aber in den Wurzeln nach der in der späteren Kaiserzeit herrschend ge- wordenen Fabel von ihrer Menschenähnlichkeit stilisirt worden sind. Von ganz besonderem Interesse ist noch ein Blatt, welches ebenfalls dem Oxforder Exemplar vorgeheftet ist; dieses giebt nämlich eine „List of (163) plants figured in the Rinuccini Mss. of Dioscorides, bui not included in the plates of the Vienna Mss. in the Library of the Oxford Bota- mical Garden.“ ! Dieser mit Abbildungen ausgestattete Codes Rinuceini, der nach dem hier mitgetheilten Verzeichniss in England selbst mit dem Oxforder Exemplar verglichen worden sein muss, wird in keiner mir bekannten Dioseorides- Ausgabe, insbesondere auch nicht in der besten, welehe von Sprengel besorgt und in die C. G. Kühn’sche Sammlung Medicorum Graecorum opera, vol. XXV, XXVI, Leipzig 1929 aufgenommen ist, erwähnt. Rinuceini ist wohl der in Tiraboschi, Storia della lette- ratura itahana, Modena 1776, VI. p. 135 erwähnte florentinische Humanist und Sammler griechischer Handschriften Alemanno Rinuceini (1426 bis 1504), über den Apostolo Zeno (Diss. Voss. II. 189) ausführliche Nach- richten giebt. Nach mündlicher Mittheilung meines Collegen Prof. Stude- mund hat dieser im Frühjahr 1887 in der Phillipps’schen Bibliothek zu Cheltenham eine alte Dioscorides-Handschrift mit bunten Abbildungen flüchtig eingesehen, die ohne Zweifel mit dem Codex Rinuecins identisch ist. Aus alledem ergiebt sich, dass von den durch die griechischen Bo- taniker und Aerzte unterschiedenen und meist als Heilmittel benutzten Pflanzen in den Dioseorides-Handschriften der Wiener Hofbibliothek der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 293 412, und ausserdem im Codex Rinuccini noch 162, in Summa also 574 Species in colorirten Abbildungen bis auf den heutigen Tag erhalten sind, zu denen noch die Abbildungen in den Dioscorides-Handschriften der Pariser Nationalbibliothek kommen, über welehe ausser einer kurzen Notiz von Fournier mir keine näheren Angaben zugänglich gewesen sind. Es ist richtig, dass viele dieser antiken Pflanzen-Abbildungen in so unvollkommenen Copien überliefert worden sind, dass sie zur Bestim- mung der dargestellten Arten wenig oder gar nichts beitragen können; aber ein sehr grosser Theil derselben ist, wie ich schon früher gezeigt und wie die Mandragora-Abbildungen wieder bestätigen, hinreichend naturgetreu, um über die dargestellte Pflanze sicheren Aufschluss zu geben. Auf alle Fälle erscheint uns eine kritische Publikation sämmtlicher bis zur Gegenwart erhaltenen antiken Pflanzenabbildungen, die Jedoch sich wo möglich nicht auf die schwarzen Conturen beschränken, sondern auch die Farben der Miniaturen wiedergeben sollte, in hohem Grade wünschenswerth; sie würde über viele dunkle Gebiete der grie- ehisehen Pflanzenkunde, aus der unsere moderne Botanik weit mehr, als sewöhnlich angenommen wird, geschöpft hat, und die mit der Geschichte der Mediein und der allgemeinen Culturgeschichte eng zusammenhängt, ein helles Licht verbreiten. In der siebenten Sitzung vom 10. November theilte Professor Ferdinand Cohn mit, dass dem Professor Traugott Kützing in Nordhausen an seinem S$0jährigen Geburtstage, 8. December dieses Jahres, in Anerkennung der ausserordentlichen Verdienste, die sich der- selbe um die wissenschaftliche Algenkunde durch seine bis über ein halbes Jahrhundert zurückreichenden Werke erworben, von deutschen und ausserdeutschen Botanikern eine mit seinem Bildniss geschmückte Goldmedaille überreicht werden solle. Der Seeretär wird ermächtigt, dem Jubilar am Festtage einen telegraphischen Glückwunsch im Namen der Gesellschaft zu übersenden. Hierauf hielt Herr Professor Hieronymus einen Vortrag über einige Algen des Riesengebirges. Der Vortragende fand in der Nähe von Schmiedeberg in Schlesien an quelligen und moorigen Stellen, als Epiphyt auf Laubmoosen (Hypnum- und Sphagnum-Arten), Lebermoosen (besonders Calypogeia Trichomanes), aber auch auf modernden Cyperaceen- und Gramineenblättern und Holz- stückehen eine kleine, einzellige, grüne Alge, welche einer neuen Gattung der Protoeoceaceen angehört. Er nennt dieselbe Dieramochaeie Nas Der Gattungsname bezieht sich auf das Vorhandensein einer einmal oder mehrfach diehotomisch verzweigten, feinen, hyalinen Borste, welche wie die Zellhaut aus Gallertmasse besteht. Der Artname wurde zv weil die Zelle selbst gewöhnlich mehr oder weniger deutliche Nieren- 2394 Jahres-Bericht form hat. In erwachsenem Zustande erscheint dieselbe von den Seiten gesehen fast halbkugelig, von oben gesehen zeigt sie an einer Seite einen mehr oder weniger tiefen Einschnitt oder Einbuchtung, deren Ränder fast zusammenschliessen, und sitzt mit der basalen Schnittfläche, welche bis 32 w im Durchmesser haben kann, dem Substrat auf. Die Borste ist am Grunde des Einschnittes befestigt und relativ lang, etwa 80 bis 160 u. Der Zellinhalt erscheint gieichmässig grün gefärbt, doch kann man mit starken Vergrösserungen deutlich fast kugelige Chloro- 'plasten erkennen. Diese bilden oft zahlreiche, winzige Stärkekörnchen. Die Mitte der unteren basalen Zellwand wird von einem rundlichen oder etwas traubenförmigen Körper eingenommen, der sich vermittelst Safranin- färbung leicht als Zellkern nachweisen lässt und ein wenig maschiges Kern- gerüst besitzt. Um den Zellkern herum befindet sich in der Regel farbloses Protoplasma und über demselben ein oder auch mehrere Safträume. Die Pflanze vermehrt sich den Sommer über durch Schwärmsporen. Die Zelltheilung zum Zweck der Bildung dieser wird durch eine Con- traction des ganzen protoplasmatischen Inhalts der Zelle, Abscheidung einer neuen Gallertmembran und wiederholte Zweitheilung des Zellkerns eingeleitet. Letztere ist eine direete. Häufig kommt es dabei vor, dass die Theilproducte ungleich sind. Ist eines derselben sehr klein, so theilt es sich nicht weiter. Nachdem so die sämmtlichen Zellkerne für die Schwärmsporen gebildet sind, folgt schnell hintereinander wiederholte Zweitheilung des ganzen protoplasmatischen Körpers. Die erste Theilungs- ebene fällt in die Verlängerung der Einbuchtung senkrecht auf die Basal- fläche, mit welcher die Zelle aufsitzt. Die zweite Theilebene steht senkrecht auf der ersten und auf der Basalfläche. Die ferneren Thei- lungen verlaufen weniger regelmässig in allen Richtungen des Raumes. Es entstehen so 8 bis 24 (selten weniger als 8, oder mehr als 24) Theil- producte, welche sich abzurunden beginnen, wobei ein jedes eine eigene Gallerhülle, deren Grenzen sich jedoch nicht deutlich erkennen lassen, abscheidet, Es erfolgt zugleich eine sehr starke Quellung der inneren Membran der Mutterzelle, wodurch die äussere zum Platzen veranlasst wird. In dieser entsteht ein Riss, entweder dicht über der Basal- fläche oder weiter oben, so dass eine meist auf einer Seite festhaftende Kappe deckelartig abgehoben wird. Es schlüpft dann der ganze Inhalt eingehüllt in die mehr und mehr quellende und schliesslich ganz ver- schleimende innere Gallertmembran aus der äusseren heraus. Oft erst nach mehreren Stunden (meist in den Morgenstunden) werden dann die Schwärmsporen in Folge völliger Verschleimung der einhüllenden eigenen Gallertimembran und der inneren der Mutterzelle frei. Dieselben besitzen Jetzt keine Membran, wahrscheinlich vier Geisseln, einen an der Seite befindlichen winzigen rothen Augenfleck und anscheinend nur einen die hintere Hälfte des Schwärmsporen-Körpers einnehmenden Chloroplasten, der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur, 395 dem der Zellkern anliegt. Kömiges hyalines Protoplasma, in welchem sich auch noch eine pulsirende Vacuole erkennen lässt, erfüllt den vor- deren Theil. Die Schwärmsporen schwärmen nur kurze Zeit herum und setzen sich sehr bald fest, in den Culturgläsern auch auf Glimmerstreifen. Dabei werden sie amoeboid und ihre vordere Spitze, vielleicht auch zum Theil die Geisseln wachsen zur Borste aus. Genaueres über die Bildung der Borste konnte der Vortragende noch nicht erforschen. Zugleich wird auch eine neue Zellhaut von der festsitzenden, unterdess ganz zur Ruhe gekommenen Schwärmspore abgeschieden und der rothe Augenfleck verschwindet. Nach einigen Wochen ist die Schwärmspore zur reifen Pflanze herangewachsen. In der geschilderten Weise vermehrt sich der Organismus ausserordentlich während der Sommerzeit. Der Organismus wurde in Zimmereulturen bis in den December hinein beobachtet, be- gann jedoch schon im November an Zahl sehr abzunehmen, vielleicht in Folge der Anwesenheit von Infusorien und Räderthieren, welche beson- ders den Schwärmsporen nachjagen, aber auch die Borste abfressen oder abbrechen. Ob ein Ruhezustand gebildet wird, ist noch fraglich. In Gesellschaft von Dicranochaete reniformis, sowie auch an vielen anderen geeigneten moorigen Stellen des Riesengebirges beobachtete der Vortragende in den durchlöcherten Zellen verschiedener Sphagnumarten als Endophyt, aber auch auf anderen Moosen, Grasblättern u. s. w. auf- sitzend, die von Archer 1875 beschriebene (Quart. Journ, of Microsc. Seience vol. XV. new ser.) von Geddes 1882 (Quart, Journ. vol. XXI. n. ser.) weiter beobachtete Chlamydomyaza labyrinthuloides. Vortragender fand, dass in den Entwicklungsgang derselben Protococeus macrococcus Kütz, P. aureus Kütz und Urococeus insignis Hass. (syn. auch U. Hookeria- nus Rabenhorst! non Berk. et Hass.) gehören. Die Resultate sehr ein- gehender Untersuchungen des Vortragenden, betreffend die Organisation des interessanten Wesens, legten die Vermuthung nahe, dass in den Ent- wickelungsgang, desselben auch eine Peridinee gehöre. In der That ist es auch dem Vortragenden gelungen, aus einem Peridinium, das er für P. einetum Ehrenbg. (nach Stein, Organismus der Infusionsthiere, II. Abth. II. Hälfte Tafel XII) hält, Protococeus maerococceus- und Urococcus insignis- Zustände zu ziehen, so dass kaum ein Zweifel aufkommen kann, dass die genannten Organismen sämmtlich in den Entwicklungsgang eines einzigen gehören, wenn es aueh z. Z. noch nicht möglich war, aus den Dotoeoeiter und Urococeus-Zuständen, die als Peridinium cinclum Ehrbg. bezeiuime Schwärmer, zu ziehen. Besonders auffallend ist dabei, dass Ben un Natur in Gesellschaft der anderen Zustände sich vorfindet; Vortragender konnte es 2. B. bis jetzt nicht beobachten in den kleinen, zum Theil bis iiber metertiefen Teichen der Aupa- und W eiss- andern Zustände recht häufig sind. Auch so z. B. auch an dem bekannten Fundort von einetum nur selten auch in der wasserquellgegend, wo die dürften an manchen Stellen, 296 Jahres - Bericht Urococcus insignis Hass. im Bielathal in der sächsischen Schweiz, wo der- selbe auf einer überrieselten Felsplatte in ausserordentlicher Masse vorkommt, kaum die Grundbedingungen zur Bildung von Peridinium- Schwärmern vorhanden sein, so dass man annehmen muss, dass diese im Entwicklungsgang des Organismus ganz ausfallen können, Der Vortra- sende sieht in dem Auftreten der Amoeben einen Ersatz für die relativ selten gewordene Peridiniumschwärmerbildung und eine Anpassung der Lebensweise des Organismus an die localen Verhältnisse, Auch in Gesell- „schaft eines anderen, noch unbestimmten, in Schlesien häufigen Peridinium, in dessen Entwickelungsgang der unter dem Namen Protococcus Orsinü Kützing in der Rabenhorst’schen Algensammlung unter Nr. 1269 aus- gegebene Zustand, welchen jedoch Rabenhorst (Flor. Europ. Ale. III p. 60) für nicht identisch hält mit Haematococeus Orsinii Menegh., gehört, kommen braune oder gelblich grüne Chromatophoren, rothes Oel, Zellkern u. s. w. führende Amoeben vor, welche in den Entwickelnngsgang; desselben zu gehören scheinen und welche sich wahrscheinlich unter besonderen Ver- hältnissen aus dem Protococcus-Zustande entwickeln. Leider konnte der Vortragende die Zugehörigkeit dieser Amoeben zu dem betreffenden Peridinium und dessen als Protococcus Orsinii bekanntem Ruhezustande noch nicht mit völliger Sicherheit nachweisen. Der Vortragende besprach ferner eine häufig mit der in Sphagnum eingewanderten Chlumydomyxa labyrinthuloides zusammen vorkommende Alge, welche ebenfalls in den durchlöcherten Zellen der Sphagnumblätter und Stengel als Raumparasit lebt, von Archer (l. e. p. 120 tab. VII fig. 1) beschrieben und abgebildet und von ihm als vielleicht in den Ent- wicklungsgang seiner Chlamydomysa labyrinthuloides gehörig betrachtet wird. Es ist dies ein neues Chlorochytrium, welches der Vortragende Chl. Archerianum benennen will. Es zeichnet sich dasselbe durch einen beim reifen Zustande ausserordentlich stark entwickelten Cellulosepfropf aus und bildet in ähnlicher Weise wie hl. Lemnae Cohn Schwärm- sporen, welche anscheinend jedoch nicht copuliren, Ferner erwähnte der Vortragende die eigenthümliche selbständige Lebensweise, welche der Vorkeim (Chantransienform) des, wie es scheint, in den Teichen und Weasserlöchern der Aupa- und Weisswasserquell- gegend stets sterilen (d. h. keine Carpogonien und Antheridien bilden- den) Bairachospermum vagum Ag. in den alten Stengeln und Blättern der das Ufer bildenden Sphagnumarten führt. Es verzweigt sich derselbe perlschnurartig im Sphagnum und zwar in allen Zellen desselben und treibt hier und da entweder mit hyalinen Haaren endende oder Gonidien abschnürende Zweige aus dem Sphagnum heraus. Die Gonidien erzeugen wieder den Vorkeim, indem sie keimen und der Keimschlauch in die Löcher der Zellen der Sphagnumblätter und Stengel eindringt. Derselbe Vorkeim kommt auch in modernden Cyperaceenblättern, Holzstückchen der Schles. Geselischaft für vaterl. Cultur, 397 u. s. w. vor, und vermögen starke, aus diesen heraustretende Aeste sich zu Batrachospermum vagum zu entwickeln. Trotz eifrigen Suchens konnte jedoch der Vortragende keine dergleichen Aeste aus Sphagnum hervortreten sehen, Herr Dr. Eidam legte folgende im laufenden Jahre nach seinen Angaben neu hergestellten Brendel’schen Modelle vor: den durchsichtig » aus Gelatine gemachten Querschnitt des Fruchtknoten von Seilla bifolia mit dem Bau der Samenknospen, als Typus des dreifächerigen Frucht- knotens der Monocotyledonen, ferner folgende zerlegbare Modelle: Keimung des Roggens, Blüthen- und Fruchtknäuel der Zuckerrübe, Blüthe von Rothklee, Brombeere, Esche, Ulme, Kastanie, Hollunder, Bitterklee, gelbe Teichrose, Natterkopf, Braunwurz, Kornblume, endlich die männ- liehen und weiblichen Blüthen von Wachholder, Pappel, Schwarzerle und von der Haselnuss. In der achten Sitzung vom 24. November hielt Herr Professor Dr. Stenzel einen Vortrag über Oderhölzer. Nachdem der Vortragende darauf hingewiesen hatte, dass der erste Anstoss zur Begründung einer vergleichenden Anatomie der Pflanzen von der Untersuchung fossiler Pflanzenreste ausgegangen sei und sie bis heut noch immer neue Anregungen daher erhalte, sprach er die Hoffnung aus, dass eine weitere Aufsuchung und Erforschung der von ihm als Oderhölzer bezeichneten halbfossilen Stücke noch manchen schätzens- werthen Beitrag zur Kenntniss der Veränderungen jetztweltlicher Hölzer nach ihrem Absterben liefern werde. Dass unter Breslau und seiner Umgebung zahlreiche Baumstämme in der Erde begraben liegen, ist seit lange bekannt. Göppert, dessen vielseitiger Aufmerksamkeit nicht leicht ein Vorkommen von irgend welcher Bedeutung entging und der demselben nicht nur seine allgemein interessanten Seiten abzugewinnen wusste, sondern sich auch nicht die Mühe verdriessen liess, was ihm bekannt wurde, weiter zu verfolgen, hat schon in einem, am 28. November 1841 in der naturwissen- schaftlichen Section der Schlesischen Gesellschaft gehaltenen Vortrage über das merkwürdige Vorkommen eingehende Mittheilungen gemacht. „In der 'That‘“, heisst es in dem, in der Uebersicht der Arbeiten au Veränderungen der Gesellschaft im Jahre 1841 abgestatteten Bericht auf Seite 81, „trifft man auch nicht selten beim Grundgraben von Häusern auf grosse, durch und durch geschwärzte, aber nicht yensleusne Eichenstämme, die in allen Richtungen in verschiedener Tiefe liegen. In der sogenannten alten Oder, einem in früheren Zeiten gegrabenen Beite dieses Flusses in der Nähe der Stadt, werden ebenfalls oft Stämme ausgegraben, die wohl freilich zuweilen angeschwemmt sein 2398 Jahres-Bericht mögen, meistentheils aber auf ihrem ursprünglichen Boden liegen.“ Er fand nämlich an der alten Oder bei Klein-Kletschkau, 10—12 Fuss tief unter der Oberfläche des Ufers, mehrere Stämme, welche sich noch unter das Ufer erstreckten und nur mit ihrem anderen Ende in das Bett des Flusses hineinragten. Unter 3—4 Fuss starker Sandschicht liegt hier eine 2—3 Fuss mächtige Schicht von eisenoxydreichem Lehm und darunter eine 1—2 Fuss mächtige Schicht von bläulichem Letten. Die beiden letzten bergen, besonders in der Nähe der erwähnten Stämme, 3—4 Zoll dieke Schichten mit einer ungeheuren Menge von Blättern der Sommereiche, Quercus peduneulata, nebst Ast- und Wurzel- bruchstücken von Eichen, Equiseten und anderen Pflanzenarten, die in einem Verkohlungs-Prozess begriffen sind. Da auch auf der gegenüber- liegenden Seite der alten Oder ähnliche Verhältnisse stattfinden, sei es mehr als wahrscheinlich, dass hier ein ganzer Wald begraben liege. Dafür sprechen nun auch spätere Erfahrungen. Beim Brunnengraben in der Nähe des Claassen’schen Siechenhauses soll man auf einen mächtigen Stamm von solcher Festigkeit gestossen sein, dass man es vorzog, einen neuen Brunnen daneben abzuteufen. Am häufigsten aber, fast mit einer gewissen Regelmässigkeit, kommen solche Baumstämme an der Oder zum Vorschein. Auf dem im Sommer fast trocken liegenden Bett der alten Oder habe ich seitdem öfter grosse Stammstücke von schwarzem Eichenholz liegen sehen, welche, da sie ganz mit Wasser durchdrungen waren, nicht mehr schwimmen, also wohl schwerlich aus grosser Ferne hierher geschwemmt waren. Sie werden dort von armen Leuten herausgeholt, um getrocknet . und dann als Brennholz verwendet zu werden. Aber auch an den Ufern der Oder selbst kommen solche liegende Stämme dadurch zum Vorschein, dass der Strom sein Bett ändert. Wo derselbe auf seinem gewundenen Laufe gegen das Ufer stösst, unterspült er dasselbe, namentlich beim Frühjahrs-Hochwasser, und es stürzen später lange Uferstreifen nach, während auf der gegenüberliegenden Seite, wo die Strömung gering ist, durch Anschwemmung von Sand das flache Ufer weiter vordringt. Wo von dem, nach der Schwedenschanze hin von der Oder abbiegenden Damme ein Fussweg schräg über Feld nach Ransern und ein anderer an der Oder entlang nach der Masselwitzer Fähre hin sing, konnte man in den fünfziger Jahren 3—4 solche Wegspuren verfolgen, welche früher am Ufer entlang geführt hatten, jetzt aber vom Wasser weggenommen waren, während der betretene Weg immer weiter nach der Schwedensehanze hin verlegt werden musste, Hier lagen im Herbst 1852 etwa 20 Fuss unter der Oberfläche des hohen Ufers zwei Stämme nahe neben einander, grossentheils noch im Boden verborgen, nur vorn durch’s Wasser entblösst; einer schwarz, offenbar Eichenholz, der andere aber ganz hellbraun, wie jener entrindet, locker, der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 299 von weichem Holz, wie es viel seltener vorkommt. Stücke, wie sie mit dem Taschenmesser loszubringen gewesen waren, wurden von beiden Hölzern vorgelegt. Ein viel besser erhaltenes, grösseres, fast handlanges und breites, flaches Stück schwarzes Eichenholz konnte im folgenden Jahre von einem, an demselben Ufer weiter unterhalb bloss- gelegten Stamme abgebrochen werden, im Sommer 1883 lag ein ähnlicher, so viel sich erkennen liess angeschwemmter Stamm auf dem flachen Ufersande zwischen Oswitz und der Schwedenschanze. Oberhalb Breslau war 1865 ein Eichenstamm nahe der Strachate, nur etwa 5 Fuss unter dem dort niedrigen Ufer zum Theil blossgelegt; von demselben wurden ein paar Stücke, namentlich ein handlanger Splitter vorgelegt, aussen bräunlichgrau, innen aber schwarzes Eichen- holz. Auf der anderen Seite der Oder dagegen, zwischen Neuhof und der Ziegelei von Zedlitz, etwa 9 Fuss unter dem ebenfalls ziemlich niedrigen Ufer, lag wagerecht ein ebenfalls zum Theil noch unter das Ufer reichender Stamm mit kaffeebraunem lockeren und leichten Holze, von dem ebenfalls mehrere Stücke losgetrennt werden konnten. An der Ziegelei selbst aber kam vor einigen Jahren ein so starker Eichen- stamım zum Vorschein, dass er mittelst einer Erdwinde an Ketten auf’s Ufer gewunden und dort in Scheiten zum Trocknen gestellt, mehrere ‚stattliche Klafterhaufen abgab. Auffallend verschiedenartige Stücke konnten endlich von mehreren Stämmen vorgelegt werden, welche vor etwa 20 Jahren mehr als vier Meilen unterhalb Breslau bei Seedorf im Kreise Neumarkt auf dem dort sehr flachen, sandigen Ufer umherlagen. Das eine, hellgrau, locker, leicht, in Splittern noch etwas biegsam, ähnelte verwittertem gewöhnlichem weichem Holze, hatte aber trotz grosser Verschiedenheit von den sonstigen Vorkommnissen des Eichenholzes die groben Fasern dieser Art. Andere glichen ganz dem schweren, schwarzen, nur aussen zuweilen grauen Eichenholze, wie es häufig unter Breslau vorkommt; nur war der Querbruch der spröden Stücke öfter deutlich glänzend, wie schwarze Pechkohle. Wieder andere dunkel- braune, sehr zerbrechliche Stücke, hier und da mit Streifen von aus- blühendem Eisenvitriol, wohl von verwittertem Eisenkies herrührend, zeigten eine vollkommene Uebereinstimmung mit Torfhölzern, von denen zum Vergleich eine grössere Zahl aus dem Torfstich von Oben: Langenau vorgelegt wurde, welcher das Material für die dortigen Moorbäder liefert. Dieselbe braune Farbe, derselbe muschelige Bruch, dessen pechglänzende, braunschwarze Fläche deutlich den braunen Strich zeigt, wie die Pechbraunkohle, i Es lag daher die Vermuthung nahe, dass diese Stücke a dem Torf herstammen‘ möchten, der ja auch dasselbe Alter haben könnte, wie unsere Oderhölzer. Aber einen Torfstich an der Oder oberhalb 300 Jahres - Bericht Seedorf giebt’s meines Wissens nicht und der schon bei dem daneben liegenden, den übrigen Oderhölzern durchaus gleiehenden Eichenholz, wie ich solches im Torf nie gefunden habe, zum Vorschein kommende, pechkohlenartig glänzende Querbruch macht es sehr wahrscheinlich, dass auch bei der Erhaltungsweise des Oderholzes ganz ähnliche Veränderungen haben stattfinden können, wie beim Torf. Die Vorgänge beim Ueber- sange von frischem Holz in Torfholz und in holzartige und dichte Braunkohle sind noch nicht nach allen Richtungen festgestellt; eine vergleichende Untersuchung der fast in allen Stufen dieser Umwandlung vorliegenden Oderhölzer könnte daher ausser den interessanten Folge- rungen, welche Göppert a. a. O. aus seinen Beobachtungen für die Erklärung der Bildung, namentlich paläozoischer Versteinerungen gezogen hat, noch manche erwünschte Aufklärung bringen. Gewiss würde es aber auch an sich schon nicht ohne Interesse für die Geschichte der Bildung des heutigen Oderthals sein, wenn auch fernerhin nicht nur in und bei Breslau, sondern auch anderwärts zu- tage tretende Stämme dieser Art nicht unbeachtet blieben, wenn ihre Lagerung, die darunter und darüber liegenden Schichten, ihr Umfang, etwaige Verästelung und Berindung aufgezeichnet und bezeichnende Proben, etwa handlange Stücke von Holz und Rinde, wenn Blatt- abdrücke oder Früchte in der Nähe gefunden würden, auch diese. aufbewahrt oder an das hiesige botanische Museum eingesendet würden. Herr G. Limpricht sprach über einige in Schlesien neu aufgefundene Laubmoose. In der neunten Sitzung vom 8. December hielt Herr A. von Krassnow aus St. Petersburg einen Vortrag: Versuch einer Entwickelungsgeschichte der Pflanzenwelt im Central- Thian-Schan. Der Vortragende wurde im Jahre 1886 von der Kaiserlich Russischen Geographischen Gesellschaft mit einer Expedition in das Gletschergebiet des Massif Khan tengri im östlichen Thian-Schan gesendet. Während seiner Reise besuchte er die Ketten der Wasserscheide zwischen Hi-Tschu und Tarim und sammelte die Pflanzen auf den Ketten Andracai, Alatau transiliensis, Ak-Burchan-tau Turkestan, Kokschaal- tau und im Gletschergebiete von Khan-tengri — in Ak-Schyrjak-tau und Kuelu-tau, wo bis jetzt noch kein Botaniker Pflanzensammlungen ge- macht hat. Er brachte ungefähr 1200 Species mit, von welchen viele ganz neue, andere neu für das Gebiet sind. Doch der Hauptzweck der Reise waren nicht die systematischen, sondern die geo-botanischen Erforschungen. der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 301 {9} Die letzten genauen Erforschungen von dem berühmten russischen Geologen Professor Muschketoff zeigten, dass noch in der Tertiärzeit der Thian-Schan nur ein Archipel von Inseln war, der in einem Meere lag, welehes die gegenwärtige Aralo-Kaspische Ebene bedeckte und mit zwei Meeresstrassen in der Soongarei und Ferghanah mit dem Central- asiatischen Meere Chan-Chai in Verbindung stand. Die Hebung der Gebirge fing nun an am Ende der Tertiärzeit, und zu dieser Zeit hatte der Altai, der viel nördlicher liegt, eine subtropische Flora mit Ahorn-, Liriodendron- und Fagus- Arten. Die Erforschungen der Gletscher zeigten, dass ihrer beträchtlichen Grösse ungeachtet diese Gletscher nur elende Reste der früheren sind; ihre Endmoränen liegen jetzt sehr hoch, auf einer Höhe von 3300 m, indem sie früher mindestens eine Höhe von 6500 Fuss erreichten. Nach seiner Hebung hat der Thian-Schan also wie die europäischen Gebirge eine Gletscherperiode gehabt, und obschon die Vergletscherung hier, wie Muschketoff glaubt, niemals so gross wie in den Alpen war, zeigten doch des Verfassers Erforschungen, dass auch hier grosse Strecken zwischen Turkestan und Kokschaal-tau unter dem ewigen Schnee lagen. Während der Periode der Schmelzung des Schnee’s wurden die Längs- thäler mit Wasser gefüllt und fast jeder Fluss hatte, wie in den Alpen in seinem oberen Laufe einen See. Wenigstens kann man solche Seebecken in dem mittleren Laufe von Hi, Tekess, Kephun, Teharyn und Tschu beobachten. Doch jetzt stehen diese Seebecken trocken und die Flüsse, welche nach und nach die jungen und älteren Sedimente-durchschneiden, bilden tiefe kanionenartige Schluchten und drainiren den Boden der Seebecken. Auch der Balchasch-See, der ehemals ein Theil des Aralokaspischen Meeres war, wurde zuerst ausgesüsst und hat nachher stark an seiner Grösse abgenommen. Jetzt gehört überhaupt die Gegend zu den trockensten und con- tinentalsten, doch sind die klimatischen Verhältnisse in einzelnen Theilen der Gegend sehr verschieden. Indem die den NO.- Winden preisgegebenen Theile ungeheuere Temperaturschwankungen, Trockenheit der Luft und im Vergleiche mit Europa. niedrigere Temperatur haben, die allen Theilen der Turan- Ebene gemein, sind die Thäler, vor diesen Winden von den hohen Gebirgsketten geschützt, nach ihren klimatischen Verhältnissen den ost- europäischen Gegenden ähnlich, haben mehr Niederschläge, grössere Feuchtigkeit der Luft und kleinere Temperaturschwankungen. ne den Wasserreichthum verursachen hier ausschliesslich die NW.-Winde, und die südlicheren, von diesen Winden geschützten Theile des Landes rein desto trockener, je mehr sie von den Ketten geschützt sind, je südlicher 302 Jahres - Bericht ihre Lage ist. Die südlichen Ketten gehören ihrer Höhe ungeachtet zu den wasserärmsten und traurigsten Gegenden von Turkestan. Die frühere Geschichte-der Gegend war also sehr der europäischen ähnlich. Auch ein warmes milderes Klima zur Pliocän, nachher eine Gletscherperiode; doch später veränderten sich die Verhältnisse etwas, indem in Europa, wie Professor Engler zeigte, das Klima milder wurde, und die Ueberreste der Pliocänflora an die Stelle der glacialen Formen zurückkehrten; im Thian - Schan erlaubt bis jetzt das dem glacialen nahe Klima diese Rückkehr nieht und die neuen Trockenheits- verhältnisse verursachen weitere Veränderungen der Glacialen-Pflanzen. Der Verfasser versuchte also zu zeigen, welchen Unterschied diese letzten klimatischen Veränderungen der Floren in Europa und Asien ver- ursachten. Es beschäftigte sich in seinem Vortrage mit der Betrachtung der alpinen Region der von ihm besuchten Gegend. Er fand, dass an den nördlicheren Ketten, die den feuchteren NW.- Winden preisgegeben sind, die alpine Flora der europäischen sehr ahn- lich ist. Dort sind Alpenmatten vorhanden mit einer üppigen Blumen- flora, Wiesensümpfe und Alpenseen, Steinschutt und Geröllpflanzen, ni- vale und Gratflora, die, obschon aus anderen Gattungen bestehend, doch nach ihrem Habitus den Alpinen sehr ähnlich sind. Auffallend ist aber, dass Torfmoore, Sphagnum und alle Sphagnum begleitende Pflanzen hier gänzlich fehlen. Ebenso ist das Gesträuch, das für die europäischen Matten so charakteristisch ist, gar nicht vorhanden. Keine Saxofraga und Zwergweiden, keine Rhododendron und Helianthemum, keine Azalea und Dryas schmücken die felsigen Abhänge. Bis jetzt wurden hier nur 3 Sträucher gefunden, die aber zersteut auf verschiedenen Standorten wachsen und keine Formation bilden. Der Verfasser erklärt solche Lücken in der Verbreitung dieser Formen, die schon früher beobachtet wurden, durch zu frühe Schneefälle und stärkere Temperaturschwankungen als auf den anderen Gebirgen. In den mittleren Ketten herrscht die sogenannte Formation der Alpenprärien, die aus Festuca- und Philagrostis-Arten und graulichen, stark behaarten, in den Alpen seltenen Formen dargestellt wird. Hier sind Edelweiss, Aster alpinus, Pulsatilla albana, Potentilla und Delphinium cau- casicum die herrschenden Formen. Weiter nach Süden begegnete der Verfasser ganz besonderen nur für den Thian-Schan charakteristischen Formationen der Alpensteppen, die in ihrem Habitus den mittelasiatischen Wüsten sehr ähnlich waren, aber aus Zwergformen bestanden. Hier waren kleine Stipa orientalis und ca- pillata, Artemisiu frigida, maritima und rupestris, verschiedene Coniferen auf dem trockenen staubigen Boden vorhanden. Wie in der Steppe stehen sie weit von einander und zwischen ihnen laufen Steppen-Inseeten, der Schles. Gesellschaft für vater]. Cultur. 303 Wie in den Alpen sind die früher vergletscherten Gebiete viel ärmer an Pflanzenformen. Hier aber ist diese Armuth so gross, dass man tagelang reisen kann, ohne andere Pflanzen zu sehen als Artemisia und Festuca, die auch sehr entfernt von einander stehen und den nackten trocke- nen Boden nicht bedecken. In den Längsthälern des Khan-tengri-Gebietes haben solche Eigenschaften nur die nach Süden gerichteten Abhänge; weiter aber sind im Kok-Schaal-tau alle Thäler vegetationslos und der Boden besteht aus lockerem Konglomerat, aus Geröll und feinem gelb- lichen Staub, die ehemals von den Gletscherflüssen abgelagert waren. Wie schon gesagt, sind Regen und Schneefälle hier äusserst selten, Die Kraft der Regengüsse ist gering, die Ströme von dem schmelzenden Schnee sehr schwach. Sie können nur die feinsten Staubtheilchen und Sandkörnchen mitnehmen und das Wasser wird mit ihnen bald so er- füllt, dass diese Güsse erstarren und vertrocknen, Nach und nach aber werden in den breiteren Thälern die oberen Theile des Konglomerats ausgewaschen und unten Schichten von structurlosem gelben Boden abgelagert. Dieser Boden hat nach des Verfassers Erfor- schung alle Eigenschaften des Lösses. Der Verfasser fand viel Aehn- lichkeit in der Verbreitungsart des Lösses, der immer die trockensten Seiten der Thäler wählte, niemals in unmittelbarer Nähe der Gletscher, sondern zwischen alten Moränen und Gletscherfluss-Ablagerungen vor- kam, mit dem europäischen Löss, der ebenfalls die Ostseiten der Thäler wählt und zweifellos eine inter- oder sogar postglaciale Bil- dung ist. Indem er die Ungültiskeit der gegenwärtigen Theorien für allgemeine Erklärung der Lössbildung zeigte, kam er zu dem Schlusse, dass es verschiedene Lösse mit verschiedener Entwickelungsgeschichte giebt, dass aber der europäische Löss meistentheils während der Glacial- periode, ebenso wie jetzt im T'hian-Schan sich bildete, Nicht die ächten Steppen, wie es von Riehthofen und viele andere glaubten, sondern Alpensteppen und Lössbildungsareale charakterisirten die europäische Natur zur Quartärzeit, und wie die Kameele in Asien, so weideten auch die diluvialen Thiere auf solehen Steppen, wo weder Saxaul noch Tamarisken, sondern ächte alpine Pflanzen wuchsen. Europa’s Glacialflora war also näher zu der hochasiatischen wie jetzt, und die ihr fehlenden Formationen der Alpensteppen, lpemänen und Lössbildungsareale waren damals dort ebenso verbreitet wie in Asien. Später aber nach Milder- und Feuchterwerden der Gegend ver- schwanden die Lössbildungsareale und Alpensteppen, und von den Alpen- prärien blieben nur‘ elende Spuren in den seltenen Elan der Kalk- gesteine wie Leontopodium, Artemisia rupestris, Potentilla. nivea und andere. Nach dem Vergleiche der Floren des Central-Thian-Schan, Alpen, Altai, Himalaya und Polarländer fand der Verfasser, dass der Thian-Schan 304 Jahres - Bericht bis 150 Alpenformen mit Europa gemein hat, dass aber alle diese Formen zu denjenigen Pflanzenformationen gehören, die den Alpen, den Polar- ländern und dem Thian-Schan gemein sind, und dass alle ohne Ausnahme z. B. scandinavische Pflanzen auch im Thian-Schan verbreitet sind. Diese Thatsache ist nach der Meinung des Verfassers ein Beweis dafür, dass die seandinavischen Formen weder von Scandinavien, noch von Norden eingewandert waren, sondern zu den älteren weit verbeiteten Formen gehören, die seit der Pliocän bis jetzt auf ähnlichen Formationen wohnten und bis jetzt, nur mit schwachen Modificationen erhalten sind. Im Gegentheil gehören aber die in Europa fehlenden, mit dem Altai und Himalaya gemeinsamen Formen theils zu den sog. nivalen Pflanzen, theils zur Steppen- und Hochplateau-Flora, d. h. solchen Standorten, die in Europa fehlen. Ausser diesen weit verbreiteten Formen hat der Thian-Schan noch eine Anzahl von alpinen Formen, die nur endemisch oder nur mit dem Altai gemein sind. Die letzten gehören zu den verschiedenslen Formationen und zeigen, dass seit der Glaeialzeit die Flora des Thian-Schan näher zu der Altai- schen stand und von der Europäischen etwas abweicht. Ausserdem sind viele von sog. Altai’schen Formen mit Nordsibirien gemein und geben der Flora einen viel mehr polaren Charakter als in Europa. Echte Thian-Schan’sche Pflanzen sind zum Theil nivale und Wiesen-, zum 'Theil Alpensteppenpflanzen. Erstere sind höchst eigen- thümlich gebaut und gehören zu denjenigen Gattungen, die überall, auch in anderen Zonen endemische Formen bilden; es sind: Corrydalis, Ranunculus, Parrya, Malcolmia, Oxytropis, Astragalus, Pedicularis, Draco- cephalum, Tulipa, Allium, Saussurea, Triticum, Tanacetum, Calamagrostis und Stipa. Im Gegentheil sind Alpensteppenformen mehr oder weniger schlechte Arten, deren Formen und Struetur leicht physiologisch durch die Ein- wirkung der ungeheuren Trockenheit und Kälte der Alpensteppen erklärt sein kann. Bis jetzt wurden im Alpengebiete des östlichen Thian-Schan bis 250 Arten gefunden, was uns zu glauben erlaubt, dass der Ost-Thian- Schan (wenigstens die vom Verfasser besuchten Wasserscheiden) eine ebenso reiche alpine Flora wie die Schweiz besitzt. Im Anschluss an diesen Vortrag veranstaltete Herr v. Krassnow in der Sitzung der Section vom 2. Februar 1888 eine Ausstellung der von ihm erforschten und gesammelten Hochalpenflora des Central-Thian-Schan. In der darauf folgenden Wahl wurde der bisherige Secretair der Section, Professor Ferdinand Cohn, für die Etatszeit 1888/89 wieder- gewählt. der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 305 Wir schliessen an dieses Referat der Sectionssitzungen einen Bericht über die am 18. Mai 1887 stattgefundene Enthüllung der Broncebiüste unseres unvergesslichen Präses, Geheimrath Professor Dr. Göppert, auf der Breslauer Promenade. Unmittelbar nach dessen am 18. Mai 1884 erfolgten Tode forderte ein Comite, dessen Vorsitz der Oberbürger- meister von Breslau, Justizrath Friedensburg, übernahm, zu Bei- trägen für ein Göppert-Denkmal auf, um der Verehrung und Dankbarkeit, die der seltene Mann bei seinen Mitbürgern und Landsleuten, seinen Collegen und Schülern sich erworben, dauernden Ausdruck zu verleihen. In allen grösseren Städten der Provinz bildeten sich Subeomites; die Summe der gezeichneten Beiträge überstieg 11000 Mark; die Stadt Breslau steuerte, in Anerkennung der Verdienste, welehe ihr Ehren- bürger sich um die Breslauer Promenaden und andere gemeinnützige Einriehtungen der Stadt, wie um die Förderung des Bergbaus, der Gartenpflege, der Land- und Forstwissenschaft in unserer Provinz er- worben, 2000 Mark bei, so dass die Kosten des Denkmals, in der Höhe von 13000 Mark, wie die übrigen Unkosten für Drucksachen, Porti u. s. w. gedeckt wurden. Das Göppert-Denkmal hat auf einem der schönsten Plätze der Pro- menade Aufstellung gefunden. Nicht weit von dem Denkmal des um unsere Promenaden ebenfalls hochverdienten Bauraths Knorr steht die überlebensgrosse Büste, von Prof. Fritz Schaper modellirt und in der Kunstgiesserei von Gladebeck in Berlin in Bronce gegossen, auf einem braunroth marmorirten Sockel aus schwedischem Granit mitten in den dem Vincenzgarten gegenüberliegenden Anlagen. Am Vormittag des 18, Mai 10 Uhr war die Enthüllung des Denkmals anberaumt. Ein Theil des Platzes war für die geladenen Gäste reservirt, an deren Spitze der Oberbürgermeister Friedensburg, der Stadtverordneten-Vorsteher Justizrath Freund. der zeitige Reetor der Universität Professor Dr. Sehneider, zahlreiche Professoren, Stadträthe, Stadtverordnete und viele Freunde und Verehrer Göppert’s. Von studentischen Vereinigungen waren der Wissenschaftlich- pharmaceutische Verein, der Verein „Phar- macia“ und der Akademisch-naturwissenschaftliche Verein durch Chargirte vertreten, In weitem Kreise um die Festversammlung hatte ein zahl reiches Publikum Aufstellung genommen. Nachdem der Universitäts- Gesangvereii unter Leitung des Organisten Dr. Bopn den Bardenchor von Silcher vorgetragen hatte, hielt Prof. Dr. Ferdinand Cohn nach- stehende Festrede: } 4 „Als heute vor 3 Jahren sich die Trauerkunde verbreitete, dass Heinrich Robert Göppert, den wir noch wenige Tage vorher trotz seiner 84 Jahre mit unverminderter Geisteskraft seines Lehramts hatten walten sehen, entschlafen sei, wurde dieser Verlust in allen az unserer Mitbürger schmerzlich empfunden. Ein heller Stern der Wissen- 20 1887, 306 Jahres - Bericht schaft war erloschen, dessen Glanz auch auf unsere Stadt und deren Hochschule zurückstrahlte; eine Stimme war verstummt, die wir stets zu hören gewöhnt waren, wenn es galt, dem Volke die Schätze der Wissenschaft zugänglich zu machen oder idealen Bestrebungen in unserer Mitte Bahn zu brechen. Der Mann, der bis zu seiner letzten Stunde mit einer Arbeitskraft ohnegleichen als Lehrer und Mehrer der Wissen- schaft unter uns gewirkt, den die Fürsten mit ihren höchsten Auszeich- nungen überhäuft, den die Akademien des In- und Auslandes unter ihre ' Mitglieder zu zählen sich zur Ehre rechneten, war ein einfacher Bürger geblieben, dessen anspruchslose und doch Ehrfurcht gebietende Er- scheinung mit dem leuchtenden Blick und dem milden Lächeln sich Aller Herzen gewonnen, der Tausenden seiner Schüler ihr ganzes Leben lang als Berather hilfreich zur Seite gestanden, der mit gleichem Wohlwollen dem Vornehmsten wie dem Geringsten sein Wissen und Können jederzeit zur Verfügung gestellt hatte. Die Volkesstimme erkannte es als eine Pflicht der Dankbarkeit, dem seltenen Manne, dessen langes Leben un- ausgesetzt der Pflege der Wissenschaft und der Förderung vaterländischer Interessen vor allem in seiner schlesischen Heimath gewidmet war, in der Hauptstadt der Provinz ein öffentliches Denkmal zu errichten: ein Comite trat zusammen, an dessen Spitze der Oberbürgermeister unserer Stadt und der damalige Rector unserer Universität sich stellten; ihnen ge- sellten sich Vertreter der verschiedensten Wissenschaften und Berufskreise, die alle in gleichem Maasse in Göppert den hochverdienten Mitarbeiter und Freund verehrten. Ein von ihnen erlassener Aufruf fand überall in unserer Stadt und Provinz kräftige Unterstützung, und selbst aus weiter Ferne flossen Beiträge ehemaliger Schüler, die dem unvergesslichen Lehrer ihre Anhänglichkeit noch über das Grab hinaus bezeugen wollten. Es gelang, für die Aufgabe den genialen Künstler zu gewinnen, dem das deutsche Volk die Verkörperung von Goethe’s Idealgestalt verdankt, und in wenigen Augenblicken werden wir, von des Künstlers Hand gewisser- massen neu belebt, die freundlichen Züge unseres Göppert wieder vor uns schauen, um die nämliche Stunde, wo vor 3 Jahren sich über die- selben der ewige Schlummer gebreitet hatte. Die Lücke, welche damals durch Göppert’s Scheiden entstanden, ist nicht wieder ausgefüllt worden. Wohl haben sich jüngere Kräfte gefunden, welche mit Hingebung sich in seine Lebensaufgaben gestellt und die von ihm begonnenen Werke erfolgreich weiter gefördert haben. Aber vielleicht niemals wieder werden wir einen Mann besitzen, der gleich Göppert so viele und so mannigfaltige Geistesthätigkeit mit gleicher Meisterschaft beherrschte, der, wie er in gleichem Maasse sich “ durch seine in der Stille des Studirzimmers gereiften Forschungen die Bewunderung der Fachgenossen, wie durch sein in das öffentliche Leben der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur, 307 eingreifendes gemeinnütziges Walten sich die Liebe des Volkes ge- wonnen hatte. Wenn es galt, die Geheimnisse des Pflanzenlebens zu ergründen oder die Geseize desselben für den Arzt, den Landwirth oder Forstmann nutzbar zu machen; wenn es galt, aus unvollständigen, aus den Tiefen der Erde heraufgeholten Bruchstücken die Gestalten verschollener Pflanzen- geschlechter wieder herzustellen, oder auf diese Forschungen für die Hebung des in unseren schlesischen Bergen vergrabenen schwarzen Goldes werthvolle Winke zu begründen; wenn es galt, den Spuren früherer Cultur-Epochen in der Geschichte unseres Heimathlandes nachzugehen, oder die Verdienste vergessener Landesgenossen aus Licht der Gegen- wart zu stellen; wenn es galt, den vaterländischen Gewerben den Spiegel der eigenen Leistungsfähigkeit in provinziellen Ausstellungen vorzuhalten und sie dadurch zu fortschreitender Entwickelung aufzu- muntern, oder die allgemeine Theilnahme für die anmuthigen Erzeugnisse des schlesischen Gartenbaus durch öffentliche Schaustellungen anzuregen; aber auch wenn es galt, den bildenden Künsten einen Tempel zu er- richten und den Genuss ihrer Schöpfungen dem ganzen Volke zu er- öffnen, oder in unserer Universität neue Institute ins Leben zu rufen und deren Lehrmittel nicht blos den Studirenden, sondern der Gesammt- heit zugänglich zu machen; wenn es galt, den Mitbürgern durch die Verschönerung und Erweiterung unserer öffentlichen Anlagen eine un- erschöpfliehe Quelle der Erfrischung und Gesundheit aufzuschliessen — überall war es Göppert, der sich an die Spitze dieser Bestrebungen stellte, der mit seiner unermüdlichen Arbeitskraft, seiner Beredtsamkeit, seinem klaren, praktischen Blick sie thatkräftig förderte, der aber auch die mitstrebenden jüngeren Genossen, wie um einen gemeinsamen Mittel- punkt, um sich zu schaaren, sie mit dem Feuer seiner eigenen Be- geisterung zu durchdringen und im Verein mit ihnen das fest im Auge behaltene Ziel im Dienste des Gesammtwohles trotz aller Schwierig- keiten stets zu erreichen wusste. Den städtischen Behörden gebührt unser Dank, dass sie für das Denkmal ihres Ehrenbürgers einen der schönsten Plätze der Breslauer Promenaden bewilligt haben, dessen Ausschmückung durch die Garten kunst einst Göppert angeregt hatte, und der jetzt im Begriff ist, in einen Stadtpark sich zu erweitern. Wie die Alten in ihren Gärten das Standbild des Genius aufrichteten, unter dessen Schutz sie ihre Pflanzen stellten, so meinen wir, dass das Andenken Göppert's, das durch dieses Denkmal der Nachwelt erhalten bleiben wird, gleich a Schutz- geist über diesen herrlichen Anlagen walten, dass es auch in da Eon, menden Generationen jene Liebe zu ihrer Pflege und Verschönerung lebendig erhalten möge, die Göppert seinen Zeitgenossen ans Herz zu legen nicht müde wurde, So möge dieses Denkmal stehen bis in die 20* 308 3 Jahres-Bericht ferne Zukunft unter den Bäumen, die Göppert so sehr geliebt, um- blüht von den Blumen, deren Wunder zu erforschen, deren Schönheit zu preisen seine grösste Lebensfreude war; es möge stehen zur Er- innerung an den Mann, der länger als ein halbes Jahrhundert der Stolz der Stadt Breslau und ihrer Hochschule gewesen, aber auch als ein Zeugniss, dass seine Mitbürger diesen Mann zu ehren und zu verehren wussten.‘ Aufein von dem Festredner gegebenes Zeichen fiel nunmehr die Hülle des Denkmals, und freundlich lächelnd schaute das Antlitz des Verewigten auf die Menge herab. Rechts und links vom Denkmal waren Dracänen (Dracaena indivisa) und Yuecen (Yucca recurva) aufgestellt, zwischen denen reich blühende Azaleen in rother und weisser Farbe das Auge er- freuten, während eine ernste Coniferengruppe den Hintergrund bildete. Oberbürgermeister Friedensburg ergriff nunmehr das Wort, um im Namen der städtischen Behörden von diesem Denkmal Besitz zu nehmen. Er versprach, dass die städtischen Behörden das Denkmal in treuer Obhut halten werden. Es solle immer eine Erinnerung daran sein, welche Verdienste der Verstorbene um die Wissenschaft und als Bürger um unsere Stadt erworben, Verdienste, um derenwillen ihm die städtischen Behörden das Ehrenbürgerrecht dieser Stadt verliehen haben. Das Denkmal solle ferner unsere Bürger daran gemahnen, dass ein Mann von europäischem Rufe es nicht verschmäht hat, die Wissenschaft dem Publikum zugänglich zu machen, dass er trotz seiner vielen Arbeiten den ihm von der Stadtgemeinde auferlegten ehrenamtlichen Pflichten mit Eifer, Treue und Verständniss obgelegen hat. Redner gedenkt ferner der Verdienste, die sich der verstorbene Göppert um die Promenaden- Deputation, um die Promenade selbst und um den Scheitniger Park er- worben, was wir heute doppelt freudig anerkennen müssen. Das Denk- mal soll uns auch mahnen, dass wir fortwandeln auf dem Wege, den uns Göppert gewiesen hat. Nur wer, wie er, Wissenschaft und Leben so vereinigt, dass beide einander durchdringen, dem gebühren die Kränze der Wissenschaft, dem gebührt die Dankbarkeit der ganzen Stadt. Mit dem Gesange des Liedes: „Wir wollen deutsch und einig sein“ von Marschner, seitens des obengenannten Gesang-Vereins, fand die er- hebende Feier ihren würdigen Abschluss. _ An den Stufen des Denkmals wurden seitens der Schlesischen Ge- sellschaft für vaterländische Cultur, von der Verwaltung des botanischen Gartens, von den Vertretern der obengenannten studentischen Vereine, sowie von mehreren befreundeten Damen Lorbeerkränze niedergelegt. der Schles. Gesellschaft für vater!. Cultur. 309 Resultate der Durchforschung der schlesischen Phanerogamenflora im Jahre 18s7 zusammengestellt von E. Fiek. Die Durchforschung Schlesiens bezüglich der Phanerogamen und Gefäss - Cryptogamen hat auch im Jahre 1887 unleugbare Fortschritte gemacht, und wenn sich diese nur auf einige Theile unseres Landes beschränken, so sind hier die Ergebnisse doch recht erfreulicher Art, zumal was kritische und hybride Formen betrifft. Dieselben Herren, welche mich im vorigen Jahre durch Beiträge freundlichst unterstützten, haben mir auch heuer reichliches Material zugesandt; ihnen Allen spreche ich hierdurch meinen besonderen Dank aus. Herr Fisert (Liegnitz) veröffentlichte verschiedene seiner Be- obachtungen und Entdeckungen in der Deutschen Botanischen Monats- schrift (V. Jahrg. 1887), so „Hybride der Flora von Liegnitz und Umgegend“ in Nr. 1 und 2, „Carex Pannewitziana (Ü. rostrala > vesicaria n. hybr.) ein neuer Bastard in Schlesien“ und „Beiträge zur Kenntniss einiger Pappelarten“ in Nr. 7 und 8. Ebendaselbst erschien (in Nr. 2) der Aufsatz G. Schneiders „Hieracium semiaurieula nov. hybr. (H. auri- cula > pratense).“ Die Oesterreichische Botanische Zeitschrift (1837 Nr. 3 und 4) brachte Mittheilungen von Anton Baier, Professor an der Staats-Oberrealschule zu Bielitz, „Zur Flora der Umgebung von Bielitz und Biala“ und später von Dr. E. Formänek (Brünn) einen „Beitrag zur Flora des nördlichen Mährens und des Hochgesenkes“ (Nr. 7 bis 12). Alle diese Publicationen wurden von mir benutzt, wie auch der mit Beginn des vorigen Jahres ausgegebene IV. und letzte Theil der vortrefflichen ‚‚Flora von Mähren und österr, Sehlesien“ von Ad. Oborny, dem ich u. A. mehrere Angaben über die Vegetation von Weidenau verdanke, die einem Manuseripte des Professor Vier- happer (Vierh.) entnommen sind. 310 Jahres - Bericht A. Für das Gebiet neue Arten und Formen. Thalictrum minus L. var. capillare (Rchb. sp.). Pflanze hoch, Blättehen gross, wenig eingeschnitten; Blüthenstiele lang und haardünn; Staubfäden lang. So bei Rawitsch: im Kieferwalde bei Ganz- vorwerk, noch in Schlesien! (Schwarz). Medicago minima (L.) Bartalini, var. viscida Koch Grünberg: südlicher Abhang des Maugschthales beim Vorwerk! (Hellw.) Bisher wurde bei uns nur die typische Form mit drüsenlosen Blättern ge- funden. Rubus Bayeri Focke in den Beskiden auf der Höhe der „Smreina“ unter dem Gipfel der Lissa-hora (Oborny, a. a. ©. $. 971). Diese Parallelform des R, hirtus, die der Autor nach von ihm selbst gesam- melten Exemplaren aus dem unserem Standorte benachbarten Treneziner Comitate beschrieben hat, dürfte wenigstens in dortiger Gegend weiter verbreitet sein. R. Idaeus L. fructibus flavis spontan bei Grünberg: am Ein- siedelbache! (Hellw.) und mehrfach bei Leipe unweit Bolkenhain (Richter). Bisher war diese Abänderung in der Fruchtfarbe der Himbeere bei uns nur aus Gärten bekannt, -—- Senecio nebrodensis L. Hirschberg: in Hermsdorf u. K. auf Mauern des Dominial-Gartens ziemlich zahlreich!! Es dürfte schwer festzustellen sein, wie diese zunächst in den Alpen Nieder- Oesterreichs (und bei Trebisteh im westl. Mähren) einheimische Art an diesen Fundort gekommen ist, da dieselbe in Gärten nicht cultivirt wird. Unsere dem 8. vernalis W. K. sehr ähnliche Pflanze ist vollständig kahl, während die Exemplare aus anderen Gegenden mindestens im jugendlichen Zustande eine spinnwebig-flockige Bekleidung zeigen. —+ (Centaurea nigra L. Hirschberg: am Eisenbahndamm bei Cunnersdorf in Menge!!; Liegnitz: in der nächsten Nähe der Stadt am Töpferberger Eisenbahndamm in mehreren Gruppen!, „scheint erst neuerdings von Norden her, jedenfalls durch die Bahn gebracht zu sein“ (Fig. als CO. Phrygia). Wimmer, der die Pflanze in der II. Auflage seiner Flora irrthümlich aufführt, verwechselte damit — wie viele der älteren Botaniker — die westeuropäische, in Deutschland auf das Gebiet des Rheinstroms und seiner Nebenflüsse beschränkte C. nigra L. mit der osteuropäischen, über Schlesien nach Westen kaum hinausdringenden 0, Phrygia L. fl. suec. (C. austriaea Willd.), von welcher sie sich leicht durch meist ästigem Stengel, kleinere Köpfe und namentlich durch das Fehlen der strahlenden Randblüthen unterscheidet. Auch der in den „Resultaten der botanischen Durchforschung Böhmens im Jahre 1834 angegebene Standort bei Eger dürfte wohl nur auf Einschleppung be- ruhen. der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultuı. 311 Hieracium Auricula X pratense G, Schneider (H. semi- auricula ejusd.). Schmiedeberg: grasige Lehnen hinter dem Hammer- gute in zwei Gruppen! (G. Schn.) H. murorum (L.) Fr. var. cinereum Formänek. „Blätter unter- seits, besonders auf den Nerven sammt dem Blattstiele und dem Stengel graufilzig. Kl. Mohrau im Gesenke. Diese Form steht dem H, cinerasceus Jord. nahe, ist jedoch durch die nicht ganzrandigen Blätter, die dunkel gefärbten Haare und die schwärzlichen Griffel von demselben ver- schieden‘ (Form. a. a. O. $. 346). Phyteuma spieatum L. var. sphaerocephalum Form. Blüthen- standachse verkürzt, die Aehre daher fast kugelförmig. Pflanze niedriger und gedrungener, Stengel stärker. Im grossen Kessel des Gesenkes (Form. a. a. O. S. 307). Scutellaria galericulata L. var. pubescens Benth. Kreis Grünberg: Ufer des Mesch-Sees südlich von Kontopp!! Die Bekleidung mit kurzen Haaren erstreckt sich bei unseren Exemplaren auch auf die Blattoberseite, während die Unterseite und mehr noch die Kelche infolge der diehten Behaarung fast grauweiss erscheinen; Röhre der Blumen- krone auffällig wenig gekrümmt. Annähernde Formen in Semmler’s Lug bei Pirnig! (Hellw.). Rumesz, limosus X. crispus Figert, nov. hybr. „St... mit einigen aufrecht - abstehenden Aesten. Untere Blätter langsestielt, plötzlich in den Blattstiel verschmälert oder gestutzt, gegen die Basis etwas kraus; obere mehr oder weniger schmal-lanzettlich, Sämmtliche Blätter ziemlich hellgrün gefärbt und am Rande fein- wellig- gekerbt. Blüthenstand in fast bis zur Spitze unterbrochenen aber nur unten durchblätterten Scheintrauben. Die inneren Zipfel des Fruchtperigons sind hervortretend geadert, dreieckig-rundlich, jederseits mit 2— 5 längeren oder kürzeren pfriemlichen oder dreieckigen Zähnen versehen, die aber die halbe Länge der Fruchtklappen nicht übertreffen. Für eine Einwirkung des R. crispus L. spricht der ganze Habitus der Pflanze, die wellig-krausen, feingekerbten Blätter und die breiten, dreieckig - rundlichen, erhaben - geaderten inneren Perigonzipfel. Die Mitbetheiligung des R. limosus Thuill. erhellt zunächst aus der hellgrünen Farbe des Laubes, dem namentlich in den unteren Partien stark aus- geprägten unterbrochenen Fruchtstand, dann aber besonders aus den verhältnissmässig kurzen Zähnen des Fruchtperigons. Sollte R. maritimus an Stelle des R. limosus mitgewirkt haben, so müsste der Fruchtstand gedrungener und die Zähne an den inneren Perigon - Abschnitten länger sein. * Standort: Liegnitz bei der Schafschwemme zu Annawerder in zwei Exemplaren! 312 Jahres- Bericht Am Standort wächst R. limosus Thuill. ungemein häufis, während R. maritimus L. dort sehr selten vorkommt. Ich halte R. limosus für eine eigene Art, gegenüber Ascherson, Öelakovsky und Fiek, welche denselben als Varietät oder höchstens als Rasse zu R. maritimus ziehen; auch Meyer (Fl. hannoy.) und Hausknecht kann ich mich vorläufig nicht anschliessen, die R. limosus für eine Kreuzung R. maritimus X conglo- meratus erklären.“ (Fig. in sched.). Quercus pedunculata X sessiliflora. Bastarde zwischen un- . seren beiden einheimischen Bichen sind schon lange bekannt, obgleich die zur Unterscheidung derselben dienenden Merkmale nicht beständig genug sind, als dass man nicht auch Formen der einen oder der anderen für Kreuzungen angesehen hätte. Der Erste, welcher Hybride beider Arten richtig erkannt zu haben scheint, war Bechstein, dessen Quereus hybrida (1816) gwiss als solche zu gelten hat, aber auch Neuere haben mehrfach dergleichen zweifellos richtig gedeutet; ich will nur G. Maas erwähnen, der 1884 bei Altenhausen in der Altmark eine sehr deutliche Kreuzung auffand und in den „Mittheilungen der Geographischen Gesell- schaft für Thüringen“ beschrieb; auch Dr. C. Bolle und später Herr von Seemen haben Eichenhybride im Thiergarten bei Berlin constatirt. Von diesen Blendlingen entdeckte Figert im Herbst 1837 auch bei uns und zwar im „Wäldchen“ bei der Oberförsterei Panten, Kreis Liegnitz (!) zwei Formen, von denen die eine jedoch der Qu. sessiliflora Sm. nahe steht und vielleicht nur als eine abweichende Form derselben zu be- trachten ist, Der Entdecker schreibt darüber: „Die beiden ausgewachsenen Bäume, die ich von dieser (letzt- genannten) Form fand, zeigen einen ziemlich schlanken Wuchs, eine gleichmässige, fast regelmässige Krone; die Aeste sind weniger knorrig und nicht so stark hin und her gebogen, als bei Qu. pedunculata Ehrh. Die Vertheilung des Laubes ist ebenfalls gleichmässiger als bei der letzteren. Die Blätter sind ziemlich lang gestielt, an der Basis etwas keilförmig verschmälert oder gestutzt, selten etwas buchtig. Der Rand ist fast regelmässig gebuchtet. Die Unterseite ist dicht mit sehr kurzen Haaren besetzt. Die Früchte stehen in Trauben oder einzelne an kurzen Stielen an den Enden der Kurztriebe, selten weiter zurück in den Blattwinkeln. Stiele an den Früchten sind stets vorhanden, sie variiren zwischen 5—12 mm Länge. Früchte waren bei beiden Bäumen im ver- flossenen Jahre, wo die Fruchtbarkeit der Eichen im Allgemeinen sehr gering war, ausserordentlich zahlreich vorhanden, aber nur sehr selten vollkommen entwickelt, beides Umstände, die Bastarden eigen zu sein pflegen und die mich besonders zur Entdeckung dieser und der folgenden Kreuzung führten. Von dieser zweiten Kreuzung, die sicher echt ist, fand, ich einen ziemlich grossen ausgewachsenen Baum, der dem vorigen insofern der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 313 ähnlich ist, als er im vorigen Herbst auch überaus reichlich mit Früchten bedeckt war, die aber ebenfalls selten zur Entwickelung gelangten. Der Wuchs dieses Baumes ist nicht so schlank und gleich- mässig. Die Aeste, namentlich die unteren, sind knorrig und etwas hin und her gebogen. Die Vertheilung des Laubes ist eiwas büschel- förmig. Die Blätter halten in Form, Bekleidung und Bestielung vollständig die Mitte der beiden Stammformen. Der Stiel ist mittellang, gewöhnlich merklich länger als die Breite des oft schiefen Blattgrundes; dieser selbst abgerundet bis gestutzt, nicht selten sogar herzförmig gebuchtet. Die Bekleidung der Unterseite ist dicht kurzhaarig, im Herbste nur noch durch eine Lupe zu erkennen. Die Früchte stehen meist ährenartig gedrängt oder etwas locker an Stielen von 8—22 mm (am häufigsten von 10—15 mm) Länge. An dem Standorte wachsen beide Stammarten durcheinander, in den tieferen Partien gegen die Katzbach herrscht Qu. pedunculata Ehrh. vor, an den höheren dagegen Qu. sessiliflora Sm. — Ich glaube behaupten zu können, dass der Bastard überall da vorkommen wird, wo die beiden Stammarten zusammen stehen, und dass dieser Veranlassung gegeben hat zu Fries’ Behauptung, nach weleher in Schweden beide Arten in einander übergehen.“ Alnus serrulata X incana Figert, nov. hybr. „Dieser Bastard hat sich erst in der neuesten Zeit gebildet, seit die A. serrulata Willd, bei uns eingeführt ist. Er zeigt in seinem ganzen Habitus, Wuchs, in der Rinde, Belaubung u.s. w. ein Mittelgebilde zwischen den beiden Stamm- formen und ist auf den ersten Blick als solches zu erkennen. In mancher Hinsicht steht er der A. incana DC, näher. Die Blätter zeigen eine dünne, ziemlich zarte Textur; der Blattgrund dagegen ist nie vorgezogen, sondern meist schwach herzförmig, was an A. serrulata erinnert; der Rand des Blattes ist unregelmässig und seicht eckig-gelappt, dabei scharfgesägt; die Spitze stumpf oder nur etwas vorgezogen; die grösste Breite liegt gewöhnlich in der Mitte — bei A. serrulata meist über der Mitte; die Unterseite ist zart graugrün (nicht weisslich) und — namentlich auf den Nerven — licht rostfarben bekleidet. Die filzartige Behaarung der Blatt- stiele und jungen Zweige ist heller und kürzer als bei A. serrulata. Blüthen und Früchte, die ich noch nicht besitze, dürften nur einige und vielleicht unwesentliche Anhaltspunkte für die Feststellung der Bastard- natur bieten, da dieselben an den Stammformen wenig Verschiedenheit zeigen. 5 A. serrulata Willd. wird zwar schon seit einer Reihe von Jahren “ Deutschland eultivirt, gedeiht aber nicht sonderlich; ich sah sie meist nur kränklich und kümmerlich aber stets reichlich mit Früchten bedeckt, was auch bei anderen Bäumen unter diesen Umständen vorkommt. A. incana DC. gedeiht dagegen in unseren Gegenden ganz vorzüglich und 314 Jahres- Bericht ebenso auch der Bastard, was man bei der forstlichen Cultur berück- sichtigen sollte. Ich fand den Bastard bisher an 3 Stellen: bei Talben- dorf, Kreis Lüben, bei Seifersdorf, Kreis Liegnitz und bei Steinberg, Kreis Goldberg (!), überall unter den Eltern. An letzterem Orte scheinen auch Hybride zwischen A. serrulata und glutinosa vorzukommen.“ (Fig. in sched.) | Bereits Ascherson beschreibt (1863) in seiner Flora von Branden- burg eine Alnus auctumnalis X incana, die er in Pankow bei Berlin 1858 entdeckt hatte, wobei er allerdings die Möglichkeit nicht in Abrede stellt, eine Form der A. auectumnalis Hartig (A. serrulata Willd.) vor sich gehabt zu haben. Nach der Diagnose dürfte immerhin seine Deutung der Combination die richtige sein. Betula obscura Kotula, nov. spec. Baum von 5 bis 20 m Höhe mit kahlen Zweigen; Rinde des Stammes unterwärts schwarz, stark rissig, von etwa Mannshöhe an durchaus glatt und wie die der Aeste und Zweige dunkelfarbig, schwarzbraun, seltener etwas lichter, bis ins Rothbraune übergehend; Blätter rundlich- bis rhombisch-eiförmig, kurz zugespitzt, an den Seitenecken abgerundet, doppelt gesägt mit kurzen Zähnen zweiter Ordnung, völlig kahl. Fruchtkätzchen aufrecht, kurz gestielt; Stiel steif, gerade, etwa '/, bis 2), so lang als das Kätz- chen; Fruchtschuppen etwas (bis zum Drittel) kleiner als an typischer B. verrucosa Ehrh., 3 lappig, mit fast gleichlangen Lappen; Seitenlappen etwas zurückgekrümmt oder wagerecht, mit deutlichem Winkel vondemMittellappen abgesetzt, ihre Ränder ununterbrochen in diesen übergehend, aber ohne hervorragenden nach innen herab- laufenden Rand; Mittellappen meist mit 3 feinen erhabenen Längslinien; Nuss verkehrt-eiförmig-länglich, breithäutig-geflügelt; die Flügel so breit als die Nuss oder wenig breiter, oben an den Narben oft fast sich be- rührend, der Gesammtumriss der Frucht daher ziemlich kreisrund. Vom Notar Kotula in Teschen seit langen Jahren im ganzen Teschener Ländehen gewöhnlich mit B. verrucosa zusammen beobachtet (!), besonders in den Gebirgen an der Weichsel (von Weichsel und Ustron) und Brennica (bei Brenna), ferner bei Oderberg, Freistadt, in Allodial- Ellgoth bei Teschen, in Niebory und in Bystrzyc bei Jablunkau. Viel- leicht gehört die von Figert bei Liegnitz (zwischen Kuchelberg und Vorderhaide) im December 1887 gefundene und für B. pubescens gehal- tene Birke ,„‚mit durchweg schwarzer Rinde‘ auch hierher. Es ist auffallend, dass diese „schwarze Birke‘, wie man sie nennen könnte, gar nicht bekannt zu sein scheint, wenigstens habe ich in den mir zugänglichen Werken deutscher und. österreichischer Schriftsteller vergeblich danach gesucht; auch in Ledebours Flora rossica findet sich keine darauf bezügliche Angabe, denn die Beschreibung (Suppl. 59) von der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 315 dessen B. tortuosa, die er übrigens auch für Schlesien angiebt, liesse wohl auf eine Aehnlichkeit mit unserer Art schliessen, wenn die Form der Nuss und die Stellung der Flügel nicht eine andere und der dunkeln Rindenfarbe überhaupt Erwähnung gethan wäre. Ob B. nigricans Wender. mit der B. obscura identisch ist, lasse ich dahingestellt. Habituell unter- scheidet sich diese Art von den baumartigen Birken nicht; sie stimmt in der Form der Blätter mit B. pubescens, in dem Mangel jeglicher Be- kleidung auch der jungen Zweige und Blätter mit B. verrucosa überein, zeichnet sich von beiden aber sehr aus durch die dunkelfarbige Rinde, die nie eine Spur von Weiss weder am Stamme noch an den Aesten zeigt. Charakteristisch und für die Aufstellung der Art maassgebend ist aber besonders die Bildung der Fruchtschuppen. B. verrucosa, pubescens und carpatica zeigen zwar unter sich in der Richtung der Seitenlappen eine deutliche Verschiedenheit, haben aber gemeinsam den scharfen, er- habenen, nach innen hervorragenden Rand derselben, der eine Strecke an der Innenfläche des Mittelzipfels herabläuft, öfter sogar fast bis zur Mitte reicht, und damit deutlich die Verwachsung der beiden Vorblätter der einzelnen Trugdöldchen mit dem Tragblatte erkennen lässt. Dieser erhabene Rand fehlt den Fruchtschuppen von B. obscura vollständig, in- dem hier die Ränder der drei Lappen direct ineinander übergehen, das Verwachsen derselben also unmittelbar erfolgt ist. - Salix repens L. var. serrata Figert. Strauch von 50—80 cm Höhe; Blätter elliptisch-länglich bis länglich, am Rande schwach umgerollt, am Grunde ganzrandig, oberwärts fein- und scharfgesägt, oder öfter ge- schweift-gezähnt, mit spitzen, in eine kleine Drüse endigenden Zähnen, (nicht undeutlich gezähnelt!) oberseits mehr oder weniger srauhaarig, später verkahlend, unterseits angedrückt seidenhaarig. Die (weiblichen) Kätzchen eiförmig, zuletzt fast walzenförmig; Fruchtknoten filzig. Die durch ihre kräftige, in der Cultur noch stärker hervortretende Zahnung auffallende Form entdeckte Figert bei Liegnitz: am Bahnhof Arnsdorf in einigen Gruppen! S. acutifolia x Caprea Figert, nov. hybr. „Strauch mit kasta- "nienbraunen, ziemlich schlanken Zweigen, unbereift, in der Jugend De haart. Kätzchen vor den Blättern erscheinend, fast sitzend, eilänglich oder fast walzenförmig, bis 4 em lang, gegen die Spitze hin meist etwas gekrümmt. Knospenschuppen im Herbst und Winter filzig behaart, Bunde Blüthe aber kahl. Deekblätter eiförmig, lang- und dichtzottig, schwärz- lich. Staubfäden wie bei 8. Caprea bedeutend länger als die Zotien der Deckblätter. Blätter breit-lanzettlich oder eiförmig-lanzettlich, mit bıpagz Spitze, unregelmässig gekerbt-gesägt, oberseits anfangs behaart, u kahl und glänzend, unterseits anfangs dicht graufilzig, zulelat zexsireu behaart oder auch kahl, graugrün schimmernd. Die Blauer haben En grösste Breite in der Mitte. Bisher sind mir nur männliche Exemplare 316 Jahres - Bericht dieser Hybride bekannt geworden. Liegnitz: Töpferberger Eisenbahn- Ausschachtungen zahlreich unter den Stammformen!“ (Fig. in sched.) Populus pyramidalis X nigra Figert. (Deutsche botanische Monatsschrift 1887 $. 109.) Liegnitz: In den Anlagen am Schiesshause ein Baum von etwa 20 bis 25 m Höhe mit den Eltern! (Fig.) P. py- ramidalis Rozier, von manchen Botanikern für eine Varietät der P. nigra L. angesehen, wird vom Autor a. a. O. als gute Art gekennzeichnet, einmal dureh den ihr eigenthümlichen Wuchs, dann durch den an seinem _ untern Theile nicht runden, sondern infolge der hervortretenden Haupt- wurzeln am Grunde buchtigen oder gefurchten Stamm, weiter aber von P. vigra L. unterschieden durch kleinere dreieckig-rundliche Blätter mit fast gestutztem Grunde und andere Vertheilung der Blüthen. Gladiolus paluster Gaud. f. albiflora. Schweidnitz: Wiesen bei Tampadel vereinzelt unter der gewöhnlichen! (Callier). Mir ist nieht bekannt, ob diese Farbenspielart schon anderwärts beobachtet wurde. Carex rostrata X vesicaria (C. Pannewitziana Figert). Liegnitz: Briese in Torflöchern unter den Eltern! (Fig.) Diese vom Ent- decker in der D. Bot. M. 1887 $. 97 publieirte Hybride macht an den vorliegenden 4 Exemplaren in Folge der graugrünen Färbung der Blätter, der langen Tragblätter und der relativ laugen allerdings lockeren weib- lichen Aehren auf mich den Eindruck einer C. rostrata, entgegengesetzt der Anschauung Figerts. Die netzfasrigen unteren Scheiden, die trotz ihrer Schmalheit flachen Blätter und die schief-aufrechten (nicht wage- recht abstehenden) weniger schnell sich verschmälernden etwas grösseren Schläuche lassen aber die Einwirkung von (. vesicaria deutlich erkennen, B. Neue Fundorte. Thalictrum minus L. Kreis Freistadt: Liebenzig am Kirehberge!!; Leobschütz: Türmitz (Richter). Pulsatilla vernalis (L.) Mill. Neusalz: Kölmchener Haide!l!; Rosenberg: Forst Turawa bei Bierdzan (Kionka)! Anemone nemorosa L. im Riesengebirge am Waldrande unter der alten Schles. Baude bei 1100 m, hier Anfang Juli noch blühend ge- funden !! Ranunculus aquatilis L. var. submersus Gr. Godr. Breslau: Kapsdorf in Gräben! (Preiser). R. circinatus Sibth. Kontopp: Schlawaer See bei Josephshof!!, Mesch-See (Hellw.)!!; Breslau: Gräben der Weideniederung bei Simsdorf eine ungewöhnlich kräftige Form! (Preiser). R. aconitifolius L. Bielitz: in Lobnitz (Baier). R. auricomus L. var. fallax W. Gr. Schweidnitz: am Bögenwasser in Bögendorf sparsam (Schpk.). der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 317 R. eassubicus L. Liegnitz: bei Wildschütz selten! (Fig.), dies der westlichste Standort der Pflanze überhaupt und der erste im Reg.-Bez. Liesnitz; Weidenau: in der Au bei Bischofswalde (Vierh.). R. repens L. var. hirsutus W. Gr. Hirschberg: schattige Gras- plätze in Cunnersdorf!! Auch die Kelchblätter sind an den Exemplaren von langen abstehenden Haaren zottig; Blätter tief dunkelgrün, R. nemorosus DC. Rosenberg: Forst Dombrowka bei Sausenberg spärlich! (Kionka.) Trollius europaeus L. Neustädtel: Colonie Beiseritz gegen Suckau häufig (Fig.); Rosenberg (Ilgner). Isopyrum thalictroides L. Breslau: Pitschen am Berge (Richter); Bielitz: Ritterschaftsthal, Oberohlisch! (Baier); Weidenau: waldige Lehne im Schindelgrunde am linken Ufer des rothen Wassers (Vierh.) Aquilegia vulgaris L. Schweidnitz: Kalkbrüche bei Ober-Kunzen- dorf und an der Silberlehne; Feldraine bei Wüstewaltersdorf, im Grenz- und Saugraben bei Lomnitz (Schpk.); Ziegenhals: Wildgrund bei Arnolds- dorf (Richter); Weidenau (Vierh.); Bielitz: hier auch mit rosarothen und weissen Blüthen in Laubwäldern nicht selten (Baier). Aconitum variegatum L. Im Waldenburger Gebirge bei Freuden- burg am Freudenburger Wasser (Schpk.). + Epimedium alpinum L. Schmiedeberg: Birkberg bei Hohen- wiese (Eisenmänger)!! Nymphaea candida Presl. Rosenberg: Teich in Sausenberg! (Kionka). Fumaria Vaillantii Loisl. Bielitz, Kamitz, Barzdorf (Baier). Ob die in Ob.-Fl. angegebenen Standorte um Weidenau (Hermsdorf, Briesen, Petronitz, Bischofswalde etc.) hierher gehören, lässt sich ohne Prüfung bezüglicher Exemplare nicht entscheiden. Die var. ochroleuca Knaf bei Cudowa! (Schpk.) Nasturtium silvestre X palustre W. Gr. Liesnitz: an der Katzbach (Fig.). Barbarea vulgaris R. Br. var. arcuata (Opitz sp.) Schweid- nitz: Würben am Weistrizufer! (Schpk.); Oppeln (Richter). ı Arabis arenosa (L.) Scop. Görlitzer Haide bei der Oberförsterei Rauscha! (Barb.). Cardamine impatiens L. Ziegenhals: Silberquelle und am Wege nach Nielasdorf (Richter); Weidenau (Vierh.). But C. hirsuta L, a) silvatica (Lk. spec.) Waldenburg: zahlreich m Dreiwasserthale bei Lomnitz (Schpk.); an der Weide bei Weidenau, Nesselkoppe, um Setzdorf, Saubsdorf (Vierh.) mag n C, pratensis L. var. paludosa (Knaf. sp.) Görlitz; Bahngraben bei Rauschwalde! (Barb.); Ziegenhals: in einem Graben zwischen Langen- dorf und Deutsch-Wette (Richter). 318 Jahres-Bericht Dentaria enneaphylia L. Waldenburger Gebirge: Dreiwasser- thal, Heidelberg, Stubenberg bei Lomnitz, meist mit D. bulbifera (Schpk.); in den Wäldern des höheren Gesenkes verbreitet (Vierh.). D. bulbifera L. Weidenau (Vierh.). D. glandulosa W. K. Teschen: Wald zwischen Bystrzye und Koszarzyk häufig! (Wetschky), Wälder der Lissa-hora (Makowsky in Ob.-Fl.); Bielitz: ausser bei Bistray auch sonst nicht selten. (Baier). + Sisymbrium Sinapistrum Orntz. Grünberg: Bahnhof! (Hellw.) — 8. Loeselii L. Grünberg: Bahnhof! (Hellw.) Linaria rediviva L. Bielitz: Luisenthal, Bistray, Ob.-Olisch! (Baier). Thlaspi perfoliatum L. Oppeln: links der Oder bei Vorwerk Schanz, Halbendprf (Richter). — Lepidium Draba L. Görlitz: Bahndamm bei Moys! (Barb.); Bielitz: in der Nähe des Otterwäldchens (Baier). Viola epipsila Led. Freudenthal: moorige Wiesen unter Erlen- gesträuch an der Mohra bei der Flachsgarnspinnerei in Heidengilsch nächst Spachendorf, (Sapetza in Ob.-Fl.) Neu für Oestr.-Schlesien. V. canina X stagnina Ritschl. Liegnitz: Möttiger Teiche (Fig.). V. arenaria DC. Grünberg: kahler Berg beim Rinsiedelbache! (Hellw.) Drosera intermedia Haäyne. Hainau: Reisicht im Torfstich ziemlich häufig! (Fig.) D. rotundifolia X anglica Schiede. Kreuzburg: Waldmoor südlich Gr.-Lassowitz mit den Eltern!! Polygala amara L. var. austriaca (Urniz). Breslau: zwischen Münchwitz und Bismarckfeld!!; Weidenau auf Moorwiesen (Vierh.). Gypsophila fastigiata L. Görlitz: Rauscha’er Communalhaide! (Barb.) Tunica prolifera (L.) Scop. Naumburg a. B.: Abhang an der Briesnitz! (Hellw.); im Kreise Grünberg verbreitet, noch am Mesch-See bei Kontopp (Hellw.)!!; dann am Kirchberg in Liebenzig, Kreis Freistadt !!; Bolkenhain: Petersgrund (Richter). Dianthus arenarius L. Grünberg: Hügel links der Chaussee vor Wittgenau (Hellw.)!!, in der Umgebung von Kontopp mehrfach, nament- lich gegen Pirnig (ders,.)!! Cucubalus baccifer L. Zwischen Gesträuch unterhalb Bielitz und in Alt-Bielitz (Baier). Silene gallica L. Grünberg: in Nittritz an unbebauten Stellen (Hellw.)!!; Ziegenhals:; ziemlich verbreitet gegen Kunzendorf und Arnolds- dorf, Zuckmanteler Chausse, beim Ferdinandsbade (Richter); Jauernigk; Weidenau im rothen Grunde, Wildschütz, Sörgsdorf, Waldeck, Krauten- walde, Friedeberg, Setzdorf, Sandhübel, Niclasdorf und sonst (Vierh.). der Schles, Gesellschaft für vaterl. Cultur. 319 + 8. Armeria L. Grünberg: Brachacker bei Klopsch’ Ziegelei!, Lippen vereinzelt! (Hellw.) S. nutans L. var. glabra (Schk. sp.) Grünberg: Schlossberg bei Bobernig!! 8. chlorantha (Willd.) Ehrh. Grünberg: zwischen Nittritz und der Försterei Neuhaus (Hellw.)!! 8. Otites (L.) Sm. Grünberg: rechts der Berliner Chaussee!!, zwischen Nittritz und der Försterei Neuhaus (Hellw.)!!; Glogau: Schönau, Seppau spärlich (Fig.). Alsine viscosa Schreb. Grünberg: nicht nur auf dem linken, son- dern auch auf dem rechten Oderufer nicht selten, um Kontopp noch am Mesch-See (Hellw.)!!. Arenaria leptoclados Guss. Grünberg: zwischen Nittritz und der Försterei Neuhaus (Hellw.)!!; um Breslau auf der rechten Oderseite wenig beobachtet: Kapsdorf (Preiser). Stellaria nemorum L. im Riesengebirge an der Kesselkoppe bis 1380 m!! Spergularia rubra (L.) Presl. im Riesengebirge am Wege von Seidorf nach der Brotbaude noch bei 671 m!! Cerastium glomeratum Thuill. Grünberg: zwischen Cucawe und dem Schlossberge bei Bobernig!! M. neglecta X pusilla Uechtr. Grünberg: in Lippen (Hellw.)!! unter den Eltern. —+ M.crispa L. Ziegenhals: Anlagen am Ferdinandsbade (Richter); Gleiwitz: Schutt in der Nähe des Hüttencanals! (Jungek). Lavatera thuringiaca L. Breslau: bei Schönbankwitz an breiten Grabenrändern mit Cerinthe und Tetragonolobus !! Hypericum perforatum L. var. veronense (Schrk. sp.) Grün- berg: dürre Haidebrache um Holzmann’s Ziegelei! (Hellw.); Weinberg bei Zobten! (Callier). H.tetrapterum X quadrangulum Lasch Breslau: im Mahlener Walde noch an einer zweiten Stelle und zwar an Wegrändern gegen Zedlitz! (Preis.). - H. montanum L. Schweidnitz: Gebüsche an der Peile bei Schweng- feld (Schpk.). H. hirsutum L. Weidenau: Waldrand bei Sörgsdorf, im Briesner Walde (Vierh.), Krebsgrund bei Jauernigk (Latzel); Odrau: Scheuergrund! (Wetschky); Bielitz: Ufer der Bialka (Baier). H. humifusum L. mit fast aufrechtem bis 20 em langem Stengel in der Görlitzer Haide bei Rauscha! (Barb.) Acer campestre L. Schweidnitz: im Bräuerbusche bei Würben sehr alte Bäume (Schpk.); Ziegenhals: Juppenlehne vereinzelt (Richter); um Weidenau nicht selten (Vierh.). 320 Jahres- Bericht Geranium phaeum L. Weidenau: in der Aue bei der Kolkauer Mühle, Schindelgrund, an der Biele bei Kaltseifen, Böhmischdorf, Saubs- dorf (Vierh.); um Bielitz in Grasgärten und Gebüschen gemein! (Baier). G. pratense L. Gleiwitz: Wiesen am Stadtwalde! (Jungek). Auf der rechten Oderseite selten. G. sanguineum L. Rosenberg: Forst Turawa bei Bierdzan! (Kionka). + G6G. sibiricum L. Am Dorfbache zu Weisswasser (Latzel in Ob.-Fl.). G. molle L. Görlitzer Haide: bei Rauscha! (Barb.); Waldenburger Gebirge: auf Aeckern und am Bahndamme (Schpk.), hier sicher einge- schleppt. — Die var. albiflorum Petersdorf bei Primkenau häufig (Fig.). G. dissectum L. Gleiwitz: Aecker in Petersdorf! und hinter der Heinzemühle! (Jungck). G. divaricatum Ehrh. Grünberg: Nittritz an Zäunen!! Nordwest- lichstes Vorkommen im Gebiet. Impatiens noli tangere L. f. apetala. Grünberg: Oderwald zwischen Dammerau und Bobernig!! Rhamnus cathartica L. var. pygmaea Wimm. Hirschberg: Gotschdorf am Aufstieg zum Popelberge!! Die Sträucher hier etwas höher, aber die Blätter nicht nur in der Jugend, sondern auch an den älteren im August gesammelten Fruchtexemplaren beiderseits kurzhaarig. — DUlex europaeus L. Görlitz: Lerchenhügel bei Hermsdorf! (Barb.); Freiburg: auf einem Hügel bei Liebichau, wohl angepflanzt (Schpk.); Gleiwitz: Labander Wald sehr spärlich! (Jungcek). Sarothamnus scoparius (Z.) Koch im Riesengebirge auf der „Schärfe“ bei Hermsdorf bei etwa 400 m! (G. Schn.). Genista pilosa L. In der nördlichen Görlitzer Haide um Rauscha zerstreut! (Barb.). G. germanica L. Görlitzer Haide selten (Barb.); Grünberg: an der Lawaldauer Strasse! (Hellw.) in einer f.glabrescens mit sehr zerstreut behaartem Stengel und nur am Rande spärlich gewimperten sonst kahlen Blättern. Cytisus nigricans L. Nördliche Görlitzer Haide um Rauscha! (Barb.); Kotzenauer Haide (Richter); Rosenberg: Forst Turawa bei Bierdzan! (Kionka); Rosswalde bei Hotzenplotz an der Veilchenkoppe (Richter). C. ratisbonensis Schaeffer findet sich bei Gleiwitz im La- bander Walde in zwei durch ihre Blüthe auffallend verschiedenen Formen: die eine mit kleinerer schön eitronengelber, die andere mit grösserer Blumenkrone und weisslichgelber bis hellfleischfarbener Fahne sowie bräunlichgelben Flügeln und Schiffehen (Jungck)! der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 3231 Ononis procurrens Wallr. Naumburg a. B.: Abhang an der Chaussee nach Christianstadt! (Hellw.) Medicago lupulina L. var. Willdenowii (Bönn.) sandte Hellwig von Grünberg (Schloiner Strasse) in einer sehr robusten Form mit wenigstens oberwärts abstehend behaarten Stengeln und Blattstielen, Blätter auf- fallend lang gestielt, Blättchen fast rautenförmig, kaum ausgerandet. Den Gegensatz zu dieser ungewöhnlich grossen Form sammelte ich am Mesch-See bei Kontopp. Die hier zahlreich gefundenen Exemplare hatten durchweg nur eine Länge von 2 bis 10 cm und besassen stark graulich bekleidete Stengel und Blätter. M. sativa L. var. varia Urban Görlitz: beim Bahnhof Moys! (Barb.); Grünberg: Sorauer Chaussee (Hellw.)!!; um Oppeln rechts und links der Oder mehrfach (Richter). Trifolium pratense L. var. maritimum Marsson Felder von Freiwaldau, Kreis Sagau! (Barb.) Grünberg: an der Berliner Chaussee! (Hellw.); Glogau: um Dalkau häufig! (Fig.); Quaritz (ders.). T. ochroleucum L. Wiesen bei Lubno am Abhange der Lissa- hora und bei Malenowitz (Oborny). Lotus corniculatus L. var. hirsutus Koch Görlitz: im Kirch- winkel bei Freiwaldau (Barb.); Grünberg: vor Wiltgenau!, Barndt’sche Mühle! (Hellw.) Tetragonolobus siliquosus (L.) Rth. Breslau: Schönbank witz auf Wiesen und an Grabenrändern !! Astragalus Cicer Z. Breslau: Schönbankwitz an einem Acker- graben!!, Bischwitz a. B. (Kionka). Viecia cassubica L. in der nördlichen Görlitzer Haide verbreitet (Barb.); Naumburg a. B.! (Hellw.); Grünberg: vor Wittgenau (Hellw.)!!, Schlossberg bei Bobernig (Hellw.)!!; Neustädtel: Suckau, hier bis 1 m und 1,50 m hoch! (Fig.) V. tenuifolia Rth. Löwenberg: Moiser Kalkhügel (Max Fiek)!; Schönau: Neukirch beim alten Kalkofen (Fig.); Breslau: Schönbankwitz!!; Woischnik: Zogelberg und benachbarte Berge!! Lathyrus tuberosus L. im Glogauer Kreise auf der linken Oder- seite allgemein verbreitet, namentlich um Kladau, Mangelwitz, Samitz, Gr.-Kauer, Seppau und Schönau (Fig.); Breslau: rechts der Oder bei Simsdorf in der Weideniederung! (Preiser). L. montanus Bernh. in der nördlichen Görlitzer Haide in breit und schmalbrättrigen Formen! (Barb.) Aruncus sylvester Kosieletzky Görlitz: Seitenthäler in EN bach (Barb.); $chweidnitz: Weistritzthal bei Kynau und noch bei Tann- hausen (Schpk.). } Geum urbanum X rivale G. Meyer Breslau: Kapsdorf im Erlenbusch (Preiser)!; Ottmachau im Thiergarten in beiden Formen; 1887. 21 322 Jahres-Bericht in den Erlenhauen zwischen Briesen und der Weide bei Weidenau (Vierh.). Rubus sulcatus Vest. Görlitz: Leopoldshain (Barb.); Matzdorfer Sandsteinbruch bei Hotzenplotz, schon 1379 (Sintenis). R. nitidus W. u. N. Bereits von Uechtritz (1885) nach Potonie als bei Görlitz vorkommend erwähnt; Barber fand heuer diese wahr- scheinlich hier die Östgrenze ihrer Verbreitung erreichende Brombeere im nördlichen Theile der Görlitzer Haide nicht selten, und zwar in den _ Revieren Eichwalde!, Königsberg!, Ziebe, Heiligensee und Neuhaus; ferner am Mühlteich bei Freiwaldau! R. macrophyllus W. u. N. Metilowitz und Malenowitz am Fusse der Lissa-hora (Oborny). R. saxatilis Z. Görlitz: Revier Rauscha an einer Stelle! (Barb.). Fragaria collina Ehrh. v. subpinnata Celk. Grünberg: rechts und links der Chaussee vor Wittgenau (Hellw.)!!; Liegnitz: an der Chaussee nach Lindenbusch, bei Alt-Beckern und sonst mehrfach an den Katzbachdämmen und an Grabenrändern (Fig.). Potentilla supina L. Görlitz: Lissel’s Holzplatz! (Barb.); Oppeln: Goslawitz im Dorfe (Richter). P. norvegica L. Hirschberg: Lomnitzer Haide am Teiche und sonst!!; Weidenau: Nähe der Schiessstätte, Prill’s Mühle, in Wiesau, Woitzdorf (Vierh.), Sörgsdorf und Jauernigk (Latzel in Ob.). P. recta L. Krappitz: Pietna (Jackisch); Weidenau: Barzdorf, Sörgsdorf (Latzel). P. Wiemanniana Gth. u. Schummel. Grünberg: Pirnig am Wege nach Kontopp!!; um Liegnitz und Lüben fast allgemein verbreitet, na- mentlich an Chausseen und Bahndämmen (Fig.); Schweidnitz: Chaussee. graben zwischen Weizenrodau und Gr.-Märzdorf! (Callier). P. reptans L. var. ramosa Uechtr. Trachenberg: in Grenz-Vor- werk auf Ziegelschutt! (Schwarz). P. mizta Nolte Kontopp: am Schlawaer See bei Josephshof!! P. procumbens &Sibth. Grünberg: Schloiner und. Lawaldauer Strasse!. Lehmhügel bei Holzmann’s ‚Ziegelei, hier eine niedliche kleine Form! (Hellw.); Liegnitz: Wangten im Torfstich! (Fig.); Rosenberg: unweit der Miskamühle bei Gross-Lassowitz (Kionka)!! P. alba L. Breslau: 8.-W.-Saum des Mahlener Waldes gegen Schönellguth! (Preiser). Rosa rubiginosa L. Görlitz: mehrere Sträucher an der Rauscha’er Glashütte! (Barb.); dies der erste sichere Fundort in der Ober- Lausitz. R. gallica L. f. pumila Jacg. Breslau: Kapsdorf an Grabenrändern ! (Preiser). der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 393 R. glauea X gallica Uechtr. Liegnitz: Oyas an einem Feld- sraben unter den Eltern! (Fig). Wegen der mehrfach zusammen- gesetzten Zahnung der Blätter, bei welchen die zahlreichen Zähnchen fast sämmtlich drüsentragend sind, jedenfalls von R. glauca f. myriodonta Christ abstammend. Epilobium Dodonaei Vill. Bielitz: [Lipniker Steinbrüche]! (Baier). Dieser Standort schon in Galizien. ® E. adnatum Gris. im Vorgebirge auch bei Hirschberg: grosser Eisenbahnausstich nördlich der Berbisdorfer Chaussee!!! E. obscurum Rchb. (E. virgatum Fr.) Grünberg: zwischen Wittgenau und der Briquett-Fabrik! (Hellw.); in Ob. Schles. bei Kreuz- burg: Gräben bei Gross-Lassowitz !! E. alsinefolium Vill. im Riesengrunde unterhalb der Berg- schmiede bis zu 40 cm Höhe!!! E. anagallidifolium Lmk. Weisse Wiese gegen die Wiesen- baude! (G. Schneider). E. parviflorum X palustre Krause Liegnitz: Wildsehütz unter den Eltern! (Fig.). E. adnatum X palusire Uechtr. Grünberg: Torfgruben im Rohr- busch! (Hellw.). Circaea intermedia Ehrh. Schmiedeberg: im Walde zwischen Buchwald und Lomnitz!!; Ziegenhals am Holzberge (Richter). C. alpina L. In der nördlichen Görlitzer Haide bei Rauscha an mehreren Stellen! (Barb.). Trapa natans L. Rosenberg: Teich in Sausenberg! (Kionka). Hippuris vulgaris L. Grünberg: Oderniederung am Fusse der Dammerauer Berge (Hellw.)!! Zythrum Hyssopifolia L. um Breslau auch bei Kapsdorf! (Preiser). + Portulaca oleracea L. Kontopp (Hellw.)!!; Lippen, Kreis Freistadt (ders.)!! Montia minor Gmel. Freiwaldauer Felder, Kreis Sagan (Barb.); Weidenau: städtische Torfwiesen (Vierh.). Corrigiola litoralis L. Neisseufer bei Dobers zwischen Priebus und Rothenburg (Barb.). Herniaria hirsuta L. Grünberg: Wegränder in Dammerau (Hellw.)!!; Krappitz: Seufzerwald (Jackisch). + Polycarpum telraphylium L. fil. Görlitz: Unkraut im bota- nischen Garten! (Barb.). -+ Sedum spurium M. B. Görlitz: Abhang hinter dem Kirchhof (Barb.); Grünberg: Adlerland hinter einem Wegsteine völlig verwildert! (Hellw.). ne 324 J ahres- Bericht S. alpestre Vill. im Riesengebirge herabsteigend bis Steinseiffen: an einer Mauer östlich vom Dorfe, 540 m, hier am 24. Juni schon völlig verblüht, ‚der tiefste Standort in Birkigt an Wegmauern bei 516 m.!! S. reflexum L. Freiwaldau, Kreis Sagan: bei Leippa nach Dobers zu (Barb.); um Grünberg sehr verbreitet und hier sowohl links wie rechts der Oder eine Charakterpflanze (Hellw.)!! Sempervivum soboliferum Sims. im Wealdenburger Gebirge an Felsen bei Lomnitz und Freudenburg (Schpk.); Fürstensteiner Grund ver- breitet (Kionka). Ribes Grossularia L. Waldenburger Gebirge: im Dreiwasser- thale und im Freudenburger Thale häufig wild (Schpk.). R. alpinum L. Dreiwasserthal spärlich (Schpk.). Astrantia maior L. Breslau: Mahlener Wald gegen Ellguth! (Preiser). h Carum Carvi L. var. atrorubens J. Lange Breslau: bei Jerasselwitz!!; Oppeln: Szezepanowitz (Richter). Pimpinella magna L., in vielen Gegenden häufig bis gemein, ist im nördlichen Gebiet und in der Ober-Lausitz ziemlich selten. Auf Wiesen zwischen Görlitz und Klingewalde zahlreich (Barb.), Rauscha an der Chaussee 1 Exemplar (ders); Naumburg a. B.: Briesnitzthal! (Hellw.). Bupleurum tenuissimum L. bei Naumburg a. B. ausser an der von Knorr entdeckten Stelle neuerdings noch an einem zweiten Stand- orte beobachtet, nämlich an dem Fusssteige, der von Naumburg nach Christianstadt über den Naumburger alten Kirchhof führt und zwar an dessen Kreuzung mit dem Fusswege zur Probstei - Kirche! (Cantor Schulz, Hellw.). Oenanthe fistulosa L. Kreis Grünberg: zwischen Pirnig und Kontopp (Hellw.)!!; Beuthen a. ©.: um Bösau und Kropusch mehr- fach (Fig.). Meum athamanticum Jacg. im Isergebirge von Ober - Giehren bis zum Geierstein verbreitet und gewöhnlich in Menge!!; bei Rudel- stadt auf grasigen Lehnen neben der Bleiche! (Pastor Bittermann), dies ein isolirter Fundort im oberen Boberthale. Heracleum Sphondylium L., ganze Pflanze braunroth überlaufen. Glogau: Schönau vereinzelt! (Fig.). Daucus Carota L. var. glaber (Opiz) Celk. Ziegenhals: Acker am Holzberge unweit des Pietschplatzes (Richter). — Diervillea trifida Mnch. Schmiedeberg: Ruhberg in den Waldpartien vielfach!! —+ Asperula arvensis L. Liegnitz: Wilhelmsplatz im Grase 1 Exemplar! (Fig.). der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur., 335 A. eynanchica L. Oppeln: Gebüsche an der Chaussee gegenüber dem Excereierplatz (Richter). Galium silvestre Poll. nebst der var, hirtum Koch (G. Bocconei All.) bei Görlitz noch auf dem Kämpfen -Berge bei Königshain! (Barb.). G. Wirtgeni F. Schultz Jauer: Siebenhuben (Richter); Breslau: Bismarcksfeld !! G. elongatum Presl an den Ufern der Bäche in der nördlichen Görlitzer Haide nicht gerade selten (Barb.); Breslau: Simsdorf an Grä- ben mehrfach! (Preiser), hier sehr schön mit auffällig grossen, bis über 5 mm im Durchmesser haltenden Blüthen. Dipsacus pilosus L. Breslau: bei Kapsdorf dureh Urbarmachung des Goy verschwunden (Preiser). Knautia arvensis (L.) Coulter var. campestris (Bess. sp.) Görlitz: bei Leopoldshain nicht selten, Wiesen und Raine gegen Ebers- bach! (Barb.); Grünberg: Holzmann’s Ziegelei!, Wittgenauer Strasse! (Hellw.). Stengel und Blätter der Exemplare von letzterem Standort fast kahl. K. silvatica (L.) Duby. Wigstadtl (Form.). Suceisa pratensis Mnch. var. glabratia Schott Rosenberg: Waldwiesen unterhalb der Miskamühle! (Kionka). Scabiosa Columbaria L. Kreis Freistadt: am Kirchberge in Liebenzig!! S. Iucida Vill- Gesenke am grossen Hirschkamm, hier namentlich häufig am Hirschbrunnen und längs der Ufer des daselbst entspringenden Bächleins (Form.). Eupatorium cannabinum L. var. indivisum DE. Naum- burg a. B.: Briesnitzthal! (Hellw.); Grünberg: Steinbach’s Vorwerk! (ders.). Tussilago Farfara L. an grasigen Stellen in der Nähe der Schneegruben - Baude bei 1484 m!!, vielleicht hierher durch Zufall verschleppt. Aster salicifolius Scholler Breslau: Oderufer bei Oswitz! (Preiser). Stenactis annua (L.) Nees v. Es. Görlitz: um eine Lehmgrube in der Heil. Grabstrasse in grosser Menge! (Barb.); Gleiwitz: Dämme an der neuen Hegenscheidt’schen Fabrik und Bahndämme massenhaft! (Jungck). Erigeron acer L. var. dröbachiensis (0. F. Müller sp.) Grünberg: Klopsch’ Ziegelei! (Hellw.), Lippener Berg! (ders), nz jedoch nieht ganz rein, da der Stengel oberwärts und die Kopfstiele schwach bekleidet sind, Jahres-Bericht © [&9) [or Bellis perennis f. microcephala Boiss. Kreis Grünberg: auf Wiesen an der Obra nördlich von Kontopp mit Orchis palustris, Triglochin maritima, Glaux maritima!!, genau dieselbe Form, wie sie bei Breslau unter gleichem Consortium vorkommt. Rudbeckia laciniata L. in der Oberlausitz bei Freiwaldau am Saatzwasser, bei Rauscha, Görlitzer Haide, Steinkirchen, Schnell- förthel u. s. w. (Barb.); Liegnitz: Siegendorf (Fig.); Lomnitzbach in Lomnitz bis nach Nieder-Wüstegiersdorf (Schpk.). In Nieder- Schlesien jetzt mit Ausnahme des nördlichen Theils und der rechten Oderseite verbreitet, in Ober- Schlesien noch selten. Bodens tripartitus L. var. integer €. Koch Liegnitz: Siegen- dorf! (Fig.); Hirschberg: zwischen Hermsdorf und Wernersdorf in Gräben!! Galinsoga parviflora Cav. Görlitz: an der neuen Neisse- Brücke! (Barb.); Grünberg! (Hellw.); Oppeln: an der Gasanstalt, Proskau (Richter). Gnaphalium norvegicum Gunn. im Waldenburger Gebirge auch am Grenzwege am „süssen Lochberge“ bei Lomnitz und an der Grenz- buche in der Nähe der Vogelhecke (Schpk.), hier spärlich. — G. margaritaceum L. Schönau: am alten Kalkofen bei Neukirch (Fig.). Achillea ie L. var. lanata Koch. Grünberg: Blücher- berg!, Hutwage bei Pirnig! (Hellw.), zwischen Nittritz und Bobernig (Hellw.)!!, an letzterem Orte mit halb so grossen Strahlblüthen als beim Typus. Anthemis tinctoria L. Odrau, Neudörfl, Pohor, Bautsch, Wig- stadtl (Form.). A. ruthenica M. B. scheint in den rechts der Oder gelegenen Theilen der Kreise Grünberg und Freistadt verbreitet, so noch südlich der Carolather Haide bei Hohenborau! (Hellw.), dann bei Pirnig gegen die Fährhäuser!! und namentlich häufig um Kontopp!!, wo die Pflanze an geeigneten Localitäten bis zum Schlawaer See hin überall zu finden ist. Der Verbreitungs - Bezirk hängt also jedenfalls mit dem Posenschen um Fraustadt zusammen und dürfte vielleicht auch nach der Provinz Brandenburg übergreifen. In der Nähe von Grünberg auf dem linken Ufer der Oder sind nur sehr wenige Fundorte bekannt: Rogl’sche Haide, Brachäcker beim rothen Wasser!, Siberien! (Hellw.). Matricaria inodora L., wit Scheibenblüthen, die in weisse Strahlblüthen umgewandelt sind, deren Zungen von aussen nach innen an Länge abnehmen, bei Glogau: Wühleisen einzeln unter normalen Pflanzen! (Fig.). — M. discoidea DC. Görlitz; Holzlagerplatz der Waggonfabrik! (Barb.). der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 337 Arnieca montana L. sehr häufig im nördlichen Theile der Görlitzer Haide! (Barb.). Senecio paluster (L.) DC. Grünberg: bei der Milziger Oder- fähre! (Lehrer Kleiber nach Hw.), nördlich von Kontopp auf den Obrawiesen mit Seirpus Tabernaemontani, Triglochin maritima ete.!! S. barbareaefolius Krocker Obrawiesen nördlich von Kontopp!! S. Fuchsii Gmel., sehr spärlich noch in der Görlitzer Haide bei Rauscha (Barb.). Carlina vulgaris L., bei Grünberg: zwischen der Berliner Chaussee und Holzmanns Ziegelei in einer f. purpurascens! (Hellw.). Strahl der inneren Hüllblätter aussen purpurn überlaufen. C. acaulis Z. var. caulescens (Lmk.) Neurode: Krainsdorf (Schpk.). Cirsium acaule (L.) All. Deutsch-Wartenberg; zwischen Liebenzig und Lippen im Walde (Hellw.)!!, ziemlich häufig um Petschkendorf und Fauljoppe, Kreis Lüben (Fig.); Bolkenhain: Lauterbach auf Wiesen im Park (Richter). C. canum (Z.) Mnch. nicht selten um Petschkendorf und Fauljoppe, Kreis Lüben (Fig.). C. heterophyllum (L.) All. im Waldenburger Gebirge auch um Freudengrund und im Drechslergrunde bei Lehmwasser (Schpk.). C. ‘arvense (L.) Scop. albiflorum bei Neustädtel: Beiseritz (Fig.). C. oleraceum X acaule Schiede Fauljoppe bei Lüben (Fig.). C. palustre X canum Wimm. Liegnitz: Sophienthal (Fig.). C. palustre X rivulare Schiede. Neustädtel: um Beiseritz nicht selten! (Fig.). C. rivulare X oleraceum DC. Neustädtel: Suckau! (Fig.). Carduus cerispus L. am Oderufer bei Odrau, namentlich um Maukendorf sehr verbreitet (Wet.)!, Klein - Hermsdorf, Wigstadt! (Form.). | 0. Personata Jacg. f. albiflora Knoblauchgraben im Gesenke unterhalb der Schweizerei (Form.). C. acanihoides L. f. albiflora Breslau: Wegrand bei Hünern ! (Frl. Senpin nach Preiser). Centaurea Jacea L. f. bicolor Uechtr. Grünberg: neue Maugseht! (Hellw.). C. Phrygia L. fl. suee. Gottesberg: Wiesen in und bei Fell- hammer sehr viel!!, am Wege vom Schindelberge nach dem Hornsehloss (Schpk.). C. Pseudophrygia (C. 4. Mey. Görlitz: Wiesen zwischen Ebersbach und S$iebenhufen!, Laubgehölz am Luthersteige westlich von Klingewalde! (Barb,), 328 Jahres - Bericht Thrincia hirta Rth. Kreis Grünberg: Obrawiesen nördlich von Kontopp zahlreich mit Glaux marilima, Triglochin maritima, Seirpus Tabernaemontani, Orchis palustris, Trifolium fragiferum ete.!! Dritter Standort im Gebiet. Bei Naumburg a. B. auf den Wiesen an der Briesnitz 1887 in ungeheurer Menge beobachtet! (Hellw.). Leontodon autumnalis L. var. pratensis Koch Aupagrund!!, Schüsselbauden!!, hier theilweise mit kahlen oder sehr spärlich behaarten Hüllblättern und roth-gebänderten Zungen der äusseren _ Blüthen. Taraxacum nigricans (Kit.) Rchb. Wiesen unter der alten schlesischen Baude nicht häufig!! Prenanthes purpurea L. Schweidnitz: Gebüsche an der Peile zwischen Schwengfeld und Pilzen (Schpk.). Sonchus arvensis L. var. uliginosus (MB. sp.) Ludwigsthal, Stollenhau, Klein-Mohrau im Gesenke (Form.). Nicht ganz typisch, sondern mit spärlich bekleidetem Mittelnerv der Hüllblätter bei Kontopp! (Hellw.). Mulgedium alpinum (L.) Cass. im Waldenburger Gebirge auch am Abhange des Heidelberges gegen Lomnitz (Schpk.). Crepis paludosa (L.) Mnch. var. brachyotus Celk. Grünberg: Rohrbusch im Torfmoorbruch, sehr ausgeprägt (Hellw.)!; torfige. Wiesen zwischen Warmbrunn und Merzdorf!!; Rosenberg: Wiesen am Budko- witzer Wasser oberhalb Bahnhof Sausenberg!!, hier auch Exemplare mit ziemlich kahlen Hüllblättern. Den Gegensatz zu dieser Form fand ich im oberen Melzergrunde, indem auch die obersten Stengelblätter am Grunde buchtig gezähnt und mit grossen stengelumfassenden Oehrchen versehen sind. Hieracium Pilosella L. var. niveum Müll. Aarg. Lippen, Kreis Freistadt! (Hellw.), hier die Köpfe etwa halb so gross als am Typus. H. sweecicum Fr. Schönau: Wiesen bei Ober - Kauffung!!; im Waldenburger Gebirge auf Wiesen bei Freudenburg! (Schpk.), wo auch ein Bastard mit Pilosella vorzukommen scheint. H.flagellare (stoloniflorum) X pratense Uechtr. Schweidnitz: Wegrand bei Kletschkau (Callier t. Schneider). H. murorum Fr. var. microcephalum Uechtr. Dürre Abhänge des Stubenberges bei Lomnitz, Kreis Waldenburg! (Schpk.). H. laevigatum W. b) alpesire F. Schultz (H. gothicum Fr.), in einer zierlichen kleinblätterigen Form im Isergebirge unterhalb des Geiersteins gegen Gichren!! H. barbatum Tsch. Odrau: Pohofer Wald!, Kohlgrund bei Klein-Hermsdorf sehr häufig!, Scheuergrund vereinzelt! (Wetschky). der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 3939 H. umbellatum L. var. stenophylium W. Gr. Grünberg: Siberien, auch in einköpfigen Exemplaren! (Hellw.). Phyteuma orbiculare L. Görlitz: Pontewiesen (Dr. Peck, Hoffmann), vor Ebersbach in einem Wiesengrunde 1887 wieder auf- gefunden! (Barb.). Vaccinium Myrtillus Z. fructibus maluris albis um Alten- burg, Kreis Schönau (Richter). V. Myrtillus X Vitis idaea Aschs. im nördlichen Theile der Görlitzer Haide am Königsberge!, ferner im Revier Eichwalde! und unweit der Ziebe im Revier Neuhaus! (Barber), An letzterem Stand- orte den 27. Juli 1887 sehr reichlich blühend und auch Früchte tragend, hier wie an den anderen Stellen gesellig wachsend und die Eltern verdrängend. Der Finder bemerkt, dass die reifen Beeren eine braun- rothe ins schwarzbraune übergehende Färbung hatten, ähnlich wie die Blaubeere (säuerlich) schmeckten, und etwas mehlig waren; der Saft färbt. Sie enthielten einzelne wohl ausgebildete Samen. Die Haupt- blüthezeit fällt nach Barber in den Juli und zusammen mit der zweiten Blüthe der Preisselbeere, was auch mit den Angaben des Revierförsters Mende in Königsberg übereinstimme, der die Pflanze seit Jahren beobachtet habe. Arctostaphylus uva ursi (L.) Spr. Kreis Freistadt: König- liches Forstrevier Rothbuchenhorst zwischen Lippen und Hohenborau spärlich! (Hellw.). Erica Tetralix L., häufig in der Herzogl. Saganer Haide, Revier Wärstdubesser, ebenso in der Freiwaldauer Communal-Haide, Leippa’er Haide! (Barb.). Monotropa Hypopitys L. var. glabra Rth. Grünberg: zwischen Wittgenau und Schweinitz! (Hellw.). Gentiana asclepiadea L. am Thurmwasser bis in die Nähe der Försterei Agnetendorf bei etwa 600 m herabsteigend (Schpk.). Gentiana eiliata L. Bolkenhain: bei Leipe im Steinbruch am Oberhof, Galgenberg, Bauernöfen, Kirchberg bei Seitendorf (Richter). G. Amarella L. var. awillaris (Rehb.). Bolkenhain: Leipe am Tannenberge! (Richter). G. obtusifolia Willd. Diese in Schlesien sehr seltene, mit Sicher- heit bisher nur von Wünschelburg und Charlottenbrunn bekannte Art ist nun auch im Gebiete des Riesengebirges gefunden worden: auf Wald- wiesen oberhalb Hohenwiese unweit des goldenen Schlüsselsteins!! Hier am 29. Juli in einer Höhenlage von 739 m schon fast völlig verblüht, während G. germanica Willd. bei Grunau unweit Hirschberg (ca. 400 m) 4 Wochen später erst im Beginn der Blüthe stand, 330 Jahres-Bericht Convolvulus arvensis L. var. auriculatus Desr. Neusalz: auf Sandboden am Wege vor Lippen sehr ausgeprägt!!; Rosenberg: bei Trebitschin!! Asperugo procumbens L. auf Schutt beim Bahnhof Nieder- Wüstegiersdorf (Schpk.); Baumschule des Seminargartens in Ziegenhals (Richter); an beiden Orten eingeschleppt. Cerinthe minor L. Breslau: Schönbankwitz an Grabenrändern zahlreich !! Anchusa officinalis L. var. glabrescens W. Gr. Grünberg: am Wege von Nittritz nach der Försterei Neuhaus (Hellw.)!!, alte Maugscht! (ders.). Pulmonaria offieinalis L. var. maculosa Hayne Ziegenhals: an der Juppelehne mit der Grundform (Richter). Zithospermum officinale L. Breslau: im Walde bei Schönbank- witz zahlreich!!; Oppeln: am Fusswege nach Vogtsdorf ziemlich spar- sam (Richter)! Erster Standort in Oberschlesien. Myosotis silvatica Hoffm. an der Kesselkoppe noch bei 1380 m!! M. sparsiflora Mik. Im nördlichen Gebiet am Oderwald zwischen Cueawe und dem Schlossberge bei Bobernig, Kreis Grünberg!! Solanum nigrum L. var. villosum (Lmk. sp.) Görlitz: bei Schwedler’s Villa! (Barb.); Grünberg: neue Maugscht mit der Var. ala- tum (Mnch. sp.)! (Hellw.). Stengel vom Grunde an und Aeste dicht be- haart, namentlich oberwärts von zahlreichen gegliederten Drüsenhaaren besetzt; Früchte noch nicht vorhanden. Zu dieser Form möchte ich auch eine trotz der schwachen Bekleidung der Blätter gewiss dahin ge- hörige Pflanze ziehen, die Schpk. schon 1880 bei Schweidnitz sammelte: Schuttplätze am Buttermilchwege! Atropa Belladonna L. Neustadt: zwischen Eichhäusel und der Finkenkoppe bei Batzdorf 1879 (Schmidt); Ziegenhals: Wald bei Schön- walde (Richter). Verbascum nigrum X a Schiede Dtsch.-Wartenberg: Schlossberg bei Bobernig!! — Linaria Cymbalaria (L.) Mill. Görlitz: steiniger Abhang auf der Ostseite des Kirchhofes! (Barb.). L. Elatine (L.) Mill. Grünberg: zwischen der Lawaldauer Strasse und der Barndt’schen Mühle!, bei Landskron auf Moorboden! (Hellw.). L. spuria (L.) Mill. Breslau: Simsdorf! (Preiser). L. arvensis (L) Desf. Grünberg: an der Schloiner Strasse! (Hellw.). + Mimulus Iuteus L. Liegnitz: Mühlgraben hinter dem Schlacht- hause (Gerhardt); Chausseegraben in Zedlitzhaide bei Wüste-Waltersdorf der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 331 (Schpk.); Bielitz: Bett des Lobnitzbaches, an quelligen Stellen in Lobnitz und Kurzbach (Baier). Gratiola officinalis L. Wiesen des nördlichen Theils der Gör- litzer Haide nicht selten!; Halbau (Barb.). + PDigitalis Iutea L. bei Schmiedeberg nicht am Schlüssel-, sondern am Birkberge!! Veronica montana L. im Waldenburger Gebirge am Heidelberge, im Dreiwasserthal, bei Freudenburg, an den Forellenteichen in Lehm- wasser (Schpk.); Teschen: auf der Praszywa zwischen Bystrzye und Wendrin! (Wetschky); Bielitz: am Salzberg, in Bistray (Baier). V. Chamaedrys L. var. lamiifolia Hayne Grünberg: unter dem Schlossberge bei Bobernig! (Hellw.). V. offieinalis L. var. spadana (Lej.) Görlitzer Haide: Toplitz- wiesen (Barb.); Grünberg: Semmler’s Lug! (Hellw.); Kreuzburg: unter- halb der Miskamühle (Kionka)!! V. Teuerium L. a) latifolia Aut. Grünberg: bei der Rauherei (Hellw.)!!; Glogau: zwischen Gustau und Grabich sehr spärlich! (Fig.). V. alpina L. Weisse Wiese gegen die Wiesenbaude! (G. Schneider). Euphrasia coerulea Tsch. Südfuss des keuligen Buchberges (Barb.); Riesengebirge unterhalb der Bergschmiede!!, an der Jägerhütte im Erlicht bei Agnetendorf! (Schpk.). Orobanche pallidiflora W.Gr. Kupferbergs: Bleiberge (Sintenis)!! zahlreich, bis tief in den Rolfengrund herab; dürfte in der dortigen Gegend noch an anderen Stellen vorkommen. Die Staubfäden an unseren Exemplaren siud völlig kahl, unterhalb der Einfügungsstelle derselben ist die Innenseite der Kronröhre jedoch leistenförmig behaart. | —+ M. acutifolia Sm. Liegnitz: Rüstern an der Chaussee! (Fig.); Kreuzburg: Zäune in Gross- Lassowitz! (Kionka). M. arvensis L. var. parietariifolia Becker Görlitzer Haide iu der Oberförsterei Rauscha an mehreren Stellen! (Barb.); Grünberg: Holzmann’s Ziegelei! neue Maugscht! (Hellw.); Glogau: bei Brieg in der Nähe der Oder in einer kahlen Form! (Fig.), sowie in sehr zarter Form mit blass rosafarbenen Blüthen! (Fig.). Thymus Serpyllum L. var. pycnotrichus Uechtr. Grünberg: bei Steinbachs Vorwerk! (Hellw.). Salvia glutinosa L. Bielitz: in Bistray!, Alt-Bielitz (Baier). S. pratensis L. Kreis Grünberg selten, auf der rechten Oderseite nur am Mesch-See bei Kontopp (Hellw.)!!; Silberberg: Abstieg von nn Festungswällen zur Stadt (Schpk.); bei Bielitz nach Baier muthmasslich erst neuerdings eingeführt: längs des Bahndammes abwärts. S. verticillata L. Schweidnitz: an einem Abhange bei Ohmsdorf! (Callier)!, wohl verschleppt. 339 Jahres -Bericht Lamium amplexicaule L. f. albiflora Görlitz: in Kl.-Biesnitz! (Barb.). Galeopsis angustifolia Ehrh. Die von Baier als „auf Kalk- boden bei Bielitz-Biala und Umgebung fast gemeine G@. Ladanum L. (z. Th.)“ dürfte wohl hierher gehören. G. pubescens Bess. var. albiflora Döll Liegnitz: Wildschütz nicht selten!, diese höher und robuster als die gewöhnliche (Fig.). G. pubescens X Teirahit Lasch Liegnitz: in Wildschütz wenige Exemplare! (Fig.). Stachys germanica Z. Bolkenhain: bei der Försterei in Lauterbach (Richter). S. alpina L. Bärenkamm im Gesenke; Teschen,; ZabrZeg- Wald (Form.). S. palustris L. Breslau: im Weideflusse bei Simsdorf fluthend! (Preis.), dies eine sonderbare Form mit fast kahlen nur auf den Kanten etwas behaartem Stengel und völlig kahlen, sehr verlängerten in eine ziemlich lange Spitze auslaufenden Blättern. S. silvatica X palustris Schiede Neustädtel: Beiseritz in einer ansehnlichen Gruppe! (Fig.). Bisher nur in der Ober-Lausitz gefunden, und daher neu für das eigentliche Schlesien. Blätter an den vor- liegenden Exemplaren weich, zwar stets breiter als an 8. palustris, jedoch dieser darin näher stehend; Blattstiele kürzer oder länger (4—15 mm), aber nie so lang als an S. silwatica; Blüthen trüb-carminroth. S. annua L. Kreis Freistadt: am Kirchberg in Liebenzig!! Chaeturus Marrubiastrum (L.) Rehb. Glogau: Brieg gegen die Fähre! (Fig.). Brunella grandiflora (L.) Jacg. var. pinnatifida Kochu. Ziz. Grünberg: Dammerau (Hellwig)!!, hier nicht nur mit am Grunde einge- schnittenen Blättern, wie schon Uechtritz (1884) erwähnt, sondern die oberen Blattpaare wirklich fiederspaltig. Ajuga reptans X genevensis Lasch Schönau: am Mühlberg bei Kauffung eine grosse Gruppe!! Höher und viel kräftiger als die Eltern hält unsere Pflanze recht gut die Mitte zwischen denselben. Stengel bis 35 cm ‚hoch, ringsum zottig behaart, aber auf je 2 gegen- überliegenden Seiten viel stärker als auf den beiden anderen, aus den oberen Blattachseln Blüthenstände treibend, am Grunde mit kurzen auf- steigenden bis aufrechten, nebenstengelartigen, meist blühenden Aus- läufern; Blätter kurzhaarig, die grundständigen zur Blüthezeit vorhanden, ziemlich gross, kürzer gestielt als an A. reptans, stengelständige allmählig in Hochblätter übergehend; diese schmäler als an 4A. genevensis, die untersten 3 bis 4 Paare gekerbt oder seicht 3lappig, die oberen violett gefärbt. — Diese Form weicht somit von den von Uechtritz (Jahresber, 1881 5. 328) beschriebenen ab, scheint dagegen mit der neuerdings in der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 333 Böhmen unweit Schlan gefundenen übereinzustimmen (Res. d. Durchf. Böhmens von Celakovsky 1886). Teucerium Scordium L. Grünberg: neue Maugscht! (Hellw.). T. Scorodonia L. Bielitz: steinige Waldstellen in Bistray!, am Ziegenbock, Salzberg (Baier), trotz seines mehrfachen Vorkommens kaum einheimisch. Utricularia intermedia Hayne Görlitz: Ziebeteich in der nörd- lichen Haide! (Barb.); Hainau: Reisicht in Torfgräben! (Fig.); Kreuz- burg: bei Gross-Lassowitz nicht nur im Waldmoor südlich vom Dorfe, sondern in Torfstichen und auf Wiesen am Buezkowitzer Wasser viel- fach (Kionka)!! U. minor L. im nördlichen Theile der Görlitzer Haide am weissen See!, am Ziebeteich und in den Ziebecanälen auf den Leutewiesen (Barb.); Hainau: Reisicht häufig in Torfgräben! (Fig.). Lysimachia thyrsiflor« L. fand Dr. Kleefeld an der Weinlache bei Görlitz ziemlich zahlreich in einer Form mit endständiger Blüthen- traube!, die morphologisch interessant genug ist, um an anderer Stelle besonders besprochen zu werden. Anagallis arvensis L. f. decipiens Uechtr. Grünberg: Schloiner Strasse vereinzelt! (Hellw.); f. carnea Schrk. Grünberg: neue Maugscht! (Hellw.); Kreuzburg: Gross-Lassowitz (Kionka). Plantago arenaria W. u. K. Neustädtel: gegen Suckau spärlich (Fig.). Polyenemum arvense L. var. Heuffelii (Läng sp.) Grünberg: Felddamm vor Boyadel massenhaft! (Hellw.). Die Exemplare von hier sehr ausgeprägt mit fast haardünnen bis 13 mm langen Blättern, während die der Grundform die Länge von $ mm selten überschreiten, gewöhn- lich aber kürzer sind. Der Typus um Grünberg noch: neue Maugscht - beim Vorwerk! (Hellw.). Chenopodium opulifolium Schrad. Grünberg: Lausitzer Strasse, alte Maugscht! (Hellw.). Rumex maritimus X obtusifolius Uechtr. Liegnitz: bei der Schafschwemme in Annawerder (Fig.). Zweiter Fundort. + Polygonum orientale L. Gleiwitz alljährlich auf einzelnen Aeckern! (Jungck). Daphne Mezereum L. in der nordwestlichen Ebene noch bei Görlitz: zwischen Kieslingswalde und Kath.-Hennersdorf (Lehrer Hitzer nach Barb.); Haynau: Reisicht (Fig.). + Aristolochia Clematitis L. Carolath: Hohenborau an Zäunen! (Hellw.). Euphorbia amygdaloides L. Odrau: Scheuergrund! (Wet.), Pohofer Wald, Wigstadil, Lautsch (Form.). 334 Jahres-Bericht E. !weida W.u.K. Breslau: Grabenränder bei Simsdorf gegen Leipe auf Diluvium! (Preiser). Ulmus montana With. Bolkenhain: Laubwald zwischen Seiten- dorf und Leipe!! — Alnus serrulata Willd. bei Liegnitz nicht selten eultivirt, z. B. Seifersdorf, Petersdorf, Dörnicht; ferner bei Goldberg: Steinberg!, Lüben: Ziebendorf, Talbendorf (Fig.). A. glutinosa X incana Krause Schweidnitz: Merkelshöhe! - (Sehpk.). Salix pentandra L. Breslau: bei Wiese an Wiesengräben gegen Heidekretscham! (Preiser). S. dasyclados Wimm. Neustädtel: Mürschau (Fig.), ob an- gepflanzt? S. triandra X aurita Wimm. Liegnitz: bei Arnsdorf ein kleiner Strauch in der Nähe des Bahnhofes! (Fig.). S. cinerea X repens Wimm. Neustädtel: Milkau (Fig.). S. purpurea X repens Wimm. Lieenitz: Grundseen bei Arns- dorf! (Fig.). —+ Elodea canadensis (Rich. u. Michaux) Casp. Kontopp: in dem abgelegenen mit keinem anderen Gewässer in Verbindung stehenden Mesch-- See!! Potamogeton natans L. var. prolixus Koch Saatzwasser bei Freiwaldau!; Vorderlache am Gummichteiche bei Rauscha (Barb.). P. semipellucidus Koch u. Ziz Görlitzer Haide: Ziebegewässer!, Saatzwasser bei Freiwaldau (Barb.). P. perfoliatus L. Schlawaer See bei Josefshof!!; Grünberg: bei der Pirniger Fähre! (Hellw.). P. acutifolius Lk. Schweidnitz: Weistritzwehr bei Würben! (Schpk.). P. obiusifolius M.u.K. Kontopp: Schlawaer See bei Josefshof!! Rosenberg: Teich bei Trebitschin!! und in Sausenberg! (Kionka). P. pectinatus L. Grünberg: bei der Pirniger Fähre! (Hellw.); Kontopp: Schlawaer See bei Josefshof!! Breslau: in der Weide bei Simsdorf! (Preiser). Zannichellia palustris L. Breslau: Jackschönau im grossen Dorfteiche massenhaft!!. Im südlichen Theil des Breslauer Kreises in flachen Dorfteichen vielleicht noch mehrfach, dagegen schwerlich in den kalten Gewässern des Hirschberger Thales bei Herischdorf und im Hainwasser (Nees v. Es.); hier von Neueren stets vergeblich gesucht und die diesbezügliche Angabe daher wohl zu streichen. Sparganium simplex Huds. var. fluitans Gren. Uebergänge zu dieser Form bei Rosenberg: Budkowitzer Wasser unterhalb der Miska - Mühle! (Kionka), sowie im Teiche von Sausenberg! (ders.). der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 335 S. minimum Fr. Rosenberg: Teufelsschlucht im Forst Turawa bei Bierdzan! (Kionka), Graben mit langsam fliessendem Wasser am Waldrande südlich Gross- Lassowitz (ders.)!! Orchis militares L. fl. suec, am Kitzelberg bei Kauffung 1887 zahlreich!!; Breslau: im hohen Laubwalde bei Schönbankwitz!!, zweiter gesicherter Standort in der Breslauer Flora. O. globosa L. Bielitz: Kamitz, Bistray (Baier), 0. palustris Jacgq. Kreis Grünberg: Obrawiesen nördlich von Kontopp!! Erster Standort im Regierungs-Bezirk Liegnitz, denn die Krause’sche Angabe „bei Krummhübel“ ist gewiss irrthümlich ; dort ist diese Art von keinem anderen Botaniker gesammelt worden, auch konnte ich Belag-Exemplare weder im Wimmer’schen noch im Krause’schen (den Sammlungen der Vaterländischen Gesellschaft ein- verleibten) Herbar auffinden. O. incarnata L. Breslau: feuchte Wiesen bei Hünern! (Preiser); Teschen: feuchte Wiesen oberhalb Nydek am Wege zum Beskid! (Wetschky). Neu für Oesterr.-Schlesien, OÖ. maculata L. var. candidissima (Krocker sp.) Görlitz: unweit des Forsthauses Eichwalde 2 Exemplare (Barb.). Gymnadenia albida (L.) Rich. Gesenke im Saugraben, Bär- muttergraben, Franzens Jagdhaus, Hirschkamm (Form.); Bielitz: Kamitzer Platte spärlich (Baier). Platanthera montana (Schmidt) Rehb. fil. Liegnitz: Briesener Wald 1 Exemplar (Fig.). Epipactis palustris (L.) Crntz. Görlitz: zahlreich in einem Waldsumpfe bei Leopoldshain! (Barb.); Obrawiesen nördlich von Kon- topp!!; Neustädtel: Beiseritz häufig (Fig.); Breslau: Wiese gegen Haidekretscham spärlich! (Preiser); Bielitz: Ernsdorf (Baier). Goodyera repens (L.) R. Br. Schmiedeberg: oberhalb Hohen- wiese!!; Weinberg bei Zobten! (Callier). Helleborine spiralis (L.) Bernh. Bielitz: in Bistray! (Baier). Liparis Loeselii (L.) Rich. Liegnitz: Arnsdorfer Grundsee sparsam! (Fig.). Leucoium vernum L. Schweidnitz: Gebüsche bei Schmellwitz (Schpk.). Galanthus nivalis L. Schweidnitz: Gebüsche bei Schmellwitz, Bräuerbusch bei Würben (Schpk.); Ziegenhals: hinter dem Juppe’schen Kurhause (Richter), ob hier wild? Gagea arvensis (Pers.) Schult. Görlitz; gegenüber dem Garni- sonlazareth in der heil. Grabstrasse (Barb.). Antherieum ramosum L. Görlitz: Neissethal bei Dobers, Forst- revier Rauscha, hier auch var. fallaw Zabel (Barb.); Rosenberg: Teufels- schlucht im Forst Turawa bei Bierdzan! (Kionka). Jahres - Bericht os © {or} Ornithogalum umbellatum L. Görlitz: um Rauscha nicht selten, ebenso bei Freiwaldau (Barb.). Allium ursinum L. Charlottenbrunn: Drechslergrund bei Lehm- wasser (Schpk.). : A. fallax Schult. Schweidnitz: Költschenberg gegen Goglau! (Callier). Colchicum autumnale L. Glogau: Wiesen bei Schönau zer- streut! (Wilh. Figert), hier im Volksmunde mit ‚Teufelsklaue‘“ und „Gotteshand‘‘ bezeichnet (Fig.). Im nördlichen Theile Schlesiens sehr selten. Veratirum Zobelianum Bernh. Ziegenhals: im Walde gegen Nielasdorf (Richter); Bielitz: bei Nickelsdorf (Baier). Juncus effusus X glaucus Schnitzl. uw. Frickh. Hirschberg: zwischen Seiffersdorf und Kauffung am Wege!! Halme etwas bläulieh- grün, die Spirre war (am 19. September) ziemlich vertrocknet, ohne Frucht angesetzt zu haben. J. filiformis L. Liegnitz: Arnsdorf in einem Eisenbahnausstich! (Fig.). J. capitatus Weigel Felder bei Freiwaldau, Kreis Sagan! (Barb.). J. tenuis Willd. Görlitz: oberes Thal bei Lichtenberg!, Königs- hain am Steinberge! (Barb.). Luzula flavescens (Host) Gaud. TVeschen: bei Nydeck am Wege zum Beskid!, in Wielki las bei Trzinietz!, am grossen Ostry bis zum Gipfel!, am grossen Stoszek bei Jablunkau! (Wet.). L. pallescens Bess. Schönau: Mühlberg bei Kauffung!! Rhynchospora fusca (L.) R. u. Sch. Görlitzer Haide im Revier Gelblache: im weissen Bruch!; Hungersümpfe bei Haidehaus Leippa! (Barb.). Scirpus paueciflorus Ligth/. Obra- Wiesen nördlich von Kontopp!! Carex pulicaris L. Görlitz: Waldsumpf bei Leopoldshain! (Barb.). ©. cyperoides L. Görlitz: grosser Teich bei Leopoldshain! (Barb.). C. disticha Huds. var. floribunda Peterm. Breslau: Feldgräben nordwestlich von Schönbankwitz!! C. arenaria L. in der nördlichen Görlitzer Haide bei Colonie Brand! (Barb.); Grünberg: Pirnig beim Sandschlössel, hier ungewöhnlich hoch, bis 50 em! (Hellw.). C. paradoxa Willd. Liegnitz: Tschocke bei Kunitz mehrfach, Panthen, Neuhof (Fig.) C. brizoides L. in der nordwestlichen Ebene noch verbreitet im nördlichen Theile der Görlitzer Haide, im Revier Eichwalde sogar gemein (Barb.). der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 337 C. remota X vulpina (axillaris G00d.) in einer Form, die der €. vulpina näher steht und vielleicht neu für unser Gebiet ist. Die Aehrcehen stehen in einem Kopfe gedrängt beisammen; jedes derselben ist von einem kürzeren oder längeren, feingespitzten Tragblatte ge- stützt. Das Tragblatt des untersten, etwas entfernten und zuweilen auch noch des nächsten Aehrehens ist lang und laubartig. Früchte sind nicht entwickelt. Wuchs kräftig, dichtrasig; Blätter halb so breit als an vulpina. — Glogau: Annaberg in der sogenannten „Bösen Gorka“ unter den Stammformen! (Fig.). C. remota X echinata (C. Vierhapperi Beck, C. Gerhardti Figert) Glogau: Wühleisen in 3 Stöcken (Fig.). C. remota X panniculata (CO. Bönninghausiana Weihe) Glogau: Wühleisen nicht selten! (Fig.). C. acuta (L.) Fr. var. strictifolia (Opiz sp.) = (. prolixa Fr. um Görlitz am Königshainer Bache! (Barb.); Kupferberg: Bober- ufer in Jannowitz!!; var. fluviatilis Hartmann Schmiedeberg: Graben beim grossen Teiche in Buchwald!! C. tomentosa L. Glogau: häufig in den Wäldern um Wühleisen (Fig.), nördlichster Fundort im Gebiet. Um Breslau noch bei Münchwitz!! C. pendula Huds. Schweidnitz: goldene Waldmühle! (Callier); erster Standort im eigentlichen Preuss.-Schlesien. C. silvatica L. var. Tommasinii Rchb. Teschen: Abhänge des Gluchowathales bei Bystrzyc! (Wet.). C. filiformis L. Nördliche Görlitzer Haide in den Revieren Gelb- lache! und Brand, Hungersümpfe bei Heidehaus Leippa! (Barb.); Hainau: Reisicht im Torfstich häufig (Fig.). — Panicum capillare L. Schweidnitz: in den Festungswerken am Bahnhofe (Schpk.). Phalaris arundinacea 1. var. picta (L. sp.) Waldenburg: häufig am Bache in Freudenburg (Schpk.). Phleum alpinum L. im Eulengebirge auch auf den Gipfeln der hohen und der kleinen Eule (Schpk.). Calamagrostis Halleriana DOC. auch in der Ebene: Ober- försterei Rauscha der Görlitzer Haide mehrfach! (Barb.); im Walden- burger Gebirge am Freudenburger Kirchhofe, Buche, über der Försterei im Dreiwasserthale, Schindelberg!, [am Abstiege von der Lomnitzer Grenze nach Hermsdorf] (Schpk.). C. eipigea (L.) Rth. var. elongata Döll Hirschberg: Saum des Buchenwaldes nördlich von Grunau!!. Rispe bis 30 em, lang und länger, unterwärts sehr locker und unterbrochen. | Koeleria gracilis Pers. Cudowa: Feldraine bei Neu-Sackisch! (Schpk.). 1887. 22 338 Jahres - Bericht K. glauca (Schk.) DC. Grünberg: Siberien!, Kieferwäldehen zwischen Nittritz und der Försterei Neuhaus (Hellw.)!! Aira praecosx L. Görlitz: Abhänge bei der Weinlache! (Barb.). Holcus mollis L. im Riesengebirge auf Wiesen um die Schlingel- baude bei 1066 m!! Trisetum flavescens (L.) P. B. Breslau: Jackschönau auf Rainen und an Wegrändern!!, hier sicher einheimisch; Gleiwitz: Wiesen am Wege nach Kieferstädtel an mehreren Stellen ziemlich häufig! (Jungck). - Auf dem rechten Oderufer sonst selten. Melica transsilvanica Schur (M. ciliata Auct. sil.) sonnige Felsen im Czerwenkathal oberhalb Odrau! (Wetschky). M. uniflora Retz. Odrau: Pohorfer Wald! (Wetschky). Poa bulbosa L. Görlitz: Abhänge des Schöpsthales in Girbigsdorf und Ebersbach nicht selten, im Neissethal beim Wasserwerk und in den Bleichen (Barb.); Lüben: Ossig auf einer verfallenen Mauer trupp- weise! (Fig.) Poa sudetica Haenke var. remota Fr. Waldenburger Gebirge: auch im östlichen Theil verbreitet, bei Sophienau, Lehmwasser, Schindelberg, Stubenberg, langer Berg, Quarkberg, im Dreiwasserthal, um Freudenburg, [Abstieg von der Lomnitzer Grenze nach Hermsdorf] (Schpk.). Festuca disians (L.) Kth. Schweidnitz: Wegränder bei Roth- kirschdorf (Schpk.). F. heterophylla Lmk. Sprottau: Kaltenbriesnitz vereinzelt (Fig.). F. silvatica (Poll) Vill. im Walde zwischen Agnetendorf und der Petersbaude bis 940 m steigend!!; dies in den westlichen Sudeten der höchste Standort. } Bromus erectus Huds. Görlitz: beim Brautwiesentunnel! (Barb.) eingeschleppt. Elymus europaeus L. im Waldenburger Gebirge auch am Heidel- berge massig, im Dreiwasserthal, Hornschloss, langer Berg, Stubenberg bei Lomnitz, Drechslergrund (Schpk.). Pinus silvestris L. var. parvifolia Heer Grünberg: zwischen Wittgenau und Sehweinitz! (Hellw.). Die längsten Nadeln an den über- sandten Zweigen sind kaum 2 cm. lang. P. montana Mill. a) uncinata (Ram. sp.) im Herzogl. Saganer Forst bei Freiwaldau, dicht hinter „Kleins Winkel“ etwa 50 Bäume von etwa 3—4 m Höhe, nach dem Finder zweifellos spontan! (Barber). Letzterer theilte mit, dass einzelne Exemplare förmlich der P. Pumilio glichen, auch die Zapfen theilweise fast ganz symmetrisch und ziemlich kugelig wären. Uebrigens sollen nach Angabe der dortigen Förster einzelne Bäume an verschiedenen Stellen der Görlitzer Haide vor- der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 339 kommen, muthmasslich herrührend von Anflus vom Kohlfurther Standorte. * P. Laricio Poir. Ziegenhals: ein Bestand am Holzberge (Richter). Picea excelsa (Lmk.) Lk. an feuchten Stellen der nördlichen Görlitzer Haide ebenso häufig als Pinus silvestris und dichte Bestände bildend (Barber). Ophioglossum vulgatum L. Görlitzer Haide: Revier Eichwalde im Eichgarten und auf der Försterwiese! (Barb.). Botrychium matricariaefolium A. Br. Alte Schloiner Strasse seitwärts der Glashütte!, Forstrevier Hohenborau ein Exemplar! (Hellw.). Polypodium vulgare L. var. auritum Willd. in der Ebene auch bei Grünberg: Siberien! (Hellw.). Phegopteris polypodiodes Fee im nördlichen Theile der Görlitzer Haide verbreitet bis Freiwaldau: Clementinenhain! (Barb.); Glogau: Schönau in der Bauerngruft! (Fig.). Aspidium Braunii Spenner Beskiden: in Menge am grossen Ostry! (Wetschky). A. cristatum (L.) Sw. Kreuzburg: Moor im Walde südlich Gross - Lassowitz!! A. montanum (Vogler) Aschs. Görlitzer Haide in den Revieren Eichwalde und Königsberg, stellenweise häufig (Barb.). Asplenium germanicum Weis Czerwenkathal bei Odrau! (Wetschky). A. Adiantum nigrum L. b) Onopieris Heufler var. si- lesiacum Milde wurde 1887 von Callier am Weinberge bei Zobten wieder aufgefunden! Blechnum Spicant (L.) With. nördliche Görlitzer Haide stellen- weise, bis Freiwaldau: Clementinenhain (Barb.); Kreuzburg: Wald nördlich Gross-Lassowitz! (Kionka). 22* 340 Jahres - Bericht DV Bericht über die Thätigkeit der entomologischen Section im Jahre 1837, erstattet von K. Letzner, Zzeitisem Secretair der Section. Die entomologische Section hat sich im Jahre 1887 wegen Krank- heit des Secretairs nur zu 3 Sitzungen versammelt, welche zahlreich von Gästen besucht waren. Vorträge wurden von dem zeitigen Secretair folgende gehalten: | 1. Ueber die Verwandlungsgeschichte des Otiorhynchus sulcatus F. Als ich voriges Jahr Mitte August in das Bad Landeck abreiste, übergab ich meine Blumennäpfe (darunter Azaleen und mehrere blühende Fuchsien) einer Frau zur Pflege, welche sie in einem Garten in der Öhlauer Vorstadt unterbrachte und sie auf den Erdboden stellte. Als ich dieselben Ende September wieder in Empfang nahm, bemerkte ich, dass namentlich die Fuchsien kränkelten. Da ich glaubte, dass Regen- würmer in den Näpfen die Ursache seien, liess ich dieselben in andere Näpfe und andere Erde verpflanzen, und dabei stellte sich heraus, dass keine Regenwürmer vorhanden waren, dafür aber eine Anzahl weisser, kurzgedrungener Thiere, welche ich sogleich für Käferlarven erkannte. Die Fuchsien erholten sich nun zusehends, die Larven aber, welche bereits ausgewachsen waren, wurden in einem besonderen Gefässe mit Erde im geheizten Zimmer "aufbewahrt. Bereits am 16. Februar d. J. hatte sich eine derselben verpuppt und aus derselben war am 25. Fe- bruar der fast weisse Käfer ausgeschlüpft, der sich erst nach 5—4 Tagen dunkelbraun färbte. Es war Otiorhynchus sulcatus F. Obwohl das Thier in den Gärten Breslaus, namentlich wenn Blumen und Weinstöcke darin vorhanden sind, nicht gar zu selten ist, so wird der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur, 341 es doch immer nur einzeln gefunden. Von deutschen Entomologen ist die Larve nur beschrieben und abgebildet in: Naturgeschichte der In- secten von Bouche, Berlin 1834, p. 201, Tafel 10. Da namentlich die auf letzterer gegebenen Abbildungen der Larve und Puppe so verfehlt und unrichtig sind, dass man zuweilen zweifeln muss, ob sie wirklich einem Rüsselkäfer zugehören, so erlaube ich mir, Folgendes über das Thier zu bemerken. Die Larve ist mit Ausnahme des dunkleren (zuletzt sogar schwarzen) Mundes ganz weiss, 10—11 mm lang, sanft gekrümmt, ‘in der Mitte am breitesten (fast gegen 4 mm), jedoch nach den Enden hin nicht zu- gespitzt. Sie besteht aus Kopf, Pro-, Meso- und Meta-Thorax, 8 Bauch- segmenten und dem Analsesmente, und hat im Umrisse schon mit der Abbildung bei Bouch@ (Tafel 10, Figur 15) sehr wenig Aehnlichkeit. Kopf und Thorax sind mit wenig glänzenden Hornschilden bedeckt, ersterer mit einer ziemlich tiefen, vorn gabelig sich theilenden Längs- linie und in der Nähe der Gabelung jederseits mit einem sanft ein- gedrückten Grübehen, deren jedes in der Mitte mit einem gelblichen‘ sekrümmten Borstenkaare besetzt ist. Von jedem dieser beiden Grübchen ein wenig weiter nach vorn, findet sich, nahe an der Gabellinie, jeder- seits noch ein solches Borstenhaar. Auch der Thorax zeigt auf der vorderen Hälfte eine vertiefte Längslinie und auf der hinteren Hälfte einen sanften Quereindruck. — Der Kopfschild ist durch ziemlich tief eingedrückte gerade Linien deutlich abgegrenzt, die wenig kürzere, ebenso breite Oberlippe am Vorderrande gerade abgestutzt, nicht gerundet und ohne die Wimperung, welche bei Bouche Fig, 16 abgebildet ist, aber in der Mitte des Vorderrandes mit 2 kleinen Zähnchen versehen. Die zu beiden Seiten derselben liegenden etwas längeren, schwarzbraunen Oberkiefer sind an der Spitze stumpfzweizähnig. Ueber die Spitze der Oberkiefer ragen gleich lang und deutlich die ebenfalls schwarzbraunen Maxillar- und Lippentaster hervor, Auf der Innenseite der ersteren ist die an der Spitze mit kurzen, starken Dornen besetzte Lade eben- falls deutlich wahrzunehmen. Die Taster, namentlich deren End- glieder, sind dieker und weniger zugespitzt als die Abbildung bei Bouch& zeigt. — Augen und Fühler habe ich ebenfalls nieht wahr- genommen. Ausser den erwähnten gelblichen Borsten am Kopfe auehen) noch einige zerstreut in der Nähe des Mundes, welche aber dem dicht- behaarten, viel zu spitzen Kopfe bei Bouche keine Aehnlichkeit ver- leihen. — Der Prothorax ist das längste Segment des ganzen Körpers (von vorn nach hinten betrachtet), wie der Kopf mit einer etwas glän- zenden, gelblichen Hornschale bedeckt, in der Nähe des- Morderuanles von der eingedrückten Mittellinie etwas nach aussen jederseits mit einem ziemlich tiefen, mit einem Haare besetzten Grübehen gerzehen und ausserdem auch am Hinter- und Seitenrande mit einigen ziemlich 342 Jahres-Bericht langen, gelblichen Härchen besetzt, welche den Thorax aber (von oben gesehen) wegen der gelblichen Farbe der Haare fast unbehaart erscheinen lassen. Die Zeichnung bei Bouch& hat also hinsichtlich der Grösse, Gestalt und Behaarung keine Aehnlichkeit mit der Natur, — Meso- und Metathorax sind kürzer als der Prothorax, mit tiefen Querfurchen auf der Oberfläche versehen und mit einer Querreihe kleiner Tuberkeln besetzt, am Seitenrande aber jederseits mit einer grossen mit 2 Haaren sekrönten Tuberkel gekrönt. — Die Hinterleibs-Segmente sind im Ganzen von der Länge des Meso- und Metathorax und auf dem Rücken durch tiefe Querfurchen in etwa 4 ungleich lange, schmale Querfalten (2 in der Mitte hinter einander liegend, und eine an jeder Seite des Segmentes) getheilt, so dass die einzelnen Segmente nicht deutlich von einander geschieden erscheinen. Auf der längsten dieser Querfalten stehen jederseits 4 kleine aber deutliche Tuberkeln, deren jede ein nach hinten gebogenes, gelbliches Borstenhaar trägt, von denen das der 2. und 4. Tuberkel (von der Mitte aus gezählt) etwas länger ist. Von hinten gesehen bilden diese Borstenhaare auf dem Abdomen 4 in die Augen fallende Reihen. Auch die anderen Querfalten der Hinterleibs- segmente sind mit einigen kleinen, kürzer behaarten Tuberkelchen be- setzt. Auf den beiden letzten Segmenten sind diese Tuberkelchen sehr klein, auf dem Analsegmente undeutlich und nur die sechs in einer Querreihe stehenden Borstenhaare deutlich. Das Analsesment ist am Ende abgerundet (in der Mitte des Hinterrandes fast abgestutzt) und mit mehreren auf Tuberkelchen stehenden, nach hinten gerichteten Borsten- haaren besetzt. An jedem Seitenrande hat jedes Segment eine seitlich stark vorragende, grosse Tuberkel, welche mit 2 seitwärts nach aussen gerichteten, gekrümmten Borstenhaaren (von denen das eine gewöhnlich kürzer) besetzt ist. Diese Tuberkelreihe an dem Seitenrande der Larve setzt sich auch auf den 3 Brustsegmenten fort. An diesen Tuberkeln stehen die nicht durch dunklere Farbe markirten und darum schwer sichtbaren Stigmen. — Auf der Unterseite läuft an der erwähnten Tuberkelreihe entlang ein auf jedem Segmente durch Quererhöhungen unterbrochener Längseindruck, auf dessen innerer (Bauch-) Seite jedes Segment wiederum mit einer (etwas kleineren) Tuberkel besetzt ist, welche mit 1—2 langen Borstenhaaren gekrönt ist. Diese Tuberkelreihe setzt sich ebenfalls auf den 3 Brustringen fort, die Tuberkeln auf diesen sind aber höher und umfangreicher und bilden die Fusswülste. Sie sind mit 3—4 Borstenhaaren besetzt, aber ebenso, wie die Larve gefärbt. Bei Bouch& geben sie ein falsches Bild. — Jedes Bauchsegment besitzt zwischen den beiden Tuberkeln an seinen Seiten in einer Querreihe 6 kleine Tuberkelchen, deren jede ebenfalls ein Haar trägt. Die Puppe ist anfangs ebenfalls ganz weiss, 10 mm lang, und hat die Gestalt anderer Käferpuppen, mit der von Bouch& gegebenen Ab- der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 343 bildung (Tafel 10 Figur 20) aber keine Aehnlichkeit. Der langgestreckte Kopf ist nach unten auf den Bauch gebogen und reicht mit den beiden sehr deutlichen Kinnbacken bis auf die Mitte der Vordertarsen. Auf dem Kopfschilde (Rüssel) stehen unferu der Insertionsstelle der Fühler (nur wenig vor derselben), 2 steife Borstenhaare, jedes auf einer Tu- berkel, und weiter nach der Oberlippe hin noch 5—6 andere. Auf der Stirn finden sich, etwas von dem Vorderrande des Thorax entfernt, unfern der tief eingedrückten Mittellinie, 2 Dornenhaare, jedes auf einer spitzen, hohen Tuberkel und ein wenig weiter nach vorn, aber mehr nach aussen, deren noch 2 andere. — Der Thorax hat auf seinem Vorderrande in einer Querreihe 4 Dornenhaare, von denen die beiden äussersten auf höheren Tuberkeln stehen. Ausserdem finden sich im ersten Viertel der Länge des Thorax in einer Querreihe noch 4 solcher Borstenhaare, und weiter nach hinten noch 4 kleinere. — Der Seapus der Fühler liegt am Kopfe aufwärts und erreicht mit seinem Ende den Vorderrand des Thorax, worauf die Geissel unter einem fast spitzen Winkel nach hinten geht und der wenig verdiekte Endknopf zwischen den Knieen der vorderen Beine und den Flügeldecken-Scheiden endet. Die Zeichnung bei Bouche (Tafel 10, Fig. 20) ist demnach gänzlich falsch. — Der Hinterleib der Puppe ist wie der Kopf und Thorax matt und zeigt auf der Höhe der einzelnen, von vorn nach hinten ge- wölbten Segmente in einer Querlinie eine Reihe kleiner, aufrechter oder schräg nach hinten gerichteter Dornen, welche auf den hintersten Seg- menten etwas länger (höher) werden. Der Anus ist hinten quer ab- geschnitten und ist am Ende mit einer Gabel versehen, deren beide Hälften an der Basis ziemlich breit, aber schnell und fein zugespitzt sind und an ihrer Insertionsstelle weit auseinander stehen. Bei Bouch6 sind die auf den Segmenten des Hinterleibes stehenden Dornen am Hinter- rande jedes Segmentes gezeichnet und die beiden Spitzen der Gabel des Analsegmentes stehen nahe an einander. Der „After-Abschnitt‘“ Fig. 21 gehört wohl einem ganz anderen Thiere an. — Am Ende der Oberseite des 3. Hinterleibs-Segmentes ragen die Knie der Hinierbeine empor, welche an ihrer Spitze an der Aussenseite mit einem langen, spitzen, sanft gekrümmten, nach hinten gerichteten Dorne bewaffnet sind, vor dem bei genauer Betrachtung noch ein sehr kurzer wahrgenommen wird. — Auf der Unterseite liegen die Tarsen der 4 vorderen Beine dieht an einander, so dass die Vordertarsen die Tarsen der Mittelbeine theilweise decken und die Tarsen der Hinterbeine mit ihrer Basis die Spitze der Mittelbeine berühren. Die Schienen der Vorder- au Mittel- beine liegen dieht an einander auf den Flügeldeckenscheiden. Ihre Kniee sind mit einem nach vorn gerichteten, starken, gekrümmten Dorne besetzt. Diese Dornen an der Spitze der Schenkel sind jedenfalls die Bewegungsorgane für die Puppe. Bis an die Tarsen der Hinterbeine 344 Jahres - Bericht reichen die längsgefurchten Scheiden der Flügeldecken, unter deren Innenrande die keulenförmig verdeckten Hinterschenkel mit der äusseren Hälfte hervorragen. Scheiden der Flügel sind nicht sichtbar. — Manches an der Abbildung bei Bouche lässt sich nur erklären, wenn man an- nimmt, dass die Zeichnung nach einer eben im Auskriechen begriffenen Puppe gemacht ist, die Theile derselben also nicht mehr in der Lage sich befinden, die sie im Zustande der Ruhe eingenommen hatten. Nach Bouch& lebt die Larve des Otiorhynchus sulcatus an den _ Wurzeln der Primeln, Saxifragen, Ranunkeln (Trollius) u. s. w., wo sie auch überwintert.!) Nach dem oben Gesagten müsste das Thier demnach wohl unter die für die Gartengewächse merklich schädlichen Thiere aufgenommen werden. 2. Ueber die in Schlesien heimischen, metallbraun gefärbten Arten der Gattung Anthaxia (Zpunctata, sepulchralis, morio und praticola), welche / vorgezeigt wurden. Desgleichen über die schlesischen Arten der Gat- tung Ancylocheira, Ptosima und Äcmaeodera. 3. Derselbe zeigte den in Schlesien sehr seltenen, bisher nur von ‘ Roger bei Rauden beobachteten Rhinoneus albieinetus vor, den Gerhardt in diesem Jahre am Jacobsdorfer See bei Liegnitz erbeutet hatte. 4. Derselbe zeigte ein lebendes Exemplar des in Schlesien nicht seltenen Sylvanus frumentarius F. vor, welches demselben von dem Herrn Ober-Bergamts-Secretair Langner mitgetheilt worden war, der es in Sämereien aus Palermo im April d. J. zugeschickt erhalten hatte. 5. Zugänge zur schlesischen Coleoptern - Fauna im Jahre 1887. In dem abgelaufenen Jahre 1887 sind zur Coleoptern-Fauna Schlesiens als neue Arten zugetreten: 1. Elaphrus smaragdinus Reit. Bei Paskau an den Ufern der Ostra- witza im Frühjahr nicht selten. Reitter, Deutsche ent, Zeitschrift 1887, 241 (Antonie Kubischtek). 2. Cryptopleurum crenatum Panz., Vaucheri Tourn. Von Gerhardt bei Liegnitz aufgefunden. In meiner Sammlung fand sich unter Or. ato- marium Oliv. (minutum F.) ein Exemplar aus der Gegend von Oppeln, das von mir vor mehr als 15 Jahren gesammelt worden war. !) Dass das Thier als Larve oder Puppe in der Erde überwintert, kann ich bestätigen. Aus den Näpfen, welche, wie oben erwähnt, im October Larven des genannten Thieres in Mehrzahl enthalten hatten, krochen im April und Mai d. J. (1885) noch 2 Exemplare des Käfers hervor. Es ist jedoch zweifelhaft, ob die- selben von der vor 2 Jahren ausgekommenen Brut stammen, oder ob die Eier, aus denen sie sich entwickelt, im Jahre 1887 in die Gefässe gelegt worden sind, ob also die Entwickelungs-Periode des Käfers ein- oder zweijährig ist. der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 345 3. Oxypoda misella Kraatz. Im Bruch bei Liegnitz (Gerhardt). 4. Mycetoporus forticornis Fauv. In der Ebene und im Vorgebirge, selten. Liegnitz (Gerhardt), Fürstenstein. Bisher für Varietät von M, pronus Er. gehalten. 3. sStenus lustrator Er. Das Vorkommen dieser Art in Schlesien ist nicht mehr zweifelhaft. Von Gerhardt wurde das Thier bei Lähn (7, 8) mehrfach aus Laub gesiebt. 6. Cephennium Reitteri Bris. In der Rottenberg’schen Sammlung befindet sich ein Exemplar, bezeichnet mit dem Fundorte Glatz. 7. Neuraphes Antoniae Reit. In den Ausläufern der Beskiden bei Paskau an der Ostrawitza. Reitter, Deutsche ent. Zeitschr, 1887, 271 (Antonie Kubischtek). 8. Eumicerus Perrisü Reit. Unter Eichenlaub, an Dämmen u. s. w., selten. Breslau (Öswitz 6), Marienau (Dr. Schneider). 9. Hydnobius spinipes Gyl., spinula Zeit. In den Gebirgswäldern an Schwämmen, sehr selten. Glatzer Schneeberg (6). 10. Ziodes (Anisotoma) subglobosa Reitt. Ein von Herrn Reitter freundlichst bestimmtes Stück von Heiersdorf bei Fraustadt (v. Rotten- berg). 11. Cyrtusa subferruginea Reit. Mit den anderen Arten dieser Gattung gegen Sonnen-Untergang bis in die Vorstädte umherschwärmend. Wiener ent. Monatsschr. 6, 106. 12. Liosoma Discontignyi Bri. Bei Paskau an der Ostrawitza (Reitter). 13. Magdalinus exaratus Bris. In der Ebene und im Vorgebirge ziemlich selten. Breslau (Marienau, Ottwitz), Zuschenhammer (Juni), Liegnitz, Brechelshof (Mai, Gerhardt), Wurde bisher für Varietät von M. Cerasi gehalten und von Gerhardt zuerst unterschieden. 14. Huylesinus oleiperda F., scaber Marsh., suturalis Redt., Esau Gredl. Herr Kaufmann K. Schwarz in Liegnitz fing im Sommer d.J. im Freien auf seiner Kleidung ein lebendes Exemplar, das er meiner Sammlung freundlichst überlassen hat, ; 346 Jahres - Bericht IP: Bericht über die Thätigkeit der geographischen Section im Jahre 18837, abgestattet von Dr. J. G. Galle, zeitisem Secretair der Section. In der Sitzung vom 30. November legte der Secretair der Section zunächst für die Bibliothek zwei dem Königlichen Oberbergamt zu dankende Geschenke vor, von der seitens desselben herausgegebenen Karte des oberschlesischen Bergwerkareals die Sectionen Tarnowitz- Beuthen und Zabrze-Königshütte-Kattowitz-Nicolai nebst zugehörigen Namensverzeichnissen. | Hierauf berichtete Herr Professor Dr. Partsch über die Fortschritte der geographischen Erforschung Griechenlands im | letzten Jahrzehnt. Es brachte der Kartographie des Landes werthvolle neue Errungen- schaften. Der Norden Griechenlands, der nur für die Küstenumrisse früher eine zuverlässige trigonometrische Aufnahme (der englischen Marine) besasss, empfing für sein Inneres eine wichtige Dreieckskette durch die Arbeiten der internationalen Commission zur Feststellung der neuen erheblich erweiterten Grenze des Königreichs Griechenland. Da- mit war ein fester Rahmen gewonnen, in welchen die brauchbarsten Itinerare (Leake, Gubernatis, Cora, Lejean, Gorceix, Hauzey) nun mit höherer Sicherheit sich einfügen liessen. Die vortrefflichste Verarbeitung dieser Materialien führte H. Kiepert durch. Seine unermüdliche Thätig- keit griff auch förderlich ein in die Arbeiten des österreichischen militär -geographischen Instituts für die Herstellung einer Generalkarte der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 347 des Königreichs (1 : 300 000), welche im Vergleich mit der alten tüch- tigen französischen Karte (1:200000) vielfache Verbesserungen und Bereieherungen aufweist. Die glänzendsten kartographischen Leistungen auf griechischem Boden sind aber zweifellos die Aufnahmen von Be- amten und Offizieren des preussischen Generalstabes in Attika (1: 25 000), Mykenä (1: 12500) und Olympia (1: 12 500). Namentlich die von Kaupert und Curtius herausgegebenen Karten Attikas dürften wohl als das Vollkommenste bezeichnet werden, was je die Kartographie geschaffen. So sorgfältig bis ins Kleinste genau und so herrlich wirkend im künstlerisch vollendeten Gesammtbild sind die in Isohypsen und brauner Schraffirung ausgeführten Darstellungen des wechselvollen Terrains. Für die geologische Erforschung Mittel-Griechen- lands, Euböas und Ost- Thessaliens schufen die Arbeiten der öster- reichischen Geologen Neumayr, Bittner, Teller eine neue Grundlage, an deren feinerem Ausbau in Attika und Elis auch zwei Geologen Deutschlands, Bücking und Lepsius, thätig waren. Neben diesen grossen, im Auftrage der Culturstaaten Mitteleuropas musterhaft durchgeführten Arbeiten findet auch die Kraft Einzelner noch viele lockende kleinere Aufgaben in dem interessanten Lande: Philippson ist gegenwärtig mit der gründlicheren geologischen und geographischen Erforschung des Peloponnes beschäftigt, und der Vortragende arbeitet an einer Darstellung der Jonischen Inseln, deren ersten Theil, eine Monographie der Insel Korfu mit einer Originalkarte (1 : 100 000), er vollendet vorlegen konnte. Der Secretair der Section machte einige biographische Mittheilungen über den Physiker Chladni, seine Reisen und sein Lebensende hier in Breslau, darauf Bezug nehmend, dass letzeres und seine Begräbnissstätte auf dem grossen Kirchhofe in der Nicolaivorstadt nur noch wenig in Erinnerung seien, und dass der 30. November der Geburtstag desselben sei. Im Jahre 1756 in Wittenberg geboren, widmete er sich anfangs auf Wunsch seines Vaters der Jurisprudenz und wurde Doctor der Rechte, folgte aber nach dem Tode des Vaters seiner Neigung zu den Naturwissenschaften, in denen seine Arbeiten und Forschungen auf zwei Gebieten, dem der Akustik und dem der Feuer-Meteore und Meteoriten bahnbrechend ge- wesen sind. Er fand keine feste bleibende Anstellung als Universitäts- Lehrer, sondern brachte, zum Theil auch aus besonderer Neigung, den grössten Theil seines Lebens von 1791 an auf Reisen in verschiedenen Ländern zu, durch Vorträge seinen Unterhalt erwerbend. Seine letzte Reise war die im Jahre 1827 über Berlin nach Breslau, wo er nach längerem Aufenthalt und mannigfachen ihm hier zu Theil gewordenen 348 Jahres - Bericht Ehrenbezeigungen am 4. April Morgens in seiner Wohnung todt gefunden wurde, unmittelbar vor dem Schlafengehen von einem Schlaganfall ge- troffen. Mit ihm in demselben Grabe ruht der 5 Wochen später gestorbene, damals in Breslau hochangesehene Musikdirector Berner, wie dergleichen gemeinschaftliche Grabstätten in jener Zeit hier öfter noch vorkamen, Als Monumente liegen auf dem Grabe zwei mit be- züglichen Inschriften versehene Steinwürfel und befindet sich dasselbe auf der Westseite des Kirchhofes nahe dem längs dieser Seite hinführen- den Wege. Allgemeine Uebersicht der meteorologischen Beobachtungen auf der königlichen Universitäts-Sternwarte zu Breslau im Jahre 1887. Höhe des Barometers über dem Ostseespiegel bei Swinemünde = 147,35 m. I. Barometerstand, li. Temperatur 1887, redueirt auf 0° Celsius, der Luft in Graden nach in Millimetern. Celsius. es) ® 5 17 5 7 Monat Een ee u a a 2 ee ee A ==; A i=' = A ‚a A = = mm mm mm 0 o 0) Januar 29 | 762,1 6 |730,3 | 752,91 30 |4+ 74 16 |— 18,3 — 3,30 Februar 97 | 692 | a0 | 460 | 5519| 5 |+ 9lır. ısl—- 12,9 — 2,00 März un; 1 | 617 | 35 | s68 | as,6a f1.a.05) 2103| 21 |— 954 1,52 April...... 17 | 619| 2 | s64 | .azaa | 30 |Laas| 17 |-- 364 8,17 Mai ....... 9 |5a8| A| s19| a668| 4 |-rassi 23 I+ 2,64 11,95 nit 64 30 55,2 3 40,4 | 49,56 | 9.25 + 2481| 1 |+ 5,04 15,18 Ju 299 | 5422| 5 | 3990| 4997| Sı |+336| 7 |+ 804 20,10 August 6 | 562 | ıs | 386 | a8,09 | 29 |ragal 13 |+ 7,94 16,93 September. | 9 | 5711| 9 | 356| azaa| 7 1308| 29 |+ 241 14,63 October 96 63,4 | 10 32,9 47,18 4 412,9] 27 |— 4,94 6,71 November. | 17 595 | 21 33,1 44,14 3 14+149| 18 |— 6,3+ 4,76 December . 3 29.1 | 24 2 44,30 17 |+ 85) 31 |— 15,5/— 0,68 Jahr 7699 = Tossa las | en der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 349 1887. III. Feuchtigkeit der Luft. IV. Wolken- : a. absolute, b. relative, bildung und in Millimetern. in Procenten, Niederschläge. © ) ® 3 Er: 3 Pe en Ba El |)3|3|8|j3 | 313 8|#|8|* [333 are ee et: Se ES mm mm mm mm Januar ...jöfterı 4#9| 16 | 1,0 3,26 | öfter 100 25. 31/62] 86,9| 6 |13 | 12 | 11,60 Februar ..| 26 5,9 116.17 1,3 | 3,25|| 14 1100| 19 143 79,0| 10 \11| 7 | 17,62 Manz. 2: 4101| 6,0.113.15| 1,27 4,00||7.31|100) 1,133) 76,51 1.11 19. | 33,92 April..... 26.301 94| 17 | 1,9| 5,43 14.20) 99| 13 [26 66,3] # |18| 8 | 1484 Mail... 3 11,5 23.31) 3,9| 7,21 |3mal|100| 23 132) 70,1] 0 |932| 9 | 97,11 unm.>ar: 14 | 1325| 27 | 47| 852|| 4 | 99| 28 991672) 2 18| 10 | 63,14 Suln..43 ...% 16. 1.155). 7 °1.47110,951,, 2° |. .97| 227122) 63,9 10 115) 6 | 43,117 August...| 1 15,9 17.15 | 5,3| 8,75|| 18 | 99) 7 192|63,1]| 4118| 9 | 46,50 September] 4 14,0| 21 | 48| 8,5418.20| 99) 7 122/694] 2 |14| 14 | 27,23 October ...| 4 92| 26 | 2,5 5,73 18.25|100| 14 |39| 76,2] 1 | 9| 21 | 22,67 November| 5 94| 18 | 1,8| 5,48|3malI100| 18 40] 81,8] 2 | 9] 19 | 64,80 December | 2 5,3| 30 | 1,5 | 3,65 öfter 1000 9 j47|81,1| 1 \13| 17 | 24,41 Jahr — |159| — | 1,0| 693|| — |100| — 122] 73,4] 43 171| 151 467,01 V. Herrschende Winde. Januar. Die östlichen Windesrichtungen waren vor den westlichen etwas vorherrschend. Februar, Die südöstlichen Windesrichtungen waren vor den nordwest- lichen vorherrschend, wobei Nordost, Ost, Südost, Süd, Südwest etwa gleich oft vorkamen. März. Die Windesrichtungen West und Nordwest waren vor den übrigen Richtungen weit überwiegend. April. Die Anzahl der Winde aus nordwestlicher Richtung war der aus südlicher Richtung nahezu gleich. Die nördlichen Windesrichtungen von West durch Nord bis Ost Mai. waren vorherrschend; Südost,. Südwest und Süd etwas seltener. Juni, West und Nordwest waren die bei weitem vorherrschenden Windesrichtungen. Juli. Die nordwestlichen Windesriehtungen waren über die südöstlichen wenig überwiegend; in der ersten Hälfte des Monats herrschten mehr die ersteren, in der zweiten die anderen vor. August. West- und Nordwest-Winde kamen am häufigsten vor, hier- nächst etwa halb so oft Nord-, Süd- und Südwest-Winde. 350 Jahres-Bericht September. Die westlichen Windesrichtungen waren vorherrschend. October. Die westliche Windesrichtung war weit überwiegend, hier- nächst am häufigsten Süd. November. Südliche Windesrichtungen — Südost, Süd und Südwest — herrschten vor, minder häufig waren Ost, Nordwest und West. December. West-, Südwest- und Süd-Winde waren die weit vor- herrschenden. VI. Witterungs-Charakter. Januar. Der Luftdruck war in diesem Monat höher als im Durchschnitt und unter demselben nur in den Tagen vom 4. bis 10. Die Temperatur dagegen war etwas niedriger als im Mittel, besonders in Folge einer Periode starker Kälte vom 14, bis 20.; von da ab war dieselbe unter vorherrschenden westlichen Winden eine mildere. Das Quantum der Niederschläge, mehr Schnee als Regen, war gering und erreichte nicht die Hälfte des Normalwerthes. Auch die noch vom December gebliebene hohe Schneedecke nahm mehr und mehr ab und kam gegen Ende des Monats zum Ver- schwinden. Februar. Der Luftdruck war in seltenem Maasse hoch, um nahe 9 mm das Mittel überschreitend und nur an zwei Tagen (am 19. und 20.) etwas unter demselben. Die Temperatur dagegen war bei den vorherrschenden südöstlichen Winden und dem überwiegend klaren Wetter unter dem Mittel. Entsprechend der geringen Wolkenbedeckung erreichte auch die Höhe der Niederschläge nur die Hälfte des Normalwerthes und ebenso war die Feuchtigkeit erheblich unter dem Mittelwerthe. Die Schneefälle waren spär- lich und es bildete sich eine geringe Schneedecke nur während einiger Tage. März. Die mittleren Werthe der einzelnen Witterungs-Elemente waren in diesem Monat nahe normal und der in der Mitte des Monats vom 11. bis 21. eingetretene Nachwinter mit Schnee und Kälte wurde durch die etwas höhere Temperatur in dem ersten und dem letzten Drittheile des Monats wieder ausgeglichen. Das letzte Drittheil war sehr regnicht, jedoch die gesammte Regen- menge normal, Das Wetter war während des ganzen Monats vorwiegend wolkig und trübe. April. Die Mittelwerthe des Luftdruckes, der Wärme und des Dunst- druckes waren in diesem Monat normal, dagegen die Dunst- sättigung geringer als sonst, und die Regenmenge betrug nicht viel mehr als ein Drittheil ihres Normalwerthes. Die Schwankungen des Lufidruckes und der Wärme an den verschiedenen Tagen be- Mai. Juni. Juli. der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 351 wegten sich in mässigen Grenzen, jedoch war das Wetter in den ersten drei Wochen vorwiegend kalt und erst in den letzten acht Tagen überstieg die Wärme erheblich den Normalwerth. Die beiden durchschnittlich um den 13. Mai (Servatius und Pancratius) und den 25. Mai (Urban) hier eintretenden Kälte- perioden trafen in diesem Jahre sehr annähernd auf die bezeich- neten Tage und hielt jede derselben eine Woche an, auch die drei letzten Tage des Monats waren noch kalt. Der Luftdruck war etwas unter seinem Mittelwerthe. Die Feuchtigkeit der Luft war hoch, und diesem entsprechend hatte der Monat nicht weniger als 22 Tage mit Regen, dessen Menge sich fast auf das Doppelte des Durchschnittswerthes belief. An 5 Tagen fand Gewitter statt. Kein einziger Tag war ganz heiter, es wechselten gemischte und trübe Tage. Der Luftdruck hielt sich während dieses Monats unter geringen Schwankungen etwas über dem Mittel. Die Wärme war unter dem Mittel, das Wetter meist wolkig, regnicht und kühl, jedoch die mittlere Feuchtigkeit und das Quantum der Niederschläge normal. Der Luftdruck war vorwiegend über dem Mittel. Noch mehr gilt dies von der Temperatur, indem besonders in der letzten Woche des Monats eine andauernde Hitze bei meist ganz heiterem Himmel herrschte. Gewitter kamen in Breslau nur zwei vor, mit mässiger Regenmenge. Die gesammte Regenmenge des Monats betrug nicht viel über die Hälfte des Durchschnittswerthes. August. Das Wetter dieses Monats hatte, mit Ausnahme einiger Tage am Schlusse desselben, meist einen veränderlichen Charakter. Luftdruck und Wärme blieben gegen den Mittelwerth zurück und in erheblichem Maasse auch die Feuchtigkeit. Desgleichen belief sich die Regenmenge nicht auf viel mehr als die Hälfte des Durehschnittswerthes, obwohl die Zahl der Tage mit Regen eine ziemlich grosse war, von denen jedoch mehrere kein messbares Quantum ergaben. Gewitter und elektrische Erscheinungen wurden an 2 Tagen verzeichnet. September. Die Wärme war in den ersten 7 Tagen hoch, hielt sich dann vom 8. bis 19. nahe dem Mittelwerthe, sank aber demnächst vom 20. bis 30. beträchtlich unter diesen herab. Die Barometer- Schwankungen waren in den ersten 3 Wochen gering, erst in der letzten Woche trat ein tiefes Sinken bis zu 13 mm unter dem Mittel ein. Die durchschnittliche Feuchtigkeit der Luft war gering und entsprechend die Höhe der Niederschläge. Von — übrigens zahlreichen Tagen mit Regen ergaben die meisten nur ie sange Wassermenge, die Hälfte des ganzen hinter dem Mittel sehr 352 Jahres-Bericht zurückbleibenden Betrages fiel an einem Tage, dem 25., an dem die gemessene Höhe auf 14 mm sich stellte. October. Das schon mit dem 20. September beginnende kalte Herbst- wetter dauerte auch während des ganzen Monats October fort, so dass die Temperatur um mehr als 2 Grad unter dem Mittel- werthe blieb. Der Luftdruck war einigen starken Schwankungen unterworfen und blieb ebenfalls unter dem Durchschnittswerthe, ebenso Dunstdruck und Dunstsättigung. Das Wetter war vor- wiegend trübe und häufig regnicht, jedoch blieb die Summe der Niederschläge hinter dem Mittelwerthe zurück. Schnee kam hier in Breslau nur einmal, am Abend des 25., gemischt mit Regen vor. November. Die Temperatur war in diesem Monat bei den vor- herrschenden südlichen Winden verhältnissmässig hoch, der Luft- druck dagegen mit Ausnahme weniger Tage stetig und erheblich unter dem Mittel. An sehr vielen Tagen, besonders in den Morgenstunden, war Nebel zu verzeichnen. Sehr beträchtlich war ferner das Quantum der Niederschläge, welches fast das Doppelte des Durchschnittswerthes erreichte, “ December. Die Temperatur hielt sich “in dem grösseren Theile des Monats über dem Mittelwerthe, erst in der letzten Woche trat grössere Kälte ein, indem die bis dahin meist südwestlichen Winde sich mehr nach Norden wandten, auch am 29. und 30. reichlicher Schneefall eintrat. Der Luftdruck war wie im vorigen Monate mit Ausnahme weniger Tage stetig und erheblich unter dem Mittel, Die Niederschläge bestanden bis zu der Mitte des Monats fast nur aus wenig Regen. Erst gegen Ende des Monats mehrte sich das Quantum derselben durch reichlichen Schneefall, blieb jedoch gegen den normalen Werth um ein Drittheil zurück. der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 353 VII. Bericht über die Thätigkeit der archäologischen Section im Jahre 1887, abgestattet von Professor Dr. Schmarsow, zeitigem Secretair der Section. Am 27. Januar 1887 hielt die archäologische Seetion eine Sitzung, zu welcher eine Reihe geladener Gäste erschienen war. Professor Dr. Schmarsow besprach unter Vorlegung zahlreicher Photographien ein im Nationalmuseum zu Florenz befindliches Hochrelief aus Marmor, das vor ca. 10 Jahren vor Porta Romana beim Aufgraben in einem Garten gefunden worden. Es stellt eine Krönung dar, nur zwei Figuren, nicht aber, wie man neuerdings angegeben, die mit der lombardischen Königskrone, sondern die eines deutschen Kaisers zu Rom; denn der Gekrönte, mit Scepter und Reichsapfel in den Händen, trägt das Diakonengewand mit Stola und Cingulum. Nur bleibt auffallend, dass der krönende Geistliche nicht in der päpstlichen Tiara, sondern in bischöflicher Mitra erscheint. Die deutsche Forschung hat sich deshalb für die Annahme entschieden, dass Carl IV. von Luxemburg gemeint sei, der im Auftrag des in Avignon lebenden Papstes von einem Cardinal-Legaten gekrönt ward. Die robuste Figur und die bartlosen Züge des Kaisers haben indessen mehr Aeli liehkeit mit Ludwig dem Bayern, und zwar mit einem Portrait j- grossen Rathssaal zu Nürnberg. Ludwig ist aber mit seiner Sen ul von vier römischen Patriziern gekrönt und nachträglich von zwei ge- bannten Bischöfen in St. Peter gesalbt worden. RR Wichtiger als die Frage nach der dargestellten Persönlichkeit, die bei dem zerstossenen Zustand des Kopfes ohnehin nicht sicher mehr zu 1887. = 354 Jahres-Bericht bestimmen sein wird, ist für den Kunsthistoriker zunächst diejenige nach der Entstehungszeit des Werkes selbst. Die bisherige Datirung enthält einen beträchtlichen Irrthum, weil man sich durch diese Conjeeturen über die Person des Kaisers von der genauen Prüfung des Stiles hat ablenken lassen. Die Arbeit stammt nicht aus dem XIV., oder gar, wie sonst angegeben, aus dem XII. Jahrhundert, sondern trägt alle eigen- thümlichen Kennzeichen des Renaissance, ist ein Meisterwerk des XV. Jahrhunderts, und zwar in Florenz entstanden. Diese persönlich schon lange gewonnene, sowohl in Vorlesungen zu Göttingen und Breslau ausgesprochene, als auch Freunden in Florenz und Fachgenossen in Berlin mitgetheilte Ueberzeugung wurde im Folgenden ausführlich be- gründet (und seitdem auch in einem Aufsatz des LXI. Bandes der Preussischen Jahrbücher veröffentlicht). Deshalb hier nur einige Be- merkungen: Den Unterschied kennen zu lehren, wie der Gegenstand von einem italienischen Gothiker, d. h. einem Bildhauer des XIV. Jahrhunderts be- handelt worden, wurde zunächst ein auch sonst historisch höchst inter- essantes, bis dahin aber fast unbeachtetes Relief vorgeführt, das sich im Dom zu Monza befindet und die Krönung mit der lombardischen Krone in Gegenwart der deutschen Kurfürsten darstellt. Wie die Beischriften ergeben, muss die Feierlichkeit auf Carl IV. von Böhmen bezogen werden, der im Januar 1355 die eiserne Krone empfing. Das bestätigt auch der Stil der Sculptur selbst, welcher dem des Giovanni Baldueeio noch nahe steht, und die Uebereinstimmung mit den Siegeln des luxem- burgischen Kaisers. — Minder bedeutend ist eine Darstellung derselben Ceremonie am Grabmal des Bischofs Guido Tarlati im Dom von Arezzo, welche an Ludwig dem Bayern und seiner Gemahlin in völlig ab- weichender Weise vollzogen wird. Mit Hilfe eingehender Vergleichung bedeutsamer Renaissance- Beulpturen versuchte Professor Schmarsow sodann die Zusammen- gehörigkeit des Florentiner Hochreliefs mit den entscheidenden Werken des Quattrocento darzuthun, und den Urheber der anerkannt grossartigen Arbeit zu bestimmen. Er kam zu dem Resultat, dass die grösste Wahr- scheinlichkeit für Luca della Robbia spreche, der als ernster Marmor- bildner noch zu wenig gewürdigt werde. Wenn es erlaubt sei, mit den bekannten Grössen der florentinischen Plastik allein zu rechnen und vorläufig davon abzusehen, ob irgendwie unerwartet noch ein bisher namenloser, aufs engste mit Luca verwandter Meister zum Vorschein komme, so sei die Uebereinstimmung mit den spärlich vorhandenen Marmorwerken Robbia’s, der sich übrigens sichtlich an Nanni di Bauco, dem frühgestorbenen Genossen Donatellos, gebildet, schlagend genug, um seine Autorschaft behaupten zu dürfen. Als Hauptstücke zur Ver- gleichung müssten nicht die allbekannten Kinder von der Orgelbalustrade der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 355 des Domes, sondern vielmehr die fünf Reliefs am Glockenthurm, das Grabmal Federighi in S. Francesco di Paola und ein Altarvorsatz in der Kirche Montoliveto zu Neapel (der noch unbekannt) betrachtet werden. Gehört aber dies Kunstwerk selbst ins XV. Jahrhundert, so käme auch wohl eine andere Persönlichkeit als Ludwig der Bayer oder Carl der Luxemburger für den dargestellten Kaiser in Frage. Sigismund ist an den Broncethüren von St. Peter in Rom bei der Krönung durch Eugen IV. bärtig dargestellt. Dagegen zeigt eine Medaille Friedrichs II. überraschende Aehnlichkeit, soweit der Kopf des gerade hier arg ver- letzten Marmorbildes erkennen lässt. Ueberall aber bleibt die Schwierig- keit zu lösen, weshalb der Krönende nicht mit dem päpstlichen Tri- resnum, sondern mit der bischöflichen Mitra gegeben ist. Und ferner bedarf es wohl einer besonderen Erklärung, wie man im durchaus guelfischen Florenz überhaupt dazu gekommen sei, die Krönung eines damaligen Kaisers zu verherrlichen. Darnach wäre immer noch Wahr- scheinlichkeit genug für die florentinische Bezeichnung, dass der mythische Wohlthäter der Stadt, Carl der Grosse, gemeint sei, und hier wäre auch der Bischof von Rom ohne dreifache Krone, wenn auch sonst nicht archäologisch correete Wiedergabe des Ornats in der Absicht gelegen, sondern Alles das XV. Jahrhundert verräth, am Platz. Weitere Sitzungen fanden nicht statt, weil die Betheiligung von Seiten der wenigen Sectionsmitglieder Alles zu wünschen übrig lässt. Der Seeretair spricht deshalb die dringende Bitte aus, ihn in seinem Bemühen entschiedener zu unterstützen, da ein öhtBestand der Section im Interesse der ganzen Gesellschaft liegt. 23% 356 Jahres - Bericht VI. Bericht über die Thätigkeit der Section für Staats- und Rechts- wissenschaften im Jahre 1837) abgestattet von Professor Dr. v. Miaskowski, z. Z. Secretair der Section. Die ,‚Schlesische Gesellschaft für vaterländische Cultur‘‘ hat eine bedeutsame Erweiterung erfahren. Zwar umfasste sie bisher neben ihren naturwissenschaftlichen, historischen und philologischen auch eine juristische Section. Jedoch fristete dieselbe seit Jahren nur noch ein Scheindasein, während für die Pflege der Staatswissenschaften eine besondere Section überhaupt nicht bestand. Es war daher schon verschiedentlich in und ausserhalb der Gesellschaft der Wunsch laut geworden, eine solche ins Leben zu rufen. Dieser Anregung folgend, hatten die Herren Rechtsanwalt Justizrath Bellier de Launay, Geheimer Commerzienrathı Heimann, Ober-Regierungsrath Heinsius, Professor Dr. v. Miaskowski, Staatsanwalt Nentwig, Senats-Präsident Rocholl, Commerzienrath Rosenbaum und Professor Freiherr Dr. v. Stengel die Mitglieder der Gesellschaft, sowie eine Anzahl von Personen, bei denen sie Interesse für das geplante Unter- nehmen voraussetzten, mittels Cireulars auf Mittwoch, den 26. October, zu einer vorläufigen Besprechung und eventuellen Errichtung einer Section der „„Vaterländischen Gesellschaft“ für Staatswissenschaften (Nationalökonomie, Finanzen, Geschichte der wirthschaftlichen Cultur, Statistik, Rechtswissenschaft) eingeladen. Eine überaus stattliche Reihe namhafter, den verschiedensten Berufskreisen und Parteirichtungen angehöriger Persönlichkeiten hatte dieser Aufforderung entsprochen. Professor Dr. v. Miaskowski begrüsste die Erschienenen und ent- wickelte des Näheren das Programm der Versammlung. “Auf Vorschlag des Herın Geh. Commerzienraths Heimann durch Acelamation zum der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 357 Vorsitzenden gewählt, eröffnete er demnächst die Diseussion und über- trug Herrn Rechtsanwalt Dr. Honigmann die Führung des Protokolls, Die Constitution der neuen Section wurde sowohl von Herrn Land- gerichts-Direetor Witte, dem langjährigen, verdienstvollen Leiter der „juristischen Section“, als auch von dem derzeitigen Vice - Präsidenten der Gesellschaft, Herrn Geh. Medicinalrath Professor Dr. Biermer, sympathisch begrüsst und von den Anwesenden mit Einhelliskeit be- schlossen. Dieselben erklärten auch fast sämmtlich alsbald durch Ein- zeichnung in eine zu diesem Zwecke ausgelegte Liste ihren Beitritt als Mitglieder der neuen Section. Die bisherige „juristische Section“ soll in der neuen Section aufgehen. Dementsprechend erhielt die letztere, und zwar auf Antrag des Herrn Amtsgerichtsraths Dr. Lunge, nach längerer Debatte, an der sich ausser den schon Genannten die Herren Regierungsräthe Frank und Hermann, sowie Herr Staats- Anwalt v. Uechtritz, Herr Professor Dr, v. Stengel und Herr Com- merzienrath Rosenbaum betheiligten, den Namen „Section für Staats- und Rechtswissenschaften“. Hierauf schritt die Versammlung zur Wahl von vier Sections-Seere- tairen; die Herren v. Miaskowski, v. Stengel, Rochollund Witte wurden einstimmig nominirt und erklärten sich zur Annahme des Amtes bereit. Die neue Section wird sich nach dem Ermessen der Seeretaire alle vierzehn Tage oder in einmonatlichen Zwisehenräumen im Local der „Vaterländischen Gesellschaft“ (Alte Börse am Blücherplatz) versammeln. Es sind hierzu die Abendstunden von 8 Uhr ab in Aussicht genommen, um allen denen, welche Tags über beschäftigt sind, die Theilnahme zu ermöglichen, In jeder Sectionsversammlung soll ein Vortrag gehalten und über denselben diseutirt werden. Von jeder Propaganda nach aussen, namentlich von politischer Parteinahme, wird sich die Section selbstverständlich völlig frei halten und vielmehr den Charakter un- befangener Wissenschaftlichkeit bewahren, um so gerade einen neutralen Vereinigungspunkt für alle Diejenigen zu bilden, welche, mögen sie nun speciell im Dienste der Justiz oder Verwaltung oder aber im Geschäfts- und Erwerbsleben stehen, den Erscheinungen des öffentlichen Rechts- und Wirthschaftslebens ein objectives Interesse entgegenbringen. Minder bemittelten, insbesondere jüngeren Personen, welche noch keine selbst- ständige Berufsstellung einnehmen, wie Referendarien und Assessoren, wird Gelegenheit geboten werden, den Vortragsabenden als Gäste bei- zuwohnen, ohne die mit der Verpflichtung zu einem Jahresbeitrage von 18 Mark verbundene Mitgliedschaft der „Vaterländischen Gesellschaft‘ erwerben zu müssen. So steht denn zu hoffen, dass das junge Unternehmen in weiten Kreisen des gebildeten Publikums lebhaften Anklang finden und sich das Verdienst erwerben wird, die bisher überwiegend den naturwissenschaft- 358 Jahres - Bericht lichen Fächern zugewandte Wirksamkeit der ,Vaterländischen „Gesell- schaft“ auf ein weiteres, fruchtBares Gebiet der Geisteswissenschaften zu erstrecken, Am 22. November fand die zahlreich besuchte erste Sitzung der neu gegründeten Section für Staats- und Rechtswissenschaften der Schlesischen Gesellschaft für vaterländische Cultur statt. Der Vorsitzende, Professor Dr. v. Miaskowski, theilte zunächst mit, dass von den ständigen Secretairen für das Geschäftsjahr 1887/88 er sowohl wie der Senatspräsident Rocholl den Vorsitz übernehmen würden. Zu Protokollführern wurden der Rechtsanwalt Dr. Honig- mann und der Gerichts- Assessor Dr. Keil gewählt. Zur Zeit besteht die Section aus rund 60 Mitgliedern, von denen 33 zum Zwecke der Neubegründung derselben in die Gesellschaft eingetreten sind. Als Ver- sammlungsabend wurde der letzte Donnerstag im Monat festgesetzt. Ober-Regierungsrath Heinsius gab demnächst Rückblicke auf die ersten Gütertarife der Oberschlesischen Eisenbahn. Nachdem er einleitend auf die Bedeutung der Eisenbahngütertarife für das wirthschaftliche Leben und auf die jetzt für die deutschen Bahnen erreichte Einheit in System und Olassification der Gütertarife hingewiesen hatte, legte er dar, wie sich historisch diese Classification entwickelt habe. Alle Tarife wiesen Preisermässigungen für bestimmte, namentlich bezeichnete Güter auf. Diese Frachtermässigungen für einzelne Artikel seien nicht aus einem grossen, bewussten, wirthschaftlichen Gedanken systematisch hervorgegangen, sondern lediglich durch das Bedürfniss bei jeder einzelnen Bahn hervorgerufen worden, diese Güter durch Fracht- ermässigungen zum Eisenbahntransport heranzuziehen oder ihre Trans- portfähigkeit zu erhöhen. Aus dieser geschichtlichen Entwickelung er- gebe sieh die frühere grosse Verschiedenheit der Güterclassification der einzelnen Bahnen, da jede Bahn nur diejenigen Artikel berücksichtigt habe, welche für sie oder den von ihr durchsehnittenen Bezirk von Be- deutung gewesen seien. Daher gäben die ältesten Tarife namentlich solcher Bahnen, die zunächst ohne Zusammenhang mit anderen Bahnen erbaut worden seien, ein ziemlich getreues Bild des damaligen wirthschaftlichen Zustandes der von der betreffenden Bahn durchzogenen Landestheile. Der Vortragende legte an der Hand der ersten Gebührentarife der Oberschlesischen Eisenbahn dar, dass diese den gleichen Entwickelungs- gang zeigten, und dass mit dem Fortschreiten des Baues der Bahn immer neue, für die Production der Gegend charakteristische Artikel in den Tarifen aufgeführt wurden, welche zu ermässigten Frachtsätzen Be- förderung finden sollten, wie er endlich an der Hand der Statistik nach- wies, dass auch heute noch diese letzteren Artikel diejenigen seien, der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 359 welche in dem betreffenden Bezirk die grössten Eisenbahntransport- mengen darstellen. In der sich hieran anschliessenden, sehr lebhaften Besprechung, an welcher sich namentlich die Herren Commerzienrath Schöller, Professor Dr. Freiherr v. Stengel, Simson, Somme&, Landgerichts-Director Dr. Witte, der Vorsitzende und der Vortragende betheiligten, gelangten verschiedene allgemeine Fragen des Eisenbahngütertarifwesens zur Er- Örterung, wie die Grundlagen der verschiedenen Tarifsysteme, die Gestaltung der Selbstkosten der Eisenbahnen, die Unterschiede zwischen gemeinwirthschaftlicher und privatwirthschaftlicher Verwaltung der Eisen- bahnen u. a. m. Der Vorsitzende schloss mit einem Dank an den Vortragenden und mit dem Hinweise, dass, wie bei den Zöllen, so auch bei den Tarifen besondere Wünsche zugleich auch die berechtigten Interessen besonderer Bevölkerungskreise verkörperten. In der am 22. December unter dem Vorsitz des Professor Dr. v. Miaskowski abgehaltenen zweiten Sitzung der Section hielt Herr Rechtsanwalt Dr. Honigmann einen Vortrag: Veber die Wohnungsfrage mit specieller Berücksichtigung Breslaus. Nach einer einleitenden Uebersicht über die Geschichte und Litte- ratur der Wohnungsfrage in England, Amerika, Frankreich, Belgien und Deutschland schilderte der Vortragende, wie mit der Concentration der Industrie, des Handels und Verkehrs die Bildung der modernen Gross- städte vor sich geht, und wie sich unter dem Drucke eines beständigen Bevölkerungszuwachses und unter dem Einflusse verschiedener ökono- mischer und psychologischer Factoren der Entwickelungsprocess der srossstädtischen Wohnungsverhältnisse vollzieht. Als Resultat dieses Processes ergebe sich eine neuerdings durch statistische Ermittelungen dem Umfange und Grade nach zahlenmässig festgestellte chronische Wohnungsnoth der ärmeren Klassen, welche insbesondere in der unzulänglichen Zahl, in der mangelhaften, ungesunden Beschaffenheit, in der, namentlich auch durch das Aftermiether- und Schlafstellenwesen beförderten Ueberfüllung, endlich in den relativ hohen Miethspreisen und dem häufigen Wechsel der Wohnungen zu Tage trete und schwere Missstände und Gefahren für die sanitären, moralischen und socialen Zuständo im Gefolge habe. Der Vortragende ging dann dee Näheren auf die Gestaltung der Breslauer Wohnungsverhältnisse ein sun ver- anschaulichte dieselben durch eine Anzahl von Plänen und kartographischen Darstellungen. Den letzten Abschnitt des Vortrages bildete eine kritische Erörterung der mannigfachen, zur Abstellung der Wohnungsnoth senaeer theoretischen und praktischen Versuche und Vorschläge. Es sind dies 360 Jahres-Bericht hauptsächlich einmal Maassregeln socialpolitischen Charakters, wie Ex- propriation und Verstaatlichung resp. Vereommunalisirung des städtischen Grund- und Hauseigenthums, Confiscation der städtischen Bodenrente durch eine entsprechende Veranlagung und Erhöhung der Grund- und Gebäudesteuer, Beschränkungen der Anzugsfreiheit und Bekämpfung des ,„, Wohnungswuchers“ durch die Civil- bezw. Criminal-Gesetzgebung; ferner bau- und sanitätspolizeiliche Anordnungen, öffentliche hygienische Unter- nehmungen, Regelung des städtischen Verkehrswesens, behördliches Einschreiten gegen gesundheitschädliche und überfüllte Wohnungen, insbesondere Feststellung und Erzwingung eines Mindestwohnraumes; endlich Beschaffung vermehrter besserer und billigerer Wohnungsgelegen- heit durch Staat und Commune mittels Gewährung von Beamtendienst- wohnungen, durch Arbeitgeber, Baugesellschaften und humanitäre Ver- anstaltungen unter der Patronage der besitzenden Klassen nach englischen Vorbildern. In eine Discussion trat man der vorgerückten Zeit halber nicht ein. der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur., 361 IX. Bericht über die Verhandlungen der Section für Obst- und Gartenbau im Jahre 1887 von Garten-Inspector B. Stein, z. Z. Secretair der Section. Die erste Sitzung der Section, am 26. Januar 1887, eröffnete der Secretair mit einer Gedächtnissrede auf die im Jahre 1886 der Seetion durch den Tod entrissenen Mitglieder und hob sodann hervor, dass auch im laufenden Jahre die Section bereits wieder einen schweren Verlust zu betrauern habe in dem Hinscheiden des Stadtraths Wolf- gang Moriz-Eichborn. Derselbe ward am 10. December 1832 in Breslau geboren, absolvirte hier das Magdalenen - Gymnasium und widmete sich dann der Landwirthschaft, deren Theorien er sich in Tharand und Proskau zu eigen machte. Schon 1855 kaufte er sich in Hundsfeld an und wurde bald eines der thätigsten Mitglieder des land- wirthschaftlichen Centralvereins in Breslau, in welchem er u. a. von Anfang an warm für die Einrichtung der Maschinenmärkte plaidirte, deren stets wachsende Bedeutung er mit regem Eifer unterstützte. Nach Aufgabe seiner Thätigkeit als praktischer Landwirth widmete er sich dem freiwilligen Dienste seiner Vaterstadt, welche ihn am 20. Januar 1879 zum Stadtrath wählte. Dem arbeitskräftigen Manne lag eine stait- liche Reihe von Decernaten ob. Neben der Sorge für die St. Barbara- kirche verwaltete er die Kämmereigüter Oswitz und Ransern, leitete die Besserungsanstalt in Herrnprotsch (Willert’sche Stiftung), deren gross- artiger Neubau sein Werk war, ihm unterstanden die städtischen Forsten, in seine Amtsperiode fielen die Baue der Leichenhallen auf den Com- munal-Kirchhöfen in Gräbschen und den Polinke - Aeckern, aber vor Allem verdankte ihm Breslau die Hebung und Erweiterung der Park- Anlagen in Scheitnig, über welche heute nur eine Stimme des Lobes ertönt. Diesem Decernate widmete er sich’ mit voller Liebe und Hin- 362 Jahres - Bericht sebung und die schlesische Gärtnerei durfte mit Stolz auf einen so hervorragenden Mitarbeiter sehen. Ihm war Scheitnig ans Herz ge- wachsen, und jeder Tag galt ihm für verloren, an welchem er nicht unter den Bäumen seines Lieblingswerkes weilen konnte. Die stete Ausdehnung der Anlagen war sein ceterum censeo und selbst schon krank und matt heste er keinen anderen Wunsch, als den Göppert-Hain fertig zu sehen, dessen Anlage und Pflanzung ihn fort und fort beschäftigte. Sein Sinnen und Trachten gipfelte in dem einen Wunsche, hier eine neue prächtige Baumwelt der Oeffentlichkeit übergeben zu können. Jäh und unvermuthet hat der Tod ihn seinem gemeinnützigen Schaffen entrissen, aber das Andenken Wolfgang Moriz-Eichborn’s wird nicht nur in den Kreisen der schlesischen Gärtnerei hochgehalten werden, sondern für immer mit dem Gedeihen des Scheitniger Parkes verknüpft bleiben. Die Section verliert in dem so zeitig Heimgegangenen ein treues Mitglied, welches besonders an dem Gedeihen des Sectionsgartens in Scheitnig regen Antheil nahm und dessen mannigfaltige Beziehungen zu der städtischen Verwaltung stets in liebenswürdigstem Entgegen- kommen behandelte. Wolfgang Moriz-Eiehborn war ein Bild musterhafter Pflicht- treue und verlangte von seinen Untergebenen gleichfalls volle Hingabe an ihren Beruf, anerkannte aber dafür auch jede gärtnerische Thätigkeit in vollem Maasse, so dass unter seiner Verwaltung Jeder mit Lust und Liebe arbeitete. Besonders die Gärtnerei fand jederzeit in ihm einen Befürworter und mancher strebsame Gärtner einen kräftigen Schützer und Förderer. Sein Name wird an einem der schönsten Punkte des Scheitniger Parkes für immer erhalten bleiben, indem die projeetirte Brücke über den Teich an der Schwoitscher Chaussee, welche einen prächtigen Blick über die neuen Anlagen gewährt, den Namen „Moriz- Eichborn-Brücke‘ tragen soll. Der Secretair legte eine Reihe Zeitschriften vor, aus denselben referirend, und verlas die nachfolgende Abhandlung des Herrn Königl. Landesbau-Inspectors Sutter: Ueber Obst- und Gemüse-Production und Verwerthung mit Hinweis auf höhere Bodenrente und Schaffung besserer Volksnährmittel. Gern will ich die Aufforderung des früheren Herrn Ober-Präsidenten, Herrn Freiherrn v. Nordenflycht, auch für meinen Vortrag als Motto wählen: „Will der Lorbeer hier sich nieht gewöhnen, Wird die Myrthe unsers Winters Raub; Grünet doch, die Schläfe zu bekrönen, E y Uns der Rebe muntres Laub.“ und setzen wir getrost hinzu: „Beift doch, Aug’ und Gaumen zu ergötzen, Uns des Obstes saft’ge Frucht!“ Im Anschluss an einen von mir am 7, Februar 1883 in der Section für Obst- und Gartenbau der Schlesischen Gesellschaft für vaterländische der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 363 u Cultur zu Breslau gehaltenen Vortrag über Pflanzung und Pflege von Bäumen an Chausseen will ich der mir wiederholt ausgesprochenen sütigen Aufforderung unseres jetzigen Herın Secretairs der Section, des Herrn Garten-Inspeetors Stein, gern Folge leisten und über das obige Thema nur einen kleinen Vortrag halten, weil mir nur wenig Zeit hier- für zu Gebote steht. Die so überaus grosse Wichtigkeit des Gegenstandes, welcher die Gesundheit und den Wohlstand des Volkes zumeist im Auge hat, lässt mich über meine Bedenken gern hinweggehen, dass ich noch viel zu wenig Fachmann bin, um ein gut genug begründetes Urtheil abzugeben und durch dasselbe denjenigen Einfluss auszuüben, den die Sache ver- dient, und bitte ich die verehrten Herren Zuhörer daher auch um gütige Nachsieht für meine kleine Arbeit. Möchten meine Worte ein Sporn werden für die Herren Vertreter der Regierung, der Landwirthschaft, des Kaufmannsstandes und des Gartenbaues, die geeigneten Anstalten und Einrichtungen zur Obst- und Gemüse-Produetion und deren besserer Verwerthung recht energisch weiter zu fördern, damit mein sehnlichster Wunsch zur Hebung der Landwirthschaft und zur Schaffung besserer Volksnahrungsmittel von Jahr zu Jahr mehr in Erfüllung gehe. A. Aus welchen Gründen ist es nothwendig, den Obst- und Gemüsebau zu befördern? Es giebt wohl wenig Dinge, die so wichtig für das geistige und materielle Wohl der Menschen sind, wie die Production und der Genuss unschädlicher, wohlschmeckender und zugleich erfrischender Nahrungs- mittel, wie sie der rationell betriebene Gartenbau liefert. Es giebt viele Familien, wo in Folge von Unkenntniss und Trägheit die Ernährung der Mitglieder in unverantwortlicher Einförmigkeit stattfindet, trotzdem die materiellen Mittel nicht zu knapp bemessen sind, noch andere zwingende Gründe dies erfordern. Die ärmere Bevölkerung namentlich lebt grossentheils nur von Brot, Kartoffeln und anderen Mehlspeisen und ist derselben eine richtig und schmackhaft zubereitete Gemüse- und Obstkost kaum bekannt, Zur Bildung gesunden Blutes ist aber eine zweckmässige Abwechse- lung der Speisen und der Genuss von Obst und Gemüse geradezu er- forderlich. Wenn auch Gemüse und Obst nicht als Kraftnahrung dienen können, so tragen dieselben erfahrungsmässig zur Erfrischung und Belebung des Geistes und somit auch des Körpers doch wesentlich bei. Ja, ich gehe noch weiter, Das körperliche Befinden hängt direet von dem Befinden der Seele und des Geistes ab. 364 Jahres - Bericht Und wenn dies zugegeben wird, so ist es auch consequenter Weise nothwendig, täglich in kleinerer oder grösserer Menge Gemüse und Obst zu geniessen. Da der Ackerbau nicht mehr eine genügende Rente abwirft und durch die massenhafte Einfuhr des ausländischen Getreides die Land- wirthschaft von Jahr zu Jahr geringere Erträge bringst, so drängen die Verhältnisse geradezu darauf hin, für die Landwirthschaft einen neuen lohnenderen Culturzweig ausfindig zu machen, durch welchen die Menschen auf einer kleineren Bodenfläche dennoch soviel Producte erzielen, dass sie ihre Familien besser ernähren und erziehen können, Wenn eine Familie auch nur etwa 1 bis 2 ha oder 4 bis 8 Morgen Land besässe, so würde ihr der Obst- und Gemüsebau sehr wohl ge- nügende Mittel abwerfen und anstatt der ununterbrochenen ungesunderen Mehlkost durch Obst und Gemüse und an Stelle des theuren und schäd- lichen Bier- und Branntweingenusses durch Obst- und Beerenwein eine viel bessere Ernährung ihrer Familienmitglieder möglich sein. Mir ist eine Gärtner-Familie in einer Provinzialstadt bekannt, welche noch lange nicht 1 ha Land gepachtet hat, ein sehr hohes Pachtgeld zahlt und fast nur durch den Gemüse-Anbau dennoch eine zahlreiche Familie gut ernährt und noch Gewinn erübrigt. Der Nachtheil der Einfuhr von fremdem Getreide würde aber ver- schwinden, wenn mehr Obst- und Gemüse gebaut und consumirt würde, Um dies zu erreichen, müsste eine grosse Umänderung (der Land- wirthschaften, der bisherigen alten Haushaltungsgewohnheiten und des Küchenwesens erfolgen und es müssten Anstalten errichtet werden, in denen die Behandlung und Bereitung kräftiger und gesunder Kost ge- lehrt wird. Hierbei will ich auf meine schon im vorigen Jahre meiner vor- gesetzten Dienstbehörde gemachten Vorschläge zur Hebung des Obst- und Gartenbaues Bezug nehmen, und dieselben heut nochmals vortragen: . B. Durch welche Veranstaltungen kann die Coneurrenz des Auslandes am erfolgreichsten bekämpft und der Bau von Obst und Gemüse in Schlesien lohnender gemacht werden? « Es hat den Anschein, als ob in Schlesien bereits eine Ueber-Pro- duction von Obst stattgefunden habe oder zu befürchten wäre. Das ist jedoch ein gewaltiger Irrthum, sondern im Gegentheil ist der Obstbau nicht blos in Schlesien, sondern in ganz Deutschland, gegenüber allen anderen Gewerben, welche einen so grossartigen Aufschwung genommen haben, mit Ausnahme weniger Gegenden, wie z. B. um Grünberg, Guben, die Insel Werder in der Havel bei Potsdam, den Vierlanden bei Hamburg und in der Rheinprovinz, fast ganz zurückgeblieben, Als Be- der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 365 weis, dass aber gutes Wirthschafts- und feines Tafelobst in Schlesien nicht soviel erbaut, als jetzt schon consumirt wird, und dass namentlich wohlschmeekendes und gut gedörrtes Obst und Obst-Conserven und Fruchtsäfte nicht in genügender Menge und Güte erzeugt werden, be- weist uns die massenhafte Einfuhr von ausländischem rohen Obst und Obstprodueten, was auch durch die Nachweisungen des Deutschen Reiches bestätigt wird. Darnach sind im Durchschnitt der drei Jahre 1880—1883 für 40 663 997 Mark Obst und Beeren eingeführt und nur für 15 911 545 Mark ausgeführt worden. Kein Culturzweig aber ist im Gegentheil so verbesserungsfähig und dankbar, wie gerade die Obst- baumzucht, und könnte durch ein rationelles Betreiben derselben, d. i. die Erbauung von nur wenigen für unser Klima am besten passenden und transportfähigen Sorten und uamentlich durch eine zweckmässigere Verwerthung des Obstes durch eine bessere Abtrocknungsweise und durch Verarbeitung des im rohen Zustande nicht transportablen Obstes zu Conserven in reicheren Obstjahren ein bedeutend höherer Ertrag aus den gegenwärtigen Anlagen erzielt werden. Die Landwirthschaft könnte durch Anlage von neuen grösseren Plantagen eine viel höhere Rente abwerfen, als aus dem blossen Getreidebau, und könnte dadurch die Wohlfahrt und der Reichthum Schlesiens ungemein gehoben werden. An Nordamerika, und speeiell Californien, müssen wir Deutschen mit Staunen sehen, wie eine rationelle Verwerthung des Obstes ein Haupt- factor werden kann, die Obstbaumzucht in kurzer Zeit auf eine nie geahnte Höhe zu bringen. Die Zahl der dortigen Obstproducte, welche bisher noch ganz un- bekannt war, ist ganz unglaublich und hat sich ein förmlicher Welt- handel damit etablirt. Aber der Amerikaner geht eben rationeller zu Werke, als wir Deutschen, er baut nicht eine ganze Musterkarte der verschiedenen Obstsorten, sondern er hat nur wenige für das dortige Klima, die Lage und den Boden ausprobirte und geeignete Obstsorten, namentlich Aepfel und Birnen, welche grossfrüchtig und wohlschmeckender sind uud wegen des trockenen Klimas dort besser gedeihen, als wie Kirschen und Pflaumen, ausgewählt und diese Bäume sich erst aus Europa schicken lassen, weil es früher dort keine Obstbäume gab, und obwohl die guten Pflanzen sehr theuer kamen, dennoch in unglaublichen Massen auf grossen Landstrecken mit der grössten Sorgfalt gepflanzt und ge- pflegt, weil er es erkannt hat, dass der Obstbaum eine gerade für das gemässigte Klima sehr geeignete Culturpflanze von der allerBöehsTen Bedeutung und Ertragsfähigkeit ist. Sodann hat der Amerikaner aber auch dafür gesorgt, dass das in so grossen Massen produeirte Obei nieht umkommt, oder gar mit dem Vieh verfuttert wird, wie dies leider bei uns von dem unverständigen Landvolke in obstreichen Jahren geschieht. 366 Jahres - Bericht Der Amerikaner lässt das Obst nicht abschütteln, sondern sorgfältig mit der Hand pflücken, für den Export praktisch und geschmackvoll verpacken, damit das rohe Obst keinerlei Beschädigung auf dem Trans- port erleidet und sich zum Verkauf herrlich präsentirt. Alsdann hat sich der Amerikaner die vorzüglichste Methode des Trocknens und Präservirens angeeignet und den Handel mit Obst und Obstprodueten in grosskaufmännischem Style organisirt. Der amerikanische Kaufmann geht mit den Producenten im Interesse seines eigenen Geschäftes Hand in Hand, die Industrie unterstützt den Producenten in der Umwandlung der Rohproducte bis ins Detail, und dadurch haben diese beiden Berufsrichtungen einen für die materielle Entwickelung ihres Landes hochbedeutsamen Einfluss ausgeübt. Zum Beispiel führe ich an, dass Californien im Jahre 1882 bereits 6 Millionen Obstbäume besass und zwar fast die Hälfte davon nur Aepfelbäume. Die sorgfältigste Zubereitung, Feinheit, Geschmack, Appetitlichkeit und Etiquettirung trägt natürlich auch zur Kauflust dieser Obstproduete bei und berechnet sich der Reinertrag aus diesem Cultur- zweige schon jetzt nach vielen Millionen, weil Amerika fast die ganze Welt mit Obst versorgt. Aber dort wie bei uns kommen ja Frostschäden und Missernten vor — und diese ganze grosse Industrie ist erst eigentlich in den letzten 40 Jahren entstanden, und zwar durch die Deutschen in Amerika, welche sich nach dem Genuss des heimathlichen frischen Obstes sehnten. Der Geschäftsführer des sächsischen Landes-Obstbau-Vereins, Herr Garten-Inspeetor Otto Lämmerhirt in Dresden, schreibt in seinem Lehrbuch über die Obstverwerthung Seite 12 und 13 Folgendes: Zur Zeit sind in Californien, das nur eine landbauende Bevölkerung von etwa ’J, Million Seelen besitzt, 20 soleher Fabriken thätig, die sich mit dem Dörren ünd Präserviren von Obst beschäftigen; dieselben ver- brauchten im Jahre 1881 etwa 10 Millionen Zinnbüchsen für Obst-Con- serven. Nach Semmler sollen während des Sommers in Nordamerika über- haupt '„, Million Menschen in den Präserve-Fabriken Beschäftigung finden, deren Production an Obst und verschiedenen Gartenfrüchten auf 400 Millionen Mark angegeben wird. Eine Grossartigkeit, von der wir uns für unsere Verhältnisse kaum einen Begriff machen können. Was nun in Amerika möglich ist, können auch wir in Deutschland erzielen, und ist namentlich ein grosser Theil unserer Heimathsprovinz Schlesien nach ihrem Klima und ihren Bodenverhältnissen sehr wohl geeignet, diese sowohl für das materielle wie für das sittliche Wohl der Menschen den allergrössten Einfluss habende Cultur im grossen Maass- stabe zu betreiben. der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 367 Auch würde durch diese Cultur der gegenwärtig durch den schlechten Absatz ihrer Produete nothleidenden Landwirthschaft am sichersten ab- geholfen werden können. Eine Ueberproduetion in Obst ist jedoch niemals zu befürchten, weil ja in vielen Ländern der Erde kein Obst, namentlich aber nicht die Kirschen und Pflaumen wachsen und gedeihen und die Obstpräparate und das Dörrobst sich auf Jahre hinaus eonserviren und weithin zu Wasser und zu Lande ohne Schaden transportiren lassen und mit zu den *gesündesten, die Lebensdauer und Leistungsfähigkeit der Menschen aufs Beste unterstützenden Volksnahrungsmitteln zu rechnen sind. Obst kann man mehr und öfter essen als Zucker und Zuckerwaaren, aber auch zu den Obstpräparaten kann eine grosse Masse Zucker verarbeitet werden, und werden dadurch die Zuckerfabriken wieder mehr Absatz haben. Aus der vorstehenden Beleuchtung der amerikanischen Obst-Pro- duetion und Verwerthung ziehe ich den Schluss, dass für unsere Provinz Schlesien folgende Vorschläge angezeigt sind und von Seiten der Be- hörden auf folgende Punkte hingewirkt werden muss: 1. Es sind nur diejenigen Obstsorten auszuwählen und anzubauen, welche durch die Fröste in den letzten Jahren nicht gelitten haben, und auch darin ist noch eine engere Auswahl zu treffen unter den besten, grossfrüchtigsten und wohlschmeckendsten Sorten, welche erwiesenermaassen in einer Gegend die grösste Fruchtbarkeit, Voll- kommenheit und Güte besitzen und im Handel begehrt sind. Zu den besten hiesigen Apfel-Sorten gehören die herrlichen Graven- steiner und die Winter-Gold-Parmäne. Namentlich sind aber nur wenige Aepfel- und Birnsorten, aber hauptsächlich Kirschen und Pflaumen, welche bei uns besser wachsen als in Amerika, anzubauen, und zwar würde es angezeigt sein, dass die Provinz selbst die Sache in die Hand nimmt, mehrere geeignete Landsüter ankauft und Musterstandbäume im grossen Maassstabe pflanzt, und sich vielleicht mit dem Landes-Obstbau- Verein des Königreichs Sachsen in Verbindung setzt — damit die kleineren Baumschulen und Gutsbesitzer nur die besten richtig be- nannten zum allgemeinen Anbau empfehlenswerthesten Obstsorten- Edelreiser und Pflanzen erhalten. Vielleicht liessen sich die in Schlesien vorhandenen oder noch zu vermehrenden Arbeiter-Colonien zur Anlage solcher Obstgüter verwenden und könnten dort in Massen die erforderlichen Baum- wärter ausgebildet und dadurch der Sinn für den Obstbau im alle wieder mehr geweekt werden, wodurch der Wohlstand Schlesiens nur gehoben werden würde. 2. Alsdann würde ich wegen der segensreichen Folgen nicht für zu schroff halten, dass der Erlass eines Gesetzes angestrebt würde, 368 Jahres-Bericht dass jeder Landbesitzer verpflichtet wäre, der Morgenzahl seines Besitzes entsprechend eine gewisse Anzahl von Obstbäumen anzu- bauen und zu erhalten — wie es ja in manchen Ländern Gesetz ist, dass jedes Gut so und so viel Morgen Waldung haben muss. Durch Ausstellungen und Prämiirungen des Obstes und seiner Pro- ducte müsste der Sinne für Obstbau mehr geweckt werden, und dürfte nicht die grosse Sortenzahl, sondern die richtige Benennung und das Quantum der Production von wenigen für Boden und, Klima passenden vorzüglichen Sorten, der Ertrag und die Ver- wendung zu prämjiren sein. Es müssten mehr als bisher Wander-Vorträge und Obstbau -Kurse über den Obstbau und die Obst-Verwerthung gehalten werden, und Lehreurse über Anwendung in Haus und Küche. Durch Entsendung junger Leute in solche Gegenden, wo der Obsthandel und die Obstverwerthung bereits längere Zeit getrieben wird, werden unsere landwirthschaftlichen Vereine die Industrie am Besten auf die Heimathskreise übertragen. Durch alljährliche Vorausschätzungen und öffentliche Bekannt- machung der zu erwartenden Ernten müsste der Handel schon im Frühjahr auf den Absatz aufmerksam gemacht werden. Die bessere Obstverwerthung müsste nach amerikanischem Muster eingerichtet werden: a. Entweder müssten besondere Genossenschaften anfänglich mit staatlicher oder provinzieller Unterstützung durch die Obst- producenten gebildet werden. b. Ob diese Genossenschaften mit den Zuckerfabriken zu ver- binden oder selbstständig zu errichten seien, liesse sich noch feststellen. ec. Wenn das Obst in eigener Regie verwerthet werden soll, so müsste die Provinz die nöthigen Bauten und Einrichtungen selbst ausführen und die Leitung einem Fachmanne übertragen. d. Dagegen liessen sich die Bauten auch durch eine Genossen- schaft der Producenten errichten und der Betrieb des Geschäfts einem Geschäftsmanne übertragen (wie beim Milchverkauf und den Käsereien). Die letztere Einrichtung würde die empfehlenswertheste sein. Bei Anlage solcher Etablissements käme es hauptsächlich auf An- schaffung der besten Dörr-Apparate, die billigste Beschaffung der Ver- packungsstoffe und die richtigste Verkehrslage der Anstalt an, um die Brennmaterialien und eine Eisenbahnstation recht nahe zu haben. In Californien hat sich der sogenannte Alden-Dörr-Apparat am Besten bewährt, wobei das Princip festgehalten ist, dass über und um der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 369 das zu dörrende Obst ein feuchtheisser Luftstrom eireulirt und die Früchte weich und möglichst hellfarbig bleiben, ohne von dem Aroma des Obstes zu verlieren. Durch diese Eigenschaften des Alden-Obstes ist das deutsche, nach alter Methode gedörrte, zähe und deshalb unschmackhafte Obst von dem Weltmarkte vollständig verdrängt. Wenn die Provinz Schlesien vorläufig von der Beschaffung einer oder mehrerer eigener Obstverwerthungs-Anstalten absieht, so ist es mindestens nothwendig, einige der kleineren transportablen besseren Dörr-Apparate auf eigene Kosten anzuschaffen und dieselben den Obst- pächtern fürs Erste zu vermiethen, wiewohl dies die Rente unseres Obstes noch nicht sehr steigern wird. Es scheinen hierzu anı Besten geeignet die Seite 94 und 95 im II. Theile des Lehrbuches von J. Böttner (erschienen Oranienburg 1835 bei Freyhoff) zusammengestellten Apparate: Röder’s Dörr- und Trocken- Apparat im Preise von 460 bis 680 Mark mit 11,4 bis 19,5 qm Dörr- horden, oder die abgeänderte Reynold’sche Dörre im Preise von 300 bis 400 Mark mit 6,75 bis 12 qm Dörrhordenfläche. Um indess die besten Producte von getrocknetem Obst und Gemüse liefern und grössere Massen verarbeiten zu können, empfiehlt es sich, in den hierzu geeignetsten Gegenden grössere Anstalten mit horizontalen Trocken-Apparaten in festen massiven Gebäuden zu erbauen. C. Was ist bisher geschehen zur besseren Obst- und Ge- müse-Verwerthung und für die Schaffung gesünderer Volks- Nährmittel? Die hochgeehrten Zuhörer gestatten wohl gütigst, dass ich über diesen Punkt zwei erläuternde Zeitungsartikel mit einflechte: 1) Die schlesische landwirthschaftliche Zeitung „Der Landwirth‘ enthält in seiner Nr. 8 vom 25. Januar d. J. über diesen Gegenstand folgenden Artikel, welchen ich gern wörtlich wiedergebe: „Gedörrtes Gemüse und Obst. In neuester Zeit sind in Schlesien zwei Anstalten errichtet worden, welche sich damit beschäftigen, Obst und Gemüse zu dörren. Die eine Fabrik ist in Münsterberg, die andere in Brieg; letztere soll, wie verlautet, nach Liegnitz verlegt werden. Alle die in Graz ange- fertigten gedörrten Obst- und Gemüsesorten sind auch hier in min- destens eben so guter Qualität zu haben; die Preise stellen on niedriger als die in Graz berechneten (cfr. „Landwirth“ Nr. 4).1) Es 1) Gedörrtes Obst und Gemüse offerirt die Gräflich H. Attems’sche Gentral- Station in St. Peter bei Graz in Steiermark. Preisverzeichniss auf Verlangen gratis. 1887. 24 370 Jahres - Bericht dürfte wohl zu empfehlen sein, diesen neuen Industriezweig, welcher sich unserer Landwirthschaft anschliesst, dadurch zu unterstützen, dass unsere Haushaltungen durch Ankauf von gedörrtem Gemüse und Obst prüfen, welchen grossen Werth dieses Verfahren in jeder Beziehung für Consumenten und Producenten hat. Bekanntlich können Obst und Gemüse nieht überall in Europa mit Erfolg angebaut werden; ebenso ist es mit grossen Schwierigkeiten verbunden, diese Früchte durch den Winter zu erhalten. Jede Haushaltung, die im Herbste die ver- schiedenen Suppengemüse eingekauft hat und diese mit aller Sorgfalt im Keller aufbewahren will, hat die Erfahrung gemacht, dass von dem aufbewahrten Gemüse viel verdirbt. Das gedörrte Suppengemüse kann nicht Schaden leiden; dasselbe bedarf nicht der grossen Sorgfalt zu seiner Aufbewahrung. Ein trockener Schrank genüst zur Auf- stellung von gedörrtem Gemüse und Obst auf Jahre hinaus. Eben so einfach und billig ist die Versendung solcher Fabrikate. Diese nehmen wenig Raum ein und sind im Allgemeinen 80—90 pCt. leichter ge- worden als frische Früchte. Es ist deshalb den Gemüsebau treibenden Gegenden die Möglichkeit gegeben, den Gemüse gebrauchenden Be- zirken dasselbe billig zuzuführen. Mithin mögen die Consumenten darauf hingewiesen werden, dass es zweckmässig sein möchte, dieses neue Verfahren zu prüfen und Nutzen davon zu ziehen. Nicht aus- geschlossen ist es, dass unsere Landwirthschaft von diesem Verfahren mit Vortheil Anwendung machen wird. Alles Gute muss sich Bahn brechen. Wenn indess Niemand prüft, so kann ein Resultat nicht erzielt, ein richtiges Urtheil nicht gefällt werden. Es dürfte den- jenigen Landwirthen, welche starken Kartoffelbau treiben und die gezwungen sind, die Kartoffeln meilenweit in die Brennereien zu billigen Preisen abzugeben, anzurathen sein, statt die Kartoffeln zu verfahren und theure Futtermittel zu holen, einen Versuch damit zu machen, die Kartoffeln zu dörren. Sie dürften dabei ihre Rechnung finden; der grosse Vortheil, in der Lage zu sein, das Futter für das ganze Jahr, ja noch länger einzutheilen, ist sicher nicht zu unter- schätzen. Eine praktische Darreinrichtung, welche täglich ca. 20 Ctr. frische Kartoffeln zu darren im Stande ist, dürfte sich ohne Baulich- keiten auf ca. 1500—2000 Mark stellen. Die Aufwendungen für Arbeit, Feuerung u. s. w. würden die Kosten der Verarbeitung in einer Brennerei von gleichem Betriebe voraussichtlich nicht übersteigen.“ Vielleicht liessen sich die Brennereien auf leichte Weise in Trocken- Anstalten umwandeln? 2) Das Münsterberger Wochenblatt vom 7. Januar d. J. schreibt über die Obst- und Präserven - Fabrik in Ohlguth bei Münsterbers Folgendes: der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. Na] „Unter der Ueberschrift „Eine herannahende Küchenrevolution“ brachte vor einigen Wochen die Gartenlaube einen Artikel in dem sie ihren Lesern als Neuestes von allem Neuen aus Amerika berichtete, dass dort jetzt nach einem neuen, ganz besonderen Trockenverfahren, dem sogenannten System Alden, nicht nur Obst, sondern auch Gemüse getrocknet würde, welches nachher im aufgeweichten und gekochten Zustande im Aussehen und Geschmack dem frischen gleiche. Die meisten Leser unseres Blattes werden schon wissen, dass sie sar nieht mehr nöthig haben, nach Amerika zu wandern, um diese Wunderdinge zu erschauen, sondern dass unsere gute Stadt Münster- berg den Vorzug hat, eine solche Fabrik zu besitzen, in welcher nach einem, das ursprüngliche amerikanische System noch übertreffenden Verfahren alle Sorten Obst wie auch Gemüse getrocknet werden. So unbekannt, wie der Correspondent der Gartenlaube zu denken scheint, ist das neue Verfahren in Deutschland doch nicht mehr. Bis vor drei Jahren wurde freilich fast überall in Deutschland noch nach dem uralten von den Grosseltern ererbten Verfahren getrocknet, aber der Umstand, dass inzwischen viel trockenes Obst aus Amerika eingeführt wurde, obwohl hier die Aepfel oft wegen der Uebermenge verfaulten, erregte doch schliesslich das Nachdenken der Volkswirthe und den Unternehmungsgeist tüchtiger Männer. Der deutsche Michel schläft zwar lange, wacht auch nur langsam auf, aber wenn er einmal aufgewacht, so greift er auch ordentlich zu. — So hoffen wir auch, dass die junge Industrie, welche sich in den letzten zwei Jahren sehon so bedeutend entwickelt und vervoll- kommnet hat, in Kurzem so erstarken werde, dass sie im Stande ist, wenigstens von dem heimischen Markte das amerikanische Trocken- Obst und die französischen getroekneten Gemüse zu verdrängen. An Güte kommt das deutsche Product, wenigstens das der hie- sigen Fabrik, dem ausländischen mindestens gleich, nur der Preis ist in manchen Stücken ein wesentlich niederer, was ja für unsere Haus- frauen kein Fehler ist. — Die hiesige Fabrik hat aber auch mehrere neue Artikel, die weder von Amerika noch von Frankreich bis jetzt eingeführt wurden, auf den Markt gebracht. Fast sämmtliche Gemüse kann man jetzt zu jeder Jahreszeit in einer vollständig dem frischen Gemüse gleichen Qualität haben, ohne dasselbe theurer bezahlen zu müssen als das dem Markt entnommene frische Gemüse. Unsere Leserinnen schütteln wohl den Kopf, aber es ist wirklich so. Bei einer neulich auf Kosten der Fabrik in Glatz veranstalteten Massenspeisung von beinahe 800 Mann langten 20 gr getrocknete Ge- müse pro Kopf, natürlich mit den üblichen Kartoffel- und Fleisch- rationen, nach officiellem Zeugniss der Menage-Commission, vollständig. Diese Zeugnisse heben ausserdem noch hervor, dass die Leute den YA* $) Jahres - Bericht Geschmack der Präserven bedeutend besser gefunden hätten, als den der sonst um diese Jahreszeit verwendeten Gemüse. . Wer von den geehrten Leserinnen das Glück hatte, in die Fabrik eingelassen zu werden, wird sich über die Thatsache des vorzüglichen Geschmackes nicht mehr wundern, denn wie sauber wird dort Alles behandelt. Gleich in dem ersten Saal der Fabrik sieht man, wie peinlich alles Unbrauchbare und Unsaubere entfernt wird. Die grossen Haufen des Abfalles bezeugen, dass hierin nicht gespart wird. In dem zweiten Saale wird dann das so zubereitete Gemüse mit Ma- schinen weiter gereinigt oder auch zerkleinert. Alles surrt und schwirrt und dreht sich hier. Der grosse Helfer des 19. Jahrhunderts, der Dampf, setzt alles in Bewegung. Möhren zum Beispiel werden hier nicht geschabt wie im Haushalt, sondern geschält, und zwar so sauber, dass kaum etwas nachzuputzen ist. Schauen Sie einmal nach, liebe Leserin, wie diek die Schale einer Möhre ist, Sie denken an „Verschwendung“. Aber nein, die Schale der Mohrrübe ist wirklich so dick, dass sie durch Schaben nie ganz entfernt wird. Das Schälen dürfte darum also schon theilweise zum besseren Geschmack der Präserven beitragen. Andere Maschinen schneiden dann wieder die Möhren in feine viereckige Streifen, oder hobeln das Kraut, oder schneiden den Sellerie so fein und gleichmässig, wie es mit der Hand nie geschehen kann. Und gar diese Aepfelschälmaschinen. 20 Aepfel, ob gross, ob klein, werden dort in einer Minute geschält und entkernt, alles von derselben Maschine. Eine andere Maschine, die freilich nur 15 Stück die Minute liefert, schneidet die Aepfel in Scheiben u. s. f. Aus diesem zweiten Saale kommen die so vorbereiteten Sachen in den eigentlichen Trockenraum, werden aber nicht gleich in den Trockenapparat, sondern auf Horden ausgebreitet, erst in einen Kasten geschoben, in dem sie vermittelst Dampfes abgebrüht werden. Der hier mit dem Dampf entweichende strenge Geruch zeigt es am Besten, wodurch die Präserven den vorzüglichen Geschmack erhalten. Nach dem Abbrühen werden die Horden in den Trockenapparat gebracht, aus dem, geöffnet, uns ein heisser Luftstrom entgegenkommt, gegen den der Samum in der Sahara ein laues Lüftehen sein dürfte. In diesem Trockenapparat nun wandern die Horden von einem bis ans andere Ende des Saales, wo die Waare dann trocken herausgenommen wird. Von hier wird dieselbe erst eine Zeit lang auf die luftigen Boden gebracht, um durch die Luft wieder geschmeidig gemacht zu werden und dann erst mittelst einer sinnreichen Vorrichtung in die für den Verkauf bestimmten Packete gepackt. Wie uns mitgetheilt wurde, soll die Fabrik für die nächste Saison dahin eine Erweiterung erfahren, dass noch einige Trocken- der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 373 apparate aufgestellt und ausserdem eine Aepfel- und Beerenwein- Kelterei eingerichtet werden. Es eröffnet sich da also für viele Produete des Waldes und des Feldes eine neue bedeutende Absatzquelle, und für viele Arbeiter und besonders Arbeiterinnen eine eben so leichte wie passende Beschäfti- gung. Möge das kühne gemeinnützige Unternehmen sich zur vollen Zufriedenheit des Besitzers entwickeln und den Segen bringen, den es verdient.‘ 3) Der Garten-Inspeetor Lämmerhirt zu Dresden sagt in seinem Werke über Obst- und Gemüse-Verwerthung auf Seite 142 und 143 Folgendes: „Das Dörren von Gemüse, Semmiler hat uns ebenfalls in seinem schon mehrfach angezogenen Werke darauf aufmerksam gemacht, welche hohe volkswirthschaftliche Bedeutung die Conservirung von frischem Gemüse durch Abdörren des- selben, ohne das es an Geschmack und Ansehen verliert, für die Er- nährung der Bevölkerung eines Landes hat. Diese Bedeutung ist seit- dem auch in Deutschland immer mehr erkannt und gewürdigt worden, Die Obstverwerthungsfabrik in der Gärtnerlehranstalt des Herrn Freiherrn v. Friesen in Rötha und die Gemüsedörranstalt des Herrn Fr. Behr in Köthen (Anhalt) haben den industriellen Betrieb des Ge- müsedörrens in grösserem Maassstabe in die Hand genommen und haben deren Produete auf den grossen Gartenbau - Ausstellungen in Hamburg, Berlin und Leipzig bewiesen, dass sie an Güte keinem aus anderen Ländern nachstehen, so dass sich unseren durch die aus- wärtige Coneurrenz so hart bedrängten Gemüsegärtnereien ein ganz neues Feld für ihre Thätigkeit bietet; denn war seither ihr Absatz- gebiet auf engere Grenzen angewiesen, weil das meiste der frischen Gemüse weiten Transport nicht verträgt, indem es leicht welkt und unscheinbar wird, so steht ihnen in Zukunft, sofern sie ein gutes Dörrgemüse herstellen, der Weltmarkt dafür offen. Interessante Mittheilungen über das Gemüsedörren bringt uns der neueste Jahresbericht der Gärtnerlehranstalt zu Rötha und spricht sich derselbe über die volkswirthschaftliche Bedeutung der Dörrgemüse in folgender Weise aus: Das Dörren des Gemüses gestattet die Aufbewahrung auf längere Zeit. Unsere Erfahrungen erstrecken sich allerdings bis jetzt auf einen nicht viel längeren Zeitraum als ein Jahr, aber während dieser Zeit hat sich das gedörrte Gemüse als durchaus unverändert erwiesen, so dass kein Grund vorliest, anzunehmen, dass sich dasselbe nicht auch auf längere Zeit frisch erhält. 374 Jahres-Bericht Aber nicht nur diese Möglichkeit der Aufbewahrung an und für sich ist ein grosser Vortheil, sondern es muss noch ganz besonders der Umstand hervorgehoben werden, dass nach dieser Aufbewahrungs- zeit das zu verwendende Gemüse dem frischen im Aussehen, Ge- schmack, Aroma und Nahrungswerth in keiner Weise nachsteht. Als besonderer Vortheil muss noch hervorgehoben werden, dass das ge- dörrte Gemüse die Butter leichter annimmt als das frische und sich oft durch feineren Geschmack vor letzterem auszeichnet. . Welcher Vortheil liest aber hierin, dass der Genuss von frischem Gemüse nicht mehr an die Zeit gebunden ist, wenn dasselbe aus den Gärten auf den Markt gebracht wird, sondern überhaupt zu jeder beliebigen Zeit stattfinden kann. Wenn frische Gemüse, wie Bohnen, Kohlrabi, Möhren, Kraut und dergleichen in den Wintermonaten, namentlich bei dem Herannahen des Frühjahrs bisher oft gar nicht mehr zu beschaffen waren und daher von den Speisezetteln vollständis verschwinden mussten, ge- statten die gedörrten Gemüse, ohne alle Mühe dieselben auch in diesen Jahreszeiten täglich in grösseren Quantitäten auf den Tisch zu bringen. Durch sein geringes Gewicht wird es nicht allein für die Auf- bewahrung bequem, sondern auch für den Transport wesentlich er- leichtert. Es ist dies ein Umstand der grössten Wichtigkeit für unsere Armee und Marine und ist zu bemerken, dass 50 gr gedörrtes Ge- müse eine reichliche Tagesportion pro Kopf gewähren; wird Fleisch dazu gereicht, so genügen 25 gr. Um einen Truppenkörper von 1000 Mann auf einen Monat ohne Zusatz von Fleisch täglich mit Gemüse zu verproviantiren, genügen 50 Centner. Bei Zusatz von Fleisch gewährt dieselbe Quantität eine tägliche Verproviantirung eines Truppenkörpers von 1000 Mann auf 2 Monate, 250 gr ('/, Pfd.) als eiserne Ration im Tornister gewährt auf 5 Tage Verpflegung ohne Fleisch, auf 10 Tage mit Fleisch. Beiläufig sei erwähnt, dass das setrocknete Gemüse, mit Fleischextraet gekocht, ein besonders schmack- haftes Gericht giebt. Sehr wichtig ist die Abwechselung für die Ver- proviantirung der Marine, wie der Schifffahrt überhaupt. Die bis- herigen Gemüse-Conserven nahmen zu viel Raum ein und waren zu kostspielig, um für die tägliche Beköstigung der Schiffsmannschaft ver- wendet werden zu können. Ganz anders ist es mit dem gedörrten Gemüse, welches etwa nur den 20. Theil des Raumes von frischem Gemüse beansprucht und sich durch Billigkeit des Preises von den bisherigen Conserven vortheilhaft auszeichnet. Als Zuthat zu dem gepökelten Fleisch auf der Seereise erhöht es nicht nur die Schmack- haftigkeit der täglichen Kost und bietet eine tägliche Abwechselung, sondern ist auch das wirksamste Gegenmittel gegen alle Nachtheile, der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 375 welche die Einförmigkeit der Schifisbeköstigung erzeugt. Die kaiser- liehe Marine hat denn auch mit der genannten Freiherrlich v. Friesen- schen Obstverwerthungsfabrik Abschlüsse auf Lieferung von Dörr- gemüsen gemacht, Aber nicht nur für die Armee und die Marine bietet die Mös- lichkeit, grünes Gemüse als tägliches Nahrungsmittel zu verwenden, grosse Vortheile, sondern auch für unsere Bevölkerungsdistriete, in welchen Gemüse nicht in entsprechender Menge erbaut wird und wegen der klimatischen Verhältnisse nicht erbaut werden kann.“ 4) Ueber die Zubereitung der Dörrfrüchte in der Küche sagt der- selbe auf Seite 141 Folgendes: „Die Zubereitung der Dörrfrüchte in der Küche, Fast möchte es scheinen, als ob es überflüssig wäre, hierüber etwas zu sagen, und doch kann man häufig genug wahrnehmen, wie fehlerhaft bei der Zubereitung dieser köstlichen Speise verfahren wird, weshalb wir wohl darauf aufmerksam machen möchten. Zunächst ist zu bemerken, dass fein gedörrte Waare nicht gewaschen zu werden braucht, da es Unreinigkeiten zu entfernen nicht erst bedarf. Da wir aber dem Obst durch Verdampfen von 60—80 pCt. ihres Gewichts Wasser entzogen haben, so müssen wir dies dem Obst wieder zu- führen vor dem Dünsten; es muss deshalb in einem Topfe so lange eingewässert werden, mit kaltem oder heissem Wasser, bis die Früchte vollkommen weich und ihr natürliches Volumen wieder erhalten haben. Dann werden sie, ohne dass das Wasser gewechselt wurde, über schwachem Feuer langsam gekocht, was nicht lange Zeit in Anspruch nimmt. Eine Versüssung der Früchte wird kaum nothwendig sein, da die Früchte schon durch diesen Dörrprocess an Zuckergehalt ge- winnen, doch ist hierfür ganz der Geschmack maassgebend.“ Dass die Beschaffung und Bereitung gesunder, wohlschmeckender und billiger Volksnahrungsmittel jetzt schon weite Kreise, selbst bis in die höchste Gesellschaft interessirtt und dass mit grösster Energie auf deren Prüfung und Bekanntmachung hingearbeitet wird, beweisen die bezüglichen beiden Ausstellungen zu Leipzig und zu Amsterdam. Ueber die erstere ist mir die officielle Zeitung der internationalen Ausstellung für Volks-Ernährung und Kochkunst vom Januar d. J. zugänglich ge- worden und beehre ich mich das Ausstellungs-Programm aus derselben in Nachstehendem mitzutheilen: „Die seit einer Reihe von Jahren in den verschiedensten Gross- städten aller Culturländer stattgefundenen Ausstellungen für die höhere Kochkunst haben meistens guter Erfolge sich zu erfreuen gehabt, doch wurde sowohl von hoher Seite wie auch von Autoritäten der Wissenschaft den Fachmännern nahe gelegt, man möge in Zukunft 376 Jahres - Bericht bei ähnlichen Veranstaltungen das Augenmerk vorzugsweise auf die Volksernährung richten. Dieser Gedanke fand in einem Kreise Leipziger Männer der ver- schiedensten Berufsarten freudigen Widerhall und schon im Laufe des vorigen Sommers traten behufs Verwirklichung desselben, zunächst einige Fachgenossen zu einem provisorischen Comite zusammen, welches die Grundlage im Allgemeinen feststellte, auf welcher eine Internationale Ausstellung für Volksernährung und Kochkunst in Leipzig ins Leben zu rufen wäre. Die von dem provisorischen Comite ge- gebene Anregung erwarb sich denn auch bald den Beifall einer grössereu Anzahl von Fachgenossen nicht nur, sondern bedeutende Männer der Wissenschaft, der Armee und der Verwaltung erklärten sich bereit, ihre Kraft dem Unternehmen zu widmen, und so entstand sehr bald neben dem inzwischen gebildeten activen ein Ehren-Comite, zu dem die ersten Personen aller Berufs- und Gesellschaftsklassen zählten. Das Unternehmen galt aber als gesichert, nachdem Ihre Majestät die Königin Carola von Sachsen demselben Allerhöchst Ihre Protection verlieh. Die weitgehenden Erwartungen, welche sich nunmehr an das Werk knüpften, das in allen Ländern von den Interessenten sowohl als von den höchsten Stellen aus froh begrüsst wurde, sie sind nicht nur erfüllt, sondern noch übertroffen worden und die hingebende Arbeit aller der Männer, die ihre ganze Kraft der Sache widmeten, sie ist mit Erfolg gekrönt. Wenn sich die Pforten der Ausstellung dem Publikum geöffnet haben werden, wird sich ihm ein Bild bieten von den vielen grossen Errungenschaften der Wissenschaft, des Gewerbe- fleisses und der Boden- und Pflanzeneultur, wie es so umfangreich, so. glanzvoll bisher noch an keiner anderen Stelle gegeben war. Unter Leitung des Direetors des Hygienischen Instituts, Professor an der Universität Leipzig Herrn Dr. Franz Hofmann, wird, von weiteren Autoritäten und Fachmännern unterstützt, in der Ausstellung gezeigt werden, auf welchem schnellsten und billigsten Wege zugleich die Volksernährung vermittelt werden kann, und die hervorragendsten Firmen der verschiedensten Welttheile haben ihre Maschinen und Produete zur Ausstellung gesandt, um hier in einen schönen Wett- kampf zum allgemeinen Wohle einzutreten. Es wird ausser der Speisung grosser Volksmassen das Augenmerk auch auf die Ver- pflegung der Armee im Frieden wie im Felde gerichtet sein und der stattfindenden Speisung von zwei Bataillonen Soldaten werden die interessirten Kreise beiwohnen. Auf allen Gebieten der Volks- ernährung und Massenspeisung sowohl wie im Einzelnen werden praktische Demonstrationen zur Beurtheilung der besten Leistungen stattfinden.“ der Schles. Gesellschaft für vaterl, Cultur. 377 So weit das Programm dieser Zeitung, welches -durch die Aus- führung noch übertroffen worden ist, Von dem grössten Interesse dürfte es für unsere Section sowie überhaupt für die Provinz Sehlesien sein, dass einer unserer Mitbewohner, der Herr Kaufmann Seidel aus Ohlguth bei Münsterberg, bei dieser Ausstellung eine der ersten Prämien für das in der ersten zu Ohlguth im vergangenen Jahre neuerbauten, ihm gehörigen Obst- und Ge- müse-Präserven-Fabrik produeirte getrocknete Obst und Gemüse er- halten hat. Nachdem mir Herr Seidel auf meine Bitte eine grössere Zahl von Proben seiner Produete gütigst übergeben hat, erlaube ich mir dieselben der hochgeehrten Seetion hiermit zu beliebigen Versuchen zur freien Verfügung zu stellen und bemerke zugleich, dass ich von diesen Pro- dueten schon eine Anzahl in meinem eigenen Haushalt ausprobirt habe ‚und dass es im höchsten Grade überraschend ist, wie schnell die Fertig- stellung einer Mahlzeit davon geschieht und wie wohlschmeckend und kaum zu unterscheiden die Conserven sind vom frischen Obst und Gemüse. Der Herr Kaufmann Seidel und der Besitzer der zweiten Trocken- Anstalt in Schlesien, der Herr Kaufmann Kaudel in Brieg, hatten sich bereits im vorigen Jahre an die Provinzial-Verwaltung von Schlesien gewendet und um eine Subvention für ihre Fabrik beworben. Da ich nach meiner Ueberzeugung die Unterstützung der ersten zu errichtenden Anstalten für durchaus nothwendig halte, weil diese Sache eine unberechenbare Tragweite für die gesammte Land- und Garten- wirthschaft der Provinz Schlesien hat, so ersuche ich die hochgeehrte Section hiermit dringend darum, * diese ersten Obst- und Gemüse - Prä- serven-Fabriken als ihre eigene Sache anzusehen und deren Unterstützung in jeder Weise zu fördern, da von deren glücklichem Emporblühen auch die Rentabilität anderer noch zu erbauender Fabriken und des ganzen Obst- und Gartenbaues in Schlesien sowie die gute und gesunde Er- nährung des ganzen Volkes davon abhängt. Aber nur, wenn das getrocknete Obst und Gemüse eine grössere Verwendung findet im eigenen Lande, in einer grösseren Stadt, in Gegenden, wo sonst kein oder zu wenig Gemüse wächst, oder in grossen öffentlichen Anstalten zur Versorgung des Militairs und der Marine und zum Export in überseeische Länder kann Schlesiens resp. Deutschlands Landwirthschaft grössere Reinerträge bringen und da durch das Ab- trocknungs-Verfahren an 80 pCt. Feuchtigkeit den Produeten entzogen werden, so können auch grössere Massen gegen billigere Frachtsätze transportirt werden, wie dies durch den oben eitirten Artikel des Land- wirths anerkannt wird. 378 Jahres - Bericht Es kommt daher Alles darauf an, eine bessere Verwerthung des Obstes und Gemüses zu erzielen und dies ist nur durch Abtrocknung, Massen-Verbrauch und Export möglich. Es ist daher das beste Mittel, den Obst- und Gartenbau zu heben, wenn vor Allem noch mehr derartige Fabriken zur Abtrocknung erbaut werden, was viel wichtiger ist, als die Bildung von Obstbau-Genossen- schaften. Durchschlagend kann der Erfolg aber nur dann sein, wenn die besten Trocken-Apparate ausfindig gemacht und Producete von unüber- - trefflich guter Qualität dadurch erzeugt werden. Die vorgelesten Proben der Ohlguther Fabrik haben offenbar alle Eigenschaften, welche man nur wünschen kann und scheint der von Herrn Seidel erbaute horizontale Trocken-Apparat der beste zu sein von allen bisher bekannten. Vielleicht giebt Herr Kaufmann Seidel einige Erfahrungen zum Besten, welche er mit seinen Apparaten gemacht hat. Meine Bitte, welche ich zum Schluss an die geehrte Section richte, ist diese: „Helfen Sie, meine Herren, zur Begründung von Abtrocknungs-Fabriken und alsdann zur vielseitigen und zweekmässigen Anwendung der Producte, so werden Sie dadurch auch dem Garten- und Obstbau am besten dienen, die Landwirthschaft aufs gründlichste unterstützen und die beste und billigste Ernährung des Volkes sicherstellen!“ Da es mein sehnlichster Wunsch ist, die in meiner fast 36jährigen Be- rufsthätigkeit, in welcher ich schon über '/, Million edler Obstbäume an den von mir erbauten Chausseen gepflanzt und erzogen habe, gesammelten Erfahrungen für mein Vaterland möglichst nutzbringend zu verwerthen, und namentlich den Sinn und die Fäligkeit zu erfolgreichem Obstanbau schon bei den Kindern mit wecken zu helfen, so habe ich eine kurze, wenn möglich als Lehrmittel in den Volksschulen zu benutzende An- leitung entworfen und in Placatform drucken lassen, welche der Herr Garten-Inspecetor Stein bereits die Güte hatte durchzusehen, und welche ich mir der hochgeehrten Seetion mit der so ergebenen wie dringenden Bitte anbei zu überreichen erlaube, dieselbe vielleicht durch Ver- mittelung der Königlichen Staatsregiernng in die Volksschulen ein- führen zu helfen. In der zweiten und dritten Sitzung referirte Herr Obergärtner Bornmüller eingehend über die gärtnerischen Verhältnisse von Dal- matien, Montenegro, Griechenland, der europäischen und asiatischen Türkei, Bulgarien und Serbien. Herr Bornmüller hat durch eine sieben- monatliche Reise diese Länder in botanisch-gärtnerischer Beziehung ein- gehend kennen gelernt und constatirte, dass überall da, wo der Garten- der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 379 bau über den Anbau der unmittelbar benutzten Landesproducte hinaus- geht, regelmässig ein Deutscher Leiter oder Gründer des betreffenden Gartens ist, Der Vortragende begleitete seine sehr detaillirten Schilderungen mit der Vorlesung zahlreicher Photographien und getrockneter Charakter- pflanzen der von ihm besuchten Gegenden. Er schilderte den Anbau der Reben, des Oelbaumes, der Citrone in Griechenland und seiner Inselwelt, den geringen Gemüsebau des Südens, die intensive Art, in welcher besonders in Montenegro jede Handbreit Erde, welche dem tristen Gebirge durch künstlichen Terrassenbau abgewonnen werden kann, gärtnerisch ausgenutzt wird, in erster Linie zum Anbau von Zwiebel und Knoblauch. Die ausgedehnten Pflaumeneulturen der Her- zegowina wurden besprochen und die Wanderung von da durch das reichgesegnete Bosnien mit seinen herrlichen Eichenwäldern wieder- gegeben. Herr Bornmüller hatte Gelegenheit, die kaiserlichen Gärten von Konstantinopel genau kennen zu lernen, welche völlig in den Händen westeuropäischer Gärtner sich befinden. Nach Klein-Asien führte den Redner der Wunsch, den bithynischen Olymp zu besteigen, was von Brussa aus geschah. Im Garten des deutschen Consulates und allgemein als Marktfrucht sah Herr Bornmüller eine ihm neue, sehr aromreiche Pfirsichsorte von enormer Grösse. Die reiche botanische Ausbeute vom Olymp zeigte auch gärtnerisch werthvolle Arten. Wir hoffen von Herrn Bornmüller, der inzwischen als Inspector des botanischen Gartens in Belgrad nach Serbien berufen worden ist, für den nächsten Jahresbericht eine ausführliche Skizze seiner Beobachtungen zu erhalten. Im Anschluss an diesen Vortrag stellte der Secretair ein Exemplar der echten bulgarischen Oelrose der Section vor, welches er direct aus dem Rosenthale von Kazanlyk erhalten hat und welche im Seections- garten fleissig vermehrt werden soll, um später in erster Linie den Mitgliedern zugänglich gemacht zu werden. So genau man die Rosen kennt, welche das persische und indische Rosenöl liefern, ebenso unsicher ist die Kenntniss der Ursprungspilanze des europäischen Rosenöls. Die Bulgaren wachen mit eifersüchtiger Strenge über ihren Rosenfeldern, deren Blüthen ihnen jährlich Millionen ins Land bringen. Das bulgarische Gesetz verhängt über den Versuch, Oelrosen zum Export zu stehlen, grausame Leibes- und Gefängnissstrafen für die Eingeborenen, Gefängniss- und Geldstrafen bis zu 20 000 Frances für Ausländer. Trotzdessen ist die Oelrose nunmehr in deutschem Besitz; fast gleichzeitig erhielten der Secretair der Section und eine ıheinische Rosenfirma echte bulgarische Oelrosen und zwar auf ver- schiedenen Wegen. Die nach Breslau gekommenen Exemplare kamen in Wäsche eingerollt an, etwas sehr mitgenommen von dieser Transport- methode, haben sich aber sämmtlich erholt. 380 Jahres-Bericht Dabei hat sich das Resultat ergeben, dass die bulgarische Oelrose eine Form unserer uralten Oentifolie mit dichtgefüllter, hellrosaer Blüthe von entzückend starkem Duft ist. Ueber das Gedeihen der Oelrose in unserem Klima kann erst eine Reihe von Versuchen entscheiden. Vor- läufig sind die wenigen kostbaren Exemplare im Kalthause — der Sicher- heit wegen — überwintert worden, denn wenn auch wahrscheinlich der neue Pflegling völlig winterhart ist, so ist er doch zu kostbar, um ihn auf eine gefährliche Probe zu stellen, bevor nicht genügende Vermehrung vorhanden ist. Die vierte Sitzung wurde vom Secretair eröffnet mit der Mit- theilung, dass gewissermaassen als Ergänzung der Herbstausstellung von 1886 eine Frühjahrs-Ausstellung von getriebenen Blumen und Obst be- absichtigt werde. Die Idee fand allgemeinen Anklang und wurde der Secretair beauftragt, mit den beiden anderen grossen Gartenbau-Vereinen Breslaus darüber zu verhandeln. In das eventuelle Comit& wurden ge- wählt: Herr Professor Dr. Ferdinand Cohn, Herr Professor Dr. Engler, Herr Landschaftsgärtner Richter und der Secretair. Die im Laufe des Herbstes zum Abschluss gekommenen Verhandlungen über diesen Gegenstand ergaben, dass der Wunsch, eine Frühjahrs-Ausstellung in Breslau zu veranstalten, allgemeinen Beifall fand, dass jedoch, der für die Vorbereitungen zu kurzen Zeit wegen, von der anfänglich ge- - planten Abhaltung im Frühjahr 1888 abzusehen und die Ausstellung erst im Jahre 1889 abzuhalten sei. Nachdem Se. Excellenz der Herr Oberpräsident v. Seydewitz das Proteetorat der Ausstellung, welche nunmehr definitiv in der Osterwoche 1889 in Breslau abgehalten werden soll, übernommen hat, ist das Arbeits-Comit€ von den drei betheilisten Vereinen mit den nöthigen Vorarbeiten betraut worden. Als Ehren-Vorsitzender werden Herr Ge- heimrath Ferd. Cohn und Herr Professor Dr. Engler sich an n Leitung betheiligen. Da es für diese Ausstellung sich ausschliesslich um ein Bild heimischer Leistungen handelt, so sollen Anmeldungen nur aus Schlesien und Posen entgegengenommen werden. Die sonstige Begrenzung der auszustellenden Objecte und ihrer Classifieirung bleibt dem Comit& vor- behalten, jedenfalls aber soll die sogenannte Nebenindustrie, welche durch ihre Marktschreierei so viele Ausstellungen stört, ganz fern ge- halten werden. Die Preisrichter werden wiederum möglichst aus den Kreisen an der Ausstellung nicht betheiligter Fachleute genommen werden, um jeden Schein von Parteilichkeit fern zu halten. Sonntag, den 18. September, fand in Grünberg die vierte Wanderversammlungschlesischer Gartenbauvereine statt, wo- bei die Section durch Herrn Obergärtner Schütze vertreten war. der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 381 Der in Breslau an die schlesischen Gartenbau-Vereine ergangenen Einladung des Grünberger Gewerbe- und Gartenbau-Vereins, die vierte Wanderversammlung des Provinzial-Verbandes in Grünberg abzuhalten, waren eine stattliche Anzahl von Vertretern der Vereine zu Breslau (Seetion für Obst- und Gartenbau und Centralverein), Liegnitz (Garten- bauverein und Kunstgärtnerverein), Guhrau, Brieg, Leobschütz, Löwenberg, Ohlau, Oppeln, Ratibor, Schweidnitz, Jauer und Grünberg gefolgt. Bereits am Sonnabend, den 17. September, trafen mit den Abend- zügen viele auswärtige Gäste in Grünberg ein, wurden am Bahnhofe von den Comite-Mitgliedern des Grünberger Vereins empfangen und in Fülleborn’s Gesellschaftshaus geleitet, woselbst nach einem herzlichen Willkommen seitens des Comit&s die Versammelten die Abendstunden in gemüthlichem Beisammensein verbrachten, Für Sonntag, den 18. September, Vormittags, war ein gemein- schaftlicher Spaziergang durch die Obst- und Weingärten Grünbergs projetirt. Gegen 8%, Uhr wurden die Theilnehmer von dem Rendezvous auf dem Ressourcenplatze aus durch Mitglieder des Grünberger Vereins zunächst in das Bichler’sche Etablissement geleitet, um die ausgedehnten Obstplantagen, Baumschulen, Gehölz-Sortimente und sonstigen Culturen in Augenschein zu nehmen, Mit grossem Inter- esse wurden auch die ausgedehnten Dörr-Vorrichtungen, die Lager- und Packräume für frisches und getrocknetes Obst u. s. w. besichtigt. Zahl- reiche gedörrte Proben der Grünberger Local-Obstsorten waren aus- gelest und gaben Zeugniss von der Vortrefflichkeit der hier erzielten Producte. Ein ganz besonderes Interesse erregten im Eichler’schen Garten 2 alte Sortenbäume, je 1 Apfel und 1 Birne, von denen jeder mehr als 100 verschiedene Sorten trägt. Im Eichler’schen Etablissement be- findet sich auch der vom Gewerbe- und Gartenbau-Verein angelegte Versuchsgarten, in welchem durch Herrn O. Kichler jun. an bestimmten Sonntagen Unterweisungen im Obstbaumschnitt und sonstigen beim Obstbau vorkommenden Arbeiten an Interessenten und Freunde des Obstbaues ertheilt werden, Der Versuchsgarten dient zugleich als Mutter- garten zur Abgabe von Edelreisern und Bäumchen an Vereinsmitglieder und andere Gartenbesitzer. Nachdem alle diese Sehenswürdigkeiten unter Führung des Nestors der Grünberger Gärtner, Herrn Königl. Garten-Inspeetor Bichler sen., und seines Sohnes, Herrn Otto Eichler jun., in Augenschein ge- nommen, vereinigte ein Morgenimbiss die Versammlung auf dem schatti- gen Sitzplatze vor der Eichler’schen Villa. Nach kurzer Rast wurde der Spaziergang fortgesetzt. Die Theil- nehmer wurden über den „Löbtenz“ und die „Grünbergs Höhe“, von [} ir} 382 Jahres- Bericht deren Thurme sich dem Auge eine grandiose Rundschau über Grünbergs Obst- und Weingärten darbietet, nach dem unter Leitung des Herrn Bromme stehenden Garten der „Grünberger Actiengesellschaft‘“ geleitet. Auch hier wurde den durch die längere Wanderung in heisser Sonnen- gluth Ermatteten ein labender Trunk aus einer stattlichen Pfirsichbowle gereicht. Unter Führung des Herrn Bromme wurden dann die in bestem Zustande befindlichen Spalier- und Zwergobstbäume, die ver- hältnissmässig reich mit schönen Früchten behangen waren, und schliess- lich auch noch die ausgedehnten, prächtig stehenden Baumschulen be- sichtigt. In hohem Grade von dem Rundgange befriedigt, kehrten die Theil- nehmer nach der Stadt zurück und versammelten sich im Stadverordneten- Sitzungssaale. Die allgemeine Versammlung, welcher Vertreter der städtischen Behörden, ferner der Herr Landrathamts-Verweser, Freiherr v. Seherr- Thoss, beiwohnten, wurde gegen 12'/), Uhr durch den Verbands-Präsi- denten, Herrn Oekonomierath Stoll- Proskau eröffnet. Auf dessen Antrag wird seitens der Versammlung Herr Bürgermeister Dr. Fluth- graf zum Ehrenpräsidenten gewählt. Derselbe begrüsst mit warmen Worten die auswärtigen Gäste und heisst sie Namens der Stadt Grün- berg herzlich willkommen, deren gesammte Bürgerschaft mit Aufmerk- samkeit den Berathungen der Versammlung folge und von dem lebhaften Wunsche beseelt sei, dass die Brörterungen und Beschlüsse der heutigen Wanderversammlung dem schlesischen Gartenbau zum Heil und Segen gereichen mögen. Das Schriftführeramt übernimmt der Verbands-Secre- tair, Herr Obergärtner Göschke-Proskau. Das Wort erhält sodann Herr Eichler jun. zu dem von ihm über- nommenen Vortrage: „Ueber Grünbergs Obstbau und Obst- verwerthung“, dem wir folgende Notizen entnehmen: Schon seit alten Zeiten haben die Bewohner Grünbergs mit grosser Vorliebe den Obst- und Weinbau betrieben, ein Umstand, der wohl in dem milden Klima und der sonstigen günstigen Lage des Ortes seine Erklärung findet. Der Boden ist meist frischer, aber eultivirter Sand- boden, oft mit Lehm und Mergel vermengt. Die Ausdehnung des Obst- baues im Grünberger Bezirke beträgt gegen 5500—6000 preuss. Morgen, von denen etwa 5000 Morgen vornehmlich mit Wein, untermengt mit Obstbäumen, bestellt sind. Ausserdem finden sich aber auch vielfache Obstpflanzungen in geschlossenen Plantagen, in Hausgärten und an Chausseen. Es beträgt die Zahl der in Grünberg angepflanzten Aepfel- bäume 8000, Birnbäume 7000, Pflaumen und Zwetschen 50000, Kirschen 3000, Wallnüsse 2500, Aprikosen und Pfirsich sind in den Weinbergen zerstreut angepflanzt und gedeihen vortreiflich., Selbst essbare Kastanien liefern noch einigen Ertrag. der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 383 Die in Grünberg hauptsächlich angebauten und am besten rentirenden Obstsorten, z. Th. blosse Localsorten, sind folgende: Aepfel: Kieiner Herren-Apfel, Danziger Kant-Apfel, Rother Herbst- Calvill, Edelkönig, Purpurrother Cousinot, Nonpareil, Prinzen- Apfel, Welschweinling, Weisser Astrakan, Gravensteiner, Kaiser Alexander, Winter-Goldparmäne. Birnen: Leipziger Rettigbirne, St. Germain, Frühe Muskateller, Flachsbirne, Jungfernbirne, Salzburger, Diel’s Augustbirne, Frei- stätter Speckbirne, Sommer-Ambrette, Weisse Herbstbutterbirne, Franzmadam, Liegel’s Winterbutterbirne, Forellenbirne, Napoleons Butterbirne, Lissaboner, Holde Mine, Kirsehen: Gubener Bernsteinkirsche, Porzellankirsche, Gubener Knorpelkirsche, Rothe Maikirsche, Doppelte Glaskirsche, Ostheimer Weichselkirsche. Pflaumen: Ausser der Hauszwetsche, Reineclaude, Italienische Zwetsche, Rothe Eierpflaume, Ottomanische Kaiserpflaume, und in neuerer Zeit besonders Anna Späth. Ausser diesen genannten, allgemein angebauten Sorten finden sich aber auch schon die neuesten Einführungen und Erscheinungen auf dem Gebiete der Pomologie in den Gärten angepflanzt. In dieser Beziehung sind namentlich die Bemühungen des Grünberger Gewerbe- und Garten- bau-Vereins rühmlichst hervorzuheben. Das durchsehnittliche jährliche Quantum der Grünberger Obsternte beträgt: Aepfel 8—-10000 Ctr., Birnen 6—10000 Ctr., Pflaumen (Haus- zwetschen) 15—30000 Ctr., Sauerkirschen 4—600 Ctr., Süsskirschen 4—-500 Ctr., Walnüsse 700—1000 Ctr., Himbeeren 4—500 Ctr. Das gewonnene Obst wird theils frisch versandt oder an Händler verkauft, theils gebacken, zu Mus verarbeitet und zu Saft_oder Wein gepresst. An Pflaumenmus werden etwa 5000 Ctr. produeirt. Himbeeren und Johannisbeeren werden meist zu Saft und Syrup verarbeitet. Die jähr- liche Obsternte repräsentirt einen durchschnittlichen Gesammtbetrag von 200000 Mark. Für diesen höchst interessanten Vortrag drückt die Versammlung dem Redner ihren Dank durch Erheben von den Sitzen aus. Hierauf erhielt Herr Kaufmann August Förster das Wort zu dem nicht minder interessanten Vortrage: „Ueber Grünbergs Weinbau.“ Redner entrollte ein sehr eingehendes Bild über die Entstehung und Entwiekelung des Grünberger Weinbaues vom Jahre 1150 an. Jedoch erst im ersten Viertel dieses Jahrhunderts hat der Weinbau in Grünberg durch Einführung rationeller Kelterei und Küferei einen bedeutenden Aufschwung genommen und ist bis zum Jahre 1864 in seiner Aus- dehnung auf 5000 Morgen gestiegen. Seit dieser Zeit ist der Preis für 384 Jahres- Bericht Grund und Boden der Weinberge allmählich gesunken. Während im Jahre 1860 für den Morgen Weinland durchschnittlich 193 Thaler ge- zahlt wurden, könne man heute dafür nur ungefähr eben so viel Mark erzielen. In Grünberg wird lediglich Zwergbau getrieben. Etwas Eigen- thümliches für diese Gegend ist das Verjüngen der Stöcke in den Wein- bergen vermittelst des Senkens. In den letzten Jahren hat 1 Hektar Weinland durchschnittlich ca. 8 Hectoliter Wein ergeben, von welchem ein grosser Theil zur Champagnerfabrikation Verwendung findet. Die Versammlung votirte auch Herrn Förster durch Erheben von den Sitzen ihren Dank für den eben gehörten lehrreichen Vortrag. Hierauf Schluss der allgemeinen Sitzung gegen 2 Uhr. Von der festgesetzten Tagesordnung wurde nun insofern abgewichen, als die Versammlung den Beschluss fasste, wegen der vorgeschrittenen Tageszeit zunächst das gemeinschaftliche Mittagsmahl einzunehmen und dann danach die Delegirten-Sitzung abzuhalten. Im Logensaale vereinigten sich die Theilnehmer der Wander-Ver- sammlung zum gemeinschaftliehen Mittagsmahle, während dessen Verlauf Herr Bürgermeister Dr. Fluthgraf den ersten Toast auf Se. Majestät den Kaiser Wilhelm ausbrachte. Herr Eichler jun. toastete auf den Provinzial-Verband schlesischer Gartenbau-Vereine, Herr Oeko- nomierath Stoll auf den Grünberger Verein. Auf den Nestor der schlesischen Pomologen und zugleich auf seinen hochverehrten Lehrer, den Director des Königl. pomologischen Instituts zu Proskau, Herrn Oekonomierath Stoll, brachte Herr Eichler ein Hoch aus. Schliess- lich sprach Herr Göschke den städtischen Behörden Grünbergs, in erster Reihe Herrn Bürgermeister Dr. Fluthgraf, für das durch ihre Betheiligung an den Verhandlungen bewiesene Interesse den Dank der auswärtigen Gäste in einem Hoch aus, in welches diese begeistert ein- stimmten. Nach Aufhebung der Tafel traten die Delegirten der Vereine unter dem Vorsitze des Herrn Oekonomierath Stoll zu der Delegirten- Sitzung zusammen, um die aufgestellten Punkte der Tagesordnung zur Erledigung zu bringen. Es waren Delegirte aus folgenden Vereinen anwesend: Breslau (I und II), Liegnitz (I und II), Freiburg, Brieg, Jauer, Grünberg, Guhrau, Oppeln, Leobschütz, Ohlau, Löwenberg, Ratibor. 1. Aus dem vom Verbands-Secretair erstatteten Berichte geht her- vor, dass im Bestande des Verbandes keine Veränderungen vorgekommen sind. Der Verband habe aber durch den Tod des Herrn Schlossgärtner Friekinger-Laasan einen herben Verlust zu beklagen, da der Ver- storbene, wie bekannt, wesentliche Verdienste um das Zustandekommen der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 385 und Gedeihen des Verbandes sich erworben habe. Die Versammlung ehrt das Andenken des Verstorbenen durch Erheben von den Sitzen. Im Auftrage des nicht anwesenden Verbands-Kassirers, Lehrer Leichter-Leobschütz, giebt Herr Handelsgärtner Unger - Leobschütz einen kurzen Ueberblick über den Stand der Kasse. Derselbe hebt jedoch hervor, dass noch mehrere Vereine mit der Zahlung ihrer Bei- träge an die Verbandskasse im Rückstande sind. Referent knüpft hieran das Ersuchen, die fälligen Beiträge möglichst bald an den Verbands- Kassirer einzusenden. Nach dem vorgelegten Abschlusse ertheilt die Versammlung dem Verbands-Kassirer Decharge. 2. Beschlussfassung über die für Schlesien zur allgemeinen An- pflanzung an Chausseen empfehlenswerthen Aepfel- und Birnensorten, Ueber die bereits in der vorjährigen Versammlung in Breslau für den vorliegenden Zweck vorgeschlagenen Aepfel- und Birnensorten sind die sämmtlichen Verbands-Vereine befragt worden. Aus der Zusammen- stellung der von der grösseren Anzahl der Vereine eingelaufenen Gut- achten ergiebt sich, dass einzelne der vorgeschlagenen Sorten sich für alle oder doch die meisten örtlichen und Bodenverhältnisse gut eignen, während dies bei anderen nur in mittlerem oder geringerem Grade der Fall ist. Der Verbands-Seeretair empfiehlt, da es sich um eine Empfehlung von Obstsorten zur allgemeinen Anpflanzung handelt, lieber eine geringere Zahl für alle Verhältnisse geeigneter Sorten, als ein zu grosses Sorti- ment auszuwählen. Die Versammlung beschliesst demnach, 10 Aepfel- und 10 Birnensorten auszuwählen, da diese Zahlen auch wohl am nächsten den abgegebenen Stimmen der Vereine entsprechen dürften. Nachdem über jede einzelne der genannten Sorten noch eine specielle Diseussion stattgefunden, wird die getroffene Auswahl von der Versamm- lung zum Beschluss erhoben. Es sind somit zur Anpflanzung an Chausseen in Schlesien in erster Reihe folgende 10 Aepfelsorten zu empfehlen, resp. zu verwenden: 1, Winter-Goldparmäne, 6. Parker’s Pepping, 2. Grosse Kasseler Reineite, 7. Purpurrother Cousinot, 3, @rosser rheinischer Bohnenapfel, 8. Weisser Winter-Taffetapfel, 4. Baumann’s Reinette, 9, Landsberger Reinette, 5. Fraas’ Sommer-Calvill, 10. Boikenapfel. In gleicher Weise wurde mit den Birnensorien verfahren, und ergab die Diseussion resp. Abstimmung folgende Collection von 10 Sorten: 1. Rothe Bergambotte, 6. Punktirter Sommerdorn, 2. Liegel’s Winter-Butterbirne, 7. Salzburger, 3. Gute Graue, 3. Gute Louise von Avranches, 4. Prinzessin Marianne, 9, Wildling von Motte, 5. Leipziger Rettigbirne, 10. Coloma’s Herbst-Butterbirne. 1887, 25 386 Jahres-Bericht 3. Zur Beschlussfassung über das ins Leben zu rufende Verbands- Organ referirt der Verbands - Secretair über den derzeitigen Stand der Angelegenheit. Eine ungetheilte Zustimmung sämmtlicher Vereine hat der Antrag nicht gefunden. Gerade einige der grösseren Vereine haben sich ablehnend verhalten, obgleich nach den derzeitigen Offerten der Druckereien der Preis für den Jahrgang von 12 Nummern & '/, Bogen im Format der bisherigen Verbandsberichte sich auf höchstens 50 Pfe. pro Mitglied stellen dürfte. Referent weist den Vorschlag einzelner . Vereine zurück, nur auf eine verhältnissmässig geringe Anzahl von Exemplaren des Verbands-Organes abonniren zu wollen, da das nicht im Sinne des Unternehmens liege. Es handle sich eben nicht um eine Garten-Zeitung, sondern um ein Verbands-Organ, welches allen Mit- gliedern der Vereine zu einem möglichst billigen Preise zugehen müsse, wenn es nutzbringend sein solle. Herr Knebel-Liesnitz macht den Vermittelungsvorschlag, mit der Herausgabe des Verbands-Organes zu beginnen, auch wenn sich einzelne Verbands-Vereine nicht daran be- theiligen würden. Die Versammlung ermächtigt schliesslich den Ver- bands-Vorstand, weitere Unterhandlungen mit den einzelnen Vereinen anzuknüpfen, und event. nach dem Vorschlage des Liegnitzer Vereins. zunächst die zustimmenden Vereine durch das projectirte Verbands-Organ zu vereinigen, den für jetzt ablehnenden Vereinen es überlassend, ihren Beitritt später zu erklären. (Inzwischen hat sich diese Angelegenheit insofern günstiger gestaltet, als durch wiederholte Verhandlungen mit den eoneurrirenden Druckereien ein noch niedrigerer Preis erzielt worden ist, so dass sich der Preis pro Jahrgang von 12 Nummern & '/, Bogen pro Mitglied auf etwa 25 Pfennige stellen wird. Eine Anzahl Vereine hat unter diesen veränderten günstigeren Bedingungen ihren Beitritt zum Verbands-Organ bereits erklärt und wird dasselbe, wenn auch noch nicht in der anfänglich gewünschten Auflage, so doch für die zustimmenden Vereine vom Jahre 1888 ab erscheinen.) 4. Den Antrag des Coseler Vereins, „der Provinzialverband wolle darauf einwirken, dass Nachbarvereine sich nicht dadurch schädigende Concurrenz machen, dass die von ihnen abzuhaltenden Ausstellungen zu gleicher oder fast gleicher Zeit stattfinden,“ nimmt die Versammlung zur Kenntniss und empfiehlt selbigen den resp. Vereinen zur Berück- sichtigung. 5. An Stelle des verstorbenen Obergärtners Friekinger ist die Wahl eines Beisitzers vorzunehmen. Ferner ist durch das Ausscheiden des Herrn Stämmler-Liegnitz aus dem Verbande an dessen Stelle ein Stellvertreter des Verbands-Secretairs zu wählen. An Stelle des Herrn Frickinger wird Herr Eichler jun.-Grünberg zum Beisitzer, an Stelle des Herın Stämmler Herr Knebel-Liegnitz zum stellvertretenden Verbands-Secretair gewählt. der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cuitur. 387 6. Nach Erledigung der Tagesordnung bleibt noch die Wahl des Ortes für die nächstjährige Wander-Versammlung vorzunehmen. Von Seiten des Freiburger Vereins ergeht an den Verband die Einladung, nächstes Jahr die Wander-Versammlung in Freiburg oder Schweidnitz abzuhalten. Die Versammlung nimmt diese Einladung mit Dank an und wählt Schweidnitz als Ort für die nächste Wander-Versammlung im Jahre 1888. Schliesslich legte Herr Obergärtner Schütze-Breslau der Versamm- lung einige interessante Neuheiten vor und zwar: 1. Blätter von Hybriden von Begonia Rex discolor, B. Diadema Rex, darunter Madame de Glosson; 2. sehr grosse ansehnliche Blumen von Zwerg-Canna’s, darunter Le Tigre, mit getigerten Petalen; | 3. einen Zweig mit Blüthen und Früchten von Martynia lutea, von Herrn Krauspe in Oberhof; 4. die Abbildung eines neuen gefüllten Gladiolus - Sämlings, welcher von Herrn Handelsgärtner Wloezik-Breslau gezüchtet und dem Herrn Oberpräsidenten der Provinz Schlesien zu Ehren „Ober- präsident von Seydewitz‘ benannt worden ist. Ueber diesen neuen @ladiolus berichtete in der Sitzung vom 4. Oetober der Secretair, welcher diese köstliche Züchtung zu Ehren des Herrn Oberpräsidenten und unter dessen Genehmigung getauft hat, Als im Jahre 1844 van Houtte zum ersten Male die schöne, in Gent gezüchtete Kreuzung zweier kapischer Gladiolus - Arten unter dem Namen Gladiolus Gandavensis in seinem Kataloge aufführte, sagte er mit richtiger Prophetengabe diesem Genter Kunstproduet eine reiche Zukunft voraus. In kurzer Zeit bürgerten sich diese Gladiolus-Hybriden in den Gärten so ein, dass man heut überhaupt an gar kein anderes Glied der zahlreichen Familie denkt, als an die van Houtte’sche Kreuzung, wenn man von Gladiolus spricht. Vor uns liegt das Märzheft des Jahres 1846 der van Houtte’schen Flore des Serres et des Jardins de L’Europe, dessen Tafel I die erste Abbildung des Gladiolus Gandavensis — in Naturgrösse — bringt. Der erläuternde Artikel stammt aus Lemaire’s Feder und charakterisirt die neue Hybride: „Aus Gladiolus Natalensis (psiltacinus) und einem kräftigen Gl. cardinalis in den Gärten entstanden, von hervorragender Höhe des Wuchses, mit sehr grossen, herrlichen, prachtvoll und verschiedenartig gefärbten Blüthen.‘ Lemaire schreibt sodann, dass, wenn die beigegebene Abbildung vor der Einführung der Pflanze in den Handel bekannt gegeben worden wäre, in allen gärtnerischen Kreisen nur ein einstimmiger Ruf. der Ueber- raschung ertönt wäre bezüglich des Effeets des prachtvollen Farbenspiels 95* 388 ' Jahres-Bericht der Blüthe und des stolzen Baues der entzückenden Pflanze — und dabei gehörte Lemaire bekanntlich nicht zu den Schriftstellern, welche in Superlativen arbeiten, sondern war ein sehr nüchterner Beurtheiler. Die Geschichte dieses Pflanzenwunders ist historisch festgestellt. Die Kreuzung entstand im Garten des Herzogs von Ahremberg — „‚jardins si renommes en Rurope pour les richesses vegetales qu’ils renferment‘“ — aus einer künstlichen Befruchtung von Gladiolus cardinalis und Natalensis- Das Kind überragte beide Eltern im Wuchs und ergab Monstre- Exem- plare von 2 m Höhe, wovon 1 m auf den Blüthenstand kam. van Houtte erwarb sofort den ganzen Bestand und brachte ihn in den Handel. Die Genter Gladiolus haben den Wuchs und die Form der Inflores- cenz (des Blüthenstandes) von Gladiolus Natalensis geerbt, nur in ver- srössertem Maassstabe, das Colorit von @I. cardinalis, aber viel feuriger und farbenreicher. Die Blüthenfarbe des abgebildeten Exemplars ist leuchtend orange mit dunkleren Streifen nach den Rändern der Blumenblätter, während nach innen ein angenehm gelber Ton sich abhebt. Orangegelbe Fär- bungen mit Abstufungen in Chromgelb, mit Reflexen in Rosa und Ama- ranth waren die anfänglich herrschenden Colorite, denen sich erst er- heblich später weisse und zartrosa Nuancen anreihten, bis nach und nach jene wundervolle Farbenscala zusammenkam, welche das heutige Sortiment Genter Gladiolen auch dem verwöhntesten Auge reizvoll er- scheinen lässt. Wollten wir auf einzelne Sorten eingehen, so müssten wir unsere Leser durch vierzig Jahrgänge gärtnerischer Zeitschriften und Katalog- Litteratur kindurchführen, denn fast jedes Jahr hat neue Gladiolen gebracht, Merkwürdigerweise blieb trotz der Massencultur der Gladiolen eine Erscheinung aus, welche unter gärtnerischer Pflege bei so vielen Pflanzen eintritt, und oft sehr rasch eintritt, die Füllung der Blüthe. Die Blüthe der Gladiolen besteht bekanntlich aus zweimal drei Blumenblättern, von welchen sich die drei inneren als obere, grössere, intensiver gefärbte, die drei äusseren als untere, kleinere markiren. Dann folgen drei Staubfäden (mit für unsere Kreuzung meist violetten Staubbeuteln) und ein einfacher Griffel mit dreispaltiger Narbe. Hin und wieder zeigte wohl einmal in der langen Reihe von Cultur- jahren unter den Millionen von Garten-Exemplaren ein Staubfaden die Neigung, sich in ein Blatt umzuwandeln, aber diese beginnende Füllung blieb nie constant und nirgends trafen wir bisher auf Notizen über ge- füllte Gladiolen. Um so freudiger war unser Erstaunen, als uns im vorigen Sommer ein Breslauer Kaufmann, der aus dem Liebhaber Handelsgärtner ge- worden ist, Herr Hugo Wloezik, die in ausgezeichneter Weise schön gefüllte Gladiole brachte. Da war mit einem Schlage nicht eine der Schles. Gesellschäft für vaterl. Cultur. 3839 durch ein Paar zufällige Blättchen dürftig gefüllte Gladiolus-Blüthe, son- dern eine regelmässig imbriquirte, prächtig volle Blüthe von elegantestem Bau und zartester Färbung. Seit vielen Jahren ist dieser erste gefüllte Gladiolus seinem glück- lichen Züchter constant gefüllt geblieben und hat sich in constanter Füllung vermehrt, alle Sprosszwiebeln brachten immer wieder dieselbe schöne volle Blüthe. Im Jahre 1880 fiel Herrn Wloczik, der seit langer Zeit Gladiolen eultivirte und aus selbst gewonnenem Samen ver- mehrte, ein einzelnes Exemplar einer grossen Aussaat auf, welches un- gewöhnlich dieke Knospen trug und beim Oeffnen sich als die von uns abgebildete Sorte erwies. Die Zwiebel wurde sorgfältig markirt und weiter gepflest, sämmtliche Sprosszwiebeln zeigten 1882 regelmässig gefüllte Blüthen, und der sorgfältige Cultivateur hatte 1886 die Freude, ein Beet voll gefüllter Gladiolen zu besitzen. Die Zahl der Pflanzen liess für das nächste Jahr die Möglichkeit sehen, die brillante Neuheit in grösserer Menge in den Handel zu bringen. Da kam das Verhängniss in Form der grauen Erdraupe, und drei gerettete Zwiebeln waren die Trümmer des schönen Luftschlosses. Von neuem ist der Bestand heran- gewachsen, nunmehr auf das Sorgfältigste beachtet und beschirmt, und jetzt im Ganzen an Vietor Lemoine in Nancy für 1000 Franes ver- kauft, der nunmehr die erste gefüllte Gladiole auf den Neuheiten-Markt bringen wird. Wie einst vor vierzig Jahren van Houtte der neuen Züchtung ihre Erfolge voraussagte, dürfen auch wir wohl mit local-patriotischem Stolze dieser Breslauer Verbesserung der schönen Pflanze eine freudige Auf- nahme in den Gärten und eine reiche Zukunft prophezeien. Ist erst einmal eine gefüllte Sorte vorhanden, so werden zweifellos Farben- nuancen aller Art folgen. Da diese erste Sorte aber für lange Zeit Epoche machen wird, so baten wir uns von dem Herrn Oberpräsidenten von Schlesien, Sr. Exeellenz dem Wirklichen Geheimen Rathe von Seydewitz die Er- laubniss aus, an dieses so hervorragende Erzeugniss einheimischer Garteneultur seinen Namen knüpfen zu dürfen. Der schlesische Garten- bau verdankt Herrn v. Seydewitz eine so wohlwollende stete Förderung, so andauernde Unterstützung und Theilnahme für alle praktischen Be- strebungen der Gärtnerei, dass wir uns innig freuen, Gelegenheit gehabt zu haben, den Namen des allseitig hochverehrten Mannes mit eimer Pflanzenschönheit verknüpfen zu können, welche bald ebenso bekannt sein und bleiben dürfte, als etwa Marschall Niel unter den BZ Das so wundervoll zarte Colorit ist im Leben von einem äusserst sanften Atlasglanz überhaucht. Die Uebergänge aus weiss u HBER lieblichste Rosa, der markante dunkle Mittelstrich auf ee va Grunde, welcher fast jedes Blumenblatt auszeichnet, vereinigen sıch zu 390 Jahres-Bericht einem harmonischen Bilde, welches selbst eine nicht gefüllte Blüthe als Schönheit ersten Ranges erscheinen lassen würde. Die Regelmässigkeit der Füllung und die sehr lange Dauer der einzelnen Blüthe eignen unseren Gladiolus „‚Oberpräsident von Seydewitz“ ganz besonders für die feine Bouquetarbeit. Da die Füllung eine ganz vollkommene ist, brauchen wir wohl kaum hervorzuheben, dass jede Samenbildung wegfällt, die Vermehrung also nur auf die bekannten Sprosszwiebeln angewiesen ist. Die Gla- diolen gehören zu jenen alt eingebürgerten Gästen unserer Gärten, deren Cultur Jedermann bekannt ist und welche bei nur einiger Pflege überall gedeihen. In der folgenden Sitzung wurden einige der aus von Herrn Ledien vom Congo mitgebrachten Samen im hiesigen botanischen Garten ge- zogenen Pflanzen vom Secretair vorgelegt und besprochen. Während die meisten der etwa 300 Arten nur botanisches Interesse bieten, sind Eulophia congensis — eine kleinblüthige Orchidee mit schöngezeichneten Blättern —, ein Codonoerinum und ein wahrscheinlich neuer Phoenix aus der Reelinata-Gruppe auch gärtnerisch werthvoll. Der beste Fund aber dürfte eine sonderbare Apocynacee sein, welche den Namen Strophanthus Ledieni Stein trägt und von dem Secretair be- schrieben wird: Strophanthus Ledienii Stein. Wurzelstock rübenartig verdickt, Faserwurzeln knollentragend. Strauchartig, Aeste rutenförmig, die ste- rilen aufrecht, die blühenden niederliesend, im unteren Drittel glatt, braunrindig, nach oben spärlich angedrückt-weichhaarig. Blätter ab- fallend, gegenständig, fast sitzend, verkehrt eiförmig, plötzlich in eine kurze Spitze ausgezogen, ganzrandig, beiderseits und am Rande fein weichhaarig. Blüthen vor den Blättern, in Cymen zu 3—7 an den Ast- spitzen, kurzgestielt. Deckblätter 1—2, breit linear, zugespitzt. Kelch tief fünfspaltig, die Lappen aus elliptischem Grunde breit linear und oben kurz scharf zugespitzt. Blüthenstiele, Deckblätter, Keleh und Aussenseite der Blumenröhre dicht weichhaarig. Blumenkrone trom- petenförmig, Röhre schmal, wenig länger als die Kelchzipfel, weissgelb, sich mit kurzer Wölbung in einen breiten Saum ausbiegend. Saum fünflappig; Lappen eiförmig, aus dem Orangegelben nach den Rändern heller, plötzlich verschmälert und in sehr lange lineare, gedrehte, hell- orangegelbe Fäden ausgezogen. Ligularschuppen zehn, zu einer Para- korolle verbunden, aus breitem Grunde lang dreieckig zugespitzt, dunkelviolett. Antheren weiss, kurz gestielt, pfeilförmig mit sehr kurzer Spitze, sternförmig sich nach innen zusammenneigend. Fruchtknoten zweispaltig, die beiden Fächer bald wagerecht auseinander spreizend mit kurzem Griffel und kopfförmiger Narbe. Frucht eine lang eylindrisch- der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 391 kegelförmige Balgfrucht mit lederartiger, brauner, gelbmarmorirter Hülle. Samen zahlreich, gelbbraun, seidenhaarig, ei-elliptisch, am oberen Ende zugespitzt und in eine lange zierliche Haarfeder auslaufend. Auf Felsplatten nächst Vivi am Congo im September 1885 von Fr. Ledien aufgefunden. Ist nächstverwandt dem Str, hispidus DC., Prodrom. VIII p. 419, von Sierra Leone (Smeathm.) und vom Rio Nunez (Heudelot) (welchen wir seit 2 Jahren in einem kräftigen Exemplar, das wir dem botanischen Garten in Edinburg verdanken, cultiviren), unterscheidet sich aber von diesem durch mehr als doppelt so grosse Blüthen mit dreimal längeren Fäden, breiteres Blatt, durch die viel weichere, anliegende Behaarung und den weniger steifen Wuchs der Aeste. Wir besitzen von Str. Ledienii Blüthen und Früchte, welche Ledien 1835 am Congo sammelte, und einige lebende Exemplare aus den von Ledien mitgebrachten Samen. Diese zeigen einen kurz-rübenartigen, verdickten Wurzelstock — ähnlich ist auch der von Str, hispidus ge- bildet — und zahlreiche haselnuss- bis wallnussgrosse \Wurzelknollen, sanz ähnlich den Bildungen an den Wurzeln von Spiraea filipendula. Die sterilen Triebe — Blüthen haben sich natürlich in den ersten zwei Jahren noch nicht entwickelt — sind schlank und dünn, aufrecht, unten glatt mit stellenweise lösender, brauner, zarter Rinde, oben weichhaarig. Die Blätter sind ziemlich gross, 10—15 em lang, 3—5 cm breit, dunkel- grün, unten nur wenig heller, an den Rändern dicht, sonst beiderseits wenig auffällig angedrückt weichhaarig. Die Blüthen sitzen in gedrängten Cymen auf 1—2 em langen Stielen, welche sich zur Fruchtreife stark verdieken. Deckblätter 8—10 mm lang, circa 2 mm breit; Kelchzipfel 15 mm lang, 3 mm breit; Blumenröhre etwa 20 mm lang, unten 5 mm breit, sich in einen Saum von 25—30 mm Durchmesser erweiternd. Saumlappen an der Basis etwa 5 mm breit, sich in 15—20 em lange, etwa 2 mm breite Fäden verdünnend, welche ebenso wie die Kronlappen auf der Oberseite völlig glatt (die von Str. hispidus sind beiderseits be- haart), unterseits sehr zart angedrückt weichhaarig sind, Zipfel der violetten Innenkorolle 5—7 mm lang, etwa 1,5 mm breit. Antheren reinweiss, zu einem äusserst zierlichen Stern mit den 5 Spitzen zu- sammengeneigt, ca. 5 mm lang, mit ganz kurzer Spitze. Narbe zur Blüthezeit etwa stecknadelkopfgross auf sehr kurzem Griffel. Jede =: beiden wagerecht in gerader Linie auseinanderstehenden Balgfrüchte ist 25—35 em lang, so dass die Gesammtfrucht also mindestens einen halben Meter lang ist. Die Früchte sind an der Basis ad fingerdick und verjüngen sich gleichmässig nach den Spitzen zu. Die dieke Narbe wächst mit und bleibt als kopfiger Aufsatz jedes Endes stehen. Samen, etwa von der Form und Grösse eines Weizenkornes, dicht seidig gelb- braun behaart und an der Spitze in einen etwa 2 cm langen Faden 392 Jahres - Bericht ausgehend, welcher die ca. 5 mm lange Haarkrone trägt. Diese ist reinweiss und ungemein zart und schön regelmässig federartig gebildet, so dass sie einen Flugapparat erster Güte abgiebt. Die Milchsaftgefässe des Stammes sitzen ziemlich tief, der dieke weisse Saft ist nach Dr. Schuchardt-Görlitz scharf giftig. Wir säten die etwa 7,5 em langen Samen im warmen Beet an, sie keimten sehr gut und gedeihen bei minimal 12° R. im vollen Lichte in Kamellienerde ausgezeichnet. Die Ruheperiode tritt bei uns im December ein und erstreckt sich bis zum März; trocken gehalten haben wir die Pflanzen aber auch in dieser Zeit nicht und sie befinden sich sehr wohl dabei. Die originelle Blüthe dürfte die Pfilanze zu einer werthvollen Acqui- sition unserer Warmhäuser machen, um so mehr als Str. Ledienü jeden- falls auch längere Zeit trockene Zimmerluft vertragen dürfte und sehr dankbar wächst. Herr Ledien, von 1883—1886 Chef der Öulturen in Vivi, jetzt Vorsteher der Schäfer - Hansen’schen Treibereien in Breslau, berichtet Folgendes über seinen schönen Fund: Die traurigen klimatischen Verhältnisse am Congostrome, die keine grossartige Vegetation aufkommen lassen, wie sie anderswo in den Tropen fast einzig den Werth eines Landes für Europa bestimmt, haben dort eine ganz sonderbare Flora herangebilde. Man wird mit Recht erwarten können, dass die Pflanzen des Congo weniger anspruchsvoll sein werden, als es sonst die Kinder der heissen Striche sind; wenn wir einmal wirklich etwas Brauchbares für unsere Häuser von dort er- halten, so wird es eine Pflanze sein, die sehr ärmliche Bodenverhältnisse, einen 6—8 Monate dauernden Wassermangel und ausserordentlich hohe Hitzegrade bei gänzlicher Trockenheit gewöhnt ist; sie wird sozusagen unverwüstlich sein. Vielleicht dürfen wir noch den Schluss daran knüpfen, dass dieselbe ausserordentlich modellirfähig in der’ Hand des denkenden Gärtners sein wird, indem sie auf bessere Pflege, als die natürliche Lage sie bot, in der Weise reagiren wird, dass sie etwaige Fehler ablegen wird. Beispielsweise würde regelmässige, gute Behand- lung vielleicht im Stande sein, vielen sonst ganz hübschen Pflanzen dortiger Länder das spindelige Wachsthum zu nehmen, welches eine ganz allgemeine Erscheinung ist bei jenen laubabwerfenden Pflanzen, welche alljährlich 6 Monate lang mit Mühe kaum ihr Leben fristen, um nachher in den übrigen 6 Monaten infolge übermässiger Regenmassen sozusagen nach dem Meter zu treiben. Eine gute Seite aller Pflanzen von dort wird wahrscheinlich bei entsprechender Behandlung eine leichte Blühbarkeit sein. Bezüglich des Standortes werden die besseren, cultur- würdigen Arten wahrscheinlich am richtigsten im Ananashause, mit seiner periodenweise trockenen und feuchtheissen Behandlung, stehen. der Schles. Gesellschaft für vaterl, Cultur. 393 Was die neue Pflanze betrifft, so fand der Verfasser dieselbe in der Nähe der Station Vivi am Congo, in einer steilwandigen Schlucht, auf einer sehr schwer zugänglichen Felspartie. Die letztere Eigenschaft der Schlucht muss es gewesen sein, welche veranlasste, dass trotz der Nähe der Station, welche auf der überragenden Felswand fast darüber lag, noch Niemand die schönen eigenartigen Blüthen entdeckt hatte. Thatsächlich war die Excursion, hinab an den glatten Schieferwänden, mit Lebensgefahr verbunden. Trotzdem machte Verfasser den Weg in diese malerische Fels- wildniss oft genug auf der Suche nach den wenigen Bewohnern dieser kahlen Felsplatten, selbst ohne diese einsame Schöne zu finden. Einige halbtodte Baobab, eine eucalyptusblätterige Fieusart, eine dreiflügelig - ahornfrüchtige Pflanze (Dipterocarpee?) und ein Coceulus bildeten die höhere Vegetation. In den leichten Ausmuldungen der grösseren Felsplatten, wo sich etwas Lehm und verrottetes Laub zu einer leicht abhebbaren Bodendecke verbunden hatten, standen von kleineren Pflanzen eine Bouvardia-Art, ein hohes Sedum, wie unser S. coceineum, zwei Salvien, die sonderbare Sarcostemma (Asclepiadee), die mit ihren riemenförmigen Phyllodien an einzelne Vandeen er- innert. “ Im Juli 1885 fand Verfasser in dieser Gesellschaft an einem blätter- losen Strauch die sonderbare zweiarmige Frucht, ohne zu wissen, welche herrlichen Blüthen dazu gehörten; und es war nicht ganz falsch gegriffen, wenn er sie als eine Asclepiadee nach Hause sandte. Erst im September, nachdem einige leichte Regen die Vegetation ein wenig angeregt hatten (Mai bis October grosse trockene Zeit), erschienen an den noch blatt- losen, langpeitschenförmigen Zweigen die Blüthen in theilweise noch reichblüthigeren Dolden, als die Illustration sie andeutet. Die Freude war eine begreifliche, da es nach langem Suchen endlich einmal etwas von Bedeutung war. Meine Hoffnung, etwas Neues gefunden zu haben, wurde nicht getäuscht, als ich später bei meiner Rückkehr nach Europa im Herbarium zu Kew nach der Pflanze suchte. Dort waren allerdings getrocknete Exemplare und zwar aus den verschiedensten Gegenden des tropischen Afrikas. Sie waren der Familie Apocynaceae unter dem Gattungsnamen Strophanthus eingereiht, und zwar hatte man als Exem; plare trotz mannigfacher Unterschiede als Str. hispidus bezeichnet; ein Exemplar kam sogar von der Ostseite. Sonderbar war nur ge Er- scheinung, dass keine einzige lebende Pflanze in Kew existirte, trotzdem über fusslange wohlgereifte Früchte mit im Herbar lagen. Wir werden also jetzt die Freude haben, zum ersten Male diese sonderbare Gattung in lebenden Exemplaren beobachten zu können. Die Vermuthung scheint berechtigt zu sein, dass wir in der vorliegenden Pflanze eine andere 894 Jahres - Bericht und zwar schönere Species vor uns haben, als die unter hispidus zu- sammengefassten. Die Blüthen unseres Strophanthus von Vivi am Congo haben unbe- dingt die vierfache Grösse derjenigen des Str. hispidus. Dafür zeigt sich bei unserer Species der Fehler, dass sie kurz vor den Blättern blüht; allerdings waren an dem blüthentragenden Strauche andere Zweige schon belaubt; es ist also nicht unmöglich, dass eine regelmässige Cultur die Blüthen an beblätterten Zweigen bringt, was dann einen unvergleichlich schönen Anblick geben muss, da die Blätter oberseits dunkelgrün und sammtig behaart sind. Der eigentliche Blüthenkelch ist fleischig-diek- wandig und sehr consistent, und nur die Schwänze sind sehr zart. Sie hielten sich aber doch eben so lange wie die Blüthenkelche und gaben, trotz der Blattlosigkeit des Zweiges, ein wundervolles Bild. Später hat Verfasser die Pflanze, trotz eifrigen Suchens, an anderen Plätzen nicht wieder gefunden, Der Standort war, wie schon angedeutet, ein gewaltiger Felsblock, der täglich durch die Sonne bis zu unglaublichem Grade erhitzt wurde. In einer kleinen, vielleicht 2 m durchmessenden Ausmuldung lag etwa handhoch eine Schicht Erde, und darin gedieh, mit einigen der oben- genannten kleineren Pflanzen zusammen, dieser Strophanthus. Von Februar bis Anfang Mai, wo die Gewitterstürme und Regenmassen in jener schmalen langgestreckten Ravine furchtbar hausen, hat der Strophanthus seine Wachsthumsperiode, die er nach der feuchten Zeit noch bis in den Juni fortsetz. Nachher fehlt alles zur Weiterentwickelung. Dann reifen die oft etwas sehr langen, peitschenförmigen Ruthen. Erst im September-October kommt die erste Anregung zur Vegetation im leichten, täglich wiederkehrenden Sprühregen, die in vielen Jahren am Congo auch gänzlich fehlen. Sie können aber den Strauch dann schon zur Blüthe bringen, wie sie auch schon an einzelnen Zweigen Blätter her- vorriefen. Jedenfalls haben wir in dieser neuen Erscheinung eine ausser- ordentlich genügsame Pflanze vor uns, die, aller Wahrscheinlichkeit nach, jede Pflege dankbarst lohnen wird, und ist es nur Sache der Cultur, compaete Pflanzen, die unter Blättern blühen, heranzuziehen, um eine wahre Schönheit gewonnen zu haben. der Schles. Gesellschaft für vater], Cultur, 395 Nekrologe der im Jahre 1887 verstorbenen Mitglieder der Schlesischen Gesellschaft für vaterländische Cultur. Direetor Dr. Hermann Luchs wurde am 27. Februar 1826 zu Beuthen in Oberschlesien, woselbst sein Vater Stadtrichter war, geboren. Nach Besuch der Gymnasien zu Leobschütz und Gleiwitz sowie der Universitäten Breslau, Leipzig und Berlin 1848 zu Halle zum Dr. phil. promovirt und alsbald auch zu Berlin mit der venia docendi beliehen, absolvirte derselbe zunächst sein Probejahr am Elisabet-Gymnasium zu ‚Breslau. Von hier in eine Hilfslehrerstelle am Friedrichs - Gymnasium daselbst übergetreten, wurde ihm schon Michaelis 1851 der Ruf in ein Lehramt der städtischen höheren Mädehenschule am Ritterplatz ebenfalls zu Breslau zu theil, welche Anstalt er nun nieht mehr verlassen sollte, deren Leitung ihm vielmehr seit der im Jahre 1863 erfolgten Abtrennung der höheren Mädchenschule auf der Taschenstrasse zunächst als Rector, seit 1876 mit dem Titel als Direetor ebenfalls übertragen wurde. Dass hier mit seinem treuen, deutschen, dem Idealen zugewandten edlen Sinn und seiner warmen, herzgewinnenden Liebenswürdiskeit der rechte Mann am rechten Platze war, bezeugt die ihm und seiner Schule stets gewordene Anerkennung, beweist vor Allem aber auch die aufrichtige Trauer, welche sein nach schwerem Leiden am 13. Februar 1887 erfolgter Tod im Kreise derselben, bei Lehrern und Lehrerinnen, seinen gegenwärtigen und früheren Schülerinnen allseits hervorgerufen hat. Indess ist hiermit die Bedeutung des Verblichenen erst nach einer Seite hin gekennzeichnet, Schon frühe hatte sich bei ihm eine besondere Vorliebe für eultur- und kunsthistorische Forschungen ausgebildet. Der Vertiefung seiner Kennt- nisse auf diesem Gebiet galten auch mehrfach von ihm unternommene grössere Reisen. Jedoch keineswegs seinem eigenen Genuss allein sollten die Resultate dieser Studien dienen. Auch seinen Landsleuten den gleichen Sinn zu wecken, zu zeigen, was Schlesien an Denkmälern seiner Vorzeit besitzt, und diese nach Möglichkeit vor Untergang zu reiten, und durch Anschauung nutzbar zu machen, sehen wir alsbald ihn 396 Jahres-Berichi jede Minute verwenden, welche ihn sein amtlicher Beruf übrig liess. Diesem Streben entsprang zunächst eine eben so wirksame wie umfang- reiche schriftstellerische 'Thätigkeit, wohl nicht ohne die Absicht, damit in immer neuen Kreisen gleiche Ziele und Interessen zu erwecken, bald in der’ Form selbstständiger Arbeiten erscheinend, bald in allerlei Zeit- schriften niedergelegt, bald hier und da in die Tageslitteratur eingestreut. Selbst die lange Aufzählung seines litterarischen Nachlasses in dem im Bericht 63 von ,„‚Schlesiens Vorzeit in Bild und Schrift“ enthaltenen Nekrolog ist nicht völlig erschöpfend, und ihr für Bericht 65 noch eine Nachlese zugedacht. Raumgründe verbieten, dieselbe hier zu wieder- holen. Seinen Schriften in erster Linie ist es auch zu danken, wenn unser so oft im ceulturlosen Osten gedachtes Schlesien jetzt in der allgemeinen Kunstgeschichte eine ehrenvolle Stellung einnimmt. Ganz besonders erwies sich sein grösseres Werk: „Schlesische Fürstenbilder des Mittelalters“, Breslau 1872, in dieser Hinsicht wirksam. Jenem Streben entsprang nun aber auch noch das Museum sehlesischer Alter- thümer. Denn haben sich an dem 1858 für dasselbe entstandenen Ver- ein auch andere treffliche Männer verdienstvoll betheiligt, so wurde doch Luchs alsbald zu der eigentlich treibenden Kraft in diesem Kreise, ist er es, der bei weitem die Hauptarbeit verrichtet hat, sich dabei be- zeichnender Weise, um den geliebten Sammlungen näher zu bleiben, stets mit der anspruchsloseren Stellung ihres Custos begnügend, anstatt, wie ihm dies wiederholt offen stand, auch dem Namen nach die Leitung jenes Vereins zu übernehmen. Bereits in dem angeführten Jahre 1858 sehen wir ihn an der Spitze der Commission, welche es sich im Auf- trage des Vereins zur Aufgabe gemacht hatte, zunächst die in der Provinz noch zerstreuten Alterthümer einmal zu einer zeitweiligen Aus- stellung zu vereinen, mit solchem Erfolge thätig, dass derselben diese Aufgabe schliesslich selbst zu gross wird, und sie sich genöthigt sieht, schon 14 Tage vor der Eröffnung alles weiter Eingehende zurück- zuweisen. Dann ist er es, der den durch die Ausstellung für das ge- plante Museum erlangten Grundstock von anfangs 460 Nummern in der hierfür zunächst gewonnenen Privatwohnung aufstellt und katalogisirt. Als aber diese für die Masse der zufolge seiner weiteren Anregung auch ferner zuströmenden Gegenstände bald zu klein wird, lastet auch auf ihm wieder vorzugsweise die Mühe der Verhandlungen betreffs Vereinigung der Sammlung mit der bereits von Prof. Büsching her im ehemaligen Sandstift lagernden ähnlichen Königlichen Sammlung in dem dieser zugewiesenen Raume, und — 1861 — nach glücklicher Erreichung dieses Zieles die der erneuten Aufstellung und Verzeichnung beider in diesem. Doch auch hier wollte der verfügbare Platz, dank seines, und zwar mit kaum wohl von einem zweiten wieder erreichbaren Ebenmaass auf alle Abtheilungen, der sich damit in der That mehr und mehr zu einem Museum schle- der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 397 sischer Alterthümer ausgestaltenden Sammlungen — die prähistorische, architektonische, kirchliche, ritterlich-militairische und bürgerlich - häus- liche — Eireeiien Sammeleifers, welcher auch das geringste nicht ver- schmähte, wenn es nur eine Einrichtung, einen Zustand, eine Lebens- hehe der Vorzeit zur Darstellung zu bringen geeignet war, kaum ein ferneres Jahrzehnt nothdürftig zureichen, und als daher der Gedanled in Schlesiens Haupistadt ein besonderes Kae aude zu errichten, festere Gestalt zu gewinnen begann, war auch Luchs alsbald darauf be- dacht, dies den Zwecken des Museumsvereins ebenfalls wieder nutzbar zu machen. Indess sollte jenes Gebäude ja zunächst nur eigentlichen Kunstzwecken dienen. Bei einer blossen Vereinigung mit den für das- selbe geplanten Sammlungen drohte dem Alterthums-Museum mithin nur zu leicht eine Verrückung des bisher bei demselben eingenommenen eulturhistorischen Gesichtspunktes. Und so war es denn wiederum, wie Schreiber dieser Zeilen noch in deutlicher Erinnerung ist, unser Luchs, welcher, in der richtigen Erkenntniss, dass nur das auch fernere un- entwegte Festhalten an diesem Gesichtspunkte demselben eine noch grössere Zukunft und ein friedliches Nebeneinandergedeihen aller seiner Theile verbürge, dem Verein dabei doch seine bisherige Selbständigkeit zu sichern bestrebt war, und so den Vertrag vom 2. Juli 1879 erlangte, welcher nun in der That demselben in dem inzwischen zur Vollendung gelangten Gebäude die noch jetzt von dem Museum schlesischer Alter- thümer eingenommenen, freilich ebenfalls bereits wieder unzulänglich gewordenen, aber doch sonst endlich einmal diesem Zweck angemessenen Räume zur selbstthätigen Benutzung überwies. Erst bei der Neu- aufstellung und Einrichtung des Museums in diesen wurde Luchs einmal durch Professor Alwin Schulz bis zu dessen Abgang von Breslau einige Hilfe zu theil. Immerhin lastete auch hierbei noch wieder das meiste der vielen Mühen auf ersterem, und auch nach der hier am 8. Mai 1881 erfolgten Neueröffnung des Museums schlesischer Alterthümer yrzaele er sich trotz der sich mit der Weiterentwickelung desselben und seines Vereins stets mehrenden Geschäfte bis zu seinem Lebensende dem nicht, an dieser rüstig und in erster Linie mitzuarbeiten, und das Custodenamt bei den Sammlungen vollinhaltlich weiter zu versehen. Daneben ward, wie bereits seit 1858, das Organ des Museums-Vereins, jene oben schon erwähnte, und bis zu seinem Tode a ne an stattlichen Bänden gediehene Zeitschrift ‚„‚Schlesiens Vorzeit ın Bild und Schrift“ auch ferner von ihm redigirt, und wusste er dennoch immer noch die Zeit sich abzugewinnen, allerhand Führungen im Museum = an anderweit kunsthistorisch bedeutsamen Orten zu übernehmen, und jene Vortragsabende des Vereins einzurichten und wach zu erhalten, oz so viel dazu beitragen, das Interesse für das Museum und = sich daran anschliessenden Bestrebungen zu beleben. Und wenn wir daher 398 Jahres-Bericht jetzt mit wohl nicht ganz ungerechtfertigtem Stolz auf dieses Museum mit seinen gegenwärtigen ca. 47000 Nummern und der ihm von nah und fern in reichem Maasse zu Theil gewordenen Würdigung blicken, so ist es in der That im Wesentlichen des Verewigten Werk, welches vor uns steht, wohl werth, dass Schlesien ihm dafür dauernd ein dank- bares Gedenken bewahre. Der Schlesischen Gesellschaft für vater ländische Cultur, deren Jahresberichte ihm ebenfalls mehrere schätzens- werthe Beiträge verdanken, gehörte Luchs seit 1861 als ordentliches Mitglied an, seit 1870 auch stets in deren Präsidium gewählt. Gustav Bock, geboren am 24. März 1851 zu Eichberg, Kreis Hirschberg in Schlesien, als Sohn des jetzt in Breslau lebenden Apo- thekers und Kaufmanns Joh. Andr. Bock und dessen Gattin Emma Natalie, geb. Kallmeyer. Nachdem er das Maria-Magdalenen-Gymnasium zu Breslau bis incl. Secunda absolvirt hatte, widmete er sich dem Kaufmannsstande, in welchem er sich in verschiedenen Stellungen zu Berlin und Breslau auszubilden bemühte. Im Jahre 1880 trat er als Socius in das Handlungshaus Korn & Bock in Breslau ein, in dem er bis zu seinem Tode, am 13. Januar 1887, verblieb. Er war rastlos thätig, dabei milden und wohlwollenden Charakters. Seit 1883 hat er der Schlesischen Gesellschaft als wirkliches Mitglied angehört. Richard Albert Pfeiffer wurde am 22. October 1847 zu Breslau geboren. Seine Eltern waren der Rentier Julius Pfeiffer und Frau Clara Pfeiffer, geb. Methner. Er war das älteste Kind einer zahlreichen Familie. Seine Schulbildung genoss er auf dem Friedrichs-Gymnasium zu Breslau, wo er Michaeli 1865 sein Abiturienten - Examen machte. Seinen Neigungen entsprechend wurde Pfeiffer Kaufmann und konnte bald, nachdem sein Vater gestorben war, für seine Angehörigen that- kräftig sorgen. Er erlernte bei seinem Oheim Gustav Methner in Breslau das Agenturgeschäft und wurde zeitig selbständig. Der Kriegs von 1870/71, den er als Freiwilliger mitmachte, störte diese geschäftliche Thätiskeit, doch gelang es ihm nach den glänzenden Ergebnissen des Krieges bald, das Versäumte nachzuholen und sich zu einem der ge- achtetsten jüngeren Kaufleute Breslaus zu machen. Als Kaufmann klug, pünktlich und gewissenhaft, als Sohn liebevoll und aufopfernd, als Freund treu und als Mensch liebenswürdig, verdiente er das Vertrauen, die Liebe und die Achtung in vollem Maasse, die ihm von allen Seiten entgegen- gebracht wurde. Anfang März 1887 begab sich Pfeiffer nach Halle a. S. und liess an sich eine Unterleibs-Operation vornehmen, an deren Folgen er am 10. März starb; für Alle, die ihn kannten, zu zeitig. Litterarisch ist Richard Albert Pfeiffer nicht thätig gewesen. Er war ein ausgezeich- neter Schachspieler und besass ein grosses Combinationstalent, hat auch wohl eine Reihe von Schachaufgaben zusammengestellt und ausgeführt, der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur, 399 aber nie zu Papiere gebracht. Der Schlesischen Gesellschaft hat er seit 1880 als wirkliches Mitglied angehört. Apotheker Otto Gustav Heinrich Hoffmann in Zabrze O8., geboren 1841 am 21. April, Sohn des Reetors Heinrich Hoffmann zu Breslau, besuchte in seiner Vaterstadt das Blisabet - Gymnasium bis Quarta und dann die Realschule zum heiligen Geist- Nach einjährigem Aufenthalte in der Prima letzterer Anstalt trat er am 1. October 1858 als Lehrling in die hiesige Kränzelmarkt - Apotheke ein, conditionirte von 1863—1865 als Apotheker-Gehilfe in Peterswaldau in Schles., in ‘ Erfurt und in Brendorf am Rhein. Darauf absolvirte er sein Militär- jahr 1865/66 in der Dispensir-Anstalt zu Breslau und besuchte 1866/67 die Universität seiner Vaterstadi. Nach abgelegtem Staats - Examen (Juli 1867) war er zuerst in Breslau, dann in Freiburg in Schles. beschäftigt. Während des Krieges 1870/71 gehörte er als Feldapotheker dem 7. Feldlazareth des VI. Armeecorps an. Am 12. Juli 1871 kehrte er aus Frankreich zurück und trat wieder in seine frühere Stellung in Freiburg in Schles. ein; doch kaufte er am 1. Februar 1872 die Apotheke in Zabıze OS. und heirathete Fräulein Louise Stanke aus Freiburg. Durch seine Tüchtigkeit und sein freundliches Wesen erwarb er sich schnell Liebe und Achtung in seiner neuen Heimath. Er wurde Vorsitzender des Oberschlesischen Apotheker-Vereins, Vorstandsmitglied der Liedertafel, Mitglied des Kirchen- und Schulvorstandes und Synodal- Rechner des Gleiwitzer Synodal-Kreises, auch bekleidete er viele Jahre das Amt des Zabrzer Standesbeamten. Besonders thätig zeigte er sich in der Production von Gedichten ernsten und heiteren Inhalts, von deren letzteren er eine Menge in schlesischer Mundart verfasste. Auch an der medicinischen Zeitschrift „Utile eum dulce‘ betheiligte er sich durch Beiträge, Grosse Vorliebe bewies er für die Sammlung von Alterthümern und deren Geschichte; einen kleinen Theil seiner Sammlung brachte er im November 1886 nach Breslau und hielt darüber im Gewerbeverein einen Vortrag. Nach 3tägiger Krankheit endete am 95. März 1837 ein Herzschlag das segensreiche Leben. Er hinterliess eine Wittwe und 3 Töchter. Um sein Andenken zu ehren, zogen am Jahrestage seines Todes Kriegerverein und Liedertafel noch einmal hinaus zum Grabe, um dem Verstorbenen ihre musikalischen Grüsse nachzurufen. — Der schlesischen Gesellschaft hatte er seit 1881 als Mitglied angehört. Dr. med. Julius Wolff, Sohn des verstorbenen Arztes Dr. med. Wolff, aus Krotoschin, Provinz Posen, wurde am 12. Januar > daselbst geboren, besuchte das dortige Königliche Wilhelms- Gymnasium, welches er Ostern 1876 mit dem Zeugniss der Reife verliess. Am 5, Mai desselben Jahres wurde er bei der medieinischen Facultät der 4006 Jahres- Bericht Universität Breslau immatrieulirt und absolvirte Ende Mei 1878 das. Tentamen physieum, im März 1831 das Examen rigorosum, nachdem er im Februar das Staats - Examen beendigt hatte. Seine Inaugural- Dissertation führt den Titel: „Ueber strangförmige Degeneration der Hinterstränge des Rückenmarks mit gleichzeitigen meningo-myelitischen Herden.“ Vom October 1881 bis October 1885 fungirte er als Assistenz- Arzt an der medicinischen Abtheilung des städtischen Allerheiligen- Hospitals, darauf erhielt er die Stellung eines Secundär - Arztes an der medieinischen Universitäts - Poliklinik, welche er bis zu seinem Tode bekleidete. In seiner Stellung am Hospital und an der Poliklinik . erfüllte er nicht allein seine amtlichen Pflichten in musterhafter Weise, sondern er fand auch noch die Zeit den Fortschritten der. Wissenschaft unablässig zu folgen und die letzteren durch eine Anzahl werthvoller Arbeiten zu bereichern. Wir erwähnen davon nur seine Arbeiten: „Ueber die Resorptionsfähiskeit der menschlichen Magenschleimhaut unter physiologischen und pathologischen Verhältnissen‘ (Centralblatt f. klin. Mediein 1882, Nr. 29), „Zur Pathologie der Verdauung‘“ (Zeit- schrift f. klin. Mediein. Bd. VI, Heft 2), „Ueber doppelseitige fort- schreisende Gesichtsatrophie‘‘ (Bresl. ärztliche Zeitschrift 1883, Nr. 18 und 19), „Ueber paroxysmale Hämoglobinurie“ (Bresl. ärztl. Zeitschrift 1883, Nr. 12), „Beitrag zu der Lehre von der Dualität des Varicellen- und Variolen-Contagiums“ (Bresl. ärztl. Zeitschrift 1882, Nr. 1 und 2), „Ueber eine neue Methode physikalischer Diagnostik für Krankheiten der Brust- und Bauchhöhle‘‘ (Deutsche mediein. Wochenschr. 1885, Nr. 37 f£.). Julius Wolff hat sich durch seine treue Pflichterfüllung und seine Liebenswürdigkeit im persönlichen Verkehr die Sympathie seiner Collegen, durch seine stete Humanität und Freundlichkeit die aufrichtige Liebe der ihm anvertrauten Patienten in reichem Maasse erworben. Am 29. März 1887 endete plötzlich ein Herzschlag das hoffnungsvolle Leben. Seine Collegen an der Klinik am Allerheiligen Hospital und in der Stadt Breslau beklagen schmerzlich den frühen Tod des allgemein beliebten und geschätzten Collegen. Sein Andenken wird nicht nur bei ihnen, sondern in den weitesten Kreisen immer fortleben und in Ehren gehalten werden. Der Schlesischen Gesellschaft hat er seit 1883 angehört. Amtsgerichts - Rath Ludwig Gomille zu Breslau wurde am 17. April 1817 zu Pawitzko, Kreis Militsch - Trachenberg, als der Sohn des dortigen Lehrers Anton Gomille geboren. Bis zu seinem 13. Jahre besuchte er die vom Vater geleitete Ortsschule und absolvirte dann das St. Matthias- Gymnasium zu Breslau. Vom Jahre 1838 ab studirte er an der Universität Breslau und wurde seit 1841 als Auscultator und Referendar bei den Gerichten in dieser Stadt beschäftigt. Nach be- standenem Staatsexamen wurde er vom Jahre 1848 ab als Oberlandes- der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur, 401 gerichts-Assessor bei dem Stadtgericht in Raudten zunächst commissarisch beschäftigt, dann als Kreisrichter daselbst angestellt. In dieser Eigen- schaft wurde er 1852 nach Hirschberg versetzt, wo er 1862 zum Kreis- gerichts-Rath ernannt wurde, Im Jahre 1864 kam er als Kreisgerichts- Rath nach Breslau, welcher Stelle er bei seinem damals leidenden Zu- stande den Vorzug gab vor der ihm angetragenen Stelle eines Rathes am Tribunal in Königsberg in Ostpr. Infolge der Reorganisation im Jahre 1879 wurde er Amtsgerichts-Rath, verblieb in Breslau und wurde 1885 durch Verleihung des Rothen Adlerordens IV. Klasse ausgeseichnet. Der Schlesischen Gesellschaft gehörte er seit 1869 an. Er starb am 26. April 1887 infolge einer Lungenentzündung, stand aber bis wenige Tage vor seinem Ableben seinen Amtspflichten vor. Ihm waren Un- erschütterlichkeit seiner Ueberzeugung, Charakterfestigkeit, Pflichttreue und ein einfaches, kernhaftes, schlichtes und wahres Wesen eigen. Litterarisch war er nicht thätig, doch wurde er oftmals von seinen höchsten Vorgesetzten zu juristischen Gutachten aufgefordert, weil er infolge umfassender Studien und langjähriger Praxis auf dem Gebiete der Creditsachen eine allseits anerkannte Autorität war. Der Ausbildung der ihm zugewiesenen jüngeren Juristen wandte er seine besondere Aufmerksamkeit zu, und er wird in der dankbaren Erinnerung derselben fortleben. Er war einer der wenigen älteren Richter, welche über den Zeitpunkt des Eintritts der Justizreorganisation im Amte geblieben sind und deshalb einer der ältesten Richter in Breslau. Kaufmann Carl Moritz Tietze, geboren zu Breslau am 12. De- cember 1809, als zweiter Sohn des hier seit dem Jahre 1800 etablirt gewesenen Kaufmanns Heinrich Wilhelm Tietze, dessen Geschäft er von 1835 an mit seinen beiden Brüdern Wilhelm und Rudolph gemeinschaft- lich und nach deren Ableben als alleiniger Inhaber leitete, ausserdem betrieb er eine Zuckerfabrik in Hertwigswaldau bei Jauer. Seinen Sinn für gemeinnützige Zwecke bekundete er, so oft es galt, durch be- “ reitwillige Unterstützungen. Namentliche Opfer erforderte seine Be- theiligung als Mitglied des Pachtvereins des hiesigen Stadttheaters in den 60er Jahren. Im April 1885 war es ihm vergönnt, sein fünfzig- jähriges Jubiläum als Bürger und als Kaufmann zu begehen, wobei er von Freunden und Mitbürgern zahlreiche Zeichen der Theilnahme, vor- nehmlich aber von den vielen Herren, welche in seinem Geschäft aus- gebildet und thätig gewesen waren, Beweise dankbarer Anerkennung wegen des ihnen stets bewiesenen Wohlwollens im reichsten Maasse empfing. Die beiden letzten Jahre seines Lebens hatte er durch schwere Krankheit zu leiden, von der er am 30. Juli 1887 durch den Tod erlöst wurde. Der Schlesischen Gesellschaft hat er seit 1867 als wirkliches Mitglied angehört. 1887. : 2 402 Jahres-Bericht Baron von Rottenberg, Geh, Regierungs-Rath a. D. und Ritter p- p., wurde geboren am 25. April 1813 in Kalkau bei Neisse auf dem Gute seiner Eltern, des Landraths Baron von Rottenberg und dessen Gattin Theresia, geb. Gräfin Matuschka. Er war vom 9. bis 13. Jahre Pensionair im ÖOrphanotropheum in Breslau, von Michaelis 1827 ab Schüler des Matthias-Gymnasiums daselbst, welches er bis Michaelis 1831 besuchte, um dann im Alter von 18 Jahren die Universität zu beziehen. Er studirte erst in Breslau, dann in Berlin Jura und wurde nach bestandenem Examen als Auseultator dem Oberlandesgericht in Breslau zugewiesen. Nach zurückgelestem Referendariats - Examen arbeitete er einige Zeit am Stadtgericht in Liesnitz und dann beim Oberlandesgericht in Glogau. Neujahr 1841 ging er nach Berlin, um sich für das dritte Examen vorzubereiten, das er im August 1842 be- stand. Hierauf arbeitete er ein Jahr an der Königl. General-Commission zu Breslau behufs seiner technischen Ausbildung zum Special - Com- missarius, als welcher er im Frühjahr 1845 nach Hirschberg ging, wo er für seine, keine Beschwerden scheuende Arbeitslust ein reiches Feld fand. Seine dortige Thätigkeit wurde jedoch im Jahre 1848 durch die politische Bewegung, in welche die ländliche Bevölkerung des Hirsch- berger Kreises vom ersten Anfange an hineingezogen ward, unterbrochen und v. Rottenberg durch seine Stellung als Landwehr-Offizier in Anspruch genommen, bis geordnete Verhältnisse die Rückkehr in seine amtliche Stellung bedingten. Darauf verblieb er noch ein Jahr in Hirschberg und wurde dann in das Collegium der Königlichen General- Commission zu Breslau einberufen, dem er bis zu seiner im Jahre 1875 erfolgten Pensionirung angehörte. Hier wurde er im Jahre 1866 wirkliches Mit- glied der Schlesischen Gesellschaft. Seiner Heimath Schlesien mit Leib und Seele zugethan, konnte er sich nieht entschliessen, als im Februar 1869 die Aufforderung des Ministers für Landwirthschaft v. Selchow zu einer Versetzung mit Beförderung an die Regierung zu Marienwerder an ihn erging, derselben nachzukommen, wohl aber übernahm er mit Freude . den Auftrag, bei der Grundsteuer- Regulirung 1863—1865 als Veran- lagungs-Commissar für die Kreise Reichenbach und Neurode thätig zu sein; denn Aufenthalt in freier Natur und Kampf mit den Elementen waren ihm Lust und Lebensbedürfniss, und mit Eifer und Hingebung unter- zog er sich den Arbeiten dieser drei Jahre, die vielleicht die erste Ver- anlassung zu einem späteren körperlichen ‚Leiden wurden. Ebenso war es ihm Pflicht, dem Vaterlande zu dienen, als in den Jahren 1866 und 1870 die Aufforderung an ihn erging, Transporte von Liebesgaben den im Feindeslande stehenden deutschen Truppen zuzuführen. Im Herbste 1874 fand er sich durch rheumatische Leiden, gegen die sich kein Bad dauernd hilfreich erwies, veranlasst, um seine Entlassung aus dem Staatsdienste zu bitten, da er in seiner gedrückten Stimmung und bei der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 403 seiner Gewissenhaftigkeit glaubte, seinen amtlichen Pflichten nieht mehr voll und ganz genügen zu können, um so mehr, als er die Vertretung des im Abgeordnetenhause sitzenden Präsidenten der General-Commission zeitweilig zu übernehmen hatte. Nach kurzer Ruhepause wurde er durch den Tod des geliebten einzigen Sohnes genöthigt, dessen Gut Mühlgast bei Raudten zu übernehmen, und hier verbrachte er die letzten Lebensjahre, durch jenen Schieksalsschlag gebeugt und durch zunehmen- des Gelähmtsein der Glieder an den Krankenstuhl gefesselt, doch geistig frisch und dankbar für alle Freundschaft, die ihm in seinem Hause reichlich dargebracht wurde. Er starb, da sein einziger Sohn ihm voran- gegangen war, am 12. August 1887 auf Mühlgast als der Letzte seines Namens und eines seit dem 17. Jahrhundert in Oesterreich und Schlesien lebenden Adelsgeschlechts und wurde am 17. August 1887 in einer Familiengruft zu Hochkirch bei Liegnitz beigesetzt. Nach seinem letzt- willigen Wunsche wird sein Adelsdiplom seinerzeit dem Schlesischen Alterthums-Museum zu Breslau zur Aufbewahrung übergeben werden. Professor Dr. Ludwig Kambly, Solın eines Regierungs - Re- gistrators, wurde 1811 am 26. August in Liegnitz geboren, erhielt den ersten Unterricht von 1816 bis 1820 in der Stadtschule zu Reichenbach in Schlesien und nach Versetzung des Vaters nach Liegnitz in dem Privat-Institute des Oberdiakonus Lingke zu Liegnitz. Zu Michaelis 1823 wurde er in die Ober-Tertia der dortigen Ritter-Akademie auf- genommen und zu Michaelis 1829 von dieser Anstalt mit einem Reife- zeugniss Nr. I zur Universität entlassen. Er studirte darauf 1 Jahr Philologie, nachher 2'/, Jahre Mathematik und bestand im Juli 1834 das Oberlehrer-Examen, in welchem er die unbedingte facultas docendi erhielt. Das Probejahr absolvirte er an der Ritter-Akademie zu Liesnitz von Michaelis 1834 bis Juli 1835, dann trat er in das pädagogische Seminar ein und wurde in Breslau bis Michaelis 1835 am Magdalenäum und am Friedrichs-Gymnasium beschäftigt. Von Michaelis 1835 bis da- hin 1836 fungirte er als Seminarist am Gymnasium zu Brieg, worauf er in die 8. Collegenstelle des Elisabetans zu Breslau berufen wurde. Er rückte an dieser Anstalt rasch in höhere Stellen auf, wurde 1842 Ober- lehrer und erhielt 1854 den Titel Professor. Bei der Jubelfeier der Breslauer Universität wurde er von der philosophischen Faeultät honoris causa zum Doctor promovirt; fast gleichzeitig wurde ihm der Rothe Adler-Orden 4. Klasse verliehen, am 1. Januar 1873 wurde er Pro- vector des Elisabetans. Am 30. September 1884 schied er aus dem Amte und erhielt den Königlichen Kronen-Orden 3. Klasse mit der Zahl 50. Er starb unvermählt am 17. August 1887. Der Schlesischen Gesellschaft hatte er seit 1863 angehört. — Seine litterarische Thätigkeit gipfelt in den mathematischen Sehulbüchern, mit denen er einen ausser- ordentlichen Eıfolg erzielte; sie wurden in mehrere fremde Sprachen 404 Jahres - Bericht übersetzt, und er wurde dadurch eine Berühmtheit weit über die Grenzen des deutschen Vaterlandes hinaus. Die kleine Arbeit: „‚Leitfaden für den mathematischen Unterricht in dem obersten Cötus der Königlichen 11. Divisionsschule, Breslau, Grass, Barth u. Comp., 1840“, war die Grundlage des. epochemachenden Werkes: ‚Die Elementar-Mathematik, für den Schulunterricht bearbeitet, vollständig in vier Theilen, Breslau bei Ferdinand Hirt.“ Zuerst erschien die Planimetrie (1850), von welcher der Verfasser die 81. Auflage erlebte; die Arithmetik (1851) hat jetzt 28 Auflagen; die ebene Trigonometrie (1852) und die sphärische Tri- gonometrie (1855) wurden später vereinigt und erschienen zuletzt in 18. Auflage, auch die Stereometrie (1854) zählt jetzt die 18. Auflage. Ausserdem publieirte Kambly: eine Theorie der Harmonikalen im Oster- programm des Elisabetans 1359, Beiträge zur Mathematik in der Jubel- schrift des Elisabetans 1862, einen Artikel über das sphärische Viereck in Grunert’s Archiv Band 40 und ein Lehrbuch: ,,Die Physik, für den Schulunterricht bearbeitet, Breslau, Hirt, 1868“, welches zuletzt in 4. Auflage erschienen ist. Die Methodik seiner Lehrbücher ist unüber- troffen, eben so gross war sein Geschick im Unterrichten. Strenge Gewissenhaftigkeit, ein tiefes Gemüth, ein warmes Herz und echt collegialische Gesinnung haben seinen gediegenen Charakter ausgezeichnet, so dass sein früherer Director in der Schlesischen Zeitung 1887 Nr. 592 von ihm sagen konnte: „Kambly war das verkörperte Ideal eines Lehrers, ein Lehrer von Gottes Gnaden!“ Sanitätsrath Dr. Heinrich Hirschfeld, geb. zu Gross - Glogau am 16. März 1807, besuchte von 1819 —1820 das evangelische Gymnasium seiner Vaterstadt, von 1820 —1327 das damals unter Manso’s Leitung stehende Magdalenen - Gymnasium zu Breslau Im Jahre 1828 ging er zur Universität ab und studirte von 1823 — 1830 in Breslau, von 1830 bis Ostern 1833 in Berlin, Mediein. Am 1. März 1833 wurde er in Berlin nach bestandenem Examen zum Doctor der Mediein etc. promovirt. Im selben Jahre nahm er seinen Wohnsitz in Frankenstein in Schles. Bis 1872, also fast durch 40 Jahre, entfaltete er dort eine segensreiche Thätigkeit, die ihm ein unauslöschliches Andenken in den Herzen aller erwarb, die seinen ärztlichen Rath in Anspruch nahmen. In seiner Menschenfreundlichkeit, seiner steten Hilfsbereitschaft stellte er nicht blos seine Kräfte und sein Wissen, sondern auch seine eigenen Mittel in den Dienst der kranken Mensch- heit. Die Früchte seiner reichen litterarischen und wissenschaftlichen Thätigkeit wurden im Jahre 1858, bei Gelegenheit eines grossen Brandes, ein Raub der Flammen, Voll und ganz sich seines Berufes als Arzt und Helfer bewusst, zeigte er sich bei der Pflege der Verwundeten im preuss, -österr. Kriege 1866 und unvergessen ist seine und seiner Gattin Thätigkeit im Lazareth zu Frankenstein. Kurze Zeit darauf erfolgte der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 405 seine Ernennung zum Sanitätsrath. — Die Liebe des gesammten Kreises folgte ihm auch nach seinem neuen Wohnsitz, nach Breslau, wohin er 1872 übersiedelte. In demselben Jahre trat er als wirkliches Mitglied in die Schlesische Gesellschaft ein. In Breslau war es ihm auch vergönnt, umgeben von seinen Anverwandten und unter Betheiligung weitester Kreise am 1. März 1883 sein 50jähriges Doctor-Jubiläum zu begehen. Die Universität Berlin erneuerte ihm bei dieser Gelegenheit das Doctordiplom, Se. Majestät der Kaiser verlieh ihm den Rothen Adler- Orden. — Selbst jetzt, als nunmehr 76jähriger, war er noch unermüdlich thätig, bei Tag und Nacht bereit zu helfen, wo Hilfe Noth that. — In voller geistiger und körperlicher Frische beging er am 16. März 1887 im Kreise der Seinen den 80. Geburtstag. Am 26. August desselben Jahres machte nach nur kurzen Leiden der Tod diesem thaten- reichen Leben ein Ende. Sanitätsrath Dr. med. Victor Friedländer, Primärarzt am Allerheiligen - Hospital zu Breslau. Er war geboren am 31. December 1839. Günstige äussere Verhältnisse gestatteten ihm eine besonders sorgfältige, durch Studienreisen vervollständigte, medieinische Aus- bildung. Schon im Jahre 1862 trat er als Assistenzarzt der Inneren Abtheilung in das Allerheiligen Hospital ein, welchem er durch mehr als 25 Jahre seine besten Kräfte und die vollste Hingebung, seit dem 1. Januar 1875 als Primärarzt, gewidmet hat. Ein Muster in correcter Lebensführung und strenger Methodik, gewissenhaft und wohlwollend, uneigennützig und human — genoss er seitens der Behörden, der Collegen und der Kranken ungewöhnlich grosse Anerkennung. Von Hause aus kräftig und gesund und frei von erblichen Krankheitsanlagen holte er sich wahrscheinlich durch den langen engeren Verkehr mit den Kranken im Hospital den Keim zur Lungen - Tubereulose, welcher er am 28. August 1887 erliegen sollte, in Wahrheit ein Opfer seines Berufes und seiner Pfliehttreue. Wissenschaftlich nicht eigentlich pro- ductiv, hat er doch auch in dieser Hinsicht durch die exacte Schulung, welche seine zahlreichen Assistenzärzte bei ihm fanden, Bedeutendes gewirkt. Sein erhebliches Vermögen hat der Verewigte fast aus- schliesslich der Stadt Breslau zur Gründung eines Reconyalescenten- Heimes vermacht. Sein Name wird in den Annalen der öffentlichen Krankenpflege von Breslau unter den hervorragendsten Förderern auf immerdar verzeichnet sein. Der Schlesischen Gesellschaft hat er seit 1862 als wirkliches Mitglied angehört. Karl Adolf Schimmelpfennig wurde zu Oels am 14. No- vember 1815 geboren. Frühzeitig verlor er die Eltern; die Mutter starb schon 1818, der Vater, ein Schneidermeister, 1824. nachdem er dem Superintendenten Michaelis tief bekümmert seinen Sohn ans Herz gelegt hatte. Dieser kam jetzt in das Kinderhospital der Stadt, welchem 406 Jahres -Bericht der patriotisch gesinnte Lehrer Metzdorf vorstand, und da sich jener wackere Geistliche, wie er versprochen, des begabten Waisenknaben väterlich annahm, konnte derselbe das Gymnasium besuchen, was für seinen späteren Lebensweg entscheidend wurde; zu Ostern 1833 bezog er die Universität in Breslau, wo er bis 1836 Vorlesungen hörte. Er diente während dieser Zeit auch in dem 10, Infanterie - Regiment sein Jahr ab. Die beiden theologischen Prüfungen bestand er gut, die erste den 22. Juli 1838 und die zweite den 18. Januar 1839, nachdem er dazwischen noch die Befähigung für das Reetorat an Mittelschulen sich erworben (21. November 1838), Aus der raschen Aufeinanderfolge dieser Prüfungen geht hervor, wie fleissig er seine Zeit auf der Universität angewendet hatte. Er unterrichtete nun mehrere Jahre lang in verschiedenen Familien als Hauslehrer, bis er am 8. April 1843 zum evangelischen Pfarrer in Arnsdorf bei Strehlen gewählt ward. Er verheirathete sich 1846, und beide Gatten gewährten der Gemeinde das schöne Bild einer glücklichen Ehe. Der Pastor waltete seines Amtes mit strenger Gewissenhaftigkeit und liebevollem Herzen, und wie viel Gutes kann ein edelgesinnter Mann in einer solchen Stellung wirken, mag er nun Rationalist sein, wie Schimmelpfennig es war, oder mehr der positiven Richtung angehören oder unter einem Bischofe stehen! Ganz aber füllte das Amt die Seele des Pastors nicht aus. Er benutzte die Musse, deren er genoss, um sich weiter fortzubilden, und wie ernst er seine Studien betrieb, davon gab er 1862 einen Beweis, indem er der philosophischen Facultät in Breslau eine Abhandlung unter dem Titel: „Gregorii Nazianzeni Carmen LIV“ mit Erfolg einreichte und dann auch die mündliche Prüfung bestand, worauf ihm der Doctorgrad am 7. August ertheilt wurde Wie viele von seinen Amts - Genossen haben gleiche Neigungen und gleiche Ausdauer? Später wandte sich Schimmelpfennig der Geschichte unserer Provinz zu und schrieb werth- volle Abhandlungen, die stets willig in die Zeitschrift des Vereins für Geschichte und Alterthum Schlesiens aufgenommen und gern gelesen wurden; denn der Verfasser wusste den Stoff geschickt zu beherrschen und die Sprache gewandt und ansprechend zu handhaben. So finden sich im 8., 9. und 10. Bande folgende Aufsätze: „Die evangelische Kirche im Fürstenthum Brieg unmittelbar nach dem 30jährigen Kriege“; „Die Organisation der evangelischen Kirche im Fürstenthum Brieg während des 16. Jahrhunderts“; „Zur Geschichte des Pietismus in Schlesien von 1707 — 1740“; „Die eilfte Präbende des Kreuzstifts in Breslau“, Ferner in den folgenden Bänden: ‚Herzog Johann Christians von Brieg zweite Ehe mit Anna Hedwig von Sitsch und die aus der- selben abstammende piastische Nebenlinie der Freiherren von Liegnitz‘; „Die Ehepakten Herzog Johann Christians mit Anna Hedwig von Sitsch und der Vergleich mit ihren Halbbrüdern, den Freiherren von Liegnitz‘‘; der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 407 „Ueber die nova ecclesia «in der Urkunde des Bischofs Thomas I aus dem Jahre 1264“; „Herzogin Barbara von Liegnitz - Brieg, geb. Mark- gräfin von Brandenburg, ihr Hofhalt und ihre Regierung von 1586 bis 1595°; „Pastor Schiller in Krummendorf und der Freiherr von Waffen- berg in Prieborn, ein Beitrag zur Geschichte der Verwaltung und Rechtspflege in Schlesien unter österreichischer Herrschaft“; „Ueber Herzog Karls I von Münsterberg-Oels und seiner Schwester Margaretha von Anhalt Stellung zur Reformation“. Ausserdem hat Schimmelpfennig zusammen mit Dr. Schönborn einen Band „Schweidnitzer Chronisten“ herausgegeben und für das grosse Werk der Allgemeinen Deutschen Biographie verschiedene Artikel verfasst, die über Männer aus der evangelischen Kirchen- und Gelehrten-Geschichte Nachricht geben. Am 8. Juni 1879 unternahmen die historischen Vereine einen Ausflug nach Strehlen und dem Rummelsberg. Ueber die Burg, die vor Zeiten hier gestanden, hielt in der offenen, mit Laub- und Nadelholzreisern ge- schmückten Halle Schimmelpfennig einen fesselnden Vortrag. Wer hätte darüber besser unterrichten können, als er, welcher das Jahr vorher zu dem Büchlein eines anderen „Strehlen und der Rummelsberg‘“ das Geschichtliche mit kundiger Hand hinzugefügt hatte? Wenige Monate später, zu Michaelis 1879, trat Schimmelpfennig in den Ruhe- stand und siedelte nach Breslau über, wo er von seinen Freunden herzlich empfangen ward. Er nahm nun regelmässig an den Sitzungen des Vereins für Geschichte und Alterthum Schlesiens und der historischen Section theil. Er war ein aufmerksamer Zuhörer und ein beliebter Vortragender. In dem 62. und 63. Jahres - Berichte der Gesellschaft findet man solehe Abhandlungen: „Ueber die Altranstädter Convention und ihre Durchführung im Fürstenthum Brieg“; „Ueber die Huterischen Wiedertäufer in Mähren und Peter Riedemann, ihren Vorsteher‘. Ausser- dem verwaltete Schimmelpfennig mit gewohnter Pflichttreue die Bibliothek der Gesellschaft und gab in den Zeitungen Nachricht über die neuen Erwerbungen derselben. Endlich schrieb er eine lange Reihe von sorgfältig und liebevoll gearbeiteten Nekrologen für die Gesellschaft. Die Jahre des Ruhestandes verliefen glücklich. Am 14. November 1885 schenkten ihm einige Freunde und Freundinnen eine kleine Gabe mit folgenden Versen: Der siebzig Jahre nun gewandelt Im Jammerthal mit Freudigkeit, Und noch, von Aerzten unbehandelt, Zwanzig zu leben ist bereit, Ihm sendet zu der neuen Reise Das Kränzchen eine süsse Speise - Und wünschet, dass dies Angebinde Gefalle dem Geburtstagskinde. Jedoch der Wunsch der Freunde ging nicht in Erfüllung, sondern im Herbste des folgenden Jahres gerieth Schimmelpfennig, in die Hände der 408 Jahres- Bericht Aerzte. Eine schwere Operation brachte keine Heilung, und nach längerem Leiden starb er am 2. September 1887. Tief betrauerten Gattin und Freunde seinen Heimgang; sie werden des theuren Ver- blichenen nicht vergessen, so lange sie das Licht der Sonne schauen. Und wenn künftig von den gelehrten Schlesiern die Rede ist, welche sich um die Aufhellung der heimathlichen Geschichte verdient gemacht haben, wird auch sein Name mit Ehren genannt werden müssen. Pastor emer. Carl Julius Löschke wurde am 19. Mai 1809 zu ‚Görlitz geboren, wo sein Vater Tuchmacher war und ein kleines Haus besass. Obgleich Sohn eines katholischen Vaters, wurde er nach der Confession der Mutter evangelisch erzogen; ja nach Absolvirung des Gymnasiums beschloss er, evangelische Theologie zu studiren. Die Mutter war eine Deutsche, der Vater stammte aus dem Polnischen. So vereinigte Löschke alle Gegensätze unserer Provinz in sich, und dies trug wohl zu der seltenen Objectivität bei, welche ihn ausgezeichnet hat. Nachdem er in Breslau sein Universitätsstudium beendet, wurde er Rector zu Medzibor. Infolge seiner Thätigkeit an diesem Orte und . seines Rector-Examens erhielt er die zweite Religionslehrerstelle an dem evangelischen Lehrerseminare zu Breslau. Ungefähr 10 Jahre hat er als Seminarlehrer gewirkt, bis die vielfachen Missgriffe des Director Gerlach die Auflösung des Breslauer evangelischen Seminars veranlassten. Die Rechtfertigungsschrift (das Concept ist im Besitz des Sohnes, des commiss. Kreis-Schul-Inspectors Th. Löschke, z. Z. in Schroda), welche L. damals dem Ministerium einreichte, muss als eines der merkwürdigsten Actenstücke zur Geschichte des Volksschulwesens in Schlesien betrachtet werden. Nachdem Löschke einige Jahre unter Fortbezug seines Ge- haltes in Breslau gelebt hatte, erhieli er die Pfarrstelle in Zindel, Kreis Brieg, wo er über 30 Jahre in grösster Zurückgezogenheit verbrachte. Er war viermal verheirathet; erst aus der vierten Ehe erwuchsen ihm Kinder. Am Reformationsfest 1887 entschlief er sanft; seinen Sarg um- standen 10 Kinder und Schwiegerkinder. Der Schlesischen Gesellschaft hat er seit 1842 als wirkliches Mitglied angehört. — Löschke hatte das evangelische Christenthum so tief erfasst, als’es zu seiner Jugendzeit möglich war. Als Theologe zeigte er das Gemisch von Mystieismus, Orthodoxie und Rationalismus, welches jener Epoche eigen war. Als Pädagoge lebte und webte er in dem Idealismus Pestalozzi’s, nicht ohne Bewusstsein von den Schwächen desselben. Von Natur hatte er ein unbegrenztes, fast naives Vertrauen zu allen Menschen, welches auch die trüben Erfahrungen, die er namentlich bei Gelegenheit der Auflösung des Breslauer Seminars machte, nicht ganz zu rauben vermocht haben. Für Politik hatte er wenig Interesse und seine politischen Anschauungen waren sehr einfach, doch empfand er seit 1866 eine wachsende Be- wunderung für Fürst Bismarck und die grossen Männer unserer Zeit. der Schles. Gesellschaft für vaterl, Cultur. 409 9, Seine wichtigsten Schriften sind: Valentin Trotzendorf nach seinem Leben und Wirken. Breslau 1856. — Merkwürdige Begebenheiten aus der schlesischen und brandenburg - preussischen Geschichte, 5. Auflage. 1861. — Erzählungen aus der Geschichte alter und neuer Zeit, 4, Aufl. Breslau 1862. — Dr. M. Luther’s letzte Lebenstage, Tod und Begräbniss, 1. und 2. Aufl. Breslau 1846. — Die religiöse Bildung der Jugend und der sittliche Zustand der Schulen im 16. Jahrhundert. Breslau 1846, — Das Streben des ehemaligen Königl. Evang. Schullehrer-Seminars zu Breslau. Breslau 1861. — Zu Herzensfreude und Seelenfrieden, Klänge deutscher Dichter, 2. Aufl. Ratibor 1886. — Unter seinen Schriften haben vornehmlich die „Merkwürdigen Begebenheiten aus der schlesischen und brandenburg - preussischen Geschichte“ bedeutenden Einfluss geübt; auch die Schrift über Trotzendorf ist noch durch keine bessere in den Schatten gestellt worden. Kreisgerichts-Rath a. D. Friedrich Wilhelm Carl Oswald von Treutler wurde den 2]. November 1827 zu Neu-Weissstein, Kreis Waldenburg in Schlesien, als Sohn des daselbst wohnenden Geheimen Commerzienrathes Carl George Treutler und dessen Ehefrau Emilie, geb. Mentzel, geboren. Er besuchte nach zuerst erhaltenem Unterricht durch Hauslehrer die Rectorschule zu Waldenburg, kam mit 12 Jahren zu Professor Dr. Schönborn nach Breslau in Pension, wurde in die Unter- tertia des Magdalenen- Gymnasiums aufgenommen und machte an dieser Anstalt im Jahre 1847 sein Abiturienten-Examen. Hiernach studirte er 1848 zu Bonn und 1849 zu Berlin Jura und Cameralia, wurde am 3. April 1850 zum Auscultator, 1853 zum Referendar und 1857 zum Gerichts-Assessor ernannt. Gearbeitet hat. er in Breslau und Walden- burg, wo er 1867 Kreisgerichts-Rath wurde. Seit 1855 war er Mitglied des Kreistages, seit 1867 Kreisdeputirter für Waldenburg in Schlesien. Im Jahre 1857 vermählte er sich mit Clara Alberti in Waldenburg. Nach seines Vaters Tode nahm er Ende 1867 den Abschied aus dem Staatsdienste, um die Verwaltung der vom Vater der Familie hinter- lassenen ausgedehnten bergbaulichen, industriellen und ländlichen Grund- stücke zu führen, Der Verstorbene besass das Rittergut Neu-Lässig im Kreise Waldenburg, sowie die Eisengiesserei und Maschinenbau-Anstalt Carlshütte zu Altwasser,; er war 11 Jahre hindurch Vorsitzender des Steinkohlenbergwerks cons. Fuchs zu Weissstein, Mitglied des Pro- vinzial-Landtages und der Provinzial-Synode für Schlesien, ferner Vor- stands-Mitglied des Schlesischen Bankvereins und mehrerer industrieller Unternehmungen, sowie Vorsitzender von gemeinnützigen ul wohl- thätigen Vereinen im Kreise Waldenburg. 1884 wurde er in den erb- lichen Adelsstand erhoben, Er starb am 2. November 1887. Der Schlesischen Gesellschaft hatte er seit 1875 als wirkliches Mitglied an- gehört. Reiches Wissen, vielseitige Kenntnisse, ausgebreitetes Interesse, * 410 Jahres - Bericht Wohlthätigkeit, ernster, religiöser Sinn und treueste Pflichterfüllung waren dem Verstorbenen eigen. Derselbe hinterlässt seine Ehefrau nebst einer Tochter und zwei Söhnen. \ Forstmeister und Hauptmann a. D. Otto Wilhelm Gerike war geboren 1828 am 13. October zu Sorau N/L. als Sohn des Königlichen Oekonomie-Commissarius Wilhelm Gerike und dessen Gattin Henriette, geb. Stiller. Er war directer Nachkomme des allbekannten Bürger- meisters von Magdeburg, Otto v. Guerike, doch hatte der Grossvater — ein streng religiöser Prediger — den Adel damals abgelegt. Otto Gerike besuchte das Gymnasium seiner Vaterstadt und absolvirte dort im Alter von 18 Jahren das Abiturienten-Examen. Um sich dem Bau- fach zu widmen, trat er bei einem Feldmesser in die Lehre und wurde 1849 als Geometer vereidet, entschied sich aber dann zur forstlichen Carriere. Sein Militairjahr diente er beim Kaiser-Franz-Regimente in Berlin ab und studirte gleichzeitig Jura, später besuchte er noch 2 Jahre die Forst-Akademie zu Neustadt-Eberswalde. Nachdem er fast in allen preussischen Provinzen sich mit Messungen und forstlichen Arbeiten be- schäftigt hatte, wurde er 1864 zum Königl. Oberförster in Stoberau bei Brieg ernannt, in welcher Stellung er bis 1873 verblieb. Inzwischen machte er als Premier-Lieutenant im V. Armee-Corps den Feldzug von 1866 und als Hauptmann einer Landwehr-Compagnie den Krieg von 1870/71 durch. Drei Tage vor dem Ausmarsche nach Frankreich ver- heirathete er sich mit Elisabeth Hoffmann, einer Enkelin des in forst- liehen und wissenschaftlichen Kreisen vielgenannten Oberforstmeisters v. Pannewitz. Im Jahre 1371 lehnte er die Aufforderung, als Ober- förster nach den Reichslanden zu gehen, ab und wurde 1873 zum Forst- meister und Regierungs-Rathe an der Königlichen Regierung zu Gum- binnen ernannt. Am 1. Januar 1883 wurde er an die Königliche Regierung zu Breslau versetzt, wo er die Forst-Inspection Breslau-Brieg bis zu seinem Tode, am 10. November 1887, verwaltete; ausserdem war er Examinator beim Jäger-Bataillon in Oels. Im Jahre 1884 wurde er wirkliches Mitglied der Schlesischen Gesellschaft. Litterarisch be- schäftigte er sich nur fachwissenschaftlich, indem er verschiedene Auf- sätze, bald mit, bald ohne Nennung seines Namens in den Forstlichen Blättern von Dankelmann und in der Zeitschrift für Forst- und Jagd- wesen veröffentlichte. Sein Aufsatz „Ueber das Alter der Waldbäume“ (18386) fand auch in ausserdeutschen Kreisen hohe Beachtung. Geh. Sanitätsrath Dr. Moritz Blümner, geboren den 26. Januar 1810 in Breslau, erhielt seine Vorbildung auf dem hiesigen Gymnasium zu Maria-Magdalena, besuchte dann die Universitäten zu Halle, Berlin und Breslau behufs des medieinischen Studiums und wurde 1833 nach absolvirtem Studium zum Dr. med. promovirt. Nachdem er 1334 sein der Schles. Gesellschaft für vater]. Cultur. 411 medieinisches Staatsexamen überstanden, liess er sich in Breslau als praktischer Arzt nieder und erlangte bald eine umfangreiche Praxis, die in dem Jahrzehnt von 1860—1870 ihren Höhepunkt erreichte. Sein Wirken fand durch seine Ernennung zum Sanitätsrath die Anerkennung der Königlichen Behörden, und als er 1883 sein 50jähriges Doctorjubiläum feierte, wurde ihm der Titel eines Geheimen Sanitätsrathes verliehen. Durch das allseitige Vertrauen seiner Collegen war er zum Vorsitzenden des Vereins der Breslauer Aerzte gewählt worden, welches Amt er bis zu seinem Tode bekleidete. Er starb an einem Gehirnschlagfluss am 25. November 1387. Der Schlesischen Gesellschaft gehört er bereits seit 1835 an, daher zählte er zu ihren ältesten wirklichen Mit- gliedern. Zu unserem lebhaftesten Bedauern kann über den Lebensgang von zwei verstorbenen Mitgliedern nicht berichtet werden, da dieselben bei ihrer Aufnahme keine Lebensnachrichten im Album der Gesellschaft niederlesten und die Hinterbliebenen, trotz wiederholter Aufforderung, keine diesbezüglichen Mittheilungen machten. Dagegen fühlen wir uns zu um so grösserem Danke allen denen verpflichtet, welche durch bereit- willige Zusendung so reichlichen Materials es der Schlesischen Gesell- schaft ermöglichten, das Andenken der Heimgegangenen zu ehren. Die Nekrologe der Mitglieder Luchs, Pfeiffer, Wolff, Friedländer, Blümner und Schimmelpfennig haben Freunde und Fachgenossen der Verstorbenen im Manuscripte eingesendet, dafür sei den Herren Verfassern: Regie- rungs-Referendar a. D. v. Prittwitz und Gaffron, Ernst Trewendt, Dr. med. Alexander, Bezirks-Physikus Dr. med. Jacobi, Dr. med. Th. Körner und Direetor und Professor Dr. Reimann, hiermit im Namen der Schlesischen Gesellschaft verbindlichst gedankt. G. Limpricht. Druck von Grass Barth & Comp. (W. Friedrich) in Breslau. K ; ih & adsal I Date Due